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Full text of "Grundriss der vergleichenden Grammatik der indogermanischen Sprachen : kurzgefasste Darstellung der Geschichte des Altindischen ..."

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GRUNDRISS 


DER 


VERGLEICHENDEN GRAMMATIK 


DER 


INDOGERMANISCHEN SPRACHEN. 


KURZGEFASSTE DARSTELLUNG 
DER GESCHICHTE 


DES ALTINDISCHEN, ALTIRANISCHEN (AVESTISCHEN UND ALTPERSISCHEN), 

ALTARMENISCHEN, ALTGRIECHISCHEN, LATEINISCHEN, UMBRISCH-SAMNI- 

TISCHEN, ALTIRISCHEN, GOTISCHEN, ALTHOCHDEUTSCHEN, LITAUISCHEN 
UND ALTKIRCHENSLAVISCHEN 


VON 


KARL BRUGMANN uno BERTHOLD DELBRÜCK 


ORD. PROFESSOR DER INDOGERMANISCHEN ORD. PROFESSOR DES SANSKRIT UND DER 
SPBACHWISSENSCHAFT IN LEIPZIG. VERGLEICHENDEN SPRACHKUNDE IN JENA 


DRITTER BAND. 


— 0. ————_-— 


STRASSBURG. 
KARL J. TRÜBNER. 
1893. 





VERGLEICHENDE SYNTAX 


DER 


INDOGERMANISCHEN SPRACHEN 


B. DELBRÜCK. 


ERSTER THEIL. 


STRASSBURG. 
KARL J. TRÜBNER. 
1893. 


Pa Be 


‚Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung, vorbehalten. 









HARX ’ARD 
UNIVERSITY 
LIBRARY 















Vorrede. 


Ursprtinglich hatte K. Brugmann die Absicht, auch 
den syntaktischen Theil des Grundrisses selbst zu bearbeiten, 
worüber er sich in der Vorrede zum zweiten Theile folgender- 
massen äussert: »Ein dritter und letzter, minder umfänglicher 
Band soll die Syntax sowie ein Wortregister zu allen drei 
Theilen bringen. Ich gestehe gerne, dass mir lange der Mut 
fehlte, die Syntax, dieses in vielen Theilen noch so wenig oder 
in einer wissenschaftlich ungentgenden Weise bearbeitete und 
bis jetzt noch von Niemandem zusammenfassend dargestellte 
Capitel der allgemein-indogermanischen Grammatik, in diesen 
Grundriss aufzunehmen. Den Wurf nun doch zu thun, dazu 
bin ich nicht am Wenigsten durch B. Delbrück’s in diesem 
Sommer erschienene »Altindische Syntax« (Syntaktische For- 


schungen, 5. Band) bestimmt worden, eine Arbeit, die, wenn 


sie auch nicht sprachvergleichend gehalten ist, doch jetzt die 
Darstellung der Gesammtgeschichte der indogermanischen Syntax 
in mehreren Beziehungen nicht wenig erleichtert«.. Es bestand 
damals (1888) zwischen Brugmann und mir die Verabredung, 
dass ich aus dem, was sich mir im Laufe vieler Jahre ange- 
sammelt hatte, das Brauchbare beisteuern solle. Bei näherer 
Erwägung zeigte sich aber, dass ein solcher Plan nicht wohl 
ausführbar sei. Ich tibernahm die Syntax allein und bin auf 
diese Weise Theilnehmer des grossen von Brugmann in’s 
Leben gerufenen Unternehmens geworden. 


vi Vorrede. 


Ich kann mir freilich nicht verhehlen, dass das von mir 
Gelieferte in mehrfacher Hinsicht hinter dem von Brugmann 
Geleisteten zurücksteht. Während sein Grundriss die indoger- 
manischen Sprachen in einer bisher in ähnlichen Werken noch 
nicht erreichten Vollständigkeit umfasst, habe ich (aus Gründen, 
die ich S. 88 dargelegt habe), von der Heranziehung des Ar- 
menischen, Albanesischen und Keltischen völligabsehen müssen. 
Einen weiteren besonderen Vorzug des Brugmann'schen Werkes 
bilden nach meiner Ansicht die Literaturangaben, die, wenn sie 
auch naturgemäss nicht vollständig sind, doch dem Leser in 
wirksamer Weise helfen, sich ein Bild von den Schicksalen 
der einzelnen Probleme innerhalb unserer Wissenschaft zu ent- 
werfen. Mir fehlt es leider nach dieser Seite hin an Samm- 
lungen. Um wenigstens etwas für die geschichtliche Grund- 
legung zu thun, habe ich eine allgemein orientierende Einleitung 
voraufgeschickt. Im übrigen hoffe ich, dass man einem ersten 
Versuch die bezeichneten und mancherlei andere Lücken und 
Unvollkommenheiten zu gute halten wird. 

Was nun das in diesem Bande Dargebotene angeht, so habe 
ich selbstverständlich die Syntax mit der Formenlehre in Zu- 
sammenhang zu halten gesucht. Doch bin ich in der Auf- 
nahme neuerer Vermuthungen sehr zurückhaltend gewesen, so 
zurückhaltend, dass ich gewiss manchen meiner Fachgenossen 
als veraltet erscheinen werde. Bei den zahlreichen Belegen 
habe ich mein Augenmerk hauptsächlich auf Zuverlässigkeit und 
Verständlichkeit des Mitgetheilten gerichtet. In diesem Streben 
bin ich auf das liebenswürdigste von meinem Freunde A. Les- 
kien unterstützt worden, der nicht nur die litauischen und 
slavischen Belege in der Korrektur durchgesehen und verbessert, 
sondern mich auch in früheren Stadien der Arbeit durch Rath 
und Nachweis vielfach gefördert hat. Mit aufrichtigem Danke 
habe ich auch der Unterstützung O0. Wiedemann's zu ge- 
denken, durch dessen Mithilfe bei der Korrektur sowohl die 


Vorrede. ve 


Versehen des Setzers, als auch manche Irrthümer des Ver- 
fassers beseitigt worden sind. 

Verdriesslich war mir, dass ich mich bei mehreren Sprachen 
anderer Transskriptionen bedienen musste, als der mir seit 
lange geläufigen, und ich fürchte, dass trotz aller darauf ver- 
wandten Mühe ich hier und da in die alte Gewohnheit zurück- 
verfallen bin, so dass z. B. gelegentlich in avestischen Wörtern 
ein gA statt eines 7 stehen geblieben ist u. ähnl. Es wäre wirk- 
lich dringend zu wünschen, dass es zu einer verständigen Ver- 
einbarung auf diesem Gebiete käme. Sind wir doch bei dem 
Avestischen glücklich so weit gekommen, dass es bald unum- 
gänglich sein wird, zum Verständnis der immer wechselnden 
Umschreibungen die ÖOriginalbuchstaben in Klammern beizu- 
fügen. 

In der Anmerkung auf S. 581 dieser Schrift habe ich einer 
mir privatim mitgetheilten Meinung von Rudolf Schöll ge- 
dacht, der seitdem durch einen allzufrühen Tod hinweg- 
genommen ist. Sein Einfluss auf meine Arbeit ging weiter, als 
die Fassung der Anmerkung erkennen lässt. Er hat mich nicht 
bloss in manchen Einzelheiten freundschaftlich berathen, sondern 
hat auch durch seinen Zuspruch wesentlich beigetragen, mich 
zur Übernahme eines Werkes, dessen Gefahren und Schwierig- 
keiten mir nicht unbekannt sind, geneigt zu machen. Um so 
schmerzlicher bedaure ich, dass ich sein wohlerwogenes Urtheil 
nicht mehr vernehmen kann. 


Jena, August 1893. 
B. Delbrück. 


Inhaltsangabe. 


Seite 

Einleitung. 0. 

Erste Periode. Die Griechen. Dionysios Thrax 3—8. Apollonios 
Dyskolos 8—11. Zusammenfassendes Urtheil 11. 

Zweite Periode. Die Zeit bis zum Ende des achtzehnten Jahr- 
hunderts. Die Scholastiker 12—15. Sanctius 15—18. Locke 
18—20. Die allgemeine Grammatik 20—22. Christian Wolf 
22—25. Gottfried Hermann 25—31. Schlussurtheil 32. 

Dritte Peräodo. Vom Ende des achtzehnten Jahrhunderts an. Die 
Anregungen von Seiten der Philosophie (Kant, Fichte, 
Schelling, Hegel} 32—36. Die Entdeckung des Sanskrit 
36—37. Wilhelm von Humboldt 37—47. Franz Bopp 47—50. 
Jacob Grimm 50—54. Begründung der slavischen Philologie 
(Dobrowsky, Wuk) 54—56. Neue philosophische Anregungen 
von der Herbartischen Philosophie aus, H. Steinthal 56—58. 
Zuführung neuen Stoffes, a. von Indien aus (Erschliessung 
des Veda, das Böhtlingk-Roth’sche Wörterbuch) 58—61, b. von 
dem baltisch-slavischen Gebiet aus (Schleicher, Kurschat, 
Miklosich) 61— 63. Andere hervorragende Persönlichkeiten 
dieser Epoche: L. Lange, G. Curtius, A. Ludwig 63—66. 

Die neueste Periode der Sprachw:ssenschaft. Allgemeines 
66-69. Paul’s Prinzipien der Sprachgeschichte 69—72. 

Besprechung der wichtigsten syntaktischen Begriffe, 
Definition des Satzes 73—75. Die Satztheile und ihre Ein- 
theilungen 75—80. Die Grundbegriffe 80-82. Das Gebiet 
und die Theile der Syntax 82—85. 

Auskunft über den Umfang, in welchem die indoger- 
manischen Sprachen benutzt worden sind 85—88. 


Kapitel I. Das Geschlecht der Substantiva. 
L Die Bedeutungsgruppen. 


$ 1. Die Bedeutungsklassen in den Schulgrammatiken der klas- 
sischen Sprachen. Männer, Weiber, Völker, Monate, Winde 89—91 


$2. Bäume 2 2 2 2 oe 00er nne 91—92 
S3. Holz und Früchte. . . ..... ren 92—93 
5A Flüme oo orte. 93—94 


x Inhaltsangabe. 


Beite 
$ 5. Länder, Inseln, Städte, Erde und Schluss . ... . 2... 94—96 
$6. Grimm’s Versuch . . . » 2 22 rennen. 96—98 
$ 7. Schluss. - 2:2 0er rer y8 
I. Die Formgruppen. 
Vorausgeschickt ist eine Bemerkung über 
$ 8. Den Zustand im Germanischen. . . ». . 2 2220 0. 99—100 
$ 9. Den Zustand im Litauischen. . . . 2: 2 222000. 100—101 
$ 10. Übersicht über den Inhalt der folgenden Paragraphen . . 101—102 
$ 11. Die ö-Stämme. Allgemeines. . ».. 2.2. 2220200. 102—103 
$ 12. Sufüix @ im Baltisch-Slavischen . . . . 2.22... .. 103—105 
8 13. Sufüx 5a im Baltisch-Slavischen . . . » » . 222 2.. 105 
$ 14. Suffix &ö im Baltisch-Slavischen . . . .. » 2.20... 105—106 
$ 15. Die übrigen Suffixe im Baltisch-Slavischen . . . . .. . 106—107 
$ 16. Das Geschlecht der in $ 12—15 behandelten Wörter. . . 107—108 
$ 17. Griechisch-lateinische ö-Stämme. Allgemeines. . . . . . 108—109 
$ 18. Suffix a im Griechischen und Lateinischen . ..... . 109—111 
$ 19. Suffix «4 im Griechischen und Lateinischen . ..... . 111 
$ 20. Suffix #4 im Griechischen und Lateinischen. . .. . . . 111—112 
$ 21. Andere Sufflixe auf @ im Griech. und Lat. .......» 112 
$ 22. Die ga-Stämme . . 2.2.2.2... nn 112—113 
$ 23. Die o-Stämme im Griechischen. . .. .» . 2: 222.0. 113—116 
$ 24. Die o-Stämme im Lateinischen. . . ... 2 22200. 116 
$ 25. Allgemeines über die übrigen Stämme . . ...2..... 116—117 
8 26. Die #-Stämme 2 2 on mern 117—118 
$ 27. Die u-Stämme .. 2.2: 2200er nne 118—119 
$ 28. Die Stämme mit r-Sufixen . .. 2.2: 2220000. 119—120 
$ 29. Die Stämme mit s-Sufixen . . ..: 22220000. 120—121 
$ 30. Die Stämme mit n-Sufüxen . . .. 22220000. 121 
8 31. Die Wurzelnomina . .. 2.2 2er nr rennen 122 
III. Mehrgeschlechtigkeit. 

$ 32. Maskulinischer Singular und neutraler Plural im Arischen 123—125 
$ 33. Desgleichen im Griechischen und Lateinischen... . . 125—126 
8 34. Desgleichen im Slavischen. . . .. 2.2 22220002. 126—127 
$ 35. Zweifelhafte ähnliche Fälle . . .. . 222220200. 128 

$ 36. Doppelgeschlechtigkeit, verbunden mit Bedeutungsverschie- 
denheit . 2.222 or or rer. 128—129 
$ 37. Doppelgeschlechtigkeit ohne Bedeutungsverschiedenheit . 129—131 
$ 38. Zur Erklärung, Zusammenfassung . . ». » 2.2.0 .% 132—133 

Kapitel II. Die Numer: des Substantivums. 
I. Der Dusalis. 

8 39. Allgemeines . . . 22:2 20er rer een 133—135 
$ 40. Der natürliche Dualis. . . » 2: 2 2 2 2 0 2 rn ne. 135—137 
$ 41. Der elliptische Dualis. . . . . 2.2 2 2 2 2 nee. 137—138 


Inhaltsangabe. xI 


Seite 
Der elliptische Dualis mit einem Ergänzungsdual im Arischen 138—139 
Zroei und beide bei dem Dualis . .. .». 22220. 139—142 
- Dualia tantum . 2.2 2 2 Co on 142—143 
Bemerkungen über den Dualis in einzelnen Sprachen 
(Griechisch, Litauisch, Slavisch), Schluss . ..... . 143—146 
I Singularis. 
Begriffe der Masse . .... 2 2 Eur n 147—157 
Körpertheile . . . 2.2 2 2er ren 157—160 
Geräthe, Lokalitäten . - - » 2 2 2 m 2 rn ren 160—162 
Zeitabschnitte, Feste, Mahlzeiten. . . . . .. 22 2.. 163—165 
Verschiedenes. - - » 2 22 2 00 nr rer ren 165—166 
Abstrakta, die in konkrete Bedeutung hinüberschwanken 166-168 
Singularia und pluralia tantum. . .. 2.2. 2: 2220... 168—170 
Singulare in Plurale verwandelt und umgekehrt... . . . 170—171 
Elliptischer Plural . . 2... 2.2222 022. 171—1172 


Kapitel III. Die Grundbegriffe der Kasus und der Synkretismus. 


UM N WIN LEN Yan ur u 
er 
SEFSBARSE 


m u Er 
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ns 


& 76, 


L. Die Grundbegriffe der Kasus, 
A. Die Grundbegriffe der indischen Grammatik. 


Allgemeines. . . ». 2.2 2 0 er rrrrerennen 173 
Die Stammbegriffe in der indischen Grammatik . . . . . 173—175 
Der Akkusativ . 2 » 2 2 2 N I I EI re re nen 175—176 
Der Instrumentalis - . . . : 2: v2 2 rer en. 176-177 
Der Dativ . 2 2 2 oe 0 m en 177—178 
Der Ablativ . 2: 2 2: 0 Er ernne 178 
Der Lokalis . 2 00 ee ren 179 
Der Nominativ und Vokativ. . . 2: 22 2 22000. 179 
Der Genitiv . 2 2 2 2 2 0 oe ren 180—181 
Beurtheilung der indischen Lehren... ... 2.2... 181 
B. Erörterung der Grundbegriffe. 
Der Ablativ . . 2. 2 20er lerne 181—182 
Der Lokalis . . 2.2 2: 2m m rer nn 182—183 
Der Instrumentalis . . . 2 2: 2 2 2 Cr nenn 184 
Der Dativ . 2: 2 0 ee Er rn. 184—185 
Der Geaitiv .. . . 2: 2 222020 ren en 185—187 
Der Akkusativ . . 2 2 2 2 rn re ern nn 187—188 
Der Nominativ . . . 2: 2:2 m een ren 188 
Der Vokatir und Schlussbetrachtung . . . . . 2...» 188 
IL Synkretismus. 
Indogermanische Ursprache. . . . 2.2 2 2220000. 189-192 
Altindisch . 2 0000 or nn 192 
Iranisch .. 2. 20 Co 0 rer ernee 192—193 


N N WR U 
2 
je) 
. 


un mM un um 
> 
u 





Seite 
Italisch . 2. 2 2 oo een 195 
Germanisch . . . 2 20 2 rer ren 195—196 
Baltisch-Slavisch. . . . . : 2 2: 2 2 2 02 2000. 196—198 
Schlussbetrachtung.. . . ». : : 2 22er rennen 198—199 
Kapitel IV. Der Ablatiw. 
Übersicht . 2 2 2 2 20er. 200—201 
Der Ablativ bei Verben. 
Weichen, fernhalten, wegtreiben. . .. 2... 2...» 201—204 
Leer sein von (bedürfen), berauben. . . . . 2 2... 205—207 
Ausgehen von, entstehen. . ... 2 2222er 0.. 207—208 
Verfertigen aus . » . 2 2 Cr rennen 208—209 
Lösen, befreien, reinigen, retten, schützen ....... 209—211 
Entnehmen (kaufen), empfangen, hören, lernen, trinken, 
ergiessen, erwachen. . . 2: 22: 002er 0 0. 211—212 
Zurückbleiben hinter, sich verbergen, sich fürchten, vor- 
ziehen. 2 2 0 0 0 0 ner er ern n.e 212-213 
Verba der Gemüthsbewegung ne 213—215 
Der Ablativ bei verbalen Substantiven . . . x... . 215 
Der Ablativ bei Adjektiven. . .. 2. 2.222002... 215 
Der Ablativ bei dem Komparativ. . . 2... 20... 216 
Der freiere Ablativ . .. 2.22 2 02220000. 217 
Kapitel V. Der Lokalıs. 
Übersicht - - 2: 2 2 2 me rn 217—218 
Der Lokalis bei Ortsbegriffen. . . . . 22202200 218—222 
Der Lokalis bei Zeitbegriffen. . -. ». ». 2.22 222 0. 222—225 
Der Lokalis bei Personalbegrifien . . . . 2.2.2... . 225—226 
Der Lokalis bei anderen Begriffen. . . . 2... .... 227 
Der Lokalis bei Verben . . .... 22222200. 227—229 
Der Lokalis bei Adjektiven. . . »... 2220220. 229—230 
Zweifelhaftes . - 22.2 2 0er rer. 230 
Kapitel VI. Der Instrumentalıs. 
Allgemeines... 2.2: 2:2 20 rer ern en 231 
Bemerkungen über den Instr. im Avest. und Germ. . . 231—234 
Der soziative Instr. mit dem distributiven . . . .... 234—238 
Der Instr. der begleitenden Umstände. . . . . . .,. . 238—240 
Der Instr. der dauernden Eigenschaft . . . » » 2... 240—242 
Der Instr. des Mittels . ». 2. 220: 22 ee rc. 242 
Der Instr. der Raumerstreckung. . ee» 2 02... 00.%. 242—245 
Der Instr. der Zeiterstreckung. . . 0.» 2. 222.0. 245—246 
Der Instr. bei zusammensein und zusammenkommen (freund- 
lich und feindlich), vermischen, trennen . . . . . . . 246—248 


gı1l. 
$ 112. 
5 113. 
$ 114. 
$ 115. 
$ 116. 


$ 117. 
5 118. 


Inhaltsangabe. xım 


Seite 
Der Instr. bei machen, verfahren mit, herrschen über . . 248—249 
Der Instr. bei kaufen . . . 2 2 22 Er een. 249 — 250 
Der Instr. bei trinken (mit dem Instr. des Gefässes) . . 250 
Der Instr. bei füllen und verwandten Verben . .. . . 250—252 


Der Instr. bei sich erfreuen, geniessen, leben von . . . 252—254 
Der Instr. bei vertrauen und einigen anderen Verben der 


Gemüthabewegung . . . » >22 2 0 ren 254— 256 
Einige slavische Verba (lachen, schwören, duften) . . . 256 
Der ausmalende Instr. . . .. 2.2.22 0200 ne. 257 





Verba, bei welchen der Instr. mit dem Akk. in Konkurrenz tritt. 


$ 119. 
$ 120. 
$ 121. 
$ 122. 
$ 123. 
5 124. 
$ 125. 
5 126. 


$ 127. 


$ 128. 
$ 129. 


$ 130. 
$ 131. 


$ 132. 


$ 133. 
$ 134. 
$ 135. 
$ 136. 
$ 137. 
$ 138, 
$ 139. 


Regnen, schnauben, speien, schwitzen. .. ...... 257—258 
Verba des Bewegens im Slavischen und Germ... . . . . 258—260 
Sogenannter Dativ des Objekts im Germ. . .... . . 260—262 
Der prädikative Instr. im Litauischen und Slavischen. . 262—268 
Der Instr. bei dem Passivum. .... 2.2 20.20. 268—269 
Der Instr. bei Adjektiven ....... nen 269—270 
Der Instr. bei Komparativen . .. . 2.22 22000. 270—271 
Der freiere Instr. (der Ursache und der Beziehung) . . . 271—274 


Anhang. 
Der homerische Kasus auf giv). ». . «00. 2.200... 274-276 


Kapitel VII. Der Dativ. 


Allgemeines . 08 2 2 L 2 ET L L ER, 2 8 oo . oo © . . 277—279 
Bemerkungen über den Dativ im Altindischen, Iranischen, 
Germanischen - » » . 2 2 2 2 2 2 ren 279—281 


Der Dativ bei Verben, verbalen Substantiven 
und Adjektiven. 
Geben, sagen und verwandte Verba . .. . ..... . 281—282 
Helfen, dienen, hassen, zürnen, betrügerisch verfahren, 
freundlich gesinnt sein gegen (wollen, hoffen, sich 


wundern im Slavischen). . . . 2 2: 2 2 2 2 2000. 282—285 
Glauben, gehorchen, hören, Acht haben, bemerken, ver- 

stehen. . . 2 2 00 nor nee 285—286 
Walten, regieren (siegen) . . - .. 22222000. 286— 287 
Gewöhnen, lehren, lemen. . . . . . 2 22220000. 287 
Sein 2 2000 ren 287 — 258 
Der Dativ des Zieles. - - «2 2 2 2 2 2 ren. 288-293 
Der Dativ des Objekts im Germanischen . ...... 293—294 
Der Dativ bei verbalen Substantiven . . . . 2.2... 294—295 


Der Dativ bei Adjektiven. .... 22222000. 295— 296 





XIV 


$ 140. 
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$ 142. 
$ 143. 


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5 146. 


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$ 155. 


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$ 157. 


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$ 159. 
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$ 161. 
$ 162. 
$ 163. 


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$ 167. 
$ 168. 
$ 169. 
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Inhaltsangabe. 


L. Seite 

Dative zur Ergänzung der Satzaussage. 
Der dativus commodi . . . 2: >: 2 2 2 2 ren. 297 —298 
Der dativus ethicus. . . : 2: 2 2 En nr u een 298—299 


Der Dativ eines aktiven oder medialen Partizipiums . . 299—300 
Der Dativ der betheiligten Person bei passiven Parti- 


31 1) 7: EEE 300 
Der finale Dativ. . :. . : 22 rn nenn. 301—303 
Der Dativ von Zeitbegriffien . .. : . 2222000. 303 
Der adnominale Dativ . . . : : 2 20 2 er rn. 303—306 

Kapitel VIII. Der Genitiw. 
Allgemeines... 2. 2:22 Cr rennen 307—308 
L 
Der Genitiv bei Verben. 
Übersicht . . . . . . rn. 308—310 
Der Gen. bei wahrnehmen (nebst Anhang über griech. 

Verba wie p£dopa u.8.W) - 2 2: 220er 310—314 
Herrschen, walten, verfügen. . .. . 2:2 22220. 314 
Essen, trinken, geniessen, sich erfreuen an. ...... 314—316 
Geben, nehmen und Verwandte . . - -» 2 2 20 .. 316—318 
Der Gen. im positiven Existenzialsätzen im Serbischen, 

Russischen, Litauischen. . . . » 2» 2 2 2 2 220.2. 318—319 


Der Gen. belebter männlicher Wesen im Slavischen . . 319—321 
Die griechischen Verba berühren, erfassen, sich halten an, 

treffen, erlangen, theilhaftig werden ......... 321 
Füllen, sättigen . ..: 22er onen 322—323 
Gen. des ergriffenen Gliedes, während die Person im Akk. 

(oder bei passivischem Ausdruek im Nom.) steht . . . 323—324 
Der Gen. bei Verben des geistigen oder auch körperlichen 


Hinstrebens, Genitiv des Zieles . . . - 2 2 2 22.0. 324—327 
Wetten, spielen, nebst den verba judicialia ..... . 327—329 
Vereinzeltes im Griechischen, Lateinischen, Germanischen 329—331 
Der Gen. bei sein...» 2 2 2 nr re nr er rn 331—332 
Partitiver Gen. als Subjekt... ... 222022000 332 


Der Gen. bei verbalen Subst., der von Verbishergenommen ist 332 —333 


I. Der Genitiv bei Substantiven. 


Übersicht . . 2222222200. errrene 333—335 
Gen. des getheilten Ganzen. . . . .. 222er... 335—339 
Gen. des Stoffes. - .-.. 22 rer enen 340—341 
Der Gen. in negativen Sätzen im Baltisch-Slavischen . . 341—342 
Der Gen. des Besitzers. . . . 2: 220200 e. 342—346 
Der Gen. m der Umschreibung (definitivus) . ... . . 346— 348 
Der Gen. bei einem passivischen Partizipium ... .. 348 


Der Gen. der Eigenschaft (qualitatis) . . - . ».... 348—349 





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5 190. 


$ 191. 


$ 192. 
$ 193. 


5 194. 
$ 195. 
$ 196. 


$ 197. 
$ 198. 
$ 19. 
$ 200. 
$ 201. 


$ 202. 


5 203. 
$ 204. 


Inhaltsangabe. xV 


Seite 
Der subjektive und der ubjektive Gen. .. ...... 349—352 
Der Gen. bei Adjektiven. .. 2.2... 2220000. 352—356 
Der Gen. von Zeitbegriffen . . .. . 2222000. 356—359 
Der Gen. von Ortsbegriffen. . - . .. 2 222000. 359-360 
Kapitel IX. Der Akkusativ. 
Allgemeines...» 2: 2: 22er er rrrenen 360—361 
Akkusative im Avesta . ». 2. 2: 2:00 ren 361—362 
Der Akk. der Richtung. . . . ... 2: 2222200. 363—365 
Der Akk. des Inhalts .. 2... 2:2 2 2 2220 ne.n 365—370 
Anhang. Der Akk. bei Verben des Seins?. .. .... 370— 372 
Der Akk. der Zeiterstreckung. . . » » 222.200. . 372-375 
Der Akk. der Raumerstreckung. . . .. 22.2... 375—376 
Der Akk. des Objekts und des Resultats . ..... . 376—377 
Zwei Akkusative bei einem Verbum. . .. 2.2... 377—386 
Der Akk. bei verbalen Nominibus. . . . ....... 386—387 
Der Akk. der Beziehung -. . . ... 2 222000. 387—393 
Kapitel X. Nommativ, Vokatıv. 
Der Nominativ. . » 2» 2. 2: 2 022 er nen. 393—394 
Der Vokativ mit attributiven Wörten. . . 2. .... 394—396 
Vokativ und Nominativ durch und verbunden . ... . 396—397 
Der Nominativ für den Vokativ und umgekehrt . . . . 397—398 
Artikel und Vokativ . . . 2.2 2 2 22 ren 398—400 
Kapitel XI. Das Adjektivum. 
Allgemeines . . 2.22 200er 400—401 
Eigenthümlichkeit der Adjektiva in Bezug auf die Stamm- 
bildung 2 > 2 Comer 401402 
Motionsfähigkeit der Adjektiva . . . 2» 222020. 402—410 
Besondere Flexion der Adjektiva, vorzüglich im Germa- 
nischen und Litauischen . ... . 2222200 .. 410—411 
Steigerung der Adjektiva. . .. 2: 2220000. 411—415 
Steigerung von Substantiven . . . 2.222020 0. 415—416 
Komparativ und Superlativ einander in Bedeutung und 
Konstruktion berührend . . . .. 22222000 416—417 
Vergleichung zweier Eigenschaften . . . ....... 417 
Adjektiva aus Substantiven hervorgegangen . . .. . . 418—420 
Attributive Substantiva. - .. . 2 2 2 2er ne. 420— 426 


Die schwachen (bestimmten) Adjektiva des Germanischen 426—432 
Die zusammengesetzten (bestimmten) Adjektiva des Bal- 


tisch-Slavischen . . . - 2 2 2 2 2222er. 432—440 
Rückblick auf die Adjektiva des Germanischen und Bal- 

tisch-Slavischen . . 2. 2 2 2 2 2 0 2 rer. 440—441 
Adjektivum und Genitiv im Slavischen ........ 441—445 


Vergleichung mit dem Adjektivgebrauch der anderen 
Sprachen. -. 2 22 2 2 2 rennen 445—448 





XVI 


$ 205. 
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$ 207. 
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$ 210. 


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8 216. 


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$ 219. 
$ 220. 
$ 221. 


$ 222. 
$ 223. 
$ 224. 


$ 225. 
$ 226. - 
$ 227. 
$ 228. 
$ 229. 


$ 230. 
$ 231. 


Inhaltsangabe. 


Seite 
Adjektiva und Zahlwörter (viel, wenig, halb, mittel). . . 448453 
Adjektiva und Adverbia (esztpios u. ähnl)....... 453—460 
Kapitel XII. Die Pronomina. 
I. Die Pronomina erster und zweiter Person. 
Die Nominative im Verhältnis zur Verbalform . . .. . 460—461 
Unbetonte Formen obliquer Kasus . . . ....... 461 —466 


Allgemeines über die Kasus dieser Pronomina . . . . . 466-467 


I. Enkltitische Formen des Pronomens dritter 
Person. 


Immer-enklitische Formen (ai. im, av. im, i und is, gr. pıv, 
vv, ai. sim, av. him, altp. sim, av. hi, his, altp. sis, av. 


h, altp. daiy, dam, ai. na). 2 2 22222 467—473 
Formen, die orthotonirt und enklitisch sein können. . . 473—474 
Allgemeines über die Anwendung enklitischer Formen . 475 

II. Die Possessiva und der Genitiv. 
Possessiva und Genitiv. -. . 2. : 2200er. 475—4717 
IV. Das Reflexivpronomen. 
Das substantivische Reflexivpronomen . . . » » .... 477—486 
Das adjektivische Reflexivpronomen . . ........ 486—497 
Rückblick auf das Reflexivpronomen . . .. 2.2... 497—498 


V. Das Pronomen *to. 


Anaphorische Verwendung des substantivischen Pronomens 499—502 
Anaphorische Verwendung des adjektivischen Pronomens 502—506 


Hinweisung auf etwas Folgendes . . . vo». 2.2... 506-507 
Artikel . 2 2 2 Con. 507—509 
*o im Baltisch-Slavischen . . . 2: 222000. . 510 


VL Das Interrogativum und das Indefinitum. 


Das Int. und Ind. im Arischen, Italischen, Germanischen 511—517 
Das Int. und Ind. im Baltischen, Slavischen, Griechischen 517—520 


Rückblick . . 2 2 2 0 m re re ren 520—521 
Kapitel XIII. Die Zahlwörter. 

Die Zahlen von 1A. . . . 2: 2 m m 2 2 2 nen 522—523 

Die Zahlen von 5—10 . . . 2: 2 2 2 2 2 2 rn nen 523—526 

Die Zahlen von 11I—19. . . . 2. 2 2 2 2 nr 20er. 526 —528 

Die Zahlen von 20—90. . . . 2 2 re rn nr nen 528—532 

Hundert und Tausend . . . 2 22: En 0 nr 2 00a 532—535 


Kapitel XIV. Die Adverbra. 
I. Allgemeines über das Adverbium. 


Umgrenzung des Gebietes. . . 222000. . . 536—538 
Begriff der Erstarrung . . . . . >22 22200 538—541 


Inhaltsangabe. xvuI 


Erstarrungsvorgänge bei Substantiven und Adjektiven 
(abweichende Accente, veraltete Formen, isolierte Formen, 


Unempfindlichkeit für Genus Numerus Kasus) . . . . 541—545 
Erstarrungsvorgänge bei Substantiven . . ......° 545—547 
Übersicht über die hauptsächlich zur Adverbialbildung 

verwandten Substantivbegriffe. Zeitbegriffe (bei Tage, 

früh, abends, bei Nacht, heute, heint, gestern, vor- 

gestern, morgen, übermorgen, heuer, im vorigen Jahre) 547—553 


Fortsetzung. Ortsbegriffe. ..... 2.202000. 553—554 
Fortsetzung. Die übrigen Begriffe... ..... . . 554—555 
Erstarrungserscheinungen bei Adjektiven als solchen . . 555—556 


I. Übersicht über die Adverbialbildungen 
nach den Kasus. 


Ablativ. Altindisch und Avestisch . ....... . 556—559 
Ablativ. . Griechisch (die Formen auf x) . ...... 559—562 
Ablativ. Lateinisch (die adj. Adv. auf es, 0o,a..... 562—566 
Lokalis. Substantiva im Singular. .... 2.2... 566—569 
Lokalis. Substantiva im Dual und Plural. ..... . 569570 
Lokalis. Adjektiva (darunter gr. -ı, -ı) und Pronomina 570—573 
Instrumentalis. Substantiva im Singular. .... . 573—578 
Instrumentalis. Substantiva im Plural. . . ...... 578—579 


Instrumentalis. Adjektiva und Pronomina (griech. anf o) 579—584 
Fortsetzung. Adverbia femininischer Form (griech. auf 7) 584—588 


Fortsetzung. Adverbia pluralischer Form . ... .. . 588589 
Dativ... 2.2 Co EEE rennen 589— 590 
Genitiv . 2.2 CC 2 NE rennen 590—596 
Akkusativ. Akk. der Richtung ern. 596—597 
Akk. der Zeit- und Raumerstreckung . . . . .» .. - . 597—599 
Akk. des Inhalts. . ..:. 2 2 22 0 2 nenne. 599—601 
Akk. in der Apposition . .. 2: 2000. . . 601—604 
Akk. Adverbia verbalen Inhaltes (ai. am, gr. dov, da, önv, 

lat. dem) 2 2 0 0 er ren en. 604—610 
Adv. aus neutralen Adjektivis. Altindisch und Avestisch 610—614 
Fortsetzung. Griechisch und Lateinisch. . . . .. . .» 615—620 
Fortsetzung. Germanisch. . . . .. 2.2000 re. 620—622 
Fortsetzung. Litauisch (auch ar) und Slarisch . . . . -» 622—624 
Adverbia aus femininischen Adjektivis. . 2... 624—627 
Adverbia aus maskulinischen Adjektivis. . . .... . 627 
Nominativ .. 2.2: 2: 2. Er er ere nn ne 627—629 
Ungedeutete Formen des Griechischen (auf a) . . . - . 629—631 
Ungedeutete Formen des Lateinischen (auf ter). . . . . 631—632 


Ungedeutete Formen des Germanischen (auf got. ba, a, o, 

mit fick und ung) und des Baltisch-Slavischen . . . . 632—636 
Adverbia aus Präpositionen mit Kasus. . . . . 2. . 636—641 
Rückblick auf die Adverbia. . .... 2222 200. 641—643 





XvI 


Inhaltsangabe. 


Seite 
Kapitel XV. Die Prüpositionen. 
Einleitendes . -. . : 2 2000 rn. 643—647 
Il. Allgemeines über die Präpositionen. 

Präverbium und Verbum finitum . .. . 2:2 20... 647—652 
Präverbium und Verbum infinittum . . 2... 2. .2.. 652—653 
Präposition und Kasus . . .. 2. 222er. 653—654 
Die Präposition kann zum Verbum oder zum Kasus ge- 

zogen werden . .. 2. 222er. 654—659 
Die Präposition als Adverbium oder Partikel .... . 659—660 
Die Präposition in der Zusammensetzung . . . . 660—664 
Schlussbetrachtung. . . . » 22.0. . 664—665 
II. Die zugleich als Präverbia und Präpositionen 

gebrauchten Wörter. 
al. dpa, av. apa, gr. dr6, lat. ab, got. af . x. 2. . . 666-669 
ai. dva, av. altp. ava, lat. au, aksl. u... 2... . . 669671 
ai. anldr, av. antare, altp. antar, lat. inter (osk., umbr 

ante). - >: En. 671—673 
ai. dpi, av. aipi, gr. &rt. Dazu im Anhang lat. op, lit. ps 673—679 
ai. abhi, av.arwi, aıdi, altp. abıy, lat. 0b (amb-), germ. bi 

(umbı), slav. obü, dazu av. aus 681 Anm. . . x. . . . 679-690 
ai. dd, av. us, altp. ud und us, got. ul, 8... ....» 690—692 
ai. dpa, av. altp. upa, gr. ün6, got. uf (lat. sub) . 692—699 
lit. pö, pa-, lett. pa, aksl. po... .. 2 20.0. . 699—700 
al. pdri, av. pairi, altp. parıy, gr. ver lat. per, got. fair, 

lit. per (akal. pr&-). .. 200 rennen 700—715 
ai. prd, av. altp. fra, gr. rıpo, lat. pro- (prö), lit. pra- (prö), 

Blav. Pr0 .. 2 2 00er rennen . 716—723 
av. pastı und paitis, altp. patıy und paltıs, gr. ort und n6e 123—126 
ai. prdti, gr. zpotl, TPbE 2 2 een. 0... 726730 
ai. sdm, av. altp. ham, lit. sü, slav. sü . ...... . 730—734 

DI. Proethnische Präpositionen, welche nicht 

überall Präverbia sind. 
av. ana, gr. avd, lat. an-, got. ana, slav. na, nebst An- 

hang über lit. nÜ 2. 2: 22 one 734— 740 
ai. dnöi, gr. dvıl, osk. ant, got. and, lit. at... ... 740—741 
gr. perd, got. mip, nebst Anhang über gr. red . . . . 741743 
ai. pascä (-ad), av. pasca, pasne, altp. pasä, lat. post, lit. 

püskui, Da .» >» 2: 22 rennen 743—744 
ai. purd, puräs, av. para, parö, got. faura, faur . . . . 144—746 
ai. tirds, av. taro (tard), lat. trans, got. Bairh. ... . . - 746— 147 
ai. ® av. uparrı, "ap uparıy, gr. dbrtp, got. ufar (lat. 

super) . Pa EEE . . 1747-749 


Inhaltsangabe. XIX 


Seite 
av. adairı, got. undar . . 2: 2: 2200er. 749 
ai. dchä, gr. Eote, lat. usque (slav. Jeite) - . -. . 2.2... 1750—752 
IV. Proethnische Präpositionen, welche nicht 
Präverbia sind. 
ai. sdca, av. altp. hacä, altirisch sech, ai. sahd4 . . . . - 152—753 
ai. Bahis, lit. be, slav. bezü; gr. äveu, got. ınuh; altp. 
rädiy, Blav. rad...» 2 2 22 nern 753—754 
V. Übersicht über die Präpositionen in den 
Einzelsprachen. 
Arsch . 2:2. CE Een 1754—759 
Griechisch. . .... 2. 2 2 2202000. 759—763 
Italisch . . 2.2: Co Co on 763— 765 
Germanisch . . . 2: 2-20 0 r rn 165—767 
Litauisch . . 2 2 2 2 CE Er nen 1767— 769 
Slavisch. . 22: Co 0 m Er e rn 769— 771 
VL 
Einige in den Einzelsprachen entstandene Präpositionen. 771—774 
Index. . 2.2222 2 EEE rennen 775—793 


Nachträge und Berichtigungen. . . ». .» ev... 791—195 


Verzeichnis der wichtigsten Abkürzungen 
(vgl. 8. 87). 


AB. = Das Aitareya Brähmana, her. von Th. Aufrecht, Bonn 1879. 

ALL = Delbrück, Ablativ Localis Instrumentalis, ein Beitrag zur ver- 
leichenden Syntax, Berlin 1867. 

Äp. 8. 8. = The Srauta Sütra of Apastamba, ed. by R. Garbe, Calcutta 
1882 ff. 

Asböth = Russische Chrestomathie von O. Äsböth, Leipzig 1890 (vgl. oben 
8. 88 Anm.). 

AV. = Atharva Veda Sanhita, her. von R. Roth und W. D. Whitney, 
Berlin 1855. 

Bartholomae,AF. = Chr.Bartholomae, Arische Forschungen 1—3, Halle 1882 ff. 

Bartholomae, Handbuch = Chr. Bartholomae, Handbuch der altiranischen 
Dialekte, Leipzig 1883. 

Baunack (Studien) = J. und Th. Baunack, Studien auf dem Gebiet der 
griechischen und der arischen Sprachen I, 2, Leipzig 1888. 

BB. = Beiträge zur Kunde der indogermanischen Sprachen, her. von 
A. Bezzenberger. 

Bezzenberger, ZGLS. = A. Bezzenberger, Beiträge zur Geschichte der Li- 
tauischen Sprache, Göttingen 1877. 

Bielenstein, Gramm. = A. Bielenstein, Lettische Grammatik, Mitau 1863. 

Bielenstein, Lett. Sprache = A. Bielenstein, Die Lettische Sprache nach 
ihren Lauten und Formen erkl. und vergl. darg., Berlin 1863 u. 64. 

Böhtlingk = Sanskrit-Wörterbuch in kürzerer Fassung, bearbeitet von 
O. Böhtlingk, St. Petersburg 1879 f. 

Böhtlingk-Roth (BR.) = Sanskrit-Wörterbuch, hergusgegeben von der Kai- 
serlichen Akademie der Wissenschaften, bearbeitet von O. Böhtlingk 
und R. Roth, St. Petersburg 1855 ff. 

Brugmann = Brugmann’s Grundriss. 

Brugmann, Ein Problem = K. Brugman, Ein Problem der homerischen 
Textkritik und der vergl. Sprachw., Leipzig 1876. 

Brugmann, Griech. Gr.2 = K. Brugmann, Griechische Grammatik in I. 
Müller's Handbuch der klassischen Altertumswissenschaft, zweiter Band, 
2. Aufl, München 1890. 

Buslajev = Istoriteskaja grammatika russkago jazyka sostavl. 8. Buslaejvymü, 
4. Aufl, Moskau 1875. 








Verzeichnis der wichtigsten Abkürzungen. xxI 


Caland. = W.Caland, Zur Syntax der Pronomina im Avesta, Amsterdam 1891. 

Cauer = P. Cauer, delectus inscriptionum Graecarum propter dialectum 
memorabilium, 2. Aufl., Leipzig 1883. 

Chänd. Up. = Khändogjopanishad, kritisch her. und übers. von O. Böht- 
lingk, Leipzig 1889. 

eod. Mar. = Quattuor evangeliorum versionis palaeo-slovenicae codex Ma- 
rianug glagoliticus ed. V. Jagic, Berlin — St. Petersburg 1883. 

cod. Zogr. = Q. e. cod. glagoliticus olim Zographensis ed. V. Jagic, Ber- 
lin 1879. 

Collitz = Sammlung der griechischen Dialekt-Inschriften, her. von H. Col- 
litz, Göttingen 1884 ff. 

DanitiC = Danilie, Srbska Sintaksa I (nicht mehr erschienen), Belgrad 1858. 

Delbrück, Verwandtschaftsnamen = B. Delbrück, Die indogermanischen 
Verwandtschaftsnamen, ein Beitrag zur vergleichenden Alterthumskunde 
(Abh. der Sächs. Ges. d. Wiss. Band XI, 8. 337 £f.). 

Draeger = A. Draeger, Historische Syntax der lateinischen Sprache, Leip- 
zig 1874 ff. 

Ebrard = G. Ebrard, de ablativi locativi instrumentalis apud priscos 
seriptores latinos usu (comm. ex suppl. ann. philol. seorsum expr.), 
Leipzig 1879. 

Erdmann = O. Erdmann, Untersuchungen über die Syntax der Sprache 
Otfrids, Halle 1874 und 76. 

Fick = A.Fick, Vergleichendes Wörterbuch der indogermanischen Sprachen, 
4. Aufl., Göttingen 1890. 

Gabelentz-Loebe = Ulfilas ed. H. C. de Gabelentz et J. Loebe, Altenburg 
u. Leipzig 1836 fl. 

Gaedicke = C. Gaedicke, der Accusativ im Veda, Breslau 1880. 

Geldner, Drei yast = K. Geldner, drei Yasht aus dem Zendavesta über- 
setzt und erklärt, Stuttgart 1884. 

Geldner, Metrik = K. Geldner, Metrik des jüngeren Avesta, Stuttgart 1877. 

Geldner, Studien = K. Geldner, Studien zum Avesta, Strassburg (London) 
1882. 

Gort. = Die Inschrift von Gortyn, bearb. von J. und Th. Baunack, Leipzig 1885. 

Grassmann (Gr.) = Wörterbuch zum Rig-Vedsa von H. Grassmann, Leipzig 
1873 (gelegentlich ist mit Grassmann (Gr.) auch auf die Uebersetzung 
des Rigveda verwiesen). 

Grein = Ch. W. M. Grein, Bibliothek der angelsächsischen Poesie, Göt- 
tingen 1857 fl. 

Grimm = Jacob Grimm, Deutsche Grammatik. 

Günther = C. Guenther, de genuini quem vocant dativi usu Homerico, 
Halle 1884. 

Gunnl. — Gunnlaugssaga Ormstungu, her. von E. Mogk, Halle 1886. 

Hentze = C. Hentze, Die neueren Arbeiten auf dem Gebiete der home- 
rischen Syntax, Philologus XXIX, Bd. 1, 8. 120 ff. 

Holtze = F. G. Holtze, Syntaxis priscorum scriptorum Latinorum, 1—2, 
Leipzig 1861—62. . 

Hübschmann = H. Hübschmann, Zur Casuslehre, München 1876. 





xXxU Verzeichnis der wichtigsten Abkürzungen. 


IF. = Indogermanische Forschungen, Zeitschrift für indogermanische Sprach- 

und Altertumskunde, her. von K. Brugmann und W. Streitberg. 

Jagie (Archiv) = Archiv für slavische Philologie, her. von V. Jagie. 

Juhl = E. Juhl, de numeri pluralis usu Homerico, Halle 1879. 

Justi = Handbuch der Zendsprache von F. Justi. Leipzig 1864. 

Klinghardt = J. Klinghardt, de genetivi usu Homerico et Hesiodeo, 
Halle 1879. 

Köhler = A. Köhler, Ueber den syntaktischen Gebrauch des Dativs im 
Gotischen, Dresden 1864. 

Kress = J. Kress, Der Instrumentalis in der angelsächsischen Poesie, Mar- 
burg 1884, 

Kühner-Blass = Ausführliche Grammatik der griechischen Sprache von 
R. Kühner, 3. Aufl. besorgt von F. Blass, Hannover 1890 ff. (nur Theil I 
benutst. 

Kurschat = Grammatik der littauischen Sprache von F. Kurschat, Halle 
1876. 

Kurschat, Wb. = Wörterbuch der littauischen Sprache von F. Kurschat, 
Halle 1883, 

KZ. = Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung, her. von Th. Aufrecht 
und A. Kuhn (jetzt E. Kuhn und J. Schmidt‘. 

Lange = A. R. Lange, de substantivis femininis graecis etc. Leipzig 1885. 

Lanman, noun-inflect. = Charles R. Lanman, on noun-inflection in the 
Veda, New-Haven 1550 (from the journal of the American Oriental 
Society Vol. X). 

Leskien, Bild. d. Nom. = A. Leskien, Die Bildung der Nomina im Li- 
tauischen (aus dem 12. Bande der Abh. der Sächs. Ges. d. Wiss.\, 
Leipzig 1891. 

Leskien, Dekl. = A. Leskien, Die Declination im Slavisch-Litauischen und 
Germanischen (Preisschrift der Jablonowski’schen Gesellschaft), Leip- 
zig 1876. 

Leskien, Handbuch? = A. Leskien, Handbuch der altbulgarischen (alt- 
kirchenslavischen) Sprache, 2. Aufl, Weimar 1886. 

Leskien-Brugman = Litauische Volkslieder und Märchen, ges. von A. 
Leskien und K. Brugman, Strassburg 1882. 

Ludwig (L.) = A. Ludwig, Der Rigveda oder die heiligen Hymnen der 
Brähmana, Prag 1816 ff. 

Lund = G.F. V. Lund, Oldnordisk ordföjningslere, Kebenhavn 1862. 

Meisterhans? = K. .Meisterhans, Grammatik der attischen Inschriften, 
2. Aufl, Berlin 1888. 

G. Meyer, Gramm.? = Griechische Grammatik von G. Meyer, 2. Aufl, 
Leipzig 1386. 

Michels = V. Michels, zum Wechsel des Nominalgeschlechts im Deutschen, 
Strassburg 1889. 

Miklosich = Vergleichende Grammatik der slavischen Sprachen von F. 
Miklosich. ' 

Miklosich, GL = Lexicon Palaeoslovenico-graeco-latinum em. auct. ed. 
F. Miklosich, Wien 1862—1865. 


Verzeichnis der wichtigsten Abkürzungen. xXIm 


Miklosich, Wb. = Etymologisches Wörterbuch der slavischen Sprachen von 
F. Miklosich, Wien 1886. 
Moller = A. Moller, Ueber den Instrumentalis im Heliand und das home- 
rische Sufix yı (zıv), Danzig. 
Monro? = D. B. Monro, a grammar of the Homeric dialect sec. ed. Ox- 
ford 1891. 
MS. = Mäiträyani Samhitä, her. von L. v. Schroeder, Leipzig 1881 fl. 
Neue = F. Neue, Formenlehre der lateinischen Sprache, 2. Aufl., Berlin 
1877 ff. (von Theil II ist auch die 3. Aufl. benutzt). 
Obler = W. Ohler, Ueber den Gebrauch des Dualis bei Homer, Mainz 1884. 
Osthoff, Perf. = H. Osthoff, Zur Geschichte des Perfects im Indoger- 
manischen, Strassburg 1884. 
Paul :mhd. Gr.) = Mittelhochdeutsche Grammatik von H. Paul, Halle 1884. 
Paul, Prinzipien? = Principien der Sprachgeschichte von H. Paul, 2. Aufl., 
Halle 1886. 
Pischel-Geldner = Vedische Studien von R. Pischel und K. F. Geldner, 
Stuttgart 1889 ff. 
Pratje = H. Pratje, Der altepische Kasus mit dem Suffix gı, Göttingen 
1890 (Sobernheimer Programm!. 
Reiff = Dictionnaire russe-francais . ... par Ch. Ph. Reiff, St. P&tersbourg 
1835. 
Ribbeck, Partikeln = O. Ribbeck, Beiträge zur Lehre von den lateinischen 
Partikeln. Leipzig 1869. 
La Roche (Studien) = J. Ja Roche, Der Accusativ im Homer, Wien 1861. 
RV.= Die Hymnen des Rigveda, her. von Th. Aufrecht, 2. Aufl., Bonn 1877. 
SB. = The Catapatha-Brähmana, ed. by A. Weber, Berlin und London 1855. 
Schleicher = Litauische Grammatik von A. Schleicher, Prag 1856. 
Schleicher, Les. = Litauisches Lesebuch und Glossar von A. Schleicher, 
Prag 1857. 
Sehmalz?2 = !J. G. Schmalz, Lateinische Syntax in I. Müllers Handbuch 
der klassischen Altertumswissenschaft, 2. Band, 2. Aufl., München 1890. 
J. Schmidt, Vok. = J. Schmidt, Zur Geschichte des indogermanischen Vo- 
calismus, Weimar 1871. 
J. Schmidt, Pluralb. = J. Schmidt, Die Pluralbildungen der indogermanischen 
Neutra, Weimar 1889. 
Schweizer-Surber = Grammatik der lateinischen Sprache, bearb. von H. 
Schweizer-Sidler und A. Surber, Halle 1888, 
SF. = Symtaktische Forschungen von B. Delbrück und E. Windisch, Halle 
1871 ft. 
Speijer = J. S. Speijer, Sanskrit Syntax, Leyden 1886. 
Spiegel? = F. Spiegel, Die altpersischen Keilinschriften, 2. Aufl., Leipzig 
1881. 
Spiegel, Gramm. = F. Spiegel; Vergleichende Grammatik der alteränischen 
Sprachen, Leipzig 1882. 
Stolz? = F. Stolz, Lateinische Grammatik in I. Müllers: Handbuch der 
klassischen Altertumswissenschaft, 2. Band, 2. Aufl, München 1890. 


xXIv Verzeichnis der wichtigsten Abkürzungen. 


TB. = The Taittiriya Brähmana ed. by Räjendralälamitra, Calcutta 1859 ff. 
(in Bibl. ind.). 

TS. = Die Taittiriya-Samhitä, her. von A. Weber, Leipzig 1871—72 (in 
Ind.-Stud.). ' 

Vetter = Th. Vetter, Zur Geschichte der nominalen Declination im Rus- 
sischen, Leipzig 1883. 

Walther = E. Walther, de dativi instrumentalis usu Homerico, Breslau 
1874. 

Weidenkaff = C. Weidenkaff, de usu genitivi apıd Homerum, Halle 1865. 

Whitney = W. D. Whitney, a Sanskrit Grammar, sec. ed., Leipzig 1889. 

Wilken = Die prosaische Edda im Auszuge nebst Völsunga-saga und 
Nornagests-thättr, her. von E. Wilken, Paderborn 1877. 

Wölfflin (Archiv) = Archiv für lateinische Lexikographie und Grammatik, 
her. von E. Wölfflin, Leipzig. 

Wölfflin, Kompar. = E. Wölfflin, Lateinische und romanische Comparation, 
Erlangen 1879. 

Wolter = Wolter, razyskanija po voprosu o grammaticeskomü rod&, Peters- 
burg 1882. 

Wuk, Gr. = Wuk Stephanowitsch’ kleine serbische Grammatik, verdeutscht 
von J. Grimm, Leipzig und Berlin 1824. 

Wuk, Wb. = Lexicon serbico-germanico -latinum ed. Vuk Steph. Kara- 
dschitsch, Wien 1852. 

ZDMG. = Zeitschrift der deutschen morgenländischen Gesellschaft. 

ZFÖG. = Zeitschrift für die österreichischen Gymnasien. 


EINLEITUNG. 


Das Werk, dessen ersten Theil ich hiermit der Öfentli 
keit übergebe, führt den Titel: Vergleichende Syntax der in 
germanischen Sprachen. Es soll also in demselben versu 
werden, dasjenige wissenschaftliche Verfahren auf die Syn 
anzuwenden, welches auf dem Gebiet der Etymologie, der La 
und Formenlehre zu wichtigen Erfolgen geführt hat. Da ı 
ein solcher Versuch, wenigstens in dem Umfange, der mir ı 
schwebt, noch nicht unternommen worden ist (denn es gi 
bisher zwar einige vergleichend-syntaktische Einzelarbeit 
aber keine Gesammtdarstellung), so wird es sich empfehlen, 
nächst zu zeigen, wie man bisher die Syntax behandelt ] 
und sich zu fragen, welche Veränderungen sich etwa aus 
neuen Fassung der Aufgabe ergeben möchten. Das soll 
dieser Einleitung geschehen. 

Meine Absicht geht dabei nicht auf eine Geschichte ı 
Theorie der Syntax. Ich will nur versuchen zu zeigen, 
die wichtigsten der syntaktischen Begriffe in der vielhund: 
jährigen wissenschaftlichen Entwickelung allmählich herı 
getreten sind, sich vererbt und verändert haben. Nament] 
habe ich mein Augenmerk darauf gerichtet, deutlicher, als 
bisher geschehen ist, zum Bewusstsein zu bringen, dass 
Syntax fast während der ganzen Zeit ihres Bestehens eir 
bald stärkeren bald schwächeren Einfluss von seiten der Phi 
sophie ausgesetzt gewesen ist, was sich theils daraus erkl 
dass einzelne Grammatiker überzeugte Anhänger gewisser ph 
sophischer Systeme waren, theils, und zwar hauptsächlich, dar: 
dass aus der grossen Werkstatt der Philosophie allerhand . 
fälle durch verschiedene Kanäle in den grammatischen Betı 

Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm. Sprachen. 1. 1 





p) Einleitung. Erste Periode. Die Griechen. 


geleitet worden sind, deren sich die Arbeiter dann halb un- 
bewusst bedienten. Ich werde natürlich nicht umhin können, 
ım Verlauf der Darstellung zur Orientierung des Lesers mein 
eigenes Urtheil über den Werth der vorgebrachten Behauptungen 
abzugeben, doch soll die Erörterung hinter der Erzählung zurück- 
treten. Zum Schluss soll so viel von der Theorie, als mir nöthig 
scheint, kurz zusammengefasst werden. 

Was die Gliederung des erzählenden Theils der Einleitung 
betrifft, so versteht sich, dass ich mit den Griechen zu beginnen 
habe. Denn auf sie geht ja der grösste Theil unserer grammati- 
schen Weisheit zurück. Mit den Römern, denen in einer ausführ- 
lichen Geschichte der Grammatik eine unverächtliche Rolle zu- 
fallen würde, werde ich mich dagegen nicht beschäftigen, da sie 
für mich nur als Fortleiter der griechischen Anschauungen in 
Betracht kommen. Die zweite Periode soll die aprioristische 
Behandlung der Grammatik umfassen. Ich rechne dahin die 
Scholastiker und ihre Nachfolger (z. B. Sanctius) und schliess- 
lich auch noch Gottfried Hermann. Mit Wilhelm von Humboldt, 
Bopp und Grimm beginnt dann die dritte bis in die Gegenwart 
reichende Periode, die sich von selbst ın mehrere kleinere 
Abschnitte zerlegt. 


Erste Periode. 


Die Griechen. 


Eine Darstellung der gesammten griechischen Grammatik 
hat, wie es denn auch in Steinthal’s Geschichte der Sprach- 
wissenschaft bei den Griechen und Römern (zweite Auflage, 
Berlin 1890) geschieht, zuerst von den Philosophen, insbeson- 
dere von Plato, Aristoteles und den Stoikern zu handeln, dann 
die Thätigkeit der alexandrinischen Kritiker zu schildern und 
sich zum Schluß zu den grammatischen Lehrbüchern zu wen- 
den. Für meinen bescheideneren Zweck ist es erlaubt, von 
den beiden ersten Abschnitten abzusehen und sofort an das 
älteste schulmäßige Kompendium der Grammatik, die aller 
Wahrscheinlichkeit nach im ersten Jahrhundert vor Christus 


Einleitung. Erste Periode. Dionysios Thrax. 3 


verfasste Techne des Dionysios Thrax anzuknüpfen (vgl. _/ 
Dionysu Thracis ars grammatica ed. Gustavus Uhlig, Lipsiae 
1883). Diese nur wenige Seiten füllende Schrift hat, wie Uhlig 
mit Recht bemerkt, eine weitergehende Wirkung geübt als irgend 
ein andres Werk der profanen Literatur, selbst die Theile des 
Aristotelischen Organons nicht ausgenommen, sie legt ein merk- 
würdiges Zeugnis ab nicht bloss für den Umfang und die Dauer, 
sondern auch für die Strenge der von dem griechischen Geiste 
geübten Diktatur; auf ihr beruht die traditionelle Schulgram- 
matik des gesammten Occidents und eines erheblichen Theiles 
des Orients (vgl. Uhlig, zur Wiederherstellung des ältesten 
oecidentalischen Kompendiums der Grammatik, Heidelberger 
Festschrift zur 26sten Versammlung d. Philol. in Karlsruhe 1882). 
Die ersten zehn Paragraphen der Techne gehen uns hier nichts 
an. Dagegen ist es gerathen, ihren Inhalt von $ 11 an genauer 
vorzuführen. Der genannte Paragraph enthält die Definitionen 
der Begriffe Satz und Satztheil (oder, wie wir in mangelhafter 
Übersetzung des lateinischen pars orationis sagen, Redetheil). 
Die Definition des Satzes hat höchst wahrscheinlich gelautet: 
Ibyos Lori Adkemv ouvBeoıs dtavorav auroteAfi Snloüca (Uhlig, 
Festschr. 74), ein Satz ist eine Verbindung von Wörtern, welche 
einen in sich vollendeten Sinn darstellt. Die Definition von 
‘Satztheil’ lautet: Adfıc Zorl nEpos &Adyıorov Toü xard abvrakıv Adyon, 
d. h. Attıc ist der kleinste Theil des auf Zusammenfügung 
beruhenden Satzes. Solcher A&feıs oder p£pn) Adyou giebt es acht, 
die stets in derselben Folge aufgeführt werden. Es sind: dvon« 
Nomen, hjua Verbum, peroyn Partizipium, apdpov Artikel, avr- 
ovonla Pronomen, rzpödeoıs Praeposition, &rippnpa Adverbium, 
obvöecuos Konjunktion. Im einzelnen wird über sie folgendes 
behauptet. 

"Ovopa ist ein Satztheil mit Kasus (rtwrıxdv), einen Körper 
(söpa), z. B. ‘Stein’ oder eine Handlung (rpäypa), z. B. ‘Er- 
zıehung’ bezeichnend, allgemein angewendet, z. B. “Mensch, 
Pferd’, oder besonders (personell, {ölw;), z. B. ‘Sokrates’. Als 
Begleiterscheinungen (raperöptva) des Nomens treten auf die 
Geschlechter (y&vn: äpssvındv, UrAuxdv, oböftepov), die Numeri 

1* 


5 Ä 


ol x / 


Cr 
ar N S 


Einleitung. Erste Periode. Diorysios Thrax. 


’ 
(aprdyol:=& ei Suigd <, , rmburtindg), die Kasus (mtbocıs: &pß%, 
u ach xAntıxy). Ausserdem sind zwischen 
I evn und N eingeschoben eiö5n und oynparg, d. h., wie wir 
, sagen würden, verschie Arten der Stammbildung oder 
Klassen der Bedeutung, "wobei als Beispiele nicht loss Substan- 
tiva, sondern- äuch Adjektiva aufgeführt werden. - yayN\ 
“Pjiia ist ein Satztheil ohne Kasus, fähig Zei \ Personen 
> yad Numeri anzunehmen‘), Thätigkeit oder Leiden ansdrückend 
> \- “ (&vepysıav 4 nddos rapıoräsa).. An Begleiterscheinungen des 
Du Werbums sind (wenn Ar, n den eiön und oynpara und auch 
N By den dee tionsarten, die wir in der Formen- 
lehre behandeln, absehen) vorhanden die Modi (&yxAtosı;), näm- 
lich Indikativ (öptotıxn), Imperativ (npootaxtıxn), Optativ (eöxtınn), 
Subjunktiv (örotaxtınn). Endlich wird auch der Infinitiv (drap- 
euparos) dazu gerechnet. Sodann nach den Modi die Genera 
des Verbums (SrWebere: &v£pyeıa Aktivum, rados Passivum, 
peodrns Medium), die Numeri, die Personen (rpdowro), und 
die Tempora (xpövor, nämlich &veorw; die gegenwärtige, rape- 
Anludws die vergangene, yEilwv die zukünftige). 
Mertoyn ist ein Satztheil, welcher an dem eigenthümlichän _' N S 
Wesen (löidıtos) der Verba und Nomina theil hat (nertye). 
Die Begleiterscheinungen sind dieselben wie bein Nomen und 
Verbum ausser den Personen und Modi. 
‚> .& Apdpov ist ein Satzteil mit Kasus, welcher den Kasus 
(ci xAloeug) der Nomina voran- oder nachgegtellt wird. Der 
ı voranzustellende (rporaxtıxdv) Artikel ist 6,-der nachzustellende 
(Öroraxtıxdv) ist (&. Es werden also hier der griechische 
Artikel und das griechische Relativum zusammengeworfen, über 
deren etymologische Verschiedenheit uns erst das Sanskrit auf- 
geklärt hat. un .L 
Avrwvupia ist ein Satztheil, welcher an Stelle des Nomens 
gebraucht wird, bestimmte Personen bezeichnend. Es werden 


1) Die Worte von “fähig” bis ‘anzunehmen? (Exıdextixt, Xpövav re xal 
rposhrwv Kal dprdpmv) wären nach Uhlig, Festschr. 84 zu streichen, Dagegen 
vermuthlich noch die Worte xarnyöpnpa onpatvousa hinzuzufügen (s. unten 
8. 7). 


Einleitung. Erste Periode. Dionysios Thrax. 5 





dasu nur gerechnet die persönlichen Pronomina nebst ihren 
Possessivis. Was wir sonst Pronomina nennen, muss zum Nomen 
oder zum Artikel gestellt worden sein. 
TIpödesı; ist ein Satztheil, welcher all m yoranges u 
Bach sowohl in der Zudkn: Ge "in 
yA Er (suvräter, d.h. in der Verbindung mit Kası), 
re werden die achtzehn vorhandenen Präpositionen aufgezählt. 
9% ’Eripprpa ist ein Satzteil ‘ohne Flexion (rArtohf,‘ welcher” 
iq Verbus braucht, oder ihm hinzugefügt 
is Keyspeyp 4 Aniden Be, "Unter den ‘ 
&S; va haft Kich Arohl Wörter wie kadbı, y 
unter den änteydpeva brnarı Zei und Orts dverbia u. dgt- 
Aus der Menge der beigebrachten rather ungen ist zu er- 
/3ehen, dass unter äripprjua zusammengefasst wurde, was wir 
unter die Begriffe Adverbium, Partikel, Interjektion zu ver- 
theilen pflegen. len RAN 
Endlich oövdeopo; ist von \ Dionysios” so definiert worden: 
Atkız ouvödouca Srävoray usta takews nal to ts &purvelas xeynvös 
rınpodoa (8. Uhlig im Index unter ouvöeopos), d. h. ein Satz- 
theil, welcher Fi Sinn unter Innehaltung einer bestimmten 
TEE d welcher die Lücken dı 





Pas! uera Tai t sich darauf, dass man 
Kr 

ie kann, nicht aber 

das rip ! Sf die den Alten (auch den I 


im en, 


3  Aaupdvovza), z. B,'ö ur ehe nl. Übrigens werden die n., 
jespor eingetheilt“in RE Eoßjunditones copulativae (wozu 

y ausser xal u. ähnl. Be dv gerechnet werden), dıa- 
U ‚Beoxtıxol disjunctivae) suvartıxol Omi onann rapsasvaruno! cau- 
N \ sales, alzıokoyıxol vae, ouAkoyıotıxot 
\ . ratioenativae, endlich schon nten raparinpwparıxot 
tlıvae. 
ae die acht Redetheie der BA At %n hf banı der- 
hat die Folgezeit nicht viel verändert. Die Römer haben 
natürlich den Artikel, den sie in ihrer Sprache nicht hatten, 







N 


Ansch: , daks einige Wörter nur des Meırums wuer uer 
Schönheit wege wer‘ poo f adapou Evexey mapa- “ 





ale 
up ah 
‘ 





” 


6 Einleitung. Erste Periode. Dionysios Thrax. 


weggelassen. Wir ziehen ihn zum Pronomen, das wir auch 
sonst anders begrenzen. Zum Ersatz haben dann die Römer 
einen andern achten Satztheil aufgestellt, welchen sie aus dem 
erlppnpa mit seinen zahlreichen Unterabtheilungen lostrennten, 
nämlich die Interjektion, worin wir ihnen mit Recht gefolgt 
sind. Wir haben aber ausserdem aus dem &rippnpa noch einen 
weitern Satztheil herausgeschnitten, die Partikel, auf den wir 
uns freilich nicht viel einzubilden haben (vgl. Karl Ernst August 


. Schmidt, Beiträge zur Geschichte der Grammatik 219ff.),. Zu 


manchem Tadel geben die Definitionen der Satz- 
theile Veranlassung. Es fehlt vor allem der einheitliche Aus- 
gangspunkt, denn man versucht entweder das Wesen der 
Satztheile an sich aufzuklären, oder man legt (freilich mehr 
nebensächlich) Gewicht darauf, ob sie Flexionsformen haben 
oder nicht, oder endlich man beschreibt sie nach ihrem Ver- 
hältnis zu andern Satztheilen oder dem Gedanken des Satzes. 
Der erste der genannten drei Gesichtspunkte tritt bei den 
Definitionen des Nomens, des Verbums, des Partizipiums und 
Pronomens hervor. Das Nomen bezeichnet nach Dionysios ein 
oöpa oder ein rpäypa. Andre fassen die Begriffe etwas ab- 
weichend. “Aber immer — so sagt Steinthal, Gesch. d. Sprachw.?, 
2, 242 mit Recht — ob man owpa 7) rpäyna oder oödcla oder 
odola nerd rordentos oder bloss roLdtns sagt, dies ist insofern ganz 
gleichgültig, als man in jedem Falle in das Reich der sach- 
lichen Begriffe, der Logik und Metaphysik, und aus der Sprache 
heraus geräth.” Was das Verbum betrifft, so fehlt strenggenom- 
men in der Definition des Dionysios, wie sie oben mitgeteilt 
worden ist (dfjpd &orı Adkıs Antwrog &vepysıav F nados Tapıstaoa), 
der Versuch, das eigentliche Wesen des Verbums aufzufassen, 
denn &v&pyeta und xados sind doch nur Zustände des im Verbum 
enthaltenen Subjekts. Apollonios Dyskolos, von dem sogleich 
weiter gesprochen werden soll, findet das törov des Verbums 
(zwar nicht bei der Definition, aber sonst) im rpäypa, wie auch 
wir wohl nicht abgeneigt wären, im Nomen das Ding, im Ver- 
bum den Vorgang ausgedrückt zu sehen; aber es lässt sich doch 
nicht leugnen, dass es bedenklich ist, in dem Nomen owpa 7 


Einleitung. Erste Periode. Dionysios Thrax. 7 





zpäypa, in dem Verbum rpäypa zu erkennen. Es müsste noth- 
wendig in der Definition des Verbums enthalten sein, dass es 
Aussagewort ist. So definieren es die Stoiker, und vielleicht 
oder wahrscheinlicherweise hat auch die Definition des Diony- 
sios noch die Worte enthalten: xamydpnpa ompatvouoa (vgl. 
Uhlig, Festschr. 84), Apollonios aber wollte davon nichts wissen. 
Denn einmal ging er darauf aus, das Wesen des Verbums, 
nicht seine Aufgabe, zu definieren, und dann liess sich unter 
xarnydpnpa der Infinitiv nicht unterbringen, den er doch 
so zu sagen für das Verbum an sich hielt. Ausser dem Nomen 
und Verbum werden nach ihrem Wesen noch definiert das 
Partizipium und etwa noch das Pronomen, insofern angegeben 
wird, dass es die drei Personen ausdrücke. — Der zweite der 
genannten Gesichtspunkte, das Vorhandensein oder Fehlen von 
Flexionsformen, tritt nicht beherrschend hervor. Vom Nomen 
und ebenso vom Artikel wird gesagt, jedes der beiden sei ein 
u£pos Adyou rrurıxdv, das Verbum heisst eine Adiıs drtwro;, das 
Adverbium ein pe£pos Adyov Axkırov. Bei dem Pronomen, der 
Präposition, der Konjunktion wird etwas derartiges in die 
Definition nicht aufgenommen. Es würde also nicht im Geiste 
der alten Grammatik sein, wenn man die Satztheile ın flektier- 
bare und nichtflektierbare eintheilen wollte. — Der dritte 
Gesichtspunkt kommt bei den übrigen Satztheilen zur Geltung. 
Weder bei dem Artikel, noch der Präposition, noch dem Adver- 
bium, noch endlich der Konjunktion wird auf das Wesen der 
Begriffe an sich eingegangen. Vielmehr werden der Artikel 
(abgesehen von der Bemerkung, dass er rtwrıxdv sei) und die 
Präposition nur durch ihre Stellung vor oder nach andern 
Wörtern charakterisiert, das Adverbium nur durch sein Ver- 
hältnıs zum Verbum (das Verhältnis zum Adjektivum wird, da 
dieses nicht als besondrer Satztheil anerkannt war, nicht erwähnt), 
die Konjunktion nur durch ihr Verhältnis zum Sinne des 
Satzes. — Die drei genannten Gesichtspunkte nun haben auch 
den Grammatikern der Folgezeit zu schaffen gemacht. Und 
in der That verdienen sie sämmtlich Berücksichtigung. Nur 
darf man sie nicht, wie Dionysios es gethan hat, zusammen- 


8 Einleitung. Erste Periode. Apollonios Dyskolos. 


werfen, sondern muss jeden an seiner Stelle zur Geltung 
bringen. 

Der zweite Grammatiker, dessen ich zu gedenken habe, 
ist Apollonios Dyskolos aus Alexandria, der zur Zeit des 
Antoninus Pius in Rom lehrte, im Gegensatz zu dem für uns 
unpersönlichen Dionysios ein philologischer Charakterkopf, 
umfassende Belesenheit mit eindringendem und grüblerischem 
Scharfsinn verbindend, schreiblustig, streitbar. Wir haben ıhn 
schon soeben bei den Satztheilen gelegentlich erwähnt, deren 
Definitionen er vielfältig verbessert oder geändert hat, jetzt geht 
er uns an als der Vater der Syntax. Zwar die Wörter 
ouvraocsıv und guvrafıs wurden schon vor ihm in der Gram- 
matik gebraucht (wurde doch der Satztheil bei Dionysios defi- 
niert als n&pos &Adyıosrov tod xara auvrakıy Adyou), aber zepl suv- 
takewus de constructione hat er, so viel wir wissen, als erster 
einer unendlichen Reihe geschrieben. Die Grammatiker haben 
sich allezeit gern mit dem Korrigieren von Fehlern abgegeben. 
So hatte man denn schon vor Apollonios den Barbarismos 
getadelt, der an dem einzelnen Worte hervortrete, den Soloi- 
kismos, der bei der Verbindung der Wörter zum Vorschein 
kommt. Ferner hatte jemand den Satz ovros pe Erudbev für 
fehlerhaft erklärt für den Fall, dass die in Zrudev tätig gedachte 
Person eine Frau sei. An diese Thorheit knüpft Apollonios 
in der grundlegenden Stelle seiner Syntax (Anfang des dritten 
Buchs) an, indem er zunächst den Unterschied zwischen that- 
sächlicher und grammatischer Richtigkeit hervorhebt. Was ist 
nun aber grammatische Richtigkeit? In dieser Hinsicht muss 
man die Satztheile mit Flexion von denen ohne Flexion unter- 
scheiden. Bei den ersteren beruht die Richtigkeit in der Ver- 
bindung der auf einander passenden Formen, oder wie Apollonios 
sich sich umständlicher ausdrückt: Von den Satztheilen werden 
einige abgewandelt in Numeri und Kasus, andere in Personen 
und Numeri (wie das Verbum und Pronomen), einige in Ge- 
schlechter. Diese abgewandelten Satztheile nun sind durch die 
Zusammenfügung der Rede vertheilt zum Zweck der Verknüpfung 
mit dem worauf sie bezogen werden können {ty toü Aoyov 


Einleitung. Erste Periode. Apollonios Dyskolos. 9 


auvBEssı Avapsp£pıorar el; Enırnloxrv Too npoc 0 duvarar vepeadaı). 
So z. B. gehört zu dem pluralischen Verbum ein pluralisches 
Nomen nach Massgabe der in der Verbalform enthaltenen Per- 
son, Z. B. zpaypopev Aueis, ypapousıv ol Avdpwror!), und ebenso 
verhält es sich mit den Kasus und Genera. Anders ist es 
mit den Wörtern ohne Flexion. An sich könnten sie mit 
allen anderen Wörtern verbunden werden, da sie ja kein die 
Verknüpfung begrenzendes Zeichen an sich tragen. Das ist 
auch der Fall, doch wird bei einigen die Verwendbarkeit 
durch ihren Sinn beschränkt, so z. B. bei den Adverbien, 
welche eine bestimmte Zeitstufe, oder welche einen Wunsch 
ausdrücken u. 8. w. Aus diesen Grundgedanken nun begreift 
sich auch die Anordnung der Schrift repl ouvratews. Die wich- 
tigsten Satztheile sind die flexibeln, unter diesen wieder Nomen 
und Verbum, da ja, wie Apollonios sagt, ohne diese der ganze 
Satz nicht zusammengeschlossen wird (od ouypxielera). Da nun 
das Nomen in der auch von Apollonios hochgehaltenen Reihen- 
folge den Reigen eröffnet, so könnte man meinen, dass auch 
die Syntax mit dem Nomen zu beginnen habe. Aber das 
Nomen kommt doch erst da zu seiner rechten Geltung, wo die 
Verbindung (2rxırloxr) seiner Flexionsformen mit den Flexions- 
formen des Verbums in die Erscheinung tritt. Apollonios spart 
also das Nomen bis dahin auf und beginnt daher seine Schrift 
nicht mit dem Nomen, sondern mit denjenigen Satztheilen, 
die dem Nomen gegenüber eine dienende Stellung einnehmen, 
sei es, dass sie dem Nomen angefügt werden, wie der Ar- 
tikel (Buch I), sei es, dass sie an Stelle des Nomens treten, wie 
das Pronomen (Buch II). Im dritten Buch, wo das Verbum 
in den Kreis der Betrachtung tritt, folgt dann zuerst die schon 
berührte Grundlegung, darauf werden die Modi mit den Tem- 
pora und Personen, dann die Kasus des Nomens in ihrem 
Verhältnis (ihrer Abhängigkeit, wie wir sagen würden) gegen- 


1) Ist nicht die im Verbum enthaltene Person gemeint, sondern tritt 
en Wechsel ein (&v peraßaseı), so braucht keine Kongruenz stattzufinden: 
Tumtougı töy Avdpwmrov und törtoucı tods dvdpibrouc. Daraus sind später die 
Begriffe Kongruenz und Rektion entwickelt worden (vgl. Steinthal?, 2, 347). 





10 Einleitung. Erste Periode. Apollonios Dyskoles. 


über dem Verbum behandelt. Das vierte Buch bespricht die 
Präpositionen, welche ja sowohl zum Verbum als zum Nomen in 
Beziehung stehen. Der Rest des Werkes ist verloren gegangen. 

Zum Schluss will ich noch hervorheben, dass Apollonios 
vieles zum ersten Mal gelehrt hat (z. B. über den Artikel und 
das Pronomen), das noch heute gilt oder woran man noch 
heute anknüpft, aber dass er natürlich auch oft in seinen Er- 
klärungen in die Irre gegangen ist. So macht ihm z.B. der 
Singular des Verbums bei dem Neutr. plur. als inkongruent 
(axaraAAndos) Sorge, und er kann diese Konstruktion nicht 
besser rechtfertigen, als durch die Annahme, dass eine (durch 
Gleichheit der Form entschuldigte) Verwechselung zwischen 
Nominativ und Akkusativ eingetreten sei. So habe die fehler- 
hafte Konstruktion sich unvermerkt einschleichen können. 
Freilich war auch von ihm nicht zu verlangen, dass er 
schon damals auf die Hypothese hätte verfallen sollen, 
welche jetzt J. Schmidt in einem grundgelehrten Buche 
durchzuführen sucht, dass nämlich der neutrale Plural seinem 
Ursprunge nach eigentlich ein femininischer Singular sei. Ein 
zweiter merkwürdiger Fall begegnet uns bei der Kasuslehre. 
Bei den Kasus stellt Apollonios die in Betracht kommenden 
Verben zu Bedeutungsgruppen zusammen, die er dann mög- 
lichst unter einen Hut zu bringen sucht. So steht der Akku- 
satıv bei denjenigen Verben, die eine leidende Person neben 
sich erfordern, der Genitiv, wenn ein Affiziertsein durch den 
Begriff des Verbums ausgedrückt werden soll, der Dativ bei 
den Verben, welche eine Zuwendung bedeuten. Natürlich 
wollen sich nun viele Ausdrucksweisen nicht fügen, z. B. er- 
hellt nicht, warum man geuyw oe, toörov Yoßoüpa: und ähnl. 
sagt, da doch der Fliehende und Fürchtende selbst der Lei- 
dende ist. Bei dieser Gelegenheit nimmt Apollonios seine 
Zuflucht zur Ellipse, welche nicht bloss in der poetischen 
Rede vorkomme. Es fehlt ein öıd, wie es neben dem Gen. fehlt 
in oppnoeı nedloro. Wir sehen in diesen beiden Fällen Apol- 
lonios von Mitteln der Erklärung Gebrauch machen, welche die 
alexandrinischen Kritiker oft und unbedenklich anwenden, 


Einleitung. Erste Periode. Die Griechen. 11 





ebenso wie z. B. ihre indischen Kollegen. Ursprünglich ist 
diese Art der Erklärung nicht böse gemeint. Wenn Aristarch 
gelegentlich sagt, dass Homer den Dativ statt des Genitivs an- 
wende, so soll das eigentlich nur heissen, dass die Prosa an 
dieser Stelle den Genitiv gebrauchen würde, und wenn es 
heisst, dass etwas fehle (2/eireı), so soll damit ebenfalls ursprüng- 
lich nur gesagt sein, dass die gewöhnliche Rede noch das und 
das Wort setzen würde. Unter den Händen pedantischer 
Schulmeister oder verschrobener Grübler sind dann freilich 
Enallage und Ellipse zum Gegenstand gefährlicher Irrlehren 
geworden. 

Die Ausläufer der griechischen Grammatik nach Byzanz 
und Rom habe ich hier nicht zu verfolgen!). Dagegen wird 
man ein zusammenfassendes Urteil über die griechischen 
Leistungen erwarten. Um sich ein solches zu bilden, erwäge 
man vor allem die Grösse der Aufgabe. Die Sprache wird 
einer Generation nach der andern überliefert in Gestalt von 
Sätzen, innerhalb deren sich mehr oder minder deutlich einzelne 
Wörter abheben. Ein Theil derselben erscheint stets in gleicher 
Gestalt, andere vielförmig, aber doch so, dass sich ein bleibender 
gleicher Kern dem Gedächtnis einprägt. Die Wörter sind 
auf das mannigfaltigste innerlich verknüpft und an eine 
gewisse Reihenfolge gebunden. Wer nun dieses von den Vä- 
tern überkommene Instrument unausgesetzt anwendet, in dessen 
Innern bilden sich natürlich eine grosse Masse von Reihen, 
deren Glieder durch Form und Inhalt fester oder lockerer 
verbunden sind. Von allen diesen Reihen weiss der natürliche 
Mensch nichts; dass sie aber vorhanden sind, ergiebt sich daraus, 
dass eine Reaktion des Sprachgefühls eintritt, sobald in der 
Sprache etwas Ungewöhnliches erscheint, eine falsch gebildete 
Verbalform, ein Wort an ungewöhnlicher Stelle u. s. w. Alle 


1) Nur sei es erlaubt, zu bemerken, dass von einem Byzantiner bereits 
die lokalistische Kasustheorie aufgestellt worden ist, nämlich von Maximus 
Planudes (erste Hälfte des 14. Jahrh.), ein Beweis, wie naheliegend diese 
unricehtige Ansicht ist. Nach ihm bezeichnet der Genitiv das rößev, der 
Dativ das xoö, der Akkusativ das nr} (vgl. Hübschmann, zur Kasuslehre 26). 


12 Einleitung. Zweite Periode. Die Zeit bis zum Ende des 18. Jahrh. 


diese Typen nun aus dem Unbewusstsein in das Bewusstsein 
zu heben — und das ist doch die Aufgabe des Grammatikers — 
ist ein gewaltiges Unternehmen, das auch den hellsten Köpfen, 
selbst Männern wie Aristoteles, nicht auf den ersten Anlauf 
gelingen konnte. Die Griechen haben die schwierige Aufgabe 
zwar nicht so vollkommen gelöst, wie die Inder, aber doch so, 
dass wir noch heute von ihnen zehren. Ihr Mangel lag, was die 
syntaktischen Begriffe betrifft, wesentlich in ihrem Verhältnisse 
zur Philosophie. Sie haben sich von der Philosophie, die vor 
ihnen an den gleichen oder an ähnlichen Aufgaben ge- 
arbeitet hatte, freı gemacht, und sie haben daran insofern recht 
gethan, als Logik und Grammatik verschiedene Aufgaben 
haben. Aber sie haben damit auch dasjenige bei Seite gescho- 
ben, was sie zu ihrem Nutzen hätten verwenden müssen, näm- 
lich (um es in späterer Formulierung auszudrücken) die Be- 
griffe von Subjekt und Prädikat, ohne welche eine Syntax 
nicht auskommen kann. Dieses Versäumnis rächte sich, die 
zweite Periode steht überwiegend unter dem Zeichen der Phi- 
losophie. 


Zweite Periode. 
Die Zeit bis zum Ende des achtzehnten Jahrhunderts. 


Innerhalb des Zeitraums, den ich ın der zweiten Periode 
zusammenfasse, interessieren uns zunächst die Scholastiker, 
welchen ıch Sanctius, den berühmten Verfasser der Minerva 
anfüge. Dann wird von John Locke, der grammaire generale und 
dem Einfluss der Wolf’schen Philosophie die Rede sein. Denn 
die andern zwischen den Scholastikern und Kant liegenden 
‚philosophischen Systeme haben, soviel ich sehe, einen Einfluss 
auf die Syntax nicht gewonnen. 

Über die grammatischen Studien der Scholastiker unter- 
richtet man sich leicht aus der übersichtlichen Schrift von 
Thurot, welche Band 22, 2 des verdienstlichen Sammelwerkes 
Notices et extraits des manuscrits de la bibliotheque imperiale 
bildet (Paris 1868). In der Zeit, welche für uns in betracht 


Einleitung. Zweite Periode. Die Scholastiker. 13 


kommt, vom 12. Jahrhundert an, herrschte in dem grössten 
Theile von Europa eine Gleichheit der Bildung, von der wir 
uns heutzutage schwer eine Vorstellung machen können. Den 
Inhalt der Gedanken bestimmte die Kirche, das Rüstzeug zur 
Bearbeitung entnahm man dem Aristotelischen Organon (welches 
hauptsächlich durch die Übersetzung des Boethius bekannt 
wurde), die Sprache war die lateinische, die überall auf gleiche 
Weise gelehrt wurde. ‘Das Doctrinale des Alexander de Villa 
Dei (anfang des 13. Jahrhunderts) wurde in den Schulen diktiert, 
auswendig gelernt und kommentiert zu Paris, Oxford, Prag, 
Breslau und Bologna’. Natürlich, dass man auf die Formen- 
lehre, welche den Knaben eingebläut wurde, keinen besondern 
Werth legte (dieser Theil der Grammatik ist ja erst durch die 
vergleichende Sprachkunde zu rechtem Ansehn gekommen) ; 
das Hauptinteresse wendete sich auf die Syntax. Studium 
grammaticorum praecipue circa constructionem versatur, sagt 
ein Grammatiker des 13. Jahrhunderts. Doch geschah das 
nicht etwa in dem Sinne, dass die Thatsachen des Sprach- 
gebrauchs gesammelt worden wären. Eine solche Arbeit lag 
dem nach innen gekehrten Zeitalter fern. Man forschte viel- 
mehr nach den im Satze enthaltenen Begriffen. ‘Die Grammatik _ 
war nicht mehr die Kunst, richtig zu sprechen und zu schreiben. 
Sie war eine rein spekulative Wissenschaft geworden, welche 
nicht darauf ausging, die Thatsachen vorzulegen, sondern aus 
den letzten Prinzipien zu erklären.‘ Wenn es denn (so kann 
man weiter im Sinne dieser Denker reflektieren) bei der Sprache 
wesentlich auf die Begriffe, die Gedanken, das Innere ankommt, 
so ıst die äussere Erscheinung der Sprachen eigentlich gleich- 
gültig. Und so konnte die Frage auftauchen, ob nicht alle 
Sprachen im grunde genommen gleich wären, und mit ja beant- 
wortet werden. Die noch dem 18. Jahrhundert fremde Vor- 
stellung, dass eine Sprache aus dem Volke hervorgegangen ist, 
das sie spricht, dürfen wir natürlich in der Scholastik nicht 
suchen, und so können wir uns denn nicht wundern, schliess- 
lich dem folgenden Satz zu begegnen: non ergo grammaticus, 
sed philosophus proprias naturas rerum diligenter considerans, 


—__ 


14 Einleitung. Zweite Periode. Die Scholastiker. 


ex quibus modi essendi appropriati dıversis rebus agnoscuntur, 
grammaticam invenit (S. 124). Man kann also sagen: die 
Denker der damaligen Zeit waren auch in der Grammatik Schola- 
stiker, und zwar, wenn es erlaubt ist, ihre Terminologie auch 
auf die Grammatik anzuwenden, Realisten. Die universalia, d.h. 
in unserm Falle die grammatischen Begriffe waren ihnen ante 
rem. Im einzelnen ist zu bemerken, dass man sich besonders 
eifrig mit den Grundbedeutungen der Satztheile, den sog. modi 
significandi (d. h. etwa so viel wie Kategorien), beschäftigte. 
Man zählte derselben sieben, und um jeder dieser sieben willen 
ist der entsprechende Satztheil erfunden worden, so z. B. das 
Nomen wegen der Kategorie Substanz mit Qualität. Wichtig 
ist, dass wir ın der Definition des Verbums und damit des 
Satzes die Scholastik durchaus auf dem Standpunkte des 
Aristoteles finden. So heisst es bei Petrus Helias (12. Jahrh.): 
in omni perfecta oratione dicitur aliquid et de aliquo. Fuit 
igitur repertum nomen ad discernendum de quo est sermo, 
verbum vero ad discernendum quid dicitur de eo (S. 178), und 
ın etwas späterer Zeit: ad perfectionem locutionis duo sunt 
necessaria, scilicet suppositum et appositum. Suppositum est 
illud de quo fit sermo, .. . appositum est illud quod dicitur de 
supposito (S. 217). Die Ausdrücke ‘Subjekt’ und “Prädikat ge- 
brauchte man nicht, obgleich Boethius sie hat, wie wir später 
sehen werden. Deshalb konnte man den Nominativ auch nicht 
als Subjektskasus bezeichnen, sondern drückte sich über ihn so 
aus: nominativus est quidam modus significandi datus nomini 
ad designandum rem ut quod est alterum, quod clare videre 
potes dicendo Socrates currit. Nam Socrates significatur tamquam 
id quod est hujus cursus activum (S. 250). Das Wort Kopula 
erscheint bei Abälard, kommt aber keineswegs zu allgemeiner 
Geltung. Endlich dürfte hervorzubeben sein, dass in der Zeit der 
Scholastik der schon von römischen Grammatikern angewendete 
(vgl. Hübschmann, zur Kasuslehre 36 Anm.) Ausdruck regere all- 
gemein geworden ist. Petrus Helias lässt sich über denselben 
so vernehmen: Sicut in natura illud dicitur regere alıud, quod 
non sinit illud deviare, similiter in arte illa dictio dicitur 


Einleitung. Zweite Periode. Sanctius. 15 


regere aliıam, quae non sinit illam poni in alio casu vel genere 
vel numero. Unde regere est conferre poni in tali casu in quo 
stare debet ut in hac oratione ‚Socrates videt Platonem. Hoc ver- 
bum vıdet confert huic dictioni Socrates poni in nominativo solum. 
huic vero quod est Platonem in accusativo solum (S.243). Man 
beschränkte also regere nicht, wie wir es thun, auf die Ver- 
bindung des Verbums mit einem obliquen Kasus. Die Ver- 
engung des Begriffes regere finde ich erst im 16. Jahrhundert, 
und zwar bei dem Professor der Rhetorik und griechischen 
Sprache an der Universität zu Salamanca Francesco Sanchez 
de-las Brozas, dem Verfasser der zuerst 1587 erschienenen 
Minerva sive de causis latinae linguae commentarius. Sanctius 
hat auf die Folgezeit einen ganz ausserordentlichen Einfluss 
gehabt. Friedrich Haase sagt von ihm in seinen in der Mitte 
unsers Jahrhunderts gehaltenen Vorlesungen (her. von Eckstein, 
Band 1 S.25): “In Italien hat Monte gegen Sanctius geschrieben, 
in Frankreich und Spanien dagegen sitzt Sanctius als König 
der Grammatiker noch heutzutage viel fester auf dem Throne, 
als irgend ein anderer König in diesen Ländern’. Er verdankt 
diese weitreichende Wirkung nicht etwa seiner ausbündigen 
Gelehrsamkeit (obgleich er in Kenntnis des Alterthums hoch 
über den Scholastikern steht), noch auch philosophischer Tiefe, 
vielmehr, wie mir scheint, der Entschlossenheit seiner Behaup- 
tungen, die er mit echt philologischer Schnödigkeit gegen 
Andersdenkende durchzusetzen suchte, und der Übersichtlich- 
keit seines Schematismus. Dazu kommt, dass er in manchen 
seiner Behauptungen, z. B. über den Ablatıv, der nach seiner 
Versicherung immer mit Präpositionen verbunden wird!), un- 
mittelbar an das romanische Sprachgefühl anknüpft. Sanctius 
steht mıt den Scholastikern insofern auf einem Boden, als auch 


1) Er äussert sich darüber 8.195 so: in ablativo quem falso absolutum 
vocant, valde sunt allucinati grammatici: sed illis danda venia est; hoc enim 
altioris est considerationis, quam quo possit ingenium grammaticorum ascen- 
dere: ellipsis praepositionum. — Inwieweit Sanctiusin der Minerva von dem ' 
von ihm öfter beifällig erwähnten Jul. Cäsar Scaliger abhängig ist, habe Vv 

ich nicht untersucht. 


16 Einleitung. Zweite Periode. Sanctius. 


er aprioristisch zu Werke geht. Reliquum est igitur — heißt 
es $. 8 der Ausgabe von 1714 — ut omnium rerum ratio pri- 
mum adhibeatur, tum deinde si fieri poterit, accedant testimonia, 
ut res ex optima fiat illustrior. Ferner gleicht er ihnen in der 
Stellung, die er der Syntax anweist: Oratio sive syntaxis est 
finis grammaticae, ergo igitur non pars illius (S. 13). In der 
Lehre von den Satztheilen geht er sogar hinter die Scholastık 
zurück, insofern er sich wesentlich an die griechisch-römischen 
Grammatiker hält (die Ausdrücke Subjekt und Prädikat dürften 
bei ihm nicht vorkommen). Dagegen ist er uns auf diesem 
Gebiete wichtig durch eine neu auftauchende Eintheilung, über 
die er S. 15 sagt: cum igitur oratio sit finis grammatici (-ae?), 
excutiamus ex quibus haec oratio possit constitui, ita ut nihil 
sit quod per orationem non possimus enuntiare. Sunt autem 
haec tria, nomen, verbum, particula. Aus den folgenden 
Sätzen erhellt, dass Sanctius diese Dreitheilung den Arabern 
‚entlehnt hat, in deren Grammatık sie von alters her eine Rolle 
spielt, worüber man sich aus Benfey’s Geschichte der Sprach- 
wissenschaft belehren mag, der-8--188 folgendes bemerkt: 
‘Den besondern Anstoss zu einer sorgsamen Beachtung der 
Sprache gab schon der vierte der Khalifen, der grosse Ali, 
dieser als Krieger, Dichter und Weiser hervorragende edelste 
Repräsentant der arabischen Nationalität (gestorben 661, im 
40. Jahre nach der Hedschra). Er selbst belehrte den 
Abülaswad ad-Duil (gestorben 688), welcher ziemlich über- 
einstimmend als erster Grammatiker genannt wird; er bezeich- 
nete ihm als die drei Redetheile Nomen, Verbum und Partikel 
und empfahl ihm auf dieser Grundlage fortzubauen und das 
Gegebene durch weitere Ausführung zum Abschluss zu bringen. 
Die Einführung dieser Lehre des grossen Alı war für das Abend- 
land nicht ohne Bedeutung; wir werden ihr noch bei G. Hermann 
begegnen, der sie freilich in einer andern Weise, nämlich von 
der Logik aus, also im letzten Grunde auf Aristoteles zurück- 
gehend, zu begründen sucht. 

Nächst dieser Eintheilung der Satztheile ist für uns bei 
Sanctius wichtig seine Definition des Begriffes regere: In 


Einleitung. Zweite Periode. Sanctius. 17 


u — 


verborum constructione — heisst es S. 262 — duo consideranda 
sunt: concordia et rectio.. Concordia est mutua complexio 
nominis et verbi. Rectio est quum verbum ostendit vires et 
effectum in rem aliquam, unde verbum ostenditur activum vel 
passivum.’ Besonders einflussreich aber ist unser Grammatiker 
als Begründer der Ellipsentheorie. Ellipsen hatte man, wie 
wir oben S. 10 sahen, schon früher angenommen (wie denn 
auch jede natürliche Sprachbetrachtung auf diesen Begriff ver- 
fallen muss), aber nicht in dem Umfang und nicht mit der 
theoretischen Begründung, wie es durch Sanctius geschehen ist. 
Auf den Umfang mag man aus der Thatsache schliessen, dass 
das alphabetische Verzeichnis der Nomina und Partizipia, welche 
fehlen können, weit über 200 Nummern enthält, während doch 
die grössere Masse der Ellipsen erst in den folgenden Abschnitten 
steckt, welche von dem Fehlen des Verbums, der Präpositionen 
(vgl. oben S. 15 Anm.), der Adverbia u. s. w. handeln. Bei der 
Entwickelung der Theorie schreitet Sanctius mit einer gewissen 
Feierlichkeit zum Werke, indem er beim Beginn des vierten 
Buches zunächst erklärt, dass er diesem dasjenige zugewiesen 
habe, quae subtilioris sunt considerationis et maxime causas 
Latini sermonis aperiunt und dann fortfährt: ‘sed antequam ad 
hoc praeclarum munus accedo, illud videtur refutandum, quod 
ab istis Latini sermonis imperitis jactari consuevit, nihil ®sse 
supplendum, nam si supplendum est, ego amo Des et ego amo 
Deus erunt Latinae phrases, quia illic deest praeceptum hie 
autem guae praecepst. Quibus apte poterit responderi, illos com- 
muni sensu carere. Ego illa tantum supplenda praecipio, quae 
veneranda illa supplevit antiquitas aut ea, sine quibus gram- 
maticae ratio constare non potest. Nulla linguarum est, quae 
in loquendo non amet brevitatem, atque eo festivius quidque 
dieitur, quo plura relinquuntur intelligenda. Altud est, inquit 
Fabius, Latine aliud grammatice loqui. Excutiamus unum aut 
alterum poetarum versiculum. Virgil. 4. Aeneid. nec venit in 
mentem quorum consederis arois? grammaticus diceret: nec venst 
Kb, o Dido, ın mentem recordalio vllorum hominum, in quorum 
hominum arvis tu consederis? Terentius Heaut. vel me monere 
Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm. Sprachen. 1. 2 








18 Einleitung. Zweite Periode. Sanctius. Locke. 


hoc, vel percontarı, puta. Rectum est, ego ut faciam, non ut 
deterream. Grammatice dicetur: O Menedeme vel tu puta me 
monere tibi hoc negotsum, vel tu puta me a te hoc negolium per- 
contarı: quia si hoc negolium, quod negotium ego abs te rogo, 
rectum negotium est, ideo te tllud ego negotsum rogo, ul ego idem 
negotium faciam; at vero si hoc negotium, quod negolium tu 
facis, rectum negotium non est, hac quoque de causa illud nego- 
tium ego a te rogo, ut ego te ab illo negotio deterream. Das 
heisst also: wir ergänzen entweder das, was das Alterthum selbst 
ergänzte (worüber sich reden lässt), oder wir ergänzen dasjenige, 
was nach unserer grammatischen Theorie eigentlich vorhanden 
sein müsste. Damit ist natürlich der Willkür Thür und Thor 
geöffnet. Ein Massstab für die Beurtheilung der Ellipse ist nur 
dann zu finden, wenn man nicht von einem beliebig erdachten 
Idealsatze, sondern von dem überlieferten Satztypus innerhalb 
einer bestimmten Sprachperiode ausgeht. Darüber wird in der 
Syntax selbst zu handeln sein. Hier liegt mir nur daran, darauf 
hinzuweisen, dass die Ellipsentheorie in der aprioristischen An- 
schauungsweise wurzelt, die wır als scholastisch bezeichnen. 
Kommt man, wie wir es nach dem S. 12 angegebenen 
‚ Plane zu thun haben, von Sanctius’ Minerva zu John Locke’s 
| (1632-1704) Essay on human understanding, so spürt man eine 
völlig andre Luft, die Luft der modernen, auf Erfahrung ge- 
gründeten Wissenschaft. Der Grundgedanke dieses welt- 
berühmten Buches, dass all unser geistiger Besitz schliesslich 
auf die durch unsere Sinne vermittelten Anregungen zurück- 
geht, findet im dritten Buch Anwendung auf die Sprache. 
Doch wird die Syntax wenig berücksichtigt, höchstens dass im 
7. Kapitel flüchtig von den Partikeln gehandelt wird). Über- 
wiegend spricht Locke von der Entstehung und dem Werthe, 
der den einzelnen Wörtern, insbesondere den Substantiven und 


1) The words, whereby it (the mind) signifies the several affirmations 
and negations, that it unites in one continued reasoning or narralion, are 
generally called particles; and vt ıs in the right use of these, that more 
particularly consıists the clearness and beauty of a good style (Works 2, 229, 
London 1812). 


Einleitung. Zweite Periode. Locke. 19 


Verben, entsprechenden Begriffe. Bei diesem Geschäft lässt er 
sich u. a. von einem Gedanken leiten, den er S. 147 so aus- 
drückt : ıt may lead us a little towards the original of all our 
notions and knowledge, if we remark how great a dependence 
our words have on common sensible ideas: and how those, which 
are made use of stand for actions and notions quite removed from 
sense, have their rise from thence, and from obvious sensible 
ideas are transferred to more abstruse significations; and made 
to stand for ideas that come not under the cognizance of our 
senses: Y. g. to Imagine, apprehend, comprehend, adhere, conceive, 
instıl, dısgust, disturbance, tranquillity, etc. are all words taken 
from the operations of sensible things, and applied to certain 
modes of thinking. Spirit, in its primary signification, is breath: 
angel a messenger: and I doubt not, but if we could trace 
them to their sources, wfe should find, in all languages, the 
names which stand for things that fall not under our senses, 
to have had their first rise from sensible ideas. By which 
we may give some kind of guess what kind of notions they 
were and whence derived, which filled their minds who were 
the first beginners of languages etc. Aus dieser und ähn- 
lichen Ausführungen haben die Philologen den Satz gezogen, 
der ein Dogma der Sprachwissenschaft geworden ist, dass alle 
Wörter abstrakten Sinns ursprünglich konkrete Bedeutung ge- 
habt haben. In wie weit dasselbe bei den Empiristen unter 
den Grammatikern des achtzehnten Jahrhunderts Anwendung 
gefunden habe, weiss ich nicht zu sagen. Unzweifelhaft aber 
scheint mir, dass die Lokalisten unsres Jahrhunderts auf Locke’s 
Schultern stehen, wovon man sich überzeugen wird, wenn man 
folgenden Satz erwägt, mit dem Hartung die Begründung 
seiner Theorie über die Kasus eröffnet: “Unsre Wahrnehmung 
geschieht theils durch die Sinne, theils durch den Geist. Die 
sinnliche Wahrnehmung geht überall voran: dieser dient darum 
auch die Sprache früher als der geistigen. Demnach — so 
meint er — muss man sinnliche Motive als gesetzgebend bei 
Bildung der sprachlichen Formen betrachten und als Grund- 
bedeutung die annehmen, welche der Natur nach die erste ist, 
2% 











y11) Einleitung. Zweite Periode. Die grammaire gen£rale. 


d.h. die sinnliche (vgl. Rumpel, die Kasuslehre S. 89). Ich 
habe oben (S. 11) schon diese Theorie als unrichtig bezeichnet 
und werde später diejenige, die ich für richtig halte, vortragen. 
Jetzt möchte ıch nur bemerken, dass die lokalistische Theorie 
keineswegs mit Nothwendigkeit aus den Locke’schen Grund- 
anschauungen folgt. Locke sagt, dass die beginners, die eısten 
Sprechenden sensible sdeas gehabt haben werden; es ist ihm 
aber natürlich nicht entgangen, dass aus dem von einer Ge- 
neration der andern überlieferten inneren Vorrat mit der Zeit 
eine Masse von unsinnlichen Vorstellungen gebildet worden 
sind. Da nun die Kasus (wenn anders unsere Analyse der 
Flexionsformen auf irgend welche Wahrscheinlichkeit Anspruch 
machen kann) nicht zu den allerersten Schöpfungen des Vol- 
kes gehört haben, sondern erst im Laufe der Jahrtausende 
langsam entstanden sein werden, so liegt an sich kein Hıin- 
derungsgrund vor, in den Kasus solche Ideen verkörpert zu 
sehen, welche wir als abstrakt zu bezeichnen pflegen. 

Wir haben gefunden, dass alle bisher erwähnten Schrift- 
steller, wenn sie vom Griechischen oder Lateinischen sprachen, 
die Sprache als solche zu behandeln glaubten, da ihnen bei 
ihrer dürftigen Sprachkenntnis und ihrer aprioristischen Sinnes- 
weise eine gründliche Verschiedenheit der Sprachen nicht zum 
Bewusstsein gekommen war. So entwickelte sich denn natür- 
lıch der Gedanke einer allgemeinen Grammatik. Die 
erste derselben, die die Vorgängerin einer grossen Anzahl ähn- 
licher geworden ist, ist die Grammaire generale et raisonn&e, 
gewöhnlich nach dem Kloster, von dem sie ausgegangen ist, 
die Grammatik von Port Royal genannt, neben der eine im 
gleichen Sinne abgefasste, ebenfalls hochberühmte, Logik her- 
geht. Sie geht zurück auf die Lehre des Dr. Antoine Arnaud 
(1612—1694) und ist zuerst 1676 erschienen. Mir liegt die 
Ausgabe von 1756 vor. Der Sprachstoff, der dieser Grammatik 
als Grundlage dient, ist, wie sich nach dem eben Bemerkten 
erwarten lässt, sehr gering. Es werden benutzt das Lateini- 
sche, Griechische, Französische (letzteres in ziemlich erheblicher 
Ausdehnung), gelegentlich wird auch das Hebräische herbei- 


Einleitung. Zweite Periode. Die grammaire gen£rale. 2 


gezogen. Die Behandlung ist eine durchaus verstandesmässige, 
der Art, dass stets gefragt wird, zu welchem Zwecke die ein- 
zelnen Sprachformen erfunden worden seien. Was uns hier 
angeht, ist in der Kürze Folgendes. Die Betrachtung geht 
aus von dem Urteil (jugement) : Le jugement que nous faisons 
des choses, comme quand je dis “la terre est ronde’ s’appelle 
proposition; et ainsi toute proposition enferme ne&cessairement 
deux termes; Yun appell&E sujet, qui est ce dont on affırme, 
comme ‘terre’; et l’autre appell& attribut, qui est ce qu’on 
affırme, comme ronde’: et de plus la liaison entre ces deux 
termes “est'. Or il est aise de voir que les deux termes appar- 
tiennent proprement ä la premiere operation de l’esprit, parce 
que c’est ce que nous concevons, et ce qui est l’object de notre 
pensee; et que la liaison appartient & la seconde, qu’on peut 
dire etre proprement l’action de notre esprit, et la maniere dont 
nous pensons (S. 68). Entsprechend diesen beiden Haupttheilen 
des Urtheils werden die Satztheile nıcht, wie es bei Sanctius 
geschah, in drei, sondern in zwei Klassen eingetheilt. In die 
erste gehören diejenigen, welche den Gegenstand unserer Ge- 
danken (les objects des pensees) bezeichnen, nämlich Nomina, 
Artikel, Pronomina, Partizipia, Präpositionen und Adverbien, 
in die zweite diejenigen, welche die Form und Art der Ge- 
danken (la forme et la maniere des pensees) bezeichnen, näm- 
lich Verba, Konjunktionen und Interjektionen. In bezug auf 
die einzelnen Satztheile bemerke ich, dass beim Nomen Sub- 
stantiv und Adjektiv deutlich geschieden werden. Über das 
Genus heisst es: comme les noms adjectifs de leur nature con- 
viennent ä plusieurs, on a jug& a propos, ponr rendre le discours 
moins confus, et aussi pour l’embellir par la varıet® des termi- 
naisons, d’inventer dans les adjectifs une diversit& selon les 
substantifs auxquels on les appliqueroit (S. 74) und sodann über 
das Genus der Substantiva: linstitution ou la distinction des 
genres est une chose purement arbitraire, qui n’est nulement 
fond&e en raison, qui ne paroit pas avoir le moindre avantage, 
et qui a beaucoup d’inconveniens (S. 77). In der Lehre von 
den Kasus wird von dem Nominativ gesagt, seine Haupt- 


32 Einleitung. Zweite Periode. Die grammaire gen£rale. Chr. Wolf. 


anwendung sei, in der Rede vor alle Verba gesetzt zu wer- 
den, um das Subjekt des Satzes zu sein. Bei dem Genitiv 
werden eine Menge von Unterarten nach der Weise unseres 
partitivus, possessivus u. 8. w. aufgestellt. Die übrigen Kasus 
werden ungefähr wie bei Sanctius behandelt, doch tritt die 
Ellipse nirgends hervor. Das Adverbium ist erfunden worden, 
um die Rede abzukürzen (z. B. sapienter statt cum sapientia). 
Das wichtigste ıst für uns das Verbum. Es wird erklärt als 
un mot dont le principal usage est de signifier l’affirmation, c'est 
a dire, de marquer que le discours oü ce mot est employ£, est 
le discours d’un homme qui ne concoit pas seulement les choses, 
mais qui en juge et qui les affiırme (S. 145). Das heisst mit 
andern Worten: selon cela l’on peut dire que le verbe de lui- 
meme ne devoit point avoir d’autre usage, que de marquer la 
liaison que nous faisons dans notre esprit des deux termes d’une 
proposition (ebenda). In dieser Einfachheit ist aber nur das 
Verbum esse verblieben, oder strenggenommen nur est. Man 
hat mit ihm eine Menge von Attributen verbunden, und so ist 
die grande diversite des verbes dans chaque langue entstan- 
den. Auf diesen Gedanken übrigens, dass sein das einzige 
Verbum ist und allen anderen inhäriert, muss jeder verfallen, der 
den sprachlichen Satz für die leibliche Form des logischen Ur- 
theils erklärt. Er findet sich denn auch bereits bei Aristoteles: 
“und so ist denn eivaı das reinste ha, welches in jedem dripa 
enthalten ist und es dazu macht; denn ävdpwros Baötler ist so 
viel wie avdpwros Baötkwv Zoti (vgl. Steinthal* 1, 241), und wir 
werden ihm in der Folge noch öfter begegnen. Ganz geringfügig 
ist, was die grammaire generale über die eigentliche Syntax 
beibringt. 

Ich führe nun den Leser von England und Frankreich nach 
Deutschland, und zwar zu dem Hauptträger der Aufklärung 
Christian Wolf (s. 1679—1754), der desshalb in der Geschichte 
der Grammatik eine wichtige Persönlichkeit ist, weil er die Ter- 
minologie in demjenigen Theile der Logik, welcher die Gram- 
matik angeht, nämlich der Lehre vom Urtheil, zum Abschluss 
brachte. Um das zu veranschaulichen, führe ich in kurzer 


Einleitung. Zweite Periode. Lehre vom Urteil. 23 


Zusammenfassung die Entwickelung der Terminologie seit 
Aristoteles vor. Nach Aristoteles (aus dem die beweisenden 
Stellen von Trendelenburg in seinem nützlichen Büchlein 
Elementa logices Aristoteleae zusammengestellt sind, auf das 
ich mich hier beziehe), soll in der Logik nicht von allen Adyoı 
(Sätzen) die Rede sein, z. B. nicht von dem Wunschsatz, son- 
dern nur von denjenigen, in welchen Wahrsein oder Falschsein 
zum Vorschein kommt, also dem Behauptungssatz (Aoyos ano- 
yavtızös, Ev & To AAndeverv 7 devöesdaı ümapyeı). Jeder Be- 
hauptungssatz nun ist zunächst eine Bejahung (xarayasız), dann 
kann er eine Verneinung (aroyasıc) sein. Jede Bejahung oder 
Verneinung besteht aus ovona und häpe, ohne prjua aber giebt 
es weder Bejahung noch Verneinung. Neben övopa und prp« 
erscheinen bei Aristoteles die Begriffe vroxelpevov und xarmyo- 
poöpevov, welche sich ihrem gesammten Inhalt nach durchaus 
nicht mit övopa und päpa decken, aber an derselben Stelle wie 
diese verwendet werden können. Über sie sagt Trendelenburg, 
Geschichte der Kategorienlehre (Berlin 1846) S. 18: “Der ein- 
fache Satz tritt in Subjekt und Prädikat auseinander. Das 
Subjekt erscheint als die Grundlage, auf welche das Prädikat 
bezogen wird, das urxoxelnuevov, das, grammatisch gefasst, das- 
jenige ist, von welchem ausgesagt wird (xaß’ od Adyeraı), und 
real dasjenige, in welchem das Ausgesagte ist (dv @ E&arı). 
Daher vereinigen sich in vroxeluevov die Begriffe des Sub- 
jektes und Substrate. Wo ein Urtheil und eine Aussage im 
eigentlichen Sinne vorliegt, ist das Subjekt die tragende und 
erzeugende Substanz (ovola). Die ausgesagten Begriffe (arnyo- 
pouueva im eigentlichen Sinne) setzen das Subjekt voraus, und 
inwiefern sie nicht Substanzen sind, sind sie, real gefasst, in 
dem Substrate (suußeßnxora).. Das Substrat führt hiernach auf 
die erste Kategorie, die Substanz, die Prädikate auf die übn- 
gen. Von den Stoikern, deren Lehre vom Urtheil in Prantl's 
Geschichte der Logik 1, 438 besprochen ist, will ich nur er- 
wähnen, dass sie den Ausdruck atiopa eingeführt haben, von 
dessen mehrfachen Übertragungen (vgl. Prantl 1, 519) sich yudi- 
cium im Mittelalter durchgesetzt hat. Die aristotelischen Termini 





24 Einleitung. Zweite Periode. Chr. Wolf. 


droxeluevov und xarnyopoupevov sind durch subyectum und prae- 
dicatum übersetzt worden, und zwar, wie ich wiederum Prantl 
entnehme (1,696), von dem im Mittelalter unendlich viel gelesenen, 
jetzt nur noch ın der Literaturgeschichte lebenden Bo&thius 
(gest. 525), der sich so äussert: subjeotum est quod praedicati 
suscipit dictionem, praedicatum vero est quod dieitur de sub- 
jecto. Diese zwei Begriffe, in welche das Urtheil zerlegt wird, 
heissen ihm termins, est und non est dagegen sind ihm keine 
Termini, sondern signtficatio qualitatis. Es hat, wie meine 
Anführungen aus den Scholastikern und der grammaire generale 
gezeigt haben, mehr als tausend Jahre gedauert, bis die Aus- 
drücke Subjekt und Prädikat die sichere Weltherrschaft erlangt 
haben, nämlich wahrscheinlich bis zur Wolf’schen Philosophie. 
Im Mittelalter ist zu den Ausdrücken für die zwei Hauptbe- 
standtheile des Urtheils als dritter copula hinzugekommen, wel- 
ches nach Prantl 2, 196 zuerst bei Abälard (1079—1142) vor- 
kommt. Dass dieser den Ausdruck geprägt habe, lässt sich 
allerdings nicht behaupten. Prantl hält die Möglichkeit offen, 
dass er das ouvö&v der byzantischen Schultradition irgendwie 
kennen gelernt habe. Seine definitive Bestallung im Reiche 
der Logik erhielt der Ausdruck copula, so viel ich sehe, durch 
Wolf, aus dessen philosophia rationalis sive Logica methodo 
scientifica pertractata ed ad usum scientiarum atque vıtae aptata 
ich nach der Ausgabe von 1732 S. 216 ff. nunmehr die Haupt- 
stellen anführe. Sie lauten: $ 198. Omne judieium ex duabus 
constat notionibus, notione sctlicet rei, cus aliquid trıbustur, vel 
a qua aliquid removetur, et notione illius, quod eidem tribustur, 
vel ab eo removetur. $ 199. Emunciatio constat ex duobus ter- 
minis, quorum unus significat rem, de qua jJudicatur,; alter ıd, 
quod eidem tribuitur, vel ab eo removetur. E.munciatio enim 
est oratio, qua alterı judicium nostrum significamus. Quoniam 
itaque judicium duabus constat notionibus, altera scilicet reı, 
cui aliquid tribuitur, altera vero illius, quod eidem tribuitur, 
vel etiam ab ea removetur; in enunciatione adesse debet et 
terminus, quo indigitatur res, de qua judicatur, et terminus, 
qui significat illud, quod de ea judicatur. In enunciatione 


| 


Einleitung. Zweite Periode. Chr. Wolf. G. Hermann. 25 


adeo duo sunt termini ejus conditionis, quam posuimus in 
propositione. $ 200. Ilud, de quo judicatur, dieitur Sudjectum: 
quod vero rei cuidam tribuitur, vel ab ea removetur, Praedi- 
catum. Subjectum quoque audit terminus, quo res ista prae- 
dicatur, de qua judicium fertur, et praedicatum terminus, quo 
enunciatur, quid rei conveniat, vel non oonveniat. $ 201. In 
enunciatione seu propositione notiones vel conjunguntur, vel 
separantur, atque adeo voce quadam opus est, qua earum nexus, 
vel separatio indigitatur. Vocula ista, quae nexum praedicati 
et subjecti significat, dieitur Copula. Quodsi copulae praefi- 
gatur particula non; significabitur notionum separatio. Utimur 
autem tanquam copula verbo substantivo. $ 202. Copula non 
est nısi verbum substantivoum praesentis temporis. Denotat enim 
nexum inter subjectum et praedicatum intercedentem, qualis 
nempe repraesentatur in ideis nostris. Cum igitur in omni 
judicio nexus ille semper sit aliquid praesens; copula non esse 
potest nısi verbum substantivum praesentis temporis. $ 203. 
Copula in propositione vel expresse ponitur, vel ın termino, qui 
ad praedicatum pertinet, latet. Copula est verbum substantivum 
praesentis temporis. Sed illud verbum in omni propositione 
non apparet: quod per exempla est manifestum. In his igitur 
casıbus latet in termino ad praedicatum pertinente, cui respon- 
dens notio cum notione subjecti conjungenda. Dazu aus $ 205: 
affrmare idem est ac praedicatum aliquod tribuere cuidam sub- 
jesto; aus $ 206: affirmalions signum est copula; aus $ 207: 
negationis signum est particula negandi copulae praefiza. Über 
den wissenschaftlichen Werth dieser Wolf'schen Logik mag man 
nun urtheilen wie man will, jedenfalls war die mitgetheilte Fest- 
setzung der Terminologie in praktischer Beziehung sehr wichtig. 
Die Wolf’sche Logik errang für eine Reihe von Generationen 
die Herrschaft ın den gelehrten Schulen Deutschlands: es war 
durchaus nicht gleichgültig, ob den künftigen Philologen mit 
allem Nachdruck, dessen die Schule fähig ıst, eingeprägt wurde, 
dass das judicium und die propositio zwei oder dass sie drei 
Theile hätten. Das zeigt sich sogleich bei Gottfr. Hermann 
(1772—1848), zu dessen Schilderung ich jetzt übergehe. Man darf 


26 Einleitung. Zweite Periode. G. Hermann. 


sich durch den Glanz des grossen Namens nicht verführen lassen, 
den Werth der in der Schrift de emendanda ratione Graecae gram- 
maticae (Leipzig 1801) vorgetragenen Anschauungen zu über- 
schätzen. Dieses Buch bedeutet nicht einen Schritt vorwärts 
in ein neues Land, sondern ist eine Darstellung ungefähr von 
der Art der bisherigen. Gottfried Hermann als theoretisierender 
Grammatiker ist der Sanctius seiner Zeit. Er gleicht diesem 
seinem Vorgänger nicht bloss in dem hohen Ton und den kühnen 
Behauptungen, sondern vor allem auch, wie wir sogleich sehen 
werden, in der aprioristischen Gesinnung. Nach Hermann zer- 
fällt die Grammatik in die folgenden sieben Teile: de literis, 
de mensura syllabarum, de accentu, de metris, de partibus 
orationis, de constructione, de dialectis, welche übrigens in ver- 
schiedner Weise zu behandeln sind. Alıa enim (so heißt es 
S. vın) fontem habent rationem humanam, adjutricem autem 
experientiam, in aliis contra fons est experientia, ratio autem 
adjutrix. Von den Theilen insbesondere, die uns hier angehen, 
also zunächst der Lehre von den Satztheilen, heisst es: ea cum 
in exprimendis cogitationum notis versetur, non potest non solius 
rationis pervestigatione explicari, ad quam deinde ea, quae ex- 
perientia in cuiusque populi sermone suppeditat, accommodanda 
sunt (IX), und in bezug auf die Syntax: sexta pars quae est 
de constructione, quod ad summa capita attinet, ratiocinando e 
natura partium orationis prope tota colligitur. Demnach ist die 
Aufgabe des Grammatikers eine doppelte. Er muss dasjenige, 
was in der Sprache nothwendig und von der Natur selbst 
gegeben ist, wohl verstehen, und er muss sodann die einzelne 
Sprache auf ihrem besondern Wege zu begleiten wissen. Um 
der ersten Aufgabe gewachsen zu sein, bedarf er der Philo- 
sophie: in qua re est sane philosophia opus, sed absint a nobis 
partium studia, unde nıhil, nisı dissensiones contentionesque de 
rebus inutilibus nasci solent. Illud unum jure nostro postulare 
nobis videmur, ut categoriarum, quae vocantur, partitionibus uti 
liceat, quibus informatae animo ante omnem experientiam leges 
formaeque notionum intelliguntur (127). Hermann bekennt sich 
also zur Kantischen Philosophie, und so sehen wir ihn denn 


Einleitung. Zweite Periode. G. Hermann. 37 


ın der Grammatik (ebenso wie in der Metrik) von den logi- 
schen Hülfsmitteln dieser Philosophie, nämlich den Kategorien 
der Quantität, Qualität, Relation, Modalität mit ihren Unter- 
abtheilungen reichlichen Gebrauch machen. Die Stimmung im 
ganzen erinnert aber doch mehr an die Aufklärung. Oder wo 
könnte das fröhliche Selbstbewusstsein des aufgeklärten Indi- 
viduums sich herrlicher offenbaren, als in den folgenden Worten: 
Quamobrem si nunc, postquam mentis humanae naturam clarius 
perspicere coepimus, aliqua lingua non e diuturno sermonis usu 
paullatim colligenda, sed de integro tota et invenienda et per- 
firienda esset, credibile est, eam, etiam absque aliarum exemplis 
Iinguarum, in quae quis intueretur, omnes perfectionis numeros 
impleturam esse (1). Im einzelnen geht uns besonders die 
Gliederung der Satztheile an, über die Hermann sich wie folgt 
äussert: ordienda est autem naturae linguarum explicatio a par- 
tibus orationis. Earum antiquiores grammatici magnnm numerum 
posuerant, quem deinde, qui rem clarius perspexissent, ad tres 
partes orationis revocarunt. Scilicet quum omne linguarum offi- 
cium eo contineatur, ut animi cogitationes signis quibusdam 
declarentur, totidem quaeque lingua signorum formas habeat 
necesse est, quot sunt partes cogitationum. Atque unaquaeqyue 
cogitatio, quae nunc judicium, nunc enuntiatio, nunc aliis nomi- 
nibus vocatur, tribus omnino constat iisque necessarlis partibus: 
prima quam subjectum philosophi vocant, quo significatur res, 
de qua quid dieitur; secunda quam praedicatum appellant, quo 
indicatur id, quod de aliqua re dieitur; tertia denique, quae 
. copulae nomen habet, quo praedicati et subjecti exprimitur con- 
sociatio. Quae quum ita sint, tres etiam erunt orationis partes, 
quae illis cogitationum partibus respondeant. Ac subjecti nota 
dieitur nomen, quo significatur res, de qua aliquid enunciarı 
queat; praedicati nota particula est, qua indicatur conditio, 
quae per se nulla est, nisi si rei alicui assignetur; copulae deni- 
que nota verbum vocatur, cujus ope praedicatum tribuitur sub- 
jeeto, conditioque intelligitur esse rei alicujus conditio. Itaque 
nulla reperiri potest enunciatio, qua non contineantur tres istae 
orationis cogitionumque partes. Nam si quae sunt enunciationes, 


28 Einleitung. Zweite Periode. G. Hermann. 


quae duabus tantum aut una etiam orlationis parte videantur 
constare, ut ‘sol oritur’, ‘vivo’, iis videtur tantum aliquid deesse, 
non vere deest. Significantur enim istis exemplis haec: ‘sol oriens 
est‘, ‘ego vivens sum’. Neque vero hoc debet offensioni esse, 
quod in hisce atque aliis plurimis exemplis, si Graeca Latinaque 
lingua exprimuntur, particulae loco nomen adjectivum occurrit. 
Id enim vitio istarum linguarum, non rei necessitate fit. Id quod 
clarissime e Germanica lingua cognoscitur, cujus in hac quidem 
re admirabilis veritas est atque simplicitas. Nos enim non nomen 
adjectivum jungimus substantivo, sed adverbium, ut in his, “das 
pferd ist gut, besser, am besten’, plane, ut rei natura postulat, 
simplici conditionis nota cum subjecto copulata. Quanto opero- 
sius Latini et Graeci, ‘equus bonus est, melior, optimus’, 6 
Innos ayadds &orı, xpelsowv, Peitıstos. Quo quid alıud signi- 
ficant, quam hoc, “equus est equus bonus, equus melior, equus 
optimus’? Woher die in den angeführten Worten enthaltenen 
Ansichten stammen, ist dem Leser meiner Ausführungen bekannt. 
Die Eintheilung der Satztheile in nomen, verbum, particula hat 
Hermann von Sanctius, der sie seinerseits den Arabern entlehnt 
hatte. Hermann aber unterscheidet sich von Sanctıus dadurch, 
dass er die Dreizahl begründet, und zwar thut er das, indem er 
die Gleichsetzung von logischem Urtheil und sprachlichem Satz 
in der Gestalt, wie sie in der Wolfschen Philosophie aus- 
gesprochen war, aus dieser herübernimmt. So entspricht denn 
dem Subjekt das Nomen, der Kopula das Verbum, dem Prä- 
dikat die Partikel. Sogleich aber zeigen sich die bösen Folgen 
dieses Verfahrens bei Hermann in voller Klarheit. Ich ver- 
weile bei denselben einen Augenblick, weil sie zum Theil noch 
bis in die Gegenwart fortwirken. An den Indikativsätzen der 
indogermanischen Sprachen (von andern Sätzen und Sprachen 
ganz zu geschweigen) können wir drei Typen unterscheiden, 
einen theillosen, z.B. pluit, einen zweitheiligen, z.B. equus currit, 
einen dreitheiligen, z. B. terra est rotunda. Der letztere stimmt 
(namentlich wenn man die gewöhnliche Wortstellung terra ro- 
tunda est verlässt) mit dem logischen Urtheil seiner Form nach 
überein. Wer sich nun entschliesst, diesen Satztypus als den 


Le 


a en 1 — 


Einleitung. Zweite Periode. G. Hermann. 9 


eigentlich gesetzmässigen zu betrachten, muss natürlich die beiden 
andern irgendwie zu beseitigen suchen. Das pflegt bei dem ersten 
der genannten (plust) dadurch zu geschehen, dass man sein Vor- 
handensein leugnet. Auch neuere Grammatiker bemühen sich 
bei dieser Gelegenheit zu beweisen, dass eins “eigentlich” gleich 
zwei sei. Den zweiten Typus bringt Hermann auf die Form 
des dritten, indem er das Verbum in zwei Bestandtheile zerlegt, 
also aus currit currens est macht, ein Verfahren, in welchem er, 
wie wir gesehen haben, keinen geringern als Aristoteles zum 
Vorgänger hat. Nun mag eine solche Zerlegung vom Stand- 
punkt der Logik begründet sein, die Sprachforschung jedenfalls 
erhebt dagegen Einspruch. Zwar hat Bopp, geleitet von der- 
selben Anschauung wie Hermann, in dem o von Formen wie 
Aücm &Auca, das Verbum ‘sein’ gesehen und hat mit dieser Ver- 
mutung vielfältig Anklang gefunden. Indessen, wie man auch 
darüber denken mag, mit unsrer Frage hat die Bopp’sche Zer- 
gliederung nichts zu thun. Denn sie bezieht sich auf den 
Aorıst und das Futurum, nicht auf den Indikatıv des Präsens. 
Gerade um diesen aber handelt es sich ın den Sätzen, welche uns 
hier angehen, wie das ja auch in der Wolf’schen Formulierung 
ausdrücklich anerkannt ist (vgl. oben 8. 25). Kein Sprach- 
forscher kann heute behaupten, dass in einer Form wie currit 
das Verbum ‘sein’ enthalten sei. Aber auch von einer 
andern Seite aus ergiebt sich die Unrichtigkeit der Hermann’- 
schen Auffassung. Wenn sie richtig wäre, müsste man an- 
nehmen, dass das Verbum ‘sein’ so zu sagen als Kopula auf 
die Welt gekommen wäre. Das aber ist doch ganz undenk- 
bar. Zwar die älteste Bedeutung der Wurzel es wissen 
wir mit Sicherheit nicht zu erschliessen (während wir wissen, 
dass das ın unserem br enthaltene Verbum ursprüng- 
lich “wachsen’, das in gewesen enthaltene ursprünglich ‘die 
Nacht zubringen’ bedeutete), aber jedenfalls hiess es eher ‘vor- 
handen sein’, als ‘sein. Somit kann von einer Identifikation 
von Verbum und Kopula im Ernste nicht die Rede sein. Der 
Kopula entspicht nicht das Verbum an sich, sondern die dritte 
Person des Präsens eines bestimmten Verbums.. Ahnlich 


30 Einleitung. Zweite Periode. G. Hermann. 


verhält es sich mit dem Nomen. Wie sollte wohl das Nomen 
dem Subjekt entsprechen können, dem doch vielmehr der No- 
minativ eines Substantivums entspricht. Vollends wunderlich 
nimmt sich die Partikel aus, was eines Nachweises nicht 
bedarf. Ich mache hier nur darauf aufmerksam, wie der Unter- 
bringung des prädikativ gebrauchten Adjektivs unter den 
Begriff der Partikel sofort eine unhistorische Auffassung der 
in der Sprache gegebenen Thatsachen folgt. Hermann belobt 
die deutsche Sprache dafür, dass sie in einem Satze wie das 
Pferd ist gut nicht das Adjektivum, sondern das Adverbium 
verwende. Aber die Behauptung, dass in gut das Adverbium 
enthalten sei, beruht, vom historischen Gesichtspunkte aus 
angesehen, auf Schein. Es genügt, an dieser Stelle auf das- 
jenige zu verweisen, was ich dem Kapitel über das Adjektivum 
entwickelt habe. Später bei der Lehre vom Prädikat werde 
ich darauf zurückkommen müssen. Ich gebe nun einige Be- 
lege für die Art, wie Hermann mit den Kantischen Katego- 
rıen umgeht, und zwar wähle ich die Lehre vom Genus, 
Numerus und von den Kasus. Mit dem Genus geht es Her- 
mann, wie es zum Theil noch uns geht. Wir können uns seine 
Entstehung nicht mit einiger Sicherheit erklären, und so ist 
es denn nicht zu verwundern, dass Hermann darüber etwa so 
urtheilt, wie die grammaire generale et raisonnee. Er meinte es 
sei beinahe überflüssig (prope superfluum), da es denn aber 
vorhanden ist, so muss es doch bei einer Kategorie unter- 
gebracht werden, und zwar geschieht das bei der Qualität mit 
ihren Unterabtheilungen der Bejahung, Verneinung und Limi- 
tation. Die Art, wie das möglich gemacht wird, entnehme 
man aus folgender Stelle: Itaque nominum qualitas posita est 
vel in accessione, vel in detractione praedicati alicujus. Id qui- 
dem quale praedicatum esse debeat, ex ipsa nominum notione non 
potest intelligi. Sed suppeditavit hoc experientia. Itaque mas- 
culinum genus quum ubique primum locum teneat, nomina mas- 
culina accessionem hujus praedicati significabunt ; feminina autem, 
ut masculino generi contraria, detractionem ejus; neutra denique, 
ut quae neutrum horum sint, limitationem generis indicabunt 


MM IHnn7 © ME Gr DH34| m . . 


Einleitung. Zweite Periode. G. Hermann. 31 


(S. 136). Etwas williger fügen sich die Numeri der Kategorie 


der Quantität. Der Singularis entspricht dem Begriff der Ein- 
heit, der Pluralis dem der Vielheit, so bleibt für den Dualis 
die Allheit übrig. Darüber heisst es: Graeci tamen aliquod 
certe genus formae nominum habent, quo numerus omnium in- 
dicetur: isque dualıs est. Nam numerus dualis quum et plu- 
rum sit quam unius, nec possit plura recipere quam duo, abso- 
lutam quandam continet et unitate quadam comprehensam 
multitudinem, quae jpsa est notio numeri omnium. Omnia enim 
dicuntur multa in unum conjuncta, ita ut plura esse nequeant 
(S. 134). Wie gesagt, ist diese Betrachtnng nicht ganz so 
gezwungen, wie die über das Genus. Es ist aber doch ein 
merkwürdiges Zeichen der damaligen Zeit, dass ein hervor- 
ragender Mann in einem derartigen Spiel mit Begriffen eine 
Erklärung sprachlicher Erscheinungen erblicken konnte. Über 
die Kasus fasse ich mich kurz. Ich erwähne nur, dass jeder 
Begriff rein an sich betrachtet werden kann, das ist der Nomi- 
nativ, oder bezogen werden kann ad mentem sensumque ejus, qui 
de ea (notione) cogitat loquiturve, das ist der Vokativ. Der Genitiv 
sodann bezeichnet die Substanz, der Akkusatıv das Accidens, 
der Ablatıv die Ursache, der Dativ die Wirkung. Im allge- 
meinen sagt der Verfasser mit Befriedigung: atque equidem 
arbitror, obscuram illam veri praesagitionem, cujus ubique in 
linguarum conformatione vestigia apparent, vel maxime etiam in 
casuum inventione esse conspicuam, quandoquidem nec plu- 
res esse quam sex casus possunt, nec pauciores esse 
debent. Wenige Jahre nachher wurde festgestellt, dass die 
Sprache aus der auch das Griechische und Lateinische hervor- 
gegangen sind, noch einen siebenten Kasus, den Localis, und 
einen achten, den Instrumentalis, besessen hat. 

Wir sind nun am Ende unserer zweiten Periode angelangt, 
und es dürfte nützlich sein, ihre Schwächen noch einmal kurz 
zusammenzufassen. Vergleichen wir diese Zeit mit der heu- 
tigen, so tritt uns zunächst die Geringfügigkeit des sprach- 
lichen Materials, mit dem man arbeitete, entgegen. Im Grunde 
befasste man sich doch nur mit dem Lateinischen, Griechischen 


32 Einleitung. Dritte Periode. Vom Ende des 18. Jahrh. an. 


und im Laufe der Zeit allenfalls noch mit dem Hebräischen. 
Die lebendigen Sprachen, z. B. das Deutsche, wurden freilich 
nicht während des ganzen Zeitraums, den ich im Auge habe, 
völlig vernachlässigt, aber sie wirkten nicht mit bei der Aus- 
bildung der grammatischen Theorie. Wendet man aber seine 
Aufmerksamkeit wesentlich auf ausgestorbene Literatursprachen, 
die man sich mit heisser Mühe aneignen muss, so entsteht 
wohl die Vorstellung, als sei die Sprachfertigkeit ein Erzeug- 
nis der höheren Bildung, ja es mag sich leicht der Wahn ein- 
stellen, dass die Sprache selbst ein Produkt der Gelehrsamkeit 
sei. Unter diesem Gesichtspunkt erscheint es dann nicht so 
gar unnatürlich, wenn man in der Sprache lediglich ein Pro- 
dukt des menschlichen Verstandes, nicht auch anderer Kräfte, 
wie z. B. der Phantasie, erblickt und in den einzelnen Sprach- 
formen allerhand philosophische Kategorien verkörpert glaubt. 
Schliesslich musste dann der Schein entstehen, als sei die 
Sprache eine Art von Verkörperung der Logik, mit der sich 
die Grammatik doch nur an einem Punkte, nämlich bei der 
Lehre vom Subjekt und Prädikat, berührt. 


Dritte Periode. 
Vom Ende des achtzehnten Jahrhunderts an. 


Meine Darstellung nähert sich nunmehr ihrem Höhe- 
punkte. Es handelt sich um die Schilderung derjenigen Zeit, 
ın welcher die vergleichende Sprachforschung begründet wor- 
den ıst. Um das Verständnis derselben vorzubereiten, darf ich 
zunächst an die tiefe und breite Strömung erinnern, welche 
sıch für uns Deutsche an die Namen von Winkelmann, Les- 
sing, Herder, Goethe, Schiller und deren Genossen anknüpft. 
Niemals vorher war in Deutschland (wo ja die Renaissance 
andere Formen angenommen hatte als in Italien) das Ideal 
einer den ganzen Menschen ergreifenden Ausbildung in dieser 
Weise aufgestellt worden, niemals hatten sich die führenden 
Geister weitherziger zu dem Spruche ni? kumanı a me alienum 
puto bekannt, niemals war den Bedürfnissen des Herzens 


Einleitung. Dritte Periode. Kant. Fichte. 33 


neben den Forderungen des Verstandes freundlicher ein Platz 
eingeräumt, niemals war die ästhetische Kultur in solchem 
Grade als eine ernste und würdige Angelegenheit betrieben 
worden. Dazu kam der die Geister mit sich in die Höhe 
reissende Aufschwung der Philosophie. Wir sind Kant be- 
reits bei Gottfried Hermann begegnet, der freilich über ein 
ziemlich äusserliches Operieren mit den Kategorien, also über 
den Kantischen Buchstaben, nicht hinausgekommen ist. An 
dieser Stelle handelt ‚es sich um den Einfluss des Kantischen 
Geistes. Ich gebe zu, dass es leichter ist, die Einwirkung 
dieses Geistes bei denjenigen Wissenschaften aufzufinden, 
welche entweder die Gedanken des grossen Mannes ihrem 
Inhalte nach sich aneignen konnten, wie z. B. die Ästhetik, 
oder welche die sittliche Stimmung auf ihr Gebiet übertragen 
konnten, wie z. B. die politische Geschichte; aber der allge- 
meine Einfluß Kants läßt sich doch auch bei den Fächern 
feststellen, die mir hier vorschweben. Ich finde ihn wesent- 
lich darın, dass sein Vorbild dem Einzelnen die freudige Hoff- 
nung erregte, es sei möglich, durch geduldige und ernste For- 
schung zu jenen Anfängen hinabzusteigen, wo die Lösungen 
der Räthsel liegen, und so dem menschlischen Geiste etwas von 
seinem Geheimnis und seinen tiefsten Gesetzen abzugewinnen. 
In ähnlicher Richtung wirkte Fichte. Es mag zunächst un- 
verständlich erscheinen, wie eine Philosophie, welche die Welt 
aus dem Ich entwickelt, also eigentlich gegen das draussen 
Gegebene gleichgültig ist, auf Erfahrungswissenschaften erheb- 
lich habe einwirken können; aber der starke Einfluss Fichte’s 
3. B. auf die philosophisch-historische Gruppe der Romantiker 
ist sicher bezeugt. Man fühlte sich, so scheint es, durch seine 
entschlossene Spekulation in dem Unternehmen gestärkt, die 
wissenschaftliche Welt nicht bloss zu erobern, sondern auch 
von sich aus in ein System zu bringen. Und so kann man 
es wohl verstehen, wenn Friedrich Schlegel behauptete, der 
Fichte'sche Idealismus und die Goethische Poesie seien die 
beiden Zentren der deutschen Kunst und Bildung. (Haym, die 
romantısche Schule 249). Auf der Höhe der hiermit bezeichneten 


Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm. Sprachen. 1. 3 





34 | Einleitung. Dritte Periode. Schelling. 


Bildung steht Wilhelm von Humboldt. Sein Geist war 
erfüllt, wenn auch nicht ausgefüllt von der Philosophie 
Kant’s und Fichte’s, während sich ein Einfluss von Schelling 
wohl kaum in erheblichem Grade nachweisen lässt. Wie 
sehr die ästhetische Anschauungsweise in ihm lebendig 
war, dafür mag sein bekannter Ausspruch angeführt werden, 
die Sprache erinnere in dem tiefsten und unerklärbarsten Theile 
ihres Verfahrens an die Kunst. Und wenn man nun noch 
an den reinen Humanismus des Mannes denkt, der auch den 
Sprachen der sogenannten Wilden ein menschlich fühlendes 
Herz zeigt, so dürften damit wenigstens die allgemeinen Züge 
dieses reichen Geistes angedeutet sein, welche in seinen sprach- 
wissenschaftlichen Arbeiten überall hervortreten. 

Auf Fichte folgt die in immer erneuerten Geburten sich 
hervordrängende Schelling’sche Lehre. Aus ihr dürfte beson- 
ders die Vorstellung der organischen Entfaltung und eine be- 
sondere Verwendung des Begriffes Organismus in die fach- 
wissenschaftlichen Kreise gedrungen sein. Der bei Schelling 
immer wiederkehrende Gedanke, dass Natur und Geist sich 
ohne äusseren Antrieb, dank den in ihrem Innern wirkenden 
Kräften, geheimnisvoll und gesetzmässig zugleich zu organischem 
Dasein entfalten, dieser Gedanke brachte in besonders treffen- 
der Form den Widerspruch der ganzen Zeit gegen die mecha- 
nistische Anschauung früherer Generationen zum Ausdruck. 
Es war im Grunde derselbe Gedanke, der in Goethe’s Meta- 
morphose der Pflanze enthalten ist, aber erst in den Kreisen 
der Romantiker gelangte er zu rechter Gestaltung und Wiırk- 
samkeit. So bei Friedrich Schlegel, nach dessen Ansicht die 
Flexion auf organischer Entfaltung der Wurzel beruht, so na- 
mentlich bei dem Philosophen der romantischen Schule, bei 
Schelling. Diese Anschauung musste wohl einem Gelehrten 
willkommen sein, der in hingebendem Studium an sich erfährt, 
dass das Objekt eine Macht ist, der wir uns zu fügen, dessen 
Gesetze und Wandlungen wir zu erkennen, das wir aber nicht 
von uns aus zu meistern haben. Eın solcher war Savigny. 
Er gelangte, indem er die Schelling’schen Anschauungen auf 


Einleitung. Dritte Periode. Hegel. 35 


sein Gebiet anwendete, zu der Überzeugung, dass das Recht 
im organischen Zusammenhang mit dem Wesen und Charakter 
des Volkes durch innere stıllwiırkende Kräfte entsteht, nicht 
durch die Willkür eines Gesetzgebers, und dass das Bestreben 
der historischen Rechtswissenschaft dahin gehen müsse, jeden 
gegebenen Stoff bis zu seiner Wurzel zu verfolgen und so sein 
organisches Prinzip zu entdecken. Savigny’s Schüler aber war 
Jacob Grimm. In diesen beiden grossen Gelehrten zeigt sich 
das romantische Prinzip der organischen Entfaltung in der 
Gestalt der historischen Methode, bei beiden zugleich er- 
scheint als Einwirkung ihrer Zeit die sie vor andern auszeich- 
nende vaterländische Richtung. Die historische deutsche 
Grammatik ist — so weit die Sprachwissenschaft in Frage 
kommt — das vollendetste Ergebnis der romantischen Be- 
wegung. 

Schelling wurde abgelöst durch Hegel, der an die Stelle 
der organischen Entfaltung den dialektischen Werdeprozess 
setzte. Hegel’s Einwirkung war ungeheuer. Ein aufmerk- 
sames Auge begegnet ihr noch in der Gegenwart auf Schritt 
und Tritt. Diese Einwirkung vollzog sich, so viel ich sehe, 
wesentlich nach zwei Richtungen. Einmal beförderte Hegel 
den gesunden Gedanken der geschichtlichen Entwicke- 
lung. Freilich unterlagen seine Anhänger dabei nicht selten 
der Gefahr, dasjenige, was sie aus den Thatsachen gemächlich 
abstrahiert hatten, ihnen nachträglich wie ein aus dem Be- 
griffe sich von selbst ergebendes nothwendiges Gesetz aufzu- 
erlegen, so dass die Thatsachen — um ein Lessing’sches Bild 
zu gebrauchen — so zu sagen mit ihrem eigenen Fett be- 
träufelt wurden. Andererseits verlief die Hegel’sche Methode 
in ein leeres und betäubendes Spiel mit Begriffen. Die erst- 
genannte Wirkung trat bei den Gründern der Sprachforschung 
nicht deutlich hervor, wohl aber in einem späteren Stadium 
bei Schleicher. Ein Beispiel für die zweite Art ist das einst 
vielgenannte Buch von Karl Ferdinand Becker ‘Organism der 
Sprache”, ein Buch, welches nach Steinthal’s treffendem Aus- 
druck nichts weiter enthält als eine mechanische Mengung 

3% 








36 Einleitung. Dritte Periode. Das Sanskrit. 


naturphilosophischer Phrasen mit abstrakt logischen Kategorien. 
Indem Steinthal in seiner Schrift über Grammatik, Logik und 
Psychologie (Berlin 1855) das Becker’sche Verfahren einer 
schneidenden Kritik unterwarf, vollzog sich auf sprachwissen- 
schaftlichem Gebiet die Auseinandersetzung Herbart’s mit der 
Identitätsphilosophie.e. Von den Wirkungen der Herbart’schen 
Psychologie soll am Beginn des zweiten Abschnittes dieser 
Periode die Rede sein. Jetzt aber habe ich von der zweiten 
Erscheinung zu handeln, welche der Zeit, von der ich hier 
rede, die Signatur giebt. Ich meine die Zufuhr neuen, bis dahin 
nicht bekannten oder nicht beachteten sprachlichen Stoffes. 
Die wichtigste Vermehrung des Stoffes erfolgte durch die 
Entdeckung und erste Verwendung des Sanskrit. Während 
man bisher sich immer, mehr oder weniger bewusst und deut- 
lıch, die alten Griechen und Römer als die Erfinder ihrer 
Sprache vorgestellt hatte, so dass man in den homerischen Ge- 
sängen den Athem der Urzeit zu verspüren glaubte, so trat 
: jetzt eine Sprache in unseren Gesichtskreis, welche von den 
klassischen Sprachen durch eine unendliche Strecke in Raum 
und Zeit gesondert war, welche aber doch mit ihnen ‘bis auf 
die innerste Struktur und Grammatik’ übereinstimmte. So war 
dann der Schluss unausweichlich (wenn er sich auch erst all- 
mählich zu voller Klarheit entwickelte), daß die den Einzel- 
sprachen zu Grunde liegende Ursprache in allen ihren wesent- 
lichen Formen sich bereits in einer Zeit ausgebildet haben 
müsse, gegen welche alles, was wir bisher Alterthum zu nennen 
gewohnt waren, als jung erscheint. Indem sich so hinter jeder 
einzelnen Sprache ein Hintergrund von unabsehbarer Weite 
aufthat, entwickelte sich bei dem Betrachtenden nothwendig 
ein Gefühl der Ehrfurcht vor der Sprache, welche sich wie 
die Natur selbst unter allen Stürmen der Jahrtausende in ihrem 
Kerne ungestört erhält, und man begann einzusehen, wie wenig 
eigentlich der Einzelne gegenüber der Sprache vermag. Nach 
ähnlicher Richtung wirkten auch die neuen Errungenschaften 
auf dem Gebiet der germanischen und slavischen Sprachen, 
welche aber ihrerseits noch einen neuen Gesichtspunkt in die 


Einleitung. Dritte Periode. W. v. Humboldt. 37 


Betrachtung einführten, nämlich den Gegensatz von Schrift- 
und Volkssprache, der später von Wichtigkeit geworden ist. 
Die genannten Folgen (denen sich noch mancherlei anschliessen 
lässt; sind, wie schon angedeutet, erst allmählich hervorgetreten. 
Eins aber zeigte sich sofort, dass nämlich das wesentliche In- 
teresse der Sprachforscher von der Syntax auf die Laut- und 
Formenlehre übertragen worden war. Da die Vergleichung 
der Sprachen nur gelingen konnte, wenn man den Lauten die 
schärfste und geduldigste Aufmerksamkeit zuwendete, so nahm 
man die vergleichende Lautlehre mit Ernst in die Hand, und 
mit Recht wählte einer der scharfsinnigsten und rührigsten 
Forscher, F. A. Pott, für seine hauptsächlich der Etymologie zu- 
gewendeten Arbeiten das Motto: Ziterae suus honos esto, litera 
animi nuntia. Die Formenlehre trat aus dem Schatten der 
Schule in das Licht der gelehrten Forschung, und gerade an 
dem, was für viele Generationen von Deutschen die Qual der 
Jugend gewesen war, wie z. B. den unregelmäßigen Verben, er- 
kannte eine geläuterte Ansicht waltende Regel und Reste ur- 
ältester Bildung. Auch jetzt noch beschränkt sich das Interesse 
der Sprachforscher wesentlich auf diese Theile der Grammatik. 
Die alte so viel behandelte Lehre von den Satztheilen ist von 
der vergleichenden Grammatik nicht ernstlich aufgenommen, 
und für die Syntax ist etwas Zusammenfassendes noch nicht 
geleistet worden. Umsomehr wird es mir obliegen, die Ansätze 
zu einer Neugestaltung auch der Syntax bei den Begründern 
unserer Wissenschaft aufzusuchen. 

Ich glaube, die wisgenschaftliche Bewegung, deren Grund- 
lagen hiermit wenigstens angedeutet sind, am deutlichsten 
schildern zu können, wenn ich nach einander Wilhelm von 
Humboldt (1767—1835), Bopp (1791—1867), Jacob Grimm (1785 
—1863) dem Leser vorführe und im Anschluß daran einiges 
über Dobrowsky (1753—1829) und Wuk Stephanowitsch (1787 
—1864) sage. 

Über Wilhelm vonHumboldt’sStellung zu den seine Zeit 
bewegenden Fragen ist oben (S. 34) im allgemeinen gesprochen 
worden. Seinen sprachwissenschaftlichen Standpunkt mit kurzen 


38 Einleitung. Dritte Periode. W. v. Humboldt. 


und deutlichen Worten anzugeben, ist sehr schwierig. Hum- 
boldt schrieb sein zusammenfassendes Werk, die Einleitung in 
die Kawisprache, in einem Alter, in welchem ein Mann, der 
mancherlei erfahren hat, geneigt zu sein pflegt, den relativen 
Werth einer jeden Meinung in beschaulicher Betrachtung an- 
zuerkennen. Diese Altersstimmung kam bei Humboldt be- 
sonders stark zur Geltung, weil er von Natur zur Kontemplation 
geneigt, als ein vornehmer Mann aller Polemik abhold und 
von seiner diplomatischen Laufbahn her an Vermittlung von 
Gegensätzen gewöhnt war. Nun standen sich aber in der 
Sprachwissenschaft die Ansichten oft so gegenüber, dass die 
Versöhnung nur künstlich und scheinbar ausfiel, und Hum- 
boldt’s eigene Ansicht schwebt oft mehr wie der Geist über den 
Woassern, als dass sie sich in eine unmissverständliche, zu lehr- 
hafter Weitergabe geeignete Form kleiden liesse. Indessen 
treten diese Schwierigkeiten doch hauptsächlich bei den Fragen 
allgemeiner Natur hervor, wie die über den Ursprung und das 
Wesen der Sprache, das Verhältnis des Individuums zu dem 
Gesammtgeist, die Freiheit und Nothwendigkeit in der Sprache, 
oder etwa die Schlegel’sche und die Bopp’sche Ansicht von 
dem Wesen der Flexion. Ich kann solchen Aporien an dieser 
Stelle aus dem Wege gehen und hoffe, dass es mir gelingen 
wird, mit einiger Deutlichkeit ein paar wichtige Punkte her- 
vorzuheben, in denen Humboldt über die bisherige Auffassung 
hinausgegangen ist, und sodann zu zeigen, wie er sich zu den- 
jenigen grammatischen Fragen verhält, die in dieser ein- 
leitenden Betrachtung bisher fast ausschliesslich den Gegen- 
stand der Erörterung gebildet haben. 

Humboldt kann sich in der Versicherung nicht genug 
thun, dass die Sprache nicht etwa etwas dem Menschen äusser- 
lich Anhaftendes, sondern dass sie aus den Tiefen seines Wesens 
abzuleiten sei. Statt vieler Belege gelte dafür S. 511): “die 
Geisteseigenthümlichkeit und die Sprachgestaltung eines Volkes 
stehen in solcher Innigkeit der Verschmelzung mit einander, 


1) Ich zitiere nach der Pott’schen Ausgabe, Berlin 1876. 


Einleitung. Dritte Periode. W. v. Humboldt. 39 


dass, wenn die eine gegeben wäre, die andere müsste vollständig 
aus ihr abgeleitet werden können. Denn die Intellektualität 
und die Sprache gestatten und befördern nur einander gegen- 
seitig zusagende Formen: die Sprache ist gleichsam die äusser- 
liche Erscheinung des Geistes der Völker, ihre Sprache ist ihr 
Geist und ihr Geist ihre Sprache, man kann sich beide nie 
identisch genug denken. Wie sie in Wahrheit mit einander 
in einer und derselben unseren Begriffen unzugänglichen Quelle 
zusammenkommen, bleibt uns unerklärlich verborgen”. Dabei 
ıst unter Intellektualität nicht etwa bloss der Verstand, sondern 
wie andere Stellen beweisen (z. B. S. 105) auch Phantasie und 
Gefühl verstanden. Mit solchen allgemeinen Versicherungen 
ist nun freilich in der Praxis der Grammatik nicht viel ge- 
than, sie bezeichnen aber einen erheblichen theoretischen Fort- 
schritt gegenüber der logisierenden Ansicht früherer Zeiten. 
Einen gleich bedeutenden Fortschritt finden wir noch in an- 
derer Richtung. Früher bekümmerte man sich so gut wie 
ausschliesslich um die in Büchern niedergelegte Sprache und 
kam daher leicht dazu, die Sprache als einen fertigen, ja als 
einen toten Stoff anzusehen. Humboldt dagegen, der stets die 
lebendige Sprache im Auge hat, betont auf das glücklichste, 
dass sie nicht ein &pyov, sondern eine &vpysıa sei, dass also 
ein Sprechen ohne eine aus dem Innern des Sprechenden her- 
vorgehende, schaffende Thätigkeit nicht möglich sei. “Man 
kann den Wortvorrath einer Sprache auf keine Weise als eine 
fertig daliegende Masse ansehen. Er ist, auch ohne auschliess- 
lich der beständigen Bildung neuer Wörter und Wortformen zu 
gedenken, so lange die Sprache im Munde des Volkes lebt, 
ein fortgehendes Erzeugnis und Wiedererzeugnis des wolt- 
bildenden Vermögens, zuerst in dem Stamme, dem die Sprache 
ihre Form verdankt, dann in der kindischen Erlernung des 
Sprechens und endlich im täglichen Gebrauche der Rede. Die 
unfehlbare Gegenwart des jedesmal notwendigen Wortes in 
dieser ist gewiss nicht bloss Werk des Gedächtnisses. Kein 
menschliches Gedächtnis reichte dazu hin, wenn nicht die Seele 
instinktartig zugleich den Schlüssel zur Bildung der Wörter 





40 Einleitung. Dritte Periode. W. v. Humboldt. 


selbst in sich trüge. Auch eine fremde [Sprache] erlernt man 
nur dadurch, dass man sich nach und nach, sei es auch nur 
durch Übung, dieses Schlüssels zu ihr bemeistert, nur vermöge 
der Einerleiheit der Sprachanlagen überhaupt und der beson- 
dern zwischen einzelnen Völkern bestehenden Verwandtschaft 
derselben. Mit den toten Sprachen verhält es sich nur um 
weniges anders. Ihr Wortvorrath ist allerdings nach unserer 
Seite hin ein geschlossenes Ganzes, in dem nur glückliche 
Forschung in ferner Tiefe liegende Entdeckungen zu machen 
im stande ist. Allein ihr Studium kann auch nur durch An- 
eignung des ehemals in ihnen lebendig gewesenen Prinzips 
gelingen; sie erfahren ganz eigentlich eine wirkliche augen- 
blickliche Wiederbelebung. Denn eine Sprache kann unter 
keiner Bedingung wie eine abgestorbene Pflanze erforscht wer- 
den. Sprache und Leben sind unzertrennliche Begriffe, und 
die Erlernung ist in diesem Gebiete immer nur Wiedererzeugung” 
(S. 122). Wie man schon aus diesen Anführungen sieht, hat 
Humboldt vorzüglich den geistigen, innerlichen Theil der Sprache 
im Auge. Der Laut tritt bei seiner Betrachtung etwas in den 
Schatten. Die Sprache ist nach einer seiner bekanntesten 
Definitionen die sich ewig wiederholende Arbeit des Geistes, 
den artikulierten Laut zum Ausdruck des Gedanken fähig zu 
machen. Ja, er betrachtet den Laut als ein wıderstrebendes 
Medium. Man muss die Sprachbildung — so heisst es $S. 99 — 
überhaupt als eine Erzeugung ansehen, in welcher die innere 
Idee, um sich zu manifestieren, eine Schwierigkeit zu über- 
winden hat. Diese Schwierigkeit ist der Laut, und die Über- 
windung gelingt nicht immer in gleichem Grade.” Man sieht: 
während die heutige Sprachforschung ihre Aufmerksamkeit 
hauptsächlich der äussern Sprachform zuwendet, steht für 
Humboldt im Vordergrunde die innere Sprachform. Was 
bedeutet nun dieser vielberufene Terminus ‘innere Sprachform’? 
Humboldt hat sich darüber niemals einfach und unmissver- 
ständlich in zusammenfassender Weise ausgesprochen ; doch lässt 
sich durch die Zusammenstellung mehrerer Stellen wohl er- 
mitteln, was er meint, wenn auch Nebensächliches, worauf ich 


Einleitung. Dritte Periode. W. v. Humboldt. 41 


hier nicht eingehe, dunkel bleibt. Zunächst einige Stellen, 
welche den Begriff ganz allgemein hinstellen: “Das in dieser 
Arbeit des Geistes, den artikulierten Laut zum Gedankenaus- 
druck zu erheben, liegende Beständige und Gleichförmige, so 
vollständig als möglich ın seinem Zusammenhange aufgefasst 
und systematisch dargestellt, macht die Form der Sprache aus” 
($. 57). “Man muss durch die Darstellung der Form den spezi- 
fischen Weg erkennen, welchen die Sprache und mit ihr die 
Nation, der sie angehört, zum Gedankenausdruck einschlägt” 
8.61). “Es ergiebt sich schon aus dem bisher Gesagten von 
selbst, dass unter Form der Sprache hier durchaus nicht bloss 
die sogenannte grammatische Form verstanden wird. Der 
Unterschied, welchen wır zwischen Grammatik und Lexikon 
zu machen pflegen, kann nur zum praktischen Gebrauche der 
Erlernung der Sprachen dienen, allein der wahren Sprach- 
forschung weder Grenze noch Regel vorschreiben. Der Begriff 
der Form der Sprachen dehnt sich weit über die Regeln der 
Redefügung und selbst über die der Wortbildung hinaus, in- 
sofern man unter der letztern die Anwendung gewisser all- 
gemeiner logischer Kategorien des Wirkens, des Gewirkten, 
der Substanz, der Eigenschaft u. s. w. auf die Wurzeln und 
Grundwörter versteht. Er ist ganz eigentlich auf die Bildung 
der Grundwörter selbst anwendbar, und muss in der That mög- 
lichst auf sie angewendet werden, wenn das Wesen der Sprache 
wahrhaft erkennbar sein soll” (S. 59). Etwas greifbarer wird 
die Sache, wenn Humboldt sich einmal entschließt, ein Bei- 
spiel zu geben. Das geschieht u. a. $. 109, wo es heißt: “wenn 
z. B. im Sanskrit der Elephant bald der zweimal Trinkende, 
bald der Zweizahnige, bald der mit einer Hand Versehene heisst, 
sosind dadurch, wenn auch immer derselbe Gegenstand gemeint 
ist, ebenso viele verschiedene Begriffe bezeichnet. Denn die 
Sprache stellt niemals die Gegenstände, sondern immer die 
durch den Geist in der Spracherzeugung selbstthätig von ihnen 
gebildeten Begriffe dar; und von dieser Bildung, insofern sie 
als ganz innerlich, gleichsam dem Artikulationssinne voraus- 
gehend angesehen werden muss, ist hier (nämlich in dem 


49 Einleitung. Dritte Periode. W. v. Humboldt. 


Paragraphen, welcher ‘die innere, Sprachform’ überschrieben 
ist) die Rede”. Ferner: “Die intellektuelle Technik be- 
greift das in der Sprache zu Bezeichnende und zu Unter- 
scheidende. Zu ihr gehört es also z. B., wenn eine Sprache 
Bezeichnung des Genus, des Dualis, der Tempora durch alle 
Möglichkeiten der Verbindung des Begriffes der Zeit mit dem 
des Verlaufs der Handlung u. s. f. besitzt” (S. 103). Also zu- 
sammengefasst: Innere Sprachform ist die besondere Art, wie 
eine Sprache die in ihr zum Ausdruck gelangenden Begriffe 
auffasst. Ist das nun etwas Fassbares und Brauchbares? Ich 
glaube, dass man diese Frage, soweit es die Bildung der Grund- 
wörter oder, wie wir sagen würden, die Etymologie betrifft, 
verneinen muss. Es ist ja bekannt, dass die Dinge in den 
Sprachen nach sehr verschiedenen Merkmalen benannt werden ; 
aber wie man diese zahllosen Einzelheiten irgendwie sollte 
unter ein System fassen können, und welchen Vorteil eine 
solche Systematisierung bringen könnte, sehe ich nicht ein. 
Etwas andeıs steht es mit jenem Gebiet der Sprache, dem das 
Genus, der Dualis u. s. w. angehören. Es ist ganz wohl mög- 
lich, zu sagen, welches die Eigenthümlichkeiten einer Sprache 
nach dieser Richtung hin sind, und wir besitzen wenigstens von 
einer Sprache eine vortreffliche Schilderung der Art, ich meine 
dıe Charakteristik des Jakutischen, welche Böhtlingk in seiner 
grossen Arbeit über die Sprache der Jakuten S. xxvır unter 
der Überschrift “logische Merkmale’ mittheilt. Es heisst daselbst 
u. a.: “Das grammatische Geschlecht nicht entwickelt, ebenso 
wenig die Steigerung beim Adjektiv. Besondere Endungen 
für den Akkusativus definitus und indefinitus, Dativ, Ablativ, 
Lokativ, Instrumental, Adverbialis, Komitativ und Komparativ. 
Eine besondere Endung für den Plural. Das Nomen ım Plural 
ohne alle Kasusendung fungiert als Subjekt, als Prädikat und 
als Attribut, aber nie wie der Singular als Objekt.... Das 
Verbum finitum und die Verbalnomina der Gegenwart, Ver- 
gangenheit und Zukunft haben eine bejahende und eine ver- 
neinende Form. Wahre Verba finita sind: Der Imperativ 
Präs. und Fut., das Perfektum, der Konditionalis und der 


Einleitung. Dritte Periode. W. v. Humboldt. 43 


Potentialis in der bejahenden und in der verneinenden Form. 
Alle übrigen Aussageformen einer Thätigkeit sind entweder 
mit den Prädikatsaffıxen verbundene Verbalnomina oder 
Verbalnomina mit Possessivis, welche letztere in derselben 
Gestalt auch als Subjekt und Attribut auftreten können.” 
In diesen Worten und demjenigen, was ihnen vorhergeht 
und folgt, hat Böhtlingk in der That die innere Sprachform 
des Jakutischen an der inneren Sprachform anderer Sprachen 
gemessen und dadurch auf das Beste erhellt. Aber man 
wolle wohl im Auge behalten, dass eine solche Darstellung 
nichts anderes ist, als eine räsonierende Übersicht der ver- 
schiedenen Eigenthümlichkeiten einer Sprache. Die einzelnen 
Züge lassen sich weder addieren, noch in ein System bringen, 
und somit lässt sich auch aus der inneren Sprachform keine 
Klassifikation der Sprachen entnehmen, wie denn auch Hum- 
boldt seine Klassifikation der Sprachen nicht an die Gesamt- 
heit der inneren Sprachform, sondern an einen einzelnen Punkt 
angeknüpft hat. 

Mit der inneren Sprachform sind wir schon in das Gebiet der 
Syntax eingetreten. Ich beschränke mich, indem ich versuche, 
von Humboldt’s syntaktischen Ansichten Rechenschaft zu geben, 
dem Zwecke dieser Schrift gemäss auf die indogermanischen 
Sprachen, und entnehme die Belege wie bisher ausschliesslich der 
Einleitung’, da die Abhandlung über den Dualis über das Pro- 
gramm kaum hinausgekommen ist, so dass man keine deutliche 
Vorstellung davon bekommt, wie ihr Verfasser den Dualis einer 
Einzelsprache, z. B. des Griechischen, behandelt haben würde. In 
der Lehre von den Satztheilen nun finden wir Humboldt noch 
mit einem Fusse auf dem alten Boden, indem er meint, dass 
sie zu demjenigen in der Sprache gehören, das aus blossen 
Begriffen abgeleitet werden müsse. So sagt er z.B.S. 105: 
“Auch in dem bloss ideellen, von den Verknüpfungen des Vor- 
standes abhängenden Theile finden sich Verschiedenheiten, die 
aber alsdann fast immer aus unrichtigen oder mangelhaften 

Kombinationen herrühren. Um dies zu erkennen, darf man 
nur bei den eigentlich grammatischen Gesetzen stehen bleiben. 


44 Einleitung. Dritte Periode. W. v. Humboldt. 


Die verschiedenen Formen z. B., welche, dem Bedürfnis der 
Rede gemäss, in dem Baue des Verbum abgesondert bezeichnet 
werden müssen, sollten, da sie durch blosse Ableitung von Be- 
griffen gefunden werden können, in allen Sprachen auf die- 
selbe Weise vollständig aufgezählt und richtig geschieden sein”. 
Auch mit seiner Auffassung des Verbums an sich sind wir 
jetzt nicht mehr zufrieden. Er knüpft zwar richtig an die 
griechischen Philosophen an, denen das Verbum das Aussage- 
wort war, aber er sucht doch zugleich noch etwas von der 
Ansicht zu retten, dass das Verbum die Kopula vertritt. Er 
sagt darüber: “Das Verbum unterscheidet sich vom Nomen 
und von den andern, möglicherweise im einfachen Satze vor- 
kommenden Redetheilen mit schneidender Bestimmtheit da- 
durch, dass ihm allein der Akt des synthetischen Setzens als 
grammatische Funktion beigegeben ist. .... Es liegt daher 
zwischen ihm und den übrigen Wörtern des einfachen Satzes 
ein Unterschied, der, diese mit ihm zur gleichen Gattung zu 
zählen, verbietet. Alle übrigen Wörter des Satzes sind gleich- 
sam tot daliegender, zu verbindender Stoff, das Verbum allein 
ist der Leben enthaltende und Leben verbreitende Mittelpunkt. 
Durch einen und denselben synthetischen Akt knüpft es durch 
das Sein das Prädikat mit dem Subjekte zusammen, allein so, 
dass das Sein, welches mit einem energischen Prädikate in ein 
Handeln übergeht, dem Subjekte selbst beigelegt, also das 
bloss als verknüpfbar Gedachte zum Zustande oder Vorgange 
in der Wirklichkeit wird. Man denkt nicht bloss den ein- 
schlagenden Blitz, sondern der Blitz ist es selbst der hernieder- 
fährt; man bringt nicht bloss den Geist und das Unvergäng- 
liche als verknüpfbar zusammen, sondern der Geist ist un- 
vergänglich. Der Gedanke, wenn man sich so sinnlich 
ausdrücken könnte, verlässt durch das Verbum seine innere 
Wohnstätte und tritt in die Wirklichkeit über” (S. 261). Vor- 
trefflich dagegen und ein wirklicher Fortschritt ist es, wenn 
Humboldt darauf dringt, dass man vom Satze ausgehen müsse, 
da jede noch so unvollständige Aussage in der Absicht des 
Sprechenden wirklich einen geschlossenen Gedanken ausmacht 





Einleitung. Dritte Periode. W. v. Humboldt. 45 


8. 175). Über das Verhältnis von Satz und Wort äussert er 
sieh wie folgt: “Wie jede aus der inneren Auffassung der 
Sprache entspringende Eigenthümlichkeit derselben in ıhren 
ganzen Organismus eingreift, so ist dies besonders mit der 
Flexion der Fall. Sie steht namentlich mit zwei verschiedenen, 
und scheinbar entgegengesetzten, allein in der That organisch 
zusammenwirkenden Stücken, mit der Worteinheit, und der 
angemessenen Trennung der Theile des Satzes, durch welche 
seine Gliederung möglich wird, in der engsten Verbindung. 
Ihr Zusammenhang mit der Worteinheit wird von selbst be- 
greiflich, da ihr Streben ganz eigentlich auf Bildung einer 
Einheit, sich nicht bloss an einem Ganzen begnügend, hinaus- 
geht. Sie befördert aber auch die angemessene Gliederung 
des Satzes und die Freiheit seiner Bildung, indem sie in ihrem 
eigentlich grammatischen Verfahren die Wörter mit Merk- 
zeichen versieht, welchen man das Wiedererkennen ihrer Be- 
ziehung zum Ganzen des Satzes mit Sicherheit anvertrauen 
kann. Sie hebt dadurch die Ängstlichkeit auf, ihn, wie ein 
einzelnes Wort, zusammenzuhalten, und ermuthigt zu der Kühn- 
heit, ihn in seine Theile zu zerschlagen. Sie weckt aber, was 
noch weit wichtiger ist, durch den in ihr liegenden Rückblick 
auf die Formen des Denkens, insofern diese auf die Sprache 
bezogen werden, eine richtigere und anschaulichere Einsicht 
ın seine Zusammenfügungen. Denn eigentlich entspringen 
alle drei hier genannten Eigenthümlichkeiten der Sprache aus 
Einer Quelle, aus der lebendigen Auffassung des Verhältnisses 
der Rede zur Sprache. Flexion, Worteinheit und angemessene 
Gliederung des Satzes sollten daher in der Betrachtung der 
Jpraeo nie getrennt werden. Die Flexion erscheint erst durch 

die Hinzufügung dieser andern Punkte in ihrer wahren, wohl- 
thätig einwirkenden Kraft” (S. 145). Zum Schluss führe ich 
noch ein Wort an über die Entstehung der Wörter im Satz: 
“Wenn man es wagt, in die Uranfänge der Sprache hinab- 
zusteigen, so verbindet zwar der Mensch gewiss immer mit 
jedem als Sprache ausgestossenen Laute innerlich einen voll- 
sändigen Sinn, also einen geschlossenen Satz, stellt nicht bloss, 


46 Einleitung. Dritte Periode. W. v. Humboldt. 


seiner Ansicht nach, ein vereinzeltes Wort hin, wenn auch 
seine Aussage, nach unserer Ansicht, nur ein solches enthält. 
Darum aber kann man sich das ursprüngliche Verhältnis des 
Satzes zum Worte nicht so denken, als würde ein schon in 
sich vollständiger und ausführlicher nur nachher durch Ab- 
straktion in Wörter zerlegt. Denkt man sich, wie es doch das 
Natürlichste ist, die Sprachbildung successiv, so muss man ihr, 
wie allem Entstehen ın der Natur, ein Evolutionssystem unter- 
legen. Das sich im Laut äussernde Gefühl enthält alles im 
Keime, ım Laute selbst aber ist nicht zugleich alles sichtbar. 
Nur wie das Gefühl sich klarer entwickelt, die Artikulation 
Freiheit und Bestimmtheit gewinnt und das mit Glück ver- 
suchte gegenseitige Verständnis den Muth erhöht, werden die 
erst dunkel eingeschlossenen Theile nach und nach heller und 
treten in einzelnen Lauten hervor” (183). Das ist gewiss nicht 
deutlich, man wırd aber zugestehen, dass in diesen Fragen 
überhaupt nicht von einem Wissen, sondern höchstens von 
einem Ahnen die Rede sein kann. 

Soweit Wilhelm von Humboldt. Es fragt sich nun, wel- 
cher Art seine Einwirkung auf den Betrieb der grammatischen 
Wissenschaft gewesen ist. Ich glaube, dass man den Mann 
und seine Schriften unterscheiden muss. Humboldt war ein 
Meister im sup @tÄooogeiv und oup@ıloAoyeiv, und Bopp hat gewiss 
von ihm ebenso viel Nutzen gezogen, wie einst Schiller oder 
Friedrich August Wolf, und natürlich ist manches aus diesem 
Verkehr auf allerlei Wegen in die wissenschaftlichen Arbeiten 
über Grammatik gedrungen. Humboldt’s Schriften aber haben, 
glaube ich, nicht sehr stark auf die Philologen gewirkt. Wohl 
findet man sie zitiert bei Bopp, Pott, Grimm u. a.; die Schrift 
über den Dualis wird noch heutzutage angeführt, auch liest 
wohl mancher in der Einleitung, aber im Ganzen verfahren 
die Sprachgelehrten mit Humboldt wie jener Katholik, der 
nach Goethe’s hübschem Bilde bei dem Eintritt in die Kirche 
ein Weihwasser nimmt, dann aber als ob nichts geschehen 
wäre, seinen täglichen Gedanken oder wohl gar einem Liebes- 
handel nachgeht: man verbeugt sich in der Vorrede vor dem 


Einleitung. Dritte Periode. Bopp. 47 


grossen Meister und verfährt im übrigen nach alter Weise. So 
wüsste ıch denn aus dem Gebiete der Syntax eigentlich nur 
ein Buch zu nennen, das nachweislich auf Humboldt’sche An- 
regung zurückgeht, und zwar ein recht gutes, nämlich Th. 
Rumpel, die Casuslehre, Halle 1845. Rumpel entnimmt Hum- 
boldt den richtigen Gedanken, dass die Kasus im Satz und 
aus dem Satz zu erklären seien; aber freilich mit den Auf- 
fassungen der einzelnen Kasus kann ich mich nicht einver- 
standen erklären. Denn er verlegt die Erklärung des Akku- 
satıvs in das Verbum (insofern er den Akkusativ als den bei 
dem transıtiven Verbum stehenden Kasus auffasst) und dem 
Genitiv und Dativ konnte er damals ihre zusammengesetzte 
Natur noch nicht genügend ansehen. 
Wie anders als die Humboldt’sche war die Art und das 
Schicksal von Franz Bopp! Indem er von Anfang an mit 
gesammelter Kraft auf ein erreichbares Ziel hinarbeitete, gelang 
es ihm, aus zahllosen Einzelbeobachtungen ein zusammen- 
hängendes Ganzes zu schaffen und so dem Reiche des Wissens 
eine neue Provinz anzugliedern. Seine Bücher bildeten die 
Grundlage für jede weitere Forschung in gleichem Sinne, und 
wenn sie heutzutage nicht eben viel zitiert werden, so liegt 
das nur daran, dass ein grosser Theil des in ihnen Enthaltenen 
in das allgemeine wissenschaftliche Bewusstsein übergegangen 
ist. Ich habe versucht, Bopp’s Wesen in meiner Einleitung 
ın das Sprachstudium® S. 1 ff. zu schildern. Indem ich auf 
diese Darstellung verweise, bemerke ich hier nur, dass es sich 
bei ihm wesentlich um zweierlei handelt, nämlich den Nach- 
weis, dass die indogermanischen Sprachen verwandt sind, und 
um die Erklärung der Flexionsformen. Der erste Punkt kann 
insofern als erledigt gelten, als heute niemand mehr daran 
zweifelt, dass die sogenannten indogermanischen Sprachen 
säimmtlich aus einer Grundsprache entstanden sind. Was den 
zweiten Punkt betrifft, so ist klar, dass wir uns mit ihm auf 
das Gebiet der Hypothesen begeben. Bopp’s Hypothese nun ist 
in der Kürze folgende. Er nimmt an, dass sämmtliche indo- 
germanische Wörter aus Wurzeln entstanden sınd. Aus diesen 


48 Einleitung. Dritte Periode. Bopp. 


sind die Stämme der Nomina und Verba durch Zusammen- 
setzung hervorgegangen. Und zwar gehen die Stammbildungs- 
suffixe der Nomina auf Pronominalwurzeln zurück; ın manchen 
Tempus- und Modusstämmen stecken Verba, insbesondere das 
Verbum ‘sein’!), so z. B. im Aorist und Futurum, im Optativ 
das Verbum ‘gehen. Die Endungen endlich, wodurch die 
Stämme zu Wörtern werden, also dıe Kasus- uud Personal- 
suffixe sind wiederum Pronomina. Indem ich hinsichtlich der 
Beurtheilung dieser Hypothese (die jetzt im allgemeinen 
ziemlich ablehnend ausfällt) mich wiederum auf meine Einlei- 
tung beziehe, habe ich hier nur ein Wort zu sagen über 
die Entstehung der Satztheile aus den Wurzeln, die Kasus 
und das Verbum. Was den ersten Punkt betrifft, so nimmt 
Bopp zwei Klassen von Wurzeln an, nämlich Verbal- und 
Pronominalwurzeln. Unter diese Klassen sollen sich die vor- 
handenen Satztheile so vertheilen, dass aus der ersten die Nomina 
(substantivische und adjektivische) und Verba, aus der andern 
aber die Pronomina, alle Urpräpositionen, Konjunktionen und 
Partikeln hervorgegangen sind. Der Name Pronominalwurzeln 
ist (wie Bopp sagt) desshalb gewählt, weil diese Satztheile sammt- 
lich einen Pronominalbegriff ausdrücken, der allerdings in den 
Präpositionen, Konjunktionen und Partikeln ‘mehr oder weniger 
versteckt liegt. Man kann bei der Beurtheilung die ganze Streit- 
frage, mit welchem Rechte man sogenannte Wurzeln annimmt, 
bei Seite lassen, da sich, wie ich meine, bei jedem Standpunkt 
ergiebt, dass die Bopp’sche Eintheilung bei der Behandlung der 
Syntax keinen irgend erheblichen Nutzen bringt. Es zeigt 
sich nämlich sofort die eine Schwierigkeit, dass mindestens die 
Präpositionen von dieser Eintheilung durchschnitten werden. 
Wie Bopp schon durch die Bezeichnung Urpräposionen andeu- 
tet, giebt es ja Präpositionen, die deutlich nominalen Ursprungs 
sind, wie z. B. laut, kraft, secundum u. s. w., und es ist schlech- 
terdings nicht möglich, die Grenzlinie zwischen den beiden 


1) Ich habe a. a. O. gezeigt, dass Bopp bei dieser Vermutung mit 
Bewusstsein an die Lehre von den drei Satztheilen anknüpft, wie wir sie bei 
Hermann gefunden haben (vgl. oben S. 29). 


Einleitung. Dritte Periode. Bopp. 49 


Klassen genau zu ziehen. Aber selbst wenn das möglich 
wäre, würde man doch in der Syntax gezwungen sein, die 
beiden Gattungen zusammenzufassen; man würde also zur 
Aufstellung einer Mischklasse getrieben werden. Sodann ist 
klar, dass der Ausdruck “Pronominalwurzeln’, wie Bopp ja 
auch selbst empfunden hat, allzu umfassend, ja man könnte 
sagen, eigentlich negativ ist. Wie soll man z. B. ungezwungen 
die Negation unter die Pronomina nnterbringen? So ergiebt 
sich denn schon aus diesen wenigen, mehr die Ausführbarkeit 
als das Prinzip betreffenden Bemerkungen, dass die Bopp’sche 
Eintheilung zwar nüchterner und sachlicher ist als die Hermann’- 
sche, aber einen sichern Boden, auf dem man fussen könnte, 
ebenfalls nicht gewährt. Wie Bopp die Kasusendungen auf- 
fasst, sehe man aus folgenden Beispielen. Das s des Nominativ 
sing. masc. nnd fem. ist aus dem Pronominalstamm hervor- 
gegangen, der in ai. sd, gr. 0, got. sa vorliegt, bei dem Ge- 
nitiv kehrte die Sprache zu demselben Pronomen zurück. 
Der Nom. sing. neutr. ist nach Bopp durch ? (nicht durch «) 
gekennzeichnet. Dieser Stamm ist lebendig in ai. id, gr. 16, 
got. Da-. Aus demselben Pronomen ist aber auch der Ablativ 
hervorgegangen. Das Zeichen des Instrumentalis @ ist eine 
Verlängerung des Pronominalstammes a und mit der Präposi- 
tion @ identisch. In ähnlicher Weise haben die Kasus, welche 
die Silbe 5A: enthalten, eine Beziehung zu der Präposition abAt. 
Diese Beispiele genügen, um das Urtheil zu begründen, dass die 
so gefundenen Grundbegriffe (selbst wenn die Bopp’schen Deu- 
tungen sicher wären, was sie keineswegs sind) für die Syntax 
ziemlich gleichgültig sein würden. Denn aus jenen Urzustän- 
den, in denen nach Bopp Nominativ, Genitiv und Ablativ aus 
demselben Holze geschnitzt wurden, führt keine Brücke zu 
dem überlieferten Gebrauch. Beim Verbum würde die Bopp’- 
sche Erklärung des Optativs die Ansicht bekräftigen, dass die 
potentiale Bedeutung aus der wünschenden abzuleiten sei, 
die übrigen Erklärungen aber sind nach der Seite der Bedeu- 
tung ohne Erheblichkeit. Ich glaube also (wenn ich meine 
Ansicht zusammenfassen soll) erstens, dass die Bopp’sche 
Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm. Sprachen. I. 4 


50 Einleitung. Dritte Periode. Bopp. J. Grimm. 


Hypothese über die grammatischen Formen keine hinreichend 
feste Grundlage für einen syntaktischen Bau bilden kann, und ich 
glaube zweitens, dass die Bopp’schen Erklärungen auch für den, 
der sie annimmt, so ziemlich unverwendbar sein würden. 
Während somit dieser Theil der Bopp’schen Bemühungen für die 
Syntax in Wegfall kommt, ist dagegen seine übrige Forschung 
von grundlegender Wichtigkeit. Auch die Syntax hat sich 
des vergleichenden Verfahrens zu bedienen. Sie muss unter 
Benutzung der Ergebnisse der Forschungen auf dem Gebiet 
der Formenlehre festzustellen suchen, welche Gebrauchsweisen 
bereits der Grundsprache angehört haben (proethnisch sind, 
wie wir mit einem von Sonne erfundenen, bequemen Worte 
uns ausdrücken) und wie sich auf dieser Grundlage die ein- 
zelnen Sprachen weiter entwickelt haben. Wie ergebnisreich 
eine solche Betrachtung sein kann, hat Bopp selbst schon in 
seiner Erstlingsschrift vom Jahre 1816 an dem Infinitiv ge- 
zeigt. Die Griechen erklären den Infinitiv für ein ovopa br- 
paros und nehmen damit die Verlegenheit, in der sie sich 
angesichts dieser sonderbaren Form befanden, mit in die De- 
finition auf. Bopp (Konjugationssystem 71) betont dem gegen- 
über, so ein gemischtes Wesen von Substantiv und Verbum, 
das man dem Infinitiv angedichtet habe, sei überhaupt in 
keiner Sprache zu finden und es sei ein solches phantasti- 
sches Greschöpf den Centauren der Fabelwelt zu vergleichen. 
Ganz richtig, wenn man den Ursprung der Form im Auge 
hat. Bopp weist nach, dass der Infinitiv nichts anderes sei als 
eine Nominalform. Da aber das Nomen (so setzen wir Bopp’s 
Betrachtung fort) ein abstraktes war, so trat im Läufe der Zeit 
der Infinitiv zu dem System des Verbums in innerliche Be- 
ziehung. Die Doppelnatur des Infinitivs ist also eine erwor- 
bene. Auf diese Weise wird ein logisches Problem auf ge- 
schichtlichem Wege aufgelöst und in diesem Sınne kann Bopp’s 
Behandlung des Infinitivs als der Anfang der vergleichenden 
Syntax gelten. 

Einen völlig abweichenden Ton schlägt Jacob Grimm in 
der ersten Auflage seiner deutschen Grammatik an, einen Ton 


Einleitung. Dritte Periode. J. Grimm. 51 


der an die von Achim von Arnim vertretene Form der Ro- 
mantik erinnert. “Ich bin des festen Glaubens, — so heisst es 
bei ıhm in der Widmung an Savigny — selbst wenn der Werth 
unserer vaterländischen Güter, Denkmäler und Sitten weit 
geringer angenommen werden müsste, als wir ihn gerecht und 
bescheiden voraussetzen dürfen, dass dennoch die Erkenntnis 
des Einheimischen unser die würdigste, die heilsamste und 
aller ausländischen Wissenschaft vorzuziehen wäre. Auf das 
Vaterland sind wir von Natur gewiesen und nichts anderes 
vermögen wir mit unseren angebornen Gaben in solcher Maße 
und so sicher begreifen zu lernen’. Dabei geht Grimm so weit, 
jeden grammatischen Unterricht in der Muttersprache für eine 
unsägliche Pedanterei zu erklären, die es Mühe kosten würde, 
einem wieder auferstandenen Griechen oder Römer auch nur be- 
greiflich zu machen. Den geheimen Schaden, den ein solcher 
Unterricht stifte, werde eine genaue Prüfung bald gewahr. 
“Ich behaupte nichts anderes, als dass dadurch gerade die freie 
Entfaltung des Sprachvermögens in den Kindern gestört und 
eine herrliche Anstalt der Natur, welche uns die Rede mit 
der Muttermilch eingiebt und sie in dem Befang des elter- 
lichen Hauses zu Macht kommen lassen will, verkannt werde. .. 
Wer könnte nun glauben, dass ein so tief angelegter, nach 
dem natürlichen Gesetze weiser Sparsamkeit aufstrebender 
Wachsthum durch die abgezogenen matten und missgegriffenen 
Regeln der Sprachmeister gelenkt oder gefördert würde? .. 
Frage man einen wahren Dichter, der über Stoff, Geist und 
Regel der Sprache gewiss ganz anders zu gebieten weiss, als 
Grammatiker und Wörterbuchmacher zusammengenommen, was 
er aus Adelung gelernt habe und ob er ihn nachgeschlagen.’ 
.. “Wichtig und unbestreitbar ist hier auch die von vielen 
gemachte Beobachtung, dass Mädchen und Frauen, die ın der 
Schule weniger geplagt werden, ihre Worte reinlicher zu reden, 
zierlicher zu setzen und natürlicher zu wählen verstehen, weil 
sie sch mehr nach dem kommenden innern Bedürfnis bilden, 
die Bildsamkeit und Verfeinerung der Sprache aber mit dem 
Geistesfortschritt überhaupt sich von selbst einfindet und gewiss 
4* 





52 Einleitung. Dritte Periode. J. Grimm. 


nicht ausbleibt. Jeder Deutsche, der sein Deutsch schlecht 
und recht weiss, d. h. ungelehrt, darf sich nach dem treffen- 
den Ausdruck eines Franzosen eine selbsteigne lebendige Gram- 
matik nennen und kühnlich alle Sprachmeisterregeln fahren 
lassen.” Ein Meistern der Sprache ist ihm auch die Austreibung 
der Fremdwörter, und gegen die Puristen richtet er das präch- 
tige Wort: “Die Sprache hat mancherlei Schaden erlitten und 
muss ihn tragen. Die wahre, allein zuträgliche Ausgleichung 
steht in der Macht des unermüdlich schaffenden Sprachgeistes, 
der wıe ein nistender Vogel wieder von neuem brütet, nach- 
dem ihm die Eier weggethan worden; sein unsichtbares Walten 
vernehmen aber Dichter und Schriftsteller in der Begeisterung 
und Bewegung durch ihr Gefühl.” Dass diese Aussprüche einen 
Beisatz von Übertreibung enthalten, ist sicher, wie Grimm sie 
denn auch später eingeschränkt hat. Aber richtig ist gewiss, 
dass das ohne Arbeit, ja ohne Selbstbesinnung erworbene 
Sprachgefühl uns in den Stand setzt, einen nicht unerheblichen 
Theil der Vergangenheit unsrer Muttersprache von der Gregen- 
wart aus für uns in einem Grade lebendig zu machen, wie es 
bei einer fremden Sprache schwerlich gelingen wird; und mit 
Recht jedenfalls hat Grimm betont, dass die Ausbildung des 
Sprachvermögens sich zum grössten Theil in der Region des 
Unbewussten vollzieht und daher der absichtlichen Einwirkung 
des Einzelnen entzogen ist. Wer nun so, wie Grimm es thut, 
dem Organismus (dem Wachstum, wie er sagt) der Sprache mit 
einem Gefühle der Ehrfurcht, man könnte sagen, der Andacht 
gegenübersteht, für den giebt es nur ein Verfahren, dasjenige, 
wobei sich der Forscher bemüht, nicht Regeln aufzustellen, 
sondern Gesetze zu ermitteln, nicht irgend einen Sprachzustand 
als den normalen auszurufen, sondern anzuerkennen, dass die 
Sprache, wie sie langsam fortschreitet von Geschlecht zu 
Geschlecht, sich in stiller, aber unaufhaltsamer Veränderung 
befindet, mit einem Worte — das historische Verfahren. “Von 
dem Gedanken, sagt Grimm, eine historische Grammatik der 
deutschen Sprache zu unternehmen, sollte sie auch als erster 
Versuch von zukünftigen Schriften bald übertroffen werden, 


Einleitung. Dritte Periode. J. Grimm. 53 


bin ich lebhaft ergriffen worden. Bei sorgsamem Lesen alt- 
deutscher Quellen entdeckte ich täglich Formen und Voll- 
kommenheiten, um die wir Griechen und Römer zu neiden 
pflegen, wenn wir die Beschaffenheit unsrer jetzigen Sprache 
erwägen; Spuren, die noch in dieser trümmerhaft und gleich- 
sam versteint stehen geblieben, wurden mir allmählich deut- 
lieh und die Übergänge gelöst, wenn das Neue sich zu dem 
Mitteln reihen konnte und das Mittele dem Alten die Hand 
bot. Zugleich aber zeigten sich die überraschendsten Ähnlich- 
keiten zwischen allen verschwisterten Mundarten und noch 
ganz übersehene Verhältnisse ihrer Abweichungen. Diese fort- 
schreitende unaufbörliche Verbindung bis in das Einzelnste zu 
ergründen und darzustellen, schien von grosser Wichtigkeit; die 
Ausführung des Planes habe ich mir so vollständig gedacht, 
dass was ich gegenwärtig zu leisten vermag weit dahinten 
bleibt.” Die niemals stillstehende Wissenschaft ist natürlich 
auch über einen Theil des Grimm’schen Werkes hinausgegangen, 
insbesondere hat die vergleichende Grammatik, beginnend mit 
Bopp’s meisterlicher Kritik, eine völlige Umgestaltung der 
Grundlagen herbeigeführt. Indessen was auch die Folgezeit 
verändern mag, das Urtheil wird wohl bestehen bleiben, dass 
nicht leicht anderswo ein so ungeheurer Stoff mit so starkem 
und zugleich so wenig aufdringlichem Geiste bewältigt worden 
ist wie in Jacob Grimm’s deutscher Grammatik. Seine Wirkung 
ist so vielfältig, dass es schwer ist, sie abzuschätzen, und 80 
mag es denn gestattet sein, sich ihm gegenüber auf den Stand- 
punkt der allbekannten florentiner Grabschrift zurückzuziehen: 
tanto nomini nullum par elogium. Für die Praxis der Syntax 
haben wir ausser der historischen Auffassung, die wir ihm gern 
absehen möchten, namentlich zu lernen, dass, wenn man 
schildern will, wie es wirklich gewesen ist, auch die ge- 
wöhnlichen, nicht bloss die ausnahmsweise auftretenden Er- 
scheinungen in reichen Belegen zur Anschauung zu bringen 
sind. 

Ungefähr um dieselbe Zeit, wo durch Bopp die ver- 
gleichende, durch Grimm die deutsche Grammatik begründet 


54 Einleitung. Dritte Periode. Dobrowsky. Wuk. 


wurde, begann sich auch die slavische Philologie zu entwickeln, 
und zwar von Böhmen und Serbien aus. Unter den böhmischen 
Gelehrten nimmt besonders der älteste derselben, Joseph 
Dobrowsky (geb. 1753), unsre Theilnahme in Anspruch. Ihm 
verdanken wir die erste wissenschaftliche Darstellung des Alt- 
kirchenslavischen in den Institutiones linguae slavicae dialecti 
veteris, Wien 1822, einem, wie Schleicher urtheilt, für seine 
Zeit ausgezeichneten und insofern für alle Zeiten denkwürdigen 
Buche, als es die wissenschaftliche Slavistik begründet hat. 
Ihm entnahm Bopp, der von S. 329 der ersten Auflage seiner 
vergl. Gr. an, auch das Altslavische in seinen Kreis zog, im 
wesentlichen sein Material. Für uns ist D. besonders merk- 
würdig, weil er auch die Syntax behandelt hat, und zwar von 
S. 581—614 an die syntaxis convenientiae, von S. 614—667 die 
syntaxis regiminis, von S. 667—671 die syntaxis ordinis. Die 
Absicht des Verfassers geht dahin, den Thatbestand durch aus- 
gewählte Beispiele zu belegen. Auf Erklärung ist es nirgends 
abgesehen. Natürlich ist er im einzelnen in den seitdem ver- 
flossenen siebzig Jahren erheblich überboten worden, aber den 
ganzen Kreis der altslavischen Syntax hat nach ihm noch nie- 
mand durchmessen.'!) 


In Serbien knüpft sich alles an den einen Namen Wuk 
Stephanowitsch Karadschitsch (geb. 1787). Niemals ist ein 
Mann glänzender in die Literatur eingeführt worden als er: 
die von ihm gesammelten serbischen Volkslieder wurden von 
Goethe der allgemeinen Aufmerksamkeit empfohlen, auf ihn 
beruft sich dankbar, als einen seiner vornehmsten Zeugen, 
Ranke in seiner Schrift über die serbische Revolution (Hamburg 
1829, einem Buche, von dem Niebuhr urtheilte, es sei als 
Historie das Vortrefflichste, was wir in unsrer Literatur besässen), 
seine serbische Grammatik wurde von Jacob Grimm übersetzt 
und bevorwortet (Leipzig und Berlin 1824). Dem Anfang ent- 
sprach der Fortgang. Wenn jemand Anspruch auf Unsterb- 


1) Über das, was an Miklosich’s Darstellung fehlt, s. unten S. 62. 


Einleitung. Dritte Periode. Wuk Steph. Kar. 55 


lichkeit hat, so ist es doch wohl der Mann, der seinem Volke 
die Schriftsprache geschaffen, seine Lieder gesammelt, das neue 
Testament übersetzt, Grammatik und Wörterbuch aufgestellt 
hat. Als Wuk noch ein Hirtenjunge war und aus einer alt- 
slavischen Bibel das Lesen zu lernen suchte, waren, wie Grimm, 
Vorrede xn bemerkt, die Geistlichen und die wenigen, welche 
in Serbien etwa sonst den Wissenschaften oblagen, in dem 
Wahn befangen, “dass ihre angeborne Landessprache, welcher 
sie gleichwohl tagtäglich pflegten, nichts als ein aus der Cynilli- 
schen Kirchensprache entstelltes, durch türkische Wörter vollends 
verderbtes Idiom sei, nichts als eine Sauhirten- und Rinder- 
hirten-Sprache” (samo svinarski i govedarski jezik,. Wuk erst 
verschaffte der Volkssprache ıhr Recht. Er brachte den 
Gelehrten eine Sprache nahe, von der Grimm ausruft: “Er- 
freuten sich doch viele Völker der gebildeten Welt, deren 
Literatur jetzt in voller Blüte steht, einer so wort- und form- 
reichen, bildsamen und edlen Sprache, als diese Hirtensprache 
gescholtene, unter südlichem Himmel südlich wohllautende 
serbische ist.” 

Die Einführung des Slavischen in die Sprachwissenschaft 
ist ein Ereignis, dessen Folgen noch lange nicht erschöpft sind. 
Die slavischen Sprachen, voran das Serbische und Russische, 
machen, wenn auch nicht weniges aus der europäischen Be- 
griffswelt und Syntax vermittelst Übersetzung und Nachahmung 
in sie eingedrungen ist, noch immer den Eindruck, dass sie 
mehr von ihren eigenen Mitteln leben, als andere moderne 
Sprachen. Sie haben in der Syntax viel Alterthümliches be- 
wahrt, so z. B. bei dem Nomen den Dual und den Instru- 
mentalis, bei dem persönlichen Pronomen die enklitischen 
Formen, bei dem Verbum den Aorist und die Verschieden- 
heiten der Handlungsarten, womit sie an Indogermanisches 
anknüpfen, die Wortstellung, welche namentlich im Serbischen 
mit grosser Treue festgehalten ist. Andererseits zeigen sie auch 
ihre Kraft in wichtigen eigenen Gebilden, so namentlich in 
der Bildung des vielfachen Satzes und der Konjunktionen, ein 
Gegenstand, der noch der Bearbeitung harrt. Infolge dieser 





56 Einleitung. Dritte Periode. Steinthal. 


Eigenschaften werden sie stets eine wichtige Fundgrube für 
die Sprachforscher sein!). 


Nachdem auf die beschriebene Weise die vergleichende 
Grammatik begründet worden war, entfaltete sich eine von 
vielen hervorragenden Gelehrten wie Pott, Benfey, A. Kuhn 
u. a. getragene weiterbauende Thätigkeit, welche ich hier nicht 
zu schildern habe. Für meinen Zweck wichtig erscheint mir 
vor allem die Thatsache, dass neue philosophische Anregungen 
erfolgten und dass aus Indien und dem lituslavischen Gebiet 
neuer Stoffin theilweise glänzender Bearbeitung zugeführt wurde. 
Die philosophische Anregung knüpft sich hauptsächlich an 
H. Steinthal’s Namen. Dieser hervorragende Gelehrte, dem 
wir schon wiederholt begegnet sind, tritt auf als der Fortsetzer 
Wilhelm von Humboldt’s.. Wie Humboldt ist er nicht in erster 
Linie Philologe, sondern Philosoph. Seine Absicht geht nicht 
auf die Einzelforschung, sondern wie bei seinem Lehrer, dem 
trefflichen K. W. L. Heyse, auf ein System der Sprachwissen- 
schaft. Es soll nicht bloss das Wesen und der Ursprung der 
Sprache, das Verhältnis der Sprache und Grammatik zur Meta- 
physik, Logik und Psychologie, sondern auch die Klassifikation 
der Sprachen und die Geschichte der Sprachwissenschaft zur 
Darstellung kommen, eine grossartige Lebensarbeit, die auch 
in mehr als einem Stücke bereits wirklich ausgeführt ist. Was 
nun an diesen Leistungen Steinthal’s etwa zu loben und zu 
tadeln ist, mögen andere entscheiden; ich will an dieser Stelle 
nur hervorheben, worın nach meiner Meinung das wesentliche 


1) Es mag mir bei dieser Gelegenheit gestattet sein, der Thatsache 
zu gedenken, dass die slavischen Sprachgelehrten sich immer mehr daran 
gewöhnen, ein jeder in seiner Sprache zu schreiben. Dagegen anzukämpfen, 
wäre bei der jetzigen Stimmung der Völker vergeblich. So sei denn nur 
die Bitte ausgesprochen, dass es unsern slavischen Kollegen gefallen möge, 
ihre Bücher mit Inhaltsverzeichnissen und Registern zu versehen, welche 
in einer nicht-slavischen Weltsprache geschrieben sind. Sie würden uns 
das Studium ihrer Arbeiten auf diese Weise sehr erleichtern und so den 
wissenschaftlichen internationalen Verkehr, den wir alle wünschen, befördern. 


Einleitung. Dritte Periode. Steinthal. 57 


Verdienst Steinthal’s um die indogermanische Sprachforschung 
überhaupt und die Syntax im besonderen besteht. Ich finde 
dies in der Verwerthung der Herbart’schen Psychologie für die 
Sprachwissenschaft. Das ist in mehr theoretischer Weise ge- 
schehen ın grösseren Schriften Steinthal’s (z. B. in seiner Ein- 
leitung in die Psychologie und Sprachwissenschaft, Berlin 1871), 
in mehr praktischer, auf einzelne grammatische Probleme ein- 
gehender Art in der von ihm und Lazarus von 1860 an heraus- 
gegebenen Zeitschrift für Völkerpsychologie und Sprachwissen- 
schaft. In dem diese Zeitschrift einleitenden Aufsatz hat es 
freilich bisweilen den Anschein, als ob die Verfasser des- 
selben dıe Begriffe Sprache, Sprachgeist, Volksseele in dem- 
selben mythologischen Sinne verwendeten, wie es früher ge- 
schehen war, als sei also der Gesammtgeist etwas, was noch 
ausserhalb der Einzelgeister vorhanden sei; indessen machen 
se mit diesem Gedanken nicht Ernst. In der That handelt 
es sch doch nur um das Seelenleben der Einzelnen und ihre 
Wirkung auf einander, also um Dinge, die jeder Beobachtende 
verstehen und kontrolieren kann. Jeder, der auf sein eigenes 
Sprechen aufmerkt, wird ja sofort gewahr, dass in der Sprache 
dee Wörter und Formen nicht vereinzelt auftreten, sondern 
auf das mannigfaltigste mit einander verknüpft sind; wie sollte 
da eine Psychologie nicht willkommen sein, die gerade in der 
Lehre von der Assoziation der Vorstellungen ihre Stärke hat? 
Wenn wir nun weiter fragen, worin Steinthal’s in der ge- 
nannten Richtung liegende Verdienste im einzelnen bestehen, 
welche grammatische Lehre er besonders gefördert, welches 
Kapitel der Syntax er umgestaltet hat, so gerathen wir mit der 
Antwort in einige Verlegenheit. Gewiss hat er manches Pro- 
blem, mit dem die Historiker unter den Grammatikern sich 
abmühen, durch treffende Bemerkungen ein Stück vorwärts 
gebracht (z. B. die Lehre von der Attraktion), aber er ist nicht 
in dem Sinne Indogermanist, dass er eine indogermanische 
Sprache oder eine Erscheinung dieser Sprachwelt in allem 
geschichtlichen Detail zur Darstellung gebracht und mit Hilfe 
seiner psychologischen Kunst aufgeklärt hätte. Seine Wirkung 





58 Einleitung. Dritte Periode. Pänini. 


ist vielmehr allgemeinerer Natur. Er hat mehr als ein anderer 
dazu beigetragen, die Logik aus der Grammatik zu vertreiben 
und an ihre Stelle die Psychologie zu setzen. Die Logik ist 
ja eine Kunstlehre des Denkens und die logischen Begriffe 
sind nur im Besitze weniger Geister. In der Sprache, die 
durch das Zusammenwirken der Ungebildeten erwachsen ist, 
können also nicht diese Begriffe wirksam sein, sondern gewisse 
durch unbewusste Seelenthätigkeit entstandene Gebilde, deren 
Genesis uns die Psychologie verstehen helfen soll. Natürlich 
fällt mir nicht ein, zu behaupten, dass diese und ähnliche Vor- 
stellungen, die in der modernen Menschheit langsam erstarkt 
und zum Theil schon Gemeingut des sogenannten gesunden 
Menschenverstandes geworden sind, durch Steinthal zuerst in 
Umlauf gesetzt worden seien. Was ich behaupte, ist nur, dass 
seine Arbeiten auf deutsche Philologen ın dem angegebenen 
Sinne fördernd gewirkt haben. So bekenne ıch mich ihm 
dankbar verpflichtet, und ohne Steinthal wäre ein so gutes 
Buch wie Paul’s Prinzipien der Sprachgeschichte, von dem 
nachher zu sprechen sein wird, nicht zu Stande gekommen. 
Viel wichtiger als der eben erörterte ist der zweite der 
oben hervorgehobenen Punkte. Ich möchte zunächst, indem 
ich mich Indien zuwende, ein Wort von der einheimischen 
Grammatik der Inder sagen, über deren Werthschätzung eine 
Zeit lang zwischen der Schlegel’schen und Bopp’schen Richtung 
heftig genug gestritten wurde, jetzt aber wohl ziemlich all- 
gemeine Übereinstimmung herrscht. Ich denke, dass Whitney !) 
die Überzeugung der unbefangenen Kenner ausspricht, wenn 
er sagt, dass die Grammatik das bewunderungswürdigste Pro- 
dukt des wissenschaftlichen Geistes in Indien ist und dass 
diese indische Leistung den Vergleich mit den höchsten wissen- 
schaftlichen Leistungen, welche die Welt kennt, nicht zu 


1) Vgl. W. D. Whitney, the study of Hindu grammar and the study 
of Sanskrit, repr. from American Journ. of Philology Vol. V, Nr.3. Was 
Whitney auf S. 15 dieses Aufsatzes wünscht, nämlich eine Ausgabe mit 
Übersetzung und Erklärung, ist im wesentlichen durch Böhtlingk’s zweite 
Bearbeitung des Pänini (Leipzig 1887) geleistet worden. 


TE = 


Einleitung. Dritte Periode. Vedastudien. 59 


scheuen braucht, dass dagegen ihre Darstellungsmethode zwar 
gaistreich, aber verdreht ist. Was wir von den indischen 
Grammatikern (die uns zuerst Böhtlingk durch seine Ausgabe 
des Pänini, Bonn 1839 zugänglich gemacht hat) ın das all- 
gemeine grammatische Bewusstsein übernommen haben, schlägt 
zu einem erheblichen Theile in das nicht-syntaktische Gebiet. 
Sie sind uns vorangegangen in der Zerlegung der Sprach- 
formen (denn, wie Whitney richtig sagt, das Sanskrit ist vor 
allem an analyzable language), von ihnen haben wir eine ver- 
nünftige Anordnung des Alphabets gelernt, den Unterschied 
zwischen tönenden und tonlosen Konsonanten, die Lehre von 
der Vokalsteigerung herübergenommen. Näher an die Syntax 
(die bei ihnen nicht als ein abgesonderter Theil der Grammatik 
erscheint) streifen ihre Angaben über den Satzaccent, welche 
die volle Verwerthung noch nicht gefunden haben, und ihre 
Lehre von den Klassen der Komposita, die sich rasch eine 
Stellung in der Grammatik erobert hat. Wie scharf sie syn- 
taktische Begriffe aufzufassen vermögen, werde ich beı der 
Erörterung der Grundbegriffe der Kasus zeigen. So ist denn 
ihr Einfluss in der That kein geringer. Doch wird er bei 
weitem überboten durch den Eindruck, den die Erschliessung 
des Veda in der grammatischen Welt hervorgebracht hat. An 
der philologischen Erforschung des Veda haben sich deutsche 
Gelehrte in hervorragender Weise beteiligt, Rosen, Müller, 
Benfey, A. Kuhn, vor allem Rudolf Roth, dessen Arbeiten 
besonders in dem von ihm und Böhtlingk verfaßten, sogenannten 
Petersburger Wörterbuch niedergelegt sind. Dieses Wörterbuch 
nimmt in der Sprachwissenschaft eine ähnliche Stellung ein 
wie Jacob Grimm’s deutsche Grammatik. Es giebt kein Wörter- 
buch, in welchem in irgend vergleichbarer Weise der gesammte 
Wortschatz einer reichen Sprache geschichtlich behandelt worden 
wäre. Seine Wirkung war gross und dauert noch heute un- 
vermindert fort. So ist z. B. die etymologische Forschung we- 
sentlich durch den Einfluss dieses Werkes von der Wurzel- 
vergleichung auf den gesunden Boden der Wörtervergleichung 
herübergeführt worden. Wie die Bekanntschaft mit dem Veda. 


60 Einleitung. Dritte Periode. Vedastudien. 


auf die Formenlehre und Syntax gewirkt hat, mag an einem 
Beispiel gezeigt werden. Die einheimischen indischen Gram- 
matiker sind, weil ın der ihnen bei dem Aufbau der Gram- 
matık wesentlich vorschwebenden Sprachperiode die Modi sehr 
schwach vertreten sind, zu einer Unterscheidung von Tempus 
und Modus nicht gelangt. In den ältesten englischen Sanskrit- 
grammatiken und danach bei Bopp findet sich im Anschluss 
daran folgende Aufzählung der Verbalformen: 1. das Präsens, 
2. der Modus potentialis, 3. der Imperativ, 4. das Imperfektum, 
5. der Aorıst, 6. das Perfektum, 7. das zusammengesetze Fu- 
turum, 8. der Prekativ, 9. das einfache Futurum, 10. der 
Konditionalis. Über diese Reihe musste sich ein Mann wie 
W. v. Humboldt freilich verwundern und, da er an der That- 
sächlichkeit des Zustandes nicht zweifeln konnte, zu der An- 
sicht kommen, “dass im Sanskrit der Begriff des Modus nicht 
allein offenbar unentwickelt geblieben, sondern auch in der 
Erzeugung der Sprache selbst nicht wahrhaft gefühlt und nicht 
rein von dem des Tempus unterschieden worden ist” (Einleitung 
S. 106). Bopp theilte ($ 442 der kleinen Sanskrit-Grammatik) 
dem philologischen Publikum weiter mit, dass im Veda-Dialekt 
ein über mehrere Tempora sich erstreckender Modus vorhanden 
sei, den die indischen Grammatiker ZLef nennten und der im 
Sinne des Potentialis, Prekativs und Imperativs gebraucht werde. 
Dass dieser Let dem Konjunktiv des Griechischen gleich sei, 
leuchtete ein, aber die Meinung lag nahe, dass der Konjunktiv 
im Sanskrit nur erst in wenigen Spuren erscheine, “seine 
Durchbildung zu einem selbständigen Modus aber als eine 
That des griechischen Geistes anerkannt werden müsse”. (Aken, 
Grundzüge der Lehre von Tempus und Modus im Griechischen, 
Rostock 1861). Erst die Bekanntschaft mit dem Veda zeigte 
den wahren Zustand. Man merkte, dass der Zef nichts anderes 
sei als der Konjunktiv, nicht etwa in Resten oder Anfängen 
vorhanden, sondern gerade so ausgebildet wie sein griechisches 
Gegenbild. Im Zusammenhang damit wurde klar, daB der sog. 
Potentialis nichts anderes sei als der Optativ des Präsens und, 
da sich zugleich Modi auch bei dem Perfektum und Aorist 


Einleitung. Dritte Periode. Schleicher. 61 


fanden, so ergab sich, dass die Tempora und Modi sich im 
Sanskrit gerade so zu einander verhalten wie im Griechischen, 
dass also das indogermanische Verbum sich in diesen beiden 
Sprachen (zu denen dann noch das Iranische tritt) ın allen 
seinen wesentlichen Bestandtheilen erhalten habe — ein Er- 
gebnis, das darum von grosser Wichtigkeit ist, weil dadurch 
zuerst eine Grundlage für die vergleichend-syntaktische Be- 
handlung des gesammten indogermanischen Verbums gewonnen 
worden ist. Auch in bezug auf die Kasuslehre bot der vedische 
Gebrauch das Regulativ, und so haben sich denn z. B. meine 
bisherigen Arbeiten über Kasuslehre, Moduslehre, Tempuslehre, 
Wortstellung und schliesslich meine altindische Syntax aus dem 
Vedastudium entwickelt, und ich ergreife gern die Gelegenheit, 
dankbar zu bekennen, dass, wenn an diesen Arbeiten etwas 
Gutes ist, es zum grössten Theile dem Böhtlingk - Roth’schen 
Werke zu verdanken ist. 

Ich komme nun zu dem baltisch-slavischen Sprach- 
gebiet und habe zuerst das Litauische zu erwähnen. Das 
Litauische war schon in der vergleichenden Grammatik von 
Bopp mit Hilfe älterer Grammatiken herangezogen worden, 
Pott zeigte seine hervorragende Bedeutung für die etymologi- 
sche Forschung, aber recht eigentlich wurden die in dieser alter- 
thümlichen Sprache ruhenden Schätze doch erst durch August 
Schleicher (1821—1868) gehoben, dessen Handbuch der litau- 
ıschen Sprache, Grammatik nebst Texten und Glossar umfassend, 
ın Prag 1856 und 57 erschienen ist. In der Grammatik ist der 
litauische Sprachstoff, mit Anwendung der sprachwissenschaft- 
lichen Methode übersichtlich dargestellt. Die Syntax enthält 
zwar nicht eine umfassende Sammlung von Belegen, aber doch 
eine vollständige und lichtvoll angeordnete Übersicht alles 
Wesentlichen. Der bedeutendste unter Schleicher’s Vorgängern 
war Kurschat. Er hatte bereits 1843 Beiträge zur Kunde der 
htauischen Sprache erscheinen lassen, auf die Schleicher 

sich vielfach gestützt hat. Im Jahre 1876 ist dann auch 
ron ihm eine litauische Grammatik erschienen. Sie unter- 
scheidet sich von der Schleicher'schen namentlich in bezug 


62 Einleitung. Dritte Periode. Miklosich. 


auf die Accentlehre, welche der geborene Litauer von anfang 
an richtiger aufgefasst hatte. Wie nützlich das Litauische 
für die Vergleichung werden kann, wird man hoffentlich in 
meiner Darstellung gewahr werden. 

Auf dem slavischen Gebiete ragt über alle der Name 
Franz Miklosich (1813—1891) hervor. Miklosich’s unermüd- 
liche Thätigkeit erstreckte sich auf das weite slavische Gebiet 
und was sich daran anschloss (Rumänisch, Zigeunerisch, auch 
Neugriechisch,. Ihm verdanken wir, indem er die von Do- 
browsky u. a. begonnene Thätigkeit fortsetzte, ein Lexikon des 
Altkirchenslavischen (oder, wie er sagt, Altslovenischen), wich- 
tige Texte derselben Sprache, auf grammatischem Gebiet aber 
vor allem die vergleichende Grammatik der slavischen Spra- 
chen, deren vierter Theil die in Wien 1868—1874 erschienene 
vergleichende Syntax der slavischen Sprachen bildet. Die 
vergleichende Grammatik enthält ein Repertorium der einzel- 
sprachlichen Thatsachen, welche unter dem vergleichenden 
Gesichtspunkte als wichtig erscheinen , wobei die Zusammen- 
fassung zu einer Einheit bald mehr bald weniger beherrschend 
hervortritt. Auch die Einfügung in den Rahmen der indo- 
germanischen Grammatik, welche von Schleicher durchgeführt 
worden ist, ist von Miklosich begonnen. Die Syntax, welche uns 
hier allein angeht, enthält auf ungefähr 900 Seiten einen un- 
gemein reichen Stoff, aus dem alle Nachfolger schöpfen. Die 
Begriffsbestimmung und infolge dessen die Anordnung der 
Syntax vermag ich freilich nicht zu loben. Unter Syntax ver- 
steht Miklosich die Lehre von der Bedeutung der Wortklassen 
und Wortformen. Eine Lehre vom Satze giebt es bei ihm 
nicht. Infolge dessen findet das Kapitel von den subjektlosen 
Sätzen ein Unterkommen bei dem Nominativ, der zusammen- 
gesetzte Satz (über dessen Stellung im System sich Miklosich 
S. 769 ausspricht) wird wesentlich bei den Modi abgehandelt, 
die Kongruenz wird nur gelegentlich, die Wortstellung (wenn 
ich nichts übersehen habe) überhaupt nicht besprochen. Es 
fragt sich, wie Miklosich zu dieser Auffassung gekommen ist. 
Ich lege mir die Sache so zurecht. Miklosich hatte, wie man 





Einleitung. Dritte Periode. Miklosich. 63 


aus allen seinen Schriften sieht, die Ansicht, dass ein wissen- 
schaftlicher Mann sich vor allen Dingen dem Stoff gegenüber 
bescheiden zu verhalten habe. Er wollte in erster Linie den 
Stoff in einem Umfange sammeln, wie es vor ihm nicht ge- 
schehen war, und ihn geordnet darstellen, war aber stets in 
Besorgnis, dass demselben nicht zu viel von der Sujektivität 
des Forschers aufgedrängt werde. So mochte er denn glauben, 
dass mit den Theilen des Satzes, die ja den Satz bilden, auch 
der Satz selbst behandelt sei. Das ist aber ein Irrthum. In 
dem Bewusstsein des Sprechenden ist ja mehr enthalten als 
die Satztheile und ıhre Konstruktionen. So ist z. B. nicht 
zu leugnen, dass auch eine Vorstellung von dem, was wir Prä- 
dikat nennen, eine treibende Kraft bei der Satzgestaltung ist, 
was man u.a. daraus sieht, dass das Adjektivum, wenn es in 
dem prädikativen Satzabschnitt steht, in mehreren Sprachen (z.B. 
ım Slavischen und Germanischen) eine andere Gestalt zeigt, 
als wenn es attributiv ist, was sich doch nur aus einer in der 
Seele vorhandenen Vorstellung vom prädikativen Ausdruck 
erklären lässt. Ferner ıst klar, dass ein bestimmter Wortstel- 
lungstypus im einfachen Satze überliefert wird, von dessen 
Dasein man sich dadurch überzeugt, dass bei dem Versuche, 
die überlieferte Wortstellung in einer ırgend erheblichen Weise 
zu verlassen, das Sprachgefühl sofort reagirt (vgl. S. 11). Wenn 
ich nun auch aus diesen und anderen Gründen, die ım Ver- 
laufe meiner Arbeit zum Vorschein kommen werden, von Mi- 
klosich’s Gesammtauffassung der Syntax abweiche, so thut das 
natürlich meiner Bewunderung für seine Leistungen keinen 
Eintrag. Ich wüsste nicht, wie ich ohne Miklosich’s Syntax 
die vorliegende Arbeit hätte unternehmen können. 

Die Periode, von der auf den letzten Seiten gesprochen 
worden ist, war reich, wenn nicht an genialen, so doch an 
hervorragenden Persönlichkeiten. Ich nenne von diesen noch 
Ludwig Lange, Georg Curtius und Alfred Ludwig. Ludwig 
Lange (1825—1885) hat sich mit Apollonios Dyskolos eindrin- 
gend beschäftigt, ungefähr zu derselben Zeit in einem auf der 
Philologenversammlung zu Hannover gehaltenen Vortrage 


64 Einleitung. Dritte Periode. Lange, Curtius, Ludwig. 


(Göttingen 1853) sehr verständige, der Zeit voraus eilende 
Ansichten über Ziel und Methode der syntaktischen Forschung 
entwickelt und sodann an der Behandlung des homerischen 
st ein nachahmenswerthes Vorbild sauberster Kleinarbeit auf- 
gestellt. Ihm gebührt in der Geschichte der Syntax ein ehren- 
voller Platz. Georg Curtius (1820— 1885), durch einen ästheti- 
schen Zug in seiner Anlage auf das Griechische gewiesen, um das 
er die verwandten Sprachen gruppierte, hat früh den Werth der 
Sprachvergleichung auch für die griechische Syntax erkannt. 
So hat er schon in seiner ersten grösseren Schrift über die 
Bildung der Tempora und Modi im Griechischen und Lateini- 
schen (Berlin 1846) an dem reduplizierten Aorist des Griechi- 
schen (übrigens im Anschluss an Humboldt) treffend erwiesen, 
dass die Reduplikation nicht die Vergangenheit andeute, und 
dadurch die wichtige Unterscheidung zwischen Zeitstufe und 
Zeitart, wie er es später genannt hat (besser sagt man Art der 
Handlung), vorbereitet. Gute Bemerkungen zur vergleichenden 
Syntax finden sich auch in den Erläuterungen zu seiner grie- 
chischen Schulgrammatik. Am wirksamsten dürfte aber Cur- 
tius durch seine Vorlesungen, in denen er überhaupt eine 
reiche propagandistische Thätigkeit entfaltete, den Gedanken 
verbreitet haben, dass auch die Syntax der bisherigen isolieren- 
den Behandlung enthoben weıden müsse. Eine völlig andere 
Persönlichkeit ıst Alfred Ludwig, ohne Neigung für griechi- 
sches Mass, formlos und eher gewaltthätig. Er geht sowohl 
bei der Erforschung des Veda, zu der er sehr hervorragende 
Beiträge geliefert hat, als in bezug auf die Auffassung der 
indogermanischen Formen seinen eignen Weg. Im Veda giebt 
es eine nicht geringe Zahl von Stellen, an denen sich unser 
Scharfsinn vergebens versucht. Diesen sucht Ludwig beizu- 
kommen, indem er annimmt, dass dıe Flexionsformen im Veda 
nicht ausschliesslich diejenige Bedeutung haben, welche die 
bisherige Wissanschaft, von den Indern bis heute, in ihnen findet, 
sondern dass sie nicht ganz selten auch in einem ganz andern 
Sınne gebraucht werden, z. B. das, was wır Akkusativ nennen, 
ım Sınne des Genitivs, was wir zweite Person nennen, im 


Einleitung. Dritte Periode. Ludwig. 65 


Sinne der ersten. Zur Erklärung dieser Erscheinung nimmt 
Ludwig nicht eine Übertragung oder irgend eine Irrung des 
Sprachgefühls an, sondern er sieht in den vedischen Erschei- 
nungen Reste desjenigen Zustandes, der in der Urzeit der 
allgemeine war. Ludwig nimmt also an, dass die Flexions- 
suffixe in der Urzeit keineswegs einen irgend abgeschlossenen 
Sınn hatten, den man als ihre Grundbedeutung aufstellen 
könnte. Es ist überhaupt irrthümlich, wenn man die Flexions- 
suffixe von den Stammbildungssuffixen unterscheidet. Was 
wir so nennen, sind nur Stammausgänge. So ist z. B. das, 
was uns ein zu verschiedenen Kasus abgewandelter Stamm ist, 
nach Ludwig nichts weiter als eine durch die gleiche Bedeu- 
tung zusammengehaltene Anzahl von Stämmen mit verschie- 
denen Ausgängen. Als nun das Bedürfnis auftauchte, die 
grammatischen Verhältnisse, welche zuerst in der Sprache 
keinen Ausdruck gefunden hatten, zu bezeichnen, errang all- 
mählich jeder der konkurrierenden Stämme eine sogenannte 
Kasusbedeutung. Die vorhandenen Stämme adaptirten sich 
dem Bedürfnis. Die Bedeutung also ist den Flexionssuffixen 
nicht angeboren, sondern (wie ich mit einem bei Ludwig aller- 
dings nicht vorkommenden Bilde sagen möchte) von ihnen im 
Kampfe um’s Dasein erworben. Ich stimme diesen Ansichten 
nieht bei. Im Veda kommt man ohne solche Theorien so 
weit, als man bei einem so alten und so schwierigen Buche 
nur irgend verlangen kann, und eine wirkliche Erklärung der 
Flexion kann ich in der Adaptationstheorie nicht finden, da 
man meiner Ansicht nach weder recht einsieht, wie so zahl- 
reiche Paralleformen entstehen konnten, noch warum sich die 
einzelnen gerade so und nicht anders adaptiert haben mögen 
(vgl. meine Einleitung?, 66 fj. Damit soll natürlich die Vor- 
stellung (die ja auch nicht Ludwig allein gehört), dass gewisse 
Wörter oder Formen ihre Bedeutung im empfundenen Gegen- 
satze gegen andere formieren, keineswegs abgewiesen werden. 
Auch wıll ich, nachdem ich mich wiederholt um dıe Bekäm- 
pfung Ludwig’scher Ansichten bemüht habe, nicht versäumen, 
das Selbstverständliche auszusprechen, nämlich zu betonen, 
Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm. Sprachen. I. 5 


66 Einleitung. Dritte Periode. Lautgesetz. Aralogie. 


dass für jede wissenschaftliche Richtung ein ernster Wider- 
spruch nur nützlich sein kann, dass also die Polemik, 
welche Ludwig in seiner Schrift Agglutination oder Adapta- 
tion Prag 1873 gegen meine Moduslehre geführt hat, mir 
in dem Bestreben, das Sichere vom Unsichern zu scheiden, 
förderlich gewesen ist. Dass übrigens in dem Ludwig’schen 
System eine Art Gegenbild der Darwin’schen Anschauung zu 
finden ist, wird dem aufmerksamen Leser auch ohne meinen 
Hinweis nicht entgehen. 


Wie Bopp’s vergleichende Grammatik die erste, Schleicher’s 
Kompendium die zweite, so fasst Brugmann’s Grundriss die 
dritte Periode der sprachvergleichenden Wissenschaft zusam- 
men, so weit bei der Mannigfaltigkeit der jedesmal vorhan- 
denen Bestrebungen überhaupt von einer Zusammenfassung 
die Rede sein kann. Diese dritte Periode stellt sich dem 
betrachtenden Blick als eine naturgemässe Fortsetzung des 
Bisherigen dar, von dem sie sich dadurch unterscheidet, dass 
man sich bemüht, gewisse schon früher vorhandene Anschau- 
ungen konsequenter zu Ende zu denken und zu einer syste- 
matischen Einheit zu bringen. In der praktischen Arbeit an 
der Wissenschaft traten besonders zwei Begriffe hervor, der 
Begriff des Lautgesetzes und der der Analogie. Während 
man sich zunächst mit Zusammenstellungen begnügt hatte, 
für deren Richtigkeit ihre unmittelbare Evidenz eintrat, kam 
man allmählich dazu, jede einzelne Behauptung an sämmtlichen 
analogen Fällen zu prüfen, wobei sich denn eine Reihe von 
Lautgesetzen ergab, die zwar nur innerhalb räumlicher und 
zeitlicher Beschränkung Gültigkeit hatten, aber innerhalb ihrer 
Grenzen den Naturgesetzen vergleichbar erschienen. Für die 
nicht wegzuschaffenden Ausnahmen bot die Wirkung der Ana- 
logie häufig eine befriedigende Erklärung. Und so entstand 
dann die zuerst von Schleicher ausgesprochene, aber erst von 
Jüngeren Gelehrten (namentlich auf Anregung von Scherer 
und Leskien) in das wissenschaftliche Leben eingeführte Theorie, 


a 


Einieitung. Dritte Periode. Lautgesetz. Analogie. 67 


dass die äussere Gestalt des jedesmaligen Sprachzustandes eines- 
theils durch ausnahmslos wirkende Lautgesetze, andererseits 
durch die Kraft der Analogie herbeigeführt werde. Indem 
man über die Gründe dieser Erscheinung, deren Thatsächlich- 
keit sich aus einer Menge von Einzelbeobachtungen ergab, 
näher nachdachte, wurde man von selhst auf eine genauere 
Erforschung des psychophysischen Mechanismus geführt, von 
welchem die Sprachthätigkeit des einzelnen Menschen abhän- 
gig ıst. Die Forschung wandte sich einerseits der Laut- 
physiologie, andererseits den psychischen Vorgängen 
mıt erneutem Eifer zu. Das letztere geschah z. B. in der Ein- 
leitung zu den Morphologischen Untersuchungen von Osthoff 
und Brugmann und besonders in Paul’s Prinzipien in aus- 
gesprochener Anknüpfung an Steinthal’s oben von mir erwähnte 
Bemühungen. Dabei ergab sich als nothwendige Folge eine 
Tendenz zu einer anderweitigen Wahl des Arbeitsfeldes. Die 
Analogiewirkungen zeigen sich, (aus Gründen, die noch nicht 
hinreichend erörtert worden sind) besonders bei den modernen 
Sprachen, und innerhalb dieser mehr bei den Volks- als bei 
den Literatursprachen. Aus ihnen also — so schloss man — 
sind die wahren methodischen Gesichtspunkte für die Sprach- 
forschung zu entnehmen, zumal sich doch auch nicht leugnen 
lässt, dass sie in viel vollständigerer Weise zugänglich sind, als 
z. B. das Sanskrit und das Griechische. Den Einwand, dass 
die neueren Sprachen weniger vollkommen seien, als die älte- 
ren, liess man dabei mit Recht nicht gelten. Denn es ist ja 
doch klar, und war auch früher schon oft ausgesprochen, dass 
was die modernen Sprachperioden etwa an Formenfülle verloren 
haben, durch ihre reiche geistige Entwicklung mehr als wett- 
gemacht wird. So drängte Erfahrung und Überlegung noth- 
wendig zu dem Schluss, dass die Bedingungen der Sprach- 
thätigkeit zunächst an den jetzigen Sprachen zu erforschen 
und die an ihnen gewonnenen Erkenntnisse auf die alten 
Sprachen analog anzuwenden sein. Freilich arbeitet dieser 
Anschauung stets ein nicht abzuweisendes Bedürfnis der Praxis 
eitgegen. Wenn man verwandte Sprachen vergleicht, das 
ze 


68 Einleitung. Dritte Periode. Grundsprache. 


heisst, wenn man das, was ihnen gemeinsam ist, von den zu 
sondern sucht, was der Entwickelung jeder einzelnen angehört, 
leisten gerade die ältesten Perioden, wo die Konvergenz der 
Linien deutlicher hervortritt, die vorzüglichsten Dienste. So 
ist es gekommen, dass die indogermanische Sprachvergleichung 
in dem engern, bei uns nun einmal technisch gewordenen Sinne 
sich nach wie vor zu einem wesentlichen Theile mit toten 
Sprachen abgiebt. Man hat aber gelernt, dass man gut thut, 
sich die Vorgänge der ältern Zeit möglichst durch die Vorgänge 
der jüngern Zeit zu erhellen. Und noch ein andrer Fortschritt 
hat sich naturgemäss eingestellt. Indem man den Blick nicht 
mehr einseitig auf gewisse Perioden gerichtet hält, ist die 
Betrachtung (wozu ja ohnehin die Richtung der Zeit auffordert) 
historischer geworden. So ist es denn nicht unrichtig, wenn 
man sagt, dass unsre Wissenschaft, die Bestrebungen von Bopp 
und Grimm vereinigend, zu einer historisch-vergleichenden 
geworden ist. Damit ist denn auch eine veränderte Stellung 
zu der indogermanischen Grundsprache gegeben. Mit 
Recht hat Schleicher, indem er den Gedanken, dass sämmtliche 
verwandte Sprachen aus einer Ursprache entstanden seien, 
schärfer, als es vor ihm geschehen war, betonte, sich von der 
Beschaffenheit dieser Ursprache ein deutliches Bild zu entwerfen 
gesucht, und mit Recht ist er dazu vorgeschritten, eine Reihe 
von Formen derselben zu rekonstruieren. In jeder derartigen 
Aufstellung sind eine Reihe von einzelnen Behauptungen ent- 
halten. Indem z. B. Schleicher ai. dsmi, av. ahmi (ami), gr. 
eiut, lat. sum, got. ım, aksl. jesmi aus der Urform *asmi ab- 
leitete, wollte er damit sagen, dass in der Ursprache nıcht e, 
sondern a vorhanden gewesen sei und das Altindische auch 
iin übrigen die Urform rein erhalten habe, im Avestischen & 
in den Hauchlaut übergegangen, im Griechischen die sogenannte 
Ersatzdehnung eingetreten, im Lateinischen der Anfangs- und 
Endvocal verschwunden und ein « hinzugefügt sei u. 8. w. 
Dabei ergiebt sich sofort, dass eine Urform *asmi nicht eine 
für alle Zeiten feststehende Realität sei, sondern dass die 
Urformen sich den Veränderungen, welche etwa in den dabei 





Einleitung. Dritte Periode. H. Paul. 69 


in betracht kommenden Ansichten eintreten, anzuschmiegen 
haben, wie wır denn jetzt, da wir annehmen, dass in der Ur- 
sprache ein kurzes e vorhanden gewesen sei, nicht mehr *asms, 
sondern *esms als Urform aufstellen, also dem Altindischen 
eine Abweichung von dem Ursprünglichen zuschreiben. In 
diesem Sinne, nämlich als Formeln, aufgefasst, haben die Ur- 
formen einen vernünftigen Sinn und eine nicht anzuzweifelnde 
Nützlichkeit. Man war aber in der Konstruktion der Ursprache 
weiter gegangen, indem man unter Weiterführung der Bopp’- 
schen Hypothese von der Entstehung der Flexionsformen, in 
der Entwickelung der Ursprache Perioden zu unterscheiden 
unternahm, was namentlich von G. Curtius geschehen ist, der 
diese Entwickelung von der Wurzelperiode an bis zur voll- 
ständigen Ausbildung der Flexion zu verfolgen suchte. Der- 
artige Unternehmungen, die übrigens schon bei ihrem Erscheinen 
keineswegs allgemeiner Zustimmung begegneten, mussten in 
der realistischer gewordenen Zeit immer mehr an Kredit ver- 
beren. Man sah immer mehr ein, dass es richtig wäre, von 
Dingen, über die man doch nichts wissen könne, die Hand 
zu lassen. In den letzten Jahren freilich hat sich die frühere 
Richtung wieder vorgedrängt und die Neigung ist wieder stark 
bemerkbar, den leeren Raum der Urzejt mit allerhand Schatten 
zu bevölkern. Ich für meine Person halte an der skeptischen 
Stummung fest und werde nach ihr in der vorliegenden Schrift 
verfahren. 

Wie sich nun nach diesen neuern Ansichten das Gerippe 
der indogermanischen Laut- und Formenlehre gestaltet, ist aus 
Brugmann’s Grundriss zu ersehen. Die theoretischen Grund- 
lagen sind am besten in H. Paul’s Prinzipien der Sprach- 
geschichte (zweite Auflage, Halle 1886) dargestellt, worüber 
hier noch ein Wort zu sagen ist. Was an dem Paul’schen 
Buche sogleich angenehm auffällt, ist, dass sein Verfasser 
in philosophischer und philologischer Hinsicht gleich gebildet 
erscheint. Er handhabt das psychologische Handwerkszeug, 
das er nöthig hat, mit völliger Gewandheit, und er weise als 
ein erfahrner Glermanist eine Fülle der treffendsten, oft auch 


70 Einleitung. Dritte Periode. H. Paul. 


nach andern Beziehungen lehrreichen Belege zur Erläuterung 
seiner philosophischen Behauptungen beizubringen. Der Haupt- 
werth des Buches besteht in der konsequenten, man möchte 
beinahe sagen hartnäckigen, Durchführung eines richtigen Grund- 
gedankens, nämlich des Gedankens, dass alle Erklärung sprach- 
licher Erscheinungen von der Durchforschung der Sprachthätig- 
keit des einzelnen Menschen ausgehen muss, der diese seine 
Thätigkeit natürlich nur deshalb ausübt, weil er ein gesell- 
schaftliches Wesen ist. “Das wahre Objekt für den Sprach- 
forscher sind sämmtliche Äusserungen der Sprachthätigkeit an 
sämmtlichen Individuen in ihrer Wechselwirkung auf einander.” 
Ein Individuum nun kann sich, abgesehen von den allgemeinen 
psychophysischen Grundlagen, aus denen das Sprechen her- 
vorgeht, deshalb äussern, weil es eine Masse von Wörtern im 
Gedächtnis bereit hat. Und zwar sind diese Wörter, Formen 
u. 8. w. nicht vereinzelt aufbewahrt, sondern zu Reihen und 
Gruppen vereinigt. “Es assoziieren sich die Vorstellungen 
auf einander folgender Klänge, nach einander ausgeführter 
Bewegungen der Sprachorgane zu einer Reihe. Die Klang- 
reihen und die Bewegungsreihen assoziieren sich unter ein- 
ander. Mit beiden assoziiren sich die Vorstellungen, für die 
sie als Symbol dienen, nicht bloss die Vorstellungen von 
Wortbedeutungen, sondern auch die Vorstellungen von syn- 
taktischen Verhältnissen. Und nicht bloss die einzelnen Wörter, 
sondern grössere Lautreihen, ganze Sätze assoziieren sich un- 
mittelbar mit dem Gedankeninhalt, der in sie gelegt worden 
ist. Diese wenigstens ursprünglich durch die Aussenwelt ge- 
gebenen Gruppen organisieren sich nun in der Seele jedes 
Individuums zu weit reicheren und verwickelteren Verbin- 
dungen, die sich nur zum kleinsten Theile bewusst vollziehen 
und dann auch unbewusst weiter wirken, zum bei weitem 
grösseren Theile niemals wenigstens zu klarem Bewusstsein ge- 
langen und nichtsdestoweniger wirksam sind. So assoziieren 
sich die verschiedenen Gebrauchsweisen, in denen man ein 
Wort, eine Redensart kennen gelernt hat, unter einander. So 
assoziieren sich die verschiedenen Kasus des gleichen Nomens, 


Einleitung. Dritte Periode. H. Paul. 71 


die verschiedenen Tempora, Modi, Personen des gleichen Ver- 
bums, die verschiedenen Ableitungen aus der gleichen Wurzel 
vermöge der Verwandtschaft des Klanges und der Bedeutung; 
ferner alle Wörter von gleicher Funktion, z. B. alle Substantıva, 
alle Adjektiva, alle Verba; ferner die mit gleichen Suffixen 
gebildeten Ableitungen aus verschiedenen Wurzeln; ferner die 
ihrer Funktion nach gleichen Formen verschiedener Wörter, 
also z. B. alle Plurale, alle Genitive, alle Passiva, alle Per- 
fekta, alle Konjunktive, alle ersten Personen; ferner die Wörter 
von gleicher Flexionsweise, z. B. im Neuhochdeutschen alle 
schwachen Verba im Gegensatz zu den starken, alle Maskulina, 
die den Plural mit Umlaut bilden im Gegensatz zu den nicht 
umlautenden; auch Wörter von nur partiell gleicher Flexions-. 
weise können sich im Gegensatz zu stärker abweichenden zu 
Gruppen zusammenschliessen ; ferner assoziieren sich in Form 
oder Funktion gleiche Satzformen. Und so giebt es noch eine 
Menge Arten von zum Theil mehrfach vermittelten Assoziationen, 
die eine grössere oder geringere Bedeutung für das Sprachleben 
haben. Alle diese Assoziationen können ohne Bewusstsein zu 
Stande kommen und sich wirksam erweisen, und sie sind 
durchaus nicht mit den Kategorien zu verwechseln, die durch 
die grammatische Reflexion abstrahiert werden, wenn sie sich 
auch gewöhnlich mit diesen decken” (8. 23). Diese Gruppen 
nun in ihrer Gesammtheit, die psychischen Organismen sind die 
eigentlichen Träger der Sprechfähigkeit für den Einzelnen, da 
sie ihm nicht bloss den nöthigen Vorrath liefern, sondern auch, 
indem sie für alle Neubildungen die Muster und die Anlehnung 
bieten, die Quelle seiner sprachlichen Produktivität sind. Na- 
türlich sind nun die psychischen Organismen bei jedem etwas 
anders beschaffen als bei den übrigen Mitgliedern derselben 
Sprachgemeinschaft und, da sie bei jedem Einzelnen in steter 
Veränderung begriffen sind und da ferner die Wirkung der 
Menschen auf einander doch nicht darin beruht, dass sie sich 
gegenseitig Feertiges mittheilen, sondern dass einer das Sprach- 
vermögen des andern in Bewegung setzt, so sind diese 
Organismen in ihrer Wechselwirkung zugleich der letzte Grund 


72 Einleitung. Dritte Periode. H. Paul. 


aller sprachlichen Veränderung. Der Leser sieht nun schon, 
wie man von dieser Grundlage aus sich eigentlich mehr über 
die verhältnismässig grosse Einheit in der Sprache einer Ver- 
kehrsgenossenschaft als über das Vorhandensein vieler Dialekte 
zu wundern hat, wie ferner aus den zahlreich vorhandenen 
Assoziationen sich von selbst die Analogiebildungen erklären, 
wie infolge des Absterbens von einzelnen Gruppen Isolierungen 
eintreten können und wie sich auch wieder eine Gegenwirkung 
gegen solche Isolierungen einstellt u.s. w., so dass ich hinsichtlich 
aller dieser Dinge auf das Buch selbst verweisen kann. Die 
Polemik des Verfassers richtet sich, wie sich nach dem Angeführ- 
ten schon vermuthen lässt, entschieden gegen die Hypostasierung 
der Begriffe Sprache, Volksgeist u. ähnl. und, insofern er die 
Stetigkeit in der Veränderung der Sprache betont, gegen die 
scharfen Grenzen. Ich meine damit nicht etwa bloss die Grenzen 
zwischen den einzelnen Sprach- und Volksgebieten, sondern 
die Grenzen zwischen den einzelnen Theilen und Kategorien 
des Gesprochenen, z. B. zwischen den einzelnen Wortarten 
(Substantivum, Adjektivum u. s. w.) und den einzelnen Satz- 
arten (Hauptsatz, Nebensatz u. s. w.).. Indem Paul überall die 
Vermittelung von einem zum andern hervorhebt und betont, 
dass in der Sprache alles im Flusse sei, macht seine Dar- 
stellung vielleicht auf denjenigen, der sich bei der Behandlung 
einer einzelnen Sprache oder Spracherscheinung Rath erholen 
möchte, einen unbehaglichen Eindruck, wodurch er veranlasst 
wird,. doch lieber bei den überlieferten Auffassungen zu bleiben. 
Einem solchen wäre zu erwidern, dass die Paul’sche Schrift nicht 
dazu bestimmt ist, ein neues praktisches Gerüst für die Dar- 
. stellung zu liefern. Sie soll vielmehr ein fermentum oogni- 
tionis et cogitationis sein. Und als solches sei sie zur Er- 
gänzung meiner nachfolgenden Darstellung den Lesern der- 
selben nachdrücklich empfohlen. 


Einleitung. Der Satz. 73 


Mit den letzten Erörterungen hat meine Darstellung bereits 
in die Vorführung meiner eigenen Ansichten eingelenkt. Ich 
gebe von denselben hier nur so viel, als zur Ergänzung des 
bisher Angedeuteten und des in der Folge noch zu Bemer- 
kenden nöthig scheint. 

Ich gehe von der durch die Erfahrung festgestellten That- 
sache aus, dass die Überlieferung der Sprache wesentlich in 
Sätzen erfolgt. Denn wenn ein Kind auch die Namen einer 
Reihe von Gegenständen und die Bezeichnungen für einige 
Vorgänge geliefert erhält (also, wie man in der Schule sagt, 
Vokabeln lernt), so ist es doch zum bei weitem grösseren Theile 
darauf angewiesen, ganze zusammenhängende Äusserungen 
aufzufangen. Diese werden im Gedächtnis niedergelegt und 
erst allmählich scheiden sich innerhalb der Sätze auf dem Wege 
der Vergleichung einzelne Theile und Formen ab1). Wir haben 
keinen Grund zu der Annahme, dass es jemals anders gewesen 
sei. Wenn denn Satz der Begriff ist, der uns in der Erfahrung 
zuerst begegnet, so ist er auch hier zuerst zu erläutern. 

Wir haben in der bisherigen Darstellung zwei Definitionen 
des Satzes kennen gelernt, nämlich die des Alterthums, welche 
in der Fassung Priscian’s so lautet: oratio est ordinatio dic- 
tionum congrua sententiam perfectam demonstrans (entsprechend 
der griechischen Aoyos &orl ouvrakız Adkswv xaraAlnAos dLavorav 
auroreAr, önAoüca, vgl. Uhlig, Dionysios Thrax S. 23), und die 
der Logiker, wonach der Satz das sprachliche Abbild des lo- 
gischen Urtheils ist, also wie dieses normaler Weise Sub- 
jekt, Prädikat und Kopula enthalten soll. Dazu füge ich noch, 
indem ich von der rein phonetischen Definition, aus der an 


1) Einige gute hierher gehörige Bemerkungen finden sich in dem Auf- 
satz von H. Sweet Words logie and grammar in den Schriften der Philo- 
logieal Society, London bei Asher und Komp. Die Lektüre dieses Auf- 
sstzes mag namentlich denjenigen als Gegengift empfohlen werden, die 
gewohnt sind, immer zuerst an die alten Sprachen zu denken. Sweet seiner- 
seits freilich verfällt in den Fehler, die Vergangenheit vom Standpunkt der 

Gegenwart aus zu massregeln. Das geschieht z. B., wenn er den Objekts- 
akkusativ für ein Adverb erklärt. 


74 Einleitung. Der Satrz. 


dieser Stelle nichts zu entnehmen ist, absehe, die Paul’sche 
Auffassung (S. 99): “Der Satz ist der sprachliche Ausdruck, das 
Symbol dafür, dass sich die Verbindung mehrerer Vorstellungen 
oder Vorstellungsgruppen in der Seele des Sprechenden vollzogen 
hat, und das Mittel dazu, die nämliche Verbindung der näm- 
lichen Vorstellungen in der Seele des Hörenden zu erzeugen”, 
wozu Paul bemerkt: “Jede engere Definition des Begriffes Satz 
muss als unzulänglich zurückgewiesen werden. Zu den ver- 
breiteten Irrthümern über das Wesen des Satzes gehört es z. B., 
dass derselbe ein Verbum finitum enthalten müsse. Verbin- 
dungen wie omnia praeclara rara, summum jus summa injuria, 
Träume, Schüume, Ich eın Lügner? Ich dir danken? sınd gerade 
so gut Sätze wie der Mann lebt, Er ist tot". Diese Defini- 
tionen enthalten das Gemeinsame, dass der Satz als etwas Voll- 
ständiges, Ganzes aufgefasst wird, der eine ötadvora auroreÄrs 
enthalte, und dagegen ist gewiss nichts einzuwenden. Sodann 
stimmen sie darin überein, dass der Satz eine Vereinigung 
mehrerer Theile ist, sei es nun, dass man dabei, wie die Alten, 
an die äusserlich-grammatische, sei es, wie die Neueren, an die 
geistige Verbindung denkt. Dass die unmittelbare Anlehnung 
an die logische Form abzuweisen sei, brauche ich nicht aus- 
zuführen. Es fragt sich aber, wie es sich mit der Paul’schen 
Fassung verhält, insofern sie von einer Verbindung mehrerer 
Vorstellungen oder Vorstellungsgruppen redet. Ist wirklich 
eine Verbindung mehrerer Bestandtheile in jedem Satze vor- 
handen? Die Erfahrung scheint dieser Behauptung zu wider- 
sprechen. Denn es giebt doch (wenn man ganz von denjenigen 
Satzformen absieht, in welchen eine Ellipse angenommen werden 
könnte) jedenfalls in denjenigen indogermanischen Sprachen, 
welche den Gegenstand der nachfolgenden Darstellung bilden, 
drei überlieferte Satztypen, welche man als einheitlich oder, 
wie man wohl auch sagt, als eingliedrig zu bezeichnen hat, 
nämlich die Sätze, welche aus einer Interjektion, einem Vokativ, 
oder einem sog. unpersönlichen Verbum bestehen. Die Inter- 
jektionen kann man aus der Sprache nicht herausweisen, denn 
sie haben traditionelle Gestalt und sie bestehen aus artıikulierter 


Einleitung. Der Satz. 75 


d.h., wie ich mit Whitney!) verstehe, von Silbe zu Silbe fort- 
schreitender) Rede. Wie man in einen Vokativ eine Ver- 
bindung mehrerer Vorstellungen hineindefinieren könnte, sehe 
ich nıcht, und subjektlose Verba, wie pluit, haben doch eben 
darin ihre Eigenthümlichkeit, dass sie Erscheinungen bezeichnen, 
ohne dass dabei zwischen der Erscheinung und dem Träger 
derselben unterschieden würde. Wie stellt sich nun Paul zu 
solchen Sätzen? Natürlich muss er sie für unvollkommen er- 
klären, nämlich für Prädikate, zu denen das Subjekt fehlt. 
“Wenn der Prinz in Lessing’s Emilia beginnt Klagen, nichts 
als Klagen! Bittschriften, nichts als Bittschriften!, so sind das 
nur Prädikate, das Subjekt wird durch dıe Briefe gebildet, die 
er in die Hand nimmt” (104). Als solche unvollkommene Sätze 
bezeichnet Paul S.300 auch die Interjektionen, wenn sie isoliert 
gebraucht sind. Also — so muss man in seinem Sinne sagen 
— wenn jemand Prügel bekommt und au schreit, so sind die 
Prügel das Subjekt, und au das Prädikat. Ich kann dieser 
Auffassung nicht beistimmen, weil damit in die Definition von 
Subjekt etwas hineingenommen wird, was ausserhalb der Sprache 
liegt. Demnach halte ich fest, dass es auch eingliedrige Sätze 
giebt, und definiere so: Ein Satz ist eine in artikulierter Rede 
erfolgende Äusserung, welche dem Sprechenden und Hörenden 
als ein zusammenhängendes und abgeschlossenes Ganzes er- 
scheint. Über den Seelenzustand, der dem Aussprechen eines 
Satzes vorhergeht, kann man, wie ich glaube, nur sagen: er 
muss so beschaffen sein, dass eine sprachliche Äusserung, nicht 
etwa bloss ein Schrei erzeugt wird. Übrigens ist diese 
Meinungsverschiedenheit für die Praxis ohne erhebliche Be- 
deutung, da die eingliedrigen Sätze ja jedenfalls als eine be- 
sondere Art von Sätzen anerkannt werden müssen. 

Die grosse Mehrzahl der Sätze besteht aus mehreren Thei- 
len. Die Satz- oder Redetheile sind von den Alten an der 
Hand der Erfahrung aufgestellt und von ihnen so geordnet, 


1) Vgl. dessen Aufsatz What is articulation, reprinted from’ the Ame- 
riean Journal of Philology Vol. II, No. 7. 


76 | | Einleitung. Der Satz. 


dass die für die Aussage unentbehrlichen Bestandtheile, Nomen 
und Verbum, die Reihe eröffnen, wobei die Voranstellung des 
Nonens offenbar aus der Lehre vom Urtheil stammt. Darauf 
folgt das Partizipıum, welches zwischen Nomen und Verbum 
liegt, sodann der Artikel, welcher zum Nomen in engster Be- 
ziehung steht. Dann kommt das Pronomen und endlich die 
drei flexionslosen, Präposition, Adverbium, Konjunktion. Die 
Folgezeit mochte sich bei dieser von mehreren Gesichtspunkten 
abhängigen Aufzählung nicht beruhigen, sondern suchte ein 
tieferes und womöglich einheitliches Prinzip der Anordnung, 
von denen auch einige bereits erwähnt worden sind. So vıel 
ich sehe, lassen sich vier solcher Gesichtspunkte aufstellen, 
welche ich in der Kürze besprechen will: Die Herkunft, 
die eigene Bedeutung, die Form, die Verwendung. 

1) Über die Hypothese von Bopp, der die Satztheile zur 
einen Hälfte aus den Verbalwurzeln, zur andren Hälfte aus 
den Pronominalwurzeln herleitet, ist oben $. 48 gesprochen 
worden. 

2) Was die eigene vom Auftreten im Satz unabhängige 
Bedeutung der Satztheile betrifft, so ist ohne Weiteres klar, 
dass die Pronomina ursprünglich nur dazu bestimmt waren, 
den Sprechenden zu bezeichnen oder in seine Umgebung hin- 
auszuweisen, während die Nomina und Verba einen dauernden 
Bedeutungsinhalt haben. Es erhebt sieh aber schon bei der 
Scheidung von Nomen und Verbum eine Schwierigkeit, wenn 
man wenigstens den überlieferten Sprachvorrath zur Grundlage 
nimmt, da es überall unter den Nomina auch Handlungswörter 
giebt, z. B. raıöela, und unter den Verben auch Substanzwörter, 
z.B. Baoıleow. Um eine reinliche Scheidung vorzunehmen, 
muss man hinter die Überlieferung zurückgehen und vermuthen, 
dass die Nomina ursprünglich Wesen (Substanzen) bezeichneten, 
die Verba aber ursprünglich Vorgänge und dass dann später 
auch Vorgänge in der Form einer Substanz aufgefasst wer- 
den konnten und umgekehrt. Unter den übrigen Wörtern 
kommen solche vor, die man sich ausserhalb eines Satzes nicht 
denken kann, z. B. die Negation, welche doch nicht auf etwas 


ill 


Einleitung. Die Satztheile. 77 


in der Aussenwelt thatsächlich Vorliegendes hinweist, sondern 
dem Gefühl der Unverträglichkeit zusammengerathener Vor- 
stellungen entspringt, oder die Verbindungspartikeln wie aı. 
ca, gr. te u. ähnl. Aus dieser Betrachtung folgt, dass die 
Eigenbedeutung der Satztheile zwar Berücksichtigung verdient, 
aber zum Eintheilungsgrund sich nicht eignet. 

3) Die Unterscheidung nach der Form ist in neuerer Zeit 
von Schleicher in seiner Abhandlung über die Unterscheidung 
von Nomen und Verbum in der lautlichen Form (in den Abh. 
der Sächs. Ges. d. Wiss. Leipzig 1865) aufgestellt worden, wo 
es S. 509 heisst: "Nomina sınd im Indogermanischen die Worte, 
welche ein Kasussuffix haben oder hatten; Verben sind die 
Worte, welche eine Personalendung haben oder hatten. Mit 
Ausschluss der echten Interjektionen, die ausserhalb der Sprache 
stehen und als Lautgebärden zu betrachten sind, und der 
Vokative, welche Nominalstämme sind, die die Form von In- 
terjektionen angenommen haben, geht die indogermanische 
Sprache in Nomen und Verbum ohne Rest auf. Alle indo- 
germanischen Worte sind oder waren doch ursprünglich ent- 
weder Nomina oder Verba. Adverbia und die als meist ver- 
kürzte Adverbia zu fassenden Präpositionen, Konjunktionen und 
Partikeln überhaupt sind ursprünglich meist Kasusformen, viel 
seltener Verbalformen, wie dies nunmehr wohl als allgemein 
bekannt und anerkannt angenommen werden darf. Ich denke, 
man sieht recht deutlich, wie die Neigung zum Systematisieren 
den trefflichen Gelehrten zu Gewaltsamkeiten verleitet. Warum 
die Interjektionen zur Sprache gehören, ist oben S. 74 ange- 
deutet worden. Das Schleicher'sche Bild, dass sie “Laut- 
gebärden’ seien (worunter ich mir etwas Deutliches nicht vor- 
stellen kann), kann dagegen nicht aufkommen. Was es ferner 
heissen soll, dass die Vokative die Form von Interjektionen 
angenommen haben, ist nicht leicht zu verstehen. Das aber 
steht doch fest, dass sie etwas ganz anderes als die Interjek- 
tionen sind, da sie einen Begriff bezeichnen, nicht wie diese 
ein Gefühl begleiten. Den Schlusssatz dürfte heute wohl Nie- 

mand mehr unterschreiben, da die Behauptung, dass alle 


178 Einleitung. Die Satztheile. 


Partikeln einst Flexionsformen besessen hätten, sich freilich 
nicht widerlegen, aber auch ebenso wenig beweisen oder wahr- 
scheinlieh machen lässt. Wır können deshalb, wenn wir von 
der Form ausgehen, die Satztheile nur in solche eintheilen, 
welche Flexion haben, und zwar a) verbale, b) nominale, und in 
solche welche keine haben. Diese letzte Klasse lässt sich, wenn 
man die Eintheilung nach der Form streng durchführen will, 
überhaupt nicht weiter eintheilen. Nach der Bedeutung wäre 
das wohl möglich, aber dann hätte man eben für die Satz- 
theile kein einheitliches Eintheilungsprinzip mehr. Es kommt 
aber noch eine Schwierigkeit hinzu, welche Schleicher durch 
die Worte ‘haben oder hatten’ andeutet. Der Nom. sing. der 
femininischen @-Stämme, derselbe Kasus bei den Neutris, mit 
Ausnahme der o-Stämme, eine Form des Lok. sing., die zweite 
sing. des Imperativs bei der 5-Konjugation haben kein 
Flexionssuffix. Darf man annehmen, dass sie eines hatten? 
Bei den neueren Sprachen ist es deutlich, dass viele Flexions- 
suffixe verloren gegangen sind. Für sie aber ergiebt sich 
dann das Missliche, dass man bei ihnen, z. B. bei dem Eng- 
lischen die Eintheilung noch Kriterien machen muss, die fast 
alle nicht mehr da sind Somit dürften die Alten im Rechte 
gewesen sein, welche das Haben von Kasus u. s. w. als rap- 
enöuevov des betreffenden Satztheiles ansahen. 

4) Bei der Eintheilung nach der Verwendung der Satztheile, 
die nun als letzte noch übrig ıst, muss man zunächst beden- 
ken, dass ein und dasselbe Wort ın mehrfacher Weise ver- 
wendet werden kann. So ist z. B. esse in der Bedeutung 
‘vorhanden sein’ ein Aussagewort, dagegen in der Bedeutung 
‘sein’ ein Verbindungswort, (denn es kann keinem Zweifel 
unterliegen, dass schon in den ältesten uns erreichbaren Tex- 
ten die Kopula nichts als ein Formwort ist). Man darf also 
nicht die Wortarten, sondern muss die Verwendungsbegriffe 
als Eintheilungsgrund nehmen. Ich möchte die folgenden auf- 
stellen: 

a) Wörter welche das Substrat der Aussage bilden (wobei 
Substrat in so weitem Sinne gebraucht ist, dass es Subjekt, 


Einleitung. Die Satztheile. 79 


Objekt und überhaupt alle durch Kasus ausgedrückten Be- 
ziehungen umfassen soll), die Substantıva. Da der Begriff 
Substantivum nicht eine etymologische, sondern eine syntak- 
tische Kategorie ist, so ist es natürlich, dass mehrere Wort- 
arten als Substantiva gebraucht werden können, Nomina, Pro- 
nomina, Zahlwörter, und dass vorübergehende Substantivierungen 
auch anderswo vorkommen. 


b) Aussage-Wörter. Das eigentliche Aussagewort ist das 
Verbum. Es kann aber auch ein dem nominalen Gebiet an- 
gehöriges Wort als Aussagewort fungieren, z. B. ayaddv in dem 
Satze oux ayadov noAuxorpavin. 

c) Attributive Wörter. Ein attributives Wort kann sowohl 
zu einem Substantivum, wie zu einem Aussagewort treten. 
Das eigentliche Attributionswort neben dem Substantivum ist 
das Adjektivum, welches wie das Substantivum im Gebiet der 
Nomina, Pronomina, Zahlwörter auftritt. Doch erscheinen 
auch Substantiva in Attribution, so wenn sie in der Apposition 
stehen und als Genitive (oder Dative). Als Attributiva neben 
dem Verbum erscheinen die Präpositionen (oder genauer ge- 
sprochen die Präverbia), und die Adverbia. Schliesslich kann 
auch ein attributives Wort zu dem andern treten, so das Ad- 
verbium zu dem Adjektivum. 


d) Verbindende Wörter. Dahin gehören die Kopula, die 
Präpositionen, insofern sie zwischen dem Verbnm und dem 
Kasus vermitteln, gewisse Partikeln verbindender Bedeutung, 
zu denen es wohl erlaubt ist, die Partikeln von ausschliessen- 
der Bedeutung zu gesellen. 


e) Hervorhebende Wörter. Dahin gehören eine Reihe von 
Partikeln, hinsichtlich deren vorläufig auf SF. 5, 471 ff. ver- 
wiesen werden mag. 


Auch diese Eintheilung geht nicht ganz rein auf, denn es 
bleiben hinsichtlich einiger Partikeln (Negationen, Verglei- 
chungspartikeln) noch Zweifel darüber, ob man für sie eigene 
Klassen aufstellen, oder sie bei den genannten unterbringen 
soll. Man wird aber wohl zugestehen, dass diese Eintheilung 





80 Einleitung. Die Grundbegriffe. 





bei der Darstellung des Satzes und seiner Theile wesentliche 
Berücksichtigung verdient. 

Bei den flektierbaren Satztheilen zeigen sich gewisse Be- 
gleiterscheinungen (raperopeva), bei dem Nomen und Pro- 
nomen die Genera, Numeri und Kasus, bei dem Verbum die 
Tempora, Modi und die sog. Genera verbi. Da über die Grund- 
begriffe dieser rapenoueva von Anfang der Grammatik an 
mindestens so viel wie über die Bedeutungen der Satztheile 
selbst gesprochen worden ist, so habe ich hier mit einigen 
Worten zu ihnen Stellung zu nehmen. Gegeben ist in einem 
bestimmten Sprachdurchschnitt die wiederholte Anwendung 
derselben Form. Vergleicht man die Anwendungen unter ein- 
ander, so gelingt es meistens, innerhalb der ganzen Masse 
gewisse näher zusammengehörige Fälle zu unterscheiden, die 
dem gleichen Typus angehören, z. B. innerhalb des Genitivs 
den partitiven, possessiven u. s. w. Manche dieser Typen sind 
lebendig, so dass sie für ein etwa neu auftauchendes Bedürfnis 
dem Sprechenden stets als Anlehnung dienen, andere sind zwar 
früher lebendig gewesen, sind aber für eine gewisse Sprach- 
periode bereits erstarrt und also der Weiterbildung unfähig. 
Dahin gehören z. B. die zeitbestimmenden Genitive des Neu- 
hochdeutschen (des Morgens, des Abends, aber nicht mehr der 
Stunde, vgl. Paul Prinzipien 2, 155). Es ist freilich zuzuge- 
stehen, dass wir oft nicht sagen können, ob wir diese Typen 
der Sprache nicht eher aufdrängen als entnehmen, man darf 
aber darum doch nicht etwa den Typen im Allgemeinen die 
Thatsächlichkeit absprechen'), denn wir müssen doch annehmen, 
dass sich die einander nahe liegenden Anwendungen einer Form 


1) Gelegentlich lässt sich noch der Nachweis führen, dass ein solcher 
Gebrauchstypus wirklich von den Sprechenden als etwas von den übrigen 
Abgesondertes empfunden wird, nämlich dann, wenn durch irgend eine 
besondre lautliche oder sonstige Entwickelung ein Kasus mehrere Formen 
statt der einen überlieferten erhalten hat und sich nun ein Bedeutungs- 
typus an eine bestimmte Form anschliesst. So hat in dem serbisch-kroati- 
schen Dialekte, welchem die von Mikulilie gesammelten Märchen angehören, 
der Gen. plur. der Maskulina, wenn er auf ; ausgeht, nur partitive Be- 
deutung (vgl. Leskien in Jagie Archiv 5, 186). 


Einleitung. Die Grundbegriffe. 81 


in der Seele des Sprechenden assoziieren. Die Aufstellung 
soleher Typen nun haben die Grammatiker von jeher für jede 
einzelne der von ihnen behandelten Sprachen vorgenommen 
und sie sind auch gewöhnlich dazu vorgeschritten, die ver- 
schiedenen Typen irgendwie unter einen höheren Begriff zu 
vereinigen, den sie dann für den Grundbegriff des griechischen 
oder lateinischen Kasus, Modus u. s. w. erklärten. Es bedarf 
keiner längeren Auseinandersetzung, dass wir ihnen in diesem 
letzteren Verfahren nicht mehr zu folgen vermögen. Wir sind 
durch die Sprachvergleichung belehrt worden, dass die in Rede 
stehenden Formen nicht in den Einzelsprachen entstanden, 
sondern in allem Wesentlichen bereits in der Ursprache fertig 
gewesen sind. Sınd sie nun damals vorhanden gewesen, so 
haben sie auch einen gewissen Anwendungskreis gehabt, den 
durch Vergleichung der einzelsprachlichen Gebrauchstypen zu 
ermitteln unsere Aufgabe ist. Die indogermanischen An- 
wendungstypen einer Form sind die älteste für uns 
auf historischem Wege erreichbare Bedeutung der- 
selben. Sie stellen ihren Grundbegriff dar. Der so ermittelte 
Grundbegriff ist in manchen Fällen so beschaffen, dass wir ihn 
als einheitlich ansehen können, z. B. bei dem Aorist, manchmal 
indessen besteht er aus mehreren Typen, z. B. bei dem Optatıv, 
innerhalb dessen wir einen wünschenden und einen potentialen 
Typus unterscheiden. Es gehört also nicht zur Natur 
der auf historischem Wege gefundenen Grundbe- 
griffe, dass sie einheitlich seien. Ich glaube, dass gegen 
die grundsätzliche Richtigkeit dieser Darstellung nichts ein- 
zuwenden ist, gebe aber zu, dass das Stehenbleiben bei mehr- 
theiligen Grundbegriffen für uns etwas Beunruhigendes hat, 
nicht etwa bloss, weil unser philosophisches Bedürfnis unbe- 
fnedigt bleibt, sondern namentlich, weil wir die Befürchtung 
nicht los werden, dass wir möglicherweise die Typen falsch- 
aufgefasst haben und daher an der mangelnden Einheitlichkeit 
selbst schuld sind. Unter diesen Umständen ist es nicht zu 
vermeiden, dass man versucht, noch hinter die historischen . 


Grundbegriffe zurückzugehen. Dabei sind im allgemeinen zwei 
Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm. Sprachen. I. 6 


82 Einleitung. Eintheilung der Syntax. 


Wege möglich, der etymologische und der kombinatorische. 
Der etymologische ist, wie nicht zu leugnen ist, in unserm 
Falle leider nicht oder kaum gangbar. So bleibt denn der 
kombinatorische, wobei wir freilich dem Einflusse der je- 
weiligen philosophischen Stimmung und überhaupt den Ge- 
fahren des Subjektivismus preisgegeben sind, wie ja auch that- 
sächlich gerade auf diesem Gebiete die meisten Meinungs- 
kämpfe ausgefochten worden sind und noch ausgefochten 
werden. Demnach möchte ich für die uns hier beschäftigende 
Lehre Folgendes als das Wichtigste festhalten. Während man 
früher die Grundbegriffe in den Einzelsprachen suchte, haben 
wir sie in der Grundsprache zu suchen. Ich werde mich in 
der vorliegenden Arbeit bemühen, überall die Konsequenzen 
dieser Erkenntnis zu ziehen. Bei der kombinatorischen Be- 
handlung der mehrtheiligen Grundbegriffe muss man sich dahin 
bescheiden, dass zwar bisweilen ein hoher, öfter aber auch nur 
ein geringer Grad der Wahrscheinlichkeit zu erreichen ist. So 
ist es z. B. mehr als wahrscheinlich, dass die mehreren Typen 
des Ablativs, namentlich also der Ablativ bei Verben und der 
Ablativ bei Komparativen, zu einem und demselben Typus ge- 
hören, in anderen Fällen dagegen, z. B. bei dem Genitiv ist 
die Aufstellung eines einheitlichen Typus kaum möglich. 


Nachdem ich von dem Satze und seinen Theilen gesprochen 
habe, bleibt noch ein Wort über das Gebiet und die Theile 
der Syntax zu sagen. Apollonios Dyskolos, dem der Aus- 
druck oyvrafıs noch nicht abgebraucht war, wollte in seinem 
Werke von der Verbindung der Wörter, nicht von den ein- 
zelnen Wortarten handeln. Und da ihm die xaradlinita be- 
sonders am Herzen lag, so war offenbar die Lehre vom Auf- 
einanderpassen der Satztheile für ihn die Hauptsache. Hätte 
er sich auf eine bereits vorliegende, ihn befriedigende Lehre 
von den Satztheilen beziehen können, so würde er über sie 
wahrscheinlich in dem Buche xept ouvratews nicht geredet haben. 
Da das aber nicht der Fall war, so hat er diese Lehre 


Einleitung. Eintheilung der Syntax. 83 


thatsächlich in die Syntax hineingearbeitet, wie er denn z. B., ehe 
er im zweiten Buch an die pronominalen Konstruktionen kommt, 
es für angemessen findet, die den Fürwörtern besonders zu- 
kommenden Eigenthümlichkeiten zu erklären. Im Mittelalter 
dagegen nahm man die Scheidung der von Apollonios ver- 
einigten Massen vor, man sprach zuerst von den partes orationis, 
dann von der constructto, die man in concordia und rectto theilte 
(so bei Sanctıus).. In der neueren Zeit geht man verschiedene 
Wege. Manche Grammatiker begnügen sich in dem Kapitel 
von den Satztheilen mit kurzen Definitionen und verlegen das 
Übrige in die Syntax, Miklosich andererseits hat, wie wir 8. 62 
sahen, von dem, was das Mittelalter Syntax nennt, ganz ab- 
strahiert, indem für ıhn Syntax nichts weiter ıst als die Lehre 
von den Wortarten und den Wortformen. Dass man eine Lehre 
vom Satze selbst nicht entbehren kann, ist a.a.O. gezeigt worden. 
Ob man aber nur diese Lehre als Syntax bezeichnen, oder ob 
man auch die Lehre von den Satztheilen dazu rechnen will, 
ıst schliesslich eine Sache des Entschlusses. Ich glaube im 
Einklang mit dem Sprachgebrauch der Gegenwart zu ver- 
fahren, wenn ich unter Syntax die Lehre vom Satze und 
seinen Theilen verstehe. Es wäre in abstracto wohl möglich, 
in der Darstellung von dem Satze auszugehen und, sobald man 
zum ersten Mal auf einen Satztheil trifft, stehen zu bleiben und 
abzumachen, was über ihn im besonderen zu sagen ist, aber 
ich glaube, dass dabei eine nur irgend erträgliche Übersicht- 
lichkeit nicht zu erreichen sein würde. Man muss sich also 
zu einer Trennung entschliessen. Welche der beiden Ab- 
theilungen man dabei vorausschicken wıll, darüber lässt sich 
streiten. Ich habe es ın dieser Schrift, abweichend von dem 
in meiner altindischen Syntax eingeschlagenen Verfahren, vor- 
gezogen, die Lehre von den Satztheilen voranzustellen. 

Für die Satztheile giebt es keine aus natürlichen oder ge- 
schichtlichen Gründen sich ergebende nothwendige Reihenfolge. 
Ich habe, der Tradition folgend, mit dem Nomen den Anfang 
gemacht, das ich in Substantivum und Adjektivum geschieden 
habe. Man kann dagegen einwenden, dass die Begriffe 

6* 








84 Einleitung. Eintheilung der Syntax. 





Substantiv und Attribut eigentlich in die Lehre vom Satze ge- 
hören, darauf ist aber zu erwidern, dass eine pedantische Schei- 
dung beider Theile nicht durchzuführen ist und dass das Ad- 
jektivum sich doch auch äusserlich zu einem gesonderten Wesen 
herausgebildet hat. Bei dem Substantivum ist von den Genera, 
Numeri und Kasus gehandelt. Ich weiss wohl, dass es vielleicht 
richtiger wäre, das Genus, wie es Grimm gethan hat, bei der 
Stammbildungslehre abzumachen. Für mich war aber der Um- 
stand massgebend, dass dies in dem Brugmann’schen Werke nicht 
geschehen ist. Man kann auch fragen, warum die Kasus nicht 
in die Satzlehre gewiesen sind. Ich antworte, weil sie dort 
zum theil getrennt behandelt werden müssten, z. B. der Genitiv 
theils da, wo das Verhältnis von Substantivum und Aussagewort 
erörtert wird, theils in dem Abschnitt von den attrıbutiven Wör- 
tern. Freilich werden die Kasus in der Satzlehre wieder zu 
erwähnen sein. Aber die richtige Systematik besteht auch 
gar nicht darin, dass jedes Ding nur an einer Stelle vorkommt. 
Auf die Nomina folgen die Pronomina, auf diese die Zahl- 
wörter, welche in ihrem Habitug und ihrer Anwendung so viel 
Besonderes haben, dass es gerathen scheint, sie als besondere 
Wortart aufzustellen. Die Unterscheidung in Substantiva und 
Adjektiva findet sich auch bei den Pronomina und Zahlwörtern, 
ist dort aber nicht so wichtig wie bei den Nomina. Die nächste 
Stelle haben die Adverbia erhalten, weil sie zum grössten Theile 
Kasus von Nomina, Pronomina oder Zahlwörtern sind. An die 
Adverbia habe ich die Präpositionen angeschlossen, sodann das 
Verbum, endlich die Partikeln behandelt. Die Konjunktionen 
sind der Lehre vom zusammengesetzten Satze vorbehalten. Den 
zweiten Haupttheil bildet die Lehre vom Satze. Diese ist jetzt 
weit reicher zu gliedern, als es im Alterthum und Mittelalter 
geschah. Wir haben nicht nur neue Kapitel, wie z. B. das von 
der Wortstellung und Satzbetonung hinzugefügt (die die Alten, 
soweit es überhaupt geschah, in der Rhetorik darstellten), son- 
dern wir haben auch die Verwendungszwecke der Wörter voll- 
ständiger zu erwägen, wozu man vorläufig das von mir S. 78 ff. 
Ausgeführte vergleichen möge. Wie ich mir im wesentlichen 





Einleitung. Sicherheit der Ergebnisse. 85 


die Lehre vom Satze gegliedert denke, mag man aus meiner 
altindischen Syntax ersehen. Den Schluss bildet die Lehre 
vom zusammengesetzten Satze, soweit davon in einer ver- 
gleichenden Syntax die Rede sein kann. 


Nachdem ich so viel Theoretisches erörtert habe, will ich 
noch in der Kürze die Frage berühren, welcher Grad von Sicher- 
heit für die Ergebnisse einer vergleichenden Syntax in An- 
spruch genommen werden darf. Wenn man durch Vergleichung 
festgestellt hat, dass ein gewisser Formentypus den indoger- 
manischen Sprachen gemeinsam ist, so ist damit schon aus- 
gesprochen, dass er der Urzeit angehört hat. Denn die Mög- 
lichkeit ist ausgeschlossen, dass eine Form, wie z. B. der No- 
minativ, in jeder einzelnen Sprache für sich entstanden sei. 
Auf diese Weise ist ermittelt worden, dass das Formensystem, 
wie wır es aus dem Indischen oder Griechischen kennen, in 
allen wesentlichen Punkten bereits in der Urzeit bestanden 
hat. Steht es mit den Bedeutungen der Formen und ihren 
Konstruktionen ebenso? An sich und abstrakt genommen könnte 
es sich auch anders verhalten. Denn, da wir Ja die Bedeu- 
tungen in den einzelnen Sprachen sich verändern und ent- 
wickeln sehen, ohne dass die Form sich verändert, so sind wir, 
wie es scheint, durch nichts gehindert, den wesentlichsten Theil 
der Bedeutungsentfaltung einer Form der Einzelsprache zuzu- 
schreiben. Eine solche Ansicht mag denjenigen nahe liegen, 
welche mit besonderer Liebe einer einzelnen indogermanischen 
Sprache zugethan sind, und mag an unserer Gewohnheit, 
Formenlehre und Syntax (die doch wie Leib und Seele zu- 
sammengehören) wie zwei gesonderte Welten zu behandeln, eine 
Stütze finden — wahrscheinlich ist sie nicht. Oder sollte die 
Ansicht wirklich die natürliche sein, dass z. B. die Formüber- 
einstimmung zwischen dem indischen und dem griechischen 
Konjunktiv auf Überlieferung, die Bedeutungsübereinstimmung 
aber ihrem grössten Theile nach auf Parallelismus der Sonder- 
entwickelungen beruhe? Es wäre in der That merkwürdig, 


86 Einleitung. Quellen. 


wenn die Ursprache zwar das ganze reich entwickelte Formen- 
system, aber nur ganz dürftig entfaltete Bedeutungen gehabt 
hätte, um so merkwürdiger, als man sich die Verschiedenheit 
zwischen dem Habitus der Ursprache und etwa des ältesten 
Indisch oder Griechisch keineswegs als sehr erheblich vor- 
zustellen hat. Ich glaube also, dass man diejenigen Bedeu- 
tungen und Konstruktionen, in welchen die Formen der Einzel- 
sprachen zusammentreffen, im ganzen und grossen als indo- 
germanisch anzusehen hat, halte es aber für richtig, sich im 
einzelnen Fall die Möglichkeit, dass es auch anders sein könnte, 
vorzuhalten. In der Praxis übrigens kommt es auf eine Meinungs- 
verschiedenheit in dieser Richtung nicht so viel an, als es der 
Theorie nach scheinen könnte. Denn auch ein Partikularist 
wird gewiss zugestehen, dass die Vergleichung paralleler Er- 
scheinungen unter Umständen von grossem Nutzen sein und 
insbesondere dazu beitragen kann, die geschichtliche Ent- 
wickelung innerhalb einer Einzelsprache aufzuklären. 


Zum Schluss will ich noch darüber Auskunft geben, in 
welchem Umfang ich die indogermanischen Sprachen aus- 
genutzt habe. Innerhalb des Altindischen habe ich mich 
auf den Ausschnitt beschränkt, den meine Altindische Syntax, 
Halle 1888 behandelt, nicht als ob ich in Abrede stellte, dass 
aus dem klassischen Sanskrit, dem Palı und Prakrit manches 
für die Syntax zu gewinnen sei, sondern weil ich die Mantra- 
und Brähmana-Sprache am besten aus eigener Anschauung 
kenne. Welche Schwierigkeiten der Benutzung des Avesta 
entgegenstehen, ist bekannt genug. Ich habe den Eindruck, 
dass Geldner’s Übersetzungen dem wahren Sinn am nächsten 
kommen, und mich daher möglichst an diese gehalten. Da es 
mir auf die Mittheilung von sicherem Material ankam, habe 
ich hauptsächlich die Ja$ts, weniger die Gäthäs herangezogen. 
Zitiert ist nach der Ausgabe von Geldner und, wo diese 
fehlt, nach der von Westergaard. Für das Altpersiche be- 
ziehe ich mich auf die zweite Ausgabe der altpersischen Keil- 


Einleitung. Quellen. 87 





inschriften von Spiegel, Leipzig 1881. Dass mir Spiegel’s Ver- 
gleichende Grammatik der alteranischen Sprachen , Leipzig 
1882, und für die Kasus Hübschmann’s Schrift zur Kasuslehre, 
München 1875, von vorzüglichem Nutzen gewesen sind, versteht 
sich von selbst. Aus dem Griechischen habe ich besonders 
Homer ausgebeutet, gelegentlich auch die Inschriften verwerthet, 
die übrigens, abgesehen etwa von den attischen und kretischen, 
nicht eben viel für die Syntax ausgeben. Dürftig wird man 
das Lateinische vertreten finden. Ich mochte mit dem 
Wenigen, was ich bieten kann, nicht aufwarten in einem 
Augenblick, wo wir eine historische Syntax des Lateinischen 
zu erwarten haben, von der die Behandlung des Dativus com- 
modı durch Landgraf ın Wölfflin’s Archiv 8, 39 ff. einen so 
guten Vorgeschmack giebt. Im Germanischen habe ich mich 
wesentlich auf das Gotische beschränkt. Wo die poetische 
Edda zitiert ist, ist (etwas veralteter Weise) die Ausgabe von 
Lüning, Zürich 1859, gemeint, die prosaische Edda ist bis- 
weilen nach dem Auszuge, den Wilken, Paderborn 1877, ver- 
anstaltet hat, zitiert. Im ganzen stammt meine germanische 
Weisheit aus Grimm. Auch Erdmann’s Untersuchungen über 
die Sprache Otfrid’s, Halle 1874 und 1876 sind mit Dank 
benutzt worden. Für das Litauische habe ich Exzerpte aus 
Schleicher's Lesebuch und den litauischen Volksliedern und 
Märchen von Leskien und Brugmann, Strassburg 1882, gemacht, 
bei weitem am meisten aber verdanke ich Schleicher, Kur- 
schat und Bezzenberger (Beiträge zur Geschichte der litaui- 
schen Sprache, Göttingen 1877). Die slavischen Sprachen 
habe ich nur zum theil heranziehen können, da ich nur im 
Altkirchenslavischen, Serbischen und Russischen eigene Lek- 
türe getrieben habe. Für das erstere kann ich die Ausgabe 
des Codex Marianus von Jagie, Berlin 1883, nicht genug loben. 
Wenn alle Herausgeber sich hinreichend klar machten, wie 
nützlich ein index locupletissimus in mehr als einer Hinsicht 
ist, würde Jagie’s Vorbild mehr Nachahmung finden. Meine 
eigenen Sammlungen aus dem Serbischen und Russischen werden 
erst bei der Darstellung des Verbums deutlicher zum Vorschein 


88 Einleitung. Quellen. 


kommen!'). Der Darstellung der Kasus ist besonders die 
Srbska Sintaksa von Danitic, Belgrad 1858, zu Gute ge- 
kommen. Dass ich übrigens für alles Slavische hauptsächlich 
auf Miklosich’s Syntax fusse, sei auch an dieser Stelle ausdrück- 
lıch anerkannt. 

Nicht benutzt ist das Keltische, Armenische, Albanesische. 
Was das Keltische betrifft, so habe ich zwar einiges Altirische 
und Mittelirische gelesen, aber ich hielt es doch für verstän- 
diger, die Arbeit eines Kenners abzuwarten. Vom Armenischen 
und Albanesischen habe ich nichts gelesen. Natürlich habe 
ich mich unter diesen Umständen gefragt, ob ich nicht besser 
thäte, die Herstellung einer vergleichenden Syntax der indo- 
germanischen Sprachen einem Gelehrteren zu überlassen. Wenn 
ıch die Arbeit doch unternommen habe, so ist es geschehen 
in der Überzeugung, dass auch auf dem Gebiete der Wissen- 
schaft das Bessere der Feind des Guten ist. Ob freilich diese 
Arbeit als etwas Gutes zu bezeichnen sei, das zu entscheiden 
muss ich der Nachsicht des geneigten Lesers anheimstellen. 


1) Ich benutze diese Gelegenheit, um O. Asböth’s kurze russische 
Grammatik, Leipzig 1889, warm zu empfehlen. Aus der dazu gehörigen, 
ebenfalls sehr brauchbaren Chrestomathie (Leipzig 1890) ist im Folgenden 
gelegentlich zitiert worden. 





Kapitel L_ Das Geschlecht der Substantiva. 


Dem Zweck dieser Schrift gemäss habe ich in dem Kapitel 
über das Geschlecht nicht von der Entstehung desselben zu 
handeln. Vielmehr gehe ich von der durch Vergleichung der 
Einzelsprachen festgestellten Thatsache aus, dass die Substan- 
tiva bereits in der Ursprache entweder als geschlechtig (männlich, 
weiblich) oder als ungeschlechtig bezeichnet wurden, mochte nun 
diese Bezeichnung an der Form selbst hervortreten oder erst 
an dem begleitenden Adjektivum, beziehungsweise dem auf- 
nehmenden Pronomen zur Erscheinung kommen. Nun ist wohl 
klar, dass von der nachwachsenden Generation nicht das Ge- 
schlecht eines jeden Wortes eigens gelernt wird und wurde, 
sondern dass sich die gleichgeschlechtigen Substantiva vermöge 
gewisser ihnen anhaftender Eigenschaften irgendwie zu Reihen 
zusammenfügen. Da diese Eigenschaften entweder innerer oder 
äusserer Natur sein können, so hat man von jeher versucht, 
Genusregeln aufzustellen, in welchen die Wörter entweder 
nach der Bedeutung oder nach der Form geordnet sind. 
Diese beiden Gesichtspunkte beherrschen auch meine Dar- 
stellung, und zwar in der Art, dass ich über die Bedeutungs- 
gruppen berichte, die Gruppierung nach der Form aber meiner 
Darstellung zu Grunde lege. Der dritte Abschnitt sol) von 
dem Problem der Mehrgeschlechtigkeit eines Wortes handeln. 


I. 
Die Bedeutungsgruppen. 


$ 1. Die Bedeutungsklassen in den Schulgram- 
matiken der klassischen Sprachen. Männer, Weiber, ' 
Völker, Monate, Winde. !) 


1} Indische Grammatiker haben eine Menge von Bedeutungsklassen 


90 Kap. I. Das Geschl. der Subst. I. Die Bedeutungsgruppen. ($1. 


Ich gehe aus von den wohlbekannten Versen: 

Die Männer, Völker, Flüsse, Wind 

Und Monat Maskulina sind, 

Die Weiber, Bäume, Städte, Land 

Und Inseln weiblich sind benannt, 
und frage, inwieweit diese Kategorien etwa für die Bestim- 
mung des Geschlechts indogermanischer Wörter von Werth 
sein können. 

Was zunächst die Männer und Weiber angeht, so hat 
man längst bemerkt, dass männliche Personen auch durch ein 
f., z. B. vigtliae, oder ein n., z. B. auzilia, und weibliche auch 
durch ein m., z. B. der Backfisch, oder ein n., z.B. das Weib 
bezeichnet werden können, und ferner, dass man bei gewissen 
Thieren in der Sprache von der Unterscheidung der Geschlech- 
ter absieht, obgleich dieselbe in der Natur vorliegt, z. B. die 
Maus. Es hertscht daher längst Übereinstimmung darüber, dass 
die Schulregel nur besagen will, dass, wenn überhaupt Ge- 
schlechtsunterscheidung stattfindet, gewöhnlich das gramma- 
tische Geschlecht mit dem natürlichen übereinstimmt und, wo 
das nicht der Fall ist, meist irgend ein bildlicher oder sonst 
übertragener Ausdruck zu erkennen ist. Die Bemerkung über 
die Völker kann als ein Unterfall dieser ersten allgemeinen 
Regel angesehen werden. Denn natürlich ist richtig, was 
Gossrau, Lateinische Sprachlehre $ 65 sagt, dass die Völker m. 
sind, weil gewöhnlich eben nur die Männer Staatsrechte haben, 
während das einzige Amazones deshalb f. sei, “weil bei ihnen 
die Frauen den Staat regierten. Dass die Ausdrucksweise in 
den übrigen idg. Sprachen dieselbe ist, versteht sich. Die 
Monatsnamen sind im Lat. Adjektiva und folgen als solche 
ihrem Leitwort mensis. Dieses Wort ist, soweit wir sehen 
können, im Idg. stets m. gewesen (Brugmann 2, 389). Von 
den Namen der einzelnen Monate reicht keiner in proethnische 


aufgestellt, welche sich bei O. Franke, Die indischen Genuslehren 8. 151ff. ver- 
zeichnet finden. Ich sehe von ihrer Behandlung ab, weil sie sich zur Über- 
tragung auf andere Sprachen nicht eignen und einen geschichtlichen Werth 
für uns nicht gewonnen haben. 


$1—2.] Kap. I. I. Baumnamen. 9 





Zeit zurück. Entsprechend verhält es sich mit den Namen 
der Wınde. Somit bleiben noch zu erörtern die Bezeichnungen 
für Bäume, Flüsse, Städte, Länder, Inseln. 

$2. Bäume. Was die Baumnamen betrifft, so ıst be- 
kannt, dass ım Lateinischen und Griechischen eine Neigung 
besteht, auch die auf das ursprünglich maskulinische 0; aus- 
gehenden femininisch zu machen. So ist überliefert, dass 
lateinische Wörter wie cupressus, populus, Taurus ursprünglich m. 
gewesen seien (Neue 12, 621 ff.); im Griechischen sind Wörter 
wie atyeıpos, Apmeios, BdAavos, anyds f., andere wie &pıveds m. 
Uber die Gründe der Geschlechtsverwandlung lässt sich mit 
Sicherheit nicht urtheilen. Im Lateinischen mögen die führen- 
den Wörter wie ardor (von dem ich freilich nicht weiss, 
welches Geschlecht es ursprünglich hatte) und plants ein- 
gewirkt haben, in beiden Sprachen aber Femininina, welche 
sachlich zu derselben Begriffsgruppe gehören, wie reuxn, &arr, 
(tta, pılöpa, Lilia, quercus u.a. Wie dies nun auch sei, eine 
Neigung zum Weiblich-werden ist im Griechischen und La- 
teinischen jedenfalls vorhanden. In den anderen Sprachen 
aber ıst das nicht der Fall. Das Germanische hat, wie 
Grimm gezeigt hat, theils Maskulina theils Feminina. Ebenso 
das Litauische. Maskulina sind z. B. duziülas Eiche, klevas 
Ahorn, Derzas Birke (doch lettisch neben Ber/s auch berfe f£.), 
eglıus Eibe, üsis Esche, glösnis Weide, dagegen Feminina 
lepa Linde, &gle Tanne, puszis Fichte. Ebenso im Slavischen. 
Als Beispiele, die in allen oder mehreren slavischen Sprachen 
vorhanden sind, führe ich an: als m. aksl. tısö Taxus, serb. tıs 
lärche, russ. tisö Eibe (Miklosich Wb. unter Zisü); aksl. dqbü 
arbor, Spüs, &UAov, serb. dub, russ. dubü Eiche (M. dombü) ; serb. 
Jasen, russ. jasenü Esche (M. jasenü; vgl. üsis); aksl. Alenü, serb. 
klen, russ. klenü Ahorn (M. Alenü; vgl. Alövas). Als f. akel., 
serb., russ. /ipa Linde, (M. unter Zip; vgl. lepa); aksl. breza, serb. 
breza, russ. bereza Birke (M. berza; vgl. berzas); aksl. jelicha, 
serb. jJoRa, russ. olicha Erle (M. jeliha); aksl., serb., russ. 
tca Weide (M. iva). Im Altindischen überwiegt das Mas- 
kulinum, wenigstens bei den Baumnamen der vedischen 





92 Kap. L I. Holz und Früchte. [8 2—3. 


Periode, welche Zimmer, Altindisches Leben S. 57 ff. anführt. 
So sind Z. B. m. aßvatthd, nyagrödha, khadira, parnd, plak$a, 
udumbara, vikarkata, varand, bilva, dazu der u-Stamm ptl& und 
der :-Stamm Salmali (das spätere Sälmali soll f. sein). Femi- 
nina sind nur $ami, $iSapa, talaSa. Das Material im Avesta ist 
nur ganz geringfügig (vgl. Geiger, Ostiranische Kultur 150) 
Aus diesem Thatbestand, wie er in den Einzelsprachen vorliegt, 
lässt sich für die Ursprache nur wenig schliessen. Sicher steht 
für die Ursprache als gemeinsamer Baumname nur der der 
Birke (vgl. Schrader, Sprachvergleichung und Urgeschichte ?, 
393 ff.), und gerade bei diesem Wort ıst das Geschlecht un- 
sicher, denn das altindische Wort bhärja (dessen Accent nicht 
bekannt ist, da es nur in späteren Texten vorliegt) und das 
litauische berias sind m., dagegen das slavische und germani- 
sche Wort sind f. und im Lettischen finden sich beide Ge- 
schlechter. Ich glaube also, dass man nur sagen kann, in der 
Ursprache seien die Baumnamen m. oder f. gewesen, im San- 
skrit (wo die gebräuchlichen Namen für Baum vrA$a und va- 
naspali m. sind) sei dann eine Neigung für das Maskulinum, 
im Griechischen und Lateinischen eine Neigung für das Fe- 
mininum entwickelt worden. Das Neutrum scheint bei den 
Baumnamen keine Rolle zu spielen. Zwar ist griech. xpavov 
Kormelkirschbaum n., aber es wird auch xpavos angegeben, 
und so mag man annehmen, dass xpavov eigentlich die Frucht 
bedeutet. Im Sanskrit mögen unter den auf daru Holz (wel- 
ches n. ıst) ausgehenden Kompositis manche Neutra sein. Das 
bekannteste derselben devadaru (Name einer Kiefer) ıst n., 
aber auch m. 


$3. Holz und Früchte. Es giebt, wie eben bemerkt, ein 
altes Wort für ‘Holz’, welches Neutrum ist, nämlich ai. däru, 
öspu, got. triu, aksl. drevo, serb. drvo, russ. derevo Baum, Holz 
'Miklosich dervo)!). Für die schwache Form ai. drö Holz 
wird m. und n. angegeben, das entsprechende gr. öpös ist f. 


' 1) Das litauische f. derva Kienholz wird wohl aus dem Neutrum her- 
vorgegangen sein, s. unten S$. 101. 


3-4.) Kap. I. I. Flussnamen. 93 


(auch m.?j. Vielleicht dass der Baum ursprünglich als m., 
das Holz als n. bezeichnet wurde. Jedenfalls besteht dieses 
Verhältnis in mehreren Sprachen zwischen dem Baum und 
seinen Früchten. Aus den accentuiertenTexten des Ai. 
habe ich angemerkt: amrda, m. Mangobaum, n. die Frucht, 
und entsprechend bei udumbara ficus glomerata, karkandhu 
Judendorn, diloa Aegle Marmelos Corr., pild ein nicht 
genau bestimmter Baum, vibhidaka (vibhitaka) Terminalia 
Bellerica Roxb. (Grassmann meint zwar, dass RV. 10, 34, 1 
die Nuss als m. gebraucht sei, aber der Spieler kann doch 
auch sagen: ‘der vibhidaka-Baum hat mich berauscht’, wenn 
er mit der Nuss desselben gewürfelt hat). Dazu aus nicht 
accentuierten Texten: amalaka m. (auch f. auf -i) Myroba- 
lanenbaum, At3uka Butea frondosa Roxb., wobei die Blüte 
n., dadar: Judendorn, dhallätaka Tintenbaum, piludaru m. 
ein bestimmter Baum, n. das Harz dieses Baumes. Aus dem 
Griechischen kommen namentlich in betracht: 8 &pıyd; und 
:o Zpıvöv, 7 xE6pos und To xEöpov, 7 Tpoünvos und To Tpoülvov, 
n xspasta und TO xep@otov, 6 N Tpivos und ta zpiva, 0 d xdnapos 
und 10 xduapov, n artos und to amıov (nach Lange S. 38). 
Die lateinischen Analoga s. bei Neue 12, 625, wo es heisst: 
zu mehreren Baumnamen auf us gehören die Namen der 
Früchte und Hölzer auf um neutr. Gen., wie arbutum, buxzum, 
cerasum, citrum, cornum, ebenum, malum, morum, mystum, nardum, 
pirum, pomum, prunum . 

Ob nur hierin eine parallele Entwicklung oder eine ur- 
sprüngliche Übereinstimmung vorliegt, ist schwer zu sagen. 
Ich halte für wahrscheinlich, dass in der Urzeit bereits ein 
oder zwei Vorbilder vorhanden waren, an welche sich die Ent- 
wicklung in den Einzelsprachen angeschlossen hat. 

$4. Flüsse. Mit den Namen der Flüsse verhält es 
sch ähnlich wie mit denen der Bäume. Die griechischen 
Grammatiken überliefern, dass die meisten Flüsse m. seien, 
und sind auch über den Grund einig. So sagt z. B. Kühner: 
Die Flüsse wurden als Adjektiva betrachtet und auf den ent- 
weder beigefügten oder zu ergänzenden männlichen Gattungs- 


94 Kap. I. I. Ländernamen. [$ 4ı—5. 


namen rortayuos bezogen’. Auch im Lateinischen sind die Fluss- 
namen in ihrer überwiegenden Mehrheit m. (Neue 12, 639 ff\. 
Anders in Asien. Die im Veda erwähnten altindischen Fluss- 
namen sind, wie aus der Aufzählung bei Zimmer, Altindisches 
Leben S. 4 ff ersichtlich ist, sämmtlich (soweit wenigstens ihr 
Geschlecht festgestellt werden kann) f. Einige davon sind 
deutlich Adjektiva, z. B. gömati ‘die heerdenreiche’, särasvati 
‘die an Wasserbecken reiche’. Offenbar ist ein Wort von der 
Bedeutung ‘Fluss’ dabei zu ergänzen, und zwar bei dem letzt- 
genannten sindhu. Denn ich bin mit Roth der Ansicht, dass 
särasvati als der besondere und heilige, sindhu als der allge- 
meine und profane Name des Indus (sindhu) zu betrachten sei. 
Das Wort sindhu selbst ist f. und m., und zwar macht Grass- 
mann die Bemerkung, das Wort sei f. ‘wenn es im engeren 
Sınne den Fluss oder Strom (den in einem Flussbette strö- 
menden) bezeichnet, hingegen m., wenn es im allgemeinen 
Sinne strömendes Gewässer oder das (wogende) Meer bezeichnet’. 
Ein anderes gebräuchliches Wort für ‘Fluss’ ist das f. nad. 
Ebenso scheint es im Iranischen zu liegen. Nach Spiegel 
Gr., 399 werden die Flüsse meist als f. behandelt, so ım Alt- 
persischen Tigra und Ufrätu, im Avestischen Rarha (gleich 
ai. Rasa) Daitya, ardoi süra anähita, d. h. nach Geldner's 
Auffassung (KZ 25, 378) die “hilfreiche jungfräuliche Ardvi”. 
Spiegel erklärt übrigens das f. ebenso wie Kühner, nämlich 
als Wirkung eines zu ergänzenden Namens für “Wasser? (av. 
und ai. ap). — Zusammengefasst ergiebt sich folgendes Bild: 
In der Urzeit wird jeder Stamm das fliessende Gewässer, an 
dem er wohnte, wohl meist einfach als “den Fluss’ bezeichnet 
haben. Als man unter veränderten Verhältnissen in besetzten 
Ländern neue Namen der Flüsse vorfand oder austheilte, gab 
man diesen Namen das Geschlecht desjenigen Wortes für 
‘Fluss’, welches in der betreffenden Sprache gültig war. 

$5. Länder, Inseln, Städte, Erde und Schluss. Was 
endlich die Namen der Länder, Inseln, Städte betrifft, welche 
ın den klassischen Sprachen eine Neigung haben, f. zu 
sein, so liegt es auf der Hand, dass es sich hierbei nur um 





$ 5.) Kap. I. I. Ländernamen. 05 


verhältnismässig junge, also einzelsprachliche Erscheinungen han- 
deln kann. Städte in dem griechisch-römischen Sinne dürften 
in der Urzeit überhaupt nicht vorhanden gewesen sein und 
ein Bedürfnis, Länder und Inseln mit festen Namen zu be- 
legen, konnte erst entstehen, als vollständige Sesshaftigkeit 
eingetreten war und dauernde Beziehungen zwischen Nachbar- 
völkern sich entwickelten. Im Veda sind mir überhaupt keine 
Bezeichnungen für Länder, sondern nur solche für Völker be- 
gegnet (man übersieht die einschlagenden Verhältnisse bequem 
bei Oldenberg, Buddha 399 ff; die älteste indische Bezeich- 
nung für einen Landstrich dürfte das in den Brähmana’s vor- 
kommende Kuruksetrd sein, was Böhtlingk-Roth durch ‘Feld 
der Kuru’ übersetzen). Dagegen treten Namen von Ländern 
und Provinzen im persischen Reiche hervor, so z.B. in der 
Inschrift von Behistän, wo Darius die unterworfenen Provinzen 
(dakyava f.) aufzählt. Dabei erscheint der Volksname im Sing., 
2. B. Parsa, Mäada oder im Plur., z. B. Yaurä, d. i. 'laoves. Na- 
türlich heisst Pärsa eigentlich ‘der Perser’ (wobei der Singular 
kollektiv gebraucht ist) und nicht Persien, also zsayahıya z3aya- 
piyanam z5äyabiya Päarsaiy zsäyapıya dahyunam Bh. I eigent- 
lieh: “König der Könige, König bei dem Perser (Spiegel: in 
Persien), König der Provinzen’. Aber aus anderen Stellen er- 
giebt sich doch, dass den Sprechenden nicht mehr das Volk, 
sondern das Land vorschwebte, z. B. iyam dahyaus Pärsa iyam 
mana Auramazda fräbara Iyü naibüa uvaspa umartıya diese 
Provinz Persien, welche mir Auramazda verlieh, welche schön, 
rossereich, menschenreich ist, Inschr. von Persepolis (Spiegel?, 
$.46 H, 6). Sodann findet ‚sich eine femininische Adjektiv- 
form, z. B. Bäkktris, wozu dann jedenfalls dahyaus zu ergänzen 
ist. Die Ländertafel im ersten Kapitel des Vendidad (vgl. 
Spiegel, Eranische Alterthumskunde 1, 195 ff} beginnt mit 
dem n. airyanem va2jö, wobei wir va@j6o nicht zu erklären 
wissen (die Übersetzung von Justi beruht auf einer Ety- 
mologie, die jetzt nicht mehr zu halten ist), dann folgen Na- 
men von Städten, maskulinisch und femininisch, ohne dass 
ich unternehmen möchte, einen Grund für die Wahl des 


96 Kap. 1. I. Grimm’s Versuch. [8 5—6. 








Geschlechts anzugeben. — Aus diesen Andeutungen, die durch 
eine besondere Untersuchung zu vervollständigen wären, folgt 
jedenfalls (was sich übrigens von selbst versteht), dass Be- 
zeichnungen für Länder in der Urzeit nicht vorhanden waren, 
man also von einem ererbten Geschlecht bei ihnen nicht 
reden kann. 

Für den Begriff Erde giebt es ein altes Wort, welches 
Femininum ist, ai. Afam, gr. ydwv (Brugmann 2,452). Ebenso sind 
ım Griechischen yata und ywpa f., und nach diesen möchten sich 
einige Substantiva gerichtet haben, welche in Wahrheit Adjek- 
tiva zweier Endungen sind, wie n Epnpos, N veros, 7 XEpoos. 
Ob freıpos und v7sos, deren Herkunft wir nıcht kennen, eben- 
falls Adjektiva sind, oder von Hause aus Substantiva, die ur- 
sprünglich m. waren und dann in ihrem Geschlecht von yata 
und ywpa beeinflusst wurden, lässt sich nicht mit Sicherheit 
entscheiden. 

Man sieht aus diesen Bemerkungen, dass die Schulregel 
über m. und f. im Griechischen und Lateinischen nicht indo- 
germanische Zustände, sondern nur einige Besonderheiten der 
klassischen Sprachen zu beschreiben unternimmt. 

66. Grimm’s Versuch. Einen weit grossartigeren Ver- 
such, die Gründe für die Zutheilung des Geschlechts an die 
Substantiva aus ihren Bedeutungen abzuleiten, hat mit Bezie- 
hung auf das Germanische Jacob Grimm (Grammatik 
3, 311 ff.) angestellt. Nachdem er zuerst zwischen natürlichem 
und grammatischem Geschlecht unterschieden hat, bekennt er 
sich S. 344 zu der Ansicht, dass die Erscheinung der Geschlechts- 
vertheiluug aus dem Einbildungsvermögen der Sprache abzu- 
leiten sei, und sucht nachzufühlen, welche Anschauungen dem 
unbewusst schaffenden Sprachgeiste hei diesem Geschäft vor- 
geschwebt hätten. Er äussert sich darüber $S. 358 so: “das 
Maskulinum scheint das frühere, grössere, festere, sprödere, ra- 
schere, das thätige, bewegende, zeugende; das Femininum das 
spätere, kleinere, weichere, stillere, das leidende, empfangende; 
das Neutrum das erzeugte, gewirkte, stoflartige, generelle, un- 
entwickelte, kollektive’. Diese Gesichtspunkte verfolgt er nun 


$6.] Kap. I. I. Die Bedeutungsgruppen. 97 


zunächst bei der Betrachtung des Geschlechts der sinnlichen 
Gegenstände, und zwar bei Thieren, dann bei Pflanzen und 
Bäumen, dann bei Steinen, Metallen, und schreitet so all- 
mählich den ganzen Kreis der Schöpfung aus. Bei den ‘ab- 
strakten Gegenständen’ aber biegt S. 477 die Darstellung um 
und ordnet die Wörter nicht mehr nach der Bedeutung, son- 
dern nach der Form. Man kann Scherer zugeben, dass das 
Kapitel über das Genus den Höhepunkt der Grimm’schen 
Grammatik bezeichnet, insofern nirgends deutlicher die un- 
glaubliche Herrschaft über den Stoff und die Feinfühligkeit des 
Forschers hervortritt; aber man muss zugleich auch zugeben, 
dass Grimm zu fassbaren und auch für andere überzeugenden 
Ergebnissen nicht gelangt ist. Zwar bei den Thieren scheinen 
seine Kategorien sich so ziemlich zu bewähren, aber bei jedem 
folgenden Abschnitt verfangen sie weniger. Und zwar ist das 
offenbar auch die Empfindung des Schriftstellers selbst. Man 
erwäge beispielshalber folgende Zusammenfassungen. Am 
Schlusse des Abschnittes, der über die Namen von Land, Stadt 
und Ort handelt, heisst es S. 419: “Wir sehen also die drei 
geschlechter hier in der weise walten, dass allgemeinere be- 
deutungen neutral sind (uodal, verhs, dorf), bestimmtere männ- 
lich (tun, flecke, ort) oder weiblich (burg, stadt); das fem. 
scheint sich vorzüglich für eine weite, umfangende entfaltung 
im raum zu schicken, vgl. erde, gasse, eiche, linde u.s.w. Es 
ist wenigstens beachtenswerth, dass wie burg und stadt auch 
zölıs, civitas, urbs, arz, villa weiblich sind; doch das slav. 
miesto = @otu neutral. Nach dem Abschnitt über das Haus 
heisst es S. 433: “Alle subst. dieser abtheilungen geben wenig 
sicheren aufschluss über die gründe der geschlechtsverschieden- 
heit. Sie scheinen jedoch wiederum zu lehren, dass die all- 
gemeinen begriffe das neutrum lieben; was in und an dem 
haus besonders hervortritt, pflegt entweder männlich oder 
weiblich zu sein; dass geräumige hallen fem. sind, habe ich 
hervorgehoben”. Dazu kommt ein weiteres Element der Un- 
sicherheit. In der geschichtlich bezeugten Entwickelung un- 


serer Sprache verändern, wie Grimm S$. 549 ff. ausführt, viele 
Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm. Sprachen. I. 7 








98 Kap. I. I. Genus. Die Bedeutungsgruppen. [$ 6-7. 


Wörter ıhr Geschlecht, und zwar sehr oft aus äusseren Grün- 
den, die mit der poetischen Auffassung, aus welcher die Ge- 


:schlechtsbezeichnung hervorgegangen sein soll, nichts zu thun 


haben. Was sich in geschichtlichen Zeiten ereignet hat, kann 
auch früher geschehen sein (wenn auch der Geschlechtswech- 
sel zu den Zeiten, als die Kasusausgänge noch deutlich hervor- 
traten, seltener gewesen sein muss, als später). Wie soll man 
also wissen, ob das Geschlecht, welches wir z. B. an einem 
gotischen Worte beobachten, dessen erstes oder zweites ist? 
Endlich ist auch Jacob Grimm nicht entgangen, dass das 
Geschlecht identischer Wörter in mehreren Sprachen nicht 
selten verschieden ist (vgl. S. 555). Wo hat man das ursprüng- 
liche zu erkennen? Diese letztere Schwierigkeit führt uns 
auf einen Hauptfehler der Grimm’schen Darstellung, den wir 
heutzutage leicht erkennen können: Grimm beachtet nicht 
genug, dass das Deutsche nicht eine selbständige Ursprache 
ist, sondern ein Zweig des Indogermanischen, dass also in das 
Deutsche so gut wie in die anderen idg. Sprachen die Wörter 
schon mit dem fertigen Geschlecht, welches sie in der Uhrzeit 
empfangen haben, eingetreten sind. Damit würde sich für uns 
aus der Kritik des Grimm’schen Unternehmens die Aufgabe 
ergeben, dasjenige am Indogermanischen zu versuchen, was 
Grimm am Deutschen versucht hat. Ein solches Unternehmen 
muss nach meiner Meinung so gut wie resultatlos verlaufen. 


$ 7. Schluss. Unsere Darstellung hat also ergeben, dass 
es bisher nicht gelungen ist, gewisse allgemeine Anschauungen 
oder Begriffe aufzufinden, von denen man annehmen könnte, 
dass sie die Sprechenden zu der Geschlechtsbezeichnung bei 


. den Substantiven geführt hätten. Höchstens kann man sagen, 


man nimmt den allgemeinen Eindruck mit, dass das Neutrum 
nicht dazu bestimmt gewesen sei, lebendig gedachte Wesen 
zu bezeichnen. Diese allgemeine Anschauung würde sich auch 
darin zeigen, dass dıe Bäume als Maskulina oder Feminina, 
ihre Früchte (und auch ıhr Holz) aber als Neutra bezeichnet 
wurden. 


&8.) Kap. 1. U. Genus. Die Formgruppen. Germanisch. 99 


De 


II. 
Die Formgruppen. 


Es fragt sich nunmehr, ob aus der Form der Substantiva 
ein Eintheilungsgrund zu gewinnen ist. Ehe ich indessen in’s 
einzelne gehe, habe ich eine Vorbemerkung zu machen über 
die Zustände im Germanischen und im Litauischen. 


$8. Der Zustand im Germanischen. Im Germa- 
nischen ist der Auslaut der Wörter stärker verändert worden, 
als in den übrigen hier behandelten Sprachen. Infolge dessen 
ist die Verschiedenheit der Kasusausgänge, welche (wie sich 
noch weiter zeigen wird) dem Gedächtnis den wichtigsten 
Anhaltepunkt für die Scheidung der Genera bot, vielfach 
verwischt, und somit für eine weitgehende Genusverschiebung 
die Bahn frei gemacht worden. Ich führe aus der Schrift von 
V. Michels “Zum Wechsel des Nominalgeschlechts im Deut- 
schen‘, Strassburg 1889, zwei Belege an: Im Westgermanischen 
— so wird S. 41 ff. ausgeführt — ist die Verschiedenheit zwi- 
schen maskulinischen und neutralen o-Stämmen geringer ge- 
worden als ın den übrigen Sprachen, denn die Nom. sing. 
sind zusammengefallen, während im Nom. plur. ein Unter- 
schied noch besteht, (vgl. got. dags gegen vaurd, altn. ulfr 
gegen ord, aber ags. fisc und vord, alts. dag und uuord, ahd. 
face und wort, mhd. tac und wort). Da nun der Nom. sing. 
eine führende Stellung hat, so ist durch diesen Lautvorgang 
die Vermischung des Maskulinums und Neutrums bei den o- 
Stämmen erleichtert worden. Ganz ähnlich steht es bei den 
ö(germ. 6)-Stämmen, von denen es 8. 32 heisst: Nach Sievers’ 
Untersuchungen zur Accent- und Lautlehre der germanischen 
Sprachen musste bei den langen 5-Stämmen im Nominativ im 
ganzen Westgermanischen der Vokal abfallen. Der Nominativ 
wurde auf diese Weise dem des m. und n. gleich, und dies 
konnte der Anlass zum Übertritt in maskulines oder neutrales 
Geschlecht werden. Dahin gehören die bekannten m. auf 
-une in Ahd., ferner buoz, halp, wis u. s. w. 

7# 


100 Kap. I. Il. Genus. Die Formgruppen. Litauisch. [$ 8—9. 


Aus diesen Anführungen erhellt, dass die Schicksale der 
Kategorie des grammatischen Geschlechtes im Germanischen 
unter andern Bedingungen standen, als es bei den übrigen 
Sprachen der Fall war. Ich werde deshalb auf den folgenden 
Seiten des Germanischen kaum Erwähnung thun, eine Zurück- 
haltung, die sich auch deshalb empfiehlt, weil ich mich nicht 
im stande fühle, mich an den Untersuchungen über die ger- 
manischen Auslautgesetze mit Erfolg zu betheiligen. 

$9. Der Zustand im Litauischen. Das Litauische 
nimmt unter den hier behandelten Sprachen insofern eine ein- 
zige Stellung ein, als es das Neutrum verloren hat, während 
das nahe verwandte Preussische es noch besitzt. Gem wären 
wir über die Gründe eines so bedeutsamen Verlustes (der uns 
auch noch bei den Adjektiven beschäftigen wird) und über die 
Art, wie es dabei hergegangen sein mag, näher unterrichtet. 
Leider aber lässt sich darüber, so viel ich sehe, nicht mehr als 
das Folgende sagen (vgl. die höchst nützliche Schrift von 
A. Leskien: Die Bildung der Nomina im Litauischen im 
12. Bande der Abh. der phil. hist. Klasse der sächs. Ges. der 
Wiss., Leipzig 1891). 

Die alten neutralen o-Stämme sind im Litauischen zum 
grössten Theile Maskulina geworden, so z. B. dieras See, preuss. 
assaran Vok. neutr. (gleich ezeran), aksl. jezero; piüklas Säge, 
preuss. piuclan; miltai Mehl, preuss. meltan; saitas Band, preuss. 
largassaytan Steigbügel; Zunkas Bast, preuss. lunkan, aksl. Zyko; 
purai Winterweizen, aksl. pyro Spelt; dügnas Boden, aksl. düno 
(Leskien 360); szönas Heu, aksl. seno; jJüngas Joch, ai. yugam 
u. 8. w., kraüjas Blut, ai. Aravyam (was allerdings auch ein 
zufälliges Zusammentreffen sein kann); szirntas gleich ai. Satam 
u.s. w. Vermuthlich hat die Geschlechtsveränderung in diesem 
Falle von dem Nominativ ihren Ausgang genommen. Der Nom. 
sıng. des Neutrums, so meint J. Schmidt, fiel mit dem Nom. 
plur. fast zusammen und so kam es denn, dass man ihm, geleitet 
von dem Streben nach deutlich hervortretender Kongruenz, 
das s der Maskulina anfügte, mit denen ja die Neutra ohnehin 
durch die Gleichheit der obliquen Kasus verbunden waren (vgl. 


5 9—10.] Kap. I. II. Genus. Die Formgruppen. 101 


J. Schmidt, Pluralb. 38). Einige alte neutrale o-Stämme sind 
auch zu Femininis geworden. Ein sicherer Fall ist dervä Kien- 
holz, aksl. drevo Baum (s. Miklosich Wb. unter *deroo). Auch 
unter den Wörtern auf Aa, die Leskien S. 197 anführt, sind 
gewiss alte Neutra, z. B. sekla Same, und dasselbe dürfte von 
den Wörtern auf ia gelten (s. ebenda S. 530 ff.), z. B. bütas, 
auch f. duta Haus. Hinsichtlich dieser Feminina lässt sich 
vermuthen, dass sie aus dem Plural entstanden seien, was bei 
einem Worte wie derod besonders einleuchtend ist.!) An die 
o-Sämme haben sich die u-Stämme angeschlossen: alıs Bier, 
preuss. alu; medüs Honig, preuss. meddo, ai. madhu u.s.w. Etwas 
verwickelter war der Vorgang bei den :-Stämmen, wie akis 
Auge, szirdis Herz, ausis Ohr, welche Feminina geworden sind. 
Ich verweise hinsichtlich derselben auf J. Schmidt Pluralb. 251. 
Es bleiben noch übrig die n-Stämme, wie vandü Wasser, preuss. 
wundan, semens, sömenys plur. Same, preuss. semen. Über die 
Geschichte dieser Stämme besteht zwischen J. Schmidt Pluralb. 91 
und Brugmann 2, 733 eine Meinungsverschiedenheit, in der ich 
nicht zu entscheiden weiss. 

Mit dem Verlust des Neutrums wird auch zusammenhängen, 
dass es im Litauischen auffällig viel Wörter giebt, welche so- 
wohl männliches als weibliches Geschlecht haben. Eine genauere 
Untersuchung (für die das Buch von Leskien reichen Stoff liefert) 
muss ich den Spezialforschern überlassen. 

$10. Übersicht über den Inhalt der folgenden $. 
Somit werden das Germanische und das Litauische im Folgen- 
den nur gelegentlich zu erwähnen sein und, da ich auch von 
dem Avestischen, aus Mangel an Vorarbeiten, nicht viel zu 
sagen weiss, so wird sich meine Darstellung hauptsächlich auf 


1) Nach J. Schmidt Pluralb. 252 sind auch Neutra auf os zu Maskulinis 
der o-Deklination geworden, wofür er äkas Wuhne gleich aksl. o%o Auge, 
kväpas Duft gleich lat. vapor, sriautas Strom gleich ai. srötas anführt. Doch 
sind wenigstens diese Belege nicht zweifelsfrei. Dass äkas, die Zemaitische 
Form statt eketö, gleich oko sei, ist mir wegen der Bedeutung nicht 
sicher, kväpas kann eine der zahlreichen Bildungen mit dem lebendigen 
Sufix a sein und sriautas oder srautas kann auch litauische Original- 
bildung sein. 


102 Kap. I. IL Genus. ä-Stamme mask.. [($ 10—11. 


das Altındische, Griechische, Lateinische, Slavische beschränken. 
Meine Aufgabe wird sein, festzustellen, ob mit gewissen stamm- 
bildenden Suffixen ein bestimmtes Geschlecht schon in der 
Ursprache verbunden gewesen ist (wobei ich mich im wesent- 
lichen an Brugmann’s Darstellung halten werde) und ob und 
unter welchen Verhältnissen in den einzelnen Sprachen eine 
Veränderung des überlieferten Zustandes eingetreten ist. Die 
Suffixe sollen in folgender Reihenfolge behandelt werden: 

1) @-Stämme. 

2) 2£-Stämme. 

3) o-Stämme. 

4) -Stämme. 

5) u-Stämme. 

6) Stämme mit r-Suffixen. 

7) s-Stämme. 

8) n-Stämme. 

9) Wurzelnomina. 

$ 11. Die a-Stämme. Allgemeines. Dass die -Stämme 

in der Urzeit nur Feminina gewesen sind, scheint mir festzu- 
stehen. Wo sich in den Einzelsprachen Maskulina finden, sind 
sie also in diesen entstanden. Derartige Mask. nun liegen in 
den asiatischen Sprachen kaum vor. Aus dem Ai. kenne ich 
nur einen sichern Fall, nämlich subrahmanya, Bezeichnung 
eines der drei Gehilfen des udgäatar. Dabei ist der Priester 
nach seiner Rolle genannt, denn subrahmanyä ist eigentlich der 
Name einer Einladung, welche dieser Priester zu sprechen hat 
(vgl. SF. 5,94). Für das Altpersische, wo man sie früher an- 
nahm, wird die Existenz solcher Wörter geleugnet von Bartho- 
lomae, Handbuch $ 182. Vorhanden sind sie im Griechischen 
(wo sie ein Nominativ-s erhalten haben), im Lateinischen, im 
Litauischen und Lettischen, Slavischen.'!) Da die Verhältnisse 


1) Die Ansicht, dass die mask. &-Stämme durch innere Veränderung 
aus Fem. entstanden seien, ist zuerst nahe gelegt von Jacob Grimm in 
seinem Aufsatz von Vertretung männlicher durch weibliche Namensformen 
(kleine Schriften 3, 349), behauptet, wie ich aus Wolters unten anzu- 
führender Schrift S. 15 ersehe, von Aksakov, sodann als J. Schmidt’s 


$ 11—12.] Kap. I. II. Genus. ä-Stämme mask. 103 


bei den lituslavischen Sprachen besonders klar liegen, gehe ich 
von diesen aus. Dabei benutze ich für das Litauische und 
Lettische dıe bereits angeführte Arbeit von Leskien über die 
Bildung der Nomina im Litauischen, Leipzig 1891, für das 
Slavische Miklosich 4, 22 ff, Leskien Handbuch 2, 65, Wolter 
Razyskanija po voprosu ogrammaticeskomi rod®, Petersburg1882, 
vgl. auch Vondrak, Schimpfwörter im Böhmischen in Jagic’s 
Archiv 12, 57 ff. Ich ordne, so gut es geht, nach den einzel- 
nen Suffixen. 

$ 12. Suffix @ im Baltisch-Slavischen. Im Lı- 
tauischen und Lettischen hat dieses Suffhix den weitesten Be- 
deutungsumfang, so dass Leskien darauf verzichtet, die Wörter 
in Bedeutungsgruppen zu theilen. Ich stelle voran einige Fälle, 
in welchen die Wörter mit @ nicht allein handelnde oder gar 
männliche Wesen, sondern auch noch Dinge und Zustände, 
Handlungen, Eigenschaften bezeichnen. Wörter der Art sind: 
lit. iyla Schweigen, Stille, Schweiger, (tilti verstummen) ; lit. gyrä 
Ruhm, Prahlhans, (girti rühmen); lett. snauda Schlummer, 
schläfriger Mensch, (lit. snuda Schläfer, vgl. sndudzu, snausti 
schlummern); lett.streba etwas zu Schlürfendes, Betrunkener, eig. 
Schlürfer (vgl. strebt, lit. srebiü, srebti); lett. jega Einsicht, Ver- 
stand, nejega Alberner, (lit. jegiı, jegti vermögen); lıt. uzmarsza 
Vergesslichkeit, Vergesslicher (mifszti vergessen); lit. iszaugu 
Auswuchs, uzauga Wachsthum, n’uzauga nicht Ausgewachsener, 
Zwerg (dugti wachsen) ; nüvoka Einsicht, nenüvoka Unverstand, 
Unverständiger; iszedos Ausfrass, Überbleibsel vom Fressen, lett. 
ifedas Wurmfrass, lit. peleda Mausfresser, Eule, zmogeda Men- 
schenfresser, lett. pus&da Mitte der Mahlzeit; lett.&Aawa Klammer; 
slepkawa Meuchelmörder (lit. Aduti schlagen). Sodann führe 
ich einige Wörter an, welche nur die Bedeutung eines han- 
delnden, männlich (oder jedenfalls nicht entschieden weiblich 
gedachten Wesens haben. Sie mögen zum theil auch die anderen 





— 


Meinung mitgetheilt von Osthoff, Verbum in der Nominalkomposition, 263. 
Den gleichen Gedanken habe ich SF. 4, 4ff. mit Beziehung auf das Grie- 
chische näher ausgeführt, ohne dass mir der Vorgang Aksakov’s und 
J. Schmidt’s bekannt war. 


104 Kap. I. II. Genus. ä-Stämme mask. [$ 12. 


Bedeutungen gehabt haben, zum theil aber sind sie gewiss 
nur mit der engeren Bedeutung nachgebildet worden. Denn 
das Suffix @ in diesem Sinne ist noch produktiv. Ich stelle 
die nicht zusammengesetzten Wörter voran. Lit. gvera Maulaffe, 
knsduka Miauer, knurriger Mensch, pirda Furzer (perdzu 
persti), pliopäa Plappermaul (pliöpts plätschern, schwatzen), ringa 
ein vor Frost krumm Sitzender, Fauler (regtis sich krümmen), 
reka Schreier (rekti), slanka Schleicher, träger Mensch (slenkı 
slifikts schleichen); lett. blinda Unstäter, bruka Zerlumpter 
(drukt abbröckeln, abfallen), di4a Schreihals (di4t summen, heu- 
len), driska Reissteufel, Zerreisser (lit. dreskiu, dreksti reissen), 
murfa Schmierfink, dämlicher Mensch, üura weinerlicher Mensch 
u. ähnl. Häufig sind Zusammensetzungen mit Präpositionen 
oder der Negation, z. B. lit. &imarka Blinzler (merkti die Augen 
zumachen), üzgasda Begehrlicher (geidzu, getsti begehren), pasauda 
Herumtreiber (saübti toben), pasmirda Stänker (smirdeti), nevala 
unreinlicher Mensch (zu valyts fortschaffen), nepena, auch ne- 
nüpena Unersättlicher (penk, peneti nähren), nenürima un- 
ruhiger Kopf (rimti ruhig werden). Nominalkomposita sind 
z. B. maitveda Taugenichts, peczlinda Zaunkönig, eig. Ofen- 
kriecher (lendu, !xsti kriechen). 

Innerhalb des Slavischen habe ich im Altkirchensla- 
vischen ein einfaches hierher gehöriges Wort nicht gefunden, 
es müsste denn etwa das in allen slavischen Sprachen vor- 
handene sluga Diener sein, dessen Etymologie nicht feststeht. 
Ein zusammengesetztes ist vojJevoda otparnyös, orparnyntns, otpa- 
ronedapyos. In den übrigen Sprachen sind die Bildungen mit 
@ ebenso häufig, wie im Litauischen und Lettischen. Ich 
führe aus dem Material von Wolter beispielshalber die fol- 
genden Wörter an, wobei ich wieder diejenigen voranstelle, 
welche nicht bloss personelle Bedeutung haben. Dahin ge- 
hören serb. oyera Glaube, Mann von Treue und Glauben 
(zdrav Milosu vjero ineujero "heil dir du treuer und zugleich 
untreuer’ bei Wuk im Wb.); russ. drema Schläfrigkeit drema !) 


1) Solche Verschiedenheit des Accents erscheint öfter, aber nicht regel- 
mässig, s. Wolter S. 50. 





$ 12—14.] Kap. I. II. Genus. ä-Stämme mask. 105 





schläfriger Mensch, nedregs« Saumsal, saumseliger Mensch 
(vgl. nebregu ich verabsäume); poln. przeluda Verführung, Ver- 
führer; cech. ockadbs Entmuthigung, Schlappschwanz, ohyzda 
Hässlichkeit, hässliche Person. Von Wörtern, die nur die per- 
sonelle Bedeutung haben, führe ıch an: russ. 5roda Herum- 
treiber (drodift herumlaufen), gomoza unruhiger Mensch (g0- 
moziti nicht still sitzen), /az@ und prolaza verschlagener Mensch 
(prolaziti durchkriechen), ofmyka Dieb (otmykati abnehmen), 
povesa Galgenstrick (vEssti hängen), progula Bummler (pro- 
guljafi spazieren gehen), striga Geschorener (sirigu, strici sche- 
ren), wAula einer der sich einzuhüllen liebt (ukulafi ein- 
hullen) u. s. w. 


$ 13. Suffix  ım Baltisch-Slavischen. Aus dem 
Litauischen und Lettischen gehören dahin Wörter wie: 
ht. mizia und mize cunnus, Bettpisser (mezu, miszti pissen, 
Kurschat im Wb. übersetzt das Wort durch “Pisserin’, vgl. lett. 
mifcha Pısser), skundz& Kläger (skündzu, skusti klagen), pludia 
Schwätzer (plidzu, plust: schwatzen), nevedza caelebs (vedu vestt 
heimführen), neZadia Stummer (Zadı zZadeti sagen). Die letti- 
schen Wörter sind aufgezählt bei Leskien S. 313. Beispiele 
and: dirscha Scheisser (dirst), glemfcha Träumer, Schwätzer 
(glemfchu glemft schwatzen), nejauscha Einfaltspinsel. 

Aus dem Altkirchenslavischen sind als einfache 
Wörter vielleicht sqdiyi Richter und baliyi Arzt anzuführen!), 
als zusammengesetzte drevodelja Zimmermann, predüteca Vor- 
läufer, velimoZa Dynast, neveZda ayvworns. Bei dem letzten 
Worte ist das Zurückgehen auf ein nomen actionis besonders 
deutlich (vgl. poln. wiedza Kenntnis). 

Aus den übrigen slavischen Sprachen führe ich an: serb. 
gocobija tympanista (biti schlagen), russ. sonja Schläfer. 

$14. Suffix {a ım Baltisch-Slavischen. Im Iı- 
tauisch-lettischen Gebiet ist das Suffhix i@ sparsam vertreten. 
Man könnte etwa aus dem Lettischen anführen: plupata 


1) Über die Nominative auf iji bei den jä-Stämmen s. Leskien, Hand- 
buch? $ 60, 


106 Kap. I. II. Genus. ä-Stämme mask. [$ 14—15. 


Schwätzer (p/upt sprudeln), siapata schludriger, schmutzig ein- 
hergehender Mensch, eigeta Bettler. Desto reichlicher ist es 
ım Slavischen vorhanden. Zwar als primäres Suffix ist es auch 
dort nicht eben häufig. Miklosich 2, 162 führt eine Anzahl 
solcher Bildungen an. Die meisten derselben sind mir nicht 
recht deutlich. Bei anderen ist mir zweifelhaft, ob sie nicht 
vielmehr erst nach dem Vorbilde von Wörtern mit dem sekun- 
dären 7a geformt sind. Einen weiten Umfang aber hat {a als 
Sekundärsuffix (vgl. Miklosich 2, 163 fj. Die damit gebilde- 
ten Wörter sind meist Abstrakta und Kollektiva, z. B. aksl. 
gnusota Schmutz, belota Weisse, dlügota Länge u.s.w. Der 
kollektive Sinn zeigt sich besonders deutlich im russischen 
Gebiet, z.B. russ. pechota Fussvolk, kleinr. prostota Versammlung 
gemeiner Leute, (zugleich Beiname eines Mannes), temnota 
unwissende Leute Zonota Weiber, Ainnota Reiterei. Als eine 
Art von Kollektivum kann man auch duchota Qualm betrach- 
ten. Durch das Suffix iz werden aber auch persönlich und 
männlich gedachte Wesen bezeichnet. So kommt ım Altkirchen- 
slavischen zwar junota Jugend noch als Kollektivum vor (we- 
nigstens führt Miklosich im Lex. jJunotu vsju Boas navras an), 
aber gewöhnlich heisst es Jüngling, und ist m. Starosta rpeo- 
Börtepos ist nur m., dagegen sirota öpyavos f. wie unser Waise. 
So ım Serbischen svojta Verwandter, Mannesnamen wie vukota, 
das doch wohl zu vuk Wolf gehört (vgl. oben kleinr. prostot«) 
und einige Namen für Ochsen, so: vränota ein schwarzer Ochse 
(eig. Schwärze) lyepota (neben lyepöta die Schönheit). Beson- 
ders lehrreich sind eine Anzahl weissrussischer und Cechischer 
Wörter, z. B. weissr. lichota Unglück, aber kleinr. Zichöta armer 
Mensch, weissr. chlopota Sorge und unruhiger Mensch; tech. 
hluchota f. Taubheit, m. ein Tauber, mladota f. Jugend, m. 
Jüngling, smichota f. Gelächter, m. Lachpeter, misota f. 
Naschwerk, m. Näscher, Aolota f. Pöbel, Gesindel, m. armer 
Teufel. 

$ 15. Die übrigen Suffixe im Baltisch-Slavischen. 
Die übrigen Suffixe ausser z, 5a, t@ gehen uns hier weniger an. 
Ich führe beispielshalber noch an: mit dä lit. 2mogZuda Mörder, 


$ 15—16.] Kap. I. II. Genus. ä-Stämme mask. 107 


lett. ramda unruhiger Mensch, aksl. svoboda, nicht bloss &Aeu- 
depta, sondern auch &Aeüdepo; (vgl. russ. svoböda Freiheit, svoboda 
sloboda Freidorf), poln. bayda Fabelhans (Miklosich 2, 206). 
Mit na: lit. pliaung Schwätzer, dazu mit nya: lett. rakxa Wühler 
(rakt graben), russ. brednja, bridn)a Geschwätz, Schwätzer, drju- 
chonja gefrässiger Mensch (vgl.drucho Bauch), starına f. Alterthum, 
geackertes Feld, grosse Stadt, m. ein alter Mann. Mit /ä: it. 
vepla Maulaffe, szypla Zähnefletscher, Spötter, dazu mit ja lett. 
rila Fresser (rit, lit. rytı), weisser. dursla, gleich durakü Dumm- 
kopf u. ähnl. Mit va: lit. perewa Landstreicher (etti gehen). 
Mit A&: häufig im Slavischen, z. B. altsl. v/adyka Herrscher, 
bızıka und qzika Verwandter, mit welchen solche wie russ. 
napoyka das Trinken, der Säufer, tech. berka Räuber zu ver- 
gleichen sind. Gewöhnlich enthalten die mit dem A-Suffix ge- 
bildeten noch eine 7-Ableitung, z. B. aksl. piyantca Trunkenbold, 
secica Henker, ubijica Mörder, edica Fresser, junosa Jüngling, 
korabicijs Schiffer, Arümiäiji Steuermann, künjigüciji Schrift- 
gelehrter, samüciji Prüfekt, sokaciji Koch, $arüctji Maler. 

$ 16. Das Geschlecht der in $ 12—15 behandelten 
Wörter. Was nun das Geschlecht dieser Wörter betrifft, 
über das hier noch ein zusammenfassendes Wort zu sagen ist, 
so unterscheiden sie sich im Litauischen und Lettischen äusser- 
lich in nichts von den sonstigen Femininis. Leskien führt sie 
deshalb unter den Femininis auf und bemerkt nur gelegentlich 
(so bei lit. ZmogZuda Mörder, lett. elgeta Bettler), dass sie Mas- 
kulina seien. Ihrer Bedeutung nach lassen sich viele der hier 
genannten Wörter zu Personen männlichen oder weiblichen Ge- 
schlechts als Amts- oder Schimpfwörter in Beziehung setzen, 
und können deshalb als communia bezeichnet werden. Die 
grösste Mehrzahl derselben tritt zu männlichen Personen in 
Beziehung und wird deshalb maskulinisch genannt. Dass man 
sie als solche empfindet, zeigt sich denn auch an den zu ihnen 
tretenden Adjektiven. So sagt man z. B. nach Kurschat: 2a? 
töks gyrüa das ist solch ein Prahlhans (neben tal tokta 
gyra das ist solch eine Prahlerei). Im Altkirchenslavischen, 
Serbischen, Russischen steht es im wesentlichen ebenso. Im 


108 Kap. I. I. Genus. ä-Stämme mask. [$ 16—17. 


Altkirchenslavischen im besondern findet sich noch oft das Ad- 
jektivum femininisch (wofür Miklosich eine Reihe von Belegen 
beibringt), ja bei demselben Wort findet es sich bald maskulinisch, 
bald femininisch, z. B. siugy mojye als f. Joh. 18, 36, aber vası 
sluga als m. Matth. 20, 26. Eine statistische Untersuchung, 
welche namentlich auch auf das Verhältnis des Geschlechts zu 
den Numeri Rücksicht zu nehmen hätte, fehlt noch. Über das 
Serbische bemerkt Wuk, Gr. 31: “Männliche Substantiva dieser 
Dekl. sind nur im Sing. männlich, im Plur. werden sie weiblich, 
z. B. moy sluga (mein Diener) moje sluge, nase vladıke (unsere 
Bischöfe), srpske voyvode (Serbische Wojwoden), u. s. w. Dass 
die Lieder selbst den Sing. weiblich nehmen, ist oben be- 
merkt.’ | 


In den genannten slavischen Sprachen zeigt sich, wie man 
sieht, das Maskulinum nur in den Kongruenz-Erscheinungen. 
An dem Substantivum selbst erscheint es ım Neuslovenischen. 
Dort würde ein Wort wie vojyvoda als f. zu flektieren sein: N. 
vojvoda, G. vojvode, D. voyvodi u. s. w.; thatsächlich aber lehnt 
es sich ausser im Nom. sing. an die Flexion der o-Stämme an, 
sodass die Formen G. voyvoda, D. vojvodu u. 8. w. entstehen 
(Miklosich III?, 133). 


$ 17. Griechisch -lateinische @-Stämme. Allge- 
meines. Ich erörtere nun auf dem hiermit dargestellten lıtu- 
slavischen Hintergrunde die parallelen Erscheinungen des Latei- 
nischen und Griechischen. 


Aus dem Lateinischen gehören Wörter wie scrida, verna, 
scurra, gumia, rabula, auriga, parricida, indigena, perfuga, advena, 
conviva, collega hierher, im Griechischen die zahlreichen auf ns, 
wie roÄttns und vereinzelte von anderer Bildung. Hinsichtlich 
des Geschlechts derselben ist im allgemeinen zu bemerken, 
dass sie im Lateinischen gelegentlich auch femininisch er- 
scheinen. So ist gumia Leckermaul vielleicht m. und f. (es 
ist an einer der beiden beweisenden Stellen bei Lucilius m., 
an der andern als f. überliefert, doch wird von L. Müller das 
ın. hergestellt. Georges bezeichnet gumia als f.); conviva ist 








$17—18.] Kap. I. IL Genus. ä-Stämme mask. 109 


bei Pomponius f. (wobei man nicht weiss, ob von männlichen 
oder weiblichen Gästen die Rede ist); inschriftlich wird eine 
gewisse Philenia als popa bezeichnet, wozu Georges vermuthet, 
es möge etwa “Verkäuferin von Opferthieren’ besagen. Eine 
Haussklavin wird verna carissima genannt. (Die Belege s. bei 
Georges unter den betreffenden Wörtern). Ich denke, dass 
man in der Möglichkeit, diese Wörter auf «@ auch zu Femi- 
ninıs in Beziehung zu setzen, etwas Alterthümliches sehen muss. 
Im Griechischen war gewiss einmal die Flexion völlig dieselbe 
wie dıe der Feminina. Einen Nominativ auf a findet man 
zwar jetzt nicht mehr im Griechischen selbst, da man die 
Formen wie prriera für ursprüngliche Vokative hält (vgl. dar- 
über neuestens J. Schmidt, Pluralb. 401 ff.), aber es ist doch 
auf sie zu schliessen aus den in’s Lateinische übergegangenen 
griechischen Wörtern wie nauta, poeta u. s. w., welche eben- 
falls für Vokative zu halten, mir unnatürlich scheint. Dies 
mag nun sein, wie es will, jedenfalls sind unsere Wörter ım 
Griechischen früh auch äusserlich als Maskulina gekennzeichnet 
worden und daraus folgte, dass sie nicht mehr wie lat. verna 
behandelt werden konnten. 

Es folgen nun einige Bemerkungen über die einzelnen 
Klassen. 

$ 18. Suffix @ im Griechischen und Lateinischen. 

Die treffendsten Parallelen bietet das Lateinische. Sriba 
verhält sich zu scribere ebenso wie z.B. lit. pliopa Plapper- 
maul zu plsöpti plätschern, schwatzen, pirdä Furzer zu persti 
furzen, reöka Schreier zu rekti schreien, russ. broda Herum- 
treiber zu droditi herumlaufen u. s. w. Wie popa Opferdiener, 
scurra Pflastertreter, Zierbengel, Schranze, liza Marketender 
gebildet sind, wissen wir nicht. Ihrem begrifflichen Habitus nach 
gehören sie aber in dieselbe Reihe. Sodann sind vergleichbar 
die mit Präpositionen zusammengesetzen, welche also zu zu- 
sammengesetzten Verben in einem wenigstens ıdeellen Ver- 
hältnıs stehen. So lassen sich perfuga, transfuga, advena mit 
Wörtern wie russ. progula Bummler, aksl. predüteca Vorläufer 
vergleichen, Aomicida mit lit. Zzmogedä Menschenfresser u. s. w. 


110 Kap. I. DO. Genus. 4-Stämme mask. [$ 18. 


Aus dem Griechischen wüsste ich. nur etwa beizubringen ddrs 
Schreier (wenn es sicher beglaubigt ist) neben Bon Geschrei, 
xöpons einer der sich die Haare abschneidet, ein Geschorener, 
vgl. russ. striga Geschorener (neben strici scheren) und aftörs 
Unsichtbarer eig. Unsichtbarkeit (vgl. die Bildungen mit ne 
im Litauischen, z. B. nenürtma unruhiger Kopf, neben rimtt 
ruhig werden). 

Zur Erklärung lässt sich etwa Folgendes ausführen. Die 
in Frage stehenden Wörter bezeichnen Personen nach ihrer 
Thätigkeit. Sind sie doch zum bei weitem grössten Theile 
Amtsnamen oder Scheltwörter. Manche von ihnen aber, wie 
S.103 gezeigt worden ist, benennen nicht bloss nach der Thätig- 
keit, sondern auch die Thätigkeit selbst und so lag es denn 
nahe zu vermuten, dass dieser letztere Sinn das ursprüngliche 
sei. Demnach hätte z. B. voyevoda ursprünglich ‘Kriegsleitung’, 
lat. auriga "Zügelführung’, slav. sluga Bedienung’ bezeichnet 
u.8. w. Mit dieser Annahme würde denn auch der Umstand 
stimmen, dass die entsprechenden Bildungen in andern Spra- 
chen Handlungsnamen sind, z.B. ai. Arida Spiel, daya Mit- 
leid, zinda Vorwurf u.s.w. Ich glaube, dass diese Ansicht 
das Richtige trift. Nur sollte man bedenken, dass in der 
alten Zeit die Bedeutungskategorien nicht so streng gesondert 
waren, wie bei uns. Ursprünglich werden Wörter mit dem 
Suffix @, deren Beziehung zu einem Verbum noch gefühlt 
wurde, sowohl den Vorgang, als den allgemein vorgestellten 
Träger der Handlung bezeichnet haben. In der einen Sprache 
(in unserem Fall ım Sanskrit) kam der Sinn der Handlung zu 
ausschliesslicher Geltung, in anderen blieben zwar noch Wör- 
ter der Art (z. B. guyn fuga), aber es entwickelte sich daneben 
der Typus der Träger von Handlungen auf ö. Da nun diese 
Träger vielfältig männliche Wesen sind, so bekommen diese 
Wörter zunächst überwiegend, dann ausschliesslich männ- 
liches Geschlecht, welches dann gelegentlich, so im Neu- 
slovenischen, im Griechischen (welches ihnen das Nominatıv 
-s und den Genitiv auf ou ertheilt hat) auch äusserlich zur 
Geltung kam. 


g 18—20.] Kap. I. U. Genus. &4-Stämme mask. 111 


Somit hätte man anzunehmen, dass der Übergang von Fe- 
mininis auf @ zu Maskulinis sich im Lituslavischen einerseits 
und im Griechischen und Lateinischen andererseits zwar aus 
einem gemeinschaftlichen Kern, aber unabhängig — als Parallel- 
erscheinung — entwickelt hat. 

$19. Suffix «sim Griechischen und Lateinischen. 
Die Bildungen mit dem Suffix :# sind so selten, dass man von 
einem Typus nicht reden kann. Aus dem Lateinischen ge- 
hören etwa gumia Leckermaul und praecia Ausrufer hierher, 
aus dem Griechischen rapias und als Sekundärbildung veavlazs. 
Ich habe SF. 4, 11 bemerkt, dass veavias mit aksl. jJunota (s. 
oben $S. 106) zu vergleichen sei, also wohl ein f. veavla “die 
junge Brut’ zur Vorstufe habe. Nach J. Schmidt, Pluralb. 
19, Anm. ist veavia- das “Abstraktum’ zu vedv. Man könnte 
auch sagen das Kollektivum, denn veavia verhält sich zu veav 
ebenso wie öynAıxir, “die Gesammtheit der öpnAıxes’ zu seinem 
Grundwort. Danach ist veavtas eigentlich ein Kollektivum und 
hinsichtlich seiner Bedeutungsentwickelung mit den Wörtern 
auf rs zu vergleichen. Wegen ayysllns vgl. $ 178. 

$ 20. Suffix (aim Griechischen und Lateinischen. 
Diese Bildungen finden sich sicher im Griechischen. (Wegen 
etwaiger Parallelen im Lateinischen s. Brugmann 2, 368 Anm.) 
Ich habe über dieselben SF. 4, 7 ff. gehandelt und dort ge- 
meint, dass in Wörtern wie yev&rns, xpırns, ÖExtıns u. a. eigent- 
lich Stämme auf mp steckten. Brugmann dagegen (2, 216) 
ist der Ansicht, dass auch diese fö-Stämme seien. Ich lasse 
das dahingestellt. Jedenfalls gehören hierher Wörter wie die 
folgenden, die ich in der homerischen Gestalt aufführe: ferns 
Verwandter, roA{tns und roAınms Stadtbewohner, aypsrns Land- 
bewohner, vaurns Schiffer, dazu eine Anzahl von Bezeichnun- 
gen für Krieger, z. B. atypuntns, Xopuorns, Bupnxrns, Toköns. Be- 
merkenswerth ist, dass diese Wörter vielfach attributiv gebraucht 
werden, z. B. innöra Neotwp, yEpwv atyprta Auxawv u. ähnl. 
Die Ähnlichkeit mit dem oben $. 106 angeführten slävischen 
Bildungen springt in die Augen. Mit ferns vergleicht sich 
am nächsten das serb. scojta, und ınura x7pu&, das wir unedel 


112 Kap. 1. I. Genus. zö-Stämme. [$ 20—22. 


durch “Herold Schreihals’ übersetzen könnten, mit Wörtern wie 
tech. smichota f. Gelächter, m. Lachpeter. Dem Einzeinamen 
irnötns liegt offenbar ein femininisches Kollektivum inncra 
Reiterei zu Grunde, womit sich kleinr. kınnota Reiterei ver- 
gleichen lässt. Nach inzörns, sobald dieses die Bedeutung 
‘Wagenkämpfer’ angenommen hatte, sind dann alypıitts, dopr,x- 
rs u. 8. w. gebildet worden. Überhaupt bekam im Griechi- 
schen die Beziehung auf ein männliches Einzelwesen derart 
das Übergewicht, dass ein Wort wie äypdıns den Sinn “Land- 
bewohner’ erhalten konnte, der sich aus dem vorauszusetzen- 
den aypdra “die Aecker, die Landschaft’ allein nicht hätte ent- 
wickeln können. Übrigens bleibt im Griechischen noch manche 
Einzelheit aufzuklären. So viel aber dürfte hinsichtlich der 
Entstehung dieser Maskulina feststehen: Sie gehen zurück 
auf Feminina, die in der Urzeit Kollektiva und Abstrakta bezeich- 
neten, wie die aus den slavischen Sprachen angeführten Wör- 
ter und ai. jandta Gemeinde, bandhuta Verwandtschaft, Zu- 
sammenhang, Beziehung, rirdia Mannhaftigkeit, nagndta Nackt- 
heit u.s. w. Ob ein solches Wort schon in der Urzeit auch 
Einzelwesen bezeichnen konnte, wie etwa ai. devatä, das neben 
“Göttlichkeit’ auch “Gott” bedeutet, lässt sich nicht ausmachen. 
Das aber ist sicher, dass das maskulinische Geschlecht abge- 
sondert in den Einzelsprachen entstanden ist. 

$ 21. Andere Suffixe im Griechischen und Latei- 
nischen. Andere Suffixe ausser 4, za, ta dürften im Grie- 
chischen und Lateinischen nicht viel vertreten sein. Doch 
lässt sich mit lit. pliaund Schwätzer, aksl. starına alter Mann 
etwa lat. verna Haussklave, mit lit. vepla Maulaffe, weissr. 
durila Dummkopf etwa lat. cacula Offiziersaufwärter und radula 
Zungendrescher vergleichen, falls in diesen nicht ein lateini- 
sches Deminutivum vorliegt. 

$ 22. Die;s-Stämme. Das Suffix ze (Brugmann 2, 213 ff.\, 
bildete nur Feminina. Allein im Altindischen scheinen einige 
Wörter auf ? maskulinisiert zu sein. Ich habe darüber SF. 5, 94 
Folgendes bemerkt: “J. Schmidt (KZ.26, 402) rechnet dahin die 
Namen Nämi, Pfthi, Matali, Söbhari, welche im RV. vorliegen, 


$ 22—23.) Kap. I. I. Die o-Stämme im Griechischen. 113 


dazu auch rästri, welches vielleicht Herrscher, sir!, welches 
vielleicht Weber bedeutet (beide nür einmal belegt. Einen 
Schritt weiter ist schon rathi Wagenlenker (vgl. auriga) ge- 
gangen, welches im Nom. s angenommen hat”. 

$ 23. Die o-Stämme im Griechischen. Dass alle Wör- 
ter, welche im Nom. sing. auf os ausgehen, in der Ursprache 
Maskulina waren, dürfen wir aus der Übereinstimmung der 
indogermanischen Sprachen mit Ausnahme des Griechischen 
und Lateinischen schliessen. Wir müssen also versuchen zu 
begreifen, wie in diesen beiden Sprachen die Feminina auf 
os entstanden sind. 

Ich handle zuerst vom Griechischen, wobei ich mich 
vielfach auf die Schrift von Lange de substantivis femininis 
Graecis sec. decl. Leipzig 1885 berufen kann. Über einige 
hierher gehörige Wörter {vjoos, rreıpos und Baumnamen des 
Griechischen und Lateinischen) ist bereits oben S. 96 und S. 91 
gehandelt worden. Die übrige Masse lässt sich füglich in 
solche Wörter eintheilen, bei denen das natürliche Geschlecht 
eine Rolle spielt, und solche, bei denen das nicht der Fall ist. 

1. Kommunia, bei denen das natürliche Geschlecht eine 
Rolle spielt. Es gehören dahin 

a) &vdpwnos, Beos und eine Reihe von Amtsbezeichnungen, 
welche zunächst Männern zukommen, aber doch auch Weibern 
beigelegt werden können, wie Ayyelos, AoLöos, Apyos, SLöaoxakos, 
latpos, rounös, Tpopds, rupavvos (Lange 8.27 ff.). Auch wir können 
ja sagen, eine Frau sei ein Tyrann, ein Bote u. s. w. Daneben 
sagen wir freilich auch Tyrannın, Botin u. s. w., und so haben 
wir denn auch im Griechischen neben 7, deös: n Bed, und im 
Sanskrit heisst die Botin nicht daid, sondern dütt. Es lässt sich 
nicht mit Bestimmtheit sagen, ob die strenge Wahrung der 
Konkordanz, wie wir sie im Sanskrit finden, oder die lässlichere 
Ausdrucksweise der Ursprache zukam, oder ob etwa beide Aus- 
drucksweisen möglich waren. Als wahrscheinlich möchte. ich 
betrachten, dass bereits in der Ursprache ein Wort wie “Bote’ 
in Apposition und im Prädikat auch auf ein weibliches Wesen 


bezogen und auch wohl in einem folgenden Satze durch das 
Delbrück, Vergi. Syntax der indogerm. Sprachen. I. 8 


114 Kap. I. II. Die o-Stämme im Griechischen. [8 23. 


Femininum eines anaphorischen Pronomens aufgenommen wer- 
den konnte. Aus diesen Anfängen konnte sich dann leicht 
der griechische Zustand entwickeln, wonach die genannten 
Wörter auch Feminina sind. 

b) eine Anzahl von Thiernamen, ApxTos, Elaoos, Inros, Ovos 
u.s. w. (Lange S. 32 ff... Nach Ausweis der verwandten Spra- 
chen muss man annehmen, dass ein Wort wie irnxo; ursprüng- 
lich als Mask. das Pferd und ım besonderen den Hengst be- 
deutete, % irro; aber die Stute. Und wenn nun 7%, Irzo; auch 
die Pferdeheerde, die Reiterei bedeutet, so erklärt sich das 
Geschlecht daraus, dass die Heerden ganz überwiegend aus 
weiblichen Thieren bestehen, der Singular aber aus kollek- 
tivem Gebrauch). Und so kommt es vielleicht, dass auch bei 
Thieren, die nicht heerdenweise auftreten, das Femininum zur 
Bezeichnung des Thieres an sich dient, wie z. B. 7, äpxto; der 
Bär. In einer Reihe von ıdg. Sprachen findet sich eine be- 
sondere Femininalbildung, analog derjenigen der Adjektiva auf o, 
z.B. ai. d$Svas und ddvä, lat. equus und egua, lit. aszcä (wo- 
neben das zugehörige m. verloren ist), ai. 7A$a Bär und rA$i 
Bärin. Vielleicht waren einige dieser Bildungen aus der Ur- 
sprache auch in das Griechische überliefert (denn es ist zwar 
nicht nothwendig, aber doch natürlich, die IrtnpoAyot als Stuten- 
melker aufzufassen) und sind dann abgestossen. Im Latei- 
nischen breitete sich die &-Bildung allmählich aus. Im alten 
Latein sagte man nicht /upa, sondern /upus femina, nicht agna, 
sondern agnus femina (Wölfflin, Archiv 7, 280). 


2. Die Wörter, bei welchen das natürliche Geschlecht keine 
Rolle spielt. 

Ich führe sie, der gewöhnlichen Anordnung folgend, so 
gut es geht, in Gruppen vor, welche durch die Bedeutung zu- 
sammengehalten sind. 

Unter den Wörtern, welche ‘Weg’ bedeuten, ist 086; (woran 
sich apafıros u. ähnl. als Adj. anschliessen, vgl. Lange S. 60), 


1} Auch die indischen Grammatiker bezeugen, dass gävas die Heerde 
f. sei, vgl. at Boes. 


$ 23.) Kap. I. II. Die o-Stämme im Griechischen. 115 


a 


und x&Aeußos immer f. Über oluos, welches bei Hesiod, Pindar, 
Plato als m., bei Aeschylus, Euripides als f. belegt ist (Lange 
$. 17), habe ich SF. 4, 12 bemerkt, dass es offenbar durch die 
Einwirkung von 680; auf die Bahn des Femininums geführt 
worden sei, und dann hinzugefügt, dass oöd; seinerseits eben- 
falls einem femininischen Vorbilde gefolgt sein müsse, welches 
uns verloren sei. Sollte dieses Vorbild vielleicht ayuıa ge- 
wesen sein? — Aus den Wörtern, welche ‘Stein’ bedeuten 
(Lange S. 65), nenne ich 0 und 7 Aidog von Homer an, n Yiigos, 
1 rAtvdos, N bapados. Es liegt nahe, zu vermuthen, dass die 
Wörter für ‘Stein’ f. gewesen seien, wenn sie die Steinmasse, 
den Felsen (rn, r&rpa), m. wenn sie den einzelnen Stein (0 rerpo;) 
bezeichnet haben. Freilich lässt sich bei Atdos nichts mehr von 
einer solchen Unterscheidung beobachten. — Unter den Wörtern, 
welche ‘Gefässe’ bedeuten, sind einige Feminina, so dsdgıvdos 
Badewanne, Ayxudos Ölkrug, rp6yoos Giesskanne, andere wie 
{szpos Topf und rtdos Fass sind Maskulina. Einen Grund 
weiss ich nicht ausfindig zu machen. An die Wörter, welche 
‘Topf’ bedeuten, mögen sich die für “Kasten, Behälter’ ange- 
schlossen haben, daher n ynAos die Lade, 7 oopo; der Sarg. 
Fern liegt schon 80X05 Rundbau, das gewöhnlich herangezogen 
wird, und vollends, was xdreros und tappos Graben hier zu 
suchen haben, sehe ich nicht. Ich weiss freilich ıhr Geschlecht 
ebenfalls nicht zu erklären. 

Von Wörtern, die sich nicht wohl in Gruppen unter- 
bringen lassen, erwähne ich noch: yvados Kinnbacke (etwa 
nach yevus?), 60x05 Tragbalken (nach yneooöun?), öpoco; bei Pin- 
dar (jedenfalls nach Zpon), Aınos Heisshunger (nach reiva?). 
Wenn xörpo;s Mist f. ist (das m. ist erst spät), so hat das f. 
dabei vielleicht kollektiven Sınn (vgl. die Wörter für ‘Stein’). 
In vooos Krankheit erblickte man vielleicht ursprünglich ein 
Wesen ähnlich wie ’Epwvös. Bei pnpıvöos Faden hat man viel- 
leicht auf ein f. *unpıvs zurückzugehen (vgl. neipıv;). Bei an- 
dern Wörtern, wie z. B. wos Haut, wage ich auch nicht 
einmal eine Vermuthung. 

Endlich noch ein Wort über voos Schwiegertochter. Pott 

8*+ 


116 Kap.I. I. Die o-Stämme im Latein. Allgemeines. [$ 23—25. 


hat vermuthet, es sei aus vuös (lat. nurus) entstanden, was um 
so wahrscheinlicher ist, wenn man bedenkt, dass ulos ebenso 
aus vid; hervorgegangen ist und dass der Sohn und die Schnur 
zusammengehören. Die griech.-lat. Form leitet auf ein idg. 
*snusu, das seinerseits wieder aus *snus@ durch Einwirkung des 
Wortes für Schwiegermutter (ai. $oaör@ u. s. w.) entstanden zu 
sein scheint (vgl. Verf., Verwandtschaftsnamen 8. 156). 

$ 24. Die o-Stämme im Lateinischen. Aus dem La- 
teinischen kommen, wenn man, wie billig, von Fremdwörtern 
absieht, nur alous, colus, vannus, domus, humus ın betracht. 
Warum alous Bauch, welches in alter Zeit auch m. war, zum 
f. geworden ist, weiss ich nicht zu sagen. Colus (auch m.), 
vannus, domus haben das Gemeinsame, dass sie in die «-Dekl. 
schwanken (von vannus wird wenigstens der Abl. vanıu über- 
liefert). Bei domus ıst der u-Stamm proethnisch. Man wird 
danach wohl anzunehmen haben, dass dıe betreffenden u-Stämme 
m. und f. waren und dadurch das f. auch in die o-Stämme 
kam. Auch zu Aumus (f., aber auch als m. angeführt) wird 
ein Abl. Aumu überliefert. Da aber in den anderen Sprachen 
das Wort keine «-Form zeigt, so trage ich Bedenken, dieses 
humu für alterthümlich zu halten. Ich glaube vielmehr, dass 
das Paradigma von dem Lok. humi ausgegangen ist, welcher 
eigentlich zu dem konsonantischen Stamm gehörte (Brugmann 
2, 452), aber als zu einem o-Stamm gehörig aufgefasst wurde. — 
Fimus Mist kommt einmal wıe xönpos als f. vor. Man kann 
darüber um so weniger etwas aussagen, als neben mus auch 
noch das n. Amum steht. 

625. Allgemeines über die übrigen Stämme. 
Indem wir die @-, <£- und o-Stämme verlassen, treten wir in 
ein anderes Gebiet. Während wir für sicher halten, dass die 
@- und z2-Stämme Feminina, die o-Stämme Maskulina oder 
Neutra waren, lässt sich aus der Deklination der übrigen Stämme 
schliessen, dass sie ursprünglich nur den Unterschied zwischen 
geschlechtig und ungeschlechtig kannten. Denn, wo sich in 
unseren Sprachen auf diesem Gebiete Unterschiede der Flexion 
zwischen Maskulinis und Femininis zeigen, scheinen sie sich 


4 





$ 25—26.] Kap. I. II. Die ıi-Stämme. 117 


erst in den Einzelsprachen entwickelt zu haben. Man möchte 
also glauben, dass die auf : u. s. w. ausgehenden Stämme die 
Unterscheidung zwischen m. und f. erst von der ersten Gruppe 
nachahmend übernommen haben. Die häufige Doppelgeschlech- 
tigkeit dürfte sich daraus erklären, dass ın der Urzeit der Prozess 
der Nachahmung noch nicht derart abgeschlossen war, dass für 
jedes Wort ein festes Geschlecht bestimmt gewesen wäre. Wie 
man sieht, ist es bei der Beurtheilung dieser Stämme besonders 
schwer, einen festen geschichtlichen Grund zu gewinnen. Ich 
habe mich deshalb, da ich mich auf unsichere Vermuthungen 
nicht einlassen mag, im Folgenden öfter damit begnügt, über 
die Meinungen anderer Gelehrter zu berichten. 


$26. Die :-Stämme. Auf den eben erörterten Grund 
mag es zurückgehen, wenn wir die +-Stämme nicht selten 
zwischen m. und f. schwanken sehen. Solche Wörter (bei 
denen ich natürlich von Wörtern wie oris absehe) sind im 
Altindischen: a$an: Donnerkeil f., im Epos auch m., gäbhasti 
Gabel (nach Böhtlingk-Roth), märict Lichtatom (m. nur in 
Taitt. Ar.), mu$fi Faust (BR), yöni Schoss, varkri Rippe 
(BR), $rönd Hinterbacke (lat. clunis m. f., av. sraoni f.)'). 
Dazu aus unaccentuierten Texten nach BR: tithi ein lunarer 
Tag, Sälmali Wollbaum. Aus dem Lateinischen (vgl. Neue 
1, 671 ff): amnis, axis Diele, callıs, canalıs, clunis, corbis, 
erıms, finis, funis, messis, penis, senlis, scrobis, lorquis, vepris. 
Unter diesen Umständen ist es selten möglich, mit Sicherheit 
zu sagen, dass bei einem :--Stamm ein Geschlechtswechsel inner- 
halb einer Einzelsprache eingetreten sei. Ein solcher Fall 
dürfte ın dem lit. ugnis Feuer vorliegen. Aus ai. agni, lat. 
tgnis, aksl. ogni (dem einzigen Worte auf nt, welches m. ist), 
folgt, dass das Wort in der Ursprache m. war. Im Lit. scheint 
es ın das f. übergegangen zu sein, da alle Wörter auf ni in 
dieser Sprache f. sind (Brugmann 2, 270). 

Eine besondere Bewandtnis hat es mit dem Suffix %, von 


1) svadhıti m. f. bei Grassmann ist unsicher. Andere sehen darin zwei 
verschiedene Wörter, deren eines m., das andere f. ist. 


B '- -_— 


118 - Kap. I. II. Die u-Stämme. [$ 26—27. 


welchem Brugmann annimmt, dass es in der Urzeit femini- 
nische Nomina actionis bildete (2, 276). Die maskulinischen 
Nomina agentis auf ft, welche, wenn auch nicht in grosser 
Zahl, vorhanden sind, sollen sich aus diesen Nomina actionis 
entwickelt haben, eine Annahme, die allerdings für Wörter 
wie ai. pdii, gr. ndoıs u. 8. w. (eigentlich ‘Herrschaft’, dann 
“Herr’), ai. jRäti (eig. “Verwandtschaft”, dann “Verwandter”, 
gut passt. 

Im Sonderleben des Germanischen und Litauischen sind 
dann die aus der Urzeit überlieferten Feminina gelegentlich 
(und zwar nicht ganz selten) wieder zu Maskulinis geworden, 
worauf ich hier nicht eingehen kann (vgl. Brugmann a. a. O.). 

"In bezug auf die neutralen :-Stämme bemerke ich, dass 
ım Lateinischen neben rete Netz auch retis f. vorhanden 
ist und neben Zac n. ein femininischer Plural Zactes und 
neben panis m. auch pane. Über die Gründe dieser Mehr- 
geschlechtigkeit weiss ich nichts zu sagen. Über das Schicksal 
der Neutra auf «im Litauischen ist S.101 gesprochen worden. 

Über das Germanische bemerkt Michels 8. 23: Als neu- 
traler i-Stamm ist bis Jetzt nur mari nachgewiesen (Sievers Beitr. 
V, 107), das im Angels. und Altnordischen als m., altsächsiech 
als f. erscheint, offenbar beeinflusst durch *sayui-, dessen ur- 
sprüngliches Geschlecht unsicher ist. Das Ahd. bewahrt das 
n. Gotisch femininer ?!n-Stamm: maret. 

$ 27. Die „-Stämme. Mit den v-Stämmen verhält es 
sich wie mit den :-Stämmen. Als Belege für das Schwanken 
zwischen m. und f. im Altindischen und Lateinischen führe 
ich an: ai. :$u Pfeil (beides im RV.), Aarkandhu Judendorn 
(nach BR), $aru Geschoss (beides im Vedaj, sindhu Fluss (s. 
oben $. 94); lat. acus, arcus, metus, penus, specus (Neue 2, 679). 
Über den Geschlechtswechsel in den Einzelsprachen ist schwer 
etwas Sicheres zu sagen. Brugmann meint (2, 304), die mit 
tu gebildeten Abstrakta seien in der Urzeit m. gewesen und 
seien im Griech. durchgehends, im Arischen und Germanischen 
zuweilen f. geworden durch Anlehnung an das Genus anderer 
Abstrakta. Insbesondere im Westgermanischen seien die iu- 





$ 27 — 28.) Kap. I. U. Die Stämme mit r-Suffixen. 119 





Stämme als solche unkenntlich geworden und hätten sich mit 
den femininischen {i-Stämmen vermischt, daher denn die Dop- 
pelgeschlechtigkeit von Wöıtern wie ahd. Zuft, ags. !yft (310). 
Indessen ich sehe nicht ein, warum die ?u-Stämme nicht ebenso 
wie die übrigen v-Stämme in der Ursprache m. und f. gewesen 
sein sollen. Ich kann deshalb auch über den berührten ger- 
manischen Geschlechtswandel nur so zaghaft urtheilen, wie es 
von Michels S. 23 geschehen ist. 

Hinsichtlich der Neutra ist zu bemerken, dass sich bis- 
weilen an demselben Worte neutrale und maskuline Formen 
finden, so neben ai. däru Holzscheit einmal im RV. darum, 
und ebenso von sanu Bergrücken sanum, im Lateinischen 
neben specus m., f. auch specu, vereinzelt artua zu arius m. 
(Brugmann 2, 309 meint, es sei nach membra gebildet). Für 
die Urzeit lässt sich das Vorhandensein von pekis m. und peku 
n. ‘Vieh’ vermuthen (2, 295). Vielleicht hatte das n. kollektive 
Bedeutung.!) — Dass die neutralen «-Stämme im Litauischen 
zu m. geworden sind, ist oben bemerkt worden. Über die 
Maskulinisierung im Deutschen s. Michels 8. 21. 

628. Die Stämme mit r-Suffixen. Die erste Gruppe 
bilden die bekannten Neutra auf r, welche sich mit Kasus von 
n-Stämmen zu einem Paradigma verbinden, wie ai. Gdhar 
üdhnas Euter u. s. w., ferner die ähnlichen Wörter, die hinter 
dem r noch einen Konsonanten haben, z. B. ai. yakyt yaknds 
Leber, gr. Arap, lat. jecur; ai. dsg) asnds Blut, gr. Zap, lat. 
assir (vgl. über dieselben J. Schmidt, Pluralb. 172). Diese 
Wörter sind überall Neutra, ausser im Germanischen und Li- 
tauschen. 

Über die germanischen Wörter handelt J. Schmidt, Plu- 
ralb. von S. 198 an. Es gehören dahin altn. @dr f. Ader, welches 
nach Schmidt mit top identisch ist und auf ein vorgermani- 
sches &ier zurückgeht. Indem das r als Nominativzeichen auf- 
gefasst wurde, sei das Wort in die femininische :-Deklination 


1) Wie sich das Femininum bei pecus pecudis erklärt (nur einmal ist 
das Maskulinum bei Ennius belegt), steht dahin, vgl. J. Schmidt Pluralb. 53, 
wo kühne Vermuthungen vorgetragen werden, und Brugmann 2, 382. 


120 Kap. 1. II. Die Stämme mit s-Suffixen. [$ 28—29. 








gerathen. (In den andern germ. Dialekten liegen Weiterbil- 
dungen aus dem r-Stamme vor). Sodann das Wort für “Leber’ 
ai. yakrt, av. yakare, gr. nrap, lat. Jecur, arm. leard, preuss. 
lagno. Als Grundform setzt Schmidt *Yekrt an. Dieser ent- 
spreche das auf älteres *Zefer zurückgehende altn. Afr, ags. lifer. 
Für ein ursprüngliches Neutrum auf or endlich hält Schmidt 
altn. ahd. sumar, ags. sumor, welches nur im Altnordischen sein 
altes Geschlecht bewahrt, in den übrigen Dialekten dagegen 
durch den Einfluss seines Komplementes “Winter” das männ- 
liche erhalten habe. (S. 207.) 

Hinsichtlich des Litauischen bemerkt derselbe Gelehrte 
$. 177: Im Litauischen ist nur ein hierhergehöriges Wort er- 
halten: Aek&, Gen. kekes f. Traube —= lat. cicer, wie lett. ke- 
kars Traube erweist (vgl. Fick I?, 515). Der Gen. *kekers 
— ciceris reimte auf duktefs und erhielt bei Erlöschen des 
neutralen Geschlechts von diesem den Nom. und das weib- 
liche Geschlecht. — Im Lettischen aber ward das Neutrum, 
wie meist, zum Maskulinum. 

$ 29. Die Stämme mit s-Suffixen. Sicher ıst, dass 
es in der Urzeit Neutra auf os gab, welche sich in die meisten 
Einzelsprachen fortsetzten, so ai. $rävas, griech. xA&fos Ruhm, 
aksl. s!ovo Wort, griech. ot&yos, t&yos Dach, altır. teckh Haus 
u. 8. w. (Brugmann ?, 388). Ferner ist sicher, dass ein Fem. mit 
der Bedeutung “Morgenröthe’ vorhanden war: ai. ugds, Nom. 
ufäs, gr. Yws (8. 396). Es mag sein, dass auch dieses Wort 
ursprünglich n. war (das Morgenroth) und erst bei sich einstellen- 
der anthropomorphischer Auffassung f. wurde, gerade so wie lat. 
Venus (vgl. das ai. Neutrum vanas von van begehren, dem BR. 
die Bedeutung “Verlangen, Anhängliehkeit oder Lieblichkeit’ 
geben), nur dass u$as auch noch im Nom. die geschlechtige 
Form angenommen hat. 

Nicht mit Sicherheit lässt sich über die lateinischen Mas- 
kulina wie decor und tenor urtheilen. Nach J. Schmidt, Plu- 
ralb. 124 ff. sind sie auf einem langen Wege aus Neutris zu 
Maskulinis geworden, während Brugmann 2, 397 schon für die 
Urzeit Maskulina auf 5s annimmt. 


$ 29-30.) Kap.I. II. Die Stämme mit »-Suffixen. 121 


Mit grosser Wahrscheinlichkeit ıst angenommen worden, dass 
es in der Urzeit auch Neutra auf :s gab, welchen indische Wörter 
wie arcis Strahl und jyötis Licht entsprechen. Sie sind Neutra, 
doch kommt arcis im SB auch als f. vor. Auf diesen Typus gehen 
jedenfalls die lateinischen pulvis, cinis, vomis zurück, welche ıhr 
neues Geschlecht wie ai. arcis von den :-Stämmen erhielten. 

$ 30. Die Stämme mit n-Suffixen. Hinsichtlich der 
r-Stämme kommt Brugmann 2, 321 zu der Ansicht, dass ‘die 
mit n-Suffixen gebildeten Stämme einstens nur maskulinisch 
oder neutral gebraucht waren’. Mir ist wahrscheinlich, dass in 
der Ursprache doch auch Feminina vorhanden waren, doch 
mag ich die unsichere Sache nicht weiter verfolgen. 

Über das Suffix men bemerkt Brugmann $. 343: “Es war 
seit uriddg. Zeit im Gebrauch zur Bildung von nomina actionis, 
die oft in Dingbedeutung hinüberschwankten (wie gr. peöna 
Strömung, das Strömende), seltener von nomina agentis; die 
nomina actionis wurden ım Arischen und Griechischen infini- 
tvischa Das Geschlecht wechselte zwischen neutr. und 
mask., zuweilen bei demselben Worte, wie gr. yeipa: xeuav.' 
In Germanischen sei dann, so führt PBrugmann weiter 
aus, das alte Schwanken zwischen Neutrum und Maskulinum 
fast ganz zu Gunsten des letzteren ausgeglichen. Im Litaui- 
schen wurde das verlorene Neutrum ebenfalls durch das Mas- 
kulinum ersetzt (s. S. 101). Ich füge dem nur noch eine Be- 
merkung über drei lateinische Wörter hinzu, welche in das 
Lateinische als Neutra eintraten, wie ihr Nominativausgang en 
beweist, und sodann Maskulina wurden. Es sind die Wörter: 
sanguis, flamen, pecten. Für sanguis ist ja noch die ältere Form 
sanguen n. vorhanden und es ıst nach dem aus uns unbekanntem 
Grunde erfolgten Geschlechtswechsel das Nominativ-s ange- 
treten. Flamen entspricht, wenn es mit dem indischen drahman, 
wie angenommen wird, identisch ist, dem neutralen drahman, 
nicht dem maskulinischen dbrakmän (was *#amo lauten würde), 
bedeutete also eigentlich “Priesteramt’, dann erst “Priester” (vgl. 
subrahmanya S. 102). Warum pecter vom n. zum m. überge- 
gangen ist, weiss ich nicht. 


122 Kap. I. II. Die Wurzelnomina. ($ 30—31. 





$31. Die Wurzelnomina (vgl. Brugmann 2, 448 ff.). 
Wenn ich von denjenigen absehe, bei welchen das natürliche 
Geschlecht in betracht kommen könnte, wie ai. ray, lat. rez, altır. 
ri König oder die Namen für Maus, Schwein, Rind, und ferner 
auf die Anführung von Zweifelhaftem verzichte, so bleiben nur 
etwa die folgenden übrig. Maskulinum war seit der Urzeit 
das Wort für ‘Fuss’, ai. pdd, gr. nous, lat. pes u. s. w. (S. 450), 
Femininum ai. väc, gr. ob, lat. vox Stimme, ferner das Wort 
für ‘Erde’, ai. Afam, gr. ydwv u. s. w. (8. 452), für ‘Schiff’ ai. 
naus, gr. vaös (S. 454). Zwischen m. und f. schwanken: ar. 
zyä Winter m., gr. xıwwv Schnee f., Ahiems Winter f.; ai. 
rail Besitz, Habe, Gut, Kostbarkeit m. und f., lat. res f. Von 
besonderem Interesse ist das Wort für Himmel’ und “Tag’ (8.451). 
Im Altindischen ist es in der Bedeutung “Tag’, in welcher es 
ganz überwiegend in Plur. belegt ist, stets m., in der Bedeu- 
tung ‘Himmel’ m. und f. (vgl. die Nachweise bei Grassmann unter 
div). Dass div Himmel sein f. von dem Wort für “Erde’ prthivi be- 
zogen habe, mit dem es gewohnheitsmässig verbunden wird — 
diese Ansicht J. Schmidt’s (Pluralb. 207) muss demjenigen beson- 
ders wahrscheinlich erscheinen, der die Stellen im RV., wo das 
f. erscheint, an sich vorübergehen lässt. Unabhängig von die- 
der indischen Geschlechtsveränderung waren die Schicksale 
von dies, welches ja nur Tag bedeutet. Das alt-überlieferte 
Geschlecht ist m. Dagegen hat sich der Gebrauch ausgebil- 
det, dass dies da, wo es einen bestimmten Tag, wie den zu 
einer Gerichtsverhandlung oder zu einem andern Geschäft fest- 
gesetzten, bezeichnet, f. ist (vgl. die Belege bei Neue I?, 638 ff.), 
also kurz gesagt: dies als Datum ist f£ Wenn man überlegt, 
dass in ältester Zeit nach Nächten gezählt würde, so darf man 
wohl diesen Geschlechtswandel aus dem weiblichen Geschlecht 
von n0x ableiten. Dieses ist stets f., die Vermuthung von J. 
Schmidt, Pluralb. 254, dass .das f. in der Urzeit aus dem n. 
entstanden sei, leuchtet mir nicht eın. 

Neutrum war vielleicht das Wort für ‘Herz’ (S. 450), Neu- 
trum oder Maskulinum das für ‘Salz’ (vgl. dazu J. Schmidt $. 182). 


$ 32.) Kap. I. II. Mehrgeschlechtigkeit. 123 


III. 
Moehrgeschlechtigkeit. 


Ich komme nun zu dem Probleme der Mehrgeschlecht- 
lichkeit. Dasselbe ist im Vorhergehenden bereits mehrmals ge- 
streift worden. So ist z.B. in $ 9 gezeigt worden, wie im 
Litauischen Wörter entstehen konnten, welche zugleich m. 
und f. sind. Sodann ist wahrscheinlich gemacht worden, dass 
die von $ 25 an behandelten Stämme zum theil mit schwan- 
kendem Geschlecht in die Einzelsprachen eingetreten sind. 
Hiervon soll an dieser Stelle nicht weiter gesprochen werden. 
Auch nach einer andern Seite hin ist noch eine Einschränkung 
zu machen. J. Schmidt, Pluralb. 21 führt eine Reihe von Wör- 
tern auf, welche (wie er sich im Index ausdrückt) zwischen 
Neutrum und Femininum wechseln. Es sind gemeint Wörter 
wie ai. Zänam und täna Nachkommenschaft, aı. bhrätra Bruder- 
schaft und gr. pparpa u. s. w., welche mit zur Erhärtung der 
These dienen sollen, dass das Neutrum plur. eigentlich ein 
kollektivisches Femininum sing. sei. Streng genommen han- 
delt es sich aber hier doch nicht um dieselben Stämme, viel- 
mehr um Bildungen mit o (z.B. tfanam) und a (z.B. tanä), 
welche sich nach des Verfassers Meinung zu einem Deklina- 
tionsparadigma vereinigt haben. Ich würde sie hier nur zu 
behandeln haben, wenn in der That in einer unserer Sprachen 
die Genusverschiedenheiten derartig hervorträten, dass zu einem 
neutralen Sıngular ein femininisch gebrauchter Plural gehörte, 
was nicht der Fall ist. 

Demnach bleiben für die folgenden $$ nur die doppel- 
geschlechtlichen o-Stämme übrig. Ich spreche zunächst von 
denjenigen Wörtern, bei denen die verschiedenen Genera sich 
auf die verschiedenen Numeri vertheilen, dann von denjeni- 
gen, bei welchen eine Verschiedenheit nach dem Numerus 
nicht zu beobachten ist. 

$ 32. Maskulinischer Singular und neutraler Plu- 
ralim Arischen. Erscheinungen im Altindischen (Avesti- 
schen), Griechischen, Lateinischen, vielleicht auch Slavischen, 





124 Kap. I. III. Maskulin. Sing. u. neutr. Plur. im Ar. [$ 32. 


— -— DO UNE NEE, messe ne nn nn U en 





führen zu der Annahme, dass in der Ursprache bei einigen 
o-Stämmen neben maskulinischem Singularis ein neutraler Plu- 
ralis lag. Dahin gehören aus dem Altindischen folgende 
Fälle: ortra Feind ist im RV.im Sing. m., im Plur. n.; vara 
Schweifhaar, Haarsieb, nur im RV., eine Stelle erweist für 
den Sing. m., von den übrigen fordert keine n., im Plur. 
erscheint neben varan das neutrale räräni. Das letztere heisst 
stets “Haarsieb’ (ist also kollektiv gebraucht), varan muss man 
an einer Stelle durch ‘Schweifhaar, Schweif’ übersetzen, an 
den beiden anderen kann es auch durch ‘Haar’ übersetzt wer- 
den, wenn es auch sachlich soviel ist, wie “Haarsieb’; cakrd 
Rad ist im RV. ım Plur. (soweit die Formen überhanpt eine 
Entscheidung zulassen) n., im Du. und Sing. gelegentlich auch 
m., so dass die Vermuthung nicht fern liegt, das n. habe im Plur. 
seinen Anfang genommen vgl. za xuxla neben 6 xuxios); vrajya 
Hürde ist durch vraja (Dual) und vrajar als m. sicher gestellt, 
einmal erscheint im RV. das neutrale vraja. Von nakha Nagel 
ist im RV. das Geschlecht nicht zu bestimmen, im AV. erscheint 
m. in TS. n., an beiden Stellen pluralisch. 

Im Avestischen zeigt sich der Nom. plur. der o-Stämme 
doppelt gebildet. Es findet sich nämlich neben dem Ausgang 
äphö, wie er nach dem indischen &sas zu erwarten war (@ 
gleich ai. @s ist ganz selten) auch «a oder ım Gathadialekt 
a. Dieses 4 sieht Bopp als den neutralen Ausgang an, der 
auf die m. übertragen sei. Er sagt darüber Vgl. Gr.!, 265: 
“Es beruht aber die Ersetzung des Plural-Mask. durch Neutra 
auf einem tiefen Sprachgefühl, denn in der Mehrheit tritt Ge- 
schlecht und Persönlichkeit offenbar sehr in den Hintergrund. 
Die Persönlichkeit des Einzelnen geht unter in der abstrakten 
endlosen toten Vielheit, und wir können insofern das Zend für 
seine Geschlechtsscheu im Plural nur rühmen.” Dieser An- 
sicht schliesst sich nebst anderen J. Schmidt, Pluralb. 8 an, 
indem er ausführt, dass die Pluralendung sich zu so allgemei- 
ner Anwendung darum habe erheben können, weil ın einer 
Reihe von Wörtern, die sich ihrer Bedeutung nach dafür eig- 
neten, maskulinische und neutrale Plurale neben einander 


$32—33.] Kap.I. III. Mask. Sing. u. neutr. Plur. im Griech. u. Lat. 125 


lagen. Osthoff' dagegen (s. Brugmann 2, 681) sieht in den For- 
men auf a ursprüngliche Duale. Ein Beweis für die eine oder 
die andere Ansicht ist leider nicht möglich, weil die Wörter, von 
denen die Bewegung ausgegangen sein muss, sich nicht mehr 
nachweisen lassen. 

$ 33. Desgleichen im Griechischen und Lateini- 
schen. Viel deutlicher als im Arischen liegen die Dinge im 
Griechischen. Ich bediene mich der Worte Wackernagel’s 
KZ. 30, 297: “Bei Homer zu x&leudos häufiger xdAeuda als 
x&lsudor, ZU prpds urpol und pipa, Zu xuxlos xuxkor und xuxka 
vgl. cakra]. Ebenso würde der Singular von vüra, wenn er im 
Nominativ, der von öpupna, wenn er überhaupt belegt wäre, mas- 
kuline Form haben, wenn wir anders den sichern Gebrauch der 
nachfolgenden Zeit zum Massstab nehmen dürfen. Ja sogar wird 
trotz dem evnpes &peruöv der Odyssee, das erst nach Homer 
sicher belegte, aber mit lateinisch remus zusammenstimmende 
£peruds als die eigentliche Sıngularform des häufigen &perua 
bei Homer und Euripides gelten müssen. — Nach Homer 
kommt besonders ım dichterischen Gebrauch manches hınzu, 
Taprapı zum homerischen Taptapos bei Hesiod, dzona statt 
6sonol zuerst im Hermeshymmus, oita und deona seit Sopho- 
kles, Auyva bei Euripides, ölppa und tpayrıa bei Kallimachus, 
daxtula, Büpoa, nenla, olußla, tapsa bei verschiedenen Spät- 
lingen. — Der Bedeutungsunterschied ist in yfpa deutlich 
wahrnehmbar: dasselbe, was stückweise abgeschnitten durch 
unpol bezeichnet wird, heisst als verbrannte Masse prpa (vgl. 
loci: doca). Es drückt eben der neutrale Plural mehr die 
Masse als die Vielheit aus, daher das singularische Verb. Vom 
sıngularischen Maskulin (oder Feminin) unterscheidet er sich 
daher oft nur, dass er den Gedanken an weite Ausdehnung 
nahe legt: öpuna, Taprapa, vora, tpayrla. Die Form pipa ist 
auch durch den Accentwechsel lehrreich. Wenn wir uns an 
die Accentunterschiede zwischen den Mask. auf skr. -as, -man 
und den gleich auslautenden Neutris oder an den Gegensatz von 
paSis und pa$u erinnern, werden wir muthmassen, dass ursprüng- 
lich durchweg solcher neutrale Plural den Accent zurückwarf. 


126 Kap. I. III. Mask. Sing. u. neutr. Plur. im Slav. [$ 33 —34. 


Im Lateinischen findet sich zu locus der Plural loca 
und loct und ebenso bei jocus, clivus, culleus Ledersack, 
fusus Spindel und einigen andern (Neue 1?, 541). Freilich 
liegt die Sache insofern anders als im Griechischen, als auch 
neben neutralen Singularen maskulinische Plurale vorkommen, 
z. B. neben frenum freni, neben rastrum rastri. J. Schmidt, 
Pluralb. 6 Anm. hält diese Formen für alte Duale, was mög- 
lich ist. Jedenfalls dürfte die Übereinstimmung mit dem Grie- 
chischen zeigen, dass die Erscheinung, wie sie ın locus loca 
vorliegt, die ältere ist. 

8 34. Desgleichen ım Slavischen. Auch im Slavi- 
schen finden sich Plurale auf «@ neben Sıngularen von mas- 
kulinischen o-Stämmen, und zwar im Russischen, Kleinrussi- 
schen, Cechischen, Polnischen, Neuslovenischen, vgl. Miklosich 
4, 24; 32, 290 ff. (russisch), 253 (kleinrussisch), 292 (Cechisch, 
neuslovenisch), 410 (polnisch). Über das Russische s. noch 
Vetter, Zur Geschichte der nominalen Deklination im Russi- 
schen $S. 28, über das Polnische Baudouin de Courtenay in 
Kuhn und Schleicher’s Beiträgen 6, 40—43, und im allgemeinen 
J. Schmidt, Pluralb. 18 Anm. Im Altkirchenslavischen liegen 
diese Plurale nicht vor. Am häufigsten sind sie im Russischen, 
über das ich hier allein handle. Man hat unter diesen russi- 
schen Pluralen zunächst eine Schicht auszusondern, welche 
sicher nicht indogermanischen Ursprungs ist, nämlich die Plurale 
auf %ya. Unter diesen erwähne ich zunächst eine Anzahl von 
Pluralen zu Dingwörtern, so dbrusü brüsija Balken, klinü klinija 
Keil, Aölosü kolöstja Ähre, kolü költja Stange, listü Blatt listiya 
Laub (dagegen Jisty Blätter Papier), Admenü Stein, kamenija 
koll. (dagegen Aamni einzelne Steine). Es kann nicht zweifel- 
haft sein, dass diese Formen in der That von anfang an Plurale 
sind, aber nicht zu maskulinischen Singularen, sondern zu 
neutralen Kollektivis auf iye (vgl. J. Schmidt 28). Eine zweite 
Gruppe von Pluralen auf ?a bilden die Plurale zu Per- 
sonenbezeichnungen wie dratü brafija Bruder, deverü deverijä 
Schwager, synü synovija Sohn, zjati zjatevija Schwiegersohn, 
kumü kumovija Gevatter, drugü druzija Freund, muzü muzija 


$ 34.) Kap. I. III. Mask. Sing. u. neutr. Plur. im Slav. 127 


(dieses in der Bedeutung Ehemänner, während muü2: Männer 
heisst), Anjazi knjazija Fürst. Unter diesen Formen ist eine, 
welche schon ın der aksl. Zeit als Plural fungierte, näm- 
hch drafija (vgl. $ 54), welche wohl der Ausgangspunkt der 
ganzen Bildung ist. Dass nun aksl. dratrija ein singularisches 
femininisches Kollektivum ist und eigentlich ‘Bruderschaft’ 
bedeutet, ıst längst erkannt worden. Diesen Pluralen wie 
bratija schliessen sich ihrer Art nach unmittelbar an gewisse 
Plurale von Personenbezeichnungen, welche auf a ausgehen, 
nämlich gospoda eig. Herrschaft zu gospodinü Herr, Tatara zu 
Tatarınü der 'Tartare, doyara zu boydrinü der Bojare u. ähnl. 
Dazu auch einige Fremdwörter wie Aucera zu kücerü, doktord 
zu döktorü, professora zu professorü. Eine weitere Schicht 
umfasst solche Formen, welche eigentlich alte Duale sind, so: 
glasü glasa Auge, rogü rogd Horn, rukdvü rukavd Ärmel, bokü 
boka Seite, beregü berega Ufer, Zernovü Zernovd Mühlstein. 
Endlich bleibt eine Anzahl übrig, bei denen es fraglich ist, 
wie sie aufzufassen seien. Dahin gehören: östrovü ostrova 
Insel, pögrebü pogreba Keller, göorodu goroda Stadt, lugü luga 
Wiese, lesu lesa Wald, golosu goloss Stimme, vecerü vecerd 
Abend, mechü mecha Fell (aber mechi Blasebalg). Es könnte 
sein, dass diese Plurale sich an die alten Duale angelehnt 
hätten, was ja im Slavischen nichts verwunderliches haben 
würde, wo auch neben den Wörtern für drei und vier die 
Dualform auftritt; aber bei allen ist das doch nicht wahr- 
scheinlich. Bei mechü wenigstens wird mecha nicht ein alter 
Dual sein, da, wie Vetter richtig bemerkt, es dann vielmehr 
die Bedeutung von mechi haben müsste. So steckt denn in 
diesem Worte und einigen andern wahrscheinlich (wie auch 
schon Miklosich angenommen hatte) der Typus Zocus loca. — 
Übrigens ist diese aus so verschiedenen Anregungen erwachsene 
Pluralbildung auf @ im Russischen im Fortschreiten begriffen 
ivgl. Vetter S. 28). Doch hat sie ihre Grenze im Accent. Der 
Plural auf & kann bei einsilbigen Maskulinis nur angewendet 
werden, wo der Gen. sing. auf a nicht den Accent trägt. 


128 Kap. I. II. Mehrgeschlechtigkeit. [$ 35—36. 





$ 35. Zweifelhafte ähnliche Fälle. Somit ist wahr- 
scheinlich, dass schon in der Ursprache zu einigen masku- 
linischen Singularen der o-Deklination neutrale Plurale ge- 
bildet werden konnten, welche, wie es scheint, kollektiven 
Sınn gehabt haben. Es fragt sich, ob auch noch andere Fälle 
vorliegen, in denen die Numeri desselben Wortes verschiedenes 
Geschlecht haben. J. Schmidt, Pluralb. 29 macht auf aı. varga 
Regen aufmerksam, das in älterer Zeit im Sıng. nur n., dann 
m. ist, im Plur. f. in der Bedeutung “Regenzeit. Dazu fügt 
er analoge Fälle aus dem Avesta und dem Lateinischen. Er 
nimmt an, dass varfa — um bei diesem Beispiel stehen zu 
bleiben — als kollektiver Plural zu vargam fungiert und eben, 
weil die pluralische Bedeutung stark empfunden sei, auch noch 
ein Plural -s erhalten habe. Ich möchte darüber, ob hier wirk- 
lıch ein in die Urzeit reichender Typus vorliegt, nicht ent- 
scheiden, weil ich mir über die Tragweite der avestischen Er- 
scheinungen kein rechtes Urtheil zutraue. 
Was sonst von ähnlichen Erscheinungen vorliegt, dürfte 
ın den Einzelsprachen entstanden sein, so die lateinischen 
Plurale wie freni (s. oben S. 126), und die russischen nach 
maskulinischer Art gebildeten Plurale neutraler o-Stämme bei 
Miklosich 32, 294, über deren Geschichte im einzelnen wır 
noch nicht recht aufgeklärt sind. 

$ 36. Doppelgeschlechtigkeit, verbunden mit Be- 
deutungsverschiedenheit. J. Schmidt, Pluralb. 225 führt 
als Belege für ‘Kollektiva, welche sich durch das Geschlecht 
von der Bezeichnung des einzelnen Wesens oder Stückes unter- 
scheiden’ an: ai.kakdm, väyasdm Krähenschwarm : kakas, väyasds 
Krähe, av. mereyem Gevögel vd. 5, 1 gegen mereyö Vogel nach 
Spiegel, Gr. S. 110), lat. vallum Verschanzung gegenüber vallus 
einzelner Schanzpfahl. Gegen das lateinische Beispiel ist nichts 
einzuwenden, hinsichtlich der arischen aber bestehen gewich- 
tige Bedenken. Die indischen, in der Literatur nicht belegten 
Wörter, welche Schmidt anführt, stammen aus dem Scholion 
zu Pänini 4, 2, 37. Dort aber ist von Vriddhi-Bildungen die 
Rede, wie das weitere Beispiel baäkam zu bakas Reiher und 


$36—37.] Kap. I. IL Doppelgeschl. ohne Bedeutungsverschiedenheit. 129 


bhaskjam zu bhik$a (Scholion zu 38) zeigt. Es handelt sich 
also nicht um Wörter, welche nur dem Geschlecht nach ver- 
schieden sind. Das av. mereyem kommt allerdings vd. 5, 1 als 
Nominativ vor, der sonst mereyö heisst: na taß parairpyeiti 
ava Jafnaco raonqm; @ tab mereyem uzvazaite haca baresnavö 
yatrıngm ava jJafnavo raonqm, upa tqm kehrpem frasnuharaiti 
yam tristahe, was Geldner KZ. 25, 199 übersetzt: “Es stirbt ein 
Mensch in den Thalgründen; nun fliegt ein Vogel aus von 
der Höhe des Gebirges hinab in die Thalgründe und frisst von 
dem Leichnam des toten Menschen‘. Dann heisst es weiter 
von dem mereyem: upa iqm vanqm vazaite er fliegt auf den 
Baum. Gewiss könnte man in diesen Stellen mereyem durch 
‘Vogelschar’ übersetzen, aber gleich darauf heisst es: iqm vangm 
aeıtı yam hö mereyö.. er kommt zu dem Baume, auf welchem 
der Vogel /gesessen hat, wie Geldner ergänzt). Daraus folgt 
jedenfalls, dass ein deutlicher Unterschied zwischen mereyem 
und mereyo im Sprachgefühl nicht bestand. Vielleicht lässt 
sich hier ai. mtira, av. mißra anführen. Aı. mitra ist im RV. 
in der Bedeutung ‘Freund’ stets m., in der Bedeutung “Freund- 
schaft n. Von AV. an aber heisst miiradm auch ‘Freund’ und 
diese Form hat in der alten Prosa, so viel ich sehe, das m. gänz- 
lich verdrängt. Es heisst dort also z. B. viSvasya ha vai mitram 
rısvamitra äsa V. war der Freund von Jedermann AB. 6, 20, 3. 
lm Avesta ıst das Wort auch da m., wo es im Aı. n. ist; so 
erscheint z. B. mipra ‘Vertrag’ als Maskulinum yt. 10, 2. Wie 
sich das Wort in der arischen Urzeit verhalten hat, lässt sich 
nicht mit Bestimmtheit angeben. Ausser mitra habe ich noch 
notiert, dass patra “Trinkgefäss’ Neutrum ist (vgl. poculum), aber 
in der Bedeutung “ein bestimmtes Hohlmass’ vom AV. an Masku- 
lnum. Im Griechischen könnte bei öveıpos der Traumgott, bei 
irsıpov das Traumbild vorschweben. 

$ 37. Doppelgeschlechtigkeit ohne Bedeutungs- 
verschiedenheit. Wie man sieht, giebt es für das Vor- 
kommen mehrfachen Geschlechts bei mehrfacher Bedeutung 
kaum sichere Belege. Dagegen giebt es, namentlich im Alt- 
indischen und Lateinischen, eine Menge von Wörtern, welche 

Delbräck, Vergl. Syntax der indogerm. Sprachen. I. 9 


130 Kap. I. I. Doppelgeschl. ohne Bedeutungsverschiedenheit. [$ 37. 


sowohl m. als n. sind, ohne dass ein Unterschied der Bedeu- 
tung hervorträte. 

Im Altındischen ıst das Maskulinum aus älterer, das 
Neutrum aus jüngerer Zeit belegt, z. B. bei folgenden Wörtern: 
akäasa freier Raum ist vedisch nur m., klassisch nur n.; kavan- 
dha Tonne ist im RV. m., im AV. einmal n.; grad Haus ist 
in der älteren Sprache stets m., in der späteren nur im Plur. 
m., sonst n.; dvipa Insel ist in älterer Zeit m., in Kathas. 
erscheint das n.; dhvaja Feldzeichen ist m., es erscheint ein- 
mal ım Epos als n.; nida Nest finde ich in der älteren 
Sprache als m. (in RV. und AV. lassen die Formen keine Ent- 
scheidung zu), im Epos erscheint n.; rand Kampf ist m., das 
n. aus dem Epos belegt; vdyra Donnerkeil findet sich ın 
der älteren Sprache nur als m., also gehört das n., was Böht- 
lingk-Roth auch angeben, wohl der späteren Sprache an. Ebenso 
steht es mit $Salyd Spitze des Pfeiles, und nı$ka Halsschmuck. 
— Folgende Wörter erscheinen älter als n., jünger als m.: 
tirth@ Badeplatz ist m. nur ausnahmsweise im Epos; mdla 
Schmutz ist in der späteren Sprache auch m.; ebenso yutha 
Heerde; räsfra Reich ist einmal ım Mhbh. als m. belegt; 
$rrga Horn ist später einmal als m. belegt. Hierzu kommt 
noch eine Anzahl von Wörtern der älteren Sprache (aus accen- 
tuierten Texten), welche nach Böhtlingk-Roth zweigeschlechtig 
sind, ohne dass ıch ermitteln kann, auf welche Stellen der 
Literatur diese Behauptung gegründet ist. Es sind die fol- 
genden: ödand Mus, kgsd Messing, kdkuda Gipfel, kanda und 
kändd Abschnitt, Stück, gılma Strauch, gömäaya Kuhmist, cafala 
Knauf des Opferpfeilers, pärd jenseitiges Ufer, pär&vs Rippen- 
gegend, piccha Schwanz, mändala Scheibe, muüsala Mörser- 
kolben, yuga Joch (vgl. Cuyos und Luyov), $Sakala Span, Süla 
Bratspiess. Zu diesen aus älterer Zeit belegten Wörtern füge 
ich ein Verzeichnis jüngerer, welche nach Böhtlingk - Roth 
ebenfalls m. und n. sind (es dürften darunter manche Fremd- 
wörter sein): äßrama Einsiedelei, Aapata Betrug, kamalu Blüthe 
von Nelumbium, Aagäya ausgekochter Saft, Aantara Wildnis, 
kar$apana eine bestimmte Münze, kutapa Decke von Ziegenhaar, 


$37—38.) Kap.Il. II. Zur Erklärung der Doppelgeschlechtigkeit. 131 


ln 


küta Haufe, Arakaca Säge, khanda Stück, gändiva Arjuna’s 
Bogen, candana Sandelbaum, Sandelholz, carana Fuss, curna 
Mehl, fömara Spiess, döha Körper (n. nur einmal belegt), pa- 
taha Trommel (n. ausnahmsweise), padma die am Abend sich 
schliessende Blüthe von Nelumbium, pallava Spross, pifaka Korb, 
puta Tasche, bimda Scheibe der Sonne oder des Mondes, bAu- 
jana Schmuck (m. ausnahmsweise), mastaka Kopf, mäna Mei- 
nung, Ansehen (n. ausnahmsweise ın der letzten Bedeutung), 
mödaka kleines rundes Konfekt, yü$a Fleischbrühe, vapra Auf- 
wurf von Erde, valaya Armband, valkala Bast, vitana Aus- 
breitung, vımana Wagen der Götter, vrara Wunde (n. aus- 
nahmsweise), $akafa Wagen (m. selten‘, $aräva flache irdene 
Schüssel, $ikhara Bergspitze, saraka Napf, säindhava Steinsalz, 
hala Pflug. 

Ebenso giebt es im Lateinischen eine Reihe von Wör- 
tern (vgl. Neue 12, 125), welche neben dem neutralen auch 
das männliche Geschlecht haben, z. B. steht neben gevum auch 
aevus, neben baculum baculus, neben caelum caelus, neben cal- 
lum callus, neben collum collus, neben dorsum dorsus. Anderer- 
seits steht neben caseus auch caseum, neben clipeus auch clı- 
peum, neben balteus auch balteum. Manchmal weiss man nicht 
sicher, welches Geschlecht man als das herrschende bezeichnen 
soll, so bei fmus. Dass das herrschende Geschlecht auch das 
ältere sei, lässt sich natürlich nicht behaupten. 

638. Zur Erklärung. Für die Erklärung der Thatsache, 
dass manche Wörter mehrfaches Geschlecht haben, ist ein Ge- 
sichtspunkt von Wichtigkeit, den J. Schmidt in seinem öfter 
angeführten Buche hervorgehoben hat. Es kann sehr wohl 
sein, dass ein Wort von Anfang an im Singular maskulinisch, 
ım Plural aber neutral war, und dass dann, als die Bedeutungs- 
verschiedenheit, die sich in der Verschiedenheit des Geschlechts 
ausdrückt, dem Sprachgefühl abhanden gekommen war, das 
Neutrum von dem Plural auch auf den Singular überging und 
schliesslich auch das Maskulinum in den Plural rückte. Eine 
andere Quelle der Vielgeschlechtigkeit liegt in der Thatsache, 
dass die Wörter vielfach (oft aus uns unbekannten Gründen) 

9% 





132 Kap. I. II Zusammenfassendes über das Genus. [$ 38. 


ihr Geschlecht verändern. Solchen Wörtern kann es zustossen, 
dass sie neben dem neuen auch ıhr altes Geschlecht behalten, 
was namentlich dann geschehen wird, wenn durch die Ent- 
wickelung der Bedeutung aus einem Worte sozusagen zwei 
Wörter werden. Einen unendlichen Stoff bietet uns für alle 
diese Fragen das Deutsche, wobei noch zu erwägen ist, dass 
die Schriftsprache durch Entlehnung aus den Dialekten Mehr- 
geschlechtigkeit herbeiführen kann, die sich in Norddeutsch- 
land an Wörtern wie Sand, Lohn u. a. beobachten lässt. Wer 
einmal von der Vertheilung selbständig gewordener Bedeutungen 
auf verschiedene Formen handeln wird, wird diese Erschei- 
nungen zu berücksichtigen haben. 

Zusammenfassung (vgl. Paul, Prinzipien?, 219ff.): 

Wir haben in diesem Kapitel gefunden, dass Bedeutungs- 
gruppen sich für die Urzeit kaum aufstellen lassen. An Form- 
gruppen waren sicher vorhanden die Feminina auf @ und 3e, 
und die Maskulina und Neutra auf o. Hinsichtlich der übrigen 
Stämme schien uns wahrscheinlich, dass sie einst nur den Unter- 
schied zwischen ‘geschlechtig’? und ‘ungeschlechtig’ gekannt 
haben. Doch war auf viele der dahin gehörigen Wörter schon 
in der Ursprache die Unterscheidung zwischen “männlich’ und 
‘weiblich’ übertragen worden. An diesem in die Einzelsprachen 
überlieferten Zustande nun ist im Laufe der Zeit mancherlei 
verändert worden. Viele Wörter haben ihre Bedeutung ver- 
ändert, insbesondere konkretisiert (ein Vorgang, wie wir ihn 
z. B. bei dem deutschen die Wache empfinden) und danach 
auch ihr Geschlecht. Das ist ın grossem Massstabe z. B. bei 
den feminischen #-Stämmen geschehen. Sodann lässt sich be- 
obachten, dass ein Wort ein anderes, das mit ihm irgendwie 
innerlich assozuert ıst, anzieht und ıhm sein Geschlecht mit- 
theilt (wie wenn wir z. B. die demi monde sagen nach die Welt). 
Derartiges ist uns oben z. B. begegnet bei oluoc, das sich nach 684%; 
gerichtet hat ($ 23), bei dies das von nor, bei prthivi das von 
dyäus sein Geschlecht empfangen hat ($. 122). So können 
sich gewisse Bedeutungsgruppen ausbilden, welche einheitliches 


$36—39.] Kap. II. Die Numeri des Substantivums. 1. Der Dualis. 133 


Geschlecht zeigen. Auf diese Weise können, wie man sieht, 
überlieferte Formgruppen gelockert und gesprengt werden. 
Am wirksamsten sind diese umgestaltenden Kräfte natürlich 
in denjenigen Sprachen geworden, in welchen, wie im Germa- 
nischen, dıe alten Kasusausgänge, die Träger der Geschlechts- 
empfindung, am meisten zerstört worden sind. Doch haben 
sich andererseits gerade auch in solchen Sprachen wieder neue 
Formgruppen gebildet, wie denn z. B. im neueren Deutsch die 
Feminina mit dem Ausgang e manche alte Maskulina in ihren 
Kreis gezogen haben (vgl. Brugmann, KZ. 24, 47), worauf an 
dieser Stelle nicht näher einzugehen ist. Bei manchen Wör- 
tern war, wie wir $ 32 ff. gesehen haben, vermuthlich das 
Geschlecht nach den Numeri verschieden. Infolge der ın 
solchen Wörtern eintretenden Ausgleichung, und namentlich 
auch infolge des Geschlechtswechsels hat sich bei einer Reihe 
von Wörtern der Zustand der Mehrgeschlechtigkeit eingestellt, 
zu dessen Erklärung $ 38 einige Andeutungen gegeben wor- 
den sind. 


Kapitel U, Die Numeri des Substantivums. 


I. 
Der Dusalis. 


$32. Allgemeines. Der Dual wird gebraucht, um die 
Einheit zweier durch Natur oder Geschichte zusammengehöriger 
Wesen zu bezeichnen, also da wo wir unser beide anwenden 
können, z. B. dsau "uw die beiden Schultern, alvau Inzw 
die beiden Pferde, welche als Wagengespann zusammengehören, 
ascinau die beiden als ein Paar gedachten Götter, zw dew. 
In einem Gegensatz dazu steht die Zahl zwei, welche aus 
der mit eins beginnenden Zahlenreihe herausgehoben wird. 
Es lässt sich also auf das Indogermanische anwenden, was 
G. Hermann mit bezug auf das Griechische so formuliert hat: 
solo duali non addito öuw non uti Graecos nisi quum ipsa 
rei ratio dualem quodammodo poscat ut in ösos, yelpe, Innw 


134 Kap. II. I. Allgemeines über den Dual. [$ 39. 


vocabulis; atque {rzw quidem sine övw esse equorum par, currui 
adjunctum, duos vero equos a grege quodam libere vagantes 
esse övo {rnw. [Man möchte unter diesen Umständen für wahr- 
scheinlich halten, dass zwei ursprünglich mit dem Plural ver- 
bunden worden sei. Doch finde ich dafür in der Überlieferung 
keinen Anhalt.!) Es ist ja auch natürlich, dass sich neben zwei 
früh der Dual einstellte, weil die zu der dualischen Einheit 
verbundenen Dinge eben der Zahl nach zwei sind). Man kann 
diesen Dual als den natürlichen oder primären bezeichnen. 
Eine zweite Gruppe bilden die sekundären Duale, nämlich 
diejenigen, welche erst möglich werden, nachdem bereits ein 
Dual oder eine Zweizahl ın der Rede vorgekommen sind. Dahın 
gehört der anaphorische Dual, welcher in einem zweiten Satze 
den Dual oder dıe Zweizahl eines ersten Satzes aufnimmt, wo- 
für $ 43 Beispiele bringt. Ebenso der Dual eines im Bilde 
gebrauchten Wortes, das sich an ein in demselben Satze stehen- 
des Substantivum anlehnt, z. B. piinar y& cakrüh pilära yıvana 
sana yüpeva jJarana Sayana welche (Plur.) ihre beiden Eltern 
wieder jung gemacht haben, welche dalagen wie zwet alte ver- 
morschte Pfosten RV. 4, 33, 3. Hier steht ydpz im Dual, weil 
pitärä im Dual steht, und die Übersetzung durch zwei in die- 
sem Falle kann also nicht als Gegengrund gegen die Beob- 
achtung angeführt werden, dass der natürliche Dual dann ge- 
braucht wird, wenn wir das Wort beide anwenden. 

Ein besonderer Fall, der mir im Sanskrit bisweilen be- 
gegnet ist, ist der, dass zu einem Dualis zwei verschiedene 
Adjektiva im Singular treten, z. B. sdc cäsac ca vdcasi paspr- 
dhäte die wahre und die unwahre Rede stritten mit einander 
RV.7, 104, 12; Syavi carusi ca svdsarau die dunkle und die 
rote Schwester 3, 55, 11; ed u striyau kalyantm cätikalyanım ca 
da fand er eine schöne und eine überschöne Frau SB. 11, 6, 
1, 7. Wie man sieht, steht hier der blosse Dual, weil die 
Zweiheit durch die Adjektive als eine bekannte bezeichnet wird: 


1) Natürlich kann der homerische Gebrauch dafür nicht angeführt 
werden, da er aus einer Zeit stammt, in welcher der Dual schon in der 
Auflösung begriffen war. 





5 39—40.! Kap. Il. I. Der natürliche Dual. 135 


eine schöne und eine überschöne, diese beiden. Fallen die 
Adjektiva weg, so steht dov2 striyau, so in derselben Erzählung 
aus JB. bei Oertel ım Journal of the Am. Or. Soc. 15, 235. 
Doch bedarf dieser Typus noch näherer Untersuchung. 

Da der Dualis nur in den arischen Sprachen, dem home- 
rischen und attischen Griechisch, dem Altkırchenslavischen 
unversehrt oder fast unversehrt erhalten ist, so berücksichtige 
ich auch fast nur diese Sprachen. Zuerst behandle ich im fol- 
genden den natürlichen Dual mit seiner Unterart, dem ellip- 
tischen, sodann zwes und beide mit dem Dual (wobei auch 
Beispiele des anaphorischen Duals angeführt werden), darauf 
die Dualia tantum, und endlich wird noch einiges über den 
Dual in einzelnen Sprachen (Avestisch, Griechisch, Litauisch, 
Slavisch|) beigebracht. 

$40. Der natürliche Dual (vgl. SF. 5, 96 ff., Wacker- 
nagel, Philologischer Anzeiger 1885 Nr. 4 S. 189 ff.) Ich führe 
einige Belege an, und zwar 1) Namen von Gliedmassen: ai. 
akfi die (beiden) Augen (av. asidya mit den Augen), cak$ufi dass., 
bhrivau die Brauen (av. broadbyqm), nasös in den beiden Nasen- 
löchern, nas® die Nase, nasıka das Nasenloch, näsike die Nase (av. 
näghäbya mit den beiden Nasenlöchern), Aanü die Kinnbacken, 
karnau die Ohren (av. gaoda die Ohren), $iprö und ögthau die 
Lippen, dg$fräu die beiden Fangzähne, $rage und vifanz die 
Hörner, gsau die Schultern, bahu die Arme (av. dazubya mit den 
Armen), dö$dni und kardsnau die Vorderarme, aratni die Ellen- 
bogen, hästäu die Hände (av. zasta), pani und gäbhasti dass., 
mujfi die Fäuste, pärSvau die beiden Seiten, $rön: die Hüften, 
kasaplakau die Hinterbacken, Zr& und sakthyau die Schenkel, 
asthivantau die Kniescheiben, Jänuni die Kniee, kulphau die 
Knöchel, padäu die Füsse (av. päda) pär$ni die Fersen (av. 
pasna) Saphau die Hufe, pakjau die Flügel, mugkau die Hoden 
(aber auch die weibliche Scham), 5Aedau die weibliche Scham, 
mätasnau ein bestimmtes Eingeweide der Brusthöhle, Auk$i der 
Bauch. Ebenso im Grieehischen, wo freilich der Plural 
häufig an die Stelle des Duals getreten ıst; so bei Homer: 
össe (vgl. aAft) und dpdaipw, Biesapw (in BAepapoıv), apw (vgl. 


136 Kap. II. I. Der natürliche Dual. [$ 40. 


dsäu), rryse (vgl. baht), yeipe (auch attisch), yurpw, rööe (in 
roßotıv). Ebenso im Altkirchenslavischen, wofür ich 
einige Belege aus dem Codex Marianus anführe: ı t& vüzvedü 
064 svoJi xal autos Enapas Toü; Opdarnou; auto Luk. 6, 20; 
imejei usi slysati da slysitu 9 8! Eywv wra Axovsıy dxoudro 
Luk. 8,8; süsica jaZe jesi süsalü wastor ous &dmAacas Luk.11,27; 
vüzlagaatüu na rame svoji Enırldnow Em tous wuous dautod 
Luk. 15, 5; i vuzloii na nyq race xal Eredrxev aury, Tas yeipas 
Luk. 13, 13; pripade kü kolenoma rposenesse Tols yövaoı 
Luk. 5, 8; jako podünozije jestu nogama jego dtı LronddLdv 
&stı twv roöwv aurod Matth. 5, 35. 

2) Paarıge Geräthe Aus dem Altindischen führe ich 
an: dhurijäu die Scheere (bei uns also als Einheit vorgestellt) 
dvarau die beiden Thürflügel, die Thür, cakrö die beiden Rä- 
der RV. 10, 85, 11 (mit dve wobei &kam der Gegensatz ist 
16), antarau ra$mi die beiden inneren Stränge (AB), artni die 
beiden Bogenenden, barsau die beiden Zipfel, und mancherlei 
Opfergeräthe, z. B. adri dıe beiden Presssteine, aranı die beiden 
Reibhölzer zur Erzeugung des Feuers, sröcau die beiden Löffel, 
havirdhane die beiden Somawagen. Aus dem Avesta habe 
ich nur karana die beiden Enden notiert, womit sich ai. dntau 
vergleichen lässt. Aus dem homerischen Griechisch gehört 
öoöpe hierher, welches zwar gewöhnlich mit öv0 verbunden 
wird, aber doch auch so vorkommt, dass man übersetzen muss: 
die beiden zu einer vollständigen Ausrüstung gehörigen Speere, 
(dusero Teuysa xaAd repl ypot, y&vro 8& Soüpe N. 241, vgl. Il 139); 
aus dem Attischen z. B. xoddpvw, Evpötlw (in oreoayı; Evpötw 
Oppos Lrrodspts ein Kopfband, die beiden (zu einer weiblichen 
Toilette gehörigen) Ohrringe, eine Kette, ein Halsband, vgl. 
Wackernagel a. a. O. 199). Mit dem attischen xod6pvw ver- 
gleicht sich das altkirchenslavische sapoga die Schuhe, 
z. B. remenü sapogü Jjego tov Inavra Tuv DROÖNATWV MUTOD 
Joh. 1, 2, 7. 

3) Paare zusammengehöriger Wesen. Dahin rechne ich 
zunächst die Paare von Zugthieren, z. B. ai. d$va die beiden 
Pferde, hom. !rxw, ai. atya die beiden Renner, Aari die beiden 





$40—41.) Kap. II. I. Der elliptische Dual. 137 


Falben des Indra, gavau und anadvahäu die beiden Zugochsen, 
homerisch ßde, ai. $vanau die beiden Hunde des Yama. So- 
dann zusammengehörige Personen wie ai. a$vinau das bekannte 
Götterpaar, äditya die beiden A., nämlich Mitra und Varuna, 
av. mainyü die beiden Geister (der gute und der böse), attisch 
ta Bew, totv Beotv (Demeter und Persephone), totv avaxoıy (dem 
Dioskuren, vgl. tw ow), toiv Nixaıv den zwei auf der Burg 
befindlichen Nikestatuen. Von menschlichen Wesen erwähne 
ich to tapia die beiden Schatzmeister der Demeter und Per- 
sephone, ebenso raldorw in der alten Inschrift orpa ode Kurwv 
zalöoıv Enddrxev Bavdvroıv, was Wackernagel 201 offenbar rich- 
tig deutet als ‘seinen beiden einzigen Söhnen’. Nur aus den 
arschen Sprachen ist der viel variierte Ausdruck “die beiden 
Welten’ belegt, so ai. rödası, A$oni, rdjası, av. ahu u. ähnl. 
$41. Der elliptische Dual (Wackernagel KZ. 23, 303, 
SF. 5, 98, Reuter KZ. 31, 176 fl). Wenn man die Vorstel- 
lung zweier gepaarter Dinge erwecken wollte, konnte man 
sich in alter Zeit damit begnügen, das führende Wort in den 
Dual zu setzen. So heisst im Altindischen mitra Mitra und 
Varuna, wsasa Morgen und Nacht, dhani Tag und Nacht, 
dyaca Himmel und Erde, adhvaryü der Adhvaryu und der 
Pratiprasthätar (zwei Priester, von denen der zweite der Ge- 
hilfe des ersten ist) aulukhalau Mörser und Stössel (ulükhala 
und mtsala), dr$adau der obere und der untere Mühlsteın 
(drsad und üpalä). Eine Umkehr, so dass man etwa Varuna, 
die Nacht, die Erde u. s. w. allein setzte, ist nicht möglich. 
Nur die Eltern können sowohl als pildrau wie als mälarau 
bezeiehnet werden. Aus dem Avestischen ist dieser Ge- 
brauch nicht nachgewiesen (ob mit Bartholomae, BB. 9, 301 
tafnı als ein solcher anzusehen sei, kann ich nicht beurtheilen), 
Im Griechischen gehört dahin Kastope, wenn es nachweis- 
bar ist, und Atavre Ajax und Teukros, wenn Wackernagel Recht 
hat (SF. 4, 19), im Lateinischen die pluralisierten Duale 
Castores, Cereres (Ceres und Persephone). Das Germanische 
liefert das altnordische plurale tantum fedgar Vater und Sohn 
und das danach gebildete m&dgur Mutter und Tochter. Fedgar 


138 Kap.Il. I. Der ellipt. Dual m. einem Ergänzungsdual im Ar. [$41—42. 





ıst jedenfalls als Dualis in das Germanische überliefert wor- 
den, wurde dann aber nach Verlust des Dualis pluralisiert 
und damit undeutlich, und so erhielt es in Anlehnung an 
Verwandtschaftsnamen, welche mit einem die Gemeinschaft 
ausdrückenden Bildungselement versehen waren (wie z. B. got. 
broprahans) sein Suffix (vgl. meine Ausführung in der Fest- 
schrift für R. Roth). Eine vereinzelte Spur im Litauischen 
glaubt Bezzenberger, z. Gesch. d. lit. Spr. 233 gefunden zu 
haben. 

$ 42. Derelliptische Dual mit einem Ergänzungs- 
Dual im Arischen. Die besprochene Verwendung des Dualıs 
findet sich auch in anderen Sprachkreisen, so im Arabischen (vgl. 
F. Praetorius, Anzeige von M. Grünert, die Begriffs-Präpon- 
deranz und die Duale a potiori im Altarabischen in Kuhn’s 
Literaturblatt 3, 44 ff.), ist aber, wie wir gesehen haben, im 
Indogermanischen nicht recht gediehen. In den arischen 
Sprachen suchte man der ihr anhaftenden Undeutlichkeit ent- 
gegenzuwirken, indem man dem Dualis des führenden Wortes 
auch noch das zweite anfügte, und zwar, von dem Streben 
nach Kongruenz geleitet, auch dieses im Dual, z. B. mitra 
varuna. Ursprünglich waren die beiden Duale als zwei ge- 
trennte Wörter empfunden, wie sie denn auch durch Wörter 
oder ein Wort getrennt sein können, und zwar nicht bloss durch 
enklitische wie nas, ha, ca (RV. 1, 61, 14, wodurch beide Duale 
an etwas Vorhergehendes angeschlossen werden), cıd asmat, 
nü (welches vielleicht einmal enklitisch gewesen ist), oder das 
Verbum, welches, wenn nicht ein Vokatıv vor ihm steht, en- 
klitisch ist (rejete, rakgatam), sondern auch hochbetonte Wörter, 
80: yds, y6 vam, ha yds, ydm agnim, ca yani, kds, ko vam, 
yuvdm, nö adyd, yajhäih, väjaya, hötraya, barhih sadatam 
u.s. w. Besonders weit sind sie getrennt in dem Satze: dd u 
tyac cakgur mähi mitrayor ah Eli priydm varunayor ddabdham 
herauf heran kommt das grosse liebe Auge des Mitra und 
Varuna, das unverwüstliche RV. 6, 51, 1. Vereinzelt kommt 
auch vor, dass dem Dual des einen Wortes der Singular des 
anderen angefügt wird: mitra tana nd rathya vdrund yas ca 


$42—43.] Kap. II. I. Zeei und beide bei dem Dusalis. 139 


sukratuh 8, 25, 2 (wobei ich die Worte tdna na rathyu nicht 
sicher zu übersetzen weiss). Allmählich indessen sind die beiden 
Duale immer mehr zusammengewachsen. In unseren Texten 
werden sie, wenn sie unmittelbar neben einander stehen, in 
eins geschrieben; die nächste Stufe ist, dass das so entstandene 
Wort nur einen Accent erhält, (so steht z. B. indrapu$nös neben 
indrapusana), und schliesslich kann der erste Bestandtheil auch 
in der Stammform auftreten (wie bei Reuter genauer dargelegt 
ist. Im Avesta werden die beiden Duale getrennt geschrieben, 
aber nach Bartholomae, BB. 10, 268 nie durch ein anderes Wort 
als durch ca getrennt, welches übrigens wie im Veda das 
Dualpaar nicht unter sich, sondern mit etwas Drittem ver- 
knüpft. Beispiele sind: mipra ahura z.B. von yazamatde “wir 
verehren’ abhängig yt. 10, 145, mit dem singularischen Verbum 
verbunden ebenda 113: tada no Jamyap avainhe mibra ahura 
berezanta dann sollen uns zu Hülfe kommen Mitra und Ahura, 
die beiden hohen; axtare agprya agprapaiti zwischen Schüler 
und Lehrer, yt. 10, 116; pasu vira “Menschen und Vieh’ geht 
auf einen kollektiven Singular zurück. Beispiele sind: nor 
me ärhätem (überliefert ist dnhäptem) pasvira würden mir nicht 
gehören Menschen und Vieh yt 13, 12; braprai pasvä virayä 
zur Erhaltung von Mensch und Vieh, yt. 13, 10; zsvida äzui 
Milch und Fett; apa urvaıre Wasser und Pflanzen; ulayut: 
tevisi Stärke und Kraft; Aaurvaia ameretäta Heil und Unsterb- 
lichkeit ?). 

$43. Zwei und beide bei dem Dualis. SF. 5, 99 habe 
ich gezeigt, dass durch ai. doau die Zweizahl aus der Zahlen- 
reihe hervorgehoben wird, z. B. @ dvabhyam häribhyam indra 
yahy a catürbhih komnı mit zwei Falben, o Indra, mit vieren 





1) Es giebt noch eine Anzahl von elliptischen Dualen, welche ich oben 
absichtlich übergangen habe, weil sie Wörter zur Grundlage haben, welche 
lediglich durch das Suffix verschieden sind. Dahin gehören ai. ddmpati 
Hausherr und Hausfrau, ferner nach Pänini, 1, 2, 65ff. drähınanau Brahmane 
und Brahmanin, bhrätaräu Bruder und Schwester, $vafurau Schwiegervater 
und Schwiegermutter. Ihnen entsprechen die pluralisierten gr. deorörar, 
lat. fratresu. ähnl., lit. tevai die Eltern zu t&vas Vater, vgl. $ 54 (elliptischer 
Plural). 


140 Kap. II, I. Zwei und beide bei dem Dunlis. [$ 43. 


RV. 2, 18, 4; jyejthüa üha camasa dva kareti kaniyan trin 
krnavamety aha der älteste sagte: mach zwei Schalen, der 
jüngere sagte: wir wollen drei machen 4, 33, 5; 26 dve vasu- 
mati samici indra a papräu prihivim uld dyam er der eine 
Indra erfüllt zwei reiche zusammengehörige Wesen, nämlich 
die Erde und auch den Himmel 3, 30, 11. Auch ist bereits 
ebenda S. 100 hervorgehoben worden, dass bisweilen die Lage 
so ist, dass man sowohl beide als zwei gebrauchen könnte. So 
redet man z. B. von den beiden Schlachtreihen (Arandasi, sene, 
‚Jänäu), kann aber natürlich auch von ‘zwei’ Heeren reden, die 
zusammentreffen. Auch über einige Stellen, welche Ausnahmen 
bilden oder zu bilden scheinen, ist daselbst gesprochen. Durch 
ubhau dagegen wird die Zusammengehörigkeit der beiden im 
Dual ausgedrückten Dinge betont, so heisst z. B. ubhabhyam 
panibhyam AB. 8, 6, 2 mit beiden Händen (pambhyam mit 
beiden Händen); ubAau samudrav a kföli yaß ca pürva uta- 
parah er bewohnt die beiden Meere, das östliche und das west- 
liche RV. 10, 136, 5. Darum steht denn ubhäu auch in einem 
zweiten Satze, eine Zweiheit des ersten Satzes aufnehmend, 
2. B. hantıi rak$6 hanty äsad vadantam ubhav indrasya prasilau 
$ayäte er schlägt den Unhold, schlägt den unwahr redenden, 
beide sind dem Indra verfallen RV. 7, 104, 13. Ebenso bei 
Homer, z. B. öeöre ööw por Eresdov geht mit mir, zwei an der 
Zahl X 450, vw 8 oloroıv bo waoyava nal Öuo doüpe xaAlı- 
nesıv al Sord Podypıa yepalv Eesdar n 295; 5 od bo Y Avöpe 
Feporev oloı vöv Bporot eis‘ 5 dE yıv bea nalle xal olo;s E 303; 
tu 8 Apmpis ppoveovre bw Kpdvou vis xparaım Avöpasıy Apwessıv 
Ersöyerov Akyca Auypa Zeds .. Tlosstsawv N 345. Natürlich wer- 
den oft, wie in dem letztangeführten Beispiel, zwei von meh- 
reren Söhnen eines Mannes als ö40 ratös bezeichnet, so 2. B. 
in den Worten des Priamos do raide Auxdova xat TloAdöwpov 
X 46. In anderen Fällen (z. B. B 732) bin ich zweifelhaft, ob 
nicht einzige Söhne gemeint sind, und sehe nicht recht ein, 
warum die Zweizahl besonders hervorgehoben wird; so in 
Arpeida, das öfter ööw neben sich hat. Warum neben Atavre 
oft Atavre bw oder 60 Alavres vorkommt, wäre noch festzu- 


$ 43.) Kap. I. I Zwei und beide bei dem Dualis. 141 


stellen. Natürlich kommen auch bei Homer Lagen vor, in denen 
man zwes oder beide sagen kann. So sind öoöpe die beiden 
zu einer Ausrüstung gehörigen Speere, ö60 doüpe aber zwei 
Speere, welche jemand aus der Zahl der ihm gehörigen in 
den Kampf mitnimmt, was dann sachlich auf dasselbe heraus- 
kommt. Wenn Hephaistos 9 312 sagt dtap oO Ti por aittos 
allos, alla toxze öbw, so braucht er ööw, weil er die zwei Per- 
sonen im (Giegensatz gegen die unzähligen anderen denkt. 
Hätte die Zusammengehörigkeit der beiden unter einander 
hervorgehoben werden sollen, so würde aupw gesetzt worden 
sein. Wie schon S. 134 bemerkt wurde, kann etwas mit ö4w 
eingeführt und mit dem blossen Dual darauf zurückgekommen 
werden, z. B. 75 pa bw telanwve nepl arndeocı terasdrv, tw ot 
pusdadı,y Tepeva ypoa = 402, vgl. 2579 und sonst. Ayupw wird 
wie ubhau gebraucht, z. B. ri; 82 dbw yevoneoda, od d dupw 
Geporounasisg D 89; Atlas xal ahpuxe öbw renvundvw Appw 1 689. 
Der Unterschied zwischen einem in der Anaphora stehenden 
ööo (was später wohl stets den Artikel haben müsste) und apcw 
ergiebt sich aus einem Satze wie: \lrpıovns 5 dvasıpe Sbw ypu- 
ooto ralayra die vorher erwähnten, als Preis ausgesetzten W 614 
(duo hiesse: beide, nicht etwa eines derselben). Dem alt- 
indischen und griechischen Gebrauch entspricht genau der alt- 
kirchenslavische, z. B. ne imamü side veäte peti hlebü i rybu 
duvoju obx atolv Apiv nAetov 7) nevre Apror xat 860 tXdües Luk. 9,13; 
clovekü jedinü ime düva syna dvdpwrös Tıs elye 800 vlods Luk. 15, 11 
(gleich darauf anaphorisch: miniys synu jeju der jüngere dieser 
beiden Söhne 12); ebenso düva slepica zwei Blinde, dann nach- 
dem sie hierdurch eingeführt sind slepica die beiden Blinden 
Matth. 9,27; posla düva ucenika Areoterle dbo nadınras Matth. 21, 1 
(darauf 6 vcenika die beiden Jünger). Luk. 7, 19 heisst es: 
prizüvavu duva jetera otü ucenikü posüla rposxalssapevos Jo 
was Ersubev, darauf: prisidüsa Ze kü njemu maZa rekosta rapa- 
yevopevor 68 npüs aörov ol Avöpes elnov. Ebenso werden die 
Schiffe des Petrus und seiner Genossen eingeführt mit düva: 
i videvü düva korabica stojesta xal eide Suo rAota &orara Luk. 5, 2, 
dann heisst es oSidüse otü njeju Arodavres An adrav und gleich 











[$ 43—44. 





142 Kap. II. I. Dualia tantum. 


darauf jJedinü otu korabiczu Ev twy rlotov. Und so an sehr 
vielen Stellen. — Obda übersetzt dugötepos des griechischen 
neuen Testaments, z. B. wird erzählt, dass die Schiffer auf dem 
einen Schiffe auch die auf dem anderen herzuriefen, um die 
Masse der gefangenen Fische zu bergen, und dann heisst es: 
i pridose sv isplünise oba korablja xal Hidov xal Erircav Aucorepa 
ta nlota Luk. 5, 7. Nachdem Zacharias und sein Weib ge- 
nannt sind, heisst es beasete zE oba pravidüna Taav 52 Ölxaroı 
ayumotepoı Luk. 1,6. Sodann steht oda für oi öbo u. s. w., z.B. 
Ioanü i otü ucenikü jego düva 6 "lwavıns xal dx av nadırrav 
aötoö öbo Joh. 1, 35, und gleich darauf: i söysaste i oba ucenika 
glagoljasti xal Nxovoav aüurod ol 8V0 nadrral Auloüvros 37; 3 pojemu 
Petra i oba syna Zebedeova xal napaladwv tüv Il&rpov xat tous 
600 vlous Zeßeöalou Matth. 26, 37. Bezeichnend für diesen Ge- 
brauch ist, dass man statt düva na desete “zwölf” oba na desete 
sagt, wenn von den bekannten zwölf, nämlich den Aposteln, 
die Rede ist, z. B. Luk. 9, 1. 

$44. Dualıa tantum. Einige der angeführten Duale 
haben keine anderen Numeri neben sich, z. B. ai. a$rina die 
beiden Götter, welche stets als ein Paar vorgestellt werden. 
Indogermanische Bezeichnungen für die Begriffe Eltern und 
Eheleute (bei denen wir den Dual erwarten würden) sind, wie 
ıch in meinen Verwandtschaftsnamen S. 74 und 61 gezeigt habe, 
nicht vorhanden gewesen; dagegen könnten die Plurale der 
Einzelsprachen, wie z.B. lat. parentes, ahd. kiwun wohl auf ältere 
einzelsprachliche Duale zurückgehen. Eine andere Gruppe 
bilden Wörter für Dinge, die den ältesten Zeiten als etwas Ge- 
doppeltes erschienen, während in jüngeren Perioden der Ein- 
druck der Einheit überwog. Dahin gehört das Wort für ‘Nase’, 
welches im älteren Indisch nur Dual ist, später auch Sıng., 
und dessen germanische Form vielleicht noch (wie Kluge meint, 
vgl. Brugmann 2, 642) im ags. nosu einen Rest des alten Dual 
zeigt. Ferner Wörter wie ai. Auift Bauch (eig. die beiden 
Bauchhöhlen), woneben aber im AV. auch der Sing. auftritt; 
bhedau weibliche Scham ($&p6 römanvantäu bhedau var in 
mandüka ichati das männliche Glied sucht die haarige Scham, 


$ 4445.) Kap. U. I. Dualis in den Einzelsprachen. 143 


der Frosch das Wasser RV. 9, 112,4), ebenso muskäu, das eigent- 
lich ‘die beiden Mäuschen, Muskeln’ bedeuten soll, und sowohl 
für die beiden Hoden, als für die weibliche Scham gebraucht 
wird; bhurijau Scheere. 

$& 45. Bemerkungen über den Dualis in einzelnen 
Sprachen, und Schluss. Avestisch. Nach Spiegel, Gr. 404, 
Geldner, Studien 151, kann der Dual von srva Nagel gesetzt 
werden, wenn die Nägel an beiden Händen gemeint sind. 
Danach sind also die Nägel jeder Hand zu je einer Einheit 
zusammengefasst. Auch der Dual von argusta Zehe soll ebenso 
gebraucht sein. W. Ohler ın seinem nützlichen Programm über 
den Gebrauch des Duals bei Homer {Mainz 1884) führt S. 24 
einen Fall an, der ihm ähnlich zu liegen scheint, nämlich 
“00m GE xpıvdivte öbw xal nevrmxovra Brtnv D 48, wozu er be- 
merkt: “Diese 52 Jünglinge bildeten nachher als Ruderer zwei 
Reihen, wodurch also der Begriff ‘Paar’ wieder nahe liegt, 
nämlich 26 Paare, so dass wohl mit Rücksicht hierauf der Dichter 
den Dual anwandte.” Indessen diese Anschauung ist nicht die 
richtige, der Dual hängt vielmehr von dem führenden Zahl- 
worte ‘zwei’ ab, wie im Aksl., wo bei düva na desete ‘zwölf’ 
das zugehörige Substantivum ım Dual steht, z. B. düva na 
desele koa zwölf Körbe Joh. 6, 13. 

Griechisch. Bei Homer ist der Dual bereits stark im 
Schwinden. So wird z. B. das Wort für Eltern bis auf eine 
Stelle stets ım Plural gebraucht; paarweis auftretende Glieder 
erscheinen in beiden Numeri (yeipes, mit Beziehung auf eine 
Person gesagt, häufiger als yeipe, oudaApol, dupara, wpoı U. 8. W.), 
wofür ein charakteristisches Beispiel ist: xa{l $ anopöpkaro yepal 
zapsıas awvro&v te 0 200. Zwei Duale, in dieser Art verbunden, 
kommen nach Ohler nicht vor. Oft macht es uns den Ein- 
druck, als ob das Versmass den Ausschlag für die Wahl des 
Numerus gegeben habe, z. B. fxa 8 &yw xadunepde nodas xal 
xiipe pepesdar n 442. Bei Aupw und Apgyorepos, wo man am 
sichersten den Dual erwarten sollte, stehen beide Numeri gleich- 
mässig; ebenso bei öuw. Vermuthlich erklärt sich dieser Zustand 
aus den Schicksalen des homerischen Epos. 


144 Kap. I. TI. Dualis in den Einzelsprachen. [$ 45. 


Litauisch. Im preussischen Litauisch ist der Dual stark 
ım Schwinden, ın andern Dialekten besser erhalten. Da ich 
mit diesen Verhältnissen aus eigener Kenntnis nicht näher ver- 
traut bin, begnüge ich mich, die folgenden Worte Brückner’s 
(aus Jagie’s Archiv 3, 263) anzuführen: Für die heutige Sprache 
ist der Thatbestand der, dass ‘der Dual in den meisten Gegenden 
Litauens im Verschwinden begriffen ist; indes auch da, wo er 
noch besteht, kann man für den Dual immer auch den Plural 
setzen’ |Kurschat $ 1299); schon unsere ältere Überlieferung 
bietet für dieses Übergreifen des Plurals einzelne Belege (Bezzen- 
berger S. 233); der alte Gen. und Lok. Dualis sind ganz ver- 
loren gegangen. Interessant ist die Beobachtung, dass z. B. in 
Wiekszny (Kurschat $ 609) das Femininum den Dual bereits 
aufgegeben hat, das Maskulinum aber noch nicht; es heisst hier 
dvi rufkas, dvi bainıjczas, aber noch du möstü. In manchen 
Dialekten ist das Gefühl für den Dual so erloschen, dass sogar 
nach dem Zahlworte für ‘zwei’ die Pluralformen gesetzt werden: 
du vyrai, du pönai (für dd vyru, da ponü). Im Lettischen ist 
heute der Dual ganz verschwunden (vgl. auch Leskien-Brug- 
mann S. 297). 

Slavisch (Miklosich 4, 40ff). Unter den lebenden slavischen 
Sprachen haben das Neuslovenische, Ober- und Niedersorbische 
den Dual nach Miklosich in annähernd derselben Ausdehnung 
wie das Altkirchenslavische erhalten, während die übrigen 
Sprachen das Gefühl für die grammatische Kategorie dieses 
Numerus verloren haben, aber noch einige versteinerte Reste 
besitzen. Unter diesen ist folgender von besonderem Interesse. 
Nach dva und oda ist (insbesondere bei den o-Stämmen) die 
alte Dualform erhalten und sie hat sich sogar auf die Ver- 
bindung mit ‘drei’ und ‘vier’ ausgedehnt, z. B. serb. dva velika 
hrasta zwei grosse Eichen, {ri und Cetiri sina, russ. dva, tri, 
ceiyre celoveka u. s. w. Offenbar ist die Dualform auf a in 
dieser Lage auch bei Substantiven erhalten geblieben, weil dva 
und oda ebenfalls auf a ausgehen. Der Grund aber, weshalb 
auch die Zahlen ‘drei’ und ‘vier’ mit ergriffen worden sind, 
liegt darin, dass im Slavischen mit ‘vier ein Konstruktions- 





$45.] Kap. U. IL Dualis im Polnischen. 145 


gebiet abschliesst und mit ‘fünf’ ein neues beginnt.!) Ausser 
dem Serbischen und Russischen will ich hier das Polnische 
erwähnen, indem ich aus einer höchst lesenswerthen Abhand- 
lung von Baudouin de Courtenay über einige Fälle der Wirkung 
der Analogie in der polnischen Deklination in Kuhn und 
Schleicher’s Beiträgen 6, 19 ff. einiges mittheile. In der früheren 
polnischen Sprache — so führt B. von 63 an aus — war der 
Dual im Gebrauche und seine Anwendung nimmt erst mit der 
Zeit ab. Doch ist auch in den ältesten Denkmälern sein Ge- 
brauch fast nur auf Namen der paarigen Körperglieder (meist 
mit Pronomina possessiva) und auf die mit den Zahlwörtern 
dwa zwei), oda (beide) u.a. verbundenen Substantiva beschränkt. 
Von den Wörtern, welche paarige Glieder bedeuten, sind einige 
Dualformen übrig geblieben, sie werden aber als Plurale em- 
pfunden. ‘Die Form rece (Hände) kommt auch in der Schrift-. 
sprache vor, aber sie ist jetzt Plural geworden, und von irgend 
einer Mehrheit von Händen wird niemals reki, sondern nur 
rece gebraucht; reAs existiert gar nicht als Nom. und Akk. 
Plur.’2) (S. 70). “Die jetzt gebräuchlichen rekoma, uszyma, oczyma 
and keine Duale mehr, es sind der Bedeutung nach lauter 
Plurale, neben den eigentlichen Pluralformen rekami, uszamı, 
oezami üblich’ ($. 74). Der Übergang dieser Formen von dua- 
lscher zu pluralischer Bedeutung dürfte sich in Sätzen voll- 
zogen haben, wie sie oben 8. 136 angeführt worden sind, z. B. 
aksl. vilozite oy vü us vası slovesa si Beode üpeis eis Ta 
wra day Tods Adyoug tourous Luk. 9, 44. Hinsichtlich der 





it} Natürlich gerieth man bei diesen erstarrten Formen mit der Kon- 
gruens in’s Gedränge. Für das Sprachgefühl verbinden sich die Formen 
auf a mit dem gleichlautenden Genitiv des Singularis. Da nun aber doch 
nieht von einem Singularis die Rede ist, so bleibt nichts übrig, als das 
Adj. in den Plural zu setzen. Und so ergiebt sich als Kongruenzform der 
Gen. plur., z. B. cdiychü tri goda drei ganze Jahre. Darüber wird in der 
Lehre von der Kongruenz zu handeln sein. Hier habe ich die Sache nur 
erwähnt, damit nicht die Kongruenzverhältnisse als Gegengrund gegen die 
Auffassung als Dual geltend gemacht werden können. 

2) Im Lok. Plur. dagegen wird die echt pluralische Form rekarh ge- 
braucht. Sokam denn der dualische Gen. Lok.reku zum Singular. Man sagt 
ı.B. na reku prawym, empfindet die Form also als maskulinisch. (S. 77.) 

Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm. Sprachen. L 10 





146 Kap. II. IL Singularis und Pluralis. [$ 45. 


Verbindung von dwa und oda mit dem Dual sei bemerkt, dass 
auch das Fem. und Neutr. vorkommt, letzteres z. B. in dwie _ 
$cte zweı hundert, im fünfzehnten und sechszehnten Jahrhun- 
dert noch als zwei Wörter, jetzt als ein Wort gefühlt. Ebenso 
dwie lecte zwei Jahre, das noch jetzt in der polnischen Volks- 
sprache vorkommt, wonach denn auch Irzy lecie, etery lecie für 
und neben irzy lata, ctery lata gebildet ist (S. 67; vgl. oben 
das Russische). 

Zum Schluss will ich noch mit einem Worte darauf hin- 
weisen, wie es wohl gekommen ist, dass der Dual in einer 
Reihe von Sprachen verloren ging. Aus der Urzeit waren Dual- 
formen in Verbindung mit den Wörtern für zwei und beide 
überliefert. Es ıst wohl klar, dass ın der ersteren dieser Ver- 
bindungen der Dual leicht durch den Plural ersetzt wurde 
(den er selbst vielleicht in der fernsten Urzeit erst verdrängt 
hatte, s. oben S. 134), da der Numerus, der mit dre: und vier 
verbunden wurde, sich naturgemäss auch bei zwei einstellte. 
Aber auch der Dual neben beide war dem Verschwinden ausge- 
setzt, da zum Ausdruck des dualischen Sinnes das Wort beide 
genügen konnte. So ist es denn ganz natürlich, wenn, wie 
es im Lateinischen geschehen ist, zwar der Dual im übrigen 
verschwand, aber an den Wörtern duo und amdbo blieb. Was den 
nicht mit zwes und beide verbundenen Dual betrifft, so führte 
das Nebeneinanderstehen von Sätzen mit einem und mit meh- 
reren Subjekten (z. B. er hebt, sie heben die Hünde empor) leicht 
zu einer Vermischung der Numeri und damit zur Aufsaugung 
des Duals. Über diese Verhältnisse wird bei der Lehre von der 
Kongruenz gehandelt werden. 


11. 
Singularis und Pluralis.') 
Es giebt eine Masse von Begriffen, welche bald singu- 
larısch, bald pluralisch aufgefasst werden. Häufig zeigt sich 


1) Über singularia und plurelia tantum und was dazu gehört ist noch 
wenig gearbeitet. Einige allgemeine Gesichtspunkte bietet ein Aufsatz von 


545—46.] Kap. II. II. Begriffe der Masse. 147 





in einer und derselben Sprache die doppelte Auffassung. So 
haben die Inder, indem sie entweder die beweglichen Wellen 
oder das Element an sich vor Augen hatten, für “Wasser” so- 
wohl das pluralische apas als das singularische udakdm. Sehr 
oft gehen aber auch die Sprachen auseinander. So ist z. B. 
das germanische Eiter singularisch, das litauische püliai aber 
pluralisch (wie denn überhaupt das Litauische unter den hier 
behandelten Sprachen die grösste Vorliebe für den pluralischen 
Ausdruck haben dürfte). So gross aber auch die Mannigfal- 
tigkeit ist, empfiehlt sich doch eine zusammenfassende Behand- 
lung, weıl überall ungefähr dieselben Begriffsgruppen in Frage 
kommen. Das freilich muss man zugestehen, dass unser Material 
selten ausreicht, um mit einiger Sicherheit sagen zu können, 
wie der Zustand in der Ursprache gewesen sein mag. Um 
wenigstens das Wichtigste vorzuführen (denn auf eine er- 
schöipfende Behandlung ist es nicht abgesehen), habe ich fol- 
gende Gruppen aufgestellt: 

1) Begriffe der Masse. 

2) Körpertheile. 

3) Geräthe und Lokalitäten. 

4) Zeitabschnitte, Feste, Mahlzeiten. 

5) Verschiedenes. 

6) Abstrakta, welche ın die konkrete Bedeutung hinüber- 
schwanken. 

An diese Paragraphen, welche die Hauptmasse ausmachen, 
schliessen sich einige Worte über singularia und pluralia tan- 
tum, den Übergang vom Singular zum Plural und umgekehrt, 
und endlich den elliptischen Plural an. 


$46. Begriffe der Masse. Die als Masse auftretenden 
Erscheinungen eignen sich im Grunde genommen gleich gut 
für den singularischen wie für den pluralischen Ausdruck. Der 


Tobler in Lazarus und Steinthal’s Ztschr. für Völkerpsychologie, 14, 410 ff., 
eine Darstellung des homerischen Gebrauchs Juhl, de numeri pluralis usu 
homerieo, Halle 1879 (Diss.). Wünschenswerth sind vor allem monographische 
Darstellungen der Erscheinungen auf dem baltisch-slavischen Gebiete, die 
von mir nur in gehr dürftiger Weise berücksichtigt worden sind. 


10* 


148 Kap. I. II. Begriffe der Masse. [$ 46. 


Singular stellt sich ein, wenn die Vorstellung des ununter- 
brochenen Ganzen überwiegt, der Plural, wenn die Theile vor- 
schweben, die man doch meistens mit grösserer oder geringerer 
Deutlichkeit unterscheiden kann. So ist z. B. Schaum bei uns 
sing., das gleichbedeutende aksl. peny aber plur., Fleisch sing., xp£a 
aber plur. u.s. w. Dieser Unterschied in der Auffassung hat 
sich aber im Laufe der Zeiten verwischt, so dass bei solchen 
Wörtern zwischen Singular und Plural nur noch ein Unter- 
schied der äusseren Form besteht. Es kann aber ein wirklicher 
Unterschied herbeigeführt werden, wenn neben einem geläu- 
figen Plural im empfundenen Gegensatz dazu ein Singular 
gebildet wird und umgekehrt. In solchen Fällen bedeutet 
dieser Singular gewöhnlich ein aus der Masse herausgenom- 
menes Einzelstück, z. B. xpdas ein Stück Fleisch neben xpea 
Fleisch, manchmal auch eine andere Schattierung des Begriffes, 
z. B. aX; Salzkorn, aber auch Meerfluth, neben les Salz. 
Neben einem derartigen Singular kann nun auch ein Plural 
auftreten. So heisst z. B. lat. aera Erzstücke, carnes Fleisch- 
theile, ai. $4kani Mistklumpen. Doch ist nicht etwa nöthig, dass 
diese beiden einander entsprechenden Nüancen des Sing. und 
Plur. aus demselben Wortstamm gebildet werden, sie entsprechen 
einander vielmehr nur als Typen. Ausser diesem Plural giebt 
es noch eine zweite Art. Es werden nämlich nicht Stücke, 
sondern Arten unterschieden, z. B. die Fette neben das Fett, 
oder es wırd irgend eine besondere Erscheinungsform pluralisch 
bezeichnet, z. B. Zactes “der Same der Fische’. 

Neben den Begriffen der Masse, von denen bisher die 
Rede war, giebt es andere, bei denen das Einzelwesen, deren 
Summe die Masse ausmacht, deutlicher hervortritt, z. B. Thier- 
und Menschenmassen. Bei ihnen wird oft der Singular da 
gebraucht, wo nicht bloss ein Einzelwesen vorgestellt werden 
soll, z. B. wenn Scheffel im Ekkehard sagt: und der Fisch 
weıtum hat damals (als alles Ungeziefer in den See getrieben 
wurde) einen guten Tag gehabt. Am bekanntesten ist die Aus- 
drucksweise bei Menschen, wie der Franzose ist ın’s Land ge- 
kommen u. ähnl. Sie breitet sich aber auch auf andere 





$ 46.) Kap. II. II. Begriffe der Masse. 149 


hiermit in Zusammenhang stehende Begriffe aus. So heisst es 
1. B.RV. 3, 33, 9 yayau dürad dnasä rdthena ich bin weit her- 
gekommen mit Last- und Streitwagen (vgl. griech. &ori;). 
Offenbar liegt eine Verschiedenheit zwischen dem sogenannten 
kollektiven Gebrauch, wie z. B. bei ö4xpv, und diesem von Fisch, 
Franzose u. 8. w. vor. Im erstern Falle sieht man von den 
einzelnen 'Thränentropfen ab und sieht nur auf den Thränen- 
strom, im andern Falle (den man repräsentierend nennen könnte) 
hebt man das Einzelwesen hervor, aber nicht als ein in irgend 
einer Weise konkret bestimmtes, sondern nur insofern es den 
Begriff als solchen darstellt, wodurch denn besonders scharf 
ausgedrückt wird, dass sich alle zugehörigen Einzelwesen der 
Natur ihres Begriffes nach ebenso verhalten. Man kann des- 
halb fragen, ob ich recht gethan habe, die beiden Gruppen 
(Begriffe a) der Masse, b) der Summe) in diesem Paragraphen 
zu vereinigen. Ich habe es gethan, weil die Grenzen manch- 
mal schwer zu ziehen sind und die Auffassung manchmal 
zweifelhaft sein kann. So empfinde ich z. B. in daxpu xduv 
einen kollektiven Gebrauch, glaube also, dass man sich nicht 
eine einzelne Thräne vorgestellt hat, in dem Goethe’schen die 
Thräne quillt, die Erde hat mich wieder aber einen repräsen- 
tativen Gebrauch. Indessen ist es ja möglich, dass andere 
anders empfinden, und ausserdem wäre es doch nicht empfehlens- 
werth, öaxpo und T’hräne ın der Behandlung zu trennen. Ich 
habe also die beiden Gruppen in einander verfliessen lassen. 

Es folgen nun eine Anzahl von Belegen in gleichgültiger 
Reihenfolge. Wasser: ai. udakd ist sing., dagegen äpas fast 
durchaus plur. (vgl. SF. 5, 101). Auch der Gathadialekt kennt 
das Wort nur im plur. nach Spiegel 294 ; 5öwp ist bei Homer stets 
sing. bis auf ödar alt vaovra v 109 (dagegen roddvırıpa Fussbad 
und Aoetpa Bad sind stets plur., wobei man wohl an das zusam- 
mengegossene kalte und warme Wasser gedacht hat}; lat. aguae 
ist üblich, wenn von dem an verschiedenen Orten vorhandenen 
Wasser oder wenn von Heilquellen die Rede ist; ahd. se und 
wazzar ist sing., ebenso das lit. vandü. Aus dem Slavischen liesse 
sich russ. 9007 Spülicht vergleichen und etwa noch russ. slyuni 


150 Kap. II. II. Begriffe der Masse. 5 46. 


Speichel (aber aksl. slina sing.), aksl. peny Schaum (z. B. peny 
teste ägpilov Mark. 9, 20). Thräne: ai. d&ru kann singu- 
larisch kollektiv stehen, z. B. ydd dbru sämkfärstam äsit die 
Thränen, welche zusammengeflossen waren SB. 6, 1, 1, 11, doch 
auch plur., z. B.im AV.; ebenso im Griech., z. B. dalepöv xard ddxpu 
x&ovtss x 201; Zacrıma Sing. und plur.; got. tagr ist in unsern 
Texten nur im sing. belegt. Über Träne vgl. Kluge im Wb. Das 
litauische Wort wird meist im plur. gebraucht: @szaros. Mit den 
Wörtern für Thräne vergleiche man auch lit. sakai Harz. Blut: 
ai. dsgj und das spätere löhtta scheinen nur sing.; neben ain« 
kommt auch aluara vor, z. B. Bpdrera alpara bei Äschylus, neben 
lat. cruor auch cruores (Virgil), sanguines erscheint erst spät; 
unser B/ut ist nur sing.; im Litauischen bedeutet nach Kurschat 
kraüjas Blut, Araujai Blut als Masse. Milch: ai. payas be- 
deutet im RV. nach Grassmann Milch, pdygst Milch, Milch- 
tränke, Milchströme, ebenso kommt Afird im sing. und plur. vor, 
dadht saure Milch ist wohl nur sing. ; yaAa, bei Homer nur sing., 
erscheint bei Plato auch plur.; lat. /ac Milch, Zactes Gekröse oder 
Same der Fische; das germanische Milch kennt nach dem Wh. 
den plur. nur im Friesischen (ar thet lond thet flät fon melokon 
and fan hunige) ; lit. penas Milch, penai Samen der Fische (vgl. 
auch ikrat Rogen). Dieselbe Bedeutung hat der russ. Plural 
molokt (vgl. dagegen russ. sliokt plur. Schmand). Fett: ai. sarpıs 
ist im RV.und AV.nur sing., später auch plur., das vedische p?vas 
nursing., ghytd Butter und ajya Opferschmalz sing. und plur.; ordap 
scheint nur sing.; neben lat. adeps findet sich auch adipes; lit. 
taukai Fett, taukas Fettstückchen:; Fette bedeutet verschiedene 
Arten von Fett. Eiter: ai. püya (nachvedisch) scheint nur 
sing.; so regelmässig rüov, doch kommt auch plur. vor; zu lat. pus 
findet sich ein Plural bei Plinius; lit. pliat kennt nur den Plural 
(vgl. auch !rgszkanos Augeneiter), deutsch Eiter nur den Singu- 
lar. Mark: ai. majjdn ist sing. und plur., in der Prosa scheint 
es plur. zu sein (vgl. die Aufzählung der Körpertheile T8.7, 3, 16); 
gr. wueids und lat. medulla sind gewöhnlich sing., kommenaber auch 
im plur. vor; unser Mark ist sing., lit. smägenes Mark und Hirn, 
serb. mo2dant Hirn plur. Mist: ai. $&krt erscheint gewöhnlich als 


$ 46.) Kap. II I. DD. - Begriffe der Masse. 151 


sing., doch kommt auch plur. vor im Sinne von Mistklumpen (vgl. 
SF. 5, 101 und TS. 5, 7, 23, 1, wo der Scholiast bemerkt: $akänı 
Sakripindah), üvadhya scheint nur sing., xdrpos ist vereinzelt plur. ; 
zu stercus und merda kommt auch der plur. vor, dagegen caenum 
und fmus sind nur sing.; germ. Mist ist sing., lit. meszlas 
Dünger wird fast nur im Plural meszlai gebraucht. Unter 
‘Koth’ bemerkt Kurschat: szUdas, eine grössere Masse dagegen 
szüdar. Ebenso soll statt puf'vas Strassenkoth gewöhnlich purva? 
gesagt werden. Fleisch: ai. amis und Äravis sind nur vedisch 
und nur sing., mas4 kommt auch pluralisch vor, z. B. mäsani 
medyato medyantı die Fleischpartien eines Fetten sind fett 
SB. 11,1, 6,34; xp&as, wenn es im kollektiven Sinne, als Fleisch 
zum Essen, gebraucht wird, ist plur., z. B. repi p&v oe riov Aavaoı 
cayırwioı Eöpy Te xpeaolv te 8 161, im Singular bedeutet es 
ein Stück Fleisch: toöro nöpe xpda; 8 477. Fleisch an leben- 
den Wesen ist oapxes, einmal bei Homer auch sing.; neben caro 
Fleisch erscheint carnes Fleischstücke; Fleisch ist sing., ebenso 
lit.mesa, slav. meso. Rauch: ai. dhumad auch plur., z. B. ud asya 
Söcir asthäd ud dhumaso arufäsak sein Licht hat sich erhoben, er- 
hoben auch der rothe Rauch RV.7,16,3; lat. fumus gew. sing., 
doch ist fums bei Dichtern ziemlich häufig; das entsprechende 
ht. Wort führt Kurschat als‘ plurale tantum an: dümai (vgl. 
auch gerai Dampf); xarvd; ist gew. sing., doch z.B. bei Euripides 
auch xarvot; Rauchistsing. Spreu: ai. tıifa ist gewöhnlich plur., 
doch auch sing. ohne merklichen Unterschied, so steht das singu- 
larische zu5a neben dem pluralischen gleichbedeutenden palava 
lat. palea): tufam palävan dpa vinaktu die Worfschaufel soll 
Sehale und Spreu absondern AV. 12, 3, 19; ayupov kommt auch 
pluralisch vor; ebenso ist palea sing. und plur.; germ. Spreu ist 
sing.; ım Lit. ist p&las Spelz, aber pelat, lett. pelus Spreu, plur. ist 
auch russ. vyseoki Spreu. Getreide: ai. ydva ist im RV. nur sin- 
gularisch kollektiv gebraucht, z. B. sakdm gävah süvats päcyate 
yivö na te väya upa dasyanlı dhendvah zugleich werfen die 
Kühe, reift die Gerste und deine Milchkühe versiegen nicht, 
o Vayu RV.ı, 135,8. Im AV. erscheint auch der Plural, so 
wenn die Asvinä in bezug auf Thiere, die dem Getreide 


152 Kap. II. II. Begriffe der Masse. [8 46. 


schädlich sind, gebeten werden: chinttäam Sirö dpi prätik Srni- 
tam, ydvän ned adän dpi nahyatam mükham athäbhayam krnutam 
dhänyäya schlagt den Kopf ab, zerbrecht die Rippen, damit 
sie dıe Körner nicht fressen, verbindet ıhnen den Mund und 
so schaffet Sicherheit dem Getreide 6, 50, 1. 9, 6, 14 werden 
die ydvas mit den qSdvas, den Schösslingen des Soma, ver- 
glichen, so dass also die Auffassung von ydräs als einer Ver- 
einigung von Körnern sicher steht. Demnach möchte yava 
sowohl Getreide, als Getreidekorn bedeutet haben. In der Prosa 
findet sich der Singular, den Begriff hervorhebend: ia asya 
prajäh sr$ta varunasya ydvan Jakfur varunyo ha va ägrö yavah 
die von ihm geschaffenen Geschöpfe verzehrten die Gersten- 
pflanzen (das Gerstenfeld', denn die Gerste war ım Anfang 
varunisch SB. 2, 5, 2, 1 (zu vrihi Reis bemerken Böhtlingk- 
Roth: “Reis, plur. Reiskörner‘). Dem ai. ydva entspricht Led, 
bei Homer nur pluralisch, so überhaupt in der Literatur, später 
auch sing. Über sonstige Ausdrücke für Getreide bei Homer vgl. 
Juhl 3. Es ist schwer zu sagen, ob ein fühlbarer Unterschied 
ın der Anwendung der beiden Numeri besteht. Ich möchte 
glauben, dass z. B. bei dem Plural älyıra in Ext 6 dkyıra 
Azuxa naluvev A 640 die Vorstellung der vielen Körner vor- 
schwebt, während in dAotrou lepoo Axtn 631 der Begriff vor- 
gestellt wird. Aus der nachhomerischen Sprache vergleiche man 
Ausdrücke, wie xaproö kuyxon.ör, die Ernte Thukydides 3, 15 
und äurelov xöntovres Thy nepi Tb iepdv 4, 90; Frumentum ist 
kollektiv, frumenta Getreidearten. Die Namen für die einzel- 
nen Getreidearten sind gewöhnlich sing., avenae soll den wilden 
Hafer bezeichnen, der in einzelnen Halmen hier und da auf- 
schiesst. Doch steht farra auch in demselben Sinne wie far 
(also wie Leıal); wir gebrauchen Kor» kollektiv und als Be- 
zeichnung des einzelnen Fruchtkorns und zu dem letzteren 
bilden wir den pl. Körner (vgl. yava), die Benennungen der 
Kornarten sind sing.; im Lit. finden wir den Plural für die 
Getreidearten, den Singular für das einzelne Korn, z. B. javai 
Getreide (ydva, Leid), rugiai Roggen (z. B. &jo T rugiüs ging 
in ein Roggenfeld), rugys Roggenkorn, meäiat Gerste, mäzys 


$ 46.) Kap. II. II. Begriffe der Masse. 153 





Gerstenkorn, @vızos Hafer, avıza Haferkorn (linai Flachs, linas 
Flachsstengel) u. s w. Hülsenfrüchte: im Lat. erscheinen 
se regelmässig im Singular, z. B. ervom datursne estis dubus quod 
feram (Plautus), seruntur fabae modii quatuor in jugero (Varro), 
lentim quomodo servarı oporteat (Cato). Doch liegt auch der Plural 
vor, so bei Virgilund Ovid. Sing.auch im Slavischen, so aksl. bobomi 
koasenemi pilajemü xuäpors Beßpeyuivors tpepduevos (Miklosich 
4,44). Im Ai. ist ma$a sing. die Bohnen-Pflanze, mägäs die Kerne. 
Sand (Staub, Asche): ai. rend ist im Veda nur sing.; xovir, und 
$apados scheinen im sing. und plur. gleichbedeutend gebraucht 
zu sein, xövıs und xovisalos sind immer sing., bezeichnen also 
die zusammenhängende Masse, singularisch kommt auch xayAr& 
Kies vor, z. B. ötapwpevor ov xayAnxa den Kies aufgrabend 
Thukydides 4, 26; pulois erscheint auch im plur., z. B. bei Ho- 
taz, häufiger ist der plur. von cints, arena hat im plur. die Bedeu- 
tung Sandflächen (wie russ. peski sandige Gegend, während 
pesokü Sand bedeutet); das deutsche Sand ist sing.; im Lit. ist 
die Sandmasse smiltis und smiltys; wenn man sagt: stübq smultimis 
iszbarstytsı das Zimmer mit Sand ausstreuen, denkt man offen- 
bar an viele kleine Häufchen, ‘Staub’ heisst im Litauischen 
dülkes, ıst also plur., während der sing. ein Staubtheilchen 
bedeutet. Asche heisst pelenai, dazu plenys Flockasche, 
piksznys glühende Asche mit Funken, alle plur. Stein 
kann im Deutschen singularisch repräsentierend gebraucht wer- 
den (z. B. aus Stein gebaut), so im Griech. z. B. Aldoıs re xal 
xepaup BaAldvrwv Thukydıdes 2, 4, xat Aldous apa xal nAlvdov 
&x av olxon&öwv xadarpouvres 4, 90. Auch das slavische Aameni 
kann nach Miklosich 4, 44 so verwendet werden. Holz: ai. 
daru scheint nicht kollektiv gebraucht zu werden, sondern be- 
deutet Holzscheit, Holzstück, Pflock, dagegen ist edha Brenn- 
holz kollektiv und nur sing. (während von idkma Brennholz in 
der Prosa auch der Plural vorkommt); tuAa bedeutet Brenn- 
holz, z. B. &xi ö& kula noAla Atyesde 8 507, dagegen £ulov so 
viel wie daru: Estrxev EUAov adov Ocov 7 opyura W 327; ähnlich 
ist das Verhältnis zwischen Zignum und /igna; das deutsche 
Hoiz wırd ım Singular meist kollektiv gebraucht, der dazu 


154 Kap. II. II. Begriffe der Masse. [$ 46. 


gehörige Plural Hölzer bedeutet Holzarten; über russ. drova 
Brennholz vgl. Miklosich im Wb. unter dervo. Salz: ai. 
usa ist gewöhnlich plur., z. B. gavyam mimasamäanäah prchanti 
santi tatroga3h iti wenn man einen Weideplatz aussucht, fragt 
man: ist dort Salz? AB. 4, 27, 9; so auch üls;, 2. B. alesaı ye- 
peypevov eldap A 123, während &A; Salzkorn (008 Aa dolrns p 
455) oder Meer bedeutet; sales sind Salzkörner, Salzgeschmack ; 
dtsch. Salz ist sing.: ebenso lit. druska. Metalle sind gewöhn- 
lich sing. Kommt der Plural vor, so hat er einen besonderen 
Sinn, z.B. ai. Airanya Gold, pl. Goldschmuck, Goldschatz; 
lat. aes (ai. dyas) Erz, plur. Erzstücke. Thiere (Vieh): Das aı. 
paSü ist im RV. im singularischen Gebrauche gewöhnlich kol- 
lektiv, 3. B. dSoävantam gömantam pa$um das Vieh, welches 
aus Rossen und Rindern besteht 1, 83, 4, orayam a pabür gat 
zum Stalle geht das Vieh 2, 38, 8 u. ähnl. Doch wird es 
auch von dem einzelnen Stück gebraucht, so wenn Agni ver- 
glichen wird mit einem pasür avasysfah einem losgelassenen 
Stück Vieh 10, 4, 3. Im Plural bedeutet es gewöhnlich die 
verschiedenen Arten des Viehes, 2.B. pasüun ca sthäatfh cara- 
tham ca das stehende Vieh (wohl die Hausthiere) und alles 
Bewegliche 1, 72, 6 (anders Ludwig). Oft werden unter den 
paSävah auch die Menschen mit umfasst, und so ist wohl auch, 
wenn von einer Frau gesagt wird, sie sei Jiva pasubhyah 
(10, 85, 44) zu verstehen, sie sei gütig gegen Menschen 
und Vieh. Dem altindischen Gebrauche entspricht der 
gotische, wo fatku Vermögen bedeutet (ypnpara, xrnpata, ap- 
yöprov übersetzend). Wie es gekommen ist, dass lat. pecus orts 
n. das Vieh als Gattung, pecus üdis f. das einzelne Stück 
bezeichnet, ist schwer zu sagen (die Vermuthungen von J. 
Schmidt, Pluralb. 52 über dieses Wort sind recht kühn). Von 
anderen Wörtern sind noch zu nennen im Altindischen 956 und 
übva, 2. B. gam dSvam sanuyam Rind und Ross möchte ich ge- 
winnen RV. 10, 119, 1 (vgl. 8, 30, 4), dve Sate gök zwei hun- 
dert des Rindes (im Deutschen kaum zu sagen) 7, 18, 22; 
griech. n innos die Reiterei, 7) xdundos die Kamele. In r 
inros kann ich nicht mit J. Schmidt, Pluralb. 225 eine 








$ 46.) Kap. II. II. Begriffe der Masse. 155 


Abstraktbildung erkennen, sondern das Fem. Stute, welches 
repräsentierend gebraucht ist, vgl. $ 23; aus dem Lateinischen 
and Wendungen zu vergleichen wie villaque tota locuples est, 
abundat porco, haedo, agno, gallına, lacte, caseo, melle Cicero de 
senectute 16; im Deutschen kann man, wie schon bemerkt, 
Ross und Rind’ sagen wie im Ai. gaur dSvah. Im Slavischen 
findet sich sko2ü Vieh, ryba Fisch, gadü &prerdv, zmija Schlange 
u. ähn]. (Miklosich 4, 44). Menschen: An die Spitze stelle ich 
die Wörter für ‘Leute’: ai. Jana, gr. Aads, unser Leute. Ai. Jana, 
über dessen Gebrauch Grassmann im Wb. vollständig Aufschluss 
giebt, bedeutet im Singular ‘der Mensch’, jedoch so, dass die 
Individualität nicht hervortritt, wir vielmehr auch den Plural 
anwenden könnten, z. B. yam rak$anti präcstaso vdrund mitrö 
aryama nü cit sd dabhyate jJdnah den die weisen V. M. A. be- 
schützen, der Mensch leidet keinen Schaden RV. 1, 41, 1. 
Dass es von einer einzelnen umgrensten und benannten Persön- 
lichkeit gebraucht wird, ist ganz selten (so geht es RV.6, 18, 8 
auf Indra). Gewöhnlich heisst es ‘Volk’ im Gegensatz zum 
Könige, Kriegsschar, Stamm, Geschlecht; im plur. gewöhnlich 
die Menschen, die Leute, doch auch die Stämme. Ob jJdna 
ursprünglich ein Einzelwesen oder eine Masse bezeichnete (wie 
etwa Volk), lässt sich wegen der Vieldeutigkeit des Suffixes a 
aus der Etymologie nicht bestimmen. Nach dem Gebrauch 
möchte ich annehmen, dass das letztere der Fall war und dass 
sch der Plural erst einstellte, nachdem Jana auch zu der Be- 
deutung eines Einzelwesens gelangt war. Dem indischen Jana 
entspricht gr. Aads, welches bei Homer im Singular und Plural 
gleich gebraucht wird, nur dass es im Singular nie auf Einzel- 
wesen angewendet wird. Die Gleichheit der Bedeutung von 
Jana und Aad; zeigt sich namentlich darin, dass beide von den . 
Leuten im Gegensatz zum Fürsten, vom Kriegsvolk und in der 
Verbindung mit Wörtern, welche ein Amt oder ein Geschäft be- 
zeichnen, gebraucht werden, z.B.ripavö Janäsah Betrüger (Grass- 
mann 13), Aaol aorıorat, dypowwra: u.ähnl. Die Etymologie steht 
nicht fest. Wie mit Aads verhält es sich mit ahd. Ziut, worüber 
Erdmann 2, 19 sagt: “Einen einelnen Menschen bezeichnet der Sing. 


156 Kap. II. IL Begriffe der Masse. [$ 46. 


bei Otfrid nie ; wenn diese Bedeutung nach dem got. Juggalaups 
auch für das ahd. Wort als ursprünglich anzusetzen ist, so ist 
der hier allgemein gewordene Übergang in kollektive Bedeu- 
tung dem bei man, gomman vorkommenden zu vergleichen. 
Zu dieser anzusetzenden früheren Bedeutung passt dann ferner 
der ahd. männliche Plur. kuf, das ganz gleichbedeutend mit 
dem Sing. und ebenso häufig ebenfalls eine Menge von Men- 
schen bezeichnet. Es könnte natürlich auch sein, dass sich 
die Bedeutungen so entwickelt haben, wie ich bei Jdna ver- 
muthet habe. Was das entsprechende slavische Wort betrifft, 
so heisst poln. Zud, Cech. id Volk, auch russ. Yudü koll. 
Menschen. Das gewöhnliche ist aksl. plur. m. Jyudiye Aacz, 
OyAoc, Zdvos. So auch in den übrigen slavischen Sprachen, nur 
im Russischen ist ein singularisches }udi f. vorhanden, welches 
nach Pavlovskij “Volk” bedeutet. Den slavischen Wörtern ent- 
spricht lett. Zaudıs plur. Leute. Was preuss. /udıs Wirth ist, 
lasse ich dahingestellt. 

An Jana, Aad;, liut schliesse ich ai. manu, unser Manx. Aı. 
mänu ıst entweder Eigenname oder im sing. und plur. Bezeich- 
nung für ‘die Menschen’, z. B. indrö apö münave sasrütas kah 
Indra liess für die Menschen das Wasser strömen RV. 4, 28, 1. 
Über Mann s. Erdmann 2, 13. Besonders auffällig ist für uns, 
die wir den Nominativ mar noch haben, der Gen. oder Dat., 
2. B. thie lagun fol al mannes stiaches ınti hammes; gab follon 
muases finf dusonton mannes (dagegen an einer andern Stelle 
‚Kar thusonton mannon). — Häufig erscheinen im Singular Wör- 
ter wie Feind, Krieger u.ähnl., z. B. ai. dasyu Dämon, Barbar, 
Feind in Wendungen wie: türvantö däsyum aydvo vratälh sik- 
$antö avratäim die Menschen den Feind überwindend, mit 
, Gottesdienst den unfrommen RV. 6, 14, 3, bakür var bhavato 
bhrätroyak vielfach ist der Feind des Reichen TS. 5, 1, 2, 3. 
Ebenso wird ım Griechischen otparıwrrg, roA&pıos u. ähnl. ge- 
braucht, und daran knüpfen sich kühnere nachahmende Aus- 
drücke wie öxtaxıoyılln aszig bei Herodot. Im Lateinischen 
miles, hostis u. ähnl. Draeger bemerkt in bezug auf Livius: 
“L. hat oft den Sing. der Völkernamen und Truppentheile: 


$46—17.) Kap. IL I. Körpertheile. 157 


miles, eques, pedes, hostis, funditor, remex, Romanus, Poenus. Nach 
Abwechslung strebend, setzt L. in einem Satze Sing. und Plur., 
ı.B. Hispani milites et funditor Baliarıs, inter Romanos Poe- 
rumque'. Auch der Gebrauch von mercator bei Livius 10, 17 
gehört hierher: tllicıte Zucro mercatorem, ut sequatur agmen. 
Über fant im Ahd. s. Erdmann 14. Endlich seien noch die 
Völkernamen erwähnt. Im Ai. des RV. ist oft die Entschei- 
dung schwierig, ob man den Namen eines Heros eponymos 
oder eines Volkes vor sich hat. Es giebt aber sichere Stel- 
len, an welchen unser Gebrauch vorliegt, z. B. ydd ad- 
yaloina dpäg yat präk sthö ydd druhydvy anavi turcdßs yddau 
huve vam wenn ihr heute A. im Westen oder Osten seid, bei 
‘den Druhyu, Anu, Turvaßa, Yadu, ich rufe euch RV. 8, 10, 5 
verglichen mit ydd yadugu druhyüfv anufu pürufu sthäh 
1, 108, 8. In bezug auf das Altpersische bemerkt Spiegel?, 190 
dass Parsa ebensowohl der Perser als Persien, Mäda der Meder 
und Medien bedeute, d. h. dass der Singular da steht, wo man 
nach altem Sprachgebrauch auch den Plural erwarten könnte 
'vgl. Genus $ 5). In andern Fällen wechselt sing. und plur. 
ı.B. Yauna und Yaunäa die Griechen. Dieselbe Erscheinung 
im Griechischen, Lateinischen, Deutschen ist bekannt. 

$47. Körpertheile. Manche Körpertheile, welche ın der 
Natur doppelt oder mehrfach vorhanden sind, pflegen wir nicht 
oder selten in der Einzahl zu nennen, so z. B. im Lateinischen 
scapulae die Schulterblätter, genge die Wangen, malae die Kinn- 
backen, tonsillae die Mandeln, palpebrae die Augenbrauen, 
tempora die Schläfen. Von diesen soll hier nicht die Rede 
sein, da der Singular von ihnen ohne Bedenken gebildet werden 
kann. Dagegen sind an dieser Stelle diejenigen Fälle zu er- 
wähnen, in welchen Körpertheile, die uns als Einheit erscheinen, ' 
durch Dual- oder Pluralformen bezeichnet werden, z. B. unter 
den altindischen Wörtern nasikö die Nase (eigentlich die beiden 
Nasenlöcher oder Nasenflügel), grivas der Nacken (eig. die 
Nackenwirbel), majjänas das Mark.') 


I) Eine Aufzählung der Glieder des Opferthieres (unter dem man sich 
auch einen Menschen denken kann) TS 7, 3, 16 mag hier in ihren wesentlichen 


158 Kap. II. I. Körpertheile. [$ 47. 


— 





Ich führe zuerst diejenigen an welche sicher pluralisch 
sind, darauf diejenigen welche wahrscheinlich oder vielleicht 
aus Dualen hervorgegangen sind. 

Zu den ersteren gehört griech. rpdswra und rpoowrare, 
bei Homer pluralisch gebraucht, auch wenn nur von einem 
Menschen die Rede ist, z.B. pstördov Blocupois: npoowracı H 212, 
nur einmal sing.; lat. toles Kropf, gingivae Zahnfleisch (gew. plur.). 
Bei ‘Bart’ könnte man wohl einen Dual erwarten, doch zeigt 
ai. $maßrüni (RV. 10, 23, 4 von dem Bart des Indra gesagt) 
neben $mäßru, dass die Haarmassen vorschwebten (vgl. aus der 
Prosa: te kö$an dgra "vapanta, ätha Smaßruni, athöpapakfau TB. 
1,5, 6, 1). Da nun auch yeveıdös; pluralisch ist (al d& pelay- 
xpovns yEvero, yvadpol 68 tavuodev, xudvear 6° &ydvovto yeveıdöss 
aupl y&vsıov zn 176), so wird auch lit. usa# Schnurrbart ein wirk- 
licher alter Pluralis sein. Mit den Wörtern für Bart vergleicht 
sich &deıpaı (Juhl 42) und lit. Aafczai Mähne. Bei ai. grivas 
Nacken (in älterer Zeit immer plur.) ist natürlich an die Wirbel 
gedacht, wie bei ugnihäs Genick, und dasselbe gilt von gr. 


— 


Theilen mitgetheilt werden. Ein svahö wird zugerufen dadbhydk den Zähnen, 
hanübhyäm den beiden Kinnbacken, öftkäbhyam den beiden Lippen, mükkäya 
dem Maule, ndsikäbhkyam der Nase, akfibhyäm den beiden Augen, kdrnä- 
bhyaäm den beiden Ohren, pdkimabhyah den Augenwimpern [im genaueren 
mir nicht verständlich], färfn& dem Kopfe, bhrübhyäm den beiden Brauen, 
lalätaya der Stirn, mürdhns dem Vorderkopfe, mastikkäya dem Gehim, köße- 
bhyah den Haaren, vahäya der Schulter [eigentlich das Stück, womit das 
Zugthier hauptsächlich zieht], grivabıyah dem Nacken, skandhäbhyah den 
Schulterstücken [skandhs im RV. nicht belegt, im AV. pluralisch, TS. 5, 7, 18 
singularisch als ein in sechs Theile zerlegbarer Körpertheil, bezeichnet irgend 
welche, mir nicht genau bestimmbare Schulterstücke], kikasabhyak den Rippen- 
knorpeln, pritibhyah den Rippen, päjasyaya den Weichen, pärfväbhyäm den 
beiden Seiten, qsahkyam den beiden Schultern, dösabhyam den beiden 
Vorderarmen, bahubhyam den beiden Armen, jänghäbhyäm den beiden Unter- 
schenkeln, $rönibhyäm den beiden Hinterbacken, ürubhyam den beiden Schen- 
keln, afthivddbhyäam den beiden Kniescheiben [es folgt jinghäbhyam zum 
zweiten Male, vielleicht dass an der ersten Stelle jaghinäbhyam zu legen ist], 
bhasäds dem Hintertheil, $ikhandebhyah den Haarbüschelnf?), v inäya dem 
Schweife, andäbhyam den beiden Eiern, $epäaya dem Gliede, retase dem 
Samen, padbhyah den Füssen, $aphebhyah den Hufen, lömabhyah den Haaren, 
tvace der Haut, löhltaya dem Blut, mäsäya dem Fleisch, enävabhyah den 
Sehnen, asthübhyah den Knochen, majjdbhyah dem Mark. 


$ 47.) Kap. U. U. Körpertheile. 159 


vora (bei Homer häufiger plur. als sing., z. B. äyrv n ol wora xal 
supgag Aueyev wpoug I 225, doch auch sing. in demselben Sinne, 
2. B. änd 8’ adyevos wpov dipyadev 78° ano vwrou E 147), und 
lat. cervices, das z. B. von Cicero immer pluralisch gebraucht 
wird, auch wo von nur einer Person die Rede ist; pıvot und 
bivds “Haut’ scheinen bei Homer gleich gebraucht zu werden, 
2. B. Evda x’ ano hivoos öpbpdn e 426 und pivov Ar’ Horedpıv 
ipuoar £ 134. Für unser “Eingeweide finden sich vielfach plu- 
ralische Formen, so ai. jathdränt, gr. onlayyva (bei Homer nur 
plur.), lat. viscera (gew.plur.), erta, pantices, got. hairpra, lit. plekai 
Fleck (Thiereingeweide). Auch in den »peves, die niemals im 
Dual erscheinen, sah man ursprünglich eine Mehrheit von 
Dingen. Es wird bei Homer pluralisch sowohl im eigentlichen 
(1 504) als im übertragenen Sinne gebraucht, singularisch nur 
im übertragenen. 

Ursprünglich dualisch sind die Wörter für Nase: ai. 
nds, nasä, nasıka sind im Veda nur im Dual vorhanden, in der 
Prosa wird deutlich zwischen »asıka Nasenloch und näsike 
Nase unterschieden. Ebenso verhält es sich mit lat. nares und 
arts. Unser Nase soll im ags. nosu noch die ursprüngliche 
Dualform zeigen (Kluge in Paul und Braune's Beiträgen 8, 506), 
wird aber völlig als sing. empfunden, wie auch lit. nosts sing. ist. 
Das griechische fi; ist bei Homer im plur. häufiger als im sing, 
bives bedeutet die Nasenlöcher, z. B. 2v 8’ Ovdou Rofou zATTo 
orona te bivas te W 777, doch kommt es auch im Sinne von 
‘Nase’ vor, z. B. hivas tapveıv y 475, und ebenso wird dann, 
was offenbar später ist, auch der sing. gebraucht, z. B. piva 
tauveıv 0 86. Brust: Bei Homer ist orndea nicht nur von den 
beiden Brüsten der Weiber, sondern auch von der männlichen 
Brust in Gebrauch und häufiger als otj;do;, auch orepvov und 
srzpya scheint gleichbedeutend; got. drusts ist nur plur., unser 
Brust dagegen sing.; aksl. prüsi, serb. prsi, russ. perst (bei 
Miklosich unter pers?) sind plur., ebenso serb. grudi Brust und 
njedra Busen ; lit.krutis Mutterbrust sing., lett. Aratis Mutterbrust, 
Brust plur. Lenden: lat. /umdi (woneben später auch sing. 
vorkommt) ist nach J. Schmidt, Pluralb. 7, Anm., wo man das 





160 Kap. II. II. Geräthe. [6 47—48. 


Weitere über die Verwandten des Wortes nachlese, vielleicht 
auch der Form nach Dual. Dazu lit. strenos Lenden. Ebenso 
lat. clunes und nates Gesäss. Ferner sind urspr. dualisch lat. 
renes Nieren, lit. platczas Lunge, lat. diles (was neben dilts 
vorkommt) Galle, wobei nach Neue an die dilts Aava und die 
bilis atra oder nigra gedacht ist, und wohl noch andere mehr. 

Manchmal bin ıch zweifelhaft, ob ein alter Dualıs oder 
Pluralis zu Grunde liegt, so bei aksl. u. s. w. usta Mund. Man 
meint, es bedeute eigentlich “die Lippen’, ich sehe aber nicht, 
warum es nicht Dual geblieben sein sollte. In der überlieferten 
Sprache ist es Plural (z. B. Luk. 6, 45), vgl. lit. nasraö Rachen, 
lat. fauces. Ebenso wundere ich mich über den aksl. Plural 
tstesa die Nieren. Lit. A2penos Leber ıst wohl ein ursprüng- 
licher Plural. 

$ 48. Geräthe. Dass die pluralische Form auf ursprünglich 
pluralischer Anschauung beruhte, versteht sich. Wir sehen 
aber aus modernen Sprachen, dass die Pluralform bleiben kann 
auch wenn an die Stelle der ursprünglichen mehrheitlichen 
eine einheitliche Anschauung getreten ist. So heisst engl. news 
ursprünglich die Neuigkeiten, dann die Zeitung, russ. denige 
ursprünglich die Münzen, dann das Geld u. s. w. In den alten 
Sprachen wird es ebenso gegangen sein. So hiess z. B. rostra 
eigentlich die bekannten Schiffsschnäbel an der Vorderwand 
der Rednerbühne auf dem forum Romanum, dann diese Bühne 
selbst, molae ursprünglich die Mühlsteine, dann die Mühle. 
Als Belege mögen dienen: Wagen. Nicht im Ai. aber in 
anderen Sprachen kann der Wagen durch einen Plural be- 
zeichnet werden, weil man an die deutlich unterscheidbaren 
und selbständigen Theile des Wagens denkt. So bei Homer 
äppa und äppata (letzteres auch von mehreren Wagen). Ledig- 
lich Pluralform hat dysa, meist von einem, aber auch von meh- 
reren Wagen gebraucht; lat. currus kommt im plur. von einem 
Wagen vor, fast immer plur. sind digae, trigae, quadrigae; Nit. 
röges schlechtes Fuhrwerk, szläjos Schlitten; aksl. kola, kolesa, 
serb. Aola Wagen (eig. Räder), serb. saoni, russ. sant Schlitten, 
russ. drogs Fuhre, dro2ki Droschke. Von anderen Begriffen, 





548) Kap. II. II. Geräthe. 161 








die in mehreren Sprachen vorliegen, liessen sich etwa noch nam- 
haft machen: lat. scalae Treppe, fast durchaus plur., lit. trepai 
Treppe (aus dem Deutschen, wo es sing. ist), Aöpeczos Leiter; 
lat. cancelli Gütter (inschriftlich auch sing.), lit. &d2os Raufe, 
aksl. serb. russ. yasl# Krippe; lat. %des Saiteninstrument (gew. 
plur., f#des als sing. bedeutet Saite, bei Dichtern auch Saiten- 
instrument, des plur. kann auch mehrere Instrumente bedeuten), 
aksl. ggs/s, serb. gusle, russ. gusli dass. ; lit. knygos Buch (slav. 
sing.), got. bokos Buch (boka Buchstabe), ahd. duoA von Otfrid 
singularısch in bezug auf sein eigenes Werk gebraucht, in plura- 
scher Form von einem oder mehreren Büchern (vgl. lat. 
hiterae); lit. möra: Totenbahre, serb. nosıla, russ. nosilks dass. ; 
hit. stakles Webstuhl, russ. Arosny dass., aksl. vilice Gabel, serb. 
sole und vslice dass., russ. vily Heugabel (vgl. Miklosich unter 
vidlu). 

Aus den einzelnen Sprachen führe ich noch an: ai. $ipräs 
das Visır am Helm; gr. töta gleichbedeutend mit to&ov!); lat. 
elitellae Sattel, cunae Wiege, plagae Jägernetz, scropae Besen, 
clatrı Gitter, loculs Geldkasten, crepundia Kinderklapper, odices 
Riegel (doch auch sing.); lit. dämples Blasebalg (vgl. engl. bellows), 
girnos Handmühle, szukos Kamm (szüAe Lücke), eköczos Egge, 
marszkiniat Hemde, kazlıntat Pelzrock, vytuva? Garnwinde, min- 
tucat Flachsbreche, sAiltuvat Feuerzeug; russ. grabli Harke, casy 
Uhr, kozly Kutschbock, Zaty Panzer, ocki Brille (06%o Äuglein, 
unser Brille dagegen, das dialektisch auch als plurale tantum 
gebraucht wird, heisst eigentlich “die Berylle’), 2yalicy Näh- 
rahmen, tiski Presse. 

Auf den Dualis geht der Pluralis zurück bei den Wörtern 
für Thür, Wage, Schere. Thür: ai. dvar, dür kommt im Veda 
aur im Dual (die Thorflügel) und Plural (von mehreren Thoren) 
vor, in der alten Prosa ist dvar sing. das Thor, gr. Böpar bei 
Homer von einer Thür (dafür einige Mal auch sing.) röAaı stets 
von einer Thür und stets plur. (weiteres bei Juhl 31 ff.), lat. 


1) J. Schmidt, Pluralb. 22 macht für diesen Gebrauch das neutrale 
Geschlecht verantwortlich, was mir angesichts der Maskulina und Feminina 
aus andern Sprachen nicht wahrscheinlich ist. 

Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm. Sprachen. ]. 11 


162 Kap. II. II. Geräthe, Lokalitäten. [6 48. 


fores Thür gewöhnlich pl., aber auch forss schon bei Plautus, 
ebenso valvae Flügelthür, doch ist auch valva belegt, umbrisch 
pre vere:is vor dem Thare, got. daurons, ahd. Zuri nur plur., lit. 
dürys Thür und va’tai Thor, aksl. orata serb. vrata, russ. vorota, 
Thor. Wage: Bei Homer heisst calavrov das Talent, ralavra 
Talente und Wage, letzteres nicht singularisch. Dazu Loya 
Wage, lit. svafczat Wage (sraftıs Wagebalken), russ. vesy Wage 
Dazu stellt sich noch als auf gleicher Anschauung beruhend 
lit. naszczat Tracht, d. h. ein Schulterjoch zum Tragen von 
zwei Eimern. Schere (les ciseauz): Iıt. Aliszes Krebsschere, serb. 
klijesta und Aklijeste Zange, russ. klescı dass., lit. Zirkles Schere, 
znypszles Lichtschere, russ. noznicy Schere u. s. w. 
Lokalitäten. Vor allem kommen in Betracht die Wör- 
ter für Haus: ai. gräd ist sing. und plur. (“das Haus als ein 
aus mehreren Räumen und Gebäuden bestehendes” Böhtlingk- 
Roth), grhäs heisst auch Familie; bei Homer (Juhl 21 ff.) 
werden öspa und öwpara mit Beziehung auf ein Haus ge- 
braucht, ohne dass man einen Unterschied empfindet, öwpara 
(wenngleich selten) auch in Beziehung auf mehrere, öopos 
und ööpor gleicher Weise in Beziehung auf ein Haus, oixos 
hat vielfach noch deutlich die alte Bedeutung “Ansiedelung’, 
es steht ganz überwiegend singularisch, der Plural otixoı 
bedeutet mehrere Häuser, {von einem wielleicht » 416), 
durch oixta dagegen (nur die Pluralform liegt vor) wird 
ein Haus oder mehrere Häuser bezeichnet. Auch peyapa be- 
zeichnet oft nur ein Gebäude; im Lateinischen lässt sich temp/a 
neben templum vergleichen; im Litauischen ramai die Woh- 
nung, woneben aber auch naämas vorkommt; aus dem Russi- 
schen kann man etwa sent Vorhaus anführen, wohl ursprüng- 
lich “die Mauern’. Ausserdem wären von Lokalitäten etwa noch 
zu erwähnen: axrat was Y 50 so viel als Küste bedeutet, ın- 
dem es von Athene heisst: otä&o rt yiv Tapd Tampov Opuxtı,v 
reliyaog Edntos, Aldor En’ Axrawv Epröouünwy paxpov Aureı. Sonst 
heisst ax der Küstenvorsprung und 4xtat die Vorsprünge; 
öx8aı heißt dasselbe wie sonst 640m, z. B. in dv note unmnp 
"[öndev xatıoüsa rap Sydmoıv Zıuosvros yelvaro A 474; Auevec 


ui 





$ 48-49.) Kap. II. II. Zeitabschnitte, Feste, Mahlzeiten. 163 


heisst der Hafen W 745 (orisav 6 &v Auueveosıv, wobei an die 
Buchten des Hafens gedacht sein wird. Eigentlich ist Aruınv 
der weite freie Platz, daher im thessalischen Dialekt Markt- 
platz). Avuspat z. B. ol Zoyaroı npös Övopewv olxeousı Herodot 
2,33 heisst “die Untergänge’ der Sonne, also auch die Gegend 
des Himmels, wo diese stattfinden. Aus dem Lateinischen 
ist ausser dem genannten rostra namentlich castra zu er- 
wähnen, das Lager mit seinen Abtheilungen, während casitrum 
ein Kastell ıst, ausserdem etwa Aorti Lustgarten, Park, (wäh- 
rend Aortus gewöhnlich Obst- oder Gemüsegarten ist), Zapi- 
cıdinse Steinbruch, angustiae Enge. Aus dem Deutschen 
erwähne ich got. salıdvos Herberge, Alawasnos Totenstätte, 
veinatrsva Weinberg (eig. die Weinstöcke),, wozu Erdmann 
629 einige Parallelen aus dem Ahd. beibringt. Mit Alatvas- 
nos vergleicht sich das litauische Aapai Friedhof (Aapas 
Grabhügel), mit Auneve; Jiires oder yJürsos Meer und mares oder 
marıos Haff. 

649. Zeitabschnitte, Feste, Mahlzeiten. Die Inder 
nennen eine der von ihnen angenommenen Jahreszeiten (vgl. 
Zimmer, Altindisches Leben 371) durch einen Plural, nämlich 
durch das Neutrum varfani — so im AV. — oder, was ge- 
wöhnlich ist, durch das Fem. varfas, welches eigentlich ‘die 
Regen’ bedeutet. 

Die Nacht wird bei den Indern in drei Nachtwachen 
(yamäs) zerlegt, so ist z. B. im Epos von den dväu prathamau 
yümau rätreh die Rede, gerade so bei Homer: rapolywxev 88 
z\twv vof, T@v ÖVo porpamwv, tprram d Zrı yolpa Adleıntaı K 252 
vgl.u 312). Diese drei Theile sind, wie es scheint, in uralter 
Zet auch durch den Plural des Wortes “Nacht bezeichnet 
worden. Für das Indische verweise ich auf irir aktun RV.8,5,8, 
was Ludwig unter Billigung von Geldner (Pischel -Geldner, 
Vedische Studien 2, 31) durch die drei Zeiten der Nacht über- 
setzt. Freilich ist auch eine andere Auffassung möglich. Bei 
Homer scheint vöxtes Nacht vorzuliegen in der Verbindung 
voxta; te xal Tpap (eine Stelle wie w 63 dürfte auf einem Miss- 
verständnis der alten Formel beruhen). Ferner finde ich dieses 

11? 


164 Kap. IL II. Zeitabschnitte, Feste, Mahlzeiten. 849. 


voxtes in p£oaı vuxtes, worunter die eigentliche Nacht in ihrer 
ganzen Ausdehnung verstanden wird, welche zwischen &orepos 
oder repi Auyvwv äpds einerseits und dpßpos andererseits liegt. 
Im Lateinischen bezeichnen sdus, calendae, nonae, nun- 
dinae je einen einzelnen Tag. Vermuthlich hat man bei der 
Erklärung von idus auszugehen, welches ‘Helle bedeutet haben 
wird und so gut plurale tantum werden konnte, wie etwa das 
Gegentheil tenedrae oder wie ai. Aetu Helle auch ım pl. vor- 
kommt. Von sdus, welches offenbar die älteste Bezeichnung 
ist (vgl. darüber BR. Flex, die älteste Monatseintheilung der 
Römer, Jena 1880, Diss.), könnte der Numerus auf die übrigen 
Wörter übertragen sein. Oder sollte man etwa annehmen, dass 
die Bezeichnungen, die ursprünglich die bestimmten Tage sämmt- 
licher Monate umfassten, missbräuchlich auf den einzelnen 
Tag übertragen seien? Endlich könnte auch noch das Vor- 
bild von feriae zur Erwägung kommen, da ja :tdus und 
calendae als feriae bezeichnet werden. Im Litauischen 
heisst metat das Jahr (also wohl eigentlich die Zeiten), z. B. 
kad iszeis melai ıF vend dena wenn ein Jahr und ein Tag 
vergehen wird, Schleicher Lesebuch 138, nach Kurschat jetzt 
meist metas. Von den Bezeichnungen der Zeitabschnitte sind 
die Bezeichnungen der Feste nicht zu trennen. Bei manchen 
ist der Plural durch die Mehrtägigkeit gegeben, z. B. bei 
griech. "OAuprıa, ’Eievstvie, unserem Ostern, Pfingsten, Werh- 
nachten, lit. velykos Ostern, kaledos Weihnachten, gavenios 
Fastenzeit, serb. dukov: Pfingsten. Der Plural kann aber auch 
gewählt werden, wenn nicht gerade, oder nicht nothwendig, an 
mehrere Tage, sondern wenn an mehrere Handlungen oder 
Vorgänge, Abschnitte u. s. w. gedacht wird, so z. B. bei lat. 
Jeriae (vgl. ahd. ziti, das nach Erdmann $ 32 namentlich auch 
von Festen längerer oder kürzerer Dauer gebraucht wird), gr. 
yapoı, lat. zuptige, ahd. drütloufti, lit. zvalgai Brautschau, derybos 
Verlobung, rodynos Schmaus bei der Geburt eines Kindes 
u.ähnl. Ferner tapati und tapoı von den Bestattungen mehrerer 
gesagt, aber auch von der prunkvollen Bestattung eines Eın- 
zelnen, lat. erseguiae und funera, lit. szefmens und szeftmenys 





$ 49-50.) Kap. IL II. Verschiedenes. 165 


Begräbnismahl, russ. pochorony Beerdigung, vgl. auch lit. dalydos 
Theilung der Erbschaft. Auffällig ist mir der Plural bei der 
Bezeichnung eines einzelnen Festtages in russ. imjanıny Na- 
menstag. Derselbe Numerus findet sich auch ın russ. sutkt 
f. vierundzwanzig Stunden. Nach Leskıien’s Ansicht geht dieses 
bisher nicht erklärte Wort auf ein aksl. *sqtöka, plur. sqtüky 
zurück, welches zu füknat: vorreıw pulsare gehören, und also 
Zusammenstoss, Zusammentreffen (nämlich von Tag und Nacht) 
bedeuten würde. An die Feste schliessen sich die Mahlzeiten, 
bei deren Plural man an die einzelnen Gänge und Speisen 
zu denken hat, z. B. lat. epulae und dapes (gew. plur.), lit. petus 
Mittagessen, palddeniai Vesperbrod, vgl. auch lit. magaryczos 
Trunk bei einem Vertrage. 

650. Verschiedenes. Die Finsternis oder Dämme- 
rang wird gelegentlich als etwas, das in Absätzen und Wellen 
sich bewegt, in den Plural gesetzt. So spricht der Inder von 
tamgsı Finsternissen, im Lat. ist tenebrae pluralisch, ebenso 
russ. sumerki Dämmerung, pot&mki der dunkle Ort, das Dun- 
kel. Der Schlaf kann pluralisch ausgedrückt werden, so 
russ. prosonkt leichter Schlaf, vgl. lat. per somnia loqui. 
Krankheiten können pluralisch ausgedrückt werden, wenn 
ursprünglich gewisse zahlreich auftretende Erscheinungen am 
Körper gemeint sind, z. B. Masern, Rötheln, Pocken, lit. tymas 
Masern, nözat Krätze, raupai Masern, piktszasziat Kopfgrind, 
serb. ospice Blattern. Bei russ. uroki bemerkt Reiff: maladie 
qus chez les superstitieuz vient de ce qu’on a loue ou regarde avec 
des yeur d’envie, wie mich Leskien belehrt, ist es aber ein wirk- 
beher Plural und bedeutet “Beschreiungen’, genau so wie serb. 
wroci. Viele Pflanzen sind nach ihren Organen benannt, so in 
den litauischen Wörtern: Zariyos Feuernelke, vilkdalgiaiSchwertel, 
penkpifszczas Fingerkraut, kukäliaı Raden, Aeczai Beifuss, 
cööbras Pfefferkraut, dirses Trespe, russ.’ obrazki Aronstab, orlikt 
Glockenblume. — Dem griech. rAoöroı Reichthum, was auch 
ohne Beziehung auf mehrere Subjekte gesagt wird, entspricht 
lat. diritiae; dem lat. reliquiae das lit. sqszlavos Kehricht, russ. 
sgrebki Abfall und andere Wörter ähnlicher Bedeutung. — 


166 Kap. II. I. Schwankungen der Abstrakte. [$ 50—51. 


Merkwürdig ist ai. dara (nicht im Veda) Eheweib, das gew. 
m. plur. ist, gelegentlich auch n. plur., und f. Vielleicht 
bietet unser “Frauenzimmer ein Analogon. — Geradezu uner- 
schöpflich sind die pluralia tantum in dem baltisch-slavischen 
Gebiet. 


$51. Abstrakta, die in konkrete Bedeutung hin- 
überschwanken. Dass gewisse Vorgänge und Handlungen, 
Stimmungen und Zustände als wiederholte Akte gedacht wer- 
den, erscheint auch uns natürlich. So sagen wir mit Freuden, 
in Ängsten, mit Schmerzen. Technisch ist im Deuschen die 
Wehen, die Nachwehen, vgl. wötves, lit. pefszuliat Schmerzen, 
pagirios Nachwehen des Rausches. Ebenso erscheinen uns 
natürlich Wörter wie lat. preces Bitten, Bitte (woneben 
sing., namentlich der Ablatıv prece), minae Drohungen, rugae 
Possen, russ. vorakt dummes Geschwätz, Lügen u. ähnl. Bei 
andern Abstraktis erscheint uns der Plural auffälliger, z. B. bei 
appoouvn Unverstand. Es scheint mir nicht wohl möglich, beı 
den folgenden Beispielen wie in den vorigen Nummern die 
Begriffe zum Eintheilungsgrund zu machen. Ich habe deshalb 
nach Sprachen geordnet. 


Im Altindischen gelten eine Reihe von Suffixen als 
Abstrakte bildend, z. B. ta, tät und täts, tva und tvana, atha. 
Sıe verhalten sich in bezug auf die Möglichket den Plural zu 
bilden so: Wörter auf ta wie kavydia Eigenschaft eines Wei- 
sen, nagndtä Nacktheit, agöta Mangel an Kühen u. ähnl. haben 
ım RV. und AV. in der That keinen Plural, im RV. auch de- 
vatä nicht, weil es “göttliche Macht, Würde’ bedeutet; später, 
wo es die Bedeutung ‘Gottheit’ angenommen hat (so schon im 
AV.), kann es auch den Plural bilden. Immer aber muss man 
bedenken, dass doch vielleicht das Fehlen des Plurals auch durch 
Zufall erklärt werden muss. Denn während z. B. anapatyatä 
Kinderlosigkeit nur im Sing. vorliegt, hat das gleichbedeutende 
anapatyd den Plural in: yuyöts nö anapatyani gantöh schützt 
uns davor, in Kinderlosigkeit zu gerathen RV.3, 54, 18. Von 
Wörtern auf /# habe ich in der angegebenen Literatur keinen 





$51.] Kap. II. I. Schwankungen der Abstrakta. 167 


Plural gefunden, auf täti: @ toagamam Samtätibhir dthö arıftdtä- 
tbheh RV. 10, 137, 4 was Grassmann übersetzt: “ich bin mit 
dem, was Segen bringt, mit Unversehrtheit dir genaht’, Ludwig: 
ich bin zu dir gekommen mit beruhigenden, mit Schaden ver- 
hütenden Mitteln’. Von Wörtern auf toa erscheinen viele ohne 
plur., z. B. adititva Sicherheit, amytatod Unsterblichkeit, äpi- 
iva Freundschaft, garbhatod Schwangerschaft, dirghayutod Lang- 
lebigkeit u.s.w., dagegen der Plural erscheint z. B.: mahitvebhir 
yalamanau 10, 113, 7 “wetteifernd mit gewaltiger Kraft’ (Gr.) 
‘nit Macht strebend’ (L.), tvam soma krätubhih sukrätur bhüs 
tvam dakgaih, sudak$o vikoavedah todm vrfa vrjatvebhir mahiteä 
dyumnebhir dyumny übhavo nrcakfah 1, 91, 2, was Grassmann 
übersetzt: “durch Einsicht bist du einsichtsvoll, o Soma, durch 
Kräfte kräftig du, der Allbesitzer; ein Stier bist du durch 
Stiereskraft und Grösse, durch Reichthum wurdest reich du, 
Männerschauer’ und Ludwig: ‘du, o Soma, wardst durch gei- 
stige Kräfte stark, an vielfacher Tüchtigkeit reich, ein Besitzer 
von allem, du wardst ein Stier an Mächtigkeit durch stier- 
arige Eigenschaften, durch [wirkliche] Herrlichkeiten warst 
du herrlich, [wardst| Augenweide den Menschen’. Von Ab- 
straktis auf fvana wüsste ich keinen sichern plur. (RV.s, 92, 13 
ist mariyatoana vielleicht Instr. sing). Die Wörter auf atha 
sind oft konkret und pluralfähig, so z. B. cardtha Gang, Wan- 
derung, vidätha Versammlung, $aydtha Lager u.a., dagegen 
nur singularisch sind pröthdtha Schnaufen, Svasätha dass., sta- 
nätha Donner, sacdtha Zusammensein, Gemeinschaft, Beistand, 
sravdtha das Rinnen, Strömen u. a. 

Ausser den mit den genannten Suffixen gebildeten Wör- 
tern liessen sich aus dem Ai. noch viele anführen, z. B. rak$a 
nö agne tava rdk$anebhih schütze uns, Agni, mit deinem Schutz 
RV. 4, 3, 14; tdva Srdvasy upamäany ukthya deine höchsten 
Ruhmesthaten (xA&ea) sind des Liedes würdig 8, 99, 2; Saphav 
ira Järbhuräna tärobhih wie Hufe trabend in Eile 2, 39, 3; 
sumdtayas Gunst, Wohlwollen; mahäbhis kräftig, tüchtig (zu 
mahan Grösse) und ähnliche Adverbia;, Adudha3 ca särvas 
ifinaß ca alle Arten von Hunger und Durst (alle Dämonen des 


168 Kap. U. U. Singularia und Pluralia tantum. [$ 51—52. 


Hungers und Durstes) AV. 11, 8, 21. Mit myiyavas Todesarten 
vergleicht sich $&varoı und mortes. Über die gleiche Erscheinung 
bei Homer handelt Juhl 45 ff. Er führt beinahe ausschliess- 
lich Bildungen auf ouvn (vgl. ai. toana) oder {n an, z.B. appoouvn 
Unverstand, rıppoouvn Verständigkeit, droßnposuvn Eingebung, 
öartpocuvn, die Kunst das Fleisch zu zerlegen, avalxein Schwäche, 
roAutöptn Verschlagenheit, roöwxein Schnellfüssigkeit, &xnßoAtn 
die Kunst weithin zu schiessen. Aus dem Lateinischen hat 
Draeger, 1, 9 Material beigebracht. Über das Deutsche han- 
delt Grimm 4, 228, wo bemerkt wird, dass im Ahd. und Mhd. 
gern die Feminina wonne, ehre, minne, gnade, selde, huld, treue, 
reue, pflege im Plural erscheinen, so oft auch ihr Singular vor- 
kommt. Über dieselbe Erscheinung im Litauischen und Slavi- 
schen finde ich kaum etwas notiert. 

$52. Sıngularia und pluralia tantum. Da in den 
86 46— 50 bereits über diesen Gegenstand mit gehandelt 
worden ist, bleibt hier nur einiges nachzuholen. Lediglich 
den Singularis möchte man den Eigennamen zutrauen. 
Doch giebt es Lagen, in welchen auch diese pluralisch vor- 
kommen. Ich führe an, was Erdmann 2, 4 darüber äussert: 
“Erstens kann ein Eigenname im Plural gebrauch werden bei 
Bezeichnung verschiedener Personen gleiches Namens, wo er 
eben nur die Thatsache der Benennung mehrerer Wesen mit 
diesen Lauten angiebt, aber keine Andeutung über die innere 
Beschaffenheit derselben enthält, die ganz verschiedenartig sein 
kann, wie bei den Atavre des Homer; oft bei lateinischen 
Geschlechts- oder Beinamen. Oder man denkt bei den Personen- 
namen nur an bestimmte hervorragende für die Rede gerade 
wesentliche Merkmale der Person, dıe sie auch mit anderen 
Individuen theilen und insofern vervielfältigt erscheinen kann. 
Meist wird jedoch dies als eine ungewöhnliche, originale Neu- 
bildung empfunden werden, die der effektvollen, zu ungewöhn- 
lichen Mitteln greifenden Rede angemessen ist und von grosser 
rhetorischer und selbst poetischer Wirkung sein kann. Man 
denke an Xenophon’s Rede nach der verrätherischen Ermor- 
dung der Feldherrn Anab. III, 2, 31: yuptous oovrar avd’ &vos 





$ 52.) Kap. DO. I. Singularia und pluralia tantum. 169 





Kleapyous; selbst an das bekannte Witzwort Sulla’s Plutarch 
Caes. I: o0x Eon voov Eysıv autous, el pm ToAlols Ev tw raudl 
zoutw Maptous &vopwsı. Ein deutsches Beispiel im Briefe Luther’s 
an Kurfürst Friedrich vom 5. März 1522: wenns gleich neun 
Tage lang eıtel Herzog Georgen regnete. Ein eigenthümlicher 
Fall endlich ist der, dass eine Person zwar nach Namen und 
Individualität eigentlich dieselbe bleibt, in bestimmt hervor- 
tretenden für die Erzählung wesentlichen Merkmalen aber sich 
verändert hat und als eine andere erscheint. Hier greift Ovid 
bei dem Namen der Niobe zwar nicht zur Pluralbildung, aber 
zu bedeutsamer Unterscheidung durch Pronomina, die den 
Wechsel in Schicksal und Erscheinung gewissermassen auch 
mit grammatischen Mitteln illustriert: Aes guantum haec Ntobe 
distabat ab illa”. Ich füge diesen Worten Erdmann’s hinzu, 
dass im Altindischen nicht selten der Pluralis eines Eigen- 
namens angewendet wird, um die Nachkommen der durch die 
Eigennamen benannten Personen zu bezeichnen. So sind im 
RV. Atrayas die Nachkommen des Atri, Kanväas die des Kanva 
u. 8. w. (vgl. Autsa, kusika, götama, priydmedha, bharädoaja, vd- 
sijtha, viScamitra u. a. in den Wbb.: grisamadäs findet sich im 
RV. nur im plur. Es scheint nicht unnatürlich, wenn man die 
Nachkommen, gewissermassen Wiederholungen des Vorfahren, 
durch einen solchen Plural bezeichnet. Indessen kann das 
Verhältnis der beiden Numeri auch anders gedacht werden. 
Vielleicht ıst der Pluralis früher vorhanden gewesen als der 
Sıngulars. Man könnte wohl ein Geschlecht als “die tauben’ 
ikänväs), ein anderes als “die besten’ (vdsisfhas) bezeichnet und 
erst später die Ahnherrn Kanva und Väsistha geschaffen 
haben. Eine Entscheidung wird sich erst bei einer geschicht- 
lichen Untersuchung über die indische Namengebung, die uns 
noch fehlt, ergeben. 

Unfähig des Plurals dürften die Infinitive sein, sobald 
sie lediglich die Handlung des Verbums ausdrücken. Bei dem 
substantivischen Infinitiv kann im Mhd. nicht bloss ein (was 
sehr häufig ist) sondern, wo es die Situation erfordert, auch 
einmal zwei erscheinen. Ein sicherer Beleg der Art ist zwei 


170 Kap.II. II. Singulare in Plurale umgewandelt u. umgekehrt. [$53—54. 


bliuwen (Parzivalj, das Grimm 3, 537 anführt (vgl. auch den 
Neudruck). 


Gewöhnlich bemerkt man, dass Wörter, welche nur ein- 
mal vorkommende Dinge bezeichnen, wie Himmel, Äther, 
Erde u. s. w., nur des Singular fähig sind. Indessen ist ja 
die Vorstellung der sieden Himmel, das Fallen aus allen Hım- 
meln u.s. w. bekannt, und so ist der Phantasie unbenommen, 
sich auch die übrigen Begriffe dieser Art pluralisch zu denken. 
Bisweilen hat auch der Plural eines solchen Wortes einen etwas 
abweichenden Sinn. So ist 7Aror nicht ‘die Sonnen’, sondern 
‘die Sonnenstrahlen, die Sonnenhitze’ (vgl. soles,. Wie im Alt- 
indischen Begriffe wie Himmel und Erde dazu kommen, Dual- 
form anzunehmen, ergiebt sich aus dem über den elliptischen 
Dual Gesagten ($ 41). 


Nur der pluralischen Form fähig sind gewisse Begriffe, 
zu deren Wesen es gehört, dass sie aus mehreren Individuen 
bestehen, z. B. Alpes eine Kette von Bergen, von denen jeder 
seinen besonderen Namen hat oder haben kann, namentlich 
zusammenfassende Bezeichungen verwandter Menschen, z. B. 
majores (von denen der eine Grossvater, der andere Urgrossvater 
heisst u. s. w.), manes, got. brobrahans Gebrüder und andere 
Wörter ähnlicher Bedeutung. 


853. Singulare ın Plurale verwandelt und umge- 
kehrt. Singularische Kollektiva streifen in ihrer Bedeutung 
nahe an den Plural, und so geschicht es denn, dass sie geradezu 
zu Pluralen werden. Aus dem von J. Schmidt, Pluralb. 12 ff. 
beigebrachten Material, auf das ich verweise, erwähne ich hier 
nur das gotische fadrein und einige slavische Formen. Got. 
‚fadrein, ein substantiviertes neutrales Adjektivum (*patrınum) 
bezeichnet eigentlich “Väterliches‘, dann “Vaterschaft‘, so: #s 
bammei all fadreinis in himina jah ana airbai namnjada &£ ov 
rasa rarpıa &v obpavois xal Ent yrs Övopdlerar (der der rechte 
Vater ist) Eph. 3, 15. Dann heisst es “die Eltern’ und nimmt 
in diesem Sinne den maskulinischen pluralischen Artikel zu 
sich, also Da: fadrein. Im Datıv endlich zeigt es an sich selbst 


553—54.] Kap. II. IL Elliptischer Plural. 171 





pluralische Flexion, sodass yovsücsıy durch fadreinam übersetzt 
wird. Aus dem Slavischen gehört hierher z. B. das bei den 
Numeri erwähnte Dratrija (bratija) und Genossen. Das aksl. 
brairija ist ein singularisches Femininum mit den Formen: 
Nom. dratrija, Gen. bratrije, Dat. dratriji, Akk. bratrijg. Dass 
man es aber als Plural empfand, folgt (neben der Thatsache, 
dass es die Pluralform von ddeAyds wiedergiebt) aus dem Um- 
stand, dass drafrü nur in Singularformen vorliegt, und aus 
Sätzen wie die folgenden: ni bratrija bo jJego verovaachq vi 
njego obdE yap ol Ade)mol abrou &rlotevov als aurov Joh. 7, 5; ddi 
ze kü bratri (d. ı. dratrifi) mojepi i rich jimü ‚nopebou $& Tpüs 
obs AdeApous pou xal eins autois, Joh. 20, 17; be Ze vü nasü 
sedmi bratrije (Gen. sing.) Toav 88 rap Yuiv intra Mdeiool 
Matth. 22, 25. Es ist kein Wunder, dass unter diesen Um- 
ständen auch die Form pluralisiert wurde. Schon im Aksl. 
tauchen nach Miklosich Gr. 32, 291 Formen wie drattijamu (Dat. 
plur.), drafijami (Instr. plur.) auf, und im Russischen lautet 
der Plur. zu drats: brafija bratievu, brafijamü u. s. w., hat 
also im Nom. die gewöhnlichen pluralischen Ausgänge und 
dabei maskulinisches Geschlecht. — Nach J. Schmidt’s Hypo- 
these sollen die neutralen Plurale auf a im Indogermanischen 
in analoger Weise aus singularischen Femininis entstan- 
den sein. 

Auch der entgegengesetzte Vorgang, die Verwandlung eines 
usprünglichen Plurals in einen Singular, kommt vor. Ich er- 
wähne, indem ich von disputablen Erscheinungen in älteren 
Sprachperioden absehe, einige englische Beispiele, die ich 
Tobler a. a. O. 418 entnehme: pox Pocken, odds Ungleichheit, 
means Vermögen (fr. moyens Mittel), news Zeitung, bellows 
Blasebalg (eig. Bälge) sind Plurale, welche als Singulare be- 
handelt werden. Neue Pluralformen sind gallowses zu gallows 
Galgen, stzpences zu sizpence (eig. six pennies). 

$ 54. Elliptischer Plural. Es ist schon oben 8. 1371. 
bemerkt worden, dass aus dem elliptischen Dual in solchen 
Sprachen, welche den Dual nicht oder nicht mehr unver- 
sehrtt haben, der Plural werden konnte, z. B. lat. Castores, 


172 Kap. IH. I. Grundbegriffe der Kasus. [$ 54. 


lit. tevai Eltern. Es kann wohl auch der Plural an sich so 
gebraucht werden. Ein sicheres Beispiel ist ai. $rd$uräs die 
Schwiegereltern, eig. der Schwiegervater und alle zu ıhm ge- 
hörigen, so: Aö dämpati sämanasa vi yuydd ddha yad agnıh 
$rasuregu didayat wer hat die beiden einträchtigen Hausgebieter 
(Mann und Frau) getrennt, als Agnı bei den Schwiegereltern 
leuchtete RV. 10, 95, 12. Doch dürfte dieser Typus wegen 
seiner Undeutlichkeit selten sein, und vielleicht wäre auch 
Svasuräs u. ähnl. nicht entstanden, wenn nicht $SraSuräu vor- 
handen gewesen wäre. (Wenn ai. pa$dvas auch “Thier und 
Menschen’ bedeutet, so kommt das vielleicht daher, dass auch 
der Mensch zu den Opferthieren, welche paSavas heissen, ge- 
rechnet wird.) 


Kapitel III. Die Grundbegriffe der Kasus und 
der Synkretismus. 


I. 
Die Grundbegriffe der Kasus. 


Hinsichtlich der Geschichte der Kasuslehre kann ich auf 
die einsichtige Darstellung von Hübschmann, zur Kasuslehre, 
München 1875 verweisen, und ausserdem auf die zerstreuten 
Bemerkungen, welche von mir ın der Einleitung gemacht 
worden sind. An dieser Stelle glaube ich die Sache am besten 
zu fördern, wenn ich von den Aufstellungen der indischen 
Grammatik ausgehe, welche sich durch die Schärfe der Fassung 
vortheilhaft von demjenigen unterscheiden, was in unserer euro- 
päischen Tradition Gestalt gewonnen hat. Dabei zitiere ich 
die einzelnen Regeln nach der erklärenden Übersetzung, welche 
Böhtlingk seiner zweiten Ausgabe des Pänini (Leipzig 1887) 
einverleibt hat. 


$ 55—56.] Kap. UI. I Die indische Grammatik. 173 


4. Die Grundbegriffe nach der indischen Grammatık. 


$55. Allgemeines. Um die indische Grammatik wür- 
digen zu können, muss man vor allem bedenken, dass es eine 
ihrer Hauptaufgaben war, den richtigen Gebrauch des ın der 
Literatur und dem Leben ihnen vorliegenden Sanskrit zu 
lehren. Sie kommen mit ihren Regeln dem Bedürfnis des- 
jenigen entgegen, der etwas sagen will. Eine Regel wie bhäte 
lu 3, 2, 110 soll also genau genommen nicht bedeuten: “der 
Aorist bezeichnet die vergangene Zeit’ (wie Böhtlingk über- 
setzt;,, sondern: “wenn man die Vergangenheit ausdrücken will, 
so gebraucht man den Aorist. Sodann muss man erwägen, 
dass die grammatischen Lehrbücher dazu bestimmt waren, in 
den Schulen als Ganzes auswendig gelernt zu werden. Man 
darf also eine einzelne Regel nie für sich betrachten, sondern 
muss sie mit den übrigen verwandten in Zusammenhang setzen. 
So besagt z. B. die Regel 2, 3, 8 “in Verbindung mit einer 
Präposition steht der Akkusativ’, nicht, dass alle Präpositionen 
den Akkusativ regieren, sondern nur, dass dies der Fall ist bei 
allen denjenigen Präpositionen, über welche nicht im Verfolg 
etwas Anderes ausgesagt wird, wie dies z. B. bei apa, @ und 
pari geschieht, welche mit dem Ablativ verbunden werden 
sollen. Wenn man dieses festhält, so wird man erstens be- 
greifen, warum in dem Kapitel von den Kasus nicht von den 
Kasusformen ausgegangen wird (wie wir es thun), sondern von 
gewissen Verhältnissen, welche auszudrücken die Kasus be- 
summt sind, und zweitens, warum man sich z. B. damit be- 
gnügen konnte, hinsichtlich des Genitiv zu lehren, er werde 
in allen übrigen Fällen ($e$2 bei dem Rest, nämlich desjenigen, 
was man mit den Kasus ausdrücken will) verwendet. 

$56. Die Stammbegriffe in der indischen Gram- 
matik. Die Satzverhältnisse nun, um welche es sich bei 
den Kasus handelt, finden ihren Ausdruck in einer Reihe von 
Begriffen, welche eingeführt werden durch die Regel karake 
(1,4, 23), d.h. wenn von einem Faktor (d. i., wie Böhtlingk 
erläutert, von einem Nomen in seiner unmittelbaren Beziehung 


174 Kap. IL I. Stammbegriffe in der indischen Grammatik. [$ 56. 





zu einem Verbum) die Rede ist, kommen folgende Regeln zur 
Anwendung. Die Begriffe sind 1) apädana Wegnahme. Apadana 
heisst, was bei einer Trennungam Platze verbleibt, dieVeranlassung 
der Furcht bei Verben, welche ‘sich fürchten’ und beschützen’ 
bedeuten, bei para-ji dasjenige, was man nicht zu überwinden 
vermag, 2. B. adhyatanät parä JjJayate er ist dem Studieren nicht 
gewachsen !), bei Verben von der Bedeutung ‘abwehren’ das- 
jenige, was einem am Herzen liegt, z. B. yavebhyö gam varayatı 
er hält die Kuh von dem Getreidefeld zurück, bei Verben von 
der Bedeutung ‘sich verbergen’ derjenige, von dem man nicht 
gesehen sein wıll. Desgleichen heisst apädäna derjenige, der 
etwas mittheilt, wenn es sich um die Erlernung von etwas 
handelt, z. B. upadhyayad adhitz er lernt vom Lehrer. Ferner 
das Primitive in Beziehung zu dem, was daraus entsteht, des- 
gleichen der Ursprung in Beziehung zu dem, was daraus ent- 
springt, z. B. Atmavato ganga pra bhavatı aus dem Himavant 
entspringt die Ganga. 2) Sampradana, Hingabe. So heisst der- 
jenige, mit Rücksicht auf den man mit einer Handlung vor- 
geht (karmana yam abhi präiti den man bei einem Objekt im 
Auge hat, nach Böhtlingk), bei Verben in der Bedeutung 'ge- 
fallen’ derjenige, der seine Freude an etwas hat, bei $lagh 
prahlen, Anu sich entschuldigen, stAä sich zur Verfügung 
stellen, $&2p geloben derjenige, dem man etwas zu erkennen 
geben will, bei dhäray schuldig sein der Gläubiger, bei sparh 
begehren das Begehrte, bei Verben in der Bedeutung zürnen, 
hassen, neidisch sein, missmuthig sein derjenige, gegen den der 
Ärger gerichtet ist, bei rad) und iA$ derjenige, nach dessen 
zukünftigem Schicksale gefragt wird, z. B. devadattaya radhyatı 
er interessiert sich für D. (unbelegt), bei prati-Sru und ü-$ru ver- 
sprechen der Agens der Vorhandlung, z. B. devadattaya gam 
prati Synöti er verspricht dem D. eine Kuh. Dabei wird als 
Vorhandlung vorausgesetzt, dass D. gesagt hatte ‘gieb mir 
eine Kuh’, desgleichen bei anu-gar und prati-gar antworten. 
3) karana Werkzeug. Jiarana ist dasjenige, was ein Anderes 
(Akk.) unmittelbar zu Wege bringt (sadhakatamam karanam, 


1) Alle Beispiele stammen aus den Scholien. 


65657.) Kap. III. 1. Der Akkusatir. 175 





eigentlich: Aarara ıst das förderndste). 4) adhikarana (von 
adhi-kar mit nicht recht deutlichem Sınn, die Kategorie des 
Lokativs. Adkikarana ıst der Behälter, das Gebiet (einer 
Wirksamkeit oder Thätigkeit). 5) karmar Handlung. Karman 
heisst dasjenige, was der Agens vor Allem zu erreichen 
wünscht (kartur ipsttatamam), auch das, was man nicht zu er- 
reichen wünscht, wenn es auf dieselbe Weise mit dem Verbum 
verbunden wird (vifam bhakgayatı er geniesst Gift), und auch 
das, was bisher nicht besprochen worden ist, nämlich was bis- 
her mit keinem anderen Namen wie apädäna u. s. w. belegt 
worden ist (Böhtlingk). 6) Aartar Agens. Kartar heisst der 
aus eigenem Antrieb Handelnde. 

Unter diese Stammbegriffe werden nun in einem folgenden 
Kapitel (2, 3) die in der Sprache vorhandenen Kasus (der erste, 
zweite u.8. w.) vertheilt. Und zwar ergiebt sich dabei, dass dem 
Begriffe apadana nur der Ablativ entspricht; dem Begriffe sam- 
pradana nur der Dativ; dem Begriffe adhikarana der Iokativ, 
aber auch der Genitiv; dem Begriffe Aarman der Akkusativ, 
aber auch der Dativ; dem Begriffe Aartar der Instrumentalıs, 
aber auch der Genitiv. Indem Pänini so den Begriff, nicht 
den Kasus, zum Eintheilungsgrund macht, erreicht er den Zweck 
seiner Darstellung in höchst vollkommener Weise. Für meine 
gegenwärtige Absicht aber ist es praktischer, von dem ein- 
zelnen Kasus auszugehen. Doch muss dabei die von Pänini 
gewählte Reihenfolge der Hauptsache nach beibehalten bleiben. 
Demnach ergiebt sich für die Kasus Folgendes'). 

$57. Der Akkusativ. Er steht bei dem Akarman (be- 
zeichnet das Objekt) falls dieses nicht sonst schon ausgedrückt 
ist. Man sagt also z. B. kafam karötı er macht die Matte, aber 
in kafah kriyate die Matte wird gemacht steht nicht der Akk., 
weil der Begriff des Aarman bereits durch die Endung des 
Passıvums ausgedrückt ist. Der Akk. bezeichnet das Objekt 
auch bei Verben des Gehens, wenn eine wirkliche Bewegung 
stattfindet und wenn nicht adhvar, der Weg, Objekt ist (12), 





1) Auf die Verbindung der Kasus mit Präpositionen oder präpositions- 
artigen Adverbien ist in dieser Übersicht keine Rücksicht genommen. 


176 Kap. III. L Der Instrumentalis. [$ 5758, 





z. B. gramam gachati er geht zum Dorfe. Der von uns so 
genannte Akk. des Zieles gehört natürlich mit unter den Be- 
griff Aarman, da dieses ja als das von dem Handelnden am 
meisten Erstrebte definiert war. Durch den Vorbehalt betrefls 
adhvan ıst das, was wir inneres Objekt nennen, als etwas Be- 
sonderes anerkannt. Sodann steht der Akkusativ bei Zeit- und 
Wegmassen, wenn eine ununterbrochene Dauer gemeint ist. 
Damit ist von dem Akkusativ etwas Neues ausgesagt, was 
nicht unter den Begriff Aarman fällt. Sodann wird noch notiert, 
dass bei div spielen der Einsatz im Brähmana nicht im Gen., 
sondern im Akk. steht (vgl. $ 178 Schluss), und dass bei dem- 
selben Verbum der Akk. mit dem Instr. konkurriert (ak$aır 
divyali er spielt mit Würfeln, akfan divyatı er spielt Würfel), 
endlich, dass von gewissen Nomina ein Akkusativ abhängig sein 
kann (vgl. $ 184). 

658. Der Instrumentalis. Er steht nach 18 karirka- 
ranayos, d. h. nach Böhtlingk, er bezeichnet den Agens (wenn 
dieser nicht schon durch das Verbum bezeichnet ist) und das 
Instrument, z. B. devadattöna krtam durch D. ist gethan worden, 
dätrena lunäti er schneidet mit einer Sichel, was wir so aus- 
drücken würden: der Instr. bezeichnet das Werkzeug; bei 
passivischem Ausdruck kann auch eine Person das Werkzeug 
sein. Wie Passiva werden übrigens auch die Formen auf 
-tavya und auch verschiedene Nomina z. B. dugkara “schwer zu 
machen’ konstruiert (69). Ferner bezeichnet der Instr. das- 
jenige, wodurch der Körper verunstaltet wird, z. B. pädena 
khanjah pede claudus (20), und auch das Merkmal, wodurch 
jemand gerade so und nicht anders erscheint, d. i. woran man 
jemand erkennt (21). Ferner das Objekt, nämlich bei 4 opfern 
ım Veda, z. B. yavagvagnıhötram jJuhött er opfert Reisbrühe als 
Agnihotra, ebenso bei sam-j%@ (nicht belegt). Während sich 
die letztgenannten Einzelheiten wohl auch nach P. unter den 
Begriff des Aarana u. s. w. bringen lassen, folgen nun die Ge- 
brauchsweisen des Instr., bei denen das nicht der Fall ist. 
Der Instr. steht nämlich auch bei dem Begriffe hetu Ver- 
anlassung, Ursache, z. B. kanyaya S0kö vidyaya yasah aus 


$ 58-59] Kap. IL Der Dativ nach Pänini. 177 


Veranlassung eines Mädchens erfährt man Kummer, infolge der 
Beschäftigung mit der Wissenschaft erlangt man Ruhm. Im 
einzelnen ist dazu zu bemerken, dass wenn das Wort Aötu 
selbst gesetzt wird, der Gen. steht, es sei denn, dass ein Pro- 
nomen dazu tritt, z. B. kena hetunä aus welcher Ursache. So- 
dann steht der Instr. bei Zeit- und Wegmassen, und zwar im 
Unterschied von dem Akkusativ Idann, wenn dabei ein Ab- 
schluss erreicht wird, z. B. mäsenänuväko ’dhitah in einem Monat 
ist der Anuväka erlernt worden. Auch der Name eines Mond- 
hauses kann als Bezeichnung einer bestimmten Zeit statt im 
Lok. im Instr. stehen, z. B. pu$ye oder pusyena päyasam abni- 
yai während der Zeit, wo der Mond ım Sternbilde P. steht, 
esse er Milchspeise (so im Mhbh. belegt)... Endlich steht der 
Instr. bei gewissen Adjektiven, und zwar in Konkurrenz mit 
dem Genitiv bei Zulya, sady5a ähnlich, z. B. tulyo devadatiena 
oder devadattasya, und in Konkurrenz mit dem Lokativ bei 
utsuka und prasita besorgt für etwas, z. B. köegu oder kebarh 
für seine Haare (nicht oder kaum belegt). 

859. Der Dativ. Er bezeichnet das sampradänam. Aber 
in mehreren Fällen auch das karman, so bei Verbis des Gehens, 
da man gramäya gacchali ‘er geht zum Dorfe’ so gut sagt, wie 
grämam gacchati. Ebenso kann der Dativ bei ma» im Sinne 
des karman stehen, wenn Geringachtung ausgedrückt wird, 
und vorausgesetzt, dass nicht von einem lebenden Wesen die 
Rede ist, also: na iva tynaya manye ich schätze dich nicht für 
einen Strohhalm (so in der späteren Sprache einigemal belegt). 
Ferner bezeichnet der Dat. das karman, wenn ein zum Verbum 
gehöriges anderes Wort mit verbaler Bedeutung dabeistehen 
könnte, aber nicht hinzugefügt wird — eine nicht eben glück- 
liche Fassung für das, was wır bei dem finalen Dativ unter- 
bringen, z. B. edhebhyö vrajati er geht nach Brennholz, gleich 
edhan ahartum vrajati er geht Brennholz zu holen. Dazu wird 
hinzugefügt, dass auch ein Nomen actionis im Dativ stehe, 
wenn es die Bedeutung eines Infinitivs hat, z. B. pakäya vrajalı 
er geht zum Kochen, gleich paktum vrajati. Als Einzelheiten 
bleiben nun noch übrig die Regeln, dass bei namah Verehrung, 


Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm. Sprachen. 7. 12 





178 Kap. III. Der Ablativ nach Pänini. (8 5960. 


soas# Heil u. ähnl. der Dativ steht, und dass bei äyusya 
langes Leben u. ähnl. der Dativ mit dem Genitiv konkurriert. 
Man kann also sagen äyusyam devadatiasya bhüuyat und deva- 
dattäya. 

$ 60. Der Ablativ. Er bezeichnet das apadana. Ausser- 
dem auch das Aarana. Es können nämlich die Wörter stöka, 
alpa, krcchra und katipaya, wenn sie nicht etwas Stoffliches be- 
zeichnen, auch in instrumentaler Bedeutung ım Ablativ stehen, 
z. B. stökan muktah oder stökena muktah mit genauer Noth frei- 
gekommen, dagegen stökena visena hatah durch ein wenig Gift 
getötet (kaum belegt, vgl. SF. 5, $ 71 Ende). Kommen wir nun 
zu den nicht unter die Stammbegriffe fallenden Gebrauchs- 
weisen, so ist zunächst zu erwähnen, dass der Ablativ wie der 
Instr. bei dem Begriff Aetu Ursache gebraucht werden kann, 
nämlich dann, wenn die Ursache eine Eigenschaft (in abstracto) 
ist. Doch darf das Wort nicht weiblichen Geschlechtes sein. 
Man sagt also jJadyena oder jJadyad baddhah infolge seiner 
Dummheit ın’s Gefängnis gerathen. Stünde aber statt jJadya 
ein f., so müsste der Instr. gebraucht werden. Sind Schulden 
die Ursache, so steht der Ablativ, vorausgesetzt, dass die Schul- 
den nicht als Agens gefasst werden. ($atad baddhak er ist 
wegen einer Schuld von hundert eingesteckt worden, aber 
Satena baddhah eine Schuld von hundert hat ihn in’s Gefängnis 
gebracht). Weiter sind folgende einzelne Regeln zu merken: 
Der Lokalis oder Ablatıv steht, wenn zwischen dem jetzt und 
später oder dem hier und dort etwas Thuenden der Zwischen- 
Taum angegeben wird, z. B. adya bhuktva devadatiö doyahe oder 
doyahad bhökta nachdem D. heut gegessen hat, wird er in zwei 
Tagen essen, shasthö 'yam igvasah kröße oder krößal lak$yam 
vidhyati der hier stehende Pfeilschütze trifft in einer Entfernung 
von einem Krosa das Ziel (in der älteren Sprache nicht belegt). 
Endlich steht der Abl. in Verbindung mit Adjektiven und 
zwar a) dem Komparativ. Darüber belehrt folgende Regel. 
“Im Lok. oder Gen. steht dasjenige, aus oder unter dem 
etwas hervorgehoben wird. Ist das Hervorgehobene vom An- 
deren verschieden (nicht in ihm enthalten), so steht dieses im 





$ 60—62.) Kap. III. Lok. Nom. und Vok. nach Pänini. 179 


Ablativ”. b) In Verbindung mit Wörtern in der Bedeutung von 
düra fern und antıka nahe steht der Abl. oder Gen. c) Der 
Abl. steht in Verbindung mit anya, arad, ttara, rte, einem Rich- 
tungsworte, einem auf aäc ausgehenden Worte und einem auf 
ö oder aAs auslautenden Adverbium. 


$ 61. Der Lokalıs. Er dient zur Bezeichnung des 
adlakarana. Dass er einen Zwischenraum, räumlich oder zeitlich, 
ausdrücken kann, ist bei dem Ablatıv bemerkt worden. Im 
Lok. oder Gen. steht dasjenige, aus oder unter dem etwas 
hervorgehoben wird. Der Lok. oder Gen. steht bei den Wör- 
tern für Herr wie svamin, iSvara, desgleichen bei zyukta und 
kusala geschickt, wenn ein Obliegen gemeint ist. (äyukta nicht 
belegt.) Der Lok. oder Instr. steht bei prasitu und utsuka besorgt 
für etwas (vgl. $ 58), der Lok. bei sädhu und nipuna, wenn es 
ach um Ehrerbietung handelt, vorausgesetzt, dass sie nicht mit 
prati verbunden werden, z. B. mätars sadhuh gut gegen die 
Mutter (bei sadhu in der späteren Sprache belegt, nipuna in 
dieser Bedeutung nicht). Endlich werden noch die absoluten 
Lokale erwähnt durch die Regel: auch dasjenige steht im 
Lokalıs, durch dessen Sein ein anderes Sein näher gekenn- 
zeichnet wird. 


$ 62. Der Nominativ und Vokativ. Nom. und Vok. 
fallen nicht unter die sechs Begriffe. Der Nominativ steht, 
wenn nichts anderes ausgedrückt werden soll, als die Bedeu- 
tung des Nominalstammes, das Geschlecht, das Mass !) oder der 
Numerus. Da demnach der Nom. nicht als Subjektskasus auf- 
gefasst wird (wovon später), sondern, wie wir sagen würden, als 
Stamm, so ist der Vokatıv von ihm nur dadurch unterschieden, 
dass er beim Rufen gebraucht wird. Ein solcher Nominativ 
heisst amantrıta. Im Singular aber, wo er meist eine beson- 
dere Form hat (oder, nach indischer Art ausgedrückt, wo die 
Endung abfällt), heisst er mit einem Synonymum sambuddht. 


1) Dabei ist an Verbindungen wie dröono vrihth ein Drona Reis ge- 
dacht, welche freilich in der Literatur nicht vorliegen (vgl. Böhtlingk, 
ZDMG 41, 179). 

12° 


180 Kap. III. Der Genitiv nach Pänini. [$ 63. 


8 63. Der Genitiv steht in allen noch übrigen Fällen. 
An diese Definition schliesst sich, als ob sie eine positive wäre, 
die Angabe, bei welchen sonstigen Stammbegriffen der Genitiv 
betheiligt ist. Er erscheint als Objekt (karman) bei einer Reihe 
von Verben (2, 3, 52 ff). Belegt sind davon die Verba in 
der Bedeutung von adhi-i gedenken, i3 herrschen, day Mitleid 
haben (das letzte wenigstens in der späteren Sprache, während 
ın der älteren Zeit der Akk. erscheint); ämayati es geht schlecht 
und ähnliche Verba (vgl. SF. 5, 5); pra-i$ und dr&, bei denen 
die Spende im Genitiv steht, wenn sie einer Gottheit darge- 
bracht wird (vgl. SF. 5, 161). Sowohl den Agens (kartar) als 
das Objekt bezeichnet der Gen. in Verbindung mit einem Ver- 
balnomen oder, wie wir sagen würden, bei einem Verbalnomen 
kann der Gen. subjektiv und objektiv sein, z. B. dhavatah 
$ayıka dein (des Herrn) Ruhen, puram bhatta der Zerstörer 
der Städte. Wenn Agens und Objekt zugleich genannt wer- 
den, der Gen. also beide bezeichnen könnte, bezeichnet 
er das Objekt, z. B. röcate me Odanasya bhöyanam devadatiena 
mir gefällt das Verzehren der Musspeise durch Devadatta. Als 
kartar erscheint der Gen. auch in Verbindung mit einem Par- 
tizip auf ia in gegenwärtiger Bedeutung, z. B. rayfham püjıtah 
von den Königen geehrt, desgleichen, wenn das Partizip den 
Ort, wo etwas vorgegangen ist, bezeichnet, z. B. idam efam 
asıtam hier haben sie gesessen. In Verbindung mit einem 
Part. fut. pass. kann der Gen. oder Instr. den Agens be- 
zeichnen, z. B. bhavatah oder bhavatü kafah kartavyah von dir 
ıst die Matte zu machen. Das Werkzeug (karana) bezeichnet 
der Gen. bei JRä, wenn es nicht die Bedeutung kennen, er- 
kennen hat (unbelegt), und bei As opfern im Veda, z. B. ghrtena 
oder gAhrtasya yajate (vgl. SF. 5, 160). Im Sinne von adhıkarana 
(der Kategorie des Lokalis) steht der Gen. in Verbindung mit 
einem Adverb in der Bedeutung von krtvas mal, z. B. pafica- 
krtvo 'hno bhurkte dvir ahno ’dhite fünfmal am Tage isst er, 
zweimal studiert er. Wie der Instr. kann der Gen. angewendet 
werden bei dem Begriffe %Aetu Ursache, nämlich dann, wenn 
das Wort hetu selbst gebraucht wird, z. B. annasya hetör vasatı 





$63-65.]) Kap. II. Beurtheilung der indischen Lehren. Ablativ. 181 


der Speise wegen bleibt er. Ferner konkurriert er mit dem 
Instr. bei den Adjektiven von der Bedeutung ‘ähnlich’, bei 
den Wörtern in der Bedeutung von düra und antıka mit dem 
Ablativ, bei äyusya u. s. w. mit dem Dativ. Überhaupt soll 
er im Veda häufig an Stelle des Datıvs stehen. Endlich kann 
statt des absoluten Lok. der absol. Gen. stehen, wenn Gering- 
schätzung ausgedrückt wird, z. B. rudatah prävräjit er ging 
von ihm weg, obgleich jener weinte. 

$ 64. Beurtheilung derindischen Lehren. Soweit die 
Lehren der indischen Grammatik. Wir tadeln an ihnen heute, 
dass sie den Genitiv nur negativ definieren, gestehen aber dabei 
zu, dass wir nicht im Stande sind, einen einheitlichen Grund- 
begriff für diesen Kasus aufzustellen. Sodann nehmen wir 
daran Anstoss, dass der Nominativ nicht als Subjektskasus auf- 
gefasst ist. Das ist natürlich nicht aus Unüberlegtheit ge- 
schehen, sondern weil aie Inder den Agens in dem Suffix der 
dritten Person des Verbums finden, so gut wie in der ersten 
und zweiten. Wir legen uns die Sache jetzt so zurecht, dass 
wir sagen, die dritte Person habe eigentlich kein Suffix ver- 
dient, da ihr Subjekt ja die immer wechselnden hinzutretenden 
Nominative bilden, habe aber in Anlehnung an die erste und 
zweite Person doch eines erhalten (vgl. Paul, Prinzipien 2, 260 f.). 
Mit der richtigeren Auffassung des Nominativs gewinnen wir 
denn auch eine richtigere Auffassung des Vokativs. Im all- 
gemeinen tadeln wir, dass der Versuch, einheitliche Grund- 
begriffe für die Kasus aufzustellen, nicht weıter getrieben 
worden ist. Wie weit wir in dieser Beziehung über unsere 
indischen Vorgänger hinausgekommen sind, mag die folgende 
Ausführung über die Grundbegriffe der Kasus lehren. Ich folge 
bei derselben der Übersichtlichkeit wegen der von mir auch 
sonst gewählten Reihenfolge: Ablativ, Lokalıs, Instrumentalis, 
Dativ, Genitiv, Akkusativ, Nominativ, Vokativ. 


B. Erörterung der Grundbegriffe. 


665. Der Ablativ. Ich schliesse mich der jetzt herr- 
schenden wohlbegründeten Ansicht an, wonach der Abl. 


182 Kap. IIL Grundbegriff des Ablativ und Lokalis. [$ 65—66. 


ursprünglich nur den Pronominibus zukam und von ihnen auf 
einen Theil der Nomina übertragen wurde. Aber auch die 
Pronomina hatten eine eigene Form für den Abl. nur ım Sın- 
gular, im Plural (vom Dual soll hier wegen seiner mangel- 
haften Kasusausbildung nicht die Rede sein) fiel der Abl. mit 
dem Dativ zusammen und dieser Zustand setzte sich bei den 
Nomina fort. Gaedicke, dessen hervorragende Schrift über 
den Akkusativ im Veda ich an dieser Stelle besonders heran- 
ziehe, hat aus diesem Thatbestand (S. 144, Anm.) folgenden 
Schluss gezogen: “Das Zusammenfallen des Dativs und Ablativs 
im Plural wird darauf schliessen lassen, dass das Ablativische 
des Ablativs ursprünglich nur an Einzeldingen gefunden werden 
konnte.” Mit dieser Meinung stimmt auch die Formenstatistik 
des Rigveda. Unter den 29 Stellen, an welchen die Formen 
ebhyas (ebhyas), abhyas, töbhyas, täbhyas, yebhyas, yabhıyas vor- 
kommen, finden sich nur 4 mit ablativischem Gebrauch und 
auf dem nominalen Gebiet 124 Stellen des Abl. plur. gegen 
923 des Abl. Sing. (vgl. über die letztere Thatsache Lanman, 
noun-infl. 583). Demnach wird die Sache so gewesen sein, 
dass man nur bei singularischem Ausdruck ein Bedürfnis nach 
dem Ablativ empfand. Wollte man einmal dasselbe Verhältnis 
auch an einem Plural zum Ausdruck bringen, so verwendete 
man dafür eine bereits vorhandene, gewöhnlich durch einen 
anderen Kasus in Beschlag genommene Form (s. S. 190 unter 
Synkretismus). Somit muss man die Beschränkung auf den 
Singular mit in die Beschreibung des ältesten Gebrauches auf- 
nehmen und sagen, dass ursprünglich in den Ablativ derjenige 
als Einheit angeschaute Substantivbegriff trat, von dem her 
die Handlung des Verbums erfolgte, oder anders ausgedrückt: 
der Ausgangspunkt der Handlung. Es ist einleuchtend, dass 
der hiermit aufgestellte Grundbegriff mit dem apädana der 
Inder übereinstimmt und dass sich alle Gebrauchstypen des 
Abl. leicht auf ihn zurückführen lassen. 

$ 66. Der Lokalis. Nach den indischen Grammatikern 
tritt ın den Lokalis der Behälter einer Thätigkeit, und etwa 
dasselbe will es bedeuten, wenn Gaedicke S. 25 sagt: der 


566.) Kap. III. Grundbegriff des Lokalis. 183 


Substantivbegriff trete in den Lokalis, wenn der Verbalbegriff ın 
oder bei ihm sich vollzog. Ich hatte früher neben «ir» und bei 
auch ar und auf zur Kennzeichnung des Lokativbegriffes ver- 
wendet. Ich bin aber jetzt geneigt, einer späteren (S. 133) 
Ausführung von Gaedicke beizutreten, wonach der ursprüng- 
liche Begriff des Lok. nur der von :n, innerhalb eines Raumes 
war. Mir scheint für diese Auffassung namentlich der Umstand 
zu sprechen, dass in der alten Zeit nur sehr selten einzelne Per- 
sonen in den Lok. treten (was doch merkwürdig wäre, wenn der 
Lok. von Anfang an auch an Stelle unseres bei, neben u. Ss. w. 
gestanden hätte), während mehrere Personen (eine Menge, in- 
nerhalb deren etwas geschieht) oft ım Lok. erscheinen. Sodann 
erklärt sich unter dieser Voraussetzung gut der temporale Ge- 
brauch des Lok., hinsichtlich dessen Gaedicke S. 179 treffend 
sagt: Der Akkusativ von Zeitbegriffen besagt, dass der Vor- 
gang während ihrer Dauer, der Genitiv, dass er während eines 
Theils derselben, der Lokativ, dass er zwischen ıhren 
Grenzen, der Instrumental, dass er mit ihrem Eintritt und 
Verlauf stattfindet. (Man vergleiche auch seine weitere Aus- 
führung.) Auch wird man Gaedicke wohl zugeben, dass unter 
dieser Voraussetzung sich das Fehlen der Präposition ix in den 
arıschen Sprachen gut erklärt. Denn das Bedürfnis danach 
war und blieb in diesen Sprachen durch den Lokalıs gedeckt. 
Wie sich dieser ursprüngliche Begriff des Lok. ausgedehnt hat 
[eine Bewegung die jedenfalls schon in der Ursprache begonnen 
hat}, beschreibt Gaedicke in folgenden Worten: “Zu dem “inner- 
halb des Raumes’ war das ‘innerhalb der Fläche’ hinzugetreten, 
das auch durch “an, auf‘, den Akk. bestimmt werden kann, ferner 
das “innerhalb der Zeit’ und das der Handlung (vgl. unser 'in- 
dem’) und aus dem “innerhalb der Grenzen’ eines Gegenstandes 
war ‘innerhalb der Sphäre’ desselben, der wirklichen wie der 
ideellen, geworden. Bei dieser verallgemeinerten Bedeutung 
des Lokativs konnten sich eben Präpositionen einfinden und 
diese trugen weiter dazu bei, ihn zum allgemeinen Lokalis 
zu machen.” (133 Anm.) 


184 Kap. III. Grundbegriff des Instr., Dat. [$ 67—68. 


8 67. Der Instrumentalis.!) Zu den Ausführungen der 
indischen Grammatiker ist zu bemerken, dass der Instr. bei dem 
Passivum den ursprünglichen Gebrauch nicht vorstellt, und zwar 
darum nicht, weil, wie wir jetzt mit gutem Grunde annehmen, 
der passivische Ausdruck sich im wesentlichen erst in den 
Einzelsprachen entwickelt hat. Es fällt also für uns der Begriff 
kartar hinweg und bleibt karana Werkzeug übrig. Aber hier- 
aus lässt sich der der Begleitung (z. B. adıtyai rudrair vdsubhir 
na & gahi mit den Aditya, Rudra, Vasu komm zu uns RV. 10, 
150, 1) und der der Ausdehnung über Raum und Zeit nicht 
wohl ableiten. Man findet aber den Generalnenner auch für 
diese Bruchtheile des Gebrauchs, wenn man bedenkt, dass viele 
Vorgänge im Leben so beschaffen sind, dass zusammen mit dem 
Hauptträger der Handlung noch ein anderer Substantivbegriff 
engagiert erscheint. Dieser zweite Begriff tritt in den Instr. 
Man kann also sagen: In den Instr. trat derjenige Substantiv- 
begriff, mit dem zusammen der Träger der Handlung diese voll- 
zog.2) Gewöhnlich wurde dieser zweite Begriff als Begleiter 
oder Werkzeug gedacht. Dass er auch als Zeit oder Raum er- 
scheint, ist uns auffällig, stimmt aber durchaus zu der That- 
sache, dass der Instr. in diesem Falle die ununterbrochene 
Verbindung der Handlung mit einer gewissen Zeitdauer oder 
Raumstrecke ausdrückt. 

8668. Der Dativ. Nach Gaedicke trat in den Dativ der- 
jenige Substantivbegriff, dem der Verbalbegriff galt oder nach 
dem er sich hinneigte. In dem Ausdruck gelten spiegelt sich 
die geläufige grammatische Tradition, der auch das indische 
sampradäna entspricht, in dem Ausdruck Ainneigen eine loka- 


1) Schleicher hat die Meinung aufgestellt, dass es im Idg. zwei In- 
strumentale gegeben habe, einen auf @ und einen auf bhi. Ob es so war, 
wissen wir nicht und noch viel weniger, ob und welche Bedeutungsver- 
schiedenheit etwa zwischen den beiden Formen obgewaltet habe. Es ist 
uns ja auch völlig unklar, weshalb die Kasus in den verschiedenen Numeri 
so verschieden aussehen. 

2) Nach Gaedicke S. 25 müsste ich noch hinzufügen ‘erlitt. Man wird 
mir erlauben, das Vollziehen einer Handlung im weitesten Sinne zu ver- 
stehen. 





$ 63-69.) Kap. III. Grundbegriff des Genitivs. 185 


hstische Anschauung, der ich früher huldigte. Ich habe K2. 
18, 100ff. ausgeführt, dass die Grundbedeutung des Dativs sei: 
die körperliche Neigung nach etwas hin, und habe deutlich zu 
machen gesucht, wie dieser Kasus oder eigentlich die in ıhm 
enthaltene Präposition wohl in der Urzeit entstanden sein 
möchte. Da ich jetzt ein entschiedenes Misstrauen gegen glotto- 
gonische Hypothesen hege und nicht mehr glaube, dass sich aus 
den Kasus Präpositionen loslösen lassen, so fällt diese Darlegung 
jetst für mich nicht mehr in’s Gewicht. Auch von einer all- 
gemeinen Vorliebe für lokalistisch gefärbte Erklärungen, die 
ich damals wohl hatte, weiss ich mich jetzt frei und ich sehe 
mich daher jetzt bei der Entscheidung zwischen den beiden 
Möglichkeiten der Auffassung lediglich auf eine Befragung der 
Überlieferung angewiesen. Diese aber scheint mir für die 
geistige Auffassung zu entscheiden. Es spricht für sie der Um- 
sand, dass in den Dativ ganz überwiegend Personen treten, 
was gewiss nicht der Fall sein würde, wenn der Dativ ein Ziel- 
kasus wäre. Insbesondere erscheint bei ‘gehen’ und ähnlichen 
Verben, wie & 136 gezeigt werden wird, im Veda nicht irgend 
ein ruhender Theil des Raumes, sondern eine Person im Datıv, 
die nicht eigentlich als Ziel gedacht sein wird. Ich glaube 
also, wie dort ausgeführt werden wird, dass die Worte des Veda 
pra vignave Sugdm &tu mänma zu übersetzen sind: dem Vishnu 
zu Ehren schreite das kräftige Lied vor. Dabei wird nicht 
geleugnet, dass im spätern Sanskrit und sonst in indischen 
Dialekten wirkliche Zieldative vorkommen, wie z. B. gramäaya 
gachati. Sie haben sich aus dem nicht-lokalen Grundbegriff. 
des Dativs ebenso entwickelt wie der Akkusativ des Zieles 
aus dem ganz allgemeinen, nicht lokalen Grundbegriff des 
Akkusatıvs. 

$69. Der Genitiv. Über den Gen. sing. der o-Stämme 
äussert sich A. Kuhn KZ. 15, 311 in einer Besprechung von 
Schleicher’s Kompendium wie folgt: “Eine sehr ansprechende 
Vermuthung, dass nämlich der Genitiv als ein undeklinierbar 
gewordenes Adjektiv mit der-Bedeutung des Besitzes anzu- 
sehen sei, hatte zuerst Höfer, zur Lautlehre S. 92 ausgesprochen, 


186 Kap. III. Grundbegriff des Genitivs. '8 69. 


indem er ot0 = 0010-5 —= asya-s setzte und, wenn auch nicht mit 
diesen Worten, aussprach, dass Wörter wie amasıus Önpdsıos 
vayasyas eigentlich Genitive in adjektivischer Form seien. Den- 
selben Gedanken hat neuerdings Max Müller, science of lang. 
I, 106, ohne, wie es scheint, Höfer’s Vorgang zu kennen, aus- 
gesprochen. Er brachte zugleich treffende Analoga aus dem 
Tibetanischen, Garo und Hindustäni bei.” Diese Meinung hat 
viel Anklang gefunden, steht aber auf schwachen Füssen. Dass 
önpdscros aus "Önuorttos entstanden ist, braucht jetzt nicht mehr 
bewiesen zu werden; ai. vayasyd in gleichem Alter stehend 
enthält nicht ein Suffix sya, sondern ya, da es von vdyas ab- 
zuleiten ist; amasıus weiss ich nicht zu erklären, aber schwer- 
lich dürfte dieses Wort, und was sich ihm etwa an die Seite 
stellen lässt, ausreichen, um wahrscheinlich zu machen, dass in 
uralter Zeit ein sekundäre Adjektiva bildendes Suffix sys be- 
standen habe. Und selbst wenn man dies glauben wollte, so 
wäre doch immer nur für den Gen. sing. der o-Stämme, nicht 
der übrigen Stämme, und nicht für den Gen. plur. eine An- 
lehnung gefunden. Somit bleibt für die Vermuthung nichts 
übrig, als dass sie ‘ansprechend’ ist. Ich leugne das nicht, bitte 
aber doch auch folgendes zu erwägen. Sekundärbildungen sind 
alle Kasus, nicht bloss der Genitiv, wenigstens in den Augen 
desjenigen, der der Ansicht ist, dass die Kasus irgendwie aus 
dem Stamm herzuleiten sind. Als ein Adjektivum bezeichnen 
wir den Genitiv wegen seines adnominalen Gebrauchs. Aber 
es giebt ja auch einen adnominalen Dativ, der der allgemeinen 
Ansicht nach durch eine Verschiebung in den Satzverhältnissen 
entstanden ist. Wie nun, wenn der adnominale Genitiv durch 
eine ähnliche, nur viel ältere Verschiebung entstanden wäre? 
Man sieht, dass auch eine andere Auffassung möglich ist, und 
wird mir, wie ich denke, zugeben, dass durch allgemeine Er- 
wägungen für unsere Frage nichts zu gewinnen ist. Auch die 
Betrachtung der Überlieferung führt nicht zur Aufstellung eines 
einheitlichen Grundbegriffs. Wir erblicken einen adverbalen 
und einen adnominalen Gebrauch. Welcher der ältere ist, lässt 
sich nicht beurtheilen. Somit bleibt nur übrig, jeden von beiden 


$ 69— 70.) Kap. IH. Grundbegriff des Akkusativs. 


—— nn 


187 


besonders zu definieren. Für den adverbalen Gebrauch mag 
die Definition von Gaedicke empfohlen werden, wonach der Sub- 
stantivbegriff dann in den Genitiv tritt, wenn der Verbalbegriff 
nicht auf seinen vollen Umfang bezogen werden sollte. Das 
sagt ungefähr dasselbe wie die Grimm’sche Formel: “Der Akk. 
zeigt die vollste entschiedenste Bewältigung eines Gegenstandes 
durch den im Verbo des Satzsubjekts enthaltenen Begriff; ge- 
ringere Objektivisierung liegt in dem Gen., die thätige Kraft wırd 
dabei gleichsam nur versucht und angehoben, nicht erschöpft” 
(4, 646). Dass es sich hierbei um eine durchaus primitive An- 
schauung handelt, wolle man sich an einem Gegensatz wie 
das Wasser trinken und des Wassers trinken deutlich machen. 
Hinsichtlich des adnominalen Theiles des Genitivs verweise ich 
auf das $ 163 gesagte. 

$70. Der Akkusativ. Man hat sich längst überzeugt, 
dass es nicht möglich ist, aus dem Akkusativ des Objekts oder 
des Ziels oder sonst einem Einzelgebrauch sämmtliche Gebrauchs- 
weisen des Akk. abzuleiten. Und da es nun auch unmöglich 
schien, einen hinreichend weiten positiven Rahmen aufzustellen, 
in dem alle Gebrauchstypen neben einander stehen können, so 
hat Gaedicke es für richtig gefunden, sich zu dem Akk. so zu 
stellen, wie die indischen Grammatiker zum Genitiv. Er wird 
nach ihm $e$e gebraucht, d. h. in allen denjenigen Fällen, 
welche durch die übrigen Kasus nicht gedeckt sind. Ich habe 
mich ihm in meiner altindischen Syntax angeschlossen und 
noch die Betrachtung hinzugefügt, dass der Akkusativ in der 
regelmässigen Woörtstellung seinen Platz unmittelbar vor dem 
Verbum hat, so dass also, wenn mehrere Kasus, z. B. auch noch 
ein Dativ, vorhanden sind, die regelrechte Wortfolge die sein 
würde: Nominativ, Dativ, Akkusativ, Verbum. Mit Verwerthung 
dieser Beobachtung könnte man sagen: in den Akkusativ tritt 
derjenige Substantivbegriff, welcher von dem Verbalbegriff am 
nächsten und vollständigsten betroffen wird. In dieser Fassung 
liegt zugleich ein Gegensatz gegen andere Kasus angedeutet, 
und zwar in betroffen der Gegensatz gegen den Nominativ, in 
nächst gegen den Dativ, in vollständigst gegen den Genitiv. 


188 Der Nominativ. Der Vokativ und Schlußbetrachtung. [$ 70—72. 











Wem dieser Grandbegriff zu schattenhaft erscheint, wird auf 
die Aufstellung eines einheitlichen Grundbegriffes verzichten 
und sich mit der Aufzählung der als indogermanisch erkannten 
Gebrauchstypen begnügen müssen — ein Standpunkt, gegen den 
ich keine erhebliche Einwendung zu machen habe. 

$ 71. Der Nominativ. In ihn trat ursprünglich jeden- 
falls der als thätig gedachte den Träger oder Mittelpunkt der 
Handlung bildende Substantivbegriff. Erst nachdem sich der 
passivische Ausdruck entwickelt hatte, konnte der Nom. auch 
zum leidenden Mittelpunkte der Handlung werden und erst auf 
dieses Stadium passt daher die Erklärung, dass der Nominativ 
den Gegenstand der Aussage, das grammatische Subjekt be- 
zeichnet. | 

$ 72. Der Vokativ und Schlussbetrachtung. Der Vok. 
bildet kein Glied des Satzes, sondern wird ıhm als ein stets eine 
gewisse Selbständigkeit behaltender Theil an- oder eingefügt. 
Die Stoiker hatten also so Unrecht nicht, wenn sie ihn als 
Satz bezeichneten. 

Blicken wir zurück, so finden wir, dass durch dıe Kasus 
die Verhältnisse ausgedrückt werden, in welchen der Sub- 
stantivbegriff zu dem Verbalbegriff steht. Er kann der Träger 
oder Mittelpunkt der Handlung sein (Nominativ) oder von ihr 
betroffen werden, und zwar entweder nahe und ganz (Akku- 
sativ) oder theilweise (Genitiv) oder so, dass die Handlung mit 
Hinblick und Rücksicht auf den Substantivbegriff geschieht 
(Dativ). Ferner kann der Substantivbegriff bei der von dem 
Träger vollzogenen Handlung eine begleitende, helfende, die- 
nende Stellung einnehmen (Instrumentalis). Endlich kann er 
den Punkt angeben, von dem aus die Handlung erfolgt /Ab- 
latıv), oder den Ort, innerhalb dessen sie sich abspielt (Loka- 
lıs!. Das Ziel, dem die Handlung zustrebt, wurde also ursprüng- 
“ lieh durch Kasus nicht bezeichnet, entwickelte sich aber am 
Akkusativ und Dativ, und zwar sicher bei dem Akkusativ, 
vielleicht auch bei dem Dativ, bereits in der Zeit der Sprach- 
gemeinschaft. 





$ 73.) Kap. II. Synkretismus. Indogermanische Ursprache. 189 


u. 
Synkretismus. 


Hier sollen diejenigen Erscheinungen besprochen werden 
welche zu einer Vereinfachung des indogermanischen Kasus- 
systems in den Einzelsprachen geführt haben. Da es an die- 
ser Stelle auf das System des Kasus, nicht auf die Geschichte 
des einzelnen Kasus abgesehen ist, so wird die Eintheilung 
nicht von den Kasus, sondern von den Sprachen hergenommen. 

$73. Indogermanische Ursprache. Es ist sicher, dass 
in der Urzeit ein Vokativ nur im Singular, und auch hier 
nieht bei allen Stämmen vorhanden war, im Dual und Plural 
aber mit dem Nominativ der Form nach zusammenfiel. 
Man wird sich das so zu erklären haben. Da der Vokativ 
nichts ist als die Stammform, so wurde er ohne Rücksicht auf 
die Numeri gebraucht. Es stand also die Form, welche später 
auf den Singular beschränkt war, auch dann, wenn mehrere 
Personen gemeint waren. Als man dann ein Bedürfnis nach 
Bezeichnung der Zahl auch in diesem Falle empfand, schlug 
man die Stammform zum Singular, im Dual und Plural aber ver- 
wendete man den Nominativ, welcher dem Vokativ dem Sinne 
nach am nächsten stand. Denn der Nom. wird ja oft so ge- 
braucht, wie ihn die indischen Grammatiker beschreiben, 2. B. 
in der Antwort auf die Frage ‘wer oder was ist das‘. 

Sodann ist sicher, dass im Neutrum der Nominativ mit 
dem Akkusativ zusammenfiel. Das Neutrum, welches ım all- 
gemeinen Personen nicht bezeichnete, war nicht geeignet, den 
thätigen Träger oder Mittelpunkt einer Handlung zu bilden. 
Es wird daher ursprünglich als Nominativ nicht vorgekommen 
sein. Es konnte aber auch in dieser Funktion verwendet 
werden, nachdem der Nominativ immer mehr zum Kasus des 
grammatischen Subjekts geworden war. In den Einzelsprachen 
trug dann die Ausbildung der Passivkonstruktion viel dazu 
bei, in der Phantasie der Sprechenden die Empfindung zu be- 
festigen, dass der Nom. und Akk. in einem Austauschverhält- 
nis zu einander stehen. 


190 Kap. III. Synkretismus in der Ursprache. 18 73. 





Von dem Ablativ ist schon oben $ 65 behauptet worden, 
dass er ursprünglich nur dem Pronomen, und auch dort nur dem 
Singular angehörte, dass man sich, wenn etwa ein Bedürfnis nach 
ablatıvischem Ausdruck ım Plural auftauchte, an die Form des 
Dativs wandte und dass dieser Zustand sich bei den Nomina 
fortsetzte. Über den Grund, weshalb der Dativ gewählt wurde, 
hat sich Lanman noun-inflection S. 583 geäussert. Er theilt dort 
zunächst die Beobachtung mit, dass ım Rigveda der Nom., Akk. 
und Vok. zusammen 67645 mal erscheinen, der Instr. 7647 
mal, der Gen. 6985 mal, der Lok. 5458 mal, der Dat. 4480 
mal, der Abl. 1062 mal und fährt dann fort: In the whole 
Rik text, there are only about 124 instances ın which there 
is occasion for expressing the ablative plural relation. It ıs 
therefore in perfect accordance with the principle of Iin- 
guistic economy that there should be no separate form devoted 
exclusively as it were to the expression of this relation. And 
in fact it is made to depend for its expression upon the case- 
form of the dative, which — be ıt observed — ıs next to the 
ablatıve, itself the most infrequent of all cases. Ich muss doch 
gestehen, dass die Berufung auf das Prinzip der Arbeits- 
ersparung nicht ausreicht, um mir anschaulich zu machen, 
warum die Sprechenden sich gerade an den Dativ wendeten. 
Einen anderen Weg schlägt Gaedicke, Akkusativ im Veda 
144 A. ein. Er nimmt an, dass die Übertragung auf den Dativ 
durch Berührungen der Bedeutung vermittelt sei. Was er da- 
für anführt, scheint mir allerdings nicht stichhaltig, aber sonst 
findet eine solche Berührung in der That statt, so wenn 
ai. a-vraSc mit dem Dativ verbunden wird, z. B. tena tasmäi 
nävrScat& so (indem er eine Opfergabe darbringt) wendet er sich 
von Agnı nicht ab MS 1, 6, 5 (93, 18). Eigentlich: er wendet 
sich ihm gegenüber nicht ab, es ist aber praktisch dasselbe, 
als ob der Ablativ dastünde (vgl. auch »i-ha zurückweichen 
vor mit dem Dativ). Ähnlich im Slavischen (Miklosich 4, 586), 
z. B. aksl. sudu ubezati judicium effugere; iskupiti se kesaru, 
dlügu sich dem Kaiser gegenüber, einer Schuld gegenüber (also 
praktisch: von einer Schuld) loskaufen. Ich bin also geneigt 





$ 73.] Kap. UI. Spmkretismus in der Ursprache. 191 


Gaedicke beizustimmen, bitte aber nicht aus dem Auge zu 
verlieren, dass ein festes Verhältnis zwischen Ablatıv und Da- 
tivsich nur schwer ausbilden konnte, weil der Abl. plur. eben 
kaum vorkam. So erklärt sich denn auch die Thatsache, dass 
der Ablativ im Singular auf dem nominalen Gebiet seine be- 
sonderen Wege ging. Im Singular empfing nur die o-Dekli- 
nation den Ablativ von den ebenfalls auf o ausgehenden Pro- 
nomina. Da diese Deklination durch zahlreiche und häufig 
gebrauchte Wörter vertreten ist, so setzte sich im Sprachgefühl 
die Kategorie des Ablativs fest. Eine Form aber fand sie bei 
den übrigen Stämmen nicht, sondern die nun erworbene Ka- 
tegorie wurde durch den Genitiv mit vertreten, und zwar 
scheint gerade dieser Kasus sich eingestellt zu haben, weil der 
Genitiv und der neu hinzugekommene Ablativ sich in ihrem 
Gebrauch vielfach berührten, so namentlich bei dem sog. Gen. 
originis, $ 84, des Stoffes, $85 und $ 165, neben den Ver- 
ben der Gemüthsbewegung, $ 89, bei den Adjektiven wie voll 
einerseits und leer andererseits, $ 172. Wem etwa diese Aus- 
führung über den Ablativ zu hypothetisch erscheint, der möge ein- 
fach die sicher erschliessbare Thatsache festhalten, dass der Ablatıv 
sämmtlicher Pronomina und Nomina im Plural mit dem Datıv, 
bei den Nomina aber, welche nicht den o-Stämmen angehören, 
im Singular mit dem Genitiv der Form nach zusammenfiel. 
Ausser den besprochenen Fällen wären noch ähnliche Vor- 
gänge zu erwähnen, welche sich auf die Kasus einzelner 
Stammklassen beziehen. So ist wohl nicht daran zu zwei- 
feln, dass der Dativ und Lokalıs der #-Stämme formell zu- 
sammenfielen (Brugmann 2, 618). Zweifelhaft ist mir, was 
von Bartholomae und Brugmann über gewisse Formen auf % 
gelehrt wird. Formen dieser Art (eigentlich Instrumentale) 
werden im Veda auch dativisch gebraucht, z. B. ati, ebenso 
nach Bartholomae in Bezzenberger’s Beitr. 15, 254 einige auf td ım 
Avestischen. Bartholomae schliesst daraus auf dativischen Ge- 
brauch dieser Formen in der arischen Periode und Brugmann 
2, 602 verlegt denselben in die Urzeit. Ich hege Zweifel, weil 
uf und Genossen zu denjenigen verstümmelten Formen gehören, 


192 Kap. III. Synkretismus im Arischen. 8 73—75. 


welche im Rigveda nicht selten am Ende einer metrischen 
Reihe erscheinen und welche ihre Entstehung vielleicht dem 
Zwang des Metrums verdanken. Ich weiss wohl, dass diese 
Vorstellung von der Kraft des Metrums als reaktionär gilt, 
erlaube mir aber anf meine Andeutungen in den Göttinger 
Gel. Anz. 1881 S. 398 zu verweisen. 

$ 74. Altıindisch. 

Im Altindischen ist der indogermanische Zustand fort- 
geführt worden. Ich erwähne dasselbe hier auch nur, um auf 
eine merkwürdige Verschiebung innerhalb des Dualis hinzu- 
weisen. Bollensen hat in einem lehrreichen Aufsatz über den 
Dualis ım Rigveda ZDMG. 22, 637 ff. gezeigt, dass ım Rig- 
veda 5s ausser dem Lokalis und Genitiv auch den Ablativ 
bezeichnet, diyam aber den Instr. und Dativ, während später 
der Ablatıiv zu dhyam geschlagen worden ist. Offenbar ist 
in der alten Sprache das Vorbild des singularischen as, in der 
späteren das des pluralischen dAyas wirksam gewesen. Das 
letztere aber hat sich stärker erwiesen, weil in ihm bei allen 
Stammklassen der Dat. und Abl. zusammengefallen sind. 

$ 75. Iranisch. 

Indem ich hinsichtlich mancher Merkwürdigkeiten des 
Avestischen auf die einzelnen Kasus verweise, habe ich hier 
die Thatsache zu erwähnen, dass das Altpersische den Dativ 
in den Genitiv hat aufgehen lassen. Wir vermögen zwei Aus- 
gangspunkte dafür zu erkennen: a) der Dativ hat ein Gebiet 
okkupiert, welches sonst dem Genitiv gehört. Ich denke dabei 
an den sog. adnominalen Dativ (vgl. $ 146), der im Avesti- 
schen stark entwickelt ist und es auch in einem früheren 
Stadium des Altpersischen gewesen sein wird. b) Durch den 
Genitiv wurde etwas ausgedrückt, das sonst dem Dativ zufällt. 
Ich meine den Genitiv in Sätzen wie ai. (vgl. SF. 5, 153) 
tasya ha putro jajhe dessen (s. v. a. dem) wurde ein Sohn ge- 
boren, wo tasya ursprünglich zu putrah gehört, aber vermuthlich 
ım Altindischen ebenso, wie es von uns geschieht, mit dem Ver- 
bum in Beziehung gesetzt wurde; tdd asya sdhasaditsanta dieses 
suchten sie ihm mit Gewalt zu nehmen u. ähnl. Ebenso im 





$ 7576.) Kap. III. Synkretismus im Griechischen. 193 


Avestischen: z. B. kem ida t& zaoprä bavainti yase tava fra- 
barente drvantö sind das deine Opfer, welche deinigen die 
gottlosen darbringen, d. h. welche dir die gottlosen darbringen 
yt. 5, 94; y0 nätrıkayä zwarebrem frabaräp wer eines Weibes 
(d.h. einem Weibe) Speise bringt vd. 16, 5. So entstand der 
Genitiv bei da geben, z. B. yerhe hazanrem yaozstıngm fradabap 
dem er tausend Gaben verlieh yt. 10, 82; bei dis, z. B. y@ apqm 
mazdadatangm srirä pahbo dapsayeinti welche den Gewässern 
ihre schönen Bahnen (eigentlich: die schönen Bahnen der Ge- 
wässer) vorzeichnen yt. 13, 53; bei »1-oid mittheilen und sonst. 
So verwischten sich die Grenzen zwischen den beiden Kasus 
und schliesslich ward der eine überflüssig. Dass sich der Ge- 
nitiv erhielt, lag wohl an seinem umfassenden Gebrauch. Ein 
gleicher oder ähnlicher Prozess hat sich im späteren Sanskrit, 
Palı und Prakrit vollzogen '). 


$ 76. Griechisch. Der Ablativ hatte, wie wir sahen, 
in der Ursprache nur bei den o-Stämmen im Singular eine 
eigene Form. Bei den übrigen Stämmen fiel er mit dem Genitiv, 
im Plural mit dem Dativ, formell zusammen. Im Griechischen 
ist er im Singular völlig in den Genitiv aufgegangen und s0- 
mit als eigener lebendiger Kasus verschwunden. Wie das ge- 
kommen sei, können wir wohl im allgemeinen vermuthen. Wir 
können darauf hinweisen, dass die Anwendungskreise der beiden 
Kasus sich schnitten (s. oben S. 191); ferner können wir uns 
nach Analogie des slavischen Lokalıs (s. unten S. 196) vor- 
stellen, dass die Verbindung mit Präpositionen dazu beigetragen 


i) In der Sprache der Brähmanas, gelegentlich auch im Veda, erscheint 
die Dativform an Stelle der Genitivform im Sing. der ü-, i- und ü-Stämme 
und derjenigen auf ® und «, welche sich nach ihnen gerichtet haben, z. B. 
jayayäi zu jäyd, prihioyai zu prihivi, dhenvät zu dhenü. Es scheint aber 
nicht, dass es sich hierbei um einen syntaktischen Vorgang handelt. Gegen 
diese Annahme spricht, wie A. Kuhn in seinem lehrreichen Aufsatz über 
diese Formen (KZ. 15, 420 ff.) bemerkt, der Umstand, dass -ät nicht bloss im 
Sinne des Genitivs, sondern auch im Sinne des Ablativs erscheint und dass 
es nur bei einer beschränkten Anzahl von Stämmen auftritt. Über den 
wahren Grund der merkwürdigen Erscheinung weiss ich etwas Befriedigen- 
des nicht zu sagen. 

Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm, Sprachen. 1. 13 


194 Kap. III. Synkretismus im Griechischen. [$ 76. 


habe, die Kasusendung entbehrlich zu machen‘), aber über 
den Hergang im einzelnen können wir nichts sagen. Über den 
Abl. plur. s. unten. 


Den Instrumentalis glaubt Meister noch im Kyprischen 
gefunden zu haben. Er sagt darüber Griech. Dial. 2, 295: 
“Instrumentale sind pa, zuywAd infolge des Rufes (des Gelübdes, 
ex voto). Ebenso steht der (soziative) Instrumentalis in alt- 
ererbter Weise von ouv begleitet: oö(v) ruya in Verbindung mit 
einem Glücksfall. Nirgends findet sich das ‘ex voto’ durch 
einen Dativ apaı oder euywiäı ausgedrückt, nirgends bei oüv 
eine Dativform. Das ist beweisend: das Kyprische zeigt uns 
den Instrumentalis noch als lebendigen Kasus aus urgriechi- 
scher Zeit her erhalten.” Indessen O. Hoffmann, die griech. 
Dial. 1, 187, hat gegen diese Auffassung nicht unerhebliche 
Bedenken geltend gemacht. Man wird, so viel ich sehe, nur 
durch neue Funde alterthümlicher Inschriften zu einer Ent- 
scheidung gelangen können. Der Instrumentalis ist im Griech. 
im Sıngular mit dem Dativ zusammengefallen, dem er bei den 
Wörtern der ersten und zweiten Deklination äusserlich und 
dem er auch innerlich nahe stand. Denn er berührt sich mit 
ihm bei den Verben, welche ein Zusammenkommen irgend- 
welcher Art ($ 110), herrschen ($ 111), sich freuen ($ 115), ver- 
trauen ($116), und bei den Adjektiven, welche gleich und ähnlich 
bedeuten ($ 124). Länger als der Ablatıv und Instrumentalis 
hat sich der Lokalis erhalten. Er war dem Dativ wenigstens 
bei den o- und #-Stämmen in der Form sehr ähnlich und floss 
mit ihm derartig zusammen, dass je nach den Dialekten bald 
die Form des Dativs, bald die des Lokalis die Überhand be- 
hielt (vgl. Brugmann 2, 600. Dem Sınne nach berührte er 
sich mit dem Instr. bei den Raum- und Zeitbegriffen, bei sich 
freuen, sich waschen, fahren und sonst (vgl. $ 101). Alle drei 
Kasus trafen zusammen bei den Verbis des Hertschens, der 
Freude, des Vertrauens. Anderer Art waren die Schicksale des 


1) Auf diesen vielfach auftretenden Faktor bei der Verschmelzung von 
Kasus sei hier ein für alle mal hingewiesen. 


$76—78.] Kap. III. Synkretismus im Italischen, Germanischen. 195 


Ablatıvs, Instrumentalis und theilweise auch des Lokalıs im Plural. 
Darüber ist $ 127 bei dem Kasus auf »ıv gesprochen. 

$ 77. Italisch. 

Im Italischen hat sich der Ablativ sing. über das Gebiet 
der o-Stämme hinaus ausgebreitet, wie im Iranischen. Er 
hatte ım Sprachgefühl einen festen Halt. In den Genitiv 
ist er nicht aufgegangen, vıelmehr hat er den Instrumen- 
talis und allmählich auch den Lokalis an sich gezogen. 
Die Verschmelzung mit dem Instr. erfolgte sehr früh, viel- 
leicht schon, ehe die Ausbreitung der Ablativform auf die 
übrigen Stämme sich vollzogen hatte (vgl. Brugmann 2, 593). 
Sie wurde begünstigt durch die formelle Verwandtschaft, denn 
der Abl. endigte bei den o-Stämmen auf öd, 2d, der Instr. auf 
ö, € und dem entsprechend bei den übrigen Stämmen. Ferner 
durch Berührungen des Sinnes, indem die beiden Kasus von 
altersher in dem Begriff Aetu (Ursache) zusammentrafen (vgl. 
oben $ 58 und 60). Der Lokalis verschmolz bei den so einfluss- 
reichen :-Stämmen jedenfalls früh mit dem Instr. Nach Brug- 
mann’s Ansicht 2, 635 fiel er auch bei den konsonantischen 
Stämmen mit ihm zusammen, da beide Formen auf & aus- 
gingen. Auf die Bedeutungsberührungen zwischen dem Instr. 
und Lok. ist bei dem Griechischen hingedeutet worden. 

$ 78. Germanisch. 

Über die germanischen Kasus etwas Genaueres zu sagen, 
ist nicht wohl möglich, weil die Auslautsgesetze unter den 
Händen jedes neuen Bearbeiters immer wieder eine andere 
Gestalt annehmen. Ich beschränke mich deshalb auf Fol- 
gendes. Ein Ablativ als syntaktisches Zentrum ıst im Ger- 
manischen nicht mehr vorhanden. Was im Indogerm. durch 
diesen Kasus ausgedrückt wurde, wird im Germ. bezeichnet 
a) durch den Genitiv (selten im Got., häufiger ın andern Dia- 
lekten), 5) durch den Instrumental !), welcher dann seinerseits 


1) Nach Sievers in Paul und Braune’s Beitr. 8, 324ff. hat der Kasus, 
welchen man im Ags. Instrumental nennt, nicht die Form des alten Instr., 
sondern des alten Lok. Es sei mir die Frage gestattet, ob in ihm nicht 
vielleicht die Fortsetzung eines idg. Instr. auf 2 anzuerkennen sei. 


13* 


196 Kap. IH. Symkretismus im Baltisch-Slarischen. [$ 78-19. 


in den Dativ aufgegangen ist. Der Instrumentalis als Zwischen- 
stufe zwischen dem Ablativ und Dativ ist aber nur noch im 
Westgermanischen erhalten, im Ostgermanischen finden wir 
bereits überall den Dativ. Das Gotische und Nordische stehen 
also in dieser Beziehung auf einer jüngeren Stufe als das Alt- 
hochdeutsche, Altsächsische, Angelsächsische. Wahrscheinlich 
erklärt sich diese Zweitheilung des alten Ablatıv so, dass der 
Ablativ der o-Stämme sich mit dem Instrumentalis vereinigte, 
während bei den übrigen Stämmen sich der indogermanische 
Zustand fortsetzte, wie es auch im Griechischen geschehen ist. 
Dass der Lokalis im Germanischen mit dem Instrumentalis 
und Dativ zusammenfiel, hat ebenfalls im Griechischen seine 
Analogie. Der germanische Zustand unterscheidet sich dem- 
nach von dem griechischen nur dadurch, dass im Germani- 
schen an den Instrumentalis auch ein Theil des Ablativs über- 
gegangen war. 

$ 79. Baltisch-Slavisch. 

Die Form des Genitivs der o-Stämme (z. B. lit. vilko, aksl. 
vlüka) macht uns Schwierigkeiten. Wahrscheinlich ist sie die alte 
Ablatıvform. Es hattesich also im Baltisch-Slavischen eine Ver- 
einigung des alten Ablativs mit dem Gen. vollzogen, wie im 
Griechischen, nur dass im Baltisch-Slavischen bei den o-Stämmen 
sich die Form des Ablativs erhalten hat. Den Instrumentalis 
hat diese Sprachgruppe bewahrt. Lehrreich ist das Schicksal des 
Lokalis. Ich will hier zeigen, wie es gekommen ist, dass der 
Lokalis im Serbischen so gut wie vollständig in den Dativ 
aufgegangen ist. Ich spreche zuerst vom Sıingularıs. Im Aksl. 
lauten der Lok. und Dat. bei den o-Stämmen verschieden, 
z. B. Lok. rabe, aber Dat. rabu; bei den u-Stämmen, z. B. 
synu und synovi; bei fast allen konsonantischen, z. B. cröküve 
neben crükui, kamene neben kament, slovese neben slovesi. 
Dagegen lauten die beiden Kasus gleich bei den #-Stämmen, 
z. B. rybe; bei den i-Stämmen, z. B. pati, kosti; bei den r- 
Stämmen: mater:. Die Gleichheit bei den #- und vielleicht 
auch bei den :-Stämmen rührt aus der Urzeit her, wo der Zu- 
sammenfall sozusagen zufällig erfolgte, insofern er rein auf 


$ 79.) Kap. IIL Synkretismus im Baltisch-Slavischen. 197 


lautlichen Verhältnissen beruhte. Dagegen in mater: liegt ein 
Übergreifen der Dativform auf das Lokativgebiet vor, welches 
sch auch bei den übrigen konsonantischen Stämmen nicht 
selten findet. In den moderneren slavischen Sprachen hat sich 
diese Bewegung derartig fortgesetzt, dass überall die Lokativ- 
form verschwunden und durch die Dativform der konsonan- 
tischen Deklination ersetzt ist, soweit nicht etwa die Formen 
der o-Deklination übergegriffen haben (z. B. russ. Lok. Cude 
neben Dat. Cudu, während die Stammform Cudes lautet). Da- 
gegen bei den o-Stämmen sind die Lokativform und die Dativ- 
form in einigen Sprachen mehr oder minder fest geschieden 
geblieben, im Neuslov. und Serbischen zusammengefallen. 
Demnach hat sich im Serbischen folgender Zustand herausge- 
bildet: 1) o-Stämme: robu, also dıe Dativform dieser Stämme, 
2) #-Stämme: ribi (seit Urzeiten zusammengefallen), 3) ı-Stämme: 
kosti (vielleicht ebenso), 4) r-Stämme: mater: (die Dativform, 
wie schon ım Aksl.), 5) die übrigen konsonantischen Stämme: 
imenu, tijelu, teletu (also die Form der o-Stämme). Mithin 
sind die beiden Kasus überall zusammengefallen, sofern nicht 
der Accent, was bei einigen Substantiven der Fall ıst, einen 
Unterschied begründet (Miklosich 32, 204). Was mögen nun 
die Gründe gewesen sein, weshalb die Form des Dativs (und 
nicht etwa die des Lokalis) überwog? Was die konsonanti- 
schen Stämme betrifft, so weiss ich neben dem allgemeinen 
Grunde, dass sie überhaupt einer starken Einwirkung von 
Seiten der s-Stämme ausgesetzt waren, einen speziellen nicht 
anzugeben. Bei den o-Stämmen spielte offenbar das Verhältnis 
zu den u-Stämmen eine Rolle. Da sich im Slavischen o- und 
u-Stämme früh vermischten (vgl Leskien, Handbuch ? 63) 
so geriethen Lokale auf % unter Formen, die eigentlich 
zu o-Stämmen gehören, z. B. red“ Ordnung, Lok. redu u. a. 
So gab es denn Dative auf « und Lokale auf E und u. 
Kein Wunder, dass die «-Form sich ausbreitete, da ja in der 
ganzen übrigen Deklination die Formen der Lokale und Da- 
tive zusammenfielen. Zu diesen lautlichen Gründen sind aber 
offenbar auch noch andere gekommen. Es scheint, dass die 


198 Kap. III. Schlussbetrachtung über Synkretismus. [$ 79-80. 


Dativendung als Trägerin gewisser Bedeutungen überhaupt 
tiefer im Sprachbewusstsein wurzelte.e Der Lok. kam schon im 
Aksl. fast nur ın Begleitung von Präpositionen vor, welche 
einen wesentlichen Theil der Aufmerksamkeit von der Kasus- 
endung hinweg auf sich zogen. Und ausserdem wurde dem 
Lok. eine starke Konkurrenz von Seiten des Instrumentalis 
bereitet, der die Raum- und Zeitbegriffe allmählich für sich 
in Beschlag nahm. So konnte es kommen, dass der Lokalıs 
als freier Kasus allmählich dem Bewusstsein der Sprechenden 
entschwand. Etwas anders war der Vorgang im Plural. Im 
Plural hat der Lokalıs überall sein charakteristisches cA fest- 
gehalten (z. B. aksl. rabechü, zenachü, synüchü, pqtichü u. S. w.); 
nur ım Serbischen (nicht aber im Kroatischen) haben die drei 
Kasus Dativ, Instrumentalis, Lokalıs die gemeinsame Endung 
ma, %. B. robima (gegen kroat. robom, robs, robih), rıbama 
(gegen kroat. ribam, ribami, ribah) u. s. w. Es scheint mir 
nicht zweifelhaft, dass ma von dem Dat. Instr. des Duals her- 
kommt, wobei ein Grund zur Veränderung die Undeutlichkeit 
des Instr. rods gewesen sein mag (welcher von dem Nom. und 
Akk. nicht verschieden war) und die Duale der Wörter Auge, 
Ohr u. s. w. die Vermittlung gebildet haben werden (vgl. unter 
Dual $ 45). Damit ist freilich erst die Änderung und das Zu- 
sammenfallen des Dat. und Instr. erklärt. Dass der Lok. sich 
dem Dativ zugesellte, dafür wırd das Vorbild des Singulars ent- 
scheidend gewesen sein. 

Ähnliche lehrreiche Beobachtungen lassen sich auch an 
anderen slavischen Sprachen machen. Ich weise noch hin auf 
einen russischen Dialekt des Gouvernements Olonec, wo der 
Lok.-Dat. der #-Stämme aus lautlichen Gründen mit dem 
Genitiv zusammengefallen ist (vgl. Leskien in Kuhn und 
Schleicher’s Beitr. 6, 170). 

$ 80. Schlussbetrachtung. Ich habe nun einige zu- 
sammenfassende Worte über den Synkretismus zu sagen. Es 
muss auffallen, dass nur drei Kasus dem Verschwinden ausge- 
setzt sind und auch in einigen Sprachen völlig verschwinden, 
nämlich Ablativ, Lokalis und Instrumentalis. Das sind die- 


$ 80.] Kap. III. Schlussbetrachtung über Synkretismus. 199 


jenigen, welche durch die Präpositionen 202, ir» und mit bequem 
ersetzt werden können. Danach kann man nicht daran zwei- 
feln, dass die Anwendung der Präpositionen den Untergang 
der Kasus beschleunigen half. Die Aufmerksamkeit war eben 
von den Endungen der Kasus wesentlich auf die Präpositionen 
"übergegangen. Sodann trug zum Verschwinden einzelner Kasus 
der Umstand bei, dass je zwei Kasus sich in ihren Kreisen 
schnitten. Man hat sich den Hergang wohl so zu denken, 
dass einer der zwei Kasus ausschliesslich oder fast ausschliess- 
lich für die Bezeichnung der gemeinsamen Typen verwendet 
wurde, z. B. der Instrumentalis und nicht mehr zugleich der 
Lokalis bei Zeit- und Raumbegriffen. Dadurch verringerte 
ach der Umkreis des anderen Kasus, z. B. des Lokalıs. Er 
blieb nur noch in wenigen Typen in Anwendung, diese iso- 
lierten sich, erstarrten und fielen schliesslich auch gänzlich hın- 
weg, indem sich allmählich auch für sie andere Formen des 
Ausdrucks fanden. Endlich ist sicher, dass auch die formale 
‚Ähnlichkeit zweier Kasus viel zu ihrer Verschmelzung beige- 
tragen hat. So sicher mir nun auch zu sein scheint, dass hier- 
mit einige Gründe des Synkretismus im allgemeinen richtig an- 
gegeben sind, so schwer ist es, sich von einem solchen Vorgang 
(namentlich, wenn es sich um prähistorische Zustände handelt) 
im einzelnen Rechenschaft zu geben. Man muss sich auch in 
dieser Beziehung nicht vermessen wollen, das Gras wachsen 
zu hören. 

Im Griechischen und Germanischen sind nach Wegfall 
der genannten drei Kasus nur diejenigen übrig geblieben, 
welche ein nicht lokal gedachtes Verhältnis zwischen dem 
Verbalbegriff und dem Substantivbegriff zur Anschauung bringen. 
Dass darin ein Fortschritt liegt, lässt sich nicht verkennen. 


— 





Zu den folgenden Kapiteln über die Kasus sei noch be- 
merkt, dass die Kasus mit Partizipien (sog. absolute Kasus), 
bei Infinitiven und subjektlosen Verben in ihnen nicht zur 
Darstellung kommen. 


200 Kap. IV. Der Ablativ. [$ 81. 


Kapitel IV, Der Ablativ. 


$& 81. Über den Grundbegriff des Ablativs ist $ 65 gehan- 
delt worden. Ferner ist $ 73 ff. gezeigt, dass der Ablatıv sich 
in den arischen Sprachen erhalten hat (im Altpersischen 
findet er sich allerdings nur mit Aaca, eine Verbindung, die 
auch im jüngeren Avesta häufig ist, seltener in den Gathas), 
im Italischen den Instrumentalis und Lokalis in sich aufge- 
nommen hat, im Baltisch-Slavischen mit dem Genitiv zu- 
sammengeflossen ist, im Griechischen in den Genitiv aufge- 
gangen ist, im Germanischen endlich theils in den Genitiv, 
theils in den Instrumentalis-Dativ. Im Folgenden wird hinter- 
einander der Ablativ bei Verben, bei verbalen Substantiven, 
bei Adjektiven (insbesondere Komparativen), endlich der freiere 
Ablativ behandelt. Unter den Verben stelle ich an’s Ende 
diejenigen, die nur in wenigen Sprachen oder gar nur in einer 
Sprache belegt sind, aber doch der Mittheilung werth erscheinen. 
Darunter schliesslich die Verba der Gemüthsbewegung, bei denen 
es zweifelhaft sein kann, ob der bei ihnen auftretende Kasus 
der Ablativ oder der Genitiv ist. 


Demnach ergiebt sich folgendes Schema: 


$ 82. Der Ablativ bei weichen, fernhalten, wegtreiben. 

$ 83. Leer sein (bedürfen), berauben. 

$ 84. Ausgehen von, entstehen. 

$ 85. Verfertigen aus. 

$ 86. Lösen, befreien, reinigen, retten, schützen. 

$ 87. Entnehmen, kaufen, empfangen, hören, lernen, trin- 
ken, ergiessen, erwachen. 

$ 88. Zurückbleiben hinter, sich verbergen, sich fürchten, 
vorziehen. 

$ 89. Die Verba der Gemüthsbewegung. 

$ 90. Der Abl. bei verbalen Substantiven. 

$ 91. Der Abl. bei Adjektiven. 

$ 92. Der Abl. bei Komparativen. 


81-821 Kap. IV. Der Ablativ bei weichen, fernhalten. 2 





$ 93. Der freiere Ablativ. 

Ehe ich in’s Einzelne gehe, habe ich noch eine Bemerku: 
über das Avestische zu machen. Hübschmann, Kasusl. 2 
hat eine Anzahl von Stellen aus dem Avesta zusammengestel 
wo wir statt des Ablativs, der vorliegt, einen andern Kas 
erwartet hätten. So heisst zemada nicht von der Erde, sonde 
auf der Erde : aspagm varesem zemada sayanem vagnaiti er sie 
ein Pferdehaar auf der Erde liegen yt. 14, 31 (ähnlich yt. 16, 1 
Wenn dabei mit Geldner (drei y. 73) sayanem auszuwerfen i 
s wäre der Ablativ wohl begreiflich: der Hengst nimmt « 
Haar sozusagen mit seinem Blick von der Erde auf. Dana 
wire zemäda auch in Stellen wie yt. 10, 72 gesetzt. Ähnli 
mag der Ablativ asnaapca zsafnaapca bei Tage und bei Na< 
jt.5, 15 zu deuten sein. In anderen Fällen ist die Auffassu 
bestreitbar, so kann man zöaprada yt. 19, 33 übersetzen: infol 
der Herrschaft (so Geldner y.9, 4). In pupräp vd. 15, 14 sie 
Geldner (KZ. 25, 194) einen groben Textfehler und so werd 
sich die meisten der beigebrachten Stellen beseitigen lasse 
Jedenfalls liegt ein alterthümlicher Gebrauch des Ablat 
nicht vor. 


Der Ablativ bei Verben. 


682. Weichen, fernhalten, wegtreiben. Alti 
disch und Avestisch: Ai.z. B. i gehen : iyür gävo nd } 
vasad agopah sie gingen wie hirtenlose Kühe von der Wei 
RV. 7, 18, 10. Ebenso bei dhav laufen, pat fallen. Im Ave 
selten, etwa: yap spadem pairi aovagnap düurap ayantem als 
eine Heerschar von fern anrücken sah yt. 5, 68 (doch ist « 
Ablativ nicht mehr ganz lebendig, sondern schon adverbi: 
Dazu viele zusammengesetzte, vgl. für das Ai. SF. 5, 108. A 
dem Av. frq$ ayarohö frasparap er schnellte unter dem Kes 
hervor y. 9, 11, übertragen: us geus stuye layaapca hazarhaj 
ich sage mich los von Diebstahl und Raub des Viehes y. 12 
u.ähnl. Als Kausativa dazu (dem Sinne nach) kann man : 
sehen Verba wie ai. ajtreiben (ökasah aus dem Hause), ni fühı 
"sömäd anayan sie führten vom Soma weg, schlossen davon a 


202 Kap. IV. Der Ablativ bei weichen, fernhalten. [$ 82. 


u. ähnl. (vgl. SF. 5, 108). An ‘vertreiben’ schliesst sich seiner 
Konstruktion nach an ai. ji siegen, z. B. &tdsmäd va äydtanad 
deva dsuran ajayan von diesem Stützpunkt vertrieben die Asura 
durch Sieg die Götter TS. 2, 2, 6, 1. Lateinisch. Während 
im alten Latein und bei Dichtern bei den Verben der Be- 
wegung ebenso wie in den verwandten Sprachen alle geeig- 
neten Nomina im Ablatıv stehen können (z. B. st telum manu 
fugit magis quam jecit in den zwölf Tafeln, quasi saro salat 
bei Plautus, primus cubitu surgat bei Cato), erscheinen in der 
klassischen Sprache bei den meisten Verben nur noch die 
Ablative der Namen von Städten, Inseln, auch Ländernamen, 
ferner von domus und rus (das Nähere bei Schmalz ? $ 102, 
Wölfflin, Archiv 7, 581). Offenbar hat sich in diesen Aus- 
drücken der reine Ablativ gehalten, weil es sich nie um die 
anschauliche Schilderung eines ın der Phantasie genau vor- 
gestellten Vorganges im Raume handelt (wobei die malerischen 
Präpositionen am Platze gewesen wären), sondern nur hervor- 
gehoben werden soll, dass eine Entfernung von einem ideellen 
Punkte stattgefunden hat. Mit einer etwas grösseren Zahl von 
Ablativen verbindet sich cedo (bei Cicero Italia, pairia, possessione, 
vita, memorta, 8. Draeger 1, 462). Labor wird nach demselben 
Gewährsmann gewöhnlich mit Präpositionen verbunden, doch 
hat Cäsar hac spe lapsus. Mit ai. ay u.s.w. vergleichen sich moveo, 
pello, arceo u. ähnl. und eine Fülle von zusammengesetzten 
Verben. Bei ihnen können wohl gelegentlich Abl. beliebiger 
Nomina erscheinen, z. B. ut te ara arceam bei Pacuvius, aber 
üblich sind nur noch gewisse Ablative in festen Formeln, so: 
movere loco senatu tribu, pellere civitate domo patria possessio- 
nıbus suis sedhbus u. 8. w. (s. Draeger a.a. O.). Bei prohibeo 
hat sich ım klassischen Latein insofern eine Bedeutungs- 
scheidung vollzogen, als es in der Bedeutung “fernhalten” mit 
dem Ablativ, in der Bedeutung ‘schützen gegen’ mit ab ver- 
bunden wird (Riemann, revue de philologie 14, 67), Grie- 
chisch. Aus der homerischen Sprache gehören hierher: yalopaı 
weichen, zurückweichen von (vwrds, vexpoö, xereüßon, Soupds, 
rvAdwv, nAyTS), Kupdw zurückweichen von (£raAkıos, vewv, vexpoö), 





$ 52.) Kap. IV. Der Ablativ bei weichen, fernhalten. 203 


sxo weichen, entweichen (roA&pov xal Snistntos, Tpodüpon, 
dopawov, Xappırs), &pwew zurückfahren, zurückweichen (xapyns, 
zolepoto), voopiLopar sich fernhalten von (rarpds Y 98), Yeuyw 
fiehen (nur repuypevos dEdlwv a 18, sonst Akkusativ), Öölspar 
weichen, fliehen (stadyoto M 304), wedinpı nachlassen, ablassen 
von etwas (dAxjs, nayns, roA&povu, xöloro, Bins, vielleicht trans- 
itiv P 539). Den Übergang zu den Verben, welche der Be- 
deutung nach als Kausative der bisher genannten angesehen 
werden können, vermitteln Zyopaı und Zyw (loyw) ‘sich fern- 
halten von’ und ‘fernhalten’ (ein echter Gen. dagegen steht bei 
£yopaı in der Bedeutung 'sich halten an’). Neben Zyopaı findet 
sch bei Homer dürns, payns, Apnos, Önıdrntos, YdRou, weveog, 
ycoro u. ähnl., bei Eyw fernhalten von, hindern an : Außnripa 
dyopawv, &ratosovra vewv u. ähnl. An Zyopar und Eyw schliesst 
ach zavopaı ablassen von (rdvou, roA&uoro, yAyTS, pYNOTUoS, 
£pywv, olL00s 76 döuvawy u.ähnl.) und radw machen, dass jemand 
ablässt (z. B. "Extopa payrc, pynorüpas acdiwmv u. ähnl.). Mit 
zavonar gleichbedeutend ist Anyw (Epıöos, »övoro u. ähnl.), x 63 
ist Ankaıpı im Sinne von raboarı gebraucht. — Wie man sieht, 
ıst im Gegensatz zu dem Altindischen, wo der Abl. bei ? so häufig 
ist, im Griech. der Ablatıv bei l&var nicht mehr erhalten. 
Höchstens könnte man dprortepäs und defräg elordyrı anführen, das 
Meisterhans? 166 aus attischen Inschriften beibringt. Aber der 
Kasus ist in diesem Falle kaum mehr lebendig. — Von den 
Verben, welche als Kausative zu den genannten betrachtet werden 
können, finden sich bei Homer öwwxw (dLwxero olo ddnoro a 8), 
2, odew (teiyeos M 420), und etwa noch dpöpyvopı abwischen 
(Bdxpu rapeımv, Ix&op xeıpd), im Sinne von “fernhalten” &pöopaı 
ivöpa pays, yiv Xapyıns), Zpoxw (ne päxns 2126), Epyw (akt. 
zaröög putav, med.-pass. ypods, roA&pnoro), dazu noch Plantw 
(sieddov a 195) und öew (ebenfalls xeleüdov). Germanisch. 
Den Instrumentalis (Dativ) als Vertreter des Ablativs finde 
ıch bei folgenden Verben: Got. afstandand sumai galaubeinai 
Kroothoovral tıvas TNs riotewg 1. Tim. 4, 1; ak afstobum Pam 
anslaugnjam aiviskjis AAN Arneınaueda TA xpunta TYc aloyuyns 
2.Kor. 4, 2; bamma viljandin af bus leihvan sis ni usvandjats 





204 Kap. IV. Der Ablativ bei weichen, fernhalten. .[$ 82. 


tov BEelovra and ood Ödaveloaodaı un Arootpapijs Matth. 5, 42. 
Ags. aldre linnan vom Leben scheiden Beov. 1479 (auch ealdres). 
Den Genitiv als Vertreter des Ablativs finde ıch ın folgenden 
Fällen: ags. ealdres linnan vom Leben scheiden Beov. 2444 
(auch aldre), alts. trewondo geswikan von der Treue weichen 
Hel. 4578, wenkeat therö wordo werdet eurer Zusage untreu 
4577, ahd. dilinnan ablassen von (Erdmann 2, 175), mhd. wicher 
(wichet iuwers gemötis bei Grimm 4, 677, wozu Grimm Anyeıv 
xöloro vergleicht), ahd. distözan verstossen (landes unde lıuto 
bei Grimm 4, 635), alts. Zettian hemmen, verhindern an (thes 
gilobon Hel. 3650), ags. ganges geivaman am Gange hindern 
Beov. 969 u. ähnl. Baltisch-Slavisch. Im Litauischen 
dürfte sich ein solcher Gen.-Abl. bei einfachen Verben wohl 
nicht mehr finden. Auch Wendungen wie kö saulüzes atsiskyrei 
warum trennst du dich von der Sonne? (bei Schleicher Leseb. 3) 
sind nicht mehr gebräuchlich. Jetzt würde man n& gebrauchen. 
Ähnlich atsisakyti entsagen. Auch im Slavischen (vgl. Miklo- 
sich 4, 451 ff.) finden sich nur noch Reste. Miklosich führt 
aus dem Aksl. vereinzelte Gen.-Abl. an, wie bezati kycenija 
den Stolz fliehen, postgpiti svojego mesta von seinem Platze 
fliehen, razlacıti se tela sich vom Körper trennen. Im cod. 
Mar. jedoch wird dezati nur mit ofü verbunden, bei razlgeiti 
findet sich ebenfalls nur ots“. Bei den mit :zu, otü, sü, u zu- 
sammengesetzten Verben, welche Miklosich anführt, wirkt die 
Präp. mit. Die serbischen Verba s. Danicic S. 106 ff. Man 
kann etwa anführen: Aloniti se meiden, z. B. takovtijeh mjesta 
solche Orte, prodi se z. B. prodjt se kderi momceta meide, o Toch- 
ter, den Burschen, mahnuti se sıch einer Sache begeben, z.B. 
toga posla dieser Arbeit. Mit o: okansti sich entschlagen (z. B. 
zuluma der Gewaltthätigkeit), ostati se ablassen, z. B. ostanı 
se sinko cetovanja lass ab, mein Sohn, von dem Umherstreifen. 
Auch können Verba wie odredi se verleugnen (ko se odrece 
mene pred ljudima wer mich verleugnet vor den Leuten), od- 
metnutt se abfallen (boga von Gott) hier erwähnt werden. Aus 
‚dem älteren Russisch führt Miklosich Bez? Vavslona fliehe 
aus Babylon und einiges Ähnliche an. 


$ 83.] Kap. IV. Der Ablativ bei leer gein, berauben. 205 


$83. Leer sein von (bedürfen), berauben. 

Altindisch und Avestisch: Ich wüsste nur etwa an- 
zuführen av. mıd um etwas bringen; yastzm zsabräp mörbap 
wer den um die Herrschaft bringt y. 46, 4. Aus dem Altindi- 
schen vgl. 7t (s. S.202). Lateinisch (vgl. Draeger 1, 517). 
Vaco hat gewöhnlich den blossen Ablativ, seltener ad, careo 
regelmässig den Abl., ganz selten (archaisch) auch den Gen., 
bei egeo ist der Abl. häufiger als der Gen., bei indigeo ıst es 
umgekehrt. Offenbar ist der Genitiv von den Adjektivis aus 
eingedrungen. Verba des Beraubens: privo, orbo, spolio und ähnl. 
Griechisch. Für leer sein und ähnl. findet sich bei Homer: 
yıpebw beraubt sein (vfoos avöpwv ympever ı 124), ardußonaı ver- 
lustig gehen (sıönpov, Toms, vedentos). Für “bedürfen” liegt bei Ho- 
mer vor: yardw (navre; dE dewy yarkouc Avdpwror y 48). Asvonaı 
bedeutet urspr. wohl entfernt sein von, daher zurückstehen hinter 
(Apyeiov W 484) sodann entbehren (Üöuoros, olvoydoro, Yopßr;s 
u. ähnl.). Daraus hat sich nachhomerisch ‘bedürfen’ entwickelt, 
2.B. 2 xalpoıs Erıpeintas devonevors in Zeiten, die der Sorgfalt 
bedürfen, Inschr. bei Collitz 1, 97 (Äol. Nr. 250). Dass öei 
(welches bei Homer nur I 337 vorliegt) aus dever entstanden 
ist, zeigt sich jetzt an dem deve: äolischer Inschriften (vgl. 
dazu SF. 4, 47, wo auch über ypr gehandelt ist). Für be- 
rauben findet sich bei Homer: x/öw (tous Bupoö xal buyiis xe- 
xaöuv A 333 und sonst ähnlich), au£pdw (akt. rov opdaAuwv, pass. 
darrds, alavoc), dad (ov opdaAnoo), orepew (me Anlöos v 262). 
Germanisch. Vertreter des Abl. sind bei den Verbis des 
Beraubens u. s. w.: a) der Instrumentalis-Dativ. Derselbe findet 
sich im Gotischen als Dativ, und zwar nur: jah bibe biladlai- 
kun ina andvasidedun ina bizai paurpurai jah gavaside- 
dun ina vastjom svesaim xal Arte &verarkav adra, 2&£öucav aurov 
my roppupav xal &vköusav adrov za Indrıa a Töıa Mark. 15, 20, 
wobei schwerlich eine Nachahmung der Konstruktion von ga- 
vasjan vorliegt. Als Instr. oder Dat. findet er sich im Altsäch- 
sichen und Angelsächsischen neben Verben, welche mit di zusam- 
mengesetzt sind. Die im Heliand vorkommenden Instr. sind 
von Moller S. 9 verzeichnet, wo man die Belege einsehen möge. 


206 Kap. IV. Der Ablativ bei leer sein, berauben. [$ 83. 


Es sind die folgenden: bilösian ın weldun that barn godes lıbu 
bılosian wollten den Sohn Gottes des Lebens berauben, Aöddu des 
Hauptes, aldru des Lebens, ferahu des Lebens; bineotan in 
that he odrana aldru bineotu, (libu bilosie) dass er einem andern 
das Leben beraube, (des Lebens entledige); biniman mit libu, 
ferahu, höbdu; bihawan mit höddu jemandem (Akk.) das Haupt 
(Instr.) abschlagen. Angelsächsiche Beispiele sind: beceorfan 
(hine ba heafde becearf hieb ihm da das Haupt ab Beor. 
1591); dedelan (dreamum bedeled der himmlischen Freuden 
beraubt 722); beleösan (beloren bearnum and brodrum der Kin- 
der und Brüder beraubt 1074); beniman (od Püt hine yldo 
benam mägenes vynnum bis ıhm das Alter den Genuss der 
Kraft nahm 1887 (vgl. auch ahd. inan töde benimar ıhn vom 
Tode befreien bei Erdmann 2, 244). Ebenso bei beneötan be- 
reäfian, bescyran u. a. (vgl. das Verzeichnis bei Kress, Instr. ın 
der ags. Poesie S.13). Verlustig gehen: forleösan (Per he dome 
forleis da ging er des Ruhmes verlustig Beov. 1471). b) Für 
sicher möchte ich den Genitiv bei ‘berauben’ und ‘verlustig gehen’ 
halten, z.B. ahd. diteilan berauben, (guotes ne betetlet er unsculdige 
beı Grimm 4, 635) alts. didelian ın bedeldun sie iuwaro diurda 
entzoget ihnen euer Mitleid Hel. 4441; ags. bescyran berauben 
(leöhtes des Lichtes Gen. 394); beredan berauben (feores des 
Lebens, Andreas 133, auch feore); beneman berauben (Crist 
rodera rices Christus des Himmelreichs); ags. Bolian, alts. 
tholön verlustig gehen (his freotes seiner Freiheit, ltohtes des 
Lichtes bei Grimm 4, 675). Zweifelhaft kann man sein über 
den Gen. bei ahd. inbderan (sin), gimangolon (thin), darben (le- 
des) u. ähnl. (vgl. Erdmann 2, 175). Derselbe Zweifel, ob 
ursprünglicher Ablativ oder Genitiv vorliegt, gilt bei “bedür- 
fen’, so got. faurban, z. B. ni haurbun hailai lekeis ob ypelav 
£yovarv ot toyuovres larpoo Matth. 9, 12. (Auch der griechi- 
sche Text hat überall den Gen.) Über den Gen. im Ahd. s. 
Grimm 4, 675). Baltisch-Slavisch. Litauisch etwa prı- 
valytı bedürfen, netekti ermangeln. Aus dem Slavischen 
'Miklosich 4, 451) ist aksl. it! “berauben’ zu erwähnen, z. B. 
slavy rs Ödins (bei M.). Im cod. Mar. finde ich Zt mit 





$ 83—84.] Kap. IV. Der Ablativ bei entstehen. 207 


Gen.-Abl. nur in: jeda ceso lien: byste habt ihr auch an etwas 
Mangel gehabt? Luk. 22, 35. Dasselbe Verbum mit derselben 
Konstruktion auch im Serb. und Russ. Nach Miklosich 4, 459 
ist auch der Kasus bei tree ypn ein Abl., was ich dahin- 
gestellt sein lasse. 

684. Ausgehen von, Entstehen. 

Altindisch und Avestisch: Aus dem Aı. der Abl. 
bei jan, 2. B. yad dsurasya jalhärad ajäyata seit er aus dem 
Leibe des Göttlichen geboren wurde RV. 3, 29, 14. Dass der 
Vater im Ablativ steht, ist aus der ältesten Literatur nicht 
nachzuweisen, wohl aber aus der späteren. Lateinisch. 
Ein Ablativ des Ursprungs findet sich bei den Partizipien n«- 
tus, ortus, oriundus, satus, editus, procreatus, seltener bei dem Ver- 
bum fintum, weil man es liebt, die Herkunft (wie bei den 
Patronymika) in Form der Apposition dem Namen anzufügen. 
Über ab s. Draeger $ 220). Auch kann das Verbum fehlen, 
z.B. Periphanes Rhodo mercator bei Plautus. 

In denjenigen Sprachen, welche den Ablatıv mit dem 
Genitiv haben zusammenfliessen lassen, entsteht eine Schwie- 
rigkeit, weil man bisweilen nicht wissen kann, ob der Ablatıv 
des Ursprungs oder des sog. Gen. originis vorliegt. Grie- 
chisch. Ein Ablativ des Ausgangspunktes dürfte anzunehmen 
sein, wenn bei Apyopaı im Gen. der Punkt steht, von welchem 
die Bewegung anhebt, also in ado däapkopar I 97 und ap- 
fansyor Tod Yupou p 142. Wenn nicht der Ausgangspunkt, 
sondern die Handlung mit der begonnen wird, im Genitiv 
steht (also in äpyeıv und Apyeodaı pudwv, Apyeıv ydoo u. ähnl.), 
scheint dagegen ein partitiver Gen. vorzuliegen, ebenso wie 
wie im ahd. diginnan (z. B. dera reisa wie döoro, vgl. Erd- 
mann 2, 163). Was die Verba des Abstammens betrifft, so liegt 
die ablativische Auffassung am Tage bei denjenigen, welche 
wie äxylyvopaı u. ähnl. mit 2£ zusammengesetzt sind. Auch bei 
dem einfachen y{yvopar finde ich mit Hentze 521 den ablatı- 
vischen Genitiv in Wendungen wie tod 8 uleis &y&vovr' AAx- 
paloy Auptloyds te 0 248, oder rs BE duw yevdueoda D 89 
Dagegen bei eivar finde ich nach Analogie der verwandten 





208 Kap. IV. Der Ablativ bei verfertigen. [$ 84—85. 





Sprachen den Genitiv. Übrigens dürften die Konstruktionen 
von eivaı und ylyveodaı sich so vermischt haben, dass ein Her- 
ausfinden des ursprünglichen Kasus in den einzelnen Stellen 
nicht mehr möglich ist!\.. Germanisch. Der Abl. scheint 
im Germ. durch den Instr. vertreten gewesen zu sein. Zwar 
kann ich bei den Verben, welche “abstammen, erzeugt werden‘, 
bedeuten, nicht mehr den Instr., sondern nur seinen Erben, 
den Dativ, nachweisen (ahd. fatere giboranan den aus dem 
Vater gebornen bei Otfr. — Grimm 4, 714, Erdmann 2, 245 
— und ebenso im Altnordischen), aber für die Ursprünglich- 
keit des Instr. spricht der Instr. bei ‘sein’ in dem Satze Ste 
sin Aleranders slahtu (Otfr. s. ebenda). ‘Sein’ kann den Instr. 
wohl nur von Verben der Abstammung entnommen haben. 
Was das Slavische betrifft, so scheint Miklosich 4, 461 den 
Gen. in Sätzen wie aksl. azü jesmi vasego plemene ‘ich bin von 
eurem Geschlecht’ für ablativisch zu halten, wofür einigermassen 
zu sprechen scheinen die russischen Konstruktionen, welche 
Buslajev 246 anführt: ty kakichü rodovü da kakıchü gorodü 
aus welchem Geschlechte, aus welcher Stadt bist du? 7a go- 
roda, sudari ıch bin aus der Stadt, Herr! Doch ist auch hier 
der ursprüngliche Gen. möglich. 

685. Verfertigen aus. 

Altındisch und Avestisch. Bei ai. taAk$ und einigen 
bedeutungsverwandten Verben steht der Abl. des Gegenstandes 
aus dem ein anderer gemacht wird, z. B. surad dSvam vasavo 
nir atasfa aus der Sonne, ıhr Vasu, schufet ıhr ein Ross RV. 
1, 163, 2 (vgl. Verf. ALI. 16, Siecke in Kuhn und Schleicher's 
Beitr. 8, 397). Für das Avestische, wo der Abl. mit Aaca belegt 


1) Hentze 521 findet bei öpvupar und ylyvopar einen Ablativ in Sätzen 
von folgendem Typus: dgap dt xaxöc xövaßos xard vYas Öpchper dvöpav T 
6A Auptvav navy d' Apa dyvupeydav x 122; dc tüv pioyoptvav yevero layıı Te 
rövos te A 456, in denen ich Genitive erblicken möchte, die sich zu abso- 
luten zu entwickeln im Begriffe stehen. Ferner in Sätzen mit ylyvopat, 
Iwv&opar, reprepyopau und ähnlichen Verben von folgendem Typus: räs 7 xoı 
gwvn pev dan orblaxos veoyılfis yiyveraı pe 86; nepl Te Rrbnos Hide Todotı 
r 6. Ich sehe darin possessive Genitive.e Im übrigen trage ich meine 
Ansicht mit derselben Reserve vor, wie Hentze die seinige. 


$85—86.] Kap. IV. Der Abl. bei lösen, befreien, reinigen etc. 209 


ist, vgl. Hübschmann 234). Lateinisch. Es ist zweifelhaft, 
ob der Ablatıv vorliegt. Den Kasus, den ich früher für den 
Abl. hielt, bin ich jetzt geneigt, für den Instr. zu halten, weil 
wenigstens in den von Ebrard 588 beigebrachten Belegen der 
Sinn des Operierens mit etwas, nicht des Verfertigens aus etwas 
hervortritt. In den Sprachen, welche den Abl. und Gen. ver- 
einigt haben, entsteht derselbe Zweifel, wie bei den Verben 
der Abstammung, weil auch ein Genitiv des Stoffes vorhanden 
is. So im Griechischen. Doch möchte bei Homer Ablativ 
sein bivod nomtmmv K 262, ai ö& Rdes ypvooto tersöüyaro 2 574 
u. ähnl. (Klinghardt 37). Im Germanischen liegt ein Instr. 
vor ın der bekannten Stelle des Hildebrandsliedes chetisuringu 
gitan. Aus dem Slavischen und Litauischen weiss ich 
nichts Sicheres beizubringen. 

$86. Lösen, befreien, reinigen, retten, schützen. 

Altindisch und Avestisch. Aus dem Ai. z. B. chtid: 
näsmad gand$ chidyatö das Volk löst sich nicht von ihm SB. 
14, 5, 1, 10; muc: sd &vainam varunapalän muhcati er löst ihn 
von der Varunafessel TS. 2, 1, 2, 2; yu: yuyuldm asmdd anıram 
Gmicam haltet von uns Siechthum und Unglück fern RV. 7, 71,2. 
Aus dem Av.: mazdä ahurahyü zrateus nasyantö aSaapca dem 
Willen des A. M. sich entziehend und der Rechtschaffenheit 
y.32,4. Dazu ‘reinigen’: av. yao2da vd.17,7. Retten,schützen 
vor (dem Feinde, der Noth) ai. urugy, tra, pä, rak$ u. ähnl., 
aus dem Av. z. B. kasna deret@ zqmca ade nabäsca avapastöts 
wer hält die Erde drunten und hält den Himmel zurück (schützt 
ihn) vor dem Herabfallen y. 44, 4; ya :5 pap daresap asahya 
der sie abhalten wird, den A. zu sehen y. 32, 13; yö narem 
anatwidruxto apa qzarhap baratti der, unbetrogen, den Mann 
von Noth errettet yt. 10, 22. Im Lateinischen erscheint der 
Abl. bei 30/vo, levo, Äibero u. ähnl., dagegen scheint der reine 
Ablativ bei retten und schützen nicht mehr vorzuliegen. Grie- 
chisch. Mit der erwähnten aı. Konstr. von chtd sich trennen 
von vergleicht sich aus dem Kretischen yuva Avöpds & xa xpi- 
wraı und at xa Forxeos Forxea xpıdn Gort. 11,45 u. 3,40. Aus 


Homer gehören hierher Abw (nur xaxsınros in der Od.), yupvöw 
Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm, Sprachen. 1. 14 








210 Kap. IV. Der Abl. bei lösen, befreien, reinigen etc. [8 86. 


(yuav@dn paxewv x 1), Apuvm abwehren (xüpas adroü, Tpwas veov, 
ohne Akk. vertheidigen akt. wm@v, od naröd,, Ilarpdxkou, med. 
oyav adrwv, vn@v), altto mit Akk. und Gen. (Tpwwv Aoryöv, 
xövas xeoaAts u. ähnl). Germanisch. Im Germanischen er- 
scheint a) der Instrumentalis- Dativ, so in got. lausyan: gabun- 
dans is genai, ni sokei lausjan;, galausids is genai, ni sokei 
gen dEdecaı yuvaml, u Crter Adam, Akluoaı And yuvarxdc, ah 
Inter yovaixa 1 Kor. 7, 27 (wo mir äusserliche Nachahmung der 
Konstruktion von gabindan nicht wahrscheinlich vorkommt). 
Ags. älyjs me feondum erlöse mich von den Feinden, Psalm 70, 3. 
b) Der Genitiv (Grimm 4, 634—635, Erdmann 2, 176—177), z.B. 
ahd. ınbintan (inan thes seres Otfr., he sö managan likhamon 
balusuhteö antband befreite manchen Leib von Krankheiten 
Hel. 2351); alts. alätan befreien von, freilassen, vergeben, z. B. 
sie ledes sie des Leides Hel., ebenso ahd. rlazan (s. Grimm); 
alts. sskor0n befreien (sundeonö Hel.), alts. tömean befreien (man 
sundeono den Mann von Sünden Hel.); ahd. :rläran befreien, 
erlösen von (thes managfalten wewen Otfr.); ahd. ırlösarn (z. B. 
mih thero arabeito Otfr.). Dazu die Verba des Reinigens 
und Heilens: got. gahrainjan reinigen, z. B. jabat hvas ga- 
hrainjai sik bizei Zav odv Tı5 &xxadapy Eauröv And rootwv 2 Tim. 
2, 21, ebenso ahd. reinan; got. hasljan heilen: Datei gemun 
hausjan imma Jah hailjan sik sauhte seinaizo oL HAdov Axodoaı 
obrod xal ladzivar ano Twv voowy aurwv Luk. 6, 18 (so nach 
Grimm 4,634 auch im Alts.).. Ebenso got. lekinon heilen: zah 
garunnun hiuhmans managai hausjon jah lekınon fram imma 
sauhte seinatzo xal ouvhpyovro Oykoı ToAlol Axousıy xal Bepareu- 
eodar dm adtoü Anh twv Aodeveımv abrwv Luk. 5, 15. Baltısch- 
Slavisch. Aus dem Litauischen habe ıch nichts notiert, 
ausser etwa saugöli, z. B. saugokites brangvyno hütet euch vor 
dem Branntwein. Aus dem Slavischen bringt Miklosich 4, 451 
aksl. Konstruktionen bei, wie gonezngti frei werden (boleznt von 
Krankheit), svoboditi befreien (bedy von Sorge), prostiti befreien 
(grecha von Sünde), chranıti bewahren (rati vor dem Kriege). Im 
cod. Mar. sind die drei erstgenannten Verba nicht belegt, das letzte 
nur mit otü. Serbische Parallelen bietet Danicic 104, so osloboditt 





$86—87.] Der Abl bei entnehmen (kaufen), empfangen etc. 211 


(smrii vom Tode), oprostits (ropstoa von Sklaverei), tzdavıitt, x. B. 
nos je bog izbario Turaka uns hat Gott von den Türken be- 
freit u. s. w. Auch mit der Nuance des Behütens, z. B. sahranı 
me se} nesrede bewahre mich vor diesem Unglück, £cuvaj se 
stara Turcına a mlada Srbina hüte dich vor einem alten Türken 
und einem jungen Serben. 


$ 87. Entnehmen (kaufen), empfangen, hören, 
lernen, trinken, ergiessen, erwachen. 


Entnehmen, kaufen, empfangen. Bei dem aı. grabh 
nehmen steht ein Abl. des Ortes, woher man etwas entnimmt 
5. B. dhdsträyät aus einem Schlauche, dnasah von einem Wagen, 
vgl. SF. 5, 109). Etwas abweichend ist der Sinn der gleichen 
Verb. im Avesta: geurvaya hg pädavg zavare nimm von dessen 
Füssen (Abl. Du.) die Schnelligkeit y. 9, 28. Im Lateinischen 
Hinnad cepit, domo sumere (vgl. Ebrard 587). Doch ist der 
präpositionslose Abl. selten. Einen Beleg für ‘kaufen’ im Ai. 
(pürugat von einem Menschen) s.SF.5, 109. Für “empfangen, 
erhalten’ ist ein Beleg ai. san (dia hiranyapindan divodasad 
asantam zehn Goldklümpchen habe ich von Divodäsa erhalten 
RV. 6, 47, 23). Aus dem Av. bar: kahmap mazdayasnangm hare- 
prem barai von wem unter dem Mazdayasna soll sie Obdach (?) 
erhalten? vd. 15, 17. Im Griechischen ögyopaı (ne Pelns, xh- 
pata und xpuoov ‘Adskavöporo), aipgopar in £ued 5 EAero yiyav 
opxov 6 746. 

Hören, lernen, trinken, ergiessen, erwachen. 
Bei hören, lernen, erbitten kann im späteren Sanskrit 
die Person, von der die Kunde oder Gewährung kommt oder 
kommen soll, im Abl. stehen (Speijer 69). In der alten Sprache 
scheint diese Konstruktion nicht vorzuliegen. Über den Kasus 
bei ‘hören’ im Griechischen vgl. den Genitiv $ 149. Trinken 
findet sich im Ai., z. B. dpad dhöträt er hat aus dem Gefäss 
des Hotar getrunken (SF. 5, 109). Im Lateinischen kann auch 
der Instr. vorliegen, vgl.$113. Ergiessen aus: Im Aı. steht 
der Abl. bei sic, z. B. Saphüd alvasya vayıno janäya Satam kum- 
bhah asincatam mddhunam aus dem Hufe des schnellen Rosses 

14* 


212 Der Abi. bei zurückbleiben hinter, sich verbergen etc. [$ 87—88. 


ergosset ihr für den Menschen hundert Kübel Meth RV. 1, 
117, 6. Griechisch: ridwv Nouosero olvos % 305 (die einzige 
derartige Stelle bei Homer). Hinsichtlich des Lateinischen vgl. 
Ebrard 587. Erwachen (aus dem Schlafe), aufathmen von 
etwas. Av. zwafnap frabuidyamnö aus dem Schlafe erwachend 
vd. 18, 49. Aus dem Germ. lässt sich ahd. slafes erwachen ver- 
gleichen, doch ist die Konstruktion erst aus jüngerer Zeit be- 
legt (Grimm 4, 672). Dazu griech. Tpwes avenveusav xaxdınros 
A 382, sonst rdvoro. 


8688. Zurückbleiben hinter, sich verbergen, sich 
fürchten, vorziehen. 


Zurückbleiben hinter. Ai. hä, z. B. suvargal lokad 
yajamando hiyeta der Opfercr würde den Himmel nicht er- 
reichen TS. 5, 6, 8, 1; griech. Aeiropar, z. B. Astnet dyaxkedos 
Meveldou Soupos &pwrv W529. An Astropaı schliessen sich 7j00@0- 
par und vıxaopaı, welche bei Homer noch nicht vorliegen. 
Wenn so vıxaonaı unterliegen zu der Verbindung mit dem 
Gen. gekommen ist, so folgt daraus noch nicht, dass auch vı- 
xaw siegen dieselbe Konstruktion haben könne. Auch aus 
dem Gen. bei xparew darf man darauf nicht schliessen, da xpa- 
tea ursprünglich bedeutet: “Gewalt haben über etwas. Sich 
verbergen, verbergen vor. Aus dem Altindischen lässt 
sich antar-dha beibringen (vgl. SF. 5, 110). Im Slavischen 
kommt neben aksl. Aryti und potajtti verbergen nach Miklosich 
4, 451 der Gen.-Abl. vor. Er ıst aber durchaus selten. Das 
Gewöhnliche ist die Verbindung mit of“. Sich fürchten 
vor. Aus dem Aı. kommen in betracht 5A? sich fürchten, 
2. B. indrat vor Indra, vdjrat vor dem Donnerkeil, Alarbyat 
vor Untüchtigkeit.e Auch mit zwei Ablativen: indrasya 
vayrad abibhed abhisnäthah sie fürchtete sich vor dem Keil 
des Indra, vor dem Zerschmettern, d. h. dass er sie zer- 
schmettere RV. 10, 138, 5. Dazu r37 erzittern (makhebhyah 
vor den Kämpfern), vgl. SF. 5, 111. Wie es mit der Kon- 
struktion der Verba des Fürchtens im Germanischen steht, 
ist schwer zu sagen. Nach dem von Grimm 4, 671 beige- 


$68--89.] Kap. IV. Der Abl. bei Verben der Gemüthsbewegung. 213 


brachten Material kann man ebenso wohl an einen Ablativ 
wie an einen partitiven Gen. denken (letzteres wegen des 
ebenfalls bei diesen Verben gebrauchten Akkusativs). Im Li- 
tauischen diyotts sich fürchten, z. B. äsz biyaüs szund ich 
fürchte mich vor den Hunden, ebenso batdytis sich scheuen, 
drebeti beben u. ähnl. In den slavischen Sprachen findet 
sich durchgehend dyjatt se, so aksl. byaachq se Yudijt E&ooßouvro 
:ov Aaov (Mark. 11, 32), im cod. Mar. noch boga, Ioana, Iudeji, 
naroda, jego. Niemals steht daselbst bei dojyati se eine Präpo- 
sation. Serbische Belege s. Danitie 108, z. B. da 8’ ne boyim 
cara i carice dass ich mich nicht fürchte vor dem Zaren und 
der Zarin, pune se puske boji Jedan a prazne dvojica vor einer 
geladenen Flinte fürchtet sıch einer und vor einer leeren ein 
Paar u. s. w. Ebenso russ. dboyafis7a. Dazu bedeutungsver- 
wandte Wörter wie serb. plasıti se und prepasti se erschrecken 
u. ähnl. Ebenso geht stydıti scheuen durch, z. B. aksl. size bo 
postyditü se mene i mojichü slovesü ds yap av &raroyuvd ne xal 
tous 2uoüs Adyous, Mark. 8, 38, serb. ko se postidi mene i 
mojijeh rijeei. Weitere Belege bei Danitic 109. Ebenso russ. 
stydıfisjpa kogo sich vor jemand schämen. Dazu verwandte 
Verba wie serb. sramiti se u. s. w. Bei ‘vorziehen’ kommt 
gelegentlich im Ai. ein komparativischer Abl. vor, so: sömät 
sutad indro avrnita odsisthan dem (von Päßadyumna) gepressten 
Soma zog Indra die V. vor RV.7, 33, 2. 


$. 89. Verba der Gemüthsbewegung. 


An den Schluss stelle ich den Gen. bei Verben der Ge- 
müthsbewegung im Griechischen, Germanischen, Litauischen, 
Slavischen. Man kann zweifeln, ob hier der echte Genitiv 
oder der Ablativ vorliegt. Der erstere würde als ein Gen. zu 
erklären sein, der dem Akk. des Inhalts parallel geht, und 
diese Auffassung liegt, wenn man nur das Griechische in be- 
tracht zieht, nicht fern. Ich halte aber die Annahme, dass der 
Ablativ vorliegt, für die wahrscheinlichere, weil es mir unna- 
türlich erscheint, die im Folgenden zu erwähnenden Verben 
von denen des Fürchtens zu trennen, welche sicher den 


214 Kap. IV. Der Abl. bei Verben der Gemüthsbewegung. 1889. 


Ablativ bei sich haben (vgl. auch ai. didAats sich ekeln vor mit 
dem Abl). Griechisch (vgl. Klinghardt, de genetivi usu 
Homerico et Hesiodeo, Halle 1879, Diss. 44 fi... Bei Homer 
liegen folgende Verba vor: ywopar (yuvarxoc, &talpov u. ähnl., 
vos te xal Eyyeos N 165), XoAdopaı (träpoıo u. ähnl., Bowv wegen 
der Rinder des Helios, &rewv xal Epywuv A 703), xorio (sd 
Ararns A 168), pnvlo (ipav E 178), Arımeuponar (edywins), doxa- 
do (xrnotos 7 534), Ovopar (övdosesdar xaxomroc sich beklagen 
wegen seines Elendes e 379); pdovdw missgönnen (N.Lovov, 
“Adorpiwv), neyatpw (drororo ihm nieht gönnend, dass er seinem 
Gegner das Leben nehme N 563); äyvopaı betrübt sein (£raipov, 
dvaxtos u. ähnl.), 0Aopöpopar (Aavamv), dxayku (axaynp£vos Intov, 
via), Döupopar (rardds, Avaxtos u. ähnl., yapov), dyduv aysumv 
(ins, Vöustos, pdvou). Dazu daxpu ydav (toü d. i. Avrıydou w 425). 
Man schliesst hier gewöhnlich an tloaodaı mit Gen. der Sache 
(Aigtavöpov xaxoınros [' 366, pvnoripas vrepßaatns yY 206). 
Germanisch. Aus dem Gotischen kommen in betracht 
skaman sik: saei skamaib sik meina Jah vaurde meinaize 0% yap 
av Eraroyuvdd) pe xal tous &uous Aoyous Mark. 8, 38; sildaleikjan: 
sildaleikjandans andavaurde is gabahaidedun daupasavız;z rl 
7 Aroxpiser adrod Zalyrsav Luk. 20, 26. Über die in betracht 
kommenden ahd. Verba handelt ausführlich Erdmann 2, 171 fl. 
Litauisch und Slavisch. Die ltauischen hierher gehörigen 
Verba finden sich bei Schleicher 276. Ich führe daraus an: 
böstis sich ekeln (vgl. ai. bibhats), z. B. üsz bodzüs tö valgio 
ich ekele mich vor der Speise; nedejyük kat karvelis vaıkü jam- 
mere nicht wie die Taube um ihre Jungen; ko veikia bernytis 
um was weint der Jüngling? Aus dem Slavischen führt Miklo- 
sich 4, 463 an: aksl. Rahtli placgsti Cedü svojichü Rahel ihrer 
Kinder wegen klagend u. ähnl. Im cod. Mar. kommt plakatı 
se mit deutlich gekennzeichnetem Genitiv nur vor in plakaachq 
se Jeje &xortovro adrny Luk. 8, 52. In den übrigen Stellen steht 
Jjego, wobei also äusserlich nicht zu entscheiden ist, ob der 
Akk. oder Gen. gemeint ist. Es ist aber, da das Verbum 
reflexiv ıst, unzweifelhaft der Genitiv. 


$90-—91.] Kap. IV. Der Abl. bei verb. Subst. u. bei Adjektiven. 9215 


890. Der Ablativ bei verbalen Substantiven. 

Altindisch undAvestisch. Im Ai. (SF.5, 112) liegt z.B. 
vor rakgobhyd vai tam bhifa vacam ayachan sie hemmten die 
Stimme aus Furcht vor den Rakshas SB. 4, 2, 2,7. Vermuthlich 
liegt der Abl. auch vor in upa chäyam iva ghfner üganma $arma 
fe vaydm wir sind in deinen Schutz eingetreten wie in Schatten, 
der vor Hitze birgt RV. 6, 16, 38. Im Avesta finden wir in 
dieser Weise das Ursprungsverhältnis ausgedrückt, z. B. akap 
mananhö sta cibrem ıhr seid Same vom bösen Geiste her 
(Abkömmlinge des bösen Geistes) y. 32, 3. yö vispe taurvaya) 
dagvaahca bbagsä masyäüahca welcher alle Angriffe überwinden 
wird (welche kommen) von Gott und Mensch her yt. 13, 142. 
In den Sprachen, welche den Ablativ mit dem Genitiv ver- 
einigt haben, muss es zweifelhaft bleiben, ob der Abl. oder der 
objektive Genitiv vorliegt. Im Griechischen könnte man 
oxtras avkporo (vgl. chaya ghrnek) hierherziehen (vgl.auch &v xy 
wo oößon Noav waren sicher vor Furcht, Herodot 1, 143, Noav 
&v oxeny tod roleuou 7, 172). Ferner Wendungen wie pera- 
rzavswAn roA&poro T 201, Bavarou Ausıs ı 421, Avanvenaız moA&uoro 
A801 und sonst. Was aus dem Slavischen etwa angeführt 
werden könnte, sehe man bei Miklosich 4, 451/2. 

691. Ablativ bei Adjektiven. 

Aus dem Altindischen und Avestischen weiss ich nur 
Raum- und Zeit-Adjektiva (nebst den von ihnen stammenden 
Adverbien) zu nennen, z.B. ai. arvanc und arväcind vorwärts von 
einem Punkte aus gerechnet, üördhvd in die Höhe steigend von 
etwas aus, pdrähc abgewandt von etwas, z. B. öfdsmäc catvalad 
ürdkvah svargam lokam upöd akraman von diesem c. aus stiegen 
sie zum Himmel auf {B. 4, 2, 5,5. Dahin auch die Zahlwörter 
(der zweite, dritte von einem andern an gerechnet, vgl. 
SF. 5, 112). Als Beispiel für Adverbien diene dürdm fern von 
und av. asze in der Nähe von: asne vaydanap in der Nähe 
des Kopfes (Justi),,. Im Lateinischen sind die Adj. inanes, 
cacuus, liber, nudus, orbus, alienus, cassus zu nennen, welche 
offenbar durch die Vermittlung von Partizipien bedeutungsver- 
wandter Verba zu ihrer Konstruktion gekommen sind. 





216 Kap. IV. Der Ablativ bei dem Komparstiv. [$ 1—92. 





Über die entsprechenden Adjektiva derjenigen Sprachen, 
in welchen Ablativ und Genitiv zusammengefallen sind, ist bei 
dem Genitiv gehandelt. 


892. Der Ablativ bei dem Komparativ!), In den 
Abl. tritt ein Gegenstand, mit dem verglichen (von dem an 
gerechnet) einem anderen eine Eigenschaft in höherem Masse 
zukommt. Auf einer Linie mit dem Komparatıv steht anya, 
Aldos, alius der andere. Es sei noch bemerkt, dass die Ver- 
bindung von Ablativen mit einem Positiv in dem alten San- 
skrit und im Avestischen nicht vorliegt. Es ist nicht anzu- 
nehmen, dass diese Erscheinung bereits ursprachlich sei (vgl. 
Pischel’s in der Anm. angeführte Abh. 509). Altindisch und 
Avestisch. In beiden Sprachen ganz geläufig, z.B.: ghrtat sca- 
diyah süsser als Butter RV. 8, 24, 20; aka asyö schlimmer als 
das schlimme, das allerschlimmste y. 51, 6; anyö va ayam asmad 
bhavati dieser wird ein anderer als wir AB.7, 24, 1.; na&cım tem 
anyem yüSmap vagda ich kenne keinen andern als euch y. 34, 7. 
Lateinisch. Der Abl. bei dem Komparativ und alus (Drae- 
ger 524) ist seit alter Zeit geläufig, immer beibehalten in Sätzen 
negativen Sinnes, in positiven durch guam mit dem entsprechen- 
den Kasus ersetzt (Schmalz ? $ 96, Wölfflin, Archiv 6, 447 ff.). 
Griechisch. Der Gen. bei dem Komparatıv ist von Homer 
an geläufig, wofür es keiner Belege bedarf. Dagegen scheint 
dieser Gen. bei &AXos bei Homer nicht vorzuliegen. Über den 
Genitiv bei dem Superlativ (z. B. @xupopwraros dAlwv) ist & 196 
gesprochen. Germanisch. (Grimm 4, 754, Erdmann 2, 246). 
Als Vertreter des Ablativs erscheint der Dativ, z. B. got. matza 
imma grösser als er (vgl. Gabelentz-Loebe 244), ahd. w2zero 
snewe weisser als Schnee. Der Instr. scheint nicht vorzuliegen. 
Im jetzigen Litauischen ist diese Konstruktion nicht mehr 


1) An dieser Stelle würde H. Ziemer, vergleichende Syntax des indo- 
germanischen Komparativs u. s. w., Berlin 1884, zu erwähnen sein. Über 
diese Schrift hat Pischel, Gött. Gel. Anz. 1884 Nr. 13, ein Urtheil gefällt, 
mit dem ich durchaus übereinstimme. Indem ich den Leser auf Pischel’s 
Ausführungen verweise, sehe ich meinerseits von einer Polemik gegen 
Ziemer ab. 





$92--94.) Kap.IV. Der freiere Ablativv. Kap. V. Der Lokalis. 317 


vorhanden (den Ersatz s. bei Kurschat 410. Ein Beispiel aus 
Bretken’s Bibelübersetzung bringt Bezzenberger, GLS. 142 bei: 
ne daugiefne dwiliko dienu nicht mehr als zwölf Tage (gewiss un- 
richtig). Im Slavischen dagegen ist sie noch lebendig. Über 
das Aksl. s. Miklosich 4, 459, wo Beispiele wıe die folgenden 
anführt werden: z/o z/a zlöje Übel ist schlimmer als Übel, qzükü 
pafi pace prostranaago pocits angustam viam magis dilige quam 
latam, posluzi ivarı pace tvorca servüt creaturae magis quam 
ereatori. Ebenso im Russischen, z. B. in dem Sprichwort utro 
tecera mudreneje der Morgen ist klüger als der Abend, im Ser- 
bischen dagegen fast nur noch in der älteren Literatur, z. B. vyetra 
brze schneller als der Wind. Der Ersatz für diese Konstruktion 
beginnt schon ım Aksl., worüber Miklosich Auskunft giebt. 


$93. Der freiere Ablativ. Für den freieren Ablatıv, 
d.h. denjenigen der statt zu dem Verbum allein, zur Satz- 
aussage in Beziehung tritt, habe ich nur Belege aus dem Alt- 
indischen und Avestischen. In den Ablativ tritt das 
Motiv, der Grund der Handlung, z. B. dnrtad vai tah praja 
sarunöo 'grhnat um der Sünde willen ergriff Varuna die Ge- 
schöpfe MS. 1, 10, 12 (151, 19). Besonders häufig im späteren 
Sanskrit (Speijer 75). Im Av.: hö noih tarstö franamäite bwae- 
sap paro datvagibyö er weicht nicht fliehend aus Furcht vor 
den Dämonen y. 57, 18; yap kerenaop airhe z5abrada amarsenta 
pasu vira dass er infolge seiner Herrschaft Menschen und Vieh 
unsterblich machte y. 9, 4. Auch im Lateinischen (vgl. 
Ebrard 588 ff.) liegen solche Ablative vor, doch ist es kaum 
möglich, sie von den Instrumentalen zu trennen. 


Kapitel V. Der Lokalis. 


$ 94. Über den Grundbegriff des Lok. ist $ 66 gesprochen 
worden. Bei der Darstellung stelle ich die arischen Sprachen 
voran, wo der Lok. unverändert erhalten geblieben ist, dann 
folgen die baltisch-slavischen Sprachen, in deren slavischer 


218 Kap. V. Der Lokalis bei Ortsbegriffen. [$ 94—95. 


Abtheilung dem reinen Kasus bereits durch Präpositionen grosser 
Abbruch geschehen ist, dann das Lateinische, wo er noch in 
gewissem Umfange erhalten, aber zum grössten Theile mit dem 
Abl. und Instr. verschmolzen ıst, weiter das Griechische, wo 
er bis auf geringe Reste mit dem Dativ und Instrumentalis 
vereinigt ist, endlich das Germanische, wo seine Verbindung 
mit dem Dativ, Instrumentalis und Ablativ erfolgt ist. Den 
Stoff selbst gruppiere ich so, dass ich zuerst die Bedeutung 
der in den Lokalis tretenden Substantiva berücksichtige. Da- 
nach ergeben sich: 

$ 95. Der Lok. bei Ortsbegriffen. 

$ 96. Bei Zeitbegriffen. 

$ 97. Bei Personalbegriffen. 

8 98. Bei einigen anderen Begriffen (in den arischen 
Sprachen). 

Sodann erwähne ich: 

$ 99. Den Lok. in Verbindung mit gewissen Verben (da- 
runter den sog. Lok. des Zieles). 

$ 100. Den Lok. bei Adjektiven. 

Den Schluss bilden einige Fälle des Zusammenfallens mit 
mit dem Instr. 

895. Der Lokalis bei Ortsbegriffen. 

Arisch. SF. 5, 115 habe ich bemerkt: “Als der Raum, 
innerhalb dessen sich etwas abspielt, erscheinen zumeist Kon- 
kreta. So finden sich im RV. im Lokalis: Himmel, Luft, 
Erde, Berg, Feld, Land, Wüste, Meer, Fluss, Ufer, Platz, Ende, 
Spitze, Nähe, Ferne, Pflanze, Feuer, Wagen, Schaukel, Schale, 
Löffel, der Körper mit seinen Theilen, Geist, Haus, Hof, Freunde, 
Versammlung, Opfer, Kampf u. ähnl.” Ziemlich dieselben 
Begriffe finden sich auch im Avesta im Lok., während im Alt- 
persischen zufällig fast nur Ortsnamen belegt sind, z. B. Ba- 
Birauv in Babylon. Wie im Ai. divi durch “im Himmel’ oder 
‘am Himmel’, pärvats durch “auf dem Berge’ oder “in dem 
Berge’, sindhau durch ‘in, an, auf dem Flusse’ zu übersetzen ist, 
(z. B. sarasvatyam an der Sarasvati), so auch im Arv.: väse 
vazemna auf (in) dem Wagen fahrend (von einer Göttin gesagt) 


$ 95.] Kap. V. Der Lokalis bei Ortsbegriffen. 219 


yt. 5, 11; ahmya väse vazänte cabwäro aurvanto an diesem 
Wagen sollen vier Renner fahren yt. 10, 125; karnhe apayZäire 
nmanem histaite an jedem Abfluss steht ein Haus yt. 5, 101 
u.s. w. Bemerkenswerth ist, dass man auch sagen kann ‘im 
Auge sehen’: caSmaini vyädaresem ich habe im Auge (deutlich, 
clearly) gesehen y. 45, 8; Ayap bwa hem casmaini hengrabem 
als ich dich im Auge erblickte (erfasste) y. 31, 8 (vgl. &v opdal- 
ntsty opäsdar)!). Litauisch. Der Lok. ist so häufig, wie in 
den arischen Sprachen. Ich führe einige zufällig mir in die 
Hand gekommene Beispiele an: ale ten vens anö pero aber dort 
ist einer auf jener Wiese, Schleicher Les. 120; Akaralaus 
duktE bioo darze die Tochter des Königs war im Garten 132; 
netoli m&sto büvo plune, tö plynio laikesi razbäininkati nicht weit 
von der Stadt war eine Ebene, auf der Ebene hielten sich 
Räuber auf 127; «7 jüs pasivijo girio und er holte sie im 
Walde ein 130; tose jJurese mäudesi Laümes in dem Meere ba- 
deten sich Laumes 145; ti? atszilo ezere ledätis und es schmolz 
das Eis im Teiche 8; Aupezus büvo mäste er war Kaufmann in 
der Stadt 126; tam butely but in dem Hause sein 136; 6 jau 
ıylö mes büsim Lenku rafiko schon morgen werden wir in der 
Polen Hand sein 39; jis sdd jJauczo ausy er sitzt in eines Och- 
sen Ohr 121; a5 ji rädo skrynio tä zedq da fand sie im 
Schrein den Ring 144; Akatıle virdamas in dem Kessel kochend 
35; Auf mes gulesim? szilkü pätalüse wo werden wir schlafen? 
in seidenen Betten 14; kam2d 5i subüsi? Laimüzes subükle ın 
was willst du ıhn schaukeln? in der Laima Schaukel 10; 


1} Doch kann man deshalb nicht sagen, dass der Lok. in diesem Falle 
für den Instr. stehe. Ich glaube, dass auch Pischel bei Pischel-Geldner 
1, 240 dieser Meinung ist. Er sagt zwar: ‘der Lokativ statt und im Sinne 
des Instrumentalis ist häufig bei allen Worten, welche ‘Hand’ oder ‘Arm’ 
bedeuten’ und führt dann Stellen an, wie RV. 3, 60, 5 sutdm somam a vr3asvä 
gäbhastyoh, d. h. ‘den gekelterten Soma giess dir ein in deinen Händen‘. 
Dann aber fährt er fort: ‘der Begriff des Lokativs tritt dabei immer noch 
klarhervor, Arme und Hände sind nicht blosses Werkzeug, sondern zugleich 
der Ort, wo etwas geschieht‘. So ist auch über die gleichmässige Verwen- 
dung des Lok. und Instr. zu urtheilen, wofür Ludwig, Rigveda 6, 258, Belege 
anführt. 


220 Kap. V. Der Lokalis bei Ortebegriffen. [$ 95. 


Jüma broljt; müszy nuszöve euren Bruder hat man im Kampfe 
erschlagen 16. Slavisch. Miklosich 4, 636 führt einige aksl. 
Belege auf: sükonica Nisijy Usorove svojeji jemu visi er starb ın 
U., seinem Dorfe; jako sqtü süchranjeny kosti nase semi meste 
wenn unsere Knochen an diesem Orte aufbewahrt sind; Zera 
leziti nogachü jemu das Weib liegt ihm zu Füssen. Im cod. 
Mar. aber habe ich diese Ausdrücke nicht gefunden. Es 
heisst dort na meste, vü mestechü, na pri u nogu. Reste des 
präpositionslosen Lok. auch in anderen slavischen Sprachen, 
wie z. B. altruss. Aiyeve, Novgorode s. bei Miklosich. Latei- 
nisch. Ich erwähne zunächst die echten, vielfältig auf dem 
Übergang zur Erstarrung begriffenen oder schon erstarrten Lok. 
auf i. Dahin gehören ausser den Städtenamen: domt, was ver- 
bunden werden kann mit meae, tuae, nostrae, alienae, ferner mit 
ejus, hujus, tllius, cujus, auch mit Gen. von Eigennamen, z. B. 
On. Calidii (Neue 12, 519); ruri auf dem Lande; Aumi auf 
dem Boden, zu Boden, seit Cicero belegt; campt bei Virgil; 
vicimtae mit proxumae, im Anschluss an doms haben sich er- 
halten: delli domique und doms focique, militiae et domi, domi 
militiaeque. Endlich animi in diserucior anımi, anımt pendeo 
u. ähnl. Dabei beweist anımis pendere bei Cicero die Ur- 
sprünglichkeit des Lok., die Nachbildung desipiebam mentis 
bei Plautus aber, dass anımi früh als Gen. aufgefasst wurde!). 
Im Ablativ-Lokalis stehen Städtenamen, welche pluralia tan- 
tum sind, wie T’hedis, Athenis, Delphis (während Ausdrücke wie 
Naupacto in der alten Zeit ganz selten sind, vgl. Schmalz? 
$ 101). Sodann giebt es einige wenige Appellativa (vgl. Drae- 
ger I, 2, 479 ff.) bei denen die Ablativform ın derselben Ver- 
wendung erscheint, wie die echte Lokativform, so frielinio (bei 
Naevius), aut terra aut mari, terra marique, doch tritt ge- 
wöhnlich ?r hinzu. Loco oder in loco heisst zur rechten Zeit. 

1) Nach Form und Bedeutung merkwürdig ist peregre(ii. Es bedeutet 
nicht bloss ‘in der Fremde’, z. B. peregre et domi und ‘in die Fremde‘, z.B. 
peregre proficiscı, sondern auch ‘aus der Fremde’ mit venire und advenire, 
z. B. erus peregre venit, pater advenit peregre bei Plautus. Vielleicht sind 


doch eine Lokativ- und eine Ablativform in p. zusammengeflossen. So 
heisst ruri auch ‘vom Lande’. 


$ 95.] Kap. V. Der Lokalis bei Ortsbegriffen. 221 


Gewöhnlich aber haben die Appellativa ein Attribut im Adjek- 
tivum oder Genitiv bei sich, und unterscheiden sich dadurch 
von dem schon halb erstarrten echten Lok. Dahin gehören 
Wendungen wie loco salubri, bono, remoto, amoeno, suo, filt 
loco, tota urbe, medio mari, parte und partibus stets mit einem 
Attribut. Griechisch. Zunächst kommen die echten Lok. von 
o-Stämmen auf eı und or in betracht. Dahin gehören oixeı 
welches Menander gebraucht haben soll, oixoı von Homer an, 
dazu r&doı zur Erde bei Aeschylus, und dppoi soeben, eigent- 
lieh “in der Fuge’: äppot reraupaı tous &pods Üpnvwv Tövous 
Prom. 615. Dazu eine Anzahl von Namen von Ortschaften 
oder Gegenden wie 'lodpot, DaAnpot, Zenrroi, deren or auch auf 
«Stämme überging z. B. in Atyıalotr, selbst auf ein plurale 
tantum, so in Meyapoı. Nach Johansson’s Vermuthung (BB. 13, 
111 ff.) sind auch die Nom. plur. AsAool, ‘Adrvar ursprüng- 
lich Lok. sing. Sodann handelt es sich um die Dative, in 
welche der Lok. aufgegangen ist. Der Homerische Sprach- 
gebrauch erhellt aus L. Capelle, dativi localis quae sit vis 
atque usus in Homeri carminibus, Hannover 1864 (vgl. auch 
Monro 100). Bei Länder- und Ortsnamen findet sich viel häu- 
figer der Dativ mit &v, als der blosse Dativ-Lokalis. Belege 
für den letzteren sind: &4ßy “Ynonaxin (Evamv) Z 397, Bnßyow 
X 479, ‘Apvn varsıaovra H 9, "EAadı olxla valwv Il 595, ferner 
Apyaı poow, Opuyln, Alyörty, Aaxedatpovı, Zyepiy, Any, Kon 
u. 8. w.. ebenso Axpw Olyurp noto N 523. Im eleischen Dia- 
lekt stehen Ortsbestimmungen, wenn sie durch Eigennamen 
angegeben sind, im Lok. oder mit &v (also wie bei Homer), 
bei Appellativen stehen (abweichend von Homer) überall Prä- 
positionen (Meister 2, 70), im Attischen ist die Präposition bei 
weitem das gewöhnlichste Hilfsmittel des Ausdrucks, doch 
stehen regelmässig im blossen Kasus die Namen attischer De- 
men (Krüger 46, 1, 3), dazu noch einige andere (Meisterhans? 
S. 169). Von sonstigen Ortsangaben bemerke ich bei Homer: 
aldepı valov A 166, auch "Iiör xeudwpar W244 kann ich nur 
lokal auffassen. Ferner Zorı nöAıs nuy& Apyeos Z 152, narnp 82 o0c 
avrödı niuvar aypis A 188, 2vdade Salndiıa nAare alyav Evöexa 


222 Kap. V. Der Lokalis bei Zeitbegriffen. [$ 95—96. 


navra &oyarın Boaxovro & 103, Tpevos Axporary xopupij OvAuproro 
E 754, td te tp&ger oupeawv DAn E 52, Baßeins Bevdeoıv üArc p 316, 
xarepuxerar eüpeı növrp & 552, ous texe Actudyn Ödum "Axtopos 
B 513, örepwip xeito 8 787, ovror 87: Büpyaı xadr/kevor Ehıads- 
day 7, autod xara dmpara p 530, Teüye ÖE not xuxeo YPLSEw 
öena x 516, Emmy xprtüpı wıyelg 5 222, xadapa ypoi einarT Eyovaı 
C 61, TöE wporsıv Eywv A 45, xuvenv xegalfj Eye w 231, 0v rıva 
yaorepı urmp xoüpov &dvra odpor Z 59. Wie in den andern 
Sprachen können natürlich auch im Griechischen Wörter wie 
op&ves, Boyd; als die Stätte angesehen werden, an welcher sich 
etwas abspielt, z. B. oox Eorı Pin Ypeotv I’ 45, peya 6& opeal nev- 
dos adkeı A 195, häufiger werden diese Begriffe als Vollzugs- 
mittel angesehen sein, daher im Instr. stehen. Eine Übersicht 
bei Capelle 25 f. Zwischen Lokalis und Instrumentalis kann 
man auch schwanken in folgenden Stellen: ®erı5 Sünzödtaro 
xöinp derördra Z 136 (vgl. rn 70), auch bei den Wörtern welche 
Schlacht (payn Tpweosıw apryeıw A 521, payg vırwvres Ayarous 
r 79, ferner dopivı paysodaı), Markt, Versammlung (ael uev rws 
por dvımAYassıs Ayopfisıw Eodid ppalopvp M 211, 7 prv alT 
ayopy) vıxäs y&pov ulas Ayamv B 370, und entsprechend bei 
BovAn) bedeuten, weil man bei ihnen sowohl den Ort, als den 
Vorgang ım Sinne haben kann. In der Prosa sind Appella- 
tıva ohne Präp. sehr selten. Krüger 48, 1, 1 führt xuxip ım 
Kreise an. Über päyy u. ähnl. in Prosa s. Krüger 48, 2, 9. 
In bezug auf das Germanische wüsste ich dem, was ich 
ALI. 29 ff. angeführt habe, kaum etwas hinzuzufügen. In r: 
maurnaib sawwvalat izvarai yh pepiuvörse 79 Vuyy Dpev Matth. 
6, 25 sehe ich jetzt (gegen ALI. 31) einen Instr. 

$ 96. Der Lokalis bei Zeitbegriffen. 

Arisch. Im Altindischen (worüber man Gaedicke 178 ff. ver- 
gleiche): ufas! am Morgen, ydm deväsas trir dhann äydjante den 
die Götter dreimal am Tage verehren RV. 3, 4, 2. ahar-ahar 
Jayate mäsi-mäsi er wird an jedem Tage innerhalb eines jeden 
Monates erzeugt RV.10,52,3. Im Av.: ıbra va asni ıpra va zSafne 
sowohl bei Tageals auch bei Nacht (soll man nichts aus einem Hause 
wegtragen), vd. 4, 1. navarsaparem upamanayen adle yoi maz- 


8 96.) Kap. V, Der Lokalis bei Zeitbegriffen. 223 


dayasna atwigame Gab hama?) mäazdräjahim einen Zeitraum von 
neun Nächten (Akk.) sollen die Mazdagläubigen warten im 
Winter, aber ım Sommer einen vollen Monat, vd. 5, 42. Im 
Ai. wird der Lok. auch gebraucht, um denjenigen Zeitpunkt 
zu bezeichnen, an welchem die Handlung ihre Höhe erreicht, 
in’ welcher, wie auch wir sagen, etwas eintritt. Wenn dieser 
Höhepunkt zugleich der Endpunkt der Handlung ist, so be- 
sagt der Lok. so viel wie unser ‘nach’ (eig. nahe), z. B. sam- 
tatsare nach einem Jahre, vgl. SF. 5, 117. Litauisch, szime 
mett ın diesem Jahre, tojeE denoje an diesem Tage, vakare am 
Abend, rytmetjy am frühen Morgen u. s. w. Nicht selten wird, 
wo eigentlich der Lok. am Platze wäre, der Akk. gesetzt, wo- 
bei die Bedeutungsverschiedenheit unberücksichtigt bleibt, ein 
Fall, der gerade bei Zeitbegriffen, welche in ihren einzelnen 
Kasus leicht erstarren, sich öfter ereignet. Slavisch. Im 
Aksl. erscheint nach Miklosich 4, 648 der Lok. bei den Wör- 
tern din? Tag, nostt Nacht, zima Winter (da ne badetü bestoo 
vase zime ni vu sobolg \va geh ydyırar A Yuyh Üpüv xerminvos 
ande &v caßßaro Matth. 24, 20), Z&to Sommer, Jahr, casüu Stunde 
(* wcele otrokt tomi case xal &depareidn 6 nais And Tic üpas 
&xeivng Matth. 17, 18), nedelja Woche, petikosti Pfingsten, und 


diese Ausdrücke nebst einem oder dem anderen ähnlichen 


finden sich auch in jüngeren Sprachperioden, z. B. ist zemd 
auch altrussisch (Buslajev 261), polnisch im 18ten Jahrh. zime 
im Winter, Zecie im Sommer (Kuhn und Schleicher's Beitr. 6, 64), 
serb. noch jetzt zim: und Zjett. Lateinisch. Von Zeitbegriffen ist 
zunächst der Lok. die in Verbindung mit einigen Adjektiven 
ebenfalls lokativischer Form zu nennen wie die crastınt, proximt, 
quinti, septimi, quarti, mit Voranstellung des Adj. und enger 
zu einem Worte verwachsen postridie und cotidie. Über den 
ersten Theil von kodie, pridie und perendie ist man nicht recht 
im klaren. An den Lok. von dies schliesst sich der von vesper: 
vesperi und vespere ohne Epitheta (tam vespert so spät Abends 
bei Terenz); von tempus : temperi oder tempori zu rechter Zeit 
(ohne Ep.); zu Zur: Zuei. Die Eıstarrung der Form merkt man 


1) Über Aama vgl. J. Schmidt, Pluralb. 209. 


224 Kap. V. Der Lokalis bei Zeitbegriffen. [$ 96. 


daran, dass sie nicht wie die übrigen Kasus von Zur als fem., 
sondern wie manı als neutr. empfunden wird, daher: primo 
luer, lucs claro. Auch mit :n und cum kommt es vor: 1% Zuct, 
in poplico luei, cum luci, cum primo luci (die Belege bei Neue 12? 
238); manı, mane dürfte wohl der Lok. eines in anderen Kasus 
nicht belegten Subst. sein, der dann auch als Nom. und Akk. 
gebraucht wurde. Neben mane septimi sagte man auch mane 
multo oder integro. Hers hat wohl sein : erst in Anlehnung 
an die bedeutungsverwandten Wörter erhalten. Es bleiben 
noch noctu und diu. Noctw ist, wie J. Schmidt bemerkt hat, 
gleich ai. aktau, also Lok. eines sonst im Lat. nicht vorhan- 
denen u-Stammes. In der alten Sprache findet sich Age 
noctu, ıntempesta noctu. In sereno noctu (bei Cato) erklärt 
sıch wie die gleiche Erscheinung bei Zuci. Von diu wird 
angenommen, dass es nach noctu gebildet sei (J. Schmidt, 
Pluralb. 207. Sodann folgen die in die Ablativform aufge- 
gangenen Lokale. Über sie bemerkt Schmalz ? $ 103: “Es 
finden sich Aieme, aestate u. ähnl. in allen Zeiten der Sprache. 
Andere Substantiva als solche, welche einen Zeitabschnitt be- 
zeichnen, werden nur mit Attributen in dem Abl. temporis 
gefunden. Ausnahmen sind selten, jedoch auch in der klassı- 
schen Zeit anzutreffen, z. B. pace, militia bei Livius. Die 
Formen Atieme, aestate sind — wie S. 195 bemerkt worden 
ist — vielleicht als echte Lok. aufzufassen. Wo der Be- 
griff der Erstreckung über einen Zeitraum vorwiegt, ist ver- 
muthlich der ursprüngliche Instr. anzunehmen. — Beachtens- 
werth ıst, dass bei Zahladverbien oder Distributivzahlen nicht 
bloss ir, sondern auch der blosse Abl.-Lok. stehen kann, z. B. 
bis anno, ein Fall, in welchem das Sanskrit den Genitiv vor- 
zieht. Wıe ım Altindischen kann der Lok. auch stehen, um 
den Endpunkt der als verflossen gedachten Zeit zu bezeichnen, 
so 2. B. quatriduo quo is occisus est am vierten Tage nach seiner 
Ermordung, bei Cicero. Griechisch. Es kommt nur der in 
den Dat. aufgegangene Lok. in betracht. Derselbe ist häufig 
bei Datierungen (Krüger 48, 1), so bei Homer ty zporepy, Tparı 
zprratıp, Aöı TH nporepg, dexarg, vuxt nelatvy, eixoot Erei u.s. w. 





$96—97.] Kap. V. Der Lokalis bei Personalbegriffen. 225 


Deshalb sind Dative ohne Epitheta, wie z. B. vouunviq, puotnplors 
(Meisterhans ?2 170) selten. Über die Fälle, in welchen man 
schwanken kann, ob Instr. oder Lok. vorliegt, siehe den Instr. 
5109. Wie ım Altindischen und Lateinischen steht kretisch 
nauzs nach Verlauf eines Jahres Gortyn 1, 35 (Baunack 86), 
a rarep 2oelödv a douevm roll xpdvp Euripides, Iph. Aul. 640. 
Germanisch. Über das Gotische handeln erschöpfend Ga- 
belentz-Löbe 240. Sıe bemerken, dass der Gen. fast auf nahts 
und dagis eingeschränkt ist (s. $ 173), dagegen der Dat. (Lok.) 
erscheint in naht Jah daga, nahlam jah dagam für vöorta xal hudpav 
und voxtös xat Aulpas, ferner vintrau yeımövos zur Winterszeit 
(idjasb es ni varrbai sa blauhs izvar vintrau npocebyeode ö& Tva 
un yEvztaı A Yuyh Öpmv yeruavos Mark. 13, 18); sabbatim rotz 
oaßBası; ferner mit Attributen, wo im Griechischen auch der 
Datıv steht: Bizai naht, himma daga, frumistin daga, jera hvam- 
meh |xat' Eros), Herodis mela gabaurbais seinaizos nahltamat 
vaurhta Hpwöns tois yevasloıs adroö öeinvov &roleı Mark. 6, 21 
wähnl. — Im Angelsächsischen (vgl. ALI. 41) liegt auch der 
Instr. vor: 5Y Priddan dege Elene 185. Das kann der echte 
Instr. sein, vielleicht aber auch der Lok., da wır nicht wissen 
können, in welchen Entwickelungsstufen sich das Zusammen- 
fallen des Instr. mit dem Lok. und Dat. vollzog. Was Erd- 
mann 2, 242 aus dem Ahd. beibringt, macht mir theilweise 
den Eindruck des echten Instr. Einige Belege für die Dativ- 
form im Ags. sind: dögra gehwylce an jedem der Tage, fyrr- 
dagum in alten Tagen, sweartum nihtum in schwarzen Nächten, 
degtidum bei Tage, nihtes hwilum zur Nachtzeit. 

$ 97. Der Lokalis bei Personalbegriffen. 

Er ıst zu belegen aus dem Arischen und Griechischen. 
In betreff des Altınd. habe ich SF. 5, 117 bemerkt, dass na- 
türich auch Personen als Behälter von etwas gedacht werden 
können, z. B. ndva piruse pränah es giebt neun Sinnesorgane 
ım (am) Menschen, dass dieser Ausdrucksweise am nächsten 
steht, wenn etwas in (unter) einer Menge von Personen be- 
findlich dargestellt wird, z. B. nd devesu vivide marditäram 
ich habe unter den Göttern keinen Erbarmer gefunden. Viel- 

Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm. Sprachen. I. 15 


226 Kap. V. Der Lokalis bei Personalbegriffen. [$ 97. 


leicht sei hieraus der Gebrauch entstanden, die einzelne Person, 
bei welcher etwas geschieht, in den Lok. zu setzen, z.B. sa 
häsmin jyög uväsa sie wohnte lange bei ihm. Dazu nehme 
man, was a. a. O. 120 bemerkt ist: Bei Adjektiven, welche 
einen hervorhebenden Sınn haben, treten die Wesen, aus wel- 
chen hervorgehoben wird, in den Lok., 3. B. vam deveju pra- 
thamam havamahe wir rufen dich als den ersten unter den 
Göttern an RV. So auch in der Prosa, z. B. dikfamanegu pürvah 
pürva eva didikfifeta er soll versuchen, jedesmal unter den sıch 
Weihenden der erste zu sein AB. 4, 25, 3. (Dieselben Dienste 
kann natürlich auch der Genitiv leisten, und zwar ist er viel 
häufiger als der Lok.). Im Altpers.: Aya Madassuva maptsta 
äha der unter den Medern der oberste war Bh. 2, 23; im 
Avestischen: afscibrae£sva sevistai dem förderlichsten unter den 
Regenspendern yt. 8, 45. Dieser letztere Gebrauch des Lok. 
findet sich ebenso bei Homer, z. B. äpınpenda Tpwssaw Z 477; 
alyas Aysıy, at nacı ey Ekoyor alnollorcıw @ 266. Natürlich er- 
scheint mir auch die Annahme des Lok., nicht des Dativs in: 
räcıy &Adyyıotov Beuevar pepdreosı Bporoioıv B 285 und 80 xparos 
Eoxe peyıotov näsıy Kuxlwzeocı a 71, wenn ich auch bei den 
Verben des Herrschens jetzt lieber den Dativ als den Lokalis 
annehme. In der späteren Sprache ist wohl durchweg der 
Gen. herrschend geworden. Ferner habe ich früher, und wie 
ich jetzt sehe, Capelle schon vor mir, die Dative in den häufig 
vorkommenden Wendungen totor de uödwy Fipye, ToLsıv Aviotaro 
u. ähnl. für Lokale erklärt. Ich bin auch jetzt der Meinung, 
dass die Auffassung dieser Formen als reiner Dative sehr ge- 
zwungen sein würde. Dagegen sind die auf attischen In- 
schriften häufigen Dative wie ois in: rols Taplaoıy olc 6 Öelva 
&ypapareve oder y: &nt ns BovAfic % Kieıyens Alaebs npwros 
&ypauuotevue CIA. 1, 188 (und sonst) wohl als Dative commodi 
aufzufassen. Wegen der Verba des Herrschens vgl. den 
Dativ $ 1331). 

1) Miklosich 4, 637 nimmt einen Lok. bei Personalbegriffen auch für 
das Aksl. an in der Stelle: bodiji ro&denychü Zenami prorokü Ioana krüstitelja 


niktoke nestü peilmy Ev yevvntois yuvanav rpophrns Imdvvov Tod Bartıotod 
obdels Zorıy Luk, 7, 28; ro&denychü ist aber Genitiv. 


$98—99.] Kap. V. Der Lokalis bei anderen Begriffen und Verben. 227 


$98. Der Lokalis bei anderen Begriffen findet 
sch in grösserem Umfange wohl nur im Arischen. Dort treten 
in den Lok. Begriffe wie Bereich, Gewalt, Wille, z. B. sarvam 
iüd indra te va$s alles dies ist, o Indra, in deiner Gewalt, im 
Bereiche deines Willens RV. 8, 93, 4; ts varat rädenli ahu- 
rahya zaoS& mazdä die machen es seinem Willen recht, nach 
dem Wunsche des A. M. (sich im Bereiche seines Wunsches 
befindend) y. 33, 2. Ferner Begriffe, welche Handlungen und 
Zustände bezeichnen, z. B. vdyrasya pdtansö beim Fliegen des 
Donnerkeils RV. 6, 20, 5; yehe zabadca vazsatca urväsen 
äpo urvaräsca bei dessen Geburt und Wachsen Wasser und 
Kräuter gediehen yt. 13, 93. 

Zweifelhafte Analogien aus dem Slavischen bietet Mi- 
klosich 4, 651, 3. 

$ 99. Der Lokalis bei Verben. 

1) Ein Lokalis der Person kann stehen bei empfangen 
kaufen, erbitten u. ähnl. 

Im Altind. kann man sagen: präty agrabhifma rußamesu 
wir haben bei den R. empfangen RV. u. ähnl. (vgl. ALI. 40, 
SF. 5, 120). Natürlich wäre .auch der Abl. möglich. Ebenso 
im Griech. bei ögyeodaı in: Bsyıorı 52 xadlınapyp ddxto ddrnas 
0 88 und der Inschrift Cauer 14 (vgl. SF. 4, 56). Dazu 
stellt sich wv&opaı, &rprapnv mit Lok. der Person bei Sophokles 
Ant. 1171 (was ich bereits ALI. 40 angeführt habe) und öfter 
bei Aristophanes, z.B. &yw rpiwopaı ty ich soll bei diesem 
etwas kaufen? Frösche 1228, vgl. Kock z. d. St. Kock fasst 
den Kasus als Dativ und sucht ihn durch Hinweis auf unser 
abkaufen’ mit Dat. zu erklären, wonach ein Dativ vorliegen 
würde, welcher nach Analogie der Verba des Gebens bei deren 
Gegenbildern entstanden ist {s. Dativ $ 130). Mir ist meine 
Auffassung wegen des parallelen ö&yopgı wahrscheinlicher. Ein 
Lok. der Person steht ausserdem noch im Altind. bei :$ er- 
bitten und prach erfragen (SF. 5, 120). 

2) Der Lok. erscheint im Altindischen (SF. 5, 121, Gae- 
dicke 128 ff., Ludwig, Rigveda 6, 257) häufig bei Verben der 
Bewegung, z. B. im Veda bei gam: devefu gachati er geht 

15* 


228 Kap. V. Der Lokalis des Zieles. [$ 99. 


unter die Götter, a-ruh: @ röhati rathö es steigt in den Kasten 
des Wagens, (ungenauer ausgedrückt: auf den Wagen) u. ähnl. 
Auch in der Prosa, z. B. bei werfen: ta nägnau prä kireyuh 
man werfe sie nicht in’s Feuer, dthäsmäi pihcäaksan pänav a 
vapati dann wirft er ihm fünf Würfel in die Hand; giessen: 
yöjäyam retah sihcati er giesst den Samen in das Weib, aynau 
Juhöti er giesst in das Feuer; setzen, legen: viryam ydjamane 
dadhätı er legt Kraft in den Opferer, grivasu tad dandam da- 
dhyät auf diese Weise würde er ihm einen Kropf an den Hals 
schaffen (so dass dieser am, im Halse festsitzt,. Ebenso im 
Avesta: yoı afas daden zastayo drujem welche den Satan dem 
A. in die Hände geben y. 30, 8 (vgl. yo Aastayor dadhe wel- 
cher in seine Hände genommen hat RV. 9, 18, 4). Der Lok. 
bezeichnet hierbei wie sonst dasjenige, in dem oder an dem 
(dieses selten oder kaum) ein Vorgang sich vollzieht. Wenn 
wir sagen, er bezeichne hier dasjenige, in welches hinein, an 
welches hin eine Bewegung stattfindet, so bringen wir dabei 
den Sinn des Kasus und des Verbums zugleich zur Geltung. 
Aus der homerischen Sprache gehören dahin 0: pw &nı- 
ypabas xuvdn BaAlev H 187; alpardeoca Ö& xelp neöip ndoe E 82; 
adros ÖL npnvns al xännese e 374; AAN üye dr xoled p&v 
aop Deo x 333; yaly nrkas eünpes &perudv A 129 (vgl. y 15); 
obpav &otrpıke xapn A443 Nicht das Eindringen in etwas, son- 
dern das Stützen auf etwas (also das Anlangen bei etwas) ist 
verstanden bei xAlvew, z. B. dorloı xexAtnevor [' 135; 2peldecda:, 
2. B. ovösı Zpeiodn H 145. Aus dem Lateinischen gehören 
dahin: adveniens domi, procumbit humi, und mit dem Abl.- 
Lok. loco collocare (Lucilius) und ähnl.; vgl. Ebrard 614, 
Vgl. ponere, collocare ın mit dem Abl., slav. polo vü, na 
mit Lok. 

An diese Verba der Bewegung schliessen sich einige alt- 
indische Verba, welche ein geistiges Hinstreben aus- 
drücken, so yat hinstreben, gardh verlangen nach, @-$gs 
hoffen auf, z. B. aynwhötrini devatä a $asants die Götter hof- 
fen auf den das Agnihotra Darbringenden (SF. 5, 122). Dazu 
vielleicht av. z@ (Baunack 2, 397). 


| 99-100. Kap. V. Der Lokalis bei Adjektiven. 229 


Vergleichbar mit den genannten Verben sind einige alt- 
kirchenslavische (Miklosich 4, 640 ff), namentlich Aosngtt 
se mit Lok. an etwas rühren, jemand anrühren, z. B. prikosnq 
se jemü Tıbaro adrou Luk. 8, 47 und Aosng se viskriliji rizy jego 
dato Too xpaoteöou Tod inariou autod 44. Andere Verba, die 
M. noch anführt, wie viseti hängen an, vezets stecken bleiben, 
sch anhängen sind aus cod. Mar. nicht zu belegen. An die ein- 
fachen Verba schliessen sich eine grosse Anzahl von solchen, 
welche mit den Präp. rü, do, za, na, obü, pri, pre, st, u verbun- 
den sind. 

3) Einige eigenthümliche Konstruktionen des 
Altindischen. 

Als eigenthümliche Konstruktionen des Altindischen 
sind die folgenden erwähnenswerth. In den Lok. tritt der Gegen- 
stand, an welchem man theilnimmt, so bei a-bhaj, z. B. anu 
nö 'syam prihivyam ä bhajata lasst uns einen Antheil haben an 
dieser Erde SB. 1, 2, 5,4. Diese Konstr. kann auch auf ein 
abgeleitetes nomen actionis übergehen, wie es denn in der 
angeführten Stelle weiter heisst: astvevd nö 'py asyam bhagah 
es sei auch uns ein Antheil an ihr. Sodann der Gegenstand, 
um welchen (ursprünglich an und auf welchem) gekämpft wird, 
ı.B. äditya5 ca ha va asgirasai ca svarge loke 'spardhanta 
die Aditya und die Angiras kämpften um die Himmelswelt, 
AB.; der Gegenstand, um welchen (in dessen Angelegenheit) 
gebeten wird, z. B. agnim tokö tanaya SaSvad imahe Agni gehen 
wir fortwährend an um Kinder und Enkel RV.; der Gegen- 
stand, in bezug auf welchen eine Beanstandung stattfindet, 
ı.B. nainam pätre nd tälpe mimasantö man beanstandet ihn 
nicht in bezug auf Lager oder Trinkgefäss (lässt ihn zu beiden 
zu: TS. (SF. 5, 119). 

$100. Der Lokalis bei Adjektiven. 

Einen Lok. bei Adj. kann ich mit Sicherheit nur aus dem 
Altindischen nachweisen. Er findet sich in der alten Sprache bei 
äbhaga theilnehmend an (vgl. &-bhaj) und dem bedeutungs- 
verwandten nimi3la hängend an (wohl eig. sich einmischend 
in). Sodann bei priya und cäru beliebt bei und dhruvd ver- 


230 Kap. V. Der I,okalis. Zweifelhaftes. [$ 100—102. 


harrend bei ‚SF. 5, 120), bei AuSala erfahren (udyithe in der 
Kunst des udgätar Chänd. Up. 1, 8, 1). 

$ 101. Zweifelhaftes. 

In nicht wenigen Fällen ist man für das Gebiet derjeni- 
gen Sprachen, in welchen der Lokalis mit dem Instrumen- 
talis zusammengefallen ist, zweifelhaft, welchen von beiden 
Kasus man als wirksam anzuerkennen hat. Hinsichtlich der 
Verba, welche ‘freuen’ und ‘vertrauen’ bedeuten, verweise ich 
auf das bei dem Instr. $ 115 und 116 Gesagte. In $ 95 ist 
auf die Zweideutigkeit des Dativs ndyy in pay apııyeıy, vı- 
xäv u. ähnl. hingewiesen. Natürlich gilt dasselbe von dem 
Abl. Bello in bello vincere u. ähnl. (vgl. darüber ALI. 32). 
Ebenso ist auf die Dat. „peot, Buup u. ähnl. hingewiesen 
($ 95). Es sind dann weiter zu erwähnen Wendungen wie 
‘im Wasser waschen’ oder “mit dem Wasser waschen’, “in einem 
Gefässe trinken’ oder ‘mit einem Gefässe trinken’ über welche 
ALI. 32 gehandelt ist, ferner ‘in einem Wagen fahren” oder 
‘mit einem Wagen fahren’ (ALI. 57). In den angeführten 
Stellen habe ich wiederholt eine Entscheidung von der Präpo- 
sition hergeholt, welche neben dem blossen Kasus gebraucht 
werden kann. So meinte ich z. B. aqua lavare sei darum 
mit einiger Wahrscheinlichkeit als Lok. aufzufassen, weil man 
auch lZavıt in undis sage (Horaz). Jetzt meine ich, dass diese 
Präposition nichts beweisen kann, weil in allen den genannten 
Fällen und in ähnlichen, die man etwa noch anführen kann, 
eine doppelte Auffassung, also auch eine doppelte Ausdrucksweise 
von vornherein möglich war. Ich ziehe es also jetzt vor, die Auf- 
fassung dieses Mischkasus als unsicher zu bezeichnen. 

Bei den Verbis des Herrschens konkurriert der Lok. mit 
dem Dativ s. den Dativ $ 133 und den Instr. $ 111. 





$ 102.) Kap. VI. Der Instrumentalis. 231 


Kapitel VI. Der Instrumentalis. 


$ 102. Über den Grundbegriff des Instr. ist $ 67 gesprochen 
und daselbst behauptet worden, dass in den Instrumentalis der 
Substantivbegriff tritt, mit dem zusammen der Träger der Satz- 
handlung diese vollzieht. Ist nun dieser Begriff eine Person, 
und ist sie nicht als Mittel gedacht, so sprechen wir von einem 
soziativen oder komitativen Instrumental; bezeichnet das 
Substantivum eine Erscheinung oder einen Vorgang, so sprechen 
wir von dem Instrumentalis der begleitenden Umstände; 
bezeichnet es einen Begriff, der als dauernde Eigenschaft ge- 
dacht wird, von einem Instrumentalis qualitatis, während 
der Instrumentalis des Mittels vorliegt, wenn der Substantiv- 
begriff derartig ist, dass er als Werkzeug oder Mittel einer Hand- 
lung gedacht werden kann. Endlich, wenn das Substantiv ein 
Raum- oder Zeitbegriff ist, konstatieren wir einen Instr. der 
Raum- oder Zeiterstreckung. Alle diese Nuancen des 
Instrumentalbegriffes treten in Verbindung mit gewissen Verbal- 
begriffen, namentlich bei Verben der Bewegung, zu tage, und 
es wäre deshalb wohl auch möglich, sie bei dem Instrumen- 
talıs mit Verben zu behandeln. Indessen, da gerade diese 
Typen des Instr. sich mehrfach von den Verben, in deren 
Begleitung sie entstanden sind, emanzipiert haben, so ist es 
mir passend erschienen, sie für sich zu behandeln. Es folgt 
dann der Instrumentalis mit Verben, wobei es sich natürlich 
nur um eine Auswahl des Merkwürdigsten handeln kann. Die 
Reihenfolge der Gruppen mag für sich selbst sprechen. Darauf 
der Instr. in Verbindung mit solchen Adjektiven, welche zu ihm 
ebenso stehen, wie Partizipien von bedeutungsverwandten Ver- 
ben, z. B. “gleich”, das ebenso mit dem Instr. verbunden wird, 
wie die Verba des Zusammenseins. An den Schluss stelle ich 
den freieren Instrumentalis, den der Ursache und der Beziehung. 
Somit ergiebt sich folgendes Schema: 

$ 104. Der soziative Instr. mit dem distributiven. 

$ 105. Der Instr. der begleitenden Umstände. 


232 


$ 106. 
$ 107. 
$ 108. 
$ 109. 
$ 110. 


Kap. VI. Der Instrumentalis. [$ 102—103. 


Der Instr. qualitatıs. 

Der Instr. des Mittels. 

Der Instr. der Raumerstreckung. 

Der Instr. der Zeiterstreckung. 

Der Instr. bei den Verbis zusammensein und zu- 


sammenkommen (freundlich und feindlich), vermischen, trennen. 


$ 111. 
$ 112. 
$ 113. 
$ 114. 
$ 115. 
$ 116. 
bewegung. 
$ 117. 
$ 118. 
$ 119. 
8 120. 


Machen, verfahren mit, herrschen durch (über). 
Kaufen. 

Trinken (mit einem Gefässe). 

Füllen und verwandte Verba. 

Sich freuen, geniessen, leben von. 

Vertrauen und einige andere Verba der Gemüths- 


Einige bemerkenswerthe slavische Verba. 

Der ausmalende Instrumentalis. 

Der Instr. bei regnen, schnauben, speien, schwitzen. 
Der Instr. bei Verben des Bewegens im Slavischen 


und Germanischen. 


$ 121. 
$ 122. 
$ 123. 
$ 124. 
8 125. 
$ 126. 
ziehung).!) 


Der sog. Dativ des Objekts im Germanischen. 

Der prädikative Instr. ım Baltisch-Slavischen. 

Der Instr. bei dem Passivum. 

Der Instr. bei Adjektiven. 

Der Instr. bei dem Komparatıv. 

Der freiere Instrumentalis (der Folge und der Be- 


Da der Instr. im Baltisch-Slavischen erhalten ist, habe ich 


diese Sprachen gleich an das Arische gerückt. Es ıst daher für 
den Instr. folgende Reihenfolge der Sprachen gewählt worden: 
Arisch, Baltisch-Slavisch, Lateinisch, Griechisch, Germanisch. 

$ 103. Ehe ich in’s Einzelne gehe, habe ich etwas vorher- 
zuschicken über den Instrumentalis im Avestischen und im 
Germanischen. 

1. Avestisch. Im Avesta giebt es eine Anzahl von For- 
men auf is und ü$, welche im nominativischen oder akkusati- 


1) Der Instr. bei den Kausativis soll bei diesen behandelt werden. 


5103] Kap. VL Der Instrumentalis. 





vischen Sinne gebraucht werden. Man hält sie meist für 
strumentale, die durch eine sonderbare Bedeutungsverschieb 
su der genannten Anwendung gekommen seien. Inde 
J. Schmidt, der Pluralb. $. 259 ff. diese Formen behandelt, 
merkt mit Recht, dass man bei dieser Auffassung nicht einsi 
warum die Erscheinung sich auf den Plural beschränkt. 
seinerseits erblickt in den Kasus auf als echte Nom.-Acc. 
eigenthümlicher Bildung. Ich habe keine eigene Meinung i 
die Sache gewonnen. Im Folgenden sind die in Rede steh 
den Formen nicht erwähnt. 

Gelegentlich erscheint der Instr. plur. auch im Sinne 
Dativs, so agbiß y. 9, 22 (verglichen mit den folgenden Ver 
vgl. auch Bartholomae, AF. 2, 179, und dagegen Geldner, : 
28,206). Auf der anderen Seite kommt auch der Dativ im 
strumentalen Sinne vor, und zwar, wie Spiegel, Gr. 434 beme 
‘eltener im Singular als im Plural’. Ich zweifle danach ni 
dass lediglich eine Vermischung der Suffixe 5i5 und dyö vorli 

2. Germanisch. Im Germanischen ist, wie schon ! 
bemerkt wurde, eine eigene Form für den Instr. nur noch 
Westgermanischen vorhanden. Es gab eine solche unzwei 
haft in der germanischen Ursprache. Um einen ungefält 
Begriff davon zu geben, welchen Umfang der urgermanis 
Instr. hatte, lasse ich hier eine Übersicht über den Gebra 
des präpositionslosen Instrumentalis im Heliand folgen, 
Moller sie gegeben hat. Er erscheint dort im soziativen Sir 
brahtmu thiu mikilun mit der grossen Volksschar. Ein Ir 
der begleitenden Umstände und der Eigenschaft liegt im | 
liand ohne mid nicht vor, aber häufig mit dieser Präposit 
Vielfach belegt ist der Instr. des Mittels, z. B. ddaru wc 
gibiodan mit einem anderen Worte gebieten, dröru giköpöt 
dem Blute gekauft, ferahu köpsn mit dem Leben büssen, 
bivarp umgab mit Nebel, frostu bifangan vom Frost umfanj 
ergriffen, heries kraftu bihabd eingeschlossen mit Heeresma 
thurstu endi hungru bithwungan mit Durst und Hunger 
quält, folkö kraftu fahan mit der Kraft der Mannen gefan 
nehmen, witiu giwaragean durch Strafe peinigen, wi 


236 Kap. VI. Der soziative Instr. mit dem distributiven. [$ 104. 


muselim da ging heraus für sich allein der M., dio sobom zunak 
dobar bidu stiman u druzinu bin ich selbst ein tapferer Held, 
werde ich geachtet sein in der Genossenschaft. Doch kann 
man hier sobom auch “durch mich selbst’ übersetzen. Im Rus- 
siıschen heisst samü soboju durch sich selbst, von selbst, z. B. 
etwas lernen, bezu pomoct ucıtelja samü soboju ohne Hilfe 
eines Lehrers, für sich allein. Ebenso liegt es bei den von 
Miklosich 4, 694 angeführten Wörtern wıe glava Kopf, Iice Ge- 
sicht u. s. w., welche ungefähr denselben Sinn haben wie das 
Pron. refl., z. B. serb. 5a sam glavom autos &yw alu Luk. 24, 39, 
oder altruss. dodylü jesmi glavoju svojeyuw Kyeva ich bin K. ın 
eigener Person gewesen (bei Mıkl.). Dagegen macht mir ie- 
lomi ın dem von Miklosich 4, 723 angeführten Satze Ayyimi telomi 
pridufi rolp owparı Epyovraı; eher einen soziativen Eindruck 
(vgl. die Bemerkung S. 234, dass auch der Körper als Begleiter 
einer Person gedacht werden kann). Es lassen sich eben hier, 
wie in vielen anderen Fällen, die von uns aufgestellten Gruppen 
nicht reinlich sondern. Lateinisch. Nur bei militärischen 
Ausdrücken, z. B. Caesar omnibus copiis Ilerdam profciscitur, 
doch findet sich auch cum nicht selten (Draeger 1, 496). Dieser 
Instr. bei militärischen Ausdrücken hat sich offenbar erhalten, 
weıl er fast schon als ein Instr. des Mittels zu betrachten ist, 
da die Soldaten dem Führer gegenüber kaum mehr als Per- 
sönlichkeiten erscheinen. Griechisch. Aus Homer habe ich 
ALI. 52 als einziges Beispiel, in welchem persönliche Begriffe 
erscheinen, beigebracht: 7 vöv ör, Tpoindev aAwpevos &vdad ixa- 
vers vn Te xal &tapotsı moAuv ypdvov A 161, wobei freilich das 
nicht-persönliche vn! die Führung hat. Einige Belege, in 
denen es sich um nicht persönliche Begriffe handelt, entnehme 
ich Monro 99: my üp’ 6 y’ &v9” Inzorsı xal Appacı neue veeodaı 
8 8; pewadtes Eyyelgıı B 818 (wo 2&yxelgsı nicht als Mittel 
gedacht ist); &eorfjo’ aldouapor teruyuevov Z 243. In der nach- 
homerischen Sprache findet sich dieser Instr. in militärischen 
Ausdrücken, eine offenbar uralte Wendung, z. B. geiz xal 
Innors Tols Övvarwraroıs xal avöpdcı ropsuwueda bei Xenophon 
(Krüger 48, 15, 18). Dazu kommen die Instr. mit aurds, welches 








$ 104.) Kap. VI. Der soziative Instr. mit dem distributiven. 937 


in demselben Kasus steht, bei Homer nur von nicht-persön- 
lichen Begriffen, z. B. adtyoı Bdesow, adtoisıv Oyeopıy u. 8. w. 
(vgl. Krüger), in der nachhomerischen Sprache auch von per- 
sönlichen Begriffen, z. B. aurois tois avöpaaı. Ich hattea.a. O. 
bemerkt, dass ich nicht einzusehen vermöge, inwiefern die Ver- 
bindung mit aurd; dazu beigetragen habe, diesen Gebrauch des 
Instrumentalis zu konservieren. Seitdem haben verschiedene 
Gelehrte erklärt, dass aurds ursprünglich zu dem leitenden 
Worte gehört habe und durch eine Art von Attraktion zu dem 
Begleitworte gezogen sei (so wohl zuerst Walther 16). Ich 
muss aber gestehen, dass ich in dieser Erklärung nur das in 
historische Fassung gekleidete Eingeständnis sehe, dass wir 
uns über die Verbindung von aötd; mit dem Nebenbegriff 
wundern, da wir es bei dem Hauptbegriff zu finden erwarten. 
Die Betrachtung von Monro (100, Anm.) sucht zu erklären, 
warum sich der instrumentalische Sinn in der Verbindung mit 
aurds habe erhalten können, giebt aber ebenfalls keinen Grund 
für die sog. Attraktion. Germanisch. Im Gotischen findet 
sich dieser Gebrauch nicht mehr, wohl aber gelegentlich im 
Altn., z. B. sigldi Rütr lidi siınu sudr R. segelte mit seinem 
Gefolge südwärts (Lund S. 133) und ım Ags. z. B. iryddode 
ürfäst gelrume micle es schritt einher der ruhmreiche mit 
grosser Schar, Beovulf 923, und einiges mehr bei Kress 19, 
im Heliand nach Moller der echte Instr. noch in drahtmu thiu 
mikilun 4191, 4811 bei Verben des Gehens, sonst nur mit der 
Präposition mid. Mit dem homerischen aA@psvos vni te xal &raporarv 
vergleichen sich altnordische Ausdrücke wie: kömu skıpi sinu 
vb Noreg kamen mit ihrem Schiffe nach N., Gunnl. 9. 

Aus dem soziativen Instr. erklärt sich ein in mehreren 
Sprachen auftretender Gebrauch, den man den distributiven 
genannt hat. Weil man gewohnt war zu sagen: ‘der Feldherr 
marschiert mit Tausenden’, so bildete man auch ‘das Volk 
marschiert mit Tausenden’, oder wie wir uns ausdrücken 'zu 
Tausenden’, wobei dann freilich die Hauptperson und die Be- 
gleiter zusammenfallen. Vielleicht ist so aufzufassen RV 6, 20, 4 
Satäir apadran panayah, zu Tausenden fielen die Pani (zu ce in 


338 Kap. VI. Der Instr. der begleitenden Umstände. |$ 104—105. 


dieser Strophe würde dann ‘schlug’ zu ergänzen sein). Avestisch: 
yä mävoya pasca vazenti zövaS satäis hazaprem ca welche in 
meinem Gefolge fahren zu sechshundert und tausend yt. 5, 95 
(nach Geldner, KZ. 25, 396) Aazarraıs zu Tausenden vd. 13, 51, 
ferner mibvana paarweise. Im Litauischen entsprechen Aus- 
drücke wie: 7 mire szimtais, pulkais sie starben zu Hunderten, 
in Scharen. Für das Slavische begnüge ich mich ein paar 
aksl. Belege aus Miklosich 4, 711 zu nehmen: ischozdachu stor- 
cami ı lisuslamı (näs 6 Aaöc) &ksropedero el; Exarovradas xal yı- 
Auadas; visit fimamı narodü viskrica das ganze Volk schrie auf 
zu Tausenden; fimami na njego klevety izobretocht ich erdichtete 
gegen ihn Anklagen zu Tausenden. Aus dem Griechischen 
lässt sich etwa vergleichen: Tpwwy ot yeya Teiyos brepxareßr,cav 
öußdp N 50 (Walther 14), im Germanischen entspricht genau: 
altn. khundrudum zu Hunderten, flokkum ın Haufen (Belege bei 
Dietrich, Haupt’s Ztschft.8, 47), ags. hespum in Haufen, haufen- 
weis mit cuman, faran u. 8. w. (s. Grein s. v.). In bezug auf 
Otfrid bemerkt Erdmann 2, 247: “nur einmal steht der Dat.-Pl. 
von folk bei einem Verbum der Bewegung so, dass man ihn 
noch soziativ auffassen kann, obwohl er schon in modale Be- 
stimmung übergeht: 3, 9, 2 ingegin fuarun folkon sie kamen 
Christo entgegen mit Scharen, in Scharen, scharenweise. 
Sonst steht überall nur ms?”. 

$ 105. Der Instrumentalis der begleitenden Um- 
stände (Zustände, Stimmungen, Erscheinungsformen). 

Arisch, z. B. üt süryo Jyötija deva öti der Sonnengott geht 
mit Glanz auf RV. 4, 13, 1; tdd asya sdhasäditsanta sie suchten 
es ihm mit Gewalt wegzunehmen TS. 1, 5, 1, 1; särann apd 
avasa das Wasser floss mit Eile dahin RV. 4, 17, 3; uttana- 
hasta ndmasöpasddya die Hände ausstreckend mit Verehrung 
uns nahend RV. 3, 14, 5; yım upairi vis araodap ärstyobareza 
auf welchem Gift emporquoll mit (in) Daumensdicke y. 9, 11; 
yab dım aenomanatoha paitiasnaoiti wenn er ihn mit böser Ge- 
sinnung (in der Absicht zu beschädigen, Geldner) angreift 
vd. 4, 17, nemanha adara data äjasäni mit früh dargebrachter 
Verehrung (rdmasa) will ich herankommen yt. 10, 118. 


$ 105.] Kap. VT. Der Instr. der begleitenden Umstände. 239 


Baltisch-Slavisch. Ich kann nur Slavisches belegen, wo aber 
die Präp. s% bei manchen Typen geläufiger ist, als der blosse Kasus. 
Ich führe aus Mıklosich 4, 725 an: aksl. lonomi tistemi iei domu 
ide ging mit leerem Schosse aus dem Hause; vüzüvarü 7q 
gnevünomü licemü “irato vultu postquam eam vocavit’, kricemü 
pire$te se sich mit Geschrei zankend; slizami Zalovati mit Thrä- 
nen beklagen; strachomü ti trepetomü prigste i mit Furcht und 
Zittern habt ihr ihn aufgenommen; /qkami posüla “dolose misit'. 
(Die beiden letzten Sätze aus Miklosich 4, 708)? Dem griech. xpr;- 
var pEov Ödarı Aeux@ u. ähnl. entsprechen hier Sätze wie die 
folgenden (Miklosich 4,708): aksl. Arüvı tecase rekamı das Blut 
floss in Strömen; videachq kapljaste oti njego krivi kapljami 
‘ridebant sanguinem ab eo guttatim cadentem’, serb. potok potece 
vodom kao ı pre der Bach floss mit Wasser wie auch vorher 
vgl. Danıcie 567 (vgl. das $ 104 über den distributiven Ge- 
brauch des Soziativ Bemerkte). Lateinisch. Sammlungen bei 
Ebrard 618 ff. Es gehören dahin Ausdrücke wie: capillo passo 
ın vtam provolarunt; invocalt deos capile operto, anımo audacı 
in medium prorspit sese, bonoque ut anımo sedeant ın subselliis; 
Junera fletu fazit; summo sonitu quatit ungula terram; dat sonitu 
magno stragem; an tllud joculo dizisti; nunc hujus periclo fit, 
und vieles der Art. Oft werden in den Instr. nicht sowohl 
die begleitenden Nebenumstände, als die Art und Weise, wie 
die Handlung vollzogen wird, gesetzt, so in hoc modo, more 
majorum, mazxıma diligenlia u. ähnl., und es liegt auch auf der 
Hand, dass man nicht selten schwanken kann, ob man den 
Instr. als den der Begleitung oder des Mittels bezeichnen soll, 
z.B. bei vi. Über das Verhältnis zu cum s. Draeger 1, 494 ff. 
Griechisch. Die Stellen aus Homer sind bei Walther 12 fi. 
zusammengestellt (vgl. auch ALI. 52). Es gehören dahin Wen- 
dungen wie: oddyyw &repyönevaı co 199 und eine Reihe von 
Subst. ähnlicher Bedeutung wie „d6yyos. Bemerkenswerth ist 
dabei, dass die Verba fast durchaus Verba der Bewegung 
sind (wie auch bei dem soziativen Instr.).. Von den von Wal- 
ther angeführten Stellen sind anderer Natur nur: ddlaAnta räv 
reötoy xardyoucı II 78, ot de layfi te vödp te naoas nAnaav böobs 








240 Kap. VL Der Instr. der dauernden Eigenschaft. [$ 105—106,. 


I1 373 (wobei man an den Instr. des Mittels denken kann), 
nd deoneotn P£lea orovdevra ydovro ® 159, O 590 und ferner 
II 768, Z 301 (n 270 ist zu streichen‘. Daran schliessen 
sich eine Menge von Substantiven, welche zwar auch Verba 
der Bewegung neben sich haben können, bei denen aber an- 
dere häufiger sind, z. B. dyyxipolov dd op’ HAB "Exaßn terundı 
Hund 2 283, npoodonv xexomdtı Bopwp ı 501, od vo Ti Bun mpd- 
opovı nußeonaı X 183, ferner ppeot, rpartösccıv, vop, vonpaot U. 
ähnl. meist mit Adjektiven, auf denen der Hauptaccent des 
Sınnes ruht. (Ohne Adj. z. B. vow d EreßaAkdev inasdAnv C 320). 
Eine Gruppe für sich bilden solche Instr., welche dem Ad- 
verbium insofern nahe stehen, als sie regelmässig ohne Epitheton 
erscheinen: ölxy, oıyfj, stard, srov6T, racauöly, xdswp in Ordnung 
u.ähnl. In den angeführten Stellen sind die führenden Sub- 
stantiva überall Personen. Nur halb-persönlich ist xpnvr, in: 
xprvar hEov Ödatı Asuxw & 70, womit ich ALI. 52 verglichen habe 
prä k$ödasa dhäyasa sasra ja sdrasvafi mit nährendem Ge- 
woge fliesst Sarasvati vorwärts RV. 7, 95, 1 ivgl. oben das 
Serbische.. Noch erwähne ich xaxf atoy, das wohl nur als 
Instr. gedeutet werden kann (Walther 14). Germanisch. Aus 
dem Gotischen lassen sich von den bei Gabelentz-Loebe 233 
unter ‘Modalis’ beigebrachten Belegen am sichersten hierher- 
ziehen: es frauja gimands mahtai gudıskaı jah valdufnja bana 
galausidedi dass der Herr kommend mit göttlicher Macht und 
Gewalt ihn erlöse Skeir. I, c.; wunageın skalkınon and: 
Aarpeveww Luk. 1, 74. ALI. habe ich aus dem Anord. beige- 
bracht @ fellr austan um eitrdala saurum ok sverdum ein Fluss 
fliesst von Osten durch Giftthäler mit Schlamm und Schwertern 
Vol. 40. Aus Otfrid führt Erdmann 2, 248 an sie wuntun 
ernustin sie kehrten um mit Besorgnissen, in ernster Stimmung. 

$ 106. Der Instrumentalis der dauernden Eigen- 
schaft (qualitatis). 

Ein solcher scheint im Altindischen und Griechischen nicht 
vorhanden zu sein. Aus dem Avestischen lässt sich vielleicht 
anführen: yezi asti asa zrabwa wenn er bei rechtem Verstande 
ist vd. 13, 39 (falls überhaupt so zu lesen ist, vgl. Geldner, 


$ 106.] Kap. VI. Der Instr. der dauernden Eigenschaft. 241 


KZ. 25, 415). Es ist also wohl anzunehmen, dass dieser Typus 
sich erst in den Einzelsprachen entwickelt hat. Er liegt vor 
im Baltisch-Slavischen, Lateinischen, Germanischen. Im Li- 
tauischen bilden den Übergang vom Vorhergehenden Sätze 
wie der folgende: tal 3 tüjaü pasivadino keturis vyrus uirisz- 
toms akımis da liess sie sogleich vier Männer zu sich bringen 
mit verbundenen Augen, Schleicher 143. Daran schliessen 
sich als wirkliche Instr. qualitatis Ausdrücke wie merga tlgais 
plaukais ein Mädchen mit langen Haaren, Schleicher Gr. 269. 
Sätze aus dem Slavischen führt Miklosich 4, 725 an. Es 
gehören dahin aksl. Arotükü ı be-züloby bease ı recijq prostajqa 
mitis et innocens erat et sermone simplice; be nadürusü, plü- 
noma ocima er war roth mit vollen Augen; brovistü Crünama 
zentcama grossbrauig mit schwarzen Pupillen. Auch in dem von 
M. unter dem soziativen Instr. angeführten Satz i de na soni- 
miticht Clovekü necıstomi duchomi xal Tv &v TA ouvayuyfi 
aurav Avdpwros dv rveöparı axadapıw Mark. 1, 23 finde 
ich nicht einen Instr. der Begleitung (denn es handelt sich 
nicht um einen Menschen und einen Geist), sondern einen 
Instr. qual. Dieser ist freilich aus jenem entstanden, bezeichnet 
aber eine andere Stufe. Einige ähnliche Fälle aus anderen 
slavischen Sprachen s. bei Miklosich. Lateinisch. Die bei 
Ebrard 622 f. zusammengestellten Belege geben die Vermu- 
thung an die Hand, dass die Entwickelung auf zwei Wegen 
vor sich gegangen sei, und zwar erstens durch eine Verschie- 
bung der Beziehungen zwischen den Satztheilen. Ein Instr. 
der Begleitung ist zunächst nicht denkbar ohne ein Verbum 
(und zwar gewöhnlich eines der Bewegung). Wie man im 
Sanskrit sagt: ayam ta Emi tanva purästät ich gehe dir mit 
meinem Leibe voran, so heisst auch der lateinische Satz serpenrs 
immanı corpore incedit eigentlich: die Schlange geht mit ihrem 
furchtbaren Leibe einher. Da nun aber der Leib doch dauernd 
zu der Schlange gehört, so wird ımmani corpore (nach Art 
eines adjektivischen Kompositums) mit serpens vereinigt und 
dıe Gruppe von der Verbindung mit dem Verbum gelöst, z. B. 


bei Lucretius 5, 33: usper acerba tuens immani corpore serpens. 
Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm. Sprachen. I. 16 





242 Kap. VI. Der Instr. des Mittels u. der Raumerstreckung. [$ 106—108. 


So erklären sich die zahlreichen alten und festen Gruppen wie 
forma eximia mulierem bei Plautus u. ähnl. Der andere Weg 
scheint der gewesen zu sein, dass an Stelle und in Nach- 
ahmung eines volleren Verbums das Verbum esse eintrat, z. B. 
bono anımo esse etwa nach bono anımo aggredi guten Muthes 
etwas unternehmen. Aus dem Germanischen ist zu erwähnen 
das Ahd. Erdmann 2, 248 bemerkt, dass bei Otfrid ein Dat.- 
Instr. bei sin auftritt, z. B. sint thie liuti missilih, fehemo muate 
die Menschen sind verschieden, von gemischter Gesinnung, sus 
missemo muate sint ubile joh guate. Auch ohne Verbum: thte 
rözagemo muate die Trauernden, nam Maria nardon filu diuren 
werdon von (mit) hohem Werthe. 

$ 107. Der Instrumentalis des Mittels. 

Ein Mittelgebiet bilden die Wendungen “mit einem 
Wagen fahren, mit einem Gespann fahren, auf einem Pferde 
reiten, mit einem Schiffe fahren”, Wendungen, in welchen der 
Begriff der Begleitung noch allenfalls gefunden werden kann. 
Belege aus den einzelnen Sprachen s. ALI. 57—58. Das Ge- 
biet des eigentlichen Instr. des Mittels ist unerschöpflich. Es 
gehören dahin: mit den Augen sehen, mit den Ohren hören, 
mit dem Munde essen, trinken, sprechen, mit den Füssen geben, 
stossen, mit der Hand fassen, geben, schlagen, mit einer Waffe 
schlagen, treffen, mit der Peitsche schlagen, antreiben, mit 
Würfeln, Ball spielen u. ähnl., mit einem Gewande bekleiden 
(got. Ave vasjaima ti repıßalwpeda Matth. 6, 31), mit Finsternis 
verhüllen, mit Gold, Blumen schmücken, mit Riemen fesseln, 
mit einer Flüssigkeit benetzen, mit Butter, Öl salben, mit Feuer 
verbrennen, mit einem Masse messen, durch Arzneien auf- 
richten, mit Liedern preisen, durch ein Opfer verehren 
u. ähnl., worüber ich ALI. einen Überblick gegeben habe. 
Natürlich können gelegentlich auch Personen als Werkzeuge 
aufgefasst werden. So heisst es z. B. aksl. lükomü rece dixit 
per interpretem (Miklosich 4, 693). 

$ 108. Der Instr. der Raumerstreckung. 

Arısch. SF. 5, 128 habe ich aus dem Veda Wendungen 
angeführt wie: dira yäntı sie gehen am Himmel hin, anta- 


$ 108.) Kap. VI. Der Instr. der Raumerstreckung. 243 


rıktena patati er fliegt durch die Luft u. ähnl. Bisweilen ist 
(wenn kein Verbum der Bewegung erscheint) der Instr. von 
einem Lok. nicht mehr zu unterscheiden: Afamedam anyad divy 
anyat die eine Kraft ist hier auf der Erde, die andere im 
Himmel RV. 1, 103, 1. Im der Prosa steht dieser Instr. ständig 
bei den Wörtern für Pfad und Thür, z. B.: anyena pathä nayati 
er führt auf einem anderen Pfade SB. 13, 2, 3, 2; agnina ha 
sa brakmand dvarena prati padyat? durch Agnı als das Thor 
des Brahman tritt er herein SB. 11, 4, 4, 2. Im Avesta liegt 
dieser letztere Gebrauch ebenfalls vor: yör papa usbarente wenn 
die auf der Strasse herausgetragen werden vd. 8, 14. Einige 
Stellen aus dem Altp., welche Spiegel, Gr. 426 anführt, zeigen 
den lokativischen Gebrauch, wie wir ihn gelegentlich auch im 
Veda gefunden haben. (Dagegen kann ich in einigen Stellen, 
die er zu dem gleichen Zwecke aus dem Avesta beibringt, nur 
den Instr. des Mittels erkennen. Wegen vd. 2, 86 (29) vgl. 
Geldner, KZ. 25, 189). Im Litauischen findet sich dieser 
Instr. bei dem Worte für “Weg’, z. B. Akad ji jotu vis keliü dass 
sie immer die Strasse entlang reiten solle, Schleicher Leseb. 134, 
üsz keleivelis keliü keliavat ich Wanderer zog meine Strasse 43, 
ebenso keliu eiti, vazrüti und Ag vestt. Aber auch bei anderen 
Substantiven, 2. B. motüszes laukl vazıävom szalimis 7070 baltı 
brolekai wir fuhren auf der Flur der Mutter, zu den Seiten 
ntten die weissen Brüder, Schl. 22, jüremis begti auf dem 
Meere (über das Meer hin) fahren, äsz pajuremis kai vaziavall 
als ich den Meeresstrand entlang fuhr, Schl. 146, kalnatis nü- 
giniau kalnais pafginiau ıch jagte es aus über die Berge, ich 
jagte es über die Berge hin heim (vgl. Schleicher, Gr. 268, 
Kurschat 383). Das Slavische behandelt Mıiklosich 4, 683 ff. 
Im Aksl. treten, wie in der altindischen Prosa, die Wörter “Weg’ 
und “Thür” beherrschend hervor, z. B. sächozdaase patimi temi 
arzdaıvev &v 9 60@ Exetvg Luk. 10, 31; ne vüchodejt dvirimi vu 
dvorü ovieij? 6 mn eloepyöpevos da Tis düpas el; Try adANv Tv 
rpoßatuv Joh. 10, 1. Doch kommen auch gora Berg, morje Meer 
u. ähnl. häufig genug vor. Ebenso im Serbischen (Danitıc 553), 
2. B. tri putnika putem putovase drei Wanderer wanderten auf 
16* 


244 Kap. VI. Der Instr. der Raumerstreckung. [$ 108. 


dem Wege; otidose poljem Sirokijem sie gingen weg über das 
weite Feld; pa% otide morem trgovatı da ging er über das Meer, 
um zu handeln; iice nebom lete Vögel fliegen am Himmel 
(vgl. ai. diva yäntı); da idemo njegovijem tragom damit wir 
auf seiner Spur wandeln. Aus dem älteren Russisch führt 
Buslajev 261 an: :idi? pulemü, dorogoyu auf dem Wege, goroyu 
auf dem Berge, /&somü durch den Wald, beregomü am Ufer, 
negoiovami dorogami pobegosa sie eilten auf ungebahnten 
Wegen herbei (Igor) u. ähnl. — Von den Verben der Bewegung 
aus hat sich dieser Instr. weiter verbreitet, z. B. aksl. dviricamt 
sümostraachq dolu sie blickten durch die Fenster herab; serb. 
ı pogleda poljem Kosovijem und blickt über das Amselfeld hin; 
kad su bili poljem Sirokijem als sie auf dem breiten Felde 
waren; kad bjese gorom zelenom als sie auf dem grünen Berge 
waren; russ. selü burlakü na rodinu, da dorogoj-to ı ischarcäslä 
vse zarabotannyja denigg es ging ein B. in die Heimath, 
aber unterwegs verbrauchte er alle erarbeiteten Gelder (As- 
böth 15). Lateinisch. Es dürften hierher gehören, die von 
mir ALI. 54 beigebrachten Fälle, von denen Draeger 1, 483 
bemerkt, dass mit dem Ablativ der Weg gemeint sei, über den 
sich die Bewegung erstreckt, z. B. ire publica via (Plautus), 
Aurelia via profectus est (Cicero), omnıbus vuls semilisque esse- 
darsos ex stlvis emittebat; ut jugis (über die Berge hin) Octo- 
gesam perveniret; his pontibus (über diese Brücken hin) padu- 
latum mittebat (Caesar). Auch porta durch das Thor liegt vor, 
z. B. qua tu porta introseris (Cicero). Aus dem Griechischen 
lässt sich etwa hierherziehen, was Krüger 46, 5, 3 aus Thuky- 
dides anführt: &ropedero 75 669 Av autos &rovroaro. Aus dem 
Germanischen führe ich zweifelnd einige Spuren an, die 
sich bei Otfrid finden. Erdmann 2, 242 bringt ein vereinzeltes 
gangan pedin auf den Pfaden gehen bei. Ferner steht Otfr. V, 
12, 13: uuto er selbo quami — thaz ist seltsani — bisparten duron 
thara zit in, ioh stuant thar mitten unlar in, wobei bisparten 
duron doch nur heissen kann “durch die verschlossene Thür”. 
Ich bin geneigt, in diesen Stellen etwas Alterthümliches zu 
sehen, weil es gerade die beiden Wörter ‘Weg’ und ‘Thür’ 





ne 


$ 108— 109.) Kap. VI. Der Instr. der Zeiterstreckung. 245 


sind, um die es sich handelt. Der überlieferte Instr. dieser 
Wörter ist im Germanischen bei “Weg’ durch den Akk., bei 
‘Thür’ durch Präpositionen verdrängt worden. 

$ 109. Der Instr. der Zeiterstreckung. 

Arisch (vgl. Gaedicke 179 ff.) Als Belege mögen die- 
nen: ai. s& nah k$apäabhir dhabhi3 ca jinvatu er erquicke uns 
die Nächte und die Tage hindurch RV. 4,53, 7. In der 
Prosa ist dieser Gebrauch selten. Der Unterschied gegen den 
Akk. tritt nicht überall deutlich hervor. Im Avesta habe ich 
nichts gefunden, ausser etwa braosta z$afno prityayä mit dem 
Ende (am Ende) der dritten Nacht yt. 5, 62 und sonst!). Da- 
gegen gehört hierher eine altpersische Datierungsweise, welche 
von Spiegel, Gr. 426 richtig erklärt worden ist: viyakınahya 
mähya 14 raucab:$ mit vierzehn Tagen des Monats V., d.h.am 
vierzehnten (dagegen mit Akk.: garmapadahya mähya 1 rauca 
den ersten Tag des Monats G., wo also, wie es scheint, 1 als 
Ordinalzahl zu nehmen ist.) Im Baltıisch-Slavischen hat 
sich wie im Arischen der Instr. früh von den Verben der Be- 
wegung emanzipiert. Beispiele aus dem Litauischen sind: 
kitais metais rugiai anksczaüs nunokdavo während anderer Jahre 
pflegte der Roggen früher zu reifen; rytmeczais morgens, va- 
kerais abends, naktimis, naktims nachts, petumis mittags, czesl 
zur gelegenen Zeit (vgl. Schleicher, Gr. 268). Das Slavische 
s. Miklosich 4, 687, z. B. aksl. trimi dinimi sozüdati jq bıa 
mov Ypepmv olxodoproaı aurdv Matth. 26, 61; ofüvede voyiny 
roSitjg noctu milites abduxit. Serb. (Danicie 555) dnevi lee a 
nocu putuju bei Tage ruhn sie und bei Nacht wandern sie, Jutrom 
morgens, vecerom abends, zimom im Winter, Atom im Sommer. 
Russisch: Archangelskoj gorodü drevjanno) odnimü godomü 
postavili die hölzerne Stadt Archangel baute man in einem Jahre 
(Karamzın), 5a vol 8007 (domü) dostroyilü simi dnjami ich baute 
mein Haus in diesen Tagen (Krylov), aber veraltet nach Busla- 
jev261,cölymi Casami sidelü silino zadumeivymü i grustnymü ganze 
Stunden lang sass er sehr gedankenvoll und traurig da (Äsböth 


1) vispa ayare, was Justi unter ayare anführt, ist Akk. pl. neutr. 





246 Kap. VI. Der Instr. bei zusammen sein. [$ 109—110. 


23), prosiymü godomü oslepla im Laufe des vergangenen Jahres 
erblindete ich (Äsböth 16). Ganz geläufig sind im Russ. die 
Instr. dnemü am Tage, nociyu in der Nacht, uiromü am Mor- 
gen, veceromü am Abend, vesnoju ım Frühling, leiom&i im Som- 
mer, oseniju im Herbst, zimojw im Winter. Im Lateinischen 
kann man zweifelhaft sein. Doch sind wohl Wendungen wie 
qui viginti annis errans a palria abfuit als Fortsetzer des alten 
Instr. aufzufassen. Im Griechischen scheint ypdvp mit dem 
Zeitverlauf hierher zu gehören, das Krüger aus Pindar, Euripi- 
des, Aristophanes, Thukydides belegt, z.B. } prv cd Touroıs tw 
Xpovw nor aydessı Wolken 865. Auch können unter den Stel- 
len, die man dem lokalen Dativ zuzuweisen pflegt, wohl noch 
einige stecken, die eigentlich alte Instr. enthalten, z. B. vuxtt 
don@cs ielsıv die Nacht durch sollst du in gleicher Weise 
fahren 0 34; pnvl 6 ap oDAp Ravra neproanev EUpka TOvtov w 
118. Im Germanischen ist ebenso wenig sicher zu ent- 
scheiden, ob Lok. oder Instr. vorliegt. Ausdrücke wie altn. 
nöottum die Nächte über, Dar at vera beim stundum sem hann 
vildı dort zu bleiben, so lange er wolle Gunnl.5 könnten wohl 
Instr. sein. 

$ 110. Zusammensein und zusammenkommen 
(freundlich und feindlich), vermischen, trennen. 

Aus dem Arischen sind etwa anzuführen aı. sac (z. B. 
vifnuna, prajdya mit Kindern, Kinder bekommen), ebenso av. 
hac: yehya urva a$a hacaitt dessen Seele mit A. zusammen 
ist y. 34, 2 und sonst. Dazu aus dem Ai. yat sich verbinden, 
wetteifern, yuy sich verbinden, Arid spielen (z. B. putraik mit 
Kindern) u.a. m., vgl. SF. 5, 131. Verba des Kämpfens sind 
ai. spardh, has, yudh, z.B. pita putröna yuyudhe der Vater 
kämpfte mit dem Sohne (gegen ihn) SB. 4,1, 5, 3. Für ‘mischen’ 
führe ich an av. gava iristahe des mit Milch gemischten 
y. 10,13. Aus dem Slavischen kann man hierher rechnen: 
sich beweiben mit: aksl. Jako o2ent se jejq oTı aurmv &ydpıcev 
Mark. 6, 17; serb. mene babo ne de ozenili ni djevojkom ni 
pak udovicom der Vater will mich nicht verheirathen, nicht 
mit einem Mädchen, auch nicht mit einer Wittwe. Auch 


$ 110.) Kap. VI. Der Instr. bei zusammen sein. 247 


vjeriti se ach verloben (Danicie 563). Ferner tgrati spielen (vgl. 
al. krid), z.B. aksl. da ne nacngti tobojq best igrati dass die 
Teufel nicht anfangen mit dir zu spielen (Miklosisch 4, 701); 
serb. dyje se munja gromom igra a jJavore Jabucicom mladı Jovo 
djecojeicom wo der Blitz mit dem Donner spielte und der Ahorn 
mit dem Apfelbaum, der junge J. mit dem Mägdlein. Der 
Gegenstand, mit dem man spielt, kann auch der sein, um den 
man spielt: da se glavama ne igrayu dass sie nicht um die 
Köpfe spielen (Danitie 564); russ. sudiba igrajetü Yudimı das 
Schieksal spielt mit den Menschen. — Als Beleg für "kämpfen’ 
führt Miklosich 4, 723 an: angelomi retiti cum angelo rixatur, 
für ‘mischen’: kümotrami svojimi ne sümesati se cum matrinis 
sus non commisceri. Im Lateinischen hat segw nur noch 
den Akk. wie ai. sac in der Prosa. Bei ‘kämpfen’ findet sich 
wohl nur noch der Instr. mit Präpos. Dagegen erscheint bei 
miscere (vgl. ai. mißräd gemischt) noch der instrumentale Abl. (vgl. 
Ebrard 26). Im Griechischen und Germanischen, wo 
der Instr. mit dem Dativ zusammengeflossen ist, kann man 
mehrfach zweifeln, ob der eine oder der andere der bei- 
den Kasus vorliegt. Die aus dem homerischen Griechisch 
davon in betracht kommenden Verba sind bei Walther 17 ff. 
aufgezählt. Es sind öpıA&w in feindlichem und freundlichem 
Sinne, z. B. vor piv 2vdad opıÄdonev Aavaoısı A 523, xal 6 Ev 
proripow Öpileı B 21; [ornötw nur B 184, Q 368 mit ot 
und ror, sonst Apa]; &rarptscaı sich freundlich erweisen, avöpl 
2 335; payopaı, päpvapaı, moleullw zZ. B. Tpwat; Epliw z. B. 
Pasanı A 277; minutllopaı, aAdyoıcı D 499. Zweifelhaft ist 
xat "Extopı reıpndnivar aveßlnv & 225. Es kann an Dativ, 
sogar an Lok. gedacht werden. Über piyvopı handelt ausführ- 
lich Walther 18. Deutlich ist der Instr. bei xuxaw, so: &v Ö& 
oyıy Tup6yv Te “al Alyıra xat yelı yAmpöv olvp Ilpapvelp Exuxa 
x234. Aus dem Germanischen kommen in Frage got. ga- 
vadjon verloben, liugan heirathen (von der Frau), blandan ver- 
mischen mit, (horam rxöpvors), gahorinon huren mit, sämmt- 
lich mit Dativ der Person, welcher Instr. sein kann (die 
Belege bei Gabelentz-Loebe 221). Auch bei gasıbjon sich 


248 Kap. VJ. Der Instr. bei trennen, machen. [8 110—111. 


versöhnen (broßr seinamma Matth. 5, 24) ist vielleicht Instr. 
anzunehmen. j 

An die Verba des Zusammenseins schliessen sich einige 
Verba des Trennens im Arischen und Slavischen. Im 
Ai. sind es wesentlich solche, welche mit ri zusammengesetzt 
sind. Ich halte es, wie ich SF. 5, 132 auseinandergesetzt habe, 
für wahrscheinlich, dass diese Verba in gegensätzlicher Anleh- 
nung an die mit sdm zusammengesetzten ihre Konstruktion er- 
halten haben. Ein Beispiel ist: stridhir vya vartatö er wendet 
sich von den Weibern ab MS. 3, 6, 3 (63, 13). Im Av. dürfte 
dasselbe vorliegen bei vi-bar fern halten y. 9, 28. Nicht ganz 
deutlich ist mir die Konstruktion von vi-mru y. 12,4 (vgl. 
Geldner, Studien 133). Danach dürfte dieselbe Entstehung 
für die slavischen mit raz- zusammengesetzten Verba anzu- 
nehmen sein (Miklosich 4, 723), z. B. aksl. staroyu ne raspustivi 
sja ohne sich von der Alten zu trennen, serb. sestrice bradom 
rastavio er trennte die Schwestern von den Brüdern. 

$ 111. Machen, verfahren mit, herrschen über. 

Bei ai. Aar machen steht ein Instrumentalis, z. B. Am 
hi sd täir grhaih kuryad yün antaratö nd vyavavidyat denn 
was könnte er mit einem Hause machen, welches er von innen 
nicht erkennen könnte SB. 1,6, 1,19. An diese Ausdrucks- 
weise mit kar schliesst sich arthö bharatı es ist ein Geschäft mit 
etwas, opus est alıqua re, 2. B. yarhi vo mayarthö bhavıla wenn 
ihr meiner bedürfen werdet AB. i, 27, 1. Hierher scheint 
mir auch der Abl. bei lat. facio zu gehören, z.B. nescit quid 
‚Jaciat auro bei Plautus (Weiteres bei Ebrard 588). Vergleichbar 
ist ausserdem etwa serb. sich beschäftigen mit: zabavlya se svako- 
Jakim bespoclicama er beschäftigt sich mit allerlei Spielereien 
(Daniti& 564). Herrschen. Ein Instr. bei herrschen liegt 
sicher vor im Altindischen und Lateinischen bei patye, potsor, 
worin man ein altes Denominativ von idg. pöli Herr sieht. 
Über die Konstruktion von ai. pätys habe ich SF. 5, 133 be- 
merkt: “Verfügen über (eig. Herr sein vermittelst): patyate 
hat im Veda in diesem Sinne meist den Akk. bei sich, aber 
auch den Instr., z. B. indrö viSvair viryaih patydmänah Indra, 


$ 111—112.] Kap. VJ. Der Instr. bei herrschen, kaufen. 249 


der über alle Heldenkräfte verfügt RV. 3, 54, 15. Mit Lok. 
heisst es theilnehmen an, mit Dat. dienen zu”. Danach dürfte 
bei pottor der Instr. nicht moderner sein, als der Akk. (Langen 
in Wölfflin’s Archiv 3, 335), sondern beide Verbindungen aus 
der Urzeit stammen. Das Aktivum dürfte eine speziell latei- 
nische (oder italische) Neubildung sein. Sodann ist dieser Instr. 
sicher vorhanden im Slavischen (Miklosich 4, 700) z. B. vlastı 
Syrijeya apyew ns Zuplas Luk. 2,2, Jezyky äpyeıv tav &dvav Mark. 
10, 42. So auch im Serbischen (Danıti€ 566), z. B. vladatı 
Srbijom über Serbien, sriyetom über die Welt, muZem über den 
Ehemann. Daran schliesst sich’odladatt erobern, z. B. Srbijom, 
upravıti regieren, zZ. B. upravio kao hayduk kucom er hat wie 
ein Räuber das Haus regiert, suditt richten, z.B. zemljom über 
das Land. Übrigens kommt im Slavischen bei diesen Wör- 
tern auch der Dativ vor (vgl. $ 133). Im Griechischen 
lässt sich nicht entscheiden, ob der Instr. oder der Dativ oder 
etwa der Lokalis vorliegt (s. bei dem Dativ $ 133). Innerhalb 
des Germanischen liegt der Intrumentalis vor im Angel- 
sächsischen in Wendungen wie Py rice redan das Reich regie- 
ren, fy vange vealdan über das Gefilde gebieten, regieren 
(Kress 17). Und daher liegt es denn nahe, den instrumen- 
talen Datıv auch in vätrum vealdan über das Wasser herr- 
schen u. 8. w. zu vermuthen. Es lässt sich aber mit Bestimmt- 
heit nichts behaupten, weil auch der echte Dativ vorliegen 
kann. Die gotischen Wörter, welche herrschen’ bedeuten, 
wie reikinon, biudinon u. a. sind von Köhler 16 behandelt 
worden, der aber in seiner Polemik gegen die Annahme des 
Instr. fehlgeht. 

$ 112. Kaufen. 

Im Altindischen Ari, z. B. ka imam da$abhir mämen- 
dram krinati dhenubhih wer kauft diesen meinen Indra für 
zehn Kühe? RV.4, 24, 10 (Weiteres SF. 5, 134). Nach Schleicher 
268 sagt man im Litauischen Aeturiais duksinais nusipirkti 
um vier Gulden kaufen, was Kurschat 382 anzweifelt. Im 
Slavischen ebenso (Miklosich 4, 690), z. B. aksl. ne petit 
h pticu venitü se penezema düvema oöyl revre orpoußla 


250 Kap. VI. Der Instr. bei trinken, füllen. [($ 112—114. 


rwieitaı GAocapiwv Öbo Luk. 12, 6, serb. platiti bezahlen 
[glavom svojom mit seinem Kopfe, Danilie 562). Im Latei- 
nischen viliosa nuce emere, vendere pretio suo, ventbunt prae- 
sent! pecunia bei Plautus. Dieser Instr. pretii ist früh auch 
mit anderen Verben und auch mit adjektivischen Ausdrücken 
verbunden worden, so nauco ducere bei Naevius, Alocco habere 
bei Plautus, asse carum est bei Cato (Draeger 525); siagre mit 
Instr. heisst eigentlich: für Jemanden dastehen, ihm zur Ver- 
fügung stehen für einen Preis. Im Griechischen und Ger- 
manischen steckt der Instr. im Dativ, bei Homer &xprayınv 
(xreatescw), olvilopar (ax u. 8. w.). Im Got. niu tvai spar- 
vans assarjau bugjanda ouyt 800 stpoußta Aosaplou nwieitaı Matth. 
10, 29. Wie ım Lat. hat sich dieser Instr. auch im Got. eman- 
zipiert: lvaım hundam skatte hlaibos ni ganohati sind baim dra- 
xoslwv Önvaplov Aptor oux Apxodcıv aurois Joh. 6, 7. Die Form 
des Instrumentalis liegt noch vor im Alts.: dröru gıköpot mit 
dem Blute (des Herrn) erworben, Heliand 5155. 

$ 113. Trinken mit dem Instr. des Gefässes: ai. mrn- 
maäyena nd pibet mit (aus) einem hölzernen Gefässe soll er nicht 
trinken MS. 2, 5, 9 (60, 3), serb. ptije Turcin vino kondijerom 
der Türke trınkt Wein mit dem Becher (Danıtie 556). Der- 
selbe Kasus kann in lateinischen Wendungen vorliegen, wie: 
bibere da usque plenis cantharis (Plautus), poclo bibo eodem 
(Lucilius) bei Ebrard 586. Es kann aber auch der Abla- 
tiv sein. 

$ 114. Füllen und Verwandtes. Bei ‘füllen’ findet 
sich seit der Urzeit der Gen., in welchen die Masse tritt, von 
der zum Zweck des Füllens genommen wird, und der Instr., 
welcher die Masse bezeichnet, durch welche die Füllung voll- 
zogen wird. In den meisten Sprachen sind beide Verbindungen 
geblieben. Doch ist im Lateinischen der Gen., im Germani- 
schen der Instr. fast ganz oder in sehr beträchtlichem Masse 
verdrängt woıden. 

Über das altindische par habe ich SF. 5, 133 bemerkt: 
‘par füllen hat im RV. den Instr. desjenigen, was anfüllt und 
den Akk. desjenigen, was man anfüllt bei sich, z. B. & yah 


$ 114.) Kap. VI. Der Instr. bei füllen. 251 


sömena jathäram äpiprata der seinen Leib mit Soma anfüllte 
RV. 5, 34, 2. Wenn es ‘zufüllen, in Fülle geben’ bedeutet, so 
steht dabei ein partitiver Gen., z. B. rayas pürdhi schenke des 
Reichthums. Vereinzelt steht der Gen. auch im ersterwähnten 
Falle: sömasya dasrä jathäram prnetham füllt euren Leib, ihr 
wunderbaren, mit Soma 6, 69, 7. In Prosa, wo nur püräyatı 
und pürydie vorkommt, finde ich den Instr., z. B. TS. 5, 2, 9, 1: 
sikatäbhih pürayati er füllt mit Sandkörnern (nämlich die ukha) 
und gleich nachher dadhna madhumisrena pürayati er füllt mit 
saurer Milch, welche mit Honig gemischt ist. Dagegen in der 
entsprechenden Stelle der MS. (3, 2, 7) heisst es: stkatabhth 
pürayitavya sie ist mit Sandkörnern anzufüllen, aber gleich 
darauf: dadhnah, ghrtäsya, mädhöh. Es scheint, dass man die 
Flüsıgkeiten Milch, Butter, Honig als ein [theilbares]} Ganzes 
ansieht, mehr als die sikatäs, und dass man deshalb bei den 
ersteren den partitiven Kasus setzen konnte. Das Part. pürna 
voll scheint mit dem Instr. verbunden zu werden, wenn der 
Charakter als Part. noch deutlich hervortritt, das Adj. mit dem 
Gen., z. B. juhüm ghrtena pürnam dakfine panao ü dadhäti er 
thut einen Löffel, der mit Butter angefüllt worden ist, auf die 
rechte Hand SB. 12, 5, 2, 7, dagegen: die Adern sind löhltasya 
pürnah voll von rother Flüssigkeit SB. 14, 7, 1,20.” Im Ave- 
stischen scheint die entsprechende Verbindung nicht vorzu- 
hegen. Im Altkirchenslavischen steht im cod. Mar. bei 
isplünsti erfüllen der Instr. in isplüni se duchomi svelymü &:.Inodr, 
mveöpatos dytov Luk. 1, 67 und 1, 41 (dagegen der Gen. 1, 15), 
und tsplünıse se strachomi &rihodnsav addou 5, 26, und nach 
Miklosich 4, 690 bei nasypati. Den Instr. bei ‘füllen’ im Serbi- 
schen s. Daniti€ 562. Im Lateinischen überwiegt der Instr., 
doch ist nach dem bei dem Gen. Bemerkten anzunehmen, dass 
auch ımpleto aquae purae bei Cato (Schmalz ? $ 100) auf uralter 
Überlieferung beruht. Im Griechischen scheint Homer den 
Instr. bei riurArpı nicht zu kennen (TI 373 ‘sie füllten unter 
Geschrei’), später kommt der Instr. vor, so: S&axphorsı yap 'EA- 
Iad’ anacav Znince Furipides Or. 1363. Innerhalb des Ger- 
manischen erscheint der Instr. im Ags., z. B. tudre eordan 





252 Kap. VI. Der Instr. bei sich erfreuen. [$ 114—115. 


fyllan die Erde mit Nachkommenschaft füllen (s. Grein, Glossar), 
und im Altn. 

An ‘füllen’ schliesse ich noch einige Verba des Sättigens 
und des Überflusses, z. B. griech. &w: &o&uev &v Tpoln Taydas 
xövas apyirı önuem A 818 und xopdwvupı: xopdsı xüvac 76 olmvous 
önun xal odpxeocoıv 8 379. In beiden Versen tritt der Gedanke 
des Aufzehrens einer Masse hervor, während der Gen. partı- 
tiven Charakter hat. Zu den Verben des Überflusses sind aus 
Homer etwa Bpiw und Bpidw zu zählen, aus dem Lateini- 
schen die bekannten verba copiae (während die verba in- 
opiae den Ablativ bei sich haben). So hat adundare durch etwas 
überfliessen, fast ausschliesslich den Instr. (kaum den Gen.). 
Weiteres bei Ebrard 637. 

$ 115. Sich erfreuen, geniessen, leben von. 

Hinsichtlich des Altindischen habe ıch SF. 5, 132 be- 
merkt, dass im RV. zwei Verba vorhanden sind, welche den 
Gegenstand, durch welchen die Freude verursacht wird, ım 
Instr. haben, den Gegenstand, bei dem oder an dem sie sich 
äussert im Lok., den Gegenstand, dem etwas abgenossen wird, 
im Gen., nämlich Aar und mad. Mit Instr. werden. ım Veda 
verbunden uc, tu$, mah, har$, im Veda und in der Prosa nand, 
mud, bhuj (über dieses letztere s. beim Lateinischen). Ein Ver- 
bum, tarp (teEpropar) hat im RV. den Gen., in der Prosa den 
Gen. (z. B. annasya trpyati er erquickt sich an der Speise), oder, 
wo ein partitiver Gen. nicht am Platze ist, den Instr.: /rpyati 
prajaya paßübhih er hat Freude durch Kinder und Heerden, 
an ihnen. Bei jiv leben, kommt in der Prosa ein Instr. vor: 
yaya manusy& Jjivanti (die Kuh) die das Nahrungsmittel der 
Menschen ıst. Aus dem Baltisch-Slavıschen habe ich nur 
ganz wenig Vergleichbares angemerkt, aus dem Litauischen 
Sätze wie: dede pasiger&jo tais varkäczais der Ohm hatte sein 
Wohlgefallen an den Jungen (Schleicher, Les. 126), @sz dzau- 
grüs tüm arkliu ich freue mich über das Pferd (nach Kur- 
schat unter ‘freuen’ gew. pe? {4 ärkli), aus dem Slavischen 
den Instr. bei “zufrieden sein’: divtlini badete obroky vasımı 
apxeiode Tois öbwvlors Luk. 3, 14. Dem Instr. bei ai. jiv 


$ 115.) Kap. VL Der Instr. bei geniessen. 253 


— 


leben entspricht serb. ntko ne zivi ontjem $to je suoise bogat 
niemand lebt davon, dass er übermässig reich ist Luk. 12, 15. 
Aus dem Lateinischen kommen in betracht einige Verba 
des Freuens wie delecto (Ebrard 639) und ausserdem fungor, 
utor, vescor. Fungor ist gleich ai. bAuy, über das ich SF. 5, 132 
bemerkt habe: “Gebräuchlich ist 5Auy geniessen m. (das a. ist 
wohl eine Neubildung). Im Veda steht der Instr. bei den Be- 
griffen Hilfe, Kühe (durch deren Wiedergewinnung man Freude 
hat, Heilmittel und ähnl. In Prosa sagt man: yuktena bhu- 
naja ich will mich des angeschirrten Thieres bedienen, Vor- 
theil davon haben SB. 9, 4, 2, 11, ürja bhufjats man gebraucht 
seine Kraft TS. 6, 1, 3, 4, dann auch: dnnena Speise TS. 6, 2, 
5, 4” Die Konstruktion mit dem Akk. gehört der späteren 
Sprache an. Umgekehrt wird fungor in der älteren Sprache 
fast nur mit dem Akk., später mit dem Instr. verbunden. Ich 
halte beide Konstruktionen für proethnisch. Dasselbe dürfte 
von fruor gelten, welches im alten Lat. beide Verbindungen 
aufweist. Das deutsche brauchen hat den Gen. Was utor be- 
tnfft, so meint Langen in Wölfflin’s Archiv 3, 331, Plautus habe 
in der Umgangssprache seiner Zeit wohl nur die Konstruktion 
des Nomens im Ablativ vorgefunden. Erst bei dem Pronomen 
habe sich die Konstr. mit dem Akk. entwickelt. Da das ent- 
sprechende ai. av Freude haben, sich gütlich thun, sich sättigen 
an etwas, im intransitiven Gebrauch nur mit dem Lok. des 
Gegenstandes verbunden wird, an dem man sich gütlich thut, 
so ist von da aus keine Aufklärung über die Akkusativkon- 
struktion zu holen. Man kann auch zweifeln, ob der Kasus 
bei wor nicht wie bei av der Lok. sei, indessen werden die 
Römer doch wohl bei ufor!) denselben Kasus wie bei fungor 
empfunden haben, und bei Verben des Freuens sind ja von 
alters her sowohl Instr. als Lok. im Gebrauch gewesen. Der 


1) An «tor schliesst sich mit Beibehaltung der verbalen Konstruktion 
das Subst. usus, x. B. speculo es usus est bei Plautus, und nach usus est 
hat sich nach F. Schöll’s Meinung (Archiv 2, 207 ff.) opus est gerichtet. Un- 
möglich wäre es fteilich auch nicht, dass opus selbständig zu einer Ver- 
bindung mit dem Instr. gekommen wäre, wie ai. driha; s. oben 8. 248. 


254 Kap. VI. Der Instr. bei freuen. vertrauen. [$ 115—116. 


Kasus bei vescor ist natürlich Instrumentalis. Mit dem Instr. 
bei ai. jiv vergleicht sich suo vivito in den zwölf Tafeln, cıs 
victitamus aridis bei Plautus (Ebrard 640). Da im Griechi- 
schen und Germanischen der Instr. und Lok. zusammen- 
fallen, habe ich es früher (ALI. 38) für zweifelhaft gehalten, 
welcher Kasus in diesen Sprachen bei den Verben des Freuens 
anzuerkennen sei. Jetzt bin ich der Meinung, dass man mit 
grösserer Wahrscheinlichkeit den Instr. als den Lok: anzuneh- 
men habe, theils wegen der Häufigkeit des Instr. im Altindi- 
schen, theils weil in den slavischen Sprachen ein Lok. bei 
diesen Verben überhaupt nicht vorzuliegen scheint. Aus dem 
homerischen Griechisch kommen in betracht repronar 
(reosoist, Höppiyyı, Adyoıs, datt, xrrpacı u. 8. w., vgl. Walther 
50). Für die Annahme des Lok. schien mir früher namentlich 
in’s Gewicht zu fallen tsrapzöpevos Texgsscrv xoupıöty T AaAdyw 
& 244, indessen wird ja ai. tarp auch mit prayaya verbunden. 
Bei yaipw finden sich gewöhnlich nicht-persönliche Begriffe 
(vixn, Spvißdt, areatessıw, ouldartı u. 8. w.), bei denen die An- 
nahme des Instr. natürlich ist, danach auch AvtuXdyp W 556, 
avöpf y 52. Auch bei yatlw (xuöei) und ayaklopaı (Inrorory xat 
oysapıy, vruatv, oVpW, TTepuyscarv, roA&uw) scheint der Instr. der 
natürliche Kasus zu sein. Dem lat. «for entspricht der Kon- 
struktion nach xeyprpar: opeot yap xeypnt' Aayadyoı x 398, 
vgl. x 266, & 421. Wie bei 5730 erscheint der Instr. auch bei 
Caw, so xapnois bei Demosthenes. Im Germanischen ist 
ebenso wenig wie im Griechischen eine sichere Entscheidung 
zu treffen. Der sog. Instr. liegt vor im ags. Py edleäne ge- 
‚feohan sich der Vergeltung erfreuen Gen. 1523. Im übrigen 
vgl. ALI. 39, Erdmann 2, 206. 

An sich wäre es auch möglich, im Griech. und Germ. 
den reinen Dativ anzunehmen, der im Slavischen ebenfalls 
vorkommt. Doch scheint mir dieser Gebrauch nicht alter- 
thümlıch. 

$ 116. Vertrauen auf und einige andere Verba der Ge- 
müthsbewegung. 

Im Slavischen und Litauischen findet sich ein Instr. 


$ 116.) Kap. VI. Der Instr. bei sich rühmen, betrübt sein. 255 








bei vertrauen, vgl. aksl. voyini püvaje svojejq sılojg miles suis 
vinibus fidens (Miklosich 4, 718, im cod. Mar. kommt upüvaltı nur 
mit na vor, dagegen findet sich im Ostrom. ev. opüvajusciimü 
sobojg Tods reroddtas &o £aurois Luk. 18, 9), lit. nusitiketis 
devu auf Gott vertrauen. Andererseits findet sich im klassi- 
schen Sanskrit vi-Sras vertrauen mit dem Lok. der Person oder 
Sache, auf die man vertraut. Der ursprüngliche Sınn kann 
kein anderer sein, als ‘aufathmen bei jemand’. Danach muss 
es ım Lateinischen zweifelhaft bleiben, ob wir bei fretus 
den Instr. oder Lok. anzunehmen haben (vgl. ALI. 35). Bei 
‚fido, conffdo (welche den Dativ persönlicher und den Ablativ 
sächlicher Begriffe bei sich haben) möchte ich in dem Abl. den 
alten Instrumentalis erblicken. Im Griechischen und Ger- 
manischen liegt die Frage noch schwieriger, weil neben dem 
Instr. und Lok. auch noch der Dativ in Frage kommt. Ich 
weiss eine irgendwie sichere Entscheidung nicht zu treffen 
(vgl. wegen des Griech. noch Walther 49). 

An die Verba des Freuens und Vertrauens schliesse ich 
noch einige von naheliegender Bedeutung. Sich rühmen 
und sich schämen: serb. (Danitie 565): tiyem du se hvaliti a 
sobom se ne du hvalıtı dessen will ich mich rühmen, aber meiner 
selbst will ich mich nicht rühmen 2. Kor. 12, 5; cim se koza 
diäila tım se ovca sramila worauf die Ziege stolz war, dessen 
schämte sich das Schaf; ja se ne du zastiditi njome ich werde mich 
Ihrer nicht schämen. So mag denn auch bei ags. gılpan der 
Instr. anzunehmen sein, z. B. fyrdgesteallum der Kampfgenossen 
[Beov., daneben Gen., z. B. mordres). Bei got. skaman sık 
steht der Gen. Betrübt sein über, sich Sorge machen: 
araytsdar yrpai T 335, aydonevnv oßövysı E 354, 05 xredtes- 
ev vreporalws avıalsı 2 300. Dazu slavische Wörter, in 
welchen mehr die Nuance des Sorgens für etwas hervor- 
tntt, z. B. aksl. pesti se, z. B. ne pcete se dusejq vaseja Cto Jaste 
m telomi vi Cüto oblecete se per, nepıpväare 7% duyy pay Tl payııze, 
uröe zo owpartı ti &vößonsde Luk. 12, 22. Serbisch: (Danitic 
564) bog se brine sirotama Gott nımmt sich der Waisen an, 
ne stara) se jelom ved trbuhom kümmere dich nicht um die 


256 Kap. VI. DerlInstr. bei lachen ete. Der ausmalende Instr. [$ 116 —118. 


Speise, sondern um den Bauch. Danach kommt auch misät: 
se denken an etwas, mit Instr. vor. 

$ 117. Es folgen noch einige bemerkenswerthe sla- 
vische Verba. Lachen über: aksl. smiyati se yeläv, xara- 
xeläv scheint mit dem Dativ verbunden zu werden, serb. smijat: se 
mit Dativ und Instr., z. B. ko se moZe ovtjem smijati wer kann 
hierüber lachen? (Danicic 565), russ. smejatisja mit Dat., nad, 
aber auch Instr., z. B. mnoy über mich (Äsböth 13). Einen 
Instr. bei aksl. rqgati se spotten führt Miklosich im Gl. s. v. 
an: rugajefi se nami £pralleı Auiv, ebenso serb. ne du da se 
mnome rugaju neprijatelji ich will nicht, dass meiner die 
Feinde spotten; ebenso serb. drukati se: $to se starcem bru- 
kalte was spottet ihr über den Alten? Vermuthlich sind 
diese Verba an ‘spielen’, ‘sein Spiel treiben’ anzuschliessen, das 
oben $110 behandelt worden ist. Beschwören, schwören: 
aksl. Alets se nebomi dydoaı Ev to oöpavp Matth. 5, 34; serb. 
kunem ti se 3 bogom i ujergm ich schwöre bei Gott und dem 
Glauben, zakle je nebom i zemljom er beschwor es bei (durch) 
Himmel und Erde (Danicie 563); russ. Alyastisj7a nebom i zem- 
l!ejyu Himmel und Erde anrufen, Aljanusi bogomü ich schwöre 
bei Gott. Riechen nach etwas: aksl. grojemi vonjat: riecht 
nach Fäulnis (Miklosich Gl. s. v.); serb. nt Zuk jeo nı lukom 
vonjao er hat nicht Lauch gegessen und nicht nach Lauch 
gerochen (Danicie 567), russ. vonjyati. Ebenso aksl. smrüdet:, 
z. B. venomi nach Wein, serb. smradt gospostvom er stinkt nach 
Herrenthum, russ. dymomü pachnulo es hat nach Rauch gerochen 
(Puschkin). 

$ 118. Der ausmalende Instrumentalis. 

In mehreren Sprachen findet sich ein zu einem Verbum 
hinzutretender gleichstämmiger Instrumentalis, den man mit 
dem Akk. des Inhalts in Parallele gesetzt hat. Man könnte ihn 
den ausmalenden nennen. Dahin gehören aus dem Avesti- 
sehen yavala gaya Joava so lange wir das Leben (eig. mit 
dem Leben) leben yt. 15, 40, vgl. Hübschmann 260. Aus dem 
Litauischen smerczu numifti des Todes sterben, z. B. trımis 
smefczars dsz negalu mifti einen dreifachen Tod kann ich nicht 


$118—119.] Kap.VI. DerInstr. beiregnen, schnauben, speien, schwitzen. 257 


sterben, Schleicher Les. 133, dıdiu’dzaugsmü dzaügtis eine grosse 
Freude haben, bei Schleicher 268 (nach Kurschat 383 auf diese 
Wendungen beschränkt). Häufig im Slavischen (Miklosich 
4, 713ff.), z. B. aksl. slünice tecetü tecenijemi die Sonne läuft 
(ihren) Lauf; sunomi süpatı einen Schlaf schlafen ; radostijq rado- 
vali se wörtlich: sich mit einer Freude freuen ; Cudichü se cudomi 
velikomi 2daupaca daüpa ueya; trudomü dobrymü trudichü sja 
tiv ayava tov xakdy Aywviopar; pade padezemi ljutomi xarıveydn 
ron dzıvdv; uZasngöe se ulasomi velijemi &kcornsav dxstaseı 
uey@ly Mark. 5, 42. Natürlich kann auch statt des stammver- 
wandten ein sinnverwandtes Subst. auftreten, wie beim Akk,., 
1.B.ubojase se strachomi veltijemit &oodrdnoav öRov ueyav Luk. 2,9 
und sonst. Danach liegt auch im Griechischen und Ger- 
manıschen der Instr. vor in Wendungen wie die folgenden: 
as davov olxtiorp Bavarp A 412; Önvo eDöovra Sophokles Oed. 
Tyr. 64, und daran anschliessend 88° ödı Adkeraı Önwp A 131, 
od üetsavres Oed. Kol. 1625, Lucav ABiaßer Bi El. 650. Im 
Got.: ohtedun agısa mikilamma toodrd'nsav adßov ueyav Luk. 2,9. 


Es folgen nun eine Reihe von Verben, bei welchen der 
Instr. mit dem Akkusativ in Konkurrenz tritt. Es sind zunächst 
Verba wie regnen, schnauben u. s. w., sodann die Verba des 
Bewegens, Werfens u. s. w., letztere namentlich im Slavischen 
und Deutschen. 

$ 119. Regnen, schnauben, speien, schwitzen. 

Für ‘regnen’ lässt sich lat. pluere anführen (Draeger 1, 511), 
2.B. bei Livius Zapididus oder sanguine pluit; griech. (Krüger 
Dial. 48, 15, 13) viodtw yev Adplrors baxaldın 8 dApromsıv berw 
d Zwar bei dem Komiker Nikophron ; got. rignida svibla Jah 
funin E3peks Beiov xal nöp Luk. 17, 29. Für den Instr. bei 
'schnauben’ bringt Miklosich 4, 702 eine Anzahl von slavischen 
Beispielen bei, woraus ich anführe: ogrjemi dysesi du schnaubst 
Feuer, eig. ‘mit Feuer. Genau entsprechend altn. eitri ek 
fresta ich schnob Feuer Fafn. 18. Ebenso steht eifre bei 
bläsa schnauben. Für ‘speien’ führe ich an aksl. rygati bras- 

nomi i pilijem! Speise und Trank auswerfen (bei Miklosich 


Deibräck, Vergl. Syntax der indogerm. Sprachen. 1. 17 


258 Kap. VL Der Instr. bei bewegen im Slav. und Germ. [$ 119—120. 


Gl. s. v.), russ. charkati krorizu Blut speien, ch. gnojemü 
Eiter auswerfen, ags. gledum spivan Feuer speien (Beov.). Dazu 
auch ‘schwitzen’: lat. sudare sanguine bei Ennius, ags. fyre 
soetan. Auch ags. tearas und tedrum geötan Thränen ver- 
giessen lässt sich hier anführen, wodurch schon zu den Verbis 
des Bewegens, Werfens u. s. w. übergeleitet wird. 

$ 120. Verba des Bewegens im Slavischen und 
Germanischen. 

Wie man im Altind. sagen kann tfarö yabhir dsyati die 
Pfeile, mit denen er schiesst RV. 2, 24,8 und im Griech. ot dapa 
yeppadloısıy &uöuntwv ano nupywv BaAlov M155 und andererseits 
ım Altind. Aetim asyatı er schleudert die Lanze, z.B.RV.1,101,3, 
und al re rpos allrkas Eßalov tavurxeas oLous II 768, so findet 
sich vielfach bei slavischen Verben des Bewegens ein uns befrem- 
dender Instr. des Gegenstandes, welcher sich (wie Miklosich 4, 695 
bemerkt); daraus erklärt, dass die Verba intransitiv gebraucht 
sind. Dahin gehören aksl. vesi narodü verZe kamenijemi omnis 
populus jecit lapidibus; pozybat: glavoyu mit dem Kopf schüt- 
teln, den Kopf bewegen; seze rukoju svojeju &kerewe mv yeipa; 
Jakoze listomü visemü jestistvomü doiZaase wie ein Blatt bewegte 
er die ganze Natur; (dass diese Verba auch mit dem Akk. ver- 
bunden werden können, versteht sich. Im cod. Mar. kommen 
nur wenige der von Miklosisch angeführten vor, und diese 
finden sich nur mit dem Akk., z. B. vrüzi kameni na njq av 
Mdov ir auıy Baildtw Joh. 8, 7.) Beispiele aus dem Serbi- 
schen (Danitie 568—69) sind: desnom rukom mase er schüttelte 
(bewegte) die rechte Hand; ne uzoija) obrvama ziehe nicht die 
Augenbrauen in die Höhe; ocima je zazmurio er hat die Augen 
zugedrückt; ebenso vijyatt glavom den Kopf drehen, bewegen, 
mahnuti krstom das Kreuz schlagen u.s.w. Ein russisches 
Beispiel ist zamotati golovoju anfangen den Kopf zu schütteln; 
ein kleinrussisches: po bilomu pol’u Cornym makom Sijano auf 
weissem Felde ist schwarzer Mohn gesäet worden (Miklosich 
4, 698). Aus dem Germanischen kommt besonders das Go- 
tische, Altnordische und Angelsächsische in betracht. Über 
die beiden letztgenannten Dialekte vergleiche man: Dietrich, 


$ 120.] Kap. VI. DerInstr. bei Verben desBewegens im Slav.u.Germ. 259 


über den nordischen Dativ, Haupt’s Zeitschr. 8, 23 ff. und die 
oben angeführte Arbeit von J. Kress. Es gehören namentlich hier- 
her: svasve jJabai manna vairpib fraica ana airba ws av 
avdpuros PaAy tov andpov Ant inc yrs Mark. 4, 26; rairpandans 
hlauta ana os Bailovres xArpov &n aura Mark. 15, 24. Bei 
Wörtern wie Same und Los ist uns der Instr. begreiflich, da 
auch wir sagen könnten: mit dem Lose werfen. Dagegen ist 
uns auffällig eine Wendung wie usvaurpun imma ut us bamma 
reinagarda warfen ihn aus dem Weinberg Mark. 12,8. Man 
darf wohl annehmen, dass in diesem und ın ähnlichen Fällen 
ene auf Nachahmung beruhende Ausbreitung des Dativs vor- 
leg. Anch altn. verpa zeigt schon diesen entwickelteren 
Dativ-Instr., z. B. andu, fjarvi den Geist aufgeben, ohnmächtig 
werden (Edda). Deutlich fühlbar ist der Instr. noch in Wen- 
dungen wie: verpa vatnı a begn ungan Wasser über das Knäblein 
ausgiessen Häv. 159. Ags. vearp välfyre (der Drache) warf 
tödliches Feuer Beov. 2583, stredmas veorpad stäne and sonde 
die Ströme werfen (führen) Steine und Sand, Räthsel 3, 6. 
Got. saian säen wird mit dem instrumentalen Dativ fraiva 
Samen, altn. s@ mit korninu Korn und gullinu Gold, ags. sa- 
tan mit sede Samen verbunden. Es kommt aber auch der 
Akk. vor. Dazu got. ufstraujan hinstreuen unterbreiten: gag- 
gandın ban imma ufstravidedun vasljom seinaim ana viga To- 
pevop&vou SE auTod LREOITPWVVvUoV Ta fnarıa aurav dv 9 00m Luk. 
19, 36. Altn. dregda schwingend bewegen, z.B. in der Edda 
soerdum die Schwerter, in der Prosa Aafdı das Haupt wenden. 
Dann auch in dem Sinne von ‘brechen’ (eine heftige Bewe- 
gung mit etwas machen), so in der Edda dregda svefnt, heit:, 
den Schlaf, ein Gelübde brechen. Auch ‘vorwerfen’ mit einem 
Dativ und einem Instrumentalis: er Bü ödlingum Osonnu bregdr 
der du den Edlen Unwahrheit vorwirfst H. H. 1, 36. Dem ent- 
spricht ags. hedfde onbrygdan das Haupt erheben, orede gebredan 
eig. mit dem Athem schwingen, d.h. aus- und einathmen. (Wei- 
teres über ags. dregdan bei Kress5.) Dazu kommt nun noch eine 
Reihe von ähnlichen altnordischen Verben, von denen ich bei- 
spielshalber anführe: Aastadi netinu fyr gedduna er warf das 


17* 


260 Kap. VI. Sogen. Dativ des Objekts im Germ. [$ 120—121. 


Netz nach dem Hecht aus Saem. zu Sig. II, 1; verfdi hann 
Mjallni er warf Mjolinir (Thor’s Hammer) Hym. 36; söyngr eldi 
(der Feuerriese) schleudert Feuer, Gylfaginning 84, 10: steypa 
hjalminum Fafnis den Helm Fafnirs abwerfen, zu Boden werfen, 
Volsungasaga 178, 26 (auch Edda); /ypta eınum felinum den 
einen Fuss in die Höhe heben, Gylfaginning 69, 6; soıpum hefi 
ek nu ypt mein Antlitz habe ich jetzt erhoben Grimn. 45; 
slang upp vid ra raudum skildi erhob an die Raae den rothen 
Schild H. H. 1, 33; soipta sadls af 50 den Sattel vom Rosse 
wegziehen Oddr. 3, seglunum die Segel einziehen, Volsunga- 
saga 164, 11; oA Aıppi ınn vorusekkjunum zog die Waarensäcke 
hinein Gunnl. 5; veltum grjöti wir wälzten Steine Grott. 12; 
hofds vatt ba Gunnarr da wandte G. das Haupt, Akv.6; hvelfdu 
skipinu warfen das Schiff um Bragoredur 98,1, Zogdu bar til laegis 
skipinu legten da mit dem Schiff (das Schiff) an den Ankerplatz, 
Gunnl. 9. Ebenso dürften einige gotische Wendungen hier- 
her gehören, in denen wir freilich den instrumentalen Charak- 
ter des Kasus nicht mehr empfinden, die sich aber an die 
bisher genannten nahe anschliessen, nämlich usdresban 2xBal- 
Asıv, sowohl mit Akk. (2. B. unhulbons, allans, ına, Dana), als 
mit Dat., z. B. imma; afskiuban verstossen in sbas afskauf gup 
arbja seinamma yn anwoato 6 deos tov Aaov autod Röm. 11, 1; 
usktusan verwerfen, z. B. stains Pammei uskusun timrjans Aldov 
ov aredoxtuasav ol olxoßopouvres Luk. 20, 17, uskusun imma 2EE- 
Balov aurov (Eiw ts mölew;) Luk. 4, 29. Dagegen in der Be- 
deutung ‘prüfen’ hat es den Akk. bei sich. 

$ 121. Sogenannter Dativ des Objekts ım Ger- 
manischen. 

Wir haben im Vorstehenden eine Reihe von germanischen 
Verben der Bewegung kennen gelernt, welche mit einem In- 
strumentalis des bewegten Gegenstandes verbunden werden, 
während wir lieber den Objektsakkusativ bei ihnen sehen wür- 
den. Zu diesen treten nun noch eine Anzahl anderer, die 
entweder gleichfalls von Anfang an den Instrumentalis bei sich 
gehabt zu haben, oder ıhn von sinnverwandten Verben über- 
nommen zu haben scheinen. Man kann aber über manche 


$ 121.) Kap. VI. Sogen. Dativ des Objekts im Germ. 261 


Einzelheit nicht sicher urtheilen, weil es, wie wir bei dem 
Datıv sehen werden, im Germanischen auch einen originalen 
Dativ des Objekts giebt, der mit dem aus dem Instrumen- 
talis entstandenen Dativ zusammengeflossen ist. Die folgenden 
Seiten enthalten also viel Zweifelhaftes.. Ich handle zuerst 
von denjenigen Verben, bei denen nach meiner Ansicht mit 
einer erheblichen Wahrscheinlichkeit der Instrumentalis anzu- 
nehmen ist. Dahin gehören: sprechen: got. vaurda gihan 
gleich Aoygp eireiv und Aöyov elneiv, ags. vorde cvedan (Kress 21), 
altn. bei ‘versprechen’, z. B. fogru skaldu heita ok lata fast vera 
Schönes sollst du versprechen und dann auch halten Häv. 131. 
Knüpfen: altn. kann hafdı knytt gullhladi at hafdı ser er hatte 
sich eine Goldschnur um den Kopf gebunden (angeführt bei 
Dietrich 66), vefnistingum snüa das knarrende Segel knüpfen 
H. H.1,26 (auch Akk., 2. B. vigband snüa Kriegsfesseln flechten 
Vgl. 39). Auch bei got. Zukan schliessen ist wohl der Instru- 
mentalis anzunehmen in gagg in hebjon beina Jah galukands haur- 
dat Beinat bidai du atlın beinamma eiseAde els To Tanıeiov son xal 
xAelsa; Tv Bopav oou mpöceufaı ta narpl oov Matth. 6,6 (also: mit 
deiner Thür zuschliessend). Auch altn. /üka hat den Dativ bei sich 
(Lund 80). Auch wohl altn. Aalda, z. B. heldr munnlaugu un- 
dir eiirdropa hält die Hand (mit der Hand) unter dem Gift- 
tropfen, Gylfaginning 80, 16; vel kann hann sverdi at beita ok 
spjoth at skjota ok skapti at verpa ok skildi at halda wohl ver- 
steht er mit dem Schwert zu schwingen, mit dem Spiess zu 
schiessen, mit dem Schaft zu werfen, den Schild (mit dem 
Schild) zu halten, Volsungasaga 191, 13 (auch schon eddisch, 
2.B. Skuld helt sksldi Vol. 24. — Wohl auch got. frabugjar 
verkaufen (Handel treiben mit) in: frabugyan ahakım Tauben 
verkaufen Mark. 11, 15; vgl. serb. irgovati Handel treiben, 
2.B. svinjama mit Schweinen. Vermuthlich auch einige Verba, 
welche verwandeln, wechseln, ändern bedeuten, so altn. 
hafna, z.B. hvi hafnar bü inum hvita lit warum verwandelst du 
die lichte Farbe? Sig. IH, 31, Aafna fornum atrunapi den früheren 
Glauben ablegen Gunnl. 6 (vgl. mit dem Glauben wechseln). 
Auch breyta verändern hat den Dat. nach Lund 90. 


262 Kap. VI. Der prädikative Instr. im Lit. und Slav. $ 123—122. 


Ich lasse nun die Verbindungen folgen, bei deren Auf- 
fassung ich zweifelhaft bin (vgl. den Dativ $ 137): got. fra- 
giman verbrauchen, z.B. soei ın lekjans fragam allamma 
aigina seinamma eis latgods rpooavalmsasıa olov Toy Btov Luk. 
8, 43. Da fragiman vorwärtskommen, zu Ende kommen be- 
deutet, so kann man den Kasus ganz wohl instrumentalisch 
auffassen: zu Ende kommen mit. Möglich ıst aber auch der 
Dativ: zu Ende kommen gegenüber. Dasselbe gilt von got. 
fravisan in bibe Pun fravas allamma daravrsavro;s 62 auroi 
ravta Luk. 15, 14. Verlieren: got. fraliusan, z.B. fraliu- 
sands ainamma Pize aro\&oas Ev 2 aurwv Luk. 15, 4; altn. 
fyna in der Edda verbunden mit oxdu die Seele, aldrı das 
Leben, meidmum Schätze. Vielleicht ist die Grundanschauung: 
in Verlust gerathen, zu Schaden kommen mit etwas. Ver- 
derben, töten. Got. usgiman weit häufiger mit Dativ als 
mit Akk., z.B. leıka, ımma. Da usgiman auch sterben be- 
deutet, so ist wohl mit einiger Sicherheit anzunehmen, dass die 
Verbindung instrumentalisch zu verstehen ist, und der ur- 
sprüngliche Sinn: heraus, zu Ende kommen mit etwas. Man 
vergleiche damit ags. aldre (feore) gedigan mit dem Leben 
davon kommen. Ferner gistjan (sawalom die Seelen), dazu 
usgistjan häufiger mit Akk., fragistjan häufiger mit Dat.; altn. 
spilla verderben, z. B. sifjum die Verwandten Vol. 45, bana 
töten, z. B. monnum die Männer H. Hı. 26. Verlassen: 
got. bilerban, im Sinne von verlassen mit Dat. (so: mis, attin, 
genat, allaım, aim lambam, bamma fairhvau) im Sinne von 
zurücklassen überwiegend mit Akk.; altn. Zata aufgeben, ab- 
lassen, z. B. fyrr skal ek minu fjorvi läta eher werde ich mein 
Leben lassen Sıg. III, 15. got. skaidan trennen: Palei nu 
gup gavab manna famma ni skatdai 8 ouv 6 Beds auv&lsukev 
avdpwros un ywpıLctw Mark. 10, 9. 

$ 122. Der prädikative Instrumentalis im Litaui- 
schen!) und Slavischen. 


1) Über das Lettische sagt Bielenstein, Gr.$590: “Der dem Slavischen 
und Litauischen ganz eigenthümliche prädikative Instrumental bei Verben 





$ 122.] Kap. VI. Der prädikative Instr. im Lit. und Slav. 363 


Schleicher, Gr. 270, Kurschat $ 1329°, 1391, 1411, Bezzen- 
berger, GLS. 240, Miklosich 4, 726 ff., Danicie 578 ff. 

Der prädikative Instr., den man auch den resultativen 
nennen könnte, erscheint ım Litauischen und Slavischen, den 
aus indogermanischer Zeit überlieferten Akkusativ oder Nomi- 
nativ verdrängend, bei Verben, welche verwandeln in, machen 


“zu, werden zu, sein, benennen bedeuten. Ich bespreche zuerst 


den Instr. bei benennen. Man sagt im Lit.: vadıno „1 Izaokü 
er nannte ihn Isaak; aksl. zovg ofica oficemü patrem appello 
patrem; serb. fudyu majku majkom zoves tudjeg oca ocem zoves 
eine fremde Mutter nennst du Mutter, einen fremden Vater 
nennst du Vater, djevoyke me vragom zovu die Mädchen nennen 
mich Teufel, kuda mu se kuderinom zvala sein Haus wurde als 
Ruine bezeichnet; ebenso bei imenovati, glasiti, kazatı und ka- 
zati se u. 8. w., auch suditi jemanden beurtheilen als, z. B. 
punijem zloda svijeh sudi ga er beurtheilte ihn als voll von allen 
Bosheiten; russ. zovutü jJego vojevodo7u man nennt ihn Führer 
(Mikl.), unzdalü niscago ı nu jego rugati poprosajkoju er erblickte 
einen Armen und begann ihn Bettler zu schelten (Äsböth 19). 
Ich weiss nicht recht, wie der Instr. bei ‘benennen’ entstanden 
sein mag. Er kann sich an den Instr. bei machen zu etwas 
angeschlossen haben, und zwar durch die Vermittlung von er- 
nennen hindurch. Es ist aber auch möglich, dass die aus der 
Urzeit überlieferte Wendung mit Namen nennen den Ausgangs- 
punkt bildet, wie sie z. B. im Russischen vorliegt, in Sätzen 
wie kakü tebja molodca imenemü zovutü wie nennt man dich 
Helden mit Namen? (Buslajev 260), eine Frage, auf die sehr 
wohl mit dem Instr. des Namens geantwortet werden konnte, 
und zwar um so mehr, da sich kein anderer Kasus als der 
natürliche einstellte. — Die übrigen Verba mit dem prädikativen 
Instr. bilden eine zusammenhängende, allmählich immer grösser 
gewordene Masse. Der Ausgangspunkt der Bewegung ist bei 
den Verben zu suchen, welche in etwas verwandeln bedeuten, 


wie büt sein (tapt werden?) kommt im Lett. nur selten vor, cf. müsa 
wel ir meitäm meine Schwester ist noch Mädchen, d. i. unverheirathet 
‚Oppekaln)”. 


264 Kap. VL Der prädikative Instr. im Lit. und Slav. [$ 122. 


z. B. aksl. pretvori sebe murinomi in Aethiopem se mutarvit, 
zizla smokomi izmenivi postquam virgam in serpentem mutavit; 
serb. pticom bih se satvorsla ich hatte mich in einen Vogel 
verwandelt, provrze se conyekom kakav je i bio verwandelte sich 
ın einen Menschen, der er auch gewesen war, da se Turcı govedyu 
prometnu dass sich de Türken in Rindvieh verwandeln, ; ona 
se protursla stenom und sie verwandelte sich in einen Felsen; 
russ. pritvorilsja merteymü stellte sich tot, eigentlich: ver- 
wandelte sich in einen Toten (Äsböth 6). Dieser Instr. ist 
in einem Satze wie Zizla smokomi tzmenivi nichts anderes als 
ein Instr. des Mittels. Denn der Satz heisst eigentlich “eine 
Ruthe durch eine Schlange vertauschen, ersetzen’ und ver- 
gleicht sich vollkommen mit lateinischen Sätzen wie: nemo nısi 
victor pace bellum mutavit (Sallust, vgl. Draeger 1, 513). In- 
dem man nun nicht mehr die Handlung des Vertauschens, 
sondern die dauernde Ersetzung des einen durch das andere 
im Auge hat, entsteht eine neue Färbung des Gedankens: der 
resultative Sinn, und so kommt es, dass sich Verba, welche 
bedeuten ‘zu etwas machen, zu etwas werden’ anschliessen. 
Beispiele sind: lıt. snegas vandenimi pavifto der Schnee wurde 
zu Wasser, jis pastös 'dtmonu er wird Hetman werden, k4 
vagiü padaryti jemanden zum Diebe machen u. s. w., aksl. 
postauljeni byvayeti prozviteromi yeıporoveitaı rpeoßörepos; serb. 
ko je mene postavio sudijom ti; ne xat&ornos dixaoıny; Luk. 12, 14, 
gradimo ga laZom wir machen ihn zum Lügner 1. Joh. 1, 10, 
da ga ucine carem \va noınswawv aötöv Baaılda Joh. 6, 15, od 
kako sam knezom nastanuo als ich Fürst wurde, und so bei 
manchen anderen Verben des Machens; russ. ja tebja sdelaju 
lekaremü ich werde dich zu einem Arzte machen (Äsböth 22), 
is ızü Zestokago tiranna sdelalsja mudrymü i krotkimü gosuda- 
remü und aus einem harten Tyrannen wurde er ein verstän- 
diger und sanfter Fürst (21), tE cypljata vyroski-by bolisimi 
kurami diese Küchlein würden zu grossen Hühnern heran- 
gewachsen sein (15). Dieser selbe Instr. stellte sich nun auch 
bei den Verben ein, welche werden und sein bedeuten, z. B. 
lit. Ji5 büs karäliumi er wird König werden, piningat Jam yra 


$ 122.) Kap. VL Der appositionelle Instr. im Lit. und Slav. 265 








devu das Geld ist für ıhn ein Gott, asz esü zmögumi ich bin 
ein Mensch; aksl. dytsi ognjemi yevesdar rüp, rodiwüsi devoju 
prebysti postquam peperit virgo mansit; serb. 0% de drugim 
hli Skenderbegom er wird ein zweiter Sk. sein (werden), do% 
je j08 soldatom bio so lange er noch Soldat war, zbor nt bio 
zborom a dogovor dogovorom die Versammlung war keine Ver- 
sammlung, aber der Beschluss ein Beschluss, dolye je za godinu 
solom nego sto godina kravom (biti) besser ist es für ein Jahr 
Ochs als hundert Jahre Kuh zu sein; russ. davno &i ty stalü 
durakomü? s techü porü kakü ty perestalü byti umnymü bist 
du schon lange Narr? seit der Zeit, wo du aufgehört hast, ver- 
nünftig zu sein (Äsböth 24), Lomonosorü bylü rybakomü, potomü 
stalü peroymü russkimü pisatelemü L. war Fischer, dann wurde 
er der erste russische Schriftsteller. 

An diesen resultativen Gebrauch des Instr. bei Verben 
schliesst sich der appositionelle, den man sich mit dem bisher 
erwähnten durch ein einst vorhandenes Partizipium des Ver- 
bums sein vermittelt denke. Beispiele sind: lit. berau szluzyti 
als Knecht dienen, pasöjau pipirais ich säete es als Pfeffer 
(und es ging auf als etwas anderes). Ebenso im Slavischen. 
So erscheint der Instr. als Apposition zu dem Subjekte in: 
sirolojg otü roditelü ostavijenü bystü orbus a parentibus relictus 
est; sedi vidovicezu vi domu olica svojego xadou yhpa Ev Ti olxp 
sarpds aou; devgyu rodıla Jess als Jungfrau hast dugeboren. Neben 
einem Subjekt, das in dem bei dem Infinitiv stehenden Dativ ent- 
halten ist: dodreje ti jJestit malomostijq vü Zivolü vüniti nakdv aoı 
&oıt xuAAöv els hy Cahv eloeABeiv Mark. 9, 43 (vgl.S.267). Neben 
dem Akkusativ: obdretosa celyri süta devici devoju eüpov Terpa- 
xootas vaavtöas rapdevous. SBerbisch: volim mrijet nego robom 
ziyjet lieber will ich sterben, denn als Knecht leben, svaka 
je dobra devom ma da je vidimo nevom jede ist gut als Mäd- 
chen, aber lasst sie uns als junge Frau sehen. Russisch: jesco 
rebenkomü lisılast ona mater: noch als Kind verlor sie die Mutter 
(Puschkin), sidelu selino zadumlivymü i grustnymü er sass sehr 
gedankenvoll und traurig da (Äsböth 23), onü bylü odetü kaza- 
komü er war als Kosak gekleidet (Puschkin). 


266 Kap. VI. Der Instr. das Vergleiches im Lit. und Slav. [$ 122. 


An diesen appositionellen Instr. schliesst sich dann end- 
lich ım Slavischen der Kasus des Vergleiches, wenn nicht 
gerade an eine wirkliche Verwandlung des einen Gegenstandes 
in den anderen gedacht werden kann oder soll, z. B. aksl. 
letajetü orlomü i jastrebomü volat uti aquila vel accipiter; russ. 
koli Igori sokolomü polete togda Vlurü vlükomü potece als 1. 
wie ein Falke herbeiflog, da lief V. wie ein Wolf herzu 
(Buslajev 260); kleinr. cerez temnyj lis jJasnym sokotom Tety, 
cerez bystryji vody bilym lebedem plyvy, Cerez stepy datekyji 
perepelockom bizy flieg wie ein heller Falke durch den dun- 
klen Wald, schwimm wie ein weisser Schwan durch dıe klaren 
Gewässer, lauf wie eine Wachtel über die weiten Steppen, oder 
sit kamenem consedit lapidis instar. Natürlich heisst das ur- 
sprünglich: ‘fliege als Falke’ u. s. w., und diese Vergleichssätze 
sind von denen nicht verschieden, welche Miklosich 4, 732 fl. 
anführt, wie kleinr. s?ovo vyletyt’ horobcem a verne 5a votom das 
Wort fliegt aus als Sperling und kehrt zurück als Stier; russ. 
naletela starosti cernymü voronomü das Alter kam als schwarzer 
Rabe geflogen. 

Wie schon oben bemerkt wurde, nimmt der lıtauisch-sla- 
vische prädikative Instr. die Stelle des indogermanischen No- 
minativs oder Akkusativs ein, und in der That findet sich 
der Nominativ auch noch häufig neben dem Instr. Litauische 
Beispiele aus der älteren Zeit sehe man bei Bezzenberger a. a.O., 
z. B. stoiosi iam ir io sunui tarnais und wurden seine und seines 
Sohnes Knechte, daneben auch tarnat; kurie wiraı mokıntoiers 
buwo welche Männer Lehrer waren, aber auch moktiojer; ıus 
diewais este ihr seid Götter, aber auch diewai. Über den 
jetzigen Zustand bemerkt Kurschat $ 1329*: “Früher stand das 
substantivische Prädikat mehr im Instrumental als im Nomi- 
nativ. Man sprach also: asz esü zmögumi ich bin ein Mensch, 
Jıs buwo müno gelbetoju er war mein Helfer. Gegenwärtig 
bedient man sich des Instr, wenn dem Subjekt ein acciden- 
tales Prädikat beigelegt werden soll, als was jemand oder etwas 
ist, wozu es jemandem dient”. Statt des für den alten Akku- 
sativ eingetretenen Instr. braucht man jetzt nach Kurschat $ 1391 


$122.] Kap. VI. Nom. u. Akk. an Stelle des prädikativen Instr. ete. 267 





lieber per, sagt also nicht mehr Ag bernu pasisamdyti sich 
jemanden zum Knecht miethen, sondern lieber AZ per berng 
pasısamdyii. Die Entwickelung im Lit. ist offenbar durch ger- 
manischen Einfluss gestört worden. Im Altkirchenslavischen 
habe ich im cod. Mar. bei nennen den Instr. nicht gefunden, 
sondern den Nominativ, 2.B. chramü moji chramü molitve na- 
recetis se 6 olxds ou olxos Tposeuytis xAndnoeraı Matth. 21, 13; 
juze nesmü dostojinü narests se synü tvoji xal ouxerı eiıl Akıos 
»Ardizvar Örös oov Luk. 15, 19. Verba des Verwandelns mit dem 
Instr. habe ich nicht gefunden, bei dyvati werden steht der 
Nom.: reci kameniju semu da badatü chlebi eine va ot Aldor 
odror Apror ydvavraı Matth. 4, 3; ziv& dbadesi Cnoy Luk. 10, 28; 
byvaatü dreovo yiverar d&vöpov Matth. 13, 32. Einen prädikativen 
Instr. in der Apposition habe ich, wie oben bemerkt, notiert 
aus Mark. 9, 43: dobreje ti jestu malomostijq vü Zivotü vünlılı, 
wobei man sich freilich wundert, dass nicht der Dativ steht, 
wie in 45: dodreje ti jJestu vünıli vu Zivolü chromu xakdv Eoti 
ao eiselderv els nv Cohv XwAdvi). Im Serbischen findet sich eben- 
falls der Nominativ häufig so, dass er als Konkurrent des Instru- 
mentalis bezeichnet werden kann (s. Danitic7ff.), Beispiele sind: 
da se nazoves bantca gospodja dass du dich Frau Banin nennest; 
devojka stvori se paunica das Mädchen verwandelte sich in eine 
Pfauin; ona se prometnu ovca sie verwandelte sich in ein Schaf; 
a vila se nacıni dyevojka und die Vila erschien als Mädchen; 
ani mi se ta loZnica tamnica das Lager gestaltete sich mir 
(wurde mir) zum Gefängnis {oder, da cınzti se wie videri gebraucht 
wird, vielleicht auch: videtur mihi hoc cubile carcer); oxa od loga 
casa ostane trudna von dieser Stunde an wurde sie schwanger; 
posta ruka zdrava kao i druga die Hand wurde gesund wie auch 
dieandre. Belege aus dem Russischen s. bei Buslajev 256. Aus 
dem allen folgt, dass der Typus des prädikativen Instr. wohl 
schon in der lituslavischen Zeit sich neben dem altüberlieferten 
Nom. und Akk. zu entwickeln begann und in den einzelnen 


1) Die Übersetzung von xuAA6y durch malomostijg oder bednikomü erklärt 
sich dadurch, dass n. gichtbrüchig heisst. 


268 Kap. VI. Der Instr. beim Passivum. [$ 122—123. 


Sprachen allmählich und in ungleicher Ausdehnung Raum ge- 
wonnen hat. Wie sich der Sinn des Instr. gegen den Nom. 
in den einzelnen Sprachen abgegrenzt hat, inwiefern ein Unter- 
schied noch deutlich hervortritt oder nicht, soll hier nicht er- 
örtert werden. Darüber kann nur jemand urtheilen, der sich 
für jede einzelne slavische Sprache ein lebendiges Sprachgefühl 
erworben hat. Der Entstehungsgrund des Typus selbst liegt 
offenbar ın der Undeutlichkeit, die sich bei der Anwendung 
des prädikativen Nominativs oder Akkusativs leicht ergiebt. 
Darium regem salutant könnte man ja auch übersetzen: “sie 
begrüssen den König Darius’, und entsprechend bei dem No- 
minativ. 

$ 123. Der Instrumentalis beim Passivum. 

Im Veda erscheint häufig ein Instr. bei dem Pass., der 
ebenso auch bei dem Aktivum auftreten könnte, z. B. $asyass 
vacobhth du wirst durch Worte, mit Worten gepriesen, aber 
daneben auch Sqsati vacöbhih er preist mit Worten. Die That- 
sachen legen, wie aus SF. 5, 135 hervorgeht, die Vermuthung 
nahe, dass Wendungen wie usa ribhyate vasisthaih Usas wird 
von den V. gepriesen, diesen erst nachgebildet seien, so dass 
also der Gebrauch des Instr. als Agens beim Pass. aus dem 
Instr. des Mittels beim Akt. entstanden wäre. Im Ai. ist diese 
Verbindung immerhin schon so eingewohnt, dass sie auch bei 
Verbaladjektiven und Infinitiven erscheint, z. B. nybhir havyahı 
durch die Männer anzurufen RV. 7, 22, 7 (vgl. SF. 5, 397), 
agnihötrinä naSitavyam ein Agnihotrin soll nicht essen MS. 1, 
5, 7 (75, 4). Auch ein prädikativer Instr. liegt vor: pafivratena 
bhavitavyam er soll ein nach Art des Viehes Verfahrender sein 
MS. 1,8,7 (126, 6), vgl.SF.5,399. Von Infinitivformen können 
die auf -2 und -Zav@ mit einem solchen Instr. verbunden wer- 
den: nd tena deva ädı3e von diesem ist der Gott nicht zu ver- 
höhnen RV. 6, 56, 1, tasmäd ötenaßru na kärtavai darum soll 
dieser nicht weinen MS. 2, 1, 10 (11, 21). Aus dem Altkir- 
chenslavischen habe ich eine Anzahl von Stellen notiert, 
an denen der Instr. bei passiven Partizipien erscheint, z. B. 
tristi netromü dvizema xalayos und avduov oaksuduevos Luk. 7,24; 


123—124.) Kap. VI. Der Instr. bei Adjektiven. 269 


nosimi cetyrimi alpopsvov Und Teoodpwv Mark. 2, 3; iskusa- 
jemü sotonojgq reıpalöpevov urd Tod Zarava Mark. 1, 13; v& roZ- 
denychd zenams &v yevvntots yuvanav Matth. 11, 11; Aorabi Ze 
be po srede morja vülaje se vlünami db 88 nAolov Non p&oov Tic 
dalasons Tv Baoavılouevov und twv xuuarwv Matth. 14, 24. 

Ich werde auf diesen Instrumentalis bei dem Passıvum 
zurückkommen. 


$ 124. Der Instr. bei Adjektiven. 


Ein soziativer Instr. erscheint bei gleich. So bei samd 
im Altind., z. B. samö devaih den Göttern gleich, RV. 6, 48, 19. 
Dazu Wörter die mit sa- zusammengesetzt sind, z. B. sajoga 
indra varunena sömam pähi zusammen, Indra, mit Varuna trinke 
den Soma RV.4, 34,7; av. a$ü hazao86 in Übereinstimmung mit 
A. y.29, 7. Ferner ‘befreundet: a3ü kushara mit A. befreundet 
y. 32, 2, und danach auch ‘Freundschaft: näsunvatä sakhyam 
oasti Surak der Held wünscht nicht Freundschaft mit den 
Nichtopfernden RV. 10, 42, 4. — Dieselbe Konstruktion findet 
ach im Germanischen, und zwar im Got. bei Ave, was doch 
wohl die Instrumentalform ist, in hve nu galeiko bans mans 
his kunfis jah hve sijaina galeikai tiv ovdv Öporwasw tods Avdpw- 
zOus TÄS yeveäs tauıns xal tive elolv Oporoı; Luk. 7, 31 (vgl. 
Grimm 4, 750, Erdmann 2, 249). Sonst erscheint der Datıv, 
1. B. koamma galeiks ist tivi &orlv Ouoros; Luk. 6, 47; bei hata 
samo 1. Kor. 11, 5. Das mag der echte Dativ sein, der wahr- 
scheinlich schon von Anfang an bei diesen Adjektiven gebräuch- 
lich war und welcher im Lateinischen allein herrschend ge- 
worden ist, wie andererseits der Instr. im Altindischen. Im 
Griechischen dürfte der Instr. vorliegen bei ardAavros, wel- 
ehes den oben erwähnten ai. Zusammensetzungen mit sa- ent- 
spricht. Bei £poros u. 8. w. mag Dativ oder Instr. vorliegen. 
Wie bei ‘gleich’ der Instr., Dat. und Gen. (z. B. bei ai. samad, 
lat. similis) konkurrieren, so bei ‘voll’ der Instr. und Gen. 
Über ai. purnd voll ist unter “füllen’ $ 114 gehandelt. Bei dem 
entsprechenden lat. plerus erscheint selten ein Insır. (Schmalz ? 
$100, Anm... Je mehr plenus als Adjektivum, nicht als 


270 Kap. VI. Der Instr. bei Komparativen. [$ 124—125. 


Partizipium, empfunden wurde, desto mehr hat die Konstruktion 
mit dem Gen. überhand genommen. 

Aus einzelnen Sprachen erwähne ich’noch das slavische 
dovolinü zufrieden, das schon $ 115 angeführt worden ist, ferner 
dlüfinü schuldig (Miklosich 4, 707), z. B. aksl. izZe be dlüZenü 
Jemu sülomiü penezü 05 @perkev adra Exarov örvdpıa Matth. 18, 28: 
ebenso bei povininü: ty povininü Timami ziychü du bist schuld 
an unzähligem Übel. (Im cod. Mar. habe ich übrigens bei 
povininü nur den Dativ gefunden, vgl. $ 139). Dieselben Wörter 
treten auf im Serbischen (vgl. Danicic 572). Bei dem lat. 
dignus ist der Abl. wohl als ein Instr. pretii aufzufassen. 

$ 125. Der Instrumentalis bei Komparativen. 

Bei Komparativen erscheint ein sog. Instrumentalis des 
Masses, dasjenige bezeichnend, um welches ein Gegenstand 
einen anderen übertrifft. Im alten Sanskrit weiss ich ihn — 
wohl zufällig — nicht zu belegen. Aus dem Avesta führt 
Hübschmann 262 Belege an. Dass dieselbe Konstruktion im 
Litauischen vorliege, leugnet Kurschat $ 1532 gegen Schleicher. 
Dagegen ist sie sicher belegt im Slavischen, z.B. aksl. mno- 
gomi drazejss jJesti glava Toanova multo pretiosius est caput 
Johannis (Miklosich 4, 703). Im Lateinischen liegen Wen- 
dungen wie paulo plus aut minus, duobus nummis minus aus 
allen Zeiten vor (Draeger 1, 520. Im Griechischen ist 
roAA@ peilov u. ähnl. erst seit Herodot belegt. Homer hat 
nur roAd nellov. Über das Germanische s. Grimm 4, 752. 
Im Got. ist noch die Instrumentalform fe in be haldıs eo am- 
plius erhalten, ahd. dıw Aalt. 

Im späteren Sanskrit kommt gelegentlich der Instr. bei 
dem Komparativ im Sinne des Ablativs vor. Die Gründe zu 
ermitteln, überlasse ich den Kennern dieser Literatur. Nach 
Pischels Ansicht zeigt sich dieselbe Erscheinung vereinzelt 
auch in der älteren Literatur, was ich SF. 5, 137 bestritten 
habe. In den von ihm und Geldner herausgegebenen Vedi- 
schen Studien 1, 309, Anm. wiederholt Pischel seine Ansicht, 
ohne näher auf die Sache einzugehen, und verweist auf J. 
Schmidt, Pluralb. 131 f. Ich kann aber Schmidt in seiner 


5125-126.) Kap. VI. Der Instr. der Ursache. 271 


Auffassung von RV. 10, 70, 5 nicht beistimmen, sondern sehe 
in den dort angeführten Worten eine Aufforderung an die gött- 
lichen Opferthore, sich entweder zu heben oder aufzuthun: 
‘berührt entweder den weiten Rücken des Himmels oder thut 
euch auf nach dem Mass der Erde, d.h. so weit wıe die Erde 
ist. An rarıyah im Sinne von urd ist kein Anstoss zu nehmen 
(vgl. SF. 5, 192), und dass mätraya in dem von mir gewählten 
Sinne aufzufassen sei, dürften wohl die von Böhtlingk-Roth 
s. v. angeführten Parallelstellen zeigen. Auch ist die Zu- 
muthung an die Thore, welche doch auf der Erde befindlich 
gedacht werden, sich weiter als die Erde zu öffnen, etwas stark. 
Auch was Geldner, Ved. Stud. 2, 32 bemerkt, hat mich nicht 


überzeugt. 
$ 126. Der freiere Instrumentalis (der Ursache und 
der Beziehung). 


1. Der Instr. der Ursache. 

Arisch. Für das Altind. z. B. väghddbhir aSvina gatam 
um der Opferer willen, o ihr A., kommt heran RV. 8, 5, 16, 
ebhir bhaca sumänä agne arkäih um dieser Lieder willen sei 
wohlwollend, o Agni RV. 4, 3, 15; jarasa marate patıh in- 
folge von Alter stirbt der Gatte 10, 86, 11, sa bhifa ni lilye 
er versteckte sich aus Furcht SB. 1, 2,3, 1. Mit dem Instr. 
konkurriert der Ablativ (vgl. auch Speijer 52). Ein Beleg aus 
dem Avesta ist ahe raya zwarenaphaca tam yazäı um ihrer 
Macht und Hoheit willen will ich sie verehren yt. 5, 9. Im 
Slavischen scheint dieser Instr. selten zu sein. Man kann 
etwa anführen: ne mo2eacha besedovatı kü njemu narodomi ovx 
1öuvayto cuvruyeiv aurw örd töv oyAov Luk. 8, 19, azü Ze gla- 
demi gybljq &yw ö& Aıu@ andAlupar Luk. 15, 17. Im Latei- 
nischen und Germanischen ist bei Wendungen dieser Art 
der Kasus nicht genau zu bestimmen, da auch der Abl. (der 
ja in diesen Sprachen mit dem Instr. zusammengeflossen ist) 
in Frage kommen könnte (vgl. ALI. 18). Ebrard 588 ff. führt 
denn auch das, was ich hier erwähne, unter dem Ablativ an. Mir 
erscheint es jetzt wahrscheinlich, dass jedenfalls auch der Instr. 
stark betheiligt ist. Beispiele sind: ut me hodie jugularem fame 


272 Kap. VI. Der Instr. der Beziehung etc. [$ 126. 


(Plautus), pavore pecuda in tumulis deserunt (Attius), Zacrumo 
gaudio (Terentius), aelate patres appellati sunt (Sallustius), ferner 
die Abl. aufw, z. B. iuo arcessitu venio (Plautus!, endlich caussa, 
gratia u. ähnl. Aus dem Germanischen gehören hierher 
Wendungen wie: thü hungiru nirstirbist bei Otfrid (Erdmann 
2, 251), oulf hungre heöfed der Wolf heult vor Hunger, Grein 
2, 344 (Vers 150). Griechisch. Einige Beispiele aus Homer 
sind: Beds ws Tlero önmp oABw Te nÄourp te xal uldoı xuöakt- 
more & 205; Ar otxtıotov Daveeıv 1 342; yElp Exdavov o 100; 
Yeuyovras dvayaıy A 150; yyaoy del nal desnestg nölıy 00x ala- 
maßeıs 7 avöpav xaxdımrı xal appaöly moAduoro B 367; oo pev 
ap puorntl y” Exeudavov I’ 453; dyelaooe BE ol Pilov Frop m- 
doouvn ® 389 (so wohl auch N 29). 

2. Der Instrumentalis der Beziehung, besonders 
bei Adjektiven (vgl. ALI. 67). 

Im Arischen z. B. apärd öjasa unvergleichlich an Kraft, 
saumyd vai devataya pürugah somaisch der Gottheit nach ist 
der Mensch, vereinzelt namna mit Namen (vgl. SF. 5, 128). 
Ebenso im Litauischen und Slavischen. Es treten In- 
strumentale zu Adjektiven, z. B. lit. (vgl. Schleicher, Gr. 268 
und 270) silpnas kojomis schwach auf den Füssen (eig. mit 
den Füssen), ven& akim), üklas auf einem Auge blind. Über 
das Slavische s. Miklosich 4, 719, z. B. aksl. glavoyu « bradoyu 
sedi mv xapav xal To yEveov noluos, skudobradü licemi bartlos 
von Gesicht; serb. (Danitit 573), z. B. veliki tiyelom a malen 
djelom gross an Leib, aber klein an That, Aako du vesela licem 
biti kad mi je dusa bolesna wie kann ich heiter von Antlitz 
sein, wenn meine Seele betrübt ist?, nezdravi s tijelom i dusom 
ungesund an Leib und Seele. Altrussisch: rostom& srednej, 
volosomü temnorusü von Gestalt mittel, von Haar dunkelbraun 
(Buslajev 258). Ferner treten die Instrumentale der Wörter 
‘Name, Volk’ u. ähnl. zu Substantiven, so im Litauischen Mikas 
vards Nikolaus mit Namen (vgl. dazu Kurschat 384), aksl. 
elovekü bogatü otä Arimateje imenemi Iosifü rouvopa ’Ioor», 
Matth. 27, 57; si7 bese rodomi murini oLros tw yevar Tv aldiod 
(bei Miklosich). 





$ 126.) Kap. VI. Der Instr. der Beziehung etc. 273 


Danach liegt auch in den übrigen Sprachen der Instr. vor. 
Im Lateinischen in Ablativen wie: mihi germanus pariter 
animo el corpore, qus sunt genere proxumi, sum perniz manibus 
pedibus mobilis (Terentius), vgl. Ebrard 651. Dazu die bekannten 
nomine, natıone, ferner claudus altero pede u. s. w. Im Griechi- 
schen und Germanischen der Dativ. Für das Griechische 
verweise ich auf ALI. a. a. O., 2. B. Big ȣptepos o 234, xal- 
lıtos rormtApacı Z 294, pelwy uEv xepaid, Ayapeuvovos Atpetdao, 
eupurepog 5 wuoratv löE orepvorowv lögsdar 1'193. Bei ‘gross’ 
und ‘klein’ steht der Begriff “Grösse, Menge’ im Instr., nicht 
bei Homer, so vıel ich weiss, wohl aber bei Herodot, z. B. 
peyaßei weyadoug 1, 51, vgl. 5, 31; yeyadei Zovres onıxpof 2, 74; 
zındei roAlas 6, 44. Wegen övoparı (neben övona) vgl. Krüger 
46,4, 3. Belege aus dem Gotischen s. Gabelentz-Loebe 234, 
ı.B. audagai jus unledans ahmin glücklich ihr, die ihr arm 
sid an Geist Luk. 6, 20; gimib ains Bize synagogafade namin 
Ineirus Epyerar eis Tüv dpyısuvayaywv övopatı Iderpos Mark. 
5,22; Daruh anakumbidedun vairos rabjon svasve fimf Pusund- 
Jos Av&necov o0v ol Avöpes töv Apıddv wol mevraxıoylAroı Joh. 
6,10, wobei es sicher ist, dass raßjon Dativ ist, da der Akk. 
der Beziehung des Griech. durch den got. Dativ wiedergegeben 
zu werden pflegt (vgl. ja% gasleibeip sik saivalai seinai Knpıwd 
mw bugnv Mark. 8, 36; gaskohai fotum broöroapevor Toüg nödag 
Eph. 6, 15; gaskohai suljom brodedeu&vous oavöalıa Mark. 6, 9; 
ganasjan bans gamalvidans hairtin Tasasdaı Toug auvrerpiumevoug 
my xapölav Luk. 4, 18 u.s.w.). Weiteres bei Grimm4, 750. Alt- 
nordische Belege s. bei Lund 132, z. B. Deir varu menn fridir 
sjönum, litlir vexti sie waren Männer schön von Gesicht, klein 
von Wuchs; Aaltr eptra feti lahm am hinteren Fusse. 

Es versteht sich übrigens, dass dieser Instr. auch neben 
Verben, nicht bloss neben Adjektiven erscheinen kann, z B. 
ai. argi bhavatı nargena vihürchati hat alle Körpertheile, nimmt 
nicht Schaden an einem Körpertheil Chänd. Upan. 2, 19, 2; 
got. Jah Iesus hath frodein jah vahslau jah anstai at gupa 
jah mannam xal Imsoös rpoodxonte sopla xal Adıxiq xal yapırı 

Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm. Sprachen. TI. 18 


274 Kap. VI. Anhang. Der hom. Kasus auf auv). [$ 126—177. 


rapa Bew xal avdpwroıs Luk. 2, 52. Doch ist die Verbindung 
mit Adjektivis die häufigste. 


Anhang. 
6 127. Der homerische Kasus auf gıfv). 


Die neueste mir zu Gesicht gekommene Abhandlung über 
diesen viel besprochenen Kasus ist die von H. Pratje, Progr. 
des Progymnasiums zu Sobernheim, Göttingen 1890. Ich be- 
ziehe mich im Folgenden auf dieselbe hinsichtlich der Zitate, 
beschränke mich übrigens auf den homerischen Gebrauch.!) 

So viel ich weiss, ist es noch nicht gelungen, diesen Kasus 
in befriedigender Weise in das System der Kasus einzufügen. 
Vielleicht wird es gelingen, wenn man zuerst die Frage beant- 
wortet, welchem Numerus die Formen mit oıv angehören. Ich 
zweifle nicht, dass dıes der Plural ist. Von den bei Homer 
vorkommenden den Substantivis angehörigen Formen sind sicher 
pluralisch: vaöpıy (8$mal). Dies Wort ist besonders wichtig, 
weil es so häufig vorkommt, dass der Zufall ausgeschlossen 
erscheint, und weil man nicht sagen kann, dass es numeruslos 
gebraucht wäre, was man etwa von dedo:v (7 mal) sagen könnte, 
welches übrigens nach meiner Auffassung stets pluralisch zu 
fassen ist. Sodann dstedaıw (3), XotuAndovögıv (1). Eine beson- 
dere Gruppe bilden die Wörter, welche entweder nur oder 
überwiegend im Plural erscheinen. Dahin gehören: txpıdoıw (5), 
Sarpuögpıy (7), öpeapıv (7), öxzapıv (23), arndeopıv (8), Böpnpıv (2, 
auch düpa: ist ja viel häufiger als düöpn). Wahrscheinlicher 
oder möglicher Weise pluralisch sind ausserdem aufzufassen: 
veupfiptv. Mehrere Sehnen sind gemeint O 313, I1 773, an den 
übrigen 5 Stellen ist nur von einer Sehne die Rede. Man 
erwäge aber, dass A 122 veüpa gleich veupn ist; eövfiow wird 
4mal gebraucht, immer nur vom Lager eines einzelnen, aber 
in diesem Falle steht doch auch der Plural in 88 »aol Tupw&os 
Euuevar eövds B 783, raldungıv Amal, in Sätzen wie öyyos, & ol 


1) Igı, vöspev und dr.ovösgev sind aus bekannten Gründen übergangen. 





$ 127.] Kap. VL Anhang. Der hom. Kasus auf zı{v). 275 


raläunpıv dpnpeı kann pluralisch gedacht sein nach: ”Aprs 8 &v 
zalaunor reAmprov Eyyos Zvapa E 594. Dazu kommen einige 
Abstrakta, welche ja in der alten Sprache häufig pluralisch 
sind (vgl. $ 51), nämlich aykatngı Z 510 f., vgl. Aydlatas p 244; 
Btnow, welches 6 mal auf mehrere Subjekte, 15 mal auf ein Sub- 
jekt bezogen ist (Bias bezieht sich freilich immer auf mehrere 
Subjekte); dvayxatnoı Y 143; nvopenp: A 303. Doch kann ich 
nichts dagegen einwenden, wenn jemand diese Wörter lieber 
saingularisch auffassen will. Unter den als Singular gebrauchten 
Formen giebt es nur wenige, die öfter vorkommen, nämlich 
wradipıv (8), naosaddaı (3), Eoyapdaıy (3), Loydpıw (2), aydinpı (2, 
doch ist II 487 hinsichtlich des Numerus unsicher). Alle übrigen 
kommen nur je einmal vor, nämlich yevejpıv, &peßespıv, Wıdeı, 
Austnor, xpareopı, neladpdpıy, rovrögıv, (nAardos) nrudgıv, orpardgı, 
Dölnpı, Ppntpnpiv, gaAxdpı. 

Das Pronomen aördpıw ist M 302 singularisch gebraucht, 
A 44 pluralisch (auf den Dual-Plural aAxıpa doüpe dw bezogen). 
An einigen Stellen schreibt Nauck aörödı. Wenig in’s Gewicht 
fallen die Adjektiva, welche eine erst angelehnte Endung haben. 
Pluralisch wird &rxl deticow und Er’ äpıstepöpıv N 308 sein, ver- 
glichen mit &r! öefıa H 238, singularisch ist gawvope&vmgpıv (mit 
he), Erepnpr, defitepnpw. Zweifelhaft wie Bingw bleibt net. 

Danach sind die Formen, welche ın festem und geläufigem 
Gebrauch sind, überwiegend pluralisch. Den Übergang zum 
angularischen Gebrauch vermittelten Wörter wie daxpudaıv (wo 
taxpua und ödxpu gleich gebraucht erscheinen). Manche der 
singularischen Formen sind gewiss nur Augenblicksbildungen 
der epischen Sprache. 

Wenn somit yıv dem Plural angehört, wird es gleich ai. 
bhis sein, also vaöyıy gleich naubhis. Das v macht freilich eine 
Schwierigkeit. Aber ich mache darauf aufmerksam, dass die- 
selbe, auch durch die neuesten Untersuchungen noch nicht 
gelöste Schwierigkeit bei -xıs, -xıv und -wues, -uev besteht. 

Hinsichtlich des Kasusgebrauches habe ich früher 
(ALT) nachgewiesen, dass gıy im Sinne des Instrumentalis, Ab- 
kative und Lokalis verwendet wird. Instrumentalisch sind 

18* 


276 Kap. VI. Anhang. Der hom. Kasus auf gılv). [$ 127, 


demnach Gebrauchsweisen wie: adrdp 8 B7 xaAlcwv ‘Ayapdıvova 
rosva Aaav Innos xal öysopıy 5 532, mit adtds 8 290, A 699; 
dedgıv bei Aralavros, &ripmpı bei Aalero, yEvro, Avkoyev ; Sskrrepf- 
ow bei Aaßs; Ping bei xapdneosda und sonst; öaxpudgıy bei 
rluriapar; dyaopıv bei dyaddopaı; Binpıv bei duetvov und pe£prar; 
xsveng: bei vewrspos; ferner bei den Präpositionen cöv, äya, 
vielleicht auch öı4. Ablativisch ist pıv in vaüpıv bei doop- 
undelev; ralayıngıv bei niydn; daxpusoıv bei tepoovro; neladpdgıv 
bei &fexeyuvro ; "Ep£ßeopıv bei önd xdovds Tixe pdwabe; vadpıy bei 
Auuvduevor. Ferner bei den Präpositionen And, &, xara, rapa, 
önd. Lokativisch ist gıy in aydAnpı, xArolnoı, dpeogıv, Höpromw, 
xepalfipıv K 30, wohl auch ralayınyıv bei dpnper und bei den 
Präpositionen dppi, &v, &rt, napd, rpds, Oro. 

Bei reroıda kommt Instr. oder Lok. in Frage. 

Zweifelhaft bleiben einige Stellen, die man entweder müh- 
sam unter eine der drei genannten Kategorien unterbringt, 
oder dem Genitiv und Dativ zuweist. Mir scheint es natürlich 
in xegaliipıv &rel Aaßev Il 762 den Gen. anzunehmen (wie auch 
in rpöuvndev O 716), ebenso in Teruoxöpevos xewalüipıvy A 350 
und in ’IAropı ® 295 (Nauck ’lAloo), den Dativ in ppnrprpıv B 363. 
Billigt man diese Ansicht, so hat man eine künstliche Aus- 
dehnung des Gebrauchs durch die Nachdichter anzunehmen. 

Wie man sieht, ist die Kasusvermischung im Plural andere 
Wege gegangen als im Singular. Während der Ablativ sich 
im Sing. mit dem Genitiv vereinigte (vn&), vereinigte er sich 
im Plural mit dem Instrumentalis (vaöpıw). Nachdem dieser 
Zustand eine Weile gedauert hatte, drang das Vorbild des 
Sıngulars auch ım Plural durch, sodass vnav auch ablativisch 
wurde. Dieser Umstand wird wesentlich zur Verdrängung der 
Endung oıv beigetragen haben. Mit Vermuthungen darüber, 
warum oıy auch lokativisch wurde, möchte ich den Leser nicht 
behelligen. 


> 000 - 


$ 128.) Kap. VII. Der Dativ. 277 


Kapitel VIl. Der Dativ. 


$ 128. Über den Grundbegriff des Dativs ist $ 68 gehan- 
delt worden. Die Eintheilung des gesammten Stoffes entnehme 
ich dem Umstand, ob der Dativ nur zu einem einzelnen Wort 
(Verbum, verbalem Substantivum, Adjektivum) oder zu der 
ganzen Satzaussage in ein Verhältnis tritt. In dem ersten 
Theil behandle ıch zuerst die Verba, bei denen der Dativ 
erscheint, und zwar habe ich, meiner Gesammtauffassung ge- 
mäss, den Ziel-Dativ bei Verben an das Ende gestellt. Die 
Anordnung der einzelnen Gruppen der in betracht kommenden 
Verba hat nothwendig etwas Willkürliches. Die grosse Masse 
der Verba zu erschöpfen, war nicht meine Absicht, doch sollten 
die Hauptgruppen erwähnt werden. Nicht berührt ist die Ver- 
bindung der mit Präpositionen zusammengesetzten Verben mit 
dem Dativ. Ich habe die Darstellung dieser interessanten 
Erscheinung der Syntax der Einzelsprachen überlassen zu sollen 
geglaubt. — Unmittelbar an die Verba schliesst sich der von 
diesen herübergenommene Dativ bei verbalen Substantiven, 
2. B. bei Aeschylus: rupös Bporots öorip Öpäs Ilpoundda. — 
Darauf folgen die Adjektiva, welche ebenfalls zum bei weitem 
grössten Theile ihre Konstruktion von den Verbis entlehnt 
haben. Ob das auch bei priya, otkos u. s. w. der Fall ist, oder 
ob hier ein adnominaler Dativ, wie er weiter unten zu be- 
handeln ist, vorliegt, lasse ich dahingestellt. 

In dem zweiten Theil ergiebt sich ein weiterer Ein- 
theilungsgrund aus der Natur des betheiligten Nominalbegriffs. 
Derselbe kann entweder konkret (und zwar dann fast durch- 
aus persönlicher Natur) sein oder abstrakt oder ein Zeit- 
begriff. Für den ersteren Fall entstehen naturgemäss fol- 
gende vier Unterabtheilungen. Entweder ist der Dativ ein 
sog. Dativus commodi, oder ein Dativus ethicus (von dem 
ersteren nur dadurch unterschieden, dass er ein Pronomen ist) 
oder der Dativ besteht in einem aktivischen oder medialen 
Partizipium (das aber nicht allein zu stehen braucht, sondern 


378 Kap. VII. Der Dativ. r& 128, 


sich auch an ein Substantivum anlehnen kann), oder endlich 
der Dativ tritt zu einem passivischen Partızıpıum und wirkt 
dann als Agens. Den zweiten Fall bildet der sog. finale 
Datıv. Es ist mir natürlich wohl bewusst, dass auch diese 
Eintheilungen schwankender Natur sind. Es giebt Dative, bei 
denen man im Zweifel ist, ob man sie unter die Rubrik des 
Dativus commodi oder des finalen Datıvs bringen soll. Der- 
gleichen sind unter dem finalen Dativ erwähnt worden. Der 
dritte Fall betrifft den Dativ bei Zeitbegriffen. Den Schluss 
bildet der adnominale Dativ. 


Demnach ergiebt sich folgendes Schema: 


I. Der Dativ bei Verben, verbalen Substantiven und Ad- 
jektiven. 


$ 130. Geben, sagen und verwandte Verba. 

$ 131. helfen, dienen (schmecken, gelingen), hassen, zür- 
nen, betrügerisch verfahren, freundlich gesinnt sein gegen, 
(wollen, hoffen, sich wundern im Slavischen). 

$ 132. Glauben, gehorchen, hören, Acht haben, bemerken, 
verstehen. 

$ 133. Walten, regieren (siegen). 

$ 134. Gewöhnen, lehren, lernen. 

$ 135. Sein. 

8 136. Dativ des Zieles. 

$ 137. Dativ des Objektes im Germanischen. 

$ 138. Dativ bei verbalen Substantivis. 

8 139. Bei Adjektivis. 


H. Der Dativ zur Ergänzung der Satzaussage. 

$ 140. Der Dativus commodi. 

$ 141. Der Dativus ethicus. 

$ 142. Der Dativ eines aktiven oder medialen Parti- 
zipiums. 

$ 143. Der Dativ bei einem passiven Partizipium. 

$ 144. Der finale Datıv. 

$ 145. Der Dativ von Zeitbegriffen. 

$ 146. Der adnominale Dativ. 


$ 129.) Kap. VIL Der Dativ. 279 


$ 129. Vor dem Eintritt in die Darstellung sind noch 
einge Bemerkungen über den Dativ in Einzelsprachen zu 
machen. 

1. Altindisch. Ludwig, Rigveda 6, 257 stellt Fälle zu- 
sammen, in welchen, wıe er sich ausdrückt, der Lokal statt 
des Datıvs, der Dativ statt des Lokals und beide gleichbe- 
deutend neben einander stehen. An eine wirkliche Ersetzung 
des einen Kasus durch den anderen ist natürlich nicht zu 
denken, es handelt sich vielmehr um Fälle, in welchen beide 
Kasus zur Erzielung des gewünschten Gesammtsinnes etwa 
gleich gut verwendbar erscheinen, ohne doch dadurch gleıch- 
bedeutend zu werden. Es ist wahrscheinlich, dass die Rück- 
sicht auf das Metrum nicht selten die Wahl geleitet hat. Sätze, 
in welchen der Lokalis statt des Dativs stehen soll, sind z. B.: 
imam te vücam vasuyanta äydvo rätham na dhirak svdpa ata- 
köifuh sumnäya tvam atak$isuh, Sumbhänto jenyam yalha vajegu 
tipra väyinam dieses Lied haben dir gutbegehrende Menschen 
gefertigt wie ein geschickter Künstler einen Wagen, sie haben 
dich gefertigt (gestimmt) zum Wohlwollen, dich herausputzend 
wie einen edlen Renner bei Wettkämpfen RV. 1, 130, 6. Ludwig 
übersetzt: “wie ein edles Ross zu Kraftthaten’, setzt also vajegu 
in Parallele zu sumnüya. Offenbar ist es nicht nothwendig, 
eine so enge Beziehung anzunehmen, und auch wer dem schwer 
fassbaren vaja nicht die Bedeutung “Wettrennen’ zuerkennen will, 
sondern mit Ludwig ‘Kraftthat’ annimmt, kann mit dem ‘prä- 
gnanten’ (Pischel-Geldner, 1, 150) Lokalis ‘bei Kraftthaten, wenn 
es sich um Kraftthaten handelt’ gut auskommen. RV. 1, 165, 2 
kö adhvare marüla a vavarta übersetzt Ludwig, “wer hat zum 
Opfer her kommen gemacht die Marut” Warum nicht: “wer 
hat bei dem Opfer hergelockt?’ ye agna dadhire düvah 4, 8, 6 
heisst natürlich ungefähr so viel als “welche Agni Dienst gethan 
haben’, aber warum soll man nicht auch sagen können: ‘seine 
Ehrerbietung bei jemand darbringen’? Der Dativ statt des Lo- 
kalis soll stehen in Fällen wie der folgende: dyaus ca tva 
prthivi yajhiyaso ni hötäram sädayante damäaya Himmel und 
Erde, die Götter setzen dich als Priester nıeder für ihr Haus 


280 Kap. VII. Der Dativ. (8 129, 


3,6, 3. Freilich ist dame, wie Ludwig bemerkt, in ähnlichen 
Wendungen das Gewöhnliche, aber warum soll der Datıv da- 
mäya nicht zur Geltung kommen? 3, 37, 3 ist abhimätigahye 
ein “prägnanter’ Lok.: ‘wenn es sich um Feindebesiegung han- 
delt’. 8, 70, 2 hastäya vajrah präti dhäyi darSatö mahö dive 
na süryah heisst nach Ludwig “in des Hand der Keil gelegt 
wie die Sonne an den grossen Himmel’. Indessen man kann 
wohl auch sagen “die Sonne dem Himmel ansetzen’, wie wir 
sagen ‘jemandem ein Bein ansetzen’. Der Dativ bei dhä, den 
Ludwig einigemal auffällig findet, erklärt sich, wenn man be- 
denkt, dass dAa sich in seiner Bedeutungsentwickelung nahe 
mit da berührt. Ein Beispiel für die gleiche Bedeutung von 
Dativ und Lokal soll sein: {dm it sakhitvd imahe tam räye 
tam suvirye 1, 10, 6, was ich übersetze: “ihn gehen wir an in 
Sachen der Freundschaft, zum Zweck des Reıichthums, ın 
Sachen der Heldenkraft'. Ich glaube also (was hier nur an 
einigen Belegen gezeigt werden sollte), dass es Aufgabe des 
Erklärers ist, überall den eigenen Sinn des Kasus zur Gel- 
tung zu bringen. 

2. Iranisch. Über eine gelegentliche Verwechselung der 
Endungen des Dativs und des Instrumentalis plur. s. S. 233. 
Oben $ 75 ist ausgeführt worden, dass und warum der alt- 
persische Dativ in den Genitiv aufgegangen ist. Ursprünglich 
dativisch war nach meiner Meinung der Kasus bei Pal sagen, 
pati-i gehorchen, upastam bar Hilfe bringen, duruj betrügen. 
Spiegel, Gr. 441 fasst zwar den Gen. bei dem letzten Verbum 
anders, ich halte aber meine Auffassung für natürlicher, da 
das entsprechende ai. drul mit dem Dativ verbunden wird 
(SF. 5, 142). Dagegen sehe ich in dem Kasus bei den Verben des 
Seins, den Spiegel für den Dativ hält, einen echten Genitiv. 
Sodann sei hier erwähnt, dass Spiegel 432 einen avestischen 
Dativ annimmt, der in der Bedeutung ‘bis zu’ stehen soll. Ich 
fasse die Hauptstellen folgendermassen auf. Den Dativ bei garez 
klagen stelle ich zu dem Dativ bei den Verben des Sprechens. 
yt. 12, 24 yahmab me haca frazgadaite aredvi sura anähttla 
hazaseräi baresna virangm übersetze ich: von welchem meine 


5129-130) Kap. VII. I. Der Dativ bei geben, sagen u. Ahnl. 281 





A. herabstürzt in der Höhe für tausend Männer (in der Höhe, 
welche für tausend Männer geeignet ist, so dass tausend über- 
einander stehen können). In vd. 13, 3navanaptayagciß he uroänem 
‚paramerencaiti ist wohl ein Dativ wie in $ 145 (Zeitbegriffe) zu 
erkennen: er schädigt seine Seele für die Zeit bis zur neunten 
Generation. Die beiden anderen Stellen sind mir nicht recht 
deutlich. 

3. Germanisch. Ich verweise auf Erdmann 2, 195 ff, 
wo ausgeführt ist, dass die einzelnen germanischen Dialekte 
im Gebrauch des Dativs bei Verben vielfach abweichen, und 
dass der Akkusativ im Laufe der Zeit dem Dativ Boden ab- 
gewonnen hat. Diese Gesichtspunkte konnten in meiner Dar- 
stellung nicht zur Geltung gebracht werden. 


L 
Der Dativ bei Verben, verbalen Substantiven und Adjektiven. 


$ 130. Geben, sagen und verwandte Verba. 

Der Dativ bei geben ist überall verbreitet. In den Dativ trat 
in der ältesten Zeit gewiss nur ein belebtes Wesen. Doch findet 
sich bereits in den arischen Sprachen ein anderer Begriff, z. B. 
maht cand tvam adrivah püra Julkaya deyam selbst grossem 
Preise (für grossen Preis) würde ich dich nicht hingeben, 
o Indra RV. 8, 1, 5; ye va möi yä garpä dazde atnarhg wer 
mein Haus dem Leide übergiebt y. 46, 8. Und ebenso schon 
bei Homer: pıv Zöunoıv Zöwxev E 396, F yEv p dydeool ye du- 
®4 2167. Unter die allgemeine Rubrik ‘geben’ rechne ich 
auch ‘opfern’ u. dgl., und anschliessen lässt sich ‘zeigen’, z. B. 
a. dis, av. dis, gr. delxvop. Die Konstruktion der Verba des 
Gebens ist in mehreren Sprachen auch auf die des Nehmens 
übertragen worden, so im Slavischen, z. B. aksl. i je2e imatü 
vüzimelü sg otünjego xal d Eyaı äpdnoetaı dm’ adroö Matth. 13, 12. 
In Serbischen aber ist für otö njego der Dativ eingetreten: 
uzece mu se i ono Sto ima. Im Litauischen wird atimti weg- 
nehmen mit dem Dativ verbunden. Wegen des Slavischen 
vergleiche man noch Miklosich 4, 586, Danitic 335. Über das 


282 Kap. VUI. I. Der Dativ bei helfen, hassen u. ähnl.. [$ 130—131. 


Lateinische s. Schmalz ? $ 83. Im Griechischen Homer’s 
findet sich der Dativ bei araupaw (z. B. Bupöv moA&escı), bei 
apapeonar (z. B. voorımoy Fpap Totoı), bei apraleıv (oxöpvous @). 
Die Belege bei Günther 23. Besonders gut lässt sich im Ger- 
manischen sehen, dass diese Konstruktion keine ursprüng- 
liche ıst. Wie Erdmann 2, 214 bemerkt, wird die Person, der 
etwas fortgenommen wird, im Got. mit af, fram, us, im Ahd. 
mit for verbunden, doch genügt auch bei Otfrid schon der 
blosse Dativ. Sagen und Verwandtes Arisch: aı. z. B. 
tasmä eldd abravit er theilte ihm dieses mit; av. mraop ahurd 
mazdä spitamäi zarapustrai A. M. sprach zu 8. Z. yt. 3, 1. So 
bei vac in beiden Sprachen, bei ai. al, av. du und verschie- 
denen Wörtern, welche verkündigen u. ähnl. bedeuten. So 
auch klagen: kathä ha tdd varunaya tvdm agne katha dive 
garhase kan na ägah warum klagst du denn dem Varuna, 
warum dem Dyaus diese unsere Verschuldung, welches ist sie? 
RV.4, 3, 5; xz$mäibya geus urva gerezdä euch klagte der Geist 
des Rindes y. 29, 1. Übrigens kann im Ai. die Person, die 
man anredet, im Akk. stehen und daneben ein Akk. des Ge- 
sagten auftreten, vgl. den Akkusativ. — Derselbe Dativ im Li- 
tauischen, z.B. bei sakyt:, ım Slavischen, z.B. bei aksl. rests, 
glagolati. Die grosse Menge der griechischen Verba sind, so- 
weit es Homer angeht, bei Günther 23 ff. aufgezählt. Mit vac 
stimmt fer übereın. Im Germanischen schliesst sıch ad- 
sagen an sagen wie nehmen an geben. 

$ 131. Helfen, dienen, hassen, zürnen, betrüge- 
risch verfahren, freundlich gesinnt sein gegen (wol- 
len, hoffen, sich wundern im Slavischen). 

Helfen, dienen. Aus dem Altindischen kommen 
namentlich in betracht: $a%k helfen, sidh zu Statten kommen 
nützlich sein, daßasy zu Willen sein, Ehre erweisen, da$ und 
vidh einem Gott huldigen. Dazu mrad nachgiebig sein gegen 
jemand. Aus dem Lateinischen consulo, prospicio, medeor, 
dazu parco, adjuto, welches in der plebejischen Sprache den 
Dativ hat, servio. An helfen und dienen schliesst sich nützen 
und schaden, so prosum, obsum, noceo. Litauisch: kam padet: 


$ 131.] Kap. VII. I. Der Dativ bei helfen, hassen u. ähnl. 283 


(auch gelbes, das aber gewöhnlich mit dem Akk. verbunden 
wird), szlüzyts u. ähnl. Slavisch: aksl. pomozi namü hilf 
uns Mark. 9, 22, serb. mili boze pomozi svakome, svakom bratu 
iı dobru junaku lieber Gott hilf einem jeden, jedem Bruder und 
guten Helden, russ. pomogs: jemu hilf ihm; aksl. kto mine 
sluzitü wer mir dient Joh. 12, 26, serb. ne moZete sluZiti bogu 
i bogatstou ihr könnt nicht Gott und dem Mammon dienen, 
ebenso russ. sluäii. Weiteres bei Miklosich 4, 593. Im 
Griechischen yparopew, aptyyo und mit der Nuance des Ver- 
theidigens und Abwehrens altto, Auuvo. Im Germanischen 
gehören got. Verba wie andbahljan, siponjan, skalkınon dienen 
hierher (Köhler 15), ferner Alerdyan sich jemandes annehmen. 
Weitere Verba verwandter Bedeutung, wozu man auch ahd. folgen 
rechnen kann, s. bei Grimm 4, 687. Merkwürdig ist, dass got. 
hilpan nicht den Datıv, sondern den Genitiv bei sich hat 
[beina, unsara, ize, meinaizos ungalaubeinais). Es scheint ein 
vereinzelter Rest jener Gruppe, der griech. p&öonar u. s. w. an- 
gehören. In den andern Dialekten hat es Akk. und Dativ 
(vgl. Erdmann 2, 195). Schmecken, gelingen, gefallen, 
scheinen. Da die Kasus, welche bei den subjektlosen Ver- 
ben erscheinen, bei diesen behandelt werden sollen, erwähne ich 
hier nnr kurz: ai. soad schmecken, ardh und kalp gelingen, 
lat. placeo, videor, libet, licet, lit. sektis gelingen, aksl. ugoditi 
gefallen, griech. avöavo, doxdw, walvonar, got. galeikon (Grimm 
4,698). Hassen, zürnen, betrügerisch verfahren. Aus 
dem Altindischen gehören hierher har, krudh, asüy zürnen, 
gla Widerwillen empfinden, druh betrügen, z.B. nd satanunap- 
trıne drögdhävyam einen Schwurgenossen soll man nicht betrü- 
gen, vgl. SF.5, 142. Aus dem Lateinischen etwa znvideo, mi- 
nor. Aus dem Slavischen lässt sich anführen: aksl. ne lüZete 
drugü drugu y.r yeuöeode eis aAArAou; (Miklosich 4,584, 5, im Serbi- 
schen nicht mehr Dativ, sondern: ne la2ite Jjedan na drugoga). Serb. 
ko zlıma opraßta, dobrima Skodi wer den Bösen verzeiht, schadet 
den Guten; ko kriva alt, pravom grijesi wer den Bösen schont, 
sündigt gegen den Gerechten (Daniti6 341). Beneiden: Aksl. 
Adamu vü porode vüzavide Adamo invidit in paradiso (Mikl.4,594), 


284 Kap.VII. I. Der Dativbei zürnen, freundlich gesinntseinu. äbnl. /$131. 


serb. zavidıla svojo7 zaovıcı sie beneidete ihre Schwägerin, russ. 
zavidovali komu rü cömü. Daran schliessen sich die Verba des 
Spottens, gewöhnlich mit persönlichem Dat.: aksl. rggatı se 
jemu &uraileıv auto Luk. 14, 29 (im cod. Mar. nur Jemu\, serb. 
(Danicie 338 f.) rugala se sova sjensci die Eule spottet über 
die Meise, russ. rugala mafi malicisku eine Mutter verspottete 
(schalt aus) ihren Jungen (Äsböth 4). Ebenso bei aksl. smijati 
se verlachen (jemu), serb. smiyati se, russ. smejalisi etoj sutke 
lachten über diesen Scherz (Äsböth 24). Aus dem Griechi- 
schen: yoAdopat, ywopat, xotdw, axuLonat, veussaw u. ähnl., aus 
dem Germanischen eine Reihe von Wörtern, so got. hatızon 
zürnen, Zatan schmähen, :dveityan schelten (auch Akk.), gasakan 
drohen, gebieten, bedrohen, dalryyan Böses anthun, quälen, 
usagljan belästigen (unwrıaLlsıv), uspriutan dass. (xdroug Trapeyeıv). 
Ufbrikan in ni vılda izai ufbrikan oux NdeAnsev aurry dderroaı 
Mark. 6, 26 heisst vielleicht ursprünglich ‘sich gross machen 
gegenüber jemand’ (vgl. Grimm Wb. unter aufdrechen).. Auch 
Jrakunnan verachten, frakunnandans patim anbaraım &foudevouv- 
tag tous Aoınoos Luk. 18, 9 gehört hierher. 

Die Verba welche freundlich gesinnt sein gegen 
jemand bedeuten, sind in den alten Sprachen nicht so häufig 
mit dem Dativ verbunden, wie ihre Gegenbilder. Aus dem 
Altindischen wäre etwa mard hold sein, verzeihen (mit persön- 
lichem Dativ) anzuführen, aus dem Lateinischen cupio, faveo, 
ıgnosco, indulge. Von slavischen Wörtern entsprechen 
solche wie serb. oprostiti verzeihen u. ähnlich (Danitic 337 £.). 
Dazu kommen Verba des Freuens mit sachlichen Dativ, 
z. B. aksl. veprü kalu radujefi se der Eber erfreut sich am 
Schmutze (Miklosich Gl. unter radovatı), serb. raduje se kao 
ozebao suncu er freut sich wie ein Erfrorener der Sonne (Da- 
nıcic 342, wo noch andere Verba des Freuens angeführt sind), 
russ. radoralisja cemu. Aus dem Griechischen etwa &ravdo 
zustimmen, loben, bei Homer ”Exropı, attische Inschr. $ önpe 
u. ähnl. vgl. Meisterhans? 172, ebenso im Delphischen: drarve- 
car 6E 74 nödsı ray Aspoovasırav av &x Tod Ildvrou xat Tois 
arogtak&vrors un” adrav Dittenberger, Syll. 1, 207, 11—12. 


$131—132.] Kap. VII. I. Der Dativ bei wollen, glauben, hören u. ähnl. 285 


Germanische Wörter führt Grimm 4, 654 an. Es gehören 
dahin z. B. got. gaplarhan &vayxaltzeodaır (im Griech. mit Akk.), 
kukjan küssen, z. B. ni kukides mis oünpa wor odx Edmxes Luk. 
1, 45 (nicht so in den andern Dialekten), Piubjan segnen 
u.a.m. (vgl. Köhler 26). 

Schliesslich erwähne ich an dieser Stelle noch einige sla- 
vische Verba, welche eine Gemüthsregung ausdrücken. Hier 
und da finden sich zu ihnen auch in anderen Sprachen Pa- 
rallelen. Es sind: wollen (mit einem sachlichen Dativ), hoffen, 
sich wundern: Wollen mit sachlichem Dativ, z.B. aksl. 
milosts chostq a ne Zrütve Eleov HEAw xal od Buctav Matth. 12, 7, 
chostetü novuumu BeEleı vEov (seil. olvov) Luk. 5, 39. Serb. (Da- 
nicıe 337) Jednome voljeti a za drugoga ne mariti nach dem 
Einem streben und sich um das Andere nicht kümmern. Rus- 
sche Belege s. bei Miklosich 4, 592, wo auch andere hierher 
gehörige Verba angeführt sind. Hoffen auf: Aksl. dobromu 
ätıyu nadejachu se sie hofften auf ein gutes Leben (Miklosisch 
4,592), serb. dyevoyka se svatovima nada das Mädchen hofft auf 
die Brautführer, russ. nadejafisja hat na bei sich. Sich wun- 
dern: aksl. iyudt se jemu &dauuaoev adrdv Luk. 7, 9; serb. 
(Danıcie 342) djeca se cude svademu a lyudi nicemu Kinder wun- 
dern sich über alles und Leute über nichts. Aksl. ne divite se 
semu wh Baupalste toüto Joh. 5, 28, ebenso serb. nnd russ. 

$132. Glauben, gehorchen, hören, Acht haben, 
bemerken, verstehen. 

Glauben, gehorchen, hören. Ai. $raddhä, lat. credo, 
‚do. Litauisch vEryti mit. pers. Dat., aksl. verovati mit per- 
sönlichem und sachlichem Dativ, persönlich z. B. po cto ubo 
ne verovaste Jemu dtarl obx &rıoteboate auıy Mark. 11, 31, sach- 
lich zanje ne verova slovesemü moyimü avd’ wv oux Enisteusas tols 
köyorz ou Luk. 1, 20. Ebenso an den betreffenden Stellen im 
serbischen N. T. Im allgemeinen scheint im Slavischen, nach 
Miklosich 4, 592 zu schliessen, nicht der persönliche, sondern der 
sachliche Dativ das Gewöhnliche zu sein, während im Germ. 
nach Grimm 4, 660 das umgekehrte Verhältnis stattfindet. Den 
Übergang zu hören vermittelt re{douat gehorchen. Bei ‘hören’ 


286 Kap. VIL I. Der Dativ bei hören, walten. [$ 132—133. 


findet sich vereinzelt ein Dativ im Altindischen, wo $ru im RV. 
mit dem Dativ der Person erscheint, im Altlateinischen hat 
auscultare den Dativ. Über das gotische Aausjan sagt Köhler 
S.14: “Ganz in der Ordnung finden wir es, dass ufhausjan 
den Dativ regiert und andhausjan, welche beide Verben 'ge- 
horchen’ bedeuten. Auffallen muss es aber, dass andhausjan 
in der Bedeutung ‘erhören’ den Dativ regiert. In dersel- 
ben Bedeutung findet sich das einfache hausjan Joh. 9, 31 
mit dem Dativ. Auch wenn Aausjan nur ein einfaches An- 
hören, Zuhören bedeutet, ohne dass dabei an ein Beachten, 
Befolgen des Gehörten gedacht wird, so findet es sich mit dem 
Dativ verbunden. Öfters liegt der Begriff des Aufmerkens auf 
das Gehörte und demnach des Beachtens desselben in hausjan 
und dann müssen wir es zuweilen geradezu mit ‘gehorchen’ 
übersetzen; auch in diesem Falle hat es den Dativ nach sıch. 
Wenn jedoch einfach das sinnliche Hören eines Tones, Schal- 
les, einer Rede u. s. w. gemeint ist, so hat es meist den Ak- 
kusativ bei sich”. Weiteres bei Grimm 4, 699. Acht haben, 
bemerken, verstehen. Slavıisch. Aksl. vinemlete sebe 
rpoo&yere £avrois Luk. 17, 3 und sonst vinimay mi slovesemi 
audi verba mea; russ. gospodi vnemli moleniju mojemu Herr! 
erhöre mein Gebet. Aksl. Anıgamü razumirü literarum peritus 
(im cod Mar. stehen bei razumeti nur Akk., z. B. Anigy), serb. 
zdrav bolesnu ne razumtije der Gesunde versteht den Kranken 
nicht. Andere ähnliche Verba bei Miklosisch 4, 590, 9. Ger- 
manisch: got. gaumjan z. B. Pairhgaggands gaumida mann 
blindamma rapaywv elöev Avdpwrov tupAdv Joh. 9, 1; got. frap- 
Jan hat immer einen sachlichen Dativ bei sich, z. B. unte ni 
Jrabsis paim gubs ak baim manne drı ou Ypoveis ta av dewv 
alla zd tüv dvdpwnwuv Mark. 8,33. Daran schliessen sich mit 
etwas anderer Wendung got. vitan bewahren, z.B. hatrdai 
die Heerde, dairgan bewahren, z. B. bairgip izai yuldksı aurnv 
(die Seele) Joh. 12, 25. 

$ 133. Walten, regieren (siegen). 

Der Dativ liegt vor im Lateinischen bei smoderor, 
impero u. ähnl., sodann im Slavischen (Miklosich 4, 585). 


6133-135.) Kap. VII. I. Der Dativ bei walten, gewöhnen, sein. 287 


Aksl. vlasti hat gewöhnlich den Instr. bei sich (so im cod. 
Mar. vgl. $ 111); ob auch der Dativ vorkommt, ist mir nicht 
bekannt. Mit dem Dativ verbindet sich ustoyatı xara- 
wpieVw, eigentlich “dastehen, stark sein jemandem gegenüber, 
3.B. veste Jako küngzi jezykü ustojetü Jimü oldare Orı ol Apyovres 
iv &dvav xaraxupısuouor aurwv Matth. 20, 25. Hier sei auch 
odolek siegen erwähnt, z. B. aksl. odolejesi vragomü tooyimü 
hostes tuos vinces. Odoleti bedeutet, wie die Übersicht bei 
Miklosich Wb. unter dole- lehrt, eig. “in der Übermacht sein, 
widerstehen’, daher man im Serbischen noch sagt: ja ne mogoh 
sreu odoljeti ich konnte dem Herzen nicht widerstehen, und 
techisch odolatıi komu jemandem gewachsen sein. Bei den 
griechischen Wörtern wie äpyw, Apyeuw, onpalvo, ny&opar, Tyepo- 
vevwm, Baoıledw, Beuiotebw, den germanischen wie reikinon, Piu- 
dinon, gavaldan u. 8. w. kann danach der reine Dativ vorliegen, 
aber auch der Instr. (s. $ 111). Auch der Lok., den ich früher 
(ALL. 38) nach Analogien wie &v Dalnkıv avdoosıy angenommen 
habe, wäre möglich. 


6134. Gewöhnen, lehren, lernen. 


Im Slavischen steht bei den Verbis des Lehrens und 
Lernens, welche den Grundbegriff des Gewöhnens haben, das, 
was uns Objekt ist, im Dat. (Miklosich 4, 604), z. B. aksl. tü 
ey naucıtü visemu &xelvos vuäs Ötöakeı navra Joh. 14, 26; otü 
smokovünice Ze nauöite se pritüci and 5& is ouxtic nadere mv 
zapaßorrnv Matth. 24, 32 (mit Akk.: navyknete pritücq Mark. 
13, 28); serb. (Danicie 342) di se jest krvi naucio du hast dich 
an Blut gewöhnt; nauci nas ti mudru sjetu i nauku lehre du 
uns klugen Rath und Kenntnis; russ. uörlt kogolibo cemu leh- 
ren, uctlisja Cemu lernen. Entsprechend kommt auch im La- 
teinischen, freilich nicht von der ältesten Zeit an, der Dativ 
vor, z.B. praedae adsuetus miles bei Livius. 


$135. Sein. 


In den Dativ bei ‘sein’ tritt derjenige, für den der das 
Subjekt zu ‘sein’ bildende Nominalbegriff bestimmt ist, für den 
etwas vorhanden ist, dem es zufällt, gehört. Arisch: indra 


288 Kap. VI. I. Dativ bei sein. [($ 135—136. 


tübhyam id abhuma dir, o Indra, sind wir zu eigen geworden 
RV. 6, 44, 10; kö mähyam bhägö bhavi$yati welcher Antheil 
wird für mich sein, mir zufallen SB. 10, 4, 3, 9; cvab ahmaı 
natre mi2dem arwhap welcher Lohn wird diesem Manne zu theil 
werden vd. 8, 81. Das Verbum as, aA kann auch fehlen. So 
steht neben namö "stu brähmisthäya Verehrung sei dem grössten 
Brahmanen, ndmö mahdädbhyö, ndmö arbhakebyah Verehrung 
den Grossen, Verehrung den Kleinen (SF. 5, 145), nemöo hao- 
mäsi Verehrung dem Haoma y. 9, 16 (vgl. Hübschmann 220). 
Bekannt ist derselbe Gebrauch im Lateinischen in Sätzen 
wie: an nescis longas regibus esse manus u. 8. w. Litauisch 
und Slavisch. Lit. z. B. mdn Yr mir ist, ich habe. Slavi- 
sches siehe bei Miklosich 4, 599, der aksl. Sätze anführt wie 
Jedinomu nestü venica uni non est corona, rumeno lice jemu 
Jestü er hat ein rothes Gesicht, odycay be igemonu der Abt hatte 
die Gewohnheit. Auch bei nicht persönlichen Begriffen: boziyi 
vere jesmü fidei divinae addictus sum. Dabei kann das Verbum 
auch fehlen, z. B. ina (pliti) &lovekomi, ina Ze skotomi, ina Ze 
rybami, ina Ze piticami all oApk avdpurwv, an di xrıv@v, 
an 58 tydimv, aA d& mımvav. Serbisch (Danitie 350) zlatna 
su J9) krila sie hat goldene Flügel, Arepka ti desna ruka bila 
ostra ti sablja kräftig war deine rechte Hand (oder: du 
hattest eine kräftige u. s. w.) und scharf dein Säbel. (Man 
kann also den Dativ auch als adnominalen auffassen) Grie- 
chisch. Die Belege aus Homer s. bei Günther 50 ff., z. B. 
Evvea TW ye Avaxtı tpanslfes xöves Haav W 173, ohne Verbum 
Ovris &pol Y dvopna ı 366. Ebenso bei den Kompositis mit 
rapa, &v, &rt, bei nelopaı, ylyvopaı. In bezug auf das Ger- 
manische bemerkt Grimm 4, 703, dass dieser Dativ unserer 
Sprache wenig zusage. Belege aus dem Got. bei Grabelentz- 
Loebe, $ 225, danach auch bei vaırdan, z. B. hvarjamma tze 
vairbid gens rivos abrav Eoraı yovn; Mark. 12, 23, aus dem 
Ahd. Erdmann 2, 202. 

$ 136. Dativ des Zieles. 

Ich bespreche zuerst den Dativ bei ‘gehen, bringen’, den 
man am häufigsten und zuversichtlichsten als Dativ des Zieles 





$ 136.] Kap. VII. I. Dativ des Zieles. 289 


angesehen hat, und füge dann noch einige Verba ähnlicher 
Bedeutung hinzu. 

Gehen, bringen. Arisch: Dass im Altindischen in 
diesen Dativ nicht das Ziel tritt, sondern derjenige, dem die 
Handlung gilt, habe ich SF. 5, 143 ausgeführt. Es ist also 
ı.B. RV. 1, 154, 3 prä vifnave !Süsam &tu mänma richtig zu 
übersetzen: dem Vishnu zu Ehren schreite das kräftige Lied 
vor. Wenn aber in Nachahmung und Weiterbildung solcher 
Ausdrücke, die doch immerhin noch an die lokale Vorstellung 
streifen, an die Stelle der Person ein Gegenstand tritt, wird 
gewiss der Dativ lokal empfunden (wie der Akkusativ der 
Richtung), so z. B. in $akatäyabhipravrajati er schreitet zu dem 
Wagen vor Ap. Sr. 8. 1, 17,4. Zu demselben Ergebnis führt 
die Betrachtung der von Spiegel, Gr. 430 und Hübschmann 221 
beigebrachten Stellen, die ich kurz durchnehme. So heisst y. 9, 3 
ahmai jasa ıhm kam, ihm wurde zu theil; yt. 14, 2 ahmäi 
panryo @jasap da erschien jenem zum ersten Male; y. 43, 4 
wie 9,3; y. 44, 1 yaba nö a vohu jJimab manarha damit er 
uns herankomme mit Wohlwollen (tva Auiv rposeidy), falls ne 
überhaupt Dativ ist; y. 44, 16, s. Bartholomae, AF. 2, 178; 
y. 52, 2 ist es zweifelhaft, ob ares durch “andringen’ richtig 
übersetzt ist; y. 65, 11 kann wohl eher als finaler Dativ be- 
zeichnet werden; yt. 8, 36 vgl. Geldner, K7. 25, 472; yt. 8, 46 
vgl. ebenda 473; yt. 10, 137 gehört unter die Fälle des sog. 
adnominalen Dativs $ 146; vd. 2, 24 hält Geldner, KZ. 25, 188 
und ebenso jetzt Hübschmann, KZ. 27, 94 die entscheidenden 
Worte für später eingeschoben; vd. 7, 36, vgl. y. 65, 11; vd. 
6, 16 und 71 können Ablative vorliegen; vd. 9, 54 kada no ahmäi 
asaphatca sorbragca paiti jasato Tzaca äzüitisca wann werden 
diesem unserem Orte und Lande Speise und Fett wiederkehren. 
Es bleiben (wenn ich von einer oder der anderen undeutlichen 
Stelle absehe) noch übrig: ahmai nagmäi uzjasaiti yt. 10, 19, 
was Greldner, KZ. 25, 488 übersetzt: ‘in jener Richtung zieht’, 
und urva paräitı paroasnäi anuhe die Seele geht hinüber zur jen- 
seitigen Welt vd. 18, 3. Für diese letztere Stelle ist von Werth die 
Vergleichung des Altindischen: suvargaya lokaya visnukramäh 

Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm. Sprachen. I. .39 


290 Kap. VO. I. Dativ des Zieles. ‘8 136, 


kramyante TS. 1, 7, 6, 2 ist nicht zu übersetzen ‘zum Himmel 
werden die Vishnuschritte gethan’, sondern ‘mit Rücksicht auf, 
im Hinblick auf’ (das beweisen Sätze wie: suvargaya va fd 
lokäya ciyate ydd agnih der Feuer-Altar wird gebaut um des 
Himmels willen TS. 5, 5, 4, 4, vgl. SF. 5, 148). Somit dürften 
sich wenige Stellen finden, in denen der Dativ wirklich eine 
lokale Bedeutung hat, wo sie aber vorliegt, scheint sie sich aus 
der von mir angenommenen Grundbedeutung des Dativs ent- 
wickelt zu haben. Nirgend bedeutet der Dativ ein Anlangen 
am Ziel, sondern nur ein Streben nach demselben (vgl. noch 
Baunack, Studien 2, 385). — Von Verbis, welche ‘bringen’ be- 
deuten, kommen nach SF. 5, 144 besonders ın betracht: vah 
(av. upa-vadh), bhar, har (bar), hi, ni, 2. B. mrtyave va &$d niyate 
ydt paSih das Opferthier wird dem Tode zugeführt (damit er es 
in seine Gewalt bekomme) TS. 6, 3, 8, 1.— Lateinisch. Die 
bei Schmalz ? $ 89 angeführten Ausdrucksweisen kann ich schon 
deshalb nicht mit diesem Gelehrten als finale Lokale auf- 
fassen, weil ich leugne, dass im Lateinischen der Lokalis mit 
dem Dativ zusammengeflossen ist. Es gehören hierher Wen- 
dungen wıe :ı£ coelo bei Virgil, mittis leto bei Accius, matres 
‚familiae quae paulo ante Romanis de muro manus tendebant bei 
Caesar. Ich glaube wohl, dass coelo in st coelo lokal empfunden 
worden sei, nehme aber an, dass dieser Dativ solchen Wen- 
dungen wie mittere leto dem Tode zusenden ("Aröı zpoidrrew) 
nachgebildet sei. Derselben Ansicht ist Landgraf in Wölfflin’s 
Archiv 8, 69, auf dessen ausführliche und einsichtige Behand- 
lung ich verweise. Slavisch. Aus den bei Miklosich 4, 579 
zusammengestellten Beispielen hebe ich hervor bei Verben von 
der Bedeutung ‘gehen’: aksl. :detü tebe krotükü er kommt zu dir 
freundlich, Bogovi prichodisi du kommst zu Gott, prilucisa se Rimu 
postquam Romam venit. In domovi nach Hause und dolu herab 
ist die Erstarrung bereits eingetreten. Serbisch (Danicic 321 ff}: 
In den Dativ treten Personen, z. B. tidem ocu svojemu ich 
gehe zu meinem Vater Luk. 15, 18 (dagegen aksl. im cod. 
Mar. mit Aü: idq kü oticyu mojemu), Zena podje svoJoJ udatos 
kceri u pohode eine Frau kam zu ihrer verheiratheten Tochter 


$ 136.) Kap. VII. I. Dativ des Zieles. 291 


zum Besuch, Ahodu byeZat caru u Stambola ıch will zum 
Zaren in Stambul eilen, »amisli da ostavi prooga muZa i da 
bjezi ovome drugome sie gedachte ihren ersten Mann zu ver- 
lassen und zu diesem zweiten zu eilen. Wenn die Person im 
Pronomen steht, empfinden wir den Dativ mehr als einen der 
betheiligten Person, weniger als einen des Zieles, z. B. evo su 
ti gosts dosli siehe, da sind (zu) dir Gäste gekommen, dodi de 
injemu crn pelak es wird auch ihm ein schwarzer Freitag kom- 
men. Das Ziel kann aber auch ein Ortsbegriff sein, z. B. ıdudi 
od kuce do kude dodje i kudi njezina oca von Haus zu Haus 
gehend, kam sie auch zum Hause ihres Vaters, ved ti id dvoru 
bijelomu aber du geh zu dem weissen Gehöft. Auch andere 
Begriffe als Haus, Kirche u. dgl. treten in den Dativ, z. B. 
ona ide svome vinogradu sie ging zu ıhrem Weingarten. Neben 
den Verben des Führens und Bringens empfinden wir in dem Dativ, 
falls er persönlich ist, bald das indirekte Objekt, bald das er- 
strebte Ziel, z. B. akal. i nese maters svojeji nal Tveyxe ty unrpl aurnic 
Matth. 14, 11, serb. dovedoh ga ucenicima tvojijem i ne mogose ga 
iscjelsti ich brachte ihn zu deinen Jüngern und sie vermochten 
ihn nicht zu heilen Matth. 17, 16. Ein Beispiel für einen Sach- 
begriff ist: serb. vode njega dvoru biyelome führen ihn zum weissen 
Hause (vgl. Danici6 325). Diesen Dativ des Zieles hat von den 
lebenden slavischen Sprachen nur das Serbische vollständig er- 
halten, die anderen nur noch als veralteten Gebrauch oder in 
adverbialer Erstarrung. So findet er sich z. B. im Altrussischen 
in Sätzen wie ubeza novu gorodu er floh nach Nowgorod (bei 
Miklosich, vgl. auch Buslajev 253). Griechisch (vgl. den Lo- 
kalis S.228, wo Fälle wie yeip reölp rese untergebracht sind). 
Ein Dativ bei Verben, von der Bedeutung ‘gehen’, den man als 
Zieldativ ansehen könnte, liegt wohl nicht vor ivgl. das über 
Sätze wie Zaploıs 7Ade unter dem Dat. commodi Gesagte). Für 
"bringen, schicken’ u. s. w. lassen sich anführen Yuyas "Audı 
zpotabev A 3 (eigentlich dem Hades) und ferner yeipe »lAoıo’ 
&rapoısı neraocas A 523, Beoicı 6E yeıpas av&ayov I’ 318 und 
ähnl. (Günther 7). Dass es sich hier aber nicht um einen 
Zielkasus im eigentlichen Sinne handelt, folgt schon aus dem 
19* 


292 Kap. VII. I. Dativ des Zieles. [$ 136. 


Umstande, dass in den Datıv überall Personen treten. Ger- 
manisch. Über den Dativ des Zieles im Ags. handelt 
Dietrich bei Haupt 13, 128 ff. Unter den zehn Belegen für 
einen solchen Dativ bei Verben der Bewegung gleichen den 
oben angeführten indischen vollkommen: Pa he heofonum ästäg 
da stieg er zum’ Himmel herauf; heo Pa üdre gevät engles 
larım hıre hlafordum sie ging da sogleich, nach des Engels 
Lehre, zu ihrem Herrn. Bei gereordum ladige ich lade zu Ge- 
lagen (S. 131) trıtt dagegen, wie mir scheint, der Gedanke des 
Zweckes deutlich hervor. In bezug auf das Ahd. bemerkt Erd- 
mann 2, 199, dass gueman stets mit persönlichem (nie mit sach- 
lichem) Dativ erscheint, z. B. boton quement mine thir Otfr. meine 
Boten werden zu dır kommen. Sich nähern, begegnen: 
Im Lateinischen bei appropinquare u. ähnl. Im homerischen 
Griechisch bei rela/w (selten Personen, gewöhnlich Dinge, z. B. 
ioröv istoödxy u. ähnl. vgl. Günther 22), rüvapaı (ydovi). Über 
die germanischen Verba s. Erdmann 2, 200, wo zugleich ausge- 
führt ıst, dass es sich bei diesen Verben nicht um einen Dativ 
des Zieles, sondern der betheiligten Person handelt. Berüh- 
ren (empfangen, nehmen). Der Dativ liegt vor im Slavischen 
(vgl. Miklosich 4, 563) und Germanischen, z. B. aksl. strely jemu 
ne kasaachu se sagittae non tangebant eum (die ursprüngliche 
Bedeutung von Aosngti se ist mir freilich nicht klar). Gotisch 
tekan, 2. B. taikok mis sums Tıyard woö rıc Luk. 8, 16. (Da bei 
diesem Verbum dem griech. Gen. der got. Dativ gegenübersteht, 
so entspricht auch dem doppelten griech. Gen. ti; you Tıdaro tüv 
inattov ein doppelter got. Dat. in hvas mis taitok vastjom Mark. 
5, 30.) Gewöhnlicher als tekan ist attekan (vgl. Köhler 31). 
So wird denn auch der Dat. bei altn. taka als ein echter Dativ 
aufzufassen sein, z. B. tök jarl honum Pa vel nahm ihn gut auf 
Gunnl. 17. {Näheres darüber bei Dietrich, Haupt’s Ztschr. 8, 34.) 
Dagegen liegt in 25% upp hondunum Gylfaginning 46, 6, der 
Instr. vor, von dem $ 129 gesprochen worden ist. An tekan 
schliesst sich ags. for (vgl. Dietrich, Haupt’s Zeitschr. 12, 132}, 
z. B. he Dam frütvum feng er empfing die Kostbarkeiten Beov. 
2990, onfoh Pissum fulle nimm diesen Becher 1170. Ferner 


$136—137.] Kap. VIL I. Dativ des Objekts im Germanischen. 293 


ags. nıman, %. B. bearvas blöstmum nimad die Haine bekommen 
Blüthen, Seefahrer 48, und die Komposita got. biniman ın bini- 
maina imma xA&dworv auzdv, Matth. 27, 64 und ags. forniman 
in Wendungen wie: him irenna ecga fornamon Beov. 2829. 
Sich jemandem neigen. Altindisch: nam, z. B. dyava 
cid asmäs prthivi namöts selbst Himmel und Erde beugen sich 
ihm RV. 2, 12, 13. Slavisch: poAlonit: se, z. B. aksl. gos- 
podi bogu toojemu poklonisi se xUpıov zöv Üedv oou TpoaxXuvHnsetS 
Matth. 4, 10 (serb. gospodu bogus svojemu poklanjaj se), russ. 
poklonitisja komu-libo vü pojasü sich vor jemanden bis zum 
Gürtel verbeugen, poklonifisja komu jemanden grüssen. Ebenso 
im Germanischen: altnord. stöd upp ok hneigdi honum stand 
auf und neigte sich vor ihm (Dietrich 26). Belege aus dem 
Angels. s. derselbe bei Haupt 13, 133, aus dem Ahd. Erd- 
mann 2, 201). Weichen, nachgeben, sich entschuldigen. 
Aus dem Altindischen gehört hierher: A& mit ni zurück- 
weichen vor, sich ducken (amaya vor dem Ungestüm, manydoe 
vor dem Zorn), hnu sich entschuldigen, devebhyah den Göttern 
gegenüber. Aus dem Lateinischen cedo, concedo, ezcuso. Aus 
dem homerischen Griechisch eixw (avöpt, Bow, atöor u. ähnl.), 
yaptw, brelxo, Tpa pepw u. 8. w. (Günther 30). Nur im Ari- 
schen scheint vorhanden: die Waffe schleudern gegen: Im 
Altindischen erscheint ein solcher Dativ bei as, sary, pra-har, z.B. 
cäram bhratyvyäya prä harati er schleudert den Keil gegen den 
Feind TS.5,1,6,4. Aus dem Avestischen wäre zu erwähnen: yascä 
tadare voiZdap asaun? und wer die Waffe gegen den Frommen 
zuckt y. 32, 10, wenn ‘zuckt’ die richtige Bedeutung ist. 

$ 137. Dativ des Objekts im Germanischen, beson- 
ders im Gotischen und Altnordischen (vgl. $ 121 und Dietrich 
in Haupt’s Ztschft. 8, 23 ff.). 

Wır haben unter den mit dem Dativ verbundenen Verben 
manche gotische kennen gelernt, denen wir vom Standpunkt 
unseres jetzigen Sprachgefühls aus lieber die Verbindung mit 
dem Akkusativ zutrauen möchten, so frakunnan verachten, 
wagljan belästigen, Zaian schmähen, idveityan schelten mit an- 
deren ähnlicher Bedeutung, Aukjan küssen, Piubjan segnen, 


294 Kap. VII. I. Der Dativ bei verbalen Substantiven. [$ 137—138,. 


hausjan hören, fraßjan verstehen, tekan berühren, fassen, bi- 
niman stehlen. Man kann also schon mit Rücksicht auf diese 
Verba von einem Dativ des Objekts im Gotischen sprechen, 
der sich aus dem Begriffe der einem [Gegenstande zugewen- 
deten Thätigkeit entwickelt hat. Ferner haben wir bei dem 
Instrumentalis gesehen, dass viele Verba (die man unter dem 
Namen Verba der Bewegung zusammenzufassen pflegt), eine 
Verbindung mit dem Instr. zeigen, wo wir einen Akk. er- 
warten würden. Dahin gehören die Verba regnen, schnauben, 
spucken, werfen, säen, streuen, schwingend bewegen, sprechen, 
knüpfen, schliessen, halten, verkaufen, verwandeln und wohl 
noch einige andere. Da nun der Instrumentalis im wesent- 
lichen in den Dativ aufgegangen ist, so flossen diese Verbin- 
dungen mit den vorhin genannten echt dativischen zusammen, 
und vereinigten sich im Sprachgefühl zu dem Dativ des Ob- 
jekts. Die Gewohnheit, bei der Vorstellung des betroffenen 
Gegenstandes den Dativ zu setzen, hat sich besonders im Alt- 
nordischen ausgebreitet, so dass sogar Verba wie hafa haben 
u. ähnl. mit dem Dativ erscheinen. Es ist unter diesen Um- 
ständen natürlich, dass man manchmal nicht weiss, ob der bei 
einem Verbum erscheinende Dativ (bez. Instrumental) in der 
ursprünglichen Bedeutung des Verbums seinen Grund hat 
oder auf Nachahmung beruht. Und das ist auch ein Grund 
für die Unsicherheit in der Beurtheilung mancher hierher ge- 
höriger Fälle, wie sie in dem $ 121 zu Tage tritt. Sodann ist 
natürlich, dass man nicht selten den Akkusativ und den Datıv 
neben einander findet (vgl. Gabelentz-Loebe S. 224 und den 
oben angeführten Aufsatz von Dietrich), sei es, dass von An- 
fang an zwei Konstruktionen neben einander im Gebrauch 
waren, sei es, dass der Dativ erobernd ın das Gebiet des Akku- 
sativs vordrang. 

$ 138. Der Dativ bei verbalen Substantiven. 

Von den Verben kann bisweilen die Verbindung mit dem 
Dativ auf verbale Substantiva übergehen, namentlich im Griechi- 
schen. Brugmann, Griech.Gr.2208 führt dafür folgende passende 
Belege an: zupös Boorots Sorzp öpäs Ilpound&a (Aeschylus), rept 


$ 138— 139.) Kap. VO. I. Der Dativ bei Adjektivis. 295 


on 


my tod Beod Ödarv ügiv /Plato), ebenso: & &; andöoalv &otıy Tois 
deois Ehroroueva CIA. I. 32, tw Eraipp cov eis Bonderav (Plato). 
Aus dem Lateinischen gehören hierher :nsidiae consuli (Sal- 
lust), Zradıtio alteri (Cicero) u. ähnl. 


$139. Der Dativ bei Adjektivis. 


Arisch. Es kommen wesentlich die Adjektiva, welche ‘lieb’ 
und Ähnliches bedeuten, in betracht, so ai. $ivd gütig, z. B. Jiva 
sakhibhya utd mahyam äsıt sie war gütig gegen die Freunde und 
auch gegen mich RV. 10, 34, 2. Ebenso im Altindischen bei car 
lieb, hit angenehm u. ähnl. Im Avestischen yahmat a$ava fryö 
dem der Fromme befreundet ist y.46,6. Ebenso bei urvapa freund- 
lich, vuhtsta der es am besten meint (y. 33, 3) u. ähnl. Hierher 
gehört auch das ai. Adverbium dram bereit, z. B. sasmä dram 
er ist für ihn bereit RV. 2, 18, 2 (vgl. SF. 5, 146). Im La- 
teinischen sind es die Adjektiva ‘beliebt’ und ‘verhasst’, 
‘gleich’ und ‘ungleich’ und viele andere, welche sich an die 
entsprechenden Verba anschliessen (Draeger 1 409 ff). Bal- 
tisch-Slavisch. Im Litauischen Zygus gleich, z. B. sunüs 
tevu Iygus der Sohn ist dem Vater gleich, mölas lieb, z. B. tu 
man melas du bist mir lieb. Innerhalb des Slavischen (Miklo- 
sich 4, 599) findet sich der Dativ bei ‘lieb’ nur in neueren 
Dialekten, dagegen ist er alt bei ‘gleich, ähnlich, würdig, 
schuldig’, z. B. aksl. visit tücni drugü drugu alle sind einander 
gleich, ferner podobinü ähnlich, z. B. komu upodobljq rodosi? 
podobenü jestü detistemü tiv buowow TMv yevaav tabınv; 6pola 
&sıl raldaptoıs Math. 11, 16; ebenso russ. z. B. pododnysy po- 
dobnago sebe razumejetü der gleiche versteht den, der ihm gleich 
ist. Dostojinü hat im Aksl. gewöhnlich den Gen. bei sich (vgl. 
$ 172), doch auch den Dativ, z.B. sütvorj? ze dostojinaja ranamäü 
zormoas de dkıa rinyav Luk. 12, 48, jemute azü nesmü dostojinü 
da otreq remeni sapogu jego od &yb oöx elul Akıos Iva Abo 
abrod zöy iuavra tod Öroönuatos Joh. 1, 27. Povininid schuldig, 
2. B. povinenü jestü sadu Evoxos £oraı fi xplseı Matth. 5, 21. 
Im Serbischen kriv schuldig (die ursprüngliche Bedeutung 
‘krumm?’ ist dabei ganz zurückgetreten‘, also in der entsprechen- 


296 Kap. VI. ‘II. Dative zur Ergänzung der Satzaussage. [$ 139. 


den Stelle: dice Artv sudu. Das Wenige, was sich sonst aus 
dem Serbischen vergleichen lässt, s. bei Danıtie 351—52. Der 
Dativ bei porininü bezeichnet also den Richter oder die Strafe, 
der jemand verfällt. In den Instr. ($ 124) kann dasjenige 
treten, durch das man eine Schuld auf sich ladet. Aus dem 
Griechischen gehört hierher: o{Aog, Yrıos u. 8. w. (für Homer, 
Günther 36 ff.) und die Gegenbilder 2ydpds, yalerdz u. 8. w. 
Weiter die Adj., welche ‘gegenüber befindlich’ und ‘nahe’ be- 
deuten (vgl. die entsprechenden Verba), also avrios, &vavrlos, 
&yyös u. 8. w. Endlich diejenigen, welche ‘gleich’ und ‘ähnlich’ 
bedeuten, wie {oog, 8yoros, eixelo;, bei denen freilich auch der In- 
strumentalis konkurriert ivgl. $124). Germanisch (Grimm 4, 
746 ff., Erdmann 2, 224), ebenfalls bei ‘lieb’ und ‘unlieb’, z. B. 
got. sunu liubana sis vlöv Ayanntöv adroö Mark. 12, 6, mhd. 
vient (daz ich im vient si), sodann ‘nah’ und ‘fern’, (doch nicht 
im Gotischen), z. B. ahd. was Petrüse gilanger Otfr. ‘Gleich’ und 
‘ähnlich’, wenn hier nicht der Instr. vorliegt. Endlich bei 
‘schuldig’, wobei sonst der Gen. steht. Im Gotischen findet sich 
skula daupau neben griech. Gen. (Evoyos davarou) Mark. 14, 64, 
sonst hat auch der griechische Text den Dativ. Ahd. wirdie 
töde (vgl. oben das Slavische). 


II. 
Dative zur Ergänzung der Satzaussage. 


Das Verhältnis gestaltet sich verschieden, je nachdem der 
in den Dativ tretende Begriff ein Konkretum oder ein Ab- 
straktum ist. Im ersteren Falle handelt es sich ganz über- 
wiegend um Personen. Dabei tritt in den Dativ diejenige 
Person, welcher die Satzaussage gilt. Ob dabei für die be- 
theiligte Person eine Annehmlichkeit oder Unannehmlichkeit 
herauskommt, ist natürlich für die grammatische Beurtheilung 
gleichgültig. Dennoch mag es gestattet sein, den alten Aus- 
druck dativus commodi der Bequemlichkeit wegen festzuhalten 
(vgl. Landgraf in Wölfflin’s Archiv 8, 46). Die Dative in den 
66 141—143 sind nur der Übersichtlichkeit wegen besonders 





$ 140.) Kap. VII. I. Der dativus commodi. 297 


behandelt. Sakhidhya idyah heisst eigentlich “ein zu preisender 
für die Freunde‘. Dass im Dativ dabei der Begriff des Agens 
hervortritt, liegt nicht an dem Dativ, sondern an seiner Ver- 
bindung mit einem Verbalnomen, welches etwas zu Thuendes 
ausdrückt. Gilt die Aussage einem Abstraktum, so entsteht 
der sog. finale Dativ. 

$ 140. Der dativus commodi. 

Arisch. Aus demAltindischen: devan devayatö yaja verehre 
die Götter zum Nutzen des Frommen RV. 1, 15, 12; Gcäryaya 
kärma karöti er verrichtet ein Geschäft für den Lehrer SB. 
11, 3, 3, 6; @fmane ’gnim cinutö in seinem eigenen Interesse 
baut er den Feueraltar TS. 5, 2, 3, 1; tasma upakrtäya nıyök- 
taram na vivorduh sie fanden für ihn, als er herbeigebracht war, 
keinen Fessler \keinen, der ıhn hätte fesseln wollen) AB.7, 16,1. 
Aus dem Avestischen: usta ahmäi naire yahmäı zaota a$ava yazaıte 
Heil dem Manne, für welchen ein frommer Priester opfert 
yt. 10, 137; caprudasem asarnhaqmca Sörprangmca vahıstem frü- 
bweresem azem yo ahurö mazdä varenem yim caprugaosem, ya- 
hmii zayata bragtaono als vierzehntes, der Örter und Länder 
bestes, erschuf ich A. M. das viereckige V., für welches Thr. 
geboren wurde vd. 1, 17; yo tanuye ssasti Prabrem welcher für 
sich Schutz wünscht vd. 13, 19; aa) yahmäi zsnuto bavantı 
ahmäi jasasti avaitahe, Gap yahmai pbisto bavasti ahmäai frascıin- 
dayeiti nmänemca visemca wem er gnädig ist, dem kommt er 
zu Hilfe, aber wem er feindselig ist, dem vernichtet er Haus 
ünd Dorf yt. 10,87. Lateinisch. Eine hübsche Auswahl 
von Dativen persönlicher Begriffe findet sich bei Landgraf in 
WöHflin’s Archiv 8, 46, z.B. Verres hunc hominem Veneri ab- 
solest sibh condemnat (Cicero), mi quidem esurio non tibi (Plau- 
tus), ut mayoribus natu (den Älteren zu Ehren) adsurgatur 
Cicero), en quis consevimus agros (Virgil.. An die persönlichen 
können sich auch unpersönliche Begriffe schliessen, z. B. non 
scholae sed vitae discimus. Denn zu den finalen Dativen wird 
man scholae und vitae nicht rechnen wollen. Baltisch-Sla- 
viseh. Lit. (Schleicher 266), z. B. zmones tikt sdo dirba die 
Leute arbeiten nur für sich. Slavische Belege s. bei Miklosich 


298 Kap. VII. II. Der dativus ethicus. (8 140—141. 


4, 601. Einige serbische Beispiele sind (Danitie 332) sebi ores, 
sebi sijes, sebt vlacıs, sebi ces i Znjets für dich pflügst du, für 
dich säest du, für dich eggest du, für dich wirst du auch 
ernten; niko ne moZe cijelom svijetu kolaca namtjesiti niemand 
kann für die ganze Welt Kuchen anmachen; pogaca se prijatelju 
$tedi Weizenbrod spart man für den Freund; dok se jJednom ne 
smrikne, ne mo2e drugome da svane ehe es für den einen nicht 
dunkelt, kann es für den anderen nicht tagen (Dan. 343). Grie- 
chisch. Einige Belege sind: Höre ropyupenv Ipıv Öynrotar Ta- 
voooyp Zeös für die Sterblichen P 547; Mevelaos $ SH tövöe 
r\oöv Zotellauev dem zu Liebe, in dessen Interesse, Sophokles 
Aias 1045; twöe d &ywv adrds Bwpnfopa: um seinetwillen, um 
ihm gegenüberzutreten H 101. Aus der Prosa (Kühner 350) 
Ausdruckweisen wie ola xal Opnpw Atounöns Akyeı (Plato‘ wie 
dem (bei) Homer Diomedes spricht (anderen als dem Dichter ist er 
stumm). Ich rechne dahin auch Thukydides 1, 13: gatverar 
ö: xat Zapiors ’AneıvoxArs Koptvdros vauınyds vads nornoas TEssapaz' 
ern © 2orl nalıora tpıaxdsıa Es Thy Teleummy Tode Tod roÄguon, 
Ste Apeıwvoxifis Saptoıs YABev d. ıi. den Samiern kam, vgl. da 
aber dem reichen man ein gast kam 2. Sam. 12, 4 (Luther) und 
Weiteres im deutschen Wb. unter kommen 7bß. Was das Ger- 
manische angeht, so findet man einige ahd. Belege bei Erd- 
mann 2, 230. | 

$ 141. Der dativus ethicus. 

Es folgt der sog. dativus ethicus, der nur das Eigen- 
thümliche hat, dass er an einem Pronomen erscheint. Er 
kennzeichnet das Interesse einer Person an der Satzaussage. Aus 
dem Altindischen lässt sich vas anführen, über dessen Ge- 
brauch im RV. ich SF. 5, 206 bemerkt habe: “in vielen Stellen 
fällt auf, dass der Angeredete suppliert werden muss. Nun 
kann man sich zwar immer eine fromme Zuhörerschaft denken, 
welche der Sänger anredet, aber es wäre auch möglich, vas 
im Sinne des griechischen ro, zu fassen. Dabei ist freilich 
zu erwähnen, dass t@ nicht in diesem Sinne vorkommt”. Über 
das Lateinische s. Landgraf in Wölfflin’s Archiv 8, 48, z. B. 
atque eccum tibi lupum in sermone (Plautus), qued miht Celsus 





$141—142.) Kap. VIL H. Der Dativ eines akt. od. med. Partizipiums. 299 


ogit (Horaz). Baltisch-Slavisch. Lit. vuiks müms numıre 
der Knabe ist uns gestorben. Gute Beispiele aus dem Ser- 
bischen führt Miklosich 4, 602 an: jest li mi zdravo putovao 
bist du mir glücklich gereist? Ziyepa ti je wie schön sie dir 
ist! Cudno ti ga prevars wunderbar hat er dir ıhn betrogen. 
Weiteres bei Danıcic 365, woraus man sieht, dass mi und % 
auch neben anderen Dativen erscheinen, z. B. smjerno mi se 
caru poklonsse demüthig verneigten sie sich mir vor dem Zaren. 
Ja, nach Danıitic kommen sogar mi und ti in demselben Satze 
zusammen vor. Im Russischen ist besonders bemerkenswerth 
ein volksthümliches, schwer übersetzbares — übrigens auch in 
anderen slavischen Sprachen vorliegendes — sede, das bei Ver- 
ben, wie sitzen, liegen, gehen, stehen, leben, essen, schlafen 
vorkommt und bezeichnen soll, dass der Handelnde ausschliess- 
lich mit seiner Handlung beschäftigt ist, z. B. disicka lezıtü 
sebe kakü mertva der Fuchs liegt wie tot da; ona Akusala sebe 
sie ass (‘sie ass sich eins’); votü pervaya sebe bezü sumu i $al- 
komü pletetsja da bewegt sich das erste (das volle Fass) vor 
sch hin ohne Lärm und langsam (Kıylov). Im Griechi- 
schen ist dieser Gebrauch von Homer an sehr häufig (für 
Homer vgl. Günther 79 ff.), z. B. unög por oörtw Hüve SLa mpo- 
payav E 249; Apeis Tor rarepwv u£y' Apeivoves eby6ped eivar 
A 405. 


6142. Der Dativ eines aktiven oder medialen 
Partizipiums. 


Zu einem Dativ dieser Art kann ein aktivisches oder 
mediales Partizipium treten, z. B. pupope£voroı ÖE Tolaı 
gan, boßoßdxtulos "Haus W109. Ein in mehreren Sprachen vor- 
hiegender Spezialfall ist der, dass in den Dativ des Part. dieje- 
nige Person tritt, für welche eine Entfernung oder eine son- 
stige geographische Thatsache vorhanden ist, so avestisch: 
KasciB ca ‚arfsqm varryangm capwaresatem ayarebarangm hvas- 
pi naire baremnäi und jedes dieser Rinnsale ist vierzig Tage- 
reisen (lang) für einen Reitenden, der mit einem guten Pferde 
versehen ist yt. 5, 4. Ebenso in der griechischen Prosa, z. B. 


300 Kap. VII. IL Der Dativ bei passiven Partizipien. [$ 142—143, 


’Ertldapvds dorı nölıs dv öskıg dornidovrı röv "Iöviov xdArnov (Thuky- 
dides, vgl. Krüger 48, 4, 2). Ebenso im Lateinischen, z.B. 
quod est oppidum primum Thessaliae vensentibus ab Epiro bei 
Caesar. Daran schliesst sich der Dativ des über andere Dinge 
Urtheilenden, z. B. ?n universum tamen aestimantı bei Tacitus. 
(Näheres bei Landgraf in Wölfflin’s Archiv 8, 50). 

$143. Der Dativ der betheiligten Person bei 
passiven Partizipien. 


Arisch: Im Veda findet sich bei dem sog. Partiz. nec. 
auf ya ein Dativ des Agens: sakhibhya Tdyah (von) den Freun- 
den zu verehren (SF. 5, 396). Ebenso im Av. yesnyqm aruhe 
astvaıte sie, welche von der Welt zu verehren ist yt. 5,1. 
Auch bei dem Part. auf ta: ya aom pubrem baraiti anyahmäi 
arsänät varstem welche ein Kind gebiert, das von einem an- 
dern Mann gezeugt ist yt. 17, 58 (weitere Belege bei Hübsch- 
mann 223). Dieser Dativ ist natürlich ein Dativ der bethei- 
ligten Person, wirkt aber als Agens. Bei dem Verb. fin. habe 
ich ihn nicht gefunden. Lateinisch: Der Dativ ist von 
jeher gebraucht bei den Gerundien, erscheint aber auch bei 
den Partizipien auf to, z. B. meditata mihi sunt omnia mea 
ıncommoda (Terenz). Dagegen ist er selten bei dem Verbum fini- 
tum. Griechisch. Ich theile mit, was Brugmann, Griech. 
Gr.2209 bemerkt: “Ausser dem Verbaladjektiv auf -t&os gehören 
hierher Stellen wie Lys. 24, 4 tosaöra por elpnodw, Xen. An. 1, 
8, 12 navd’ Yiv nerolntar, att. Inschr. &unprorar TY Boulg 
(Meisterhans, Gr.? 156, 172) u. ähnl. In diesem Gebrauche 
hatten sich Dativ und Instrumentalis berührt, und sie sind öfters 
schwer gegen einander abzugrenzen.” Wie geläufig der Dativ 
des Agens bei dem Partizipium war, zeigt der Umstand, dass 
man folgenden Ausdruck wagen konnte (Meisterhans a a. O.): 
ano Tod wpAnpevon Zwreöärdı dpyuplov von dem von Sopolis (nicht 


1) Die etwa vergleichbaren slavischen Erscheinungen sind hier nicht 
erwähnt, weil sie bei Gelegenheit der subjektlosen Verba zu behandeln 
sein werden. 





eg - 





$ 144] Kap. VII. H. Der finale Dativ. 301 


6144. Der finale Dativ. 

Arisch. Belege sind: urdhvas tistha na üldye erhebe 
dieh zur Hilfe für uns RV. 1, 30, 6; argiraso val svargaya 
Iokaya satiram äsala die Angiras hielten eine Opfersitzung ab, 
um in den Himmel zu gelangen AB. 4, 32, 7; agnım höträya 
prävrnata sie wählten den Agni zum Priesterthum (damit er 
Priester werde) SB. 1, 2, 3, 1; mosu m? java avanhe komm mir 
schnell zu Hilfe yt. 5, 63; zemäda uzuzseinti urvard praprai 
pasoa viraya die Pflanzen wachsen aus dem Boden hervor zur 
Ernährung von Menschen und Vieh yt. 13, 10, ya vispanam 
harısingm zabär garewan yaozZdadastı welche den Leib aller 
Frauen bereitet zur Geburt yt. 5, 2. Auch der erbetene Ge- 
genstand, als der Zweck der Bitte, kann in den Dativ treten, 
BB. iti cin nd prajäyai paSumätyai devasö vdnate martyo vah 
0 bittet euch (gewinnt euch für sich) der Sterbliche, ıhr Götter, 
zu viehreicher Nachkommenschaft (um diese von euch zu er- 
halten) RV 5, 41, 17; amawa bwa verepraynäsca mavoya upa- 
mruj6 tanuje zu (um) Kraft und Sieg flehe ich dich an für mich 
selbst y. 9, 27. Dieser Dativ kann auch bei as stehen (welches 
Verbum dann natürlich auch fehlen kann), z. B. asti hi $mäü 
mädäya vah es ist etwas für euch da zum Rausche RV 1,37, 15; 
madaya söomö mädaya süra zum Rausch dient Soma, zum Rausch 
Branntwein SB. 12, 7, 3, 12; mitemacib haoma hüitıS hazareray- 
nyaı asti dagvangm selbst die geringste Kelterung, o Haoma, 
dient zur tausendfältigen Tötung von Dämonen y. 10, 6. Häufig 
and in beiden Sprachen Dative von Abstraktis, welche gern 
an das Ende des Satzes treten, z. B. di kramöd akramid iti 
dabhyam üt kramayati pratigthityai mit den Worten üt krama 
u.8. w. lässt er mit zwei Versen das Pferd auftreten, des Fest- 
stehens halber TS. 5, 1, 3, 1; 90 yazaite hvare pattistalee temap- 
hqgm wer die Sonne verehrt zur Bekämpfung der Finsternisse 
yt. 6, 4; fr& mqm hunvanuha zwaretee presse mich zum Zweck 
des Geniessens y. 9, 2. Nicht selten erscheinen in einem Satze 
zwei Dative, z. B. devebhyah paSavo "nnädyayalambhäya näti- 
$fhanta die Thiere stellten sich den Göttern zur Speise und 
Opferung nicht zur Verfügung AB. 2, 3, 3; fra äbyo tanubyö 


302 Kap. VO. IL Der finale Dativ. [$ 144. 


haomd visäite baesazai diesen Personen dient (kommt) Haoma 
zur Arzenei y. 10,8. Lateinisch. Im Lat. sind diese Dative, 
soweit es sich um einfache, nicht von einem Verbalnomen be- 
gleitete Substantive handelt, innerhalb des alten Latein beson- 
ders häufig in der Bauern- und Soldatensprache, z. B. granatui 
videto uti satıs viciae seras sieh zu, dass du genug Wicken 
zum Einsammeln der Körner säest (Cato), cibatus offas positas 
Speise, die zum Mästen hingestellt ıst (Varro), receptui canere, 
locum castris capere u. 8. w. bei Caesar. Eine genauere histo- 
rısche Ausführung bei Landgraf in Wölfflin’s Archiv 8, 55. 
Aus dem Litauischen kann man hierher ziehen, was 
Kurschat $ 1504 angiebt: “rugiai seklai der Roggen zur Saat, 
nämlich bestimmt; daczka gerimui ein Fass für das Getränk, 
näml. paskirta bestimmt, pastatyta hingestell”. Aus dem 
Slavischen führt Miklosich 4, 611 eine Anzahl von Belegen, 
wesentlich aus dem Aksl. an, aus denen ich die folgenden 
auswähle: otüdatı düsteri braku die Tochter zum Zweck der 
Ehe hingeben, fillam in matrimonium dare. Häufig tritt für 
brakü das konkrete Zena Weib ein, z. B. venomü da zu sebe 
vüzmeli Zene Yepvl, pepviei adrnv abtw yuvalxa. Derselbe Dativ 
erscheint bei ‘sein, dienen zu’ und “machen zu’: aksl. pozoru 
beachq dienten zum Schauspiel; dychomü ponosenizu &yevndmuev 
överöos; Aameni Jegoze nevredu sülvorise zizdqstepi der Stein, 
welchen die Bauleute verworfen haben Mark. 12, 10; polo2ılü 
ny Jesi smechu visemü clovekomü du hast uns zum Spott für 
alle Menschen gemacht. Aus dem Serbischen (Danitic 362) 
lässt sich vergleichen: metati kupusa rucku tili veceri Kraut ein- 
legen für Mittag- oder Abendessen. Häufig ist cemu wozu, z. B. 
dakle cemu cemu sada duso moja zlovoljna si also wozu, wozu, 
meine Seele, bist du jetzt unmuthig? Griechisch. Bei dem Dativ 
von Abstraktis findet sich dieser Dativ nicht mehr. Denn dass, 
wıe Wackernagel, KZ. 28, 141 annimmt, in den desiderativen 
Partizipien auf osiwy ein solcher Dativ stecke, also z. B. ösiwv 
aus Oder {wv entstanden sei, ist mir unwahrscheinlich, und die 
Infinitive werden nicht mehr als Dative empfunden. Dagegen 
finden sich auf attischen Inschriften (Meisterhans? 170) eine 


$144—146.] Kap. VII. DO. Der Dativ von Zeitbegriffen. Adnom. Dat. 303 


Anzahl von Dativen von Konkretis, welche entweder nahe 
an den finalen Dativ streifen oder direkt so zu bezeichnen 
sind. Dahin gehören: &uAa xat avdpaxes to noAößöw Holz und 
Kohlen für das Blei (zum Schmelzen des Bleies) ; „Aoı raic 
Bupa Nägel für die Thüren, olxta rporxt droteriunuevn ein 
Haus, welches im Hinblick auf die Mitgift verpfändet (ab- 
geschätzt) worden ist. 

$145. Der Dativ von Zeitbegriffen. 

Arisch. aparäya für die Zukunft, samvatsaraya sdm 
amyale für ein Jahr verbündet man sich MS. 2, 1, 2 (2, 8). 
ayaozdya pascatta bavaintıi yavazfca yavazlätatca unentsühnbar 
sind sie darauf für immer und ewig vd. 3, 14. Weitere Belege 
bei Hübschmann 225. Auch yt. 10, 93 ‘für beide Welten’ heisst 
wohl: ‘für die Dauer des Lebens in beiden Welten’. Wegen 
vd. 13, 39 vgl. Geldner, KZ. 25,415.1) Unerklärt lasse ich einen 
Dativ der Zeit ım Aksl., den Miklosich 4,615 anführt. Es kommt 
nach M. vor utro probrezgu zelo vüstavü rpwi Evvuyov Alav Avaotaz 
Mark. 1, 35 und ausserdem utru gluboku dpdpov Bad&os (dieses 
sicher Dat.), wofür Luk. 24, 1 im cod. Mar. zelo rano steht. 

"8146. Der adnominale Dativ. 

Dieser ursprünglich die Satzaussage ergänzende, dann zu 
einem einzelnen Substantivum gezogene Dativ findet sich im 
Anischen, Lateinischen, Slavischen, Griechischen. Es lässt sich 
nicht sagen, ob er schon in der Ursprache vorhanden gewesen 
ist. Man vergleiche die treffende Ausführung von Landgraf in 
Wölffin’s Archiv, welche vom Lateinischen handelt, aber auch 
auf andere Sprachen analog anzuwenden ist. 

Arisch. Im Ai. erscheint der Dativ in enger Verbindung 
mit einem Nomen in dem eine Art von Kompositum bildenden 
Eigennamen däsyave vrkah dem Feinde ein Wolf, dessen Ent- 
stehung aus einem Satze deutlich ist (vgl. &rei oe Adovra yu- 
vaıkıv Zebs Orxev D 483). Im Avesta tritt nach Hübschmann 
220 ein Dativ auf, “der als Possessivus statt des Genitivs zu 


1) Ob das im Veda häufig vorkommende dive — dive Dativ oder Lokalis 


sei, ist Gegenstand des Streites. Bartholomae erklärt es BB. 15, 188 für 
Lokalis. 


304 Kap. VII. II. Der adnominale Dativ. [$ 146. 


dem Nomen gehört’, z. B. zwarenö zarapusträi die Majestät 
des Z. Ich theile zunächst zu einigen seiner Zitate die Über- 
setzung von Geldner mit, der den Dativ möglichst zur Geltung 
bringt: «sö zwarenö zarapustrai dem Z. nach seiner Herrlich- 
keit trachtend yt. 19, 82 (G., 3y, 53), yafsqm zayanam abau- 
rune zu diesen Geräthschaften für den Priester gehören (folgen 
die Geräthschaften) vd. 14, 8 (G., KZ. 25, 564), yezi nos nat- 
rika ähre raozsnan paitididyab so dass das Weib dem Feuer 
nicht in die Flammen sehen kann vd. 16, 2 (G., KZ. 25, 587). 
Über schwierigere Stellen aus den Gathas vgl. Bartholomae, 
AF. 3, 49 und 56, Geldner, BB. 14, 22. Man sieht aus diesen 
und ähnlichen Stellen, wie der Dativ, der ursprünglich die 
Satzaussage ergänzt, einem einzelnen Nomen innerlich nahe 
rückt und somit sich dem Genitiv nähert. Es kann deshalb 
nicht Wunder nehmen, wenn im jüngeren Avesta der Dativ 
ganz wie der possessive Genitiv gebraucht wird, z. B. nizbayemi 
zwareno atryangm daxwyunam nizbayemi zwareno yimaı ıch rufe 
die Herrlichkeit der arischen Länder, ich rufe die Herrlichkeit 
des Yıma an vd. 19, 39, ja, wenn die Kasus durcheinander 
gehen, wie z. B. dapuso ahuräi mazdäi dem Schöpfer A. M. 
yt. 13, 157. Weitere Belege bei Hübschmann 221. Latei- 
nische Belege finden sich bei Landgraf in Wölfflin’s Archiv 
8, 62 unter dem zu engen Titel ‘der finale Dativ von Sub- 
stantiven abhängig’. Die Personalbegriffe, zu denen ein solcher 
Dativ gehören kann, sind $. 66 aufgezählt. Beispiele sind: 
meis bonis omnibus ego te herem faciam (Naevius), quis erus 
est igitur tebi (Plautus), guos est servus Sosıa (Plautus), auctor 
his rebus quis est (Terenz). Beispiele für den Dativ bei Sach- 
begriffen sind: satui semen Saatkorn, pabulum ovibus, ıntertri- 
gini remedium Mittel gegen den Wolf u. ähnl. (vgl. oben den 
finalen Dativ). Im Litauischen hat sich ein solcher Typus 
nicht ausgebildet. Doch lassen sich natürlich einzelne Belege 
beibringen, welche daran streifen, z. B. Akad äsz esü jJüumem 
dukte 6 jJüs män tevas äsat da ich euch Tochter bin und ihr 
mir Vater seid, Leskien-Brugman 157. Slavische Beispiele 
finden sich bei Miklosich 4, 605. Ich führe einige Belege aus 


$ 146.) Kap. VII. DO. Der adnominale Dativ. 305 


dem cod. Mar. an und füge in Klammern die betreffenden 
Stellen des serbischen neuen Testamentes hinzu. Da badetü 
visemü rabü E£oraı rüvtwv 6oßlos Mark. 10, 44 (serb. Dat. da 
bude soima sluga; so steht auch Mar. Mark. 9, 35 visemü sluga, 
aber Zogr. mit Genitiv vsechü sluga); drugü mytaremü i gresüni- 
komd relwv@v Ylkos xaı Auaprwiav Luk. 7, 34 (serb. Dat. drug 
carinicima i grjeänicima) ; süfinıku Ze jeteru rabü bole züle umi- 
raase &xatovrapyou BE Tivos boulos xaxüs Eywv TueAle Teleuräv 
Luk. 7, 2 (serb. mit Präp. « Aapetana pak jednoga bijase sluga) ; 
chramü moji chramü molitod narecetü se 6 olxds you olxos Tpoosuyic 
wAndnostar Matth. 21, 13 (serb. Gen. dom molitve); vy Ze sätvo- 
riste i vrütüpü razbojnikomü vpels 58 adrov Enorhoate orhAauov 
Iyarav Matth. 21, 13 (serb. Adj. a vi nacıniste od njega pedinu 
hayducku); svetllinikü telu jestu oko 6 Aöyvos Tod ompards &atıv 6 
&pdalud; Luk. 11, 34 (serb. Dat. sotyeda je tijelu oko) ; vy Jjeste 
soli zemlji vueis &ote 6 Alas ns yrs Matth. 5, 13 (serb. Dat. 
oi ste so zemiyt); jegda Ze pribliti se oreme plodomü Ira 54 Nyyıoav 
6 xaıpds rwv xaprov Matth. 21, 34 (serb. Dat. a Akad se pribliii 
orjjeme rodovima); tu badetü plali i skrizetü zqbomi &xei &otaı 
6 Aauduös xal 6 Bouyuös twv dödvrwv Matth. 13, 50 (serb. Gen. 
ondje de biti plac i &krgut zuba),. Aus den von Miklosich bei- 
gebrachten aksl. Belegen führe ich noch an: dboga tworica nebu 
‘ zemjt i morju Gott den Schöpfer des Himmels und der Erde 
und des Meeres. Belege aus der serbischen Profanliteratur bei 
Danicie 362 ff., z. B. Ljutica Bogdan ti sestra mu und seine 
Schwester, /lijya Brdskoj zemlji glavo Haupt des Landes Brda; 
gradu vrata rano zatvorajte schliesst die Thore der Stadt früh 
(S. 335). Oft steht zwischen dem Dativ und seinem Nomen 
eine Präposition, wobei wir manchmal den Dativ noch gut zur 
Geltung bringen können, z. B. kad pogleda konjicu na noge 
wenn er dem Rösslein auf die Füsse sieht; zaspala dyevojka 
drenku na korenku das Mädchen schlief ein auf der Wurzel des 
Kornelkirschenbaumes; zzvadi ga vodi na obalu zog ihn heraus 
an das Ufer des Wassers; a sazrela suncu na istoku und wurde reif 
bei Sonnenaufgang. Eine bestimmte und feste Grenze für 


den Typus des adnominalen Dativs lässt sich natürlich im 
Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm. Sprachen. I. 20 


306 Kap. VII. II. Der adnominale Dativ. [$ 146. 


Slavischen ebenso wenig beobachten wie anderswo. Ich füge noch 
einige Belege aus dem Serbischen an, bei welchen es zweifel- 
haft ist, ob man den Dativ als Ergänzung der Satzaussage oder 
spezieller als Ergänzung eines Nomens auffassen soll. Dahin 
gehören Fälle, in welchem das Verbum ‘sein’ erscheint, z. B. 
(Danicıc 352) Akad je rat niko nıkom nije brat wenn Krieg ist, 
so ist niemand dem anderen Bruder; ja sam suncu rodjena 
sestrica ich bin der Sonne eine leibliche Schwester (Schwester 
der Sonne); Akad Akoji koga zovne: kume! a nije mu kum wenn 
einer den anderen Gevatter nennt und er ist nicht sein Ge- 
vatter. Ferner Dative neben andern Verben, z. B. (Danitıc 344) 
kad kome umre dijete wenn einem ein Kind stirbt; Akad 
Junaku srce zaigralo als dem Jüngling das Herz zu schlagen 
anfıng; oci mu se bjehu uzmutili die Augen hatten sich ihm 
getrübt, und vieles der Art. Ähnlich ist der Zustand im Rus- 
sischen. Griechisch (vgl. Brugmann, Griech.Gr. 209). Ein Beı- 
spiel, in dem man noch nicht recht weiss, ob man den Dativ 
zur Satzaussage oder zum Nomen ziehen soll, ist 7,v apa darzl 
deol rolnoav E&raiprv p 271. Nur zum Nomen gehört ypapua- 
Teds 77, BovAT; xal tw Öyuw in attischen Inschriften, neben ypap- 
narteug Tr; BovAris. Einige Beispiele, in denen das leitende Wort 
nicht eine Person, sondern eine Sache ist, sind: Aadpy Tpwı 
taynıov B 99, Unsaupös Beldeocı bei Aeschylus, und inschrift- 
liche Wendungen wie fparpa tots Falstors, 76 HEdpıov rors Txo- 
xvapıdlors Aoxpois u. ähnl. Über das Germanische sagt Be- 
haghel in Paul und Braune’s Beitr. 15, 570: “Sichere altdeutsche 
Fälle für den adnominalen Dativ sind nicht bekannt. In demo 
Balderes volon sin vuoz kann man den Dativ zum Verbum 
ziehen” (Man vergleiche hierzu, was bei den enklitischen 
Formen der persönlichen Pronomina über das genitivisch- 
dativische idg. *mo?, *toi bemerkt worden ist). 


$ 147.] Kap. VIII. Der Genitiv. 307 


Kapitel VII Der Genitiv. 


$147. Ich habe der Darstellung selbst ein Wort über den 
lateinischen (und thessalischen) Genitiv sing. der o-Stämme 
vorauszuschicken. Manche Gelehrte halten diesen Kasus der 
Form nach für einen Lokalis, so dass also in dem lateinischen 
Genitiv der alte Gen. und der alte Lokalis zusammengeflossen 
wären. Einen Versuch, diese Ansicht syntaktisch zu begründen, 
hat Andreas Bell gemacht in seiner Dissertation de locativi in 
prisca latınitate vı et usu, Breslau 1889. Nach Bell’s Ansicht 
soll der Green. ursprünglich die Person bezeichnet haben, in 
deren Gewalt etwas ist. Die Römer hätten sich aber die Ge- 
walt unter dem Bilde eines die Person umgebenden Kreises 
vorgestellt. Von diesem Grundbegriff, wie er z. B. in patris 
hlıus vorliege, sei man dann dahin gekommen, in den Gen. 
auch solche Begriffe zu setzen, die mit einem anderen eng und 
dauernd verbunden seien, z. B. filit pater. Pater Marci sei 
also nach römischer Auffassung etwa so viel wie Pater ın orbe 
Marc. Nonne vero — so fährt der Verf. S. 14 fort — pater 
Romae est idem fere denotat quod pater in orbe Romae 
est? Itaque locativus fere idem de re exprimit quod gene- 
trus de persona etc. Ich halte diese Ausführung für miss- 
lungen, weil der Grundbegriff des Gen., den der Verf. aufstellt, 
nicht aus der Gesammtüberlieferung der idg. Sprachen ge- 
wonnen, sondern willkürlich konstruiert ıst. Aber auch sonst 
scheint mir kein Grund vorzuliegen, im Lateinischen oder Grie- 
thischen eine Vermischung des Gen. und Lok. anzunehmen. 
Die Schwierigkeit, welche uns diese Formen bereiten, wird 
auf einem anderen als dem syntaktischen Wege zu be- 
kämpfen sein. 


Über den Grundbegriff des Genitivs ist $ 69 gehandelt 
und gezeigt worden, dass wir zu einem einheitlichen Grund- 
begriff nicht vorgedrungen sind, vielmehr zwei Hauptmassen, 

20* 


308 Kap. VIII. I. Der Genitiv bei Verben. [$ 147— 148. 


den Genitiv bei Verben und den Genitiv bei Substantiven, auf- 
stellen, über deren Verhältnis zu einander die Meinungen ge- 
theilt sind. Abweichend von der gewöhnlichen Ansicht bin ich 
eher geneigt, den adverbalen Genitiv für den ursprünglichen 
zu halten, und handle demgemäss im Folgenden zuerst von dem 
Genitiv bei Verben und solchen verbalen Substantiven, welche 
die verbale Konstruktion beibehalten haben, sodann von dem 
Genitiv bei Substantiven, bei Adjektiven und endlich dem Gen. 
der Zeit- und Ortsbegriffe. 


1. 
Der Genitiv bei Verben. 


$ 148. Der Genitiv unterscheidet sich von dem Akkusativ 
dadurch, dass bei dem Gen. der Verbalbegriff nicht auf den 
vollen Umfang des Substantivbegriffs zu beziehen ist. Er ist 
sozusagen ein verengerter Akkusativ. Es lässt sich deshalb in 
dem Gebrauch des Genitivs bei Verben auch eine deutliche 
Analogie mit dem Gebrauche des Akkusativs bei Verben ver- 
folgen. Mit dem Akkusativ des Objekts kann man ver- 
gleichen die Genitive bei Verben der Wahrnehmung, des Herr- 
schens (nicht bewältigen, sondern Gewalt haben an), des Essens, 
Trinkens, sich Erfreuens, des Gebens und Nehmens und ver- 
wandten Verben, ferner von den nur im Griechischen geläufigen 
Gebrauchsweisen die Verba des Berührens, Erfassens, Erlangens. 
Zu der Verbindung mit zwei Objektsakkusativen bilden 
eine Parallele die Verba des Füllens, wozu ıch SF. 4, 41 be- 
merkt habe: “Zur Verdeutlichung des Entstehens dieses proeth- 
nischen Typus denke man an den doppelten Akkusativ bei 
“berauben’. Wie man sagt ‘jemanden berauben etwas’, so sagt 
man auch “jemand beschenken, füllen etwas’, dieses etwas aber, 
weil man dabei nur einen Theil einer grösseren Masse im Sinne 
hat, tritt ın den Genitiv.” Von hier aus bekommt auch der 
Gen. des ergriffenen Gliedes, den ich unter $ 156 behandelt 
habe, Licht. Mit dem Akkusativ des Inhalts lässt sich 
allenfalls vergleichen der griechische Gen. bei blühen, glänzen, 





| 148.) Kap. VIII. IL Der Genitiv bei Verben. 309 


duften (vgl. SF. 4, 40 und 5, 169), sodann der Gen. des Ein- 
sstzes bei spielen u. ähnl. Im Altindischen kann man sagen 
gam divyati er spielt (um) eine Kuh. Endlich habe ich den 
Gen. des Zieles SF. 4, 41 mit dem Akk. des Zieles verglichen. 
Verschiedener Ansicht kann man sein über den Gen. bei seın. 
Wer der Meinung ist, dass das Verbum sein in einer vorge- 
«hichtichen Zeit auch mit obliquen Kasus verbunden werden 
konnte, kann den Gen. bei sei» als einen Rest aus dieser Zeit 
betrachten. Ich möchte annehmen, dass er ein in den Prädi- 
katstheil des Satzes versetzter adnominaler Gen. sei. Ich habe 
diesen Typus an das Ende des Gen. bei Verben gesetzt. — Eine 
Schwierigkeit in der Anwendung entsteht durch den Umstand, 
dass der Gebrauch des adverbalen Genitivs in den einzelnen 
Sprachen verschiedenen Umfang hat, den weitesten im Grie- 
chischen. Es lässt sich wohl nicht entscheiden, ob wir darin 
eine Alterthümlichkeit oder eine Neuerung des Griechischen 
zu erkennen haben. Meine Anordnung ist in dieser Beziehung 
durch die Rücksicht auf Übersichtlichkeit bestimmt worden. 

Demnach ergiebt sich folgendes Schema: 

$149. Wahrnehmen, nebst den griechischen Verben, welche 
denken an etwas, sorgen für etwas’ bedeuten. 

$ 150. Herrschen, walten, verfügen. 

$ 151. Essen, trinken, sich erfreuen. 

$ 452. Geben, nehmen und Verwandtes. - 

6153. Der Genitiv in positiven Existenzialsätzen im Ser- 
bischen, Russischen, Litauischen. 

$154. Der Genitiv belebter männlicher Wesen im Sla- 
vischen. 

$ 155. Griechische Verba von der Bedeutung berühren, 
umfassen, sich halten an, treffen, erlangen, theilhaftig werden. 

$ 156. Genitiv des ergriffenen Gliedes. 

$ 157. Genitiv bei Verben des geistigen oder körperlichen 
Hinstrebens (Genitiv des Zieles). 

$ 158. Wetten, spielen nebst den verba judicialia. 

$ 159. Vereinzeltes aus dem Griechischen, Lateinischen, 
Germanischen. 


310 Kap. VIII. I. Der Gen. bei wahrnehmen. [$ 148—149. 


$ 160. Der Genitiv bei sein. 
$ 161. Partitiver Genitiv als Subjekt. 
$8 162. Beibehaltener Genitiv bei verbalen Substantiven. 


$ 149. Wahrnehmen. 

In der sonst gleichartigen Masse spielt nur das Litauische 
eine besondere Rolle. Dort heisst küdiktis dutros mötynos das Kind 
blickt nach der Mutter. Es liegt hierin eine besondere Er- 
scheinungsform jenes allgemeinen Gebrauches vor, wonach das 
Substantivrum dann im Genitiv steht, wenn es von dem Verbal- 
begriff nur theilweise ergriffen wird. Diese Erscheinungsform 
ıst darum besonders interessant, weil man sieht, wie in einer 
genitivischen Verbindung der Gedanke des Zieles auftauchen 
kann. An diese Verba habe ich die griechischen angefügt, 
welche ‘an etwas denken, sorgen für etwas, sich um etwas 
kümmern’ bedeuten. 

Arisch. Über $rs hören bemerkt Gaedicke, Akk. 46. 
“nach $ru hören steht das wirklich Gehörte, das Wort oder der 
Schall im Akkusativ, die sprechende Person oder der schallende 
Gegenstand im Genitiv”. Im Avestischen findet sich der Gen. 
von yasna Gebet in surunuya nö mipra yasnahe, zSnuyä no miphra 
yasnahe hör auf unser Gebet, freue dich unseres Gebetes, o 
Mithra yt. 10, 32. Über den Gen. und Akk. bei vid hat Gae- 
dicke 47 ausführlich gehandelt. Der Gen. steht, wenn vid 
bedeutet ‘kennen lernen, erfahren, zu erfahren, zu geniessen 
haben’. Im Avestischen steht der Gen. bei vidus eingedenk y.45, 8 
iso nach Bartholomae, KZ. 28, 34, anders Mills. Mar ‘ge- 
denken, sorgend oder rühmend gedenken’ hat im RV. die Gen. 
yayhasya des Opfers, te dvasah deiner Hilfe, &sam derselben, 
häufiger den Akk. (vgl. Gaedicke 46), im Av. :da äpravand 
dazwyunam manyente varheus a$ahe hier sind die Priester der 
Graue desguten heiligen Brauches eingedenk (Geldner, KZ.25, 552) 
yt. 13, 147. Im Avestischen erscheint der Gen. auch bei ap:- 
vat: usta te apivalahe pouru (so) vacam erezurdangm heil dir! 
du verstehst dich sehr auf recht gesprochene Worte y. 9, 25. 
Im Aı. hat aps-vat den Akk. bei sich. Griechisch. Dem 
ai. $ru entspricht »Aüw. Es hat bei Homer (vgl. Weidenkaff, 


{149 Kap. VIII. I. Der Gen. bei hören, erinnern u. ähnl. 311 


de usu genitivi apud Homerum, Ilalle 1865, Diss., S. 5) stets 
den Gen. der Person, gewöhnlich den Gen. der Sache, aber 
auch den Akk. der Sache (die volle Aufnahme des Gehörten 
in den inneren Sinn ausdrückend, vgl. OÖ 270 mit x 311). 
Auch dxoöw hat stets den Gen. der Person (7 193 ist ’Atpetönv 
vorausgenommenes Subjekt des folgenden Satzes), auch in be- 
zug auf die Kasus der Sache verhält es sich wie x»Aöw!). Dem 
a. od entspricht forda. Bei Homer findet es sich mit dem 
Gen. im Sinne von “erfahren sein’ bei tepawv, raons soptrs, Töwv, 
payns, Beorportwov u. ähnl. Zu den genannten Verben kommen 
bei Homer noch die Synonymen atw, Euvinpt, ruvdavonar (oft 
mit dem Akk. der Person), yıyvaoxw merken, erkennen (dreimal), 
&öary (ebenso oft), endlich &xıoransvos oöpuıyyos 9 406 und öt- 
tasöuevos roAgnoro [| 811. Erinnern und vergessen: pınvnorw 
hat den Gen. der Person und Sache bei sich, selten den Akk., 
in welchem Falle es heisst “im Gedächtnis haben’. Über das 
entsprechende ai. man s. 8.310. Nach yıuvroxw hat sich Aavdavw 
gerichtet, mit dem Gen. der Person und Sache, wenn es ‘ver- 
gessen‘, mit dem Akk. der Person, wenn es “verborgen sein vor’ 
bedeutet. Dazu das vereinzelte andsssov yap ET aurwv x 493. 
Lateinisch. Von Verbis des Erinnerns hat memini seit 
der Urzeit den Gen. bei sich (ebenso wie den Akkusativ), da- 
nach commemini und recordari, wobei aber der Akk. gewöhn- 
lch ist. Auf Nachahmung beruht natürlich auch der Gen. 
bei vemt ın mentem und ebenso bei oblivisci {vgl. "auf etwas 
vergessen nach ‘sich auf etwas besinnen’), das übrigens bei 
Plautus nur noch den Akk. hat. Germanisch. Bei hören 
(Grimm 4, 661) steht im Got. meist ein Akk. der Sache, aber 
auch Gen., wo das Original ihn nicht hat, z. B. hausjandans 
fize vaurde Axoboavtss töv Adyov Joh. 7,40, ähnlich in den an- 
deren Dialekten. Got. gamunan sich erinnern hat den Gen. wie 
das Griechische, aber auch Gen., wo das Griechische Akk. hat 
(Grimm 4, 662); Augjan und Pagkjan \s. ebenda) kommen im 

li‘ Einen ablativischen Gen. bei Verben des Hörens nehme ich jetzt 


nieht an (vgl. darüber Hentze 522ff.), weil ich bei ‘hören’ in den alten in- 
dischen und avestischen Texten einen Ablativ nicht finde. 


312 Kap. VOII. I. Der Gen. bei wahrnehmen u. ähnl. [$ 149. 


Got. nicht mit Gen. vor, wohl aber in anderen Dialekten, z.B. 
ahd. sie dähtun dero worto, huge dero worto. “Acht geben 
auf (Grimm 4, 658, nicht im Got., aber z. B. ahd. thaz wib 
thaz thero duro sah (Otfr.) die Thürwärterin. Der Gen. bei vergesser 
(Grimm 4, 663) dürfte sich hier angeschlossen haben. Li- 
tauisch. Schleicher S. 275 bemerkt: “die Verba, welche 
‘sehen’ bedeuten, haben bisweilen den Genitiv bei sich, meist 
mit jener Modifikation, welche im Deutschen durch ‘nach’ be- 
zeichnet wird, z.B... küdıkıs dairos mötynos das Kind blickt 
nach der Mutter; mäno akys veizd vernüju meine Augen schauen 
nach den Treuen; sonst haben sie wıe andere Verba, welche 
Sinneswahrnehmungen bezeichnen, den Akkusativ, so regeti, 
matyti sehen, schauen, jaüsti fühlen, girdeti, Alausjti hören. 
Letzteres hat in der Bedeutung “‘gehorchen’ [nach etwas hin- 
hören, auf etwas hören] den Genitiv: Alausyjfi prisakımo dem 
Gebote gehorchen”. Ein proethnisches Verbum der inneren 
Wahrnehmung ist atsimtüti gedenken, z.B. a/simiük manes ge- 
denke mein. Daran schliesst sich ‘vergessen’ mirszti (meist 
mit Präp. zusammengesetzt), z. B. uzmi’szo lvo sie vergassen 
des Vaters, Schleicher Les. 135. Slavisch 'Miklosich 4, 492 ff.). 
Von den Verben, welche “hören” bedeuten, finde ich s/ysati im 
cod. Mar. nur mit dem Akk,, z. B. s/ovo, glasü u.ähnl. Auch 
wo im Griechischen der Gen. steht, hat der slavische Text den 
Akk., so: siysa penija i liky Txovse ouupwvlas xal yopwv Luk. 
15, 25. Der Akk. steht auch, wenn das Gehörte in einem Eigen- 
namen besteht, z.B. Pilatü Ze slySavü galileja Tldaros dE dxobsas 
l’arılatav Luk. 23, 6. (Auffälliger Weise steht im Zogr. auch 
slysarü ze Isusa Axodsas 6E repl tod Irsoö Luk. 7, 3 Isusa 
als Vertreter des Akk. Der Mar. hat an dieser Stelle o Isuse). 
Miklosich aber führt auch den Gen. an, z. B. svetyyichü slovesü 
da slysimü sancta verba audiamus. Ebenso finde ich bei us!y- 
$ati im cod. Mar. nur den Akk. Miklosich hat auch Gen., 
2. B. visi uslysase glasa sego omnes audierunt hanc vocem. Da- 
gegen poslusati hat auch im Mar. den Gen., z. B. poslusaatü 
glasa mojego Axo0sı pou Tis vwv7is Joh. 18, 37. Von den Verbis 
des Sehens führt Miklosich rideti mit dem Gen. an, z. B. 





8149.) Kap. VIII. I. Der Gen. bei p!öopor u. ähnl. 313 





tideste daba vıdentes arborem. Im Mar. habe ich nur den Akk. 
gefunden. Für den Gen. bei zöreti führt Miklosich z. B. an: 
zire drüzosti ucenice dpwv Tod naßntoo nv töApav. Aus Mar. 
habe ich nur angemerkt: zireste sich& öpwoaı radra Luk. 23, 49. 
Dagegen sämotriti, welches nicht eigentlich ‘sehen’, sondern 
ımapavdlavo, xaravo&w bedeutet, hat in den wenigen Stellen 
des Mar., an denen es vorkommt, den Gen., z. B. sümotrite 
tranü xatavonsate tobs xöpaxas Luk. 12, 24. Im Serbischen 
und Russischen ist bei ‘hören’ und ‘sehen’ der Gen. nur schwach 
vertreten. Aus dem Serbischen führe ich an: al da vidis cuda 
selikoga da siehst du das grosse Wunder, und momct gledayu 
djecokaja die Burschen schauen nach den Mädchen (Dani£ic 86). 
Einige Beispiele aus dem älteren Russisch s. bei Miklosich. 
— Von den Verben der inneren Wahrnehmung führe ich “er- 
innern’ an: aksl. prestuplenija pomenemi transgressionis recor- 
demur. (Im Mar. habe ich nur den Akk. gefunden). Ebenso 
serb. opominjudi ıh ocine zakletve sie erinnernd an den Schwur 
des Vaters (Danicie 111); pazili achten auf: pazi mene drage 
sestre moje achte mir auf meine liebe Schwester (Danitic 87). 
Ebenso russ., z. B. ne mogu ospomniti jego imeni ıch kann mich 
auf seinen Namen nicht besinnen. Gewöhnlich aber steht bei 
erinnern’ der Akk. Aus dem Serbischen wäre etwa noch bei- 
zubringen, dass sich an die Verba des Sehens gewisse Wört- 
eben mit der Bedeutung ‘siehe’ angeschlossen haben, z. B. gle 
ti njega da ist er (le vorla), nuto momka siehe den Burschen, 
eco i muZa da ist dein Mann, elo ti sina, eto ti matere das ist 
dein Sohn, das ist deine Mutter Joh. 19, 26 und 27 (Danieic 115). 

Anhang. Die griechischen Verben ‘an etwas denken, 
sorgen für etwas, sich um etwas kümmern’: y$öonar mit Gen. 
der Sache (moAduoro, vöstoro u. ähnl.) mit Akk. wenn es heisst: 
auf etwas sinnen, das man erreichen will (xaxd, xaxa £pya); 
&uzafopaı mit dem Gen. von Personen und Sachen (ixerdwv, 
pidoy, deonporins u. ähnl.), n 422 ixeras; dAdyw mit Gen. der 
Person und Akk. der Sache; dAsyilw, perarperopar und ddonar 
mit Gen. der Person; perarperopar mit Gen. der Sache; xr- 
öopaı mit Gren., gewöhnlich der Person, äxrötw mit Gen. der 


314 Kap. VIII. I. Der Gen. bei herrschen, geniessen u. ähnl. [$ 149—151. 





Person; p&iw mit Gen. nur bei peuniws (rAouroro, roÄspote), 
aus\&w mit Gen. der Person und Sache. 

$ 150. Verba, welche "herrschen, walten, verfügen 
über’ bedeuten. Der Gen. findet sich überall, ausser ım 
Lituslavischen, wo er durch den konkurrierenden Dativ ver- 
drängt zu sein scheint. 

Arisch. Z. B. ai. A$i herrschen /car$aninam, viSam über 
die Menschen, räyas, dravinasya, vasıınam über Gut, götrasya 
über den Kuhstall, bresajasya über Arzenei\, ebenso avestisch: 
tum axstors anazslöis mibra z$ayehe dazwyungm du, o Mithra, ge- 
bietest über Friede und Unfriede der Völker yt. 10, 29, ferner 
daevanım über die Dämonen, masyanqm über die Sterblichen 
(Hübschmann 278). Ferner ai. :$ verfügen über (im RV.: über 
Gut, Reichthum, Menschen u. ähnl., vgl. Grassmann unter ig), im 
Avestischen: kap möi urva ise cahya avanphö wıe erlangt meine 
Seele irgend einen Beistand y. 50, 1. Griechisch. Belege aus 
Homer sind: avassw (z. B. ‘Apyslwov, Teveöoro!, Basıkevo (Ayamwv, 
IöAov), Ayeouaı (Erıxoöpwv), xparew (Apyslwv), arpalvo (otparos), 
deuistedo (raldov). Lateinisch. Ob rerum potir! noch ein 
Rest dieser Konstruktion ist oder eine Neubildung des La- 
teinischen, hervorgerufen durch den Begriff “Herr, der in dem 
Verbum steckt, wird sich schwerlich entscheiden lassen. Ger- 
manisch. Wie sich bei Grimm 4, 658 übersehen lässt, hat got. 
valdan den Dat. bei sich, dagegen ahd. u. s. w. den Gen., z. B. 
ahd. desero brunnono beidero waltan über diese Panzer beide 
verfügen; hüten und pflegen sind im Got. nicht vorhanden. 

$ 151. Essen, trinken, geniessen, sich erfreuenan. 

Die Verbindung mit dem Gen. ist überall vorhanden ausser 
ım Lateinischen, wo der Gen. durch den Akk. und den Instr. 
(fruor, vescor) verdrängt worden ist. 

Arisch. Was zunächst ‘essen’ und “trinken” betrifft, so 
habe ich SF. 5, 159 gezeigt, dass der partitive Sinn des Gen. 
im Gegensatz gegen den Akk. noch öfter zu spüren ist, z. B: 
apo aSnäti er geniesst Wasser, nd mäasänam aßniyat er esse 
keine Bohnen, ähnlich bei pz und bhakf. Belege aus dem 
Avestischen sind: @ fi me attayä zaoprayä frarharöis du darfst von 


$152.] Kap. VIII. I. Der Gen. bei geniessen u. ähnl. 315 


diesem meinem Opfer geniessen yt. 5, 91. yase tE gava iristahe 
bazsaile wer von dir trinkt, wenn du mit Milch gemischt bist 
y. 10, 13. Auch bei füttern: duve navasli naram asaonqm 
cästrayatta geus va hvarebahe va hurayäü va madeus va zweimal 
neunzig fromme Männer soll er mit Fleischgericht, Branntwein 
oder Meth speisen vd. 14,17. Sich erfreuen an: Im Altindischen 
erscheint sowohl im Veda als in Prosa tarp (tepropa«:, z. B. 
innasya trpyatı er erquickt sich an Speise 'vgl. den Instr. $ 115). 
Daneben erscheinen im Veda pri, kan, mad, pan. Aus dem 
Avestischen habe ich nur zu notiert: surunuyä no mipra yasnahr 
zinuyd no mibra yasnahıe höre auf unser Gebet, freue dich 
unseres Gebetes, o Mithra yt. 10, 32. — Griechisch. Bei 
Homer, z. B. rıeiv otvoro, almaros, Awroio varav, naoaslaı 
avaydı Ayarods oltov xat otvoro T 160. Dagegen mit Akkusativ 
ı.B. Köxko, 77, nie olvov, &rei payes Avöpsuea xpea ı 347. Dazu: 
geniessen, zu erfahren haben: ripropar (auch mit Dat.) bei 
Homer im Med. sich ersättigen an (£öntöos, ottou, ÜUnvou, edvf;s, 
11, Yuldınros, ydoro). Ferner: darros Gynso 768; yedopaı 
‚Soupts, Arwafis, drotod, Yaıpav). Grermanisch. Für ‘essen’ 
führt Grimm 4, 649 aus dem Gotischen nur an: Pis hlaibis matjai 
ix od Aprou Eodıdtw 1. Kor. 11, 28, bei 27an keine sichere Stelle, 
wohl aber ags. büt bu bisses ofütes ete dass du dieses Obstes 
ässest u.ähn]. Für trinken’ hat Grimm aus dem Gotischen eine 
iweifelhafte Stelle, dagegen ahd. trinkist du des lüteren brun- 
nen u.8s. w. Dazu ‘kosten’ (Grimm 4, 650). Belege für den Gen. 
bei ‘sich freuen an, geniessen, gebrauchen’ (Grimm 4, 663) sind: 
sıh frewan und sich niofön vom Ahd. an, brauchen (Grimm 4,666) 
vom Got. an, z. B. Zeıhtis bruhta A Elaypla Eypnoaunv 
2.Kor. 1,17. Neben dem Gen. im Got. und Ahd. auch der 
instrumentale Dativ. Baltisch-Slavisch. Im Litauischen 
2.B. üsz valgau dünos ich esse Brod, zis paragävo vandens er 
kostete Wasser. Slavische Belege bei Miklosich 4, 484, z. B. 
akal. ı nikütote pivü vetücha abije chostetü novuumu xal oböels 
zwy ralauıv Belsı veov Luk. 5, 39. (Vielleicht könnte indessen 
die Nähe der Negation den Gen. verursacht haben. An an- 
deren Stellen des cod. Mar. finde ich pit nur mit dem Akk.). 


316 Kap. VIII. I. Der Gen. bei geben, nelımen u. ähnl. [$ 151—152. 


Miklosich führt an: vypilü meda sladkago er trank des süssen 
Methes. Bei rükusıti kosten findet sich der Gen. rina Joh. 2,9. 
Serbische Belege, z. B. jests hljeba, pili vode, soli zobatı Salz 
fressen, 8. bei Danıcie 85. 

$ 152. Geben, nehmen und Verwandtes. 

Unter diesem nicht ganz befriedigenden Titel stelle ich 
eine Anzahl von Verben zusammen, neben denen der partitive 
Charakter des Genitivs besonders deutlich ıst. Das Lateinische, 
wo der Akkusativ den Gen. in hervorragend starkem Masse 
verdrängt hat, fällt bei dieser Nummer aus. Wichtig ist das 
Litauische und Slavische, wo sich im Anschluss an diesen Ge- 
brauch gewisse feste Konstruktionstypen entwickelt haben. 

Arisch, z. B. rujad drlhani dadad usriyanam er breche 
das Feste, gebe uns Kühe RV. 7, 75, 7, haoma dazdı m& ba®- 
$sazanım Haoma, gieb mir Heilmittel y. 10, 9; Aumbhyanam 
grhniyat man nehme von dem im Topf befindlichen Wasser 
TS. 6, 4, 2, 2; yab vä masyo masyangm z$udrangm parageur- 
vayeıti oder wenn ein Mann Samen von Männern empfängt 
vd. 8, 32. Griechisch. Einige Belege aus Homer mögen 
genügen: yaptLop£vn rapsdvrwv a 140, Tup@v alvum£vous ı 225, 
Aöprotoro d Eynpe duyarpav S 121, trs yevanıs Exiede E 268, naose 
ö ads Yeloıo | 214, Öntäsal re xpenv o 98. — Ein partitiver Sinn 
tritt auch deutlich hervor in reıpaw akt. und med. versuchen, 
sich versuchen an (akt. neu, prlwv, med. Avöp@v, &poö, Epywv, 
tögou, odeEveog u. ähnl.) und reipntliw (sußwrew, Töfou). Ger- 
manisch Grimm 4, 648). “Geben’hat im Gotischen den Gen., wo 
das Griechische and hat: es akranis bis veinagardis gebeina imma 
Iva And Tod xaproü Tod Aurel@vos Öwcıv adry Luk. 20, 10. Sicher 
original ist mhd. :ch wsl im mines brötes geben u. ähnl. Ebenso 
steht es mitnehmen’: got. nemi akranis Aa And tod xaprod Mark. 
12, 2, ags. genam ber bes ofätes nahm des Obstes. Bei ‘haben’ 
scheint in der alten Sprache der Gen. allein oder doch überwiegend 
in negativen Sätzen gebraucht zu sein (vgl. das Slavische), im 
Mhd. auch in positiven, z.B.: habent si grözer riterscaft (Grimm 
4, 617). Hieran schliesst sich noch der Gen. bei ‘tragen', z. B. 
alts. thes brödes gidragan (Grimm A, 648). Aus dem Alt- 


5152) Kap. VIII. I. Der Gen. bei geben, nehmen u. ähnl. 317 


nordischen führe ich beispielshalber an: get« erlangen (mit 
Gen. bei geistigem Erlangen, sonst Akk.), /a zur Gattin neh- 
men, in die eheliche Gewalt bekommen. Litauisch. In 
bezug auf das Lit. sagt Schleicher, Gr. 274: “Der Akkusativ 
weist bei dergleichen Begriffen auf ein bestimmtes Objekt hin, 
ı.B. dük man dünos, üsz turiü dünos gieb mir Brod, ich habe 
Prod, aber dük man düng, üsz turiü düng gieb mir das Brod, 
ich habe das Brod”. Einige Belege sind: tasat dukterü tur&jo 
der hatte Töchter (Schleicher, Les. 137), tE Jam tökio dazo su- 
daböjo sie verschafften ihm solche Farbe (134), tavöro pirkt 
Waaren kaufen (136), vandens semt Wasser schöpfen (134), 
parnesz graziü zodärzu if gailiü aszardczu er wird bringen 
schöne Wörtlein und bittere Thränlein; rätu söjau ich säte 
Rauten u. ähnl. Slavisch. Einige aksl. Beispiele bei Miklo- 
sich 4, 484: da mi poSljeti leda mittat mihi glaciem (de la glace); 
naseachomä slanutüka cicerem sevimus. Serbische Belege 
(Danitie 83 £.) sind: day nam medovine gieb uns Meth, tznest 
mi platna bring mir Leinwand heraus, imam brade v ostale 
scjte ich habe Brüder und sonstige Verwandte, svega imas 
u bijelu dvoru, jo$ da imas ribe od Orida alles hast du im 
weissen Gehöft, hättest du noch Fisch aus Ochrida, vıno 
pje ko ima novaca Wein trinkt, wer Geld hat, vatre uzeti 
Feuer nehmen, kupila je iglu (Akk.) od biljura tanka beza (Gen.) 
od grada Mostara sie hat gekauft eine Nadel aus Beryli, feine 
Leinwand aus der Stadt M. Diesem letzten Beispiele ent- 
spricht genau das russische: kupilü sebe muzikü novyje sapogt, 
zene kolecü (Gen.), a doceri serözki ein Mann kaufte sich ein 
Paar neue Schuhe, seiner Frau Ringe {unbestimmte Menge, 
also Gen.), seiner Tochter ein Paar Ohrringe, Äsböth 7. So 
auch bei daft, z. B. dalü svojego snadobtlya gab von seinem 
Mittel, 22. Es ist deutlich, dass man in diesen und ähnlichen 
Sätzen nicht an das ganze Ding denkt, das gegeben oder ge- 
nommen werden soll, sondern an einen Theil. Es kann aber 
diese partitive Vorstellung auch auf die Zeit übertragen wer- 
den, für welche etwas erbeten wird. So lehren die Gram- 
matiker, dass da) mne tvoje) knigi bedeutet: gieb mir dein 


318 Kap. VII. I. DerGen. in slavischen Existenzialsätzen ete. [$ 152—153. 





Buch auf eine Zeitlang, und so kann dann der Genitiv als 
die höflichere Ausdrucksweise erscheinen. Nach Buslajev bei 
Miklosich steht “in höflicher Rede der Gen.: poka2i svoJej Anigi 
neben dem minder rücksichtsvollen: poka2t sroju Anigu. Dem 
Angeredeten wird durch den letzteren Satz mehr zugemuthet 
als durch den ersteren, der ungefähr dasselbe aussagt, wie etwa: 
zeige das Buch auf einen Augenblick”. Ferner bemerken die 
Grammatiker (s. Miklosich 4, 4585‘, dass der Gen. bei dem per- 
fektiven, der Akk. bei dem imperfektiven Verbum zu stehen 
pflegt, was insofern natürlich ist, als die aoristisch-momentane 
Handlung geeignet ist, einen Gegenstand nur zu streifen, die 
präsentisch-dauernde aber, ihn in seiner Totalität zu erfassen. 
So führt Miklosich an: posejati psenicy Weizen aussäen, aber 
sejati psenicu die Handlung des Säens vollziehen, prinesti cody 
Wasser herbeibringen, aber nosıtı vodu Wasser tragen. Jemand 
giebt einem Bettler einen halben Rubel und sagt primi tzü 
nego semitku a sorok-to vosemi kopejekü da) mne sdacı (Gen.) 
nimm davon zwei Kopeken und gieb mir acht und vierzig zu- 
rück {als Rückgabe). Als der Bettler Miene macht, das ganze 
Geld zu behalten, heisst es: podavay sdacu reich mir die Rück- 
gabe her (Asböth 36). Umfassendere Sammlungen sind mir 
nicht bekannt. Fein ist dieser Gebrauch namentlich auch aus- 
gebildet im Polnischen und Cechischen. So sagt man 2. B. im 
Polnischen: »nadstawı? ucha \Gen.) er hielt das Ohr hin, un 
etwas von dem Gespräche zu hören, dagegen ucho (Akk.), um 
alles gut zu hören. 

$ 153. Der Genitiv in positiven Existenzialsätzen 
ım Serbischen, Russischen, Litauischen (Miklosich 4, 486). 

Serbisch (Danitic 59). An den Gen. bei ‘geben, nehmen, 
haben’ u. s. w. schliesst sich der Gen. bei {ma es giebt (eig. 
es hat) : ıma Jjudi koji es giebt Leute, welche: Aad ıima hlyeba 
nema soli, a had ima soli nema hljeba wenn es Brod giebt, giebt 
es kein Salz, aber wenn es Salz giebt, giebt es kein Brod; u 
svakom zitu ima kukolja in jedem Weizen giebt es Wicken. 
Danach auch bei bit sein, z. B. Akad je masla nije brasna wenn 
Butter da ist, ist kein Mehl da; dje je djevokaja bice « dyetica 





$153—154.] Kap. VII. I. Der Gen. belebter männl. Wesen im Slav. 319 


wo Mädchen sind, wird es auch Mannsbilder geben; mene ce 
bi a vas bil! ne ce ich werde sein, aber ihr werdet nicht sein. 
An ‘sein’ schliessen sich dann noch einige andere Verba ähn- 
licher Bedeutung, so trajatı dauern und ieci fliessen, dauern, z. B. 
hi ces ziujet dok Turlina traje du wirst leben, so lange noch ein 
Türke vorhanden ist, dokle tece sunca i mjeseca so lange es Sonne 
und Mond giebt. Im Russischen kann bei dyti ebenfalls 
der Gen. stehen, z. B. u menja volü jesti otmycki ich habe hier 
einen Nachschlüssel (Äsböth 33). Besonders häufig steht der 
Gen. bei passivischem Ausdruck (Buslajev 247), z. B. naechalo 
gost; es kamen Gäste angefahren, nabralosi vody es wurde 
Wasser gebracht u. ähnl. Dasselbe im Litauischen bei dut: 
fat büt szaunü stalu das gäbe gute Tische, Schleicher, Les. 126. 
In dem Satze ale ja 76 nebüvo da war es (das Schwein, nicht 
mehr (130) mag auch die Negation auf die Wahl des Kasus 
eingewirkt haben. 

$154. Der Genitiv belebter männlicher Wesen ım 
Slavischen. 

Die Regel für das Aksl. lautet: Wörter männlichen Ge- 
schlechts, welche ein belebtes Wesen bezeichnen, ersetzen den 
Akk. sing. durch den Gen. Demnach sagt man im Aksl. z.B. 
ostarlisa korabli (Akk.), i ofica svojego (Gen.) ayevre; t& rAolov 
xai oy ratepa autay Matth. 4, 22. Dagegen steht der Akk. 
beim Dual und Plural belebter Maskulina, z. B. vide düva 
brata er sah zwei Brüder Matth. 4, 18; zzgnase proroky 2ötwkav 
“09; mpoprras Matth. 5, 12. Ferner steht der Akk. bei allen 
übrigen Subst., also bei den Maskulina, welche etwas Unbe- 
lebtes bezeichnen, z. B. oben Akorabli; bei sämmtlichen Femi- 
ninis, z. B. ıZe aste pustitü Zenq svoJq 65 Av AnoAdoy TnV yuvalıa 
auccdo Matth. 5, 31; bei sämmtlichen Neutris, z. B. videse 
otroce züpov tÖ ratötov Matth. 2, 11. Dabei werden zu den 
Femininis auch die Maskulina femininaler Form gerechnet, es 
heisst also: vide düra brata (Akk.) Simona naricajemaago Petra 
(Gen.) # Anidrejq (Akk.) brata (Gen.) jego elöe Sbo adslzous LZi- 
puva tüv Aeydpevov Ilerpov xal Avöpzav zov aösko0v adrod Matth. 
4,15. Diese Regeln erleiden nun nach zwei Seiten hin Aus- 


320 Kap. VIII. I. Der Gen. belebter männl. Wesen im Slav. [$ 154. 


nahmen, nämlich erstens: Auch Maskulina, welche belebte 
Wesen bezeichnen, können im Akk. stehen, z. B. zwar :ze ljubitü 
ofica (Gen.) lt materi wer Vater oder Mutter liebt Matth. 10, 37, 
aber gleich darauf :2e Zyubitü synü li düsteri wer Sohn oder 
Tochter liebt. Eine Regel wird sich in dieser Beziehung schwer- 
lich aufstellen lassen. Texte, die sich ganz nahe stehen, gehen 
zwar bisweilen zusammen, z. B. heisst es im cod. Mar. prinese 
Jjemu oslabljenü (Akk.) zilamı rpooepepov aötp rapalurındv Matth. 
9, 2, und im Zogr. ebenso. Dagegen gehen dieselben Texte 
an anderen Stellen auseinander, so heisst es Mark. 2, 3 zwar 
im Mar. oslabljenü (also wie Matth. 9, 2), dagegen im Zogr. 
oslabljena (Gen.). Es scheint also, dass man sıch (wenigstens 
einstweilen) mit der Feststellung der Thatsache begnügen müsse, 
dass noch Reste der alten Akkusativkonstruktion vorhanden 
sind. Ausserordentlich häufig sind diese bei den Pronominibus, 
z. B. in Wendungen wie tügda ostavi i dıjavolü Tire auinaw 
aötov 6 ötaßoAog Matth. 4, 11. Zweitens: Der Genitiv greift 
schon im Aksl. gelegentlich um sich, so dass unbelebte 
Mask., Neutra, auch Fem., und im Pronominalgebiet häufig 
auch die Plur. der Mask. ergriffen werden. Beispiele für 
diesen Vorgang (bei denen aber nicht selten im einzelnen 
Zweifel bestehen) findet man bei Miklosich 4, 495 ff. und Scholvin, 
Archiv f. slav. Phil. 2, 522. Im Serbischen ıst, so viel ıch 
sehe, der Zustand derselbe wie im Aksl. Nur sind bei den 
persönlichen Pronomina der Akk. und Gen. zusammengefallen, 
welche im Aksl. gesondert sind. Im Russischen steht es wie 
im Serbischen, nur ist bei den Wörtern für belebte Wesen 
männlichen Geschlechts auch der Plural ergriffen worden. Man 
sagt also z. B. carya für Gen. und Akk. sing., carey für Gen. 
und Akk. plur. 

Ich zweifle nicht, dass dieser Genitiv ım Grunde ein 
partitiver ist, und stelle mir die Sache so vor: In den Akku- 
sativ tritt ein Substantiv, wenn die vollste Bewältigung durch 
das Verbum vorgestellt werden soll. Der Genitiv zeigt gegen 
diesen Akkusativgebrauch einen deutlich empfundenen Gegen- 
satz. So treten denn in ıhn solche Wesen, welche der vollen 





$154—155.) Kap. VIII. I. Der Genitiv bei dado u. 8. w. 321 


Bewältigung sich am unzugänglichsten erweisen, sozusagen die 
persönlichsten von allen: männliche Personen. Dass ursprünglich 
nur der Singular von dieser Konstruktion betroffen wird, hat wohl 
sinen Grund darin, dass in ihr hauptsächlich Eigennamen auf- 
traten. Im Sprachgefühl übrigens erschien offenbar schon früh 
dieser Genitiv nur als eine andere Form des Akkusativs, wie daraus 
hervorgeht, dass er auch nach Präpositionen angewendet wurde. 

$ 155. Die griechischen Verba berühren, an- 
fassen, sich halten an, treffen, erlangen, theil- 
haftig werden. 

Von der ersten Gruppe liegen bei Homer vor: dad 
(imssurpov, &vdtvwwv), öpdosopar (xdviog), Antonaı (Yobvwv, yEıp@v, 
zodan, Inzwv, vn@v, oltov u. ähnl.). Während diese Verba nur 
mit dem Gen. verbunden werden (® 340 scheint für Arrouaı 
den Akk. nicht zu beweisen), findet sich Akk. und Gen. bei 
laudavn: Aaße nerprns e 428, army Aaßernv W 711, &MMaßer 
adrns (oyeöins) e 325, alpew: yeEocoun Ödoupos &Awv I’ 78, H 56 
(Il 406 8. unten), Eyopar: rs (nErprs) Exero otevaymv e 429, 
aurev &ydunv ı 435, übertragen o&o 8’ Eeraı drrı xev dpyy, 1 102. 
Hierzu wohl auch £petoaro yalns E 309, A 355. Aus der nicht- 
homerischen Sprache erwähne ich: röv ypaudpevov Oyxavros dA fo 
welcher stösst an das Grundstück u. s. w., kyprisch, Collitz 60. 
Hieran schliessen sich die Verba, welche treffen, erlangen, 
theilhaftig werden bedeuten, nämlich ruyyavo (auch mit Akk.) 
bei Homer Aor. und Fut. treffen auf (Yanadoro Badeins), treffen 
urpivdoro, rpoßıBwvros), theilhaftig werden (rour7js xal vooroto, 
giörnros dndons), Aayyavo (gew. mit Akk.) bei Homer im Aor. 
theilhaftig werden (döwpwv, xtep&wv), im Kaus. (rupös Havdvra), 
pelpopan (tus), avrıdoAnsaı (pays, Tanpou, &mmtoos). Auch 
arıııo gehört hierher. Es bedeutet treffen auf (N 290 wird 
von dem B&Aos gesagt: 7 stepvwv 7) vnöbos Avtiacetev), theil- 
nehmen an (z. B. adrap &yw xeio’ ein: xal avrıow rolduoro 
M 368), Antheil erlangen an (z. B. dvrıdwv Tabpwv te xal Apvarav 
ratsuörns a 25. Endlich ist &raupisxw zu erwähnen, akt. ‘be- 
rühren’ (Atdov W 340), med. “zu geniessen haben’ (vsov &oßkoo, 
panktos, naroppapins Akeyeıväs). 

Deibrück, Vergl. Syntax der indogerm. Sprachen. I. yal 











322 Kap. VIII. I. Der Genitiv bei füllen, sättigen. [$ 156, 


$ 156. Füllen, sättigen. 

Über das Altindische und Lateinische s. $ 114. Grie- 
chisch: Die Belege für riurinut (gleich par) und verwandte 
Wörter s. bei Klinghardt, de genetivi usu Homerico et Hesiodeo, 
Halle 1879 (Diss.), 39. Füllen: riurAngı wird gewöhnlich mitGen., 
z.B. inrwv, alyurtawv, vexöwv, olvoro, n£veos u.8.w. verbunden, sel- 
tener mit dem Instr., wo man sehe, übertragen in vtos EvırAnadivar 
1452. Sättigen: Aw, z. B. ainaros asaı "Apra, xopevvupı, z.B. 
gopdäis, dEdAwv. — An ‘füllen’ schliessen sich noch eine Reihe von 
ähnlichen Verben, z. B. 3ds0w vollstopfen (vrpuaros), vnew voll- 
füllen (va xpusoö xat yalxoö), &niorepeodar bis zum Rande füllen 
(npnttpas &reoribavro norolo), ferner Apidw strotzen von (tapool 
uEv tupav Ppidov ı 219, aoltov xal xpeawv 16 olvou BeRptdac 
o 334, gewöhnlich mit Instr.), ganz ähnlich oteivo ı 219. Auch 
obpw beschmieren (st7jdos xal xstlea Püpow ainaros co 21) kann 
man hierher stellen. Germanisch. Got. fulljan und fullnan, 
2. B. ahmins veihis gafulljada nveöparos Aylov nAnodnoerar Luk. 
1, 15, gasobjan sättigen, theils mit Instr. (Alatbam), theils mit 
Gen.: gredagans gasobida Piupe rewüvras Eveninoev Ayadav 
Luk. 1, 53. Litauisch: pripilkit man mäno vezimq pinigü 
schüttet mir meinen Wagen voll Geld, Leskien-Brugman 321. 
Slavisch. Anfüllen: aksl. naplünite vodonosy vody yeyioare 
ta; Göplag Ödaros Joh. 2, 7, serb. stolovi se napunise gostiju die 
Tische füllten sich mit Gästen, da nam kucu napuni smijeha 
dass er uns das Haus erfülle mit Lachen {Danıtic 97). Sätti- 
gen: aksl. otü Aqdu se mozetü küto nasytiti chlebü na pustynji 
nödev Tobroug Öduvnastal Tıs Wös yoprdcaı Aprwv Er’ £priulas; 
Mark. 8, 4. Hieran schliessen sich die mit za zusammenge- 
setzten Verba, welche Miklosich 4, 505 anführt. Aus dem Ser- 
bischen (Danitic 93) gehören hierher Verba wie nahranitı 
füttern, napoyiti tränken u. ähnl., z. B. da 5’ naranıs hljyeba Iije- 
loga ti napoji$ vina crvenoga dass du sie nährest mit weissem 
Brode und tränkest mit rothem Wein, :znes! mi da s’ napi- 
Jjem vina bring mir heraus, dass ich mich an Wein satt trinke, 
dok se malo sestrice nagledim dass ich mich ein wenig an der 
Schwester satt sehe, da se Jarka sunca nagrejemo dass wir uns 


$156—157.] Kap. VIO. I. Der Genitiv des ergriffenen Gliedes. 323 


an der hellen Sonne erwärmen (uns vollwärmen), ko se dima 
ne nadımt, on se ognja ne nagrija wer sich am Rauche nicht 
schwärzen mag, der erwärmt sich auch nicht durch das Feuer 
u. ähnl. 

$ 157. Genitiv des ergriffenen Gliedes, während 
die Person im Akk. (oder bei passivischem Ausdruck 
im Nom.! steht. 

Die Konstruktion liegt ausgebildet nur im homerischen 
Griechisch vor (töv d& reodvra roöwv Elaßev u. ähnl.). Eine un- 
verkennbare Spur findet sich aber auch im Altindischen, wo 
bei einer bestimmten Passivform von grah das Glied, an dem 
jemand ergriffen wird (leidet) in den Gen. tritt, z. B. $rötrasya 
grhe er wird am Ohre ergriffen, leidet am Ohre (SF. 5, 161). 
Klinghardt S. 19 findet in den griechischen Gen. die Fort- 
setzung des Ablativs, indem er sich auf xpupviidev und xeoa- 
\igıv Aaße beruft. Allein die Formen auf dev und „ı haben 
auch genitivischen Sinn erhalten und bilden daher kein ein- 
wurfsfreies Analogon. Entscheidend für die Auffassung als 
Gen. dürfte die altindische Konstruktion in’s Gewicht fallen. 
Es liegt eine Konstruktion vor, welche sich mit der xa®’ 8Aov 
xat xara u&pos vergleichen lässt. Zuerst wird die total er- 
griffene Person, dann das partial (nicht um seiner selbst willen) 
ergriffene Glied genannt. Es folgen nun Belege für die grie- 
chische Konstruktion. Sie liegt vor bei &Aaßov: tüv d& reodvra 
zoouv Eladev xpelwv ’EAıpnvwp A 463, hy 8° &Aelıkapevos nrepu- 
Y% Adßev dupayviav B 316, TrAkuayov 8’ dp Enerra npooaltas 
kaBe yobvov x 365. In den zahlreichen Stellen, an welchen 
lade yodvav und ähnliche Wendungen noch vorkommen, steht 
zwar kein Akkusativ der Person, er dürfte aber (ebenso wie 
bei den folgenden Verben) hinzuzudenken sein, so z. B. in 
Tepr yap ool ye napehero xal Aaße yobvav A 557, 8 8 üreöpane 
xat Maße yobvav D 68; eidov: kavdiis 58 xduns De Ilnetova 
A197, adrixa 8° eit Adımv xegaifis T 126, adrdp 6 yaıpds Eiiv 
zpaleıne außwrrv p 263, vor d Enerra otluev &vl mpoßuporar‘ Ta- 
guy & avdpousev Ayılleös, ds 8 äye ysıpös &lmv (uns) A 778, 
nt Ayaav diber yeıpds Ev (ihn) Q 735; Eyw (yeıp&, rodos). 

21* 


324 Kap. VIII. I. Der Gen. bei Verben des Hinstrebens. [$ 157—158. 


reraywv: Ton yap pe hibe noöog teraywy A 591; &pbw: AAdov piv 
yAulvns &pbwv aAdov 82 yırwvos X 493, 7 roööc 7 xal yerpos p 480; 
dyw: Boöv d aydınv xspawv y 139; Axm und Öpelxw: F Tor Töv 
“Innodoog roöds Zixe P 289 und ähnlich sonst; Il 406 in &xe 
ö2 öoupds &iwy ist die aus dem Kopf hervorstarrende Lanze wie 
ein Glied behandelt. Passivisch: ah dn raya xal nodös Zixy 
o 10; Avisımpe: y&povra de yerpös Aavtorn 2 515 (vgl. & 319). 
Endlich ödo: &x 6£ tprpava neleıav Aenty unptvdo Örosv rodos 
Y 854. An die Wendung Aaßeiv hat sich (wie allgemein an- 
genommen wird) der Gen. bei den Verben Atooonaı, Arravedı, 
yovvakopaı angeschlossen (vgl. Klinghardt 29£.). In der That 
ist von Sätzen wie 7, yoövwv Atsaoıto Aaßmv dumrıda xoupyv & 142 
der Schritt sehr klein zu: 9 8 aldv &u& Arsogsxsto yodvav I 451. 

$ 158. Genitiv bei Verben des geistigen oder auch 
körperlichen Hinstrebens, Genitiv des Zieles. Über 
die Entstehung dieser Nuance des Genitivbegriffes ist oben 
S. 310 gesprochen worden. 

Im Altindischen habe ich nichts zu bemerken, was über 
das SF. 5, 161 Gesagte hinausginge. Es heisst dort “Bei prd- 
han steht der getroffene Gegenstand im Gen.: $üna$ caturak- 
$asya prä hantı er schlägt auf den vieräugigen Hund los TB. 
3,8,4,1. Ähnlich ist ni-kan gebraucht: brahmandsyanihatya 
ohne sich an einem Brahmanen vergriffen zu haben AV. 12,3, 44. 
Ob auch bei prati-han der Gen. anzunehmen sei, ist zweifel- 
haft. Für den Gen. bei as werfen habe ich keine sicher ent- 
scheidende Stelle gefunden”. Reichlich vertreten ist dieser 
Typus im Griechischen, z. B. aus Homer: epaypaı verlangen 
nach, zuerst gesagt von dem Verlangen des Mannes, nach dem 
Weibe, dann auch umgekehrt, auch roA&uou; &parisw Part. 
(zpeiöv P 660); peuaa Part. (E£pıröos xat duric); Isyavaw Part. 
(pıAdtnros, Söpduov von einem Pferde gesagt); Erxeiyonar Part. 
(6500 a 309); Tepar (nökros, voororo, vinns); EAbonaı (dAdyou, TEdLoro 
Y 122 von Maulthieren gesagt); Audatopaı (6öoto, roA&uoro, Ödp- 
roro, Brötoro); asdopar (Essumevos mit 6öoto, roA&poro); Entumlonar 
(dapwv, v6orov, axorelmv u 220 auf die Klippe lossteuern); öp- 
naoncaı (Tpwwv, '‘Axapavros); Etatsow (Alvelao, Inzwv, veu@v), dazu 


$ 158.] Kap. VII. I. Der Gen. bei Verben des Hinstrebens. 325 





Ivapnv EmiBadAduevos begierig über die Waffenbeute herfallend 
268; tdüm (veds O 693); Avraw entgegentreten (tod 6 Avepo;); 
ixavtllm (Atavros); drortedw (Meveldov); tırdoxonar (abroto) ; &pd- 
popaı die Arme ausstrecken nach (od rardös Ööpekaro Z 466). 
Nach den Verbis des Verlangens richtete sich, wie es scheint, 
duslovres dutfs xal ralepore 3 37. Lateinisch. Ob die Verba 
cumo, studeo, fastidio, vereor ihren Gen. aus der Urzeit haben 
'ygl. namentlich das Litauisch-Slavische), oder ob sie ihn in 
Anlehnung an Adj. wie cupidus, studiosus erhalten haben (so 
Schmalz? $ 77, wobei man dann annehmen muss, dass diese 
Adj. ihren Gen. von anderen Adj. bezogen haben), oder ob 
man in irgend einem Grade griechische Einwirkung anzu- 
nehmen hat, darüber bin ıch zu einer festen Ansicht nicht 
gekommen. Germanisch. Im Gotischen findet sich ein sol- 
cher Genitiv bei gairajan begehren, z.B. jabat hvas aipıskaupeins 
gairneib godis vaurstvis gairneid sl rıs Erınontis Öpdyerar xaAod 
Epyov rıdoper 1. Tim. 3, 1. Eine Anzahl ahd. Verba findet 
man bei Erdmann 2, 165, 3. B. geroön (des muoses), ramen nach 
etwas trachten, nachstellen (des kindes), ahten feindlich nach- 
trachten, verfolgen (dero fianto), zilöon (es) u.ähnl. Aus dem 
Alto. gehören Verba wie lesta spähen, suchen nach etwas, eygya 
schärfen, antreiben hierher (beide auch mit &/), vgl. Lund 175. 
Auch “warten auf etwas’ darf hier wohl genannt werden, so 
got. beidan, 2. B. beidands biudangardjos gubs rpoodeydpevos Thv 
Basıketav toö Beoo Mark. 15, 43 (vgl. Grimm 4, 800). Ein Gen. 
des Zieles bei ‘gehen’ und ‘senden’ liegt vor im Gotischen 
(Gabelentz-Loebe 237), z. B. usleibam jainis stadis d1Eldwuev 
eis td nepav Mark. 4, 35; insandida ina haspjos seinaizos Eren- 
Yev adrov eis Tods Aypous adroö Luk. 15, 15. Ebenso im Alt- 
nordischen: gerngo beir fagra tüna sie gingen zu den sehönen 
Gehöften (angeführt von Dietrich in Haupt’s Ztschft. 13, 129), 
vgl.$ 249. Baltisch-Slavisch. Im Litauischen lässt sich 
den Verben des “Verlangens’, wie sie namentlich im Grie- 
ehischen häufig sind, an die Seite stellen: Jeszkött suchen, z. B. 
Jis eina tös o2kös jeszköt er ging die Ziege suchen, Schleicher 
Les. 129. Ferner kläusti fragen, z. B. tävo dü broliai büvo cze 





326 Kap. VIII. I. Der Gen. bei Verben des Hinstrebens. [$ 158. 


if klause tavgs deine beiden Brüder waren hier und fragten 
nach dir (Schleicher Les. 130), gewöhnlich mit dem Gen. der 
befragten Person, z. B. klause savo mötynos sie fragte ıhre Mutter 
(144). Auch /aukti warten auf (vgl. got. beidan) sei hier er- 
wähnt:: brolyczo ldukti des Bruders harren, Schleicher Les. 15. 
Bemerkenswerth ist die nicht-lokale Natur des Gen. bei den 
Verben ‘gehen’ und ‘schicken’, z. B. if dabaf tas smäks vel 
ateis venös dukters und jetzt wird der Drache wieder um eine 
Tochter (zu holen) kommen, Schleicher Les. 118; tü raztäyı 
ı Mm zeme akıms Zoliü du reisest in das Land nach Kräutern 
für die Augen 140; eiti vandens nach Wasser gehen, stüstt 
vatko um den Knaben schicken, geistt dangats nach dem 
Himmel trachten. Slavisch. Einige Belege für Verba des 
Verlangens sind (Miklosich 4,490): aksl. Zelati wünschen, z. B. 
luöiaago Zelajuti xpelttovos öp&yovraı (im cod. Mar. kommt 
Zelati mit Kasus nicht vor), serb. Zelt ovsentce er wünscht Hafer- 
brod, russ. pravdy Zelajetü er strebt nach Wahrheit (Dali). — 
Aksl. ?skat# suchen, z. B. ceso tdtesi Tl Inreis; Joh. 4, 27, 
znamenyja tStetü ompetov &rılmrei Matth. 12, 39, serb. svaka jaja 
masla i5tu alle Eier suchen Butter, russ. iskafi cesti, slavy nach 
Ehre, Ruhm suchen. — Ferner cAoteti wollen wird im Aksl. mit 
dem Dativ verbunden, kann aber im Serbischen und Russischen 
den Gen. zu sich nehmen, z. B. serb. melosti hocu a ne priloga 
Gnade will ich und nicht Opfer Matth. 9, 13, russ. dobra cho- 
teti Gutes wollen (bei Mikl.). — Dazu proseti fordern, fragen, 
aksl. z. B. prosi tela isusova yrroaro 16 oma too Inooü; Matth. 
27, 58, serb. pitati fragen : pitao je golub svoje golubice es fragte 
der Tauber seine Taube (Daniei6 87, immer so mit persönlichem 
Gen.), russ. krovi krovi prositä Blut fordert Blut (Dali). Hier 
mag auch ‘warten’ Zidati (Zidati) erwähnt werden, aksl. pogy- 
büseje Zidetü ovicg perditam exspectat ovem, russ. dolgo Zdati sü 
ettichü jabloni ploda lange muss man von diesen Apfelbäumen auf 
Frucht warten (Äsböth 3). Der sogenannte Gen. des Zieles er- 
scheint namentlich bei Verben, die mit do zusammengesetzt sind 
(Miklosich 4, 501), z. B. aksl. ?Ze doidetü mesta togo qui eum locum 
attingat, dovedüSe pesti postquam adduxerunt ad fornacem. Im 


$158—159.]) Kap. VOII. I. Der Gen. bei wetten, spielen. 327 


Serbischen findet sich dieser Gen. nach Danicit 102 in älterer 
Zeit in einer Anzahl von Belegen aus den Volksliedern bei doc:, 
pasti, dopasti, zapastı, z. B. in ruke, Saka pasti oder dodı in die 
Hand (Gewalt! gerathen; dok i ona ruke dodje smrii bis auch 
se dem Tode in die Hand kommt; ı sad mi je evo ruke palo 
und jetzt ist es mir in die Hand gefallen; dopasti tamnice in’s 
Gefängnis gerathen, ropstva in Sklaverei, sindzira in Ketten, 
zla in Unglück, muke in Qual, rare dopanuo er hat eine Wunde 
erhalten (ist in Verwundung gerathen); doci glave eig. ‘an den 
Kopf kommen, an den Kragen gehen’ hat die Bedeutung “aus 
dem Wege räumen’ erhalten. Einige russische Belege bei 
Miklosich 4, 502, z. B. sluchü doselü vojevody das Gerücht drang 
zu dem Feldherrn. Besonders häufig ist der Gen. des Zieles bei 
mit do zusammengesetzten Verben, wenn diese reflexiv sind. 
Miklosich 4, 503 meint, bei ihnen könne der Gen. nicht nur als 
der Gen. des Zieles, sondern auch daraus erklärt werden, dass 
bei den reflexiven Verben der Akk. durch den Gen. ersetzt 
wird, was ich dahin gestellt sein lasse. 

$ 159. Wetten, spielen, nebst den verba judicıalia. 

In bezug auf das Altindische lehrt Pänini 2, 3, 57—60, 
dass bei vyava-har und pan handeln, spielen ein Gen. stehe, 
wozu im Scholion als Beispiel angeführt wird $atasya vyava 
harati und panate er handelt oder spielt um ein Hundert, und 
dass dasselbe bei div stattfinde, wozu als Beispiel Satasya div- 
yatı, während im Brähmana dabei der Akk. stehe (vgl. $ 178 
Schluss). Für den Gen. kenne ich aber keinen Beleg aus der 
Literatur, ausser etwa: ayım asyäyamahai wir wollen um das- 
selbe einen Wettlauf anstellen AB. 4, 7,4. Auch im Grie- 
chischen komme ich über unsichere Ansetzungen nicht hinaus. 
Bei Homer findet sich (Krüger Di. 47, 17) repıötdope: im: Tpi- 
2005 nepiöwpede W 185 und 2u£dev nepiöwsonaı adrüs db 78. 
Nsprötöopar heisst doch wohl wie ai. pari-da ich überliefere 
mich selbst, setze mich zum Pfande, sodann “ich wette‘. Da- 
nach ist anzunehmen, dass ein Gen. des Preises erst hinzu- 
getreten ist. Wenn sich später xezpi mit dem Gen. statt des 
blossen Gen. findet, so ist auch daraus für die Erkenntnis der 


328 Kap. VIII. I Der Gen. bei wetten, spielen. [$ 159. 


Natur des Gen. nichts zu gewinnen. Sodann äpeldw in reöye 
dnsıdev ypbosa yalxeiov Z 235. Touvs; in den Worten öAlzov 
xövo yovvös Ausißwv A 547 habe ich früher für einen Ablativ 
erklärt: “nur wenig ein Knie vom anderen entfernend’, was 
mir noch jetzt ansprechend erscheint. Ich finde aber von hier 
aus keinen Weg zu dem Gen. des Preises in Z 235. Bei Ado 
findet sich EAuoev drotvwv für Lösegeld A 106, dazu Ausdorw rw 
ötputw er soll (sie sollen?) sich lösen um den Preis des Dop- 
pelten, indem er das Doppelte liefert, eleischeInschr., Collitz 1168. 
Endlich wohl xpusöv YtAov avöpos Eöfkaro rıunevra für ihren Mann 
327. Da der Gen. mit keinem dieser Verben in innerer Be- 
ziehung zu stehen scheint, so liegt der Gedanke nahe, ihn als 
einen ursprünglich adnominalen aufzufassen, wofür man sich 
auch auf das einzige oben aus dem Ai. angeführte Beispiel berufen 
könnte. In dem nachhomerischen Griechisch ist ein Gen. des 
Preises bei tınaw (wohl auch schon W 649), atıcw, rwAgw uU.8. W. 
ganz gebräuchlich. Zur Ausbildung und Belebung dieser Kon- 
struktion hat jedenfalls das Danebenstehen eines im gleichen 
Sinne verwendbaren adnominalen Gen. beigetragen, (vgl. z. B. 
phokisch oöpa avöpetov Tımäs Apyuptov pväv rdvre Collitz 1555 
mit eleisch ra rtpıaxovra uväv teriuwvraı 1159). Hier schliesse 
ich die verba judicialia an wie xplvo, ömalw, dtumw, weuyw 
u. ähnl., von denen bei Homer noch nichts vorliegt. (Der alt- 
überlieferte Kasus scheint der Instr. gewesen zu sein, vgl. La- 
uıövrw Laulaı, arkad., Collitz 1, 1222 und davarp Lanıwsdw, 
äol., Coll. 1, 213). Den Gen. davarou erklärt Krüger 47, 22, 1 
richtig als Gen. des Preises, wofür er das passende Beispiel 
aus Demosthenes anführt: A&youcıv ot vönor, day rıs aA xÄonis 
xat mh TıundY Bavarou u. s. w. Der Gen. des Vergehens, wel- 
ches den Anlass zum gerichtlichen Verfahren bildet, aber lässt 
sich nicht so erklären. Ich nehme an, dass er eine Nach- 
ahmung des adnominalen Genitivs darstellt. Wenn man Öötxr, 
xaxwWoswg U. 8. w. sagt, kann man auch wohl sagen ÖöLxaleıv 
xaxwoewg U.8. w. Zu der Einbürgerung mag das Bestehen der 
Wendung davarou dtxaßeıv mit beigetragen haben. Nachdem 
man sich dann gewöhnt hatte, den Anlass des Verfahrens im 





$ 159160. Kap. VIH. 1. Der Gen. bei do u. ähnl. 329 


Genitiv zu sehen, konnten auch Personen, wenn sie Anlass des 
Verfahrens waren, ın denselben Kasus treten, wie es im Kreti- 
schen geschieht, z. B. xaradıxatato t® Eleußipw dExa otacnpavs er 
soll ihm wegen eines Freien zehn St. auflegen, Gortyn 1,3 (vgl. 
Baunack 85 und Meister, griech. Dial. 2, 70). Lateinisch. Ein 
Gen. des Einsatzes wie im Ai. und Griech. findet sich im Lat. nicht. 
Dagegen ist hier der sog. Gen. pretii bei den Verba aesti- 
mandı und den Verba judicialia zu erwähnen. Ich weiss 
nichts beizubringen, was über das bisher Behauptete hinaus- 
ginge. 1) Der Gen. pretii bei den Verben facto, pendo, existimo 
u. ähnl. Hinsichtlich der Entstehung desselben stimme ich 
Schmalz? $ 74 bei, welcher sagt: “Der Gen. pretüi ist ein prä- 
dikativer Genitiv. Aus ÄAominem non nauci (attribut.) ent- 
wickelte sich sumus non naucı und dann non naucı habere, 
2. B. Cie. div. 1, 132 non habeo nauci Marsum augurem”. Man 
vgl. die bei Draeger 1, 427 angeführten Sätze, z. B. non ego 
homo trioboli sum bei Plautus. 2) Der Gen. bei den sog. 
verba judicialia, vgl. Schmalz? 73. Man macht den Gen. 
gewöhnlich von einem ausgelassenen crimine, judicio, nomine, 
lege abhängig. Es wäre auch möglich, eine Anlehnung an die 
eben genannten Verba mit dem Gen. pretii anzunehmen '). 


$ 160. Vereinzeltes im Griechischen, Lateini- 
schen, Germanischen. 

1) Griechisch. Ich erwähne hier noch den Gen. nach 
den Verben blühen, glänzen, duften, der mit dem Akk. 
des Inhalts zu vergleichen ist. Aus Homer gehören hierher Ası- 
pass nokaxol Lou Nö2 osAtvou Ömkeov e 72, anootiAßovres alelparos 
1408. Aus der nachhomerischen Sprache 148’ oLaı Buparwv 
trestioy (Aeschylus), OLwv tpuyds, tpaotäs u. 8. w. (Aristophanes), 





il) Anderer Natur, wenn auch schliesslich desselben Ursprungs, näm- 
lich ebenfalls mit den sog. Akk. des Inhalts vergleichbar, ist ein Gen. des 
Spieles in Germanischen (Grimm 4, 673), z. B. wurfzäveles spilon, 
und im $Slavischen (Miklosich 4, 511, Danicid 111), z. B. serb. igrati se 
igre, auch bei einzelnen Spielen, so klisa u. s. w. Gelegentlich kommt dieser 
Gen. auch bei anderen Verben als igrati vor, so metati se kamena Steine 
werfen (aber nur als Spiel). 


330 Kap. VIIL. I. Der Gen. bei lat. refert, germ. leben u. ähnl. ı$ 160. 


püpou zveiv (Anakreon), vgl. die Stellen bei Kühner 307, 4. — 
Nicht recht deutlich ist mir der Gen. bei verbrennen und 
waschen. Es liegen vor: rupds bei Bepeodar, zproar und Ep- 
rpjoaı, adds bei vihacdar, roranoto und axeavoio bei Aodsodaı. 
Vielleicht sind im Avestischen Analoga vorhanden. Mir sind 
die Stellen, welche Hübschmann 277 anführt, nicht deutlich. 

2) Lateinisch. Ich erwähne den Gen. bei refert und 
interest, hinsichtlich dessen ich mir keine Meinung gebildet 
habe. Man nimmt jetzt (vgl. Schmalz ? $ 78} gewöhnlich an, 
dass interest sich nach refert gerichtet habe. Was dann refert 
selbst betrifft, so fasst Schmalz mit F. Schöll re als Abl. auf 
gleich ex re). Dabei soll tua refert bedeuten: ‘vom Stand- 
punkt deiner Sache bringt es etwas ein, eine Auffassung, gegen 
welche mein Sprachgefühl protestirt. Ich bekenne aber, dass 
auch meine bisherige Ansicht, wonach re Nominativ wäre, 
nicht frei von Bedenken ist. 

3) Im Germanischen habe ich ausser den im Verlauf 
der Darstellung erwähnten keine Gebrauchstypen gefunden, 
die ıch für indo-germanisch halten möchte, ausser vielleicht 
den persönlichen Gen. bei got. helpan, z. B. hilp unsara (Grimm 
4, 664., der im Germanischen, so viel ich sehe, kein Analogon 
findet. Er könnte wohl mit dem Gen. bei griech. n£öonar u. 8. w. 
verglichen werden (vgl. den Dativ $ 131). Die übrigen nicht 
erwähnten Typen dürften auf germanischer Weiterbildung be- 
ruhen, so namentlich die Genitive mit sogenannter instrumen- 
taler Kraft, von welchen Grimm 4, 672 ff. redet. So dürfte 
z. B. der Gen. bei leder (nicht im Got., aber später, z.B. wazgers, 
brötes leben‘ sich an den Gen. bei essen und trinken angeschlossen 
haben. Ursprünglich wird bei libar wie bei jo der Instr. ge- 
standen haben. Im Germanischen trat früh eine Präposition 
an die Stelle des einfachen Kasus. Wenn nun aber doch aus 
irgend einem Grunde der Ausdruck durch einen einfachen 
Kasus wünschenswerth erschien, so konnte man leicht auf den 
Kasus verfallen, der bei einem mit dem Begriff leder so innig 
verbundenen Begriff wie essen, trinken geläufig war. Man 
denke etwa an Sätze wie: wer des Brodes isst, der lebt des- 


$ 160—161.' Kap. VIII. I. Der Genitiv bei sein. 331 


sehen. An Wassers, Brodes u. s. w. knüpfen sich dann be- 
kanntlich auch Abstrakta, z. B. der Gerechte wird seines Glau- 
bens leben. Nachdem dieser Gen. sich bei leden eingebürgert 
hatte, konnte er auch bei sterben verwendet werden, wo im 
Gotischen der Instr. erscheint, z. B. Auhrau fragistna. Ahd. 
varnon ausstatten, versehen u. ähnl., mag sich an den Gen. 
bei füllen und sättigen angelehnt haben, der proethnisch ist. 
Der Gen. bei beAleıden mag von dem Gen.-Abl. bei entkleiden 
übernommen sein. 


$161. Der Genitiv bei sein. 


Arisch, z. B. ahar devanam asid rätrir dsuranam der Tag 
gehörte den Göttern, die Nacht den Asura TS. 1,5, 9,2; tasya 
Salam jaya babhüvuh der hatte hundert Weiber AB.7,13,1. Aus 
dem Av. peresapca mä ci3 ahi kalıya ahi und er fragte mich: wer 
bist du, wem gehörst du an? y. 43, 7. Ebenso ist der Gen. im 
Altpersischen zu erklären: (die Herrschaft) amakham taumaya aha 
gehörte unserer Familie Bh. 1,45. Im Griechischen erscheint 
bei Homer ein Gen. des Besitzers in der öfter wiederkehrenden 
Wendung tod ydp xpdtos &ot’ &vl oixw, für gewöhnlich aber ein 
Gen. der Abstammung, bei dem man auch an Entstehung aus 
dem Abl. denken könnte (vgl. S. 207), so rarpds 6’ sin’ Ayadoio 
0 109, wirnp pev rt’ &ul pol tod Eupevaı a 215, TauTng ToL yevelis 
te xal almaros euyonar elvar T 241, Ilarnovds elsı yavedinc 5 232. 
Eiyt mit dem partitiven Gen. dürfte bei Homer noch nicht 
vorliegen. Ein Beleg aus attischen Inschriften (Meisterhans 2? 
165) ist: Tols ovaı Krpuxwv xal Eöpoiniiov (500—456 v. Chr.). 
Nach eivaı richtet sich auch ypaypeodaı, so dass man sagen kann: 
payasdaı önpov xal QuAfs xal oparplac. Im Lateinischen 
erscheint bei esse ein Gen. des Besitzers, z. B. 1» insula domus 
est quae regis Hieronis fuit, wobei denn auch ein Infinitivsatz 
die Stelle des Subjektes einnehmen kann, z. B. fortis et con- 
stantıs est non perturbari in rebus asperis; auch ein Gen. des 
getheilten Ganzen, z. B. si? harunc Baccharum es (Plautus). 
Im Germanischen (Grimm 4, 652) findet sich bei ‘sein’ und 
werden’ ein possessiver Gen., z. B. got. pize ist biudangardi 


332 Kap. VOL I. PartitiverGen.alsSubj. Gen. bei verb. Subst. [$ 161—163. 


gubs av yap torourwv Eoriv 7, Baoıdlela tod Beoö Mark. 10, 14; 
mhd. sit si des goteshüses sint da sie dem Gotteshause gehören. 
Ein anderer Gen. ist als Gen. der Zugehörigkeit oder als par- 
titiver zu bezeichnen: got. ıbati Jah Pu Pbize siponje ıs bis mans 
wn xal od &x tw nadntuv ei tod Aavdpwron Joh. 15, 17; alte. m 
bist thu thesorö burgliudiö gehörst du nicht zu diesen Burg- 
leuten? Hel. 4975. Litauisch: tas bütas Jo yra das Haus 
gehört ihm u.ähnl. Aus dem Slavischen fehlen mir rechte 
Belege. Ich habe notiert aksl. tacechü bo jJesti Cesaristuije bozije, 
serb. jer je takovijeh carstvo boZije Twv yap torourwv &ativ h Bası- 
lela toö Yeoo Mark. 10, 14. 


$ 162. Partitiver Genitiv als Subjekt. 

In Anlehnung an den partitiven Genitiv, der als Objekt 
gebraucht ist, hat sich in einigen Sprachen auch eine Anwen- 
dung als Subjekt entwickelt. Dahin gehört aus dem Avesti- 
schen: urvaranam zairıgaonangam zaramatm paiti zemäda uzu- 
zsyeiti grünfarbige Pflanzen wachsen im Frühling aus dem 
Boden yt. 7,41). Aus dem Griechischen führt Brugmann, 
Griech. Gr. ? 206 an: IleAArveis 8 xara Bsomidas yevduevor Epa- 
xovrd te xal Ev yapa Erıntov Exatipmv es fielen von beiden Theilen, 
Xenophon Hell. 4, 2, 20. Ebenso im Litauischen: sziafden 
zmoniü pas mans aleis heute werden Leute zu mir kommen, 
Kurschat $ 1324. 


$ 163. Genitiv bei verbalen Substantiven, der 
von Verbis herübergenommen ist. 

Wie wir gelegentlich bei Substantiven einen verschleppten 
Ablativ gefunden haben, z. B. rak$öbhyö bhiga aus Furcht vor 
Rakshas (vgl. $90), so giebt es auch einen verschleppten Genitiv 
bei Substantiven, den ich (wohl zufällig) aber nur aus dem 


1) Man beachte, dass yt. 7,4 das Verbum im Sing. steht. Ein wei- 
teres Beispiel kenne ich nicht, denn vd. 3, 23 ist anders aufzufassen, als es 
bei Spiegel 446 geschieht, vgl. Geldner, KZ. 24, 547. Auch einen sicheren 
Beleg für den Plur. des Verb. habe ich nicht zur Hand. In vd. 3,10 ya bä 
paiti fragstem bavainti arnrömainyavangm geredgm wo es die meisten Schlupf- 
winkel der Satanskreaturen giebt, scheint der Gen. von fraöstem abhängig 
und der Plur. des Verbums zu fraöstem konstruiert zu sein. 





$168—164.] Kap. VIII. IH. Der Genitiv bei Substantiven. 333 


Griechischen angemerkt habe. Dahin gehören etwa aus Homer: 
oda Yövoro (vgl. Exkeladeodaı); ob Yeäs Epos oBBE yuvauxdc, 
zönog xat Eöntoos (vgl. Epapaı), danach wohl Tuepos (Yoro) ; 
xdpos mit YuAorıdog, ysoro (nach xopevvont); dyos mit 00 rardds 
nach dyvopar); x0Aos in weßtpnev Y0Aov ulös &oio (vgl. XoAoüpaı). 


LI. 
Der Genitiv bei Substantiven. 


$ 164. Ich habe bereits $ 69 geäussert, dass der Genitiv 
bei Substantiven sich möglicherweise aus dem Genitiv bei Verben 
ableiten lasse. In der That konnte ein Satz wie er isst des 
Brodes, einen Bissen, leicht zu er :sst des Brodes einen Bissen 
werden, so dass auf diese Weise die Kategorie des partitiven 
Genitivg neben Substantiven entstand. Von hier aus kann sich 
der sonstige adnominale Genitiv entwickelt haben. Wer mir 
ın dieser Auffassung nicht folgen mag, wird wenigstens so viel 
zugestehen, dass es nicht angeht, zum Verständnis des adnomi- 
nalen Genitivs einen allgemeinen schattenhaften Begriff der 
Zugehörigkeit an die Spitze zu stellen, aus dem dann die ein- 
selnen Gebrauchsweisen zu deduzieren wären. Vielmehr werden 
wir, hier wie überall, anzunehmen haben, dass sich an einen 
ältesten Kern (nach meiner Meinung also den partitiven Genitiv) 
die übrigen Typen auf dem Wege fortgesetzter Nachahmung 
und leiser Veränderung anschlossen. 

Will man nun diese flüssige Masse eintheilen — und das 
ist doch für jede Darstellung nothwendig — so muss man sich 
vor Augen halten, dass die verschiedenen Schattierungen des 
Gebrauches durch das Zusammenwirken der Bedeutung des in 
einem bestimmten Kasus stehenden Wortes und des am nächsten 
zu ihm gehörigen anderen Wortes entstehen. Wir haben bisher 
die Eintheilung von dem Verbum hergenommen, zu dem ein 
Kasus in Beziehung tritt. Danach haben wir bei dem adnomi- 
nalen Genitiv den Eintheilungsgrund denjenigen Substantiven 
zu entlehnen, welche, nach der gewöhnlichen Terminologie zu 
reden, den Genitiv regieren. Ich theile diese zunächst ın 


334 Kap. VII. II. Der Genitiv bei Substantiven. [$ 164. 


Dingwörter und Thätigkeitswörter. Bei den Dingwör- 
tern ergeben sich leicht folgende Unterabtheilungen. Bedeutet 
das regierende Wort eine Masse, der Genitiv aber etwas, was 
als Theil einer Masse angesehen werden kann, so entsteht der 
Genitiv des getheilten Ganzen. Bezeichnet das regierende Wort 
aber etwas was einem andern angehört, der Genitiv aber diesen 
andern (oder dieses andere), so sprechen wir von dem Genitiv 
des Besitzers. Diesen Abtheilungen lassen sich einige andere 
Typen bequem einfügen. Die zweite Gruppe, der Genitiv bei 
Thätigkeitsnamen, umfasst den sog. subjektiven und objektiven 
Genitiv. Der subjektive Genitiv (so genannt, weil bei anderem 
Ausdruck das Genitivwort Subjekt sein würde) ist wahrschein- 
lich ın Anlehnung an den Genitiv des Besitzers entstanden. 
Denn wenn man einmal sagte der Flügel des Vogels, so bil- 
dete man, nachdem man zur Substantivierung von Verbalbe- 
griffen vorgeschritten war, leicht das Fliegen des Vogels. Der 
objektive Genitiv aber ist an die Stelle eines andern Kasus 
getreten, So sagte man z. B. ursprünglich der Geber das Gute 
(nicht im Deutschen, wohl aber in der Ursprache), nachdem 
sich aber der Gebrauch befestigt hatte, ein Substantivum mit 
dem anderen durch Anwendung des Genitivs zu verbinden, 
setzte man an die Stelle der Geber des Guten. 

Es ist nicht zu leugnen, dass es in manchen Sprachen 
noch andere Typen des Genitivs als die erwähnten giebt. So 
könnte man z. B. aus Verbindungen wie dem sophokleischen 
Aeuanis xXtovos rtöpu& einen Gen. des Vergleiches entwickeln. 
Wer eine einzelne Sprache beschreibt, wird auch diesen Ge- 
brauchsweisen gerecht werden müssen. Ich habe mich wesent- 
lich auf dasjenige beschränkt, was nach meinen Ermittelungen 
den indogermanischen Sprachen gemeinsam ist. Eine Aus- 
nahme habe ich bei dem sog. Genitivus qualitatis gemacht, 
welcher vielleicht nicht indogermanisch ist, sich aber doch in 
mehreren Sprachen findet. Sodann ist zuzugestehen, dass die 
Grenzen zwischen den einzelnen Gruppen nicht überall sicher 
und reinlich zu ziehen sind. Das trifft schon bei den beiden 
Hauptgruppen, dem Gen. bei Dingnamen und dem Gen. bei 





$164—165.] Kap. VII. NH. Der Genitiv des getheilten Ganzen. 335 


Thätigkeitsnamen, zu. Thätigkeitsnamen werden oft zu Ding- 
namen, zZ. B. das deutsche Schonung, und damit ändert sich 
denn auch das innerliche Verhältnis zu dem Genitivnomen, 
und es entsteht eine Verlegenheit für den Darsteller, die be- 
sonders peinlich ist, wenn noch beide Gebrauchsweisen eines 
Wortes vorhanden sind, wie z. B. (um auch aus einer anderen 
Sprache ein Wort anzuführen) bei dem homerischen Aoyo;, das 
„wohl Belauerung heisst (Aoyov #Betoro yepovros 5 395) als 
Hinterhalt. Auch innerhalb der Hauptgruppen tauchen solche 
Schwierigkeiten auf. So rechnen einige Gelehrte Verbindungen 
wie Brßaı tr Bowrias zu dem Gen. des getheilten Ganzen, 
andere zu dem des Besitzers. Ich glaube, dass bei keiner ehr- 
lichen Darstellung eines historischen Kontinuums solche Grenz- 
streitigkeiten vermieden werden können. 


Ich stelle folgendes Schema auf: 


6165. Genitiv des getheilten Ganzen. 

$ 166. Grenitiv des Stoffes. 

$ 167. Genitiv in negativen Sätzen im Baltisch-Slavischen 
$ 168. Genitiv des Besitzers. 

$ 169. Genitiv der Definition. 

$ 170. Genitiv bei einem passivischen Partizipium. 
$ 171. Genitiv der Eigenschaft (qualitatis). 

$ 172. Der subjektive und der objektive Genitiv. 
$ 173. Genitiv bei Adjektiven. 

$ 174. Genitiv von Zeitbegriffen. 

$ 175. Genitiv von Ortsbegriffen. 


$ 165. Genitiv des getheilten Ganzen. 


Der Genitiv des getheilten Ganzen wird so vorgeführt, 
dass der Eintheilungsgrund von dem theilenden Worte herge- 
nommen wird. 

Man wird im Folgendem einiges aufgenommen finden, 
welches andere lieber einem Genitiv der Zugehörigkeit werden 
zuweisen wollen. Mir ist natürlich nicht entgangen, dass in 
Wendungen wie marutäm ganäh die Schar der Marut, ein Theil- 
verhältnis nicht vorliegt, da ja die beiden Begriffe sich in ihrem 


336 Kap. VIII. II. Der Genitiv des getheilten Ganzen. [$ 165. 


Inhalte decken, ich glaube aber, dass solche Wendungen den 
partitiven nachgebildet sind. Dass Ausdrücke wie ein Kessel 
Wassers u. ähnl. hier aufgenommen sind, wird wohl unbedenk- 
lich sein. — Als eine Schattierung des partitiven Gen. kann 
man den Gen. des Stoffes ansehen, dessen Entstehung aus dem 
weiteren partitiiven man noch in den Einzelsprachen deutlich 
merkt. — Betrefls des Genitivs bei Zahlwörtern vergleiche man 
die Zahlwörter. 

Arısch. SF. 5, 153 habe ich bemerkt, dass dieser Gren. 
erscheint in Wendungen wie maritö vdi devanam vilah die 
Marut sind die Bauern unter den Göttern, mitrö rät Jivö deva- 
nam Mitra ist der gütige unter den Göttern u. s. w. Besonders 
häufig ist der partitive Genitiv bei Komparativen und Super- 
lativen, z. B.: katard$ canäinoh nicht einmal einer von diesen 
beiden, gardabhah paSünam bhärabhäritamalı der Esel ıst unter 
den Hausthieren das tragfähigste, ebenso im Av.: katärd ayä 
vehrkayä welche von beiden Wolfsarten vd. 13, 41, vispangm 
vahıstem das beste von allen y. 43, 2, zwarenaruhastemd zatanqm 
hvaredareso masyanqm der majestätischste unter den Menschen, 
der himmlisch aussehende unter den Sterblichen y. 9, 4. Ferner 
bei den Wörtern für die grösseren Zahlen, z. B. sahdsranı gavam 
Tausende von Kühen, ebenso im Av. hazarrem gavam (vgl. die 
Zahlwörter), und bei Wörtern, welche irgend eine Abtheilung, 
ein Mass bezeichnen, z. B. gönam ardham die Hälfte der Kühe, 
maädhös pütram ein Gefäss voll Honig u. ähnl. Im Av.: ia 
ba asa ta arsurda yab met avavap dafvayasnangqm nijatem das 
ist wahrhaftig wahr, das ist richtig, dass von mir so viel der 
Teufelsanbeter erschlagen worden sind yt. 5, 77; cva dama- 
nam wie viel der Geschöpfe vd. 5, 33; Aap vast, kap va stuto, 
kap va yasnahya was wünschest du, was des Lobgesanges, was 
des Opfers? y. 34, 12. Ein solcher Genitiv kann auch von 
einem lokalen Adverbium abhängen, z. B. yapcıp ahi upa kvacıp 
aiwohä zemö wenn du irgendwo auf dieser Erde bist yt. 12, 22 
(das upa ist auffällig, kann aber, so viel ich sehe, die Auf- 
fassung des Genitivs nicht beeinträchtigen). Aus dem Ai. habe 
ich {SF. 5, 600) beigebracht: sd hötur iha ni limpati er schmiert 


$ 165.] Kap. VII. II. Genitiv des getheilten Ganzen. 337 


es an diese Körperstelle des Hotar SB. 1, 8, 1, 14. Ebenso von 
einem Zahladverbium: ai. tris samvatsardsya dreimal im Jahre. 
Eine Steigerung des Begriffs kommt zu Stande, wenn zu einem 
Worte der Gen. plur. desselben Wortes tritt, z. B. sömapah 
simapanam der gewaltigste Somatrinker, sakha sakhinam der 
beste Freund u. ähnl., av. äsungm äsus der schnellste der 
Schnellen yt. 10, 65. Griechisch. Der Theiler kann auch 
hier sein: a) ein Substantiv, z. B. oriye; dvöpav, Zdvea vexpwv, 
aöpwvy te xal Apvsımv Sxaropßn, uymorhpwv Spikos (vgl. das über 
maritam gandh S. 335 Gesagte), xeıunAıa xala Anlödos, ddxa Xpucoio 
talavıa, dydos BArs (vgl. in anderem Sinne aydos Apoupr.s), YPul- 
kav yoıs (wobei xöusıs nicht mehr als nomen actionis empfunden 
wird. Wenn der getheilte Gegenstand etwas Ess- oder Trink- 
bares u.s.w. und der Theiler ein Gefäss ist, so sprechen wir von 
einem Gen. des Inhalts, so in öera; olvov, ridoL olvoro, xpedwv 
zivaxss; b) ein Adjektivum: root Tpwwv, delt kelvuv, öta 
deauy; auch neutral: Auıov Aeuxoto yalaxtos, Aperrs; besonders. 
im Superlativ: Ssöratos ’Ayaröv, dulupwraros allwv; c) ein Pro- 
nomen: tıs Exıydoviov dvdpwrwv, ’Ayaınv 05 xe, dc T66 Auepas 
inachhom.); auch ein pronominales Adverb: &Alodı yalns, ou 
drpöv, Tpls tod Rtov (nachhom.). — An ypöoou tälavrov, denas 
otvov u. 8. w. schliessen sich nachhomerische Wendungen, durch 
welche der Werth oder Betrag ausgedrückt wird, z. B. tpıa- 
zovra zaldvrwv odolav Zxthoato (Lysias), öxtw oradlav Ton drere- 
teAsoto teigog (Thukydides), vgl. Krüger, Di. 47, 8. Auch die 
Steigerung des Begriffes liegt in der nachhomerischen Sprache 
vor, 50 z. B. xaxa xaxöv, äppnt’ dppntwv bei Tragikern. La- 
teinisch (vgl. Draeger 1, 412 ff). Der Gen. part. erscheint 
ım Lat. bei Substantiven, z. B. copia rerum, amphora vini;, bei 
neutralen substantivierten Adjektiven, jedoch nur in beschränkter 
Anzahl, im alten Latein namentlich bei guantum, tantum, pau- 
zillum, dimidium, bei Cicero vitae religuum, plurimum aelatıs, 
und bei dem Neutr. plur. von Kompar. und Superl., z. B. :n- 
tertora aedium, summa pectoris, aber nicht bei dem Positiv 
(Schmalz 2 $ 70); ferner bei Pronominibus, z. B. guid operis, 
caplivorum quid, id aetatis bei Plautus, qui captivorum bei 
Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm. Sprachen. I. 22 


338 Kap. VIII. DI. Genitiv des getheilten Ganzen. [$ 165. 


Livius;' sodann bei Ortsadverbien, z. B. ubt locorum, terrarum, 
gentium bei Plautus. Germanisch. Got. managei fiske eine 
Menge von Fischen, juka auhsne usbauhta fimf Cüyn Bowv hyd- 
paca nevre Luk. 14, 19 u. ähnl. (vgl. Gabelentz - Loebe 212), 
alts. Awarf werö ein Haufe von Männern, ahd. wazzares zwibar 
amphoram aquae (Grimm 4, 722). Bei Superlativen: got. sa 
smalista apaustaule 6 &ayıoros twv Anootöiwv, ahd. manno mil- 
tısto (Grimm 4, 736). Der Theiler kann ein Pronomen sein, 
z. B. ainshun driggkandane Luk. 5, 39. Das Fragepronomen 
ist in dieser Anwendung im Gotischen nicht belegt, wohl aber 
im Ahd., z. B. in dem Adverbium warana woher, in wanana 
lantes. Beachtenswerth ist der Gen. bei ‘nichts’, z. B. ei ni 
vaiht ubilis taujaib ph rornoaı vuäs xaxdv unöev 2. Kor. 13, 7. 
Weitere Belege aus den anderen Dialekten bei Grimm 4, 727. 
Dieser Gebrauch des Gen. ist im Mhd. bisweilen auf solche 
negative Sätze ausgedehnt, in denen die Negationspartikel nicht 
ursprünglich substantivisch ist, z. B. mir kom sö lieber geste 
nie (Paul $ 257. Auch im Germanischen findet sich die 
Steigerung des Begriffes, z. B. altnord. klym Alymja Ton 
der Töne, karl karla Held der Helden u. ähnl. (vgl. Grimm 
4, 726). Baltisch-Slavisch. Über das Litauische be- 
merkt Schleicher 271, dass dieser Gen. besonders bei Zahlbe- 
griffen und Superlativen vorkomme, z. B. gulbiu pulkatis ein 
Schwarm von Schwänen, peno üpe ein Strom von Milch 
(Schleicher, Leseb. 145), Aäütıls vandeis ein Kessel Wassers 
(122), dünos kepals ein Laib Brod (140), daüg Zmoniü viel der 
Menschen, viele Menschen, n&ks 70 keiner von ihnen, Aaträs 
bröliu welcher der beiden Brüder, Aökvens smertelnu jeder der 
Sterblichen, pirmäsis sziurlöku der erste unter den Schülern, 
maäidusias vaikü der kleinste von den Knaben u. s. w. Auch 
findet sich im Litauischen die Steigerung des Begriffes, z. B. 
vagiu vagis Dieb der Diebe, Erzdieb, auch bei Abstraktis, z. B. 
bedü beda die Noth der Nöthe, höchste Noth. Auch die die Super- 
lative steigernde gleichstämmige Form, z. B. geriz geridusias 
der Guten bester ist ein Gen. Plur. (vgl. Schleicher 272). 
Slavisch. Der Theiler ist a) ein Substantiv (substantiviertes 





$ 165.) Kap. VII. HD. Genitiv des getheilten Ganzen. 339 


Adjektiv), z. B. aksl. münoZistvo münogo Ludiji riTdos roAd Tod 
ad Luk. 6, 17, siado srinizi münogo Aytin xolpwv Ixavav 
Luk. 8, 32. Bei dem Neutrum münogo findet sich im cod. 
Mar. kein Gen., wohl aber bei malo, z. B. 2etva ubo münoga 
a delateli malo 6 pev depropös noAdg ol de &pyarar SAlyoı Luk. 
10, 2. Bei tolıko so viel und Aoliko wie viel, z. B. nasytiti 
tolıko naroda yopracar DyAov tocoütov Matth. 15, 33, Aoliko 
chlebü imate ndoous Aprou; Eyere; 34. Eine Menge von Belegen 
aus dem Serbischen liefert Danicic 64 fl., z. B. mnostvo (oder 
sl) naroda eine Menge Volks, $aka hyudi eine Hand voll 
Leute, jato sokolova ein Trupp Falken, krd ovaca eine Heerde 
Schafe, Aolo dyevoyaka i momaka ein Kreis von Mädchen und 
Burschen, dublja masla ein Klumpen Butter, gruda snijega ein 
Schneeball, grum zemlje ein Erdenkloss, guka zlata ein Klumpen 
Gold, Aomad hlyeba ein Stück Brod, Aondir vina ein Becher 
Wein u. 8. w.; za njim idjae naroda mnogo ıhm folgte viel 
Volks, nas je malo a mnogo Mad2ara unser sind wenig, aber 
der M. viele, dosta ljudi dobar junak ein guter Held sind genug 
Leute, Aolıko Yudi toliko dudi wie viel Leute so viel Sinne 
u.8.w.; $to je ruha na meni je, $to je kruha u meni je was ich an 
Kleidern habe, habe ıch an mir, was an Brod, in mir. Ebenso 
natürlich ım Russischen, z. B. uceönychü mnogo, umnychü 
malo, zuakomychü tima, a druga netü Unterrichtete viel, Ver- 
ständige wenig, Bekannte eine Menge, aber kein Freund 
(Puschkin). b) ein Adjektiv als Theiler ist kaum mehr vor- 
handen. Miklosich 4, 475 führt Gen. bei dem sog. Superlativ 
an, wie minje visechü semenü zemünychü wıxpdtepos TAvrav Tv 
orzpuatwv &orl twv &ml ts yrs Mark. 4, 31, bemerkt aber so- 
gleich selbst, dass dieser Genitiv vielmehr ein Ablativ beim 
Komparativ ist. Aus dem Altrussischen notiert Buslajev 427 
den seltsamen Genitiv bei ‘alle’: vse nasü odinü Eelovekü alle 
von uns sind ein Mensch, d. h. wir stehen alle für einen. 
€! Pronomina. Miklosich führt Fälle an, wie aksl. küto techü 
riji Tis TooTtwv TOv tpıwv; Luk. 10, 36, und Ähnliches aus den 
andern Sprachen, ferner vü to goda eig. in id temporis, d. 1. 
e0 tempore, vgl. &; T6d Huepas. 
22* 


340 Kap. VIH. II. Genitiv des Stoffes. [8 166. 





$ 166. Eine Abart des partitiven Genitivs ist der Genitiv 
des Stoffes. 

Im Arischen nicht häufig, z. B. saumaräudram ghrte 
carim nir vapeh Suklanam vrihinam für Soma und Rudra be- 
stimme er ein Mus in Butter aus weissem Reis MS. 2, 1,5 
(6, 15); ayaywhö kehrpa zwaenahe mit dem Körper von edlem 
Erz yt. 13,2. Griechisch. Die homerischen Belege s. bei 
Krüger, Dial. Synt. $ 47, 8, Anm. 1. Zwar in Fällen wie ypv- 
oolo Ölxa Talavra oder alyeipwy dAco;g begnügt sich unser Ge- 
fühl wohl noch mit der partitiven Vorstellung, aber wo es sich 
um Gegenstände handelt, welche aus einem Stoffe hergestellt 
werden, z. B. tanıns &ploro, Epxos xaosıreporo, Kulıxzvoo xpualou 
orarrpes (att. Inschr.}, ypusoö orarüpes Aauıbaxıvot (ebenf.) u. ähnl., 
empfinden wir allerdings eine andere Unterart des Genitivs. 
Im Lateinischen ist dieser Gen. nicht häufig, z. B. saepe 
lapidum, sanguınis nonnunguam, lerrae inlerdum, quondam etiam 
lactis imber defluzit (Cic.). Im Germanischen fehlt dieser Gen. 
nicht, z. B. sincgestreöonum füttan goldes mit Kostbarkeiten von 
getriebenem Golde, Beovulf 1093. Doch ist mir über die Aus- 
dehnung des Typus nichts bekannt, vgl. Grimm 4, 721. Li- 
tauisch. Im Litauischen (Schleicher 271, Kurschat $ 1496) 
ist der Gen. des Stoffes häufig, z. B. aukso zedas ein Ring von 
Gold, szukü jüstas ein Gürtel von Seide, /&pos Asbiratis ein 
Eimer von Lindenholz, uteliö maätelis ein Läusemantel, d. h. 
ein Mantel aus Läusefellen u. s. w. Man könnte zwar daran 
denken, diesen Genitiv als ursprünglichen Ablativ aufzufassen, 
wie er bei Verben wie ai. tak$ verfertigen erscheint, (vgl. Zai 
Jis Jam däve pleno pätkavas padaryjt da liess er ihm Hufeisen 
aus Stahl machen, Schleicher Les. 120). Indessen es ist doch 
klar, dass der Kasus selbst in dem eben angeführten Satze 
näher zu dem Nomen als zu dem Verbum gehört, und so wırd 
er mit den Stoff-Genitiven anderer Sprachen zu vergleichen 
sein. Slavisch (Miklosich 4, 462): aksl., z. B. stena kamene 
Zestokaago eine Mauer von hartem Stein, serb. (Danitie 60): «a 
glavi mu gro2dja vincac auf seinem Haupte ein Kranz von 
Trauben; gewöhnlich mit Epitheton, z. B. orata suha zlata ein 


$ 166—167.] Kap. VIII. DO. Der Gen. in negativen Sätzen im Balt.-Slav. 341 


Thor von reinem Golde, vreteno droa simsirova eine Spindel 
aus Buchsbaumholz, Aalpak solle bele eine Mütze aus weisser 
Seide. Ebenso ım Russischen volksthümlich, z. B. pokrysa 
sedychü bobrovü eine Decke von grauem Biber, drovi to u 
Annubki cerna sobolja A. hat Augenbrauen von schwarzem Zobel 
(Buslajev 246). 

8 167. Der Genitiv in negativen Sätzen im Bal- 
tisch-Slavischen. 

Wie schon $ 165 bemerkt worden ist, kommt im Ger- 
manischen der Genitiv in negativen Sätzen auch dann vor, 
wenn es nicht mehr möglich ist, ihn von der Negation direkt 
abhängig zu machen, z. B. mhd. mir kom s6 lieber geste nie 
(vgl. auch Erdmann 2, 161). Diese Ausdrucksweise ist im 
Baltisch-Siavischen zur Regel geworden. Litauisch (vgl. 
Schleicher 274), z. B. äsz nepazistu tö Zzmogaüs ich kenne den 
Menschen nicht; jis rafku netür er hat keine Hände. Alter- 
thümlich und dialektisch findet sich indes auch in negativen 
Sätzen gelegentlich der Akkusativ, vgl. Bezzenberger, ZGLS. 238, 
Leskien - Brugman 321. Slavisch (vgl. Miklosich 4, 498), 
2. B. aksl. ni vilivayqtä vina nova vü mechy vetüchy odöt Bal- 
kousty olvov v&ov els doxods ralarods, aber gleich darauf: nü vino 
novo vü mechy novy vührajatü ad PaAlousıv olvov veov eis 
asmods xaıvous Matth. 9, 17. Der Gen. tritt auch ein neben 
einem von einem negierten Verbum abhängigen Infinitiv, z. B. 
Jako ne imami küde sübirahi plodü mojichü dr odx Eyw roü 
svako Tobs xaproös you Luk. 12, 17; ne mnite jako prüdü raz- 
oriti zakona ili prorokü wh vonlonte dr TAdov xatalüsaı Toy 
vouov 7) Tods npophtas Matth. 5, 17. Serb. ne irakim volje sooje 
nego volju oca od Ina Tod Belnpa To Eubv AAld To Heinua Tod 
zatpos Joh. 5, 30; 0n je prosi a brat sestre ne da er freit sie, 
aber der Bruder giebt die Schwester nicht u. s. w. Im all- 
gemeinen steht dieser Genitiv bei allen Genera und Numeri, 
nur das neutrale Pronomen steht nicht selten im Akkusativ, 
2. B. serb. isprva ne kazah vam ovo radra ÖL dwiv &E dpyiis odx 
eirov Joh. 16, 4. Im Russischen brauchen neuere Schrift- 
steller gegen die alte Regel gern den Akk. neben einem 


342 Kap. VIII. II. Genitiv des Besitzers. [$ 167—168. 


Infinitiv, der von einem negierten Verbum (ne chocu, ne mogu, 
ne stanu u. 8. w.) abhängig ist, z. B. ne chocu videti moju ko- 
mediju (vgl. Buslajev 250). Nach demselben Grammatiker kann 
bei negativen Fragen Gen. oder Akk. stehen. ‘Aber nıcht bloss 
in Sätzen mit transitiven Verben, sondern auch bei ‘sein’ und 
überhaupt in Existenzialsätzen findet sich der Genitiv (vgl. 
Miklosich 4, 357 und das über die positiven Existenzialsätze Ge- 
sagte, 8153). Und zwar schon aksl., z.B. i ne be ıma Ceda xal oöx 
Tv adtois texvov Luk. 1,7 (ebenso got.); jegda Ze videse narodi jako 
Isusa ne bystä iu ni ucenikü jJego Ste odv eidev 6 öyAos Erı Insoüs 
obx Earıv dxei oBdE ol naßntat adroo Joh. 6, 24. Serbische Be- 
lege sind (Danicic 127): ni di mriva ni bi ranjenoga da war 
weder ein Toter noch ein Verwundeter; Akad ntije tebe kod mene 
wenn du nicht bei mir bist. Ebenso bei nestanuti ausgehen, z. B. 
al je vama hlyeba nestanulo, ali hljeba al crvena vina, ali zlata al 
bijela platna ıst euch das Brod ausgegangen, das Brod oder 
der rothe Wein, das Gold oder das weisse Linnen? (Da- 
nicic 91). Bei anderen Verben, wenn der Ausdruck passivisch 
ist, z. B. bila nekaka varos kojoJ se ni ımena ne zna es war 
eine Stadt, von welcher selbst der Name nicht bekannt ist. 
Daran schliesst sich endlich die Verwendung auch bei ak- 
tivischem Verbum, so: ne utece oka ni svijedoka es entkam 
nicht Auge noch Zeuge (ebenda 128, 130). Ebenso im Russischen, 
z.B. ne bylo dozdja es war kein Regen, sledu netu keine Spur 
iist vorhanden), vgl. die subjektlosen Verba. 


$ 168. Genitiv des Besitzers. 


Da die Beziehungen zwischen zwei Begriffen, von denen 
der eine als Besitzer!) gedacht werden kann, sich je nach dem 
Sinne der beiden betheiligten Begriffe verschieden gestalten, 
so wäre die natürliche Anordnung von der Bedeutung der bei- 
den zusammengehörigen Wörter herzunehmen. Es würde zu 


1) Dass unter dem Begriff des possessiven Genitivs manches unter- 
gebracht worden ist, was besser unter die allgemeinere Kategorie der Zu- 
gehörigkeit zu passen scheint, ist oben $. 335 und gelegentlich auch im 
Folgenden noch besonders bemerkt worden. 





$ 168.) Kap. VIII. IL Genitiv des Besitzers. 313 


unterscheiden sein, ob Personen zu Personen, Konkrete zu Per- 
sonen, Handlungen zu Personen, andere Konkrete zu einander, 
Vorgänge zu Konkretis u. s. w. in Beziehung gesetzt werden. 
Eine solche Anordnung kann aber mit Erfolg nur durchgeführt 
werden, wenn das Material aus einem bestimmten Sprachzu- 
stand vorliegt. Da mir solche Sammlungen nicht zu Gebote 
stehen, habe ich nur bei dem Griechischen einen Anfang zu 
einer derartigen Gruppierung gemacht. Erst wenn weitere 
Sammlungen vorliegen werden, wird man z. B. sehen können, 
wie alt die Ausdrucksweise ist, dass als Besitzer der Träger 
einer substantivisch gedachten Eigenschaft auftritt, eine Aus- 
drucksweise, die bekanntlich in den neueren Sprachen häufig 
ist, 2. B. serb. sladost slobode die Süssigkeit der Freiheit (auch 
im Lateinischen geläufig). 

Als eine besondere Spielart des Gen. des Besitzers er- 
scheint der Gen. in der Umschreibung (Gen. definitivus). 

An den Schluss stelle ich den Gen. bei dem passiven 
Partizipium. 

Arisch. SF. 5, 181 sind eine Reihe von Belegen aus 
dem Ai. angeführt, wıe ‘Kopf des Pferdes, Körper des Men- 
schen, Thür des Himmels, Gipfel des Berges, Sohn des Vaters’ 
u.s.w. Natürlich finden sich dieselben Gebrauchsweisen auch 
in den iranischen Sprachen. Zu dem letzten Beispiele be- 
merke ich, dass im Av. wie im Griech. das Wort ‘Sohn’ auch 
fehlen kann: äfrem ahurahe mazdäo Atar, den Sohn des A.M. 
y.13, 2 (y. 16, 4 steht pubrem dabei). Wie “Vater” kann auch 
Familie’ in den Gen. treten, z. B. yab he puhrö uszayala visö 
surayd braßtaono dass ihm ein Sohn geboren wurde des star- 
ken Stammes Thr. y. 9, 7. Dass nicht etwa in visö ein Ablativ 
vorliegt, zeigen Fälle wie: ya hg tum uszayarha tüm erezvo 
zarabustra nmänahe pourusaspahe dass du ihm geboren wurdest, 
du wahrhaftiger Z.,, des Hauses des P. (der du dem Hause 
des P. angehörst) y. 9, 13. Ebenso im Altpersischen: kambujiya 
nama kuraus putra amakham taumäya K. mit Namen, des K. 
Sohn, aus unserer Familie Bh. 1, 28. Aus dem Aü. ist a. a. O. 
der Genitiv bei ‘Pfad’ erwähnt worden: devanam päünthah der 


344 Kap. VIIL IL Genitiv des Besitzers. [$ 168. 


Pfad der Götter, rläsya pänthäh der Pfad des Rechten, divö 
gätüh die Bahn des Himmels, d. i. zum Himmel, vgl. $ 171. 
So findet sich auch av. kasna zwäng staremca daß advanem wer 
bestimmte den Pfad der Sonne und der Sterne y. 44, 3. va- 
histahe arheus vahıstam ayangm yazamaide wir verehren den 
besten Zugang zur besten Welt vsp. 23, 1. Bei duta Bote 
kann der Gen. denjenigen, der schickt, und denjenigen, zu dem 
geschickt wird, bezeichnen. Stömasö avinoh sind im RV. die 
Lobgesänge für die A. Sprachlich möglich wäre es auch “die 
Lobgesänge der A.’ zu übersetzen (vgl. Pischel-Geldner 1, 23). 
Griechisch. Ich führe zunächst einige Belege aus Homer 
an und ordne nach dem nicht ım Genitiv stehenden Worte, 
wobei zuerst Personen und Dinge, dann Vorgänge, Handlungen 
(wobei an den subj. Gen. zu erinnern ist), Zustände zur Er- 
wähnung kommen. Belege sind: rarnp dvöpwv te dewv re, Ilo- 
Außoro dapap (in dem Satze: Ayaydurv dE yuvatxa roluxirpmv 
avdpwrwv & 211 ist nur das thatsächliche Verhältnis zwischen 
den betheiligten Personen, nicht das grammatische Verhältnis 
zwischen den Begriffen ein anderes), ‘Ayyıdloro ulos, Buyarnp 
Aros, Oöuotos Eratpos, keivor AAAnlwv Tarpwior, Boüs "Yreptovos, 
deov 2v yovvası, plAmv &v yepotv, Tapsos Öskırepoio Todos, pULEAüg 
avöpwv, &v pıvotor Bowv, wpeves Alyishoıo, Bot allnav, Bewv aön, 
xnreog döun, adyal NeAloro, Yalxod oteponh, dpea yalns Darhxov, 
rruyes OdAuproro, Ent Hiva Balasans, Avden rolns, vnol Üeiv, 
avdpunwv Aotea, Öouou dv nparpar Bupyar, xAtuak Somoro, Yhpaos 
oBdos, AAwiis Epxos (in anderer Weise, nämlich den Stoff an- 
gebend, woraus der Zaun besteht, also eine Abart des partitiven 
Gen.: Epxos döovrwv), Boupös Axwah, xopudos palos, xrrars TrAs- 
kayxoıo. — poipa Bewv, drıs Beaw, 80Aos AAoyoro, uymothpwv BovAN 
te voos te. — Tpwwv xal ’Ayaöv pulonıs alın, "Oduoros dedAor, 
xourog BöOYTWVv, oTovos Avöpav, xA0vos &yysıdav, Impds Öpun, Avdpou 
rvorn, Ts Av&poro. — YAyos vidos, TADog urtpog, Bewv das, Beod &oprn,, 
Aüxwv Tıa, dvadmuara darros, darrds Avln, äydos dpoupns, voosos 
Arös peyaloıo (welche von ihm kommt). — Aavawv oltos, xetvou 
öAedpos, uynothpwv dBavaros, Tepas peporwv Avdporuv. — xaxoU 
dpxn, Bpn doproro. — kelvwv denis, ölun Basılywv, rarpüsxidos (y 83) 





$ 168.) Kap. VIH. II. Genitiv des Besitzers. 345 





ist ohne Schwierigkeit possessiv aufzufassen, danach wohl auch 
zarpos xAnnöov 5 317 und Ayyealln rarpos a 408 und sonst. 
Das Gegentheil zu rarpd; xAdos ist narpds And A 142. dewv 
Spxos (yprbs de Bey peyav öpxov dmwuvo B 377) scheint der 
Eid zu sein, welcher den Göttern gehört, ähnlich prrpös &pı- 
vwoes und rardöös roıvn (die Busse, welche dem getöteten Kinde 
zukommt, d. h. praktisch Busse wegen des Kindes). So sehe 
ich auch in xupata zavroiwv Av&uwv einen poss. Gen. An 
diese Aufzählung homerischer Belege knüpfe ich noch einige 
Einzelbemerkungen. Nicht selten steht der Gen. neben einem 
abgeleiteten Adj., z. B. Neorop&y rapa vn! TloAoryeveos Bası&ros 
Y 303. — Auch im Griech. kann der Name des Vaters im Gen. 
stehen, so ’OiAjos tayds Atlas B 527, nach Homer auch bei 
anderen Verhältnissen, z. B. Deperlun r, Bartov (die Gattin) bei 
Herodot, Kitapyos xal oi &xelvoo bei Xenophon. In den atti- 
schen Inschriften wird nach Meisterhans? 167 bei der offi- 
nellen Nennung eines Bürgers der Gen. des Vaternamens zu- 
gesetzt ohne Beifügung von vid,. Zusatz von uld; findet sich 
nur in Weih- und Künstleraufschriften und auch hier nicht 
immer. Bei Frauennamen erscheint bald der blosse Gen., bald 
der Gen. mit duyarnp. Auch die Familie, das Blut, dem 
jemand angehört, steht, wie im Iranischen, im Gen., 2. B. 
Inds &aoı nal aluaros Apereporo zn 300. — Genitive des Landes, dem 
ein Ort angehört, z.B. Dwxaln ’Iuvins bei Herodot, dürften in 
den arischen Sprachen noch nicht vorliegen. Lateinisch: 
Im Lat. wie in den anderen Sprachen, z. B. Marci puer, domus 
Aeronis u. 8. w. Dahin rechnet man mit Recht auch Ausdrücke, 
wie Caecilia Metelli (während man in der alten und klassi- 
schen Zeit nur Marcus Marci filius, nicht Marcus Marci sagt — 
vgl. Schmalz2 $66 — als ehrenvollere Bezeichnung). Germa- 
nisch: Um wenigstens aus einem Dialekte einige Belege zu 
geben, entnehme ich Erdmann 2, 140ff. die folgenden Beispiele aus 
Otfrid: Gotes sun, der gotes boto, druhfines muater, thes diufeles 
gisindo, Swabo richt das Schwabenreich, thaz Kristes muas die 
von Christo gespendete Speise, lioht suntigero manno Licht für 
sündige Menschen, sluzzila himiles Schlüssel zum Himmelreiche, 


346 Kap. VI. II. Gen. in der Umschreibung (definitivus). [$ 168—169. 


zit thes Zeit dafür (vgl. @pr ödproro), thes Arüzes krefti, Kristes 
mahti, in waldes einöte, in opheres wisun (vgl. ötxn), in thrio dago 
Fristi u. ähnl. Baltisch-Slavisch: Wendungen wie die aus 
den bisher genannten Sprachen angeführten finden sich natür- 
lich auch ım Lit. und Slav. Doch ist zu beachten, dass die 
possessiven Adjektiva im Slavischen dem Gen. Konkurrenz 
machen. Einige Verbindungen, bei denen der Begriff des Be- 
sitzes nicht recht ausreicht, vielmehr der der Zugehörigkeit 
passender ist, sind: lit. A&mo mergeles die Mädchen des Dorfes, 
rargü denos Tage des Elends, peno püdas Milchtopf u. ähn!. 
(Kurschat 405), wozu übrigens auch die bisher erwähnten 
Sprachen schon theilweise Analoga geliefert haben, wie &py 
ööproro u. ähnl. Slavisch. Eine Menge von serbischen Be- 
legen für den possess. Green. bei Danicic I1ff. Ich führe nur 
an den Gen. bei Abstraktis, welche eine Eigenschaft bedeuten 
(S. 17). Beispiele sind: lYepota mlade mome die Schönheit 
des jungen Mädchens, miris rana bosioka der Wohlgeruch 
des frühen Basilienkrautes, sladost svobode die Süssigkeit 
der Freiheit. Aus dem Russischen ist bemerkenswerth, dass in 
älterer Zeit die Familie durch den Gen. Sing. oder Plur. 
ausgedrückt wurde, z. B. peredü knjazemt Ivanomü Grigor:- 
Jevicemü Dolgorukogo (aus dem Jahre 1612), Aleksandry Gaga- 
rinychü (1679). Daher jetzt noch indeklinable Familiennamen 
genitivischer Form wie Zivago, Suchorukichü (Buslajev 246). 


$ 169. Genitiv in der Umschreibung (definitivus). 


Diese Abart des possessiven Genitivs kommt dann zu stande, 
wenn das Genitivwort die Spezies, das andere aber das Genus 
ausdrückt und wenn in der Rede auf das Genitivwort derartig 
der Accent des Sinnes fällt, dass die zwei verbundenen Wörter 
nur als Umschreibung des Genitivwortes gefühlt werden. Ich 
kann diese Form belegen aus dem Griechischen, Lateinischen, 
Litu-Slavischen, Germanischen. In derselben etwas besonders 
Alterthümliches zu sehen, wie man wohl gethan hat, kann ich 
mich nicht entschliessen. Ich möchte im Gegentheil an- 
nehmen, dass Ausdrücke, wie arbor fici in der Ursprache nicht 


$169] Kap. VIII. II. Gen. in der Umschreibung (definitivus). 347 


vorhanden gewesen sind, da für den hierdurch erstrebten Zweck 
das Kompositum diente. 


Griechisch: Es können dahin gerechnet werden: «hp 
davaroıo, Bavatoıo venos, Yolvıxos vEov Epvos (eig. ‘ein Sprössling, 
der zur Dattelpalme gehört’, aber sachlich s. v. a. ‘der eine 
Dattelpalme ist‘), dv&poro BueAla, Asxtporo nalaıou Beouds d 296, 
atya xaxoro; nöAıy adchv tonyelns ldaxns x 416 sehen wir noch 
als possessiv an, da wir zwischen rdAıs und ldaxn unterscheiden, 
ebenso wie in 'ldaxns Evi örum a 103, dagegen in narplöa yatav 
pngeins ldaxns x 463 finden wir, dass die beiden verbundenen 
Begriffe sich decken; in lepös bios Alyeioto A 726 kommt es 
darauf an, ob wir ’Algeid; als Namen des Flussgottes oder des 
Flusses auffassen ; On3ns &dos, Tpolns iepöv nroAtedpov (wozu man 
den possess. Gen. in NyA7os rtoAtedpov vergleiche). Auch Wen- 
dungen wie teph is TnAepaxoıo gehören hierher. Dass schon der 
Dichter darin eine Umschreibung für TnA&uayo; empfand, lehrt das 
mask. löov n 477: pelöncev Ö tepn is Indepayoıo &; narep dodal- 
potsı löwv. In Örvou düpov decken sich zwar die Begriffe nicht 
überhaupt, aber es ist doch gemeint, dass in diesem Falle die 
Gabe im Schlaf besteht. Lateinisch: Es gehören hierher 
Wendungen, wie arbor fici Feigenbaum, nomen regis der Begriff 
‘König’, wohl auch scelus viri, monstrum muleris u. ähnl. 
Germanisch: Über das Vorkommen dieses Gen. im Ahd. 
handelt Erdmann 2, 144ff. Er bemerkt 146: “Formelhaft zur 
Umschreibung einer Person dienen namentlich guati, milti, diuri 
und das allgemeinere kraft [vgl. iepn \s] in allen Kasus und 
in Verbindung mit Prädikaten und Bestimmungen, die eben 
nur der Person selbst gebühren”, z. B. Kristes guati mera wuntar 
däti, unz thiu sin guatı uf fon töde irstuanti Otfr. u.s. w. Weiter 
vergleichen sich mit den griechischen Wendungen: daz sines 
Iichamen hüs, mit des krüzes fiure inan brennen, des steines 
burdin (die Bürde, welche der Stein bildete) u. ähnl. Litauisch 
undSlavisch: Ragaines m&stas dieStadt Ragnit (Schleicher 273); 
serb. s one strane vode Save auf der andern Seite des Flusses 
Sau (Miklosich 4, 470). 


348 Kap. VIII. II. Gen. beieinem pass. Part. Gen. qualitatis. [$ 170—171. 


$ 170. Genitiv bei einem passivischen Parti- 
zipium. 

Eine Form des Gen. des Besitzers ist der Gen. bei dem 
passiven Part., wobei das im Gen. stehende Nomen als Agens 
empfunden wird. Dieser Gebrauch findet sich im Arischen, 
2. B. pdtyuh krita die gekaufte des Gatten, d. h. von dem 
Gatten gekaufte (SF. 5, 153). Ebenso im Av.: amıynizta sunö 
benagt von einem Hunde vd. 7,30 (vgl. Hübschmann 270 und 
Pischel-Geldner 1, 283 Anm.), ferner, worauf Brugmann 
(Leskien-Brugman, Litauische Volkslieder 321 Anm.) aufmerksam 
gemacht hat, im Griechischen bei dem Part. Aor. pass., 2. B. 
oäs aAdyou awayels Alyiochov re bei Euripides (vgl. auch drdsöorog), 
im Litauischen, 2.B. karältaus sijstas vom Könige gesandt 
(Schleicher 273) und im Germanischen, z.B. ahd. die gtwihte 
mines fater sin, giseganöle sine (Erdmann 2, 142). 

6171. Genitiv der Eigenschaft (qualitatis) (auch 
mit einem Verbum des Seins). 

Ein solcher findet sich ın den arischen Sprachen und im 
älteren Griechisch nicht oder nur selten vor. Dagegen ist er 
belegt ım Lateinischen, Germanischen, Litu-Slavischen. Es ist 
nicht unwahrscheinlich, dass dieser Gen. sich nach Auflösung 
der alten Komposita entwickelt hat. Ein paar griechische Bei- 
spiele sind: &rtwv Zwv HAınlmv nevre xal tpınxovra Herodot 1, 26, 
tov ebpıoxe olxins pv Edyvra dyadis Tpdmou Ö& Houylou 1, 107. 
Lateinisch: si quid liberum virslis serus ei nalum esset bei 
Ennius, frium literarum homo (nämlıch fur) bei Plautus, homt- 
nem mazumi preti bei Terentius, non multi cibi hospitem accıpies 
multi joct bei Cicero, vır et consilii magni et virtutis bei Caesar, 
colossus centum vigints pedum bei Sueton. Ungewöhnlich sind 
Gen. ohne Attribut, z. B. komo nthili bei Plautus. Germa- 
nisch: got. dauhtar vintrive tvalibe eine Tochter von zwölf 
Jahren; ahd. guotera slahta man ein Mann von guter Art; 
mhd. der ritter guoter sınne (Grimm 4, 652 Anm. und 720). Mit 
sein: vas auk jere tvalibe Tv yap &rüv Öwöcxa Mark. 5, 42. 
Litauisch: Auch hier ist die Regel, dass der zu dem Subst. 
tretende, eine Eigenschaft oder einen vorübergehenden Zustand 


$171—172.) Kap. VIII. I. Der subjektive und der objektive Gen. 349 





bezeichnende Genitiv mit einem Adjektivum verbunden sein 
muss. Einige Belege sind: lit. zmogus linksmös szirdes, drüto küno, 
auksztös gimines, mäzo stomeis ein Mensch von heiterem Herzen, 
von starkem Körper, von hoher Geburt, von kleiner Statur; 
irjü metu küdıkıs ein Kind von drei Jahren, irızüa auksinu 
skepeta ein Tuch von drei Gulden, drei Gulden werth u. ähnl. 
'vgl. Schleicher 272). Slavisch: Aksl. (Miklosich 4, 468): clovekü 
jehnu dobra roda avdpwrös tıs eüyevng Luk. 19, 12; Jako düsti 
inoceda be jemu jako düvoju na desete letu Er doyarnp kovoyevrs 
Ivadın &; Etwv Öwdexa Luk. 8, 42; muzi blagolepina obraza ein 
Mann von schöner Gestalt. Aus den serbischen Beispielen, 
welche Danitic 53 anführt, hebe ich hervor: Veljyko je bio tunka 
ı sisoka struka smedje kose i vrlo malıh brkova u. 8. w. V. war 
von schlankem und hohem Wuchse, braunem Haar und sehr 
kleinem Schnurrbart; jedan junak lica djevojacka ein Jüngling 
von mädchenhaftem Gesicht; dodje momce erna oka na konjicu 
loka skoku es kam ein Bursch schwarzen Auges auf einem 
Rosse leichten Sprunges; dlaZene duse covek ein Mensch von 
glücklichem Gemüthe; drat je mio koje vjere bio ein Bruder 
ist lieb, welches Glaubens er auch sei; on biyae mojıh godina 
er war von meinen Jahren; cvijet lijepoga mirisa eine Blume 
von schönem Geruch. Russische Belege bietet Buslajev 243 ff., 
2. B. celovekü poZiüychü letü ein Mensch von hohen Jahren; 
ons takoj ceny i krasoty sie sind von solchem Werth und solcher 
Schönheit; 7a Jje&Co toj very sto ich bin noch des Glaubens, 
dass; Aakogo cveta moloko von welcher Farbe ist die Milch 
(Äsböth 9). Substantiva ohne Akjektiva kommen nach B. nur 
ın der Sprache der Poesie und Beredsamkeit vor, z. B. celovekü 
ssiny i prirody ein Mensch von Wahrheit und Natur. 


$172. Der subjektive und der objektive Genitiv. 


Hinsichtlich des subjektiven Genitivs ist oben bemerkt, 
dass er nach Analogie des possessiven entstanden zu sein scheint, 
hinsichtlich des objektiven, dass er der Vertreter eines anderen 
Kasus, gewöhnlich des Akkusativs, sei. Hier bemerke ich 
noch, dass dieser Akk. sowohl ein Akk. des Objekts, als des 


350 Kap. VIII. II. Der subjektive und der objektive Gen. [8 172. 


Inhalts z. B. vixn yayns), als der Richtung (z. B. vöstos yalr,) 
sein kann, doch überwiegt der Akk. des Objekts bei weitem. 
Im nachhomerischen Griechisch, ım Lateinischen, Germanischen, 
Slavischen finden wir den Gen. auch anderen obliquen Kasus 
entsprechend. Ob dasselbe auch in den arıschen Sprachen und 
bei Homer vorliegt, habe ich nicht ermittelt, möchte also 
über das Alter dieser Erscheinung nichts behaupten. An sich 
sieht man nicht ein, warum der Gen. nicht ebenso gut einen 
anderen mit dem Verbum verbundenen Kasus, wie den Akk. 
vertreten könne. 

Arisch. Als Belege für den subjektiven Gen. habe ich 
SF. 5, 155 aus dem Ai. angeführt: patane vayrasya beim Fliegen 
der Blitzwaffe, yayhasya saämrddhyai zum Gedeihen des Opfers 
u. ähnl. Aus dem Av. habe ich zufällig nur zur Hand: ahe 
yasna yazalanım wegen seiner Verehrung der Götter y. 57, 3, 
wobei der erste Gen. subjektiv, der zweite objektiv ist. Einige 
Belege für den objektiven Genitiv sind, neben Nomina actionis: 
ai. yögö vajinah die Anschirrung des Pferdes; bhrätroyasya vinödah 
die Vertreibung des Feindes; av. snabät vispangm datvangm zur 
Zerschmetterung aller Dämonen y. 27,1; ai. grähasya hömah die 
Ausgiessung eines Trankopfers; av. ma nö afsa ya kaine masyanam 
pard fSaremap zwatö garezem ratsaya) das Mädchen soll nicht 
mit Willen aus Scham vor den Menschen die Frucht schädigen 
vd.15,12; ai. davane vasunam zum Empfange von Gütern (SF. 
5,422) ; av. zsnitmaine ahurahe zur Besänftigung des Ahura y.3, 1; 
ai. dSvasya dhrtyäi um das Pferd zu halten; av. pattistätee teman- 
ham zur Bekämpfung der Finsternisse yt.6,4. — Von Nomina 
agentissind zu erwähnen: ai.apam ajah der Beweger des Wassers ; 
puram bhinduh der Zerbrecher der Burgen; av. fäyus nemaprhö ein 
Räuber der Achtung vd. 4, 1; varheus damis manarhö der 
Schöpfer des guten Geistes y.44.4. Das Hauptkontingent aber 
stellen die Nomina auf tar, z. B.: ai. däta rayinam der Geber 
der Reichthümer; pravadita väcah der Sprecher des Wortes; 
av.dätare gatpanqm o Schöpfer der Wesen yt.8,10; paseus bräata 
der Schöpfer des Viehs y. 50, 1; mä buyä aurvatqm yüzta, mä 
aurvatqm awwisasta, mä aurvatqm nibarta du sollst nicht sein 








$172} Kap. VII. IH. Der subjektive und der objektive Gen. 351 


ein Anschirrer der Rosse, nicht ein Besteiger (eig. Besitzer) 
der Rosse, nicht ein Antreiber der Rosse y. 11, 2. 

Als aus dem Akk. des Zieles entstanden, kann man viel- 
leicht Wendungen, wie divo gatuh die Bahn zum Himmel, an- 
sehen, welche oben S. 344 unter den possessiven Genitiv ein- 
gereiht sınd. 

Man vergleiche hierzu noch was $ 154 über den Akkusativ 
bei verbalem Nominibus gesagt ist. 

Griechisch. Einige Belege für objektive Gen. bei No- 
mina actionis sind: dvaßAncıs Xaxod, Ausıs vexpoto, ists Artpet- 
ao a 40 (denn riveıv mit dem Akk. der Person kann heissen 
“für den Tod jemandes Strafe leiden’, vgl. P 34), yunscnpwv 
zedasıs, xaxav Önalukıs |vgl. dagegen die subjektiven Euvesıs 
tun rorauuv, Auplßacız Tpwwv E623, rapatpasız Eratpou u. ähnl.), 
kaav ötpuvrös, rodos und rxodr, mit Gen. wie ßıororo, Ayılkfos 
u. 8. w. (vgl. den Akk. öpdaApov moßesız ı 453), TrAepayxoıo Yovoz, 
todalnuv Bolai, rounn Avdpwrwv v 151, dntöos dos Furcht 
vor Rache, (vgl. dazu »oßos "Apnos die Furcht, welche Ares 
verbreitet B 767), örArpara vr@v, peillypara Bupod, Bporwv Bei- 
xcıpa, Aupasin Erw u. ähnl. Aus attischen Inschriften &:8- 
rlevoav &ri Thy Yulaxhv av Asıstwov (Meisterhans? 1681. Einem 
Akk. der Richtung entspricht der Gen. bei vooto; in &rınateo 
vosrov yalrıs Darnxwv e 344, einem sog. Akk. des Inhalts der 
Gen. bei vixr, in vixn payrs H 26, 8 171. Unter den Nomina 
actoris spielen die auf -Tnp die Hauptrolle. Beispiele aus 
Homer sind: xuvav dAxTnp, bdartav Anolunavrnp, Apvav ApTa- 
xp, dorhp Zdwv und olroıo, Inchp xaxwv, yuntpös kvnsthp, pläns 
evahtis ÖAethp, wudwv Prnp (mußwv te Pritäp Zpevaı TpnaTipd Te 
&pyuv 1 443), oradymv burnp, dtsrtüv duornp u. ähnl., dazu: suwv 
mörtwp, xEvrwp Irrwv, unotwp Yodoıo u.8.w. Nomina mit an- 
deren Suffixen sind: porwv önArpkwv, textwv Öoupwv, v7@V Top- 
znes. Im Zweifel kann man sein, wohin die Gen. bei den 
vielen Wörtern, welche Herrscher bedeuten, zu stellen sein, 
wie z. B. Tpwwv Ayös, Advas dewv, Apyol nynothpwv, roumv Aawv, 
Basıleus Muxtvns, Ayaav, rrwyav xolpavos, tayins Avkuwv, Öp- 
Xapos dvöpov. Man kann an partitive und possessive Auf- 


352 Kap. VII. UI. Der Genitiv bei Adjektiven. [$ 172-173. 


fassung denken, aber es überwiegt doch wohl die Vorstellung, 
dass eine Einwirkung auf die im Gen. stehenden Wesen aus- 
geübt wird. Ich nehme daraus die Veranlassung, rorpnv 
Aawv ebenso zu dem obj. Gen. zu stellen, wie xosuntwp Aawv. 
Gen., die einem ursprünglichen Dativ entsprechen (der nach- 
homerischen Sprache angehörig), verzeichnet Krüger 47,7, 5, 
z. B. twv xaxwv ouvousta bei Plate. Lateinisch. Den Akk. 
des Objekts vertritt der Gen. in amor patrıs, spes vilae, odıum 
tut bei Plautus, divint supplicit metus, conservatrix sus bei Cicero. 
Den Akk. der Richtung: patefecit earum ipsarum rerum adıtum 
bei demselben. An die Stelle anderer Wendungen tritt der 
Gen. z. B. in fiducia virium, remedium irae bei Plautus. Ger- 
manisch. Ein paar Belege aus dem Ahd. sind (nach Erd- 
mann 2, 148) für den subjektiven Gen.: sunnun fart Lauf der 
Sonne, für den objektiven: duruh gotes minna um der Liebe 
zu Gott willen, duruh des forahta aus Furcht vor ihm u. s. w. 
Baltisch-Slavisch. In bezug auf das Litauische führt 
Schleicher 272 an, dass batime nepreteliu Furcht der Feinde 
sowohl subjektiv als objektiv verstanden werden könne. Ob- 
jektive Genitive aus dem Slavischen s. bei Miklosich 4, 470, 
Danitie 49 ff. Häufig entspricht der Gen. dem Akk. des Ob- 
jekts, z. B. aksl. jetije Araja rizy prehensio limbi vestis, vüs- 
kresenije mrütoyjichü excitatio mortuorum, serb. odretenije glave 
kneza Lazara die Auffindung des Hauptes des Fürsten L. Fer- 
ner dem Dativ, so aksl. za prijazni istovaago cesarja qula vero 
regi favetis, serb. od cuda Üijepe djevojke aus Verwunderung 
über das schöne Mädchen (nur dieses Beispiel ıst angeführt). 
Ein Beleg für den Gen.-Abl. ist serb. zlo se irm od straha 
gorega Übel wird ertragen aus Furcht vor Schlimmerem. Noch 
einige Belege für andere Kasus s. bei Miklosich. 

$ 173. Der Genitiv bei Adjektiven. 

Zuerst seien hier nur im Vorübergehen solche Adjektiva 
erwähnt, welche wıe Substantiva konstruiert werden. Dahin 
gehören Wörter wie ai. priyd lieb (Freund), im Lat. die Par- 
ticipia praes. act. von Verben die selbst mit dem Akkusatıv 
verbunden werden, z. B.amans, gerens, sciens, so dass also amans 





$ 173.) Kap. VIH. I. Der Genitiv bei Adjektiven. 353 


patriae Liebhaber des Vaterlandes bedeutet. Ebenso ist viel- 
leicht auch die Konstruktion einiger griechischer mit 2ri zusam- 
mengesetzter Adjektiva aufzufassen, wie &rtstpopos Avdpwrwv 
a 177 (vgl. Ertotpegesdar mit dem Akk.), &rioxonos Ödatwv D 163 
(vgl. &rıoxertopaı mit dem Akk.). Zweifelhaft bin ich wegen 
IrtwÄonos nudwv und zofov X 281 und @ 397. 

Die übrigen hier zu erwähnenden Adjektiva sind, sei es 
wirklich, sei es ideal, durch die Stufe des Partizipiums durch- 
gegangen, haben also ıhre Konstruktion vom Verbum ent- 
lehnt. Den Reigen führt dabei das Wort für ‘voll’. Eine 
Schwierigkeit entsteht hinsichtlich gewisser Adjektiva, welche 
ursprünglich sicher mit dem Abl. verbunden wurden, die aber 
in den Sprachen, welche Ablatıv und Genitiv haben zusammen- 
fliessen lassen, sich mit den relativen Adjektiven für das Ge- 
fühl der Sprechenden offenbar zu einer Gruppe verbunden 
haben. Es schien mir unnatürlich, ‘leer’ von ‘voll’ zu trennen. 
Ich habe also derartige Adjektiva hier angeführt, während bei 
dem Ablatıv nur auf sie verwiesen worden ist. 

Arısch. Ein wirkliches Partizipium ist ai. pürnd voll. 
Es wird entsprechend der Konstruktion von par mit Instr. und 
Gen. verbunden (vgl. SF. 5, 162). Das entsprechende av. perena 
weiss ich nur mit dem Gen. zu belegen [asrustörs perenärshö 
voll von Ungehorsam y. 44, 13). Adjektiva mit partizipialer 
Konstruktion sind ai. ?$var@ vermögend und ndvedas kundig. 
Griechisch. Ich beschränke mich auch hier auf den ho- 
merischen Gebrauch (vgl. Krüger Dial. 47, 26). An die Spitze 
stelle ich das Adj. ‘voll’. Bei Homer erscheinen neben rAeios 
die Gen. avöpüv, Sdarrupövov, elöwiwv, xalxod, Bıöroro Lebens- 
mittel, 8avaroro (wovon die Zähne der Scylla erfüllt sind), 
neben Eprieros (Evinderos) die Gen. xvions xal aluaros, tüv, olvou, 
Piszoro, xuvoparorewv. Neben ‘voll’ steht “reich”: apveıds (Bıdroro, 
xpuooio). An ‘voll’ schliesse ich sogleich ‘leer’. Es sind bei 
Homer (wo xevd; mit Gen. noch nicht vorliegt): zövıs beraubt, 
verlustig in &< p uiwv nollav te xal dodAmv eövıv Ednxev X 44. 
(Dazu das Subst. ynpn: ynpn sed Zoopaı Z 408. An “leer 
schliesst sich Asios glatt, eben, in Acios rerpdwv & 443 ‘eben an 

Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm. Sprachen. I. 23 


354 Kap. VII. II. Der Genitiv bei Adjektiven. [$ 173. 


Felsen’, d. h. felsenleer, ein Fall, an welchem man fühlt, wie 
sich der Gen. bei den sog. relativen Adjektiven entwickelt hat. 
Bei folgenden Adjektiven ist es besonders deutlich, dass sie 
ihre Konstruktion von den verwandten Verben bezogen haben: 
&rıstests bis zum Rande voll (oivoro), pkynpwv eingedenk (Yoprou 
d 163), &riindos vergessen machend in xaxav ErlAndov Aravrwy 
ö 221, &ros unersättlich (roAdporo, päyns, 80Awv), dxöprtos dass. 
(0dou, pays u. ähnl.), Eupopos theilhaftig (Tıe7js $ 480), wo- 
nach sich jedenfalls dypopos untheilhaftig gerichtet hat (otn 
d Apmopos &orı Aoerpwv xeavoio 3 489, e 275), auch Zrußolos 
theilhaftig, habhaft (od yap wrds IrthBoAos 0dd Zperdov ylvapaı 
ß 319) gehört hierher, wenn auch ein genau entsprechendes 
Verbum nicht vorhanden zu sein scheint. Auch döanpkwv un- 
kundig (payrs, rirySwv. kann hierher gezogen werden, insofern 
als &röaoxonaı ja auch mit dem Gen. vorkommt. Aus der nach- 
homerischen Sprache erwähne ich noch xaprepöv elvar verfügen 
über : xaprepöv zivar tWv xprpatwv Täs datstos Gortyn 4, 25. An 
diese Verbindungen schliessen sich dann etwas freiere an, wie 
Axumvos oltoro, rosıog xal Löntuos, Aortos (Arastos) Löntuos 768 
ROTNTOS, AXTHWmv Xpuaoio, Tod AAlou Areins von der Bezahlung 
des Übrigen frei CIA. 1, 40 u. ähnl., bei denen man von einem 
Gen. der Relation spricht. Undeutlich ist mir der Gen. bei 
Atos (Boos, odö &vos — nämlich "Extopos —, roAdos, dodis). 
Lateinisch. Alt ist die Verbindung mit dem Gen. jeden- 
falls bei p»lenus, wohl auch bei memor und vielleicht noch bei 
einigen anderen. An diese schlossen sich dann Adj. verwandten 
Sinnes, z. B. an plenus : opulentus, dives, satur, benignus, lo- 
cuples, onustus (Schmalz 2 $ 72), oder entgegengesetzten Sinnes, 
so inanıs, vacuus, pauper, egenus, indigus, sterilis. So konnte 
sich die Vorstellung ausbilden, dass der Sinn eines Adj. durch 
ein ım Gen. stehendes Subst. näher bestimmt werden könne, 
und Verbindungen wie audar ingenü, ferox scelerum entstehen 
(vgl. das über das Germanische Bemerkte. Germanisch. 
Alt ist der Genitiv bei voll, z. B. got. ahmins veihrs fulls des 
heiligen Geistes voll u.s. w. (Grimm 4, 729), dazu reich und ver- 
wandte Begriffe, z. B. mhd. ein ellens richer man, landes unde 








$ 173.) Kap. VIII. II. Der Genitiv bei Adjektiven. 355 


lute gröziu frouwe u. ähnl. Hieran schliessen sich die Ad- 
jektiva, welche ‘leer’ und ähnl. bedeuten, also baar, frei u.s. w., 
ı.B. mhd. vroüden bar, got. frija ist bis vilodis &\eudepa Lorlv 
ärö tod vonou Röm. 7, 3 (Grimm 4, 731). Ebendahin auch ‘be- 
dürftig’, z. B. got. barbans leikinassaus ypelav Eyovras Bepanelas 
Luk. 9, 11. Auf derselben Stufe wie ‘voll’ stehen mhd. ge- 
waltec, vrö, sat (Grimm 4, 732), insofern als auch sie ihre Kon- 
struktion von den betr. Verben bezogen zu haben scheinen. 
Eine besondere Stellung nimmt ‘schuldig’ ein. Das got. skula 
ist, wie Grimm 4, 733 bemerkt, ursprünglich ein schwaches Sub- 
stantivum, der Gen. also (z. B. daubaus des Todes) adnominal 
und zwar ein objektiver Gen. Wie der Gen. bei got. vaırps 
würdig zu erklären ist (s. Grimm ebenda), weiss ich nicht. 
Im Anschluss an diese überlieferten Konstruktionen hat sich 
die freie Verbindung von Gen. und Adj. entwickelt, von wel- 
cher die Sammlungen bei Grimm 4, 729 ff. eine Vorstellung 
geben. Es tritt dabei namentlich der Gedanke der Ursache 
und der der Beziehung hervor. Das Nomen erscheint als Ur- 
sache des in dem Adj. ausgedrückten Zustandes in Verbin- 
dungen wie: mhd. ir ros diu wären schane, ir gereite goldes 
rot, er sach in bluotes röten, ferner bluotes naz, louwes naz 
u.ähnl. Es scheint mir nicht zweifelhaft, dass sich diese Wen- 
dungen zunächst an ‘voll’ mit dem Gen. angeschlossen haben. 
Wie touwes naz bildet man dann auch Jasters sieche u. ähnl. 
Dagegen bezeichnet das Nomen den Punkt, in bezug auf wel- 
chen das Adjektivum gelten soll, in Wendungen wie: mhd. 
gra des häres grau von Haar, was des libes also kranc, helfe 
balt rasch mit der Hilfe, ahd. muotes blinde mente coecatıi. 
Vermuthlich haben auch diese Wendungen sich zunächst an 
voll’ angelehnt. Denn Aäres grä ist ursprünglich ebenso ge- 
dacht wie bluotes röt. Aus diesem Gebrauch dürfte sich dann 
die Verwendung des Gen. als Gen. der Beziehung auch bei 
Substantiven erklären, z. B. mhd. er war des muotes gar ein 
man, der des libes was ein degen u. ähnl. Besonders zu er- 
wähnen sind die Gen. bei alt, lang, breit u. ähnl., so schon 
got. ba framaldra dage seinaize vesun Ayumdrepoı rpoßeßrxöres &v 
23* 


356 Kap. VIH. II. Der Genitiv von Zeitbegriffen. '$ 173—174. 


tais huspaıs adrav Luk. 1, 7, mhd. der järe unmäzen alt, zweio 
elnon lang (danach auch bei Adverbien, z. B. mhd. der sne lit 
fuozes tiefe Grimm 14, 759) u. ähnl. Ich weiss nicht recht, ob 
diese Gen. ebenso wie die vorhergenannten zu erklären sind. 
Litauisch und Slavisch. Wie in den verwandten Sprachen 
zeigt sich der Gen. bei ‘voll’, z. B. lit. öieras pilnas vandens ein 
Teich voll Wasser, serb. srce puno jada das Herz voll von 
Kummer (Schleicher 273, Miklosich 4, 452, 507). Daran schliesse 
ich ‘leer’, z. B. lit.&zeras tüszczas vandefis (nach Kurschat $ 1517 ff. 
nicht üblich‘, aksl. tüst? leer, pustü leer, prostü frei, nagä frei, 
sırü beraubt (vgl. yrpr) und einige andere, z. B. pustü trojego 
predüstrojenija Epnpos Tis ons npovolas, Cistü gneva rein von Zorn. 
Hinsichtlich der Adj. eingedenk, kundig, gewohnt, achtend, 
fürchtend, werth, begehrend im Litauischen gilt das bei Ge- 
legenheit des Lateinischen Bemerkte. Aus dem Slavischen 
führe ich noch die serbischen Adjektiva an, welche Danicic 97 
beibringt. Es sind {ausser ‘voll’ und ‘leer’): sit satt, gladan 
hungrig (z. B. mesa nach Fleisch), Zedar» durstig (z. B. vode 
nach Wasser). Ferner erscheint auch ım Slavischen der Gen. 
bei ‘würdig’, z. B. aksl. dostojinä bo jestü delatelji mizdy spoJeje 
aktos yap 6 Epyarns TYs Tpopnis abtou &oriv Matth. 10, 10; serb. 
dostojan, vredan, vrstan. Bei dostoyinü erscheint auch der Datıv, 
vgl. $ 139. 

$ 174. Der Genitiv von Zeitbegriffen. 

Ein Genitiv von Zeitbegriffen ist vermuthlich anzuerkennen 
ım Arischen, sicher im Griechischen, Germanischen, Slavischen. 
Ob dieser Typus uralt ist, lässt sich mit Entschiedenheit weder 
behaupten noch bestreiten. Ist er uralt, so hindert nichts, ihn 
aus der Grundanschauung des Genitivs zu erklären. Denn es 
kann sich ein solcher Gen. zu dem Akk. temporis ebenso ver- 
halten, wie der adverbale Gen. zu dem adverbalen Akk. Ist der 
Typus nicht uralt, so könnte er zwar ebenfalls aus Anlehnung an 
andere Genitive, also mittelbar als Ausfluss der Grundbedeu- 
tung des Genitivs erklärt werden. Es wäre aber auch mög- 
lich, anzunehmen, dass er sich erst aus Wendungen wie ai. 
sakft, dvih mit ühnah, samvatsaräsya einmal, zweimal am Tage, 








$ 174] Kap. VOII. IL. Der Genitiv von Zeitbegriffen. 357 


im Jahre, losgelöst hätte. Man wird vielleicht sicherer ur- 
theilen, wenn man sich über das Auftreten der Erscheinung in 
den arischen Sprachen verständigt haben wird. 

Hinsichtlich des Altıindischen habe ıch SF. 5, 163 im 
Einverständnis mit der allgemeinen Meinung (wie ich glaube) 
angenommen, dass die Gen. aktös, k$apas, k$apas durch “bei 
Nacht’, vastös und ugdsas durch ‘am Morgen’ zu übersetzen seien. 
Jetzt bestreitet Bartholomae, BB. 15, 200, das Vorkommen eines 
Genitivus temporis im Veda. Er scheint hinsichtlich der meisten 
Stellen Recht zu haben, doch möchte ich betrefls vdstos die 
Meinung anderer abwarten. Im Avesta hat man bisher eben- 
falls Gen. der Zeit angenommen, z. B. airhä kSapd yt.1, 18. 
Griechisch. Ein Genitiv der Zeit erscheint 1) adverbial, 
also ohne Hinzufügung einer adjektivischen Bestimmung, und 
zwar bei Homer oös morgens ® 470, 525, yeinaros, BEpeu;s zur 
Winterszeit, zur Sommerszeit n 118, örwpns zur Herbstzeit 
X 27, voxtds zur Nachtzeit v 278. Dazu vnveuflns zur Zeit der 
Windstille E 523, so auch ausserhalb Homer’s, vgl. Krüger, 
Synt. 47, 2, und roA&uw xal eipavap zu Kriegs- und Friedens- 
zeiten, eleische Inschrift, Collitz 1172 (wohl auch AAytotw unvöp 
jedesmal ım Monat A., eleisch, Collitz 1168). 2) Mit einem 
Zahlwort oder Pronomen zur Bezeichnung des Zeitraumes, 
innerhalb dessen sich etwas ereignen soll oder ereignet hat. 
Bei Homer nur: to0d adroö Auxaßavros &Aebseraı 2vdad "Jöuo- 
us & 161, T 306, öfter in der späteren Sprache (vgl. Krüger 
a.a. O.), auch inschriftlich, z. B. Aaydoaı tüv nevr’ äpepäv 
innerhalb fünf Tagen freilassen, Gortyn 1, 25 (ähnlich noch 
einmal, sonst &v rais aufpaıs, Baunack 86), tpıöv urvav lokrisch, 
Collitz 1478, rposato öxa Auepwv, attisch, Meisterhans ? 167. 
Ein Beispiel aus Plato, in dem Beziehung auf die Vergangen- 
heit stattfindet, entnehme ich Krüger: oBöels pe hpwrnxe xarvöv 
oööeyv noAlavy &tav. 3) Bei Datierungen findet sich häufig pnvöc 
absolut, z. B. böotisch MeveßwAw dpxa, peiwds Opolwulo Collitz 
383. Sollte dieser Gen. vielleicht ursprünglich von dem Tage, 
der auch genannt war, abhängig gewesen sein? (vgl. die kurz 
vorhergehenden böotischen Inschriften. 4) In distributiven 


358 Kap. VIII. Il. Der Genitiv von Zeitbegriffen. [$ 174. 


Wendungen mit oder ohne Hinzufügung von &xaoto;, so Krüger 
47,2 Anm.2 und inschriftlich, z. B. xaradızadöertw tw uev E&)eu- 
depw orarrpa, tu. dwiw dapxvav räs apfpas Fexaotas Gortyn 1, 9 
(vgl. eleisch, Collitz 1151), pexpı [terpa'xıoyeitwv peötuvov Toö 
&vıaurod &xdctou attisch, CIA. 1, 40. Vielleicht sind diese Gen. 
als ursprünglich von pv& und ähnlichen Substantiven abhängig 
zu denken, vgl. die phokische Inschrift: drorersatw Apyuptou 
&xdctov owuaros pväs Öexanevre Ta mpootavtı Collitz 1547. 
Germanisch. Im Got. kommen fast nur nahts und dagts in 
betracht (Gabelentz-Loebe 240). Gross ist der Kreis der Wörter 
auch in den anderen Dialekten nicht (vgl. für das Ahd. Erd- 
mann 2, 182). Slavisch: “Der Gen. bezeichnet die Zeit, in 
der, während der etwas geschieht. Dieser temporale Gen. ıst 
auf gewisse Zeitbestimmungen beschränkt und hat meist ein 
Adjektiv oder Pronomen bei sich” (Miklosich 4, 509). Aus dem 
Aksl. führt M. Fälle wie die folgenden an: tako lı ne vüz- 
moßete jedinogo Casa pobidelt sü münojq ourws odx loyboate wiav 
Öpav ypryopüoar per’ &uod; Matth. 26, 40 (wobei die Negation, 
so viel ich sehe, keinen Einfluss hat üben können), zJazdi sego 
leta Yays todrov röv Evıauröv (a Eorapxas), konicacht togoze leta 
mesjaca dekjabrja absolvi (codicem) eodem anno mense decembri. 
Im Serbischen (Danicic 61) findet sich dieser Gen. bei dar Tag 
und den Tagesnamen, wie z. B. subota Sonnabend, nod Nacht, 
nedelja Woche, mjesec Monat, beto Sommer, zima Winter, jesen 
Herbst, godina Jahr, vreme Zeit, vijek Lebenszeit, CasStunde, Zivot 
Tıeben und einigen wenigen anderen, z. B. prooga Marta am 
ersten März, kada do da kneza pogibose jJednog dana a Jednoga 
casa als zwei Fürsten umkamen an einem Tage und zu einer 
Stunde, one noci kad smo se rastali, dao mi je zlatan prsten 
s ruke ın jener Nacht, als wir uns trennten, gab er mir einen 
goldenen Ring von seiner Hand, bog ne plada svake subote 
Gott zahlt nicht an jedem Sonnabend, mi demo te Cesto poho- 
diti u godini svakoga mjeseca, u mjesecu svake nedjeljice wir 
werden dich oft besuchen, im Jahre jeden Monat, im Monat 
jede Woche, svega ljeta jedna repa i ta croljiva jeden Sommer 
eine Rübe und die wurmstichig, nosio ga cijeloga Zivota ich 





$ 174—175.)] Kap. VIO. U. Der Genitiv von Ortsbegriffen. 359 


trug ihn (den Ring) das ganze Leben hindurch. Russisch: 
trefjjago dnja vorgestern, segodnja heute, volksthümlich: dylo 
Tia es war am Tage des heiligen Titus (Buslajev 240). 

6175. Der Genitiv von Ortsbegriffen. 

Ein solcher liegt vor im Avestischen, Griechischen und 
Germanischen. Im Avesta erscheint er in Sätzen in sörbrahya 
oa daxyeus va in Gau oder Land y. 46, 4, aihhä zemö nidar- 
Pyqn man soll auf dieser Erde niederlegen vd. 7, 31. Dieser 
Gebrauch, der im Aı. nicht vorhanden ist, scheint nicht alt zu 
sein. Hübschmann 280 bemerkt mit Recht, dass er sich erst 
aus sonstigen Verbindungen des Genitivs losgelöst habe. Man 
kann die Loslösung an Sätzen wie die folgenden verfolgen: 


"ahe nmänahe spa va nü väü ein Hund oder Mann dieses Hauses 


(gleich: in diesem Hause) vd. 5, 39 (auch vd. 3, 3 kann abe 
nmänahe von den Subst. abhängig sein); yos henti ainhä zemö 
mazıstaca vahistaca srafsta ca welche auf Erden die grössten, 
besten und schönsten sind vd. 2, 27. Das heisst wohl eigent- 
lich: die “grössten der Erde’ und ist eine abkürzende Aus- 
drucksweise. In dem Satze: yım azem vispahe anheus astvatö 
sraestem dädaresa zwahe gayehe zwanvatö y.9, 1, welchen 
Geldner, KZ. 25, 479 übeısetzt: “welchen ich von allen irdi- 
schen Wesen in meinem langen Leben als den schönsten 
gesehen habe’, ist gayehe offenbar ebenso aufzufassen. Auch 
denke man zur Erklärung des lokalen Genitivs noch an den 
von kva abhängigen Genitiv (S. 336). Griechisch. Für 
die Erklärung weiss ich nichts Besseres beizubringen, als von 
Hentze 513 gesagt worden ist. Danach wäre in dem Satze 
vigog d 0b @alvero naons yalns obd öpdkwv P 372 und in den 
verwandten Fällen 9 108, y 251, E 96 der Gen. ın einer Art 
Abhängigkeit von der Negation zu denken, so wie er sonst 
von zoo, AAAodı und ähnlichen Adverbien abhängig ist. In 
solchen Sätzen habe sich die Vorstellung eines Gen. des Be- 
reiches ausgebildet, der sich dann emanzipiert hätte in &Ler' 
Ereıt” Obuotos &vavrlov, &v rupds adyy, Tolyou Tod &tepou b 89 
vgl. 1219, 2 598), in dem nachhomerischen 7; oßoö (Krüger, 
Di. 46, 1,3). Solche emanzipierte partitive Gen. dürften denn 





360 Kap. IX. Der Akkusativ. [$ 175176. 


cam 


auch die vielbesprochenen v60i0 und redtoro bei öLwxeıv, oedesdaı, 
Epyesdar, Beeıv, rprscewv u. 8. w. sein, welche ich früher als Fort- 
setzer des alten Instr. erklärt habe. Man erwäge namentlich 
Stellen wie: &rıstauevor neöloro xpaınvd par Evde xal Evda duw- 
xepnev 708 Qedeodar E 222, AM Zuuev pıv npwra mapekeldeiv ne- 
ötoro turddv K 344. Die Adverbia wie roö sind vielleicht nicht 
uralt. Über das Germanische wird bei den Adverbien gespro- 
chen werden. 


Kapitel IX, Der Akkusativ. 


$ 176. Über den Grundbegriff des Akkusativs ist $ 70 ge- 
handelt worden. Ich füge hier noch hinzu, was ich SF. 5, 164 
in wesentlichem Anschluss an die Schrift von Gaedicke ge- 
äussert habe. “Der Akk., welcher in der traditionellen Wort- 
stellung unmittelbar vor dem Verbum steht, tritt zu der Hand- 
lung des Verbums in diejenige Beziehung, welche durch die 
anderen Kasus nicht ausgedrückt wird. Vermöge des beson- 
deren Sınnes der Nomina und Verba fällt diese Beziehung unter 
gewisse Gesichtspunkte. So finden wir [in der Verbindung von 
Verbum und Substantivum] das Streben zu einem Ziel, also in 
dem Akk. das Ziel ausgedrückt, falls das Verbum ein Verbum 
der Bewegung ist und das Nomen ein solches, welches ge- 
eignet ist, wegen seiner materiellen Bedeutung das Ziel einer 
Bewegung auszudrücken; wir sprechen von einem Akk. des 
Inhalts, falls das Nomen nicht eine Person ist, sondern etwas, 
was als Inhalt der Handlung des Verbums aufgefasst werden 
kann; von einem Akk. des Objekts und Resultats, wenn das 
Nomen geeignet ist, als Objekt einer Handlung angesehen zu 
werden. Dabei sind die Begriffe des Zieles, des Inhaltes, des 
Objekts, der Zeitdauer u. s. w. in der Grammatik nicht weiter 
zu definieren, sondern sınd als Realitäten anzusehen, welche 
in der Anschauung der Sprechenden vorhanden sind. Man 
wird auch wohl nicht irren, wenn man annımmt, dass sie schon 


8176-177.) Kap. IX. Akkusative im Avesta. 361 


in sehr früher Zeit (wenn auch natürlich nicht in voller Klar- 
heit! empfunden wurden!), doch wird in dieser Beziehung 
stets eine Schwierigkeit übrig bleiben. Man weiss nicht, in 
wie weit man Gefahr läuft, unsere Anschauungen auf das 
Alterhum zu übertragen. Auch in der Abgrenzung der ein- 
selnen Anschauungskreise bleibt eine Schwierigkeit. Denn man 
darf nicht vergessen, dass die Begriffe Ziel, Objekt u. s. w. wie 
Inseln im Meere als Krystallisationspunkte auftauchen und dass 
Wendungen übrig bleiben, welche zu dem einen oder dem 
anderen Kreise gerechnet oder überhaupt nicht sicher unter- 
gebracht werden können. Ja, bei schärferem Nachdenken 
kommt man natürlich immer wieder zu der Erkenntnis, dass 
in der Sprache selbst nichts gegeben ist als der Verbalbegriff 
und der Nominalbegriff und dass eine Eintheilung des Stoffes 
zwar unvermeidlich, eine jede aber nicht frei von Willkür ist.” 
Die gewählte Eintheilung ergiebt sich aus folgender Übersicht: 

6178. Akkusativ der Richtung. 

$179. Akk. des Inhalts. 

$ 180. Anhang. Akk. bei Verben des Seins? 

$ 181. Akk. der Zeiterstreckung. 

$ 182. Akk. der Raumerstreckung. 

$ 183. Akk. des Objekts und Resultats bei transitiven und 
intransitiven Verben. 

$ 184. Zwei Akkusative bei einem Verbum. 

$ 185. Akk. bei verbalen Nominibus. 

$ 186. Akk. der Beziehung. 


Der Akk. bei Wörtern des Ausrufs (lat. en u. s. w.) wird 
bei der Ellipse zur Erwähnung kommen. 


$ 177. Ehe ich in’s Einzelne gehe, habe ich noch, etwas 
über Akkusative im Avesta vorauszuschicken. Die erste 
Bemerkung bezieht sich auf das Verhältnis von Akkusativ und 
Nominativ. Spiegel, Gramm.409ff., hateineReihe von Belegen zu- 
sammengestellt, aus denen hervorgeht, dass im jüngeren Avesta 
Nom. und Akk. nicht mehr gehörig auseinandergehalten werden. 





I) So zu lesen. 





362 Kap. IX. Akkusative im Avesta. [$ 177. 


Wenn auch unter den von ihm angeführten Stellen eine 
Anzahl von verderbten sein mögen, so dürften doch auch solche 
übrig bleiben, ın denen eine sprachliche Thatsache vorliegt. 
Dieselbe ist so jungen Datums, dass sie im Folgenden unbe- 
rücksichtigt bleiben konnte. Sodann handelt es sich um ge- 
wisse Besonderheiten des avestischen Sprachgebrauchs, für welche 
sich ın der folgenden Darstellung kein Platz gefunden hat. 

a) An mehreren Stellen findet sich unzweifelhaft ein sog. 
Akk. des Zustandes: yez# Jum frapayemi wenn ich lebend ge- 
lange yt. 5, 63; mosu tab as norb daregem yah Frayatayap 
bwarsemnö aoi zqm ahuradätgqm aoi nmänem yim zwatparbtm 
drum avantem airıstem hamapa yapa paraciß bald war es, nicht 
lange, dass er im raschen Laufe gelangte zur gottgeschaffenen 
Erde, zum eigenen Hause, gesund, unverwundet, wohlbehalten, 
ganz so wie vorher yt. 5, 65. Mir scheint, dass diese Akk. 
sich an Adverbia wie ‘rasch, gut’ u. s. w. anschliessen. Von 
hier aus ist dann ein kleiner Schritt zu dem gleichen Ge- 
brauche eines aktiven Partizips: ya) aete yot mazdayasna päada 
ayantem va tacınlem va baremnem va vazemnem vä lacı apaya 
nasaum frajasaın wenn die Anhänger des Mazdaglaubens zu 
Fuss gehend oder laufend oder reitend oder fahrend auf einen 
Leichnam im Wasser stossen vd. 6, 26. Der Sing. ist gerecht- 
fertigt, weil jeder der Gläubigen einzeln vorgestellt wird. b) 
Eine Ellipse des Verbums scheint in folgender Stelle vor- 
zuliegen: aßravanem bisajyah dahmayap paro afrıtor.), nmänahe 
nmänöpattim bisayyap niltemem staorem arej6 einen Priester 
heile er für einen frommen Segensspruch. Einen Hausherrn 
heile er, einen geringen Ochsen als Preis (sc. nehme er) vd. 7, 41. 
c) Ein Nominativ scheint vorzuliegen: :da :ristahe tanıum 
avahısla anafsem mano anatsem vaco anatsem Syaobnem jetzt 
bın ich getroffen () auf den Leib eines Toten ohne Mitwirkung 
von Sınn, Wort, That vd. 8, 100, eigentlich: nicht wollend, 
machtlos der Sinn u. s. w. d) Unklar ist mir särem auf dem 
Haupte yt. 5, 77. 

Nunmehr komme ich zur Darstellung des indogermanisch en 
Akkusativs. | 





$ 178.) Kap. IX. Der Akkusativ der Richtung. 363 


$ 178. Der Akkusativ der Richtung. 

Arisch. Im Altindischen kommen, wie SF. 5, 166ff. ge- 
zeigt worden ist, von intransitiven hauptsächlich die Verba gam 
und ; (dieses weit seltener), von transitiven »2 in betracht. Im Ak- 
kusativ erscheinen Personen, z. B. Yärunam, Agnim, Örtlich - 
keiten, z. B. divam in den Himmel, samudram ın das Meer, 
yrhan ın das Haus, mukham ın den Mund, udaram in den Bauch, 
dam in eine Gegend u. ähnl., Vorgänge und Thätig- 
keiten, z. B. yaykam zum Opfer, häufig auch Zustände, 
2. B. jarimanam zum Alter (gelangen), $rävas zu Ruhm, amr- 
tatoam zur Unsterblichkeit u. ähnl. Ausser gam und + sind zu 
nennen ya gehen, pat fliegen, sarp kriechen, kram schreiten, 
ray gehen, sar eilen. Ein Beleg für den Akk. bei r: führen 
ist: fav ubhav adhamam tdmo nayati er führt sie beide in die 
tiefste Finsternis TS. Ebenso im Av. bei jas: ya dim jasatti 
welche zu ihm kommt vsp. 7, 3; ma jasöi) ütarem mü apem 
ma zqm mä gqm ma urvarqam mä narem asavanem mä näirikqm 
asaonim er soll nicht nahen dem Feuer, nicht dem Wasser, 
nicht der Erde, nicht der Kuh, nicht einer Pflanze, nicht einem 
frommen Manne, nicht einer frommen Frau vd. 9, 33; yap 
nätrıka upaspuprim jasah wenn ein Weib schwanger wird vd. 
5,45. Bei : ohne Präpositionen habe ich den blossen Akk. 
nicht gefunden. (An den von Hübschmann und Spiegel an- 
geführten Stellen ist die Einwirkung von paiti auf den Akk. 
möglich. Von den übrigen Verben der Bewegung (Spiegel 
417—418) führe ich beispielshalber an: #906 Pwazsente mourum 
die Wasser eilen nach Mouru yt. 10, 14. Ein Beleg für ni: 
tem va ahum datna natsap zu diesem Leben wird euch der 
Glaube leiten y. 31,20. Aus dem Ap. erwähne ich noch :$: 
avam adam fräiSayam Arminam jenen schickte ich nach Ar- 
menien (Spiegel 417). — Ein Akk. der Richtung erscheint im 
Ai. und Av. häufig bei den Verben ‘sitzen (sich setzen), stehen 
‘ (sich stellen), wenn diese mit Präp. verbunden sind, welche 
eine Bewegung nach etwas hin ausdrücken, aber gelegentlich 
auch ohne solche Präp., z. B. barhih sidantu sie sollen sich 
auf die Opferstreu setzen RV. 1, 13, 9; gatum he nishidagtu 





364 Kap. IX. Der Akkusativ der Richtung. [$ 178, 


sie möge sich auf ihren Platz wegsetzen vd. 16, 8. Für sia 
führt Spiegel die öfter (s. Justi unter maidhya) vorkommende 
Wendung an: yö histaste maidim zrayanhö welcher in der Mitte 
des Sees steht, und fügt zur Erklärung hinzu: eigentlich hin 
zur Mitte. Griechisch. Bei Homer findet sich derselbe Zu- 
stand wie ım Arischen (vgl. LaRoche, Akkusativ bei Homer 92 ff.). 
Von Verben kommen hauptsächlich in betracht ixveopaı, ixavo, 
{xo. Im Akkusativ erscheinen Personen, z. B. Apntmv, TnAe- 
wayov, Aldlonas, pntipa, pynotüpac u. ähnl., Örtlichkeiten z. B. 
"Apyos, Tpotnv, OAuprov, oöpavdv, YMv, nrolledpov, vijoov, Swpara, xAı- 
olyv, yobvara, ypda u.ähnl. Dahin kann man auch Ausdrücke 
wie äpy’ dvöpwrwv rechnen. Mit dem ai. antam gachati er gelangt 
zum Ende lässt sich vergleichen ra velara reipad’ fxnaı 8478 und 
öXEdpov relpara T 429. (Der Akk. nda bei ix&odaı war wohl ur- 
sprünglich persönlich gedacht.) Selten sind Zustände, wie 
7Bnv, yrpas. Seltner als ixveonar, Ixw, ixavo sind dw, öbo- 
nat, öbvw, ferner Epyonar, eipı, Balvo, veonar. Ein Beispiel für 
äyw ist: xrnpara 8 Boa Aydumv 2E Apyeos Auetepov 5 H 363. 
Die Prosa scheint sich dieses Akkusativs durchaus entschlagen 
zu haben. Am frühesten möchte der Akk. persönlicher Be- 
griffe verschwunden sein. Lateinisch. Neben Verben der 
Bewegung in der Sprache des Volkes und bei Dichtern bei 
mehreren Ortsbegriffen, z.B. rostra advolat bei Cic.ad Att., deve- 
nere locos bei Virgil (Schmalz? $ 54), in der klassischen Sprache 
nur noch bei Namen von Städten und Inseln (kaum von Län- 
dern) und in domum, domos, rus. Der Grund der Beschränkung 
ıst derselbe wie bei dem Ablatıv, $ 82. Akkusative des Zieles 
sind auch venum in venum ıre und dare, pessum ın pessum abıre 
und dare und infitias in infittas ire, was wohl ursprünglich heisst: 
‘sich aufs Leugnen legen. Aus dem Germanischen (vgl. 
Dietrich, Haupt’s Ztschr. 13, 128) lässt sich ausser heim in heim 
gehen u. s. w., das aber nicht mehr als Akk. empfunden wird, 
einiges aus dem Altnordischen und Angelsächsischen beibringen, ' 
nämlich altn. bei fara: seing foru sidan sina bau Högni zu 
Bett gingen sie darauf, sie und Högni Atlın. 10, und bei sfiga 
mit /and an’s Land steigen H. Hi. 26 und ded Sıg. III, 65; age. 


$ 178—179.] Kap. IX. Die Akkusativ des Inhalts. 365 





ebenfalls gestigan mit dem Akk. rüste Lager (Genesis), ferner 
bei bügan: selerüste gebeah neigte sich auf das Lager im Saale 
Beov. 691 (vgl. 1242), endlich bei gefeallan: meregrund gefeöll 
fiel zum Meeresgrund hinab 2101, eordan zur Erde 2335. Im 
Litauischen ist dieser Akkusativ nicht, im Slavischen kaum 
(vgl. Miklosich 4, 391) nachgewiesen. 

8179. Akkusativ des Inhaltes. 

Vgl. SF. 5, 168 f., Hübschmann 196, Spiegel 415, La 
Roche 25 ff., Draeger 1, 356, Grimm 4, 645 ff., Erdmann 2, 75 ff., 
Schleicher 263, Kurschat 376, Miklosich 4, 385 ff. 

Wenn der Akk. des Inhalts da stehen soll, wo ein Sub- 
stantivum den gleichen Bedeutungsinhalt hat, wie das Verbum, 
von dem es abhängig ist, so kann das betreffende Substan- 
tivum natürlich nur ein Handlungsname (nomen actionis) sein. 
Nun ist aber nichts häufiger, als dass ein Handlungsname in 
einen Dingnamen übergeht (z. B. nhd. Schonung), und damit 
wird denn auch das Verhältnis zwischen dem Verbum und 
dem Akkusativ, (oder, wie wir gewöhnlich sagen, die Art des 
Akkusativs) verändert. Ai. vitti z. B. heisst eigentlich Findung, 
also vittim vindate er findet sich Findung. Sobald aber vitti 
die konkrete Bedeutung ‘Besitz’ erhalten hat, so dass man 
sich darunter Land, Vieh u. s. w. vorstellt, so heisst es, “er 
findet sich Land’ u. s. w., und wir nennen den Kasus Akku- 
satıv des Objekts. Wenn man in der Wendung dööy Epyesdaı 
unter ööd6s die Handlung des Gehens versteht, so liegt ein 
Akkusativ des Inhalts vor, wenn man aber den Weg als ein 
von der Handlung abgesondertes Stück des Raumes vorstellt, 
der Akkusativ der Raumerstreckung. Besonders häufig ist der 
Akkusativ des Resultates, über den ausführlich Erdmann ge- 
handelt hat. Ein Beispiel aus dem von Erdmann nicht be- 
handelten Gebiet ist av. y6 narem frazäbaodarhem snabem 
Jeinti wer einem Manne einen tödlichen Schlag schlägt vd. 4, 40, 
verglichen mit der homerischen Wendung: äydopa: Eixos 8 pe 
Bporös oörasev dvnp E 361 u.ähnl. “Einen Schlag schlagen’ ist 
noch Akk. des Inhalts, aber “eine Wunde schlagen’ schon Akk. 
des Resultates. In teuevos taueiv, welches La Roche 29 unter 


366 Kap. IX. Der Akkusativ des Inhalte. [$ 179. 


den Akkusativen des Inhalts aufzählt, kann ich nur mehr 
einen Akk. des Resultates erblicken. 


Diese Eintheilungen sind, wie man sieht, zu flüssig, um 
einen Eintheilungsgrund zu gewähren. Dagegen lässt sich ein 
solcher hernehmen von dem begrifflichen Abstand, der zwischen 
dem Verbum und dem Substantivum obwaltet. Es können 
nämlich 1) das Verbum und das Subst. gleichstämmig sein, 
2) sie können gleicher oder ähnlicher Bedeutung, aber ver- 
schiedenen Stammes sein, 3) es kann das Subst. nur eine be- 
sonders hervortretende Erscheinungsform der Handlung be- 
zeichnen, z. B. rüp öedopxu;s. Hiernach bringe ich den Akk. 
des Inhalts zur Darstellung'). 


1. Das Verbum und das Substantivum sind von gleichem 
Stamme. 

Arisch. Im Altind. häufig, auch ohne dass das Subst. 
ein Beiwort hätte, z. B. aus dem Veda: tapas tapyate er büsst 
Busse, mimäti mäyum blökt ein Blöken, yamam yäti geht einen 
Gang; aus der Prosa: vignukraman kramate er schreitet Vishnu- 
schritte, kämän kämayatö wünscht Wünsche, äfıifam a $Säste 
bittet ein Bittgebet, ayım ajante sie machen einen Wettlauf 
u.a. m. Aus dem Avesta: aöte magsma ma$zayanta diese sollen 
Harn harnen vd. 8, 13, poiryaqm gerezqm gerezatta sie soll die 
erste Klage erheben yt. 17, 57; avajastim paurvgm apo Jaidyors 
du sollst von den Wassern die erste Bitte bitten y. 65, 10; 
yabcip hvastem anhayeiti auch wenn er einen guten Wurf thut 
yt. 10, 21; yö narem ügereptem ägeurvayeiti wer gegen einen 


1) Spiegel 415 betrachtet als Akk. des Inhalts auch die ap. Wen- 
dungen: ubartam abaram ich habe ihn wohl geschützt, ufrastam aparsam 
ich habe ihn strenge bestraft, während Hübschmann 291 Anm., die Parti- 
zipia als Akk. m. auffasst, und also übersetzt: “ich bestrafte ihn als einen 
sehr bestraften”. Für diese Auffassung spricht äap yo nü hik huberetä barap 
aber wer sie als wohlgepflegte (Akk. plur. £f.) pflegt yt. 13, 18. An zwei 
anderen Stellen aber finden wir das Part. im Akk. sing. f. neben Akk. plur. 
f. und Akk. sing. m., nämlich: yö nö huberetqm bara5 der uns sorgsam 
pflege yt. 15, 40; yö vohuberetqm baraite mißrem wer Mitra wohl pflegt 
yt. 13,18. Wie diese Bildung, die offenbar adverbialen Chrarakter trägt, 
entstanden ist, weiss ich nicht zu sagen. 





6179.) Kap. IX. Der Akkusativ des Inhalts. 367 


Mann eine Bedrohung verübt vd. 4, 21. Griechisch. Bei 
Homer finden sich payry paysodar, moAsuov rolelleıv, velxen 
veneiv, Ameılas Anerleiv, BouAds BouAsderv, dyopas dyopsdew, datta 
dawuvar, yohv yelodaı, Eros eineiv, uödov nußeiohu:, voov voelv, 
föpoa töpwoaı und noch eine und die andere zweifelhaftere Wen- 
dung. Bei manchen findet sich kein Epitheton, z. B. bei payr 
in payry payeodar, bei manchen steht es immer, z. B. bei Eros 
in Erog einetv, andere Subst. kommen mit einem Epitheton oder 
ohne ein solches vor, was man alles bequem bei La Roche 
übersieht. Es ist klar, dass die verständige Prosa die Hinzu- 
fügung eines Beiwortes begünstigen, ja fordern wird. Aus dem 
Lateinischen lässt sich anführen: vifam vivere bei Ennius, 
serritulem servire, somnium somntare, ludum ludere bei Plautus, 
nozam nocuerunt in einer Fetialformel. Über das Attribut, 
welches in der späteren Sprache nur unter gewissen Voraus- 
setzungen fehlen kann, vgl. Schmalz ? $55 Anm. Germa- 
nisch. Im Got. scheint dieser Akk. nicht vorzuliegen, dagegen 
führt Grimm einige Belege aus anderen Dialekten an, z.B. mhd. 
rät raten, singe ich minen sanc, springen manigen sprunc, altn. 
fell hann mikit fall er fiel einen grossen Fall Gunnl. 19. Bal- 
tisch-Slavisch. Aus dem Litauischen (vgl. Kurschat $ 1386, 
Bezzenberger, ZGLS. 239 Anm.): vargüzi vafgti ein Elend 
leben, dainele dainüti eine Daina singen, sufky m&gq möegöti 
einen schweren Schlaf schlafen. Aus dem Slavischen berück- 
sichtige ich nur das Serb. und Russ., da die aksl. Wendungen, 
wie Miklosich bemerkt, vielleicht das Griechische nachahmen. 
Serb. da zajedno vijek vjekujemo wir wollen zusammen das 
Leben durchleben; voysku vojevati einen Krieg führen; igru 
igrati ein Spiel spielen; Zov loviti eine Jagd jagen; russ. gore 
gorevali Elend durchmachen; dludü bluditi Hurerei treiben ; 
veru verovali einen Glauben glauben; serb. dan daniti einen 
Tag zubringen; nod nociti eine Nacht nächtigen; Zyeto lyetovati 
den Sommer zubringen; zimu zimovati den Winter zubringen. 
Neben dem Substantivum kann auch ein Adjektivum erscheinen, 
2. B. serb. ? ovu du prezimiti zimu und ich werde diesen Winter 
überwintern, tu su tamnu nodu prenodili da haben sie die 





368 Kap. IX. Der Akkusativ des Inhalts. 8 179. 


finstere Nacht zugebracht. Doch scheint die Setzung eines 
Adj. im Serbischen nicht beliebt zu sein. (1. Tim. 2, 2 wo iva 
Apspov xal Youyıov Biov Sıaywpev übersetzt ist durch: da tihi ı mırn 
Zioot pozivimo könnte tt und mirni auch Nom. plur. sein). 
Russ. dumu dumali krepkuju sie dachten einen starken Gedanken. 

2. Das Verbum und das Subst. sind von verschiedenem 
Stamm aber gleicher Bedeutung. 

Arısch. Im Altindischen überwiegen die Verba, welche 
‘gehen’ und ‘siegen’ bedeuten, z. B. pdntham eti er geht einen 
Weg, dutyam yatı er geht einen Botengang, Ayım Eti er läuft 
einen Wettlauf, vartanım caratı er geht einen Rundgang, (da- 
nach vralam carati er begeht ein Gelübde, fastet), adhranam 
dhävati er läuft einen Weg, samgramam Jayalı er siegt eine 
Schlacht. Dazu sattram äste er hält eine Sitzung ab, und das 
vereinzelte vedische: pähl nah $arma viravat schütze uns reichen 
Schutz. — Aus dem Avesta: yo narem frazübaodanhem snapem 
jJainti wer einem Manne einen tödlichen Schlag schlägt vd. 
4, 40, äbrava paoirim aptü pabä frayantu die Priester sollen 
zuerst diese Wege wandeln vd. 8,19 (vgl. yt. 10, 38). Griechisch. 
Bei Homer spielt ebenfalls der Akk. bei ‘gehen’ eine Rolle, z. B. 
6ö6v &AdEuevar A 151 (vgl. das Weitere bei La Roche 31). Mit 
dem ai. dütyam ya einen Botengang gehen vergleicht sich &feotrv 
&Adovrı 2 235 und ray Evex &kesinv noAAnv 6ö0v TAdev "Üduogsd; 
% 20 (wobei von den zwei Akk. 2feoinv dem Verbum am näch- 
sten steht). Auch ayysAizv oiyvesxe O 640 gehört hierher, wenn 
man, wie ich annehme, so mit Zenodot zu lesen hat. (Da- 
neben besteht ayysAtns Bote, welches aus ayyeAin Botschaft so 
entstanden ist, wie veavia;s aus veavla u. 8. w., vgl. S. 111). 
Dazu kommen ferner aroAwis xaxdv opov, AAysa roAld woyt- 
oas, zÜÖnsda yAuxdv Ünvov, weis ayadöov Biov, ellarivnv dai- 
vovro und einige ähnliche Wendungen. An vixrv vıxav dürfte 
sich angeschlossen haben das in attischen Inschriften vorkom- 
mende otös dvixwy dvöpas diese siegten im Männerkampf, denn 
otde Evixwv aAvöpas rayxpartıov heisst doch wohl: diese siegten 
im Männerkampf im Pankration. Den Genitiv dvöpwv, raldwv 
u. 8. w. möchte ich durch Ellipse erklären (die Stellen bei 





$ 179. Kap. IX. Der Akkusativ des Inhalts. 369 


Meisterhans ? 168). Besondere Erwähnung verdienen noch 
dpxov Öpvusdar und dpxıa Tauveıv. Bei öpvuodar oder öpvuvaı 
findet sich neyav Spxov u. ähnl., danach das Adj. neutr. Erlopxov 
etwag gegen einen Eid Laufendes, einen Meineid. Die Wen- 
dungen öuoosov daatov Ituyös Odwp = 271, vwlrepov A&yos adrWv 
xovpfdtov, TO iv odx dv Ey rote ui Öpdonım 0 39, yarhoxov 
elwoolyarov duvodı W 585 sind wohl so aufzufassen, dass man 
eigentlich sagen wollte ‘schwören einen Schwur des Styx’ u.s.w. 
und dann abkürzend den Akk. des bezeichnenden Subst. statt 
öpxov mit dem Gen. setzte. Sonach sind auch die Akk. der 
Götter, bei denen man schwört, als spezialisierte Akk. des In- 
halts aufzufassen (vgl. La Roche 36). Andererseits in öpxıa 
zeuverv ist das Verbum spezialisiert; man wollte sagen: einen 
Eid unter Opferung von Opferthieren schwören.- Aus dem 
Lateinischen gehören hierher Wendungen wie garrıre nugas, 
oivere aelatem bei Plautus, occumbere letum bei Ennius. Ger- 
manisch. Es gehören hierher die Fälle, welche Paul, mhd. Gr. 95 
beibringt, z. B. gerichte sitzen Gerichtssitzung halten, die fürsten 
sözen ander kür die Fürsten hielten eine Sitzung zu neuer 
Wahl. Als Weiterbildungen nach diesem Typus betrachte ich 
auch die von Paul $ 245 angeführten Akk. bei Verben der 
Bewegung, wie der vuor wazzer unde wege, d.h. so viel als: 
er fuhr auf Strömen und Wegen. Sodann sind hier zu er- 
wähnen die grosse Masse von Verbindungen von Verben all- 
gemeiner Bedeutung wie tun, wirken u. 8. w. mit Akk. von 
Subst., welche eine Thätigkeit ausdrücken, z. B. ahd. reda tuon 
gleich redinon (Erdmann 2, 78ff.). Diese Ausdrucksweise ist 
gewiss alt (vgl. auch Böhtlingk-Roth unter kar), aber ihre grosse 
Ausdehnung dürfte daher stammen, dass die Verba dieser Art 
inhaltsreichere Verba verdrängt haben. Baltisch-Slavisch. 
Im Lit. @szaras verkti Thränen weinen, eımi gera kela eo 
bonam viam (bei Bezzenberger), im Slavischen scheinen diese 
Wendungen nicht häufig zu sein (vgl. Miklosich 4, 385), z. B. serb. 
ipo tom su vreme Zivovali und darauf verlebten sie die Zeit. 
Zu dem Akk. des Inhalts sind auch mancherlei vereinzelte 
Wendungen des Ai. zu rechnen, die ich SF. 5, 177 angeführt 


Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm,. Sprachen. I. 24 


370 Kap. IX. Der Akkusativ bei Verben des Seins? [$ 179—180. 


habe, z. B. gam divyadhvam spielt unter einander um eine 
Kuh SB. ‘Kuh’ ist so zu sagen ein Spezialfall des Begriffes 
“Spiel”. 

3) Der Akk. bezeichnet nur eine besonders hervortretende 
Erscheinungeform der Handlung. 

Ich rechne dahin aus dem Altindischen gArtam arsalı 
(das Wasser) strömt Butter, einen Butterstrom, bha röcutz (das 
Feuer) leuchtet Glanz, madhu pavatö (der Soma) strömt Honig 
u. ähnl., Wendungen, die nur ım Veda belegt sind. Aus dem 
Griechischen gehören hierher röp dydaiyoto: ösöopxws 7 446, 
Eevda yevos rvelovres dodoracav y 203 u. ähnl. (vgl. auch das 
über den Akk. bei dÖpvopı Giesagte). 

6180. Anhang: Akkusativ bei Verben des Seins? 

Wiederholt ist behauptet worden, dass ursprünglich auch 
mit seın ein Akkusativ habe verbunden werden können. So 
äussert sich Curtius, Erläuterungen ? 169 folgendermassen: 
“Schoemann und Haase [an vorher angeführten Stellen] heben 
mit Recht hervor, dass auch das Verbum substantivum den 
Begriff eines inneren Objekts sehr wohl zulässt, dass mithin 
auch die freieren und zum theil ganz adverbialen Akkusative 
wie dxhv Ecav ganz ebenso zu fassen sind; axıhv &oav heisst 
eigentlich sie waren Ruhe, d. h. sie waren ein ruhiges Sein, 
in demselben Sinne, wie man sagen kann sie gingen einen 
ruhigen Gang. Ganz ähnlich steht auch im Sanskrit der Akku- 
sativ der Handlung beim Verbum substantivum in der um- 
schreibenden Perfektbildung, z. B. icam @sa oder icam babhüva 
wörtlich dominationem fur, d.i. ich habe geherrscht. Das hohe 
Alter gerade dieses Akkusativgebrauchs kann kaum bezweifelt 
werden.” Das umschriebene Perfektum des Sanskrit, welches 
Curtius hier anzieht, vermag aber das Alter der in Frage ste- 
henden Erscheinung nicht zu erweisen. Umschriebene Per- 
fekta sind im Veda überhaupt ganz selten. Die wenigen vor- 
handenen sind nicht mit asa oder babhüva gebildet, sondern 
mit cakära er machte; ridam cakära heisst also “er machte, 
vollzog Erblickung’, und der Akk. ist ein Akk. des Objekts. 
Erst in den Brähmanas tauchen, gelegentlich und ganz selten, 


$ 180.) Kap. IX. Der Akkusativ bei Verben des Seins? 371 


Bildungen mit äsa auf, z. B. mantrayam asa er bedachte, was 
klärlich auf Übertragung von mantrayam cakära beruht. Es 
steht also der Akk. mantrayam nicht in einem lebendigen Ver- 
hältnis zu @sa, sondern es ist an die Stelle des Hilfsverbums 
cakara das Hilfsverbum &sa getreten, mantrayam aber, welches 
offenbar gar nicht mehr als Akkusativ, sondern nur als Verbal- 
begriff gefühlt wurde, beibehalten worden. Ein mittelst badkura 
umschriebenes Perfektum kommt in der älteren Sprache über- 
haupt nicht vor (vgl. Whitney, Gr. $ 1073 und SF. 5, 426). 
Das Sanskrit spricht aber auch sonst nicht dafür, dass die Ver- 
bindung eines akkusativischen Adverbiums mit as besonders alt 
si. Denn, wie ich SF. 5, 202 f. bemerkt habe, habe ıch ım 
Rigveda von Adjektiven herrührende Adverbia deutlich akku- 
sativischer Form in Verbindung mit as oder 5hü nicht gefunden, 
während sie in der alten Prosa vorkommen, z. B. tüsnim äsa 
er war still. Im Ai. ist also eine Verbindung von as mit dem 
Akkusativ nicht nachgewiesen. Etwas anders steht es mit 5A2. 
Böhtlingk -Roth sagen unter bhü ‘mit Akk. in etwas hinein- 
kommen, gerathen in, gelangen zu’ und belegen diesen Ge- 
brauch aus der älteren Sprache durch: prthir vamnyo "bhy 
äsicyala, sd rästräm näbhavat, sa etäni pärthäny apaßyat P.W. 
wurde zum Könige gesalbt, gelangte aber nicht zur Herrschaft, 
da erfand er die bekannten Prthi-Sprüche TB. 1, 7, 7, 3—4; 
yo var bhavati yah Sresthatam abnute sa kilbisam bhavatı wer 
gedeiht, wer die höchste Stellung für sich erlangt, der geräth 
in Sünde AB. 1, 13, 11. Die einigemal in TS. vorkommende 
Phrase s& idam bhavisyati übersetzen Böhtlingk-Roth ‘der wird 
es dazu bringen’ s. v. a. ‘der wird Glück haben’. Vielleicht 
bedeutet sie vielmehr: ‘der wird hier — in dieser Welt — ge- 
deihen. Wie dies nun auch sei, bei den andern Fällen wird 
man nicht umhin können, anzunehmen, dass die Inder rästram 
und Ailbi$gam, die ja der Form nach Nominative oder Akku- 
sative sein können, als Akkusative empfunden haben werden. 
Es sei aber doch die Frage aufgeworfen, ob nicht möglicher- 
weise kilbigam bhavati ursprünglichst bedeutete ‘der wird Sünde’ 
(vgl. gr. överöos). Geldner, Studien 126, findet ein Analogon 
24* 


372 Kap. IX. Der Akkusativ der Zeiterstreckung. [$ 180—181. 


zu diesem ai. Akkusativ in den Worten hazarrem aspä bavakti 
er bringt es auf tausend Rosse yt. 18, 5. Ich traue mir kein 
Urtheil darüber zu, wie es sich mit dieser Stelle verhält. 


Nächst dem Altindischen kommt für unsere Frage das 
Lateinische in betracht. Bei Bücheler-Windekilde 48 ıst die 
Rede von der transitiven Natur von esse, die in der Verbindung 
nugas esse hervortrete. Das bezieht sich, wie ich einer freund- 
lichen Mittheilung von Bücheler entnehme, auf Cicero epist. 
fam. VIII, 15, 1: qui tam nugas esset, wo gewöhnlich nugaz 
gelesen wird. Sicher soll nach B. auch nugas in Varro’s Sat. 
513 sein: non nugas fieret in theatro. Wie ist dieser Akk. zu 
beurtheilen? Ich glaube dass er eine erstarrte, nicht mehr als 
lebendiger Kasus empfundene Form ist (ein Indeklinabile, wie 
die lateinischen Grammatiker ganz richtig sagen. Die Er- 
starrung dürfte vor sich gegangen sein in dem elliptischen 
Gebrauch des Objektsakkusativs nugas Unsinn, wie er bei Plau- 
tus belegt ist (vgl. Neue ? 1, 470). 

Danach bin ich der Ansicht, dass für es (ai. as) eine indo- 
germanische Verbindung mit dem Akk. nicht anzunehmen ist. 
Wie es sich bei 5A verhält, vermag ich nicht zu entscheiden. 


8181. Der Akkusativ der Zeiterstreck ung. 


SF. 5, 170 ist gezeigt worden, dass dieser Akk. zunächst 
wie ein Akk. des Inhalts zu dem Verbum tritt, z. B. Satam 
Jiva $Sarddah lebe hundert Herbste, aßvatihe samvatsaram atifthat 
er hielt sich ein Jahr in dem Baume auf u. ähnl. Sodann 
verselbständigt sich der Akk. und wird auch da gebraucht, wo 
er zu einem Verbum nicht mehr in ein Verhältnis gesetzt wer- 
den kann, z.B. tisrö rätrir dik$itah syat drei Nächte hindurch 
sei er Geweihter. Der ursprüngliche Sinn der Verbindung von 
Verbum und Akk. ist, dass die Handlung den Zeitbegriff aus- 
füllt. Der Akk. wird aber auch gebraucht, wenn ein nicht 
genauer angegebener Punkt innerhalb einer Zeitlinie gemeint 
ist, z. B.: tam pürvedyuh pitarö’vindann uttaram ahar devah 
am vorhergehenden Tage fanden ihn die Väter, am folgenden 
Tage dıe Götter AB. Der Gebrauch des Avesta erhellt aus 








$ 181.) Kap. IX. Der Akkusativ der Zeiterstreckung. 373 


folgenden Sätzen: yap asava pararrißyeiti koa astqm zdapanem 
havo urva varhaili wenn ein Frommer stirbt, wo weilt seine 
Seele diese Nacht über? yt. 22, 1; ho avapa vazata briayarem 
priz$aparem er flog weiter drei Tage und drei Nächte lang, 
yt. 5, 62; Akad mä uzsyeiti? pancadasa m. u. wie lange (was?) 
wächst der Mond? fünfzehn Nächte wächst der Mond yt. 7, 2; 
cvaB dräjö upomqnayen wie lange (was für eine Länge) sollen 
sie fortfahren? vd. 5, 53; a@tada he üzbaodqm tanum nıdarpbjan 
bizsaparem va Prirsaparem va dorthin sollen sie seinen ent- 
seelten Körper legen auf zwei Nächte oder drei Nächte vd. 
5, 12; (der Ausfluss fliesst von diesem Wasser ab) Aqminemca 
zayanemca im Sommer und im Winter yt. 5, 5; cvantem draj6 
zroanem aha zemö anaidya wie lange!) soll das Brachliegen 
des Bodens stattfinden? vd. 6, 1. 

Griechisch. Derselbe Gebrauch. Die allmählich fort- 
schreitende Emanzipierung des Akkusativs lässt sich an fol- 
genden homerischen Beispielen beobachten (La Roche 7 ff.): 
evda xaßeldpevos yeivar xpövov & 295; näv 5° Tpap Yepdunv (flog 
ich) A 592; Hueis d& nporav Tuap duapvaneda w Al; Zvda d& 
voxt desav o 188; tod Appl yuvaml moAbv xpdvov Alyea na- 
oyeıy I’ 157; ravvuyin uev $ 7 ye xal 16a neipe xeleudov B 434; 
evda xal Tuarln pev Umalvaoxev yeyav lotdv, vöxtas 6° alAdsoxe 
o 139; yalxdo 5 &v xepapım dkdero zpeis xal ddxa univas E 387; 
&mel obx oAlyov xpdvov Zora pöAomıs T 157. Nicht im Sinne der 
Dauer findet sich bei Homer wohl nur das adverbiale adrrpap 
+ 311. Homer hat nach La Roche die Akkusative ypövov, Yap 
und fuara, vöxta und vöxtas, seltener uva, Eros, &vıaurdv nebst 
Pluralen, ferner 7,da, xeina. Im Lateinischen liegt es ebenso, 
also z. B. Aamini diali noctem unam extra urbem manere nefas 
est (Livius), dann mit emanzipiertem Akk. Troja decem annos 
oppugnata est. Vom Verbum fin. auf das Part. übertragen: 
decem annos nalus mit seltsamem Ausdruck, insofern als man 
vielmehr ein Wort wie ai. vrddha gewachsen erwartet hätte. 
Ebenso im Germanischen, z. B. got. vintru visa rapaysınaca 


1) Über dräjö s. 8. 389, 


374 Kap. IX. Der Akkusativ der Zeiterstreckung. ($ 181. 


(vgl. Gabelentz-Loebe 242, Grimm 4, 890). Bei dem Adjektivum 
alt scheint der Akk. erst ahd. zu sein. Die ältere Sprache hat den 
Gen. (Grimm 4, 757). Litauisch (Schleicher 263). Im Sinne der 
Zeitdauer, z. B. penkias denäs Dijo es regnete fünf Tage lang, 
suriüko tris meteliüs pavylusius lapeliüs sammelte drei Jahre 
die abgewelkten Blätter, Schleicher, Les. 4; palukekit valan- 
dele wartet ein Weilchen 130, menü köturias nedeles ilgas der 
Monat ist vier Wochen lang. Ohne diesen Sinn: ö #7 prazydo 
nedeles rytq und (die Rose) erblühte am Sonntag Morgen 15; 
i7 ta näkti atejo irjs vagys und in dieser Nacht kamen drei 
Diebe 121; menü saulüte vede ptfmgq pavasareli der Mond 
nahm die Sonne zur Frau im ersten Frühling 3. Im Alt- 
kirchenslavischen (vgl. Miklosich 4, 393), die Ausdehnung 
über einen Zeitraum bezeichnend, z. B. s prebyste u njego deni 
tü xal rap adtw Eperwvav Thv Tuepav dxelvnv Joh. 1, 40; Jako bo 
be Iona vü ereod kitove tri dini i tri nosti worep yap Tv "loväs 
&v Try xoıllg TOO XhToug Tpsig Tupac xal tpeis vuxtas Matth. 12, 40; 
cüto stopite side vesi deni prazdini Ti abe &ornxate EAnv Thv Audpav 
“pyol; Matth. 20, 6. Ferner den Zeitpunkt, an dem eine Hand- 
lung innerhalb der Zeitstrecke eintritt, z. B. « ubiygtü i ı trefiji 
deni vüstanelü xal änoxtevoow adröy xal Ty rplım Tuspg Eyepdr- 
oerae Matth. 17, 23 und ähnlich oft. Ebenso im Serbischen 
(Danicie 412). Der Begriff der Zeitdauer tritt hervor: midi boZe 
podrzi me 508 ovako dugo vreme lieber Gott, erhalte mich noch 
so lange Zeit; sluii mene ı tredu godinu diene mir auch das 
dritte Jahr; dohe je biti pevac jedan dan nego kokos mesec 
besser ist es, einen Tag Hahn zu sein, als einen Monat Henne; 
vazdan pije a svu nod me bije den ganzen Tag trinkt er und 
die ganze Nacht schlägt er mich. Ohne den deutlichen Be- 
griff der Dauer: susjed ga svakt cas opominjao der Nachbar 
erinnerte ihn jede Stunde; Aak jedno vece kurjak dodje als 
einen Abend der Wolf kam; tu nod sizidje opet iz Negotina in 
dieser Nacht ging er wieder aus N. heraus. Russisch. Die 
Dauer bezeichnend: :dti vsyu noci die ganze Nacht gehen 
(Buslajev 254); Zivetü u nego godü i drugoy er lebt bei ihm 
ein Jahr und ein anderes (Äsböth 18); a vekü drugü druga ne 








$ 181—182.] Kap. IX. Der Akkusativ der Raumerstreckung. 375 


vidals und haben einander ihr Lebtage nicht gesehen (1). Der 
andere Gebrauch z. B. in seycasü sogleich. 

$ 182. Der Akkusativ der Raumerstreckung. 

Arisch. SF. 5, 171 habe ich bemerkt: “Einen besondern 
A. der Raumerstreckung hat Gaedicke nicht aufgestellt (vgl. 
aber S. 281). Indessen steht es mit demselben in der That 
ebenso wie mit dem A. der Zeiterstreckung, wenn auch die 
Belege spärlich sind (vgl. Gaedicke S. 84). Ein sicherer Beleg 
ist: saptüdala pravyadhan äyım dhävanti sie laufen einen Wett- 
lauf siebzehn Schussweiten lang TB. 1, 3, 6, 3. Dass dieses 
8. pr. nur ein emanzipierter A. des Inhalts ıst, ıst klar. Man 
vergleiche: saptddaßa pravyadhan pr& vidhyati er schiesst sieb- 
zehn Schussweiten SB. 5, 1, 5, 13” (auch vifnukramün kramate 
er schreitet Vishnuschritte u. ähnl.). Ich füge aus dem Av. 
hinzu: apa dim adap vyeiti zrayatshap haca vourukasap haprö- 
masaphem adwänem dann vertreibt er ihn vom See V. einen 
häbra Weges weit yt. 8, 23; (dort sollen sich die Leichenträger 
niederlassen) avavap haca iristapıbyö yaba brigamm so viel von 
den Toten entfernt, wie drei Schritte vd. 8, 11; (wo soll die 
Wohnung des Leichenwärters sein?) cva) draj6 haca äßrap wie 
weit vom Feuer? Prisatagaim haca aprap dreihundert Schritte 
vom Feuer vd. 3, 16; paoırim upa mayem nibweresorS pasca 
hamöd atwigaitim dva erezu nismahe, pasca zemo isao8 atwigartim 
yaba cabwärö erezvö zuerst sollst du ein Loch graben nach 
des Sommers Ankunft zwei Finger in die Tiefe (der Tiefe), 
nach des Winters und Eises Ankunft so viel wie vier Finger 
vd. 9,6. Griechisch. Bei Homer (La Roche 5 ff.) findet sich 
oödv mit dyw, Aysopaı, Ayspovedw und dpyw, vereinzelt auch bei 
anderen Verben, z. B. &yw 6’ o86v Yyepovedow n 30, ferner die 
Wendung rödev nAded” dypd xElsußa y 71 und sonst. Da die 
Unterscheidung zwischen Bewegung und Wegstrecke nicht 
durchaus sicher ist, so kann man diese Akk. noch als Akk. 
des Inhalts bezeichnen. Sicher emanzipiert ist Aelner ayaxksdos 
MeveAaov doupds &pwnv W529 (vgl. K 357). Lateinisch. Da 
die Vorstellung der Erstreckung vorschwebt, so wird dieser 
Akk. bei abesse und distare gebraucht, um die Entfernung 


376 Kap. IX. Der Akkasativ des Objekts und des Resultalts. [$ 182—183. 


anzugeben, z.B. Caesar milia passuum tria ab Helvetiorum castrıs 
castra ponit. Auf die Verbindung mit Adj. übertragen in Wen- 
dungen wie: quindecim pedes latus u. s. w. Germanisch: 
mhd. nu riten si eine welsche mile (Paul, mhd. Gr. 96), siben vüeze 
larc (Grimm 4, 757). Ebenso im Baltisch-Slavischen, z.B. 
lit. virve tris seksnius ilga ein Strick drei Klafter lang. Über das 
Aksl. s. Miklosich 4, 390, z.B. ide sü@ njeju dee vriste er ging mit 
ihr zwei Werste. Die Verbindung mit einem Adjektivum findet 
sich z. B. in serb. kamen oko tri arsina visok jJedan arsın Sirok 
ı Jednu ped debeo ein Stein, etwa drei A. hoch, einen A. breit 
und eine Spanne lang (Danicie 411). 

$ 183. Der Akkusativ des Objekts und des Re- 
sultats. | 

Unter Objekt verstehe ich den Gegenstand der von der 
Handlung des Verbums unmittelbar betroffen wird. Ich habe 
schon oben bemerkt, dass die Sprechenden diesen Begriff ebenso 
wie den der Zeit, der Ausdehnung u. s. w. aus der täglichen 
Erfahrung gewinnen. Man hat also den Objektsakkusativ nicht 
als den Akk. bei transıtiven Verben zu erklären, so dass der 
sonst beliebte Zirkel vermieden wird. Der Akk. des Resultats 
ist, wie oben bemerkt, wenn man seine Entstehung in betracht 
zieht, von dem Akk. des Inhalts nicht zu trennen. Der fertige 
Akk. des Resultats aber steht dem des Objekts am nächsten. 
Denn schwerlich empfindet der Sprechende einen Unterschied 
zwischen “ein Haus bauen’ (Resultat) und “ein Haus einreissen’ 
(Objekt). 

Ein transitives Verbum ist ein solches, welches mit 
einem Akkusativ des Objekts gewohnheitsmässig verbunden 
wird, ein intransitives ein solches, bei dem dies nicht ge- 
schieht. Da die Verbindung eine gewohnheitsmässige, aber 
nicht eine nothwendige ist, so können transitive Verba auch 
absolut gebraucht werden, z. B. (vgl. SF. 5, 173ff.) im Alt- 
indischen die Verba sprechen, denken, wissen, riechen, hören, 
sehen, essen, siegen, kämpfen, im Lateinischen ist dieser ab- 
solute Gebrauch nach Schmalz? $ 63 besonders der publizisti- 
schen, militairischen und sakralen Sprache eigen, z. B. aves 








$183—184.] Kap. IX. Zwei Akkusative bei einem Verbum. 377 


addicunt. Die Gewohnheit braucht auch nicht aus der Uhrzeit 
zu stammen, sondern es können Verba in den Einzelsprachen 
transitiv werden. Diesen Vorgang habe ich für ar und sac 
im Altindischen angenommen (a. a. O. 178). Namentlich aber 
werden Verba durch Zusammensetzung mit Präpositionen tran- 
sitiv (für das Altind. vgl. Gaedicke 94ff... Ebenso ist es auch 
nicht unmöglich, dass intransitive Verba in besonderen Fällen 
mit dem Akk. verbunden werden, ohne im allgemeinen den 
Charakter der Intransitivität einzubüssen, z. B. ai. sad auf- 
lauern (gew. sitzen), lat. manere u. ähnl. 

6184. Zwei Akkusative beieinem Verbum (Gaedicke 
255ff., SF. 5, 178 ff., Hübschmann 191 fl., La Roche 224 ff., 
Draeger 342 ff., 353 ff., Grimm 4, 620ff., Miklosich 4, 388, 
Schleicher 263. 

Von allen im Folgenden darzustellenden Typen hebt sich 
derjenige deutlich ab, in welchem der zweite Akkusativ prä- 
dikativ ist. Ich stelle ihn voran. Unter den übrigen ist 
für unser heutiges Gefühl völlig unanstössig der Fall, dass der 
zweite Akk. ein Akk. des Zieles oder der Zeit ıst, z. B. Euva- - 
0uoa yepaıds vnöv Adıvalıc Z 88; nasya tüm ratrim apö grhän 
pra hareyuh man soll in dieser Nacht nicht Wasser in sein 
Haus bringen MS. 2, 1,5 (7, 2), wo ein Akk. des Zieles und 
einer der Zeiterstreckung neben dem Akk. des Objektes er- 
scheinen. Diese Akk. scheinen uns ja von den übrigen soweit 
entfernt, dass sie unserem Sprachgefühl geradezu als besondere 
Kasus erscheinen. Von diesem Typus wird im Folgenden nicht 
weiter die Rede sein. Eine weitere Gruppe (im Folgenden 
also die zweite) bilden diejenigen Fälle, in welchen der eine 
Akkusativ enger als der andere mit dem Verbum verbunden 
ist. Dahin gehören Wendungen, wie infitias ire aliquid, wobei 
der Akk. der Richtung infitias mit ire zusammen so zu sagen 
ein Verbum bildet, namentlich aber die im Griechischen zahl- 
reichen Fälle, in denen der eine Akkusativ ein solcher des 
Inhalts ist, z. B. ouLdeiv rıvd ravtoinv ouldınta. Den Rest (3) 
bildet die Masse der Verbindungen, in welchen die beiden 
Akkusative dem Verbum gleich nahe stehen. Er kann füglich 


378 Kap. IX. Der prädikative Akkusativ. [$ 184. 


in zwei Abtheilungen zerlegt werden. In die erste (3a) stelle 
ich diejenigen Ausdrucksweisen, welche entstehen, wenn der 
Redende das Bedürfnis fühlt auszudrücken, dass eine Person 
und ein Gegenstand in gleicher Weise von der Handlung des 
Verbums betroffen werden. Wir können diesen Typus als alt 
nachweisen bei den Verben rauben und ausziehen, bitten und 
fragen, verhehlen, lehren. Die zweite Abtheilung (3b) umfasst 
die Fälle, in welchen ausgedrückt werden soll, dass ein Ganzes 
ın einem seiner Theile betroffen werde. Es macht offenbar 
einen Unterschied, ob wir sagen “jemandes Gesicht schlagen’ 
oder ‘jemand in’s Gesicht schlagen’. Im letzteren Falle wollen 
wir ausdrücken, dass durch den Schlag die Person als Ganzes 
und dabei ein Glied derselben im besonderen betroffen sei. Die 
indogermanische Sprache konnte in diesem Falle und ähnlichen 
Fällen sowohl dıe Person als das Glied ın den Akkusativ setzen, 
z. B. töv Bade xöponv bei Homer. — Dieser von mir unter 3 
dargestellte Typus ist einfach und alterthümlich. Es ist wahr- 
scheinlich, dass er in der Urzeit häufiger zur Anwendung kam, 
als wir nach seinem Auftreten in den Einzelsprachen, die nach 
grösserer Deutlichkeit des Ausdruckes strebten, erschliessen 
können. 


Die zwei Akkusative beı dem Kausativum sind bei diesem 
behandelt worden. 


1. Der eine der beiden Akkusative ist prädikativ. 


Dieser Typus findet sich überall. Doch ist der prädikative 
Akkusativ ım Slavischen durch den Instrumentalis eingeengt, 
im Litauischen fast verdrängt worden. “Nach Verbis des 
Sagens, Nennens — sagt Schleicher, Gr. 263 — steht bisweilen 
der Akkusativ auch des Prädikates anstatt des Instrumentalıs, 
z.B. säk6 tave szökig, sähe lave tökiq (Dain.) sie sagten, du seiest 
so eine, sie sagten, du seiest eine solche. Hier ist nämlich 
&sant oder sanczq ausgelassen”. Ich habe deshalb das Litauische 
im Folgenden nicht weiter erwähnt. Im Germanischen ist aus 
den zwei Akkusativen häufig ein Akkusativ und ein Genitiv 
geworden (vgl. die Belege bei Grimm 4, 632). 








$ 184.] Kap. IX. Der prädikative Akkusativ. 379 


Die Anordnung geschieht nach den hauptsächlich in betracht 
kommenden Verben. Machen: Im Arischen z. B. aı. tegam 
püfanam adhipam akaröt er machte P. zu dem Herrn derselben 
MS. ;yezi bavanı perenäyu zqm cazrem kerenaväne asmänem rabem 
kerevanäne wenn ich volljährig sein werde, werde ich die Erde 
zu meinem Rade, den Himmel zu meinem Wagen machen 
yt. 19, 43; yap kerenaop amarsenta pasu vira dass er unsterb- 
lich machte Vieh und Männer y. 9,4. So auch ap., (Spiegel 413). 
Ebenso bei dha: sa daSahötäram yayhdm Atmanam vy ädhatta 
er machte sich selbst zu einem Opfer mit zehn Hotar MS.; nösp 
tqm abravopuprim naeda dasti hupuprim er macht sie nicht 
zur Mutter von Athravans, nicht zur Mutter guter Söhne y. 
10, 15 (Ap. Spiegel 413). Im Griechischen in der homerischen 
Sprache bei row und Tidru, z. B. Aa 0: ralda roreöunv 
1494; ol te öbvavraı dppova morfoaı xal Erippovd nep nal ddvra 
4 12; mv yap Tpwes Zdnxav Abmvalns idperav Z 300; yoia & 
Ednxev dAappa E 122. Im Lateinischen bei facio (reddo, letzteres 
besonders mit Adj.), 2. B. mihi nunguam furt dubum, quin te 
populus Romanus consulem facturus esset,; Mesopotamiam fertt- 
lem efficit Euphrates (Cicero). Innerhalb des Germanischen 
liegt bei ‘thun’ im Got. ein substantivischer zweiter Akk. nicht 
vor (man sagt vielmehr faujan ina du Piudana ıhn zum König 
machen), wohl aber gelegentlich im Altn. gordi hann hirdmann 
sinn machte ihn zu seinem Gefolgsmann Gunnl. 11, und Ahd.: du 
dine gersta machöst poten (Notker). Dagegen ist das Adj. ganz 
geläufig, z. B. raihtos vaurkeih staigos eödelas Toreite Tas TpiBous 
Mark. 1,3, sie machönt iz so rehtaz (Otfrid) u. ähnl. bei Grimm 
4, 623 ff. Im Aksl. findet sich ein prädikativer Akk. bei postavsti 
einsetzen zu, 2.B. kto me postavi sadiyq li delitelja nadü vamı 
tlg ne xardornage dıxaorıy A neprornv&p önäc; Luk.12,14. Bei sütvo- 
riti: stoorjq va lovca Clovekomü xal romow bpäs Akıeis Avdpurwv 
Matth. 4, 19 (im Serb. Instr.: # uäntdu vas lovcima Yyudskijem). 
Serbische Belege bei Danitic 409: stavih strazu mladu momu 
ich setzte das junge Mädchen als Wache ein; postavih te oca 
(Gen, als Akk.) mnogijem narodima rartpa. roAlav Edymv Tederxa 
oe Röm. 4, 17; da ga meine veljega vezira dass er ihn zum 


382 Kap. IX. Zwei Akkusative bei einem Verbum (2). [$ 184. 


quam ille suum nomen catachannam nominabat (vgl. A. Ebert, de 
M. Cornelii Frontonis syntaxi, Erlangen 1880, Diss. 11). Die 
Stelle aus Terentius, die Ebert als Parallelstelle anführt, näm- 
lich et meum nomen nominat, ist anders gestaltet, da sie ja den 
zweiten Akk. nicht zeigt. 


An diese Fälle, in welchen ein reiner Akk. des Inhalts 
erscheint, schliessen sich diejenigen, in welchen dieser Akk. 
zum Akk. des Resultates geworden ist. Dahin gehören avest.: 
yo narem vixrümentem zwarem jainlı wer einem Manne eine 
unblutige Beule schlägt vd. 4, 30. Dazu griechisch: EAxos 
avaböyovra tö nıv Bdle Ildvöapos iS E 795; odAnv Tav Tore puv 
oüs TAase W 74; altn. hann hjo Bjoern banahogg er hieb dem 
(den) B. den Todesstreich (nebst einigen wenigen ähnlichen 
Wendungen bei Lund 52). Insbesondere sind hier zu erwähnen 
die Verba des Sagens und Anthuns. Sagen. Im alten San- 
skrit findet sich selten ein doppelter Akkusativ. Ein Beispiel 
ist: agnim maham avöcama suvrktim zu Agni haben wir ein 
grosses Gebet gesprochen RV. 10, 80, 7. Häufig im späteren 
Sanskrit bei vac, drü, ak u. 8. w. (vgl. Speijer 34). Dazu bei 
Homer el tt pw elnoı db 91; 6 d& pw oüötv Apeißero A 563. In 
den übrigen Stellen ist das Verbum mit xp6ds zusammengesetzt, 
wovon man den Akkusativ abhängig machen könnte. 159 gilt 
für unecht. Anthun. Bei kar machen steht im Ai. der Akk. 
der Person und als zweiter ein Subst. oder ein Pronomen, 
z. B. devan ydc cakrmä kdc cid ägah welches Ärgernis wir den 
Göttern angethan haben RV. 1, 185, 8; Aim mä karann abala 
asya senäh was können mir seine schwachen Heere thun? 
RV. 5, 30,9. Im Griechischen, wo sich dieser Typus weit 
ausgebreitet hat, erscheint bei Homer helw (£pdw), als zweite 
Akkusative nur Neutra von Adjektivis oder Pronominibus, z. B. 
keıvoödxov xaxa bekaı I’ 354; Tis vo oe Todd Epefe D 510. Daran 
schliesst sich mit nicht gleicher aber doch nahe liegender Be- 
deutung yundopar, z. B. "Extopa dtov deında unöcto Epya W 24. 
Mit Recht stellt La Roche auch tivopar hierher: Ertoaro Epyov 
asınds avtideov NyAja 0 236. 








$ 184.) Kap. IX. Zwei Akkusative bei einem Verbum 3a). 383 


3a. Eine Person und ein Gegenstand sind von der 
Handlung des Verbums gleich betroffen. Dahin ge- 
hören: Rauben, wegnehmen. 

Im Arischen mug, z. B. yad amusnitam panım gah als ıhr 
dem Räuber die Kühe abnahmt RV. 1, 93, 4; gt, „ya, z. B. 
indro marutah sahasram ajınäat Indra nahm den Marut tausend 
ab Tand. Br. Ebenso im Avestischen: y6 mqm tab draonö 
zinap wer mir diesen Schatz abnimmt y. 11,5. Dazu noch di 
im Altpers., vgl. Spiegel 413, und av. van um etwas bringen 
y.9, 24. Aus dem Altind. kommen noch hinzu du und dha 
einem etwas abmelken, z. B. imam örd särran kamän duhe von 
dieser erlangt er alle Wünsche, $B., und vereinzelt im Veda 
dhuü schütteln, in: vrkgam phalam dhunuhr schüttle Frucht von 
dem Baume RV.3,45,4. Im Griechischen findet sich innerhalb 
der homerischen Sprache zunächst das mit ai. 7ya@ identische 
Bıaw: Tore vor Prnoaro nısdöv Anavra Anoudöwv Exraylos © 451. 
Dazu eine Anzahl von Verben des Beraubens, für die ich nur 
je ein Beispiel anführe: dupw Yupdv Annöpa Z 17; bs Ayar- 
peitaı Xpuomlöa Poißos Anöllwv A 182; pn pıv Ayatol eöxea 
ouAnasmar O 427; Yllov Ö &kalvuro dupöv aupordpm F 155; dpp ol 
tod; &vapılov dr’ &vrea 0 343. Ein berauben, entkleiden, ent- 
äussern ist auch “abschälen’: repl yap pa & yalxds &Asıbev aulda 
ze xal @Aloudv A 236. Ferner ‘abwaschen’: oppa rayısta Ild- 
zpoxAov Aofasıav ano Bpdrov aiuardevra 2 345; abrdp oO &x notanod 
xpda vilero Stos VDöusseus älyınv 6224. Eine besondere Bemerkung 
verdienen ‘ausziehen’ und ‘anziehen’. Für die Verbindung zweier 
Akk. mit “ausziehen’ ist beweisend nur eine homerische Stelle: 
&x Ev pe ylalvav te yırava Te eipar Eöucav & 341. Danach ist 
diese Konstruktion auch in einer Reihe ähnlicher Stellen anzu- 
nehmen (vgl. La Roche 238). Der doppelte Akk. bei ‘anziehen’ 
ist offenbar eine Nachahmung der gleichen Konstruktion bei ‘aus- 
ziehen’. Er findet sich wesentlich in der Odyssee, z. B. £sow pıv 
ykatvav re yırava te @339. — Im Lateinischen scheint die hier 
behandelte Gruppe nur durch cogo vertreten zu sein, 2. B. cives 
qui id cogit bei Cicero. Cogo liegt zwar dem Begriff des Be- 
raubens fern, nähert sich aber dem in jyä, Pıaw enthaltenen. 


384 Kap. IX. Zwei Akkusative bei einem Verbum (38). [$ 184. 


Bitten, fordern, fragen. Arisch: ai. rca yamı marütö 
brahmanas pätim devan dvo vdrenyam mit dem Lied gehe ich 
an die Marutas, Brahmanaspati und die Götter um treffliche 
Hilfe RV. 8, 27, 1. Ebenso bei :d, yac u. ähnl. Im Av.: tap 
pwa mazda yasa um das bitte ich dich, o Mazda y. 49, 8; 
avajastim paurvgqm @po jaidydis du sollst von den Wassern die 
erste Bitte bitten y. 65, 10; yO mqm zävare nor jardyehi der 
du von mir Schnelligkeit nicht heischest y. 11, 2. Ebenso im 
Ap. bei Spiegel 413. Bei ‘fragen’: yajkavalkyam dvau praßnau 
prak$yami ich werde Y. zwei Fragen fragen SB.; tab bwä peresä 
darum frage ich dich y. 44, 1. Griechisch: Bei Homer altew 
und Alosonar, z. B. fired pıv Ödpu paxpöev X 295, ferner eipopar 
nebst Kompositis und elpwrdw, z. B. vöv 8° 2dEw Eros AAlo 
perallfcaı xal Zpdadar Neotopa 7 243, elpwräs u Ovopa xAurdv 
ı 364. Dazu aus der nachhomerischen Sprache (eis) rparrw und 
rpärtonaı. Lateinisch: Bei oro und rogo ist in der alten 
Sprache gewöhnlich das sachliche Objekt ein Pronomen, doch 
bei rogo beim Volke beantragen, auch andere Akk., z. B. 
ires viros capitales populum rogato (Draeger 1, 345). Ein Beleg 
für posco: tste unus inventus est qui parentes pretium pro se- 
pultura liberum posceret bei Cicero. An posco schliesst sich 
postulo und exigo, wohl auch zubeo. Im Germanischen schei- 
nen sich diese Akk. nur bei got. didjan zu finden in den 
Worten vileima ei hatei buk bidjos taujais uggkis Belonev va 
6 &dv altnowpev nornoys npiv Mark. 10, 35 (sonst Gen. der Sache). 
Innerhalb des Slavischen findet sich ein zweiter Akk. bei fragen 
im Serbischen (Daniei6 408): $to te pitam pravo da mi kaZes 
was ich dich frage, sollst du mir recht sagen; 5a du vas upitatı 
Jjednu rijec tpwrnow üuäs xayw Adyov Eva Matth. 21, 24 (wo- 
bei an Nachahmung des Griechischen nicht zu denken ist). 
Verhehlen im Griechischen, Lateinischen, Deutschen. Im 
Griech., nicht bei Homer, aber z. B. Sophokles El. 957: ouöev 
yap os dei xpünteıv u Er. Im Lat. celo, z. B. non te celavs 
sermonem bei Cicero, im Deutschen Aelan und verwandte 
Wörter, z. B. mhd. minen rät ich nieman hel. Lehren: 
Aus dem Arischen habe ich angemerkt: av. fro ma sästu 





$ 184.) Kap. X. Der Akk. des Ganzen und des Theiles. 385 


sahlkta er lehre mich das Beste y. 45, 6 (so auch anu-Säs im 
späteren Sanskrit. Im Griech. ötö$4sxw von Homer an, z. B. 
oßvex’ Apa opkas oimas oda Eöldafe 8 480. Ebenso auch xelsdw, 
2. B. ur, pe taüra xeleue 9350. Lat.doceo (ebenso wie moneo) und 
unger Jehren sind Kausativa und bei diesen besprochen. Lat.arguo 
könnte sich nach doceo gerichtet haben. Im Slavischen findet 
sich gelegentlich ein Akk. bei uötti, so serb. zlodne ucidu tooy 
put pravi ich werde die Bösen deinen gerechten Weg lehren 
(Danicie 408). Doch ist der Dativ der etymologisch berechtigte 
und der bei weitem häufigste Kasus. 


3b. Das Ganze wird in einem seiner Theile durch 
die Handlung des Verbums betroffen. Sicher ist diese 
Konstruktion vorhanden im Altindischen und Griechischen, 
vielleicht auch im Deutschen. 


Aus dem Altindischen bringt Gaedicke 268 einige Be- 
lege bei, von denen mir sicher erscheint: dirasman indra vytra- 
hann ugrö märmäni vidhya dann, o Indra, Vrtratöter, triff als 
Held sie auf ihre Blössen (eigentlich: triff sie, ihre Blössen) 
AV. 5,8, 9.1) Ausgebildet ist dieser Typus bei Homer. Nach 
La Roche kommen wesentlich die Verba und Wendungen in 
betracht, die man in den folgenden Belegen findet: rdv p’ 
Vdvoeus Bade Soupl xöpanv A 501; Innoödpavra peräppevov oörase 
Soupl T 401; rov 8’ dopı nAnE adyeva A 240; {va gun piv Auös 
Greprchs yoövad” Txorro T 354; tov 8& Tpdnos EAlaßs yuia 9 170; 
Bypös te iv elle rapeıds IT’ 35; 7 da oe olvos &yeı gpevas 0 391: 
zov dE oxdrog dose xaludev A 461; moldv os Eros Yüyev Epxos Sdov- 
twv A 350; xbooe dE yıv xewainy Te xal Aupw odsa xald rn 15; 
7 oe nodas viher t 356 und einiges Ähnliche. Wird die Kon- 
struktion passivisch, so wird der Akk. des Ganzen zum No- 
minativ, während der des Theiles bleibt. So ergiebt sich BEßAnaı 
xevewva Staunepe; E 284 und ähnl. Dieser Akk. ist nun von 


1) naht nu ydd adhimdsindram kö viryü pardh nicht geht jemand, so 
viel wir einsehen, über Indra, über seine Kräfte RV. 1, 80, 15, ist wohl 
lehrreich, enthält aber keinen von einem Verbum, sondern einen von einer 
Präposition abhängigen Akkusativ. 

Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm. Sprachen. I. 25 


386 Kap. IX. Der Akkusativ bei verbalen Nominibus. [$ 184—184b. 


dem Akk. der Beziehung nicht mehr zu unterscheiden. Dort 
wird von ihm weiter die Rede sein. 

$ 184. Der Akkusativ bei verbalen Nominibus 
(vgl. SF. 5, 181 ff.). 

Arisch: Es gehört hierher der Akk. bei Komparatıven 
auf ?yqs und :$fha, bez. yarı und söta. Man sagt überein- 
stimmend vriram hanı$thah den Feind am besten tötend (vgl. 
SF. 5, 188), und yös henti dusmatem jayntsta welche die besten 
Töter bösen Denkens sind y. 71, 7 (vgl. y. 28, 9. 32, 7 und 
sonst.. Wenn es richtig ist, was ich annehme, dass bei diesen 
Formen niemals ein objektiver Gen. vorkommt, so mag das 
wohl daher kommen, dass man gewohnt war, einen Gen. in 
dieser Verbindung stets partitiv zu fassen. Eine andere wich- 
tige Klasse sind die Formen auf tar, bei denen Gen. und Akk. 
erscheinen. Man sagt also im Ai. data vasunam und datä väsu. 
Gewöhnlich waltet der in diesem Beispiel vorliegende Accent- 
unterschied ob, doch ist das nicht durchaus der Fall (vgl. die 
SF. 5, 181 angegebene Literatur und SF. 3, 6). Ein Beleg für 
den Akk. im Av. ist: yd däapris bantai drvatätem welche dem 
Kranken Gesundheit verleihen yt. 13, 24. Ebenso bei manaotar 
y. 44, 5 (KZ. 30, 327) und sonst. In beiden Sprachgebieten 
scheint auch der Akk. bei Auma Verlangen vorzukommen. 
AV.6, 9, 1 heisst mam kumöna aus Verlangen nach mir, und 
y. 32, 13 übersetzt wenigstens Geldner (KZ. 28, 263) die Worte 
kame Pwahyä maprano dutim: aus Verlangen nach der Bot- 
schaft deines Propheten. Auch bei anderen Wörtern liegt die- 
selbe Konstruktion vor, so im Ai. bei einem Kompositum, dessen 
Schlussglied die einfache Wurzel ist, z. B.: devas tvdm pari- 
bhür asi du umschliessest die Götter; bei zusammengesetzten 
Wörtern auf a, z. B. drdha cid ärujah selbst das Feste zer- 
brechend; bei reduplizierten Wörtern auf z. B. dadir gah Kühe 
verleihend; bei Ableitungen auf in, z. B. mam kamini mich 
liebend; bei Adj. welche sich an Desiderativ- und Futurbildungen 
anschliessen, z. B. $atam pürö ruruksanih hundert Burgen zu 
zerstören fähig, soar sanayı$fmüuh begierig den Himmel zu er- 
langen, und in der Prosa namentlich noch bei den zahlreichen 





$& 1846185.) Kap. IX. Der Akkusativ der Beziehung. 387 


Wörtern auf uka, z. B. pa$ün dghätukah nicht geneigt die Heer- 
den zu schlagen. Im Av. bei dqmi Schöpfer (wechselnd mit 
Gen., Jackson, a hymn of Zoroaster, S. 35), bei atwisravana 
achtend, (dagngam den Glauben vd. 3, 40), bei cagv@ spendend 
(rafedrem Hilfe y. 46, 2) und ähnl. Adj. Von einem Nomen 
auf ra scheint der Akk. abhängig in den Worten: äah yap 
hvare uzuxsyeiti bvap zaqm ahuradatqm yaoZdäbrem wenn die 
Sonne aufgeht, wird sein Reinigung (Ordnung) der gottgege- 
benen Erde yt. 6,2. Innerhalb des Griechischen ist dieser 
Akk. bei Homer nicht vorhanden, wohl aber findet er sich bei 
Dramatikern und Prosaikern. Krüger 46, 4, 5 führt an: &pwra 
oökınos oddels aus Sophokles, änöieuos Bde 7’ 6 rolepos dropa 
ropruos aus Aeschylus, 2£apvol eloı rd wpoAoynuiva aus Isaeus 
(so regelmässig bei &£apvds eipı, das geradezu zu einem Verbum 
geworden ist), dmiornnoves Toav td rpoonxovra aus Xenophon, 
und mit einem den Nom. auf tar zu vergleichenden Subst. 
Zorı tig Zwxparns TA perdwpa @povtioris aus Plato. Im La- 
teinischen (Dräger 1, 329) findet sich dieser Akkusativ noch 
bei den Supina, z. B. oppugnatum patriam nostram veniunt 
bei Livius, auch bei Formen auf dundus: populabundus agros. 
Abhängig von Subst. findet sich dieser Akk. nur bei Plautus, 
und zwar nur in Fragesätzen, die mit quid beginnen, z. B. quid 
ttbi hanc curatiost rem? Ein Akk. des Zieles erscheint in re- 
ditus Romam bei Caesar. Was sich aus dem Germanischen 
etwa hierher ziehen lässt, s. bei Grimm 4,755 ff., Erdmann 2, 129. 
Im Baltısch-Slavischen erscheint dieser Akk. nur noch 
selten (Miklosich 4, 376), z. B. aksl. po prijetiji mi otü boga 
velikyji darü nach meinem Empfangen von Gott grosse Gabe. 


8185. DerAkkusativ der Beziehung (Gaedicke 216 ff., 
La Roche 12 ff.). 


Ein in mehreren Gebieten auftretender Akk. der Beziehung 
ist ai. näma, av. nqma (altp. nama), gr. övopa, z. B. ai. %kö 
namäsi wer mit Namen bist du, ndmucim nüma mäyinam den 
Dämon, Namuci mit Namen. Ebenso im Av. vairı$ yO haosravä 
nqma der See, welcher H. heisst yt. 19, 56; yim masyaka du- 

25* 


388 Kap. IX. Der Akkusativ der Beziehung. [$ 185. 





Zakem nqma aojasti das Thier, welches die Menschen D. mit 
Namen nennen vd. 13, 2. So auch ap. Kambujiya nama Kuraus 
putra Kambyses mit Namen, Kyrus’ Sohn (vgl. Spiegel, Gr. 410). 
Wo övopa mit Namen innerhalb des Griechischen zuerst belegt 
ist, vermag ich nicht mit Sicherheit zu sagen, weil ich zu keiner 
rechten Entscheidung darüber kommen kann, ob övopa in den 
homerischen Stellen ’‘Apnm 8’ Ovop &orlv &navunov n 54, Beoxk6- 
pevos 8’ ovop rev o 256 und den entsprechenden o 5, ı 247, 
u 288 als Nominativ oder Akkusativ aufzufassen sei. Für den 
Akkusativ würde Kuxkwnes d’dvon’ noav dnuvunov Hesiodos 
Theog. 144 den Ausschlag geben, wenn die Lesart sicher ist, 
denn es würde daraus folgen, dass das Verbum auf den Namen, 
nicht auf övopa zu beziehen ist. Das mag nun sein, wie es 
will, die verwandten Sprachen zeigen, dass övopa mit Namen 
einen proethnischen Gebrauch des Kasus fortsetzt. Wie ist 
nun dieser proethnische Gebrauch entstanden? Darüber äussert 
Gaedicke 216 ff. die unzweifelhaft richtige Vermuthung, dass 
der Akk. zuerst nur da vorkam, wo er nach den sonstigen 
Regeln des Akkusativgebrauches gerechtfertigt war, und dass 
der besondere Sinn der Beziehung sich erst infolge einer Über- 
tragung entwickelte. Ich glaube, dass wir uns solche Über- 
tragungen deutlich machen können an dem aus dem Avesta 
soeben angeführten Satze yım masyaka dulakem nqma aojastı 
und aus homerischen Wendungen wie: äpxtov 8’, 7v xal Apakav 
&nixAnaıy xaAdousıy 8 273. Mir scheint, dass der avestische Satz 
seinem ursprünglichen Sinne nach riehtig gefasst wird, wenn 
man »nqma als Apposition auffasst, also: “welchen die Menschen 
Duzaka als Namen nennen”. Ob auch &rixAnoıv als Apposition 
aufzufassen oder als Akk. des Inhalts nahe zu xaAsiv zu ziehen 
ist (und so auch in övona xaleiv rıyd), lasse ich dahingestellt. 
In beiden Fällen wäre ja der Akkusativ gerechtfertigt. Der 
neue Typus nun scheint entstanden zu sein, indem nach 7 
dpakav drixinorv xaldoucıv mit passivischem Ausdruck gebildet 
wurde: % üpata änlxinowv xalsitaı. Eine andere Art der Her- 
leitung bei gleichem Grundgedanken versucht Gaedicke. Sie 
scheint mir aber künstlicher. (Seine Übersetzung von RV.t0, 








6185.] Kap. IX. Der Akkusativ der Besiehung. 389 


49, 2 ist unsicher. Es wird wohl heissen ‘mich, den Indra mit 
Namen, haben die Götter geschaffen’.) 

Im Ai. dürften andere Akk. der Beziehung als näma nicht 
vorkommen. Wohl aber bietet der Avesta weitere Belege in 
den Akk. drajo an Länge, maso an Grösse, bqzö an Tiefe, 
Jraßö an Breite: ho perepwe awihä zemö upapwarsti urvarangm 
nava vibazva dräjö er schneidet an dieser Stelle mit der Hippe 
(tvgl. KZ. 25, 402) die Pflanzen ab, neun vib. in die Länge 
vd. 9, 2. In diesem Satze kann man wohl noch den Akk. der 
Raumerstreckung zur Geltung bringen: ‘neun vib., nämlich 
die Länge derselben’.!) Nicht mehr möglich ist das in den 
nachahmenden Sätzen: astica im zü avaiti dqzö yavaktı fra- 
Pascı$ denn die Erde ist ebenso gross an Tiefe, wie an Breite 
y. 19, 7; ya asti avavasli maso yaha vispä imä äpo welche 
ebenso an Grösse ist, ebenso gross ist, wie alle Gewässer yt. 5, 3. 
Damit sind identisch die griechischen n&yedo;s an Grösse, pixos 
an Länge, eöpo; an Breite, Bado; an Tiefe, SYos an Höhe u. s w. 
zuerst: dvvdwpoı ydp ol ye xal dvveanıyess Noav eupos, dtdp 
nTxös ya yevdoßnv dvveopyuıoı A 311; T6a0ov Ev nixos, T6osov näxos 
eloopdacdar ı 324. 

Hiermit ist aber der mit Wahrscheinlichkeit für proeth- 
nisch zu haltende Stamm noch nicht erschöpft. Es findet sich 
im Av. noch eine Art des Akk., welche nicht mehr aus sich 
selbst zu erklären, sondern nur noch als Nachahmung der 
ebengenannten zu verstehen ist: yah as vispahe arheus astvalo 
asem asavastemo zsaprem huxsaprötemö weil er in der ganzen 
lebenden Welt an Wahrheit der wahrhaftigste, an Herrscher- 
gewalt der herrschendste war yt. 19, 79. Spiegel 410 führt 
noch einige Belege für den Akk. der Beziehung an, die aber 
anders zu erklären sein dürften. Wegen yt. 14, 12 s. Geldner, 
3 y., 64, wegen vd. 3, 32 KZ. 24, 549, wegen yt. 5, 98 KZ. 25, 


1} Interessant ist die Stellung in: cvantem drajo zroänem ainhä zemö 
anaidya wie lange soll das Brachliegen dieser Erde stattfinden vd. 6, 1. 
Eigentlich: ‘wie lange Zeit der Ausdehnung nach’, so dass dräjö hinter 
zroänem stehen würde. Aber dräjo ist durch die Bedeutung von cvantem 
angezogen worden. 





390 Kap. IX. Der Akkusativ der Beziehung. [$ 185. 





396, wegen y. 10, 9 Metrik $. 149. Die angeführten Typen 
dürften die proethnischen sein. Damit ist denn auch die ge- 
schichtliche Grundlage für das Verständnis des griechischen 
Sprachgebrauchs gegeben. Man darf nicht, wie ich SF. 4, 32 
konstruierend gethan habe, von der Verbindung dieses Akku- 
sativs mit Verben ausgehen, vielmehr wurde er im Beginn der 
speziell griechischen Sprachentwickelung nur gebraucht, um zu 
deklarieren, dass ein Substantivum als Eigenname verstanden 
sein soll, und um anzugeben, mit Rücksicht auf welchen Sub- 
stantivbegriff ein an sich weit umfassendes und daher nicht 
genügend deutliches Adjektivum einem Substantivum beigelegt 
werde. An övopa schloss sich im Griechischen wohl zunächst 
yevos, yeven an. Wie das geschehen konnte, wird besonders 
deutlich, wenn man überlegt, dass y&vos seine natürliche Stelle 
hinter dem Geschlechtsnamen hatte wie dÖvopa hinter dem Per- 
sonennamen. Bei Homer steht es in Sätzen wie: doxdeı de 
por Zupevaı dvhp Altwäds yevanv, nera 5° Apyeloıcı dvaacsı W 470; 
&E’ Iddans ydvos elul 0 267; marpds 8° 2 dyadoo xal dyw yevos 
eöyopar elvar S 113. Die vielen in betracht kommenden Ad- 
jektiva, bei welchen sich deklarierende Akkusative finden, 
lassen sich füglich in folgende Klassen theilen: a) Komparative 
und Superlative der Wörter ‘gut’ und ‘schlecht’, z. B. &rel od 
&dEv dorı yepelav, od Öfpas oböE Yunv, oöT Ap Ypevas oüte tı Epya 
A114; Nön yap tıs tod ye Binv xal yeipas Apelvav A nepar' 7, 
xal Eneıra nephoestar 0 139; yuvanıav eldos Aplorn 7 57. Daran 
dürften sich einige Verba angeschlossen haben, welche “über- 
treffen’ und ‘nachstehen’ bedeuten: &rel repleooı yuvarnıav elöds 
Te neyedss Te 168 opdvas Evdov Eloas a 248; bmelpeyev eüpkas Gpous 
T 210; (rdow) ob Teu deudpevov, out” Ap @pdvas oure Tı eldog 
8 264. 

b) Adj., welche gleich oder ähnlich ausdrücken, z. B. 
pätıv drakavros, Evallyxıos adönv, Yuhy xal eldos Öpoln, dppara 
xal xepalhv ixelos, danach bei dem Partizipium, z. B. d£pas 
&ıxuia Bejoı © 305, und bei den Verben welche ‘gleichen’ be- 
deuten, z. B. palıora 88 Neotopı ölp elöd; Te peyedis Te Yunv 
T äyxıora tolxeı B 57; Auxdovı elsaro Yuynv Y 81. Dazu wett- 


$ 185.] Kap. IX. Der Akkusativ der Beziehung. 391 


eifern: xoöpnv 8 od yapndw ’Ayapsıvovos "Arpelöno, obd el ypu- 
sein Ayppoötıy xallos Eptlor, Zpya 8° Admvaly yAauxanıdı Avrı- 
oeptsor 1390. 

c) Adj., welche eine körperliche Eigenschaft ausdrücken. 
Es wird im Akk. hinzugefügt, mit Rücksicht auf welches Glied 
oder welche Beschaffenheit der Person die Eigenschaft beige- 
legt werde. Dahin gehören: Toudeös tor pıxpös uäv Zrv Ödpac, 
aa nayncns E 801; eldos dt pAla ueyas Nev öpacdar o 4; Bonv 
ayadds; rödas bxüc, raybs und Apydc; pokös xepalhv B 219; xapn 
kavöds 0 133; nödas xal yeipas ünepdev alpardeıs P 541. An diese 
Adjektiva schliesst sich ein Substantivum, nämlich yeipds 7’ 
alyanenv Epevar xal Erlopova BouAnv m 242, und einige Verben, 
nämlich xapn xoudwvres und pelalvero dt ypda xaldv E 354; 
aopeov Ö2 orndea A 282. 

Diesen Eigenschaftswörtern verschiedener Art fügt sich 
olos an: old’ dpernv olos &ocl N 275 und diesem wieder das Ad- 
verbium rüs: Palnxes rücs dppıv dvhp Bde walverar elvar slöd; te 
neyedds Te lö& ppevas Evöov Elaas; A 337. 

d) Adjektiva, welche eine Eigenschaft des inneren Men- 
schen oder eine Stimmung ausdrücken. In den Akk. tritt das 
innere Organ, mit Rücksicht auf welches die Eigenschaft gelten 
soll. (Wir würden eher sagen, in welchem dieselbe ihren Sitz 
hat.) Dahin gehören: »pevas alolun, ppevas nAE, voov Aropwärog, 
uevos Aayeros, inlppwv BouAnv, ynddouvos xüp. Daran knüpfen 
sich Partizipia und Verba finita, welche sich freuen und das 
Gegentheil bedeuten, so: dyvöpevos xüp, Axaynıdvos Frop, Bupöv 
ayebwv, YlAov Terinpevos Hrop, xeyoAwpetvos Trop, yeynde Ypeva 
roumv © 559, xapeln 82 opdva unenp Z 481, ldoüod xe dupöv 
lavöms $ 47 (wegen töpronar 8. La Roche 20), #upöv Zywaaro 
II 616, xoA&®n N 660 und Ähnliches. Bemerkenswerth sind: 
ollov xatarnxopaı Frop T 136, Tpopdouar ppeva vauraı U 627, peya 
& Eorteve xuödlımov Xip p 247. 

Die bis hierher dargestellte Masse bekam nun Zuwachs 
von dem Akk. des Ganzen und des Theiles her, sobald durch 
die Umwandlung der Konstruktion in die passivische der Akk. 
des Ganzen verschwand (vgl. oben S. 385). Durch solche 


392 Kap. IX. Der Akkusativ der Beziehung. ($ 185. 


Umwandlung sind entstanden ß&BßAnaı xevsava dtapnepd; E 284, 
dyei neyadp Beßinpevos Arop 1 9 (vgl. röv Bade xöponv); “ortöı 
taupelp xexakuppevos söpeas Mpoug [1360 (vgl. Tüv de axdros 
dsse xaludev). Diese Ausdrücke wurden nun insofern fruchtbar, 
als sich in Nachahmung der angeführten Wendungen die Ge- 
wohnheit ausbildete. mit passivischen Partizipien und auch mit 
passivischen finiten Verben das von der Handlung betroffene 
Glied im Akkusativ zu verbinden, auch wenn das Verbum ım 
Aktıvum oder Medium nicht mit dem Akk. des Ganzen und 
des Theiles konstruiert wurde. Zu den passivischen konnten 
sich natürlich auch intransitive gesellen. Ein solcher Akku- 
sativ war nun von einem Akk. der Beziehung nicht mehr zu 
unterscheiden (vgl. das eben angeführte BeßAnptvos Arop mit 
dem $. 391 erwähnten terınp&vos Trop), und dieses Aufgehen 
der vorliegenden Konstruktion in den Akk. der Beziehung ist 
der Grund, warum ich dieselbe an dieser Stelle behandle. 
Die Weiterentwickelung mag man sich etwa folgendermassen 
denken. An xexaluppevos @pous schloss sich oaxecıv ellupevor 
apous 5 479, daran etwa Aödpw zaldocero yeıpac dantous A 169 
und ferner & dvBou nAnjTo oröpa te divas te W 777, und über- 
tragen auf das Innere od&veos nATjto ppevas Aupınelalvas P 499. 
An die Verba des Treffens, Schlagens, Verwundens: ‘Apnrov d& 
xar audı Alnov Ösdaryusvov Arop P 535, yeipa Bapuvdels T 480, 
Evda x Amb bivods öpöpdn, adv 8 dore’ Apdydm e 426, mit Über- 
tragung auf das Innere: od yd Tıs ppevas dxnernatayudvos Eoat 
o 327 (vgl. ppevas HAE u. ähnl.), &x yap rinyn Ypevas II 403, 
xarerAnym plAov Arop I 31 und danach peyäporo ölfosuto rallo- 
pevn xpadlnv X 461. Endlich Beßapndra Ypevas olivp 7 122. 
Diese äusserst bequeme Ausdrucksweise ist dann von den 
Römern nachgeahmt worden. 

Eine weitere Verfolgung des Akk. der Beziehung durch 
die griechische Literatur liegt ausserhalb meiner Aufgabe. 

In den übrigen Sprachen scheint dieser Akk. nicht mehr 
vorhanden zu sein. Zwar im Lateinischen finden sich ja 
Wendungen wie os Aumerosgue deo similis, nudus membra, 
nıgrantes terga jJuvencos, aber ich bin mit Draeger 1, 342 der 


$ 185—186.) Kap. X. Der Nominativ. 393 


Meinung, dass hierin eine Entlehnung aus dem Griechischen 
vorliegt. Für das Baltisch-Slavische bemerke ıch, dass 
Miklosich 4, 392 einige seltene Fälle dieses Akk. anführt, z.B. 
aksl. pleäti i utrobu sizezeni, d. h. humeros et ventrem com- 
bustus. Ich glaube nicht, dass das eine Originalkonstruktion 
ist. In bezug auf das Litauische meint Schleicher 263, dass 
Ausdrücke wie Aöjyq, rafikq paluzti den Fuss, die Hand brechen, 
hierher gehören. Wahrscheinlicher ist mir, dass das Intr. paluztı 
ein altes Medium fortsetzt (vgl. ai. bahum dpi Sabre er brach 
sich den Arm SF. 5,254). Oder sollte vielleicht der Akkusativ 
auf der Umdeutung einer älteren Instrumentalkonstruktion be- 
ruhen? (vgl. Leskien, Bildungder Nom. 398). — Wie es kam, dass 
dieser Akk. in einer Reihe von Sprachen verdrängt wurde, ist 
nicht schwer zu sagen. Abgesehen davon, dass der Akk. einiger- 
massen ausdruckslos erscheinen mochte, ist einleuchtend, dass 
der Instrumentalis ihm Konkurrenz machte. Neben nama und 
övona steht namnz und öydnarı. Wie zahlreich die daneben- 
stehenden Instr. in den übrigen hierher gehörigen Verbindungen 
sind, übersieht man bequem bei La Roche. 


Kapitel X. Nominativ, Vokativ. 


Der Nominativ. 


$ 186. Über den Grundbegriff des Nominativs ist $ 71 ge- 
sprochen worden. An dieser Stelle habe ich nur ein Wort 
über den Nominativ im Prädikat zu sagen, ein Gegenstand, 
auf den ich übrigens in der Lehre vom Prädikat zurückkommen 
werde. Über die Verwandlung des Akkusativs (gelegentlich 
auch Dativs) der aktivischen Konstruktion in den Nominativ 
der passivischen wird bei dem Passivum gehandelt werden. 

Der Nominativ im Prädikat. Ein solcher findet sich 
ın den arischen Sprachen (vgl. SF. 5, 103) ausser bei as, ah 
sein bei Verben, welche bedeuten werden: &irasah sänto dSiva 
abhüvan freundlich seiend sind sie unfreundlich geworden. Ap. 


394 Kap. X. Der Vokativ. [$ 186—187. 


adam ksäyathiya abavam ich wurde König (vgl. Spiegel, Gr. 408) ; 
scheinen: ai. gükama m& achadayan sie schienen mir Rinder 
begehrend ; av. ya me vaßnarte huraoda welche mir schöngewachsen 
scheint y. 11,10; sich vorkommen, sich dünken: ai. sömam 
manyalö papivan er glaubt, Soma getrunken zu haben; av. nagda 
manyete jaynvd er glaubt nicht, getötet zu haben yt. 10, 71; 
nennen: ai. durge hantävocathah du hast dich als Retter in der 
Gefahr bezeichnet; samgrahitäro vadante sie geben sich aus als 
Wagenlenker; av. Pwöi staotarasca mapranasca ahurä mazda aoge- 
madatca usmahtca visamadagca deine Lobpreiser und Prediger 
rühmen wir uns und wünschen und wollen dies y. 41, 5 (also 
ohne elvaı); fravaräng mazdayasno ich will mich bekennen als 
Mazdagläubiger y. 1, 23. An die genannten Verba schliessen 
sich die Passiva von ‘nennen’, z.B. av. aftayä urvarayd yä vaoce 
hadanagpata jenes Krautes, welches H. heisst vd. 14,4; ai. orsa 
hy ügra Srnvife denn als Stier bist du, o Starker, berühmt 
RV. 8, 6, 14 (vgl. dazu Bartholomae, KZ. 28, 8). 

Dasselbe findet sich in den übrigen Sprachen, so im Ger- 
manischen (Grimm 4, 589ff.), z. B. got. sah vatrpip mikıls 
jah sunus hauhistins hatlada oöros Eoraı yeyas xal ulös Örblorou 
xAndnoerar Luk. 1, 32; altn. ef madr er garr skögarmadr wenn 
ein Mann zum Waldmann (Ausgestossenen) gemacht wird, vgl. 
Lund 48. Über das Baltisch-Slavische ist $ 122 gehandelt, 
wo gezeigt worden ist, wie viel Abbruch der Instrumentalis 
dem aus idg. Zeit überlieferten Nominativ gethan hat. Über 
andere Konkurrenz, welcher der Nominativ ausgesetzt gewesen 
ist, wird in der Lehre von dem Prädikat zu handeln sein. 


Der Vokativ. 


$ 187. Der Vokativ mit attributiven Wörtern (vgl. 
Haskell, Vocativ-Accent in the Veda, Journ. Am.Or.Soc. 11,87 ff., 
SF. 5, 33ff.). 

SF. 5, 33 habe ich mich so geäussert: “Ein Vokativ am 
Anfang eines Satzes ist betont und zwar auf der ersten Silbe. 
Wenn ihm ein Verbum folgt, so ist auch dieses betont, z. B. 
devä jivata Götter! lebt AV. 19, 70,1. Man muss also, genau 








$ 187.] Kap. X. Der Vokativ mit attributiven Wörtern. 395 


genommen, sagen, dass ein solcher Vokativ einen Satz für sich 
bildet, hinter welchem ein neuer Satz beginnt. Dagegen ein 
Vokativ am Satzende oder im Satzinnern ist unbetont. Wenn 
letzterem ein Verbum folgt, so ist dieses unbetont, z. B. asme 
u gu vrfanä mädaystham bei uns, ihr beiden Helden, ergötzt 
euch RV. 1, 184, 2. Ein solcher Vokativ ist also ein unbetontes 
Einschiebsel oder Anhängsel.” In den anderen Sprachen wird 
es sich nicht anders verhalten, doch ist das Verhältnis nirgends 
so in der Schreibung zum Ausdruck gekommen,!) wie im Alt- 
indischen. Einem Vokativ also kann sich ein Verbum nicht in 
der Weise anschliessen, wie es sich anderen Kasus anschliesst, 
wohl aber können sich an ihn attributive Wörter anlehnen, 
und zwar Genitive, Adjektiva, Substantiva in Apposition, z. B. 
ai. suno sahasah Sohn der Kraft. Ein solcher Genitiv ist wie 
der Vokatıv unbetont, falls er nicht den Satz eröffnet. Im 
Griechischen Au; texos u. ähnl. (natürlich ohne irgend eine 
Besonderheit des Accentes, von der uns im Griechischen nichts 
überliefert ist). Beispiele für Adjektiva?): ai. p&roya hötar alter 
Priester RV. 1, 26, 5, sakhe vasö guter Freund 1, 30, 10 und 
vieles derart bei Haskell S. 62. Ebenso bei Homer: gÜle xa- 
alyınte, oÖAe Överpe, alvörare Kpovlör, y&pov plle u.s.w. Beispiele 
der Apposition sind: söma räjan Soma! König! RV. 8, 48, 7 
und räjan söma 1, 91, 4, indra väjanam patö Indra, Herr der 
Beute 6, 45, 10. Aus Homer gehören dahin: ”Hpn rpeoßa Bea 
düyarep ney@loıo Kpdvoro; ’Arpetön Meveias, ötotpepss, öpyape Aawv 


1) Für die Satznatur des Vokativs auch bei Homer spricht die That- 
sache, dass Wörter, die an die zweite Stelle gehören, wie dö£ nicht unmittel- 
bar hinter dem Vok. eines Subst. stehen können, vgl. 'Arpetön, cd d& ade 
A 282. 

2) SF. 5, 34 habe ich behauptet, ein Adjektivum sei nur dann un- 
betont, wenn es dem substantivischen Vokativ folge. Stehe es vorn, so sei 
es betont. Man schreibe also im Satzinnern vißve deväh, nicht vi$vs deväh. 
Dazu bemerkt Whitney, Am. Journ. of Phil. Vol. XIH, No. 3, 8. 277: “the 
alleged rule must be, I think, either an out-and-out mistake, or founded 
insufficiently on one or two anomalous examples, of doubtful correcetness”. 
In der That liegt ein out-and-out mistake vor, für dessen Aufdeckung 
ich Whitney dankbar bin. Im Satzinnern erscheint nur der Typus vißve 
deväh, wonach ich a. a. O. zu verbessern bitte. 





396 Kap. X. Vok. und Nom. durch und verbunden. [$ 187—188. 


und ähnliche feierliche Anreden, welche Helbig, das home- 
rische Epos? 260 ff., zusammengestellt hat. 

Die attrıbutiven Wörter stehen im RV. stets ım Vokatıv, 
meist auch bei Homer. Doch findet sich dort auch das attri- 
butive Wort im Nominativ, z. B. p{lo: & Mev&lae A 189. In 
den baltisch-slavischen und germanischen Sprachen ist diese letz- 
tere Gewohnheit durchgedrungen. Zwar im Altkirchenslavischen 
finden sich noch Vokative der alten Form, z. B. Fartseju slepe 
blinder Pharisäer, premtlostive gospodi gnädiger Gott u. ähnl. 
(Leskien, Handbuch? 72), aber im Litauischen und Germa- 
nischen hat das Adjektivum keine gesonderte Vokativform mehr, 
vgl. $ 200 und 201 und die Lehre von der Kongruenz. 

$188. Vokativ und Nominativ durch und ver- 
bunden. 

Zwei Vokative können ım RV., so viel ich sehe, nicht 
durch ca verbunden werden, was auch nicht unnatürlich ist, 
da ca Satzglieder zu einander in Beziehung setzt, die Vokative 
aber nicht Satzglieder im eigentlichen Sinne des Wortes sind. 
Wo eine solche Verbindung wünschenswerth erscheint und die 
einfache unverbundene Nebeneinanderstellung nicht beliebt 
wird, wird der zweite Begriff entweder in den nach der Kon- 
struktion möglichen obliquen Kasus gesetzt, z. B.: ıyam vam 
brahmanas patö suurktir brahmendräya vajrins akari hier ist 
euch beiden, dir, o Brahmanaspati, und (demj Indra ein Lied 
und eine Andacht bereitet worden RV. 7, 97, 9; ta urdä man- 
yeus mahya mazda a$äica yusmatbya gerez& diese Worte meines 
Grimmes klage ich euch, dir o Mazda und (dem) A3a y. 32, 9; 
oder wo ein obliquer Kasus nicht möglich ist, tritt der Nominativ 
für den zweiten Vok. ein, z. B. vayav indraS ca cätathah Vayu 
und Indra ihr habt acht RV. 1, 2, 5. Doch kann die Ordnung 
auch umgedreht werden, z. B. indra3 ca sömam pibatam brhas- 
pat? Indra und Brhaspati trinkt den Soma 4, 50, 10; frö vä 
fratsya mazdä asemcä ich bitte euch, Mazda und ASa y. 49, 6. 
Vgl. hinsichtlich des Veda SF. 5, 105 und hinsichtlich des 
Gathadialekts (wo allein die Konstruktion vorzuliegen scheint) 
Geldner, BB. 15, 255, Caland, KZ. 30, 544. Der letztgenannte 








$ 188—189.] Kap. X. DerNom.für den Vok. und der Vok. für denNom. 397 


Gelehrte stellt die Nominative mit den obliquen Kasus gänz- 
lich auf eine Stufe, indem er meint, Anreden wie vdruna 
mitrd$ ca seien zu erklären aus yuodm varuna mitrdca und 
der Nominativ mitras (so verstehe ich ihn wenigstens) habe 
sich nach dem Nominative yuvdam ebenso gerichtet, wie der 
Dativ indraya nach dem Dativ vam. Ich ziehe die hier mit- 
getheilte Auffassung vor, schon deshalb, weil ich nicht zugeben 
kann, dass in ysodm ein wirklicher Nominativ (sondern eher 
ein Vokativ) zu erkennen sei. Mit den vedischen Stellen 
wie väyav indra5 ca hat Rosen und nach ihm viele andere 
T 276 verglichen: Zeö narep "Iöndev peötwv, xudLote weyıore, 
his 9 ds navr Epopds nal navt &raxobeıs. Vielleicht ist auch 
7406 Ööyarep zu lesen. Daneben kommen in unseren Texten 
auch Vokative vor, die durch te verbunden sind, so Alav ’löo- 
ueved te. Ob hier mit Cobet (den Monro? 156 anführt) Atas zu 
lesen sei, lasse ich dahingestellt. 

$ 189. Der Nominativ für den Vokativ und der 
Vokativ für den Nominativ. 

Wir haben $ 73 gesehen, dass der Nominativ vermuthlich 
schon in der Ursprache im Singular einiger Stammklassen und 
im ganzen Plural für den nicht gebildeten Vokativ verwendet 
worden ist. Ferner haben wir oben gesehen (worüber bei der 
Apposition noch weiter gesprochen werden soll), dass der attrı- 
butive Vokativ durch den Nominativ ersetzt werden kann. Es 
tritt aber gelegentlich der Nominativ auch bei den Wörtern, 
welche einen Vokativ bilden können, und in nicht attributiver 
Verwendung für den Vokativ ein. Im Altindischen freilich habe 
ich das nicht gefunden, im Griechischen wird z. B. {los so 
gebraucht (Kühner 22, 43). Im Lateinischen findet sich Vok. 
und Nom. neben einander, z. B. da meus ocellus, mea rosa, mi 
anıme, mea voluptas, Leonsda argentum mihi (Plautus Asin. 664). 
Vermuthlich heisst doch meus ocellus ursprünglich so viel wie 
‘der du mein Augapfel bist’ (so dass also eine Konstruktion vor- 
läge wie olvoßap&;, xuvös dupar’ Zywy A 225). Auch in der alter- 
thümelnden Formel bei Livius 1, 24, 7 aude tu populus Albanus 
ist der Nom. wohl ebenso zu fassen. Nach den Angaben der 


398 Kap. X. Artikel und Vokativ. [$ 189—190. 


Grammatiken steht der Nominativ bei feierlichen Anreden, was 
ich dahingestellt sein lasse. Dass die Wahl des Nominativs an 
sich auch durch ganz andere Rücksichten bestimmt sein kann 
als die Rücksicht auf Feierlichkeit, beweist das Polnische, hin- 
sichtlich dessen L. W. Smith, Poln. Gramm.?, 183 sagt: “Der 
Vokativ ist dem Polen nicht so geläufig, wie man aus der stark 
ausgeprägten Form vermuthen sollte; der Nom. kann ihn oft 
vertreten. Wenn man jemand, z. B. einen Diener, beim Tauf- 
namen ruft, gebraucht man oft den Nom. Franciszek, Jözef, 
aber der Vok. Franciszku, Jözefie ist höflicher.” Offenbar heisst 
Jözef so viel als ‘der Josef (soll kommen)’. 

Auf der anderen Seite werden zweifellos Vokative von 
Eigennamen und Titeln nominativisch gebraucht. So im Ser- 
bischen, woraus Leskien in Kuhn und Schleicher’s Beiträgen 
6, 173 als Belege für eine ungemein häufige Erscheinung an- 
führt: Kad to cuo Kraljevicu Marko als das hörte Kraljevic 
Marko (Nom. wäre Kraljevit); netko bjese Strahinidu bane, bjese 
bane u malenoj Banjskoj es war ein Ban Strahinic, war Ban im 
kleinen Banjska. Das ist nicht anders, als wenn ein Erzieher 
bei Walter Scott von seiner Umgebung als der Domine be- 
zeichnet wird. Dass Jupiter so zu deuten sei, wird jetzt wohl 
allgemein angenommen, und auch die griechischen Amtsbe- 
zeichnungen wie ı;röta, vepsAnyepfta u. 8. w. sind gewiss ebenso 
zu deuten. (Über eöpdora vgl. J. Schmidt, Pluralb. 400 ff., 
über die ganze Frage ausser der dort angeführten Literatur 
Zimmer, KZ. 32, 190 ff.). 

Gelegentlich kann der Vokativ durch eine Art von Attraktion 
auch dazu kommen, prädikativ gebraucht zu werden. So ai. 
(SF. 5, 106) gäutama bruväna o du, der du dich Gautama nennst. 
Für das Griechische pflegen die Grammatiken anzuführen dAßıe 
xöpe ye&voro (Theokrit), für das Lateinische seu Jane libenttus 
audıs (Horaz) u. ähnl., vgl. Kühner 22, 45. 

8190. Artikel und Vokativ. 

Bezzenberger schreibt in seinen Beiträgen 13, 290: “Jacob 
Grimm lehrt Gramm. IV, 383: “Der Vokativ erträgt keinen 
Artikel, und wo er ihn in jüngeren Sprachen annimmt, da 


& 190.) Kap. X. Artikel und Vokativ. 399 


liegt eine Vertretung der zweiten Person durch die dritte zu 
Grunde’. Im Gegensatz hierzu nehme ich an, dass die Ver- 
bindung des Vokativs mit dem Artikel, bez. einem Pronomen 
demonstr. uralt und sogar uralte Regel ist, und dass das Ge- 
setz, nach welchem ein mit einem Vokatıv verbundenes Ad- 
jektiv im Germanischen in der schwachen, in den lituslavi- 
schen Sprachen in der definiten Form erscheint — vgl. got. 
laisarı Piubeiga guter Lehrer, ahd. druhtin guato guter Herr, 
lit. miftrai gerafis guter Meister, lett. mila mdsa liebe Schwester, 
ksl. dodryj rabe guter Knecht — nur eine Folge jener Regel 
ist. In den Veden ist jene Verbindung bekanntlich überaus 
häufig, vgl. z. B. sd nö vrgann amim carim... dpa vrdhi 0 
unser Gewaltiger, decke auf jenen Topf RV. 1, 7, 6, sd nah 
pavaka didivö ’gna devan iha vaha o unser leuchtender Reiniger! 
Agni! bring die Götter her, das. 12,10”. So Bezzenberger. Nach 
meiner Ansicht liegt die Sache anders. Das Pronomen sd erscheint 
im RV. häufig bei der zweiten Person des Verbums, z. B. yds 
takynoh prathamdm süsy ukthyah du, der du dies zuerst gethan 
hast, bist zu preisen 2, 13, 2, am gewöhnlichsten bei Formen 
imperativischer Bedeutung, z. B. fvdm vajasya $rütyasya rajasi 
sa no myla du gebietest über herrliches Besitzthum, sei du uns 
gnädig 1, 36, 12, semdm nö adhvardm yaja besorge du unser 
Opfer 1, 26, 1, neben dhäs z.B. 1, 54, 11, neben yak$i 2, 6, 8. 
Neben sd erscheint todm, z. B. sd todm nö adyd sumanä ihavıta 
bhava du sei uns heute hier ein gnädiger Helfer 1, 36, 2, oder 
tcdam mitsammt dem Vokativ eines Substantivums, z. B. s@ todm 
agne säubhagatväsya vidvan asmäkam äyuh prä tirehd deva du, 
o Agni, der du des Glückes kundig bist, verlängere uns hier 
unser Leben, o Gott 1, 94, 16. Oder es erscheint bloss der 
Vokativ ohne tvdm, z. B. sd nah piteva sündve 'gne supäyand 
bhava du, o Agni, sei uns zugänglich wie ein Vater dem Sohne 
1,1, 9. Oder es erscheint ein Vokativ nebst einem Adjektivum, 
2. B. s4 a vaha puruhüta präcetaso ’gne devar iha dravdt du 
bring hierher, vielgerufener, die weisen Götter, o Agni, eilig 
1,44, 1. Diesen mit s@ beginnenden, einen Vokativ enthalten- 
den Sätzen steht nun aber eine ungezählte Menge von Vokativ- 





400 Kap. XI. Das Adjektivum. [$ 190. 


sätzen ohne s@ gegenüber (welche man bei Haskell, Journ. Am. 
Or. Soc. 11, 57-ff. überschaut), so dass man meines Erachtens 
von einer gewohnheitsmässigen Verbindung von sd mit dem 
Vokativ nicht sprechen kann. Vielmehr wird man nur sagen 
können, dass Imperativsätzen, welche mit s4 beginnen, ivdm oder 
ein Vokativ eingefügt werden kann. Unter diesen Umständen 
wird man sich nach einer anderen Erklärung für das Auf- 
treten der schwachen, bez. definiten Form des Adj. bei dem 
Vok. ın den germanischen und lituslavischen Sprachen um- 
sehen müssen. Ich habe eine solche bei dem Adjektivum 
$ 200 und 201 versucht. 


Kapitel XI. Das Adjektivum. 


Die Darstellung beginnt mit denjenigen Punkten, durch 
welche das nominale Adjektivum als ein eigener Satztheil ge- 
kennzeichnet wird. Dieses sind die Beschränkung auf gewisse 
Stammbildungssuffixe, die Motionsfähigkeit, die Ausbildung 
einer besonderen, aus der Urzeit herrührenden, Flexion im Ger- 
manischen und Litauischen, die Fähigkeit gesteigert zu werden. 
Den Eintheilungsgrund für das Übrige liefert die Thatsache, 
dass die Adjektiva sich ın ihrem Gebrauch mit anderen Wort- 
arten berühren. Zunächst mit den Substantiven. Es giebt 
Adjektiva, welche aus Substantivis entstanden sind, und es 
giebt Wörter, welche zwischen substantivischer und adjektivi- 
scher Anwendung in der Mitte stehen. An diese schliessen 
sich die schwachen (bestimmten) Adjektiva des Germanischen, 
welche ja aus attributiven Substantiven hervorgegangen sind. 
Diesen habe ich sofort die zusammengesetzten (bestimmten) 
Adjektiva des Baltisch-Slavischen angeschlossen, da sie sich 
zwar nicht ıhrem Ursprung, wohl aber ihrer Verwendung nach 
mit den germanischen schwachen Adj. auf das nächste be- 
rühren. Sodann findet eine Berührung statt mit den Zahl- 
wörtern. Das ist der Fall bei den Wörtern vie}, wenig, halb, 





$ 190—191.) Kap. XL. Stammbildung der Adjektiva. 401 


mittel. Endlich mit den Adverbien. Damit meine ich z. B. 
griechische Wörter wie hparıos am Tage. 

Danach ergiebt sich folgendes Schema. 

$ 191. Eigenthümlichkeiten der Adj. in bezug auf Stamm- 
bildung. 

$ 192. Motionsfähigkeit. 

$ 193. Besondere Flexion, vorzüglich im Germanischen und 
Litauischen. 

$ 194. Steigerung der Adjektiva. 

$ 195. Steigerung von Substantiven. 

$ 196. Komparativ und Superlativ einander in Bedeutung 
und Konstruktion berührend. 

8 197. Vergleichung zweier Eigenschaften. 

$ 198. Adjektiva aus Substantiven hervorgegangen. 

$ 199. Attributive Substantiva. 

$ 200. Die schwachen (bestimmten) Adjektiva des Ger- 
manischen. 

$ 201. Die zusammengesetzten (bestimmten) Adjektiva im 
Baltisch-Slavischen. 

$ 202. Rückblick auf die Adjektiva des Germanischen und 
Baltisch-Slavischen. 

$ 203. Adjektivum und Genitiv im Slavischen. 

$ 204. Vergleichung mit den anderen Sprachen. 

$ 205. Adjektivum und Zahlwort. 

$ 206. Adjektivum und Adverbium. 


$ 191. Eigenthümlichkeit der Adjektiva in bezug 
auf die Stammbildung. 


Im Arischen und Griechischen sind die Ausgänge der Ad- 
jektivstämme recht mannigfaltig. Es finden sich nicht nur 
Stämme auf Vokale, sondern auch solche auf », 2. B. ai. yıvan 
jung, pivan fett, gr. rlwv, welas; auf s, 2. B. ai. apds kunst- 
reich, neben dpas Werk, vedhds fromm, gr. oapns, ferner auf 
nt, die Adj. auf vant, fevr. Von diesen Adj. sind einige, wie 
die auf » und s vielleicht erst aus Substantiven hervorgegangen, 
doch wird der Prozess der Adjektivierung jedenfalls schon in 


Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm. Sprachen. 1. 26 


402 Kap. XI. Motionsfähigkeit der Adjektiva. [$ 191—192. 


der Ursprache begonnen haben. Andere, wie z. B. die auf 
vant, fevr treten uns von Anfang an als Adjektiva entgegen. 
Dazu kommen dann noch die Partizipia und Komparative. 
Was aus diesem Reichthum in den andern Sprachen geworden 
ist, übersehe man bei Osthoff, Forschungen im Gebiete der 
indogermanischen nominalen Stammbildung 2, 38 ff. Die kon- 
sonantischen sind, bis auf geringe Reste ım Lateinischen, ver- 
schwunden. Die u-Stämme sind ım Lateinischen in die :- 
Deklination übergetreten, im Slavischen und Germanischen 
(bis auf geringe Reste im Gotischen! in die o-Deklination auf- 
gegangen, dagegen erhalten im Litauischen. Die +-Stämme, 
überhaupt von Anfang an nicht sehr zahlreich, sind, wenn 
man von unbedeutenden Resten im Gotischen und Litauischen 
(didis) absieht, nur im Lateinischen erhalten und haben sich 
hier sogar über ihr ursprüngliches Gebiet weit ausgedehnt. 
Es finden sich also in den europäischen Sprachen (ausser dem 
Griechischen) wesentlich nur o-Stämme, wozu im Lateinischen 
noch :-Stämme, im Litauischen «-Stämme kommen. Die »- 
Deklination des Germanischen — die sog. schwache — stammt, 
wie unten ausgeführt werden soll, von den attributiven Sub- 
stantiven. 

$ 192. Motionsfähigkeit. 

Hinsichtlich der Motionsfähigkeit ist ebenso wie hin- 
sichtlich der Stammsuffixe zu bemerken, dass das Arische und 
Griechische im wesentlichen den ursprünglichen Zustand be- 
wahrt haben dürften. In diesen Sprachen verhält es sich 
so: Das Neutrum unterscheidet sich überall vom Masku- 
linum in der bekannten Weise. Die Feminina der o-Stämme 
haben den Ausgang z, so dass also z. B. in paxpos, paxpe, 
poxpov der idg. Zustand vorliegt. Freilich zeigt sich sowohl 
auf dem asiatischen wie auf dem europäischen Gebiet je eine 
bedeutende Abweichung. Im Altindischen und Avestischen 
nämlich ist das Femininsuffix i, welches ursprünglich substan- 
tivisch war und dann sich unter den adjektivischen Nicht-o- 
Stämmen ausbreitete, auch in das Gebiet der o-Stämme ein- 
gedrungen (vgl. über dasselbe Brugmann 2, 313 ff.). Eine feste 











$ 192.) Kap. XI. Motionsfähigkeit der Adjektiva. 403 


Regel für die Abgrenzung des Gebietes von @ und ? hat sich 
bis jetzt nicht aufstellen lassen (vgl. darüber Whitney, Gramm. 
$ 332, Liebich, Pänini 102 ff., Spiegel, Gramm. 301 ff.), doch 
gestattet das von Whitney beigebrachte Material (wie mir 
scheint), auszusprechen, dass ? überall bevorzugt wurde, wo eine 
Hinneigung des Wortes zum substantivischen !) oder parti- 
zipialen Sinne vorlag, und es lässt sich weiter vermuthen, dass 
bei den anderen Adjektiven die Führung den Wörtern wie 
däivya zufiel, deren Fem. daivi wahrscheinlich ein auf Kon- 
traktion beruhendes ? enthält. Im Griechischen andererseits 
fallen die zahlreichen o-Stämme auf, deren Femininum auf os 
endigt (vgl. Kühner-Blass $ 147). Ich weiss dem, was ich über 
dieselben SF. 4, 63 ff. bemerkt habe, kaum etwas hinzuzufügen, 
bin also auch jetzt noch der Meinung, dass Wörter wie 7ouyos 
und &wAos wohl eigentlich Substantiva waren, dass auf die 
mehrsilbigen Adj. die Komposita verführerisch einwirkten, 
welche ihr Fem. naturgemäss auf o; bildeten, und dass endlich 
auch die Rücksicht auf das Metrum gelegentlich zur Geltung 
gekommen ist. Alle übrigen, also alle Nicht-o-Stämme haben 
entweder kein Femininzeichen, oder das schon erwähnte 3, 
gr. ıa. Es ist ausnahmlos vorhanden bei den Partizipien und 
bei den Adjektiven auf »? (auch bei denen auf ın im Sanskrit). 
Es überwiegt bei den v-Stämmen (vgl. Whitney $ 344b, Kühner- 
Blass $ 127, Anm. 2). Nicht angetreten ist ? bei den wenigen 
Adjektiven, welche :-Stämme sind, ferner nicht bei den Wör- 
tern auf s wie apds, Nom. apäs werkthätig, gr. saprc.?) Ver- 
muthlich wurden sie noch als Substantiva empfunden. Ebenso 
mag es sich mit den wenigen auf ai. ar verhalten. Die mit 
dem Suffix var gebildeten haben im Fem. varı, z. B. yayvan, 
-vari fromm, plvan, -vari fett (vgl. Lanman, noun-infl. 527); 
yivan jung hat als Fem. neben sich yuvatıi. Es lässt sich wohl 


1) Man sehe z. B. die Feminina drufi und Syävi bei Grassmann. 

2) Wie es sich mit den Komparativen verhalten haben mag, lässt sich 
nicht mit Bestimmtheit sagen, da das Arische und das Griechische in dieser 
Beziehung nicht übereinstimmen. 

26* 


404 Kap. XI. Motionsfähigkeit der Adjektiva. [$ 192. 


annehmen, dass die leitenden unter diesen Wörtern ursprüng- 
lich Substantiva waren (Opferer, Jüngling), die dann adjektivi- 
schen Gebrauch erhielten. Im Griech. ıst die Adjektivnatur 
dieser Wörter fester ausgeprägt, doch finden wir rtalav bei 
Aristophanes auch als Anrede an Frauen gebraucht (Unglücks- 
wesen’). Dem ai. pivan, -vari entspricht riwv, risıpa u. ähnl., 
in anderen Fällen ist bei der Bildung des Femininums der 
auch im Maskulinum erscheinende Stamm zu Grunde gelegt, 
z. B. p&laıva. 

Einfacher liegen die Dinge in den übrigen Sprachen. Im 
Lateinischen setzen die o-Stämme den idg. Zustand fort. 
Die t-Stämme, zu denen sich ja auch die v-Stämme und — mit 
ganz wenigen Ausnahmen — die konsonantischen gesellt haben, 
unterscheiden das Mask. und das Fem. nicht. Nur bei den 
Wörtern wie acer, acris, acre ist in der Schriftsprache eine 
Unterscheidung hergestellt worden, offenbar in nachahmender 
Anlehnung an Wörter wie asper, aspera, asperum. Die Merk- 
würdigkeit des Lateinischen sind die Neutra mit s wie prae- 
ceps, dives, atroxz, amans u.8. w. Ich werde auf dieselben in 
dem Abschnitt über die attributiven Substantiva ($ 199) eingehen. 
Im Germanischen hat sich bei den o-Stämmen die Drei- 
geschlechtigkeit erhalten und die neu hinzugekommenen 
n-Stämme sind dem entsprechend gestaltet worden. Die übri- 
gen Stämme kommen so gut wie nicht in betracht, doch sei 
erwähnt, dass im Gotischen noch die Feminina Zulgus fest und 
Paursus verdorrt belegt sind. Im Litauischen ist das Neu- 
trum, wie überhaupt, so auch bei dem Adj., bis auf schwache 
Reste verloren gegangen, wovon sogleich gehandelt werden 
soll. Das Femininum ist bei den o-Stämmen rein erhalten 
geblieben, z. B. geras, gerd gut, die io-Stämme haben gewisse 
lautliche Veränderungen erlitten, und das Femininum derselben 
ist in die u-Stämme eingedrungen, z. B. saldıs, saldi süss. Im 
Altkirchenslavischen und im allgemeinen auch in den 
übrıgen slavischen Sprachen ist die Motionsfähigkeit der dort 
fast allein noch vorhandenen o-Stämme erhalten geblieben. 
Über die erstarrten Adj. auf % s. unten. 





$ 192.) Kap. XI. Motionsfähigkeit der Adjektiva. 405 


Eine Verkümmerung hat die Beweglichkeit des Adjek- 
tivums im Germanischen und Litauischen erfahren, im Ger- 
manischen, weil eine Neutralform, welche den Eindruck der 
Flexionslosigkeit macht, sich immer mehr ausgebreitet hat, 
im Litauischen, weil das Neutrum bis auf geringe Reste ver- 
schwunden ist. Über den Vorgang im Germanischen hat 
Grimm 4, 460ff. gehandelt. Was an seiner Darstellung vom 
sprachwissenschaftlichen Standpunkt aus zu verbessern war, 
ist von Leo Meyer, über die Flexion der Adjektiva im Deut- 
schen, Berlin 1863, beigebracht worden. Ich führe hier aus 
dem Gotischen, Althochdeutschen und Mittelhochdeutschen nur 
so viel an, als nöthig ist, um den Fortgang der Erscheinung 
anschaulich zu machen. Im Gotischen giebt es eine kurze 
Form des Nom. Akk. sing. neutr. der Adj., z. B. full zu fulls 
vol. Diese ist aus einem indogermanischen *plndm ent- 
standen, also die direkte Fortsetzung der Urform. Daneben 
hat sich eine längere, z. B. fullata, ausgebildet, welche in An- 
lehnung an das Pronomen, z. B. fata, entstanden ist. Diese 
beiden Formen kommen im attributiven Gebrauch in gleicher 
Anwendung vor, z. B. nım bata badi bein oder Peinata nimm 
dein Bett, agis mikil grosse Angst und Akelikn mikilata einen 
grossen Thurm. Doch sind die kurzen Formen etwa fünf Mal 
so häufig als die langen. Anders gestaltet sich die Sache bei 
dem prädikativen Gebrauch des Adj. Dort herrscht die kurze 
Form durchaus (nur Römer 7, 12 wird als Ausnahme angeführt), 
z.B. goß salt das Salz ist gut, jabai salt baud vaırfıp wenn 
das Salz dumm wird. Der Grund der verschiedenen Behand- 
lung ist einleuchtend: das Adj. erhielt die pronominale Flexion 
in derjenigen Anwendung, welche es von dem Substantivum 
am deutlichsten unterscheidet, nämlich der attributiven, in die 
prädikative Anwendung aber, in welcher das Adj. ja weit 
weniger unselbständig erscheint, ist die neuerworbene Flexion 
nicht gedrungen. Die kurze Form nun in ihrer Unbezeichnet- 
heit konnte sich leichter ausbreiten als eine Form, der man 
Genus, Numerus und Kasus anmerkt, sie konnte daher weiter 
dringen, und das geschah im Althochdeutschen. Dort drang 





406 Kap. XI. Motionsfähigkeit der Adjektiva. [$ 192. 


sie ım attributiven Gebrauch auch ın die anderen Genera, 
man konnte also nicht bloss Aub And min, sondern auch in 
Nachahmung dessen guot man, wih tohter sagen, wenn auch 
die gewöhnlichen Formen daneben vorkommen. Im prädi- 
kativen Gebrauch aber eroberte sie auch den Plural. Es heisst 
also im Sing.: iA bin arm, breit ist phorta inti wit weg, diu 
erda ist fol; im Plur.: daz wir bırun al gilich, sie sint gotes 
worto flizig, beidiu sint sie arm unde durftig. Doch kommen 
ebenso gut auch die vollen Formen vor. Nothwendig ist die 
kurze Form nur da, wo ein unbestimmtes Neutrum steht und 
das Subjekt garnicht bezeichnet ist, z. B. guot ist uns. Einen 
Schritt weiter geht man, indem man die kurze Form auch auf 
den prädikativen Akkusativ überträgt, z. B. du findist fol 
den salmon fon desen dingon. Gewöhnlich aber ist die dem 
Akk. auch sonst gebührende Form, z. B. sinan stuol haz er 
stalan. Für den attributiven Gebrauch im Mittelhochdeutschen 
fasst Grimm S. 485 die Regel so zusammen: “es heisst meisten- 
theils guot man, guotiu frouwe, guot kint; eın frum man, ein 
Frumi frouwe, ein frum kint, kann aber auch heissen guwoter 
man, ein frumer man, so wie guot frouwe, ein frum frouwe. 
“ Mehırsilbige zumal die auf ec, esch, lich weichen der Flexion 
aus. Für einzelne Ausdrücke hat sich auch durch Gewohnheit 
bald die eine, bald die andere Form festgesetzt”. Häufig sind 
die kurzen Formen bei Nachstellung des Adj., z. B. der knappe 
wert, und in diesem Falle sind auch die obliquen Kasus an- 
gesteckt worden, 2. B. den apfel riche, an deme himele wit, 
man pflac des heldes unverzagt u. s. w. In der prädikativen 
Anwendung erscheinen der Nom., der Sing. und Plur. in der 
Regel in der kurzen Form, z. B. daz du bist biters eiters vol, 
do si des wurtin sat, doch kommt auch vor: nides was er voller, 
daz er sater was. Der prädikative Akk. kann die kurze Form 
haben, z. B. er schuof daz becke vol des brunnen, hat aber 
häufiger die längere, z. B. er leit ın töten uffez gras (494). Im 
Neuhochdeutschen endlich ist eine scharfe Scheidung zwischen 
dem attributiven und dem prädikativen Gebrauch eingetreten. 
Der erstere hat fast durchaus die volle, der letztere (mit ganz 


$ 192.) Kap. XI. Motionsfähigkeit der Adjektiva. 407 


geringen Ausnahmen, wie voller) die kurze Form, ebenso auch 
der prädikative Akkusativ, der vielfach resultativen Sinn an- 
genommen hat. Wir sagen ja nicht nur er lässt ihn tot legen, 
sondern auch er schlägt ıhn tot, weint sich satt, weint sich die 
Augen roth u. s. w. (vgl. Paul, Prinzipien? 127). 

Mit der prädikativen Verwendung scheint auch eine Ver- 
kümmerung der Flexion, welche sich im Altnordischen findet, 
zusammenzuhängen. Dort giebt es eine grosse Menge meist 
zusammengesetzter und nur in der schwachen Form gebräuch- 
licher Adjektiva, welche entweder in allen Kasus auf a, oder 
im Nom. sing. mask. auf :, in den übrigen Kasus aber auf a 
endigen (vgl. Wimmer, altn. Gr. $ 85, G. Vigfusson, icel.-engl. 
Diet. XX). Manche dieser Wörter stehen ın der Mitte zwi- 
schen Adjektiven und Substantiven, z. B. etdrofa eidbrüchig, 
Eidbrecher. Ich finde dieses Wort auf « ausgehend im prä- 
dikativen Gebrauch, so: Ave gardu mik Gyuka arfar üstalausa 
ok eidrofa wie mich die Erben des Gjuki liebelos und eid- 
brüchig machten Helr. 5, mit sen z. B. nu erum ver eidrofa 
nun sind wir eidbrüchig (Wilken 203, 24); dagegen als Sub- 
jekt lautet der Nom. plur. auf ar: vada eidrofar ok mordvargar 
es schreiten die Eidbrecher und Meuchelmörder (Wilken 88, 8). 
Prädikativisch erscheint frumvazti in oA er Sinfjotli er frumvaztı 
und da S. erwachsen ist (Wilken 160, 17). Über den Gebrauch 
der übrigen, und namentlich auch der nicht zusammengesetzten, 
werden uns wohl die Kenner belehren. Im Litauischen (vgl. 
Schleicher 257, Kurschat $ 780 und 1340 ff.) ist das Neutrum 
der Substantiva verloren gegangen. Damit kommen die Neutra 
der Adjektiva, welche sich an ein Substantivum anlehnen, von 
selbst mit in Wegfall. Es war aber natürlich, dass das Neu- 
trum des Adj. dann blieb, wenn ein Substantivum, an welches 
es sich anlehnen könnte, nicht vorhanden war, also wenn das 
Adj. prädikativ steht ın Sätzen mit unbestimmtem Subjekt, wie 
z. B. ‘mir ist wohl‘. In derartigen Sätzen finden wir im Lit. 
das alte echte Neutrum, z. B. eiti Jam sufku zu gehen ist ihm 
schwer, män malonü mir ist es lieb. Eine Schwierigkeit ent- 
steht bei den o-Stämmen. Bei diesen nämlich können nur 





408 Kap. XI. Motionsfähigkeit der Adjektiva. [$ 192. 


die mit beweglichem Accent das Femininum äusserlich von 
dem Neutrum unterscheiden (z. B. bei geras gut, Fem. gerö, 
Neutr. gera), während bei den mit festem Tone (z. B. meilingas 
lieblich) beide Formen meilinga lauten würden. Danach dürften 
die Ausdrücke wie man gera!), oder wie man nach Kurschat 
im Volksmund vielmehr sagt man ger mir ist gut, Jdm pikt 
ihm ist unwohl als Neutra zu erklären sein, aber in einem 
Satze wie Zai meilinga das ist lieblich kann man nicht erkennen, 
welchem Genus meslinga angehört. Syntaktisch genommen ist 
es nicht unmöglich, meilinga als Fem. aufzufassen, denn neben 
dem Neutrum tritt in diesen Ausdrücken das Fem. konkurrie- 
rend und vordringend auf. So sagt man neben man szdlt mir 
ist kalt: szianden szaltd heute ist es kalt?), ebenso szianden tızi 
eiti heute ist es glitschig zu gehen, jat szväsi es ıst schon hell. 
So auch bei Komparativen und Superlativen, z.B. sziafden sziltesne 
heute ist es am heissesten. Es lässt sich nicht sicher sagen, wie 
das Femininum, das auch in einigen slavischen Sprachen so 
vorliegt, zu diesem Gebrauch gekommen sei (vgl. J. Schmidt, 
Pluralb. 32), mir scheint die Meinung Kurschat’s, dass bei ei- 
nigen der genannten Wendungen die Ellipse eines fem. Sub- 
“ stantivums anzunehmen sei, z. B. in jJaü szoesi “es ist schon 
hell’ die von dönd Tag, sehr wahrscheinlich, und es liegt nahe, 
zu vermuthen, dass solchen Formen wie szv&si andere nachge- 
bildet wurden, neben denen nun kein Substantivum mehr vor- 
schwebte. Dass ein Bedürfnis für eine Adjektivform vorhanden 
war, welche das aus dem Bewusstsein schwindende oder ge- 
schwundene Neutrum ersetzen konnte, liegt auf der Hand. 
Zu dem Neutrum, so weit es noch vorhanden ist, und dem 
Femininum tritt im prädikativen Gebrauch im Litauischen auch 
noch das Adverbium, und zwar dann, wenn fat das Subjekt 


- on nn on 


1) Freilich ist man noch im Zweifel, wie der Endvokal in Formen wie 
gera lautlich zu erklären sei (vgl. Brugmann 2, 265). Aber gegen die An- 
nahme, dass sie Neutra seien, lässt sich aus diesem Zweifel ein Bedenken 
nicht ableiten. 


2) Nach Brugmann 2, 565 freilich wäre szalta überhaupt keine Adjektiv- 
form, sondern ein femininisches Abstraktum, also ‘heute ist Kälte’. 


$ 192.] Kap. XI. Motionsfähigkeit der Adjektiva. 409 


ist, z. B. Zui gerai das ist gut (vgl. auch noch J. Schmidt, 
Pluralb. 162). 

In einigen Sprachen giebt es auch Adjektiva ohne alle 
Flexion. Dahin gehören aus dem Altıindischen die merk- 
würdigen Formen praSan, pralän, pradan. Praan ist belegt 
aus SB. 3,1, 3, 10: drur vai pürufasyakfı prajäan mäma wund 
ist das Auge des Menschen, heil das meinige, sodann gewähr- 
leistet durch Pänini 8, 3, 7, wo gelehrt wird, dass das nr von 
pra3an nicht dieselben Schicksale hat, wie das » von Nomina- 
tiven wie bhavän, da es heisst: bhavgschädayati, aber pra- 
Sähchadayati. Pratän und pradän kennen wir nur aus späterer 
grammatischer Überlieferung. Die indischen Gelehrten haben 
erkannt, dass die genannten Wörter zu den Wurzeln $am, tam, 
dam gehören; ob nun aber eine Stammform praam oder pra- 
$aäm mit einem Nominativ pra$än, der dann erstarrt wäre, an- 
zusetzen ist, darüber ist man noch nicht in’s klare gekommen. 

Als indeklinable Adjektiva aus dem Lateinischen führen 
Schweizer-Surber $ 140 frugt, peregre, volup, damnas, necesse und 
nequam an. Frugi dürfte ein Dativ, peregre ein Lokalis und 
volup ein Nominativ sein, damnas ist aus damnatos entstanden, 
hat sich in der Formel damnas esto gehalten, auch als die 
übrigen Formen der gleichen Art auf as verschwunden waren, 
und so konnte denn auch damnas sunto gebildet werden. Necesse 
mit seinen verschiedenen Nebenformen ist vermuthlich ein Sub- 
stantivum, das im prädikativen Ausdruck adjektivisch geworden 
ist. Nequam endlich zeigt eine auffallende Ähnlichkeit der 
Bildung mit pra$änim) u. s. w., wird also wohl mit diesem 
zusammen seine Erklärung finden. 

Im Altkirchenslavischen liegen vor eine Reihe von 
indeklinablen Adjektiven auf ? wie svododi frei, razlıei ver- 
schieden, ?splüni voll, sugubi doppelt, preprosti einfach (vgl. 
Miklosich 2,55, Leskien, Handbuch? 72). So sagt man z.B. 
(die Belege aus Miklosich’s Lexikon) Zena svobodi jesti otü 
zakona die Frau ist vom Gesetze frei, da my otü grechü svo- 
bodi bqdemü damit wir von Sünden frei werden und auch 
attributiv svododt devicq ein freies Mädchen. Bei einigen — 


410 Kap. XI. Besondere Flexion der Adj. im Germ. u. Lit. [$ 192—193. 


so bemerkt Leskien? 94 —, z. B. bei svobodt und sugubi, ist es 
zuweilen im Zusammenhang des Satzes kaum zu unterscheiden, 
ob sie adjektivisch indeklinabel oder adverbiell zu fassen sind. 
Über die Erklärung ist noch kein Einverständnis erreicht. 
Leskien meint, es könnten erstarrte adjektivische Kasus, viel- 
leicht aber auch Substantiva vorliegen, J. Schmidt, Pluralb. 63 
entscheidet sich für die erstere Annahme. 

$ 193. Besondere Flexion der Adjektiva, vorzüg- 
lich im Germanischen und Litauischen. 

Im allgemeinen werden in unseren Sprachen die Adjektiva 
ebenso flektiert wie die Substantiva. In einigen aber findet 
ein Einfluss der pronominalen Deklination auf die adjektivische 
statt. So im Altindischen (vgl. Whitney $ 522ff.). Dort richten 
sich Komparative und Superlative wie Aalard und Aatama, 
yatard und yalama in ihrer Flexion völlig nach den Prono- 
minibus As und yd, andere Wörter, z. B. viSva all, haben 
ın der ausgebildeten Sprache in allen Kasus pronominale Bil- 
dung, ausser im Nom. Akk. sing. des Neutrums, welcher viövam 
lautet, nicht vr8vad; in der älteren Sprache kommen auch noch 
andere nominal gebildete Kasus vor. Andere Wörter wieder 
schwanken zwischen nominaler und pronominaler Flexion, wie 
das bei Whitney des näheren gezeigt ist. Vielleicht sind An- 
fänge dıeser Bewegung bereits in der Urzeit vorhanden gewesen, 
sie haben sich aber in den meisten Sprachen, so z. B. im 
Griechischen, Lateinischen, Slavischen, wieder verloren. Im 
Germanischen und Litauischen aber hat die Bewegung die 
sämmtlichen Adjektiva ergriffen, welche in diesen Sprachen 
einen Theil ihrer Kasus nach der Weise der Pronomina bilden. 
Dass auf diese Art (und nicht etwa durch Zusammensetzung) 
das germanische ‘starke’ und das Litauische ‘unbestimmte’ Ad- 
jektirum entstanden sind, ist von Sievers im zweiten Bande 
von Paul und Braune’s Beiträgen und von Leskien, Deklin. 130 ff. 
auf das klarste gezeigt worden. Eine Veränderung im Gebrauch 
des Adjektirums war mit dieser Anbequemung an die pronomi- 
nale Flexion nicht verbunden, es kam dadurch höchstens die 
Auffassung der Adjektiva als einer für sich bestehenden Wortart 








& 193—194.] Kap. XI. Steigerung der Adjektiva. 411 








zu deutlicherem sprachlichen Ausdruck. Neben diesem Adjek- 
tivum, welches also die einfache Fortsetzung des indogerma- 
nischen ist, kamen aber im Germanischen sowohl, wie im 
Litauischen neuere Bildungen auf, welche ein gewisses Gebiet 
des Grebrauches für sich in Anspruch nahmen und dadurch das 
Gebiet des alten Adjektivums verengten. Von diesen wird 
$ 200—201 die Rede sein. 

$ 194. Steigerung der Adjektiva. 

Über die Bildung der Vergleichungsstufen ist bei Bopp 2, 
$ 291 ff. und bei Brugmann 2, $ 139 ff. gehandelt worden. Aus 
diesen Darstellungen, auf welche ich verweise, geht hervor, 
dass die alten Bildungen sich überall, ausser auf dem letto- 
slavischen Gebiet, in leidlicher Vollständigkeit erhalten haben. 
Im Slavischen nämlich ist zwar der Komparativ geblieben, die 
alte Superlativform aber geschwunden. Sie wird auf verschie- 
dene Weise ersetzt: es kann der Komparatıv in seiner bestimm- 
ten Form dafür eintreten (also wie ım Französischen), oder es 
kann dem Komparativ die Partikel »a7 vortreten, über deren 
Herkunft etwas Bestimmtes nicht ausgemacht ist (vgl. Bopp 
$ 305, 3), oder es kann vor den Positiv das Wort ‘selbst’ treten, 
z. B. russ. samaja Cistaya voda das reinste Wasser. Im Litau- 
ischen ist der alte Komparativ in weiter gebildeter Gestalt er- 
halten. Statt der alten Superlativbildung, die verloren ist, tritt 
eine neue auf, über die ich nicht urtheilen mag. Im Lettischen 
endlich (vgl. Bezzenberger, BB. 5, 98, Leskien, Bildung der 
Nomina im Lit. 515) sind die alten Formen der Konkurrenz 
einer Bildung erlegen, welche eine gewisse Verwandtschaft 
der Bedeutung zeigt. Dort heisst z. B. zu gudrs klug, der Komp. 
gudräks klüger, gudrakais der klügere und die letztere Form 
wird auch im Sinne des Superlativs gebraucht. Man hat längst 
erkannt, dass darin augmentative Adjektiva vorliegen, wie im 
Litauischen gerökas ziemlich gut neben geras gut, didökas ziem- 
lich gross neben didıs gross u. ähnl. 

[Gelegentlich will ich hier, um zu zeigen, aus wie ver- 
schiedenen Quellen die komparativische Bedeutung stam- 
men kann, darauf hinweisen, dass im Litauischen dativische 


412 Kap. XI. Grundbedeutungen der Komp.- u. Sup.-Suffixe. [$ 194. 


Adverbia der Richtung sich dem komparativischen Sinne nähern 
können. Ich thue es mit den Worten von J. Schmidt, KZ. 
26, 400 “die Adverbia auf -yr, welche die Richtung ‘wohin’ 
bezeichnen, auksztyn in die Höhe, zemyrn nach unten u. a. 
(Schleicher S. 293 ff., Kurschat $ 799) gewinnen, mit Verben der 
Bewegung verbunden, einen an den Komparativ heranstreifen- 
den Sinn, tolyn vazıüti weiter fahren, sidutumas tävo preszt- 
ninku eiti jJü ılgyn Jü didyn das Toben deiner Widerwärtigen 
wird je länger je grösser Psalm 74, 23, so Jaunyn, baltyn, dubyn, 
durnyn, drutyn, geryn eili u. s. w. jünger, weisser, tiefer, 
schlimmer, stärker, besser werden (eine Häufung solcher Ad- 
verbia bietet die Daina bei Schleicher, Lesebuch 8. 45); das 
Verbum der Bewegung kann auch fehlen, z. B. teip tas kelelis 
siauryn so wurde das Weglein schmaler (Schleicher 135, 4)”.] 


Was die Grundbedeutungen unserer Suffixe betrifft, 
so ist so vie) klar (und auch von Brugmann richtig hervor- 
gehoben), dass die Paare :ygs-i$fha und tara-tama — es sei 
erlaubt, sie in der sanskritischen Form anzuführen — ursprüng- 
lich verschiedenen Sinn hatten. Über das Paar iygqs-istha ist 
von Whitney, Gr. $ 467 ff.!) und von mir SF. 5, 188 ff. gehan- 
delt und dabei für das Altindische Folgendes ermittelt worden. 
Die Formen auf iygqs-ı$tha sind zunächst partizipieller Natur 
und sagen aus, dass an dem Substantivbegriff, zu dem sie in 
ein attributives Verhältnis treten, die Verbalaktion in hervor- 
ragender Weise zur Erscheinung kommt, z. B. avıstha am 
meisten fördernd (arcatö brahmakrtim das Gebet des Frommen), 
käri$tha am meisten verfertigend (asutim den Trank), gdmistha 
und ägamistha aufs beste kommend, herankommend, cetistha 
am hellsten glänzend, vicayı$tha am meisten wegräumend (dhas 
die Noth), dhestha reichlich gebend (rdtnam Gut), tariygs leicht 
durchdringend (nabhas die Wolke), mahiygs reichlicher gebend, 
yajiyqs besser oder ausgezeichnet opfernd, tdyamiyqs besser 


1) Durch Whitney’s Reklamation (American Journ. of Philol. Vol. XIII, 
No. 3, S. 287) veranlasst, bemerke ich, dass ich dieses Zitat schon SF. 5, 188 
hätte beibringen sollen. 








$19%.] Kap. XL Grundbedeutungen der Komp.- u. Sup.-Sufixe.. 413 


in die Höhe hebend (sakthi den Schenkel), vediygs besser fin- 
dend, z. B. gäuräd vediyah avapanam die Tränke besser fin- 
dend als ein Büffel. Die partizipielle Natur dieser und vieler 
anderer Bildungen zeigt sich in dem Sinne, der verbalen Kon- 
struktion und der Möglichkeit der Zusammensetzung mit Prä- 
positionen. Eine zweite Gruppe stellt sich der Bedeutung nach 
schon zu den Adjektiven, z. B. jyayqs überlegen, mächtiger, 
vorzüglicher, grösser, stärker, älter, dazu auch jyestha und Jyö- 
$thä (letzteres “der älteste’), welche eigentlich bedeuten ‘in her- 
vorragender Weise überwältigend’, da sie zu 5y& überwältigen 
gehören. Eine dritte Gruppe bilden diejenigen, welche zwar 
ebenfalls deutlich zu Verbalwurzeln gehören, aber jedenfalls von 
den Sprechenden zu einem Adjektivum in Beziehung gesetzt 
worden sind, so 2. B. preygs und pre$tha lieber und liebst 
zu priyd lieb, obgleich sie ursprünglich zu pri erfreuen ge- 
hören ; variygs und vdrıgtha weiter und weitest zu ur. breit, 
obwohl sie auch direkt zu var umfassen gezogen werden können 
u.a.m. Endlich giebt es bereits im Veda einige wenige, von 
denen man mit Recht sagen kann, dass sie aus Adjektiven 
gebildet sind, z. B. tik$niygs schärfer zu tikdnd scharf, wohl 
auch ndoyqs oder naviyqs neuer und ndvigfha neuest zu 
ndva neu, wiewohl es nicht ausgeschlossen ıst, für diese eine 
Wurzelform ru zu Grunde zu legen. Mit dem Thatbestand 
des Altindischen, von dem hiermit eine Probe gegeben ist, 
stimmt der des Iranischen im wesentlichen überein, vgl. Spiegel 
202 und 212. — Über das zweite Paar, nämlich die Suffixe ai. 
tara-tama habe ich a. a. O. bemerkt, dass sie keine Beziehung 
zum Verbum haben, sondern dass sie bei Adjektiven, Parti- 
zpıen, Substantiven [nämlich attributiven], Adverbien und Prä- 
positionen, endlich in etwas abweichendem Sinne bei Zahl- 
wörtern und Pronominibus auftreten, und ferner ($. 195), dass 
das Material, welches das Altindische darbietet, nicht ausreiche, 
um eine Vermuthung über den ursprünglichen Sinn und Gel- 
tungsbereich dieser Suffixe zu begründen. Eine solche ist von 
Brugmann aufgestellt, der sich 2, 421 so äussert: “-ero [wie 
es z. B. im ai. ddhara der untere vorliegt] und -tero waren 


414 Kap. XI. Grundbedeutungen der Komp.- u. Sup.-Suffixe. [$ 194. 


zunächst, wie es scheint, nur in Wörtern, welche Raum- und 
Zeit-Anschauungen darstellten, und in gewissen Pronomina 
anderer Bedeutung üblich. Dabei stand nur ein Begriff, der 
streng gegensätzliche, in Vergleichung wie ‘unten’: ‘oben’ u.s. w.” 
Diese Bedeutungsstufe liegt z. B. noch vor in dnAötepos weib- 
lich und nicht männlich, öeftrepds rechts und nicht links u. ähnl. 
“Im Arischen und Griechischen — so fährt Brugmann fort — 
wurde nun Zero ein gewöhnliches Komparativsuffix für Ad- 
jektiva irgend welcher Bildung und Bedeutung, wie ai. ämd- 
tara-, gr. ouötepog zu ümd-, ouds roh, und hier fand der Ver- 
gleich nicht mehr mit dem absoluten Gegensatz statt, sondern 
mit dem durch den sogenannten Positiv ausgedrückten Begriff; 
wahrscheinlich vollzog sich dieser Prozess unter assoziativer 
Einwirkung der anderen Schicht der Komparative”. 

Hiermit ist gezeigt oder wahrscheinlich gemacht worden, 
auf welchem Wege allmählich das entstanden ıst, was wir in 
der ausgebildeten Grammatik Positiv, Komparativ und Super- 
lativ nennen. Einige Komparative und Superlative aber sind ohne 
einen Positiv überhaupt, oder doch ohne einen gleichstämmigen 
Positiv geblieben. In bezug auf das Altindische habe ich 
a. a. O. 191 bemerkt: “Zu einer Anzahl von Formen auf iyqs 
und t$fha hat sich kein verwandtes Adjektivum gefunden, 
nämlich zu jyäyqs und jyestha [oder Jyestha) überlegen, mäch- 
tiger, vorzüglicher, grösser, stärker, älter, $reyqs und $röjtha 
schöner, besser, vorzüglicher, angesehener, vornehmer, bhüygs 
und dAüyistha mehr, zahlreicher, reichlicher, mehr bedeutend, 
mehr werth, vargiygs und varsistha der höhere, obere, längere, 
grössere, Aaniyqs und känistha (kanistha kleiner) geringer, 
weniger, nediyqs und nödisfha näher. Der Grund, warum zu 
diesen Wörtern kein Positiv hinzutrat, liegt darin, dass sie ım 
relativen (vergleichenden) Gebrauch der Natur ihrer Begriffe 
nach älter sind als im absoluten. Von den einheimischen 
Grammatikern sind freilich Positive zu ihnen gestellt worden, 
welche der Form nach nicht verwandt sind, so praSasya zu 
Jyaygs und $reyas, bahu zu bhuyas, vrddha zu varfiygs U.8.W., 
ich habe aber in der alten Sprache keinen Anhalt zu dieser 


$ 194—195.) Kap. XI. Steigerung von Substantiven. 415 


Gruppierung gefunden”. Im Avestischen verhält es sich ähn- 
lich, doch ist mir das Material ım einzelnen nicht zur Hand. 
Bekannt sind ferner die Erscheinungen der sog. unregelmässigen 
Komparation im Griechischen, Lateinischen und Germanischen, 
auf die ich hier nicht näher eingehen will (man vgl. ausser 
Grimm namentlich Tobler, KZ. 9, 255 ff... Im Litauischen 
scheint etwas Vergleichbares nicht vorzuliegen. Aus dem Alt- 
kirchenslavischen führt Leskien, Handbuch * 75 folgende de- 
fektive, d. h. des Positivs entbehrende Komparative an: /ucijt 
und untji besser, suliji geeigneter xpelocwv, gorijt schlimmer, 
boliji und vestiji grösser, mintjt kleiner, racızt lieber, trebli7? noth- 
wendiger. Die Eigenthümlichkeit aller dieser in der Bedeutung 
und theilweise auch in der Form verwandter Bildungen, keinen 
Positiv neben sich zu haben, erklärt sich, wie schon angedeutet 
wurde, daraus, dass man die Begriffe, welche hier in betracht 
kommen, früher vergleichend als absolut verwendete. Man 
sagte also: ‘dieser Mensch ist stärker, besser, grösser u. 8. w. 
als ein anderer’, ehe man ihn, von dem Vergleich absehend, 
als stark, gut, gross bezeichnete. Die andere sog. Unregel- 
mässigkeit, nämlich, dass bisweilen Komparativ und Superlativ 
von verschiedenem Stamme sind, z. B. 4yetvwv, Aptoros erklärt 
sich aus dem Umstande, dass man zu so entwickelten Begriffen 
wie ‘gut’ und ‘böse’ auf sehr verschiedenen Wegen gelangte. 
$ 195. Steigerung von Substantiven. 

Von den Adjektiven ist die Steigerungsfähigkeit in einigen 
Sprachen auch auf die naheliegenden attributiven Substantiva 
übergegangen, z. B. ai. dbrahmiygs, brahmistha der bessere 
(klügere u. s. w.), beste Brahmane, devdtama der beste Gott 
(z. B. devanam devdtamah), $ürätara der bessere Held, kavitara 
und Aavitama der bessere, beste Dichter, ptil/tama der beste 
Vater, der väterlichste, indratama dem Indra am ähnlichsten 
u. a. m. (vgl. SF. 5, 192 und 194). Ebenso im Avesta, z. B. 
dagvangm dazvötemo der grösste unter allen Dämonen, zarap- 
uströtemö der dem Z. an Würde zunächst stehende Hohe- 
priester. So auch im Griechischen: Basıkedrepos und Bastkeu- 
taros, SouAdtepos, Aordorepa u. s. w. (Kühner-Blass 1, 575). Als 


416 Kap.Xi. Komparativ und Superlativ einander berührend. [$ 195—196. 


ein attributives Subst. kann man auch Eieyyos betrachten, daher 
auch 2A&yyıoros. Danach könnte sich x£pötotog gerichtet haben. 
Es ist aber auch möglich, in x&pöLstos, xhörotos, biyıoroz isolierte 
Formen zu sehen, neben denen x£pöos, x7öos, piyos gerade so 
zufällig stehen, wie z. B. altindisch öyas Stärke neben öjigtha. 
Steigerungen von Substantiven im Mittelhochdeutschen macht 
Paul, Prinzipien? 304 namhaft, z. B. diner helfe mir nie neter 
wart, was sich daraus erklärt, dass no? in Verbindung mit 
werden ganz so wie ein Adjektiv oder Adverb in gleicher Ver- 
bindung empfunden wurde und daher nach Analogie dieser 
seiner Ebenbilder in diesem bestimmten Falle auch Steigerung 
erfuhr. 

$ 196. Komparativ und Superlativ einander in Be- 
deutung und Konstruktion berührend. 

1. Der Komparativ kann (sich darin mit dem Superlativ 
berührend) so gebraucht werden, dass man nicht zwei mit ein- 
ander zu vergleichende Wesen im Auge hat, sondern so, dass 
man einem Wesen eine Eigenschaft in besonders hervorragen- 
dem Sinne mit besonderer Betonung zuspricht. So im Alt- 
indischen, woraus ich SF. 5, 189 angeführt habe: täriygs leicht 
durchdringend, trakfiygs sehr kräftig, dhdviygs schnell dahin- 
eilend, ydyıyqs besser opfernd und ausgezeichnet opfernd, 
skäbhiygs kräftig stützend, rdbAyge sehr ungestüm, ndoygs 
oder ndviygs ganz neu. Dieses letztere (nur im RV. und AV. 
erscheinend) wird nie in dem eigentlichen komparativischen 
Sinne gebraucht, so dass es die Wörterbücher durch ‘neu, frisch, 
jung’ wiedergeben. Ein wirklicher Komparativ von nava kommt 
im Veda nicht vor. Sehr selten ist dieser Gebrauch bei den 
Formen auf fara. Ganz so im Griechischen, z. B. 05 u£v yap 
tı ysperov &v Gpy deinvov EAEsdaı denn es ist gar nicht übel p 176. 
Weiteres bei Krüger $ 49, 6, der auch anmerkt, dass in vewrepov 
der komparativische Sinn so gut wie erlosehen sei. Dass in 
diesem Gebrauch etwas Alterthümliches erhalten sei, ist wohl 
nicht zu bezweifeln. 

2. Im Griechischen scheinen Superlative mit kompara- 
tivischer Konstruktion vorzuliegen. Ich meine die von Kvitala, 





0 


$ 196.) Kap. XI. Komparativ und Superlativ etc. 417 


ZÖG. 1858, 529 ff. gesammelten Fälle, zu denen aus Homer 
gehören: röy Ev’ [rErkov] dsıpapevn "Exddn YEpe düpov “Adnyy, 
65 xaAlıoroz Env rorxilpasıy HL eyıstos, Aothp 6 Ds Ankkayrnev‘ 
Exeıto de velarog AMwy Z 295, Tlanadv por vidv, ds GxupopwWraros 
army Eriero A 505, Pol tor Avöpa napeivar drlupwrarov AAlwv 
e105. Ich habe den Genitiv dAAwv ALI. 21 für einen Ver- 
treter des Ablatıvs erklärt, indem ich auf RV. 4, 28, 4 verwies, 
wo es heisst: viSoasmät sim adhamah indra däsyün vio däsır 
akrnor apraSastäh niedriger als alles andere hast du, Indra, die 
Dasyu, der Däsa verfluchte Stämme, zu Boden geworfen (Ludwig). 
Die Ähnlichkeit dieses ri$oasmad adhamah mit velaros dllwv 
scheint mir schlagend. Der Ablativ dürfte zu adhamd gesetzt 
sein wegen des Wortsinnes, nicht wegen der superlativischen 
Form (vgl. die ähnlichen Konstruktionen SF. 5, 113). Da 
adhama aber auch Superlativ ist, so will der Ausdruck sagen: 
‘ganz tief, tiefer als alle. Ebenso steht es mit velaros dAlwv. 
Denn Z 295 soll man sich vorstellen, dass nicht etwa sämmt- 
liche oben liegende rerkoı auf einmal weggenommen werden, 
sondern einer nach dem anderen, worauf dann der kostbarste 
als der unterste zum Vorschein kommt. Nach velatos AAMMwv 
dürften die anderen Ausdrücke geformt sein, in denen eben- 
falls die komparativische und die superlativische Anschauung 
in gleicher Weise zum Ausdruck kommen soll!). 


1) Die übrigen bei Ziemer, Komparation 55, nach Kvitala angeführten 
Stellen habe ich weggelassen, da mir in ihnen ein richtiger Superlativ mit 
dem Genitiv des getheilten Ganzen vorzuliegen scheint. Denn Afavtis 9, 
Be Apıoros Env eldöc re dpa; Te Tüv Almv Aavamv per’ dpbpova Ilnieiova 
1469 ist doch wohl zu übersetzen: “der der schönste unter den Danaern 
ausser Achilleus war’, wobei &A/wv durch den Gegensatz gegen IInleiova 


"hervorgerufen wurde, während die im Texte erwähnten Stellen gerade die 


Eigenthümlichkeit haben, dass in ihnen dAXo; steht, obwohl kein zweiter 
Begriff vorliegt, zu dem es in Gegensatz tritt. A 483 liest Nauck nicht 
paxaptaros, sondern pardprepos.. Wenn pnaxdpratos zu lesen ist, hat man in 
diesem Satze eine Form des Ausdrucks zu erkennen, welche aus der im 
Texte angeführten abgeleitet ist. — Auf S. 54 sagt Ziemer: “den Haupt- 
beweis für die Fähigkeit des griech. Genitivs, als Separativus zu fungieren, 
durch welchen zugleich der Gen. komp. als ein sicherer Ablativus erkannt 
wird, haben wir uns noch aufgespart. Von Delbrück ist er nicht erwähnt”. 
Delbrtick, Vergl. Syntax der indogerm, Sprachen. 1. 27 





418 Kap.XI. Vergleichungzweier Eigensch. Adj.ausSubst. etc. [$197—198. 


m are he ee nn nn nn nn nn nn Leere nn 


$ 197. Vergleichung zweier Eigenschaften. 

Im Obigen ist gezeigt worden, wie der Komparativ dazu 
gekommen ist, auszudrücken, dass eine Eigenschaft einem 
Wesen in höherem Grade zukomme, als einem anderen. Man 
kann ja aber auch den Wunsch haben, zu sagen, dass eine 
Eigenschaft einem Wesen in höherem Grade zukomme als eine 
andere. In diesem Falle setzt man im Griechischen und La- 
teinischen beide Adjektiva in den Komparativ, so: ravtes 
X Apnoatar Elampdrepor nödas elvar 7 Apverdtepor Ypuaoıd te Lodt- 
tös te a 165 (vgl. Krüger $ 49, 5). In bezug auf das Latei- 
nische sagt Schmalz? 503: “Beim Komparativ selbst ist zu be- 
merken, dass auch das Adj. oder Adv., in Hinsicht auf wel- 
ches eine andere Eigenschaft in höherem Grade erscheint, 
durch eine Art formaler Ausgleichung ebenfalls in den Kom- 
parativ gesetzt wird; dies ist jedoch vor Varro (l. lat. 10, 75 
diligentius quam apertius) und Cic. nicht nachzuweisen”. Man 
könnte ja wohl auch das zweite Adj. im Positiv erwarten. So 
sagt Lessing irgendwo: sein Kopf war eben wärmer als helle. 
Der griechisch-römische Ausdruck ist offenbar — wıe wohl 
auch allgemein angenommen wird — gewählt worden, weil den 
Sprechenden vorschwebte: wärmer und nicht heller (vgl. Ziemer, 
Junggrammatische Streifzüge? 67 £.). 

$ 198. Adjektiva aus Substantiven hervorge- 
gangen. 

a) Es wird jetzt allgemein angenommen, dass einige Ad- 
jektiva aus sogenannten abstrakten Substantiven (nicht nomina 
agentis) hervorgegangen seien. Innerhalb des Altindischen 
habe ich das vermuthet für sahas siegreich, tapus heiss, vapus 
schön, drus wund, welche sich im Accent von den Subst. nicht 
unterscheiden. {SF. 5, 188), im Griechischen Brugmann für 
ueya (Gramm.? 122), derselbe für lat. veius, J. Schmidt für oödap 
und uder (Pluralb. 84). Besonders lehrreich ist, was Paul, 


Er hat übersehen, dass ich a. a. O. gesagt hatte: “mit der aus dem Grie- 
chischen bekannten Erscheinung, dass ein Superlativ komparativische Kon- 
struktion erhält — z. B. &xerro 6E velaros AAdlwy Z 295 — lässt sich ver- 
gleichen RV. 4, 28, 4”, 


6198.}] Kap. XI. Adjektiva aus Substantiven hervorgegangen. 419 


Prinzipien 2, für schuld, schade u. ähnl. ausführt. Er sagt da- 
selbst mit bezug auf schade: “Noch weiter [als bei schuld] 
geht die Isolierung in es ıst schade, indem das Subst. jetzt 
gewöhnlich Schaden lautet. Im Mhd. war die Entwickelung 
schon noch weiter gegangen. Hier wird schade auch als Prä- 
dikat zu persönlichen Subjekten gebraucht und es kommt auch 
ein Komparativ und Superlativ davon vor, z. B. im Trojaner- 
krieg Konrads von Würzb. der was den Kriechen [cheder dan 
semen anders bi der zit; ferner wird dazu ein Adverbium ge- 
bildet wie zu einem Adj.: swie schade er lebe (Mhd. Wb. IIb, 
635). Ebenso wie schade wird im Ahd. fruma (Vortheil) ge- 
braucht, z. B. Otfrid III, 10, 33 'nist’ quad er tho “fruma thaz’ 
‚es ıst das kein Vortheil). Schon im Mhd. ist daraus eın wirk- 
liches Adj. frum, nhd. fromm geworden. Man sagt ein frumer 
man etc.” Es ist klar, dass die Adjektivierung in der appo- 
sitionellen und prädikativen Stellung begann. 

b} Den Übergang vom Substantivum zum Adjektivum haben 
auch die Besitzkomposita vollzogen (vgl. die Ausführungen bei 
Brugmann, Gr.? 212 und J. Schmidt, Pluralb. 85). 'Hws poßodaxru- 
kos heisst — so habe ich mich SF. 4, 12 ausgedrückt — ursprüng- 
lich Eos, der Rosenfinger, und ebenso Iloosıd&awv xuavayaite 
Poseidon Schwarzhaar (wie Harald Schönhaar). Ursprünglich 
also war poöodaxtulos Maskulinum wie $d4xtuAos und xuavoyaita 
Femininum wie yatın. Als aber diese Komposita zu Adjek- 
tiven herabsanken, richteten sie sich im Geschlecht [möglichst] 
nach ihrem Substantivum, und diese Anbequemung fand ihren 
Ausdruck in der Nominativbildung xuavoxatıns. “Podoödxtuios 
hat sich nicht in dieser Weise anbequemt und es gilt daher für 
die griechischen Komposita, was ıch SF. 4, 65 zusammenfassend 
gesagt habe: “Diejenigen adjektivischen Komposita, deren 
Schlussglied ein Substantivum auf os oder ov ist, bilden kein 
Femininum, z. B. poßoödxtuAos, xaAltopupos, dagegen diejenigen, 
deren letztes Glied ein Adjektivum dreier Endungen ist, bilden 
ein Fem., z. B. äyaulsırds. Wer die homerischen Komposita 
mustert, wird diese Behauptung im allgemeinen bestätigt finden, 
wenn auch nicht abzuleugnen ist, dass manche Komposita der 

27” 


420 Kap. XI. Attributive Substantiva. ($ 198—199. 


zweiten Gattung auch der Analogie der ersten folgen können.” 
Aus dem indischen und iranischen Gebiet ist mir nichts be- 
kannt, das sich mit der Übergangsform poöoödxtulos ver- 
gleichen liesse. 

$ 199. Attributive Substantiva. 

Es giebt eine Klasse von Wörtern, welche zwischen Sub- 
stantiven und Adjektiven in der Mitte stehen. Man mag sie 
attrıbutive Substantiva nennen. Den Grundstock der- 
selben bilden Wörter, welche als Attributiva zu Personalbegriffen 
gefügt werden können. Sie bezeichnen Menschen nach dem 
Alter, dem Stande, der Beschäftigung, irgend einer hervor- 
ragenden Eigenschaft. Bald sind sie als Substantiva empfun- 
den, und kommen nur ausnahmsweise als Adjektiva vor, bald 
sind sie mehr adjektivisch, so dass sie von den Grammatikern 
als Adjektive einer Endung bezeichnet zu werden pflegen. 
Dem entsprechend ist auch ihre Motionsfähigkeit verschieden. 
Manchmal bleibt das Substantivum widerspänstig und man 
entschliesst sich, ein im Geschlecht verschiedenes Attribut zu 
dem Leitwort zu stellen (z. B. Außntüpes ’Epıvöes bei Sophokles), 
dann wieder ist die volle Motionsfähigkeit eingeführt worden, 
so bei dem schwachen Adjektivum des Deutschen, welches, 
wie bereits von anderen ausgeführt worden ist, seinem Ur- 
sprunge nach nichts anderes ist, als ein attributives Substan- 
tivum. 

Ein Beispiel aus den arischen Sprachen ist ai. visar, 
für welches Böhtlingk-Roth die Bedeutungen ‘männlich, Mann, 
Männchen des Thieres’ ansetzen. Es ist vielfach durchaus als 
Substantivum gebraucht, z. B. vyfeva räji wie ein kräftiger 
Hengst RV. 2, 43, 2, dann wieder adjektivisch, z. B. orja 
$:$uh das männliche Kind, und vielfach auch bei nicht-per- 
sönlichen Leitwörtern, z. B. Soma, Wagen, Keil, Stein u. s. w., 
überhaupt alles, was durch kräftige Erscheinung ausgezeichnet 
ist. Gelegentlich tritt es sogar zu einem Femininum, so vfa 
vak die kräftige Stimme 10, 115, 8. In einer prädikativen 
Aussage tritt es auch einmal in Beziehung zu einem Neutrum, 
nämlich 9, 64, 2: vyinas te vrinyam Savo vrja vdnam vrja 


& 199.) Kap. XI. Attributive Substantiva. 4231 


mädah, salyam vriah vräed asi, was Ludwig übersetzt: “als 
eines Stiers ist stiermässig deine Stärke, stierkräftig ist dein 
Holz, stierartig dein Rauschtrank, wahrhaftig, o Stier, ein 
Stier bist du.” Das Wort ist also bald substantivisch, bald 
adjektivisch, aber doch nicht so weit adjektivisch, dass es auch 
moviert worden wäre (vgl. auch J. Schmidt, Pluralb. 83). 
Ebenso steht es mit ydoar “jung, Jüngling, ein junger Mann’, 
und dem dazu gehörigen, aber nicht mit dem Femininsuffix 
der Adjektiva gebildeten yuvali, bei dem Böhtlingk-Roth be- 
merken: ‘Adj. fem. und Subst., jung, Jungfrau, junges Weib’. 
Dass vidhava Wittwe, welches eigentlich ein Subst. ist, oft ın 
Verbindung mit den Wörtern für “Weib’ stri, yogit, nari u. 8. w. 
erscheint, hat nicht viel zu bedeuten, da es leicht als Fem. 
zu dem Adj. vidhava aufgefasst werden konnte (vgl. Abh. der 
Sächs. Ges. der Wissensch. 11, 442 ff... Ferner gehört hierher, 
was Grassmann unter jJdna Mensch, 13 bemerkt: “bisweilen 
findet es sich, im Singular oder Plural, in Verbindung mit 
ursprünglichen Adjektiven, die ein Amt oder Geschäft be- 
zeichnen und ausserhalb dieser Verbindung nur oder fast nur 
substantivisch vorkommen”. Derartige Verbindungen sind: 
J4nö nd yüdhva wie ein kriegerischer Mann (vgl. avhp omAlıng), 
ripdvo Janasah die betrügerischen Leute, carmamnä janah die 
Gerber (vgl. ävöpes ayporöraı) surtk jJanan die Opferherren. 
Ebenso bei »ar (@vnp), z. B. ndrö viprah die Sänger. 

Aus dem Griechischen (Krüger $ 57, 1, Kühner 22, 232) 
gehören hierher zunächst eine Anzahl entschiedener Substan- 
tiva, welche ausnahmsweise attributiv gebraucht werden. Die 
Leitwörter sind meist Personalbegriffe wie @vnp, yuvh, Avdpwrog, 
2. B. bei Homer BasılÄı Avöpl Zorxev, venvig Avöpl dorxws, dvöpes 
pynotäpes, yovh Ögonowva, yuvh Tapln; im der attischen Prosa 
avnp yipwv, veavlas, npesßürns, Tupavvos, lörwrns, Önktms, prnTwp, 
edepy&rns, ypads yoyn; mit dem allgemeineren Begriff avdpwros 
verbinden sich roA{rns, die Fem. rpeoßürts, zöpvn, douAn. Bei 
Dichtern erscheinen infolge von Übertragung dieser alten Ver- 
bindungen auch einige andere Leitwörter, z. B. örAttns und ir- 
rörms orpards, vadıns Sudos, sogar olxeıns Bloc, yEpwv 6pdain.ds 


422 Kap. XI. Attributive Substantiva. [$ 199. 


u. ähnl. Sodann kommen die sog. Adjektiva einer Endung in 
betracht (Kühner-Blass $ 150), über welche es in der ange- 
führten Stelle heisst: “Die Adjektiva einer Endung sind in 
der Regel nur für das Maskulin und Feminin gebräuchlich; 
denn der durch diese Adjektiva ausgedrückte Begriff ist ge- 
meiniglich von der Art, dass er nur in Verbindung mit lebenden 
(persönlichen) Wesen gedacht werden kann. In der Dichter- 
sprache jedoch treten sie zuweilen in den Kasus, in denen die 
Neutralform mit der des Maskulins und Feminins zusammen- 
fällt, d. h. im Genitive und Dative auch mit Neutris in Ver- 
bindung, z. B. öpopdsı Blepapoıs, &v nevrtı owpartı u. ähnl.” Es 
gehören dahin Wörter wie x&Ang Renner mit und ohne Innos 
(vgl. serb. vranac Rappe, vranac kon) das schwarze Pferd); 
yopvns leicht bewaffneter Krieger, das neben yupvds steht wie 
neuslov. nagec neben nag; dyrv arın, revng arm, mit und ohne 
avdpwros, xepvns der Arme, auch als Adj. gebraucht; rAavns 
umherirtend, herumschweifend, unstät; äprat raubend, räu- 
berisch, wegraffend, auch als Subst. Räuber, wozu man ver- 
gleiche, was Miklosich 4, 3 aus dem Altkirchenslavischen 
anführt: chystinikü Aprat äpraxtn;, aber auch volkü chysc- 
nıkü der räuberische Wolf; dann Wörter wie yapwv, atltwv, 
tpnpwv, von denen bei dem Germanischen die Rede sein 
wird; °EAnv u. ähnl. als Adj., wozu altkirchenslavisch mu2u 
wudeeninu einem jüdischen Manne zu vergleichen ist. Dazu 
kommen nun Feminina, so steht z. B. ndrıs Trinkerin (was 
sich zu rdtns Trinker verhält wie altindisch yuval! zu 
yüvan), auch xdrıs yon, und oriAßr, eine Lampe, die viel Öl 
braucht; roxas die Gebärende, roxddes Mutterthiere; toxds 
keaıva eine Löwin mit Jungen; patwads die Rasende, auch 
ad)., z. B. Adsoa paıwväs; ferner die Völker- und Ländernamen, 
2. B. nöiıs "Eds, ai Bowwriöes nöleıc. Bei denen auf -np 
kommt, wie oben schon bemerkt wurde, die Form auf mp auch 
neben femininischen Leitwörtern vor, z. B. Ppwräpes alypat 
bei Aeschylus, daneben giebt es auch Formen auf teıpa, neben 
welchen kein Mask. auf ırp vorhanden ist, yB&v rouAußdreıpa. 
Manche dieser Wörter sind übrigens so adjektivisch geworden, 


8 199.] Kap. XL Attributive Substantiva. 423 


dass sie auch eine Femininform erhalten haben, z. B. yaxap, 
nÄXALDE. Ä 

Im Lateinischen werden zwar auch Substantiva, wie 
die bisher genannten, attributiv gebraucht, aber wenn man das 
bei Neue? 2, 17 Zusammengestellte übersieht, erhält man den 
Eindruck, dass es sich meist um kühnere Wendungen von 
Dichtern handelt. Zwar knüpften die Dichter an eine sprach- 
liche Tradition an (ahmten nicht etwa die Griechen nach), 
aber diese Tradition ist für uns nicht mehr recht erkennbar. 
Dem entsprechend sınd denn auch die Leitwörter meist nicht 
persönliche, sondern andere Begriffe, wodurch das Pikante des 
Ausdrucks gewinnt. Es gehören dahin juvenis, was dem in- 
dischen ydvan und yuvati entspricht, als Adj. z. B. mit ann 
verbunden; senez (senibus porcıs bei Juvenal); verna Haus- 
sklave, aber bei Martial auch vernas apros und verna Liber d.h. 
ein Buch, das in Rom geschrieben ist; cwelebs Junggesell, aber 
auch sr lecto caelibe bei Catull; ales f. Vogel, aber auch alıte 
egquo bei Ovid; vindex Rächer und dazu vindice poena bei Catull; 
vigıl Wächter, aber auch mit canıs, ignts, oculs; artifex Arbeiter, 
aber auch artifices boves bei Properz; hospes Fremder, Wirth, 
als Adj. erst spät z. B. zu cumba bei Statius, als Fem. eben- 
falls Aospes, gewöhnlich aber hosptia, das auch seinerseits attri- 
butiv verwendet werden kann, z. B. in Ahospita tellus. Einige 
Substantiva auf us, z. B. famulus, servus, adulter, haben in 
gleicher Weise ein Femininum auf a neben sich, und können 
dann ebenfalls attrıbutiv gebraucht werden, z. B. servum 
pecus (Horaz) und servam operam (Plautus), famulo vertice und 
famulas aquas (Ovid), adultera virgo u. ähnl. Endlich sei noch 
auf den bekannten Gebrauch von victor und vickrir verwiesen. 
Hierher gehören denn auch die nicht zusammengesetzten Ad- 
jektiva einer Endung. Mehrere von diesen zeigen die ent- 
schiedenste Bedeutungsverwandschaft mit den oben S. 422 an- 
geführten griechischen, z. B. pauper und dives (vgl. nevng), 
perniz (vgl. x&ins), rapar (vgl. äprat), ferox verhält sich zu 
ferus wie russ. dikari (Wildling), Misanthrop zu dikiy wild. 
Andere wie audar, fallax, verax u. ähnl. können sehr wohl 


424 Kap. XI. Attributive Substantiva. [$ 199. 


m m m U nn nl m nn 


als attributive Substantiva gedeutet werden, indessen ist na- 
türlich auch die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass sich 
nach rapar u. ähnl., nachdem es einmal im Sprachgefühl zu 
einem reinen Adj. geworden war, auch andere Adjektiva bildeten. 
Auf diese Weise ergiebt sich nun auch eine bessere Erklärung 
für den auffallenden Umstand, dass diese Wörter die masku- 
linisch-femininische Form auch in der Verbindung mit einem 
Neutrum beibehalten. Es gilt davon, was J. Schmidt, Pluralb. 
über altindisch of$ar entwickelt hat (vgl. oben S.420). Übrigens 
mag sich auch unter den beweglichen Adjektiven noch eines 
oder das andere befinden, welches eigentlich ein attributives Sub- 
stantiv ist, so 2. B. celer (x&Ans). In der alten Sprache kam 
ja celer auch als Fem. vor. Auf die Wörter auf -or bin ich 
bei dem germanischen schwachen Adjektivum eingegangen. 

Auch im Germanischen, vorzüglich im Gotischen, giebt 
es eine Reihe von Wörtern, aber, so viel ich sehe, abweichend 
von den übrigen Sprachen, nur noch rn-Stämme, welche nach 
dem Ausdruck von J. Grimm zwischen Substantivum und Ad- 
jektivum schwanken (vgl. Grimm 4, 524). Dahin gehören von 
einfachen Wörtern 2. B. sAula Schuldiger, schuldig (vgl. serb. 
* duznik), bandja der Gefangene, ferja Nachsteller, iugnja Lügner, 
statro die Unfruchtbare, unfruchtbar, inA:lbo schwanger und 
viele zusammengesetzte wie usgrudja träge, muthlos u. a. die 
bei Grimm aufgezählt sind. 

Aus dem Litauischen führe ich an, was Kurschat $ 1493 
bemerkt, wo es heisst: “Eine andere Art Apposition ist die, 
welche sich dem zu bestimmenden Subst. vorn fast in der Art 
eines substantivischen Attributs anlegt und im Deutschen oft 
durch ein Adjektiv ausgedrückt wird. Bsp.: nedylys Zmogüs, 
ein stummer Mensch, deszineE rankäa die rechte Hand [vgl. serb. 
desnica und Yevica ruka], tat nEkai grozybe nichtige Schönheit, 
darbej& mergä, arbeitsames Mädchen, nebylys, deszine, nekat, 
darbeja sind aber nicht Adjektiva, sondern Substantiva’. Wei- 
teres Material bietet die Leskien’sche oft angeführte Schrift, 
z. B. S. 303, 307, 402 und sonst. 

Attributive Substantiva aus dem Slavischen sind bei 


$ 199.) Kap. XI. Attributive Substantiva. 425 


Miklosich 4, 3 ff. angeführt. Sie lehnen sich wie in den an- 
deren Sprachen häufig an Wörter an, welche Personen oder 
doch belebte Wesen bezeichnen, z. B. aksl. gresin:kü Sünder, 
aber auch clovekü greßinkü avdpwrwv apaprwiuv; Clovekü jJadica 
i vinopijca Avdpwros payos xal olvondrns; serb. siromah der Arme, 
auch mit Covyek; russ. nagnalü onü muiika-pesechoda er holte 
einen zu Fuss gehenden Bauern ein, Äsböth 11; aksl. dojilica 
tpopd;, auch mit Zena; serb. siroia Waise, auch mit Zena; We- 
pota Schönheit, aber auch Jyepota djevojka (vgl. über diese aus 
dem Abstrakten in’s Konkrete herüberschwankenden Wörter 
beim Genus S. 106); jedinak der Einzelne, auch mit sın; aksl. 
chystinskü Räuber, auch mit vlükü; serb. devetak ein Wesen von 
neun Jahren mit jarac Bock. Auch Substantiva, die von Farben- 
bezeichnungen hergenommen sind, treten auf, z. B. zelenko Apfel- 
schimmel auch mit Aony Pferd, ebenso vranac Rappe, russ. beiyji 
kakü zajacü beljakü weiss wie ein weisser (Weissling) Hase 
Äsböth 9; serb. ovca djelica das weisse Schaf und byelica Senica 
der weisse Weizen. Dabei kann auch eine Verschiedenheit des 
Genus zwischen dem Leitwort und dem Attributwort vor- 
kommen, so heisst crvenika (von crven roth), eig. ein Röthling, 
z. B. rothe Ziege, und dann mit Beziehung auf den Wein: te 
on pie crveniku vino er trinkt den rothen Wein. (Ein sub- 
stantivisches Beiwort tritt zu “Wein’ auch im Griechischen in 
tponlas olvos umgeschlagener Wein). Ähnlich kann ovnovina 
Schöpsenfleisch auch noch zu meso Fleisch treten. Einige 
weitere Belege für nicht-persönliche Leitwörter sind: serb. dva 
topa glasnıka zwei Lärmkanonen (glasnık Bote); desnica und 
ljevica ruka die rechte und die linke Hand (vgl. das Litauische), 
stanac Steher mit kamen ein fest gegründeter Stein. Zu diesen 
Substantiven treten dann als zweite Klasse diejenigen, welche 
in einer von den Sprechenden deutlich gefühlten Beziehung zu 
den Adjektiven stehen, nämlich die aus Adjektiven zum Zweck 
der Substantivierung mittelst der Suffixe :kü, icü u.a. gebildeten 
Wörter. Über diese sagt Miklosich 4, 6: “Es giebt Sprachen, 
in denen das Adjektiv wie das Substantiv den Träger von 
Eigenschaften bezeichnen kann, und Sprachen, in denen das 


426 Kap.XI. Die schwachen (bestimmten) Adjektiva desGerm. [$ 199—200. 


m — nn mm nn _ —_ —-_ 


nicht stattfindet. Zu den letzteren gehören die slavischen 
Sprachen, wenn auch die Regel durch Ausnahmen immer 
mehr eingeschränkt wird. Während man im Deutschen sagt: 
der Weise ist glücklich, im Französischen: le lage est heureux, 
heisst es im Altkirchenslavischen: madrici blazenü jestü, nicht 
madrü blaenü jestü‘. Mit dem cod. Mar. verhält es sich in 
dieser Hinsicht so. Unter den überhaupt nicht zahlreichen 
Wörtern dieser Art, die der Text bietet, giebt es aller- 
dings solche, für die Miklosich’s Regel gilt, z. B. starü alt 
findet sich als Adjektiv in: azü bo jesmi starü denn ich bin 
alt Luk. 1, 18 (im Griechischen ist das Substantivum rpsodurns 
gewählt); Aako mozetü Clovekü rodıli se starü sy wie kann ein 
Mensch geboren werden, wenn er alt ist? Joh. 3, 4 (yEpwv). 
Sonst kommt nur der Komparativ stareji vor. Das Subst. staric? 
bedeutet rpeoßürepos. Dagegen bei siepü blind liegt es so, dass 
slepü zwar adjektivisch erscheint, z. B. clovekü slepü Joh. 9, 1, 
jJaho slepü be &rı Tuoids Tv Joh. 9, 8, synü Timeovü Bartimei 
slepü sedease viös Tipalov Bapriuars 6 TupAös &xadrro Mark. 
10, 46 und sonst, aber auch substantivisch, z. B. : privese kü 
njemu slepa xal wepousıyv aütw TupAdv Mark. 8,22, jeda besü mo- 
“ zetü slepomü oci otoresti rn Sayövıov dbvaraı tupiuv Smdalnoug 
avotyeıv Joh. 10, 21, imqste sü soboyq chromy, nemy i slepy v 
besüny i iny münogy Eyovres ned Eaurav YwÄodg TUpÄoüs XuWpobs 
xuAAobs xat &tepous noAloös Matth. 15, 30. So wird denn slepü 
auch ganz wie slepici gebraucht, z. B. vozdi sqtü slepi slepicemü, 
slepecü Ze slepüca aste voditü Sönyol elsı Tupkot Tuplwv, TupAög 
ö& tupAöv 2av Öönyz Matth. 15, 14. Es fragt sich, in wie weit 
hierbei ein Einfluss des griechischen Originals anzunehmen ist. 

Beispiele aus den anderen Sprachen sehe man bei Miklo- 
sich. Eine genauere Darlegung wäre wünschenswerth. 

$ 200. Die schwachen (bestimmten) Adjektiva des 
Germanischen. 

In bezug auf die schwachen Adjektiva hat, nachdem Leo 
Meyer einen Schritt auf dem richtigen Wege gethan hatte, 
Osthoff in einer ausführlichen und für mich überzeugenden 
Darstellung (Forschungen im Gebiete der indogermanischen 





$200.] Kap. XI. Die schwachen (besrimmten) Adjektiva des Germ. 427 


nominalen Stammbildung 2) gezeigt, dass sie hervorgegangen 
sind aus attributiven Substantiven auf n, wie wir sie nament- 
lıch im Griechischen und Lateinischen noch finden. Ich habe 
bereits oben, S.424, auf dieselben hingewiesen und führe hier aus 
Osthoff’s Darstellung (auf die ich im übrigen den Leser ver- 
weise) an, dass in den genannten Sprachen nicht selten attri- 
butive Substantiva auf » neben Adjektiven auf o liegen, und 
zwar derartig, dass die Substantiva als die abgeleiteten Bil- 
dungen erscheinen mussten. So liegen im Griechischen neben 
einander orpaßd; schielend und orpadwv Schieler, Ywids geil und 
YWwlwv (bei Hesychius) Wollüstling, neben -payos, was allerdings 
alt nur im Kompositum vorkommt, „aywv Fresser. Besonders 
lehrreich ist oöpaviwv neben oöp@vtos, wo auch in deol oöpaviwvss 
die halb-adjektivische Natur gut hervortritt. Ähnlich verhält 
es sich mit zpnpwv (über alle diese und ähnliche Wörter s. Ost- 
hoff 46ff.). Aus dem Lateinischen führe ich beispielshalber 
an (Osthoff 58 ff.) st/us plattnasıg und sılo der Plattnasige, 
aquilus schwarzbraun und aguılo Nordwind (der schwarze Stür- 
mer, wie die Lexikographen bemerken), susurrus flüsternd und 
susurro Ohrenbläser (spät belegt, aber vermuthlich volksthüm- 
lich). Sodann macht Osthoff auf die Zunamen wie Calo neben 
catus, Macro neben macer aufmerksam und sagt dabei 8. 70: 
“Vergleichen sich die im Vorhergehenden besprochenen Eigen- 
namen auf -or-, wie wir nicht zweifeln, richtig mit der be- 
stimmten [schwachen] Form unseres deutschen Adjektivums, 
so besagte demnach ein M. Porcius Cuto, Abudius Rufo in 
unsere deutsche Redeweise übertragen so viel als M. Porcius 
der Kluge, Abudius der Rothe, und der Lateiner gebrauchte 
in diesen Fällen ebenso den »-Stamm, wie man althochdeutsch 
(Otfrid) sagte Zudowig ther snello, und wie auch wir in Ver- 
bindungen wie Karl der Grosse, Friedrich der Weise, August 
der Starke stets die schwache Form des Adjektivs anwenden”. 
In der That kann man unmöglich in Abrede stellen, dass sich 
blindan- zu blinda- gerade so verhält, wie orpaßwv- zu orpapd- 
oder silon- zu silo-. Der Unterschied ist nur der, dass im 
Germanischen die »-Formen ganz in das System des Adjek- 


430 Kap. XI Die schwachen (bestimmten) Adjektiva des Germ. [$200. 


der insofern bestimmt ist, als er nur einer von zweien sein 
kann. Auch erwäge man, wie oft der Komparativ in Appo- 
sition steht. 

4) Stets schwach ist der Vokativ. Selbstverständlich 
ist das bei alleın stehenden Vokativen, wie Ziubans ıhr Lieben 
2. Kor. 7, 1 und sa«i gibid doala wer da sagt du Narr Matth. 
5, 22. Denn hier sind die Vokative geradezu Substantiva. 
Aber auch bei Anlehnung eines adjektivischen Vokativs an 
einen substantivischen, z. B. atta veiha heiliger Vater ist die 
Substantivierung natürlich. Das Adj. steht zu dem Vokativ 
ın Apposition, und man hat, wenn man das ursprüngliche Ver- 
hältnis zum Ausdruck bringen will, zu übersetzen: “Vater, du 
Heiliger’. Damit hängt dann auch zusammen, dass der Vokativ 
des Adjektivums meist dem des Substantivums nachfolgt (s. 
Gabelentz-Loebe S. 173). Wırd das Adj. vorangestellt, so be- 
hält es die in der Nachstellung erworbene Form fest. 

5) Ferner ist das Adjektivum häufig schwach, 
wenn es als Prädikat gesetzt ist, z.B. Mark. 7, 18 jah 
Jus invitans sijuß, was Gabelentz-Loebe 173 übersetzen “&ouv- 
_ sro, nicht unverständig, sondern Unverständige”. Gabelentz- 

Loebe, bei denen man die weiteren Belege nachsehe, sagen 
mit Recht, dass das Adj. in dieser Form erscheine, weil es 
‘selbständig’ gebraucht sei. Dass die schwache Form nicht zur 
festen Regel geworden ist, ist nicht verwunderlich. Wir werden 
bei einer zusammenfassenden Darstellung der Lehre vom Prä- 
dikat sehen, wie mannigfaltig sich das Prädikatsnomen in un- 
seren Sprachen gestaltet hat. 

Die schwache Form hat sich nun aber auch von den 
eigentlichen Eigenschaftswörtern auf andere Wörter ausgedehnt, 
und zwar auf die Ordinalzahlen, die Partizipia des Präsens, 
und einige Pronomina und pronominale Adjektiva. Ich zähle 
die genannten Klassen hintereinander auf. 

1) Die Ordnungszahlen. Sie werden schwach gebildet, 
denn sie bezeichnen stets einen bestimmten Gegenstand. Nur 
frumists und anfar sind stark, denn sie werden, wie es ja 
auch in anderen Sprachen geschieht, als Pronomina empfunden. 


8 200.) Kap. XI. Die schwachen (bestimmten) Adjektiva des Germ. 431 


2) Das Partizipium des Präsens. Man muss sich 
erinnern, dass dieses Part. im Gotischen eine substantivische 
Flexion hat, ın welcher es aber nicht oft, und dann meistens 
im Nom. sing. mask. belegt ist, z. B. nasjands Heiland, fijands 
Feind, frijonds Freund. Daneben liegt die rein partizipielle 
Verwendung, in welcher, bis auf den eben erwähnten Kasus, 
die schwache Form auftritt. Dass für das Part. diejenige Form 
gewählt wurde, welche das Adjektirum dann hat, wenn es 
mit dem Artikel verbunden ist, darf nicht Wunder nehmen, 
denn die natürliche Verwendung des Partizipiums ist ja die 
appositionelle (weshalb es auch in der traditionellen Wort- 
stellung hinter seinem Nomen steht), so auch im Got., z.B. 
unte braid daur jah rums vigs sa brigganda in fralustai Er. 
rlareia H non xal ebpöxwpos 7 6d0s N Andyouoa els Thy Anw- 
Acıav Matth. 7, 13; Jah gino visandei ın runa blobrs jera tvalif 
xal yuvn odca &v hucsı aluaros And Erwv Öwöera Luk. 8, 43. Der 
Nom. sing. mask. wurde, wenn ich nach den Anführungen bei 
Grimm 4, 521—22 richtig schliesse, besonders häufig als Sub- 
jekt des Satzes, ohne Anlehnung an ein Nomen gebraucht, 
z. B. hvazuh sa gaggands du mis jah hausjands vaurda meina 
Jah taujands Bo räs 6 &pyöpevos rp6s pe al dxolmv OD TV 
Adywv xal romv aötoüg Luk. 6, 47. Deshalb mochte es dem 
Sprachgefühl nicht nahe liegen, ihn noch besonders durch An- 
wendung der schwachen Form als der Sphäre des Adjektivs 
angehörig zu kennzeichnen, obgleich das einige Male geschehen 
ist, z. B. im Präd. Pu is sa gimanda au el 6 Epyönevos Luk.7,19. 

3. Zu den Pronominibus ist im allgemeinen die schwache 
Flexion nicht gedrungen, ausser zu st!ba selbst und sama eben- 
derselbe. Ich kann mich hinsichtlich derselben auf Gabelentz- 
Loebe ($. 184 und 186) beziehen, welche auch den Grund der 
Erscheinung richtig angegeben haben. Stlba ist ein Substan- 
tivum und sama bezeichnet einen bekannten und daher be- 
stimmten Gegenstand. Zu den Pronominibus werden auch 
gerechnet die pronominalen Adjektiva sums irgend einer, sva- 
leiks ein solcher, ferner anpar, alls, ganohs, halbs, midyis, was 
nicht auffallend ist, da ja alle diese Begriffe auch im Sanskrit 


432 Kap. XI Diezusammenges. (bestimmten) Adj. des Balt.-Slav. [5 200—201. 


pronominale Flexion haben oder haben können (vgl. Whitney 
$ 522 ff). Unfähig der schwachen Deklination ist auch fulls 
(Grimm 4, 391). Es kann ja niemals so unabhängig gebraucht 
werden wie andere Adjektiva (man kann nicht ‘der Volle’ 
sagen wie etwa ‘der Heilige’), da es stets der Ergänzung durch 
einen Kasus bedarf, und ist daher beinahe ein Hilfswort wie 
eine Präposition. 

8 201. Die zusammengesetzten (bestimmten) Ad- 
jektiva des Baltisch-Slavischen. 

Die ‘Zusammensetzung’ geschieht durch Verbindung der 
Kasusform des Adjektivums mit der Kasusform des Pronominal- 
stammes *j)o. So entstehen im Aksl. aus den Formen Nom. 
dobrü, Gen. dobra, Dat. dodru, Akk. dodbrü, Lok. dodre und 
den entsprechenden Formen des Pronomens, nämlich 5?, jego, 
jemu, 3, jemt, die zusammengesetzten dobrüjt, dodbrajego, dobru- 
jemu, dobrüji, dobrejemi. Dass es sich im Litauischen ebenso 
verhalte, hat man nie bezweifeln können, dass aber auch die 
von mir nicht angeführten Kasus des Altkirchenslavischen und 
die des Lettischen in derselben Weise zu deuten seien, ist von 
Leskien, Deklination 130 ff. auf das klarste erwiesen. Die 
Zusammenrückung der Formen stammt schon aus der Zeit 
der slavolettischen Einheit, denn es ist wahrscheinlich, 
dass schon in dieser Zeit dıe Gewohnheit bestanden habe, 
die Kasus des genannten Pronomens zwischen das flektierte 
Adjektiv und Substantiv zu setzen und so das sog. “bestimmte’ 
Adjektiv zu bilden. Man bezeichnet dieses Pronomen häufig 
als nachgestellten Artikel und dagegen ist nichts einzuwenden, 
wenn man damit nur sagen will, dass es einigermassen dem 
Artikel anderer Sprachen entspricht. Aber man darf darüber 
nicht vergessen, dass die Entsprechung nur unvollständig ist. 
Denn während in anderen Sprachen der Artikel zu dem Sub- 
stantivum tritt, mag dieses nun von einem Adjektivum be- 
gleitet sein oder nicht, findet sich unser Pronomen nur dann, 
wenn ein Adjektivum bei dem Substantivum steht. Denn im 
Aksl. heisst z. B. vino “Wein’ und “der Wein’, aber vino novo 
neuer Wein, vino novoje der neue Wein. Es muss also dieses 


$ 201.] Kap. XI. Diezusammengesetzten (bestimmten) Adj.imBalt.-Slav. 433 


Pronomen von Anfang an die Aufgabe gehabt haben, das Ad- 
jektivum mit dem Substantivum zu verbinden, mit anderen 
Worten: es kann nur ein Relativum gewesen sein, so dass 
vino novoje heisst: “der Wein, welcher neu’. Ich glaube in der 
That mit Scherer, ZGDS! 403, dass es sich so verhält, und 
werde bei dem Relativum zu zeigen suchen, dass wir in dieser 
Verbindung einen alten Typus vor uns haben (wie er z. B. 
noch ım Avestischen vorliegt). Es haben demnach wahrschein- 
lich ursprünglich die zwei Ausdrucksweisen v:n0 n0v0o und vino 
novo je neben einander gelegen und der Sinn der Bestimmt- 
heit ist in den zweiten Typus im Gegensatz gegen den ersten 
hineingekommen. Dabei bedenke man, dass das Streben nach 
einer Form, die etwa unserem Artikel entspricht, etwas sehr 
nahe Liegendes ist, wie die vielen Sprachen beweisen, die einen 
Artikel entwickelt haben. 

Über den Gebrauch des bestimmten Adjektivums im 
Litauischen handeln Schleicher, Gr. 260, Kurschat $ 1510 ff., 
Bezzenberger, ZGLS. S. 155 und 232ff., Leskien-Brugman 307. 
“Das bestimmte Adjektiv — so sagt Schleicher — entspricht 
ım allgemeinen unserem deutschen Adjektiv mit dem bestimmten 
Artikel, wird aber nicht völlig so oft gebraucht, wie der Artikel 
im Deutschen, sondern nur, wenn ein besonderer Nachdruck 
auf dem Adjektiv liegt (weshalb es die bisherigen Grammatiker 
auch die emphatische Form nennen).” So stimmen also die drei 
Sprachen überein, indem es heisst das neue Testament, aksl. 
novyyi zavetü, lit. naujasıs Testamentas. In dem Gleichnis von 
dem neuen Wein und den alten Schläuchen heisst es Luk. 
5, 37 ım Griechischen: xatl oBöels BaAdeı olvov vdov els doxous 
naharobs" el Ö& ynye, brksı 6 v&os olvos Tobs doxous, bei Ulfilas: 
Jah ainshun ni giutid vein niujata in balgins fairnjans, aippau 
distairid Pata niujo vein Pans balgins, im cod. Mar. i nıktoze 
ne vülivaatü vina nova vü mechy vetüchy, aste li ze ni prosaditü 
vino novoje mechy, im Litauischen in der von Kurschat revidier- 
ten Ausgabe des neuen Testamentes (Halle 1865) :7 neks nepıla 
szvezy vynqi senüs ryküs, szeip szvözüsis vynas iszplaiszın senüsius 
ryküs. Der Gebrauch des bestimmten Adjektivums ist aber nach 

Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm. Sprachen. 1. 28 


434 Kap.XI. Die zusammengesetzten (bestimmten) Adj. im Balt.-Slav. [$201. 


Ort und Zeit im Litauischen sehr verschieden. So sagt Kurschat:: 
“Doch wird die Bestimmtheitsform der Adjektiva und der sonsti- 
gen adjektivischen Wörter öfter auch vernachlässigt und in man- 
chen Gegenden von russisch Litauen sind kaum Spuren davon 
vorhanden. Bemerkenswerth ist es, dass dieselbe bei Dona- 
litius fast gar nicht vorkommt.” Und Brugmann bei Leskien- 
Brugman berichtet über sein Gebiet, dass die bestimmte 
Form im ganzen selten sei, etwas häufiger nur bei substan- 
tivierten Adjektiven, wie z. B. vyresnysis der Obere. Über 
das Schwanken des Gebrauches in der Zeit hat Bezzen- 
berger einige Angaben. Unter diesen Umständen muss ich auf 
eine Darstellung des litauischen Gebrauches verzichten. Ich 
werde denselben nur gelegentlich bei dem Vokativ berücksich- 
tigen. Dass das litauische bestimmte Adjektiv dem deutschen 
schwachen entspricht, kann nicht zweifelhaft sein und “man 
wird zugeben, dass mit vollem Rechte Rask und nach ihm 
andere das starke Adjektiv als das unbestimmte, das schwache 
als das bestimmte bezeichneten” (Scherer a. a. O. 407). 

Über das slavische bestimmte Adjektiv hat Miklosich 
4, 129. gehandelt. Man ersieht daraus, dass sich in den 
neueren slavischen Sprachen gegenüber dem Altkirchenslavi- 
schen mancherlei geändert hat. Man sagt z. B. aksl. domü 
novü ein neues Haus, aber domü novyji das neue Haus. Im 
Russischen aber ist die Form rov&ü nur noch im prädikativen 
Gebrauch vorhanden. Es heisst also elotü domü novü dieses 
Haus ist neu, aber nooyy domü bedeutet sowohl “das neue Haus’ 
als “ein neues Haus’. Diese Beschränkung der einfachen Form 
des Gebrauchs gehört aber. wesentlich der Schriftsprache an, 
während die Volkssprache noch die ältere Gewohnheit bei- 
behalten hat (vgl. Äsböth, Gr. $ 14ff). Ich kann auf diese 
Einzelheiten nicht eingehen, beschränke mich also im Folgen- 
den darauf, in aller Kürze über den aksl. Gebrauch zu orien- 
tieren. Da die Bestimmtheitsform sich wie die n-Form des 
Germanischen auf alle oder fast alle adjektivisch verwendbaren 
Wortformen ausdehnt, so folge ich der bei dem Germanischen 
angewendeten Anordnung, abgesehen davon, dass es bier 


A 

















| 
—ıY 








8201.] Kap.XI. Die zusammengesetzten (bestimmten) Ad.imBalt.-Slav. 435 


nicht nöthig ist, eine besondere Nummer für den Komparativ 
aufzustellen. 

1. Nach Miklosich 4, 133 haben zusammengesetzte Formen 
oft die Bedeutung von Substantiven, z. B. russ. portnoy 
Schneider (zu portü Zeug), ztvotnoje Thier, perednjaja Vor- 
zimmer u. 8. w. Im Altkirchenslavischen aber ist das nicht 
der Fall. TugAot Avaßkeroucı xal XwAot repıraroücı Matth. 11, 5 
wird übersetzt, sowohl slep: proziraygtü ® chromi chodetu als 
slepijt, chromiji (vgl. Miklosich 4, 145, im cod. Mar. siepiji und 
chromiji, im. Zogr. slepiji, aber chromt. Man kann ja auch 
ganz wohl sagen: “Blinde sehen’ als ‘die Blinden sehen’. Es 
liegt also eine vorübergehende Substantivierung sowohl in 
dem einfachen als in dem zusammengesetzten Adjektivum. 
Will man die dauernd und ausdrücklich substantivische Form 
gebrauchen, so muss man slepici und chromict sagen (vgl. oben 
S. 426). 

2) Das Adjektivum ım attrıbutiven Gebrauch. Wie 
oben bemerkt wurde, heisst v120 novo neuer Wein, vino novoJe 
aber der neue Wein und so in unzähligen Fällen. Es entspricht 
vino novo dem griechischen v&os olvos und dem gotischen vern 
niujata, vino novoje aber dem griechischen 6 veos otvos und dem 
gotischen Pata niujo vein. Dabei ist aber die Übersetzung aus 
dem Griechischen keineswegs sklavisch, vielmehr steht die be- 
stimmte Form überall da, wo der Übersetzer die Bestimmtheit 
empfindet. “Der heilige Geist’ heisst z.B. duchü svetyji, obgleich 
ım Griechischen rveöpa äyıov (also ohne Artikel) steht. Ebenso 
z.B. Luk. 1, 32 synü vySünjaago narecetü se obgleich im Grie- 
chischen steht: xat vlös öbtorou xAndnoeraı. Aus der unbegrenzten 
Menge von Belegen seien noch angeführt, für die unbestimmte 
Form: i vüzüpi glasomi velijemi xal dvepwynoe pwv7j neyaly Luk. 
1, 42; radosti velijg JaZe baqdetü yapav peydinv Arıs Eoraı 2, 10; 
na novy mesece besünujelü se oeAnvıaleraı Matth. 17, 15 (Var. 
na novü meseci bei neuem Monde). Für die bestimmte Form: 
i poloZi je vü novemi svojemi grobe xal Ednxev adrd Ev TS xauyp 
abtoö uynueip Matth. 27, 60; Cito ubo jestü se, Clo ucenije novojJe 
se ti &otı Toro; Tis H dtdayn N xaın adım; Mark. 1, 27. — 

28* 


436 Kap.XI. Die zusammengesetzten bestimmten! Adj. im Balt.-Slav. [$201. 


Wenn mehrere Adjektiva zu einem Substantivum treten, so soll 
nach Miklosich 4, 148 der Regel nach nur das erste derselben die 
bestimmte Form haben. Indessen soll diese Regel viele Aus- 
nahmen leiden, und ın der That steht z. B. im cod. Mar. 
Matth. 24, 45 nicht verinyyi rabü ı madrü (6 rıorös Öoülos xal 
opcvinos), sondern verinyyi rabü i madryy!. 

Eine Klasse der Adjektiva erscheint der Regel nach nur 
in der unbestimmten Form, nämlich die Besitz-Adjektiva, 
welchen in anderen Sprachen der Genitiv entspricht, vgl. 
Miklosich 4, 130, der auch einige Ausnahmen von dieser Regel 
verzeichnet. Es heisst also z. B. syn&ö davydorü 6 vids Aastö 
(und nicht davydovyyt) Matth. 12, 23; i vinide vü domü zachartijinü 
xal elonAdev sl; tov olxov Zayaptou Luk. 1,40; Jako uslysa Elisabefi 
celovanje marijino @< Txovae ı EAısaßer toöv doraspöv Tüs Maptas 41 
u.s. w. Im allgemeinen hat sich dieser Zustand auch in die 
neueren Sprachen fortgesetzt. Man sagt also z. B. russ. Petrovü 
domü Peters Haus, Petrova Zena Peters Frau, otcorü sadü der 
Garten des Vaters, sestrina $Slyapa der Hut der Schwester u.s. w. 
Doch stammen aus der zusammengesetzten (bestimmten) Flexion 
der Instr. (Petrovymü) und der Lok. (Petrovomü) und der ganze 
Plural mit Ausnahme des Nominativs. — Die Beschränkung 
auf die eine Form erklärt sich wohl daraus, dass man das 
Substantivum durch diese Art von Adjektiva als hinreichend 
genau bezeichnet empfand, so dass eine anderweitige Bestim- 
mung desselben unterbleiben konnte. 


3. Adjektiva bei dem Vokativ.!) Um die Über- 
lieferung der baltischslavischen Sprachen in diesem Punkte 
richtig würdigen zu können, muss man sich Folgendes gegen- 
wärtig halten (vgl. $ 186). Die Adjektiva neben Vokativen 
haben im Altindischen immer und im Griechischen gewöhnlich 
ebenfalls die vokativische Form. Im Griechischen können sie 
jedoch auch nominativische Form haben, und zwar entweder so, 
dass das unbestimmte Adj. voransteht, z. B. otkos @ Mevelas, 


1) Ausser den Adjektiven im engeren Sinne sind hier auch die adjek- 
tivisch gebrauchten Partizipia berücksichtigt. 





$201.] Kap.XI. Diezusammengesetzten (bestimmten) Adj.im Balt.-Slav. 437 


oder so, dass das durch den Artikel bestimmte folgt, z. B. 
avöpes ol zapdvres. Diese drei Typen sind auch im Baltisch- 
Slavischen vorhanden, doch ist der erste nur noch ım Slavischen 
erhalten. Demnach findet sich im Altkirchenslavischen 

1. die unbestimmte Form und zwar 

a) als Vokativ, z. B. Fariseju slepe Matth. 23, 26 (Leskien, 
Handb.? 72), 

b) als Vokativ-Nominativ, z. B. o rode neverünt Mark. 9,19, 
o rode neverüni i razorastenü Luk. 9, 41; 

2. die bestimmte Form, von welcher es natürlich keinen 
Vokativ giebt, z. B. weitelju blagyyi Matth. 19, 16, Luk.18, 18, 
Mark. 10,17; zülyji rabe Luk. 19,22; oftce svetyji Joh. 17, 11; 
otice pravedünyji Joh. 17, 25; slavänyjt Teofile Luk. 1, 3; rabe 
lgkavyji Matth. 18, 32; duse necistyji Mark. 5, 8; blagyji rabe ı 
dobryji Luk. 19, 17; zülyji rabe i lenyji Matth. 25, 26; nemyji vi 
gluchyji duse Mark. 9,25; 0 rode neverünyji i razorastenyji Matth. 
17, 17. Matth. 25, 21.23 steht im Mar. dodryji rabe ı blagyji 
* verine, im Zogr. 21 dobryji rabe blagyji i verünyji, aber 23 
verine. 

Im Litauischen findet sich sowohl die unbestimmte als 
die bestimmte Form, letztere nach Kurschat’s Text die nor- 
male. Ich führe an, was ich aus der Ausgabe von Rhesa 
(1816) angemerkt habe, und setze dazu in Klammern 
Bezzenberger's (ZGLS. 236) Angaben aus Bretken, so weit 
sie vorhanden sind. Die unbestimmte Form findet sich z. B. 
in ger's mokitojpau dröaoxale Ayade Matth. 19, 16 (Bretken 
geras Mistre); ebenso Luk. 18, 18 und Mark. 10, 17 (Bretken 
gerasis Mistre und Mistre gerasis); ak tu geras tarne ayade 
öoöle Luk. 19, 17; tu pikt’s tarne rovnpe Öoüle Luk. 19, 22; 
miel’s Teopile xparıore Bedpıke Luk. 1, 3; szwentas tewe rarep 
ayıe Joh. 17, 11; iu geras ir wiernas tarne Sodle Ayade xal rote 
Matth. 25, 21 (Bretken gerasis ir wiernasis tarne); tu neczysta 
dwase £:elde 16 nveüna Tö axaßtaptov Mark. 5, 8: teisus lewe narep 
öixate Joh. 17, 25 (Bretken tersusis tiewe); ak tu netikkinti ır 
nelabba gimmine & yevea Amıorog xal Öteorpaupevn Matth. 17,17; 
tu nekalbanti ir negirdinti dwase 6 rveüpa To Akakov xal xwpuv 


438 Kap.XI. Diezusammengesetzten (bestimmten) Adj. im Balt.-Slav. [$201. 


Mark. 9, 25. Dagegen die bestimmte Form: iu piktasis tarne 
övöle rovnpe Matth. 18, 32 (Bretken ebenso); tu piktasis tarne 
ır Iingini rovrus doüle xal öxvnp& Matth. 25, 26; iu aklasıs Pari- 
zeusze Dapıoate tupA& Matth. 23, 26; ak tu netikkinliji gimmine 
& yevea anıotos Mark. 9, 19. Beide Formen neben einander: 
ak tu nelikkinti ir perwerstoji weisle & yevea Antotos xal Öte- 
orpapuevn Luk. 9, 41. 

Im Lettischen ist, nach Bielenstein, Gr. $ 531 Anm., dıe 
bestimmte Form alleinherrschend geworden. 

4. Das prädikative Adjektiv steht im Altkirchenslavi- 
schen, abweichend vom Gotischen, stets in der unbestimmten 
Form, z. B. jemu Ze nesmi dostojinü sapoga ponesti od oBx el 
Ixavös ra broönnara Baoracaı Matth. 3,11; # soelo img jego xal 
@yıov TO dvona aurou Luk. 1, 49; 3 prebyvaase nemü xal dtdpeive 
xwpd; Luk. 1, 22; pravy tvorıte stizy Jego eüdela; ToLwite Tag 
tptßous adtoö Matth.3,3. Genaueres bei Miklosich 4, 136 ff. Nur 
prädikativisch gebraucht und darum nur in unbestimmter Form 
erscheint radü froh, z. B. radü bystü &yapr, Luk. 23, 8. Ebenso 
russ. gorazdü erfahren, geschickt. 

5. Die Ordinalıia stehen wie im Gotischen regelmässig 
 ın der bestimmten Form, z. B. vü Sestyji Ze meöseci &v d£ tw uıvl 
zo Extp Luk. 1, 26. Als wichtige Ausnahme führt Miklosich 
4, 130 an: samü selbst in Verbindung mit Ordinalia, z. B. sami 
vütorü selbander, eigentlich ‘selbst zweiter seiend’; dystä videti 
t samogo tretija man konnte ihn selbdritten sehen (Miklosich 
4, 67). Offenbar wurde das Zahlwort als prädıkativ empfunden. 
Ein zweiter Fall liegt vor in der Verbindung mit polü (Nom. 
sing. mask. “die Hälfte”), z. B. polä vütora die Hälfte eines, 
des anderen, ein anderes halb, anderthalb, polütreitya leta 
drittehalb Jahre (Miklosich 4, 69). In den lebenden Sprachen, 
z. B. russ. poltord anderthalb, dürfte die Verbindung ebenso 
unverständlich geworden sein, wie z. B. unser ‘drittehalb’. 

6. Partizipia. Alle Partizipia des Altkirchenslavischen 
sind der doppelten Form fähig (vgl. Miklosich 4, 129). Nur 
das Partizipium auf -/& kann die bestimmte Form nicht bilden, 
da es, wie Leskien, Handbuch? 116, bemerkt, ursprünglich kein 








$201.] Kap. XI. Diezusammengesetzten (bestimmten) Adj. im Balt.-Slav. 439 


Adjektivum, sondern ein Nomen agentis ist. (Im Russischen 
jedoch sagt man auch dyloje delo eine gewesene Sache, es ist 
vorgekommen, Äsböth 56). Ich beschränke mich auf ein paar 
Beispiele des Part. praes. Dasselbe erscheint in der unbe- 
stimmten Form a) wenn es eine Nebenhandlung ausdrückt, 
sich an das Subjekt anschliessend, z. B. ing pritücq predlozi 
Jımü glagolje any rapaßoAnv rapeürxev aörois AdywvMatth. 13,31; 
ı se glasü iz oblaka glagolje löod ywyn Ex Tis vereing Adyousa 
Matth. 17,5. Insbesondere in der Konstruktion des sog. ab- 
soluten Dativs, z. B. s jeste glagoljastju jemu xaı Erı adroö Aa- 
koövrog Matth. 26, 47. b) wenn es prädikativ gebraucht ist, 
sei es in Verbindung mit ‘sein’, sei es abhängig von ‘sehen, 
hören’ und ähnlichen Verben, z. B. ; beasete glagohjgsta sü 
Isusomü xat noav ouAlaloüvtes to Incoo Mark. 9, A; sego obretomü 
razurastajgsta Jezykü nast draorpeyovra to Edvos hywv Luk. 23,2; 
Jako my slysachomy-ji glagoljgstt Er Aueis hrovoapev abrou 
Aeyovtos Mark. 14,58; videvüse otroky zovgSte ı glagolygste lödvres 
Tobg natöas Apabovras xal Adyovras Matth. 21, 15. Dagegen er- 
scheint das Partizipium in der bestimmten Form a) wenn es 
Subjekt, Objekt u. 3. w. des Satzes ist, also mit substantivischem 
Werthe, z. B. glagoljeji o sebe slauy svojeje iStetü 5 An &auroü 
lalav Thv ödkav rnv lölav Cnrtei Joh. 7, 18; on Ze otüvestavü rece 
kü glagoljastzumu 6 d& äroxpıdels eine tip eindvrı adrp Matth. 
12, 48. b) adjektivisch, z.B. s/ySavü slovo glagoljemoje dxousas 
töv Adyov Auloupevov Mark. 5, 36. Ein adjektivisches Partizipium 
ist also dann unbestimmt, wenn es eine Nebenhandlung aus- 
drückt, aber dann bestimmt, wenn es eine Eigenschaft des 
Substantivbegriffes ausdrückt, zu dem es gehört, z. B. da sübq- 
dqtü se künigy glagohasteje iva 4 ypapıı rinpwdd 7 Adyousa 
Joh. 19, 24. (Nicht selten freilich steht ın diesem Falle die 
Instrumentalform auf em, statt der auf iyimi (yymi), z. B. Matth. 
27,9. Warum, wäre noch zu untersuchen). 

Die Pronomina nehmen nach Miklosich 4, 130 die be- 
stimmte Form nur vereinzelt an, ohne dass eine Besonderheit 
des Sınnes dabei hervorträte. 


440 Kap. XI. Rückblick auf die Adj. des Germ. u. Balt.-Slav. [$ 202. 


$202. Rückblick auf die Adjektiva des Germa- 
nischen und Baltisch-Slavischen. 

Die nominalen Adjektiva wurden ursprünglich ebenso 
flektiert wie die Substantiva. Dieser Zustand hat sich, wie 
in den meisten Sprachen, so auch im Slavischen erhalten, z. B. 
vino novo vinum novum. Man nennt dieses slavische Ad). 
nach seiner Anwendung das unbestimmte. Nun giebt es aber 
Adjektiva nicht nur auf dem nominalen, sondern auch auf dem 
pronominalen Gebiet, und es ist deshalb nicht zu verwun- 
dern, dass die nominalen Adjektiva von der pronominalen Seite 
her einen Einfluss erfuhren. Ein solcher Einfluss (der wahr- 
scheinlich schon in der Ursprache begann) lässt sich z. B. ım 
Altindischen beobachten, wo aber die Bewegung nicht weit 
gediehen ist. Dagegen hat dieselbe im Germanischen und 
Litauischen das gesammte Adjektivum ergriffen, bei dem wir 
infolge dessen eine Anzahl von Kasus pronominal gebildet 
sehen. Man nennt dieses Adjektivum im Litauischen nach 
seiner Bedeutung das unbestimmte, im Germanischen mit einer 
mangelhaften von Grimm herrührenden, schwerlich mehr aus- 
zurottenden Bezeichnung das starke. Das slavische unbestimmte, 
Iitauische unbestimmte, germanische starke Adjektivum stellt 
also die Fortsetzung des indogermanischen Adjektivs dar. Dass 
im Germanischen und Litauischen eine Reihe von Kasus durch 
Analogiewirkung verändert sind, ist eine für die Syntax gleich- 
gültige Erscheinung. Nur insofern interessiert sie uns, als wir 
in dieser Kasusgestaltung eines jener Momente erblicken, welche 
das Adjektivum gegenüber dem Substantivum als eine beson- 
dere Wortart kennzeichnen. 

Zu diesem alten Adjektivum sind nun auf beiden Sprach- 
gebieten, dem Germanischen einerseits und dem Baltisch -Sla- 
vischen andererseits Neubildungen gekommen, welche in for- 
meller Beziehung nichts mit einander zu thun haben, der 
Bedeutung nach aber wesentlich übereinstimmen. Und zwar 
auf germanischer Seite das sog. schwache Adjektivum. Es 
lässt sich nachweisen, dass dieses aus attributiven Substantiven 
entstanden ist. Dem Sinne nach sollte man das schwache 








$202—203.)] Kap. XI. Adjektivum und Genitiv im Slavischen. 441 


Adjektivum als das bestimmte bezeichnen. Denselben Sinn hat 
das baltisch-slavische aus einem Relativsatz hervorgegangene 
zusammengesetzte (bestimmte) Adjektivum. Wir haben wohl 
anzunehmen, dass die Grundlagen für diese Ausdrucksweise 
bereits in der Urzeit gelegt worden waren, dass die Gewohnheit 
sich so auszudrücken in der baltisch-slavischen Periode über- 
hand genommen hatte, dass aber die wirkliche Verschmelzung 
in einer Zeit erfolgte, als das baltisch-slavische Urvolk bereits 
keine Spracheinheit mehr bildete. 

$ 203. Adjektivum und Genitiv im Slavischen. 

Das von Substantiva abgeleitete Adjektivum findet in den 
slavischen Sprachen eine breitere Anwendung, als in den 
übrigen (vgl. Miklosich 4, 7 ff., Danicic 24 ff.). 

1. Es wird häufig da gebraucht, wo wir, sei es den Ge- 
nitiv, sei es ein Kompositum, seltener ein Adjektivum an- 
wenden. So bei Adj., die von Wörtern für Thiere und Pflanzen 
herstammen, z. B.: aksl. skuminü livovü catulus leonis, russ. 
Rvinaja golova Löwenkopf; serb. nije svako tijelo jedno tijelo, 
nego je drugo tijelo Coyjecije, a drugo skotsko, a drugo riblye, 
a drugo ptiöije nicht ist alles Fleisch einerlei Fleisch, sondern 
ein anderes Fleisch ist der Menschen, ein anderes des Viehes, 
ein anderes der Fische, ein anderes der Vögel 1. Kor. 15, 39; 
russ. korovijye moloko Kuhmilch;, serb. voluje meso Ochsenfleisch ; 
bivolska koza Büflelfell; aksl. suprugi osliji jugum asinorum, 
na Zrebete osülji Joh. 12, 15; russ. Asi7 mechü Fuchspelz; 
aksl. stado svinoje Ay&in xolpwv Matth. 8, 31; serb. day mi boze 
oct sokolove gieb mir, Gott, Falkenaugen ; rodino gnezdo Storch- 
nest; zmijin jed Schlangengift,; aksl. bücelinü sütü Bienenwabe; 
serb. jelova grana Tannenzweig; bundevski cvet Kürbisblüthe; 
zrno Senicno Weizenkorn. Ferner Begriffe anderer Art, z. B.: 
aksl. cesaristvije nebesiskoje Himmelreich,, obrazü düzdevü species 
pluviae; svetü mesjacji, slünicji To Yüas TAs oeAnvns, Tod Alov; 
serb. Zyetni dan Sommertag; Zeiveno doba Erntezeit; gorski vuk 
Bergwolf; aksl. viskresinyy dini dies resurrectionis; serb. Anıga 
raspusna Scheidebrief; 2ojas kozan ein lederner Gürtel; sodna 
vrata Zimmerthür; zubna Dbolest Zahnweh; vratna kost Hals- 


442 Kap. XI. Adjektivum und Genitiv im Slavischen. [$ 203. 


knochen; aksl. slizöno mnoZistvo lacıımarum multitudo u. s. w. 
Allen diesen Ad). liegt, wie es auch bei den Adj. der übrigen 
Sprachen der Fall ist, natürlich der Begriff des Substantivums, 
nicht ein einzeln vorgestelltes Wesen zu Grunde. 

2. Es werden aber auch Adjektiva von Wörtern für per- 
sönlich gedachte Einzelwesen abgeleitet, und zwar sehr häufig 
von Personennomen. Ich führe aus der grossen Fülle von 
Belegen, die sich beibringen liessen, einige altkirchenslavische 
an: syne davydovü vi& Aaßid Mark. 10, 48; düsti Irodijadina 7 
duyarnp ts Hpwörzdos Matth. 14, 6; wcenict Ioanovs oi paßmral 
’Ioavvov Matth. 9, 14; 3 privrüga je kü nogama Isusovama xal 
Eppıbav abrob; mapd tous nödas to Inooö Matth. 15, 30; © pri- 
sedü Isusü vü domü Petrovü vide tüstq jego lezestq xal &Idwv 6 
"Inooös sis Thy olxlav Ilerpou eide rhv nevdepav adroö BeßAnnivnv 
Matth. 8, 14 (wo also Jego auf das in dem Adj. enthaltene Subst. 
geht. Ebenso bei anderen persönlichen Begriffen, z. B. rü 
ssting synü boziji Jesi aAndws Yeod viös el Matth. 14, 33; ugotovite 
patli gospodinj? &roıuaoate hy 666v xuptou Mark. 1, 3; ciy?T Jestä 
odbrazo-si 3 napısantje? glagolase Jemu: kesarovü tivos r) eixav adım 
xat n &mıypapn; Adyovaıv adtı Katsapos Matth. 22, 20; Ay otü 
 oboyu sütvori voljq oficq Tl; &x Twv dbo Enolnoe To Beinpa Tod 
rarpd;; Matth. 21, 31; iZe i-creva materinja rodise se tako olrıyes 
&x xoıdllas puntpos Eyevvndncav oörw Matth. 19, 12; ne si li Jestü 
tektonovü synü oby oütds &atıy 6 Tod Textovos vids; Matth. 13, 55. 
Bei den von Eigennamen abgeleiteten Adjektiven liegt natür- 
lich die Einzelperson, bei den anderen entweder der Begrifl, 
oder auch ein Einzelwesen zu Grunde. Ein Beispiel für den 
ersten Fall ist: syn& do Clovecisky? imalü predali se vü race clo- 
vecisce 6 ap viös Tod Avdpwroun pelleı rapadldoodaı eis yeıpaz 
@vdpwrwv Luk. 9, 44; ein Beispiel für den zweiten Fall: serb. 
ı u njima jedna baba carica i jedna devoyka babina kder und 
in ihm (dem Schloss) eine Alte die Kaiserin und ein Mädchen 
die Tochter der Alten (Märchen). 

Wie man sieht, ist das Verhältnis der Begriffe das pos- 
sessive. Es kommen zwar auch andere Verhältnisse vor, 
z. B. aksl. strachü igemonovü die Furcht vor dem Abt, 





$ 203.) Kap. XI. Adjektivum und Genitiv im Slavischen. 443 


serb. od Imbrova straha aus Furcht vor Imbro, aksl. zavıs" 
bratinja der Neid gegen den Bruder. Doch ist der possessive 
Sinn bei weitem überwiegend. 

Wenn ich nun dazu übergehe, das Gebiet der unter 2 
genannten Adjektiva gegen das des Genitivs abzugrenzen, so 
habe ich zunächst zu bemerken, dass nach meinem Eindruck 
die drei in dieser Schrift herangezogenen slavischen Sprachen 
im wesentliehen denselben Zustand zeigen. Freilich finden 
sich auch Verschiedenheiten, z. B. heisst es serb. pomocu kneza 
djavolskog isgoni djavole &v Tw Apyovrı Tuv darmovimov Eußardeı 
ta Saruövıa Matth. 9, 34, aber aksl. o Akünezi besü (also Gen.). 
Die Untersuchung nach dieser und anderen Richtungen zu er- 
schöpfen, kann indes nur demjenigen gelingen, der mit den 
slavischen Sprachen auf das genaueste vertraut ist. Ich muss 
mich begnügen, einzelne stilistische Konstellationen anzuführen, 
unter denen der Genitiv natürlicher erscheint als das Adjek- 
tirum. Die Belege entnehme ich vorzugsweise dem Serbischen 
und dort wesentlich dem neuen Testament in der Übersetzung 
von Wuk, auf dessen ausgezeichnetes Sprachgefühl man sich 
auch in diesem Falle am sichersten verlässt. Im allgemeinen 
kann man sagen, dass der Genitiv nahe liegt, wenn der Aus- 
druck noch eine Fortsetzung findet. Diese Fortsetzung kann 
bestehen a) in einem Adjektivum, welches zu dem im Genitiv 
stehenden Substantivum hinzutritt, z. B. serb. tt si Hlristos, 
sin Boga Zivoga du bist Christus, der Sohn des lebendigen 
Gottes Matth. 16, 16, womit man va istınu ti si sın boäy 
Math. 14, 33 vergleiche; b) in einer Apposition, z. B. glava 
Iovana krstitelja das Haupt Johannis des Täufers Matth. 14, 8, 
pleme Isusa Hrista sina Davida Avraamova sina der Stamm- 
baum Jesu Christi, des Sohnes Davids, des Sohnes Abrahams 
Matth. 1, 1, wo also das Adj. nur in Avraamova sina auftritt, 
weil hinter diesem Gliede keine Apposition mehr folgt.') 
Nach Miklosisch 4, 14 soll das Adjektivum stets gebraucht 


1) Diese für ein ausgebildetes Denken natürlich erscheinende Aus- 
drucksweise ist freilich keineswegs die alleinherrschende, sondern es kommt 


444 Kap. XI. Adjektivum und Genitiv im Slavischen. [$ 203. 


werden bei pronominalem Ausdruck, z. B. aksl. dri2ite nakazantje 
moje olica vaSego haltet fest meine, eures Vaters, Lehre; es 
findet sich aber auch der Genitiv des Pronomens, so serb. Ztttje 
mene Gerasima Zelica mein, des G. Z., Leben (Danitic 36). 
Endlich können auch beide Wörter adjektivische Form erhalten, 
z. B. aksl. celovanije mojeju rukoju Pavljeyu 6 dorasyos TI &ufj 
yeıpi Ilaulou, so auch serb. pozdrauv mojom rukom Pavlovom 
Kol. 4, 18; c) ın einem Relativsatz, z. B. serb. Alupe ontjeh 8to 
prodavahu golubove dıe Bänke derjenigen, welche Tauben ver- 
kauften Matth. 21, 12; moja nauka nije moja nego onoga koyi 
me je poslao meine Lehre ist nicht mein, sondern dessen, 
der mich gesandt hat Joh. 7, 16; d) die Fortsetzung kann 
auch allein in einem zweiten durch ‘und’ angefügten Substan- 
tivum bestehen, z. B. vü ime olica i syna si svelaago ducha eis 
20 dvoua Tod ratpos xal To uloo xal Toü Aylou nveöuatos Matth. 
28, 19; serb. da de bit saranjen Zivot nje ı sve njezine rodbine 
dass geschützt werde ihr und ihrer ganzen Verwandtschaft 
Leben (Danitic 39). 

Zweifelhaft ist mir, ob sich für die Verbindung des Genitivs 
oder Adjektivs mit Nomina actionis eine Regel aufstellen lässt. 
Aus dem Altkirchenslavischen führt Miklosich eine Reihe von 
Adjektiven an, und zwar sowohl im Sinne des objektiven als 
des subjektiven Genitivs, z. B. udtyentje Urijino die Ermordung 
des Urias (eo auch russ. ubijstvo Igorevo), po predantji Tounove 
nachdem Johannes übergeben worden war (Mark. 1, 14), pobe- 
Zdenije dijavolovo die Besiegung des Teufels, po£itantje knizinoje 
lectio librorum, prisistuije Hristovo adventus Christi. Aus 
dem Serbischen habe ich überwiegend Genitive angemerkt, 
2. B. vaskrsenije mrtvijeh die Auferstehung der Toten, $Argut 
zuba Knirschen der Zähne, radi otpustenja grijeha wegen der 


auch der ungenauere Ausdruck durch Adjektiva vor. So steht zwar im 
cod. Mar. Luk. 1, 69 korrekt: vi domu Davida otroka svojego &x To olxwp 
Aaßiö tod rardös abrod. Nach Miklosich findet sich aber auch vi domu 
Davidovi otroka svojego, ferner vü img gospodinje sütvorisaago nebo i zemijq 
im Namen des Vaters, der Himmel und Erde geschaffen hat und Ähnliches, 
das ich hier nicht weiter verfolgen kann. 





$ 203—204.] Kap. XI. Adjektivum und Genitiv im Arischen. 445 


Vergebung der Sünden. Dagegen dan rodjenja Irodova der 
Tag der Geburt des Herodes Matth. 14, 6, do smrti Irodove 
bıs zum Tode des Herodes Matth. 2, 15. 


$ 204. Vergleichung mit den andern Sprachen. 


Ich komme nun zur Vergleichung des Slavischen mit den 
verwandten Sprachen. Doch werde ich, weil mir zur Behand- 
lung des gesammten Adjektivums, soweit es mit dem Genitiv 
verglichen werden kann, nicht ausreichendes Material zu Gebote 
steht, nur die von Eigennamen abgeleiteten Adjektiva zur Ver- 
gleichung heranziehen. 

Im Altindischen werden bekanntlich sehr zahlreiche 
Adjektiva auf a von Substantiven abgeleitet unter Vrddhirung 
der ersten Silbe, welche im allgemeinen eine Zugehörigkeit zu 
dem zu Grunde liegenden Substantivbegriff bedeuten, z. B. 
gärdabha zum Esel gehörig, Esel- (mit pdsas doc) zu gardabha, 
gärhapatya, scil. agni das Feuer des Hausherrn u. s. w. Ab- 
geleitet von Eigennamen, haben sie ebenfalls eine weite 
Bedeutung, z. B. aindra dem Indra gehörig, geweiht, von ihm 
ausgehend, ihm ähnlich; ärgirasa von den Angiras stammend, 
sie betreffend (z. B. eine Erzählung); pau$fna dem Püshan ge- 
weiht, auf ihn bezüglich (z. B. Vieh, ein Mus, das ihm geopfert 
wird, ein Lied); märuta auf die Marutas bezüglich, aus ihnen 
bestehend, z. B. gand, viSas, Sardhas die Schar der M. Nicht 
selten stehen diese Adjektiva neben ‚räjan Köngg ı in demselben 
Sinne wie sonst der Gen., z. B. im SB. Ayögavo räjä der dem 
Stamm der Ayögu angehörige König, der König der A., ‚Pahcalo 
r. der König der Pancäla, Mätsyö r. der König der Matsya. 
Genitivisch z. B. Sviknanam r. Später erscheint das Adj. als 
Bezeichnung des Königs auch ohne Hinzufügung von rajan, 
wie denn Nala als Natgadha bekannt ist. In der alten Sprache 
kommt die Auslassung eines selbstverständlichen Substantivums 
zwar auch sonst gelegentlich vor, z. B. bei paidva das Schlangen 
‚. tötende Ross des Pedu, ganz geläufig ist nur die Auslassung 
der Sohn und Tochter bedeutenden Wörter. So ıst Zvastra der 
Sohn des TvaStar, fva${rt seine Tochter und so die ganze grosse 


446 Kap. XI. Adjektivum und Genitiv im Griechischen. [$ 204. 


Masse der Patronymika auf«. Das Wort ‘Sohn’ oder “Tochter” 
habe ich bei diesen Adj. (die man also schon als substantiviert 
bezeichnen kann) nicht gefunden. Auf das Abstammungsver- 
hältnis beschränkt scheinen die Suffixe eya und ayana, das 
erstere in der alten Sprache öfter das Verhältnis zur Mutter 
anzeigend, z. B. ädıteya Sohn der Aditi, Sväitröyd Sohn der 
Sviträ, M amateyd Sohn der Mamatä, Arjuneya Nachkomme des 
Arjuna, Uk$anyäyana Nachkomme des Ukshanya, Känvayana 
Nachkomme des Kanva. Ich habe diese Bildungen auf 2ya 
und äyana nicht mit Substantiven gefunden, ausser ätrayi ydsit 
im SR,, worüber man Böhtlingk-Roth unter atreya vergleiche. 
Völlig substantiviert sind auch die auf i wie paurukutsi Nach- 
komme des Purukutsa u.s.w., über welche man Whitney $ 1221 
und Brugmann 2, 264 einsehe. Im Iranischen liegen die- 
selben Formen auf a vor, z. B. apers. Märgava Bewohner von 
Margiana, av. Aıryava Nachkomme des Airyu (Brugmann 
2, 107), insbesondere auch die auf s, z. B. av. mäzdayasni 
mazdajasnisch, Dastayanı Sohn des DäStäyana, apers. pätifuvari 
einer aus Patischorien (nach Brugmann 2, 264), also noch nicht 
mit Beschränkung auf das Abstammungsverhältnis. 

Noch mehr Ähnlichkeit mit dem Slavischen hat das Grie- 
chische (vgl. Kühner Il2, 224). Wir finden bei Homer pos- 
sessive von Eigennamen abgeleitete Adjektiva, z. B. vaös Aya- 
weuvoven, Innos Ayapeuvoven, AloAln vroos, Alnörıos töußBos Grabmal 
des Aipytos, doric, Innos, vads Neotopen, Oöuanıos ödgos, Pin ’Ipı- 
xArein und “Hpaxınein. Namentlich findet sich auch, wie im 
Slavischen, die Apposition, welche innerlich zu dem Grundwort 
des abgeleiteten Adjektivs tritt, an das Adjektiv selbst angefügt, 
so bei Homer Neoropey rapa vn IlvAoryeveos Baoıfos B 54, 
T'opyein xepaAn dervoio neAwpov E 741, Sahp adT Zuös Zoxe xuvo- 
rıdos I 180 u. ähnl. Besonders dienen diese Adjektiva, um 
die Zugehörigkeit der Familienglieder zum Familienhaupte zu 
bezeichnen. So findet sich bei Homer ’Ayapsyvoven &Aoyos y 264, 
auf einer thessalischen Inschrift IIouraAa Tlovraksta xöpa Tıro-, 
psia öva (vgl. Meister, Dialekte 1, 196), am meisten natürlich 
mit vidg oder raic, zZ. B. ZdEvelos Karavrıos vids, NnAntos vide, 


$204.] Kap. XI. Adjektivum und Genitiv im Griech. und Lat.. 447 


Ioravrıos Aydads vids bei Homer (gelegentlich auch das Ver- 
hältnis zur Mutter bezeichnend: Tirvov Tarrıov vidv n 324), 
Telauwvız rat bei Sophokles u. ähnl. Bisweilen lehnt sich das 
Adjektivum nicht an vid; oder ats, sondern an den Namen des 
Sohnes, z. B. TeAapwvıos Atlas. Allein stehend, also als Patro- 
nymika, kommen diese Adjektiva bei Homer nicht vor, wohl 
aber regelmässig im Böotischen, Thessalischen, Lesbischen und 
einigen anderen Dialekten, welche diesen nahe liegen (vgl. 
Meister a. a. O., Zacher, de nominibus graecis in aros S. 248). 
In den übrigen Dialekten sind andere patronymische Bildungen 
oder der Genitiv eingetreten (so z. B. OuA%os taybs Atlas neben 
Terapwvios Atas). Wir finden also im Griechischen in bezug 
auf die Patronymika wenigstens in einigen Dialekten denselben 
Zustand wie in manchen slavischen Sprachen, z. B. dem Klein- 
russischen, wo man nach Miklosich 4, 8 sagt: Fedko Yvanov 
syn, Jesyp Nestorov syn, wo aber syn auch wegbleiben kann 
2. B. Stanysiav Narbutov. (An die Stelle des Adjektivs kann 
dann auch, wie im Russischen, das Subst. auf ovyc treten, z.B. 
Fedor Lyubortovyc.) Im Lateinischen sind Ableitungen von 
Eigennamen in ähnlichem Gebrauch wie im Griechischen auch 
ın der Prosa vorhanden, z. B. Philocteteus clamor bei Cicero, 
während Wendungen der Poesie wie Hectorea conjur auf Nach- 
ahmung zu beruhen scheinen. Im patronymischen Sinne aber 
liegen‘ Adjektiva nicht vor. Dagegen mag hier bemerkt werden, 
dass Adj. die von anderen Bezeichnungen lebender Wesen ab- 
geleitet sind, wie z. B. ertlis filius in häufigem und mannıg- 
faltigem Gebrauch vorliegen. Auch die Anknüpfung eines 
Genitivs an ein pronominales Adjektivum liegt vor, z. B. me 
tuum studium adulescentis perspexisse bei Cicero (Schmalz? $ 66). 
Aus dem Germanischen und Litauischen weiss ich Ent- 
sprechendes nicht beizubringen. 

Aus dieser, freilich nur flüchtigen Übersicht, welche anderen 
noch vieles nachzubringen überlässt, dürfte folgen, dass ın 
unseren Sprachen das von Substantiven abgeleitete Adj., im 
Gegensatz gegen den Gen., im allgemeinen dazu dient, den 
Begriff eines Substantivums zu einem andern in Beziehung 


448 Kap. XI. Adjektiva und Zahlwörter. [$ 204—205. 


zu setzen, nicht das Subst. als Individuum. Wenigstens gilt 
diese Regel durchaus, wie es scheint, in bezug auf solche Sub- 
stantiva, welche nicht lebende Wesen bezeichnen. Bei den- 
jenigen, welche lebende Wesen bezeichnen, kommt auch eine 
Beziehung vor, die der genitivischen durchaus entspricht, z. B. 
voorw tw Basıketiw gleich zoo Baoık&o; bei Aeschylus, Perser 8. 
Ganz gewöhnlich ist das bei Ableitungen von Eigennamen von 
Personen und es scheint, als sei im Indogermanischen die Be- 
zeichnung des patronymischen Verhältnisses durch Adjektiva 
früher im Gebrauch gewesen, als die Bezeichnung durch 
Genitive. 

$ 205. Adjektiva und Zahlwörter. 

Einige Adjektiva stehen ihrem Sinne nach den Quantitäts- 
wörtern nahe und zeigen deshalb auch in ihrer Konstruktion 
verwandte Erscheinungen. Es sind namentlich die Wörter für 
viel, wenig, halb, mittel. 

Viel: Ein altes Wort für viel ist ai. purd, av. pouru, 
altp. paru, gr. xoAu-, got. filu. Das ai. pur& ist im Mask. über- 
haupt nicht vorhanden, ausser im Gen. plur. purünam, vom 
Neutrum kommt ausser purünam nur purü und purüni vor 
(während allerdings das Fem. pürv? in mehreren Kasus belegt 
ist, es ist aber wahrscheinlich, dass dieses Femininum nicht 
zu den ältesten Bildungen gehört). Die Verwendung von purü 
ist durchaus adjektivisch. Man sagt also z. B. purd desnam 
viel Gabe, nicht desndsya. Das gotische flu- kommt ausser 
in dem adverbialen %#laus nur in der Form lu vor, welche 
bei Verben halb adverbiell gebraucht wird, z. B. bei didyan, 
Jastan, sodann ganz adverbiell, endlich aber, was uns hier 
interessiert, substantivisch mit dem Gen. manageins viel der 
Menge, eine grosse Menge, z. B. Jah filu manageins laistidedun 
afar imma und eine grosse Menge folgte ihm Mark. 3, 7 (man 
beachte das Verbum ım Plural}, vgl. auch Grimm 4, 760. Mög- 
licherweise war dieser substantivische Gebrauch des Neutrums 
der älteste des Wortes überhaupt. Im Avesta sind schon etwas 
mehr Kasus vertreten, als im Veda. So kommt der Nom. sing. 
mask. vor: ya yavo pourus bavap wenn reichlich Getreide 


$ 205.) Kap. XI. Adjektiva und Zahlwörter. 449 


vorhanden ist vd. 3, 32. Noch ausgebildeter ist der adjektivische 
Gebrauch bei Homer, wo sich z. B. roAus oder roAAds nicht 
selten findet, und zwar neben Wörtern wie olvos, löpws, Butkog, 
öpuuayöds u. ähnl., deren kollektiver Sinn die Verbindung ver- 
ständlich macht. Auffälliger ist: roAAds yap Tıs Exsıro rapnopos 
evda xal Evda H 156. Von den übrigen zahlreichen Wörtern 
für viel erwähne ich noch die identischen got. manags, slav. 
münogü. Ich führe, um den Gebrauch zu veranschaulichen, 
einige Stellen aus Ulfilas und die entsprechenden aus dem 
cod. Mar. an. In isoliertem Gebrauch erscheint es mit ad- 
jektivischer Flexion, z. B. roAlol &poücot por managar giband, 
münozi bo rekqtü Matth. 7, 22; xat roAlo0s av ulav "Iopanı 
@rıorpedsr Jah managans sunive Israelis gavandeid, i münogy 
synovü tsdrailjevü obratsitü Luk. 1, 16. Sodann stimmen beide 
Sprachen in der adjektivischen Verwendung überein, z. B. 
Aykovrar ai Apaprlar adrns ai rollat afletanda fravaurhteis 
izos bos managons, otüpustajqtü se Jeji gresi münozi Luk. 7, 47; 
roAld owpara twv xexorunulvov Aylwv managa leika bize ligan- 
dane veihaize, münoga telesa pocivajasttjichü svetyjichüu Matth. 
27, 52; xal roraurars napaßokais noAlais Jah svaleikaim managarm 
gajukom, i tacemi pritücami münozemi Mark. 4, 33. Ein sub- 
stantiviertes Neutrum münogo mit abhängigem Genitiv ist im 
cod. Mar. nicht vorhanden, wohl aber findet es sich im Ser- 
bischen, dem gotischen adjektivischen manags gegenüberstehend, 
2. B. 6 nv Bepronös roAds ol 68 Epyaraı dAlyoı Matth. 9, 37 lautet 
gotisch asans raihtis managa ıb vaurstujans favai, dagegen ser- 
bisch Zeive (Gen.) je mnogo a poslenika malo (aksl. zetva münoga); 
roAAods dyAou; Matth. 8, 18 ist got. managans hiuhmans, serb. 
mnogo naroda (aksl. münogy narody). Im Litauischen wird in 
den angeführten Stellen entweder eine andere Wendung wie 
‘Menge’ u. dgl. gewählt, oder das erstarrte daüg, wovon so- 
gleich zu reden sein wird. Von einzelsprachlichen Wörtern 
erwähne ich ai. bAüri, deutsch genug, lit. daüg. Das ai. bhüri 
kommt im RV. gewöhnlich adjektivisch vor, z. B. bhüri vasu 
viel Gut, aber auch substantivisch mit einem Genitiv, z. B. 
bhüri paSvah viel des Viehes. In bhüri Artoah viele Male 


Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm. Sprachen. 1. 29 


450 Kap. XI. Adjektiva und Zahlwörter. [$ 205. 


— 





möchte ich nicht sowohl ein erstarrtes bAüri (wie lit. daüg) 
als vielmehr ein erstarrtes Artvas erkennen, das wie ein Neu- 
trum behandelt wurde. Das deutsche genug ist im Grimm’schen 
Wörterbuch eingehend besprochen worden. Es ist im Gotischen 
ein flektiertes Adjektiv, z. B. gaslepand ganohai xoıpwvrar Ixavot 
1. Kor. 11, 30; jJera ganoha ypövous ixavods Luk. 20, 9; s3ponjos 
is ganohai jah manageins filu oi padrral adrod Ixavol xat ByAos 
roAüg Luk. 7, 11; mib manageın ganohai dykou Ixavoö Mark. 
10, 46; tvaim hundam skatte hlaibos nı ganohat sind drLaxoslwv 
örvapluv Aptor oöx Apxoöcıv autois Joh. 6, 7. So auch noch im 
Mittelhochdeutschen, während es im Neuhochdeutschen durch- 
aus erstarrt ist, worüber man Hildebrand’s Darlegung a. a. O. 
nachlesen möge. Die anderen Sprachen haben für unser 
‘genug’ sehr verschiedene Ausdrücke, z. B. im serbischen neuen 
Testament bald mnog, z. B. für stponJos is ganohas : mnogi ucenici 
njegovi, bald das ın den slavischen Sprachen vielfache Paral- 
lelen bietende aksl. dovolinü (vgl. Miklosich Wb. unter ve? 1), so 
entspricht dem got. gaslepand ganohai serb. dovolno ih (Gen.) 
spavaju (also das Verbum im Plural). Doch soll dieser Gegen- 
stand hier nicht weiter verfolgt werden. Das lit. daüg (vgl. 
Schleicher, Gr. 296) ist erstarrt wie unser genug (die älteren 
Formen s. bei Bezzenberger, ZGLS. 72). Daäüg viel hat den 
Gen. bei sich, wenn es ım Sinne des Nom. oder Akk. steht, 
z. B. äsz turiü daüug vargü nesziöti ich muss viel Leiden er- 
tragen. Dagegen steht es bei anderen Kasus adjektivisch 
voran, zZ. B. üsz daüg Zmonems dünos daviaü ich habe vielen 
Menschen Brod gegeben. Die Worte ‘mit solchen manchen 
Gleichnissen’ sind Mark. 4, 33 übersetzt daüg tokials prilygini- 
mais. Doch kann nach Schleicher in einem solchen Falle auch 
der abhängige Gen. stehen. Flektiert ist dag nur bei iso- 
liertem Gebrauch, z. B. is daugems pastzadejo er hatte vielen 
versprochen. Ebenso wie daüg werden kek wie viel? und te 
so viel behandelt. 

Wenig. Für ‘wenig’ haben wir kein Wort, welches so- 
wohl ın Asien wie in Europa vertreten wäre. Nur gr. raöpos, 
lat. paucus und paulus und got. favs sind eines Stammes. 





8 205.) Kap. XI. Adjektiva und Zahlwörter. 451 





Unsere Wörter werden bald adjektivisch, bald substantivisch 
mit Gen. gebraucht. Manche sınd überwiegend im Singular, 
andere überwiegend im Plural gebraucht. 

Im vedischen Sanskrit dabhrd zu dabh jemandem etwas 
anhaben, schädigen, versehren, nie mit Genitiv, z. B. ma da- 
bhrdm bhüry a bhara nicht weniges, vieles bring herbei RV. 
4, 32, 20; nd tdm jinanti bahdvo nd dabhräh ihn überwältigen 
nicht viele, nicht wenige 4, 25, 5. Nachvedisch dpa und al- 
pakd, stöka ebenfalls nie mit dem Gen. Bei Homer finden 
wir öAlyos und raöpog, das erstere ‘klein, winzig, unansehnlich’ 
auch von der Gestalt eines Menschen gebraucht, bei Wörtern 
wie X@pos, oAxos, Xpövos, Xpetos, Bund; u. s. w., pluralisch nur 
u 252 bei {ydöcı (den kleinen, nicht den wenigen). Dagegen 
raöpog erscheint fast nur im Plural, z. B. naöpous pynorüpas, 
radpoı Ayaıöv, raüpa weniges, singularisch nur bei dem Kollek- 
tivum Aads B 675. An raüpos schliesst sich das lateinische 
paucus, gewöhnlich pluralisch, und paulus (z. B. Zar bei Varro), 
gewönlich aber neutral mit Gen., z. B. paulum lueri. Ferner 
das gotische favs, singularisch nur du favamma rpös dAtyov 
1. Tim. 4, 8, sonst pluralisch z. B. jah favas sınd bar bigttan- 
dans bana xal dAlyoı elolv ol eöplanovres adrhv (6ödv) Matth. 7,14; 
jah habaidedun fiskans favans xat elyov lydüsıa dAtya Mark. 8, 7. 
Dagegen wird lettil nicht adjektivisch, sondern als Neutrum 
mit dem Gen. gebraucht, z. B. veinis leitil brukjais oivw dAlyw 
yp® 1. Tim. 5, 23. Innerhalb des Slavischen zeigt das ge- 
bräuchlichste Wort für klein und wenig, nämlich malt, in der 
Bedeutung ‘klein’ natürlich adjektivischen Gebrauch, wo aber 
im Gotischen favai steht, steht im cod. Mar. malo mit Gen. 
z.B. Zetva ubo münoga a delateli malo 5 y£v Bepropnös moAüg ol 
6 &pyaraı SAlyoı Matth. 9, 37. Im Litauischen endlich ist 
mäz mazai, menkai wie daüg behandelt. 

Halb. Ein altes Wort, welches in indogermanischer Zeit 
offenbar nur adverbiell gebraucht wurde, ist *semi. Aı. sami 
‘Adverb) unvollständig, nur zum theil, nur halb, vor der Zeit, 
zu früh, so: sami präßnänti, sami märjayantö zum theil isst 
man es, zum theil reinigt man sich damit TS. 1, 7, 1, 4; yatha 

29* 


452 Kap. XI. Adjektiva und Zahlwörter. [$ 205. 


sami garbhö 'vapddyate als ob der Fötus zu früh abgeht TS. 
5, 5, 1,6. Im Griech., Lat., Germ. (ahd. ags.) ist es als erstes 
Glied eines Kompositums erhalten. Eine Weiterbildung ist 
griech. fiuıou, welches bei Homer entweder adjektivisch vor- 
kommt, z. B. Aploees Aaol, oder neutral mit Gen., z. B. Atou 
&vApwv. 

Von sonstigen Wörtern erwähne ich ai. nema der eine, 
mancher, der andere, z. B. pdeati nemö nahi päkjad ardhäh 
kochen wird der eine, nicht kochen wird der andere RV. 10, 
27, 18. Die Bedeutung ‘halb’ ist im Altindischen erst spät be- 
legt. Dagegen zeigt das Avestische die Verbindung na&m2 asni 
und zsafne innerhalb des Tages, der Nacht, d. h. eigentlich 
“in dem halben Tage’ (vgl. medius). Das indische ardhd heisst 
‘der andere’ (vgl. oben) und als erstes Glied eines Kompositums 
‘halb’, z. B. ardhamäsd Halbmonat, ardhavasa eine halbe Kuh. 
Eine Ausdrucksweise wie *erdha vaSa scheint nicht vorzu- 
kommen (vgl. SF. 5, 68). Dagegen wird das lateinische di- 
midius so gebraucht, z. B. bei spatium, crus, doch ist dimidia 
pars oder dimidium mit Gen. gewöhnlicher. Das gotische halds 
wird in beiden Anwendungen gebraucht: und halba Piudan- 
gardja meina Ews huloous Ts Baoıkelas mov Mark. 6, 23; Ahalbata 
aiginis meins <a hulon av Örapyövrov ou Luk. 19, 8. Im 
Litauischen und Slavischen endlich habe ich ein Adjek- 
tivum “halb’ nicht gefunden, sondern nur die Ausdrucksweise 
durch Substantiva. Über lit. püse sagt Kurschat unter halb: 
“zu bemerken ist, dass p3se, wo es nicht genau die Hälfte be- 
deutet, nicht dekliniert wird, z. B. ‘auf halbem Wege’ nicht 
ant kelio püses, sondern afit püse kelio”. Im Slavischen bedient 
man sich des Subst. polovina Hälfte. Neben dem substan- 
tivischen Ausdruck kommt Zusammensetzung mit Adverbien 
vor, z. B. lit. pusidunaktis Mitternacht, pusiduzemts Hälfte des 
Winters, russ. poldeni Mittag. 

Mittel. Ai. mädhya, av. maidya, gr. w&ooos, lat. medius, 
got. midjis kann in den meisten Sprachen als neutr. Subst. 
mit dem Gen. gebraucht, in allen aber als Adjektiv zu dem 
Subst. gefügt werden, z. B. ai. im RV. mädhye samudre mitten 


$ 205—206.] Kap. XI. Adjektiva und Adverbia 453 


—. 





Fe EEE, 


im Meere, av. masdjöt paitistäne in halber Beinhöhe vd. 8, 8, 
gr. nesoy all, lat. in medio mari, got. bigelun ina ın alh in 
midjaım latsarjam xadıLdnevov &v nlow av ördaoxalwy Luk. 2, 46, 
wo die Abweichung vom Griechischen die Echtheit der Aus- 
drucksweise zeig. Nur im Litauischen und Slavischen drückt 
man sich mit Hilfe von Adverbien (Präpositionen) oder Substan- 
tiven aus. So sagt das litauische Testament an dieser Stelle: 
widuj’ tarp mokitoyu mitten unter den Lehrern, das aksl. po 
srede ucitelji, das serbische gdje sjedi medju uciteljima. Dem 
griechischen An de rs &oprnjs neoobang Joh. 7, 14 entspricht got. 
ana midjai dulp, aber aksl. vu prepolovlentje prazdinika, serb. 
u polovinu praznika. 


8206. Adjektiva und Adverbiıa. 


Häufig finden wir, namentlich in den älteren Phasen der 
indogermanischen Sprachen, den adjektivischen Ausdruck, wo 
wir Modernen es vorziehen, dem Verbum durch einen ad- 
verbialen oder präpositionalen Ausdruck eine Ergänzung hinzu- 
zufügen. Man vergleiche für das Altindische SF. 5, 78, für 
das Avestische einige wenige Fälle bei Hübschmann 159, 
für das Griechische Kühner II? 234, für das Lateinische 
Schmalz? 539, für das Gotische Gabelentz - Loebe $ 242 
Anm. 1® und 215 Anm. 5, für das Litauische Kurschat $ 1427, 
für das Slavische Miklosich 4, 16. Bei dem Deutschen ist 
wohl zu beachten, dass das Adverbium in den jüngeren 
Sprachperioden vielfach mit der kurzen prädikativen Form, 
über welche $ 192 gehandelt worden ist, zusammenfällt, so 
dass bisweilen der Schein entsteht, als liege ein adverbialer 
Ausdruck vor, während in der That der adjektivische erscheint. 
So sagen wir z. B. statt des mhd. dü Ägist ın disem wazzer 
kalter unde nazzer (Grimm 4, 493) jetzt kalt und nass, was na- 
türlich kein Adverbium ist. Manchmal kann man zweifeln, 
so bei irre, ahd. irri in trri gangan und faran. Doch dürfte 
irri wohl richtig als Nominativ aufgefasst werden (vgl. Erd- 
mann 2, 91). So sagt man im Altindischen: tdtha nd jihma 
e$yamah so werden wir nicht irre gehen. Ich werde mich 


454 Kap. XI. Adjektiva und Adverbia. [$ 206. 


m 


im Folgenden auf die Anführung der wenigen gotischen Be- 
lege beschränken. 

Voran stelle ich die Richtungsadjektiva, welche ge- 
wöhnlich in der Nachbarschaft von Verben der Bewegung 
stehen. Aus dem Altindischen gehören hierher die zahlreichen 
mit aßc gebildeten, so arvanc hergewandt, z. B. arvan Ehi sö- 
makämam tvahuh komm hierher (als hierher gewandter), man 
nennt dich ja einen Somafreund RV. 1, 104, 9, und so oft bei 
den Verben i, ya, gam, ga; arväfcam toa sukhe ratha vahatam 
indra ke$inä hierher (als hierher gewandten) sollen dich, o Indra, 
die beiden Falben fahren 3, 41, 9; arväncam rayim a krdhi 
schaffe Reichthum hierher 8, 90, 4; u$ö arvaca brhata rathena 
Jyötifmata vamam asmäbhyam vak$i Ushas mit hierher gewandtem 
hohem Wagen, dem lichtreichen, bring uns Gut 7, 78, 1. Da- 
neben kommt oft das Adverb arvak vor. Über den Unterschied 
in der Anwendung, soweit ein solcher bemerkbar ist, sagt 
Grassmann: “namentlich findet sich die adverbiale Konstruktion 
häufig da, wo das herannahende eine Zweiheit darstellt, also 
wo der Dual arvanca an seiner Stelle wäre, selten wo der 
Singular oder Plural zu erwarten wäre”, z. B. rathena suvfta 
yätam arcak mit dem schönrollenden Wagen kommt hierher 
1, 118, 2; sdm cödaya citräam arvag radha indra varenyam be- 
fördere hierher, o Indra, buntes, schätzbares Besitzthum 1, 9, 5. 
Wie arvahc wird auch arväcind gebraucht, aber immer nur 
adjektivisch. Einige weitere Belege für Adj. auf aßc aus dem 
RV. sind: yad udanco grhäm ajagantana als ihr aufwärts nach 
Hause ginget 10, 86, 22; södafcam sindhum arınäan mahitva er 
liess durch seine Macht den Fluss aufwärts strömen 2, 15, 6; 
pralyan devanam viah pratyann üd ef mänugän auf gehst du 
‘ entgegen den Scharen der Götter, entgegen den Menschen 
1, 50, 5; dyäma prähco ydjamanam dächa wir wollen vorwärts 
gehen zum Opferer 5, 45, 5; dpär prar &ti hinweg geht er und 
vorwärts 1, 164, 38; präßcam krnöty adhvaram er bringt das 
Opfer vorwärts, fördert es 1, 18, 8; Akrnuli päräcah mach sie 
zu weggewandten, schlag sie in die Flucht 6, 25, 3. Manch- 
mal sind die Interpreten in Zweifel, ob sie die Adjektiva als 








$& 206.] Kap. XI. Adjektiva und Adverbis. 455 


dauernde oder momentane Beiwörter fassen sollen, z. B. apa 
präca indra riSvan amiträn dpapäco nudasva treibe die Feinde 
weg von dir nach vorne und nach hinten 10, 131, 1, während 
Ludwig ‘die vorderen und die hinteren Feinde’ übersetzt. So 
auch 6, 44, 17 und sonst. Das Adverbium ist besonders be- 
liebt, wenn mehrere dieser Wörter neben einander stehen, also 
der adjektivische Ausdruck zu umständlich sein würde, z. B. 
te no göpa apäcyäs td üdak ta ittha nyak purdstäl sarvayä visa 
sie sind uns Hüter ım Westen, im Norden und im Süden, ım 
Osten mit der ganzen Schar 8, 28, 3. Hier ist das erste noch 
Adj. Nur Adverbia, z. B. 8, 10, 5; 8, 4, 1; 3, 53, 11. An die 
Adj. auf ac schliesse ich ürdhva aufrecht. Es kommt beson- 
ders häufig mit sth@ vor, z. B. ürdhvö agnih sumdanah prätär 
asthät früh hat sich erhoben der freundliche Agni 5, 1,2; ud 
u $ya vah savita ’sthäd ürdhvö varenyah erhoben hat sich der 
Gott Savitar in die Höhe, der herrliche 8, 27, 12; (ydh) ürdhvam 
dhitim krnavad dhäräyac ca der das Lied in die Höhe bringe 
(lasse es hoch aufstreben’ Ludwig) und es halte 7, 64, 4. Das 
Adverbium urdhvam findet sich zuerst AV. 11, 1, 9 ärdhvam 
prajam uddhäranti die Nachkommenschaft hoch in die Höhe 
hebend, fördernd. Dass urdhva mit sth@ im Griechischen sein 
vollkommenes Ebenbild finde, ist schon von Grassmann be- 
merkt worden, häufig ist orn 8’ öpdds; öpdds Advasıas findet sich 
2 11; vgl. auch ravıwv dtwv Erenalero vura Öpdav Eotadrwv ı 441. 
Ganz Ähnliches zeigt sich auch in den anderen Sprachen: 
mhd. sin muot stuont höch; lit. stäczas stoveti aufrecht stehen, 
aksl. vüsta moj?3 snopüu pravi' meine Garbe richtet sich auf. Aus 
dem Griechischen sind ferner anzuführen: rprvns vorwärts 
gewandt und sein Gegenstück ürtios, z. B. AMor &rl rieupds 
xaraxelwevos, AAAote d adre Öntıos, AAlore SE nprvhs, Tore 6 Öpdös 
avasıds Q 11, rprvea rap Aey&eoaı Mevortıadao tavöscsa; Hektor 
hinstreckend Y 25. Ebenso in Prosa, z. B. ävexesev üntia bei 
Plato. “Rückwärts gewendet’ heisst dlboppos, z. B. tw yiv dp 
äboppor rporl”lArov Aroveovro [' 313, daneben auch das Adverbium, 
z. B. äoppov 8 "löatos EB port "Irov ipnvy H 413. Ferner raltv- 
ops0S: cd Bra Tis Te Öpaxovra löwv raAlvopsos Andorn zurückprallt 


456 Kap. XI. Adjektiva und Adverbia. [$ 206, 


T' 33. Oft erscheint avrios neben Verben der Bewegung, z.B. 
ar Ayapeuvov Avrios Hide dewv Z 54, während das Adverbium 
neben Verben des Sprechens und Sitzens auftritt. Neben 
avrios findet sich &vavrios, z. B. &vayriog Hide v 226 und das Ad- 
verbium: deol 8 Ana ravres Avkstav 2E Löpduy ayol natpös &vav- 
tiov A 534. Auch doupaios durch die Thür lässt sich hier an- 
führen, z. B. trpos HYupatos TAdov ac üpäs Aadpa Sophokles 
Trach. 533. Aus dem Lateinischen erinnere ich an pronus 
und supinus, z. B. jacuit resupinus bei Ovid, manus supinas ad 
caelum tendere bei Virgil, sublimis abiit fuhr gen Himmel bei 
Livius u. ähnl. Aus dem Germanischen: got. uzuh Damma 
mela managai galibun siponje is ibukat 2x Tobrou roAlol AnTiAdov 
av uaßmrav adrod eis To örlow Joh. 6, 66; yah saei ana haihjat, 
samaleiko ni gavandjar sik ibukana xal 6 &v zw Aaypıp Öpotws 
eriorpebarw el; to öntow Luk. 17, 31. Im Litauischen isztisas 
guläti ausgestreckt liegen, im Altkirchenslavischen ? siy- 
savüse ucenict padq nici al Axoboavres ol nadnral Enecov En 
nposwrov abrav Matth. 17, 6. 

An zweiter Stelle erwähne ich die Adjektiva, welche eine 
Reihenfolge ausdrücken, also die Ordinalzahlen und was 
damit verwandt ist. Aus der Schulzeit ist uns unvergesslich 
im Gedächtnis, dass man den Unterschied zwischen primus und 
primum nicht vernachlässigen darf. Man sagt ja im Lateini- 
schen, abweichend vom Deutschen: 

primus hanc orationem legt — post alıı 

prımam » » v post alias 

primum » » » post transscrıpst. 
Die Ausdrucksweise ist uralt, wie einige Belege für ai. prathamaä 
und rpüros zeigen mögen. Als Adjektivum: yö viSvasya Jagatah 
pränatds patir yö brahmane prathamo ga dvindat der der Herr 
alles Fahrenden und Athmenden ist, der dem Frommen zuerst 
(als erster) die Kühe fand RV. 1, 101, 5; sa satwabhih prathamd 
göfu gachati er kommt mit den Kriegern zuerst (als erster) zu 
den Heerden (welche erbeutet werden sollen) 2, 25, 4; sd revan 
yätı prathamd räthena er geht als ein reicher voran mit seinem 
Wagen 2, 27, 12; tvam deve$u prathamdm havämahö dich rufen 





$ 206.) Kap. XI. Adjektiva und Adverbia. 457 


wir als den ersten unter den Göttern 1, 102, 9; indrasya nü 
viryanı pra vöcam yanı cakära prathamäni vajri ich will nun 
des Indra Heldenthaten preisen, welche der Keilträger zuerst 
(als die ersten) vollbracht hat 1, 32, 1. Ebenso bekanntlich 
im Griechischen, z. B. xparos &yb pera 5 Opus @ 231; Neorwp 
ö& np@rtos atunov'äte K 532; Zv8? 7 Tor Ilpdvoov npürov BaAe Soupi 
gasıyö I1 399; Er por npwrm Lwaypı öpelleıs 9 462. Das Ad- 
verbium, oder besser das Neutrum sing., wird der im Verbum 
enthaltenen Handlung attrıbuiert und erscheint entweder in 
bewusstem Gegensatz gegen ein ‘darauf, zweitens, zum zweiten 
mal’, oder so, dass man es “anfangs, eben’ oder ähnlich über- 
setzt. Z. B.: divas päri prathamam Jajne agnir asmäd dvitiyam 
parı jatdvedah aus dem Himmel wurde Agni zuerst geboren, 
zu zweit aus uns, der Wesenkenner RV. 10, 45, 1; täasmäd 
ekük$aradoyakjaräny Eva prathamdam vadan kumärd vadati des- 
halb spricht ein Kind nur ein- und zweisilbige Worte, wenn 
es zueret spricht (zu sprechen anfängt) SB. 11, 1, 6,4; tvam 
adha prathamdm jJayamand 'ms viva adhitha indra krgfih du 
hast im Anfang, als du geboren wurdest, alle Menschen in 
Furcht gesetzt RV.4, 17, 7 und so öfter; prathamam gehört also 
nicht zu Jayamäna sondern zu dem Verbum des Hauptsatzes, 
aber prathamdm und jJüyamäna gehören als parallel stehende 
Ausdrücke nahe zusammen, so dass man übersetzen kann: 
gleich bei der Geburt, kaum geboren. Aus dem homerischen 
Griechisch lässt sich vergleichen: oöpfjas Lv rpwrov Irwyero 
xal xuvas Apyoös, adtap &rerta A 50 und die Fälle, wo dem 
rp@tov ein deötepov entspricht, z. B. Z 179ff.; den zweiten 
Gebrauch von prathamam lässt sich npwrov Innyvnens, z.B. 9 348 
an die Seite stellen. Endlich beachte man noch die Überein- 
stimmung von yatra prathamam, Öte npürov, ubt primum, 2. B. 
yatrastat prathamdm samtdaho bhavati sobald das Feuer nur 
entfacht ist SB. 2, 3, 2, 9; &rel xev npwrov Eollntaı Adyov Avöpwv 
N 285 u. ähnl. Wie im Altindischen verhält es sich auch im 
Avestischen, z. B. yt. 14, wo es heisst ahmai paoıryö (dann 
bityö, brityö, tuıryo) äjasah vazemnö verebrayno zu ihm trat 
als erster (zweiter, dritter, vierter) fahrend V. Es muss auffallen, 








458 Kap. XI. Adjektiva und Adverbia. [$ 206. 


dass dieselbe Person als erster, zweiter u. 3. w. und nicht zum 
ersten, zweiten u. s. w. mal erscheint, der Ausdruck erklärt 
sich aber vollkommen daraus, dass jedesmal ein anderer Vere- 
traghna gemeint ist, nämlich das erste mal V. ın Gestalt des 
Windes, das zweite mal V. ın Gestalt eines Rindes u. s. w. 
Aus dem Germanischen: got. Adam auk fruma gadıygans 
varb baproh Atvva Adayı yap rpwros Eridodn etta Eda 1 Tim. 2,13; 
ei ın mis frumistamma ataugıdedi Xristaus Iesus alla usbeisnein 
iva &v &uol npwrw &vösiintaı mv näoav paxpodupiav 1 Tim. 1, 16. 
— Natürlich erscheinen auch sinnverwandte Wörter, welche 
nicht gerade Zahlwörter sind, ebenso gebraucht, z. B. te pür- 
vapakfah pürve 'dikjanta tE papmäanam apähata, aparapakjä 
aparö 'dikjanta te nataräm päpmänam apähata die Anfangs- 
hälften der Monate opferten zuerst und wurden die Sünde los. 
Darauf opferten die Schlusshälften, wurden die Sünde aber 
nicht los AB. 4, 25, 3; pay Öotepaı mäpssuev wir kommen doch 
nicht zu spät? Aristophanes Lysistrate 69, wodurch man an lat. 
serus (serus in caelum redeas) erinnert wird. — Eine dritte Gruppe 
bilden Adjektiva der Zeitbestimmung. Doch habe ich diese — 
wohl zufällig — nur im Griechischen, wo sie in grosser Menge 
auftreten, und im Lateinischen gefunden. Beispiele aus Homer 
sind: hparin (bei Tage) ev byalveoxev neyav lotdv, vüxtas 6 Al- 
Abesxe B 104; rov vres Ayaav hparıcı (Tag für Tag) Bpnxydev 
m ebpea növrov Ayousıv I 71; npwr Ö bmmolor adv Tebysar dupr- 
ydevres vmustv int yAawupfawv &yelponev ökbv Apna 8 530; &omeptos 
6 TAdev xallitpıya pin vonsbwv ı 336; ebdov navvöyıor öfter; 
ravvöxtos dE ayıy xaxd yundero untiera Zebs onepdalta xtundwv 
H 478; Zeus yap 2; Dxeavöv ner dApöpovas Aldıontas yBılöcs Eßn 
xara Ödira A 424; öov &vdade Mevropa ötov yBıLldv Ömmolov' Tote 
 Zußn vol Ilödovöe 5 655; neumtaior d Alyuntov Zuppeltmv ixd- 
peoda £257. Aus dem Lateinischen: noctuabundus ad me 
venit Cicero an Atticus, nicht selten bei Horaz, z. B. et qui noclur- 
nus sacra dıvum legerit Sat.1,3, 117; navus mane forum et vesper- 
tinus pete tectum Ep. 1,6,20. Den aus dem Indischen angeführten 
Wendungen wie arväca rathöna mit hierher gewandtem Wagen 
entspricht das bekannte nocturna versate manu versate diurna. 








$ 206.) Kap. XI. Adjektiva und Adverbia. 459 


An den Schluss stelle ich eine Auswahl aus der Zahl der- 
jenigen, die sich nicht in grössere Gruppen vereinigen 
lassen, in beliebiger Folge. Griech. reld; als Fussgänger, zu 
Fuss, z. B. arö ydovös wpvuro nelds E 13 (neld ist bei Homer 
nicht vorhanden). Damit vergleicht sich das lat. subst. pedes, 
z. B. cum pedes iret bei Virgil, lit. peszezas eiti zu Fuss gehen, 
z. B. lygtus laukeliüs p&szczu pereisiva auf ebenen Fluren wollen 
wir beide zu Fuss gehen, Schleicher, Leseb. 21; aksl. i siysavüse 
narodi po njemi ida peii otü gradü xal Axobsavres ol oykoı 
1noAoudneav au nel And av rölewv Matth. 14, 13. Dazu 
nehme man noch lit. äsz einı basas ich gehe barfuss. (Ueber 
das deutsche darfuss vgl. Paul, Prinzipien? 305.) Ai. kevala 
ganz kommt im RV. nur adjektivisch vor, z. B. asmakam astu 
kevalah uns möge es ganz angehören RV. 1, 7, 10. Damit 
lässt sich der Gebrauch von äras in Aras p&v ob ydvort’ av el; 
1päs „og Euripides Ion 427 vergleichen, auch lat. fotus. — 
Im Altindischen wird von Flüssen gesagt: fäsya vaydm prasave 
yama uroih auf dessen Geheiss strömen wir breit dahin RV. 
3, 33, 6, desgleichen von einem Flusse im Avesta ya amavatti 
tacatli welcher mächtig strömt yt. 5, 3; griechisch oöro; (rorand;), 
&nel te duednoav ol Trpevlöa: ueyas ourw &ppön Herodot 8, 138. — 
Mit dem deutschen er stund stiller bei Hans Sachs vergleicht 
aksl. stase zuerije nepostgpini die Thiere blieben unbeweglich 
stehen. — Im Avesta wird daregha lang so gebraucht, z. B. 
zwafsa dareghö masjaka nor te caraiti schlaf lange, o Mensch, 
noch verstreicht die Zeit dir nicht vd. 18, 16, wozu Geldner, KZ. 
25, 524 bemerkt, es sei so ausgedrückt, als ob man im Lateini- 
schen dormi diutinus statt diu sagen könnte. — Aus dem Lateini- 
schen erinnere ich noch an frequens, rarus und das auffällige 
nullus, z.B. is nullis venit bei Plautus, nullus dubilo u. ähnl. — 
Endlich seien die eine Stimmung des Handelnden ausdrückenden 
Adjektiva erwähnt, wie &xwv, rpoopwv, Zibens, solens, invitus (bei 
Cicero invite), timidus, aequus (te minor latum regel aequus orbem 
Hor. carm. 1, 12, 57). — Ueber &xeivo; im Sinne von &xet hat 
Brugmann, Griech. Gr.? 214 gehandelt. Es ist in der klassi- 
schen Grammatik herkömmlich, die hiermit dargestellte Rede- 


460 Kap. XI. Die Pronomina. I. Die Pronomina 1.u. 2.Pers. [$206—207. 


weise zu bewundern. So sagt Kühner a. a. O.: »die griechische 
Ausdrucksweise ıst lebendiger, energischer und anschaulicher 
[als die deutsche], indem der nähere Umstand einer Handlung 
zugleich ın die Persönlichkeit des Handelnden aufgenommen 
wird, als: &onepıos TAdev (vespertinus venit), gleichsam vom Abende 
umgeben.«e Das mag für einige wenige Zeitadjektiva für unser 
Gefühl zutreffen, und aus dieser Empfindung heraus hat denn 
auch Goethe die klassische Wendung nachgeahmt, wenn er 
sagt: heute kommt die morgendliche zum Gebet zu Ganges Fluthen, 
aber die grosse Mehrzahl ist doch wohl anders aufzufassen. 
Es sind alterthümliche Wendungen, die durch die immer mehr 
aufkommende, den gewollten Zweck besser erreichende adverbiale 
Ausdrucksweise allmählich verdrängt wurden. 


Kapitel XII. Die Pronomina. 


Ich greife in diesem Kapitel aus der grossen Masse des 
Vorhandenen, welches man bei Brugmann 2, 762 ff. überblickt, 
nur diejenigen Pronomina heraus, welche mir in syntaktischer 
Hinsicht besonders bemerkenswerth zu sein scheinen. Es sind: 

1. Die Pronomina erster und zweiter Person. 

2. Die enklitischen Formen der Pronomina dritter Person. 

3. Das Possessivum ın seinem Verhältnis zum Genitiv. 

4. Das substantivische und das adjektivische Reflexiv- 
pronomen. 

5. Das Demonstrativum to. 

6. Das Interrogativum und Indefinitum. 


I. 
Die Pronomina erster und zweiter Person. 
$ 207. Die Nominative im Verhältnis zur Verbal- 


form. Im Anfang des Abschnittes über die Personen des 
Verbums äussert sich J. Grimm (Gramm. 4, 201) wie folgt: 











$ 207”—208.] Kap. XI. I. Pron. person., unbetonte Formen. 461 





»Wenn die vollere Gestaltung der Verbalflexion in unverkenn- 
barer Berührung steht zu dem persönlichen Pronomen, sei es 
durch des letzteren leibliche Agglutination an das Verbum, 
oder, wie ich mir es lieber denke, vermöge eines in Verbum 
und Pronomen waltenden analogen Bildungstriebs, so ergiebt 
sich, dass in den Personen des Verbums zugleich schon der 
casus rectus des persönlichen Pronominalbegriffs enthalten sein 
werde. So lange das Gefühl oder Nachgefühl dieses Verhält- 
nisses in der Verbalflexion lebt, scheint das Subjekt des Satzes, 
zumal für die dem Hörenden und Redenden stets gegenwärtige 
erste und zweite Person immer auch in dem blossen Verbum 
hinlänglich ausgedrückt, ohne dass es eines gesonderten Pro- 
nomens bedürfte.a Auf dieser Stufe — und auf ihr stehen ım 
allgemeinen die hier behandelten Sprachen — treten also die 
Nominative des Pron. erster und zweiter Person nur dann zum 
Verbum, wenn auf ihnen ein Nachdruck ruht. Einige Belege 
aus dem Sanskrıt für diese übrigens selbstverständliche That- 
sache habe ich SF. 5, 30 zusammengestellt. Im Avestischen 
ist nach Spiegel, Gramm. 475 der Zustand nicht mehr so alter- 
thümlich, vielmehr sei (so sagt Spiegel) in der häufigen Hinzu- 
fügung der Pronomina schon eine Hinneigung zum analytischen 
Verfahren zu erblicken. Aus der Zahl der übrigen Sprachen 
hebe ich noch das Slavische und das Germanische hervor. In 
bezug auf das erstere bemerkt Miklosich 4, 71, dass das Pro- 
nomen nothwendig dann (ohne nachdrücklich zu sein) stehen 
müsse, wenn die Verbalform selbst keine Personalbildung ent- 
halte, wie bei den Partizipien der Fall ist, die zu verbis finitis 
geworden sind, z. B. russ. 7a dalü, ty dalü. Das Germanische 
ist von Grimm a. a. O. behandelt, und gezeigt worden, wie 
nur noch das Gotische auf dem alten Standpunkt steht, z. B. 
giba Aeyw, batrats tpospgpys, sehvum eldonev, hausidedub Txobaate, 
und wie dann in den übrigen Dialekten das Pronomen zur 
Stütze der Verbalform herabgesunken ist. 

8208. Unbetonte Formen obliquer Kasus. Vgl. 
Wackernagel, KZ. 24, 592 ff., Pischel, ZDMG. 35, 714, Ver- 
fasser, SF. 5, 30ff. und 204 ff., Spiegel, Gramm. 475 ff., Caland, 


462 Kap. XII. I. Pron. person., unbetonte Formen. [$ 208. 


zur Syntax der Pronomina ım Avesta, Amsterdam 1891 (ver- 
öffentlicht durch die Akad. d. Wiss.), Bezzenberger, ZGLS. 
164 f., Wuk Stephanowitsch, serbische Gr. 55, Miklosich 
4, 72 fl. 

Aus dem Arischen, dem Litauischen, Slavischen und Grie- 
chischen lässt sich schliessen, dass bereits in der Urzeit folgende 
unbetonte Formen von obliquen Kasus des Pronomens erster 
und zweiter Person vorhanden waren. 

1. *moi und *loi ım Sinne des nominalen Genitivs und Dativs. 
Dafür sprechen das altindische mö genitivisch, z. B. in ta 
Jusata me girah diese meine Lieder nehme er gern an RV. 1, 
25, 18, dyavabhumi $rnutam rödasi me Himmel und Erde, ihr 
beiden Welten, hört auf mich 10, 12, 4; dativisch, z. B. ın 
dehi me dadami te gieb mir, so gebe ıch dir VS. 3, 50, und 
ebenso in den nicht eben häufigen Dativen der betheiligten 
Person (Näheres SF. 5, 205). Akkusativisch scheint me RV. 
5, 12, 3 verwendet zu sein. Ebenso wie me wird fe gebraucht, 
z.B. vayo ye te sahasrino rdthäsas lebhir ä gahi o Väyu, wel- 
ches deine (Gen.) viel gewinnenden Wagen sind, mit denen 
komm herbei RV. 2, 41, 1, und gleich im folgenden Verse da- 
tivisch; aydm $ukrö ayümi te dieser Trank ist dir dargebracht. 
Eine partikelhafte Verwendung, wie bei dem griechischen toı 
habe ıch nicht gefunden. Einige Vedastellen, in welchem te 
akkusativisch verwendet zu sein scheint, habe ich nach Pischel 
a.a.O. verzeichnet. Auf dem iranischen Gebiet haben wir 
für die erste Person avestisch nö: (gathisch) oder m?, altp. maiy, 
z.B. upa srayanuha vasahe lehne dich an meinen Wagen yt.17,21; 
altp. maiy khöatram mein Reich, av. sraota moi merezdätä möi 
höret auf mich, seid mir gnädig y. 33, 11. Dem nominalen Gen. 
entspricht ng bei dem Partizipium auf ta, z. B. yap m$ avavap 
dagvayasnanqm ntijatem dass von mir so viele der Teufelsanbeter 
erschlagen sind yt. 5, 77, ebenso apers. iya mana kartam tdä 
ut tyamaiy apataram kartam das was hier von mir gethan ist 
und was ausserdem von mir gethan ist, Spiegel?, $. 62, A. 
Dativisch ist därdt moi gieb mir y. 51, 7; yem möi mraos 
den du mir sagtest y. 34, 13; moSu me java avarhe nürem mE 











& 208.) Kap. XII. I. Pron. person., unbetonte Formen. 463 


bara upastqm eile mir rasch zu Hilfe, bringe mir Beistand 
yt. 5, 63; us möt uzäresva ahurä erhebe dich für mich Ahura 
y. 33, 12. Der zweiten Person gehören an tö:, 12, taıy, z.B. 
hyap va toi namanqm väzistem oder welcher unter deinen Namen 
der wirksamste ist y. 36, 3; yase t& gava iristahe bazsaile wer 
von dir dem milchgemischten trinkt y. 10, 13; apca tötl vaem 
zyama dann möchten wir dir angehören y. 30, 9; usta ipa te 
nare Heil nun dir, o Mann vd. 7, 52. Einige altpersische Be- 
lege sehe man bei Spiegel. Nach Justi und Wackernagel wird ie 
auch akkusativisch gebraucht, doch erkennt Caland $ 95 nur 
y. 1,21 als beweiskräftig an. Die Annahme, dass t? auch 
ablativisch gebraucht werden könne, ist sehr gewagt; y. 35, 7 
steht in Geldner’s Ausgabe nicht ?2, sondern te. Griechisch. 
In der homerischen Sprache entsprechen por und ro: (soı kommt 
ausser X 381 und A 170 nur betont vor). Sie sind wesentlich 
als Dative empfunden, weswegen auch im Griechischen enkli- 
tische Genitivformen neu entstanden sind, nämlich bei Homer 
peu, osu, ceo (A 396). Aus dem Dativ der betheiligten Person 
ist die Partikel tor entstanden (vgl. Cauer in Curtius’ Studien 
7, 140ff.), welcher die betonte Partikel rot erst nachgebildet zu 
sein scheint. Es fehlt aber doch wenigstens für por nicht ganz 
an Resten der alten auch genitivischen Verwendung. Es ent- 
spricht dem ai. Srnutdm me, dem av. sraota möt, das griech. 
xA00t por, in bezug auf welches ich eine Stelle aus Wacker- 
nagel’s Besprechung der Cauer’schen Homerausgabe in der 
Berliner Philol. Wochenschrift 11, 39 anführe: “Cauer ersetzt 
E 115, K 278, ß 262, 8 762, C 324 das an diesen Stellen durch 
die Überlieferung bevorzugte xAößi por durch xAöBi pev (was 
allerdings Aristarch A 37, 451, £ 239 und vielleicht auch an 
sämmtlichen obigen Stellen geschrieben hat), ohne zu bedenken, 
dass durch das nachweislich genitivische oi auch für poı einstige 
genitivische Bedeutung wahrscheinlich gemacht wird und ob- 
wohl gar nicht abzusehen ist, wie nor, wenn es nicht alt über- 
liefert war, so oft neben dem Verbum des Hörens erscheinen 
konnte” (vgl. auch J. van Leeuwen, Mnemosyne N.F. 13,217). 
Dazu kommt noch der Sprachgebrauch des Herodot, der 





464 Kap. XII. I. Pron. person., unbetonte Formen. [$ 208. 


2. B. 7a yoı radrnara bietet, vgl. Krüger 48, 12,2. Litauisch. 
Im älteren Litauisch finden sich mi und ti im akkusativischen 
und dativischen Gebrauch, st wird noch heute ın derselben 
Weise gebraucht. Es scheint mir (trotz Hirt, IF. 1, 41) unmittel- 
bar einleuchtend, dass mi und {4 dem ai. m& und ?e u. 8. w. 
entsprechen. Im Slavischen ist die Lage wesentlich dieselbe 
wie im Griechischen. Altüberliefert sind mi, ti, si, so ım 
Altkirchenslavischen und Serbischen. (Im Russischen ist von 
der einstigen Enklisis des Pronomens überhaupt nur noch eine 
schwache Spur vorhanden, vgl. Miklosich 32, 303.) Wie im 
Griechischen werden mi, ti, si als Dative empfunden. Da- 
neben bestehen im Serbischen die enklitischen Genitivformen 
me, te. Einige Beispiele sind: aksl. daZdi mi öds por Matth. 
14, 8; unedje bo ti jestä oump£peı yap coı 5, 30; serb. day mi 
casu vode gieb mir ein Glas Wasser, uzedu ti glavu ich werde 
dir den Kopf abschlagen, po bogu da si mi drat bei Gott 
sei mir ein Bruder, mein Bruder, za tri dana ako mi sacuvas 
kobilu wenn du mir durch drei Tage die Stute (meine Stute) 
hütest (aus den Märchen). Die beiden letzten Beispiele zeigen 
mi ın possessivem Sinne (den Wuk, Gramm. 56 bei mi und &i 
besonders hervorhebt). Dieser Sinn kann aus dem Dativ ab- 
geleitet werden (s. Dativ $ 146). Es ist aber wohl natürlicher, 
in ihm Reste der alten genitivischen Verwendung zu sehen 
und anzunehmen, dass auf die Ausbildung des adnominalen 
Dativs im Slavischen der überlieferte Doppelsinn von mi und 
tt nicht ohne Einfluss gewesen sei. Endlich will ich wenigstens 
erwähnen, dass auch im Lateinischen noch eine Spur der 
Formen *mot und *tot vorhanden ist: 4463 wird nach Bücheler- 
Windekilde $ 292 ganz wie ein einsilbiges Wort behandelt und 
der Vokativ mi ist vielleicht ursprünglich nichts anderes als 
das alte *mo? (Brugmann 2, 819). 

2. Als enklitische Akkusative sing. erscheinen ai. 
mä und !vä, av. ma und Zwä (vgl. Bartholomae, arische Forsch. 
2, 5), griech. pe, oe (dieses orthotoniert und enklitisch). Im 
Slavischen haben die enklitischen Akk., z. B. aksl. me, te, serb. 
me, te, keine betonten Akkusativformen neben sich, sondern es 





5 208.] Kap.XII. I.Enklitische Formen desPron. 1.u.2. Person. 465 


erscheinen, der slavischen Gewohnheit gemäss, beseelte Objekte 
in den Genitiv zu setzen (vgl. $ 154), die entsprechenden Ge- 
nitive, z. B. aksl. mene, tebe. Belege für die angeführten For- 
men sind, da dieselben nur einen Kasus vertreten, nicht nöthig. 
Die indogermanischen Grundformen lassen sich mit völliger 
Sicherheit nicht aufstellen. 

Im Griechischen findet sich merkwürdiger Weise rıv, was 
der Form nach Dativ ist, im akkusativischen Gebrauch über- 
liefert (vgl. G. Meyer, Griech. Gr.? 383). 

3. Die Formen *res und *ves finden sich in den 
arischen Sprachen im Sinne des Akkusatıvs, Genitivs, Dativs, 
so im Altindischen, z. B. yd$ ca paßyati nö janah und wel- 
cher Mensch uns erblickt RV. 7, 55, 6; sute dadhifva na3 cäanah 
finde Gefallen an unserem Tranke 1,3, 6; vi no radhäsi ma- 
tibhir dayadhvam theilt uns Schätze für Lieder zu 7, 37, 2. 
Beispiele für vas: @ vo vahısthö vahatu stavddhyai rathah der 
trefflichste Wagen führe euch her, zum Preise 7, 37, 1; yad 
dha vo balam entsprechend eurer Kraft 1, 37, 12; pr& vo 
bhriyanta indavah es werden euch die Tropfen dargebracht 
1,14, 4. Häufig steht vas, wie ıch SF. 5, 206 bemerkt habe, 
so, dass man es lieber als Partikel auffassen möchte (die na- 
türlich im Grunde nichts anderes ist als der Dativ), wie rot. 
Dieselbe Ansıcht hat Baunack, Studien I, 2, 353 hinsichtlich 
des gathischen ve geäussert (vgl. auch Geldner, KZ. 25, 555, 
Anm. 22). Auf dem iranischen Gebiet zeigt sich derselbe 
Gebrauch im jüngeren Avesta, wo nö und vo als Akk., Gen., 
Dat. vorkommen, z. B. apa no haca qzanhap bardis rette uns 
aus der Noth yt. 10, 23; y0 agnanharti no mand yö agnanhatti 
nö kehrpem der uns die Seele (unsere Seele), der uns den Leib 
(unseren Leib) schädigt y. 9, 29. Ein sicherer Fall des dati- 
vischen Gebrauchs von x6 ist y. 70, 2, des genitivischen 65, 7. 
Für v6: yez# vo didvagsa wenn ich euch gepeinigt habe y. 1, 22; 
aap vo kascih masyänqm witi mraop denn spreche einer von 
euch Menschen so yt. 19, 53. Für den dativischen Gebrauch 
ıst mir kein sicherer Beleg zur Hand. Justi ist der Ansicht, 


dass »6 und vo auch ablativisch vorkämen, was Caland $ 95 
Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm. Sprachen. T. 30 


466  Kap.XD. 1. Enklitische Formen des Pron. 1.u.2. Person. [$ 208—209. 


bestreitet. In den Gathas dagegen lauten die Akkusative nd 
und vd, z. B. aa nd bräzdum so rettet uns y. 34, 7; ye vä 
mazda ahura pairijasäs der ich euch M. A. dienen will y. 28, 2. 
Dem Genitiv und Dativ dient n2 und ve, z. B. mä ne dusexsapra 
x$entä nicht sollen schlechte Fürsten über uns herrschen y.48,5; 
ahya hvö ne datrdı davon gieb du uns y. 40, 2; ta ne vaoca 
das sage uns y. 31, 3; i@ ve urvala mareniö eurer Lehren ge- 
denkend y. 31, 1. Sicher als Dativ ist ve empfunden, wo noch 
(eine seltsame Häufung, wie sie bisweilen vorkommt) der Dativ 
z$maibja darauf folgt, nämlich y. 28, 10. Das Griechische 
hat *nes und *ves verloren, hat aber aus den sonstigen Plural- 
formen neue Enklitiken gebildet. La Roche, Homerische Text- 
kritik 277 bemerkt darüber, indem er die Lehren der Alten 
zusammenfasst: “Die Pronominalformen ruwv, uw, nuas, 7pewv, 
keas, vv werden orthotoniert, d. h. sie bekommen mit Aus- 
nahme von Aucwv, Tutas den Zirkumflex auf die letzte Silbe, 
wenn sie im Gegensatz stehen (ötastelldnevar, Greleuyuevaı), 
überhaupt wenn sie hervorgehoben werden sollen (öpıopöv ör,- 
Aoösaı), wenn sie am Anfange stehen (Aäpxtıxal) und wenn sie 
von einer Präposition regiert werden. Enklitisch sind sie, d.h. 
sie werfen ihren Ton auf die vorletzte und beziehungsweise 
drittletzte (Zueas), in allen übrigen Fällen, als ankai, andluror”. 
Wann die alten Grammatiker 7uıv und wann sie Av gesetzt 
haben (falls nämlich das Metrum nicht die Auswahl vorschrieb), 
darüber fehlte es an Zeugnissen. So viel ich sehe, sind wir 
auch mit unserer modernen Weisheit nicht eben weiter ge- 
kommen. Über die im Altkirchenslavischen vorkommenden 
enklitischen Dative plur. »y und vy s. Leskien, Handb.? 93, 
Brugmann 2, 814. 

Enklitische Dualformen giebt es nur im Altindischen, 
nämlich nu und v@äm ım Sinne des Akk., Gen., Dat. Ob 
hierin etwas Ursprüngliches oder eine Nachahmung von »as 
und vas vorliegt, lässt sich nicht entscheiden. 

8 209. Allgemeines über die Kasusnatur. 

Es hat sich gezeigt, dass einige der enklitischen Formen 
einen Kasusgebrauch haben, wie er bei den nominalen Sub- 








$ 209—210.] Kap. Xo. II. Enklitische Formen desPronomens3.Person. 467 


stantiven nicht vorliegt. *Mot und *tios werden im Sinne des 
nominalen Genitivs und Dativs, *nes und *ves noch dazu im 
Sinne des Akkusativs verwendet. Wie die Formen zu diesem 
Sinne gekommen sind, lässt sich nicht ausmachen. Ich habe, 
eine der Möglichkeiten heraushebend, SF. 5, 205 bemerkt, dass 
man diese Kasus vielleicht richtiger als Stammformen bezeich- 
nen könne. Eine andere Möglichkeit wolle man sich an der 
Hand des von Behaghel, Germania 24, 24 über mir, mich u. s. w. 
beigebrachten Materials vergegenwärtigen. 


II. 
Enklitische Formen des Pronomens dritter Person. 


Unter den im Folgenden zu erwähnenden Formen sind von 
besonderem Interesse diejenigen, welche wie das avestische Ag 
(8) im Sinne mehrerer Nominalkasus und Geschlechter, oder 
wie das griechische vıv im Sinne mehrerer Numeri stehen. Wir 
lernen daraus, dass in der ältesten Zeit eine sehr ungenaue 
Aufnahme genannter Begriffe durch schwachbetonte Formen 
genügen konnte, welche Formen später durch die Gewöhnung 
an eine straffere Durchführung der Kongruenz verdrängt wurden. 
Unter diesen Formen wäre auch das griechische ol zu er- 
wähnen gewesen, wenn es sicher wäre, was mir nicht eben 
unwahrscheinlich vorkommt, dass darin ein indogermanisches 
*svoi und *soi (gleich avestisch Ag) zusammengeflossen ist. 


6 210. Immer-enklitische Formen. 


1. Altindisch im, avestisch im, i und 38, griechisch 
wıv, vıv. Über das altindische im sagt Grassmann: “Es ist 
ursprünglich Akk. des Deutestammes # mit verlängertem :”. 
Das ist natürlich nur eine Umschreibung für das Geständnis, 
dass wir uns über die Länge des # wundern. Die Auffassung 
als Akk. aber hat kein formelles Bedenken gegen sich. Ob 
wıv und vıv mit dem arischen im zusammengehören, kann frei- 
lich zweifelhaft sein. Ich habe sie hierher gestellt, weil pıv 
und vıv aus einem verdoppelten *:m erklärt zu werden pflegen. 

30* 


468 Kap. XII. I. Enklitische Formen des Pron. 3. Person. [$ 210. 


Über die Bedeutung von im ist schwer in’s klare zu kommen. 
Die einheimische Überlieferung hält das Wörtchen für eine 
“Expletiva’, und philologisch gestimmte Interpreten sind ge- 
neigt, dem zuzustimmen, während es den Linguisten gegen das 
Gefühl geht, ein Wort für bedeutungslos zu erklären. Ich theile 
diese letztere Stimmung, gestehe aber andererseits zu, dass nicht 
wenige Stellen unserer Texte den Eindruck machen, als seien 
im, das später zu erwähnende sim und ähnliche Wörter wirklich 
nur Füllsel.e Unter diesen Umständen gebe ich anderen das 
Wort. Über altindisch im sagt Grassmann, es bedeute 1) ihn, 
ste, es, indem es ein Nomen im Singular vertritt und sonst in 
demselben Satze das unmittelbare Objekt nicht zugleich ander- 
weitig bezeichnet ist; 2) shr, sie, es in gleichem Sınne, aber 
so, dass noch ein anderer Akk., der als Apposition zu fassen 
und im Deutschen meist durch ‘als’ einzuleiten ist, folgt; 3) ihr 
in gleichem Sinne hinter dem Akk. eines Pronomens; 4) ste 
beide; 5) sie in der Mehrheit, und zwar ohne und mit einem 
zugehörigen Akkusativ. Sodann soll #m= noch im Sinne des 
lateinischen cungue, nach dem Interrogativum im Sinne unseres 
doch stehen, und endlich in einer Reihe von Stellen zur Ver- 
meidung des Hijatus eingeschoben sein. Uber das avestische 
im sagt Justi, es sei eine Verstärkungspartikel, ersetze aber 
öfter ein Pronomen demonstrativum. In : sieht Bartholomae, 
Ar. Forsch. 3, 54 einen Akk. dualis mask., i$ ist nach Caland 62 
zurückweisender Akk. plur. mask. oder fem. (vgl. auch Spiegel, 
Gramm. 479). 

Auf festerem Boden befinden wir uns (wenigstens, was 
den Gebrauch betrifft, denn über die Etymologie sind ab- 
weichende Vermuthungen möglich, vgl. Brugmann 2, 770) mit 
griechischem pıv und vıv. Miv, bei Homer sehr häufig, bezieht 
sich ganz überwiegend auf Personen, also auf Mask. oder 
Fem., und zwar im Sıngular. Gelegentlich nimmt es auch 
Sachen auf, z. B. yaln v 188 (auch 190), ndAıs Q 729, oysötn 
e 256, vjoos x 3, auch wenn diese Neutra sind, z. B. gap- 
paxov x 305, oxijntpov A 237, ötras Z 221, Eyyos II 142 und 
sonst, xeppaöıov Y 287. Dass es x 212 und p 268 dwpara 


$ 210.) Kap. XI. IH. Enklitische Formen des Pron. 3. Person. 469 


aufnimmt, beweist noch nicht seine Fähigkeit, auch Plurale zu 
vertreten. Nicht selten erscheint es vorausnehmend (wie :m 
nach Grassmann und andere enklitische Pronomina), z. B. !va 
nv madoeıe növoro dtov Ayılllja © 249; 7 puv Zyeıpev Nauoıxaav 
&önerkov Ü 48 (vgl. Kühner 2, 566). Wie das deutsche tAn u. s. w. 
kann gıv auch reflexiv gebraucht werden, freilich nur in einem 
zweiten Satze, z. B. aötap Adnyn SövV "Audos xuvenv, pn puv Löor 
&3pımos Apns E845 (ähnlich ® 266, U 90), so dass der Einwand er- 
hoben werden kann, die Äusserung geschehe vom Standpunkt 
des Erzählers. Sicher aber ist adrdv uıv reflexiv in: adrdv div 
rinyfow deıxellgar daudooa; 8 244. In den Worten neppnpıse 
.. HE pıv adroy rarpös &ageıe uynoditivar d 118 ist pıv adröv durch 
“ihn selbst’ zu übersetzen (ob er ihn seinen eigenen Gedanken 
überlassen oder ihn fragen solle. So auch an den anderen 
Stellen, wo pıv adıov (D 318, 0 472), yıv adryv (2 729 die Stadt 
selbst) oder aötnv yıv (A 117) vorliegt. Der reflexive Gebrauch 
von uıv findet sich auch bei Herodot (s. Krüger). Man ver- 
gleiche dazu himself und Grimm 4, 318. Niv, nicht bei Homer, 
aber nicht selten bei Tragikern und Pindar, steht im Sinne von 
adtöv, adrnv, bisweilen auch adrd, also wie gıv, unterscheidet 
sich aber von diesem dadurch, dass es (wie 7m nach Grass- 
mann) auch pluralisch steht, für adtou;s z. B. Euripides Phoen. 
1168 und sonst, für aöra; Euripides Bakchen 813: Aurpw@s vıv 
elstöoın Av &ipvwuevas, für adra Sophokles EI. 436, 624 und 
auch Euripides Med. 1312 (was als dualisch angeführt wird). 

2. Altindisch sim, avestisch him (altp. sim), dazu 
av. hi (Dual), A:$ (Plural) und altp. 8:3 (Plural). Vgl. 
Wackernagel, KZ. 24,605 ff., Spiegel, Gramm.478, Caland $103. 
Die Schwierigkeiten der Interpretation sind dieselben wie bei im, 
der Kasuscharakter der Wörtchen aber unverkennbar. Über 
ai. sim sagt Grassmann, es bedeute ihn, sie, es u. s. w., den 
Akk. eines Substantivs vertretend, und zwar für alle Zahlen, 
Geschlechter und Personen. Sehr oft nimmt es das später noch 
genannte Substantivum vorweg. Nomina, auf welche es sich 
bezieht, sind z. B. agntm den Gott Agni, vayram den Donner- 
keil, ugasam die Göttin der Morgenröthe, vartıkam die Wachtel, 





470 Kap. XII. DO. Enklitische Formen des Pron. 3. Person. [8 210. 


rödasi die beiden Welten, sindhün die Flüsse, gas die Kühe, 
tamägsı die Finsternisse. Ausserdem wırd es nach Grassmann 
im Sinne des lateinischen cungue und ‘verstärkend’ gebraucht. 
Mit diesem sim identisch ist av. him. Es ist sicher gebraucht 
im Sinne eines Akk. sing. mask. oder fem., z. B. äa) him jat- 
äyen avah äyaptem dann sollen sie ihn um diese Gnade bitten 
yt. 15, 40; yazadsa m& him spitama zarabustra yqm aredvim 
surgm anahitq du sollst sie verehren, o Sp. Z., meine jung- 
fräuliche, hilfreiche Aredvi yt. 5, 1. Nach Wackernagel ist him 
an einer Stelle (Visp. 4, 2) pluralisch gebraucht. Doch ist diese 
Auffassung nicht durchaus nöthig, man kann es auch auf den 
zuletzt genannten Begriff beziehen. Nicht auf eine Person, 
sondern auf eine Sache (dagna Glaube) geht him z. B. yt. 13, 100. 
Das altpersische sım ist öfter Akk. sing. mask., auf eine Person 
gehend, ferner Fem., auf dumi das Land bezüglich, endlich an 
einer Stelle auch auf das Neutr. Ahdatram. Pluralisch kommt 
es nicht vor. Entsprechend der Beschränkung auf dem Sin- 
gular, den die iranischen Formen verglichen mit ai. sim er- 
fahren haben, haben sich im Iranischen dualische und plu- 
ralısche Formen ausgebildet, nämlich das dualische Ai (Ai vahyö 
akem ca beides das Gute und das Böse y. 30, 3), das plura- 
lische av. A383, sicher belegt im Sinne von adrods und aüras, 
nach Wackernagel 607 auch einmal von aödra. Endlich kommt 
im Altpersischen einmal 3:3 als Akk. plur. mask. vor. In we- 
sentlich derselben Verwendung wie sim u. s. w. kommt av. und 
apers. dim vor, daneben einmal av. di als Neutr. sing., und 
pluralisch av. di$ und apers. dis. Man vergleiche dazu preuss. 
din, dien eum, eam, dins, diens eos. 

3. Iranisch Ag, Saty, Säm. Im Iranischen giebt es en- 
klitische Formen, welche sich in einem uriranischen *sat ver- 
einigen (Brugmann 2, 807), nämlich gathisch Adi, im übrigen 
Avesta h@ und $8, altp. $Saiy. Ein betontes hör, welches Bar- 
tholomae in seinem Handbuch anführt, ist nicht vorhanden 
(vgl. dessen Ar. Forsch. 2, 4). Wie bei dem Reflexivum gezeigt 
werden wird, betrachtet Wackernagel dieses *sai als einen 
Abkömmling des Stammes *svo, was mir nicht wahrscheinlich 














$210.)] Kap. XO. II. Enklitische Formen des Pron. 3. Person. 471 


vorkommt. Ich möchte vielmehr glauben, dass *sat aus dem 
Stamme *so (der ja auch im ai. sdsmin und im lat. sum, sam, 
sos, sas ausserhalb des Nominativs vorliegt) nach Analogie von 
*moi und "tot gebildet sei. Was die Kasusnatur dieses Aör 
u. 8. w. betrifft, so entspricht es wie * moi und *lod dem Genitiv 
und Dativ, z. B. zsaßröi höi in seinem Reiche y. 45, 10; tä 
he taurvayatem {batsü anrahe mainyeus drvatö die überwanden 
die Angriffe des bösen, verderblichen Geistes yt. 13, 78 (also 
vorausnehmend gebraucht, wie öfter, vgl. Wackernagel 607); 
yo cisca ahmi nmäne atnarhä asti masyd geurvaya he pädave 
zavare pairi SE uSsi verenüuidı skendem $E mano kerenuidi wer 
auch in diesem Hause ein gewalithätiger Mensch ist, dessen 
Füssen nımm die Raschheit, verdüstere seinen Verstand, schlage 
seinen Geist y. 9, 28; so auch altp.: yassaiy fratama martıya 
anusiya Ghantä welche seine vornehmsten Nachfolger waren, 
Spiegel? 8, 58. Dativische Beispiele (wozu man übrigens auch 
eines oder das andere der eben angeführten rechnen kann) 
sind: hausaiy khsatram fräbara er verlieh ihm das Reich, 
Spiegel? 46 H.; a5 hör mazdüä ahum dadap ahurö (wer es dem 
2. zu Danke macht, der verdient ausgezeichnet zu werden) 
und ihm wird A. M. das Leben geben y. 46, 13; ap hör agji 
und ich sprach zu ihm y. 43, 8; avab he astı masyö arebem 
das ist für sie (die Frau) ein grösserer Nutzen vd. 7, 71. Zweifel- 
haft kann man, wie öfter, wegen des Kasus sein in der Stelle 
ka he asti ciha was ist dafür die Strafe vd. 3. Bisweilen ist 
he kaum zu übersetzen: Ga) he im zü bvah perene und die 
Erde war ihm (etwa dem Yıma) voll (von Vieh u. s. w.) vd.2, 16. 
Auch pluralische Anwendung kommt vor, so: 1? parasafänho 
zaranagna pattiimurzta Gap he apara erezataena die Vorderhufe 
sind mit Gold bekleidet, aber ihre (der vier Rosse) hinteren 
mit Silber yt. 10, 125. Man vergleiche auch Wackernagel 602 
und Caland $ 102. Den ältesten Bestandtheilen unserer Texte 
gehört der pluralische Gebrauch, so viel ich sehe, nicht an. 
Im Vendidad kommt Ag auch akkusativisch vor: dad yezi 
5E barab agvo yap iristem wenn er ihn, den Toten, allein trägt 
vd. 3, 14. Einiges Weitere bei Wackernagel 601 (gegen die 


472 Kap. XII. U. Enklitische Formen des Pron. 3. Person. [$ 210. 


Spiegel'sche Auffassung von $£ als Akk., yt. 14, 52, s. Geldner, 
Drei y.$. 84). Die Annahme, dass h? auch Ablatıv sein könne, 
ist unsicher. Soweit die Kasusnatur. Was die Wortbedeutung 
angeht, so scheint mir A2 (ebenso wie das griechische pıv) an 
einigen Stellen auch reflexiv vorzukommen, was Wackernagel 
freilich bestreitet. Mir scheint die Annahme dieses Gebrauches 
natürlich in: A@ ha maidim nyäzata sie gürtete sich die Leibes- 
mitte yt. 5, 127; vidyap saosyqs yaba hör asis anhat der Retter 
möchte wissen, wie sein Loos sein wird y. 48, 9 (so die Auf- 
fassung von Caland $ 106). Auch y. 45, 10 bezieht sich hör 
auf das Subjekt des Satzes. An *”sas schliesse ich das alt- 
persische sam. Es wird, wie sich aus Spiegel, Gramm.476 f.ergiebt, 
im Sinne des Genitivs (der im Altpersischen den Dativ ın sich 
aufgenommen hat, s. $ 129) gebraucht, z. B. adamlam khsäya- 
thiya aham ich war ihr König; yapasam hacama apahja wie 
ihnen von mir gesagt wurde; avahasam hamaranam kartam so 
wurde von ihnen eine Schlacht geliefert; einmal auch im Sinne 
des Akkusativs: adamsam ajanam ich schlug sie. Über die 
Entstehung dieses 5am lässt sich etwas Sicheres nicht sagen. 
Vielleicht ist es aus einer dem ai. &$@m entsprechenden Form 
ebenso entstanden, wie das serb. mu aus njemu. 

4. Altindisch ena. Ebenso wie im, sim und die übrigen 
oben genannten Wörter wurde auch das nur im Altindischen 
vorliegende substantivische Pronomen Zra ursprünglich nur als 
Akkusativ gebraucht, denn es finden sich in RV. nur die Akk. 
enam, Enaäm, enan, enas, ene (und dazu dreimal der Gen. dual. 
mask. &nös, der auch durch seine Form auffällt\. Der AV. 
liefert dazu &näu und änayös, den Instr. mask. änena, den 
Akk. neutr. nad. Die spätere Sprache hat noch den Instr. 
fem. enaya und den Akk. plur. neutr. önäni, wie aus Whitney 
$ 500 zu ersehen ist. Nach demselben Gelehrten kommt dnad 
ım AB. auch als Nom. vor, eine vereinzelte Ausnahme, auf 
die nichts zu geben ist, ebenso wenig wie auf die Thatsache, 
dass RV. 8, 6, 19 &nam steht, denn es ist noch zweifelhaft, ob 
dies gleich eram ist. (Man vergl. zu dem Gesagten Böhtlingk, 
Chrestomathie ! 278, der zuerst erkannt hat, dass Ena, welches 





$ 210—211.] Kap. XIL II. Enklitische Formen des Pron. 3. Person. 473 














in den Handschriften sehr oft mit &a verwechselt wird, nur 
Substantivpronomen dritter Person ist, und der an derselben 
Stelle auch zuerst die richtige Auffassung von im und sim 
vorgetragen hat.) Belege für den Gebrauch von era finden 
sich SF. 5, 29 und 567. Ich hebe hervor, dass es auch voraus- 
nehmend gebraucht wird, z. B. dhann enam prathamajam dhi- 
nam er erschlug ihn, den erstgeborenen der Drachen RV.1,32,3, 
und dass es auch zu dem Relativum in Korrelation tritt, z. B. 
upainam yajho namatı ya evam vidvan parkti kurute ihm wendet 
sich das Opfer zu, welcher (wenn er), dieses wissend, Gruppen 
bildet AB. 1, 5, 15. 


6 211. Formen, die auch enklitisch sind. 


Die bisher erwähnten Formen sind immer enklitisch. Es 
giebt aber auch solche, welche je nach ihrer Bedeutung betont 
oder enklitisch sind. Dahin gehören im Altindischen folgende 
Kasus des Stammes a: asmäi asyütl, asmäd asyäs, asya asyäs, 
asmin asyam, abhyam, ebhis äbhıs, ebhyas abhyas, e$am asam, 
esu äsu. Sind diese Formen betont, so werden sie zu dem 
Pronomen aydm gerechnet, sind sie unbetont, so ergänzen sie 
das eben erwähnte era. Hinsichtlich der Bedeutung gilt die 
Regel, dass die unbetonten Formen substantivisch gebraucht 
werden, also Pronomina der dritten Person sind, die betonten 
aber adjektivisch im Sinne von ‘dieser’ oder ‘dieser erwähnte‘). 
Aus dem Griechischen gehört hierher das von Aristarch an- 
genommene, von den Herausgebern gewöhnlich abgelehnte 
autov In xöbe yap adtov Eyovra ara ot7dos M 204 (die Schlange 


1) Ich bin SF. 5, 28 nicht recht zur Klarheit darüber gekommen, ob 
betonte Formen auch substantivisch gebraucht werden können. Ohne jetzt 
die umfängliche Untersuchung wieder aufnehmen zu können, bemerke ieh 
nur, dass ich a. a. O. im Irrthum war, wenn ich asyam SB. 3, 2, 3, 2 als 
Beleg für den substantivischen Gebrauch anführte. Es ist vielmehr ein 
Adj., neben welchem das Substantivum zu ergänzen ist, denn iydm, scil. 
prihivt, heisst ‘die Erde’. So viel ich beobachtet habe, haben diejenigen 
Formen des subst. Pron., welche dem Mask. und Neutr. gemeinsam sind, 
im Veda fast durchaus maskulinischen Sinn. (RV. 1, 23, 214 ist asya Neutrum.) 
Die Lage ist also, abgesehen von der Kasusverschiedenheit, dieselbe wie 
bei öna. 


474 Kap. XUH. 11I. Enklitische Formen des Pron. 3. Person. [$ 211. 


biss ihn, der sie trug). Im Lateinischen und Gotischen würde 
an dieser Stelle das Reflexivum stehen, das Griechische, wel- 
ches sein Partizipium freier handhabt, hat das Pronomen dritter 
Person. In den slavischen Sprachen bildet der Stamm "jo 
das substantivische Pronomen dritter Person (z. B. aksl. jego, 
Jjemu u.s.w.). Die dazu gehörigen Nominative # u.s.w. werden in 
Verbindung mit der Partikel Ze relativisch gebraucht. An ihre 
Stelle treten on& u.8.w. Wie sich dieser Gebrauch mit dem rela- 
tivischen Gebrauche von *yo im Arischen und Griechischen 
vereinigt, soll später erwogen werden. An dicser Stelle geht 
uns die Thatsache an, dass neben die Formen Jego u. s. w. eine 
zweite Reihe nyego (nego) u. 8. w. getreten ist. Und zwar treten 
die Formen mit » im Altkirchenslavischen auf, wenn sie von 
einsilbigen Präpositionen abhängig sind, z. B. siü nego, otü nego, 
tz nego u.8. w. Es kann kein Zweifel sein, dass das % eigent- 
lich den Auslaut gewisser Präpositionen bildete (z. B. *süör) und 
dann zum Pronomen gezogen wurde, mit dem die Präp. unter 
einen Ton trat (vgl. J. Schmidt, KZ. 27, 281 ff). In wie weit 
schon in der altkirchenslavischen Zeit das » als zum Pronomen 
gehörig empfunden wurde, wäre noch zu untersuchen. In den 
lebenden slavischen Sprachen ist das entschieden der Fall. So 
stehen z. B. im Serbischen neben einander im Mask. Fem. plur. 
der Gen. nyih und th, der Dativ nyıma und ım, ım Fem. sing. 
der Gen. nje und je, der Dativ »707 und 307, der Akk. nyu 
und je. Dabei werden die »-losen Formen von Wuk und 
Miklosich 4, 72 als enklitisch bezeichnet. Ebenso liegt es im 
jetzigen Bulgarischen, ob auch im Russischen ist mir zweifel- 
haft.!) Ferner ist von Interesse, dass es im Serbischen zwei 
Formen giebt, welche durch Verkürzung aus längeren ent- 
standen sind, nämlich den Gen. sing. mask. und neutr. ga aus 
njega und den Dat. mu aus njemu. Auf diese Formen sei hier 
hingewiesen, weil sie vielleicht geeignet sind, auf Formen wie 
altpers. sam Licht zu werfen. 


1) Ich gestehe nämlich, dass ich im Russischen einen Unterschied 
der Betontheit zwischen u njego bei ihm und vü ego dom& in seinem Hause 
nicht höre. 








$ 212—213.] Kap. XIL III. Die Possessiva und der Genitiv. 475 


$ 212. Allgemeinesüber dieAnwendung enklitischer 
Formen. 

Im allgemeinen werden diese Formen gebraucht, wenn 
ein geringerer Nachdruck auf ihnen liegt. 

Im einzelnen ist zu bemerken, dass sie, wie alle enkli- 
tischen Wörter, dem Platze nach dem ersten Worte des Satzes 
zustreben, worüber bei der Lehre von der Wortstellung zu 
handeln sein wırd. Sodann will ich noch bemerken, dass ın 
der Verbindung mit Präpositionen ursprünglich wohl die or- 
thotonierten Formen angewendet worden sind, doch kommen 
überall auch enklitische Formen vor. So im Altindischen: 
abhito ma RV. 7, 59, 7, vö 'ntar 1, 168, 5. Viele Stellen sınd 
zweifelhaft, weil man die Präposition auch zum Verbum ziehen 
kann, z. B. 1, 171, 1. 7,1, 3 u.a. Stellen aus dem Avesta ver- 
zeichnet Caland $ 93, aus dem Griechischen Krüger $ 25, 1, 
Anm. 2. Im bezug auf das Altkirchenslavische bemerkt Miı- 
klosich 4, 73: “nach Präpositionen können mit Ausnahme von 
mi, ti, si alle enklitischen Formen angewandt werden”, z. B. 
vu me verujte eis &ut nıoteuere, dagegen nur Aü mine, tebe, sebe. 
Und ebenso sagt Wuk in bezug auf das Serbische (Gr. 56), 
dass man immer sage kod mene bei mir, k ment zu mir, da- 
gegen könne im Akkusativ auch die enklitische Form gebraucht 
werden, z. B. za mene oder za me für mich, za tebe oder za te 
für dich. Über das Germanische vgl. Kluge in Paul’s Grund- 
riss 1, 346. 

Eine genauere Behandlung dieser Frage, welche tief in 
die Untersuchung über die indogermanische Satzbetonung 
hineinführen würde, wäre wünschenswerth. 


II. 
Die Possessiva und der Genitiv. 
6 213. Genitiv und Possessiva. 
Brugmann hat 2, 823 ff. die Vermuthung durchgeführt, 


dass die adjektivischen Possessiva der ältesten Zeit aus dem 
Genitiv gebildet seien, während es andererseits klar ist, dass 





476 Kap. XII. III. Die Possessiva und der Genitiv. [$ 213. 


einige Genitive aus Possessiven entstanden sind, so altindisch 
asmakam, yugmäkam, avestisch ahmäkem, yüsmäkem, z$mäkem, 
lateinisch nostri, vestri, nostrum, vestrum. So unzweifelhaft die 
Beziehung zwischen Genitiv und Possessiven ist, bleibt doch 
noch, wie sich jeder bei dem Studium der angeführten Seiten 
überzeugt, so viel Raum für Zweifel und abweichende An- 
schauungen übrig, dass ich es für nutzlos halte, meinerseits 
auf diese Fragen einzugehen. Ich beschränke mich deshalb 
auf ein paar Worte über die arıschen -Possessiva. In dieser 
Hinsicht fällt zunächst auf, dass die vedische Sprache mit 
Possessivis sehr schwach versehen ist. Ein Wort für ‘mein’ 
ist nicht vorhanden, iv@ dein kommt einmal vor, zweimal be- 
gegnen adjektivische Formen von yusmaka (yu$makena und 
yugmakäbhis), etwas häufiger sind derartige Formen von asmäka. 
Mit diesem Zustand stimmt, wie man bei Caland $ 86 ersieht, 
der jüngere Avesta im wesentlichen überein, während in den 
Gathas die Possessiva ma mein, ahmäka unser, wa dein, 
yusmäka und z$mäka euer vorhanden sind. Caland zieht aus 
diesem Thatbestand $ 89 den Schluss, dass auch das Vedische 
einstmals alle Possessiva gekannt habe, dass dieselben aber 
durch sva verdrängt seien. Ich gehe nur so weit, zu ver- 
muthen, dass ın der indo-iranischen Zeit Genitive und einige 
Possessive vorhanden waren, welche in ihrer Bedeutung mit 
einander konkurrierten und sich deshalb in den Einzelsprachen 
mit verschiedenem Erfolge das Terrain streitig machten. Dass 
das altindische asmakam, yu$makam und die entsprechenden 
iranischen Formen erstarrte Neutralformen sind, ist nicht zu 
bezweifeln. Gegenüber Brugmann’s Versuch, S. 830 Anm., sich 
die Entstehung dieses Gebrauches anschaulich zu machen, 
scheint mir noch heute der von Böhtlingk in der ersten Auf- 
lage seiner Chrestomathie S. 277 gemachte den Vorzug zu ver- 
dienen, der in die Worte gefasst ist: “Am leichtesten können 
wir uns diese erhärteten neutralen Formen erklären, wenn wir 
annehmen, dass sie ursprünglich bloss prädıkativ gebraucht 
wurden” (vgl. dazu SF. 5, 204). Diejenigen Gelehrten, welche 
met, tui, griechisch teoro zu erklären wünschen, seien darauf 




















$ 213—214.]| Kap. XII. IV. Das substantivische Reflexivpronomen. 477 


hingewiesen, dass auch für das Avestische ein gleicher Ge- 
brauch der eigentlich adjektivischen Formen mahmi und mahya 
angenommen, aber von Caland $ 97 angezweifelt worden ist. 


IV. 


Das BReflexivpronomen. 


$ 214. Das substantivische Reflexivpronomen. 

Altindisch. In.der alten Sprache ist ein substantivisches 
Reflexivpronomen nicht vorhanden, während ein solches in der 
späteren Sprache, wenn auch nicht häufig, vorkommt. Böht- 
lingk in seinem Wörterbuch sagt darüber: “sva m.n. die eigene 
Person, das Selbst, das Ich; in den obliquen Kasus als Pron. 
refl. verwendet, auch mit Zurückbeziehung auf Unbelebtes”. 
Als Belege führt er an: svoam ca brahma ca ein Ich und Brahma, 
na svam Sikfayasi svayamı selbst belehrst du dich nicht, svam 
nindantah sich selbst tadelnd (also sing. bei plur.). Dieses Pro- 
nomen ist nicht ein Gegenbild des Reflexivums im Griechischen 
und Lateinischen, sondern — wie schon die Art der Flexion 
beweist — eine”erst im Laufe der Sonderentwickelung des San- 
skrit entstandene Substantivierung des Adj. sod, bedeutet also 
eigentlich “das Eigene’, daher man denn auch die von Böhtlingk 
noch angeführten Worte samikah svany avartanta zwar mit ihm 
übersetzen kann “die Krieger kümmerten sich nur um sich‘, 
aber auch ebenso gut ‘um das Ihrige. Was wir durch das 
subst. Refl. ausdrücken, wırd im vedischen und klassischen 
Sanskrit durch tanü (Leib) und ätman (Seele) gegeben, z. B. 
yathayaja ylübhir deva devan Eva yajasva tanvam sujäla wie 
du, o Gott, den Göttern zu den Zeiten opfertest, so opfere 
auch dir selbst, o Schöngeborener, RV. 10, 7, 6 (vgl. SF. 5, 208); 
balam dadhäna ätmanı Kraft in sich selbst legend 9, 113, 1, 
so namentlich in der Prosa und der späteren Zeit, z. B. at- 
mäanam &vd tena punite dadurch läutert er sich selbst MS. (vgl. 
SF. 5, 262). — Wenn also ein subst. Refl. vom Stamme sva, 
welches sich dem ungeschlechtigen Refl. der klassischen Spra- 
chen an die Seite stellen liesse, nicht vorhanden ist, so können 


478 Kap. XI. IV. Das substantivische Reflexivpronomen. 1[$ 211. 


nn nn 








doch Bildungen oder kann doch eine Bildung von sra in appo- 
sitioneller Verwendung substantivisch gebraucht werden. Zwar 
ob svds gelegentlich im Veda im Sinne unseres “er selbst’ vor- 
kommen, lasse ich dahingestellt (SF. 5, 207), dagegen ist von 
alter Zeit her soayam gebräuchlich, offenbar eine im Altindischen 
entstandene Anlehnung an alam und fvam, also ein erstarrter 
Nominativ wie unser selber. Über den Gebrauch habe ich a.a.O. 
bemerkt: “svaydm kann sich ebenso wie so« auf alle drei Per- 
sonen beziehen, z. B. svaydm sö asmäd a nidö vadhair ajeta 
durmalim er selbst treibe von uns weg die Neider und die 
Bösen RV. 1, 129, 6; svaydm yajasva diri deva devan selbst 
verehre am Himmel, Gott, die Götter 10, 7, 6; hayd nd vidvan 
ayuji svayam dhuri wie ein kluges Pferd habe ich mich selbst 
an die Deichsel geschirrt 5, 46, 1. Es kann aber auch die 
Nominativnatur dieses isolierten Kasus vergessen werden, und 
svaydm gelegentlich zu einem anderen Kasus treten, z. B. 
svaydam galuim tanva tchamanam den selbst für sich einen Weg 
suchenden 4, 18, 10”. Während man also darüber einig ist, 
dass ein aus der Urzeit fortgeleitetes substantivisches Reflexiv- 
pronomen im Sanskrit nicht vorhanden ist, rechnet man dahin 
gewöhnlich eine vereinzelte Präkritform, nämlich se, welche 
im Sınne des tonlosen asya, asyas erscheint und wie dieses 
den Satzanfang durchaus meidet. Dass se zu dem Stamme 
*s90 gehöre, ist zuerst von Bopp, Vgl. Gr. 2, 126 ausgesprochen 
und sodann von Wackernagel in seinem oben zitierten Aufsatz 
(KZ. 24, 592) näher ausgeführt worden. Ich kann dieser An- 
sicht deshalb nicht beitreten, weil se niemals reflexiven, son- 
dern stets anaphorischen Sinn hat. Es ist darum viel natür- 
licher, es aus dem indischen asya abzuleiten, was Lassen, Instit. 
S. 327 und Böhtlingk, Chrestomathie! 279 thun. Über die Art 
wie se mit asya vermittelt werden kann, schreibt mir Böht- 
lingk: “Aus asya wurde assa, das auch, obgleich nur ganz 
ausnahmsweise, vorkommt. Von assa fiel (wie bei nam aus 
enam) der Anlaut ab und infolge dessen auch das eine ». 
Aus sa entstand s@ durch Anlehnung an me und 12”. Durch 
diese Annahme würde sich die Gleichgültigkeit von se gegen 








8214) Kap. XII. IV. Das substentivische Reflexivpronomen. 


— [ou 


479 











das Geschlecht gut erklären. Nach einem Grammatiker bei 
Hemacandra (vgl. Wackernagel 602) soll s& auch eorum, earum 
bedeuten, wozu Böhtlingk bemerkt: “Jacobi, den ich deshalb 
befragte, konnte mir nur eine Stelle beibringen. Da se im 
Anschluss an me& und te geschlechtslos geworden war, konnte 
es nach dem Verlust von sam!) wohl auch als Plural verwendet 
werden". 


Da mır diese Ansicht sehr wahrscheinlich vorkommt, sehe ich 
im Folgenden von einer Verwerthung des präkritischen s2 ab. 


Avestisch. Aus der Darstellung bei Caland $ 108 folgt, 
dass das Avestische so wenig wie das Altindische ein subst. 
Refl. nach Art der klassischen Sprachen besitzt. Es verwendet 
an dessen Stelle das anaphorische Pronomen « (also wie im 
Deutschen: er nahm ihm ein Weib u. ähnl.), z. B. aprä vacem 
baraiti vidva va evidrä va ahyü zeredäca manarhäca da erhebt 
seine Stimme der Weise und der Unweise nach seinem Herzen 
und Sinne y. 31, 12, oder es gebraucht wie das Altindische 
das Subst. tfanu, z. B. aß azem tanüm aguze da verbarg ich 
mich yt. 17,55; tanuye ravo agSı8to sich selbst Raum zu schaffen 
suchend yt. 13, 107. Brugmann in seiner Übersichtstabelle zur 
Deklination der Personalpronomina und des Reflexivums führt 
freilich den Dativ Avavoya als substantivisches Reflexivum auf. 
Allein es ıst kein Zweifel, dass dieses Wort an der einzigen 
Stelle, wo es vorkommt (y. 59, 30), ps? bedeutet. Nach Caland 
ist diese Stelle die einzige, an welcher ein solcher Gebrauch 
des Stammes *svo vorliegt, während andere, z. B. Justi, an- 
nehmen, dass der Nom. hvö nicht selten in dieser Anwendung 
erscheint. Die Stellen sind folgender Art: Avo zarahuströ 
dieser Z. y. 43, 16; hvö na ye der Mann, welcher y. 46, 13; 
hvö ye der, welcher 46, 9 und so öfter in Beziehung zum Re- 
lativum, 2. B. y. 51, 8, 10. 46, 6. Auch im Sinne der zweiten 
Person wie altindisch «ö, z. B. ahya& hvo ne dätdi davon gieb 


— On mm 


1) sam würde die Präkritform für ai. cam, asam sein. Es hat sich 
aber weder diese Form noch andere Vertreter des Stammes a erhalten. Sie 
sind vielmehr durch Formen von ima ersetzt worden. 


480 Kap. XII. IV. Das substantivische Reflexivpronomen. [$ 214. 


du uns y. 40,2. Es fragt sich, wie man über dieses hvö zu 
urtheilen hat. Caland übersetzt es durch ‘dieser’ und meint, 
dass es mit dem Reflexivum nichts zu thun habe, und ein 
Reflexivum im engeren Sinne kann ja natürlich ein Nominativ 
nicht sein. Caland trennt Avö aber auch äusserlich von dem 
Reflexivstamm und bringt es mit dem indogermanischen Stamme 
*/co zusammen, der im altindischen toa mancher vorliegt (S. 54.. 
Mich überzeugt diese Kombination nicht, doch bin ich zu einer 
anderen, sichereren Meinung über Avö nicht gekommen (vgl. 
die Schlussbetrachtung). Eine dem indischen svayam ent- 
sprechende Form ist nicht vorhanden, doch lässt sich dem 
Gebrauch nach einigermassen zwatö (der Form nach gleich 
dem altindischen svatas) vergleichen: zwatö nızbayanuha zarap- 
ustra selbst preise, o Z. vd. 19, 34; ma nö ae3a ya kaine zwatd 
garewem ra$Sayap nicht soll uns (dieses so gut wie expletiv) 
dieses Mädchen mit Willen die Frucht schädigen vd.15,11 /so 
Geldner’s Auffassung KZ. 25, 194, während Wackernagel, KZ. 
24,599 zwatö unrichtig als Gen. ansieht). — Während sich in dem 
bisher angeführten Material ein Reflexivum nicht entdecken 
lässt, glaubt Wackernagel dasselbe in allerhand enklitischen 
Formen gefunden zu haben, nämlich in dem genitiv-dativischen 
av. hör, he, Se, dem akk. kim Ja, his, dem altp. saty (gleich 
av. 2), dem pluralischen Sam. Ihm ist Bartholomae, Hand- 
buch $ 268 gefolgt und hat noch das ablativische altpersische 
8a hinzugefügt.!) Wackernagel legt dabei Gewicht auf die 
Identität zwischen dem iranischen *sai (av. Aös, he, se, altp. 
Saty) und dem präkritischen sa, welche sich in seiner Dar- 
stellung gegenseitig stützen. Hierin kann ich ihm nicht folgen, 
da ich se, wie oben gezeigt ist, anders auffasse. Im übrigen 


1) Da Brugmann diesem sa die Ehre erwiesen hat, es in seine den 
Personalpronomina und dem Reflexivum gewidmete Übersichtstafel aufzu- 
nehmen, so will ich nicht unterlassen zu bemerken, dass man vielleicht 
einigen Grund hat, die Wirklichkeit dieses sa anzuzweifeln. Es findet sich 
nur in der Wendung Ahacä avadasa von dort, nämlich von einem vorher er- 
wähnten Punkte. Bartholomae übersetzt ‘von da davon’. Möglich, dass 
man sich damals so ausdrückte, aber völlig überzeugend scheint mir die 
Deutung nicht. 











$ 214.] Kap. XU. IV. Das substantivische Reflexivpronomen. 481 


oo mm Pe Un mn nn nn nn m Rn Lets sl nn 


sind meine Bedenken dieselben wie bei se. Ich behaupte zu- 
nächst, dass die Bedeutung dieser Wörtchen nichts für ihren 
reflexiven Ursprung beweist. Zwar bin ich (abweichend von 
Wackernagel) der Ansicht, dass avestisch A@ an einigen Stellen 
reflexiv gebraucht ist, aber es ist ja bekannt, dass Pronomina, 
welche von Anfang an anaphorisch sind, gelegentlich reflexiven 
Sınn annehmen, wie im Avestischen selbst (s. S.497), im Deut- 
schen und wie bei aurtd; geschieht; also kann ich diesen 
Stellen keinen Werth für die Entscheidung der vorliegenden 
Frage einräumen. Sodann habe ich Bedenken wegen der Aus- 
stossung des v. Und endlich frage ich, warum denn diese 
Pronomina, und was man etwa noch dazu stellen kann {ai. sim, 
lat. sum, sam, sas), nicht Pronomina dritter Person sein sollen, 
wie ai. 2m, griech. pıv, vıv u. ähnliche. Ich habe es also vor- 
gezogen, alle die Formen dieser Art unter $ 210 zu behandeln. 
Griechisch. Im Griechischen zuerst begegnet uns ein aus- 
gebildetes Reflexivum, doch haben die meisten der betreffenden 
Formen, besonders bei Homer (den ich allein berücksichtige), auch 
anaphorische Bedeutung. Ich habe zuerst einige Bemerkungen 
über o{N), &, opıv, oge hinsichtlich ihrer Beziehung zu Genus, Nu- 
merus und Kasusgebrauch zu machen und spreche sodann über 
das Verhältnis zwischen reflexiver und anaphorischer Bedeutung. 

Die Form oi steht im Sinne eines Maskulinums, Femi- 
ninums, 2. B. auf Athene bezüglich A 200, Neutrums, z. B. auf 
äytpov bezüglich, mit Anwendung auf Personen und Sachen, 
worüber man sich aus dem Artikel bei Ebeling unterrichten 
kann. Eine Anwendung im pluralischen Sinne lässt sich nicht 
nachweisen (vgl. Brugmann, Ein Problem 19). Was die Kasus- 
natur anbetrifft, so vertritt es Dativ und Genitiv. Man versucht 
zwar den ganzen Gebrauch von oi aus dem Dativ abzuleiten, in- 
dessen angesichts der aus den verwandten Sprachen beigebrachten 
Parallelen scheint es mır natürlich, den genitivischen Gebrauch 
anzuerkennen in Stellen wie die folgenden: [Aaöxos 8 Eyvw 


1) Ich brauche da, wo es auf den Unterschied zwischen reflexivischem 
und anaphorischem Gebrauch nicht ankommt, der Einfachheit wegen die 
unbetonte Form. 

Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm, Sprachen. TI. 31 





482 Kap. XII. IV Das substantivische Reflexivpronomen. [$ 214. 


Tow Evi @peot, yrnÜmosv Te, Örtı ol WX Txovas neyas Beös edkanevoro 
11531. Es ist durchaus natürlich, ol mit eüfanevoro zu verbinden, 
weshalb denn auch Nauck von seinem speziell griechischen 
Standpunkt aus oi in eö zu verändern vorschlägt. Ferner ın 
den Stellen, wo ich mir zweı Dative nicht erklären kann, da 
die bekannte Figur, in welcher das Ganze und die Theile in 
gleichem Kasus stehen, nicht vorliegt: & oi $eot oöpaviwves rarpl 
ol Eropov P 195, vgl. A 219, 5 771, o0öE oywe löwy &yolmaaro 
You, rt ol Wxa Enesor @lAns aAdyaro mıßesdrv O 156, und 
gewiss noch in manchen anderen Stellen (vgl. auch Krüger 
48, 12, 2). Hinsichtlich des Akkusativs & scheint mir sicher, 
dass er B 197 pluralisch gebraucht ist. Die Kasus des Dualis 
und Pluralis (welche man in Gehring’s Index bequem über- 
sieht) sind aus dem mit op beginnenden Stamme gebildet, dessen 
Entstehung uns noch dunkel ist. Der Dativ opıv hat die sin- 
gularische Endung (vgl. &ptv), daraus opı und mit Verdeutlichung 
des pluralischen Charakters optsı, opıy kommt bei 'Tragikern 
auch singularisch vor. Der Akk. oge wird, wie J. van Leeuwen, 
Mnemosyne N. F. 13, 406 nachweist, bei den Tragikern und 
gelegentlich auch sonst in älterer Poesie im Sinne von adrov, 
adcny, abtw, aurtous, adras gebraucht und weist damit auf einen 
einst gleichen Gebrauch von fe zurück. Ob der vielbesprochene 
Nominativ ? wirklich zum Reflexivstamm gehört, ist unsicher 
(vgl. Brugmann 2, 768). 

Was nun das Verhältnis der Bedeutungen betrifft, so war 
man früher, sofern man überhaupt die Frage nach der Priorität 
aufwarf, der Meinung, dass die reflexivische Bedeutung die 
ursprüngliche und die anaphorische irgendwie aus ihr hervor- 
gegangen sei. In der neueren Zeit hat dagegen Windisch in 
Curtius’ Studien 2, 329 die Ansicht aufgestellt, dass beide An- 
wendungsarten aus einer älteren Anwendung des Stammes *svo 
als Identitätspronomen (er, sie, es selbst) geflossen sein, die 
eine durch Verengung, die andere durch Abschwächung des 
ursprünglichen Sinnes. Im Gegensatz hierzu hat sich Brugmann 
wieder der alten Theorie angenommen (Ein Problem, 83ff.). 
Ich habe nicht die Absicht, mich ın die Debatte zu mischen, 





$ 214.] Kap. XII. IV. Das substantivische Reflexivpronomen. 483 


weil ich der Meinung bin, dass möglicherweise das anapho- 
rische Pronomen mit dem reflexiven nur scheinbar der Form 
nach identisch ist. Bekanntlich giebt es bei Homer eine An- 
zahl von Stellen, in welchem das Digamma von for, welches 
sonst so fest haftet (Hartel, Hom. Stud. III, 74) vernachlässigt 
ist. Ich nenne von solchen, welche bisher den Versuchen einer 
Änderung mit Erfolg widerstanden haben E 338, Z 101, 289, 
W865, 0 105. Vielleicht hat Torp (Beiträge zur Lehre von den 
geschlechtslosen Pronomen in den idg. Spr., Christiania 1888, 
S. 15) nicht Unrecht, wenn er dieses ol auf *ooı zurückführt, 
also mit dem iranischen *sat (altpers. Say, av. hot, he, 82) iden- 
tifiziert, welches nach meiner Meinung ($ 210,3) mit dem Stamme 
*spo nichts zu thun hat. Danach wäre anzunehmen, dass die 
gemischte (reflexive und anaphorische) Bedeutung von ol u.s.w. 
ihren Grund in der historischen Mischung einer Form *sot und 
einer Form *svos hat. Diese Mischung im Dativ könnte auch 
auf andere Kasus des Singulars und Plurals gewirkt haben. 
Sollte diese Ansicht richtig sein (welche übrigens auch schon 
Wackernagel 608 berührt), so würden die Untersuchungen, 
wie sie von Windisch, Brugmann und A. Dyroff, Geschichte 
des Reflexivums, Würzburg 1892 angestellt worden sind, eine 
veränderte Grundlage erhalten. Ich gehe darauf nicht ein. 
Lateinisch, vgl. Gossrau 407 ff., Draeger 1, 52ffl. Das Re- 
flexivum, welches im Lateinischen nie anaphorische Bedeutung 
hat (für welche is vorhanden ist) bezieht sich auf die Haupt- 
person des Satzes. Diese ist gewöhnlich das Subjekt, wofür 
es keiner Belege bedarf. Sie kann aber auch in einem anderen 
Satzverhältnis stehen, z. B. nam ts est servos ipse neque praeter 
se umquam ei servos fuit Plautus Captivi 580, was ja sachlich 
dasselbe ist, als ob die Konstruktion mit Aabeo angewendet 
wäre. Zu den Gliedern des einfachen Satzes gehören für das 
lateinische Sprachgefühl auch die eine Nebenhandlung aus- 
drückenden Partizipien und die Infinitive im Akk. cum Inf., 
daher die bei diesen stehenden Pronomina von der Hauptperson 
her orientiert sind, z. B. ipse qua gravitate animi criminantes 
se ad multitudinem inimicos tulerat, eadem et populi in se 
31* 


484 Kap. XII. IV. Das substantivische Reflexivpronomen. [$ 214. 


saevienlis injuriam tulit Livius 22, 26. Eine selbstverständliche 
Ausnahme machen nur die aus der Auflösung des alten Mediums 
hervorgegangenen reflexiven Verba, bei denen se unmittelbar 
zum Partizipium gehört (vgl. das Gotische!, z. B. se er hac 
fuga recipientem bei Caesar. Ein Beleg für den Inf. ist: per- 
Juga Fabricio est pollicitus, si praemium sibi proposuisset se clam 
in Pyrrhi castra rediturum et eum veneno necaturum Nepos 
Datames 58. Natürlich gilt hier dieselbe Ausnahme wie bei 
den Partizipien, z. B. reliquos sese contertere cogunt bei Caesar. 
Schwieriger ist die Sache bei Perioden, insofern die Haupt- 
person ihre Herrschaft auch auf den abhängigen Satz aus- 
dehnen kann, in welchem Falle sur, sıdt, se gewählt wird, oder 
das Pronomen des abhängigen Satzes vom Sprechenden aus 
orientiert wird, in welchem Falle :s, ea, id eintritt. Das erste 
findet in der Regel bei den Absichtssätzen, das zweite bei den 
Folgesätzen statt, z. B. Dionysius petioit ut se ad amıcıliam 
terlium adscriberent, aber Ligarıus ın provincia pacalissima ıla 
se gessit ul ei pacem esse expediret (Gossrau 410. Germa- 
nisch, vgl. Grimm 4, 317 ff., Gabelentz-Loebe, Gr. 183. Im 
Gotischen finden wir wesentlich denselben Zustand wie im 
Lateinischen, nur dass (soweit unsere Texte es ausweisen) das 
Reflexivum stets das Subjekt des Satzes aufnimmt, während :s 
auf das Objekt des Satzes oder auf einen ausser dem Satze 
genannten Gegenstand geht, z. B. sva langa hveila spe mip sis 
haband brubfad 8s0v xpovov ned’ Zautwv Eyovaı Toy vunpiov Mark. 
2, 19, dagegen in demselben Verse vorher: ıdai magun sunjus 
brubfadis, und batei mip im ıst brußfaps, fastan wm Süvavroı ol 
viol Tod vunowmvos Ev & 6 vupplos per’ abrav dotı vnotedew. Wie 
im Lateinischen ist das im obliquen Kasus stehende Partizi- 
pium und der Infinitiv nur ein Wort des Satzes, nicht ein 
Untersatz, es wird also das neben diesen stehende Pronomen 
vom Satzsubjekt beherrscht, z. B. (Daveid) hlatbans faurlagei- 
nais malida jah gaf jah aim mip sis.visandam Tobs Aproug Ti; 
npoßesews Epaye xal Eöwxs xal tols adv adra oüsı Mark. 2, 26. 
Eine Ausnahme machen wie im Lateinischen nur die reflexiven 
Verba, z. B. (Pivr) gasaihvandei Paitru varmjandan sik Tlöoüca 





$ 214] Kap. XII. IV. Das substantivische Reflexivpronomen. 485 


tov Tlerpov Bepparvduevov Mark. 14, 67. Ein Beispiel für den 
Infinitiv: Jah gavaurhta tvalif du visan mib sis xal Erxotnoe dw- 
dexa Iva wor ner abrod Mark. 3, 14. Auf abhängige Sätze dehnt 
das Hauptsubjekt seine Herrschaft nicht aus. Das Reflexivum 
bezieht sich also im abhängigen Satze auf das Subjekt dieses 
seines Satzes, z. B. fralet Bo managein, eı galeıbandans in bos 
bisunjane haimos bugjaina sis malins Arolusov töv dyAov, {va 
Areldovres els Tas xöXp xwpas eöpwarv &rıortiopöy Luk. 9, 12. 
Die Beziehung auf das Subjekt des Hauptsatzes dagegen wird 
durch :s vermittelt, z. B. jah bedun ına ei uslaubidedi im in 
Bo galeiban xal rapexalouv adrov Iva Erırpelm aurtois eis Exelvous 
eige/Betv Luk. 8, 32. In den übrigen germanischen Dialekten 
ist das Reflexivum verkümmert, worüber Grimm Auskunft giebt. 
Litauisch (vgl. Bezzenberger, ZGLS. 254 und die eingehende 
Darstellung des lettischen Gebrauches beı Bielenstein, Gr. 327 ff.). 
Das litauisch-lettische Reflexivum bezieht sich, ebenso wie das 
slavische, stets auf das Subjekt des Satzes, aber abweichend 
vom Gotischen nicht bloss auf die dritte, sondern auch auf die 
erste und zweite Person. Beispiele für die dritte Person sehe 
man bei Schleicher, Gr. 299, z. B. ö dabar jis siufeza pas sävo 
päczq da sandte er zu seiner Frau; JE oder 768 tür süvo kurpes 
sie haben ihre Schuhe. Den Gebrauch bei dem sog. logischen 
Subjekt erörtert ausführlich Bielenstein. Ein paar Belege für 
die erste und zweite Person sind: äsz tave paversiu Y ütele ö 
save {| blüsq ich werde dich in eine Laus verwandeln und mich 
selbst in einen Floh (Schleicher 145); dabar tu sdv päts jeszkö- 
kis maistq jetzt suche du dir selbst dein Futter (Schleicher 120). 
Für das Slavische genügt es, einige Belege aus dem cod. 
Mar. beizubringen. Ausserordentlich häufig ist natürlich die 
dritte Person, z. B. rece vü sebe er sprach bei sich; rede kü 
sebe sie sprachen zu sich; da kupgtü brasüna sebe {va dyopaow- 
oıy &autois Ppwpara Matth. 14, 15; viderü ja po sebe tdasta 
Deaoanevog abtobs AxoAoußouvras Joh. 1, 38. Das sogenannte 
logische Subjekt ist gemeint: jako2e bo oficü Zivota imatü vi 
sebe, tako dastü i synovi Zivota imeli vi sebE Gonep ap 6 rarhp 
Exer Luhv Ev auto, oltwg Eöwxe xal ta ulm Lwhv Eyeıy dv daur@ 


486 Kap. XII. IV. Das adjektivische Reflexivpronomen. [$ 214—215. 


Joh. 5, 26. Beispiele für die erste Person sind: vise privlekq 
kü sebe ravras &Ixdow rpüs &uaurdv Joh. 12, 32; poimq vy kü 
sebe rapaltılopar dpäs rpüs &paurdv Joh. 14, 3; ne mogq azü 0 
sebe tvoriti nicesoZe od dbvanaı dyw roreiv dm &uaurod oBöcv Joh. 
5, 30; azü o sebe glagoljq &yw An &uaurod Aal Joh. 7, 17; 3 0 
sebe ne pridü xal an &uautod odx 2AnAuda Joh. 7,28; azü Clovekü 
Jjesmi imy podü sobojq vojiny avdpwrdzs elyı Zywv Ön &paurov otpa- 
tıwras Matth. 8,9. Zweite Personen kenne ich zufällig nur bei 
imperativischem Ausdruck, z. B. süpasi sebe swsov oeaurdv Matth. 
27,40; otüvrüzi otü sebe Pale ano ood Matth.18,8; oblict ı mezdju 
soboyq i temi Jedindmi Eleykov adrov nerakb soü xal auToD jÖvov 
Matth. 18, 15; obace sebe placite se nItv &o &aurobs xlalere Luk. 
23, 28; ? Aupite sebe xat Ayopaoate &aurois Matth. 25, 9; ne 
rüpistite mezdju sobojq wh yoyyölere per dAArnlwv Joh. 6, 43; 
vizljyubisi iskrinjago svojego Jako samü sebe Ayannasıs Tüv rAnotov 
oov ws oeaurdv Mark. 12, 31. 

$ 215. Das adjektivische Reflexivpronomen. 

Um das adjektivische *svo verstehen zu können, müssen 
wir Deutschen uns zunächst von dem neuhochdeutschen Ge- 
brauch frei machen, der sich weit von dem altgermanischen 
entfernt hat, wie er in dem Gotischen und Altnordischen noch 
vorliegt. Der Unterschied besteht zunächst darin, dass wir für 
den Plural und das Femininum besondere Formen ausgebildet 
haben. So heisst es z. B. bei Luther Eph. 5, 28: Also sollen 
auch die Männer ihre Weiber lieben, als ihre eigenen Letber. 
Wer sein Weib hebet der hiebet sich selbst. Bei Ulfilas aber 
heisst es: sva Jah vairos skulun frijon seinos genins sve leıka 
seina. Saeı seina gen fryoß Jah sık sıilban frijoß. Und in 
bezug auf das Femininum vergleiche man Luther: und sie gebar 
ihren ersten Sohn Luk. 2,7 mit Ulfilas: Jah gabar sunu seinana 
Dana frumabaur. Sodann brauchen wir sein im rein anaphori- 
schem Sinne, also gleichbedeutend mit er, sie, es, was ım 
Gotischen und Nordischen nicht der Fall ist, z. B. und es 
begab sich da die Zeit seines Amtes aus war, ging er heim in 
sein Haus Luk. 1, 23 heisst bei Ulfilas: Jah varp bibe usfull- 
nodedun dagos andbahteis is galaib du garda seinamma (so 








5215.) Kap. XII. IV. Das adjektivische Reflexivpronomen. 487 


auch ım Aksl. ı dystü Jako isplünise se denije sluziby jego ide 
vü domü svoji). Ebenso: und führete ihn hinaus vor den Flecken 
und spützele in seine Augen und legte seine Hünde auf ihn 
Mark. 8, 23, dagegen bei Ulfilas: ustauh ina utana veihsis Jah 
speivands in augona is allagjands ana handuns seinos frah ina. 
In den Worten und trochknete seine Füsse mit ihrem Haar 
Joh. 11, 2 weichen wir also auf doppelte Weise von dem Goti- 
schen ab, welches lautet: jah bisvarb fotuns is skufta sei- 
namma. Dass das Gotische und Altnordische in den genannten 
Beziehungen das Alterthümliche bewahrt haben, beweist (ausser 
der Analogie des substantivischen Pronomens! schon die Ver- 
gleichung mit dem Lateinischen, welches ja suus ebenfalls auf 
Substantiva aller Numeri und Genera bezieht und von :s, ea, 
td deutlich scheidet. Es giebt aber noch eine Eigenschaft 
unseres Pronomens, welche auch das Altgermanische und das 
Lateinische schon verloren haben, welche sich aber z. B. im 
Slavischen noch erhalten hat, nämlich die Fähigkeit wie das 
substantivische Pronomen auch ein Pronomen erster oder 
zweiter Person aufzunehmen. Daher kann im Slavischen 
svojt dem gotischen meins oder Deins entsprechen, z. B. serb.!) 
eto ja Saljem andjela sp ojega pred licem tvojijem Matth. 11,10 
gegen: sat ık ınsandja aggilu meinana faura bus siehe, ich 
sende meinen Engel vor dir; oder: aksl. ne dostoyttü tebe imeti 
zeny Pilipa bratra svojego es ist nicht recht, dass du deines 
Bruders Weib habest Mark. 6, 18 gegen: Pater ni skuld ıst bus 
haban gen broßrs beinis. Denselben Zustand wie im Slavischen 
werden wir auch im Litauischen, Arischen und ın Resten im 
Griechischen beobachten. — Aus dieser einleitenden Betrach- 
tung ergiebt sich, dass folgende Punkte für das Verständnis 
des adjektivischen *svoo von Wichtigkeit sind: das Verhältnis 
zu den Genera und Numeri, die Vergleichung mit dem ana- 
phorischen Pronomen, oder anders ausgedrückt: das Verhältnis 
zum Subjekt des Satzes, und endlich das Verhältnis zu den 





I) Aus cod. Mar. habe ich für die erste Person kein passendes Bei- 
spiel gefunden. An der hier vorliegenden Stelle ist noji gebraucht. 8. 
darüber unten S. 493. 


488 Kap. XII. IV. Das adjektivische Reflexivpronomen. [8 215. 


drei Personen. Ich behandle diese drei Punkte in etwas ab- 
weichender Reihenfolge, nämlich 

1. das Verhältnis des adjektivischen *svo zu den 
Genera und Numeri seines Bezugswortes, und zwar: 

a) Die Beziehung zum Genus. Die Bezugswörter 
können allen Genera angehören, doch werden sich Neutra 
selten finden, weil die Bezugswörter fast durchaus Personen 
sind. Ein Beleg für das Fem. aus den arischen Sprachen ist: 
äpem atsemnä havas kacih nafai havayäati vist havät zan- 
tave havayät dainhave (die Fravası kommen) Wasser holend, eine 
jede für ihre eigene Sippe, für ihr eigenes Dorf, für ihren eigenen 
Gau, für ıhr eigenes Land yt. 13, 66. Ebenso in allen übrigen 
Sprachen (z. B. aksl. roditü synü svoji prüvenecü Erexe Toy viöv 
abri< töv rpwrordxov Matth. 1,25) ausser im neueren Deutschen, 
wo das Reflexivum durch das anaphorische :hr verdrängt ist. 

b) Die Beziehung zum Numerus. Die Bezugswörter 
können in allen Numeri stehen, so im Arischen im Plural, 
z. B. uts svena Savasa Süßuvur ndrah durch ihre eigene Kraft 
gediehen die Helden RV. 7, 74, 6; td yüldyeinti pesanahu have 
asaht Söifragca sie streiten in Schlachten um ihren Platz und 
ihr Gebiet yt. 13, 67. Ein Dual: mödamanau ste grhö sich 
erfreuend im eigenen Hause 10, 85, 42. Ebenso ist es in den 
übrigen Sprachen (z. B. aksl. « vese i na sünimi svoji xal dvhyayov 
adroy eis TO auvEöpıov &aurav Luk. 22, 66) mit Ausnahme des 
Griechischen und neueren Deutschen. Im Griechischen hat 
sich in Anlehnung an den nur im Griechischen vorhandenen 
Plural des substantivischen Reflexivpronomens das Possessivum 
operepos entwickelt. Aber wie oye im Sinne des Singular und 
Plural stehen kann (s. oben), so fehlt es auch nicht ganz an 
Belegen für die Beziehung von op£tepos auf ein singularisches 
Grundwort, z. B. &; rpolınwv op£repöv TE Öduov omerdpoug TE To- 
x7as Hesiod Aspis 90 (wobei freilich zu bedenken ist, dass auch 
ein Einzelner Ap&repos ödyos sagen könnte). Für sicher erklärt 
Hartel (Ztschft. f. österr. Gymn. 1876, 734) den analogen Ge- 
brauch von opds in: TAde d dpa npwrn Irb& Apdıros OdAuunovds 
abv opotaıy naldesaı plAou drd undea narpos Hesiod Theog. 398. 














$ 215.) Kap. XII. IV. Das adjektivische Reflexivpronomen. 489 


Ebenso wird d; (&0s) auch bei pluralischem Bezugswort ge- 
braucht, z. B. t£prwyraı xara Buubv dbv xaxov Aumpayanwavres 
Hesiod Erga 58 (vgl. Brugmann, Ein Problem S. 16 ff.). 

2. Das Verhältnis zu der Person des Bezugswortes. 
Dasselbe kann auch der ersten oder zweiten Person angehören. 

In dem Altindischen, mit dessen Darstellung ıch be- 
ginne, kann entweder die durch das Pronomen oder die 
Verbalform ausgedrückte Person auch weiterhin durch oblique 
Kasus des Pronomens oder durch Possessiva bezeichnet werden, 
oder sie kann durch das adjektivische sv@ aufgenommen wer- 
den, zu dem übrigens auch noch ein Genitiv des Pronomens 
treten kann. Hierfür zunächst einige Belege, bei deren Auf- 
führung ich mit der zweiten Person beginne: todm ävıtha 
sußravasam tavotibhih du hast dem $. mit deinen Hilfen ge- 
holfen RV. 1, 53, 10; raksa no agne tava rak$anebhih schütze 
uns, 0 Agni, durch deinen Schutz 4, 3, 14; iram na indra 
tväbhir uti tvayato abhiffipäsi jänän du, o Indra, förderst durch 
deine Hilfen unsere Leute, welche dir anhängen 2, 20, 2 und 
ähnlich öfter; tava Aratva tdva täd dasdnäbhir ämasu pakodm 
$äcya ni didhah durch deinen Geist, durch deine Wunderthaten, 
durch deine Kunst hast du in die rohen (Kühe) die gare (Milch) 
gelegt 6, 17, 6; tava pratnena yuüjyena säkhya vajrena dhrsnö 
dpa tä nudasva mit deinem alten vertrauten Freunde, dem 
Donnerkeil, o Kühner, stoss sie von dir hinweg 6, 21, 7; pi- 
bagnidhrät täva bhägdsya trpnuhi trink aus dem Gefässe des 
Agnidh, geniess von deinem Antheil 2, 36, 4; vi tdm yuyota 
$avasa vy öjasa vi yusmäkabhir utibhih scheidet ihn von Kraft 
und Stärke und von euren Hilfen 1, 39, 8. Dagegen mit sva: 
svam cägne tancam piprdyasväsmäbhyam ca säubhagam ü yajasva 
den eigenen Leib, o Agni, erfreue und uns eropfere Glück 
8, 11, 10; svena hi vriram Sdvasa jJaghäntha denn durch eigene 
Kraft hast du den Vrtra geschlagen 7, 21, 6; yan mäldram ca 
pitäram ca säkam djanayathäs tanvah scayah als du Vater und 
Mutter zugleich aus (deinem) eigenen Leibe erzeugt hast 10,54, 3; 
ydd indra divi pärye yad rdhag ydd va sve sädans ydtra vasi 
wenn du, o Indra, im entferntesten Himmel oder an einem 





490 Kap. XIH. IV. Das adjektivische Reflexivpronomen. [$ 215. 


besonderen Orte oder am eigenen Sitze oder sonst wo bist 
6, 40, 5; yad indragni mädathah sve duröne wenn ihr beide, 
Indra und Agni, euch ergötzt im eigenen Hause 1, 108, 7; 
a sidatam sväm u lokdm vidans setzt euch beide, eure Stelle 
kennend 10, 13, 2. Etwas ferner liegend, aber doch unmiss- 
verständlich ist die Beziehung von svd auf die zweite Person 
in: tiva toifö Janiman rejatu dyau rejad bhümir bhiydsa seäsya 
manyöh vor deiner Stärke bei der Geburt zitterte der Himmel, 
zitterte die Erde aus Furcht vor der angeborenen (dir eigenen) 
Wuth 4, 17,2. Ein Genitiv des Pronomens zweiter Person 
steht neben sva: param mrty6 anu parehri pantham yas te svah 
gehe fernhin, o Tod, den Pfad, der dir eigen ist 10, 18, 1; 
dgn& yajasva tanvam tdva svam Agni, verehre deinen eigenen 
Leib, dich selbst 6, 11, 2; vgl. 6, 5, 4. — Einige Belege für 
die erste Person sind: vaydm rajabhih prathama dhänäny asmä- 
kena vrjanena jJayema wir möchten durch die Fürsten die ersten 
Preise, durch unsere Gemeinde sie erwerben 10, 42, 10. Da- 
gegen mit sod: srät sakıyad dranim nabhim ami von der eigenen 
Freundschaft gehe ich zu fremdem Geschlechte 10, 124, 2; ula 
svdya tanva sam vade tat mit mir selbst bespreche ich mich 
darüber 7, 86, 2. Wıe im Indischen ist es im Iranischen, 
wofür einige Belege aus dem Avesta genügen mögen. Der 
ersten Art entsprechen: tvem mazda ahura frö mä sisa Pwah- 
mäp vaocanlıg manyeus haca bwä &eärha du M. A. lehre mich 
aus deinem Geiste verkünden mit deinem Munde y. 28, 11; 
ta urda manyeus mahya mazda asaica yüsmaibya gerez? diese 
Worte meines Geistes klage ich euch beiden, Mazda und AsSa, 
y. 32, 9 (weitere Belege für diese Ausdrucksweise findet man 
bei Bartholomae, KZ. 28, 37). Der zweiten Art entsprechen: 
usta tE yö zwäa aojarha vasoörsaprö ahi wohl dir, der du durch 
eigene Macht unumschränkt herrschest y. 9, 25; yım azem 
vispahe anmheus astvalö sragstem dädaresa zwahe gayehe den ich 
als den schönsten der ganzen lebenden Welt im eigenen (in 
meinem) Leben gesehen habe y. 9, 1; yazamarde haom urvänem 
wir verehren unsere eigene Seele y. 59, 28; mäavöya havar urung 
zbaygmi für meine eigene Seele flehe ich y. 71, 11 (mavoya 





$ 215.] Kap. XII. IV. Das adjeksivische Reflexivpronomen. 491 


dürfte mit Caland in genitivischem Sinne zu nehmen, also die 
Wendung dem indischen fava svam zu vergleichen sein). 
Entsprechend verhält es sich mit der dritten Person. — Es 
liegt auf der Hand, dass die beiden hiermit vorgeführten 
Ausdrucksweisen keineswegs gleichbedeutend sind. In einem 
Satze wie foam avitha tävotibhih du hast mit deinen Hilfen ge- 
holfen ressortiert {va nicht von fvdm, sondern geht ihm parallel. 
Der Redende gebraucht zweimal das Pronomen der zweiten 
Person, auf welche es ihm im vorliegenden Falle besonders 
ankommt. Dagegen in tvam svena Savasa jaghantha du hast 
mit eigener Kraft getötet gehört svena als Adjektivum zu Zvam, 
oder genauer gesprochen, zu dem zu ergänzenden Genitiv tava, 
welcher ja, wie wir gesehen haben, auch ausgedrückt werden 
kann. Diese Ausdrucksweise wird also gewählt, wenn betont 
werden soll, dass eine Handlung, Eigenschaft u. s: w. einer 
Person eigen ist. Da aber praktisch die beiden Ausdrucks- 
weisen so ziemlich auf dasselbe hinauslaufen, so machen sie 
einander Konkurrenz. Die Folgen dieser Konkurrenz nun 
lassen sich ın den europäischen Sprachen beobachten. In den 
meisten derselben hat die Ausdrucksweise mittelst meus und 
tuus (wenn ich der Kürze wegen die hier zuerst behandelte 
so bezeichnen darf) fast oder durchaus gesiegt. Dahin gehören 
das Griechische, Lateinische, Germanische. Dass im Grie- 
chischen noch Reste der Ausdrucksweise mittelst suus vor- 
handen sind, ist sicher. Unangezweifelt sind für die zweite 
Person: ool ö el nAourov Yuuds Zelderan dv Ypealv Toıv Hesiod 
Erga 381; ösüte Al’ dvvenere ooetepov rar&p Öuvelovoaı ebenda 2; 
für die erste Person: od tor &yw ye Ts yalns Öuvapaı YAuxepwrepov 
ao lödsdar ı 27; A alel opeol Tao Exwv dedaiymevov Tirop 
AAwuny v 320 (von Nauck unter den Text gesetzt). Dass diese 
Ausdrucksweise in dem homerischen Texte einst durch mehr 
Stellen vertreten war, scheint mir unzweifelhaft. Wie gross 
aber das Gebiet war, darüber wird noch zwischen den Ver- 
tretern der sprachwissenschaftlichen Richtung, welche es er- 
weitern, und der philologischen, welche es verengern möchten, 
gestritten (vgl. die von Hartel, Zeitschrift für d. österr. Gymn. 


492 Kap. XII. IV. Das adjektivische Reflexivpronomen. [$ 215. 


1876, 734 ff. und von Bamberg, Zeitschrift f. d. Gymnasialwesen 
1877,359 ff. herrührenden Anzeigen der Brugmann’schen Schrift). 
Da ich nicht in der Lage bin, hinsichtlich der einzelnen Stellen 
irgend ein entscheidendes Argument beizubringen, so begnüge 
ich mich, diejenigen anzuführen, in welchen Nauck das suus 
anerkannt hat. Es sind ausser ı 27 und v 320: vöv pev ön oÖ 
zarpbs dsında tloere Außnv A 142; Aön yap pe xal AAloß Ey Exi- 
vugoes &oerufj = 249 (so schreibt Nauck mit Brugmann S$. 63); 
T® 0 ad vöv xedopar weßtpev ydkov vios &oto U 138 (dagegen 
A 393, T 342, 2 422 und 550 schreibt Nauck &7o9). Im La- 
teinischen und Germanischen ist die Ausdrucksweise 
mittelst suus ganz verschwunden. Denn in Wendungen wie 
sul juris sumus oder “ich habe das seiner Zeit erlebt hat man 
nicht eine Nachwirkung des alten freien Gebrauches, sondern 
die Anwendung einer bei der dritten Person ausgebildeten 
und dann erstarrten Formel zu sehen (vgl. Brugmann 119 ff... 
Litauisch. Im heutigen Litauisch und Lettisch ist die Aus- 
drucksweise mittelst meus und Zuus überall da verdrängt wor- 
den, wo das Pronomen erster oder zweiter Person Subjekt des 
Satzes ist, z. B. lit. pyardük ti! män sävo!) süny verkauf du mir 
deinen Sohn (Schleicher, Les. 121); @sz stoviu afit sävo ZEmes ıch 
stehe auf meiner Erde (Schleicher, ebenda 138); lett. diws, düd 
man sawu garu Gott, gieb mir deinen Geist; kapez jüs sawu 
mäti ne küpjat warum pflegt ihr eure Mutter nicht? nem tu 
sawu dulu, es ne'mschu sawu nımm du dein Theil, ich werde 
meines nehmen (Bielenstein, Gr. 328). Es kommt freilich ge- 
legentlich auch die Ausdrucksweise mittelst Zuus vor, z. B. tat 
tu apredyk tg külq sü tävo drebütiars dann bekleide du den Pfahl 
mit deinen Kleidungsstücken (Schleicher, Les. 123), nament- 
Iıch auch im älteren Litauisch (Bezzenberger 254). Ob darin 
nun der Rest eines älteren Zustandes (vgl. das Slavische) oder 
etwa ein Germanismus vorliegt, vermag ich nicht zu entscheiden. 
Slavisch. Im Altkirchenslavischen ist die Ausdrucksweise 


1) Im Litauischen ist das alte adjektivische Pronomen durch das un- 
biegsame sävo vertreten, während im Lettischen noch das Adjektiv vor- 
handen ist. 











$215] Kap. XII. IV. Das adjektivische Reflexivpronomen. 493 


durch meus und Zuus recht häufig. In den neueren Spra- 
chen hat sich svoy? ausgebreitet, so dass z. B. im Serbischen 
derselbe Zustand wie im heutigen Lutauischen besteht. Ich 
belege zuerst diese Verschiedenheit innerhalb des Slavischen 
(deren genauere Erörterung den Kennern empfohlen sei) durch 
einige Belege. Zunächst ist zu beachten, dass innerhalb des 
Altkirchenslavischen selbst der Gebrauch gelegentlich zwischen 
tooj? und svoy? schwankt. Ich theile, um das zu zeigen, zwei 
Stellen in der Gestalt des cod. Mar. mit und gebe in Klammern 
die Lesart des Zog. Matth. 5, 23—24 day odv npoapdpys 16 
Swpdy aov Eni To Buoraotnprov, xäxei uvnadlis drı 6 AdeAmds aou 
£yeı TI xara cool, 24. Apes Exei To Öwpdv sou Zunpoadev too du- 
oraomplou xal Önaye npwrov dtallayıdı tw Adelow oou, xal TöTe 
21dmy npdapepe To Swpdv oou lautet: aste ubo prinesesi darü tvoJ? 
(svoj?) kü oltarjzu i tu pomenesi jako bratü toojt imatü neslo na 
te, 24. ostavi iu darü tvoji predü olütaremü i Sedü prezde sümirt 
se sü bratromü svojimü (toojimü) ı togda priedü prinesi darü 
toojt (svoj?). Matth. 9, 6 Apdv aou Thy xAlvnv xal Öraye els tüv 
olxdv oou lautet: vozimi loZe tuoje i idi vü domü svoji (tvoy}). 
Nun einige Stellen, in welchen die beiden Codices mit ihrem 
tvoj? und moj? gegen das Serbische zusammenstehen, welches 
überall 8007 hat: iy Ze poste se poma&i glarq svojq vi lice tvoje 
umyji ob ÖE vmorebwv Aleıdal oou Thy xewaAny xal To npdawndv 
cov vibar Matth. 6, 17; iy Ze jJegda molisi se vünidi vü klei 
tvojq i zatvors dort tooje pomoli se oficyu toojemu ob 52 drav 
npooeöym eloeAde el; Tö TanıEidv son xal xlelsas Thy Büpav ao 
rpdseutaı tw rarpt oou Matth. 6, 6; da badete synove ofica vasego 
Erws yevnode viol Toö rarpds duav Matth. 5, 45; azü pridä vü 
ıme ofica mojego &ya E&inAuda Ev TWw Övdnarı Toü Tatpd; (ou 
Joh. 5, 43; vise si süchranichü otü Junosti mojeje Talra ravca 
&yulafaunv &x veörntös nov Mark. 10, 20. Ebenso Mark. 9, 17 
und sonst häufig. Ein paar Belege für die Thatsache, dass 
ım Altkirchenslavischen ebenso wie im Serbischen svoyi ge- 
braucht wird, sind: :di vu domu svojt geh in dein Haus 
Joh. 5, 8; vizlyubisi iskrinjaago svojego Jako samü se Ayannasız 
zöv nAnolov oov @; oeaurov Matth. 19, 19; ne 1skusisi gospoda 


494 Kap. XII. IV. Das adjektivische Reflexivpronomen. [$ 215. 


boga svojego 00x &xrepäosıs xüptov töv Deov oon Matth. 4, 7; ne 
dostoyttüu tebE ımeti Zeny Filipa bratra svojego oun &keotl ooı 
Eyeıy ThV yovalxa too adelyoü oou Mark. 6,18; # prißidu azu vizelü 
ubo bimi svoje sü lichvojq xal &/dwv Ey Exonioaunv dv TO Euöv 
oby toxp Matth. 25, 27. 

3. Verhältnis zum Subjekte des Satzes. Ich stelle 
auch hierbei die arischen Sprachen voran. In diesen bezieht sich 
der Stamm svd auf die Hauptperson, d. h. auf diejenige, welche 
dem Hörenden sofort einfällt, wenn ın der Rede ein des An- 
schlusses an eine Persönlichkeit bedürftiges Possessivum auftaucht. 
Die Hauptperson ist gewöhnlich das Subjekt, z. B. prä svam 
malım atırat er förderte seine Absicht RV. 1, 33, 13; nir yat 
püteva svadhitih Sücir gat sodya krpa tanva röcamanah als der 
reine (Agnı) hervortrat wie eine blanke Axt, mit seiner Gestalt 
und Schönheit glänzend 7, 3, 9; yazazlg haom urvänem er ver- 
ehrt die eigene Seele yt. 6, 4 und so häufig. Sva kann sich 
aber auch auf ein anderes Substantivum des Satzes beziehen, 
falls das Verständnis sich ohne weiteres ergiebt, z. B. yö nö 
abhi hvdrö dadhe sva tdm marmartu duchünä wer uns Nach- 
stellung bereitet, den möge seine eigene Bosheit zerschmettern 
RV. 2,23, 6; agachatam pituh svasya tydjasa nibadhitam ihr 
gingt zu dem durch seines eigenen Vaters Missgunst gestürzten 
1, 119, 8; adevayum ava svah sakhä dudhurita den Gottlosen 
schleudere zu Boden sein eigener Freund 8, 70, 11; maham 

> ddrim päri gü indra säntam nutthä dcyutam sddasas pdri svät 
den grossen Adri!), welcher die Kühe umschloss, stiessest du, 
o Indra, von seinem eigenen (gleichsam ihm angeborenen) Sitze 
6, 17, 5; naht svam ayus cikite janegu denn nicht ist die eigene 
Lebensdauer bekannt bei den Menschen 7, 23, 2. Auch das 
Pronomen erster oder zweiter Person, welches durch sva auf- 
genommen wird, kann in einem obliquen Kasus stehen, z. B. 
tubhyed indra svd ökye sömam codami pitäye dir, o Indra, bringe 
ıch in deiner Heimstätte den Soma zum Trinken RV. 3, 42, 8. 


1) Ich habe mich so ausgedrückt, weil svd darauf deutet, dass der 
'Fels’ als eine Art von Dämon gedacht ist. Denn im Veda bezieht sich 
svd wohl nur auf Personen. 





$ 215.) Kap. XII IV. Das adjektivische Reflexivpronomen. 495 


Sva könnte sich in diesem Satze auch auf die in cödamt ent- 
haltene erste Person beziehen, aber der Sinn lässt die Be- 
ziehung auf tübhyam räthlicher erscheinen. Ein Beispiel einer 
zweiten Person in 4, 17, 2 ist oben angeführt worden. Dass 
eva sich auf ein Substantivum in dem vorhergehenden Satze 
bezieht, dürfte im Veda nicht vorkommen. Wohl aber liegt 
ein solcher Fall vor aus dem Avesta: ya) asava para-ırızyeiti 
kva abtqm zSapanem havo urva vanhailı wenn ein Gerechter 
stirbt, wo verweilt diese Nacht über die zugehörige Seele? yt. 22, 1 
(Westerg.). Griechisch. Dass der Stamm *svo das Subjekt des 
eigenen Satzes aufnimmt, dafür bedarf es keiner Belege. Fälle 
aus Homer, in welchen das Nicht-Subjekt aufgenommen wird, 
hat Brugmann, soweit die dritte Person in betracht kommt, S.97 
zusammengestellt. Es gehören dahin: Oörw 2y& röparov Zdopar 
para ota £räporsıv ı 369; Vöussha peyalnropa & &vl oixp Eöpuvonn 
rain Aoecev b 153; ıyy notre Nnkeds yüpev 2öv Sa xaAldos A 281; 
En TE pıv hAeoev AAan II 753; Tore 68 Zebs "Extopı düxev Ü xe- 
YalTj vopeeıw II 800. (Weitere Belege bei Ebeling unter &<). 
Die Stellen, an welchen Brugmann dieselbe Erscheinung für 
eine erste oder zweite Person anerkennt, hat er S. 107 ff. ver- 
zeichnet. An beinahe allen indessen zweifelt die Kritik herum, 
so dass ich hier auf die Behandlung dieser Frage verzichte. 
Dass &; sich auf ein nicht in demselben Satze stehendes, son- 
dern auf ein weiter zurück liegendes Substantivum bezieht, 
kommt bei Homer nicht eben häufig vor (vgl. die Stellen bei 
Ebeling und bei Brugmann 97 f.). Beispiele sind: Tuöetöyn ev 
Eöwxe pevertolsuos Öpasuunöns Pdoyavov Aupruss, TO d Eüv apa 
ni AdAeınto das eigene des Diomedes war zurückgeblieben K 256; 
ropev dE & Datldınos Apws Lröoviov Baoıleucs, 80° Eds donos Aupe- 
xaAudev xstog ne voornoavra (da sein Haus mich beherbergte) 
8617. Im Lateinischen findet dasselbe statt. Es genügt, 
einige Beispiele aus Draeger 1, 52 anzuführen: eum suus pater 
cum pallio uno ab amica abdurit der eigene Vater (Naevius); 
ei nunc alia ducendast domum sua cognata (Plautus) ; Dicaearchum 
vero cum Aristoxeno aequali et condiscipulo suo omittamus (Cicero). 
Hinsichtlich der Nebensätze darf auf das verwiesen werden, 


496 Kap. XII. IV. Das adjektivische Reflexivpronomen. [$ 215. 


was bei dem substantivischen Reflexivum beigebracht worden 
ist. Im Gotischen (Gabelentz-Loebe 187 f.) geht seins immer 
nur auf das Subjekt, sei es des Haupt-, sei es des Nebensatzes, 
während wir im Neuhochdeutschen sein auf alle Substantiva, 
nicht bloss die Subjekte beziehen. Ich finde keine rechte Aus- 
kunft darüber, wie sich dieser Zustand allmählich entwickelt 
habe. Im Litauischen ist mir die Beziehung auf eine an- 
dere Person als auf das Subjekt des Satzes nicht vorgekommen. 
Dagegen bietet Bielenstein S. 330 Beispiele für die Beziehung 
auf das sog. logische Subjekt (die Hauptperson, welche dem 
Redenden und Hörenden sofort einfällt), z. B. fadam stradnikam 
müfcham sawas mätfites ne trüks solchem Arbeiter wird niemals 
sein Brödchen fehlen. Slavisch. Aus dem cod. Mar. führe 
ich zunächst einige Beispiele an, in welchen offenbar das im 
easus obliquus stehende Wort die Hauptperson ist, so: jJego2e 
aste prositü synü scojt chleba, jJeda kameni podastü jemu dv äv 
aiınan 6 viög adroo Aptov yuh Aldov Emiöwaeı adrw Matth. 7, 9; 
i k tomu ne ostavljaate jego nicisoze sütvoriti oficzu svojemu li 
materi svojeji xal ouxetı Awiete auröv 0uÖEV ToLjoaL TW TATpl auTod 
A Ti entpl adroö Mark. 7, 12; aste dostojstu Cloveku pustiti Zenq 
svoJqg el Ekzorıv Avdpunw Arokücaı Try yovaıxa adtou Matth. 19, 3; 
predast imü .. komuzüdo protivg sileE svojeji &xaoıy xara TMv 
(ötav öbvanıy (so dass jeder erhielt) Matth. 25, 14 f. Weniger 
deutlich ist das in Fällen wie die folgenden: posüla ku njemu 
Zena svoja Antoreıke Tpös adröv A yovn aurod Matth. 27, 19; gla- 
golase jemu ucenici svoji Aeyovow adtw ol nadrral adtoö Mark. 
14, 12; vuzvrati no2Zi svoJt vu svoJe mesto Andorpeldy aou mV 
näyarpav als töv tönov adrns Matth. 26, 52. Dazu ein paar Be- 
lege auch aus dem Serbischen und Russischen: serb. srojy@ de 
mu vjera omrznuti der eigene Glaube wird ihm zuwider werden; 
da ga kara svoja stara majka dass ihn seine alte Mutter schelte; 
tjestle je svoje drugarice ihre Freundinnen trösteten sie; russ. 
doroga mne bujnaja golovuska svoJego syna Yyubimago theuer 
ist mir das stürmische Köpfchen meines geliebten Sohnes. In 
dem strengeren Stil, z. B. in der serbischen Übersetzung des 
neuen Testaments von Wuk, dürfte diese Ausdrucksweise nicht 








$ 215—216.] Kap. XI. IV. Rückblick auf das Reflexivum. 497 





vorkommen. Auf die Erscheinungen des Nebensatzes gehe 
ich hier ebenso wenig ein, wie bei dem substantivischen Pro- 
nomen. 

$ 216. Rückblick. 

Aus der hiermit abgeschlossenen Darstellung ergiebt sich, 
dass ich in den arischen Sprachen ein substantivisches Reflexiv- 
pronomen nicht gefunden habe, wohl aber in allen indoger- 
manischen Sprachen ein adjektivisches mit der Bedeutung 
“eigen”. Nicht selten kann bei diesem Adjektivum die Person, 
der etwas eigen ist, im Genitiv stehen, z. B. deväsya sve k$aye 
im eigenen Sitze des Gottes RV.s, 2, 7. Da aber das Sub- 
stantivum, zu dem ”*soo gehört, als die Hauptperson des Satzes 
bekannt ist, so bleibt es in der Mehrzahl der Fälle weg. Eı- 
scheint das Adjektiv *soo als nominales Substantiv, so bedeutet 
es der Angehörige. In diesem Sinne liegt es nicht bloss im 
Arischen, sondern auch im Slavischen vor. 

Die beiden angeführten Thatsachen fordern nun zu Ver- 
muthungen über den indogermanischen Zustand auf. Man 
kann annehmen, dass das substantivische Reflexivum einst im 
Indogermanischen vorhanden war, aber in der arischen Ab- 
theilung verloren ging. Dagegen lässt sich nichts völlig Ent- 
scheidendes vorbringen, doch wird man zugestehen, dass dieser 
Verlust etwas Auffälliges haben würde. Eine zweite Möglich- 
keit ist die, dass man (das Reflexivum erst später entstanden 
sein lässt. Dass ein Bedürfnis nach einem derartigen Pronomen 
sich entwickeln konnte, ist leicht einzusehen. Man kommt ja 
häufig in die Lage, neben ein “ch” oder ‘du’ in demselben 
Satze ein “mich” oder ‘dich’!) zu setzen, und somit entschie- 
dener, als es durch die Medialform geschieht, anzugeben, dass 
die Handlung sich auf diejenige Person bezieht, von der sie 
ausgeht, z. B. ‘ich töte mich’. Wenn nun nicht ‘ich’ oder ‘du’, 
sondern “Cajus’ das Subjekt ist, so kann dieselbe Ausdrucks- 
weise nicht angewendet werden, da “Cajum’ schleppend und 


1) Natürlich habe ich den Akkusativ nur beispielsweise genommen, 
ebenso wie ich ‘Subjekt statt “Hauptperson’ gewählt habe, um den wichtig- 
sten und häufigsten Fall vor Augen zu führen, 

Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm. Sprachen. I. 32° 


498 Kap. XII. V. Das Pronomen *to. '$ 216. 


unter Umständen missverständlich sein würde. Man bedurfte 
also eines Pronomens, das bei einem Subjekt dritter Person 
dem ‘mich’ und ‘dich’ entspricht, und es war natürlich, dass 
man bei dieser Gelegenheit an *svos, *svä, *svoom dachte. Denn 
ein Pronomen, welches bedeutet ‘zu der genannten Person selbst 
gehörig’, konnte wohl auch gebraucht werden, wenn man sagen 
wollte ‘die genannte Person selbst. Dass man das substan- 
tivisch gebrauchte Pronomen ebenso flektierte wie seine Vor- 
bilder, die Pronomina erster und zweıter Person, ıst wohl na- 
türlich. Zugleich erklärt sich auch in einfacher Weise, warum 
das Reflexivum (abgesehen vom Griechischen) keinen Pluralis 
und Dualis hat. Diese Numeri entstanden nicht, weil es formell 
unmöglich war, sie zu bilden. Die Kasus der persönlichen 
Pronomina haben ja ursprünglich in den drei Numeri dieselben 
Findungen, und so unterscheiden sich ja auch das griechische 
fe und oge, fıv (kretisch) und sypıv nicht der Endung, sondern 
nur dem Stamme nach. Wäre nicht im Griechischen aus uns 
unbekannten Gründen die Zweitheilung des Stammes einge- 
treten (*ofo und *ooo), so wäre es den Griechen ebenso 
unmöglich gewesen, einen Pluralis und Dwualis des Reflexiv- 
pronomens zu bilden, wie den übrigen Völkern. 


Natürlich entgeht mir das Hypothetische dieser Konstruk- 
tion nicht. Auch will ıch nicht unterlassen, noch ausdrücklich 
zu bemerken, dass die Untersuchung über die Grundbedeutung 
des Stammes *svo erst dann zu Ende gekommen sein wird, 
wenn man über das avestische Avo, das gotische sve wıe, das 
griechische fo; und was man sonst etwa dahin rechnen kann 
(vgl. Brugmann, Griech. Gr.? $ 98), zur Klarheit gekommen 
sein wird, was mir bis jetzt nicht gelungen ist. 


V. 
Das Pronomen *to. 
Ich behandle zuerst die identischen Pronomina ai. sd, sa, 
tad, av. hö, hä, tap, griech. 6, 7, to, got. sa, so, bala, darauf 
das litauısche Zds und das slavische Zu. 








$ 217.) Kap. XII. V. Anaphorische Verwendung des subst. Pron. *fo. 499 


Über *to ist gesprochen worden SF. 5, 210 ff., Caland 1 ff., 
Krüger $ 50 (dessen Sammlungen eine Grundlage für die wei- 
teren Untersuchungen gebildet haben), Monro? 224 ff., Grimm 
4, 440 ff. und 383 ff., Gabelentz-Loebe 189 ff. und 165 ff. So 
viel ich sehe, wird *fo im Indischen und Avestischen niemals 
eigentlich deiktisch gebraucht, sondern stets etwas Erwähntes 
oder sonst Bekanntes aufnehmend, und im Griechischen dürfte 
es nicht anders liegen. Zwar giebt es homerische Stellen, in 
welchen es gleich 86: verwendet zu sein scheint, z. B.: oöx av 
zor ypaispum xldapıs ra Te Sünp Ayppoölıns, N Te xdum td Te eldog 
T 54. Indessen man kann auch übersetzen: die bekannten 
Gaben, deine (berühmte) Schönheit. Im Gotischen freilich 
giebt sa, so, bata so oft das griechische oöros wieder, dass man 
an seinem auch deiktischen Sinne nicht zweifeln kann. Ob 
nun darin etwas Ursprüngliches oder eine gotische Ausdehnung 
des Sinnes zu erkennen sei, wage ıch nicht zu entscheiden. 
Jedenfalls wird man festhalten dürfen, dass unser Pronomen 
schon vor der Sprachtrennung anaphorischen Sinn hatte. Dem 
Indischen eigenthümlich ist die Verbindung auch mit Prono- 
minibus erster und zweiter Person, z. B. tdm mä, tebhyö nas, 
sa team u. s. w. (SF. 5, 211), dem Griechischen und Gotischen 
die Verwendung auch als Relativum. Ich behandle zuerst den 
gewöhnlichen anaphorischen Gebrauch im substantivischen und 
adjektivischen Sinne, sodann die Hinweisung auf etwas Fol- 
gendes. Der korrelative Gebrauch, welcher wohl ebenfalls als 
proethnisch zu betrachten ist, soll bei dem Relativum zur 
Erörterung kommen. 

$ 217. Anaphorische Verwendung des substan- 
tivischen Pronomens. 

In diesem altüberlieferten Sinne erscheint unser Pronomen 
häufig im Altindischen, einen bereits erwähnten Begriff auf- 
nehmend, und so die Erzählung weiter führend, z. B. {um aus 
einer unendlichen Masse Einzelnes herauszugreifen) agrih pür- 
vebhir r$ibhir idyd nütanäir utd, sa devan Eha vakfati Agni ist 
von alten Sängern zu preisen und auch von neuen, er bringe 
die Götter hierher RV. 1, 1, 2; im& söma dramkrtah, tejam pahi 

32* 


500 Kap. XH. V. Anaphorische Verwendung des subst. Pron. *to [$ 217. 


hier sind die zurechtgemachten Somatränke, von ihnen trinke 
1, 2,1; yönig fa indra ni$dde akarı, tam a nı $ida ein Bett ist 
dir, Indra, zum Niedersitzen bereitet, auf das lass dich nieder 
1, 104, 1. Oft werden die Sätze so in einförmiger Weise an- 
einander gefügt, z. B. tam prchata sd Jagämä sa voda sd cikitvah 
iyate sa nv iyate, täsmin santi praßifas täsminn i$tayah, sd 
vajyasya Savasah Sugminas patih ihn bittet, er ist gekommen, er 
weiss, er der weise wird angegangen, er wird jetzt angegangen, 
in ihm sind die Ordnungen und die Opfer, er ist der Besitzer 
der Beute und der gewaltigen Stärke RV. 1, 145, 1. Besonders 
auch in der Prosa, z. B. prajapates trayastri5ad duhitära san, 
tah sömäya räjhie ’dadät, tasam rohintm üpäit, 1a irsyantih pünar 
agachan, ta ano Git, tah pünar ayäücata, ta asmäi nd pünar 
adadat, sö 'bravit : rtam ami$va ydtha samävacchä upaisyamı, 
atha t6 pünar dasyamiti. sd rläm @mit, ta asmäi pünar adadat, 
tasam röhinim &vöpait, tam yaksma ärchat TS. 2,3, 5,1. In 
äusserlich wörtlicher Übersetzung heisst das: “Prajäpati hatte 
dreissig Töchter, die gab er dem Könige Soma, von diesen 
besuchte er (der König) die Rohini, die (die andern) kamen 
eifersüchtig wieder zurück, denen ging er nach, die forderte 
er wieder für sich zurück, die gab er ihm nicht zurück, er 
(der Vater) sprach: schwöre einen Eid, dass du sie der Reihe 
nach besuchen willst, dann werde ich (sie) dir zurückgeben. 
Der schwur den Eid, die gab er ihm wieder zurück, von diesen 
besuchte er doch wieder nur Rohini, den ergriff Auszehrung'. 
Wir Deutschen heben nicht in derselben Weise die Nominal- 
begriffe hervor, wie es hier durch ?@ geschieht, sondern lieben 
es, die Satzgedanken durch Partikeln in Beziehung zu setzen. 
Wir müssen also unter Anwendung von ‘da’ und ähnlichen 
Wörtern uns vielfach anders ausdrücken, wie es SF. 5, 213 ge- 
schehen ıst. Auf welche Person sich {4 bezieht, lässt sich nach 
einem äusserlichen Merkmal nicht angeben. Die Beziehung 
muss aus dem Sinne erschlossen werden. Häufig bezieht sich 
ein wiederholtes ?{4 auf dieselbe Person, z. B. indras tvdstuh 
sömam abhisdhäpibat, sd visvan vy ärchat, sa indriyena soma- 
pithena vy Ardhyata, sd ydd urdhram udaävamıt te $yamaka 








$ 217.) Kap. XII. V. Anaphorische Verwendung des subst. Pron. *to. 501 


abhavan, sd prajapatim üpädhävat Indra trank des Tvashtar 
Soma gewaltsam aus, da öffnete er sich nach beiden Seiten, 
er wurde seiner Kraft, des Somatrankes, beraubt. Das nun, 
was er oben ausbrach, wurde zu Hirse, da nahm er seine Zu- 
flucht zu Prajäpati TS. 2, 3, 2, 6; asav ädityd nd oy aröcata, 
täsmäi devah präyascittim aichan, ldsma etäm sömäräudräm 
carim nir avapan die Sonne kam nicht zum Leuchten, da 
suchten die Götter für sie eine Sühnehandlung und bestimmten 
für sie jenes Soma und Rudra gewidmete Mus TS. 2, 2, 10, 1. 
Der Nominativ sd, welcher sehr häufig in dieser Anwendung, 
also wie eine überleitende Partikel erscheint, ıst ım SB. zu 
einer solchen Partikel geworden (SF. 5, 215). Eine ähnliche 
Anwendung im Avesta s. Caland $ 2, doch ist im Avesta die 
Verbindung der Sätze durch Formen von td nicht so häufig 
wie im Veda, vielmehr werden Partikeln (so namentlich 4) 
vorgezogen. Dagegen vergleicht sich derhomerische Gebrauch 
dem altindischen, z. B. Antoös xat Ards ulds‘ 6 yap Baaıkfr xo- 
Außels vodoov Ava orpatöv üpse A 9; Ds Zpat ebydwevos, Tod d ExÄue 
Dordos ’Andilwv A 43; xaleooaro Aabv Ayılleds‘ te yap ini ppzol 
Onxe Bea A 55 u.8. w. In der Erzählung wiederkehrend, z. B.: 
&s einwv mpolsı, xparepov Ö ini wüßov Erellev. Ta d agxovre Barıv 
rapa Hiv aAds arpuydtor, Mupuöovwv 8 Ent te xAuolas xal vras 
Ixeoßrv. Tov 8 eüpov napa te xÄrain xal vn! nelalvn Tuevov' 008 Apa 
ta yes löwv yrlnoev Ayılleus. tw lv rapßroavre xal aldonevo Ba- 
sıÄya sTiTmv, 00ÖE Te gıv Tmpooepuveov 006 Epfovro' aurap 6 Eyvo 
A326 ff. Auch darin gleicht der ältere griechische Sprach- 
gebrauch, wie er bei Homer und Herodot vorliegt, noch dem 
altindischen, dass 6 auch das Subjekt des unmittelbar vorher- 
gehenden Satzes aufnehmen kann, z.B. tod piv Auapf, 0 68 
Asöxov Obuoodos LodAoy &taipov BeßArxeı A 491; Bdrıs 8 ou Ander 
&parucwv rardos &od, Ad 7 y aveöucero A 495 und sonst. Ge- 
wöhnlich freilich deutet das Pronomen einen Wechsel des Sub- 
jekts an, womit ein Fortschritt in der Durchsichtigkeit der 
Erzählung erreicht ist. ‘Man beachte auch den Vorzug, den 
das Griechische durch seine d€, yap u. s. w. hat). In der atti- 
schen Prosa findet sich der substantivische Gebrauch von ö, 7, r6 


502 Kap.XIU. V. Anaphorische Verwendung desadj. Pron. *o. [$217—218. 


— oder 6, %, wenn man so schreiben will — nur noch in 
stehenden Wendungen, namentlich in 6 p&v — 6 Ö£, einer 
Gegenüberstellung, die bei Homer noch selten ist. Im Go- 
tischen vertritt sa auch oöros (Grimm 4, 446), worauf hier 
nicht weiter eingegangen werden soll. Dem indisch-griechischen 
Sprachgebrauch entsprechen Ausdrucksweisen wie: audagas Pai 
hrainjahairtans, unte Bai gub gasashvand selig sind die reines 
Herzens sind, denn sie werden Gott schauen Matth. 5, 8; sa 
ist sunus meins sa liuba, bamma hausjaib das ist mein lieber 
Sohn, den höret Luk. 9, 35. Dem attischen xpd roö entsprechen 
Verbindungen wie afar bata, ın Pis u. ähnl. 

$ 218. Anaphorische Verwendung des adjek- 
tivischen Pronomens. | 

Unser Pronomen wird seit alter Zeit mit Substantivis ver- 
bunden, und zwar gilt für alle betheiligten Sprachen die Regel, 
dass bei der ersten Erwähnung das Substantivum allein steht, 
beı der zweiten mit dem Pronomen, z. B. heisst es RV. 1,180, 8: 
prä ydd vahethe mahina räthasya wenn ihr vorwärts fahrt mit 
der Majestät des Wagens und 9: iadm vam ratham vaydm adya 
huvema diesen euren Wagen möchten wir heute heranrufen; 
sid praja asrjata, ta asya prajah sritah pära babhüvuh er schuf 
die Geschöpfe, aber diese (die) von ihm geschaffenen Geschöpfe 
gingen zu Grunde SB. 2, 5, 1,1. In demselben Buche heisst 
es 1, 6, 3, 1: tvdstur ha vai puträs triSirga $adakfa äsa Tv. hatte 
einen dreiköpfigen, sechsäugigen Sohn und später (8): sa@ tvasfa 
cukrödha (zürnte). In der Erzählung von Manu und dem Stier 
heisst es zuerst (SB. 1, 1, 4, 13): tasminn asuraghni sapatnaghni 
vak präviftäsa in ihm hauste eine Asura und Feinde tötende 
Stimme, dann aber: tasyalabdhasya sa vag dpa cakrama als er 
geopfert war, entwich die Stimme. In diesen Sätzen, die in 
unzähliger Menge vorliegen, ist die Voranstellung des Pro- 
nomens durchaus das Übliche, nur in der Poesie kommt ge- 
legentlich (z. B. RV. 1, 52, 3) auch die Nachstellung vor. Ganz 
so ım Avesta, z. B. yazala berezata vaca er opferte mit lauter 
Stimme yt. 10, 89. Dann folgt hö vak$ diese Stimme. Bei 
Homer: ßpovrnoas 52 deıwov dptx ApyTira xepauvdv, xad d& npdod 





$ 218.) Kap. XII. V. Anaphorische Verwendung des adj. Pron. *to. 503 


Inzwv Aropndeos Txe yapäle‘ Seıvn Ö& WAOE Spro Beeiou xaLopEvoro, 
to d Innw delsavre xaranınmv bu’ dyeapıvy 8 133, vgl. 1 50ff. und 
sonst. Ein Beispiel aus dem Gotischen: gasahv svaihron is 
Iigandeın ın heitom, Jah attartok handau izos Jah aflaılot ıja so 
heito er sah die Schwiegermutter desselben im Fieber liegen, 
und er berührte ihre Hand, und das Fieber verliess sie Matth. 
8, 14, 15. Weitere Belege bei Grimm 4, 386. Man hat wohl ° 
die Ansicht ausgesprochen, dass diese Verbindung entstanden 
sei, indem das Substantivum zunächst dem Pronomen appo- 
sitionell angefügt sei. Und in der That kommen genug Fälle 
vor, welche auf diese Annahme führen, so im Altindischen, 
wo oft zwischen Pronomen und Substantivum andere Wörter 
eingefügt erscheinen, wie es denn z. B. in einem zwischen 
Mäitreyi und Yajnavalkya geführten Gespräch abwechselnd 
heisst: sa höväca maitreyi und sd höväca yajhavalkyah SB. 14, 
5,4, 1ff. Bei Homer (Monro? $ 258) z.B. ö; &yar', al ö Ane- 
pukay Adrvatn te xal”Hpr A 20. Ich will gegen die Anschauung, 
dass in solchen Sätzen sich der ursprüngliche Typus zeige, 
gewiss nicht streiten. Nur wolle man bedenken, dass die Ver- 
bindung von Pronomen und Substantivum uralt ist und dass 
Sätze wie der eben angeführte homerische immer wieder 
neu entstehen konnten, weil ja der substantivische Gebrauch 
von 6, %, 6 dem Sprechenden noch geläufig war. — Diesem 
Falle, dass das Pronomen ein vorher bereits erwähntes Wort 
bei dessen zweiter Erwähnung einführt, steht so zu sagen als 
anderer Endpunkt der Linie der Fall gegenüber, dass das Pro- 
nomen etwas nicht Erwähntes, wohl aber allgemein Bekanntes 
bezeichnet. Derartiges habe ich SF. 5, 210 aus dem Veda an- 
geführt, z. B. ta vam viSvasya göpa euch beide berühmte Hüter 
des All RV. 8, 25, 1, und dasselbe führt Caland $ 3a aus dem 
Avesta an, z. B. ta mainyu das bekannte Geisterpaar, die beiden 
Geister. Ob gerade diese Verwendung auch in den anderen 
Sprachen vorliegt, lasse ich dahingestellt, jedenfalls aber giebt 
es überall solche Fälle, welche zwischen den beiden genannten 
Endpolen in der Mitte liegen. Die Grammatiker machen mit 
Recht darauf aufmerksam, dass es nicht gerade dasselbe Wort 


504 Kap. XH. V. Anaphorische Verwendung des adj. Pron. *to. [$ 218. 


zu sein brauche, bei welchem das Pronomen zu stehen habe, 
sondern etwa ein sinnverwandtes, z. B. Tuösiön © Eröpouce Yea 
+Aauxanıs Adyyn" ebpe 68 tev ya dvaxıa E 793, oder yYaipe d& zw 
öpvıdı K 277 (mit Beziehung auf den vorher erwähnten 2pwöts;). 
Ebenso hat man längst bemerkt, dass das Pronomen auch einen 
Begriff, der etwa in einem Verbum enthalten war, aufnehmen 
kann, z. B. adrap nei h' dÖuoodv Te Telebmadv re töv Spxov B 378, 
wobei öv den Inhalt des dwvövar aufnimmt. (Über die gleiche 
Erscheinung im Avesta s. Caland $ 2, im Gotischen Gabelentz- 
Loebe 166). Wichtiger ist ein anderes. Es scheint bisweilen, 
als könne unser Pronomen etwas Neues, noch nicht Dagewesenes 
einführen. Eın Beispiel der Art aus dem Altindischen (das 
keineswegs allein steht) habe ich SF. 5, 214 angeführt: devas 
ca va dsuräß cobhäye präjapatyah pasprdhire, 1& ha sma ydd 
deva dsuran Jäyanti tdtd ha smälcainän pünar upöt tisthanti. 
te ha deva ücur Jdyamd va dsuras tälas to Evd nah pinar upöt 
ti$thanti katham nv enän anapajayydm jayemeti. sd hägntr uväca 
die Götter und die Asura, beide Nachkommen des Prajäpatı, 
kämpften mit einander. So oft nun die Götter die Asura be- 
siegten, erhoben diese sich dennoch immer wieder gegen sie. 
Da sprachen die Götter: wir besiegen die Asura, danach aber 
erheben sie sich immer wieder gegen uns, wie könnten wir 
sie nur unwiderruflich besiegen! Da sprach Agni u. s. w. SB. 
1, 2, 4, 8. Dazu habe ich bemerkt: “Man sieht hier recht deut- 
lich, dass te vor devah gebraucht wird, weil die Rede mittelst 
eines schon dagewesenen Nominalbegriffes weitergeführt werden 
soll. Dagegen könnte man zunächst meinen, als werde mit 
sa hägnih etwas völlig Neues eingeführt. Das ist aber doch 
nicht der Fall. Agni ist unter den Göttern schon mit erwähnt 
und kann deshalb mit s@ auftreten”. Man kann etwa sagen: 
mit sd kann etwas angeführt werden, das dem Redenden und 
Hörenden infolge der gegebenen Situation ohne weiteres in 
den Sinn kommt. Natürlich schwebt einem Redenden u. a. 
auch dasjenige sofort vor, was zu dem Gesagten in einem er- 
gänzenden Gegensatze steht, und so hat denn das Pronomen 
oft die Aufgabe, eine Art von Gegensatz einzuführen. Dieser 











$ 218.) Kap. XIL V. Anaphorische Verwendung des adj. Pron. *o. 505 


Gebrauch ist namentlich bei Homer häufig, z. B. @ &oar 
Arpetöns, &rt  Qveov AAloı Ayarol. Oi d8 deol nap Zuvi xadmuevor 
nyopdwvro IT’ 461 und A 1 (sie aber, die Götter). Dabei ist der 
Gegensatz, wie es der ausdrucksvolleren griechischen Sprache 
zukommt, auch noch durch ög ausgedrückt (vgl. H 443); xoöpoı 
& Öpynotüpes &dlveov, &v & dpa toisıv adkol poppiyyes te Bohv Eyov' 
ai dE yuvalxes istanevar Baupalov Ent mpoßüporsı &xaorn 3 494, 
vgl. 559, A 225; rotos Env Tußeos Alttwiros‘ AaAAd röv ulöv yalvaro 
eto x&pra A 399 (ihn, den Sohn), yupvov, Atdp Ta ya tebye Eyaı 
xopußatloios "Extup P 122 (vgl. H 84, P 127). Man vergleiche 
hierzu Monro? $ 259. Nicht selten wäre der Ausdruck "Gegen- 
satz’ für das vorliegende Gedankenverhältnis zu stark, so dass 
man lieber von einer Weiterführung sprechen möchte, z. B. 
rpos rupxaih &papatvero naboato BE pAok" ol d Avepoı raAıy aurtıs 
EBav olxovös veeadar Opnixtov ara novrov' 8 8 Zorevev olönatı Düwv 
W228, wobei oi ö’ävspoı offenbar zu dem Vorhergehenden in 
demselben Verhältnis steht, wıe 8 ö&, so dass also nicht der 
Artıkel des späteren Griechisch anzunehmen ist. Ebenso ö1v 
8E uıv Aumaain Endmv Aaße, ti dE oi dose daxpuögıv nAnodev P 695. 
In vielen Fällen lässt sich nicht entscheiden, ob eine Art von 
Gegensatz empfunden ist, oder ob der sog. generische Artikel 
vorliegt, wie er aus dem späteren Griechisch bekannt ist, z. B. 
pAYTL XaxOv, O0 RW NOTE or To xpnyvov elnas, alel tor Ta xax Earl 
pila opeol pnavredscdur A 106. 

Wir haben bis jetzt das Pron. nur mit einfachen Subst. 
verbunden gesehen, es kann aber auch zu solchen treten, 
welche ein Adjektivum bei sich haben, z.B. im Altindi- 
schen: RV. 1, 40, 5 ist von einem mäntra dıe Rede, welchen 
der Herr des Gebetes spricht. Der folgende Vers lautet: tam 
id vöcemä vidalhesu Jambhüvam mäntram deva anehdsam diesen 
heilvollen Spruch möchten wir, o Götter, bei den Opfern 
sprechen, den unvergleichlichen;; ı$as tdm aäyam yaSdsam suvi- 
ram däsdpravargam rayim dSvabudhyam o Morgenröthe, diesen 
herrlichen, aus Männern, Knechten und Rossen bestehenden 
Reichthum möchte ich erlangen 1, 92, 8 (rayim nimmt vayan 
“die Beute” des vorhergehenden Verses auf); s4 ghä tam 


506 Kap.XIlI. V. Das Pron.*to weist auf etwasFolgendes hin. [$ 218—219. 





vrfanam rätham adhi tigthati goridam der wird den starken Wa- 
gen, den Heerden gewinnenden, besteigen 1, 82, 4 (der Wagen 
ist vorher nicht gerade genannt, aber es ist auf ihn hinge- 
wiesen worden); idm rvahı $ärdham marulam sumnayür giröpa 
bruve jene eure marutische Schar rufe ich Gnade heischend 
mit der Stimme an 2, 30, 11. So auch im Avesta, z.B. azem 
böib tum ta nipayemi vispa vohu mazdadata ich fürwahr behüte 
alle gottgegebenen Güter yt. 5, 89. Ebenso im homerischen 
Griechisch, z. B. tüv dsıl@v £rapwv der erwähnten armen 
Freunde ı 65; rov Awßrrtpa &reoddAov den, der sich eben breit 
gemacht hat B 275; 6 pöyAos &)aıvos der erwähnte ı 378; nv 
oAohv Aapußöıv die von dir erwähnte p 113 (während wir ryv 
428 durch jene übersetzen möchten); rpös Tod Bası$\7os Arnveos 
bei jenem unmilden König, dessen Namen ich nicht nennen 
will A 340; rtov &eivov ööormvov p 10 u.s. w., also mit Voran- 
stellung oder Nachstellung des Adjektivums wie im Altindi- 
schen. Dasselbe im Gotischen, z. B. jah aınshun ni giulid 
vein niujala in balgıns fairnjans asbpau distairıid bata niujo vein 
Dans balgıns und niemand giesst neuen Wein in alte Schläuche, 
sonst zerreisst der neue Wein die Schläuche Luk. 5, 37. Wei- 
tere Belege bei Gabelentz-Loebe 174. 

$ 219. Hinweisung auf etwas Folgendes. 

Das Pronomen kann ım substantivischen und adjektivi- 
schen Gebrauch auf etwas, was ım folgenden (oft abhängigen) 
Satze zur Sprache kommen soll, hinweisen. Dasjenige, was 
sogleich bekannt werden wird, schwebt schon als ein Bekann- 
tes vor. Beispiele für den substantivischen Gebrauch sind: aus 
dem Altindischen nd väi täd vidma yddi brähmana va smö 
'brähmanä vä wir wissen das nicht, ob wir Brahmanen oder 
Nicht-Brahmanen sind (SF. 5, 588). Avestisch: ta Pwä pe- 
resa eres möi vaoca das wıll ich dich fragen, antworte mir 
richtig (nun folgen die Fragen), y. 44,1. Griechisch: ala zo 
daupdlm" T6ov Evddde Mevropa dtov 5 655; EodAdv xal To teruxrat, 
oT Ayyelos alcına elön O 207 (vgl. Monro? 226). Ebenso im 
Deutschen, z. B. im Anfang des Hildebrandliedes «4 gihörta 
dhat seggen, dhat sth urhettun u.s. w. Belege für denselben 


$ 219—220.] Kap. XII. V. Der Artikel. 507 





Gebrauch bei dem adjektivischen Pronomen aus dem Altindischen 
sind: grre täd indra te Säva upamam devatätaye yad dhasi ortram 
öjasä ich preise, o Indra, diese deine Kraftthat als höchste 
für das Opfer, dass du den Vrtra schlägst mit Kraft RV. 
8, 62,8; ha ahmai asıs erenävi tah ahmäi jasah üyaptem yah 
he puprö us zayata dieses Glück wurde ihm beschieden, dieser 
Lohn kam ihm zu, dass ihm ein Sohn geboren wurde y. 9, 7. 
$ 22. Artikel. 

Hiermit dürfte der ungefähre Umfang der proethnischen An- 
wendung dieses Pronomens angegeben sein. Dasselbe diente dazu, 
auf etwas Bekanntes, namentlich etwas Erwähntes hinzuweisen. 
Es gab also in der Uırzeit keinen Artikel, wenn man (wie es 
doch scheint) darüber einverstanden ist, dass das Pronomen 
erst dann als Artikel bezeichnet werden kann, wenn es ge- 
wohnheitsmässig allen solchen Substantivbegriffen hinzugefügt 
wird, welche als ‘bestimmte’ angesehen werden sollen. Dieser 
Gebrauch liegt im Veda und Avesta nicht vor, denn auf bei- 
den Gebieten wird das Pronomen nur dann gebraucht, wenn 
eine Veranlassung dazu durch die gerade vorliegende Situation 
gegeben ist, nicht grundsätzlich und allgemein. Der Artikel in 
diesem engeren Sinne ist also auch nicht in das Griechische 
und Gotische überliefert worden, sondern hat sich in jeder 
von diesen beiden Sprachen entwickelt. Was das Griechi- 
sche betrifft, so gehen die Meinungen der Gelehrten darüber 
auseinander, ob der Artikel bei Homer ‘beinahe noch keiner 
und kaum erst aus dem Schosse des Demonstrativums hervor- 
gegangen’ (Grimm), oder ob er schon zu Homer's Zeit in der 
gewöhnlichen Sprache häufig oder regelmässig war, so dass die 
häufige Weglassung desselben als eine Art von poetischer 
Lizenz erschiene!). Die Frage wird sich mit Sicherheit und 
Genauigkeit wohl schwerlich entscheiden lassen. Dem steht 
zunächst die Vieldeutigkeit des Pronominalgebrauchs in vielen 
Stellen entgegen, welche so gross ist, dass sicherlich derselbe 
moderne Gelehrte zu verschiedenen Zeiten dieselbe Stelle ver- 


1) Das scheint die Ansicht von Krüger zu sein. 





og m er or 


508 Kap. XII. V. Der Artikel. [$ 220. 


schieden deuten wird, und sodann die Beschaffenheit unseres 
Textes. Ist doch die Möglichkeit keineswegs in Abrede zu 
stellen, dass der Artikel an vielen Stellen eingeschmuggelt 
worden ist, wo er ursprünglich nicht stand. Nauck hat sich 
in seiner Ausgabe von dieser Ansicht leiten lassen, und man 
kann auf dem eingeschlagenen Wege noch weiter gehen (vgl. 
A. Stummer, über den Artikel bei Homer, Programm von 
Münnerstadt, Schweinfurt 1886‘. Man muss sich, glaube ıch, 
unter diesen Umständen begnügen, zu behaupten, dass bei 
Homer zwar im grossen und ganzen der Artikel noch nicht 
in demselben Sınne, wie ın der attischen Prosa, erscheine (wo- 
von man sich durch die Vergleichung der Verse A 12 ff. mit 
der bekannten Stelle des Plato, wobei sich dsoi und robs Beous, 
IIpıaporo nöAıv und mv Tpolav, ratda und mv duyarepar, Ars 
via und tov Bedv, oteuua deoio und ra too Beod areunara u.8.w. 
gegenüberstehen, eine deutliche Vorstellung verschaffen kann), 
dass aber in einer Reihe von Stellen, deren Zahl freilich die 
meisten wohl gegenüber der Aufstellung von Krüger einschrän- 
ken werden, doch nur mit Zwang eine Verschiedenheit gegen- 
über dem attischen Sprachgebrauch gefunden werden könnte. 
Es ıst also klar, dass in den homerischen Gedichten ein älterer 
und ein jüngerer Zustand im Gemenge liegen. Eine Erklä- 
rung für diese Lage der Dinge kann natürlich nur im Rahmen 
einer Gesammtanschauung über die Entwicklung der homeri- 
schen Poesie gegeben werden!). Der gotische Artikel, der 
uns beı Ulfilas entwickelt entgegen tritt, zeigt in mehreren 


1) Meister, griech. Dialekte 1, 286, stellt ein dem kyprischen Gebrauch 
entnommenes Grundgesetz für den Gebrauch des Artikels auf, das er auch 
als “urgriechisch’ in Anspruch nimmt. Es lautet so: ‘Begriffe, die an sich 
unbegrenzt oder in Mehrheit vorhanden sind, bedürfen des Artikels, wenn 
sie eine begrenzte Einheit bezeichnen sollen; Begriffe, die an sich eine 
begrenzte Einheit bedeuten, bedürfen des Artikels nicht. Ich muss in- 
dessen gestehen, dass ich in den kyprischen Inschriften keinen anderen 
Artikelgebrauch finden kann, als in den griechischen Inschriften überhaupt, 
nämlich im wesentlichen denselben, wie im Attischen. Und in der That 
sagt ja auch das Meister'sche Gesetz nur mit anderen Worten, dass der 
Artikel die Aufgabe habe, zu begrenzen, zu individualisieren oder wie man 
sich sonst ausdrücken will. 








$ 220.] Kap. XII. V. Der Artikel. 509 


bemerkenswerthen Eigenthümlichkeiten Gleichheit oder Ähn- 
lichkeit mit dem attischen Gebrauch, so z. B. darin, dass die 
individuellsten Wörter, wie Eigennamen, in der Regel ohne 
Artikel auftreten, in der Verbindung des Artikels mit dem 
Adjektivum, mit ‘all’ u. a. m. Indessen diese Übereinstimmun- 
gen stammen unzweifelhaft nicht aus einer Zeit der Gremein- 
samkeit, sondern sind auf der gleichen überlieferten Grundlage 
unabhängig von einander entstanden, so dass sie uns hier nicht 
weiter zu beschäftigen haben. 


Es bleibt noch übrig, mit einigen Worten zusammenfassend 
auszusprechen, wie sich das Pronomen zum Artikel “entwickelt’ 
hat. Unter den Substantiven kommen dabei zunächst die Be- 
zeichnungen solcher Dinge in betracht, welche in mehreren 
oder vielen Exemplaren vorhanden sind, z. B. Pferd. Es ist 
klar, dass man in der Urzeit bei der ersten Nennung eines 
solchen Dinges nicht ausdrückte, ob man ein bestimmtes Exem- 
plar vor Augen hatte oder nicht, man sagte einfach d$vas, Ixros 
oder wie das Wort sonst hiess. Wenn nun ein solches Ding 
zum zweiten Male zur Erwähnung kam, so war man nicht 
gerade genöthigt, aber man konnte mit dem Pronomen auf 
dasselbe als ein schon dagewesenes, also bestimmtes, hin- 
weisen. Ebenso konnte man gelegentlich das Pronomen zu 
einem Begriff setzen, den man als bekannt bezeichnen wollte, 
und so kam das Pronomen in häufige Verbindung mit ge- 
wissen Substantivren. Wie nun aber ein einzelnes Ding, z. B. 
ein Pferd, als ein bestimmtes bezeichnet werden kann, so kann 
man auch die Gesammtheit der Pferde als etwas Bestimmtes 
z. B. der Gesammtheit der Rinder gegenüberstellen. So kam 
das Pronomen dazu, auch bei Wörtern, welche nicht ein kon- 
kretes Ding, sondern eine Vorstellung, einen Begriff be- 
zeichnen, gesetzt zu werden. Dabei dürfte die pluralische 
Ausdrucksweise der singularischen voran gegangen sein. Wenn 
nun das Pronomen in dieser Weise gewohnheitsmässig gesetzt 
wird, nennt man es Artikel. 





510 Kap. XII. VI. Das Interrogativum u. Indefinitum. [$ 221. 


$ 221. Baltisch-Slavisch. 

Mit dem eben behandelten Pronomen stimmen das litauische 
tas, ta und das slavische ?& (aksl. fü, ta, to) überein, nur dass 
ım Nominativ der S-Stamm durch den 7-Stamm verdrängt 
worden ist. Auch in der Bedeutung stimmen sie mit dem 
überein, was hier als proethnischer Gebrauch des Pronomens 
ermittelt worden ist. So erscheint ım Litauischen fäs als 
Subst. im korrelativen Gebrauche (Schleicher 299, 5) ferner 
anaphorisch, z. B. in Sätzen wie: büvo karälius, täs turejo labai 
gräzig päczq es war ein König, der hatte eine sehr schöne Frau, 
Schleicher, Lesebuch 123. Etwas später heisst es adjektivisch: 
tüs karälius. Das gelegentliche Auftreten von /äs, ta als Ar- 
tikel halte ich mit Schleicher und Kurschat für einen Ger- 
manismus (anders Bezzenberger, ZGLS. 235). Im Lettischen 
hat sich eine Anwendung entwickelt, welche dem Artikel 
ganz nahe kommt (Bielenstein, Lett. Gr. 255 ff.). Über das 
slavische Z& handelt Miklosich 4, 113f. Es erscheint sub- 
stantivisch anaphorisch, z. B.: Jako düsti inoceda be jemu Jako 
düvoju na desete lelu, s ta umtraase Er duyarnp povoyerhs Tv 
auTd Ws Erav Öwdexa xal adın Anedvroxev Luk. 8, 42; i se Eh- 
savefi qzika tvoja, i ta zacelü syna xal löob EAısaßer H auyyerns 
o0u, xal aürn ovveuAnputa uldv Luk. 1, 36. Adjektivisch, z. B. 
slysavü ta slovesa Axoüsas Todtov tüv Adyov Joh. 19, 13; vü to 
vreme Ev &xeivp T® xaıp@ Matth. 11, 25; # Aupuwjetü selo to xal 
ayopassı tov Aypöv &xeivov Matth. 13, 44. Korrelativ: jeze aste 
dastü se vamü vü tü Casü, to glagoljete 8 2av dod div &v 
&xeivy Dj pa, toöro Aaleire Mark. 13, 11; ta dela jaZe tvorjgq 
diese (genannten) Werke, welche ich thue Joh. 5, 36. 


v1. 
Das Interrogativum und Indefinitum. 

Der Stamm, welchem das Interrogativum und das Indefini- 
tivum angehört, erscheint in der Doppelgestalt *go, *gi. Wacker- 
nagel, KZ. 29, 144 nimmt an, dass die Form *g ursprünglich 
ım Nom. und Akk. gegolten habe, die andere in den obliquen 











$222]) Kap. XII. VI. Das Interrogativum u. Indefinitum im Ar. 511 


Kasus, nach Caland (50 Anm.) soll *go interrogativ, *gs inde- 
finit gewesen sein. Angesichts der Thatsache, dass von *gt 
keın Femininum gebildet wird, könnte man vermuthen, dass 
die eine Form substantivisch, die andere adjektivisch gewesen 
sei. Indes alle diese Hypothesen sind unsicher. Somit thut 
man gut, nur mit Brugmann 2, 772 zu behaupten, dass die 
beiden Stämme hochbetont fragenden, unbetont indefiniten Sinn 
gehabt haben werden. 


Im Lateinischen, Litauischen, innerhalb des Slavischen und 
Germanischen (nicht im Avestischen nach Caland $ 78) hat 
sich relative Verwendung entwickelt, worüber später zu han- 
deln sein wird. 


Über das Pronomen des Fraglichen (denn so muss es ja 
definiert werden), finde ich hier nur zu bemerken, dass in 
einem Satze auch zwei solcher Pronomina vorkommen können, 
so im Altindischen, z. B. kd ıdam kasmä adat wer hat dies wem 
gegeben MS. 1, 9, 4 (135, 1), im Griechischen, Litauischen. 
Hierüber, über das die Satzfrage einleitende Aa und anderes 
hierher Gehörige wird bei den Fragesätzen zu handeln sein. 


Was das Indefinitum angeht, so kann zwar überall die 
Form, welche hochbetont als Interr. gebraucht wird, unbetont 
als Indef. auftreten, aber meist wird doch dem Pronomen, wenn 
es indefinit verstanden werden soll, ein besonderes Zeichen 
beigegeben. In dieser Hinsicht stimmen das Altindische, 
Avestische, Lateinische, Deutsche in merkwürdiger Weise über- 
ein. Diese Sprachen sollen also zunächst behandelt werden. 


$ 222. Arısch, Italisch, Germanisch. 


Arisch. Das blosse As in indefinitem Sinn wird ın 
der alten indischen Sprache in positiven Sätzen nicht ge- 
braucht. Im Avesta dagegen kommt es gelegentlich so vor: 
kada varda yezi cahyäü z3ayaba mazda aSa yehya mä ülpis dvagpa 
wann erfahre ich, ob ihr, o Mazda und ASa, über einen Macht 
habt, von dem mir Unheil droht y. 48, 9. Nach Geldner, KZ. 
30, 533 ıst unter cahy@ der Böse gemeint, also ein is, den 
man nicht nennen will. Ferner Aa möi urvä 15e cahya avanko 


512 Kap. XD. VI. Das Interrogativum u. Indefinitum im Ar. [$ 222. 


verfügt meine Seele über einigen Beistand y. 50, 1. In ne- 
gativen Sätzen dagegen findet sich das ındefinite ka ın beiden 
Sprachen, mit ma im RV., z. B. ma käsya yakjam bhujema 
möchten wir nicht irgend eines anderen yak$a zu geniessen 
haben RV. 5, 70, 4; mä kasmäi dhatam abhy ämitrine nah über- 
liefert uns nicht irgend einem Feinde RV. 1, 120, 8 (ausserdem 
noch zweimal ım RV). Ebenso im Avesta: mä& cıs paurvo 
buüidyagla nö niemand soll es vor uns erfahren y. 9, 21; sodann 
auch mit den Negationen, die dem indischen n& entsprechen, 
nämlich nörp: yo norıh kahmar miprödrujam masyänqm aoj6 da- 
daiti welcher keinem der treubrüchigen Menschen Kraft ver- 
leiht yt. 10, 62. (Weiteres bei Caland $ 82). 

Gewöhnlich aber erscheint das Indefinitum mit dem Zusatz 
cid, ca oder cand. 

1. Ka mit gi. cid, av. ci} ım Sinne von ‘wer nur immer, 
irgend einer, jeder’!) erscheint sowohl in positiven wie in ne- 
gativen Sätzen, z. B. ai. indräd a ka$ cid bhayatö täviyasah vor 
dem starken Indra fürchtet sich ein jeder RV. 10, 92, 8; aham 
sö asmi yah pura sute vadamı kani cit ich bin der, welcher 
früher beim Soma alle möglichen Sprüche zu sprechen pflegte 
1, 105, 7; sunvadbhyo randhaya kam cıd avratam den Opfernden 
unterwirf jeden Unfrommen 1, 132, 4. Avestisch: (die FravaSi 
kommen herbei) äpem agsemnä haväi kacih nafaı Wasser herbei- 
holend, eine jede für ihre Familie yt. 13, 66; yavarand kascip 
saosyantqm welches Glaubens jeder der S. ist y. 12, 7; kascipca 
atsqm varryanam kascihca atsqm apayzaranam capwaresatem 
ayarebarangm hvaspaı naire baremnäi und jedes dieser Rinn- 
sale und jeder dieser Abflüsse ist vierzig Tagereisen lang für 
einen gutberittenen Reiter yt. 5, 4; yah dim kascıp anheus ast- 
vato avahıstee wenn ıhm irgend jemand aus der lebenden 
Welt begegnet vd. 8, 100; adas kahyacıp paiti y. 33, 11 wird 
übersetzt: “bei einer jeglichen Vergeltung’. Für negative Sätze 

1) Nach Grassmann erscheint es RV. 1, 110, 2 im Sinne von ‘einige’ 
(‘die ihr zum theil mir seid verwandt‘). Die Stelle ist undeutlich und eine 
andere, die entschieden für diese Färbung des Begriffes spräche, kenne ich 
nicht. 








$222] Kap. XII. VI. Das Interrogativum u. Indefinitum im Ar. 513 


habe ich. nur Belege aus dem Altindischen, z. B. md tva ke 
cin ni yaman nicht möge irgend jemand dich fesseln RV.3,45, 1; 
gühya nad ke cit niemand kann verborgen bleiben 7, 103, 8. 
So auch bei Adverbien vom Stamme ka, z. B. kada : duskrte 
ma sugäam blüd yö nah kada cid abhidäsali druhä nicht sei 
dem Übelthäter guter Fortgang, der uns, es sei wann es sei, 
mit Feindschaft nachstellt 7, 104, 7; sa nah kada cid ärvatä 
gamat er komme immer zu uns mit dem Rosse 8, 40, 2. — 
Als bemerkenswerthe Verbindungen führe ich aus dem RV. 
noch an: rakfäa si nö drarufah svanat samasya käsya cıt schütze 
uns vor dem Ton des nicht Spendenden, eines jeden, wer es 
auch sei 9, 29, 5; utö nö asyd kasya cid dakjasya täva rrtrahan 
asmäbhyam nrmndm a bhara bring uns die Mannhaftigkeit 
dieses deines Muthes, welcher er aych sei 5, 38, 4 (d.h. etwas 
von all deinen muthigen Entschlüssen.. Einmal!) erscheint 
das Pronomen auch verdoppelt (aber dabei auch die zweite 
Form betont): yad agne kani kani cid a ts darüni dadhmäsi 
wenn wir dir, o Agni, alle möglichen Holzarten auflegen 
8, 102, 20. Derselbe Gebrauch im Avesta wird nicht zu be- 
zweifeln sein, wenn auch die einzelnen dafür angeführten 
Stellen nicht ganz einwandfrei sind (vgl. Caland 49°). Oft er- 
scheint ka mit cid, ci} hinter dem Relativum, z. B. yö nah 
ka$ cid ririkgati svaih $4 evai ririgista wer immer uns zu Grunde 
zu richten sucht, der möge selbst zu Grunde gehen RV. 8, 18,13; 
vadhäir duhlqsar dpa düdhyd Jahi dure va ye anti va ke cid 
atrinah mit den Waffen schlage die gottlosen, Unfrommen 
zurück, alle Atrin, mögen sie nah oder ferne sein 1, 94, 9; 
devan vä yac cakyma käc cid ägah oder jedes Ärgernis, das 
wır den Göttern bereitet haben 1, 185, 8. Ebenso im Avesta, 
z. B. ahmäı yahmäi vasi kahmarcıp zu einem jeden, zu welchem 
du willst y. 44, 16. Sowohl ım Veda wie im Avesta sind, 
soweit ich sehe, die Sätze, in denen diese Verbindung auftritt, 
vollständige (nicht abgekürzte) Relatıvsätze. 


1) Die entsprechende Stelle des AV. hat freilich yanı kani cid, aber 
die Lesart des RV. wird die ursprüngliche sein. 
Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm. Sprachen. ]. 33 








514 Kap. XI. VI. Das Interrogativum u. Indefinitum im Ar. [$ 222. 


Im Altpersischen entspricht cıy: naiy aha martıya naty 
Pärsa naiy Mäda naıy amäkham taumäya kasciy hya u. 8. w. es 
war niemand, weder ein Perser, noch ein Meder, noch jemand 
von unserer Familie, der u.s. w. Spiegel?S. 6,48 ; kadcıy naty adar- 
snaus cisciy bastanaiy niemand wagte etwas zu reden ibid. 8, 53. 

In der Verbindung mit ca erscheint As nur im Re- 
lativsatz. Dabei ist der Relativsatz gewöhnlich verballos (vgl. 
namentlich SF. 5, 570). Belege sind: yat kim caham toäyür 
tdam vadamı ld] Jugasva was immer auch ich, dein Verehrer, 
hier sage, das nımm freundlich an RV. 6, 47, 10: y6 cısca ahmi 
nmän? atnarhä asti maSyö wer irgend in diesem Hause ein 
gewaltthätiger Mensch ist y. 9, 28. Ohne Verbum: pratidam 
oißvam mödats yat kim ca prthivyam ddhi alles das freut sich, 
was irgend auf der Erde .ist RV. 5, 83, 9; ye devah ke ca 
yayhiyas tE rayya sdm sgjantu nah welche immer die ver- 
ehrungswürdigen Götter sind (also s. v. w. alle Gitter), die 
mögen uns mit Gut begaben RV. 10, 19, 7; aß ahura Ävö 
mainyüm zarabuströ verentg mazda yastd cisca spenisto aber 2. 
erwählt für sich jeden heiligsten Geist von dir, o Ahura Mazda, 
y. 43, 16. Dazu adverbiale Ausdrücke wie ai. yatra kvä ca, 
av. yaba kavaca u. ähnl. (vgl. Caland 49° und KZ. 31, 264). 

3) Es folgt schliesslich die Verbindung mit cana. 
Über cand habe ich SF. 5, 544 gehandelt. Es hat offenbar 
seine ursprüngliche Stelle im negativen Satze gehabt und scheint 
nichts anderes als eine Vereinigung von ca nnd nd. So er- 
scheint es bei Formen des Stammes Aa, z. B.: na tdm abnöti 
ka canä ihn erreicht niemand RV. 10, 62, 9; nd pära Jigye 
katard& canäinöh keiner von den beiden ist je unterlegen 6, 
69, 8; Zava vrate vayam na risyema kada cand in deinem Schutze 
werden wir nie Schaden leiden 6, 54, 9; mä ta ülayo ’smän 
kada cana dabhan lass deine Hilfe uns nie fehlen 1, 84, 20. 
Gelegentlich erscheint card auch in Sätzen ohne Negation, so 
3, 30, 1 und 1, 113, 8 (Stellen, über deren Übersetzung die 
Erklärer verschiedener Meinung sind). Sicher ist, dass kada 
cand startr asi 8, 51, 7 bedeutet: “du bist niemals unfruchtbar’ 
(ganz ähnlich 8, 52, 7). Man darf wohl annehmen, dass der 








$222.] Kap. XU. VI. Das Interrogativum u. Indefinitum im Lat. 515 





Dichter cana für negativ genug hielt und sich daher ein weiteres 
nd sparen zu können glaubte. Grassmann will cand in ca nd 
ändern. Im Avesta scheint cına zu entsprechen in kaba cina 
wie nur immer vsp. 22, 2 (in einem Satze mit ma). Latei- 
nisch (Draeger 1, 71ff). Das einfache gutes wird, wie in 
den arischen Sprachen, nur selten in positiven Hauptsätzen 
gebraucht, z. B. heus Simoni adesse me quis nuntiate (Plautus), 
Jiliam quis habet (Cicero). Gewöhnlich steht es, wie in den 
arıschen Sprachen, in negativen Sätzen, und sodann in Kon- 
junktionssätzen. Dabei ist die Verbindung mit ss als uritalisch 
anzusehen, vgl. umbr. svepis, osk. svaepis, svai pid, volsk. sepis. 
Unter den zahlreichen Modifikationen, welche das Lateinische 
darbietet (guidam, quispiam, quisquam, quivss, quilsbet, quisque, 
quisquis, aliquis) ist sicher guisque und wahrscheinlich auch 
quisguam uralt. Quisgue entspricht dem arischen Akas ca. 
Es heisst wie dieses “wer es auch sei, jeder, und wie kas ca 
nicht frei dastehen kann, sondern sich an das Relativum an- 
lehnen muss, so erscheint quisque besonders nach Relativen, 
Reflexiven, Superlativen und Ordnungszahlen. Es ist daher 
nicht richtig, was Draeger 84 sagt, dass guisgue ursprünglich 
ein Relativum generale gewesen sei. In plautinischen Sätzen 
wie: quemque hic ınlus videro eum ego obtruncabo sollte man 
streng genommen nach Anleitung des arischen yas kas ca quem 
quemque erwarten. Indessen ist diese Verbindung, welche da- 
durch unbequem wurde, dass derselbe Stamm auch das Rela- 
tivum lieferte, offenbar früh aufgegeben worden. Quisquam 
entspricht dem Gebrauch nach völlig dem ai. Ad$cana. Denn 
es erscheint nur in negativen Sätzen oder in solchen, die den 
Dienst von negativen versehen können. Es ist nur substan- 
tivisch und deshalb ein Plural nicht nothwendig ("nicht irgend 
einer’ besagt ebenso viel wie “nicht irgend welche‘). Ob -guam 
mit cand identisch ist oder dasselbe verdrängt hat, lasse ich 
dahingestellt (vgl. Grassmann, Wtb. zum Rigveda unter cand). 
Unter den übrigen Formen entspricht quisquis einem uralten 
Typus (vgl. das oben bei den arischen Sprachen Beigebrachte 
und SF. 5, 54). Der Rest besteht aus Neubildungen, von denen 
33* 


516 Kap. XU. VI. Das Interrogativum u. Indefinitum im Got. [$ 222. 





quivis und quilibet deutlich, guidam, quispiam und alıquis mehr 
oder weniger undeutlich sind. Das ai. cıd, av. ci), altpers. cıy 
findet im Lateinischen keine Entsprechung. Im Gotischen 
(Gabelentz-Loebe 196 ff.) verhält es sich im wesentlichen so, 
wie im Lateinischen. Das einfache Avas wird nicht häufig im 
positiven Hauptsatz indefinit gebraucht. Ein Beispiel ist: ska? 
pus hva giban Eyw col rı elreiv Luk. 7, 40. Wie ım La- 
teinischen erscheint es in negativen Sätzen, z. B. ni auk mayum 
hva vihra sunja ob yap Suvapedd tı xara tus aAndelas 2 Kor. 13, 8, 
und besonders häufig in Sätzen mit jabas wenn, tbas ob, Patei 
dass. Dem lat. guisque entspricht hvazuh, wenn es ihm auch 
nicht völlig gleich ist. Ich kann mich nicht entschliessen, in 
dem u einen ‘eingeschobenen’ Vokal zu sehen, sondern meine 
mit Sonne, KZ. 12, 279, dass dieses « die aus dem Altindischen 
bekannte Partikel « ist, über welche ich SF. 5, 504 gehandelt 
habe. Diese Partikel findet sich häufig nach dem Frage- 
pronomen (die Frage ‘verstärkend’, wie wir in Ermangelung 
einer genauen Abgrenzung der Bedeutung zu sagen pflegen) 
und darf daher auch nach dem Indefinitum nicht befremden.! 
Der Sınn des got. Ahvazuh ist ‘jeder’, also wie lat. quisque, es 
erscheint aber gewöhnlich nicht wie dieses angelehnt, sondern 
selbständig, z. B. hvazuh auk funin saltada jah hvarjatoh hunsle 
salta saltida räs yap rupl Alusdnsera xal näsa Bucta AAl Akı- 
oönseraı Mark. 9, 49. Häufig folgt saeı, z.B. kvazuh nu saeı 
hauseib vaurda räs ovv Gorıs Axoveı ToLs Adyous Matth. 7, 24. 
Es wird in gewissen Verbindungen auch adjektivisch verwendet, 
z. B. daga hvammeh 3a hu£pav. Dass hvas (und natürlich auch 
die von ihm abgeleiteten Wörter wie Avarjts) einst auch, wie 
guisque im Lateinischen, sich an Zahlwörter anlehnen konnte, 
beweisen atnhvarjizuh jeder und ainhvaharuh jeder von beiden, 
und auch die etwas auffällige Stellung hinter Kardinal- 
zahlen, die dadurch zu Distributiven werden, so: jah atharhait 
bans tvahıf jah dugann ins insandjun tvans Ivanzuh xal rPos- 


1) An der Aufeinanderfolge der beiden Encliticae u und ca ist kein 
Anstoss zu nehmen {vgl. SF. 5, 474 unten). 








$ 222—223.) Kap. XI. VL Das Interrogat. u. Indefinit. imLit. u. Lett. 517 


xaleitaı Toüs Ömöexa xal Tipkato adtobs Amoordileıv Ebo dbo 
Mark. 6, 7. Diese Ausdrucksweise konnte sich wohl nur ent- 
wickeln auf Grund der Gewohnheit, unser Pronomen den 
Ordinalzahlen anzufügen, wie sie im Lateinischen vorliegt. 
Dem indischen k4$ cand entspricht Avashun!\, jedenfalls 
dem Gebrauche nach, denn es wird nur in negativen Sätzen 
gebraucht, z. B. ni hvashun biubeigs alja ans gub oddels dyados 
el uh eis 0 Bei; Mark. 10, 18. Es kommt wie gutisqguam nur 
im Singular, und zwar nur im Nominatıv des Maskulinums vor. 


$ 223. Baltisch, Slavisch und Griechisch. 

Die zweite Gruppe bilden diejenigen Sprachen, welche 
kein ererbtes Zeichen für das Indefinitum haben. Unter ihnen 
stelle ich das Griechische, als diejenige Sprache, welche auch 
keine neuen Zeichen ausgebildet hat (was das Slavische und 
Litauisch-Lettische gethan hat), an den Schluss. 

Litauisch und Lettisch. Das Pronomen kann auch 
indefinit gebraucht werden, z. B. lit. man tai käs pasake mir 
hat das jemand gesagt, lett. tur biyja kads wirinsch dort war 
ein Männchen (guidam).?2) Besonders geschieht das im nega- 
tiven Satze, sei es, dass die Negation zum Verbum gehört, 
z. B. lit. tat ne küs nores apsihti das wird nicht so leicht 
jemand übernehmen wollen (Kurschat Wb.), sei es, was das 
Gewöhnliche ist, dass sie zu dem Pronomen in nahe Beziehung 
tritt. So entsteht lit. n&kas nichts, keiner, lett. nekas niemand, 
dessen beide Bestandtheile aber noch getrennt werden können 


1) Ich bin bie dahin mit Bopp der Ansicht gewesen, dass hun auch 
lautlich mit cana identisch sei. Jetzt sehe ich, dass J. Schmidt, KZ. 32,402 
hun vielmehr auf den Stamm ku zurückführt. Ich lasse diese Frage wie 
andere lautgeschichtliche unentschieden, bemerke aber, dass nach J. Schmidt 
dem cana germ. gin u. s. w. entspricht. Jedenfalls also war im Germanischen 
ein genaues! Gegenbild von cana vorhanden, mag man dieses nun in hun 
oder gir finden, oder die beiden Formen zu vermitteln suchen. 

2; Bei Zahlwörtern drückt das lett. Adds das Ungefähre aus, z. B. ar 
kädu simtu “mit etwa einem Hundert’. Das heisst wohl eigentlich ‘mit 
irgend einem hundert, welches nicht das bestimmte zu sein braucht’, 
hat also mit dem Gebrauch von qguisque und got. hvazuh bei Zahlwörtern 
nichts zu thun. — Das undeklinirbare lit. kas ‘jeder’ bei Zeitangaben scheint 
ursprünglich relativisch zu sein (Leskien-Brugman 320). 





518 Kap. XII. VI. Das Interrogativum u. Indefinitum im Slav. [$ 223. 


(z. B. ne pi kdda bei niemand). Solche mit einer Negation 
zusammengesetzte Formen können auch positiv-indefinit ge- 
braucht werden. So heisst Iıt. nekufs oder nekursat, f. nekuri 
ein gewisser (adjektivisch) und nekada zuweilen. Auch nekas 
kommt nach Bezzenberger, ZGLS. 258 ım älteren Litauisch 
so vor. Ich vermuthe, dass dieser Gebrauch aus Sätzen mit 
zwei Negationen stammt (wie z. B. “das geschah niemals nicht’). 
Ausser in negativen Sätzen erscheint der indefinite Gebrauch 
ın Konjunktionssätzen, so ist z. B. lett. A4ds immer indefinit 
nach Ja wenn (vgl. got. jabat, lat. ss). Im Litauischen (wenig- 
stens dem jetzigen) giebt es also kein besonderes Zeichen für 
den indefiniten Gebrauch unseres Pronomens, ausser der eben 
erwähnten Verbindung mit der Negation in nekufs nekada. 
Dagegen giebt es im Lettischen noch einige erwähnenswerthe 
Gestaltungen. Zunächst kann die positive und die negative 
Form des Pronomens neben einander gestellt werden, z. B. 
düdi kadam nekädam gieb jemandem niemandem, d. h. wem 
du willst, kur nekur wo es auch sei oder gleichviel wohin. 
Daran schliesst sich jed-kas eig. ‘wenn jemand’, dann ‘irgend 
jemand, der erste beste’ (vgl. auch Bezzenberger 257, wo der- 
selbe Gebrauch aus dem älteren Litauisch nachgewiesen wird). 
Endlich verbindet sich kas mit Aaut wenn doch, wenn, zum 
Indefinitum. Slavisch (vgl. Miklosich 4, 86ff.). Im Slavı- 
schen zeigen sich im wesentlichen dieselben Erscheinungen wie 
im Litauischen und Lettischen. Wie M. sich ausdrückt, er- 
hält Aü die Bedeutung eines Pronomen indefinitum dadurch, 
dass es tonlos wird, in welchem Falle es meist einem oder 
mehreren Wörtern des Satzes nachgesetzt wird. Es kann auch 
den Sinn von jeder erhalten, z. B. russ. cto not jede Nacht, 
to minuta jede Minute (M.87°). Wie im Lit. wird es mit der 
Negation zusammengesetzt, z. B. aksl. nıküto niemand oder mit 
Anhängung von Ze: nıkütoze, doch kann, wie im Litauischen, 
ns durch eine Präposition von Aüto getrennt werden, z. B. ni 
kü komuze nicht zu irgend jemand (M. 88f). Wie im Litau- 
ischen kann aber auch aus der Verbindung mit der Negation (re) 
ein Indefinitum hervorgehen, z. B. aksl. nekto (prikosna se mind 








$ 223.] Kap. XII. VI. Das Interrogativum u. Indefinitum im Griech. 519 


nekto Tıyard poö ti; Luk. 8, 46). Eine Erklärung dieser Er- 
scheinung ist oben bei dem Litauischen angedeutet. Endlich 
sei noch bemerkt, dass auch in slavischen Sprachen ein In- 
definitum durch Vorsetzung von Konjunktionen entstehen kann, 
2. B. aksl. jede kyj quidam, wobei Jede doch wohl dasselbe ist 
wie jeda wenn (vgl. noch M. 89). Was als dem Slavischen 
eigenthümlich angesehen werden kann, ist bei M. unter A und 
2 erwähnt. Dahin gehören Ausdrücke wie aksl. Jyubo Adver- 
bium zu 4ubü lieb, welches zu dem Indefinitum gesetzt, dessen 
Sinn noch steigert, z. B. aksl. na kojemi Yyubo meste auf irgend 
einem Platze, vgl. lat. quilidet. Die von M. unter / erwähnten 
negativen Wendungen, z.B. russ. kto-ni-budi wer es auch sei 
sind wohl Abkürzungen vollerer Wendungen, welche den oben 
erwähnten lettischen vergleichbar sind, also: “wer es sei oder 
wer nicht. Griechisch. Im Griechischen giebt es keine 
Verschiedenheit zwischen dem interrogativen und indefiniten 
Pronomen, ausser in bezug auf Betonung und Stellung. Um 
zu sehen, in wie weit tıs den verschiedenen Arten des In- 
definitums in den anderen Sprachen entspricht, habe ich das 
maskulinische zı; in der Odyssee durchgesehen. Ich zähle nach 
Gehring’s Index 110 Fälle des Gebrauchs in negativen Sätzen, 
20 in Bedingungssätzen, etwa 70 in positiven Hauptsätzen. 
Dem indischen ydh kd$ ca entspricht dorıs, wozu sich dann 
noch 80005 tıs x 45 und die vom Relatıvstamme abgeleiteten 
Konjunktionen gesellen. Jenes rıs im positiven Satze wird 
substantivisch gebraucht, z. B.7 paka 5n Tıs Exnpe roAunvnotnv 
Baotleıav 149; Anpoddxp dE Tıs alba xımv @pdppıyya Auyetav 
oloettw 9 254. Häufig mit partitivem Genitiv (wo man ım Aı. 
&ka gebrauchen würde), z. B. xal töre ri; pe dewv 6Aopuparo 
x 157; @öe Ö& rıc eineoxe v&ov 8 769. Es kann auch zu tıs ein 
Adjektivum treten, 2. B. ös rıs nayırav dihupds xal Aroruos u 140; 
xal rob tıs Soxdeıs yeyas Eppevaı a 382; ToAAög Yap Tıs Exeito 
H 156; AM Bde rıs Sbomvos AAmpevos dvBdd Ixaveı C 206; AAdos 
d adte rıs obros Avon u 380; keive taAav ab yE Tıs ppevas dxrne- 
rarayuevos &oct 0 327. In einigen dieser Stellen könnte man 
vielleicht geneigt sein, substantivischen Gebrauch des Adj. und 





520 Kap. XD. VI. Rückblick auf Interrog. und Indefin. [$ 223—224. 


adjektivischen von rıs anzunehmen. Dieser letztere liegt jeden- 
falls vor, wenn ıs zu Nominativen von Subst. tritt, z. B. Orr 
vwp d8 tıs Eme vewraros x 552; xal tıs Bes Tyepöveuev x 141; 
Eetvds Ts Süotnvos p 501 u. 8. w. Krüger, Di. Synt. 51, 14, 1, 
führt einige homerische Stellen an, an denen ı; im Sinne von 
‘mancher, jeder’ gebraucht sein soll. Sonst hat das Griechische 
für diesen Gebrauch die besondere Form &xasto; ausgebildet, 
über welches Wackernagel, KZ. 29, 144 geistreich gehandelt 
hat. Entsprechend lat. quisguis hat sich jetzt auch tisrıg gefun- 
den: argivisch al tistıs... . edduvor (vgl. Fröhner, Revue arch. 
1891 p. 6), was doch wohl keine Dittographie sein wird. 

$ 224. Rückblick. 

Wir haben gesehen, dass in allen Sprachen das Pronomen 
*go, *gi auch als Indefinitum gebraucht werden kann. Doch 
lässt sich vermutben, dass diese Anwendung im einfachen 
positiven Hauptsatz ursprünglich nur selten gewesen sei. Ihren 
eigentlichen Sitz hatte sie vielmehr im negativen Satze.. Ob 
der Gebrauch im Relativsatz und Bedingungssatz schon alt- 
überliefert ıst, lässt sich an dieser Stelle nicht wohl erörtern. 

Die arischen Sprachen, das Lateinische und Gotische 
stimmen überein im Gebrauche von ca, gue, u-h nach dem 
Pronomen. Ob *go, *gt mit dieser Partikel etwa von Anfang 
an nur in Relativsätzen zu Hause war, muss hier ebenfalls 
unerwogen bleiben. 

Die genannten Sprachen stimmen ferner überein in dem 
Gebrauche von cand, quam, hun, welche eine Verstärkung der 
Negation darstellen. Dass die Verbindung mit ca und cand 
schon der Ursprache angehört habe, also in der zweiten 
Gruppe verloren gegangen sei, ist sehr wahrscheinlich. Wel- 
ches der ursprüngliche Sınn dieses ca (welches auch in cand 
enthalten ist) gewesen sein möge, lässt sich natürlich nicht 
mit Sicherheit sagen. Wahrscheinlich gehört doch ca demselben 
Stamme an, wie das in Rede stehende Pronomen, und wir 
hätten demnach ın der Zufügung des ca im Grunde dieselbe 
Erscheinung vor uns, wie im lateinischen guisguis, also die 
Doppelung. 





5224] Kap. XII. Die Zahlwörter. 54 


Unter den übrigen Anhängseln macht cid, cip, ciy einen 
alterthümlichen Eindruck. Es hat denselben Sinn, welchen 
ich vermuthungsweise dem ca beigelegt habe. 

Die Bedeutung angehend, bemerke ich noch, dass das Indef. 
nicht bloss “irgend einer, ein beliebiger‘, sondern auch ‘jeder 
beliebige, jeder’ bedeuten kann. Dieser Sinn scheint besonders 
in der Verbindung mit ca hervorgetreten zu sein. Man hat 
sich — um auch das noch zu erwähnen — viel bemüht, zu 
ermitteln, ob das Indef. durch Abschwächung’ aus dem Interr., 
oder dieses aus jenem durch die Hinzufügung des Fragetons 
entstanden sei, oder ob etwa — denn auch das ist ja mög- 
lich — beide aus einem Pronomen des verwunderten Ausrufs 
entstanden seien. Diese Frage ist durch die Mittel einer 
historischen Untersuchung nicht zu lösen. Für meinen jetzigen 
Zweck genügt es, festzustellen, dass in der Urzeit bereits beide 
Gebrauchsweisen vorhanden waren. 


Kapitel XII. Die Zahlwörter. 


Whitney, Gr.183ff., SF. 5, 80ff.; Spiegel, Gr. 473 £.; Küh- 
ner? 621ff.; Neue 2, 144 ff.;, Gabelentz-Loebe, Gr. 179 ff.; 
Schleicher, Gr. 295 ff.; Kurschat, Gr. 415 fl.; Bezzenberger, 
ZGLS. 177 ff.; Miklosich 4, 51 ff., 476 ff. 

Über die Bildung der idg. Zahlwörter !) ist neuerdings von 
J. Schmidt, Pluralbildungen (s. den Index) und von Brugmann 
2, 463 ff. gehandelt worden. Ich stelle mich im allgemeinen auf 
den Boden des von diesen beiden Gelehrten Festgestellten. 
Ein Eingehen auf die zwischen ihnen bestehenden Meinungs- 
verschiedenheiten kann ich gemäss dem Zwecke dieses Buches 
vermeiden. 

Über den indogermanischen Zustand lässt sich mit Wahr- 
scheinlichkeit Folgendes vermuthen: 


1) Ich handle im Folgenden nur von den sog. Kardinalzahlen. Über 
die Ordinalzahlen ist gelegentlich gesprochen worden S. 430 und 438. 


522 Kap. XIII. Die Zahlen von 1—4. [8 225. 


Die Zahlen von 1—4 waren jedenfalls im adjektivischen 
Gebrauch. Dass sie auch substantivisch gebraucht werden 
konnten, z. B. in Ausdrücken wie der unsrige wir sind unser 
drei, ist sehr wahrscheinlich. Über den Ursprung lässt sich 
nichts ausmachen. 

Die Zahlen von 5—19 sind wahrscheinlich unflektierbar 
gewesen, wenigstens dann, wenn sie adjektivisch vor dem Ge- 
zählten standen. Dafür spricht vor allen Dingen der That- 
bestand im Altindischen, wo diese Zahlen im Veda regelmässig 
unflektierbar sind, später aber in den obliquen Kasus regel- 
mässig flektiert. Dass dıe Sprache des Veda eine aus der Ur- 
zeit überkommene Kongruenz sollte aufgegeben haben, ist 
höchst unwahrscheinlich. | 

Die Zahlen von 20 an waren unzweifelhaft Substantiva. 

Natürlich musste sich aus dieser Verschiedenheit zusammen- 
gehöriger Wörter ein Streben nach Ausgleichung, ein Kampf 
zwischen Substantivum und Adjektivum entwickeln, welcher 
im allgemeinen zu Gunsten des Adjektivums entschieden 
worden ist. Dabei aber erhob sich wieder eine neue Schwierig- 
keit. Adjektiva stehen mit ihrem Subst. in Kongruenz, und 
diese ist auch, wie wir schon bemerkten, im Altindischen, 
soweit die Form es zuliess, herbeigeführt worden, aber in den 
andern Sprachen sträubte sich doch das Sprachgefühl dagegen, 
wenigstens soweit es nicht die ganz niedrigen Zahlen angeht. 
Man hatte das richtige Gefühl, dass die Zahlwörter doch etwas 
anderes sind als die Adjektiva, und aus diesem Gefühl ent- 
stand dann die Abneigung gegen die Durchführung der Kon- 
gruenz, welche schliesslich zur Erstarrung führte. 

Ich bringe nun die mannigfaltigen Ausdrucksweisen der 
Einzelsprachen, die sich aus diesen Verhältnissen ergeben, zur 
Darstellung, indem ich die schon angedeuteten Zahlen- 
gruppen als Eintheilungsgrund benutze. 


$ 225. Die Zahlen von 1—4. 


Die adjektivische Beschaffenheit dieser Wörter ist im Ari- 
schen noch rein erhalten. Im Griechischen im allgemeinen 











$ 225— 226.) Kap. XIN. Die Zahlen von 5—10. 523 


wohl ebenfalls, doch ist 860 (ööw) bei Homer nur in starrer Form 
nachzuweisen: tüv öbo norpawv K 253; dbw roraumv x 515; dm 
xavdveco dpapuiav N 407. Die Schuld der Erstarrung mag die 
Form övo tragen, welche den sonstigen Kasus so gar unähnlich ist. 
Tpet; und r&soapes sind bei Homer nur im Nom. und Akk. vor- 
handen. Über den Gebrauch in der sonstigen Literatur giebt 
Kühner einige Auskunft. Im Italischen ist die Vierzahl 
erstarrt, nur in dem oskischen petora ist eine Neutralform ge- 
blieben, auch die Zwei wird bisweilen ohne Flexion gebraucht. 
Im Gotischen ist bei den Wörtern bis drei die Flexion voll- 
kommen, z.B. afar brins dagans, du jeram Prim u. ähnl. Bei 
vier findet sie sich wie im Lateinischen nicht mehr. Man sagt 
door busundjos und dagans, aber auch Advor busundjom und 
af fidvor vindam. Nur einmal findet sich Advorim : hafanana 
ram fidvorim alpöpevov Dno Teooapwv Mark. 2, 3. Der Grund 
liegt offenbar in dem isolierten Gebrauch. Auch wir sagen 
ja von vier Münnern, aber getragen von vieren. Das Litauische 
kommt insofern nicht in betracht, als die Zahlen von 1—9 
sämmtlich adjektivisch gebraucht werden. Im Slavischen ist 
der alte Zustand bewahrt worden. 

$ 226. Die Zahlen von 5—10. 

Die zweite Gruppe bilden die Wörter für die Zahlen 
von 5—10. Im Altindischen erscheinen die Formen päfica, 
$a$, saptd, aftau (ü), ndva, däSa als Nom. (Vok.) und Akk. mit 
pluralischem Subst. Doch kommen sie auch neben anderen 
Kasus vor, so pdica neben dem Gen. k$itinam und dem Lok. 
kr$tigu, saptd neben dem Lok. sindhusu und dem Instr. hötrbhih, 
da$a mit dem Instr. kak$yabhih. Mit Flexionsabzeichen ver- 
sehen, in adjektivischem Gebrauche, kommen im RV. vor: 
Janegu ‚pahcdsu, adhvaryübhih pahcabhih, saptäbhih puträih, na- 
vabhir vajair navali ca väjinam stark durch neun und neunzig 
Kräfte 10, 39, 10, da$abhir viraih u. ähnl. — Die Flexions- 
formen werden auch gebraucht, wenn das Zahlwort isoliert, 
sei es geradezu als Subst., sei es von seinem Subst. entfernt 
stehend gebraucht wird, z. B. s4 saptänam irajyati er herrscht 
über siebene 8, 41, 9; tvdm ha tydt saptäbhyö Jayamano 


524 Kap. XII. Die Zahlen von 5—10. [$ 226. 


nn nn on — m nn Den ne nn m er mn mn 


$atrühhyo abhavah S$ätrur indra du wurdest damals bei deiner 
Geburt ein Feind für die sieben, die keinen Feind hatten 
8, 96, 16; @ deabhyam härıbhyam indra yahy @ catürbhir a 
$adbhir hüuyamanah | ästabhir daSdbhih sömapeyam mit zwei 
Falben komm heran, o Indra, mit vieren, mit sechsen, wenn du 
gerufen wirst, mit achten, mit zehnen zum Somatrank ?, 18, 4. 
In der Prosa sind ın den obliquen Kasus die flektierten 
Formen durchaus üblich geworden. Für den substantivi- 
schen Gebrauch unserer Wörter wird eine Stelle aus dem 
RV. angeführt, in welcher neben pähca der Gen. stehe, wäh- 
rend man den Nom. erwartet: yad indra te cdtasrö yac chüra 
sänti tisrah | ydd va pähca kfifinam dvas tät su na a bhara 
5, 35,2. Ich kann aber nicht glauben, dass päfca kfitinam 
hier anders aufzufassen sei, als 1, 7, 9. 1, 176, 3. 6, 46, 7, wo 
pahca genitivisch gedacht ist. Es wird also wohl zu übersetzen 
sein: wenn du vier Stämme hast, oder drei, oder wenn du dıe 
Hilfskraft der fünf Stämme hast, bring sie uns herbei. Da- 
gegen kommt ein solcher Gen. bei da$an vor: daba te kalaanam 
hiranyanam adhimahi wir haben von dir zehn goldene Becher 
empfangen RV. 4, 32, 19. Hier ist also, wie ich SF. 5, 81 be- 
merkt habe, da$an wie unser Dutzend u. ähnl. gebraucht. Im 
Avesta überwiegt durchaus die Flexionslosigkeit, doch kommen 
adjektivisch vor: navangm und dasangm aspangm von neun, 
zehn Rossen u. ähnl. Isoliert pancangm ahmi ich gehöre zu 
den fünfen y. 10, 16. Im Griechischen und Lateinischen 
sind nur die flexionslosen Formen vorhanden. Das äolische 
reunov und das ionische dö&xwv bilden eine Ausnahme. Im 
Gotischen haben diese Zahlen im Nom. und Akk. nur die 
flexionslose Form (also Formen wie unser sechse gegen sechs 
sind nicht vorhanden!. Diese erscheint immer adjektivisch vor 
oder nach dem gezählten Wort. Die flexionslose Form wird 
auch neben einem obliquen Kasus gebraucht, wenn das Zahl- 
wort vorangeht, so: fimf hlatbam, fimf baurgim, sibun sınbam, 
tathun baurgim. Wie es sich mit dem nachstehenden Zahlwort 
verhält, lässt sich nicht ermitteln, es ist aber aus dem Ver- 
halten der Wörter der nächsten Gruppe zu schliessen, dass es 





$ 226.] Kap. XIII. Die Zahlen von 5—10. 525 


— no um 





flektiert wurde. Die einzige flektierte Form unserer Gruppe 
ist: ın niunlehundis jah niune garaihtaize irı &vvevnxovra &vvea 
öıxalors Luk. 15, 7, wobei niune als Subst. empfunden sein wird. 
Von dem Urtrsprünglichen abgewichen sind das Litauische 
und Slavische. Im Litauischen sind die Zahlen von 5—9, 
nämlich penki Fem. penkios, szeszi sz&szios, septyni septijntios, 
asztüni aszlünos, devynı devyjnios rein adjektivisch geworden. 
Zehn ist Substantivum, lautete früher deszimtis, lautet jetzt 
deszimt und ist ındeklinabel. Es hat das Nomen im Gen. bei 
sich. In der älteren Sprache ist, wie Bezzenberger a.a.O. 179 
ausführt, die Konstruktion noch mannigfaltiger. Es erscheint 
adjektivisch, so deschimtisa miestosu in den zehn Städten, 
und als Substantivum flektiert, z. B. su Diewo deschimtimi 
(Instr. Sing.) prisakımu (Gen. plur.) mit Gottes zehn Geboten. 
Im Slavischen (Miklosich 4, 476 fi.) sind die Zahlen. von 5—10 
Substantiva, neben denen dann natürlich der gezählte Gegen- 
stand im Gen. steht, z. B. aksl. sedmt tq hlebü obs &nta Aprous, 
wörtlich gleich &rtada Thy Aprwv (Leskien, Handbuch? 79. 
So z. B. im cod. Mar.: pefi Ze be otü njichü buji ı peli madrü 
nevre 62 Tony EE adrav Ppövıpor xat revre uwpat Matth. 25, 2; 
pryemü peti hlebü Aaßwv tous revre Aptoug Matth. 14, 19; ne 
imamü süde veste peti hlebü obx elsiv Yyiv mAclov 7) nevre Apror 
Luk. 9, 13; jedinü be dlüzenu petijq sotü dinari 6 eis wwerls 
Öönvapıa zevraxdsıa Luk. 7, 41; o peli hlebü von den fünf 
Broden S. 187, 10. Doch können nach Miklosich diese 
Zahlwörter in den obl. Kasus auch wie Adjektiva behandelt 
werden, die im Kasus und Numerus mit dem gezählten 
Gegenstand kongruieren, 2. B. aksl. si petimti sestrami cum 
quinque sororibus (für das ältere sö petija sestrü). Nicht selten 
findet auch bloss Übereinstimmung im Kasus statt, z. B. si 
inemi sestiju cum aliis sex; takozde bysti i drugymi deveti ko- 
rabljemi ıdem accidit reliquis novem navibus. In lehrreicher 
Weise schildert Baudouin de Courtenay in Kuhn und Schleicher's 
Beitr. 6, 81 diesen Vorgang mit bezug auf das Polnische. Er 
sagt: “die Zahlwörter ped 5, desc 6, $edem 7, oem 8, däeued 9, 
dze$ed 10 sind ursprünglich Substantiva abstrakta fem. gen. und 


526 Kap. XIIL Die Zahlen von 11—19. [$ 226— 227. 


wirklich kommen im älteren Polnisch fast ausschliesslich For- 
men vor, wie Gen., Lok., Dat. pedi, Sesdi, sedmi u. s. f.; Instr. 
petq, $escq, $edmq u. s. w. was man manchmal noch heute zu 
Tage hören kann. Alle syntaktischen Beziehungen also drückte 
man an diesen Zahlwörtern aus und das Substantivum trat nur 
als Ergänzung dazu, z. B. dal to pedi (Dat.) paropköf (er hat 
es fünf Knechten gegeben), poyechal s pedq (Instr.) Zud2i (er ist 
mit fünf Leuten gefahren), oltafe $iwec Jedmq jasne (die Altäre 
durch sieben Lichter hell) u. s. f. Allmählich aber trat das Ge- 
fühl ein, dass dies Beziehungen nicht des Zahlwortes, sondern 
des Substantivs seien, und dass das Zahlwort eigentlich nur 
die Rolle der näheren Bestimmung spiele. Darum fing man an, 
die Kasusbeziehungen am Substantivum auszudrücken. Da, 
wie sich von selbst versteht, diese Substantiva im Plural stehen 
müssen, so versetzte man infolge der inneren Kongruenz auch 
die sie näher bestimmenden Zahlwörter in den Plural und sagte: 
Instr. pedoma (die duale, plural und numeral gewordene En- 
dung) /udzmi (mit fünf Leuten) und andere Kasus nahmen 
vom Dual die jetzt numeral gewordene allgemeine Endung -u 
an: Dat. pedu ludZom (den fünf Leuten), Gen. pedu Zudäi, Lok. 
pecu ludzach und selbst Instr. pedu ludzmi neben pedoma ludzmi 
u.8s.f. Nur wenn das Zahlwort allein steht, kann man den 
nach der Analogie des Plurals gebildeten Dativ pedom u.s. w. 
brauchen” u. s. w. (Auch was über die folgenden Gruppen 
gesagt wird, wolle man bei diesen vergleichen.) 


$. 227. Die Zahlen von 11 bis 19. 


In der Gruppe 11—19 finden wir dieselben Erscheinungen, 
wie in der vorhergehenden. Im Altindischen zeigt der RV. 
(wo begreiflicher Weise diese Zahlen selten erscheinen) nur 
Nominativ und Akkusativ, also Formen wie dvadaSa. In der 
etwas späteren Sprache treten die flektierten Formen auf, z. B. 
$odaSabhir bhögaih mit sechzehn Windungen TS. 5, 4, 5, 4, 
pafcadasanam gäyatrinam von fünfzehn Gäyatris SB. 1, 3, 5, 9. 
Im Griechischen und Lateinischen kommen nur die unflektier- 
ten Formen im adjektivischen Gebrauche vor. 


$ 227.) Kap. XIII. Die Zahlen von 11—19. 597 


Besondere, von denen der Urzeit abweichende Ausdrücke 
bieten das Germanische, Litauische und Slavische, 
und zwar bedienen sich das Germanische und Litauische eines 
aus der gleichen Wurzel gebildeten Nomens, welches etwa 
Überschuss’ bedeutet haben wird. Im Gotischen erscheint 
dieses Nomen (*ör) als ı«-Stamm. Demnach hiesse ainlif so 
viel als “eines darüber hinaus’, nämlich über zehn. Die Flexions- 
verhältnisse sind im Gotischen wie die der vorigen Gruppe. 
Wir finden nämlich auch die obliquen Kasus unflektiert, wenn 
sie vor dem Gezählten stehen, so ham tvahf siponjam seinaim 
Matth. 11,1. Dagegen sind sie flektiert, wenn das Zahlwort 
nachsteht, z. B. ana spaurdim fimftaihunim Aro oradluv dexd- 
revte Joh. 11, 18; vas auk jere toalibe hy yap tray dwmdexa 
Mark. 5, 42. Ferner stehen die flektierten Formen, wenn das 
Zahlwort isoliert (substantivisch) gebraucht ist, z. B. Datm aın- 
libim den elfen 1 Kor. 15. 5; mib Baim toalibim mit den zwölfen 
Mark. 4, 10; ains visands bize toalibe Joh. 6, 71. Die litaui- 
schen Formen venülika, doylika, trylika, keturiolika, penkiolika, 
szesziolika, septyniölika, asztüniölika, devyniölika sind in der 
Schriftsprache indeklinabel. Sie haben nach Kurschat415, wenn 
sie im Sinne des Nominativs oder Akkusativs stehen, das gezählte 
Wort im Genitiv bei sich, sind also substantivisch gebraucht, 
2.B. dvylika zmontü zwölf Menschen (Nominativ und Akkusativ). 
Wıll man aber ein Zahlwort als obliquen Kasus verwenden, 
so tritt es als Adjektivum vor das gezählte Nomen, z.B. dük 
tai tems penkiölika vaikams gieb es den fünfzehn Kindern. 
Entsprechend ist der Gebrauch in den Dialekten und der 
älteren Sprache, nur dass unsere Wörter noch der Flexion fähig 
sind. Und zwar werden sie, falls ein abhängiger Genitiv neben 
ıhnen steht, als Singulare femininischer Substantive behandelt, 
z. B. visar doylikar pönu dem ganzen Dutzend von Herren, 
allen zwölf Herren (Kurschat 269), tarp anu (Gen. plur. mask.) 
dwrlıkös (Gen. sing. fem.) unter den zwölfen (Bezzenberger a.a.O. 
180). Sind sie isoliert oder Adjektiva, so erhalten sie natürlich 
diejenige Flexion, welche ihr leitendes Substantivum verlangt, 
also pluralische Form, z. B. aniems wienolikams den elfen (Dat. 


523 Kap. XIII. Die Zahlen von 20—%. [$ 227—228. 


plur. mask.), pagal dwrlikas (Akk. plur. fem.) gimtnes nach den 
zwölf Stämmen. Über die Erklärung dieser litauischen Zahl- 
wörter, in denen offenbar ein Nomen *lıko “überbleibend’ zu 
Grunde liegt, hat Mahlow, die langen Vokale a & 6 S. 49 das 
Richtige gelehrt, indem er bemerkt, keturilika u. s. w. seien 
ganz regelmässige Neutra plur., deren erstes Glied vor Ver- 
kürzung im Auslaut geschützt war. Über den Vokal von 
venü- kann man verschiedener Ansicht sein, worüber hier nicht 
zu handeln ist.) So heisst also Aeturiolika (zehn und) vier über- 
schiessende. Joh. Schmidt, Pluralb. 39 sieht in den älteren 
Formen wie vönülikams, dvylıkars noch die regelmässigen Dative 
bez. Instrumentale dieser alten Neutren. Das kann sein. Es 
kann aber auch sein, dass in ihnen Neubildungen vorliegen, 
wie jedenfalls der Akk. plur. doylikas eine ist. Sicher ist jeden- 
falls, dass die Formen auf -Zika ursprünglich Neutra plur. 
waren, dann aber, als das Neutrum ım Litauischen verblasste, 
als Fem. sing. aufgefasst wurden. Im Slavischen wurden 
11—19 mit Hilfe der Präp. na “auf” gebildet, z.B. aksl. jedinü 
na desete 11, eig. eins auf zehn (wobei desete Lok. sing. des 
Stammes desel- ist), düva na desete 12 u. s. w. In syntaktischer 
Beziehung ist, wie sich erwarten lässt, das Wort Jjedinüä, düva u.s. w. 
massgebend (Miklosich 4, 480), z. B. Aü jedinuumu na desete Casu 
um die elfte Stunde, eig. zu einer Stunde auf zehn; zaporeda 
dvema na desete Zriti bogoma jussit duodecim dis sacrificari. 
Doch unterliegt man leicht der Versuchung, von diesem nicht 
bequemen Typus abzuweichen. Man flektiert gelegentlich (wenn 
auch ganz selten) beide Zahlwörter, z. B. dvema na desetema 
letomü duodecim annorum (statt na desete), oder man behandelt 
die drei Wörter als ein substantivisches Zahlwort, zu dem dann 
das gezählte Wort ım Gen. tritt, z. B. dva na desete legeonü 
zwölf Legionen (statt Zegeona nach dova). 

$. 228. Die Zahlen von 20—90. 

Die Zahlen von 20—90 scheinen in ihrem zweiten Be- 
standtheil ein Wort von der Bedeutung ‘Dekade’ zu enthalten, 
das in 20 ım Dual, in den übrigen Wörtern im Plural er- 
scheint (vgl. Thurneysen, KZ. 26, 310 fi.). 





$ 228.] Kap. XIII. Die Zahlen von 20—90. 529 


Was zunächst die arischen Sprachen betrifft, so hat bei 20 
das Avesta die ursprünglichere Form, insofern zwar der Dual 
nicht mehr als solcher erhalten, aber doch nicht wie im Indi- 
schen Singular geworden, sondern erstarrt ist: visaitt ist un- 
beweglich, z. B. visaitt (Akk.) upazanangqm 20 Schläge yt. 10, 122. 
Im Sanskrit dagegen ist aus dem Dual der Sing. viSati ent- 
standen, der als Fem. flektiett wird. Dabei ist die Ver- 
wendung fast durchaus adjektivisch, so dass v4$at! im Kasus 
mit seinem Substantivum übereinstimmt, während der Numerus 
verschieden ist, z. B. saptd Satani vißati$ ca putrah sieben 
hundert und zwanzig Söhne, viSatim gah zwanzig Kühe, 
viSatya haribhih mit zwanzig Falben. Ein abhängiger Genitiv 
(wie im Avesta) findet sich in: $atä ca viSatim ca gönam hundert 
und zwanzig Kühe, wobei übrigens $ata seine Einwirkung 
geübt haben wird. Die Zahlen von 30—90 erscheinen in den 
arıschen Sprachen nirgends mehr als neutrische Plurale, was 
sie in der Ursprache gewesen sein werden, sondern als femi- 
ninische Substantive auf ai. Im Avestischen, das auch in 
diesem Falle die ursprüngliche Anwendung bewahrt hat, giebt 
es freilich nicht mehr den Nom. auf at (einmal ein Nom. 
prisas ca), sondern nur die akkusativische Form auf atem. 
Diese ist nominativisch verwendet vd. 4, 18ff,, wo die Frage 
‘was ist dessen Strafe?” beantwortet wird durch panca upä- 
zana, dasa upazana, pancadasa upazana, Prisatem upäzananam 
5 Schläge u. s. w. Man könnte allenfalls auch an dieser Stelle 
den Akk. annehmen, indem man ergänzt ‘soll er empfangen’. 
Doch ist es wohl natürlicher, anzunehmen, der Nominativ 
habe die akkusativische Form erhalten, etwa nach Analogie 
von satem hundert. Das gezählte Wort steht im Gen., wie in 
dem eben angeführten Falle, in capwaresatem atwigämangm 
40 Jahre und sonst. Kin Gen. liegt vor in Prisatangm bawrangm 
von dreissig Stück Bibern yt 5, 129, wobei ich annehme, dass 
bawrangm von Prisatangm abhängig ist. (Geldner übersetzt — 
wohl unrichtig — dreihundert.) Adjektivische Anwendung 
liegt nicht vor, denn in capwarasca aba garayö cabwaresatemca 


dvazca saitg dvagca hazasarg es giebt vier Berge und vierzig 
Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm. Sprachen. I. 34 


530 Kap. XIH. Die Zahlen von 20—90. 'g 228. 


und zweihundert und zweitausend yt 19, 7 ist der Nom. garayö- 
natürlich durch cabwaras bestimmt, und ebenso in der einen 
Stelle, wo risqs vorliegt, durch Prayas : brayasca brisgsca 
nazdista patrishavanayo die drei und dreissig nächsten Opfer- 
werkzeuge y. I, 10. Einmal kommt im isolierten Gebrauche 
vor pancasapbisca mit den funfzig vsp. 8, 1. 

Im Altındischen wird die Form auf af adjektivisch 
bei dem Nom. und Akk. aller Geschlechter gebraucht, z.B. 
catvärisät $önas vierzig Braune, triSät pada dreissig Schritte 
(Akk.), pahcaSat kröna ni vapah sahdsrä funfzig schwarze 
Tausende warfest du nieder RV. 4, 16, 13. Der Instr. kommt 
wie der Instr. von viSati vor, z. B. catrarı$ata harıbhih mit 
vierzig Falben. Neben dem adjektivischen Gebrauch kommt 
auch der substantivische vor, z. B. yasam tisrah pahcasäto’ 
pävapah von denen du drei Funfzigschaften zerstreutest RV. 1, 
133, 4, pahcaSatam dSvanam funfzig Rosse. Bei den Zahlen 
von 60-90 ist die alte idg. Gestalt durch Neubildungen auf 
{5 verdrängt worden. Sie lauten $aftı zsvastim, saptatı haptaıtım, 
aiti astaitim, navati navaitıim. Wie man sieht, ist im Avesti- 
schen wieder nur die Akkusativform belegt. Sie sind in dieser 
Sprache Subst. und haben den Gen. bei sich, z. B. zsvastim 
ätaresaokangm sechzig Feuerbrände. Entsprechend dem indi- 
schen tisrah pahcaSatah kommt auch nava navaiti$ die neun 
und neunzig yt. 13, 62 vor. Im Altindischen überwiegt wieder 
der adjektivische Gebrauch, z. B. trih $a$tir marütah die drei- 
mal sechzig Marut; $astih fata sechzig Hunderte; navatir nava 
sahasra neun und neunzig Tausende; bhindt pürö navalim er 
brach neunzig Burgen RV. 1, 130, 7; $asfim sahdsrä sechzig 
Tausend; $astya haribhih mit sechzig Falben; navati vajaıh 
mit tausend Kräften u. ähnl. Einmal steht navatim adjektivisch _ 
neben einem Gen. Plur. Denn RV. 1, 121, 13 präsya pärdm 
navatim nävyänam kann doch nur heissen: fortschleudernd zum 
jenseitigen Ufer der neunzig Ströme. (Regelrecht navatim 
nävya dnu 1, 80, 8.) Von substantivischem Gebrauch weiss ich 
aus RV. nur die seltsame Wendung navatir ndva 1, 84, 13, 
nava navatih 4, 26, 3 anzuführen. Es sollte bedeuten ‘neun 








$ 228.) Kap. XHL Die Zahlen von 20—90. 531 


Neunzigschaften’, hat aber augenscheinlich die Bedeutung “neun 
und neunzig”. 

Neubildungen finden wir im Grermanischen, Litauischen 
und Slavischen. Das Gotische (nur dieses soll hier berück- 
sıichtigt werden) ersetzt die Zahlwörter von 20—60 durch den 
Ausdruck “zwei, drei u. s. w., Dekaden’, wobei Dekade tigus 
(Mask.) heisst, z. B. Dans Prins tiguns silubrinatze die dreissig 
Silberlinge Matth. 27, 3; Amf tiguns jere funfzig Jahre Joh. 
8, 57; miß tvaım tıgum Pusundjo mit zwanzigtausend Luk. 14, 31; 
ni mins saths tigum jere nicht weniger als sechzig Jahre 1 Tim. 
5, 9. Also ist auch ın Jah silba vas Iesus sve jere Prije tigive 
und selbst war Jesus dreissig Jahre alt Luk. 3, 23 der Gen. 
jere von dem Gen. Prije tigive abhängig. Die übrigen drei 
Zahlwörter stduntehund, ahtautehund, niuntehund haben die 
vielumstrittene Bildung mit tehund oder hund. Sie sind singu- 
larisch, wie #» niuntehundis Jah niune garaihtatze um neun und 
neunzig Gerechter willen Luk. 15, 7 beweist. Doch erscheinen 
sie ausser an dieser Stelle flexionslos, z. B. bileipid Po niunte- 
hund jah niun lässt die neun und neunzig Luk. 15, 4; soAR Pan 
viduvo jere ahtautehund jah fidvor diese Wittwe von vier und 
achtzig Jahren Luk. 2, 37. Im isolierten Gebrauch liegen sie 
nur im Akk. vor, wo sie flexionslos sind, z. B. anbarans sibunte- 
hund Luk. 10,1. Im Litauischen sagte man wie im Ger- 
manischen zwei Zehner u. s. w., also ursprünglich jedenfalls 
dvi deszimti, trys deszimtys u. s. w. Diese beiden Wörter wur- 
den (wie im Gotischen) dekliniert und der gezählte Gegenstand 
trat im Gen. dazu, z. B. keturüsa deschimtissa metu in vierzig 
Jahren (Bezzenberger a. a. O. 181). “Diese im Alit. vorfind- 
liche und dialektisch noch heute vorhandene Ausdrucksweise 
erfuhr Wandel, indem der Einer mit dem Dekadenwort zu- 
sammenschmolz, wobei sich im ersten Glied die Akkusativform 
verallgemeinerte und im zweiten theils -deszimts starr wurde, 
theils (im Schriftlitauischen) von dvi-deszimt 20 die Form 
-deszimt eindrang, also theils tris-deszimts kötures-deszimtsu.s. w., 
theils {ris-deszimt u. s. w.” (Brugmann 2, 500). Im älteren 
Litauisch finden sich noch andere Umwandlungen. So entsteht 

34* 











532 Kap. XIII. Hundert und Tausend. [$ 228— 229. 


z. B. aus dem Dual dvi deszimti ein singularısches Kollektivum 
(wie ai. viSati), z. B. in po dwideschimties metu nach zwanzig 
Jahren. Daraus wieder löste sich ein döszimtis los, welches 
dann natürlich singularısch flektiert wurde, während der Einer 
seinen natürlichen Numerus behielt, z. B. esch buwau ketury 
deschimties matu ich war vierzig Jahre alt. Im Slavischen 
herrscht dasselbe Prinzip. Man sagt also aksl. düva deseti 
zwanzig, iri deseti 30, cetyre desete (oder -t) vierzig. Da die 
Einer von 5 an Substantiva sind, so trıtt zu ihnen natürlich 
der Gen. von deseti, also 50 heisst ppfi desetü revräs dexdöwv. 
Nur selten werden die beiden Bestandtheile zu einem Worte 
vereinigt, z. B. osmi Ai tridesetimi triginta octo. Zu dem so 
entstandenen Zahlwort tritt der gezählte Gegenstand im Gen. 
Plur. z. B. po cetyrechü desetechü din! nach vierzig Tagen 
(Miklosich 4, 482). 

$ 229. Hundert und Tausend. 

Die Wörter für hundert und tausend sind neutrale Sub- 
stantiva.. Im Arischen, wo sie Satam satem, sahäsram ha- 
zarrem lauten, kommen sie natürlıch oft isoliert vor, worüber 
man sich, soweit es das Altindische betrifft, aus Grassmann’s 
Wörterbuch bequem unterrichtet. Ich führe beispielshalber an: 
ut t6 katun maghavann üc ca bhüyasa ut sahasrad rirıce krstisu 
$ravah dein Ruhm, o Herr, übertrifft hundert und noch mehr, 
er übertrifft tausend unter den Menschen RV. 1, 102, 7. (Auf 
einen eigenthümlichen Gebrauch des Instr. plur. ist schon 
hingewiesen worden, z. B. ya märöya pasca vazenti xz$vaS satürs 
hazarrrem ca welche in meinem Gefolge fahren zu Sechshun- 
derten und Tausend yt. 5, 95, ebenso hazapräıs zu Tausenden 
vd.13,51. Auch $afäis scheint im Veda so vorzukommen, vgl. 
8.238.) Das Gezählte tritt in den Gen., und zwar fast durchaus 
des Plur., z. B. Satam gönäm hundert Kühe; satem kayadanam 
hundert Irrlehrer yt. 10, 2; sahasram samaSiram tausend Misch- 
tränke; hazarrem gavam tausend Kühe yt. 9, 3; Satdsya nrnam 
von hundert Männern; Sata gavam Hunderte von Kühen; sa- 
hasräni gäavam Tausende von Kühen; gavam sahäsräih mit Tau- 
senden von Kühen. Gelegentlich kommt auch der kollektiv 











$ 229.) Kap. XUI. Hundert und Tausend. 533 


gebrauchte Singular des Gezählten vor, so dve Sate göh zwei- 
hundert Kühe (vgl. S.154). Statt des Gen. kann auch ein ab- 
geleitetes Adjektiv erscheinen, z. B. $atäm gäavyam oder dSoyam 
hundert Rinder, Rosse; ebenso bei sahäsram: sahäsra gavyanı 
und gäoyebhir aßoyaih sahäsrebhih (RV. 8, 73, 15). Sehr häufig 
stehen unsere Wörter auch adjektivisch (das Gezählte im 
Plural), und zwar: a) In der Nom.-Akk.-Form. Das Gezählte 
steht gewöhnlich ebenfalls in diesem Kasus, aber doch auch im 
Instr. oder Gen. Beispiele sind: $atam bhisajah hundert Ärzte, 
$urddah Herbste, utayah Hilfen, aha Tage, histenti yazatärhö 
satemca hazarremca es stehen die Verehrungswürdigen da, 
hundert und tausend yt. 6, 1, wobei indes die Zahlwörter, als 
“ epexegetisch stehend, auch als Substantiva empfunden sein 
können, wie oft auch im Altindischen; sahasram utayah tau- 
send Hilfen, Aharayah Falben, stötarah Lobpreiser, bhogaja 
Heilmittel. Für den Akkusativ: $atam himäs hundert Winter, 
dSvan Rosse, radhäsi Vorräthe, sahäsram viran tausend Männer, 
radhäsi u. s. w., hazarrem aspä (Akk. plur.) bavaiti er bringt 
es auf tausend Rosse yt. 18, 5. Für den Instrumentalis: Satdm 
cak$ano ak$abhih mit hundert Augen schauend RV. 1, 128, 3, 
rathebhih Wagen, utibhih Hilfen u. s. w.; sahasram pathibhrh 
auf tausend Pfaden, ztibhrh mit tausend Hilfen, pitrbhih Vätern 
u. s. w. Für den Genitiv: hazarrem narqm taocma einen Stamm 
von tausend Männern vd. 2, 30. Das Zahlwort kann auch im 
Plural stehen, z. B. tvam Satany dva Sämbarasya pürö Jaghanthä- 
pratini däsyöh du hast vielhundert Burgen des S. niedergelegt, 
die unwiderstehlichen des Feindes RV. 6, 31, A (wobei 
das Adjektivum auf das Zahlwort, nicht auf das Gezählte 
bezogen ist); sahasra dasyun, ddhiratha vieltausend Feinde, 
Wagenlasten; $a$ftim sahdsra vasüni sechzigtausend Grüter 
RV. 9, 97, 531). b) So, dass das Zahlwort denselben Kasus 
annimmt wie das Gezählte. Dabei ist das Regelmässige, dass 
das Zahlwort im Singular steht, z. B. $atena harıbhih mit 

1) Ich habe mich in dieser Darstellung für den zweiten Theil der 


SF. 5, 82 aufgestellten Alternative entschieden, und zwar wegen der letzt- 
erwähnten Stelle. 


534 Kap. XIII. Hundert und Tausend. [& 229. 


hundert Falben, abAistfibhih Hilfen, und so stets ın der Prosa. 
Es kommt aber doch auch vor, dass das Zahlwort ım Plural 
steht, so: @ tü na indra Sqsaya gösu abvegu bubhrigu sahäsrosu 
turimagha lass uns, o mächtiger Indra, hoffen auf Rinder, 
Rosse, schmucke, tausende RV. 1, 29, 1. Doch ist wieder die 
Stellung zu bemerken, wodurch das Wort fast wie ein Sub- 
stantivum erscheint. Ä 

Endlich ist zu erwähnen, dass im Altindischen das G 
zählte neben den adjektivisch gebrauchten $atam und sahdsram 
auch im Singular stehen kann, z. B. mahe cand team adrivah 
pärä Sulkaya deyam, nd sahdsräya nayuläya nd Sataya auch 
für grosses Gut würde ich dich nicht hingeben, o Indra, nicht 
für tausend, nicht für zehntausend, nicht für hundert (Güter) 
RV. 8, 1, 5. Doch können die Zahlwörter hier auch sub- 
stantivisch aufgefasst werden. Dagegen sind sie sicher adjek- 
tivisch, z. B. räye sahäsräya zu tausend Gütern 1,116,9; niditam 
sahdsrad yupad amuficah den gebundenen löstest du von tau- 
send Pfählen 5, 2,7; sahdsram 8, 34,16 braucht nicht nothwendig 
mit paSim verbunden zu werden. 

Was die übrigen Sprachen betrifft, so ist das Wort für 10U 
im Griechischen und Italischen erstarrt und adjektivisch, im 
Germanischen, Litauischen und Slavischen dagegen noch ein 
bewegliches Subst., welches das Gezählte im Gen. neben sich 
hat. Im Gotischen ist das Wort für 100 im Singular durch 
tarhuntehund ersetzt, ım Plur. kunda aber noch vorhanden. 
Hinsichtlich des Litauischen ist noch zu bemerken, dass im 
älteren Lit. sziratas, wenn es dualisch oder pluralisch gebraucht 
ıst, sowohl deklinabel als indeklinabel verwendet werden kann, 
2. B. anıs scheschi schimts viry die sechshundert Männer, aber 
keturius schimtus olektuy tilgumg vierhundert Ellen lang (Bezzen- 
berger 182). 

Ein gemeinsames Wort für 1000 ist meiner Ansicht nach 
nicht vorhanden. Denn dem bereits behandelten arischen Worte 
entspricht nur das griechische. Doch ist im Griechischen nicht 
mehr das Subst., sondern nur noch ein abgeleitetes Ad). (yÜtot) 
übrig. Die Adjektivform scheint gewählt worden zu sein 





$& 229.] Kap. XIV. Die Adverbia. 535 


im Anschluss an ötaxdaroı u. s. w. Im Lateinischen ist mzille 
(das ich von den übrigen Wörtern für tausend trenne) meist 
adjektivisch, milia fast durchweg substantivisch. Man spricht 
eben eher von mehreren “Tausendschaften’, als von einer. Im 
Gotischen, wo nur die Pluralform Pusundjos (einmal Busundja) 
erhalten ist, im Lit. (fükstantis oder auch tukstant), im Slav. 
(aksl. iysesta) steht das Gezählte stets im Gen. Hinsichtlich 
des älteren Litauisch ist noch zu bemerken, dass die Tausende 
auch mit dem Singular von tikstantis gebildet erscheinen, z.B. 
defchimti tukstant; zehntausend. 

Endlich die Hunderte. Sie wurden im Indogermanischen 
jedenfalls so gebildet, wie es im Arischen, Germanischen, Li- 
tauischen und Slavischen geschieht, z. B. ai. dve $ate 100, trini 
$atäni 300 u.s. w. Schwierigkeiten machen gr. dıaxdaror, lat. 
ducenti u.s. w. Vgl. darüber Brugmann 2, 503. 


Kapitel XIV. Die Adverbia. 


Der in diesem Kapitel vorzulegende Stoff gliedert sich 
naturgemäss in drei Abschnitte. In dem ersten ist über den 
Begriff des Adverbiums, also insbesondere der “Erstarrung’, zu 
handeln. Dabei ist zu scheiden zwischen Substantiven und 
Adjektiven, welche zwar eine grosse Strecke des Weges zu- 
sammen gehen, aber doch auch ein jedes besondere Eigen- 
thümlichkeiten haben. Bei den Substantiven habe ich eine 
Übersicht über einige hauptsächlich bei der Adverbbildung in 
betracht kommende Begriffe gegeben. 


Den zweiten Abschnitt bildet die Übersicht nach den 
Kasus. Die Kasus werden, wie schon früher, in der Reihen- 
folge Abl., Lok., Instr., Dat., Gen., Akk., Nom. vorgeführt. 
Innerhalb des einzelnen Kasus ist die Anordnung je nach der 


Lage der Dinge eingerichtet. Überall sind die Genera und 
Numeri einerseits, die Wortarten andererseits nach Möglichkeit 





536 Kap. XIV. I. Allgemeines über das Adverbium. "8 230. 


auseinandergehalten. Da ich in der etymologischen Deutung 
der Adverbia zurückhaltend gewesen bin, bleiben eine Anzahl 
wichtiger Typen übrig, welche ich einem bestimmten Kasus 
nicht zuweisen mochte. Über sie ist am Schluss dieses Ab- 
schnittes gehandelt worden. Doeh sind dabei nur die Typen 
besprochen. Von einzelnen Merkwürdigkeiten habe ich nicht 
wenige absichtlich unerörtert gelassen. 

Den dritten Abschnitt bilden die (in Asien nicht vorhan- 
denen) Adverbia, welche aus einer Präposition und einem Kasus 
zusammengesetzt sind. 


I. 
Allgemeines über das Adverbium. 


$ 230. Umgrenzung des Gebietes. 

Ein in vielen Jahrhunderten langsam herangewachsenes, 
aus gar verschiedenen Bestandtheilen zusammengesetztes Ge- 
bilde, wie es das indogermanische Adverbium ist, lässt sich 
nicht definieren, sondern nur, so gut es eben gehen will, ın 
seiner Entwicklung verfolgen und beschreiben. Ebenso wenig 
wie eine scharfe Definition ist eine genaue Abgrenzung gegen 
das Gebiet der Präpositionen einerseits und der sog. Partikeln 
andererseits möglich. Ich muss deshalb den Leser bitten, dort 
zu suchen, was er hier vermisst. Aber auch innerhalb des 
Gebietes der Adverbia, wie ich es verstehe, wird vieles fehlen. 
Zunächst infolge meiner mangelhaften Bekanntschaft mit den 
Thatsachen. So will ich namentlich erwähnen, dass auf dem 
slavischen Gebiete noch ein ungeheurer Stoff vorliegt, den ich 
nicht benutzt habe, weil ich die Bearbeitung durch Kenner 
abwarten wolltee Dann aber habe ich auch einiges absichtlich 
ausgeschlossen. Dahin gehören die zahlreichen mit nicht er- 
kennbaren oder seltenen Suffixen gebildeten Wörter, welche 
Orts- oder Zeitbegriffe ausdrücken, z. B. ai. tha hier; Ahyas, gr. 
yd&s; ai. Svds, lat. cras, oder die Art der Handlung in anderer 
Weise bestimmen, z. B. aı. it, lat. «ta. Diesen Wörtern, welche 
z. th. zu unserem ältesten Bestande gehören, würde durch 





$ 230.) Kap. XIV. I. Umgrenzung des Gebietes der Adverbia. 537 


eine syntaktische Erörterung vielleicht noch manches abzuge- 
winnen sein. Ich habe sie nur hier erwähnt, weil sie als 
Vorbilder für die später entstandenen Adverbia von Wichtig- 
keit geworden sind. Ferner habe ich ausgeschlossen die grosse 
Masse von Wörtern, welche deutlich mit kasusähnlichen Suf- 
fixen gebildet sind, die bei den Pronomina und Zahlwörtern 
ihren eigentlichen Sitz hatten, aber nicht selten auch auf das 
nominale Gebiet sich ausgedehnt haben. Ich meine die Suf- 
fixe ai. as (lat. Zus), ai. $as (griech. xas), ai. tra, dha, da, 
thä u. a., über welche (soweit es das Altindische betrifft) Whitney, 
Gr. $ 1097 ff. und SF. 5, 197 ff. zu vergleichen sind. Ferner 
aus dem Griechischen dev (worüber u. a. Brugmann 2, 596 ge- 
sprochen hat), dt, xıs, ıxa, ts und viele andere. Eine zu- 
sammenfassende Behandlung dieser auch in anderen Sprachen 
vielfach vertretenen Wortgruppe, für die mancherlei etymo- 
logische Vorarbeiten vorliegen, wäre gewiss wünschenswerth. 
Somit bleiben für mich zur Behandlung diejenigen Adverbia 
übrig, welche aus den gewöhnlichen Kasus (Abl., Lok., Instr., 
Dat., Gen., Akk., Nom.) der Substantiva, Adjektiva, Prono- 
mina, Zahlwörter entstanden sind. Dabei ist nun zunächst 
eine Schwierigkeit zu überwinden. Gerade die Adverbia, 
aus deren Bedeutung ja wenig für ihren Ursprung zu folgern 
ist, sind von modernen Lautforschern zum Gegenstand ver- 
wegener Kombinationen gemacht worden. So erklärt z. B. 
Hirt in dem die Idg. Forsch. eröffnenden Aufsatz das ai. ndk- 
tam nachts für einen Instrumentalis, nicht, wie die gemeine 
Grammatik es thut, für einen Akkusativ, und ebenso Formen 
wie prataram (vgl. S. 18 und 20). Denn er hegt die Ver- 
muthung, dass es im Indogermanischen einen Instr. Sing. auf 
gegeben habe. Derselbe Gelehrte hält es für wahrscheinlich, 
dass rod, drov, od, autod, Örbod, rAod, Ayyxod, 6od, oböanod Lio- 
kative seien, welche mit den slavischen wie vrücku identisch 
sind. Das ou soll also ein echter Diphthong sein und ein 
Lokativsufix « enthalten, welches Bartholomae nachgewiesen 
habe /30). Eine andere Art von Lokativen (?-los und durch 
Dehnung des o entstanden) soll in dvw, xdtw, Eu, Eow, Elcw, 


538 Kap. XIV. I. Begriff der Erstarrung. [$ 230— 231. 


rpdow, TÖppw, Ortaw, Ertsyspw, Evısyepw vorliegen (30. Ich 
habe keiner dieser Vermuthungen Einfluss auf meine Dar- 
stellung eingeräumt, weil ich sie alle für zu unsicher halte. 
Ebenso stelle ich mich zu den morphologischen Studien des 
gelehrten und scharfsinnigen K. F. Johansson und vielen an- 
deren Arbeiten der neuesten Zeit. So bin ich denn freilich 
gezwungen, vieles als unerklärt zu bezeichnen, was anderen 
gedeutet zu sein scheint. 

Adverbia aus Verbalformen werden später zur Besprechung 
kommen. 

$ 231. Begriff der Erstarrung. 

Man ist darüber einig, dass die Adverbia erstarrte Kasus 
sind. Es ist daher hier über den Begriff der Erstarrung zu 
handeln. Dabei ist zunächst festzustellen, dass es eine Er- 
starrung von Kasus giebt, welche nicht zum Adverbium führt. 
Das ist auf dem Gebiete der Substantiva z. B. der Fall bei 
Wörtern, welche Gewicht, Mass und Zahl bedeuten. In 
Beziehung auf diese äussert sich Grimm 4, 285 so: “bei gewicht, 
masz und zahl gebrauchen wir heute einen scheinbaren sg. für 
den pl. selbst solcher subst., die ın anderen füllen ıhren pl. ge- 
hörig bezeichnen. drei pfund, zwölf mark, zwei hand breit, sieben 
fusz tief, drei schuh hoch, vier zoll breit, neun riesz oder buch 
papier, zwei fasz bier, drei masz wein, acht [chritt lang, zwei 
acker lang, zehn stein wolle, zwei eimer honig, zwanzig paar 
Schuhe, hundert mann; die beiden letzten bleiben auch im gen. 
und dat. unverändert: in ein paar tagen, ein haufen von hun- 
dert mann. Von diesen formen urteile ich so. in einigen, wre 
pfund, buch, fasz, masz hat sich der alte dem sg. gleiche pl. 
neutr. bewahrt, in andern der alte pl. masc. (acker statt des 
nhd. ücker), in man die mhd. anomale form. fusz und hand 
wurden fehlerhaft in die nemliche analogie gebracht, mhd. findet 
sich nur: drier hende breit, siben vüeze lanc Ms. 1, 98°, nicht 
hand oder vuoz. wohl aber ist das unflectierte fem. marc [chon 
in mhd. sprache hergebracht” u.s. w. Bei paar ist jedenfalls 
auch die Analogie der Zahlwörter wirksam gewesen (vgl. auch 
Brugmann in Curtius’ Studien 9, 266). Ein ganz ähnlicher 








$ 231.) Kap. XIV. I. Begriff der Erstarrung. 539 





Vorgang zeigt sich im Serbischen, wo die Begriffe der Zahl 
und der Zeit, welche ja so häufig im Akkusativ erscheinen, 
in diesem Kasus starr werden, z. B. bilo mu Je stotinu godina 
er war hundert Jahr alt, osta mrtvi chiljadu Turaka tausend 
Türken blieben tot, nije proslo ni nedelju dana es ist nicht 
einmal eine Woche von Tagen vergangen (daneben: nie prosla 
ni nedelja dana) vgl. Danıtdic 411 ff. 

Aus dem Gebiete der Adjektiva gehört hierher der erstarrte 
Nom. der prädikativ gebrauchten Adjektiva im Deutschen, 
über den S.405ff. gehandelt worden ist. Gewöhnlich er- 
scheint er in der kürzeren (ursprünglich neutralen) Form, aber 
gelegentlich ist auch eine maskulinische Form erstarrt, z. B. 
voller in der Baum ist voller Äpfel, aber auch die Strassen sind 
voller Mensehen. Ebenso verhält es sich mit den Akkusativen 
in sich satt essen, sich tot lachen, schwarz färben u. s. w. 
Dieser Akk. streift allerdings nahe an das Adverbium und im 
Litauischen und Slavischen kann man in diesem Sinne das 
Adverbium gebrauchen, im Litauischen das auf a: (vgl. $ 258), 
ım Slavischen das auf & (vgl. $ 242), aber es ist doch ein er- 
heblicher Unterschied zwischen dem resultativen sıch tot lachen 
und dem modalen laut lachen. In dem ersteren Ausdruck ist 
auch für unsere jetzige Empfindung noch das vom Adjektivum 
geblieben, ‘dass fo? auf die Person und nicht auf das Verbum 
bezogen wird, während wir Zaut als Attrıbut der Verbalhand- 
lung empfinden. 

Einen nahe an diese Akkusative streifenden resultativen 
Sınn hat die altındische sowohl an Substantiven als an Ad- 
jektiven auftretende Form auf 2, welche vor kar und seltener 
auch vor as und 5Aü erscheint. Aus dem bei Whitney, Gr. 
$ 1093 zusammengebrachten Material ergiebt sich, dass diese 
Formen auf ? noch nicht der ältesten, wohl aber der alten 
Sprache angehören, namentlich der alten Prosa. Als Beispiele 
von Substantiven mögen dienen: mujft kar die Hand ballen, 
phali kar (zu Frucht machen) Körnerfrüchte reinputzen, mithunt 
kar Paarung zu Stande bringen, mit as und dhü sich paaren, 
sich begatten ; als Beispiel für Adjektiva Arurt kar wund machen, 


540 Kap. XIV. I. Begriff der Erstarrung. '$ 231. 


ftivri kar schärfen, verstärken, mit bhü heftiger werden zu- 
nehmen, sv? kar sich aneignen, #43 kar vereinigen. Aus diesen 
Anfängen hat sich dann für das klassische Sanskrit die Regel 
entwickelt, welche Whitney so ausdrückt: “Jeder Substantiv- 
oder Adjektivstamm kann mit Verbalformen oder Ableitungen 
der Wurzeln Ar und dAü (auch von der Wurzel as wırd es 
angegeben; solche Fälle sind jedoch, wenn sie vorkommen, 
zum wenigsten ausserordentlich selten) nach der Art eines Ver- 
balpräfixes verbunden werden. Wenn der Stammauslaut ein «- 
oder :-Vokal ist, so wird er in ? verwandelt, ist er ein u-Vokal, 
wird er zu %.” Unser Material reicht nicht aus, um die Ent- 
stehung dieser auffälligen, offenbar dem Altindischen alleın 
angehörigen Form mit Sicherheit festzustellen. Vermuthen lässt 
sich Folgendes. Ein Ausgangspunkt ist zu suchen in mu$fi kar 
die Hand ballen, was (wie Whitney andeutet und ich SF. 5, 97 
als selbstverständlich angenommen habe) nichts anderes ist, als 
der Dual von mu$ti Faust; musfi kurute heisst wohl eigentlich 
“er macht sich beide Fäuste”. Wenn man aber versteht “er 
macht seine beiden Hände zu Fäusten”, so kommt in mugfi ein 
resultativer Sinn und mit diesem besonderen Sinne konnte die 
Form fortzeugend wirken. Dazu ergiebt sich vielleicht ein 
zweiter Ausgangspunkt in den Nominativen auf :, welche zu 
Stämmen auf :n gehören. TB. 1, 2, 6, 7 findet sich udväasikarin, 
das wir nach dem Kommentar durch ‘von Wohnungen leer 
machend’ übersetzen. Ich möchte glauben, dass darin ein ud- 
väsin steckt, das zwar nicht belegt, aber von Pänini überliefert 
ist. Einer, der um seine Wohnung gebracht ist, würde ein 
udvast krtdh sein. 

Diese und ähnliche Erscheinungen, welche wohl eine gründ- 
liche Erörterung verdienten (vgl. Brugmann, ein Problem der 
homerischen Textkritik 119ff., Paul, Prinzipien? 194 ff.), haben 
das gemeinsam, dass zwar Formen vorliegen, in denen die 
Numeri, die Kasus u. s. w. nicht gehörig auseinander gehalten 
werden, aber die Wortart ist dieselbe geblieben, die sie war. 
Dagegen bei Adverbien wie zpdpasıv und angeblich, swwrij und 
schweigend, ags. facne (eig. mit Bosheit, dann sehr) und pas, 


$ 231—232.] Kap. X1V. I. Erstarrung bei Subst. und Adj. 541 


oppido und ganz ist auf sehr verschiedenen Wegen eine neue 
Wortart entstanden, bei der das Sprachgefühl weder Sub- 
stantiv und Adjektiv, noch Genera, Numeri oder Kasus unter- 
scheidet. Von dieser Art von Erstarrung ist nun im Folgenden 
zu handeln. 

Indem ich nun zunächst die Symptome der Eıstarrung 
aufzähle, spreche ich zuerst von dem, was den beiden Wort- 
arten (Subst. und Adj. auf nominalem und pronominalem Gebiet) 
gemeinsam, dann von demjenigen, was einer jeden der beiden 
Wortarten eigenthümlich ist. 

$ 232. Erstarrung bei Substantiven und Adjek- 
tiven. 

Diejenigen Symptome der Erstarrung, welche bei Substan- 
tiven und Adjektiven in gleicher Weise auftreten, dürften die 
folgenden sein. 

1. Abweichender Accent. 

Das Adverbium trägt oft einen Accent, welcher von dem 
der Kasusform abweicht. Über die Accentuation der Adverbia 
im Altindischen sind wır, soweit der RV. und AV. ın betracht 
kommen, unterrichtet (vgl. E. Thomson, Zur Accentuation des 
Adverbes, Sonder-Abdruck aus dem Jahresbericht der Reformier- 
ten Schule in Petersburg 1891). Weitere Belehrung hoffen wır 
von der Fortsetzung der ausgezeichneten Aufsätze Reuter's in 
KZ. 31. Der Stoff aus dem Griechischen wird ja wohl bei- 
sammen sein. Dagegen fehlt es noch an einer zusammen- 
fassenden, die mannigfaltigen Erscheinungen der einzelnen 
Dialekte geschichtlich ordnenden Arbeit über das baltisch- 
slavische Gebiet. Es ist unter diesen Umständen nicht zu 
verwundern, dass wir mit der Erklärung noch in den Anfängen 
stehen. Solche Anfänge sind namentlich gemacht worden von 
L. v. Schröder, Die Accentgesetze der homerischen Nominal- 
komposita dargestellt und mit denen des Veda verglichen, 
KZ. 24, 101ff. und J. Schmidt, Festgruss an Böhtlingk (Stutt- 
gart 1888) 100ff. Indem ich an dieser Stelle übergehe, was 
sich über den Accent der Komposita und der mit Suffixen wie 
tas, Sas u. s. w. gebildeten Formen sagen lässt, stelle ich nur 


542 Kap. XIV. L Erstarrung bei Subst. und Ad). I$ 232. 


die Frage, wie es mit dem Accent solcher Adverbia steht, die 
aus gewöhnlichen Kasusformen der Adjektiva oder Substantiva 
hervorgegangen sind. Bei dieser Fassung der Frage sind die 
in anderer Beziehung merkwürdigen Formen wie ubhaya in 
beiderlei Weise zu ubhäya, madhya dazwischen zu mddhya u.ähn!. 
(Thomson 27) von geringerer Wichtigkeit, da sie ein zwar nicht 
auf die Adverbia beschränktes, aber doch immerhin auffälliges 
Kasussuffix haben. Auch die Formen wie @$uyä zeigen in ihrer 
Bildung etwas Besonderes. Dagegen sind für uns von hohem 
Interesse die Ablative adharad unten, von unten zu ddhara, 
apäkad aus der Ferne zu dpäka, uttarad von links zu üftara, 
sanäd von Alters her zu säna, amüd von Hause, aus der Nähe 
zu dma (Thomson 37). Hier zeigt deutlich das Adverbium End- 
betonung, das Adjektivum Anfangsbetonung, wie etwa griech. 
erıLapeiüs neben Erılapelos. Einen sicheren Fall für das um- 
gekehrte Verhültnis wüsste ich aus dem Altindischen nicht an- 
zuführen. Wohl aber liegt er im Griech. vor in oxa neben 
&xb;, Tdya neben tayüs u. s. w., wobei man freilich über die 
Erklärung der Endung a noch streitet. Im Kleinrussischen, 
dessen Accent von J. Verchratskij in Jagic’s Archiv 3, 381 fl. 
behandelt worden ist, findet sich beides. Der genannte Ge- 
lehrte sagt 406: “So wie die aus oxytonierten Adjektiven 
gebildeten Adverbia den Accent immer zurück werfen, so betonen 
die aus paroxytonierten Adj. gebildeten Adverbia die letzte 
gorjace, döbrij gut hat dobre und dobrö, choröstj schön, hübsch, 
— chörose, velikij gross — veliko, znacniy oder znaöni7 bedeutend 
hat znaöno in der Bedeutung: bei weitem, bedeutend, z. B. 
znäacno bilisi7 —= bedeutend grösser, doch zracnö in der Bedeu- 
tung: man sieht es, es ist einleuchtend, natürlich, Arasnız 
(seltener krasniy) schön hat krasno, seltener Arasno. Vom oxyto- 
nierten Adj. Yyubjaznty liebevoll finde ich ein oxytoniertes Adver- 
bium lyubjazno.” Dass eine Verschiedenheit zwischen der Kasus- 
betonung und der Adverbialbetonung bei den Adjektiven schon 
in der Ursprache vorhanden war, ist durch J. Schmidt’s Scharf- 
sinn sehr wahrscheinlich gemacht worden. Wie sie sich aber 





$ 232.] Kap. XIV. I. Erstarrung bei Subst. und Adj. 543 





entwickelt habe, lässt sich kaum durch Vermuthung feststellen. 
Ich möchte glauben, dass die oben genannten altindischen Adj. 
ursprünglich in den casus obliqui oder doch einigen derselben 
den Ton auf der Endung hatten!) und diesen in isoliertem 
Gebrauch behielten, als er sich bei dem lebendigen Gebrauch 
infolge der Ausgleichung mit dem Nominativ und Akkusativ 
verlor. Nachdem sich so die Gewohnheit festgesetzt hatte, die 
Adverbia anders als die lebendigen Kasuszu betonen, konnte sich, 
wie mir scheint, die Zurückziehung des Accentes bei Adverbien 
von oxytonierten Adjektiven entwickeln. Über den Accent der 
Substantiv-Adverbia möchte ich nicht sprechen. Nur das will 
ich bemerken, dass ai. diva keinen sichern Beleg für die 
‘Zurückziehung’ des Accentes abgiebt, da die Paroxytonierung 
auch die ursprüngliche Betonung sein kann, wie z. B. in gava 
zu gö Rind, wo man an eine ‘adverbielle’ Zurückziehung wohl 
nicht denken wird. Ich hätte deshalb SF. 5, 139 nicht von 
einer “Veränderung”, sondern von einer “Verschiedenheit” des 
Accentes reden sollen. 


2. Veraltete oder unkenntlich gewordene Kasus- 
formen. 

Manche Adverbia zeigen Kasusformen, welche in dem 
gewöhnlichen Paradigma nicht mehr auftreten. Dahin gehören 
z. B. das attische &paoı rechtzeitig, ein alter Lok.; lat. partım, 
das in adverbialem Zustande noch das alte « bewahrt hat; 
unser heute aus hiu tagu, in dessen ex also noch der uns sonst 
abhanden gekommene Instrumentalis eine Spur hinterlassen 
hat; das slavische meZdu zwischen, das ein Lok. des Dualis 
ist, die lat. Adverbia auf ed, welche Ablative zweiter Deklina- 
tion sind, die ai. Ablative täd und yad und vieles der Art. 
Ein Beispiel für das Unkenntlichwerden der Form ist 


1) Auf diese Vermuthung führt auch der wechselnde Accent in upaka 
und upäk4 nahe zusammengerückt, verbunden, benachbart (upak& in nächster 
Nähe), däk$ina und dak$ind rechts (dak$ina zur rechten Seite). Denn dass 
die Tonverschiedenheit erst von den Adverbien (bei denen sie aus uner- 
mittelter Ursache entstanden war) zurückgewirkt hätte auf die lebendigen 
Kasus, ist mir wenig wahrscheinlich. 





544 Kap. XIV. I. Erstarrung bei Subst. und Adj. '$ 232. 


unser je, in dem niemand mehr den Akkusativ zu einem Worte 
für ‘Zeit’ vermuthen würde, dessen Nominativ im Gotischen 
atvs lautet. Ebenso verhält es sich mit den Formen auf yn 
ım Litauischen, z. B. senyr eiti älter werden. Sie sind Datıve 
abstrakter Substantiva, die aber die Endung verloren haben, 
ein Verlust, der natürlich damit zusammenhängt, dass diese 
Formen als isolierte des Schutzes entbehrten, den die Assozia- 
tion mit verwandten Formen jeder einzelnen gewährt. 

3. Häufig sind die Kasus zwar regelmässig gebildet und 
vollkommen kenntlich, aber isoliert, sei es, dass sie Reste 
einer früher in mehr Exemplaren vertretenen Bildungsweise 
sind, z. B. die Lokale oixor, p£ooı, doms u. 8. w., sei es, dass 
sie innerhalb ihres Paradıgmas vereinzelt oder nahezu vereinzelt 
sind, z. B. ai. prage früh, diyasa gerades Weges, gr. ravouöty, 
lat. sponte, vicem u. 8. w. 

4. Genus, Numerus und Kasus werden ın dem 
Adverbium nicht mehr verspürt. Was das Genus be- 
trifft, so folgen zwar natürlich die Adjektiva, welche mit den 
Substantiven zusammen erstarrt sind, dem Geschlechte derselben, 
2. B. domi meae, aber nach der Erstarrung löst sich der Kasus 
von dem Geschlecht. So sagen wir des Nachts, obgleich Nacht 
Femininum ist, und ähnlich ist es wohl aufzufassen, wenn man 
ım Lateinischen /uci claro und sereno noctu sagt (vgl. S. 224). 
Vollends bei den Adjektiven ist es klar, dass man von dem Ge- 
schlechte nichts spürt, es also z. B. gleichgültig ist, dass -50ov neu- 
trale, -ö7;v femininische Form trägt. In bezug auf den Numerus 
denke man z. B. an domi zu Hause, was man gebraucht, gleich- 
viel ob von einem oder von mehreren Häusern die Rede ist, 
oder an ai. Sadnais, das Plural ist gegenüber unserem langsam, 
das Singular ist u.s.w. Was die Kasus betrifft, so ist klar, 
dass bei den Substantiv-Adverbien sich die Verschiedenheiten 
der Kasus verwischen. So bedeuten z. B. der Akk. näktam, 
der Instr. naktaya, der Lok. noctu, der Gen. nachts nichts weiter 
als in der Nacht’, während ursprünglich durch den Akkusativ 
ausgedrückt wurde, dass die Handlung den Zeitbegriff aus- 
füllt, durch den Instr., dass der Zeitbegriff mit der Handlung 








8 232—233.]) Kap. XIV. I. Adverb, Erstarrung von Substantiven. 545 


dauernd verbunden ist, durch den Lok., dass er den Zeitpunkt 
der Handlung darstellt, durch den Gen., dass der Zeitbegriff 
irgendwie durch die Handlung berührt wird. Das gleiche 
Konvergieren der Bedeutungen lässt sich bei den Adjektiv- 
Adverbien beobachten. Ich führe an, was Jacob Grimm, Gramm. 
3, 122 über das Germanische sagt: “Eigentlich sollen, wenn von 
einem und demselben adj. verschiedene casus, allein oder mit 
präpositionen, adverbial gesetzt werden, daraus auch verschiedene 
bedeutungen erwachsen. Das ahd. /uzilo drückt parve, /uzil 
parum und /uzilEem paulatım aus, das altn. sid sero, sidan 
postea; das ahd. alles omnino, mit allü prorsus, allaz continuo; 
das got. raihtis omnino, rathtaba recte; das mhd. /ite sonore 
über lät palam; das altn. lengt diu, /dngt longe; das mhd. langes 
diu, Zange longe. Oft bedeuten aber mehrere formen das- 
selbe, z. B. das ahd. sumes was das goth. sumana; das altn. driu- 
gum, driugan und driugt frequenter; das ahd. fer, ferro und 
ferron prope; das ahd. anawertes und anawert;, Erist, az Erist 
und az £ristin, das mhd. terhes, entwerhes und entwerh ganz 
das nämliche. Das adverbialsurrogat Zihho, lice, liga ändert 
in der regel den sinn nicht ab, z. B. das ags. singallice gilt 
gleichviel mit singales, das altn. sidla und sidarla gleichviel 
mit sid.” Man sieht, dass die Bedeutungsverschiedenheiten 
zum bei weitem grössten Theile nicht solche sind, welche aus 
der Grundbedeutung des Kasus mitgebracht, sondern solche, 
welche im Kampfe um’s Dasein von der Adverbialform erworben 
worden sind. 

6 233. Erstarrungsvorgänge bei Substantiven. 

Folgende Symptome der Erstarrung finden sich der Natur 
der Sache nach nur bei Substantiven. 

Während zu Substantiven Adjektiva oder abhängige Geni- 
tive treten können, ist dies bei Adverbien im allgemeinen nicht 
der Fall. Einige wenige feste Verbindungen von Adverbien 
"mit Adjektiven, welche vorliegen, sind ganz oder doch in der 
massgebenden Gestalt in die Zeit der Erstarrung mitgebracht 
worden, z. B. lat. domi meae, tuae, suae, nostrae. Es ist ja sehr 
wahrscheinlich, dass nicht jede dieser Wendungen aus der 


Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm. Sprachen. I. 35 


546 Kap. XIV. I. Adverb, Erstarrung von Substantiven. (8 233, 


voradverbiellen Zeit stammt. Vielleicht ist doms tuae erst 
später dem überlieferten doms meae nachgebildet, aber man 
konnte dom: kein Adjektivum aus einem andern Anschauungs- 
kreise, wie etwa norae oder magnae, zugesellen. Das Gleiche 
lässt sich ım Deutschen beobachten. Wir sagen eines Mor- 
gens, auch eines schönen Morgens, aber nicht mehr eines 
feuchten Morgens u. s. w. Dabei empfinden wir schön kaum 
mehr als Beschreibung der Beschaffenheit des Morgens, schönen 
dünkt uns vielmehr so gut wie inhaltsleer zu sein (vgl. 
Paul, Prinzipien? 154 ff). Einen Genitiv kann man im all- 
gemeinen nicht mehr von einem Adverbium abhängig machen. 
Man kann nicht patris doms oder ratpös oixor sagen, sondern 
muss ın diesem Falle ıR domo, &v oıxw anwenden. Hier liegt 
der Unterschied zwischen Adverbien und gewissen Präpositionen, 
wie z. B. yapw. Wo die Verbindung mit einem Kasus usuell 
ist, legt die Präposition vor, sonst das Adverbium. (Natürlich 
können Adverbia so gut wie manche andere Wörter nachträglich 
substantiviert werden. Dann scheinen sie als Neutra gebraucht 
zu werden, 2. B. das Heute. Solche Adverbia können dann 
auch mit Präpositionen verbunden werden, wobei sie aber 
natürlich ihre Gestalt nicht verändern, z. B. eramusstm.) 

2. Adverbia treten zu dem Verbum im allgemeinen, immer 
abgesehen von dem Fall der nachträglichen Substantivierung, 
nicht in dasselbe Verhältnis wie die Kasus. Nur bei gewissen 
Gebieten der Kasus, und zwar wesentlich dem lokalen und 
temporalen, ıst das der Fall. Ein ablativisches Adverbium 
kann den Ausgangspunkt der Bewegung bezeichnen, z. B. 
inde wie Romä, aber z. B. nicht den Gegenstand der Ver- 
gleichung (major alıquo); ein lokalisches den Ort, z. B. Aie 
wie domt, aber z. B. nicht den Gegenstand der Freude; ein 
instrumentalisches die Ausdehnung über Raum und Zeit, z. B. 
diu wie samvatsarena, auch die Begleitung, so dass man z.B. 
bei orovög “mit Eifer’ an sich zweifeln kann, ob ein Instrumen- 
talis oder ein Adverbium vorliegt, aber z. B. nicht das Mittel. 
Ein dativisches kann gelegentlich die Zeit bezeichnen, z. B. 
ai. aparibhyas für die Zukunft, aber z. B. nicht das indirekte 





6 233—234.] Kap. XIV. I. Adverbia aus Zeitbegriffen. 547 


Objekt; ein genitivisches den Ort und die Zeit, z. B. roö wo, 
got. gistradagis morgen, aber nicht das Theilobjekt und kann 
auch nicht von einem Nomen abhängig sein. Ein akkusativisches 
Adv. kann das Ziel bezeichnen, z. B. foras, oder die Zeitdaur 
bez. den Zeitpunkt, z. B. lit. sziaäder heute. Auch solche Ad- 
verbia, die sich dem Akk. des Inhalts vergleichen, kommen 
vor, z.B. ai. krtvas mal; aber es kann nicht Objekt sein. Mit 
einem Worte: das Adverbium, welches ja zu einem Attribut 
der Handlung sich entwickelt hat, kann in allen denjenigen 
Beziehungen nicht gebraucht werden, die wir — aus Mangel 
an einer besseren Bezeichnung — als rein grammatikalische 
oder satzliche bezeichnen. 


8234. Übersicht über die hauptsächlich zur Ad- 
verbialbildung verwandten Substantive Zeitbe- 
griffe. 

In der folgenden Übersicht ist es selbstverständlich nicht 
auf irgend eine Vollständigkeit abgesehen. Ich will nur zeigen, 
welche Begriffe sich durchgängig am meisten zur Adverbbildung 
eignen, und verfolge dabei zugleich den Gesichtspunkt, zu 
zeigen, wie verschiedene Kasus auf verschiedenem Wege zu 
demselben Ziele gelangen. Es ist mir praktisch erschienen, 
den Stoff so zu gliedern, dass zuerst von den Zeitbegriffen, 
dann von den Raumbegriffen, dann von den übrigen gesprochen 
wird. Ich führe zunächst die Zeitbegriffe hinter einander auf. 


Bei Tage. Da es sich um die Ausdehnung über einen 
längeren Zeitraum handelt, so hätte man den Instr., Akk. oder 
auch Gen. zu erwarten. Der Instr. liegt in den slavischen 
Sprachen vor, z. B. russ. dnemü bei Tage. Ein Instr. mit ad- 
verbialem Accent ıst ai. dıva bei Tage, dem das lat. dıu zu ent- 
sprechen scheint, nur dass es von noctu ein u angenommen hat, 
wie das aksl. diniyq bei Tage seinen Ausgang von nostiyq bei 
Nacht erhalten hat. Deu heisst also eigentlich ‘den Tag hindurch’, 
dann “lange Zeit’. In den übrigen Sprachen finden sich nicht 
gerade Adverbien, aber doch feste Formen oder Verbindungen, 
z. B. hu£pas, xard püc, bei tage. Wenn nicht der Tag als die 

35* 


548 Kap. XIV. I. Adrverbia aus Zeitbegriffen. [$ 24. 


helle Zeit im Gegensatz zur Nacht, sondern ein wiederkehrender 
Zeitabschnitt gemeint ist, so ist natürlich auch der Lok. am 
Platze, z. B. im ai. dydvi-dyavı Tag für Tag. 

Früh. Insofern der Zeitpunkt des Tagesanbruchs gemeint 
ıst, würde der Lokalis der natürliche Kasus sein. Den Lok. 
finden wir denn auch z. B. im ai. prage (vgl. S. 544), ferner ın 
u$dsi, welches Grassmann adverbiell nennt, wahrscheinlich weil 
es Adverbien parallel geht, z. B. yds tva dosa ya usasi praßgsät 
wer dich am Abend, wer dich bei Tagesanbruch preist RV. 4, 
2,8. Ein völlig erstarrter Lok. desselben Stammes, der dem 
ai. usas zu Grunde liegt, ist fpı.. Derselbe Kasus ist /uct, 
vielleicht auch mani, mane.e. Ein Genitiv ist z. B. hoüs, 
das man, wie $. 357 bemerkt wurde, adverbial nennen kann, 
weil es stets ohne Adjektivum erscheint, wie unser morgens. 
Ein Instrumental kann insofern am Platze sein, als man auch 
sagen kann: etwas mit der ersten Dämmerung thun, äpa rü Ew. 
Ein solcher liegt im serbischen zorom eig. “mit dem Morgen- 
roth’, vielleicht auch in diluculo vor. Ein Akkusativ dürfte 
lit. anksti sein, auch unser früh. Ob rpwt Lok. ist, lasse ich 
unentschieden. Ein besonderes Suffix hat ai. prätar. 

Abends. Wir finden Adverbia von der Form des Akku- 
gativs, z. B. ai. säydm, im festen Gegensatze zu prätär, mit 
dem es auch zu einem Dvandva säydmprätar morgens und 
abends verbunden wird; des Instrumentalis, z. B. ai. döfa, russ. 
veceromü und vecerkomü (das letztere völlig erstarrt). Lokalıs 
ist z. B. vesperi. Der Genitiv findet sich in &or&pas und dem 
ziemlich isolierten del\ns, unserem abends. 

Bei Nacht. Wir haben, worauf schon oben hingewiesen 
wurde, in gleich gewordener Bedeutung den Akk. ai. naktam; 
den Instr. aksl. nosfiyg und dem entsprechend in anderen sla- 
vischen Sprachen, ai. naktaya mit adverbialem Accent; den 
Lok. noctu; den Gen. nachts, dessen von tages herübergenom- 
menes s der Form adverbialen Charakter verleiht, den man 
dem griech. voxtds nicht oder kaum zusprechen kann (höch- 
stens weil es, so viel ich sehe, mit Adj. nicht verbunden wird). 
Zweifelhaft bleibt die Bildung von roz, vöxa und vuxtwp (über 








$ 234.) Kap. XIV. I. Adverbis aus Zeitbegriffen. 549 


das Joh. Schmidt, Pluralb. 212 eine Vermuthung vorträgt). 
Merkwürdig ist der Gebrauch des Ablativs asnaapca z3afnaapca 
yt. 5, 15. 

Heute. Ai. adya ist nicht sicher zu deuten, doch liegt 
der Verdacht sehr nahe, dass in a das Pronomen ‘dieser’, in 
dya das Wort “Tag’ stecken möge. So mag es sich auch mit 
hodie verhalten, über das die Akten noch nicht geschlossen 
sind. In den übrigen Wörtern ist die Zusammenfügung von 
‘dieser’ und “Tag” deutlich, so in dem griech. onpepov, TApepov, 
hinsichtlich dessen man G. Meyer, albanesische Studien III, 52 
(Wien 1892, Sitzungsberichte der Akad., Band 75) vergleiche, 
ın dem deutschen instrumentalischen heute, in dem akkusa- 
tivischen lit. sziafden, aksl. dintsi (serb. danas, russ. dnest), 
wobei si der starr gewordene Akk. mask. eines Pronomens ist. 
Ein Gen. ist russ. segodnja. 

Heint. Wie heute aus Au tagu, so ist das in Dialekten 
noch gebräuchliche Aeınt aus ahd. mhd. Ainaht (einem Akk.) 
hervorgegangen. Es wird, wie der Artikel in Grimm’s Wb. 
zeigt, gebraucht von ‘dieser’ Nacht, d. h. derjenigen, in welcher 
der Sprechende sich befindet, sodann von der eben vergangenen 
Nacht und endlich auch von der gleich folgenden Nacht. Ob 
in der Bedeutung ‘heute’, welche ebenfalls vorkommt, noch die 
Zählung nach Nächten nachklingt, oder ob nur eine Verwech- 
selung mit heute vorliegt, weiss ich nicht zu sagen. Am meisten 
Bedürfnis scheint für die kurze Bezeichnung der eben ver- 
gangenen Nacht vorzuliegen. Diesem wird im Deutschen noch 
weiter genügt durch mhd. »ehten, mundartlich nächten, einem 
Instr. (wobei ich mich über den Pluralis wundere; vgl. Brug- 
mann 2, 638). Es bedeutet, wie man aus Grimm’s Wb. ersieht: 
in vergangener Nacht, gestern abends, gestern. Auch mit dem 
serb. nodas, russ. nocesi ist die eben vergangene Nacht gemeint. 

Gestern. In der Urzeit war ein Wort für ‘gestern’ vor- 
handen, das Fick nach seiner allerneuesten Bezeichnungsart 
zhjes schreibt: ai. hyas, gr. yd&c (und daneben der Akk. plur. 
des Adj. ydıla). Das Wort ist nicht sicher zu erklären, doch 
darf man mit Wahrscheinlichkeit vermuthen, dass ein Pro- 


550 Kap. XIV. L Adverbia aus Zeitbegriffen. [$ 234. 


nominalstamm mit der Bedeutung ‘dieser zu Grunde liegt. 
Der Form nach könnte es Lok. sein, wie Aeri. Der Begrifl 
‘Tag’ wird dabei vorgeschwebt haben. Aus dieser Ableitung 
würde sich auch die Beziehung auf den vorhergehenden, wie 
auf den nächstfolgenden Tag erklären. Die letztere ist im 
Altindischen bestritten, liegt aber deutlich im Grermanischen 
vor, wo got. gistradagis morgen und ahd. &gester übermorgen 
heisst {wobei freilich das @ auffallend ist. Im Germanischen, 
über das man sich aus Kluge’s Artikel belehren möge, liegt 
eine adjektivische Ableitung vor. Gestern (ahd. gästaron) ist 
augenscheinlich ein Lok. oder Instr. plur. Ob dabei etwa ein 
Wort wie ‘Stunde’ zu ergänzen ist, oder wie sonst der Plur. 
zu erklären ist (der an den Plur. in nächten erinnert) wüsste 
ich nicht zu sagen. In den baltisch-slavischen Sprachen hat 
‘Abend’ den Stoff für ‘gestern’ geliefert, so im lit. Akk. väkar, 
aksl. Gen. ricera, serb. Jucera, jJucer, Juce, russ. vcera. Es 
zeigt seine adverbiale Natur schon durch die vom Accent her- 
beigeführte Gestalt der ersten Silbe gegenüber aksl. vecerü 
(vgl. Miklosich s. v.). 

Vorgestern hat keine gemeinsame Bezeichnung aufzu- 
weisen. Es lautet gr. zpwrv (scil. Aufpav), also “jüngst, was 
es auch oft noch bedeutet. Dann hat es sich aber auch auf 
die Bedeutung vorgestern spezialisiert; rpwı.a macht den Ein- 
druck, als sei es nach ydıLa gebildet. Über nudius tertius ist 
$ 261 gesprochen. Man vergleiche damit das russ. frefijago dnja. 
Sonst erscheinen Zusammensetzungen mit gestern: ehegestern, 
vorgestern, lit. üzvakar, serb. prekjyuce und preksinod, onoveceri 
vorgestern Abend. 

Morgen. Das altindische $v@s ist noch nicht erklärt und 
es ist auch noch nicht gelungen, es mit cras, von dem man 
es doch ungern trennt, kunstgemäss zu vereinigen. Die übrigen 
Wörter knüpfen an den Begriff ‘Morgen’ wie gestern an den 
Begriff "Abend’. Das griechische adpıov ist desselben Stammes 
wie fpı. Über morgen s. den Artikel in Grimm’s Wb. Im 
Litauischen finden wir den Lok. rytö, im Slavischen Formen 
von utro “der Morgen’, aksl. den Lok. utre, serb. sjutra, sutra 











$ 234.) Kap. XIV. I. Adverbia aus Zeitbegriffen. 551 





‘vom Morgen an, am Morgen (vgl. s vecera Abends), russ. zavira 
“nach dem Morgen’. 

Übermorgen. Ausser unserem deutschen Wort ist mir 
an einheitlichen Wörtern nur griech. Zvn eig. ‘jener Tag’, wenn 
die Vermuthung von Solmsen, KZ. 31, 473 richtig ıst, lat. pe- 
rendie und lit. poryt gegenwärtig. 

Heuer. Über das ai. älfdmas (aifamah parjänyo vritimän 
bhavisyati heuer wird Parjanya regenreich sein SB. 3, 3, 4, 11) 
sagen Böhtlingk-Roth: “in der ersten Silbe ist das Pronomen 
i oder & (vgl. &tad) enthalten, samas geht auf sama Jahr zurück, 
die Endung entspricht der in anyedyus u. s. w.”. Unter dem 
u.8.w. hat man an sadyds, hyäs, $ods zu denken. Im Grie- 
chischen erscheint ein akkusativisches Kompositum aus ‘dieser’ 
und ‘Jahr’, nämlich ofites, rütes, welches nach dem Muster von 
onpepov, trpepov gebildet sein dürfte, im Deutschen ein in- 
strumentalisches: heuer. Im Lateinischen und Slavischen scheint 
ein Wort für ‘heuer’ nicht vorhanden zu sein, doch sagt man 
im Serbischen jesenas diesen Herbst, Zyetos diesen Sommer, 
zımus diesen Winter. Im Litauischen erscheint der zusammen- 
gesetzte Akk. szjmet dieses Jahr. 

Im vorigen Jahre.!) Ausai. parut, was Pänini anführt, 
gr. neporı, nepucı, altnord. farb, mhd. vert, armen. heru, altir. 
ınn uraıd im vorigen Jahr, onn urid seit vorigem Jahr, lässt 
sich ein idg. perut, peruti erschliessen. Dass in per das indische 
para, lat. pero- (peregre, perendie) und in ut u.s. w. das Wort für 
Jahr steckt, welches in ai. samvatsara und gr. feros vorliegt, 
ist eine alte und einleuchtende Vermuthung. Mit dem ersten 
Element hängt ferner lıt. pernai im vorigen Jahr zusammen 
(vgl. neuerdings Kretschmer, KZ. 31, 353). Unbekannt ist die 
Herkunft des in den slavischen Sprachen weit verbreiteten 
Wortes, welches aksl. und serb. /ani, russ. loni heisst (vgl. 


1) Bei den Namen der Jahreszeiten kommen erstarrte Kasus wohl 
nur vereinzelt vor, so ai. vasdntä oder vasanta im Frühling, serb. zum: im 
Winter, jet? im Sommer, Lokative ohne Präposition, ein Gebrauch, der im 
Serbischen nur noch in einer ganz geringen Zahl von Fällen vorliegt (vgl. 
Danitie S. 609). 


552 Kap. XIV. I. Adverbia aus Zeitbegriffen. ($ 234. 


Miklosich Wb. unter *olnı).. Das Lateinische braucht Um- 
schreibungen. Noch ist aus dem Serbischen zu erwähnen pro- 
ljetos im vorigen Frühling. — Pänını führt noch ein Wort an, 
welches sich zu parut verhält, wie ‘vorgestern’ zu ‘gestern’, 
nämlich parärs im drittletzten Jahre. Wir können darüber 
nur sagen, dass der erste Bestandtheil derselbe zu sein scheint, 
wie in parut. Dasselbe bedeutet serb. preklanı. 

Von diesen Wörtern, die vom Standpunkt des Redenden 
aus eine Zeitbezeichnung vornehmen, sind diejenigen zu son- 
dern, bei welchen von einem anderen Zeitpunkt an gerechnet 
wird, wie pridie am Tage vor einem anderen (der in der Rede 
genannt wird oder sich sonst wie ergiebt), posiridie u. ähnl., 
die von her? und cras verschieden sind. So heisst im Russ. 
nakanune am Abend vorher, aber vcera gestern, und ebenso 
wird im Serbischen nach Wuk zwischen 3yutradan und sjyutra 
unterschieden. Auch das ai. purvedyus würde ıch nicht durch 
mit “tags zuvor’ und ‘gestern’, sondern nur durch “tags zuvor’ 
wiedergeben. Ein Beispiel ist: #pö va aspardhanta yas cemäh 
pürvedyur vasativaryd grhyante yas ca prätar ekadhanäh die 
Wasser stritten unter einander, sowohl die v., welche am Tage 
vor dem Feste, als die e., welche am Morgen des Festes ge- 
schöpft werden AB. 2, 20, 7. Eine Vermischung der beiden 
Gruppen kann nur insofern eintreten, als ‘heute’, “morgen 
u. 8. w. sozusagen objektiviert werden können. Ein Anfang 
dazu liegt schon im RV. vor: adyadya Svah-Sva indra trasca 
pare ca nah, riSva ca nö Jaritfn satpate dha diva naktam ca 
raksıgah immer heute und immer morgen, o Indra, behüte uns 
und in der Zukunft und unsere Beter wollest du beschützen 
alle Tage hindurch bei Tag und bei Nacht 8, 61, 17. Die 
iterativen Komposita adyüdya und $odh-Soah heissen eigentlich 
‘jedesmal, wenn es für uns heute, und jedesmal, wenn es für 
uns morgen ist. Dann kann man Sodh-Svah auch “an jedem 
folgenden Tage’ übersetzen, z. B. $vah-Ivo bhüyan bharati er 
wird von Tag zu Tag stärker TS. 1, 5, 9, 2. Auch das ein- 
fache $ods kann man durch “am folgenden Tage’ übersetzen, 
2. B. yö vai devatah pürvah parighrnäti sa enah $0ö bhute yajate 











8 234—235.] Kap. XIV. I. Adverbia aus Ortsbegriffen. 553 


wer die Gottheiten zuerst mit Beschlag belegt, der verehrt sie, 
wenn (für ihn) das morgen entstanden ist TS. 1, 6, 7,1. Auch 
kann $vds substantiviert werden: nd Svahlvam upäsita kö hi 
manusyäasya 300 veda man denke nicht an Verschiebung, denn 
wer kennt das morgen des Menschen SB. 2, 1, 3, 9. Die gleiche 
Objektivierung tritt im Deutschen ein, wenn man z. B. sagt: 
heute leiht er, morgen will er’s wieder haben. Der Redende ver- 
setzt sich in die Lage des Handelnden oder an einer Handlung 
Betheiligten, von dem er spricht. 

8 235. Fortsetzung. Ortsbegriffe. 

Unter den Ortsbegriffen fällt uns zunächst der Begriff 
des Hauses in’s Auge. Wir haben in vielen unserer Sprachen 
adverbiale Ausdrücke im Sinne unseres ‘zu Hause’ und ‘nach 
Hause’, so gr. oixeı und otixoı, lat. domi, deutsch heime, heim, lit. 
name, slav. doma, welches letztere, wenn es auch nicht Lok. 
sein sollte, doch lokativischen Sinn hat. Im Altindischen zeigt 
sich ein Wort von pronominaler Herkunft, nämlich ama (also 
wohl ein alter Instr.) “daheim, zu Hause, bei sich. Das ‘nach 
Hause’ lautet gr. olxaöe, olxdvös (weniger erstarrt ist der Akk. 
von Ööyos), lat. domum, das nur wegen seiner Verwendung ohne 
Präposition allenfalls erstarrt genannt werden kann, deutsch 
heim, lit. namün oder namön (wobei r» Präposition ist), slav. im 
Dativ domovi. Der Begriff ‘von Hause’ hat nicht so vielfältig 
adverbialen Ausdruck gefunden, doch ist oixoßev und domo vor- 
handen. An Haus mag man die Städtenamen anschliessen, 
wie sie 2. B. im Lateinischen behandelt sind. Warum ist nun 
wohl der Lok. domt, Romae u. ähnl. geblieben und warum 
sagt man nicht :n domo, in Roma? Ein im Lok. stehender 
Ortsbegriff vertrug und verlangte natürlich eine genauere Be- 
schreibung durch Adjektiva und durch Präpositionen, welche 
im Laufe der Zeit immer regelmässiger hinzugefügt wurden. 
Bei domi und Romae aber ist eine genauere Beschreibung nicht 
nöthig, denn es kommt nicht darauf an, ein Haus oder eine 
Stadt mit ihren ın die Augen fallenden Eigenschaften zu be- 
schreiben, sondern es soll nur eine Örtlichkeit insofern bezeich- 
net werden, als sie Heimath oder Aufenthaltsort einer Person 


554 Kap. XIV. I. Adverbia aus Ortsbegriffen. [$ 235—236. 


ist. Für eine solche unanschauliche, gar nicht individualı- 
sierende Bezeichnung blieb der Lok. ohne Adjektiv und Prä- 
position übrig. 

An das Daheim schliesst sich das Draussen, zunächst 
Ableitungen des Wortes Thür im Griechischen und Lateini- 
schen: döpnde, döpnoı, attisch Yöpası draussen, Vüpale heraus. 
Wie sehr die Anschauung der Thür dabei verblasst ist, ergiebt 
sich aus homerischen Stellen, wie: &x rövroro Büpale {nämlich 
den Fisch ziehend) II 408; &x 8 apa ol npod ddpu yeilıvov @se 
döüpase E 694. Im Lateinischen forts, foras, lit. Zauke draussen, 
eig. im Felde, laükan hinaus. Auf andere Begriffe, wie Land, 
Feld, Fremde, welche vereinzelte Adverbia geliefert haben, gehe 
ich hier nicht näher ein, dagegen erwähne ich noch Erde, dessen 
Adverbialbildungen dicht an die mit anderen Mitteln gebil- 
deten Ausdrücke ‘unten’ und herah’ streifen (vgl. gr. yanai 
yapaöız, yanase yanädev (wobei über die Betonung gestritten 
werden kann), lat. humt, auch lett. /fem unter. Endlich Kreis: 
gt. xuxAdse und etwa auch xuxdw, deutsch rings, russ. Arugomü 
rings. 

$ 236. Fortsetzung. Die übrigen Begriffe. 

Die dritte Masse, diejenigen Formen umfassend, welche 
die Art der Handlung oder auch die Art, in welcher der Han- 
delnde erscheint angeben, gehört in eine Reihe mit den aus 
Adjektivis gebildeten Adverbien, mit Partikeln und Präposi- 
tionen. Ich führe aus der an sich unerschöpflichen Masse 
Folgendes beispielshalber an: Dem Begriffe schnell entspre- 
chen etwa ai. ünjasa $ 243, lat. numero eig. “nach Noten’, 
deutsch Augs u. ähnl.; unserem kaum gr. onouöj, dvayaq, 
deutsch nöti u. ähnl.; gern ai. kamam; eine zusammengehörige 
Gruppe bilden ai. vra)am in Haufen, gr. ravavöly, ags. kedpum 
haufenweise, lat. oppido ganz und gar $ 240, vulgo gewöhnlich, 
ags. dropmalum tropfenweise, serb. mrrice ein bischen, lat. parttm, 
unser theils u. ähnl.; umsonst bedeuten gr. dwrivnv, Tpotxa, 
öwpeav, lat. gratis, russ. daromö; an die Multiplikativa der Zahl- 
wörter rücken heran die mit ai. Artvas, mal, lit. syk, syki, 
kaft (kaftgq) u. ähnl. gebildeten Ausdrücke; an Partikeln 








8 236—237.] Kap. XIV. I. Erstarrung von Adjektivis. 555 


erinnern ai. rupam nach Art, gr. d£pas, lat. instar und vicem, lat. 
modo, die mit wetse gebildeten Komposita, wozu noch Bildungen 
wie kreuzweis kommen, welches aus ?» Kreuzes Weise entstan- 
den ist. Endlich zu Präpositionen sind yapıy, causa u. ähnl. 
geworden. Auf die Entstehung dieser Bildungen haben jeden- 
falls auch die gleichbedeutenden Adverbien, welche zu Ad- 
jektivis und Pronominibus gehören, anregend gewirkt. 


6 237. Erstarrungserscheinungen bei Adjektiven 
als solchen. 


Bei den adjektivischen Adverbien sind, wie man längst 
bemerkt hat, zwei Typen zu unterscheiden. Entweder nämlich 
kann das Adjektivum sich von dem Substantivum, zu dem es 
in Kongruenz steht, frei machen (z. B. oyeötyv), oder das Ad- 
jektivum kann substantiviert werden (z. B. p£ya). Im ersteren 
Falle berührt sich die Lehre von dem Adverbium eng mit der 
Lehre von der Ellipse, wo weiter darüber zu handeln sein wird. 
Es ist richtig, dass man oft nicht in der Lage ist, das vor- 
schwebende Substantivum mit einiger Wahrscheinlichkeit nam- 
haft zu machen, z. B. bei den indischen Bildungen auf taram, 
tamäm und im, den griechischen auf örv u. a., bei andern aber 
gelingt die Auffindung eines solchen, z. B. bei raytornv, wobei 
ja noch der Artikel tv die Ellipse anzeigt, bei oysötnv, weniger 
deutlich bei &vrıßinv, bei lölg, xow7j u. ähnl., bei den altnordi- 
schen Akk. mask. ($ 260). Öfter ist man im Zweifel, ob noch 
eine elliptische Anwendung des Adjektivums oder bereits ein 
Adverbium anzunehmen ist, und zwar tritt der Zweifel nicht 
selten bei verschiedenen Exemplaren derselben Adverbialbildung 
ein. So wird man z. B. geneigt sein, zu dem altnord. rö« 
kropturligan kräftig rudern rödr Ruder, Ruderung zu ergänzen, 
also Ellipse anzunehmen, während man zu dem gleichgebilde- 
ten jafnan beständig ein Substantivum nicht zu ergänzen weiss. 
Das ist natürlich, da ja die bei einem Worte entstandene Aus- 
drucksweise sich auf andere fortpflanzt. Die völlige Emanzipation 
tritt natürlich erst bei dem mittels Anlehnung gebildeten Worte 
ein. Auf die ursprünglich elliptische Ausdrucksweise wird man, 


556 Kap. XIV. II. Adverbia aus dem Ablativ. [$237— 238. 


wenigstens dem Prinzip nach, die Adverbia mit maskulinischem 
und femininischem Ausgang zurückzuführen haben. 

Was den zweiten Typus, die Substantivierung, betrifft, so 
ıst wohl klar, dass er von dem ersten wesentlich nicht ver- 
schieden ist. Wir sprechen ja dann von Substantivierung, wenn 
dem Sprechenden neben dem Adjektivum ein Substanzbegriff, 
an dem es haftet, vorschwebt, z. B. der Weise. Ist nun dieser 
Substanzbegriff kein individueller und deutlicher, sondern all- 
gemein und verschwommen, also auch keinem ausgesprochenen 
Geschlecht angehörig, so tritt das Adjektivum in die unge- 
schlechtige Form. Diese Art des adjektivischen Ausdrucks er- 
zeugte besonders viel Adverbia akkusativischer Form, z. B. 760 
yeldw süss lachen, eig. “Süsses lachen”. 

Wir haben oben gesehen, dass eine erstarrte Substantiv- 
form auch zur Präposition werden kann, nämlich dann, wenn 
sie nicht zu dem Verbum, sondern zu einem Nomen in die 
nächste Sinnesbeziehung tritt, z. B. yapıv. Dasselbe kann sich 
natürlich auch bei Adjektivadverbien ereignen, z. B. secundum. 
Einen Übergang zu den Präpositionen bilden Wörter wie öpotwg, 
&vavtiug, 2. B. &vavriug Eyeı TS owopovı 6 AxdAastos bei Plato. 

Bei dem Substantivum ist oben ungefähr der Kreis der 
Wörter umschrieben worden, innerhalb dessen Adverbia ent- 
stehen. Für die Adjektiva möchte ich ein ähnliches Verzeichnis 
nicht aufstellen, sondern Sammlungen innerhalb der Einzel- 
sprachen abwarten. 


II. 
Übersicht nach den Kasus. 


$ 238. Ablativ. Altindisch und Avestisch. 

Unter dem Ablativ behandle ich ausser den arischen 
Sprachen nur das Griechische und Lateinische. Doch will ich 
hier noch bemerken, dass die gotischen Adverbia auf fro, näm- 
lich Avaßro woher, Bapro daher, jainpro dorther, utapro von 
aussen, #2naPro von innen, 3upapro von oben, dalapro von unten, 
Jarrraßro von fern, aljabro anderswoher, allabro von allen 
Seiten jedenfalls auch der Form nach Ablative sind. 











$ 238.) Kap. XIV. I. Adverbie aus dem Ablativ. 557 


Altindisch. Ablative von Substantiven werden in der 
alten Sprache adverbial nicht verwendet. Denn die isolierten 
Abl. äsad aus der Nähe und ärad aus der Ferne, welche Grass- 
mann für substantivisch erklärt, können auch von Adjektiv- 
stämmen abgeleitet werden. Später finden sich dalad gewaltsam 
u. ähnl., eigentlich: “infolge von Gewalt’. Die merkwürdigen, 
wesentlich dem Epos angehörigen Formen auf -säd, welche 
Whitney $ 1108 anführt, z. B. bAasmasäd zu Asche im Epos 
in Verbindung mit den Verben gam, yä, ni, kar, as, bhü, da- 
syusad den Räubern zur Beute (l0%6 "yam dasyusäd bhavet diese 
Welt würde den Räubern zur Beute werden), scheinen ur- 
sprünglich den Stoff angegeben zu haben, aus dem etwas be- 
reitet wird, also z. B. bhasmasäd aus Asche bestehend. Eine 
ähnliche Wandlung hat das ablativische säksüd durchgemacht. 
Es bedeutet eigentlich ‘von der Augengegend aus’, daher mit 
‘sehen’ s.v. a. ‘mit eigenen Augen’ und mit Aar ‘sich vor 
Augen führen, zu Gesicht bekommen’. Bei Adjektiven liegt 
ebenfalls kein Abl. vor (cirad nach langer Zeit ist nachvedisch). 

Das einzige Gebiet des Abl. ist also das der Pronomina 
und pronominalen Adjektiva. Dahin gehören zunächst einige 
Partikeln, die ich hier um der Formen auf w; willen erwähne, 
nämlich das nur im RV. vorkommende äd darauf, dann, da, 
tad infolge davon’ (ghrtäsya stöokam sakrd dhna aßnam täd 
&oedam tätrpäna carami einen Tropfen Butter ass ich einmal 
des Tages, infolge.davon bin ich jetzt noch satt RV. 10, 95, 16), 
ferner ‘so, so weit’ einem y@d entsprechend: dreamasi vira yad 
evd vidmäa tat tva mahäntam wir preisen dich, o Held, den 
grossen, soweit als wir es verstehen RV. 6, 21, 6. Über die 
Konjunktion yäd seit, soweit als, so lange als s. SF. 5, 584 und 
324. Mit yäcchregta bestmöglich vergleicht sich “ws Be&Aroros 
u. ähnl., eine Verbindung, welche wohl aus einem Satze (‘wie 
es am besten ist‘) zu erklären sein mag. (Kadsmäd, tdsmäd, 
yasmäd kommen ım Veda als Adverbia nicht vor. In der alten 
Prosa heisst Adsmäd warum, das unendlich häufige fdsmäd 
darum, deshalb, y@smäd warum in abhängigen Fragen, vgl. SF. 
5, 584). Ferner sind vedisch eine Anzahl von Formen, welche 


558 Kap. XIV. IL Adverbia aus dem Ablativ. [$ 238. 


Richtungen im Raume oder Nähe und Ferne in Raum und 
Zeit bezeichnen, theilweise mit adverbiellem Accent, so: utla- 
räd von Norden her (zu üttara), adharad (zu ddhara) von unten 
her und ‘unten’, letzteres: asau yd adharad grhäs tälra santo 
aräyyah in jenem Haus, welches unten ist, sollen sich die Un- 
holde aufhalten AV. 2, 14, 3. Neben nicad von unten ist eine 
andere betonte Form desselben Stammes nicht überliefert. Ohne 
Anlehnung an ein Adjektivum steht paScad von hinten, hinten, 
hinterher, hintennach, hernach, später, zuletzt, in der späteren 
Sprache auch ‘rückwärts. Wörter der Nähe und Ferne sind 
amäd aus der Nähe (eig. ‘von diesem’ zu dma dieser), sad und 
antıkad aus der Nähe, dürad und apakad aus der Ferne. In 
aräd (woneben äre) aus der Ferne zeigt sich schon früh eine 
starke Veränderung der Bedeutung ‘in die Ferne’: ärad visr$ta 
i$avah patantu rak$asam fernhin (d. h. wirkungslos) sollen die 
Pfeile der Unholde fliegen, wenn sie abgeschnellt sind AV. 
2,3, 6. Von der Zeitferne ist verstanden sanad von alters her. 
Merkwürdig ist die angebliche Verbindung mit yivan: indram 
ajurydm jardyantam uk$itäm sanad yüvanam avase havämaheRV.2, 
16,1, wo Böhtlingk-Roth ‘den ewig jungen’ übersetzen. Aber an 
allen anderen Stellen wird sanad mit einem Verb. fin. oder Part. 
verbunden, also gehört es wohl auch hier zu Aavämahe (wie zu 
Juhomi 2,27,1). Dazu eine Reihe von Wörtern mit -tad (Whitney 
$1100®), 2. B. arattäd aus der Ferne, uttarattäd von Norden her, 
paScatäd von hinten, adhastad RV. und SB. ‘von unten her’, später 
(bei Manu) auch ‘nach unten hin, in die Hölle’, parastad jenseits, 
purasiäd vorn, bahistäd ausserhalb (auch als Präpositionen).!) 
Schliesslich mache ich noch darauf aufmerksam, dass 
keines der hier angeführten Wörter in dem Sinne adverbial 
ıst, dass es die Qualität einer Handlung bezeichnete, dass viel- 
mehr meist der ablativische Sinn noch deutlich ist. Derselbe 
hat indes insofern mehrfach eine Änderung erfahren, als ein 
Ruhezustand ausgedrückt wird, also nicht “von oben’, sondern 
‘oben’ u.s.w. Der Übergang erklärt sich, wenn man sich 


1) tävattäd scheint mir falsche Lesart zu sein (tävat-tävat ı. 1... 








$238—239.] Kap. XIV. II. Adverbia aus dem Abl., auf x. 559 


gegenwärtig hält, dass eine von einer Stelle ausgehende Be- 
wegung ohne grössere Veränderung des Gesammtsinnes der 
Aussage auch als an einer bestimmten Stelle sich vollziehend 
gedacht werden kann. So kommt es praktisch ziemlich auf 
dasselbe hinaus, ob man sagt ‘das Licht scheint von oben’ oder 
“es scheint oben‘. 

Die Sprache des Avesta zeigt (wenn ich nichts übersehen 
habe) nur Ablative von pronominalen Adjektiven: paurvanagmap 
von vorn her, vorn, ntstaranagmap von aussen her, antara- 
nagmap innerhalb (auch antarap nagmäap), upaırinagmap (wenn 
es als ein Wort zu lesen ist) von oben her, oberhalb, adap 
nachher, von dort, paskaß nachher, hinterher, uskäh hoch 
(uskab yästayd einer Hochgeschürzten yt. 5,64). Beachtenswerth 
ist die lokale Bedeutung von uskapß, mit dem man lat. alted 
(bei Ennius) vergleiche. 

8239. Ablativ. Griechisch (die Formen auf oj,). 

Im Griechischen giebt es ein vereinzeltes ablativisches Ad- 
verbium in genitivischer Form, nämlich das homerische dAtyov 
beinahe, womit man das gleichbedeutende ai. alpakad ver- 
gleiche, über das SF. 5, 113 gehandelt ist. Sodann stelle ich 
hierher die Formen auf wc. Ich weiss wohl, dass noch laut- 
liche Bedenken bestehen, aber die Übereinstimmung des Ge- 
brauches zwischen tad und tus, yad und ws scheint mir zwin- 
gend. Die Vermittlungsstufen zwischen der ablativischen und 
der modalen Bedeutung sind nicht überliefert. Ich vermuthe, 
dass diese pronominalen Adverbia im Griechischen den Aus- 
gangspunkt für die Entstehung der übrigen Adverbia auf ws 
gebildet haben (man denke namentlich daran, wie nahe es lag, 
auf nö; mit einem adjektivischen Adverbium auf w; zu ant- 
worten), und stelle sie deshalb voran. Ich führe an: rws, 
os und &s, rzös und rws, duüs und duws, aürws, AAlws, TAVTWs 
und oötw; (nebst dem instrumentalen oörw). 

twos kommt bei Homer zweimal bei einem Verbum vor, 
nämlich xeivos Tws Aydpeve B 330, wc ÖE o Aneydnpw “cs vüv 
Zxrayla olAnca I’ 415 (vgl. tad und yad im Ai.), und einmal 
bei einem Adjektivum: tw; pev Env palaxds T 234. Auf die 





560 Kap. XIV. II. Adverbia aus dem Ablativ, auf . [$ 239. 


Entwicklung der Partikel w; einzugehen, ist hier nicht der 
Ort. Dass &: mit yäad identisch sei, folgt aus der oben er- 
wähnten gleichen Verwendung vor dem Superlativ, ferner lässt 
sich nicht bezweifeln, dass aus derselben Quelle die Verwen- 
dung von “sg im relativen Satzgefüge folgt. Ausser diesem a 
gleich yad giebt es ein wahrscheinlich erst im Griechischen 
entstandenes &;, welches sich zu 6 und & (in 7 8’ &;) so ver- 
hält wie oörws zu oüros. Ferner nimmt man an, dass ein drittes 
besonderes Wort in dem einzelne Begriffe vergleichenden a; 
(z. B. deös 5) vorliege, welches aus *ofa< zu erklären sei. Ich 
habe mir darüber keine entschiedene Ansicht gebildet. Über 
die Präposition &; vgl. $ 300. rös und zus scheinen nur zu 
Verben, nicht — wie tus — auch zu Adjekt. in Beziehung 
zu treten. öu@s (dus) heisst ‘in gleicher Weise’, z. B. el xal 
poipa rap Avepı tüde danzvar navras Öuws wenn allen das gleiche 
Schicksal bevorsteht, von diesem Manne getötet zu werden 
P 421, ot d& rpltw Tparı navres TAdov ping adrol Te rolsis xal 
nwvoyes Innor A 707, &vvipap ev Öpiwg mÄdonev vöoxraz; Te xal 
huap x 28, voxti 8 öuög nielsıv in gleicher Weise wie am Tage 
o 34. Mit Dativ: &ydpös yap poı xeivos öpws Atdao möAgaıv & 156. 
Damit ıdentisch ist das Wort, welches wir öuws schreiben, so: 
Zaprndovrı 8 Ayos yevero I’Nauxou Arıdvros adriX nel T Evinaev‘ 
&uws 8 od Andero yapyıns gleichwohl, in gleicher Weise, näm- 
lich, als ob Glaukos nicht weggegangen wäre M 392, vgl. X 563. 
aötwc bedeutet ‘so wie etwas an sich selbst, seiner Natur nach 
geschieht oder ist‘, z. B. eö vo xat Hpeis Töpev 8 toL xÄura Tedye’ 
Eyovrar' al ads &yltappov labv Tpwescı payıdı so wie du bist, 
ohne Waffen 3 198. So auch öfter bei Adjektiven, z. B. A&Brra 
Aeuxöv Er autos W 268 blank wie er von Natur war, wir könnten 
sagen "noch ganz blank’. An anderen Stellen suchen wir an- 
dere Umschreibungen, so z. B. oööE tı Epywv &urarov ouöE Bir, 
aA aörwg Aydos Apoüprs geradezu u 379, 7 vb Tor adrwus odar 
axougpey dort, voos d Andiwie xal aldıs hast du denn nur so 
Ohren zum Hören, aber keinen Verstand O0 129. dA\wcs an- 
ders, z. B. et rı nöpors kervnıov n: xal Aw; sonst) dolns dwrivrv 
ı 267, napos 8 00x Zooetar AlAwms E 218, gs xal cool eldog yiv 





8239.) Kap. XIV. II. Ablat. Adverbia, griech. we. 561 


Apınpen&s, oböE ev AMlms oBde Bes Teükee und auf andere 
\bessere) Weise würde es auch ein Gott nicht machen können 
9 176. Dann auch “bei anderer Gelegenheit’: xal ö äAAwc (sonst) 
tod y td BeAos nereraı Y 99. Endlich ‘in anderer Weise, als ge- 
wünscht war‘, daher ‘umsonst’: Irepyet, Aw; ool ye narhp 
npnoato Ilndeds W 144. rnavrw; ganz und gar, bei Homer mit 
der Negation, z. B. ravrwg oöxerı vor dtaxpıyessdar ölw nplv yar- 
p@v yedcasdaı ich glaube ganz und gar nicht, dass wir noch 
auseinander kommen werden v 180. In bezug auf oörw; und 
oötw ıst zu bemerken, dass ein Unterschied zwischen beiden 
Formen nicht hervortritt, oötw(s) heisst immer nur: “auf diese 
Weise’, z. B. &rxel vö toı edadev oörws P 647, el odrw walveodaı 
2asopev oölov Apna E 717, el d oütw todr Zorlv A 564. So auch 
in or7d odrtw Anönpoßev L 218 und ornd’ ourws ds ndocov p 447, 
d.h. ‘so wie du hier bist, ohne dich zu besinnen, sogleich’. 
Öfter verbindet es sich mit Adjektiven, z. B. xaldv & oßtw &yav 
oonw Töov Öpdainotsıv 008 odtw yepapdv I’ 169. Ich glaube, dass 
oötw seinem Ursprunge nach Instrumentalis ist, so dass also 
zwei Kasus desselben Wortes adverbial gebraucht wurden, 
welche in ihrer Bedeutung zusammenfielen. 

Es folgen nun die adjektivischen Adverbia auf wc. Sie 
sind bei Homer durchaus noch nicht häufig. Ich habe zufällig 
(ohne Vollständigkeit zu erstreben) die folgenden aufgezeichnet: 
adıyaas, alöolws, als, alvas, Axröcotws, Axkeıws, Annieyiwc, dpra- 
Aews, aoxekdws, doteumelws, Aopaleus, Atpexnews, Appaösws, Öınvexdug, 
örxalums, Exnaylwc, E&Aappws, Eunanews, Evbuxdus, Evwradlus, ErıXpa- 
tewg, eöxkeıig, ebHpadEwns, arms, xalws, napralluwg, Xpaınvas, Apa- 
tepig, Arydus, Auypig, palaxas, mabıötws, peyalms, volepdus, ötpa- 
Adws, ÖTPNnpP@s, nepıopaddws, TPOPPOVvEws, TuxLvas, briölws, atepeis, 
STUyEpws, OPOÖpWs, TayEu;, Teyvnevrug, breppaius, pllws, Yaleras, 
zu einem Partizipium &rıorag.evws, Eoouu&vws. Die meisten kommen 
in nur wenigen Wendungen, viele nur in einer vor. Als Bei- 
spiel mag alvag zu alvös furchtbar, gewaltig dienen: vüv ö alvas 
delöorna A 555, aAld nal alvac deldıa K 38, yuoaro 5 alvas N 165, 
dazu pala nep xeyolwp£vos alvas T 324, N 5 albous Aneßnsero, 
telpero d alvas E 352, AMId par alvas alöeouaı Tpwas Z 441, 

Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm. Sprachen. 1. 36 





562 Kap. XIV. IH. Abl. Adverbia, lat. auf e, o, a. [$239—240. 


und danach # piv 64 Awßn tade y &ooetaı alvödev alvas H 97, 
inel vö nep leraı alvas P 327, alvas yap p aurdv Ye evos xal 
dunds Avwyav Q 198, alvas ap pößoror Ereool Te ovloıy Axodmv 
tepronan 5 597, Foato 8 alvas ı 353, pldexe yap alvas a 264, 
&tepalvsro alvas (glühte gewaltig) ı 379, alvas ddavargar dere 
eic ana Eorxev I’ 158, dazu alvas Zoıxdtes K 547. Man bemerke 
noch yalaxas edösıv sanft ruhen (nicht ‘schlafen’) y 350, ® 255 
und plus in der Wendung: vöv d& Yllmc x Öpdepre jetzt würdet 
ihr vergnüglich zusehen A 347. Zu den Verben, mit welchen 
diese Adverbia verbunden werden, gehört auch slvaı: tdypa 58 
Koupntessı xanws dev ] 551, Evda dtayvavar yalsnuıs Esv dvöpa 
&xaotov H 424. Eine Verbindung mit Adjektiven oder Ad- 
verbien habe ich nur an folgenden Stellen gefunden: atvo; 
{ap ade elnar’Eyw xaxd p 24, wo ich nicht sehe, wie alvas zu 
&yw sollte gehören können; äyyı yap alvas adAfic xald Üüperpa 
fürchterlich nah x 136; oil d dpa vexpöv And yBovös dyadlovro 
Or ndla neydAwms ganz hoch in die Höhe P 723. In bezug auf 
die nachhomerische Sprache verweise ich auf Frohwein’s Ab- 
handlung in Curtius’ Studien 1, 63 ff. und bemerke hier nur, 
dass Adv. auf ws von Komparativen auch bei älteren attischen 
Schriftstellern nicht selten sind (vgl. das Verzeichnis S. 98), 
dass aber von Superl. aus dieser Periode nur £uvropuwratus 
Sophokles Oed. Kol. 1579 belegt ist. 

Durch Anfügung von rı gleich ai. cid (welches sich wohl 
auch in &xnrı findet) scheinen peyalworl und vewst! entstanden 
zu sein. peyalwort findet sich Herodot 2, 161 bei rpoo&rtaıoev, 
5, 67 in p. xapra tınäv dient es zur Verstärkung von xäpra. 
Danach kann die homerische Formel xeito p£yas neyalwart wohl 
nicht heissen “er lag über eine grosse Strecke hin’, sondern 
“als, ein gewaltig grosser’. veworl heisst eigentlich ‘auf eine 
neue, unerwartete Weise’, ist aber nur belegt im Sinne unseres 
"neulich’, z. B. ndAaı dLöoxtaı radra xod vewotl por Sophokles 
Elektra 1049. 

$ 240. Ablativ. Lateinisch (die adjektivischen Ad- 
verbia auf ee, o, a). 

Von Substantiven kommen etwa domo und rure in betracht. 





8 240.) Kap. XIV. II. Abl. Adverbia, lat. auf e, o, a. 563 


Die Hauptmasse bilden die adjektivischen Adverbia auf e, o, a. 
Es ıst klar, dass sehr viele derselben instrumentalen Ursprungs 
sind, eine Scheidung ist aber nicht mehr möglich, weil die ab- 
lativische, instrumentale (und lokale) Bedeutung sich sehr früh 
ın der d-Form zusammengefunden hat. Es kommt also hier 
schon vieles zur Sprache, das eigentlich in den Instrumen- 
talıs gehört. 

1. Die Formen auf e. Das ablativische d zeigen noch das 
oskische amprufid, das faliskische (d.h. altlateinische) rected, 
das ennianische alied, das factllumed der Epistula des Senats 
über die Bacchanalien. Im Umbrischen dürfte prufe ein Beleg 
für diese Adverbialform sein (vgl. Brugmann in den Verhand- 
lungen der sächsischen Ges. der Wiss. 1890, 219). Die Be- 
deutungsentwickelung mag im Italischen (anders als im Grie- 
chischen) an die Ablative der pronominalen Adjektiva örtlichen 
Sınnes angeknüpft haben. Von “hoch’ (vgl. av. uskap S. 559) 
führte der Weg leicht zu “aufrecht” und ‘recht’ (rected) und von 
diesem zu bene u. s. f. Die Adverbia auf e stehen zu den Ad). 
auf us in lebendigem Verhältnis. Für fere freilich und das als 
Superlativ dazu gehörige ferme (Ribbeck, Partikeln 6) findet 
sich kein Anschluss. Sane und valde haben sich von sanus 
und valdus innerlich etwas mehr entfernt, das letztere auch 
ın der Form. 

Viele Formen auf e (über deren Konstruktion wir einiger- 
massen aus Holtze 1, 150 ff. und Wölfflin, lateinische und ro- 
manische Komparation, Erlangen 1879 unterrichtet sind) er- 
scheinen schon in der ältesten Zeit gleicherweise mit Verben 
wie mit Adj. verbunden, z. B. aeque: tragici et comici num- 
quam aeque sunt meditati (Plautus) ; guem videam aeque esse 
maestum quasi dies si dieta sit (Plautus); numquam aeque ıd 
bene locassem (Plautus); homo me misersor nullus est aeque 
(Plautus). Walde: valde placere und male valdest bei Catull 
u.s. w. Bei einigen kann man indessen noch verfolgen, dass 
sie ursprünglich nur mit Verben, noch nicht mit Adjektiven 
verbunden wurden, so bei male, was in der alten Sprache oft 
neben Verben erscheint, neben Adj. zuerst bei Catull in 

36* 


564 Kap. XIV. II. Abl. Adverb., lat. auf e, o, a. [$240. 





insulsa male ac molesta; bei bene, das bei Plautus nur neben 
Verben erscheint (da man bene morigerus furt puer und bene 
Zubenter nıcht als Ausnahmen rechnen kann), neben Adj. nicht 
selten bei Ennius, Cicero u. 8. w., 2. B. bene magnus, bene fidus; 
misere ıst nach Wölfflin, dem ich diese Angaben entnehme, im 
ganzen und grossen auf die Verbindung mit Verben beschränkt 
geblieben. Hinsichtlich mire und mirifce bemerkt derselbe 
Gelehrte, dass Cicero sich zur Verbindung dieser oft gebrauch- 
ten Wörter mit Adj. nie recht habe entschliesen können. Auf 
der anderen Seite scheinen summe und apprime von Anfang 
an nur mit Adj. verbunden worden zu sein, wie bei Adv. 
steigernden Sinnes nicht unnatürlich ist. — Zu den Verben, 
mit welchen Adverbia auf e verbunden werden, gehört auch 
esse, &. B. si tllıs aegre est (Pl.), familiae male ne sit \Cato). — 
Aus dem Adjektivgebiete ist bemerkenswerth die Verbindung 
gleichstämmiger Adj. und Adv. bei Plautus, z. B. bella belle, 
misere miser, unice unicus, firme firmus. 

2. Bei den von Adjektiven oder Partizipien gebildeten 
Formen auf o ist die ablativische Form deutlich in merstod. 
Dem Sinne nach könnten sie alle Instr. sein. Einige Belege 
sind: perpetuo immerwährend, cottidiano täglich, matutino früh- 
morgens (mit dem Morgen), credro häufig, raro selten, primo 
anfänglich, repentino plötzlich, arcano geheim, fortusto zufällig, 
mutuo wechselweise, precario bittweise, serio im Ernst, certo 
für gewiss, vero ın Wahrheit; dazu von partizipialer Form cito 
schnell, falso falsch, merito (meretod) mit Recht, secreto geheim, 
und mit noch deutlich partizipialer Verwendung auspicato unter 
guter Vorbedeutung, augurato nach Anstellung von Augurien, 
compostto nach Verabredung, sortito nach Losung (während man 
ıntestato lieber für einen alten Nominativ halten möchte). Im 
Gebrauch merkt man das Kasushafte noch stärker als bei den 
Formen auf e. Daher ihre häufige Verbindung mit dem Kom- 
parativ und Superlativ, worüber Wölfflin 35 und 38 bemerkt: 
“Während ich bei Plautus konsequent multo, tanto, nihilo, paulo, 
nimio, quanto mit Komparativen und Wörtern von komparativer 
Bedeutung, wie malle, praestare verbunden finde, treffen wir 











$ 240.) Kap. XIV. II. Abl. Adverbia, lat. auf e, o, a. 565 


den Akkusativ zuerst bei Terenz Eum. 131: frater aliquantum 
ad rem est avidior.” Ebenso wie der Akk. bei dem Komp. er- 
scheint das Adv. auf e beim Superlativ später als die Form 
auf o. In der archaischen Latinität wird der Sup. nur mit 
multo gesteigert, z. B. multo gravissimus, während sich Aus- 
drücke wie Zonge audacıissimus zuerst bei Cicero finden. Freilich 
finden sich Formen auf o auch bei dem Positiv, z. B. nimio 
impendsosus, magnus bei Plautus. 

Im ganzen kann man behaupten, dass die Formen auf e 
und o einander ausschliessen. Bei einigen Adjektiven kommen 
sie ohne Bedeutungsunterschied nebeneinander vor, so sind 
incerte und :ıncerto archaisch, directe und directo bei Cicero in 
Gebrauch. In anderen Fällen, so z. B. bei certe und certo 
bemüht man sich, die Gebrauchsunterschiede festzustellen, nicht 
immer mit Erfolg. Ein Verzeichnis sämmtlicher hierher ge- 
höriger Formen s. bei Neue? 2, 617 ff. 


3. Unter den Formen auf @ sind ablativisch ertrad, 
suprad, also wohl auch contra, intra, ultra u. s. w. Es könnte 
immer sein, dass diese trotz ihres @ neutrale Ablative wären 
(vgl. Hirt, IF. 1, 24). Andere möchte ich mit Zuversicht für 
femininisch halten. Ich führe beispielshalber an: Zac, tlla, ea, 
eadem, qua (nämlich via). Sie bezeichnen den Weg, auf dem 
sich eine Bewegung vollzieht, z. B. sequere Aac (Plautus), oder 
den Ort, wo etwas geschieht, z. B. qua locus ferax non erst, 
td plus concidito (Cato), ista state (Plautus), auch übertragen 
auf die Art und Weise, so z. B. ın gua-qua (quem omnes ode- 
runt qua viri qua mulieres Plautus), vgl. Holtze 1, 86. Auch 
kann gua gebraucht werden, wo wir ‘wohin’ sagen würden: 
qua res tinclinatura esset (Livius). Via ist auch ursprünglich 
verstanden worden bei recta, deztra, sinistra. Zu una dürfte 
opera zu ergänzen sein. Frustra, offenbar mit fraus zusammen- 
hängend, hat in alter Zeit kurzes a. Es dürfte also wohl Akk. 
plur. sein. Das Auftreten der Länge wird auf Analogiewir- 
kung von contra u. s. w. zurückgeführt. 





566 Kap. XIV. II. Lok. subst. Adverbia, altindisch. [$ 241. 


$ 241. Der Lokalis. Substantive im Singularia. 

Man nimmt jetzt an (Brugmann 2, 611), dass verschiedene 
Stämme in der Urzeit im Sinne des Lokalis gebraucht werden 
konnten. Davon sollen sich im Altindischen noch erhalten haben 
Formen wie dhar, das eigentlich eine Stammform ist, aber im 
Sinne des Nom. Akk. oder Lok. des Sing. gebraucht werden 
kann, letzteres in ahar-ahar Tag für Tag und ahar-div: täglich 
auch dieses eine Art von ämrödita). Ebenso wird betrachtet 
sadivas an einem und demselben Tage (also wohl auch sddyas), 
ferner pürvedyds Tags zuvor, utiaredyus am folgenden Tage, 
aparedyus am folgenden Tage, ubhayedyus an zwei auf ein- 
ander folgenden Tagen. Aus dem Griechischen wird hierher- 
gestellt al&v und ale; (denen sich das von demselben Stamme 
mit ı gebildete alcı zugesellt hat), aus dem Lateinischen penres 
im Inneren. 

Unter den auf die gewöhnliche Art gebildeten Lokativen 
nenne ich aus dem Altindischen: dgre. dgra Spitze wird, 
so viel ich sehe, überhaupt nicht mit Adj. verbunden, wohl 
aber mit Gen., so im RV. ägrö rdthanäm an der Spitze der 
Wagen. In diesem Falle nennt Grassmann dgrö einen Kasus, 
auch noch wenn dgrö ohne Gen. mit einem Verbum des Gehens 
verbunden ist, 2. B. agre yatı er geht an der Spitze. Wenn 
agre dagegen nicht mit einem Gen. verbunden ist und auch 
nicht neben einem Verbum steht, bei welchem man an eine 
sich bewegende Reihe denkt, nennt er es Adv., z. B. Atran- 
yagarbhäh sdm avartatägre H. bildete sich im Anfang, d4dhämi 
te mddhund bhak$am dägr& ıch gebe dir zuerst den Trank des 
Soma (RV.). Hier hat also der Prozess der Erstarrung kaum 
begonnen. Weiter fortgeschritten ist er in folgenden Worten 
des SB.: agnihöträd ägra @ mahald ukthät vom agnihotra an 
der Spitze (d.h. vom agnıhotra) an bis zum mahad uktha, wo 
ägrö im Satze dieselbe Stelle einnimmt wie @. — Ausser dgre 
wären aus dem Veda etwa noch anzuführen abAisvare bei 
Zuruf, auf Rufweite, nach, hinter (mit Gen.). Aus nicht accen- 
tuierten Texten: prag& früh morgens und morgen früh, eigent- 
lich wohl “beim Vorgehen der Sonne’. Aus dem Griechischen 








$ 241.) Kap. XIV. I. Lok. subst. Adverbia, lateinisch. 567 


wäre etwa das lokativische 7pı (aus auser: KZ. 27, 308 und 
BB. 15, 15) zu erwähnen. Aus dem Lateinischen erwähne 
ich temere, rite, oppido. Temer® (über dessen Quantität man 
Wölfflin, Arch. 4, 51 vergleiche) ist schwerlich etwas anderes 
als der Lok. von *temus Finsternis, gleich ai. tamas, heisst 
also eigentlich ‘im Dunkel’. Rite ist vielleicht mit Mahlow, 
AEO. 52, 54 aus rileu zu deuten, wäre also dann Lok. zu rilus. 
Den Gebrauch von oppido (das dem Sinne nach Lok. ist) und die 
Erklärungsversuche sehe man bei Hand, Tursellinus. Der an- 
sprechendste ist der von Lindemann und Hand herrührende 
(neuerdings ebenso Wölfflin, Arch. 6, 195), wonach oppidum 
die Feste sei und daher oppido so viel als “fest. Ich halte ihn 
aber für misslungen, weil ich mich aus den angeführten Stellen 
nicht überzeugen kann, dass oppidum soviel wie ‘Befestigung’ 
sei, das mir vielmehr dasselbe zu bedeuten scheint wie unser 
‘Stadt, Flecken’, und ferner, weil ich nicht einsehen kann, wie 
aus einem ‘in der Festung’ sich das zu einem Adj. gehörige 
Adverb ‘fest’ entwickeln kann. Ich übersetze also oppido auf 
der Stelle. Diese Bedeutung spürt man noch in plautinischen 
Wendungen wie ta oppido occidimus omnes, oppido inter:i, 
totus doleo atque oppido peris, worin der ursprüngliche Gebrauch 
enthalten sein dürfte. Wer auf der Stelle, wo er sich befindet, 
ohne Möglichkeit der Rettung, zu grunde geht, gleichsam “auf 
der Strecke’ liegen bleibt, ist ‘ganz und gar’ verloren. So 
bedeutet im Serbischen udtiti koga na mjesto jemand auf der 
Stelle totschlagen so viel als “jemand mausetot schlagen’ (s. 
Wuk unter mjesto) und so entstand in dem von oppidum inner- 
lich völlig gelösten Worte die steigernde Bedeutung. Als 
oppido dann, dem Vorgang der Adverbien folgend, nicht mehr 
bloss mit Verben, sondern auch mit Adjektiven verbunden 
wurde, erhielt sich noch eine Erinnerung daran, dass es eigent- 
lich zu Verben gehörte, welche ein Zugrundegehen, einen 
Verlust, eine Minderung bezeichnen, denn es ward überwiegend 
mit pauct, parvus, paulum, pusillus, brevis, tenuis verbunden 
(Wölfflin, lateinische und romanische Komparation 21). Ger- 
manisch: Dem Lok. des Sing. (dem Sinne nach) gehört 


568 Kap. XIV. II. Lok. subst. Adverbis, balt.-slav. [8 241. 








ahd. u. 8. w. heime, altn. heima zu Hause an. Über fert s. 
oben 8. 551. Litauisch. Von ÖOrtsbegriffen erwähne ich 
name zu Hause, was doch wohl der alte Lok. zu nämas ist; 
vidui drinnen, entstanden aus viduje zu vidüs das Innere; Zauke 
draussen (‘auf dem Felde’). Lokale von Zeitbegriffen sind 
rytöj oder ryto morgen, am nächstfolgenden Tage, nach 
Schleicher Lok. von ryiöyus der morgende Tag, also abgekürzt 
aus rylöjui, dazu poryt übermorgen. Woher afidat an jenem 
Tage (ostlit. undat) stammt, weiss ich nicht. Von anderen Be- 
griffen drauge zusammen mit, 2. B. jis sd manim drauge aldjo 
er kam mit mir zusammen. Es ist klar, dass drauge Lok. 
von draügas der Gefährte ist. Doch kann ich mir die Ent- 
stehung des Adverbiums nicht deutlich machen. Endlich ist ein 
häufiger Typus der Lok. (oder Dativ?) auf us von Wörtern, die 
mit pa zusammengesetzt sind, z. B. pazıgiuf abwechselnd, paei- 
iu (neben paeiliumis) der Reihe nach, padeniui einen Tag um 
den anderen, pakeliui unterwegs, paköjyus den Füssen nach 
(z. B. jemand etwas pak. nachwerfen), parafkıur handlich, 
paoejui mit dem Winde u.8.w. Wo der Ausgangspunkt dieses 
Typus zu suchen ist, weiss ich nicht. Für Lok. femininischer 
i-Stämme hält J. Schmidt, KZ. 27,287 die Formen auf ie, welche 
vor das Verbum gestellt werden, um dessen Begriff zu steigern, 
2. B. degte döga es brennt heftig (eig. also ‘in Brennung’). 
Belege findet man bei Schleicher, Gr. 313, Kurschat $ 1489 ff., 
vgl. auch Brugmann 2, 613 und Leskien, Bild. d. Nom. 554. 
Slavisch. Dem gr. oixor, lat. domi, lit. nam? entspricht der 
Bedeutung nach aksl. doma. Vielleicht ist es auch der Form nach 
Lokalis (vgl. Kretschmer, KZ. 31,453, Wiedemann, KZ. 32, 150 
Anm.). Es findet sich im cod. Mar. nur Joh. 11, 20: a Marija 
doma sedease Mapla d£ Ev ro oixp Exaßdlero. An anderen Stellen 
giebt es nach Miklosich auch das griechische oixodev wieder. 
Im Russischen heisst es ‘zu Hause’ (‘nach Hause’ heisst domaj). 
Im Serbischen wird es auch gebraucht, wo wir “nach Hause’ 
anwenden, z. B. otide doma (aksl. vü domä svoji Matth. 9, 7). 
Sodann sind zu nennen die Lokale der Wörter ‘Berg’ und “Thal', 
nämlich aksl. gore oben, serb. gorje oben, hinauf zu gora Berg 





$241—242.) Kap. XIV. II. Lok. subst. Adverbia, balt.-slav. 569 


und aksl. dol& xätw, infra, humi, z. B. mit lezati liegen, serb. 
dolje unten, hinunter zu dolä foramen. Ferner aksl. srede 
mitten drin zu sreda Mitte (vgl. die Präp.). Auch mit ab- 
wechselnd muss der Lok. eines Subst. sein, wie das aksl. und 
kleinruss. mitusi zeigt, worin mitu Akk. Sing. ist. (Aksl. vrüchu 
oben weist Leskien, Handbuch? 95 nicht einem bestimmten 
Kasus zu, weil es ja der Form nach Gen. und Lok. sein 
könnte.) Dazu eine Anzahl von Zeitbegriffen, nämlich serb. 
onomadne an jenem Tage, neulich, russ. onomedni, auch mit 
dem öfter erwähnten pronominalen Zusatz onomednist (wovon 
das Ad). onomednisnyj abgeleitet ist); serb. onoveceri vor- 
gestern Abend; aksl. und russ. wird morgen früh; serb. Yeti 
im Sommer und zimi im Winter; aksl. lan?! r£pucı, serb. Zani 
und /ane. Einige dieser Adverbien werden auch mit Präpo- 
sitionen verbunden, z. B. do und na utre, otü lan. An 
vereinzelten Formen führt Miklosich 4, 652 noch aksl. 
pravde juste, z. B. pravde dejuseichü juste agentium und odt- 
seine Önpooig zu obiftina xowvwvia an. Endlich erwähne ich 
noch aksl. fize, z.B. nesti mt lizd non licet mihi, wozu Miklolich 
4, 652 bemerkt: “wie es scheint von einem Subst. /iga, das 
sich in russischen Dialekten (ne vo Zigu) erhalten hat”. Es 
könnte freilich auch Dativ sein. 


$ 242. Lokalis. Substantiva im Dualis und Plu- 
ralis. 


Duale sind lit. pusta halb, mitten entzwei zu püse Hälfte 
(vgl. Leskien bei Brugmann 2, 656) und aksl. meZdu zwischen, 
eigentlich in den beiden Grenzen zu me2da Grenzrain (vgl. 
Wiedemann in Jagie’s Archiv 10, 657). 


Dem Plural gehört aus dem Griechischen an att. 86- 
pacı draussen und äpaoı rechtzeitig. Ferner halte ich es mit 
J. Schmidt (Pluralb. 344) für wahrscheinlich, dass das ho- 
merische &yxa; in ulnis nichts anderes sei als äyxası, ein Lok. 
plur. zu dyxwv. Ebenso sind vermuthlich xö£ und Ad£ auf- 
zufassen, nach denen sich yvö£ und dö4£ gerichtet haben werden. 
Dem Vokal nach ferner liegt xoupti. Ob auch edpdt und nouvdk 





570 Kap. XIV. I. Lok. adj. Adverbia, griech. «ı, ı. [$ 242243. 


zu dieser Reihe gehören, und wie sich ära: zu ihnen verhält, 
lasse ich unentschieden. Aus dem Lateinischen wäre etwa 
Joris, sodann quotannis, quotcalendis (Wackernagel, KZ. 27, 146) 
anzuführen, falls diese letzteren nicht Instr. sind. Aus dem 
Germanischen gehören halben zum Subst. halbe Hälfte, Seite, 
ahd. beidem halbom, allen halbon, mhd. beidenthalben, allenthalben, 
nhd. allenthalben. Die Grundbedeutung ist also ‘auf den Seiten’. 
(Möglich wäre allerdings auch ‘über die Seiten hin’, in wel- 
chem Falle man den Instr. anzunehmen hätte). Indes verlor 
sich das Gefühl für den Numerus, die lokale Bedeutung ver- 
schob sich. Aus ‘auf der Seite” wurde ‘von der Seite her, 
z. B. der mutter halben ein erb sein von mütterlicher Seite her, 
und daran fügte sich der Gedanke des Ursprungs und der Ver- 
anlassung (vgl. Heyne in Grimm’s Wb.) 


$ 243. Lokalıs. Adjektiva (darunter griech. eı, ı) 
und Pronomina. 


Lokativische Adverbia von Adjektivis liegen mir vor aus 
dem Altindischen, Griechischen, Slavischen. 

Altindisch. Im Veda dürz fern, (z. B. mit as), in die 
Ferne (z. B. mit bädh stossen). Ebenso äre. Aus SB. Afipra 
schnell, z. B. kfipre ha ydjamano 'mum lökam iyät schnell 
würde der Opferer in jene Welt gehen (sterben). Undeutlich 
ist die Bedeutungsentwickelung von ri. Griechisch. Sim- 
plizia sind p&oco: in der Mitte und öırlet in doppeltem Be- 
trage, z. B. 76 piodwpa Ötnist Anotercet tab. Heracl. 1, 109. 
Häufiger sind die zusammengesetzten auf ei oder {. Wir 
besitzen über diese Adv. eine Abhandlung von Sturz, de ad- 
verbiis Graecorum in ı et eı exeuntibus (abgedruckt in dessen 
Opuscula nonnulla, Leipzig 1825), welche viel Stoff bietet, aber 
keinen Anspruch auf geschichtliche Behandlung erheben kann. 
Über die Frage, ob eı oder i zu schreiben sei, lässt sich in 
vielen Fällen keine Ansicht gewinnen, da das inschriftliche 
Material nicht ausreicht und die Handschriften schwanken. 
Dass i aus eı hervorgegangen sei, kann nicht zweifelhaft sein. 
Ebenso ist deutlich, dass aus i auch ı entstanden ist (vgl. G. 














$ 243.] Kap. XIV. II. Lok. adj. Adverbia, griech. eı, ı. 571 


Meyer, Gr.? 342). Dass aber die Kürze schon bei Homer vor- 
liege, lässt sich nicht behaupten, da A 637 nichts beweist. Es 
sind zu diesem Adverbialtypus zu rechnen 1. Formen auf ei 
oder ti, welche zu Adj. auf o gehören, die mit der privativen 
Silbe zusammengesetzt sind. Dahin gehören aus Homer Beet 
im adeov, dem Zustande der Verlassenheit von Gott : oöx Aßeel 
8° Avhp Döucnov Es dev ner o 353. Inschriftlich (Meister- 
hans? 115) sind aus attischem oder ienischem Giebiete belegt 
die formelhaft verbundenen dovlel und donovdei, z. B. aus 
Erythrae (Cauer? 483) und vrrowel. Dazu auf t donovöt mühelos 
8 512. (Ob ärpepel in AAX Ey Atpepei bei Aristophanes Wol- 
ken 261 wirklich von &rpewns herkommt, oder nicht vielmehr 
ın Anlehnung an die eben genannten Adverbia gebildet ist, 
wüsste ich nicht zu sagen). Häufig sind Ableitungen von Ver- 
bal-Adjektiven auf ro, welche in unseren Homertexten nicht 
auf eı, sondern auf i endigen, nämlich : odö dpa ol tıs dvoumi 
ye rnapeorn X 371; Ayoymtl deıpev A 637; at x Apayıtl lopev 
OdAupndvde D 437; nel od xev Avıdpwri ye teldodn 0 228; 0dd 
or yap Avamuwrl ye payovro P 363; Aadpg Avwrorl Söip oblopevns 
älöyaro 8 92. Inschriftlich findet sich övopaott im Brı av övo- 
past! zepl Ts nölews Ynpllwvraı CIA. I, 40 und äxovırei (rhodisch) 
staublos, d. h. wohl “ohne Anstrengung’. In einem oder dem 
anderen Falle ist es zweifelhaft, ob wirklich ein Verbaladjektiv 
und nicht vielmehr ein Nomen vorschwebte (wie aiuc) und 
die äussere Form (wie sie z. B. in dvıöpwri vorliegt) übertragen 
wurde. An diese Bildungen, in welchen wohl -tı und nicht 
mehr bloss -ı als Endung gefühlt wurde, dürfte sich &ypr;yoprt 
in: AAN Eypnyoprl obv reöyesıv elaro navres K 182 angeschlossen 
haben Awpodoxrott (so, nicht -ıort schreibt man jetzt) in 
od Övvarar paderv Tv gun Öwpodoxnort Aristophanes Ritter 996 
muss wohl sein o von Bildungen nach Art von dvwıott erhalten 
haben. — 2. Neben den Bildungen mit der privativen Silbe 
sind solche mit adto- schon von alter Zeit her vorhanden ge- 
wesen, wie das homerische aötovuxt in derselben Nacht & 197 
zeigt. Dazu inschr. aödrgepel (worüber Meisterhans? 116 zu 
vergleichen ist) und wohl auch aöroever im Laufe desselben 


572 Kap. XIV. II. Lok. adj. Adverbia, griech. cı, ı. 18 243. 


Jahres Theokrit 28, 13. — 3. An sonstigen Bildungen von zu- 
sammengesetzten Adjektivis sind zu nennen tpıororyt in drei 
Reihen K 473, und das nach demselben Schema gebildete ge- 
taotoıyi W 358, was wohl “einer hinter dem anderen’ bedeutet, 
und das nachhomerische ravörpuet in Gesammtheit, z. B. &rx7jAdov 
Bordeovres [MAaraıtes rnavönpel Herodot 6, 108, nebst ravopıdet, 
z. B. tol p&v ydp rorl nöpyous ravdan ravonıÄi otelyoucıv Aeschylus 
Sieben 295 und einige weitere mit rav-. 

Zweifelhaft bleibt mir, ob die Formen auf ıorı dasselbe 
Element enthalten, wie die unter 2 angeführten. Bei Homer 
findet sich yeictori Glied für Glied (nur mit rapeiv), nach- 
homerisch ävöptort nach Männerart, Artıxıori und viele ähn- 
liche. | 
Die Formen &xovri, @xovri, &Bdedovei, Exnrı, dexıtı sieht G. 
Meyer, Gramm.? 342 als Lok. der betreffenden konsonantischen 
Stämme &xovr- u. 8. w. an, was ja auch mit Rücksicht auf die 
Form selbstverständlich erscheint. Indes soll &xovrt denn be- 
deuten ‘in oder bei dem Freiwilligen’? Die geschichtliche 
Stellung dieser Adverbien führt mich auf eine Vermuthung, 
die ich allerdings zweifelnd vortrage. Nach Rutherford, The 
new Phrynichus 59 kommt &xovti, und dasselbe gilt von dxovri, 
ın der klassischen Gräzität nicht vor, während &delovri aller- 
dings neben &deAovrnödv bei Thukydides erscheint. In einer 
aristotelischen Stelle, die man für &xovr! anführt, sei vielmehr 
zu lesen: oö yap &xdvrı elvan adrd öydonxovra En. Sollte man 
danach vielleicht annehmen dürfen, dass auch &deAovri eigent- 
lich ein Dativ der betheiligten Person sei, welcher seinen 
Accent von den Adverbien auf -ı{ empfangen hat? Über &xmtı, 
aexııtı vgl. Osthoff, Perf. 334. 

Endlich habe ich hier noch die griechischen Pronominal- 
bildungen zu erwähnen. Im Urgriechischen scheinen die 
beiden Lokativformen in ihrer Bedeutung so auseinander ge- 
gangen zu sein, dass die auf eı die Bedeutung des “Wo’, die 
auf oı die Bedeutung des “Wohin? erhielt. Dieser Zustand hat 
sich im dorischen Sprachgebiet erhalten, wo ei, rei, önsı wo, 
trvet dort, rovrei hier vorliegt, während kretisch „vi wohin 














8243—244] Kap. XIV. II. Lok. adj. Adverbia, slav. €. 573 


u. ähnl., die auch ein sam Ende erhalten, den urgriechischen 
Formen auf oı zu entsprechen scheinen (vgl. G. Meyer? 131). 
Im Attischen haben die Formen auf oı wıe rot, &vraudot u. 8. w. 
die alte Bedeutung erhalten. Dagegen sind an die Stelle der 
Formen auf eı (mıt Ausnahme des aus dem pronominalen Ver- 
bande gelösten &xet) die Genitive auf ou getreten. Slavisch. 
Lokativische Adverbien von Adj. liegen zwar auch in den von mir 
herangezogenen Sprachen vor, sind aber jetzt besonders häufig 
im Öechischen (vgl. Miklosich 4, 652). Ich theile einige Bei- 
spiele aus dem Altkirchenslavischen mit: dodre prorocistvova 
xal@c npoepnteuoe Matth. 15, 7; dodre vise tvorilü als ravra 
rerolnxe Mark. 7,37; züly zule pogubitü je xaxols xaxas Atolkoeı 
aötoüg Matth. 21, 41. Andere Adverbia wie krepäce stark, sehr, 
bedine übel, dlaze gut, Üigüce leicht u. ähnl. s. bei Miklosich. 
Nicht immer ist das genau entsprechende Adjektivum vor- 
handen, z. B. nicht neben jave offenbar (vgl. javinä): ı oficu 
tooJi videjt vü tajne vüzdastü lebe jave xal 6 rarnp oou 6 Blerwv 
Ev TE xpunto Arodwaeı oo &v tw Yavepp Matth. 6, 18; jako kü 
tomu ne moZaase jave vü gradü vüniti Gore wrxerı adröy Suvaodaı 
vavepas eis nöAıv eloeAdetv Mark. 1, 45. Hierher rechnet Mi- 
klosich auch irebe zu trebü nothwendig (nicht als Dativ zu 
dem Subst. Zreda negotium, was vielleicht richtiger ist). Ne 
irebe mi jesi xpeiav oou obx Exw hiesse also nach Mikl. eigentlich: 
“du bist mir nicht im Nothwendigen’. Durch irebe jestü ypr und 
ähnliche Wendungen gewöhnte man sich, das Wort wie ein 
unveränderliches Substantivum anzusehen, daher auch ne trebe 
smate oö ypelav Eyere u. ähnl. (die Belege bei Miklosich Lex... 
Dies Adv. auf E liegt auch im resultativen Sinne vor (vgl. 
S. 539), z. B. aksl. da ne jave jego sütvoretü Tva ph wavepüv 
aötöv nornowsıv Matth. 12, 16. Russische Belege sind: vysoce 
hoch, borze schnell, Arepce stark u. s. w. 


8244. Der Instrumentalis. Substantiva im Sin- 
gular. 

Altindisch. Zu den Instr. rechne ıch die Formen auf ä, 
wie vasdnta, döfa. Einige sind, wie 8. 542 ausgeführt worden 


574 Kap. XIV. IH. Instr. subst. Adverbia, altindisch. [$ 244. 


ist, im Accent bemerkenswerth, z. B. diva, naktaya (vgl. 
Kretschmer, KZ. 31, 353), äsay@ u. s. w. Von Ortsadverbien 
erwähne ich einige, die theilweise auch Präp. sind, nämlich 
dgrena vorn, äsay& vor jemandes Angesicht (was zu einem 
Stamme *as@ zu gehören scheint, vgl. J. Schmidt, Pluralb. 117, 
auch äsa unter @s bei Böhtlingk-Roth). Samana zusammen, 
zugleich scheint zu sdmana das Zusammensein zu gehören. 
Auch Ä$ama ist wohl wegen der vom Instr. etwas abweichenden 
Bedeutung als Adverb zu betrachten. Es liegt vor: A$amedam 
anyad divy änyad asya das eine von ihm ist auf der Erde, das 
andere im Himmel RV. 1, 103, 1; A$ama rdpo maruta äturasya 
nah zu Boden das Gebrechen des Kranken unter uns {oder 
“am Boden sei’) 8, 20, 26. Von Zeitbegriffen erwähne ich: diva 
bei Tage (auch dirasmät bhavati ihm wird licht), döfa am 
Abend (daneben die Akk. dogam und dofäs), naktaya bei Nacht, 
einmal im RV., was zu einem Fem. "nakta gehören könnte 
(weitere Kombinationen s. Joh. Schmidt, Pluralb. 212; Kretsch- 
mer, KZ. 31, 353). Nach naktaya könnte sich, wie Joh. Schmidt 
a. a. O. meint, soapnuya im Traume gerichtet haben. Vasdntä 
oder vasanta im Frühling steht neben vasant« Frühling. Von 
anderen Begriffen: sdhasz (mit Gewalt), plötzlich, afjyasa (mit 
Schmiere, wie geschmiert) gerades Wegs, gerade aus; bAija 
aus Furcht, was für eine ältere Form des Instr. ‘der sonst 
bhiydsa heisst) angesehen wird. tarasa ist im Veda noch le- 
bendiger Kasus zu täras Kraft, Schnelligkeit, später Adverb 
“eilends, rasch, im Fluge’; präydna meistentheils zu präya Mehr- 
heit, Hauptbestandtheil. Einige dürften direkt von Verbal- 
wurzeln abzuleiten sein, z. B. !drä fort und fort, mria um- 
sonst, vergebens, irrig, das nachvedische mudhä von gleicher 
Bedeutung, jedenfalls aber pracatä verborgen, heimlich (zu ca? 
mit pra). Endlich gehören hierher eine Reihe von isolierten 
Formen auf ya, welche als Instrumentale von Substantiven auf 
ya anzusehen sind, die zu denominativen Verben gehören. 
Von einigen sind andere Kasus belegt, so: avifyam Begierde 
(avi$y), vacasyam Beredtsamkeit (vucasy), apasyam Geschäftig- 
keit (apasy), namasyas Nom. plur. Verehrung (namasy). Die 











$ 244.] Kap. XIV II. Instr. eubst. Adverbia, griech., lat. 575 


meisten erscheinen nur im Instr., öfter in der Form auf aya, 
80: vacasydyä, apasydya u. 8. w., viele aber nur in der Form 
auf @, z. B. irasy@ aus Zorn (trasy), urusy& aus Bereitwillig- 
keit zu helfen, zjüya gerades Weges (rjüy), gavyäü aus Begierde 
nach Rindern u. 8. w. Bei manchen giebt es beide Instru- 
mentalformen neben einander. Wieder andere haben kein 
Verbum neben sich, z. B. rathaya aus Begierde nach Wagen, 
sugätuya aus Verlangen nach Wohlergehen, vipanya mit Be- 
wunderung, Airanyaya aus Verlangen nach Gold u. s. w. — 
Instr. sind vielleicht auch die Formen auf t# wie devatä unter 
(eig. mit) den Göttern. Griechisch. Bei einigen der ge- 
wöhnlich aus Homer beigebrachten Fälle kann man zweifeln, 
ob man sie als adverbial bezeichnen soll, so bei avayıy, tor, 
evoanj. Sicher liegt die Berechtigung dazu vor bei oroußf,, 
welches in der Bedeutung etwas Besonderes hat. Es heisst 
bei Homer ‘nur mit Mühe’, z. B. orouöf 5 &Lero Aads B 99 
‘d.h. nur mit Mühe brachte man das Volk dazu, sich zu setzen), 
und ‘eiligst” o 209. Sodann revouöin mit der ganzen Schar 
(vgl. ai. sarodyä vi3ä), woneben vielleicht niemals ein anderer 
Kasus desselben Wortes vorhanden war. Es erscheint bei 
nAdov, ixdneoda und in engerer Beziehung zu einem Nomen: 
dmpntal & xeleus xdpn xopdwvras Ayarols navauöin B 12. — 
Danach sind gebildet die nachhomerischen ravorpatız (-4) mit 
dem ganzen Heere und rxavoıxly (-a) mit dem ganzen Hause 
bei Herodot und Attikern. Sodann erwähne ich aus der atti- 
schen Sprache xogı67) ganz und gar, vollständig, z. B. repı- 
Eppeov Tiuäs xöxAn xopıöf bei Plato, perpaxbAltov Bv xopıöT 
beiDemosthenes; 040X7 langsam, spät, kaum, schwerlich. Latei- 
nisch. An ‘ablativischen’ Adverbien aus Substantiven werden 
bei Neue 32, 599 ff. aufgeführt: artigerio, curriculo, diluculo, domo, 
impendio, initio, modo, numero, oppido, principio, privato, protelo, 
vulgo, forte, magnopere und Verwandtes, rite, rure, sponte. Von 
diesen sind domo und rure bei dem Ablativ S.562, rife und opp:ido 
bei dem Lok. S.567 erwähnt, ebenso sind dsluculo und inttio mög- 
licherweise dem Lok. zuzuzählen, obgleich mir die Übersetzung 
“mit der Dämmerung’ und ‘mit dem Anfang” natürlicher erscheint. 


576 Kap. XIV. I. Instr. subst. Adverbia, lateinisch. [8 244. 


Auch bei vulgo kann man zweifeln (‘im Volke’ oder “durch 
das Volk hin’). Über antigerio weiss ich nichts zu sagen. Von 
den übrigen erfordern nur numero, impendio, causa und gratia 
eine Bemerkung. (Ob simitu aus simitud hervorgegangen sei, 
wie Jordan, kritische Beiträge 93 annimmt, lasse ich dahın- 
gestellt) Das alterthümliche numero ist von Ribbeck, tragı- 
corum Rom. fragm. XV behandelt worden. Es heisst schnell, 
bald, z. B. discedens numero ventre ait adulescentem (Varro); 
neque sat numero mihi videbar currere (Turpilius); sodann mit 
leichtem Übergange “zu früh’, z. B. numero huc advenis ad pran- 
dium (Plautus); o Apella, o Zeuxis pietor, cur estıs numero mortut, 
hoc exemplum ut pingeretis? (ders.). Es kann auch in die Bedeu- 
tung von “umsonst’ herüberspielen, z. B. numero ac nequiguam egi 
gratias (Afranius). Es wurde nur mit Verben verbunden, vermuth- 
lich zuerst mit Verben der Bewegung. Dass es ursprünglich sagen 
wollte: ‘mit dem Takte der Musik’ ist schon von anderen be- 
merkt worden. Eine gute Parallele bietet das deutsche ach 
Noten, welches nach Grimm’s Wb. unter ‘Note’ 1? nicht bloss 
‘gehörig, tüchtig, derb, sondern auch ‘rasch’ bedeutet. Für 
die Beurtheilung von impendio reichlich, ausserordentlich, 
bei weitem kommen vor allem in betracht: et guia consimilem 
luserat jam olım ille ludum, impendio magis anımus gaudebai 
miht um so mehr Terentius Eun. 3, 5, 39 und: at vlle impendio 
nunc magtis odıt senatum Cicero Att. 10, 4. Im Prolog zu 
Plautus Aul. ist es mit minus verbunden, später auch mit Ver- 
ben. Impendio magts scheint ursprünglich bedeutet zu haben 
“um die Zinsen mehr. Über causa und gratia handelt 
Wölfflin, Arch. 1, 169. causa ist das ältere Adverb, in gratia 
ist die Grundbedeutung des Subst. nie ganz erloschen (“wegen 
Krankheit’ kann durch mordi gratia nur in einem solchen 
Falle wiedergegeben werden, wo auch wir "Dank einer Krank- 
heit’ sagen würden). Wenn gratia in der Poesie schon von 
alter Zeit her häufig ist, so erklärt sich das vielleicht aus der 
Einwirkung von yapıv. ergo ist noch nicht gedeutet. Ger- 
manisch. Alte Instr. auch noch der Form nach sind heute 
und heuer. Ahd. Aiutu zeigt den Ursprung aus Aiu tagu, also 








$ 244.) Kap. XIV. II. Instr. Adverbia aus Subst. 577 


eigentlich “während dieses Tages’. Doch ist die Entstehung 
von -/u aus Zagu nicht mehr deutlich empfunden, wie die Ver- 
bindung tages htutu (vgl. postridie eyus diei) zeigt. Das Gotische 
hat auffälliger Weise kein Adv., sondern verwendet Akimma 
daga. Über hinaht s. unter dem Akk. Einige andere Instr., 
über die man zum theil verschiedener Meinung sein kann, 
verzeichnet Grimm 3, 139. Ich nenne ahd. röf4 mit Noth, 
dessen Entwickelung zu den Bedeutungen 'nothwendig, bei 
weitem, natürlich, leider’ Erdmann 2, 257 klar zu machen sucht 
(ags. nedde, nyde). Ags. fäcne sehr heisst eigentlich “mit Bos- 
heit. Ags. säre mit Schmerz, schmerzlich, heisst älter sere, 
ist also vermuthlich eine Lokativform. Das Subst. liegt auch 
im got. satr vor, während unser sehr auf das adjektivische 
Adverbium ahd. sero zurückgeht. Litauisch (vgl. Schleicher, 
Gr. 269). Von Zeitbegriffen czest zu rechter Zeit, und abge- 
kürzt: täczes zu der Zeit, kdczes zu welcher Zeit, nökuczes nie- 
mals. Ebenso sind aus möfas Jahr gebildet: !!gumet lange Zeit, 
vısumet allzeit. Von anderen Begriffen führe ich an: mainü 
wechselweise (mainas Tausch), neredü ungebührlich (redas Ord- 
nung), p&sta aufgerichtet (p&sta Baumstamm), s/apta mit Heim- 
lichkeit, heimlich, zövada im Galopp (mit jJöts reiten), apylanka 
und apıjlankomis auf Umwegen, doviseda zweisitzig (mit yoött: 
mit Doppelsitz, zweisitzig auf einem Pferde reiten'!). Slavisch. 
Von Zeitbegriffen ist anzuführen: aksl. nostiyg i dintjq Nacht und 
Tag, wobei diniyq statt dinimi durch die Verbindung mit nostija 
hervorgerufen ist (Leskien, Handbuch ? 58), serb. danyjom und 
danju bei Tage, nocu bei Nacht; von anderen Begriffen etwa: russ. 
krugomü ın der Runde, z.B. desyati verstü krugomü zehn Werst in 
der Runde, was ebenso Instr. ist wie wahrscheinlich xöww. 


1) Es giebt eine Reihe von Adverbien auf a, von denen ich nicht 
weiss, ob oder wie sich eine Beziehung zu femininischen Substantiven nach- 
weisen lässt, z. B. gang genug, greta neben einander, palengva leicht, all- 
mählich, langsam, samplata dem Ufer gleich (vom Wasser in einem Strome), 
kartunta dereinst u.a. Bei manchen ist die Beziehung zu Adjektiven deut- 
lich, z. B. pirma vorher, dyka umsonst, auch wohl staiga plötzlich. Es 
wäre noch festzustellen, wie diese entstanden sind und wie sie sich zu den 
Formen auf ai verhalten. 

Delbrück, Vergi. Syntax der indogerm. Sprachen. |. 37 


578 Kap. XIV. II. Instr. Adverbia aus Subst. [6 244— 245. 


Ferner ist instrumentalisch serb. makom mit einem Hieb, sogleich, 
russ. daromü mit einer Giabe, umsonst. Instr. von femininischen 
Abstraktis sind aksl. vülortceyqg zum zweiten mal, trefljicejgq zum 
dritten mal, müno2sicejq oftmals (Leskien, Handbuch ? 95) und 
was aus den übrigen slavischen Sprachen dazu gehört. Auch 
aksl. büstyq nur, tüciyg gerade, nur sind substantivische Instr. 
Ebenso aksl. Zeftyg ın lefijg jJestü es ist erlaubt. Wie ist 
russ. opromefizu über Hals und Kopf aufzufassen? Eine 
Besonderheit des Slavischen bilden die russischen und serbi- 
schen Adverbia, welche aus dem prädikativen Instru- 
mentalis zu erklären sind, die wohl eine vollständige 
Sammlung und Behandlung (namentlich auch mit Rücksicht 
auf den Accent) verdienten. Ich führe an: russ. gusemü im 
Gänsemarsch, eig. ‘als Gans’; peskomü als Fussgänger, zu Fuss; 
bosikomü barfuss; nagısomü ganz nackt, ebenso nagıskoy, Instr. 
eines Mask. femininischer Form ; stoykom aufrecht; polzkomä 
kriechend;; verchomü reitend, eig. als oberster, als Spitze, daher 
ım Plural: sel verchamt sie setzten sich zu Pferde (Märchen). 
Zweifelhaft bin ich, ob auch russ. tajkomü, serb. tayom heimlich 
so aufzufassen ist (“als Heimlicher’), oder etwa neutral ("mit 
Heimlichem’). — Bei einigen Adverbien empfindet man eine 
nahe Beziehung zu Verben, so serb. vıkom vice er schrie laut. 
Dieses vikom ist offenbar der Instr. eines alten Verbalnomens 
vikü das Schreien, nicht eines Adj., wie Wuk im Wb. an- 
nimmt. Aus dem Russischen: zikomü oder nickomü mit dem 
Gesicht zur Erde zu ntknufi sich neigen, skatomü bergab zu 
skatıfi, korpomü korpefi sich ohne Rast abmühen und wohl 
noch andere mehr. 


8 245. Instrumentalis. Substantiva im Plural. 


Aus dem Altindischen liesse sich etwa auf sahöbhrs mit 
Gewalt, tavigibhis mit Ungestüm verweisen (SF. 5, 139, Pischel- 
Geldner 1, 11 Anm... Aus dem Griechischen pflegt man 
wöyıs beizubringen, ohne dass jemand die Entstehung aus yöyoıs 
hätte wahrscheinlich machen können. Im Lateinischen (s. 
Neue? 2, 608 ff.) liegt vor gratis, gewöhnlich zu gratıs zusam- 








$245—246.Y Kap. XIV. II. Instr. Adverbia aus Adj. und Pron. 579 


mengezogen, eigentlich wohl ‘für einen blossen Dank’ (statt 
eines Lohnes), z. B. si non pretio at gratis bei Terentius. 
Nach gratis und gratis ist ingratiss und ingratis gebildet (das 
Subst. ingraltia ist ganz spät). Wie multimodis, mirimodis, omni- 
modis zu beurtheilen sind, lehrt Brugmann 2, 60ff. Aus dem 
Germanishen führt Grimm 3, 135ff. eine Reihe solcher For- 
men an, die man deshalb adverbial nennt, weil die betreffende 
Kasusform regelmässig ohne Adjektiv und in etwas abschattierter 
Wortbedeutung erscheint. Ich erwähne: ahd. Awilom, mhd. 
wilen, wilent, ags. hoilum vor Zeiten, zuweilen; mhd. Aurzwilen 
ın kArzer Zeit, nächstens; ahd. unzitim intempestive; ags. stun- 
dum, altn. stundum zu Zeiten; ahd. stephem passim; ahd. weh- 
salum vicissim; ags. hoyrftum, hoearfum abwechselnd; mhd. 
mäzen ziemlich, genug, sehr (die Konjunktion vom 17. Jahrh. 
an); ahd. muoz6m paulatim; ags. hedpum haufenweise; ags. 
listum arglistig; ags. lustum freudvoll; alts. wundrum, ags. vun- 
drum wunderbar; mhd. triuwen ın Wahrheit, traun. Ent- 
schiedener adverbiell sind die ahd. Komposita mit malum, ags. 
malum, bei denen das Schlussglied wie ein Suffix wirkt, z. B. 
ahd. siaphmälum gradatim, ags. dropmelum tropfenweise, stund- 
maelum zeitweise. Merkwürdig ist nächten ivon Mhd. an) mit 
seiner singularischen Bedeutung ‘gestern Abend, gestern’ (vgl. 
Brugmann 2, 638). Litauisch. Von o-Stämmen: kaftats 
zuweilen, szüliats im gestreckten Galopp. Häufig sind Instr. 
von @-Stämmen, z. B. tylomis schweigend zu iyla Stillschwei- 
gen, iyczöms absichtlich zu iyczd, etwa “Trotz’ (Leskien, Bild. 
d. Nom. 312). Gewöhnlich sind die Kasus isoliert, z. B. Alıipomts 
knieend, naromis mit plaükti unter dem Wasser schwimmen 
(Leskien 208), palipomi: stufenweise (219), stesgomis eilig (220), 
pakaitomis abwechselnd (223), noroms nenoroms nolens volens 
(218, vgl. noras Wille). Ebenso lett. witamis stellenweise, vgl. 
Bielenstein, lett. Spr. $ 532. 

8 246. Instrumentalis. Adjektiva und Pronomina. 
(Griech. auf o). 

Altindisch. Dem Neutrum gehören einige Adverbia 
auf ©na und @ an, so: cirena nach langer Zeit, spät (eig. ‘durch 

. 37* 


580 Kap. XIV. IL Instr. Adverbia aus Adj. und Pron. (5 246. 


lange Zeit hin’) und die präpositionalen Adverbia dakfinsna 
zur Rechten von (Gen., Abl., Akk.); uttarena nördlich, links 
(Gen., Abl., Akk.); antarena dazwischen, innerhalb (Akk.\. — 
Dazu das pronominale era so, hier, auch mit pards darüber 
hinaus, höher als (so dass es also auch als Kasus erscheint). — 
Auf ä gehen aus: ubhaya auf beiderlei Weise, madhya in- 
zwischen, zwischen (Gen.), dakjina rechts, gebildet mit ver- 
schobenem Accent; nica unten, hinunter, ucca oben, präcä vor- 
wärts gehen wohl schliesslich auf konsonantische Stämme zurück, 
doch liegen auch nicad uccäis vor, so dass es gestattet ist, diese 
Formen an dieser Stelle zu erwähnen. An sie schliesst 'sich 
paSca hinterdrein, später, tiraßca in die Quere, irmäa auf der 
Stelle, hier, hierher. Von pronominalen Formen: ama daheim 
(vgl. amad). Dem Komparativ gehören an: vedisch ndoyasa 
und ndviyasz aufs neue, neben den gleichbedeutenden Akk. 
navyas und naviyas. Von einem Partizipium praes. act. 
ist dhrfata herzhaft, tüchtig, kräftig gebildet (darf wagen). 
Für einen Instrumentalis auf ms wird sanems von jeher, alle- 
zeit, olim angesehen. Avestisch. Aus dem Avestischen ge- 
hören vielleicht die Zahladverbien zsoaZaya -ci5 sechsmal und 
naumaya-ci} neunmal (vd. 8, 17—18) hierher. Griechisch. 
Man nimmt jetzt wohl allgemein an, dass im Indogermanischen 
Instrumentale von o-Stämmen auf 6 und & vorhanden waren, 
und solche dürften auch im Griechischen anzuerkennen sein. 
Ich scheide aber an dieser Stelle die Formen auf € aus, weil 
es mir nicht gelingt, sie überall von den Formen auf 7, aund ag 
reinlich zu sondern. Ich werde sie also mit diesen zusammen 
behandeln. Die auf w betreffend nimmt man jetzt meist an, 
dass sie mit denen auf ws eigentlich illentisch seien. Ich halte 
dagegen (wenn ich auch die lautliche Schwierigkeit nicht zu be- 
seitigen vermag) an der alten Ansicht fest, dass die Formen auf 
og Ablative seien (vgl. oben 8. 559). Dass oötw; (Abl.) und oörw 
(Instr.) dieselbe Bedeutung haben, darf nicht Wunder nehmen. 
Haben wır doch gesehen, dass die Adverbia überhaupt in ihrer 
Bedeutung konvergieren. Freilich giebt es pronominale Formen 
auf » von ablativischer Bedeutung, aber doch nur im dorischen 











$ 246.) Kap. XIV. II. Instr. Adverbia aus Adj. und Pron. 581 


Sprachgebiet !), z. B. Theokrit 3, 25: rav Baltav drodus ds xupara 
mv Aleüpaı ümep ts Buvvas oxomidlera "Din; 6 ypıreös (vgl. 
auch Ahrens, Dor. 374). Ich sehe aber nıcht ein, warum sie 
nicht Gen.-Abl. sein sollen. Diese Annahme ist um so un- 
bedenklicher, als die Dorier an Stelle von rxoö u. s. w. be- 
kanntlich nei sagen, so dass bei ihnen der Genitiv nicht für 
den lokativischen Sinn in Anspruch genommen ist. — Dem 
nominalen Gebiete gehören, so viel ich sehe, nur an: ayvw 
(zu äpap, vgl. J. Schmidt, Pluralb. 216 Anm., wo noch BB. 
15, 17 und KZ. 32, 244 hinzuzufügen ist) plötzlich, eig. “mit 
Plötzlichem’, bei Thukydides, und 2rioyepw der Reihe nach, 
eig. ‘durch das Fortlaufende hin’, schon bei Homer (vgl. &v 
oxep@ bei Pindar, wo also noch das Wort ausserhalb der Zu- 
sammensetzung vorliegt). Eine grössere Reihe bilden gewisse 
mit Präpositionen zusammenhängende Wörter auf o, 
welche alle diejenige Schattierung der Bedeutung zeigen, die 
wir durch -wärts ausdrücken. Es sind: rp6oow vorwärts, örioow 
rückwärts, bei Homer gewöhnlich mit Verben der Bewegung, 
dann auch mit Aelrw: örlow 8% nölas Alne liess das Thor hinter 
sich X 137, weniger sinnlich: 1# 5 aAyea xdllın önloow A 279 
(eigentlich: er liess hinter sich zurück, als er starb). Die Be- 
deutung “in Zukunft’ scheint sich in Stellen wie T 160 ent- 
wickelt zu haben. ”E£w hinaus, z. B. nzplv Y nueas &IdEpev Eko 
aypöv &s Audtepov d 138. Die Bedeutung ‘draussen’ dürfte sich 
bei Homer kaum finden (x 95 oy&dov &&w vergleiche man mit 
Zyov eisw dicht vorher). Später hat sich an Zw l&vaı u. ähnl. 
auch &£w yiyveodaı und elvaı angeschlossen, wie auch wir "aus- 


1) Joh. Schmidt, KZ. 32, 412 sagt: ‘lokr. öro & IGA. 321, 9. 18. 21 = 
Coll. 1478, welche Röhl und Baunack (Wortregister zu Coll, II, 1) “wo” 
übersetzen, bedeuten vielmehr “woher”, sind also Ablative. Ich meiner- 
seits kann nur “wo” übersetzen. Die Stellen lauten: Z£einev dvympetv Or 
Ftxastos Av es soll frei stehen, dahin zurückzuwandern, wo jeder gewesen 
war; töv Endvyıstov xparetv Aoxpäv En x’ n abröv Iövra der nächste Ver- 
wandte soll erbberechtigt sein, wo er sich auch im Gebiet der Lokrer auf- 
halte, muss aber selbst kommen; x4v Aoxpois tois "Yroxvapıdlas Ev ra nölı 
& x’ 7 xapükar 2v tdyopa und im Gebiet der hypoknemidischen Lokrer es 
verkünden in der Stadt wo er ist, auf dem Markte. So urtheilt auch 
R. Schöll, der mich in diesem und anderen Fällen freundlich berathen hat. 


582 Kap. XIV. IL Instr. Adverbia aus Adj. und Pron. [$ 246. 


wärts sein’ u. ähnl. sagen. Eic® hinein. Bei Homer lässt sich 
diese Bedeutung auch noch finden in Stellen wie xal eioo 
&bprov Eudapeı n 13 und dorda d eiow EüAasev o 96. Das ‘drinnen’ 
ist deutlich in Stellen wie: oöv ö ad TO aoryäav xal neverv elom 
&öuwv Aeschylus Sieben 232. Av» aufwärts, so Adav dv 
&deoxe A 596, daraus ‘oben’, so schon Q 544. Kırw abwärts, 
z. B. öpdav % 91. Den Übergang zu ‘unten’ zeigt: Zvda d4 o: 
ordos &ori aAtw xolAy, dno nerpyg Hesiodos Theog. 302 (die Höhle 
geht in den Berg hinein), später sagt man oi xateo deol u. ähnl. 
Desselben Sinnes sind die Bildungen auf -tepw und -Tar, 
über welche Frohwein in Curtius’ Studien 1, 76 ff. berichtet, 
nämlich xposwripw und -Tatwe, Advordpw und -täto und 80 von 
den oben genannten ausser von örtoow. Bei Homer finden sich 
diese Bildungen (wohl zufällig) nicht vor, wohl aber die sinn- 
verwandten docorepw näher heran, &xastepm weiter entfernt 
(ei nep xal pda noAAdv Exaorepm Eor Eußolns n 321) und dxaorarıo 
ganz fern (Ttöv yap vTes Eacı &xasıdarw odöt nal &yyüs K 113). 
Ebenso das von npd gebildete rporepw (vgl. ai. prataram) weiter 
vor, bei Verben der Bewegung, danach: xal vo xe 6 rporipw 
Er Epıs ydvero wäre noch weiter gegangen W 490, äpfeı xal zpo- 
tepw xaxov Eupevar auch für die Zukunft 8 667. Dagegen dru- 
tepw weiter weg (dessen » man beachte) ist nachhomerisch. 
Andere Bildungen auf -tepw und -tarw s. bei Frohwein. — Eine 
dritte Gruppe bilden die pronominalen Formen. Ich bespreche 
ode und zw. (Üdrw ist mit oötw;s zusammen unter den ablatıvi- 
schen Adverbien S.561 erwähnt). Dass #ös auf einen Instrumental 
zurückgeht, scheint mir wegen seiner Bedeutung nicht zweifel- 
haft. Hat es doch (wie ich andern gegenüber behaupte) in 
mehreren Stellen denselben Sinn wie die eben erwähnten prä- 
positionalen Wörter auf w, nämlich “hierhin, hierher gerichtet 
in Stellen wie: vo ö &5 &n' äpıst&p Eye orparoö hierher, hierhin 
(mit zeigender Geberde) N 326, röv Eeivov &vavılov he xaAlcocov 
p 544, vöv 5 de kbv vni xamAudov a 182, Hoaıste, npöpoA Wöe 
5 392. Gewöhnlich bedeutet es ‘so wie wir sehen, wie & 
geschieht’, z. B. Evexa Bynrüv Zpıdalverov ade A 574, eine Be- 
deutung, deren Entwickelung ich hier nicht weiter verfolge. 








8 246.] Kap. XIV. II Instr. Adverbia aus Adj. und Pron. 583 


Es verbindet sich auch mit Adjektiven, z. B. tl vö 0 &ös ue- 
Inpova yelvaro unenp; & 25, od ydp Er AAlov Arıov Ge dvaxıa 
xıyncopar E 138 und sonst; und mit einem Adverbium: ei nodsv 
dor hde ar &amlvnsg 9 195 (wo Odysseus vielleicht mit dem 
&öe auf seine Anwesenheit anspielt),. Ilo nur in Verbindung 
mit einer Negation kann wohl nur ‘irgendwann’ bedeutet haben 
(ursprünglichst “über irgend einen Zeitraum hin’). Die Be- 
deutung ‘noch nicht’ dürfte sich in Sätzen mit dem Aorist oder 
Perfektum entwickelt haben, wie z. B. 23dAdv d odre rl zw einas 
Eros orte teleooas A 108, oBöd vo nu nep dneppdow du hast wohl 
bis jetzt noch nicht gemerkt gehabt D 410, r&Aos d od ne tı 
zsyavraı B 122, wobei der Gedanke des “bis jetzt’ aus dem 
Tempus hinzukommt. Der so erworbene Sinn ‘noch nicht’ 
wird dann auch in anderen Verbindungen beibehalten, z. B. 
Tuos 8 oörT dp zw Has &tı d Aypıldın vos H 433, obög nd rw 
wioyeodar Ömtp rotapoto &ucı W 73, od rw neloonaı s 358. — 
Daneben heisst zw auch ‘irgendwie’, so dass man es als eine 
Verstärkung der Negation empfindet, z. B. &rel 08 rw rdvres 
öpotor M 270. Weitere Belege bei Ebeling zw 2. 08 rw rote 
heisst ‘noch niemals. Lateinisch. Da im Lateinischen eine 
Scheidung des alten Ablativs und des alten Instrumentalis auf 
dem nominalen Gebiet nicht mehr möglich ist, habe ich die 
Adverbia auf o und e alle unter dem Ablativ behandelt $. 563. 
Dagegen lässt sich aus dem Pronominibus einiges mit Sicher- 
heit oder Wahrscheinlichkeit dem Instr. zuweisen. Zunächst 
qui und alıqui, welche Brugmann 2, 783 der Form nach für 
Instr. hält, deren Bedeutung ja auch durchaus zu dieser An- 
nahme stimmt. Ferner die Formen auf o, welche den Ort 
angeben, wohin sich etwas bewegt, nämlich eo eodem, hoc, 
ıllo illoc, ısto istoc, quo quopiam quoquam, quoquo quovis, alio 
alıquo, altro, utroque, citro, intro, retro, uliro, deziro, über 
deren Gebrauch in der alten Latinität man Ebrard 616 ver- 
gleiche. Sodann ist mir wahrscheinlich, dass die Formen auf 
-im wie exim und interim, istim, illım, gewöhnlich ssiinc, 
tllinc, hinc, utrimque, olim den Instrumentalen auf -mi ent- 
sprechen. In om liegt der Sınn der Zeiterstreckung, utrimque 


584 Kap. XIV. II. Instr. Adverbia, femininisch. [$ 246—247. 


heisst “auf und von beiden Seiten’, die übrigen bezeichnen den 
Punkt, von dem die Bewegung anhebt. Es mag sonderbar 
erscheinen, wenn Adverbia, welche ‘wohin’ und solche, welche 
‘woher’ bedeuten, gleicherweise auf den Instr. zurückgeführt 
werden. Indessen, da dieser Kasus gesetzt wird, wenn es sich 
um eine Bewegung durch einen Raum hin handelt, so ist es 
immerhin möglich, dass sich neben Verben wie “hineingehen’ 
ein ‘wohin’, neben “hervorkommen’ ein ‘woher’ aus demselben 
Worte entwickelte, welches ursprünglich “auf diesem Wege’ 
bedeutete. — Eine vereinzelte Bildung, die sich dem ai. dhrgata 
an die Seite setzen lässt, dürfte repente sein. Slavisch. Ich 
habe nur wenige Belege für den neutralen Instr. notiert. Aus 
dem Altkirchenslavischen (Miklosich 4, 684), z. B. jeste ma- 
lomi duchajyusti nur noch wenig athmend, visidi pravicemi vi 
domi recta domum ingressus. Aus dem Serbischen wäre etwa 
lakom beinahe zu erwähnen, das doch wohl eigentlich “leicht- 
lich’ bedeuten wird, aus dem Russischen dodromü in gutem, 
mit Güte. 


$ 247. Fortsetzung. Adverbia femininischer Form. 
(Griech. auf n). 


Es ıst keineswegs ausgemacht, dass alle Bildungen, die 
ich hier bespreche, wirklich femininisch sind. Ich habe manche 
nur deshalb hierhergestellt, weil ich annahm, dass der Leser 
sie hier suchen würde. 

Altindisch. Man hat ytiay@ richtig, päpaya auf üble 
Weise, schlecht, unrecht und vamaya gefällig, schön (einmal 
im RV.) bisher gewöhnlich für femininale Bildungen erklärt. 
Neuerdings aber hat Mahlow dagegen eingewendet, dass ja 
die Fem. von päpd und vämd nicht papa und vama, sondern 
päpt und vamt lauten, und J. Schmidt, Pluralb. 212 Anm. hat 
sich diesen Einwand angeeignet. Er hält rlaya, päpaya und 
vamaya für Nachbildungen nach aya und kdyä. Aya aber sei 
nicht von vornherein eine Femininalform, sondern geschlecht- 
lich indifferent gewesen, und aus dieser geschlechtslosen Zeit 
stamme die Verwendung des Wortes als Adverbium. Mir 





$ 247.1 Kap. XIV. II. Instr. Adverbia, femininisch. 585 


scheint das nicht wahrscheinlich. Neben päpdya und vamdya 
ist auch noch dbhadrdya glücklich vorhanden, z. B. väcam va- 
data bhadraya sprecht das Wort glücklich aus, yad vargasıi bha- 
drdya wenn du heilvoll regnest (vgl. Böhtlingk-Roth s.v.). Dieses 
Wort und andere gleiche Bildungen, welche etwa noch vor- 
handen waren, können ganz gut die Musterform für papaya 
und vamaya gewesen sein. (Ebenso wäre dann auch samäya 
aufzufassen). Neben diesen waren Bildungen mit adverbial 
verschobenem Accent vorhanden, nämlich riaya richtig (von 
Böhtlingk-Roth alg Instr. eines Substantivs aufgefasst) und 
akönaya in die Quere. Adatraya ohne Geschenk empfangen 
zu haben sehe ich mit Grassmann als Instr. eines Subst. an. 
An die Bildungen aus Adj. auf a schliessen sich solche von 
Adj. auf w, nämlich urviy@ weithin, äßuya schnell (vgl. das 
Avestische), sädhuya gerades Weges, raghuya rasch, leichthin, 
auch mithuyä falsch neben mithyä und anusthuya neben anusthyäa 
(vgl. auch anu$thu) dabeistehend, unmittelbar, alsbald. Aus dem 
pronominalen Gebiet amuya auf jene Weise. Auch sie wurden 
von den Indern doch wohl als femininisch empfunden. Be- 
stimmte Substantiva, welche den Redenden hierbei vorschwebten, 
weiss ich freilich nicht namhaft zu machen. Konstruiert sind 
diese Adverbia mit dem Verbum finitum oder einem Parti- 
zipium, z. B. mithuya cärantam den falsch gehenden. Sonderbar 
ist das dreimal vorkommende papdyämuya auf jene schlechte 
Weise, so schlecht; päpäya scheint mit amuya wie ein Adj. 
mit seinem Subst. verbunden worden zu sein. Avestisch. 
Dem indischen a$uya schnell entspricht av. äsuy@ schnell, 
das zweimal neben mosu rasch (ai. maksu) vorkommt. Grie- 
chisch. An dieser Stelle sind mehrere verschiedenartige 
Gruppen vereinigt, welche von einander zu sondern noch nicht: 
gelungen ist. Es scheinen nämlich unter den hier aufgezählten 
Formen Instrumentale zu sein, welche im Urgriechischen auf n 
ausgingen, welche einem anderen Genus zuzuweisen als die 
auf » kein Grund vorliegt, sodann Formen auf urgriechisch «, 
deren Herkunft wir noch nicht recht durchschauen (es könnten 
vielleicht auch Akk. plur. dabei sein), und endlich Dativ-In- 


586 - Kap. XIV. I). Instr. Adverbia, femininisch. 5247. 


strumentale, welche also urgriechisch auf aı ausgingen. Die Son- 
derung der Gruppen macht namentlich auch deshalb Schwierig- 
keiten, weil das ı subscriptum in unserer Überlieferung bald 
geschrieben wird und bald nicht. Ich folge, in Ermangelung 
eines sachlichen Prinzips, der Schreibung der zufällig von mir 
benutzten Ausgaben. Voran stelle ich einige Dativ - Instru- 
mentale, neben denen sich die fehlenden Substantiva noch 
leicht ergänzen lassen, die also als noch nicht völlig erstarrt 
zu bezeichnen sind. Aus Homer gehört dahin tpırıY rerpani? 
t anorloouev A 128 (wobei man an alo« ‚oder ein ähnliches 
Subst. zu denken hat). Nachhomerisch sind xoıwf gemeinsam, 
von Staatswegen, bntf palam (Meisterhans? 114), önpootg von 
Staatswegen, !öla privatim. Am leichtesten bietet sich als 
Ergänzung ßovAf, z. B. xowf ri Bovisdcavra Sophokles Oid. 
Tyr. 606, t&us nv odv dxpıydueß elta to ypdvo xoıvf Euveßnuev 
Aristophanes Wolken 66. Ferner xs{j zuerst bei Herodot und 
Thukydides, wozu nicht 66% sondern $vvapeı zu ergänzen sein 
dürfte. Von den übrigen erwähne ich zuerst die dem nomi- 
nalen Gebiete angehörigen. Es sind aus Homer Aadpy (viel- 
mehr Aaddpn zu schreiben, wie das Metrum zeigt, vgl. J. Schmidt, 
Pluralb. 40) ‘heimlich’, mit Verben verbunden, in Verbindung 
mit einem Gen. “heimlich vor’; äpaprfi gleichzeitig. Nach- 
homerisch sind att. Nouyf; still, bei Pindar douyä; att. ext; 
eitel, unnützlich, zuerst Aeschylus Prom. 450; att. xpupf (z. B. 
xpup7j xeüde Sophokles Antig. 85), xpupä bei Pindar. Ausser- 
dem äxä sanft, leise bei Pindar. — Es folgen die prono- 
minalen Adverbia.e Es kann wohl nicht zweifelhaft sein, 
dass im Urgriechischen Adverbia auf n mit der Bedeutung des 
‘Wo’ oder der Richtung auf etwas hin vorhanden gewesen sind, 
und daneben Adverbia der Art und Weise auf äı (a). Dieser 
Zustand liegt noch vor in dem Kretischen der Inschrift von 
Gortyn. Dort heisst ör7 wo, z. B. orn x &mıßaldly wo es hin- 
gehört 6, 29, und ähnlich 1, 42 und 12, 25. Dagegen örd wie, 
z. B. ön4 xa vovavraı xaAlıora wie sie es auf das beste können 
12, 30, örd xa Anlovrı wie sie wollen 2, 35. Ebenso heisst 
n wo. Wenigstens übersetzt Bücheler die Worte 1, fexdstew 











8 247.] Kap. XIV. U. Instr. Adverbia, femininiseh. 587 





&ypattaı 6, 30 durch: “wo von jedem geschrieben steht’. Die 
anderen Stellen, wo 7 erscheint, sind mir nicht recht klar, 
deutlich aber ist, dass & wie bedeutet, so in dem häufigen & 
Eyparıaı wie geschrieben steht, ebenso dnep. Sodann ällg in 
allg Eyparcaı es steht anders geschrieben 6, 14. Auf späteren 
kretischen Inschriften dagegen haben auch die Formen auf n 
ein ı erhalten, z. B. önfj &xatepfj (Ahrens, Dor. 362). In In- 
schriften und Handschriften anderer Dialekte finden wir den 
gleichen Zustand, es sind also im ionisch-attischen Sprach- 
gebiet die Formen auf -n und -q nicht mehr zu scheiden. Ich 
behandle hinter einander 7 rüde, F Axt, rY Inny, Tadıy, Auf, 
ravey, AAly, endlich die auf -yj (die Schreibung nach den 
Ausgaben, insbesondere nach der Homerausgabe von Nauck). 
T7 (über diesen Weg hin) da, dahin, z. B. 75 ba öl adrdav 
(nämlich ruAawv) xevrpnvexdas Eyov inroug E 752, Enny x Won, 
ty eixovoıv otiyes Avöpav M 48, .dann auch ‘wo’, z. B. Z 393. 
Für rf nep 6 xal Ereıra Teleurnoecdarn Epeilev d 510 ergiebt 
sich ‘wie’ als Bedeutung. Töe hier, aber Q 139 ‘so’, 7 (über 
welchen Weg hin) wo, wohin, z. B. rods iv redlovde dlwxev 
rpös nöAıv, G nep Axarol drulduevor Yoßdovro Auarı To rporepwp 
®3, tä inev F xev öh ob, nslawvepks, Ayepoveöns 046 (vgl. dazu tab. 
Heracl. 1, 81: äreydvras dr dAldlwv GE yiv Tpıdxovra nödas & 
62 Flxarı). Sehr selten ‘wie’, z. B. üße yap Hnelinoe Kpdvou 
rar, D teldeı nep 8 415. Dazu nyı wo. 117 wohin gewendet, 
2. B. "Extop, af &n tor pevos olyerar; E 472, nd &Bn ’Avöpondym 
Aeuuwlevos 2x peyaporo; Z 377. Entsprechend xy, aber auch 
modal, z. B. oötw ny ade y' &ort, plkov texas, bs @yopedeıs O 373. 
Dass rn die richtige Form ist, zeigt die lakonische Inschrift 
des Damonon, wo rnroxa offenbar ‘irgendwo’ bedeutet. Orxrny 
(örg) finde ich bei Homer nur in lokalem, nicht in modalem 
Sinne. Taöy hier und hierhin (nicht bei Homer), z. B. &st Av 
o0tog AAtos Tabry lv aipy Tide 8 ad öbvn nalıv Sophokles Phil. 
1330, tadıy ?r&ov bei Plato, sodann häufig “auf diese Weise’. 
Ayfj in oödayfj bei Hesiod, Herodot, den Attikern in den Be- 
deutungen ‘nirgend, nirgendhin, keineswegs’, z. B. “oaurws; 
xara taurd Eyeı xal obögnore oddand obdanns AAlotwary oddenlav 


588 Kap. XIV. I. Instr. Adverbia, pluralisch. [$ 247—248. 


&vö£yeraı erfährt nie nach irgend einer Richtung hin auf irgend 
eine Weise irgend eine Veränderung Plato Phaidon 78 D, Bei; 
oddauf oddanins Aöıxos Theaitetos 178 C. Dasselbe in üpınyern, 
äuä gleicher Weise bei Pindar. IIavry (nach Ausweis des 
Metrums zdvrn, vgl. J. Schmidt, Pluralb. 40) heisst “überallhin, 
überall’, z. B. a ö ängyero na Yeoio navım Ava orpardv A 384, 
Av nepı u&v navın P6ößos dorepavwraı E 739, so auch tab. Heracl. 
1, 143: Toy 8 puyöv nevre xal dena noday navrd. Was Ay 
betrifft, so kann man bei Homer noch überall dıe lokale Be- 
deutung zur Geltung bringen, später ist die modale unver- 
kennbar, z. B. Admvatoı pev yap Önkov &roinoav brepaydeodevres 
tü Munrov wor Tf te Ally noAlayfi u. 8. w. Herodot 6, 21. 
(Hlerodot scheint also, da er den Artikel braucht, die Ellipse 
eines Substantivums empfunden zu haben). Endlich die Ad- 
verbia auf -y7 (5) bei Zahlwörtern und verwandten Wörtern, 
durch welche, wenn sie von Zahlwörtern abgeleitet sind, an- 
gegeben wird, in wie viel Theile zerlegt der Gegenstand ge- 
dacht werden soll, also öıyf, tpıyg in zwei, in drei Theile 
u. 8. w., zZ. B. toüg Tokdras Tpıyy Erornoavro (Xenophon), yiyveraı 
To orpdreupa tpıyl (ebenda), ebenso bei dtmpeisdar, dravgpeıv 
veperv, ötpxtadn 8’ 4 Mavrıveia Terpayfj nadärnep Tb dpyatov qxouv 
(ebenda). Daran schliessen sich dMayf anderswo, anders- 
wohin, ravtayzj überall, überall hin, in allen Beziehungen, 
povaxfj allein, auf eine Weise, roAlayxfj vielmal, oft, auf vielerlei 
Art. Keines dieser Wörter findet sich bei Homer, der die For- 
men auf xa hat, welche doch wohl Akk. plur. sind. 


$. 248. Fortsetzung. Adverbia pluralischer Form. 


Altindisch. Roth erklärt einige Instr., so bhadrebhis 
feliciter und mai$übhis rasch für Adverbien, während Grass- 
mann in beiden Fällen das Subst. ‘Rosse ergänzen möchte. 
Sicher adverbial sind Sanäis oder Sanäis und Sanakais (was als 
Diminutivum dazu gebildet ist) langsam, wccats hoch oben, 
nach oben, von oben, »icäis unten, nach unten, von AV. an, 
präcäis vorwärts, paräcais abseits. Alle diese Bildungen sind 
isoliert, neben Sdnätis, präcais, paräcais sind Stämme auf «a 








& 248—249.] Kap. XIV. II. Dativische Adverbia. 589 


überhaupt nicht vorhanden. Dass anfangs ein Subst. vor- 
schwebte, ist anzunehmen, für $dnäis würde sich ‘Schritt’ dar- 
bieten. Auch ein Plur. fem. wird von Roth angenommen, 
nämlich dräghifthäbhis langdauernd, während Ludwig ütibhis 
ergänzt. Avestisch. v3spa:3 immerdar, dazu nach Bartholomae, 
Ar. Forsch. 2, 133 noch pourutemai$ in reichstem Masse (aus 
pron. Gebiet äis und adasd). Aus dem Lateinischen ist 
etwa alternıs anzuführen, wobei man an victbus denkt. Die 
germanischen Bildungen sind Grimm 3, 94 verzeichnet. Es 
gehören dahin ahd. /uzzikem paulatim, einezem singulatım, 
ags. Iitlum minutatim, miclum magnopere, altn. driugum fre- 
quenter, Zongum longe, fornum olım u. ähnl. Auch die mhd. 
Adverbia auf lichen, z.B. minneclichen, die Grimm für Akk. sing. 
erklärt, sind hierher zu rechnen, wenn smähltihhem der Kero- 
ner Gl. beweiskräftig ist. Von vereinzelten Formen ist gestern 
zu erwähnen. Aus dem Litauischen dürfte preszats ent- 
gegen hierher gehören (vgl. auch Bielenstein, Lett. Spr. $ 528). 
Slavisch. Es giebt eine Anzahl von Adverbien auf aksl. y, 
welche doch wohl als Instr. plur. anzusehen sind. Dahin ge- 
hören aus dem Altkirchenslavischen nach Miklosich 4, 712: 
osklabivü se maly ein wenig lächelnd, pisisky laye auf Hunde-Art 
bellend, dazu Zenisky auf Weiber-Art, ne razumechü dobre grüäcisky 
ich verstand nicht gut auf griechisch, ebenso latınisky auf la- 
teinisch, s/ovenisky auf slovenisch u. ähnl. Dazu noch paky 
wiederum, aky wie (bei Vergleichung einzelner Begriffe). Ebenso 
im Serbischen, z. B. muski auf Männer-Art, zenski auf Weiber- 
Art, vucki nach Wolfs-Art, mojski auf meine Weise, naski in 
unserer Sprache (vgl. meatim u. ähnl.). Im Russischen muZeskt, 
russki, dvorjanski (als Edelmann). 

$. 249. Der Dativ. 

Aus dem Altindischen lässt sich von Subst. etwa varaya 
zur Wahl, nach Herzenslust und arthäya zum Zweck, um willen 
anführen, von Adj. das vedische aparäya in nündm na indrä- 
paräya ca syah jetzt sei uns (gnädig), o Indra, und für die 
Zukunft RV. 6, 33, 5, ferner das vereinzelte Ajarasaya bis zu 
hohem Alter (aus äjyarasam gebildet) und das nachvedische 


590 Kap. XIV. II. Genitivische Adverbia. [($ 249—250. 








ciräya für lange und cıraräträya lange, nach langer Zeit, endlich 
(mit merkwürdiger Verschiebung der Bedeutung). Den Dat. plur. 
fem. apartbhyas für die Zukunft rechnet Grassmann zu einem 
Subst. apart, während ich es vorziehe, eine femininische Adjektiv- 
form anzunehmen, zu welcher der Begriff Nacht’ zu ergänzen wäre. 

Dass das griechische yapat Dativ sei, hat Osthoff, Perf. 195 
wahrscheinlich gemacht. Die Bedeutung ‘zur Erde hin’ kann 
man bei Homer fast überall zur Geltung bringen (nicht bloss 
bei P&AAw, ydu, dpwoxw, sondern auch bei ypaı). “Auf der Erde’ 
heisst es A 145 (tv au yapal dfevapıkev) und E 442 (yapal 
&pyondvav T avöpemuwv). Aus dem Litauischen gehören hierher 
sziamsyk für dieses Mal, ferner die zahlreichen Formen auf yn, 
x. B. toljn eiti, vazıüti weiter gehen, fahren; zemyn abwärts, 
z. B. saule ldidias zemyjn die Sonne senkt sich herab; auksztyn 
eiti nach oben gehen; senyn eits älter werden; storyn eit: dicker 
werden, prtktyr eiti schlimmer werden u. 8. w. Bezzenberger, 
ZGLS. 110 hat gezeigt, dass sie in der älteren Zeit auf wi oder 
ut endigen, also Dative von Stämmen auf yna oder ynıa sind, 
und zwar offenbar von Abstraktis, so dass auksztijn eig. heisst 
‘zur Höhe’ (vgl. oben bei den Komparativen S. 412 und Les- 
kien, Bildung der Nom..411). Aus dem Slavischen nenne 
ich aksl. domovi und domovi oixade, russ. alt domovi, jetzt 
domoj, aksl. dolu herab, russ. alt dolovi aus dolovi, jetzt dolgy. 
Von adjektivischen Bildungen wäre etwa aksl. vünu hinaus zu 
nennen, woneben der Lok. vüne draussen steht. 

"8250. Der Genitiv. 

Wenn in der Urzeit adverbiale Gen. oder solche die dem 
Adverbium zustreben, vorhanden gewesen sind, so können sie 
wohl nur dem Gebiete des temporalen Genitivs angehört haben. 
Hinsichtlich dessen ich auf $ 174 verweise. Hier erwähne ich 
aus dem Altindischen noch das merkwürdige cirasya nach 
langer Zeit, vorliegend im Epos, z. B. putram drgtväa cirasya 
den Sohn endlich erblickt habend Mhbh., zu dessen spezieller 
Erklärung ich nichts beizubringen weiss. Griechisch. Aus 
dem nominalen Gebiet weiss ich nichts Sicheres anzuführen 
(ob &being, &&ns Gen. oder Abl. sei, lässt sich nicht entscheiden). 

















$& 250.) Kap. XIV. II. Genitivische Adverbia. 591 


Dagegen finden sich eine Anzahl lokaler Gen. aus dem Bereich 
der Pronomina. Diese dürften schwerlich urgriechisch sein, 
da sie nur den ostgriechischen Dialekten angehören. Im Ur- 
griechischen wurden in diesem Sinne wahrscheinlich die loka- 
tivischen Formen auf eı gebraucht, vgl. S. 572, 581. Ich führe 
aus Homer an: xoö wo, einmal durch “wohin’ zu übersetzen: roo 
tor Arerlal olyovrar; N 219; rou irgendwo, dann auch irgend‘, 
z, B. Oppa tl nou xal tide nad xaxov 5 173; aurod an diesem 
Orte; öuod am gleichen Orte, vielfach auch auf Zeit und Art über- 
tragen, mit dem Instr. ‘am gleichen Orte mit‘, z. B. xeisdar Hood 
vexbeooıw OÖ 118; dyyoo in der Nähe; uYoo hoch oben; tnAov 
fern, fernhin. Im Lateinischen kommt man über unsichere 
Vermuthungen nicht hinaus. Es sind als Gen. in Anspruch 
genommen worden fors zufällig und roz bei Nacht. Was fors 
betrifft, so verweist Bücheler (B.-Windekilde $ 158) auf das 
oskische svaepis fortis gleich si guis forte. Doch war fortis 
schwerlich Gen. sing., vgl. Bronisch, die oskischen :- und e- 
Vokale 8. 132. Vielleicht hat doch Pott, Etym. Forsch. II, 
1, 875 recht, der fors für einen Nom. sing. erklärt. Es könnte 
aus fors sit ‘der Zufall mag eintreten’ hervorgegangen sein. 
Bei nox macht ausser dem Gen. sing. auch der Lok. plur. An- 
sprüche, so dass noz aus *noxu entstanden wäre, wie mox aus 
*mozu. Die Syntax empfiehlt allerdings mehr die Annahme 
eines Genitivs. Zahlreich sind die genitivischen Adverbia im 
Germanischen. Ueber die substantivischen s. namentlich 
Grimm 3,127ff., Erdmann 2,180ff. Ich erwähne zuerst die bei- 
den vereinzelten gotischen Formen svare umsonst, worüber ich 
nichts zu sagen weiss, und disunjane ringsum, z.B. gaggam du baim 
bisunjane hasmom äywyev elc Tas &yonivas xwponoleıs Mark. 1, 38, 
welches Kluge in Paul und Braune’s Beiträgen 10, 444 als 
Gen. plur. mask. des mit di zusammengesetzten Partizipiums 
der Wurzel es erklärt, so dass du baim bisunjane haimom eigent- 
lich heisse: ‘zu den Dörfern der Anwohner”. Die übrigen gen. 
Adv. knüpfen an temporale und lokale Genitive an, welche in 
das Germanische aus proethnischer Zeit überliefert sind. Von 
temporalen findet sich im Gotischen: dagis hoizuh in jah vas 





592 Kap. XIV. II. Genitivische Adverbia. [$ 250. 


Fraquman dagis hvizuh stiur ‘a‘ und es wurde verzehrt an jedem 
Tage ein Stier Neh. 5, 18; gistradag:s morgen. In den anderen 
Dialekten findet sich gistradagts nicht, dagegen ahd. dages, bei 
Otfr. sowohl “am Tage’, d. h. “Tag für Tag’, als auch ‘an dem 
und dem Tage’, z. B. thes dages was sambazdages fira, mhd. 
tages (hiutes tages, eines tages), ags. düges des Tages, nhd. 
tags, eines tages, eines schönen tages u. 8. w. Dazu weitere 
maskulinische Zeitangaben, z. B. ahd. winteres, mhd. morgens, 
übendes, sumers, järes u. ähnl. Daran schliesst sich das Fem. 
ahd. nahtes (namentlich auch in der Wendung tages inti nahtes) 
ags. nihtes, mhd. nhd. nachts. Die Ansicht Scherer’s, dass 
nahtes, nıhtes u. 8. w. ihr es erst von tages erhalten haben, ist 
nach meiner Meinung die richtige. Ein sicherer Fall einer 
solchen Uebertragung liegt ın mittwochs vor (Mittwoch war bis 
in’s vorige Jahrhundert Fem., empfing das Mask. von den 
übrigen Wochentagen, mittwochs von Grimm Wb. zuerst bei 
Lessing belegt). Von den lokalen Gen. ist wichtig got. lan- 
dis in manna sums godakunds gaggida landıs franiman sıs Piu- 
dangardja avdpwnös tıs edyeyhs Enopeödn el; yupav naxpav Aaßeiv 
&aurid Baoılefav Luk. 19, 12. Da ‘Land’ nicht so viel ist wie 
“Ausland”, kann Zandis ursprünglich nur bedeutet haben “durch 
das Land hin’ (vgl. ahd. inlendes intra unius gentis terminos), 
also genau wie gr. neöloro u. ähnl. ‘Durch das Land hin’ kann 
nun thatsächlich so viel bedeuten wie ‘in ein anderes Land’ 
und so kann in den Gen. der Gedanke des erstrebten Zieles 
kommen, wie er doch wohl bei Zandis vorgeschwebt hat (vgl. 
$ 158). Vielleicht hat sich hieran der Gen. des Zieles ange- 
schlossen in usleibam jainıs stadis d&uEidwpev eis t6ö nepav Mark. 
4, 35; ınsandida ına haihjos seinaizos haldan sveina Ereydbev 
adröy eis Tobs Aypoüs abtoo Pdoxewv yotpous Luk..15, 15. (Auf 
elilentes fuor peregre profectus est bei Tatian möchte ich keinen 
Werth legen, weil peregre in der Fremde und in die Fremde 
bedeutet.) Derselbe ursprüngliche Sinn des Gen., wie ich ıhn 
ın landts finde, zeigt sich dann noch in dem got. framuigıs 
ravrore, z. B. framvigis mib fraujin vairbam ravrore avv 
Koptyp &söueda 1 Thess. A, 17, das Grimm als Gen eines Nomens 





$ 250.) Kap. XIV. II. Genitivische Adverbia. 593 


*framoigs vıa continua auffasst. An diese Gen. haben sich 
nun weitere Gen. und Adverbia angeschlossen, welche sich im 
Althochdeutschen nach dem von Erdmann aus Otfrid gegebenen 
Material bequem verfolgen lassen. Vereinzelt sind Wendungen 
wie: thes wäges er sie wista er leitete sie durch die Fluth; sehr 
geläufig dagegen Gen. von “Weg, Fahrt’ bei Verben der Be- 
wegung, 2. B. gang ouh thines sinthes geh deines Weges (mit 
dem Nebenbegriff des Fortgehens), thes ganges sie iltun gähun 
sie eilten schnell des Weges, üÜs so thes sinthes thes iro heimin- 
ges eile fort nach ihrer Heimath. Neben diesen Mask. erscheint 
auch das Fem. fart, z. B. er fuar sär thera ferti, woneben sich 
in Nachahmung des Mask. ein Gen. fartes entwickelt hat. Da 
nun ‘Fahrt’ eine Thätigkeit bezeichnet, so konnten andere 
Substantiva, welche eine Thätigkeit ausdrücken, diesem nach- 
folgen, z. B. sıu fuar therero däto redihaftör sie benahm sich 
verständiger in diesen Handlungen, in diesem Belege noch 
mit faran, wenn schon in übertragener Bedeutung, danach bei 
“thun’ u. a. An die Werke schliessen sich die Wörter, z. B. 
sprach imo thero worto und daran wieder die geistigen Thätig- 
. keiten, so muates bei Verben der Gemüthsbewegung, z. B. er 
sth frewe muates, aber auch schon bei anderen Verben, z. B. 
wachent muates sind im Geiste wachsam. Hiernach ist es nun 
klar, wie die adverbialen Gen. entstehen konnten. Ahd. thär 
thera ferti und thär thes fartes heisst formelhaft "damals, 
bei dieser Gelegenheit’, ohne dass von einer Bewegung die 
Rede ist, ebenso thes sınthes. Daran schliessen sich eines 
plicches uno ictu, kä@hes tunses repente u. ähnl., sulichero däto 
auf solche Weise, managero thingo in vielen Dingen, mines, 
thines thankes meines, deines Denkens, d. h. freiwillig, z. B. 
er sines thankes bi unsih starb er starb freiwillig bei uns, vgl. 
ags. (un)donces (un)freiwillig, danach neddes gezwungen. Vieles 
der Art setzt sich im Mittelhochdeutschen fort, z. B. Auges, 
drabes, schuftes cursim, alzuges continuo, unseres unwizzenes, 
eines mundes uno ore. Beachtenswerth sind des endes in eam 
partem, des mäles damals; vieles auch nhd., z. B. flugs, theils, 
Jalls, rings, keineswegs, spornstreichs. Dabei lässt sich wie 
Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm. Sprachen. 1. 38 


594 Kap. XIV. II. Genitivische Adverbia. [$ 250. 





bei nahtes und fartes eine Ausbreitung des s beobachten, 
welches wir als Zeichen des Adverbiums empfinden, z. B. in 
allerdings u. ähnl. aus dem pluralischen aller dinge (so mhd. 
und in jenseits u. ähnl., wo das s an das akkusativische jensett 
spät angefügt ist (vgl. Grimm Whb.). 

Die adjektivischen Genitivadverbia (Grimm 3, 88 ff.) 
machen mir den Eindruck, als ob sie in Anlehnung an die sub- 
stantivischen entstanden seien. Ich führe die hauptsächlichsten 
derselben in der Reihenfolge auf, welche der Anordnung der 
substantivischen entspricht. Temporal, also an got. gistradagıs 
anschliessend, sind ahd. järliches, mänötliches, tageliches, ahd. 
mhd. ntumwes oder ntwanes neulich, mhd. eines einmal, sumes 
bisweilen, ags. simbles immer u. ähnl. — Lokal sind die mit 
got. -vasrbis, ahd. -wertes u. 8. w. gebildeten, z. B. got. setan- 
deıns andvairpis bamma hlaiwva xadnpevan Anevavrı Tod TApou 
Matth. 27, 61, ahd. keimwartes heimwärts, üzwertes extrinsecus, 
ags. upveardes, sudveardes u. a. m. Dazu ahd. twörches trans- 
verse, mhd. tiwerhes. — Dass got. suns eudews rapayprua und 
anaks 2katpyvns Genitive sind, ist wahrscheinlich. Zu suns 
weiss ich sonst nichts zu sagen, anaks hält Fick unter *onegos 
für ursprachlich. Sodann sind Gen. ahd. mhd. gähes schnell, 
plötzlich. Schon ganz modal sind got. allıs in aphan ık giha 
izois ni svaran allıs ah öpdanı Elm; Matth. 5, 34, sonst gleich 
yap, ahd. mhd. alles und sein Gegenstück nalles, ags. ealles 
und nealles; ahd. alles anders, ags. elles; got. rathlis u£v, yap, 
also ganz zur Partikel geworden, ahd. mhd. röhtes, slöhtes 
omnino. Noch erwähne ich ahd. anderes, ags. micles sehr. 
Aus dem Nhd. anders, stracks, schnurstracks, die mit wärts ge- 
bildeten, längs, und die mit zugesetztem s, wie z. B. erstens, 
zweitens, schönstens. Slavısch. Ein weitverbreiteter aber ver- 
einzelter temporaler Gen. ist aksl. vicera, serb. jucera, verkürzt 
Jucer, russ. vcera gestern zu vecerä Abend. Im Russischen kann 
auch si antreten, das eigentlich Nom. oder Akk. sing. mask. 
eines Pronomens ist. 

Im Serbischen haben sich zwei genitivische Adverbialtypen 
entwickelt, der substantivische auf ice und der adjektivische 





$ 250.) Kap. XIV. II. Genitivische Adverbia. 595 


'auf ke. Die ersteren, die Formen auf ice, gehen auf Genitive der 
im Slavischen so ungemein zahlreichen Feminina auf :ca zu- 
rück. In einem Falle liegt das Verhältnis noch ganz klar vor, 
nämlich bei mro:ce ein bischen, z. B. pomakni se duso k mene 
mrosce rücke ein wenig zu mir, Liebchen!); mrvica ist ein 
Dimin. zu mrva Brocken, z. B. nema ni mrve es giebt nicht 
einen Brosamen, ko ne kupsi mrovice wer nicht ein bischen kauft. 
Vielleicht ist mroice ein bischen zuerst in solchen negativen 
Sätzen gebraucht worden. Nach mrovice ist wahrscheinlich 
malcice zu wenig, wenig gebildet, was zu dem Adj. malo oder 
vielmehr seinem Diminutiv malko gehört. — Das Gros der 
Wörter auf ice aber erscheint nur in dieser adverbialen Form 
und ist in Anlehnung an die Part. Präs. pass. auf m& gebildet 
wie pustimica der Wurfprügel zu pustiti durch Vermittlung von 
*yustimü). Diese Substantiva hatten wohl die Bedeutung eines 
nomen actionis, also etwa *bodimica die Stechung. Vorhanden 
sind z. B.: dodimice stichweise (udarıt: koga jemand erstechen); 
vrzimice schleudernd zu vr&, vrgnem; djipimice springend zu 
djipiti springen, z. B. iz postelje dyjipimice skace er springt mit 
einem Sprunge vom Lager; Arimice und kridimice heimlich zu 
kriti verbergen; hotimice, hotimce absichtlich zu Aotyeti wollen; 
hitimice schleudernd zu Aitjyeti schleudernd werfen, z. B. or se 
hiti dobre hitimice er eilte in grosser Eile. Wie diese Genitive 
aufzufassen sind, weiss ich nicht mit Sicherheit zu sagen, viel- 
leicht darf man an den Gen. bei :grati spielen erinnern (vgl. 
S. 329 Anm., “eines Sprunges, springen’, wie "eines Spieles 
spielen). Nicht an das Partizipium, sondern — wie es 
scheint — an den Infinitiv knüpft an nehotice ohne es zu 
wollen. Das äusserlich gleichgeformte nemtlice ohne Schonung 
findet dagegen seiner Bedeutung nach einen Anhalt an dem 
Adjektiv mio, aksl. milü. An ein Adjektivum (vgl. aksl. 
niet pronus) knüpft sich auch niöice das Gesicht zur Erde nei- 
gend, z. B. lijepe se igre naigrali i micice i strmoglavice sie 


1) Die Beispiele sind hier und im Folgenden aus Wuk’s Wörterbuch 
entnommen. 
38* 


596 Kap. XIV. II. Adverbis, aus dem Akk. der Richtung. ’$ 250—251. 


spielten sich am schönen Spiele satt, das Gesicht neigend und 
mit dem Kopf voran. An Komposita adverbialer Bedeutung 
ist ce getreten in dem eben erwähnten sirmoglavice, woneben 
noch strmoglav vorhanden ist (vgl. aksl. strümoglard, russ. 
stremglavü), ferner in naoctglece offenbar neben naocigled (vgl. 
gledati schauen). Endlich ist ce sogar an die ihrem Kasus 
(za) folgende Präposition radi gefügt worden in z/aradıce ın 
böser Absicht, eig. ‘um etwas Bösen willen’, z. B. ja nijesam 
dosao zlaradice ich bin nicht in böser Absicht gekommen. — 
Gen. sing. fem. von Adjektiven sind die Adverbia auf Ae. 
Dem abgeleiteten Adjektivum liegt ein Subst. zu Grunde, so 
in vucke nach Wolfs-Art, z. B. polje je prekasao vucke er 
durchtrabte das Feld wie ein Wolf; pustimicke nach Prügel-Art 
vgl. pustimica ein Wurfprügel), 2. B. bacıts drvo p. ein Holz 
prügelartig werfen. In anderen Fällen liegt eine Verbindung 
von Präp. und Subst. zu Grunde: posmence namentlich, natraske 
zurück (von frag Spur), naguske rücklings (guz Hinterbacke). 
Zu einem Verbum stehen in Beziehung mucke schweigend (vgl. 
Miklosich, Wb. unter *melk). Auf Partizipia scheinen zurück- 
zugehen: Zmuredke mit verbundenen Augen (vgl. Zmursti die 
Augen zuhalten\, jeZedke liegend, stojedke stehend. Endlich 
ist ke auch an fertige Adverbia angetreten, nämlich an Kasus 
von Subst., die um das Pronomen si vermehrt sind, so: danaske 
heute, zimuske diesen Winter, jutroske heute früh u. s. w. 


$ 251. Akkusativ der Richtung. 


Aufden Akkusativ derRichtunggehen zurück die bekannten 
mehr oder weniger erstarrten lateinischen Akkusative domum, 
rus, venum (mit re), foras eigentlich ‘zur Thüre’, dann “hinaus. 
In der Vulgärsprache (Petronius) heisst foras auch “draussen, 
wozu man die Bedeutungsentwicklung von Bupale vergleiche.') 
Aus dem Germanischen gehört Aeim nach Hause hierher. 
Im Althochdeutschen und Mittelhochdeutschen ist hesme domi 


1) Ich halte es danach nicht für nöthig, neben dem akkusativischen 
foras noch ein ursprünglich lokativisches anzunehmen, wie es Bragmann 
2, 704 zweifelnd thut. 








8251—252.] Kap. IXV. II. Adv.,a.d. Akk. der Zeit-u.Raumerstreckung. 597 


und heim domum streng geschieden, während die beiden in 
späterer Zeit nicht selten zusammengefallen sind (vgl. Heyne 
in Gramm’s Wb. unter heim). SF.5, 185 habe ıch auch das 
altindische kamam nach Belieben als einen Akk. der Rich- 
tung erklärt, so dass also kamam ätya eigentlich hiesse ‘zu dem 
Wunsche eines Andern herankommend’. Es wären aber auch 
andere Auffassungen möglich, z. B. könnte man den Akk. als 
Apposition zur Satzhandlung ansehen. 

6 252. Akk. der Zeit- und Raumerstreckung. 

Aus dem Altindischen gehört ndktam nachts hierher, 
über welches ich SF. 5, 184 bemerkt habe: “n@ktam (nur dieser 
Kasus liegt vor) weicht von dem Akk. der Zeit im Gebrauch 
insofern ab, als es nicht etwa “die Nacht hindurch’, sondern 
‘nachts’ (Gegensatz diva) bedeutet, eine sehr naheliegende 
Übertragung, und man würde vielleicht ndktam nicht als Ad- 
verbium bezeichnen, wenn es nicht ein isolierter Kasus wäre, 
und wenn es nicht ausschliesslich in dem angeführten Sinne 
(es erscheint nicht etwa auch als Objekt) vorkäme”. — Aus 
dem Griechischen ist aurnnap zu erwähnen. Ebenso dürfte 
Axunv eben, gerade, noch aufzufassen sein. Es findet sich, ab- 
weichend von dem attischen Gebrauche, bei Xenophon Anab. 
4, 3, 26: al 6 OyAos axyımv drdßaıve. Später ist es häufig, vgl. 
Rutherford zu Phrynichus C. Ebenso scheint apyyv von vorn 
herein, überhaupt erklärt werden zu können. Oder heisst es 
“als Anfang’? Die älteste Stelle dürfte Sophokles Antig. 92 
sein: Apyv d& Bmpav od npener taunyava. Meist, wie im vor- 
liegenden Falle, mit Negation, doch auch ohne eine solche: 
Apxnv yap yo pnyavrconar ourw ich werde es von vorn herein 
so einrichten, Herodot 1, 9. Weitere Belege bei G. Hermann, 
ad Vigerum 725. 

Zahlreicher sind derartige Adverbia im Germanischen. 
Von Zeitakkusativen nenne ich zuerst das gotische atv, Akk. 
von aivs Zeit, Welt: nur in negativen Sätzen, also »i atv nicht 
das Leben hindurch, z. B. ni aiv sva uskunb vas in Israela 
odögnore dodyn ourws &v t@ Iopanı Matth. 9, 33. Wie sehr 
atv als adverbial empfunden wurde, zeigt seine Anhängung an 


598 Kap.XIV. II. Adv. a. d. Akk. der Raum- u. Zeiterstreckung. [$ 252. 


suns bald, plötzlich, auf einmal und an Ahalis in halısatv kaum je. 
In diesen Zusammensetzungen bezeichnet aiv nicht mehr die 
Zeitlinie, sondern den Zeitpunkt. 4Aso ıst ahd. 20, unser nhd. 
Je (über dessen Entwickelung man den Artikel von Heyne ın 
Grimm’sWb. vergleiche). In bezug auf manche der weiterhin von 
Grimm 3, 140 angeführten mit Adjektiven verbundenen Akk. 
kann man zweifeln, ob man sie adverbial nennen darf. Man 
wird dazu namentlich dann geneigt sein, wenn sich gelegent- 
lich Komposition entwickelt. Ich führe an: ahd. drittiun stunt 
zum dritten Male, sumstunt bisweilen; ahd. :o wila schon längst, 
dia wila tamdıu, nhd. allewerle, dieweil und alldieweil; mhd. 
alle zit, nhd. allzeit. Auch ahd. mhd. Ainaht, nhd. heinacht, 
heint ıst wohl Akk. — Von Subst. lokaler Bedeutung führe 
ich zunächst “Weg’ an. Singular dieses Begriffes ıst das alt- 
nord. drauf fort (entstanden aus Wendungen, wie ‘den Weg 
gehen’), pluralisch mhd. alle wege immer. An “Weg? schliesst 
sich ‘Fahrt’, z. B. ahd. alla fart überall, durchaus, und sodann 
‘Seite’ und ‘Theil’, ‘Seite, schon mhd. in adverbialer Ver- 
wendung, ist bekannt aus jenseit, diesseit u. s. w., welche später 
ein s eihalten haben (vgl. den Gen.). In der alten Zeit ist 
häufiger das Subst. ahd. halba, z. B. ahd. westerün halba Motnes 
westlich vom Main, mhd. dise halp der berge auf dieser Seite 
der Berge, disehalp, oberhalp, niderhalb, ruckhalb, unser ober- 
halb, auch handhalb nach der Handseite hin, satielhalb nach 
der Sattelseite hin (vgl. Aald im Wb.). Sodann “Weise’: ahd. 
andarwis, mhd. alle wis u. ähnl. Ob ‘Theil’ an die Reihe dieser 
Substantive anzuschliessen ist, oder ob sich mhd. meistteil 
meistens u. ähnl. wie partim in appositioneller Stellung ent- 
wickelt haben, wüsste ich nicht zu sagen. 

Aus dem Litauischen gehören hierher väkar gestern, 
das jedenfalls aus väkarq den Abend verkürzt ist, dazu zivakar 
vorgestern, ferner die mit dem Pronomen szis dieser zusammen- 
gesetzten, z. B. szianden, szeäden heute aus szıd dengq, szignakt, 
szenakt diese Nacht, heint aus szıq nakti, szimet heuer aus szi 
metq. Diese durch Abkürzung des letzten Theiles gekennzeich- 
neten Wörter sind dann natürlich unflektierbar geworden, z. B. ait 











$ 252—253.] Kap. XIV. II. Adv., hervorg. aus dem Akk. den Inhalts. 599 


szefden für heute bei Schleicher, Les. 150 (a% wird mit dem 
Gen. verbunden). Mit den aus dem Germanischen beigebrachten 
Ausdrücken lokalen Sinnes vergleicht sich andsz@! jenseits und 
das gleichbedeutende arapus, die als Präp. den Gen. regieren. 
Schleicher sagt darüber Gr. 279: “andpus auch anapusei, andszal 
jenseit ist Akk. von and püse, and szalis jene Seite, oder viel- 
leicht von einer Zusammensetzung beider Worte abgeleitetes 
Adverb”. Vielleicht sind es aber Instr. 

Slavisch. Wie in der Kasuslehre gezeigt worden ist, 
wird der Akk. auch gebraucht, um den Zeitpunkt zu be- 
zeichnen. Denselben Sinn haben die adverbialen Formen serb. 
oncas sogleich, ovcas soeben (zu cas Stunde, Augenblick), 
russ. totcasä sogleich, sejycasü jetzt. Akk. ist auch serb. syutra- 
dan den Tag darauf. Häufig tritt auch an den Akk. des 
Stammes der Akk. sing. mask. des Pron. s’, der dann erstarrt, 
so z. B. aksl. din?s?, serb. danas, russ. dnes? heute; serb. nodas, 
russ. noces? in dieser (vergangenen) Nacht; serb. Zjetos, russ. 
letosi im vorigen Sommer; serb. zimus diesen Winter u. ähnl. 

$ 253. Akkusativ des Inhalts. 

Aus Akkusativen des Inhalts sind Adverbien wie unser 
mal entstanden. Es gehören dahin ai. Ayftvas, über welches 
Böhtlingk-Roth bemerken: “Die ältere Sprache zeigt das Wort 
stets getrennt vom Zahlworte (ausser in a$fakgtvas achtmal 
ım AV.) und betont dasselbe auf der ersten Silbe; in der 
klassischen Sprache verbindet sich das Zahlwort mit Artvas zu 
einem Komp. und der Ton rückt auf die letzte Silbe. Die indi- 
schen Grammatiker, welche nur des letzteren Falles erwähnen, 
nennen Artvas ein Suffix, während es offenber der Akk. plur. von 
einem Nomen act. auf tu von 1. kar ist”. Demnach heisst Aftvas 
eigentlich ‘Handlungen’ und wurde zuerst in Sätzen gebraucht 
wie ‘viele Handlungen schlagen’, was nur eine etwas weniger an- 
schauliche Wendung ist für ‘viele Schläge schlagen’. Im Altindi- 
schen aber liegt diese ursprüngliche Form der Anwendung nicht 
mehr vor, sondern Artvas ist schon erstarrt, insofern das zu ihm 
tretende Adjektivum nicht mehr flektiert wird. Es erscheinen 
davor Zahlwörter wie da$a, pdfca, ferner kati wie viel, die 


600 Kap. XIV. II. Adrv., hervorg. aus dem Akkusativ des Inhalts. \$ 253. 


flektierbaren Adj. aber erscheinen in neutraler Form, so im 
RV. bhüri marmgjmä te tanvam bhüri krtvah wir haben deinen 
Leib vielmal geputzt 3, 18, 4), im SB. baku, im RV. Säbvat: 
imam mahe vidathyaya SuSam Sasvat kytca idyäya prä jabhruh 
dieses Lied haben sie dem grossen Opfer- und Verehrungs- 
werthen allezeit (allemal, dargebracht 3, 54, 1. Wo man in 
die Verlegenheit kam, mit Ärivas ein sonst stets flektiertes 
Zahlwort zu verbinden, konnte man sich damit helfen, dass 
man das Multiplikativum setzte, so dass derselbe Begriff doppelt 
ausgedrückt wurde. Dieser Ausweg ist ın tri$krtvas dreimal 
des AB. ergriffen worden. Über das Litauische sagt Kur- 
schat 267: “Das deutsche mal wird im allgemeinen durch kaftas 
oder sjkis in ziemlich gleicher Bedeutung, bei der Multiplika- 
tion bloss durch ka’tas ausgedrückt. Einmal: veng kartq oder 
ceng sykt, auch bloss Aaftg, syki. Sechsmal rufen heisst 
szeszis kartüs (auch kart‘ oder bloss mit Elision des -u- kaits) 
oder sykıls (verkürzt syA) szaukti. Bei dem Einmaleins ist es 
üblich geworden Äkafts zu sagen, z. B. szeszis kafts (für kartus) 
szeszi sechs mal sechs” u. s. w. Zu je einem Worte vereinigt 
sind: angsyk jenes Mal, vöngsyk einmal, düsyk zweimal, daug- 
syk wielmals.. Im Altkirchenslavischen finden wir den 
Dual und Plural Araty von Aratü : düva kraty Öts, trs kraly tpis, 
mnogy kraty rollaxıs, also noch weniger erstarrt als im Alt- 
indischen. — Über das dem Sinne nach entsprechende deutsche 
mal, welches ın allemal u. ähnl. die pluralische Flexion ein- 
gebüsst hat, s. Grimm’s Wb. unter mal 3a. Für den Kasus 
eines Subst., und zwar den Akk., hält man auch umbr. pert 
in petiropert viermal, lat. per in antioper, tantlisper u. 8. w. 
(Bücheler in Wölfflin’s Archiv 1, 103). Genaueres lässt sich 
nicht mehr ermitteln. Ein Akk. des Inhalts scheint mir noch 
öduas zu sein in dem vielerörterten Verse: w; ol p&v papvavro 
ö£as rupös aldonevoro A 596 sie kämpften die Gestalt des Feuers, 
stellten sie in ihrem Kampfe dar. Ähnlich wird wohl auch 
ölxrv aufzufassen sein, was zuerst bei Pindar und Aeschylus 
vorzukommen scheint, z. B. 3p£per SAapaydrou ölxav vöatos Opo- 
tunou Sieben 85, danach wohl auch tporov. 


$ 253—254.] Kap. XIV. II. Adv., hervorg. aus dem appos. Akkusativ. 601 


Das bei Homer und noch später iz. B. xal &; ro »avepov 
arodvvres Alta nera too yunvaledaı Mleldavro Thukydides 1, 6) auf- 
tretende Aira wird mit Recht für einen Akk., sei es nun eines 
Stammes Aır oder eines Stammes Aıra gehalten. Air’ delpecdar 
heisst also eigentlich: ‘sich Fettglanz ansalben’. Es liegt also 
ein Akk. des Resultats vor. 

$ 254. Akkusativ in der Apposition. 

Nicht selten hat sich, worauf schon im Vorhergehenden 
gelegentlich hingewiesen worden ist, der adverbiale Gebrauch 
aus der Stellung in der Apposition entwickelt. Unter den 
dahin gehörigen Adverbien befinden sich eine Anzahl von 
neutralen Formen, bei denen neben dem Akk. gleichberechtigt 
der Nominativ in betracht kommt. 

Aus dem Altındischen mag einiges von dem hierher- 
gehören, was Gaedicke 171 ff. zusammengestellt hat, Andeu- 
tungen, die eine eingehendere Prüfung verdienen. Ich meine 
namentlich: ye’mäväsyam ratrim udästhur vrajam atrinah die 
Atrın, welche in der Neumondsnacht in Scharen (eigentlich 
‘als Schar’) aufgestanden sind AV. 1, 16, 1; ya ima öfadhayo 
grigmahömantäbhyam nilyakta bhavantı ia var$a vardhante tah 
Sarddi barhifo rupam prästirnäh $ere die Pflanzen, welche im 
Sommer und Winter verkümmern, die wachsen in der Regen- 
zeit und liegen im Herbst nach Art des Opfergrases hinge- 
streckt (eig. “als Gestalt’) SB. 1, 5, 3, 12.— Griechisch. Bei 
Homer liegen vor: rpdpacıy als Vorwand, vorgeblich, z. B. 
ent 5° &orevayovro yuvalxes Ilarpdxkov npdpacıy, opwv 5° abrav 
xtöe &xdorn T 302 (T 262 ist zweifelhaft); rp6paoıy p&v ‘Apyelous 
llous Apiv rorel, lölg 5 Exei Aaxedarnovloıs kuyyiyverar Aristo- 
phanes Ritter 466; ZrAwe npdpasıv En EAAnondvrou Herodot 5, 
33. xapıv als Gunst, um willen, wegen (also als Präposition 
gebraucht), z. B. 8; rıs dt Tpwwv xollyo Ei vnust YEporto auv 
rupl andeip yApıy "Extopos örpuvavtos O 743 (als eine dem H. 
erwiesene Gunst); wunös bebdecsdaı yAwoons yapıv Hesiod Erga 
707. Häufig ist &unv yApıy, ohv yApıy, toötou xapıv, letzteres 
ganz im Sinne unseres ‘wegen’. Auch der Artikel kann dabei 
stehen: ot od rhv Adnvaluv yapıy &otparedovro, dAAA mv aurWv 


602 Kap. XIV. II. Adv., hervorg. aus dem appos. Akkusativ [6 254. 


Munstov Herodot5, 99. Nachhomerisch sind öwrivnv, rpoixa, 
&wpedv ‘als freie Gabe, umsonst’, z. B. öwrlvnv yap &v to vom 
obx &&7iv doövar Herodot 6, 89. Für rpotxa wird als älteste 
Stelle ein Fragment des Sophokles angeführt: xaxöv pev öpav 
tı npoix £rtoraraı, öfter kommt es bei Aristophanes vor, z. B. 
2öldouv Höbdopara Aropoüaıv adrors mpoixa Ritter 679; Swpeav, 
z.B. ynölv dwpeav zparteıv, finde ich erst aus Polybius belegt. 
Sodann die Neutra: övap im Traum und örap in Wirklichkeit, 
z. B. Euripides Iphig. Taur. 517, wo auf den Vers Tpoiav iso; 
old" is Aravrayoo Adyos erwidert wird mit den Worten: w; 
piroT Mweldv ye und lömv övap, was man noch übersetzen 
könnte “als Traumgesicht’; Aeschylus Prom. 485 xäxpıva npw- 
os &E dverpdrwv 2 yph Urap yevesdar (“als und dann ‘in’ Wirk- 
lichkeit). Lateinisch. Ich habe notirt: :d genus und Ver- 
wandtes, instar, volup, vicem, woran ich partım schliesse, 
welches auf mehrfache Weise gedeutet werden kann. Über 
td genus und was dazu gehört hat Wölfflin, Archiv 5, 387 ff. 
gehandelt. Es ist wohl einleuchtend, dass genus mit td, omne 
und ähnlichen Adj. zuerst als Apposition zu einem Nom. oder 
Akk. trat. Es würde also ein Satz wie coronamenla omne 
genus facito ut serantur ‘Cato), wenn man die ursprüngliche 
Geltung des Ausdrucks betonen will, zu übersetzen sein: 
“Kranzblumen, jede Art’. Ebenso beim Akk. Nun wird omne 
genus, id genus u. s. w. ebenso verstanden, wie die älteren 
(bei Plautus und Terenz allein vorliegenden) Wendungen eius 
modi u. 8. w. Danach wird es denn auch möglich, :. g., 0. 9. 
u, s. w. mit anderen Kasus zu verbinden, z. B. alıis sd genus 
rebus, pascuntur omne genus objecto frumento, beides beı Varro, 
der oft auch dem Leser überlässt, das Subst. zu ergänzen, z. B. 
ın hoc genus scil. praediis. An :ıd genus scheint sich :ıd 
aetatis angeschlossen zu haben, z. B. cum :d aelatıs jilio 
bei Cic.!). Über instar hat Wölfflin, Archiv 2, 581 ge- 


mm m 


1) Bei dieser Gelegenheit mag bemerkt werden, dass man jetzt auch 
minus als ‘die Minderheit’ auffasst (Stolz? 352). Doch spürt man von dem 
substantivischen Charakter nichts mehr, da es natürlich ganz wie majus 
behandelt worden ist. 








$254.] Kap. XIV. I. Adr., hervorg. aus dem appos. Akkusativ. 603 


handelt. Es ist ein Subst., schwerlich ein substantivierter In- 
finitiv, mit der Grundbedeutung ‘Gegengewicht, Gegenbild’. 
In der archaischen Sprache liegt es nicht vor. Bei Cicero 
finden wir es als regelrecht konstruierten Nominativ oder Akku- 
sativ, also ınstar est alicujus rei, oder instar habere, obtinere, 
putare. Demnach könnte man in einem Satz wie navem cybaeam 
mazimam, triremis instar auch allenfalls noch übersetzen: “das 
Bild einer Trireme’. Bei Catull finden wir instar im Sinne 
von “nicht weniger als’ (habes instar triginta jugera prati). Die 
Bedeutung ‘gleichwie’ findet sich zuerst Virgil Aen. 12, 923 
ın der Verbindung mit einem intransitiven Verbum: volat atri 
turbinis instar. Ad instar ist später als instar. — Volup (Neue 
22,101) ist das substantivierte Neutrum von volupts, welches sein 
e ebenso verloren hat, wie animal u. s. w. Ob bei Plautus 
noch das ältere vo/upe zu lesen sei, vermag ich nicht zu ent- 
scheiden. Das Subst. liegt deutlich vor in plautinischen Wen- 
dungen wie: facite vostro anımo volup, das Adverbium in: 
cursu armis equo vichtabam volup Most. 1, 2, 74, d. h. nach 
Lust, eigentlich “als Vergnügen’, also als Apposition zur Satz- 
handlung gedacht. — Vicem ist bereits bei Plautus (vgl. Brix 
zu Capt. 397) durchaus erstarrt. Ein paar Belege aus der 
klassischen Sprache sind: mihi uni necesse erıt el meam et 
aliorum vicem pertimescere (für mich und für andere Furcht 
zu haben), Sardanapali vicem in suo lectulo mori, beides bei 
Cic., ceteri vicem pecorum obtruncabantur bei Sallust. Vielleicht 
hat man ursprünglich in appositioneller Wendung sagen können 
munus explere vicem alicujyus ein Amt ausfüllen, als die Stelle 
eines anderen. /r vicem ist nachplautinisch. — Dass partim 
Akk. von pars ist, erhellt noch deutlich aus Sätzen, wie sie 
Neue 12, 205 anführt, z. B. partim copiarum ad tumulum ez- 
pugnandum mittit, partim ipse ad arcem ducit (Livius), wo 
auch partem stehen könnte. Dieser Akk. steht dann auch für 
andere Kasus, z. B. atque haud scio an partim eorum fuerint 
‘Cato) mit pluralischem Verbum, und sogar: cum partim vllo- 
rum (Cato). Daraus entwickelte sich der distributive Gebrauch. 
Es lag nahe, in Sätzen wie: Aic insidiantes vigilant, partım 


604 Kap. XIV. II. Akkus. Adverbia verbalen Inhaltes. [$ 254—255. 


requiescunt (Ennius Ann. 443) auch vor das erste Partizipium 
partim zu setsen. Was das Alter des erstarrten partim betrifit, 
so ist zu bemerken, dass es bei Plautus zu fehlen scheint. 
Dieses partim kann, wie die angeführten Beispiele zeigen, aus 
dem einfachen Objektsakkusativ entstanden sein, vielleicht 
auch aus dem Gebrauche in der Apposition. So ist jedenfalls 
majorem und marimam partem (etwas, und zwar den grössten 
Theil) zu erklären, was schon bei Plautus vorliegt: majorem 
partem in ore habıtas meo Poen. 413. 

$ 255. Adverbia verbalen Inhaltes (ai. am, griech. 
8ov, da, Önv, lat. tim). 

Eine besondere Stellung nehmen diejenigen akkusativi- 
schen Adverbia ein, welche bei deutlich nominaler Form doch 
unzweifelhaft einen Verbalbegriff enthalten, also den indischen 
Absolutiva zu vergleichen sind, nämlich die altindischen For- 
men auf am, die griechischen auf öov und önv, die lateinischen 
auf tim. 

Altindisch. Ich meine die mit Präpositionen oder (was 
selten ist, mit Nominalthemen komponierten Formen wie abhi- 
krämam herzutretend, nämagräham unter Namennennung. Sie 
treten, wie ich SF. 5, 401 ff. gezeigt habe, nicht wie ein Par- 
tızipium zu einem Nomen, sondern zu der Satzhandlung hinzu 
und geben einen die Handlung begleitenden Vorgang an, 
welcher in einer Handlung des Satzsubjekts besteht, z. B. 
abhikrämam juhöti er opfert unter Hinzutreten zum Feuer; 
tasmät parihvalam vacam vädatıi na mänusim präsrlam deshalb 
spricht er das Wort auf schwankende Weise, nicht ein gerades, 
menschliches; sdrvä ha va Enam devatah sampradäyam ädna- 
pek$am göpäyanti alle Gottheiten behüten ihn in fortwähren- 
der Folge und ohne wegzublicken. Bisweilen tritt noch der 
Instrumentalis eines gleichstämmigen Abstraktums hinzu, z.B. 
yano vas devebhya ud akramat, tam prüljäh präifam üichan 
das Opfer entfloh den Göttern, sie suchten es unter Treiben 
treibend. Fast immer steht neben den Formen auf am eın 
aktives oder mediales Verbum in der dritten Person Singularıs 
oder auch Pluralis, sehr selten erscheint eine passivische Form, 

















$ 255] Kap. XIV. II. Akkus. Adverbia verbalen Inhaltes. 605 


so: tasmäd vyahävam eva Sqstauyam deshalb ist unter Einschie- 
bung des &@Akäva zu rezitieren (AB.). Die Entstehung dieses Ge- 
brauches der Formen auf am kann nicht zweifelhaft sein. 
Gerade die wenigen im RV. vorliegenden Fälle zeigen, dass 
der Ursprung im Akk. des Inhaltes liegt: y6 nilayam cdrati 
yah pratänkam wer sich versteckend, wer schleichend wan- 
delt (AV.), rca kapötam nudata pranödam mit dem Verse ver- 
jagt die Taube unter Fortjagen (RV.).. Dass in pranddam 
nudati, welches eigentlich heisst: “er jagt Jagung’ der Akk. 
adverbial genommen wurde, dazu mag die Vertrautheit mit 
den Absolutivis auf /o@ vielleicht etwas beigetragen haben. 
Namentlich lag diese Umformung nahe, wenn, wie in dem 
angeführten Beispiel, von dem Verbum ein anderer Akk. ab- 
hängig war. 

Griechisch. Es kommen die Adverbia auf önv, öov und 
öa in betracht. 

1. Die Adverbia auf önv. Unter den bei Homer vorkom- 
menden Formen dieser Art ist nur eine, die man geneigt sein 
kann, als Akkusativ eines Substantivs zu fassen, nämlich döyv 
genug, insofern man Zöpevaı Aönv E 203 übersetzen kann ‘sich 
Sättigung essen’, und Tpüas dörv &idoaı rol&por T 423 die 
Troer zur Sättigung am Kriege treiben. (Nach aönv dürfte 
das nachhomerische rayrnönv gänzlich gebildet sein.) Alle 
anderen drücken deutlich nach Art der indischen Absolutiva 
eine Nebenhandlung aus. Als Subjekt derselben ist stets das 
Subjekt des Hauptverbums empfunden. Nur einmal hat eine 
Umsetzung in die passivische Konstruktion stattgefunden in 
BArjto yap Guov Soupt . . Axpov Emı$lyönv P 598, wozu man als 
aktivisches Vorbild vergleiche: Appınzöuv 8° dpa TnAgpayxov 
Bare xeip Ent napıö Alydnv x 277. Sie schliessen sich an das 
als wurzelhaft empfundene Element des Verbums in Paönv 
im Schritt (nicht laufend); 4dpPßAhönv mit yodwoa etwa "auf- 
jammernd’ X 476; rapaßAnönv mit &yopedwv etwa “indem er die 
Äusserung hinwarf’ A 6, ömoßAhörv mit Aueißero einfallend 
(nicht unterbrechend, aber mit Hast anknüpfend, was auch 
schon gegen dıe alterthümliche Etiquette verstösst) A 292; 


606 Kap. XIV. IL Akkus. Adverbia verbalen Inhaltes. [$ 255. 


Anönv in xAnönv els dyophv xıxinaoxtuev Avöpa Exaotov, unde Boav 
I 11, also “einladend’, dazu övopaxinönv unter Namennennung 
in &x 8’ övopaxinörv Auvasv dvöpales Aplstous 6 278 und & 
övopariNönv dvopalav avöpa Exaotov X 415 (es scheint, dass ££ 
beide male zum verbum finitum zu ziehen ist, zu dem Kom- 
positum vgl. man ai. Aastagrhya an der Hand ergreifend 
u. ähnl.); tunönv schneidend, ritzend; &rıypaßörnv ritzend, Alyörv 
und 2rıllyöyv streifend; Zur4yörv in die Falle gehend v 132; 
in Beziehung zu abgeleiteten Verben stehen: öpaprnönv zu- 
sammentreffend N 584; dußoAdönv aufwallend; peradponadnv 
hinterherlaufend E 80; rporporadnv sich zur Flucht wendend 
I 304, Exırpoyaönv geläufig; dmiorpopaödry mit xreive K 483, 
mit töntov x 308, eigentlich “aufsuchend’ s. v. a. ‘einen nach 
dem andem’. (Frohwein a.a.O. 111 ff. bringt die nach Art 
von apßoAadry gebildeten Formen mit Substantiven zusammen, 
womit die Bedeutung nicht recht stimmen will, während &xt- 
Tpoyadnv mit tpoydwvra o 451 zusammengeht.), Den adjektivi- 
schen Adverbien ganz nahe steht xpößönv: xpußörv prd dva- 
vavda pUÜrnv 8; rnarplda yatav vra xatıoyfpevar A 455. Aus der 
Zahl der nachhomerischen Bildungen sei noch BüLry gedrängt 
erwähnt, das vielleicht aus *Böörv durch Einwirkung von PüLo 
entstanden ist, und öpdoordörv in: Avd’ hy dreprn; THvöe ppou- 
prssis nerpav öpdootaörnv dünvog Aeschylus Prom. 31. Endlich 
noch die Formen auf {vörv wie Aptorivörv (Frohwein, S. 129), 
deren ıy ich nicht zu erklären weiss. 

2. Die Formen auf $ov und da. Während die Entstehung 
der altindischen Absolutive auf am aus neutralen Abstraktis 
sicher, die Entstehung der griechischen Formen auf önv aus 
femininischen Abstraktis sehr wahrscheinlich ist, kann man hin- 
sichtlich der Formen auf öov und da zweifeln, ob sie aus Sub- 
stantivis oder Adjektivis hervorgegangen sind. Mir erscheint 
das Erstere wegen der Analogie der Bildungen auf am, dnv 
und 4m wahrscheinlicher. Ich gestehe freilich, dass man 
über das ö des Suffixes, so wenig wie über das ö von önv bis 
jetzt etwas sagen kann, das über unsichere Vermuthungen 
hinausginge. Vielleicht ist nur o das Suffix, & aber ın den 


$ 255.) Kap. XIV. II. Akkus. Adverbia verbalen Inhaltes. 607 


übrigen zu Grunde liegenden Musterbildungen ein Bestand- 
theil des Stammes (vgl. Baötfo neben Paörv).. Nach dieser 
Auffassung regelt sich nun die folgende Übersicht des Ge- 
brauches. 

Die homerischen Formen auf öov drücken a) wie die auf 
önv und die indischen Absolutive eine Nebenhandlung aus. 
Sie stehen in deutlicher Beziehung zu den als Wurzeln des 
Verbums empfundenen Elementen, so: dvaotaödv aufstehend, 
2. B. da tösode xal Önpes Avastaödv W 469; Arnootaödv fern- 
stehend, z. B. mit Aloseodaı; &rıoraödv herantretend, besonders, 
z. B. vopnoev 8 dpa näcıv Enıotaddv v 54; mapacraödv neben 
jemand tretend; xeptotaödv um jemand herumtretend in repısta- 
ööv AANodev dAAos oütaLov N 551; Zußaödv einsteigend in } &Aneoß', 
Av vjas An xopudaloAos "Exrwp, 2ußadov Tkesdar Av narplöa yalav 
Exaotos 0 504, also genauer: ‘nachdem ihr eingestiegen seid’; 
rapax\ıööv abbiegend (von der Wahrheit) in: oöx Av &y& ye dla 
rapet einomı napaxdıödv 8 348; yavödv den Schlund aufsperrend, 
d. h. hinuntergiessend in: ds dv pıv yavödv Ein und aloıma mivm 
o 294. Aus solchen Absolutivis hervorgegangen, aber nicht 
mehr eine Handlung bezeichnend, sondern in die Analogie der 
aus Adjektivis gebildeten Adverbia übergegangen sind: oyxeödv 
eig. ‘sich haltend an’, dann aber ‘nahe’, z. B. od p£v tıs oyaddv 
&orı nölıs 0 737, und übertragen: xal nr@ rep &ovrı pala oyeödv 
x 441. Dazu aötooyeödv s. v. a. “im Nahkampf’; dupaödv offen 
mit den Gegensätzen d6Ap, Aadpn, xpupnödv; Avapavödv öffentlich, 
vor der Welt: 8; p dvapavööv önvıe (während ihr eigentlicher 
Gatte ein Gott war) Il 178, dazu &favavavöcdv dass. Zwei dieser 
Bildungen treten auch zu Adjektiven, nämlich dıaxpıösdv ent- 
schieden in ot y4p ol eioavro dtaxpıööv elvar @ptoror M 103 (ähn- 
lich O 108) und pvödv neben Ayveıds o 426. Wir könnten etwa 
“überströmend”’ sagen, da ‘überflüssig’ anderen Sinn hat. b) Aus 
xpupfj scheint gebildet zu sein xpuprödv in: 7) Aupaöov NE xpu- 
onödv. c) -dov tritt an Substantiva und bezeichnet dann, dass 
die Handlung sich in Form, nach Art (oder auch in Be- 
gleitung) eines Dinges vollzieht. So: ßorpuöov rerovrar die 
Bienen fliegen in Form einer Traube B 89; dAyeAnödv in einer 








608 Kap. XIV. II. Akkus. Adverbia verbalen Inhaltes. 8 255. 











lHeerde (nicht distributiv); Il 160; ähnlich iLaddv, rupmBsv, 
valayyndöv, Öpladdv; oparprödv nach Art einer Kugel : rxe %& 
uıv oparprööv Elrkapevos dr öpllou N 204; xAaymödv mit Geschrei: 
„Aayynööv npoxadıkövrwv B 464 (danach poAnzödv bei Aeschylus‘. 
d) Eine Verbindung von Adjektiv und Substantiv schwebte vor 
bei der Bildung von ravdunaödv mit voller Wuth o 33, nachh. 
önodupaödv; eine Verbindung von Präposition und Subst. in 
xatwpaödv ausholend, eig. von der eigenen Schulter herab, 
und xatapuladov nach Phylen B 668. 


Die Bildungen auf öa können doch wohl nichts anderes 
sein, als Plurale zu öov. Ein besonderer Grund für die Wahl 
des Numerus wird sich wohl nicht ermitteln lassen. Eine Anzahl 
dieser Formen unterscheidet sich nicht sichtbar von den ent- 
sprechenden auf dov, nämlich dyyada (xal Aupada Epya yEvorın 
? 391), avapavöa, ärostada und abtooyeöa. Einige andere nähern 
sich den Präpositionen, nämlich xpu36a (vgl. xpugönv) heimlich 
vor : xpußöa Arös AAAwv te dewv 2168, ulyda (vgl. piyönv im Hymnus 
auf Hermes) ‘im Gemenge’, ohne Kasus w 77, mit dem instrum. 
Dativ in piyö aAkoıar Heoisı 8 437. Noch einige nachhomerische 
Formen der Art bei Frohwein, S. 124. Auffällig ist bei xpu3öa 
und Genossen das Gegenüberstehen von Formen auf önv, ein 
Verhältnis, das sich auch bei denen auf ıvöa (Frohwein, S. 129 ff.) 
findet. 


Lateinisch. Die Adverbia auf tim (Neue? 2, 547 f.!) 
haben gerade in ihrer ältesten Verwendung eine deutliche 
innere Beziehung zu einem Verbalbegriff und instrumentale 
Kasusbedeutung. Bopp, Vgl. Gr. 3, $ 844 hat also vollkommen 
recht, wenn er itractim durch mit Ziehung, cursim mit Laufen, 
caesim mit Hauen, confertim mit Zusammendrängung übersetst. 
Es liegt demnach nahe, in diesen Formen Instrumentale von 
Partizipien zu sehen und sie mit olım, istim, ihm u. 8. w. 


1) Nachträglich sind mir die schätzbaren Arbeiten von A. Funck in 
Wölfflin’s Archiv 7, 485 ff. und 8, 77ff. zugekommen. Ich habe meine kurzen 
Bemerkungen unverändert gelassen, so dass deutlich wird, dass wir in wich- 
tigen Punkten zusammengetroffen sind. 














$ 255.) Kap. XIV. II. Lat. Adverbia auf dm. 609 


zusammenzubringen. Ritschl, Op. 2, 458, dem dieser Gedanke 
ebenfalls gekommen ist, weist ihn indessen (mit Recht, wie mir 
scheint) ab, indem er sagt: “Auf die sonstigen zahlreichen 
Adverbialbildungen mit 4m und stm die Zugrundelegung des 
lokalen [instrumentalen] #% auszudehnen, wird die Bedeutung 
derselben ohne Zwang nicht wohl zulassen, folglich eine Be- 
schränkung dieser Bildung auf Pronominalstämme anzuer- 
kennen sein“. So wird denn doch wohl die Bopp’sche Er- 
klärung, wonach in diesen Formen Akkusative sing. fem. 
vorliegen, der sich auch die meisten Forscher angeschlossen 
haben, den Vorzug verdienen. Es fragt sich nur, wie Akku- 
sative von Substantiven zu instrumentaler Verwendung und 
deutlicher Beziehung zum Verbum gekommen sein mögen. 
Dass partim den Ausgangspunkt gebildet haben könne, glaube 
ich nicht, denn es ist so entschieden nominal in seiner Ver- 
wendung (man denke namentlich an den abhängigen Genitiv), 
dass ich keinen Übergang zu caesim und Genossen finde. Da- 
gegen ist in siatim eine Form gegeben, welche ohne Zwang 
als Akk. sing. aufgefasst werden kann und welche zugleich 
eine natürliche Beziehung zum Verbalgebiet hat. Denn es ist 
nichts gegen die oft ausgesprochene Meinung einzuwenden, 
wonach siatim der Akk. zu einem (später durch statio ver- 
drängten) Nom. *statis ıst, welcher dem aı. sthitis das Stehen, 
griech. ordoıs vollkommen entspricht. Die adverbiale Bedeu- 
tung von sialim dürfte sich aus dem Akk. des Inhalts ent- 
wickelt haben. Man könnte das plautinische szatim stant signa 
mit archaisierender syntaktischer Auffassung noch übersetzen : 
“die Feldzeichen stehen ihren Stand’. Da nun die Nomina auf 
-ts durch die auf -4o verdrängt wurden, so verlor statim seine 
Beziehung zum Nominalgebiet und verband sich innerlich 
mit stare, so dass die Sprechenden es in der Bedeutung von 
‘stehender Weise, mit Stehen, unter Stehen’ auffassten, und 
caesim, carptim u. s. w. danach bildeten. Ausdrücklich be- 
merke ich dabei, dass ich nicht glaube, statim sei die einzige 
keimkräftige Form dieser Art gewesen, es ist nur die einzige, 
die uns erhalten ist. Die Beziehung zu Verben, welche nach 
Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm. Sprachen. I. 39 


610 Kap. XIV. II. Neutrale adj. Adv. Altind. u. Avest. [$255—256. 


meiner Ansicht auf die beschriebene Weise entstanden sein 
kann, blieb nun nicht die einzige. Es sind ja auch catervatim 
und zahlreiche ähnliche Bildungen vorhanden, welche zu No- 
minibus gehören. Sie sind offenbar entstanden in Anlehnung 
an cumulalım u. ähnl., welche ganz so gut zu cumulus wie zu 
cumulare gezogen werden können. Wieder ein Stück ferner 
stehen dann meatım, tuatım, nostratim, wozu man serb. naskı 
in unserer Sprache (Instr. plur.) vergleiche. Praesertim scheint 
mir ein sartım in gutem Stande vorauszusetzen, pedetenttm ist 
eine Zusammenrückung aus pede und tentım. 

8 256. Adjektiva neutral. Altıindisch und Avestisch. 
Die hier in betracht kommenden Adjektiva versuche ich in 
gewisse Bedeutungsgruppen zu sondern. Voran stelle ich die 
lokale Gruppe. Dahin gehören namentlich die Richtungs- Ad- 
jektiva, dann die temporale Gruppe, darauf dıe übrigen Ad- 
jektiva, welche eine Qualität der Handlung angeben, wie gut 
und schlecht, schnell, die ganze Menge derjenigen, die man 
als steigernd bezeichnen kann. Fine besondere Stellung nehmen 
die Zahlwörter ein, insofern das Adjektivum die Apposition 
zu einem Substantivum, das Adverbium die Apposition zur 
Handlung bildet. Die Komparative und Superlative, bei denen 
das Adverbium in den allermeisten Fällen durch den Akkusativ 
gebildet wird (im Altindischen hat man auch navyasa neben 
ndoyas und im Griechischen kommen auch Formen auf ws vor), 
sind nur gelegentlich erwähnt worden, wo eine besondere Ver- 
anlassung dazu vorzuliegen schien (vgl. auch die Literatur- 
angaben bei Kretschmer, KZ. 31, 352). Übrigens sind die 
Grenzen der Gruppen natürlich fliessend und nur der Über- 
sichtlichkeit wegen gezogen. Es entgeht mir nicht, dass manche 
Adj. eigentlich unter zwei Gruppen fallen würden, so z. B. 
ai. brhat in der Bedeutung “weit” bei ‘sich öffnen’ unter die 
erste, in steigernder Bedeutung unter die letzte. Überall finden 
wir nur den Singular, ausser im Griechischen, wo der Plural 
theils neben dem Sing. auftritt, theils allein das Feld behauptet 
(im Superlativ). Die lateinischen Adverbia wie cetera scheinen 
unter griechischem Einfluss entstanden zu sein. 








$ 256.] Kap. XIV. II. Neutrale adj. Adv. Altindisch u. Avestisch. 611 


Altindisch. Vgl. Gaedicke 218 ff., SF. 5, 185 ff. Als 
Belege aus der lokalen Gruppe mögen dienen: dürdm in die 
Ferne bei Verben des Gehens, Sendens, Wegtreibens, “fern 
hinweg von’ bei Verben des Fliegens, Führens, Treibens. Im 
RV. ist es noch kaum Adverbium, dagegen: dürdm ha va 
asman mytyür bhavalı fern ist von ihm der Tod SB. 14, 4, 1, 10; 
nedi$tham ganz nahe bei den Verben des Herbeikommens, 
Herbeibringens, Herbeiwünschens; urd& weit mit schreiten, 
dringen, blicken; sadhu gerade aus, z. B. rtäasya pantham dnv 
&ti sadhü dem Pfade des Rechten folgt er gerade RV. 5, 80, 4, 
dann ‘regelmässig, richtig, gut, wohl, recht, gehörig’; zyu auf 
gerade, richtige Weise, z. B. pathah purasta rjü negatı der 
Führer führe richtig die Pfade RV. 5, 46, 1, ryu yakfatah die 
beiden sollen richtig opfern 2, 3, 7. Dazu der Kompar.: {va 
rJiyah patatu sie fliege gerader als ein Pfeil AV. 5, 14, 12. Zu 
der temporalen Gruppe (vgl. auch unten die Zahlwörter und 
Verwandtes) mag man cirdm lange rechnen, z. B. mä cirdm 
tanuthä üpahı zieh nicht lange dein Werk hin RV. 5, 79, 9, 
mit einem Übergang in modale Bedeutung: sa yadı na jayeta 
yadı ciram jayeta sollte das Feuer nicht oder langsam ent- 
stehen AB. 1, 16, 9. Von sonstigen Adverbien führe ich an: 
citräm bhänty u$dsah glänzend leuchten die Morgenröthen RV. 
6, 65, 2, was noch ganz nahe an den Akk. des Inhalts oder 
des Resultats rührt; bhadrdm jJivanto jJaranam asimahi glück- 
lich lebend möchten wir das Alter erlangen RV. 10, 37, 6; 
sukhäm svapiti er schläft angenehm SB.; mögham fälsehlich 
gehört zunächst zu einem Verbum des Sagens. Daher steht 
dem Ursprünglichen noch nahe: y6 ma mögham yatudhanety 
aha wer mich fälschlich Zauberer nennt RV. 7, 104, 15, ferner 
steht: sa tan mögham up@ vavarta sie wandte sich ihnen da 
thörichter Weise zu SB. 3, 2,4, 6; dhrsad kühnlich : agnim 
dhr$nv \vöpa carati er geht kühn auf das Feuer los SB. 1,2,1,3, 
vgl. auch dhrgdt bei Grassmann. Sodann mehrere Wörter von 
der Bedeutung ‘schnell’, so dravät Neutr. des Partiz. von dru 
mit verschobenem Accent, z. B. tüv ü yalam üpa dravdt kommt 
beide schnell herbei RV. 1, 2, 5, und die isolierten tüyam, Sibham, 

39* 


612 Kap. XIV. IL Neutrale adj. Adv. Altindisch u. Avestisch. [$ 256. 


öfadm mit Verben des Gehens und Bringens. Von den Wör- 
tern mit der Bedeutung ‘viel, stark’ sind einige SF. 5, 186 
angeführt, z. B. balistham Syäyalı es friert am stärksten, balavad 
vatı es weht stark, jyöftham vardhatz wächst am stärksten 
aus SB. Dazu füge man aus dem RV. drAat über das Grass- 
mann bemerkt: ‘weit, in Verbindungen wie: “sich weit auf- 
thun, sich weit ausbreiten, weithin glänzen’, ferner intensiv, 
also bei Verben des Leuchtens, Tönens, Begehrens oder Er- 
regens, Befestigens, Wachsens “hell, laut, sehr’ oder “hastig, 
fest, hoch, empor’. Namentlich aber purö und mdhi (rolü, 
got. filu und ueya!, altn. mygk). Pur oder purü findet sich 
in der Bedeutung ‘viel, oft, sehr’ bei Verben, namentlich bei 
sprechen, Andacht üben, leuchten, wachsen, helfen. Damit 
ist zu vergleichen purd sdkhibhya asulim karisihah vielfach 
den Freunden Erquickung verschaffend RV. 7, 97, 7, weil die 
Formen wie käriffha beinahe partizipialer Natur sind. Dann 
aber wird purd auch mit Adjektiven verbunden, und zwar 
wirkt es bei Zusammensetsungen mit puru- noch weiter stei- 
gernd, indem es vor puruhütd vielgerufen (harta vriram daksı- 
nönendrah purü puruhütäh, mahan mahtbhih Sachbhih RV.8,2, 32). 
und purubhuj vielbesitzend (purü purubhuja 5, 73, 1) tritt. So- 
dann nach der Überlieferung neben candrd in puri Scandram 
das sehr glänzende (Gebiet) RV. 3, 31, 15, wo es freilich sehr 
nahe liegt, aber nicht nothwendig ist, purußcandrdm zu schreiben. 
Böhtlingk und Roth haben dann noch angemerkt, dass purü 
mit viSva verbunden wird, im Sinne von ‘all und jeder‘. Die 
Verbindung scheint ursprünglich nebenordnend zu sein, also 
purü vißvani jürvan vieles, ja alles versengend RV. 1, 191, 9, 
ebenso purü vi5oa jJanima manusänam 7, 62, 1, danach weiter 
gebildet: durg& cand dhriyate viva @ puru jano yö asya tävifim 
acukrudhat selbst in einer Feste hält sich nicht irgend ein 
Mensch, der seinen Zorn erregt hat 5, 34, 7 (mit sonderbarer, 
wohl durch das Metrum veranlasster Stellung). Was sima 


1) Die Identifizierung von mdhi und „ira wird freilich angefochten, 
8. J. Schmidt, Pluralb. 247. 





$ 256.) Kap. XIV. II. Neutrale adj. Adv. Altindisch u. Avestisch. 613 


purü bedeutet, ist mir nicht recht klar. Mdhi wird häufig mit 
Verben verbunden, so mit wachsen, strahlen, anrufen, ehren, 
preisen u. ähnl., sicher ist die Steigerung eines Adjektivs durch 
mähi in yä mähi priyä welche sehr lieb ist RV. 1, 151, 4, mdhi 
sthirdm den sehr starken 8, 32, 14. — Die Zahlwörter mit 
ihren Adverbien wie prathamdm sind bereits $ 206 erwähnt. 
Es gehören weiter dahin und sind ebenfalls aus Apposition zu 
erklären: pürvam, z. B.: ydm u pürvam dhuve tdm iddm huve 
den ich auch früher anrief, den rufe ich jetzt an RV. 2, 37, 2; 
apardm, 2. B.: ta vam adyd tao apardm huvama die beiden 
möchten wir jetzt und in Zukunft anrufen 1, 184, 1; ndoyas 
oder ndviyas, 2. B.: dynö tvdm päraya ndvyd asman svastibhir 
dt! durgäni viva Agni, du leite uns auf's neue mit Heil über 
alle Fährlichkeiten 1, 119, 2. Sami hiess ursprünglich “halb”, 
im Adverbium “nur als Halbes, nur zur Hälfte, daher im 
Sanskrit ‘unvollständig’ und ‘vor der Zeit’, z. B.: sämi mär- 
Jayante sie reinigen sich nur unvollständig TS. 1, 7, 1, 5, yatka 
sami gärbhö "vapddyate tädfg eva tät als ob vor der Zeit die 
Frucht abgeht, so ist das 5, 5, 1, 6. — Satydm in Wahrheit 
fürwahr dürfte ursprünglich von einem Verbum des Sprechens 
abhängig gewesen sein, wie das gleichbedeutende 2tedv. In 
dem Sinne von ‘wahrlich’ kann es aber auch ein Nominativ, 
also aus einem Satze entstanden sein. — Dass vdram ein 
Adverb sei, ist mir nicht sicher, denn yds tö sdkhibhya & 
väram RV.1, 4, 4 u. ähnl. übersetze ich: “der vor deinen Freun- 
den das Beste ist’, und vdram-varam AV. 3, 19, 8 u. 8. w. 
scheint nicht ‘nach Belieben’, sondern “jeden besten’ zu be- 
deuten. 

Eine besondere Art akkusativischer Adverbien — so habe 
ich mich SF. 5, 186 geäussert — sind die auf betontes vat 
endigenden, welche bezeichnen, dass die Handlung nach der 
Weise des Nomens vor sich geht, an welches das Suffix va 
tritt, z. B. argirasoat nach der Weise der Angiras (Whitney 
$ 1107). Die Entstehung dieses Adverbiums kann man sich an 
Ausdrücken wie manuvdd vadema klar machen. Das bedeutet 
eigentlich: “wir möchten etwas zum Menschen Gehöriges (mit 


614 Kap. XIV. IL Neutrale adj. Adv. Altindisch u. Avestisch. [$ 256. 





dem Menschen Versehenes) reden’, d. h. ‘nach Menschen-Art, 
wie es sich für den Menschen gehört.’ 

Natürlich können auch Komposita ın akkusativischer Ad- 
verbialform erscheinen, z. B. advefas ohne Abneigung, in 
freundlicher Gesinnung, wie astepy&s u. ähnl. Im Sanskrit 
sind solche Komposita besonders häufig, deren erstes Glied eine 
Präposition ist (vgl. Zvönpos u. ähnl.). Davon sind Adverbia 
adhtdevatam in bezug auf die Götter, äcaturdm bis in’s vierte 
Glied, parögaryuti über das Weideland hinaus, anukamdm nach 
Wunsch. Vermuthlich sind dann den Bildungen mit änu solche 
mit yatha nachgefolgt, z. B. yathakamam nach Wunsch. Einige, 
aber nicht erschöpfende Ausführungen darüber s. SF. 5, 187. 

Avestisch. Nach dem mir vorliegenden Material zu 
schliessen ist der Gebrauch wesentlich derselbe wie im Alt- 
indischen. Ich führe an: Jwäsem schnell, deregem lange (vgl. 
altpers. drangam, z. B. drangam jiva du mögest lange leben). Belege 
für Superlative sind: äasıstem, z. B. yaba äsı$tem fravaydı) damit 
es möglichst schnell verlösche, fra@stem am meisten, bäldistem 
dass., kambi$tem am wenigsten, seltensten. Dem ai. satyam 
entspricht kaipim wahrhaftig, =. B. yezi apa sta haibim wenn 
ihr wirklich existiert y 34, 6, bei vafda y 35, 6. Einmal scheint 
es auch zu einem Adjektiv zu gehören: Prayo haibım asavano 
äfrwacarhd zavamnti drei wahrhaft gute rufen verwünschend 
y 11,1. Doch könnte man Aaipim auch durch fürwahr über- 
setzen (vgl. ai. satydm). Besondere Bildungen sind: vagnemnem: 
vagnemnem ahmap para dagva patayen sichtbarlich strichen vor- 
mals die Teufel umher yt 19, 80; eres richtig, z.B. eres möt vaoca sage 
es mir richtig y 44,1; fraorep gern, lieber (ist Neutr. eines 
Part... Von Zahlwörtern: paotrim: kva paoirim ainhä zemö 
sätstem wo zuvörderst ist es auf dieser Erde am angenehmsten 
vd.3,1. Dann folgt in derselben Wendung bitim, pritim. Von 
Multiplikativis: @pbifm zweimal, äpritim dreimal, axtütrim vier- 
mal, eigentlich bis zum zweiten u. s. w. (vgl. ai. @caturam). 

Einige Beispiele für Komposita sind: nyapem stromabwätts, 
paityäpem stromaufwärts, apastibustt unbemerkt (von Justı für 
Instr. gehalten). 





$ 257.) Kap. XIV. II. Neutrale adj. Adv. Griechisch u. Lateinisch. 615 


$ 257. Adjektive neutral. Griechisch und Latei- 
nisch. 

Griechisch. Über den Gebrauch dieser Adverbia bei 
Homer hat La Roche in seinen homerischen Studien S. 37—82 
unter umfassender, aber leider nicht vollständiger (vgl. S. 56) 
Vorlegung des Stoffes gehandelt. Er theilt die Masse in fol- 
gende Gruppen. Zuerst behandelt er die temporalen Akku- 
sative wie tpletes, onkepov, XdLLdv, abptov, npwrov, v&ov, die Neutra 
der Ordinalzahlen wie rpörov, np@ra, Vorepov, Dorara, dann die 
Wörter wie donepyds, Aoxelds, voleuds, &unevds, welche “auf der 
Übergangsstufe zwischen temporaler und modaler Bedeutung 
stehen”. Die zweite Gruppe bilden die lokalen Akkusative 
wie töoov, Ocov, roAAdv, noAö, wozu auch gehören sollen eöpö in 
edpv xpelwv und eupd dewv, die dritte die modalen Akkusative, 
z. B. u£ya, roAd, noA)dv, oAlyov, tdsov und Ooov, Zxnaylov und -a, 
Toov und -a, Ayyıstov und -a, dredv, ruxıvov und ruxvd, Turdov 
u. ähnl. Die vierte Gruppe bilden die Inhalts-Akkusative, 
welche sich einigermassen nach Verben ordnen lassen, z. B. 
öewvov oder peydAa bei Verben des Tönens, 66 oder oapdovıov 
bei lachen, deıvov oder öfüurarov bei sehen, ö&ö bei wahrnehmen, 
öervov oder Aaumpov bei scheinen, nöö bei duften, @yx{noAov oder 
paxpa bei Verben der Bewegung, talaöpıyov bei kämpfen u. 3. w. 
Die letzte Gruppe bildet der Akk. der Beziehung, welcher 
nur bei Neutris von Pronominibus oder pronominalen Adjektivis 
erscheint. Man sieht, dass diese Gruppen sich einigermassen 
mit den von mir aufgestellten decken (nur ist der Akk. der 
Beziehung etwas speziell Griechisches) und dass La Roche’s 
Eintheilung ebenso unvollkommen ist wie die meinige. Ins- 
besondere wird man bald gewahr, dass der sog. modale Gre- 
brauch sich eigentlich in jeder Gruppe entwickelt, da er nichts 
anderes ist als der zum adverbialen entwickelte Gebrauch des 
Akkusative.. Von einer weiteren Anführung des griechischen 
Stoffes glaube ich absehen zu dürfen. Dagegen sind einige 
Bemerkungen über den dem Griechischen eigenthümlichen 
Plural und über die Verbindung eines Adverbiums mit einem 
Adjektivum oder Adverbium am Platze. 


616 Kap. XIV. IL Neutrale adj. Adv. Griechisch u. Lateinisch. [5 257. 


1. Singular und Plural. 

In vielen Fällen lässt sich nachfühlen, weshalb für ein 
Adverbium die singularische, beziehungsweise pluralische Form 
gewählt wurde oder doch möglich war. So bemerkt La Reche 
45, dass der Plural nie bei den lokalen Adverbien rosov, Ooov, 
rolAov, zoAy, edpu erscheine. Es heisst ferner onuepov, aupıov, 
rpwrov, v&ov, YBıLov (nur B 303 ydıla te xal zpweLa). S. 47 theilt 
La Roche mit, dass der Plural nie als Massbestimmung bei 
Komparativen und Superlativen vorkomme ausser bei Z£oya 
(doch fällt auch diese Ausnahme vielleicht hinweg, da es 
zweifelhaft ist, ob nicht öya und &toya ursprünglich Instrumentale 
sind). Der Singular erscheint ferner regelmässig bei dsüurepov, 
tplrov, terparov (aber npwra neben zpwrov). doppov zurück tritt 
nur in diesem Numerus auf, ‘ein wenig’ heisst turdov, während 
zurda in turda Starunkas a 174 und xepauvs turda Balwv xedaaunı 
# 387 “in kleine Stücke’ bedeutet. Einige Verba, welche einen 
kontinuierlichen Vorgang darstellen, haben naturgemäss ein 
singularisches Neutrum bei sich, so ‘schlafen’ (66) und ‘lachen’ 
(61). Nur pluralisch ist rappda häufig (64), &vödfıa und dmı- 
ö£fıa nach rechtshin (66), wobei an die mehreren Glieder der 
Reihe gedacht ist. Deutlich ist der Unterschied zwischen rxoAAd 
und old. Den Gebrauch von roAlla vergegenwärtige man sich 
an folgenden Belegen: 6; pda rnoAla ridyydn a1; roAla iv 
ap paotıyı Fog Enepaisto Belvay, moAda 88 perlıyloraı poonude, 
roAla 5’ Apeın P 430, nö Asxalouevn Z 458; rolla Ö& oi 
xpaöln roppupe pevoytı D 551; to pada no’ Enerelle napıoyspev 
A 229; para noAla radov xal noAN” duoynoa 8 155; moAda Arooo- 
uevn E 358. Überall tritt der Begriff der wiederholt vollzogenen 
Handlung hervor. Mit Adjektiven wird roAla nie verbunden. 
loAu dagegen kommt vor bei Verben im Sinne von ‘weit’: 
roAd npoßeßnxas anavıwv Z 125, ferner mit Boulopar “vorziehen‘, 
mit pdavo ‘zuvorkommen’ (48), sonst mit Adjektiven und zwar 
fast ausschliesslich bei Komparativen und Superlativen, z. B. 
roAd plAtepos und »lltaros. Der Plural erscheint (nicht noth- 
wendig, da nicht selten der Singular daneben vorkommt, aber 
in verständlicher Weise) neben Verben, welche eine in wieder- 








$ 257.) Kap. XIV. II. Neutrale adj. Adv. Griechisch u. Lateinisch. 617 


holten Akten sich abspielende Handlung enthalten, so schreien, 
lärmen, schreiten u. ähnl. Dahin gehören opepdalta bei xrundw, 
o&ta bei xexinya, aöıya (auch -öv) bei otevayiio, fapea (auch 
Bapu) bei otevayw, neyala steht, wie schon Ameis beobachtet 
hat, nur bei Verben die einen Ton bezeichnen (s. La Roche 
53 Anm.), alva und oixtp& bei öloyupopar, dewva bei duoxide, 
&leeıva bei terpıya und oluwLw, paxpa bei Bodw, ferner paxpa 
und xpaınva ın Verbindung mit den Partizipien Bıßas und rpoßı- 
Bas. Auch gYpovsw gehört hierher, da bei ppovewy fast aus- 
schliesslich Plurale wie ayadd, oAoa u. ähnl. stehen, ausser 
ueya, Tcov und doov (57). Besondere Beachtung verdienen die 
Superlative. Es scheint (Sammlungen stehen mir nicht zu 
Gebote), dass regelmässig im Griechischen das Adverbium des 
Komparativs singularisch, das des Superlativs pluralisch ist, 
so z. B. bei Homer regelmässig näAAov palıora, Bäccov Tayıora, 
im Kretischen Öorepov, aber xaAlıcra. Diese Eigenthümlichkeit 
des Griechischen kann sich nur allmählich entwickelt haben, 
und es darf daher nicht Wunder nehmen, wenn wir bei Homer 
das Superlativ-Adverbium auch in singularischer Form antreffen. 
So steht P 675 öfurarov ögpxeodar; äyyıora, z. B. in Ayyıora 
Eoixer ist das Gewöhnliche, aber 98: 7’ Ayyıorov ndlev adra e 280 
(was nur adverbial verstanden werden kann) ; xpwrista, z. B. in 
Kalyavra npurtıota xax’ Ooaswevos nposdernev A 105, aber Aprepıöı 
rpwrıotov dreukato u 60; gewöhnlich dorara xal nunara, aber der 
Singular X 203, v 116. Man bekommt den Eindruck, als stehe 
der Singular dem Adjektivum noch näher, als sei er noch nicht 
ın dem Grade erstarrt, wie der Plural. Die Frage, weshalb 
die Griechen in der beschriebenen Weise verfahren sind, lässt 
sich schwer durch eine unserem jetzigen Verstande die Billi- 
gung abzwingende Formel beantworten. Man kann nur 
schliessen, dass die Griechen diejenige Handlung, welcher sie 
das Adverbium des Komparativs als Attribut beilegten, als eine 
einheitliche auffassten, während ihnen bei der durch das 
Superlativ-Adverbium näher bestimmten die verschiedenen mög- 
lichen Akte vorschwebten. Einigermassen vergleichbar ist 
unser neuhochdeutsches Verfahren mittelst ‘am’, über welches 


618 Kap. XIV. II. Neutrale adj. Adv. Griechisch u. Lateinisch. [$ 257. 


man Grimm’s Wb. unter ‘am’ vergleiche. Wenn wir sagen “der 
Tag ist wärmer als die Nacht’, so fassen wir jeden der beiden 
verglichenen Zustände als ein einheitliches Ganzes auf, während 
wir bei dem Ausdruck ‘der Tag ist um Mittag am wärmsten’ 
an die Linie der verschiedenen Grade der Wärme denken, 
welche sich um Mittag auf der Höhe befindet. Die Vertheilung 
der Adverbien unter die Numeri stammt natürlich aus der Zeit, 
in welcher die Adverbien noch nicht völlig erstarrt waren. Wenn 
diese Erstarrung zum Abschluss gekommen ist, empfindet man 
die Numeri nicht mehr. Es ıst daher kein Wunder, dass es 
ziemlich viele Fälle giebt, in denen wir einen Grund für die 
Wahl des Numerus nicht mehr angeben können. Das ist z.B. 
der Fall bei xaAdv und xald: xaAdv findet sich nur bei aetie, 
xald dagegen 2. B. in dem Satze: od ev xala yölov rövo 
Evdeo Bump Z 326, wobei xaAd als ursprünglich appositionell zu 
erklären ist. Ferner ist mir undeutlich, warum es ävrlov und 
avrla, aber nur &vavtiov heisst (La Roche 64), warum man bald 
toov bald toa anwendet, z. B. @AAa ge ioov ldaryevesosıy Erina 
E 203, aber & 6& yıv tiev Ica texeosıv U 551. Ganz gleich peyal’ 
söyero I 275 und peya 8’ suiaro p 239, vfas p&v Taumpwrov 
&pbssopev eis Aa dtav ö 577 und Ir da oi zaunpwra dewv 
npnoato navcmv P 568, und mancherlei anderes der Art. 

2. Verbindung von Adverbien mit Adjektiven 
oder Adverbien. 

Der homerische Sprachzustand steht in dieser Beziehung 
dem altindischen noch nahe. Denn wie im Altindischen nur 
maht und pur& mit Adj. oder Adv. verbunden werden, so wer- 
den bei Homer, so viel ich sehe, nur solche Adverbia in dieser 
Weise gebraucht, welchen der Sinn der Steigerung oder des Gegen- 
theils derselben anhaftet. Am häufigsten ist die Verbindung mit 
Komparativen und Superlativen. Dahin gehören peya, z B. 
mit Apelvay und dApıstos, auch mit Positiven, z. B. n£ya vamos 
(La Roche 47), xoXd, z. B. mit gitepos, piltaro;, auch mit den 
Adv. rxporepw und npiv (48), zoAAdv, z. B. mit dpelvov, apıoros 
(49), pdiıora öfter mit Superlativen, z. B. Zydıoros 8° Ayıızı 
paltot' Zev 48° Döuoft B 220, auch: 8; te pdlıora Aaprpov rap- 





$257.] Kap. XIV. II. Neutrale adj. Adv. Griechisch u. Lateinisch. 619 


oalvnar E 5, Toö yap neoev dyyı nAlıcta ganz nahe 5 460, dAl- 
xov, z.B. mit xpetocwy (49), t6oov, z. B. mit Yeptepos, auch bei dem 
Positiv: vnrtos Eoo', @ feivs, Alnv tdoov HE yallppuv 5 371 (49), 
&oov, Z. B. mit p£prepos, xaprıotos. Nicht mit dem Komp., wohl 
aber mit dem Superl. und Pos. findet sich &&oya, z. B. bei 
@proros und äyveıd; (51). Bei Pos. und Adverbien das nach- 
stehende rotov, z. B. Bapa rotov und xepödleov 6n Tolov (wenn 
dieses nicht Adjektiv ist), vgl. 50. Eine vereinzelte Verbin- 
dung ist ruxva hoyaldn cs 109 und heia Aplyvuros (55), welches 
letztere aber wie ein Partizipium empfunden sein wird. Dazu 
kann man etwa noch ti, zavra u. ähnl. rechnen, die aber wohl 
noch als Akk. der Beziehung, nicht als Adverbia zu bezeich- 
nen sind. 

Lateinisch. Im Lateinischen sind diese Adverbia, ver- 
glichen mit dem Altindischen und Griechischen, nicht eben 
häufig. Es gehören dahin Formen wie multum, summum, 
commodum, primum, prius und die übrigen Komparative auf 
sus, auch magts, rımis, satis (Brugmann 2, 564), factle u. a. 
Ein Verzeichnis findet man bei Neue? 2, 579 ff. (doch ziehe 
ich vor, temere als Lok. eines Substantivs zu fassen, vgl. 
S.567). Der Gebrauch ist derselbe, wie in den verwandten 
Sprachen. Ein Akk. des Inhalts liegt z. B. vor in magnum 
clamat bei Plautus, eine Apposition z. B. in maygna supremum 
voce ciemus bei Virgil. Auch recens, über das man Neue? 2, 
592 vergleiche, heisst wohl eigentlich: ‘als etwas Neues’. — 
Auch im Lateinischen lässt sich noch nachweisen, dass die 
Verbindung mit dem Verbum die ursprüngliche ıst. Man sagt 
zuerst multum vales, mullum laborat u. ähnl., darauf multum 
loquax. Im einzelnen bemerke ich noch nach Wölfflin, dass 
plus erst zu Ende des zweiten nachchristlichen Jahrhunderts 
mit Adjektiven verbunden wird, valıdius überhaupt nur mit 
Verben. 

Über das adverbiale cetera, alia, omnia hat Wölfflin, Arch. 
2, 90 gehandelt. Wesentlich kommt nur cetera in betracht. 
Es kommt in der alten Sprache sehr selten vor (eine Stelle 
bei Ennius und eine bei Plautus) und ist auch in der reinen 





620 Kap. XIV. II. Neutrale adj. Adv. Germanisch. [$ 257—258. 


Prosa im ganzen gemieden. So ist die Vermuthung gerecht- 
fertigt, dass die Konstruktion sich nicht ohne Einfluss des 
Griechischen entwickelt habe. Cetera findet sich am häufigsten 
bei Adjektiven, so namentlich cetera sımilis und cetera nudus, 
seltener bei Verben, so cetera quiescas bei Plautus und cetera 
adsentior Crasso bei Cicero. 

6 258. Adjektiva neutral. Germanisch. 

(Vgl. Grimm 3, 97.) Zur lokalen und temporalen Gruppe 
gehören die mit wert gebildeten im Althochdeutschen, Mittel- 
hochdeutschen, Angelsächsischen, z. B. ahd. afterwert zurück, 
heimort nach Hause, üzwert, inwert, mhd. danwert, hanwert, 
ags. upveard, sudveard, im Neuhochdeutschen durch die geni- 
tivischen auf -wärts verdrängt. Dazu die mhd. mit Zanc, z.B. 
tagelanc, hiutelanc. Die Adverbia “modalen’ Gebrauches sind 
nicht so häufig, wie im Sanskrit und Griechischen, da ihnen 
ebenso wie im Lateinischen mehrere andere Gattungen von 
Adverbien Konkurrenz machen. Es handelt sich im wesent- 
lichen um einige häufig gebrauchte Wörter, welche durch die Dia- 
lekte durchgehen, so got. ahd. %lu, mhd. vsl, nhd. viel (dazu auch 
ahd. miAhhrl, mhd. michel); got. leitil, ahd. Zuzid, mhd. Zützel, von 
da an im Deutschen durch wenig verdrängt, ags. /ytel; got. 
ganoh (noch kaum als adverbial zu betrachten), ahd. mhd. 
genuog, nhd. genug, ags. genog. Dabei sind die angeführten 
Formen nicht bloss als Adverbia, sondern meist auch als Kasus 
im Gebrauch. Hinsichtlich der Anwendung gilt dasselbe wie 
in den verwandten Sprachen. Dem gr. xoXd, ai. purd ent- 
spricht lu mit Verben häufig bei Otfrid (vgl. Erdmann 2, 83), 
aber auch schon im Gotischen mit Adjektiven und Adverbien, 
z. B. at filu managati manageın visandein raurdAA0ou öykou dvros 
Mark. 8, 1; filu gabaurjaba Törora 2 Kor. 12, 9; lu mais, =. B. 
in: ib is flu mais hropida 5 d& roll pällov Expatev Mark. 
10, 48 und so häufig im Althochdeutschen, z. B. Alu scons, 
märt, luber, riche u. ähnl., von Adv. daz, scono, späto, fruo, 
höho, kraftlicho u. ähnl., bisweilen auch durch Aarto ver- 
stärkt, z. B. harto filu ziaro, kleind, kleinöor u. ähnl. Dem gr. 
p&ya entspricht altn. myak, auch dieses nicht bloss mit Verben, 








$ 258.) Kap. XIV. II. Neutrale adj. Adv. Germanisch. 621 





sondern auch mit Adj. verbunden, z. B. 270% langa hrid, ziem- 
lich lange Zeit. Bisweilen kann man schwanken, ob ein Akk. 
oder ein Adv. vorliegt. So könnte man das got. Zeit:l in Jestıl 
galaubjandans Matth. 6, 30 als Akk. des Objekts auffassen, 
aber da es öAtydrıoror wiedergiebt, so wird es vermuthich als 
Adverbium empfunden worden sein. Wie ein Akk. des inneren 
Objekts steht es in hashait ina aftıuhan fairra staba leitil Ars 
ns is &ravayayeiv öAlyov Luk. 5, 3. Hinsichtlich der Adverbia 
der Komparative und Superlative verweise ich auf Grimm 
3,585 ff. Hier kommen in betracht die im Gotischen auf :s 
oder s auslautenden Adverbia (vgl. Brugmann 2, 408), so hauhis 
in usgagg hauhis rpocavaßr,dı Avwrepov Luk. 14, 10; framis in 
Jah jainpro inn gaggands framis leitil nat npoßäs dxeidev dAlyov 
Mark. 1, 19; Aaldis in ns Pe haldis nicht um so mehr, d.h. 
keineswegs; mais, z. B. ak mais vairs habaida Alla yäalkov els 
to yeipov 2/Boüca Mark. 5, 26 (wo also ma:s nicht etwa zu vasrs 
gehört); mins, z. B. svebauh ei ufarassau tzvis frijonds mins 
‚rijoda el xal repissortpus dpäs Ayanav Frrov Ayanmuaı 2 Kor. 
12,15; vairs; seibs ın banaseths "weiter, noch’ zu seipus spät. 
Diese Wörter finden sich zum theil auch in den übrigen Dia- 
lekten, so ım Althochdeutschen mer, min, virs, baz, das im 
Gotischen batis lauten würde. Neben den Adverbien auf ?s 
stehen die auf os, im Gotischen noch selten, nämlich sniumun- 
dos ın sniumundos nu insandida ina otrovbmorepws ody Erepba 
aöröv Phil. 2, 28; aljaleıkos in jah jabai hva aljaleikos hugyib 
xal ei rı &räpwg Ypoveite Phil. 3, 15. In den anderen Dialekten 
sind sie ganz gebräuchlich, z. B. im Althochdeutschen skumor 
schneller, z. B. thaz thu tuos tuoz sliumor quod facis fao citius 
Tatian); rumör weiter (z. B. rumör faran longius ıire Tat.); 
elihhör sonst (far nu intini curi elihhör sunton vade et amplius 
noliı peccare Tat.) u. ähnl. Leidör hat sich von dem Verbum, 
zu dem es gehörte, losgelöst und ist zur Interjektion ge- 
worden. 

Von Adverbien der Superlative begnüge ich mich, got. 
Frumist anzuführen, z. B. silbo auk airba akran barrıb: fru- 
mist gras baproh ahs adtopden yap F N xapropopei, rpWrov 





622 Kap. XIV. II. Neutrale adj. Adv. Lit. (auchai)u. Slav. [$ 258-259. 


x6prov elta ordyuv Mark. 4, 28, wo die Entstehung aus der 
Apposition (“als erstes’) deutlich ist, und im übrigen auf 
Grimm 3, 586 zu verweisen. 

$ 259. Adjektiva neutral. Litauisch (auch a:) und 
Slavisch. 

Litauisch. Aus dem Preussischen gehört hierher tusnen 
stille (vgl. ai. t$ntm). Im Litauischen ist die alte Form durch 
die Bildung auf as verdrängt worden. Auch diese ist indes 
wohl als eine akkusativische anzusehen, denn J. Schmidt, 
Pluralb. 227 ff. hat wahrscheinlich gemacht, dass das lit. {a3 der 
Form nach eine Bildung wie das lateinische qguae (Nom. Akk. 
plur. neutr.) sei. Zugleich zeigt er, wie es gekommen sein 
könne, dass {ai so zu sagen den Singular und Plural in sich 
enthalte, also gewissermassen ein numerusloser substantivischer 
Nom. Akk. neutr. des Demonstrativums sei. Dass die Ad- 
jektiv-Adverbia auf ai dieselbe Bildung darstellen, lässt sich 
meines Erachtens nicht bezweifeln, mag man nun mit Schmidt 
annehmen, dass schon in der Ursprache auch bei den Nomina 
ein Nom. Akk. plur. neutr. auf a vorhanden war oder dass 
im Litauischen der Ausgang at von den Pronomina auf die 
Adjektiva übertragen worden sei. Die Konstruktion dieser 
Adverbia ist dieselbe wie die der neutralen Adverbia ın den- 
selben Sprachen, z. B. szis tlgai neder&jo dieser feilschte nicht 
lange, Schleicher, Les. 128; nes jis büvo labai pailses denn er 
war sehr ermüdet 119; Zabai göras vyjras ein sehr guter Mann 
u. 8. w. Beachtenswerth ist, dass die Form auf ai auch bei 
Zeitbegriffen erscheint, z. B. pernat im vorigen Jahre. Ferner 
da, wo wir die erstarırte Form des Adjektiv brauchen: $etp 
Jüdal iszmuszts so schwarz ausgeschlagen (mit Zeug) Schl. 118; 
baf’zdq zahai prisiparbüt sich den Bart grün färben 134. So 
auch, wenn es im Prädikat steht, z. B. räst büs viskas gerai 
vielleicht wırd alles gut werden 140; ne gerai kad U cze 
atkelavai es ist nicht gut, dass du hierher gereist bist 139. 
Merkwürdig sind die Adverbia von den sog. Partizipien der 
Möglichkeit und Nothwendigkeit wie süktinas gleich &iıxteo; 
und älıxtds, z. B. &jo su apasztalais i Jerusalem o ne sugriztinai 





$ 259.) Kap. XIV. II. Neutrale adj. Adv. Lit. (auch ei) u. Slav. 623 


bet hktinai er ging mit den Aposteln nach Jerusalem, aber 
nicht um zurückzukehren, sondern um zu bleiben; Akad tau 
düczau sz1q zeme gyventinai dass ich dir dieses Land zum Wohnen 
gebe; svetas niszmerütinai didelis die Welt ist unermesslich gross 
(vgl. Leskien, Bild. der Nom. 405, Kurschat $ 1547). Im Ai. würde 
man in diesem Falle den Dativ eines Abstraktums brauchen. 

Slavisch. Es gehören hierher die zahlreichen Adverbia 
auf o zu Adjektiven auf ü, z. B. aksl. premo gerade zu premii, 
zelo sehr zu zelü ayoöpdc, malo wenig zu malü klein, razino aus- 
einander zu razinü dıapopos. — Bemerkenswerth ist Zyubo zu 
Ijubü carus, welches nach dem Interrogativum und Rel. ge- 
braucht wird (vgl. S. 519), also Aüto Izyubo und yJakovä Iyubo, 
serb. mnogo viel, dobro gut, russ. borzo geschwind, 2100 leb- 
haft u. s. w. Öfter ist das Adjektivum daneben nicht mehr 
vorhanden, z. B. serb. koso schief, Ziho ungerade (vgl. aksl. lichü 
reptooos). Im Russischen sind Diminutivbildungen neben den 
Adv. häufig, z. B. neben tverdo fest twerdeniko und tverdovato, 
neben skoro sehnell skoreniko, neben cisto rein Gisteniko und 
augmentativ cıstöchoniko. Neben den Formen auf o die auf 
Je, 2. B. aksl. prüvoje erstens, dalece lange neben dale& und 
dalekü, danach auch Zestoce hart zu Zestokü (woneben kein 
Zestoci), so auch glaboce tief, vysoce hoch u. ähnl. (vgl. Miklo- 
sich 4, 159, und Leskien, Handbuch? 94, der in einem Theil 
der hierher gehörigen Formen Komparative vermuthet). Ferner 
die Komparative, z. B. aksl. bolje besser, veste mehr, vySe ober- 
halb, serb. vede mehr, vi$e oberhalb u. s. w., russ. dli2e näher, 
nize niedriger u. s. w. Dazu natürlich auch die Superlative 
wıe russ. najbolise. Endlich gjebt es noch eine Reihe von 
Adverbien auf % und ?, welche als Akkusative von u-, o- und 
i-Stämmen anzusehen sind, z. B. aksl. vünü hinaus, nız& hinab, 
blizü oder blizi nahe, häufig zusammengesetzt, z. B. bezdobi zur 
Unzeit, posledi zuletzt, strümoglavs über Kopf u. ähnl. (Leskien, 
Handbuch 2 94). 

Zur Veranschaulichung des Gebrauches greife ich aus der 
grossen Masse einige altkirchenslavische Beispiele heraus, denen 
ich die entsprechenden serbischen Stellen beifüge: po $to my 








624 Kap. XIV. IL Fem. adj. Adverbia. Altindisch. [$ 259—260. 


ı Farıses postimü se münogo (za $to mi s Fariseji postimo mnogo) 
drarl npeis xal ol Dapıoator vnoreuonev noAla; Matth. 9, 14; raz- 
gnevavü sg zelo (razgnjevi se orlo) &dupnwdr Alav Matth 2, 16; 
bqdi uoestaje se sü sqpiremi svojimi skoro (miri se sa suparnıkom 
svojijjem bdrzo) \sdı zuvomv to Avriölxep con tayu Matth. 5, 25; 
Auch neben Adjektiven und Adverbien, z. B. i by3e rizy jego 
liäteSte se bely zelo jako snegü (1 chaljine njegove postadose sjajne 
i orlo bijele kao snijeg) xal a Ipatıa aurou dydvero arißovre, 
Aeuxa Alav ws xuuv Mark. 9, 3; 8 jutro probrezgu zelo vüstarü 
(a u jutru vrlo rano ustavki) xal zpwi Zvvuyov Alav avastas Mark. 
1, 35. Als Beleg für die aus der Apposition zu erklärenden 
Adverbia mag dienen: aksl. prüvoje erstens, vüloroje zu zweit, 
zweitens, auch mit dem dem griech. Artikel entsprechenden 
Pronomen: aksl. toprüvo (to rpwtov), serb. topro erst, russ. teperi 
Jetzt. 

8260. Adjektiva femininisch. 

Im Altindischen giebt es eine Anzahl von Bildungen 
auf {aram und tamäm, denen Präpositionen, Partikeln, Ad- 
verbien zu Grunde liegen (vgl. Gaedicke 227), z. B. samtaram 
pädakau hara thu die Beinchen mehr zusammen RV. 8, 33, 19. 
yalard vai sämyattaybh paräjäyate pa vai sd (so zu 1.) kramaty 
abhitaram u ai Jäyan krämati wer von zwei im Kampfe Be- 
griffenen unterliegt, der weicht zurück, aber der Siegende rückt 
immer weiter vor SB. 1, 5, 3, 6.) 

An die Präpositionen schliesst sich nd, z. B. te purvapak$ah 
pürve 'diıkjanta te püpmänam apühata, aparapakfä apare ’di- 
k$anta te nalaram papmänam apähata die P. weihten sich zu- 
erst und schlugen die Sünde von sich weg, nachher weihten 
sich die A., die schlugen die Sünde keineswegs von sich weg 
AB. 4, 25, 3. Dazu Adverbia wie „yöklamäm am längsten, 
z. B. mit jiv leben. Diese Wörter auf m nun bilden eine 


1) Auf diese Weise wurde so zu sagen der Sinn eines zusammen- 
gesetzten Verbums gesteigert und so erklärt es sich, dass, wie Böhtlingk 
unter tara bemerkt, das Sufflix taram in der späteren Sprache auch an das 
einfache Verbum finitum angefügt werden konnte, x. B. prathayatitaräm 
fördert noch mehr (Ratnävali in Böhtlingk’s Chrestomathie 223). 


$ 260.) Kap. XIV. II. Akk. adj. Adverbia, femininisch. 625 


jüngere Schicht neben älteren auf am. Im RV. findet sich 
neben avatardm, parälardm, pralardm, vilaram auf am das 
einzige samfaram. Wie nun diese femininale Bildung entstand 
und wie sie dazu kam, sich an die Stelle der älteren neutralen 
zu schieben, ist noch nicht ermittelt (vgl. auch SF. 5, 186). 
Die Ansicht, dass das @ durch “Verlängerung” aus a entstanden 
sei, kann ich nicht für eine Erklärung halten. Denn sie be- 
sagt doch nur, dass wir uns über die Länge des Vokales 
wundern. Ä 

An die Formen auf am schliessen sich einige auf zm, 
nämlich sdanim jetzt, tadänım damals, vifvadanim immer, tugnim 
stille. J/danim erklären Böhtlingk-Roth als Akk. fem. eines 
Stammes *idäna und ergänzen ein Subst. wie rätrim die Nacht, 
wogegen Gaedicke 232 nicht ungegründete Bedenken erhebt, 
obne aber selbst eine mir einleuchtende Erklärung vorzubringen. 
Tu$nim findet sich neben asinah sitzend, aber auch neben as 
sein: üsnim @sa er wurde still. Eine plausible Ergänzung weiss 
ich nicht vorzuschlagen, verweise aber auf axnv, das ebenfalls 
femininische Form hat. Durchsichtiger sind die Verhältnisse 
im Griechischen. Bei den ältesten Bildungen dieser Art 
war natürlich ein Subst. zu ergänzen, das man aber nicht immer 
mehr mit Sicherheit angeben kann (vgl. Lobeck, Paralip. 362 ff.). 
Am meisten erinnern noch an diesen Ursprung diejenigen, bei 
denen der Artikel erscheint, z. B. my tayloınvy, nv npwrmv. 
Von ihnen wird bei der Ellipse zu sprechen sein. Der homeri- 
schen Sprache gehören an: zpynv neulich, wozu ein Subst. wie 
Nacht oder Tag zu ergänzen sein dürfte, ferner die Formen 
auf ötnv, nämlich oyeölnv in tubov 8& oysöinv E 830, offenbar 
s. v. a. ‘drauf los’, ebenso aurooyeötnv unmittelbar drauf los 
mit ninke. Vermuthlich ist rAnyrv zu ergänzen (vgl. oy£öa 
Bein Waffen zum Kampf in der Nähe bei Aeschylus). aupaötnv 
öffentlich zu appadıo; (in aupadıos yaos bei Homer) mit den 
Gegensätzen oıyfj und Aadpy. Sodann avtıßirv. Neben avrtätov, 
z. B. in el y&v &n avrißıov auv teuyear neıpnideing A 386, steht 
xal "Extopı neıpndrivar avrıßlnv D 225, pre ob, Ilndetön, BEA 2pı- 
Cepevaı Basıkzı avrıßinv A 277 (Weiteres bei La Roche 64). Man 

Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm. Sprachen. 1. 40 





626 Kap. XIV. II. Akk. adj. Adverbia, femininisch. [8 260. 


kann an ein Substantivum wie gpıs denken. Aus der Zahl der 
nachhomerischen Bildungen erwähne ich: naxpav weit, z. B. 
mit rresdaı bei Sophokles, mit areAdeiv bei Aristophanes, mit 
teiverv und &xteiveıv (von der Rede gesagt) bei Aeschylus, mit 
Sry (also auf die Zeit angewendet) bei Sophokles. Gänzlich 
erstarrt ist n&pnv eigentlich in das jenseitige, entfernte Land, 
z. B. r£pnv &; mv ’Ayaıtrv Steneutev Herodot 8, 36, schon bei 
Homer präpositionsartig mit dem Genitiv verbunden: repvasy', 
ov tıv’ Eleoxe, nepnv alos 2 752. Das lebendige Adjektivum ist 
ım Altindischen als para jenseitig, entfernt erhalten, z. B. param 
evd parardtam sapdinim gamayamasi in die äusserste Ferne 
bannen wir die Nebenbuhlerin RV. 10, 145, 4. Ob arpıaımv 
ein Adj. oder ein Adv. ist, bleibt zweifelhaft. Unerörtert lasse 
ich die folgenden Formen auf -rv, unter denen sich vielleicht 
eine oder die andere Substantivform befindet: Avrıy, par», 
axıv, önv, Alyv, rAyv. Lateinisch. Die Adverbia auf am sind 
verzeichnet bei Neue? 2, 576 ff. Es gehören dahin: alıquam, 
allgemein in alıquamdiu, ausserdem familiär mit mulii ver- 
bunden (Wölfflin, Kompar. 22). Es ist wohl nicht zweifelhaft, 
dass partem zu verstehen ist. Dasselbe Wort ist zu ergänzen 
bei dbifariam u. s. w., vielleicht auch bei coram, das zu einem 
Adj. *corus vor dem Angesicht befindlich gehören könnte 
(vgl. ai. sak$ad). Bei perperam unrichtig könnte man an vıiam 
denken. Protinam und promiscam werden bei Schweizer-Sid- 
ler-Surber $ 223 aus protinuam und promiscuam erklärt. Welches 
Substantiv dabei zu ergänzen wäre, sehe ich nicht. Ebenso 
wenig weiss ich über clam und palam Auskunft zu geben. 
Für einen Akk. plur. fem. pflegt man alias zu erklären und 
dazu vices zu ergänzen. Diese Auffassung ist mir wahrschein- 
licher als die Brugmann’sche, wonach es Lok. sein soll. Von 
alteras gilt dasselbe. Aus dem Pronominalgebiet sind etwa 
noch Akk. wie iam, guam zu nennen, über die sich nichts 
Bestimmtes sagen lässt. Ob germanische Adverbia, etwa die 
auf got. o hierhergehören, muss zweifelhaft bleiben. Aus den 
slavischen Sprachen habe ich nur aksl. protivg e regione, 
contra notiert, vgl. Miklosich Wb. unter proti (wo man auch 





$ 260—262.] Kap. XIV. I. Akk. adj. Adv., mask. 627 


die Entsprechungen aus den anderen slavischen Sprachen 
findet). Miklosich bemerkt dazu: eig. ein sing. Akk. fem. von 
protivü. 

8 261. Adjektiva maskulinisch. 


Grimm 3, 95 verzeichnet eine Anzahl altnordischer Ad- 
verbien, welche aus dem Akk. sing. mask. entstanden seien, 
wie qjarnan libenter, hardan dure, driugan frequenter, mtkinn 
fortiter u.a. Sie kommen, so viel ich sehe, in der poetischen 
Edda nicht vor, ausser Äropturligan kräftig. Gewöhnlich ist 
es leicht, das betreffende Substantivum zu ergänzen, so dass 
man in Zweifel geräth, ob man die Formen auf -ar unter den 
Ellipsen oder unter dem Adverbium behandeln soll. Einige 
Beispiele, auf die mich Sievers hingewiesen hat, sind: röa 
kropturligan (scil. rödr) kräftig rudern Hymiskv. 28; gräta 
saran (scil. grät) schmerzlich weinen; gengu skipın mikinn 
ut yfir grunnit die Schiffe gingen einen grossen (Gang) über 
das Meer; foruw konungmenn mikinn die Königsleute fuhren 
eine grosse Fahrt; hann keyrdi ba hest sinn ok ridr mikınn er 
trieb sein Ross an und reitet einen grossen (Ritt); 0% brosti at 
litinn bann und er lächelte dazu dieses kleine (Lächeln). Die 
Zitate bei Fritzner, Ordbog? II, 695 und 541. Völlig adverbial 
ist Jjafnan Gylfaginning 33: hann kom asum jJafnan i fullt van- 
dr@di er brachte die Asen stets in grosse Verlegenheit'. 


$ 262. Der Nominativ. 


Dass Nominative erstarren können, ist bekannt (vgl. Brug- 
mann in Curtius’ Studien 9, 259 fl). Sichere Fälle von ad- 
verbialer Erstarrung aber dürften selten sein. 

Ich habe als mögliche Fälle aus dem Lateinischen 
notiert: nudıus, mordicus, totiens u. ähnl., secus. Mit nudius 
hat es freilich eine besondere Bewandtnis. Wenn dius, wie 
man doch annehmen möchte, dem indischen dyds in püurvedyüs 
tags zuvor u.8. w. gleich ist, so ist es nicht Nom., sondern 
wie dyus wahrscheinlich Lok. ohne Kasuszeichen, wie denn 
auch dius bei Plautus Merc. 862 (neque noctu, neque dius) 
lokativisch gebraucht ist. Dieselbe Form liegt in ınterdius vor. 

40* 


628 Kap. XIV. Adverbia aus dem Nominativ. [$ 262. 


Danach sollte nudius, dessen nu doch wohl gleich vw ist, ‘am 
heutigen Tage’ bedeuten. Es scheint aber, dass nudius als 
Nom. sing. der zweiten Deklination empfunden wurde, und 
so konnte denn Zertius u. s. w. hinzutreten (heute der dritte 
Tag), z. B. nam parasitum misi nudiusquartus Cariam Plautus 
Cure. 206. Das vielbesprochene mordicus sieht Bücheler ın 
Wölfflin’s Archiv 1, 104 als ein Adjektivum an, das sich zu 
mordere verhält wie medicus zu mederi. Der Nom. sing. mask. 
habe die Alleinherrschaft erlangt und die übrigen Kasus ver- 
drängt. Das sei bei mordicus um so begreiflicher, als es der 
Natur der Sache nach wohl überwiegend zu männlichen Substan- 
tiven gefügt worden sei. Wie ist es aber mit varicus sperrbeinig, 
welches Apulejus Met. 1, 13 in bezug auf zwei Weiber gebraucht 
wird: varicus super faciem meam residentes vesicam ezonerant? 
In dem Suffix von quinquiens, totiens u. s. w. sieht Stowasser 
in Wölfflin’s Archiv 5, 136 das Part. iens gehend. Ich habe 
bisher in meinen Vorlesungen dieselbe Auffassung vorgetragen, 
sehe aber, dass Thurneysen (ebenda 575) und J. Schmidt, Plu- 
ralb. 295 sich entschieden ablehnend aussprechen, ohne übn- 
gens ihrerseits etwas beizubringen, das mir einleuchtete. — 
Secus endlich hält Zimmern, Wölfflin’s Arch. 4,602 für das Part. 
von sequi, welches in alter Zeit seguons, secuns gelautet habe. 
Indessen es scheint mir unnatürlich, das Adverbium secus von 
dem Nomen secus Geschlecht zu trennen, das ebenso wie tenus 
zu adverbialer Bedeutung gekommen sein wird. Freilich weıs 
ich für die Entwickelung der Bedeutungen nur einen sehr 
hypothetischen Stammbaum aufzustellen. Altindisch sac, wel- 
ches offenbar die ursprüngliche Bedeutung des Verbums am 
treuesten bewahrt hat, heisst: "zusammen sein, nahe sein, an- 
hängen, nachfolgen. Demnach dürfte secus Anhang, Nach- 
kommenschaft bedeutet haben und virtle secus zunächst die 
männliche Nachkommenschaft, dann erst das männliche Ge- 
schlecht bezeichnet haben. Aus secus Anhang, Nähe, Seite 
kann dann der präpositionale Gebrauch entstanden sein und 
endlich kann sich aus ‘Seite’ der Begriff der Entfernung und 
des Gregensatzes herausgebildet haben (vgl. “meinerseits und 





$ 262—263.] Kap. XIV. II. Griech. Adverbia auf «. 629 


‘bei Seite stellen‘). Im Litauischen kann der Nominativ kas 
mit dem Akkusativ eines Zeitbegriffes verbunden werden, z. B. 
kas subatele szlaviad moczutes kömq jeden Sonnabend kehrte ich 
Mutters Hof (Schleicher Les. 35), und danach erklärt man dann 
mit Recht in AasdEn täglich, kasn2kt allnächtlich und ähnlichen. 
Wörtern bei Schleicher, Gr. 264 (der sie übrigens getrennt 
schreibt) den zweiten Theil für akkusativisch. Es giebt aber. 
— wie Schleicher weiter bemerkt — auch derartige Verbin- 
dungen aufs, z. B. kasmets jährlich, kasrytis (oder kasryt) all- 
morgendlich. In solchen sieht Schleicher Akk. plur. Er deutet 
also z. B. kasmets aus kas metüs und ebenso Kurschat $ 1406, der 
zu diesem speziellen Falle bemerkt, dass metat Jahr ursprünglich 
ein Pluralsubstantiv gewesen sei und in manchen Gegenden noch 
sei. Brugmann bei Leskien-Brugman 320 aber sieht in den For- 
men auf s Nominative des Singulars. Er führt an, dass neben 
Wendungen wie kas väkarq jeden Abend auch kas väkaras u. 8. w. 
vorkomme, und weist ferner darauf hin, dass diese Ausdrucks- 
weise jedenfalls die ursprüngliche sei, da ja eigentlich Aas mit 
dem Nominativ einen relativischen Nebensatz ausmache. Da- 
nach würde Akas väkaras bedeuten ‘welcher Abend es auch sei, 
und man muss sich wohl vorstellen, dass kas väkarq aus einer 
Vermischung dieser Konstruktion mit dem Akkusativ bei Zeit- 
begriffen entstanden sei. Mir scheint diese Auffassung an- 
sprechend, ich habe deswegen die genannten Wörter an dieser 
Stelle erwähnt. 

Ein gewiss nicht vereinzelter Fall liegt vor in dem russi- 
schen pravda die Wahrheit, welches auch im Sinne von in 
Wahrheit, freilich, allerdings’ gebraucht wird, also eher eine 
Partikel als ein Adverbium genannt werden kann, z. B. ono 
pravda dorogo da Ijubo es ist zwar theuer, aber schön. Na- 
türlich ist es aus dem Satze ‘es ist Wahrheit’ hervorgegangen. 


$ 263. Ungedeutete Formen des Griechischen (aufa). 
Aus dem Griechischen sind eine Anzahl von Formen 
auf & zu nennen, von denen man nicht weiss, ob sie dem Akk. 
plur. oder dem Instr. sing. angehören (vgl. über sie Kissling, 





630 Kap. XIV. II. Griech. Adverbia auf a. [$ 263, 


K2Z. 17, 202). Wenn ich hier von den noch ungelösten laut- 
lichen Schwierigkeiten absehen darf, so möchte ich behaupten, 
dass dpa durch seine Bedeutung Anspruch auf instrumentale 
Abstammung hat. “Apa bedeutet ‘mit (in) der gleichen Hand- 
lung, zugleich”. Bald tritt der Gedanke der Gileichzeitigkeit 
hervor, z. B. wenn von Wettlaufenden gesagt wird ot! ö iyn 
ravres xapralluw; Enstovro B 121, bald der des räumlichen Zu- 
sammenseins, z. B. in der Verbindung mit &rouaı. Da aber 
der ursprüngliche Begriff immer der der zugleich erfolgenden 
Handlung ist, so kann man oft auf beide Arten übersetzen, 
x. B. la npopvnotivor EodAdere, rd Apa navres © 230, wo wir 
“alle gleichzeitig’ oder ‘alle in einem Haufen’ sagen könnten. 
“Gleicherweise’ übersetzen wir: vöv 5 dpa T axbpuopos xal drkupd; 
repl navrwv Erkeo A 417. — Dagegen ist dapa viele Male der 
Bedeutung nach ein Akk. plur. Belege sind: dapa dpwazovra; 
ötotoüg 0 470; Erel Hapa rorov &uloyoped AAdrloıcıy a 209; Tasıa 
pe Ayeıpdusvor Bay EBalste II 207; od pev yap rı Dana yunacios 
dv! oixp @alveraı 0 516. Unter den übrigen sind einige, welche 
Adjektiva neben sich haben, zu denen sie gehören können, 
nämlich @xa in schneller Bewegung oder Handlung (wxö;); 
taya bald (tayös); Alya laut mit xwxdeıv und dslösıv (Auyb5); 
oaäpa deutlich genau, nur mit ‘wissen’ und ‘sagen’ (sapri;‘. Bei 
anderen sind die Adj. nicht oder nicht mehr vorhanden, näm- 
lich bei alya sogleich; }xa schwach, leise, matt; rüxa dicht mit 
derselben Bedeutungsentwickelung wie ruxıyd;, also z. B. rp% 
y Ste 6 Balapos nuxa Bailero I 588 (vgl. A 576), nuxa zo; 
und rüuxa dopnacns (dupnxtns als Partiz. empfunden), daher 
‘sorgfältig’, z. B. rixa 8 Erpepe dla Deavw E 70; peia leicht, 
ohne Schwierigkeit, stets mit Verben ausser heia d aplyvwr &ati 
p 265 (partizipial); biuoa in rasch wiederholter Handlung; pala, 
ein Steigerungswort, dessen ursprünglicher Sinn nicht mehr 
zu erkennen ist, sehr häufig mit Verben, Adjektiven, Adverbien 
verbunden (s. Ebeling). Zweifelhaft ist die Herkunft von dya, 
welches mit ££oyos und dessen adverbialem Plural &foya nichts 
zu thun haben kann, da der Begriff der Auszeichnung, der in 
foxos (zu &i£yw) liegt, wesentlich auf Rechnung des 2: kommt. 














$ 263 —264.] Kap. XIV. U. Lateinische Adv. auf ter. 631 


Nachhomerisch sind xpöpa heimlich, piya verbunden mit, xapra 
sehr (häufig bei Herodot, z. B. xapra 7öscdaı und xapra Aay- 
rpds), opdöpa sehr, wovon Kissling a. a. O. 201 vermuthet, dass 
es aus opoöpds in Anlehnung an pda und xapra gebildet 
worden sei. In das präpositionale Gebiet gehört ävra gerade 
auf etwas los, z. B. dAX 6 yiv Avra löwv hiedaro yalxeov Eyyos 
N 184, avra payssdaı drauf los kämpfen T 163, ävra oyopevn, 
in der Richtung auf ihn zu verharrend & 141, deotor yap Avra 
&ofxeı gleicht geradezu @ 630. Die Bedeutung würde also gut 
zum Instrumentalis passen. 

$ 264. Ungedeutete Formen des Lateinischen 
(auf ter). 

Im Lateinischen herrscht noch keine Einigkeit in bezug 
auf die Adverbia auf ter. Sie sind von Osthoff in Wölfflin’s 
Archiv 4, 455 fl. aus Zusammensetzung mit iZer erklärt worden, 
also dreviter gleich “kurzweg’. Ich kann dieser Erklärung nicht 
beitreten. Die Hauptschwierigkeit beruht in dem Vorhanden- 
sein von inter, praeter, propter, subter, circiter die man doch 
von den übrigen Formen auf ter nicht trennen kann. Osthoff 
freilich entschliesst sich zu dieser Trennung und legt für inter 
die Heischeform *enteros zu Grunde, aus der «ixier enstanden 
sei, wie vir aus *viros. Demnach wäre :nter ein erstarrter 
Nom. sing. mask. Daraus würde sich die Folgerung ergeben, 
dass inter von dem gleichbedeutenden altır. eier, ai. antar, 
altpers. antar zu trennen sei, d. h. eine jener Gleichungen von 
unmittelbarer Evidenz, auf welchen die vergleichende Gramma- 
tik aufgebaut ist, würde aufzugeben sein, weil sie zu einer an 
sich nicht ungefälligen Hypothese auf dem Gebiete einer 
Einzelsprache nicht stimmt. Ich halte ein solches Verfahren 
nicht für empfehlenswerth, bin vielmehr der Ansicht, dass man 
von inter als der einzig nachweisbaren proethnischen Form auf 
ter bei der Erklärung der übrigen ausgehen muss. Danach 
stelle ich mir die Entwickelung folgendermassen vor. Wie 
inter zu in verhält sich sudter zu sub, praeter zu prae, propter 
zu prope, circiter zu circum, obiter zu ob. (Denn obiter als 
Gegenstück zu obviam aus ob und :ler zu erklären, hindert 


632 Kap. XIV. II Germanische Adv. auf da, a, o. (5264-265. 





mich die Bedeutung). Ob alle diese Formen nach dem einen 
Muster von inter gebildet sind oder ob in der Urzeit schon 
mehrere Formen dieser Art vorhanden waren, bleibe dahin- 
gestellt. Die ursprünglich lokale Bedeutung des Suffixes ist 
in cireiter und oditer darum nicht mehr zu fühlen, weil sich 
die beiden Wörter aus der Zahl der Ortsbestimmungen ent- 
fernen. Circiter herum wird zu “ungefähr” und aus ‘obenhin’ 
entwickelt sich “auf oberflächliche Weise. Daran konnte sich 
aliter, pariter u. s. w. leicht anschliessen und damit die ganze 
Schar der Adverbien auf ter, worüber hier nicht weiter zu 
handeln ist. 


$ 265. Ungedeutete Formen des Germanischen 
(auf got. ba, a, o, mit -lich und ung) und des Baltisch- 
Slavischen. 

Germanisch. Innerhalb des Germanischen lassen sich 
(namentlich im Augenblick, wo die Forschungen über die ger- 
manischen Auslautgesetze noch keineswegs am Ende stehen) 
nicht mit Sicherheit unter bestimmten Kasus unterbringen: 

1. Die gotischen Formen auf da, z. B. abraba kräftig, 
azetaba gern, leicht, balfaba kühn. Osthoff, KZ. 23, 93 mag 
wohl Recht haben, dass sie Instr. oder Abl. von Substantiven 
sind, welche sonst im Germanischen nicht mehr vorhanden 
sind, wohl aber im Slavischen, wo Kollektive und Abstrakte 
aus Subst. und Adj. mit da gebildet werden, so: aksl. svatiba 
Hochzeit, eigentlich wohl Hochzeitsgäste, züloba Bosheit, serb. 
druzba sodalitas, Audoba Bosheit u. ähnl. (Miklosich 2, 216). 
Was ihre Konstruktion betrifft, so erscheinen die Formen auf 
ba beim Verbum, z. B. ohtedun abraba &uoßndncav apdöpa 
Matth. 27, 54; jah gasahv bairhtaba allans xal &v&ßkeye mAau- 

s änavtas Mark. 8, 25; gaigrot baitraba Exkauae nıxpüs Matth. 
‚75; pai ubilaba habandans ol xaxüs Exovres Mark. 2, 17; 
rduba baloips dewwüs BasavıLöuevo; Matth. 8, 6. Nur an einer 
:lle könnte man geneigt sein, ein Adv. auf da zum Adj. zu 
ıhen, nämlich in: vas auk mikils abraba Tv yap niyas apdöpa 
ırk. 16,4. Aber die Stellung (falls sie nicht dem Griechischen 





$ 265.) Kap. XIV. U. Germanische Adv. auf ba, a, o. 633 


entnommen ist) spricht dafür, dass adraba zu dem Satze, nicht 
zu dem Adj. allein gehört. 

2. Die übrigen gotischen auf a, z. B. fairra, nehva, vaila. 
In bezug auf varla ist zu bemerken, dass es zu Verben in ein 
besonders nahes Verhältnis tritt, so zu visan, z. B. valla visands 
daga hvammeh bairhtaba ebypawvöpuevos xad’ nuepav Aaympas 
Luk. 16, 19. So heisst es mit Augjan wohlgesinnt, einstimmig 
sein, mit galeıkon Wohlgefallen haben an, mit tauyan wohl- 
thun, ebenso auch ahd. wola mit denkan wohlgesinnt sein, mit 
wellan wohlwollen, mit {won wohlthun (vgl. lat. benefacio). 
Einmal ist vas/a auch mit einem Adj. verbunden, nämlich in 
sat, nu mel vaila andanem T6od, vöv xarpüs eünpdadextog 2. Kor. 
6, 2 (vgl. 8, 12), wobei aber zu beachten ist, dass andanems 
innerlich den Partizipien nahe steht. Dagegen bei dem ahd. 
wola ist die Verbindung mit einem Adj. unzweifelhaft, z. B. 
wola wakar, wola quekes muotes, und mit einem Adv. in wola 
skıoro sehr rasch. 

3. Die gotischen auf o, z. B. galeiko gleich, varraleiko 
männlich, sinteino immer, usdaudo eifrig, oft ohne daneben- 
stehendes Adjektivum, so usstndo besonders, sundro besonders, 
sniumundo eilig, andaugjo offen, arojo umsonst, Piubjo heim- 
lich, gahahjo zusammenhängend, allandjo völlig, aufto etwa, 
vielleicht, misso wechselseitig, sprauto schnell, unveniggo un- 
verhofft. Diesen gotischen Formen auf o entsprechen die alt- 
nordischen auf a, z. B. gorva bereit, illa übel, schlecht, vida 
weithin, und viele auf liga, z. B. byartliga glänzend; ferner 
nach Sievers’ Meinung, der ich mich anschliesse, die althoch- 
deutschen und altsächsischen auf o, z. B. ahd. follo in reich- 
lichem Masse, gerno mit Freuden, Zango lange, /uto laut, heftig, 
stark, harto sehr, diko oft; alts. diopo tief, gerno begierig, gern, 
tulgo sehr; mhd. balde, gerne, hohe, lange, sanfte, vaste, harte 
u. ähnl. Im Nhd. haben wir das e noch in lange, gerne, sonst 
ist in bald, gern, hoch u. s. w. das Adj. mit dem Adv. zusammen- 
gefallen. Besondere Beachtung verdienen die Adv. von Adj. 
auf Zich, z. B. ahd. dlidlicho froh zu biidlich, forahtlicho ängst- 
lich zu forahtlich, jamarlicho entsetzlich zu jamarlich. Unter 


634 Kap. XIV. II. Deutsche Adr. auf ich. [$ 265. 


den dreissig Adj. auf Zich aus Otfrid, welche Kelle 2, 372 
anführt, finde ich in sechzehn Fällen Adj. und Adv. in dieser 
Weise neben einander, dagegen in vierzehn Fällen (daldlicho 
kühn, driulicho mit Treue, drugilicho ränkevoll, drütlicho zärt- 
lich, erlicho anständig, follicho in vollem Masse, garalicho gänz- 
lich, gisuäslicho freundschaftlich, gomilicho männlich, guallicho 
auf herrliche Art, herlicho mächtig, Zugilicho fälschlich, thegan- 
licho auf Helden-Art, ungisewanlicho unsichtbar) steht das Adv. 
allein. Es scheint also, dass schon im Ahd. /icho als Adverbial- 
endung empfunden worden ist. Jedenfalls ist das im Mhd. der 
Fall, wo man zu ganz ganzlıche, zu salec selecliche, zu mtlte 
miltecliche bildet (vgl. Grimm 2, 661). Der Grund für die 
Bevorzugung dieser Endung lag natürlich darin, dass sie die 
Adverbialität des Wortes deutlicher hervortreten liess, als die 
Formen auf e, welche ja ın Formen wie Äleine sich von dem 
Adj. nicht unterschieden. Im Nhd. haben wir diese Adverbial- 
bildung noch in Formen wie freilich, schwerlich, weislich, 
während im Englischen /y ausschliesslich adverbiell geworden 
ist. Näher auf diese Adverbia einzugehen, unterlasse ich, weil, 
wie mir Sievers mittheilt, eine besondere Untersuchung über 
dieselben demnächst zu erwarten ist. 

Den gotischen Adverbien auf o möchten vielleicht auch 
einige der angelsächsischen Adverbia auf a wie söna bald, Zela, 
teala geziemend u. ähnl. entsprechen. Dagegen gehören die 
ags. auf e wie beorhte glänzend, füste fast, gearve ganz und 
gar, georne gern, hearde hart, sehr, cymlice herrlich, eddiglice 
ım Ueberfluss u. ähnl. einer anderen mir nicht deutlichen Bil- 
dungsweise an. 

Was die Anwendung dieser Adverbia betrifft, so habe ich 
die gotischen Formen nur in Verbindung mit Verben gefunden, 
auch im Ahd. dürfte diese Verbindung überwiegen, doch findet 
sich auch die Stellung vor dem Adj., so z. B. im Otfrid bei 
thräto sehr, 2. B. wuntar thräto seltsanaz, mit thrato herten 
banton, thräto liublichoe. harto sehr, 2. B. mit ungimah, mihtl, 
sellsanı, rümo (sehr entfernt), agaleizo (sehr beharrlich), thegan- 
scho (sehr heldenmässig). Vgl. noch reAhto bei Kelle. Nicht 














$ 265.] Kap. XIV. II. Deutsche Adverbia mit ung. 635 


gefunden habe ich diese Verbindung bei sA0no, sero, garo, gilicho, 
bei denen sie sich später eingestellt hat. 

4. Wie das ahd. Zicho, das mhd. liche und Zichen, das 
engl. !y zu Adverbialsuffixen geworden sind, wobei also das 
Adjectivsuffix durch das Sprachgefühl mit zum Adverbialzeichen 
gezogen wurde, so ist auch das Suffix ing oder ung (über 
welches Grimm 3, 233 handelt) als Bestandtheil des Adverbial- 
suffixes empfunden worden. Es erscheint im Got. mit dem 
Ausgang o in unventggo unverhofft, im alts. auf o, also dar- 
nungo heimlich, farungo unversehens, gegrungo geradezu, offen- 
bar, in Wahrheit, im Ags. auf a, z.B. feringa plötzlich, sem- 
ninga alsbald, arunga durchaus, gänzlich, gerunga (aus gegnunga) 
geradezu, vollständig. Diese Bildungen dürften auf denselben 
(noch unerkannten) Kasus zurückgehen. Ein anderer, nämlich 
der Akk. sing. fem. erscheint im althochdeutschen ı2gän, z.B. 
arauwingun frustra (vgl. got. arvyo), italıngun dass., gahıngun 
subito, faringün repente, blintilingon latenter, rucchilingon supine 
u. ähnl. lm Mhd. entspricht ingen, z. B. helingen heimlich, 
flüglingen plötzlich, rückelingen rücklings, biuchelingen bäuch- 
lings, sitelingen seitlings u. ähnl. Im Nhd. ist von den zahl- 
reichen adverbialen Gen. das s übertragen, so dass blindlings, 
rücklings, meuchlings u. 8. w. entstanden sind. Ing oder ung 
ist danach ein adjektivbildendes Suffix, welches im Germanischen 
nur noch in einigen Kasus erhalten ist. In anderen Sprachen 
aber ist es noch lebendig, denn es scheint mir dasselbe zu sein, 
wie das indische afßc, welches hauptsächlich an Präpositionen 
erscheint, z. B. idaßc aufwärts gerichtet, präßc vorwärts gewandt, 
vorn befindlich, aber auch ein Adjektivum weiterbildend in $ortyanc 
weisslich neben $vitra und $vstd (in dem Eigennamen Dadhyahe 
scheint es an das Subst. dadhi getreten zu sein). Im Lat. 
gehört dahin propinguus neben prope, longinquus neben longus. 

5. Endlich sei noch bemerkt, dass im Nhd. gewisse Sub- 
stantiva, welche das zweite Glied einer Zusammensetzung oder 
Zusammenrückung bilden, auf dem Wege sind, Adverbial- 
endungen zu werden, so: Ding in neuerdings, platierdings, Fall 
in gleichfalls, jedenfalls, Mal ın einmal, vormals, niemals, Mass 


636 Kap. XIV. III Adverbia aus Präpositionen mit Kasus. [$ 265—266. 


in gewissermassen, folgendermassen, Weg in keineswegs u. a. 
(Heyse, Gr. 526). 

Sehr viel habe ich noch übrig gelassen aus dem baltisch- 
slavischen Gebiet, wovon man sich überzeugen kann, wenn 
man Bielenstein, lett. Spr. $ 524 ff. und Leskien, Handbuch? 
$ 84 durchnimmt. Ich möchte über diese Formen zunächst den 
Kennern das Wort lassen. 


nl. 
8 266. Adverbia aus Präpositionen mit Kasus. 


Griechisch. Bei Homer findet sich xat’ axprns oder 
xaraxprıg (ob man trennt oder zusammenschreibt ist gleichgültig), 
worin ich mit der Überlieferung den Gen. von äxpn sehe (vgl. 
auch J. Schmidt, Pluralb. 371 Anm.). Es bedeutet ‘von oben 
her’ in den Worten: «< apa uıv Eindyr' Elasev peya xüpna 
xat' axprs e 313. Daraus entwickelt sich der Sınn ‘bis auf 
den Grund’, z. B. ws el Arasa "los öppudsssa rupl auöyorto 
xar äxpıs X 410. Endlich “gänzlich. Desselben Sinnes 
wie xat dxpns ist das Wort, das man gewöhnlich xara- 
xp7idev schreibt. Ich nehme also an, dass darin nicht das Wort 
für ‘Haupt’, sondern ebenfalls äxpn, steckt und dass xar' äxpr,- 
dev zu schreiben sei. Karevara mit löwv O 320 ‘in’s Angesicht 
sehend’. Wahrscheinlich ist &v ara dasselbe wie eis ora (mit 
töeosdar), aber früh verschmolzen, weil 2v mit dem Akk. abkam. 
Zu diesem Akk. &vwra trat dann noch die Präp. xara. Nach 
Homer ist belegt &xroöwv aus dem Wege, abseits (Herodot‘, 
danach gebildet (wie Buttmann, Gr. 2, 243 bemerkt) 2urodev 
ım Wege, hinderlich (zuerst bei Aeschylus); rapaypipa sogleich, 
auf frischer That, auf der Stelle (Thukydıdes); rpoöpyou zum 
Zweck (Arıstophanes). In manchen Fällen kann man zweifel- 
haft sein, ob die Verbindung einer Präposition mit einem Akk. 
oder der Akk. eines zusammengesetzten Adjektivums vorliegt, 
so xarevavtiov D 567; üneppopov (wobei die Form drdppopa B 155 
für die Annahme eines zusammengesetzten Adj. spricht); pe- 
duotepov (ol neßöctepor die Nachkommen bei Aeschylus). Ge- 
nauere Untersuchung wird vielleicht feststellen können, welcher 





$266.] Kap. XIV. III. Adverbia aus Präpositionen mit Kasus.. 637 


Vorgang im einzelnen Falle anzunehmen ist. Dass an sich die 
Entstehung eines Adjektivs aus einer Verbindung von Präp. 
und Kasus nicht unmöglich ist, beweist „poößos, z. B. &rel ds 
opodöd; Eatıv Apyelov otpard; Sophokles Ant. 15. Man hat nie 
gezweifelt, dass dem Adj. ppoödos die Phrase rpd 6öoü ylyvaodaı 
vorwärts des Weges, auf dem Wege kommen, zu Grunde liege, 
wie sie A 382 steht. "Avavra, Zvavra, xdtavra, rapavıa habe ich 
nicht erwähnt, weil ich nicht weiss, ob -avta noch als leben- 
diger Kasus oder schon als Adverbium empfunden worden ist. 

Aus dem Lateinischen erwähne ich: adamussim nach 
der Schnur (Varro); admodum völlig (Plautus); adfatım zur 
Genüge (wobei freilich fatis nicht vorhanden ist. Ob man 
auch ad prima besonders, vorzüglich, als Adv. betrachten soll, 
kann zweifelhaft sein. Von cum primis gilt dasselbe. Über 
comminus und eminus bemerke ich, dass mir die Auffassung 
von Corssen 2, 415 nicht einleuchtet. Ich stelle die Wörter 
hierher, weil ich den Verdacht habe, dass in minus der Abl. 
pl. von manus steckt. J. Schmidt, Pluralb. 50 Anm. sieht 
in *manus(u) den Lokalis, mir nicht recht wahrscheinlich, weil 
e und com ihrer Bedeutung nach sich nicht zum Lok., sondern 
vielmehr zum Abl. und Instr. schicken. Denuo von neuem. 
Auch in desubito (Naevius) und derepente (Ennius) scheint eine 
Verbindung mit dem Abl., nicht mit dem Adv. vorzuliegen. 
Extemplo von der Stelle, alsbald (Terenz), eine alterthümliche 
Formel, welche sich erhielt, weil jedem Römer die Wendung 
er templo (d. h. unmittelbar nach dem Wahlakt im templum) 
magistratum occipere geläufig war (vgl. Jordan, krit. Beitr. 351). 
Ergo soll nach Pott, dem sich Corssen 1, 449 anschliesst, aus 
e rego (so wie erga aus e rega) entstanden sein, was so viel 
sein soll wie e regione. Ich mag darüber nichts behaupten. 
Invicem (jünger als vecem). Incassum («rn mit dem Neutrum von 
cassus leer, nichtig) bei Lukr. Mit dem Abl. erscheint :x 
verbunden in impraesentiarum für jetzt (Cato), was Wölfflin, 
Archiv 4, 11 richtig aus :ın praesentia rerum zu deuten 
scheint. Dazu auch depraesentiarum. Ilico auf der Stelle aus 
*in sloco. Imprimis unter den ersten, vorzüglich. Es ist mir 


638 Kap. XIV. III. Adverbia aus Präpositionen mit Kasus. :'$ 266. 


wahrscheinlich, dass primis Abl. plur. des Maskulinums sei. 
Obriam entgegen. (Über oditer s. bei den Adverbien auf ter). 
Postmodo ist vielleicht nichts weiter als posimodom. Propediem 
nahe dem :heutigen) Tage, nächster Tage (Cic.). Propemodum 
Plautus! beinahe. Sublımer in die Höhe, d. h. ursprünglich an 
die obere Schwelle der Thüre hinaufgezogen, wie bei der Züch- 
tigung der Sklaven geschah, vgl. Ritschl, Opusk. 2,462. Sedulo, 
wohl aus se dolo (vgl. J. Schmidt, Pluralb. 50 Anm.‘, nicht zu 
sedeo. Enthält intervias einen Akk. plur. oder einen Gen. sing.? 
Bücheler (B.-Windekilde $ 158) behauptet mit Entschieden- 
heit das letztere. Zuzugeben ist ihm, dass in Stellen wie 
dum rus eo, coepi egomet mecum inter vıas aliam rem ex ala 
cogstare (Terenz) der Akk. plur. nicht passt. Bedenklich aber 
ist mir, dass ich die Entstehung eines genitivischen Adverbiums 
mir nicht deutlich zu machen weiss, denn weder wage ıch 
anzunehmen, dass inter früher mit dem Gen. verbunden wurde, 
noch sehe ich die lateinischen Adverbia genitivischer Form, 
welche eine verführerische Anziehung hätten ausüben können. 
Es bleibt also doch wohl nur übrig, dass inter vias 8. v. a. 
unterwegen (wie in deutschen Dialekten gesagt wird !) bedeu- 
tete. Dass man nun einen solchen Ausdruck, nachdem er ein 
festes Adverbium geworden war, auch mit Beziehung auf einen 
einzelnen Weg gebrauchen konnte, scheint mir natürlich, da 
ja bei Adverbien das Gefühl für den Numerus zu schwinden 
pflegt. (An inter pugnas nehme ich keinen Anstoss, da ‘Schlacht’ 
zu den Wörtern gehört, welche man singularisch und plura- 
lisch auffasst.) In antea, postea, postidea, interea, praelerea, 
propterea, antehac, posthac, quapropter u.ähnl. sind Ablative zu 
erkennen nach adrorsum ead in der Ep. de Bacch. In dem 
führenden Worte unter diesen wird also eine Präposition stecken, 
welche einstmals mit dem Ablativ verbunden werden konnte. 
Praefiscine oder praefiscini unberufen, z. B. praefiseini hoc 
nunc dixerim, d. h. möge mir die Überhebung nicht schaden, 


i) unterwegs ist daraus entstanden. Das s ist ja im Deutschen 
geradezu ein Adverbialsuffix geworden, wie z. B. in meinerseits (vgl. Paul, 
Prinzipien? 194). 














$ 266.] Kap. XIV. III. Adverbia aus Präpositionen mit Kasus. 639 


wenn ich behaupte (Plautus); servus meus homo praefiscini frugi 
mein Diener ist unberufen ein brauchbarer Mensch (Petronius). 
Die Erklärung von Ribbeck, Part. 3 ‘voran mit dem Amulet’ 
kommt mir an sich etwas gezwungen vor, auch nehme ich 
Anstoss an der ausgesprochen instrumentalen Bedeutung bei 
lokativischer Form. Es könnte sein, dass pr. nichts anderes 
ist, als ‘vor der Verzauberung, ehe eine solche eintreten kann’. 
Dass prae sonst nicht ‘vor’ in zeitlichem Sinne bedeutet, scheint 
mir kein Gegengrund, denn thatsächlich ist das prae der hin- 
dernden Ursache nichts anderes als das zeitliche ‘vor’. Denn prae 
lacrimts loqui non possum heisst eigentlich: ich kann nicht vor 
den Thränen zum Reden kommen, sie kommen mir immer 
zuvor. Freilich weiss ich eine Konstruktion von prae und pro 
mit dem Lok. nicht nachzuweisen. Allenfalls könnte man 
"Mwdı zps anführen. 

Für das Germanische hat Grimm 3, 104 ff. und beson- 
ders 142 ff. wieder besser gesammelt, als für irgend eine andere 
Sprache geschehen ist. Er sagt dabei (S. 143): “Denkbar kann 
aus der verbindung vieler sinnlichen oder eines jedweden ab- 
strakten subst. mit präpositionen ein solches adv. entspringen, 
man wird es aber erst dann annehmen, wenn es durch wieder- 
holten gebrauch eingeführt worden ist, und am sichersten, 
wenn sich eine abgezognere bedeutung, als der gehalt der 
worte mitbringt, daneben einfindet. Zu berg drückt uns 
sursum aus, zu thal deorsum, zurück retro, ohne dasz wir uns 
der begriffe berg, thal und rücke dabei zu erinnern brauchen; 
aber auch unser mit willen (sponte), mit fleisz (ex composito, 
consulto) ist merkbar etwas anders, als wenn wir dieselben 
worte und in derselben konstruktion für voluntate und cum 
diligentia setzen, obschon diese ebenwohl voluntario und dili- 
genter bedeuten dürfen”” Grimm behandelt dort Wörter wie 
überall, überein, fürwahr, zumal (mhd.ze mäle), beiseit, überhaupt 
(wahrscheinlich “über die Häupter hin’ von einer summarischen 
Zählung der Heerde) u. s. w. Merkwürdig sind auch die zu 
Präpositionen gewordenen neben, kraft, laut u. ähnl., bei 
denen die einst vorhandene Präposition entweder undeutlich 


640 Kap. XIV. III. Adverbis aus Präpositionen mit Kasus. [$ 266. 


geworden oder verschwunden ist (vgl. über sie das Grimm’sche 
Wörterbuch). 

Aus dem Litauischen habe ich zufällig nur wenig notiert. 
Beispiele sind afgäl zurück, rückwärts (gälas Ende); permer 
zuviel, übermässig (mera Mass‘ ; pokim vor Augen aus pö akım: 
tszlEs fürwahr (fösa Wahrheit). 

In den slavischen Sprachen gibt es eine Fülle solcher 
Wörter, von denen ich einige beispielshalber anführe. Ich 
entnehme die Belege aus Miklosich 4, 157 ff. Oft sind die 
Kasusendungen durch Abkürzung unkenntlich geworden. Sehr 
häufig findet sich das in Adverbien so gebräuchliche i. Aksl. 
opeli, na-opeti rückwärts, vüz-opefi, za-peli apa riöas, serb. 
opet wieder, russ. opjafi wieder werden auf das Wort für 
‘Ferse’ zurückgeführt, welches aksl. peta lautet, also eigent- 
lich “an der Ferse. Damit vergleichen sich unmittelbar serb. 
natrag zurück zu {rag Spur, sodann mit der Präpos. s s-traga 
hinten, und von straga ist dann wieder ein neues Adverbium 
mit der Präp. o, nämlich o-strag hinten gebildet. Auch ein 
weiteres Wort für ‘Spur’, aksl. sledü, hat Stoff für mancherlei 
Adverbia gegeben, z. B. aksl. posledi, posledi postea, davon 
kompar. Adv. posleide (vgl. Miklosich, Wb. s. v.. Aksl. 
0-kolo herum, Adv. und Präp.; serb. oAolo, oko dass.; russ. oAolo 
ungefähr, als Präp. herum, zu Aolo Kreis (Miklosich unter 
*kole). Russ. o-zemi humi, nach Miklosich unter *zem auch 
na-zemi. Aksl. iskri, iskry, prüskri nahe; serb. u-kraj neben, 
russ. dial. Arej), Ari als Präp. in der Bedeutung nahe bei 
(nach Miklosich) gehören zu *Ara7, aksl. Araji Rand. Serb. 
na-ocı und u-oct im Angesicht, u-oci nedjelje angesichts des 
Sonntags, d. i. am Sonnabend, zu oAo Auge. Serb. od maha, 
odmah, namah sogleich zu mah Hieb. Serb. s-Juiro morgen, 
russ. za-vtra, dass. zu *ufro bei Miklosich. Russ. v-volyu, do- 
voli und ähnliche Bildungen mit der Bedeutung ‘genügend’ 
zu volja Wille (vgl. Miklosich unter *vel 1). Einige Beispiele 
für die Verbindung einer Präp. mit dem Kasus eines Adjek- 
tivums sind: russ. v-male bald, po-malu allmählich (mal& klein); 
v-siarı einst, tz-starı von alter Zeit (starü alt); iz-nova, sütznora, 





$ 266—267.] Kap. XIV. II. Rückblick auf das Adverbium. 641 


v-novi von neuem, za-novo wie neu (nov& neu); v-Arute zu 
schnell, in Eile von Arui& hastig; o-drugü plötzlich, wozu nach 
Miklosich 4, 161 cas& zu ergänzen ist, also: im anderen Augen- 
blick; serb. za-ista und od-ista gewiss zu aksl. sstä (vgl. Miklo- 
sich unter *jes), russ. potomu daher, deshalb, potomü darauf, 
und vieles der Art. 

Schliesslich können nicht bloss Kasus, sondern auch schon 
fertige Adverbia mit Präpositionen verbunden werden, z. B. 
griech. &&rı, perönıode, xaravrınpd, lat. adhuc, eramussim (dieses 
wahrscheinlich in Nachahmung von adamussim), adaeque auf 
gleiche Weise (schon bei Plautus), während ein adaeguus nicht 
vorhanden ist. Doch soll dieser Gesichtspunkt hier nicht weiter 
verfolgt werden. 


$ 267. Rückblick. 


In dem hiermit beendeten Kapitel ist gezeigt worden, dass 
die Adverbia, wie ich das Wort hier verstanden wissen will, 
zu bezeichnen sind als erstarrte Kasus von Substantiven und 
Adjektiven auf nominalem und pronominalem Gebiet. Über 
das Genus war, soweit es die Substantive betrifft, nichts zu 
bemerken. Bei den Adjektiven, welche substantiviert sind, 
erscheint das Neutrum. lst aber die Ellipse eines Substantivums 
anzunehmen, so zeigt das übrig bleibende Adjektivum am 
häufigsten femininale Form. Es handelt sich eben oft um 
Abstrakta, und diese sind oft Feminina.. Von den Numeri 
ist der Singular durchaus überwiegend. Der Plural ist am 
verbreitetsten im Instr., z.B. in ai. $anäis langsam, av. vispais 
gänzlich, ags. miclum sehr, in den deutschen Adv. auf lichen 
und Üinger, im Slavischen wahrscheinlich in den Formen auf. 
Der Akk. plur. findet sich im Griechischen und in einigen 
lateinischen Formen, die vielleicht unter griechischem Einfluss 
stehen. Der Dual ist selten, z. B. aksl. me2dw zwischen (den 
beiden Grenzrainen). Die Kasus sind alle vertreten, mit Aus- 
nahme des Vokativs, der ja aber kein eigentlicher Kasus ist. 
Die seit alter Zeit am häufigsten vorkommenden Kasus sind 
Akk. und Instr. Seltener ist der Lok. Der Abl. lässt sich 


Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm. Sprachen. I. 41 


642 Kap. XIV. II. Rückblick auf das Adverbium. [$ 267. 


für die älteste Zeit nur an pronominalen Wörtern nach- 
weisen. Am schwächsten vertreten sind Genitiv, Dativ und 
Nominatıv. 

Natürlich lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen, wie es 
ın der Grundsprache ausgesehen habe. Es ist aber sehr wahr- 
scheinlich, dass eine Verschiedenheit des Accentes am kasuell 
und am adverbial gebrauchten Kasus (wenigstens in einigen 
Fällen) schon in der Ursprache vorhanden gewesen ist. Auch 
lässt sich nicht absehen, warum gewisse akkusativische und 
instrumentalische Adverbia gefehlt haben sollen. Bei manchen 
Adverbien ist durch direkte Vergleichung festzustellen, dass sie 
der idg. Ursprache angehörten. Ich führe als Beispiele einige 
von den Formen an, welche Fick in der neuen Auflage seines 
grossen Werkes anerkennt (wobei ich auch die neueste Trans- 
skription beibehalte). Derartige sind: moAsi eilend, bald, vgl. 
ai. makgu, av. mosu, lat. moz und mit etwas abweichender Be- 
deutung pad (Schrader KZ. 30, 477). Ob freilich moksu ein 
Lok. plur. oder Akk. sing. ist, lässt sich nicht mit Bestimmt- 
heit sagen (so wenig wie bei lat. oız). Nicht ganz zweifesohne ist 
auch die kasuelle Beschaffenheit der Wörter, welche Fick 
unter öves, onegos, mithos, mithü, mughus verzeichnet. Ein Akk. 
eines zusammengesetzten Subst. wäre perut im vorigen Jahre, 
eines zusammengesetzten Adj. proznu. Ausserdem ist unzweifel- 
haft, dass Wörter wie zhjes gestern und Wörter für “hier, 
‘dort’, ‘so’ u. ähnl. vorhanden gewesen sind. Es kann also 
nicht bezweifelt werden, dass eine Anzahl von Adverbien be- 
reits aus der Ursprache in die Einzelsprachen übergegangen 
sind. In den Einzelsprachen aber haben, je mehr sich das 
Bedürfnis herausstellte, dem Verbum so gut wie dem Nomen 
ein Attribut hinzuzufügen, die Adverbia sich gewaltig vermehrt. 
Dabeı lösten sich für das Sprachgefühl von einzelnen Exem- 
plaren der Adverbia gewisse Suffixe, die als adverbbildend 
empfunden werden, los (z. B. öov, önv, tim, serb. ice u. s. w.), 
und es entstanden zahlreiche Adverbien neu, welche nie selbst 
Kasus von Substantiven oder Adjektiven gewesen sind. Man 
kann also, wenn man die Einzelsprachen im Auge hat, nicht 





$ 267— 268.) Kap. XV. Präpositionen. Einleitendes. 643 


mehr sagen, dass die Adverbia, sondern nur, dass die Proto- 
typen der Adverbia erstarrte Kasus sind. 

Was die Konstruktion der Adverbia betrifft, so ıst klar, 
dass sie ursprünglich nur zu Verben treten konnten; darunter 
auch zu dem Verbum ‘sein. Sehr früh aber fand die Über- 
tragung statt, dass sie (namentlich wohl die steigernden) auch 
zu Adjektiven und Adverbien gezogen wurden. Doch haben 
sich in dieser Beziehung die einzelnen Sprachen verschieden 
verhalten. Im Altindischen finden wir im Veda gewisse Ad- 
verbia auch neben Adjektiven. So heisst es z.B. RV. 1, 117, 13 
yuvam cydvanam abvina Jaranlam pünar yiuvanam cakrathuh 
$acıbhih ihr beiden ASvin habt den alternden Cyaväna durch 
eure Künste wieder jung gemacht. Als sich aber der Stil ver- 
feinerte, drückte man sich anders aus. Denn es heisst SB. 4, 
1, 5, 10: palım ni me pünaryuvanam kurutam macht meinen 
Gatten wieder-jung. Man hatte die Empfindung, dass wenn 
pünar nicht mit yivan zusammengesetzt würde, es leicht zum 
Verbum gezogen werden könnte, so dass die Aufforderung 
dahin gehen würde, die Handlung des Jungmachens zum 
zweiten Male vorzunehmen. 

In neueren Sprachen ist dann aus dem adverbialen Aus- 
druck wieder ein adjektivischer geworden. Wir sagen er redet 
Jliessend und danach ein fliessender Redner u. ähnl., und wenn 
die Gebildeten auch vielfach an dieser Umformung Anstoss 
uahmen, so geht sie doch unaufhaltsam ihren Weg. 


Kapitel XV. Präpositionen. 


$ 268. Einleitendes. 

Über die Präpositionen handelt ein 859 Seiten starkes 
Werk von A.F. Pott (Etymologische Forschungen auf dem Ge- 
biete der indogermanischen Sprachen, zweite Auflage, erster 
Theil, Lemgo und Detmold 1859). Wer den Versuch macht, 
dieses Buch zu lesen (ganz wird es wohl niemand überwinden) 

41* 


644 Kap. XV. Präpositionen. Einleitendes. [$ 268. 


wird recht deutlich gewahr, wie sich seit den Zeiten des Be- 
gründers der Lautlehre die Ziele der Sprachforschung verändert 
haben. Pott, der sich in den von Kant ausgegangenen An- 
schauungen bewegte, stellt zunächst eine Art von Kategorien- 
tafel, eine Übersicht der im menschlichen Verstande ruhenden 
Raumbegriffe auf, welche auf S. 160 der moderne Leser mit 
Erstaunen betrachtet. Sodann, bei der Behandlung der einzelnen 
Präpositionen, rückt der etymologische Gesichtspunkt durchaus 
in den Vordergrund, und zwar tritt dabei das, was wir jetzt 
die etymologischen Schrullen des ausgezeichneten Mannes 
nennen würden, besonders hervor. Beispielsweise sind unter 
apa behandelt: av. apa und apara; r$pucı und andere Zeit- 
partikeln; aro, ano, woher rünatos; germ. fram, fra, from: 
ahd. ad; ahd. fona, von; Ableitungen von got. af u. 8. w.; ai. 
dpara, unser aber, ver-, rapa; ai. pdra (alius), pdrä retro). 
ralaı u. 8. W.; TApog, rapd; ai. pärd, nepa, repav; lat. per, osk. 
perum; lit. Wörter im Sinne von lat. post; andere einschlägige 
lit.-lett. Präp. mit r, wie per, lett. pahr, lit. par; lit. prö, slar. 
pre, pere; ır. for; ai. pari, av. pasrs, repl; pdri nept steigernd; 
rep;, lit. pri, pre, preuss. prei; poln. przy; Unterschied 
der Derivata von apa und aäpi, relpw, &ropov, got. faran, lat. 
parıo, aperio, operio, reperio, experior; fahren, lat. porto; 
ai. par (complere), lat. paro, par; tmpero, pareo u.s. w. So- 
dann fällt uns auf, dass der geschichtliche Gesichtspunkt stark 
zurücktritt, so dass z. B. nirgends der Versuch gemacht ist, zu 
ermitteln, ob gewisse Verbindungen von Präpositionen und 
Verben etwa schon in die proethnische Zeit zurückgehen. Da 
nun ausserdem, dem Plane des Werkes gemäss, die Syntax 
wenig berücksichtigt ist, so habe ich nicht eben viel Nutzen 
aus der einzigen umfassenden Bearbeitung meines Gegenstandes 
ziehen können. Ebenso wenig habe ich von einer Arbeit 
Grassmann’s (KZ. 25, 339) Vortheil gehabt, welcher darauf 
ausgeht, die vorhandenen echten Präpositionen aus ihren Ur- 
elementen abzuleiten. Ich halte dieses Unternehmen für phan- 
tastisch. Benutzt habe ich hauptsächlich für das Altindische 
SF. 5, 432ff., für das Iranische die betreffenden Partien ın 








& 268.) Kap. XV. Präpositionen. Einleitendes. 645 


Hübschmann’s Schrift zur Kasuslehre und Spiegel’s Grammatik 
der alt. Spr. 452ff., nebst dessen Keilinschriften?. Für das 
Griechische ist vorwiegend Homer herangezogen worden. 
Als ein Muster geschichtlicher Behandlung, wie sie allen Prä- 
positionen zu theil werden sollte, erwähne ich das Frankfurter 
Programm (1874) von Tycho Mommsen: Entwicklung einiger 
Gesetze für den Gebrauch der griechischen Präpositionen yerd, 
cöv und apa bei den Epikern. Für das Lateinische lieferte 
ausser den Lexicis Neue ein reiches Material. Dabei sind die 
italischen Dialekte möglichst herangezogen worden, wobei die 
oskischen Inschriften nach Zvetajeff’s Sylloge inscriptionum 
Oscarum, Petropoli 1878 zitiert werden. Innerhalb des Ger- 
manischen habe ich mich wieder vorzüglich an das Gotische ge- 
halten und verweise im übrigen auf die mit Recht berühmte 
Abhandlung von Graff, Die althochdeutschen Präpositionen, 
Königsberg 1824 und Grimm 2, 796ff. und 4, 765ff. Die lı- 
tauischen Präpositionen sind von Kurschat, Gr. 388 behandelt 
worden, wobei Bezzenberger, Beiträge zur Geschichte der litaui- 
schen Sprache (Göttingen 1877) 243 ff. zu berücksichtigen war. 
Hinsichtlich der slavischen Präpositionen endlich verweise 
ıch auf Miklosich 4, 195 ff. und die Abschnitte unter den ein- 
zelnen Kasus. Hinsichtlich der Terminologie bemerke ich, dass 
ich das Wort “Präposition’ in doppeltem Sinne gebrauche, 
nämlich als Bezeichnung der Wortart und bei der Verbindung 
mit Kasus, für die mit Verben verbundenen Präpositionen 
scheint mir der von Varro gebrauchte Ausdruck Präverbia der 
passendste (Grassmann sagt dafür Richtungswort), den freien 
Gebrauch, z. B. gr. r£pı in hohem Grade, nenne ich her- 
gebrachter Weise ‘adverbial”. 

Für die Darstellung hat sich mir folgende Gruppierung 
als die natürliche ergeben. In dem ersten Abschnitt wird 
von dem Verhältnis der Präpositionen zu den Verbalformen 
und den Kasus im allgemeinen gehandelt, wobei sich ergiebt, 
dass bei den allermeisten Präp. die Verbindung mit den Verbal- 
formen die älteste ist. Ich sage ‘mit den Verbalformen’, da 
Ja von einer Verbindung oder gar Zusammensetzung mit dem 





646 Kap. XV. Präpositionen. Einleitendes. [8 268. 


Verbum als solchem nicht gesprochen werden kann. Der zweite 
Abschnitt bringt eine Aufzählung derjenigen Wörter, welche in 
den hier berücksichtigten Sprachen zugleich als Präverbien und 
Präpositionen dienen, der dritte umfasst solche proethnische 
Wörter, welche nicht überall oder nur vereinzelt zugleich Prä- 
verbien sind. Es muss bei mehreren derselben offen gelassen 
werden, ob der Gebrauch als Präverbium nıe vorhanden oder 
ob er vielleicht verloren gegangen ist. Der vierte Abschnitt 
bringt diejenigen proethnischen Wörter zur Darstellung, welche 
nie als Präverbien auftreten. Im fünften gebe ich eine nach 
den einzelnen Sprachen geordnete Übersicht, bei der die Lücken, 
welche in der vorhergehenden Darstellung gelassen werden 
mussten, ausgefüllt werden. Im sechsten endlich ist eine 
Probe von den in den Einzelsprachen zu Präpositionen ge- 
wordenen Wörtern gegeben. Ich habe also nicht die Ein- 
theilung in echte und unechte, sondern in proethnische und 
ethnische Präpositionen zu Grunde gelegt. Die Zerlegung in 
echte und unechte Präp. beruht ja, wie allgemein zugestanden 
wird, auf einer Ansicht über die etymologische Herkunft un- 
serer Wörter, welche naturgemäss einem starken Wandel unter- 
worfen ist. Zwar können sich auch (durch Aufstellung neuer 
etymologischer Kombinationen) unsere Ansichten über das Alter 
einer Präposition ändern, aber eine völlig genügende Ein- 
theilung wird sich ausser der alphabetischen, die mir zu äusser- 
lich schien, überhaupt nicht finden lassen. 

Dass mir bei der Fülle des Stoffes vieles entgangen sein 
wird, bezweifle ich nicht. Manches ist absichtlich übergangen, 
z. B. die Verbindung der Präpositionen unter sich, auch wenn 
sie nicht Präverbia sind, die z. B. im Lateinischen eine so 
grosse Rolle spielt (vgl. Wölfflin’s Archiv 5, 321 ff). Auch 
will ich nicht unterlassen hervorzuheben, dass es mir nicht in 
dem wünschenswerthen Masse gelungen ist, die Entwickelung 
der Präp. innerhalb der Einzelsprachen historisch darzustellen. 
Es fehlt eben noch sehr an monographischen Behandlungen, 
namentlich was die Präverbien betrifft. Wenn ich bei den 
Präverbien die einander entsprechenden Verbindungen zu- 














$ 268—269.] Kap. XV. L Präpositienen. Präverbium u. Verbum fin. 647 


sammengestellt habe, so soll damit natürlich nur gesagt sein, 
dass diese Verbindungen aus proethnischer Zeit stammen 
können. 


1. 
Allgemeines über die Präpositionen. 


Eine Präposition kann zu einem Verbum oder einem Kasus 
in nähere Beziehung treten. Sie kann aber auch (wie z. B. 
griech. x£pı) adverbial gebraucht werden. Um zu zeigen, wie 
es nach den genannten drei Richtungen in denjenigen Sprachen 
aussieht, welche aller Wahrscheinlichkeit nach dem Ursprüng- 
lichen am nächsten kommen, gebe ich zunächst eine Übersicht 
über die in betracht kommenden Verhältnisse im Altindischen 
und Griechischen, oder genauer gesprochen, ım Veda und 
Homer.!) 


$ 269. Präverbium und Verbum finitum. 


Die allgemeine Regel für das Altindische lautet (SF. 5, 36 ff.): 
Das Verbum im Hauptsatze ist unbetont, ausser wenn es am 
Anfange des Satzes steht, das Verbum des Nebensatzes ist be- 
tont. Das Präverbium bleibt von dem unbetonten Verbum 
getrennt und ist selbst betont, legt sich dagegen proklitisch an 
das betonte an. Doch kommt ım Nebensatze auch vor, dass 
das Präverbium wie im Hauptsatze behandelt wird. Das Regel- 
mässige ist also, dass man sagt prd gachati er geht vorwärts, 
aber yah pragdchati welcher vorwärts geht. Im Griechischen 


1) Was die iranischen Sprachen angeht, so ist der Zustand im Avesta 
etwa so wie im RV., ich habe aber hier auf Ausnutzung desselben ver- 
zichtet, weil meine Sammlungen unzulänglich sind. Anders im Altpersi- 
schen. Dort habe ich das Präverbium stets unmittelbar vor dem Verbum 
gefunden, ja selbst enklitische Wörter treten nicht wie in den anderen sonst 
auf gleicher Altersstufe stehenden Sprachen zwischen Präverbium und Ver- 
bum, vgl. parikarähadis du wirst sie erhalten, visanähadis du wirst sie zer- 
stören, Spiegel? $ 64. Entsprechend ist das Verhalten der Präpositionen 
gegenüber ihrem Kasus. Sie stehen im Altpersischen fast durchaus vor dem 
Kasus. Das Altpersische ist also, was den Gebrauch der Präverbien und 
Präpositionen betrifft, schon auf demselben Standpunkte angelangt, wie ihn 
etwa das Lateinische einnimmt. 


648 Kap. XV. I. Präpositionen. Präverbium und Verbum finitum. {$ 269. 


sind, wie ich mit Wackernagel annehme, noch Spuren der 
einstigen Unbetontheit des Verbums vorhanden, so dass man 
wohl ein Recht hat, in dieser Behandlung des Verbums das 
Ursprüngliche zu sehen. Dagegen lässt sich im Griechischen 
eine Verschiedenheit zwischen Hauptsatz und Nebensatz nicht 
entdecken. Es möge also an dieser Stelle dahingestellt bleiben, 
ob der Zustand im Altindischen auf einer Fortführung oder 
auf einer Veränderung des proethnischen beruht. Ich werde 
auf diese Frage bei der Lehre vom Satze zurückkommen. So 
viel ich sehe (Zählungen habe ich nicht veranstaltet), ist es 
ım Veda und den homerischen Gedichten das Grewöhnliche, 
dass das Präverbium unmittelbar vor das Verbum tritt, wobei 
es dann im Veda getrennt gehalten, bei Homer mit dem Ver- 
bum zusammengeschrieben wird, z. B. ut pätayatı pak$inah sie 
macht die Vögel auffliegen RV. 1,48, 5; pra vepayantı parvatäan 
vi viicanti vanaspalin, prö ärata marutö durmäda iva deväsah 
särvaya vi3a sie erschüttern die Berge und zerzausen die Bäume, 
ihr seid ja auch vorwärts gestürmt wie Berauschte, o Maruts, 
mit der ganzen Schar 1, 39, 5, bei Homer £uvenxe, &reupnunsav, 
rpoogpn u. 8. w.!) Sehr häufig treten aber auch ein oder mehrere 
Wörter dazwischen, z. B. @ fr& vißantu sie mögen in dich ein- 
gehen 1,15,1; gdvam dpa vrajam vrdhi öffne den Stall der Kühe 
1,10, 7. Gewöhnlich nımmt dabei das Präverbium die erste 
Stelle im Satze ein, z. B. sam vajrenäsgjad vrtram indrah, prä 
svam malim atirac chäSadanah mit dem Keil traf Indra den 
Vrtra, seinen Willen führte er glorreich hinaus 1, 33, 13; «+ 
$rrginam abhinac chüfnam indrah den gehörnten S. zerschlug 
Indra 1, 33, 12; de chväitröyd nr$ahyäya tasthäu S. erhob sich 
zum Männersieg 1, 33, 14; & süyakam maghävädatta väjram der 
Herr ergriff den Schleuderkeil 1, 32, 3; prats $ma ri$ato daha 
verbrenne die Feinde 1, 12, 5; vi göbhir ddrim äirayat um der 
Kühe willen spaltete er den Felsen 1, 7, 3; dpa sma tam 
pathö jahi treibe ihn vom Pfade hinweg 1, 42, 2; nir jyötifa 


1) Es sei hier bemerkt, dass ich mich auch hinsichtlich der Accen- 
tuierung der Präpositionen nach der Ausgabe von Nauck richte. 





$ 269.] Kap. XV. I. Präpositionen. Präverbium und Verbum finitum. 649 


tümasö ga aduk$at mit Licht melkte er die Kühe aus der 
Finsternis 1, 33, 10; prd sunvatäah situvatah $asam avah des 
Opfernden, Preisenden Gebet hast du gefördert 1, 33, 7; ni 
nö höta varenyah säda yavistfha mänmabhih lass dich um un- 
serer Gebete willen nieder als verehrungswürdiger Priester, 
o jüngster 1, 26, 2; päri tva girvano gira imäa bhavantu vi- 
$fvatah von allen Seiten mögen dich, o Liederfreund, diese 
Lieder umgeben 1, 10, 12. Entsprechendes findet sich auch 
in der Prosa (vgl. SF. 5, 45), z. B. dpa va ötdsmäd indriydm 
viryam krämati ydh samgrämdm upaprayäti weg geht von dem- 
jenigen Kraft und Heldenhaftigkeit, welcher in die Schlacht 
geht TS. 2, 2, 1, 2; pra prajdya jäyeya ich möchte mich durch 
Nachkommenschaft fortpflanzen TS. 2, 1, 2, 3. Insbesondere 
treten zwischen Präverbium und Verbum solche Wörter, welche 
der Stelle nach dem ersten Worte des Satzes zustreben. Das 
sind hervorhebende Wörter, wie va und övd und die Enkliticae, 
z. B. uta yddy andhö bhävati präivd pabyati selbst wenn er blind 
ist, sieht er doch TS. 2, 2, 4, 4; vi nö dhehr verleihe uns SB. 
2,4, 2, 1; vi väi te mathtsyamaha imäh prajäh wir werden 
diese deine Geschöpfe zerreissen SB. 2, 5, 1, 12. Auch in 
Nebensätzen kommt die Trennung vor, z. B. vi ya srjdti 
sdmanam welche die Versammlung entlässt RV.1,48, 6; yad adya 
bhänunä vi dvärao rndoo divdh wenn du heute mit dem Licht 
die Thüren des Himmels öffnen wirst 1, 48, 15; ye te prä 
yame$u yuhjate mdnd dänaya sürdyah die Herren, welche bei 
deinem Kommen ihren Sinn zum Geben rüsten 1, 48, 4; pdri 
ydd indra rödasi ubhe dbubhöjir mahina vißvdtah sim als du, 
o Indra, die beiden Welten mit deiner Grösse rings umfasstest 
1, 33, 9; yde cid dhi te vilo yatha prd deva varuma vratam 
minimäsi dydvi-dyavt wenn wir, o Gott Varuna, dein Gebot 
Tag für Tag als Menschen übertreten 1, 25, 1; ni yena musfi- 
hatydya ni vyira rimadhämahät durch den wir mit einem Faust- 
schlage die Gegner überwinden wollen 1, 8, 2. 

Ebenso bei Homer, nur dass sich ein Unterschied zwischen 
Hauptsatz und Nebensatz nicht beobachten lässt, z. B. ünd re 
tpdwos EiAaße yula I’ 34; napd 8 Eyyea paxpa nennyev I’ 135; dc 


650 Kap.XV. I. Präpositionen. Präverbium und Verbum finitum. .$ 269. 


& Epkras Erımöis Ayelpopev, ds 5 &xardudnv Belonev, dv Ö adımv 
Xpusmlda xaldırapyov Broouev A 142; xparepöv 8 &rı nößov Ereikev 
A 25; oßs nor’ An’ Alvelav EIdumv 8 108; 2E dpa 5n Tor Ereıa 
deol ppdvas wAeoav adrol H 360. Namentlich treten, wie ım 
Altındischen, einsilbige Wörter zwischen das Präverbium und 
das Verbum: ürd T Zoyero xal xareveuosv N 368; pera 5 drpa- 
nero A 199; xat äp ELero A 101; np yap Txe Bea A 195; pn 
&E u Tine Bea A 208; nepl yap ba & yalxds Ekeev A 236. 

Das Präverbium kann auch folgen, wenn auch nicht eben 
häufig. Beispiele aus dem RV. sind: ddardi vi srutir divah der 
Pfad des Himmels ist erschienen 1, 46, 11; jJayema sam zJudhi 
sprdhah wir möchten die Feinde im Kampfe besiegen 1, 8, 3; 
avında usriya anu du hast die Kühe aufgefunden 1, 6, 5; gamad 
väjebhir a sä nah er möge mit Beute zu uns kommen 1, 5, 3. 
Aus Homer: ywpnsav 8 önd Te rpdpayor xal Yaldınaz "Exrep 
A 505; Töre 8 nn Eyev xdra yala uälaıva B 699; Evapılov de’ 
evrsa M 195; rider d dvl Saldcda noAdda = 179; Aobay ano Bpöca 
aluardevra = 7. 

Wenn mit einem Verbum zwei Präverbien verbunden 
sind, so ist die Stellung derselben im RV. ebenfalls eine freie. 
Sie können beide hinter einander (aber als selbständige, jedes 
für sich betonte Wörter) vor dem Verbum stehen (vgl. SF. 
5, 47£.), x. B. abhi prehi komm (vorwärts gehend) herbei RV. 
10, 103, 12; ındram sakhäyo danu sam rabhadhvam den Indra, 
ihr Freunde, fasst hintereinander an 10, 103, 6; dihastam ri 
pärelana geht nach Hause hin auseinander 10, 85, 33. Oder 
es steht ein Wort oder Wörter zwischen ihnen, z. B. dpäasmät 
preyat er möge fortgehen von ihm weg 10, 117, 4; abhi savyena 
prä mySa raffe mit der Linken herbei 8, 81, 6; prä viryena 
devatati cekite durch Heldenkraft zeichnet er sich unter den 
Göttern aus 1, 55, 3. Oder es kann auch das eine Präverbium 
hinter dem Verbum stehen, z. B. dgne vi pasya brhatabkhi raya 
Agni, blicke (vi paßya) her mit grossem Reichthum 3, 23, 2; 
upa präyobhir a gatam kommt mit Labungen herbei 1, 2, 4. 
Im Laufe der Zeit hat sich aber die Veränderung vollzogen, 
dass das zweite Präverbium allein betont, das erste ihm aber 


$269.] Kap. XV. I. Präpositionen. Präverbium und Verbum finitum. 651 


proklitisch angeschlossen wird, z. B. oyabhi caretö, abhisam 
gachante u. ähnl. in MS. (im Text mit dem Verbum zusam- 
mengeschrieben). Das Gleiche findet sich auch schon ım RV,., 
wenn das zweite Richtungswort a ist, z. B. atyayähi 3, 35, 5, 
wobei auch noch das Verbum enklitisch hinzutritt, so dass 
das Ganze einen einzigen Komplex bildet. Der Grund für 
diese besondere Behandlung des @ liegt offenbar darin, dass 
es das Verbum sehr häufig nur in fast unfassbarer Weise modi- 
fiziert, also nicht recht als ein von demselben getrenntes Element 
empfunden wird. Was die Nebensätze betrifft, so kommt es 
wohl im RV. vor, dass beide Präverbien sich selbständig halten, 
aber das Gewöhnliche ist, dass entweder das eine selbständig 
bleibt und das andere sich vor das betonte Verbum unbetont 
vorlegt, z. B. sdm ydm äyanti dhendvah zu welchem die Kühe 
zusammen hinkommen RV. 5, 6, 2, oder dass sie beide in diese 
Lage gerathen, z. B. ydam vipra ukthavahaso "bhipramanduh den 
liederführende Sänger erfreut haben 8, 12, 13. In der Prosa 
ist dieses letztere Verfahren das üblichere geworden. Endlich 
können zu einer Verbalform auch drei Präverbien treten, 
wobei gewöhnlich @ oder dva das letzte ist. Ich habe über 
diese Verbindungen SF. 5, 435f. gehandelt und führe hier nur 
beispielsweise an: tdm sd mätsya upanya pupluve der Fisch 
schwamm auf ihn zu, von unten sich nähernd SB. 1, 8, 1,5; 
mädhye ha va etdt pranäh sänta iti ceti cätmänam anuvyüc ca- 
ranti auf diese Weise folgen die Hauche, welche in der Mitte 
sind, einander gesondert herausgehend nach SB. 9, 4, 3, 6. 
Im Homer finden sich zwei Präverbien gelegentlich 
von ihrem Verbum getrennt oder ihm nachgestellt, z. B. ünex 
xaxdımra pbyormev ı 489; orn Öe napex A 486. Stehen die Prä- 
verbien unmittelbar vor dem Verbum, so wird entweder eines 
mit ihm zusammengeschrieben, z. B. dA od ot yApıs Aypt 
repioteperar &rkeooıw 8 175, oder beide: "Extwp d Appırspiorpupa 
xallitpıyas Innous 8 348. Etwas Genaueres vermag ich darüber 
nicht zu sagen. Drei Präv. scheinen unter sich und mit dem 
Verbum vereinigt zu werden, s. unter brexrpoddw, brexnpoAdw, 
brexnpopfw, Önexnpopedyw, brekavadow, TAPEXTPOYPELYD U. 8. W. 


652 Kap.XV. I. Präpositionen. Präverbium u. Verb. infinit. [$ 269270. 


Zum Schluss wıll ich noch bemerken, dass eine Präpo- 
sition auch allein stehen kann, derartig, dass ein Verbum 
neben ihr zu ergänzen ist. Belege für diese Erscheinung aus 
dem Altindischen findet man bei Grrassmann unter den ein- 
zelnen Präpositionen und im Index zu Pischel und Geldner, 
Ved. Stud. 1. Dass eine Form von as fehlen kann, ist unter 
parı und prätis bemerkt worden. Ausser as kommen noch 
einige andere Verba, wie gehen, rufen, geben u. ähnl. in be- 
tracht. Beispiele sind: ä samydtam indra nah svastim $atru- 
türyäya brhatim dmydhram ununterbrochenes Glück zum Siege 
über die Feinde, hohes unablässiges her (gieb) uns, o Indra 
RV. 6, 22, 10; @ t% na indra her (komm) du zu uns, o Indra 
1, 10, 11; indram üpa präSastay& den Indra herbei zur Hilfe 
(lasst uns rufen) 5, 39, 4; prd t& sölära Onyo rdsam mädaya 
ghrgvays deinen Saft (lassen rinnen) vorwärts die Presser in das 
Gefäss zu kräftigem Rausch 9, 16, 1; yö vi dürah paninam der 
die Pforten der Panis (öffnete) 7,9,2; @po agnim yakasak sam hi 
pürvih denn viele herrliche Wasser (strömen) zusammen zu Agni 
3,1,11. Ähnliches lässt sich im Avesta beobachten und ebenso 
im Griechischen. Gewöhnlich ist eine Form von eiul zu er- 
gänzen, z. B. &vB’ Evı yev oudıns, &v 5 Tnepos, dv 6° daptotüs 
= 216; oö yap är Avnp p 537; od yap rıs nera Tolos dvnp @ 93; 
rapı ydp xal dApelvoves AAloı W 479; ümd 8’ Hulovor Takaspyot 
6 636. Gelegentlich aber auch andere Verba, so ein Verbum 
der Bewegung in zpd yev 7’ AAN, adrap dr dla N 799; etwa 
orrdı zu Ava Z 331. 

$ 270. Präverbium und Verbum infinitum. 

Dass die Trennung des Präverbiums vom Verbum in- 
finitum im Altindischen stattfinden kann (wenn sie auch 
selten ıst), habe ich SF. 5, 49 gezeigt. Beispiele aus dem RV. 
sind: pr& SmdSru dödhuvat den Bart schüttelnd; @ ca para ca 
pathibhi$ c4rantam den heran und hinweg über die Pfade hin 
laufenden; tänvanta & rdjah den Dunst hinbreitend. Wie es 
mit zwei Richtungswörtern gehalten wird, zeigen folgende 
Belege: abAy ücarantih die herankommenden; püäri göbhir 
ävrtam den mit Milch umhüllten; und andererseits: vipraydnlah 











$ 270—271.] Kap. XV. L Präpositionen. Präposition und Kasus. 653 


die auseinander strebenden. Aber nicht bloss bei Parti- 
zipien, sondern auch bei dem Infinitiv findet sich bisweilen 
dieselbe Erscheinung, z. B. prd daSüge datav um dem Frommen 
zu spenden RV. 4, 20, 10; vi präsartave sich weiter auszubreiten 
8, 67, 12. Ebenso bei Homer, z. B. r& 7 &oodueva npd T &dvra 
A 70; nplv yY &rt vo Twd’ Avöpl adv Imroroıwv xal dyeapıy Avrıßlnv 
2ABGuVTE obv Evreoı nepndrvar E 219; öAdoavr Ano navras &ral- 
pous B 174. Bei Infinitiven: Aptv dro Aoıyöv apövar A 67; pE£vov 
ö Em Eomepov &Ideiv a 422; nplv y’ And narpl pllp Ödpevar 
A 98. 

$ 271. Präposition und Kasus,. 

Die Stellung der Präposition zu ihrem Kasus lässt sich 
innerhalb des Altindischen nur in der Prosa auf eine feste 
Formel bringen: die Präposition steht nach dem Kasus, nur 
@ bis und purä@ vor stehen vor ihm (vgl. SF. 5, 21). Über den 
Zustand in der alten Poesie lässt sich schwer ein sicheres 
Urtheil fällen, weil, wie sich noch weiter zeigen wird, es in 
sehr vielen Fällen zweifelhaft bleiben muss, ob die Präposition 
zum Verbum oder zum Nomen gehört. Bei den sicheren 
Fällen der letzteren Art lässt sich beobachten, dass die Präp. 
wie in der Prosa oft hinter dem Kasus steht, z. B. parä ma 
yanti dhitäyd gävo nd gävyütir dnu fernhin gehen meine An- 
dachten wie Kühe zu den Weiden RV. 1, 25, 16 u.s. w. Man 
sehe namentlich SF. 5, 452 über @, und ddhi und pdri mit 
dem Ablativ bei Grassmann. Freilich steht auch oft die Prä- 
position voran, z. B. ma mädhi putrö vim iva grabhigta ergreift 
mich nicht wie einen Vogel über seiner Brut 2, 29,5 u. 8. w. 
Feste Verbindungen der Art sind dpa dyavi am Himmel, anu 
dyün die Tage hindurch, präti vdram dem Wunsche gemäss. 
In wie weit bei der Voranstellung der Präp. metrische Gründe 
entscheidend waren, muss dahin gestellt bleiben. Sie allein 
verantwortlich zu machen, würde mir gewagt erscheinen. — 
Zwischen die Präposition und den Kasus können Wörter treten, 
wie zwischen das Präverbium und das Verbum, z. B. ayne 
räk$a nö (hasah präti $ma deva rifatah o Agni, schütze uns 
vor Noth gegen die Schädiger, o Gott RV. 7, 15, 13; pathö va 





654 Kap.XV. I. Präposition zum Verbum oder Kasus gezogen. [$ 271—272. 


e$ö 'dhy apathenäiti vom Pfade sich abwendend geht jener 
auf pfadloser Bahn TS. 2, 2, 2, 1; yayhdpaier erädhi yaykam 
nir mimite aus dem Opferherren bildet er das Opfer MS. 1, 4,6 
(53, 19); pürufam hy dno a$vah denn auf den Menschen folgt 
das Pferd SB. 6, 2, 1, 18; sdroäni va dfa rüpäni paSünam praty 

ü labhyate er wird geopfert, um ein Äquivalent für alle Thier- 
gestalten zu haben TS. 5, 5, 1, 2. 

Im Griechischen stehen die Präpositionen im allge- 
meinen vor ihrem Kasus. In der Prosa findet sich die Nach- 
stellung bei repl, bei Dichtern ist sie häufig. An dieser Stelle 
mag es genügen, auf die Zusammenstellungen bei Krüger, Di. 
Synt. $ 68, 4 zu verweisen. — Dass Wörter zwischen Präpo- 
sition und Kasus treten, ist bei Homer nichts Seltenes, wenn 
es auch nicht so häufig geschieht wie bei Präverbium und 
Verbum, z. B. pera yes xAuröv Qaplova A 310; 2E Er narpav 
8 245; npös yap Ars 5 207; &; nep dönloow u 199; Ta oe rpori 
vaalv AyıllTos bedıdaydar A 831; eüpor 8 &v nnuara oixp ı 535; 
rap odx 2HEAwv E&delodon e 155; auch in adrdp nd yBav apsp- 
öadkov xovaßıLe noduv adrwv te xal Innwv B 465 scheint mir natür- 
lich, önd mit roö@v zu verbinden. In der bekannten Stelle xat re 
rpo 8 toü &vdnoev K 224 scheint mir zweifelhaft, ob toö zu xpd 
oder zu dem zusammengesetzten Verbum zu ziehen sei. Selten 
ist bei Homer die Einschiebung bei nachstehender Präposition, 
wie: ds Ixöpp por Eve tpegeraı T 326. In der attischen Prosa 
ist eine solche Stellung von repı nicht ungewöhnlich, z. B. 
rölews p&v o0v al »poupal nepı Tadıy yıyvdodwaoav (Plato). 


$ 272. Die Präposition kann zum Verbum oder 
zum Kasus gezogen werden. 


Nicht selten kann man im Zweifel sein, ob man die Prä- 
position näher zum Verbum oder näher zum Kasus in Beziehung 
setzen soll. Ich führe zunächst einige Fälle aus dem Rigveda 
an. Bei der Durchmusterung derselben wird man bemerken, 
dass Böhtlingk-Roth gewöhnlich das Präverbium annehmen, 
Grassmann gewöhnlich die Präposition. Der Kürze wegen 
zeichne ich solche Sätze durch das Zeichen * aus: *ats irjfam 














$ 272.) Kap. XV. I. Präposition zum Verbum oder Kasus gezogen. 655 


vavakfitha du bist über das Beissende (den Rauch) empor- 
gewachsen RV. 3, 9, 3; in dhir na Jürnam dti sarpati toäcam 
wie eine Schlange kriecht er über seine alte Haut weg (d. h. 
so viel als: aus ihr hinaus) 9, 86, 44 könnte man dti an sich 
doppelt auffassen. Dass jedenfalls auch die Verbindung mit 
dem Verbum möglich ist, zeigt: ydd vamrö alisarpati worüber 
die Ameise wegkriecht 8, 102, 21; in tistha ratlham ddhi tam 
steige auf diesen Wagen 5, 33, 3 fasst Grassmann adhi als 
Präp., meint dann aber selber, es sei besser zum Verbum zu 
ziehen. Ebenso 9, 85, 9; *ürdhvo hy asthad adhy antärik$e hoch 
hat er sich aufgestellt auf der Luft 2, 30, 3; *abhi dyam ma- 
hina bhuvam an Grösse habe ich den Himmel übertroffen 
10, 119, 8; *abhi Iva pürvapitaye srjami somyam madhu für dich 
zum Vortrunk giesse ich aus den Somasaft 1, 19, 9. Böhtlingk- 
Roth stellen also den Akk. ioa@ in Beziehung zu den Verbum 
abhi-sarj, wie man in der Prosa abAi-sary losgehen auf, an- 
fallen mit dem Akk. verbindet; in däßvasam üpa gachatam 
kommt zum Verehrer, besucht den Verehrer 1, 47, 3 ist beides 
möglich; in vdhantvo arundpsava üpa tva somino grham die 
rothen Rosse sollen dich herbeiführen zum Hause des Soma- 
trinkers 1, 49, 1 ist dpa natürlich nicht mit iv@ zu verbinden, 
obwohl dies unmittelbar darauf folgt, sondern entweder mit 
vahantu oder grhdm; *pdri dyam anydd iyate das andere um- 
wandelt den Himmel 1, 30, 19; *prati va ena ndmasähdm emi 
ich gehe euch entgegen mit dieser Andacht 1, 171,1. Natür- 
lich kann der Zweifel erst recht eintreten, wenn zwei Präpo- 
sitionen vorhanden sind, z. B. *s4 mänusir abhi vi8o vi bhati 
er glänzt über die menschlichen Völker hin (überglänzt sie) 
7,5, 2; so fassen Böhtlingk-Roth auch in vi yäty abhi mänugan 
er breitet sich über die Menschen aus 1, 48, 7 abhi als Prä- 
verbium, während anderen die Auffassung als Präp. natürlicher 
erscheinen wird. Ich füge noch einige Sätze hinzu, in welchen 
der von den europäischen Sprachen herkommende Leser sicher- 
lich eine Präpositon erkennen würde, während Böhtlingk- 
Roth nur Präverbien annehmen: pa bhrätytvam ayati er kommt 
zur Brüderschaft heran (um euer Bruder zu werden) 8, 20, 22; 


656 Kap.XV. I. Präposition sum Verbum oder Kasus gezogen. [$ 272. 


gavo nd yütham üupa yanti vädhraya üpa mä yanti vadhrayah 
wie Kühe zur Heerde kommen die Verschnittenen, kommen 
zu mir die Verschnittenen 8, 46, 30; üd ghed abhi vrfabham 
ästäaram e$i süurya du gehst auf gegenüber dem Stier, dem 
Schützen, o Sonne 8, 93, 1 (vgl. na svapantam abhyud ıyat nicht 
möge sie über einem Schlafenden aufgehn SB. 3, 2, 2, 27); 
mäam dnu prä tö mäno valsdm gäur iva dhavatu dein Herz eile 
zu mir herbei, wie die Kuh zum Kalbe 10, 145, 6; id utsnäya 
rayım abhi pra tasthuh nachdem sie dem Wasser entstiegen 
waren, gingen sie auf Reichthum aus 2, 15, 5 (vgl. nädyo 
hrdayat puritätam abhipra üfthante Adern ziehen sich vom 
Herzen aus nach dem Herzbeutel hin SB. 14, 5, 1, 21). 

Was Homer betrifft, so wird allgemein zugegeben, dass 
man öfter nicht entscheiden könne, ob Präposition oder Rich- 
tungswort anzunehmen sei. Schwankt doch bisweilen sogar 
die Überlieferung, z. B. A 269, wo xal piv toloıv &ym usdonileov 
oder ned’ önlkeov, & 191, wo oteüro ydp “Hoatstoıo rdp olosyev 
&vrea xald oder raporo£uev geschrieben wird. Die Untersuchungen 
der Neueren haben nicht zu einem feststehenden Ergebnis ge- 
führt. Hoffmann, dem Kühner sich anschliesst, nimmt an 
— ich erwähne nur die Hauptsachen — dass Verbindung mit 
dem Verbum, nicht mit dem Kasus vorliege, wenn die Prä- 
position von dem Kasus durch die Hauptzäsur geschieden ist, 
z. B. &vvipap tv Ava orparov Gyero xnila Beoio A 53 (also dv- 
WxEro); Xwonswp, Ste T aupl Tupwdı yatav indoon B 782 (also 
aupınacay); Apkorauös dt repl oröna yivero OU 607 (also zepı- 
xivero). Eine Ausnahme sollen die elidierten Präpositionen 
machen, wie roAla 54 Keßpısynv aup ökka Soüpa nemnyer II 772, 
wo sich das leicht gewordene dyp an Keßprövnv anlehnen soll. 
Mit dieser Ausnahme ist aber zugleich zugegeben, dass die 
Hauptzäsur keinen Schnitt des Sinnes zwischen den Grenz- 
wörtern macht, und damit der Regel selbst der Boden ent- 
zogen. Eine zweite Regel geht dahin, dass dıe Verbindung 
mit dem Verbum anzunehmen sei, wenn zwischen die Prä- 
position und den Kasus ein oder mehrere Wörter von Gewicht 
treten, wie z. B. app! d£ yaitaı auoro dlsaovraı U) 266 (wobei 





$272.] Kap. XV. L Die Präposition sum Verbum oder Kasus gezogen. 657 


Kühner hinzufügt: den Schultern wallen die Mähnen umher, 
poetischer als “um die Schultern’). Insbesondere soll Verbindung 
mit dem Verbum stattfinden, wenn das Verbum nach der Prä- 
position, aber vor dem Kasus steht, z. B. mepl 52 &lpog 6b Ber 
"öup 8 3 (also xepidero); oder wenn die Präposition hinter dem 
Verbum, aber nicht unmittelbar vor dem Kasus steht, z. B. 
Bakdsıv 7 And Ödxpu mapeıwv 5 198 (also Aroßakkeıw). Auf der 
anderen Seite ist nun aber auch wiederum nicht zu leugnen, 
dass auch eine Präposition von ihrem Kasus durch einzelne 
Wörter getrennt werden kann. Als solche Wörter werden an- 
gegeben ‘kleine, gewichtlose, zum theil enklitische Wörter’, z. B. 
dıa ev dp Lwornpos &ihlaro A 135 (also da Lworäpos, nicht dt- 
eAhAaro), und attributive Genitive, z. B. BA d£ xar OdAduroro 
xapıvov A 44 (also nicht xatEßn). Das Unglück war nur, dass 
man nicht mit Bestimmtheit sagen konnte, welche Wörter ge- 
wichtig und welche gewichtlos seien, und so ergaben sich Ent- 
scheidungen, welche den Glauben an die Richtigkeit des ganzen 
Verfahrens zerstören müssen, z. B. &v in &v ö& od Totoı rephosaı 
N 829 soll Präverbium sein, aber &x in &x ydp opsas ysıpav 
pbyov hvla A 128 Präposition, weil die trennenden Wörter im 
ersteren Falle gewichtig, im zweiten gewichtlos sein sollen; in 
Bakgsıv T And daxpu rapemv soll Präverbium, in Pr d& xar 
OöAöproro xapnvwv Präposition vorliegen u. s. w. Dass es ge- 
lingen sollte, durch tiefer eindringende oder weiter ausgreifende 
Untersuchung zu bestimmteren Ergebnissen zu gelangen, halte ich 
nicht für wahrscheinlich, vielmehr stimme ich Tycho Mommsen 
bei, wenn er a. a. O. 29 mit Beziehung auf ysra y4p te xal 
Alyeoı tepreraı dvnp 0 400 sagt: “Ob man nerd an die zunächst 
stehende Biegung äAyscı oder enger an das Zeitwort tepreraı 
anschliessen soll, hängt weniger von der Wortstellung — die 
ja als eine rhetorische, sinnlich-komplexive hier wie in vielen 
anderen Fällen beides zulässt — als vielmehr lediglich von 
dem damaligen Gebrauche ab. Da wir diesen nun nicht 
immer kennen, so bleibt uns manchmal ein Zweifel übrig; ja 
es ıst möglich, dass auch alte kundige Leser des Homer hier 


verschieden, die einen per AAyesoı repreraı, die anderen nera- 
Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm. Sprachen. ]. 43 





658 Kap. XV. I. Die Präposition zum Verbum oder Kasus gezogen. ([$ 272. 


tepreraı dAyesı verbunden und danach betont haben”. Unter 
diesen Umständen muss ich mich damit begnügen, einige Be- 
lege für die Thatsache anzuführen, dass man oft nicht ent- 
scheiden kann, ob Präverbium oder Präposition vorliegt. Solche 
Belege sind: dyupt 88 nnAnt opepdaldoy xporagoıoı TIvdoceto pap- 
vau£voro O 608; dpi 88 ıv omupd tünte xal adydva dfppa Z 117; 
av 6 Apa TmAduayos vnös Baive B 416; am typ yeıpbs Öpöpyvo 
E 416; roAMdv ap and rAuvol elcı nölnos C 40; Blepapmv Aro 
ödxpua inter E 129; xepains ano Yäüpos Eleonev d 88; dx de Xpo- 
onis wnds Br A 439; dx 54 vixus olixav Yöpeov w 417; dvnAudev 
&x Ödpu yalns 6 167; dv dE Te olvov xpmripow xepdwvro u 252; &v 
ög Te Bonds ormdecıv Artponds darıv II 162; Ev 5 Eder Aaxnoderm 
8 274; olaıw &nl Zeig Bine xandv uöpov Z 357; to 8 Enl xudveov 
veoos Ayaya W 188; &nl Tpweocev dpnikar A 408; tw 5 els Auporipm 
Aroundeos Apuara Prmv 8 115; dmel xard teiyos EBnoav N 737; 
xard 5 aina veoutatou Eppss yeıpdc N 539; Baloı xara daxpo 
raperov 8 223; uerd 84 pymoripow eıne p 467; rap 5 loav Oxe- 
avod re bods w 11; Tod xev SH rAumpwra rap Aylad Öpa PEporo 
A 97; aördp &yw repl ytv Elpos dpyupdndov aporıv Baldenv x 261; 
rept T Appös dödvras yivaraı T 168; nor 58 unintpov Bade yaiy 
A 245; npd 5 dp oöpfies xlov adray W 115; So öL xTunos Bpvuro 
rooolv dvöpwv T 363. 

Soweit der Veda und Homer. Vergleicht man sie, so 
findet man bei aller Ähnlichkeit doch eine erhebliche Ver- 
schiedenheit: bei Homer hat die präpositionelle Anwendung 
stark zugenommen. Das ist auch ganz natürlich. Wenn zu 
einem mit einem Präverbium in Beziehung stehenden Verbum 
ım Altindischen ein Kasus tritt, so geschieht das entweder in 
einem sehr allgemeinen Sinne (so bei den Akkusativ) oder in 
einem ziemlich eng umgrenzten (so bei dem Gen., Dat., Instr., 
Lok., Abl.). Im Griechischen ist es anders. Der alte, freie 
Gebrauch des Akkusativs ist sehr eingeschränkt. Im Altind. 
würde z.B. in einem Satze wie Ab 8’ &; xouledv wos ueya Eipos 
A 220 2; als Präverbium gelten können, weil xouledv Akk. des 
erstrebten Zieles sein kann, im Griechischen nicht mehr. Die 
obliquen Kasus aber sind zusammengeflossen, der Abi. mit 


$272—273.) Kap. XV. IL Die-Präp. als Adverbium oder Partikel. 659 


dem Gen., die übrigen mit dem Dativ, so dass durch eine 
Präposition angedeutet werden muss, in welchem Sinne der 
betr. Mischkasus verstanden werden soll. Im Griechischen ist 
also der Hinzutritt einer Präposition zu dem Kasus nöthiger 
geworden als er im Veda war. Man kann also aus dem 
Griechischen allein nicht wohl entscheiden, welche Anwendung 
der Präposition die ursprüngliche war. Aus dem Veda aber 
erhellt auf das deutlichste, dass es die präverbielle war. 


$ 273. Die Präposition als Adverbium oder Partikel. 


Es ist bekannt, dass Präpositionen auch als Adverbien und 
als Partikeln erscheinen können. Ich bespreche diesen Ge- 
brauch, um zu ermitteln, ob vielleicht in ihm eine ältere An- 
wendungsstufe der Präposition vorliegt, was ich verneine. 

1. Dass eine Präposition wie ein Adverbium des Ortes oder 
der Steigerung gebraucht wird, findet sich nicht selten bei 
Homer, z. B. dydaı 5° Appl nepl n£ya Tayov © 10; ndvra ÖE oil 
Bidpap’ Any! xal ömpbas ebaev Autumn ı 389. Es liegt auf der 
Hand, dass auch ın diesen Stellen der Gebrauch als Präverbium 
vorliegt, nur dass die Beziehung zwischen dem Richtungswort 
und dem Verbum nicht so innig geworden ist, dass sog. zu- 
sammengesetzte Verba entstanden sind. Im Veda würde man 
diese Verbindungen ohne Bedenken dahin rechnen. Von be- 
sonderem Interesse ist pärs-nepl. päri soll rings bedeuten, 
RV. 1, 146, 5 didrk$önyah päri kasthasu sehenswürdig rings bei 
den Holzscheiten. Man könnte freilich auch mit Ludwig an- 
nehmen, dass hier eine Verbindung von pdrs mit dem Lok. 
vorläge, und ‘um die Scheite” übersetzen. RV. 9, 7, 6 kann 
päri auch zu sidasi gezogen werden. Endlich 7, 3, 7 yatha 
vah svähägndye dasema pärtläbhir ghrtävadbhi ca havyaih 
“damit wir mit Zuruf eurem Agni dienen mit Erquickungen 
und butterreichen Opfern’ soll par! weiterhin bedeuten. Man 
kann aber auch pdri-da5 annehmen. Bei Homer heisst rept 
unzweifelhaft in hohem Grade, z. B. ıd 5% repl daupa Teruxto 
> 549; oö nepl yiv npdppwv apaöln K 244; nepl n&v Belsıv Taxdv 
II 186; oüvexd ror nepl düxe Beös rolspunia Epya N 727; xal 

42* 


660 Kap. XV. I. Die Präpositionen in der Zusammensetzung. [$ 273—274. 


rdvrov Tpwwv, repl 8° au Ilpıäpoıd ya naldov & 105. Es scheint 
mir natürlich, anzunehmen, dass diese Bedeutung von xept in 
der Verbindung mit den Verben eiut und ylyvopar entstanden 
ist, welche zuerst hiessen “herum sein’, dann “bewältigen, über- 
treffen, drüber stehen’ (vgl. Sätze wie: ol zepl p&v BouArzv Aavamv, 
repl 8 dor& uäyschaı A 258, wo man auch übersetzen kann: 
ihr seid ausgezeichnet vor). Denselben Sinn wie repl hat aı. 
dti in dti yö mandrö yajdthaya devah der Gott, welcher sehr 
lieblich zum Verehren ist RV. 2, 28, 1 (die anderen Stellen, 
welche Grassmann anführt, scheinen mir den freien Gebrauch 
von dti nicht zu erweisen). Offenbar liegt ın dii-mandräd eine 
Art von Komposition vor. 

2. Präpositionen können auch wie Partikeln satzverbindend 
oder wortverbindend gebraucht werden. Dahin gehören ai. 
dpi auch, sogar (vgl. SF. 5, 525), av. aipi auch, altp. apiy auch. 
noch, z.B. aß aipi täis anhaiti usta so mag es auch durch diese 
wohl ergehen y. 30, 11, dazu griech. &r! ö$ ausserdem (Herodot); 
ai. dpa dazu, ferner; z.B. üpa ca trayddaßö mäsah dazu der 
dreizehnte Monat SB. 6, 2, 2, 29; ai. ddki dazu: faflir viräso 
ddhs $at sechzig Helden, dazu sechs RV. 7, 18, 14; mpös 88 xat, 
rpös &E dazu (Herodot); nerd 64 darauf u. ähnl. Es kommt mir 
wahrscheinlich vor, dass auch diese Bedeutungen sich aus der 
Verbindung mit Verben entwickelt haben. Man erwäge nach 
dieser Richtung homerische Ausdrucksweisen wie: rpopnvnottvo: 
dodAdere, und’ Ana mävrec, mpüros &yb, nera 8 Opec @ 231; 
Bidccoe 54 oi xoröAnv, npbs 8° Apom bike revovre E 307. 


& 274. Die Präpositionen in der Zusammen- 
setzung. 


Da es nach den bisher vorgeführten Thatsachen wahr- 
scheinlich ist, dass das Altindische auch in dieser Beziehung 
das Alterthümliche erhalten habe, so beschränke ich mich auf 
diese Sprache. Eine Präposition bildet entweder das erste Glied 
eines Kompositums, dessen zweites Glied ein Nomen von ver- 
balem Sinne ist, so dass diese Zusammensetzung die grösste 
Ähnlichkeit mit der Verbindung zwischen Präverbium und 





8274] Kap. XV. 1. Die Präpositionen in der Zusammensetzung. 661 


Verbum hat, oder eines Kompositums, dessen zweites Glied ein 
echtes Nomen ist. 

1. Ich führe zuerst Beispiele für die erste Art der Ver- 
bindung an, welche die bei weitem häufigste ist. Die Belege 
entnehme ich den trefflichen Abhandlungen von Reuter, KZ. 
31, welche für die Lehre von der indischen Komposition voll- 
ständiges und übersichtlich geordnetes Material bieten. Solche 
Belege sind z.B.: samidh flammend, anuga nachgehend, pratidüh 
frisch gemolkene Milch, viprc nicht berührend (als Gegensatz 
zu sampfc in Berührung stehend), paripri theuer, abhipramür 
zermalmend, samydh das Gelingen, apadha das Versteck, upasdd 
die Belagerung, vyävrt die Unterscheidung, prakyntd der Zer- 
schneider, parskrößa der Schreier, atigrahö der mächtige Er- 
greifer (Überergreifer), »idhärays der etwas eingesetzt hat, 
abhibhavd übermächtig, parimard d nächste Umgebung 
hingestorben ist, samgamd das Zusammentreffen, abhidröha die 
Beleidigung, atimänd der Hochmuth, vimöka die Ausspannung, 
arambhä die Unternehmung, adhivakd die Fürsprache, upavakd 
die Anrede, paräväkd der Widerspruch, anusamcard nachgehend, 
pratyavaröha das Herabsteigen zu jemand hin, upepsa der 
Wunsch, vicikitsa zweifelnde Überlegung, antardhi Verbergung, 
üäcakri etwas ın etwas verwandelnd, parädadi hingebend, 
vyardhuka verlustig gehend, pramäyuka dem Untergang ver- 
fallend, samithd das feindliche Zusammentreffen, pratidivan der 
Gegenspieler, vibhävan scheinend, upaßtvarı daneben liegend, 
paryäyin feindlich umgehend, anukamin begierig, pratigrähin 
ın Empfang nehmend, pratyudyamin das Gegengewicht haltend, 
äkrämana heranschreitend, n. das Heranschreiten, »iskrdyana 
loskaufend, n. das Loskaufen, samgdmana versammelnd, n. das 
Zusammentreffen, ävdriansa umwendend, n. das Umwenden, 
abhyadhäna das Hinzulegen, abhyavahdrana das Hinabschaffen, 
oyaffi das Erlangen, upapti die Erreichung, dahiti die Erinne- 
rung, pröti der Weggang. Man sieht, dass die Präposition in 
keinem anderen Sinne auftritt, denn als Präverbium. 

2. Viel geringer ist die Anzahl der Fälle, in welchen die 
Präposition mit einem Nomen im engeren Sinne verbunden wird. 


662 Kap.XV. I Die Präpositionen in der Zusammensetzung. [$ 274. 


Die Art dieser Verbindung kann eine verschiedene sein. 
Erstens nämlich so, dass das Nomen von der Präposition ab- 
hängig gedacht ist, z. B. atyav: über die Schafwolle rinnend, 
adhiratha (auf dem Wagen seiend) Wagenlast, anupatha den 
Weg entlang gehend, druorata nach jemandes Befehl handelnd, 
apavrata gegen das Gesetz handelnd, adhtdyu dem Himmel 
zustrebend, adeva den Göttern zustrebend, äpathi auf dem Wege 
befindlich, upärsbudhna über den Boden emporragend, pranapät 
Urenkel (eig. der vor dem Enkel seiende, wobei die Anschauung 
von der Reihe der Aszendenten übertragen ist), praävira den 
Helden vorangehend, sie übertreffend (ein grosser Held), 
upakak$d bis zur Achsel reichend, atirätra übernächtig, apiprana 
jeden Athemzug begleitend, apifarvard an die Nacht grenzend, 
Frühmorgen. Hieran schliessen sich die akkusativischen Ad- 
verbia mit Schlussbetonung wie: anupürodm (einem vorderen 
folgend) nach der Reihe, anusfoadham dem eigenen Willen ge- 
mäss, freiwillig, gern, abhiynü bis ans Knie, ädvadaam bis auf 
zwölf, pradögam abends, pratikämam nach Begehr, pratidogam 
gegen Abend, samakjam vor Augen. Zweitens: Die Präpo- 
sition hat ihre Beziehung ausserhalb des Kompositums. Dabei 
können die Komposita substantivisch oder adjektivisch sein. 
Belege für den ersten Fall sind: adhipats Oberherr, adhsraja 
dass., präpada Fussspitze, prapatha in die Ferne führender Weg, 
pratijand Gegner. Für den zweiten Fall: atyurmı (darüber 
gehende Welle habend) überwallend, ddhinirniy mit glänzendem 
Gewand bekleidet, ddhirukma Goldschmuck an sich tragend, 
adhtvastra mit Gewändern bekleidet, &d0j7as (in die Höhe gehende 
Gewalt habend) übergewaltig, pramanas (vorwärts strebende 
Gesinnung habend) sorgsam, liebreich, prämahas (vor anderen 
hervorragende Macht habend) von grosser Macht, prävayas mit 
Jugendkraft begabt, vigriva dem der Hals abgehauen oder um- 
gedreht ist, vipakgas auf beiden Seiten des Wagens gehend, 
vipatht zur Seite des Weges gehend, auf Abwegen gehend, 
viparva gelenklos, vimaya der Zauberkraft beraubt, virupa ver- 
schiedene Farbe habend, sdmant« gemeinsame Enden habend. 
an einander grenzend, sdmökas gleiche Wohnstätte habend. 





5274] Kap. XV. I]. Die Präpositionen in der Zusammensetzung. 663 


In diesen Beispielen tritt keine Bedeutung der Präposition 
hervor, welche man für besonders bemerkenswerth oder gar für 
besonders ursprünglich anzusehen hätte. Eine bemerkenswerthe 
Nuance zeigt sich etwa bei ve, parı und prd. Vi mit Verben be- 
deutet, wie ich SF. 5, 464 ausgeführt habe, ‘auseinander’, so 
bei Verben der Bewegung wie vi-3 auseinander gehen, vi-dru 
auseinander laufen u. s. w. Sind diese Verba transitiv, so 
bedeuten sie: durch Bewegung auseinander bringen, durch- 
schneiden, z. B. vi-y& durchfahren, vi-dhav durchrinnen, hin- 
rinnen durch, durchsickern, vi-pat durchschneiden, vi-gah sich 
tauchen ın (apds, eigentlich das Wasser auseinander tauchen). 
Daran schliesst sich vimadhya die Mitte eines Gegenstandes, 
eigentlich die "Durchmitte. Bei den Verben, welche ‘er- 
scheinen, sehen, unterscheiden’ bedeuten, wird durch vi die sich 
entfaltende Erscheinung und die auseinander legende Thätig- 
keit bezeichnet, z. B. vi-dar$ deutlich sich wahrnehmen lassen, 
zum Vorschein kommen, vi-pa$ sehen, unterscheiden, vi-cit 
wahrnehmen, unterscheiden, vi-vid unterscheiden, wissen, vi- 
3%a erkennen, unterscheiden. Daran knüpft sich vi-maras mit 
durchdringendem Verstande begabt. In anderen Fällen wird 
der Begriff der Trennung betont, z. B. vi-tak$ abspalten, vs-ni 
wegführen. Dazu gehören die oben angeführten Nominal- 
bildungen wie vigriva u. s. w. und das eben erwähnte vimanas, 
welches auch ‘unverständig’? bedeutet. Endlich kann man » 
auch “durch und durch’ übersetzen, so dass es eine Verstärkung 
des Verbalbegriffes ausdrückt, z. B. vi-sah überwältigen, vi-ra7 
bemeistern, vi-a$ erlangen, in Besitz nehmen, beherrschen. 
Eine gleiche Verstärkung des Begriffes findet sich in vicargant 
sehr regsam. Bei pr@ entwickelt sich aus der Anschauung der 
vorschreitenden Bewegung der Gedanke des Hervortretens, 
Hervorragens, wie in prämahas hervorragende Macht habend 
(s. oben); so erscheint pra auch vor Adjektiven z. B. pralanu 
sehr fein, ebenso im Griechischen, so bei Homer in rporas 
durchaus jeder. Eben daher erklärt sich auch der von Miklosich 
so genannte diminuierende Gebrauch im Slavischen und Litaui- 
schen, z. B. russ. prosini bläulich, lit. pröjüdis schwärzlich, 


664 Kap. XV. I. Schlussbetrachtung über die Präp. 15274275. 


proraudonas dunkelroth, rothbraun, d.h. eigentlich stark blau, 
aber nicht ganz u. s. w. — Über päri habe ich SF. 5, 459 be- 
merkt: “Man kann aber ‘herum’ auch gebrauchen, wenn man 
den Nachdruck auf die vollständige Umfassung eines Gegen- 
standes, die vollständige Vollbringung einer Handlung legt. 
So kann man päri allenfalls mit ‘vollständig, ganz’ übersetzen 
und ihm mithin einen verstärkenden Sınn zuschreiben, so ın 
der Verbindung mit vand loben, rühmen, preisen; mit Ad er- 
kennen, genau wissen; mit vid genau wissen Indpı olde). 
Daran schliessen sich Zusammensetzungen wie parsmanyu von 
Zorn erfüllt, parıdurbala überaus schwach und manche andere 
nachvedische Wörter, ferner partvatsara ein volles (rundes) Jahr 
(etwas anderes ist wohl paryaßru voller Thränen aufzufassen, 
nämlich: Thränen um sich habend). Ebenso im Griech., z. B. 
repıunxns sehr lang, lat. per- in permagnus, lit. perdaüg zu 
viel, perdidelis zu gross, serb. prelijep sehr schön u. ähnl. 

So zeigt sich denn überall, dass der Gebrauch in der Zu- 
sammensetzung mit dem Nomen sich an den Gebrauch des 
Präverbiums anlehnt, welches also die Wahrscheinlichkeit für 
sich hat, den ursprünglichen Sinn zu enthalten. Ich leugne 
natürlich nicht, dass sich aus der Beobachtung des Grebrauches 
der Präp. und Zusammensetzungen auch manches für meinen 
Zweck Nützliche ergeben würde (z. B. die Uebereinstimmung 
von lat. odlongus und tech. obdelny, obdlouhy länglich), glaube 
aber, aus dem angeführten Grunde von der Behandlung dieses 
Gegenstandes, für den mir ausgedehnte Sammlungen nicht zu 
Gebote stehen, absehen zu dürfen. 

$ 275. Schlussbetrachtung. 

Aus meiner Darstellung dürfte sich ergeben haben, dass 
es die ältere Aufgabe der Präpositionen war, die Handlung 
des Verbums nach Massgabe des ihnen innewohnenden Sinnes 
näher zu bestimmen. Trat nun zu dem so bestimmten Verbum 
ein geeigneter Kasus, so konnte sich zwischen ıhm und der 
Präposition ein näheres Verhältnis entwickeln, bei dem die 
Präposition den Sınn des Kasus, wie wir später im einzelnen 
sehen werden, sehr erheblich modifizieren konnte. Da die 





$ 275.) Kap. XV. I. Schlussbetrachtung über die Präp. 665 


traditionelle Wortstellung im Indogermanischen die gewesen 
sein wird, dass die Präposition vor dem Verbum stand, vor ihr 
aber der Kasus (da ja das Verbum gewohnheitsmässig am Satz- 
schluss stand), so ergiebt sich als natürliche Stellung der Prä- 
position die Stellung hinter dem Kasus, den sie bestimmt oder, 
wie wir sagen, regiert. Bei dieser Ansicht der Sache ist voraus- 
gesetzt, dass die Präposition sich von dem Verbum löst und 
zu dem Kasus übergeht. Man kann aber auch den Fall an- 
nehmen, dass sie bei dem Verbum bleibt und bei dem Kasus 
wiederholt wird. In einem solchen Falle und bei okkasioneller 
Stellung des Verbums könnte die Präp. wohl auch vor den 
Kasus getreten sein. Ich erspare mir die Erörterung dieser 
Frage bis zu einer zusammenfassenden Erwägung der indo- 
germanischen Wortstellung. 

Die Präp. war in der Ursprache im Hauptsatze jedenfalls 
nicht mit der Verbalform, zu der sie innerlich gehört, ver- 
schmolzen (wie es im Nebensatze ausgesehen habe, lasse ich 
hier unerörtert). Dieser Zustand ist im Altindischen geblieben, 
in anderen Einzelsprachen aber hat sich allmählich eine An- 
näherung der Präp. und der Verbalform vollzogen, so dass im 
nachhomerischen Griechisch, im Lateinischen, Germanischen, 
Baltisch-Slavischen die Verbundenheit der regelmässige Zustand 
ist. Doch finden sich überall noch Reste der ursprünglichen 
Getrenntheit, z. B. lat. sub vos placo, got. ga-u-hva-sehvi (Kluge, 
KZ. 26, 80), lit. ap-si-su%tt sich drehen (Kurschat $ 1142). Dass 
der Ausdruck “Zusammensetzung’ für diese Vereinigung unter 
einem Accent nicht eben passend ist, ist klar. Doch wird er 
sich schwerlich mehr ausrotten lassen. 

Etwas abweichend von meiner eigenen früheren Ansicht 
habe ich jetzt den sog. adverbialen Gebrauch der Präp. be- 
handelt. Ich glaubte früher, z. B. in xepı sehr noch einen Rest 
eines uralten, freien Gebrauches des Wortes zu erkennen. Indes 
bei näherem Zusehen hat sich ergeben, dass die Thatsachen 
ım Veda und Homer mehr dafür sprechen, in dem sog. freien 
Gebrauch eine Entwickelung aus dem präverbialen zu erblicken. 


666 Kap. XV. II. ai. dpa, av. apa, gr. drd, lat. ab, got. af. 5276. 


Do. 


Die zugleich als Präverbia und Präpositionen gebrauchten 
Wörter. 


In diesem Abschnitt sollen die hauptsächlichsten der durch 
das Indogermanische durchgehenden Präpositionen zur Dar- 
stellung gebracht werden, und zwar in folgender Reihenfolge: 


$ 276. Ai. dpa, av. apa, gr. aro, lat. ab, got. af. 

$ 277. Ai. dva, av. altp. ava, lat. au, preuss. au, aksl. u. 

$ 278. Ai. antär, av. antare, altp. antar, lat. snter (umb. 
osk. anter). 

$ 279. Ai. dpi, av. aipt, gr. &ri. Dazu lat. od, Hit. pi. 

$ 280. Aı. abhi, av. aim, asbi, altp, abıy, lat. od (amb), 
germ. di (umbı), slav. oba. 

8 281. Ai. dd, av. us, altp. ud, us, got. ul, us. 

$ 282. Ai. dpa, av. altp. upa, gr. uno, got. uf (lat. sub). 

$ 283. (Anhang zu 282) lıt. 20, pa-, aksl. po. 

$ 284. Ai. parı, av. pair, altp. parıy, gr. zepl, lat. per. 
got. farr, lit. pef (aksl. pre-). 

$ 285. Ai. prd, av. altp. fra, gr. xpo, lat. pro, lit. pra (prö, 
slav. pro. 

$ 286. Av. pasti, pastis, altp. pats, patis, gr. rotl, nos. 

$ 287. Ai. präti, gr. rporl, zpoc. 

$ 288. Ai. sdm. av. altp. ham, lit. su, aksl. sü. 


8 276. Ai. dpa, av. apa, gr. ano (ano), lat. ab (viel- 
leicht ap in aperio), got. afı) 

bedeutet, wie Krüger sich ausdrückt, ursprünglich Ab- 
scheidung. Es tritt daher häufig zu Verben des Gehens und 
Führens, z. B. ai. apa-i, gr. Aretyı, lat. abeo weggehen; ai. apa- 
gam, av. apa-jas, gr. Anolalvo weggehen; ai. dpa-cyu, gr. 
aroosvona: enteilen; ai. dpa-sthäa sich fern halten, abtrünnig 


1) Von ab wird @ wohl getrennt werden müssen, wenn auch das Ver- 
hältnis von er zu & ein Analogon bietet. ä könnte dem indischen & ent 
sprechen. 





$276] Kap.XV. I. ai. dpa, av. apa, gr. dr.6, lat. ab, got. af. 667 


werden, gr. dpiornuı entfernt stehen von, lat. absisto wegtreten, 
sich entfernen, got. afstandan abstehen, sich abwenden, ab- 
fallen; ai. dpa-ay, gr. drayw, lat. abigo wegtreiben; ai. apa-bhar, 
av. apa-bar, gr. anop&pw wegtragen; lat. abduco wegführen, 
got. aftiuhan fortziehen. Von weiteren proethnischen Ver- 
bindungen führe ich noch an: ai. dpa-dhä, gr. arorlönpı, lat. 
abdo wegthun (vgl. namentlich ai. apadha Versteck und lat. 
abdo verstecken); ai. dpa-chid, gr. anooyilw, lat. abscindo, got. 
afskardan abspalten, abschneiden; ai. dpa-mar}, gr. anopöpyvopı 
abwischen; ai. dpa-Ak$i abnehmen (vom Monde gesagt), gr. aro- 
odivo zu Grunde gehen; ai. apa-/up ausraufen, abtrennen, pass. 
abfallen, lat. aörumpo. Bisweilen sind in einer Sprache nur 
Ableitungen vorhanden, aus welchen auf das einstige Vorhanden- 
sein der Verbindung der Präposition mit dem Verbum ge- 
schlossen werden kann, z. B. lässt ai. dpacıti Rache, Strafe 
(andrısy) auf dpa-ck gleich Arotivu schliessen, ai. apavaktär 
Untersager, Abwehrer auf dpa-vac gleich ansinov schlug ab, 
versagte. Ich bemerke hierbei, dass durch die Verbindung von 
*gpo mit Verben des Sagens verschiedene Nuancen des Sinnes 
entstehen können. So heisst ai. dpa-bru eine Person jemandem 
aus dem Sinne reden, so dass er sie vergisst; dpa-vad seinen 
Unmuth auslassen, tadeln, schmähen, jemand zerstreuen; gr. 
aropruı gerade heraus sagen und leugnen, areinov gerade heraus 
sagen und andererseits verweigern, verneinen; lat. abdico ver- 
werfen, aberkennen; got. afaikan absagen, leugnen, verleugnen; 
afgiban absagen, entsagen. Noch führe ich einige Verbindungen 
an, die sich bloss in Asien oder bloss in Europa finden. Dahin 
gehören: ai. dpa-kart av. apa-kareß abschneiden (vgl. aro- 
xontw u. ähnl); apa-dah wegbrennen, durch Gluth vertreiben, 
av. apa-daz sich ein Glied verbrennen (vgl. aroxatw); ai. dpa- 
yaj und av. apa-yaz durch ein Opfer wegschaffen (vgl. Geldner, 
BB. 15, 249). Nur europäisch sind äreıpı, absum, aroveuw, 
abnuo u.a. 

Wie man aus den angeführten Beispielen sieht, können 
durch die Verbindung eines Verbums mit *apo sehr verschiedene 
Bedeutungen entstehen. Die Handlung des Verbums kann 


668 Kap. XV. IL ai. dpa, ar. apa, gr. dr, lat. ab, got. af. [8 276. 


zur Vollendung gebracht werden, so in areprpı heraussagen, 
ferner araldopaı, aroxteivo und viele andere. Es kann aber 
auch das Gegentheil der Bedeutung des Simplex erscheinen, 
so 2. B. ausser bei den angeführten Verben des Sagens bei ai. 
apa-rädh verfehlen (eig. weg, vorbei treffen), gr. aroöoxei es 
missfällt u. ähnl. 

Vergleicht man das Griechische (und Gotische) mit den 
arıschen Sprachen, so fällt das verhältnismässig häufigere Er- 
scheinen von aro auf. Das mag sich z. th. daraus erklären, 
dass ano auch die Präposition *dvo, ai. dva, av. ava, lat. au 
mit zu ersetzen hat. So entspricht z. B. dem griech. anoleize 
(got. aflifnan) ai. dva-ric, dem gr. anovilw ai. doa-niy (vgl. got. 
afbvahan). | 

Hinsichtlich der Verbindung von *@po mit Kasus habe 
ich in bezug auf das Altindische SF. 5, 446 Folgendes be- 
merkt: “apa wird nicht mit Kasus verbunden. Zwar giebt es 
im Veda vereinzelte Stellen, in denen man einen Ablatıv mit 
dpa verbinden könnte, z. B. dpö shu na iydm barur ädıtya apa 
durmaltih asmdd etv djaghnufi weg gehe dieser Pfeil, weg das 
Unheil von uns, ihr A., ohne uns getroffen zu haben RV. 
8, 67, 15. Aber keine Stelle ist vorhanden, welche zu einer 
solchen Auffassung zwänge und die übrige Sprache entscheidet 
dagegen.” Über den Zustand im Avestischen sagt Spiegel, 
Gramm. 465: “apa erscheint als selbständige Präposition in der 
Bedeutung Ainweg nur an einer einzigen Stelle des jüngeren 
Avesta vd. 15,133.” Mir scheint, dass an dieser Stelle zu apa (in 
apäca) das Verb darez zu ergänzen ist. Das Lateinische zeigt 
ab ın Verbindung mit seinem natürlichen Kasus, dem Ablativ. Als 
Ersatz dieses Kasus erscheint im Griechischen der Genitiv, mit 
Ausnahme des Arkadisch-Kyprischen, welches den Dativ (Lo- 
kalıs) hat, z. B. aro räı Cäı von dem Lande (vgl. Hoffmann, 
Griech. Dial. 1, 307). Da in diesen Dialekten der Ablatıv wie 
im übrigen Griechisch durch den Genitiv ersetzt wird, so muss 
diese auffallende Konstruktion von dro (und &£) von der Prä- 
position aus erklärt werden. Ich möchte annehmen, dass eine 
Nachahmung der durch den Gegensatz der Bedeutung verbun- 





$ 276—277.) Kap. XV. II ai. dva, av. ava, lat. preuss. au, slav. «. 669 


denen Präposition &v vorliegt. Hinsichtlich des Gebrauches 
von äro bei Homer sei noch darauf aufmerksam gemacht, dass 
es sich (wie Krüger, Di. S. 6 68, 16, 4 bemerkt) fast durch- 
gängig auf äusserliche und sinnliche Erscheinungen beschränkt. 
— Das gotische af hat als Vertreter des Ablativs den Dativ bei 
sich. (Eine bequeme Übersicht des Gebrauchs bei Gabelentz- 
Loebe im Glossar.) . 

$ 277. Ai. dva, av. altp. ava, lat. au, preuss. au, 
aksl. u. 

Die Grundbedeutung lässt sich aus dem Ai. noch gut er- 
kennen. Ich glaube SF. 5, 449f. gezeigt zu haben, dass sie 
‘herab’ ist. Oft wird indessen mehr der Ausgangspunkt und 
der Zielpunkt als die Herabbewegung in's Auge gefasst, so dass 
es scheint, als habe das Wort die Bedeutung “weg von’, oder 
‘hinein in’. Indem ich auf meine Darstellung des altindischen 
Gebrauchs verweise, führe ich hier eine Anzahl von Verbin- 
dungen an, welche dem Ai. und Av. gemeinsam sind. Dabei 
lässt sich denn freilich nicht leugnen, dass die Bedeutung 
“herab’ im Av. oft nicht mehr hervortritt, was zum theil wohl 
an unserer nicht genauen Auffassung liegen wird. Beispiele 
sind: ai. dva-i herabkommen, sich stürzen auf, hinweggehen, 
sich entfernen, hingehen zu mit dem Akk., av. wandeln (von 
den Himmelskörpern gesagt, die auf ihrer Bahn wandeln); ai. 
ava-pat herabfliegen, fallen, av. ava patah ava zrayö er lief 
herab zum See yt. 19, 58; ai. doa-stha hinabsteigeu, sich fern- 
halten (auch sich entfernen), dastehen, Halt machen, av. sich hin- 
stellen, hintreten; ai. ava-aj hinabtreiben (die Kuh zum Wasser), 
av. ava-az herbeiführen (von feindlichen Heeren); ai. ava-ni 
hinab-, hineinführen, stecken in, av. yt. 19, 44 “den heiligen 
Geist herunterholen aus dem lichten Paradies’ (Geldner, 3 y. 22); 
ai. dava-bhar hineinstecken, sinken lassen, abtrennen, abhauen, av. 
bringen, tragen; ai. dva-kart abschneiden, av. schneiden (jemand 
mit Messern am Leibe), vgl. deutsch “herunterschneiden’; ai. 
ava-grabh loslassen, ablassen, nachlassen von, av. avagerepta 
hineingerathen (in eine Frage, in Noth), eig. hinabgelassen; ai. 
dva-sarj schleudern, abschiessen, hineinwerfen, hinausstossen, 





670 Kap. XV. UL. ai. dva, av. eva, lat. preuss. aw, slav. w. 18 277. 


hinausdrängen |z. B. aus dem Mutterleibe), av. ava-harez zurück- 
weisen; ai. dva-hva herabrufen, herrufen, av. ava-zbdaä anrufen 
(der Flehende wird unten stehend gedacht, vgl. upa); ai. dra- 
Na gering achten, av. ava-zan merken, aufmerksam werden. — 
Im Lateinischen aufero und aufugio tritt nur der Sinn des 
‘weg’ hervor, so dass es von *dpo nicht mehr zu scheiden ist. 
— Im Preussischen lassen sich vergleichen aumüsnan Ab- 
waschung (vgl. das identische aksl. umyts; abwaschen und aı. 
ava-nı)), auskandint ersäufen, auminius betrübt, eig. herab- 
gestimmt u. a. (vgl. Fick* 705). — Im Slavischen lässt sich 
nach Miklosich 4, 247 erstens die Bedeutung ‘weg’ erkennen, 
z.B. aksl. ubeZats aufugere, uolesti abstrahere, ukloniti declinare, 
urezati abscindere u. a. In wie weit etwa das ‘herab’ noch 
durchschimmert, wäre zu untersuchen. Bei umyti abwaschen, 
eigentlich “den Schmutz herunterwaschen’ ist das noch der 
Fall. Sodann dient « zur Perfektivierung, wird also so ge- 
braucht wie ano im Griechischen, z. B. ubifi erschlagen, gr. 
anoxtelvw, umreti sterben aroßvnoxsw. Da u das in den Hitu- 
slavischen Sprachen verschwundene *dpo in sich aufgenommen 
hat, so kann man diese Bedeutungsentwickelung auf dpo zu- 
rückführen. 

Verbindung mit Kasus. Nach dem eben Ausgeführten 
ist es natürlich, dass *@vo eine Verbindung mit dem Ablatıv 
und dem Akkusativ, dem Ausgangspunkt und dem Zielpunkt 
der Bewegung eingehen konnte. Das erstere hat sich im Alt- 
indischen und Slavischen ereignet. Im Altindischen glaube 
ich (SF. 5, 451) die Verbindung dra divdh vom Himmel herab 
anerkennen zu sollen. Im Slavischen (Miklosich 4, 574 ff.) 
steht % bei dem ablativischen Genitiv, und zwar bei Verben 
des Verlangens, Empfangens, Nehmens, z.B. aksl. prost u mene 
attnadv ne Mark. 6, 22; vüprasaje u njichü äruvdavsro rap adrav 
Matth. 2, 4. Da nun dasjenige, was man von jemand fordert, 
kauft u. s. w. sich bei ihm befindet, man also die Verbindung 
auch verstehen kann als ‘bei jemand fordern, kaufen’, so kann 
auch bei anderen Verben «u mit dem Gen. in dem Sinne von 
‘bei’ erscheinen. So erklärt es sich, dass, wie Miklosich sich 











$277—278.] Kap. XV. II. ai. antär, av. antare, lat. inter (anter. 671 


ausdrückt, der Genitiv mit « den Gegenstand bezeichnet, in 
dessen Nähe etwas ist, eine Handlung vor sich geht, z. B. jaZe 
videchü u ofica mojego 5 &upaxa napd t@ rarpl you Joh. 8, 38; 
da obedujetü u njego drws Apıornon nap adra Luk. 11, 37; jiZe 
beachq unjego oi rap adtw Mark. 3, 21; postavi je u sebe &om- 
cev aötd rap &auro Luk. 9, 47. Hauptsächlich handelt es 
sich dabei um Personen. Ein ähnlicher Fall liegt bei der 
italienischen: Präposition da vor. Mit dem Akkusativ findet 
sich ava im Avesta. Besonders lehrreich sind einige Fälle, in 
denen sich ava sowohl bei dem Verbum als bei dem Kasus 
findet, z. B. ma he ava pädem ava hista tritt nicht in ihre Spur 
yt. 17,57. Nur bei dem Kasus steht es z. B. Auba t2 agtem 
ätrem asti baran ava adlem nmänem wann sollen die das Feuer 
in das Haus bringen vd. 5, 41. Nach Justi soll ava einmal 
auch mit dem Instrumentalis vorkommen, was ich dahingestellt 
sein lasse. 


$ 278. Ai. antdr, av. antare, apers. antar, lat. inter 
(umbr. osk. anter). 


Über die mit artdr verbundenen Verba im Altindischen 
s. SF. 5, 445. Im Avestischen habe ich nur notiert antare-car, 
das nach : Justi ‘vertheilen’ bedeutet (ai. antär-car sich be- 
wegen zwischen, innerhalb), und antare-mr& untersagen (vgl. 
interdico). An Übereinstimmungen zwischen Altindisch und 
Lateinisch lassen sich etwa namhaft machen: ai. antdr-gam 
und 9@ gehen zwischen etwas, dazwischen treten, trennen, 
ausschliessen von (dieses bei gam), lat. intervenio während 
einer Handlung sich einfinden, unterbrechen, einschreiten; ai. 
antdr-i dazwischen treten, jemand den Weg vertreten, ab- 
schneiden, von etwas ausschliessen, übergehen, lat. intereo 
zwischen etwas treten und darin verschwinden, untergehen 
(vgl. intercido dazwischen fallen, verloren gehen); [ai. antar- 
stha den Weg vertreten, aufhalten, lat. intersto dazwischen- 
stehen (spät belegt)]; ai. antdr-chid abschneiden, intercludo, 
lat. interscindo auseinanderreissen, trennen, stören, Zerreissen, 
unterbrechen. Wie man sieht, bedeutet antar, inter dazwischen, 





672 Kap. XV. ID. ai. antdr, av. antare, lat. inter (anter). [$ 278. 


so bei den ai. Verben s dazwischen gehen, als Bote oder Ver- 
mittler, car (s. oben); bh% (dazwischen sein) eindringen in; pas 
hineinschauen. In dem ai. antarvidvan genau kennend betont 
antäar das Unterscheidungsvermögen, vgl. lat. internosco und 
intelligo, engl. understand. Im Lateinischen ist die ursprüng- 
liche Bedeutung von inter zahlreich vertreten, z. B. intercurro 
dazwischen laufen; interequito dazwischen reiten; interfluo da- 
zwischen fliessen; interfundo dazwischen giessen; interjaceo da- 
zwischen liegen; interluceo dazwischen schimmern, durchschim- 
mern; intermisceo dazwischen mischen; intermitto dazwischen 
legen, dazwischen leer lassen, offen lassen, internascor dazwischen 
entstehen u.a. m. Sodann entwickelt sich die Vorstellung der 
Hemmung und Trennung. Dahin gehören die schon genannten 
wie ai. antdr-ga und gam ausschliessen von, lat. intervenio; ai. 
antdr-chid abschneiden, lat. interscindo; av. antare-mrü inter- 
dico; ferner ai. antdr-dhä dazwischen legen, setzen, abschneiden, 
absondern; ai. antäar-yam Einhalt thun, anhalten (auch drinnen 
halten). Dieser in solchen Verbindungen erwachsene Sinn von 
antar zeigt sich auch bei antdar-khya den Blicken entziehen 
(khy@ blicken). Lateinische Belege sind: intercedo hindernd 
dazwischen treten, intercludo absperten, iniersaepio verzäunen, 
abschliessen. Bisweilen wird der Begriff des Zertrennens be- 
tont, z. B. interfodio zergraben, zerstechen, intercido ein Ganzes 
in der Mitte durchschneiden, durchstechen; bisweilen das Weg- 
nehmen, z. B. interbsbo wegtrinken, austrinken, intercipio auf- 
fangen (eig. dazwischen ergreifen, ehe etwas an seinen Be- 
stimmungsort gelangt), wegfangen, entreissen; interficio auf- 
zehren, zu Grunde richten (vgl. auch :niereo, was bei der 
Bedeutungsentwickelung vorgeschwebt haben mag), interimo 
aus dem Wege räumen, vernichten. — Heisst interrogo eigent- 
lich: fragend dazwischentreten? 

Als Präposition wird antär u. s. w. in den drei Sprachen 
mit dem Akkusativ verbunden, z. B. antär maht brhati rö- 
dasime vigva te dhama varuna priyäni zwischen diesen beiden 
Welten befinden sich, o Varuna, alle deine lieben Wohn- 
stätten RV. 7, 87,2. Av. vispem ımah adidasti yab anlare zqm 





$ 278—279.] Kap. XV. I. ai. api, av. ampı, gr. Ext, lat. ob, lit. -pi. 673 


asmanemca er überschaut alles, was zwischen Erde und Himmel 
ist yt. 10, 95; da me tum hamcaranuha antare aredem nmänahe 
komm du mit herein in die Seite meines Hauses (in mein 
Haus) yt. 17, 60. Ebenso im Italischen, z. B. osk. anter slagim 
abellanam inim nürlanam zwischen der Flur von Abella und _ 
von Nola; lat. ager qui inter urbem ac Tiberim fuit (Livius); 
inter densas fagos assidue vensebat (Virgil) und in anderen hier 
nicht zu erörternden Nuancen (Zeit, Umstände u. s. w.). Im 
Altindischen erscheint antar noch mit dem Lok. und dem Abl., 
doch kann man dabei, wie ich SF. 5, 446 gezeigt habe, meist 
noch den Kasus und die Präp. gesondert zur Geltung bringen, 
z. B. äsye ’ntäh im Munde drinnen, @syad antdh aus dem Munde 
drinnen, d. h. aus dem Innern der Mundhöhle. Die sozusagen 
nominale Natur des Wortes zeigt sich auch in seiner Verbin- 
dung mit dem Genitiv, welche nach Böhtlingk-Roth innerhalb 
des Veda VS. 40, 5 vorliegt: tad antar asya särvasya läd u 
särvasyäsya bähyatah das ist innerhalb der ganzen Welt und 
auch ausserhalb derselben. Die Frage, ob antare im Avesti- 
schen etwa noch mit dem Instr. oder Lok. erscheint, ist er- 
örtert von J. Schmidt, Pluralb. 268. Auf dem ıtalischen Gebiet 
liegt vielleicht eine Verbindung mit dem Lok. vor cipp. Ab. 14. 


$ 279. Ai. api, av. aipi, gr. &xt (Enı. Dazu lat. od, 
lit. -pi. 

Über das altindische dpi in Verbindung mit Verben habe 
ich SF. 5, 447 bemerkt: “Bei Verben des Gehens ist es am 
nächsten durch unser ‘in’ wiederzugeben, so mit i eintreten in 
(einen Ort) oder unter, z. B. yada pürujah sodpiti prandm tärhi 
väg dpy ei während der Mensch schläft, geht die Stimme in 
den Athem auf SB. 10, 3, 3,6. Ähnlich mit gam, gä, pad; mit 
sthä ın den Weg treten (AV); mit as und 5hü in etwas sein, 
nahe zusammengehören mit, und sodann zu theil werden und 
theil haben, z. B. devalöke me ’py asat mir soll Antheil sein 
am Götterhimmel SB. 1, 9, 1,16; tos indräpy abhüma an dir 
haben wir Antheil gewonnen, o Indra, RV. 2, 11, 12; mit ni (in 


der Prosa! hingeleiten auf, in, zu (dem Pfade, der Götterwelt!; 
Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm, Sprachen. I. 43 


674 Kap. XV. I. ai. dpi, av. aipi, gr. Ext, lat. ob, lit. -pi. [8279. 


var} hinwenden; parc (AV.) beimischen; da% anbrennen, die 
Flammen in engste Berührung bringen mit. In allen den 
genannten Verbindungen tritt die Anschauung des Nahehem- 
kommens oder Hineinkommens deutlich hervor. Da nun das 
neu Hinzutretende häufig auf das Vorhandene gethan wird, 
so entwickelte sich in dpi (wohl schon in proethnischer Zeit) 
die Bedeutung ‘auf, über’, z. B. mit vap bestreuen, überstreuen; 
mit sarj darauf werfen, hinzufügen (einen Somastengel); mit 
sar darauf fliessen, und so entsteht denn in einigen Verbin- 
dungen der Begriff des Bedeckens, Zudeckens, so mit nah an- 
binden, aber auch zubinden (den Mund); mit ruA verwachsen, 
zuwachsen ; mit dh@ hineinstecken, darreichen, hingeben, aber 
auch zudecken, verstopfen, verschliessen; so auch mit rıp in 
apiripta verklebt, erblindet. Auffällig ist für uns die Verbin- 
dung mit Verben des Schlagens und ähnliche Verbindungen, 
in welchen wir geneigt sind, dpi durch ‘ab’ wiederzugeben, »: 
mit vra$c abhauen (den Kopf), eig. wohl einschlagen ; mit der 
(jemandem die Rippen) zerbrechen, einbrechen, sich den Am, 
den Hals brechen ; mit $as (AV. einmal) den Nabel wegschneiden, 
eig. einschneiden; mit han: Öfadhayah khälu va ötäsyar sühm 
api ghnanti ya vehäd bhavati die Kräuter verderben der Kuh 
die Tracht, welche zu verwerfen droht TS. 2, 1, 5, 3; endlich 
mit ghas abfressen, eig. einfressen, zerfressen (von Ameisen, 
welche eine Sehne zerfressen) SB. 14, 1, 1, 9. Von einer inner- 
lichen Zuwendung ist die Rede bei %% auffassen, verstehen, 
entschliessen; bei mar$ vergessen, wobei wohl die Verbindung 
von einem Verbum hergenommen ist, welches aufmerken be 
deutet (vgl. vergessen auf;”. Im Avestischen ist die Ver- 
bindung von aipi mit Verben selten (bei Justi unter ırı oder rı, 
kan, kareb, yZar (ghzhar geschr.), car, jan, jas, darez, par, 
spä, Su), es lassen sich deshalb nur wenige Entsprechungen 
beibringen, nämlich: aipi-jas hingehen (in’s Paradies) zu öpr 
gam in etwas eingehen, bei jemand eintreten; atpi-jan töten 
zu dpi-han abtreiben (die Frucht); aipi-Akarep niedermetzeln 
zu dpi-kart abschneiden. Im Altpersischen findet sich api 
mit Verben nicht. Über ixi bei Homer handelt La Roche 














$279)] Kap.XV. I. ai. dpi, av. aipi, gr. Ext, lat. od, lit. -pi. 675 


im 21. und 23. Bande der Zeitschrift für österreichische Gym- 
nasien, der 204 Verbindungen von !rt mit Verben aufzählt. 
Unter diesen Verben sind natürlich eine Reihe von solchen, 
welche sich auch im Arischen finden, ich kann aber nur die 
folgenden sich entsprechenden Verbindungen von Präp. und 
Verbum namhaft machen: &rıßalvwo aufsteigen, besteigen (Land, 
Schiffe, Wagen), auch von der Begattung der Thiere gebraucht, 
zu ai. dpi-gam in etwas eingehen, bei jemand eintreten, inire 
feminam;; &rırlönyı darauf, daran, dazu legen, während im Alt- 
indischen das ‘hinein’ mehr hervortritt. Dagegen stimmen die 
beiden Sprachen in der Bedeutung ‘darauf legen, schliessen’ 
überein, z. B. tö6sonv HAlßarov nerpnv inddnne Büpyaıv ı 243 (vgl. 
auch &xtönna Deckel) ; dupas & Andünxe paeıvas p 45. Das Alt- 
indische geht schon ein wenig weiter, indem es mit dem Instr. 
konstruiert: d$mana bilam äpy adham ich habe das Loch mit 
einem Steine geschlossen AV. 7, 35, 2; Ereruı darauf, daran, 
dabei sein, während ai. @pi-as in etwas sein, nahe zusammen- 
sein mit bedeutet, sodann ‘zufallen, zu theil werden’, z. B. 
asme sd (rayir) dpi $yat uns möge der Reichthum zufallen 
RV. 6, 68, 6, womit man vergleiche: äv&pas otoww &reorı piya 
xparos Hymnus Demet. 150. Zu &rxıylyvonar (Eapos 8 &rıylverau 
pn Z 148) lässt sich apiy4 hinzugeboren, nachgeboren ver- 
gleichen. Äusserlich stimmen noch &rlorapaı und dpi-stha, 
erırellw und aspt-car, &rıosdw und aipi-Su. 

In einer Reihe von Fällen stimmt &ri vielmehr mit abAhi 
dem Sinne nach überein, z, B. Ereıpı, &repyopar hinzugehen, 
darauf los gehen, herankommen, ai. abht-i herankommen, 
sich einstellen, zugehen auf, aufsuchen, losgehen auf; &rdp- 
von: antreiben, loslassen gegen, ai. abAt-ar dringen zu (nach 
Böhtlingk-Roth); &rxıreropaı hinzufliegen, herbeifliegen, ai. 
abhi-pat herbeifliegen, hinzufliegen; &rırlew darüber schiffen, 
befahren (also mit jener Nuance, die bei adhi so häufig ist); 
ai. abhi-plu hinschiffen zu; Zrıppdw herbeiströmen in ra & &ndp- 
pee edvea nerav A 724; ai. abhi-sru herströmen. Dagegen 
Eerıppew in AAAA 1E mv xadönepdev Erıppdeı Hör Eiarov B 754 würde 
einem dpi-sru entsprechen; &rıypepw dazutragen, ai. abhi-bhar 

43* 





676 Kap. XV. IL ai. dpi, av. aipi, gr. irt mit Kasus. [$ 279. 


zuschieben (jemandem ein Vergehen): &rayw herbeiführen, ai. 
abhi-aj (herbeibringen) vereinigen; &rıxlöo anhören, darauf 
hören, ai. abAi-$ru hören, eig. hinhören; 2Zrıö£pxopar darauf 
sehen, ai. abhs-dars anblicken; 2o&rw verfolgen, sich darauf 
stürzen u. 8. w., ai. abhi-sac aufsuchen, sich jemand zuwenden: 
ärıdyvvone darüber anziehen, darüber werfen, ai. abhi-vas sich 
hüllen in, kaus. bekleiden, bedecken. 

Ich folgere aus diesem Thatbestand, dass im griechischen 
rt das alte *epi und *ebhr (s. unten S. 679), welches im Grie- 
chischen *2»{ lauten würde, zusammengeflossen sind, und bin 
mit anderen Gelehrten der Ansicht, dass dieses letztere ın 
’Egrditns und &plopxos (dpıöpxous‘ Toüro da Too n Adye Phry- 
nichus 280) erhalten sei. Die Bedeutung von &rtopxo; (Ertop- 
xov Suvövar bei Homer) ist freilich schwer zu erklären. Sıe 
würde es aber ebenso sein, wenn man in der Präp. das alte 
*$pi annähme. Es scheint die “Beschwörung’, den Eid, durch 
welchen man einem anderen zusetzt und ihn bewältigt, zu 
bedeuten. 

äpi, aipi, &rt ın Verbindung mit Kasus. 

In den arischen Sprachen, wo eine solche Verbindung sehr 
selten ist, finde ich den Akkusativ und den Lokalıs, den 
ersteren im Avesta in den Sätzen: vispgqmca aıpi imqm zam 
auf der ganzen Erde y. 57, 33, tqprygm aipi xJapanem in der 
dunklen Nacht yt. 14, 13, wozu sich aus dem Griechischen 
vergleichen lässt nf 5 des levar roAAhv Anl yalav; B 364, 
ebdov ravvöyıos xal En Ida xal ueoov huap m 288 und vieles der 
Art (La Roche 21, 90 ff). Sodann steht &ri mit dem Akk. im 
Sinne von ‘auf etwas hin’, z. B. ööwp Zr yeipas Zyavav a 146, 
Pr 8° ap Em Arpelörv Ayausuvova B 18 (vgl. a. a. O. 83 ff.). 
Mit dem Lokalis findet sich @pi einige Mal ım RV. (SF. 5, 
448), 2. B. yak pärthiväsö ya apam äpi vrate welche (Göttinnen' 
irdisch nnd welche ım Bereich des Wassers sind RV. 5, 46, 7. 
Diesem dp: entspricht 2r{ mit dem lokalen Dativ (La Roche 
a. a. 0. 21, 94 ff.), z. B. roAla dE punpl’ Exre Bemv lepoto dri Io- 
mots y 273, 8acor vöv Bporot elsıv Ent ydovi otrov Zöovres 9 222 
u. 8. w. Es scheint aber, dass nicht alle Dative bei 2xi aus 








$ 279.) Kap. XV. II. &xi mit Dat. Italisch op. 677 


Lokalen zu erklären sind, vielmehr konnte vielleicht auch &xt 
zu dem echten Dativ treten, worin wir dann eine griechische 
Neuerung zu erkennen hätten, z. B. in Fällen wie: &t aAn- 
Aorsıv tövres IT 15. Man hat sich das wohl so zu erklären, 
dass der Dativ zuerst zu dem mit ri zusammengesetzten 
Verbum trat, z. B. dpvis yap opıy Ernie M 200, oder rotar Ö 
ei rpiros Hide Diloltios u 185, wo man zweifeln kann, ob &rl 
näher zum Nomen oder zum Verbum zu ziehen ist. In diesem 
&zi kann natürlich *eps und "ed)i stecken. 

Eine Errungenschaft des Griechischen ist die Verbindung 
von &xt mit dem Genitiv. Diese Konstruktion scheint ent- 
standen zu sein bei den mit &r! zusammengesetzten Verben 
des Strebens, neben denen ein Gen. des Zieles stand. Danach 
stünden dem ursprünglichen Typus noch nahe Sätze wie die 
folgenden: xAayyy al ye nerovrar En Qxeavoio poawy I’ 5, 7 xad- 
vrepde Xtoro veoipneda nanalodsons, vnsov Eml Wuplns y 171, oöre 
ROTE nporpenovro nelawvdwv int vnav E 700. Daran knüpfen 
sich leicht Wendungen wie: xardönxev Ent yBdovds, ELer inl 
öp6vou u. ähnl. und endlich Genitive der Ortsruhe wie &r &ypoü 
u. ähnl. Nicht selten lässt sich noch in der angegebenen Rich- 
tung ein Unterschied zwischen Gen. und Dativ spüren, z. B. 
vna p£v ol ye pelaıwvav Em Hrelporo Epuaoav blood Eri Yapadoız 
A 485. Oft aber scheinen schon bei Homer beide Verbin- 
dungen gleichbedeutend. 


Anhang. 

Anhangsweise behandle ich das italische op und das 
litauische -p:. 

1. Italisch op. Es kann wohl keinem Zweifel unter- 
liegen, dass das italische op mit dem idg. *epi übereinstimmt. 
Das Verhältnis der Vokale pflegt man sich dadurch deutlich 
zu machen, dass man es Ablaut nennt. Dieses op liegt vor 
im Oskischen, wo es mit dem Ablativ als dem Vertreter des 
Lokalis verbunden wird: püd üp eisüd sakaraklüd ist quod 
apud id sacrum est Zvetajeff, Sylloge 56, 13; ne pon op tovtad 
petirupert urust nisi cum apud populum quater oraverit 76, 14; 


678 Kap. XV. II. Italisch op, litauisch -pi. [$ 279. 


svae pis op eizois com altrud ligud acum herest si quis apud 
ıllos cum altero lege agere volet 76, 23. 

Aus dem Lateinischen wird op-erio dahin gestellt, und 
es dürften wohl in dem Präverbium od, das in den meisten 
Fällen auf abAi zurückgeht, auch einige solche op stecken. 
Dahın gehören oddo vormachen, vorsetzen, vorschieben, vor- 
stopfen, vgl. ai. dpi-dha hineinstecken, zudecken, verstopfen, 
verschliessen; odsto dastehen bei etwas, hinderlich sein, vgl. 
al. dpi-sthä in den Weg treten, dagegen in obsisto vor etwas 
hintreten, sich widersetzen könnte od auf abhi zurückgehen. 
Auch in odduco kann api und abAhi sich vereinigen, das erstere 
in der Bedeutung vorziehen, zumachen, das zweite in der Be- 
deutung: gegen etwas oder jemand heranführen. In manchen 
Fällen bin ich in Zweifel, worauf od zurückgeht, z. B. bei 
occubo, obstruo, obsaepio, occludo. 

2. Litauisch -pi. Das lit. -ps, auch verkürzt zu p, er- 
scheint hinter Genitiven, wobei es die Richtung bei Verben 
der Bewegung angiebt, z. B. devöp zu Gott (vgl. Kurschat, 
Gr. $ 1477, der pi seltsamer Weise von pri herleitet). In der 
älteren Sprache findet es sich oft hinter Lokalen, z. B. devep 
bei Gott (vgl. Bezzenberger, ZGLS. 251). Früher pflegte man 
dieses ps mit *ept zusammenzubringen. Aber das s ist nicht 
ursprünglich, sondern aus einem Diphthong entstanden, worauf 
die lettische Präposition p3 hinweist, welche mit dem Genitiv 
verbunden wird, 2. B. p} tewa bei dem Vater, p} laika bei Zeiten 
(vgl. Bielenstein, Gr. $607). Damit wird von Fick in Bezzen- 
berger’s Beitr. 7, 94 das argivische ro: (hin zu mit dem Akk.) ver- 
glichen, über das Baunack in Curtius’ Studien 10, 104 gehandelt 
hat (vgl. auch KZ. 30, 570). Der Form nach könnte nun diese 
aus -p3, pi, zoı zu erschliessende Präposition ganz wohl zu lit. 
ape (in der Zusammensetzung api und apy) gestellt werden, 
zu dem sie sich verhalten würde, wie ai. pi- zu dpi. Aber 
die Bedeutung macht Schwierigkeiten, da ap um bedeutet. 
Es mag also die Frage, wie es sich mit diesen litauischen 
Formen verhält, weiterer Forschung vorbehalten bleiben. 











$ 280.] Kap. XV. II. abht, atwi, ob (amb-), bi (umbi), obü. 679 


$ 280. Aı. abhi, av. aiwi, aidi, altp. abiy, lat. od 
(umbd-), germ. bs (umbi), slav. obü. 

Ich nehme an, dass die in der Übersicht genannten For- 
men auf zwei Urpräpositionen zurückgehen. 

Die erste bedeutet “auf zu’ und lautete im Idg. wahr- 
scheinlich *ed% und mit Ablaut *odAz (vgl. das bei *&pi Gesagte), 
die zweite bedeutete ‘zu beiden Seiten’ um’ und lautete wahr- 
scheinlich *ambA? oder *mdhi. Die beiden einander nahe liegen- 
den. Formen haben sich in den einzelnen Sprachen vermischt, 
und zwar enthält ai. adhi und av. atwi die Grundform *ebAt, 
während in abhitas und atwitas zu beiden Seiten die Grund- 
form *mbhi steckt. Im Griechischen giebt. es nur geringe Reste 
von *ebAi (vgl. oben S. 675£. bei &rt), während *amdAht durch 
aut fortgesetzt wird. Im Lateinischen geht 05 auf *odAht, amb- 
auf *ambhr zurück. Im Gotischen di stecken beide Formen, 
in den übrigen altgermanischen Dialekten geht di auf *ebAi 
oder *obhi, umbi auf *mbhi zurück. Das slavische odü ist der 
Form nach gleich *odAt. Um dieser Mischungen willen stelle 
ich die Einzelsprachen besonders dar. Bisweilen ist es mir 
nicht gelungen, die Grenzlinien deutlich zu ziehen. 

Altindisch und Avestisch (adAt, abi, am). 

Dass ai. abhi, av. abi oder aiws und altp. adiy identisch 
sind, ist unzweifelhaft. Gewöhnlich betrachtet man auch ar. 
avi nur als abweichende Schreibung. Da aber der Zweifel an- 
geregt worden ist (Hoffmann, die griechischen Dialekte 1, 306), 
ob nicht avi eine besondere Urpräposition sei, so lasse ich die- 
selbe bei Seite, wodurch dann freilich die Zahl der Parallelen, 
welche sich zwischen Altindisch und Avestisch ziehen lassen, 
erheblich vermindert wird. Über den Gebrauch von abhi mit 
Verben habe ich SF. 5, 448 bemerkt: “abhi bezeichnet ‘herbei, 
auf zu’. Dieser Sinn tritt deutlich hervor in der Verbindung 
mit Verben der Bewegung und Thätigkeit. Häufig bezeichnet 
dabei abhi diejenige Affızierung oder Bewältigung des Gegen- 
standes, welche wir durch unser de ausdrücken, wobei dann 
das intransitive Verbum transitiv wird.” Belege für abAi her- 
bei, auf zu bei Verben der Bewegung sind: mit s und gam 


680 Kap. XV. IL adk, aiei, ob (amb-), bi 'umbi:, obü. [5 280. 


herankommen, mit drwu herbeieilen, mit vaA hinfahren, her- 
beiführen, hinführen zu u. a. m. Es kann sich aber auch 
bei denselben Verben der Sinn unseres de- entwickeln, z. B. 
ai. abhi-i begehen, d. h. thatsächlich so viel als ‘gehen über 
hin’, z. B. tam äuk$näit cärmabhih paßcatpränch vibhdjamänä 
abhiyuh sie begingen die Erde von West nach Ost, sie mit 
Rindsleder vermessend SB. 1, 2, 5, 2. Damit lässt sich ver- 
gleichen: yö zem frabä atwyaiti welcher die Erde in ganzer 
Breite begeht (Geldner: umwandert) yt. 10, 95. Geldner ge- 
braucht ‘um’ auch KZ. 25, 508 in der Übersetzung von asiwivaz: 
yaba avap hvarezsagtem Larasca harqm berezaitim fraca altı 
atwica vazailg wie jenes Sonnengestirn über die hohe Haraiti 
heraufkommt und herumfährt yt. 10, 118. Auch hier scheint 
mir ‘besteigt’ oder eine ähnliche Wendung richtiger. Weitere 
Belege sind ai. abAr-vars beregnen, abhi-vam bespeien, abhi-ıdh 
(beflammen) mit Flammen umgeben, in Flammen setzen, abh+ 
mar (besterben) durch den Tod beflecken; av. arwı-aks beauf- 
sichtigen, atwi-ruc beleuchten u. a. m. Aus der Vorstellung 
der auf etwas hin gerichteten Thätigkeit geht leicht der Ge- 
danke der Bewältigung hervor, so in abAt-bhu hart bedrängen, 
übertreffen, überlegen sein, überwältigen. Endlich führe ich 
noch, um den Übergang zu der Verbindung mit Kasus zu ver- 
mitteln, folgende Worte aus SF. 5, 448 an: “Häufig tritt abhi 
zu dem Nomen, welches zu dem Verbum gehört, derart in 
innerliche Beziehung, dass wir es ‘mit Beziehung auf, zum 
Nutzen oder Schaden von’ übersetzen, z. B. mit ric zu Gunsten 
jemandes übrigbleiben, mit Jar für jemand geboren werden. 
Ganz besonders häufig ist dieser Gebrauch, wenn abht die erste 
von zwei Präpositionen ist, z. B. abAi ud « über jemand auf- 
gehen (von der Sonne gesagt); abhi ud sarz) zum Schaden von 
jemand knarren.” 

Verbindung mit Kasus. 4AbAi erscheint nur bei dem 
Akkusativ, in Bedeutungen, die sich nach dem Gesagten 
von selbst ergeben, z. B. ud ir$va näry abhi jivalokdm erhebe 
dich, o Frau, zur Welt der Lebendigen RV. 10, 18, 8; vi$oa yö 
car$antr abhi der über alle Menschen ist RV. 1, 86, 5; rifam 








$ 280.) Kap. XV. I. Lateinisch 02. 681 


eväitdt sammukham k$atriyam abhy avivadınim kardti auf diese 
Weise macht er das Volk zugeneigt, unrebellisch gegenüber 
dem Herrscher SB. 3, 9,3, 3; tad ete ’bhi Slokah darauf beziehen 
sich die folgenden Zeilen SB. 11, 5, 5, 12 (vgl. SF. 5, 449). 

In den iranischen Sprachen erscheint unsere Präp. eben- 
falls ganz überwiegend mit dem Akk. (vgl. Spiegel, Gramm. 454), 
z.B. altp. hauv Atrina basta anäyata abiy mä dieser A. wurde 
gebunden zu mir geführt Spiegel? 10, 82; ardi und atwi kom- 
men überwiegend mit Verben vor. Ein Fall, in welchem a:bi 
mit dem Lok. auftritt, scheint y. 43, 7 zu sein, wo es heisst: 
ferasayai abi Pwahu gagpahu zur Befragung über deine Leute 
(so Geldner, KZ. 30, 318). Man vergleiche über a:di noch 
Baunack 349.1!) 


Lateinisch od. 

Das lateinische od ist schon oben S. 678 erwähnt worden, 
wo gezeigt wurde, dass es in einigen Fällen der Fortsetzer des 
idg. *eps sei, zu dem es in einem sogenannten Ablautsverhältnis 
stehe. In den meisten Fällen aber entspricht o5 dem ai. 
abhi. Für dieses haben wir oben um des Griechischen willen 
eine Grundform *ebhi aufgestellt. Zu dieser würde sich die 
Form, auf welche od zurückgeht ebenso verhalten wie das 
oskische 0p zu *epi. Um zu zeigen, dass lat. ob dem ai. 
abhi, av. atwi dem Sinn nach entspricht, erwähne ich zuerst 
einige Fälle auch äusserlicher Entsprechung. Dahin gehören: 
obvenio absichtlich bei etwas sich einfinden, begegnen, auf- 
stossen, ai. abhi-gam herbeikommen, herankommen, folgen, nach- 
gehen; odeo an oder in etwas gehen, dahingehen, sterben, 


1) Der Vollständigkeit wegen erwähne ich noch die Verbindungen von 
avi. Es steht der Akk.: yö razält? avi zrayö vourukasen welcher zum See 
V. fliegt yt. 8,6; der Lok.: yezi ca afsa gadwa avi mademö [vä) västrg [va] 
frajasäß wenn eine trächtige Hündin mitten in eine Hürde kommt vd. 15, 41 
inach Geldner, KZ. 25, 197); der Dativ: yada azem fsaoni vabwa avabaräanı 
avi mardä dämabyö dass ich den Geschöpfen des M. Futter und Heerden 
verschaffe yt. 9, 9; der Abl.: ars stadra starösära avi kusräda kusröpatäda 
(dich tragen die Vögel) zu Bergen und Bergspitzen aus Enge und Engpass 
y. 10,11. Wenn es auch einmal mit dem Gen. erscheint ‚Spiegel 456), so 
ist das ein partitiver, welcher den Akk. vertritt. 


682 Kap.XV. II Lateinisch 08. 5 280. 


sich an etwas machen, besuchen, bereisen, ai. adhi-t heran- 
kommen, losgehen auf, erreichen, gelangen zu; odseguor Folge 
leisten, sich hingeben, ai. abAt-sac aufsuchen, sich jemand zu- 
wenden; oppeto entgegengehen, ai. abhi-pat herbeifliegen, . loe- 
gehen; obverto gegen etwas hinwenden, ai. abAi-vart sich be- 
geben, kommen nach oder zu, sich ergiessen in, sich hinziehen 
nach, losgehen auf, entgegenkommen; obsideo besetzt halten, 
auf etwas sitzen, belagern (also auf etwas hin, gegenüber sitzen), 
ai. abhi-sad drohend gegenüber stehen, im Zaume halten; od- 
tineo inne haben und ostendo !aus obs-) entgegenstrecken, ai. 
abhi-tan sich ausbreiten vor oder über, vor etwas aufstellen 
(also nur dem lat. ostendo ähnlich, an sich könnte abhr-tan 
aber auch wohl “behalten” bedeuten); ofero entgegenbringen, 
ai. abhi-bhar zuschieben (ein Verbrechen). In diesen Verbin- 
dungen offenbaren sich bisweilen bei dem entsprechenden Verben 
verschiedenartige Phasen der Bedeutung des Präverbiums. Ich 
lasse nun einige Belege aus dem Lateinischen folgen, welche, 
so gut es geht, nach dem Sinne des Präverbiums geordnet 
sind. Voran stelle ich Verba der Bewegung und Thätigkeit, 
bei denen od noch deutlich die Bedeutung “auf etwas hin’ hat: 
occurro entgegenlaufen; ofundo hingiessen, verschütten, über- 
schütten; odlundo gegen oder auf etwas schlagen, abstumpfen; 
offendo anstossen; occido zu Boden schlagen; occido hinfallen: 
occumbo hinfallen, niederfallen; odritor sich entgegenstemmen: 
obluctor gegen etwas ankämpfen;; oppugno gegen etwas kämpfen, 
berennen; odtcto entgegenwerfen, setzen, stellen; odgero dar- 
bringen, darbieten; 0ppono hinsetzen, entgegenstellen; obirecio 
gegen etwas arbeiten, Widersacher sein; officio entgegentreten, 
in den Weg treten. Natürlich übersetzen wir manchmal durch 
andere Richtungswörter, so in odorsor entstehen, z. B. obortae 
sunt tenebrae, eig. auf etwas zu sich erheben; occulco nieder- 
treten, eig. auf etwas; so auch opprimo niederdrücken; odtingo 
berühren, zufallen; occupo einnehmen; occtpto anfangen; op- 
perior erwarten u. s. w. Oboedio heisst “nach etwas hinhören’, 
oboleo ursprünglich “nach einer Richtung hin einen Geruch 
von sich geben. Besonders erwähne ich die Verba, welche 








8.280.) Kap. XV. II. Lateinisch ob. 683 


‘sprechen’ oder etwas Ähnliches bedeuten: odloguor gegen je- 
mand reden, widersprechen, tadeln; odsecro beschwören; ob- 
testor zum Zeugnis anrufen; odnuntio melden, hinterbringen, 
verkündigen; odjyurgo tadeln, schelten; obludo gegen jemand 
scherzen oder schäkern; odrogo einem Gesetze seine Gültigkeit 
benehmen (wobei also das ‘entgegen’ besonders kräftig hervor- 
tritt). — Schon unter den genannten Verbindungen sind manche, 
in denen wir ob wie abAi durch unser be- übersetzen, wobei 
also, wie ım Ai., die Vorstellung der Bewältigung vorschwebt. 
Ebenso bei den folgenden: odaro überackern, beackern; obumbro 
beschatten; occulo bedecken, verbergen; oblıno beschmieren, 
bestreichen; odlimo verschlemmen, mit Schlamm bedecken; 
obtego bedecken; obrubo verhüllen, bedecken; odruo über- 
schütten, bedecken. Auch odstringo zuschnüren, zubinden, 
heisst wohl eig. “beschnüren’; obsorbeo hinabschlürfen könnte 
bedeuten “ein Getränk beschlürfen. In den Verben wie ob- 
stupesco staır werden, odsurdesco taub werden, obticesco schweig- 
sam werden, obmutesco verstummen, odduresco hart werden, 
obdormisco einschlafen, odtorpesco starr werden bezeichnet ob 
die auf einen Zustand hin eingeschlagene Richtung. Bisweilen 
wird o5 auch durch “um” übersetzt, z. B. in obsideo, obvallo 
mit einem Wall umgeben. Aber odsideo kann natürlich auch 
bedeuten: sich, auf etwas los in Bewegung setzen (vgl. ai. dpa- 
sad). In odvallo ist od nicht anders zu verstehen, als in ai. 
abhi-dah eig. “bebrennen’, dann “mit Flammen umgeben’. 
Ferner wird ob durch ‘herum’ übersetzt in obversor vor etwas 
herumgehen, sich herumtreiben, z. B. castris, oculis, aber in od 
liegt natürlich nur die Richtung auf den im Dativ stehenden 
Gegenstand ausgedrückt. So auch in odamdulo, wenn ein Datıv 
dabei steht, wie mur:is (Livaus). Der Sinn der Präp. wird 
natürlich kein von Grund aus anderer, wenn obambulo ohne 
Kasus als ‘hin und herspazieren, herumspazieren’ gebraucht 
wird. Ebenso bei oderro, wobei auch noch ein Transitivum 
“gleichsam beirren, beschweifen’ (Georges) ausgebildet ist. Daran 
schliesst sich dann endlich odeo um etwas herumgehen (clıpeum 
obit pellis circumdata Virgil), eig. begehen (vgl. adhi und bi). 





AS4 Kap. XV. II. Lateinisch ob, gotisch bt. f& 280. 


ich kann also keinen sicheren Fall finden, in welchem od 
schon an und für sich der Sinn von ‘um’ hätte. — Ob omitio 
wirklich od enthält, ıst zweifelhaft. — Dem aı. abkitas ent- 
spricht amd in amdigo nach zwei Seiten hin streiten, ungewiss 
sein, ambio herumgehen, amburo ringsherum, von aussen, halb 
verbrennen u. 8. w. 

Als Präposition wird od wie abki mit dem Akk. ver- 
bunden, z. B. od Romam legiones ducere (Ennius); lanam ob 
oculum habere (Plautus), sodann zur Bezeichnung des Zweckes, 
zu dem man hinstrebt, z. B. od rem judicandam pecuniam ac- 
cipere (Cicero), sodann daran anschliessend bei der Veranlassung, 
z. B. 05 metum vor oder aus Furcht. Endlich auch zur Be- 
zeichnung des Entgeltes, wogegen man etwas hingiebt, z. B. 
ob asınos ferre argentum (Plautus). 

Gotisch bt. 


Das gotische Zi stimmt in einer Reihe von Fällen durchaus 
mit abki und Genossen überein, z. B. bigiman &yistasdaı über- 
fallen; dbihragjan übersetzt Luk. 19, 4 rpotpfyew, meint aber 
wohl “hineilen zu’, nämlich zu dem gleich zu nennenden Feigen- 
baum!); Ddigitan zupisxew; biniuhsjan xarasxorneiv nachspüren, 
ausforschen ; bistiggan rpoonintewv, Tpoopnyvovaı, Tpoanörzeiv; 
biaukan npootidevar; bisauljan nialveıy; bisvatrban &xuaoceıv (be- 
wischen, vgl. abki-marj, das ebenfalls durch ‘“abwischen’ ungenau 
wiedergegeben wird); biskaban (beschaben) scheren; bihvahan 
virtesdar sich über und über waschen; dikukjan xaragıleıv mit 
Küssen bedecken; dslatgon erıeiysıw belecken; bismeitan Erı- 
xplerw; bispeivan &urtüsıwv; bilaskon turatleıv verspotten; bimampjan 
dass. ; birodjan yoyybseıv, Srayoyyulsıv; Didomjan xpivsw; bisvaran 
Gpxikerv (eig. beschwören); bifarhon rAeovsxteiv bevortheilen; 
biplahjan xaraysläv; bibagkjan draloylleodar; biarbaidjan Yulorı- 
netodar sich bemühen. In einigen Fällen könnte di den Sinn 
von ”@po zu haben scheinen, so in dbtraubon sulav, &xöbeıw. Aber 
es liegt hier wohl der Gedanke der Bewältigung vor, den wir 


1) Ein Wort für unser ‘vorwärts scheint im Gotischen nicht vorban- 
den gewesen zu sein. 








$ 280.) Kap. XV. II. Gotisch bi. 685 


bei abhi sich entwickeln sehen. Nach biraubon kann sich 
biniman x\£rteıw gerichtet haben!). Man bemerke, dass wie ai. 
abhi auch got. di- intransitive Verba transitiv macht (vgl. noch 
Grimm, Gramm. 2, 798). 

Es fragt sich nun, ob und inwieweit di auch die Bedeutung 
‘um’ hat. Wir haben oben gesehen, dass abhi-dah, welches 
eigentlich “bebrennen’ heisst, ganz wohl auch durch “mit Flammen 
umgeben’ übersetzt werden kann. So hat denn auch diskeinan 
eigentlich die Bedeutung “bescheinen’, kann aber gebraucht 
werden, um das griechische repıapreıv wiederzugeben (Luk. 
2, 9). So entsprechen noch andere gotische Verba mit dr 
griechischen mit rep{, ohne dass man anzunehmen braucht, 
dass die Präpositionen selbst sich decken. Dahin gehören 
bibindan repıdetv, bigairdan nepızwvvövar, bivasbjan repıßalleıv, 
repıxuxkoüv, bimastan reprräuverw (denn es kommt praktisch auf 
dasselbe hinaus, ob man ‘beschneiden’ oder “umschneiden’ sagt, 
wenn auch die ursprüngliche Anschauung ganz verschieden ist). 
Das griechische xuxkouv ıst Joh. 10, 24 durch bırinnan wieder- 
gegeben: Panuh birunnun ına Iudasess. Natürlich kann man 
auch sagen: sie berannten ihn. Dasselbe giebt repırpeyeıv wieder 
Mark. 6, 55: birinnandans all Pata gavi, wo man auch mit 
(berennen) besuchen’ auskommen kann (vgl. oben av. a:bi-ya). 
Bistandan repıstävaı und repıxuxAoöv lässt sich wohl mit abAr- 
sthä vermitteln; dittuhan herumziehen, z.B. in dtlauh veihsa 
Bisunjane giebt wohl repıdysıw wieder, kann aber auch ‘beziehen’ 
sein. In disarhvan kann man wohl eine Parallele zu abAr-ak$ 
finden (wenn auch Mark. 10, 23 ‘umherblicken’ das Natürliche 
ist). In bihvairban ovveyerv Luk. 8, 45 kann möglicher Weise 
das Drauflosdrängen ausgedrückt sein. In allen diesen Fällen 
also kann man in dt- das Gegenbild von abAi finden, also. 
als ursprünglichen Sinn “darauf los’ festhalten, wenn man auch 
nicht dazu genöthigt ist. Unnatürlich aber würde mir diese Auf- 
fassung scheinen bei disttan und bisunjane (was ja wahrscheinlich 


1) Einige Fälle wie z. B. bileifan lasse ich absichtlich unerörtert, 
wie ich denn auch auf die Heranziehung der übrigen germanischen Dialekte 
verzichten muss. 





686 Kap. XV. II. Gotisch di. (5 288. 


eine Partizipialform ist, s. bei den Adverbien S. 591). Bisılan 
übersetzt repıowxoüv: Jah varb qna allaım ayıs batm bisitandam 
xal &ydvero &ml navras Pößos Tod; repioxoüvras adrous Luk. 1, 65; 
bisitands ist reploıwos, repiympos. Abhi-sad heisst drohend 
gegenüberstehen, im Zaum halten, und dem entsprechend ags. 
bissttan obeidere und alts. disittian belagern. Damit lässt sich 
‘Umwohner, Nachbar’ wohl zusammenbringen, aber doch nur 
gezwungen. Ich halte also für wahrscheinlich, dass das ds des 
ags. und alts. Wortes dem ai. abht entspricht, wie es bei Verben 
erscheint, das got. 5 in disitan aber dem griech. duot und dem 
ai. abhitas auf beiden Seiten. 

ds mit Kasus. Auch in der Präposition lassen sich wie 
in dem Präverbium die zwei Bestandtheile unterscheiden. Ich 
stelle, wie bei dem Verbum, denjenigen Gebrauch voran, der 
sich mit dem desai. abAhi deckt. Der altüberlieferte Kasus 
dabeı ist der Akkusativ, daneben findet sıch der Dativ und 
der Instrumentalis. Zunächst der Akkusativ. Der alte lokale 
Gebrauch (‘auf etwas hin’) findet sich nur noch gelegent- 
lich im Gotischen, so: jabai hvas uk stautai bi tashsvon Peina 
kinnu Satıs os bantleı el; rhv Öefıdv oıaydva Matth. 5, 39. In 
der Wendung n3 mannanhun bi vig goljaib ymöcva xard Tıv 
650v donaoyode Luk. 10, 4 liegt wohl auch die Anschauung “auf 
den Weg’ ursprünglich zu Grunde. Auch bi Aveila niundon 
zepl Thy dvarıy opav kann zunächst ‘bis zur Stunde hin’, dann 
‘zu der Stunde, in der Stunde’ bedeuten. Daran scheint sich 
gelehnt zu haben: ds Verekan papam zur Zeit des Papstes 
V. im cal. got. Doch könnte in diesen Zeitangaben auch ‘um’ 
stecken. Über andere Zeitangaben, die man bei Gabelentz-Loebe 
ım Glossar verzeichnet findet, wage ich nicht zu urtheilen. 
Bi tvans zu zweien 1 Kor. 14, 27 kann ursprünglich sein “bis 
zu zweien‘. Der sog. ‘ethische’ Gebrauch von di mit dem Akk. 
lässt sich völlig aus dem auch von Grabelentz-Loebe voran- 
gestellten, nämlich “in Beziehung auf’ ableiten, der auch in 
abhi hervortritt. Namentlich hebe ich hervor, dass ds ım Got. 
bei den Verben stldaleikjan staunen, saurgan sorgen, unverjan 
unwillig sein, birodjan murten, gasakan drohen, gavrargjan 








$ 280.) Kap. XV. II. Got, alts. ds, ags. be. 687 


verdammen, ulan dulden, kvopan sich rühmen, dtdjan bitten, 
gretan weinen erscheint, so dass es durch ‘um, wegen, über 
zu übersetzen ist und an das Gebiet des Instrumentalis 
streift, letzteres namentlich auch ın liban bi hlaib ainana dr 
äptw uövp Luk. 4,4. Ähnlich im Ahd. (Graff, Präpositionen 107) 
und im Alts., wo aber nur Verba des Sagens in betracht 
kommen. Diese in der Verbindung mit dem Akkusativ ent- 
wickelten Bedeutungen sind nun auch in der Verbindung 
mit dem lokalen Dativ (ursprünglich wohl dem Lokalis) und 
dem Instrumentalis verwendet worden. In Verbindung mit 
dem lokalen Dativ entsteht bei, und zwar natürlich zunächst 
im Sinne der Bewegung nach etwas hin, z. B. e& Avan ni 
gastaggjais bi staina fotu beinana wrote npooxndbms rpbs Aldov 
tov nöda soo Luk. 4, 11; distagg ahva bi jainamma razna rpo<- 
Eepprtev 6 roranös r7j olxig &xelvn Luk. 6, 48. Auch in andgreipan 
und fairgreipan bi handau xpareiv Ts yeıpds kann man noch 
das Fassen nach etwas hin verstehen. Einige Beispiele aus 
dem Angelsächsischen entnehme ich Heyne’s Glossar zum 
Beowulf: gefeng be eazle fasste an der Achsel, zledon leöfne 
Peöden be mäste legten den lieben Herrn hin neben den Mast, 
be healse genam nahm ihn beı’m Halse, fiel ihm um den Hals. 
Im Sinne der Ortsruhe ist ds mit dem Dativ im Gotischen kaum 
belegt, wohl aber in den anderen alten Dialekten, z. B. im 
Angelsächsischen: sät be Dem gebrödrum tvem sass bei den bei- 
den Brüdern, häfde be honda hatte an der Hand u. s. w. Auf 
die Entwickelung der zeitlichen und ethischen Bedeutung von 
dt mit dem Dativ gehe ich nicht ein. Mit dem Instr. erscheint 
bi im Got. und Alts., und zwar im letzteren in der verständ- 
lichen Bedeutung ‘wegen’ (di thiu deswegen, bi hvi weswegen). 
Wie got. bsbe nachher, späterhin zu seiner Bedeutung gekom- 
men ist, ist mir nicht recht klar. 

Es folgt nun die Bedeutung ‘um? (ai. abhitas). Es gehören 
dahin wohl Stellen wie satun bi ina managei &xddmro repl aurov 
6xAos Mark. 3, 32; gasaihvands managans hiuhmans bi sik löwv 
roAlo0g OyAous mepl adrov Matth. 8, 18 (vgl. ahd. bei Graff 
8.181 do gisah der heilant managa menigt umbi sih); gavasıbs 





688 Kap. XV. II. Slavisch obü, o. [5 280. 


gairda bi hup seinana repl try S&apbv auroö Mark. 1, 6 (vgl. ahd. 
Johannes habeta fellinan buohhah umbi sino lentın). 

Demnach bin ich der Meinung, dass durch das got. di die 
beiden alten Präpositionen *ebAi auf etwas hin, und mdAi auf 
beiden Seiten, um repräsentiert sind. In den anderen ger- 
manischen Dialekten ist, so viel ich sehe, die erstere durch 
ags. be, alts. dt, ahd. di, die zweite durch ags. ymb (also ymb- 
sittend Nachbar gleich got. bisitands), alts. umdi, ahd. umbi 
vertreten. Zwar sehe ich, dass gelegentlich der ersten Form 
auch ın diesen Dialekten die Bedeutung der zweiten gegeben 
wird (z. B. Beov. 859 ‘im Umkreise der beiden Seen’), aber 
man kann wohl auch da mit ‘bei’ u. s. w. auskommen (‘bei 
den beiden’). | 

Slavisch (odü, o). 

Dass ou dem Sinne nach mit dem gotischen dt durchaus 
übereinkommt, hat Miklosich 4, 218 ff. gezeigt. Indem ich mich 
diesem Gelehrten anschliesse, erwähne ich zuerst einige Fälle, 
die von ihm als dunkel bezeichnet werden. Es sind diejenigen, 
in welchen der Sınn des aı. adhi darauf los, hin zu noch am 
deutlichsten hervortritt. Dahin gehören: aksl. obresti finden, 
nach Miklosich eigentlich “auf etwas kommen’, vgl. sä-resti zu- 
sammentreffen, begegnen; aksl. oblesti u£veıv, decumbere, wohnen 
bei, eig. ‘sich legen zu jemand hin (vgl. ai. abAi-8i liegen auf mit 
Akk., abhi-Sri sich flüchten zu); serb. opasti 1. abfallen, 2. ver- 
läumden in der ersten Bedeutung auf ofü zurückzuführen, in der 
zweiten möchte M. es durch ‘anfallen’ erklären. Wenn russ. ody- 
vati wohnen aus odü und byti zu erklären ist, so lässt sich ai. 
abhi-bhü in der Bedeutung ‘sich zuwenden, kommen zu’ verglei- 
chen. Aksl. odestati (aus obü-vestatt) heisst versprechen’, eigent- 
lich“ in Beziehung auf etwas sprechen’; ähnlich serb. ogovorih 
entschuldigen, vertheidigen, russ. ogovor:fi tadeln und verthei- 
digen, eig. ‘über etwas sprechen’; russ. osuditi verurtheilen, eig. 
“beurtheilen’. Aksl. opiti se heisst ‘sich betrinken’, obiyast! se 
schwelgerisch sein. Noch besser als in diesen Medien kommt 
das obü zu seiner Geltung in der russischen aktivischen Wen- 
dung jego obüeh i opili man hat ihn arm gegessen und 








$ 280.) Kap. XV. II. Slavisch obü, o. 689 


getrunken, eig. auf ihn los gegessen. Häufig entspricht od& 
unserem be-, wofür es genügt, einige Zeilen aus Miklosich an- 
zuführen: “aksl. odajat! incantare, nhd. besprechen; obliyati 
perfundere, begiessen; odlügait calumniari, ahd. pisprächön ob- 
trectare; obonjyati odorarı, nhd. beriechen; obrositt irrorare, be- 
thauen; oglagolatı calumniari; odarıt? donare, beschenken; 
oklevetati calumniarı; oArasti furari, bestehlen; oplakati deflere, 
beweinen; obarovati custodire, bewahren.” Das slavische odü 
bedeutet aber auch ‘um’, wie das gotische 5. Dafür einige 
altkirchenslavische Belge aus Miklosich: oditi (obü-stt) xuxAodv, 
circumdare; obleZati nepıxeisdar, circumjacere; oblo2its repırıdtvar; 
obüzırats circumspicere; obüstojati circumstare. In einigen 
anderen Fällen kann derselbe Zweifel erhoben werden wie bei 
dem got. b:. 

Als Präposition findet sich o5& im cod. Mar. nur in 
obü onü polü n&pav, Avtındpav, eigentlich “nach jener Seite hin’, 
also wie abht, ferner in odü nosti dra vontdc. Wie diese Nuance 
(got. alla naht) entstanden ist, weiss ich nicht. Die andere 
Form o erscheint mit den Akkusativen: da ne jegda pretüknest 
o kameni nogy tvojeje pnmore rpooxddlms npos Aldov tov ndda ou 
Matth. 4, 6 (also wo im Gotischen db? mit dem Dat.-Lok. steht); 
dazdü nama da jedinü o desnajq tebe ı jedinü o &jujq tebe se- 
deve dos Tuiv Iva eis &x Öskımv oou xal eis 2 edwvupwv aou xadlom- 
pev Mark.10,37 (eigentlich “uns zur Rechten hinsetzen’); metase 
Zrebije o nje Balkovres xAnpov &r’ acra Mark. 15, 24. Mit dem 
Lokalis kommt es in einer Weise vor, die sich an diese Akku- 
sative angelehnt haben könnte: sübüra se narodü münogü o njemi 
ouvnydn ÖyAos roAls dr’ aördv Mark. 5, 21. In anderen Stellen 
hat es deutlich den Sinn von ayol, z. B. i pojasü usinenü o 
ereslechü jego xal Lwvnv depparivnv zepl Thy dopüv adrod Mark. 
1, 6; aste obloZetu kameni Zrünovünyji o vyji jego el neplxerrar 
Aldog puAıxög nepl Töy tpaynAov adroö Mark. 9, 42; € sedease 0 
njemi narodü xal &xadnro öyAos nepl adrdv Mark. 3, 32; © sqsteji 
o Tyre i Sidone xat ol repl Töpov xal Zıöwva Mark. 3, 8. Wo o 
in übertragener Bedeutung steht, weiss ich nicht mit Sicherheit 


zu sagen, auf welche Grundbedeutung es zurückgeht. Einige 
Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm. Sprachen. |. 44 





690 Kap. XV. ID. gr. dpet, ahd. umbi, ai. ud, av. us. [$ 280-281. 


Beispiele sind: divljachq se narodi 0 uceniji jego &kerinooovro ol 
öykor drl Tä drdayt adtoö Matth. 7, 28; « Aako jestu pisano o 
syne xal rag ytypantar Ertl töy vidv Mark. 9, 12; o künezi besü 
izgonitü besy &v T® Apyovr. mv daroviov dxßaileı ta daruövıa 
Matth. 9, 34. 

Zum Schluss stelle ich noch einmal die Formen zusammen, 
welche auf *ambAi, *mbhi zu beiden Seiten, um zurückgehen. 
Es sind ai. abhitas, welches in der alten Prosa unzweifelhaft 
‘zu beiden Seiten’ bedeutet, av. atwito dass., z. B. yım ancitö 
mazdayasna histenta um welchen herum die M. stehen yt. 5, 98; 
gr. aupl und lat. amb-, ahd. umbi u. s. w. Im Gotischen bi 
stecken beide Urpräpositionen, wie im Slavischen odü&, o. In 
den modernen slavischen Sprachen ist o ‘um’ meist durch oXolo 
verdrängt. Da ich über die Konstruktion von di und o ‘um’ 
bei dem Gotischen und Altkirchenslavischen gehandelt habe, 
füge ich hier nur noch einige Belege für aupi und ahd. 
umbi u. s. w. bei (vgl. Monro? 170ff. und Graff 181). Sie er- 
scheinen mit dem Akkusativ, z. B. aup! 8’&0v olAov ulov Zyeu- 
ato nıyee Asuxm E 314; wo appl xprrmpa tpanelas Te rAndousa; 
xeiusd" Evi peyapp A 419. Ahd.: do gisah der heilant managa 
menigi umbs sıh; auch angewendet auf die Zeit: umbi dia 
nuntun zit riof der heilant. Im Griechischen findet sich 
ausserdem Dativ und Genitiv. Der (in der späteren Sprache 
verschwundene) Dativ ist offenbar ein Lokalıs, z. B. zöpu yap 
aup’ üporoıv Eysı adxos A 527; ferner bei streiten, z. B. apo’ 
"Elevy xal xıypası räcı nayesdar [' 70, woran sich einige andere 
Verba angeschlossen haben wie pepunplw, nußeonar (vgl. unter 
rept mit dem Gen.). Der Genitiv findet sich: naysodov riöaxos 
aup’ öllyns TI 824; aelöcıv app’ "Apsos guAdrntos # 266. Er 
scheint den Dativ verdrängt zu haben. 


$ 281. Ai. dd, av. us, altp. ud und us, got. ul, us. 
Mit ai. dd in die Höhe, heraus wird wohl got. ut hinaus, 
heraus identisch sein, welches nicht mit dem Verbum zu- 
sammengesetzt wird, sondern frei vor oder hinter ihm steht, 
z. B. ut gaggan hinausgehen (auch ut usgaggan), ut batran 





$& 281.) Kap. XV. IL ai. dd, av. us, got. ut, us. 691 


hinaustragen, Ahtri ut komm heraus. Das Präverbium got. us 
dagegen entspricht dem av. us, so dass man für die Urzeit neben 
*id ein *uds anzusetzen haben wird. Da sich eine Verschieden- 
heit der Bedeutung nicht entdecken lässt, behandle ich die in 
der Überschrift genannten Wörter als identisch. Der Sinn ist 
‘hinauf und insofern mit der Hinaufbewegung auch eine Hinaus- 
bewegung verbunden ist ‘hinaus. Einige Beispiele sind: ai. 
üd- aufgehen, hinausgehen, entkommen, av. us-t hervorgehen; 
ai. dd-gam in die Höhe gehen, herausgehen, av. us-Jam zum Vor- 
schein kommen, got. usgaggan hinausgehen, fortgehen; ai. ud-ar 
sich erheben, av.us-arhervorgehen, auferstehen (vgl. got. urrinnar 
ausgehen, aufgehen); ai. 4d-a$ an die Spitze kommen, av. us-as 
hinaufdringen; ai. dd-ar hinaufathmen, ausathmen, got. usaran 
aushauchen, den Geist aufgeben; aı. üd-stkä aufstehen, sich 
aufmachen, entstehen, av. us-sta sich erheben, got. usstandan 
aufstehen, aufbrechen; ai. dd-sad sich bei Seite machen, sich 
entziehen, zu Ende gehen, verschwinden, got. vs-sttan aufsitzen, 
sich aufrichten; ai. dd-gradh aufheben, heraufnehmen, erheben, 
herausgreifen, herausziehen, wegnehmen, wegziehen, av. us- 
garew erheben; ai. üd-bhar herausnehmen, heraustragen, aus- 
lesen, av. us-bar heraustragen, got. usbatran hinaustragen, hervor- 
bringen, vorbringen. Bemerkenswerth ist, dass bisweilen aus 
dem hinaus ein bei Seite und hinweg wird, so bei ai. dd-sad 
(s. oben); “d-vas kaus. aus seiner Stelle entfernen, versetzen; 
üd-man aus dem Verstande herauskommen, verrückt werden; 
av. us-vad kaus. aus dem Heirathen herausbringen, am Heirathen 
hindern. Ferner beachte man ai. dd-ni und dd-sic aufschöpfen, 
vollschöpfen und vergleiche got. usfulljan eig. auffüllen (s. auch 
üd-par bei Böhtlingk-Roth), dann ausfüllen, erfüllen, vollständig 
machen, ersetzen. Aus dem Gotischen erwähne ich noch: 
usvandjan sich abwenden; usgimar umbringen, töten; usgildan 
vergelten; usdbugjan erkaufen (aus den Händen des Inhabers); 
usbidjan erbitten, usbulan erdulden (ob dem griech. av&tAn zu 
vergleichen, also eig. ‘in die Höhe heben’?); usdliggoan durch- 
bläuen, aushauen (wohl eigentlich ‘so schlagen, dass das Blut 
herauskommt); usfilkan begraben ist mir nicht deutlich. 
44* 





692 Kap.XV. IL ai. spa, av. upa, gr. drö, got. uf. [$ 281—282. 


Die Entwickelung unseres ur, er soll hier nicht verfolgt 
werden. 

Als Präposition zeigt sich unser Wort nur im Gotischen, 
wo es mit dem ablativischen Dativ verbunden wird, z. B. bei 
giman (stibna us himina eine Stimme aus dem Himmel;; us- 
gaggan (us valın aus dem Wasser); usstandan (us daubasm von 
den Toten) u. s. w. Die Übertragungen auf Zeit und Ursache 
verstehen sich leicht. Eine gute Übersicht bietet das Glossar 
von Grabelentz-Loebe. 


6 282. Ai. dpa, av. altp. upa, gr. nd, got.uf (lat. sud). 


Es lassen sich eine Reihe von Verbindungen anführen, 
in denen das Altindische und Avestische übereinstimmen, so: 
ai. und av. dpa-i sich nähern, sich fleischlich nähern, beschlafen ; 
ai. üpa-gam hinzukommen, feindlich zusammenstossen, inire, 
av. upa-jam hinzukommen; ai. &pa-stha hinzutreten, sich stellen 
neben, sich bittend nähern, av. upa-sta hinzutreten; ai. upa-Iri 
sich anlehnen, av. upa-sri sich anlehnen (so nach Geldner, drei 
y. 107); ai. dpa-sac aufsuchen, av. upa-hac besuchen; ai. dpa-ay 
herantreiben, av. upa-az hinbringen; ai. üpa-ni hinsuführen, av. 
dase.; ai. ipa-bhar herbeitragen, bringen, av. upa-bar bringen; 
ai. üpa-vah herbeiführen, bringen, av. upa-vaz hinführen; ai. 
üpa-k$i sich aufhalten, wohnen in oder bei, bleiben; av. upa- 
xzös wohnen; ai. dpa-yam unterlegen, zum Weibe nehmen, av. 
upa-yam (in anupayalta) subigere puellam; ai. upa-han schlagen, 
stossen auf, anstecken, berühren, av. upa-jan anschlagen, an- 
stossen; ai. dpa-kart verletzen, av. upa-kareb schneiden; ai. 
üpa-dhar tragen, stützen, av. upa-dar stützen (den Himmel); 
ai. upa-dhar$ sich wagen an, av. upa-dares erzwingen; ai. üpa- 
sar) draufgiessen (eig. dazugiessen), aussenden, av. upa-harez 
hinwerfen (z. B. das Kleid über jemand), besprengen; ai. upa- 
brü zu jemand sprechen, anrufen, zureden zu, av. upa-mrü an- 
rufen; ai. upa-hva herbeirufen, einladen, einstimmen, beloben, 
av. upa-zba rufen zu, anrufen; ai. dpa-situ preisen, besingen, 
av. upa-stu preisen, beten. Zweifelhaft ist, welchem indischen 
Verbum das avestische da in upa-da entspricht, welches nach 





$ 282.) Kap. XV. I. ai. tipa, av. upa, gr. dn6, got. uf. 693 


Geldner ‘sich fügen’ bedeutet. Ai. “pa-da heisst ‘auf sich 
nehmen’ (als Last), dpa-dha darauflegen, daranlegen, ansetzen, 
z. B. den Arm um eine Frau legen, die Zähne an etwas an- 
getzen, Ziegel bei einem Bau auflegen, etwas an das Feuer, 
auf das Feuer setzen, also scheint die Grundbedeutung: nahe 
heranbringen. 

Aus dieser Übersicht dürfte sich die Grundbedeutung ‘nahe 
herzu, heran, herbei’ ergeben. Im Altindischen speziell zeigt 
sich noch eine etwas andere Färbung der Bedeutung, über die 
ich SF. 5, 454, indem ich üpa mit abhi und @ verglich, Fol- 
gendes bemerkt habe: “dhav mit dpa heisst herzulaufen, seine 
Zuflucht nehmen zu, mit abAhi losrennen auf; sar mit upa das- 
selbe wie dhäv, mit abhi herbeilaufen, fliessen zu; car mit dpa 
herbeikommen, sich nähern, hinzutreten um zu bedienen, je- 
mandem an die Hand gehen, aufwarten, unternehmen, dagegen 
mit abhi bezaubern; sad mit dpa sich setzen zu, nahen, heran- 
treten, namentlich mit Verehrung, mit abAi drohend gegenüber- 
stehen; sth@ mit uipa stehen bei, sich stellen neben, sıch bittend 
nähern, mit abAi treten auf, bemeistern. In diesen Fällen tritt 
deutlich folgender Unterschied hervor: in gewissen Verben mit 
abhi zeigt sich der Sinn des Drauflosgehns und Bemeisterns, 
mit dpa der des bescheidenen Nahens, d. ı. des Nahens von 
unten. Der Gegensatz gegen ä& tritt in folgenden Beispielen 
hervor: zunächst bei dkav (ü@ herbeilaufen), sad (& sich setzen 
auf), stkä (@ etehen auf, besteigen), deren Verbindung mit «pa 
und abhti eben erwähnt worden ist, nicht weniger bei einigen 
anderen wie: 33 mit dpa liegen bei (die Frau bei, neben dem 
Manne), mit & liegen in, auf; bei v:$ mit «pa sich setzen, mit 
ä eingehen, eintreten; parc mit dpa hinzufügen, mehren, mit ä 
erfüllen, vermischen; 5ar mit dpa hinzugeboren werden, hinzu- 
kommen (von dem Schaltmonat gesagt), mit @ an einem Orte 
geboren werden; yaj mit dpa dazu opfern, mit @ herbeiopfern. 
Während also in @ das “in, an, auf” liegt, tritt bei dpa der Be- 
griff des Sichanschmiegens, des Danebenseins, des Hinzugefügt- 
werdens hervor. Danach dürfte sich aus dem Bisherigen als 
die Bedeutung von tpa ergeben: unten an, nahe an, herbei, 


694 Kap. XV. IL ai. spa, av. upa, gr. br, got. uf. [$ 282. 


noch dazu”. Diese Beobachtungen sind richtig, nur muss hinzu- 
gefügt werden, dass sich bei üöpa auch noch die Nuance des 
“auf” findet. Schon im Vorhergehenden ist diese Bedeutung 
hier und da aufgetreten, hier will ich namentlich noch das 
Verbum wüpa-star (örootop&vvup:) anführen. Es heisst über- 
breiten, wird gebraucht von der Decke, die man dem Rosse 
überbreitet (RV. 1, 162, 16) und ım Ritual technisch von dem 
Opferschmalz, welches so aufgegossen wird, dass es einen Über- 
zug bildet, sodann daneben legen, umlegen, umkleiden mit, 
z. B. im Ritual das Feuer mit Gräsern umlegen, endlich 
unterstreuen, unterlegen, z. B. ein Fell, um darauf zu sitzen. 
Wie sich diese Bedeutung ‘auf’ entwickelt habe, lässt sich aus 
dem Altindischen nicht recht ersehen. Das Germanische und 
Lateinische deuten darauf hin, dass ursprünglich eine von 
unten auf erfolgende Bewegung gemeint war (etwa wie wenn 
man einen schweren Stein fortbewegt), woraus sich dann "nach 
oben hin, auf’ entwickeln konnte. Im Sanskrit zeigt sich 
die so entstandene Doppelheit der Bedeutung recht auffallend 
in dpara einerseits und upamd andererseits: tupara bedeutet 
nach Böhtlingk “unterhalb gelegen, der untere, der hintere, 
der spätere, der nähere, der benachbarte’, upama dagegen “der 
oberste, höchste, der herrlichste, trefflichste, der nächste, erste’. 
In dem zweifellos verwandten upar: tritt nur der Begriff des 
oben hervor, wie in ön&p und got. wfar. 

Ich komme zum Griechischen. In dieser Sprache ist 
die Nuance des “Unter zur Alleinherrschaft gekommen (vgl. 
die Aufzählung der bei Homer vorkommenden Zusammen- 
setzungen mit önd von La Roche, ZFÖG. 12, 360 ff). Daher 
lassen sich nur wenige Verbindungen anführen, welche auch 
ın der Bedeutung den arischen entsprechen. So deckt sich 
Örootop&vvupı wenigstens mit einem Theile der Bedeutung von 
üpa-star; droLeöyvopn. anschirren mit dpa-yuy dass.; Öreıpı dar- 
unter sein mit üpa-as in, unter etwas sein (unter dem Schutze des 
Gottes, einmal in RV.). Gewöhnlich tritt der Gegensatz deut- 
lich hervor, so heisst ördyw nicht wie das identische upa-ay 
hinzuführen, sondern darunter führen, und sogar darunter 











$ 282.) Kap. XV. II ai. upa, av, upa, gr. brn6, got. uf. 695 


wegführen (sudducere); öÖplorapcı nicht mehr dazutreten, son- 
dern sich darunter stellen, sich unterziehen; örop&pw nicht wie 
üpa-bhar hinzubringen, sondern (unten) wegtragen, davon- 
tragen. 

Im Germanischen haben sich die Bedeutungen so ge- 
theilt, dass das gotische uf (abgesehen von einigen Fällen der 
Zusammensetzung mit dem Verbum) nur “unten an’ bedeutet, 
die entsprechenden Formen der verwandten Dialekte aber, wie 
altn. of, ahd. oda, opa (vgl. über dieselben J. Schmidt, KZ. 26, 32) 
fast nur ‘oben an’. (Spuren des alten weiteren Gebrauches 
werden uns im Altnordischen in der Verbindung mit Kasus 
begegnen). Vermuthlich wirkte in diesen Sprachen die An- 
ziehung von über stark ein. Auch war ja eine Präposition zu 
entbehren, welche nur ein Synonymum von uzter darstellte. 
Das gotische uf mit Verben entspricht meist dem griechischen 
önö (wenn auch nicht dem ürd des griechisches Textes im neuen 
Testament), z. B. ufdaupjan untertauchen, ufgairdan unter- 
binden, umgürten, ufhausjan auf jemand hören, ihm gehorchen, 
unterthan sein, ufhnatojan unterwerfen, ufligar unterliegen, zu 
Ende gehen, verschmaehten, ufmeljan unterschreiben, ufsagggjan 
versenken, wfsliupan einschlüpfen, sich einschleichen, dann 
auch mit der bei önd nicht selten auftretenden Nuance:. sich 
fortschleichen öroorelkeıy &aurdv Gral. 2, 12, ufstrauyyan unter- 
streuen, unterbreiten. In manchen Fällen bleibt der genaue 
Wortverstand von uf mir undeutlich, so in uförikan verachten, 
übermüthig behandeln, ufdrinnan verbrennen, entbrennen, er- 
hitzt werden, ufkunnan erkennen, erfahren, kennen, wissen, 
ufbanjan ausdehnen. Nach Abzug dieser bleiben noch eine 
Anzahl übrig, in denen wir uf durch ‘auf übersetzen, nämlich 
ufbauljan und ufblesan aufblasen, ufhlohjan machen, dass je- 
mand auflacht, ufkropjan aufschreien, ausrufen, ufsvogjan auf- 
seufzen, ufoopjan aufschreien, ufgraban aufgraben, ufhaben 
aufheben, emporhalten, ufrakjan in die Höhe strecken, aus- 
strecken. Es scheint mir deutlich, dass in mehreren dieser 
Fälle eine von unten auf erfolgende und in die Höhe strebende 
Bewegung gemeint ist. 


696 Kap. XV, U.ai upa, av. upa, gr. ur6, got. wf. [$ 282. 


Lateinisch. Woher das lateinische sud sein s hat, weiss 
man nicht. Es ist aber klar, dass es mit dpa u. s. w. dem 
Sinne nach völlig übereinstimmt. Es bedeutet wie diese die 
Bewegung unten an etwas hin und die Annäherung überhaupt, 
z. B. subeo unter etwas gehen, sich ducken, herankommen, 
subsido sich niedersetzen, subdo unterlegen, untersetzen, sub- 
struo unterbauen, sudsterno unterstreuen, unterbreiten, subsum 
darunter sein, in der Nähe sein, sudseguor unmittelbar nach- 
folgen u.s. w. Aus der Anschauung des nahe Herankommens 
(wobei aber nicht vollständiges Erreichen vorausgesetzt ist) ent- 
wickelt sich im Lateinischen der abschwächende Sinn von 
sub, welcher in der Zusammensetzung mit Nominibus und 
Verbis häufig ist, z. B. sudlino unten hin schmieren, ein wenig 
anschmieren, berappen, subaccuso ein wenig tadeln, subblandıor 
ein wenig schmeicheln, subdubsto einigen Zweifel hegen. Ferner 
hat sich das Unterschieben zum An-die-Stelle-Schieben (Er- 
setzen) entwickelt, 8. B. sudstituo unter etwas stellen, an die 
Stelle setzen, sufficto nachwählen, sublego und subrogo an die 
Stelle jemandes wählen. Besonders deutlich erscheint bei sus 
die von unten aus in die Höhe gehende Bewegung, z. B. succedo 
unter etwas gehen, von unten herangehen, hinaufsteigen, sub- 
duco darunter wegziehen, entziehen, benehmen, in die Höhe 
ziehen (tunscam, supercilia, namentlich naves gleich aveixo!, 
subicso unter oder unten an etwas werfen, in die Höhe werfen 
(corpora saltu ın equos Virg.), submitto senken, erheben (oculos 
Ovid.), subsilio in die Höhe springen (a sede), sublevo in die 
Höhe heben, aufrichten, subrigo in die Höhe richten, erheben, 
subveho hinaufführen, stromaufwärts führen, succingo von unten 
herauf gürten, aufgürten u. s. w. 


*ipo mit Kasus. 


Die natürlichen Genossen einer Präposition von der Be- 
deutung von *tpo sınd der Akkusativ und der Lokalis. Diese 
finden sich denn auch überall, dazu noch der Instr. im Alt- 
indischen, der Gen.-Abl. im Griechischen. 1. Der Akkusativ. 
Im Altindischen im Sinne von hin-zu: indra yahi dhiyesitö 











$ 282.] Kap. XV. U. ai. upa, av. upa, gr. br6, got. uf. 697 


üpa brahmäni väghdtak komm herbei, o Indra, herbeigerufen 
durch die Andacht und zu den Gebeten des Frommen RV.1, 3, 5. 
Im iranischen Gebiete finde ich nur den Sinn des Verweilens 
bei etwas, also die Konstruktion, welche sich zunächst bei Ver- 
ben der Bewegung einstellte, auf Verba der Ruhe übertragen, 
z. B. altp. kara Päarsa uta Mäda hya upa mam äha das persische 
und medische Heer, das bei mir war Spiegel? 14, 18; av. iqm 
yazata upa zrayö vourukasem er opferte ihr am See V. yt.5, 116. 
Sodann auch bei Zeitbegriffen, z. B. upa usärhem um die Zeit 
der Morgenröthe (vgl. önö vöxta, sub noctem) yt. 5, 62. Einmal 
soll es im Altpersischen ‘für’ bedeuten. Im Griechischen 
ist der Gebrauch ebenso, nur dass die Nuance des unten die 
herrschende geworden ist, z. B. öro te on&os HAaoe yjka unten in 
die Höhle, in den Schutz der Höhle A 279, önd Loyöv dyeıv, 
önd "MAtov HAde kam bis unter Ilion u. ähnl. Auch bei Verben 
der Ruhe, z. B. rentmas yap Exeıro bmd Bpdvov x 362, Basoı Eaaıv 
om nda 7 neAıdv te d.h. auf der ganzen Erde E 267. Auch bei 
Zeitbegriffen findet sich örd, z. B. 8; y &xdlevey Tpwal rori 
arökıy Aynoaodaı voyxd nd rvd &lohv, Bre T pero dlos ’Ayuleüs 
X 101. Dass dabei der Begriff der Erstreckung betont werde, 
kann ich nicht finden. (II 202 hegt er in xä,). Bei Thukydides 
findet sich örö Toüg adtods yp6vous, Önö vöxta u. ähnl. (La Roche 
a.a.O. 344). Im Germanischen zeigt das Gotische den- 
selben Gebrauch wie das Griechische, aber nur bei Verben der 
Bewegung, z. B. ei uf hrot mein inn gaggats va you brd TIV 
oteynv ela&Ady: Matth. 8, 8; dupe ei uf melan satjaidau \va br 
zöy nöörov tedZ Mark. 4, 21. In den übrigen Dialekten ist die 
Bedeutung ‘ob’ zur Entfaltung gelangt, doch hat sich im Alt- 
nordischen noch die alte Verbindung mit Zeitbegriffen erhalten, 
z. B. of midja nött um Mitternacht (vgl. Wilken, die pros. Edda, 
Glossar unter of). Das lateinische su5 drückt wie das Prä- 
verbium “unten an etwas hin’ oder “unter etwas hin’ aus, z. B. 
sub montem succedunt mililes, exercitum sub jugum mittlere. Sub 
noctem ist schon erwähnt. 2. Lokalis. Im Arischen z. B. 
ai.amür ya pa süryö yäbhir va süryah sahd jene, welche bei der 
Sonne sind oder mit denen die Sonne ist RV.1,23,17. Über üpa 


698 Kap. XV. IL ai. upa, av. upa, gr. Ir.6, got. uf. "& 282. 


dyari vgl. SF. 5, 455. Av. z. B. yapcıib ahi upa aodapsu 
rarhayä wenn du an den Gewässern der R. bist yt. 12, 18. 
Ebenso im Griechischen ('unter';, z.B. Epöouev @adavaroısı Teir,- 
essa; dxarsudas xadl br6 rAaravistp B 306; xotunadv por Zrvos 
on’ öppuatv 69sE gasıyv» = 236 u. ähnl. Wie in dieser Verbin- 
dung der Sinn der bewegenden Ursache sich entwickelt, ist 
von La Roche a. a. O. 348 ff. gezeigt worden. Aus dem Gebiet 
des Germanischen begnüge ich mich wieder mit der An- 
führung des Gotischen: svasre magun uf skadau ıs fuglos hi- 
minis gabauan hore öbvasdaı Ind Thy oxıdv abrod Td rereıva Tou 
oöpavod xatasxı,vouv Mark. 4, 32. Temporal z. B. uf Pauntiau 
Peilatau unter Pontius Pilatus. Das lateinische sud bedeutet 
“unten an’, ‘unter’, z.B. sub monte esse, sub terra habitare. Tem- 
poral sub Zuce urbem ingredi u.ähnl. In temporalen Ausdrücken, 
cervi sub ipsa die quam marıme invia petunt Plin. könnte viel- 
leicht der Instr. stecken. So weit der Akk. und Lok. Mit dem 
Instrumentalis verbindet sich üpa im Ai. in upa dyubhıh 
im Laufe der Tage und, was auffälliger ist, in dpa dharmabhıh 
gemäss der Ordnung. Vielleicht ist dpa mit dem Instr. pro- 
ethnisch (vgl. das litauische pö mit dem Instr.).. Im Griechi- 
schen verbindet sich önd mit dem ablativischen Genitiv 
und so entsteht der Sinn ‘von unter etwas her’, z. B. Luyo3 
öro vom Joche her unten, woraus sıch dann der Gedanke der 
veranlassenden Kraft entwickeln kann (vgl. La Roche a. a. O. 
354ff.), =. B. ol d Innous iv &ucav Önd Luyod töpwovras 8 39; 
npwros On Apvsıod Audunv ı 463; nodwv Oro doörog öpwper Hesiod 
Theog. 70; rxodüv 8 Gno doünov Axodw rn 10; Tudetöng bm &pelo 
woßeupsvos Txero vras 8 149; xard 5 Enenkav nor yalg Ados dm 
bınns 8 190; ol davov dv neölp Kıxdvwv Ero önwdtvres ı 66. Der 
Gen. mit önd steht auch, wenn angegeben werden soll, dass 
etwas sich unter etwas befindet, z. B. 6dı d ro vepdwv Erdev 
tpnpwva neisıav W 874. Ich glaube, dass dieser Gebrauch aus 
dem erstbehandelten entstanden ist, denn was man ünö Luyod 
löst, befindet sich ürd Luyoö. Übrigens ist auch nicht zu ver- 
gessen, dass die verschiedenen Präpositionen einander beein- 
flussen können. Es kann bei diesem Gebrauche von rs also 








$& 282—283.)] Kap. XV. II. lit. po, pa-, lett. pa, aksl. po. 699 


auch ein Einfluss von &rt vorliegen. Doch weiss ich einen 
solchen nicht nachzuweisen. 

$ 283. lit. pö, pa-, lett. pa, aksl. po. 

Ich halte es für nicht unwahrscheinlich, dass diese Präp. 
zu "ipo gehören. Ein Beweis ist schwerlich zu erbringen. 
Auf die Darstellung des Präverbiums, dessen Entwickelung mir 
nicht klar geworden ist, verzichte ich, dagegen folgen hier 
einige Bemerkungen über die Präp. Sie wird verbunden (vgl. 
namentlich Bielenstein, lett. Spr. 296 ff., Miklosich 4, 226 ff., 
430 ff., 676 £., 652 ff.): 

1. Mit dem Akkusativ. Im Litauischen bezeichnet sie 
nach Kurschat fast so viel als durch, nur mit dem Neben- 
begriff von hin und her, überall, z. B. jıs vdlkiojas pö visq 
sveiq er treibt sich überall in der Welt umher. Bielenstein 
macht darauf aufmerksam, dass eine Bewegung bezeichnet 
werde, aber ohne bestimmte Richtung, z.B. pa tirgu staigat 
auf dem Markte umhergehen. Im Lettischen soll pa mit Akk. 
auch ‘unter’ bedeuten, wofür ich aber einen sicheren Beleg 
vermisse. Über das slavische po sagt Miklosich, es bezeichne 
den Raum, über den sich eine Thätigkeit erstreckt, ohne ihn 
auszufüllen. Dieser Sinn könnte sich bei *4po mit dem Lok. 
entwickelt haben und von da auf die Präp. mit dem Akk. 
übergegangen sein. Näher mit dem alten Sinn von ödpo würde 
die Bedeutung stimmen, welche Miklosich 4, 431 angiebt, wonach 
es räumlich und zeitlich die Grenze bezeichnen soll, bis zu 
welcher sich eine Thätigkeit erstreckt. Ich muss das Ur- 
theil darüber den Kennern überlassen. 2. Mit dem In- 
strumentalis im Lit. in der Bedeutung unter, z. B. pö 
zeme gyventi unter der Erde wohnen. Das scheint das alte 
*ipo zu sein. 3. Mit dem Lokalis im Slavischen. Dort tritt 
es zu demjenigen, hinter und nach dem eine Bewegung statt- 
findet, z.B. itt po komi jemand nachfolgen. Wenn *dpo ur- 
sprünglich ‘bis heran’ bedeutet, so könnte sich auch ‘dicht 
hinter’ daraus entwickelt haben, es könnte aber auch das Wort 
für hinter (ai. paSca u. s. w.) in Frage kommen. 4. Mit dem 
Dativ, im Slavischen häufig, im Lit. nur in einigen Wendungen. 


700 Kap. XV. IL. parı, pairt, zipl, per, fair, per. [5 2835—284. 


Über die Entstehung dieser Verbindung weiss ich etwas Be- 
stimmtes nicht zu sagen. 5. Mit dem Genitiv ım Lit. ge- 
wöhnlich im Sinne von ‘nach’ (von der Zeit), z. B. ne pö :ilgo 
nach nicht langer Zeit. Vereinzelt auch in einer Weise, dass 
man eher den Lokalis erwarten möchte, nämlich: p6 aks@ vor 
den Augen, pö deszines zur Rechten. 

W. Müller in Kuhn und Schleicher’s Beiträgen 8, 103 ist 
der Meinung, dass die slavische Ursprache, also auch das 
Litauische, nur die Verbindung mit dem Akk. und dem Lok. 
gekannt habe. Ich weiss nicht, ob er Recht hat. 


6 284. Ai. pdri, av. pairi, altp. parıy, gr. zepi 
(r&pı), lat. per, got. fair, lit. pe? (aksl. pre-). 

Über rept und seine arischen Verwandten hat Sonne, KZ. 
14, 1ff. gehandelt. Er geht von der, wie ich glaube (s. oben 
8.659 ff.), unrichtigen Ansicht aus, dass in dem freien (adverbialen) 
Gebrauch des Wortes der älteste Sinn stecke, und da nun repı 
öfter im Sinne des Übertreffens steht, so setzt er ‘über’ als Ur- 
bedeutung an. Die Bedeutung ‘um’, die er nicht leugnet, 
glaubt er mit über nicht vereinigen zu können, verzichtet 
also darauf, einen ‘Generalnenner zu finden. Von wesentlich 
demselben Material geht Grassmann, Wb. s. v. aus, der aber zu 
einer anderen Grundauffassung gelangt. Er sagt: “die Grund- 
bedeutung ist die der räumlichen Umgebung. Da das Um- 
fassende nothwendig grösser ist, äls das Umfasste, so geht aus 
dem Grundbegriffe der Begriff der Überragung (in Zusammen- 
fügungen und Zusammensetzungen) hervor, ein Übergang, der 
sich besonders in der Zusammenfügung von 5h% mit part klar 
darlegt. Dagegen tritt der Begriff des räumlich höher gelegenen 
(Sonne, KZ. 14, 3 ff.) nirgends weder im Sanskrit noch in den 
verwandten Sprachen hervor.” Ich bin der Ansicht, dass man 
Grassmann in dieser Polemik gegen Sonne Recht geben muss. 
Auf weıt umfassenderen Sammlungen beruht die Darstellung 
von J. Schmidt, Vokalismus 2, 99 ff., der auch das Lateinische, 
Litauische und Slavische herbeizieht. Er stellt folgendes 
Schema auf: 








& 284.) Kap. XV. II päri, paırs, zepl, per, fair, per. 701 


I. Darüber hinaus 
1a. lokal, 
1b. Übergang von einer Form in die andere, z. B. |it. 
perdaryti umarbeiten, ändern, gr. repıloranaı, 
ic. aus 1b. entwickelt, eine Wiederholung ausdrückend, 
z. B. russ. peregovorsfi seine Worte wiederholen. 
2a. darüber hinaus, das Mass überschreitend, 
2b. übertreffen. 
II. 1. herum, 
2. der Reihe nach, z. B. lat. percensere einzeln durch- 
mustern. 
IH. 1. hindurch, 
2. ZEI-. 


IV. Vollendung oder hoher Grad der Handlung oder des 
Zustandes, 
ia. Vollendung, 
1b. Aufhören, z. B. lit. perzydeii verblühen und die 
Blüthezeit überdauern, nicht mehr blühen, 
2. hoher Grad, 
3. Dauer, z. B. lat. persedeo sıtzen bleiben. 


Ich bin mit J. Schmidt S. 100 der Meinung, dass auf die 
Art des Fachwerkes nicht viel ankommt. Wir sind doch nicht 
in der Lage, die geschichtliche Entwickelung lückenlos zu ver- 
folgen. Im Leben schliesst sich ein leichter Übergang un- 
merklich an den anderen, uns gehen eine Anzahl solcher 
Übergänge verloren, und so erscheinen getrennt von einander 
die verschiedenen “Bedeutungen’, deren Vereinigung Aufgabe 
unserer wissenschaftlich geschulten Phantasie ist. Wenn ich 
doch in der Anordnung von J. Schmidt abweiche, so geschieht 
es, weil ich denke, man könne etwas historischer verfahren. 
Ich habe den Eindruck, dass der älteste Gebrauch in den 
arıschen Sprachen und dem Griechischen vorliegt, und stelle 
diesen an die Spitze. Von der später erschienenen Literatur 
erwähne ich noch Zycha, zum Gebrauch von rept (bei Homer, 
Hesiod, Pindar, Herodot und den Tragikern), Wien 1886, 


702 Kap. XV. LU. pärt, pairi, zepl, per, fair, per. [$ 284. 


Programm, und einen Aufsatz von Stolz über per und Anhang 
ın Wölfflin’s Archiv 2, 497 fl. 

I. *oerı als Präverbium. 

Die erste Schicht bilden ai. pari, av. pasri, gr. zept. 

1. Für die Grundbedeutung halte ich ‘um’. Dieselbe tritt 
deutlich hervor in Verbindungen wie ai. päri-5 umhergehen, 
umwandeln, replsını dass.; ai. pars-gam und ga umherziehen, 
umwandeln, umgeben, sich nach allen Seiten verbreiten, dahin- 
gehen, abscheiden, av. pairi-jas, z. B. in pasritacap, pairijasap 
yt. 17, 26 was Greeldner übersetzt: sprang bei und stand zur 
Seite (eigentlich “umgab’, hier mit Übertragung auf einen ein- 
zelnen), repıßatvw umschreiten, umgehen, umwandeln, (das Pferd) 
besteigen, eig. mit den Beinen umgeben; ai. part-car sich umher- 
bewegen, umherwandeln, umwandeln, bedienen, repıreionaı 
sich herumbewegen, umher sein; ai. pari-sru ringsum herbei- 
fliessen, abträufeln, umherschwimmen, repıppgw umströmen; ai. 
par:-as herumsitzen, sitzen bleiben, repıxadnpar rings umher 
sitzen, belagern; ai. pari-$i herumliegen um, umfassen, sich 
befinden in oder an, reptxerpa:ı dass.; ai. part-stha umstehen, 
ım Wege stehen, hemmen, hindern; zeptloraue sich rings- 
herum stellen, umstehen, umstellen (z. B. ein Wild), die vor- 
bereitende Stufe zu ai. hemmen; ai. pärı-dha herumlegen, um- 
legen (z.B. ein Gewand), umgeben, reprr{öng: dass.; ai. pari-vas 
anziehen, repıvvupı dass. Dazu liessen sich noch eine Menge 
von Belegen aus den Einzelsprachen stellen. 

2. Die Bedeutung “hindurch”. Übergang von einem zum 
anderen. Nicht selten kommt man ım Veda ın die Lage pari 
mit ‘durch’ zu übersetzen. Grassmann thut das in seinem 
Wörterbuch zum Rigveda bei päri-s durchwandern, päri-ga 
hindurchwandern zu, pärt-dru umlaufen, hindurchlaufen, part- 
dhav herumfliessen oder hindurchfliessen, pars-ya umherwan- 
dern, umherfahren, umwandern, durchwandern, durchfahren, 
hindurchrinnen, durchlaufen (ähnlich auch Böhtlingk-Roth), 
päri-vi$ hindurchgehen in, päri-vart durchrollen. Böhtlingk- 
Roth übersetzen par:i-pu (Grassmann: hell hinströmen zu) mit 
durchseihen, läutern. Es handelt sich um Stellen wie die 











$ 284.] Kap. XV. II. parı, parri, nept, per, fair, per. 1703 


folgenden: ya gäur vartanim paryeti nigkrtam die Kuh, welche 
ihren bestimmten Weg wandelt RV. 10, 65, 6; utd dyaväprthivi 
yathana pari ıhr umwandert (durchwandert) Himmel und Erde 
5, 55, 7, wobei doch die Anschauung ist, dass die Erde ‘durch- 
quert' wird. Dann wird par: öfter von dem Soma gebraucht, 
der durch die Seihe rinnt, z. B. dvyö var pari dhäva laufe 
durch den Schweif des Schafes 9, 86, 48 und so öfter, wobei 
mir die zu Grunde liegende Anschauung nicht immer ganz klar 
ist. Aus dem Epös ziehen Böhtlingk-Roth Stellen herbei, wie: 
dvärakäm paridhävati er läuft in der Stadt Dv. herum, durch- 
läuft sie. Man sieht also, dass man an einen Rundgang zu 
denken hat, bei dem man von einem Punkte zum andern ge- 
langt. So braucht der Römer perambulo von dem Aırzte, der 
bei seinen Kranken umhergeht, und so sagt Petronius: per- 
basıo der Reihe nach abküssen, nämlich circumeuntem puerum. 
Natürlich kann dann auch der Gedanke des Rundganges 
mehr zurücktreten, so dass nur das ‘durch’ übrig bleibt. Im 
Griechischen scheint sich etwas genau Entsprechendes nicht 
zu finden, da für ‘durch’ öi4 zu Gebote stand. Dagegen zeigt 
sich eine Parallele bei einer Bedeutung, die der eben genann- 
ten nahe liegt. Im Aı. heisst par:-sic umgiessen, aus einem 
Gefäss in das andere giessen, eine Nuance die an die Vor- 
stellung des Rundganges (par:-i u. s. w.) anzuknüpfen scheint. 
So im Griech. xepıfotnpı umändern, zepieıpt, rnepr£pyonaı über- 
gehen (von der Herrschaft gesagt). 

3. In zwei Gruppen übersetzen wir päri durch “über”, 
nämlich a) bei den Verben, welche ein Übersehen u. ähnl. be- 
deuten, b) bei Übertreffen. 

a) Übersehen u. s. w. SF. 5, 459 habe ich bemerkt: “In 
einigen Fällen übersetzen wir par: mit über, doch ist die Zu- 
rückführung auf den ursprünglichen Sinn noch wohl möglich. 
Wie pärt-vart sich drehen, aber auch sich hin und her be- 
wegen, sich tummeln bedeutet, so heisst dhar mit part zwar 
ursprünglich sich im Kreise herumbewegen, dann überhaupt 
sich umherbewegen, sich ausbreiten über; pa$ mit pari seinen 
Blick herumgehen lassen, überblicken, und hieran knüpft sich 





704 Kap. XV. II pärs, pairi, rept, per, faır, per. ($ 284. 


wie im Deutschen (im Gegensatz gegen die Anschauung des 
fest haftenden Blickes) der Begriff des Übersehens. So heisst 
auch pärt-cak$ übersehen, übergehen, verschmähen, für schuldig 
erklären und ebenso parı-man übersehen, vernachlässigen RV. 
7, 59, 3.” Jetzt füge ich noch eine Anzahl von interessanten 
Ausdrücken hinzu, welche ich in den Abhandlungen der Sächs. 
Ges. d. Wiss. 11, 580f. behandelt habe, nämlich paryädhatar 
der jüngste Bruder, welcher das adhana vollzogen hat, obwohl 
es der älteste noch nicht gethan, dazu ist paryahsta der passiv 
betheiligte ältere Bruder; parsyaffar ıst der jüngere Bruder, 
welcher einem älteren bei dem Somaopfer zuvor gekommen 
ist, pari$fa der überholte und übergangene ältere; parivioidand 
der beim Heirathen zu seinem Vortheil übergangen hat, parı- 
rıttda der passıv Betheiligte, dazu die Substantiva partveller 
(aktiv), parsortti (passiv)... Dazu kommen noch jüngere Aus- 
drücke bei J. Schmidt a. a. O. 104. Im Griechischen findet sich 
genau Vergleichbares bei Homer wohl nicht. Ich erwähne 
repiopaw 1. umhersehen, sich nach allen Seiten umblicken, 
2. übersehen, darüber weg sehen, nicht beachten; reptopovew 
1. von allen Seiten überlegen, überdenken, erwägen (Aristo- 
phanes), 2. sich darüber hinweg setzen, verachten (Thukydides. 

b) Übertreffen. Es stimmen zusammen: ai. päri-as und 
repisip:, pars-jan und repıytyvona. Was pars-as betrifft, so 
stimmen die Veda-Interpreten ın der Auffassung mancher Stelle 
nicht überein; nach meiner Ansicht müssen zu päri-as auch 
manche Stellen gezogen werden, in welchen die Form von as 
fehlt (vgl. das Kapitel über die Ellipse), und sind die Be- 
deutungen so zu bestimmen: 1. herum sein um: nädrayak päri 
$anto varanta nicht hinderten dich die umgebenden Felsen 
RV. 3, 32, 16; 2. hemmen (vgl. pari-sthä): ava nö väajayım 
ratham sukaram te kim it päri fördere unseren wettfahrenden 
Wagen, leicht ist es dir, was steht im Wege? 8, 80, 6 (so Böht- 
lingk-Roth, seltsam ist Ludwig’s Auffassung: “was wichtiger”); 
präcinena mänasä barkänävata yad adya cit Krndvah käs trä 
parı wenn du mit vorwärtsstrebendem, emmstlichem Entschluss 
heute handeln wirst, wer hindert dich? 1, 54, 5 (so Böhtlingk- 








$ 284.) Kap. XV. II. ai. pdri, av. pairi, gr. repf. 705 


Roth, Ludwig: wer ist da bei dir); 3. überholen, übertreffen: 
ndkth sudaso rdtham päry üsa nd riramat niemand überholt 
den Wagen des Sudäs, noch bringt ihn zum Stehen 7, 32, 10; 
näsya te mahimänam pdri $tah die beiden (Himmel und Erde) 
übertreffen nicht seine Grösse 1, 61, 8; päry asya mahimä prthi- 
vim samudrdm seine Grösse übertrifft die Erde und das Meer 
AV. 13, 2, 45. Die bekannte Stelle RV. 7,103, 7 samvatsardsya 
tad dhah pärı $tha übersetzen Böhtlingk-Roth jetzt nicht mehr 
‘ihr verbringt diesen Tag des Jahres’, sondern, wie aus Böht- 
lingk’s Wb. hervorgeht: “ihr (überholt) haltet nicht ein’. Das- 
homerische rzepteıpı heisst übertreffen, wird aber nicht wie 
pärt-as mit dem Akk., sondern wegen seines komparativischen 
Sinnes mit dem Gren.-Abl. verbunden: 2reil replescı yuovaınv 
etöos co 248, vgl. Sonne, a. a. O. 7. Sodann wohl pari-jan und 
reptyiyvopar. rneptylyvopar findet sich: yntı 8° Tivloyos repıylverau 
ivıdyoro W318; Socov repıylvoued” AaMwy üb Te nakaıspoouvn 
te 8 102. Damit vergleiche ich: iad äditya mahi tat te mahi 
$Sravo ydd &kö vılvam pdri bhüma jäyase das, o Sonne, ist deine 
Grösse, ja dein grosser Ruhm, dass du allein gewaltiger bist 
als alle Welt, die ganze Welt übertriffst AV. 13, 2, 3. (Böht- 
lingk-Roth ziehen pdr: zu dem Akk. und übersetzen: “dass du 
allein bist gegenüber der ganzen Welt’) Aus dem homerischen 
Griechisch kommt noch rxepıBaAlw hinzu. Anders steht es mit 
pari-bhü gleich repıpüvaı. Part-bhü heisst: um etwas her sein, 
umfangen, umfassen, einschliessen, in sich enthalten, und darin 
stimmt repıyövar zu. Ausserdem aber bedeutet pars-bhu auch 
noch: übertreffen, mehr sein, bemeistern, besiegen. Es scheint, 
dass diese Bedeutungen sich gut ın der von Grassmann ge- 
wählten Weise vermitteln lassen, also überhaupt das ‘über’ wie 
‘übertreffen’ sich aus dem ‘um’ erklären lässt. 

4. Hoher Grad, Vollendung. Man kann ‘herum’ auch 
gebrauchen, wenn man den Nachdruck auf die vollständige 
Vollbringung einer Handlung legt. So kann man unsere Präp. 
allenfalls mit ‘vollständig, ganz, sehr’ übersetzen, und ihr 
mithin einen verstärkenden Sinn zuschreiben. Ich habe a. a. O. 


für diesen Sinn aus dem Altindischen beigebracht: part mit 
Delbrück, Vergl Syntax der indogerm. Sprachen. I, 45 


706 Kap. XV. I. ai. pürt, av. pairi, gr. nepl. [$ 284. 


vand loben, rühmen, preisen (einmal ım AV.), %&# erkennen, 
genau wissen (einmal im RV., dann im Epos), vid genau wissen 
(dreimal vedisch) und man könnte vielleicht noch einige Fälle 
hinzufügen, in welchen der Sinn der Präp. nicht genau fassbar 
ist. Als Nominalzusammensetzungen bringt Sonne a. a.O. 20 
aus dem Veda bei: paripri (einmal RV.) lieb, theuer (vgl. pari- 
prita dem man Liebes erweist, schmeichelt, wohl urspr. um- 
schmeichelt), partdvegas (einmal RV.) hassend, feindlich; part- 
manyü eifersüchtig, grollend. In der späteren Sprache giebt 
es einige Beispiele mehr, z. B. paricapala überaus beweglich, 
paridina überaus betrübt, partyata vollkommen ausgereift in 
aparijäta unreif geboren, nicht lebensfähig zur Welt gekommen. 
Im Griechischen findet sich rspl olöa gleich pdri voda, ferner 
tov repl Moüo’ Zptinoe, nepl uev oe tiov Aavaol u. ähnl. (Sonne, 
a.a.0. 7). Ferner in Zusammensetzungen, z. B. repwaldr;, 
rspıunxns, replppav u.8.w. Dazu kommen aus dem Altindi- 
schen noch einige Verbindungen von pars mit Verben der Be- 
wegung u. ähnl., z. B. mit i umwandeln, aber auch erreichen; 
mit ya und ga dass.; mit a$ eintreffen bei, erreichen; mit ap 
erreichen, gewinnen, Verbindungen, in welchen ein vollständiges 
Erreichen des erstrebten Zieles ausgedrückt ist. 

5. Die bis hierher genannten Bedeutungszentren stehen 
in einem gewissen Zusammenhang unter einander. Zum Schluss 
habe ich noch eine Anwendung von pdri-repl zu erwähnen, 
welche fremdartig ist. Die Präposition scheint auch Abwen- 
dung und Ausschliessung zu bedeuten, so in ai. parı-bädh 
ausschliessen von, schützen vor; pdri-varj ausbiegen, ausweichen; 
gr. repıräpuvonar abschneiden, reptarpeoncı abziehen, entreissen. 
Man könnte sagen, dass bei diesen Verbindungen die ‘Aus- 
schliessung’ im Verbum, in dem Präverbium aber der nicht 
deutlich hervortretende Begriff der Vollendung liege. Aber 
diese Auskunft wird jedenfalls bei repröüw versagen, welches 
A 100 nichts anderes als ‘ausziehen’ bedeuten kann. Ich 
möchte annehmen, dass in diesem Falle der an der Präp. m 
ihrer Verbindung mit dem Kasus, dieses Mal dem Ablatıv, ent- 
wickelte Sinn auf das Präverbium übertragen worden sei (vgl. 





$ 284.] Kap. XV. II. lat. per, lit. per, (aksl. pre), got. farr. 707 


part mit Abl.). Die Verbindung wäre also ebenso aufzufassen, 
wie etwa in reptpapvanaı, Tepıywopat, wo repı- auch innerlich 
zu einem Nomen in Beziehung steht. 

Lat. per, lit. pef (aksl. pre), got. fair. 

Die zweite Schicht bilden lat. per, lit. pef, aksl. pre 
(welchem russ. pere entspricht). Zwar kann das aksl. pre auch 
auf ein proethnisches *pra? zurückgehen, aber die Bedeutungen, 
wenigstens die des Präverbiums, stimmen so genau mit dem 
ht. pe’ überein, dass man annehmen muss, pre sei die Form, 
welche *per(ö) vor Konsonanten erhalten musste, (ausser im 
Russischen, wo pere eintrat). Ich verfolge nun auch an dieser 
Stelle die oben aufgestellten Bedeutungen und verweise hin- 
sichtlich des Materials im allgemeinen auf die Darstellung von 
J. Schmidt. 

1. Die Bedeutung ‘um’ ist kaum mehr vorhanden. Im 
Lateinischen ist dafür circum, im Litauischen ap&, im Slavi- 
schen od% und als Präp. oAolo üblich geworden. Aus dem 
Lateinischen rechnet J. Schmidt a. a. O. 105 hierher Verba wie 
perluo abspülen; perfundo übergiessen; pertego ganz bedecken; 
perlino überschmieren; perspergo besprengen; pertergo ab- 
wischen, leicht berühren; pertracto überall betasten; pervello 
bezupfen, berupfen. Man wird aber wohl gestehen, dass von 
diesen Verben aus sich nicht unmittelbar ein Grundbegriff ‘um, 
ringsum’ oder, wie Schmidt sagt, ‘herum’ gewinnen lässt, eher 
“über hin, durch hin’, und dasselbe gilt von den Verben, welche 
Stolz S. 500 unter 1. als zu der Bedeutung ‘ringsum, rings- 
umher, der Reihe nach’ gehörig aufführt, wie z. B. peragro 
durchwandern; perequito fort und fort reiten, überall umher- 
reiten, durchreiten u. ähnl. Was sich aus dem Litauischen und 
Slavischen beibringen lässt, sehe man bei J. Schmidt. Derselbe 
erwähnt auch got. farr-veitjan umher spähen und fairgreipands 
handu die Hand umgreifend, d.h. ergreifend. 

2. Durch und über einen Raum oder eine Zeithin. 
Wie man sich die Vermittlung mit ‘um’ zu denken hat, ist 
oben S. 702 gezeigt worden. Beispiele aus dem Lateinischen, 
die Hauptmasse des per ausmachend, finden sich bei Stolz 500, 1. 

45* 











708 Kap. XV. II lat. per, lit. per (aksl. pre), got. fair. [$ 284. 


Es gehört dahin u. a. auch perfugio überlaufen (durch dieWachen 
durch zum Feinde hin, lit. perbegti hinüber laufen). Aus dem 
Litauischen perdristi hindurchwaten, watend hinüberkommen, 
und nach J. Schmidt: perklampots durch den Morast hindurch- 
kommen; pernakvoti pernoctare; perzömavotı perhiemare; per- 
snausts verschlafen; perskaityti perlegere u. am. Aus dem 
Slavischen: aksl. predrodits vado transire; prevesti traducere; 
prevreäti trajicere; prebyti manere; serb. prezimiti überwintern, 
prenodili die Nacht hinbringen u. a. m. Insbesondere gehört 
hierher, was J. Schmidt S.106 anführt, nämlich die Anschauung, 
dass sich eine Handlung über eine Reihe von Punkten. oder 
Gegenständen einzeln und nach einander erstreckt, so lat. per- 
censeo einzeln durchmustern; perlego senatum die Namen aller 
Senatoren der Reihe nach verlesen; perrogo der Reihe nach 
durchfragen bei der Abstimmung; persolvo Stück für Stück 
auszahlen u. s.w. Ganz ebenso russ. perepisali der Reihe nach 
aufschreiben ; pereöttati eines nach dem andern durchlesen ; pere- 
celovati perbasiare u.8s.w. Aus der Anschauung des Hindurch- 
gehens hat sich die des Zerspaltens entwickelt. J. Schmidt 
führt einige Belege für diese Bedeutung aus dem Sanskrit an, 
doch scheint mir, dass sie nirgends deutlich hervortritt. Ab- 
zusehen ist von dem ganz spät belegten pars-dq$ zerbeissen. 
In einigen anderen Fällen tritt die Bedeutung des Präverbiums 
hinter der des Verbums so stark zurück, dass man sıe ın ıhrer 
Entwickelung nicht recht verfolgen kann. So heisst pars-Sar 
allerdings ‘zerbersten’, aber ebenso übersetzen wir auch $ar mit 
para, nis und prä; neben pärs-bhtd zerspalten steht pra-bhid in 
derselben Bedeutung; neben pari-mard zerstampfen auch mard 
mit pdrä, prd, vi, sam in demselben Sinne; päri-chid auf beiden 
Seiten abschneiden wird auch mit ‘abschneiden’ und einmal 
mit “zerschneiden’ und “verstümmeln’ übersetzt; parı-gharf ein- 
mal mit ‘zerreiben’. Auf das deutlichste aber tritt dieser Sinn 
in der zweiten Schicht hervor, so im Lateinischen: percido 
zerhauen, zerschlagen und im obszönen Sinne gleich pedico; 
perfringo durchbrechen, z. B. phalangem hostium; perscindo zer- 
reissen; perseco zerschneiden u. a. Im Litauischen nach 








$ 284.) Kap. XV. I. lat. per, lit. per (aksl. pre), got. fair. 709 


J.Schmidt: perdalyti zertheilen;; perlauztt durchbrechen; perkulti 
durchschlagen; pergrezti durchbohren ; perpiauti durchschneiden ; 
pertraukti entzweireissen u. a. m. Selten im Slavischen (vgl. 
J.SchmidtS.108). Aus dem Gedanken des Überganges von einem 
Punkte der Reihe zum anderen hat sich wohl auch (wie oben 
S. 703 bemerkt wurde) die Vorstellung eines Überganges und 
einer Veränderung entwickelt, so im ai. pdri-sic umgiessen, 
gr. repiismpı umändern. Dieser Gebrauch findet sich nach 
J. Schmidt S. 101 nicht selten im Litauischen und Slavischen, 
z. B. lit. perdaryti umarbeiten, ändern; perkalti umschmieden, 
durch Schlagen umarbeiten; perbalnoti umsatteln; persiredyti 
sich umkleiden u. a. m.; russ. perekrestili umtaufen; perevessti 
anders wohin hängen; perevaljafi umwalken u. s. w. Sehr an- 
sprechend der Bedeutung nach fügt J. Schmidt an dieser Stelle 
diejenigen Fälle ein, in welchen eine Veränderung in pejus 
ausgedrückt ist, so lat. pereo zu Grunde gehen; perbito dass.; 
perdo zu Grunde richten; perverto umwenden, umstossen, ver- 
nichten gleich lit. perversti verdrehen, russ. pereverteti dass.; lit. 
pergimti entarten, persiraszyti sich verschreiben u. a. (J. Schmidt 
102). Perverto u. s. w. erklärt sich wohl am einfachsten aus 
“herumdrehen’, daher denn auch ai. pari-vartayati im Epos. 
bedeutet “um und um drehen’ s. v. a. zu Grunde richten '). 

3. “Über in “überg&hen’ und ‘übertreffen’. Mit den 
oben $. 704 genannten Verbindungen wie ai. päri-ya) beim 
Opfern übergehen lässt sich vergleichen lit. persedeti gleich 
russ. peresideti kogo länger sitzen als ein anderer; russ. pererostt 
kogo jemand im Wachsen überholen; perevrafi kogo jemand 
im Schwatzen übertreffen, niederschwatzen u. ähnl. Besonders 
tritt in diesen Sprachen die Anschauung der Überschreitung 
des Masses hervor, ohne dass eine Vergleichung (wie bei “über- 
treffen’) stattfände, z. B. lit. perkrauti überladen (Wagen, Schiff); 
persigerti sich übersaufen; persudyti versalzen; russ. perepeci 


1) Böhtlingk-Roth vergleichen perdo mit pdrä-dä hingeben, zu Grunde 
gehen lassen, und so liesse sich »ereo auf pärä-i weggehen, abscheiden, 
sterben zurückführen. Nach den jetzigen Anschauungen über die Laut- 
gestalt der Präp. lässt sich das aber nicht halten. 





710 Kap. XV. II. lat. per, lit. per (aksL pre), got. fair. [$ 284. 


zu stark backen, vgl. lit. perkepti u.a. m. (Die Belege sind aus 
J. Schmidt S. 103 entnommen). Man kann diese Bedeutungen 
wohl aus ‘darüber hinaus’ ableiten, und dieses aus “durch und 
durch’ erklären (z. B. “jemanden durch- und durchstossen, so 
dass das Schwert darüber hinausragt” Stolz a. a. O. 500). Es 
ist mir aber nach dem oben Ausgesprochenen wahrscheinlicher, 
dass der Ausgangspunkt doch bei ‘um’ zu suchen sei. 

4. Hoher Grad, Vollendung. Den oben 8. 705 ge- 
nannten Belegen schliessen sich aus der zweiten Schicht zahl- 
reiche an, bei denen übrigens im einzelnen wohl das ‘durch’ 
empfunden sein mag, wenn auch der ganze Typus aus dem 
Gedanken der Umfassung abgeleitet sein wird. Beispiele aus 
dem Lateinischen (bei Stolz a. a. O. 501) sind: peracesco 
durch und durch sauer werden, sehr ärgerlich werden; percrepo 
laut ertönen; percrucio sehr quälen; perdoleo tief schmerzen; 
perbibo ganz aussaugen; perdisco völlig, gründlich, gut lernen; 
perfruor vollständig geniessen u.a. m. Aus dem Baltisch- 
Slavischen führt J. Schmidt u. a. an: lit. permastyti gehörig 
durchdenken; pertyrineti, perklausineti genau nachfragen; per- 
nokti ganz reif werden; perdzuts ganz trocken werden; russ. 
peresochnufi ganz und gar trocken werden u. a. m. (S. 107). 
In den baltischen Sprachen entwickelt sich, wie J. Schmidt S. 109 
bemerkt, aus dem Gedanken der Vollendung auch noch der 
des Aufhörens einer Handlung oder eines Zustandes, z. B. lıt. 
perzydeti verblühen und die Blüthezeit überdauern, nicht mehr 
blühen; peruzti verrauschen; perstott aufhören gleich russ. 
perestati. Endlich stellt J. Schmidt S. 110 noch die Kategorie 
der Dauer auf. Es wird wohl gelingen, die hier genannten 
Verbindungen bei den bis jetzt genannten Typen unterzubringen. 
So mag ai. pari-äs unthätig dasitzen eigentlich bedeuten, herum- 
sitzen, nicht an die Sache herangehen, in päri-vas verweilen 
mag das par: enthalten sein, was die Erstreckung durch einen 
Raum ausdrückt, dasselbe in perfero bis an’s Ende ertragen 
u. 8. w. 

Zum Schluss sei erwähnt, dass got. fair jedenfalls mıt 
*peri identisch ist. Doch möchte ich die Ausführung den 





$ 284.] Kap. XV. ID. *peri mit Kasus. 711 


Spezialisten überlassen, da ich mich in den heranzuziehenden 
althochdeutschen Formen nicht zurechtfinde. 


II. *perti als Präposition. 
Es erscheinen der Akkusativ, Lokalıs, Ablativ. 
1. Der Akkusatıv. 


Im Altindischen finden wir pdri im Sinne von ‘um’, 
örtlich und zeitlich, z. B. ma $üns agns ni jadama nrnam mä- 
$ejaso 'viratä päri tvä lass uns nicht in Heldenmangel, kinder- 
los, o Agni, verwaist an Kämpfern um dich sitzen RV.7, 1, 11; 
päri dyam anydd iyatö das andere (Rad) bewegt sich um den 
Himmel 1, 30, 19; $raddham prätär havamahe, Sraddham ma- 
dhydmdinam pdri Sr. rufen wir morgens, Sr. um die Mittags- 
zeit 10, 151, 5. Im Sinne des Übertreffens, der sich bei pari- 
bhu und päri-as ausgebildet hat, findet sich par: mit Akk.: 
päry asya mahima prthivim samudrdm jydtia vibhrajan pdri 
dyam antärık$am seine Grösse übertrifft Erde und Meer (vgl. 
$. 705), durch sein Licht strahlt er über (überstrahlt er) Himmel 
und Äther AV. 13, 2,45. Im Altpersischen finden wir es 
im Sinne von ‘über’ bei reden: Aasciy naiy adarsnaus cisciy 
thastanaty pariy Gaumatam niemand wagte etwas zu reden 
über G. Spiegel? 8, 53 (vgl. ai. pari-vad über etwas reden. Der 
Gegenstand des Gespräches ist der Mittelpunkt desselben). Im 
Avestischen tritt bei einem Zeitbegriff der Gedanke der Er- 
streckung hervor: dareyemcip pair! zroanem über eine lange 
Zeit hin yt. 13, 53. Im Griechischen bei Homer nur ‘um’, 
z. B. tol 5 &xaröußmv &kelng Zomoav Zööpntov nepl Bupdv A 448. 

2. Der Lokalis. 

Aus dem Gebiet der arischen Sprachen weiss ich nur 
anzuführen: nosB erezejyyoi frajyartıs nord fsuyent? dregvasu 
pairi y. 29, 5, was Bartholomae, Ar. Forsch. 3, 15 übersetzt: 
nicht soll dem, der gerecht lebt, nicht soll dem Bauern ein 
Leid geschehen von Seiten der Ungläubigen (eig. nicht soll 
Vergewaltigung sein bei den Ungläubigen). Ferner y. 34, 8, 
wo pairi nach Bartholomae a. a. O. und Geldner, BB. 14, 27 
mit yaesu zu verbinden ist, nicht mit Spiegel, Gramm. 463 mit 


712 Kap. XV. IL *peri mit Kasus. [$ 284. 


dem Datıv!.. Was das homerische Griechisch betrifft, so 
verweise ıch auf Monro? 173 und Zycha 20. Es gehören hierher 
Sätze wie: alba tor alpa xelarvöv &pwhosı nepl oupi A 303; nept 
d Eyyei xeipa xaneitaı B 389, Extöpeov 8 yırava nepl orndesor 
&attar B 416. Auch der Gegenstand, um den der Streit statt- 
findet, um den es sich handelt, kann im Lok. mit rept stehen, 
“zunächst rein lokal 2 453 päpvavro sp röAgew. Den Über- 
gang von dem rein örtlichen zum Begriffe des Schutzes und 
der Vertheidigung bildet die Stelle Zeds 8 Ent vört &lohv T@vuosv 
xparepfj daulvn, dppa pilp repl naröl nayns dAods növos sin 11 568; 
unwillkürlich verbinden wir schon den Begriff des Schutzes, 
obwohl rdvos repl raıöt eigentlich lokal ist” (Zycha 21). Auch 
bei öslöıa K 240 schwebt wohl noch der Gedanke des Schutzes 
vor. Daran schliessen sich dann Verba des Zürnens u. ähnl. 
(noch nicht bei Homer). Auf die von Monro in den Anm. 
erörterten Streitfragen (repl xTpı u. ähnl.) gehe ich nicht ein. 

3. Der Ablativ. 

Über den altindischen Gebrauch giebt Grassmann ». v. 
Auskunft. Er sagt: “Mit dem Ablativ drückt es die Bewegung 
von einem Orte her aus, wobei es gleichgültig ist, ob der Ort 
oben, unten oder ın derselben wagerechten Ebene liegt; viel- 
mehr ist die eigenthümliche Beziehung oder Anschauung, 
welche pars der allgemeinen ablativischen Richtung des Woher 
hinzufügt, ursprünglich die, dass der Ort, von wo die Bewegung 
ausgeht, nicht als ein Punkt, sondern als ein rings oder an 
vielen Punkten den Gegenstand umgebender Raum aufgefasst 
wird”. So übersetzen wir denn pdrs durch ‘von her’ (im Sinne 
der Bewegung), z. B. divak vom Himmel her, devebhyah von 
den Göttern her, barhifah von der Opferstreu her (uttiffhan 
päri b. aufstehend von der Opferstreu) u. 8. w. Prä-ric mit 
dem Ablativ bedeutet über etwas hinausragen. Tritt noch 
pari hinzu, so bedeutet es ‘rings über etwas hinausragen’, 





li) Aus dem Veda liesse sich etwa herbeisiehen: «sms vatsim päri 
$dntam nd vindan das bei uns seiende Kalb fanden sie nicht RV. 1, 72, 2, 
aber die Interpreten schlagen auch andere Auffassungen vor. Vielleicht 
auch pdri käfthäss um die Scheite s. oben 8. 659. 


$ 284.) Kap. XV. I. *peri mit Kasus. 713 


z. B. divds prthioyah über Himmel und Erde. Ferner heisst 
es ‘von her’ im Sinne des Ursprungs bei 7ar geboren werden 
und grabh ergreifen. Eine Bewegung von innen heraus ist 
gemeint in dem Satze: ratham y& cakrür mänasah pdri dhydyä 
welche den Wagen gemacht haben aus ihrem Geiste heraus 
mit Kunst RV. 4, 36, 2. Mit ‘gemäss’ (eig. von aus) übersetzen 
wir pdri ın dhärmanas päri von Gerechtigkeits wegen, dem 
Rechte gemäss RV. 6, 70, 3 und janugah pari seinem Wesen 
gemäss (gleich jJanufa) 8, 66, 9. Ludwig übersetzt: von seiner 
Geburt her. Einige Stellen, an welchen Grassmann “wegen, um 
willen’ übersetzt, sind zweifelhaft, so 4, 36, 8, was ich nicht 
übersetzen mag wegen des kontroversen Sinnes des Wortes 
dhisanä; 3, 5, 10, wo ich mit Ludwig vorziehe zu sagen: von 
den Bhrgu’s weg; vißvebhyd hi tva bhiivanebhyas päri tvagtäjanat 
2, 23, 17 scheint mir Ludwig am richtigsten zu fassen: er er- 
zeugte dich mit Bevorzugung vor allen Wesen. Es findet also: 
Anknüpfung an den komparativischen Sinn statt, welcher in 
replerm u. 8. w. hervortritt. Endlich die an einen Toten (oder 
eine Totenurne) gerichteten Worte 10, 18, 13 üt 12 stabhnämi 
prthivim toat päri‘) kann ich nur übersetzen: “ich mache dir 
die Erde fest, wölbe dir die Erde um oder über dich”. Diese 
Anwendung von pärs mit dem Ablatıv ist freilich im Alt- 
indischen vereinzelt, wır werden aber einer Parallele im Grie- 
chischen begegnen. Der ursprüngliche Sinn ist wohl: von dir 
aus ringsherum, oder: von dir aus oben. Im Avesta findet 
sich pair! mit der Bedeutung ‘weg von’: adtada he [aetE maz- 
dayasna] panta vicinagtg pairi urvaräbyasca varedabyasca man 
soll für sie einen Aufenthaltsort aufsuchen abseits von Kräutern 
und Blumen vd. 16, 2 (nach der Auffassung von Geldner, 
KZ. 25, 586). Ferner bei schützen: nö nipayä pairi drvatap 
mahrkap du mögest uns beschirmen vor dem argen Tod yt.10, 93. 
— Man sieht aus dieser Darstellung, dass »dri seinen besonderen 
Sinn gegenüber dem übermächtigen Ablatiıv oft nur schwach 


1) Dass so zu verbinden ist, tvd£ pdrs nicht zu den folgenden Worten 
gehört, dafür spricht die Versabtheilung. 


14 Kap. XV. II. *peri mit Kasus. [$ 284. 


und kaum erkennbar behauptet hat. Der homerische 
Sprachgebrauch berührt sich mit dem arischen zunächst in- 
sofern, als repl den Sinn des Übertreffens hat, z. B. repi ravrov 
Eppevar AAlwv A 287; Intpbs de Exaotos drıotanevos Tepl TAvrov 
aydpwrwv 8 231. Vielleicht gehen auf den Ablativ zurück auch 
die Gen. in den beiden Stellen: # & adrod teravuato nepl ondsox 
yAapupoto Apepis Hfuwoa & 68 und repi rpörıog Befamra e 130 (vgl. 
tvat pars S. 713). Sonst könnte man auch daran denken, dass 
in diesem Falle der Gen. für den Dativ eingetreten sei, in 
Nachahmung des bei &rit obwaltenden Verhältnisses. Am häu- 
figsten tritt bei zepi in den Genitiv der Gegenstand des Streites, 
2. B. @< ol päv nepl vnds duootlporo päyovto Il 1. (In der Ilias 
kommen 44 Genitive mit zepi vor, 32 mal steht der Genitiv 
nach Verbis des Streitens und Kümpfens’ Zycha 22). Hieran 
scheinen sich andere Verba angeschlossen zu haben, bei denen 
der Gegenstand, um den es sich handelt, durch rxepi mit dem 
Gen. ausgedrückt ist, bei Homer: 7 por dyos rept T adroü xal 
nepl ravrmv @ 249; napl kelvoro &pdodar a 405, vgl. y 77; as Ton 
Odvojos dym repl vdarov Axouoan 7 270; xexkurd peu, punoTüpss, 
toüds nepl kelvon p 370; sin Ays por rept untpdc 0 347; dppa xs 
öuousvdecaı Ydövou repl Bouledompev nr 234; 4 rı nept Ipwwv xai 
Ayassv pspenplles; Y 17; olda ydp ed rapl xeivon p 563. Ich 
vermag diesen Gen. nicht an den alten Ablatıv anzuknüpfen, 
sondern sehe in ihm den echten griechischen Genitiv, der sein 
Gebiet auf Kosten des Dativs erweitert hat. 

Das lat. per und das lit. pe haben als Präpositionen 
den Akkusativ bei sich (vgl. Kurschat $ 1462 ff). Sie werden 
gebraucht. 1. Mit Beziehung auf den Raum, und zwar tritt im 
Lateinischen noch die Anschauung des Rundganges oder Um- 
ganges von Ort zu Ort gelegentlich hervor, z. B. invilati per 
domos (Livius., supplicatum per compila tota urbe est (ders.), 
dann im Sinne des Durchgangs durch oder über einen Ort, 
2. B. lat. alterum iter per provinciam nostram erat multo facıkus 
(Cicero); coronam auream per forum ferre (derselbe); per pairıs 
corpus carpentum agere (Livius); lit. per mestq keliautsi durch 
die Stadt reiten, tal män &jo per szirdj das ging mir durch's 








$ 284.] Kap. XV. II. *peri mit Kasus. 715 


Herz. 2. Mit Beziehung auf die Zeit, und zwar a) zur Be- 
zeichnung der ununterbrochenen Fortdauer, z. B. Zudı decem 
per dies facti sunt (Cicero); ht. per näkti budeti die Nacht 
hindurch wachen, äsz sirgaü per visq metq ich war krank das 
ganze Jahr hindurch; b) zur Bezeichnung der Zeit, in deren 
Dauer ein einzelnes Faktum fällt, z. B. quum per ludos scorta 
raperentur (Livius), per eos dies C. Figulus praetor Brundisium 
venit (ders.); lit. Jis apstilanke püs müs pei' Jöng er besuchte 
uns um Johanniszeit, jis yrü gimes per möszlus er ist zur Zeit 
der Mistfuhre geboren. 3. Im Sinne des Mittels (eigentlich 
des Weges, durch den hin etwas geschieht, vermittelt wird), 
wofür es genügt, einige litauische Sätze anzuführen: zokänas 
pe? Moyzesziy yra dütas des Gesetz ist durch Moses gegeben 
worden; smeilis al&jo i sveig pei grökq der Tod kam in die 
Welt durch die Sünde. Endlich wird pe auch im Sinne von 
‘mehr als’ gebraucht, z. B. jis gyvena per tris myles toli ex 
wohnt über drei Meilen entfernt. Es ist also aus “über-hin’ 
der Sinn ‘über-hinaus’ entstanden. Dieser liegt deutlich vor 
ın pef‘ merg über das Mass hinaus, und ist wohl auch im La- 
teinischen vorhanden gewesen, wenn man aus perfdus auf ein 
per fidem über die Treue hinaus schliessen darf. 

Merkwürdig ist, dass im Umbrischen per im Sinne von 
‘für’ mit dem Abl. erscheint: poplu per pro populo, nomne per 
pro nomine, fratrus per pro fratribus. Das kann doch wohl nur 
auf einer Vermischung mit pru (lat. pro) beruhen. 

Das slavische pre erscheint nach Miklosich 4, 437 als 
Präposition nur im Slovakischen, Polnischen, Sorbischen, und 
zwar in einer Weise, dass es scheint, als hätten sich darin das 
idg. *pert: und *prai gemischt. Dieselbe Mischung scheint auch 
in prezü vorzuliegen, das mit dem Akk. (Miklosich 4, 438) als 
Fortsetzer des idg‘ *peri auftritt, mit dem Gen. (563) dagegen 
an lat. praeter erinnert, also vielleicht auf idg. *prat zurück- 
geht. Nur das letztere scheint in predö mit Akk. (440) und 
Gen. (562) vorzuliegen. 








716 Kap. XV. II. prd, fra, zp6, lat. pro, lit. pra-, slav. pro. [$ 285. 


$ 285. Aı.prd, av. altp. fra, gr. rpo, lat. pro (pro), 
lit. pra- (prö), slav. pro. 

Dass ai. pra, av. altp. fra, gr. rp6, got. fra, lit. pra, slav. 
pro identisch sind, leuchtet ein. Auch im Lateinischen giebt 
es ein prö bei Verben wie profileor, profugio, profundo, pro- 
hibeo, protego u.a. Daneben tritt pröd auf, dem das litauische 
prö (so lautet das Wort als Präposition, während pra das Verbal- 
präfix ist) entsprechen dürfte. Ein Unterschied der Bedeutung 
zwischen *pro und "prod lässt sich nicht auffinden, so dass 
die beiden Formen hier zusammen behandelt werden. 

Ich führe zunächst einige Verbindungen mit Verben auf, 
welche aus proethnischer Zeit stammen oder stammen können: 
ai. prd-i fortgehen, weitergehen, aufbrechen, sterben, av. fra-i 
vorwärts gehen, gr. zpdeıpı vorgehen, vorwärts gehen, vorrücken, 
lat. prödeo hervorkommen, vorwärts gehen, lit. praeiti vorbei- 
gehen, aksl. prosts ötaßatvarv, ördpyeodar, Srekipyeodar, rapfpyeoda:, 
rpoßalverv, serb. prodi durchgehen, vorbeigehen, vergehen, vorbei 
sein (von der Zeit gesagt), abgehen (von der Waare gesagt); 
ai. prd-gam aufbrechen, hingehen, schreiten zu, av. frajas 
kommen, gr. rpoßatv» vorwärts gehen, einherschreiten, über- 
treffen, lat. prövenso hervorkommen, vorwärts kommen, von 
Statten gehen, got. fragiman verzehren, etwas verthun; ai. prd-ar 
in Bewegung setzen, erregen, vgl. got. frarınnan sich verlaufen; 
ai. prd-pat ausfliegen, davonfliegen, hinfliegen, hinabfliegen, 
-stürzen, einer Sache verlustig gehen (mit Abl. der Sache, 
einmal im Mhbh.), gr. rporintw falle, beuge mich vorwärts; 
al. prä-sac verfolgen (eig. nach vorwärts sich vereinigen), lat. 
prösequor hinterdrein (d. h. nach vorne hin) gehen, begleiten; 
ai. prä-sarp hinschleichen, hineinschleichen, beschleichen, 
schliefen in, anbrechen (von der Finsternis gesagt), lat. pröserpo 
hervorkriechen, vorwärts kriechen,; ai. prd-sru hervorfliessen, 
ausströmen, gr. rpop&w hervorfliessen, hervorströmen; ai. prd- 
stha sich erheben, sich aufmachen, av. fra-sta sich erheben, 
vorwärtsgehen, gr. rpotornuı voranstellen, lat. prosto hervor- 
ragen, öffentlich ausstehen; ai. prd-Si sich legen auf, gr. rp6- 
xeınaı bereit vorliegen; ai. prd-aj antreiben, gr. rpodyw hervor- 





6285.) Kap. XV. II. pri, fra, rp6, lat. pro, lit. pra-, slav. pro. 717 


treiben, lat. prödigo hervortreiben, forttreiben, verthun; ai. prd- 
vah weiterführen, vorwärtsziehen, -treiben, av. fra-vaz führen, 
fahren, lat. pröveho vorwärts führen, lit. praveits etwas vorbei- 
fahren, aksl. provesti &taysıy (z. B. durch ein Thor); ai. pra-vart 
in eine rollende Bewegung gerathen, in Gang kommen, auf- 
brechen, hervorkommen, beginnen, sich an jemand machen, sich 
vergreifen an (letzteres im Epos), got. fravamrpan verderben 
(also der Entwicklung im Sanskrit vergleichbar), aksl. provrü- 
teti zpuräav, Ötarepoväv, perforare; ai. prd-bhar herbeibringen, vor- 
bringen, vorstrecken, schleudern, av. fra-bar bringen, vortragen, 
hervorbringen, gr. rpoy&pw vorbringen, jemandem etwas vor- 
rücken, hintragen, hinbringen, lat. pröfero vorwärts bringen, 
hervorbringen, got. frabairan vertragen, ertragen, aksl. probirati 
se elaöberv, ingredi (nach Miklosich: sich durchkämpfen, d.h. 
sich durch das entgegenstehende Volk vorwärts bringen); ai. 
- prd-star hinstreuen, ausbreiten, av. fra-star streuen (schwerlich 
“zusammenbinden’ wie Justi sagt), lat. prosterno hinbreiten, 
hinstrecken, 'aksl. prostreti teiverv, &xtelvewv, rapateivewv; al. prd- 
tan sich ausbreiten über, überziehen, bedecken, erfüllen, gr. 
rpotelv» davor ausbreiten, ausspannen, vorhalten, lat. prötendo 
vor sich hinstrecken; ai. prd-da hingeben, geben, schenken, 
abzahlen (eine Schuld), av. fra-das geben, gr. rpoölöwpı voraus- 
geben, herausgeben, preisgeben, aksl. prodati zwieiv, rırpaoxeıv, 
vendere; ai. prd-dh@ vorsetzen, darbringen, av. fra-da hervor- 
bringen, fördern, mehren, gr. rporlörgp: hinstellen, vorlegen, 
lat. prödo hervorbringen, thun, zur Welt bringen, verrathen; 
ai. prd-jan geboren werden, entstehen, sich fortpflanzen, gr. 
rpoylyvopa:ı vorwärts, hervor, zum Vorschein kommen, lat. prö- 
gigno hervorbringen; ai. prd-kar ausführen, bewirken, daneben 
auch wegthun, vernichten (eig. vorwärts und dadurch weg 
bringen), so schon AV. 12, 2, 5: ydt tva kruddhäh pracakrür 
manyünä piüru$sö mrte wenn man dich, o Feuer, voll Zorn aus- 
gelöscht hat, weil ein Mensch gestorben ist, danach “abthun, 
töten’ im Epos, av. fra-kar hervorbringen, lat. procreo hervor- 
bringen; ai. prd-ric hinausreichen, hervorragen über, gr. rpo- 
leirw zurücklassen, im Stich lassen, verlassen. Der ursprüng- 


718 Kap. XV. IL prä, fra, rpd, lat. pro, lit. pra-, slav. pro. [$ 285. 


liche Sinn scheint zu sein “etwas vorne vor sich liegen lassen 
und sich dann abwenden’, so dass unser “hinter sich lassen’ 
thatsächlich auf dasselbe hinauskommt. Ai. pra-kart abschnei- 
den, zerschneiden, av. fra-kereb zerschneiden, dann auch bilden, 
(vor sich schneiden), schaffen, z. B. y 9, 8, Iıt. prakı?sti durch- 
hauen, so dass ein Loch entsteht, aksl. procrütatı teuveıw, rpoyapar- 
teıv, praeformare; ai. prd-chid abreissen, abschneiden, zerhauen, 
durchbohren, av. fra-scid vernichten, lat. proscindo zerreissen, 
zerschneiden; ai. prd-budh erwachen, av. fra-bud, serb. probuditi 
aufwecken; ai. prd-pa$ vorausblicken, vor sich sehen, lat. pro- 
spicto in die Ferne sehen (z. B aus dem Fenster schauen), Vor- 
sicht anwenden; ai. prd-vid kennen, wissen, av. fra-vid kennen 
lernen, gr. rpoetöov in die Ferne sehen, in der Ferne, von ferne 
erblicken, lat. prövideo vor sich sehen, vorhersehen, aksl. pro- 
videts zpoopäv; ai. prd-jNa erkennen, verstehen, sich zurecht 
finden, got. fra-kunnan verachten; ai. prd-vac verkünden,” 
preisen, mittheilen, verrathen, av. fra-vac aussprechen, gr. rpo- 
sizov vorhersagen, heraussagen, verbieten (letzteres in der Prosa, 
entwickelt aus dem Begriffe des entschiedenen Heraussagens); 
al. prd-as voran sein, in ausgezeichnetem Masse sein, vor- 
wiegen, gr. npdeıu: vorher sein (rpd &dvra das Vergangene), 
lat. prosum nützlich sein (vgl. das folgende Verbum); ai. pra-dhu 
hervorkommen, mehr werden, reicher werden, zu Gute kommen, 
helfen, nützen, av. fra-bu zu etwas werden, hervorkommen, 
serb. prodsti gedeihen; ai. prd-vas verreisen, sich entfernen, 
verschwinden, aufhören, nicht mehr vorhanden sein, got. fra- 
visan verschwenden, verbrauchen; ai. pra-ad verzehren, got. 
fraitan fressen, (lit. prasst# eine Öffnung hindurchfressen, serb. 
projesti se Lust zu essen bekommen wohl einzelsprachlich). 
Aus dieser Übersicht folgt, dass *prö vorwärts, voran be- 
deutet, besonders häufig in Verbindung mit Verben der Bewegung. 
Soll das Streben nach einem Ziel betont werden, so übersetzen 
wir durch “hin zu’, soll das Sichentfernen betont werden, durch 
‘fort’. Besonders beachtenswerth ist ein altindischer Gebrauch, 
über den ich SF. 5, 460 bemerkt habe: “Wenn man eine neu 
vorzunehmende Handlung im Sinne hat, so bekommt das 


8 285.] Kap. XV. II. prd, fra, rp6, lat. pro, lit. pra-, slav. pro. 719 


Verbum mit pra einen ingressiven Sinn, der an den des Aorists 
erinnert. Eine Übersetzung eines solchen prd, welches nur das 
Eintreten der Handlung in die Wirklichkeit hervorhebt, ist oft 
nicht möglich. Im Hinblick auf eine schon begonnene Hand- 
lung entsteht der Gedanke der Fortsetzung oder Wiederholung.” 
Beispiele für die erstere Nuance sind: pra-käS sichtbar werden 
(ohne pra sichtbar sein); pr@-y@ sich auf den Weg machen; 
prä-krid sich an’s Spielen machen; pra-yudh den Kampf be- 
ginnen; prd-pa sich an’s Trinken machen; prd-mud lustig wer- 
den; pra-ga zu singen anheben. Sehr viel seltener ist die 
zweite Nuance, welche z. B. vorliegt in pra-hu in einer Folge 
opfern, pra-sü fortkeltern. Diesem altindischen Gebrauch ent- 
spricht genau der litauische und slavische. Hinsichtlich des 
Litauischen bemerkt Kurschat 128, dass pra öfter auch ein 
anfangendes Thun bezeichne, z. B. pragysti zu krähen anfangen: 
gaidys pragydo der Hahn begann zu krähen. In bezug auf 
das Slavische sagt Miklosich 4, 234, dass pro perfektive 
Verba bilde, welche bald den Anfang, bald die Vollendung 
bezeichnen. Dahin gehören aksl. proglagolati zu sprechen an- 
fangen, progledati zu sehen anfangen, serb. proigrati ein wenig 
spielen, anfangen zu spielen, Lust zum Spielen bekommen, 
prokukati anfangen zu klagen, ein wenig klagen, promudi 
heiser werden, propjevati anfangen zu singen, ein wenig singen 
u. ähnl. Eine leise Wendung des Sinnes zeigt sich im Russi- 
schen, z. B. progrevati zeitweise oder um einige Grade wärmen. 
Dem ai. prd-sG und prd-hu entspricht serb. proslaniti zu Ende 
feiern. 

Sodann ist zu bemerken, dass sich aus dem Begriffe des 
Vorwärtskommens auch der des Zuendekommens, des Verder- 
bens und Verlierens entwickeln kann. So heisst im Altindi- 
schen pra-dhanv zerrinnen, vergehen, wozu man got. frarinnan 
sich verlaufen und fragiman verzehren vergleiche (eig. zu Ende 
kommen, dann mit kausativer Wendung: zu Ende bringen): 
Ai. pra-vart heisst, wie wir oben sahen, u. a. auch ‘sich ver- 
greifen an’ wovon got. fravairban verderben nicht weit abliegt. 
Ai. präd-vas heisst eigentlich ‘sein Nachtquartier vorwärts ver- 


720 Kap. XV. I. prd, fra, rp6, lat. pro, lit. pra-, slav. pro. [$ 285. 


legen’, dann ‘verschwinden’ und dasselbe (nur kausativ) ist got. 
Jravisan verschwenden. Dem ai. pra-kar wegthun, vernichten, 
abthun, töten entspricht der Bedeutung nach einigermassen 
got. fravaurkjan verwirken, sündigen. Ebenso führt eine Brücke 
von gr. rpoeinov verbieten zu got. fragiban sich gegen etwas 
erklären, verachten. Endlich giebt es im Litauischen und 
Slavischen Verba bestimmter Bedeutung, in welchen *pro 
scheinbar einen Verlust bedeutet, nämlich lit. pragerti ver- 
trinken (eig. weiter trinken, zu Ende trinken), praszökti ver- 
tanzen, russ. propifi vertrinken, proZrafi verfressen (z. B. all 
sein Geld), serb. protgrati, russ. protgrafi verspielen, russ. pro- 
spali eine gewisse Zeit schlafen, verschlafen. 

Diesen zusammenfassenden Erörterungen füge ich noch 
einiges über die einzelnen Sprachen hinzu. Aus dem Grie- 
chischen erwähne ich, dass rpd auch in freierer adverbieller 
Bedeutung zu dem Verbum treten kann, z. B. in zpoptyvop: : 
rallaxlöı rzpopıyävar (früher als der Vater) | 452, zp6xkuros 
früher gehört, alt u.ähnl. Aus dem Gotischen lassen u. a. 
folgende Verben noch eine aufklärende Vergleichung zu: 
fraletan freilassen, entlassen : npoleinw; fravrikan verfolgen : 
prösequor , fracatrpan verwerfen, zerstreuen, wegwerfen : prödıyo; 
Fravslvan fortreissen, rauben : rpoaıpdopar sich etwas heraus- 
nehmen, wegnehmen, ähnlich franıman nehmen, in Besitz 
nehmen, frahinpan fangen, gefangen nehmen; fraslindan ver- 
schlingen : got. fraitan s. oben; fragıban vergeben, verleihen, 
schenken : ai. prd-yam darreichen. Die auf den ersten Blick 
auffallendsten Verbindungen wie fragiman, fravaurkjan, fravisan 
sınd oben erklärt. Demnach ist der Gedanke aufzugeben, als 
stecke in dem gotischen fra noch etwas anderes als *pro. Das 
litauische pra hat als häufigste Bedeutung ‘vorbei ent- 
wickelt, welches aus vorwärts hervorgegangen ist, z. B. praeiti 
vorbeigehen, prö szäl pravaziüti an der Seite vorbeifahren. 
Daneben hat sich bei Verbis wie ‘schlagen’ die Bedeutung 
‘durch’ entwickelt, z. B. lödq prakifsti das Eis durchhauen, 
eig. das Eis vor sich hin hauen. Andere Nuancen sind oben 
erwähnt (vgl. Kurschat 128). Über das slavische pro sagt 








$ 285.) Kap. XV. IJI. Slavisch pro. 721 


Miklosich 4, 234: ‘als Präfix bezeichnet pro a) die Be- 
wegung durch einen Gegenstand in einer Richtung; b} die 
Dauer einer Handlung während einer bestimmten Zeit; c) die 
Bewegung aus einem Gegenstande heraus, von demselben weg, 
an einem Gegenstande hin, vorüber und über denselben hinaus; 
d) das Hervorbrechen aus dem Innern eines Gegenstandes; 
e) den Verlust einer Sache durch eine Handlung [z. B. russ. 
propiti vertrinken]; f) es bildet perfektive Verba, die bald den 
Anfang, bald die Vollendung bezeichnen [z. B. serb. proigrati 
zu spielen anfangen, proslavsti zu Ende feiern]; g) Diminution 
[z. B. serb. prodajati ein wenig hexen, probesjediti beginnen 
zu sprechen, ein wenig sprechen, provikati ein wenig anschreien 
u.8s.w.). Die Nummern e—g sind bereits besprochen (denn 
g sehe ich nur als eine Unterart von f an), es bleiben also 
nur noch a—d und diejenigen Verba zu erwähnen, die 
Miklosich, als nicht gut unterzubringen, durch ein ‘man merke’ 
einführt. Ich erwähne dabei nur serbische Beispiele. Mir 
ordnen sich dieselben so. Es giebt auch im Slavischen noch 
eine Reihe von Fällen, in welchen die nach vorwärts strebende 
Handlung bezeichnet wird, z. B. prostrijeti ausbreiten (eig. vor 
sich, vgl. prd-star), propeti ausspannen, provedriti se sich auf- 
heitern (die Helligkeit rückt vor), proredi vorhersagen, progla- 
sit bekannt machen, prodati verkaufen (vgl. prd-da), prosut:t 
ausgiessen. An den Begriff des Vorwärts schliesst sich der 
Gedanke der Eıstreckung über einen gewissen vor uns liegen- 
den Zeitraum, z. B. probaviti zubringen, proigrati eine Weile 
spielen. Charakteristisch für das Slavische wie für das Litauische 
ist die Entwickelung von ‘vorbei’ aus ‘vor’, z. B. probjezivati 
vorbeilaufen, provesti vorbeiführen, procdi vorbeigehen, proledeti 
vorbeifliegen. Ebenso findet sich im Serbischen (aber auch 
anderswo) die Nuance des ‘durch’, z. B. proditi durchschlagen 
(vor sich hin schlagen, bis das Loch fertig ist), probdosti durch- 
stechen. Übrigens sieht man gerade am Serbischen sehr deut- 
lich, dass alle diese Nuancen in einander verfliessen, vgl. 
prodi durchgehen, vorbeigehen, vergehen, abgehen (von der 
Waare), provesti durchführen, vorbeiführen, zubringen, protigrati 
Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm. Sprachen. L 46 


722 Kap. XV. I. *pro mit Kasus. [$ 285. 


EEE EEE 


dahintanzen, eine Zeit lang tanzen, anfangen zu tanzen, ver- 
spielen. 

*nro mit Kasus. 

In den arischen Sprachen und im Gotischen wird *prö 
nicht mit Kasus verbunden. Es kommen also nur das Grie- 
chische und Lateinische einerseits, das Litauische und Slavische 
andererseits in betracht. 

1. Griechisch und Lateinisch. In der homerischen 
Sprache bedeutet zpd mit dem Gen.-Abl. vor im räumlichen 
Sinne, z. B. roAb npd Yllwv paysodaı A 373, npb Eiev xAoveovra 
galayyas E 96, ot T Eri xanpp Binpevo Altar rpö xobpev Ör- 
priinpwv P 726. Dann im Sinne von für (so dass der Han- 
delnde schützend vor dem andern steht), z. B. yaysodaı xpo re 
ralöwv xal npo yuvamav O 57, SAgodaı duxkecws npd nöAnos X 110. 
Selten im zeitlichen Sinne: rxp6 yapoıo o 524 (wenn es nicht 
etwa “anstatt” bedeutet). Q 734 ddAsdwv rpd Avaxtos AperAlyou 
scheint zu bedeuten ‘arbeitend für einen harten Herrn’, wobei 
aus ‘zum Schutz für’ der Gedanke ‘zum Vortheil von’ ent- 
wickelt ist. Wieder eine andere Nuance zeigt sich in pn pıv 
Ayaıol Apyaldou npd YiRoro ZAwmp Öniorsı Alnorev P 667, was doch 
wohl heisst: angesichts der Furcht. Ausser mit dem Gen.-Abl. 
wird zpd mit dem Kasus auf dı verbunden in 'lAıddı npd vor 
Dlion, 7&8ı xp6 kurz vor der Morgenröthe. Der lateinische 
Gebrauch mit dem Ablativ entspricht dem griechischen, zu- 
nächst in lokalem Sinne: sedens pro aede, sodann im Sinne 
des Schutzes und Vortheils: dimicare pro libertate. Der Ge- 
danke der Stellvertretung, der sich im Lateinischen zeigt, z. B. 
pro magistratu esse oder operas dare scheint sich aus dem Ge- 
danken des Vortheils entwickelt zu haben, also eigentlich: für 
den anderen, der es gut hat, da er ausruhen kann. Die übrigen 
Verzweigungen verfolge ich hier nicht. 

2. Litauisch und Slavisch., Im Griechischen und 
Lateinischen fanden wir *pro im Sinne von ‘vor’, wobei das- 
jenige, von dem an gerechnet wird, in den Ablativ tritt. Im 
Lit. und Slav. ist ‘vor’ erloschen (doch russ. molviti pro sebja 
vor sich hinsprechen), weshalb auch der Abl. nicht mehr 





$ 285—286.) Kap. XV. II av. paitt, altp. patıy, gr. rorl. 723 


erscheint. Im Litauischen (Kurschat 400) heisst prö vorbei und 
wird mit dem Akk. verbunden, z. B. kulka jam prö galvq 
praleke die Kugel flog ihm am Kopfe vorbei. An vorbei schliesst 
sich, wie bei pra-, durch, z. B. prö duris laükan eitt durch die 
Thür hinausgehen. Der slavische Gebrauch, von dem Miklo- 
sich 4, 437 handelt, z. B. klruss. 7a k tobi posl’u pro pomoe ich 
werde zu dir um Hilfe schicken, beruht auf dem Übergang 
von vor zu für. 


8 286. Av. pasts und pastis, altp. patiy und patis, 
griech. rori und nis). 

Im Iranischen entspricht pati durchaus dem ai. praätı, 
z. B. av. patli-i herzugehen, ap. pati-i zugehen, zufallen, ai. 
prati-i herzugehen u. 8. w.; av. patti-jam herzukommen, ai. 
präti-gam dass.; av. paiti-bar entgegenbringen, ap. paii-bar 
zurückbringen, ai. prati-bhar entgegenbringen, darbringen; av. 
paiti-stä stehen, widerstehen, ai. prati-stha dass.; av. patti-jan 
gegenschlagen, sich wehren, ai. prati-han dass.; av. pattı-zan 
annehmen, willkommen heissen, ai. prati-7Ra anerkennen, gut 
aufnehmen, gutheissen; av. patt:-pares befragen, ap. patt-pars 
dass., ai. präti-prach dass.; av. paiti-vac zu jemand sprechen, 
antworten, ai. prati-vac dass.; av. pasti-vid kaus. anzeigen, ai. 
prati-vid dass. Bemerkenswerth ist pattis-muc bekleiden in 
pastismuxta, so dass also der bei prati-muc S. 727 besprochene 
Bedeutungsübergang in die arische Periode zu verlegen ist. Aus 
dem Altpersischen erwähne ich noch patt-ar$ beaufsichtigen, 
verglichen mit rpotidooonar hinblicken auf, ahnen. Von den 
wenigen bei Homer vorkommenden Verbis mit rori lässt 
nur roriögpxoua: die unmittelbare Vergleichung, und zwar 
'mit ai. präti-darS anschauen, erblicken zu. Äusserlich stimmt 
noch rotırernmuiar v 98 mit prati-pat. Die in den anderen 
Dialekten vorkommenden Verba mit zor{ habe ich nicht ge- 
sammelt. 


1) Im Ai. ist *pöti durch präti verdrängt worden. Welcher Bedeu- 
tungsunterschied ursprünglich zwischen *pöti und *pröti obwaltete, lässt 
sich nicht mehr feststellen. 

46* 


724 Kap. XV. II. av. paits, altp. patiy, gr. rort. [$ 286. 


Das iranische pais wird als Präposition verbunden mit 

1. dem Akkusativ, und zwar in der Bedeutung ‘gegen, 
entgegen’, 2. B. av. paiti aZötk zairitahe kehrpem haoma vadare 
jaidi gegen den Körper des grünen Drachen schleudere, o 
Haoma, die Waffe y. 9, 30; ap. adam karam fräisayam tyar- 
patiy ich schickte das Heer gegen sie Spiegel? 20, 72; av. Dwä patiti 
zi haxedrem daide vahıstem denn mit dir (dir gegenüber) habe 
ich beste Freundschaft yt. 10, 80. Sodann wird es auch bei 
Verben gebraucht, welche nicht Verba der Bewegung sind, 
z. B. yab zSayata patti bumim dass er auf der Erde herrschte yt. 
19,26. Ferner bei Zeitbegriffen: av. patii ratum zur Zeit y.2,18, 
ap. zSapa va rauca pati va bei Nacht oder bei Tage Spiegel? 
4, 20. Auf andere als lokale oder temporale Verhältnisse über- 
tragen erscheint pasti z. B. in: manö ramayeti huzsnuitım paiti 
miprahe er versöhnt das Gemüth des Mithra zur Gnade yt. 
10, 109; ap. patiy duvitiyam und trifiyam zum zweiten und 
zum dritten Male. Einen Beleg für past: entsprechend, ge- 
wachsen (vgl. ai. prat) entnehme ich Spiegel, Gramm. 459 
hä m& baya ahunahe vairyehe satem paiti anyatsqm rabwam 
diese Abtheilung des Ahuna-Vairya gilt gleich hundert anderen 
Hauptgebeten y. 19, 5. Entsprechend dem ursprünglichen Sinn: 
von pasti wird auch patili$ gebraucht: hö vazata paitis nmänem 
yım hvapasbim er flog zu seinem eigenen Hause yt. 5, 62. So 
auch ap. patı$, 2. B. 18, 43. 2. mit dem Lokalis: ar. vi- 
spahu pasti barezähu vispahu vardayanähu spaso ünhätre auf 
allen Thürmen und an allen Fenstern sitzen Späher yt. 
10, 45; barsagsu paiti aspangm auf den Rücken der Pferde 
yt. 5,53; yesng paitt bei dem Opfer. Zeitbegriffe: yazazsa mam 
paili asnı paiti zSafne verehrte mich am Tage, in der Nacht 
yt. 1, 9 (wober asni jedenfalls Lok. ist). 3. dem Instru- 
mentalis, insofern eine Erstreckung über einen Raum aus- 
gedrückt ist: y@ zemä paiti fratacinti welche über die Erde 
strömen yt. 5, 96. 4. dem Ablativ. Man erwartet die Be- 
deutung ‘von her’, welche sich auch findet in Stellen wie: yö 
vispem ahum astvantem adıdasti haraipyap paiti baresanhap 
der die ganze Welt überschaut von der hohen Haraiti aus 








8 286.) Kap. XV. I. av. paits, altp. .patiy, gr. rotl. 725 


yt. 10, 51, vgl. yt. 5, 25; yım yazala ahuro mazdä raozsnah 
paiti garonmänap yt. 10, 123 übersetzt Geldner: “den A. M. im 
lichten Paradies verehrte’. Die ursprüngliche Anschauung wird 
sein: ‘vom Paradiese aus. Aus “von her’ kann sich “nach? ent- 
wickeln: anuzvarstap paiti paurvap nach ungesühnter früherer 
(That) vd. 4, 20. In den beiden folgenden Sätzen sind zwei 
Handlungen als aufeinander folgend dargestellt, die wir 
lieber als gleichzeitig auffassen, wesshalb wir past durch ‘mit’ 
übersetzen: uzdatap paiti haomap (wer dich verehrt) mit einer 
Haomaspende yt. 10, 91 (so Geldner, KZ. 25, 502); ereZurdap 
paiti vacanhap uiti vacebi$ aojano mit Eideswort also schwörend 
yt. 5, 76 (ders., KZ. 25, 391). Endlich findet sich patti im Avesta 
auch mit dem Dativ und Genitiv verbunden. 

Für den Dativ ist ein sicherer Beleg: paiti apre übem 
barahb (als wenn er) es als Schmalz zum Feuer brächte vd. 16, 17 
(so Geldner, KZ. 25, 588); y. 33, 11 kann auch Gen. sein. 
Der Dativ trat natürlich zunächst zu dem mit paiti verbun- 
denen Verbum. Der Genitiv erscheint da, wo wir den Ablativ 
für natürlich halten würden, nämlich in der Bedeutung “um 
willen, wegen’ (eig. ausgehend von, anknüpfend an), so: va- 
nantem stärem yazamaidg amahe paits hutastahe den Stern V. 
rufen wir an um seiner tüchtigen Stärke willen yt. 8, 12 (so 
Geldner, KZ. 25, 467); yqm yazata zarabuströ humatahe paiti 
manarhö ihn bat Z. um gute Gesinnung yt. 16, 6; adtahe paiti 
bedeutet ‘dafür’ (zur Strafe) vd. 4, 20 und so öfter. Zweitens 
finden wir den Genitiv da, wo der Lokalis zu erwarten wäre, 
2. B. bayö nidabap hvapä haraspyd paiti barezaya (dich) setzte 
der kunstreiche Gott nieder auf der hohen Haraiti y. 10, 10, 
vgl. yt. 9, 17, wo beide Kasus parallel stehen. Hierher kann 
man auch rechnen: yerihä paiti @pö tacinti auf welcher Flüsse 
laufen yt. 13, 10, obgleich man auch sagen könnte, an dieser 
Stelle sei der Instr. der zu erwartende Kasus. Wie es nun 
gekommen ist, dass in diesen Fällen der Gen. an die Stelle 
anderer Kasus getreten ist, weiss ich nicht recht befriedigend 
zu erklären. | 

Das griechische Gegenbild des iranischen pat: findet 


726 Kap. XV. I. ai. prätt, gr. port, p6s. [($ 286—287. 


sich bei Homer mit dem Akkusativ, Dativ, Genitiv. Bei dem 
Akkusativ in derselben Weise wie patı, z. B. Ixovro Atoxidsos 
nor! dwpa y 488; Tpwol norl nrölıv Aynsasdaı X 101; xüpa rori 
oxardv plov ader y 295; xal pıv rorl Epxlov auliis eioe a 102; 
E&Lleodnv rorl Bupdv x 379; oravre nort zvornv A 622. Eine weitere 
Entwickelung zeigt: huiv Boor valovar npös Hda T Hekıdv te, 48 
&oaoı neröniode norl Ldpov Hepoevra v 240. Bei einem Zeitbegriff: 
arap taya tor zorl Eonepa piyiov Eoraı p 191. Bei dem sog. 
Dativ wird rorl so gebraucht, dass man den Kasus als Lokalis 
erkennt, z. B. o0ö£ ti pıv ratösc ori yoovası nannaLouaı E 408; 
dodrov Axouge norl onılddescr Halasans e 401; nori yaly yeipa; 
Gelpmv BaAov Anodvnonwv nepl Yaoyavp A 423. Häufiger wird 
das Streben nach einem Ziele ausgedrückt, z. B. norl de air- 
tpov Bade yaty B 80; xard 8 Enrnkav ori yaly 8 190 und so 
mehrfach in rorl yaly; ov d& rorl ol eilev w 347. Es lässt sich 
nicht mit Sicherheit sagen, ob hierin der Lokalis des erstrebten 
Zieles oder (wıe im Avestischen) der Dativ vorliegt. Mit dem 
Genitiv habe ich nur notiert: adrös 88 rort nrölros rerer alel 
X 198. Ilorıneropar konnte also wie öpfyopaı und ähnliche Verba 
den Gen. zu sich nehmen. Oder sollte der Gen. Vertreter des 
Ablativs sein, wie bei rpds? 

8 287. Aı. prdti, gr. nporl, np6s. 

Zwischen rpotl und rpds lässt sich ein Unterschied der 
Bedeutung nicht feststellen. Dass xport, bei Homer wenigstens, 
nicht mit dem Genitiv verbunden wird, dürfte zufällig sein. 
Ich behandle die beiden Formen also als gleichbedeutend. 

Prati bedeutet, wie ich SF. 5, 462 gezeigt habe, ‘gegen, 
entgegen. Der Begriff des Drauflos und des Bewältigens, der 
sich bei abht entwickelt hat, tritt nicht hervor. Als Belege 
mögen dienen: mit # entgegengehen, angehen, zu etwas ge- 
langen; car zu jemand treten, sich nähern; pad betreten, hin- 
zutreten, anfangen bei, antwortend beginnen; sth@ (sich gegen 
etwas stemmen) stehen, dastehen, gegründet sein, Bestand 
haben; dah entgegenbrennen, mit den Flammen begegnen; 
dhar$ aushalten, widerstehen; dh@ ansetzen, einsetzen, wieder- 
herstellen, anheben, anfangen (letzteres aus ansetzen entwickelt) ; 








$ 287.) Kap. XV. IL ai. präti, gr. zporl, rpö«. 1727 





bhar entgegenbringen, darbringen; as zuwerfen, hinwerfen, 
umschlagen, einbiegen (vom Zeuge gesagt) ; han schlagen gegen, 
anspiessen ; Ahyä erblicken, ansehen; dar$ anschauen, gewahren; 
dru antworten; vac verkünden, melden, antworten; mud ent- 
gegenjubeln, zujauchzen; vä$ zublöken; gar wachen bei (sich 
gegen jemand hinwendend); ju$ Liebe bezeugen, sich gütig 
erweisen, gern annehmen; z7%@# anerkennen, gut aufnehmen, 
billigen, bestätigen, bejahen, antworten; budh gegen etwas wach- 
sam sein (wahrnehmen); $ar (gegen etwas zerbrechen) die 
Spitze abstossen, abbrechen; Ava anrufen. Bisweilen entwickelt 
sich der Begriff des Gewachsenseins, Gleichseins (vgl. Gegen- 
stand halten), so bei 5Ad gleichkommen (SB.), yam das Gleich- 
gewicht halten. Wie präti-bhu wird auch präti-as gebraucht, 
z. B. indra ndki$ toa präty asty djam, viva jatäny abhy äsi 
tan! o Indra, niemand von ihnen kommt dir gleich, du über- 
triffist alle diese Wesen RV. 6, 25,5. Häufig kann die Form 
von as auch fehlen (vgl. unter päri), z. B. indram nd mahna 
prthivi cand prdt® dem Indra kommt an Grösse nicht einmal 
die Erde gleich RV. 1, 55, 1. Ferner entsteht der Begriff 
‘zurück’, nämlich dann, wenn man sich vorstellt, dass die 
Gegenbewegung gegen eine andringende Bewegung ausgeführt 
wird, z. B. präti-nud gegenstossen, zurückstossen, prati-uh zu- 
rückschieben, zurückdrängen, abstreifen. Als Einzelheiten seien 
erwähnt: präti-Sru antworten (eig. nur: gegenhören); präti-muc 
anziehen, anhängen, befestigen an, sich anziehen, während 
muc lösen bedeutet. Offenbar ist prati-muc im gefühlten Gegen- 
satz gegen vi-muc lösen, ausziehen zu dieser seiner Bedeutung 
gekommen. Im Griechischen finden sich nicht eben viele 
genau entsprechende Gegenbilder. Es lassen sich etwa an- 
führen: rpdaeıuı hinzugehen, herankommen, prati-i hinzugehen, 
entgegengehen (auch feindlich), herbeikommen ; zpooßatvw hinzu-, 
hinangehen, losgehen auf, beschreiten, betreten, gelangen zu, ai. 
präti-gam entgegenkommen, entgegengehen, zurückkehren ; rpdo- 
xermar daran liegen, sitzen, präti-5i gegen jemand liegen, nicht 
von seiner Seite weichen; rpoorlöru:ı dazu setzen, legen, prati-dha 
ansetzen, einsetzen, anlegen (einen Pfeil) u. s. w.; rpooögpxopar 


728 Kap. XV. II ai. präti, gr. rnpös mit Kasus. [$ 287. 


anblicken, prati-dars dass.; rpotidooonar hinblicken auf, ahnen, 
sehen, erkennen, präti-ik$ zusehen, hinblicken auf, erblicken, 
erwarten, warten. Häufig findet sich im Griechischen der 
Sinn ‘noch dazu’, z. B. nposarpdopoı dazu erwählen, rposartdw 
noch dazu verlangen u. s. w., namentlich wenn rxpo;s noch vor 
die Hauptpräposition tritt. 

Im Griechischen hat sich ein adverbialer Gebrauch ent- 
wickelt, bei Homer in rpt; d€£ ausserdem aber, z. B. BAaoos 
ög ol xorüAnv, npös d Appm häke tevovre E 307. 

Die Verbindung mit Kasus. Im Altindischen findet 
sich der Akk. (vielleicht der Ablativ), im Griechischen der 
Akk., Dat. (Lok.), Gen. (Abl.). 

1. Der Akkusativ. Im Veda in Verbindung mit Verben 
der Bewegung. Dahin rechnet Grassmann Stellen wie prati 
va na ndmasäham emi ich komme euch entgegen, zu euch 
mit diesem Andachtsliede RV. 1, 171,1. Doch kann man in 
diesem Falle prati auch näher zum Verbum ziehen. Sicher 
zum Kasus gehört es: prati tydm cärum adhvaram göpithäya 
pra hüyase zu dem geliebten Opfer wirst du gerufen zum Zwecke 
des Milchtrinkens RV. 1, 19, 1. In der Prosa habe ich es so 
nicht gefunden, vielmehr im Sinne von ‘gegen, hin, bei, an, 
auf’ den Ort im allgemeinen (ungefähr) bezeichnend, z. B. 
mädhyam präti paSür värıjthah ein Thier ist nach der Mitte 
zu am dicksten SB. 8, 2, 4, 19; tam prötham prati samgrhıya 
ihn am Rücken packend TS. 2, 1, 5, 1. Ferner wird präts bei 
Zeitbegriffen gebraucht, z. B. agnifömiyam präti vacam vi syjante 
gegen das A. zu (eine bestimmte Opferhandlung) darf man 
wieder sprechen MS. 3, 8, 2 (93, 13). Im Veda findet praii 
sich bei ‘schützen’, z.B. dgne rakfa no qhasah praäti $ma deva 
rifatah o Agni, schütze uns vor Noth gegen die Schädiger RV. 
7,15, 13. Wıe prati mit einigen Verben den Sinn des Gegen- 
gewichtes annimmt, so auch die Präp.: sdrväns va &$d rüpani 
paSünam präty & labhyat dieser wird geopfert als gleichwerthig 
allen Thiergestalten TS. 5, 5, 1, 2. In übertragenem Sinne heisst 
prati "gemäss’, z. B. prati vdram dem Wunsche gemäss, und 
“in Beziehung auf’: ya ichöd imam ö0a prati wer mit Beziehung 





$ 287.) Kap. XV. II. ai. präti, gr. zo6c mit Kasus. 729 





auf diesen wünscht AB. 8, 7, 6. Bei Homer stehen zport 
und xp‘; im Sinne räumlicher Annäherung (port auf diesen 
Gebrauch beschränkt), z. B. Bf d ipnevar rpös öüua B 298; 
aneßn rpös paxpov OAuprov x 307; Tue rpbs obpavdv W 868; 
rpds ba nlaravıorov Öpousev B 310; Toosaxı pıv Anootpelaoxe 
npds neölov, autos 58 morl nröiıog nerer alel X 197; tobs piv ne- 
ötovöe dlwxsv npös nöAlıy D 3; Zoxlövavro da npbs Öupad Exastos 
B 258; äppara 5 Exlıvav npös Evanıa 5 42; YEperv npbs Öwpara 
p 83. An diese Verba der Bewegung schliessen sich: 5 ö äpa 
rpös xlova naxphv Toto b 90; Apoıvduou ps yova xadelLero 
zu den Füssen o 395; elv all xeitar npös Löpov ı 25; door 
vatousı rpds hda T HElıdv te v 240. Sodann erwähne ich 
Verba, welche sehen bedeuten, z. B. rartaivovt npös rerprv 
u 233. Ferner solche, welche eine Äusserung enthalten: @< 
ot yey Toradra mpös AAAnAous Ayöpevov, Z. B. 8 620; rpos pntepa 
etzeiv n 151 u. ähnl. Dazu auch: ®pooe d& npös Eu aurdv & 331; 
xAatsoxe rpös obpavdv & 364. Vereinzelt ist: np; Aroundsa Teuye 
äneıßev Z 235. Endlich ist noch die Bedeutung ‘gegen’ im 
Sinne des Widerstandes zu erwähnen: rpös dalpova Yuwrl pü- 
x«ceodaı P 98 (vgl. 104). Bei Zeitbegriffen kommt rpds; bei Homer 
nicht vor, wohl aber später, z. B. rpös n@ 2Zypeodar (doch vgl. 
roti). 2. Der Lokalis. Diese Verbindung liegt nur im Grie- 
chischen vor. Aus Homer gehören dahin: &yxtpalos patvorro 
rpos odbei ı 459; npds ypuodn repivwm xaranükaro yeipa E 425; 
rpbs nerpgaw pıvol Aneöpupdev e 434; ruxıval de npos AAAnAmaıv 
Exovtaı e 329. Ein Dativ (nicht Lokalıs) könnte vorliegen in 
BaAlopeva port yaly X 64, vgl. n 279; Thy 88 nporl or eile ® 507, 
vgl. Y 418. (S. unter zorl). Vielleicht auch: daocav  Erapot 
te xaxol pös total te Önvos x 68. 3. Der Ablativ-Genitiv. 
Die Verbindung von rxpos mit dem Ablativ (bei zpori im Homer 
nicht vorhanden), welche wohl aus der Urzeit stammen könnte, 
ergiebt die Bedeutung ‘von her’. Im Altindischen ist sie kaum 
vorhanden. Böhtlingk-Roth führen nur eine Stelle aus dem 
Epos an: uk$äanam paktva saha Odanena asmät kapotat prati te 
nayantu einen Ochsen sollen sie braten und ihn mit Mus als 
Entgelt für diese Taube bringen, wo also die Bedeutung eine 


730 Kap. XV. II. ai. sam, av. ham, lit. su, slav. su. [$ 287—288. 


übertragene ist. Im Griechischen tritt ‘von her’ deutlich hervor 
in folgenden Wendungen: Txer’ Zudv 88 NE rpös Hotwv 7) Eorepimv 
avdpwurwv 8 29; Tıanv dpvöpevor Meveldp npö; Tpuwv A 160; 
zıunv rpös Zuvös Eyovres A 302 und daran anschliessend: töe 
Tıunsssa yevorro mpös nooros ao 161;  ooL Apıora renointar xara 
oixov npös Ipwwv Z 56; 58° ürep oEdev aloye Axodw npös Tpwwv 
2525. Auch lässt sich derselbe Sinn noch spüren in: ot re 
depıotas npbs Arös elpbaraı A 239; rpös yap Ads eloıv Anavızz 
ksivor sie stehen unter ihm, man könnte sagen: ressortieren 
von ihm Z 207, und damit vergleichbar rpös &AAns ioröv doalvors 
Z 456. Ilpos mit dem Gen. steht auch, um die Lage zu be- 
zeichnen, z. B. rpös @Aös (eßdoucı) K 428 sie schlafen vom Meere 
her, in der Richtung des Meeres. Man könnte auch mit um- 
gekehrter Anschauung sagen ‘nach dem Meere hin’ (vgl. xpös 
Cdpov u. ähnl.). Ebenso: duw d& 1E ol düpaı elotv, al pEv rpüs 
Bopdao v 109; 000° &aooı xpavany ldaxnvy xard xoıpavkousıy, oud 
8ocoı vnooısı mpös "Hiıdos Inroßororo » 346. Endlich steht bei 
schwören, zum Zeugnis anrufen, anflehen die Person, von der 
eine Einwirkung kommen soll, im Gen.-Abl. mit rpos, z. B. 
youvvakscdaı rp6s T dloyov xal narpos A 66; paprupoı Eotwv pic 
deny naxapuv A 339; odd Lriopxhom rpös datkovos T 188. Mit 
ow findet sich rpos in npös xoruAndovopıv e 433. 

6 288. Ai. sdm, av. altp. kam, lit. su (getrennt s«, im 
Komp. sq-), aksl. süö, im Komp. sq-1). 

Über den Sinn von ai. sam habe ich SF. 5, 468 mich so ge- 
äussert: ‘sdm in Verbindung mit Verben bedeutet “zusammen‘, 
und zwar kann es sich sowohl um die Verbindung eines 'Thä- 
ters mit einem anderen handeln, z. B. sam-pa zusammen trinken, 
als um die Einwirkung auf den Gegenstand der Handlung, 
z. B. sam-pi$ zusammendrücken. Im letzteren Falle steht sam 
nicht selten so, dass wir es nur als Verstärkung der Verbal- 
bedeutung empfinden’. Entsprechend sagt Miklosich 4, 245 


1) Kretschmer, KZ. 31, 416, trennt sö und sü von sdm und bringt sie 
mit söv zusammen, ohne mich zu überzeugen. Von £öv, söy habe ich ganz 
abgesehen, da über die Entstehung und die Verwandtschaftsverhältnisse 
desselben nichts feststeht. 





8 288.] Kap. XV. I. ai. sdm, av. ham, lit. su, slav. sü. 731 


über sö: “Als Präfix bezeichnet sö, entsprechend dem griech. 
oöyv, lat. cum, got. ga a) ein zusammen, so dass entweder durch 
die Handlung eine Vereinigung mehrerer Gegenstände be- 
wirkt (colligere), oder so, dass eine Handlung von mehreren 
Subjekten zugleich unternommen wird (convivere); b) bewirkt 
es mit dem Schwinden der Bedeutung des sü bloss Perfek- 
tivierung des Verbum’. Dafür einige Beispiele: ai. sam-i zu- 
sammenkommen, av. kam-i dass., hit. susteiti dass.; aı. sdm-sthä 
sich sammeln, av. ham-stä dass., lıt. suwsitöti zusammentreten, 
aksl. sästali se convenire; ai. sdm-bhü sich verbinden, ent- 
stehen, av. ham-bu zusammen sein, lit. sustbütt dass., akal. 
sübyti se rimpoüodar, Avanınpoücdaı, fieri; ai. sdm-bhar zu- 
sammentragen, vereinigen, av. ham-bar dass., aksl. sübrafi 
dass.; ai. säm-kar zusammensetzen, zubereiten, weihen, av. 
ham-kar fertig machen, vollenden, abschliessen; ai. sam-ci auf- 
schichten, fertig schichten, aneinanderfügen; ai. sdm-vah zu- 
sammenführen, av. kam-vaz hinfliegen, vgl. lit. süvestz (vedu) 
zusammenführen, aksl. süvesti (vedg) dass.; ai. sam-grabh 
zusammenfassen, ergreifen, zusammenziehen, dünner machen, 
av. ham-garew ergreifen; ai. sdm-star neben einander hinstreuen, 
av. ham-star ausbreiten; ai. sdm-var zudecken, av. ham-var 
dass.; ai. sdm-yu an sich bringen, in sich aufnehmen, verbin- 
den, av. ham-yu verbinden; ai. sam-prach sich befragen, unter- 
reden, begrüssen, av. ham-pares fragen, sich berathen; ai. sdm- 
budh erwachen, wahrnehmen, erkennen (nicht vedisch), av. kam- 
bud wissen, bei Sinnen sein, aksl. sübljustz impeiv, Starnpeiv, tueri; 
al. sdm-vid zusammen wissen, wissen, kennen, einverstanden 
sein, aksl. süvedeli conscium esse. Im besonderen bemerke 
ich, dass in ai. sam-an aufathmen, sdm-jiv zum Leben zurück- 
kehren, wieder lebendig werden, die Anschauung des Sam- 
melns zum Ausdruck kommt, ferner, dass in al. sdm-par 
zum Ende führen und sdm-tar übersetzen, überschiffen, über 
etwas hinübergehen der Gedanke der Vollendung hervortritt. 
Sam-ruj heisst zerbrechen, sam-vraSc in Stücke hauen, ‘zu- 
sammenhauen’, wie auch wir sagen, sdm-tak$ einerseits behauen, 
bearbeiten, andererseits zusammenhauen, zerhauen; sdm-dah 


732 Kap.XV. II. Lit. su, slav. sö mit Kasus. [8 288. 


zusammenbrennen, verbrennen, av. kam-daz aufbrennen. Ebenso 
lit. suvalgyti aufessen (vgl. aksl. sünest:), sulauzti zerbrechen, 
wozu Kurschat $ 453 bemerkt: “der Begriff des ‘zusammen’ bei 
Verben der Bewegung enthält aber auch den des Zusammen- 
ziehens in einen kleineren Raum und so mag wohl auch die 
Bedeutung des Zerstörens, Vernichtens sich mit den mit su 
zusammengesetzten Verben verbunden haben”. 

Als Präposition erscheint weder säm noch ham, wohl 
aber lit. s&, und zwar mit dem natürlichen Kasus, dem 
soziativen Instrumentalis. Belege aus dem Litauischen giebt 
Kurschat $ 1480, z. B. vilkqg sü meszka suoesti den Wolf mit 
dem Bären zusammenführen, su devu sävo ddrbq pradeti sein 
Werk mit Gott anfangen, JE atejo sü kardals ıf kartimis sie 
kamen mit Schwertern und Stangen. Über den slavischen Ge- 
brauch s. Miklosich 4, 759. Häufig stehen im Instr. Per- 
sonen, 2. B. aksl. ı javı se Jımü Ilıya sü Mosejemü xal wodn 
adtoig HAla; adv Mwoei Mark. 9, 4; 128 Beachq sü njimü sü obema 
na desete oi repl adrov adv nois Swöexa Mark. A, 10; sis loboyq 
umireti ouv cool Aroßaveiv Matth. 26, 35. Aber auch andere 
Begriffe, z. B. vizelü ubo bimi svoje sü lichvoyq txopıodumv Av 
td duöv obv töxp Matth. 25, 27; sü Aletoojg izdrece ei’ äpxou 
“poldynoev Matth. 14, 7; 3 abije sü radostijg prijemlje je xal 
eddö; usrd yapäs Aaußavov adıdv Matth. 13, 20. 

Im Slavischen wird s@ aber auch mit dem ablativischen 
Genitiv verbunden, worüber Miklosich 4, 569 sagt: ‘Der Gen. 
mit sö bezeichnet den Ort, von dem eine Bewegung ausgeht. 
Das Verbleiben an diesem Orte wird durch na ausgedrückt: 
sü entspricht daher, etwa wie nizü, dem griech. xat mit dem 
Gen. und dem lat. de. Der Gen. mit sü bezeichnet ferner 
jede, auch eine bloss gedachte Entfernung; endlich auch das 
Verbleiben an einem Orte” Im ood. Mar. giebt sö mit Gen. 
regelmässig das griech. @xd und &x wieder und bedeutet meist 
“von herab’. Am häufigsten ist s& nebese, z. B. sü nebese pa- 
düsa dx tod oöpavoo zeodvra Luk. 10, 18. Ebenso sü gory, 
z. B. süsedüsu Ze jemu sü gory xaraßdvrı d& adt dmd Too dpowx 
Matth. 8, 1. Sodann ohne die Nuance des “herab” bedeutet 











& 288.) Kap. XV. I Lit. s@, slav. s& mit Kasus. 133 


es ‘von her’, z. B. ide drugü mi pride sü pati kü mine !xel 
ollog you rapeydvero 25 6600 npös pe Luk. 11, 6; gredastju 
sü sela &pyduevov ar dypoö Mark. 15, 21; vüsta sü vecere 
&yelperan 2x Tob Öelnvon Joh. 13, 4. Ferner sind zu be- 
achten die Verbindungen sü zadi drruoßev, z. B. pristapisi sü 
zadi rpoceAdoüoa Örıcdev Matth. 9, 20. Dasselbe bedeutet s& 
sleda von der Spur aus Luk. 8, 44. Mit dem Adverbium vyse 
bedeutet es dvwdev, dm Avwdev, 2£ Öbous. Mit dem “Verbleiben 
an einem Orte’ sind Ausdrücke gemeint wie serb. on je bio s 
onu stranu vode, ja sam bıla vodı s ove strane er war auf der 
einen Seite des Wassers, ich auf der andern, worin wie im aksl. 
sü onogo polu (rdpav) eigentlich die Bedeutung ‘von her’ steckt. 
Ein Beleg für die Anwendung auf die Zeit ıst russ. s& techü 
porü von der Zeit an, der Beweggrund tritt ebenda hervor, 
z. B. sü pecali ne mrutü aus Kummer stirbt man nicht. Es 
ist klar, dass dieses sö nichts anderes ist, als das bisher be- 
handelte. Die Verbindung mit dem Abl. ergiebt den Sinn: 
von der Verbindung mit etwas her, aus dem Zusammensein 
mit. Ein treffendes Analogon bietet das iranische kaca, welches 
eigentlich ‘bei’ bedeutet, mit dem Ablativ aber “von weg’, s. 
$ 298. Nachdem durch die Verbindung mit dem Kasus dieser 
Sınn in die Präposition gekommen war, drang er auch in das 
Richtungswort, daher (vgl. Miklosich 4, 246) Verba wie aksl. 
süvesti demittere, süplesti exuere, süprestt dejicere, sügnati de- 
pellere und entsprechend in den anderen slavischen Sprachen. 
Es liegt also hier einmal ein Fall vor, in welchem ein bestimm- 
ter Gebrauch der Präposition älter ist, als der des Richtungs- 
wortes. Endlich erwähne ich noch, dass sö auch mit dem Akk. 
verbunden wird (Miklosich 4,443), und zwar den Ort bezeichnend, 
an dem etwas geschieht, wovon schon oben ein Beispiel aus 
dem Serbischen angeführt ist (s onu siranu wie man a latere 
und ad latus sagen kann). Wahrscheinlich ist dieser Gebrauch 
eine Analogiebildung nach na stranu u. ähnl. Wenn der Akk. 
mit sö auch noch die ungefähre Grösse angiebt, z. B. russ. 
tomu sü godü es ist ungefähr ein Jahr her, verstü sü dvadcati 
etwa zwanzig Werst u. ähnl., so ist unser ar zu vergleichen. 


734 Kap. XV. IIL av. ana, gr. dva, lat. an, got. ana, slav.na. [$ 289. 


III. 


Proethnische Präpositionen, welche nicht überall 
Präverbisa sind. 


Dieser Abschnitt enthält folgende Paragraphen: 


8 289. Av. ana, gr. äva, lat. an, got. ana, slav. na lit. 
nü, nü). 

8 290. Ai. anti, gr. avıi, osk. ant, got. and, Iıt. at. 

8 291. Gr. pera, got. mib (nebst reda). 

8 292. Ai. paSca, paScad, av. pasca, pasng, altp. pasa, lat. 
post, lit. päskut, pas. | 

$ 293. Ai. purä, purds, av. para, parö, got. faura, faur. 

8 294. Ai. tıras, av. taro, lat. trans, got. bairh. 

8 295. Ai. upart, av. upatr:, altp. uparıy, gr. Ürep, got. 
ufar (lat. super). 

8 296. Av. adanri, got. undar. 

8 297. Ai. dechä, gr. Eote, lat. usque (slav. jJeäte). 


6 289. Av. ana, gr. ava, lat. an, got. ana, slav. na 
(lit. nu nu). 

Dass ava und lat. an in anhelare identisch sind, ist ein- 
leuchtend. Auch kann wohl nicht bezweifelt werden, dass av. 
ana, got. ana und slav. na dazu gehören. Das av. ana findet 
sich nach Spiegel, Gr. 468 an vier Stellen des Avesta. An 
zwei derselben, vd. 5, 5 und yt. 10, 23, übersetzt Geldner das 
Wort durch ‘so’, an der letztgenannten Stelle für mich ein- 
leuchtend. Es bleiben ya vispanqm yuxtanam azem fratemem 
Panjayenı ana xzwaretqm yqm dareyqm dass ich von allen Ge- 
spannen das vorderste zum Laufe treibe auf der langen Renn- 
bahn yt. 5, 50 und ana barezi$ sayamnanqm der auf dem Lager 
liegenden vd. 18, 26. 

Proethnisch scheint die Verbindung mit dem Akkusativ 
zu sein, doch ist die Anwendung in den einzelnen Sprachen 
veıschieden. Im Griechischen deutlich von einer Bewegung 





$ 289.) Kap. XV. II. got. ana, slav. na. 735 


nach aufwärts, z. B. xiov dv ödmAhv &pöcar y 176, namentlich 
bei Erstreckung über eine Fläche hin, z. B. 7 7? äavd vara 
HEouoa draurepts adydv Inaverı N 547, dann auch häufig, ohne 
dass eine Aufwärtsbewegung hervortritt, z. B. üydnoav 8 Ava 
ößna A 570 und die bei Homer häufigen Wendungen du reötov, 
av "EAMaöa, Ava dotu u. 8. w., womit ja auch av. ana zwaretqm 
yqm dareyqm übereinstimmt. 

Got. ana hat diese Bedeutungen nicht mehr, vielmehr hat 
sich aus ‘durch etwas hin’ die Bedeutung ‘auf, an, zu etwas 
hin’ entwickelt, z. B. sunsaiv bata skip varb ana airpai ana 
Poei eis sddyedun eidEws To rAotov Eyevero Ent TAc yüs eis Av 
dn7yov Joh. 6, 21; Ava usiddjedup ana aubida sarhvan ri &t&idere 
eis Thy Eprpov Beaoacdaı; Matth. 11, 7; ahman sve ahak atgag- 
gandan ana ina To nveöna Woel reprotepdy xaraßaivov dm abrdv 
Mark. 1, 10; jah gusat ana ina xal &xadıoev Er adrw (nämlich 
auf das Füllen) Mark. 11, 7 (vgl. oben das Avestische); yeipas 
ErıBalleıv Ent heisst uslagjan handuns ana, rirtewv dr! npdowrov 
driusan ana andvasrpi, &vapxakllecdhaı ana armins niman, !rı- 
ainteıv El tpdynlov driusan ana hals. Auch ‘gegen’ (feindlich): 
Jah jabai Satana usstob ana sik silban xal el 6 Zaraväs Avdorm 
&p &aurdy Mark. 3, 26. Entsprechend im Slavischen (Miklosich 
4, 415). Miklosich führt aus dem Kleinrussischen na im Sinne 
der Erstreckung über einen Raum an: budes panom na vu 
Ukrajinoeku du wirst Herr sein über die ganze Ukraine, was 
schwerlich alt ist. Im Aksl. tritt “hin auf’ und “hin zu’ hervor, 
2.B. : vüzlagajqtü na plesta xal &nırddasıy Erl tods wuous Matth. 
23, 4; da begajqatü na gory geuytrwoav &ri a dpn Matth.24, 16; 
krüvü prolivlema na zemljq aina Exyuvöpevov Ei Tns y7s Matth. 
23,35; povele ıti na onü polü &x&leuoev AreAdeiv eis to nepav Matth. 
8,18. Ebenso im Serbischen und Russischen. Ferner ‘gegen’ 
wie im Got., z. B. aksl. i vüstangtü ceda na roditelje xal &xa- 
vaornoovraı texva &rmı yoveıs Matth. 10, 21; süvetä tvorechq na 
njt ouußoultov &rolouv xar autoo Mark. 3, 6. Daraus entwickelt 
sich dann ra, welches den Zweck einer Thätigkeit, die Ab- 
sicht, oft auch die unbeabsichtigte Folge bezeichnet, worauf 
hier nicht eingegangen werden soll. In Verbindung mit 


736 Kap. XV. III. gr. dvd, got. ana, slav. na. [$ 289. 


Zeitbegriffen scheint der Gedanke der Dauer noch durch. Bei 
Homer nur äva vöxta = 80, bei Ulfilas: jahr jabai sibun sinbam 
ana dag fravaurkjai du bus xal day &ntanıs Ti; Apkpas Ädnapın 
eis o& Luk. 17, 4. Im Slavischen nach Miklosich 4, 417 ebenso, 
z. B. aksl. nebregose jego tako na mnogy dini neglexerunt eum 
ita per multos dies; aber auch zur Bezeichnung des Eintrittes 
einer Handlung, z. B. aksl. na utrija proximo die, und beson- 
ders zur Bezeichnung unseres ‘auf’, z. B. aksl. na jJedinü Casü 
najetü dystü er ward auf eine Stunde gedungen; russ. Echali 
kuda na zimu irgendwohin für den Winter verreisen. 

Eine Verbindung mit dem Lokalis findet sich im Grie- 
chischen, Gotischen und Slavischen. Im Griech. nur in der 
alten Poesie, z. B. eööe rarhp Ava Fapyapw Axpp = 352. Sehr 
verbreitet im Gotischen, wo wir ‘auf, an, in’ übersetzen, doch ist 
niemals der Aufenthalt im Inneren von etwas oder das Ein- 
dringen in’s Innere gemeint. Beispiele sind: ak uta ana auf- 
Jam stadim vas aA) Eiw &v &pnpors tönoıs Tv Mark. 1, 45; varr- 
pai vilja seins sve ın himina Jah ana airbar yevıdrw To Helrua 
oou Ws Ev odpav@ xal Ent Tüc ytic Matth. 6, 10; ıd Pattrus ula 
sat ana rohsnai 6 58 Ilerpos Ei 2xddnrto &v fi adAZ Matth. 26,69; 
usliban ana ligra ligandan rapaklurınöv Ent xAlvns Beinpevov 
Matth, 9, 2; auch bei Verben der Bewegung, z. B. jJah bipe 
gam ana bamma stada xar ds TAdev El tov törov Luk. 19, 5. 
Selten bei Zeitbestimmungen, z. B. ana midjai dulb 7; Eopri; 
pesoösrs Joh. 7, 14. (Weiteres in dem übersichtlichen Artikel 
ana im Glossar von Gabelentz-Loebe). Während im Griech. 
und Got. der Dativ an die Stelle des Lokalis getreten ist, er- 
scheint im Slavischen noch der wirkliche Lokalis. Aus der 
Darstellung bei Miklosich 4, 661 ff. hebe ich Folgendes hervor. 
M. sagt: “Der Lok. mit na bezeichnet den Ort, wo, auf oder 
an dem sich etwas befindet, wo, auf oder an dem etwas ge- 
schieht. »a entspricht regelmässig dem deutschen auf und an. 
Die ursprüngliche Bedeutung bezieht sich auf die nach auf- 
wärts gekehrte Fläche des Gegenstandes, z. B. aksl. na zemi 
auf der Erde, na gore auf dem Berge, na sel& auf dem Felde, 
na prestoleE auf dem Throne, na odre auf dem Lager. Man 








$ 289.) Kap. XV. III. av. ana, gr. dvd, got. ana, slav. na. 137 


sagt aber doch auch aksl. na nebesi 3 na zemi &v oöpavo xal 
&rt Tüc y7s Matth. 6, 10 und sonst. In Ausdrücken wie na 
slänici in der Sonne ist nach M. zunächst der von der Sonne 
beschienene Raum ausgedrückt. Wie im Gotischen ana bei 
den Verben Zagyan legen, satjan setzen, satan säen, straujan 
streuen u. 8. w., so steht im Slavischen za bei den Verben 
poloziti hinlegen, posaditti hinsetzen, postav:ti hinstellen u. s. w., 
z. B. aksl. ze sozüda chraming svoyg na kamene Eatıs dxodd- 
pnos Thy olxlav abrod Eri Thy nerpnv Matth. 7, 24. Bei Zeit- 
begriffen bezeichnet na die Zeit, in der etwas geschieht, z. B. 
na polu dine um Mittag. 

Endlich erscheint im Griechischen noch eine Verbindung 
mit dem Genitiv, bei Homer in dva vrds Balveıv. Diese Ver- 
bindung ist innerhalb des Griech. aus dvaßatveıv vnds entstanden, 
worin ävaßalveıy wie ein Verbum des Erstrebens oder Berührens 
behandelt ist. Über eine scheinbare Verbindung von na mit 
dem Gen. s. Miklosich 4, 546. 

Die Verbindungen von äva, ana, na mit Verben 
scheinen in den Einzelsprachen entstanden zu sein. Ich führe 
aus denselben an, was für die Bedeutungsentwickelung von 
Interesse ist. 

Im Griechischen bedeutet dva- in die Höhe, auf (bis- 
weilen in ‘an’ übergehend), z. B. dvaßalvo hinaufgehen; &vt- 
ornpı aufstehen machen, vertreiben, med. aufstehen; dvaricw 
aufwärts fahren, auf die hohe See fahren; dvariliw aufsprossen 
lassen, aufgehen; dvaxovıllw aufspritzen und vieles Ähnliche; 
Avarlöruı aufstellen; AveAxw aufziehen; dvampew aufheben; dva- 
veow durch Aufheben des Hauptes oder der Augenbrauen ver- 
neinen; dvadepxopaı aufblicken; avizpı ın die Höhe heben, 
lösen (dsouödv 9 359); Avapplnıw aufwerfen (das Wasser mit dem 
Ruder); dvarallo in die Höhe schwingen; dvaxpalw aufschreien 
und ähnliche Verba; &vasatvw aufhellen; dvappnyvopı aufreissen, 
zerfleischen; dvaotyw öffnen; dvareravvunı öffnen, ausbreiten; 
avalöw auflösen; dvanıw in die Höhe knüpfen, anknüpfen (ein 
Schiffstau); dvaxpepavvonı aufhängen, anhängen; dvalsyw auf- 
lesen, sammeln ; &vaö&yon.aı aufnehmen; dvaxato zum Aufflammen 

Delbrück, Vergi. Syntax der indogerm. Sprachen. I. 47 


138 Kap. XV. III. av. ana, gr. dvd, got. ana, slav. na. [$ 289. 


bringen, entzünden ; äysyelpw aufwecken; avıyveöw aufspüren, 
nachspüren; dvarvdw aufathmen, wieder zu Athem kommen, 
dazu Avaraum aufhören machen und avayuyw erfrischen; ava- 
wioyw durch Daraufgiessen zumischen (rap ö zBalov Leras, Ava 
ö& xpt Asuxöv Zuıkav 8 41, vgl. Hentze, Anhang zu y 390); so 
auch ävarturinpı eig. auffüllen, dann erfüllen (sein Geschick) ; 
dvanıscou ın 6 of xepall; Avanakeıs t 92 auf sein eigenes 
Haupt abwischen, vgl. dieselbe Übertragung in ai. ni-marj: tö 
väi devas täm nävindan yasmin yayndsya krürdm märkfyamaha 
tt die Götter fanden denjenigen nicht, an dem sie das Blutige 
des Opfers hätten abwischen können, d. h. auf den sie es 
hätten übertragen können MS. 4, 1, 9 (12, 1), s. Festgruss an 
O. Böhtlingk, Stuttgart 1888, S. 23. Auf das Heraufführen im 
Gedächtnis bezieht sich dvapınynoxw jemand an etwas erinnern; 
dazu dvayıyyaoxw genau erkennen; Gvelpopa:r (herausfragen) er- 
fragen, befragen; äverinv eig. in die Höhe heben, dann aus- 
halten, ertragen; woran sich 4vaplıvo erwarten schliesst; dva- 
orpeow umkehren (ötppous), eigentlich: das Untere in die Höhe 
kehren ; ävappoıßödw schlürfend in den Mund hinaufziehen, 
daher einschlürfen, und dem Sinne der Stelle nach “wieder 
einschlürfen’ » 104 und ebenso &ve&ßpota 240. — Oft übersetzen 
wir durch ‘zurück’, z. B. dvayvayurıo (die Fessel) zurückbiegen, 
eig. in die Höhe biegen; dv&yw zurückhalten (Inrous \W 426), 
in die Höhe halten; so auch dvedpyw (palayyas) die sonst zum 
Vorwärtsstürzen geneigten Reihen aufhalten; so öfter bei Ver- 
ben des Laufens, Weichens, so heisst avarpyw aufschiessen 
(von einer Pflanze), dann aber zurücklaufen, z. B. @va 7 Zöpap 
örlooo E 599. In diesem wie in anderen ähnlichen Fällen 
handelt es sich darum, dass jemand ım Vorwärtsstürmen inne- 
hält, sich gleichsam aufrichtet und so zurückweicht. Dahin 
gehören noch dvaywp&w zurückweichen; dvaxaloyaı dass.; Avsıne 
zurückgehen nach dem Ausgangspunkt, von dem man vor- 
wärts, also gleichsam herabgekommen ist, zurückkehren ; dvepyo- 
waı wieder zurückkehren; dvaödw zurücktauchen ; ävayw zurück- 
führen. Daran schliesst sich dvaßallw zurückwerfen, auf- 
schieben. 





& 289.) Kap. XV. III. got. ana, slav. na, lit. nu. 139 


Im Gotischen entspricht das Präverbium ebenfalls der 
Präposition, z. B. anagaggan herbeikommen, künftig sein; ana- 
kumbjan sich niederlegen; anameljan aufschreiben ; anatımrjan 
aufzımmern, aufbauen; anahaban anhaben, inne haben; ana- 
Jilhan übergeben; anahaitan anrufen; anabiudan entbieten; ana- 
giban lästern, schmähen; anaprafsijan trösten; anamahlyan 
Gewalt anthun; anananbjan wagen; anahveslan beruhigen; ana- 
kunnan lesen. In den letztgenannten übersetzen wir ara nicht, 
doch empfinden wir den Gedanken der auf einen Gegenstand 
hin gerichteten Thätigkeit. Zu anadrigkan sich betrinken können 
wir ‘sich einen Rausch antrinken’ vergleichen. Bei einigen 
Verben empfinden wir nichts anderes als die Betonung des 
Eintretens der Handlung: anaslepan einschlafen, anaslavan und 
anasılan still werden, erschweigen. In ananıujan avaveoov und 
anagtujan Avalwrupeiv könnte das griechische Vorbild auf die 
Wahl des Präverbiums eingewirkt haben. 

Über das Slavische handelt Miklosich 4, 213ff. Es ge- 
nügt, einige serbische Belege anzuführen. Danach wird na 
beim Verbum gebraucht im Sinne der Präp., z. B. nabostı 
anspiessen; nalo2its darauf legen (analagjan) u. s. w. Sodann 
bezeichnet es den Anfang einer Handlung, also das Daran- 
gehen, z. B. navrtyeti anbohren (nijesam provrtio nego sam 
samo navrtio ich habe es nicht durchbohrt, ich habe es nur 
angebohrt) ; nagorjeti anbrennen; nagristi anbeissen u. s. w. 
Drittens drückt es aus, “dass die Handlung an vielen Gegen- 
ständen vollzogen wurde oder bis zu einem gewissen Punkte 
gediehen ist”. Damit sind Ausdrücke gemeint wie nabacati in 
Menge werfen; nabirati in Menge lesen; nagnjectti ın Menge 
kneten. Offenbar bedeutet ra hier ‘noch dazu, daran. Daran 
knüpft sich die vierte Bedeutung (“dass das handelnde Sub- 
jekt die Handlung bis zur Sättigung ausgeführt hat”), z. B. 
nabtrati se sich satt klauben. Endlich perfektiviert za das 
Verbum. 

Anhang: lit. ȟ. 

Dem griech. äv&, oder genauer gesprochen, dem griech. 
dvw entspricht lautlich lit. n& (als Präv. ni). Die Bedeutung 

47° 





740 Kap. XV. IIL lit. nü, ai. dnti, gr. drei. [$ 289290. 


desselben ist “abwärts von, sich entfernend von’; sie ist offenbar 
entstanden in der Verbindung mit dem Ablativ (also eig.‘von auf‘) 
und von da auch auf die Verbindung mit Verben übertragen. 
Es verbindet sich nach Kurschat 393 mit dem (ablativischen) 
Genitiv, 2. B. iytüs Arıita nü dangaüs der Regen fällt vom 
Himmel; z&0e n& meödio nulüpti die Rinde vom Baume al- 
schälen; nü pikto nusikreipti sich vom Bösen abwenden; r& 
lgös pasigduti von der Krankheit genesen. In der Verbindung 
mit Verben “hinab, z. B. nupülis hinabfallen, ruberti hinunter- 
streuen, nusisiöti sich herabstellen, sich setzen, klar werden 
(von einer Flüssigkeit); oder ‘ab’, z. B. ruardyjti abtrennen, 
nuartı abpflügen, nuattt ab- oder ausziehen (von Fussbekleidung), 
nustöts aufhören (abstehen); natürlich auch öfter in übertragenem 
Sinne: nusidäts einen Fehltritt begehen (sich wegsetzen), rusi- 
gast! in Schrecken gerathen, nusimifiti verzagen. Aus ‘hinab 
entwickelt sich aber auch ‘hin’ (etwa aus Wendungen stammend, 
wie.‘zum Meere hinabgehen’), z. B. nubögti hin- oder hinab- 
laufen, nueiti hin- oder hinabgehen. 


$ 290. Ai. dnti, gr. ävri, osk. ant, got. and, lit. at. 


Sicher identisch sind ai. dntt und dvri. Das erstere ist 
nie mit Kasus verbunden. Es bedeutet ‘vor sich, in der Nähe’ 
2. B. Sdirum anti nd vindasi du findest vor dir, dir gegenüber 
keinen Feind, findest ihn nicht vor RV. 1, 176, 1; $atdm in nu 
Sarado dnti hundert Herbste haben wir vor uns 1, 89, 9. Meist 
mit dem Gegensatz der Ferne, 3. B. yö nö agne 'bhidasaty anti 
dürö padi$tä sah wer uns, o Agni, befehdet in der Nähe, in 
der Ferne, der möge fallen 1, 79, 11. Im Griechischen findet 
sich im Kretischen, Attischen, Delphischen inschriftlich noch 
der lokale Gebrauch von ävtl, z. B. im Gesetz von Gortyn 
ävıl nartöpwy in Gregenwart von Zeugen, bei Homer nur in 
übertragenem Sinne: aid’ äya navres "Extopos bp&ler Avıl dogs 
rl vnvol nepacdaı Q 254. Die Bedeutungsentwickelung war 
wohl die bei pro angedeutete (S. 722). Als Präverbium er- 
scheint avri sicher nur in dvrıpepesdar (Monro? 192). 

Auf dem italischen Gebiet ist mit and, Avri identisch 





$ 290—291.] Kap. XV. II ital. ant, got.. and, lit. ant. 741 


das oskische ant: ant pontiram ante pontem, ant trübu ante 
domum. Das lateinische antid, ante hat ablativische Form, die 
es vielleicht erst nachträglich erhalten hat. Als Adv. erscheint 
es im Sinne von ‘hinten’ im Gegensatz gegen ‘vorn’ oder von 
‘vorher’ gegen “nachher. Als Präp. hat es wie post den Akku- 
sativ (vielleicht den Abl. in antea), in demselben Sinne wie 
das Adv., z. B. post me erat Aegina, ante me Megara in Cıc. 
Brief.; im Sinne des Vorziehens: quem ante me diligo (ebenda), 
ante alios u. ähnl. Von der Zeit: ante lucem. 

Das gotische and und das litauische a#t werden das- 
selbe sein, wie dnti. Zweifelhaft bleibt mir, wie got. anda- 
und lit. anta (Bezzenberger, ZGLS. 243) zu erklären sind. In 
der Bedeutung weicht das Got. und Lit. nicht unerheblich von 
den anderen Sprachen ab. Zwar in der Zusammensetzung zeigt 
das germ. and-, ent- noch ein gelinderes oder stärkeres “gegen- 
über, gegen’ (Grimm 2, 809ff.), aber die Präp. and (mit dem 
Akk.) zeigt die entfernter liegende Bedeutung “entlang, über 
hin’, z. B. usgagg and vigans Jah fabos &telde eis ts Höods xal 
gpayuoüs Luk. 14, 23; Jah meriba urrann and all gavi bisitande 
bi ina xal onın 2EnNde xad Eins TNS Tepıyapon repl adrtod 
Luk. 4, 14; run gavaurhtedun sis alla so hairda and driuson 
in marein Gpunoe räoa I Aydin Twv yolpwv xatd Tob xprlvod 
eis rhv Odlaocav (also faktisch so viel wie herab’) Matth. 
9, 32; unte is and bata munaida hairhgaggan Er dr dxelvns 
Tpelke drpyeodaı Luk. 19, 4. Das lit. at bedeutet ‘auf’. Es 
wird mit dem Gen. verbunden, z. B. aft kalno auf dem 
Berge, aft laüko eits auf das Feld gehen. In der älteren 
Sprache (s. Bezzenberger a. a. O.) kommt auch der Akk. vor. 
Die Entwickelung der Bedeutung im Germ. und Lit. ist mir 
nicht recht klar. 


$ 291. Gr. perd, got. mid nebst gr. nedd. 


„era1) bedeutet mit dem Lok.-Dat. ‘zwischen’, z. B. nied- 
vesar per Avöpdor oüvov Zövra O 611; per Ayaoisıv moAduılov 


1) Vgl. die 8. 645 zitierte Schrift von Tycho Mommsen. 


742 Kap. XV. III gr. perd, got. mid. [$ 291. 


1352; nerd yanpnAfoıv Zyovre N 200. Im Ai. würde der Lok. 
oder der Lok. mit anidr stehen. Der Gedanke der Gemein- 
schaft, wie er im Instr. vertreten ist, tritt bei per@ nicht her- 
vor. Mit dem Akk. bedeutet es ‘zwischen hinein’, z. B. ? 8 
OdAuundvös Beßnxeı Swnar &s alyıöyoro Ads nera dalnovas AAAous 
A 222. Manchmal wird der Gedanke des Hinstrebens zu einer 
Menge mehr betont als der des Eintauchens in dieselbe, z. B. 
üs elnav Tobg päv Almev adtoö, BT 68 per AAlous A 292, und in 
Anlehnung an solche Wendungen tritt denn per@ auch zu 
Einzelwesen, z. B. aörap 8 P7j adv doupl per Avrideov TloAdömpov 
Y 407. So entsteht die Vorstellung des “hin nach, nach’, deren 
Entwickelung ich nicht weiter verfolge. Mit dem Genitiv 
findet sich per& bei Homer nur in einigen wenigen Stellen, 
in demselben Sinne wie mit dem Dat.-Lok. Ich kann wenig- 
stens zwischen Verbindungen wie per Ayaoioıy roAl&uıLov 1 352 
und perd Bowrov &uayovro N 700 einen Unterschied nicht ent- 
decken. 

Das gotische mip, welches mit pera@ bis auf die Endung 
identisch sein wird, findet sich mit dem Dat.-Lok. in der Be- 
deutung ‘zwischen’ noch Mark. 7, 31: gam at marein Galeilaie 
mib tveihnaim markom Daikapaulaios HAde npds nv dalassav 
ns Fodukatas dvd uEoov twv öplwy Aexandiews. Auch wenn von 
einer Mehrheit von Wesen die Rede ist, kann man mi wie 
pera mit dem Lok. auffassen, z. B. vas sitands mi andbahtam 
xal Tv ouyxaßmpevos pera T@v Önnperuv Mark. 14, 54; vas mib 
diuzam Tv perd av Ümpluov Mark. 1, 13; ebenso mid im ist 
brubfaßs u. ähnl. Daran kann sich angeschlossen haben mıp 
mit einem Singularis, z.B. so managei soei vas mib imma 6 5ylo; 
6 &v per’ adtoö Joh. 12, 17 und ähnlich sehr oft. Es giebt aber 
auch Fälle, in denen wir mi nicht durch “unter, bei’ übersetzen 
können, sondern ‘mit’ anwenden müssen, z. B. gemun ın garda 
Seimonts Jah Andratins mib Iakobau Jah Iohannen T\dov el; Th 
olxlav Zluwvos xal Avöpfov era "Iaxwßou xal 'Iuavvov Mark. 1,29: 
atstobun hai gudjans Jah bokarjos mib ham sinistam intomoav 
ol Apyıspeis xal ol ypappareis abv Tois mpeoßurtpors Luk. 20, I 
u. ähnl. Hierin kann eine Weiterbildung des Gebrauches von 








5 291—292). Kap. XV. III. got. mid, gr. reöd, ai. pabca. 743 


mi mit dem Lok. vorliegen, es kann aber auch der Instru- 
mentaliıs angenommen werden, der im Arischen allein erscheint. 
Dort findet sich nämlich das zwar nicht identische, aber doch 
verwandte av. map mit dem Instr. (vgl. Spiegel, Gr. 467). Viel- 
leicht ist auch ai. smat ‘mit’ mit dem Instr. verwandt. 

Anhang. lleöda. 

Gr. reda, im Lesbischen, Böotischen, Kretischen und Argi- 
vischen der Vertreter von pera ist von Ahrens, Dial. 1, 152 
mit rxoös zusammengebracht werden (nos red cum 2ost obs 
pes cognatum existimamus, ita ut sequendi notio primaria sit), 
Osthoff hält es für den Instrumentalis, also eig. “auf dem Fusse’ 
(vgl. Osthoff, Perf. 574). Auf die Entwickelung der Bedeutung 
hat — so muss man annehmen — yerd eingewirkt. Mit neöd 
bringt Bugge in Paul und Braune’s Beiträgen 12, 419 das mittel- 
deutsche de? mit zusammen. 


$ 292. Ai. paSca (-ad), av. pasca, pasne, altp. pasa, 
lat. post, lit. päskuti, pas. 

Ai. pa$ca hinten, hinterdrein, westlich ist nur Adverbium, 
paScad von hinten, hinterher, hinten, hintennach wird in der 
Bedeutung hinter, hinterher, westlich von auch als Präp. mit 
Abl. oder Gen. gebraucht, aber nur in nachvedischen Schriften. 
Dem ai. pa$ca entspricht av. pasca, entweder mit Abl., z. B. 
pasca briz5aparap nach drei Nächten vd. 5, 54, oder mit Akk., 
z. B. pasca hu frasmödaitim nach Sonnenaufgang yt. 5, 94. 
Ob die Formen auf 4, über welche Spiegel, Gr. 466, handelt, 
z. B. pasca jainti datvangm nach der Erschlagung der Teufel 
yt. 10, 133, Akk. oder Instr. seien, ist Gegenstand der Kontro- 
verse. Es müssen doch wohl Instrumentale sein. Endlich er- 
scheint pasca auch noch mit Gen. s. unter parö. Ausser pasca 
giebt es im Iranischen noch altp. pasä: hya aniya kara Pärsa 
pasa mana asiyava das übrige persische Heer zog mir nach 
Spiegel? 24, 32, also mit Gen. Ebenso av. pasne, z. B. pasne 
var6is hinter dem See yt. 5, 37, was Genitiv ist. In dem- 
selben yt. kommt es auch mit Akk. vor (p. @pem hinter dem 
Wasser). 


744 Kap. XV. UI. ai. pasca u. s. w.,.ai. purä u. 8. w. !$292—293, 


Verwandt sind aus dem italischen Gebiet lat. post mit 
Akk., osk. pist, umbr. pus, post mit Abl., z. B. umbr. pus veres 
oder jünger post verer hinter dem Thore. Vielleicht liegt die- 
selbe Verbindung noch in lat. postes vor. Zu post kommen 
dann noch lat. poste, postid, umbr. osk. pustin nach mit dem 
Akk., im Umbrischen nach Bücheler distributiv, im Oskischen 
in püstin slagem im Cipp. Abell. 34. Dem av. pasne entspricht 
lat. pone Adv. und Präp. mit dem Akk. “hinten, hinter‘. 

Endlich gehört hierher lit. päskus (paskus) nach, hinterher, 
danach und wohl auch die Präp. pas, obwohl die Bedeutung 
derselben stark abweicht. Sie heisst heran, an, bei (von un- 
mittelbarer Berührung), wird besonders mit Beziehung auf Per- 
sonen gebraucht und mit dem Akk. verbunden. 


Das lateinische pos? ist auch Präverbium geworden. 


$ 293. Ai.pura, purds, av. para, pard, got. faura, 
Jeur. 

Die arischen Wörter, ‘vor’ bedeutend, haben ihre natür- 
liche Verbindung mit dem Ablativ, z. B. sitdväi pura päryad 
indram dhnah ich will Indra vor dem entscheidenden Tage 
loben RV. 3, 32, 14. Dann bei Verben, welche retten u. ähnl. 
bedeuten, wobei der Gedanke wohl der ıst, dass der Schützende 
vor den zu schützenden tritt oder die schützende Handlung vor 
der Schädigung eintritt, z. B. pura idsya abhilastör dva sprtam 
rettet vor diesem Fluche RV. 10, 39, 6; jivan nd abhi dhe- 
tanädityasah pura häthät bewahrt uns lebendig, o ihr A., vor 
der Ermordung (indem ihr uns vor ihr schützt) 8, 67, 5; agnım 
purä tanayitnör acitiäd dvass kynudhvam schafft Agni zur Hilfe 
herbei, zum Schutze vor (die beiden folgenden Wörter sind 
nicht ganz deutlich) 4, 3, 1. Im Av. wird para ebenfalls ge- 
wöhnlich mit dem Abi. verbunden, z. B. para akmäap vor diesem, 
vorher yt. 13, 53. Auf die vereinzelten anderen Verbindungen, 
in die es nach Justi noch treten soll, gehe ich nicht ein. — 
Ai. purds mit dem Abl., z. B. nd gardabhdm purö dhvän 
nayantı man spannt nicht den Esel vor das Ross RV. 3, 53, 23. 
Ausserdem erscheint es bei dem Akk., z. B. dsadan mältaram 





$ 293.) Kap. XV. II. ai. purd, av. para, got. faura, faur. 745 


purah er setzte sich vor die Mutter 10, 189, 1. Grassmann 
nımmt auch eine Verbindung mit dem Lok. an, doch dürfte 
es an diesen Stellen als Adverb aufzufassen sein. Bei dem av. 
paro erscheint der Abl.: (n0 nipayä) agsmahe paro draomebyö 
schütze uns vor den Sturmkolonnen des A. yt. 10, 93 (vgl. 
Geldner, KZ. 25, 502); yap nö uyrabäzaus nivänap paro bbiöyan- 
byo so lange uns der starkarmige vor den Feinden beschützt yt. 
10,75. Es steht auch bei fürchten und Furcht (im Ai. für pura 
von Grassmann angenommen, aber nicht sicher), z. B. yapba 
azem nor) Larstö franmane Pwaegsab paro datvapıbyö dass ich 
nicht erschrocken fliehe aus Furcht vor den Dämonen yt. 17, 25. 
Einmal, nämlich yt. 13, 57 (vgl. Geldner, KZ. 25, 543), findet 
sich bei parö auch der Lok., und zwar nachdem unmittelbar 
vorher der Abl. gestanden hat. Der Genitiv findet sich in 
pasca parö nmänahe bald hinter, bald vor dem Hause vd. 13, 46, 
wohl als Vertreter des Ablativs. 

Auf den Ablativ dürfte auch der Dativ bei got. faura 
zurückgehen. Faura heisst ‘vor’ in lokalem Sinne; sodann 
wird es bei verbergen, verhüllen, fliehen, sich hüten gebraucht, 
wobei man die Bedeutung ‘vor, angesichts, gegenüber von’ 
noch empfindet, z. B. gafalh sik faura im &xpößn An abrav 
Joh. 12, 36; iD nu gafulgin ist faura augam beinaim Expüßn And 
&pBdaluuv oov Luk. 19, 42 (man sagt “klar vor’, also auch ‘ver- 
borgen vor’); so auch vas gahulib faura im tv rapaxexalun- 
usvov Ar adrav Luk. 9, 45 und danach auch ei bairgats im faura 
Pamma unseljin Tva Tnphons abtods &x Tod rovnpoö Joh. 17, 15. 
Bei Pliuhan kann noch die Bedeutung ‘vor’ deutlich gefühlt 
werden, insofern der Verfolgende hinter dem Fliehenden her 
ist, z. B. gaplauh faura im Eouyev dr adruy Mark. 14, 52; 
‘angesichts’ heisst faura wohl auch bei ‘sich hüten’: atsaihvib 
Jaura kugnapraufetum rpootyere 52 dnd twv Veudonpopntav Matth. 
7,15. Dann in negativen Sätzen wie lat. prae die Hinderung 
ausdrückend, eigentlich ebenfalls ‘angesichts’: faura Fareisaium 
ns andhaihaitun dıa tobs Dapıoatous 08x &uoAdyouv Joh. 12, 42; 
Jah ni mahta (gasaihvan Iesu) faura managein xal obx Möbvaro 
“ro tod dyAou Luk. 19, 3. 





746 Kap. XV. III got. faur, ai. tirds u. 8. w. 15 293—294. 


Das got. faur hat auffälliger Weise den Akkusativ bei 
sich. Es gleicht in einem Theile seines Gebrauches dem ai. 
pura und dem idg. *prö, es steht von der Zeit, z. B. faur 
hanıns hruk vor dem Krähen des Hahns Matth. 26, 75, ferner 
wie *prö Schutz oder Stellvertretung ausdrückend, z. B. saei 
nist vihra izvis faur izoes set dc obx Eorı xad Apmv onep Iamv datıv 
Mark. 9, 40; gıban saiwvala seina faur managans lun doüvaı Tiv 
duyhv abtoü Adtpov dvrl noAAmy Mark. 10, 45. In einem anderen 
Theile seines Gebrauches aber gleicht es rapa und entspricht 
ıhm vielleicht auch körperlich. Ich rechne dahin: Avarbonds 
Ffaur marein repınarav rapa vhv dalaccav Mark. 1, 16; gadraus 
Jaur vig Ereos napa Thy 6ödv an den Weg Mark. 4, 4; sat faur 
vig du aihtron Exadnro rapa Thy 650v npooaıav Mark. 10, 46; 
galaib faur gard &iridev Em eis TO nposaulıov Mark. 14, 68. 
Vielleicht hat sich von diesem Bestandtheil aus die Akkusativ- 
konstruktion auf das ganze Wort ausgebreitet. 


Nach Art eines Präverbiums findet sich ai. puras ver- 
bunden mit kar und dhä ‘an die Spitze stellen’. Auch im Goti- 
schen ist die Präposition zum Präverbium geworden, und zwar 
feura in der Bedeutung ‘vor, vorher’, faur auch im Sinne von 
zapd, etwa in faurbiudan verbieten, faurgidan verreden. 


$ 294. Ai. tiräs, av. tard (tare), lat. trans, got. Bairh. 


Dass tiras und tarö identisch sind, ist sicher, wahrschein- 
lich auch, dass sie irgendwie mit far überschreiten zusammen- 
hängen. Trans hält Thielmann in Wölfflin’s Archiv 4, 248 
für das Partizipium von *fräre und sieht die ursprüngliche 
Anwendung in einem Satze wie: trans mare proficiscor ın Grae- 
cıam. Da dem lat. trans das umbrische iraf entspricht, müsste 
die Bedeutungsverschiebung in der italischen Zeit eingetreten 
sein, wogegen an sich nichts einzuwenden wäre. Ich trage 
aber doch Bedenken, trans von tirds loszureissen, und mithin 
auch gegen eine Erklärung aus bloss italischen Mitteln. Frei- 
lich Fick’s Aufstellung eines idg. *irns, das er als Akk. plur. 
erklärt, will mir ebenfalls nicht einleuchten und somit ziehe ich 
vor, die Sache unentschieden zu lassen. Got. Zairh scheint 








8 294—295.] Kap. XV. III. upär:, upairs, upariy, ürtp, ufar, super. 747 


sein nächstes Analogon in ai. firyafic in die Quere gerichtet 
zu haben. Die Wörter sind mithin nicht identisch, aber ver- 
wandt. Als Präp. werden sie mit dem Akk. verbunden. Ich 
begnüge mich, einige Beispiele aus den arischen Sprachen an- 
zuführen: sö arjendraya piläye tirö römäny aoyaya fliesse du 
dem Indra zum Trunk durch die Schafshaare hindurch RV. 
9, 62, 8; ya nah piparat tämas tirah welche uns durch die 
Finsternis hindurch, über sie hinweg führe 1, 46, 6; tirds tamö 
dadr3& scheint durch die Finsternis 6, 48, 6; yadı väsi tirojanam 
yddı va nadyas tırah wenn du fern von Menschen oder jenseits 
der Flüsse bist AV. 7, 38, 5. “Über hin’ kann auch im Sinne 
der Nichtachtung verstanden werden, z. B. tvam tydm indra 
süryam paSca säntam puräs krdhi devanam cit tird valam du, 
o Indra, bring die Sonne, welche hinten ist, nach vorn, selbst 
gegen den Willen der Götter RV. 10, 171, 4. In der Zeit 
nach dem RV. findet sich auch die Verbindung mit dem Ab- 
lativ, z. B. manusyebhyas tirö bhavati ıst den Menschen ver- 
borgen (abseits von ihnen) SB. 13, 6, 2, 20. Im Avesta mit 
Akk., z. B. husem pesum ratcaya taro varuhim vitanuhattım 
mache mir eine trockene Furt durch die liebe V. frei yt. 5, 77. 
Der Gedanke des Mittels und der Ursache, wie er im Gotischen 
auftritt, ist den arischen Sprachen so fremd wie dem Lateini- 
schen. Mit Verben wird firds-tarö nur sehr wenig verbunden, 
al. mit Äar wegschaffen, verdecken; mit dhä beseitigen, weg- 
schaffen, verbergen (ebenso im Avesta in einigen Zusammen- 
setzungen); mit 5% abhanden kommen; vgl. noch av. tarömata 
Verachtung. Im Lat. und Got. ist die Verbindung mit Verben 
ganz üblich geworden. 

$ 295. Ai. upar:, av. upairt, altp. upariy, gr. ürep, 
got. ufar, lat. super. 

Als Präverbium wird upärt in den arischen Sprachen nicht 
gebraucht (neben av. upairi-:5 findet sich die Lesart patri-ıs, 
8. Justi), wohl aber im Griechischen und Gotischen, z. B. 
örepdAlonaı überspringen, örepßalvw überschreiten, brepßallw 
überwerfen, hinauswerfen über, öreptyw halten über (das 
Feuer), hinausragen über u.s.w., got. ufargaggan überschreiten 


748 Kap. XV. IH. upäri, upairi, upariy, dntp, ufar, super. [$ 295. 


übertreten, zu weit gehen, ufarhafjan sık sich überheben, 
ufarlagjan darüber legen, darauf legen, ufarmunnon vergessen 
u.8.w. Super wird im alten Latein nur sehr selten mit ein- 
fachen Verben verbunden. 

Von Kasus findet sich überall der Akkusativ, z. B. aı. 
asmäkam uttamam krdhi brav devesu surya varfistham dyam 
tvöpars mach unseren Ruhm, o S., zum höchsten bei den Göttern, 
zum erhabensten, selbst über den Himmel hinaus RV.4,31, 15; 
ayam vilvani tifthati punänd bhüvandparı somd devö nd süryah 
dieser geklärte Soma steht über allen Wesen wie die Sonne 
9, 54,3. Av. yahmaı matbanem fräbweresab yö dadva ahurö 
mazdä upairi haraqm berezaitim welchem einen Palast der 
Schöpfer Ahura Masda erbaute oben auf [eig. über] der hohen 
Hara yt. 10,50. Sodann im Sinne von ‘über hin’: pasvasca 
staoräca upairi zam vicarenta Vieh und Zugthiere wandeln 
über die Erde hin yt. 5, 89. Aus Homer nehme man dasu: 
0 dE Teigog üntp nav Soünos öpwper M 289; ürslp Alla xlövaraı 
dus W 227, Tuösiöso 8 üntp Gpov Aptorepdv TAuß dxman E 16 
und im übertragenen Sinne atcav u. ähnl. Im Gotischen: sa 
ist Jah saei usstaig ufar allans himinans adrd; dorı xal 6 dvaßas 
drepdAyu TAvrwv Twv oöpawav Eph. 4, 10. Dem gr. Drelp üka 
(vgl. av. upatri zam) entspricht got. ufar marein, wobei aber 
das Erreichen des Endes betont wird, also ripav: afar Bata 
galaib Jesus ufar marein ysrd tadra AnnAdev 6 Imooös nepav rüic 
daAaoans Joh. 6, 1. Dazu kommen noch bildliche Ausdrucks- 
weisen (Überhebung, Bevorzugung), die sich leicht ergeben. 
Auf den gleichen Anschauungen ruht die Verbindung von lat. 
super mit dem Akk. 

Ausser dem Akkusativ findet sich in den beiden arischen 
Sprachen der Instrumentalis: av. yätk upairi äya zemä gaobis 
$yenti worin sie hier auf Erden mit ihren Heerden wohnen 
mögen y. 12, 3 und ebenso ai.: div! svand yalate bhtumydpar 
zum Himmel strebt der Lärm tiber die Erde hin, über der Erde 
RV. 10, 75, 3 (Böhtlingk-Roth nehmen den Gen. an mit un- 
gewöhnlicher Kontraktion, was mir angesichts des avestischen 
Gebrauchs unnöthig scheint). Sodann findet sich der Genitiv 











& 295—296.] Kap. XV. IIL av. adasrı, got. undar. 749 





im Ai. und Griech. Zwar ist der Gen. im Veda nicht vor- 
handen, wohl aber in der darauf folgenden Literatur, z. ‚B- 
dak$inasya bhruva uparı oberhalb der rechten Braue Käty. Sr., 

tava tisfheyam upari über dir möchte ich stehen Mhbh. Diese 
Verbindung muss als eine natürliche erscheinen, da upär: eine 
Art von Mittelstellung zwischen den echten und den unechten 
Präp. einnimmt, welche letztere gewohnheitsmässig den Gen. 
bei sich haben. Belege aus Homer sind: orä 8’ äp ünip xepa- 
Ans h A; Eygeln d äp Ömip vorov dvl yaly Eon D® 69; und in 
übertragenen Sinne: Aloce# öntp roxdwv 0 660. Es ist freilich 
auch möglich, dass der griech. Gen. Vertreter des Ablativs ist. 
Dieser Kasus ist einmal im Avesta belegt, nämlich in upair: 
hamerenäb was Geldner ‘ohne Zusammenstoss’ übersetzt und 
wozu er bemerkt: “wörtlich, höher, als dass man sie erreichen, 
mit ihnen zusammenstossen könnte’ KZ. 25, 556. 

In Zweifel kann man sein bei dem germanischen Dativ 
und dem lateinischen Ablatıv, insofern man sie auf den Instr. 
oder Lok. zurückführen kann, der doch ebenfalls möglich wäre. 
Der Dativ findet sich z. B. im Gotischen: varp- rigis ufar alla: 
atrbas oxdros &y&vero &ri näcav ınv yrv Matth. 27, 45 und ebenso 
ın den anderen Dialekten. Im Lateinischen könnte man ge- 
neigt sein, den Lok. anzunehmen, da dieser im Umbrischen 
bei super vorliegt. 


$ 296. Av. adairi, got. undar. 


Av. adairi, got. undar haben dieselbe Bildung wie uparı 
u. 8. w. zu dpa, altp. apariy zu dpa, doch ist die einfache 
Präposition, welche dpa und dpa entspräche, nicht mehr vor- 
handen. .Adairi unter verbindet sich mit dem Akk., z. B. äap 
azem tanum aguzE adatrı pädem geus darauf versteckte ich mich 
unter den Standort eines Rindes yt. 17, 55. So im Gotischen, 
nur in tbai lukarn gimib dube ei uf melan saljaidau arhpau 
undar hgr wnrı 6 Aöyvos Epyerar iva Ömd ov pdörov Ted Mn 07% 
thv Alvnv Mark. 4, 21. Dass in unserem unter dieses undar 
und zugleich die Fortsetzung von idg. *enter steckt, ist unter 
germ. ?n S. 766 bemerkt worden. 


750 Kap. XV. II. ai. dchä, gr. Eote, lat. usque. [$ 297, 


8297. Aı. achä, gr. Eote, lat. usque (slav. jeste). 

Mit den in der Überschrift genannten Wörtern hat es in- 
sofern eine eigene Bewandtnis, als ich nicht mit Zuversicht 
behaupten möchte, dass sie wirklich identisch sind, da die 
Vokalfärbung Schwierigkeiten macht, vgl. Zubaty, KZ. 31, 10fl. 
Auch in der Hinsicht sind sie eigenthümlich, als man nur ai. 
achä eine Präposition nennen kann. Dieses Wort gehört also 
jedenfalls hierher. 

ücha (besser achä) findet sich häufig ım Veda, selten ın 
der alten Prosa als Präverbium ‘hin zu’ neben Verben der 
Bewegung und des Sprechens, die bei Grassmann s. v. auf- 
geführt sind, z. B. dcha mahl brhati Jamtamäü gir dütö nd ganto 
abvina huvadhyäi hingehen möge das grosse, hohe, beste Lob- 
led wie ein Bote, um die Asvin zu rufen RV. 5, 43, 8; sd 
rätnam märtyö vasu viSvam tökam uld imana dchä gachaty 
astrtah jener Sterbliche kommt zu Gut und aller Nachkommen- 
schaft unbesiegt 1, 41, 6. dcehä mit vad heisst "begrüssen‘, mit 
vac “einladen”. In Sätzen, welche ein Verbum der Bewegung 
enthalten, erscheint sehr häufig ein Akkusativ so, dass wir 
ächa zu ihm in nähere Beziehung zu setzen haben, z. B. pa 
prägät paramdm yät sadhästham ärvah dchä pildram mäldram 
ca herbei ist der Renner gekommen zur höchsten Stätte hin, 
zum Vater und zur Mutter RV. 1, 163, 13; ioam vrtha nadya 
indra särtave 'cha samudrdm asyjö räthah iva du, o Indra, 
hast leicht die Flüsse fliessen machen zum Meere hin wie 
Wagen (beim Wettrennen) 1, 130, 5; gäyatrim var deva yazynım 
dcha prähinvant sa riktägachat die Götter schickten die Gäyatri 
zum Opfer hin (um das Opfer), sie kam aber leer zurück MS. 
1,6, 4 (92, 10). Bloomfield, Am. Journ. Phil. VI, Nr. 21, S.2 
macht auf eine, seiner Ansicht noch besonders nahe Parallele 
zu usque ad aufmerksam, indem er bemerkt, dass auch neben 
acha oft Präpositionen wie adbAi u. s. w. stehen, z. B. 25a 
stömo märutam Sardho dchä rudräsya sünühr yuvanyühr ud 
a$yah dieser Gesang möge herauf dringen hin zu der Schar 
der Marut, den jugendlichen Söhnen des Rudra RV. 5, 42, 15, 
womit er vergleicht ab imts unguibus usque ad verlicem summurns 











$ 297.) Kap. XV. IH. ai. dehä, gr. Eote, lat. usque. 751 


bei Cicero. Man hüte sich aber die Ähnlichkeit zu über- 
schätzen. Im Lateinischen ist ad die Verbindung zwischen 
usque und dem Kasus, im Ai. sind üd u, s. w. nur zweite Prä- 
verbien (vgl. das Verzeichnis bei Grassmann). Sonach darf 
man behaupten, dass cha im Ai. eine Präposition sei. Grass- 
mann bemerkt zwar, es verschmelze begrifflich mit dem Verbum, 
ohne lautlich mit ihm zu verwachsen. Aber es ist doch frag- 
lich, ob darin wirklich ein Unterschied gegenüber den echten 
Präpositionen begründet sei. Allerdings ist dch@ in Neben- 
sätzen nicht mit dem Verbum verschmolzen, aber es ist in 
solchen Sätzen überhaupt selten und auch andere Präpositionen 
verschmelzen ja nicht immer. Am nächsten im Gebrauch steht 
üchä das lateinische usqgwe. Es heisst “in einem fort” und 
mit ad und ir “bis zu”. Über seine Verbindung mit dem Akk. 
sagt Wölfflin, Archiv 4, 52: “Während bei Plautus usque mit 
Akkusativ noch fehlt, finden wir zuerst bei Terenz Ad. 655 
Virginem ut secum avehat? Sie est. Miletum usque obsecro? 
Natürlich ist es eine verkehrte Auffassung, den Akkusativ von 
usque regiert zu denken, da der Städtename auch ohne usque 
im Akkusativ stehen würde. Ab Alpibus usque Romam con- 
tendit bedeutet mithin: er reiste von den Alpen nach Rom ohne 
die Reise zu unterbrechen, oder: er reiste in einem fort von 
den Alpen nach Rom, und dass das Ziel erreicht wird, ergiebt 
sich eben aus der Versicherung, die Reise habe keinen Unter- 
bruch erlitten. Usque kann in dem vorliegenden Beispiele 
ebenso gut auf ad Alpıbus bezogen werden, nach Cic. Cluent. 192 
usque a mari supero Romam proficisci” Im Griechischen 
ist &ote bei Homer nicht vorhanden, von Aeschylus ab als Kon- 
junktion ‘bis’, bei Xenophon und später wie usque, z. B. Zore 
&nt 76 öanedov. Da demnach usque, Eote im alten Latein und 
im Griech. weder Präverbien noch Präp. sind, so wird sich 
auch dchä erst im Einzelleben des Indischen dazu entwickelt 
haben. Das Wort wird in der Ursprache die Ausdehnung über 
den Raum hin bedeutet haben, woraus sich dann später leicht 
in der Verbindung mit einem Verbum und Akk. “durch den 
Raum hin, bis’ entwickelte. Auf diese Urbedeutung geht 


752 Kap. XV. IV. ai. sdeoa, av. haca, altir. sech, ai. sahd. [8 297—298. 


dann auch das slavische jJeste (s. Miklosich s. v.) zurück, bei 
dem eine Übertragung auf die Zeit stattgefunden hat. 


IV. 
Proethnische Präpositionen, welche nicht Präverbia sind. 


$ 298. Ai. saca, av. altp. haca, altirisch sech, ai 
sahd. 

Der Zusammenhang von ai. saca mit dem Verbum, welches 
im ai. sac, gr. Eropar lautet, ist unverkennbar. Aı. sdca be- 
deutet als Adverbium “dabei, zur Hand; zugleich, zusammen’. 
Mit dem Lok. vor- oder nachstehend: “bei, in, angesichts von, 
zusammen mit’, z. B. asmö indra säca sute ni jada pitäye mädhu 
zu uns, o Indra, bei dem Somasaft setz dich nieder, das Meth 
zu trinken RV. 8, 97, 8; amäjür iva pitröh sdcä sat! wie eine 
im Hause Alternde, die bei den Eltern ist 2, 17, 7. Im ira- 
nischen Sprachgebiet hat haca nie die Bedeutung ‘mit. Zwar 
führt Spiegel, Gr. 464 dafür an yOr geus haca syeinti y. 37, 2, 
welche Worte nur übersetzt werden könnten, welche ‘zusam- 
men mit dem Vieh wohnen’. Aber die Worte sind aus ihrer 
Stelle gerückt und deshalb nicht sicher zu verstehen. Haca 
ist vielmehr durch ‘weg von’ zu übersetzen und wird mit dem 
Ablativ verbunden, z. B. tacınti @p6 zrayanhap haca puitikap 
avı zrayö vourukasem die Wasser fliessen aus dem See P. in 
den See V. vd. 5, 19. Zeitlich von an: Aaca hu varsap a hü 
Frasmödatörp von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang yt. 5, 91. 
Übertragen etwa “um willen’ so in afa5 kaca um der Gerechtig- 
keit willen y. 28, 2. Wenn auch der Genitiv vorkommt, so 
ist dieser wohl ein Nachfolger des Ablativs. Im Altpersischen 
hat der Ablativ stets Aaca vor sich. Man sieht also, dass der 
Sınn der Präp. in dem Kasus so gut wie aufgegangen ist, 
etwa wie bei zpori, lit. n& und sonst. Ja, die Sprechenden 
empfinden offenbar in der Präp. den Sinn, der eigentlich im 
Kasus steckt, nämlich “von weg’ u. s. w., und so erklärt es 
sich, dass unser Wort auch den Sinn von ‘ohne erhalten 








5298—299.] Kap.XV. IV. bahis, ba, berü, dveu. inuh, radiy, radi. 753 


konnte, der seinem ursprünglichen gerade entgegengesetzt ist. 
Das ist nach Bezzenberger, BB. 16, 238 im Keltischen ge- 
schehen in acymı. corn. bret. hep ohne, ir. sech (letzteres 
“bei einer Sache vorbei, über hinaus, vor jemand voraus‘, s. 
Windisch Wb.). 

Mit dem Verbum sac hängt, wie J. Schmidt, KZ. 25, 103 
richtig bemerkt, auch ai. sakdm in Gemeinschaft mit, nebst 
mit Instr. zusammen. Es ist der adverbial gewordene Akk. 
eines Nomens sakd-. 


Ai. saha als Adv. gemeinsam, zusammen, zugleich, als 
Präp. mit Instr. mit, sammt, nebst, zugleich mit. Dazu av. 
hada, altp. hada gleicher Bedeutung und Konstruktion (vgl. 
Spiegel, Gr. 465). Verwandt ist griech. äua, dessen adverbialer 
Gebrauch oben $ 263 erörtert worden ist. Als Präp. wird es 
mit dem instrumentalen Dativ verbunden, in den bei Homer 
meist Personen treten. 


$ 299. Aı. dbahis, lit. be, slav. bezäü; gr. ävev, got. 
inuh;, altp. rädıy, slav. radı. 


Ai. bahis draussen (ausserhalb des Hauses, des Dorfes, der 
Stadt, des Reiches u. s. w.) von aussen, hinaus, ausserhalb von 
mit Abl. Identisch damit ist lit. de (Kurschat, Gr. 390), lett. 
be/ (Bielenstein, lett. Spr. 2, 292), slav. dezö (Miklosich 4, 512) 
ohne. Sie werden überall mit dem ablativischen Genitiv ver- 
bunden. 


Gr. äveu, got.inu (inuh) ohne, vgl. Brugmann, griech. Gr.2218. 
Bei ävev steht der ablativische Gen., bei izu nicht der danach 
zu erwartende Dativ, sondern der Akk. Der gleiche Kasus 
erscheint auch bei ai. vinz, das ebenfalls ‘ohne’ bedeutet. Ai. 
sarular weit hinweg (besonders mit ys weit hinweg treiben, 
auch mit Abl.: A$eträd apa5yam sanutd$ caranlam von dem 
Platze sah ich ihn weggehen RV. 5, 2, 4) wird mit Wahr- 
scheinlichkeit zusammengestellt mit griech. ätep ohne (mit 
Gen.-Abl.), altsächs. sundir ohne (mit Akk.), ahd. suntar u.s.w. 
Vgl. darüber, sowie über verwandte Partikeln Kretschmer, 
K2Z. 31, 351. 

Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm, Sprachen. I. 48 


754 Kap. XV. V. Präpositionen im Arischen. [$ 299— 300. 


Endlich sei noch erwähnt, dass altp. rädıy wegen in ava- 
hyarädıy deswegen mit dem slavischen radı wegen, z. B. togo 
radıi deswegen, unverkennbar zusammenstimmt (Ebel in Kuhn 
und Schleicher’s Beitr. 1, 426ff.), wenn auch die Wörter nicht 
identisch sind, weil slav. # im Auslaut nicht einem idg. * ent- 
sprechen kann. Auch die Beziehung zu ai. radh gerathen ist 
wohl nicht abzuweisen. Genaueres weiss ich nicht anzugeben. 


V. 
Übersicht über die Präpositionen in den Einzelsprachen. 


8 300. Arisch. 

Im Vorhergehenden sind behandelt worden ai. @pa, dva, 
antär, dpi, abhi, dd, pa, päri, prä, prati, säm, dnti, pabcad, 
pura, purds, tirds, upari, säca, sahd, bahis, ir. apa, ava, antare 
‘altp. antar), atwi, aibi, abiy, avi, ud, us, upa, pairi, parıy, fra, 
paiti, paitis, pati, patis, ham, ana, maß, pasca, pasa, para, 
pard, taro, upairi, upartiy, adhairi, haca, rädıy. 

Nicht erwähnt sind die folgenden echten Präpositionen: 

Ai. dti, av. aiti, altp. atiy, die beiden letzteren ganz 
schwach belegt. Als Präverbium zeigt ai. ats die Begriffe des 
Hinüberkommens (Hindurchdringens), Übertreffens, Mehrthuns, 
Übergehens (Beseitigens) und ebenso in seiner Verbindung mit 
dem Akkusativ (vgl. SF. 5, 441). Es ist wahrscheinlich, dass 
mit ati das lit. dt (wofür auch ati- vorkommt) und das slavische 
ot& identisch sind. Doch gelingt es mir nicht, die Bedeutungen 
in einleuchtender Weise zu vermitteln. Auch das Verhältnis 
zu lat. at- in atavus und andererseits zu Erı, lat. et, got. 1d- 
macht noch Schwierigkeiten. 

Ai. ddhi auf, selten mit Akk., häufig mit Lok. und Abl,, 
im RV. auch mit Instr. (SF. 5, 441ff.) steht bis jetzt noch da 
ohne sichere Beziehung in den verwandten Sprachen. 

Ai. anu, av. anu, altp. anuo. Als Präverbium im Aı. 
häufig im Sinne von ‘nach’ (vgl. SF. 5, 443), so dass bald der 
Begriff des Nachfolgens, bald der der Kontinuität im Nachgehen 


$ 300.] Kap. XV. V.a,ä, ni, ni, pära. 755 


(entlang, durch hin), bald der des Nachkommens mehr hervor- 
tritt, selten ist es im Avesta (vgl. i, da, marez, sac bei Justi). 
Als Präposition erscheint es mit dem Akk. in entsprechenden 
Bedeutungen (vgl. a. a. O., Speijer 119 und Spiegel, Gr. 453). 
Im Altpersischen findet sich einmal der. Lok.: Zazäna näma 
vardanam anuv Ufräatauvä eine Stadt Z. mit Namen am Euphrat 
Spiegel? 12, 92. Im indischen Epos tritt gelegentlich auch bei 
anu der Punkt, von dem die Nachfolge anhebt (und zwar in 
zeitlicher oder kausaler Beziehung) in den Ablativ, vereinzelt 
auch ın den Genitiv, so dass wir also aru durch unmittelbar 
nach übersetzen. Ich möchte annehmen, dass der Genitiv der 
Nachfolger des Ablativs ist. 

Ai. 4, av. altp. © In Verbindung mit Verben bedeutet 
es ‘herbei, heran, an’, als Präposition im Ai. (SF.5, 451) mit dem 
Lok. ‘an, auf, in, bei, zu’, mit dem Akk. “hin zu’, mit dem 
Abl. ‘von weg’ und wenn es voransteht “bis. Ebenso im Avesta, 
z. B. mit Lok. bwahmi @ z5aßröi ın deinem Reiche y. 49, 8; 
mit Akk. ü rapibwinem zroanem um die Mittagszeit y. 9, 11; 
kapa drujem nis ahmap ü nis naSama teng @ ava yoi wie sollen 
wir die Druj wegschaffen von uns (Abl.) hin zu jenen, welche 
u.8. w. y. 44, 13; mit Abl. Aaca hu varsap a hu frasmodatoıp 
von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang yt. 5, 91. In beiden 
Sprachgebieten erscheint @ auch noch als hervorhebende und 
verbindende Partikel, deren Verhältnis zur Präposition hier 
unerörtert bleiben soll. — Über die Verwandten von @ in den 
übrigen Sprachen ist man noch nicht zu einem Einverständnis 
gelangt. 

Ai. ri, av. altp. ni sind nur als Präverbien gebraucht 
und bedeuten ‘nieder, hinein. Der Zusammenhang mit un- 
serem nider, slav. nizü ıst klar, möglich, dass es auch mit Ev 
zusammenhängt. Das Gegentheil dazu ist ai. nis, av. nis, die 
Bildung mir nicht klar. 

Ai. parä ist von mir SF. 5, 457 behandelt worden. In- 
wieweit ihm das av. para entspricht, ist mir nicht deutlich 
geworden (vgl. Spiegel, Gr. 461—462). Früher stellte man es 
dem gr. rapa gleich, doch bestehen Bedenken wegen der 

48* 


756 Kap. XV. V. Präpos. im Arischen. [$300. 


Vokale, und man muss auch gestehen, dass die Bedeutung 
nicht recht passen will. Para ist nur Präverbium. 

Ai. vi, av. vi nur Präverbien. Über ri auseinander habe 
ich SF. 5, 464 ff. gehandelt. Das av. v; wird im wesentlichen 
ebenso gebraucht. Man stellt ei gewöhnlich mit dem got. vipra, 
unserem wider, zusammen. 

Von diesen Wörtern sind nur als Präverbia im Gebrauch 
al. dpa, av. altp. apa, ai. dva (was allerdings vereinzelt mit 
dem Abl. divds vorkommt), av. altp. ava, ai. dd, av. altp. ud 
us, al. ni, av. altp. nt, ai. nis, av. nis, al. para, av. parat), 
ai. prd, av. altp. fra, ai. vi, av. vi, ai. sdm, av. altp. ham. 
Dazu noch av. as, altp. atıy, während ai. dii auch Präpo- 
sition ist. | 

Im bezug auf die Verbindung mit Kasus verhalten sie sich 
folgendermassen. 

Bei dem Ablativ findet sich apa, welches ja dem Sinn 
des Kasus ganz nahe steht, nicht, da «pa immer mit dem Ver- 
bum verbunden ist. In diesem Falle genügte dem Indischen 
der Kasus, der ja (gegenüber z. B. dem Griehischen, wo er 
mit dem Gen. verschmolzen ist), ganz deutlich geblieben ist. 
Gans selten erscheint «va S. 670. Die übrigen echten Prä- 
positionen sind von dem Kasusbegriff so zu sagen verschlungen 
worden, so part, pairi, das dem Ablatıv die Nuance des ‘rings’ 
hinzufügt, die aber bald verschwindet, so dass wır den Ablatıv 
mit päri wie den blossen Ablativ durch ‘von her’ übersetzen, 
S. 712. Ebenso verhält es sich mıt ddhi, worüber ıch SF. 5, 442 
bemerkt habe: “Insofern ddhi zu dem Ablativ die Nuance ‘auf 
hinzufügt, hat man, wenn man genau sein will, ‘von auf’ zu 
übersetzen und so kommt es häufig vor, z. B.: dtah partjmann 
a gahi divd va röcanad ddhi von da, o Umwandler, komm her- 
bei, oder von dem Lichtraum des Himmels, d. h. von dem 
Lichtraum des Himmels, auf dem du thronst RV. 1, 6, 9. In- 
dessen verliert sich auch die Empfindung für das auf und es 
wird der Ablatıv mit ddhs auch zur Bezeichnung des Ursprunges 
gebraucht, so bei Jan, und es kommen Wendungen vor wie die 
folgende: niraitu Jivd ak$ato jivö Jivantya ddhi heraus komme 


$ 300.) Kap. XV. V. Präpos. im Arischen. 757 


‘der Knabe) lebend unverletzt, lebend aus der Lebenden heraus 
5, 78, 9”. In besonders merkwürdiger Weise zeigt sich dieser 
Vorgang bei av.avi !S. 681 Anm.) haca (8. 752) und antar (8.673), 
welche ja von Natur einen dem Ablativ entgegengesetzten Sinn 
haben. Man kann bei diesen und ähnlichen Verbindungen 
sich wohl auch vorstellen, dass eine Verbindung zuerst mit dem 
homogenen Kasus eingetreten ist, z. B. bei antdr mit dem 
Lok. (also äsye ’ntdh im Munde drinnen), und dass sie dann 
auch bei dem Ablativ sich vollzogen hat (2. B. äsyad antäh 
aus dem Munde drinnen, d.h. so viel als aus dem Innern des 
Mundes). Eine besondere Bewandtnis hat es mit &, worüber 
ich SF. 5, 452 gesagt habe: “Hinter dem Abl. hat # wohl 
eigentlich dieselbe Bedeutung wie hinter dem Lok., so dass 
pärvatäd & eigentlich bedeutet ‘von, an (auf) dem Berge’ (vgl. 
ddhi), dann ‘vom Berge her’. Wir übersetzen auch ‘von weg’, 
z. B. ya$ cid dhi va bahübhya a sutävan Aviväsati wer dich 
von vielen andern weg mit seinem Somatrank heranlockt. 
RV. ı, 84, 9. Bisweilen hat #4 mit dem Abl. den Sinn des 
Vorzugs, so: yds 1ö sakhibhya @ vdram der ein Gut ist vor 
deinen Freunden, besser ist als deine Freunde 1, 4, 4. End- 
lich vor dem Ablativ bedeutet @ ‘bis’, z. B. yati giribhya & 
samudrät gehend von den Bergen bis zum Meere 7, 95, 2, ä 
nimrücah bis zum Sonnenuntergang 1, 161, 10. Nur vereinzelt 
folgt @ in diesem Sinne nach (vgl. Grassmann s. v.). Bei der 
Erklärung der Konstruktion von & vor dem Ablativ wird man 
die Stellung besonders zu beachten haben. Die ursprüngliche 
und so zu sagen natürliche Verbindung liegt vor ın samu- 
draäd ä vom Meere her, die Umkehrung nach Stellung und 
Sinn ist @ samudräd bis zum Meere hin.” Wie im Altindischen 
verhält es sich im Avestischen, die hier angedeutete Be- 
wegung scheint sich also in der Zeit der arischen Gemein- 
schaft vollzogen zu haben. Bei purds, purä, parö, para 
vor, palcäd, pasca noch, bahis draussen tritt in den Ablativ 
der Punkt, von dem aus das vor, nach, draussen bemessen 
wird. Die Präpositionen stehen also verhältnismässig selb- 
ständig da. 


758 Kap. XV. V. Präpos. im Arischen. [8 300. 


Beı dem Lokalis finden sich arısch antar S. 673, ä 
S. 755, upa S. 697, dazu ai. adhi S. 754, dpi S. 676, av. ati, 
avı S.681 Anm., paitı S.724, parrı S.711, altp. anuo S.754, von 
Präpositionen im engeren Sinne ai. sdcä 8. 752. Überall er- 
scheint die Präp. so zu sagen als Spezialisierung des weit um- 
fassenden Kasusbegriffs. 

Der Instrumentalis in seinem soziativen Theile bedarf 
ım allgemeinen keiner stärkenden Präp. (sehr häufig steht ja 
auch sam bei dem Verbum!. Soll die Gemeinschaft besonders 
stark hervorgehoben werden, so treten ai. sahd, av. hada, altp. 
hada (S. 753), av. map (S. 743) dazu. Für den Ausdruck des 
Mittels genügt der blosse Kasus. So bleibt denn nur der 
Instr. der Zeit- und Raumerstreckung übrig. Dieser kann 
durch eine Präp. spezialisiert werden, so ddhi snuna über die 
Oberfläche hin (SF. 5, 442), dpa dyubhih im Laufe der Tage 
(S. 668), ebenso bei ai. upart, av. upairs (S. 748). Unsicher ist 
die Verbindung mit av. pasca (S. 743). 

Bei dem Dativ habe ich nur av. aus S. 681 und paiti 
S. 725 gefunden. In dieser Verbindung wird der Dativ lokal 
empfunden worden sein, was sich natürlich bei dem Dativ so 
gut wie bei dem Akkusativ, der von Anfang an gleichfalls 
keinen lokalen Sinn hatte, nachträglich einstellen konnte. 

Wo der Genitiv auftritt, könnte er wohl als adnominal 
empfunden worden sein, so bei ai. antar (im Innern) S. 673, 
upäri S. 749, paScad, av. pasne S. 743, altp. rädiy S. 754. Im 
Iranischen könnte er auch Nachfolger des Ablativs sein, so bei 
av. parö S. 745, altp. pasa S. 743. Eine Verbindung des Gen. 
mit echten Präp. ist stets unursprünglich, so wenn er sich bei 
av. avi und paitt findet (wie der Dativ). Etwas Spätes ist auch 
die gelegentliche Verbindung von ai. aru mit dem Gen. S. 755. 

Mit dem Akkusativ finden sich, den Kasus in seiner 
räumlichen Bedeutung spezialisierend, arisch anu 8.754, antar 
S. 672, abhi S. 680 (und av. avi), ü 8. 755, upa S. 692, parı 
S. 711, prati S. 728, pati 8. 724, dazu ai. di S. 754, adhı 
S. 754, av. ana S. 734. Ferner ai. upäari, av. upairı S. 745, 
av. adairi S. 749, ai. tırds, av. taro S. 747, ai. puras S. 744, 














5 300—301.] Kap. XV. V. Griechisch &v, &£, ward. 759 


av. pasca, pasne S. 743. Diese Wörter verdanken ihre Kon- 
struktion wahrscheinlich der Nachahmung der echten Präp. 


$ 301. Griechisch. 


Im Vorhergehenden sind besprochen worden: and, Ext, 
anpl, repl, nort, rporl, npd, ünd, Ava, Avıl, nera (meöd), ür£p, 
welche sämmtlich zugleich Präverbien und Präpositionen sind. 
Ausserdem sind erwähnt duo, avev, drtep. 

Im Folgenden sollen noch erwähnt werden öıd, &v, 2, xara, 
rapd, aoöv. 

Über die Herkunft von öı4 weiss ich nichts zu sagen. 

’Ev findet sich wieder im italischen ex (ir), lit. (mit dem 
Akk.), wohl auch im slav. v&, welches aus *on entstanden ist 
(das eine Ablautsform zu er sein könnte). In einer Reihe von 
griech. Dialekten wird &v wie das lat. und germ. :» mit dem 
Akk. und Lok. verbunden. In den anderen Dialekten steht 
an Stelle von &v mit Akk. das neu entstandene eis, &; (vgl. 
Brugmann, Ber. d. sächs. Ges. d. Wiss. 1883, 181 ff.). 

&& ist im lat. ex und kelt. (altgallisch ex, ir. ess, nur in 
Kompositis) vertreten. Seine natürliche Verbindung ist die mit 
dem Abl. Wie ärd wird es aber im kyprisch-arkadischen 
Dialekt mit dem Dativ konstruiert (vgl. unter and S. 668). 


xara bedeutet als Präverbium ‘hinab’ oder hat einen Sinn, 
der sich aus diesem leicht ableiten lässt. Es bildet den deut- 
lich empfundenen Gegensatz zu äva. Dieses scheint aber nicht 
der ursprüngliche Sinn, sondern nur eine Unterart desselben 
. zu sein, die sich aus “hinein in’ entwickelt haben dürfte. Für 
diese Annahme sprechen einerseits die Anwendungstypen von 
xara als Präposition, die sich meines Erachtens aus ‘hinab’ 
nicht ableiten lassen, andererseits die Thatsache, dass mit dem 
griech xara das keltische can? übereinstimmt, von dem schon 
Zeuss? 685 bemerkt, dass es sowohl dem lat. cum als dem 
griech xar4 entspreche. Die Frage, wie es mit lat. cum steht, 
lasse ich hier bei Seite. Dieses keltische can! nun ist vor- 
handen als neukymr. gar (aus prätonischem cant) “mit, bei’; 
bret. gant, com. gans, gan ‘mit’ (in soziativem Sinne), “von, durch’ 


760 Kap. XV. V. Griechisch xard. [$ 301. 


(Urheber bei’'m Passivum). Im Bret. wird es auch mit ‘für’ 
übersetzt, z. B. für (gant) die Toten beten. Im Irischen ist 
es als cöt nur in cötduith “sentio, sensus’ erhalten (vgl. darüber 
Zimmer, Keltische Studien 1, 112f.).. Die Grundform dürfte 
*knta (*kmta) sein. Als Grundbedeutung stelle ich vermuthungs- 
weise auf: über hin, durch hin, in (mit dem Sınne der Ver- 
breitung). Daher ‘überall in’ in mehr oder minder deutlich 
distributiver Anwendung, dann ‘bei, unter, an’. Dass ‘bei’ und 
‘mit’ zusammengehören, haben wir bei gstd gesehen, vgl. auch 
av. haca S. 752. Diese Bedeutungen ergeben nun folgende 
Anwendungen bei dem Akkusativ und Genitiv. 

1) Bei dem Akkusativ ‘überhin, durchhin, überall in, unter, 
bei’, z. B. aus Homer: xar' dypods nAalesdaı x 150; Bi 5 levar 
xara vnas durch hin K 136; xara burnıa ruxva xeineda & 473; 
N 5 &dsev xard xüpa A 483; ot valouor xard nıöiıv B 130; Auxtnv 
xara xorpavkouaıy M 318; nevovto xara orpardv A 318. Sehr 
häufig ist xard rölepov, xad doulvrv. In Sätzen wie &sirc 
ECovro xara xAtopous Te Öpdvous te w 385 finden die Erklärer 
wohl mit Recht eine Andeutung distributiver Anschauung. 
‘Unter, bei” übersetzen wir, wenn es, was bei Homer nicht 
häufig geschieht, in bezug auf Menschen gesagt wird, z. B. oö 
piv ydp wor dveu Önlov Eev, Ad xar adtobs orpmpäro N 556; 
Son 54 xußrormtäipe xar' adrtobs moAntc &kapyovros dölvevov xard 
usosous 2 605. “An übersetzen wir, wenn bei Verben des 
Treffens der getroffene Theil angegeben wird, z. B. Beßinxer 
“Aouröv xard dekidv E66. ‘In’ sagen wir bei Wendungen wie: 
xard opeva xal xard Buudv. Selten haben wir durch “hinein in, 
hinunter in, hinab in’ zu übersetzen, so z. B. öuoed’ Aldc xara 
xöpa Z 136. Übertragen kommt xard vor im Sinne von “ent- 
sprechend’: xard noipav, od xard xdauov. Vielleicht geht es aus 
von ‘durch hin’, sich in der Linie des xdonos bewegend. 

2) Bei dem Genitiv wird xard doppelt gebraucht. In dem 
ersteren Falle, wo wir ‘herab von’ oder ‘herab’ übersetzen, ist 
der Kasus deutlich der Ablativ: xaT oöpavoo elAnAoudas Z 128; 
daxpua 88 opıy deppua xara Blepapwv yapddız bee P 438. Die 
Verwendung von xara bei dem Abl. vergleicht sich der von 





$ 301.) ‚Kap. XV. V. Griechisch raod, shv, die. | 761 


ai. adhi, lit. nd u. s. w. In dem zweiten Falle tritt in den 
Genitiv vielmehr derjenige Gegenstand, auf den die Bewegung 
sich richtet, 2. B. xard yBovös dunara nnias auf die Erde [' 217; 
xara 5 Öpdalunv xeyuT Aylüs herab auf E 696; xdvıv yadaro 
xax xeoaits 2 24; alyuh xara yalns @yero hinein in N 504; 
buyh d& xara ydovös @yero hinab unter W 100. Zur Erklärung 
beachte man das bei rort $. 726 Bemerkte. 

zapa& brachte man früher mit ai. parä zusammen, was 
jetzt für unzulässig gilt (vgl. S. 755). Ich lasse es bei 
Seite. 

Auch über die Verwandtschaftsverhältnisse von oöv sind 
die Gelehrten nicht einig (die neueste Behandlung ist die von 
Kretschmer, KZ.31,415ff.). Über seine Verwendung bei Homer 
sagt Mommsen a. a. O. 38: “söy ist der gewöhnliche Ausdruck 
für die Zugehörigkeit eines Begriffes zu einem anderen; die 
Bedeutung theilt sich nach zwei Seiten, je nachdem die Prä- 
position mehr mit Zuthat von oder mehr mit Hilfe von 
bezeichnet. Die durch oöy angeknüpfte Sache oder Person er- 
scheint im ganzen weniger als gleichberechtigt oder an Umfang 
oder Zahl überwiegend (wie bei vera), sondern als das Sekun- 
däre, oft geradezu als Anhängsel” Das ist genau der Sinn 
des Instrumentalis, und es ist denn auch kein Zweifel, dass 
dieses der Kasus ıst, der bei obv auftritt. 

Ich füge noch ein Wort über &; bei. “3 nimmt eine ganz 
eigenthümliche Stellung ein. Mommsen a. a. O. 36 sagt 
darüber: “Das Wörtchen findet sich nur einmal bei Homer als 
Präposition verwandt in einer durch nichts als unecht erkenn- 
baren Stelle, ın der höhnischen Schimpfrede des gemeinen 
Melantheus p 218: “s alel röv öpolov Aysı Deös ds Tov Öpotov. 
Nun aber findet sich meines Wissens nicht nur in der ganzen 
übrigen Epik, sondern überhaupt in der gesammten griechischen 
Poesie kein einziges wo; als Präposition, allein die Komödie 
und (obwohl diese es sehr selten haben) die beiden jüngeren 
Tragiker ausgenommen; Pindar und Aeschylus z. B. die sonst 
alle Rektionen aller Präpositionen zulassen (ausser dass Aeschylus 
kein äva c. Dat. hat), meiden nur dies &. Offenbar nahmen 


762 Kap. XV. V. Griechisch x. [$ 301. 


Sophokles und Euripides das Vorwort aus der attischen Kon- 
versationssprache, der sie ihren Stil in sehr vielen Punkten 
mehr als Aeschylus annäherten; die Komödie hatte von vorn 
herein keinen Grund, eine prosaische Fügung zu scheuen.” 
Über die Art, wie “gs zur Präposition geworden sei, weiss ich 
sichere Auskunft nicht zu geben. Gewöhnlich nimmt man an, 
os, das oft neben Präpositionen steht, sei durch die Nachbar- 
schaft verleitet selbst zur Präposition geworden (so Krüger, 
Gr. 69, 63, 4), was mir nicht einleuchtet. Näher liegt es, &w;, 
was (wie unabhängig davon auch ai. yavat) aus einer Kon- 
junktion zur Präp. geworden ist (vgl. Wackernagel, KZ.28, 117), 
zur Aufklärung heranzuziehen und somit auf &; damit zurück- 
zugehen. Doch fehlen die Mittelglieder. 

Unter die Kasus vertheilen die hier erwähnten Präposi- 
tionen sich folgendermassen: 

Mit dem ablativischen Genitiv verbinden sich rept 
wie päri, pair S. 714, rpds wie av. paitt S. 729, ärd wie lat. 
ab, got. af S. 668, 25 wie lat. ex, zpd wie lat. pro S. 722, und 
wie lat. sub S. 698, dazu noch xara S. 760, rapa und dvsu und 
atep S. 753. Mit dem lokalen Dativ Ent S. 676, aut S. 690, 
repl S. 712, npds S. 729, und S. 698, Ava S. 736, pera S. 742, 
rapa, &v,. Mit dem instrumentalen Dativ oöv. Der echte 
Dativ erscheint vielleicht bei gewissen Verwendungen von &rt 
und rpds (S. 677, 729). Der echte Genitiv findet sich bei 
avi, onep, da, Ent, noti, Ava, Apol, rnepl, nera. Bei Avti, drep 
und ötz dürfte es der alte adnominale Genitiv sein, welcher 
uns bei den unechten Präp. begegnet. Dagegen bei den übrigen 
ist es ein griechischer Genitiv. Bei rt, rori, dva scheint diese 
Konstruktion so entstanden zu sein, dass zunächst ein Genitiv 
des erstrebten Zieles zu einem mit &rt, rxori oder dva verbun- 
denen Verbum trat und dann das Verhältnis zwischen Kasus 
und Präp. entstand. Bei dot, pera, sept aber scheint der Ver- 
lauf ein anderer gewesen zu sein. Der Genitiv bei dupt und 
pera ist bei Homer noch ganz selten und auch der bei xzp! 
(so weit er nicht Vertreter des Ablatıvs ist) ist offenbar nicht 
alten Datums. Es scheint, dass diese Genitive im gefühlten 





$ 301—302,] Kap. XV. V. Präpos. im Italischen. 7163 





Gegensatz gegen die überlieferten lokalen Dative entstanden 
sind. Den Kasus bei äupl empfand man offenbar ım ganzen 
noch als lokal, wenn er auch in Wendungen wie äyy’ "EAdvy xal 
xmnpaacı räcı nayeodaı I 70 schon wesentlich metaphorisch ge- 
fühlt sein wird. Den entscheidenden Schritt zur Ausprägung 
der metaphorischen Bedeutung aber that man, indem man statt 
des Dativs den Gen. setzte, z. B. näyeodov nlöaxos App’ ölyns 
Il 824. Genau dasselbe Verhältnis findet statt zwischen yap- 
vavro rept nuAgaıv & 453 und @s ol ev nepl vnöc &uasdlporo 
päyovro II 1, nicht so einleuchtend bei nera. Die Ersetzung 
des anschaulicheren Dativ bei Präp. durch den abstrakteren 
Genitiv ist eine der wichtigeren Thatsachen der griechischen 
Kasuslehre. Sie ganz zu erklären, bin ich nicht im stande, ich 
denke mir, dass bei dem Suchen nach einem nicht lokal auf- 
zufassenden Ausdruck der Genitiv sich einstellte, weil man von 
&rt her an eine beinahe gleiche Verwendung des Dativs und 
Genitivs gewöhnt war. 


Mit dem Akkusativ verbinden sich Ext S. 676, rept S. 711, 
rpös S. 728, ind 8.697, ava 8. 734, nera S. 742, Öndp 9. 748, 
xara S. 760, as S. 761, &v, apa. 


'8 302. Italisch. 


Im Vorstehenden sind behandelt worden: ab, au, inter, op, 
ob, amb, sub, per, pro, an, osk. ant, lat. ante, post, osk. 
umbr. pustin, osk. pus, lat. pone, trans, super. 

Nur Präverbia sind amdi, amb, dazu amfr, das wohl mit 
Bücheler aus amfer zu deuten ist (vgl. das Verhältnis von sud 
und super); an das wenigstens in anhelare dem gr. äva zu ent- 
sprechen scheint; au, por, das dem gr. rapa gleich gesetzt 
wird. Dazu noch dis, red, sed, über die ich nichts zu sagen 
weiss, was über das Bekannte hinausginge. 

Somit bleiben übrig: 

ad. Noch nicht recht deutlich ist das Verhältnis zu ar. 
Osk. az ist wohl aus *ads zu deuten. Es tftt zum Akk., so 
umbr. asamad ad aram, osk. az hortom ad hortum. Offenbar 
ist es dasselbe wie got. at, welches freilich mit dem Akk. nur 


764 Kap. XV. V. Italisch cum, de, en, prae. [$ 302. 


noch bei Zeitbestimmungen erscheint: at maurgin vaurbanana 
rpotas yevon&vns Matth. 27, 1, vgl. ad meridiem. 

cum (com-), mit dem vielleicht got. ga zusammengehört, 
bezeichnet nach Schmalz ursprünglich das lokale Zusammen- 
sein, 2. B. vivit cum Balbo da wo Balbus. Damit lässt sich 
der umbrische Gebrauch (Bücheler, Umbrica 200) vergleichen, 
wo es mit dem Abl. verbunden wird und ‘bei’ bedeutet: asaku 
juxta aram, verisco bei den Thoren. Das Lateinische, nament- 
hıch auch soweit das Präverbium ın betracht kommt, scheint 
aber dafür zu sprechen, dass im allgemeinen das Zusammen- 
sein als Grundbegriff angenommen werde, wovon die lokale 
Bedeutung nur eine Schattierung ist. Aus dem ÖOskischen 
merke man cum preivatud. Es ist also im Oskischen wie im 
Lateinischen der Instrumentalis in den Ablatıv aufgegangen 
und -dabei die d-Form beibehalten (vgl. op 8. 677). 

de ist sicher identisch mit altır. di. Auch osk. dat ıst 
wohl ganz nahe verwandt. Dass dat mit dem Ablatıv verbun- 
den wurde, ist zweifellos, doch die Ausdrucksweise der tabula 
Bantina wird wohl auf Nachahmung des Lateinischen beruhen. 
De, di, dat werden zu den unter got. dw besprochenen Wör- 
tern gestellt, zu denen sie sich verhalten können, wie lit. n«& 
zu vd u. ähnl., so dass sie eigentlich ‘bei’ oder etwas Ähn- 
liches bedeuteten und die Bedeutung ‘von weg, von herab’ 
auf die Rechnung des Abl. zu setzen wäre. 

en gleich gr. &v. Es wird seit proethnischer Zeit mit Akk. . 
und Lok. verbunden. In den Dialekten tritt er hinter die 
Kasus, z. B. umbr. fermnome ad terminum, manuve in manu, 
Jondlıre, funtlere in fontibus, wobei die Kasus, welche in den 
letztgenannten Formen enthalten sınd, Lokale sind (vgl. 
Bücheler, Umbrica 200, J. Schmidt, KZ. 27, 307). Im Latei- 
nischen mit Akk. und dem ın den Ablativ aufgegangenen 
Lok.: ın altod, preivatod, coventionid. 

prae (pre, pri) mit Abl., lat. prae manu, umbr. pre veres 
ante portam. Wie prae und pri sich zu einander verhalten, 
weiss ich nicht recht zu sagen. Im Slavischen scheint zwischen 
pre (das wenigstens als Präposition auch dem lat. prae entspricht) 








& 302—303.) Kap. XV. V. Präpos. im Germanischen. 765 





und pri dasselbe Verhältnis stattzufinden. Möglich, dass prae 
auch mit dem Lok. verbunden werden konnte. Auf dieser 
Annahme beruht meine Deutung von praefiscini S. 638. 


Osk. pert in pert viam trans viam cipp. Ab. 33 mag dem 
pamphyl. rept in repreöwxe gleich sein (Collitz 1260, 21) und 
irgendwie mit rpotl und kret. ropri zusammenhängen. 

Unter die Kasus vertheilen cich die Präpositionen folgen- 
dermassen.!) 

Mit dem Ablativ verbinden sich ab S. 668, de S. 764, 
ex S. 759, pro S. 722, umbr. pus S. 744. Zweifelhaft ist prae, 
wobei auch der Lok. ın Frage kommt, und umbr. -per im Sinne 
von pro. Mit dem Lokalis, sei er rein, oder in den Abl. auf- 
gegangen, osk. umbr. er $. 764, umbr. super S. 749, osk. anter 
S. 673, lat. :%» S. 764, osk. op S. 677. Mit dem Instrumen- 
talis cum, wobei aber allerdings auch der Lok. in Frage 
kommt. Mit dem Akkusativ ad S. 763, ın S. 764, inter 
S. 672, ob S. 684, per S. 714, sub S. 697, post, pone S. 744, 
trans 8. 746, super S. 748. | 


$ 303. Germanisch. 


Ich beschränke mich wieder wesentlich auf das Gotische. 


Im Vorstehenden sind behandelt worden: af, bi, us, uf, 
Jar, fra, ana, and, mip, faura, faur, bairh, ufar, undar, inu. 

Nur Präverbien sind ausser fatr und fra: dis, ga und fri. 
Dis zer von dem lateinischen dis zu trennen, scheint mir nicht 
wohl möglich, der Weg aber zur lautlichen Vereinigung beider 
Wörter ist noch nicht mit Sicherheit gefunden. Ga wird zwei- 
felnd mit lat. com zusammengestellt. Es wird darüber bei dem 
Abschnitt über die perfektiven Verba zu handeln sein. Fri 
erscheint nur in /risahts Bild. Über seine Bedeutung wage 
ich nichts zu sagen. J. Schmidt, KZ. 26, 24 führt es mit faır 
auf *peri zurück. 


1) Zu den bloss mit der lateinischen Form erwähnten Präp. verweise 
ich auf Bücheler’s lexicon italicum. 


766 Kap. XV. V. Germanisch at, du, in, fram, afar, und. [$303. 


Es bleiben übrig die folgenden: 

at bei ist schon bei lat. ad erwähnt, wo auch seiner Ver- 
bindung mit dem Akk. gedacht ist. Der Dativ, bei dem es 
erscheint, ist der lokale. 

dw als Adv. hinzu, als Präp. mit dem Dativ, vereinzelt 
mit dem Akk., bezeichnet die Bewegung zu etwas hin, dann 
den Zweck, die Absicht, die Folge. Es stimmt mit dem alts. 
ags. 6, dem ahd. zuo derartig in der Bedeutung überein, dass 
ich es nicht für möglich halte, sie zu trennen. Weitere Ver- 
wandte von du, oder wenn man sich nicht entschliessen kann, 
es hierher zu stellen, von ?ö sind zunächst aksl. do, lit. do, da 
(Bezzenberger, ZGLS. 244), altır. do und dann (vgl. Miklosich 
4, 202) av. da in drujo vatsmenda azemnqgm die zum Hause des 
Unholds Geschleppte yt. 10, 86, griech. -e. Ursprünglich mag 
es eine deiktische Partikel gewesen sein. In den drei genann- 
ten Sprachen aber ist es zu einer Präp. (auch Präverbium) ge- 
worden (vgl. Johannson, BB. 15, 312). In dem mit du, {0 
verbundenen Kasus sehe ich den echten Datıv. 

ın wird wie &v u. s. w. mit dem Akk. und Lok. verbunden. 
Unverständlich ist mir got. 3 wegen mit dem Gen. Sollte 
die Ellipse eines Substantivums anzunehmen sein? Zu bemer- 
ken ist noch, dass ein dem idg. *enter entsprechendes Wort 
ım Gotischen nicht überliefert ist, während in unserem unter 
dieses und got. undar (av. adatrı) steckt. 

ram von etwas her ist eine Art von Superlativbildung 
zu *prö. Der Dativ bei ihm ist der ablativische. 

afar nach, eine komparativische Bildung zu *apo wırd 
mit dem Akk. und dem, wie es scheint, echten Dativ ver- 
bunden. 

und mit dem Akk. heisst “bis an’ räumlich und zeitlich. 
Mit dem Dativ ‘um, für’, z. B. augo und augin jah tunpu und 
tunpau &odalpov avıl Spdainoo xat dödvra Avri dödvros Matth. 
5, 38. Was die Verwandten und die Herkunft von und betrifft, 
so hat man es schon früher mit dem ags. 5d bis zu (temporal) 
zusammengestellt. J. Schmidt, KZ. 26, 24 hält diese Zusammen- 
stellung fest, meint aber, dass dd mit got. and (S. 741) auf 





$ 303— 304.) Kap. XV. V. Präpos. im Litauischen. 767 


urgermanisches *arp, idg. *anti zurückgehe, dagegen und auf 
*nti. Mir ist das sehr wahrscheinlich. Einer Verwandtschaft 
von and und und waren sich die Goten natürlich nicht mehr 
bewusst. Wie der Dativ bei und zu erklären sei, ıst mir nicht 
deutlich. 

Auf die Kasus vertheilen sich die gotischen Präpositionen 
wie folgt. Mit dem ablativischen Dativ verbinden sich af 
S. 669, faura 8. 745, fram S. 766, us S. 692. Mit dem loka- 
tivischen Dativ 55 8. 687, uf S. 698, ana S. 736, miß 8. 742, 
ufar 8. 749, at, ın. Mit dem instrumentalischen Dativ 
bi S. 687 und etwa noch mid S. 743 und ufar S. 749. Mit 
dem echten Dativ vermuthlich du und.afar, mit dem echten 
Genitiv vielleicht in. Mit dem Akkusativ bi S. 686, uf 
S. 697, ana 8. 735, faur S. 746, Bairh S. 747, and S. 741, ufar 
S. 748, undar S. 749, ınu S. 753 und von den S. 766 erwähnten 
at, du, ın, afar, und. 

Bei einem Vergleich mit dem Griechischen fällt das Zurück- 
stehen des Genitivs auf. Der Grund liegt in dem Umstande, 
dass der Ablativ (wenigstens in seinem grössten Theile) nicht 
an den Genitiv, sondern an den Dativ übergegangen ist. 


$ 304. Litauisch.!) 

Besprochen sind ape, po, per, prö, sı, nü, alt, päs, be, 
do. Erwähnt ist das untrennbare at. 

Nur Präverbium ist a? (wie ım Lettischen). Von solchen 
Formen, welche das Ansehen echter Präp. haben, bleiben 
noch übrig: 

pre, pri mit dem Gen. bezeichnet bei Verben des Bleibens 
oder Herankommens die unmittelbare Nähe oder Berührung. 
Ihm entspricht das mit dem Lok. verbundene slavische pr:, 
welches nach Miklosich 4, 679 dasjenige bezeichnet, in dessen 
Nähe oder Gegenwart, bei dem etwas ist. Trotz der etwas 
abweichenden Bedeutungen sind pr£, pri als identisch mit lat. 
prae zu betrachten. 


1) Die abweichenden Formen, welche manche Präpositionen im prä- 
verbalen Gebrauch haben, sind hier nicht mit aufgeführt. 


768 Kap. XV. V. Präpos. im Litauischen. [$ 304. 


Keine Auskunft weiss ich zu geben über die Herkunft 
von isz aus mit dem Gen., aksel. ız2& mit dem Gen. Fick bringt 
isz mit &£, lat. gall. er zusammen, für die er eine Grundform ega, 
eg ansetzt. Ich weiss aber i nicht zu erklären, welches auf 
diesem Sprachgebiet aus e doch nur entsteht, wenn ein Nasal 
im Spiele ist. 

Über ü£ bemerkt Schleicher: a@ mit dem Akk. wird nur 
im uneigentlichen Sinne gebraucht und bedeutet ursprünglich 
hinter’; “hinter etwas stehen’ kann bedeuten: für etwas stehen, 
es vertreten (das deutsche ‘für’ geht von der entgegengesetzten 
Anschauung aus), z. B. 22 ıszkädgq stoveti für den Schaden 
stehen, so geht ü2 über in die Bedeutung “für, anstatt’; Aalbek 
ü2 mane sprich für mich, dsz Jam nz karve Jduti düsıu ich 
werde ihm für eine Kuh einen Ochsen geben. Derselbe sagt 
über die Verbindung mit dem Genitiv: “2 mit dem Gen. be- 
zeichnet das Verweilen hinter etwas und die Bewegung hinter 
etwas hin, z. B. «2 gires hinter dem Walde, u Aäakalio hinter 
dem Ofen, seskis u: stälo setze dich hinter den Tisch u. s. w. 
Thüre und Fenster wird vom Inneren des Hauses aus gesehen, 
daher 33 düru, u2 Jango stovets vor (wörtl. hinter) der Thüre, 
dem Fenster stehen, d. h. ausserhalb des Hauses.” Wie sich 
zu dieser Entwickelung der Bedeutung aksl. vüz& stellt (welches 
doch wohl mit a2 identisch ist), das mit dem Akk. verbunden 
wird und wie «2 für, anstatt bedeutet, sonst aber abweicht, 
weiss ich nicht zu sagen. 

Unter die Kasus vertheilen sich die Präp. wie folgt. 
Mit dem ablativischen Genitiv verbindet sich nö S. 740, isz 
S. 768, mit dem Lokalis im älteren Lit. -ps S. 678, mit dem 
Instrumentalis »pö S. 699, sü S. 732, mit dem Dativ pö 
S. 699, mit dem Genitiv aftS. 741, sodann pr& und pö, bei 
denen man eher den Lokalis erwarten sollte, an dessen Stelle 
also vielleicht der Gen. getreten ist, endlich do und u. Mit 
dem Akkusativ ap& S. 678, »ö S. 699, per S. 714, prö S. 723, 
püs 8. 744, ü& 8. 768. 








$ 305.] Kap. XV. V. Slavisch vy, razü, nizü, prezü, kü. 769 


$ 305. Slavisch. 


Im Vorstehenden sind erwähnt worden: u, obü, po (wozu 
podü unter gehört), pre, pro, sü, na (wozu nadü gehört), bezü, 
radi, otü bei ai. di, vü bei &v, pre bei lat. prae, do bei got. 
du, izü bei lit. isz, vüzü bei lit. QZ. 

Es bleibt noch übrig z«. Es bedeutet hinter (vgl. Miklosich 
4, 206) wird mit dem Akk. (404), Gen. (527), Instr. (743) ver- 
bunden. Über Verwandtschaft und Herkunft ist nichts bekannt. 


Nur Präverbien sind vy und razü. 

cvy aus findet sich nur im Russischen, Cechischen, Polni- 
schen, Sorbischen, während in den übrigen slavischen Sprachen 
an seiner Stelle iz& steht. Über Herkunft und Verwandtschaft 
weiss ich nichts zu sagen. 


razü, dem Sinne nach etwa lat. dis, ist unbekannter Her- 
kunft. Es erscheint als Präp., wie Miklosich 4, 242 angiebt, 
nur ım Westen des nsl. Sprachgebietes, also in Oberkrain, 
worin wohl eine Neuerung zu erkennen ist. Über pre s. 
oben 8. 764. | 

Nur Präpositionen sind niz&, prozü, prezü, kü. 

Nizü, prozü, prezü sind mit dem Anhang z“ gebildet, über 
welchen Miklosich 4, 197 handelt. Nizü entspricht dem ari- 
schen ri, es wird mit dem Akk. verbunden und bezeichnet 
nach Miklosich 4, 424 eine abwärts gehende Bewegung. 


k& nimmt schon insofern eine eigenthümliche Stellung 
ein, als es die einzige echte Präposition des Slavischen ist, 
welche nur mit dem Dativ verbunden wird. Über die Bedeu- 
tung sagt Miklosich 4, 622: “Der Dativ mit Aü& bezeichnet den 
Gegenstand, auf welchen die Thätigkeit gerichtet ist, es mag 
nun ein blosses Hingekehrtsein nach einem Punkte oder eine 
Bewegung nach demselben ausgedrückt werden. Der Dativ 
mit kü steht dem präpositionslosen Dativ am nächsten.” Bei- 
spiele sind: aksl. subrase se Aü njemu ouvayovraı rpüs adrdv; by- 
vajetü privedenü kü njemu yiveran peransunöusvos npög auTöv; 
gotovitü se kü otüchoZdeniju er bereitet sich zur Abreise; alt- 


russisch (W. Miller in Kuhn und Schleicher’s Beiträgen 8, 104) 
Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm. Sprachen. ]. 49 


770 Kap. XV. V. Präpos. im Slavischen. [$ 305. 


Danıilu vozorativsusja k domovi als Daniel nach Hause zurück- 
kam; : rece Olegü k Borisovi und es sagte Oleg zu Boris; 
nadejasja kü gospodevi er hoffte auf den Herrn. Miller bemerkt 
mit Recht, dass in diesen Sätzen die Präposition gleich einer 
hervorhebenden Partikel gebraucht sei und macht in dieser 
Hinsicht besonders darauf aufmerksam, dass k& auch zu dem 
schon in den ältesten Denkmälern erstarrt auftretenden dosmooi 
gesetzt wird. Ich stimme ihm deshalb bei, wenn er k% für 
ıdentisch mit ai. Adam erklärt, über welches ich SF. 5, 150 
Folgendes ausgeführt habe: “Über Adam sagen Böhtlingk-Roth: 
“1) wohl, gut, bene, 2) dient zur Hervorhebung der Beziehung 
des Dativs und steht in der Regel am Ende eines Päda’. Die 
Bedeutung wohl u. s. w. lässt sich auch in dem unter 2) auf- 
geführten Gebrauch noch erkennen. Es steht nämlich kam 
nur hinter Dativen von Personen (dem sogenannten Dativus 
commodi) und hinter Dativen von Abstraktis (dem sogenannten 
finalen Dativ), also nur in Fällen, wo ein ‘zum Heil’ oder ein 
ähnlicher Begriff am Platze ist, z. B. yuvdm Etam cakrathuh 
sindhugu plavam älmanvantam pakfinam täugryaya kam ihr habt 
jenes belebte, beflügelte Schiff in das Wasser gesetzt für T., 


' , 


dem T. zum Heile RV. 1, 182, 5; tvam devasö amrtäya kam 
papuh dich haben die Götter der Unsterblichkeit zu Liebe ge- 
trunken 9, 106, 8; samändm ahjy ahjate Subha kam mit gleicher 
Farbe schmücken sie sich, um zu glänzen 7, 57, 3. Derselbe 
Gebrauch in der Prosa”. Im Slavischen ist der Sinn von 
“wohl, der ja auch im Ai. nur schwach durchscheint, vollends 
geschwunden und das Wörtchen hat, da es ganz in die Ana- 
logie der Präpositionen überging, auch die Stellung derselben 
angenommen. 

Unter die Kasus vertheilen sich die Präp. wie folgt: 

Mit dem ablatıvischen Genitiv verbinden sıch u S. 670, 
sü S. 732, bezü S. 753, otü S. 754, iz S. 768. Mit dem Loka- 
lis obü S. 689, po (podä) S. 699, pri, pro S. 765, na 8. 736, 
v& S. 759. Mit dem Instrumentalis sö proethnisch, dazu 
za. Wie nadü, podü, predä zu der Verbindung mit dem Instr. 
gekommen sind, wäre noch zu untersuchen. Mit dem echten 











$ 305—306.] Kap. XV. VI. Präpositionen in den Einzelsprachen. 771 


Dativ po S. 700 und A& S. 769. Mit dem echten Genitiv 
za S. 769 und do 8. 766, bei denen ich den Grund der Kasus- 
wahl nicht einsehe. Die scheinbare Verbindung von na mit 
Gen. beruht auf Ellipse (Miklosich 4, 546). Mit dem Akku- 
satıv obü S. 689, po S. 699, prozü, prezü, predü, pro S. 723, 
sü S. 733, na S. 735, v& 8. 759. 


VI 


$ 306. Einige in den Einzelsprachen entstandene 
Präpositionen. 

Ich gebe nur einige Proben aus dem Altindischen und 
Lateinischen. 

Aus dem Altindischen ist dgr@ S. 566 erwähnt worden. 
Daran schliesst sich aus der späteren Sprache sthäne an der 
Stelle, anstatt. Hier erwähne ich zuerst eine Reihe von Ad- 
verbien, welche in präpositionaler Verwendung merkwürdiger 
Weise nicht den Genitiv, sondern den Akkusativ bei sıch 
haben, z. B. pdrena hinaus über; dntarena innerhalb, zwischen; 
üttaröna nördlich, links von, dakfınena rechts, südlich von, 
ubhaydtas auf beiden Seiten, dgrena vor, z. B. dakfinena vedim 
rechts von der Vedi, dgrena Saläm vor der Hütte. Wie kom- 
men diese Wörter zum Akkusativ? Auf diese Frage habe ich 
SF. 5, 183 bemerkt: “Es scheint, dass nach artdr und antara 
zwischen sich zunächst dntarena und nach diesem die anderen 
gerichtet haben. Warum die ursprüngliche Genitivverbindung 
verlassen wurde, zeigt Gaedicke (Akkusativ im Veda) 209, in- 
dem er ausführt, dgrena kalayah würde geheissen haben ‘an 
der Vorderseite der Hütte, während man doch sagen wollte 
“in dem Raum vor der Hütte. Wörter, welche einem sonst 
durch Präp. gedeckten Bedürfnis genügen sollten, erhielten 
somit auf dem Wege der Anlehnung an bedeutungsverwandte 
Präpositionen auch die Konstruktion derselben.” Daran schliesst 
sich aus der späteren Sprache n:Aka$@ ın der Nähe von, z. B. 
yamunam des Flusses Y. Es bedeutet eigentlich ‘mit dem 

49* 


772 Kap. XV. VI. Präpositionen in den Einzelsprachen. & 306.) 


Probirstein’, d. h. einer Sache nahe und gründlich auf den 
Leib rückend. 

Aus der nicht-vedischen Sprache führe ich noch an: 

prabhrti von an mit Abl. Das Fem. prabhrti heisst im 
Veda: Darbringung, Wurf, Schlag, Anhub, Anfang; daher ein 
adjektivisches Kompositum mit prabhrti in der nachvedischen 
Sprache: beginnend mit, z. B. dvyahaprabhrti (Nom. -is) mit 
einer zweitägigen Feier beginnend, davon das Adverb in neu- 
traler Form, z. B. Zömaprabhrti von den Haaren an. Dieses 
prabhrti löst sich nun auch von dem Kompositum ab und tritt 
hinter einen Ablatıv, z. B. skandhät prabhrti von der Schulter 
an, sarpasya grahanat p. von dem Ergreifen der Schlange an. 
Die “Loslösung’ ist offenbar vermittelt worden durch die For- 
men auf ias, welche als erste Glieder eines Kompositums vor- 
kommen, z. B. t/auti von hier aus weiter fördernd, tiahpradana 
Darbringung von hier aus, welche aber gewöhnlich selbständige 
Wörter sind. So war also z. B. tatahprabhrti eigentlich ein 
Kompositum, wurde dann aber in zwei Wörter zerlegt. 

yävat, Neutrum des Pronomens yavant heisst eigentlich: 
wie weit, wie sehr, wie viel, in welcher Menge. Daher be- 
deutes yavad varfam eigentlich ‘so lange als ein Jahr dauert, 
d. h. während eines Jahres. Der Charakter als Präp. erscheint 
deutlich, so bald yarat zu einem Nomen tritt, dessen Akku- 
sativ anders lautet als der Nominativ, z. B. sakaläam räatrım 
yävat während der ganzen Nacht. Sodann bedeutet es ‘bis’, 
zunächst in Fällen wie svagrkam yavat so weit das eigene 
Haus geht, d. h. vom Standpunkt des Ankommenden aus ‘bis 
zum Hause’, dann nadım yavat bis zum Flusse u. ähnl. End- 
lich kann es auch mit dem Abl. verbunden werden, ın Nach- 
ahmung des sinngleichen &@, z. B. yäratsüryodayat bis zum 
Sonnenaufgang (dieser Beleg bei Speijer S. 123, die übrigen 
beı Böhtlingk-Roth). 

Wie eine Präposition fungiert auch das Absolutivum zra- 
bhya, eigentlich “angefangen habend’, dann ‘von an’. 

Aus dem Lateinischen erwähne ich versus, tenus, 
penes. 











$ 306.) Kap. XV. VI. Präpositionen in den Einzelsprachen. 773 


Es ist längst erkannt, dass versus Nom. sing. mask. des 
Partizipiums von verto war und sich von da aus zum Adverbium 
und zur Präposition entwickelt hat. Dem ursprünglichen Ge- 
brauch entspricht es, wenn Caesar sagt: Pompejus ad Cordubam 
versus iter facere coepit, dagegen ist versus erstarrt in einem 
Satze wie: duae caveae quae speclant ad ezxorienlem versus 
(Varro). Dieses versus (vorsus) findet sich von alters her als 
letztes Glied vieler Zusammensetzungen, welche man bei Neue 
22, 634 ff. überblickt, z. B. ın ursprünglicher Konstruktion: 
non prorsus sed transvorsus cedit quasi cancer solet (Plautus), 
dagegen erstarrt: mortales multi rursus ac prorsus meant (Varro). 
Die Erstarrung ist eingetreten, weil die adverbiale Ausdrucks- 
weise gegenüber der adjektivischen zunahm, und versus also 
mit Adverbien innerlich assoziiert wurde, wozu noch die Ver- 
führung durch das danebenstehende versum (vorsum) kommt, 
welches von ältester Zeit her adverbiell verwendet wurde. 
Wenn in der klassischen Zeit die Form auf us häufiger wird, 
als die auf um (z. B. bei adversus), so hat das offenbar den 
ästhetischen Grund, dass man das Zusammentreffen einer Präp. 
auf um und eines Akkusativs auf m, insbesondere auf um ver- 
meiden wollte. 

tenus ist ein neutrales Subst. “der Strick, die Strecke, 
vorliegend bei Plautus Bacch. 793: pendebit hodie pulcre, ita 
intendi tenus. Es ist identisch mit dem einmal im RV. vor- 
liegenden ai. tdnas Nachkommenschaft, eig. ‘Ausdehnung’. Wie 
es zur präpositionalen Verwendung gekommen ist, ist von 
Wölfflin, Arch. 1, 415 auseinandergesetzt. Tauno tenus regnare 
heisst eigentlich: über die Strecke hin, vom Taunus an gerech- 
net, regieren. Die Verbindung mit dem Gen. dürfte durch 
pexpı, die mit dem Akk. durch usque ad beeinflusst sein. Zu- 
erst erscheint die präpositionale Anwendung in Cicero’s Aratea. 

Ein ursprünglicher Lokalis ist penes. Dieses Wort, dessen 
Zusammenhang mit penus, penates, penitus, penetrare auf der 
Hand liegt, fasst Wölfflin, Arch. 4, 88ff. (vgl. auch 389 ff.) als 
Lok. von penus auf. Das ist gewiss richtig, nur hat man wohl 
nicht anzunehmen, dass im Lateinischen der Vokal von *penest 


774 Kap. XV. VI. Präpositionen in den Einzelsprachen. [$ 306. 
abgefallen sei, sondern dass penes ein alter ohne Suffix ge- 
bildeter Lok. sei, wie ale; (Brugmann 2,393). Penes bedeutet also, 
da penus gewiss eher die Speisekammer als den Mundvorrath 
bezeichnet hat “im Hausinnern’, daher denn (wie Wölfflin sich 
ausdrückt) penes aligquem dasjenige ist, was im Innern des 
Hauses verschlossen oder im Bausch des Gewandes verborgen 
ist, oder was in der Hand gehalten wird. Verbunden wird es 
überwiegend mit esse und habere, z. B. istaec Jam penes vos 
psaltriast (Terenz), quom ejus rem penes me habeam domi 
(Plautus). Das Wort sollte also den Gen. bei sich haben und 
hat ıhn sicher ursprünglich gehabt. Warum ist dieser Kasus 
nicht beibehalten worden? Der Natur der Sache nach war 
penes besonders häufig mit dem Gen. des Pronomens erster und 
zweiter Person verbunden. Als dieser nun im Lateinischen in 
Wegfall kam, konnte er bei penes nicht wie in anderen Fällen 
(z. B. pater meus) durch das Adj. ersetzt werden, weil penes 
wegen seiner Form nıcht mehr recht als Substantivkasus em- 
pfunden wurde. Deshalb wird in diesen Verbindungen zuerst 
nach Analogie von apud der Akk. eingetreten sein, der dann 
alleinherrschend wurde. penus neben penes ıst schwerlich alt, 
und wohl (wie Wölfflin meint) nicht ohne Einwirkung von 
tenus entstanden. 

Viele merkwürdige Bildungen enthalten die baltisch-slavi- 
schen Sprachen, vgl. Schleicher, Gr. 278ff,, Kurschat 388 ff., 
Bielenstein, lett. Spr. 2, 288 ff., Gramm. 291ff., Miklosich 4, 253 ff. 
Erwähnt sei hier nur, dass auch im Slavischen Bildungen wie 
unser Äraft, laut u. ähnl. vorkommen, z. B. serb. mjesto statt 
(wo das russische omesto noch die Präposition zeigt), Aray an 
den Rand, neben u. ähnl. 





Index”. 


I. Verba und Adjektiva. 


Altindisch. 


aj 201. 
dram 295. 

ardh 283. 

arvänc, arväcind 215. 
a$ essen 314. 


as sein 287. 331. 370. 


393. 


as werfen 258. 293. 324. 


asüy 283. 
ah 280. 282. 


übhaga 229. 

: 201. 289. 363. 
18 227. 

ı 229. 

td 384. 

i8 314. 

ißvard 353. 

uc 252, 

urusy 209. 
urdhvd 215. 
kan 252. 315. 
kar 248. 379. 382. 


kar (kırdti) mit prd 228. 


kalp 283. 
küßala 230. 


kram 2%. 363, 
kri 211. 249. 








krid 246. 

krudh 283. 

gam 227. 363. 

gardh 228. 

garh 282. 

glä 283. 

grabh 211. 316. 323, 
mit präti 227. 

cäru 229. 295. 

chad 394. 

chid 209. 

jan 207. 382. 

ji 202. 381. 

jiv 252. 330. 

Jya 383. 

tak$ 208. 

tarp 252. 315. 

tus 252. 

tra 209. 

dafasy 232. 

da 281. 316, mit päri 
327. 

da$ 282. 

div 327. 370. 

duh 383. 

druh 283. 

dha 228. 379, mit antdr 
212. 

dhä (dhayatı) 383. 


dhü 383. 

nand 252. 

nam 293. 

ndvedas 353. 

ni 201. 290. 363. 

pan 327. 

pat 363. 

pätye 248. 

pan 315. 

par füllen 250. 353. 

pa schützen 209. 

pä trinken 211. 250. 314. 

pürnd 353. 

prach 2217. 384. 

priyd 229. 352. 

pri 315. 

brü 282. 

bhaks 314. 

bhaj mit a 229. 

bhar 290. 

bhi 212. 

bhuj 252. 253. 

bhü 370. 393, mit sdm 
381. 

mad 252. 315. 

man 310. 380. 394, 

mard 284. 

mah 252. 

mimaqs 229. 


1) Dieser Index umfasst nur die mit Kasus verbundenen Verba und 
Adjektiva sowie die Adverbia. Ein vollständiger Index soll nach Schluss 
des ganzen Werkes folgen. 





776 Index. Altindisch: mue — Griechisch: dyelßopar. 

muc 209. har mit prd 293, mit | man 310. 380. 394. 

mud 252. vydva 327. mip 205. 

mus 383. hars 252. mru 282. 380, mit ei 

mrad 282. hä 212, mit ni 293. 248. 

yat 228. 246. häs 246. ya 384. 

ya 363. 384, hi 290. yaokda 209. 

yüc 384. hu 228. vac 282. 380. 391. 

yu 209. vat mit aps 310. 

yuj 246. I vad mit upa 290. 
dh 246. van 383. 

Vak 909. Avestisch (altpersisch.. vahikta 295. 

ruh mit a 228. ares 289, västray 315. 

rej 212. ah 288. 331. 393. vid mit ns 193. 

vac 282. 382. 394, altp. ah 331. vidus 310. 

vat mit dps 310. ! 201, mit para 289. vaen 394. 

vad 394. ss 314. vortda 293. 


vap mit d 228. 

var vorziehen 213. 

vart mit vya 248. 

vah 290. 

void 310. 381. 

vidh 282. 

vyadh 355. 

vraj 363, mit abAiprä 
289. 

$qs mit d 228. 

Jak 282. 

$äs mit anu 385. 

fivd 295. 

$raddhä 285. 

$ru 286. 310. 381. 394. 

fvas mit vi 255. 

sac 246. 

sajosas 269. 

sad 363. 

san 211. 

samd 269. 

sar 363. 

sarj 293. 

sarp 363. 

sic 211. 228. 

sidh 282. 

spardh 229. 246. 

svad 283. 

han mit ni, prd, prdti 
324. 

har zürnen 283. 


altp. :5 363. 

urvada 295. 

kar 3719. 

zwar mit fra 314. 

xsi 314. 

zenu 315. 

garexr 282, 

gareo 211. 316. 

Jad 384. 

Jjas 289. 363, mit x 289. 

ji 383. 

Jim 289. 

Ju (jıw) 256. 

zan 380. 

za 228, 

Dwazxs 363. 

dar 209. 

da 193. 281. 316. 

da (ai. dha) 228. 379. 

altp. di 283. 

dis 193. 

du 282. 

nas 209. 

peres 384. 

perena 353. 

frya 295. 

bars 315. 

bar 211. 290, mit apa 
209, mit vi 248. 


ı bud mit fra 212. 
: bi 372. 394. 


sänh mit fra 384. 
stä 364. 

sts mit uz 201. 
sru 310. 381. 
hac 246. 

had 364. 

hazaosa 269. 


en 


Griechisch. 


dyalkopar 254. 
dym 324, 364. 
ddatov 354. 
dndesco 311. 
alvunar 316. 
alptn 321, 8. &. 
alten 384. 
dio 311. 
dadynpar 214. 255. 
dundto 313. 
dxunvoc 354. 
dxöprtoc 354. 
dxodn 311. 
dxthumv 354. 
dAadm 205. 
dAeyiio 313. 
dAtym 313. 
dAttm 210. 283. 
duetßopar, dpeldm 382. 
328, 





Index. 


Auelton 314. 

änpopos 354. 

dpöyo 210. 

dvanveöo 212. 

dydoom 287. 314. 

ayödvm 283. 

dveyo 291. 

dvıdlo 255. 

dnlornuı 324. 

dveıdo 321. 325. 

dvyrıBoltn 321. 

dvrlos 296. 

Eros 354. 

dein 328. 

draupdm 282. 383. 

drolobm 383, 

arootliBm 329. 

ärtopar 321. 

dohyo 283. 

aprdim 283. 

dpyebm 287. 

&pyopar 207. dpyw 207. 
287. 

doyaldın 214. 

ätdAavros 269. 

dreihs 354. 

drepnßopar 205. 

dros 354. 

Ayvupar 214. 

dyarpkopar 283. 383. 

ayveıöc 353. 

dpbscn 212. 

dyebov, dytuv 214. 

&ydopar 255. 

du 252. 322. 

Balvo 364. 

Bali 228. 258.382.385. 

Bacıledw 287. 314. 

Bıdm 383. 

Bidrto 203. 

Bpid 252. 322. 

Ppoöw 252. 

Böscw 322. 

yalo 254. 

yanto 316. 

yedopar 315. 

jtyyopar 207. 208 Anm. 


Griechisch: dueitom — xoreu, 


yovvalopar 324. 
yumydo 209. 

det 205. 

debop.ar 205. 
ötyonar 211. 227. 328. 
dm 203. 324. 
örddoxm 311. 385. 
öldmpr 281. 

ölepar 203. 

dıxdlm 328, 

ötchrm 203. 328. 381. 
Boxen 283. 
öpdsconar 321. 
öbym 364, 

öüm 314. 364. 
eyyrös 296. 

elxeAos 296. 

eixu 203. 293. 
eljl 207. 288. 331. 
el 203. 364. 
elpopar 384. 
eipurdn 384. 
exrdüm 383. 

ei, ellov 323. 385. 
&labvm 382. 
Eidopar 324. 

eId, TAdov 291, 
Ex 324. 

Euopos 354. 
eurndlopar 313. 
eurohdo 330. 
eyavrioc 296. 
Zvaplln 383. 
Eyvunı 383. 
eEatvupaı 383. 
Fer, einov 282. 382. 
erarıvem 284. 
eratocm 324, 
erauploxm 321. 
erelyopor 324. 
enhBodos 354. 
ertxkonos 353. 
eriindos 354. 
errımalopnar 324. 
erın£pponar 214. 
enloxonos 353. 
ertotapar 311. 


777 


ertoteghs 354. 

eriotegonar 322, 

erlorpopos 353. 

Epanar 324. 

epariim 324. 

&pyu 203. 

Epöm 382. 

Epelöonar 228. 321. 

eplkm 247. 

Epöxm 203. 

epum 203. 324. 

Epyop.ar 364. 

epmem 203. 

Erapiim 247. 

eüvıg 353. 

eydpöc 296. 

En, Eyopar 203. 321. 
323. 385. 

Lauıdon 328. 

Can 254. 

hyenovedo 287. 

Aytopar 287. 314. 380. 

Trıos 290. 

hsodopar 212. 

depıotedo 287. 314. 

deponar 330. 

Initm 329. 

lepar 324. 

Hüw 325. 

Indyo 364. 385. 

Inveopar 364. 

Tu 364. 

lcos 296. 

loyaydoo 324. 

xaltn 380. 381. 

zarlrru 385. 

xaradırdkn 329, 

xaptepöc 354. 

4eriebm 385. 

xevög 353. 

do, ahöonar 205. 313. 

ıurinorm 380. 

Anton 316. 

lvo 228. 

xI0o 310. 

“opevvupt 252. 322. 

“orten 214. 284. 


778 Index. Griechisch: zoart» — Lateinisch: appropinguo. 


xpattn 212. 314. 
xplvo 209. 328. 
xpönten 384. 
xurdo 247. 
wuyto 385. 
kayydyn 321. 


Aauddvm 321. 323. 385, 


Aavddvo 311. 
Asios 359. 
kelropar 212. 
Ahyo 203. 
Aıalopar 324. 


Alssouar 324. 384. 


Aravsoo >24. 
Aodopar 330. 
Abo 209. 328, 


pdpvapaı 247. 


pdyopar 247. 
peyalpo 214. 


ptdonan 313. 330, 
pelpopar 321. 
pin 314. 

ptpnaa 324. 
petarpkropar 313. 
uhdopar 382. 
prvio 214. 
plyvupı 247. 
pipvhoxo 311. 


pyhumv 354. 
vepeschn 284. 


veopar 364. 
vnio 322. 
viCopar 383. 


vixdo, vıraopar 212.368. 


381. 
viren 330. 385. 
viper 257. 
von 380. 
vospllopar 203. 
Euvinpı 311. 
6döpopar 214. 
öLm 329. 
ödopar 313. 
olöa 311. 381. 
otvilonar 250. 
Storeum 325. 
&\opuponar 214. 


VE 


Sul 247. 
Spvugt 369. 
&uoros 269. 296. 
öpöpyvuopı 203. 
öylvnpu 315. 
&yopar 214. 
ornöte 247. 
örtaw 316. 


6pkyvupı 325. 


öppdopa 324. 
öpvupı 208 Anm. 


obrdm 385. 
öbelm 325. 
rdocn 318. 
rattopar 315. 


‚ ’ 
Tavo, Tavonar 203. 


rerpdo 247. 316. 
repntko 316. 
reld,m 292, 
repıdldona 327. 
repiAänoo 383. 
rerdvvup: 291. 
rhyvupı 228. 
riivapar 292. 
rtierinpi 251. 322. 
rivo 315. 

rinto 228. 291. 
rAeios 353. 
rinatikopar 247. 
rihese 385. 

ren 330. 

rodm 209 379. 
roleullm 247. 


rpdrto, rpdrrond: 384. 


erprdunv 227. 250. 
rpoudnto 291. 
rehtde 330. 
ruvdcvonar 311. 
rolto 328. 

beim 382. 

sevonar 324. 
onpalvo 287. 314. 
oruLonaı 284. 
orelvn 322. 
otepem 205. 

aurldo 383. 


eu 369. 


tepropan 254. 315. 
teraydv 324, 
tesyw 209. 

<lönpı 228. 379. 
za 328. 

tivoo, tivopar 214. 382. 
rboropar 325. 
Tuyyavo 321. 
brelxu 293. 
bokixu 324. 
Epayov 315. 
palvopar 283. 
(pa) plpm 293. 
gedyn 203. 328. 385. 
odoven 214. 

auto 381. 

Dos 296. 

obpm 322. 
yalonar 202. 
yalpın 254. 
yalsrdc 296. 
yatto 205. 
xapllopar 316. 
(baxpu) ytov 214. 
yhen 353. 

Anpsom 205. 
XoAdopar 214. 284. 


pauspko 283. 


ypabopar 321. 
Yhopar 214. 284. 


Yoptun 202. 293. 
das 321. 

hdtu 203. 
dvkopan 227. 





Lateinisch. 


absum 282. 
abundo 252. 
adjuto 282. 
adsuesco 281. 
advenio 228. 
advolo 364. 
alienus 215. 
amans 352. 
appello 380. 


appropinquo 292. 











Index. 


—- [ — 


arceo 202. 
argquo 385. 
audaz 354. 
ausculto 286. 
benignus 354. 
bibo 250. 
capıo 211. 
careo 205. 
cassus 215. 
cedo 202. 293. 
celo 384. 
cogo 383. 
colloco 228. 
commeminı 311. 
concedo 293. 
confido 255. 
consulo 232. 
eredo 285. 
cupidus 325. 
cupio 284. 325. 
delecto 253. 
devenio 364. 
dignus 270. 
dives 354. 
doceo 385. 
editus 207. 
egenus 354. 
egeo 205. 
emo 250. 

eo 29%. 
exzcuso 293. 
ergo 384. 
existimo 329. 


Jacio 248. 329. 379. 


fastidio 325. 
Javeo 284. 
Jerox 354. 
Jido 255. 285. 
Sretus 255. 
Fungor 253. 
gerens 352. 
ignosco 284. 
impero 286. 
impleo 251. 
ınanis 215. 354. 
indigeo 205. 
indigus 354. 





indulgeo 284, 
interest 530. 
invideo 2833. 
JjJubeo 384. 
Judico 381. 
labor 202. 
levo 209. 
liber 215. 
libero 209. 
libet 283, 
licet 283. 
loco 228. 
locuples 354. 
medeor 282. 
memini 311. 
minor 283. 
misceo 247. 
mitto 290. 
moderor 236. 
moneo 335. 
moveo 202. 
natus 201. 
noceo 282. 


nomino 380. 382. 


nudus 215. 
obliviscor 311. 
onustus 354. 
opulentus 354. 


opus est 253 Anm. 


orbo 205. 
orbus 215. 
oriundus 207. 
oro 384. 
ortus 207. 
parco 282. 
pauper 354. 
pello 202. 
pendo 329. 
placeo 283. 


plenus 269. 354. 


pluit 257. 
posco 384. 
postulo 334. 


potior 248. 314. 


privo 205. 
procreatus 207. 
procumbo 228. 


Lateinisch: arceo — Germanisch: ähten. 779 





 prohibeo 202. 
prospicıo 282. 
: prosum 2832. 
recordor 311. 
reddo 379. 
refert 330. 
rogo 384. 
satur 354. 
satus 207. 
sciens 352. 
sequor 241. 
servio 282, 
sımilis 269. 
solvo 209. 
spolio 208. 
sterilis 354. 
sto 250. 
studeo 325. 
studiosus 325. 
sudo 258. 
sum 331. 372. 
sumo 211. 
tendo 290. 
utor 253. 254. 
vaco 215. 
vacuus 354. 
rendo 250. 
vereor 325. 
vescor 259. 
victito 254. 
videor 283. 
vivo 254. 
voco 380. 


m 11111 I 


Germanisch 
(gotisch unbezeichnet). 


nhd. absagen 282. 
afskıuban 260. 
afstandan 203. 
mhd. nhd. alt 359. 
andbahtjan 283. 
andhausjan 286. 
andvasjan 205. 
attekan 292. 

ahd. ähten 325. 


Index. 


Germanisch: äläten — letla. 





alts. alatan 210. 
ags. älysan 210. 
ags. ästigan 292. 
basrgan 286. 

mhd. bait 355. 
balıyan 284. 

altn. bana 262. 
mhd. dar 355. 
ags. beceorfan 206. 
ags. bedelan 206. 
beidan 325. 

altn. beita 261. 
ags. beleösan 206. 
ags. beneötan 206. 
ags. beniman 206. 
ags. beredan 206. 
ags. beredfian 206. 
ags. dbescyran 206. 
alts. bidelian 206. 
bidjan 384. 

ahd. diginnan 207. 
bileidan 262. 

ahd. dilinnan 204. 
alte. dilösian 206. 
alts. bineotan 206. 
alts. biniman 293. 
ahd. distözan 204. 
ahd. biteilan 206. 
blandan 247. 

altn. bläsa 257. 
altn. bregda 259. 
ags. dbregdan 259. 
nhd. dreist 355. 
altn. dreyta 261. 
brukjan 315. 
buqjan 250. 

ags. bügan 365. 
ahd. darbön 206. 
ahd. denchan 312. 
altn. eggja 325. 


mhd. erwachen 212. 


ags. etan 315. 
altn. fara 364. 
altn. fa 317. 

altn. /nesa 257. 
ahd. folgön 283. 
ags. forleösan 206. 


_ a ln nn nn, - ee nn u m rer 


ags. fornıman 293. 
ags. fon 292. 
frabugjan 261. 
Jrakunnan 284. 293. 
fraliusan 262. 
Jramaldrs 355. 
fragiman 262. 
Fragistjan 262. 
fragisinan 331. 
fraßjan 286. 294. 
Fravisan 262. 

reis 355. 

ahd. sıh frewan 315. 
Julljan, fullnan 322. 


fulls 354. 


agn. fyllan 252. 
gahrainjan 210. 


gahorinon 247. 
gasrnjan 325. 
galeikon 283. 
galeiks 269. 
gamunan 311. 
altn. ganga 325. 
gasakan 284. 
gasoßjan 322. 
gaplaihan 285. 
gaumjan 286. 
gavadjon 241. 
gavaldan 287. 
mhd. nhd. geben 282. 
316. 


age. gedigan 262. 


er 


ags. gefeallan 365. 
ags. gefeöhan 254. 
ags. gensman 316. 
ags. geötan 258. 
ahd. gerön 325. 
ags. gestigan 365. 
alte. geswikan 204, 
altn. geta 317. 
mhd. gewaltec 355. 
gıban 316. 

ahd. giboraner 208. 
alte. gidragan 316. 
alts. gıkopon 250. 
ahd. gsiang 296. 
ags. gilpan 255. 


ahd. gimangolon 206. 
ahd. gitan 209. 
altn. görva 379. 
mhd. grä 355. 
mhd. gröz 354. 
mhd. haben 316. 
altn. hafa 2%. 
altn. hAafna 261. 
hasljan 210. 
hastan 394. 

altn. halda 261. 
hatızon 284. 
hausjan 286. 294. 311. 
altn. heıla 261. 
mhd. heizen 380. 
ahd. helan 384. 
hilpan 283. 330. 
hleıbjan 283. 
altn. hniga 293. 
altn. koggva 382. 
hugjan 311. 

nhd. hüten 314. 
altn. hvelfa 260. 
idveitjan 254. 293. 
im 331. 

ahd. inberan 206. 
ahd. inbintan 210. 
insandjan 325. 
ahd. ırläran 210. 
ahd. ırläzan 210. 
ahd. srlösan 210. 
stan 315. 

altn. Aasta 259. 
altn. Aıppa 260. 
altn. Anyta 261. 
mhd. kranc 355. 
kukjan 285. 293. 
altn. kveda 380. 
ags. evedan 261. 
lasan 284. 293. 
mhd. nhd. Zang 355. 356. 
lausjan 210. 

alt. Zäta 262. 
mhd. leben 330. 
altn. legqaja 260. 
nhd. ehren 385. 
altn. deita 325. 








Index. Germanisch: lekinon — Litauisch: priptti. 781 





lekinon 210. 

alts. lettian 204. 
Iiban 330. 

ags. linnan 204. 
Hiufs 296. 

Tiugan 247. 

altn. lüka 261. 
lukan 261. 

altn. Zypta 260. 
ahd. machön 379. 
matjan 315. 
mhd. naz 355. 
nhd. nehmen 282. 


got. ags. niman 293. 


316. 
ahd. niotön 315. 
nhd. pflegen 314. 
ahd. queman 292. 
gistjan 262. 
gidan 261. 
ags. radan 249. 
ahd. rämen 325. 
reikinon 249. 287. 
ahd. reinan 210. 
rignjan 257. 
mhd. rich 354. 
mhd. röt 355. 
nhd. sagen 282. 
saian 259. 
sama 269. 
hd. sat 355. 
altn. s& 259. 
ags. sävan 259. 
ahd. sehan 312. 
mhd. sieche 355. 
alts. sikorön 210. 
sildaleikjan 214. 
siponjan 283. 
skaidan 262. 
skalkinon 283. 
skaman sik 214. 255. 
altn. skjöta 261. 
skula 296. 355. 
altı. slyngja 280. 
altn. snüa 261. 
altn. spilla 262. 
ahd. spilon 329. 





ags. spivan 258. 
alt. steypa 260. 
altn. stiga 364. 
age. svatan 258. 
altn. svipta 260. 
altn. taka 292. 
taujan 379. 

tekan 292. 294. 
mhd. tiefe 356. 
alte. tömsan 210. 
ahd. trinkan 315. 
altn. tina 262. 
Pagkjan 311. 
Darfe 355. 
baurban 206. 
Diudinon 249. 287. 
Diupjan 285. 293. 
ags. Bolian 206. 
alte, tholon 206. 
ufbrikan 284. 
ufhaugjan 286. 
ufstraujan 239. 
usagljan 284. 293. 
usdreiban 260. 
uskiusan 260. 
usleiban 325. 
usgiman 262. 
usgistjan 262. 
uspriutan 234. 
usvandjan 203-4. 
vairpan 289. 
vairpan 288. 394. 
vairps 353. 
valdan 314. 

ahd. waltan 314. 
vaurkjan 379. 
ags. vealdan 249. 
altn. veifa 260. 
altn. velta 260. 
alte. wenkean 204. 
ags. veorpan 259. 
nhd. vergessen 312. 
altn. verpa 259. 261. 
vitan 286. 

mhd. wichen 204. 
hd. vient 296. 
mhd. vrö 355. 





altn. yppa 260. 
ahd. zilön 325. 


Litauisch. 


ateiti 326. 
atimti 281. 
atsiminti 312. 
atsisakjti 204. 
atsiskirti 204. 
baidyjtis 213. 
bijötis 213. 
böstis 214. 
büti 264. 266. 319. 332 
(vergl. 288). 
dairjtis 312. 
dejüti 214. 
drebeti 213. 
düti 317. 
diaügtis 252. 257. 
eiti 326. 
geisti 326. 
gelbeti 283. 
girdsti 312. 
Jaüsti 312. 
Jeszköti 326. 
kläusti 325. 
klausjti 312. 
Ijgus 295. 
liukti 326. 
matyti 312. 
mölas 295. 
mifszti 312. 
mirti 256. 
net&kti 206. 
nusitikätis 255. 
padeti 252. 
paliiti 393. 
paragäuti 315. 
parnöszti 317. 
pasäti 265. 
Pastöti 264. 
pavirsti 264. 
Pilnas 326. 
pirkti 249. 317. 
pripilti 322. 


782 








privalyti 206. 
regeti 312. 
sakyti 282. 
saugöts 210. 
sektis 283. 
sdemti 317. 
seti 317. 
sitisti 326. 
stots 266. 
sudaböts 317. 
szlüzyts 265. 283. 
tureti 317. 
tüszczas 356. 
vadintsi 263. 
vdlgyti 315. 
vazıılti 326. 
veizddti 312. 
röryti 255. 
verkti 214. 


Slavisch 
‚altkirchenslavisch un- 
bezeichnet). 


serb. bite 265. 318. 
serb. bjegats 291. 
bojati se 213. 

serb. bojatt se 213. 
russ. bojatisja 213. 
serb. drinuts se 255. 
serb. drukati se 256. 
byvatı 267. 

byti 265 (vgl. 208. 288). 
russ. dyti 219. 
bezati 204. 

russ. beiati 204. 
serb. vidjeti 313. 
videti 312. 

serb. vijate 258. 
viseti 229. 

serb. vjersts se 247. 
serb. vladatı 249. 
elasti 249. 287. 
serb. voditi 291. 
serb. voljeti 285. 





aksl. serb. vonjati 256. 
russ. conjati 256. 
serb. vredan 356. 
oresti 258. 
serb. urstan 356. 
vüzavideti 283. 
vüzeti 281. 
vükusıti 316. 
vünımatı 286. 
russ. vspomnits 313. 
eypits 316. 
russ. vyrosts 264. 
venits 249. 
rerovati 285. 
vezeti 229. 
glagelati 282. 
serb. gladan 356. 
serb. glasıti 263. 
serb. gledati 313. 
gonezngti 210. 
serb. gradits 264. 
serb. grijesiti 283. 
serb. dati 317. 380. 
russ. dati 317. 318. 
deizati 258. 
divits se 285. 
serb. didits se 255. 
dliEinu 270. 
aksl. serb. dovesti 291. 
326. 
dovolinü 252. 270. 
doiti 326. 
russ. dordti 327. 
serb. dopasti 327, 
dostojinü 295. 356. 
serb. dostojan 356. 
serb. dods 291. 327. 
serb. driati 381. 
dychati 257. 
serb. Zalıtı 283. 
serb. Zedan 356. 
Zelati 326. 
russ. Zelati 326. 
serb. Zeljeti 326. 
serb. Zirljets 253. 
kidati (fidati) 326. 
serb. zabavljati se 248. 


Index. Litauisch: pricalyti — Slavisch: nagrejati se. 





serb. sarıdıti 283. 
russ. zavıdovrati 2%. 
serb. zaZmurits 258. 
. zamotati 258. 
serb. zapasti 327. 

. zastıdıti se 255. 
serb. zuati 263. 
russ. zvalti 263. 
serb. zodatı 316. 
zireti 313. 


| aksl, serb. egrati 247. 


serb. igrati se 329. 

serb. «zbavits 211. 

iemensti 264. 

serb. iznijets 317. 

serb. ıma 318. 

serb. smati 317. 

aksl.serb. smenovati 263. 
350. 

aksl. serb. iskati 326. 

russ. ıskatı 326. 

isplünsti 251. 

ste 290. 

serb. ses 290. 

serb. kazatı 263. 380. 

kleti se 256. 

serb. Aleti se 256. 

serb. klonits se 204. 

russ. kljastisja 256. 

kosngti (kasatı) se 229. 
292. 

serb. krıv 295. 

kryti 212. 

serb. kup:ts 311. 

russ. kupsti 317. 

serb. ZaZitı 283. 

Inssti 206. 

kügati 283. 

serb. mariti 285. 

serb. mahnuti 258. 

serb. melati 329. 

serb. meinuti 379. 

serb. misisti se 256. 

mindti 381. 

navyknagti 287. 

serb. nagledati se 322. 

serb. nagrejati se 322. 











Index. Slavisch: nagü — chotsti. 


nagü 356. 
serb. nadatı se 285. 


serb. nadımiti se 323. 
nade&jati 285. 

serb. nazvatı 267. 
serb. napiti se 322. 
naplüniti 322. 

serb. napojıts 322. 
serb. napunsti 322. 
naresti 267. 

naricati 380. 

serb. nastanuti 264. 
nasypati 251. 
nasytitt 322. 

naucıti 287. 

serb. nahranıti 322. 
serb. naciniti se 267. 
nestt 291. 

serb. obladati 249. 


serb. odmetnuti se 204. 


odoleti 287. 

serb, odoljets 287. 
serb. odreci se 204. 
ofeniti se 246. 
okanıti 204. 

serb. opominjati 313. 
serb. oprastati 283. 


aksl. serb. oprostiti 211. 


284. 
serb. osloboditi 210. 


serb. ostati 267, se 204. 


serb. paziti 313. 
gerb. pasti 327. 
pekti se 255. 


aksl. serb. piti 250. 315. 


316. 
serb. pitati 326. 384. 
plakati se 214. 
serb. platiti 250. 
serb. plasiti se 213. 
povininü 270. 295. 
podobinü 295. 
russ. podobnyj 295. 
serb. poznati 381. 
pozybatı 258. 
serb. pokazati se 380. 
russ. pokatiti 318. 


pokloniti se 293. 


serb. poklonjati se 293. 


russ. poklonttisja 293. 
polokiti 228. 


aksl. serb. pomoziti 283, 


russ. pomoci 283. 
pominsti 313. 
poslusati 312. 


aksl. serb. postaviti 264. 


379. 
serb. postati 267. 
serb. postidits se 213. 
postyditi se 213. 
postgpiti 204. 
posülati 317. 
russ. posejati 318. 
potajits 212. 
serb. prepasti se 213. 
russ. prinesti 318. 
russ. pritvoritisja 264. 
prichoditi 290. 


serb. promeinuti 264. 


267. 
prositi 326. 
prostits 210. 
prostü 356. 
serb. procdi se 204. 
pretvoriti 264. 
serb. pur 356. 
pustü 356. 
serb. ragatt se 256. 
radovati se 257. 284. 
serb. radovatı se 284. 
russ. radovatisja 284. 
razigeiti 204. 
razumiıti 286. 
serb. razumjeti 286. 
rasputiti se 248. 
serb. rastavıti 248. 
retits 247. 
resti 282. 
serb. rugati se 283. 
russ. rugati 263. 284. 
rygati 257. 
ragati se 256. 284. 
serb. satvorsti 264. 
serb. sahranits 211. 


183 


svobodsti 210. 

russ. sdelati 264. 
sirü 356. 

serb. sit 356. 
sluiti 283. 

russ. slu:its 283. 
siysatı 312. 

serb. smerdits 256. 
smijati se 256. 284. 
serb. smijati se 256. 
smrüdeti 256. 

russ. smejatisja 256. 284. 
serb. sramiti se 213. 255. 
serb. stavıts 379. 
serb. starati se 255. 
serb. stvoritt 267. 
russ. stydılisja 213. 
serb. suditi 249. 263. 
sumotriti 313. 
sümeßati se 247. 
süpatı 257. 

sütvorsti 379. 

sejats 317. 

russ. sejatt 318. 
serb. tedı 319. 

testi 257. 

serb. trajatı 319. 
serb. irgovats 261. 
trudıti se 257. 

trebe 207. 

tüstt 356. 

tücinü 295. 

ugodits 283. 

serb. uzuijats 258. 
serb. uzeti 281. 317. 
serb. upitati 384. 
serb. upravsti 249. 
upüvali 255. 
uslysati 312. 
ustgjati 287. 

serb. ueiniti 264. 
aksl. serb. ucıti 385. 
russ. ucıti 287. 
russ. charkatı 258. 
serb. Ahvalıti se 255. 
choteti 285. 326. 
russ. choleti 326. 


184 


chranıti 210. 
serb. ciniti (se) 267. 380. 


Altindisch. 


aksnayd 555. 
ägre 566. 

ögrena 514. 
angırasvdt 613. 
ünjasa 544. 554. 574. 
adatraya 555. 
adyd 549. 552. 
adresas 614. 
adharäd 542. 558. 
adhästäd 555. 
adhidevatdm 614. 
anukamdm 614. 
anusthü, -uyd 585. 
antarena 580. 
antıkid 558. 
anyedyus 551. 
aparäya 589. 
aparibhyas 546. 590. 
aparedyus 566. 
apasydya 575. 
apäkad 542. 558. 
abhitaram 624. 
abhisvare 566. 
amd 553. 580. 
amäd 542. 558. 
amuya 585. 

aya 584. 

arättäd 558. 
arthaya 589. 
arväk 454. 
alpakäd 559. 
ühardıvı 566. 
äcaturdm 614. 
äjarasäya 589. 

ad 557. 

ärad 557. 





— 


serb. cuvati se 211. 
euditi se 257. 285. 
serb. cuditi se 285. 


II. Adverbia. 


äre 570. 

äßuya 542. 585. 
äsayd 574. 

äsäd 557. 558. 
iti 536. 

sdänim 625. 
irasyd 575. 

ih&a 536. 

irmä 580. 

ucca 580. 

uccdis 570. 558. 
uttarättäd 558. 
uttarad 542. 558. 
üttarena 580. 
utlaredyus 566. 
upäke 543 Anm. 
ubhayä 542. 580. 
ubhayedyus 566. 
uru 611. 

urusyd 575. 
urciya 585. 
usdsi 548. 
ürdhvdm 459. 
rjü 611. 

rjüya 575. 
rtaya 584. 

rte 570. 

ena 580. 
äisamas 551. 
ösam 612. 

kdya 584. 
kasmäd 551. 
kımam 554. 597. 


krtvas 5417. 554. 599. 


kjama 574. 
kfipre 510. 
gavya 515. 
citram 611. 


Index. Slavisch: chranıti — Altindisch: ndvyas. 


serb. skoditi 283. 
serb. jesti 316. 


cirdm 611. 

ctraralraya 5%. 

cirasya 590. 

cırad 5517. 

ciraya 5%. 

cırena 579. 

jyoktamim 624. 

tadanım 625. 

ana 514. 

— tamäm 624. 

— tardm 625. 

tärasä 574. 

— taräm 624. 

tdvısibhis 578. 

tüsmäd 557, 

tid 543. 557. 559. 

tiraca 580. 

tayam 611. 

tußnim 625. 

trskrtvas 600. 

daksind 543. 580. 

daksınena 580. 

dasyusad 551. 

diva 543. 547. 574. 591. 

dürdm 215. 611. 

düräd 558. 

düre 510. 

dosa 548. 573. 

dravdt 611. 

dräghisthäbhis 589. 

dhrsdt 611. 

dhrdata 580. 584. 

dhrsnü 611. 

ndktam 537. 544. 548. 
597. 

naktaya 544. 548. 574. 

nataräm 624. 

nävyas, ndviyas 580. 610. 








Index. Altindisch: ndevyasa — Griechisch: alz;. 


nivyasä, ndviyasa 580. 
610. 

nämagraham 604. 

nica 580. 

nicad 558. 580. 

nicais 588. 

parastäd 558. 

paräcäis 588. 

pararı 552. 

parut 551. 552. 

parögavyuts 614. 

paScä 580. 

palcatäd 558. 

pakcäd 558. 

päpdya 584. 

pünar 643. 

purastäd 558. 

purü 612. 

pürvam 613. 

pürvedyüs 552. 566. 

prage 544. 548. 566. 

pracdtä 574. 

prataram 531. 

prathamdm 457. 613. 

präcä 580. 

präcdis 588. 

prätär 548. 

prägena 574. 

baläd 557. 

bahi$täd 558. 

brhat 610. 612. 

bhadram 611. 

bhadräaya 584. 

bhadrebhis 588. 

bhasmasäd 557. 

bhisa 574. 

maksu 585. 642. 

mak$übhis 588. 

madhya 542. 580. 

manuvdt 613. 

mahi 612. 

mithuyd, mithya 585. 

mudhä 574, 

mr$a 574. 

mögham 611. 

yathakamdm 614. 

yasmäd 557. 


yad 543. 557. 559, 
raghuyd 585. 
rathaya 575. 
rupdm 555. 601. 
vacasydya 515. 
vdram 613. 
varaya 589. 
vasintä, vasantä 551 
Anm. 573. 
vamdya 584. 
vipanyä 575. 
vißvadänim 625. 
vräjdm 554. 601. 
Sanakdis 588. 
$dnais 544. 588. 641. 
Abham 611. 
$vis 536. 550. 551. 552. 
satydm 613. 
sadivas 566. 
sadyds 551. 566. 
sanäd 542. 558. 
sdnemi 580. 
samand 574. 
samdya 585. 
samtaräm 624. 
sdhasa ST4. 
sdhobhis 518. 
süktad 557. 
sädhu 611. 
sädhuya 585. 
samt 613. 
säydm 548. 
säydmprätar 548. 
sukhäm 611. 
sugätuya 575. 
svapnayä 574. 
hastagr'hya 606. 
hiranyaya 575. 
hyds 536. 549. 551. 


Avestisch. 
adap 559. 
adais 589. 
antaranaemap 559. 
apaitibusti 614. 


Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm. Sprachen, I, 


1785 


asne 215. 
ärtunrim 614. 
äbritim 614. 
apbıtim 614. 
äsistem 614. 
üsuya 585. 
upairinagmäp 559. 
uskap 559. 563. 
eres 614. 

äis 589. 


| kambistem 614. 


zsvalaya-cid 580. 
PBritim 614. 
Dwäsem 614. 
dareyem 614. 
näumaya-cıp 580. 
nistaranasmäh 559. 
nyäpem 614. 
paskap 559. 
paityäpem 614. 
paurvanazmäp 559. 
paoirim 614. 
pourutemäris 589. 
frasstem 614. 
Fraorep 614. 

bitim 614. 
bäidistem 614. 
mosu 585. 642. 
vispäis 589. 641. 
vaenemnem 614. 
haıdim 614. 


nn 


Griechisch. 


dyada 617. 
areinöov 607. 
dyxde 569. 
äyyıorov 617. 
dyyod 537. 591. 
aonyy 605. 
ddıya 617. 
dexntı 572, 
ddeel 571. 
alet 566. 

alev 566. 

ales 566. 


50 


786 


alvd 617. 

alvs 561. 

ala 630, 

dxä 586. 

duty 625. 626. 
dxuhv 597. 
drovırst 571. 
dxovri 572. 

Dig 587. 
dAAayı 588. 
An 588. 

Dis 559. 560. 
äpa 630. 

duä 588. 

duapry 586. 
duayınd 571. 
duBihönv 605. 
dußorddm 606. 
dun 587. . 
dungen 588. 
daoymi 571. 
dupadd 608. 
dupadinv 625. 
dppadsy 607. 
dydyan 554. 575. 
dvaramti 571. 
dvavta 637. 
dvaotadöv 607. 
dvapavdd 608. 
dvamavddy 607. 
dyßpıott 572. 
dveöpentt 571. 
dvourmtl 571. 
dvra 631. 

dvem 626. 
dveßinv 555. 625, 
dvrißrov 625. 
dvrlov, dvrla 618. 
dva 537. 582. 
dvaıoıt 571. 
dyotdtm, dvatipm 582. 
ärab 570. 
drootadd- &6v 607. 608. 
drprdenv 626. 
drottpm 582. 
dprotivörv 606. 
dppoi 221. 


dpyhv 597. 
dsrovdel 571. 
dorovdt 571. 
dosortpm 582. 
daulct 571. 
drpenel 571. 
drruixıori 572. 


aödnpepet 571. 
abpıov 550. 616. 


aörnnap 597. 
avrotver 571. 
abrovuyt 571. 
abrooyedinv 625. 


abrooyedöv, -&d 607.608. 


abrod 537. 591. 
abrus 559. 560. 
dpa 581. | 
dyoppov 455. 616. 
Bad 605. 607. 
Bapta 617. 
Borpud6v 607. 
Bölnv 606. 

wöE 569. 

dein 548. 
deıvd 617. 

&nas 555. 600. 
debtepov 616. 
önmocte 586. 

&hv 626. 
Staxpıdöv 607. 
ölxıy 600. 
dertAet 970. 

&tyy 588. 
&mpedv 554. 602. 
&mpodoxnert 571. 
ömrtvnv 554. 602. 
&ypnyopri 571. 
&deAovendöv 572. 
edeAovrt 572. 

ei 572. 

elx7; 586. 

elom 537, 582. 
exaoıdtoo, -tepm 582, 
Exatepf 587. 
exei 573. 

Exı 562. 572, 
Exovet 572, 


Index. Griechisch: alv& — Isov. 


tıroöhv 638. 
&leewd 617. 
euBad6dv 607. 
eunıhydnv 606. 
turodchv 636. 
Evavra 637. 
evavtiov 618. 
tvavtioc 556. 
evötkıa 616. 
evioyepcb 538. 
evraudoi 573. 
tvory 575. 
ekavapavdöv 607. 
e£eins 590. 

eeerı 644. 

Eoya 618. 619. 630. 
Em 537. 581. 
erıypdßönv 606. 
erıdekra 616. 
enılapelüs 542. 
erlyönv 605. 606. 
erıotadsv 607. 
entotpopdönv 606. 
erısyepb 538. 581. 
entrpoydönv 606. 
tortpa; 548, 

tom 537. 

treöy 613. 

eupdE 569. 

eöpo 616. 

7 586. 587. 

186 556. 

Ira 630. 

Autpas 747. 

hoöc 548. 

pr 548. 567. 


Asuyti 586. 
nyı 587. 


dad 630. 
Yässov 617. 
Hopale 554. 596. 
Ybpascı 554. 
Hopnde 554. 
Yüupnpı 554. 

(dig 555. 586. 
Madöy 608. 

loov, -a 617. 618. 











Index. Griechisch: xaxüs — ro. 


xarüc 562. 
xdiNıora 617. 
zalöy, xald 618. 
xdpra 562. 631. 
xataxpiidev 636. 
xardrpnc 636. 
»dravta 637. 
xaravıınpb 641. 
atapuradöv 608. 
xarevavtiov 636. 
xarevorna 636. 
adın 537. 582. 
xaropadöy 608. 
xAayyndöv 608. 
“Ahönv 606. 
x0tyn) 955. 986. 
zomıön 575. 
xoupiE 569. 
xparnvd 617. 
xpbßda 608. 
xpbßönv 606. 
xpupa 631. 
xpugndöov 607. 
*pup 986. 
xuxköce 554, 
Addpn 586. 

AdE 569. 

ıtya 630. 
Atydry 605. 606. 
Atıy 626. 

Ara 601. 
narpa 617. 
paxpav 626. 
pdia 540. 630, 
nalaxüc 562. 
nudiıota 617. 618. 
pärdov 617. 
puarnv 626. 
nad 642. 

peya 555. 617. 618. 631. 
weyara 617, 
weyalus 562. 
peyalwort 562. 
neßüctepov 636. 
nekerort 572. 
uesor 544. 570. 


neradponadnv 606. 


petastoryi 572. 
peröniche 641. 
ulyda 608. 
pörıs 578. 
poArmöcv 608. 
kovayı) 588. 
pouva& 569. 
veov 616. 
vewott 562. 
wmrowel 571. 
voxtwp 548. 
voya 548. 
Euvronwtdtug 562. 
66dE 569. 
olxade 553. 
olxer 221. 553. 
olxodev 553. 


olxor 221. 544. 546. 553. 


568. 
olazpa 617. 
öAtyou 559. 619. 
6A0d 617. 
öpaprhönv 606. 
öpradöv 608. 
önodupadöv 608. 
öpolmg 556. 
önob 537. 591. 
önöäg, Suumc 559. 560. 
Svap 602. 
Övopaxıhönv 606. 
övonaart 571. 
oEta 617. 
öküratov 617. 
öng 586. 
öneı 572. 


ömn, Smi, Inn 586. 587. 


örtow 538. 581. 
örnou 537. 

örem 581 Anm. 
6pdostaöny 606. 
öcov 616. 617. 619. 
od 537. 

obdanı) 588. 
oddanod 537. 


odtu, obrws 559. 561. 


580. 
öya 630. 


787 


rauhönv 605. 
rdpnpwtov, -a 618. 
raybnpel 572. 
raydupad6v 608. 
ravormla 575. 
ravonıdel 572. 
ravstparıq 575. 
ravauöiy 544. 554. 575. 
ravtayg 588. 
rdven 588. 
rdytws 559. 561. 
rapaßıhönv 605. 
rapaxiıdöv 607. 
rdpavta 637. 
rapactad6y 607. 
rapaypfiza 636. 
rein 586. 

rei 581. 582. 
repnv 626. 
reprotad6v 607. 
repust, nepurı 551. 
rg, nn 587. 

rınv 626. 

rot 573. 

roAla 616. 
roAlayn 588. 
roAAdy 616. 

road 616. 618. 
röppw 538. 

rod, nou 581. 591. 
rpoixa 554. 602. 
rpöcow 538. 581. 
rposwrarw, -tipw 582. 
rporepw 582. 
rporporadnv 606. 
rpobpyou 636. 
rpöpacıy 540. 601. 
rpdnv 550. 625. 
rpwt 548. 

rpwıla 550. 
rpdriorov 617. 
rpürtov 457. 616. 
roxa 630. 

ruxva 619. 

rü& 569. 

rupyndöv 608. 

rw 583, 


50* 


788 Index. 
rüc, Ts 559. 561. 
beia 619. 630. 

biepa 630. 

bußöv 607. 

sapa 630. 


ohnepov 549, 551. 616, 


ofites 551. 
amrn 540. 575. 
spepdalta 617. 
srousn 546. 554. 575, 
sparpndöv 608. 
spößpa 631. 
oyedlnv 555. 625. 
oyedöy 607. 
oyoAy 575. 
zappta 616. 
tabryg 597. 
zaya 542. 630. 
rayıora 617. 
taylorıv 559. 
terparAn 586. 
zerpatov 616. 
co 587. 

zyöe 587. 

mod 537. 591. 
npepov 549. 551. 
envei 572, 

my& 581. 
tites 551. 
zahönv 606. 
rotov 619. 

tösov 616. 619. 
routet 572, 
<pırıy 586. 
zpıstoryi 572. 
zplzov 616. 
zpıyn 988. 
zpörov 600. 
urdöy, -a 616. 
tdc 559. 

ut 572. 

Örrap 602. 
breeppopov 636. 
droßihönv 605. 
Dorepov 617. 
öbod 537. 591. 
yalayymö6v 608. 


plus 562. 
yaleras 562. 
yapnadıc 554. 
yanalce 554. 
Yapader 554. 
xapal 554. 590. 
yavdöv 607. 


yapıy 546. 555. 556. 601. 


des 536. 549. 

ydıra 549. 550. 
XH:Löv 616. 

» 581 Anm. 

wde 582. 

dıxa 542. 630. 

orep 581. 

üpacı 543. 

ds, dis 557. 559. 560. 


Italisch 
(latein. unbezeichnet). 


adaeque 641. 
adamussim 631. 
adfatım 637. 
adhuc 641. 
admodum 637. 
aeque 563. 

alıa 619. 

alıas 626. 

alıo 583. 


alıquam,aliquamdıu 626. 


aliquantum 565. 
aliqui 583. 
alted 559. 
alteras 626. 
alternıs 589. 
altro 583. 

osk. amprufid 563. 
antea 638. 
antehac 638. 
antıgerio 575. 
apprime 564. 
arcano 564. 
augurato 564. 
auspicato 564. 


Griechisch: rös — Italisch: ertemplo. 


bene 563. 
bifariam 626. 
caesım 608. 
catervatim 610. 
causa 559. 576. 
certe 569. 
certo 564. 569. 
cetera 610. 619. 
cito 584, 
citro 583. 
clam 626. 
comminus 631. 
commodum 619. 
composito 564. 
confertim 608. 
contra 565. 
coram 628, 
cottidiano 564. 
cras 536. 550. 552. 
crebro 564. 
cumprimis 632. 
cumulatım 610. 
curriculo 575. 
cursim 608. 
demum 626. 
denuo 637. 
deprassentiarum 637. 
derepenti 631. 
dextra 569. 
dextro 583. 
desubito 637. 
diluculo 548. 575. 
directe 565. 
diu 224. 546. 547. 
dius 627. 
domi 544. 545. 546. 553. 
568. 
domo 553. 562. 575. 
domum 553. 596. 
dudum 626. 
ea 56». 
emmus 631. 
eo, eodem 583. 
ergo 576. 637. 
exzamussım 546. 641. 
erım 583. 
extemplo 637. 














Index. Italisch: extrad — secus. 


eztrad 565. 
Jactte 619. 
factlumed 563. 
Jalso 564. 
fere 563. 
Jferme 563. 
Joras 5471. 554. 596. 
Joris 554. 570. 
Jors 591. 
Forte 575. 
Fortuito 564. 


Jfrustra 565. 

(td) genus 602. 
gratia 576. 

gratiss, gratis 554. 578. 
hac 565. 

heri 224. 550. 552. 
hie 546. 

hinc 583. 

hoc 583. 

hodie 223. 549. 
humi 554. 

slsco 637. 

tlla 565. 

ülım 583. 608. 
sdlo, slloc 583, 
smpendio 575. 576. 
impraesentiarum 637. 
imprimis 637. 
incassum 637. 
incertce 565. 
incerto 565. 

inde 546. 
ingratiis, ingratis 579. 
instio 575. 

instar 555. 602. 
inter 601. 
interdius 627. 
interea 638. 
interim 583. 
intervias 638. 
intestato 564. 
intra 565. 

intro 583. 

invicem 637. 

istim 583. 608, 
isto 583. 


sta 536. 

longe 565. 

lucı 223. 544. 548. 
magis 619. 
magnopere 575. 


magnum 619. 
male 564. 


manı 224. 548. 
matutino 564. 
meatim 589. 610. 
meritod 564. 
mire 564. 
mirsfice 564. 
mirimodis 579. 
misere 564. 
modo 555. 575. 
mordsceus 627. 
moz 591. 642. 
multimodis 579. 
multo 564. 
multum 619. 
mutuo 564. 
nıhtlo 564. 
nımio 564. 6565. 
nımis 619. 

noctu 224. 544.547. 548. 
nostratim 610. 
nox 548. 591. 
nudıus 550. 627. 
numero 554. 575. 576. 
obiter 631. 
obviam 637. 
olım 583. 608. 
omnia 619. 
omnimodis 579. 


oppido 541.554. 567.575. 


palam 626. 


partım 543. 554.598.603. 


paulo 564. 

pedetentim 610. 

penes 566. 

ver (antioper, tantisper) 
600. 


peregre 220 Anm., 551. 


perendie 223. 551. 


1 perperam 626. 


perpetuo 564. 


189 


umbr. petiropert 600. 
pogtea 638. 
posthac 638. 
postidea 638. 
postmodo 638. 
postridie 552. 577. 
praefiscınt 638. 
praesertim 610. 
praeterea 638. 
precario 564. 
pridie 223. 552. 
principio 575. 
primo 564. 
primum 456. 619. 
prius 619. 
privato 575. 
promsscam 626. 
propediem 638. 
propemodum 638. 
propterea 638. 
protelo 575. 
protinam 626. 
umbr. prufe 563. 
qua 565. 


quam 626. 

quanto 564. 

quapropter 638. 

qui 583. 

quo, quoquam, quoquo, 
quopiam, quovis 583. 

quotannıs 570. 

quotoalendis 570. 

raro 564. 

recens 619. 

recta 565. 

rected 563. 

repente 584. 

repentino 564. 

retro 583. 

rite 567. 575. 

rure 562. 575. 

rus 596. 

sane 563. 

satıs 619. 

secreto 564. 

secundum 556. 

secus 627. 





790 Index, Italisch: sedulo — Germanisch: iupapro. 
sedulo 638. | ahd. mhd. alles 545.594. | got. ahd. Alu 620. 
serio 564. nhd. alleweile 598. altn. fjerb 551. 
simitu 576. allis 594. nhd. Augs 554. 593. 
sinsstra 565. nhd. allzeit 593. altn. fornum 589. 
sortito 564. mhd. alzuges 593. framıs 621. 
sponte 544. 575. anaks 594. Framvigis 592. 
statim 609. ahd. anawert, -tes 545 | nhd, früh 548. 
sublimen 638. ahd. anderes 594. Jrumist 621. 
summe 564. andvairpıs 594. nhd. fürwahr 639. 
summum 619. nhd. angeblich 540. ahd. mhd. gähes 59. 
suprad 565. -ba, Adv. auf, got. 632. | ganoh 620. 
tam 626. mhd. beidenthalben 570. | nhd. ganz 541. 
tanto 564. nhd. beiseit 639. ahd. göstaron, nhd. ge- 
temere 567. 619. ags. beorhte 634. stern 550. 589. 
temperi 223. bisunjane 591. gistradagis 547. 550.592. 
-ter, Adv. auf 631. altn. draut 598. 594. 
totiens 627. dalapro 556. altn. garnan 621. 
tractım 608. mhd. danwert 620. nhd. halben 570. 
tuatım 610. nhd. dieweil 598. haldis 621. 
ultra 565. -dingse, Adv. auf, nhd. | halıs 598. 
ultro 583. 635. -halp, Adv. auf, mhd. 
una 565. mhd. drabes 593. 598. 
utrimque 583. altn. driugan 545. 627, | altn. hardan 627. 
utroque 583. driugt 545, driugsem | ahd. harto 620. 
valde 563. 545. 589. hauhis 621. 
venum 596. ags. dropmalum 554.579. | ags. hedipum 554. 579. 
vero 564. -e, Adv. auf, ags. 634. | altn. hewna 568. 
vesperi 223. 548. ags. ealles 5%. ahd. mhd. nhd. Aeime, 
viceom 544. 555. 603. ahd. ögester 550. heim 553. 568. 596. 
volup 603. nhd. ehegestern 550. ahd. heimort 620. 
vulgo 554. 575. mhd. eines 594. ahd. heimwartes 5%. 
ahd. einezem 589. nhd. heint 549. 598. 
nn ahd. elshhör 621. nhd. Aeuer 551. 576. 
. elles 594. nhd. heute 543. 546. 549. 

‚Germanisch mhä.entoßrh, entwärhes | 576. 

(gotisch unbezeichnet). 545. mhd. hinaht 549. 598. 


-a, Adv. auf, altn. 633. 


nhd. abends 548. 

ahd. afterwert 620. 
aw 597. 

aljaleıkos 621. 
aljahro 556. 

allapro 556. 

ahd. alla, 545. 

nhd. alldieweil 598. 
nhd. allenthalben 570. 
nhd. allerdings 594. 


ahd. &o 598. 

ahd. örist 545. 

nhd. erstens 594. 

ags. fäcne 540. 577. 

ags. füste 634. 

fasırra 633. 

Jairraßro 556. 

-falls, Adv.auf, nhd.635. 

nhd. falls 593. 

ahd. fer, ferro, ferron 
545. 


mhd. Ainwert 620. 

mhd. Asutelanc 620. 

hvapro 556. 

ahd. Awilön 579. 

ags. huilum 579. 

ags. huyrftum 579. 

-ing-, Adv. mit, germ. 
635. 

innapro 556. 

ahd. inwert 620. 

supaßro 556. 














Index. 


altn. jafnan 555. 621. 

JjJampro 556. 

ahd. järliches 598. 

nhd. je 544. 598. 

nhd. jenseits 594. 

nhd. keineswegs 593. 

nhd. Araft 639. 

nhd. Areuzweis 555. 

altn. Aropturligan 555. 
627. 

mhd. kurzwilen 579. 

landis 592. 

mhd. Zange, langes 545. 

nhd. langsam 544. 

altn. längt 545. 

nhd. Zaut 639. 

ahd. Zeidor 621. _ 

leitil 620. 

altn. Zengi 545. 

-Isch, Adv. auf, ahd. 633. 

ags. listum 579. 

ags. Jitlum 589. 

altn. /ongum 589. 

ags. lustum 579. 

mhd. Züte 545. 

ahd. /uzil, luzilem, luzilo 
545. 

ahd. /uzzikem 589. 

mais 621. . 

-mäl, Adv.auf, ahd. 599. 
600. 635. 

ahd. mänötliches 594. 

-massen, Adv. auf, nhd. 
636. 

mhd. mäzen 579. 

mhd. meistiesl 598. 

ags. micles 594. 

ags. miclum 589. 641. 

ahd. mihhil, mhd. michel 
620. 

altn. mıkınn 627. 

mhd. minneclichen 589. 

mins 621. 

nhd. mittwochs 592. 

altn. mjok 620. 

nhd. morgens 546. 548. 
550. 592. 


Germanisch:: jafnan — Litauisch: aukszeyn. 


ahd. muozöm 519. 

ahd. mhd. nahtes, nhd. 
nachts 544. 548. 592. 

ahd. mhd. nalles 594. 

ags. neddes 593. 

ags. nealles 594. 

nhd. neben 639. 

mhd. nehten 549.550.579. 

nehva 633. 

ahd. mhd. niuwes, ni- 
wanes 594. 

ahd. nötı 554. 577. 

-o, Adv. auf, got. ahd. 
alts. 633. 

raıhtaba 545. 

raihtis 545. 594. 

ahd. mhd. röhtes 594. 

nhd. ringe 554. 593. 

ahd. rämöor 621. 

altn. säran 627. 

ags. sare 571. 

nhd. schnurstracks 594. 

mhd. schuftes 593. 

nhd. schweigend 540. 

. sehr 571. 

. sıd, sidan 545. 

. sidarla, sidla 545. 

. simbles 594. 

. singales 545. 

. singallice 545. 

. mhd. slöhtes 594. 

ahd. slsumöor 621. 

ahd. smählihhem 589. 

sniumundos 621. 

ags. sona 634. 

nhd. spornstreschs 593. 

ahd. staphmälum 579. 

ahd. stephim 519. 

nhd. stracks 594. 

ags. stundmelum 579. 

altn, ags. stundum 579. 

ags. südveard, -es 594. 
620. 

sumana 545. 

ahd. mhd. sumes 545.594. 

ahd. sumstunt 598. 

suns 594. 


791 


svare 591. 

mhd. tagelanc 620. 

ahd. tageliches 594. 

ags. tela, teala 634. 

nhd. thesis 554. 593. 

mhd. triuwen 579. 

mhd. twerhes 545. 591. 

Banaseıps 621. 

Bapro 556. 

nhd. überall 639. 

nhd. überein 639. 

nhd. üderhaupt 639. 

-ung-, Adv. mit, germ. 
635. 

nhd. unterwegen, -wegs 
638 Anm. 

ahd. unzitim 579. 

ags. upveard, -des 594. 
620. 

utabro 556. 

ahd. uzwert, -tes 594. 
620. 

varla 633. 

varrs 621. 

mhd, vert 551. 

mhd. Auges 593. 

nhd. vorgestern 550. 

ahd, wöhsalum 579. 

nhd. wenig 620. 

mhd. wilen, wilent 579. 

ahd. winteres 592. 

-wis, Adv. auf, mhd.598. 

alts. wundrum 579. 

ags. vundrum 579. 

nhd. zumal 639. 


Litauisch. 


-at, Adv. auf, 622. 
anapus 599. 

anaszäl 599. 

andai 568. 

ankstı 548. 

apylanka, -komis 517. 
atgäl 640. 

auksztyn 590. 





792 Index. Litauisch: czesö — Slavisch: zımuske. 
excsu 577. samplata 577 Anm. serb. vucks 589. 
568. senyn 544. 590. russ. vcera 550.552. 594. 

dyka 577 Anm. syk, syki 554. vünu 59. 
drauge 568. slapta 517. vänü 623. 
doisedäa 577. staiga 577 Anm. vütoricejq 578. 
gana 577 Anm. stesgomts 579. vysocd 573. 
gretä 577 Anm. storyn 5%. oyse 623. 
üguemst 5717. seidmsyk 590. videra 550. 594. 
isztäs 640. seianden 547. 549. 598. | veste 623 
kait, kaftq, kaits, kar- | szimet 551. gigbode 623. 

tüs 544. 600. saäliais 579. kleinr. gorjac6, gorjad 
kartais 579. tai 622. 542. 
kartuäta 517 Anm. Wwezöms 579. serb. gorje 568 
kasdän 629. &lomis 579. gors 569. 
kasmäts 629. tolyn 5%. grüdisky 589. 
kasnäkt 629. twiezes 577. russ. gusemü 578 
kasryts 629. üzvakar 550. 598. kleinr. daund 542 
kidpomis 579. väkar 550. 588. dalede 623. 
küczes 517. vidui 568. serb. danas 549. 599 
laükan 554. visumsdt 577. serb. danaske 5%. 
laukd 554. 568. lett. witamis 579. serb. danjom, danju 571. 
mame 577. zövada 577. russ. daromü 554. 578. 
nam: 553. 568, iemyn 59%. russ. dvorjanski 589. 
namön, 553, serb. djipimice 595. 
naromls 579. nn russ. dnemü 547. 
näkucrös 577. russ. dnesi 549. 59% 
neredü 577. . Blavisch kleinr. döbre, dobrö 542. 
noroms nenoroms 579. (eltkirchenslavisch UN | russ. dobromü 584. 
padäniut 568. bezeichnet). dobr& 573. 
paellius, -sumss 568. aky 589. serb. dolje 569 
pakastomis 579. bezdobt 623. russ. dolovt, doloj 5% 
pakeliut 568. blazs 573. dols 590. 
paköjui 568. blizü 623, dols 569. 
palengva 577 Anm. serb. bodimice 595. doma 553. 568. 
palipomis 519. bolje 623. domovs, domovi 5% 
parankıus 568. russ. borzs 573. russ. domovi, domaj 5% 
pavkjus 568. russ. bosikomü 578. (568). 
pasigiui 568. büßjg 578. dinijq 547. 577. 
permär 640. bedind 573. dinist 549. 599. 
pernai 551. kleinr. veliko 542. serb. Zenski 589. 
pesta 577. russ. verchomü 578. Kenisky 589. 
piktyn 590. russ. vecerkomü 548. Kestode 623. 
pirmä 577 Anm. russ. vederomü 548. serb. ämurecke 5%. 
poryt 551. 568. serb. vikom 578. russ. zavira 551. 
preszaıs 589. serb. vrzimice 595. serb. zims 551. 569. 
pusiai 569. vrüchu 537. serb. zimus 551. 59. 
rytö, rytdj 550. 568. serb. vucke 596. serb. zimuske 5%. 














Index. Slavisch: zlaradice — juce. 793 

serb. zlaradice 596. russ. nagisomü 578, pisisky 589. 
kleinr. znudcno, znadnö | serb. naguske 596. russ. peskomü 578. 

542. russ. najbohse 623. razino 623. 
serb. zorom 548. russ. nakanung 552. russ. russki 589. 
züle 573. serb. namah 640. russ. segodnja 549. 
zelo 623. serb. naocdigled 596. russ. sejcasü 599. 
iskri, iskry 640. serb. naociglece 596. russ. skatomü 578. 
russ. korpomü 578. serb. natraske 596. russ. skoreniko 623. 
serb. koso 623. serb. naskı 589. 610. russ. skoro 623. 
kleinr. Aräsno, krasnö | serb. nemilice 595. slovenisky 589. 

542. gerb. nehotice 595. srede 569. 
russ. krej, kri 640. nizü 623. gerb. stojecke 596. 
gerb. Arıidımice 595. russ. nıkomü 578. russ. stoykomü 578. 
serb. krimice 595. serb. nicıce 595. serb. strmoglav 596. 
russ. krugomü 554. 577. | russ. nickomü 578. serb. strmoglavice 596. 
russ. krepes 573. serb. nodas 549. 599. strümoglavi 623. 
krepüce 573. serb. nodu 577. serb. sjutra 550. 552. 
akal. serb. Zani 569. russ. nocesi 549. 599. serb. sjutradan 552. 599. 


latinisky 589. 

serb. leZecke 596. 
serb. Ziho 623. 

serb. Yeti 551. 569. 
serb. Yetos 551. 599. 
russ. Zont 551. 
higüce 573. 

Diz& 569. 

russ. l&iosi 599. 
lktyjg 578. 

Yubo 623. 

kleinr. Yubjaznd 542, 
malo 623. 

malomi 584. 

serb. malcice 595. 
maly 589. 

serb. mahom 578. 
meidu 543. 569. 641. 
mitusi 569. 

mite 569. 

serb. mojsks 589. 
serb. mrvice 554. 595. 
russ. muieski 589. 
serb. muski 589, 
serb. mucke 596. 
münokicgq 578. 
russ. nagiskoj 578. 


nostijq 547. 548. 577. 
obiscine 569. 

serb. ovcas 599. 

serb. odmah 640. 
serb. okolo 640. 


serb. onovecer: 550. 569. 


onomadne 569. 
onomedni 569. 
oncas 599. 
serb. opet 640. 
russ. opromeliju 578. 
opeti 640. 

ruse. opjati 640. 
paky 589. 

serb. poimence 596. 
posledi 623. 640. 
pravda 629. 

pravde 569. 
pravicemt 584. 

serb. prekjuce 550. 
serb. preklanı 552, 
gerb. preksinod 550. 
serb. proljetos 552. 
protiwq 626. 
prüvoje 623. 

premo 623. 

serb. pustimidke 596. 


serb. 
russ. 
serb. 


russ. taqjkomü 578. 

serb. tqjom 578. 

russ. iverdeniko 623. 

russ. iverdo 623. 

russ. tverdovato 623. 

russ. teperi 624. 

serb. toprv 624. 

toprüvo 624. 

russ. totcasü 599, 

tretijicejq 578. 

trebe 573. 

tücjg 578. 

utre 550. 569. 

serb. hitimice 595. 

kleinr. chörose 542. 

serb. hottmice, hotimce 
595. 

russ. distechoniko 623. 

russ. cisteniko 623. 

russ. disto 623. 

-isky, Adv. auf, 589. 

Jjave 573, 

gerb. jesenas 551. 

serb. jutroske 596. 

serb. juce, juder, jucera 
550. 594. 


Nachträge und Berichtigungen. 


Zu 8. 150 unter Milch: Brugmann macht mich darauf aufmerksam, 
dass in melocon ein singularischer Instrumentalis auf ms stecken könne, von 
dem Grundriss 2, 638 oben die Rede ist. 


Zu S. 253 bemerkt Brugmann: »8. 253 stellen Sie in der altüblichen 
Weise utor mit ai. av zusammen. Das geht nicht wegen osk. sittiuf usus, 
usio (aus *oststiön-) und pälign. oisa usa. utor ostor ist uritalisches *osölr), 
das unmöglich mit av zusammengebracht werden kann. Ausseritalische 
Verwandte zu ost- sind noch nicht gefunden.« 


Zu 8. 334: »Der objektive Genitiv ist an die Stelle eines anderen 
Kasus getreten.« Bei der Formulierung dieses Satzes sind (worauf mich 
Brugmann aufmerksam macht) die Fälle wie memoria rerum gestarum über- 
sehen worden, die insofern anders liegen, als schon das Verbum mit dem 
Genetiv verbunden war. 


Zu 8.365. Wie mir Leskien mittheilt, ist der Akkusativ der Rich- 
tung im Litauischen doch nachzuweisen, und zwar finden sich eine Menge 
von Beispielen in Jusskeviez, Dainos, so: iszveze Vilniaus möstälj fahr aus 
in die Stadt Vilna; zöme püle fiel zur! Erde; Zdisıv bernäh rütu darzq wir 
wollen .den Burschen in den Rautengarten lassen; m2s vazıüsim sveczk 
szält wir werden in das Land der Fremden [in die Fremde) fahren. 

Zu 8.535 ff. J. Zubaty handelt jetzt in IF. 3, 119 über einige lit. 
und lettische adverbiell gebrauchte Instrumentalendungen. 


Zu S. 595 bemerkt Leskien: In einer Abhandlung von Maretid, 
Hrvatogrpski adverbi na ice, ce, ke (Rad der südslav. Akakemie Heft % 
[1889)) wird die Sache anders erklärt. Es wird geleugnet, dass überhaupt 
der Gen, die Art und Weise bezeichnen könne. Man habe anfangs gesagt 
iz novice (Gen. von novica, abhängig von iz, 'ganz gleichbedeutend mit « 
nova). Das wurde,' unter einen Accent ‘gestellt, "als .ein Wort empfun- 
den, iznovicee.e Nach solchen Mustern habe man dann gebildet z. B» 
naocice, naustice u. 8.w., schliesslich sei ice, ce, ke allgemein geworden. 











Nachträge und Berichtigungen. 795 


8, 2. 6 v. u. ein sich zu tilgen. 

30, - 14 - o. lies in dem Kapitel. 

78, - 15 - u. lies nach statt noch. 

133 lies $ 39 statt 32. 

136, 2 Au. 5 v. u. lies remeni sapogu ... . Joh. 1, 27 statt remenü 

sapogü .. .. Joh.1, 2,7. 

158, - 10 v. u. lies qsäbhyam statt gsahhyam. 

229, - 19 - o. lies dstvevd statt dätvevd. 
317, - 15 - u. lies posljeti statt posljeti. 
318, - 13 u. 14 v. o. lies söjati und pos&jatt statt s&jati und posgjati. 
325, - 5 v. u. lies $ 250 statt 8 249. 
426, - 4 - o. lies de sage statt de lage. 
459, - 13 - u. lies dareya statt daregha. 
507 lies 8 220 statt 22. 
559, 2. 14 v. o. lies modale statt lokale. 
578 Mitte lies styykomü statt stejkom. 
623, 2.5 v. u, lies sirmoglavi statt strınoglavi. 


Drack von Breitkopf & Härtel in Leipzig.