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GRUNDRISS
DER
VERGLEICHENDEN GRAMMATIK
DER
INDOGERMANISCHEN SPRACHEN.
KURZGEFASSTE DARSTELLUNG
DER GESCHICHTE
DES ALTINDISCHEN, ALTIRANISCHEN (AVESTISCHEN UND ALTPERSISCHEN),
ALTARMENISCHEN, ALTGRIECHISCHEN, LATEINISCHEN, UMBRISCH-SAMNI-
TISCHEN, ALTIRISCHEN, GOTISCHEN, ALTHOCHDEUTSCHEN, LITAUISCHEN
UND ALTKIRCHENSLAVISCHEN
VON
KARL BRUGMANN uno BERTHOLD DELBRÜCK
ORD. PROFESSOR DER INDOGERMANISCHEN ORD. PROFESSOR DES SANSKRIT UND DER
SPBACHWISSENSCHAFT IN LEIPZIG. VERGLEICHENDEN SPRACHKUNDE IN JENA
DRITTER BAND.
— 0. ————_-—
STRASSBURG.
KARL J. TRÜBNER.
1893.
VERGLEICHENDE SYNTAX
DER
INDOGERMANISCHEN SPRACHEN
B. DELBRÜCK.
ERSTER THEIL.
STRASSBURG.
KARL J. TRÜBNER.
1893.
Pa Be
‚Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung, vorbehalten.
HARX ’ARD
UNIVERSITY
LIBRARY
Vorrede.
Ursprtinglich hatte K. Brugmann die Absicht, auch
den syntaktischen Theil des Grundrisses selbst zu bearbeiten,
worüber er sich in der Vorrede zum zweiten Theile folgender-
massen äussert: »Ein dritter und letzter, minder umfänglicher
Band soll die Syntax sowie ein Wortregister zu allen drei
Theilen bringen. Ich gestehe gerne, dass mir lange der Mut
fehlte, die Syntax, dieses in vielen Theilen noch so wenig oder
in einer wissenschaftlich ungentgenden Weise bearbeitete und
bis jetzt noch von Niemandem zusammenfassend dargestellte
Capitel der allgemein-indogermanischen Grammatik, in diesen
Grundriss aufzunehmen. Den Wurf nun doch zu thun, dazu
bin ich nicht am Wenigsten durch B. Delbrück’s in diesem
Sommer erschienene »Altindische Syntax« (Syntaktische For-
schungen, 5. Band) bestimmt worden, eine Arbeit, die, wenn
sie auch nicht sprachvergleichend gehalten ist, doch jetzt die
Darstellung der Gesammtgeschichte der indogermanischen Syntax
in mehreren Beziehungen nicht wenig erleichtert«.. Es bestand
damals (1888) zwischen Brugmann und mir die Verabredung,
dass ich aus dem, was sich mir im Laufe vieler Jahre ange-
sammelt hatte, das Brauchbare beisteuern solle. Bei näherer
Erwägung zeigte sich aber, dass ein solcher Plan nicht wohl
ausführbar sei. Ich tibernahm die Syntax allein und bin auf
diese Weise Theilnehmer des grossen von Brugmann in’s
Leben gerufenen Unternehmens geworden.
vi Vorrede.
Ich kann mir freilich nicht verhehlen, dass das von mir
Gelieferte in mehrfacher Hinsicht hinter dem von Brugmann
Geleisteten zurücksteht. Während sein Grundriss die indoger-
manischen Sprachen in einer bisher in ähnlichen Werken noch
nicht erreichten Vollständigkeit umfasst, habe ich (aus Gründen,
die ich S. 88 dargelegt habe), von der Heranziehung des Ar-
menischen, Albanesischen und Keltischen völligabsehen müssen.
Einen weiteren besonderen Vorzug des Brugmann'schen Werkes
bilden nach meiner Ansicht die Literaturangaben, die, wenn sie
auch naturgemäss nicht vollständig sind, doch dem Leser in
wirksamer Weise helfen, sich ein Bild von den Schicksalen
der einzelnen Probleme innerhalb unserer Wissenschaft zu ent-
werfen. Mir fehlt es leider nach dieser Seite hin an Samm-
lungen. Um wenigstens etwas für die geschichtliche Grund-
legung zu thun, habe ich eine allgemein orientierende Einleitung
voraufgeschickt. Im übrigen hoffe ich, dass man einem ersten
Versuch die bezeichneten und mancherlei andere Lücken und
Unvollkommenheiten zu gute halten wird.
Was nun das in diesem Bande Dargebotene angeht, so habe
ich selbstverständlich die Syntax mit der Formenlehre in Zu-
sammenhang zu halten gesucht. Doch bin ich in der Auf-
nahme neuerer Vermuthungen sehr zurückhaltend gewesen, so
zurückhaltend, dass ich gewiss manchen meiner Fachgenossen
als veraltet erscheinen werde. Bei den zahlreichen Belegen
habe ich mein Augenmerk hauptsächlich auf Zuverlässigkeit und
Verständlichkeit des Mitgetheilten gerichtet. In diesem Streben
bin ich auf das liebenswürdigste von meinem Freunde A. Les-
kien unterstützt worden, der nicht nur die litauischen und
slavischen Belege in der Korrektur durchgesehen und verbessert,
sondern mich auch in früheren Stadien der Arbeit durch Rath
und Nachweis vielfach gefördert hat. Mit aufrichtigem Danke
habe ich auch der Unterstützung O0. Wiedemann's zu ge-
denken, durch dessen Mithilfe bei der Korrektur sowohl die
Vorrede. ve
Versehen des Setzers, als auch manche Irrthümer des Ver-
fassers beseitigt worden sind.
Verdriesslich war mir, dass ich mich bei mehreren Sprachen
anderer Transskriptionen bedienen musste, als der mir seit
lange geläufigen, und ich fürchte, dass trotz aller darauf ver-
wandten Mühe ich hier und da in die alte Gewohnheit zurück-
verfallen bin, so dass z. B. gelegentlich in avestischen Wörtern
ein gA statt eines 7 stehen geblieben ist u. ähnl. Es wäre wirk-
lich dringend zu wünschen, dass es zu einer verständigen Ver-
einbarung auf diesem Gebiete käme. Sind wir doch bei dem
Avestischen glücklich so weit gekommen, dass es bald unum-
gänglich sein wird, zum Verständnis der immer wechselnden
Umschreibungen die ÖOriginalbuchstaben in Klammern beizu-
fügen.
In der Anmerkung auf S. 581 dieser Schrift habe ich einer
mir privatim mitgetheilten Meinung von Rudolf Schöll ge-
dacht, der seitdem durch einen allzufrühen Tod hinweg-
genommen ist. Sein Einfluss auf meine Arbeit ging weiter, als
die Fassung der Anmerkung erkennen lässt. Er hat mich nicht
bloss in manchen Einzelheiten freundschaftlich berathen, sondern
hat auch durch seinen Zuspruch wesentlich beigetragen, mich
zur Übernahme eines Werkes, dessen Gefahren und Schwierig-
keiten mir nicht unbekannt sind, geneigt zu machen. Um so
schmerzlicher bedaure ich, dass ich sein wohlerwogenes Urtheil
nicht mehr vernehmen kann.
Jena, August 1893.
B. Delbrück.
Inhaltsangabe.
Seite
Einleitung. 0.
Erste Periode. Die Griechen. Dionysios Thrax 3—8. Apollonios
Dyskolos 8—11. Zusammenfassendes Urtheil 11.
Zweite Periode. Die Zeit bis zum Ende des achtzehnten Jahr-
hunderts. Die Scholastiker 12—15. Sanctius 15—18. Locke
18—20. Die allgemeine Grammatik 20—22. Christian Wolf
22—25. Gottfried Hermann 25—31. Schlussurtheil 32.
Dritte Peräodo. Vom Ende des achtzehnten Jahrhunderts an. Die
Anregungen von Seiten der Philosophie (Kant, Fichte,
Schelling, Hegel} 32—36. Die Entdeckung des Sanskrit
36—37. Wilhelm von Humboldt 37—47. Franz Bopp 47—50.
Jacob Grimm 50—54. Begründung der slavischen Philologie
(Dobrowsky, Wuk) 54—56. Neue philosophische Anregungen
von der Herbartischen Philosophie aus, H. Steinthal 56—58.
Zuführung neuen Stoffes, a. von Indien aus (Erschliessung
des Veda, das Böhtlingk-Roth’sche Wörterbuch) 58—61, b. von
dem baltisch-slavischen Gebiet aus (Schleicher, Kurschat,
Miklosich) 61— 63. Andere hervorragende Persönlichkeiten
dieser Epoche: L. Lange, G. Curtius, A. Ludwig 63—66.
Die neueste Periode der Sprachw:ssenschaft. Allgemeines
66-69. Paul’s Prinzipien der Sprachgeschichte 69—72.
Besprechung der wichtigsten syntaktischen Begriffe,
Definition des Satzes 73—75. Die Satztheile und ihre Ein-
theilungen 75—80. Die Grundbegriffe 80-82. Das Gebiet
und die Theile der Syntax 82—85.
Auskunft über den Umfang, in welchem die indoger-
manischen Sprachen benutzt worden sind 85—88.
Kapitel I. Das Geschlecht der Substantiva.
L Die Bedeutungsgruppen.
$ 1. Die Bedeutungsklassen in den Schulgrammatiken der klas-
sischen Sprachen. Männer, Weiber, Völker, Monate, Winde 89—91
$2. Bäume 2 2 2 2 oe 00er nne 91—92
S3. Holz und Früchte. . . ..... ren 92—93
5A Flüme oo orte. 93—94
x Inhaltsangabe.
Beite
$ 5. Länder, Inseln, Städte, Erde und Schluss . ... . 2... 94—96
$6. Grimm’s Versuch . . . » 2 22 rennen. 96—98
$ 7. Schluss. - 2:2 0er rer y8
I. Die Formgruppen.
Vorausgeschickt ist eine Bemerkung über
$ 8. Den Zustand im Germanischen. . . ». . 2 2220 0. 99—100
$ 9. Den Zustand im Litauischen. . . . 2: 2 222000. 100—101
$ 10. Übersicht über den Inhalt der folgenden Paragraphen . . 101—102
$ 11. Die ö-Stämme. Allgemeines. . ».. 2.2. 2220200. 102—103
$ 12. Sufüix @ im Baltisch-Slavischen . . . . 2.22... .. 103—105
8 13. Sufüx 5a im Baltisch-Slavischen . . . » » . 222 2.. 105
$ 14. Suffix &ö im Baltisch-Slavischen . . . .. » 2.20... 105—106
$ 15. Die übrigen Suffixe im Baltisch-Slavischen . . . . .. . 106—107
$ 16. Das Geschlecht der in $ 12—15 behandelten Wörter. . . 107—108
$ 17. Griechisch-lateinische ö-Stämme. Allgemeines. . . . . . 108—109
$ 18. Suffix a im Griechischen und Lateinischen . ..... . 109—111
$ 19. Suffix «4 im Griechischen und Lateinischen . ..... . 111
$ 20. Suffix #4 im Griechischen und Lateinischen. . .. . . . 111—112
$ 21. Andere Sufflixe auf @ im Griech. und Lat. .......» 112
$ 22. Die ga-Stämme . . 2.2.2.2... nn 112—113
$ 23. Die o-Stämme im Griechischen. . .. .» . 2: 222.0. 113—116
$ 24. Die o-Stämme im Lateinischen. . . ... 2 22200. 116
$ 25. Allgemeines über die übrigen Stämme . . ...2..... 116—117
8 26. Die #-Stämme 2 2 on mern 117—118
$ 27. Die u-Stämme .. 2.2: 2200er nne 118—119
$ 28. Die Stämme mit r-Sufixen . .. 2.2: 2220000. 119—120
$ 29. Die Stämme mit s-Sufixen . . ..: 22220000. 120—121
$ 30. Die Stämme mit n-Sufüxen . . .. 22220000. 121
8 31. Die Wurzelnomina . .. 2.2 2er nr rennen 122
III. Mehrgeschlechtigkeit.
$ 32. Maskulinischer Singular und neutraler Plural im Arischen 123—125
$ 33. Desgleichen im Griechischen und Lateinischen... . . 125—126
8 34. Desgleichen im Slavischen. . . .. 2.2 22220002. 126—127
$ 35. Zweifelhafte ähnliche Fälle . . .. . 222220200. 128
$ 36. Doppelgeschlechtigkeit, verbunden mit Bedeutungsverschie-
denheit . 2.222 or or rer. 128—129
$ 37. Doppelgeschlechtigkeit ohne Bedeutungsverschiedenheit . 129—131
$ 38. Zur Erklärung, Zusammenfassung . . ». » 2.2.0 .% 132—133
Kapitel II. Die Numer: des Substantivums.
I. Der Dusalis.
8 39. Allgemeines . . . 22:2 20er rer een 133—135
$ 40. Der natürliche Dualis. . . » 2: 2 2 2 2 0 2 rn ne. 135—137
$ 41. Der elliptische Dualis. . . . . 2.2 2 2 2 2 nee. 137—138
Inhaltsangabe. xI
Seite
Der elliptische Dualis mit einem Ergänzungsdual im Arischen 138—139
Zroei und beide bei dem Dualis . .. .». 22220. 139—142
- Dualia tantum . 2.2 2 2 Co on 142—143
Bemerkungen über den Dualis in einzelnen Sprachen
(Griechisch, Litauisch, Slavisch), Schluss . ..... . 143—146
I Singularis.
Begriffe der Masse . .... 2 2 Eur n 147—157
Körpertheile . . . 2.2 2 2er ren 157—160
Geräthe, Lokalitäten . - - » 2 2 2 m 2 rn ren 160—162
Zeitabschnitte, Feste, Mahlzeiten. . . . . .. 22 2.. 163—165
Verschiedenes. - - » 2 22 2 00 nr rer ren 165—166
Abstrakta, die in konkrete Bedeutung hinüberschwanken 166-168
Singularia und pluralia tantum. . .. 2.2. 2: 2220... 168—170
Singulare in Plurale verwandelt und umgekehrt... . . . 170—171
Elliptischer Plural . . 2... 2.2222 022. 171—1172
Kapitel III. Die Grundbegriffe der Kasus und der Synkretismus.
UM N WIN LEN Yan ur u
er
SEFSBARSE
m u Er
alter
ns
& 76,
L. Die Grundbegriffe der Kasus,
A. Die Grundbegriffe der indischen Grammatik.
Allgemeines. . . ». 2.2 2 0 er rrrrerennen 173
Die Stammbegriffe in der indischen Grammatik . . . . . 173—175
Der Akkusativ . 2 » 2 2 2 N I I EI re re nen 175—176
Der Instrumentalis - . . . : 2: v2 2 rer en. 176-177
Der Dativ . 2 2 2 oe 0 m en 177—178
Der Ablativ . 2: 2 2: 0 Er ernne 178
Der Lokalis . 2 00 ee ren 179
Der Nominativ und Vokativ. . . 2: 22 2 22000. 179
Der Genitiv . 2 2 2 2 2 0 oe ren 180—181
Beurtheilung der indischen Lehren... ... 2.2... 181
B. Erörterung der Grundbegriffe.
Der Ablativ . . 2. 2 20er lerne 181—182
Der Lokalis . . 2.2 2: 2m m rer nn 182—183
Der Instrumentalis . . . 2 2: 2 2 2 Cr nenn 184
Der Dativ . 2: 2 0 ee Er rn. 184—185
Der Geaitiv .. . . 2: 2 222020 ren en 185—187
Der Akkusativ . . 2 2 2 2 rn re ern nn 187—188
Der Nominativ . . . 2: 2:2 m een ren 188
Der Vokatir und Schlussbetrachtung . . . . . 2...» 188
IL Synkretismus.
Indogermanische Ursprache. . . . 2.2 2 2220000. 189-192
Altindisch . 2 0000 or nn 192
Iranisch .. 2. 20 Co 0 rer ernee 192—193
N N WR U
2
je)
.
un mM un um
>
u
Seite
Italisch . 2. 2 2 oo een 195
Germanisch . . . 2 20 2 rer ren 195—196
Baltisch-Slavisch. . . . . : 2 2: 2 2 2 02 2000. 196—198
Schlussbetrachtung.. . . ». : : 2 22er rennen 198—199
Kapitel IV. Der Ablatiw.
Übersicht . 2 2 2 2 20er. 200—201
Der Ablativ bei Verben.
Weichen, fernhalten, wegtreiben. . .. 2... 2...» 201—204
Leer sein von (bedürfen), berauben. . . . . 2 2... 205—207
Ausgehen von, entstehen. . ... 2 2222er 0.. 207—208
Verfertigen aus . » . 2 2 Cr rennen 208—209
Lösen, befreien, reinigen, retten, schützen ....... 209—211
Entnehmen (kaufen), empfangen, hören, lernen, trinken,
ergiessen, erwachen. . . 2: 22: 002er 0 0. 211—212
Zurückbleiben hinter, sich verbergen, sich fürchten, vor-
ziehen. 2 2 0 0 0 0 ner er ern n.e 212-213
Verba der Gemüthsbewegung ne 213—215
Der Ablativ bei verbalen Substantiven . . . x... . 215
Der Ablativ bei Adjektiven. . .. 2. 2.222002... 215
Der Ablativ bei dem Komparativ. . . 2... 20... 216
Der freiere Ablativ . .. 2.22 2 02220000. 217
Kapitel V. Der Lokalıs.
Übersicht - - 2: 2 2 2 me rn 217—218
Der Lokalis bei Ortsbegriffen. . . . . 22202200 218—222
Der Lokalis bei Zeitbegriffen. . -. ». ». 2.22 222 0. 222—225
Der Lokalis bei Personalbegrifien . . . . 2.2.2... . 225—226
Der Lokalis bei anderen Begriffen. . . . 2... .... 227
Der Lokalis bei Verben . . .... 22222200. 227—229
Der Lokalis bei Adjektiven. . . »... 2220220. 229—230
Zweifelhaftes . - 22.2 2 0er rer. 230
Kapitel VI. Der Instrumentalıs.
Allgemeines... 2.2: 2:2 20 rer ern en 231
Bemerkungen über den Instr. im Avest. und Germ. . . 231—234
Der soziative Instr. mit dem distributiven . . . .... 234—238
Der Instr. der begleitenden Umstände. . . . . . .,. . 238—240
Der Instr. der dauernden Eigenschaft . . . » » 2... 240—242
Der Instr. des Mittels . ». 2. 220: 22 ee rc. 242
Der Instr. der Raumerstreckung. . ee» 2 02... 00.%. 242—245
Der Instr. der Zeiterstreckung. . . 0.» 2. 222.0. 245—246
Der Instr. bei zusammensein und zusammenkommen (freund-
lich und feindlich), vermischen, trennen . . . . . . . 246—248
gı1l.
$ 112.
5 113.
$ 114.
$ 115.
$ 116.
$ 117.
5 118.
Inhaltsangabe. xım
Seite
Der Instr. bei machen, verfahren mit, herrschen über . . 248—249
Der Instr. bei kaufen . . . 2 2 22 Er een. 249 — 250
Der Instr. bei trinken (mit dem Instr. des Gefässes) . . 250
Der Instr. bei füllen und verwandten Verben . .. . . 250—252
Der Instr. bei sich erfreuen, geniessen, leben von . . . 252—254
Der Instr. bei vertrauen und einigen anderen Verben der
Gemüthabewegung . . . » >22 2 0 ren 254— 256
Einige slavische Verba (lachen, schwören, duften) . . . 256
Der ausmalende Instr. . . .. 2.2.22 0200 ne. 257
Verba, bei welchen der Instr. mit dem Akk. in Konkurrenz tritt.
$ 119.
$ 120.
$ 121.
$ 122.
$ 123.
5 124.
$ 125.
5 126.
$ 127.
$ 128.
$ 129.
$ 130.
$ 131.
$ 132.
$ 133.
$ 134.
$ 135.
$ 136.
$ 137.
$ 138,
$ 139.
Regnen, schnauben, speien, schwitzen. .. ...... 257—258
Verba des Bewegens im Slavischen und Germ... . . . . 258—260
Sogenannter Dativ des Objekts im Germ. . .... . . 260—262
Der prädikative Instr. im Litauischen und Slavischen. . 262—268
Der Instr. bei dem Passivum. .... 2.2 20.20. 268—269
Der Instr. bei Adjektiven ....... nen 269—270
Der Instr. bei Komparativen . .. . 2.22 22000. 270—271
Der freiere Instr. (der Ursache und der Beziehung) . . . 271—274
Anhang.
Der homerische Kasus auf giv). ». . «00. 2.200... 274-276
Kapitel VII. Der Dativ.
Allgemeines . 08 2 2 L 2 ET L L ER, 2 8 oo . oo © . . 277—279
Bemerkungen über den Dativ im Altindischen, Iranischen,
Germanischen - » » . 2 2 2 2 2 2 ren 279—281
Der Dativ bei Verben, verbalen Substantiven
und Adjektiven.
Geben, sagen und verwandte Verba . .. . ..... . 281—282
Helfen, dienen, hassen, zürnen, betrügerisch verfahren,
freundlich gesinnt sein gegen (wollen, hoffen, sich
wundern im Slavischen). . . . 2 2: 2 2 2 2 2000. 282—285
Glauben, gehorchen, hören, Acht haben, bemerken, ver-
stehen. . . 2 2 00 nor nee 285—286
Walten, regieren (siegen) . . - .. 22222000. 286— 287
Gewöhnen, lehren, lemen. . . . . . 2 22220000. 287
Sein 2 2000 ren 287 — 258
Der Dativ des Zieles. - - «2 2 2 2 2 2 ren. 288-293
Der Dativ des Objekts im Germanischen . ...... 293—294
Der Dativ bei verbalen Substantiven . . . . 2.2... 294—295
Der Dativ bei Adjektiven. .... 22222000. 295— 296
XIV
$ 140.
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5 146.
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$ 169.
& 170.
$ 171.
Inhaltsangabe.
L. Seite
Dative zur Ergänzung der Satzaussage.
Der dativus commodi . . . 2: >: 2 2 2 2 ren. 297 —298
Der dativus ethicus. . . : 2: 2 2 En nr u een 298—299
Der Dativ eines aktiven oder medialen Partizipiums . . 299—300
Der Dativ der betheiligten Person bei passiven Parti-
31 1) 7: EEE 300
Der finale Dativ. . :. . : 22 rn nenn. 301—303
Der Dativ von Zeitbegriffien . .. : . 2222000. 303
Der adnominale Dativ . . . : : 2 20 2 er rn. 303—306
Kapitel VIII. Der Genitiw.
Allgemeines... 2. 2:22 Cr rennen 307—308
L
Der Genitiv bei Verben.
Übersicht . . . . . . rn. 308—310
Der Gen. bei wahrnehmen (nebst Anhang über griech.
Verba wie p£dopa u.8.W) - 2 2: 220er 310—314
Herrschen, walten, verfügen. . .. . 2:2 22220. 314
Essen, trinken, geniessen, sich erfreuen an. ...... 314—316
Geben, nehmen und Verwandte . . - -» 2 2 20 .. 316—318
Der Gen. im positiven Existenzialsätzen im Serbischen,
Russischen, Litauischen. . . . » 2» 2 2 2 2 220.2. 318—319
Der Gen. belebter männlicher Wesen im Slavischen . . 319—321
Die griechischen Verba berühren, erfassen, sich halten an,
treffen, erlangen, theilhaftig werden ......... 321
Füllen, sättigen . ..: 22er onen 322—323
Gen. des ergriffenen Gliedes, während die Person im Akk.
(oder bei passivischem Ausdruek im Nom.) steht . . . 323—324
Der Gen. bei Verben des geistigen oder auch körperlichen
Hinstrebens, Genitiv des Zieles . . . - 2 2 2 22.0. 324—327
Wetten, spielen, nebst den verba judicialia ..... . 327—329
Vereinzeltes im Griechischen, Lateinischen, Germanischen 329—331
Der Gen. bei sein...» 2 2 2 nr re nr er rn 331—332
Partitiver Gen. als Subjekt... ... 222022000 332
Der Gen. bei verbalen Subst., der von Verbishergenommen ist 332 —333
I. Der Genitiv bei Substantiven.
Übersicht . . 2222222200. errrene 333—335
Gen. des getheilten Ganzen. . . . .. 222er... 335—339
Gen. des Stoffes. - .-.. 22 rer enen 340—341
Der Gen. in negativen Sätzen im Baltisch-Slavischen . . 341—342
Der Gen. des Besitzers. . . . 2: 220200 e. 342—346
Der Gen. m der Umschreibung (definitivus) . ... . . 346— 348
Der Gen. bei einem passivischen Partizipium ... .. 348
Der Gen. der Eigenschaft (qualitatis) . . - . ».... 348—349
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Inhaltsangabe. xV
Seite
Der subjektive und der ubjektive Gen. .. ...... 349—352
Der Gen. bei Adjektiven. .. 2.2... 2220000. 352—356
Der Gen. von Zeitbegriffen . . .. . 2222000. 356—359
Der Gen. von Ortsbegriffen. . - . .. 2 222000. 359-360
Kapitel IX. Der Akkusativ.
Allgemeines...» 2: 2: 22er er rrrenen 360—361
Akkusative im Avesta . ». 2. 2: 2:00 ren 361—362
Der Akk. der Richtung. . . . ... 2: 2222200. 363—365
Der Akk. des Inhalts .. 2... 2:2 2 2 2220 ne.n 365—370
Anhang. Der Akk. bei Verben des Seins?. .. .... 370— 372
Der Akk. der Zeiterstreckung. . . » » 222.200. . 372-375
Der Akk. der Raumerstreckung. . . .. 22.2... 375—376
Der Akk. des Objekts und des Resultats . ..... . 376—377
Zwei Akkusative bei einem Verbum. . .. 2.2... 377—386
Der Akk. bei verbalen Nominibus. . . . ....... 386—387
Der Akk. der Beziehung -. . . ... 2 222000. 387—393
Kapitel X. Nommativ, Vokatıv.
Der Nominativ. . » 2» 2. 2: 2 022 er nen. 393—394
Der Vokativ mit attributiven Wörten. . . 2. .... 394—396
Vokativ und Nominativ durch und verbunden . ... . 396—397
Der Nominativ für den Vokativ und umgekehrt . . . . 397—398
Artikel und Vokativ . . . 2.2 2 2 22 ren 398—400
Kapitel XI. Das Adjektivum.
Allgemeines . . 2.22 200er 400—401
Eigenthümlichkeit der Adjektiva in Bezug auf die Stamm-
bildung 2 > 2 Comer 401402
Motionsfähigkeit der Adjektiva . . . 2» 222020. 402—410
Besondere Flexion der Adjektiva, vorzüglich im Germa-
nischen und Litauischen . ... . 2222200 .. 410—411
Steigerung der Adjektiva. . .. 2: 2220000. 411—415
Steigerung von Substantiven . . . 2.222020 0. 415—416
Komparativ und Superlativ einander in Bedeutung und
Konstruktion berührend . . . .. 22222000 416—417
Vergleichung zweier Eigenschaften . . . ....... 417
Adjektiva aus Substantiven hervorgegangen . . .. . . 418—420
Attributive Substantiva. - .. . 2 2 2 2er ne. 420— 426
Die schwachen (bestimmten) Adjektiva des Germanischen 426—432
Die zusammengesetzten (bestimmten) Adjektiva des Bal-
tisch-Slavischen . . . - 2 2 2 2 2222er. 432—440
Rückblick auf die Adjektiva des Germanischen und Bal-
tisch-Slavischen . . 2. 2 2 2 2 2 0 2 rer. 440—441
Adjektivum und Genitiv im Slavischen ........ 441—445
Vergleichung mit dem Adjektivgebrauch der anderen
Sprachen. -. 2 22 2 2 2 rennen 445—448
XVI
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Inhaltsangabe.
Seite
Adjektiva und Zahlwörter (viel, wenig, halb, mittel). . . 448453
Adjektiva und Adverbia (esztpios u. ähnl)....... 453—460
Kapitel XII. Die Pronomina.
I. Die Pronomina erster und zweiter Person.
Die Nominative im Verhältnis zur Verbalform . . .. . 460—461
Unbetonte Formen obliquer Kasus . . . ....... 461 —466
Allgemeines über die Kasus dieser Pronomina . . . . . 466-467
I. Enkltitische Formen des Pronomens dritter
Person.
Immer-enklitische Formen (ai. im, av. im, i und is, gr. pıv,
vv, ai. sim, av. him, altp. sim, av. hi, his, altp. sis, av.
h, altp. daiy, dam, ai. na). 2 2 22222 467—473
Formen, die orthotonirt und enklitisch sein können. . . 473—474
Allgemeines über die Anwendung enklitischer Formen . 475
II. Die Possessiva und der Genitiv.
Possessiva und Genitiv. -. . 2. : 2200er. 475—4717
IV. Das Reflexivpronomen.
Das substantivische Reflexivpronomen . . . » » .... 477—486
Das adjektivische Reflexivpronomen . . ........ 486—497
Rückblick auf das Reflexivpronomen . . .. 2.2... 497—498
V. Das Pronomen *to.
Anaphorische Verwendung des substantivischen Pronomens 499—502
Anaphorische Verwendung des adjektivischen Pronomens 502—506
Hinweisung auf etwas Folgendes . . . vo». 2.2... 506-507
Artikel . 2 2 2 Con. 507—509
*o im Baltisch-Slavischen . . . 2: 222000. . 510
VL Das Interrogativum und das Indefinitum.
Das Int. und Ind. im Arischen, Italischen, Germanischen 511—517
Das Int. und Ind. im Baltischen, Slavischen, Griechischen 517—520
Rückblick . . 2 2 2 0 m re re ren 520—521
Kapitel XIII. Die Zahlwörter.
Die Zahlen von 1A. . . . 2: 2 m m 2 2 2 nen 522—523
Die Zahlen von 5—10 . . . 2: 2 2 2 2 2 2 rn nen 523—526
Die Zahlen von 11I—19. . . . 2. 2 2 2 2 nr 20er. 526 —528
Die Zahlen von 20—90. . . . 2 2 re rn nr nen 528—532
Hundert und Tausend . . . 2 22: En 0 nr 2 00a 532—535
Kapitel XIV. Die Adverbra.
I. Allgemeines über das Adverbium.
Umgrenzung des Gebietes. . . 222000. . . 536—538
Begriff der Erstarrung . . . . . >22 22200 538—541
Inhaltsangabe. xvuI
Erstarrungsvorgänge bei Substantiven und Adjektiven
(abweichende Accente, veraltete Formen, isolierte Formen,
Unempfindlichkeit für Genus Numerus Kasus) . . . . 541—545
Erstarrungsvorgänge bei Substantiven . . ......° 545—547
Übersicht über die hauptsächlich zur Adverbialbildung
verwandten Substantivbegriffe. Zeitbegriffe (bei Tage,
früh, abends, bei Nacht, heute, heint, gestern, vor-
gestern, morgen, übermorgen, heuer, im vorigen Jahre) 547—553
Fortsetzung. Ortsbegriffe. ..... 2.202000. 553—554
Fortsetzung. Die übrigen Begriffe... ..... . . 554—555
Erstarrungserscheinungen bei Adjektiven als solchen . . 555—556
I. Übersicht über die Adverbialbildungen
nach den Kasus.
Ablativ. Altindisch und Avestisch . ....... . 556—559
Ablativ. . Griechisch (die Formen auf x) . ...... 559—562
Ablativ. Lateinisch (die adj. Adv. auf es, 0o,a..... 562—566
Lokalis. Substantiva im Singular. .... 2.2... 566—569
Lokalis. Substantiva im Dual und Plural. ..... . 569570
Lokalis. Adjektiva (darunter gr. -ı, -ı) und Pronomina 570—573
Instrumentalis. Substantiva im Singular. .... . 573—578
Instrumentalis. Substantiva im Plural. . . ...... 578—579
Instrumentalis. Adjektiva und Pronomina (griech. anf o) 579—584
Fortsetzung. Adverbia femininischer Form (griech. auf 7) 584—588
Fortsetzung. Adverbia pluralischer Form . ... .. . 588589
Dativ... 2.2 Co EEE rennen 589— 590
Genitiv . 2.2 CC 2 NE rennen 590—596
Akkusativ. Akk. der Richtung ern. 596—597
Akk. der Zeit- und Raumerstreckung . . . . .» .. - . 597—599
Akk. des Inhalts. . ..:. 2 2 22 0 2 nenne. 599—601
Akk. in der Apposition . .. 2: 2000. . . 601—604
Akk. Adverbia verbalen Inhaltes (ai. am, gr. dov, da, önv,
lat. dem) 2 2 0 0 er ren en. 604—610
Adv. aus neutralen Adjektivis. Altindisch und Avestisch 610—614
Fortsetzung. Griechisch und Lateinisch. . . . .. . .» 615—620
Fortsetzung. Germanisch. . . . .. 2.2000 re. 620—622
Fortsetzung. Litauisch (auch ar) und Slarisch . . . . -» 622—624
Adverbia aus femininischen Adjektivis. . 2... 624—627
Adverbia aus maskulinischen Adjektivis. . . .... . 627
Nominativ .. 2.2: 2: 2. Er er ere nn ne 627—629
Ungedeutete Formen des Griechischen (auf a) . . . - . 629—631
Ungedeutete Formen des Lateinischen (auf ter). . . . . 631—632
Ungedeutete Formen des Germanischen (auf got. ba, a, o,
mit fick und ung) und des Baltisch-Slavischen . . . . 632—636
Adverbia aus Präpositionen mit Kasus. . . . . 2. . 636—641
Rückblick auf die Adverbia. . .... 2222 200. 641—643
XvI
Inhaltsangabe.
Seite
Kapitel XV. Die Prüpositionen.
Einleitendes . -. . : 2 2000 rn. 643—647
Il. Allgemeines über die Präpositionen.
Präverbium und Verbum finitum . .. . 2:2 20... 647—652
Präverbium und Verbum infinittum . . 2... 2. .2.. 652—653
Präposition und Kasus . . .. 2. 222er. 653—654
Die Präposition kann zum Verbum oder zum Kasus ge-
zogen werden . .. 2. 222er. 654—659
Die Präposition als Adverbium oder Partikel .... . 659—660
Die Präposition in der Zusammensetzung . . . . 660—664
Schlussbetrachtung. . . . » 22.0. . 664—665
II. Die zugleich als Präverbia und Präpositionen
gebrauchten Wörter.
al. dpa, av. apa, gr. dr6, lat. ab, got. af . x. 2. . . 666-669
ai. dva, av. altp. ava, lat. au, aksl. u... 2... . . 669671
ai. anldr, av. antare, altp. antar, lat. inter (osk., umbr
ante). - >: En. 671—673
ai. dpi, av. aipi, gr. &rt. Dazu im Anhang lat. op, lit. ps 673—679
ai. abhi, av.arwi, aıdi, altp. abıy, lat. 0b (amb-), germ. bi
(umbı), slav. obü, dazu av. aus 681 Anm. . . x. . . . 679-690
ai. dd, av. us, altp. ud und us, got. ul, 8... ....» 690—692
ai. dpa, av. altp. upa, gr. ün6, got. uf (lat. sub) . 692—699
lit. pö, pa-, lett. pa, aksl. po... .. 2 20.0. . 699—700
al. pdri, av. pairi, altp. parıy, gr. ver lat. per, got. fair,
lit. per (akal. pr&-). .. 200 rennen 700—715
ai. prd, av. altp. fra, gr. rıpo, lat. pro- (prö), lit. pra- (prö),
Blav. Pr0 .. 2 2 00er rennen . 716—723
av. pastı und paitis, altp. patıy und paltıs, gr. ort und n6e 123—126
ai. prdti, gr. zpotl, TPbE 2 2 een. 0... 726730
ai. sdm, av. altp. ham, lit. sü, slav. sü . ...... . 730—734
DI. Proethnische Präpositionen, welche nicht
überall Präverbia sind.
av. ana, gr. avd, lat. an-, got. ana, slav. na, nebst An-
hang über lit. nÜ 2. 2: 22 one 734— 740
ai. dnöi, gr. dvıl, osk. ant, got. and, lit. at... ... 740—741
gr. perd, got. mip, nebst Anhang über gr. red . . . . 741743
ai. pascä (-ad), av. pasca, pasne, altp. pasä, lat. post, lit.
püskui, Da .» >» 2: 22 rennen 743—744
ai. purd, puräs, av. para, parö, got. faura, faur . . . . 144—746
ai. tirds, av. taro (tard), lat. trans, got. Bairh. ... . . - 746— 147
ai. ® av. uparrı, "ap uparıy, gr. dbrtp, got. ufar (lat.
super) . Pa EEE . . 1747-749
Inhaltsangabe. XIX
Seite
av. adairı, got. undar . . 2: 2: 2200er. 749
ai. dchä, gr. Eote, lat. usque (slav. Jeite) - . -. . 2.2... 1750—752
IV. Proethnische Präpositionen, welche nicht
Präverbia sind.
ai. sdca, av. altp. hacä, altirisch sech, ai. sahd4 . . . . - 152—753
ai. Bahis, lit. be, slav. bezü; gr. äveu, got. ınuh; altp.
rädiy, Blav. rad...» 2 2 22 nern 753—754
V. Übersicht über die Präpositionen in den
Einzelsprachen.
Arsch . 2:2. CE Een 1754—759
Griechisch. . .... 2. 2 2 2202000. 759—763
Italisch . . 2.2: Co Co on 763— 765
Germanisch . . . 2: 2-20 0 r rn 165—767
Litauisch . . 2 2 2 2 CE Er nen 1767— 769
Slavisch. . 22: Co 0 m Er e rn 769— 771
VL
Einige in den Einzelsprachen entstandene Präpositionen. 771—774
Index. . 2.2222 2 EEE rennen 775—793
Nachträge und Berichtigungen. . . ». .» ev... 791—195
Verzeichnis der wichtigsten Abkürzungen
(vgl. 8. 87).
AB. = Das Aitareya Brähmana, her. von Th. Aufrecht, Bonn 1879.
ALL = Delbrück, Ablativ Localis Instrumentalis, ein Beitrag zur ver-
leichenden Syntax, Berlin 1867.
Äp. 8. 8. = The Srauta Sütra of Apastamba, ed. by R. Garbe, Calcutta
1882 ff.
Asböth = Russische Chrestomathie von O. Äsböth, Leipzig 1890 (vgl. oben
8. 88 Anm.).
AV. = Atharva Veda Sanhita, her. von R. Roth und W. D. Whitney,
Berlin 1855.
Bartholomae,AF. = Chr.Bartholomae, Arische Forschungen 1—3, Halle 1882 ff.
Bartholomae, Handbuch = Chr. Bartholomae, Handbuch der altiranischen
Dialekte, Leipzig 1883.
Baunack (Studien) = J. und Th. Baunack, Studien auf dem Gebiet der
griechischen und der arischen Sprachen I, 2, Leipzig 1888.
BB. = Beiträge zur Kunde der indogermanischen Sprachen, her. von
A. Bezzenberger.
Bezzenberger, ZGLS. = A. Bezzenberger, Beiträge zur Geschichte der Li-
tauischen Sprache, Göttingen 1877.
Bielenstein, Gramm. = A. Bielenstein, Lettische Grammatik, Mitau 1863.
Bielenstein, Lett. Sprache = A. Bielenstein, Die Lettische Sprache nach
ihren Lauten und Formen erkl. und vergl. darg., Berlin 1863 u. 64.
Böhtlingk = Sanskrit-Wörterbuch in kürzerer Fassung, bearbeitet von
O. Böhtlingk, St. Petersburg 1879 f.
Böhtlingk-Roth (BR.) = Sanskrit-Wörterbuch, hergusgegeben von der Kai-
serlichen Akademie der Wissenschaften, bearbeitet von O. Böhtlingk
und R. Roth, St. Petersburg 1855 ff.
Brugmann = Brugmann’s Grundriss.
Brugmann, Ein Problem = K. Brugman, Ein Problem der homerischen
Textkritik und der vergl. Sprachw., Leipzig 1876.
Brugmann, Griech. Gr.2 = K. Brugmann, Griechische Grammatik in I.
Müller's Handbuch der klassischen Altertumswissenschaft, zweiter Band,
2. Aufl, München 1890.
Buslajev = Istoriteskaja grammatika russkago jazyka sostavl. 8. Buslaejvymü,
4. Aufl, Moskau 1875.
Verzeichnis der wichtigsten Abkürzungen. xxI
Caland. = W.Caland, Zur Syntax der Pronomina im Avesta, Amsterdam 1891.
Cauer = P. Cauer, delectus inscriptionum Graecarum propter dialectum
memorabilium, 2. Aufl., Leipzig 1883.
Chänd. Up. = Khändogjopanishad, kritisch her. und übers. von O. Böht-
lingk, Leipzig 1889.
eod. Mar. = Quattuor evangeliorum versionis palaeo-slovenicae codex Ma-
rianug glagoliticus ed. V. Jagic, Berlin — St. Petersburg 1883.
cod. Zogr. = Q. e. cod. glagoliticus olim Zographensis ed. V. Jagic, Ber-
lin 1879.
Collitz = Sammlung der griechischen Dialekt-Inschriften, her. von H. Col-
litz, Göttingen 1884 ff.
DanitiC = Danilie, Srbska Sintaksa I (nicht mehr erschienen), Belgrad 1858.
Delbrück, Verwandtschaftsnamen = B. Delbrück, Die indogermanischen
Verwandtschaftsnamen, ein Beitrag zur vergleichenden Alterthumskunde
(Abh. der Sächs. Ges. d. Wiss. Band XI, 8. 337 £f.).
Draeger = A. Draeger, Historische Syntax der lateinischen Sprache, Leip-
zig 1874 ff.
Ebrard = G. Ebrard, de ablativi locativi instrumentalis apud priscos
seriptores latinos usu (comm. ex suppl. ann. philol. seorsum expr.),
Leipzig 1879.
Erdmann = O. Erdmann, Untersuchungen über die Syntax der Sprache
Otfrids, Halle 1874 und 76.
Fick = A.Fick, Vergleichendes Wörterbuch der indogermanischen Sprachen,
4. Aufl., Göttingen 1890.
Gabelentz-Loebe = Ulfilas ed. H. C. de Gabelentz et J. Loebe, Altenburg
u. Leipzig 1836 fl.
Gaedicke = C. Gaedicke, der Accusativ im Veda, Breslau 1880.
Geldner, Drei yast = K. Geldner, drei Yasht aus dem Zendavesta über-
setzt und erklärt, Stuttgart 1884.
Geldner, Metrik = K. Geldner, Metrik des jüngeren Avesta, Stuttgart 1877.
Geldner, Studien = K. Geldner, Studien zum Avesta, Strassburg (London)
1882.
Gort. = Die Inschrift von Gortyn, bearb. von J. und Th. Baunack, Leipzig 1885.
Grassmann (Gr.) = Wörterbuch zum Rig-Vedsa von H. Grassmann, Leipzig
1873 (gelegentlich ist mit Grassmann (Gr.) auch auf die Uebersetzung
des Rigveda verwiesen).
Grein = Ch. W. M. Grein, Bibliothek der angelsächsischen Poesie, Göt-
tingen 1857 fl.
Grimm = Jacob Grimm, Deutsche Grammatik.
Günther = C. Guenther, de genuini quem vocant dativi usu Homerico,
Halle 1884.
Gunnl. — Gunnlaugssaga Ormstungu, her. von E. Mogk, Halle 1886.
Hentze = C. Hentze, Die neueren Arbeiten auf dem Gebiete der home-
rischen Syntax, Philologus XXIX, Bd. 1, 8. 120 ff.
Holtze = F. G. Holtze, Syntaxis priscorum scriptorum Latinorum, 1—2,
Leipzig 1861—62. .
Hübschmann = H. Hübschmann, Zur Casuslehre, München 1876.
xXxU Verzeichnis der wichtigsten Abkürzungen.
IF. = Indogermanische Forschungen, Zeitschrift für indogermanische Sprach-
und Altertumskunde, her. von K. Brugmann und W. Streitberg.
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EINLEITUNG.
Das Werk, dessen ersten Theil ich hiermit der Öfentli
keit übergebe, führt den Titel: Vergleichende Syntax der in
germanischen Sprachen. Es soll also in demselben versu
werden, dasjenige wissenschaftliche Verfahren auf die Syn
anzuwenden, welches auf dem Gebiet der Etymologie, der La
und Formenlehre zu wichtigen Erfolgen geführt hat. Da ı
ein solcher Versuch, wenigstens in dem Umfange, der mir ı
schwebt, noch nicht unternommen worden ist (denn es gi
bisher zwar einige vergleichend-syntaktische Einzelarbeit
aber keine Gesammtdarstellung), so wird es sich empfehlen,
nächst zu zeigen, wie man bisher die Syntax behandelt ]
und sich zu fragen, welche Veränderungen sich etwa aus
neuen Fassung der Aufgabe ergeben möchten. Das soll
dieser Einleitung geschehen.
Meine Absicht geht dabei nicht auf eine Geschichte ı
Theorie der Syntax. Ich will nur versuchen zu zeigen,
die wichtigsten der syntaktischen Begriffe in der vielhund:
jährigen wissenschaftlichen Entwickelung allmählich herı
getreten sind, sich vererbt und verändert haben. Nament]
habe ich mein Augenmerk darauf gerichtet, deutlicher, als
bisher geschehen ist, zum Bewusstsein zu bringen, dass
Syntax fast während der ganzen Zeit ihres Bestehens eir
bald stärkeren bald schwächeren Einfluss von seiten der Phi
sophie ausgesetzt gewesen ist, was sich theils daraus erkl
dass einzelne Grammatiker überzeugte Anhänger gewisser ph
sophischer Systeme waren, theils, und zwar hauptsächlich, dar:
dass aus der grossen Werkstatt der Philosophie allerhand .
fälle durch verschiedene Kanäle in den grammatischen Betı
Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm. Sprachen. 1. 1
p) Einleitung. Erste Periode. Die Griechen.
geleitet worden sind, deren sich die Arbeiter dann halb un-
bewusst bedienten. Ich werde natürlich nicht umhin können,
ım Verlauf der Darstellung zur Orientierung des Lesers mein
eigenes Urtheil über den Werth der vorgebrachten Behauptungen
abzugeben, doch soll die Erörterung hinter der Erzählung zurück-
treten. Zum Schluss soll so viel von der Theorie, als mir nöthig
scheint, kurz zusammengefasst werden.
Was die Gliederung des erzählenden Theils der Einleitung
betrifft, so versteht sich, dass ich mit den Griechen zu beginnen
habe. Denn auf sie geht ja der grösste Theil unserer grammati-
schen Weisheit zurück. Mit den Römern, denen in einer ausführ-
lichen Geschichte der Grammatik eine unverächtliche Rolle zu-
fallen würde, werde ich mich dagegen nicht beschäftigen, da sie
für mich nur als Fortleiter der griechischen Anschauungen in
Betracht kommen. Die zweite Periode soll die aprioristische
Behandlung der Grammatik umfassen. Ich rechne dahin die
Scholastiker und ihre Nachfolger (z. B. Sanctius) und schliess-
lich auch noch Gottfried Hermann. Mit Wilhelm von Humboldt,
Bopp und Grimm beginnt dann die dritte bis in die Gegenwart
reichende Periode, die sich von selbst ın mehrere kleinere
Abschnitte zerlegt.
Erste Periode.
Die Griechen.
Eine Darstellung der gesammten griechischen Grammatik
hat, wie es denn auch in Steinthal’s Geschichte der Sprach-
wissenschaft bei den Griechen und Römern (zweite Auflage,
Berlin 1890) geschieht, zuerst von den Philosophen, insbeson-
dere von Plato, Aristoteles und den Stoikern zu handeln, dann
die Thätigkeit der alexandrinischen Kritiker zu schildern und
sich zum Schluß zu den grammatischen Lehrbüchern zu wen-
den. Für meinen bescheideneren Zweck ist es erlaubt, von
den beiden ersten Abschnitten abzusehen und sofort an das
älteste schulmäßige Kompendium der Grammatik, die aller
Wahrscheinlichkeit nach im ersten Jahrhundert vor Christus
Einleitung. Erste Periode. Dionysios Thrax. 3
verfasste Techne des Dionysios Thrax anzuknüpfen (vgl. _/
Dionysu Thracis ars grammatica ed. Gustavus Uhlig, Lipsiae
1883). Diese nur wenige Seiten füllende Schrift hat, wie Uhlig
mit Recht bemerkt, eine weitergehende Wirkung geübt als irgend
ein andres Werk der profanen Literatur, selbst die Theile des
Aristotelischen Organons nicht ausgenommen, sie legt ein merk-
würdiges Zeugnis ab nicht bloss für den Umfang und die Dauer,
sondern auch für die Strenge der von dem griechischen Geiste
geübten Diktatur; auf ihr beruht die traditionelle Schulgram-
matik des gesammten Occidents und eines erheblichen Theiles
des Orients (vgl. Uhlig, zur Wiederherstellung des ältesten
oecidentalischen Kompendiums der Grammatik, Heidelberger
Festschrift zur 26sten Versammlung d. Philol. in Karlsruhe 1882).
Die ersten zehn Paragraphen der Techne gehen uns hier nichts
an. Dagegen ist es gerathen, ihren Inhalt von $ 11 an genauer
vorzuführen. Der genannte Paragraph enthält die Definitionen
der Begriffe Satz und Satztheil (oder, wie wir in mangelhafter
Übersetzung des lateinischen pars orationis sagen, Redetheil).
Die Definition des Satzes hat höchst wahrscheinlich gelautet:
Ibyos Lori Adkemv ouvBeoıs dtavorav auroteAfi Snloüca (Uhlig,
Festschr. 74), ein Satz ist eine Verbindung von Wörtern, welche
einen in sich vollendeten Sinn darstellt. Die Definition von
‘Satztheil’ lautet: Adfıc Zorl nEpos &Adyıorov Toü xard abvrakıv Adyon,
d. h. Attıc ist der kleinste Theil des auf Zusammenfügung
beruhenden Satzes. Solcher A&feıs oder p£pn) Adyou giebt es acht,
die stets in derselben Folge aufgeführt werden. Es sind: dvon«
Nomen, hjua Verbum, peroyn Partizipium, apdpov Artikel, avr-
ovonla Pronomen, rzpödeoıs Praeposition, &rippnpa Adverbium,
obvöecuos Konjunktion. Im einzelnen wird über sie folgendes
behauptet.
"Ovopa ist ein Satztheil mit Kasus (rtwrıxdv), einen Körper
(söpa), z. B. ‘Stein’ oder eine Handlung (rpäypa), z. B. ‘Er-
zıehung’ bezeichnend, allgemein angewendet, z. B. “Mensch,
Pferd’, oder besonders (personell, {ölw;), z. B. ‘Sokrates’. Als
Begleiterscheinungen (raperöptva) des Nomens treten auf die
Geschlechter (y&vn: äpssvındv, UrAuxdv, oböftepov), die Numeri
1*
5 Ä
ol x /
Cr
ar N S
Einleitung. Erste Periode. Diorysios Thrax.
’
(aprdyol:=& ei Suigd <, , rmburtindg), die Kasus (mtbocıs: &pß%,
u ach xAntıxy). Ausserdem sind zwischen
I evn und N eingeschoben eiö5n und oynparg, d. h., wie wir
, sagen würden, verschie Arten der Stammbildung oder
Klassen der Bedeutung, "wobei als Beispiele nicht loss Substan-
tiva, sondern- äuch Adjektiva aufgeführt werden. - yayN\
“Pjiia ist ein Satztheil ohne Kasus, fähig Zei \ Personen
> yad Numeri anzunehmen‘), Thätigkeit oder Leiden ansdrückend
> \- “ (&vepysıav 4 nddos rapıoräsa).. An Begleiterscheinungen des
Du Werbums sind (wenn Ar, n den eiön und oynpara und auch
N By den dee tionsarten, die wir in der Formen-
lehre behandeln, absehen) vorhanden die Modi (&yxAtosı;), näm-
lich Indikativ (öptotıxn), Imperativ (npootaxtıxn), Optativ (eöxtınn),
Subjunktiv (örotaxtınn). Endlich wird auch der Infinitiv (drap-
euparos) dazu gerechnet. Sodann nach den Modi die Genera
des Verbums (SrWebere: &v£pyeıa Aktivum, rados Passivum,
peodrns Medium), die Numeri, die Personen (rpdowro), und
die Tempora (xpövor, nämlich &veorw; die gegenwärtige, rape-
Anludws die vergangene, yEilwv die zukünftige).
Mertoyn ist ein Satztheil, welcher an dem eigenthümlichän _' N S
Wesen (löidıtos) der Verba und Nomina theil hat (nertye).
Die Begleiterscheinungen sind dieselben wie bein Nomen und
Verbum ausser den Personen und Modi.
‚> .& Apdpov ist ein Satzteil mit Kasus, welcher den Kasus
(ci xAloeug) der Nomina voran- oder nachgegtellt wird. Der
ı voranzustellende (rporaxtıxdv) Artikel ist 6,-der nachzustellende
(Öroraxtıxdv) ist (&. Es werden also hier der griechische
Artikel und das griechische Relativum zusammengeworfen, über
deren etymologische Verschiedenheit uns erst das Sanskrit auf-
geklärt hat. un .L
Avrwvupia ist ein Satztheil, welcher an Stelle des Nomens
gebraucht wird, bestimmte Personen bezeichnend. Es werden
1) Die Worte von “fähig” bis ‘anzunehmen? (Exıdextixt, Xpövav re xal
rposhrwv Kal dprdpmv) wären nach Uhlig, Festschr. 84 zu streichen, Dagegen
vermuthlich noch die Worte xarnyöpnpa onpatvousa hinzuzufügen (s. unten
8. 7).
Einleitung. Erste Periode. Dionysios Thrax. 5
dasu nur gerechnet die persönlichen Pronomina nebst ihren
Possessivis. Was wir sonst Pronomina nennen, muss zum Nomen
oder zum Artikel gestellt worden sein.
TIpödesı; ist ein Satztheil, welcher all m yoranges u
Bach sowohl in der Zudkn: Ge "in
yA Er (suvräter, d.h. in der Verbindung mit Kası),
re werden die achtzehn vorhandenen Präpositionen aufgezählt.
9% ’Eripprpa ist ein Satzteil ‘ohne Flexion (rArtohf,‘ welcher”
iq Verbus braucht, oder ihm hinzugefügt
is Keyspeyp 4 Aniden Be, "Unter den ‘
&S; va haft Kich Arohl Wörter wie kadbı, y
unter den änteydpeva brnarı Zei und Orts dverbia u. dgt-
Aus der Menge der beigebrachten rather ungen ist zu er-
/3ehen, dass unter äripprjua zusammengefasst wurde, was wir
unter die Begriffe Adverbium, Partikel, Interjektion zu ver-
theilen pflegen. len RAN
Endlich oövdeopo; ist von \ Dionysios” so definiert worden:
Atkız ouvödouca Srävoray usta takews nal to ts &purvelas xeynvös
rınpodoa (8. Uhlig im Index unter ouvöeopos), d. h. ein Satz-
theil, welcher Fi Sinn unter Innehaltung einer bestimmten
TEE d welcher die Lücken dı
Pas! uera Tai t sich darauf, dass man
Kr
ie kann, nicht aber
das rip ! Sf die den Alten (auch den I
im en,
3 Aaupdvovza), z. B,'ö ur ehe nl. Übrigens werden die n.,
jespor eingetheilt“in RE Eoßjunditones copulativae (wozu
y ausser xal u. ähnl. Be dv gerechnet werden), dıa-
U ‚Beoxtıxol disjunctivae) suvartıxol Omi onann rapsasvaruno! cau-
N \ sales, alzıokoyıxol vae, ouAkoyıotıxot
\ . ratioenativae, endlich schon nten raparinpwparıxot
tlıvae.
ae die acht Redetheie der BA At %n hf banı der-
hat die Folgezeit nicht viel verändert. Die Römer haben
natürlich den Artikel, den sie in ihrer Sprache nicht hatten,
N
Ansch: , daks einige Wörter nur des Meırums wuer uer
Schönheit wege wer‘ poo f adapou Evexey mapa- “
ale
up ah
‘
”
6 Einleitung. Erste Periode. Dionysios Thrax.
weggelassen. Wir ziehen ihn zum Pronomen, das wir auch
sonst anders begrenzen. Zum Ersatz haben dann die Römer
einen andern achten Satztheil aufgestellt, welchen sie aus dem
erlppnpa mit seinen zahlreichen Unterabtheilungen lostrennten,
nämlich die Interjektion, worin wir ihnen mit Recht gefolgt
sind. Wir haben aber ausserdem aus dem &rippnpa noch einen
weitern Satztheil herausgeschnitten, die Partikel, auf den wir
uns freilich nicht viel einzubilden haben (vgl. Karl Ernst August
. Schmidt, Beiträge zur Geschichte der Grammatik 219ff.),. Zu
manchem Tadel geben die Definitionen der Satz-
theile Veranlassung. Es fehlt vor allem der einheitliche Aus-
gangspunkt, denn man versucht entweder das Wesen der
Satztheile an sich aufzuklären, oder man legt (freilich mehr
nebensächlich) Gewicht darauf, ob sie Flexionsformen haben
oder nicht, oder endlich man beschreibt sie nach ihrem Ver-
hältnis zu andern Satztheilen oder dem Gedanken des Satzes.
Der erste der genannten drei Gesichtspunkte tritt bei den
Definitionen des Nomens, des Verbums, des Partizipiums und
Pronomens hervor. Das Nomen bezeichnet nach Dionysios ein
oöpa oder ein rpäypa. Andre fassen die Begriffe etwas ab-
weichend. “Aber immer — so sagt Steinthal, Gesch. d. Sprachw.?,
2, 242 mit Recht — ob man owpa 7) rpäyna oder oödcla oder
odola nerd rordentos oder bloss roLdtns sagt, dies ist insofern ganz
gleichgültig, als man in jedem Falle in das Reich der sach-
lichen Begriffe, der Logik und Metaphysik, und aus der Sprache
heraus geräth.” Was das Verbum betrifft, so fehlt strenggenom-
men in der Definition des Dionysios, wie sie oben mitgeteilt
worden ist (dfjpd &orı Adkıs Antwrog &vepysıav F nados Tapıstaoa),
der Versuch, das eigentliche Wesen des Verbums aufzufassen,
denn &v&pyeta und xados sind doch nur Zustände des im Verbum
enthaltenen Subjekts. Apollonios Dyskolos, von dem sogleich
weiter gesprochen werden soll, findet das törov des Verbums
(zwar nicht bei der Definition, aber sonst) im rpäypa, wie auch
wir wohl nicht abgeneigt wären, im Nomen das Ding, im Ver-
bum den Vorgang ausgedrückt zu sehen; aber es lässt sich doch
nicht leugnen, dass es bedenklich ist, in dem Nomen owpa 7
Einleitung. Erste Periode. Dionysios Thrax. 7
zpäypa, in dem Verbum rpäypa zu erkennen. Es müsste noth-
wendig in der Definition des Verbums enthalten sein, dass es
Aussagewort ist. So definieren es die Stoiker, und vielleicht
oder wahrscheinlicherweise hat auch die Definition des Diony-
sios noch die Worte enthalten: xamydpnpa ompatvouoa (vgl.
Uhlig, Festschr. 84), Apollonios aber wollte davon nichts wissen.
Denn einmal ging er darauf aus, das Wesen des Verbums,
nicht seine Aufgabe, zu definieren, und dann liess sich unter
xarnydpnpa der Infinitiv nicht unterbringen, den er doch
so zu sagen für das Verbum an sich hielt. Ausser dem Nomen
und Verbum werden nach ihrem Wesen noch definiert das
Partizipium und etwa noch das Pronomen, insofern angegeben
wird, dass es die drei Personen ausdrücke. — Der zweite der
genannten Gesichtspunkte, das Vorhandensein oder Fehlen von
Flexionsformen, tritt nicht beherrschend hervor. Vom Nomen
und ebenso vom Artikel wird gesagt, jedes der beiden sei ein
u£pos Adyou rrurıxdv, das Verbum heisst eine Adiıs drtwro;, das
Adverbium ein pe£pos Adyov Axkırov. Bei dem Pronomen, der
Präposition, der Konjunktion wird etwas derartiges in die
Definition nicht aufgenommen. Es würde also nicht im Geiste
der alten Grammatik sein, wenn man die Satztheile ın flektier-
bare und nichtflektierbare eintheilen wollte. — Der dritte
Gesichtspunkt kommt bei den übrigen Satztheilen zur Geltung.
Weder bei dem Artikel, noch der Präposition, noch dem Adver-
bium, noch endlich der Konjunktion wird auf das Wesen der
Begriffe an sich eingegangen. Vielmehr werden der Artikel
(abgesehen von der Bemerkung, dass er rtwrıxdv sei) und die
Präposition nur durch ihre Stellung vor oder nach andern
Wörtern charakterisiert, das Adverbium nur durch sein Ver-
hältnıs zum Verbum (das Verhältnis zum Adjektivum wird, da
dieses nicht als besondrer Satztheil anerkannt war, nicht erwähnt),
die Konjunktion nur durch ihr Verhältnis zum Sinne des
Satzes. — Die drei genannten Gesichtspunkte nun haben auch
den Grammatikern der Folgezeit zu schaffen gemacht. Und
in der That verdienen sie sämmtlich Berücksichtigung. Nur
darf man sie nicht, wie Dionysios es gethan hat, zusammen-
8 Einleitung. Erste Periode. Apollonios Dyskolos.
werfen, sondern muss jeden an seiner Stelle zur Geltung
bringen.
Der zweite Grammatiker, dessen ich zu gedenken habe,
ist Apollonios Dyskolos aus Alexandria, der zur Zeit des
Antoninus Pius in Rom lehrte, im Gegensatz zu dem für uns
unpersönlichen Dionysios ein philologischer Charakterkopf,
umfassende Belesenheit mit eindringendem und grüblerischem
Scharfsinn verbindend, schreiblustig, streitbar. Wir haben ıhn
schon soeben bei den Satztheilen gelegentlich erwähnt, deren
Definitionen er vielfältig verbessert oder geändert hat, jetzt geht
er uns an als der Vater der Syntax. Zwar die Wörter
ouvraocsıv und guvrafıs wurden schon vor ihm in der Gram-
matik gebraucht (wurde doch der Satztheil bei Dionysios defi-
niert als n&pos &Adyıosrov tod xara auvrakıy Adyou), aber zepl suv-
takewus de constructione hat er, so viel wir wissen, als erster
einer unendlichen Reihe geschrieben. Die Grammatiker haben
sich allezeit gern mit dem Korrigieren von Fehlern abgegeben.
So hatte man denn schon vor Apollonios den Barbarismos
getadelt, der an dem einzelnen Worte hervortrete, den Soloi-
kismos, der bei der Verbindung der Wörter zum Vorschein
kommt. Ferner hatte jemand den Satz ovros pe Erudbev für
fehlerhaft erklärt für den Fall, dass die in Zrudev tätig gedachte
Person eine Frau sei. An diese Thorheit knüpft Apollonios
in der grundlegenden Stelle seiner Syntax (Anfang des dritten
Buchs) an, indem er zunächst den Unterschied zwischen that-
sächlicher und grammatischer Richtigkeit hervorhebt. Was ist
nun aber grammatische Richtigkeit? In dieser Hinsicht muss
man die Satztheile mit Flexion von denen ohne Flexion unter-
scheiden. Bei den ersteren beruht die Richtigkeit in der Ver-
bindung der auf einander passenden Formen, oder wie Apollonios
sich sich umständlicher ausdrückt: Von den Satztheilen werden
einige abgewandelt in Numeri und Kasus, andere in Personen
und Numeri (wie das Verbum und Pronomen), einige in Ge-
schlechter. Diese abgewandelten Satztheile nun sind durch die
Zusammenfügung der Rede vertheilt zum Zweck der Verknüpfung
mit dem worauf sie bezogen werden können {ty toü Aoyov
Einleitung. Erste Periode. Apollonios Dyskolos. 9
auvBEssı Avapsp£pıorar el; Enırnloxrv Too npoc 0 duvarar vepeadaı).
So z. B. gehört zu dem pluralischen Verbum ein pluralisches
Nomen nach Massgabe der in der Verbalform enthaltenen Per-
son, Z. B. zpaypopev Aueis, ypapousıv ol Avdpwror!), und ebenso
verhält es sich mit den Kasus und Genera. Anders ist es
mit den Wörtern ohne Flexion. An sich könnten sie mit
allen anderen Wörtern verbunden werden, da sie ja kein die
Verknüpfung begrenzendes Zeichen an sich tragen. Das ist
auch der Fall, doch wird bei einigen die Verwendbarkeit
durch ihren Sinn beschränkt, so z. B. bei den Adverbien,
welche eine bestimmte Zeitstufe, oder welche einen Wunsch
ausdrücken u. 8. w. Aus diesen Grundgedanken nun begreift
sich auch die Anordnung der Schrift repl ouvratews. Die wich-
tigsten Satztheile sind die flexibeln, unter diesen wieder Nomen
und Verbum, da ja, wie Apollonios sagt, ohne diese der ganze
Satz nicht zusammengeschlossen wird (od ouypxielera). Da nun
das Nomen in der auch von Apollonios hochgehaltenen Reihen-
folge den Reigen eröffnet, so könnte man meinen, dass auch
die Syntax mit dem Nomen zu beginnen habe. Aber das
Nomen kommt doch erst da zu seiner rechten Geltung, wo die
Verbindung (2rxırloxr) seiner Flexionsformen mit den Flexions-
formen des Verbums in die Erscheinung tritt. Apollonios spart
also das Nomen bis dahin auf und beginnt daher seine Schrift
nicht mit dem Nomen, sondern mit denjenigen Satztheilen,
die dem Nomen gegenüber eine dienende Stellung einnehmen,
sei es, dass sie dem Nomen angefügt werden, wie der Ar-
tikel (Buch I), sei es, dass sie an Stelle des Nomens treten, wie
das Pronomen (Buch II). Im dritten Buch, wo das Verbum
in den Kreis der Betrachtung tritt, folgt dann zuerst die schon
berührte Grundlegung, darauf werden die Modi mit den Tem-
pora und Personen, dann die Kasus des Nomens in ihrem
Verhältnis (ihrer Abhängigkeit, wie wir sagen würden) gegen-
1) Ist nicht die im Verbum enthaltene Person gemeint, sondern tritt
en Wechsel ein (&v peraßaseı), so braucht keine Kongruenz stattzufinden:
Tumtougı töy Avdpwmrov und törtoucı tods dvdpibrouc. Daraus sind später die
Begriffe Kongruenz und Rektion entwickelt worden (vgl. Steinthal?, 2, 347).
10 Einleitung. Erste Periode. Apollonios Dyskoles.
über dem Verbum behandelt. Das vierte Buch bespricht die
Präpositionen, welche ja sowohl zum Verbum als zum Nomen in
Beziehung stehen. Der Rest des Werkes ist verloren gegangen.
Zum Schluss will ich noch hervorheben, dass Apollonios
vieles zum ersten Mal gelehrt hat (z. B. über den Artikel und
das Pronomen), das noch heute gilt oder woran man noch
heute anknüpft, aber dass er natürlich auch oft in seinen Er-
klärungen in die Irre gegangen ist. So macht ihm z.B. der
Singular des Verbums bei dem Neutr. plur. als inkongruent
(axaraAAndos) Sorge, und er kann diese Konstruktion nicht
besser rechtfertigen, als durch die Annahme, dass eine (durch
Gleichheit der Form entschuldigte) Verwechselung zwischen
Nominativ und Akkusativ eingetreten sei. So habe die fehler-
hafte Konstruktion sich unvermerkt einschleichen können.
Freilich war auch von ihm nicht zu verlangen, dass er
schon damals auf die Hypothese hätte verfallen sollen,
welche jetzt J. Schmidt in einem grundgelehrten Buche
durchzuführen sucht, dass nämlich der neutrale Plural seinem
Ursprunge nach eigentlich ein femininischer Singular sei. Ein
zweiter merkwürdiger Fall begegnet uns bei der Kasuslehre.
Bei den Kasus stellt Apollonios die in Betracht kommenden
Verben zu Bedeutungsgruppen zusammen, die er dann mög-
lichst unter einen Hut zu bringen sucht. So steht der Akku-
satıv bei denjenigen Verben, die eine leidende Person neben
sich erfordern, der Genitiv, wenn ein Affiziertsein durch den
Begriff des Verbums ausgedrückt werden soll, der Dativ bei
den Verben, welche eine Zuwendung bedeuten. Natürlich
wollen sich nun viele Ausdrucksweisen nicht fügen, z. B. er-
hellt nicht, warum man geuyw oe, toörov Yoßoüpa: und ähnl.
sagt, da doch der Fliehende und Fürchtende selbst der Lei-
dende ist. Bei dieser Gelegenheit nimmt Apollonios seine
Zuflucht zur Ellipse, welche nicht bloss in der poetischen
Rede vorkomme. Es fehlt ein öıd, wie es neben dem Gen. fehlt
in oppnoeı nedloro. Wir sehen in diesen beiden Fällen Apol-
lonios von Mitteln der Erklärung Gebrauch machen, welche die
alexandrinischen Kritiker oft und unbedenklich anwenden,
Einleitung. Erste Periode. Die Griechen. 11
ebenso wie z. B. ihre indischen Kollegen. Ursprünglich ist
diese Art der Erklärung nicht böse gemeint. Wenn Aristarch
gelegentlich sagt, dass Homer den Dativ statt des Genitivs an-
wende, so soll das eigentlich nur heissen, dass die Prosa an
dieser Stelle den Genitiv gebrauchen würde, und wenn es
heisst, dass etwas fehle (2/eireı), so soll damit ebenfalls ursprüng-
lich nur gesagt sein, dass die gewöhnliche Rede noch das und
das Wort setzen würde. Unter den Händen pedantischer
Schulmeister oder verschrobener Grübler sind dann freilich
Enallage und Ellipse zum Gegenstand gefährlicher Irrlehren
geworden.
Die Ausläufer der griechischen Grammatik nach Byzanz
und Rom habe ich hier nicht zu verfolgen!). Dagegen wird
man ein zusammenfassendes Urteil über die griechischen
Leistungen erwarten. Um sich ein solches zu bilden, erwäge
man vor allem die Grösse der Aufgabe. Die Sprache wird
einer Generation nach der andern überliefert in Gestalt von
Sätzen, innerhalb deren sich mehr oder minder deutlich einzelne
Wörter abheben. Ein Theil derselben erscheint stets in gleicher
Gestalt, andere vielförmig, aber doch so, dass sich ein bleibender
gleicher Kern dem Gedächtnis einprägt. Die Wörter sind
auf das mannigfaltigste innerlich verknüpft und an eine
gewisse Reihenfolge gebunden. Wer nun dieses von den Vä-
tern überkommene Instrument unausgesetzt anwendet, in dessen
Innern bilden sich natürlich eine grosse Masse von Reihen,
deren Glieder durch Form und Inhalt fester oder lockerer
verbunden sind. Von allen diesen Reihen weiss der natürliche
Mensch nichts; dass sie aber vorhanden sind, ergiebt sich daraus,
dass eine Reaktion des Sprachgefühls eintritt, sobald in der
Sprache etwas Ungewöhnliches erscheint, eine falsch gebildete
Verbalform, ein Wort an ungewöhnlicher Stelle u. s. w. Alle
1) Nur sei es erlaubt, zu bemerken, dass von einem Byzantiner bereits
die lokalistische Kasustheorie aufgestellt worden ist, nämlich von Maximus
Planudes (erste Hälfte des 14. Jahrh.), ein Beweis, wie naheliegend diese
unricehtige Ansicht ist. Nach ihm bezeichnet der Genitiv das rößev, der
Dativ das xoö, der Akkusativ das nr} (vgl. Hübschmann, zur Kasuslehre 26).
12 Einleitung. Zweite Periode. Die Zeit bis zum Ende des 18. Jahrh.
diese Typen nun aus dem Unbewusstsein in das Bewusstsein
zu heben — und das ist doch die Aufgabe des Grammatikers —
ist ein gewaltiges Unternehmen, das auch den hellsten Köpfen,
selbst Männern wie Aristoteles, nicht auf den ersten Anlauf
gelingen konnte. Die Griechen haben die schwierige Aufgabe
zwar nicht so vollkommen gelöst, wie die Inder, aber doch so,
dass wir noch heute von ihnen zehren. Ihr Mangel lag, was die
syntaktischen Begriffe betrifft, wesentlich in ihrem Verhältnisse
zur Philosophie. Sie haben sich von der Philosophie, die vor
ihnen an den gleichen oder an ähnlichen Aufgaben ge-
arbeitet hatte, freı gemacht, und sie haben daran insofern recht
gethan, als Logik und Grammatik verschiedene Aufgaben
haben. Aber sie haben damit auch dasjenige bei Seite gescho-
ben, was sie zu ihrem Nutzen hätten verwenden müssen, näm-
lich (um es in späterer Formulierung auszudrücken) die Be-
griffe von Subjekt und Prädikat, ohne welche eine Syntax
nicht auskommen kann. Dieses Versäumnis rächte sich, die
zweite Periode steht überwiegend unter dem Zeichen der Phi-
losophie.
Zweite Periode.
Die Zeit bis zum Ende des achtzehnten Jahrhunderts.
Innerhalb des Zeitraums, den ich ın der zweiten Periode
zusammenfasse, interessieren uns zunächst die Scholastiker,
welchen ıch Sanctius, den berühmten Verfasser der Minerva
anfüge. Dann wird von John Locke, der grammaire generale und
dem Einfluss der Wolf’schen Philosophie die Rede sein. Denn
die andern zwischen den Scholastikern und Kant liegenden
‚philosophischen Systeme haben, soviel ich sehe, einen Einfluss
auf die Syntax nicht gewonnen.
Über die grammatischen Studien der Scholastiker unter-
richtet man sich leicht aus der übersichtlichen Schrift von
Thurot, welche Band 22, 2 des verdienstlichen Sammelwerkes
Notices et extraits des manuscrits de la bibliotheque imperiale
bildet (Paris 1868). In der Zeit, welche für uns in betracht
Einleitung. Zweite Periode. Die Scholastiker. 13
kommt, vom 12. Jahrhundert an, herrschte in dem grössten
Theile von Europa eine Gleichheit der Bildung, von der wir
uns heutzutage schwer eine Vorstellung machen können. Den
Inhalt der Gedanken bestimmte die Kirche, das Rüstzeug zur
Bearbeitung entnahm man dem Aristotelischen Organon (welches
hauptsächlich durch die Übersetzung des Boethius bekannt
wurde), die Sprache war die lateinische, die überall auf gleiche
Weise gelehrt wurde. ‘Das Doctrinale des Alexander de Villa
Dei (anfang des 13. Jahrhunderts) wurde in den Schulen diktiert,
auswendig gelernt und kommentiert zu Paris, Oxford, Prag,
Breslau und Bologna’. Natürlich, dass man auf die Formen-
lehre, welche den Knaben eingebläut wurde, keinen besondern
Werth legte (dieser Theil der Grammatik ist ja erst durch die
vergleichende Sprachkunde zu rechtem Ansehn gekommen) ;
das Hauptinteresse wendete sich auf die Syntax. Studium
grammaticorum praecipue circa constructionem versatur, sagt
ein Grammatiker des 13. Jahrhunderts. Doch geschah das
nicht etwa in dem Sinne, dass die Thatsachen des Sprach-
gebrauchs gesammelt worden wären. Eine solche Arbeit lag
dem nach innen gekehrten Zeitalter fern. Man forschte viel-
mehr nach den im Satze enthaltenen Begriffen. ‘Die Grammatik _
war nicht mehr die Kunst, richtig zu sprechen und zu schreiben.
Sie war eine rein spekulative Wissenschaft geworden, welche
nicht darauf ausging, die Thatsachen vorzulegen, sondern aus
den letzten Prinzipien zu erklären.‘ Wenn es denn (so kann
man weiter im Sinne dieser Denker reflektieren) bei der Sprache
wesentlich auf die Begriffe, die Gedanken, das Innere ankommt,
so ıst die äussere Erscheinung der Sprachen eigentlich gleich-
gültig. Und so konnte die Frage auftauchen, ob nicht alle
Sprachen im grunde genommen gleich wären, und mit ja beant-
wortet werden. Die noch dem 18. Jahrhundert fremde Vor-
stellung, dass eine Sprache aus dem Volke hervorgegangen ist,
das sie spricht, dürfen wir natürlich in der Scholastik nicht
suchen, und so können wir uns denn nicht wundern, schliess-
lich dem folgenden Satz zu begegnen: non ergo grammaticus,
sed philosophus proprias naturas rerum diligenter considerans,
—__
14 Einleitung. Zweite Periode. Die Scholastiker.
ex quibus modi essendi appropriati dıversis rebus agnoscuntur,
grammaticam invenit (S. 124). Man kann also sagen: die
Denker der damaligen Zeit waren auch in der Grammatik Schola-
stiker, und zwar, wenn es erlaubt ist, ihre Terminologie auch
auf die Grammatik anzuwenden, Realisten. Die universalia, d.h.
in unserm Falle die grammatischen Begriffe waren ihnen ante
rem. Im einzelnen ist zu bemerken, dass man sich besonders
eifrig mit den Grundbedeutungen der Satztheile, den sog. modi
significandi (d. h. etwa so viel wie Kategorien), beschäftigte.
Man zählte derselben sieben, und um jeder dieser sieben willen
ist der entsprechende Satztheil erfunden worden, so z. B. das
Nomen wegen der Kategorie Substanz mit Qualität. Wichtig
ist, dass wir ın der Definition des Verbums und damit des
Satzes die Scholastik durchaus auf dem Standpunkte des
Aristoteles finden. So heisst es bei Petrus Helias (12. Jahrh.):
in omni perfecta oratione dicitur aliquid et de aliquo. Fuit
igitur repertum nomen ad discernendum de quo est sermo,
verbum vero ad discernendum quid dicitur de eo (S. 178), und
ın etwas späterer Zeit: ad perfectionem locutionis duo sunt
necessaria, scilicet suppositum et appositum. Suppositum est
illud de quo fit sermo, .. . appositum est illud quod dicitur de
supposito (S. 217). Die Ausdrücke ‘Subjekt’ und “Prädikat ge-
brauchte man nicht, obgleich Boethius sie hat, wie wir später
sehen werden. Deshalb konnte man den Nominativ auch nicht
als Subjektskasus bezeichnen, sondern drückte sich über ihn so
aus: nominativus est quidam modus significandi datus nomini
ad designandum rem ut quod est alterum, quod clare videre
potes dicendo Socrates currit. Nam Socrates significatur tamquam
id quod est hujus cursus activum (S. 250). Das Wort Kopula
erscheint bei Abälard, kommt aber keineswegs zu allgemeiner
Geltung. Endlich dürfte hervorzubeben sein, dass in der Zeit der
Scholastik der schon von römischen Grammatikern angewendete
(vgl. Hübschmann, zur Kasuslehre 36 Anm.) Ausdruck regere all-
gemein geworden ist. Petrus Helias lässt sich über denselben
so vernehmen: Sicut in natura illud dicitur regere alıud, quod
non sinit illud deviare, similiter in arte illa dictio dicitur
Einleitung. Zweite Periode. Sanctius. 15
regere aliıam, quae non sinit illam poni in alio casu vel genere
vel numero. Unde regere est conferre poni in tali casu in quo
stare debet ut in hac oratione ‚Socrates videt Platonem. Hoc ver-
bum vıdet confert huic dictioni Socrates poni in nominativo solum.
huic vero quod est Platonem in accusativo solum (S.243). Man
beschränkte also regere nicht, wie wir es thun, auf die Ver-
bindung des Verbums mit einem obliquen Kasus. Die Ver-
engung des Begriffes regere finde ich erst im 16. Jahrhundert,
und zwar bei dem Professor der Rhetorik und griechischen
Sprache an der Universität zu Salamanca Francesco Sanchez
de-las Brozas, dem Verfasser der zuerst 1587 erschienenen
Minerva sive de causis latinae linguae commentarius. Sanctius
hat auf die Folgezeit einen ganz ausserordentlichen Einfluss
gehabt. Friedrich Haase sagt von ihm in seinen in der Mitte
unsers Jahrhunderts gehaltenen Vorlesungen (her. von Eckstein,
Band 1 S.25): “In Italien hat Monte gegen Sanctius geschrieben,
in Frankreich und Spanien dagegen sitzt Sanctius als König
der Grammatiker noch heutzutage viel fester auf dem Throne,
als irgend ein anderer König in diesen Ländern’. Er verdankt
diese weitreichende Wirkung nicht etwa seiner ausbündigen
Gelehrsamkeit (obgleich er in Kenntnis des Alterthums hoch
über den Scholastikern steht), noch auch philosophischer Tiefe,
vielmehr, wie mir scheint, der Entschlossenheit seiner Behaup-
tungen, die er mit echt philologischer Schnödigkeit gegen
Andersdenkende durchzusetzen suchte, und der Übersichtlich-
keit seines Schematismus. Dazu kommt, dass er in manchen
seiner Behauptungen, z. B. über den Ablatıv, der nach seiner
Versicherung immer mit Präpositionen verbunden wird!), un-
mittelbar an das romanische Sprachgefühl anknüpft. Sanctius
steht mıt den Scholastikern insofern auf einem Boden, als auch
1) Er äussert sich darüber 8.195 so: in ablativo quem falso absolutum
vocant, valde sunt allucinati grammatici: sed illis danda venia est; hoc enim
altioris est considerationis, quam quo possit ingenium grammaticorum ascen-
dere: ellipsis praepositionum. — Inwieweit Sanctiusin der Minerva von dem '
von ihm öfter beifällig erwähnten Jul. Cäsar Scaliger abhängig ist, habe Vv
ich nicht untersucht.
16 Einleitung. Zweite Periode. Sanctius.
er aprioristisch zu Werke geht. Reliquum est igitur — heißt
es $. 8 der Ausgabe von 1714 — ut omnium rerum ratio pri-
mum adhibeatur, tum deinde si fieri poterit, accedant testimonia,
ut res ex optima fiat illustrior. Ferner gleicht er ihnen in der
Stellung, die er der Syntax anweist: Oratio sive syntaxis est
finis grammaticae, ergo igitur non pars illius (S. 13). In der
Lehre von den Satztheilen geht er sogar hinter die Scholastık
zurück, insofern er sich wesentlich an die griechisch-römischen
Grammatiker hält (die Ausdrücke Subjekt und Prädikat dürften
bei ihm nicht vorkommen). Dagegen ist er uns auf diesem
Gebiete wichtig durch eine neu auftauchende Eintheilung, über
die er S. 15 sagt: cum igitur oratio sit finis grammatici (-ae?),
excutiamus ex quibus haec oratio possit constitui, ita ut nihil
sit quod per orationem non possimus enuntiare. Sunt autem
haec tria, nomen, verbum, particula. Aus den folgenden
Sätzen erhellt, dass Sanctius diese Dreitheilung den Arabern
‚entlehnt hat, in deren Grammatık sie von alters her eine Rolle
spielt, worüber man sich aus Benfey’s Geschichte der Sprach-
wissenschaft belehren mag, der-8--188 folgendes bemerkt:
‘Den besondern Anstoss zu einer sorgsamen Beachtung der
Sprache gab schon der vierte der Khalifen, der grosse Ali,
dieser als Krieger, Dichter und Weiser hervorragende edelste
Repräsentant der arabischen Nationalität (gestorben 661, im
40. Jahre nach der Hedschra). Er selbst belehrte den
Abülaswad ad-Duil (gestorben 688), welcher ziemlich über-
einstimmend als erster Grammatiker genannt wird; er bezeich-
nete ihm als die drei Redetheile Nomen, Verbum und Partikel
und empfahl ihm auf dieser Grundlage fortzubauen und das
Gegebene durch weitere Ausführung zum Abschluss zu bringen.
Die Einführung dieser Lehre des grossen Alı war für das Abend-
land nicht ohne Bedeutung; wir werden ihr noch bei G. Hermann
begegnen, der sie freilich in einer andern Weise, nämlich von
der Logik aus, also im letzten Grunde auf Aristoteles zurück-
gehend, zu begründen sucht.
Nächst dieser Eintheilung der Satztheile ist für uns bei
Sanctius wichtig seine Definition des Begriffes regere: In
Einleitung. Zweite Periode. Sanctius. 17
u —
verborum constructione — heisst es S. 262 — duo consideranda
sunt: concordia et rectio.. Concordia est mutua complexio
nominis et verbi. Rectio est quum verbum ostendit vires et
effectum in rem aliquam, unde verbum ostenditur activum vel
passivum.’ Besonders einflussreich aber ist unser Grammatiker
als Begründer der Ellipsentheorie. Ellipsen hatte man, wie
wir oben S. 10 sahen, schon früher angenommen (wie denn
auch jede natürliche Sprachbetrachtung auf diesen Begriff ver-
fallen muss), aber nicht in dem Umfang und nicht mit der
theoretischen Begründung, wie es durch Sanctius geschehen ist.
Auf den Umfang mag man aus der Thatsache schliessen, dass
das alphabetische Verzeichnis der Nomina und Partizipia, welche
fehlen können, weit über 200 Nummern enthält, während doch
die grössere Masse der Ellipsen erst in den folgenden Abschnitten
steckt, welche von dem Fehlen des Verbums, der Präpositionen
(vgl. oben S. 15 Anm.), der Adverbia u. s. w. handeln. Bei der
Entwickelung der Theorie schreitet Sanctius mit einer gewissen
Feierlichkeit zum Werke, indem er beim Beginn des vierten
Buches zunächst erklärt, dass er diesem dasjenige zugewiesen
habe, quae subtilioris sunt considerationis et maxime causas
Latini sermonis aperiunt und dann fortfährt: ‘sed antequam ad
hoc praeclarum munus accedo, illud videtur refutandum, quod
ab istis Latini sermonis imperitis jactari consuevit, nihil ®sse
supplendum, nam si supplendum est, ego amo Des et ego amo
Deus erunt Latinae phrases, quia illic deest praeceptum hie
autem guae praecepst. Quibus apte poterit responderi, illos com-
muni sensu carere. Ego illa tantum supplenda praecipio, quae
veneranda illa supplevit antiquitas aut ea, sine quibus gram-
maticae ratio constare non potest. Nulla linguarum est, quae
in loquendo non amet brevitatem, atque eo festivius quidque
dieitur, quo plura relinquuntur intelligenda. Altud est, inquit
Fabius, Latine aliud grammatice loqui. Excutiamus unum aut
alterum poetarum versiculum. Virgil. 4. Aeneid. nec venit in
mentem quorum consederis arois? grammaticus diceret: nec venst
Kb, o Dido, ın mentem recordalio vllorum hominum, in quorum
hominum arvis tu consederis? Terentius Heaut. vel me monere
Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm. Sprachen. 1. 2
18 Einleitung. Zweite Periode. Sanctius. Locke.
hoc, vel percontarı, puta. Rectum est, ego ut faciam, non ut
deterream. Grammatice dicetur: O Menedeme vel tu puta me
monere tibi hoc negotsum, vel tu puta me a te hoc negolium per-
contarı: quia si hoc negolium, quod negotium ego abs te rogo,
rectum negotium est, ideo te tllud ego negotsum rogo, ul ego idem
negotium faciam; at vero si hoc negotium, quod negolium tu
facis, rectum negotium non est, hac quoque de causa illud nego-
tium ego a te rogo, ut ego te ab illo negotio deterream. Das
heisst also: wir ergänzen entweder das, was das Alterthum selbst
ergänzte (worüber sich reden lässt), oder wir ergänzen dasjenige,
was nach unserer grammatischen Theorie eigentlich vorhanden
sein müsste. Damit ist natürlich der Willkür Thür und Thor
geöffnet. Ein Massstab für die Beurtheilung der Ellipse ist nur
dann zu finden, wenn man nicht von einem beliebig erdachten
Idealsatze, sondern von dem überlieferten Satztypus innerhalb
einer bestimmten Sprachperiode ausgeht. Darüber wird in der
Syntax selbst zu handeln sein. Hier liegt mir nur daran, darauf
hinzuweisen, dass die Ellipsentheorie in der aprioristischen An-
schauungsweise wurzelt, die wır als scholastisch bezeichnen.
Kommt man, wie wir es nach dem S. 12 angegebenen
‚ Plane zu thun haben, von Sanctius’ Minerva zu John Locke’s
| (1632-1704) Essay on human understanding, so spürt man eine
völlig andre Luft, die Luft der modernen, auf Erfahrung ge-
gründeten Wissenschaft. Der Grundgedanke dieses welt-
berühmten Buches, dass all unser geistiger Besitz schliesslich
auf die durch unsere Sinne vermittelten Anregungen zurück-
geht, findet im dritten Buch Anwendung auf die Sprache.
Doch wird die Syntax wenig berücksichtigt, höchstens dass im
7. Kapitel flüchtig von den Partikeln gehandelt wird). Über-
wiegend spricht Locke von der Entstehung und dem Werthe,
der den einzelnen Wörtern, insbesondere den Substantiven und
1) The words, whereby it (the mind) signifies the several affirmations
and negations, that it unites in one continued reasoning or narralion, are
generally called particles; and vt ıs in the right use of these, that more
particularly consıists the clearness and beauty of a good style (Works 2, 229,
London 1812).
Einleitung. Zweite Periode. Locke. 19
Verben, entsprechenden Begriffe. Bei diesem Geschäft lässt er
sich u. a. von einem Gedanken leiten, den er S. 147 so aus-
drückt : ıt may lead us a little towards the original of all our
notions and knowledge, if we remark how great a dependence
our words have on common sensible ideas: and how those, which
are made use of stand for actions and notions quite removed from
sense, have their rise from thence, and from obvious sensible
ideas are transferred to more abstruse significations; and made
to stand for ideas that come not under the cognizance of our
senses: Y. g. to Imagine, apprehend, comprehend, adhere, conceive,
instıl, dısgust, disturbance, tranquillity, etc. are all words taken
from the operations of sensible things, and applied to certain
modes of thinking. Spirit, in its primary signification, is breath:
angel a messenger: and I doubt not, but if we could trace
them to their sources, wfe should find, in all languages, the
names which stand for things that fall not under our senses,
to have had their first rise from sensible ideas. By which
we may give some kind of guess what kind of notions they
were and whence derived, which filled their minds who were
the first beginners of languages etc. Aus dieser und ähn-
lichen Ausführungen haben die Philologen den Satz gezogen,
der ein Dogma der Sprachwissenschaft geworden ist, dass alle
Wörter abstrakten Sinns ursprünglich konkrete Bedeutung ge-
habt haben. In wie weit dasselbe bei den Empiristen unter
den Grammatikern des achtzehnten Jahrhunderts Anwendung
gefunden habe, weiss ich nicht zu sagen. Unzweifelhaft aber
scheint mir, dass die Lokalisten unsres Jahrhunderts auf Locke’s
Schultern stehen, wovon man sich überzeugen wird, wenn man
folgenden Satz erwägt, mit dem Hartung die Begründung
seiner Theorie über die Kasus eröffnet: “Unsre Wahrnehmung
geschieht theils durch die Sinne, theils durch den Geist. Die
sinnliche Wahrnehmung geht überall voran: dieser dient darum
auch die Sprache früher als der geistigen. Demnach — so
meint er — muss man sinnliche Motive als gesetzgebend bei
Bildung der sprachlichen Formen betrachten und als Grund-
bedeutung die annehmen, welche der Natur nach die erste ist,
2%
y11) Einleitung. Zweite Periode. Die grammaire gen£rale.
d.h. die sinnliche (vgl. Rumpel, die Kasuslehre S. 89). Ich
habe oben (S. 11) schon diese Theorie als unrichtig bezeichnet
und werde später diejenige, die ich für richtig halte, vortragen.
Jetzt möchte ıch nur bemerken, dass die lokalistische Theorie
keineswegs mit Nothwendigkeit aus den Locke’schen Grund-
anschauungen folgt. Locke sagt, dass die beginners, die eısten
Sprechenden sensible sdeas gehabt haben werden; es ist ihm
aber natürlich nicht entgangen, dass aus dem von einer Ge-
neration der andern überlieferten inneren Vorrat mit der Zeit
eine Masse von unsinnlichen Vorstellungen gebildet worden
sind. Da nun die Kasus (wenn anders unsere Analyse der
Flexionsformen auf irgend welche Wahrscheinlichkeit Anspruch
machen kann) nicht zu den allerersten Schöpfungen des Vol-
kes gehört haben, sondern erst im Laufe der Jahrtausende
langsam entstanden sein werden, so liegt an sich kein Hıin-
derungsgrund vor, in den Kasus solche Ideen verkörpert zu
sehen, welche wir als abstrakt zu bezeichnen pflegen.
Wir haben gefunden, dass alle bisher erwähnten Schrift-
steller, wenn sie vom Griechischen oder Lateinischen sprachen,
die Sprache als solche zu behandeln glaubten, da ihnen bei
ihrer dürftigen Sprachkenntnis und ihrer aprioristischen Sinnes-
weise eine gründliche Verschiedenheit der Sprachen nicht zum
Bewusstsein gekommen war. So entwickelte sich denn natür-
lıch der Gedanke einer allgemeinen Grammatik. Die
erste derselben, die die Vorgängerin einer grossen Anzahl ähn-
licher geworden ist, ist die Grammaire generale et raisonn&e,
gewöhnlich nach dem Kloster, von dem sie ausgegangen ist,
die Grammatik von Port Royal genannt, neben der eine im
gleichen Sinne abgefasste, ebenfalls hochberühmte, Logik her-
geht. Sie geht zurück auf die Lehre des Dr. Antoine Arnaud
(1612—1694) und ist zuerst 1676 erschienen. Mir liegt die
Ausgabe von 1756 vor. Der Sprachstoff, der dieser Grammatik
als Grundlage dient, ist, wie sich nach dem eben Bemerkten
erwarten lässt, sehr gering. Es werden benutzt das Lateini-
sche, Griechische, Französische (letzteres in ziemlich erheblicher
Ausdehnung), gelegentlich wird auch das Hebräische herbei-
Einleitung. Zweite Periode. Die grammaire gen£rale. 2
gezogen. Die Behandlung ist eine durchaus verstandesmässige,
der Art, dass stets gefragt wird, zu welchem Zwecke die ein-
zelnen Sprachformen erfunden worden seien. Was uns hier
angeht, ist in der Kürze Folgendes. Die Betrachtung geht
aus von dem Urteil (jugement) : Le jugement que nous faisons
des choses, comme quand je dis “la terre est ronde’ s’appelle
proposition; et ainsi toute proposition enferme ne&cessairement
deux termes; Yun appell&E sujet, qui est ce dont on affırme,
comme ‘terre’; et l’autre appell& attribut, qui est ce qu’on
affırme, comme ronde’: et de plus la liaison entre ces deux
termes “est'. Or il est aise de voir que les deux termes appar-
tiennent proprement ä la premiere operation de l’esprit, parce
que c’est ce que nous concevons, et ce qui est l’object de notre
pensee; et que la liaison appartient & la seconde, qu’on peut
dire etre proprement l’action de notre esprit, et la maniere dont
nous pensons (S. 68). Entsprechend diesen beiden Haupttheilen
des Urtheils werden die Satztheile nıcht, wie es bei Sanctius
geschah, in drei, sondern in zwei Klassen eingetheilt. In die
erste gehören diejenigen, welche den Gegenstand unserer Ge-
danken (les objects des pensees) bezeichnen, nämlich Nomina,
Artikel, Pronomina, Partizipia, Präpositionen und Adverbien,
in die zweite diejenigen, welche die Form und Art der Ge-
danken (la forme et la maniere des pensees) bezeichnen, näm-
lich Verba, Konjunktionen und Interjektionen. In bezug auf
die einzelnen Satztheile bemerke ich, dass beim Nomen Sub-
stantiv und Adjektiv deutlich geschieden werden. Über das
Genus heisst es: comme les noms adjectifs de leur nature con-
viennent ä plusieurs, on a jug& a propos, ponr rendre le discours
moins confus, et aussi pour l’embellir par la varıet® des termi-
naisons, d’inventer dans les adjectifs une diversit& selon les
substantifs auxquels on les appliqueroit (S. 74) und sodann über
das Genus der Substantiva: linstitution ou la distinction des
genres est une chose purement arbitraire, qui n’est nulement
fond&e en raison, qui ne paroit pas avoir le moindre avantage,
et qui a beaucoup d’inconveniens (S. 77). In der Lehre von
den Kasus wird von dem Nominativ gesagt, seine Haupt-
32 Einleitung. Zweite Periode. Die grammaire gen£rale. Chr. Wolf.
anwendung sei, in der Rede vor alle Verba gesetzt zu wer-
den, um das Subjekt des Satzes zu sein. Bei dem Genitiv
werden eine Menge von Unterarten nach der Weise unseres
partitivus, possessivus u. 8. w. aufgestellt. Die übrigen Kasus
werden ungefähr wie bei Sanctius behandelt, doch tritt die
Ellipse nirgends hervor. Das Adverbium ist erfunden worden,
um die Rede abzukürzen (z. B. sapienter statt cum sapientia).
Das wichtigste ıst für uns das Verbum. Es wird erklärt als
un mot dont le principal usage est de signifier l’affirmation, c'est
a dire, de marquer que le discours oü ce mot est employ£, est
le discours d’un homme qui ne concoit pas seulement les choses,
mais qui en juge et qui les affiırme (S. 145). Das heisst mit
andern Worten: selon cela l’on peut dire que le verbe de lui-
meme ne devoit point avoir d’autre usage, que de marquer la
liaison que nous faisons dans notre esprit des deux termes d’une
proposition (ebenda). In dieser Einfachheit ist aber nur das
Verbum esse verblieben, oder strenggenommen nur est. Man
hat mit ihm eine Menge von Attributen verbunden, und so ist
die grande diversite des verbes dans chaque langue entstan-
den. Auf diesen Gedanken übrigens, dass sein das einzige
Verbum ist und allen anderen inhäriert, muss jeder verfallen, der
den sprachlichen Satz für die leibliche Form des logischen Ur-
theils erklärt. Er findet sich denn auch bereits bei Aristoteles:
“und so ist denn eivaı das reinste ha, welches in jedem dripa
enthalten ist und es dazu macht; denn ävdpwros Baötler ist so
viel wie avdpwros Baötkwv Zoti (vgl. Steinthal* 1, 241), und wir
werden ihm in der Folge noch öfter begegnen. Ganz geringfügig
ist, was die grammaire generale über die eigentliche Syntax
beibringt.
Ich führe nun den Leser von England und Frankreich nach
Deutschland, und zwar zu dem Hauptträger der Aufklärung
Christian Wolf (s. 1679—1754), der desshalb in der Geschichte
der Grammatik eine wichtige Persönlichkeit ist, weil er die Ter-
minologie in demjenigen Theile der Logik, welcher die Gram-
matik angeht, nämlich der Lehre vom Urtheil, zum Abschluss
brachte. Um das zu veranschaulichen, führe ich in kurzer
Einleitung. Zweite Periode. Lehre vom Urteil. 23
Zusammenfassung die Entwickelung der Terminologie seit
Aristoteles vor. Nach Aristoteles (aus dem die beweisenden
Stellen von Trendelenburg in seinem nützlichen Büchlein
Elementa logices Aristoteleae zusammengestellt sind, auf das
ich mich hier beziehe), soll in der Logik nicht von allen Adyoı
(Sätzen) die Rede sein, z. B. nicht von dem Wunschsatz, son-
dern nur von denjenigen, in welchen Wahrsein oder Falschsein
zum Vorschein kommt, also dem Behauptungssatz (Aoyos ano-
yavtızös, Ev & To AAndeverv 7 devöesdaı ümapyeı). Jeder Be-
hauptungssatz nun ist zunächst eine Bejahung (xarayasız), dann
kann er eine Verneinung (aroyasıc) sein. Jede Bejahung oder
Verneinung besteht aus ovona und häpe, ohne prjua aber giebt
es weder Bejahung noch Verneinung. Neben övopa und prp«
erscheinen bei Aristoteles die Begriffe vroxelpevov und xarmyo-
poöpevov, welche sich ihrem gesammten Inhalt nach durchaus
nicht mit övopa und päpa decken, aber an derselben Stelle wie
diese verwendet werden können. Über sie sagt Trendelenburg,
Geschichte der Kategorienlehre (Berlin 1846) S. 18: “Der ein-
fache Satz tritt in Subjekt und Prädikat auseinander. Das
Subjekt erscheint als die Grundlage, auf welche das Prädikat
bezogen wird, das urxoxelnuevov, das, grammatisch gefasst, das-
jenige ist, von welchem ausgesagt wird (xaß’ od Adyeraı), und
real dasjenige, in welchem das Ausgesagte ist (dv @ E&arı).
Daher vereinigen sich in vroxeluevov die Begriffe des Sub-
jektes und Substrate. Wo ein Urtheil und eine Aussage im
eigentlichen Sinne vorliegt, ist das Subjekt die tragende und
erzeugende Substanz (ovola). Die ausgesagten Begriffe (arnyo-
pouueva im eigentlichen Sinne) setzen das Subjekt voraus, und
inwiefern sie nicht Substanzen sind, sind sie, real gefasst, in
dem Substrate (suußeßnxora).. Das Substrat führt hiernach auf
die erste Kategorie, die Substanz, die Prädikate auf die übn-
gen. Von den Stoikern, deren Lehre vom Urtheil in Prantl's
Geschichte der Logik 1, 438 besprochen ist, will ich nur er-
wähnen, dass sie den Ausdruck atiopa eingeführt haben, von
dessen mehrfachen Übertragungen (vgl. Prantl 1, 519) sich yudi-
cium im Mittelalter durchgesetzt hat. Die aristotelischen Termini
24 Einleitung. Zweite Periode. Chr. Wolf.
droxeluevov und xarnyopoupevov sind durch subyectum und prae-
dicatum übersetzt worden, und zwar, wie ich wiederum Prantl
entnehme (1,696), von dem im Mittelalter unendlich viel gelesenen,
jetzt nur noch ın der Literaturgeschichte lebenden Bo&thius
(gest. 525), der sich so äussert: subjeotum est quod praedicati
suscipit dictionem, praedicatum vero est quod dieitur de sub-
jecto. Diese zwei Begriffe, in welche das Urtheil zerlegt wird,
heissen ihm termins, est und non est dagegen sind ihm keine
Termini, sondern signtficatio qualitatis. Es hat, wie meine
Anführungen aus den Scholastikern und der grammaire generale
gezeigt haben, mehr als tausend Jahre gedauert, bis die Aus-
drücke Subjekt und Prädikat die sichere Weltherrschaft erlangt
haben, nämlich wahrscheinlich bis zur Wolf’schen Philosophie.
Im Mittelalter ist zu den Ausdrücken für die zwei Hauptbe-
standtheile des Urtheils als dritter copula hinzugekommen, wel-
ches nach Prantl 2, 196 zuerst bei Abälard (1079—1142) vor-
kommt. Dass dieser den Ausdruck geprägt habe, lässt sich
allerdings nicht behaupten. Prantl hält die Möglichkeit offen,
dass er das ouvö&v der byzantischen Schultradition irgendwie
kennen gelernt habe. Seine definitive Bestallung im Reiche
der Logik erhielt der Ausdruck copula, so viel ich sehe, durch
Wolf, aus dessen philosophia rationalis sive Logica methodo
scientifica pertractata ed ad usum scientiarum atque vıtae aptata
ich nach der Ausgabe von 1732 S. 216 ff. nunmehr die Haupt-
stellen anführe. Sie lauten: $ 198. Omne judieium ex duabus
constat notionibus, notione sctlicet rei, cus aliquid trıbustur, vel
a qua aliquid removetur, et notione illius, quod eidem tribustur,
vel ab eo removetur. $ 199. Emunciatio constat ex duobus ter-
minis, quorum unus significat rem, de qua jJudicatur,; alter ıd,
quod eidem tribuitur, vel ab eo removetur. E.munciatio enim
est oratio, qua alterı judicium nostrum significamus. Quoniam
itaque judicium duabus constat notionibus, altera scilicet reı,
cui aliquid tribuitur, altera vero illius, quod eidem tribuitur,
vel etiam ab ea removetur; in enunciatione adesse debet et
terminus, quo indigitatur res, de qua judicatur, et terminus,
qui significat illud, quod de ea judicatur. In enunciatione
|
Einleitung. Zweite Periode. Chr. Wolf. G. Hermann. 25
adeo duo sunt termini ejus conditionis, quam posuimus in
propositione. $ 200. Ilud, de quo judicatur, dieitur Sudjectum:
quod vero rei cuidam tribuitur, vel ab ea removetur, Praedi-
catum. Subjectum quoque audit terminus, quo res ista prae-
dicatur, de qua judicium fertur, et praedicatum terminus, quo
enunciatur, quid rei conveniat, vel non oonveniat. $ 201. In
enunciatione seu propositione notiones vel conjunguntur, vel
separantur, atque adeo voce quadam opus est, qua earum nexus,
vel separatio indigitatur. Vocula ista, quae nexum praedicati
et subjecti significat, dieitur Copula. Quodsi copulae praefi-
gatur particula non; significabitur notionum separatio. Utimur
autem tanquam copula verbo substantivo. $ 202. Copula non
est nısi verbum substantivoum praesentis temporis. Denotat enim
nexum inter subjectum et praedicatum intercedentem, qualis
nempe repraesentatur in ideis nostris. Cum igitur in omni
judicio nexus ille semper sit aliquid praesens; copula non esse
potest nısi verbum substantivum praesentis temporis. $ 203.
Copula in propositione vel expresse ponitur, vel ın termino, qui
ad praedicatum pertinet, latet. Copula est verbum substantivum
praesentis temporis. Sed illud verbum in omni propositione
non apparet: quod per exempla est manifestum. In his igitur
casıbus latet in termino ad praedicatum pertinente, cui respon-
dens notio cum notione subjecti conjungenda. Dazu aus $ 205:
affrmare idem est ac praedicatum aliquod tribuere cuidam sub-
jesto; aus $ 206: affirmalions signum est copula; aus $ 207:
negationis signum est particula negandi copulae praefiza. Über
den wissenschaftlichen Werth dieser Wolf'schen Logik mag man
nun urtheilen wie man will, jedenfalls war die mitgetheilte Fest-
setzung der Terminologie in praktischer Beziehung sehr wichtig.
Die Wolf’sche Logik errang für eine Reihe von Generationen
die Herrschaft ın den gelehrten Schulen Deutschlands: es war
durchaus nicht gleichgültig, ob den künftigen Philologen mit
allem Nachdruck, dessen die Schule fähig ıst, eingeprägt wurde,
dass das judicium und die propositio zwei oder dass sie drei
Theile hätten. Das zeigt sich sogleich bei Gottfr. Hermann
(1772—1848), zu dessen Schilderung ich jetzt übergehe. Man darf
26 Einleitung. Zweite Periode. G. Hermann.
sich durch den Glanz des grossen Namens nicht verführen lassen,
den Werth der in der Schrift de emendanda ratione Graecae gram-
maticae (Leipzig 1801) vorgetragenen Anschauungen zu über-
schätzen. Dieses Buch bedeutet nicht einen Schritt vorwärts
in ein neues Land, sondern ist eine Darstellung ungefähr von
der Art der bisherigen. Gottfried Hermann als theoretisierender
Grammatiker ist der Sanctius seiner Zeit. Er gleicht diesem
seinem Vorgänger nicht bloss in dem hohen Ton und den kühnen
Behauptungen, sondern vor allem auch, wie wir sogleich sehen
werden, in der aprioristischen Gesinnung. Nach Hermann zer-
fällt die Grammatik in die folgenden sieben Teile: de literis,
de mensura syllabarum, de accentu, de metris, de partibus
orationis, de constructione, de dialectis, welche übrigens in ver-
schiedner Weise zu behandeln sind. Alıa enim (so heißt es
S. vın) fontem habent rationem humanam, adjutricem autem
experientiam, in aliis contra fons est experientia, ratio autem
adjutrix. Von den Theilen insbesondere, die uns hier angehen,
also zunächst der Lehre von den Satztheilen, heisst es: ea cum
in exprimendis cogitationum notis versetur, non potest non solius
rationis pervestigatione explicari, ad quam deinde ea, quae ex-
perientia in cuiusque populi sermone suppeditat, accommodanda
sunt (IX), und in bezug auf die Syntax: sexta pars quae est
de constructione, quod ad summa capita attinet, ratiocinando e
natura partium orationis prope tota colligitur. Demnach ist die
Aufgabe des Grammatikers eine doppelte. Er muss dasjenige,
was in der Sprache nothwendig und von der Natur selbst
gegeben ist, wohl verstehen, und er muss sodann die einzelne
Sprache auf ihrem besondern Wege zu begleiten wissen. Um
der ersten Aufgabe gewachsen zu sein, bedarf er der Philo-
sophie: in qua re est sane philosophia opus, sed absint a nobis
partium studia, unde nıhil, nisı dissensiones contentionesque de
rebus inutilibus nasci solent. Illud unum jure nostro postulare
nobis videmur, ut categoriarum, quae vocantur, partitionibus uti
liceat, quibus informatae animo ante omnem experientiam leges
formaeque notionum intelliguntur (127). Hermann bekennt sich
also zur Kantischen Philosophie, und so sehen wir ihn denn
Einleitung. Zweite Periode. G. Hermann. 37
ın der Grammatik (ebenso wie in der Metrik) von den logi-
schen Hülfsmitteln dieser Philosophie, nämlich den Kategorien
der Quantität, Qualität, Relation, Modalität mit ihren Unter-
abtheilungen reichlichen Gebrauch machen. Die Stimmung im
ganzen erinnert aber doch mehr an die Aufklärung. Oder wo
könnte das fröhliche Selbstbewusstsein des aufgeklärten Indi-
viduums sich herrlicher offenbaren, als in den folgenden Worten:
Quamobrem si nunc, postquam mentis humanae naturam clarius
perspicere coepimus, aliqua lingua non e diuturno sermonis usu
paullatim colligenda, sed de integro tota et invenienda et per-
firienda esset, credibile est, eam, etiam absque aliarum exemplis
Iinguarum, in quae quis intueretur, omnes perfectionis numeros
impleturam esse (1). Im einzelnen geht uns besonders die
Gliederung der Satztheile an, über die Hermann sich wie folgt
äussert: ordienda est autem naturae linguarum explicatio a par-
tibus orationis. Earum antiquiores grammatici magnnm numerum
posuerant, quem deinde, qui rem clarius perspexissent, ad tres
partes orationis revocarunt. Scilicet quum omne linguarum offi-
cium eo contineatur, ut animi cogitationes signis quibusdam
declarentur, totidem quaeque lingua signorum formas habeat
necesse est, quot sunt partes cogitationum. Atque unaquaeqyue
cogitatio, quae nunc judicium, nunc enuntiatio, nunc aliis nomi-
nibus vocatur, tribus omnino constat iisque necessarlis partibus:
prima quam subjectum philosophi vocant, quo significatur res,
de qua quid dieitur; secunda quam praedicatum appellant, quo
indicatur id, quod de aliqua re dieitur; tertia denique, quae
. copulae nomen habet, quo praedicati et subjecti exprimitur con-
sociatio. Quae quum ita sint, tres etiam erunt orationis partes,
quae illis cogitationum partibus respondeant. Ac subjecti nota
dieitur nomen, quo significatur res, de qua aliquid enunciarı
queat; praedicati nota particula est, qua indicatur conditio,
quae per se nulla est, nisi si rei alicui assignetur; copulae deni-
que nota verbum vocatur, cujus ope praedicatum tribuitur sub-
jeeto, conditioque intelligitur esse rei alicujus conditio. Itaque
nulla reperiri potest enunciatio, qua non contineantur tres istae
orationis cogitionumque partes. Nam si quae sunt enunciationes,
28 Einleitung. Zweite Periode. G. Hermann.
quae duabus tantum aut una etiam orlationis parte videantur
constare, ut ‘sol oritur’, ‘vivo’, iis videtur tantum aliquid deesse,
non vere deest. Significantur enim istis exemplis haec: ‘sol oriens
est‘, ‘ego vivens sum’. Neque vero hoc debet offensioni esse,
quod in hisce atque aliis plurimis exemplis, si Graeca Latinaque
lingua exprimuntur, particulae loco nomen adjectivum occurrit.
Id enim vitio istarum linguarum, non rei necessitate fit. Id quod
clarissime e Germanica lingua cognoscitur, cujus in hac quidem
re admirabilis veritas est atque simplicitas. Nos enim non nomen
adjectivum jungimus substantivo, sed adverbium, ut in his, “das
pferd ist gut, besser, am besten’, plane, ut rei natura postulat,
simplici conditionis nota cum subjecto copulata. Quanto opero-
sius Latini et Graeci, ‘equus bonus est, melior, optimus’, 6
Innos ayadds &orı, xpelsowv, Peitıstos. Quo quid alıud signi-
ficant, quam hoc, “equus est equus bonus, equus melior, equus
optimus’? Woher die in den angeführten Worten enthaltenen
Ansichten stammen, ist dem Leser meiner Ausführungen bekannt.
Die Eintheilung der Satztheile in nomen, verbum, particula hat
Hermann von Sanctius, der sie seinerseits den Arabern entlehnt
hatte. Hermann aber unterscheidet sich von Sanctıus dadurch,
dass er die Dreizahl begründet, und zwar thut er das, indem er
die Gleichsetzung von logischem Urtheil und sprachlichem Satz
in der Gestalt, wie sie in der Wolfschen Philosophie aus-
gesprochen war, aus dieser herübernimmt. So entspricht denn
dem Subjekt das Nomen, der Kopula das Verbum, dem Prä-
dikat die Partikel. Sogleich aber zeigen sich die bösen Folgen
dieses Verfahrens bei Hermann in voller Klarheit. Ich ver-
weile bei denselben einen Augenblick, weil sie zum Theil noch
bis in die Gegenwart fortwirken. An den Indikativsätzen der
indogermanischen Sprachen (von andern Sätzen und Sprachen
ganz zu geschweigen) können wir drei Typen unterscheiden,
einen theillosen, z.B. pluit, einen zweitheiligen, z.B. equus currit,
einen dreitheiligen, z. B. terra est rotunda. Der letztere stimmt
(namentlich wenn man die gewöhnliche Wortstellung terra ro-
tunda est verlässt) mit dem logischen Urtheil seiner Form nach
überein. Wer sich nun entschliesst, diesen Satztypus als den
Le
a en 1 —
Einleitung. Zweite Periode. G. Hermann. 9
eigentlich gesetzmässigen zu betrachten, muss natürlich die beiden
andern irgendwie zu beseitigen suchen. Das pflegt bei dem ersten
der genannten (plust) dadurch zu geschehen, dass man sein Vor-
handensein leugnet. Auch neuere Grammatiker bemühen sich
bei dieser Gelegenheit zu beweisen, dass eins “eigentlich” gleich
zwei sei. Den zweiten Typus bringt Hermann auf die Form
des dritten, indem er das Verbum in zwei Bestandtheile zerlegt,
also aus currit currens est macht, ein Verfahren, in welchem er,
wie wir gesehen haben, keinen geringern als Aristoteles zum
Vorgänger hat. Nun mag eine solche Zerlegung vom Stand-
punkt der Logik begründet sein, die Sprachforschung jedenfalls
erhebt dagegen Einspruch. Zwar hat Bopp, geleitet von der-
selben Anschauung wie Hermann, in dem o von Formen wie
Aücm &Auca, das Verbum ‘sein’ gesehen und hat mit dieser Ver-
mutung vielfältig Anklang gefunden. Indessen, wie man auch
darüber denken mag, mit unsrer Frage hat die Bopp’sche Zer-
gliederung nichts zu thun. Denn sie bezieht sich auf den
Aorıst und das Futurum, nicht auf den Indikatıv des Präsens.
Gerade um diesen aber handelt es sich ın den Sätzen, welche uns
hier angehen, wie das ja auch in der Wolf’schen Formulierung
ausdrücklich anerkannt ist (vgl. oben 8. 25). Kein Sprach-
forscher kann heute behaupten, dass in einer Form wie currit
das Verbum ‘sein’ enthalten sei. Aber auch von einer
andern Seite aus ergiebt sich die Unrichtigkeit der Hermann’-
schen Auffassung. Wenn sie richtig wäre, müsste man an-
nehmen, dass das Verbum ‘sein’ so zu sagen als Kopula auf
die Welt gekommen wäre. Das aber ist doch ganz undenk-
bar. Zwar die älteste Bedeutung der Wurzel es wissen
wir mit Sicherheit nicht zu erschliessen (während wir wissen,
dass das ın unserem br enthaltene Verbum ursprüng-
lich “wachsen’, das in gewesen enthaltene ursprünglich ‘die
Nacht zubringen’ bedeutete), aber jedenfalls hiess es eher ‘vor-
handen sein’, als ‘sein. Somit kann von einer Identifikation
von Verbum und Kopula im Ernste nicht die Rede sein. Der
Kopula entspicht nicht das Verbum an sich, sondern die dritte
Person des Präsens eines bestimmten Verbums.. Ahnlich
30 Einleitung. Zweite Periode. G. Hermann.
verhält es sich mit dem Nomen. Wie sollte wohl das Nomen
dem Subjekt entsprechen können, dem doch vielmehr der No-
minativ eines Substantivums entspricht. Vollends wunderlich
nimmt sich die Partikel aus, was eines Nachweises nicht
bedarf. Ich mache hier nur darauf aufmerksam, wie der Unter-
bringung des prädikativ gebrauchten Adjektivs unter den
Begriff der Partikel sofort eine unhistorische Auffassung der
in der Sprache gegebenen Thatsachen folgt. Hermann belobt
die deutsche Sprache dafür, dass sie in einem Satze wie das
Pferd ist gut nicht das Adjektivum, sondern das Adverbium
verwende. Aber die Behauptung, dass in gut das Adverbium
enthalten sei, beruht, vom historischen Gesichtspunkte aus
angesehen, auf Schein. Es genügt, an dieser Stelle auf das-
jenige zu verweisen, was ich dem Kapitel über das Adjektivum
entwickelt habe. Später bei der Lehre vom Prädikat werde
ich darauf zurückkommen müssen. Ich gebe nun einige Be-
lege für die Art, wie Hermann mit den Kantischen Katego-
rıen umgeht, und zwar wähle ich die Lehre vom Genus,
Numerus und von den Kasus. Mit dem Genus geht es Her-
mann, wie es zum Theil noch uns geht. Wir können uns seine
Entstehung nicht mit einiger Sicherheit erklären, und so ist
es denn nicht zu verwundern, dass Hermann darüber etwa so
urtheilt, wie die grammaire generale et raisonnee. Er meinte es
sei beinahe überflüssig (prope superfluum), da es denn aber
vorhanden ist, so muss es doch bei einer Kategorie unter-
gebracht werden, und zwar geschieht das bei der Qualität mit
ihren Unterabtheilungen der Bejahung, Verneinung und Limi-
tation. Die Art, wie das möglich gemacht wird, entnehme
man aus folgender Stelle: Itaque nominum qualitas posita est
vel in accessione, vel in detractione praedicati alicujus. Id qui-
dem quale praedicatum esse debeat, ex ipsa nominum notione non
potest intelligi. Sed suppeditavit hoc experientia. Itaque mas-
culinum genus quum ubique primum locum teneat, nomina mas-
culina accessionem hujus praedicati significabunt ; feminina autem,
ut masculino generi contraria, detractionem ejus; neutra denique,
ut quae neutrum horum sint, limitationem generis indicabunt
MM IHnn7 © ME Gr DH34| m . .
Einleitung. Zweite Periode. G. Hermann. 31
(S. 136). Etwas williger fügen sich die Numeri der Kategorie
der Quantität. Der Singularis entspricht dem Begriff der Ein-
heit, der Pluralis dem der Vielheit, so bleibt für den Dualis
die Allheit übrig. Darüber heisst es: Graeci tamen aliquod
certe genus formae nominum habent, quo numerus omnium in-
dicetur: isque dualıs est. Nam numerus dualis quum et plu-
rum sit quam unius, nec possit plura recipere quam duo, abso-
lutam quandam continet et unitate quadam comprehensam
multitudinem, quae jpsa est notio numeri omnium. Omnia enim
dicuntur multa in unum conjuncta, ita ut plura esse nequeant
(S. 134). Wie gesagt, ist diese Betrachtnng nicht ganz so
gezwungen, wie die über das Genus. Es ist aber doch ein
merkwürdiges Zeichen der damaligen Zeit, dass ein hervor-
ragender Mann in einem derartigen Spiel mit Begriffen eine
Erklärung sprachlicher Erscheinungen erblicken konnte. Über
die Kasus fasse ich mich kurz. Ich erwähne nur, dass jeder
Begriff rein an sich betrachtet werden kann, das ist der Nomi-
nativ, oder bezogen werden kann ad mentem sensumque ejus, qui
de ea (notione) cogitat loquiturve, das ist der Vokativ. Der Genitiv
sodann bezeichnet die Substanz, der Akkusatıv das Accidens,
der Ablatıv die Ursache, der Dativ die Wirkung. Im allge-
meinen sagt der Verfasser mit Befriedigung: atque equidem
arbitror, obscuram illam veri praesagitionem, cujus ubique in
linguarum conformatione vestigia apparent, vel maxime etiam in
casuum inventione esse conspicuam, quandoquidem nec plu-
res esse quam sex casus possunt, nec pauciores esse
debent. Wenige Jahre nachher wurde festgestellt, dass die
Sprache aus der auch das Griechische und Lateinische hervor-
gegangen sind, noch einen siebenten Kasus, den Localis, und
einen achten, den Instrumentalis, besessen hat.
Wir sind nun am Ende unserer zweiten Periode angelangt,
und es dürfte nützlich sein, ihre Schwächen noch einmal kurz
zusammenzufassen. Vergleichen wir diese Zeit mit der heu-
tigen, so tritt uns zunächst die Geringfügigkeit des sprach-
lichen Materials, mit dem man arbeitete, entgegen. Im Grunde
befasste man sich doch nur mit dem Lateinischen, Griechischen
32 Einleitung. Dritte Periode. Vom Ende des 18. Jahrh. an.
und im Laufe der Zeit allenfalls noch mit dem Hebräischen.
Die lebendigen Sprachen, z. B. das Deutsche, wurden freilich
nicht während des ganzen Zeitraums, den ich im Auge habe,
völlig vernachlässigt, aber sie wirkten nicht mit bei der Aus-
bildung der grammatischen Theorie. Wendet man aber seine
Aufmerksamkeit wesentlich auf ausgestorbene Literatursprachen,
die man sich mit heisser Mühe aneignen muss, so entsteht
wohl die Vorstellung, als sei die Sprachfertigkeit ein Erzeug-
nis der höheren Bildung, ja es mag sich leicht der Wahn ein-
stellen, dass die Sprache selbst ein Produkt der Gelehrsamkeit
sei. Unter diesem Gesichtspunkt erscheint es dann nicht so
gar unnatürlich, wenn man in der Sprache lediglich ein Pro-
dukt des menschlichen Verstandes, nicht auch anderer Kräfte,
wie z. B. der Phantasie, erblickt und in den einzelnen Sprach-
formen allerhand philosophische Kategorien verkörpert glaubt.
Schliesslich musste dann der Schein entstehen, als sei die
Sprache eine Art von Verkörperung der Logik, mit der sich
die Grammatik doch nur an einem Punkte, nämlich bei der
Lehre vom Subjekt und Prädikat, berührt.
Dritte Periode.
Vom Ende des achtzehnten Jahrhunderts an.
Meine Darstellung nähert sich nunmehr ihrem Höhe-
punkte. Es handelt sich um die Schilderung derjenigen Zeit,
ın welcher die vergleichende Sprachforschung begründet wor-
den ıst. Um das Verständnis derselben vorzubereiten, darf ich
zunächst an die tiefe und breite Strömung erinnern, welche
sıch für uns Deutsche an die Namen von Winkelmann, Les-
sing, Herder, Goethe, Schiller und deren Genossen anknüpft.
Niemals vorher war in Deutschland (wo ja die Renaissance
andere Formen angenommen hatte als in Italien) das Ideal
einer den ganzen Menschen ergreifenden Ausbildung in dieser
Weise aufgestellt worden, niemals hatten sich die führenden
Geister weitherziger zu dem Spruche ni? kumanı a me alienum
puto bekannt, niemals war den Bedürfnissen des Herzens
Einleitung. Dritte Periode. Kant. Fichte. 33
neben den Forderungen des Verstandes freundlicher ein Platz
eingeräumt, niemals war die ästhetische Kultur in solchem
Grade als eine ernste und würdige Angelegenheit betrieben
worden. Dazu kam der die Geister mit sich in die Höhe
reissende Aufschwung der Philosophie. Wir sind Kant be-
reits bei Gottfried Hermann begegnet, der freilich über ein
ziemlich äusserliches Operieren mit den Kategorien, also über
den Kantischen Buchstaben, nicht hinausgekommen ist. An
dieser Stelle handelt ‚es sich um den Einfluss des Kantischen
Geistes. Ich gebe zu, dass es leichter ist, die Einwirkung
dieses Geistes bei denjenigen Wissenschaften aufzufinden,
welche entweder die Gedanken des grossen Mannes ihrem
Inhalte nach sich aneignen konnten, wie z. B. die Ästhetik,
oder welche die sittliche Stimmung auf ihr Gebiet übertragen
konnten, wie z. B. die politische Geschichte; aber der allge-
meine Einfluß Kants läßt sich doch auch bei den Fächern
feststellen, die mir hier vorschweben. Ich finde ihn wesent-
lich darın, dass sein Vorbild dem Einzelnen die freudige Hoff-
nung erregte, es sei möglich, durch geduldige und ernste For-
schung zu jenen Anfängen hinabzusteigen, wo die Lösungen
der Räthsel liegen, und so dem menschlischen Geiste etwas von
seinem Geheimnis und seinen tiefsten Gesetzen abzugewinnen.
In ähnlicher Richtung wirkte Fichte. Es mag zunächst un-
verständlich erscheinen, wie eine Philosophie, welche die Welt
aus dem Ich entwickelt, also eigentlich gegen das draussen
Gegebene gleichgültig ist, auf Erfahrungswissenschaften erheb-
lich habe einwirken können; aber der starke Einfluss Fichte’s
3. B. auf die philosophisch-historische Gruppe der Romantiker
ist sicher bezeugt. Man fühlte sich, so scheint es, durch seine
entschlossene Spekulation in dem Unternehmen gestärkt, die
wissenschaftliche Welt nicht bloss zu erobern, sondern auch
von sich aus in ein System zu bringen. Und so kann man
es wohl verstehen, wenn Friedrich Schlegel behauptete, der
Fichte'sche Idealismus und die Goethische Poesie seien die
beiden Zentren der deutschen Kunst und Bildung. (Haym, die
romantısche Schule 249). Auf der Höhe der hiermit bezeichneten
Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm. Sprachen. 1. 3
34 | Einleitung. Dritte Periode. Schelling.
Bildung steht Wilhelm von Humboldt. Sein Geist war
erfüllt, wenn auch nicht ausgefüllt von der Philosophie
Kant’s und Fichte’s, während sich ein Einfluss von Schelling
wohl kaum in erheblichem Grade nachweisen lässt. Wie
sehr die ästhetische Anschauungsweise in ihm lebendig
war, dafür mag sein bekannter Ausspruch angeführt werden,
die Sprache erinnere in dem tiefsten und unerklärbarsten Theile
ihres Verfahrens an die Kunst. Und wenn man nun noch
an den reinen Humanismus des Mannes denkt, der auch den
Sprachen der sogenannten Wilden ein menschlich fühlendes
Herz zeigt, so dürften damit wenigstens die allgemeinen Züge
dieses reichen Geistes angedeutet sein, welche in seinen sprach-
wissenschaftlichen Arbeiten überall hervortreten.
Auf Fichte folgt die in immer erneuerten Geburten sich
hervordrängende Schelling’sche Lehre. Aus ihr dürfte beson-
ders die Vorstellung der organischen Entfaltung und eine be-
sondere Verwendung des Begriffes Organismus in die fach-
wissenschaftlichen Kreise gedrungen sein. Der bei Schelling
immer wiederkehrende Gedanke, dass Natur und Geist sich
ohne äusseren Antrieb, dank den in ihrem Innern wirkenden
Kräften, geheimnisvoll und gesetzmässig zugleich zu organischem
Dasein entfalten, dieser Gedanke brachte in besonders treffen-
der Form den Widerspruch der ganzen Zeit gegen die mecha-
nistische Anschauung früherer Generationen zum Ausdruck.
Es war im Grunde derselbe Gedanke, der in Goethe’s Meta-
morphose der Pflanze enthalten ist, aber erst in den Kreisen
der Romantiker gelangte er zu rechter Gestaltung und Wiırk-
samkeit. So bei Friedrich Schlegel, nach dessen Ansicht die
Flexion auf organischer Entfaltung der Wurzel beruht, so na-
mentlich bei dem Philosophen der romantischen Schule, bei
Schelling. Diese Anschauung musste wohl einem Gelehrten
willkommen sein, der in hingebendem Studium an sich erfährt,
dass das Objekt eine Macht ist, der wir uns zu fügen, dessen
Gesetze und Wandlungen wir zu erkennen, das wir aber nicht
von uns aus zu meistern haben. Eın solcher war Savigny.
Er gelangte, indem er die Schelling’schen Anschauungen auf
Einleitung. Dritte Periode. Hegel. 35
sein Gebiet anwendete, zu der Überzeugung, dass das Recht
im organischen Zusammenhang mit dem Wesen und Charakter
des Volkes durch innere stıllwiırkende Kräfte entsteht, nicht
durch die Willkür eines Gesetzgebers, und dass das Bestreben
der historischen Rechtswissenschaft dahin gehen müsse, jeden
gegebenen Stoff bis zu seiner Wurzel zu verfolgen und so sein
organisches Prinzip zu entdecken. Savigny’s Schüler aber war
Jacob Grimm. In diesen beiden grossen Gelehrten zeigt sich
das romantische Prinzip der organischen Entfaltung in der
Gestalt der historischen Methode, bei beiden zugleich er-
scheint als Einwirkung ihrer Zeit die sie vor andern auszeich-
nende vaterländische Richtung. Die historische deutsche
Grammatik ist — so weit die Sprachwissenschaft in Frage
kommt — das vollendetste Ergebnis der romantischen Be-
wegung.
Schelling wurde abgelöst durch Hegel, der an die Stelle
der organischen Entfaltung den dialektischen Werdeprozess
setzte. Hegel’s Einwirkung war ungeheuer. Ein aufmerk-
sames Auge begegnet ihr noch in der Gegenwart auf Schritt
und Tritt. Diese Einwirkung vollzog sich, so viel ich sehe,
wesentlich nach zwei Richtungen. Einmal beförderte Hegel
den gesunden Gedanken der geschichtlichen Entwicke-
lung. Freilich unterlagen seine Anhänger dabei nicht selten
der Gefahr, dasjenige, was sie aus den Thatsachen gemächlich
abstrahiert hatten, ihnen nachträglich wie ein aus dem Be-
griffe sich von selbst ergebendes nothwendiges Gesetz aufzu-
erlegen, so dass die Thatsachen — um ein Lessing’sches Bild
zu gebrauchen — so zu sagen mit ihrem eigenen Fett be-
träufelt wurden. Andererseits verlief die Hegel’sche Methode
in ein leeres und betäubendes Spiel mit Begriffen. Die erst-
genannte Wirkung trat bei den Gründern der Sprachforschung
nicht deutlich hervor, wohl aber in einem späteren Stadium
bei Schleicher. Ein Beispiel für die zweite Art ist das einst
vielgenannte Buch von Karl Ferdinand Becker ‘Organism der
Sprache”, ein Buch, welches nach Steinthal’s treffendem Aus-
druck nichts weiter enthält als eine mechanische Mengung
3%
36 Einleitung. Dritte Periode. Das Sanskrit.
naturphilosophischer Phrasen mit abstrakt logischen Kategorien.
Indem Steinthal in seiner Schrift über Grammatik, Logik und
Psychologie (Berlin 1855) das Becker’sche Verfahren einer
schneidenden Kritik unterwarf, vollzog sich auf sprachwissen-
schaftlichem Gebiet die Auseinandersetzung Herbart’s mit der
Identitätsphilosophie.e. Von den Wirkungen der Herbart’schen
Psychologie soll am Beginn des zweiten Abschnittes dieser
Periode die Rede sein. Jetzt aber habe ich von der zweiten
Erscheinung zu handeln, welche der Zeit, von der ich hier
rede, die Signatur giebt. Ich meine die Zufuhr neuen, bis dahin
nicht bekannten oder nicht beachteten sprachlichen Stoffes.
Die wichtigste Vermehrung des Stoffes erfolgte durch die
Entdeckung und erste Verwendung des Sanskrit. Während
man bisher sich immer, mehr oder weniger bewusst und deut-
lıch, die alten Griechen und Römer als die Erfinder ihrer
Sprache vorgestellt hatte, so dass man in den homerischen Ge-
sängen den Athem der Urzeit zu verspüren glaubte, so trat
: jetzt eine Sprache in unseren Gesichtskreis, welche von den
klassischen Sprachen durch eine unendliche Strecke in Raum
und Zeit gesondert war, welche aber doch mit ihnen ‘bis auf
die innerste Struktur und Grammatik’ übereinstimmte. So war
dann der Schluss unausweichlich (wenn er sich auch erst all-
mählich zu voller Klarheit entwickelte), daß die den Einzel-
sprachen zu Grunde liegende Ursprache in allen ihren wesent-
lichen Formen sich bereits in einer Zeit ausgebildet haben
müsse, gegen welche alles, was wir bisher Alterthum zu nennen
gewohnt waren, als jung erscheint. Indem sich so hinter jeder
einzelnen Sprache ein Hintergrund von unabsehbarer Weite
aufthat, entwickelte sich bei dem Betrachtenden nothwendig
ein Gefühl der Ehrfurcht vor der Sprache, welche sich wie
die Natur selbst unter allen Stürmen der Jahrtausende in ihrem
Kerne ungestört erhält, und man begann einzusehen, wie wenig
eigentlich der Einzelne gegenüber der Sprache vermag. Nach
ähnlicher Richtung wirkten auch die neuen Errungenschaften
auf dem Gebiet der germanischen und slavischen Sprachen,
welche aber ihrerseits noch einen neuen Gesichtspunkt in die
Einleitung. Dritte Periode. W. v. Humboldt. 37
Betrachtung einführten, nämlich den Gegensatz von Schrift-
und Volkssprache, der später von Wichtigkeit geworden ist.
Die genannten Folgen (denen sich noch mancherlei anschliessen
lässt; sind, wie schon angedeutet, erst allmählich hervorgetreten.
Eins aber zeigte sich sofort, dass nämlich das wesentliche In-
teresse der Sprachforscher von der Syntax auf die Laut- und
Formenlehre übertragen worden war. Da die Vergleichung
der Sprachen nur gelingen konnte, wenn man den Lauten die
schärfste und geduldigste Aufmerksamkeit zuwendete, so nahm
man die vergleichende Lautlehre mit Ernst in die Hand, und
mit Recht wählte einer der scharfsinnigsten und rührigsten
Forscher, F. A. Pott, für seine hauptsächlich der Etymologie zu-
gewendeten Arbeiten das Motto: Ziterae suus honos esto, litera
animi nuntia. Die Formenlehre trat aus dem Schatten der
Schule in das Licht der gelehrten Forschung, und gerade an
dem, was für viele Generationen von Deutschen die Qual der
Jugend gewesen war, wie z. B. den unregelmäßigen Verben, er-
kannte eine geläuterte Ansicht waltende Regel und Reste ur-
ältester Bildung. Auch jetzt noch beschränkt sich das Interesse
der Sprachforscher wesentlich auf diese Theile der Grammatik.
Die alte so viel behandelte Lehre von den Satztheilen ist von
der vergleichenden Grammatik nicht ernstlich aufgenommen,
und für die Syntax ist etwas Zusammenfassendes noch nicht
geleistet worden. Umsomehr wird es mir obliegen, die Ansätze
zu einer Neugestaltung auch der Syntax bei den Begründern
unserer Wissenschaft aufzusuchen.
Ich glaube, die wisgenschaftliche Bewegung, deren Grund-
lagen hiermit wenigstens angedeutet sind, am deutlichsten
schildern zu können, wenn ich nach einander Wilhelm von
Humboldt (1767—1835), Bopp (1791—1867), Jacob Grimm (1785
—1863) dem Leser vorführe und im Anschluß daran einiges
über Dobrowsky (1753—1829) und Wuk Stephanowitsch (1787
—1864) sage.
Über Wilhelm vonHumboldt’sStellung zu den seine Zeit
bewegenden Fragen ist oben (S. 34) im allgemeinen gesprochen
worden. Seinen sprachwissenschaftlichen Standpunkt mit kurzen
38 Einleitung. Dritte Periode. W. v. Humboldt.
und deutlichen Worten anzugeben, ist sehr schwierig. Hum-
boldt schrieb sein zusammenfassendes Werk, die Einleitung in
die Kawisprache, in einem Alter, in welchem ein Mann, der
mancherlei erfahren hat, geneigt zu sein pflegt, den relativen
Werth einer jeden Meinung in beschaulicher Betrachtung an-
zuerkennen. Diese Altersstimmung kam bei Humboldt be-
sonders stark zur Geltung, weil er von Natur zur Kontemplation
geneigt, als ein vornehmer Mann aller Polemik abhold und
von seiner diplomatischen Laufbahn her an Vermittlung von
Gegensätzen gewöhnt war. Nun standen sich aber in der
Sprachwissenschaft die Ansichten oft so gegenüber, dass die
Versöhnung nur künstlich und scheinbar ausfiel, und Hum-
boldt’s eigene Ansicht schwebt oft mehr wie der Geist über den
Woassern, als dass sie sich in eine unmissverständliche, zu lehr-
hafter Weitergabe geeignete Form kleiden liesse. Indessen
treten diese Schwierigkeiten doch hauptsächlich bei den Fragen
allgemeiner Natur hervor, wie die über den Ursprung und das
Wesen der Sprache, das Verhältnis des Individuums zu dem
Gesammtgeist, die Freiheit und Nothwendigkeit in der Sprache,
oder etwa die Schlegel’sche und die Bopp’sche Ansicht von
dem Wesen der Flexion. Ich kann solchen Aporien an dieser
Stelle aus dem Wege gehen und hoffe, dass es mir gelingen
wird, mit einiger Deutlichkeit ein paar wichtige Punkte her-
vorzuheben, in denen Humboldt über die bisherige Auffassung
hinausgegangen ist, und sodann zu zeigen, wie er sich zu den-
jenigen grammatischen Fragen verhält, die in dieser ein-
leitenden Betrachtung bisher fast ausschliesslich den Gegen-
stand der Erörterung gebildet haben.
Humboldt kann sich in der Versicherung nicht genug
thun, dass die Sprache nicht etwa etwas dem Menschen äusser-
lich Anhaftendes, sondern dass sie aus den Tiefen seines Wesens
abzuleiten sei. Statt vieler Belege gelte dafür S. 511): “die
Geisteseigenthümlichkeit und die Sprachgestaltung eines Volkes
stehen in solcher Innigkeit der Verschmelzung mit einander,
1) Ich zitiere nach der Pott’schen Ausgabe, Berlin 1876.
Einleitung. Dritte Periode. W. v. Humboldt. 39
dass, wenn die eine gegeben wäre, die andere müsste vollständig
aus ihr abgeleitet werden können. Denn die Intellektualität
und die Sprache gestatten und befördern nur einander gegen-
seitig zusagende Formen: die Sprache ist gleichsam die äusser-
liche Erscheinung des Geistes der Völker, ihre Sprache ist ihr
Geist und ihr Geist ihre Sprache, man kann sich beide nie
identisch genug denken. Wie sie in Wahrheit mit einander
in einer und derselben unseren Begriffen unzugänglichen Quelle
zusammenkommen, bleibt uns unerklärlich verborgen”. Dabei
ıst unter Intellektualität nicht etwa bloss der Verstand, sondern
wie andere Stellen beweisen (z. B. S. 105) auch Phantasie und
Gefühl verstanden. Mit solchen allgemeinen Versicherungen
ist nun freilich in der Praxis der Grammatik nicht viel ge-
than, sie bezeichnen aber einen erheblichen theoretischen Fort-
schritt gegenüber der logisierenden Ansicht früherer Zeiten.
Einen gleich bedeutenden Fortschritt finden wir noch in an-
derer Richtung. Früher bekümmerte man sich so gut wie
ausschliesslich um die in Büchern niedergelegte Sprache und
kam daher leicht dazu, die Sprache als einen fertigen, ja als
einen toten Stoff anzusehen. Humboldt dagegen, der stets die
lebendige Sprache im Auge hat, betont auf das glücklichste,
dass sie nicht ein &pyov, sondern eine &vpysıa sei, dass also
ein Sprechen ohne eine aus dem Innern des Sprechenden her-
vorgehende, schaffende Thätigkeit nicht möglich sei. “Man
kann den Wortvorrath einer Sprache auf keine Weise als eine
fertig daliegende Masse ansehen. Er ist, auch ohne auschliess-
lich der beständigen Bildung neuer Wörter und Wortformen zu
gedenken, so lange die Sprache im Munde des Volkes lebt,
ein fortgehendes Erzeugnis und Wiedererzeugnis des wolt-
bildenden Vermögens, zuerst in dem Stamme, dem die Sprache
ihre Form verdankt, dann in der kindischen Erlernung des
Sprechens und endlich im täglichen Gebrauche der Rede. Die
unfehlbare Gegenwart des jedesmal notwendigen Wortes in
dieser ist gewiss nicht bloss Werk des Gedächtnisses. Kein
menschliches Gedächtnis reichte dazu hin, wenn nicht die Seele
instinktartig zugleich den Schlüssel zur Bildung der Wörter
40 Einleitung. Dritte Periode. W. v. Humboldt.
selbst in sich trüge. Auch eine fremde [Sprache] erlernt man
nur dadurch, dass man sich nach und nach, sei es auch nur
durch Übung, dieses Schlüssels zu ihr bemeistert, nur vermöge
der Einerleiheit der Sprachanlagen überhaupt und der beson-
dern zwischen einzelnen Völkern bestehenden Verwandtschaft
derselben. Mit den toten Sprachen verhält es sich nur um
weniges anders. Ihr Wortvorrath ist allerdings nach unserer
Seite hin ein geschlossenes Ganzes, in dem nur glückliche
Forschung in ferner Tiefe liegende Entdeckungen zu machen
im stande ist. Allein ihr Studium kann auch nur durch An-
eignung des ehemals in ihnen lebendig gewesenen Prinzips
gelingen; sie erfahren ganz eigentlich eine wirkliche augen-
blickliche Wiederbelebung. Denn eine Sprache kann unter
keiner Bedingung wie eine abgestorbene Pflanze erforscht wer-
den. Sprache und Leben sind unzertrennliche Begriffe, und
die Erlernung ist in diesem Gebiete immer nur Wiedererzeugung”
(S. 122). Wie man schon aus diesen Anführungen sieht, hat
Humboldt vorzüglich den geistigen, innerlichen Theil der Sprache
im Auge. Der Laut tritt bei seiner Betrachtung etwas in den
Schatten. Die Sprache ist nach einer seiner bekanntesten
Definitionen die sich ewig wiederholende Arbeit des Geistes,
den artikulierten Laut zum Ausdruck des Gedanken fähig zu
machen. Ja, er betrachtet den Laut als ein wıderstrebendes
Medium. Man muss die Sprachbildung — so heisst es $S. 99 —
überhaupt als eine Erzeugung ansehen, in welcher die innere
Idee, um sich zu manifestieren, eine Schwierigkeit zu über-
winden hat. Diese Schwierigkeit ist der Laut, und die Über-
windung gelingt nicht immer in gleichem Grade.” Man sieht:
während die heutige Sprachforschung ihre Aufmerksamkeit
hauptsächlich der äussern Sprachform zuwendet, steht für
Humboldt im Vordergrunde die innere Sprachform. Was
bedeutet nun dieser vielberufene Terminus ‘innere Sprachform’?
Humboldt hat sich darüber niemals einfach und unmissver-
ständlich in zusammenfassender Weise ausgesprochen ; doch lässt
sich durch die Zusammenstellung mehrerer Stellen wohl er-
mitteln, was er meint, wenn auch Nebensächliches, worauf ich
Einleitung. Dritte Periode. W. v. Humboldt. 41
hier nicht eingehe, dunkel bleibt. Zunächst einige Stellen,
welche den Begriff ganz allgemein hinstellen: “Das in dieser
Arbeit des Geistes, den artikulierten Laut zum Gedankenaus-
druck zu erheben, liegende Beständige und Gleichförmige, so
vollständig als möglich ın seinem Zusammenhange aufgefasst
und systematisch dargestellt, macht die Form der Sprache aus”
($. 57). “Man muss durch die Darstellung der Form den spezi-
fischen Weg erkennen, welchen die Sprache und mit ihr die
Nation, der sie angehört, zum Gedankenausdruck einschlägt”
8.61). “Es ergiebt sich schon aus dem bisher Gesagten von
selbst, dass unter Form der Sprache hier durchaus nicht bloss
die sogenannte grammatische Form verstanden wird. Der
Unterschied, welchen wır zwischen Grammatik und Lexikon
zu machen pflegen, kann nur zum praktischen Gebrauche der
Erlernung der Sprachen dienen, allein der wahren Sprach-
forschung weder Grenze noch Regel vorschreiben. Der Begriff
der Form der Sprachen dehnt sich weit über die Regeln der
Redefügung und selbst über die der Wortbildung hinaus, in-
sofern man unter der letztern die Anwendung gewisser all-
gemeiner logischer Kategorien des Wirkens, des Gewirkten,
der Substanz, der Eigenschaft u. s. w. auf die Wurzeln und
Grundwörter versteht. Er ist ganz eigentlich auf die Bildung
der Grundwörter selbst anwendbar, und muss in der That mög-
lichst auf sie angewendet werden, wenn das Wesen der Sprache
wahrhaft erkennbar sein soll” (S. 59). Etwas greifbarer wird
die Sache, wenn Humboldt sich einmal entschließt, ein Bei-
spiel zu geben. Das geschieht u. a. $. 109, wo es heißt: “wenn
z. B. im Sanskrit der Elephant bald der zweimal Trinkende,
bald der Zweizahnige, bald der mit einer Hand Versehene heisst,
sosind dadurch, wenn auch immer derselbe Gegenstand gemeint
ist, ebenso viele verschiedene Begriffe bezeichnet. Denn die
Sprache stellt niemals die Gegenstände, sondern immer die
durch den Geist in der Spracherzeugung selbstthätig von ihnen
gebildeten Begriffe dar; und von dieser Bildung, insofern sie
als ganz innerlich, gleichsam dem Artikulationssinne voraus-
gehend angesehen werden muss, ist hier (nämlich in dem
49 Einleitung. Dritte Periode. W. v. Humboldt.
Paragraphen, welcher ‘die innere, Sprachform’ überschrieben
ist) die Rede”. Ferner: “Die intellektuelle Technik be-
greift das in der Sprache zu Bezeichnende und zu Unter-
scheidende. Zu ihr gehört es also z. B., wenn eine Sprache
Bezeichnung des Genus, des Dualis, der Tempora durch alle
Möglichkeiten der Verbindung des Begriffes der Zeit mit dem
des Verlaufs der Handlung u. s. f. besitzt” (S. 103). Also zu-
sammengefasst: Innere Sprachform ist die besondere Art, wie
eine Sprache die in ihr zum Ausdruck gelangenden Begriffe
auffasst. Ist das nun etwas Fassbares und Brauchbares? Ich
glaube, dass man diese Frage, soweit es die Bildung der Grund-
wörter oder, wie wir sagen würden, die Etymologie betrifft,
verneinen muss. Es ist ja bekannt, dass die Dinge in den
Sprachen nach sehr verschiedenen Merkmalen benannt werden ;
aber wie man diese zahllosen Einzelheiten irgendwie sollte
unter ein System fassen können, und welchen Vorteil eine
solche Systematisierung bringen könnte, sehe ich nicht ein.
Etwas andeıs steht es mit jenem Gebiet der Sprache, dem das
Genus, der Dualis u. s. w. angehören. Es ist ganz wohl mög-
lich, zu sagen, welches die Eigenthümlichkeiten einer Sprache
nach dieser Richtung hin sind, und wir besitzen wenigstens von
einer Sprache eine vortreffliche Schilderung der Art, ich meine
dıe Charakteristik des Jakutischen, welche Böhtlingk in seiner
grossen Arbeit über die Sprache der Jakuten S. xxvır unter
der Überschrift “logische Merkmale’ mittheilt. Es heisst daselbst
u. a.: “Das grammatische Geschlecht nicht entwickelt, ebenso
wenig die Steigerung beim Adjektiv. Besondere Endungen
für den Akkusativus definitus und indefinitus, Dativ, Ablativ,
Lokativ, Instrumental, Adverbialis, Komitativ und Komparativ.
Eine besondere Endung für den Plural. Das Nomen ım Plural
ohne alle Kasusendung fungiert als Subjekt, als Prädikat und
als Attribut, aber nie wie der Singular als Objekt.... Das
Verbum finitum und die Verbalnomina der Gegenwart, Ver-
gangenheit und Zukunft haben eine bejahende und eine ver-
neinende Form. Wahre Verba finita sind: Der Imperativ
Präs. und Fut., das Perfektum, der Konditionalis und der
Einleitung. Dritte Periode. W. v. Humboldt. 43
Potentialis in der bejahenden und in der verneinenden Form.
Alle übrigen Aussageformen einer Thätigkeit sind entweder
mit den Prädikatsaffıxen verbundene Verbalnomina oder
Verbalnomina mit Possessivis, welche letztere in derselben
Gestalt auch als Subjekt und Attribut auftreten können.”
In diesen Worten und demjenigen, was ihnen vorhergeht
und folgt, hat Böhtlingk in der That die innere Sprachform
des Jakutischen an der inneren Sprachform anderer Sprachen
gemessen und dadurch auf das Beste erhellt. Aber man
wolle wohl im Auge behalten, dass eine solche Darstellung
nichts anderes ist, als eine räsonierende Übersicht der ver-
schiedenen Eigenthümlichkeiten einer Sprache. Die einzelnen
Züge lassen sich weder addieren, noch in ein System bringen,
und somit lässt sich auch aus der inneren Sprachform keine
Klassifikation der Sprachen entnehmen, wie denn auch Hum-
boldt seine Klassifikation der Sprachen nicht an die Gesamt-
heit der inneren Sprachform, sondern an einen einzelnen Punkt
angeknüpft hat.
Mit der inneren Sprachform sind wir schon in das Gebiet der
Syntax eingetreten. Ich beschränke mich, indem ich versuche,
von Humboldt’s syntaktischen Ansichten Rechenschaft zu geben,
dem Zwecke dieser Schrift gemäss auf die indogermanischen
Sprachen, und entnehme die Belege wie bisher ausschliesslich der
Einleitung’, da die Abhandlung über den Dualis über das Pro-
gramm kaum hinausgekommen ist, so dass man keine deutliche
Vorstellung davon bekommt, wie ihr Verfasser den Dualis einer
Einzelsprache, z. B. des Griechischen, behandelt haben würde. In
der Lehre von den Satztheilen nun finden wir Humboldt noch
mit einem Fusse auf dem alten Boden, indem er meint, dass
sie zu demjenigen in der Sprache gehören, das aus blossen
Begriffen abgeleitet werden müsse. So sagt er z.B.S. 105:
“Auch in dem bloss ideellen, von den Verknüpfungen des Vor-
standes abhängenden Theile finden sich Verschiedenheiten, die
aber alsdann fast immer aus unrichtigen oder mangelhaften
Kombinationen herrühren. Um dies zu erkennen, darf man
nur bei den eigentlich grammatischen Gesetzen stehen bleiben.
44 Einleitung. Dritte Periode. W. v. Humboldt.
Die verschiedenen Formen z. B., welche, dem Bedürfnis der
Rede gemäss, in dem Baue des Verbum abgesondert bezeichnet
werden müssen, sollten, da sie durch blosse Ableitung von Be-
griffen gefunden werden können, in allen Sprachen auf die-
selbe Weise vollständig aufgezählt und richtig geschieden sein”.
Auch mit seiner Auffassung des Verbums an sich sind wir
jetzt nicht mehr zufrieden. Er knüpft zwar richtig an die
griechischen Philosophen an, denen das Verbum das Aussage-
wort war, aber er sucht doch zugleich noch etwas von der
Ansicht zu retten, dass das Verbum die Kopula vertritt. Er
sagt darüber: “Das Verbum unterscheidet sich vom Nomen
und von den andern, möglicherweise im einfachen Satze vor-
kommenden Redetheilen mit schneidender Bestimmtheit da-
durch, dass ihm allein der Akt des synthetischen Setzens als
grammatische Funktion beigegeben ist. .... Es liegt daher
zwischen ihm und den übrigen Wörtern des einfachen Satzes
ein Unterschied, der, diese mit ihm zur gleichen Gattung zu
zählen, verbietet. Alle übrigen Wörter des Satzes sind gleich-
sam tot daliegender, zu verbindender Stoff, das Verbum allein
ist der Leben enthaltende und Leben verbreitende Mittelpunkt.
Durch einen und denselben synthetischen Akt knüpft es durch
das Sein das Prädikat mit dem Subjekte zusammen, allein so,
dass das Sein, welches mit einem energischen Prädikate in ein
Handeln übergeht, dem Subjekte selbst beigelegt, also das
bloss als verknüpfbar Gedachte zum Zustande oder Vorgange
in der Wirklichkeit wird. Man denkt nicht bloss den ein-
schlagenden Blitz, sondern der Blitz ist es selbst der hernieder-
fährt; man bringt nicht bloss den Geist und das Unvergäng-
liche als verknüpfbar zusammen, sondern der Geist ist un-
vergänglich. Der Gedanke, wenn man sich so sinnlich
ausdrücken könnte, verlässt durch das Verbum seine innere
Wohnstätte und tritt in die Wirklichkeit über” (S. 261). Vor-
trefflich dagegen und ein wirklicher Fortschritt ist es, wenn
Humboldt darauf dringt, dass man vom Satze ausgehen müsse,
da jede noch so unvollständige Aussage in der Absicht des
Sprechenden wirklich einen geschlossenen Gedanken ausmacht
Einleitung. Dritte Periode. W. v. Humboldt. 45
8. 175). Über das Verhältnis von Satz und Wort äussert er
sieh wie folgt: “Wie jede aus der inneren Auffassung der
Sprache entspringende Eigenthümlichkeit derselben in ıhren
ganzen Organismus eingreift, so ist dies besonders mit der
Flexion der Fall. Sie steht namentlich mit zwei verschiedenen,
und scheinbar entgegengesetzten, allein in der That organisch
zusammenwirkenden Stücken, mit der Worteinheit, und der
angemessenen Trennung der Theile des Satzes, durch welche
seine Gliederung möglich wird, in der engsten Verbindung.
Ihr Zusammenhang mit der Worteinheit wird von selbst be-
greiflich, da ihr Streben ganz eigentlich auf Bildung einer
Einheit, sich nicht bloss an einem Ganzen begnügend, hinaus-
geht. Sie befördert aber auch die angemessene Gliederung
des Satzes und die Freiheit seiner Bildung, indem sie in ihrem
eigentlich grammatischen Verfahren die Wörter mit Merk-
zeichen versieht, welchen man das Wiedererkennen ihrer Be-
ziehung zum Ganzen des Satzes mit Sicherheit anvertrauen
kann. Sie hebt dadurch die Ängstlichkeit auf, ihn, wie ein
einzelnes Wort, zusammenzuhalten, und ermuthigt zu der Kühn-
heit, ihn in seine Theile zu zerschlagen. Sie weckt aber, was
noch weit wichtiger ist, durch den in ihr liegenden Rückblick
auf die Formen des Denkens, insofern diese auf die Sprache
bezogen werden, eine richtigere und anschaulichere Einsicht
ın seine Zusammenfügungen. Denn eigentlich entspringen
alle drei hier genannten Eigenthümlichkeiten der Sprache aus
Einer Quelle, aus der lebendigen Auffassung des Verhältnisses
der Rede zur Sprache. Flexion, Worteinheit und angemessene
Gliederung des Satzes sollten daher in der Betrachtung der
Jpraeo nie getrennt werden. Die Flexion erscheint erst durch
die Hinzufügung dieser andern Punkte in ihrer wahren, wohl-
thätig einwirkenden Kraft” (S. 145). Zum Schluss führe ich
noch ein Wort an über die Entstehung der Wörter im Satz:
“Wenn man es wagt, in die Uranfänge der Sprache hinab-
zusteigen, so verbindet zwar der Mensch gewiss immer mit
jedem als Sprache ausgestossenen Laute innerlich einen voll-
sändigen Sinn, also einen geschlossenen Satz, stellt nicht bloss,
46 Einleitung. Dritte Periode. W. v. Humboldt.
seiner Ansicht nach, ein vereinzeltes Wort hin, wenn auch
seine Aussage, nach unserer Ansicht, nur ein solches enthält.
Darum aber kann man sich das ursprüngliche Verhältnis des
Satzes zum Worte nicht so denken, als würde ein schon in
sich vollständiger und ausführlicher nur nachher durch Ab-
straktion in Wörter zerlegt. Denkt man sich, wie es doch das
Natürlichste ist, die Sprachbildung successiv, so muss man ihr,
wie allem Entstehen ın der Natur, ein Evolutionssystem unter-
legen. Das sich im Laut äussernde Gefühl enthält alles im
Keime, ım Laute selbst aber ist nicht zugleich alles sichtbar.
Nur wie das Gefühl sich klarer entwickelt, die Artikulation
Freiheit und Bestimmtheit gewinnt und das mit Glück ver-
suchte gegenseitige Verständnis den Muth erhöht, werden die
erst dunkel eingeschlossenen Theile nach und nach heller und
treten in einzelnen Lauten hervor” (183). Das ist gewiss nicht
deutlich, man wırd aber zugestehen, dass in diesen Fragen
überhaupt nicht von einem Wissen, sondern höchstens von
einem Ahnen die Rede sein kann.
Soweit Wilhelm von Humboldt. Es fragt sich nun, wel-
cher Art seine Einwirkung auf den Betrieb der grammatischen
Wissenschaft gewesen ist. Ich glaube, dass man den Mann
und seine Schriften unterscheiden muss. Humboldt war ein
Meister im sup @tÄooogeiv und oup@ıloAoyeiv, und Bopp hat gewiss
von ihm ebenso viel Nutzen gezogen, wie einst Schiller oder
Friedrich August Wolf, und natürlich ist manches aus diesem
Verkehr auf allerlei Wegen in die wissenschaftlichen Arbeiten
über Grammatik gedrungen. Humboldt’s Schriften aber haben,
glaube ich, nicht sehr stark auf die Philologen gewirkt. Wohl
findet man sie zitiert bei Bopp, Pott, Grimm u. a.; die Schrift
über den Dualis wird noch heutzutage angeführt, auch liest
wohl mancher in der Einleitung, aber im Ganzen verfahren
die Sprachgelehrten mit Humboldt wie jener Katholik, der
nach Goethe’s hübschem Bilde bei dem Eintritt in die Kirche
ein Weihwasser nimmt, dann aber als ob nichts geschehen
wäre, seinen täglichen Gedanken oder wohl gar einem Liebes-
handel nachgeht: man verbeugt sich in der Vorrede vor dem
Einleitung. Dritte Periode. Bopp. 47
grossen Meister und verfährt im übrigen nach alter Weise. So
wüsste ıch denn aus dem Gebiete der Syntax eigentlich nur
ein Buch zu nennen, das nachweislich auf Humboldt’sche An-
regung zurückgeht, und zwar ein recht gutes, nämlich Th.
Rumpel, die Casuslehre, Halle 1845. Rumpel entnimmt Hum-
boldt den richtigen Gedanken, dass die Kasus im Satz und
aus dem Satz zu erklären seien; aber freilich mit den Auf-
fassungen der einzelnen Kasus kann ich mich nicht einver-
standen erklären. Denn er verlegt die Erklärung des Akku-
satıvs in das Verbum (insofern er den Akkusativ als den bei
dem transıtiven Verbum stehenden Kasus auffasst) und dem
Genitiv und Dativ konnte er damals ihre zusammengesetzte
Natur noch nicht genügend ansehen.
Wie anders als die Humboldt’sche war die Art und das
Schicksal von Franz Bopp! Indem er von Anfang an mit
gesammelter Kraft auf ein erreichbares Ziel hinarbeitete, gelang
es ihm, aus zahllosen Einzelbeobachtungen ein zusammen-
hängendes Ganzes zu schaffen und so dem Reiche des Wissens
eine neue Provinz anzugliedern. Seine Bücher bildeten die
Grundlage für jede weitere Forschung in gleichem Sinne, und
wenn sie heutzutage nicht eben viel zitiert werden, so liegt
das nur daran, dass ein grosser Theil des in ihnen Enthaltenen
in das allgemeine wissenschaftliche Bewusstsein übergegangen
ist. Ich habe versucht, Bopp’s Wesen in meiner Einleitung
ın das Sprachstudium® S. 1 ff. zu schildern. Indem ich auf
diese Darstellung verweise, bemerke ich hier nur, dass es sich
bei ihm wesentlich um zweierlei handelt, nämlich den Nach-
weis, dass die indogermanischen Sprachen verwandt sind, und
um die Erklärung der Flexionsformen. Der erste Punkt kann
insofern als erledigt gelten, als heute niemand mehr daran
zweifelt, dass die sogenannten indogermanischen Sprachen
säimmtlich aus einer Grundsprache entstanden sind. Was den
zweiten Punkt betrifft, so ist klar, dass wir uns mit ihm auf
das Gebiet der Hypothesen begeben. Bopp’s Hypothese nun ist
in der Kürze folgende. Er nimmt an, dass sämmtliche indo-
germanische Wörter aus Wurzeln entstanden sınd. Aus diesen
48 Einleitung. Dritte Periode. Bopp.
sind die Stämme der Nomina und Verba durch Zusammen-
setzung hervorgegangen. Und zwar gehen die Stammbildungs-
suffixe der Nomina auf Pronominalwurzeln zurück; ın manchen
Tempus- und Modusstämmen stecken Verba, insbesondere das
Verbum ‘sein’!), so z. B. im Aorist und Futurum, im Optativ
das Verbum ‘gehen. Die Endungen endlich, wodurch die
Stämme zu Wörtern werden, also dıe Kasus- uud Personal-
suffixe sind wiederum Pronomina. Indem ich hinsichtlich der
Beurtheilung dieser Hypothese (die jetzt im allgemeinen
ziemlich ablehnend ausfällt) mich wiederum auf meine Einlei-
tung beziehe, habe ich hier nur ein Wort zu sagen über
die Entstehung der Satztheile aus den Wurzeln, die Kasus
und das Verbum. Was den ersten Punkt betrifft, so nimmt
Bopp zwei Klassen von Wurzeln an, nämlich Verbal- und
Pronominalwurzeln. Unter diese Klassen sollen sich die vor-
handenen Satztheile so vertheilen, dass aus der ersten die Nomina
(substantivische und adjektivische) und Verba, aus der andern
aber die Pronomina, alle Urpräpositionen, Konjunktionen und
Partikeln hervorgegangen sind. Der Name Pronominalwurzeln
ist (wie Bopp sagt) desshalb gewählt, weil diese Satztheile sammt-
lich einen Pronominalbegriff ausdrücken, der allerdings in den
Präpositionen, Konjunktionen und Partikeln ‘mehr oder weniger
versteckt liegt. Man kann bei der Beurtheilung die ganze Streit-
frage, mit welchem Rechte man sogenannte Wurzeln annimmt,
bei Seite lassen, da sich, wie ich meine, bei jedem Standpunkt
ergiebt, dass die Bopp’sche Eintheilung bei der Behandlung der
Syntax keinen irgend erheblichen Nutzen bringt. Es zeigt
sich nämlich sofort die eine Schwierigkeit, dass mindestens die
Präpositionen von dieser Eintheilung durchschnitten werden.
Wie Bopp schon durch die Bezeichnung Urpräposionen andeu-
tet, giebt es ja Präpositionen, die deutlich nominalen Ursprungs
sind, wie z. B. laut, kraft, secundum u. s. w., und es ist schlech-
terdings nicht möglich, die Grenzlinie zwischen den beiden
1) Ich habe a. a. O. gezeigt, dass Bopp bei dieser Vermutung mit
Bewusstsein an die Lehre von den drei Satztheilen anknüpft, wie wir sie bei
Hermann gefunden haben (vgl. oben S. 29).
Einleitung. Dritte Periode. Bopp. 49
Klassen genau zu ziehen. Aber selbst wenn das möglich
wäre, würde man doch in der Syntax gezwungen sein, die
beiden Gattungen zusammenzufassen; man würde also zur
Aufstellung einer Mischklasse getrieben werden. Sodann ist
klar, dass der Ausdruck “Pronominalwurzeln’, wie Bopp ja
auch selbst empfunden hat, allzu umfassend, ja man könnte
sagen, eigentlich negativ ist. Wie soll man z. B. ungezwungen
die Negation unter die Pronomina nnterbringen? So ergiebt
sich denn schon aus diesen wenigen, mehr die Ausführbarkeit
als das Prinzip betreffenden Bemerkungen, dass die Bopp’sche
Eintheilung zwar nüchterner und sachlicher ist als die Hermann’-
sche, aber einen sichern Boden, auf dem man fussen könnte,
ebenfalls nicht gewährt. Wie Bopp die Kasusendungen auf-
fasst, sehe man aus folgenden Beispielen. Das s des Nominativ
sing. masc. nnd fem. ist aus dem Pronominalstamm hervor-
gegangen, der in ai. sd, gr. 0, got. sa vorliegt, bei dem Ge-
nitiv kehrte die Sprache zu demselben Pronomen zurück.
Der Nom. sing. neutr. ist nach Bopp durch ? (nicht durch «)
gekennzeichnet. Dieser Stamm ist lebendig in ai. id, gr. 16,
got. Da-. Aus demselben Pronomen ist aber auch der Ablativ
hervorgegangen. Das Zeichen des Instrumentalis @ ist eine
Verlängerung des Pronominalstammes a und mit der Präposi-
tion @ identisch. In ähnlicher Weise haben die Kasus, welche
die Silbe 5A: enthalten, eine Beziehung zu der Präposition abAt.
Diese Beispiele genügen, um das Urtheil zu begründen, dass die
so gefundenen Grundbegriffe (selbst wenn die Bopp’schen Deu-
tungen sicher wären, was sie keineswegs sind) für die Syntax
ziemlich gleichgültig sein würden. Denn aus jenen Urzustän-
den, in denen nach Bopp Nominativ, Genitiv und Ablativ aus
demselben Holze geschnitzt wurden, führt keine Brücke zu
dem überlieferten Gebrauch. Beim Verbum würde die Bopp’-
sche Erklärung des Optativs die Ansicht bekräftigen, dass die
potentiale Bedeutung aus der wünschenden abzuleiten sei,
die übrigen Erklärungen aber sind nach der Seite der Bedeu-
tung ohne Erheblichkeit. Ich glaube also (wenn ich meine
Ansicht zusammenfassen soll) erstens, dass die Bopp’sche
Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm. Sprachen. I. 4
50 Einleitung. Dritte Periode. Bopp. J. Grimm.
Hypothese über die grammatischen Formen keine hinreichend
feste Grundlage für einen syntaktischen Bau bilden kann, und ich
glaube zweitens, dass die Bopp’schen Erklärungen auch für den,
der sie annimmt, so ziemlich unverwendbar sein würden.
Während somit dieser Theil der Bopp’schen Bemühungen für die
Syntax in Wegfall kommt, ist dagegen seine übrige Forschung
von grundlegender Wichtigkeit. Auch die Syntax hat sich
des vergleichenden Verfahrens zu bedienen. Sie muss unter
Benutzung der Ergebnisse der Forschungen auf dem Gebiet
der Formenlehre festzustellen suchen, welche Gebrauchsweisen
bereits der Grundsprache angehört haben (proethnisch sind,
wie wir mit einem von Sonne erfundenen, bequemen Worte
uns ausdrücken) und wie sich auf dieser Grundlage die ein-
zelnen Sprachen weiter entwickelt haben. Wie ergebnisreich
eine solche Betrachtung sein kann, hat Bopp selbst schon in
seiner Erstlingsschrift vom Jahre 1816 an dem Infinitiv ge-
zeigt. Die Griechen erklären den Infinitiv für ein ovopa br-
paros und nehmen damit die Verlegenheit, in der sie sich
angesichts dieser sonderbaren Form befanden, mit in die De-
finition auf. Bopp (Konjugationssystem 71) betont dem gegen-
über, so ein gemischtes Wesen von Substantiv und Verbum,
das man dem Infinitiv angedichtet habe, sei überhaupt in
keiner Sprache zu finden und es sei ein solches phantasti-
sches Greschöpf den Centauren der Fabelwelt zu vergleichen.
Ganz richtig, wenn man den Ursprung der Form im Auge
hat. Bopp weist nach, dass der Infinitiv nichts anderes sei als
eine Nominalform. Da aber das Nomen (so setzen wir Bopp’s
Betrachtung fort) ein abstraktes war, so trat im Läufe der Zeit
der Infinitiv zu dem System des Verbums in innerliche Be-
ziehung. Die Doppelnatur des Infinitivs ist also eine erwor-
bene. Auf diese Weise wird ein logisches Problem auf ge-
schichtlichem Wege aufgelöst und in diesem Sınne kann Bopp’s
Behandlung des Infinitivs als der Anfang der vergleichenden
Syntax gelten.
Einen völlig abweichenden Ton schlägt Jacob Grimm in
der ersten Auflage seiner deutschen Grammatik an, einen Ton
Einleitung. Dritte Periode. J. Grimm. 51
der an die von Achim von Arnim vertretene Form der Ro-
mantik erinnert. “Ich bin des festen Glaubens, — so heisst es
bei ıhm in der Widmung an Savigny — selbst wenn der Werth
unserer vaterländischen Güter, Denkmäler und Sitten weit
geringer angenommen werden müsste, als wir ihn gerecht und
bescheiden voraussetzen dürfen, dass dennoch die Erkenntnis
des Einheimischen unser die würdigste, die heilsamste und
aller ausländischen Wissenschaft vorzuziehen wäre. Auf das
Vaterland sind wir von Natur gewiesen und nichts anderes
vermögen wir mit unseren angebornen Gaben in solcher Maße
und so sicher begreifen zu lernen’. Dabei geht Grimm so weit,
jeden grammatischen Unterricht in der Muttersprache für eine
unsägliche Pedanterei zu erklären, die es Mühe kosten würde,
einem wieder auferstandenen Griechen oder Römer auch nur be-
greiflich zu machen. Den geheimen Schaden, den ein solcher
Unterricht stifte, werde eine genaue Prüfung bald gewahr.
“Ich behaupte nichts anderes, als dass dadurch gerade die freie
Entfaltung des Sprachvermögens in den Kindern gestört und
eine herrliche Anstalt der Natur, welche uns die Rede mit
der Muttermilch eingiebt und sie in dem Befang des elter-
lichen Hauses zu Macht kommen lassen will, verkannt werde. ..
Wer könnte nun glauben, dass ein so tief angelegter, nach
dem natürlichen Gesetze weiser Sparsamkeit aufstrebender
Wachsthum durch die abgezogenen matten und missgegriffenen
Regeln der Sprachmeister gelenkt oder gefördert würde? ..
Frage man einen wahren Dichter, der über Stoff, Geist und
Regel der Sprache gewiss ganz anders zu gebieten weiss, als
Grammatiker und Wörterbuchmacher zusammengenommen, was
er aus Adelung gelernt habe und ob er ihn nachgeschlagen.’
.. “Wichtig und unbestreitbar ist hier auch die von vielen
gemachte Beobachtung, dass Mädchen und Frauen, die ın der
Schule weniger geplagt werden, ihre Worte reinlicher zu reden,
zierlicher zu setzen und natürlicher zu wählen verstehen, weil
sie sch mehr nach dem kommenden innern Bedürfnis bilden,
die Bildsamkeit und Verfeinerung der Sprache aber mit dem
Geistesfortschritt überhaupt sich von selbst einfindet und gewiss
4*
52 Einleitung. Dritte Periode. J. Grimm.
nicht ausbleibt. Jeder Deutsche, der sein Deutsch schlecht
und recht weiss, d. h. ungelehrt, darf sich nach dem treffen-
den Ausdruck eines Franzosen eine selbsteigne lebendige Gram-
matik nennen und kühnlich alle Sprachmeisterregeln fahren
lassen.” Ein Meistern der Sprache ist ihm auch die Austreibung
der Fremdwörter, und gegen die Puristen richtet er das präch-
tige Wort: “Die Sprache hat mancherlei Schaden erlitten und
muss ihn tragen. Die wahre, allein zuträgliche Ausgleichung
steht in der Macht des unermüdlich schaffenden Sprachgeistes,
der wıe ein nistender Vogel wieder von neuem brütet, nach-
dem ihm die Eier weggethan worden; sein unsichtbares Walten
vernehmen aber Dichter und Schriftsteller in der Begeisterung
und Bewegung durch ihr Gefühl.” Dass diese Aussprüche einen
Beisatz von Übertreibung enthalten, ist sicher, wie Grimm sie
denn auch später eingeschränkt hat. Aber richtig ist gewiss,
dass das ohne Arbeit, ja ohne Selbstbesinnung erworbene
Sprachgefühl uns in den Stand setzt, einen nicht unerheblichen
Theil der Vergangenheit unsrer Muttersprache von der Gregen-
wart aus für uns in einem Grade lebendig zu machen, wie es
bei einer fremden Sprache schwerlich gelingen wird; und mit
Recht jedenfalls hat Grimm betont, dass die Ausbildung des
Sprachvermögens sich zum grössten Theil in der Region des
Unbewussten vollzieht und daher der absichtlichen Einwirkung
des Einzelnen entzogen ist. Wer nun so, wie Grimm es thut,
dem Organismus (dem Wachstum, wie er sagt) der Sprache mit
einem Gefühle der Ehrfurcht, man könnte sagen, der Andacht
gegenübersteht, für den giebt es nur ein Verfahren, dasjenige,
wobei sich der Forscher bemüht, nicht Regeln aufzustellen,
sondern Gesetze zu ermitteln, nicht irgend einen Sprachzustand
als den normalen auszurufen, sondern anzuerkennen, dass die
Sprache, wie sie langsam fortschreitet von Geschlecht zu
Geschlecht, sich in stiller, aber unaufhaltsamer Veränderung
befindet, mit einem Worte — das historische Verfahren. “Von
dem Gedanken, sagt Grimm, eine historische Grammatik der
deutschen Sprache zu unternehmen, sollte sie auch als erster
Versuch von zukünftigen Schriften bald übertroffen werden,
Einleitung. Dritte Periode. J. Grimm. 53
bin ich lebhaft ergriffen worden. Bei sorgsamem Lesen alt-
deutscher Quellen entdeckte ich täglich Formen und Voll-
kommenheiten, um die wir Griechen und Römer zu neiden
pflegen, wenn wir die Beschaffenheit unsrer jetzigen Sprache
erwägen; Spuren, die noch in dieser trümmerhaft und gleich-
sam versteint stehen geblieben, wurden mir allmählich deut-
lieh und die Übergänge gelöst, wenn das Neue sich zu dem
Mitteln reihen konnte und das Mittele dem Alten die Hand
bot. Zugleich aber zeigten sich die überraschendsten Ähnlich-
keiten zwischen allen verschwisterten Mundarten und noch
ganz übersehene Verhältnisse ihrer Abweichungen. Diese fort-
schreitende unaufbörliche Verbindung bis in das Einzelnste zu
ergründen und darzustellen, schien von grosser Wichtigkeit; die
Ausführung des Planes habe ich mir so vollständig gedacht,
dass was ich gegenwärtig zu leisten vermag weit dahinten
bleibt.” Die niemals stillstehende Wissenschaft ist natürlich
auch über einen Theil des Grimm’schen Werkes hinausgegangen,
insbesondere hat die vergleichende Grammatik, beginnend mit
Bopp’s meisterlicher Kritik, eine völlige Umgestaltung der
Grundlagen herbeigeführt. Indessen was auch die Folgezeit
verändern mag, das Urtheil wird wohl bestehen bleiben, dass
nicht leicht anderswo ein so ungeheurer Stoff mit so starkem
und zugleich so wenig aufdringlichem Geiste bewältigt worden
ist wie in Jacob Grimm’s deutscher Grammatik. Seine Wirkung
ist so vielfältig, dass es schwer ist, sie abzuschätzen, und 80
mag es denn gestattet sein, sich ihm gegenüber auf den Stand-
punkt der allbekannten florentiner Grabschrift zurückzuziehen:
tanto nomini nullum par elogium. Für die Praxis der Syntax
haben wir ausser der historischen Auffassung, die wir ihm gern
absehen möchten, namentlich zu lernen, dass, wenn man
schildern will, wie es wirklich gewesen ist, auch die ge-
wöhnlichen, nicht bloss die ausnahmsweise auftretenden Er-
scheinungen in reichen Belegen zur Anschauung zu bringen
sind.
Ungefähr um dieselbe Zeit, wo durch Bopp die ver-
gleichende, durch Grimm die deutsche Grammatik begründet
54 Einleitung. Dritte Periode. Dobrowsky. Wuk.
wurde, begann sich auch die slavische Philologie zu entwickeln,
und zwar von Böhmen und Serbien aus. Unter den böhmischen
Gelehrten nimmt besonders der älteste derselben, Joseph
Dobrowsky (geb. 1753), unsre Theilnahme in Anspruch. Ihm
verdanken wir die erste wissenschaftliche Darstellung des Alt-
kirchenslavischen in den Institutiones linguae slavicae dialecti
veteris, Wien 1822, einem, wie Schleicher urtheilt, für seine
Zeit ausgezeichneten und insofern für alle Zeiten denkwürdigen
Buche, als es die wissenschaftliche Slavistik begründet hat.
Ihm entnahm Bopp, der von S. 329 der ersten Auflage seiner
vergl. Gr. an, auch das Altslavische in seinen Kreis zog, im
wesentlichen sein Material. Für uns ist D. besonders merk-
würdig, weil er auch die Syntax behandelt hat, und zwar von
S. 581—614 an die syntaxis convenientiae, von S. 614—667 die
syntaxis regiminis, von S. 667—671 die syntaxis ordinis. Die
Absicht des Verfassers geht dahin, den Thatbestand durch aus-
gewählte Beispiele zu belegen. Auf Erklärung ist es nirgends
abgesehen. Natürlich ist er im einzelnen in den seitdem ver-
flossenen siebzig Jahren erheblich überboten worden, aber den
ganzen Kreis der altslavischen Syntax hat nach ihm noch nie-
mand durchmessen.'!)
In Serbien knüpft sich alles an den einen Namen Wuk
Stephanowitsch Karadschitsch (geb. 1787). Niemals ist ein
Mann glänzender in die Literatur eingeführt worden als er:
die von ihm gesammelten serbischen Volkslieder wurden von
Goethe der allgemeinen Aufmerksamkeit empfohlen, auf ihn
beruft sich dankbar, als einen seiner vornehmsten Zeugen,
Ranke in seiner Schrift über die serbische Revolution (Hamburg
1829, einem Buche, von dem Niebuhr urtheilte, es sei als
Historie das Vortrefflichste, was wir in unsrer Literatur besässen),
seine serbische Grammatik wurde von Jacob Grimm übersetzt
und bevorwortet (Leipzig und Berlin 1824). Dem Anfang ent-
sprach der Fortgang. Wenn jemand Anspruch auf Unsterb-
1) Über das, was an Miklosich’s Darstellung fehlt, s. unten S. 62.
Einleitung. Dritte Periode. Wuk Steph. Kar. 55
lichkeit hat, so ist es doch wohl der Mann, der seinem Volke
die Schriftsprache geschaffen, seine Lieder gesammelt, das neue
Testament übersetzt, Grammatik und Wörterbuch aufgestellt
hat. Als Wuk noch ein Hirtenjunge war und aus einer alt-
slavischen Bibel das Lesen zu lernen suchte, waren, wie Grimm,
Vorrede xn bemerkt, die Geistlichen und die wenigen, welche
in Serbien etwa sonst den Wissenschaften oblagen, in dem
Wahn befangen, “dass ihre angeborne Landessprache, welcher
sie gleichwohl tagtäglich pflegten, nichts als ein aus der Cynilli-
schen Kirchensprache entstelltes, durch türkische Wörter vollends
verderbtes Idiom sei, nichts als eine Sauhirten- und Rinder-
hirten-Sprache” (samo svinarski i govedarski jezik,. Wuk erst
verschaffte der Volkssprache ıhr Recht. Er brachte den
Gelehrten eine Sprache nahe, von der Grimm ausruft: “Er-
freuten sich doch viele Völker der gebildeten Welt, deren
Literatur jetzt in voller Blüte steht, einer so wort- und form-
reichen, bildsamen und edlen Sprache, als diese Hirtensprache
gescholtene, unter südlichem Himmel südlich wohllautende
serbische ist.”
Die Einführung des Slavischen in die Sprachwissenschaft
ist ein Ereignis, dessen Folgen noch lange nicht erschöpft sind.
Die slavischen Sprachen, voran das Serbische und Russische,
machen, wenn auch nicht weniges aus der europäischen Be-
griffswelt und Syntax vermittelst Übersetzung und Nachahmung
in sie eingedrungen ist, noch immer den Eindruck, dass sie
mehr von ihren eigenen Mitteln leben, als andere moderne
Sprachen. Sie haben in der Syntax viel Alterthümliches be-
wahrt, so z. B. bei dem Nomen den Dual und den Instru-
mentalis, bei dem persönlichen Pronomen die enklitischen
Formen, bei dem Verbum den Aorist und die Verschieden-
heiten der Handlungsarten, womit sie an Indogermanisches
anknüpfen, die Wortstellung, welche namentlich im Serbischen
mit grosser Treue festgehalten ist. Andererseits zeigen sie auch
ihre Kraft in wichtigen eigenen Gebilden, so namentlich in
der Bildung des vielfachen Satzes und der Konjunktionen, ein
Gegenstand, der noch der Bearbeitung harrt. Infolge dieser
56 Einleitung. Dritte Periode. Steinthal.
Eigenschaften werden sie stets eine wichtige Fundgrube für
die Sprachforscher sein!).
Nachdem auf die beschriebene Weise die vergleichende
Grammatik begründet worden war, entfaltete sich eine von
vielen hervorragenden Gelehrten wie Pott, Benfey, A. Kuhn
u. a. getragene weiterbauende Thätigkeit, welche ich hier nicht
zu schildern habe. Für meinen Zweck wichtig erscheint mir
vor allem die Thatsache, dass neue philosophische Anregungen
erfolgten und dass aus Indien und dem lituslavischen Gebiet
neuer Stoffin theilweise glänzender Bearbeitung zugeführt wurde.
Die philosophische Anregung knüpft sich hauptsächlich an
H. Steinthal’s Namen. Dieser hervorragende Gelehrte, dem
wir schon wiederholt begegnet sind, tritt auf als der Fortsetzer
Wilhelm von Humboldt’s.. Wie Humboldt ist er nicht in erster
Linie Philologe, sondern Philosoph. Seine Absicht geht nicht
auf die Einzelforschung, sondern wie bei seinem Lehrer, dem
trefflichen K. W. L. Heyse, auf ein System der Sprachwissen-
schaft. Es soll nicht bloss das Wesen und der Ursprung der
Sprache, das Verhältnis der Sprache und Grammatik zur Meta-
physik, Logik und Psychologie, sondern auch die Klassifikation
der Sprachen und die Geschichte der Sprachwissenschaft zur
Darstellung kommen, eine grossartige Lebensarbeit, die auch
in mehr als einem Stücke bereits wirklich ausgeführt ist. Was
nun an diesen Leistungen Steinthal’s etwa zu loben und zu
tadeln ist, mögen andere entscheiden; ich will an dieser Stelle
nur hervorheben, worın nach meiner Meinung das wesentliche
1) Es mag mir bei dieser Gelegenheit gestattet sein, der Thatsache
zu gedenken, dass die slavischen Sprachgelehrten sich immer mehr daran
gewöhnen, ein jeder in seiner Sprache zu schreiben. Dagegen anzukämpfen,
wäre bei der jetzigen Stimmung der Völker vergeblich. So sei denn nur
die Bitte ausgesprochen, dass es unsern slavischen Kollegen gefallen möge,
ihre Bücher mit Inhaltsverzeichnissen und Registern zu versehen, welche
in einer nicht-slavischen Weltsprache geschrieben sind. Sie würden uns
das Studium ihrer Arbeiten auf diese Weise sehr erleichtern und so den
wissenschaftlichen internationalen Verkehr, den wir alle wünschen, befördern.
Einleitung. Dritte Periode. Steinthal. 57
Verdienst Steinthal’s um die indogermanische Sprachforschung
überhaupt und die Syntax im besonderen besteht. Ich finde
dies in der Verwerthung der Herbart’schen Psychologie für die
Sprachwissenschaft. Das ist in mehr theoretischer Weise ge-
schehen ın grösseren Schriften Steinthal’s (z. B. in seiner Ein-
leitung in die Psychologie und Sprachwissenschaft, Berlin 1871),
in mehr praktischer, auf einzelne grammatische Probleme ein-
gehender Art in der von ihm und Lazarus von 1860 an heraus-
gegebenen Zeitschrift für Völkerpsychologie und Sprachwissen-
schaft. In dem diese Zeitschrift einleitenden Aufsatz hat es
freilich bisweilen den Anschein, als ob die Verfasser des-
selben dıe Begriffe Sprache, Sprachgeist, Volksseele in dem-
selben mythologischen Sinne verwendeten, wie es früher ge-
schehen war, als sei also der Gesammtgeist etwas, was noch
ausserhalb der Einzelgeister vorhanden sei; indessen machen
se mit diesem Gedanken nicht Ernst. In der That handelt
es sch doch nur um das Seelenleben der Einzelnen und ihre
Wirkung auf einander, also um Dinge, die jeder Beobachtende
verstehen und kontrolieren kann. Jeder, der auf sein eigenes
Sprechen aufmerkt, wird ja sofort gewahr, dass in der Sprache
dee Wörter und Formen nicht vereinzelt auftreten, sondern
auf das mannigfaltigste mit einander verknüpft sind; wie sollte
da eine Psychologie nicht willkommen sein, die gerade in der
Lehre von der Assoziation der Vorstellungen ihre Stärke hat?
Wenn wir nun weiter fragen, worin Steinthal’s in der ge-
nannten Richtung liegende Verdienste im einzelnen bestehen,
welche grammatische Lehre er besonders gefördert, welches
Kapitel der Syntax er umgestaltet hat, so gerathen wir mit der
Antwort in einige Verlegenheit. Gewiss hat er manches Pro-
blem, mit dem die Historiker unter den Grammatikern sich
abmühen, durch treffende Bemerkungen ein Stück vorwärts
gebracht (z. B. die Lehre von der Attraktion), aber er ist nicht
in dem Sinne Indogermanist, dass er eine indogermanische
Sprache oder eine Erscheinung dieser Sprachwelt in allem
geschichtlichen Detail zur Darstellung gebracht und mit Hilfe
seiner psychologischen Kunst aufgeklärt hätte. Seine Wirkung
58 Einleitung. Dritte Periode. Pänini.
ist vielmehr allgemeinerer Natur. Er hat mehr als ein anderer
dazu beigetragen, die Logik aus der Grammatik zu vertreiben
und an ihre Stelle die Psychologie zu setzen. Die Logik ist
ja eine Kunstlehre des Denkens und die logischen Begriffe
sind nur im Besitze weniger Geister. In der Sprache, die
durch das Zusammenwirken der Ungebildeten erwachsen ist,
können also nicht diese Begriffe wirksam sein, sondern gewisse
durch unbewusste Seelenthätigkeit entstandene Gebilde, deren
Genesis uns die Psychologie verstehen helfen soll. Natürlich
fällt mir nicht ein, zu behaupten, dass diese und ähnliche Vor-
stellungen, die in der modernen Menschheit langsam erstarkt
und zum Theil schon Gemeingut des sogenannten gesunden
Menschenverstandes geworden sind, durch Steinthal zuerst in
Umlauf gesetzt worden seien. Was ich behaupte, ist nur, dass
seine Arbeiten auf deutsche Philologen ın dem angegebenen
Sinne fördernd gewirkt haben. So bekenne ıch mich ihm
dankbar verpflichtet, und ohne Steinthal wäre ein so gutes
Buch wie Paul’s Prinzipien der Sprachgeschichte, von dem
nachher zu sprechen sein wird, nicht zu Stande gekommen.
Viel wichtiger als der eben erörterte ist der zweite der
oben hervorgehobenen Punkte. Ich möchte zunächst, indem
ich mich Indien zuwende, ein Wort von der einheimischen
Grammatik der Inder sagen, über deren Werthschätzung eine
Zeit lang zwischen der Schlegel’schen und Bopp’schen Richtung
heftig genug gestritten wurde, jetzt aber wohl ziemlich all-
gemeine Übereinstimmung herrscht. Ich denke, dass Whitney !)
die Überzeugung der unbefangenen Kenner ausspricht, wenn
er sagt, dass die Grammatik das bewunderungswürdigste Pro-
dukt des wissenschaftlichen Geistes in Indien ist und dass
diese indische Leistung den Vergleich mit den höchsten wissen-
schaftlichen Leistungen, welche die Welt kennt, nicht zu
1) Vgl. W. D. Whitney, the study of Hindu grammar and the study
of Sanskrit, repr. from American Journ. of Philology Vol. V, Nr.3. Was
Whitney auf S. 15 dieses Aufsatzes wünscht, nämlich eine Ausgabe mit
Übersetzung und Erklärung, ist im wesentlichen durch Böhtlingk’s zweite
Bearbeitung des Pänini (Leipzig 1887) geleistet worden.
TE =
Einleitung. Dritte Periode. Vedastudien. 59
scheuen braucht, dass dagegen ihre Darstellungsmethode zwar
gaistreich, aber verdreht ist. Was wir von den indischen
Grammatikern (die uns zuerst Böhtlingk durch seine Ausgabe
des Pänini, Bonn 1839 zugänglich gemacht hat) ın das all-
gemeine grammatische Bewusstsein übernommen haben, schlägt
zu einem erheblichen Theile in das nicht-syntaktische Gebiet.
Sie sind uns vorangegangen in der Zerlegung der Sprach-
formen (denn, wie Whitney richtig sagt, das Sanskrit ist vor
allem an analyzable language), von ihnen haben wir eine ver-
nünftige Anordnung des Alphabets gelernt, den Unterschied
zwischen tönenden und tonlosen Konsonanten, die Lehre von
der Vokalsteigerung herübergenommen. Näher an die Syntax
(die bei ihnen nicht als ein abgesonderter Theil der Grammatik
erscheint) streifen ihre Angaben über den Satzaccent, welche
die volle Verwerthung noch nicht gefunden haben, und ihre
Lehre von den Klassen der Komposita, die sich rasch eine
Stellung in der Grammatik erobert hat. Wie scharf sie syn-
taktische Begriffe aufzufassen vermögen, werde ich beı der
Erörterung der Grundbegriffe der Kasus zeigen. So ist denn
ihr Einfluss in der That kein geringer. Doch wird er bei
weitem überboten durch den Eindruck, den die Erschliessung
des Veda in der grammatischen Welt hervorgebracht hat. An
der philologischen Erforschung des Veda haben sich deutsche
Gelehrte in hervorragender Weise beteiligt, Rosen, Müller,
Benfey, A. Kuhn, vor allem Rudolf Roth, dessen Arbeiten
besonders in dem von ihm und Böhtlingk verfaßten, sogenannten
Petersburger Wörterbuch niedergelegt sind. Dieses Wörterbuch
nimmt in der Sprachwissenschaft eine ähnliche Stellung ein
wie Jacob Grimm’s deutsche Grammatik. Es giebt kein Wörter-
buch, in welchem in irgend vergleichbarer Weise der gesammte
Wortschatz einer reichen Sprache geschichtlich behandelt worden
wäre. Seine Wirkung war gross und dauert noch heute un-
vermindert fort. So ist z. B. die etymologische Forschung we-
sentlich durch den Einfluss dieses Werkes von der Wurzel-
vergleichung auf den gesunden Boden der Wörtervergleichung
herübergeführt worden. Wie die Bekanntschaft mit dem Veda.
60 Einleitung. Dritte Periode. Vedastudien.
auf die Formenlehre und Syntax gewirkt hat, mag an einem
Beispiel gezeigt werden. Die einheimischen indischen Gram-
matiker sind, weil ın der ihnen bei dem Aufbau der Gram-
matık wesentlich vorschwebenden Sprachperiode die Modi sehr
schwach vertreten sind, zu einer Unterscheidung von Tempus
und Modus nicht gelangt. In den ältesten englischen Sanskrit-
grammatiken und danach bei Bopp findet sich im Anschluss
daran folgende Aufzählung der Verbalformen: 1. das Präsens,
2. der Modus potentialis, 3. der Imperativ, 4. das Imperfektum,
5. der Aorıst, 6. das Perfektum, 7. das zusammengesetze Fu-
turum, 8. der Prekativ, 9. das einfache Futurum, 10. der
Konditionalis. Über diese Reihe musste sich ein Mann wie
W. v. Humboldt freilich verwundern und, da er an der That-
sächlichkeit des Zustandes nicht zweifeln konnte, zu der An-
sicht kommen, “dass im Sanskrit der Begriff des Modus nicht
allein offenbar unentwickelt geblieben, sondern auch in der
Erzeugung der Sprache selbst nicht wahrhaft gefühlt und nicht
rein von dem des Tempus unterschieden worden ist” (Einleitung
S. 106). Bopp theilte ($ 442 der kleinen Sanskrit-Grammatik)
dem philologischen Publikum weiter mit, dass im Veda-Dialekt
ein über mehrere Tempora sich erstreckender Modus vorhanden
sei, den die indischen Grammatiker ZLef nennten und der im
Sinne des Potentialis, Prekativs und Imperativs gebraucht werde.
Dass dieser Let dem Konjunktiv des Griechischen gleich sei,
leuchtete ein, aber die Meinung lag nahe, dass der Konjunktiv
im Sanskrit nur erst in wenigen Spuren erscheine, “seine
Durchbildung zu einem selbständigen Modus aber als eine
That des griechischen Geistes anerkannt werden müsse”. (Aken,
Grundzüge der Lehre von Tempus und Modus im Griechischen,
Rostock 1861). Erst die Bekanntschaft mit dem Veda zeigte
den wahren Zustand. Man merkte, dass der Zef nichts anderes
sei als der Konjunktiv, nicht etwa in Resten oder Anfängen
vorhanden, sondern gerade so ausgebildet wie sein griechisches
Gegenbild. Im Zusammenhang damit wurde klar, daB der sog.
Potentialis nichts anderes sei als der Optativ des Präsens und,
da sich zugleich Modi auch bei dem Perfektum und Aorist
Einleitung. Dritte Periode. Schleicher. 61
fanden, so ergab sich, dass die Tempora und Modi sich im
Sanskrit gerade so zu einander verhalten wie im Griechischen,
dass also das indogermanische Verbum sich in diesen beiden
Sprachen (zu denen dann noch das Iranische tritt) ın allen
seinen wesentlichen Bestandtheilen erhalten habe — ein Er-
gebnis, das darum von grosser Wichtigkeit ist, weil dadurch
zuerst eine Grundlage für die vergleichend-syntaktische Be-
handlung des gesammten indogermanischen Verbums gewonnen
worden ist. Auch in bezug auf die Kasuslehre bot der vedische
Gebrauch das Regulativ, und so haben sich denn z. B. meine
bisherigen Arbeiten über Kasuslehre, Moduslehre, Tempuslehre,
Wortstellung und schliesslich meine altindische Syntax aus dem
Vedastudium entwickelt, und ich ergreife gern die Gelegenheit,
dankbar zu bekennen, dass, wenn an diesen Arbeiten etwas
Gutes ist, es zum grössten Theile dem Böhtlingk - Roth’schen
Werke zu verdanken ist.
Ich komme nun zu dem baltisch-slavischen Sprach-
gebiet und habe zuerst das Litauische zu erwähnen. Das
Litauische war schon in der vergleichenden Grammatik von
Bopp mit Hilfe älterer Grammatiken herangezogen worden,
Pott zeigte seine hervorragende Bedeutung für die etymologi-
sche Forschung, aber recht eigentlich wurden die in dieser alter-
thümlichen Sprache ruhenden Schätze doch erst durch August
Schleicher (1821—1868) gehoben, dessen Handbuch der litau-
ıschen Sprache, Grammatik nebst Texten und Glossar umfassend,
ın Prag 1856 und 57 erschienen ist. In der Grammatik ist der
litauische Sprachstoff, mit Anwendung der sprachwissenschaft-
lichen Methode übersichtlich dargestellt. Die Syntax enthält
zwar nicht eine umfassende Sammlung von Belegen, aber doch
eine vollständige und lichtvoll angeordnete Übersicht alles
Wesentlichen. Der bedeutendste unter Schleicher’s Vorgängern
war Kurschat. Er hatte bereits 1843 Beiträge zur Kunde der
htauischen Sprache erscheinen lassen, auf die Schleicher
sich vielfach gestützt hat. Im Jahre 1876 ist dann auch
ron ihm eine litauische Grammatik erschienen. Sie unter-
scheidet sich von der Schleicher'schen namentlich in bezug
62 Einleitung. Dritte Periode. Miklosich.
auf die Accentlehre, welche der geborene Litauer von anfang
an richtiger aufgefasst hatte. Wie nützlich das Litauische
für die Vergleichung werden kann, wird man hoffentlich in
meiner Darstellung gewahr werden.
Auf dem slavischen Gebiete ragt über alle der Name
Franz Miklosich (1813—1891) hervor. Miklosich’s unermüd-
liche Thätigkeit erstreckte sich auf das weite slavische Gebiet
und was sich daran anschloss (Rumänisch, Zigeunerisch, auch
Neugriechisch,. Ihm verdanken wir, indem er die von Do-
browsky u. a. begonnene Thätigkeit fortsetzte, ein Lexikon des
Altkirchenslavischen (oder, wie er sagt, Altslovenischen), wich-
tige Texte derselben Sprache, auf grammatischem Gebiet aber
vor allem die vergleichende Grammatik der slavischen Spra-
chen, deren vierter Theil die in Wien 1868—1874 erschienene
vergleichende Syntax der slavischen Sprachen bildet. Die
vergleichende Grammatik enthält ein Repertorium der einzel-
sprachlichen Thatsachen, welche unter dem vergleichenden
Gesichtspunkte als wichtig erscheinen , wobei die Zusammen-
fassung zu einer Einheit bald mehr bald weniger beherrschend
hervortritt. Auch die Einfügung in den Rahmen der indo-
germanischen Grammatik, welche von Schleicher durchgeführt
worden ist, ist von Miklosich begonnen. Die Syntax, welche uns
hier allein angeht, enthält auf ungefähr 900 Seiten einen un-
gemein reichen Stoff, aus dem alle Nachfolger schöpfen. Die
Begriffsbestimmung und infolge dessen die Anordnung der
Syntax vermag ich freilich nicht zu loben. Unter Syntax ver-
steht Miklosich die Lehre von der Bedeutung der Wortklassen
und Wortformen. Eine Lehre vom Satze giebt es bei ihm
nicht. Infolge dessen findet das Kapitel von den subjektlosen
Sätzen ein Unterkommen bei dem Nominativ, der zusammen-
gesetzte Satz (über dessen Stellung im System sich Miklosich
S. 769 ausspricht) wird wesentlich bei den Modi abgehandelt,
die Kongruenz wird nur gelegentlich, die Wortstellung (wenn
ich nichts übersehen habe) überhaupt nicht besprochen. Es
fragt sich, wie Miklosich zu dieser Auffassung gekommen ist.
Ich lege mir die Sache so zurecht. Miklosich hatte, wie man
Einleitung. Dritte Periode. Miklosich. 63
aus allen seinen Schriften sieht, die Ansicht, dass ein wissen-
schaftlicher Mann sich vor allen Dingen dem Stoff gegenüber
bescheiden zu verhalten habe. Er wollte in erster Linie den
Stoff in einem Umfange sammeln, wie es vor ihm nicht ge-
schehen war, und ihn geordnet darstellen, war aber stets in
Besorgnis, dass demselben nicht zu viel von der Sujektivität
des Forschers aufgedrängt werde. So mochte er denn glauben,
dass mit den Theilen des Satzes, die ja den Satz bilden, auch
der Satz selbst behandelt sei. Das ist aber ein Irrthum. In
dem Bewusstsein des Sprechenden ist ja mehr enthalten als
die Satztheile und ıhre Konstruktionen. So ist z. B. nicht
zu leugnen, dass auch eine Vorstellung von dem, was wir Prä-
dikat nennen, eine treibende Kraft bei der Satzgestaltung ist,
was man u.a. daraus sieht, dass das Adjektivum, wenn es in
dem prädikativen Satzabschnitt steht, in mehreren Sprachen (z.B.
ım Slavischen und Germanischen) eine andere Gestalt zeigt,
als wenn es attributiv ist, was sich doch nur aus einer in der
Seele vorhandenen Vorstellung vom prädikativen Ausdruck
erklären lässt. Ferner ıst klar, dass ein bestimmter Wortstel-
lungstypus im einfachen Satze überliefert wird, von dessen
Dasein man sich dadurch überzeugt, dass bei dem Versuche,
die überlieferte Wortstellung in einer ırgend erheblichen Weise
zu verlassen, das Sprachgefühl sofort reagirt (vgl. S. 11). Wenn
ich nun auch aus diesen und anderen Gründen, die ım Ver-
laufe meiner Arbeit zum Vorschein kommen werden, von Mi-
klosich’s Gesammtauffassung der Syntax abweiche, so thut das
natürlich meiner Bewunderung für seine Leistungen keinen
Eintrag. Ich wüsste nicht, wie ich ohne Miklosich’s Syntax
die vorliegende Arbeit hätte unternehmen können.
Die Periode, von der auf den letzten Seiten gesprochen
worden ist, war reich, wenn nicht an genialen, so doch an
hervorragenden Persönlichkeiten. Ich nenne von diesen noch
Ludwig Lange, Georg Curtius und Alfred Ludwig. Ludwig
Lange (1825—1885) hat sich mit Apollonios Dyskolos eindrin-
gend beschäftigt, ungefähr zu derselben Zeit in einem auf der
Philologenversammlung zu Hannover gehaltenen Vortrage
64 Einleitung. Dritte Periode. Lange, Curtius, Ludwig.
(Göttingen 1853) sehr verständige, der Zeit voraus eilende
Ansichten über Ziel und Methode der syntaktischen Forschung
entwickelt und sodann an der Behandlung des homerischen
st ein nachahmenswerthes Vorbild sauberster Kleinarbeit auf-
gestellt. Ihm gebührt in der Geschichte der Syntax ein ehren-
voller Platz. Georg Curtius (1820— 1885), durch einen ästheti-
schen Zug in seiner Anlage auf das Griechische gewiesen, um das
er die verwandten Sprachen gruppierte, hat früh den Werth der
Sprachvergleichung auch für die griechische Syntax erkannt.
So hat er schon in seiner ersten grösseren Schrift über die
Bildung der Tempora und Modi im Griechischen und Lateini-
schen (Berlin 1846) an dem reduplizierten Aorist des Griechi-
schen (übrigens im Anschluss an Humboldt) treffend erwiesen,
dass die Reduplikation nicht die Vergangenheit andeute, und
dadurch die wichtige Unterscheidung zwischen Zeitstufe und
Zeitart, wie er es später genannt hat (besser sagt man Art der
Handlung), vorbereitet. Gute Bemerkungen zur vergleichenden
Syntax finden sich auch in den Erläuterungen zu seiner grie-
chischen Schulgrammatik. Am wirksamsten dürfte aber Cur-
tius durch seine Vorlesungen, in denen er überhaupt eine
reiche propagandistische Thätigkeit entfaltete, den Gedanken
verbreitet haben, dass auch die Syntax der bisherigen isolieren-
den Behandlung enthoben weıden müsse. Eine völlig andere
Persönlichkeit ıst Alfred Ludwig, ohne Neigung für griechi-
sches Mass, formlos und eher gewaltthätig. Er geht sowohl
bei der Erforschung des Veda, zu der er sehr hervorragende
Beiträge geliefert hat, als in bezug auf die Auffassung der
indogermanischen Formen seinen eignen Weg. Im Veda giebt
es eine nicht geringe Zahl von Stellen, an denen sich unser
Scharfsinn vergebens versucht. Diesen sucht Ludwig beizu-
kommen, indem er annimmt, dass dıe Flexionsformen im Veda
nicht ausschliesslich diejenige Bedeutung haben, welche die
bisherige Wissanschaft, von den Indern bis heute, in ihnen findet,
sondern dass sie nicht ganz selten auch in einem ganz andern
Sınne gebraucht werden, z. B. das, was wır Akkusativ nennen,
ım Sınne des Genitivs, was wir zweite Person nennen, im
Einleitung. Dritte Periode. Ludwig. 65
Sinne der ersten. Zur Erklärung dieser Erscheinung nimmt
Ludwig nicht eine Übertragung oder irgend eine Irrung des
Sprachgefühls an, sondern er sieht in den vedischen Erschei-
nungen Reste desjenigen Zustandes, der in der Urzeit der
allgemeine war. Ludwig nimmt also an, dass die Flexions-
suffixe in der Urzeit keineswegs einen irgend abgeschlossenen
Sınn hatten, den man als ihre Grundbedeutung aufstellen
könnte. Es ist überhaupt irrthümlich, wenn man die Flexions-
suffixe von den Stammbildungssuffixen unterscheidet. Was
wir so nennen, sind nur Stammausgänge. So ist z. B. das,
was uns ein zu verschiedenen Kasus abgewandelter Stamm ist,
nach Ludwig nichts weiter als eine durch die gleiche Bedeu-
tung zusammengehaltene Anzahl von Stämmen mit verschie-
denen Ausgängen. Als nun das Bedürfnis auftauchte, die
grammatischen Verhältnisse, welche zuerst in der Sprache
keinen Ausdruck gefunden hatten, zu bezeichnen, errang all-
mählich jeder der konkurrierenden Stämme eine sogenannte
Kasusbedeutung. Die vorhandenen Stämme adaptirten sich
dem Bedürfnis. Die Bedeutung also ist den Flexionssuffixen
nicht angeboren, sondern (wie ich mit einem bei Ludwig aller-
dings nicht vorkommenden Bilde sagen möchte) von ihnen im
Kampfe um’s Dasein erworben. Ich stimme diesen Ansichten
nieht bei. Im Veda kommt man ohne solche Theorien so
weit, als man bei einem so alten und so schwierigen Buche
nur irgend verlangen kann, und eine wirkliche Erklärung der
Flexion kann ich in der Adaptationstheorie nicht finden, da
man meiner Ansicht nach weder recht einsieht, wie so zahl-
reiche Paralleformen entstehen konnten, noch warum sich die
einzelnen gerade so und nicht anders adaptiert haben mögen
(vgl. meine Einleitung?, 66 fj. Damit soll natürlich die Vor-
stellung (die ja auch nicht Ludwig allein gehört), dass gewisse
Wörter oder Formen ihre Bedeutung im empfundenen Gegen-
satze gegen andere formieren, keineswegs abgewiesen werden.
Auch wıll ich, nachdem ich mich wiederholt um dıe Bekäm-
pfung Ludwig’scher Ansichten bemüht habe, nicht versäumen,
das Selbstverständliche auszusprechen, nämlich zu betonen,
Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm. Sprachen. I. 5
66 Einleitung. Dritte Periode. Lautgesetz. Aralogie.
dass für jede wissenschaftliche Richtung ein ernster Wider-
spruch nur nützlich sein kann, dass also die Polemik,
welche Ludwig in seiner Schrift Agglutination oder Adapta-
tion Prag 1873 gegen meine Moduslehre geführt hat, mir
in dem Bestreben, das Sichere vom Unsichern zu scheiden,
förderlich gewesen ist. Dass übrigens in dem Ludwig’schen
System eine Art Gegenbild der Darwin’schen Anschauung zu
finden ist, wird dem aufmerksamen Leser auch ohne meinen
Hinweis nicht entgehen.
Wie Bopp’s vergleichende Grammatik die erste, Schleicher’s
Kompendium die zweite, so fasst Brugmann’s Grundriss die
dritte Periode der sprachvergleichenden Wissenschaft zusam-
men, so weit bei der Mannigfaltigkeit der jedesmal vorhan-
denen Bestrebungen überhaupt von einer Zusammenfassung
die Rede sein kann. Diese dritte Periode stellt sich dem
betrachtenden Blick als eine naturgemässe Fortsetzung des
Bisherigen dar, von dem sie sich dadurch unterscheidet, dass
man sich bemüht, gewisse schon früher vorhandene Anschau-
ungen konsequenter zu Ende zu denken und zu einer syste-
matischen Einheit zu bringen. In der praktischen Arbeit an
der Wissenschaft traten besonders zwei Begriffe hervor, der
Begriff des Lautgesetzes und der der Analogie. Während
man sich zunächst mit Zusammenstellungen begnügt hatte,
für deren Richtigkeit ihre unmittelbare Evidenz eintrat, kam
man allmählich dazu, jede einzelne Behauptung an sämmtlichen
analogen Fällen zu prüfen, wobei sich denn eine Reihe von
Lautgesetzen ergab, die zwar nur innerhalb räumlicher und
zeitlicher Beschränkung Gültigkeit hatten, aber innerhalb ihrer
Grenzen den Naturgesetzen vergleichbar erschienen. Für die
nicht wegzuschaffenden Ausnahmen bot die Wirkung der Ana-
logie häufig eine befriedigende Erklärung. Und so entstand
dann die zuerst von Schleicher ausgesprochene, aber erst von
Jüngeren Gelehrten (namentlich auf Anregung von Scherer
und Leskien) in das wissenschaftliche Leben eingeführte Theorie,
a
Einieitung. Dritte Periode. Lautgesetz. Analogie. 67
dass die äussere Gestalt des jedesmaligen Sprachzustandes eines-
theils durch ausnahmslos wirkende Lautgesetze, andererseits
durch die Kraft der Analogie herbeigeführt werde. Indem
man über die Gründe dieser Erscheinung, deren Thatsächlich-
keit sich aus einer Menge von Einzelbeobachtungen ergab,
näher nachdachte, wurde man von selhst auf eine genauere
Erforschung des psychophysischen Mechanismus geführt, von
welchem die Sprachthätigkeit des einzelnen Menschen abhän-
gig ıst. Die Forschung wandte sich einerseits der Laut-
physiologie, andererseits den psychischen Vorgängen
mıt erneutem Eifer zu. Das letztere geschah z. B. in der Ein-
leitung zu den Morphologischen Untersuchungen von Osthoff
und Brugmann und besonders in Paul’s Prinzipien in aus-
gesprochener Anknüpfung an Steinthal’s oben von mir erwähnte
Bemühungen. Dabei ergab sich als nothwendige Folge eine
Tendenz zu einer anderweitigen Wahl des Arbeitsfeldes. Die
Analogiewirkungen zeigen sich, (aus Gründen, die noch nicht
hinreichend erörtert worden sind) besonders bei den modernen
Sprachen, und innerhalb dieser mehr bei den Volks- als bei
den Literatursprachen. Aus ihnen also — so schloss man —
sind die wahren methodischen Gesichtspunkte für die Sprach-
forschung zu entnehmen, zumal sich doch auch nicht leugnen
lässt, dass sie in viel vollständigerer Weise zugänglich sind, als
z. B. das Sanskrit und das Griechische. Den Einwand, dass
die neueren Sprachen weniger vollkommen seien, als die älte-
ren, liess man dabei mit Recht nicht gelten. Denn es ist ja
doch klar, und war auch früher schon oft ausgesprochen, dass
was die modernen Sprachperioden etwa an Formenfülle verloren
haben, durch ihre reiche geistige Entwicklung mehr als wett-
gemacht wird. So drängte Erfahrung und Überlegung noth-
wendig zu dem Schluss, dass die Bedingungen der Sprach-
thätigkeit zunächst an den jetzigen Sprachen zu erforschen
und die an ihnen gewonnenen Erkenntnisse auf die alten
Sprachen analog anzuwenden sein. Freilich arbeitet dieser
Anschauung stets ein nicht abzuweisendes Bedürfnis der Praxis
eitgegen. Wenn man verwandte Sprachen vergleicht, das
ze
68 Einleitung. Dritte Periode. Grundsprache.
heisst, wenn man das, was ihnen gemeinsam ist, von den zu
sondern sucht, was der Entwickelung jeder einzelnen angehört,
leisten gerade die ältesten Perioden, wo die Konvergenz der
Linien deutlicher hervortritt, die vorzüglichsten Dienste. So
ist es gekommen, dass die indogermanische Sprachvergleichung
in dem engern, bei uns nun einmal technisch gewordenen Sinne
sich nach wie vor zu einem wesentlichen Theile mit toten
Sprachen abgiebt. Man hat aber gelernt, dass man gut thut,
sich die Vorgänge der ältern Zeit möglichst durch die Vorgänge
der jüngern Zeit zu erhellen. Und noch ein andrer Fortschritt
hat sich naturgemäss eingestellt. Indem man den Blick nicht
mehr einseitig auf gewisse Perioden gerichtet hält, ist die
Betrachtung (wozu ja ohnehin die Richtung der Zeit auffordert)
historischer geworden. So ist es denn nicht unrichtig, wenn
man sagt, dass unsre Wissenschaft, die Bestrebungen von Bopp
und Grimm vereinigend, zu einer historisch-vergleichenden
geworden ist. Damit ist denn auch eine veränderte Stellung
zu der indogermanischen Grundsprache gegeben. Mit
Recht hat Schleicher, indem er den Gedanken, dass sämmtliche
verwandte Sprachen aus einer Ursprache entstanden seien,
schärfer, als es vor ihm geschehen war, betonte, sich von der
Beschaffenheit dieser Ursprache ein deutliches Bild zu entwerfen
gesucht, und mit Recht ist er dazu vorgeschritten, eine Reihe
von Formen derselben zu rekonstruieren. In jeder derartigen
Aufstellung sind eine Reihe von einzelnen Behauptungen ent-
halten. Indem z. B. Schleicher ai. dsmi, av. ahmi (ami), gr.
eiut, lat. sum, got. ım, aksl. jesmi aus der Urform *asmi ab-
leitete, wollte er damit sagen, dass in der Ursprache nıcht e,
sondern a vorhanden gewesen sei und das Altindische auch
iin übrigen die Urform rein erhalten habe, im Avestischen &
in den Hauchlaut übergegangen, im Griechischen die sogenannte
Ersatzdehnung eingetreten, im Lateinischen der Anfangs- und
Endvocal verschwunden und ein « hinzugefügt sei u. 8. w.
Dabei ergiebt sich sofort, dass eine Urform *asmi nicht eine
für alle Zeiten feststehende Realität sei, sondern dass die
Urformen sich den Veränderungen, welche etwa in den dabei
Einleitung. Dritte Periode. H. Paul. 69
in betracht kommenden Ansichten eintreten, anzuschmiegen
haben, wie wır denn jetzt, da wir annehmen, dass in der Ur-
sprache ein kurzes e vorhanden gewesen sei, nicht mehr *asms,
sondern *esms als Urform aufstellen, also dem Altindischen
eine Abweichung von dem Ursprünglichen zuschreiben. In
diesem Sinne, nämlich als Formeln, aufgefasst, haben die Ur-
formen einen vernünftigen Sinn und eine nicht anzuzweifelnde
Nützlichkeit. Man war aber in der Konstruktion der Ursprache
weiter gegangen, indem man unter Weiterführung der Bopp’-
schen Hypothese von der Entstehung der Flexionsformen, in
der Entwickelung der Ursprache Perioden zu unterscheiden
unternahm, was namentlich von G. Curtius geschehen ist, der
diese Entwickelung von der Wurzelperiode an bis zur voll-
ständigen Ausbildung der Flexion zu verfolgen suchte. Der-
artige Unternehmungen, die übrigens schon bei ihrem Erscheinen
keineswegs allgemeiner Zustimmung begegneten, mussten in
der realistischer gewordenen Zeit immer mehr an Kredit ver-
beren. Man sah immer mehr ein, dass es richtig wäre, von
Dingen, über die man doch nichts wissen könne, die Hand
zu lassen. In den letzten Jahren freilich hat sich die frühere
Richtung wieder vorgedrängt und die Neigung ist wieder stark
bemerkbar, den leeren Raum der Urzejt mit allerhand Schatten
zu bevölkern. Ich für meine Person halte an der skeptischen
Stummung fest und werde nach ihr in der vorliegenden Schrift
verfahren.
Wie sich nun nach diesen neuern Ansichten das Gerippe
der indogermanischen Laut- und Formenlehre gestaltet, ist aus
Brugmann’s Grundriss zu ersehen. Die theoretischen Grund-
lagen sind am besten in H. Paul’s Prinzipien der Sprach-
geschichte (zweite Auflage, Halle 1886) dargestellt, worüber
hier noch ein Wort zu sagen ist. Was an dem Paul’schen
Buche sogleich angenehm auffällt, ist, dass sein Verfasser
in philosophischer und philologischer Hinsicht gleich gebildet
erscheint. Er handhabt das psychologische Handwerkszeug,
das er nöthig hat, mit völliger Gewandheit, und er weise als
ein erfahrner Glermanist eine Fülle der treffendsten, oft auch
70 Einleitung. Dritte Periode. H. Paul.
nach andern Beziehungen lehrreichen Belege zur Erläuterung
seiner philosophischen Behauptungen beizubringen. Der Haupt-
werth des Buches besteht in der konsequenten, man möchte
beinahe sagen hartnäckigen, Durchführung eines richtigen Grund-
gedankens, nämlich des Gedankens, dass alle Erklärung sprach-
licher Erscheinungen von der Durchforschung der Sprachthätig-
keit des einzelnen Menschen ausgehen muss, der diese seine
Thätigkeit natürlich nur deshalb ausübt, weil er ein gesell-
schaftliches Wesen ist. “Das wahre Objekt für den Sprach-
forscher sind sämmtliche Äusserungen der Sprachthätigkeit an
sämmtlichen Individuen in ihrer Wechselwirkung auf einander.”
Ein Individuum nun kann sich, abgesehen von den allgemeinen
psychophysischen Grundlagen, aus denen das Sprechen her-
vorgeht, deshalb äussern, weil es eine Masse von Wörtern im
Gedächtnis bereit hat. Und zwar sind diese Wörter, Formen
u. 8. w. nicht vereinzelt aufbewahrt, sondern zu Reihen und
Gruppen vereinigt. “Es assoziieren sich die Vorstellungen
auf einander folgender Klänge, nach einander ausgeführter
Bewegungen der Sprachorgane zu einer Reihe. Die Klang-
reihen und die Bewegungsreihen assoziieren sich unter ein-
ander. Mit beiden assoziiren sich die Vorstellungen, für die
sie als Symbol dienen, nicht bloss die Vorstellungen von
Wortbedeutungen, sondern auch die Vorstellungen von syn-
taktischen Verhältnissen. Und nicht bloss die einzelnen Wörter,
sondern grössere Lautreihen, ganze Sätze assoziieren sich un-
mittelbar mit dem Gedankeninhalt, der in sie gelegt worden
ist. Diese wenigstens ursprünglich durch die Aussenwelt ge-
gebenen Gruppen organisieren sich nun in der Seele jedes
Individuums zu weit reicheren und verwickelteren Verbin-
dungen, die sich nur zum kleinsten Theile bewusst vollziehen
und dann auch unbewusst weiter wirken, zum bei weitem
grösseren Theile niemals wenigstens zu klarem Bewusstsein ge-
langen und nichtsdestoweniger wirksam sind. So assoziieren
sich die verschiedenen Gebrauchsweisen, in denen man ein
Wort, eine Redensart kennen gelernt hat, unter einander. So
assoziieren sich die verschiedenen Kasus des gleichen Nomens,
Einleitung. Dritte Periode. H. Paul. 71
die verschiedenen Tempora, Modi, Personen des gleichen Ver-
bums, die verschiedenen Ableitungen aus der gleichen Wurzel
vermöge der Verwandtschaft des Klanges und der Bedeutung;
ferner alle Wörter von gleicher Funktion, z. B. alle Substantıva,
alle Adjektiva, alle Verba; ferner die mit gleichen Suffixen
gebildeten Ableitungen aus verschiedenen Wurzeln; ferner die
ihrer Funktion nach gleichen Formen verschiedener Wörter,
also z. B. alle Plurale, alle Genitive, alle Passiva, alle Per-
fekta, alle Konjunktive, alle ersten Personen; ferner die Wörter
von gleicher Flexionsweise, z. B. im Neuhochdeutschen alle
schwachen Verba im Gegensatz zu den starken, alle Maskulina,
die den Plural mit Umlaut bilden im Gegensatz zu den nicht
umlautenden; auch Wörter von nur partiell gleicher Flexions-.
weise können sich im Gegensatz zu stärker abweichenden zu
Gruppen zusammenschliessen ; ferner assoziieren sich in Form
oder Funktion gleiche Satzformen. Und so giebt es noch eine
Menge Arten von zum Theil mehrfach vermittelten Assoziationen,
die eine grössere oder geringere Bedeutung für das Sprachleben
haben. Alle diese Assoziationen können ohne Bewusstsein zu
Stande kommen und sich wirksam erweisen, und sie sind
durchaus nicht mit den Kategorien zu verwechseln, die durch
die grammatische Reflexion abstrahiert werden, wenn sie sich
auch gewöhnlich mit diesen decken” (8. 23). Diese Gruppen
nun in ihrer Gesammtheit, die psychischen Organismen sind die
eigentlichen Träger der Sprechfähigkeit für den Einzelnen, da
sie ihm nicht bloss den nöthigen Vorrath liefern, sondern auch,
indem sie für alle Neubildungen die Muster und die Anlehnung
bieten, die Quelle seiner sprachlichen Produktivität sind. Na-
türlich sind nun die psychischen Organismen bei jedem etwas
anders beschaffen als bei den übrigen Mitgliedern derselben
Sprachgemeinschaft und, da sie bei jedem Einzelnen in steter
Veränderung begriffen sind und da ferner die Wirkung der
Menschen auf einander doch nicht darin beruht, dass sie sich
gegenseitig Feertiges mittheilen, sondern dass einer das Sprach-
vermögen des andern in Bewegung setzt, so sind diese
Organismen in ihrer Wechselwirkung zugleich der letzte Grund
72 Einleitung. Dritte Periode. H. Paul.
aller sprachlichen Veränderung. Der Leser sieht nun schon,
wie man von dieser Grundlage aus sich eigentlich mehr über
die verhältnismässig grosse Einheit in der Sprache einer Ver-
kehrsgenossenschaft als über das Vorhandensein vieler Dialekte
zu wundern hat, wie ferner aus den zahlreich vorhandenen
Assoziationen sich von selbst die Analogiebildungen erklären,
wie infolge des Absterbens von einzelnen Gruppen Isolierungen
eintreten können und wie sich auch wieder eine Gegenwirkung
gegen solche Isolierungen einstellt u.s. w., so dass ich hinsichtlich
aller dieser Dinge auf das Buch selbst verweisen kann. Die
Polemik des Verfassers richtet sich, wie sich nach dem Angeführ-
ten schon vermuthen lässt, entschieden gegen die Hypostasierung
der Begriffe Sprache, Volksgeist u. ähnl. und, insofern er die
Stetigkeit in der Veränderung der Sprache betont, gegen die
scharfen Grenzen. Ich meine damit nicht etwa bloss die Grenzen
zwischen den einzelnen Sprach- und Volksgebieten, sondern
die Grenzen zwischen den einzelnen Theilen und Kategorien
des Gesprochenen, z. B. zwischen den einzelnen Wortarten
(Substantivum, Adjektivum u. s. w.) und den einzelnen Satz-
arten (Hauptsatz, Nebensatz u. s. w.).. Indem Paul überall die
Vermittelung von einem zum andern hervorhebt und betont,
dass in der Sprache alles im Flusse sei, macht seine Dar-
stellung vielleicht auf denjenigen, der sich bei der Behandlung
einer einzelnen Sprache oder Spracherscheinung Rath erholen
möchte, einen unbehaglichen Eindruck, wodurch er veranlasst
wird,. doch lieber bei den überlieferten Auffassungen zu bleiben.
Einem solchen wäre zu erwidern, dass die Paul’sche Schrift nicht
dazu bestimmt ist, ein neues praktisches Gerüst für die Dar-
. stellung zu liefern. Sie soll vielmehr ein fermentum oogni-
tionis et cogitationis sein. Und als solches sei sie zur Er-
gänzung meiner nachfolgenden Darstellung den Lesern der-
selben nachdrücklich empfohlen.
Einleitung. Der Satz. 73
Mit den letzten Erörterungen hat meine Darstellung bereits
in die Vorführung meiner eigenen Ansichten eingelenkt. Ich
gebe von denselben hier nur so viel, als zur Ergänzung des
bisher Angedeuteten und des in der Folge noch zu Bemer-
kenden nöthig scheint.
Ich gehe von der durch die Erfahrung festgestellten That-
sache aus, dass die Überlieferung der Sprache wesentlich in
Sätzen erfolgt. Denn wenn ein Kind auch die Namen einer
Reihe von Gegenständen und die Bezeichnungen für einige
Vorgänge geliefert erhält (also, wie man in der Schule sagt,
Vokabeln lernt), so ist es doch zum bei weitem grösseren Theile
darauf angewiesen, ganze zusammenhängende Äusserungen
aufzufangen. Diese werden im Gedächtnis niedergelegt und
erst allmählich scheiden sich innerhalb der Sätze auf dem Wege
der Vergleichung einzelne Theile und Formen ab1). Wir haben
keinen Grund zu der Annahme, dass es jemals anders gewesen
sei. Wenn denn Satz der Begriff ist, der uns in der Erfahrung
zuerst begegnet, so ist er auch hier zuerst zu erläutern.
Wir haben in der bisherigen Darstellung zwei Definitionen
des Satzes kennen gelernt, nämlich die des Alterthums, welche
in der Fassung Priscian’s so lautet: oratio est ordinatio dic-
tionum congrua sententiam perfectam demonstrans (entsprechend
der griechischen Aoyos &orl ouvrakız Adkswv xaraAlnAos dLavorav
auroreAr, önAoüca, vgl. Uhlig, Dionysios Thrax S. 23), und die
der Logiker, wonach der Satz das sprachliche Abbild des lo-
gischen Urtheils ist, also wie dieses normaler Weise Sub-
jekt, Prädikat und Kopula enthalten soll. Dazu füge ich noch,
indem ich von der rein phonetischen Definition, aus der an
1) Einige gute hierher gehörige Bemerkungen finden sich in dem Auf-
satz von H. Sweet Words logie and grammar in den Schriften der Philo-
logieal Society, London bei Asher und Komp. Die Lektüre dieses Auf-
sstzes mag namentlich denjenigen als Gegengift empfohlen werden, die
gewohnt sind, immer zuerst an die alten Sprachen zu denken. Sweet seiner-
seits freilich verfällt in den Fehler, die Vergangenheit vom Standpunkt der
Gegenwart aus zu massregeln. Das geschieht z. B., wenn er den Objekts-
akkusativ für ein Adverb erklärt.
74 Einleitung. Der Satrz.
dieser Stelle nichts zu entnehmen ist, absehe, die Paul’sche
Auffassung (S. 99): “Der Satz ist der sprachliche Ausdruck, das
Symbol dafür, dass sich die Verbindung mehrerer Vorstellungen
oder Vorstellungsgruppen in der Seele des Sprechenden vollzogen
hat, und das Mittel dazu, die nämliche Verbindung der näm-
lichen Vorstellungen in der Seele des Hörenden zu erzeugen”,
wozu Paul bemerkt: “Jede engere Definition des Begriffes Satz
muss als unzulänglich zurückgewiesen werden. Zu den ver-
breiteten Irrthümern über das Wesen des Satzes gehört es z. B.,
dass derselbe ein Verbum finitum enthalten müsse. Verbin-
dungen wie omnia praeclara rara, summum jus summa injuria,
Träume, Schüume, Ich eın Lügner? Ich dir danken? sınd gerade
so gut Sätze wie der Mann lebt, Er ist tot". Diese Defini-
tionen enthalten das Gemeinsame, dass der Satz als etwas Voll-
ständiges, Ganzes aufgefasst wird, der eine ötadvora auroreÄrs
enthalte, und dagegen ist gewiss nichts einzuwenden. Sodann
stimmen sie darin überein, dass der Satz eine Vereinigung
mehrerer Theile ist, sei es nun, dass man dabei, wie die Alten,
an die äusserlich-grammatische, sei es, wie die Neueren, an die
geistige Verbindung denkt. Dass die unmittelbare Anlehnung
an die logische Form abzuweisen sei, brauche ich nicht aus-
zuführen. Es fragt sich aber, wie es sich mit der Paul’schen
Fassung verhält, insofern sie von einer Verbindung mehrerer
Vorstellungen oder Vorstellungsgruppen redet. Ist wirklich
eine Verbindung mehrerer Bestandtheile in jedem Satze vor-
handen? Die Erfahrung scheint dieser Behauptung zu wider-
sprechen. Denn es giebt doch (wenn man ganz von denjenigen
Satzformen absieht, in welchen eine Ellipse angenommen werden
könnte) jedenfalls in denjenigen indogermanischen Sprachen,
welche den Gegenstand der nachfolgenden Darstellung bilden,
drei überlieferte Satztypen, welche man als einheitlich oder,
wie man wohl auch sagt, als eingliedrig zu bezeichnen hat,
nämlich die Sätze, welche aus einer Interjektion, einem Vokativ,
oder einem sog. unpersönlichen Verbum bestehen. Die Inter-
jektionen kann man aus der Sprache nicht herausweisen, denn
sie haben traditionelle Gestalt und sie bestehen aus artıikulierter
Einleitung. Der Satz. 75
d.h., wie ich mit Whitney!) verstehe, von Silbe zu Silbe fort-
schreitender) Rede. Wie man in einen Vokativ eine Ver-
bindung mehrerer Vorstellungen hineindefinieren könnte, sehe
ich nıcht, und subjektlose Verba, wie pluit, haben doch eben
darin ihre Eigenthümlichkeit, dass sie Erscheinungen bezeichnen,
ohne dass dabei zwischen der Erscheinung und dem Träger
derselben unterschieden würde. Wie stellt sich nun Paul zu
solchen Sätzen? Natürlich muss er sie für unvollkommen er-
klären, nämlich für Prädikate, zu denen das Subjekt fehlt.
“Wenn der Prinz in Lessing’s Emilia beginnt Klagen, nichts
als Klagen! Bittschriften, nichts als Bittschriften!, so sind das
nur Prädikate, das Subjekt wird durch dıe Briefe gebildet, die
er in die Hand nimmt” (104). Als solche unvollkommene Sätze
bezeichnet Paul S.300 auch die Interjektionen, wenn sie isoliert
gebraucht sind. Also — so muss man in seinem Sinne sagen
— wenn jemand Prügel bekommt und au schreit, so sind die
Prügel das Subjekt, und au das Prädikat. Ich kann dieser
Auffassung nicht beistimmen, weil damit in die Definition von
Subjekt etwas hineingenommen wird, was ausserhalb der Sprache
liegt. Demnach halte ich fest, dass es auch eingliedrige Sätze
giebt, und definiere so: Ein Satz ist eine in artikulierter Rede
erfolgende Äusserung, welche dem Sprechenden und Hörenden
als ein zusammenhängendes und abgeschlossenes Ganzes er-
scheint. Über den Seelenzustand, der dem Aussprechen eines
Satzes vorhergeht, kann man, wie ich glaube, nur sagen: er
muss so beschaffen sein, dass eine sprachliche Äusserung, nicht
etwa bloss ein Schrei erzeugt wird. Übrigens ist diese
Meinungsverschiedenheit für die Praxis ohne erhebliche Be-
deutung, da die eingliedrigen Sätze ja jedenfalls als eine be-
sondere Art von Sätzen anerkannt werden müssen.
Die grosse Mehrzahl der Sätze besteht aus mehreren Thei-
len. Die Satz- oder Redetheile sind von den Alten an der
Hand der Erfahrung aufgestellt und von ihnen so geordnet,
1) Vgl. dessen Aufsatz What is articulation, reprinted from’ the Ame-
riean Journal of Philology Vol. II, No. 7.
76 | | Einleitung. Der Satz.
dass die für die Aussage unentbehrlichen Bestandtheile, Nomen
und Verbum, die Reihe eröffnen, wobei die Voranstellung des
Nonens offenbar aus der Lehre vom Urtheil stammt. Darauf
folgt das Partizipıum, welches zwischen Nomen und Verbum
liegt, sodann der Artikel, welcher zum Nomen in engster Be-
ziehung steht. Dann kommt das Pronomen und endlich die
drei flexionslosen, Präposition, Adverbium, Konjunktion. Die
Folgezeit mochte sich bei dieser von mehreren Gesichtspunkten
abhängigen Aufzählung nicht beruhigen, sondern suchte ein
tieferes und womöglich einheitliches Prinzip der Anordnung,
von denen auch einige bereits erwähnt worden sind. So vıel
ich sehe, lassen sich vier solcher Gesichtspunkte aufstellen,
welche ich in der Kürze besprechen will: Die Herkunft,
die eigene Bedeutung, die Form, die Verwendung.
1) Über die Hypothese von Bopp, der die Satztheile zur
einen Hälfte aus den Verbalwurzeln, zur andren Hälfte aus
den Pronominalwurzeln herleitet, ist oben $. 48 gesprochen
worden.
2) Was die eigene vom Auftreten im Satz unabhängige
Bedeutung der Satztheile betrifft, so ist ohne Weiteres klar,
dass die Pronomina ursprünglich nur dazu bestimmt waren,
den Sprechenden zu bezeichnen oder in seine Umgebung hin-
auszuweisen, während die Nomina und Verba einen dauernden
Bedeutungsinhalt haben. Es erhebt sieh aber schon bei der
Scheidung von Nomen und Verbum eine Schwierigkeit, wenn
man wenigstens den überlieferten Sprachvorrath zur Grundlage
nimmt, da es überall unter den Nomina auch Handlungswörter
giebt, z. B. raıöela, und unter den Verben auch Substanzwörter,
z.B. Baoıleow. Um eine reinliche Scheidung vorzunehmen,
muss man hinter die Überlieferung zurückgehen und vermuthen,
dass die Nomina ursprünglich Wesen (Substanzen) bezeichneten,
die Verba aber ursprünglich Vorgänge und dass dann später
auch Vorgänge in der Form einer Substanz aufgefasst wer-
den konnten und umgekehrt. Unter den übrigen Wörtern
kommen solche vor, die man sich ausserhalb eines Satzes nicht
denken kann, z. B. die Negation, welche doch nicht auf etwas
ill
Einleitung. Die Satztheile. 77
in der Aussenwelt thatsächlich Vorliegendes hinweist, sondern
dem Gefühl der Unverträglichkeit zusammengerathener Vor-
stellungen entspringt, oder die Verbindungspartikeln wie aı.
ca, gr. te u. ähnl. Aus dieser Betrachtung folgt, dass die
Eigenbedeutung der Satztheile zwar Berücksichtigung verdient,
aber zum Eintheilungsgrund sich nicht eignet.
3) Die Unterscheidung nach der Form ist in neuerer Zeit
von Schleicher in seiner Abhandlung über die Unterscheidung
von Nomen und Verbum in der lautlichen Form (in den Abh.
der Sächs. Ges. d. Wiss. Leipzig 1865) aufgestellt worden, wo
es S. 509 heisst: "Nomina sınd im Indogermanischen die Worte,
welche ein Kasussuffix haben oder hatten; Verben sind die
Worte, welche eine Personalendung haben oder hatten. Mit
Ausschluss der echten Interjektionen, die ausserhalb der Sprache
stehen und als Lautgebärden zu betrachten sind, und der
Vokative, welche Nominalstämme sind, die die Form von In-
terjektionen angenommen haben, geht die indogermanische
Sprache in Nomen und Verbum ohne Rest auf. Alle indo-
germanischen Worte sind oder waren doch ursprünglich ent-
weder Nomina oder Verba. Adverbia und die als meist ver-
kürzte Adverbia zu fassenden Präpositionen, Konjunktionen und
Partikeln überhaupt sind ursprünglich meist Kasusformen, viel
seltener Verbalformen, wie dies nunmehr wohl als allgemein
bekannt und anerkannt angenommen werden darf. Ich denke,
man sieht recht deutlich, wie die Neigung zum Systematisieren
den trefflichen Gelehrten zu Gewaltsamkeiten verleitet. Warum
die Interjektionen zur Sprache gehören, ist oben S. 74 ange-
deutet worden. Das Schleicher'sche Bild, dass sie “Laut-
gebärden’ seien (worunter ich mir etwas Deutliches nicht vor-
stellen kann), kann dagegen nicht aufkommen. Was es ferner
heissen soll, dass die Vokative die Form von Interjektionen
angenommen haben, ist nicht leicht zu verstehen. Das aber
steht doch fest, dass sie etwas ganz anderes als die Interjek-
tionen sind, da sie einen Begriff bezeichnen, nicht wie diese
ein Gefühl begleiten. Den Schlusssatz dürfte heute wohl Nie-
mand mehr unterschreiben, da die Behauptung, dass alle
178 Einleitung. Die Satztheile.
Partikeln einst Flexionsformen besessen hätten, sich freilich
nicht widerlegen, aber auch ebenso wenig beweisen oder wahr-
scheinlieh machen lässt. Wır können deshalb, wenn wir von
der Form ausgehen, die Satztheile nur in solche eintheilen,
welche Flexion haben, und zwar a) verbale, b) nominale, und in
solche welche keine haben. Diese letzte Klasse lässt sich, wenn
man die Eintheilung nach der Form streng durchführen will,
überhaupt nicht weiter eintheilen. Nach der Bedeutung wäre
das wohl möglich, aber dann hätte man eben für die Satz-
theile kein einheitliches Eintheilungsprinzip mehr. Es kommt
aber noch eine Schwierigkeit hinzu, welche Schleicher durch
die Worte ‘haben oder hatten’ andeutet. Der Nom. sing. der
femininischen @-Stämme, derselbe Kasus bei den Neutris, mit
Ausnahme der o-Stämme, eine Form des Lok. sing., die zweite
sing. des Imperativs bei der 5-Konjugation haben kein
Flexionssuffix. Darf man annehmen, dass sie eines hatten?
Bei den neueren Sprachen ist es deutlich, dass viele Flexions-
suffixe verloren gegangen sind. Für sie aber ergiebt sich
dann das Missliche, dass man bei ihnen, z. B. bei dem Eng-
lischen die Eintheilung noch Kriterien machen muss, die fast
alle nicht mehr da sind Somit dürften die Alten im Rechte
gewesen sein, welche das Haben von Kasus u. s. w. als rap-
enöuevov des betreffenden Satztheiles ansahen.
4) Bei der Eintheilung nach der Verwendung der Satztheile,
die nun als letzte noch übrig ıst, muss man zunächst beden-
ken, dass ein und dasselbe Wort ın mehrfacher Weise ver-
wendet werden kann. So ist z. B. esse in der Bedeutung
‘vorhanden sein’ ein Aussagewort, dagegen in der Bedeutung
‘sein’ ein Verbindungswort, (denn es kann keinem Zweifel
unterliegen, dass schon in den ältesten uns erreichbaren Tex-
ten die Kopula nichts als ein Formwort ist). Man darf also
nicht die Wortarten, sondern muss die Verwendungsbegriffe
als Eintheilungsgrund nehmen. Ich möchte die folgenden auf-
stellen:
a) Wörter welche das Substrat der Aussage bilden (wobei
Substrat in so weitem Sinne gebraucht ist, dass es Subjekt,
Einleitung. Die Satztheile. 79
Objekt und überhaupt alle durch Kasus ausgedrückten Be-
ziehungen umfassen soll), die Substantıva. Da der Begriff
Substantivum nicht eine etymologische, sondern eine syntak-
tische Kategorie ist, so ist es natürlich, dass mehrere Wort-
arten als Substantiva gebraucht werden können, Nomina, Pro-
nomina, Zahlwörter, und dass vorübergehende Substantivierungen
auch anderswo vorkommen.
b) Aussage-Wörter. Das eigentliche Aussagewort ist das
Verbum. Es kann aber auch ein dem nominalen Gebiet an-
gehöriges Wort als Aussagewort fungieren, z. B. ayaddv in dem
Satze oux ayadov noAuxorpavin.
c) Attributive Wörter. Ein attributives Wort kann sowohl
zu einem Substantivum, wie zu einem Aussagewort treten.
Das eigentliche Attributionswort neben dem Substantivum ist
das Adjektivum, welches wie das Substantivum im Gebiet der
Nomina, Pronomina, Zahlwörter auftritt. Doch erscheinen
auch Substantiva in Attribution, so wenn sie in der Apposition
stehen und als Genitive (oder Dative). Als Attributiva neben
dem Verbum erscheinen die Präpositionen (oder genauer ge-
sprochen die Präverbia), und die Adverbia. Schliesslich kann
auch ein attributives Wort zu dem andern treten, so das Ad-
verbium zu dem Adjektivum.
d) Verbindende Wörter. Dahin gehören die Kopula, die
Präpositionen, insofern sie zwischen dem Verbnm und dem
Kasus vermitteln, gewisse Partikeln verbindender Bedeutung,
zu denen es wohl erlaubt ist, die Partikeln von ausschliessen-
der Bedeutung zu gesellen.
e) Hervorhebende Wörter. Dahin gehören eine Reihe von
Partikeln, hinsichtlich deren vorläufig auf SF. 5, 471 ff. ver-
wiesen werden mag.
Auch diese Eintheilung geht nicht ganz rein auf, denn es
bleiben hinsichtlich einiger Partikeln (Negationen, Verglei-
chungspartikeln) noch Zweifel darüber, ob man für sie eigene
Klassen aufstellen, oder sie bei den genannten unterbringen
soll. Man wird aber wohl zugestehen, dass diese Eintheilung
80 Einleitung. Die Grundbegriffe.
bei der Darstellung des Satzes und seiner Theile wesentliche
Berücksichtigung verdient.
Bei den flektierbaren Satztheilen zeigen sich gewisse Be-
gleiterscheinungen (raperopeva), bei dem Nomen und Pro-
nomen die Genera, Numeri und Kasus, bei dem Verbum die
Tempora, Modi und die sog. Genera verbi. Da über die Grund-
begriffe dieser rapenoueva von Anfang der Grammatik an
mindestens so viel wie über die Bedeutungen der Satztheile
selbst gesprochen worden ist, so habe ich hier mit einigen
Worten zu ihnen Stellung zu nehmen. Gegeben ist in einem
bestimmten Sprachdurchschnitt die wiederholte Anwendung
derselben Form. Vergleicht man die Anwendungen unter ein-
ander, so gelingt es meistens, innerhalb der ganzen Masse
gewisse näher zusammengehörige Fälle zu unterscheiden, die
dem gleichen Typus angehören, z. B. innerhalb des Genitivs
den partitiven, possessiven u. s. w. Manche dieser Typen sind
lebendig, so dass sie für ein etwa neu auftauchendes Bedürfnis
dem Sprechenden stets als Anlehnung dienen, andere sind zwar
früher lebendig gewesen, sind aber für eine gewisse Sprach-
periode bereits erstarrt und also der Weiterbildung unfähig.
Dahin gehören z. B. die zeitbestimmenden Genitive des Neu-
hochdeutschen (des Morgens, des Abends, aber nicht mehr der
Stunde, vgl. Paul Prinzipien 2, 155). Es ist freilich zuzuge-
stehen, dass wir oft nicht sagen können, ob wir diese Typen
der Sprache nicht eher aufdrängen als entnehmen, man darf
aber darum doch nicht etwa den Typen im Allgemeinen die
Thatsächlichkeit absprechen'), denn wir müssen doch annehmen,
dass sich die einander nahe liegenden Anwendungen einer Form
1) Gelegentlich lässt sich noch der Nachweis führen, dass ein solcher
Gebrauchstypus wirklich von den Sprechenden als etwas von den übrigen
Abgesondertes empfunden wird, nämlich dann, wenn durch irgend eine
besondre lautliche oder sonstige Entwickelung ein Kasus mehrere Formen
statt der einen überlieferten erhalten hat und sich nun ein Bedeutungs-
typus an eine bestimmte Form anschliesst. So hat in dem serbisch-kroati-
schen Dialekte, welchem die von Mikulilie gesammelten Märchen angehören,
der Gen. plur. der Maskulina, wenn er auf ; ausgeht, nur partitive Be-
deutung (vgl. Leskien in Jagie Archiv 5, 186).
Einleitung. Die Grundbegriffe. 81
in der Seele des Sprechenden assoziieren. Die Aufstellung
soleher Typen nun haben die Grammatiker von jeher für jede
einzelne der von ihnen behandelten Sprachen vorgenommen
und sie sind auch gewöhnlich dazu vorgeschritten, die ver-
schiedenen Typen irgendwie unter einen höheren Begriff zu
vereinigen, den sie dann für den Grundbegriff des griechischen
oder lateinischen Kasus, Modus u. s. w. erklärten. Es bedarf
keiner längeren Auseinandersetzung, dass wir ihnen in diesem
letzteren Verfahren nicht mehr zu folgen vermögen. Wir sind
durch die Sprachvergleichung belehrt worden, dass die in Rede
stehenden Formen nicht in den Einzelsprachen entstanden,
sondern in allem Wesentlichen bereits in der Ursprache fertig
gewesen sind. Sınd sie nun damals vorhanden gewesen, so
haben sie auch einen gewissen Anwendungskreis gehabt, den
durch Vergleichung der einzelsprachlichen Gebrauchstypen zu
ermitteln unsere Aufgabe ist. Die indogermanischen An-
wendungstypen einer Form sind die älteste für uns
auf historischem Wege erreichbare Bedeutung der-
selben. Sie stellen ihren Grundbegriff dar. Der so ermittelte
Grundbegriff ist in manchen Fällen so beschaffen, dass wir ihn
als einheitlich ansehen können, z. B. bei dem Aorist, manchmal
indessen besteht er aus mehreren Typen, z. B. bei dem Optatıv,
innerhalb dessen wir einen wünschenden und einen potentialen
Typus unterscheiden. Es gehört also nicht zur Natur
der auf historischem Wege gefundenen Grundbe-
griffe, dass sie einheitlich seien. Ich glaube, dass gegen
die grundsätzliche Richtigkeit dieser Darstellung nichts ein-
zuwenden ist, gebe aber zu, dass das Stehenbleiben bei mehr-
theiligen Grundbegriffen für uns etwas Beunruhigendes hat,
nicht etwa bloss, weil unser philosophisches Bedürfnis unbe-
fnedigt bleibt, sondern namentlich, weil wir die Befürchtung
nicht los werden, dass wir möglicherweise die Typen falsch-
aufgefasst haben und daher an der mangelnden Einheitlichkeit
selbst schuld sind. Unter diesen Umständen ist es nicht zu
vermeiden, dass man versucht, noch hinter die historischen .
Grundbegriffe zurückzugehen. Dabei sind im allgemeinen zwei
Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm. Sprachen. I. 6
82 Einleitung. Eintheilung der Syntax.
Wege möglich, der etymologische und der kombinatorische.
Der etymologische ist, wie nicht zu leugnen ist, in unserm
Falle leider nicht oder kaum gangbar. So bleibt denn der
kombinatorische, wobei wir freilich dem Einflusse der je-
weiligen philosophischen Stimmung und überhaupt den Ge-
fahren des Subjektivismus preisgegeben sind, wie ja auch that-
sächlich gerade auf diesem Gebiete die meisten Meinungs-
kämpfe ausgefochten worden sind und noch ausgefochten
werden. Demnach möchte ich für die uns hier beschäftigende
Lehre Folgendes als das Wichtigste festhalten. Während man
früher die Grundbegriffe in den Einzelsprachen suchte, haben
wir sie in der Grundsprache zu suchen. Ich werde mich in
der vorliegenden Arbeit bemühen, überall die Konsequenzen
dieser Erkenntnis zu ziehen. Bei der kombinatorischen Be-
handlung der mehrtheiligen Grundbegriffe muss man sich dahin
bescheiden, dass zwar bisweilen ein hoher, öfter aber auch nur
ein geringer Grad der Wahrscheinlichkeit zu erreichen ist. So
ist es z. B. mehr als wahrscheinlich, dass die mehreren Typen
des Ablativs, namentlich also der Ablativ bei Verben und der
Ablativ bei Komparativen, zu einem und demselben Typus ge-
hören, in anderen Fällen dagegen, z. B. bei dem Genitiv ist
die Aufstellung eines einheitlichen Typus kaum möglich.
Nachdem ich von dem Satze und seinen Theilen gesprochen
habe, bleibt noch ein Wort über das Gebiet und die Theile
der Syntax zu sagen. Apollonios Dyskolos, dem der Aus-
druck oyvrafıs noch nicht abgebraucht war, wollte in seinem
Werke von der Verbindung der Wörter, nicht von den ein-
zelnen Wortarten handeln. Und da ihm die xaradlinita be-
sonders am Herzen lag, so war offenbar die Lehre vom Auf-
einanderpassen der Satztheile für ihn die Hauptsache. Hätte
er sich auf eine bereits vorliegende, ihn befriedigende Lehre
von den Satztheilen beziehen können, so würde er über sie
wahrscheinlich in dem Buche xept ouvratews nicht geredet haben.
Da das aber nicht der Fall war, so hat er diese Lehre
Einleitung. Eintheilung der Syntax. 83
thatsächlich in die Syntax hineingearbeitet, wie er denn z. B., ehe
er im zweiten Buch an die pronominalen Konstruktionen kommt,
es für angemessen findet, die den Fürwörtern besonders zu-
kommenden Eigenthümlichkeiten zu erklären. Im Mittelalter
dagegen nahm man die Scheidung der von Apollonios ver-
einigten Massen vor, man sprach zuerst von den partes orationis,
dann von der constructto, die man in concordia und rectto theilte
(so bei Sanctıus).. In der neueren Zeit geht man verschiedene
Wege. Manche Grammatiker begnügen sich in dem Kapitel
von den Satztheilen mit kurzen Definitionen und verlegen das
Übrige in die Syntax, Miklosich andererseits hat, wie wir 8. 62
sahen, von dem, was das Mittelalter Syntax nennt, ganz ab-
strahiert, indem für ıhn Syntax nichts weiter ıst als die Lehre
von den Wortarten und den Wortformen. Dass man eine Lehre
vom Satze selbst nicht entbehren kann, ist a.a.O. gezeigt worden.
Ob man aber nur diese Lehre als Syntax bezeichnen, oder ob
man auch die Lehre von den Satztheilen dazu rechnen will,
ıst schliesslich eine Sache des Entschlusses. Ich glaube im
Einklang mit dem Sprachgebrauch der Gegenwart zu ver-
fahren, wenn ich unter Syntax die Lehre vom Satze und
seinen Theilen verstehe. Es wäre in abstracto wohl möglich,
in der Darstellung von dem Satze auszugehen und, sobald man
zum ersten Mal auf einen Satztheil trifft, stehen zu bleiben und
abzumachen, was über ihn im besonderen zu sagen ist, aber
ich glaube, dass dabei eine nur irgend erträgliche Übersicht-
lichkeit nicht zu erreichen sein würde. Man muss sich also
zu einer Trennung entschliessen. Welche der beiden Ab-
theilungen man dabei vorausschicken wıll, darüber lässt sich
streiten. Ich habe es ın dieser Schrift, abweichend von dem
in meiner altindischen Syntax eingeschlagenen Verfahren, vor-
gezogen, die Lehre von den Satztheilen voranzustellen.
Für die Satztheile giebt es keine aus natürlichen oder ge-
schichtlichen Gründen sich ergebende nothwendige Reihenfolge.
Ich habe, der Tradition folgend, mit dem Nomen den Anfang
gemacht, das ich in Substantivum und Adjektivum geschieden
habe. Man kann dagegen einwenden, dass die Begriffe
6*
84 Einleitung. Eintheilung der Syntax.
Substantiv und Attribut eigentlich in die Lehre vom Satze ge-
hören, darauf ist aber zu erwidern, dass eine pedantische Schei-
dung beider Theile nicht durchzuführen ist und dass das Ad-
jektivum sich doch auch äusserlich zu einem gesonderten Wesen
herausgebildet hat. Bei dem Substantivum ist von den Genera,
Numeri und Kasus gehandelt. Ich weiss wohl, dass es vielleicht
richtiger wäre, das Genus, wie es Grimm gethan hat, bei der
Stammbildungslehre abzumachen. Für mich war aber der Um-
stand massgebend, dass dies in dem Brugmann’schen Werke nicht
geschehen ist. Man kann auch fragen, warum die Kasus nicht
in die Satzlehre gewiesen sind. Ich antworte, weil sie dort
zum theil getrennt behandelt werden müssten, z. B. der Genitiv
theils da, wo das Verhältnis von Substantivum und Aussagewort
erörtert wird, theils in dem Abschnitt von den attrıbutiven Wör-
tern. Freilich werden die Kasus in der Satzlehre wieder zu
erwähnen sein. Aber die richtige Systematik besteht auch
gar nicht darin, dass jedes Ding nur an einer Stelle vorkommt.
Auf die Nomina folgen die Pronomina, auf diese die Zahl-
wörter, welche in ihrem Habitug und ihrer Anwendung so viel
Besonderes haben, dass es gerathen scheint, sie als besondere
Wortart aufzustellen. Die Unterscheidung in Substantiva und
Adjektiva findet sich auch bei den Pronomina und Zahlwörtern,
ist dort aber nicht so wichtig wie bei den Nomina. Die nächste
Stelle haben die Adverbia erhalten, weil sie zum grössten Theile
Kasus von Nomina, Pronomina oder Zahlwörtern sind. An die
Adverbia habe ich die Präpositionen angeschlossen, sodann das
Verbum, endlich die Partikeln behandelt. Die Konjunktionen
sind der Lehre vom zusammengesetzten Satze vorbehalten. Den
zweiten Haupttheil bildet die Lehre vom Satze. Diese ist jetzt
weit reicher zu gliedern, als es im Alterthum und Mittelalter
geschah. Wir haben nicht nur neue Kapitel, wie z. B. das von
der Wortstellung und Satzbetonung hinzugefügt (die die Alten,
soweit es überhaupt geschah, in der Rhetorik darstellten), son-
dern wir haben auch die Verwendungszwecke der Wörter voll-
ständiger zu erwägen, wozu man vorläufig das von mir S. 78 ff.
Ausgeführte vergleichen möge. Wie ich mir im wesentlichen
Einleitung. Sicherheit der Ergebnisse. 85
die Lehre vom Satze gegliedert denke, mag man aus meiner
altindischen Syntax ersehen. Den Schluss bildet die Lehre
vom zusammengesetzten Satze, soweit davon in einer ver-
gleichenden Syntax die Rede sein kann.
Nachdem ich so viel Theoretisches erörtert habe, will ich
noch in der Kürze die Frage berühren, welcher Grad von Sicher-
heit für die Ergebnisse einer vergleichenden Syntax in An-
spruch genommen werden darf. Wenn man durch Vergleichung
festgestellt hat, dass ein gewisser Formentypus den indoger-
manischen Sprachen gemeinsam ist, so ist damit schon aus-
gesprochen, dass er der Urzeit angehört hat. Denn die Mög-
lichkeit ist ausgeschlossen, dass eine Form, wie z. B. der No-
minativ, in jeder einzelnen Sprache für sich entstanden sei.
Auf diese Weise ist ermittelt worden, dass das Formensystem,
wie wır es aus dem Indischen oder Griechischen kennen, in
allen wesentlichen Punkten bereits in der Urzeit bestanden
hat. Steht es mit den Bedeutungen der Formen und ihren
Konstruktionen ebenso? An sich und abstrakt genommen könnte
es sich auch anders verhalten. Denn, da wir Ja die Bedeu-
tungen in den einzelnen Sprachen sich verändern und ent-
wickeln sehen, ohne dass die Form sich verändert, so sind wir,
wie es scheint, durch nichts gehindert, den wesentlichsten Theil
der Bedeutungsentfaltung einer Form der Einzelsprache zuzu-
schreiben. Eine solche Ansicht mag denjenigen nahe liegen,
welche mit besonderer Liebe einer einzelnen indogermanischen
Sprache zugethan sind, und mag an unserer Gewohnheit,
Formenlehre und Syntax (die doch wie Leib und Seele zu-
sammengehören) wie zwei gesonderte Welten zu behandeln, eine
Stütze finden — wahrscheinlich ist sie nicht. Oder sollte die
Ansicht wirklich die natürliche sein, dass z. B. die Formüber-
einstimmung zwischen dem indischen und dem griechischen
Konjunktiv auf Überlieferung, die Bedeutungsübereinstimmung
aber ihrem grössten Theile nach auf Parallelismus der Sonder-
entwickelungen beruhe? Es wäre in der That merkwürdig,
86 Einleitung. Quellen.
wenn die Ursprache zwar das ganze reich entwickelte Formen-
system, aber nur ganz dürftig entfaltete Bedeutungen gehabt
hätte, um so merkwürdiger, als man sich die Verschiedenheit
zwischen dem Habitus der Ursprache und etwa des ältesten
Indisch oder Griechisch keineswegs als sehr erheblich vor-
zustellen hat. Ich glaube also, dass man diejenigen Bedeu-
tungen und Konstruktionen, in welchen die Formen der Einzel-
sprachen zusammentreffen, im ganzen und grossen als indo-
germanisch anzusehen hat, halte es aber für richtig, sich im
einzelnen Fall die Möglichkeit, dass es auch anders sein könnte,
vorzuhalten. In der Praxis übrigens kommt es auf eine Meinungs-
verschiedenheit in dieser Richtung nicht so viel an, als es der
Theorie nach scheinen könnte. Denn auch ein Partikularist
wird gewiss zugestehen, dass die Vergleichung paralleler Er-
scheinungen unter Umständen von grossem Nutzen sein und
insbesondere dazu beitragen kann, die geschichtliche Ent-
wickelung innerhalb einer Einzelsprache aufzuklären.
Zum Schluss will ich noch darüber Auskunft geben, in
welchem Umfang ich die indogermanischen Sprachen aus-
genutzt habe. Innerhalb des Altindischen habe ich mich
auf den Ausschnitt beschränkt, den meine Altindische Syntax,
Halle 1888 behandelt, nicht als ob ich in Abrede stellte, dass
aus dem klassischen Sanskrit, dem Palı und Prakrit manches
für die Syntax zu gewinnen sei, sondern weil ich die Mantra-
und Brähmana-Sprache am besten aus eigener Anschauung
kenne. Welche Schwierigkeiten der Benutzung des Avesta
entgegenstehen, ist bekannt genug. Ich habe den Eindruck,
dass Geldner’s Übersetzungen dem wahren Sinn am nächsten
kommen, und mich daher möglichst an diese gehalten. Da es
mir auf die Mittheilung von sicherem Material ankam, habe
ich hauptsächlich die Ja$ts, weniger die Gäthäs herangezogen.
Zitiert ist nach der Ausgabe von Geldner und, wo diese
fehlt, nach der von Westergaard. Für das Altpersiche be-
ziehe ich mich auf die zweite Ausgabe der altpersischen Keil-
Einleitung. Quellen. 87
inschriften von Spiegel, Leipzig 1881. Dass mir Spiegel’s Ver-
gleichende Grammatik der alteranischen Sprachen , Leipzig
1882, und für die Kasus Hübschmann’s Schrift zur Kasuslehre,
München 1875, von vorzüglichem Nutzen gewesen sind, versteht
sich von selbst. Aus dem Griechischen habe ich besonders
Homer ausgebeutet, gelegentlich auch die Inschriften verwerthet,
die übrigens, abgesehen etwa von den attischen und kretischen,
nicht eben viel für die Syntax ausgeben. Dürftig wird man
das Lateinische vertreten finden. Ich mochte mit dem
Wenigen, was ich bieten kann, nicht aufwarten in einem
Augenblick, wo wir eine historische Syntax des Lateinischen
zu erwarten haben, von der die Behandlung des Dativus com-
modı durch Landgraf ın Wölfflin’s Archiv 8, 39 ff. einen so
guten Vorgeschmack giebt. Im Germanischen habe ich mich
wesentlich auf das Gotische beschränkt. Wo die poetische
Edda zitiert ist, ist (etwas veralteter Weise) die Ausgabe von
Lüning, Zürich 1859, gemeint, die prosaische Edda ist bis-
weilen nach dem Auszuge, den Wilken, Paderborn 1877, ver-
anstaltet hat, zitiert. Im ganzen stammt meine germanische
Weisheit aus Grimm. Auch Erdmann’s Untersuchungen über
die Sprache Otfrid’s, Halle 1874 und 1876 sind mit Dank
benutzt worden. Für das Litauische habe ich Exzerpte aus
Schleicher's Lesebuch und den litauischen Volksliedern und
Märchen von Leskien und Brugmann, Strassburg 1882, gemacht,
bei weitem am meisten aber verdanke ich Schleicher, Kur-
schat und Bezzenberger (Beiträge zur Geschichte der litaui-
schen Sprache, Göttingen 1877). Die slavischen Sprachen
habe ich nur zum theil heranziehen können, da ich nur im
Altkirchenslavischen, Serbischen und Russischen eigene Lek-
türe getrieben habe. Für das erstere kann ich die Ausgabe
des Codex Marianus von Jagie, Berlin 1883, nicht genug loben.
Wenn alle Herausgeber sich hinreichend klar machten, wie
nützlich ein index locupletissimus in mehr als einer Hinsicht
ist, würde Jagie’s Vorbild mehr Nachahmung finden. Meine
eigenen Sammlungen aus dem Serbischen und Russischen werden
erst bei der Darstellung des Verbums deutlicher zum Vorschein
88 Einleitung. Quellen.
kommen!'). Der Darstellung der Kasus ist besonders die
Srbska Sintaksa von Danitic, Belgrad 1858, zu Gute ge-
kommen. Dass ich übrigens für alles Slavische hauptsächlich
auf Miklosich’s Syntax fusse, sei auch an dieser Stelle ausdrück-
lıch anerkannt.
Nicht benutzt ist das Keltische, Armenische, Albanesische.
Was das Keltische betrifft, so habe ich zwar einiges Altirische
und Mittelirische gelesen, aber ich hielt es doch für verstän-
diger, die Arbeit eines Kenners abzuwarten. Vom Armenischen
und Albanesischen habe ich nichts gelesen. Natürlich habe
ich mich unter diesen Umständen gefragt, ob ich nicht besser
thäte, die Herstellung einer vergleichenden Syntax der indo-
germanischen Sprachen einem Gelehrteren zu überlassen. Wenn
ıch die Arbeit doch unternommen habe, so ist es geschehen
in der Überzeugung, dass auch auf dem Gebiete der Wissen-
schaft das Bessere der Feind des Guten ist. Ob freilich diese
Arbeit als etwas Gutes zu bezeichnen sei, das zu entscheiden
muss ich der Nachsicht des geneigten Lesers anheimstellen.
1) Ich benutze diese Gelegenheit, um O. Asböth’s kurze russische
Grammatik, Leipzig 1889, warm zu empfehlen. Aus der dazu gehörigen,
ebenfalls sehr brauchbaren Chrestomathie (Leipzig 1890) ist im Folgenden
gelegentlich zitiert worden.
Kapitel L_ Das Geschlecht der Substantiva.
Dem Zweck dieser Schrift gemäss habe ich in dem Kapitel
über das Geschlecht nicht von der Entstehung desselben zu
handeln. Vielmehr gehe ich von der durch Vergleichung der
Einzelsprachen festgestellten Thatsache aus, dass die Substan-
tiva bereits in der Ursprache entweder als geschlechtig (männlich,
weiblich) oder als ungeschlechtig bezeichnet wurden, mochte nun
diese Bezeichnung an der Form selbst hervortreten oder erst
an dem begleitenden Adjektivum, beziehungsweise dem auf-
nehmenden Pronomen zur Erscheinung kommen. Nun ist wohl
klar, dass von der nachwachsenden Generation nicht das Ge-
schlecht eines jeden Wortes eigens gelernt wird und wurde,
sondern dass sich die gleichgeschlechtigen Substantiva vermöge
gewisser ihnen anhaftender Eigenschaften irgendwie zu Reihen
zusammenfügen. Da diese Eigenschaften entweder innerer oder
äusserer Natur sein können, so hat man von jeher versucht,
Genusregeln aufzustellen, in welchen die Wörter entweder
nach der Bedeutung oder nach der Form geordnet sind.
Diese beiden Gesichtspunkte beherrschen auch meine Dar-
stellung, und zwar in der Art, dass ich über die Bedeutungs-
gruppen berichte, die Gruppierung nach der Form aber meiner
Darstellung zu Grunde lege. Der dritte Abschnitt sol) von
dem Problem der Mehrgeschlechtigkeit eines Wortes handeln.
I.
Die Bedeutungsgruppen.
$ 1. Die Bedeutungsklassen in den Schulgram-
matiken der klassischen Sprachen. Männer, Weiber, '
Völker, Monate, Winde. !)
1} Indische Grammatiker haben eine Menge von Bedeutungsklassen
90 Kap. I. Das Geschl. der Subst. I. Die Bedeutungsgruppen. ($1.
Ich gehe aus von den wohlbekannten Versen:
Die Männer, Völker, Flüsse, Wind
Und Monat Maskulina sind,
Die Weiber, Bäume, Städte, Land
Und Inseln weiblich sind benannt,
und frage, inwieweit diese Kategorien etwa für die Bestim-
mung des Geschlechts indogermanischer Wörter von Werth
sein können.
Was zunächst die Männer und Weiber angeht, so hat
man längst bemerkt, dass männliche Personen auch durch ein
f., z. B. vigtliae, oder ein n., z. B. auzilia, und weibliche auch
durch ein m., z. B. der Backfisch, oder ein n., z.B. das Weib
bezeichnet werden können, und ferner, dass man bei gewissen
Thieren in der Sprache von der Unterscheidung der Geschlech-
ter absieht, obgleich dieselbe in der Natur vorliegt, z. B. die
Maus. Es hertscht daher längst Übereinstimmung darüber, dass
die Schulregel nur besagen will, dass, wenn überhaupt Ge-
schlechtsunterscheidung stattfindet, gewöhnlich das gramma-
tische Geschlecht mit dem natürlichen übereinstimmt und, wo
das nicht der Fall ist, meist irgend ein bildlicher oder sonst
übertragener Ausdruck zu erkennen ist. Die Bemerkung über
die Völker kann als ein Unterfall dieser ersten allgemeinen
Regel angesehen werden. Denn natürlich ist richtig, was
Gossrau, Lateinische Sprachlehre $ 65 sagt, dass die Völker m.
sind, weil gewöhnlich eben nur die Männer Staatsrechte haben,
während das einzige Amazones deshalb f. sei, “weil bei ihnen
die Frauen den Staat regierten. Dass die Ausdrucksweise in
den übrigen idg. Sprachen dieselbe ist, versteht sich. Die
Monatsnamen sind im Lat. Adjektiva und folgen als solche
ihrem Leitwort mensis. Dieses Wort ist, soweit wir sehen
können, im Idg. stets m. gewesen (Brugmann 2, 389). Von
den Namen der einzelnen Monate reicht keiner in proethnische
aufgestellt, welche sich bei O. Franke, Die indischen Genuslehren 8. 151ff. ver-
zeichnet finden. Ich sehe von ihrer Behandlung ab, weil sie sich zur Über-
tragung auf andere Sprachen nicht eignen und einen geschichtlichen Werth
für uns nicht gewonnen haben.
$1—2.] Kap. I. I. Baumnamen. 9
Zeit zurück. Entsprechend verhält es sich mit den Namen
der Wınde. Somit bleiben noch zu erörtern die Bezeichnungen
für Bäume, Flüsse, Städte, Länder, Inseln.
$2. Bäume. Was die Baumnamen betrifft, so ıst be-
kannt, dass ım Lateinischen und Griechischen eine Neigung
besteht, auch die auf das ursprünglich maskulinische 0; aus-
gehenden femininisch zu machen. So ist überliefert, dass
lateinische Wörter wie cupressus, populus, Taurus ursprünglich m.
gewesen seien (Neue 12, 621 ff.); im Griechischen sind Wörter
wie atyeıpos, Apmeios, BdAavos, anyds f., andere wie &pıveds m.
Uber die Gründe der Geschlechtsverwandlung lässt sich mit
Sicherheit nicht urtheilen. Im Lateinischen mögen die führen-
den Wörter wie ardor (von dem ich freilich nicht weiss,
welches Geschlecht es ursprünglich hatte) und plants ein-
gewirkt haben, in beiden Sprachen aber Femininina, welche
sachlich zu derselben Begriffsgruppe gehören, wie reuxn, &arr,
(tta, pılöpa, Lilia, quercus u.a. Wie dies nun auch sei, eine
Neigung zum Weiblich-werden ist im Griechischen und La-
teinischen jedenfalls vorhanden. In den anderen Sprachen
aber ıst das nicht der Fall. Das Germanische hat, wie
Grimm gezeigt hat, theils Maskulina theils Feminina. Ebenso
das Litauische. Maskulina sind z. B. duziülas Eiche, klevas
Ahorn, Derzas Birke (doch lettisch neben Ber/s auch berfe f£.),
eglıus Eibe, üsis Esche, glösnis Weide, dagegen Feminina
lepa Linde, &gle Tanne, puszis Fichte. Ebenso im Slavischen.
Als Beispiele, die in allen oder mehreren slavischen Sprachen
vorhanden sind, führe ich an: als m. aksl. tısö Taxus, serb. tıs
lärche, russ. tisö Eibe (Miklosich Wb. unter Zisü); aksl. dqbü
arbor, Spüs, &UAov, serb. dub, russ. dubü Eiche (M. dombü) ; serb.
Jasen, russ. jasenü Esche (M. jasenü; vgl. üsis); aksl. Alenü, serb.
klen, russ. klenü Ahorn (M. Alenü; vgl. Alövas). Als f. akel.,
serb., russ. /ipa Linde, (M. unter Zip; vgl. lepa); aksl. breza, serb.
breza, russ. bereza Birke (M. berza; vgl. berzas); aksl. jelicha,
serb. jJoRa, russ. olicha Erle (M. jeliha); aksl., serb., russ.
tca Weide (M. iva). Im Altindischen überwiegt das Mas-
kulinum, wenigstens bei den Baumnamen der vedischen
92 Kap. L I. Holz und Früchte. [8 2—3.
Periode, welche Zimmer, Altindisches Leben S. 57 ff. anführt.
So sind Z. B. m. aßvatthd, nyagrödha, khadira, parnd, plak$a,
udumbara, vikarkata, varand, bilva, dazu der u-Stamm ptl& und
der :-Stamm Salmali (das spätere Sälmali soll f. sein). Femi-
nina sind nur $ami, $iSapa, talaSa. Das Material im Avesta ist
nur ganz geringfügig (vgl. Geiger, Ostiranische Kultur 150)
Aus diesem Thatbestand, wie er in den Einzelsprachen vorliegt,
lässt sich für die Ursprache nur wenig schliessen. Sicher steht
für die Ursprache als gemeinsamer Baumname nur der der
Birke (vgl. Schrader, Sprachvergleichung und Urgeschichte ?,
393 ff.), und gerade bei diesem Wort ıst das Geschlecht un-
sicher, denn das altindische Wort bhärja (dessen Accent nicht
bekannt ist, da es nur in späteren Texten vorliegt) und das
litauische berias sind m., dagegen das slavische und germani-
sche Wort sind f. und im Lettischen finden sich beide Ge-
schlechter. Ich glaube also, dass man nur sagen kann, in der
Ursprache seien die Baumnamen m. oder f. gewesen, im San-
skrit (wo die gebräuchlichen Namen für Baum vrA$a und va-
naspali m. sind) sei dann eine Neigung für das Maskulinum,
im Griechischen und Lateinischen eine Neigung für das Fe-
mininum entwickelt worden. Das Neutrum scheint bei den
Baumnamen keine Rolle zu spielen. Zwar ist griech. xpavov
Kormelkirschbaum n., aber es wird auch xpavos angegeben,
und so mag man annehmen, dass xpavov eigentlich die Frucht
bedeutet. Im Sanskrit mögen unter den auf daru Holz (wel-
ches n. ıst) ausgehenden Kompositis manche Neutra sein. Das
bekannteste derselben devadaru (Name einer Kiefer) ıst n.,
aber auch m.
$3. Holz und Früchte. Es giebt, wie eben bemerkt, ein
altes Wort für ‘Holz’, welches Neutrum ist, nämlich ai. däru,
öspu, got. triu, aksl. drevo, serb. drvo, russ. derevo Baum, Holz
'Miklosich dervo)!). Für die schwache Form ai. drö Holz
wird m. und n. angegeben, das entsprechende gr. öpös ist f.
' 1) Das litauische f. derva Kienholz wird wohl aus dem Neutrum her-
vorgegangen sein, s. unten S$. 101.
3-4.) Kap. I. I. Flussnamen. 93
(auch m.?j. Vielleicht dass der Baum ursprünglich als m.,
das Holz als n. bezeichnet wurde. Jedenfalls besteht dieses
Verhältnis in mehreren Sprachen zwischen dem Baum und
seinen Früchten. Aus den accentuiertenTexten des Ai.
habe ich angemerkt: amrda, m. Mangobaum, n. die Frucht,
und entsprechend bei udumbara ficus glomerata, karkandhu
Judendorn, diloa Aegle Marmelos Corr., pild ein nicht
genau bestimmter Baum, vibhidaka (vibhitaka) Terminalia
Bellerica Roxb. (Grassmann meint zwar, dass RV. 10, 34, 1
die Nuss als m. gebraucht sei, aber der Spieler kann doch
auch sagen: ‘der vibhidaka-Baum hat mich berauscht’, wenn
er mit der Nuss desselben gewürfelt hat). Dazu aus nicht
accentuierten Texten: amalaka m. (auch f. auf -i) Myroba-
lanenbaum, At3uka Butea frondosa Roxb., wobei die Blüte
n., dadar: Judendorn, dhallätaka Tintenbaum, piludaru m.
ein bestimmter Baum, n. das Harz dieses Baumes. Aus dem
Griechischen kommen namentlich in betracht: 8 &pıyd; und
:o Zpıvöv, 7 xE6pos und To xEöpov, 7 Tpoünvos und To Tpoülvov,
n xspasta und TO xep@otov, 6 N Tpivos und ta zpiva, 0 d xdnapos
und 10 xduapov, n artos und to amıov (nach Lange S. 38).
Die lateinischen Analoga s. bei Neue 12, 625, wo es heisst:
zu mehreren Baumnamen auf us gehören die Namen der
Früchte und Hölzer auf um neutr. Gen., wie arbutum, buxzum,
cerasum, citrum, cornum, ebenum, malum, morum, mystum, nardum,
pirum, pomum, prunum .
Ob nur hierin eine parallele Entwicklung oder eine ur-
sprüngliche Übereinstimmung vorliegt, ist schwer zu sagen.
Ich halte für wahrscheinlich, dass in der Urzeit bereits ein
oder zwei Vorbilder vorhanden waren, an welche sich die Ent-
wicklung in den Einzelsprachen angeschlossen hat.
$4. Flüsse. Mit den Namen der Flüsse verhält es
sch ähnlich wie mit denen der Bäume. Die griechischen
Grammatiken überliefern, dass die meisten Flüsse m. seien,
und sind auch über den Grund einig. So sagt z. B. Kühner:
Die Flüsse wurden als Adjektiva betrachtet und auf den ent-
weder beigefügten oder zu ergänzenden männlichen Gattungs-
94 Kap. I. I. Ländernamen. [$ 4ı—5.
namen rortayuos bezogen’. Auch im Lateinischen sind die Fluss-
namen in ihrer überwiegenden Mehrheit m. (Neue 12, 639 ff\.
Anders in Asien. Die im Veda erwähnten altindischen Fluss-
namen sind, wie aus der Aufzählung bei Zimmer, Altindisches
Leben S. 4 ff ersichtlich ist, sämmtlich (soweit wenigstens ihr
Geschlecht festgestellt werden kann) f. Einige davon sind
deutlich Adjektiva, z. B. gömati ‘die heerdenreiche’, särasvati
‘die an Wasserbecken reiche’. Offenbar ist ein Wort von der
Bedeutung ‘Fluss’ dabei zu ergänzen, und zwar bei dem letzt-
genannten sindhu. Denn ich bin mit Roth der Ansicht, dass
särasvati als der besondere und heilige, sindhu als der allge-
meine und profane Name des Indus (sindhu) zu betrachten sei.
Das Wort sindhu selbst ist f. und m., und zwar macht Grass-
mann die Bemerkung, das Wort sei f. ‘wenn es im engeren
Sınne den Fluss oder Strom (den in einem Flussbette strö-
menden) bezeichnet, hingegen m., wenn es im allgemeinen
Sinne strömendes Gewässer oder das (wogende) Meer bezeichnet’.
Ein anderes gebräuchliches Wort für ‘Fluss’ ist das f. nad.
Ebenso scheint es im Iranischen zu liegen. Nach Spiegel
Gr., 399 werden die Flüsse meist als f. behandelt, so ım Alt-
persischen Tigra und Ufrätu, im Avestischen Rarha (gleich
ai. Rasa) Daitya, ardoi süra anähita, d. h. nach Geldner's
Auffassung (KZ 25, 378) die “hilfreiche jungfräuliche Ardvi”.
Spiegel erklärt übrigens das f. ebenso wie Kühner, nämlich
als Wirkung eines zu ergänzenden Namens für “Wasser? (av.
und ai. ap). — Zusammengefasst ergiebt sich folgendes Bild:
In der Urzeit wird jeder Stamm das fliessende Gewässer, an
dem er wohnte, wohl meist einfach als “den Fluss’ bezeichnet
haben. Als man unter veränderten Verhältnissen in besetzten
Ländern neue Namen der Flüsse vorfand oder austheilte, gab
man diesen Namen das Geschlecht desjenigen Wortes für
‘Fluss’, welches in der betreffenden Sprache gültig war.
$5. Länder, Inseln, Städte, Erde und Schluss. Was
endlich die Namen der Länder, Inseln, Städte betrifft, welche
ın den klassischen Sprachen eine Neigung haben, f. zu
sein, so liegt es auf der Hand, dass es sich hierbei nur um
$ 5.) Kap. I. I. Ländernamen. 05
verhältnismässig junge, also einzelsprachliche Erscheinungen han-
deln kann. Städte in dem griechisch-römischen Sinne dürften
in der Urzeit überhaupt nicht vorhanden gewesen sein und
ein Bedürfnis, Länder und Inseln mit festen Namen zu be-
legen, konnte erst entstehen, als vollständige Sesshaftigkeit
eingetreten war und dauernde Beziehungen zwischen Nachbar-
völkern sich entwickelten. Im Veda sind mir überhaupt keine
Bezeichnungen für Länder, sondern nur solche für Völker be-
gegnet (man übersieht die einschlagenden Verhältnisse bequem
bei Oldenberg, Buddha 399 ff; die älteste indische Bezeich-
nung für einen Landstrich dürfte das in den Brähmana’s vor-
kommende Kuruksetrd sein, was Böhtlingk-Roth durch ‘Feld
der Kuru’ übersetzen). Dagegen treten Namen von Ländern
und Provinzen im persischen Reiche hervor, so z.B. in der
Inschrift von Behistän, wo Darius die unterworfenen Provinzen
(dakyava f.) aufzählt. Dabei erscheint der Volksname im Sing.,
2. B. Parsa, Mäada oder im Plur., z. B. Yaurä, d. i. 'laoves. Na-
türlich heisst Pärsa eigentlich ‘der Perser’ (wobei der Singular
kollektiv gebraucht ist) und nicht Persien, also zsayahıya z3aya-
piyanam z5äyabiya Päarsaiy zsäyapıya dahyunam Bh. I eigent-
lieh: “König der Könige, König bei dem Perser (Spiegel: in
Persien), König der Provinzen’. Aber aus anderen Stellen er-
giebt sich doch, dass den Sprechenden nicht mehr das Volk,
sondern das Land vorschwebte, z. B. iyam dahyaus Pärsa iyam
mana Auramazda fräbara Iyü naibüa uvaspa umartıya diese
Provinz Persien, welche mir Auramazda verlieh, welche schön,
rossereich, menschenreich ist, Inschr. von Persepolis (Spiegel?,
$.46 H, 6). Sodann findet ‚sich eine femininische Adjektiv-
form, z. B. Bäkktris, wozu dann jedenfalls dahyaus zu ergänzen
ist. Die Ländertafel im ersten Kapitel des Vendidad (vgl.
Spiegel, Eranische Alterthumskunde 1, 195 ff} beginnt mit
dem n. airyanem va2jö, wobei wir va@j6o nicht zu erklären
wissen (die Übersetzung von Justi beruht auf einer Ety-
mologie, die jetzt nicht mehr zu halten ist), dann folgen Na-
men von Städten, maskulinisch und femininisch, ohne dass
ich unternehmen möchte, einen Grund für die Wahl des
96 Kap. 1. I. Grimm’s Versuch. [8 5—6.
Geschlechts anzugeben. — Aus diesen Andeutungen, die durch
eine besondere Untersuchung zu vervollständigen wären, folgt
jedenfalls (was sich übrigens von selbst versteht), dass Be-
zeichnungen für Länder in der Urzeit nicht vorhanden waren,
man also von einem ererbten Geschlecht bei ihnen nicht
reden kann.
Für den Begriff Erde giebt es ein altes Wort, welches
Femininum ist, ai. Afam, gr. ydwv (Brugmann 2,452). Ebenso sind
ım Griechischen yata und ywpa f., und nach diesen möchten sich
einige Substantiva gerichtet haben, welche in Wahrheit Adjek-
tiva zweier Endungen sind, wie n Epnpos, N veros, 7 XEpoos.
Ob freıpos und v7sos, deren Herkunft wir nıcht kennen, eben-
falls Adjektiva sind, oder von Hause aus Substantiva, die ur-
sprünglich m. waren und dann in ihrem Geschlecht von yata
und ywpa beeinflusst wurden, lässt sich nicht mit Sicherheit
entscheiden.
Man sieht aus diesen Bemerkungen, dass die Schulregel
über m. und f. im Griechischen und Lateinischen nicht indo-
germanische Zustände, sondern nur einige Besonderheiten der
klassischen Sprachen zu beschreiben unternimmt.
66. Grimm’s Versuch. Einen weit grossartigeren Ver-
such, die Gründe für die Zutheilung des Geschlechts an die
Substantiva aus ihren Bedeutungen abzuleiten, hat mit Bezie-
hung auf das Germanische Jacob Grimm (Grammatik
3, 311 ff.) angestellt. Nachdem er zuerst zwischen natürlichem
und grammatischem Geschlecht unterschieden hat, bekennt er
sich S. 344 zu der Ansicht, dass die Erscheinung der Geschlechts-
vertheiluug aus dem Einbildungsvermögen der Sprache abzu-
leiten sei, und sucht nachzufühlen, welche Anschauungen dem
unbewusst schaffenden Sprachgeiste hei diesem Geschäft vor-
geschwebt hätten. Er äussert sich darüber $S. 358 so: “das
Maskulinum scheint das frühere, grössere, festere, sprödere, ra-
schere, das thätige, bewegende, zeugende; das Femininum das
spätere, kleinere, weichere, stillere, das leidende, empfangende;
das Neutrum das erzeugte, gewirkte, stoflartige, generelle, un-
entwickelte, kollektive’. Diese Gesichtspunkte verfolgt er nun
$6.] Kap. I. I. Die Bedeutungsgruppen. 97
zunächst bei der Betrachtung des Geschlechts der sinnlichen
Gegenstände, und zwar bei Thieren, dann bei Pflanzen und
Bäumen, dann bei Steinen, Metallen, und schreitet so all-
mählich den ganzen Kreis der Schöpfung aus. Bei den ‘ab-
strakten Gegenständen’ aber biegt S. 477 die Darstellung um
und ordnet die Wörter nicht mehr nach der Bedeutung, son-
dern nach der Form. Man kann Scherer zugeben, dass das
Kapitel über das Genus den Höhepunkt der Grimm’schen
Grammatik bezeichnet, insofern nirgends deutlicher die un-
glaubliche Herrschaft über den Stoff und die Feinfühligkeit des
Forschers hervortritt; aber man muss zugleich auch zugeben,
dass Grimm zu fassbaren und auch für andere überzeugenden
Ergebnissen nicht gelangt ist. Zwar bei den Thieren scheinen
seine Kategorien sich so ziemlich zu bewähren, aber bei jedem
folgenden Abschnitt verfangen sie weniger. Und zwar ist das
offenbar auch die Empfindung des Schriftstellers selbst. Man
erwäge beispielshalber folgende Zusammenfassungen. Am
Schlusse des Abschnittes, der über die Namen von Land, Stadt
und Ort handelt, heisst es S. 419: “Wir sehen also die drei
geschlechter hier in der weise walten, dass allgemeinere be-
deutungen neutral sind (uodal, verhs, dorf), bestimmtere männ-
lich (tun, flecke, ort) oder weiblich (burg, stadt); das fem.
scheint sich vorzüglich für eine weite, umfangende entfaltung
im raum zu schicken, vgl. erde, gasse, eiche, linde u.s.w. Es
ist wenigstens beachtenswerth, dass wie burg und stadt auch
zölıs, civitas, urbs, arz, villa weiblich sind; doch das slav.
miesto = @otu neutral. Nach dem Abschnitt über das Haus
heisst es S. 433: “Alle subst. dieser abtheilungen geben wenig
sicheren aufschluss über die gründe der geschlechtsverschieden-
heit. Sie scheinen jedoch wiederum zu lehren, dass die all-
gemeinen begriffe das neutrum lieben; was in und an dem
haus besonders hervortritt, pflegt entweder männlich oder
weiblich zu sein; dass geräumige hallen fem. sind, habe ich
hervorgehoben”. Dazu kommt ein weiteres Element der Un-
sicherheit. In der geschichtlich bezeugten Entwickelung un-
serer Sprache verändern, wie Grimm S$. 549 ff. ausführt, viele
Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm. Sprachen. I. 7
98 Kap. I. I. Genus. Die Bedeutungsgruppen. [$ 6-7.
Wörter ıhr Geschlecht, und zwar sehr oft aus äusseren Grün-
den, die mit der poetischen Auffassung, aus welcher die Ge-
:schlechtsbezeichnung hervorgegangen sein soll, nichts zu thun
haben. Was sich in geschichtlichen Zeiten ereignet hat, kann
auch früher geschehen sein (wenn auch der Geschlechtswech-
sel zu den Zeiten, als die Kasusausgänge noch deutlich hervor-
traten, seltener gewesen sein muss, als später). Wie soll man
also wissen, ob das Geschlecht, welches wir z. B. an einem
gotischen Worte beobachten, dessen erstes oder zweites ist?
Endlich ist auch Jacob Grimm nicht entgangen, dass das
Geschlecht identischer Wörter in mehreren Sprachen nicht
selten verschieden ist (vgl. S. 555). Wo hat man das ursprüng-
liche zu erkennen? Diese letztere Schwierigkeit führt uns
auf einen Hauptfehler der Grimm’schen Darstellung, den wir
heutzutage leicht erkennen können: Grimm beachtet nicht
genug, dass das Deutsche nicht eine selbständige Ursprache
ist, sondern ein Zweig des Indogermanischen, dass also in das
Deutsche so gut wie in die anderen idg. Sprachen die Wörter
schon mit dem fertigen Geschlecht, welches sie in der Uhrzeit
empfangen haben, eingetreten sind. Damit würde sich für uns
aus der Kritik des Grimm’schen Unternehmens die Aufgabe
ergeben, dasjenige am Indogermanischen zu versuchen, was
Grimm am Deutschen versucht hat. Ein solches Unternehmen
muss nach meiner Meinung so gut wie resultatlos verlaufen.
$ 7. Schluss. Unsere Darstellung hat also ergeben, dass
es bisher nicht gelungen ist, gewisse allgemeine Anschauungen
oder Begriffe aufzufinden, von denen man annehmen könnte,
dass sie die Sprechenden zu der Geschlechtsbezeichnung bei
. den Substantiven geführt hätten. Höchstens kann man sagen,
man nimmt den allgemeinen Eindruck mit, dass das Neutrum
nicht dazu bestimmt gewesen sei, lebendig gedachte Wesen
zu bezeichnen. Diese allgemeine Anschauung würde sich auch
darin zeigen, dass dıe Bäume als Maskulina oder Feminina,
ihre Früchte (und auch ıhr Holz) aber als Neutra bezeichnet
wurden.
&8.) Kap. 1. U. Genus. Die Formgruppen. Germanisch. 99
De
II.
Die Formgruppen.
Es fragt sich nunmehr, ob aus der Form der Substantiva
ein Eintheilungsgrund zu gewinnen ist. Ehe ich indessen in’s
einzelne gehe, habe ich eine Vorbemerkung zu machen über
die Zustände im Germanischen und im Litauischen.
$8. Der Zustand im Germanischen. Im Germa-
nischen ist der Auslaut der Wörter stärker verändert worden,
als in den übrigen hier behandelten Sprachen. Infolge dessen
ist die Verschiedenheit der Kasusausgänge, welche (wie sich
noch weiter zeigen wird) dem Gedächtnis den wichtigsten
Anhaltepunkt für die Scheidung der Genera bot, vielfach
verwischt, und somit für eine weitgehende Genusverschiebung
die Bahn frei gemacht worden. Ich führe aus der Schrift von
V. Michels “Zum Wechsel des Nominalgeschlechts im Deut-
schen‘, Strassburg 1889, zwei Belege an: Im Westgermanischen
— so wird S. 41 ff. ausgeführt — ist die Verschiedenheit zwi-
schen maskulinischen und neutralen o-Stämmen geringer ge-
worden als ın den übrigen Sprachen, denn die Nom. sing.
sind zusammengefallen, während im Nom. plur. ein Unter-
schied noch besteht, (vgl. got. dags gegen vaurd, altn. ulfr
gegen ord, aber ags. fisc und vord, alts. dag und uuord, ahd.
face und wort, mhd. tac und wort). Da nun der Nom. sing.
eine führende Stellung hat, so ist durch diesen Lautvorgang
die Vermischung des Maskulinums und Neutrums bei den o-
Stämmen erleichtert worden. Ganz ähnlich steht es bei den
ö(germ. 6)-Stämmen, von denen es 8. 32 heisst: Nach Sievers’
Untersuchungen zur Accent- und Lautlehre der germanischen
Sprachen musste bei den langen 5-Stämmen im Nominativ im
ganzen Westgermanischen der Vokal abfallen. Der Nominativ
wurde auf diese Weise dem des m. und n. gleich, und dies
konnte der Anlass zum Übertritt in maskulines oder neutrales
Geschlecht werden. Dahin gehören die bekannten m. auf
-une in Ahd., ferner buoz, halp, wis u. s. w.
7#
100 Kap. I. Il. Genus. Die Formgruppen. Litauisch. [$ 8—9.
Aus diesen Anführungen erhellt, dass die Schicksale der
Kategorie des grammatischen Geschlechtes im Germanischen
unter andern Bedingungen standen, als es bei den übrigen
Sprachen der Fall war. Ich werde deshalb auf den folgenden
Seiten des Germanischen kaum Erwähnung thun, eine Zurück-
haltung, die sich auch deshalb empfiehlt, weil ich mich nicht
im stande fühle, mich an den Untersuchungen über die ger-
manischen Auslautgesetze mit Erfolg zu betheiligen.
$9. Der Zustand im Litauischen. Das Litauische
nimmt unter den hier behandelten Sprachen insofern eine ein-
zige Stellung ein, als es das Neutrum verloren hat, während
das nahe verwandte Preussische es noch besitzt. Gem wären
wir über die Gründe eines so bedeutsamen Verlustes (der uns
auch noch bei den Adjektiven beschäftigen wird) und über die
Art, wie es dabei hergegangen sein mag, näher unterrichtet.
Leider aber lässt sich darüber, so viel ich sehe, nicht mehr als
das Folgende sagen (vgl. die höchst nützliche Schrift von
A. Leskien: Die Bildung der Nomina im Litauischen im
12. Bande der Abh. der phil. hist. Klasse der sächs. Ges. der
Wiss., Leipzig 1891).
Die alten neutralen o-Stämme sind im Litauischen zum
grössten Theile Maskulina geworden, so z. B. dieras See, preuss.
assaran Vok. neutr. (gleich ezeran), aksl. jezero; piüklas Säge,
preuss. piuclan; miltai Mehl, preuss. meltan; saitas Band, preuss.
largassaytan Steigbügel; Zunkas Bast, preuss. lunkan, aksl. Zyko;
purai Winterweizen, aksl. pyro Spelt; dügnas Boden, aksl. düno
(Leskien 360); szönas Heu, aksl. seno; jJüngas Joch, ai. yugam
u. 8. w., kraüjas Blut, ai. Aravyam (was allerdings auch ein
zufälliges Zusammentreffen sein kann); szirntas gleich ai. Satam
u.s. w. Vermuthlich hat die Geschlechtsveränderung in diesem
Falle von dem Nominativ ihren Ausgang genommen. Der Nom.
sıng. des Neutrums, so meint J. Schmidt, fiel mit dem Nom.
plur. fast zusammen und so kam es denn, dass man ihm, geleitet
von dem Streben nach deutlich hervortretender Kongruenz,
das s der Maskulina anfügte, mit denen ja die Neutra ohnehin
durch die Gleichheit der obliquen Kasus verbunden waren (vgl.
5 9—10.] Kap. I. II. Genus. Die Formgruppen. 101
J. Schmidt, Pluralb. 38). Einige alte neutrale o-Stämme sind
auch zu Femininis geworden. Ein sicherer Fall ist dervä Kien-
holz, aksl. drevo Baum (s. Miklosich Wb. unter *deroo). Auch
unter den Wörtern auf Aa, die Leskien S. 197 anführt, sind
gewiss alte Neutra, z. B. sekla Same, und dasselbe dürfte von
den Wörtern auf ia gelten (s. ebenda S. 530 ff.), z. B. bütas,
auch f. duta Haus. Hinsichtlich dieser Feminina lässt sich
vermuthen, dass sie aus dem Plural entstanden seien, was bei
einem Worte wie derod besonders einleuchtend ist.!) An die
o-Sämme haben sich die u-Stämme angeschlossen: alıs Bier,
preuss. alu; medüs Honig, preuss. meddo, ai. madhu u.s.w. Etwas
verwickelter war der Vorgang bei den :-Stämmen, wie akis
Auge, szirdis Herz, ausis Ohr, welche Feminina geworden sind.
Ich verweise hinsichtlich derselben auf J. Schmidt Pluralb. 251.
Es bleiben noch übrig die n-Stämme, wie vandü Wasser, preuss.
wundan, semens, sömenys plur. Same, preuss. semen. Über die
Geschichte dieser Stämme besteht zwischen J. Schmidt Pluralb. 91
und Brugmann 2, 733 eine Meinungsverschiedenheit, in der ich
nicht zu entscheiden weiss.
Mit dem Verlust des Neutrums wird auch zusammenhängen,
dass es im Litauischen auffällig viel Wörter giebt, welche so-
wohl männliches als weibliches Geschlecht haben. Eine genauere
Untersuchung (für die das Buch von Leskien reichen Stoff liefert)
muss ich den Spezialforschern überlassen.
$10. Übersicht über den Inhalt der folgenden $.
Somit werden das Germanische und das Litauische im Folgen-
den nur gelegentlich zu erwähnen sein und, da ich auch von
dem Avestischen, aus Mangel an Vorarbeiten, nicht viel zu
sagen weiss, so wird sich meine Darstellung hauptsächlich auf
1) Nach J. Schmidt Pluralb. 252 sind auch Neutra auf os zu Maskulinis
der o-Deklination geworden, wofür er äkas Wuhne gleich aksl. o%o Auge,
kväpas Duft gleich lat. vapor, sriautas Strom gleich ai. srötas anführt. Doch
sind wenigstens diese Belege nicht zweifelsfrei. Dass äkas, die Zemaitische
Form statt eketö, gleich oko sei, ist mir wegen der Bedeutung nicht
sicher, kväpas kann eine der zahlreichen Bildungen mit dem lebendigen
Sufix a sein und sriautas oder srautas kann auch litauische Original-
bildung sein.
102 Kap. I. IL Genus. ä-Stamme mask.. [($ 10—11.
das Altındische, Griechische, Lateinische, Slavische beschränken.
Meine Aufgabe wird sein, festzustellen, ob mit gewissen stamm-
bildenden Suffixen ein bestimmtes Geschlecht schon in der
Ursprache verbunden gewesen ist (wobei ich mich im wesent-
lichen an Brugmann’s Darstellung halten werde) und ob und
unter welchen Verhältnissen in den einzelnen Sprachen eine
Veränderung des überlieferten Zustandes eingetreten ist. Die
Suffixe sollen in folgender Reihenfolge behandelt werden:
1) @-Stämme.
2) 2£-Stämme.
3) o-Stämme.
4) -Stämme.
5) u-Stämme.
6) Stämme mit r-Suffixen.
7) s-Stämme.
8) n-Stämme.
9) Wurzelnomina.
$ 11. Die a-Stämme. Allgemeines. Dass die -Stämme
in der Urzeit nur Feminina gewesen sind, scheint mir festzu-
stehen. Wo sich in den Einzelsprachen Maskulina finden, sind
sie also in diesen entstanden. Derartige Mask. nun liegen in
den asiatischen Sprachen kaum vor. Aus dem Ai. kenne ich
nur einen sichern Fall, nämlich subrahmanya, Bezeichnung
eines der drei Gehilfen des udgäatar. Dabei ist der Priester
nach seiner Rolle genannt, denn subrahmanyä ist eigentlich der
Name einer Einladung, welche dieser Priester zu sprechen hat
(vgl. SF. 5,94). Für das Altpersische, wo man sie früher an-
nahm, wird die Existenz solcher Wörter geleugnet von Bartho-
lomae, Handbuch $ 182. Vorhanden sind sie im Griechischen
(wo sie ein Nominativ-s erhalten haben), im Lateinischen, im
Litauischen und Lettischen, Slavischen.'!) Da die Verhältnisse
1) Die Ansicht, dass die mask. &-Stämme durch innere Veränderung
aus Fem. entstanden seien, ist zuerst nahe gelegt von Jacob Grimm in
seinem Aufsatz von Vertretung männlicher durch weibliche Namensformen
(kleine Schriften 3, 349), behauptet, wie ich aus Wolters unten anzu-
führender Schrift S. 15 ersehe, von Aksakov, sodann als J. Schmidt’s
$ 11—12.] Kap. I. II. Genus. ä-Stämme mask. 103
bei den lituslavischen Sprachen besonders klar liegen, gehe ich
von diesen aus. Dabei benutze ich für das Litauische und
Lettische dıe bereits angeführte Arbeit von Leskien über die
Bildung der Nomina im Litauischen, Leipzig 1891, für das
Slavische Miklosich 4, 22 ff, Leskien Handbuch 2, 65, Wolter
Razyskanija po voprosu ogrammaticeskomi rod®, Petersburg1882,
vgl. auch Vondrak, Schimpfwörter im Böhmischen in Jagic’s
Archiv 12, 57 ff. Ich ordne, so gut es geht, nach den einzel-
nen Suffixen.
$ 12. Suffix @ im Baltisch-Slavischen. Im Lı-
tauischen und Lettischen hat dieses Suffhix den weitesten Be-
deutungsumfang, so dass Leskien darauf verzichtet, die Wörter
in Bedeutungsgruppen zu theilen. Ich stelle voran einige Fälle,
in welchen die Wörter mit @ nicht allein handelnde oder gar
männliche Wesen, sondern auch noch Dinge und Zustände,
Handlungen, Eigenschaften bezeichnen. Wörter der Art sind:
lit. iyla Schweigen, Stille, Schweiger, (tilti verstummen) ; lit. gyrä
Ruhm, Prahlhans, (girti rühmen); lett. snauda Schlummer,
schläfriger Mensch, (lit. snuda Schläfer, vgl. sndudzu, snausti
schlummern); lett.streba etwas zu Schlürfendes, Betrunkener, eig.
Schlürfer (vgl. strebt, lit. srebiü, srebti); lett. jega Einsicht, Ver-
stand, nejega Alberner, (lit. jegiı, jegti vermögen); lıt. uzmarsza
Vergesslichkeit, Vergesslicher (mifszti vergessen); lit. iszaugu
Auswuchs, uzauga Wachsthum, n’uzauga nicht Ausgewachsener,
Zwerg (dugti wachsen) ; nüvoka Einsicht, nenüvoka Unverstand,
Unverständiger; iszedos Ausfrass, Überbleibsel vom Fressen, lett.
ifedas Wurmfrass, lit. peleda Mausfresser, Eule, zmogeda Men-
schenfresser, lett. pus&da Mitte der Mahlzeit; lett.&Aawa Klammer;
slepkawa Meuchelmörder (lit. Aduti schlagen). Sodann führe
ich einige Wörter an, welche nur die Bedeutung eines han-
delnden, männlich (oder jedenfalls nicht entschieden weiblich
gedachten Wesens haben. Sie mögen zum theil auch die anderen
—
Meinung mitgetheilt von Osthoff, Verbum in der Nominalkomposition, 263.
Den gleichen Gedanken habe ich SF. 4, 4ff. mit Beziehung auf das Grie-
chische näher ausgeführt, ohne dass mir der Vorgang Aksakov’s und
J. Schmidt’s bekannt war.
104 Kap. I. II. Genus. ä-Stämme mask. [$ 12.
Bedeutungen gehabt haben, zum theil aber sind sie gewiss
nur mit der engeren Bedeutung nachgebildet worden. Denn
das Suffix @ in diesem Sinne ist noch produktiv. Ich stelle
die nicht zusammengesetzten Wörter voran. Lit. gvera Maulaffe,
knsduka Miauer, knurriger Mensch, pirda Furzer (perdzu
persti), pliopäa Plappermaul (pliöpts plätschern, schwatzen), ringa
ein vor Frost krumm Sitzender, Fauler (regtis sich krümmen),
reka Schreier (rekti), slanka Schleicher, träger Mensch (slenkı
slifikts schleichen); lett. blinda Unstäter, bruka Zerlumpter
(drukt abbröckeln, abfallen), di4a Schreihals (di4t summen, heu-
len), driska Reissteufel, Zerreisser (lit. dreskiu, dreksti reissen),
murfa Schmierfink, dämlicher Mensch, üura weinerlicher Mensch
u. ähnl. Häufig sind Zusammensetzungen mit Präpositionen
oder der Negation, z. B. lit. &imarka Blinzler (merkti die Augen
zumachen), üzgasda Begehrlicher (geidzu, getsti begehren), pasauda
Herumtreiber (saübti toben), pasmirda Stänker (smirdeti), nevala
unreinlicher Mensch (zu valyts fortschaffen), nepena, auch ne-
nüpena Unersättlicher (penk, peneti nähren), nenürima un-
ruhiger Kopf (rimti ruhig werden). Nominalkomposita sind
z. B. maitveda Taugenichts, peczlinda Zaunkönig, eig. Ofen-
kriecher (lendu, !xsti kriechen).
Innerhalb des Slavischen habe ich im Altkirchensla-
vischen ein einfaches hierher gehöriges Wort nicht gefunden,
es müsste denn etwa das in allen slavischen Sprachen vor-
handene sluga Diener sein, dessen Etymologie nicht feststeht.
Ein zusammengesetztes ist vojJevoda otparnyös, orparnyntns, otpa-
ronedapyos. In den übrigen Sprachen sind die Bildungen mit
@ ebenso häufig, wie im Litauischen und Lettischen. Ich
führe aus dem Material von Wolter beispielshalber die fol-
genden Wörter an, wobei ich wieder diejenigen voranstelle,
welche nicht bloss personelle Bedeutung haben. Dahin ge-
hören serb. oyera Glaube, Mann von Treue und Glauben
(zdrav Milosu vjero ineujero "heil dir du treuer und zugleich
untreuer’ bei Wuk im Wb.); russ. drema Schläfrigkeit drema !)
1) Solche Verschiedenheit des Accents erscheint öfter, aber nicht regel-
mässig, s. Wolter S. 50.
$ 12—14.] Kap. I. II. Genus. ä-Stämme mask. 105
schläfriger Mensch, nedregs« Saumsal, saumseliger Mensch
(vgl. nebregu ich verabsäume); poln. przeluda Verführung, Ver-
führer; cech. ockadbs Entmuthigung, Schlappschwanz, ohyzda
Hässlichkeit, hässliche Person. Von Wörtern, die nur die per-
sonelle Bedeutung haben, führe ıch an: russ. 5roda Herum-
treiber (drodift herumlaufen), gomoza unruhiger Mensch (g0-
moziti nicht still sitzen), /az@ und prolaza verschlagener Mensch
(prolaziti durchkriechen), ofmyka Dieb (otmykati abnehmen),
povesa Galgenstrick (vEssti hängen), progula Bummler (pro-
guljafi spazieren gehen), striga Geschorener (sirigu, strici sche-
ren), wAula einer der sich einzuhüllen liebt (ukulafi ein-
hullen) u. s. w.
$ 13. Suffix ım Baltisch-Slavischen. Aus dem
Litauischen und Lettischen gehören dahin Wörter wie:
ht. mizia und mize cunnus, Bettpisser (mezu, miszti pissen,
Kurschat im Wb. übersetzt das Wort durch “Pisserin’, vgl. lett.
mifcha Pısser), skundz& Kläger (skündzu, skusti klagen), pludia
Schwätzer (plidzu, plust: schwatzen), nevedza caelebs (vedu vestt
heimführen), neZadia Stummer (Zadı zZadeti sagen). Die letti-
schen Wörter sind aufgezählt bei Leskien S. 313. Beispiele
and: dirscha Scheisser (dirst), glemfcha Träumer, Schwätzer
(glemfchu glemft schwatzen), nejauscha Einfaltspinsel.
Aus dem Altkirchenslavischen sind als einfache
Wörter vielleicht sqdiyi Richter und baliyi Arzt anzuführen!),
als zusammengesetzte drevodelja Zimmermann, predüteca Vor-
läufer, velimoZa Dynast, neveZda ayvworns. Bei dem letzten
Worte ist das Zurückgehen auf ein nomen actionis besonders
deutlich (vgl. poln. wiedza Kenntnis).
Aus den übrigen slavischen Sprachen führe ich an: serb.
gocobija tympanista (biti schlagen), russ. sonja Schläfer.
$14. Suffix {a ım Baltisch-Slavischen. Im Iı-
tauisch-lettischen Gebiet ist das Suffhix i@ sparsam vertreten.
Man könnte etwa aus dem Lettischen anführen: plupata
1) Über die Nominative auf iji bei den jä-Stämmen s. Leskien, Hand-
buch? $ 60,
106 Kap. I. II. Genus. ä-Stämme mask. [$ 14—15.
Schwätzer (p/upt sprudeln), siapata schludriger, schmutzig ein-
hergehender Mensch, eigeta Bettler. Desto reichlicher ist es
ım Slavischen vorhanden. Zwar als primäres Suffix ist es auch
dort nicht eben häufig. Miklosich 2, 162 führt eine Anzahl
solcher Bildungen an. Die meisten derselben sind mir nicht
recht deutlich. Bei anderen ist mir zweifelhaft, ob sie nicht
vielmehr erst nach dem Vorbilde von Wörtern mit dem sekun-
dären 7a geformt sind. Einen weiten Umfang aber hat {a als
Sekundärsuffix (vgl. Miklosich 2, 163 fj. Die damit gebilde-
ten Wörter sind meist Abstrakta und Kollektiva, z. B. aksl.
gnusota Schmutz, belota Weisse, dlügota Länge u.s.w. Der
kollektive Sinn zeigt sich besonders deutlich im russischen
Gebiet, z.B. russ. pechota Fussvolk, kleinr. prostota Versammlung
gemeiner Leute, (zugleich Beiname eines Mannes), temnota
unwissende Leute Zonota Weiber, Ainnota Reiterei. Als eine
Art von Kollektivum kann man auch duchota Qualm betrach-
ten. Durch das Suffix iz werden aber auch persönlich und
männlich gedachte Wesen bezeichnet. So kommt ım Altkirchen-
slavischen zwar junota Jugend noch als Kollektivum vor (we-
nigstens führt Miklosich im Lex. jJunotu vsju Boas navras an),
aber gewöhnlich heisst es Jüngling, und ist m. Starosta rpeo-
Börtepos ist nur m., dagegen sirota öpyavos f. wie unser Waise.
So ım Serbischen svojta Verwandter, Mannesnamen wie vukota,
das doch wohl zu vuk Wolf gehört (vgl. oben kleinr. prostot«)
und einige Namen für Ochsen, so: vränota ein schwarzer Ochse
(eig. Schwärze) lyepota (neben lyepöta die Schönheit). Beson-
ders lehrreich sind eine Anzahl weissrussischer und Cechischer
Wörter, z. B. weissr. lichota Unglück, aber kleinr. Zichöta armer
Mensch, weissr. chlopota Sorge und unruhiger Mensch; tech.
hluchota f. Taubheit, m. ein Tauber, mladota f. Jugend, m.
Jüngling, smichota f. Gelächter, m. Lachpeter, misota f.
Naschwerk, m. Näscher, Aolota f. Pöbel, Gesindel, m. armer
Teufel.
$ 15. Die übrigen Suffixe im Baltisch-Slavischen.
Die übrigen Suffixe ausser z, 5a, t@ gehen uns hier weniger an.
Ich führe beispielshalber noch an: mit dä lit. 2mogZuda Mörder,
$ 15—16.] Kap. I. II. Genus. ä-Stämme mask. 107
lett. ramda unruhiger Mensch, aksl. svoboda, nicht bloss &Aeu-
depta, sondern auch &Aeüdepo; (vgl. russ. svoböda Freiheit, svoboda
sloboda Freidorf), poln. bayda Fabelhans (Miklosich 2, 206).
Mit na: lit. pliaung Schwätzer, dazu mit nya: lett. rakxa Wühler
(rakt graben), russ. brednja, bridn)a Geschwätz, Schwätzer, drju-
chonja gefrässiger Mensch (vgl.drucho Bauch), starına f. Alterthum,
geackertes Feld, grosse Stadt, m. ein alter Mann. Mit /ä: it.
vepla Maulaffe, szypla Zähnefletscher, Spötter, dazu mit ja lett.
rila Fresser (rit, lit. rytı), weisser. dursla, gleich durakü Dumm-
kopf u. ähnl. Mit va: lit. perewa Landstreicher (etti gehen).
Mit A&: häufig im Slavischen, z. B. altsl. v/adyka Herrscher,
bızıka und qzika Verwandter, mit welchen solche wie russ.
napoyka das Trinken, der Säufer, tech. berka Räuber zu ver-
gleichen sind. Gewöhnlich enthalten die mit dem A-Suffix ge-
bildeten noch eine 7-Ableitung, z. B. aksl. piyantca Trunkenbold,
secica Henker, ubijica Mörder, edica Fresser, junosa Jüngling,
korabicijs Schiffer, Arümiäiji Steuermann, künjigüciji Schrift-
gelehrter, samüciji Prüfekt, sokaciji Koch, $arüctji Maler.
$ 16. Das Geschlecht der in $ 12—15 behandelten
Wörter. Was nun das Geschlecht dieser Wörter betrifft,
über das hier noch ein zusammenfassendes Wort zu sagen ist,
so unterscheiden sie sich im Litauischen und Lettischen äusser-
lich in nichts von den sonstigen Femininis. Leskien führt sie
deshalb unter den Femininis auf und bemerkt nur gelegentlich
(so bei lit. ZmogZuda Mörder, lett. elgeta Bettler), dass sie Mas-
kulina seien. Ihrer Bedeutung nach lassen sich viele der hier
genannten Wörter zu Personen männlichen oder weiblichen Ge-
schlechts als Amts- oder Schimpfwörter in Beziehung setzen,
und können deshalb als communia bezeichnet werden. Die
grösste Mehrzahl derselben tritt zu männlichen Personen in
Beziehung und wird deshalb maskulinisch genannt. Dass man
sie als solche empfindet, zeigt sich denn auch an den zu ihnen
tretenden Adjektiven. So sagt man z. B. nach Kurschat: 2a?
töks gyrüa das ist solch ein Prahlhans (neben tal tokta
gyra das ist solch eine Prahlerei). Im Altkirchenslavischen,
Serbischen, Russischen steht es im wesentlichen ebenso. Im
108 Kap. I. I. Genus. ä-Stämme mask. [$ 16—17.
Altkirchenslavischen im besondern findet sich noch oft das Ad-
jektivum femininisch (wofür Miklosich eine Reihe von Belegen
beibringt), ja bei demselben Wort findet es sich bald maskulinisch,
bald femininisch, z. B. siugy mojye als f. Joh. 18, 36, aber vası
sluga als m. Matth. 20, 26. Eine statistische Untersuchung,
welche namentlich auch auf das Verhältnis des Geschlechts zu
den Numeri Rücksicht zu nehmen hätte, fehlt noch. Über das
Serbische bemerkt Wuk, Gr. 31: “Männliche Substantiva dieser
Dekl. sind nur im Sing. männlich, im Plur. werden sie weiblich,
z. B. moy sluga (mein Diener) moje sluge, nase vladıke (unsere
Bischöfe), srpske voyvode (Serbische Wojwoden), u. s. w. Dass
die Lieder selbst den Sing. weiblich nehmen, ist oben be-
merkt.’ |
In den genannten slavischen Sprachen zeigt sich, wie man
sieht, das Maskulinum nur in den Kongruenz-Erscheinungen.
An dem Substantivum selbst erscheint es ım Neuslovenischen.
Dort würde ein Wort wie vojyvoda als f. zu flektieren sein: N.
vojvoda, G. vojvode, D. voyvodi u. s. w.; thatsächlich aber lehnt
es sich ausser im Nom. sing. an die Flexion der o-Stämme an,
sodass die Formen G. voyvoda, D. vojvodu u. 8. w. entstehen
(Miklosich III?, 133).
$ 17. Griechisch -lateinische @-Stämme. Allge-
meines. Ich erörtere nun auf dem hiermit dargestellten lıtu-
slavischen Hintergrunde die parallelen Erscheinungen des Latei-
nischen und Griechischen.
Aus dem Lateinischen gehören Wörter wie scrida, verna,
scurra, gumia, rabula, auriga, parricida, indigena, perfuga, advena,
conviva, collega hierher, im Griechischen die zahlreichen auf ns,
wie roÄttns und vereinzelte von anderer Bildung. Hinsichtlich
des Geschlechts derselben ist im allgemeinen zu bemerken,
dass sie im Lateinischen gelegentlich auch femininisch er-
scheinen. So ist gumia Leckermaul vielleicht m. und f. (es
ist an einer der beiden beweisenden Stellen bei Lucilius m.,
an der andern als f. überliefert, doch wird von L. Müller das
ın. hergestellt. Georges bezeichnet gumia als f.); conviva ist
$17—18.] Kap. I. IL Genus. ä-Stämme mask. 109
bei Pomponius f. (wobei man nicht weiss, ob von männlichen
oder weiblichen Gästen die Rede ist); inschriftlich wird eine
gewisse Philenia als popa bezeichnet, wozu Georges vermuthet,
es möge etwa “Verkäuferin von Opferthieren’ besagen. Eine
Haussklavin wird verna carissima genannt. (Die Belege s. bei
Georges unter den betreffenden Wörtern). Ich denke, dass
man in der Möglichkeit, diese Wörter auf «@ auch zu Femi-
ninıs in Beziehung zu setzen, etwas Alterthümliches sehen muss.
Im Griechischen war gewiss einmal die Flexion völlig dieselbe
wie dıe der Feminina. Einen Nominativ auf a findet man
zwar jetzt nicht mehr im Griechischen selbst, da man die
Formen wie prriera für ursprüngliche Vokative hält (vgl. dar-
über neuestens J. Schmidt, Pluralb. 401 ff.), aber es ist doch
auf sie zu schliessen aus den in’s Lateinische übergegangenen
griechischen Wörtern wie nauta, poeta u. s. w., welche eben-
falls für Vokative zu halten, mir unnatürlich scheint. Dies
mag nun sein, wie es will, jedenfalls sind unsere Wörter ım
Griechischen früh auch äusserlich als Maskulina gekennzeichnet
worden und daraus folgte, dass sie nicht mehr wie lat. verna
behandelt werden konnten.
Es folgen nun einige Bemerkungen über die einzelnen
Klassen.
$ 18. Suffix @ im Griechischen und Lateinischen.
Die treffendsten Parallelen bietet das Lateinische. Sriba
verhält sich zu scribere ebenso wie z.B. lit. pliopa Plapper-
maul zu plsöpti plätschern, schwatzen, pirdä Furzer zu persti
furzen, reöka Schreier zu rekti schreien, russ. broda Herum-
treiber zu droditi herumlaufen u. s. w. Wie popa Opferdiener,
scurra Pflastertreter, Zierbengel, Schranze, liza Marketender
gebildet sind, wissen wir nicht. Ihrem begrifflichen Habitus nach
gehören sie aber in dieselbe Reihe. Sodann sind vergleichbar
die mit Präpositionen zusammengesetzen, welche also zu zu-
sammengesetzten Verben in einem wenigstens ıdeellen Ver-
hältnıs stehen. So lassen sich perfuga, transfuga, advena mit
Wörtern wie russ. progula Bummler, aksl. predüteca Vorläufer
vergleichen, Aomicida mit lit. Zzmogedä Menschenfresser u. s. w.
110 Kap. I. DO. Genus. 4-Stämme mask. [$ 18.
Aus dem Griechischen wüsste ich. nur etwa beizubringen ddrs
Schreier (wenn es sicher beglaubigt ist) neben Bon Geschrei,
xöpons einer der sich die Haare abschneidet, ein Geschorener,
vgl. russ. striga Geschorener (neben strici scheren) und aftörs
Unsichtbarer eig. Unsichtbarkeit (vgl. die Bildungen mit ne
im Litauischen, z. B. nenürtma unruhiger Kopf, neben rimtt
ruhig werden).
Zur Erklärung lässt sich etwa Folgendes ausführen. Die
in Frage stehenden Wörter bezeichnen Personen nach ihrer
Thätigkeit. Sind sie doch zum bei weitem grössten Theile
Amtsnamen oder Scheltwörter. Manche von ihnen aber, wie
S.103 gezeigt worden ist, benennen nicht bloss nach der Thätig-
keit, sondern auch die Thätigkeit selbst und so lag es denn
nahe zu vermuten, dass dieser letztere Sinn das ursprüngliche
sei. Demnach hätte z. B. voyevoda ursprünglich ‘Kriegsleitung’,
lat. auriga "Zügelführung’, slav. sluga Bedienung’ bezeichnet
u.8. w. Mit dieser Annahme würde denn auch der Umstand
stimmen, dass die entsprechenden Bildungen in andern Spra-
chen Handlungsnamen sind, z.B. ai. Arida Spiel, daya Mit-
leid, zinda Vorwurf u.s.w. Ich glaube, dass diese Ansicht
das Richtige trift. Nur sollte man bedenken, dass in der
alten Zeit die Bedeutungskategorien nicht so streng gesondert
waren, wie bei uns. Ursprünglich werden Wörter mit dem
Suffix @, deren Beziehung zu einem Verbum noch gefühlt
wurde, sowohl den Vorgang, als den allgemein vorgestellten
Träger der Handlung bezeichnet haben. In der einen Sprache
(in unserem Fall ım Sanskrit) kam der Sinn der Handlung zu
ausschliesslicher Geltung, in anderen blieben zwar noch Wör-
ter der Art (z. B. guyn fuga), aber es entwickelte sich daneben
der Typus der Träger von Handlungen auf ö. Da nun diese
Träger vielfältig männliche Wesen sind, so bekommen diese
Wörter zunächst überwiegend, dann ausschliesslich männ-
liches Geschlecht, welches dann gelegentlich, so im Neu-
slovenischen, im Griechischen (welches ihnen das Nominatıv
-s und den Genitiv auf ou ertheilt hat) auch äusserlich zur
Geltung kam.
g 18—20.] Kap. I. U. Genus. &4-Stämme mask. 111
Somit hätte man anzunehmen, dass der Übergang von Fe-
mininis auf @ zu Maskulinis sich im Lituslavischen einerseits
und im Griechischen und Lateinischen andererseits zwar aus
einem gemeinschaftlichen Kern, aber unabhängig — als Parallel-
erscheinung — entwickelt hat.
$19. Suffix «sim Griechischen und Lateinischen.
Die Bildungen mit dem Suffix :# sind so selten, dass man von
einem Typus nicht reden kann. Aus dem Lateinischen ge-
hören etwa gumia Leckermaul und praecia Ausrufer hierher,
aus dem Griechischen rapias und als Sekundärbildung veavlazs.
Ich habe SF. 4, 11 bemerkt, dass veavias mit aksl. jJunota (s.
oben $S. 106) zu vergleichen sei, also wohl ein f. veavla “die
junge Brut’ zur Vorstufe habe. Nach J. Schmidt, Pluralb.
19, Anm. ist veavia- das “Abstraktum’ zu vedv. Man könnte
auch sagen das Kollektivum, denn veavia verhält sich zu veav
ebenso wie öynAıxir, “die Gesammtheit der öpnAıxes’ zu seinem
Grundwort. Danach ist veavtas eigentlich ein Kollektivum und
hinsichtlich seiner Bedeutungsentwickelung mit den Wörtern
auf rs zu vergleichen. Wegen ayysllns vgl. $ 178.
$ 20. Suffix (aim Griechischen und Lateinischen.
Diese Bildungen finden sich sicher im Griechischen. (Wegen
etwaiger Parallelen im Lateinischen s. Brugmann 2, 368 Anm.)
Ich habe über dieselben SF. 4, 7 ff. gehandelt und dort ge-
meint, dass in Wörtern wie yev&rns, xpırns, ÖExtıns u. a. eigent-
lich Stämme auf mp steckten. Brugmann dagegen (2, 216)
ist der Ansicht, dass auch diese fö-Stämme seien. Ich lasse
das dahingestellt. Jedenfalls gehören hierher Wörter wie die
folgenden, die ich in der homerischen Gestalt aufführe: ferns
Verwandter, roA{tns und roAınms Stadtbewohner, aypsrns Land-
bewohner, vaurns Schiffer, dazu eine Anzahl von Bezeichnun-
gen für Krieger, z. B. atypuntns, Xopuorns, Bupnxrns, Toköns. Be-
merkenswerth ist, dass diese Wörter vielfach attributiv gebraucht
werden, z. B. innöra Neotwp, yEpwv atyprta Auxawv u. ähnl.
Die Ähnlichkeit mit dem oben $. 106 angeführten slävischen
Bildungen springt in die Augen. Mit ferns vergleicht sich
am nächsten das serb. scojta, und ınura x7pu&, das wir unedel
112 Kap. 1. I. Genus. zö-Stämme. [$ 20—22.
durch “Herold Schreihals’ übersetzen könnten, mit Wörtern wie
tech. smichota f. Gelächter, m. Lachpeter. Dem Einzeinamen
irnötns liegt offenbar ein femininisches Kollektivum inncra
Reiterei zu Grunde, womit sich kleinr. kınnota Reiterei ver-
gleichen lässt. Nach inzörns, sobald dieses die Bedeutung
‘Wagenkämpfer’ angenommen hatte, sind dann alypıitts, dopr,x-
rs u. 8. w. gebildet worden. Überhaupt bekam im Griechi-
schen die Beziehung auf ein männliches Einzelwesen derart
das Übergewicht, dass ein Wort wie äypdıns den Sinn “Land-
bewohner’ erhalten konnte, der sich aus dem vorauszusetzen-
den aypdra “die Aecker, die Landschaft’ allein nicht hätte ent-
wickeln können. Übrigens bleibt im Griechischen noch manche
Einzelheit aufzuklären. So viel aber dürfte hinsichtlich der
Entstehung dieser Maskulina feststehen: Sie gehen zurück
auf Feminina, die in der Urzeit Kollektiva und Abstrakta bezeich-
neten, wie die aus den slavischen Sprachen angeführten Wör-
ter und ai. jandta Gemeinde, bandhuta Verwandtschaft, Zu-
sammenhang, Beziehung, rirdia Mannhaftigkeit, nagndta Nackt-
heit u.s. w. Ob ein solches Wort schon in der Urzeit auch
Einzelwesen bezeichnen konnte, wie etwa ai. devatä, das neben
“Göttlichkeit’ auch “Gott” bedeutet, lässt sich nicht ausmachen.
Das aber ist sicher, dass das maskulinische Geschlecht abge-
sondert in den Einzelsprachen entstanden ist.
$ 21. Andere Suffixe im Griechischen und Latei-
nischen. Andere Suffixe ausser 4, za, ta dürften im Grie-
chischen und Lateinischen nicht viel vertreten sein. Doch
lässt sich mit lit. pliaund Schwätzer, aksl. starına alter Mann
etwa lat. verna Haussklave, mit lit. vepla Maulaffe, weissr.
durila Dummkopf etwa lat. cacula Offiziersaufwärter und radula
Zungendrescher vergleichen, falls in diesen nicht ein lateini-
sches Deminutivum vorliegt.
$ 22. Die;s-Stämme. Das Suffix ze (Brugmann 2, 213 ff.\,
bildete nur Feminina. Allein im Altindischen scheinen einige
Wörter auf ? maskulinisiert zu sein. Ich habe darüber SF. 5, 94
Folgendes bemerkt: “J. Schmidt (KZ.26, 402) rechnet dahin die
Namen Nämi, Pfthi, Matali, Söbhari, welche im RV. vorliegen,
$ 22—23.) Kap. I. I. Die o-Stämme im Griechischen. 113
dazu auch rästri, welches vielleicht Herrscher, sir!, welches
vielleicht Weber bedeutet (beide nür einmal belegt. Einen
Schritt weiter ist schon rathi Wagenlenker (vgl. auriga) ge-
gangen, welches im Nom. s angenommen hat”.
$ 23. Die o-Stämme im Griechischen. Dass alle Wör-
ter, welche im Nom. sing. auf os ausgehen, in der Ursprache
Maskulina waren, dürfen wir aus der Übereinstimmung der
indogermanischen Sprachen mit Ausnahme des Griechischen
und Lateinischen schliessen. Wir müssen also versuchen zu
begreifen, wie in diesen beiden Sprachen die Feminina auf
os entstanden sind.
Ich handle zuerst vom Griechischen, wobei ich mich
vielfach auf die Schrift von Lange de substantivis femininis
Graecis sec. decl. Leipzig 1885 berufen kann. Über einige
hierher gehörige Wörter {vjoos, rreıpos und Baumnamen des
Griechischen und Lateinischen) ist bereits oben S. 96 und S. 91
gehandelt worden. Die übrige Masse lässt sich füglich in
solche Wörter eintheilen, bei denen das natürliche Geschlecht
eine Rolle spielt, und solche, bei denen das nicht der Fall ist.
1. Kommunia, bei denen das natürliche Geschlecht eine
Rolle spielt. Es gehören dahin
a) &vdpwnos, Beos und eine Reihe von Amtsbezeichnungen,
welche zunächst Männern zukommen, aber doch auch Weibern
beigelegt werden können, wie Ayyelos, AoLöos, Apyos, SLöaoxakos,
latpos, rounös, Tpopds, rupavvos (Lange 8.27 ff.). Auch wir können
ja sagen, eine Frau sei ein Tyrann, ein Bote u. s. w. Daneben
sagen wir freilich auch Tyrannın, Botin u. s. w., und so haben
wir denn auch im Griechischen neben 7, deös: n Bed, und im
Sanskrit heisst die Botin nicht daid, sondern dütt. Es lässt sich
nicht mit Bestimmtheit sagen, ob die strenge Wahrung der
Konkordanz, wie wir sie im Sanskrit finden, oder die lässlichere
Ausdrucksweise der Ursprache zukam, oder ob etwa beide Aus-
drucksweisen möglich waren. Als wahrscheinlich möchte. ich
betrachten, dass bereits in der Ursprache ein Wort wie “Bote’
in Apposition und im Prädikat auch auf ein weibliches Wesen
bezogen und auch wohl in einem folgenden Satze durch das
Delbrück, Vergi. Syntax der indogerm. Sprachen. I. 8
114 Kap. I. II. Die o-Stämme im Griechischen. [8 23.
Femininum eines anaphorischen Pronomens aufgenommen wer-
den konnte. Aus diesen Anfängen konnte sich dann leicht
der griechische Zustand entwickeln, wonach die genannten
Wörter auch Feminina sind.
b) eine Anzahl von Thiernamen, ApxTos, Elaoos, Inros, Ovos
u.s. w. (Lange S. 32 ff... Nach Ausweis der verwandten Spra-
chen muss man annehmen, dass ein Wort wie irnxo; ursprüng-
lich als Mask. das Pferd und ım besonderen den Hengst be-
deutete, % irro; aber die Stute. Und wenn nun 7%, Irzo; auch
die Pferdeheerde, die Reiterei bedeutet, so erklärt sich das
Geschlecht daraus, dass die Heerden ganz überwiegend aus
weiblichen Thieren bestehen, der Singular aber aus kollek-
tivem Gebrauch). Und so kommt es vielleicht, dass auch bei
Thieren, die nicht heerdenweise auftreten, das Femininum zur
Bezeichnung des Thieres an sich dient, wie z. B. 7, äpxto; der
Bär. In einer Reihe von ıdg. Sprachen findet sich eine be-
sondere Femininalbildung, analog derjenigen der Adjektiva auf o,
z.B. ai. d$Svas und ddvä, lat. equus und egua, lit. aszcä (wo-
neben das zugehörige m. verloren ist), ai. 7A$a Bär und rA$i
Bärin. Vielleicht waren einige dieser Bildungen aus der Ur-
sprache auch in das Griechische überliefert (denn es ist zwar
nicht nothwendig, aber doch natürlich, die IrtnpoAyot als Stuten-
melker aufzufassen) und sind dann abgestossen. Im Latei-
nischen breitete sich die &-Bildung allmählich aus. Im alten
Latein sagte man nicht /upa, sondern /upus femina, nicht agna,
sondern agnus femina (Wölfflin, Archiv 7, 280).
2. Die Wörter, bei welchen das natürliche Geschlecht keine
Rolle spielt.
Ich führe sie, der gewöhnlichen Anordnung folgend, so
gut es geht, in Gruppen vor, welche durch die Bedeutung zu-
sammengehalten sind.
Unter den Wörtern, welche ‘Weg’ bedeuten, ist 086; (woran
sich apafıros u. ähnl. als Adj. anschliessen, vgl. Lange S. 60),
1} Auch die indischen Grammatiker bezeugen, dass gävas die Heerde
f. sei, vgl. at Boes.
$ 23.) Kap. I. II. Die o-Stämme im Griechischen. 115
a
und x&Aeußos immer f. Über oluos, welches bei Hesiod, Pindar,
Plato als m., bei Aeschylus, Euripides als f. belegt ist (Lange
$. 17), habe ich SF. 4, 12 bemerkt, dass es offenbar durch die
Einwirkung von 680; auf die Bahn des Femininums geführt
worden sei, und dann hinzugefügt, dass oöd; seinerseits eben-
falls einem femininischen Vorbilde gefolgt sein müsse, welches
uns verloren sei. Sollte dieses Vorbild vielleicht ayuıa ge-
wesen sein? — Aus den Wörtern, welche ‘Stein’ bedeuten
(Lange S. 65), nenne ich 0 und 7 Aidog von Homer an, n Yiigos,
1 rAtvdos, N bapados. Es liegt nahe, zu vermuthen, dass die
Wörter für ‘Stein’ f. gewesen seien, wenn sie die Steinmasse,
den Felsen (rn, r&rpa), m. wenn sie den einzelnen Stein (0 rerpo;)
bezeichnet haben. Freilich lässt sich bei Atdos nichts mehr von
einer solchen Unterscheidung beobachten. — Unter den Wörtern,
welche ‘Gefässe’ bedeuten, sind einige Feminina, so dsdgıvdos
Badewanne, Ayxudos Ölkrug, rp6yoos Giesskanne, andere wie
{szpos Topf und rtdos Fass sind Maskulina. Einen Grund
weiss ich nicht ausfindig zu machen. An die Wörter, welche
‘Topf’ bedeuten, mögen sich die für “Kasten, Behälter’ ange-
schlossen haben, daher n ynAos die Lade, 7 oopo; der Sarg.
Fern liegt schon 80X05 Rundbau, das gewöhnlich herangezogen
wird, und vollends, was xdreros und tappos Graben hier zu
suchen haben, sehe ich nicht. Ich weiss freilich ıhr Geschlecht
ebenfalls nicht zu erklären.
Von Wörtern, die sich nicht wohl in Gruppen unter-
bringen lassen, erwähne ich noch: yvados Kinnbacke (etwa
nach yevus?), 60x05 Tragbalken (nach yneooöun?), öpoco; bei Pin-
dar (jedenfalls nach Zpon), Aınos Heisshunger (nach reiva?).
Wenn xörpo;s Mist f. ist (das m. ist erst spät), so hat das f.
dabei vielleicht kollektiven Sınn (vgl. die Wörter für ‘Stein’).
In vooos Krankheit erblickte man vielleicht ursprünglich ein
Wesen ähnlich wie ’Epwvös. Bei pnpıvöos Faden hat man viel-
leicht auf ein f. *unpıvs zurückzugehen (vgl. neipıv;). Bei an-
dern Wörtern, wie z. B. wos Haut, wage ich auch nicht
einmal eine Vermuthung.
Endlich noch ein Wort über voos Schwiegertochter. Pott
8*+
116 Kap.I. I. Die o-Stämme im Latein. Allgemeines. [$ 23—25.
hat vermuthet, es sei aus vuös (lat. nurus) entstanden, was um
so wahrscheinlicher ist, wenn man bedenkt, dass ulos ebenso
aus vid; hervorgegangen ist und dass der Sohn und die Schnur
zusammengehören. Die griech.-lat. Form leitet auf ein idg.
*snusu, das seinerseits wieder aus *snus@ durch Einwirkung des
Wortes für Schwiegermutter (ai. $oaör@ u. s. w.) entstanden zu
sein scheint (vgl. Verf., Verwandtschaftsnamen 8. 156).
$ 24. Die o-Stämme im Lateinischen. Aus dem La-
teinischen kommen, wenn man, wie billig, von Fremdwörtern
absieht, nur alous, colus, vannus, domus, humus ın betracht.
Warum alous Bauch, welches in alter Zeit auch m. war, zum
f. geworden ist, weiss ich nicht zu sagen. Colus (auch m.),
vannus, domus haben das Gemeinsame, dass sie in die «-Dekl.
schwanken (von vannus wird wenigstens der Abl. vanıu über-
liefert). Bei domus ıst der u-Stamm proethnisch. Man wird
danach wohl anzunehmen haben, dass dıe betreffenden u-Stämme
m. und f. waren und dadurch das f. auch in die o-Stämme
kam. Auch zu Aumus (f., aber auch als m. angeführt) wird
ein Abl. Aumu überliefert. Da aber in den anderen Sprachen
das Wort keine «-Form zeigt, so trage ich Bedenken, dieses
humu für alterthümlich zu halten. Ich glaube vielmehr, dass
das Paradigma von dem Lok. humi ausgegangen ist, welcher
eigentlich zu dem konsonantischen Stamm gehörte (Brugmann
2, 452), aber als zu einem o-Stamm gehörig aufgefasst wurde. —
Fimus Mist kommt einmal wıe xönpos als f. vor. Man kann
darüber um so weniger etwas aussagen, als neben mus auch
noch das n. Amum steht.
625. Allgemeines über die übrigen Stämme.
Indem wir die @-, <£- und o-Stämme verlassen, treten wir in
ein anderes Gebiet. Während wir für sicher halten, dass die
@- und z2-Stämme Feminina, die o-Stämme Maskulina oder
Neutra waren, lässt sich aus der Deklination der übrigen Stämme
schliessen, dass sie ursprünglich nur den Unterschied zwischen
geschlechtig und ungeschlechtig kannten. Denn, wo sich in
unseren Sprachen auf diesem Gebiete Unterschiede der Flexion
zwischen Maskulinis und Femininis zeigen, scheinen sie sich
4
$ 25—26.] Kap. I. II. Die ıi-Stämme. 117
erst in den Einzelsprachen entwickelt zu haben. Man möchte
also glauben, dass die auf : u. s. w. ausgehenden Stämme die
Unterscheidung zwischen m. und f. erst von der ersten Gruppe
nachahmend übernommen haben. Die häufige Doppelgeschlech-
tigkeit dürfte sich daraus erklären, dass ın der Urzeit der Prozess
der Nachahmung noch nicht derart abgeschlossen war, dass für
jedes Wort ein festes Geschlecht bestimmt gewesen wäre. Wie
man sieht, ist es bei der Beurtheilung dieser Stämme besonders
schwer, einen festen geschichtlichen Grund zu gewinnen. Ich
habe mich deshalb, da ich mich auf unsichere Vermuthungen
nicht einlassen mag, im Folgenden öfter damit begnügt, über
die Meinungen anderer Gelehrter zu berichten.
$26. Die :-Stämme. Auf den eben erörterten Grund
mag es zurückgehen, wenn wir die +-Stämme nicht selten
zwischen m. und f. schwanken sehen. Solche Wörter (bei
denen ich natürlich von Wörtern wie oris absehe) sind im
Altindischen: a$an: Donnerkeil f., im Epos auch m., gäbhasti
Gabel (nach Böhtlingk-Roth), märict Lichtatom (m. nur in
Taitt. Ar.), mu$fi Faust (BR), yöni Schoss, varkri Rippe
(BR), $rönd Hinterbacke (lat. clunis m. f., av. sraoni f.)').
Dazu aus unaccentuierten Texten nach BR: tithi ein lunarer
Tag, Sälmali Wollbaum. Aus dem Lateinischen (vgl. Neue
1, 671 ff): amnis, axis Diele, callıs, canalıs, clunis, corbis,
erıms, finis, funis, messis, penis, senlis, scrobis, lorquis, vepris.
Unter diesen Umständen ist es selten möglich, mit Sicherheit
zu sagen, dass bei einem :--Stamm ein Geschlechtswechsel inner-
halb einer Einzelsprache eingetreten sei. Ein solcher Fall
dürfte ın dem lit. ugnis Feuer vorliegen. Aus ai. agni, lat.
tgnis, aksl. ogni (dem einzigen Worte auf nt, welches m. ist),
folgt, dass das Wort in der Ursprache m. war. Im Lit. scheint
es ın das f. übergegangen zu sein, da alle Wörter auf ni in
dieser Sprache f. sind (Brugmann 2, 270).
Eine besondere Bewandtnis hat es mit dem Suffix %, von
1) svadhıti m. f. bei Grassmann ist unsicher. Andere sehen darin zwei
verschiedene Wörter, deren eines m., das andere f. ist.
B '- -_—
118 - Kap. I. II. Die u-Stämme. [$ 26—27.
welchem Brugmann annimmt, dass es in der Urzeit femini-
nische Nomina actionis bildete (2, 276). Die maskulinischen
Nomina agentis auf ft, welche, wenn auch nicht in grosser
Zahl, vorhanden sind, sollen sich aus diesen Nomina actionis
entwickelt haben, eine Annahme, die allerdings für Wörter
wie ai. pdii, gr. ndoıs u. 8. w. (eigentlich ‘Herrschaft’, dann
“Herr’), ai. jRäti (eig. “Verwandtschaft”, dann “Verwandter”,
gut passt.
Im Sonderleben des Germanischen und Litauischen sind
dann die aus der Urzeit überlieferten Feminina gelegentlich
(und zwar nicht ganz selten) wieder zu Maskulinis geworden,
worauf ich hier nicht eingehen kann (vgl. Brugmann a. a. O.).
"In bezug auf die neutralen :-Stämme bemerke ich, dass
ım Lateinischen neben rete Netz auch retis f. vorhanden
ist und neben Zac n. ein femininischer Plural Zactes und
neben panis m. auch pane. Über die Gründe dieser Mehr-
geschlechtigkeit weiss ich nichts zu sagen. Über das Schicksal
der Neutra auf «im Litauischen ist S.101 gesprochen worden.
Über das Germanische bemerkt Michels 8. 23: Als neu-
traler i-Stamm ist bis Jetzt nur mari nachgewiesen (Sievers Beitr.
V, 107), das im Angels. und Altnordischen als m., altsächsiech
als f. erscheint, offenbar beeinflusst durch *sayui-, dessen ur-
sprüngliches Geschlecht unsicher ist. Das Ahd. bewahrt das
n. Gotisch femininer ?!n-Stamm: maret.
$ 27. Die „-Stämme. Mit den v-Stämmen verhält es
sich wie mit den :-Stämmen. Als Belege für das Schwanken
zwischen m. und f. im Altindischen und Lateinischen führe
ich an: ai. :$u Pfeil (beides im RV.), Aarkandhu Judendorn
(nach BR), $aru Geschoss (beides im Vedaj, sindhu Fluss (s.
oben $. 94); lat. acus, arcus, metus, penus, specus (Neue 2, 679).
Über den Geschlechtswechsel in den Einzelsprachen ist schwer
etwas Sicheres zu sagen. Brugmann meint (2, 304), die mit
tu gebildeten Abstrakta seien in der Urzeit m. gewesen und
seien im Griech. durchgehends, im Arischen und Germanischen
zuweilen f. geworden durch Anlehnung an das Genus anderer
Abstrakta. Insbesondere im Westgermanischen seien die iu-
$ 27 — 28.) Kap. I. U. Die Stämme mit r-Suffixen. 119
Stämme als solche unkenntlich geworden und hätten sich mit
den femininischen {i-Stämmen vermischt, daher denn die Dop-
pelgeschlechtigkeit von Wöıtern wie ahd. Zuft, ags. !yft (310).
Indessen ich sehe nicht ein, warum die ?u-Stämme nicht ebenso
wie die übrigen v-Stämme in der Ursprache m. und f. gewesen
sein sollen. Ich kann deshalb auch über den berührten ger-
manischen Geschlechtswandel nur so zaghaft urtheilen, wie es
von Michels S. 23 geschehen ist.
Hinsichtlich der Neutra ist zu bemerken, dass sich bis-
weilen an demselben Worte neutrale und maskuline Formen
finden, so neben ai. däru Holzscheit einmal im RV. darum,
und ebenso von sanu Bergrücken sanum, im Lateinischen
neben specus m., f. auch specu, vereinzelt artua zu arius m.
(Brugmann 2, 309 meint, es sei nach membra gebildet). Für
die Urzeit lässt sich das Vorhandensein von pekis m. und peku
n. ‘Vieh’ vermuthen (2, 295). Vielleicht hatte das n. kollektive
Bedeutung.!) — Dass die neutralen «-Stämme im Litauischen
zu m. geworden sind, ist oben bemerkt worden. Über die
Maskulinisierung im Deutschen s. Michels 8. 21.
628. Die Stämme mit r-Suffixen. Die erste Gruppe
bilden die bekannten Neutra auf r, welche sich mit Kasus von
n-Stämmen zu einem Paradigma verbinden, wie ai. Gdhar
üdhnas Euter u. s. w., ferner die ähnlichen Wörter, die hinter
dem r noch einen Konsonanten haben, z. B. ai. yakyt yaknds
Leber, gr. Arap, lat. jecur; ai. dsg) asnds Blut, gr. Zap, lat.
assir (vgl. über dieselben J. Schmidt, Pluralb. 172). Diese
Wörter sind überall Neutra, ausser im Germanischen und Li-
tauschen.
Über die germanischen Wörter handelt J. Schmidt, Plu-
ralb. von S. 198 an. Es gehören dahin altn. @dr f. Ader, welches
nach Schmidt mit top identisch ist und auf ein vorgermani-
sches &ier zurückgeht. Indem das r als Nominativzeichen auf-
gefasst wurde, sei das Wort in die femininische :-Deklination
1) Wie sich das Femininum bei pecus pecudis erklärt (nur einmal ist
das Maskulinum bei Ennius belegt), steht dahin, vgl. J. Schmidt Pluralb. 53,
wo kühne Vermuthungen vorgetragen werden, und Brugmann 2, 382.
120 Kap. 1. II. Die Stämme mit s-Suffixen. [$ 28—29.
gerathen. (In den andern germ. Dialekten liegen Weiterbil-
dungen aus dem r-Stamme vor). Sodann das Wort für “Leber’
ai. yakrt, av. yakare, gr. nrap, lat. Jecur, arm. leard, preuss.
lagno. Als Grundform setzt Schmidt *Yekrt an. Dieser ent-
spreche das auf älteres *Zefer zurückgehende altn. Afr, ags. lifer.
Für ein ursprüngliches Neutrum auf or endlich hält Schmidt
altn. ahd. sumar, ags. sumor, welches nur im Altnordischen sein
altes Geschlecht bewahrt, in den übrigen Dialekten dagegen
durch den Einfluss seines Komplementes “Winter” das männ-
liche erhalten habe. (S. 207.)
Hinsichtlich des Litauischen bemerkt derselbe Gelehrte
$. 177: Im Litauischen ist nur ein hierhergehöriges Wort er-
halten: Aek&, Gen. kekes f. Traube —= lat. cicer, wie lett. ke-
kars Traube erweist (vgl. Fick I?, 515). Der Gen. *kekers
— ciceris reimte auf duktefs und erhielt bei Erlöschen des
neutralen Geschlechts von diesem den Nom. und das weib-
liche Geschlecht. — Im Lettischen aber ward das Neutrum,
wie meist, zum Maskulinum.
$ 29. Die Stämme mit s-Suffixen. Sicher ıst, dass
es in der Urzeit Neutra auf os gab, welche sich in die meisten
Einzelsprachen fortsetzten, so ai. $rävas, griech. xA&fos Ruhm,
aksl. s!ovo Wort, griech. ot&yos, t&yos Dach, altır. teckh Haus
u. 8. w. (Brugmann ?, 388). Ferner ist sicher, dass ein Fem. mit
der Bedeutung “Morgenröthe’ vorhanden war: ai. ugds, Nom.
ufäs, gr. Yws (8. 396). Es mag sein, dass auch dieses Wort
ursprünglich n. war (das Morgenroth) und erst bei sich einstellen-
der anthropomorphischer Auffassung f. wurde, gerade so wie lat.
Venus (vgl. das ai. Neutrum vanas von van begehren, dem BR.
die Bedeutung “Verlangen, Anhängliehkeit oder Lieblichkeit’
geben), nur dass u$as auch noch im Nom. die geschlechtige
Form angenommen hat.
Nicht mit Sicherheit lässt sich über die lateinischen Mas-
kulina wie decor und tenor urtheilen. Nach J. Schmidt, Plu-
ralb. 124 ff. sind sie auf einem langen Wege aus Neutris zu
Maskulinis geworden, während Brugmann 2, 397 schon für die
Urzeit Maskulina auf 5s annimmt.
$ 29-30.) Kap.I. II. Die Stämme mit »-Suffixen. 121
Mit grosser Wahrscheinlichkeit ıst angenommen worden, dass
es in der Urzeit auch Neutra auf :s gab, welchen indische Wörter
wie arcis Strahl und jyötis Licht entsprechen. Sie sind Neutra,
doch kommt arcis im SB auch als f. vor. Auf diesen Typus gehen
jedenfalls die lateinischen pulvis, cinis, vomis zurück, welche ıhr
neues Geschlecht wie ai. arcis von den :-Stämmen erhielten.
$ 30. Die Stämme mit n-Suffixen. Hinsichtlich der
r-Stämme kommt Brugmann 2, 321 zu der Ansicht, dass ‘die
mit n-Suffixen gebildeten Stämme einstens nur maskulinisch
oder neutral gebraucht waren’. Mir ist wahrscheinlich, dass in
der Ursprache doch auch Feminina vorhanden waren, doch
mag ich die unsichere Sache nicht weiter verfolgen.
Über das Suffix men bemerkt Brugmann $. 343: “Es war
seit uriddg. Zeit im Gebrauch zur Bildung von nomina actionis,
die oft in Dingbedeutung hinüberschwankten (wie gr. peöna
Strömung, das Strömende), seltener von nomina agentis; die
nomina actionis wurden ım Arischen und Griechischen infini-
tvischa Das Geschlecht wechselte zwischen neutr. und
mask., zuweilen bei demselben Worte, wie gr. yeipa: xeuav.'
In Germanischen sei dann, so führt PBrugmann weiter
aus, das alte Schwanken zwischen Neutrum und Maskulinum
fast ganz zu Gunsten des letzteren ausgeglichen. Im Litaui-
schen wurde das verlorene Neutrum ebenfalls durch das Mas-
kulinum ersetzt (s. S. 101). Ich füge dem nur noch eine Be-
merkung über drei lateinische Wörter hinzu, welche in das
Lateinische als Neutra eintraten, wie ihr Nominativausgang en
beweist, und sodann Maskulina wurden. Es sind die Wörter:
sanguis, flamen, pecten. Für sanguis ist ja noch die ältere Form
sanguen n. vorhanden und es ıst nach dem aus uns unbekanntem
Grunde erfolgten Geschlechtswechsel das Nominativ-s ange-
treten. Flamen entspricht, wenn es mit dem indischen drahman,
wie angenommen wird, identisch ist, dem neutralen drahman,
nicht dem maskulinischen dbrakmän (was *#amo lauten würde),
bedeutete also eigentlich “Priesteramt’, dann erst “Priester” (vgl.
subrahmanya S. 102). Warum pecter vom n. zum m. überge-
gangen ist, weiss ich nicht.
122 Kap. I. II. Die Wurzelnomina. ($ 30—31.
$31. Die Wurzelnomina (vgl. Brugmann 2, 448 ff.).
Wenn ich von denjenigen absehe, bei welchen das natürliche
Geschlecht in betracht kommen könnte, wie ai. ray, lat. rez, altır.
ri König oder die Namen für Maus, Schwein, Rind, und ferner
auf die Anführung von Zweifelhaftem verzichte, so bleiben nur
etwa die folgenden übrig. Maskulinum war seit der Urzeit
das Wort für ‘Fuss’, ai. pdd, gr. nous, lat. pes u. s. w. (S. 450),
Femininum ai. väc, gr. ob, lat. vox Stimme, ferner das Wort
für ‘Erde’, ai. Afam, gr. ydwv u. s. w. (8. 452), für ‘Schiff’ ai.
naus, gr. vaös (S. 454). Zwischen m. und f. schwanken: ar.
zyä Winter m., gr. xıwwv Schnee f., Ahiems Winter f.; ai.
rail Besitz, Habe, Gut, Kostbarkeit m. und f., lat. res f. Von
besonderem Interesse ist das Wort für Himmel’ und “Tag’ (8.451).
Im Altindischen ist es in der Bedeutung “Tag’, in welcher es
ganz überwiegend in Plur. belegt ist, stets m., in der Bedeu-
tung ‘Himmel’ m. und f. (vgl. die Nachweise bei Grassmann unter
div). Dass div Himmel sein f. von dem Wort für “Erde’ prthivi be-
zogen habe, mit dem es gewohnheitsmässig verbunden wird —
diese Ansicht J. Schmidt’s (Pluralb. 207) muss demjenigen beson-
ders wahrscheinlich erscheinen, der die Stellen im RV., wo das
f. erscheint, an sich vorübergehen lässt. Unabhängig von die-
der indischen Geschlechtsveränderung waren die Schicksale
von dies, welches ja nur Tag bedeutet. Das alt-überlieferte
Geschlecht ist m. Dagegen hat sich der Gebrauch ausgebil-
det, dass dies da, wo es einen bestimmten Tag, wie den zu
einer Gerichtsverhandlung oder zu einem andern Geschäft fest-
gesetzten, bezeichnet, f. ist (vgl. die Belege bei Neue I?, 638 ff.),
also kurz gesagt: dies als Datum ist f£ Wenn man überlegt,
dass in ältester Zeit nach Nächten gezählt würde, so darf man
wohl diesen Geschlechtswandel aus dem weiblichen Geschlecht
von n0x ableiten. Dieses ist stets f., die Vermuthung von J.
Schmidt, Pluralb. 254, dass .das f. in der Urzeit aus dem n.
entstanden sei, leuchtet mir nicht eın.
Neutrum war vielleicht das Wort für ‘Herz’ (S. 450), Neu-
trum oder Maskulinum das für ‘Salz’ (vgl. dazu J. Schmidt $. 182).
$ 32.) Kap. I. II. Mehrgeschlechtigkeit. 123
III.
Moehrgeschlechtigkeit.
Ich komme nun zu dem Probleme der Mehrgeschlecht-
lichkeit. Dasselbe ist im Vorhergehenden bereits mehrmals ge-
streift worden. So ist z.B. in $ 9 gezeigt worden, wie im
Litauischen Wörter entstehen konnten, welche zugleich m.
und f. sind. Sodann ist wahrscheinlich gemacht worden, dass
die von $ 25 an behandelten Stämme zum theil mit schwan-
kendem Geschlecht in die Einzelsprachen eingetreten sind.
Hiervon soll an dieser Stelle nicht weiter gesprochen werden.
Auch nach einer andern Seite hin ist noch eine Einschränkung
zu machen. J. Schmidt, Pluralb. 21 führt eine Reihe von Wör-
tern auf, welche (wie er sich im Index ausdrückt) zwischen
Neutrum und Femininum wechseln. Es sind gemeint Wörter
wie ai. Zänam und täna Nachkommenschaft, aı. bhrätra Bruder-
schaft und gr. pparpa u. s. w., welche mit zur Erhärtung der
These dienen sollen, dass das Neutrum plur. eigentlich ein
kollektivisches Femininum sing. sei. Streng genommen han-
delt es sich aber hier doch nicht um dieselben Stämme, viel-
mehr um Bildungen mit o (z.B. tfanam) und a (z.B. tanä),
welche sich nach des Verfassers Meinung zu einem Deklina-
tionsparadigma vereinigt haben. Ich würde sie hier nur zu
behandeln haben, wenn in der That in einer unserer Sprachen
die Genusverschiedenheiten derartig hervorträten, dass zu einem
neutralen Sıngular ein femininisch gebrauchter Plural gehörte,
was nicht der Fall ist.
Demnach bleiben für die folgenden $$ nur die doppel-
geschlechtlichen o-Stämme übrig. Ich spreche zunächst von
denjenigen Wörtern, bei denen die verschiedenen Genera sich
auf die verschiedenen Numeri vertheilen, dann von denjeni-
gen, bei welchen eine Verschiedenheit nach dem Numerus
nicht zu beobachten ist.
$ 32. Maskulinischer Singular und neutraler Plu-
ralim Arischen. Erscheinungen im Altindischen (Avesti-
schen), Griechischen, Lateinischen, vielleicht auch Slavischen,
124 Kap. I. III. Maskulin. Sing. u. neutr. Plur. im Ar. [$ 32.
— -— DO UNE NEE, messe ne nn nn U en
führen zu der Annahme, dass in der Ursprache bei einigen
o-Stämmen neben maskulinischem Singularis ein neutraler Plu-
ralis lag. Dahin gehören aus dem Altindischen folgende
Fälle: ortra Feind ist im RV.im Sing. m., im Plur. n.; vara
Schweifhaar, Haarsieb, nur im RV., eine Stelle erweist für
den Sing. m., von den übrigen fordert keine n., im Plur.
erscheint neben varan das neutrale räräni. Das letztere heisst
stets “Haarsieb’ (ist also kollektiv gebraucht), varan muss man
an einer Stelle durch ‘Schweifhaar, Schweif’ übersetzen, an
den beiden anderen kann es auch durch ‘Haar’ übersetzt wer-
den, wenn es auch sachlich soviel ist, wie “Haarsieb’; cakrd
Rad ist im RV. ım Plur. (soweit die Formen überhanpt eine
Entscheidung zulassen) n., im Du. und Sing. gelegentlich auch
m., so dass die Vermuthung nicht fern liegt, das n. habe im Plur.
seinen Anfang genommen vgl. za xuxla neben 6 xuxios); vrajya
Hürde ist durch vraja (Dual) und vrajar als m. sicher gestellt,
einmal erscheint im RV. das neutrale vraja. Von nakha Nagel
ist im RV. das Geschlecht nicht zu bestimmen, im AV. erscheint
m. in TS. n., an beiden Stellen pluralisch.
Im Avestischen zeigt sich der Nom. plur. der o-Stämme
doppelt gebildet. Es findet sich nämlich neben dem Ausgang
äphö, wie er nach dem indischen &sas zu erwarten war (@
gleich ai. @s ist ganz selten) auch «a oder ım Gathadialekt
a. Dieses 4 sieht Bopp als den neutralen Ausgang an, der
auf die m. übertragen sei. Er sagt darüber Vgl. Gr.!, 265:
“Es beruht aber die Ersetzung des Plural-Mask. durch Neutra
auf einem tiefen Sprachgefühl, denn in der Mehrheit tritt Ge-
schlecht und Persönlichkeit offenbar sehr in den Hintergrund.
Die Persönlichkeit des Einzelnen geht unter in der abstrakten
endlosen toten Vielheit, und wir können insofern das Zend für
seine Geschlechtsscheu im Plural nur rühmen.” Dieser An-
sicht schliesst sich nebst anderen J. Schmidt, Pluralb. 8 an,
indem er ausführt, dass die Pluralendung sich zu so allgemei-
ner Anwendung darum habe erheben können, weil ın einer
Reihe von Wörtern, die sich ihrer Bedeutung nach dafür eig-
neten, maskulinische und neutrale Plurale neben einander
$32—33.] Kap.I. III. Mask. Sing. u. neutr. Plur. im Griech. u. Lat. 125
lagen. Osthoff' dagegen (s. Brugmann 2, 681) sieht in den For-
men auf a ursprüngliche Duale. Ein Beweis für die eine oder
die andere Ansicht ist leider nicht möglich, weil die Wörter, von
denen die Bewegung ausgegangen sein muss, sich nicht mehr
nachweisen lassen.
$ 33. Desgleichen im Griechischen und Lateini-
schen. Viel deutlicher als im Arischen liegen die Dinge im
Griechischen. Ich bediene mich der Worte Wackernagel’s
KZ. 30, 297: “Bei Homer zu x&leudos häufiger xdAeuda als
x&lsudor, ZU prpds urpol und pipa, Zu xuxlos xuxkor und xuxka
vgl. cakra]. Ebenso würde der Singular von vüra, wenn er im
Nominativ, der von öpupna, wenn er überhaupt belegt wäre, mas-
kuline Form haben, wenn wir anders den sichern Gebrauch der
nachfolgenden Zeit zum Massstab nehmen dürfen. Ja sogar wird
trotz dem evnpes &peruöv der Odyssee, das erst nach Homer
sicher belegte, aber mit lateinisch remus zusammenstimmende
£peruds als die eigentliche Sıngularform des häufigen &perua
bei Homer und Euripides gelten müssen. — Nach Homer
kommt besonders ım dichterischen Gebrauch manches hınzu,
Taprapı zum homerischen Taptapos bei Hesiod, dzona statt
6sonol zuerst im Hermeshymmus, oita und deona seit Sopho-
kles, Auyva bei Euripides, ölppa und tpayrıa bei Kallimachus,
daxtula, Büpoa, nenla, olußla, tapsa bei verschiedenen Spät-
lingen. — Der Bedeutungsunterschied ist in yfpa deutlich
wahrnehmbar: dasselbe, was stückweise abgeschnitten durch
unpol bezeichnet wird, heisst als verbrannte Masse prpa (vgl.
loci: doca). Es drückt eben der neutrale Plural mehr die
Masse als die Vielheit aus, daher das singularische Verb. Vom
sıngularischen Maskulin (oder Feminin) unterscheidet er sich
daher oft nur, dass er den Gedanken an weite Ausdehnung
nahe legt: öpuna, Taprapa, vora, tpayrla. Die Form pipa ist
auch durch den Accentwechsel lehrreich. Wenn wir uns an
die Accentunterschiede zwischen den Mask. auf skr. -as, -man
und den gleich auslautenden Neutris oder an den Gegensatz von
paSis und pa$u erinnern, werden wir muthmassen, dass ursprüng-
lich durchweg solcher neutrale Plural den Accent zurückwarf.
126 Kap. I. III. Mask. Sing. u. neutr. Plur. im Slav. [$ 33 —34.
Im Lateinischen findet sich zu locus der Plural loca
und loct und ebenso bei jocus, clivus, culleus Ledersack,
fusus Spindel und einigen andern (Neue 1?, 541). Freilich
liegt die Sache insofern anders als im Griechischen, als auch
neben neutralen Singularen maskulinische Plurale vorkommen,
z. B. neben frenum freni, neben rastrum rastri. J. Schmidt,
Pluralb. 6 Anm. hält diese Formen für alte Duale, was mög-
lich ist. Jedenfalls dürfte die Übereinstimmung mit dem Grie-
chischen zeigen, dass die Erscheinung, wie sie ın locus loca
vorliegt, die ältere ist.
8 34. Desgleichen ım Slavischen. Auch im Slavi-
schen finden sich Plurale auf «@ neben Sıngularen von mas-
kulinischen o-Stämmen, und zwar im Russischen, Kleinrussi-
schen, Cechischen, Polnischen, Neuslovenischen, vgl. Miklosich
4, 24; 32, 290 ff. (russisch), 253 (kleinrussisch), 292 (Cechisch,
neuslovenisch), 410 (polnisch). Über das Russische s. noch
Vetter, Zur Geschichte der nominalen Deklination im Russi-
schen $S. 28, über das Polnische Baudouin de Courtenay in
Kuhn und Schleicher’s Beiträgen 6, 40—43, und im allgemeinen
J. Schmidt, Pluralb. 18 Anm. Im Altkirchenslavischen liegen
diese Plurale nicht vor. Am häufigsten sind sie im Russischen,
über das ich hier allein handle. Man hat unter diesen russi-
schen Pluralen zunächst eine Schicht auszusondern, welche
sicher nicht indogermanischen Ursprungs ist, nämlich die Plurale
auf %ya. Unter diesen erwähne ich zunächst eine Anzahl von
Pluralen zu Dingwörtern, so dbrusü brüsija Balken, klinü klinija
Keil, Aölosü kolöstja Ähre, kolü költja Stange, listü Blatt listiya
Laub (dagegen Jisty Blätter Papier), Admenü Stein, kamenija
koll. (dagegen Aamni einzelne Steine). Es kann nicht zweifel-
haft sein, dass diese Formen in der That von anfang an Plurale
sind, aber nicht zu maskulinischen Singularen, sondern zu
neutralen Kollektivis auf iye (vgl. J. Schmidt 28). Eine zweite
Gruppe von Pluralen auf ?a bilden die Plurale zu Per-
sonenbezeichnungen wie dratü brafija Bruder, deverü deverijä
Schwager, synü synovija Sohn, zjati zjatevija Schwiegersohn,
kumü kumovija Gevatter, drugü druzija Freund, muzü muzija
$ 34.) Kap. I. III. Mask. Sing. u. neutr. Plur. im Slav. 127
(dieses in der Bedeutung Ehemänner, während muü2: Männer
heisst), Anjazi knjazija Fürst. Unter diesen Formen ist eine,
welche schon ın der aksl. Zeit als Plural fungierte, näm-
hch drafija (vgl. $ 54), welche wohl der Ausgangspunkt der
ganzen Bildung ist. Dass nun aksl. dratrija ein singularisches
femininisches Kollektivum ist und eigentlich ‘Bruderschaft’
bedeutet, ıst längst erkannt worden. Diesen Pluralen wie
bratija schliessen sich ihrer Art nach unmittelbar an gewisse
Plurale von Personenbezeichnungen, welche auf a ausgehen,
nämlich gospoda eig. Herrschaft zu gospodinü Herr, Tatara zu
Tatarınü der 'Tartare, doyara zu boydrinü der Bojare u. ähnl.
Dazu auch einige Fremdwörter wie Aucera zu kücerü, doktord
zu döktorü, professora zu professorü. Eine weitere Schicht
umfasst solche Formen, welche eigentlich alte Duale sind, so:
glasü glasa Auge, rogü rogd Horn, rukdvü rukavd Ärmel, bokü
boka Seite, beregü berega Ufer, Zernovü Zernovd Mühlstein.
Endlich bleibt eine Anzahl übrig, bei denen es fraglich ist,
wie sie aufzufassen seien. Dahin gehören: östrovü ostrova
Insel, pögrebü pogreba Keller, göorodu goroda Stadt, lugü luga
Wiese, lesu lesa Wald, golosu goloss Stimme, vecerü vecerd
Abend, mechü mecha Fell (aber mechi Blasebalg). Es könnte
sein, dass diese Plurale sich an die alten Duale angelehnt
hätten, was ja im Slavischen nichts verwunderliches haben
würde, wo auch neben den Wörtern für drei und vier die
Dualform auftritt; aber bei allen ist das doch nicht wahr-
scheinlich. Bei mechü wenigstens wird mecha nicht ein alter
Dual sein, da, wie Vetter richtig bemerkt, es dann vielmehr
die Bedeutung von mechi haben müsste. So steckt denn in
diesem Worte und einigen andern wahrscheinlich (wie auch
schon Miklosich angenommen hatte) der Typus Zocus loca. —
Übrigens ist diese aus so verschiedenen Anregungen erwachsene
Pluralbildung auf @ im Russischen im Fortschreiten begriffen
ivgl. Vetter S. 28). Doch hat sie ihre Grenze im Accent. Der
Plural auf & kann bei einsilbigen Maskulinis nur angewendet
werden, wo der Gen. sing. auf a nicht den Accent trägt.
128 Kap. I. II. Mehrgeschlechtigkeit. [$ 35—36.
$ 35. Zweifelhafte ähnliche Fälle. Somit ist wahr-
scheinlich, dass schon in der Ursprache zu einigen masku-
linischen Singularen der o-Deklination neutrale Plurale ge-
bildet werden konnten, welche, wie es scheint, kollektiven
Sınn gehabt haben. Es fragt sich, ob auch noch andere Fälle
vorliegen, in denen die Numeri desselben Wortes verschiedenes
Geschlecht haben. J. Schmidt, Pluralb. 29 macht auf aı. varga
Regen aufmerksam, das in älterer Zeit im Sıng. nur n., dann
m. ist, im Plur. f. in der Bedeutung “Regenzeit. Dazu fügt
er analoge Fälle aus dem Avesta und dem Lateinischen. Er
nimmt an, dass varfa — um bei diesem Beispiel stehen zu
bleiben — als kollektiver Plural zu vargam fungiert und eben,
weil die pluralische Bedeutung stark empfunden sei, auch noch
ein Plural -s erhalten habe. Ich möchte darüber, ob hier wirk-
lıch ein in die Urzeit reichender Typus vorliegt, nicht ent-
scheiden, weil ich mir über die Tragweite der avestischen Er-
scheinungen kein rechtes Urtheil zutraue.
Was sonst von ähnlichen Erscheinungen vorliegt, dürfte
ın den Einzelsprachen entstanden sein, so die lateinischen
Plurale wie freni (s. oben S. 126), und die russischen nach
maskulinischer Art gebildeten Plurale neutraler o-Stämme bei
Miklosich 32, 294, über deren Geschichte im einzelnen wır
noch nicht recht aufgeklärt sind.
$ 36. Doppelgeschlechtigkeit, verbunden mit Be-
deutungsverschiedenheit. J. Schmidt, Pluralb. 225 führt
als Belege für ‘Kollektiva, welche sich durch das Geschlecht
von der Bezeichnung des einzelnen Wesens oder Stückes unter-
scheiden’ an: ai.kakdm, väyasdm Krähenschwarm : kakas, väyasds
Krähe, av. mereyem Gevögel vd. 5, 1 gegen mereyö Vogel nach
Spiegel, Gr. S. 110), lat. vallum Verschanzung gegenüber vallus
einzelner Schanzpfahl. Gegen das lateinische Beispiel ist nichts
einzuwenden, hinsichtlich der arischen aber bestehen gewich-
tige Bedenken. Die indischen, in der Literatur nicht belegten
Wörter, welche Schmidt anführt, stammen aus dem Scholion
zu Pänini 4, 2, 37. Dort aber ist von Vriddhi-Bildungen die
Rede, wie das weitere Beispiel baäkam zu bakas Reiher und
$36—37.] Kap. I. IL Doppelgeschl. ohne Bedeutungsverschiedenheit. 129
bhaskjam zu bhik$a (Scholion zu 38) zeigt. Es handelt sich
also nicht um Wörter, welche nur dem Geschlecht nach ver-
schieden sind. Das av. mereyem kommt allerdings vd. 5, 1 als
Nominativ vor, der sonst mereyö heisst: na taß parairpyeiti
ava Jafnaco raonqm; @ tab mereyem uzvazaite haca baresnavö
yatrıngm ava jJafnavo raonqm, upa tqm kehrpem frasnuharaiti
yam tristahe, was Geldner KZ. 25, 199 übersetzt: “Es stirbt ein
Mensch in den Thalgründen; nun fliegt ein Vogel aus von
der Höhe des Gebirges hinab in die Thalgründe und frisst von
dem Leichnam des toten Menschen‘. Dann heisst es weiter
von dem mereyem: upa iqm vanqm vazaite er fliegt auf den
Baum. Gewiss könnte man in diesen Stellen mereyem durch
‘Vogelschar’ übersetzen, aber gleich darauf heisst es: iqm vangm
aeıtı yam hö mereyö.. er kommt zu dem Baume, auf welchem
der Vogel /gesessen hat, wie Geldner ergänzt). Daraus folgt
jedenfalls, dass ein deutlicher Unterschied zwischen mereyem
und mereyo im Sprachgefühl nicht bestand. Vielleicht lässt
sich hier ai. mtira, av. mißra anführen. Aı. mitra ist im RV.
in der Bedeutung ‘Freund’ stets m., in der Bedeutung “Freund-
schaft n. Von AV. an aber heisst miiradm auch ‘Freund’ und
diese Form hat in der alten Prosa, so viel ich sehe, das m. gänz-
lich verdrängt. Es heisst dort also z. B. viSvasya ha vai mitram
rısvamitra äsa V. war der Freund von Jedermann AB. 6, 20, 3.
lm Avesta ıst das Wort auch da m., wo es im Aı. n. ist; so
erscheint z. B. mipra ‘Vertrag’ als Maskulinum yt. 10, 2. Wie
sich das Wort in der arischen Urzeit verhalten hat, lässt sich
nicht mit Bestimmtheit angeben. Ausser mitra habe ich noch
notiert, dass patra “Trinkgefäss’ Neutrum ist (vgl. poculum), aber
in der Bedeutung “ein bestimmtes Hohlmass’ vom AV. an Masku-
lnum. Im Griechischen könnte bei öveıpos der Traumgott, bei
irsıpov das Traumbild vorschweben.
$ 37. Doppelgeschlechtigkeit ohne Bedeutungs-
verschiedenheit. Wie man sieht, giebt es für das Vor-
kommen mehrfachen Geschlechts bei mehrfacher Bedeutung
kaum sichere Belege. Dagegen giebt es, namentlich im Alt-
indischen und Lateinischen, eine Menge von Wörtern, welche
Delbräck, Vergl. Syntax der indogerm. Sprachen. I. 9
130 Kap. I. I. Doppelgeschl. ohne Bedeutungsverschiedenheit. [$ 37.
sowohl m. als n. sind, ohne dass ein Unterschied der Bedeu-
tung hervorträte.
Im Altındischen ıst das Maskulinum aus älterer, das
Neutrum aus jüngerer Zeit belegt, z. B. bei folgenden Wörtern:
akäasa freier Raum ist vedisch nur m., klassisch nur n.; kavan-
dha Tonne ist im RV. m., im AV. einmal n.; grad Haus ist
in der älteren Sprache stets m., in der späteren nur im Plur.
m., sonst n.; dvipa Insel ist in älterer Zeit m., in Kathas.
erscheint das n.; dhvaja Feldzeichen ist m., es erscheint ein-
mal ım Epos als n.; nida Nest finde ich in der älteren
Sprache als m. (in RV. und AV. lassen die Formen keine Ent-
scheidung zu), im Epos erscheint n.; rand Kampf ist m., das
n. aus dem Epos belegt; vdyra Donnerkeil findet sich ın
der älteren Sprache nur als m., also gehört das n., was Böht-
lingk-Roth auch angeben, wohl der späteren Sprache an. Ebenso
steht es mit $Salyd Spitze des Pfeiles, und nı$ka Halsschmuck.
— Folgende Wörter erscheinen älter als n., jünger als m.:
tirth@ Badeplatz ist m. nur ausnahmsweise im Epos; mdla
Schmutz ist in der späteren Sprache auch m.; ebenso yutha
Heerde; räsfra Reich ist einmal ım Mhbh. als m. belegt;
$rrga Horn ist später einmal als m. belegt. Hierzu kommt
noch eine Anzahl von Wörtern der älteren Sprache (aus accen-
tuierten Texten), welche nach Böhtlingk-Roth zweigeschlechtig
sind, ohne dass ıch ermitteln kann, auf welche Stellen der
Literatur diese Behauptung gegründet ist. Es sind die fol-
genden: ödand Mus, kgsd Messing, kdkuda Gipfel, kanda und
kändd Abschnitt, Stück, gılma Strauch, gömäaya Kuhmist, cafala
Knauf des Opferpfeilers, pärd jenseitiges Ufer, pär&vs Rippen-
gegend, piccha Schwanz, mändala Scheibe, muüsala Mörser-
kolben, yuga Joch (vgl. Cuyos und Luyov), $Sakala Span, Süla
Bratspiess. Zu diesen aus älterer Zeit belegten Wörtern füge
ich ein Verzeichnis jüngerer, welche nach Böhtlingk - Roth
ebenfalls m. und n. sind (es dürften darunter manche Fremd-
wörter sein): äßrama Einsiedelei, Aapata Betrug, kamalu Blüthe
von Nelumbium, Aagäya ausgekochter Saft, Aantara Wildnis,
kar$apana eine bestimmte Münze, kutapa Decke von Ziegenhaar,
$37—38.) Kap.Il. II. Zur Erklärung der Doppelgeschlechtigkeit. 131
ln
küta Haufe, Arakaca Säge, khanda Stück, gändiva Arjuna’s
Bogen, candana Sandelbaum, Sandelholz, carana Fuss, curna
Mehl, fömara Spiess, döha Körper (n. nur einmal belegt), pa-
taha Trommel (n. ausnahmsweise), padma die am Abend sich
schliessende Blüthe von Nelumbium, pallava Spross, pifaka Korb,
puta Tasche, bimda Scheibe der Sonne oder des Mondes, bAu-
jana Schmuck (m. ausnahmsweise), mastaka Kopf, mäna Mei-
nung, Ansehen (n. ausnahmsweise ın der letzten Bedeutung),
mödaka kleines rundes Konfekt, yü$a Fleischbrühe, vapra Auf-
wurf von Erde, valaya Armband, valkala Bast, vitana Aus-
breitung, vımana Wagen der Götter, vrara Wunde (n. aus-
nahmsweise), $akafa Wagen (m. selten‘, $aräva flache irdene
Schüssel, $ikhara Bergspitze, saraka Napf, säindhava Steinsalz,
hala Pflug.
Ebenso giebt es im Lateinischen eine Reihe von Wör-
tern (vgl. Neue 12, 125), welche neben dem neutralen auch
das männliche Geschlecht haben, z. B. steht neben gevum auch
aevus, neben baculum baculus, neben caelum caelus, neben cal-
lum callus, neben collum collus, neben dorsum dorsus. Anderer-
seits steht neben caseus auch caseum, neben clipeus auch clı-
peum, neben balteus auch balteum. Manchmal weiss man nicht
sicher, welches Geschlecht man als das herrschende bezeichnen
soll, so bei fmus. Dass das herrschende Geschlecht auch das
ältere sei, lässt sich natürlich nicht behaupten.
638. Zur Erklärung. Für die Erklärung der Thatsache,
dass manche Wörter mehrfaches Geschlecht haben, ist ein Ge-
sichtspunkt von Wichtigkeit, den J. Schmidt in seinem öfter
angeführten Buche hervorgehoben hat. Es kann sehr wohl
sein, dass ein Wort von Anfang an im Singular maskulinisch,
ım Plural aber neutral war, und dass dann, als die Bedeutungs-
verschiedenheit, die sich in der Verschiedenheit des Geschlechts
ausdrückt, dem Sprachgefühl abhanden gekommen war, das
Neutrum von dem Plural auch auf den Singular überging und
schliesslich auch das Maskulinum in den Plural rückte. Eine
andere Quelle der Vielgeschlechtigkeit liegt in der Thatsache,
dass die Wörter vielfach (oft aus uns unbekannten Gründen)
9%
132 Kap. I. II Zusammenfassendes über das Genus. [$ 38.
ihr Geschlecht verändern. Solchen Wörtern kann es zustossen,
dass sie neben dem neuen auch ıhr altes Geschlecht behalten,
was namentlich dann geschehen wird, wenn durch die Ent-
wickelung der Bedeutung aus einem Worte sozusagen zwei
Wörter werden. Einen unendlichen Stoff bietet uns für alle
diese Fragen das Deutsche, wobei noch zu erwägen ist, dass
die Schriftsprache durch Entlehnung aus den Dialekten Mehr-
geschlechtigkeit herbeiführen kann, die sich in Norddeutsch-
land an Wörtern wie Sand, Lohn u. a. beobachten lässt. Wer
einmal von der Vertheilung selbständig gewordener Bedeutungen
auf verschiedene Formen handeln wird, wird diese Erschei-
nungen zu berücksichtigen haben.
Zusammenfassung (vgl. Paul, Prinzipien?, 219ff.):
Wir haben in diesem Kapitel gefunden, dass Bedeutungs-
gruppen sich für die Urzeit kaum aufstellen lassen. An Form-
gruppen waren sicher vorhanden die Feminina auf @ und 3e,
und die Maskulina und Neutra auf o. Hinsichtlich der übrigen
Stämme schien uns wahrscheinlich, dass sie einst nur den Unter-
schied zwischen ‘geschlechtig’? und ‘ungeschlechtig’ gekannt
haben. Doch war auf viele der dahin gehörigen Wörter schon
in der Ursprache die Unterscheidung zwischen “männlich’ und
‘weiblich’ übertragen worden. An diesem in die Einzelsprachen
überlieferten Zustande nun ist im Laufe der Zeit mancherlei
verändert worden. Viele Wörter haben ihre Bedeutung ver-
ändert, insbesondere konkretisiert (ein Vorgang, wie wir ihn
z. B. bei dem deutschen die Wache empfinden) und danach
auch ihr Geschlecht. Das ist ın grossem Massstabe z. B. bei
den feminischen #-Stämmen geschehen. Sodann lässt sich be-
obachten, dass ein Wort ein anderes, das mit ihm irgendwie
innerlich assozuert ıst, anzieht und ıhm sein Geschlecht mit-
theilt (wie wenn wir z. B. die demi monde sagen nach die Welt).
Derartiges ist uns oben z. B. begegnet bei oluoc, das sich nach 684%;
gerichtet hat ($ 23), bei dies das von nor, bei prthivi das von
dyäus sein Geschlecht empfangen hat ($. 122). So können
sich gewisse Bedeutungsgruppen ausbilden, welche einheitliches
$36—39.] Kap. II. Die Numeri des Substantivums. 1. Der Dualis. 133
Geschlecht zeigen. Auf diese Weise können, wie man sieht,
überlieferte Formgruppen gelockert und gesprengt werden.
Am wirksamsten sind diese umgestaltenden Kräfte natürlich
in denjenigen Sprachen geworden, in welchen, wie im Germa-
nischen, dıe alten Kasusausgänge, die Träger der Geschlechts-
empfindung, am meisten zerstört worden sind. Doch haben
sich andererseits gerade auch in solchen Sprachen wieder neue
Formgruppen gebildet, wie denn z. B. im neueren Deutsch die
Feminina mit dem Ausgang e manche alte Maskulina in ihren
Kreis gezogen haben (vgl. Brugmann, KZ. 24, 47), worauf an
dieser Stelle nicht näher einzugehen ist. Bei manchen Wör-
tern war, wie wir $ 32 ff. gesehen haben, vermuthlich das
Geschlecht nach den Numeri verschieden. Infolge der ın
solchen Wörtern eintretenden Ausgleichung, und namentlich
auch infolge des Geschlechtswechsels hat sich bei einer Reihe
von Wörtern der Zustand der Mehrgeschlechtigkeit eingestellt,
zu dessen Erklärung $ 38 einige Andeutungen gegeben wor-
den sind.
Kapitel U, Die Numeri des Substantivums.
I.
Der Dusalis.
$32. Allgemeines. Der Dual wird gebraucht, um die
Einheit zweier durch Natur oder Geschichte zusammengehöriger
Wesen zu bezeichnen, also da wo wir unser beide anwenden
können, z. B. dsau "uw die beiden Schultern, alvau Inzw
die beiden Pferde, welche als Wagengespann zusammengehören,
ascinau die beiden als ein Paar gedachten Götter, zw dew.
In einem Gegensatz dazu steht die Zahl zwei, welche aus
der mit eins beginnenden Zahlenreihe herausgehoben wird.
Es lässt sich also auf das Indogermanische anwenden, was
G. Hermann mit bezug auf das Griechische so formuliert hat:
solo duali non addito öuw non uti Graecos nisi quum ipsa
rei ratio dualem quodammodo poscat ut in ösos, yelpe, Innw
134 Kap. II. I. Allgemeines über den Dual. [$ 39.
vocabulis; atque {rzw quidem sine övw esse equorum par, currui
adjunctum, duos vero equos a grege quodam libere vagantes
esse övo {rnw. [Man möchte unter diesen Umständen für wahr-
scheinlich halten, dass zwei ursprünglich mit dem Plural ver-
bunden worden sei. Doch finde ich dafür in der Überlieferung
keinen Anhalt.!) Es ist ja auch natürlich, dass sich neben zwei
früh der Dual einstellte, weil die zu der dualischen Einheit
verbundenen Dinge eben der Zahl nach zwei sind). Man kann
diesen Dual als den natürlichen oder primären bezeichnen.
Eine zweite Gruppe bilden die sekundären Duale, nämlich
diejenigen, welche erst möglich werden, nachdem bereits ein
Dual oder eine Zweizahl ın der Rede vorgekommen sind. Dahın
gehört der anaphorische Dual, welcher in einem zweiten Satze
den Dual oder dıe Zweizahl eines ersten Satzes aufnimmt, wo-
für $ 43 Beispiele bringt. Ebenso der Dual eines im Bilde
gebrauchten Wortes, das sich an ein in demselben Satze stehen-
des Substantivum anlehnt, z. B. piinar y& cakrüh pilära yıvana
sana yüpeva jJarana Sayana welche (Plur.) ihre beiden Eltern
wieder jung gemacht haben, welche dalagen wie zwet alte ver-
morschte Pfosten RV. 4, 33, 3. Hier steht ydpz im Dual, weil
pitärä im Dual steht, und die Übersetzung durch zwei in die-
sem Falle kann also nicht als Gegengrund gegen die Beob-
achtung angeführt werden, dass der natürliche Dual dann ge-
braucht wird, wenn wir das Wort beide anwenden.
Ein besonderer Fall, der mir im Sanskrit bisweilen be-
gegnet ist, ist der, dass zu einem Dualis zwei verschiedene
Adjektiva im Singular treten, z. B. sdc cäsac ca vdcasi paspr-
dhäte die wahre und die unwahre Rede stritten mit einander
RV.7, 104, 12; Syavi carusi ca svdsarau die dunkle und die
rote Schwester 3, 55, 11; ed u striyau kalyantm cätikalyanım ca
da fand er eine schöne und eine überschöne Frau SB. 11, 6,
1, 7. Wie man sieht, steht hier der blosse Dual, weil die
Zweiheit durch die Adjektive als eine bekannte bezeichnet wird:
1) Natürlich kann der homerische Gebrauch dafür nicht angeführt
werden, da er aus einer Zeit stammt, in welcher der Dual schon in der
Auflösung begriffen war.
5 39—40.! Kap. Il. I. Der natürliche Dual. 135
eine schöne und eine überschöne, diese beiden. Fallen die
Adjektiva weg, so steht dov2 striyau, so in derselben Erzählung
aus JB. bei Oertel ım Journal of the Am. Or. Soc. 15, 235.
Doch bedarf dieser Typus noch näherer Untersuchung.
Da der Dualis nur in den arischen Sprachen, dem home-
rischen und attischen Griechisch, dem Altkırchenslavischen
unversehrt oder fast unversehrt erhalten ist, so berücksichtige
ich auch fast nur diese Sprachen. Zuerst behandle ich im fol-
genden den natürlichen Dual mit seiner Unterart, dem ellip-
tischen, sodann zwes und beide mit dem Dual (wobei auch
Beispiele des anaphorischen Duals angeführt werden), darauf
die Dualia tantum, und endlich wird noch einiges über den
Dual in einzelnen Sprachen (Avestisch, Griechisch, Litauisch,
Slavisch|) beigebracht.
$40. Der natürliche Dual (vgl. SF. 5, 96 ff., Wacker-
nagel, Philologischer Anzeiger 1885 Nr. 4 S. 189 ff.) Ich führe
einige Belege an, und zwar 1) Namen von Gliedmassen: ai.
akfi die (beiden) Augen (av. asidya mit den Augen), cak$ufi dass.,
bhrivau die Brauen (av. broadbyqm), nasös in den beiden Nasen-
löchern, nas® die Nase, nasıka das Nasenloch, näsike die Nase (av.
näghäbya mit den beiden Nasenlöchern), Aanü die Kinnbacken,
karnau die Ohren (av. gaoda die Ohren), $iprö und ögthau die
Lippen, dg$fräu die beiden Fangzähne, $rage und vifanz die
Hörner, gsau die Schultern, bahu die Arme (av. dazubya mit den
Armen), dö$dni und kardsnau die Vorderarme, aratni die Ellen-
bogen, hästäu die Hände (av. zasta), pani und gäbhasti dass.,
mujfi die Fäuste, pärSvau die beiden Seiten, $rön: die Hüften,
kasaplakau die Hinterbacken, Zr& und sakthyau die Schenkel,
asthivantau die Kniescheiben, Jänuni die Kniee, kulphau die
Knöchel, padäu die Füsse (av. päda) pär$ni die Fersen (av.
pasna) Saphau die Hufe, pakjau die Flügel, mugkau die Hoden
(aber auch die weibliche Scham), 5Aedau die weibliche Scham,
mätasnau ein bestimmtes Eingeweide der Brusthöhle, Auk$i der
Bauch. Ebenso im Grieehischen, wo freilich der Plural
häufig an die Stelle des Duals getreten ıst; so bei Homer:
össe (vgl. aAft) und dpdaipw, Biesapw (in BAepapoıv), apw (vgl.
136 Kap. II. I. Der natürliche Dual. [$ 40.
dsäu), rryse (vgl. baht), yeipe (auch attisch), yurpw, rööe (in
roßotıv). Ebenso im Altkirchenslavischen, wofür ich
einige Belege aus dem Codex Marianus anführe: ı t& vüzvedü
064 svoJi xal autos Enapas Toü; Opdarnou; auto Luk. 6, 20;
imejei usi slysati da slysitu 9 8! Eywv wra Axovsıy dxoudro
Luk. 8,8; süsica jaZe jesi süsalü wastor ous &dmAacas Luk.11,27;
vüzlagaatüu na rame svoji Enırldnow Em tous wuous dautod
Luk. 15, 5; i vuzloii na nyq race xal Eredrxev aury, Tas yeipas
Luk. 13, 13; pripade kü kolenoma rposenesse Tols yövaoı
Luk. 5, 8; jako podünozije jestu nogama jego dtı LronddLdv
&stı twv roöwv aurod Matth. 5, 35.
2) Paarıge Geräthe Aus dem Altindischen führe ich
an: dhurijäu die Scheere (bei uns also als Einheit vorgestellt)
dvarau die beiden Thürflügel, die Thür, cakrö die beiden Rä-
der RV. 10, 85, 11 (mit dve wobei &kam der Gegensatz ist
16), antarau ra$mi die beiden inneren Stränge (AB), artni die
beiden Bogenenden, barsau die beiden Zipfel, und mancherlei
Opfergeräthe, z. B. adri dıe beiden Presssteine, aranı die beiden
Reibhölzer zur Erzeugung des Feuers, sröcau die beiden Löffel,
havirdhane die beiden Somawagen. Aus dem Avesta habe
ich nur karana die beiden Enden notiert, womit sich ai. dntau
vergleichen lässt. Aus dem homerischen Griechisch gehört
öoöpe hierher, welches zwar gewöhnlich mit öv0 verbunden
wird, aber doch auch so vorkommt, dass man übersetzen muss:
die beiden zu einer vollständigen Ausrüstung gehörigen Speere,
(dusero Teuysa xaAd repl ypot, y&vro 8& Soüpe N. 241, vgl. Il 139);
aus dem Attischen z. B. xoddpvw, Evpötlw (in oreoayı; Evpötw
Oppos Lrrodspts ein Kopfband, die beiden (zu einer weiblichen
Toilette gehörigen) Ohrringe, eine Kette, ein Halsband, vgl.
Wackernagel a. a. O. 199). Mit dem attischen xod6pvw ver-
gleicht sich das altkirchenslavische sapoga die Schuhe,
z. B. remenü sapogü Jjego tov Inavra Tuv DROÖNATWV MUTOD
Joh. 1, 2, 7.
3) Paare zusammengehöriger Wesen. Dahin rechne ich
zunächst die Paare von Zugthieren, z. B. ai. d$va die beiden
Pferde, hom. !rxw, ai. atya die beiden Renner, Aari die beiden
$40—41.) Kap. II. I. Der elliptische Dual. 137
Falben des Indra, gavau und anadvahäu die beiden Zugochsen,
homerisch ßde, ai. $vanau die beiden Hunde des Yama. So-
dann zusammengehörige Personen wie ai. a$vinau das bekannte
Götterpaar, äditya die beiden A., nämlich Mitra und Varuna,
av. mainyü die beiden Geister (der gute und der böse), attisch
ta Bew, totv Beotv (Demeter und Persephone), totv avaxoıy (dem
Dioskuren, vgl. tw ow), toiv Nixaıv den zwei auf der Burg
befindlichen Nikestatuen. Von menschlichen Wesen erwähne
ich to tapia die beiden Schatzmeister der Demeter und Per-
sephone, ebenso raldorw in der alten Inschrift orpa ode Kurwv
zalöoıv Enddrxev Bavdvroıv, was Wackernagel 201 offenbar rich-
tig deutet als ‘seinen beiden einzigen Söhnen’. Nur aus den
arschen Sprachen ist der viel variierte Ausdruck “die beiden
Welten’ belegt, so ai. rödası, A$oni, rdjası, av. ahu u. ähnl.
$41. Der elliptische Dual (Wackernagel KZ. 23, 303,
SF. 5, 98, Reuter KZ. 31, 176 fl). Wenn man die Vorstel-
lung zweier gepaarter Dinge erwecken wollte, konnte man
sich in alter Zeit damit begnügen, das führende Wort in den
Dual zu setzen. So heisst im Altindischen mitra Mitra und
Varuna, wsasa Morgen und Nacht, dhani Tag und Nacht,
dyaca Himmel und Erde, adhvaryü der Adhvaryu und der
Pratiprasthätar (zwei Priester, von denen der zweite der Ge-
hilfe des ersten ist) aulukhalau Mörser und Stössel (ulükhala
und mtsala), dr$adau der obere und der untere Mühlsteın
(drsad und üpalä). Eine Umkehr, so dass man etwa Varuna,
die Nacht, die Erde u. s. w. allein setzte, ist nicht möglich.
Nur die Eltern können sowohl als pildrau wie als mälarau
bezeiehnet werden. Aus dem Avestischen ist dieser Ge-
brauch nicht nachgewiesen (ob mit Bartholomae, BB. 9, 301
tafnı als ein solcher anzusehen sei, kann ich nicht beurtheilen),
Im Griechischen gehört dahin Kastope, wenn es nachweis-
bar ist, und Atavre Ajax und Teukros, wenn Wackernagel Recht
hat (SF. 4, 19), im Lateinischen die pluralisierten Duale
Castores, Cereres (Ceres und Persephone). Das Germanische
liefert das altnordische plurale tantum fedgar Vater und Sohn
und das danach gebildete m&dgur Mutter und Tochter. Fedgar
138 Kap.Il. I. Der ellipt. Dual m. einem Ergänzungsdual im Ar. [$41—42.
ıst jedenfalls als Dualis in das Germanische überliefert wor-
den, wurde dann aber nach Verlust des Dualis pluralisiert
und damit undeutlich, und so erhielt es in Anlehnung an
Verwandtschaftsnamen, welche mit einem die Gemeinschaft
ausdrückenden Bildungselement versehen waren (wie z. B. got.
broprahans) sein Suffix (vgl. meine Ausführung in der Fest-
schrift für R. Roth). Eine vereinzelte Spur im Litauischen
glaubt Bezzenberger, z. Gesch. d. lit. Spr. 233 gefunden zu
haben.
$ 42. Derelliptische Dual mit einem Ergänzungs-
Dual im Arischen. Die besprochene Verwendung des Dualıs
findet sich auch in anderen Sprachkreisen, so im Arabischen (vgl.
F. Praetorius, Anzeige von M. Grünert, die Begriffs-Präpon-
deranz und die Duale a potiori im Altarabischen in Kuhn’s
Literaturblatt 3, 44 ff.), ist aber, wie wir gesehen haben, im
Indogermanischen nicht recht gediehen. In den arischen
Sprachen suchte man der ihr anhaftenden Undeutlichkeit ent-
gegenzuwirken, indem man dem Dualis des führenden Wortes
auch noch das zweite anfügte, und zwar, von dem Streben
nach Kongruenz geleitet, auch dieses im Dual, z. B. mitra
varuna. Ursprünglich waren die beiden Duale als zwei ge-
trennte Wörter empfunden, wie sie denn auch durch Wörter
oder ein Wort getrennt sein können, und zwar nicht bloss durch
enklitische wie nas, ha, ca (RV. 1, 61, 14, wodurch beide Duale
an etwas Vorhergehendes angeschlossen werden), cıd asmat,
nü (welches vielleicht einmal enklitisch gewesen ist), oder das
Verbum, welches, wenn nicht ein Vokatıv vor ihm steht, en-
klitisch ist (rejete, rakgatam), sondern auch hochbetonte Wörter,
80: yds, y6 vam, ha yds, ydm agnim, ca yani, kds, ko vam,
yuvdm, nö adyd, yajhäih, väjaya, hötraya, barhih sadatam
u.s. w. Besonders weit sind sie getrennt in dem Satze: dd u
tyac cakgur mähi mitrayor ah Eli priydm varunayor ddabdham
herauf heran kommt das grosse liebe Auge des Mitra und
Varuna, das unverwüstliche RV. 6, 51, 1. Vereinzelt kommt
auch vor, dass dem Dual des einen Wortes der Singular des
anderen angefügt wird: mitra tana nd rathya vdrund yas ca
$42—43.] Kap. II. I. Zeei und beide bei dem Dusalis. 139
sukratuh 8, 25, 2 (wobei ich die Worte tdna na rathyu nicht
sicher zu übersetzen weiss). Allmählich indessen sind die beiden
Duale immer mehr zusammengewachsen. In unseren Texten
werden sie, wenn sie unmittelbar neben einander stehen, in
eins geschrieben; die nächste Stufe ist, dass das so entstandene
Wort nur einen Accent erhält, (so steht z. B. indrapu$nös neben
indrapusana), und schliesslich kann der erste Bestandtheil auch
in der Stammform auftreten (wie bei Reuter genauer dargelegt
ist. Im Avesta werden die beiden Duale getrennt geschrieben,
aber nach Bartholomae, BB. 10, 268 nie durch ein anderes Wort
als durch ca getrennt, welches übrigens wie im Veda das
Dualpaar nicht unter sich, sondern mit etwas Drittem ver-
knüpft. Beispiele sind: mipra ahura z.B. von yazamatde “wir
verehren’ abhängig yt. 10, 145, mit dem singularischen Verbum
verbunden ebenda 113: tada no Jamyap avainhe mibra ahura
berezanta dann sollen uns zu Hülfe kommen Mitra und Ahura,
die beiden hohen; axtare agprya agprapaiti zwischen Schüler
und Lehrer, yt. 10, 116; pasu vira “Menschen und Vieh’ geht
auf einen kollektiven Singular zurück. Beispiele sind: nor
me ärhätem (überliefert ist dnhäptem) pasvira würden mir nicht
gehören Menschen und Vieh yt 13, 12; braprai pasvä virayä
zur Erhaltung von Mensch und Vieh, yt. 13, 10; zsvida äzui
Milch und Fett; apa urvaıre Wasser und Pflanzen; ulayut:
tevisi Stärke und Kraft; Aaurvaia ameretäta Heil und Unsterb-
lichkeit ?).
$43. Zwei und beide bei dem Dualis. SF. 5, 99 habe
ich gezeigt, dass durch ai. doau die Zweizahl aus der Zahlen-
reihe hervorgehoben wird, z. B. @ dvabhyam häribhyam indra
yahy a catürbhih komnı mit zwei Falben, o Indra, mit vieren
1) Es giebt noch eine Anzahl von elliptischen Dualen, welche ich oben
absichtlich übergangen habe, weil sie Wörter zur Grundlage haben, welche
lediglich durch das Suffix verschieden sind. Dahin gehören ai. ddmpati
Hausherr und Hausfrau, ferner nach Pänini, 1, 2, 65ff. drähınanau Brahmane
und Brahmanin, bhrätaräu Bruder und Schwester, $vafurau Schwiegervater
und Schwiegermutter. Ihnen entsprechen die pluralisierten gr. deorörar,
lat. fratresu. ähnl., lit. tevai die Eltern zu t&vas Vater, vgl. $ 54 (elliptischer
Plural).
140 Kap. II, I. Zwei und beide bei dem Dunlis. [$ 43.
RV. 2, 18, 4; jyejthüa üha camasa dva kareti kaniyan trin
krnavamety aha der älteste sagte: mach zwei Schalen, der
jüngere sagte: wir wollen drei machen 4, 33, 5; 26 dve vasu-
mati samici indra a papräu prihivim uld dyam er der eine
Indra erfüllt zwei reiche zusammengehörige Wesen, nämlich
die Erde und auch den Himmel 3, 30, 11. Auch ist bereits
ebenda S. 100 hervorgehoben worden, dass bisweilen die Lage
so ist, dass man sowohl beide als zwei gebrauchen könnte. So
redet man z. B. von den beiden Schlachtreihen (Arandasi, sene,
‚Jänäu), kann aber natürlich auch von ‘zwei’ Heeren reden, die
zusammentreffen. Auch über einige Stellen, welche Ausnahmen
bilden oder zu bilden scheinen, ist daselbst gesprochen. Durch
ubhau dagegen wird die Zusammengehörigkeit der beiden im
Dual ausgedrückten Dinge betont, so heisst z. B. ubhabhyam
panibhyam AB. 8, 6, 2 mit beiden Händen (pambhyam mit
beiden Händen); ubAau samudrav a kföli yaß ca pürva uta-
parah er bewohnt die beiden Meere, das östliche und das west-
liche RV. 10, 136, 5. Darum steht denn ubhäu auch in einem
zweiten Satze, eine Zweiheit des ersten Satzes aufnehmend,
2. B. hantıi rak$6 hanty äsad vadantam ubhav indrasya prasilau
$ayäte er schlägt den Unhold, schlägt den unwahr redenden,
beide sind dem Indra verfallen RV. 7, 104, 13. Ebenso bei
Homer, z. B. öeöre ööw por Eresdov geht mit mir, zwei an der
Zahl X 450, vw 8 oloroıv bo waoyava nal Öuo doüpe xaAlı-
nesıv al Sord Podypıa yepalv Eesdar n 295; 5 od bo Y Avöpe
Feporev oloı vöv Bporot eis‘ 5 dE yıv bea nalle xal olo;s E 303;
tu 8 Apmpis ppoveovre bw Kpdvou vis xparaım Avöpasıy Apwessıv
Ersöyerov Akyca Auypa Zeds .. Tlosstsawv N 345. Natürlich wer-
den oft, wie in dem letztangeführten Beispiel, zwei von meh-
reren Söhnen eines Mannes als ö40 ratös bezeichnet, so 2. B.
in den Worten des Priamos do raide Auxdova xat TloAdöwpov
X 46. In anderen Fällen (z. B. B 732) bin ich zweifelhaft, ob
nicht einzige Söhne gemeint sind, und sehe nicht recht ein,
warum die Zweizahl besonders hervorgehoben wird; so in
Arpeida, das öfter ööw neben sich hat. Warum neben Atavre
oft Atavre bw oder 60 Alavres vorkommt, wäre noch festzu-
$ 43.) Kap. I. I Zwei und beide bei dem Dualis. 141
stellen. Natürlich kommen auch bei Homer Lagen vor, in denen
man zwes oder beide sagen kann. So sind öoöpe die beiden
zu einer Ausrüstung gehörigen Speere, ö60 doüpe aber zwei
Speere, welche jemand aus der Zahl der ihm gehörigen in
den Kampf mitnimmt, was dann sachlich auf dasselbe heraus-
kommt. Wenn Hephaistos 9 312 sagt dtap oO Ti por aittos
allos, alla toxze öbw, so braucht er ööw, weil er die zwei Per-
sonen im (Giegensatz gegen die unzähligen anderen denkt.
Hätte die Zusammengehörigkeit der beiden unter einander
hervorgehoben werden sollen, so würde aupw gesetzt worden
sein. Wie schon S. 134 bemerkt wurde, kann etwas mit ö4w
eingeführt und mit dem blossen Dual darauf zurückgekommen
werden, z. B. 75 pa bw telanwve nepl arndeocı terasdrv, tw ot
pusdadı,y Tepeva ypoa = 402, vgl. 2579 und sonst. Ayupw wird
wie ubhau gebraucht, z. B. ri; 82 dbw yevoneoda, od d dupw
Geporounasisg D 89; Atlas xal ahpuxe öbw renvundvw Appw 1 689.
Der Unterschied zwischen einem in der Anaphora stehenden
ööo (was später wohl stets den Artikel haben müsste) und apcw
ergiebt sich aus einem Satze wie: \lrpıovns 5 dvasıpe Sbw ypu-
ooto ralayra die vorher erwähnten, als Preis ausgesetzten W 614
(duo hiesse: beide, nicht etwa eines derselben). Dem alt-
indischen und griechischen Gebrauch entspricht genau der alt-
kirchenslavische, z. B. ne imamü side veäte peti hlebü i rybu
duvoju obx atolv Apiv nAetov 7) nevre Apror xat 860 tXdües Luk. 9,13;
clovekü jedinü ime düva syna dvdpwrös Tıs elye 800 vlods Luk. 15, 11
(gleich darauf anaphorisch: miniys synu jeju der jüngere dieser
beiden Söhne 12); ebenso düva slepica zwei Blinde, dann nach-
dem sie hierdurch eingeführt sind slepica die beiden Blinden
Matth. 9,27; posla düva ucenika Areoterle dbo nadınras Matth. 21, 1
(darauf 6 vcenika die beiden Jünger). Luk. 7, 19 heisst es:
prizüvavu duva jetera otü ucenikü posüla rposxalssapevos Jo
was Ersubev, darauf: prisidüsa Ze kü njemu maZa rekosta rapa-
yevopevor 68 npüs aörov ol Avöpes elnov. Ebenso werden die
Schiffe des Petrus und seiner Genossen eingeführt mit düva:
i videvü düva korabica stojesta xal eide Suo rAota &orara Luk. 5, 2,
dann heisst es oSidüse otü njeju Arodavres An adrav und gleich
[$ 43—44.
142 Kap. II. I. Dualia tantum.
darauf jJedinü otu korabiczu Ev twy rlotov. Und so an sehr
vielen Stellen. — Obda übersetzt dugötepos des griechischen
neuen Testaments, z. B. wird erzählt, dass die Schiffer auf dem
einen Schiffe auch die auf dem anderen herzuriefen, um die
Masse der gefangenen Fische zu bergen, und dann heisst es:
i pridose sv isplünise oba korablja xal Hidov xal Erircav Aucorepa
ta nlota Luk. 5, 7. Nachdem Zacharias und sein Weib ge-
nannt sind, heisst es beasete zE oba pravidüna Taav 52 Ölxaroı
ayumotepoı Luk. 1,6. Sodann steht oda für oi öbo u. s. w., z.B.
Ioanü i otü ucenikü jego düva 6 "lwavıns xal dx av nadırrav
aötoö öbo Joh. 1, 35, und gleich darauf: i söysaste i oba ucenika
glagoljasti xal Nxovoav aüurod ol 8V0 nadrral Auloüvros 37; 3 pojemu
Petra i oba syna Zebedeova xal napaladwv tüv Il&rpov xat tous
600 vlous Zeßeöalou Matth. 26, 37. Bezeichnend für diesen Ge-
brauch ist, dass man statt düva na desete “zwölf” oba na desete
sagt, wenn von den bekannten zwölf, nämlich den Aposteln,
die Rede ist, z. B. Luk. 9, 1.
$44. Dualıa tantum. Einige der angeführten Duale
haben keine anderen Numeri neben sich, z. B. ai. a$rina die
beiden Götter, welche stets als ein Paar vorgestellt werden.
Indogermanische Bezeichnungen für die Begriffe Eltern und
Eheleute (bei denen wir den Dual erwarten würden) sind, wie
ıch in meinen Verwandtschaftsnamen S. 74 und 61 gezeigt habe,
nicht vorhanden gewesen; dagegen könnten die Plurale der
Einzelsprachen, wie z.B. lat. parentes, ahd. kiwun wohl auf ältere
einzelsprachliche Duale zurückgehen. Eine andere Gruppe
bilden Wörter für Dinge, die den ältesten Zeiten als etwas Ge-
doppeltes erschienen, während in jüngeren Perioden der Ein-
druck der Einheit überwog. Dahin gehört das Wort für ‘Nase’,
welches im älteren Indisch nur Dual ist, später auch Sıng.,
und dessen germanische Form vielleicht noch (wie Kluge meint,
vgl. Brugmann 2, 642) im ags. nosu einen Rest des alten Dual
zeigt. Ferner Wörter wie ai. Auift Bauch (eig. die beiden
Bauchhöhlen), woneben aber im AV. auch der Sing. auftritt;
bhedau weibliche Scham ($&p6 römanvantäu bhedau var in
mandüka ichati das männliche Glied sucht die haarige Scham,
$ 4445.) Kap. U. I. Dualis in den Einzelsprachen. 143
der Frosch das Wasser RV. 9, 112,4), ebenso muskäu, das eigent-
lich ‘die beiden Mäuschen, Muskeln’ bedeuten soll, und sowohl
für die beiden Hoden, als für die weibliche Scham gebraucht
wird; bhurijau Scheere.
$& 45. Bemerkungen über den Dualis in einzelnen
Sprachen, und Schluss. Avestisch. Nach Spiegel, Gr. 404,
Geldner, Studien 151, kann der Dual von srva Nagel gesetzt
werden, wenn die Nägel an beiden Händen gemeint sind.
Danach sind also die Nägel jeder Hand zu je einer Einheit
zusammengefasst. Auch der Dual von argusta Zehe soll ebenso
gebraucht sein. W. Ohler ın seinem nützlichen Programm über
den Gebrauch des Duals bei Homer {Mainz 1884) führt S. 24
einen Fall an, der ihm ähnlich zu liegen scheint, nämlich
“00m GE xpıvdivte öbw xal nevrmxovra Brtnv D 48, wozu er be-
merkt: “Diese 52 Jünglinge bildeten nachher als Ruderer zwei
Reihen, wodurch also der Begriff ‘Paar’ wieder nahe liegt,
nämlich 26 Paare, so dass wohl mit Rücksicht hierauf der Dichter
den Dual anwandte.” Indessen diese Anschauung ist nicht die
richtige, der Dual hängt vielmehr von dem führenden Zahl-
worte ‘zwei’ ab, wie im Aksl., wo bei düva na desete ‘zwölf’
das zugehörige Substantivum ım Dual steht, z. B. düva na
desele koa zwölf Körbe Joh. 6, 13.
Griechisch. Bei Homer ist der Dual bereits stark im
Schwinden. So wird z. B. das Wort für Eltern bis auf eine
Stelle stets ım Plural gebraucht; paarweis auftretende Glieder
erscheinen in beiden Numeri (yeipes, mit Beziehung auf eine
Person gesagt, häufiger als yeipe, oudaApol, dupara, wpoı U. 8. W.),
wofür ein charakteristisches Beispiel ist: xa{l $ anopöpkaro yepal
zapsıas awvro&v te 0 200. Zwei Duale, in dieser Art verbunden,
kommen nach Ohler nicht vor. Oft macht es uns den Ein-
druck, als ob das Versmass den Ausschlag für die Wahl des
Numerus gegeben habe, z. B. fxa 8 &yw xadunepde nodas xal
xiipe pepesdar n 442. Bei Aupw und Apgyorepos, wo man am
sichersten den Dual erwarten sollte, stehen beide Numeri gleich-
mässig; ebenso bei öuw. Vermuthlich erklärt sich dieser Zustand
aus den Schicksalen des homerischen Epos.
144 Kap. I. TI. Dualis in den Einzelsprachen. [$ 45.
Litauisch. Im preussischen Litauisch ist der Dual stark
ım Schwinden, ın andern Dialekten besser erhalten. Da ich
mit diesen Verhältnissen aus eigener Kenntnis nicht näher ver-
traut bin, begnüge ich mich, die folgenden Worte Brückner’s
(aus Jagie’s Archiv 3, 263) anzuführen: Für die heutige Sprache
ist der Thatbestand der, dass ‘der Dual in den meisten Gegenden
Litauens im Verschwinden begriffen ist; indes auch da, wo er
noch besteht, kann man für den Dual immer auch den Plural
setzen’ |Kurschat $ 1299); schon unsere ältere Überlieferung
bietet für dieses Übergreifen des Plurals einzelne Belege (Bezzen-
berger S. 233); der alte Gen. und Lok. Dualis sind ganz ver-
loren gegangen. Interessant ist die Beobachtung, dass z. B. in
Wiekszny (Kurschat $ 609) das Femininum den Dual bereits
aufgegeben hat, das Maskulinum aber noch nicht; es heisst hier
dvi rufkas, dvi bainıjczas, aber noch du möstü. In manchen
Dialekten ist das Gefühl für den Dual so erloschen, dass sogar
nach dem Zahlworte für ‘zwei’ die Pluralformen gesetzt werden:
du vyrai, du pönai (für dd vyru, da ponü). Im Lettischen ist
heute der Dual ganz verschwunden (vgl. auch Leskien-Brug-
mann S. 297).
Slavisch (Miklosich 4, 40ff). Unter den lebenden slavischen
Sprachen haben das Neuslovenische, Ober- und Niedersorbische
den Dual nach Miklosich in annähernd derselben Ausdehnung
wie das Altkirchenslavische erhalten, während die übrigen
Sprachen das Gefühl für die grammatische Kategorie dieses
Numerus verloren haben, aber noch einige versteinerte Reste
besitzen. Unter diesen ist folgender von besonderem Interesse.
Nach dva und oda ist (insbesondere bei den o-Stämmen) die
alte Dualform erhalten und sie hat sich sogar auf die Ver-
bindung mit ‘drei’ und ‘vier’ ausgedehnt, z. B. serb. dva velika
hrasta zwei grosse Eichen, {ri und Cetiri sina, russ. dva, tri,
ceiyre celoveka u. s. w. Offenbar ist die Dualform auf a in
dieser Lage auch bei Substantiven erhalten geblieben, weil dva
und oda ebenfalls auf a ausgehen. Der Grund aber, weshalb
auch die Zahlen ‘drei’ und ‘vier’ mit ergriffen worden sind,
liegt darin, dass im Slavischen mit ‘vier ein Konstruktions-
$45.] Kap. U. IL Dualis im Polnischen. 145
gebiet abschliesst und mit ‘fünf’ ein neues beginnt.!) Ausser
dem Serbischen und Russischen will ich hier das Polnische
erwähnen, indem ich aus einer höchst lesenswerthen Abhand-
lung von Baudouin de Courtenay über einige Fälle der Wirkung
der Analogie in der polnischen Deklination in Kuhn und
Schleicher’s Beiträgen 6, 19 ff. einiges mittheile. In der früheren
polnischen Sprache — so führt B. von 63 an aus — war der
Dual im Gebrauche und seine Anwendung nimmt erst mit der
Zeit ab. Doch ist auch in den ältesten Denkmälern sein Ge-
brauch fast nur auf Namen der paarigen Körperglieder (meist
mit Pronomina possessiva) und auf die mit den Zahlwörtern
dwa zwei), oda (beide) u.a. verbundenen Substantiva beschränkt.
Von den Wörtern, welche paarige Glieder bedeuten, sind einige
Dualformen übrig geblieben, sie werden aber als Plurale em-
pfunden. ‘Die Form rece (Hände) kommt auch in der Schrift-.
sprache vor, aber sie ist jetzt Plural geworden, und von irgend
einer Mehrheit von Händen wird niemals reki, sondern nur
rece gebraucht; reAs existiert gar nicht als Nom. und Akk.
Plur.’2) (S. 70). “Die jetzt gebräuchlichen rekoma, uszyma, oczyma
and keine Duale mehr, es sind der Bedeutung nach lauter
Plurale, neben den eigentlichen Pluralformen rekami, uszamı,
oezami üblich’ ($. 74). Der Übergang dieser Formen von dua-
lscher zu pluralischer Bedeutung dürfte sich in Sätzen voll-
zogen haben, wie sie oben 8. 136 angeführt worden sind, z. B.
aksl. vilozite oy vü us vası slovesa si Beode üpeis eis Ta
wra day Tods Adyoug tourous Luk. 9, 44. Hinsichtlich der
it} Natürlich gerieth man bei diesen erstarrten Formen mit der Kon-
gruens in’s Gedränge. Für das Sprachgefühl verbinden sich die Formen
auf a mit dem gleichlautenden Genitiv des Singularis. Da nun aber doch
nieht von einem Singularis die Rede ist, so bleibt nichts übrig, als das
Adj. in den Plural zu setzen. Und so ergiebt sich als Kongruenzform der
Gen. plur., z. B. cdiychü tri goda drei ganze Jahre. Darüber wird in der
Lehre von der Kongruenz zu handeln sein. Hier habe ich die Sache nur
erwähnt, damit nicht die Kongruenzverhältnisse als Gegengrund gegen die
Auffassung als Dual geltend gemacht werden können.
2) Im Lok. Plur. dagegen wird die echt pluralische Form rekarh ge-
braucht. Sokam denn der dualische Gen. Lok.reku zum Singular. Man sagt
ı.B. na reku prawym, empfindet die Form also als maskulinisch. (S. 77.)
Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm. Sprachen. L 10
146 Kap. II. IL Singularis und Pluralis. [$ 45.
Verbindung von dwa und oda mit dem Dual sei bemerkt, dass
auch das Fem. und Neutr. vorkommt, letzteres z. B. in dwie _
$cte zweı hundert, im fünfzehnten und sechszehnten Jahrhun-
dert noch als zwei Wörter, jetzt als ein Wort gefühlt. Ebenso
dwie lecte zwei Jahre, das noch jetzt in der polnischen Volks-
sprache vorkommt, wonach denn auch Irzy lecie, etery lecie für
und neben irzy lata, ctery lata gebildet ist (S. 67; vgl. oben
das Russische).
Zum Schluss will ich noch mit einem Worte darauf hin-
weisen, wie es wohl gekommen ist, dass der Dual in einer
Reihe von Sprachen verloren ging. Aus der Urzeit waren Dual-
formen in Verbindung mit den Wörtern für zwei und beide
überliefert. Es ıst wohl klar, dass ın der ersteren dieser Ver-
bindungen der Dual leicht durch den Plural ersetzt wurde
(den er selbst vielleicht in der fernsten Urzeit erst verdrängt
hatte, s. oben S. 134), da der Numerus, der mit dre: und vier
verbunden wurde, sich naturgemäss auch bei zwei einstellte.
Aber auch der Dual neben beide war dem Verschwinden ausge-
setzt, da zum Ausdruck des dualischen Sinnes das Wort beide
genügen konnte. So ist es denn ganz natürlich, wenn, wie
es im Lateinischen geschehen ist, zwar der Dual im übrigen
verschwand, aber an den Wörtern duo und amdbo blieb. Was den
nicht mit zwes und beide verbundenen Dual betrifft, so führte
das Nebeneinanderstehen von Sätzen mit einem und mit meh-
reren Subjekten (z. B. er hebt, sie heben die Hünde empor) leicht
zu einer Vermischung der Numeri und damit zur Aufsaugung
des Duals. Über diese Verhältnisse wird bei der Lehre von der
Kongruenz gehandelt werden.
11.
Singularis und Pluralis.')
Es giebt eine Masse von Begriffen, welche bald singu-
larısch, bald pluralisch aufgefasst werden. Häufig zeigt sich
1) Über singularia und plurelia tantum und was dazu gehört ist noch
wenig gearbeitet. Einige allgemeine Gesichtspunkte bietet ein Aufsatz von
545—46.] Kap. II. II. Begriffe der Masse. 147
in einer und derselben Sprache die doppelte Auffassung. So
haben die Inder, indem sie entweder die beweglichen Wellen
oder das Element an sich vor Augen hatten, für “Wasser” so-
wohl das pluralische apas als das singularische udakdm. Sehr
oft gehen aber auch die Sprachen auseinander. So ist z. B.
das germanische Eiter singularisch, das litauische püliai aber
pluralisch (wie denn überhaupt das Litauische unter den hier
behandelten Sprachen die grösste Vorliebe für den pluralischen
Ausdruck haben dürfte). So gross aber auch die Mannigfal-
tigkeit ist, empfiehlt sich doch eine zusammenfassende Behand-
lung, weıl überall ungefähr dieselben Begriffsgruppen in Frage
kommen. Das freilich muss man zugestehen, dass unser Material
selten ausreicht, um mit einiger Sicherheit sagen zu können,
wie der Zustand in der Ursprache gewesen sein mag. Um
wenigstens das Wichtigste vorzuführen (denn auf eine er-
schöipfende Behandlung ist es nicht abgesehen), habe ich fol-
gende Gruppen aufgestellt:
1) Begriffe der Masse.
2) Körpertheile.
3) Geräthe und Lokalitäten.
4) Zeitabschnitte, Feste, Mahlzeiten.
5) Verschiedenes.
6) Abstrakta, welche ın die konkrete Bedeutung hinüber-
schwanken.
An diese Paragraphen, welche die Hauptmasse ausmachen,
schliessen sich einige Worte über singularia und pluralia tan-
tum, den Übergang vom Singular zum Plural und umgekehrt,
und endlich den elliptischen Plural an.
$46. Begriffe der Masse. Die als Masse auftretenden
Erscheinungen eignen sich im Grunde genommen gleich gut
für den singularischen wie für den pluralischen Ausdruck. Der
Tobler in Lazarus und Steinthal’s Ztschr. für Völkerpsychologie, 14, 410 ff.,
eine Darstellung des homerischen Gebrauchs Juhl, de numeri pluralis usu
homerieo, Halle 1879 (Diss.). Wünschenswerth sind vor allem monographische
Darstellungen der Erscheinungen auf dem baltisch-slavischen Gebiete, die
von mir nur in gehr dürftiger Weise berücksichtigt worden sind.
10*
148 Kap. I. II. Begriffe der Masse. [$ 46.
Singular stellt sich ein, wenn die Vorstellung des ununter-
brochenen Ganzen überwiegt, der Plural, wenn die Theile vor-
schweben, die man doch meistens mit grösserer oder geringerer
Deutlichkeit unterscheiden kann. So ist z. B. Schaum bei uns
sing., das gleichbedeutende aksl. peny aber plur., Fleisch sing., xp£a
aber plur. u.s. w. Dieser Unterschied in der Auffassung hat
sich aber im Laufe der Zeiten verwischt, so dass bei solchen
Wörtern zwischen Singular und Plural nur noch ein Unter-
schied der äusseren Form besteht. Es kann aber ein wirklicher
Unterschied herbeigeführt werden, wenn neben einem geläu-
figen Plural im empfundenen Gegensatz dazu ein Singular
gebildet wird und umgekehrt. In solchen Fällen bedeutet
dieser Singular gewöhnlich ein aus der Masse herausgenom-
menes Einzelstück, z. B. xpdas ein Stück Fleisch neben xpea
Fleisch, manchmal auch eine andere Schattierung des Begriffes,
z. B. aX; Salzkorn, aber auch Meerfluth, neben les Salz.
Neben einem derartigen Singular kann nun auch ein Plural
auftreten. So heisst z. B. lat. aera Erzstücke, carnes Fleisch-
theile, ai. $4kani Mistklumpen. Doch ist nicht etwa nöthig, dass
diese beiden einander entsprechenden Nüancen des Sing. und
Plur. aus demselben Wortstamm gebildet werden, sie entsprechen
einander vielmehr nur als Typen. Ausser diesem Plural giebt
es noch eine zweite Art. Es werden nämlich nicht Stücke,
sondern Arten unterschieden, z. B. die Fette neben das Fett,
oder es wırd irgend eine besondere Erscheinungsform pluralisch
bezeichnet, z. B. Zactes “der Same der Fische’.
Neben den Begriffen der Masse, von denen bisher die
Rede war, giebt es andere, bei denen das Einzelwesen, deren
Summe die Masse ausmacht, deutlicher hervortritt, z. B. Thier-
und Menschenmassen. Bei ihnen wird oft der Singular da
gebraucht, wo nicht bloss ein Einzelwesen vorgestellt werden
soll, z. B. wenn Scheffel im Ekkehard sagt: und der Fisch
weıtum hat damals (als alles Ungeziefer in den See getrieben
wurde) einen guten Tag gehabt. Am bekanntesten ist die Aus-
drucksweise bei Menschen, wie der Franzose ist ın’s Land ge-
kommen u. ähnl. Sie breitet sich aber auch auf andere
$ 46.) Kap. II. II. Begriffe der Masse. 149
hiermit in Zusammenhang stehende Begriffe aus. So heisst es
1. B.RV. 3, 33, 9 yayau dürad dnasä rdthena ich bin weit her-
gekommen mit Last- und Streitwagen (vgl. griech. &ori;).
Offenbar liegt eine Verschiedenheit zwischen dem sogenannten
kollektiven Gebrauch, wie z. B. bei ö4xpv, und diesem von Fisch,
Franzose u. 8. w. vor. Im erstern Falle sieht man von den
einzelnen 'Thränentropfen ab und sieht nur auf den Thränen-
strom, im andern Falle (den man repräsentierend nennen könnte)
hebt man das Einzelwesen hervor, aber nicht als ein in irgend
einer Weise konkret bestimmtes, sondern nur insofern es den
Begriff als solchen darstellt, wodurch denn besonders scharf
ausgedrückt wird, dass sich alle zugehörigen Einzelwesen der
Natur ihres Begriffes nach ebenso verhalten. Man kann des-
halb fragen, ob ich recht gethan habe, die beiden Gruppen
(Begriffe a) der Masse, b) der Summe) in diesem Paragraphen
zu vereinigen. Ich habe es gethan, weil die Grenzen manch-
mal schwer zu ziehen sind und die Auffassung manchmal
zweifelhaft sein kann. So empfinde ich z. B. in daxpu xduv
einen kollektiven Gebrauch, glaube also, dass man sich nicht
eine einzelne Thräne vorgestellt hat, in dem Goethe’schen die
Thräne quillt, die Erde hat mich wieder aber einen repräsen-
tativen Gebrauch. Indessen ist es ja möglich, dass andere
anders empfinden, und ausserdem wäre es doch nicht empfehlens-
werth, öaxpo und T’hräne ın der Behandlung zu trennen. Ich
habe also die beiden Gruppen in einander verfliessen lassen.
Es folgen nun eine Anzahl von Belegen in gleichgültiger
Reihenfolge. Wasser: ai. udakd ist sing., dagegen äpas fast
durchaus plur. (vgl. SF. 5, 101). Auch der Gathadialekt kennt
das Wort nur im plur. nach Spiegel 294 ; 5öwp ist bei Homer stets
sing. bis auf ödar alt vaovra v 109 (dagegen roddvırıpa Fussbad
und Aoetpa Bad sind stets plur., wobei man wohl an das zusam-
mengegossene kalte und warme Wasser gedacht hat}; lat. aguae
ist üblich, wenn von dem an verschiedenen Orten vorhandenen
Wasser oder wenn von Heilquellen die Rede ist; ahd. se und
wazzar ist sing., ebenso das lit. vandü. Aus dem Slavischen liesse
sich russ. 9007 Spülicht vergleichen und etwa noch russ. slyuni
150 Kap. II. II. Begriffe der Masse. 5 46.
Speichel (aber aksl. slina sing.), aksl. peny Schaum (z. B. peny
teste ägpilov Mark. 9, 20). Thräne: ai. d&ru kann singu-
larisch kollektiv stehen, z. B. ydd dbru sämkfärstam äsit die
Thränen, welche zusammengeflossen waren SB. 6, 1, 1, 11, doch
auch plur., z. B.im AV.; ebenso im Griech., z. B. dalepöv xard ddxpu
x&ovtss x 201; Zacrıma Sing. und plur.; got. tagr ist in unsern
Texten nur im sing. belegt. Über Träne vgl. Kluge im Wb. Das
litauische Wort wird meist im plur. gebraucht: @szaros. Mit den
Wörtern für Thräne vergleiche man auch lit. sakai Harz. Blut:
ai. dsgj und das spätere löhtta scheinen nur sing.; neben ain«
kommt auch aluara vor, z. B. Bpdrera alpara bei Äschylus, neben
lat. cruor auch cruores (Virgil), sanguines erscheint erst spät;
unser B/ut ist nur sing.; im Litauischen bedeutet nach Kurschat
kraüjas Blut, Araujai Blut als Masse. Milch: ai. payas be-
deutet im RV. nach Grassmann Milch, pdygst Milch, Milch-
tränke, Milchströme, ebenso kommt Afird im sing. und plur. vor,
dadht saure Milch ist wohl nur sing. ; yaAa, bei Homer nur sing.,
erscheint bei Plato auch plur.; lat. /ac Milch, Zactes Gekröse oder
Same der Fische; das germanische Milch kennt nach dem Wh.
den plur. nur im Friesischen (ar thet lond thet flät fon melokon
and fan hunige) ; lit. penas Milch, penai Samen der Fische (vgl.
auch ikrat Rogen). Dieselbe Bedeutung hat der russ. Plural
molokt (vgl. dagegen russ. sliokt plur. Schmand). Fett: ai. sarpıs
ist im RV.und AV.nur sing., später auch plur., das vedische p?vas
nursing., ghytd Butter und ajya Opferschmalz sing. und plur.; ordap
scheint nur sing.; neben lat. adeps findet sich auch adipes; lit.
taukai Fett, taukas Fettstückchen:; Fette bedeutet verschiedene
Arten von Fett. Eiter: ai. püya (nachvedisch) scheint nur
sing.; so regelmässig rüov, doch kommt auch plur. vor; zu lat. pus
findet sich ein Plural bei Plinius; lit. pliat kennt nur den Plural
(vgl. auch !rgszkanos Augeneiter), deutsch Eiter nur den Singu-
lar. Mark: ai. majjdn ist sing. und plur., in der Prosa scheint
es plur. zu sein (vgl. die Aufzählung der Körpertheile T8.7, 3, 16);
gr. wueids und lat. medulla sind gewöhnlich sing., kommenaber auch
im plur. vor; unser Mark ist sing., lit. smägenes Mark und Hirn,
serb. mo2dant Hirn plur. Mist: ai. $&krt erscheint gewöhnlich als
$ 46.) Kap. II I. DD. - Begriffe der Masse. 151
sing., doch kommt auch plur. vor im Sinne von Mistklumpen (vgl.
SF. 5, 101 und TS. 5, 7, 23, 1, wo der Scholiast bemerkt: $akänı
Sakripindah), üvadhya scheint nur sing., xdrpos ist vereinzelt plur. ;
zu stercus und merda kommt auch der plur. vor, dagegen caenum
und fmus sind nur sing.; germ. Mist ist sing., lit. meszlas
Dünger wird fast nur im Plural meszlai gebraucht. Unter
‘Koth’ bemerkt Kurschat: szUdas, eine grössere Masse dagegen
szüdar. Ebenso soll statt puf'vas Strassenkoth gewöhnlich purva?
gesagt werden. Fleisch: ai. amis und Äravis sind nur vedisch
und nur sing., mas4 kommt auch pluralisch vor, z. B. mäsani
medyato medyantı die Fleischpartien eines Fetten sind fett
SB. 11,1, 6,34; xp&as, wenn es im kollektiven Sinne, als Fleisch
zum Essen, gebraucht wird, ist plur., z. B. repi p&v oe riov Aavaoı
cayırwioı Eöpy Te xpeaolv te 8 161, im Singular bedeutet es
ein Stück Fleisch: toöro nöpe xpda; 8 477. Fleisch an leben-
den Wesen ist oapxes, einmal bei Homer auch sing.; neben caro
Fleisch erscheint carnes Fleischstücke; Fleisch ist sing., ebenso
lit.mesa, slav. meso. Rauch: ai. dhumad auch plur., z. B. ud asya
Söcir asthäd ud dhumaso arufäsak sein Licht hat sich erhoben, er-
hoben auch der rothe Rauch RV.7,16,3; lat. fumus gew. sing.,
doch ist fums bei Dichtern ziemlich häufig; das entsprechende
ht. Wort führt Kurschat als‘ plurale tantum an: dümai (vgl.
auch gerai Dampf); xarvd; ist gew. sing., doch z.B. bei Euripides
auch xarvot; Rauchistsing. Spreu: ai. tıifa ist gewöhnlich plur.,
doch auch sing. ohne merklichen Unterschied, so steht das singu-
larische zu5a neben dem pluralischen gleichbedeutenden palava
lat. palea): tufam palävan dpa vinaktu die Worfschaufel soll
Sehale und Spreu absondern AV. 12, 3, 19; ayupov kommt auch
pluralisch vor; ebenso ist palea sing. und plur.; germ. Spreu ist
sing.; ım Lit. ist p&las Spelz, aber pelat, lett. pelus Spreu, plur. ist
auch russ. vyseoki Spreu. Getreide: ai. ydva ist im RV. nur sin-
gularisch kollektiv gebraucht, z. B. sakdm gävah süvats päcyate
yivö na te väya upa dasyanlı dhendvah zugleich werfen die
Kühe, reift die Gerste und deine Milchkühe versiegen nicht,
o Vayu RV.ı, 135,8. Im AV. erscheint auch der Plural, so
wenn die Asvinä in bezug auf Thiere, die dem Getreide
152 Kap. II. II. Begriffe der Masse. [8 46.
schädlich sind, gebeten werden: chinttäam Sirö dpi prätik Srni-
tam, ydvän ned adän dpi nahyatam mükham athäbhayam krnutam
dhänyäya schlagt den Kopf ab, zerbrecht die Rippen, damit
sie dıe Körner nicht fressen, verbindet ıhnen den Mund und
so schaffet Sicherheit dem Getreide 6, 50, 1. 9, 6, 14 werden
die ydvas mit den qSdvas, den Schösslingen des Soma, ver-
glichen, so dass also die Auffassung von ydräs als einer Ver-
einigung von Körnern sicher steht. Demnach möchte yava
sowohl Getreide, als Getreidekorn bedeutet haben. In der Prosa
findet sich der Singular, den Begriff hervorhebend: ia asya
prajäh sr$ta varunasya ydvan Jakfur varunyo ha va ägrö yavah
die von ihm geschaffenen Geschöpfe verzehrten die Gersten-
pflanzen (das Gerstenfeld', denn die Gerste war ım Anfang
varunisch SB. 2, 5, 2, 1 (zu vrihi Reis bemerken Böhtlingk-
Roth: “Reis, plur. Reiskörner‘). Dem ai. ydva entspricht Led,
bei Homer nur pluralisch, so überhaupt in der Literatur, später
auch sing. Über sonstige Ausdrücke für Getreide bei Homer vgl.
Juhl 3. Es ist schwer zu sagen, ob ein fühlbarer Unterschied
ın der Anwendung der beiden Numeri besteht. Ich möchte
glauben, dass z. B. bei dem Plural älyıra in Ext 6 dkyıra
Azuxa naluvev A 640 die Vorstellung der vielen Körner vor-
schwebt, während in dAotrou lepoo Axtn 631 der Begriff vor-
gestellt wird. Aus der nachhomerischen Sprache vergleiche man
Ausdrücke, wie xaproö kuyxon.ör, die Ernte Thukydides 3, 15
und äurelov xöntovres Thy nepi Tb iepdv 4, 90; Frumentum ist
kollektiv, frumenta Getreidearten. Die Namen für die einzel-
nen Getreidearten sind gewöhnlich sing., avenae soll den wilden
Hafer bezeichnen, der in einzelnen Halmen hier und da auf-
schiesst. Doch steht farra auch in demselben Sinne wie far
(also wie Leıal); wir gebrauchen Kor» kollektiv und als Be-
zeichnung des einzelnen Fruchtkorns und zu dem letzteren
bilden wir den pl. Körner (vgl. yava), die Benennungen der
Kornarten sind sing.; im Lit. finden wir den Plural für die
Getreidearten, den Singular für das einzelne Korn, z. B. javai
Getreide (ydva, Leid), rugiai Roggen (z. B. &jo T rugiüs ging
in ein Roggenfeld), rugys Roggenkorn, meäiat Gerste, mäzys
$ 46.) Kap. II. II. Begriffe der Masse. 153
Gerstenkorn, @vızos Hafer, avıza Haferkorn (linai Flachs, linas
Flachsstengel) u. s w. Hülsenfrüchte: im Lat. erscheinen
se regelmässig im Singular, z. B. ervom datursne estis dubus quod
feram (Plautus), seruntur fabae modii quatuor in jugero (Varro),
lentim quomodo servarı oporteat (Cato). Doch liegt auch der Plural
vor, so bei Virgilund Ovid. Sing.auch im Slavischen, so aksl. bobomi
koasenemi pilajemü xuäpors Beßpeyuivors tpepduevos (Miklosich
4,44). Im Ai. ist ma$a sing. die Bohnen-Pflanze, mägäs die Kerne.
Sand (Staub, Asche): ai. rend ist im Veda nur sing.; xovir, und
$apados scheinen im sing. und plur. gleichbedeutend gebraucht
zu sein, xövıs und xovisalos sind immer sing., bezeichnen also
die zusammenhängende Masse, singularisch kommt auch xayAr&
Kies vor, z. B. ötapwpevor ov xayAnxa den Kies aufgrabend
Thukydides 4, 26; pulois erscheint auch im plur., z. B. bei Ho-
taz, häufiger ist der plur. von cints, arena hat im plur. die Bedeu-
tung Sandflächen (wie russ. peski sandige Gegend, während
pesokü Sand bedeutet); das deutsche Sand ist sing.; im Lit. ist
die Sandmasse smiltis und smiltys; wenn man sagt: stübq smultimis
iszbarstytsı das Zimmer mit Sand ausstreuen, denkt man offen-
bar an viele kleine Häufchen, ‘Staub’ heisst im Litauischen
dülkes, ıst also plur., während der sing. ein Staubtheilchen
bedeutet. Asche heisst pelenai, dazu plenys Flockasche,
piksznys glühende Asche mit Funken, alle plur. Stein
kann im Deutschen singularisch repräsentierend gebraucht wer-
den (z. B. aus Stein gebaut), so im Griech. z. B. Aldoıs re xal
xepaup BaAldvrwv Thukydıdes 2, 4, xat Aldous apa xal nAlvdov
&x av olxon&öwv xadarpouvres 4, 90. Auch das slavische Aameni
kann nach Miklosich 4, 44 so verwendet werden. Holz: ai.
daru scheint nicht kollektiv gebraucht zu werden, sondern be-
deutet Holzscheit, Holzstück, Pflock, dagegen ist edha Brenn-
holz kollektiv und nur sing. (während von idkma Brennholz in
der Prosa auch der Plural vorkommt); tuAa bedeutet Brenn-
holz, z. B. &xi ö& kula noAla Atyesde 8 507, dagegen £ulov so
viel wie daru: Estrxev EUAov adov Ocov 7 opyura W 327; ähnlich
ist das Verhältnis zwischen Zignum und /igna; das deutsche
Hoiz wırd ım Singular meist kollektiv gebraucht, der dazu
154 Kap. II. II. Begriffe der Masse. [$ 46.
gehörige Plural Hölzer bedeutet Holzarten; über russ. drova
Brennholz vgl. Miklosich im Wb. unter dervo. Salz: ai.
usa ist gewöhnlich plur., z. B. gavyam mimasamäanäah prchanti
santi tatroga3h iti wenn man einen Weideplatz aussucht, fragt
man: ist dort Salz? AB. 4, 27, 9; so auch üls;, 2. B. alesaı ye-
peypevov eldap A 123, während &A; Salzkorn (008 Aa dolrns p
455) oder Meer bedeutet; sales sind Salzkörner, Salzgeschmack ;
dtsch. Salz ist sing.: ebenso lit. druska. Metalle sind gewöhn-
lich sing. Kommt der Plural vor, so hat er einen besonderen
Sinn, z.B. ai. Airanya Gold, pl. Goldschmuck, Goldschatz;
lat. aes (ai. dyas) Erz, plur. Erzstücke. Thiere (Vieh): Das aı.
paSü ist im RV. im singularischen Gebrauche gewöhnlich kol-
lektiv, 3. B. dSoävantam gömantam pa$um das Vieh, welches
aus Rossen und Rindern besteht 1, 83, 4, orayam a pabür gat
zum Stalle geht das Vieh 2, 38, 8 u. ähnl. Doch wird es
auch von dem einzelnen Stück gebraucht, so wenn Agni ver-
glichen wird mit einem pasür avasysfah einem losgelassenen
Stück Vieh 10, 4, 3. Im Plural bedeutet es gewöhnlich die
verschiedenen Arten des Viehes, 2.B. pasüun ca sthäatfh cara-
tham ca das stehende Vieh (wohl die Hausthiere) und alles
Bewegliche 1, 72, 6 (anders Ludwig). Oft werden unter den
paSävah auch die Menschen mit umfasst, und so ist wohl auch,
wenn von einer Frau gesagt wird, sie sei Jiva pasubhyah
(10, 85, 44) zu verstehen, sie sei gütig gegen Menschen
und Vieh. Dem altindischen Gebrauche entspricht der
gotische, wo fatku Vermögen bedeutet (ypnpara, xrnpata, ap-
yöprov übersetzend). Wie es gekommen ist, dass lat. pecus orts
n. das Vieh als Gattung, pecus üdis f. das einzelne Stück
bezeichnet, ist schwer zu sagen (die Vermuthungen von J.
Schmidt, Pluralb. 52 über dieses Wort sind recht kühn). Von
anderen Wörtern sind noch zu nennen im Altindischen 956 und
übva, 2. B. gam dSvam sanuyam Rind und Ross möchte ich ge-
winnen RV. 10, 119, 1 (vgl. 8, 30, 4), dve Sate gök zwei hun-
dert des Rindes (im Deutschen kaum zu sagen) 7, 18, 22;
griech. n innos die Reiterei, 7) xdundos die Kamele. In r
inros kann ich nicht mit J. Schmidt, Pluralb. 225 eine
$ 46.) Kap. II. II. Begriffe der Masse. 155
Abstraktbildung erkennen, sondern das Fem. Stute, welches
repräsentierend gebraucht ist, vgl. $ 23; aus dem Lateinischen
and Wendungen zu vergleichen wie villaque tota locuples est,
abundat porco, haedo, agno, gallına, lacte, caseo, melle Cicero de
senectute 16; im Deutschen kann man, wie schon bemerkt,
Ross und Rind’ sagen wie im Ai. gaur dSvah. Im Slavischen
findet sich sko2ü Vieh, ryba Fisch, gadü &prerdv, zmija Schlange
u. ähn]. (Miklosich 4, 44). Menschen: An die Spitze stelle ich
die Wörter für ‘Leute’: ai. Jana, gr. Aads, unser Leute. Ai. Jana,
über dessen Gebrauch Grassmann im Wb. vollständig Aufschluss
giebt, bedeutet im Singular ‘der Mensch’, jedoch so, dass die
Individualität nicht hervortritt, wir vielmehr auch den Plural
anwenden könnten, z. B. yam rak$anti präcstaso vdrund mitrö
aryama nü cit sd dabhyate jJdnah den die weisen V. M. A. be-
schützen, der Mensch leidet keinen Schaden RV. 1, 41, 1.
Dass es von einer einzelnen umgrensten und benannten Persön-
lichkeit gebraucht wird, ist ganz selten (so geht es RV.6, 18, 8
auf Indra). Gewöhnlich heisst es ‘Volk’ im Gegensatz zum
Könige, Kriegsschar, Stamm, Geschlecht; im plur. gewöhnlich
die Menschen, die Leute, doch auch die Stämme. Ob jJdna
ursprünglich ein Einzelwesen oder eine Masse bezeichnete (wie
etwa Volk), lässt sich wegen der Vieldeutigkeit des Suffixes a
aus der Etymologie nicht bestimmen. Nach dem Gebrauch
möchte ich annehmen, dass das letztere der Fall war und dass
sch der Plural erst einstellte, nachdem Jana auch zu der Be-
deutung eines Einzelwesens gelangt war. Dem indischen Jana
entspricht gr. Aads, welches bei Homer im Singular und Plural
gleich gebraucht wird, nur dass es im Singular nie auf Einzel-
wesen angewendet wird. Die Gleichheit der Bedeutung von
Jana und Aad; zeigt sich namentlich darin, dass beide von den .
Leuten im Gegensatz zum Fürsten, vom Kriegsvolk und in der
Verbindung mit Wörtern, welche ein Amt oder ein Geschäft be-
zeichnen, gebraucht werden, z.B.ripavö Janäsah Betrüger (Grass-
mann 13), Aaol aorıorat, dypowwra: u.ähnl. Die Etymologie steht
nicht fest. Wie mit Aads verhält es sich mit ahd. Ziut, worüber
Erdmann 2, 19 sagt: “Einen einelnen Menschen bezeichnet der Sing.
156 Kap. II. IL Begriffe der Masse. [$ 46.
bei Otfrid nie ; wenn diese Bedeutung nach dem got. Juggalaups
auch für das ahd. Wort als ursprünglich anzusetzen ist, so ist
der hier allgemein gewordene Übergang in kollektive Bedeu-
tung dem bei man, gomman vorkommenden zu vergleichen.
Zu dieser anzusetzenden früheren Bedeutung passt dann ferner
der ahd. männliche Plur. kuf, das ganz gleichbedeutend mit
dem Sing. und ebenso häufig ebenfalls eine Menge von Men-
schen bezeichnet. Es könnte natürlich auch sein, dass sich
die Bedeutungen so entwickelt haben, wie ich bei Jdna ver-
muthet habe. Was das entsprechende slavische Wort betrifft,
so heisst poln. Zud, Cech. id Volk, auch russ. Yudü koll.
Menschen. Das gewöhnliche ist aksl. plur. m. Jyudiye Aacz,
OyAoc, Zdvos. So auch in den übrigen slavischen Sprachen, nur
im Russischen ist ein singularisches }udi f. vorhanden, welches
nach Pavlovskij “Volk” bedeutet. Den slavischen Wörtern ent-
spricht lett. Zaudıs plur. Leute. Was preuss. /udıs Wirth ist,
lasse ich dahingestellt.
An Jana, Aad;, liut schliesse ich ai. manu, unser Manx. Aı.
mänu ıst entweder Eigenname oder im sing. und plur. Bezeich-
nung für ‘die Menschen’, z. B. indrö apö münave sasrütas kah
Indra liess für die Menschen das Wasser strömen RV. 4, 28, 1.
Über Mann s. Erdmann 2, 13. Besonders auffällig ist für uns,
die wir den Nominativ mar noch haben, der Gen. oder Dat.,
2. B. thie lagun fol al mannes stiaches ınti hammes; gab follon
muases finf dusonton mannes (dagegen an einer andern Stelle
‚Kar thusonton mannon). — Häufig erscheinen im Singular Wör-
ter wie Feind, Krieger u.ähnl., z. B. ai. dasyu Dämon, Barbar,
Feind in Wendungen wie: türvantö däsyum aydvo vratälh sik-
$antö avratäim die Menschen den Feind überwindend, mit
, Gottesdienst den unfrommen RV. 6, 14, 3, bakür var bhavato
bhrätroyak vielfach ist der Feind des Reichen TS. 5, 1, 2, 3.
Ebenso wird ım Griechischen otparıwrrg, roA&pıos u. ähnl. ge-
braucht, und daran knüpfen sich kühnere nachahmende Aus-
drücke wie öxtaxıoyılln aszig bei Herodot. Im Lateinischen
miles, hostis u. ähnl. Draeger bemerkt in bezug auf Livius:
“L. hat oft den Sing. der Völkernamen und Truppentheile:
$46—17.) Kap. IL I. Körpertheile. 157
miles, eques, pedes, hostis, funditor, remex, Romanus, Poenus. Nach
Abwechslung strebend, setzt L. in einem Satze Sing. und Plur.,
ı.B. Hispani milites et funditor Baliarıs, inter Romanos Poe-
rumque'. Auch der Gebrauch von mercator bei Livius 10, 17
gehört hierher: tllicıte Zucro mercatorem, ut sequatur agmen.
Über fant im Ahd. s. Erdmann 14. Endlich seien noch die
Völkernamen erwähnt. Im Ai. des RV. ist oft die Entschei-
dung schwierig, ob man den Namen eines Heros eponymos
oder eines Volkes vor sich hat. Es giebt aber sichere Stel-
len, an welchen unser Gebrauch vorliegt, z. B. ydd ad-
yaloina dpäg yat präk sthö ydd druhydvy anavi turcdßs yddau
huve vam wenn ihr heute A. im Westen oder Osten seid, bei
‘den Druhyu, Anu, Turvaßa, Yadu, ich rufe euch RV. 8, 10, 5
verglichen mit ydd yadugu druhyüfv anufu pürufu sthäh
1, 108, 8. In bezug auf das Altpersische bemerkt Spiegel?, 190
dass Parsa ebensowohl der Perser als Persien, Mäda der Meder
und Medien bedeute, d. h. dass der Singular da steht, wo man
nach altem Sprachgebrauch auch den Plural erwarten könnte
'vgl. Genus $ 5). In andern Fällen wechselt sing. und plur.
ı.B. Yauna und Yaunäa die Griechen. Dieselbe Erscheinung
im Griechischen, Lateinischen, Deutschen ist bekannt.
$47. Körpertheile. Manche Körpertheile, welche ın der
Natur doppelt oder mehrfach vorhanden sind, pflegen wir nicht
oder selten in der Einzahl zu nennen, so z. B. im Lateinischen
scapulae die Schulterblätter, genge die Wangen, malae die Kinn-
backen, tonsillae die Mandeln, palpebrae die Augenbrauen,
tempora die Schläfen. Von diesen soll hier nicht die Rede
sein, da der Singular von ihnen ohne Bedenken gebildet werden
kann. Dagegen sind an dieser Stelle diejenigen Fälle zu er-
wähnen, in welchen Körpertheile, die uns als Einheit erscheinen, '
durch Dual- oder Pluralformen bezeichnet werden, z. B. unter
den altindischen Wörtern nasikö die Nase (eigentlich die beiden
Nasenlöcher oder Nasenflügel), grivas der Nacken (eig. die
Nackenwirbel), majjänas das Mark.')
I) Eine Aufzählung der Glieder des Opferthieres (unter dem man sich
auch einen Menschen denken kann) TS 7, 3, 16 mag hier in ihren wesentlichen
158 Kap. II. I. Körpertheile. [$ 47.
—
Ich führe zuerst diejenigen an welche sicher pluralisch
sind, darauf diejenigen welche wahrscheinlich oder vielleicht
aus Dualen hervorgegangen sind.
Zu den ersteren gehört griech. rpdswra und rpoowrare,
bei Homer pluralisch gebraucht, auch wenn nur von einem
Menschen die Rede ist, z.B. pstördov Blocupois: npoowracı H 212,
nur einmal sing.; lat. toles Kropf, gingivae Zahnfleisch (gew. plur.).
Bei ‘Bart’ könnte man wohl einen Dual erwarten, doch zeigt
ai. $maßrüni (RV. 10, 23, 4 von dem Bart des Indra gesagt)
neben $mäßru, dass die Haarmassen vorschwebten (vgl. aus der
Prosa: te kö$an dgra "vapanta, ätha Smaßruni, athöpapakfau TB.
1,5, 6, 1). Da nun auch yeveıdös; pluralisch ist (al d& pelay-
xpovns yEvero, yvadpol 68 tavuodev, xudvear 6° &ydvovto yeveıdöss
aupl y&vsıov zn 176), so wird auch lit. usa# Schnurrbart ein wirk-
licher alter Pluralis sein. Mit den Wörtern für Bart vergleicht
sich &deıpaı (Juhl 42) und lit. Aafczai Mähne. Bei ai. grivas
Nacken (in älterer Zeit immer plur.) ist natürlich an die Wirbel
gedacht, wie bei ugnihäs Genick, und dasselbe gilt von gr.
—
Theilen mitgetheilt werden. Ein svahö wird zugerufen dadbhydk den Zähnen,
hanübhyäm den beiden Kinnbacken, öftkäbhyam den beiden Lippen, mükkäya
dem Maule, ndsikäbhkyam der Nase, akfibhyäm den beiden Augen, kdrnä-
bhyaäm den beiden Ohren, pdkimabhyah den Augenwimpern [im genaueren
mir nicht verständlich], färfn& dem Kopfe, bhrübhyäm den beiden Brauen,
lalätaya der Stirn, mürdhns dem Vorderkopfe, mastikkäya dem Gehim, köße-
bhyah den Haaren, vahäya der Schulter [eigentlich das Stück, womit das
Zugthier hauptsächlich zieht], grivabıyah dem Nacken, skandhäbhyah den
Schulterstücken [skandhs im RV. nicht belegt, im AV. pluralisch, TS. 5, 7, 18
singularisch als ein in sechs Theile zerlegbarer Körpertheil, bezeichnet irgend
welche, mir nicht genau bestimmbare Schulterstücke], kikasabhyak den Rippen-
knorpeln, pritibhyah den Rippen, päjasyaya den Weichen, pärfväbhyäm den
beiden Seiten, qsahkyam den beiden Schultern, dösabhyam den beiden
Vorderarmen, bahubhyam den beiden Armen, jänghäbhyäm den beiden Unter-
schenkeln, $rönibhyäm den beiden Hinterbacken, ürubhyam den beiden Schen-
keln, afthivddbhyäam den beiden Kniescheiben [es folgt jinghäbhyam zum
zweiten Male, vielleicht dass an der ersten Stelle jaghinäbhyam zu legen ist],
bhasäds dem Hintertheil, $ikhandebhyah den Haarbüschelnf?), v inäya dem
Schweife, andäbhyam den beiden Eiern, $epäaya dem Gliede, retase dem
Samen, padbhyah den Füssen, $aphebhyah den Hufen, lömabhyah den Haaren,
tvace der Haut, löhltaya dem Blut, mäsäya dem Fleisch, enävabhyah den
Sehnen, asthübhyah den Knochen, majjdbhyah dem Mark.
$ 47.) Kap. U. U. Körpertheile. 159
vora (bei Homer häufiger plur. als sing., z. B. äyrv n ol wora xal
supgag Aueyev wpoug I 225, doch auch sing. in demselben Sinne,
2. B. änd 8’ adyevos wpov dipyadev 78° ano vwrou E 147), und
lat. cervices, das z. B. von Cicero immer pluralisch gebraucht
wird, auch wo von nur einer Person die Rede ist; pıvot und
bivds “Haut’ scheinen bei Homer gleich gebraucht zu werden,
2. B. Evda x’ ano hivoos öpbpdn e 426 und pivov Ar’ Horedpıv
ipuoar £ 134. Für unser “Eingeweide finden sich vielfach plu-
ralische Formen, so ai. jathdränt, gr. onlayyva (bei Homer nur
plur.), lat. viscera (gew.plur.), erta, pantices, got. hairpra, lit. plekai
Fleck (Thiereingeweide). Auch in den »peves, die niemals im
Dual erscheinen, sah man ursprünglich eine Mehrheit von
Dingen. Es wird bei Homer pluralisch sowohl im eigentlichen
(1 504) als im übertragenen Sinne gebraucht, singularisch nur
im übertragenen.
Ursprünglich dualisch sind die Wörter für Nase: ai.
nds, nasä, nasıka sind im Veda nur im Dual vorhanden, in der
Prosa wird deutlich zwischen »asıka Nasenloch und näsike
Nase unterschieden. Ebenso verhält es sich mit lat. nares und
arts. Unser Nase soll im ags. nosu noch die ursprüngliche
Dualform zeigen (Kluge in Paul und Braune's Beiträgen 8, 506),
wird aber völlig als sing. empfunden, wie auch lit. nosts sing. ist.
Das griechische fi; ist bei Homer im plur. häufiger als im sing,
bives bedeutet die Nasenlöcher, z. B. 2v 8’ Ovdou Rofou zATTo
orona te bivas te W 777, doch kommt es auch im Sinne von
‘Nase’ vor, z. B. hivas tapveıv y 475, und ebenso wird dann,
was offenbar später ist, auch der sing. gebraucht, z. B. piva
tauveıv 0 86. Brust: Bei Homer ist orndea nicht nur von den
beiden Brüsten der Weiber, sondern auch von der männlichen
Brust in Gebrauch und häufiger als otj;do;, auch orepvov und
srzpya scheint gleichbedeutend; got. drusts ist nur plur., unser
Brust dagegen sing.; aksl. prüsi, serb. prsi, russ. perst (bei
Miklosich unter pers?) sind plur., ebenso serb. grudi Brust und
njedra Busen ; lit.krutis Mutterbrust sing., lett. Aratis Mutterbrust,
Brust plur. Lenden: lat. /umdi (woneben später auch sing.
vorkommt) ist nach J. Schmidt, Pluralb. 7, Anm., wo man das
160 Kap. II. II. Geräthe. [6 47—48.
Weitere über die Verwandten des Wortes nachlese, vielleicht
auch der Form nach Dual. Dazu lit. strenos Lenden. Ebenso
lat. clunes und nates Gesäss. Ferner sind urspr. dualisch lat.
renes Nieren, lit. platczas Lunge, lat. diles (was neben dilts
vorkommt) Galle, wobei nach Neue an die dilts Aava und die
bilis atra oder nigra gedacht ist, und wohl noch andere mehr.
Manchmal bin ıch zweifelhaft, ob ein alter Dualıs oder
Pluralis zu Grunde liegt, so bei aksl. u. s. w. usta Mund. Man
meint, es bedeute eigentlich “die Lippen’, ich sehe aber nicht,
warum es nicht Dual geblieben sein sollte. In der überlieferten
Sprache ist es Plural (z. B. Luk. 6, 45), vgl. lit. nasraö Rachen,
lat. fauces. Ebenso wundere ich mich über den aksl. Plural
tstesa die Nieren. Lit. A2penos Leber ıst wohl ein ursprüng-
licher Plural.
$ 48. Geräthe. Dass die pluralische Form auf ursprünglich
pluralischer Anschauung beruhte, versteht sich. Wir sehen
aber aus modernen Sprachen, dass die Pluralform bleiben kann
auch wenn an die Stelle der ursprünglichen mehrheitlichen
eine einheitliche Anschauung getreten ist. So heisst engl. news
ursprünglich die Neuigkeiten, dann die Zeitung, russ. denige
ursprünglich die Münzen, dann das Geld u. s. w. In den alten
Sprachen wird es ebenso gegangen sein. So hiess z. B. rostra
eigentlich die bekannten Schiffsschnäbel an der Vorderwand
der Rednerbühne auf dem forum Romanum, dann diese Bühne
selbst, molae ursprünglich die Mühlsteine, dann die Mühle.
Als Belege mögen dienen: Wagen. Nicht im Ai. aber in
anderen Sprachen kann der Wagen durch einen Plural be-
zeichnet werden, weil man an die deutlich unterscheidbaren
und selbständigen Theile des Wagens denkt. So bei Homer
äppa und äppata (letzteres auch von mehreren Wagen). Ledig-
lich Pluralform hat dysa, meist von einem, aber auch von meh-
reren Wagen gebraucht; lat. currus kommt im plur. von einem
Wagen vor, fast immer plur. sind digae, trigae, quadrigae; Nit.
röges schlechtes Fuhrwerk, szläjos Schlitten; aksl. kola, kolesa,
serb. Aola Wagen (eig. Räder), serb. saoni, russ. sant Schlitten,
russ. drogs Fuhre, dro2ki Droschke. Von anderen Begriffen,
548) Kap. II. II. Geräthe. 161
die in mehreren Sprachen vorliegen, liessen sich etwa noch nam-
haft machen: lat. scalae Treppe, fast durchaus plur., lit. trepai
Treppe (aus dem Deutschen, wo es sing. ist), Aöpeczos Leiter;
lat. cancelli Gütter (inschriftlich auch sing.), lit. &d2os Raufe,
aksl. serb. russ. yasl# Krippe; lat. %des Saiteninstrument (gew.
plur., f#des als sing. bedeutet Saite, bei Dichtern auch Saiten-
instrument, des plur. kann auch mehrere Instrumente bedeuten),
aksl. ggs/s, serb. gusle, russ. gusli dass. ; lit. knygos Buch (slav.
sing.), got. bokos Buch (boka Buchstabe), ahd. duoA von Otfrid
singularısch in bezug auf sein eigenes Werk gebraucht, in plura-
scher Form von einem oder mehreren Büchern (vgl. lat.
hiterae); lit. möra: Totenbahre, serb. nosıla, russ. nosilks dass. ;
hit. stakles Webstuhl, russ. Arosny dass., aksl. vilice Gabel, serb.
sole und vslice dass., russ. vily Heugabel (vgl. Miklosich unter
vidlu).
Aus den einzelnen Sprachen führe ich noch an: ai. $ipräs
das Visır am Helm; gr. töta gleichbedeutend mit to&ov!); lat.
elitellae Sattel, cunae Wiege, plagae Jägernetz, scropae Besen,
clatrı Gitter, loculs Geldkasten, crepundia Kinderklapper, odices
Riegel (doch auch sing.); lit. dämples Blasebalg (vgl. engl. bellows),
girnos Handmühle, szukos Kamm (szüAe Lücke), eköczos Egge,
marszkiniat Hemde, kazlıntat Pelzrock, vytuva? Garnwinde, min-
tucat Flachsbreche, sAiltuvat Feuerzeug; russ. grabli Harke, casy
Uhr, kozly Kutschbock, Zaty Panzer, ocki Brille (06%o Äuglein,
unser Brille dagegen, das dialektisch auch als plurale tantum
gebraucht wird, heisst eigentlich “die Berylle’), 2yalicy Näh-
rahmen, tiski Presse.
Auf den Dualis geht der Pluralis zurück bei den Wörtern
für Thür, Wage, Schere. Thür: ai. dvar, dür kommt im Veda
aur im Dual (die Thorflügel) und Plural (von mehreren Thoren)
vor, in der alten Prosa ist dvar sing. das Thor, gr. Böpar bei
Homer von einer Thür (dafür einige Mal auch sing.) röAaı stets
von einer Thür und stets plur. (weiteres bei Juhl 31 ff.), lat.
1) J. Schmidt, Pluralb. 22 macht für diesen Gebrauch das neutrale
Geschlecht verantwortlich, was mir angesichts der Maskulina und Feminina
aus andern Sprachen nicht wahrscheinlich ist.
Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm. Sprachen. ]. 11
162 Kap. II. II. Geräthe, Lokalitäten. [6 48.
fores Thür gewöhnlich pl., aber auch forss schon bei Plautus,
ebenso valvae Flügelthür, doch ist auch valva belegt, umbrisch
pre vere:is vor dem Thare, got. daurons, ahd. Zuri nur plur., lit.
dürys Thür und va’tai Thor, aksl. orata serb. vrata, russ. vorota,
Thor. Wage: Bei Homer heisst calavrov das Talent, ralavra
Talente und Wage, letzteres nicht singularisch. Dazu Loya
Wage, lit. svafczat Wage (sraftıs Wagebalken), russ. vesy Wage
Dazu stellt sich noch als auf gleicher Anschauung beruhend
lit. naszczat Tracht, d. h. ein Schulterjoch zum Tragen von
zwei Eimern. Schere (les ciseauz): Iıt. Aliszes Krebsschere, serb.
klijesta und Aklijeste Zange, russ. klescı dass., lit. Zirkles Schere,
znypszles Lichtschere, russ. noznicy Schere u. s. w.
Lokalitäten. Vor allem kommen in Betracht die Wör-
ter für Haus: ai. gräd ist sing. und plur. (“das Haus als ein
aus mehreren Räumen und Gebäuden bestehendes” Böhtlingk-
Roth), grhäs heisst auch Familie; bei Homer (Juhl 21 ff.)
werden öspa und öwpara mit Beziehung auf ein Haus ge-
braucht, ohne dass man einen Unterschied empfindet, öwpara
(wenngleich selten) auch in Beziehung auf mehrere, öopos
und ööpor gleicher Weise in Beziehung auf ein Haus, oixos
hat vielfach noch deutlich die alte Bedeutung “Ansiedelung’,
es steht ganz überwiegend singularisch, der Plural otixoı
bedeutet mehrere Häuser, {von einem wielleicht » 416),
durch oixta dagegen (nur die Pluralform liegt vor) wird
ein Haus oder mehrere Häuser bezeichnet. Auch peyapa be-
zeichnet oft nur ein Gebäude; im Lateinischen lässt sich temp/a
neben templum vergleichen; im Litauischen ramai die Woh-
nung, woneben aber auch naämas vorkommt; aus dem Russi-
schen kann man etwa sent Vorhaus anführen, wohl ursprüng-
lich “die Mauern’. Ausserdem wären von Lokalitäten etwa noch
zu erwähnen: axrat was Y 50 so viel als Küste bedeutet, ın-
dem es von Athene heisst: otä&o rt yiv Tapd Tampov Opuxtı,v
reliyaog Edntos, Aldor En’ Axrawv Epröouünwy paxpov Aureı. Sonst
heisst ax der Küstenvorsprung und 4xtat die Vorsprünge;
öx8aı heißt dasselbe wie sonst 640m, z. B. in dv note unmnp
"[öndev xatıoüsa rap Sydmoıv Zıuosvros yelvaro A 474; Auevec
ui
$ 48-49.) Kap. II. II. Zeitabschnitte, Feste, Mahlzeiten. 163
heisst der Hafen W 745 (orisav 6 &v Auueveosıv, wobei an die
Buchten des Hafens gedacht sein wird. Eigentlich ist Aruınv
der weite freie Platz, daher im thessalischen Dialekt Markt-
platz). Avuspat z. B. ol Zoyaroı npös Övopewv olxeousı Herodot
2,33 heisst “die Untergänge’ der Sonne, also auch die Gegend
des Himmels, wo diese stattfinden. Aus dem Lateinischen
ist ausser dem genannten rostra namentlich castra zu er-
wähnen, das Lager mit seinen Abtheilungen, während casitrum
ein Kastell ıst, ausserdem etwa Aorti Lustgarten, Park, (wäh-
rend Aortus gewöhnlich Obst- oder Gemüsegarten ist), Zapi-
cıdinse Steinbruch, angustiae Enge. Aus dem Deutschen
erwähne ich got. salıdvos Herberge, Alawasnos Totenstätte,
veinatrsva Weinberg (eig. die Weinstöcke),, wozu Erdmann
629 einige Parallelen aus dem Ahd. beibringt. Mit Alatvas-
nos vergleicht sich das litauische Aapai Friedhof (Aapas
Grabhügel), mit Auneve; Jiires oder yJürsos Meer und mares oder
marıos Haff.
649. Zeitabschnitte, Feste, Mahlzeiten. Die Inder
nennen eine der von ihnen angenommenen Jahreszeiten (vgl.
Zimmer, Altindisches Leben 371) durch einen Plural, nämlich
durch das Neutrum varfani — so im AV. — oder, was ge-
wöhnlich ist, durch das Fem. varfas, welches eigentlich ‘die
Regen’ bedeutet.
Die Nacht wird bei den Indern in drei Nachtwachen
(yamäs) zerlegt, so ist z. B. im Epos von den dväu prathamau
yümau rätreh die Rede, gerade so bei Homer: rapolywxev 88
z\twv vof, T@v ÖVo porpamwv, tprram d Zrı yolpa Adleıntaı K 252
vgl.u 312). Diese drei Theile sind, wie es scheint, in uralter
Zet auch durch den Plural des Wortes “Nacht bezeichnet
worden. Für das Indische verweise ich auf irir aktun RV.8,5,8,
was Ludwig unter Billigung von Geldner (Pischel -Geldner,
Vedische Studien 2, 31) durch die drei Zeiten der Nacht über-
setzt. Freilich ist auch eine andere Auffassung möglich. Bei
Homer scheint vöxtes Nacht vorzuliegen in der Verbindung
voxta; te xal Tpap (eine Stelle wie w 63 dürfte auf einem Miss-
verständnis der alten Formel beruhen). Ferner finde ich dieses
11?
164 Kap. IL II. Zeitabschnitte, Feste, Mahlzeiten. 849.
voxtes in p£oaı vuxtes, worunter die eigentliche Nacht in ihrer
ganzen Ausdehnung verstanden wird, welche zwischen &orepos
oder repi Auyvwv äpds einerseits und dpßpos andererseits liegt.
Im Lateinischen bezeichnen sdus, calendae, nonae, nun-
dinae je einen einzelnen Tag. Vermuthlich hat man bei der
Erklärung von idus auszugehen, welches ‘Helle bedeutet haben
wird und so gut plurale tantum werden konnte, wie etwa das
Gegentheil tenedrae oder wie ai. Aetu Helle auch ım pl. vor-
kommt. Von sdus, welches offenbar die älteste Bezeichnung
ist (vgl. darüber BR. Flex, die älteste Monatseintheilung der
Römer, Jena 1880, Diss.), könnte der Numerus auf die übrigen
Wörter übertragen sein. Oder sollte man etwa annehmen, dass
die Bezeichnungen, die ursprünglich die bestimmten Tage sämmt-
licher Monate umfassten, missbräuchlich auf den einzelnen
Tag übertragen seien? Endlich könnte auch noch das Vor-
bild von feriae zur Erwägung kommen, da ja :tdus und
calendae als feriae bezeichnet werden. Im Litauischen
heisst metat das Jahr (also wohl eigentlich die Zeiten), z. B.
kad iszeis melai ıF vend dena wenn ein Jahr und ein Tag
vergehen wird, Schleicher Lesebuch 138, nach Kurschat jetzt
meist metas. Von den Bezeichnungen der Zeitabschnitte sind
die Bezeichnungen der Feste nicht zu trennen. Bei manchen
ist der Plural durch die Mehrtägigkeit gegeben, z. B. bei
griech. "OAuprıa, ’Eievstvie, unserem Ostern, Pfingsten, Werh-
nachten, lit. velykos Ostern, kaledos Weihnachten, gavenios
Fastenzeit, serb. dukov: Pfingsten. Der Plural kann aber auch
gewählt werden, wenn nicht gerade, oder nicht nothwendig, an
mehrere Tage, sondern wenn an mehrere Handlungen oder
Vorgänge, Abschnitte u. s. w. gedacht wird, so z. B. bei lat.
Jeriae (vgl. ahd. ziti, das nach Erdmann $ 32 namentlich auch
von Festen längerer oder kürzerer Dauer gebraucht wird), gr.
yapoı, lat. zuptige, ahd. drütloufti, lit. zvalgai Brautschau, derybos
Verlobung, rodynos Schmaus bei der Geburt eines Kindes
u.ähnl. Ferner tapati und tapoı von den Bestattungen mehrerer
gesagt, aber auch von der prunkvollen Bestattung eines Eın-
zelnen, lat. erseguiae und funera, lit. szefmens und szeftmenys
$ 49-50.) Kap. IL II. Verschiedenes. 165
Begräbnismahl, russ. pochorony Beerdigung, vgl. auch lit. dalydos
Theilung der Erbschaft. Auffällig ist mir der Plural bei der
Bezeichnung eines einzelnen Festtages in russ. imjanıny Na-
menstag. Derselbe Numerus findet sich auch ın russ. sutkt
f. vierundzwanzig Stunden. Nach Leskıien’s Ansicht geht dieses
bisher nicht erklärte Wort auf ein aksl. *sqtöka, plur. sqtüky
zurück, welches zu füknat: vorreıw pulsare gehören, und also
Zusammenstoss, Zusammentreffen (nämlich von Tag und Nacht)
bedeuten würde. An die Feste schliessen sich die Mahlzeiten,
bei deren Plural man an die einzelnen Gänge und Speisen
zu denken hat, z. B. lat. epulae und dapes (gew. plur.), lit. petus
Mittagessen, palddeniai Vesperbrod, vgl. auch lit. magaryczos
Trunk bei einem Vertrage.
650. Verschiedenes. Die Finsternis oder Dämme-
rang wird gelegentlich als etwas, das in Absätzen und Wellen
sich bewegt, in den Plural gesetzt. So spricht der Inder von
tamgsı Finsternissen, im Lat. ist tenebrae pluralisch, ebenso
russ. sumerki Dämmerung, pot&mki der dunkle Ort, das Dun-
kel. Der Schlaf kann pluralisch ausgedrückt werden, so
russ. prosonkt leichter Schlaf, vgl. lat. per somnia loqui.
Krankheiten können pluralisch ausgedrückt werden, wenn
ursprünglich gewisse zahlreich auftretende Erscheinungen am
Körper gemeint sind, z. B. Masern, Rötheln, Pocken, lit. tymas
Masern, nözat Krätze, raupai Masern, piktszasziat Kopfgrind,
serb. ospice Blattern. Bei russ. uroki bemerkt Reiff: maladie
qus chez les superstitieuz vient de ce qu’on a loue ou regarde avec
des yeur d’envie, wie mich Leskien belehrt, ist es aber ein wirk-
beher Plural und bedeutet “Beschreiungen’, genau so wie serb.
wroci. Viele Pflanzen sind nach ihren Organen benannt, so in
den litauischen Wörtern: Zariyos Feuernelke, vilkdalgiaiSchwertel,
penkpifszczas Fingerkraut, kukäliaı Raden, Aeczai Beifuss,
cööbras Pfefferkraut, dirses Trespe, russ.’ obrazki Aronstab, orlikt
Glockenblume. — Dem griech. rAoöroı Reichthum, was auch
ohne Beziehung auf mehrere Subjekte gesagt wird, entspricht
lat. diritiae; dem lat. reliquiae das lit. sqszlavos Kehricht, russ.
sgrebki Abfall und andere Wörter ähnlicher Bedeutung. —
166 Kap. II. I. Schwankungen der Abstrakte. [$ 50—51.
Merkwürdig ist ai. dara (nicht im Veda) Eheweib, das gew.
m. plur. ist, gelegentlich auch n. plur., und f. Vielleicht
bietet unser “Frauenzimmer ein Analogon. — Geradezu uner-
schöpflich sind die pluralia tantum in dem baltisch-slavischen
Gebiet.
$51. Abstrakta, die in konkrete Bedeutung hin-
überschwanken. Dass gewisse Vorgänge und Handlungen,
Stimmungen und Zustände als wiederholte Akte gedacht wer-
den, erscheint auch uns natürlich. So sagen wir mit Freuden,
in Ängsten, mit Schmerzen. Technisch ist im Deuschen die
Wehen, die Nachwehen, vgl. wötves, lit. pefszuliat Schmerzen,
pagirios Nachwehen des Rausches. Ebenso erscheinen uns
natürlich Wörter wie lat. preces Bitten, Bitte (woneben
sing., namentlich der Ablatıv prece), minae Drohungen, rugae
Possen, russ. vorakt dummes Geschwätz, Lügen u. ähnl. Bei
andern Abstraktis erscheint uns der Plural auffälliger, z. B. bei
appoouvn Unverstand. Es scheint mir nicht wohl möglich, beı
den folgenden Beispielen wie in den vorigen Nummern die
Begriffe zum Eintheilungsgrund zu machen. Ich habe deshalb
nach Sprachen geordnet.
Im Altindischen gelten eine Reihe von Suffixen als
Abstrakte bildend, z. B. ta, tät und täts, tva und tvana, atha.
Sıe verhalten sich in bezug auf die Möglichket den Plural zu
bilden so: Wörter auf ta wie kavydia Eigenschaft eines Wei-
sen, nagndtä Nacktheit, agöta Mangel an Kühen u. ähnl. haben
ım RV. und AV. in der That keinen Plural, im RV. auch de-
vatä nicht, weil es “göttliche Macht, Würde’ bedeutet; später,
wo es die Bedeutung ‘Gottheit’ angenommen hat (so schon im
AV.), kann es auch den Plural bilden. Immer aber muss man
bedenken, dass doch vielleicht das Fehlen des Plurals auch durch
Zufall erklärt werden muss. Denn während z. B. anapatyatä
Kinderlosigkeit nur im Sing. vorliegt, hat das gleichbedeutende
anapatyd den Plural in: yuyöts nö anapatyani gantöh schützt
uns davor, in Kinderlosigkeit zu gerathen RV.3, 54, 18. Von
Wörtern auf /# habe ich in der angegebenen Literatur keinen
$51.] Kap. II. I. Schwankungen der Abstrakta. 167
Plural gefunden, auf täti: @ toagamam Samtätibhir dthö arıftdtä-
tbheh RV. 10, 137, 4 was Grassmann übersetzt: “ich bin mit
dem, was Segen bringt, mit Unversehrtheit dir genaht’, Ludwig:
ich bin zu dir gekommen mit beruhigenden, mit Schaden ver-
hütenden Mitteln’. Von Wörtern auf toa erscheinen viele ohne
plur., z. B. adititva Sicherheit, amytatod Unsterblichkeit, äpi-
iva Freundschaft, garbhatod Schwangerschaft, dirghayutod Lang-
lebigkeit u.s.w., dagegen der Plural erscheint z. B.: mahitvebhir
yalamanau 10, 113, 7 “wetteifernd mit gewaltiger Kraft’ (Gr.)
‘nit Macht strebend’ (L.), tvam soma krätubhih sukrätur bhüs
tvam dakgaih, sudak$o vikoavedah todm vrfa vrjatvebhir mahiteä
dyumnebhir dyumny übhavo nrcakfah 1, 91, 2, was Grassmann
übersetzt: “durch Einsicht bist du einsichtsvoll, o Soma, durch
Kräfte kräftig du, der Allbesitzer; ein Stier bist du durch
Stiereskraft und Grösse, durch Reichthum wurdest reich du,
Männerschauer’ und Ludwig: ‘du, o Soma, wardst durch gei-
stige Kräfte stark, an vielfacher Tüchtigkeit reich, ein Besitzer
von allem, du wardst ein Stier an Mächtigkeit durch stier-
arige Eigenschaften, durch [wirkliche] Herrlichkeiten warst
du herrlich, [wardst| Augenweide den Menschen’. Von Ab-
straktis auf fvana wüsste ich keinen sichern plur. (RV.s, 92, 13
ist mariyatoana vielleicht Instr. sing). Die Wörter auf atha
sind oft konkret und pluralfähig, so z. B. cardtha Gang, Wan-
derung, vidätha Versammlung, $aydtha Lager u.a., dagegen
nur singularisch sind pröthdtha Schnaufen, Svasätha dass., sta-
nätha Donner, sacdtha Zusammensein, Gemeinschaft, Beistand,
sravdtha das Rinnen, Strömen u. a.
Ausser den mit den genannten Suffixen gebildeten Wör-
tern liessen sich aus dem Ai. noch viele anführen, z. B. rak$a
nö agne tava rdk$anebhih schütze uns, Agni, mit deinem Schutz
RV. 4, 3, 14; tdva Srdvasy upamäany ukthya deine höchsten
Ruhmesthaten (xA&ea) sind des Liedes würdig 8, 99, 2; Saphav
ira Järbhuräna tärobhih wie Hufe trabend in Eile 2, 39, 3;
sumdtayas Gunst, Wohlwollen; mahäbhis kräftig, tüchtig (zu
mahan Grösse) und ähnliche Adverbia;, Adudha3 ca särvas
ifinaß ca alle Arten von Hunger und Durst (alle Dämonen des
168 Kap. U. U. Singularia und Pluralia tantum. [$ 51—52.
Hungers und Durstes) AV. 11, 8, 21. Mit myiyavas Todesarten
vergleicht sich $&varoı und mortes. Über die gleiche Erscheinung
bei Homer handelt Juhl 45 ff. Er führt beinahe ausschliess-
lich Bildungen auf ouvn (vgl. ai. toana) oder {n an, z.B. appoouvn
Unverstand, rıppoouvn Verständigkeit, droßnposuvn Eingebung,
öartpocuvn, die Kunst das Fleisch zu zerlegen, avalxein Schwäche,
roAutöptn Verschlagenheit, roöwxein Schnellfüssigkeit, &xnßoAtn
die Kunst weithin zu schiessen. Aus dem Lateinischen hat
Draeger, 1, 9 Material beigebracht. Über das Deutsche han-
delt Grimm 4, 228, wo bemerkt wird, dass im Ahd. und Mhd.
gern die Feminina wonne, ehre, minne, gnade, selde, huld, treue,
reue, pflege im Plural erscheinen, so oft auch ihr Singular vor-
kommt. Über dieselbe Erscheinung im Litauischen und Slavi-
schen finde ich kaum etwas notiert.
$52. Sıngularia und pluralia tantum. Da in den
86 46— 50 bereits über diesen Gegenstand mit gehandelt
worden ist, bleibt hier nur einiges nachzuholen. Lediglich
den Singularis möchte man den Eigennamen zutrauen.
Doch giebt es Lagen, in welchen auch diese pluralisch vor-
kommen. Ich führe an, was Erdmann 2, 4 darüber äussert:
“Erstens kann ein Eigenname im Plural gebrauch werden bei
Bezeichnung verschiedener Personen gleiches Namens, wo er
eben nur die Thatsache der Benennung mehrerer Wesen mit
diesen Lauten angiebt, aber keine Andeutung über die innere
Beschaffenheit derselben enthält, die ganz verschiedenartig sein
kann, wie bei den Atavre des Homer; oft bei lateinischen
Geschlechts- oder Beinamen. Oder man denkt bei den Personen-
namen nur an bestimmte hervorragende für die Rede gerade
wesentliche Merkmale der Person, dıe sie auch mit anderen
Individuen theilen und insofern vervielfältigt erscheinen kann.
Meist wird jedoch dies als eine ungewöhnliche, originale Neu-
bildung empfunden werden, die der effektvollen, zu ungewöhn-
lichen Mitteln greifenden Rede angemessen ist und von grosser
rhetorischer und selbst poetischer Wirkung sein kann. Man
denke an Xenophon’s Rede nach der verrätherischen Ermor-
dung der Feldherrn Anab. III, 2, 31: yuptous oovrar avd’ &vos
$ 52.) Kap. DO. I. Singularia und pluralia tantum. 169
Kleapyous; selbst an das bekannte Witzwort Sulla’s Plutarch
Caes. I: o0x Eon voov Eysıv autous, el pm ToAlols Ev tw raudl
zoutw Maptous &vopwsı. Ein deutsches Beispiel im Briefe Luther’s
an Kurfürst Friedrich vom 5. März 1522: wenns gleich neun
Tage lang eıtel Herzog Georgen regnete. Ein eigenthümlicher
Fall endlich ist der, dass eine Person zwar nach Namen und
Individualität eigentlich dieselbe bleibt, in bestimmt hervor-
tretenden für die Erzählung wesentlichen Merkmalen aber sich
verändert hat und als eine andere erscheint. Hier greift Ovid
bei dem Namen der Niobe zwar nicht zur Pluralbildung, aber
zu bedeutsamer Unterscheidung durch Pronomina, die den
Wechsel in Schicksal und Erscheinung gewissermassen auch
mit grammatischen Mitteln illustriert: Aes guantum haec Ntobe
distabat ab illa”. Ich füge diesen Worten Erdmann’s hinzu,
dass im Altindischen nicht selten der Pluralis eines Eigen-
namens angewendet wird, um die Nachkommen der durch die
Eigennamen benannten Personen zu bezeichnen. So sind im
RV. Atrayas die Nachkommen des Atri, Kanväas die des Kanva
u. 8. w. (vgl. Autsa, kusika, götama, priydmedha, bharädoaja, vd-
sijtha, viScamitra u. a. in den Wbb.: grisamadäs findet sich im
RV. nur im plur. Es scheint nicht unnatürlich, wenn man die
Nachkommen, gewissermassen Wiederholungen des Vorfahren,
durch einen solchen Plural bezeichnet. Indessen kann das
Verhältnis der beiden Numeri auch anders gedacht werden.
Vielleicht ıst der Pluralis früher vorhanden gewesen als der
Sıngulars. Man könnte wohl ein Geschlecht als “die tauben’
ikänväs), ein anderes als “die besten’ (vdsisfhas) bezeichnet und
erst später die Ahnherrn Kanva und Väsistha geschaffen
haben. Eine Entscheidung wird sich erst bei einer geschicht-
lichen Untersuchung über die indische Namengebung, die uns
noch fehlt, ergeben.
Unfähig des Plurals dürften die Infinitive sein, sobald
sie lediglich die Handlung des Verbums ausdrücken. Bei dem
substantivischen Infinitiv kann im Mhd. nicht bloss ein (was
sehr häufig ist) sondern, wo es die Situation erfordert, auch
einmal zwei erscheinen. Ein sicherer Beleg der Art ist zwei
170 Kap.II. II. Singulare in Plurale umgewandelt u. umgekehrt. [$53—54.
bliuwen (Parzivalj, das Grimm 3, 537 anführt (vgl. auch den
Neudruck).
Gewöhnlich bemerkt man, dass Wörter, welche nur ein-
mal vorkommende Dinge bezeichnen, wie Himmel, Äther,
Erde u. s. w., nur des Singular fähig sind. Indessen ist ja
die Vorstellung der sieden Himmel, das Fallen aus allen Hım-
meln u.s. w. bekannt, und so ist der Phantasie unbenommen,
sich auch die übrigen Begriffe dieser Art pluralisch zu denken.
Bisweilen hat auch der Plural eines solchen Wortes einen etwas
abweichenden Sinn. So ist 7Aror nicht ‘die Sonnen’, sondern
‘die Sonnenstrahlen, die Sonnenhitze’ (vgl. soles,. Wie im Alt-
indischen Begriffe wie Himmel und Erde dazu kommen, Dual-
form anzunehmen, ergiebt sich aus dem über den elliptischen
Dual Gesagten ($ 41).
Nur der pluralischen Form fähig sind gewisse Begriffe,
zu deren Wesen es gehört, dass sie aus mehreren Individuen
bestehen, z. B. Alpes eine Kette von Bergen, von denen jeder
seinen besonderen Namen hat oder haben kann, namentlich
zusammenfassende Bezeichungen verwandter Menschen, z. B.
majores (von denen der eine Grossvater, der andere Urgrossvater
heisst u. s. w.), manes, got. brobrahans Gebrüder und andere
Wörter ähnlicher Bedeutung.
853. Singulare ın Plurale verwandelt und umge-
kehrt. Singularische Kollektiva streifen in ihrer Bedeutung
nahe an den Plural, und so geschicht es denn, dass sie geradezu
zu Pluralen werden. Aus dem von J. Schmidt, Pluralb. 12 ff.
beigebrachten Material, auf das ich verweise, erwähne ich hier
nur das gotische fadrein und einige slavische Formen. Got.
‚fadrein, ein substantiviertes neutrales Adjektivum (*patrınum)
bezeichnet eigentlich “Väterliches‘, dann “Vaterschaft‘, so: #s
bammei all fadreinis in himina jah ana airbai namnjada &£ ov
rasa rarpıa &v obpavois xal Ent yrs Övopdlerar (der der rechte
Vater ist) Eph. 3, 15. Dann heisst es “die Eltern’ und nimmt
in diesem Sinne den maskulinischen pluralischen Artikel zu
sich, also Da: fadrein. Im Datıv endlich zeigt es an sich selbst
553—54.] Kap. II. IL Elliptischer Plural. 171
pluralische Flexion, sodass yovsücsıy durch fadreinam übersetzt
wird. Aus dem Slavischen gehört hierher z. B. das bei den
Numeri erwähnte Dratrija (bratija) und Genossen. Das aksl.
brairija ist ein singularisches Femininum mit den Formen:
Nom. dratrija, Gen. bratrije, Dat. dratriji, Akk. bratrijg. Dass
man es aber als Plural empfand, folgt (neben der Thatsache,
dass es die Pluralform von ddeAyds wiedergiebt) aus dem Um-
stand, dass drafrü nur in Singularformen vorliegt, und aus
Sätzen wie die folgenden: ni bratrija bo jJego verovaachq vi
njego obdE yap ol Ade)mol abrou &rlotevov als aurov Joh. 7, 5; ddi
ze kü bratri (d. ı. dratrifi) mojepi i rich jimü ‚nopebou $& Tpüs
obs AdeApous pou xal eins autois, Joh. 20, 17; be Ze vü nasü
sedmi bratrije (Gen. sing.) Toav 88 rap Yuiv intra Mdeiool
Matth. 22, 25. Es ist kein Wunder, dass unter diesen Um-
ständen auch die Form pluralisiert wurde. Schon im Aksl.
tauchen nach Miklosich Gr. 32, 291 Formen wie drattijamu (Dat.
plur.), drafijami (Instr. plur.) auf, und im Russischen lautet
der Plur. zu drats: brafija bratievu, brafijamü u. s. w., hat
also im Nom. die gewöhnlichen pluralischen Ausgänge und
dabei maskulinisches Geschlecht. — Nach J. Schmidt’s Hypo-
these sollen die neutralen Plurale auf a im Indogermanischen
in analoger Weise aus singularischen Femininis entstan-
den sein.
Auch der entgegengesetzte Vorgang, die Verwandlung eines
usprünglichen Plurals in einen Singular, kommt vor. Ich er-
wähne, indem ich von disputablen Erscheinungen in älteren
Sprachperioden absehe, einige englische Beispiele, die ich
Tobler a. a. O. 418 entnehme: pox Pocken, odds Ungleichheit,
means Vermögen (fr. moyens Mittel), news Zeitung, bellows
Blasebalg (eig. Bälge) sind Plurale, welche als Singulare be-
handelt werden. Neue Pluralformen sind gallowses zu gallows
Galgen, stzpences zu sizpence (eig. six pennies).
$ 54. Elliptischer Plural. Es ist schon oben 8. 1371.
bemerkt worden, dass aus dem elliptischen Dual in solchen
Sprachen, welche den Dual nicht oder nicht mehr unver-
sehrtt haben, der Plural werden konnte, z. B. lat. Castores,
172 Kap. IH. I. Grundbegriffe der Kasus. [$ 54.
lit. tevai Eltern. Es kann wohl auch der Plural an sich so
gebraucht werden. Ein sicheres Beispiel ist ai. $rd$uräs die
Schwiegereltern, eig. der Schwiegervater und alle zu ıhm ge-
hörigen, so: Aö dämpati sämanasa vi yuydd ddha yad agnıh
$rasuregu didayat wer hat die beiden einträchtigen Hausgebieter
(Mann und Frau) getrennt, als Agnı bei den Schwiegereltern
leuchtete RV. 10, 95, 12. Doch dürfte dieser Typus wegen
seiner Undeutlichkeit selten sein, und vielleicht wäre auch
Svasuräs u. ähnl. nicht entstanden, wenn nicht $SraSuräu vor-
handen gewesen wäre. (Wenn ai. pa$dvas auch “Thier und
Menschen’ bedeutet, so kommt das vielleicht daher, dass auch
der Mensch zu den Opferthieren, welche paSavas heissen, ge-
rechnet wird.)
Kapitel III. Die Grundbegriffe der Kasus und
der Synkretismus.
I.
Die Grundbegriffe der Kasus.
Hinsichtlich der Geschichte der Kasuslehre kann ich auf
die einsichtige Darstellung von Hübschmann, zur Kasuslehre,
München 1875 verweisen, und ausserdem auf die zerstreuten
Bemerkungen, welche von mir ın der Einleitung gemacht
worden sind. An dieser Stelle glaube ich die Sache am besten
zu fördern, wenn ich von den Aufstellungen der indischen
Grammatik ausgehe, welche sich durch die Schärfe der Fassung
vortheilhaft von demjenigen unterscheiden, was in unserer euro-
päischen Tradition Gestalt gewonnen hat. Dabei zitiere ich
die einzelnen Regeln nach der erklärenden Übersetzung, welche
Böhtlingk seiner zweiten Ausgabe des Pänini (Leipzig 1887)
einverleibt hat.
$ 55—56.] Kap. UI. I Die indische Grammatik. 173
4. Die Grundbegriffe nach der indischen Grammatık.
$55. Allgemeines. Um die indische Grammatik wür-
digen zu können, muss man vor allem bedenken, dass es eine
ihrer Hauptaufgaben war, den richtigen Gebrauch des ın der
Literatur und dem Leben ihnen vorliegenden Sanskrit zu
lehren. Sie kommen mit ihren Regeln dem Bedürfnis des-
jenigen entgegen, der etwas sagen will. Eine Regel wie bhäte
lu 3, 2, 110 soll also genau genommen nicht bedeuten: “der
Aorist bezeichnet die vergangene Zeit’ (wie Böhtlingk über-
setzt;,, sondern: “wenn man die Vergangenheit ausdrücken will,
so gebraucht man den Aorist. Sodann muss man erwägen,
dass die grammatischen Lehrbücher dazu bestimmt waren, in
den Schulen als Ganzes auswendig gelernt zu werden. Man
darf also eine einzelne Regel nie für sich betrachten, sondern
muss sie mit den übrigen verwandten in Zusammenhang setzen.
So besagt z. B. die Regel 2, 3, 8 “in Verbindung mit einer
Präposition steht der Akkusativ’, nicht, dass alle Präpositionen
den Akkusativ regieren, sondern nur, dass dies der Fall ist bei
allen denjenigen Präpositionen, über welche nicht im Verfolg
etwas Anderes ausgesagt wird, wie dies z. B. bei apa, @ und
pari geschieht, welche mit dem Ablativ verbunden werden
sollen. Wenn man dieses festhält, so wird man erstens be-
greifen, warum in dem Kapitel von den Kasus nicht von den
Kasusformen ausgegangen wird (wie wir es thun), sondern von
gewissen Verhältnissen, welche auszudrücken die Kasus be-
summt sind, und zweitens, warum man sich z. B. damit be-
gnügen konnte, hinsichtlich des Genitiv zu lehren, er werde
in allen übrigen Fällen ($e$2 bei dem Rest, nämlich desjenigen,
was man mit den Kasus ausdrücken will) verwendet.
$56. Die Stammbegriffe in der indischen Gram-
matik. Die Satzverhältnisse nun, um welche es sich bei
den Kasus handelt, finden ihren Ausdruck in einer Reihe von
Begriffen, welche eingeführt werden durch die Regel karake
(1,4, 23), d.h. wenn von einem Faktor (d. i., wie Böhtlingk
erläutert, von einem Nomen in seiner unmittelbaren Beziehung
174 Kap. IL I. Stammbegriffe in der indischen Grammatik. [$ 56.
zu einem Verbum) die Rede ist, kommen folgende Regeln zur
Anwendung. Die Begriffe sind 1) apädana Wegnahme. Apadana
heisst, was bei einer Trennungam Platze verbleibt, dieVeranlassung
der Furcht bei Verben, welche ‘sich fürchten’ und beschützen’
bedeuten, bei para-ji dasjenige, was man nicht zu überwinden
vermag, 2. B. adhyatanät parä JjJayate er ist dem Studieren nicht
gewachsen !), bei Verben von der Bedeutung ‘abwehren’ das-
jenige, was einem am Herzen liegt, z. B. yavebhyö gam varayatı
er hält die Kuh von dem Getreidefeld zurück, bei Verben von
der Bedeutung ‘sich verbergen’ derjenige, von dem man nicht
gesehen sein wıll. Desgleichen heisst apädäna derjenige, der
etwas mittheilt, wenn es sich um die Erlernung von etwas
handelt, z. B. upadhyayad adhitz er lernt vom Lehrer. Ferner
das Primitive in Beziehung zu dem, was daraus entsteht, des-
gleichen der Ursprung in Beziehung zu dem, was daraus ent-
springt, z. B. Atmavato ganga pra bhavatı aus dem Himavant
entspringt die Ganga. 2) Sampradana, Hingabe. So heisst der-
jenige, mit Rücksicht auf den man mit einer Handlung vor-
geht (karmana yam abhi präiti den man bei einem Objekt im
Auge hat, nach Böhtlingk), bei Verben in der Bedeutung 'ge-
fallen’ derjenige, der seine Freude an etwas hat, bei $lagh
prahlen, Anu sich entschuldigen, stAä sich zur Verfügung
stellen, $&2p geloben derjenige, dem man etwas zu erkennen
geben will, bei dhäray schuldig sein der Gläubiger, bei sparh
begehren das Begehrte, bei Verben in der Bedeutung zürnen,
hassen, neidisch sein, missmuthig sein derjenige, gegen den der
Ärger gerichtet ist, bei rad) und iA$ derjenige, nach dessen
zukünftigem Schicksale gefragt wird, z. B. devadattaya radhyatı
er interessiert sich für D. (unbelegt), bei prati-Sru und ü-$ru ver-
sprechen der Agens der Vorhandlung, z. B. devadattaya gam
prati Synöti er verspricht dem D. eine Kuh. Dabei wird als
Vorhandlung vorausgesetzt, dass D. gesagt hatte ‘gieb mir
eine Kuh’, desgleichen bei anu-gar und prati-gar antworten.
3) karana Werkzeug. Jiarana ist dasjenige, was ein Anderes
(Akk.) unmittelbar zu Wege bringt (sadhakatamam karanam,
1) Alle Beispiele stammen aus den Scholien.
65657.) Kap. III. 1. Der Akkusatir. 175
eigentlich: Aarara ıst das förderndste). 4) adhikarana (von
adhi-kar mit nicht recht deutlichem Sınn, die Kategorie des
Lokativs. Adkikarana ıst der Behälter, das Gebiet (einer
Wirksamkeit oder Thätigkeit). 5) karmar Handlung. Karman
heisst dasjenige, was der Agens vor Allem zu erreichen
wünscht (kartur ipsttatamam), auch das, was man nicht zu er-
reichen wünscht, wenn es auf dieselbe Weise mit dem Verbum
verbunden wird (vifam bhakgayatı er geniesst Gift), und auch
das, was bisher nicht besprochen worden ist, nämlich was bis-
her mit keinem anderen Namen wie apädäna u. s. w. belegt
worden ist (Böhtlingk). 6) Aartar Agens. Kartar heisst der
aus eigenem Antrieb Handelnde.
Unter diese Stammbegriffe werden nun in einem folgenden
Kapitel (2, 3) die in der Sprache vorhandenen Kasus (der erste,
zweite u.8. w.) vertheilt. Und zwar ergiebt sich dabei, dass dem
Begriffe apadana nur der Ablativ entspricht; dem Begriffe sam-
pradana nur der Dativ; dem Begriffe adhikarana der Iokativ,
aber auch der Genitiv; dem Begriffe Aarman der Akkusativ,
aber auch der Dativ; dem Begriffe Aartar der Instrumentalıs,
aber auch der Genitiv. Indem Pänini so den Begriff, nicht
den Kasus, zum Eintheilungsgrund macht, erreicht er den Zweck
seiner Darstellung in höchst vollkommener Weise. Für meine
gegenwärtige Absicht aber ist es praktischer, von dem ein-
zelnen Kasus auszugehen. Doch muss dabei die von Pänini
gewählte Reihenfolge der Hauptsache nach beibehalten bleiben.
Demnach ergiebt sich für die Kasus Folgendes').
$57. Der Akkusativ. Er steht bei dem Akarman (be-
zeichnet das Objekt) falls dieses nicht sonst schon ausgedrückt
ist. Man sagt also z. B. kafam karötı er macht die Matte, aber
in kafah kriyate die Matte wird gemacht steht nicht der Akk.,
weil der Begriff des Aarman bereits durch die Endung des
Passıvums ausgedrückt ist. Der Akk. bezeichnet das Objekt
auch bei Verben des Gehens, wenn eine wirkliche Bewegung
stattfindet und wenn nicht adhvar, der Weg, Objekt ist (12),
1) Auf die Verbindung der Kasus mit Präpositionen oder präpositions-
artigen Adverbien ist in dieser Übersicht keine Rücksicht genommen.
176 Kap. III. L Der Instrumentalis. [$ 5758,
z. B. gramam gachati er geht zum Dorfe. Der von uns so
genannte Akk. des Zieles gehört natürlich mit unter den Be-
griff Aarman, da dieses ja als das von dem Handelnden am
meisten Erstrebte definiert war. Durch den Vorbehalt betrefls
adhvan ıst das, was wir inneres Objekt nennen, als etwas Be-
sonderes anerkannt. Sodann steht der Akkusativ bei Zeit- und
Wegmassen, wenn eine ununterbrochene Dauer gemeint ist.
Damit ist von dem Akkusativ etwas Neues ausgesagt, was
nicht unter den Begriff Aarman fällt. Sodann wird noch notiert,
dass bei div spielen der Einsatz im Brähmana nicht im Gen.,
sondern im Akk. steht (vgl. $ 178 Schluss), und dass bei dem-
selben Verbum der Akk. mit dem Instr. konkurriert (ak$aır
divyali er spielt mit Würfeln, akfan divyatı er spielt Würfel),
endlich, dass von gewissen Nomina ein Akkusativ abhängig sein
kann (vgl. $ 184).
658. Der Instrumentalis. Er steht nach 18 karirka-
ranayos, d. h. nach Böhtlingk, er bezeichnet den Agens (wenn
dieser nicht schon durch das Verbum bezeichnet ist) und das
Instrument, z. B. devadattöna krtam durch D. ist gethan worden,
dätrena lunäti er schneidet mit einer Sichel, was wir so aus-
drücken würden: der Instr. bezeichnet das Werkzeug; bei
passivischem Ausdruck kann auch eine Person das Werkzeug
sein. Wie Passiva werden übrigens auch die Formen auf
-tavya und auch verschiedene Nomina z. B. dugkara “schwer zu
machen’ konstruiert (69). Ferner bezeichnet der Instr. das-
jenige, wodurch der Körper verunstaltet wird, z. B. pädena
khanjah pede claudus (20), und auch das Merkmal, wodurch
jemand gerade so und nicht anders erscheint, d. i. woran man
jemand erkennt (21). Ferner das Objekt, nämlich bei 4 opfern
ım Veda, z. B. yavagvagnıhötram jJuhött er opfert Reisbrühe als
Agnihotra, ebenso bei sam-j%@ (nicht belegt). Während sich
die letztgenannten Einzelheiten wohl auch nach P. unter den
Begriff des Aarana u. s. w. bringen lassen, folgen nun die Ge-
brauchsweisen des Instr., bei denen das nicht der Fall ist.
Der Instr. steht nämlich auch bei dem Begriffe hetu Ver-
anlassung, Ursache, z. B. kanyaya S0kö vidyaya yasah aus
$ 58-59] Kap. IL Der Dativ nach Pänini. 177
Veranlassung eines Mädchens erfährt man Kummer, infolge der
Beschäftigung mit der Wissenschaft erlangt man Ruhm. Im
einzelnen ist dazu zu bemerken, dass wenn das Wort Aötu
selbst gesetzt wird, der Gen. steht, es sei denn, dass ein Pro-
nomen dazu tritt, z. B. kena hetunä aus welcher Ursache. So-
dann steht der Instr. bei Zeit- und Wegmassen, und zwar im
Unterschied von dem Akkusativ Idann, wenn dabei ein Ab-
schluss erreicht wird, z. B. mäsenänuväko ’dhitah in einem Monat
ist der Anuväka erlernt worden. Auch der Name eines Mond-
hauses kann als Bezeichnung einer bestimmten Zeit statt im
Lok. im Instr. stehen, z. B. pu$ye oder pusyena päyasam abni-
yai während der Zeit, wo der Mond ım Sternbilde P. steht,
esse er Milchspeise (so im Mhbh. belegt)... Endlich steht der
Instr. bei gewissen Adjektiven, und zwar in Konkurrenz mit
dem Genitiv bei Zulya, sady5a ähnlich, z. B. tulyo devadatiena
oder devadattasya, und in Konkurrenz mit dem Lokativ bei
utsuka und prasita besorgt für etwas, z. B. köegu oder kebarh
für seine Haare (nicht oder kaum belegt).
859. Der Dativ. Er bezeichnet das sampradänam. Aber
in mehreren Fällen auch das karman, so bei Verbis des Gehens,
da man gramäya gacchali ‘er geht zum Dorfe’ so gut sagt, wie
grämam gacchati. Ebenso kann der Dativ bei ma» im Sinne
des karman stehen, wenn Geringachtung ausgedrückt wird,
und vorausgesetzt, dass nicht von einem lebenden Wesen die
Rede ist, also: na iva tynaya manye ich schätze dich nicht für
einen Strohhalm (so in der späteren Sprache einigemal belegt).
Ferner bezeichnet der Dat. das karman, wenn ein zum Verbum
gehöriges anderes Wort mit verbaler Bedeutung dabeistehen
könnte, aber nicht hinzugefügt wird — eine nicht eben glück-
liche Fassung für das, was wır bei dem finalen Dativ unter-
bringen, z. B. edhebhyö vrajati er geht nach Brennholz, gleich
edhan ahartum vrajati er geht Brennholz zu holen. Dazu wird
hinzugefügt, dass auch ein Nomen actionis im Dativ stehe,
wenn es die Bedeutung eines Infinitivs hat, z. B. pakäya vrajalı
er geht zum Kochen, gleich paktum vrajati. Als Einzelheiten
bleiben nun noch übrig die Regeln, dass bei namah Verehrung,
Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm. Sprachen. 7. 12
178 Kap. III. Der Ablativ nach Pänini. (8 5960.
soas# Heil u. ähnl. der Dativ steht, und dass bei äyusya
langes Leben u. ähnl. der Dativ mit dem Genitiv konkurriert.
Man kann also sagen äyusyam devadatiasya bhüuyat und deva-
dattäya.
$ 60. Der Ablativ. Er bezeichnet das apadana. Ausser-
dem auch das Aarana. Es können nämlich die Wörter stöka,
alpa, krcchra und katipaya, wenn sie nicht etwas Stoffliches be-
zeichnen, auch in instrumentaler Bedeutung ım Ablativ stehen,
z. B. stökan muktah oder stökena muktah mit genauer Noth frei-
gekommen, dagegen stökena visena hatah durch ein wenig Gift
getötet (kaum belegt, vgl. SF. 5, $ 71 Ende). Kommen wir nun
zu den nicht unter die Stammbegriffe fallenden Gebrauchs-
weisen, so ist zunächst zu erwähnen, dass der Ablativ wie der
Instr. bei dem Begriff Aetu Ursache gebraucht werden kann,
nämlich dann, wenn die Ursache eine Eigenschaft (in abstracto)
ist. Doch darf das Wort nicht weiblichen Geschlechtes sein.
Man sagt also jJadyena oder jJadyad baddhah infolge seiner
Dummheit ın’s Gefängnis gerathen. Stünde aber statt jJadya
ein f., so müsste der Instr. gebraucht werden. Sind Schulden
die Ursache, so steht der Ablativ, vorausgesetzt, dass die Schul-
den nicht als Agens gefasst werden. ($atad baddhak er ist
wegen einer Schuld von hundert eingesteckt worden, aber
Satena baddhah eine Schuld von hundert hat ihn in’s Gefängnis
gebracht). Weiter sind folgende einzelne Regeln zu merken:
Der Lokalis oder Ablatıv steht, wenn zwischen dem jetzt und
später oder dem hier und dort etwas Thuenden der Zwischen-
Taum angegeben wird, z. B. adya bhuktva devadatiö doyahe oder
doyahad bhökta nachdem D. heut gegessen hat, wird er in zwei
Tagen essen, shasthö 'yam igvasah kröße oder krößal lak$yam
vidhyati der hier stehende Pfeilschütze trifft in einer Entfernung
von einem Krosa das Ziel (in der älteren Sprache nicht belegt).
Endlich steht der Abl. in Verbindung mit Adjektiven und
zwar a) dem Komparativ. Darüber belehrt folgende Regel.
“Im Lok. oder Gen. steht dasjenige, aus oder unter dem
etwas hervorgehoben wird. Ist das Hervorgehobene vom An-
deren verschieden (nicht in ihm enthalten), so steht dieses im
$ 60—62.) Kap. III. Lok. Nom. und Vok. nach Pänini. 179
Ablativ”. b) In Verbindung mit Wörtern in der Bedeutung von
düra fern und antıka nahe steht der Abl. oder Gen. c) Der
Abl. steht in Verbindung mit anya, arad, ttara, rte, einem Rich-
tungsworte, einem auf aäc ausgehenden Worte und einem auf
ö oder aAs auslautenden Adverbium.
$ 61. Der Lokalıs. Er dient zur Bezeichnung des
adlakarana. Dass er einen Zwischenraum, räumlich oder zeitlich,
ausdrücken kann, ist bei dem Ablatıv bemerkt worden. Im
Lok. oder Gen. steht dasjenige, aus oder unter dem etwas
hervorgehoben wird. Der Lok. oder Gen. steht bei den Wör-
tern für Herr wie svamin, iSvara, desgleichen bei zyukta und
kusala geschickt, wenn ein Obliegen gemeint ist. (äyukta nicht
belegt.) Der Lok. oder Instr. steht bei prasitu und utsuka besorgt
für etwas (vgl. $ 58), der Lok. bei sädhu und nipuna, wenn es
ach um Ehrerbietung handelt, vorausgesetzt, dass sie nicht mit
prati verbunden werden, z. B. mätars sadhuh gut gegen die
Mutter (bei sadhu in der späteren Sprache belegt, nipuna in
dieser Bedeutung nicht). Endlich werden noch die absoluten
Lokale erwähnt durch die Regel: auch dasjenige steht im
Lokalıs, durch dessen Sein ein anderes Sein näher gekenn-
zeichnet wird.
$ 62. Der Nominativ und Vokativ. Nom. und Vok.
fallen nicht unter die sechs Begriffe. Der Nominativ steht,
wenn nichts anderes ausgedrückt werden soll, als die Bedeu-
tung des Nominalstammes, das Geschlecht, das Mass !) oder der
Numerus. Da demnach der Nom. nicht als Subjektskasus auf-
gefasst wird (wovon später), sondern, wie wir sagen würden, als
Stamm, so ist der Vokatıv von ihm nur dadurch unterschieden,
dass er beim Rufen gebraucht wird. Ein solcher Nominativ
heisst amantrıta. Im Singular aber, wo er meist eine beson-
dere Form hat (oder, nach indischer Art ausgedrückt, wo die
Endung abfällt), heisst er mit einem Synonymum sambuddht.
1) Dabei ist an Verbindungen wie dröono vrihth ein Drona Reis ge-
dacht, welche freilich in der Literatur nicht vorliegen (vgl. Böhtlingk,
ZDMG 41, 179).
12°
180 Kap. III. Der Genitiv nach Pänini. [$ 63.
8 63. Der Genitiv steht in allen noch übrigen Fällen.
An diese Definition schliesst sich, als ob sie eine positive wäre,
die Angabe, bei welchen sonstigen Stammbegriffen der Genitiv
betheiligt ist. Er erscheint als Objekt (karman) bei einer Reihe
von Verben (2, 3, 52 ff). Belegt sind davon die Verba in
der Bedeutung von adhi-i gedenken, i3 herrschen, day Mitleid
haben (das letzte wenigstens in der späteren Sprache, während
ın der älteren Zeit der Akk. erscheint); ämayati es geht schlecht
und ähnliche Verba (vgl. SF. 5, 5); pra-i$ und dr&, bei denen
die Spende im Genitiv steht, wenn sie einer Gottheit darge-
bracht wird (vgl. SF. 5, 161). Sowohl den Agens (kartar) als
das Objekt bezeichnet der Gen. in Verbindung mit einem Ver-
balnomen oder, wie wir sagen würden, bei einem Verbalnomen
kann der Gen. subjektiv und objektiv sein, z. B. dhavatah
$ayıka dein (des Herrn) Ruhen, puram bhatta der Zerstörer
der Städte. Wenn Agens und Objekt zugleich genannt wer-
den, der Gen. also beide bezeichnen könnte, bezeichnet
er das Objekt, z. B. röcate me Odanasya bhöyanam devadatiena
mir gefällt das Verzehren der Musspeise durch Devadatta. Als
kartar erscheint der Gen. auch in Verbindung mit einem Par-
tizip auf ia in gegenwärtiger Bedeutung, z. B. rayfham püjıtah
von den Königen geehrt, desgleichen, wenn das Partizip den
Ort, wo etwas vorgegangen ist, bezeichnet, z. B. idam efam
asıtam hier haben sie gesessen. In Verbindung mit einem
Part. fut. pass. kann der Gen. oder Instr. den Agens be-
zeichnen, z. B. bhavatah oder bhavatü kafah kartavyah von dir
ıst die Matte zu machen. Das Werkzeug (karana) bezeichnet
der Gen. bei JRä, wenn es nicht die Bedeutung kennen, er-
kennen hat (unbelegt), und bei As opfern im Veda, z. B. ghrtena
oder gAhrtasya yajate (vgl. SF. 5, 160). Im Sinne von adhıkarana
(der Kategorie des Lokalis) steht der Gen. in Verbindung mit
einem Adverb in der Bedeutung von krtvas mal, z. B. pafica-
krtvo 'hno bhurkte dvir ahno ’dhite fünfmal am Tage isst er,
zweimal studiert er. Wie der Instr. kann der Gen. angewendet
werden bei dem Begriffe %Aetu Ursache, nämlich dann, wenn
das Wort hetu selbst gebraucht wird, z. B. annasya hetör vasatı
$63-65.]) Kap. II. Beurtheilung der indischen Lehren. Ablativ. 181
der Speise wegen bleibt er. Ferner konkurriert er mit dem
Instr. bei den Adjektiven von der Bedeutung ‘ähnlich’, bei
den Wörtern in der Bedeutung von düra und antıka mit dem
Ablativ, bei äyusya u. s. w. mit dem Dativ. Überhaupt soll
er im Veda häufig an Stelle des Datıvs stehen. Endlich kann
statt des absoluten Lok. der absol. Gen. stehen, wenn Gering-
schätzung ausgedrückt wird, z. B. rudatah prävräjit er ging
von ihm weg, obgleich jener weinte.
$ 64. Beurtheilung derindischen Lehren. Soweit die
Lehren der indischen Grammatik. Wir tadeln an ihnen heute,
dass sie den Genitiv nur negativ definieren, gestehen aber dabei
zu, dass wir nicht im Stande sind, einen einheitlichen Grund-
begriff für diesen Kasus aufzustellen. Sodann nehmen wir
daran Anstoss, dass der Nominativ nicht als Subjektskasus auf-
gefasst ist. Das ist natürlich nicht aus Unüberlegtheit ge-
schehen, sondern weil aie Inder den Agens in dem Suffix der
dritten Person des Verbums finden, so gut wie in der ersten
und zweiten. Wir legen uns die Sache jetzt so zurecht, dass
wir sagen, die dritte Person habe eigentlich kein Suffix ver-
dient, da ihr Subjekt ja die immer wechselnden hinzutretenden
Nominative bilden, habe aber in Anlehnung an die erste und
zweite Person doch eines erhalten (vgl. Paul, Prinzipien 2, 260 f.).
Mit der richtigeren Auffassung des Nominativs gewinnen wir
denn auch eine richtigere Auffassung des Vokativs. Im all-
gemeinen tadeln wir, dass der Versuch, einheitliche Grund-
begriffe für die Kasus aufzustellen, nicht weıter getrieben
worden ist. Wie weit wir in dieser Beziehung über unsere
indischen Vorgänger hinausgekommen sind, mag die folgende
Ausführung über die Grundbegriffe der Kasus lehren. Ich folge
bei derselben der Übersichtlichkeit wegen der von mir auch
sonst gewählten Reihenfolge: Ablativ, Lokalıs, Instrumentalis,
Dativ, Genitiv, Akkusativ, Nominativ, Vokativ.
B. Erörterung der Grundbegriffe.
665. Der Ablativ. Ich schliesse mich der jetzt herr-
schenden wohlbegründeten Ansicht an, wonach der Abl.
182 Kap. IIL Grundbegriff des Ablativ und Lokalis. [$ 65—66.
ursprünglich nur den Pronominibus zukam und von ihnen auf
einen Theil der Nomina übertragen wurde. Aber auch die
Pronomina hatten eine eigene Form für den Abl. nur ım Sın-
gular, im Plural (vom Dual soll hier wegen seiner mangel-
haften Kasusausbildung nicht die Rede sein) fiel der Abl. mit
dem Dativ zusammen und dieser Zustand setzte sich bei den
Nomina fort. Gaedicke, dessen hervorragende Schrift über
den Akkusativ im Veda ich an dieser Stelle besonders heran-
ziehe, hat aus diesem Thatbestand (S. 144, Anm.) folgenden
Schluss gezogen: “Das Zusammenfallen des Dativs und Ablativs
im Plural wird darauf schliessen lassen, dass das Ablativische
des Ablativs ursprünglich nur an Einzeldingen gefunden werden
konnte.” Mit dieser Meinung stimmt auch die Formenstatistik
des Rigveda. Unter den 29 Stellen, an welchen die Formen
ebhyas (ebhyas), abhyas, töbhyas, täbhyas, yebhyas, yabhıyas vor-
kommen, finden sich nur 4 mit ablativischem Gebrauch und
auf dem nominalen Gebiet 124 Stellen des Abl. plur. gegen
923 des Abl. Sing. (vgl. über die letztere Thatsache Lanman,
noun-infl. 583). Demnach wird die Sache so gewesen sein,
dass man nur bei singularischem Ausdruck ein Bedürfnis nach
dem Ablativ empfand. Wollte man einmal dasselbe Verhältnis
auch an einem Plural zum Ausdruck bringen, so verwendete
man dafür eine bereits vorhandene, gewöhnlich durch einen
anderen Kasus in Beschlag genommene Form (s. S. 190 unter
Synkretismus). Somit muss man die Beschränkung auf den
Singular mit in die Beschreibung des ältesten Gebrauches auf-
nehmen und sagen, dass ursprünglich in den Ablativ derjenige
als Einheit angeschaute Substantivbegriff trat, von dem her
die Handlung des Verbums erfolgte, oder anders ausgedrückt:
der Ausgangspunkt der Handlung. Es ist einleuchtend, dass
der hiermit aufgestellte Grundbegriff mit dem apädana der
Inder übereinstimmt und dass sich alle Gebrauchstypen des
Abl. leicht auf ihn zurückführen lassen.
$ 66. Der Lokalis. Nach den indischen Grammatikern
tritt ın den Lokalis der Behälter einer Thätigkeit, und etwa
dasselbe will es bedeuten, wenn Gaedicke S. 25 sagt: der
566.) Kap. III. Grundbegriff des Lokalis. 183
Substantivbegriff trete in den Lokalis, wenn der Verbalbegriff ın
oder bei ihm sich vollzog. Ich hatte früher neben «ir» und bei
auch ar und auf zur Kennzeichnung des Lokativbegriffes ver-
wendet. Ich bin aber jetzt geneigt, einer späteren (S. 133)
Ausführung von Gaedicke beizutreten, wonach der ursprüng-
liche Begriff des Lok. nur der von :n, innerhalb eines Raumes
war. Mir scheint für diese Auffassung namentlich der Umstand
zu sprechen, dass in der alten Zeit nur sehr selten einzelne Per-
sonen in den Lok. treten (was doch merkwürdig wäre, wenn der
Lok. von Anfang an auch an Stelle unseres bei, neben u. Ss. w.
gestanden hätte), während mehrere Personen (eine Menge, in-
nerhalb deren etwas geschieht) oft ım Lok. erscheinen. Sodann
erklärt sich unter dieser Voraussetzung gut der temporale Ge-
brauch des Lok., hinsichtlich dessen Gaedicke S. 179 treffend
sagt: Der Akkusativ von Zeitbegriffen besagt, dass der Vor-
gang während ihrer Dauer, der Genitiv, dass er während eines
Theils derselben, der Lokativ, dass er zwischen ıhren
Grenzen, der Instrumental, dass er mit ihrem Eintritt und
Verlauf stattfindet. (Man vergleiche auch seine weitere Aus-
führung.) Auch wird man Gaedicke wohl zugeben, dass unter
dieser Voraussetzung sich das Fehlen der Präposition ix in den
arıschen Sprachen gut erklärt. Denn das Bedürfnis danach
war und blieb in diesen Sprachen durch den Lokalıs gedeckt.
Wie sich dieser ursprüngliche Begriff des Lok. ausgedehnt hat
[eine Bewegung die jedenfalls schon in der Ursprache begonnen
hat}, beschreibt Gaedicke in folgenden Worten: “Zu dem “inner-
halb des Raumes’ war das ‘innerhalb der Fläche’ hinzugetreten,
das auch durch “an, auf‘, den Akk. bestimmt werden kann, ferner
das “innerhalb der Zeit’ und das der Handlung (vgl. unser 'in-
dem’) und aus dem “innerhalb der Grenzen’ eines Gegenstandes
war ‘innerhalb der Sphäre’ desselben, der wirklichen wie der
ideellen, geworden. Bei dieser verallgemeinerten Bedeutung
des Lokativs konnten sich eben Präpositionen einfinden und
diese trugen weiter dazu bei, ihn zum allgemeinen Lokalis
zu machen.” (133 Anm.)
184 Kap. III. Grundbegriff des Instr., Dat. [$ 67—68.
8 67. Der Instrumentalis.!) Zu den Ausführungen der
indischen Grammatiker ist zu bemerken, dass der Instr. bei dem
Passivum den ursprünglichen Gebrauch nicht vorstellt, und zwar
darum nicht, weil, wie wir jetzt mit gutem Grunde annehmen,
der passivische Ausdruck sich im wesentlichen erst in den
Einzelsprachen entwickelt hat. Es fällt also für uns der Begriff
kartar hinweg und bleibt karana Werkzeug übrig. Aber hier-
aus lässt sich der der Begleitung (z. B. adıtyai rudrair vdsubhir
na & gahi mit den Aditya, Rudra, Vasu komm zu uns RV. 10,
150, 1) und der der Ausdehnung über Raum und Zeit nicht
wohl ableiten. Man findet aber den Generalnenner auch für
diese Bruchtheile des Gebrauchs, wenn man bedenkt, dass viele
Vorgänge im Leben so beschaffen sind, dass zusammen mit dem
Hauptträger der Handlung noch ein anderer Substantivbegriff
engagiert erscheint. Dieser zweite Begriff tritt in den Instr.
Man kann also sagen: In den Instr. trat derjenige Substantiv-
begriff, mit dem zusammen der Träger der Handlung diese voll-
zog.2) Gewöhnlich wurde dieser zweite Begriff als Begleiter
oder Werkzeug gedacht. Dass er auch als Zeit oder Raum er-
scheint, ist uns auffällig, stimmt aber durchaus zu der That-
sache, dass der Instr. in diesem Falle die ununterbrochene
Verbindung der Handlung mit einer gewissen Zeitdauer oder
Raumstrecke ausdrückt.
8668. Der Dativ. Nach Gaedicke trat in den Dativ der-
jenige Substantivbegriff, dem der Verbalbegriff galt oder nach
dem er sich hinneigte. In dem Ausdruck gelten spiegelt sich
die geläufige grammatische Tradition, der auch das indische
sampradäna entspricht, in dem Ausdruck Ainneigen eine loka-
1) Schleicher hat die Meinung aufgestellt, dass es im Idg. zwei In-
strumentale gegeben habe, einen auf @ und einen auf bhi. Ob es so war,
wissen wir nicht und noch viel weniger, ob und welche Bedeutungsver-
schiedenheit etwa zwischen den beiden Formen obgewaltet habe. Es ist
uns ja auch völlig unklar, weshalb die Kasus in den verschiedenen Numeri
so verschieden aussehen.
2) Nach Gaedicke S. 25 müsste ich noch hinzufügen ‘erlitt. Man wird
mir erlauben, das Vollziehen einer Handlung im weitesten Sinne zu ver-
stehen.
$ 63-69.) Kap. III. Grundbegriff des Genitivs. 185
hstische Anschauung, der ich früher huldigte. Ich habe K2.
18, 100ff. ausgeführt, dass die Grundbedeutung des Dativs sei:
die körperliche Neigung nach etwas hin, und habe deutlich zu
machen gesucht, wie dieser Kasus oder eigentlich die in ıhm
enthaltene Präposition wohl in der Urzeit entstanden sein
möchte. Da ich jetzt ein entschiedenes Misstrauen gegen glotto-
gonische Hypothesen hege und nicht mehr glaube, dass sich aus
den Kasus Präpositionen loslösen lassen, so fällt diese Darlegung
jetst für mich nicht mehr in’s Gewicht. Auch von einer all-
gemeinen Vorliebe für lokalistisch gefärbte Erklärungen, die
ich damals wohl hatte, weiss ich mich jetzt frei und ich sehe
mich daher jetzt bei der Entscheidung zwischen den beiden
Möglichkeiten der Auffassung lediglich auf eine Befragung der
Überlieferung angewiesen. Diese aber scheint mir für die
geistige Auffassung zu entscheiden. Es spricht für sie der Um-
sand, dass in den Dativ ganz überwiegend Personen treten,
was gewiss nicht der Fall sein würde, wenn der Dativ ein Ziel-
kasus wäre. Insbesondere erscheint bei ‘gehen’ und ähnlichen
Verben, wie & 136 gezeigt werden wird, im Veda nicht irgend
ein ruhender Theil des Raumes, sondern eine Person im Datıv,
die nicht eigentlich als Ziel gedacht sein wird. Ich glaube
also, wie dort ausgeführt werden wird, dass die Worte des Veda
pra vignave Sugdm &tu mänma zu übersetzen sind: dem Vishnu
zu Ehren schreite das kräftige Lied vor. Dabei wird nicht
geleugnet, dass im spätern Sanskrit und sonst in indischen
Dialekten wirkliche Zieldative vorkommen, wie z. B. gramäaya
gachati. Sie haben sich aus dem nicht-lokalen Grundbegriff.
des Dativs ebenso entwickelt wie der Akkusativ des Zieles
aus dem ganz allgemeinen, nicht lokalen Grundbegriff des
Akkusatıvs.
$69. Der Genitiv. Über den Gen. sing. der o-Stämme
äussert sich A. Kuhn KZ. 15, 311 in einer Besprechung von
Schleicher’s Kompendium wie folgt: “Eine sehr ansprechende
Vermuthung, dass nämlich der Genitiv als ein undeklinierbar
gewordenes Adjektiv mit der-Bedeutung des Besitzes anzu-
sehen sei, hatte zuerst Höfer, zur Lautlehre S. 92 ausgesprochen,
186 Kap. III. Grundbegriff des Genitivs. '8 69.
indem er ot0 = 0010-5 —= asya-s setzte und, wenn auch nicht mit
diesen Worten, aussprach, dass Wörter wie amasıus Önpdsıos
vayasyas eigentlich Genitive in adjektivischer Form seien. Den-
selben Gedanken hat neuerdings Max Müller, science of lang.
I, 106, ohne, wie es scheint, Höfer’s Vorgang zu kennen, aus-
gesprochen. Er brachte zugleich treffende Analoga aus dem
Tibetanischen, Garo und Hindustäni bei.” Diese Meinung hat
viel Anklang gefunden, steht aber auf schwachen Füssen. Dass
önpdscros aus "Önuorttos entstanden ist, braucht jetzt nicht mehr
bewiesen zu werden; ai. vayasyd in gleichem Alter stehend
enthält nicht ein Suffix sya, sondern ya, da es von vdyas ab-
zuleiten ist; amasıus weiss ich nicht zu erklären, aber schwer-
lich dürfte dieses Wort, und was sich ihm etwa an die Seite
stellen lässt, ausreichen, um wahrscheinlich zu machen, dass in
uralter Zeit ein sekundäre Adjektiva bildendes Suffix sys be-
standen habe. Und selbst wenn man dies glauben wollte, so
wäre doch immer nur für den Gen. sing. der o-Stämme, nicht
der übrigen Stämme, und nicht für den Gen. plur. eine An-
lehnung gefunden. Somit bleibt für die Vermuthung nichts
übrig, als dass sie ‘ansprechend’ ist. Ich leugne das nicht, bitte
aber doch auch folgendes zu erwägen. Sekundärbildungen sind
alle Kasus, nicht bloss der Genitiv, wenigstens in den Augen
desjenigen, der der Ansicht ist, dass die Kasus irgendwie aus
dem Stamm herzuleiten sind. Als ein Adjektivum bezeichnen
wir den Genitiv wegen seines adnominalen Gebrauchs. Aber
es giebt ja auch einen adnominalen Dativ, der der allgemeinen
Ansicht nach durch eine Verschiebung in den Satzverhältnissen
entstanden ist. Wie nun, wenn der adnominale Genitiv durch
eine ähnliche, nur viel ältere Verschiebung entstanden wäre?
Man sieht, dass auch eine andere Auffassung möglich ist, und
wird mir, wie ich denke, zugeben, dass durch allgemeine Er-
wägungen für unsere Frage nichts zu gewinnen ist. Auch die
Betrachtung der Überlieferung führt nicht zur Aufstellung eines
einheitlichen Grundbegriffs. Wir erblicken einen adverbalen
und einen adnominalen Gebrauch. Welcher der ältere ist, lässt
sich nicht beurtheilen. Somit bleibt nur übrig, jeden von beiden
$ 69— 70.) Kap. IH. Grundbegriff des Akkusativs.
—— nn
187
besonders zu definieren. Für den adverbalen Gebrauch mag
die Definition von Gaedicke empfohlen werden, wonach der Sub-
stantivbegriff dann in den Genitiv tritt, wenn der Verbalbegriff
nicht auf seinen vollen Umfang bezogen werden sollte. Das
sagt ungefähr dasselbe wie die Grimm’sche Formel: “Der Akk.
zeigt die vollste entschiedenste Bewältigung eines Gegenstandes
durch den im Verbo des Satzsubjekts enthaltenen Begriff; ge-
ringere Objektivisierung liegt in dem Gen., die thätige Kraft wırd
dabei gleichsam nur versucht und angehoben, nicht erschöpft”
(4, 646). Dass es sich hierbei um eine durchaus primitive An-
schauung handelt, wolle man sich an einem Gegensatz wie
das Wasser trinken und des Wassers trinken deutlich machen.
Hinsichtlich des adnominalen Theiles des Genitivs verweise ich
auf das $ 163 gesagte.
$70. Der Akkusativ. Man hat sich längst überzeugt,
dass es nicht möglich ist, aus dem Akkusativ des Objekts oder
des Ziels oder sonst einem Einzelgebrauch sämmtliche Gebrauchs-
weisen des Akk. abzuleiten. Und da es nun auch unmöglich
schien, einen hinreichend weiten positiven Rahmen aufzustellen,
in dem alle Gebrauchstypen neben einander stehen können, so
hat Gaedicke es für richtig gefunden, sich zu dem Akk. so zu
stellen, wie die indischen Grammatiker zum Genitiv. Er wird
nach ihm $e$e gebraucht, d. h. in allen denjenigen Fällen,
welche durch die übrigen Kasus nicht gedeckt sind. Ich habe
mich ihm in meiner altindischen Syntax angeschlossen und
noch die Betrachtung hinzugefügt, dass der Akkusativ in der
regelmässigen Woörtstellung seinen Platz unmittelbar vor dem
Verbum hat, so dass also, wenn mehrere Kasus, z. B. auch noch
ein Dativ, vorhanden sind, die regelrechte Wortfolge die sein
würde: Nominativ, Dativ, Akkusativ, Verbum. Mit Verwerthung
dieser Beobachtung könnte man sagen: in den Akkusativ tritt
derjenige Substantivbegriff, welcher von dem Verbalbegriff am
nächsten und vollständigsten betroffen wird. In dieser Fassung
liegt zugleich ein Gegensatz gegen andere Kasus angedeutet,
und zwar in betroffen der Gegensatz gegen den Nominativ, in
nächst gegen den Dativ, in vollständigst gegen den Genitiv.
188 Der Nominativ. Der Vokativ und Schlußbetrachtung. [$ 70—72.
Wem dieser Grandbegriff zu schattenhaft erscheint, wird auf
die Aufstellung eines einheitlichen Grundbegriffes verzichten
und sich mit der Aufzählung der als indogermanisch erkannten
Gebrauchstypen begnügen müssen — ein Standpunkt, gegen den
ich keine erhebliche Einwendung zu machen habe.
$ 71. Der Nominativ. In ihn trat ursprünglich jeden-
falls der als thätig gedachte den Träger oder Mittelpunkt der
Handlung bildende Substantivbegriff. Erst nachdem sich der
passivische Ausdruck entwickelt hatte, konnte der Nom. auch
zum leidenden Mittelpunkte der Handlung werden und erst auf
dieses Stadium passt daher die Erklärung, dass der Nominativ
den Gegenstand der Aussage, das grammatische Subjekt be-
zeichnet. |
$ 72. Der Vokativ und Schlussbetrachtung. Der Vok.
bildet kein Glied des Satzes, sondern wird ıhm als ein stets eine
gewisse Selbständigkeit behaltender Theil an- oder eingefügt.
Die Stoiker hatten also so Unrecht nicht, wenn sie ihn als
Satz bezeichneten.
Blicken wir zurück, so finden wir, dass durch dıe Kasus
die Verhältnisse ausgedrückt werden, in welchen der Sub-
stantivbegriff zu dem Verbalbegriff steht. Er kann der Träger
oder Mittelpunkt der Handlung sein (Nominativ) oder von ihr
betroffen werden, und zwar entweder nahe und ganz (Akku-
sativ) oder theilweise (Genitiv) oder so, dass die Handlung mit
Hinblick und Rücksicht auf den Substantivbegriff geschieht
(Dativ). Ferner kann der Substantivbegriff bei der von dem
Träger vollzogenen Handlung eine begleitende, helfende, die-
nende Stellung einnehmen (Instrumentalis). Endlich kann er
den Punkt angeben, von dem aus die Handlung erfolgt /Ab-
latıv), oder den Ort, innerhalb dessen sie sich abspielt (Loka-
lıs!. Das Ziel, dem die Handlung zustrebt, wurde also ursprüng-
“ lieh durch Kasus nicht bezeichnet, entwickelte sich aber am
Akkusativ und Dativ, und zwar sicher bei dem Akkusativ,
vielleicht auch bei dem Dativ, bereits in der Zeit der Sprach-
gemeinschaft.
$ 73.) Kap. II. Synkretismus. Indogermanische Ursprache. 189
u.
Synkretismus.
Hier sollen diejenigen Erscheinungen besprochen werden
welche zu einer Vereinfachung des indogermanischen Kasus-
systems in den Einzelsprachen geführt haben. Da es an die-
ser Stelle auf das System des Kasus, nicht auf die Geschichte
des einzelnen Kasus abgesehen ist, so wird die Eintheilung
nicht von den Kasus, sondern von den Sprachen hergenommen.
$73. Indogermanische Ursprache. Es ist sicher, dass
in der Urzeit ein Vokativ nur im Singular, und auch hier
nieht bei allen Stämmen vorhanden war, im Dual und Plural
aber mit dem Nominativ der Form nach zusammenfiel.
Man wird sich das so zu erklären haben. Da der Vokativ
nichts ist als die Stammform, so wurde er ohne Rücksicht auf
die Numeri gebraucht. Es stand also die Form, welche später
auf den Singular beschränkt war, auch dann, wenn mehrere
Personen gemeint waren. Als man dann ein Bedürfnis nach
Bezeichnung der Zahl auch in diesem Falle empfand, schlug
man die Stammform zum Singular, im Dual und Plural aber ver-
wendete man den Nominativ, welcher dem Vokativ dem Sinne
nach am nächsten stand. Denn der Nom. wird ja oft so ge-
braucht, wie ihn die indischen Grammatiker beschreiben, 2. B.
in der Antwort auf die Frage ‘wer oder was ist das‘.
Sodann ist sicher, dass im Neutrum der Nominativ mit
dem Akkusativ zusammenfiel. Das Neutrum, welches ım all-
gemeinen Personen nicht bezeichnete, war nicht geeignet, den
thätigen Träger oder Mittelpunkt einer Handlung zu bilden.
Es wird daher ursprünglich als Nominativ nicht vorgekommen
sein. Es konnte aber auch in dieser Funktion verwendet
werden, nachdem der Nominativ immer mehr zum Kasus des
grammatischen Subjekts geworden war. In den Einzelsprachen
trug dann die Ausbildung der Passivkonstruktion viel dazu
bei, in der Phantasie der Sprechenden die Empfindung zu be-
festigen, dass der Nom. und Akk. in einem Austauschverhält-
nis zu einander stehen.
190 Kap. III. Synkretismus in der Ursprache. 18 73.
Von dem Ablativ ist schon oben $ 65 behauptet worden,
dass er ursprünglich nur dem Pronomen, und auch dort nur dem
Singular angehörte, dass man sich, wenn etwa ein Bedürfnis nach
ablatıvischem Ausdruck ım Plural auftauchte, an die Form des
Dativs wandte und dass dieser Zustand sich bei den Nomina
fortsetzte. Über den Grund, weshalb der Dativ gewählt wurde,
hat sich Lanman noun-inflection S. 583 geäussert. Er theilt dort
zunächst die Beobachtung mit, dass ım Rigveda der Nom., Akk.
und Vok. zusammen 67645 mal erscheinen, der Instr. 7647
mal, der Gen. 6985 mal, der Lok. 5458 mal, der Dat. 4480
mal, der Abl. 1062 mal und fährt dann fort: In the whole
Rik text, there are only about 124 instances ın which there
is occasion for expressing the ablative plural relation. It ıs
therefore in perfect accordance with the principle of Iin-
guistic economy that there should be no separate form devoted
exclusively as it were to the expression of this relation. And
in fact it is made to depend for its expression upon the case-
form of the dative, which — be ıt observed — ıs next to the
ablatıve, itself the most infrequent of all cases. Ich muss doch
gestehen, dass die Berufung auf das Prinzip der Arbeits-
ersparung nicht ausreicht, um mir anschaulich zu machen,
warum die Sprechenden sich gerade an den Dativ wendeten.
Einen anderen Weg schlägt Gaedicke, Akkusativ im Veda
144 A. ein. Er nimmt an, dass die Übertragung auf den Dativ
durch Berührungen der Bedeutung vermittelt sei. Was er da-
für anführt, scheint mir allerdings nicht stichhaltig, aber sonst
findet eine solche Berührung in der That statt, so wenn
ai. a-vraSc mit dem Dativ verbunden wird, z. B. tena tasmäi
nävrScat& so (indem er eine Opfergabe darbringt) wendet er sich
von Agnı nicht ab MS 1, 6, 5 (93, 18). Eigentlich: er wendet
sich ihm gegenüber nicht ab, es ist aber praktisch dasselbe,
als ob der Ablativ dastünde (vgl. auch »i-ha zurückweichen
vor mit dem Dativ). Ähnlich im Slavischen (Miklosich 4, 586),
z. B. aksl. sudu ubezati judicium effugere; iskupiti se kesaru,
dlügu sich dem Kaiser gegenüber, einer Schuld gegenüber (also
praktisch: von einer Schuld) loskaufen. Ich bin also geneigt
$ 73.] Kap. UI. Spmkretismus in der Ursprache. 191
Gaedicke beizustimmen, bitte aber nicht aus dem Auge zu
verlieren, dass ein festes Verhältnis zwischen Ablatıv und Da-
tivsich nur schwer ausbilden konnte, weil der Abl. plur. eben
kaum vorkam. So erklärt sich denn auch die Thatsache, dass
der Ablativ im Singular auf dem nominalen Gebiet seine be-
sonderen Wege ging. Im Singular empfing nur die o-Dekli-
nation den Ablativ von den ebenfalls auf o ausgehenden Pro-
nomina. Da diese Deklination durch zahlreiche und häufig
gebrauchte Wörter vertreten ist, so setzte sich im Sprachgefühl
die Kategorie des Ablativs fest. Eine Form aber fand sie bei
den übrigen Stämmen nicht, sondern die nun erworbene Ka-
tegorie wurde durch den Genitiv mit vertreten, und zwar
scheint gerade dieser Kasus sich eingestellt zu haben, weil der
Genitiv und der neu hinzugekommene Ablativ sich in ihrem
Gebrauch vielfach berührten, so namentlich bei dem sog. Gen.
originis, $ 84, des Stoffes, $85 und $ 165, neben den Ver-
ben der Gemüthsbewegung, $ 89, bei den Adjektiven wie voll
einerseits und leer andererseits, $ 172. Wem etwa diese Aus-
führung über den Ablativ zu hypothetisch erscheint, der möge ein-
fach die sicher erschliessbare Thatsache festhalten, dass der Ablatıv
sämmtlicher Pronomina und Nomina im Plural mit dem Datıv,
bei den Nomina aber, welche nicht den o-Stämmen angehören,
im Singular mit dem Genitiv der Form nach zusammenfiel.
Ausser den besprochenen Fällen wären noch ähnliche Vor-
gänge zu erwähnen, welche sich auf die Kasus einzelner
Stammklassen beziehen. So ist wohl nicht daran zu zwei-
feln, dass der Dativ und Lokalıs der #-Stämme formell zu-
sammenfielen (Brugmann 2, 618). Zweifelhaft ist mir, was
von Bartholomae und Brugmann über gewisse Formen auf %
gelehrt wird. Formen dieser Art (eigentlich Instrumentale)
werden im Veda auch dativisch gebraucht, z. B. ati, ebenso
nach Bartholomae in Bezzenberger’s Beitr. 15, 254 einige auf td ım
Avestischen. Bartholomae schliesst daraus auf dativischen Ge-
brauch dieser Formen in der arischen Periode und Brugmann
2, 602 verlegt denselben in die Urzeit. Ich hege Zweifel, weil
uf und Genossen zu denjenigen verstümmelten Formen gehören,
192 Kap. III. Synkretismus im Arischen. 8 73—75.
welche im Rigveda nicht selten am Ende einer metrischen
Reihe erscheinen und welche ihre Entstehung vielleicht dem
Zwang des Metrums verdanken. Ich weiss wohl, dass diese
Vorstellung von der Kraft des Metrums als reaktionär gilt,
erlaube mir aber anf meine Andeutungen in den Göttinger
Gel. Anz. 1881 S. 398 zu verweisen.
$ 74. Altıindisch.
Im Altindischen ist der indogermanische Zustand fort-
geführt worden. Ich erwähne dasselbe hier auch nur, um auf
eine merkwürdige Verschiebung innerhalb des Dualis hinzu-
weisen. Bollensen hat in einem lehrreichen Aufsatz über den
Dualis ım Rigveda ZDMG. 22, 637 ff. gezeigt, dass ım Rig-
veda 5s ausser dem Lokalis und Genitiv auch den Ablativ
bezeichnet, diyam aber den Instr. und Dativ, während später
der Ablatıiv zu dhyam geschlagen worden ist. Offenbar ist
in der alten Sprache das Vorbild des singularischen as, in der
späteren das des pluralischen dAyas wirksam gewesen. Das
letztere aber hat sich stärker erwiesen, weil in ihm bei allen
Stammklassen der Dat. und Abl. zusammengefallen sind.
$ 75. Iranisch.
Indem ich hinsichtlich mancher Merkwürdigkeiten des
Avestischen auf die einzelnen Kasus verweise, habe ich hier
die Thatsache zu erwähnen, dass das Altpersische den Dativ
in den Genitiv hat aufgehen lassen. Wir vermögen zwei Aus-
gangspunkte dafür zu erkennen: a) der Dativ hat ein Gebiet
okkupiert, welches sonst dem Genitiv gehört. Ich denke dabei
an den sog. adnominalen Dativ (vgl. $ 146), der im Avesti-
schen stark entwickelt ist und es auch in einem früheren
Stadium des Altpersischen gewesen sein wird. b) Durch den
Genitiv wurde etwas ausgedrückt, das sonst dem Dativ zufällt.
Ich meine den Genitiv in Sätzen wie ai. (vgl. SF. 5, 153)
tasya ha putro jajhe dessen (s. v. a. dem) wurde ein Sohn ge-
boren, wo tasya ursprünglich zu putrah gehört, aber vermuthlich
ım Altindischen ebenso, wie es von uns geschieht, mit dem Ver-
bum in Beziehung gesetzt wurde; tdd asya sdhasaditsanta dieses
suchten sie ihm mit Gewalt zu nehmen u. ähnl. Ebenso im
$ 7576.) Kap. III. Synkretismus im Griechischen. 193
Avestischen: z. B. kem ida t& zaoprä bavainti yase tava fra-
barente drvantö sind das deine Opfer, welche deinigen die
gottlosen darbringen, d. h. welche dir die gottlosen darbringen
yt. 5, 94; y0 nätrıkayä zwarebrem frabaräp wer eines Weibes
(d.h. einem Weibe) Speise bringt vd. 16, 5. So entstand der
Genitiv bei da geben, z. B. yerhe hazanrem yaozstıngm fradabap
dem er tausend Gaben verlieh yt. 10, 82; bei dis, z. B. y@ apqm
mazdadatangm srirä pahbo dapsayeinti welche den Gewässern
ihre schönen Bahnen (eigentlich: die schönen Bahnen der Ge-
wässer) vorzeichnen yt. 13, 53; bei »1-oid mittheilen und sonst.
So verwischten sich die Grenzen zwischen den beiden Kasus
und schliesslich ward der eine überflüssig. Dass sich der Ge-
nitiv erhielt, lag wohl an seinem umfassenden Gebrauch. Ein
gleicher oder ähnlicher Prozess hat sich im späteren Sanskrit,
Palı und Prakrit vollzogen ').
$ 76. Griechisch. Der Ablativ hatte, wie wir sahen,
in der Ursprache nur bei den o-Stämmen im Singular eine
eigene Form. Bei den übrigen Stämmen fiel er mit dem Genitiv,
im Plural mit dem Dativ, formell zusammen. Im Griechischen
ist er im Singular völlig in den Genitiv aufgegangen und s0-
mit als eigener lebendiger Kasus verschwunden. Wie das ge-
kommen sei, können wir wohl im allgemeinen vermuthen. Wir
können darauf hinweisen, dass die Anwendungskreise der beiden
Kasus sich schnitten (s. oben S. 191); ferner können wir uns
nach Analogie des slavischen Lokalıs (s. unten S. 196) vor-
stellen, dass die Verbindung mit Präpositionen dazu beigetragen
i) In der Sprache der Brähmanas, gelegentlich auch im Veda, erscheint
die Dativform an Stelle der Genitivform im Sing. der ü-, i- und ü-Stämme
und derjenigen auf ® und «, welche sich nach ihnen gerichtet haben, z. B.
jayayäi zu jäyd, prihioyai zu prihivi, dhenvät zu dhenü. Es scheint aber
nicht, dass es sich hierbei um einen syntaktischen Vorgang handelt. Gegen
diese Annahme spricht, wie A. Kuhn in seinem lehrreichen Aufsatz über
diese Formen (KZ. 15, 420 ff.) bemerkt, der Umstand, dass -ät nicht bloss im
Sinne des Genitivs, sondern auch im Sinne des Ablativs erscheint und dass
es nur bei einer beschränkten Anzahl von Stämmen auftritt. Über den
wahren Grund der merkwürdigen Erscheinung weiss ich etwas Befriedigen-
des nicht zu sagen.
Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm, Sprachen. 1. 13
194 Kap. III. Synkretismus im Griechischen. [$ 76.
habe, die Kasusendung entbehrlich zu machen‘), aber über
den Hergang im einzelnen können wir nichts sagen. Über den
Abl. plur. s. unten.
Den Instrumentalis glaubt Meister noch im Kyprischen
gefunden zu haben. Er sagt darüber Griech. Dial. 2, 295:
“Instrumentale sind pa, zuywAd infolge des Rufes (des Gelübdes,
ex voto). Ebenso steht der (soziative) Instrumentalis in alt-
ererbter Weise von ouv begleitet: oö(v) ruya in Verbindung mit
einem Glücksfall. Nirgends findet sich das ‘ex voto’ durch
einen Dativ apaı oder euywiäı ausgedrückt, nirgends bei oüv
eine Dativform. Das ist beweisend: das Kyprische zeigt uns
den Instrumentalis noch als lebendigen Kasus aus urgriechi-
scher Zeit her erhalten.” Indessen O. Hoffmann, die griech.
Dial. 1, 187, hat gegen diese Auffassung nicht unerhebliche
Bedenken geltend gemacht. Man wird, so viel ich sehe, nur
durch neue Funde alterthümlicher Inschriften zu einer Ent-
scheidung gelangen können. Der Instrumentalis ist im Griech.
im Sıngular mit dem Dativ zusammengefallen, dem er bei den
Wörtern der ersten und zweiten Deklination äusserlich und
dem er auch innerlich nahe stand. Denn er berührt sich mit
ihm bei den Verben, welche ein Zusammenkommen irgend-
welcher Art ($ 110), herrschen ($ 111), sich freuen ($ 115), ver-
trauen ($116), und bei den Adjektiven, welche gleich und ähnlich
bedeuten ($ 124). Länger als der Ablatıv und Instrumentalis
hat sich der Lokalis erhalten. Er war dem Dativ wenigstens
bei den o- und #-Stämmen in der Form sehr ähnlich und floss
mit ihm derartig zusammen, dass je nach den Dialekten bald
die Form des Dativs, bald die des Lokalis die Überhand be-
hielt (vgl. Brugmann 2, 600. Dem Sınne nach berührte er
sich mit dem Instr. bei den Raum- und Zeitbegriffen, bei sich
freuen, sich waschen, fahren und sonst (vgl. $ 101). Alle drei
Kasus trafen zusammen bei den Verbis des Hertschens, der
Freude, des Vertrauens. Anderer Art waren die Schicksale des
1) Auf diesen vielfach auftretenden Faktor bei der Verschmelzung von
Kasus sei hier ein für alle mal hingewiesen.
$76—78.] Kap. III. Synkretismus im Italischen, Germanischen. 195
Ablatıvs, Instrumentalis und theilweise auch des Lokalıs im Plural.
Darüber ist $ 127 bei dem Kasus auf »ıv gesprochen.
$ 77. Italisch.
Im Italischen hat sich der Ablativ sing. über das Gebiet
der o-Stämme hinaus ausgebreitet, wie im Iranischen. Er
hatte ım Sprachgefühl einen festen Halt. In den Genitiv
ist er nicht aufgegangen, vıelmehr hat er den Instrumen-
talis und allmählich auch den Lokalis an sich gezogen.
Die Verschmelzung mit dem Instr. erfolgte sehr früh, viel-
leicht schon, ehe die Ausbreitung der Ablativform auf die
übrigen Stämme sich vollzogen hatte (vgl. Brugmann 2, 593).
Sie wurde begünstigt durch die formelle Verwandtschaft, denn
der Abl. endigte bei den o-Stämmen auf öd, 2d, der Instr. auf
ö, € und dem entsprechend bei den übrigen Stämmen. Ferner
durch Berührungen des Sinnes, indem die beiden Kasus von
altersher in dem Begriff Aetu (Ursache) zusammentrafen (vgl.
oben $ 58 und 60). Der Lokalis verschmolz bei den so einfluss-
reichen :-Stämmen jedenfalls früh mit dem Instr. Nach Brug-
mann’s Ansicht 2, 635 fiel er auch bei den konsonantischen
Stämmen mit ihm zusammen, da beide Formen auf & aus-
gingen. Auf die Bedeutungsberührungen zwischen dem Instr.
und Lok. ist bei dem Griechischen hingedeutet worden.
$ 78. Germanisch.
Über die germanischen Kasus etwas Genaueres zu sagen,
ist nicht wohl möglich, weil die Auslautsgesetze unter den
Händen jedes neuen Bearbeiters immer wieder eine andere
Gestalt annehmen. Ich beschränke mich deshalb auf Fol-
gendes. Ein Ablativ als syntaktisches Zentrum ıst im Ger-
manischen nicht mehr vorhanden. Was im Indogerm. durch
diesen Kasus ausgedrückt wurde, wird im Germ. bezeichnet
a) durch den Genitiv (selten im Got., häufiger ın andern Dia-
lekten), 5) durch den Instrumental !), welcher dann seinerseits
1) Nach Sievers in Paul und Braune’s Beitr. 8, 324ff. hat der Kasus,
welchen man im Ags. Instrumental nennt, nicht die Form des alten Instr.,
sondern des alten Lok. Es sei mir die Frage gestattet, ob in ihm nicht
vielleicht die Fortsetzung eines idg. Instr. auf 2 anzuerkennen sei.
13*
196 Kap. IH. Symkretismus im Baltisch-Slarischen. [$ 78-19.
in den Dativ aufgegangen ist. Der Instrumentalis als Zwischen-
stufe zwischen dem Ablativ und Dativ ist aber nur noch im
Westgermanischen erhalten, im Ostgermanischen finden wir
bereits überall den Dativ. Das Gotische und Nordische stehen
also in dieser Beziehung auf einer jüngeren Stufe als das Alt-
hochdeutsche, Altsächsische, Angelsächsische. Wahrscheinlich
erklärt sich diese Zweitheilung des alten Ablatıv so, dass der
Ablativ der o-Stämme sich mit dem Instrumentalis vereinigte,
während bei den übrigen Stämmen sich der indogermanische
Zustand fortsetzte, wie es auch im Griechischen geschehen ist.
Dass der Lokalis im Germanischen mit dem Instrumentalis
und Dativ zusammenfiel, hat ebenfalls im Griechischen seine
Analogie. Der germanische Zustand unterscheidet sich dem-
nach von dem griechischen nur dadurch, dass im Germani-
schen an den Instrumentalis auch ein Theil des Ablativs über-
gegangen war.
$ 79. Baltisch-Slavisch.
Die Form des Genitivs der o-Stämme (z. B. lit. vilko, aksl.
vlüka) macht uns Schwierigkeiten. Wahrscheinlich ist sie die alte
Ablatıvform. Es hattesich also im Baltisch-Slavischen eine Ver-
einigung des alten Ablativs mit dem Gen. vollzogen, wie im
Griechischen, nur dass im Baltisch-Slavischen bei den o-Stämmen
sich die Form des Ablativs erhalten hat. Den Instrumentalis
hat diese Sprachgruppe bewahrt. Lehrreich ist das Schicksal des
Lokalis. Ich will hier zeigen, wie es gekommen ist, dass der
Lokalis im Serbischen so gut wie vollständig in den Dativ
aufgegangen ist. Ich spreche zuerst vom Sıingularıs. Im Aksl.
lauten der Lok. und Dat. bei den o-Stämmen verschieden,
z. B. Lok. rabe, aber Dat. rabu; bei den u-Stämmen, z. B.
synu und synovi; bei fast allen konsonantischen, z. B. cröküve
neben crükui, kamene neben kament, slovese neben slovesi.
Dagegen lauten die beiden Kasus gleich bei den #-Stämmen,
z. B. rybe; bei den i-Stämmen, z. B. pati, kosti; bei den r-
Stämmen: mater:. Die Gleichheit bei den #- und vielleicht
auch bei den :-Stämmen rührt aus der Urzeit her, wo der Zu-
sammenfall sozusagen zufällig erfolgte, insofern er rein auf
$ 79.) Kap. IIL Synkretismus im Baltisch-Slavischen. 197
lautlichen Verhältnissen beruhte. Dagegen in mater: liegt ein
Übergreifen der Dativform auf das Lokativgebiet vor, welches
sch auch bei den übrigen konsonantischen Stämmen nicht
selten findet. In den moderneren slavischen Sprachen hat sich
diese Bewegung derartig fortgesetzt, dass überall die Lokativ-
form verschwunden und durch die Dativform der konsonan-
tischen Deklination ersetzt ist, soweit nicht etwa die Formen
der o-Deklination übergegriffen haben (z. B. russ. Lok. Cude
neben Dat. Cudu, während die Stammform Cudes lautet). Da-
gegen bei den o-Stämmen sind die Lokativform und die Dativ-
form in einigen Sprachen mehr oder minder fest geschieden
geblieben, im Neuslov. und Serbischen zusammengefallen.
Demnach hat sich im Serbischen folgender Zustand herausge-
bildet: 1) o-Stämme: robu, also dıe Dativform dieser Stämme,
2) #-Stämme: ribi (seit Urzeiten zusammengefallen), 3) ı-Stämme:
kosti (vielleicht ebenso), 4) r-Stämme: mater: (die Dativform,
wie schon ım Aksl.), 5) die übrigen konsonantischen Stämme:
imenu, tijelu, teletu (also die Form der o-Stämme). Mithin
sind die beiden Kasus überall zusammengefallen, sofern nicht
der Accent, was bei einigen Substantiven der Fall ıst, einen
Unterschied begründet (Miklosich 32, 204). Was mögen nun
die Gründe gewesen sein, weshalb die Form des Dativs (und
nicht etwa die des Lokalis) überwog? Was die konsonanti-
schen Stämme betrifft, so weiss ich neben dem allgemeinen
Grunde, dass sie überhaupt einer starken Einwirkung von
Seiten der s-Stämme ausgesetzt waren, einen speziellen nicht
anzugeben. Bei den o-Stämmen spielte offenbar das Verhältnis
zu den u-Stämmen eine Rolle. Da sich im Slavischen o- und
u-Stämme früh vermischten (vgl Leskien, Handbuch ? 63)
so geriethen Lokale auf % unter Formen, die eigentlich
zu o-Stämmen gehören, z. B. red“ Ordnung, Lok. redu u. a.
So gab es denn Dative auf « und Lokale auf E und u.
Kein Wunder, dass die «-Form sich ausbreitete, da ja in der
ganzen übrigen Deklination die Formen der Lokale und Da-
tive zusammenfielen. Zu diesen lautlichen Gründen sind aber
offenbar auch noch andere gekommen. Es scheint, dass die
198 Kap. III. Schlussbetrachtung über Synkretismus. [$ 79-80.
Dativendung als Trägerin gewisser Bedeutungen überhaupt
tiefer im Sprachbewusstsein wurzelte.e Der Lok. kam schon im
Aksl. fast nur ın Begleitung von Präpositionen vor, welche
einen wesentlichen Theil der Aufmerksamkeit von der Kasus-
endung hinweg auf sich zogen. Und ausserdem wurde dem
Lok. eine starke Konkurrenz von Seiten des Instrumentalis
bereitet, der die Raum- und Zeitbegriffe allmählich für sich
in Beschlag nahm. So konnte es kommen, dass der Lokalıs
als freier Kasus allmählich dem Bewusstsein der Sprechenden
entschwand. Etwas anders war der Vorgang im Plural. Im
Plural hat der Lokalıs überall sein charakteristisches cA fest-
gehalten (z. B. aksl. rabechü, zenachü, synüchü, pqtichü u. S. w.);
nur ım Serbischen (nicht aber im Kroatischen) haben die drei
Kasus Dativ, Instrumentalis, Lokalıs die gemeinsame Endung
ma, %. B. robima (gegen kroat. robom, robs, robih), rıbama
(gegen kroat. ribam, ribami, ribah) u. s. w. Es scheint mir
nicht zweifelhaft, dass ma von dem Dat. Instr. des Duals her-
kommt, wobei ein Grund zur Veränderung die Undeutlichkeit
des Instr. rods gewesen sein mag (welcher von dem Nom. und
Akk. nicht verschieden war) und die Duale der Wörter Auge,
Ohr u. s. w. die Vermittlung gebildet haben werden (vgl. unter
Dual $ 45). Damit ist freilich erst die Änderung und das Zu-
sammenfallen des Dat. und Instr. erklärt. Dass der Lok. sich
dem Dativ zugesellte, dafür wırd das Vorbild des Singulars ent-
scheidend gewesen sein.
Ähnliche lehrreiche Beobachtungen lassen sich auch an
anderen slavischen Sprachen machen. Ich weise noch hin auf
einen russischen Dialekt des Gouvernements Olonec, wo der
Lok.-Dat. der #-Stämme aus lautlichen Gründen mit dem
Genitiv zusammengefallen ist (vgl. Leskien in Kuhn und
Schleicher’s Beitr. 6, 170).
$ 80. Schlussbetrachtung. Ich habe nun einige zu-
sammenfassende Worte über den Synkretismus zu sagen. Es
muss auffallen, dass nur drei Kasus dem Verschwinden ausge-
setzt sind und auch in einigen Sprachen völlig verschwinden,
nämlich Ablativ, Lokalis und Instrumentalis. Das sind die-
$ 80.] Kap. III. Schlussbetrachtung über Synkretismus. 199
jenigen, welche durch die Präpositionen 202, ir» und mit bequem
ersetzt werden können. Danach kann man nicht daran zwei-
feln, dass die Anwendung der Präpositionen den Untergang
der Kasus beschleunigen half. Die Aufmerksamkeit war eben
von den Endungen der Kasus wesentlich auf die Präpositionen
"übergegangen. Sodann trug zum Verschwinden einzelner Kasus
der Umstand bei, dass je zwei Kasus sich in ihren Kreisen
schnitten. Man hat sich den Hergang wohl so zu denken,
dass einer der zwei Kasus ausschliesslich oder fast ausschliess-
lich für die Bezeichnung der gemeinsamen Typen verwendet
wurde, z. B. der Instrumentalis und nicht mehr zugleich der
Lokalis bei Zeit- und Raumbegriffen. Dadurch verringerte
ach der Umkreis des anderen Kasus, z. B. des Lokalıs. Er
blieb nur noch in wenigen Typen in Anwendung, diese iso-
lierten sich, erstarrten und fielen schliesslich auch gänzlich hın-
weg, indem sich allmählich auch für sie andere Formen des
Ausdrucks fanden. Endlich ist sicher, dass auch die formale
‚Ähnlichkeit zweier Kasus viel zu ihrer Verschmelzung beige-
tragen hat. So sicher mir nun auch zu sein scheint, dass hier-
mit einige Gründe des Synkretismus im allgemeinen richtig an-
gegeben sind, so schwer ist es, sich von einem solchen Vorgang
(namentlich, wenn es sich um prähistorische Zustände handelt)
im einzelnen Rechenschaft zu geben. Man muss sich auch in
dieser Beziehung nicht vermessen wollen, das Gras wachsen
zu hören.
Im Griechischen und Germanischen sind nach Wegfall
der genannten drei Kasus nur diejenigen übrig geblieben,
welche ein nicht lokal gedachtes Verhältnis zwischen dem
Verbalbegriff und dem Substantivbegriff zur Anschauung bringen.
Dass darin ein Fortschritt liegt, lässt sich nicht verkennen.
—
Zu den folgenden Kapiteln über die Kasus sei noch be-
merkt, dass die Kasus mit Partizipien (sog. absolute Kasus),
bei Infinitiven und subjektlosen Verben in ihnen nicht zur
Darstellung kommen.
200 Kap. IV. Der Ablativ. [$ 81.
Kapitel IV, Der Ablativ.
$& 81. Über den Grundbegriff des Ablativs ist $ 65 gehan-
delt worden. Ferner ist $ 73 ff. gezeigt, dass der Ablatıv sich
in den arischen Sprachen erhalten hat (im Altpersischen
findet er sich allerdings nur mit Aaca, eine Verbindung, die
auch im jüngeren Avesta häufig ist, seltener in den Gathas),
im Italischen den Instrumentalis und Lokalis in sich aufge-
nommen hat, im Baltisch-Slavischen mit dem Genitiv zu-
sammengeflossen ist, im Griechischen in den Genitiv aufge-
gangen ist, im Germanischen endlich theils in den Genitiv,
theils in den Instrumentalis-Dativ. Im Folgenden wird hinter-
einander der Ablativ bei Verben, bei verbalen Substantiven,
bei Adjektiven (insbesondere Komparativen), endlich der freiere
Ablativ behandelt. Unter den Verben stelle ich an’s Ende
diejenigen, die nur in wenigen Sprachen oder gar nur in einer
Sprache belegt sind, aber doch der Mittheilung werth erscheinen.
Darunter schliesslich die Verba der Gemüthsbewegung, bei denen
es zweifelhaft sein kann, ob der bei ihnen auftretende Kasus
der Ablativ oder der Genitiv ist.
Demnach ergiebt sich folgendes Schema:
$ 82. Der Ablativ bei weichen, fernhalten, wegtreiben.
$ 83. Leer sein (bedürfen), berauben.
$ 84. Ausgehen von, entstehen.
$ 85. Verfertigen aus.
$ 86. Lösen, befreien, reinigen, retten, schützen.
$ 87. Entnehmen, kaufen, empfangen, hören, lernen, trin-
ken, ergiessen, erwachen.
$ 88. Zurückbleiben hinter, sich verbergen, sich fürchten,
vorziehen.
$ 89. Die Verba der Gemüthsbewegung.
$ 90. Der Abl. bei verbalen Substantiven.
$ 91. Der Abl. bei Adjektiven.
$ 92. Der Abl. bei Komparativen.
81-821 Kap. IV. Der Ablativ bei weichen, fernhalten. 2
$ 93. Der freiere Ablativ.
Ehe ich in’s Einzelne gehe, habe ich noch eine Bemerku:
über das Avestische zu machen. Hübschmann, Kasusl. 2
hat eine Anzahl von Stellen aus dem Avesta zusammengestel
wo wir statt des Ablativs, der vorliegt, einen andern Kas
erwartet hätten. So heisst zemada nicht von der Erde, sonde
auf der Erde : aspagm varesem zemada sayanem vagnaiti er sie
ein Pferdehaar auf der Erde liegen yt. 14, 31 (ähnlich yt. 16, 1
Wenn dabei mit Geldner (drei y. 73) sayanem auszuwerfen i
s wäre der Ablativ wohl begreiflich: der Hengst nimmt «
Haar sozusagen mit seinem Blick von der Erde auf. Dana
wire zemäda auch in Stellen wie yt. 10, 72 gesetzt. Ähnli
mag der Ablativ asnaapca zsafnaapca bei Tage und bei Na<
jt.5, 15 zu deuten sein. In anderen Fällen ist die Auffassu
bestreitbar, so kann man zöaprada yt. 19, 33 übersetzen: infol
der Herrschaft (so Geldner y.9, 4). In pupräp vd. 15, 14 sie
Geldner (KZ. 25, 194) einen groben Textfehler und so werd
sich die meisten der beigebrachten Stellen beseitigen lasse
Jedenfalls liegt ein alterthümlicher Gebrauch des Ablat
nicht vor.
Der Ablativ bei Verben.
682. Weichen, fernhalten, wegtreiben. Alti
disch und Avestisch: Ai.z. B. i gehen : iyür gävo nd }
vasad agopah sie gingen wie hirtenlose Kühe von der Wei
RV. 7, 18, 10. Ebenso bei dhav laufen, pat fallen. Im Ave
selten, etwa: yap spadem pairi aovagnap düurap ayantem als
eine Heerschar von fern anrücken sah yt. 5, 68 (doch ist «
Ablativ nicht mehr ganz lebendig, sondern schon adverbi:
Dazu viele zusammengesetzte, vgl. für das Ai. SF. 5, 108. A
dem Av. frq$ ayarohö frasparap er schnellte unter dem Kes
hervor y. 9, 11, übertragen: us geus stuye layaapca hazarhaj
ich sage mich los von Diebstahl und Raub des Viehes y. 12
u.ähnl. Als Kausativa dazu (dem Sinne nach) kann man :
sehen Verba wie ai. ajtreiben (ökasah aus dem Hause), ni fühı
"sömäd anayan sie führten vom Soma weg, schlossen davon a
202 Kap. IV. Der Ablativ bei weichen, fernhalten. [$ 82.
u. ähnl. (vgl. SF. 5, 108). An ‘vertreiben’ schliesst sich seiner
Konstruktion nach an ai. ji siegen, z. B. &tdsmäd va äydtanad
deva dsuran ajayan von diesem Stützpunkt vertrieben die Asura
durch Sieg die Götter TS. 2, 2, 6, 1. Lateinisch. Während
im alten Latein und bei Dichtern bei den Verben der Be-
wegung ebenso wie in den verwandten Sprachen alle geeig-
neten Nomina im Ablatıv stehen können (z. B. st telum manu
fugit magis quam jecit in den zwölf Tafeln, quasi saro salat
bei Plautus, primus cubitu surgat bei Cato), erscheinen in der
klassischen Sprache bei den meisten Verben nur noch die
Ablative der Namen von Städten, Inseln, auch Ländernamen,
ferner von domus und rus (das Nähere bei Schmalz ? $ 102,
Wölfflin, Archiv 7, 581). Offenbar hat sich in diesen Aus-
drücken der reine Ablativ gehalten, weil es sich nie um die
anschauliche Schilderung eines ın der Phantasie genau vor-
gestellten Vorganges im Raume handelt (wobei die malerischen
Präpositionen am Platze gewesen wären), sondern nur hervor-
gehoben werden soll, dass eine Entfernung von einem ideellen
Punkte stattgefunden hat. Mit einer etwas grösseren Zahl von
Ablativen verbindet sich cedo (bei Cicero Italia, pairia, possessione,
vita, memorta, 8. Draeger 1, 462). Labor wird nach demselben
Gewährsmann gewöhnlich mit Präpositionen verbunden, doch
hat Cäsar hac spe lapsus. Mit ai. ay u.s.w. vergleichen sich moveo,
pello, arceo u. ähnl. und eine Fülle von zusammengesetzten
Verben. Bei ihnen können wohl gelegentlich Abl. beliebiger
Nomina erscheinen, z. B. ut te ara arceam bei Pacuvius, aber
üblich sind nur noch gewisse Ablative in festen Formeln, so:
movere loco senatu tribu, pellere civitate domo patria possessio-
nıbus suis sedhbus u. 8. w. (s. Draeger a.a. O.). Bei prohibeo
hat sich ım klassischen Latein insofern eine Bedeutungs-
scheidung vollzogen, als es in der Bedeutung “fernhalten” mit
dem Ablativ, in der Bedeutung ‘schützen gegen’ mit ab ver-
bunden wird (Riemann, revue de philologie 14, 67), Grie-
chisch. Aus der homerischen Sprache gehören hierher: yalopaı
weichen, zurückweichen von (vwrds, vexpoö, xereüßon, Soupds,
rvAdwv, nAyTS), Kupdw zurückweichen von (£raAkıos, vewv, vexpoö),
$ 52.) Kap. IV. Der Ablativ bei weichen, fernhalten. 203
sxo weichen, entweichen (roA&pov xal Snistntos, Tpodüpon,
dopawov, Xappırs), &pwew zurückfahren, zurückweichen (xapyns,
zolepoto), voopiLopar sich fernhalten von (rarpds Y 98), Yeuyw
fiehen (nur repuypevos dEdlwv a 18, sonst Akkusativ), Öölspar
weichen, fliehen (stadyoto M 304), wedinpı nachlassen, ablassen
von etwas (dAxjs, nayns, roA&povu, xöloro, Bins, vielleicht trans-
itiv P 539). Den Übergang zu den Verben, welche der Be-
deutung nach als Kausative der bisher genannten angesehen
werden können, vermitteln Zyopaı und Zyw (loyw) ‘sich fern-
halten von’ und ‘fernhalten’ (ein echter Gen. dagegen steht bei
£yopaı in der Bedeutung 'sich halten an’). Neben Zyopaı findet
sch bei Homer dürns, payns, Apnos, Önıdrntos, YdRou, weveog,
ycoro u. ähnl., bei Eyw fernhalten von, hindern an : Außnripa
dyopawv, &ratosovra vewv u. ähnl. An Zyopar und Eyw schliesst
ach zavopaı ablassen von (rdvou, roA&uoro, yAyTS, pYNOTUoS,
£pywv, olL00s 76 döuvawy u.ähnl.) und radw machen, dass jemand
ablässt (z. B. "Extopa payrc, pynorüpas acdiwmv u. ähnl.). Mit
zavonar gleichbedeutend ist Anyw (Epıöos, »övoro u. ähnl.), x 63
ist Ankaıpı im Sinne von raboarı gebraucht. — Wie man sieht,
ıst im Gegensatz zu dem Altindischen, wo der Abl. bei ? so häufig
ist, im Griech. der Ablatıv bei l&var nicht mehr erhalten.
Höchstens könnte man dprortepäs und defräg elordyrı anführen, das
Meisterhans? 166 aus attischen Inschriften beibringt. Aber der
Kasus ist in diesem Falle kaum mehr lebendig. — Von den
Verben, welche als Kausative zu den genannten betrachtet werden
können, finden sich bei Homer öwwxw (dLwxero olo ddnoro a 8),
2, odew (teiyeos M 420), und etwa noch dpöpyvopı abwischen
(Bdxpu rapeımv, Ix&op xeıpd), im Sinne von “fernhalten” &pöopaı
ivöpa pays, yiv Xapyıns), Zpoxw (ne päxns 2126), Epyw (akt.
zaröög putav, med.-pass. ypods, roA&pnoro), dazu noch Plantw
(sieddov a 195) und öew (ebenfalls xeleüdov). Germanisch.
Den Instrumentalis (Dativ) als Vertreter des Ablativs finde
ıch bei folgenden Verben: Got. afstandand sumai galaubeinai
Kroothoovral tıvas TNs riotewg 1. Tim. 4, 1; ak afstobum Pam
anslaugnjam aiviskjis AAN Arneınaueda TA xpunta TYc aloyuyns
2.Kor. 4, 2; bamma viljandin af bus leihvan sis ni usvandjats
204 Kap. IV. Der Ablativ bei weichen, fernhalten. .[$ 82.
tov BEelovra and ood Ödaveloaodaı un Arootpapijs Matth. 5, 42.
Ags. aldre linnan vom Leben scheiden Beov. 1479 (auch ealdres).
Den Genitiv als Vertreter des Ablativs finde ıch ın folgenden
Fällen: ags. ealdres linnan vom Leben scheiden Beov. 2444
(auch aldre), alts. trewondo geswikan von der Treue weichen
Hel. 4578, wenkeat therö wordo werdet eurer Zusage untreu
4577, ahd. dilinnan ablassen von (Erdmann 2, 175), mhd. wicher
(wichet iuwers gemötis bei Grimm 4, 677, wozu Grimm Anyeıv
xöloro vergleicht), ahd. distözan verstossen (landes unde lıuto
bei Grimm 4, 635), alts. Zettian hemmen, verhindern an (thes
gilobon Hel. 3650), ags. ganges geivaman am Gange hindern
Beov. 969 u. ähnl. Baltisch-Slavisch. Im Litauischen
dürfte sich ein solcher Gen.-Abl. bei einfachen Verben wohl
nicht mehr finden. Auch Wendungen wie kö saulüzes atsiskyrei
warum trennst du dich von der Sonne? (bei Schleicher Leseb. 3)
sind nicht mehr gebräuchlich. Jetzt würde man n& gebrauchen.
Ähnlich atsisakyti entsagen. Auch im Slavischen (vgl. Miklo-
sich 4, 451 ff.) finden sich nur noch Reste. Miklosich führt
aus dem Aksl. vereinzelte Gen.-Abl. an, wie bezati kycenija
den Stolz fliehen, postgpiti svojego mesta von seinem Platze
fliehen, razlacıti se tela sich vom Körper trennen. Im cod.
Mar. jedoch wird dezati nur mit ofü verbunden, bei razlgeiti
findet sich ebenfalls nur ots“. Bei den mit :zu, otü, sü, u zu-
sammengesetzten Verben, welche Miklosich anführt, wirkt die
Präp. mit. Die serbischen Verba s. Danicic S. 106 ff. Man
kann etwa anführen: Aloniti se meiden, z. B. takovtijeh mjesta
solche Orte, prodi se z. B. prodjt se kderi momceta meide, o Toch-
ter, den Burschen, mahnuti se sıch einer Sache begeben, z.B.
toga posla dieser Arbeit. Mit o: okansti sich entschlagen (z. B.
zuluma der Gewaltthätigkeit), ostati se ablassen, z. B. ostanı
se sinko cetovanja lass ab, mein Sohn, von dem Umherstreifen.
Auch können Verba wie odredi se verleugnen (ko se odrece
mene pred ljudima wer mich verleugnet vor den Leuten), od-
metnutt se abfallen (boga von Gott) hier erwähnt werden. Aus
‚dem älteren Russisch führt Miklosich Bez? Vavslona fliehe
aus Babylon und einiges Ähnliche an.
$ 83.] Kap. IV. Der Ablativ bei leer gein, berauben. 205
$83. Leer sein von (bedürfen), berauben.
Altindisch und Avestisch: Ich wüsste nur etwa an-
zuführen av. mıd um etwas bringen; yastzm zsabräp mörbap
wer den um die Herrschaft bringt y. 46, 4. Aus dem Altindi-
schen vgl. 7t (s. S.202). Lateinisch (vgl. Draeger 1, 517).
Vaco hat gewöhnlich den blossen Ablativ, seltener ad, careo
regelmässig den Abl., ganz selten (archaisch) auch den Gen.,
bei egeo ist der Abl. häufiger als der Gen., bei indigeo ıst es
umgekehrt. Offenbar ist der Genitiv von den Adjektivis aus
eingedrungen. Verba des Beraubens: privo, orbo, spolio und ähnl.
Griechisch. Für leer sein und ähnl. findet sich bei Homer:
yıpebw beraubt sein (vfoos avöpwv ympever ı 124), ardußonaı ver-
lustig gehen (sıönpov, Toms, vedentos). Für “bedürfen” liegt bei Ho-
mer vor: yardw (navre; dE dewy yarkouc Avdpwror y 48). Asvonaı
bedeutet urspr. wohl entfernt sein von, daher zurückstehen hinter
(Apyeiov W 484) sodann entbehren (Üöuoros, olvoydoro, Yopßr;s
u. ähnl.). Daraus hat sich nachhomerisch ‘bedürfen’ entwickelt,
2.B. 2 xalpoıs Erıpeintas devonevors in Zeiten, die der Sorgfalt
bedürfen, Inschr. bei Collitz 1, 97 (Äol. Nr. 250). Dass öei
(welches bei Homer nur I 337 vorliegt) aus dever entstanden
ist, zeigt sich jetzt an dem deve: äolischer Inschriften (vgl.
dazu SF. 4, 47, wo auch über ypr gehandelt ist). Für be-
rauben findet sich bei Homer: x/öw (tous Bupoö xal buyiis xe-
xaöuv A 333 und sonst ähnlich), au£pdw (akt. rov opdaAuwv, pass.
darrds, alavoc), dad (ov opdaAnoo), orepew (me Anlöos v 262).
Germanisch. Vertreter des Abl. sind bei den Verbis des
Beraubens u. s. w.: a) der Instrumentalis-Dativ. Derselbe findet
sich im Gotischen als Dativ, und zwar nur: jah bibe biladlai-
kun ina andvasidedun ina bizai paurpurai jah gavaside-
dun ina vastjom svesaim xal Arte &verarkav adra, 2&£öucav aurov
my roppupav xal &vköusav adrov za Indrıa a Töıa Mark. 15, 20,
wobei schwerlich eine Nachahmung der Konstruktion von ga-
vasjan vorliegt. Als Instr. oder Dat. findet er sich im Altsäch-
sichen und Angelsächsischen neben Verben, welche mit di zusam-
mengesetzt sind. Die im Heliand vorkommenden Instr. sind
von Moller S. 9 verzeichnet, wo man die Belege einsehen möge.
206 Kap. IV. Der Ablativ bei leer sein, berauben. [$ 83.
Es sind die folgenden: bilösian ın weldun that barn godes lıbu
bılosian wollten den Sohn Gottes des Lebens berauben, Aöddu des
Hauptes, aldru des Lebens, ferahu des Lebens; bineotan in
that he odrana aldru bineotu, (libu bilosie) dass er einem andern
das Leben beraube, (des Lebens entledige); biniman mit libu,
ferahu, höbdu; bihawan mit höddu jemandem (Akk.) das Haupt
(Instr.) abschlagen. Angelsächsiche Beispiele sind: beceorfan
(hine ba heafde becearf hieb ihm da das Haupt ab Beor.
1591); dedelan (dreamum bedeled der himmlischen Freuden
beraubt 722); beleösan (beloren bearnum and brodrum der Kin-
der und Brüder beraubt 1074); beniman (od Püt hine yldo
benam mägenes vynnum bis ıhm das Alter den Genuss der
Kraft nahm 1887 (vgl. auch ahd. inan töde benimar ıhn vom
Tode befreien bei Erdmann 2, 244). Ebenso bei beneötan be-
reäfian, bescyran u. a. (vgl. das Verzeichnis bei Kress, Instr. ın
der ags. Poesie S.13). Verlustig gehen: forleösan (Per he dome
forleis da ging er des Ruhmes verlustig Beov. 1471). b) Für
sicher möchte ich den Genitiv bei ‘berauben’ und ‘verlustig gehen’
halten, z.B. ahd. diteilan berauben, (guotes ne betetlet er unsculdige
beı Grimm 4, 635) alts. didelian ın bedeldun sie iuwaro diurda
entzoget ihnen euer Mitleid Hel. 4441; ags. bescyran berauben
(leöhtes des Lichtes Gen. 394); beredan berauben (feores des
Lebens, Andreas 133, auch feore); beneman berauben (Crist
rodera rices Christus des Himmelreichs); ags. Bolian, alts.
tholön verlustig gehen (his freotes seiner Freiheit, ltohtes des
Lichtes bei Grimm 4, 675). Zweifelhaft kann man sein über
den Gen. bei ahd. inbderan (sin), gimangolon (thin), darben (le-
des) u. ähnl. (vgl. Erdmann 2, 175). Derselbe Zweifel, ob
ursprünglicher Ablativ oder Genitiv vorliegt, gilt bei “bedür-
fen’, so got. faurban, z. B. ni haurbun hailai lekeis ob ypelav
£yovarv ot toyuovres larpoo Matth. 9, 12. (Auch der griechi-
sche Text hat überall den Gen.) Über den Gen. im Ahd. s.
Grimm 4, 675). Baltisch-Slavisch. Litauisch etwa prı-
valytı bedürfen, netekti ermangeln. Aus dem Slavischen
'Miklosich 4, 451) ist aksl. it! “berauben’ zu erwähnen, z. B.
slavy rs Ödins (bei M.). Im cod. Mar. finde ich Zt mit
$ 83—84.] Kap. IV. Der Ablativ bei entstehen. 207
Gen.-Abl. nur in: jeda ceso lien: byste habt ihr auch an etwas
Mangel gehabt? Luk. 22, 35. Dasselbe Verbum mit derselben
Konstruktion auch im Serb. und Russ. Nach Miklosich 4, 459
ist auch der Kasus bei tree ypn ein Abl., was ich dahin-
gestellt sein lasse.
684. Ausgehen von, Entstehen.
Altindisch und Avestisch: Aus dem Aı. der Abl.
bei jan, 2. B. yad dsurasya jalhärad ajäyata seit er aus dem
Leibe des Göttlichen geboren wurde RV. 3, 29, 14. Dass der
Vater im Ablativ steht, ist aus der ältesten Literatur nicht
nachzuweisen, wohl aber aus der späteren. Lateinisch.
Ein Ablativ des Ursprungs findet sich bei den Partizipien n«-
tus, ortus, oriundus, satus, editus, procreatus, seltener bei dem Ver-
bum fintum, weil man es liebt, die Herkunft (wie bei den
Patronymika) in Form der Apposition dem Namen anzufügen.
Über ab s. Draeger $ 220). Auch kann das Verbum fehlen,
z.B. Periphanes Rhodo mercator bei Plautus.
In denjenigen Sprachen, welche den Ablatıv mit dem
Genitiv haben zusammenfliessen lassen, entsteht eine Schwie-
rigkeit, weil man bisweilen nicht wissen kann, ob der Ablatıv
des Ursprungs oder des sog. Gen. originis vorliegt. Grie-
chisch. Ein Ablativ des Ausgangspunktes dürfte anzunehmen
sein, wenn bei Apyopaı im Gen. der Punkt steht, von welchem
die Bewegung anhebt, also in ado däapkopar I 97 und ap-
fansyor Tod Yupou p 142. Wenn nicht der Ausgangspunkt,
sondern die Handlung mit der begonnen wird, im Genitiv
steht (also in äpyeıv und Apyeodaı pudwv, Apyeıv ydoo u. ähnl.),
scheint dagegen ein partitiver Gen. vorzuliegen, ebenso wie
wie im ahd. diginnan (z. B. dera reisa wie döoro, vgl. Erd-
mann 2, 163). Was die Verba des Abstammens betrifft, so liegt
die ablativische Auffassung am Tage bei denjenigen, welche
wie äxylyvopaı u. ähnl. mit 2£ zusammengesetzt sind. Auch bei
dem einfachen y{yvopar finde ich mit Hentze 521 den ablatı-
vischen Genitiv in Wendungen wie tod 8 uleis &y&vovr' AAx-
paloy Auptloyds te 0 248, oder rs BE duw yevdueoda D 89
Dagegen bei eivar finde ich nach Analogie der verwandten
208 Kap. IV. Der Ablativ bei verfertigen. [$ 84—85.
Sprachen den Genitiv. Übrigens dürften die Konstruktionen
von eivaı und ylyveodaı sich so vermischt haben, dass ein Her-
ausfinden des ursprünglichen Kasus in den einzelnen Stellen
nicht mehr möglich ist!\.. Germanisch. Der Abl. scheint
im Germ. durch den Instr. vertreten gewesen zu sein. Zwar
kann ich bei den Verben, welche “abstammen, erzeugt werden‘,
bedeuten, nicht mehr den Instr., sondern nur seinen Erben,
den Dativ, nachweisen (ahd. fatere giboranan den aus dem
Vater gebornen bei Otfr. — Grimm 4, 714, Erdmann 2, 245
— und ebenso im Altnordischen), aber für die Ursprünglich-
keit des Instr. spricht der Instr. bei ‘sein’ in dem Satze Ste
sin Aleranders slahtu (Otfr. s. ebenda). ‘Sein’ kann den Instr.
wohl nur von Verben der Abstammung entnommen haben.
Was das Slavische betrifft, so scheint Miklosich 4, 461 den
Gen. in Sätzen wie aksl. azü jesmi vasego plemene ‘ich bin von
eurem Geschlecht’ für ablativisch zu halten, wofür einigermassen
zu sprechen scheinen die russischen Konstruktionen, welche
Buslajev 246 anführt: ty kakichü rodovü da kakıchü gorodü
aus welchem Geschlechte, aus welcher Stadt bist du? 7a go-
roda, sudari ıch bin aus der Stadt, Herr! Doch ist auch hier
der ursprüngliche Gen. möglich.
685. Verfertigen aus.
Altındisch und Avestisch. Bei ai. taAk$ und einigen
bedeutungsverwandten Verben steht der Abl. des Gegenstandes
aus dem ein anderer gemacht wird, z. B. surad dSvam vasavo
nir atasfa aus der Sonne, ıhr Vasu, schufet ıhr ein Ross RV.
1, 163, 2 (vgl. Verf. ALI. 16, Siecke in Kuhn und Schleicher's
Beitr. 8, 397). Für das Avestische, wo der Abl. mit Aaca belegt
1) Hentze 521 findet bei öpvupar und ylyvopar einen Ablativ in Sätzen
von folgendem Typus: dgap dt xaxöc xövaßos xard vYas Öpchper dvöpav T
6A Auptvav navy d' Apa dyvupeydav x 122; dc tüv pioyoptvav yevero layıı Te
rövos te A 456, in denen ich Genitive erblicken möchte, die sich zu abso-
luten zu entwickeln im Begriffe stehen. Ferner in Sätzen mit ylyvopat,
Iwv&opar, reprepyopau und ähnlichen Verben von folgendem Typus: räs 7 xoı
gwvn pev dan orblaxos veoyılfis yiyveraı pe 86; nepl Te Rrbnos Hide Todotı
r 6. Ich sehe darin possessive Genitive.e Im übrigen trage ich meine
Ansicht mit derselben Reserve vor, wie Hentze die seinige.
$85—86.] Kap. IV. Der Abl. bei lösen, befreien, reinigen etc. 209
ist, vgl. Hübschmann 234). Lateinisch. Es ist zweifelhaft,
ob der Ablatıv vorliegt. Den Kasus, den ich früher für den
Abl. hielt, bin ich jetzt geneigt, für den Instr. zu halten, weil
wenigstens in den von Ebrard 588 beigebrachten Belegen der
Sinn des Operierens mit etwas, nicht des Verfertigens aus etwas
hervortritt. In den Sprachen, welche den Abl. und Gen. ver-
einigt haben, entsteht derselbe Zweifel, wie bei den Verben
der Abstammung, weil auch ein Genitiv des Stoffes vorhanden
is. So im Griechischen. Doch möchte bei Homer Ablativ
sein bivod nomtmmv K 262, ai ö& Rdes ypvooto tersöüyaro 2 574
u. ähnl. (Klinghardt 37). Im Germanischen liegt ein Instr.
vor ın der bekannten Stelle des Hildebrandsliedes chetisuringu
gitan. Aus dem Slavischen und Litauischen weiss ich
nichts Sicheres beizubringen.
$86. Lösen, befreien, reinigen, retten, schützen.
Altindisch und Avestisch. Aus dem Ai. z. B. chtid:
näsmad gand$ chidyatö das Volk löst sich nicht von ihm SB.
14, 5, 1, 10; muc: sd &vainam varunapalän muhcati er löst ihn
von der Varunafessel TS. 2, 1, 2, 2; yu: yuyuldm asmdd anıram
Gmicam haltet von uns Siechthum und Unglück fern RV. 7, 71,2.
Aus dem Av.: mazdä ahurahyü zrateus nasyantö aSaapca dem
Willen des A. M. sich entziehend und der Rechtschaffenheit
y.32,4. Dazu ‘reinigen’: av. yao2da vd.17,7. Retten,schützen
vor (dem Feinde, der Noth) ai. urugy, tra, pä, rak$ u. ähnl.,
aus dem Av. z. B. kasna deret@ zqmca ade nabäsca avapastöts
wer hält die Erde drunten und hält den Himmel zurück (schützt
ihn) vor dem Herabfallen y. 44, 4; ya :5 pap daresap asahya
der sie abhalten wird, den A. zu sehen y. 32, 13; yö narem
anatwidruxto apa qzarhap baratti der, unbetrogen, den Mann
von Noth errettet yt. 10, 22. Im Lateinischen erscheint der
Abl. bei 30/vo, levo, Äibero u. ähnl., dagegen scheint der reine
Ablativ bei retten und schützen nicht mehr vorzuliegen. Grie-
chisch. Mit der erwähnten aı. Konstr. von chtd sich trennen
von vergleicht sich aus dem Kretischen yuva Avöpds & xa xpi-
wraı und at xa Forxeos Forxea xpıdn Gort. 11,45 u. 3,40. Aus
Homer gehören hierher Abw (nur xaxsınros in der Od.), yupvöw
Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm, Sprachen. 1. 14
210 Kap. IV. Der Abl. bei lösen, befreien, reinigen etc. [8 86.
(yuav@dn paxewv x 1), Apuvm abwehren (xüpas adroü, Tpwas veov,
ohne Akk. vertheidigen akt. wm@v, od naröd,, Ilarpdxkou, med.
oyav adrwv, vn@v), altto mit Akk. und Gen. (Tpwwv Aoryöv,
xövas xeoaAts u. ähnl). Germanisch. Im Germanischen er-
scheint a) der Instrumentalis- Dativ, so in got. lausyan: gabun-
dans is genai, ni sokei lausjan;, galausids is genai, ni sokei
gen dEdecaı yuvaml, u Crter Adam, Akluoaı And yuvarxdc, ah
Inter yovaixa 1 Kor. 7, 27 (wo mir äusserliche Nachahmung der
Konstruktion von gabindan nicht wahrscheinlich vorkommt).
Ags. älyjs me feondum erlöse mich von den Feinden, Psalm 70, 3.
b) Der Genitiv (Grimm 4, 634—635, Erdmann 2, 176—177), z.B.
ahd. ınbintan (inan thes seres Otfr., he sö managan likhamon
balusuhteö antband befreite manchen Leib von Krankheiten
Hel. 2351); alts. alätan befreien von, freilassen, vergeben, z. B.
sie ledes sie des Leides Hel., ebenso ahd. rlazan (s. Grimm);
alts. sskor0n befreien (sundeonö Hel.), alts. tömean befreien (man
sundeono den Mann von Sünden Hel.); ahd. :rläran befreien,
erlösen von (thes managfalten wewen Otfr.); ahd. ırlösarn (z. B.
mih thero arabeito Otfr.). Dazu die Verba des Reinigens
und Heilens: got. gahrainjan reinigen, z. B. jabat hvas ga-
hrainjai sik bizei Zav odv Tı5 &xxadapy Eauröv And rootwv 2 Tim.
2, 21, ebenso ahd. reinan; got. hasljan heilen: Datei gemun
hausjan imma Jah hailjan sik sauhte seinaizo oL HAdov Axodoaı
obrod xal ladzivar ano Twv voowy aurwv Luk. 6, 18 (so nach
Grimm 4,634 auch im Alts.).. Ebenso got. lekinon heilen: zah
garunnun hiuhmans managai hausjon jah lekınon fram imma
sauhte seinatzo xal ouvhpyovro Oykoı ToAlol Axousıy xal Bepareu-
eodar dm adtoü Anh twv Aodeveımv abrwv Luk. 5, 15. Baltısch-
Slavisch. Aus dem Litauischen habe ıch nichts notiert,
ausser etwa saugöli, z. B. saugokites brangvyno hütet euch vor
dem Branntwein. Aus dem Slavischen bringt Miklosich 4, 451
aksl. Konstruktionen bei, wie gonezngti frei werden (boleznt von
Krankheit), svoboditi befreien (bedy von Sorge), prostiti befreien
(grecha von Sünde), chranıti bewahren (rati vor dem Kriege). Im
cod. Mar. sind die drei erstgenannten Verba nicht belegt, das letzte
nur mit otü. Serbische Parallelen bietet Danicic 104, so osloboditt
$86—87.] Der Abl bei entnehmen (kaufen), empfangen etc. 211
(smrii vom Tode), oprostits (ropstoa von Sklaverei), tzdavıitt, x. B.
nos je bog izbario Turaka uns hat Gott von den Türken be-
freit u. s. w. Auch mit der Nuance des Behütens, z. B. sahranı
me se} nesrede bewahre mich vor diesem Unglück, £cuvaj se
stara Turcına a mlada Srbina hüte dich vor einem alten Türken
und einem jungen Serben.
$ 87. Entnehmen (kaufen), empfangen, hören,
lernen, trinken, ergiessen, erwachen.
Entnehmen, kaufen, empfangen. Bei dem aı. grabh
nehmen steht ein Abl. des Ortes, woher man etwas entnimmt
5. B. dhdsträyät aus einem Schlauche, dnasah von einem Wagen,
vgl. SF. 5, 109). Etwas abweichend ist der Sinn der gleichen
Verb. im Avesta: geurvaya hg pädavg zavare nimm von dessen
Füssen (Abl. Du.) die Schnelligkeit y. 9, 28. Im Lateinischen
Hinnad cepit, domo sumere (vgl. Ebrard 587). Doch ist der
präpositionslose Abl. selten. Einen Beleg für ‘kaufen’ im Ai.
(pürugat von einem Menschen) s.SF.5, 109. Für “empfangen,
erhalten’ ist ein Beleg ai. san (dia hiranyapindan divodasad
asantam zehn Goldklümpchen habe ich von Divodäsa erhalten
RV. 6, 47, 23). Aus dem Av. bar: kahmap mazdayasnangm hare-
prem barai von wem unter dem Mazdayasna soll sie Obdach (?)
erhalten? vd. 15, 17. Im Griechischen ögyopaı (ne Pelns, xh-
pata und xpuoov ‘Adskavöporo), aipgopar in £ued 5 EAero yiyav
opxov 6 746.
Hören, lernen, trinken, ergiessen, erwachen.
Bei hören, lernen, erbitten kann im späteren Sanskrit
die Person, von der die Kunde oder Gewährung kommt oder
kommen soll, im Abl. stehen (Speijer 69). In der alten Sprache
scheint diese Konstruktion nicht vorzuliegen. Über den Kasus
bei ‘hören’ im Griechischen vgl. den Genitiv $ 149. Trinken
findet sich im Ai., z. B. dpad dhöträt er hat aus dem Gefäss
des Hotar getrunken (SF. 5, 109). Im Lateinischen kann auch
der Instr. vorliegen, vgl.$113. Ergiessen aus: Im Aı. steht
der Abl. bei sic, z. B. Saphüd alvasya vayıno janäya Satam kum-
bhah asincatam mddhunam aus dem Hufe des schnellen Rosses
14*
212 Der Abi. bei zurückbleiben hinter, sich verbergen etc. [$ 87—88.
ergosset ihr für den Menschen hundert Kübel Meth RV. 1,
117, 6. Griechisch: ridwv Nouosero olvos % 305 (die einzige
derartige Stelle bei Homer). Hinsichtlich des Lateinischen vgl.
Ebrard 587. Erwachen (aus dem Schlafe), aufathmen von
etwas. Av. zwafnap frabuidyamnö aus dem Schlafe erwachend
vd. 18, 49. Aus dem Germ. lässt sich ahd. slafes erwachen ver-
gleichen, doch ist die Konstruktion erst aus jüngerer Zeit be-
legt (Grimm 4, 672). Dazu griech. Tpwes avenveusav xaxdınros
A 382, sonst rdvoro.
8688. Zurückbleiben hinter, sich verbergen, sich
fürchten, vorziehen.
Zurückbleiben hinter. Ai. hä, z. B. suvargal lokad
yajamando hiyeta der Opfercr würde den Himmel nicht er-
reichen TS. 5, 6, 8, 1; griech. Aeiropar, z. B. Astnet dyaxkedos
Meveldou Soupos &pwrv W529. An Astropaı schliessen sich 7j00@0-
par und vıxaopaı, welche bei Homer noch nicht vorliegen.
Wenn so vıxaonaı unterliegen zu der Verbindung mit dem
Gen. gekommen ist, so folgt daraus noch nicht, dass auch vı-
xaw siegen dieselbe Konstruktion haben könne. Auch aus
dem Gen. bei xparew darf man darauf nicht schliessen, da xpa-
tea ursprünglich bedeutet: “Gewalt haben über etwas. Sich
verbergen, verbergen vor. Aus dem Altindischen lässt
sich antar-dha beibringen (vgl. SF. 5, 110). Im Slavischen
kommt neben aksl. Aryti und potajtti verbergen nach Miklosich
4, 451 der Gen.-Abl. vor. Er ıst aber durchaus selten. Das
Gewöhnliche ist die Verbindung mit of“. Sich fürchten
vor. Aus dem Aı. kommen in betracht 5A? sich fürchten,
2. B. indrat vor Indra, vdjrat vor dem Donnerkeil, Alarbyat
vor Untüchtigkeit.e Auch mit zwei Ablativen: indrasya
vayrad abibhed abhisnäthah sie fürchtete sich vor dem Keil
des Indra, vor dem Zerschmettern, d. h. dass er sie zer-
schmettere RV. 10, 138, 5. Dazu r37 erzittern (makhebhyah
vor den Kämpfern), vgl. SF. 5, 111. Wie es mit der Kon-
struktion der Verba des Fürchtens im Germanischen steht,
ist schwer zu sagen. Nach dem von Grimm 4, 671 beige-
$68--89.] Kap. IV. Der Abl. bei Verben der Gemüthsbewegung. 213
brachten Material kann man ebenso wohl an einen Ablativ
wie an einen partitiven Gen. denken (letzteres wegen des
ebenfalls bei diesen Verben gebrauchten Akkusativs). Im Li-
tauischen diyotts sich fürchten, z. B. äsz biyaüs szund ich
fürchte mich vor den Hunden, ebenso batdytis sich scheuen,
drebeti beben u. ähnl. In den slavischen Sprachen findet
sich durchgehend dyjatt se, so aksl. byaachq se Yudijt E&ooßouvro
:ov Aaov (Mark. 11, 32), im cod. Mar. noch boga, Ioana, Iudeji,
naroda, jego. Niemals steht daselbst bei dojyati se eine Präpo-
sation. Serbische Belege s. Danitie 108, z. B. da 8’ ne boyim
cara i carice dass ich mich nicht fürchte vor dem Zaren und
der Zarin, pune se puske boji Jedan a prazne dvojica vor einer
geladenen Flinte fürchtet sıch einer und vor einer leeren ein
Paar u. s. w. Ebenso russ. dboyafis7a. Dazu bedeutungsver-
wandte Wörter wie serb. plasıti se und prepasti se erschrecken
u. ähnl. Ebenso geht stydıti scheuen durch, z. B. aksl. size bo
postyditü se mene i mojichü slovesü ds yap av &raroyuvd ne xal
tous 2uoüs Adyous, Mark. 8, 38, serb. ko se postidi mene i
mojijeh rijeei. Weitere Belege bei Danitic 109. Ebenso russ.
stydıfisjpa kogo sich vor jemand schämen. Dazu verwandte
Verba wie serb. sramiti se u. s. w. Bei ‘vorziehen’ kommt
gelegentlich im Ai. ein komparativischer Abl. vor, so: sömät
sutad indro avrnita odsisthan dem (von Päßadyumna) gepressten
Soma zog Indra die V. vor RV.7, 33, 2.
$. 89. Verba der Gemüthsbewegung.
An den Schluss stelle ich den Gen. bei Verben der Ge-
müthsbewegung im Griechischen, Germanischen, Litauischen,
Slavischen. Man kann zweifeln, ob hier der echte Genitiv
oder der Ablativ vorliegt. Der erstere würde als ein Gen. zu
erklären sein, der dem Akk. des Inhalts parallel geht, und
diese Auffassung liegt, wenn man nur das Griechische in be-
tracht zieht, nicht fern. Ich halte aber die Annahme, dass der
Ablativ vorliegt, für die wahrscheinlichere, weil es mir unna-
türlich erscheint, die im Folgenden zu erwähnenden Verben
von denen des Fürchtens zu trennen, welche sicher den
214 Kap. IV. Der Abl. bei Verben der Gemüthsbewegung. 1889.
Ablativ bei sich haben (vgl. auch ai. didAats sich ekeln vor mit
dem Abl). Griechisch (vgl. Klinghardt, de genetivi usu
Homerico et Hesiodeo, Halle 1879, Diss. 44 fi... Bei Homer
liegen folgende Verba vor: ywopar (yuvarxoc, &talpov u. ähnl.,
vos te xal Eyyeos N 165), XoAdopaı (träpoıo u. ähnl., Bowv wegen
der Rinder des Helios, &rewv xal Epywuv A 703), xorio (sd
Ararns A 168), pnvlo (ipav E 178), Arımeuponar (edywins), doxa-
do (xrnotos 7 534), Ovopar (övdosesdar xaxomroc sich beklagen
wegen seines Elendes e 379); pdovdw missgönnen (N.Lovov,
“Adorpiwv), neyatpw (drororo ihm nieht gönnend, dass er seinem
Gegner das Leben nehme N 563); äyvopaı betrübt sein (£raipov,
dvaxtos u. ähnl.), 0Aopöpopar (Aavamv), dxayku (axaynp£vos Intov,
via), Döupopar (rardds, Avaxtos u. ähnl., yapov), dyduv aysumv
(ins, Vöustos, pdvou). Dazu daxpu ydav (toü d. i. Avrıydou w 425).
Man schliesst hier gewöhnlich an tloaodaı mit Gen. der Sache
(Aigtavöpov xaxoınros [' 366, pvnoripas vrepßaatns yY 206).
Germanisch. Aus dem Gotischen kommen in betracht
skaman sik: saei skamaib sik meina Jah vaurde meinaize 0% yap
av Eraroyuvdd) pe xal tous &uous Aoyous Mark. 8, 38; sildaleikjan:
sildaleikjandans andavaurde is gabahaidedun daupasavız;z rl
7 Aroxpiser adrod Zalyrsav Luk. 20, 26. Über die in betracht
kommenden ahd. Verba handelt ausführlich Erdmann 2, 171 fl.
Litauisch und Slavisch. Die ltauischen hierher gehörigen
Verba finden sich bei Schleicher 276. Ich führe daraus an:
böstis sich ekeln (vgl. ai. bibhats), z. B. üsz bodzüs tö valgio
ich ekele mich vor der Speise; nedejyük kat karvelis vaıkü jam-
mere nicht wie die Taube um ihre Jungen; ko veikia bernytis
um was weint der Jüngling? Aus dem Slavischen führt Miklo-
sich 4, 463 an: aksl. Rahtli placgsti Cedü svojichü Rahel ihrer
Kinder wegen klagend u. ähnl. Im cod. Mar. kommt plakatı
se mit deutlich gekennzeichnetem Genitiv nur vor in plakaachq
se Jeje &xortovro adrny Luk. 8, 52. In den übrigen Stellen steht
Jjego, wobei also äusserlich nicht zu entscheiden ist, ob der
Akk. oder Gen. gemeint ist. Es ist aber, da das Verbum
reflexiv ıst, unzweifelhaft der Genitiv.
$90-—91.] Kap. IV. Der Abl. bei verb. Subst. u. bei Adjektiven. 9215
890. Der Ablativ bei verbalen Substantiven.
Altindisch undAvestisch. Im Ai. (SF.5, 112) liegt z.B.
vor rakgobhyd vai tam bhifa vacam ayachan sie hemmten die
Stimme aus Furcht vor den Rakshas SB. 4, 2, 2,7. Vermuthlich
liegt der Abl. auch vor in upa chäyam iva ghfner üganma $arma
fe vaydm wir sind in deinen Schutz eingetreten wie in Schatten,
der vor Hitze birgt RV. 6, 16, 38. Im Avesta finden wir in
dieser Weise das Ursprungsverhältnis ausgedrückt, z. B. akap
mananhö sta cibrem ıhr seid Same vom bösen Geiste her
(Abkömmlinge des bösen Geistes) y. 32, 3. yö vispe taurvaya)
dagvaahca bbagsä masyäüahca welcher alle Angriffe überwinden
wird (welche kommen) von Gott und Mensch her yt. 13, 142.
In den Sprachen, welche den Ablativ mit dem Genitiv ver-
einigt haben, muss es zweifelhaft bleiben, ob der Abl. oder der
objektive Genitiv vorliegt. Im Griechischen könnte man
oxtras avkporo (vgl. chaya ghrnek) hierherziehen (vgl.auch &v xy
wo oößon Noav waren sicher vor Furcht, Herodot 1, 143, Noav
&v oxeny tod roleuou 7, 172). Ferner Wendungen wie pera-
rzavswAn roA&poro T 201, Bavarou Ausıs ı 421, Avanvenaız moA&uoro
A801 und sonst. Was aus dem Slavischen etwa angeführt
werden könnte, sehe man bei Miklosich 4, 451/2.
691. Ablativ bei Adjektiven.
Aus dem Altindischen und Avestischen weiss ich nur
Raum- und Zeit-Adjektiva (nebst den von ihnen stammenden
Adverbien) zu nennen, z.B. ai. arvanc und arväcind vorwärts von
einem Punkte aus gerechnet, üördhvd in die Höhe steigend von
etwas aus, pdrähc abgewandt von etwas, z. B. öfdsmäc catvalad
ürdkvah svargam lokam upöd akraman von diesem c. aus stiegen
sie zum Himmel auf {B. 4, 2, 5,5. Dahin auch die Zahlwörter
(der zweite, dritte von einem andern an gerechnet, vgl.
SF. 5, 112). Als Beispiel für Adverbien diene dürdm fern von
und av. asze in der Nähe von: asne vaydanap in der Nähe
des Kopfes (Justi),,. Im Lateinischen sind die Adj. inanes,
cacuus, liber, nudus, orbus, alienus, cassus zu nennen, welche
offenbar durch die Vermittlung von Partizipien bedeutungsver-
wandter Verba zu ihrer Konstruktion gekommen sind.
216 Kap. IV. Der Ablativ bei dem Komparstiv. [$ 1—92.
Über die entsprechenden Adjektiva derjenigen Sprachen,
in welchen Ablativ und Genitiv zusammengefallen sind, ist bei
dem Genitiv gehandelt.
892. Der Ablativ bei dem Komparativ!), In den
Abl. tritt ein Gegenstand, mit dem verglichen (von dem an
gerechnet) einem anderen eine Eigenschaft in höherem Masse
zukommt. Auf einer Linie mit dem Komparatıv steht anya,
Aldos, alius der andere. Es sei noch bemerkt, dass die Ver-
bindung von Ablativen mit einem Positiv in dem alten San-
skrit und im Avestischen nicht vorliegt. Es ist nicht anzu-
nehmen, dass diese Erscheinung bereits ursprachlich sei (vgl.
Pischel’s in der Anm. angeführte Abh. 509). Altindisch und
Avestisch. In beiden Sprachen ganz geläufig, z.B.: ghrtat sca-
diyah süsser als Butter RV. 8, 24, 20; aka asyö schlimmer als
das schlimme, das allerschlimmste y. 51, 6; anyö va ayam asmad
bhavati dieser wird ein anderer als wir AB.7, 24, 1.; na&cım tem
anyem yüSmap vagda ich kenne keinen andern als euch y. 34, 7.
Lateinisch. Der Abl. bei dem Komparativ und alus (Drae-
ger 524) ist seit alter Zeit geläufig, immer beibehalten in Sätzen
negativen Sinnes, in positiven durch guam mit dem entsprechen-
den Kasus ersetzt (Schmalz ? $ 96, Wölfflin, Archiv 6, 447 ff.).
Griechisch. Der Gen. bei dem Komparatıv ist von Homer
an geläufig, wofür es keiner Belege bedarf. Dagegen scheint
dieser Gen. bei &AXos bei Homer nicht vorzuliegen. Über den
Genitiv bei dem Superlativ (z. B. @xupopwraros dAlwv) ist & 196
gesprochen. Germanisch. (Grimm 4, 754, Erdmann 2, 246).
Als Vertreter des Ablativs erscheint der Dativ, z. B. got. matza
imma grösser als er (vgl. Gabelentz-Loebe 244), ahd. w2zero
snewe weisser als Schnee. Der Instr. scheint nicht vorzuliegen.
Im jetzigen Litauischen ist diese Konstruktion nicht mehr
1) An dieser Stelle würde H. Ziemer, vergleichende Syntax des indo-
germanischen Komparativs u. s. w., Berlin 1884, zu erwähnen sein. Über
diese Schrift hat Pischel, Gött. Gel. Anz. 1884 Nr. 13, ein Urtheil gefällt,
mit dem ich durchaus übereinstimme. Indem ich den Leser auf Pischel’s
Ausführungen verweise, sehe ich meinerseits von einer Polemik gegen
Ziemer ab.
$92--94.) Kap.IV. Der freiere Ablativv. Kap. V. Der Lokalis. 317
vorhanden (den Ersatz s. bei Kurschat 410. Ein Beispiel aus
Bretken’s Bibelübersetzung bringt Bezzenberger, GLS. 142 bei:
ne daugiefne dwiliko dienu nicht mehr als zwölf Tage (gewiss un-
richtig). Im Slavischen dagegen ist sie noch lebendig. Über
das Aksl. s. Miklosich 4, 459, wo Beispiele wıe die folgenden
anführt werden: z/o z/a zlöje Übel ist schlimmer als Übel, qzükü
pafi pace prostranaago pocits angustam viam magis dilige quam
latam, posluzi ivarı pace tvorca servüt creaturae magis quam
ereatori. Ebenso im Russischen, z. B. in dem Sprichwort utro
tecera mudreneje der Morgen ist klüger als der Abend, im Ser-
bischen dagegen fast nur noch in der älteren Literatur, z. B. vyetra
brze schneller als der Wind. Der Ersatz für diese Konstruktion
beginnt schon ım Aksl., worüber Miklosich Auskunft giebt.
$93. Der freiere Ablativ. Für den freieren Ablatıv,
d.h. denjenigen der statt zu dem Verbum allein, zur Satz-
aussage in Beziehung tritt, habe ich nur Belege aus dem Alt-
indischen und Avestischen. In den Ablativ tritt das
Motiv, der Grund der Handlung, z. B. dnrtad vai tah praja
sarunöo 'grhnat um der Sünde willen ergriff Varuna die Ge-
schöpfe MS. 1, 10, 12 (151, 19). Besonders häufig im späteren
Sanskrit (Speijer 75). Im Av.: hö noih tarstö franamäite bwae-
sap paro datvagibyö er weicht nicht fliehend aus Furcht vor
den Dämonen y. 57, 18; yap kerenaop airhe z5abrada amarsenta
pasu vira dass er infolge seiner Herrschaft Menschen und Vieh
unsterblich machte y. 9, 4. Auch im Lateinischen (vgl.
Ebrard 588 ff.) liegen solche Ablative vor, doch ist es kaum
möglich, sie von den Instrumentalen zu trennen.
Kapitel V. Der Lokalis.
$ 94. Über den Grundbegriff des Lok. ist $ 66 gesprochen
worden. Bei der Darstellung stelle ich die arischen Sprachen
voran, wo der Lok. unverändert erhalten geblieben ist, dann
folgen die baltisch-slavischen Sprachen, in deren slavischer
218 Kap. V. Der Lokalis bei Ortsbegriffen. [$ 94—95.
Abtheilung dem reinen Kasus bereits durch Präpositionen grosser
Abbruch geschehen ist, dann das Lateinische, wo er noch in
gewissem Umfange erhalten, aber zum grössten Theile mit dem
Abl. und Instr. verschmolzen ıst, weiter das Griechische, wo
er bis auf geringe Reste mit dem Dativ und Instrumentalis
vereinigt ist, endlich das Germanische, wo seine Verbindung
mit dem Dativ, Instrumentalis und Ablativ erfolgt ist. Den
Stoff selbst gruppiere ich so, dass ich zuerst die Bedeutung
der in den Lokalis tretenden Substantiva berücksichtige. Da-
nach ergeben sich:
$ 95. Der Lok. bei Ortsbegriffen.
$ 96. Bei Zeitbegriffen.
$ 97. Bei Personalbegriffen.
8 98. Bei einigen anderen Begriffen (in den arischen
Sprachen).
Sodann erwähne ich:
$ 99. Den Lok. in Verbindung mit gewissen Verben (da-
runter den sog. Lok. des Zieles).
$ 100. Den Lok. bei Adjektiven.
Den Schluss bilden einige Fälle des Zusammenfallens mit
mit dem Instr.
895. Der Lokalis bei Ortsbegriffen.
Arisch. SF. 5, 115 habe ich bemerkt: “Als der Raum,
innerhalb dessen sich etwas abspielt, erscheinen zumeist Kon-
kreta. So finden sich im RV. im Lokalis: Himmel, Luft,
Erde, Berg, Feld, Land, Wüste, Meer, Fluss, Ufer, Platz, Ende,
Spitze, Nähe, Ferne, Pflanze, Feuer, Wagen, Schaukel, Schale,
Löffel, der Körper mit seinen Theilen, Geist, Haus, Hof, Freunde,
Versammlung, Opfer, Kampf u. ähnl.” Ziemlich dieselben
Begriffe finden sich auch im Avesta im Lok., während im Alt-
persischen zufällig fast nur Ortsnamen belegt sind, z. B. Ba-
Birauv in Babylon. Wie im Ai. divi durch “im Himmel’ oder
‘am Himmel’, pärvats durch “auf dem Berge’ oder “in dem
Berge’, sindhau durch ‘in, an, auf dem Flusse’ zu übersetzen ist,
(z. B. sarasvatyam an der Sarasvati), so auch im Arv.: väse
vazemna auf (in) dem Wagen fahrend (von einer Göttin gesagt)
$ 95.] Kap. V. Der Lokalis bei Ortsbegriffen. 219
yt. 5, 11; ahmya väse vazänte cabwäro aurvanto an diesem
Wagen sollen vier Renner fahren yt. 10, 125; karnhe apayZäire
nmanem histaite an jedem Abfluss steht ein Haus yt. 5, 101
u.s. w. Bemerkenswerth ist, dass man auch sagen kann ‘im
Auge sehen’: caSmaini vyädaresem ich habe im Auge (deutlich,
clearly) gesehen y. 45, 8; Ayap bwa hem casmaini hengrabem
als ich dich im Auge erblickte (erfasste) y. 31, 8 (vgl. &v opdal-
ntsty opäsdar)!). Litauisch. Der Lok. ist so häufig, wie in
den arischen Sprachen. Ich führe einige zufällig mir in die
Hand gekommene Beispiele an: ale ten vens anö pero aber dort
ist einer auf jener Wiese, Schleicher Les. 120; Akaralaus
duktE bioo darze die Tochter des Königs war im Garten 132;
netoli m&sto büvo plune, tö plynio laikesi razbäininkati nicht weit
von der Stadt war eine Ebene, auf der Ebene hielten sich
Räuber auf 127; «7 jüs pasivijo girio und er holte sie im
Walde ein 130; tose jJurese mäudesi Laümes in dem Meere ba-
deten sich Laumes 145; ti? atszilo ezere ledätis und es schmolz
das Eis im Teiche 8; Aupezus büvo mäste er war Kaufmann in
der Stadt 126; tam butely but in dem Hause sein 136; 6 jau
ıylö mes büsim Lenku rafiko schon morgen werden wir in der
Polen Hand sein 39; jis sdd jJauczo ausy er sitzt in eines Och-
sen Ohr 121; a5 ji rädo skrynio tä zedq da fand sie im
Schrein den Ring 144; Akatıle virdamas in dem Kessel kochend
35; Auf mes gulesim? szilkü pätalüse wo werden wir schlafen?
in seidenen Betten 14; kam2d 5i subüsi? Laimüzes subükle ın
was willst du ıhn schaukeln? in der Laima Schaukel 10;
1} Doch kann man deshalb nicht sagen, dass der Lok. in diesem Falle
für den Instr. stehe. Ich glaube, dass auch Pischel bei Pischel-Geldner
1, 240 dieser Meinung ist. Er sagt zwar: ‘der Lokativ statt und im Sinne
des Instrumentalis ist häufig bei allen Worten, welche ‘Hand’ oder ‘Arm’
bedeuten’ und führt dann Stellen an, wie RV. 3, 60, 5 sutdm somam a vr3asvä
gäbhastyoh, d. h. ‘den gekelterten Soma giess dir ein in deinen Händen‘.
Dann aber fährt er fort: ‘der Begriff des Lokativs tritt dabei immer noch
klarhervor, Arme und Hände sind nicht blosses Werkzeug, sondern zugleich
der Ort, wo etwas geschieht‘. So ist auch über die gleichmässige Verwen-
dung des Lok. und Instr. zu urtheilen, wofür Ludwig, Rigveda 6, 258, Belege
anführt.
220 Kap. V. Der Lokalis bei Ortebegriffen. [$ 95.
Jüma broljt; müszy nuszöve euren Bruder hat man im Kampfe
erschlagen 16. Slavisch. Miklosich 4, 636 führt einige aksl.
Belege auf: sükonica Nisijy Usorove svojeji jemu visi er starb ın
U., seinem Dorfe; jako sqtü süchranjeny kosti nase semi meste
wenn unsere Knochen an diesem Orte aufbewahrt sind; Zera
leziti nogachü jemu das Weib liegt ihm zu Füssen. Im cod.
Mar. aber habe ich diese Ausdrücke nicht gefunden. Es
heisst dort na meste, vü mestechü, na pri u nogu. Reste des
präpositionslosen Lok. auch in anderen slavischen Sprachen,
wie z. B. altruss. Aiyeve, Novgorode s. bei Miklosich. Latei-
nisch. Ich erwähne zunächst die echten, vielfältig auf dem
Übergang zur Erstarrung begriffenen oder schon erstarrten Lok.
auf i. Dahin gehören ausser den Städtenamen: domt, was ver-
bunden werden kann mit meae, tuae, nostrae, alienae, ferner mit
ejus, hujus, tllius, cujus, auch mit Gen. von Eigennamen, z. B.
On. Calidii (Neue 12, 519); ruri auf dem Lande; Aumi auf
dem Boden, zu Boden, seit Cicero belegt; campt bei Virgil;
vicimtae mit proxumae, im Anschluss an doms haben sich er-
halten: delli domique und doms focique, militiae et domi, domi
militiaeque. Endlich animi in diserucior anımi, anımt pendeo
u. ähnl. Dabei beweist anımis pendere bei Cicero die Ur-
sprünglichkeit des Lok., die Nachbildung desipiebam mentis
bei Plautus aber, dass anımi früh als Gen. aufgefasst wurde!).
Im Ablativ-Lokalis stehen Städtenamen, welche pluralia tan-
tum sind, wie T’hedis, Athenis, Delphis (während Ausdrücke wie
Naupacto in der alten Zeit ganz selten sind, vgl. Schmalz?
$ 101). Sodann giebt es einige wenige Appellativa (vgl. Drae-
ger I, 2, 479 ff.) bei denen die Ablativform ın derselben Ver-
wendung erscheint, wie die echte Lokativform, so frielinio (bei
Naevius), aut terra aut mari, terra marique, doch tritt ge-
wöhnlich ?r hinzu. Loco oder in loco heisst zur rechten Zeit.
1) Nach Form und Bedeutung merkwürdig ist peregre(ii. Es bedeutet
nicht bloss ‘in der Fremde’, z. B. peregre et domi und ‘in die Fremde‘, z.B.
peregre proficiscı, sondern auch ‘aus der Fremde’ mit venire und advenire,
z. B. erus peregre venit, pater advenit peregre bei Plautus. Vielleicht sind
doch eine Lokativ- und eine Ablativform in p. zusammengeflossen. So
heisst ruri auch ‘vom Lande’.
$ 95.] Kap. V. Der Lokalis bei Ortsbegriffen. 221
Gewöhnlich aber haben die Appellativa ein Attribut im Adjek-
tivum oder Genitiv bei sich, und unterscheiden sich dadurch
von dem schon halb erstarrten echten Lok. Dahin gehören
Wendungen wie loco salubri, bono, remoto, amoeno, suo, filt
loco, tota urbe, medio mari, parte und partibus stets mit einem
Attribut. Griechisch. Zunächst kommen die echten Lok. von
o-Stämmen auf eı und or in betracht. Dahin gehören oixeı
welches Menander gebraucht haben soll, oixoı von Homer an,
dazu r&doı zur Erde bei Aeschylus, und dppoi soeben, eigent-
lieh “in der Fuge’: äppot reraupaı tous &pods Üpnvwv Tövous
Prom. 615. Dazu eine Anzahl von Namen von Ortschaften
oder Gegenden wie 'lodpot, DaAnpot, Zenrroi, deren or auch auf
«Stämme überging z. B. in Atyıalotr, selbst auf ein plurale
tantum, so in Meyapoı. Nach Johansson’s Vermuthung (BB. 13,
111 ff.) sind auch die Nom. plur. AsAool, ‘Adrvar ursprüng-
lich Lok. sing. Sodann handelt es sich um die Dative, in
welche der Lok. aufgegangen ist. Der Homerische Sprach-
gebrauch erhellt aus L. Capelle, dativi localis quae sit vis
atque usus in Homeri carminibus, Hannover 1864 (vgl. auch
Monro 100). Bei Länder- und Ortsnamen findet sich viel häu-
figer der Dativ mit &v, als der blosse Dativ-Lokalis. Belege
für den letzteren sind: &4ßy “Ynonaxin (Evamv) Z 397, Bnßyow
X 479, ‘Apvn varsıaovra H 9, "EAadı olxla valwv Il 595, ferner
Apyaı poow, Opuyln, Alyörty, Aaxedatpovı, Zyepiy, Any, Kon
u. 8. w.. ebenso Axpw Olyurp noto N 523. Im eleischen Dia-
lekt stehen Ortsbestimmungen, wenn sie durch Eigennamen
angegeben sind, im Lok. oder mit &v (also wie bei Homer),
bei Appellativen stehen (abweichend von Homer) überall Prä-
positionen (Meister 2, 70), im Attischen ist die Präposition bei
weitem das gewöhnlichste Hilfsmittel des Ausdrucks, doch
stehen regelmässig im blossen Kasus die Namen attischer De-
men (Krüger 46, 1, 3), dazu noch einige andere (Meisterhans?
S. 169). Von sonstigen Ortsangaben bemerke ich bei Homer:
aldepı valov A 166, auch "Iiör xeudwpar W244 kann ich nur
lokal auffassen. Ferner Zorı nöAıs nuy& Apyeos Z 152, narnp 82 o0c
avrödı niuvar aypis A 188, 2vdade Salndiıa nAare alyav Evöexa
222 Kap. V. Der Lokalis bei Zeitbegriffen. [$ 95—96.
navra &oyarın Boaxovro & 103, Tpevos Axporary xopupij OvAuproro
E 754, td te tp&ger oupeawv DAn E 52, Baßeins Bevdeoıv üArc p 316,
xarepuxerar eüpeı növrp & 552, ous texe Actudyn Ödum "Axtopos
B 513, örepwip xeito 8 787, ovror 87: Büpyaı xadr/kevor Ehıads-
day 7, autod xara dmpara p 530, Teüye ÖE not xuxeo YPLSEw
öena x 516, Emmy xprtüpı wıyelg 5 222, xadapa ypoi einarT Eyovaı
C 61, TöE wporsıv Eywv A 45, xuvenv xegalfj Eye w 231, 0v rıva
yaorepı urmp xoüpov &dvra odpor Z 59. Wie in den andern
Sprachen können natürlich auch im Griechischen Wörter wie
op&ves, Boyd; als die Stätte angesehen werden, an welcher sich
etwas abspielt, z. B. oox Eorı Pin Ypeotv I’ 45, peya 6& opeal nev-
dos adkeı A 195, häufiger werden diese Begriffe als Vollzugs-
mittel angesehen sein, daher im Instr. stehen. Eine Übersicht
bei Capelle 25 f. Zwischen Lokalis und Instrumentalis kann
man auch schwanken in folgenden Stellen: ®erı5 Sünzödtaro
xöinp derördra Z 136 (vgl. rn 70), auch bei den Wörtern welche
Schlacht (payn Tpweosıw apryeıw A 521, payg vırwvres Ayarous
r 79, ferner dopivı paysodaı), Markt, Versammlung (ael uev rws
por dvımAYassıs Ayopfisıw Eodid ppalopvp M 211, 7 prv alT
ayopy) vıxäs y&pov ulas Ayamv B 370, und entsprechend bei
BovAn) bedeuten, weil man bei ihnen sowohl den Ort, als den
Vorgang ım Sinne haben kann. In der Prosa sind Appella-
tıva ohne Präp. sehr selten. Krüger 48, 1, 1 führt xuxip ım
Kreise an. Über päyy u. ähnl. in Prosa s. Krüger 48, 2, 9.
In bezug auf das Germanische wüsste ich dem, was ich
ALI. 29 ff. angeführt habe, kaum etwas hinzuzufügen. In r:
maurnaib sawwvalat izvarai yh pepiuvörse 79 Vuyy Dpev Matth.
6, 25 sehe ich jetzt (gegen ALI. 31) einen Instr.
$ 96. Der Lokalis bei Zeitbegriffen.
Arisch. Im Altindischen (worüber man Gaedicke 178 ff. ver-
gleiche): ufas! am Morgen, ydm deväsas trir dhann äydjante den
die Götter dreimal am Tage verehren RV. 3, 4, 2. ahar-ahar
Jayate mäsi-mäsi er wird an jedem Tage innerhalb eines jeden
Monates erzeugt RV.10,52,3. Im Av.: ıbra va asni ıpra va zSafne
sowohl bei Tageals auch bei Nacht (soll man nichts aus einem Hause
wegtragen), vd. 4, 1. navarsaparem upamanayen adle yoi maz-
8 96.) Kap. V, Der Lokalis bei Zeitbegriffen. 223
dayasna atwigame Gab hama?) mäazdräjahim einen Zeitraum von
neun Nächten (Akk.) sollen die Mazdagläubigen warten im
Winter, aber ım Sommer einen vollen Monat, vd. 5, 42. Im
Ai. wird der Lok. auch gebraucht, um denjenigen Zeitpunkt
zu bezeichnen, an welchem die Handlung ihre Höhe erreicht,
in’ welcher, wie auch wir sagen, etwas eintritt. Wenn dieser
Höhepunkt zugleich der Endpunkt der Handlung ist, so be-
sagt der Lok. so viel wie unser ‘nach’ (eig. nahe), z. B. sam-
tatsare nach einem Jahre, vgl. SF. 5, 117. Litauisch, szime
mett ın diesem Jahre, tojeE denoje an diesem Tage, vakare am
Abend, rytmetjy am frühen Morgen u. s. w. Nicht selten wird,
wo eigentlich der Lok. am Platze wäre, der Akk. gesetzt, wo-
bei die Bedeutungsverschiedenheit unberücksichtigt bleibt, ein
Fall, der gerade bei Zeitbegriffen, welche in ihren einzelnen
Kasus leicht erstarren, sich öfter ereignet. Slavisch. Im
Aksl. erscheint nach Miklosich 4, 648 der Lok. bei den Wör-
tern din? Tag, nostt Nacht, zima Winter (da ne badetü bestoo
vase zime ni vu sobolg \va geh ydyırar A Yuyh Üpüv xerminvos
ande &v caßßaro Matth. 24, 20), Z&to Sommer, Jahr, casüu Stunde
(* wcele otrokt tomi case xal &depareidn 6 nais And Tic üpas
&xeivng Matth. 17, 18), nedelja Woche, petikosti Pfingsten, und
diese Ausdrücke nebst einem oder dem anderen ähnlichen
finden sich auch in jüngeren Sprachperioden, z. B. ist zemd
auch altrussisch (Buslajev 261), polnisch im 18ten Jahrh. zime
im Winter, Zecie im Sommer (Kuhn und Schleicher's Beitr. 6, 64),
serb. noch jetzt zim: und Zjett. Lateinisch. Von Zeitbegriffen ist
zunächst der Lok. die in Verbindung mit einigen Adjektiven
ebenfalls lokativischer Form zu nennen wie die crastınt, proximt,
quinti, septimi, quarti, mit Voranstellung des Adj. und enger
zu einem Worte verwachsen postridie und cotidie. Über den
ersten Theil von kodie, pridie und perendie ist man nicht recht
im klaren. An den Lok. von dies schliesst sich der von vesper:
vesperi und vespere ohne Epitheta (tam vespert so spät Abends
bei Terenz); von tempus : temperi oder tempori zu rechter Zeit
(ohne Ep.); zu Zur: Zuei. Die Eıstarrung der Form merkt man
1) Über Aama vgl. J. Schmidt, Pluralb. 209.
224 Kap. V. Der Lokalis bei Zeitbegriffen. [$ 96.
daran, dass sie nicht wie die übrigen Kasus von Zur als fem.,
sondern wie manı als neutr. empfunden wird, daher: primo
luer, lucs claro. Auch mit :n und cum kommt es vor: 1% Zuct,
in poplico luei, cum luci, cum primo luci (die Belege bei Neue 12?
238); manı, mane dürfte wohl der Lok. eines in anderen Kasus
nicht belegten Subst. sein, der dann auch als Nom. und Akk.
gebraucht wurde. Neben mane septimi sagte man auch mane
multo oder integro. Hers hat wohl sein : erst in Anlehnung
an die bedeutungsverwandten Wörter erhalten. Es bleiben
noch noctu und diu. Noctw ist, wie J. Schmidt bemerkt hat,
gleich ai. aktau, also Lok. eines sonst im Lat. nicht vorhan-
denen u-Stammes. In der alten Sprache findet sich Age
noctu, ıntempesta noctu. In sereno noctu (bei Cato) erklärt
sıch wie die gleiche Erscheinung bei Zuci. Von diu wird
angenommen, dass es nach noctu gebildet sei (J. Schmidt,
Pluralb. 207. Sodann folgen die in die Ablativform aufge-
gangenen Lokale. Über sie bemerkt Schmalz ? $ 103: “Es
finden sich Aieme, aestate u. ähnl. in allen Zeiten der Sprache.
Andere Substantiva als solche, welche einen Zeitabschnitt be-
zeichnen, werden nur mit Attributen in dem Abl. temporis
gefunden. Ausnahmen sind selten, jedoch auch in der klassı-
schen Zeit anzutreffen, z. B. pace, militia bei Livius. Die
Formen Atieme, aestate sind — wie S. 195 bemerkt worden
ist — vielleicht als echte Lok. aufzufassen. Wo der Be-
griff der Erstreckung über einen Zeitraum vorwiegt, ist ver-
muthlich der ursprüngliche Instr. anzunehmen. — Beachtens-
werth ıst, dass bei Zahladverbien oder Distributivzahlen nicht
bloss ir, sondern auch der blosse Abl.-Lok. stehen kann, z. B.
bis anno, ein Fall, in welchem das Sanskrit den Genitiv vor-
zieht. Wıe ım Altindischen kann der Lok. auch stehen, um
den Endpunkt der als verflossen gedachten Zeit zu bezeichnen,
so 2. B. quatriduo quo is occisus est am vierten Tage nach seiner
Ermordung, bei Cicero. Griechisch. Es kommt nur der in
den Dat. aufgegangene Lok. in betracht. Derselbe ist häufig
bei Datierungen (Krüger 48, 1), so bei Homer ty zporepy, Tparı
zprratıp, Aöı TH nporepg, dexarg, vuxt nelatvy, eixoot Erei u.s. w.
$96—97.] Kap. V. Der Lokalis bei Personalbegriffen. 225
Deshalb sind Dative ohne Epitheta, wie z. B. vouunviq, puotnplors
(Meisterhans ?2 170) selten. Über die Fälle, in welchen man
schwanken kann, ob Instr. oder Lok. vorliegt, siehe den Instr.
5109. Wie ım Altindischen und Lateinischen steht kretisch
nauzs nach Verlauf eines Jahres Gortyn 1, 35 (Baunack 86),
a rarep 2oelödv a douevm roll xpdvp Euripides, Iph. Aul. 640.
Germanisch. Über das Gotische handeln erschöpfend Ga-
belentz-Löbe 240. Sıe bemerken, dass der Gen. fast auf nahts
und dagis eingeschränkt ist (s. $ 173), dagegen der Dat. (Lok.)
erscheint in naht Jah daga, nahlam jah dagam für vöorta xal hudpav
und voxtös xat Aulpas, ferner vintrau yeımövos zur Winterszeit
(idjasb es ni varrbai sa blauhs izvar vintrau npocebyeode ö& Tva
un yEvztaı A Yuyh Öpmv yeruavos Mark. 13, 18); sabbatim rotz
oaßBası; ferner mit Attributen, wo im Griechischen auch der
Datıv steht: Bizai naht, himma daga, frumistin daga, jera hvam-
meh |xat' Eros), Herodis mela gabaurbais seinaizos nahltamat
vaurhta Hpwöns tois yevasloıs adroö öeinvov &roleı Mark. 6, 21
wähnl. — Im Angelsächsischen (vgl. ALI. 41) liegt auch der
Instr. vor: 5Y Priddan dege Elene 185. Das kann der echte
Instr. sein, vielleicht aber auch der Lok., da wır nicht wissen
können, in welchen Entwickelungsstufen sich das Zusammen-
fallen des Instr. mit dem Lok. und Dat. vollzog. Was Erd-
mann 2, 242 aus dem Ahd. beibringt, macht mir theilweise
den Eindruck des echten Instr. Einige Belege für die Dativ-
form im Ags. sind: dögra gehwylce an jedem der Tage, fyrr-
dagum in alten Tagen, sweartum nihtum in schwarzen Nächten,
degtidum bei Tage, nihtes hwilum zur Nachtzeit.
$ 97. Der Lokalis bei Personalbegriffen.
Er ıst zu belegen aus dem Arischen und Griechischen.
In betreff des Altınd. habe ich SF. 5, 117 bemerkt, dass na-
türich auch Personen als Behälter von etwas gedacht werden
können, z. B. ndva piruse pränah es giebt neun Sinnesorgane
ım (am) Menschen, dass dieser Ausdrucksweise am nächsten
steht, wenn etwas in (unter) einer Menge von Personen be-
findlich dargestellt wird, z. B. nd devesu vivide marditäram
ich habe unter den Göttern keinen Erbarmer gefunden. Viel-
Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm. Sprachen. I. 15
226 Kap. V. Der Lokalis bei Personalbegriffen. [$ 97.
leicht sei hieraus der Gebrauch entstanden, die einzelne Person,
bei welcher etwas geschieht, in den Lok. zu setzen, z.B. sa
häsmin jyög uväsa sie wohnte lange bei ihm. Dazu nehme
man, was a. a. O. 120 bemerkt ist: Bei Adjektiven, welche
einen hervorhebenden Sınn haben, treten die Wesen, aus wel-
chen hervorgehoben wird, in den Lok., 3. B. vam deveju pra-
thamam havamahe wir rufen dich als den ersten unter den
Göttern an RV. So auch in der Prosa, z. B. dikfamanegu pürvah
pürva eva didikfifeta er soll versuchen, jedesmal unter den sıch
Weihenden der erste zu sein AB. 4, 25, 3. (Dieselben Dienste
kann natürlich auch der Genitiv leisten, und zwar ist er viel
häufiger als der Lok.). Im Altpers.: Aya Madassuva maptsta
äha der unter den Medern der oberste war Bh. 2, 23; im
Avestischen: afscibrae£sva sevistai dem förderlichsten unter den
Regenspendern yt. 8, 45. Dieser letztere Gebrauch des Lok.
findet sich ebenso bei Homer, z. B. äpınpenda Tpwssaw Z 477;
alyas Aysıy, at nacı ey Ekoyor alnollorcıw @ 266. Natürlich er-
scheint mir auch die Annahme des Lok., nicht des Dativs in:
räcıy &Adyyıotov Beuevar pepdreosı Bporoioıv B 285 und 80 xparos
Eoxe peyıotov näsıy Kuxlwzeocı a 71, wenn ich auch bei den
Verben des Herrschens jetzt lieber den Dativ als den Lokalis
annehme. In der späteren Sprache ist wohl durchweg der
Gen. herrschend geworden. Ferner habe ich früher, und wie
ich jetzt sehe, Capelle schon vor mir, die Dative in den häufig
vorkommenden Wendungen totor de uödwy Fipye, ToLsıv Aviotaro
u. ähnl. für Lokale erklärt. Ich bin auch jetzt der Meinung,
dass die Auffassung dieser Formen als reiner Dative sehr ge-
zwungen sein würde. Dagegen sind die auf attischen In-
schriften häufigen Dative wie ois in: rols Taplaoıy olc 6 Öelva
&ypapareve oder y: &nt ns BovAfic % Kieıyens Alaebs npwros
&ypauuotevue CIA. 1, 188 (und sonst) wohl als Dative commodi
aufzufassen. Wegen der Verba des Herrschens vgl. den
Dativ $ 1331).
1) Miklosich 4, 637 nimmt einen Lok. bei Personalbegriffen auch für
das Aksl. an in der Stelle: bodiji ro&denychü Zenami prorokü Ioana krüstitelja
niktoke nestü peilmy Ev yevvntois yuvanav rpophrns Imdvvov Tod Bartıotod
obdels Zorıy Luk, 7, 28; ro&denychü ist aber Genitiv.
$98—99.] Kap. V. Der Lokalis bei anderen Begriffen und Verben. 227
$98. Der Lokalis bei anderen Begriffen findet
sch in grösserem Umfange wohl nur im Arischen. Dort treten
in den Lok. Begriffe wie Bereich, Gewalt, Wille, z. B. sarvam
iüd indra te va$s alles dies ist, o Indra, in deiner Gewalt, im
Bereiche deines Willens RV. 8, 93, 4; ts varat rädenli ahu-
rahya zaoS& mazdä die machen es seinem Willen recht, nach
dem Wunsche des A. M. (sich im Bereiche seines Wunsches
befindend) y. 33, 2. Ferner Begriffe, welche Handlungen und
Zustände bezeichnen, z. B. vdyrasya pdtansö beim Fliegen des
Donnerkeils RV. 6, 20, 5; yehe zabadca vazsatca urväsen
äpo urvaräsca bei dessen Geburt und Wachsen Wasser und
Kräuter gediehen yt. 13, 93.
Zweifelhafte Analogien aus dem Slavischen bietet Mi-
klosich 4, 651, 3.
$ 99. Der Lokalis bei Verben.
1) Ein Lokalis der Person kann stehen bei empfangen
kaufen, erbitten u. ähnl.
Im Altind. kann man sagen: präty agrabhifma rußamesu
wir haben bei den R. empfangen RV. u. ähnl. (vgl. ALI. 40,
SF. 5, 120). Natürlich wäre .auch der Abl. möglich. Ebenso
im Griech. bei ögyeodaı in: Bsyıorı 52 xadlınapyp ddxto ddrnas
0 88 und der Inschrift Cauer 14 (vgl. SF. 4, 56). Dazu
stellt sich wv&opaı, &rprapnv mit Lok. der Person bei Sophokles
Ant. 1171 (was ich bereits ALI. 40 angeführt habe) und öfter
bei Aristophanes, z.B. &yw rpiwopaı ty ich soll bei diesem
etwas kaufen? Frösche 1228, vgl. Kock z. d. St. Kock fasst
den Kasus als Dativ und sucht ihn durch Hinweis auf unser
abkaufen’ mit Dat. zu erklären, wonach ein Dativ vorliegen
würde, welcher nach Analogie der Verba des Gebens bei deren
Gegenbildern entstanden ist {s. Dativ $ 130). Mir ist meine
Auffassung wegen des parallelen ö&yopgı wahrscheinlicher. Ein
Lok. der Person steht ausserdem noch im Altind. bei :$ er-
bitten und prach erfragen (SF. 5, 120).
2) Der Lok. erscheint im Altindischen (SF. 5, 121, Gae-
dicke 128 ff., Ludwig, Rigveda 6, 257) häufig bei Verben der
Bewegung, z. B. im Veda bei gam: devefu gachati er geht
15*
228 Kap. V. Der Lokalis des Zieles. [$ 99.
unter die Götter, a-ruh: @ röhati rathö es steigt in den Kasten
des Wagens, (ungenauer ausgedrückt: auf den Wagen) u. ähnl.
Auch in der Prosa, z. B. bei werfen: ta nägnau prä kireyuh
man werfe sie nicht in’s Feuer, dthäsmäi pihcäaksan pänav a
vapati dann wirft er ihm fünf Würfel in die Hand; giessen:
yöjäyam retah sihcati er giesst den Samen in das Weib, aynau
Juhöti er giesst in das Feuer; setzen, legen: viryam ydjamane
dadhätı er legt Kraft in den Opferer, grivasu tad dandam da-
dhyät auf diese Weise würde er ihm einen Kropf an den Hals
schaffen (so dass dieser am, im Halse festsitzt,. Ebenso im
Avesta: yoı afas daden zastayo drujem welche den Satan dem
A. in die Hände geben y. 30, 8 (vgl. yo Aastayor dadhe wel-
cher in seine Hände genommen hat RV. 9, 18, 4). Der Lok.
bezeichnet hierbei wie sonst dasjenige, in dem oder an dem
(dieses selten oder kaum) ein Vorgang sich vollzieht. Wenn
wir sagen, er bezeichne hier dasjenige, in welches hinein, an
welches hin eine Bewegung stattfindet, so bringen wir dabei
den Sinn des Kasus und des Verbums zugleich zur Geltung.
Aus der homerischen Sprache gehören dahin 0: pw &nı-
ypabas xuvdn BaAlev H 187; alpardeoca Ö& xelp neöip ndoe E 82;
adros ÖL npnvns al xännese e 374; AAN üye dr xoled p&v
aop Deo x 333; yaly nrkas eünpes &perudv A 129 (vgl. y 15);
obpav &otrpıke xapn A443 Nicht das Eindringen in etwas, son-
dern das Stützen auf etwas (also das Anlangen bei etwas) ist
verstanden bei xAlvew, z. B. dorloı xexAtnevor [' 135; 2peldecda:,
2. B. ovösı Zpeiodn H 145. Aus dem Lateinischen gehören
dahin: adveniens domi, procumbit humi, und mit dem Abl.-
Lok. loco collocare (Lucilius) und ähnl.; vgl. Ebrard 614,
Vgl. ponere, collocare ın mit dem Abl., slav. polo vü, na
mit Lok.
An diese Verba der Bewegung schliessen sich einige alt-
indische Verba, welche ein geistiges Hinstreben aus-
drücken, so yat hinstreben, gardh verlangen nach, @-$gs
hoffen auf, z. B. aynwhötrini devatä a $asants die Götter hof-
fen auf den das Agnihotra Darbringenden (SF. 5, 122). Dazu
vielleicht av. z@ (Baunack 2, 397).
| 99-100. Kap. V. Der Lokalis bei Adjektiven. 229
Vergleichbar mit den genannten Verben sind einige alt-
kirchenslavische (Miklosich 4, 640 ff), namentlich Aosngtt
se mit Lok. an etwas rühren, jemand anrühren, z. B. prikosnq
se jemü Tıbaro adrou Luk. 8, 47 und Aosng se viskriliji rizy jego
dato Too xpaoteöou Tod inariou autod 44. Andere Verba, die
M. noch anführt, wie viseti hängen an, vezets stecken bleiben,
sch anhängen sind aus cod. Mar. nicht zu belegen. An die ein-
fachen Verba schliessen sich eine grosse Anzahl von solchen,
welche mit den Präp. rü, do, za, na, obü, pri, pre, st, u verbun-
den sind.
3) Einige eigenthümliche Konstruktionen des
Altindischen.
Als eigenthümliche Konstruktionen des Altindischen
sind die folgenden erwähnenswerth. In den Lok. tritt der Gegen-
stand, an welchem man theilnimmt, so bei a-bhaj, z. B. anu
nö 'syam prihivyam ä bhajata lasst uns einen Antheil haben an
dieser Erde SB. 1, 2, 5,4. Diese Konstr. kann auch auf ein
abgeleitetes nomen actionis übergehen, wie es denn in der
angeführten Stelle weiter heisst: astvevd nö 'py asyam bhagah
es sei auch uns ein Antheil an ihr. Sodann der Gegenstand,
um welchen (ursprünglich an und auf welchem) gekämpft wird,
ı.B. äditya5 ca ha va asgirasai ca svarge loke 'spardhanta
die Aditya und die Angiras kämpften um die Himmelswelt,
AB.; der Gegenstand, um welchen (in dessen Angelegenheit)
gebeten wird, z. B. agnim tokö tanaya SaSvad imahe Agni gehen
wir fortwährend an um Kinder und Enkel RV.; der Gegen-
stand, in bezug auf welchen eine Beanstandung stattfindet,
ı.B. nainam pätre nd tälpe mimasantö man beanstandet ihn
nicht in bezug auf Lager oder Trinkgefäss (lässt ihn zu beiden
zu: TS. (SF. 5, 119).
$100. Der Lokalis bei Adjektiven.
Einen Lok. bei Adj. kann ich mit Sicherheit nur aus dem
Altindischen nachweisen. Er findet sich in der alten Sprache bei
äbhaga theilnehmend an (vgl. &-bhaj) und dem bedeutungs-
verwandten nimi3la hängend an (wohl eig. sich einmischend
in). Sodann bei priya und cäru beliebt bei und dhruvd ver-
230 Kap. V. Der I,okalis. Zweifelhaftes. [$ 100—102.
harrend bei ‚SF. 5, 120), bei AuSala erfahren (udyithe in der
Kunst des udgätar Chänd. Up. 1, 8, 1).
$ 101. Zweifelhaftes.
In nicht wenigen Fällen ist man für das Gebiet derjeni-
gen Sprachen, in welchen der Lokalis mit dem Instrumen-
talis zusammengefallen ist, zweifelhaft, welchen von beiden
Kasus man als wirksam anzuerkennen hat. Hinsichtlich der
Verba, welche ‘freuen’ und ‘vertrauen’ bedeuten, verweise ich
auf das bei dem Instr. $ 115 und 116 Gesagte. In $ 95 ist
auf die Zweideutigkeit des Dativs ndyy in pay apııyeıy, vı-
xäv u. ähnl. hingewiesen. Natürlich gilt dasselbe von dem
Abl. Bello in bello vincere u. ähnl. (vgl. darüber ALI. 32).
Ebenso ist auf die Dat. „peot, Buup u. ähnl. hingewiesen
($ 95). Es sind dann weiter zu erwähnen Wendungen wie
‘im Wasser waschen’ oder “mit dem Wasser waschen’, “in einem
Gefässe trinken’ oder ‘mit einem Gefässe trinken’ über welche
ALI. 32 gehandelt ist, ferner ‘in einem Wagen fahren” oder
‘mit einem Wagen fahren’ (ALI. 57). In den angeführten
Stellen habe ich wiederholt eine Entscheidung von der Präpo-
sition hergeholt, welche neben dem blossen Kasus gebraucht
werden kann. So meinte ich z. B. aqua lavare sei darum
mit einiger Wahrscheinlichkeit als Lok. aufzufassen, weil man
auch lZavıt in undis sage (Horaz). Jetzt meine ich, dass diese
Präposition nichts beweisen kann, weil in allen den genannten
Fällen und in ähnlichen, die man etwa noch anführen kann,
eine doppelte Auffassung, also auch eine doppelte Ausdrucksweise
von vornherein möglich war. Ich ziehe es also jetzt vor, die Auf-
fassung dieses Mischkasus als unsicher zu bezeichnen.
Bei den Verbis des Herrschens konkurriert der Lok. mit
dem Dativ s. den Dativ $ 133 und den Instr. $ 111.
$ 102.) Kap. VI. Der Instrumentalis. 231
Kapitel VI. Der Instrumentalis.
$ 102. Über den Grundbegriff des Instr. ist $ 67 gesprochen
und daselbst behauptet worden, dass in den Instrumentalis der
Substantivbegriff tritt, mit dem zusammen der Träger der Satz-
handlung diese vollzieht. Ist nun dieser Begriff eine Person,
und ist sie nicht als Mittel gedacht, so sprechen wir von einem
soziativen oder komitativen Instrumental; bezeichnet das
Substantivum eine Erscheinung oder einen Vorgang, so sprechen
wir von dem Instrumentalis der begleitenden Umstände;
bezeichnet es einen Begriff, der als dauernde Eigenschaft ge-
dacht wird, von einem Instrumentalis qualitatis, während
der Instrumentalis des Mittels vorliegt, wenn der Substantiv-
begriff derartig ist, dass er als Werkzeug oder Mittel einer Hand-
lung gedacht werden kann. Endlich, wenn das Substantiv ein
Raum- oder Zeitbegriff ist, konstatieren wir einen Instr. der
Raum- oder Zeiterstreckung. Alle diese Nuancen des
Instrumentalbegriffes treten in Verbindung mit gewissen Verbal-
begriffen, namentlich bei Verben der Bewegung, zu tage, und
es wäre deshalb wohl auch möglich, sie bei dem Instrumen-
talıs mit Verben zu behandeln. Indessen, da gerade diese
Typen des Instr. sich mehrfach von den Verben, in deren
Begleitung sie entstanden sind, emanzipiert haben, so ist es
mir passend erschienen, sie für sich zu behandeln. Es folgt
dann der Instrumentalis mit Verben, wobei es sich natürlich
nur um eine Auswahl des Merkwürdigsten handeln kann. Die
Reihenfolge der Gruppen mag für sich selbst sprechen. Darauf
der Instr. in Verbindung mit solchen Adjektiven, welche zu ihm
ebenso stehen, wie Partizipien von bedeutungsverwandten Ver-
ben, z. B. “gleich”, das ebenso mit dem Instr. verbunden wird,
wie die Verba des Zusammenseins. An den Schluss stelle ich
den freieren Instrumentalis, den der Ursache und der Beziehung.
Somit ergiebt sich folgendes Schema:
$ 104. Der soziative Instr. mit dem distributiven.
$ 105. Der Instr. der begleitenden Umstände.
232
$ 106.
$ 107.
$ 108.
$ 109.
$ 110.
Kap. VI. Der Instrumentalis. [$ 102—103.
Der Instr. qualitatıs.
Der Instr. des Mittels.
Der Instr. der Raumerstreckung.
Der Instr. der Zeiterstreckung.
Der Instr. bei den Verbis zusammensein und zu-
sammenkommen (freundlich und feindlich), vermischen, trennen.
$ 111.
$ 112.
$ 113.
$ 114.
$ 115.
$ 116.
bewegung.
$ 117.
$ 118.
$ 119.
8 120.
Machen, verfahren mit, herrschen durch (über).
Kaufen.
Trinken (mit einem Gefässe).
Füllen und verwandte Verba.
Sich freuen, geniessen, leben von.
Vertrauen und einige andere Verba der Gemüths-
Einige bemerkenswerthe slavische Verba.
Der ausmalende Instrumentalis.
Der Instr. bei regnen, schnauben, speien, schwitzen.
Der Instr. bei Verben des Bewegens im Slavischen
und Germanischen.
$ 121.
$ 122.
$ 123.
$ 124.
8 125.
$ 126.
ziehung).!)
Der sog. Dativ des Objekts im Germanischen.
Der prädikative Instr. ım Baltisch-Slavischen.
Der Instr. bei dem Passivum.
Der Instr. bei Adjektiven.
Der Instr. bei dem Komparatıv.
Der freiere Instrumentalis (der Folge und der Be-
Da der Instr. im Baltisch-Slavischen erhalten ist, habe ich
diese Sprachen gleich an das Arische gerückt. Es ıst daher für
den Instr. folgende Reihenfolge der Sprachen gewählt worden:
Arisch, Baltisch-Slavisch, Lateinisch, Griechisch, Germanisch.
$ 103. Ehe ich in’s Einzelne gehe, habe ich etwas vorher-
zuschicken über den Instrumentalis im Avestischen und im
Germanischen.
1. Avestisch. Im Avesta giebt es eine Anzahl von For-
men auf is und ü$, welche im nominativischen oder akkusati-
1) Der Instr. bei den Kausativis soll bei diesen behandelt werden.
5103] Kap. VL Der Instrumentalis.
vischen Sinne gebraucht werden. Man hält sie meist für
strumentale, die durch eine sonderbare Bedeutungsverschieb
su der genannten Anwendung gekommen seien. Inde
J. Schmidt, der Pluralb. $. 259 ff. diese Formen behandelt,
merkt mit Recht, dass man bei dieser Auffassung nicht einsi
warum die Erscheinung sich auf den Plural beschränkt.
seinerseits erblickt in den Kasus auf als echte Nom.-Acc.
eigenthümlicher Bildung. Ich habe keine eigene Meinung i
die Sache gewonnen. Im Folgenden sind die in Rede steh
den Formen nicht erwähnt.
Gelegentlich erscheint der Instr. plur. auch im Sinne
Dativs, so agbiß y. 9, 22 (verglichen mit den folgenden Ver
vgl. auch Bartholomae, AF. 2, 179, und dagegen Geldner, :
28,206). Auf der anderen Seite kommt auch der Dativ im
strumentalen Sinne vor, und zwar, wie Spiegel, Gr. 434 beme
‘eltener im Singular als im Plural’. Ich zweifle danach ni
dass lediglich eine Vermischung der Suffixe 5i5 und dyö vorli
2. Germanisch. Im Germanischen ist, wie schon !
bemerkt wurde, eine eigene Form für den Instr. nur noch
Westgermanischen vorhanden. Es gab eine solche unzwei
haft in der germanischen Ursprache. Um einen ungefält
Begriff davon zu geben, welchen Umfang der urgermanis
Instr. hatte, lasse ich hier eine Übersicht über den Gebra
des präpositionslosen Instrumentalis im Heliand folgen,
Moller sie gegeben hat. Er erscheint dort im soziativen Sir
brahtmu thiu mikilun mit der grossen Volksschar. Ein Ir
der begleitenden Umstände und der Eigenschaft liegt im |
liand ohne mid nicht vor, aber häufig mit dieser Präposit
Vielfach belegt ist der Instr. des Mittels, z. B. ddaru wc
gibiodan mit einem anderen Worte gebieten, dröru giköpöt
dem Blute gekauft, ferahu köpsn mit dem Leben büssen,
bivarp umgab mit Nebel, frostu bifangan vom Frost umfanj
ergriffen, heries kraftu bihabd eingeschlossen mit Heeresma
thurstu endi hungru bithwungan mit Durst und Hunger
quält, folkö kraftu fahan mit der Kraft der Mannen gefan
nehmen, witiu giwaragean durch Strafe peinigen, wi
236 Kap. VI. Der soziative Instr. mit dem distributiven. [$ 104.
muselim da ging heraus für sich allein der M., dio sobom zunak
dobar bidu stiman u druzinu bin ich selbst ein tapferer Held,
werde ich geachtet sein in der Genossenschaft. Doch kann
man hier sobom auch “durch mich selbst’ übersetzen. Im Rus-
siıschen heisst samü soboju durch sich selbst, von selbst, z. B.
etwas lernen, bezu pomoct ucıtelja samü soboju ohne Hilfe
eines Lehrers, für sich allein. Ebenso liegt es bei den von
Miklosich 4, 694 angeführten Wörtern wıe glava Kopf, Iice Ge-
sicht u. s. w., welche ungefähr denselben Sinn haben wie das
Pron. refl., z. B. serb. 5a sam glavom autos &yw alu Luk. 24, 39,
oder altruss. dodylü jesmi glavoju svojeyuw Kyeva ich bin K. ın
eigener Person gewesen (bei Mıkl.). Dagegen macht mir ie-
lomi ın dem von Miklosich 4, 723 angeführten Satze Ayyimi telomi
pridufi rolp owparı Epyovraı; eher einen soziativen Eindruck
(vgl. die Bemerkung S. 234, dass auch der Körper als Begleiter
einer Person gedacht werden kann). Es lassen sich eben hier,
wie in vielen anderen Fällen, die von uns aufgestellten Gruppen
nicht reinlich sondern. Lateinisch. Nur bei militärischen
Ausdrücken, z. B. Caesar omnibus copiis Ilerdam profciscitur,
doch findet sich auch cum nicht selten (Draeger 1, 496). Dieser
Instr. bei militärischen Ausdrücken hat sich offenbar erhalten,
weıl er fast schon als ein Instr. des Mittels zu betrachten ist,
da die Soldaten dem Führer gegenüber kaum mehr als Per-
sönlichkeiten erscheinen. Griechisch. Aus Homer habe ich
ALI. 52 als einziges Beispiel, in welchem persönliche Begriffe
erscheinen, beigebracht: 7 vöv ör, Tpoindev aAwpevos &vdad ixa-
vers vn Te xal &tapotsı moAuv ypdvov A 161, wobei freilich das
nicht-persönliche vn! die Führung hat. Einige Belege, in
denen es sich um nicht persönliche Begriffe handelt, entnehme
ich Monro 99: my üp’ 6 y’ &v9” Inzorsı xal Appacı neue veeodaı
8 8; pewadtes Eyyelgıı B 818 (wo 2&yxelgsı nicht als Mittel
gedacht ist); &eorfjo’ aldouapor teruyuevov Z 243. In der nach-
homerischen Sprache findet sich dieser Instr. in militärischen
Ausdrücken, eine offenbar uralte Wendung, z. B. geiz xal
Innors Tols Övvarwraroıs xal avöpdcı ropsuwueda bei Xenophon
(Krüger 48, 15, 18). Dazu kommen die Instr. mit aurds, welches
$ 104.) Kap. VI. Der soziative Instr. mit dem distributiven. 937
in demselben Kasus steht, bei Homer nur von nicht-persön-
lichen Begriffen, z. B. adtyoı Bdesow, adtoisıv Oyeopıy u. 8. w.
(vgl. Krüger), in der nachhomerischen Sprache auch von per-
sönlichen Begriffen, z. B. aurois tois avöpaaı. Ich hattea.a. O.
bemerkt, dass ich nicht einzusehen vermöge, inwiefern die Ver-
bindung mit aurd; dazu beigetragen habe, diesen Gebrauch des
Instrumentalis zu konservieren. Seitdem haben verschiedene
Gelehrte erklärt, dass aurds ursprünglich zu dem leitenden
Worte gehört habe und durch eine Art von Attraktion zu dem
Begleitworte gezogen sei (so wohl zuerst Walther 16). Ich
muss aber gestehen, dass ich in dieser Erklärung nur das in
historische Fassung gekleidete Eingeständnis sehe, dass wir
uns über die Verbindung von aötd; mit dem Nebenbegriff
wundern, da wir es bei dem Hauptbegriff zu finden erwarten.
Die Betrachtung von Monro (100, Anm.) sucht zu erklären,
warum sich der instrumentalische Sinn in der Verbindung mit
aurds habe erhalten können, giebt aber ebenfalls keinen Grund
für die sog. Attraktion. Germanisch. Im Gotischen findet
sich dieser Gebrauch nicht mehr, wohl aber gelegentlich im
Altn., z. B. sigldi Rütr lidi siınu sudr R. segelte mit seinem
Gefolge südwärts (Lund S. 133) und ım Ags. z. B. iryddode
ürfäst gelrume micle es schritt einher der ruhmreiche mit
grosser Schar, Beovulf 923, und einiges mehr bei Kress 19,
im Heliand nach Moller der echte Instr. noch in drahtmu thiu
mikilun 4191, 4811 bei Verben des Gehens, sonst nur mit der
Präposition mid. Mit dem homerischen aA@psvos vni te xal &raporarv
vergleichen sich altnordische Ausdrücke wie: kömu skıpi sinu
vb Noreg kamen mit ihrem Schiffe nach N., Gunnl. 9.
Aus dem soziativen Instr. erklärt sich ein in mehreren
Sprachen auftretender Gebrauch, den man den distributiven
genannt hat. Weil man gewohnt war zu sagen: ‘der Feldherr
marschiert mit Tausenden’, so bildete man auch ‘das Volk
marschiert mit Tausenden’, oder wie wir uns ausdrücken 'zu
Tausenden’, wobei dann freilich die Hauptperson und die Be-
gleiter zusammenfallen. Vielleicht ist so aufzufassen RV 6, 20, 4
Satäir apadran panayah, zu Tausenden fielen die Pani (zu ce in
338 Kap. VI. Der Instr. der begleitenden Umstände. |$ 104—105.
dieser Strophe würde dann ‘schlug’ zu ergänzen sein). Avestisch:
yä mävoya pasca vazenti zövaS satäis hazaprem ca welche in
meinem Gefolge fahren zu sechshundert und tausend yt. 5, 95
(nach Geldner, KZ. 25, 396) Aazarraıs zu Tausenden vd. 13, 51,
ferner mibvana paarweise. Im Litauischen entsprechen Aus-
drücke wie: 7 mire szimtais, pulkais sie starben zu Hunderten,
in Scharen. Für das Slavische begnüge ich mich ein paar
aksl. Belege aus Miklosich 4, 711 zu nehmen: ischozdachu stor-
cami ı lisuslamı (näs 6 Aaöc) &ksropedero el; Exarovradas xal yı-
Auadas; visit fimamı narodü viskrica das ganze Volk schrie auf
zu Tausenden; fimami na njego klevety izobretocht ich erdichtete
gegen ihn Anklagen zu Tausenden. Aus dem Griechischen
lässt sich etwa vergleichen: Tpwwy ot yeya Teiyos brepxareßr,cav
öußdp N 50 (Walther 14), im Germanischen entspricht genau:
altn. khundrudum zu Hunderten, flokkum ın Haufen (Belege bei
Dietrich, Haupt’s Ztschft.8, 47), ags. hespum in Haufen, haufen-
weis mit cuman, faran u. 8. w. (s. Grein s. v.). In bezug auf
Otfrid bemerkt Erdmann 2, 247: “nur einmal steht der Dat.-Pl.
von folk bei einem Verbum der Bewegung so, dass man ihn
noch soziativ auffassen kann, obwohl er schon in modale Be-
stimmung übergeht: 3, 9, 2 ingegin fuarun folkon sie kamen
Christo entgegen mit Scharen, in Scharen, scharenweise.
Sonst steht überall nur ms?”.
$ 105. Der Instrumentalis der begleitenden Um-
stände (Zustände, Stimmungen, Erscheinungsformen).
Arisch, z. B. üt süryo Jyötija deva öti der Sonnengott geht
mit Glanz auf RV. 4, 13, 1; tdd asya sdhasäditsanta sie suchten
es ihm mit Gewalt wegzunehmen TS. 1, 5, 1, 1; särann apd
avasa das Wasser floss mit Eile dahin RV. 4, 17, 3; uttana-
hasta ndmasöpasddya die Hände ausstreckend mit Verehrung
uns nahend RV. 3, 14, 5; yım upairi vis araodap ärstyobareza
auf welchem Gift emporquoll mit (in) Daumensdicke y. 9, 11;
yab dım aenomanatoha paitiasnaoiti wenn er ihn mit böser Ge-
sinnung (in der Absicht zu beschädigen, Geldner) angreift
vd. 4, 17, nemanha adara data äjasäni mit früh dargebrachter
Verehrung (rdmasa) will ich herankommen yt. 10, 118.
$ 105.] Kap. VT. Der Instr. der begleitenden Umstände. 239
Baltisch-Slavisch. Ich kann nur Slavisches belegen, wo aber
die Präp. s% bei manchen Typen geläufiger ist, als der blosse Kasus.
Ich führe aus Mıklosich 4, 725 an: aksl. lonomi tistemi iei domu
ide ging mit leerem Schosse aus dem Hause; vüzüvarü 7q
gnevünomü licemü “irato vultu postquam eam vocavit’, kricemü
pire$te se sich mit Geschrei zankend; slizami Zalovati mit Thrä-
nen beklagen; strachomü ti trepetomü prigste i mit Furcht und
Zittern habt ihr ihn aufgenommen; /qkami posüla “dolose misit'.
(Die beiden letzten Sätze aus Miklosich 4, 708)? Dem griech. xpr;-
var pEov Ödarı Aeux@ u. ähnl. entsprechen hier Sätze wie die
folgenden (Miklosich 4,708): aksl. Arüvı tecase rekamı das Blut
floss in Strömen; videachq kapljaste oti njego krivi kapljami
‘ridebant sanguinem ab eo guttatim cadentem’, serb. potok potece
vodom kao ı pre der Bach floss mit Wasser wie auch vorher
vgl. Danıcie 567 (vgl. das $ 104 über den distributiven Ge-
brauch des Soziativ Bemerkte). Lateinisch. Sammlungen bei
Ebrard 618 ff. Es gehören dahin Ausdrücke wie: capillo passo
ın vtam provolarunt; invocalt deos capile operto, anımo audacı
in medium prorspit sese, bonoque ut anımo sedeant ın subselliis;
Junera fletu fazit; summo sonitu quatit ungula terram; dat sonitu
magno stragem; an tllud joculo dizisti; nunc hujus periclo fit,
und vieles der Art. Oft werden in den Instr. nicht sowohl
die begleitenden Nebenumstände, als die Art und Weise, wie
die Handlung vollzogen wird, gesetzt, so in hoc modo, more
majorum, mazxıma diligenlia u. ähnl., und es liegt auch auf der
Hand, dass man nicht selten schwanken kann, ob man den
Instr. als den der Begleitung oder des Mittels bezeichnen soll,
z.B. bei vi. Über das Verhältnis zu cum s. Draeger 1, 494 ff.
Griechisch. Die Stellen aus Homer sind bei Walther 12 fi.
zusammengestellt (vgl. auch ALI. 52). Es gehören dahin Wen-
dungen wie: oddyyw &repyönevaı co 199 und eine Reihe von
Subst. ähnlicher Bedeutung wie „d6yyos. Bemerkenswerth ist
dabei, dass die Verba fast durchaus Verba der Bewegung
sind (wie auch bei dem soziativen Instr.).. Von den von Wal-
ther angeführten Stellen sind anderer Natur nur: ddlaAnta räv
reötoy xardyoucı II 78, ot de layfi te vödp te naoas nAnaav böobs
240 Kap. VL Der Instr. der dauernden Eigenschaft. [$ 105—106,.
I1 373 (wobei man an den Instr. des Mittels denken kann),
nd deoneotn P£lea orovdevra ydovro ® 159, O 590 und ferner
II 768, Z 301 (n 270 ist zu streichen‘. Daran schliessen
sich eine Menge von Substantiven, welche zwar auch Verba
der Bewegung neben sich haben können, bei denen aber an-
dere häufiger sind, z. B. dyyxipolov dd op’ HAB "Exaßn terundı
Hund 2 283, npoodonv xexomdtı Bopwp ı 501, od vo Ti Bun mpd-
opovı nußeonaı X 183, ferner ppeot, rpartösccıv, vop, vonpaot U.
ähnl. meist mit Adjektiven, auf denen der Hauptaccent des
Sınnes ruht. (Ohne Adj. z. B. vow d EreßaAkdev inasdAnv C 320).
Eine Gruppe für sich bilden solche Instr., welche dem Ad-
verbium insofern nahe stehen, als sie regelmässig ohne Epitheton
erscheinen: ölxy, oıyfj, stard, srov6T, racauöly, xdswp in Ordnung
u.ähnl. In den angeführten Stellen sind die führenden Sub-
stantiva überall Personen. Nur halb-persönlich ist xpnvr, in:
xprvar hEov Ödatı Asuxw & 70, womit ich ALI. 52 verglichen habe
prä k$ödasa dhäyasa sasra ja sdrasvafi mit nährendem Ge-
woge fliesst Sarasvati vorwärts RV. 7, 95, 1 ivgl. oben das
Serbische.. Noch erwähne ich xaxf atoy, das wohl nur als
Instr. gedeutet werden kann (Walther 14). Germanisch. Aus
dem Gotischen lassen sich von den bei Gabelentz-Loebe 233
unter ‘Modalis’ beigebrachten Belegen am sichersten hierher-
ziehen: es frauja gimands mahtai gudıskaı jah valdufnja bana
galausidedi dass der Herr kommend mit göttlicher Macht und
Gewalt ihn erlöse Skeir. I, c.; wunageın skalkınon and:
Aarpeveww Luk. 1, 74. ALI. habe ich aus dem Anord. beige-
bracht @ fellr austan um eitrdala saurum ok sverdum ein Fluss
fliesst von Osten durch Giftthäler mit Schlamm und Schwertern
Vol. 40. Aus Otfrid führt Erdmann 2, 248 an sie wuntun
ernustin sie kehrten um mit Besorgnissen, in ernster Stimmung.
$ 106. Der Instrumentalis der dauernden Eigen-
schaft (qualitatis).
Ein solcher scheint im Altindischen und Griechischen nicht
vorhanden zu sein. Aus dem Avestischen lässt sich vielleicht
anführen: yezi asti asa zrabwa wenn er bei rechtem Verstande
ist vd. 13, 39 (falls überhaupt so zu lesen ist, vgl. Geldner,
$ 106.] Kap. VI. Der Instr. der dauernden Eigenschaft. 241
KZ. 25, 415). Es ist also wohl anzunehmen, dass dieser Typus
sich erst in den Einzelsprachen entwickelt hat. Er liegt vor
im Baltisch-Slavischen, Lateinischen, Germanischen. Im Li-
tauischen bilden den Übergang vom Vorhergehenden Sätze
wie der folgende: tal 3 tüjaü pasivadino keturis vyrus uirisz-
toms akımis da liess sie sogleich vier Männer zu sich bringen
mit verbundenen Augen, Schleicher 143. Daran schliessen
sich als wirkliche Instr. qualitatis Ausdrücke wie merga tlgais
plaukais ein Mädchen mit langen Haaren, Schleicher Gr. 269.
Sätze aus dem Slavischen führt Miklosich 4, 725 an. Es
gehören dahin aksl. Arotükü ı be-züloby bease ı recijq prostajqa
mitis et innocens erat et sermone simplice; be nadürusü, plü-
noma ocima er war roth mit vollen Augen; brovistü Crünama
zentcama grossbrauig mit schwarzen Pupillen. Auch in dem von
M. unter dem soziativen Instr. angeführten Satz i de na soni-
miticht Clovekü necıstomi duchomi xal Tv &v TA ouvayuyfi
aurav Avdpwros dv rveöparı axadapıw Mark. 1, 23 finde
ich nicht einen Instr. der Begleitung (denn es handelt sich
nicht um einen Menschen und einen Geist), sondern einen
Instr. qual. Dieser ist freilich aus jenem entstanden, bezeichnet
aber eine andere Stufe. Einige ähnliche Fälle aus anderen
slavischen Sprachen s. bei Miklosich. Lateinisch. Die bei
Ebrard 622 f. zusammengestellten Belege geben die Vermu-
thung an die Hand, dass die Entwickelung auf zwei Wegen
vor sich gegangen sei, und zwar erstens durch eine Verschie-
bung der Beziehungen zwischen den Satztheilen. Ein Instr.
der Begleitung ist zunächst nicht denkbar ohne ein Verbum
(und zwar gewöhnlich eines der Bewegung). Wie man im
Sanskrit sagt: ayam ta Emi tanva purästät ich gehe dir mit
meinem Leibe voran, so heisst auch der lateinische Satz serpenrs
immanı corpore incedit eigentlich: die Schlange geht mit ihrem
furchtbaren Leibe einher. Da nun aber der Leib doch dauernd
zu der Schlange gehört, so wird ımmani corpore (nach Art
eines adjektivischen Kompositums) mit serpens vereinigt und
dıe Gruppe von der Verbindung mit dem Verbum gelöst, z. B.
bei Lucretius 5, 33: usper acerba tuens immani corpore serpens.
Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm. Sprachen. I. 16
242 Kap. VI. Der Instr. des Mittels u. der Raumerstreckung. [$ 106—108.
So erklären sich die zahlreichen alten und festen Gruppen wie
forma eximia mulierem bei Plautus u. ähnl. Der andere Weg
scheint der gewesen zu sein, dass an Stelle und in Nach-
ahmung eines volleren Verbums das Verbum esse eintrat, z. B.
bono anımo esse etwa nach bono anımo aggredi guten Muthes
etwas unternehmen. Aus dem Germanischen ist zu erwähnen
das Ahd. Erdmann 2, 248 bemerkt, dass bei Otfrid ein Dat.-
Instr. bei sin auftritt, z. B. sint thie liuti missilih, fehemo muate
die Menschen sind verschieden, von gemischter Gesinnung, sus
missemo muate sint ubile joh guate. Auch ohne Verbum: thte
rözagemo muate die Trauernden, nam Maria nardon filu diuren
werdon von (mit) hohem Werthe.
$ 107. Der Instrumentalis des Mittels.
Ein Mittelgebiet bilden die Wendungen “mit einem
Wagen fahren, mit einem Gespann fahren, auf einem Pferde
reiten, mit einem Schiffe fahren”, Wendungen, in welchen der
Begriff der Begleitung noch allenfalls gefunden werden kann.
Belege aus den einzelnen Sprachen s. ALI. 57—58. Das Ge-
biet des eigentlichen Instr. des Mittels ist unerschöpflich. Es
gehören dahin: mit den Augen sehen, mit den Ohren hören,
mit dem Munde essen, trinken, sprechen, mit den Füssen geben,
stossen, mit der Hand fassen, geben, schlagen, mit einer Waffe
schlagen, treffen, mit der Peitsche schlagen, antreiben, mit
Würfeln, Ball spielen u. ähnl., mit einem Gewande bekleiden
(got. Ave vasjaima ti repıßalwpeda Matth. 6, 31), mit Finsternis
verhüllen, mit Gold, Blumen schmücken, mit Riemen fesseln,
mit einer Flüssigkeit benetzen, mit Butter, Öl salben, mit Feuer
verbrennen, mit einem Masse messen, durch Arzneien auf-
richten, mit Liedern preisen, durch ein Opfer verehren
u. ähnl., worüber ich ALI. einen Überblick gegeben habe.
Natürlich können gelegentlich auch Personen als Werkzeuge
aufgefasst werden. So heisst es z. B. aksl. lükomü rece dixit
per interpretem (Miklosich 4, 693).
$ 108. Der Instr. der Raumerstreckung.
Arısch. SF. 5, 128 habe ich aus dem Veda Wendungen
angeführt wie: dira yäntı sie gehen am Himmel hin, anta-
$ 108.) Kap. VI. Der Instr. der Raumerstreckung. 243
rıktena patati er fliegt durch die Luft u. ähnl. Bisweilen ist
(wenn kein Verbum der Bewegung erscheint) der Instr. von
einem Lok. nicht mehr zu unterscheiden: Afamedam anyad divy
anyat die eine Kraft ist hier auf der Erde, die andere im
Himmel RV. 1, 103, 1. Im der Prosa steht dieser Instr. ständig
bei den Wörtern für Pfad und Thür, z. B.: anyena pathä nayati
er führt auf einem anderen Pfade SB. 13, 2, 3, 2; agnina ha
sa brakmand dvarena prati padyat? durch Agnı als das Thor
des Brahman tritt er herein SB. 11, 4, 4, 2. Im Avesta liegt
dieser letztere Gebrauch ebenfalls vor: yör papa usbarente wenn
die auf der Strasse herausgetragen werden vd. 8, 14. Einige
Stellen aus dem Altp., welche Spiegel, Gr. 426 anführt, zeigen
den lokativischen Gebrauch, wie wir ihn gelegentlich auch im
Veda gefunden haben. (Dagegen kann ich in einigen Stellen,
die er zu dem gleichen Zwecke aus dem Avesta beibringt, nur
den Instr. des Mittels erkennen. Wegen vd. 2, 86 (29) vgl.
Geldner, KZ. 25, 189). Im Litauischen findet sich dieser
Instr. bei dem Worte für “Weg’, z. B. Akad ji jotu vis keliü dass
sie immer die Strasse entlang reiten solle, Schleicher Leseb. 134,
üsz keleivelis keliü keliavat ich Wanderer zog meine Strasse 43,
ebenso keliu eiti, vazrüti und Ag vestt. Aber auch bei anderen
Substantiven, 2. B. motüszes laukl vazıävom szalimis 7070 baltı
brolekai wir fuhren auf der Flur der Mutter, zu den Seiten
ntten die weissen Brüder, Schl. 22, jüremis begti auf dem
Meere (über das Meer hin) fahren, äsz pajuremis kai vaziavall
als ich den Meeresstrand entlang fuhr, Schl. 146, kalnatis nü-
giniau kalnais pafginiau ıch jagte es aus über die Berge, ich
jagte es über die Berge hin heim (vgl. Schleicher, Gr. 268,
Kurschat 383). Das Slavische behandelt Mıiklosich 4, 683 ff.
Im Aksl. treten, wie in der altindischen Prosa, die Wörter “Weg’
und “Thür” beherrschend hervor, z. B. sächozdaase patimi temi
arzdaıvev &v 9 60@ Exetvg Luk. 10, 31; ne vüchodejt dvirimi vu
dvorü ovieij? 6 mn eloepyöpevos da Tis düpas el; Try adANv Tv
rpoßatuv Joh. 10, 1. Doch kommen auch gora Berg, morje Meer
u. ähnl. häufig genug vor. Ebenso im Serbischen (Danitıc 553),
2. B. tri putnika putem putovase drei Wanderer wanderten auf
16*
244 Kap. VI. Der Instr. der Raumerstreckung. [$ 108.
dem Wege; otidose poljem Sirokijem sie gingen weg über das
weite Feld; pa% otide morem trgovatı da ging er über das Meer,
um zu handeln; iice nebom lete Vögel fliegen am Himmel
(vgl. ai. diva yäntı); da idemo njegovijem tragom damit wir
auf seiner Spur wandeln. Aus dem älteren Russisch führt
Buslajev 261 an: :idi? pulemü, dorogoyu auf dem Wege, goroyu
auf dem Berge, /&somü durch den Wald, beregomü am Ufer,
negoiovami dorogami pobegosa sie eilten auf ungebahnten
Wegen herbei (Igor) u. ähnl. — Von den Verben der Bewegung
aus hat sich dieser Instr. weiter verbreitet, z. B. aksl. dviricamt
sümostraachq dolu sie blickten durch die Fenster herab; serb.
ı pogleda poljem Kosovijem und blickt über das Amselfeld hin;
kad su bili poljem Sirokijem als sie auf dem breiten Felde
waren; kad bjese gorom zelenom als sie auf dem grünen Berge
waren; russ. selü burlakü na rodinu, da dorogoj-to ı ischarcäslä
vse zarabotannyja denigg es ging ein B. in die Heimath,
aber unterwegs verbrauchte er alle erarbeiteten Gelder (As-
böth 15). Lateinisch. Es dürften hierher gehören, die von
mir ALI. 54 beigebrachten Fälle, von denen Draeger 1, 483
bemerkt, dass mit dem Ablativ der Weg gemeint sei, über den
sich die Bewegung erstreckt, z. B. ire publica via (Plautus),
Aurelia via profectus est (Cicero), omnıbus vuls semilisque esse-
darsos ex stlvis emittebat; ut jugis (über die Berge hin) Octo-
gesam perveniret; his pontibus (über diese Brücken hin) padu-
latum mittebat (Caesar). Auch porta durch das Thor liegt vor,
z. B. qua tu porta introseris (Cicero). Aus dem Griechischen
lässt sich etwa hierherziehen, was Krüger 46, 5, 3 aus Thuky-
dides anführt: &ropedero 75 669 Av autos &rovroaro. Aus dem
Germanischen führe ich zweifelnd einige Spuren an, die
sich bei Otfrid finden. Erdmann 2, 242 bringt ein vereinzeltes
gangan pedin auf den Pfaden gehen bei. Ferner steht Otfr. V,
12, 13: uuto er selbo quami — thaz ist seltsani — bisparten duron
thara zit in, ioh stuant thar mitten unlar in, wobei bisparten
duron doch nur heissen kann “durch die verschlossene Thür”.
Ich bin geneigt, in diesen Stellen etwas Alterthümliches zu
sehen, weil es gerade die beiden Wörter ‘Weg’ und ‘Thür’
ne
$ 108— 109.) Kap. VI. Der Instr. der Zeiterstreckung. 245
sind, um die es sich handelt. Der überlieferte Instr. dieser
Wörter ist im Germanischen bei “Weg’ durch den Akk., bei
‘Thür’ durch Präpositionen verdrängt worden.
$ 109. Der Instr. der Zeiterstreckung.
Arisch (vgl. Gaedicke 179 ff.) Als Belege mögen die-
nen: ai. s& nah k$apäabhir dhabhi3 ca jinvatu er erquicke uns
die Nächte und die Tage hindurch RV. 4,53, 7. In der
Prosa ist dieser Gebrauch selten. Der Unterschied gegen den
Akk. tritt nicht überall deutlich hervor. Im Avesta habe ich
nichts gefunden, ausser etwa braosta z$afno prityayä mit dem
Ende (am Ende) der dritten Nacht yt. 5, 62 und sonst!). Da-
gegen gehört hierher eine altpersische Datierungsweise, welche
von Spiegel, Gr. 426 richtig erklärt worden ist: viyakınahya
mähya 14 raucab:$ mit vierzehn Tagen des Monats V., d.h.am
vierzehnten (dagegen mit Akk.: garmapadahya mähya 1 rauca
den ersten Tag des Monats G., wo also, wie es scheint, 1 als
Ordinalzahl zu nehmen ist.) Im Baltıisch-Slavischen hat
sich wie im Arischen der Instr. früh von den Verben der Be-
wegung emanzipiert. Beispiele aus dem Litauischen sind:
kitais metais rugiai anksczaüs nunokdavo während anderer Jahre
pflegte der Roggen früher zu reifen; rytmeczais morgens, va-
kerais abends, naktimis, naktims nachts, petumis mittags, czesl
zur gelegenen Zeit (vgl. Schleicher, Gr. 268). Das Slavische
s. Miklosich 4, 687, z. B. aksl. trimi dinimi sozüdati jq bıa
mov Ypepmv olxodoproaı aurdv Matth. 26, 61; ofüvede voyiny
roSitjg noctu milites abduxit. Serb. (Danicie 555) dnevi lee a
nocu putuju bei Tage ruhn sie und bei Nacht wandern sie, Jutrom
morgens, vecerom abends, zimom im Winter, Atom im Sommer.
Russisch: Archangelskoj gorodü drevjanno) odnimü godomü
postavili die hölzerne Stadt Archangel baute man in einem Jahre
(Karamzın), 5a vol 8007 (domü) dostroyilü simi dnjami ich baute
mein Haus in diesen Tagen (Krylov), aber veraltet nach Busla-
jev261,cölymi Casami sidelü silino zadumeivymü i grustnymü ganze
Stunden lang sass er sehr gedankenvoll und traurig da (Äsböth
1) vispa ayare, was Justi unter ayare anführt, ist Akk. pl. neutr.
246 Kap. VI. Der Instr. bei zusammen sein. [$ 109—110.
23), prosiymü godomü oslepla im Laufe des vergangenen Jahres
erblindete ich (Äsböth 16). Ganz geläufig sind im Russ. die
Instr. dnemü am Tage, nociyu in der Nacht, uiromü am Mor-
gen, veceromü am Abend, vesnoju ım Frühling, leiom&i im Som-
mer, oseniju im Herbst, zimojw im Winter. Im Lateinischen
kann man zweifelhaft sein. Doch sind wohl Wendungen wie
qui viginti annis errans a palria abfuit als Fortsetzer des alten
Instr. aufzufassen. Im Griechischen scheint ypdvp mit dem
Zeitverlauf hierher zu gehören, das Krüger aus Pindar, Euripi-
des, Aristophanes, Thukydides belegt, z.B. } prv cd Touroıs tw
Xpovw nor aydessı Wolken 865. Auch können unter den Stel-
len, die man dem lokalen Dativ zuzuweisen pflegt, wohl noch
einige stecken, die eigentlich alte Instr. enthalten, z. B. vuxtt
don@cs ielsıv die Nacht durch sollst du in gleicher Weise
fahren 0 34; pnvl 6 ap oDAp Ravra neproanev EUpka TOvtov w
118. Im Germanischen ist ebenso wenig sicher zu ent-
scheiden, ob Lok. oder Instr. vorliegt. Ausdrücke wie altn.
nöottum die Nächte über, Dar at vera beim stundum sem hann
vildı dort zu bleiben, so lange er wolle Gunnl.5 könnten wohl
Instr. sein.
$ 110. Zusammensein und zusammenkommen
(freundlich und feindlich), vermischen, trennen.
Aus dem Arischen sind etwa anzuführen aı. sac (z. B.
vifnuna, prajdya mit Kindern, Kinder bekommen), ebenso av.
hac: yehya urva a$a hacaitt dessen Seele mit A. zusammen
ist y. 34, 2 und sonst. Dazu aus dem Ai. yat sich verbinden,
wetteifern, yuy sich verbinden, Arid spielen (z. B. putraik mit
Kindern) u.a. m., vgl. SF. 5, 131. Verba des Kämpfens sind
ai. spardh, has, yudh, z.B. pita putröna yuyudhe der Vater
kämpfte mit dem Sohne (gegen ihn) SB. 4,1, 5, 3. Für ‘mischen’
führe ich an av. gava iristahe des mit Milch gemischten
y. 10,13. Aus dem Slavischen kann man hierher rechnen:
sich beweiben mit: aksl. Jako o2ent se jejq oTı aurmv &ydpıcev
Mark. 6, 17; serb. mene babo ne de ozenili ni djevojkom ni
pak udovicom der Vater will mich nicht verheirathen, nicht
mit einem Mädchen, auch nicht mit einer Wittwe. Auch
$ 110.) Kap. VI. Der Instr. bei zusammen sein. 247
vjeriti se ach verloben (Danicie 563). Ferner tgrati spielen (vgl.
al. krid), z.B. aksl. da ne nacngti tobojq best igrati dass die
Teufel nicht anfangen mit dir zu spielen (Miklosisch 4, 701);
serb. dyje se munja gromom igra a jJavore Jabucicom mladı Jovo
djecojeicom wo der Blitz mit dem Donner spielte und der Ahorn
mit dem Apfelbaum, der junge J. mit dem Mägdlein. Der
Gegenstand, mit dem man spielt, kann auch der sein, um den
man spielt: da se glavama ne igrayu dass sie nicht um die
Köpfe spielen (Danitie 564); russ. sudiba igrajetü Yudimı das
Schieksal spielt mit den Menschen. — Als Beleg für "kämpfen’
führt Miklosich 4, 723 an: angelomi retiti cum angelo rixatur,
für ‘mischen’: kümotrami svojimi ne sümesati se cum matrinis
sus non commisceri. Im Lateinischen hat segw nur noch
den Akk. wie ai. sac in der Prosa. Bei ‘kämpfen’ findet sich
wohl nur noch der Instr. mit Präpos. Dagegen erscheint bei
miscere (vgl. ai. mißräd gemischt) noch der instrumentale Abl. (vgl.
Ebrard 26). Im Griechischen und Germanischen, wo
der Instr. mit dem Dativ zusammengeflossen ist, kann man
mehrfach zweifeln, ob der eine oder der andere der bei-
den Kasus vorliegt. Die aus dem homerischen Griechisch
davon in betracht kommenden Verba sind bei Walther 17 ff.
aufgezählt. Es sind öpıA&w in feindlichem und freundlichem
Sinne, z. B. vor piv 2vdad opıÄdonev Aavaoısı A 523, xal 6 Ev
proripow Öpileı B 21; [ornötw nur B 184, Q 368 mit ot
und ror, sonst Apa]; &rarptscaı sich freundlich erweisen, avöpl
2 335; payopaı, päpvapaı, moleullw zZ. B. Tpwat; Epliw z. B.
Pasanı A 277; minutllopaı, aAdyoıcı D 499. Zweifelhaft ist
xat "Extopı reıpndnivar aveßlnv & 225. Es kann an Dativ,
sogar an Lok. gedacht werden. Über piyvopı handelt ausführ-
lich Walther 18. Deutlich ist der Instr. bei xuxaw, so: &v Ö&
oyıy Tup6yv Te “al Alyıra xat yelı yAmpöv olvp Ilpapvelp Exuxa
x234. Aus dem Germanischen kommen in Frage got. ga-
vadjon verloben, liugan heirathen (von der Frau), blandan ver-
mischen mit, (horam rxöpvors), gahorinon huren mit, sämmt-
lich mit Dativ der Person, welcher Instr. sein kann (die
Belege bei Gabelentz-Loebe 221). Auch bei gasıbjon sich
248 Kap. VJ. Der Instr. bei trennen, machen. [8 110—111.
versöhnen (broßr seinamma Matth. 5, 24) ist vielleicht Instr.
anzunehmen. j
An die Verba des Zusammenseins schliessen sich einige
Verba des Trennens im Arischen und Slavischen. Im
Ai. sind es wesentlich solche, welche mit ri zusammengesetzt
sind. Ich halte es, wie ich SF. 5, 132 auseinandergesetzt habe,
für wahrscheinlich, dass diese Verba in gegensätzlicher Anleh-
nung an die mit sdm zusammengesetzten ihre Konstruktion er-
halten haben. Ein Beispiel ist: stridhir vya vartatö er wendet
sich von den Weibern ab MS. 3, 6, 3 (63, 13). Im Av. dürfte
dasselbe vorliegen bei vi-bar fern halten y. 9, 28. Nicht ganz
deutlich ist mir die Konstruktion von vi-mru y. 12,4 (vgl.
Geldner, Studien 133). Danach dürfte dieselbe Entstehung
für die slavischen mit raz- zusammengesetzten Verba anzu-
nehmen sein (Miklosich 4, 723), z. B. aksl. staroyu ne raspustivi
sja ohne sich von der Alten zu trennen, serb. sestrice bradom
rastavio er trennte die Schwestern von den Brüdern.
$ 111. Machen, verfahren mit, herrschen über.
Bei ai. Aar machen steht ein Instrumentalis, z. B. Am
hi sd täir grhaih kuryad yün antaratö nd vyavavidyat denn
was könnte er mit einem Hause machen, welches er von innen
nicht erkennen könnte SB. 1,6, 1,19. An diese Ausdrucks-
weise mit kar schliesst sich arthö bharatı es ist ein Geschäft mit
etwas, opus est alıqua re, 2. B. yarhi vo mayarthö bhavıla wenn
ihr meiner bedürfen werdet AB. i, 27, 1. Hierher scheint
mir auch der Abl. bei lat. facio zu gehören, z.B. nescit quid
‚Jaciat auro bei Plautus (Weiteres bei Ebrard 588). Vergleichbar
ist ausserdem etwa serb. sich beschäftigen mit: zabavlya se svako-
Jakim bespoclicama er beschäftigt sich mit allerlei Spielereien
(Daniti& 564). Herrschen. Ein Instr. bei herrschen liegt
sicher vor im Altindischen und Lateinischen bei patye, potsor,
worin man ein altes Denominativ von idg. pöli Herr sieht.
Über die Konstruktion von ai. pätys habe ich SF. 5, 133 be-
merkt: “Verfügen über (eig. Herr sein vermittelst): patyate
hat im Veda in diesem Sinne meist den Akk. bei sich, aber
auch den Instr., z. B. indrö viSvair viryaih patydmänah Indra,
$ 111—112.] Kap. VJ. Der Instr. bei herrschen, kaufen. 249
der über alle Heldenkräfte verfügt RV. 3, 54, 15. Mit Lok.
heisst es theilnehmen an, mit Dat. dienen zu”. Danach dürfte
bei pottor der Instr. nicht moderner sein, als der Akk. (Langen
in Wölfflin’s Archiv 3, 335), sondern beide Verbindungen aus
der Urzeit stammen. Das Aktivum dürfte eine speziell latei-
nische (oder italische) Neubildung sein. Sodann ist dieser Instr.
sicher vorhanden im Slavischen (Miklosich 4, 700) z. B. vlastı
Syrijeya apyew ns Zuplas Luk. 2,2, Jezyky äpyeıv tav &dvav Mark.
10, 42. So auch im Serbischen (Danıti€ 566), z. B. vladatı
Srbijom über Serbien, sriyetom über die Welt, muZem über den
Ehemann. Daran schliesst sich’odladatt erobern, z. B. Srbijom,
upravıti regieren, zZ. B. upravio kao hayduk kucom er hat wie
ein Räuber das Haus regiert, suditt richten, z.B. zemljom über
das Land. Übrigens kommt im Slavischen bei diesen Wör-
tern auch der Dativ vor (vgl. $ 133). Im Griechischen
lässt sich nicht entscheiden, ob der Instr. oder der Dativ oder
etwa der Lokalis vorliegt (s. bei dem Dativ $ 133). Innerhalb
des Germanischen liegt der Intrumentalis vor im Angel-
sächsischen in Wendungen wie Py rice redan das Reich regie-
ren, fy vange vealdan über das Gefilde gebieten, regieren
(Kress 17). Und daher liegt es denn nahe, den instrumen-
talen Datıv auch in vätrum vealdan über das Wasser herr-
schen u. 8. w. zu vermuthen. Es lässt sich aber mit Bestimmt-
heit nichts behaupten, weil auch der echte Dativ vorliegen
kann. Die gotischen Wörter, welche herrschen’ bedeuten,
wie reikinon, biudinon u. a. sind von Köhler 16 behandelt
worden, der aber in seiner Polemik gegen die Annahme des
Instr. fehlgeht.
$ 112. Kaufen.
Im Altindischen Ari, z. B. ka imam da$abhir mämen-
dram krinati dhenubhih wer kauft diesen meinen Indra für
zehn Kühe? RV.4, 24, 10 (Weiteres SF. 5, 134). Nach Schleicher
268 sagt man im Litauischen Aeturiais duksinais nusipirkti
um vier Gulden kaufen, was Kurschat 382 anzweifelt. Im
Slavischen ebenso (Miklosich 4, 690), z. B. aksl. ne petit
h pticu venitü se penezema düvema oöyl revre orpoußla
250 Kap. VI. Der Instr. bei trinken, füllen. [($ 112—114.
rwieitaı GAocapiwv Öbo Luk. 12, 6, serb. platiti bezahlen
[glavom svojom mit seinem Kopfe, Danilie 562). Im Latei-
nischen viliosa nuce emere, vendere pretio suo, ventbunt prae-
sent! pecunia bei Plautus. Dieser Instr. pretii ist früh auch
mit anderen Verben und auch mit adjektivischen Ausdrücken
verbunden worden, so nauco ducere bei Naevius, Alocco habere
bei Plautus, asse carum est bei Cato (Draeger 525); siagre mit
Instr. heisst eigentlich: für Jemanden dastehen, ihm zur Ver-
fügung stehen für einen Preis. Im Griechischen und Ger-
manischen steckt der Instr. im Dativ, bei Homer &xprayınv
(xreatescw), olvilopar (ax u. 8. w.). Im Got. niu tvai spar-
vans assarjau bugjanda ouyt 800 stpoußta Aosaplou nwieitaı Matth.
10, 29. Wie ım Lat. hat sich dieser Instr. auch im Got. eman-
zipiert: lvaım hundam skatte hlaibos ni ganohati sind baim dra-
xoslwv Önvaplov Aptor oux Apxodcıv aurois Joh. 6, 7. Die Form
des Instrumentalis liegt noch vor im Alts.: dröru gıköpot mit
dem Blute (des Herrn) erworben, Heliand 5155.
$ 113. Trinken mit dem Instr. des Gefässes: ai. mrn-
maäyena nd pibet mit (aus) einem hölzernen Gefässe soll er nicht
trinken MS. 2, 5, 9 (60, 3), serb. ptije Turcin vino kondijerom
der Türke trınkt Wein mit dem Becher (Danıtie 556). Der-
selbe Kasus kann in lateinischen Wendungen vorliegen, wie:
bibere da usque plenis cantharis (Plautus), poclo bibo eodem
(Lucilius) bei Ebrard 586. Es kann aber auch der Abla-
tiv sein.
$ 114. Füllen und Verwandtes. Bei ‘füllen’ findet
sich seit der Urzeit der Gen., in welchen die Masse tritt, von
der zum Zweck des Füllens genommen wird, und der Instr.,
welcher die Masse bezeichnet, durch welche die Füllung voll-
zogen wird. In den meisten Sprachen sind beide Verbindungen
geblieben. Doch ist im Lateinischen der Gen., im Germani-
schen der Instr. fast ganz oder in sehr beträchtlichem Masse
verdrängt woıden.
Über das altindische par habe ich SF. 5, 133 bemerkt:
‘par füllen hat im RV. den Instr. desjenigen, was anfüllt und
den Akk. desjenigen, was man anfüllt bei sich, z. B. & yah
$ 114.) Kap. VI. Der Instr. bei füllen. 251
sömena jathäram äpiprata der seinen Leib mit Soma anfüllte
RV. 5, 34, 2. Wenn es ‘zufüllen, in Fülle geben’ bedeutet, so
steht dabei ein partitiver Gen., z. B. rayas pürdhi schenke des
Reichthums. Vereinzelt steht der Gen. auch im ersterwähnten
Falle: sömasya dasrä jathäram prnetham füllt euren Leib, ihr
wunderbaren, mit Soma 6, 69, 7. In Prosa, wo nur püräyatı
und pürydie vorkommt, finde ich den Instr., z. B. TS. 5, 2, 9, 1:
sikatäbhih pürayati er füllt mit Sandkörnern (nämlich die ukha)
und gleich nachher dadhna madhumisrena pürayati er füllt mit
saurer Milch, welche mit Honig gemischt ist. Dagegen in der
entsprechenden Stelle der MS. (3, 2, 7) heisst es: stkatabhth
pürayitavya sie ist mit Sandkörnern anzufüllen, aber gleich
darauf: dadhnah, ghrtäsya, mädhöh. Es scheint, dass man die
Flüsıgkeiten Milch, Butter, Honig als ein [theilbares]} Ganzes
ansieht, mehr als die sikatäs, und dass man deshalb bei den
ersteren den partitiven Kasus setzen konnte. Das Part. pürna
voll scheint mit dem Instr. verbunden zu werden, wenn der
Charakter als Part. noch deutlich hervortritt, das Adj. mit dem
Gen., z. B. juhüm ghrtena pürnam dakfine panao ü dadhäti er
thut einen Löffel, der mit Butter angefüllt worden ist, auf die
rechte Hand SB. 12, 5, 2, 7, dagegen: die Adern sind löhltasya
pürnah voll von rother Flüssigkeit SB. 14, 7, 1,20.” Im Ave-
stischen scheint die entsprechende Verbindung nicht vorzu-
hegen. Im Altkirchenslavischen steht im cod. Mar. bei
isplünsti erfüllen der Instr. in isplüni se duchomi svelymü &:.Inodr,
mveöpatos dytov Luk. 1, 67 und 1, 41 (dagegen der Gen. 1, 15),
und tsplünıse se strachomi &rihodnsav addou 5, 26, und nach
Miklosich 4, 690 bei nasypati. Den Instr. bei ‘füllen’ im Serbi-
schen s. Daniti€ 562. Im Lateinischen überwiegt der Instr.,
doch ist nach dem bei dem Gen. Bemerkten anzunehmen, dass
auch ımpleto aquae purae bei Cato (Schmalz ? $ 100) auf uralter
Überlieferung beruht. Im Griechischen scheint Homer den
Instr. bei riurArpı nicht zu kennen (TI 373 ‘sie füllten unter
Geschrei’), später kommt der Instr. vor, so: S&axphorsı yap 'EA-
Iad’ anacav Znince Furipides Or. 1363. Innerhalb des Ger-
manischen erscheint der Instr. im Ags., z. B. tudre eordan
252 Kap. VI. Der Instr. bei sich erfreuen. [$ 114—115.
fyllan die Erde mit Nachkommenschaft füllen (s. Grein, Glossar),
und im Altn.
An ‘füllen’ schliesse ich noch einige Verba des Sättigens
und des Überflusses, z. B. griech. &w: &o&uev &v Tpoln Taydas
xövas apyirı önuem A 818 und xopdwvupı: xopdsı xüvac 76 olmvous
önun xal odpxeocoıv 8 379. In beiden Versen tritt der Gedanke
des Aufzehrens einer Masse hervor, während der Gen. partı-
tiven Charakter hat. Zu den Verben des Überflusses sind aus
Homer etwa Bpiw und Bpidw zu zählen, aus dem Lateini-
schen die bekannten verba copiae (während die verba in-
opiae den Ablativ bei sich haben). So hat adundare durch etwas
überfliessen, fast ausschliesslich den Instr. (kaum den Gen.).
Weiteres bei Ebrard 637.
$ 115. Sich erfreuen, geniessen, leben von.
Hinsichtlich des Altindischen habe ıch SF. 5, 132 be-
merkt, dass im RV. zwei Verba vorhanden sind, welche den
Gegenstand, durch welchen die Freude verursacht wird, ım
Instr. haben, den Gegenstand, bei dem oder an dem sie sich
äussert im Lok., den Gegenstand, dem etwas abgenossen wird,
im Gen., nämlich Aar und mad. Mit Instr. werden. ım Veda
verbunden uc, tu$, mah, har$, im Veda und in der Prosa nand,
mud, bhuj (über dieses letztere s. beim Lateinischen). Ein Ver-
bum, tarp (teEpropar) hat im RV. den Gen., in der Prosa den
Gen. (z. B. annasya trpyati er erquickt sich an der Speise), oder,
wo ein partitiver Gen. nicht am Platze ist, den Instr.: /rpyati
prajaya paßübhih er hat Freude durch Kinder und Heerden,
an ihnen. Bei jiv leben, kommt in der Prosa ein Instr. vor:
yaya manusy& Jjivanti (die Kuh) die das Nahrungsmittel der
Menschen ıst. Aus dem Baltisch-Slavıschen habe ich nur
ganz wenig Vergleichbares angemerkt, aus dem Litauischen
Sätze wie: dede pasiger&jo tais varkäczais der Ohm hatte sein
Wohlgefallen an den Jungen (Schleicher, Les. 126), @sz dzau-
grüs tüm arkliu ich freue mich über das Pferd (nach Kur-
schat unter ‘freuen’ gew. pe? {4 ärkli), aus dem Slavischen
den Instr. bei “zufrieden sein’: divtlini badete obroky vasımı
apxeiode Tois öbwvlors Luk. 3, 14. Dem Instr. bei ai. jiv
$ 115.) Kap. VL Der Instr. bei geniessen. 253
—
leben entspricht serb. ntko ne zivi ontjem $to je suoise bogat
niemand lebt davon, dass er übermässig reich ist Luk. 12, 15.
Aus dem Lateinischen kommen in betracht einige Verba
des Freuens wie delecto (Ebrard 639) und ausserdem fungor,
utor, vescor. Fungor ist gleich ai. bAuy, über das ich SF. 5, 132
bemerkt habe: “Gebräuchlich ist 5Auy geniessen m. (das a. ist
wohl eine Neubildung). Im Veda steht der Instr. bei den Be-
griffen Hilfe, Kühe (durch deren Wiedergewinnung man Freude
hat, Heilmittel und ähnl. In Prosa sagt man: yuktena bhu-
naja ich will mich des angeschirrten Thieres bedienen, Vor-
theil davon haben SB. 9, 4, 2, 11, ürja bhufjats man gebraucht
seine Kraft TS. 6, 1, 3, 4, dann auch: dnnena Speise TS. 6, 2,
5, 4” Die Konstruktion mit dem Akk. gehört der späteren
Sprache an. Umgekehrt wird fungor in der älteren Sprache
fast nur mit dem Akk., später mit dem Instr. verbunden. Ich
halte beide Konstruktionen für proethnisch. Dasselbe dürfte
von fruor gelten, welches im alten Lat. beide Verbindungen
aufweist. Das deutsche brauchen hat den Gen. Was utor be-
tnfft, so meint Langen in Wölfflin’s Archiv 3, 331, Plautus habe
in der Umgangssprache seiner Zeit wohl nur die Konstruktion
des Nomens im Ablativ vorgefunden. Erst bei dem Pronomen
habe sich die Konstr. mit dem Akk. entwickelt. Da das ent-
sprechende ai. av Freude haben, sich gütlich thun, sich sättigen
an etwas, im intransitiven Gebrauch nur mit dem Lok. des
Gegenstandes verbunden wird, an dem man sich gütlich thut,
so ist von da aus keine Aufklärung über die Akkusativkon-
struktion zu holen. Man kann auch zweifeln, ob der Kasus
bei wor nicht wie bei av der Lok. sei, indessen werden die
Römer doch wohl bei ufor!) denselben Kasus wie bei fungor
empfunden haben, und bei Verben des Freuens sind ja von
alters her sowohl Instr. als Lok. im Gebrauch gewesen. Der
1) An «tor schliesst sich mit Beibehaltung der verbalen Konstruktion
das Subst. usus, x. B. speculo es usus est bei Plautus, und nach usus est
hat sich nach F. Schöll’s Meinung (Archiv 2, 207 ff.) opus est gerichtet. Un-
möglich wäre es fteilich auch nicht, dass opus selbständig zu einer Ver-
bindung mit dem Instr. gekommen wäre, wie ai. driha; s. oben 8. 248.
254 Kap. VI. Der Instr. bei freuen. vertrauen. [$ 115—116.
Kasus bei vescor ist natürlich Instrumentalis. Mit dem Instr.
bei ai. jiv vergleicht sich suo vivito in den zwölf Tafeln, cıs
victitamus aridis bei Plautus (Ebrard 640). Da im Griechi-
schen und Germanischen der Instr. und Lok. zusammen-
fallen, habe ich es früher (ALI. 38) für zweifelhaft gehalten,
welcher Kasus in diesen Sprachen bei den Verben des Freuens
anzuerkennen sei. Jetzt bin ich der Meinung, dass man mit
grösserer Wahrscheinlichkeit den Instr. als den Lok: anzuneh-
men habe, theils wegen der Häufigkeit des Instr. im Altindi-
schen, theils weil in den slavischen Sprachen ein Lok. bei
diesen Verben überhaupt nicht vorzuliegen scheint. Aus dem
homerischen Griechisch kommen in betracht repronar
(reosoist, Höppiyyı, Adyoıs, datt, xrrpacı u. 8. w., vgl. Walther
50). Für die Annahme des Lok. schien mir früher namentlich
in’s Gewicht zu fallen tsrapzöpevos Texgsscrv xoupıöty T AaAdyw
& 244, indessen wird ja ai. tarp auch mit prayaya verbunden.
Bei yaipw finden sich gewöhnlich nicht-persönliche Begriffe
(vixn, Spvißdt, areatessıw, ouldartı u. 8. w.), bei denen die An-
nahme des Instr. natürlich ist, danach auch AvtuXdyp W 556,
avöpf y 52. Auch bei yatlw (xuöei) und ayaklopaı (Inrorory xat
oysapıy, vruatv, oVpW, TTepuyscarv, roA&uw) scheint der Instr. der
natürliche Kasus zu sein. Dem lat. «for entspricht der Kon-
struktion nach xeyprpar: opeot yap xeypnt' Aayadyoı x 398,
vgl. x 266, & 421. Wie bei 5730 erscheint der Instr. auch bei
Caw, so xapnois bei Demosthenes. Im Germanischen ist
ebenso wenig wie im Griechischen eine sichere Entscheidung
zu treffen. Der sog. Instr. liegt vor im ags. Py edleäne ge-
‚feohan sich der Vergeltung erfreuen Gen. 1523. Im übrigen
vgl. ALI. 39, Erdmann 2, 206.
An sich wäre es auch möglich, im Griech. und Germ.
den reinen Dativ anzunehmen, der im Slavischen ebenfalls
vorkommt. Doch scheint mir dieser Gebrauch nicht alter-
thümlıch.
$ 116. Vertrauen auf und einige andere Verba der Ge-
müthsbewegung.
Im Slavischen und Litauischen findet sich ein Instr.
$ 116.) Kap. VI. Der Instr. bei sich rühmen, betrübt sein. 255
bei vertrauen, vgl. aksl. voyini püvaje svojejq sılojg miles suis
vinibus fidens (Miklosich 4, 718, im cod. Mar. kommt upüvaltı nur
mit na vor, dagegen findet sich im Ostrom. ev. opüvajusciimü
sobojg Tods reroddtas &o £aurois Luk. 18, 9), lit. nusitiketis
devu auf Gott vertrauen. Andererseits findet sich im klassi-
schen Sanskrit vi-Sras vertrauen mit dem Lok. der Person oder
Sache, auf die man vertraut. Der ursprüngliche Sınn kann
kein anderer sein, als ‘aufathmen bei jemand’. Danach muss
es ım Lateinischen zweifelhaft bleiben, ob wir bei fretus
den Instr. oder Lok. anzunehmen haben (vgl. ALI. 35). Bei
‚fido, conffdo (welche den Dativ persönlicher und den Ablativ
sächlicher Begriffe bei sich haben) möchte ich in dem Abl. den
alten Instrumentalis erblicken. Im Griechischen und Ger-
manischen liegt die Frage noch schwieriger, weil neben dem
Instr. und Lok. auch noch der Dativ in Frage kommt. Ich
weiss eine irgendwie sichere Entscheidung nicht zu treffen
(vgl. wegen des Griech. noch Walther 49).
An die Verba des Freuens und Vertrauens schliesse ich
noch einige von naheliegender Bedeutung. Sich rühmen
und sich schämen: serb. (Danitie 565): tiyem du se hvaliti a
sobom se ne du hvalıtı dessen will ich mich rühmen, aber meiner
selbst will ich mich nicht rühmen 2. Kor. 12, 5; cim se koza
diäila tım se ovca sramila worauf die Ziege stolz war, dessen
schämte sich das Schaf; ja se ne du zastiditi njome ich werde mich
Ihrer nicht schämen. So mag denn auch bei ags. gılpan der
Instr. anzunehmen sein, z. B. fyrdgesteallum der Kampfgenossen
[Beov., daneben Gen., z. B. mordres). Bei got. skaman sık
steht der Gen. Betrübt sein über, sich Sorge machen:
araytsdar yrpai T 335, aydonevnv oßövysı E 354, 05 xredtes-
ev vreporalws avıalsı 2 300. Dazu slavische Wörter, in
welchen mehr die Nuance des Sorgens für etwas hervor-
tntt, z. B. aksl. pesti se, z. B. ne pcete se dusejq vaseja Cto Jaste
m telomi vi Cüto oblecete se per, nepıpväare 7% duyy pay Tl payııze,
uröe zo owpartı ti &vößonsde Luk. 12, 22. Serbisch: (Danitic
564) bog se brine sirotama Gott nımmt sich der Waisen an,
ne stara) se jelom ved trbuhom kümmere dich nicht um die
256 Kap. VI. DerlInstr. bei lachen ete. Der ausmalende Instr. [$ 116 —118.
Speise, sondern um den Bauch. Danach kommt auch misät:
se denken an etwas, mit Instr. vor.
$ 117. Es folgen noch einige bemerkenswerthe sla-
vische Verba. Lachen über: aksl. smiyati se yeläv, xara-
xeläv scheint mit dem Dativ verbunden zu werden, serb. smijat: se
mit Dativ und Instr., z. B. ko se moZe ovtjem smijati wer kann
hierüber lachen? (Danicic 565), russ. smejatisja mit Dat., nad,
aber auch Instr., z. B. mnoy über mich (Äsböth 13). Einen
Instr. bei aksl. rqgati se spotten führt Miklosich im Gl. s. v.
an: rugajefi se nami £pralleı Auiv, ebenso serb. ne du da se
mnome rugaju neprijatelji ich will nicht, dass meiner die
Feinde spotten; ebenso serb. drukati se: $to se starcem bru-
kalte was spottet ihr über den Alten? Vermuthlich sind
diese Verba an ‘spielen’, ‘sein Spiel treiben’ anzuschliessen, das
oben $110 behandelt worden ist. Beschwören, schwören:
aksl. Alets se nebomi dydoaı Ev to oöpavp Matth. 5, 34; serb.
kunem ti se 3 bogom i ujergm ich schwöre bei Gott und dem
Glauben, zakle je nebom i zemljom er beschwor es bei (durch)
Himmel und Erde (Danicie 563); russ. Alyastisj7a nebom i zem-
l!ejyu Himmel und Erde anrufen, Aljanusi bogomü ich schwöre
bei Gott. Riechen nach etwas: aksl. grojemi vonjat: riecht
nach Fäulnis (Miklosich Gl. s. v.); serb. nt Zuk jeo nı lukom
vonjao er hat nicht Lauch gegessen und nicht nach Lauch
gerochen (Danicie 567), russ. vonjyati. Ebenso aksl. smrüdet:,
z. B. venomi nach Wein, serb. smradt gospostvom er stinkt nach
Herrenthum, russ. dymomü pachnulo es hat nach Rauch gerochen
(Puschkin).
$ 118. Der ausmalende Instrumentalis.
In mehreren Sprachen findet sich ein zu einem Verbum
hinzutretender gleichstämmiger Instrumentalis, den man mit
dem Akk. des Inhalts in Parallele gesetzt hat. Man könnte ihn
den ausmalenden nennen. Dahin gehören aus dem Avesti-
sehen yavala gaya Joava so lange wir das Leben (eig. mit
dem Leben) leben yt. 15, 40, vgl. Hübschmann 260. Aus dem
Litauischen smerczu numifti des Todes sterben, z. B. trımis
smefczars dsz negalu mifti einen dreifachen Tod kann ich nicht
$118—119.] Kap.VI. DerInstr. beiregnen, schnauben, speien, schwitzen. 257
sterben, Schleicher Les. 133, dıdiu’dzaugsmü dzaügtis eine grosse
Freude haben, bei Schleicher 268 (nach Kurschat 383 auf diese
Wendungen beschränkt). Häufig im Slavischen (Miklosich
4, 713ff.), z. B. aksl. slünice tecetü tecenijemi die Sonne läuft
(ihren) Lauf; sunomi süpatı einen Schlaf schlafen ; radostijq rado-
vali se wörtlich: sich mit einer Freude freuen ; Cudichü se cudomi
velikomi 2daupaca daüpa ueya; trudomü dobrymü trudichü sja
tiv ayava tov xakdy Aywviopar; pade padezemi ljutomi xarıveydn
ron dzıvdv; uZasngöe se ulasomi velijemi &kcornsav dxstaseı
uey@ly Mark. 5, 42. Natürlich kann auch statt des stammver-
wandten ein sinnverwandtes Subst. auftreten, wie beim Akk,.,
1.B.ubojase se strachomi veltijemit &oodrdnoav öRov ueyav Luk. 2,9
und sonst. Danach liegt auch im Griechischen und Ger-
manıschen der Instr. vor in Wendungen wie die folgenden:
as davov olxtiorp Bavarp A 412; Önvo eDöovra Sophokles Oed.
Tyr. 64, und daran anschliessend 88° ödı Adkeraı Önwp A 131,
od üetsavres Oed. Kol. 1625, Lucav ABiaßer Bi El. 650. Im
Got.: ohtedun agısa mikilamma toodrd'nsav adßov ueyav Luk. 2,9.
Es folgen nun eine Reihe von Verben, bei welchen der
Instr. mit dem Akkusativ in Konkurrenz tritt. Es sind zunächst
Verba wie regnen, schnauben u. s. w., sodann die Verba des
Bewegens, Werfens u. s. w., letztere namentlich im Slavischen
und Deutschen.
$ 119. Regnen, schnauben, speien, schwitzen.
Für ‘regnen’ lässt sich lat. pluere anführen (Draeger 1, 511),
2.B. bei Livius Zapididus oder sanguine pluit; griech. (Krüger
Dial. 48, 15, 13) viodtw yev Adplrors baxaldın 8 dApromsıv berw
d Zwar bei dem Komiker Nikophron ; got. rignida svibla Jah
funin E3peks Beiov xal nöp Luk. 17, 29. Für den Instr. bei
'schnauben’ bringt Miklosich 4, 702 eine Anzahl von slavischen
Beispielen bei, woraus ich anführe: ogrjemi dysesi du schnaubst
Feuer, eig. ‘mit Feuer. Genau entsprechend altn. eitri ek
fresta ich schnob Feuer Fafn. 18. Ebenso steht eifre bei
bläsa schnauben. Für ‘speien’ führe ich an aksl. rygati bras-
nomi i pilijem! Speise und Trank auswerfen (bei Miklosich
Deibräck, Vergl. Syntax der indogerm. Sprachen. 1. 17
258 Kap. VL Der Instr. bei bewegen im Slav. und Germ. [$ 119—120.
Gl. s. v.), russ. charkati krorizu Blut speien, ch. gnojemü
Eiter auswerfen, ags. gledum spivan Feuer speien (Beov.). Dazu
auch ‘schwitzen’: lat. sudare sanguine bei Ennius, ags. fyre
soetan. Auch ags. tearas und tedrum geötan Thränen ver-
giessen lässt sich hier anführen, wodurch schon zu den Verbis
des Bewegens, Werfens u. s. w. übergeleitet wird.
$ 120. Verba des Bewegens im Slavischen und
Germanischen.
Wie man im Altind. sagen kann tfarö yabhir dsyati die
Pfeile, mit denen er schiesst RV. 2, 24,8 und im Griech. ot dapa
yeppadloısıy &uöuntwv ano nupywv BaAlov M155 und andererseits
ım Altind. Aetim asyatı er schleudert die Lanze, z.B.RV.1,101,3,
und al re rpos allrkas Eßalov tavurxeas oLous II 768, so findet
sich vielfach bei slavischen Verben des Bewegens ein uns befrem-
dender Instr. des Gegenstandes, welcher sich (wie Miklosich 4, 695
bemerkt); daraus erklärt, dass die Verba intransitiv gebraucht
sind. Dahin gehören aksl. vesi narodü verZe kamenijemi omnis
populus jecit lapidibus; pozybat: glavoyu mit dem Kopf schüt-
teln, den Kopf bewegen; seze rukoju svojeju &kerewe mv yeipa;
Jakoze listomü visemü jestistvomü doiZaase wie ein Blatt bewegte
er die ganze Natur; (dass diese Verba auch mit dem Akk. ver-
bunden werden können, versteht sich. Im cod. Mar. kommen
nur wenige der von Miklosisch angeführten vor, und diese
finden sich nur mit dem Akk., z. B. vrüzi kameni na njq av
Mdov ir auıy Baildtw Joh. 8, 7.) Beispiele aus dem Serbi-
schen (Danitie 568—69) sind: desnom rukom mase er schüttelte
(bewegte) die rechte Hand; ne uzoija) obrvama ziehe nicht die
Augenbrauen in die Höhe; ocima je zazmurio er hat die Augen
zugedrückt; ebenso vijyatt glavom den Kopf drehen, bewegen,
mahnuti krstom das Kreuz schlagen u.s.w. Ein russisches
Beispiel ist zamotati golovoju anfangen den Kopf zu schütteln;
ein kleinrussisches: po bilomu pol’u Cornym makom Sijano auf
weissem Felde ist schwarzer Mohn gesäet worden (Miklosich
4, 698). Aus dem Germanischen kommt besonders das Go-
tische, Altnordische und Angelsächsische in betracht. Über
die beiden letztgenannten Dialekte vergleiche man: Dietrich,
$ 120.] Kap. VI. DerInstr. bei Verben desBewegens im Slav.u.Germ. 259
über den nordischen Dativ, Haupt’s Zeitschr. 8, 23 ff. und die
oben angeführte Arbeit von J. Kress. Es gehören namentlich hier-
her: svasve jJabai manna vairpib fraica ana airba ws av
avdpuros PaAy tov andpov Ant inc yrs Mark. 4, 26; rairpandans
hlauta ana os Bailovres xArpov &n aura Mark. 15, 24. Bei
Wörtern wie Same und Los ist uns der Instr. begreiflich, da
auch wir sagen könnten: mit dem Lose werfen. Dagegen ist
uns auffällig eine Wendung wie usvaurpun imma ut us bamma
reinagarda warfen ihn aus dem Weinberg Mark. 12,8. Man
darf wohl annehmen, dass in diesem und ın ähnlichen Fällen
ene auf Nachahmung beruhende Ausbreitung des Dativs vor-
leg. Anch altn. verpa zeigt schon diesen entwickelteren
Dativ-Instr., z. B. andu, fjarvi den Geist aufgeben, ohnmächtig
werden (Edda). Deutlich fühlbar ist der Instr. noch in Wen-
dungen wie: verpa vatnı a begn ungan Wasser über das Knäblein
ausgiessen Häv. 159. Ags. vearp välfyre (der Drache) warf
tödliches Feuer Beov. 2583, stredmas veorpad stäne and sonde
die Ströme werfen (führen) Steine und Sand, Räthsel 3, 6.
Got. saian säen wird mit dem instrumentalen Dativ fraiva
Samen, altn. s@ mit korninu Korn und gullinu Gold, ags. sa-
tan mit sede Samen verbunden. Es kommt aber auch der
Akk. vor. Dazu got. ufstraujan hinstreuen unterbreiten: gag-
gandın ban imma ufstravidedun vasljom seinaim ana viga To-
pevop&vou SE auTod LREOITPWVVvUoV Ta fnarıa aurav dv 9 00m Luk.
19, 36. Altn. dregda schwingend bewegen, z.B. in der Edda
soerdum die Schwerter, in der Prosa Aafdı das Haupt wenden.
Dann auch in dem Sinne von ‘brechen’ (eine heftige Bewe-
gung mit etwas machen), so in der Edda dregda svefnt, heit:,
den Schlaf, ein Gelübde brechen. Auch ‘vorwerfen’ mit einem
Dativ und einem Instrumentalis: er Bü ödlingum Osonnu bregdr
der du den Edlen Unwahrheit vorwirfst H. H. 1, 36. Dem ent-
spricht ags. hedfde onbrygdan das Haupt erheben, orede gebredan
eig. mit dem Athem schwingen, d.h. aus- und einathmen. (Wei-
teres über ags. dregdan bei Kress5.) Dazu kommt nun noch eine
Reihe von ähnlichen altnordischen Verben, von denen ich bei-
spielshalber anführe: Aastadi netinu fyr gedduna er warf das
17*
260 Kap. VI. Sogen. Dativ des Objekts im Germ. [$ 120—121.
Netz nach dem Hecht aus Saem. zu Sig. II, 1; verfdi hann
Mjallni er warf Mjolinir (Thor’s Hammer) Hym. 36; söyngr eldi
(der Feuerriese) schleudert Feuer, Gylfaginning 84, 10: steypa
hjalminum Fafnis den Helm Fafnirs abwerfen, zu Boden werfen,
Volsungasaga 178, 26 (auch Edda); /ypta eınum felinum den
einen Fuss in die Höhe heben, Gylfaginning 69, 6; soıpum hefi
ek nu ypt mein Antlitz habe ich jetzt erhoben Grimn. 45;
slang upp vid ra raudum skildi erhob an die Raae den rothen
Schild H. H. 1, 33; soipta sadls af 50 den Sattel vom Rosse
wegziehen Oddr. 3, seglunum die Segel einziehen, Volsunga-
saga 164, 11; oA Aıppi ınn vorusekkjunum zog die Waarensäcke
hinein Gunnl. 5; veltum grjöti wir wälzten Steine Grott. 12;
hofds vatt ba Gunnarr da wandte G. das Haupt, Akv.6; hvelfdu
skipinu warfen das Schiff um Bragoredur 98,1, Zogdu bar til laegis
skipinu legten da mit dem Schiff (das Schiff) an den Ankerplatz,
Gunnl. 9. Ebenso dürften einige gotische Wendungen hier-
her gehören, in denen wir freilich den instrumentalen Charak-
ter des Kasus nicht mehr empfinden, die sich aber an die
bisher genannten nahe anschliessen, nämlich usdresban 2xBal-
Asıv, sowohl mit Akk. (2. B. unhulbons, allans, ına, Dana), als
mit Dat., z. B. imma; afskiuban verstossen in sbas afskauf gup
arbja seinamma yn anwoato 6 deos tov Aaov autod Röm. 11, 1;
usktusan verwerfen, z. B. stains Pammei uskusun timrjans Aldov
ov aredoxtuasav ol olxoßopouvres Luk. 20, 17, uskusun imma 2EE-
Balov aurov (Eiw ts mölew;) Luk. 4, 29. Dagegen in der Be-
deutung ‘prüfen’ hat es den Akk. bei sich.
$ 121. Sogenannter Dativ des Objekts ım Ger-
manischen.
Wir haben im Vorstehenden eine Reihe von germanischen
Verben der Bewegung kennen gelernt, welche mit einem In-
strumentalis des bewegten Gegenstandes verbunden werden,
während wir lieber den Objektsakkusativ bei ihnen sehen wür-
den. Zu diesen treten nun noch eine Anzahl anderer, die
entweder gleichfalls von Anfang an den Instrumentalis bei sich
gehabt zu haben, oder ıhn von sinnverwandten Verben über-
nommen zu haben scheinen. Man kann aber über manche
$ 121.) Kap. VI. Sogen. Dativ des Objekts im Germ. 261
Einzelheit nicht sicher urtheilen, weil es, wie wir bei dem
Datıv sehen werden, im Germanischen auch einen originalen
Dativ des Objekts giebt, der mit dem aus dem Instrumen-
talis entstandenen Dativ zusammengeflossen ist. Die folgenden
Seiten enthalten also viel Zweifelhaftes.. Ich handle zuerst
von denjenigen Verben, bei denen nach meiner Ansicht mit
einer erheblichen Wahrscheinlichkeit der Instrumentalis anzu-
nehmen ist. Dahin gehören: sprechen: got. vaurda gihan
gleich Aoygp eireiv und Aöyov elneiv, ags. vorde cvedan (Kress 21),
altn. bei ‘versprechen’, z. B. fogru skaldu heita ok lata fast vera
Schönes sollst du versprechen und dann auch halten Häv. 131.
Knüpfen: altn. kann hafdı knytt gullhladi at hafdı ser er hatte
sich eine Goldschnur um den Kopf gebunden (angeführt bei
Dietrich 66), vefnistingum snüa das knarrende Segel knüpfen
H. H.1,26 (auch Akk., 2. B. vigband snüa Kriegsfesseln flechten
Vgl. 39). Auch bei got. Zukan schliessen ist wohl der Instru-
mentalis anzunehmen in gagg in hebjon beina Jah galukands haur-
dat Beinat bidai du atlın beinamma eiseAde els To Tanıeiov son xal
xAelsa; Tv Bopav oou mpöceufaı ta narpl oov Matth. 6,6 (also: mit
deiner Thür zuschliessend). Auch altn. /üka hat den Dativ bei sich
(Lund 80). Auch wohl altn. Aalda, z. B. heldr munnlaugu un-
dir eiirdropa hält die Hand (mit der Hand) unter dem Gift-
tropfen, Gylfaginning 80, 16; vel kann hann sverdi at beita ok
spjoth at skjota ok skapti at verpa ok skildi at halda wohl ver-
steht er mit dem Schwert zu schwingen, mit dem Spiess zu
schiessen, mit dem Schaft zu werfen, den Schild (mit dem
Schild) zu halten, Volsungasaga 191, 13 (auch schon eddisch,
2.B. Skuld helt sksldi Vol. 24. — Wohl auch got. frabugjar
verkaufen (Handel treiben mit) in: frabugyan ahakım Tauben
verkaufen Mark. 11, 15; vgl. serb. irgovati Handel treiben,
2.B. svinjama mit Schweinen. Vermuthlich auch einige Verba,
welche verwandeln, wechseln, ändern bedeuten, so altn.
hafna, z.B. hvi hafnar bü inum hvita lit warum verwandelst du
die lichte Farbe? Sig. IH, 31, Aafna fornum atrunapi den früheren
Glauben ablegen Gunnl. 6 (vgl. mit dem Glauben wechseln).
Auch breyta verändern hat den Dat. nach Lund 90.
262 Kap. VI. Der prädikative Instr. im Lit. und Slav. $ 123—122.
Ich lasse nun die Verbindungen folgen, bei deren Auf-
fassung ich zweifelhaft bin (vgl. den Dativ $ 137): got. fra-
giman verbrauchen, z.B. soei ın lekjans fragam allamma
aigina seinamma eis latgods rpooavalmsasıa olov Toy Btov Luk.
8, 43. Da fragiman vorwärtskommen, zu Ende kommen be-
deutet, so kann man den Kasus ganz wohl instrumentalisch
auffassen: zu Ende kommen mit. Möglich ıst aber auch der
Dativ: zu Ende kommen gegenüber. Dasselbe gilt von got.
fravisan in bibe Pun fravas allamma daravrsavro;s 62 auroi
ravta Luk. 15, 14. Verlieren: got. fraliusan, z.B. fraliu-
sands ainamma Pize aro\&oas Ev 2 aurwv Luk. 15, 4; altn.
fyna in der Edda verbunden mit oxdu die Seele, aldrı das
Leben, meidmum Schätze. Vielleicht ist die Grundanschauung:
in Verlust gerathen, zu Schaden kommen mit etwas. Ver-
derben, töten. Got. usgiman weit häufiger mit Dativ als
mit Akk., z.B. leıka, ımma. Da usgiman auch sterben be-
deutet, so ist wohl mit einiger Sicherheit anzunehmen, dass die
Verbindung instrumentalisch zu verstehen ist, und der ur-
sprüngliche Sinn: heraus, zu Ende kommen mit etwas. Man
vergleiche damit ags. aldre (feore) gedigan mit dem Leben
davon kommen. Ferner gistjan (sawalom die Seelen), dazu
usgistjan häufiger mit Akk., fragistjan häufiger mit Dat.; altn.
spilla verderben, z. B. sifjum die Verwandten Vol. 45, bana
töten, z. B. monnum die Männer H. Hı. 26. Verlassen:
got. bilerban, im Sinne von verlassen mit Dat. (so: mis, attin,
genat, allaım, aim lambam, bamma fairhvau) im Sinne von
zurücklassen überwiegend mit Akk.; altn. Zata aufgeben, ab-
lassen, z. B. fyrr skal ek minu fjorvi läta eher werde ich mein
Leben lassen Sıg. III, 15. got. skaidan trennen: Palei nu
gup gavab manna famma ni skatdai 8 ouv 6 Beds auv&lsukev
avdpwros un ywpıLctw Mark. 10, 9.
$ 122. Der prädikative Instrumentalis im Litaui-
schen!) und Slavischen.
1) Über das Lettische sagt Bielenstein, Gr.$590: “Der dem Slavischen
und Litauischen ganz eigenthümliche prädikative Instrumental bei Verben
$ 122.] Kap. VI. Der prädikative Instr. im Lit. und Slav. 363
Schleicher, Gr. 270, Kurschat $ 1329°, 1391, 1411, Bezzen-
berger, GLS. 240, Miklosich 4, 726 ff., Danicie 578 ff.
Der prädikative Instr., den man auch den resultativen
nennen könnte, erscheint ım Litauischen und Slavischen, den
aus indogermanischer Zeit überlieferten Akkusativ oder Nomi-
nativ verdrängend, bei Verben, welche verwandeln in, machen
“zu, werden zu, sein, benennen bedeuten. Ich bespreche zuerst
den Instr. bei benennen. Man sagt im Lit.: vadıno „1 Izaokü
er nannte ihn Isaak; aksl. zovg ofica oficemü patrem appello
patrem; serb. fudyu majku majkom zoves tudjeg oca ocem zoves
eine fremde Mutter nennst du Mutter, einen fremden Vater
nennst du Vater, djevoyke me vragom zovu die Mädchen nennen
mich Teufel, kuda mu se kuderinom zvala sein Haus wurde als
Ruine bezeichnet; ebenso bei imenovati, glasiti, kazatı und ka-
zati se u. 8. w., auch suditi jemanden beurtheilen als, z. B.
punijem zloda svijeh sudi ga er beurtheilte ihn als voll von allen
Bosheiten; russ. zovutü jJego vojevodo7u man nennt ihn Führer
(Mikl.), unzdalü niscago ı nu jego rugati poprosajkoju er erblickte
einen Armen und begann ihn Bettler zu schelten (Äsböth 19).
Ich weiss nicht recht, wie der Instr. bei ‘benennen’ entstanden
sein mag. Er kann sich an den Instr. bei machen zu etwas
angeschlossen haben, und zwar durch die Vermittlung von er-
nennen hindurch. Es ist aber auch möglich, dass die aus der
Urzeit überlieferte Wendung mit Namen nennen den Ausgangs-
punkt bildet, wie sie z. B. im Russischen vorliegt, in Sätzen
wie kakü tebja molodca imenemü zovutü wie nennt man dich
Helden mit Namen? (Buslajev 260), eine Frage, auf die sehr
wohl mit dem Instr. des Namens geantwortet werden konnte,
und zwar um so mehr, da sich kein anderer Kasus als der
natürliche einstellte. — Die übrigen Verba mit dem prädikativen
Instr. bilden eine zusammenhängende, allmählich immer grösser
gewordene Masse. Der Ausgangspunkt der Bewegung ist bei
den Verben zu suchen, welche in etwas verwandeln bedeuten,
wie büt sein (tapt werden?) kommt im Lett. nur selten vor, cf. müsa
wel ir meitäm meine Schwester ist noch Mädchen, d. i. unverheirathet
‚Oppekaln)”.
264 Kap. VL Der prädikative Instr. im Lit. und Slav. [$ 122.
z. B. aksl. pretvori sebe murinomi in Aethiopem se mutarvit,
zizla smokomi izmenivi postquam virgam in serpentem mutavit;
serb. pticom bih se satvorsla ich hatte mich in einen Vogel
verwandelt, provrze se conyekom kakav je i bio verwandelte sich
ın einen Menschen, der er auch gewesen war, da se Turcı govedyu
prometnu dass sich de Türken in Rindvieh verwandeln, ; ona
se protursla stenom und sie verwandelte sich in einen Felsen;
russ. pritvorilsja merteymü stellte sich tot, eigentlich: ver-
wandelte sich in einen Toten (Äsböth 6). Dieser Instr. ist
in einem Satze wie Zizla smokomi tzmenivi nichts anderes als
ein Instr. des Mittels. Denn der Satz heisst eigentlich “eine
Ruthe durch eine Schlange vertauschen, ersetzen’ und ver-
gleicht sich vollkommen mit lateinischen Sätzen wie: nemo nısi
victor pace bellum mutavit (Sallust, vgl. Draeger 1, 513). In-
dem man nun nicht mehr die Handlung des Vertauschens,
sondern die dauernde Ersetzung des einen durch das andere
im Auge hat, entsteht eine neue Färbung des Gedankens: der
resultative Sinn, und so kommt es, dass sich Verba, welche
bedeuten ‘zu etwas machen, zu etwas werden’ anschliessen.
Beispiele sind: lıt. snegas vandenimi pavifto der Schnee wurde
zu Wasser, jis pastös 'dtmonu er wird Hetman werden, k4
vagiü padaryti jemanden zum Diebe machen u. s. w., aksl.
postauljeni byvayeti prozviteromi yeıporoveitaı rpeoßörepos; serb.
ko je mene postavio sudijom ti; ne xat&ornos dixaoıny; Luk. 12, 14,
gradimo ga laZom wir machen ihn zum Lügner 1. Joh. 1, 10,
da ga ucine carem \va noınswawv aötöv Baaılda Joh. 6, 15, od
kako sam knezom nastanuo als ich Fürst wurde, und so bei
manchen anderen Verben des Machens; russ. ja tebja sdelaju
lekaremü ich werde dich zu einem Arzte machen (Äsböth 22),
is ızü Zestokago tiranna sdelalsja mudrymü i krotkimü gosuda-
remü und aus einem harten Tyrannen wurde er ein verstän-
diger und sanfter Fürst (21), tE cypljata vyroski-by bolisimi
kurami diese Küchlein würden zu grossen Hühnern heran-
gewachsen sein (15). Dieser selbe Instr. stellte sich nun auch
bei den Verben ein, welche werden und sein bedeuten, z. B.
lit. Ji5 büs karäliumi er wird König werden, piningat Jam yra
$ 122.) Kap. VL Der appositionelle Instr. im Lit. und Slav. 265
devu das Geld ist für ıhn ein Gott, asz esü zmögumi ich bin
ein Mensch; aksl. dytsi ognjemi yevesdar rüp, rodiwüsi devoju
prebysti postquam peperit virgo mansit; serb. 0% de drugim
hli Skenderbegom er wird ein zweiter Sk. sein (werden), do%
je j08 soldatom bio so lange er noch Soldat war, zbor nt bio
zborom a dogovor dogovorom die Versammlung war keine Ver-
sammlung, aber der Beschluss ein Beschluss, dolye je za godinu
solom nego sto godina kravom (biti) besser ist es für ein Jahr
Ochs als hundert Jahre Kuh zu sein; russ. davno &i ty stalü
durakomü? s techü porü kakü ty perestalü byti umnymü bist
du schon lange Narr? seit der Zeit, wo du aufgehört hast, ver-
nünftig zu sein (Äsböth 24), Lomonosorü bylü rybakomü, potomü
stalü peroymü russkimü pisatelemü L. war Fischer, dann wurde
er der erste russische Schriftsteller.
An diesen resultativen Gebrauch des Instr. bei Verben
schliesst sich der appositionelle, den man sich mit dem bisher
erwähnten durch ein einst vorhandenes Partizipium des Ver-
bums sein vermittelt denke. Beispiele sind: lit. berau szluzyti
als Knecht dienen, pasöjau pipirais ich säete es als Pfeffer
(und es ging auf als etwas anderes). Ebenso im Slavischen.
So erscheint der Instr. als Apposition zu dem Subjekte in:
sirolojg otü roditelü ostavijenü bystü orbus a parentibus relictus
est; sedi vidovicezu vi domu olica svojego xadou yhpa Ev Ti olxp
sarpds aou; devgyu rodıla Jess als Jungfrau hast dugeboren. Neben
einem Subjekt, das in dem bei dem Infinitiv stehenden Dativ ent-
halten ist: dodreje ti jJestit malomostijq vü Zivolü vüniti nakdv aoı
&oıt xuAAöv els hy Cahv eloeABeiv Mark. 9, 43 (vgl.S.267). Neben
dem Akkusativ: obdretosa celyri süta devici devoju eüpov Terpa-
xootas vaavtöas rapdevous. SBerbisch: volim mrijet nego robom
ziyjet lieber will ich sterben, denn als Knecht leben, svaka
je dobra devom ma da je vidimo nevom jede ist gut als Mäd-
chen, aber lasst sie uns als junge Frau sehen. Russisch: jesco
rebenkomü lisılast ona mater: noch als Kind verlor sie die Mutter
(Puschkin), sidelu selino zadumlivymü i grustnymü er sass sehr
gedankenvoll und traurig da (Äsböth 23), onü bylü odetü kaza-
komü er war als Kosak gekleidet (Puschkin).
266 Kap. VI. Der Instr. das Vergleiches im Lit. und Slav. [$ 122.
An diesen appositionellen Instr. schliesst sich dann end-
lich ım Slavischen der Kasus des Vergleiches, wenn nicht
gerade an eine wirkliche Verwandlung des einen Gegenstandes
in den anderen gedacht werden kann oder soll, z. B. aksl.
letajetü orlomü i jastrebomü volat uti aquila vel accipiter; russ.
koli Igori sokolomü polete togda Vlurü vlükomü potece als 1.
wie ein Falke herbeiflog, da lief V. wie ein Wolf herzu
(Buslajev 260); kleinr. cerez temnyj lis jJasnym sokotom Tety,
cerez bystryji vody bilym lebedem plyvy, Cerez stepy datekyji
perepelockom bizy flieg wie ein heller Falke durch den dun-
klen Wald, schwimm wie ein weisser Schwan durch dıe klaren
Gewässer, lauf wie eine Wachtel über die weiten Steppen, oder
sit kamenem consedit lapidis instar. Natürlich heisst das ur-
sprünglich: ‘fliege als Falke’ u. s. w., und diese Vergleichssätze
sind von denen nicht verschieden, welche Miklosich 4, 732 fl.
anführt, wie kleinr. s?ovo vyletyt’ horobcem a verne 5a votom das
Wort fliegt aus als Sperling und kehrt zurück als Stier; russ.
naletela starosti cernymü voronomü das Alter kam als schwarzer
Rabe geflogen.
Wie schon oben bemerkt wurde, nimmt der lıtauisch-sla-
vische prädikative Instr. die Stelle des indogermanischen No-
minativs oder Akkusativs ein, und in der That findet sich
der Nominativ auch noch häufig neben dem Instr. Litauische
Beispiele aus der älteren Zeit sehe man bei Bezzenberger a. a.O.,
z. B. stoiosi iam ir io sunui tarnais und wurden seine und seines
Sohnes Knechte, daneben auch tarnat; kurie wiraı mokıntoiers
buwo welche Männer Lehrer waren, aber auch moktiojer; ıus
diewais este ihr seid Götter, aber auch diewai. Über den
jetzigen Zustand bemerkt Kurschat $ 1329*: “Früher stand das
substantivische Prädikat mehr im Instrumental als im Nomi-
nativ. Man sprach also: asz esü zmögumi ich bin ein Mensch,
Jıs buwo müno gelbetoju er war mein Helfer. Gegenwärtig
bedient man sich des Instr, wenn dem Subjekt ein acciden-
tales Prädikat beigelegt werden soll, als was jemand oder etwas
ist, wozu es jemandem dient”. Statt des für den alten Akku-
sativ eingetretenen Instr. braucht man jetzt nach Kurschat $ 1391
$122.] Kap. VI. Nom. u. Akk. an Stelle des prädikativen Instr. ete. 267
lieber per, sagt also nicht mehr Ag bernu pasisamdyti sich
jemanden zum Knecht miethen, sondern lieber AZ per berng
pasısamdyii. Die Entwickelung im Lit. ist offenbar durch ger-
manischen Einfluss gestört worden. Im Altkirchenslavischen
habe ich im cod. Mar. bei nennen den Instr. nicht gefunden,
sondern den Nominativ, 2.B. chramü moji chramü molitve na-
recetis se 6 olxds ou olxos Tposeuytis xAndnoeraı Matth. 21, 13;
juze nesmü dostojinü narests se synü tvoji xal ouxerı eiıl Akıos
»Ardizvar Örös oov Luk. 15, 19. Verba des Verwandelns mit dem
Instr. habe ich nicht gefunden, bei dyvati werden steht der
Nom.: reci kameniju semu da badatü chlebi eine va ot Aldor
odror Apror ydvavraı Matth. 4, 3; ziv& dbadesi Cnoy Luk. 10, 28;
byvaatü dreovo yiverar d&vöpov Matth. 13, 32. Einen prädikativen
Instr. in der Apposition habe ich, wie oben bemerkt, notiert
aus Mark. 9, 43: dobreje ti jestu malomostijq vü Zivotü vünlılı,
wobei man sich freilich wundert, dass nicht der Dativ steht,
wie in 45: dodreje ti jJestu vünıli vu Zivolü chromu xakdv Eoti
ao eiselderv els nv Cohv XwAdvi). Im Serbischen findet sich eben-
falls der Nominativ häufig so, dass er als Konkurrent des Instru-
mentalis bezeichnet werden kann (s. Danitic7ff.), Beispiele sind:
da se nazoves bantca gospodja dass du dich Frau Banin nennest;
devojka stvori se paunica das Mädchen verwandelte sich in eine
Pfauin; ona se prometnu ovca sie verwandelte sich in ein Schaf;
a vila se nacıni dyevojka und die Vila erschien als Mädchen;
ani mi se ta loZnica tamnica das Lager gestaltete sich mir
(wurde mir) zum Gefängnis {oder, da cınzti se wie videri gebraucht
wird, vielleicht auch: videtur mihi hoc cubile carcer); oxa od loga
casa ostane trudna von dieser Stunde an wurde sie schwanger;
posta ruka zdrava kao i druga die Hand wurde gesund wie auch
dieandre. Belege aus dem Russischen s. bei Buslajev 256. Aus
dem allen folgt, dass der Typus des prädikativen Instr. wohl
schon in der lituslavischen Zeit sich neben dem altüberlieferten
Nom. und Akk. zu entwickeln begann und in den einzelnen
1) Die Übersetzung von xuAA6y durch malomostijg oder bednikomü erklärt
sich dadurch, dass n. gichtbrüchig heisst.
268 Kap. VI. Der Instr. beim Passivum. [$ 122—123.
Sprachen allmählich und in ungleicher Ausdehnung Raum ge-
wonnen hat. Wie sich der Sinn des Instr. gegen den Nom.
in den einzelnen Sprachen abgegrenzt hat, inwiefern ein Unter-
schied noch deutlich hervortritt oder nicht, soll hier nicht er-
örtert werden. Darüber kann nur jemand urtheilen, der sich
für jede einzelne slavische Sprache ein lebendiges Sprachgefühl
erworben hat. Der Entstehungsgrund des Typus selbst liegt
offenbar ın der Undeutlichkeit, die sich bei der Anwendung
des prädikativen Nominativs oder Akkusativs leicht ergiebt.
Darium regem salutant könnte man ja auch übersetzen: “sie
begrüssen den König Darius’, und entsprechend bei dem No-
minativ.
$ 123. Der Instrumentalis beim Passivum.
Im Veda erscheint häufig ein Instr. bei dem Pass., der
ebenso auch bei dem Aktivum auftreten könnte, z. B. $asyass
vacobhth du wirst durch Worte, mit Worten gepriesen, aber
daneben auch Sqsati vacöbhih er preist mit Worten. Die That-
sachen legen, wie aus SF. 5, 135 hervorgeht, die Vermuthung
nahe, dass Wendungen wie usa ribhyate vasisthaih Usas wird
von den V. gepriesen, diesen erst nachgebildet seien, so dass
also der Gebrauch des Instr. als Agens beim Pass. aus dem
Instr. des Mittels beim Akt. entstanden wäre. Im Ai. ist diese
Verbindung immerhin schon so eingewohnt, dass sie auch bei
Verbaladjektiven und Infinitiven erscheint, z. B. nybhir havyahı
durch die Männer anzurufen RV. 7, 22, 7 (vgl. SF. 5, 397),
agnihötrinä naSitavyam ein Agnihotrin soll nicht essen MS. 1,
5, 7 (75, 4). Auch ein prädikativer Instr. liegt vor: pafivratena
bhavitavyam er soll ein nach Art des Viehes Verfahrender sein
MS. 1,8,7 (126, 6), vgl.SF.5,399. Von Infinitivformen können
die auf -2 und -Zav@ mit einem solchen Instr. verbunden wer-
den: nd tena deva ädı3e von diesem ist der Gott nicht zu ver-
höhnen RV. 6, 56, 1, tasmäd ötenaßru na kärtavai darum soll
dieser nicht weinen MS. 2, 1, 10 (11, 21). Aus dem Altkir-
chenslavischen habe ich eine Anzahl von Stellen notiert,
an denen der Instr. bei passiven Partizipien erscheint, z. B.
tristi netromü dvizema xalayos und avduov oaksuduevos Luk. 7,24;
123—124.) Kap. VI. Der Instr. bei Adjektiven. 269
nosimi cetyrimi alpopsvov Und Teoodpwv Mark. 2, 3; iskusa-
jemü sotonojgq reıpalöpevov urd Tod Zarava Mark. 1, 13; v& roZ-
denychd zenams &v yevvntots yuvanav Matth. 11, 11; Aorabi Ze
be po srede morja vülaje se vlünami db 88 nAolov Non p&oov Tic
dalasons Tv Baoavılouevov und twv xuuarwv Matth. 14, 24.
Ich werde auf diesen Instrumentalis bei dem Passıvum
zurückkommen.
$ 124. Der Instr. bei Adjektiven.
Ein soziativer Instr. erscheint bei gleich. So bei samd
im Altind., z. B. samö devaih den Göttern gleich, RV. 6, 48, 19.
Dazu Wörter die mit sa- zusammengesetzt sind, z. B. sajoga
indra varunena sömam pähi zusammen, Indra, mit Varuna trinke
den Soma RV.4, 34,7; av. a$ü hazao86 in Übereinstimmung mit
A. y.29, 7. Ferner ‘befreundet: a3ü kushara mit A. befreundet
y. 32, 2, und danach auch ‘Freundschaft: näsunvatä sakhyam
oasti Surak der Held wünscht nicht Freundschaft mit den
Nichtopfernden RV. 10, 42, 4. — Dieselbe Konstruktion findet
ach im Germanischen, und zwar im Got. bei Ave, was doch
wohl die Instrumentalform ist, in hve nu galeiko bans mans
his kunfis jah hve sijaina galeikai tiv ovdv Öporwasw tods Avdpw-
zOus TÄS yeveäs tauıns xal tive elolv Oporoı; Luk. 7, 31 (vgl.
Grimm 4, 750, Erdmann 2, 249). Sonst erscheint der Datıv,
1. B. koamma galeiks ist tivi &orlv Ouoros; Luk. 6, 47; bei hata
samo 1. Kor. 11, 5. Das mag der echte Dativ sein, der wahr-
scheinlich schon von Anfang an bei diesen Adjektiven gebräuch-
lich war und welcher im Lateinischen allein herrschend ge-
worden ist, wie andererseits der Instr. im Altindischen. Im
Griechischen dürfte der Instr. vorliegen bei ardAavros, wel-
ehes den oben erwähnten ai. Zusammensetzungen mit sa- ent-
spricht. Bei £poros u. 8. w. mag Dativ oder Instr. vorliegen.
Wie bei ‘gleich’ der Instr., Dat. und Gen. (z. B. bei ai. samad,
lat. similis) konkurrieren, so bei ‘voll’ der Instr. und Gen.
Über ai. purnd voll ist unter “füllen’ $ 114 gehandelt. Bei dem
entsprechenden lat. plerus erscheint selten ein Insır. (Schmalz ?
$100, Anm... Je mehr plenus als Adjektivum, nicht als
270 Kap. VI. Der Instr. bei Komparativen. [$ 124—125.
Partizipium, empfunden wurde, desto mehr hat die Konstruktion
mit dem Gen. überhand genommen.
Aus einzelnen Sprachen erwähne ich’noch das slavische
dovolinü zufrieden, das schon $ 115 angeführt worden ist, ferner
dlüfinü schuldig (Miklosich 4, 707), z. B. aksl. izZe be dlüZenü
Jemu sülomiü penezü 05 @perkev adra Exarov örvdpıa Matth. 18, 28:
ebenso bei povininü: ty povininü Timami ziychü du bist schuld
an unzähligem Übel. (Im cod. Mar. habe ich übrigens bei
povininü nur den Dativ gefunden, vgl. $ 139). Dieselben Wörter
treten auf im Serbischen (vgl. Danicic 572). Bei dem lat.
dignus ist der Abl. wohl als ein Instr. pretii aufzufassen.
$ 125. Der Instrumentalis bei Komparativen.
Bei Komparativen erscheint ein sog. Instrumentalis des
Masses, dasjenige bezeichnend, um welches ein Gegenstand
einen anderen übertrifft. Im alten Sanskrit weiss ich ihn —
wohl zufällig — nicht zu belegen. Aus dem Avesta führt
Hübschmann 262 Belege an. Dass dieselbe Konstruktion im
Litauischen vorliege, leugnet Kurschat $ 1532 gegen Schleicher.
Dagegen ist sie sicher belegt im Slavischen, z.B. aksl. mno-
gomi drazejss jJesti glava Toanova multo pretiosius est caput
Johannis (Miklosich 4, 703). Im Lateinischen liegen Wen-
dungen wie paulo plus aut minus, duobus nummis minus aus
allen Zeiten vor (Draeger 1, 520. Im Griechischen ist
roAA@ peilov u. ähnl. erst seit Herodot belegt. Homer hat
nur roAd nellov. Über das Germanische s. Grimm 4, 752.
Im Got. ist noch die Instrumentalform fe in be haldıs eo am-
plius erhalten, ahd. dıw Aalt.
Im späteren Sanskrit kommt gelegentlich der Instr. bei
dem Komparativ im Sinne des Ablativs vor. Die Gründe zu
ermitteln, überlasse ich den Kennern dieser Literatur. Nach
Pischels Ansicht zeigt sich dieselbe Erscheinung vereinzelt
auch in der älteren Literatur, was ich SF. 5, 137 bestritten
habe. In den von ihm und Geldner herausgegebenen Vedi-
schen Studien 1, 309, Anm. wiederholt Pischel seine Ansicht,
ohne näher auf die Sache einzugehen, und verweist auf J.
Schmidt, Pluralb. 131 f. Ich kann aber Schmidt in seiner
5125-126.) Kap. VI. Der Instr. der Ursache. 271
Auffassung von RV. 10, 70, 5 nicht beistimmen, sondern sehe
in den dort angeführten Worten eine Aufforderung an die gött-
lichen Opferthore, sich entweder zu heben oder aufzuthun:
‘berührt entweder den weiten Rücken des Himmels oder thut
euch auf nach dem Mass der Erde, d.h. so weit wıe die Erde
ist. An rarıyah im Sinne von urd ist kein Anstoss zu nehmen
(vgl. SF. 5, 192), und dass mätraya in dem von mir gewählten
Sinne aufzufassen sei, dürften wohl die von Böhtlingk-Roth
s. v. angeführten Parallelstellen zeigen. Auch ist die Zu-
muthung an die Thore, welche doch auf der Erde befindlich
gedacht werden, sich weiter als die Erde zu öffnen, etwas stark.
Auch was Geldner, Ved. Stud. 2, 32 bemerkt, hat mich nicht
überzeugt.
$ 126. Der freiere Instrumentalis (der Ursache und
der Beziehung).
1. Der Instr. der Ursache.
Arisch. Für das Altind. z. B. väghddbhir aSvina gatam
um der Opferer willen, o ihr A., kommt heran RV. 8, 5, 16,
ebhir bhaca sumänä agne arkäih um dieser Lieder willen sei
wohlwollend, o Agni RV. 4, 3, 15; jarasa marate patıh in-
folge von Alter stirbt der Gatte 10, 86, 11, sa bhifa ni lilye
er versteckte sich aus Furcht SB. 1, 2,3, 1. Mit dem Instr.
konkurriert der Ablativ (vgl. auch Speijer 52). Ein Beleg aus
dem Avesta ist ahe raya zwarenaphaca tam yazäı um ihrer
Macht und Hoheit willen will ich sie verehren yt. 5, 9. Im
Slavischen scheint dieser Instr. selten zu sein. Man kann
etwa anführen: ne mo2eacha besedovatı kü njemu narodomi ovx
1öuvayto cuvruyeiv aurw örd töv oyAov Luk. 8, 19, azü Ze gla-
demi gybljq &yw ö& Aıu@ andAlupar Luk. 15, 17. Im Latei-
nischen und Germanischen ist bei Wendungen dieser Art
der Kasus nicht genau zu bestimmen, da auch der Abl. (der
ja in diesen Sprachen mit dem Instr. zusammengeflossen ist)
in Frage kommen könnte (vgl. ALI. 18). Ebrard 588 ff. führt
denn auch das, was ich hier erwähne, unter dem Ablativ an. Mir
erscheint es jetzt wahrscheinlich, dass jedenfalls auch der Instr.
stark betheiligt ist. Beispiele sind: ut me hodie jugularem fame
272 Kap. VI. Der Instr. der Beziehung etc. [$ 126.
(Plautus), pavore pecuda in tumulis deserunt (Attius), Zacrumo
gaudio (Terentius), aelate patres appellati sunt (Sallustius), ferner
die Abl. aufw, z. B. iuo arcessitu venio (Plautus!, endlich caussa,
gratia u. ähnl. Aus dem Germanischen gehören hierher
Wendungen wie: thü hungiru nirstirbist bei Otfrid (Erdmann
2, 251), oulf hungre heöfed der Wolf heult vor Hunger, Grein
2, 344 (Vers 150). Griechisch. Einige Beispiele aus Homer
sind: Beds ws Tlero önmp oABw Te nÄourp te xal uldoı xuöakt-
more & 205; Ar otxtıotov Daveeıv 1 342; yElp Exdavov o 100;
Yeuyovras dvayaıy A 150; yyaoy del nal desnestg nölıy 00x ala-
maßeıs 7 avöpav xaxdımrı xal appaöly moAduoro B 367; oo pev
ap puorntl y” Exeudavov I’ 453; dyelaooe BE ol Pilov Frop m-
doouvn ® 389 (so wohl auch N 29).
2. Der Instrumentalis der Beziehung, besonders
bei Adjektiven (vgl. ALI. 67).
Im Arischen z. B. apärd öjasa unvergleichlich an Kraft,
saumyd vai devataya pürugah somaisch der Gottheit nach ist
der Mensch, vereinzelt namna mit Namen (vgl. SF. 5, 128).
Ebenso im Litauischen und Slavischen. Es treten In-
strumentale zu Adjektiven, z. B. lit. (vgl. Schleicher, Gr. 268
und 270) silpnas kojomis schwach auf den Füssen (eig. mit
den Füssen), ven& akim), üklas auf einem Auge blind. Über
das Slavische s. Miklosich 4, 719, z. B. aksl. glavoyu « bradoyu
sedi mv xapav xal To yEveov noluos, skudobradü licemi bartlos
von Gesicht; serb. (Danitit 573), z. B. veliki tiyelom a malen
djelom gross an Leib, aber klein an That, Aako du vesela licem
biti kad mi je dusa bolesna wie kann ich heiter von Antlitz
sein, wenn meine Seele betrübt ist?, nezdravi s tijelom i dusom
ungesund an Leib und Seele. Altrussisch: rostom& srednej,
volosomü temnorusü von Gestalt mittel, von Haar dunkelbraun
(Buslajev 258). Ferner treten die Instrumentale der Wörter
‘Name, Volk’ u. ähnl. zu Substantiven, so im Litauischen Mikas
vards Nikolaus mit Namen (vgl. dazu Kurschat 384), aksl.
elovekü bogatü otä Arimateje imenemi Iosifü rouvopa ’Ioor»,
Matth. 27, 57; si7 bese rodomi murini oLros tw yevar Tv aldiod
(bei Miklosich).
$ 126.) Kap. VI. Der Instr. der Beziehung etc. 273
Danach liegt auch in den übrigen Sprachen der Instr. vor.
Im Lateinischen in Ablativen wie: mihi germanus pariter
animo el corpore, qus sunt genere proxumi, sum perniz manibus
pedibus mobilis (Terentius), vgl. Ebrard 651. Dazu die bekannten
nomine, natıone, ferner claudus altero pede u. s. w. Im Griechi-
schen und Germanischen der Dativ. Für das Griechische
verweise ich auf ALI. a. a. O., 2. B. Big ȣptepos o 234, xal-
lıtos rormtApacı Z 294, pelwy uEv xepaid, Ayapeuvovos Atpetdao,
eupurepog 5 wuoratv löE orepvorowv lögsdar 1'193. Bei ‘gross’
und ‘klein’ steht der Begriff “Grösse, Menge’ im Instr., nicht
bei Homer, so vıel ich weiss, wohl aber bei Herodot, z. B.
peyaßei weyadoug 1, 51, vgl. 5, 31; yeyadei Zovres onıxpof 2, 74;
zındei roAlas 6, 44. Wegen övoparı (neben övona) vgl. Krüger
46,4, 3. Belege aus dem Gotischen s. Gabelentz-Loebe 234,
ı.B. audagai jus unledans ahmin glücklich ihr, die ihr arm
sid an Geist Luk. 6, 20; gimib ains Bize synagogafade namin
Ineirus Epyerar eis Tüv dpyısuvayaywv övopatı Iderpos Mark.
5,22; Daruh anakumbidedun vairos rabjon svasve fimf Pusund-
Jos Av&necov o0v ol Avöpes töv Apıddv wol mevraxıoylAroı Joh.
6,10, wobei es sicher ist, dass raßjon Dativ ist, da der Akk.
der Beziehung des Griech. durch den got. Dativ wiedergegeben
zu werden pflegt (vgl. ja% gasleibeip sik saivalai seinai Knpıwd
mw bugnv Mark. 8, 36; gaskohai fotum broöroapevor Toüg nödag
Eph. 6, 15; gaskohai suljom brodedeu&vous oavöalıa Mark. 6, 9;
ganasjan bans gamalvidans hairtin Tasasdaı Toug auvrerpiumevoug
my xapölav Luk. 4, 18 u.s.w.). Weiteres bei Grimm4, 750. Alt-
nordische Belege s. bei Lund 132, z. B. Deir varu menn fridir
sjönum, litlir vexti sie waren Männer schön von Gesicht, klein
von Wuchs; Aaltr eptra feti lahm am hinteren Fusse.
Es versteht sich übrigens, dass dieser Instr. auch neben
Verben, nicht bloss neben Adjektiven erscheinen kann, z B.
ai. argi bhavatı nargena vihürchati hat alle Körpertheile, nimmt
nicht Schaden an einem Körpertheil Chänd. Upan. 2, 19, 2;
got. Jah Iesus hath frodein jah vahslau jah anstai at gupa
jah mannam xal Imsoös rpoodxonte sopla xal Adıxiq xal yapırı
Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm. Sprachen. TI. 18
274 Kap. VI. Anhang. Der hom. Kasus auf auv). [$ 126—177.
rapa Bew xal avdpwroıs Luk. 2, 52. Doch ist die Verbindung
mit Adjektivis die häufigste.
Anhang.
6 127. Der homerische Kasus auf gıfv).
Die neueste mir zu Gesicht gekommene Abhandlung über
diesen viel besprochenen Kasus ist die von H. Pratje, Progr.
des Progymnasiums zu Sobernheim, Göttingen 1890. Ich be-
ziehe mich im Folgenden auf dieselbe hinsichtlich der Zitate,
beschränke mich übrigens auf den homerischen Gebrauch.!)
So viel ich weiss, ist es noch nicht gelungen, diesen Kasus
in befriedigender Weise in das System der Kasus einzufügen.
Vielleicht wird es gelingen, wenn man zuerst die Frage beant-
wortet, welchem Numerus die Formen mit oıv angehören. Ich
zweifle nicht, dass dıes der Plural ist. Von den bei Homer
vorkommenden den Substantivis angehörigen Formen sind sicher
pluralisch: vaöpıy (8$mal). Dies Wort ist besonders wichtig,
weil es so häufig vorkommt, dass der Zufall ausgeschlossen
erscheint, und weil man nicht sagen kann, dass es numeruslos
gebraucht wäre, was man etwa von dedo:v (7 mal) sagen könnte,
welches übrigens nach meiner Auffassung stets pluralisch zu
fassen ist. Sodann dstedaıw (3), XotuAndovögıv (1). Eine beson-
dere Gruppe bilden die Wörter, welche entweder nur oder
überwiegend im Plural erscheinen. Dahin gehören: txpıdoıw (5),
Sarpuögpıy (7), öpeapıv (7), öxzapıv (23), arndeopıv (8), Böpnpıv (2,
auch düpa: ist ja viel häufiger als düöpn). Wahrscheinlicher
oder möglicher Weise pluralisch sind ausserdem aufzufassen:
veupfiptv. Mehrere Sehnen sind gemeint O 313, I1 773, an den
übrigen 5 Stellen ist nur von einer Sehne die Rede. Man
erwäge aber, dass A 122 veüpa gleich veupn ist; eövfiow wird
4mal gebraucht, immer nur vom Lager eines einzelnen, aber
in diesem Falle steht doch auch der Plural in 88 »aol Tupw&os
Euuevar eövds B 783, raldungıv Amal, in Sätzen wie öyyos, & ol
1) Igı, vöspev und dr.ovösgev sind aus bekannten Gründen übergangen.
$ 127.] Kap. VL Anhang. Der hom. Kasus auf zı{v). 275
raläunpıv dpnpeı kann pluralisch gedacht sein nach: ”Aprs 8 &v
zalaunor reAmprov Eyyos Zvapa E 594. Dazu kommen einige
Abstrakta, welche ja in der alten Sprache häufig pluralisch
sind (vgl. $ 51), nämlich aykatngı Z 510 f., vgl. Aydlatas p 244;
Btnow, welches 6 mal auf mehrere Subjekte, 15 mal auf ein Sub-
jekt bezogen ist (Bias bezieht sich freilich immer auf mehrere
Subjekte); dvayxatnoı Y 143; nvopenp: A 303. Doch kann ich
nichts dagegen einwenden, wenn jemand diese Wörter lieber
saingularisch auffassen will. Unter den als Singular gebrauchten
Formen giebt es nur wenige, die öfter vorkommen, nämlich
wradipıv (8), naosaddaı (3), Eoyapdaıy (3), Loydpıw (2), aydinpı (2,
doch ist II 487 hinsichtlich des Numerus unsicher). Alle übrigen
kommen nur je einmal vor, nämlich yevejpıv, &peßespıv, Wıdeı,
Austnor, xpareopı, neladpdpıy, rovrögıv, (nAardos) nrudgıv, orpardgı,
Dölnpı, Ppntpnpiv, gaAxdpı.
Das Pronomen aördpıw ist M 302 singularisch gebraucht,
A 44 pluralisch (auf den Dual-Plural aAxıpa doüpe dw bezogen).
An einigen Stellen schreibt Nauck aörödı. Wenig in’s Gewicht
fallen die Adjektiva, welche eine erst angelehnte Endung haben.
Pluralisch wird &rxl deticow und Er’ äpıstepöpıv N 308 sein, ver-
glichen mit &r! öefıa H 238, singularisch ist gawvope&vmgpıv (mit
he), Erepnpr, defitepnpw. Zweifelhaft wie Bingw bleibt net.
Danach sind die Formen, welche ın festem und geläufigem
Gebrauch sind, überwiegend pluralisch. Den Übergang zum
angularischen Gebrauch vermittelten Wörter wie daxpudaıv (wo
taxpua und ödxpu gleich gebraucht erscheinen). Manche der
singularischen Formen sind gewiss nur Augenblicksbildungen
der epischen Sprache.
Wenn somit yıv dem Plural angehört, wird es gleich ai.
bhis sein, also vaöyıy gleich naubhis. Das v macht freilich eine
Schwierigkeit. Aber ich mache darauf aufmerksam, dass die-
selbe, auch durch die neuesten Untersuchungen noch nicht
gelöste Schwierigkeit bei -xıs, -xıv und -wues, -uev besteht.
Hinsichtlich des Kasusgebrauches habe ich früher
(ALT) nachgewiesen, dass gıy im Sinne des Instrumentalis, Ab-
kative und Lokalis verwendet wird. Instrumentalisch sind
18*
276 Kap. VI. Anhang. Der hom. Kasus auf gılv). [$ 127,
demnach Gebrauchsweisen wie: adrdp 8 B7 xaAlcwv ‘Ayapdıvova
rosva Aaav Innos xal öysopıy 5 532, mit adtds 8 290, A 699;
dedgıv bei Aralavros, &ripmpı bei Aalero, yEvro, Avkoyev ; Sskrrepf-
ow bei Aaßs; Ping bei xapdneosda und sonst; öaxpudgıy bei
rluriapar; dyaopıv bei dyaddopaı; Binpıv bei duetvov und pe£prar;
xsveng: bei vewrspos; ferner bei den Präpositionen cöv, äya,
vielleicht auch öı4. Ablativisch ist pıv in vaüpıv bei doop-
undelev; ralayıngıv bei niydn; daxpusoıv bei tepoovro; neladpdgıv
bei &fexeyuvro ; "Ep£ßeopıv bei önd xdovds Tixe pdwabe; vadpıy bei
Auuvduevor. Ferner bei den Präpositionen And, &, xara, rapa,
önd. Lokativisch ist gıy in aydAnpı, xArolnoı, dpeogıv, Höpromw,
xepalfipıv K 30, wohl auch ralayınyıv bei dpnper und bei den
Präpositionen dppi, &v, &rt, napd, rpds, Oro.
Bei reroıda kommt Instr. oder Lok. in Frage.
Zweifelhaft bleiben einige Stellen, die man entweder müh-
sam unter eine der drei genannten Kategorien unterbringt,
oder dem Genitiv und Dativ zuweist. Mir scheint es natürlich
in xegaliipıv &rel Aaßev Il 762 den Gen. anzunehmen (wie auch
in rpöuvndev O 716), ebenso in Teruoxöpevos xewalüipıvy A 350
und in ’IAropı ® 295 (Nauck ’lAloo), den Dativ in ppnrprpıv B 363.
Billigt man diese Ansicht, so hat man eine künstliche Aus-
dehnung des Gebrauchs durch die Nachdichter anzunehmen.
Wie man sieht, ist die Kasusvermischung im Plural andere
Wege gegangen als im Singular. Während der Ablativ sich
im Sing. mit dem Genitiv vereinigte (vn&), vereinigte er sich
im Plural mit dem Instrumentalis (vaöpıw). Nachdem dieser
Zustand eine Weile gedauert hatte, drang das Vorbild des
Sıngulars auch ım Plural durch, sodass vnav auch ablativisch
wurde. Dieser Umstand wird wesentlich zur Verdrängung der
Endung oıv beigetragen haben. Mit Vermuthungen darüber,
warum oıy auch lokativisch wurde, möchte ich den Leser nicht
behelligen.
> 000 -
$ 128.) Kap. VII. Der Dativ. 277
Kapitel VIl. Der Dativ.
$ 128. Über den Grundbegriff des Dativs ist $ 68 gehan-
delt worden. Die Eintheilung des gesammten Stoffes entnehme
ich dem Umstand, ob der Dativ nur zu einem einzelnen Wort
(Verbum, verbalem Substantivum, Adjektivum) oder zu der
ganzen Satzaussage in ein Verhältnis tritt. In dem ersten
Theil behandle ıch zuerst die Verba, bei denen der Dativ
erscheint, und zwar habe ich, meiner Gesammtauffassung ge-
mäss, den Ziel-Dativ bei Verben an das Ende gestellt. Die
Anordnung der einzelnen Gruppen der in betracht kommenden
Verba hat nothwendig etwas Willkürliches. Die grosse Masse
der Verba zu erschöpfen, war nicht meine Absicht, doch sollten
die Hauptgruppen erwähnt werden. Nicht berührt ist die Ver-
bindung der mit Präpositionen zusammengesetzten Verben mit
dem Dativ. Ich habe die Darstellung dieser interessanten
Erscheinung der Syntax der Einzelsprachen überlassen zu sollen
geglaubt. — Unmittelbar an die Verba schliesst sich der von
diesen herübergenommene Dativ bei verbalen Substantiven,
2. B. bei Aeschylus: rupös Bporots öorip Öpäs Ilpoundda. —
Darauf folgen die Adjektiva, welche ebenfalls zum bei weitem
grössten Theile ihre Konstruktion von den Verbis entlehnt
haben. Ob das auch bei priya, otkos u. s. w. der Fall ist, oder
ob hier ein adnominaler Dativ, wie er weiter unten zu be-
handeln ist, vorliegt, lasse ich dahingestellt.
In dem zweiten Theil ergiebt sich ein weiterer Ein-
theilungsgrund aus der Natur des betheiligten Nominalbegriffs.
Derselbe kann entweder konkret (und zwar dann fast durch-
aus persönlicher Natur) sein oder abstrakt oder ein Zeit-
begriff. Für den ersteren Fall entstehen naturgemäss fol-
gende vier Unterabtheilungen. Entweder ist der Dativ ein
sog. Dativus commodi, oder ein Dativus ethicus (von dem
ersteren nur dadurch unterschieden, dass er ein Pronomen ist)
oder der Dativ besteht in einem aktivischen oder medialen
Partizipium (das aber nicht allein zu stehen braucht, sondern
378 Kap. VII. Der Dativ. r& 128,
sich auch an ein Substantivum anlehnen kann), oder endlich
der Dativ tritt zu einem passivischen Partızıpıum und wirkt
dann als Agens. Den zweiten Fall bildet der sog. finale
Datıv. Es ist mir natürlich wohl bewusst, dass auch diese
Eintheilungen schwankender Natur sind. Es giebt Dative, bei
denen man im Zweifel ist, ob man sie unter die Rubrik des
Dativus commodi oder des finalen Datıvs bringen soll. Der-
gleichen sind unter dem finalen Dativ erwähnt worden. Der
dritte Fall betrifft den Dativ bei Zeitbegriffen. Den Schluss
bildet der adnominale Dativ.
Demnach ergiebt sich folgendes Schema:
I. Der Dativ bei Verben, verbalen Substantiven und Ad-
jektiven.
$ 130. Geben, sagen und verwandte Verba.
$ 131. helfen, dienen (schmecken, gelingen), hassen, zür-
nen, betrügerisch verfahren, freundlich gesinnt sein gegen,
(wollen, hoffen, sich wundern im Slavischen).
$ 132. Glauben, gehorchen, hören, Acht haben, bemerken,
verstehen.
$ 133. Walten, regieren (siegen).
$ 134. Gewöhnen, lehren, lernen.
$ 135. Sein.
8 136. Dativ des Zieles.
$ 137. Dativ des Objektes im Germanischen.
$ 138. Dativ bei verbalen Substantivis.
8 139. Bei Adjektivis.
H. Der Dativ zur Ergänzung der Satzaussage.
$ 140. Der Dativus commodi.
$ 141. Der Dativus ethicus.
$ 142. Der Dativ eines aktiven oder medialen Parti-
zipiums.
$ 143. Der Dativ bei einem passiven Partizipium.
$ 144. Der finale Datıv.
$ 145. Der Dativ von Zeitbegriffen.
$ 146. Der adnominale Dativ.
$ 129.) Kap. VIL Der Dativ. 279
$ 129. Vor dem Eintritt in die Darstellung sind noch
einge Bemerkungen über den Dativ in Einzelsprachen zu
machen.
1. Altindisch. Ludwig, Rigveda 6, 257 stellt Fälle zu-
sammen, in welchen, wıe er sich ausdrückt, der Lokal statt
des Datıvs, der Dativ statt des Lokals und beide gleichbe-
deutend neben einander stehen. An eine wirkliche Ersetzung
des einen Kasus durch den anderen ist natürlich nicht zu
denken, es handelt sich vielmehr um Fälle, in welchen beide
Kasus zur Erzielung des gewünschten Gesammtsinnes etwa
gleich gut verwendbar erscheinen, ohne doch dadurch gleıch-
bedeutend zu werden. Es ist wahrscheinlich, dass die Rück-
sicht auf das Metrum nicht selten die Wahl geleitet hat. Sätze,
in welchen der Lokalis statt des Dativs stehen soll, sind z. B.:
imam te vücam vasuyanta äydvo rätham na dhirak svdpa ata-
köifuh sumnäya tvam atak$isuh, Sumbhänto jenyam yalha vajegu
tipra väyinam dieses Lied haben dir gutbegehrende Menschen
gefertigt wie ein geschickter Künstler einen Wagen, sie haben
dich gefertigt (gestimmt) zum Wohlwollen, dich herausputzend
wie einen edlen Renner bei Wettkämpfen RV. 1, 130, 6. Ludwig
übersetzt: “wie ein edles Ross zu Kraftthaten’, setzt also vajegu
in Parallele zu sumnüya. Offenbar ist es nicht nothwendig,
eine so enge Beziehung anzunehmen, und auch wer dem schwer
fassbaren vaja nicht die Bedeutung “Wettrennen’ zuerkennen will,
sondern mit Ludwig ‘Kraftthat’ annimmt, kann mit dem ‘prä-
gnanten’ (Pischel-Geldner, 1, 150) Lokalis ‘bei Kraftthaten, wenn
es sich um Kraftthaten handelt’ gut auskommen. RV. 1, 165, 2
kö adhvare marüla a vavarta übersetzt Ludwig, “wer hat zum
Opfer her kommen gemacht die Marut” Warum nicht: “wer
hat bei dem Opfer hergelockt?’ ye agna dadhire düvah 4, 8, 6
heisst natürlich ungefähr so viel als “welche Agni Dienst gethan
haben’, aber warum soll man nicht auch sagen können: ‘seine
Ehrerbietung bei jemand darbringen’? Der Dativ statt des Lo-
kalis soll stehen in Fällen wie der folgende: dyaus ca tva
prthivi yajhiyaso ni hötäram sädayante damäaya Himmel und
Erde, die Götter setzen dich als Priester nıeder für ihr Haus
280 Kap. VII. Der Dativ. (8 129,
3,6, 3. Freilich ist dame, wie Ludwig bemerkt, in ähnlichen
Wendungen das Gewöhnliche, aber warum soll der Datıv da-
mäya nicht zur Geltung kommen? 3, 37, 3 ist abhimätigahye
ein “prägnanter’ Lok.: ‘wenn es sich um Feindebesiegung han-
delt’. 8, 70, 2 hastäya vajrah präti dhäyi darSatö mahö dive
na süryah heisst nach Ludwig “in des Hand der Keil gelegt
wie die Sonne an den grossen Himmel’. Indessen man kann
wohl auch sagen “die Sonne dem Himmel ansetzen’, wie wir
sagen ‘jemandem ein Bein ansetzen’. Der Dativ bei dhä, den
Ludwig einigemal auffällig findet, erklärt sich, wenn man be-
denkt, dass dAa sich in seiner Bedeutungsentwickelung nahe
mit da berührt. Ein Beispiel für die gleiche Bedeutung von
Dativ und Lokal soll sein: {dm it sakhitvd imahe tam räye
tam suvirye 1, 10, 6, was ich übersetze: “ihn gehen wir an in
Sachen der Freundschaft, zum Zweck des Reıichthums, ın
Sachen der Heldenkraft'. Ich glaube also (was hier nur an
einigen Belegen gezeigt werden sollte), dass es Aufgabe des
Erklärers ist, überall den eigenen Sinn des Kasus zur Gel-
tung zu bringen.
2. Iranisch. Über eine gelegentliche Verwechselung der
Endungen des Dativs und des Instrumentalis plur. s. S. 233.
Oben $ 75 ist ausgeführt worden, dass und warum der alt-
persische Dativ in den Genitiv aufgegangen ist. Ursprünglich
dativisch war nach meiner Meinung der Kasus bei Pal sagen,
pati-i gehorchen, upastam bar Hilfe bringen, duruj betrügen.
Spiegel, Gr. 441 fasst zwar den Gen. bei dem letzten Verbum
anders, ich halte aber meine Auffassung für natürlicher, da
das entsprechende ai. drul mit dem Dativ verbunden wird
(SF. 5, 142). Dagegen sehe ich in dem Kasus bei den Verben des
Seins, den Spiegel für den Dativ hält, einen echten Genitiv.
Sodann sei hier erwähnt, dass Spiegel 432 einen avestischen
Dativ annimmt, der in der Bedeutung ‘bis zu’ stehen soll. Ich
fasse die Hauptstellen folgendermassen auf. Den Dativ bei garez
klagen stelle ich zu dem Dativ bei den Verben des Sprechens.
yt. 12, 24 yahmab me haca frazgadaite aredvi sura anähttla
hazaseräi baresna virangm übersetze ich: von welchem meine
5129-130) Kap. VII. I. Der Dativ bei geben, sagen u. Ahnl. 281
A. herabstürzt in der Höhe für tausend Männer (in der Höhe,
welche für tausend Männer geeignet ist, so dass tausend über-
einander stehen können). In vd. 13, 3navanaptayagciß he uroänem
‚paramerencaiti ist wohl ein Dativ wie in $ 145 (Zeitbegriffe) zu
erkennen: er schädigt seine Seele für die Zeit bis zur neunten
Generation. Die beiden anderen Stellen sind mir nicht recht
deutlich.
3. Germanisch. Ich verweise auf Erdmann 2, 195 ff,
wo ausgeführt ist, dass die einzelnen germanischen Dialekte
im Gebrauch des Dativs bei Verben vielfach abweichen, und
dass der Akkusativ im Laufe der Zeit dem Dativ Boden ab-
gewonnen hat. Diese Gesichtspunkte konnten in meiner Dar-
stellung nicht zur Geltung gebracht werden.
L
Der Dativ bei Verben, verbalen Substantiven und Adjektiven.
$ 130. Geben, sagen und verwandte Verba.
Der Dativ bei geben ist überall verbreitet. In den Dativ trat
in der ältesten Zeit gewiss nur ein belebtes Wesen. Doch findet
sich bereits in den arischen Sprachen ein anderer Begriff, z. B.
maht cand tvam adrivah püra Julkaya deyam selbst grossem
Preise (für grossen Preis) würde ich dich nicht hingeben,
o Indra RV. 8, 1, 5; ye va möi yä garpä dazde atnarhg wer
mein Haus dem Leide übergiebt y. 46, 8. Und ebenso schon
bei Homer: pıv Zöunoıv Zöwxev E 396, F yEv p dydeool ye du-
®4 2167. Unter die allgemeine Rubrik ‘geben’ rechne ich
auch ‘opfern’ u. dgl., und anschliessen lässt sich ‘zeigen’, z. B.
a. dis, av. dis, gr. delxvop. Die Konstruktion der Verba des
Gebens ist in mehreren Sprachen auch auf die des Nehmens
übertragen worden, so im Slavischen, z. B. aksl. i je2e imatü
vüzimelü sg otünjego xal d Eyaı äpdnoetaı dm’ adroö Matth. 13, 12.
In Serbischen aber ist für otö njego der Dativ eingetreten:
uzece mu se i ono Sto ima. Im Litauischen wird atimti weg-
nehmen mit dem Dativ verbunden. Wegen des Slavischen
vergleiche man noch Miklosich 4, 586, Danitic 335. Über das
282 Kap. VUI. I. Der Dativ bei helfen, hassen u. ähnl.. [$ 130—131.
Lateinische s. Schmalz ? $ 83. Im Griechischen Homer’s
findet sich der Dativ bei araupaw (z. B. Bupöv moA&escı), bei
apapeonar (z. B. voorımoy Fpap Totoı), bei apraleıv (oxöpvous @).
Die Belege bei Günther 23. Besonders gut lässt sich im Ger-
manischen sehen, dass diese Konstruktion keine ursprüng-
liche ıst. Wie Erdmann 2, 214 bemerkt, wird die Person, der
etwas fortgenommen wird, im Got. mit af, fram, us, im Ahd.
mit for verbunden, doch genügt auch bei Otfrid schon der
blosse Dativ. Sagen und Verwandtes Arisch: aı. z. B.
tasmä eldd abravit er theilte ihm dieses mit; av. mraop ahurd
mazdä spitamäi zarapustrai A. M. sprach zu 8. Z. yt. 3, 1. So
bei vac in beiden Sprachen, bei ai. al, av. du und verschie-
denen Wörtern, welche verkündigen u. ähnl. bedeuten. So
auch klagen: kathä ha tdd varunaya tvdm agne katha dive
garhase kan na ägah warum klagst du denn dem Varuna,
warum dem Dyaus diese unsere Verschuldung, welches ist sie?
RV.4, 3, 5; xz$mäibya geus urva gerezdä euch klagte der Geist
des Rindes y. 29, 1. Übrigens kann im Ai. die Person, die
man anredet, im Akk. stehen und daneben ein Akk. des Ge-
sagten auftreten, vgl. den Akkusativ. — Derselbe Dativ im Li-
tauischen, z.B. bei sakyt:, ım Slavischen, z.B. bei aksl. rests,
glagolati. Die grosse Menge der griechischen Verba sind, so-
weit es Homer angeht, bei Günther 23 ff. aufgezählt. Mit vac
stimmt fer übereın. Im Germanischen schliesst sıch ad-
sagen an sagen wie nehmen an geben.
$ 131. Helfen, dienen, hassen, zürnen, betrüge-
risch verfahren, freundlich gesinnt sein gegen (wol-
len, hoffen, sich wundern im Slavischen).
Helfen, dienen. Aus dem Altindischen kommen
namentlich in betracht: $a%k helfen, sidh zu Statten kommen
nützlich sein, daßasy zu Willen sein, Ehre erweisen, da$ und
vidh einem Gott huldigen. Dazu mrad nachgiebig sein gegen
jemand. Aus dem Lateinischen consulo, prospicio, medeor,
dazu parco, adjuto, welches in der plebejischen Sprache den
Dativ hat, servio. An helfen und dienen schliesst sich nützen
und schaden, so prosum, obsum, noceo. Litauisch: kam padet:
$ 131.] Kap. VII. I. Der Dativ bei helfen, hassen u. ähnl. 283
(auch gelbes, das aber gewöhnlich mit dem Akk. verbunden
wird), szlüzyts u. ähnl. Slavisch: aksl. pomozi namü hilf
uns Mark. 9, 22, serb. mili boze pomozi svakome, svakom bratu
iı dobru junaku lieber Gott hilf einem jeden, jedem Bruder und
guten Helden, russ. pomogs: jemu hilf ihm; aksl. kto mine
sluzitü wer mir dient Joh. 12, 26, serb. ne moZete sluZiti bogu
i bogatstou ihr könnt nicht Gott und dem Mammon dienen,
ebenso russ. sluäii. Weiteres bei Miklosich 4, 593. Im
Griechischen yparopew, aptyyo und mit der Nuance des Ver-
theidigens und Abwehrens altto, Auuvo. Im Germanischen
gehören got. Verba wie andbahljan, siponjan, skalkınon dienen
hierher (Köhler 15), ferner Alerdyan sich jemandes annehmen.
Weitere Verba verwandter Bedeutung, wozu man auch ahd. folgen
rechnen kann, s. bei Grimm 4, 687. Merkwürdig ist, dass got.
hilpan nicht den Datıv, sondern den Genitiv bei sich hat
[beina, unsara, ize, meinaizos ungalaubeinais). Es scheint ein
vereinzelter Rest jener Gruppe, der griech. p&öonar u. s. w. an-
gehören. In den andern Dialekten hat es Akk. und Dativ
(vgl. Erdmann 2, 195). Schmecken, gelingen, gefallen,
scheinen. Da die Kasus, welche bei den subjektlosen Ver-
ben erscheinen, bei diesen behandelt werden sollen, erwähne ich
hier nnr kurz: ai. soad schmecken, ardh und kalp gelingen,
lat. placeo, videor, libet, licet, lit. sektis gelingen, aksl. ugoditi
gefallen, griech. avöavo, doxdw, walvonar, got. galeikon (Grimm
4,698). Hassen, zürnen, betrügerisch verfahren. Aus
dem Altindischen gehören hierher har, krudh, asüy zürnen,
gla Widerwillen empfinden, druh betrügen, z.B. nd satanunap-
trıne drögdhävyam einen Schwurgenossen soll man nicht betrü-
gen, vgl. SF.5, 142. Aus dem Lateinischen etwa znvideo, mi-
nor. Aus dem Slavischen lässt sich anführen: aksl. ne lüZete
drugü drugu y.r yeuöeode eis aAArAou; (Miklosich 4,584, 5, im Serbi-
schen nicht mehr Dativ, sondern: ne la2ite Jjedan na drugoga). Serb.
ko zlıma opraßta, dobrima Skodi wer den Bösen verzeiht, schadet
den Guten; ko kriva alt, pravom grijesi wer den Bösen schont,
sündigt gegen den Gerechten (Daniti6 341). Beneiden: Aksl.
Adamu vü porode vüzavide Adamo invidit in paradiso (Mikl.4,594),
284 Kap.VII. I. Der Dativbei zürnen, freundlich gesinntseinu. äbnl. /$131.
serb. zavidıla svojo7 zaovıcı sie beneidete ihre Schwägerin, russ.
zavidovali komu rü cömü. Daran schliessen sich die Verba des
Spottens, gewöhnlich mit persönlichem Dat.: aksl. rggatı se
jemu &uraileıv auto Luk. 14, 29 (im cod. Mar. nur Jemu\, serb.
(Danicie 338 f.) rugala se sova sjensci die Eule spottet über
die Meise, russ. rugala mafi malicisku eine Mutter verspottete
(schalt aus) ihren Jungen (Äsböth 4). Ebenso bei aksl. smijati
se verlachen (jemu), serb. smiyati se, russ. smejalisi etoj sutke
lachten über diesen Scherz (Äsböth 24). Aus dem Griechi-
schen: yoAdopat, ywopat, xotdw, axuLonat, veussaw u. ähnl., aus
dem Germanischen eine Reihe von Wörtern, so got. hatızon
zürnen, Zatan schmähen, :dveityan schelten (auch Akk.), gasakan
drohen, gebieten, bedrohen, dalryyan Böses anthun, quälen,
usagljan belästigen (unwrıaLlsıv), uspriutan dass. (xdroug Trapeyeıv).
Ufbrikan in ni vılda izai ufbrikan oux NdeAnsev aurry dderroaı
Mark. 6, 26 heisst vielleicht ursprünglich ‘sich gross machen
gegenüber jemand’ (vgl. Grimm Wb. unter aufdrechen).. Auch
Jrakunnan verachten, frakunnandans patim anbaraım &foudevouv-
tag tous Aoınoos Luk. 18, 9 gehört hierher.
Die Verba welche freundlich gesinnt sein gegen
jemand bedeuten, sind in den alten Sprachen nicht so häufig
mit dem Dativ verbunden, wie ihre Gegenbilder. Aus dem
Altindischen wäre etwa mard hold sein, verzeihen (mit persön-
lichem Dativ) anzuführen, aus dem Lateinischen cupio, faveo,
ıgnosco, indulge. Von slavischen Wörtern entsprechen
solche wie serb. oprostiti verzeihen u. ähnlich (Danitic 337 £.).
Dazu kommen Verba des Freuens mit sachlichen Dativ,
z. B. aksl. veprü kalu radujefi se der Eber erfreut sich am
Schmutze (Miklosich Gl. unter radovatı), serb. raduje se kao
ozebao suncu er freut sich wie ein Erfrorener der Sonne (Da-
nıcic 342, wo noch andere Verba des Freuens angeführt sind),
russ. radoralisja cemu. Aus dem Griechischen etwa &ravdo
zustimmen, loben, bei Homer ”Exropı, attische Inschr. $ önpe
u. ähnl. vgl. Meisterhans? 172, ebenso im Delphischen: drarve-
car 6E 74 nödsı ray Aspoovasırav av &x Tod Ildvrou xat Tois
arogtak&vrors un” adrav Dittenberger, Syll. 1, 207, 11—12.
$131—132.] Kap. VII. I. Der Dativ bei wollen, glauben, hören u. ähnl. 285
Germanische Wörter führt Grimm 4, 654 an. Es gehören
dahin z. B. got. gaplarhan &vayxaltzeodaır (im Griech. mit Akk.),
kukjan küssen, z. B. ni kukides mis oünpa wor odx Edmxes Luk.
1, 45 (nicht so in den andern Dialekten), Piubjan segnen
u.a.m. (vgl. Köhler 26).
Schliesslich erwähne ich an dieser Stelle noch einige sla-
vische Verba, welche eine Gemüthsregung ausdrücken. Hier
und da finden sich zu ihnen auch in anderen Sprachen Pa-
rallelen. Es sind: wollen (mit einem sachlichen Dativ), hoffen,
sich wundern: Wollen mit sachlichem Dativ, z.B. aksl.
milosts chostq a ne Zrütve Eleov HEAw xal od Buctav Matth. 12, 7,
chostetü novuumu BeEleı vEov (seil. olvov) Luk. 5, 39. Serb. (Da-
nicıe 337) Jednome voljeti a za drugoga ne mariti nach dem
Einem streben und sich um das Andere nicht kümmern. Rus-
sche Belege s. bei Miklosich 4, 592, wo auch andere hierher
gehörige Verba angeführt sind. Hoffen auf: Aksl. dobromu
ätıyu nadejachu se sie hofften auf ein gutes Leben (Miklosisch
4,592), serb. dyevoyka se svatovima nada das Mädchen hofft auf
die Brautführer, russ. nadejafisja hat na bei sich. Sich wun-
dern: aksl. iyudt se jemu &dauuaoev adrdv Luk. 7, 9; serb.
(Danıcie 342) djeca se cude svademu a lyudi nicemu Kinder wun-
dern sich über alles und Leute über nichts. Aksl. ne divite se
semu wh Baupalste toüto Joh. 5, 28, ebenso serb. nnd russ.
$132. Glauben, gehorchen, hören, Acht haben,
bemerken, verstehen.
Glauben, gehorchen, hören. Ai. $raddhä, lat. credo,
‚do. Litauisch vEryti mit. pers. Dat., aksl. verovati mit per-
sönlichem und sachlichem Dativ, persönlich z. B. po cto ubo
ne verovaste Jemu dtarl obx &rıoteboate auıy Mark. 11, 31, sach-
lich zanje ne verova slovesemü moyimü avd’ wv oux Enisteusas tols
köyorz ou Luk. 1, 20. Ebenso an den betreffenden Stellen im
serbischen N. T. Im allgemeinen scheint im Slavischen, nach
Miklosich 4, 592 zu schliessen, nicht der persönliche, sondern der
sachliche Dativ das Gewöhnliche zu sein, während im Germ.
nach Grimm 4, 660 das umgekehrte Verhältnis stattfindet. Den
Übergang zu hören vermittelt re{douat gehorchen. Bei ‘hören’
286 Kap. VIL I. Der Dativ bei hören, walten. [$ 132—133.
findet sich vereinzelt ein Dativ im Altindischen, wo $ru im RV.
mit dem Dativ der Person erscheint, im Altlateinischen hat
auscultare den Dativ. Über das gotische Aausjan sagt Köhler
S.14: “Ganz in der Ordnung finden wir es, dass ufhausjan
den Dativ regiert und andhausjan, welche beide Verben 'ge-
horchen’ bedeuten. Auffallen muss es aber, dass andhausjan
in der Bedeutung ‘erhören’ den Dativ regiert. In dersel-
ben Bedeutung findet sich das einfache hausjan Joh. 9, 31
mit dem Dativ. Auch wenn Aausjan nur ein einfaches An-
hören, Zuhören bedeutet, ohne dass dabei an ein Beachten,
Befolgen des Gehörten gedacht wird, so findet es sich mit dem
Dativ verbunden. Öfters liegt der Begriff des Aufmerkens auf
das Gehörte und demnach des Beachtens desselben in hausjan
und dann müssen wir es zuweilen geradezu mit ‘gehorchen’
übersetzen; auch in diesem Falle hat es den Dativ nach sıch.
Wenn jedoch einfach das sinnliche Hören eines Tones, Schal-
les, einer Rede u. s. w. gemeint ist, so hat es meist den Ak-
kusativ bei sich”. Weiteres bei Grimm 4, 699. Acht haben,
bemerken, verstehen. Slavıisch. Aksl. vinemlete sebe
rpoo&yere £avrois Luk. 17, 3 und sonst vinimay mi slovesemi
audi verba mea; russ. gospodi vnemli moleniju mojemu Herr!
erhöre mein Gebet. Aksl. Anıgamü razumirü literarum peritus
(im cod Mar. stehen bei razumeti nur Akk., z. B. Anigy), serb.
zdrav bolesnu ne razumtije der Gesunde versteht den Kranken
nicht. Andere ähnliche Verba bei Miklosisch 4, 590, 9. Ger-
manisch: got. gaumjan z. B. Pairhgaggands gaumida mann
blindamma rapaywv elöev Avdpwrov tupAdv Joh. 9, 1; got. frap-
Jan hat immer einen sachlichen Dativ bei sich, z. B. unte ni
Jrabsis paim gubs ak baim manne drı ou Ypoveis ta av dewv
alla zd tüv dvdpwnwuv Mark. 8,33. Daran schliessen sich mit
etwas anderer Wendung got. vitan bewahren, z.B. hatrdai
die Heerde, dairgan bewahren, z. B. bairgip izai yuldksı aurnv
(die Seele) Joh. 12, 25.
$ 133. Walten, regieren (siegen).
Der Dativ liegt vor im Lateinischen bei smoderor,
impero u. ähnl., sodann im Slavischen (Miklosich 4, 585).
6133-135.) Kap. VII. I. Der Dativ bei walten, gewöhnen, sein. 287
Aksl. vlasti hat gewöhnlich den Instr. bei sich (so im cod.
Mar. vgl. $ 111); ob auch der Dativ vorkommt, ist mir nicht
bekannt. Mit dem Dativ verbindet sich ustoyatı xara-
wpieVw, eigentlich “dastehen, stark sein jemandem gegenüber,
3.B. veste Jako küngzi jezykü ustojetü Jimü oldare Orı ol Apyovres
iv &dvav xaraxupısuouor aurwv Matth. 20, 25. Hier sei auch
odolek siegen erwähnt, z. B. aksl. odolejesi vragomü tooyimü
hostes tuos vinces. Odoleti bedeutet, wie die Übersicht bei
Miklosich Wb. unter dole- lehrt, eig. “in der Übermacht sein,
widerstehen’, daher man im Serbischen noch sagt: ja ne mogoh
sreu odoljeti ich konnte dem Herzen nicht widerstehen, und
techisch odolatıi komu jemandem gewachsen sein. Bei den
griechischen Wörtern wie äpyw, Apyeuw, onpalvo, ny&opar, Tyepo-
vevwm, Baoıledw, Beuiotebw, den germanischen wie reikinon, Piu-
dinon, gavaldan u. 8. w. kann danach der reine Dativ vorliegen,
aber auch der Instr. (s. $ 111). Auch der Lok., den ich früher
(ALL. 38) nach Analogien wie &v Dalnkıv avdoosıy angenommen
habe, wäre möglich.
6134. Gewöhnen, lehren, lernen.
Im Slavischen steht bei den Verbis des Lehrens und
Lernens, welche den Grundbegriff des Gewöhnens haben, das,
was uns Objekt ist, im Dat. (Miklosich 4, 604), z. B. aksl. tü
ey naucıtü visemu &xelvos vuäs Ötöakeı navra Joh. 14, 26; otü
smokovünice Ze nauöite se pritüci and 5& is ouxtic nadere mv
zapaßorrnv Matth. 24, 32 (mit Akk.: navyknete pritücq Mark.
13, 28); serb. (Danicie 342) di se jest krvi naucio du hast dich
an Blut gewöhnt; nauci nas ti mudru sjetu i nauku lehre du
uns klugen Rath und Kenntnis; russ. uörlt kogolibo cemu leh-
ren, uctlisja Cemu lernen. Entsprechend kommt auch im La-
teinischen, freilich nicht von der ältesten Zeit an, der Dativ
vor, z.B. praedae adsuetus miles bei Livius.
$135. Sein.
In den Dativ bei ‘sein’ tritt derjenige, für den der das
Subjekt zu ‘sein’ bildende Nominalbegriff bestimmt ist, für den
etwas vorhanden ist, dem es zufällt, gehört. Arisch: indra
288 Kap. VI. I. Dativ bei sein. [($ 135—136.
tübhyam id abhuma dir, o Indra, sind wir zu eigen geworden
RV. 6, 44, 10; kö mähyam bhägö bhavi$yati welcher Antheil
wird für mich sein, mir zufallen SB. 10, 4, 3, 9; cvab ahmaı
natre mi2dem arwhap welcher Lohn wird diesem Manne zu theil
werden vd. 8, 81. Das Verbum as, aA kann auch fehlen. So
steht neben namö "stu brähmisthäya Verehrung sei dem grössten
Brahmanen, ndmö mahdädbhyö, ndmö arbhakebyah Verehrung
den Grossen, Verehrung den Kleinen (SF. 5, 145), nemöo hao-
mäsi Verehrung dem Haoma y. 9, 16 (vgl. Hübschmann 220).
Bekannt ist derselbe Gebrauch im Lateinischen in Sätzen
wie: an nescis longas regibus esse manus u. 8. w. Litauisch
und Slavisch. Lit. z. B. mdn Yr mir ist, ich habe. Slavi-
sches siehe bei Miklosich 4, 599, der aksl. Sätze anführt wie
Jedinomu nestü venica uni non est corona, rumeno lice jemu
Jestü er hat ein rothes Gesicht, odycay be igemonu der Abt hatte
die Gewohnheit. Auch bei nicht persönlichen Begriffen: boziyi
vere jesmü fidei divinae addictus sum. Dabei kann das Verbum
auch fehlen, z. B. ina (pliti) &lovekomi, ina Ze skotomi, ina Ze
rybami, ina Ze piticami all oApk avdpurwv, an di xrıv@v,
an 58 tydimv, aA d& mımvav. Serbisch (Danitie 350) zlatna
su J9) krila sie hat goldene Flügel, Arepka ti desna ruka bila
ostra ti sablja kräftig war deine rechte Hand (oder: du
hattest eine kräftige u. s. w.) und scharf dein Säbel. (Man
kann also den Dativ auch als adnominalen auffassen) Grie-
chisch. Die Belege aus Homer s. bei Günther 50 ff., z. B.
Evvea TW ye Avaxtı tpanslfes xöves Haav W 173, ohne Verbum
Ovris &pol Y dvopna ı 366. Ebenso bei den Kompositis mit
rapa, &v, &rt, bei nelopaı, ylyvopaı. In bezug auf das Ger-
manische bemerkt Grimm 4, 703, dass dieser Dativ unserer
Sprache wenig zusage. Belege aus dem Got. bei Grabelentz-
Loebe, $ 225, danach auch bei vaırdan, z. B. hvarjamma tze
vairbid gens rivos abrav Eoraı yovn; Mark. 12, 23, aus dem
Ahd. Erdmann 2, 202.
$ 136. Dativ des Zieles.
Ich bespreche zuerst den Dativ bei ‘gehen, bringen’, den
man am häufigsten und zuversichtlichsten als Dativ des Zieles
$ 136.] Kap. VII. I. Dativ des Zieles. 289
angesehen hat, und füge dann noch einige Verba ähnlicher
Bedeutung hinzu.
Gehen, bringen. Arisch: Dass im Altindischen in
diesen Dativ nicht das Ziel tritt, sondern derjenige, dem die
Handlung gilt, habe ich SF. 5, 143 ausgeführt. Es ist also
ı.B. RV. 1, 154, 3 prä vifnave !Süsam &tu mänma richtig zu
übersetzen: dem Vishnu zu Ehren schreite das kräftige Lied
vor. Wenn aber in Nachahmung und Weiterbildung solcher
Ausdrücke, die doch immerhin noch an die lokale Vorstellung
streifen, an die Stelle der Person ein Gegenstand tritt, wird
gewiss der Dativ lokal empfunden (wie der Akkusativ der
Richtung), so z. B. in $akatäyabhipravrajati er schreitet zu dem
Wagen vor Ap. Sr. 8. 1, 17,4. Zu demselben Ergebnis führt
die Betrachtung der von Spiegel, Gr. 430 und Hübschmann 221
beigebrachten Stellen, die ich kurz durchnehme. So heisst y. 9, 3
ahmai jasa ıhm kam, ihm wurde zu theil; yt. 14, 2 ahmäi
panryo @jasap da erschien jenem zum ersten Male; y. 43, 4
wie 9,3; y. 44, 1 yaba nö a vohu jJimab manarha damit er
uns herankomme mit Wohlwollen (tva Auiv rposeidy), falls ne
überhaupt Dativ ist; y. 44, 16, s. Bartholomae, AF. 2, 178;
y. 52, 2 ist es zweifelhaft, ob ares durch “andringen’ richtig
übersetzt ist; y. 65, 11 kann wohl eher als finaler Dativ be-
zeichnet werden; yt. 8, 36 vgl. Geldner, K7. 25, 472; yt. 8, 46
vgl. ebenda 473; yt. 10, 137 gehört unter die Fälle des sog.
adnominalen Dativs $ 146; vd. 2, 24 hält Geldner, KZ. 25, 188
und ebenso jetzt Hübschmann, KZ. 27, 94 die entscheidenden
Worte für später eingeschoben; vd. 7, 36, vgl. y. 65, 11; vd.
6, 16 und 71 können Ablative vorliegen; vd. 9, 54 kada no ahmäi
asaphatca sorbragca paiti jasato Tzaca äzüitisca wann werden
diesem unserem Orte und Lande Speise und Fett wiederkehren.
Es bleiben (wenn ich von einer oder der anderen undeutlichen
Stelle absehe) noch übrig: ahmai nagmäi uzjasaiti yt. 10, 19,
was Greldner, KZ. 25, 488 übersetzt: ‘in jener Richtung zieht’,
und urva paräitı paroasnäi anuhe die Seele geht hinüber zur jen-
seitigen Welt vd. 18, 3. Für diese letztere Stelle ist von Werth die
Vergleichung des Altindischen: suvargaya lokaya visnukramäh
Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm. Sprachen. I. .39
290 Kap. VO. I. Dativ des Zieles. ‘8 136,
kramyante TS. 1, 7, 6, 2 ist nicht zu übersetzen ‘zum Himmel
werden die Vishnuschritte gethan’, sondern ‘mit Rücksicht auf,
im Hinblick auf’ (das beweisen Sätze wie: suvargaya va fd
lokäya ciyate ydd agnih der Feuer-Altar wird gebaut um des
Himmels willen TS. 5, 5, 4, 4, vgl. SF. 5, 148). Somit dürften
sich wenige Stellen finden, in denen der Dativ wirklich eine
lokale Bedeutung hat, wo sie aber vorliegt, scheint sie sich aus
der von mir angenommenen Grundbedeutung des Dativs ent-
wickelt zu haben. Nirgend bedeutet der Dativ ein Anlangen
am Ziel, sondern nur ein Streben nach demselben (vgl. noch
Baunack, Studien 2, 385). — Von Verbis, welche ‘bringen’ be-
deuten, kommen nach SF. 5, 144 besonders ın betracht: vah
(av. upa-vadh), bhar, har (bar), hi, ni, 2. B. mrtyave va &$d niyate
ydt paSih das Opferthier wird dem Tode zugeführt (damit er es
in seine Gewalt bekomme) TS. 6, 3, 8, 1.— Lateinisch. Die
bei Schmalz ? $ 89 angeführten Ausdrucksweisen kann ich schon
deshalb nicht mit diesem Gelehrten als finale Lokale auf-
fassen, weil ich leugne, dass im Lateinischen der Lokalis mit
dem Dativ zusammengeflossen ist. Es gehören hierher Wen-
dungen wıe :ı£ coelo bei Virgil, mittis leto bei Accius, matres
‚familiae quae paulo ante Romanis de muro manus tendebant bei
Caesar. Ich glaube wohl, dass coelo in st coelo lokal empfunden
worden sei, nehme aber an, dass dieser Dativ solchen Wen-
dungen wie mittere leto dem Tode zusenden ("Aröı zpoidrrew)
nachgebildet sei. Derselben Ansicht ist Landgraf in Wölfflin’s
Archiv 8, 69, auf dessen ausführliche und einsichtige Behand-
lung ich verweise. Slavisch. Aus den bei Miklosich 4, 579
zusammengestellten Beispielen hebe ich hervor bei Verben von
der Bedeutung ‘gehen’: aksl. :detü tebe krotükü er kommt zu dir
freundlich, Bogovi prichodisi du kommst zu Gott, prilucisa se Rimu
postquam Romam venit. In domovi nach Hause und dolu herab
ist die Erstarrung bereits eingetreten. Serbisch (Danicic 321 ff}:
In den Dativ treten Personen, z. B. tidem ocu svojemu ich
gehe zu meinem Vater Luk. 15, 18 (dagegen aksl. im cod.
Mar. mit Aü: idq kü oticyu mojemu), Zena podje svoJoJ udatos
kceri u pohode eine Frau kam zu ihrer verheiratheten Tochter
$ 136.) Kap. VII. I. Dativ des Zieles. 291
zum Besuch, Ahodu byeZat caru u Stambola ıch will zum
Zaren in Stambul eilen, »amisli da ostavi prooga muZa i da
bjezi ovome drugome sie gedachte ihren ersten Mann zu ver-
lassen und zu diesem zweiten zu eilen. Wenn die Person im
Pronomen steht, empfinden wir den Dativ mehr als einen der
betheiligten Person, weniger als einen des Zieles, z. B. evo su
ti gosts dosli siehe, da sind (zu) dir Gäste gekommen, dodi de
injemu crn pelak es wird auch ihm ein schwarzer Freitag kom-
men. Das Ziel kann aber auch ein Ortsbegriff sein, z. B. ıdudi
od kuce do kude dodje i kudi njezina oca von Haus zu Haus
gehend, kam sie auch zum Hause ihres Vaters, ved ti id dvoru
bijelomu aber du geh zu dem weissen Gehöft. Auch andere
Begriffe als Haus, Kirche u. dgl. treten in den Dativ, z. B.
ona ide svome vinogradu sie ging zu ıhrem Weingarten. Neben
den Verben des Führens und Bringens empfinden wir in dem Dativ,
falls er persönlich ist, bald das indirekte Objekt, bald das er-
strebte Ziel, z. B. akal. i nese maters svojeji nal Tveyxe ty unrpl aurnic
Matth. 14, 11, serb. dovedoh ga ucenicima tvojijem i ne mogose ga
iscjelsti ich brachte ihn zu deinen Jüngern und sie vermochten
ihn nicht zu heilen Matth. 17, 16. Ein Beispiel für einen Sach-
begriff ist: serb. vode njega dvoru biyelome führen ihn zum weissen
Hause (vgl. Danici6 325). Diesen Dativ des Zieles hat von den
lebenden slavischen Sprachen nur das Serbische vollständig er-
halten, die anderen nur noch als veralteten Gebrauch oder in
adverbialer Erstarrung. So findet er sich z. B. im Altrussischen
in Sätzen wie ubeza novu gorodu er floh nach Nowgorod (bei
Miklosich, vgl. auch Buslajev 253). Griechisch (vgl. den Lo-
kalis S.228, wo Fälle wie yeip reölp rese untergebracht sind).
Ein Dativ bei Verben, von der Bedeutung ‘gehen’, den man als
Zieldativ ansehen könnte, liegt wohl nicht vor ivgl. das über
Sätze wie Zaploıs 7Ade unter dem Dat. commodi Gesagte). Für
"bringen, schicken’ u. s. w. lassen sich anführen Yuyas "Audı
zpotabev A 3 (eigentlich dem Hades) und ferner yeipe »lAoıo’
&rapoısı neraocas A 523, Beoicı 6E yeıpas av&ayov I’ 318 und
ähnl. (Günther 7). Dass es sich hier aber nicht um einen
Zielkasus im eigentlichen Sinne handelt, folgt schon aus dem
19*
292 Kap. VII. I. Dativ des Zieles. [$ 136.
Umstande, dass in den Datıv überall Personen treten. Ger-
manisch. Über den Dativ des Zieles im Ags. handelt
Dietrich bei Haupt 13, 128 ff. Unter den zehn Belegen für
einen solchen Dativ bei Verben der Bewegung gleichen den
oben angeführten indischen vollkommen: Pa he heofonum ästäg
da stieg er zum’ Himmel herauf; heo Pa üdre gevät engles
larım hıre hlafordum sie ging da sogleich, nach des Engels
Lehre, zu ihrem Herrn. Bei gereordum ladige ich lade zu Ge-
lagen (S. 131) trıtt dagegen, wie mir scheint, der Gedanke des
Zweckes deutlich hervor. In bezug auf das Ahd. bemerkt Erd-
mann 2, 199, dass gueman stets mit persönlichem (nie mit sach-
lichem) Dativ erscheint, z. B. boton quement mine thir Otfr. meine
Boten werden zu dır kommen. Sich nähern, begegnen:
Im Lateinischen bei appropinquare u. ähnl. Im homerischen
Griechisch bei rela/w (selten Personen, gewöhnlich Dinge, z. B.
ioröv istoödxy u. ähnl. vgl. Günther 22), rüvapaı (ydovi). Über
die germanischen Verba s. Erdmann 2, 200, wo zugleich ausge-
führt ıst, dass es sich bei diesen Verben nicht um einen Dativ
des Zieles, sondern der betheiligten Person handelt. Berüh-
ren (empfangen, nehmen). Der Dativ liegt vor im Slavischen
(vgl. Miklosich 4, 563) und Germanischen, z. B. aksl. strely jemu
ne kasaachu se sagittae non tangebant eum (die ursprüngliche
Bedeutung von Aosngti se ist mir freilich nicht klar). Gotisch
tekan, 2. B. taikok mis sums Tıyard woö rıc Luk. 8, 16. (Da bei
diesem Verbum dem griech. Gen. der got. Dativ gegenübersteht,
so entspricht auch dem doppelten griech. Gen. ti; you Tıdaro tüv
inattov ein doppelter got. Dat. in hvas mis taitok vastjom Mark.
5, 30.) Gewöhnlicher als tekan ist attekan (vgl. Köhler 31).
So wird denn auch der Dat. bei altn. taka als ein echter Dativ
aufzufassen sein, z. B. tök jarl honum Pa vel nahm ihn gut auf
Gunnl. 17. {Näheres darüber bei Dietrich, Haupt’s Ztschr. 8, 34.)
Dagegen liegt in 25% upp hondunum Gylfaginning 46, 6, der
Instr. vor, von dem $ 129 gesprochen worden ist. An tekan
schliesst sich ags. for (vgl. Dietrich, Haupt’s Zeitschr. 12, 132},
z. B. he Dam frütvum feng er empfing die Kostbarkeiten Beov.
2990, onfoh Pissum fulle nimm diesen Becher 1170. Ferner
$136—137.] Kap. VIL I. Dativ des Objekts im Germanischen. 293
ags. nıman, %. B. bearvas blöstmum nimad die Haine bekommen
Blüthen, Seefahrer 48, und die Komposita got. biniman ın bini-
maina imma xA&dworv auzdv, Matth. 27, 64 und ags. forniman
in Wendungen wie: him irenna ecga fornamon Beov. 2829.
Sich jemandem neigen. Altindisch: nam, z. B. dyava
cid asmäs prthivi namöts selbst Himmel und Erde beugen sich
ihm RV. 2, 12, 13. Slavisch: poAlonit: se, z. B. aksl. gos-
podi bogu toojemu poklonisi se xUpıov zöv Üedv oou TpoaxXuvHnsetS
Matth. 4, 10 (serb. gospodu bogus svojemu poklanjaj se), russ.
poklonitisja komu-libo vü pojasü sich vor jemanden bis zum
Gürtel verbeugen, poklonifisja komu jemanden grüssen. Ebenso
im Germanischen: altnord. stöd upp ok hneigdi honum stand
auf und neigte sich vor ihm (Dietrich 26). Belege aus dem
Angels. s. derselbe bei Haupt 13, 133, aus dem Ahd. Erd-
mann 2, 201). Weichen, nachgeben, sich entschuldigen.
Aus dem Altindischen gehört hierher: A& mit ni zurück-
weichen vor, sich ducken (amaya vor dem Ungestüm, manydoe
vor dem Zorn), hnu sich entschuldigen, devebhyah den Göttern
gegenüber. Aus dem Lateinischen cedo, concedo, ezcuso. Aus
dem homerischen Griechisch eixw (avöpt, Bow, atöor u. ähnl.),
yaptw, brelxo, Tpa pepw u. 8. w. (Günther 30). Nur im Ari-
schen scheint vorhanden: die Waffe schleudern gegen: Im
Altindischen erscheint ein solcher Dativ bei as, sary, pra-har, z.B.
cäram bhratyvyäya prä harati er schleudert den Keil gegen den
Feind TS.5,1,6,4. Aus dem Avestischen wäre zu erwähnen: yascä
tadare voiZdap asaun? und wer die Waffe gegen den Frommen
zuckt y. 32, 10, wenn ‘zuckt’ die richtige Bedeutung ist.
$ 137. Dativ des Objekts im Germanischen, beson-
ders im Gotischen und Altnordischen (vgl. $ 121 und Dietrich
in Haupt’s Ztschft. 8, 23 ff.).
Wır haben unter den mit dem Dativ verbundenen Verben
manche gotische kennen gelernt, denen wir vom Standpunkt
unseres jetzigen Sprachgefühls aus lieber die Verbindung mit
dem Akkusativ zutrauen möchten, so frakunnan verachten,
wagljan belästigen, Zaian schmähen, idveityan schelten mit an-
deren ähnlicher Bedeutung, Aukjan küssen, Piubjan segnen,
294 Kap. VII. I. Der Dativ bei verbalen Substantiven. [$ 137—138,.
hausjan hören, fraßjan verstehen, tekan berühren, fassen, bi-
niman stehlen. Man kann also schon mit Rücksicht auf diese
Verba von einem Dativ des Objekts im Gotischen sprechen,
der sich aus dem Begriffe der einem [Gegenstande zugewen-
deten Thätigkeit entwickelt hat. Ferner haben wir bei dem
Instrumentalis gesehen, dass viele Verba (die man unter dem
Namen Verba der Bewegung zusammenzufassen pflegt), eine
Verbindung mit dem Instr. zeigen, wo wir einen Akk. er-
warten würden. Dahin gehören die Verba regnen, schnauben,
spucken, werfen, säen, streuen, schwingend bewegen, sprechen,
knüpfen, schliessen, halten, verkaufen, verwandeln und wohl
noch einige andere. Da nun der Instrumentalis im wesent-
lichen in den Dativ aufgegangen ist, so flossen diese Verbin-
dungen mit den vorhin genannten echt dativischen zusammen,
und vereinigten sich im Sprachgefühl zu dem Dativ des Ob-
jekts. Die Gewohnheit, bei der Vorstellung des betroffenen
Gegenstandes den Dativ zu setzen, hat sich besonders im Alt-
nordischen ausgebreitet, so dass sogar Verba wie hafa haben
u. ähnl. mit dem Dativ erscheinen. Es ist unter diesen Um-
ständen natürlich, dass man manchmal nicht weiss, ob der bei
einem Verbum erscheinende Dativ (bez. Instrumental) in der
ursprünglichen Bedeutung des Verbums seinen Grund hat
oder auf Nachahmung beruht. Und das ist auch ein Grund
für die Unsicherheit in der Beurtheilung mancher hierher ge-
höriger Fälle, wie sie in dem $ 121 zu Tage tritt. Sodann ist
natürlich, dass man nicht selten den Akkusativ und den Datıv
neben einander findet (vgl. Gabelentz-Loebe S. 224 und den
oben angeführten Aufsatz von Dietrich), sei es, dass von An-
fang an zwei Konstruktionen neben einander im Gebrauch
waren, sei es, dass der Dativ erobernd ın das Gebiet des Akku-
sativs vordrang.
$ 138. Der Dativ bei verbalen Substantiven.
Von den Verben kann bisweilen die Verbindung mit dem
Dativ auf verbale Substantiva übergehen, namentlich im Griechi-
schen. Brugmann, Griech.Gr.2208 führt dafür folgende passende
Belege an: zupös Boorots Sorzp öpäs Ilpound&a (Aeschylus), rept
$ 138— 139.) Kap. VO. I. Der Dativ bei Adjektivis. 295
on
my tod Beod Ödarv ügiv /Plato), ebenso: & &; andöoalv &otıy Tois
deois Ehroroueva CIA. I. 32, tw Eraipp cov eis Bonderav (Plato).
Aus dem Lateinischen gehören hierher :nsidiae consuli (Sal-
lust), Zradıtio alteri (Cicero) u. ähnl.
$139. Der Dativ bei Adjektivis.
Arisch. Es kommen wesentlich die Adjektiva, welche ‘lieb’
und Ähnliches bedeuten, in betracht, so ai. $ivd gütig, z. B. Jiva
sakhibhya utd mahyam äsıt sie war gütig gegen die Freunde und
auch gegen mich RV. 10, 34, 2. Ebenso im Altindischen bei car
lieb, hit angenehm u. ähnl. Im Avestischen yahmat a$ava fryö
dem der Fromme befreundet ist y.46,6. Ebenso bei urvapa freund-
lich, vuhtsta der es am besten meint (y. 33, 3) u. ähnl. Hierher
gehört auch das ai. Adverbium dram bereit, z. B. sasmä dram
er ist für ihn bereit RV. 2, 18, 2 (vgl. SF. 5, 146). Im La-
teinischen sind es die Adjektiva ‘beliebt’ und ‘verhasst’,
‘gleich’ und ‘ungleich’ und viele andere, welche sich an die
entsprechenden Verba anschliessen (Draeger 1 409 ff). Bal-
tisch-Slavisch. Im Litauischen Zygus gleich, z. B. sunüs
tevu Iygus der Sohn ist dem Vater gleich, mölas lieb, z. B. tu
man melas du bist mir lieb. Innerhalb des Slavischen (Miklo-
sich 4, 599) findet sich der Dativ bei ‘lieb’ nur in neueren
Dialekten, dagegen ist er alt bei ‘gleich, ähnlich, würdig,
schuldig’, z. B. aksl. visit tücni drugü drugu alle sind einander
gleich, ferner podobinü ähnlich, z. B. komu upodobljq rodosi?
podobenü jestü detistemü tiv buowow TMv yevaav tabınv; 6pola
&sıl raldaptoıs Math. 11, 16; ebenso russ. z. B. pododnysy po-
dobnago sebe razumejetü der gleiche versteht den, der ihm gleich
ist. Dostojinü hat im Aksl. gewöhnlich den Gen. bei sich (vgl.
$ 172), doch auch den Dativ, z.B. sütvorj? ze dostojinaja ranamäü
zormoas de dkıa rinyav Luk. 12, 48, jemute azü nesmü dostojinü
da otreq remeni sapogu jego od &yb oöx elul Akıos Iva Abo
abrod zöy iuavra tod Öroönuatos Joh. 1, 27. Povininid schuldig,
2. B. povinenü jestü sadu Evoxos £oraı fi xplseı Matth. 5, 21.
Im Serbischen kriv schuldig (die ursprüngliche Bedeutung
‘krumm?’ ist dabei ganz zurückgetreten‘, also in der entsprechen-
296 Kap. VI. ‘II. Dative zur Ergänzung der Satzaussage. [$ 139.
den Stelle: dice Artv sudu. Das Wenige, was sich sonst aus
dem Serbischen vergleichen lässt, s. bei Danıtie 351—52. Der
Dativ bei porininü bezeichnet also den Richter oder die Strafe,
der jemand verfällt. In den Instr. ($ 124) kann dasjenige
treten, durch das man eine Schuld auf sich ladet. Aus dem
Griechischen gehört hierher: o{Aog, Yrıos u. 8. w. (für Homer,
Günther 36 ff.) und die Gegenbilder 2ydpds, yalerdz u. 8. w.
Weiter die Adj., welche ‘gegenüber befindlich’ und ‘nahe’ be-
deuten (vgl. die entsprechenden Verba), also avrios, &vavrlos,
&yyös u. 8. w. Endlich diejenigen, welche ‘gleich’ und ‘ähnlich’
bedeuten, wie {oog, 8yoros, eixelo;, bei denen freilich auch der In-
strumentalis konkurriert ivgl. $124). Germanisch (Grimm 4,
746 ff., Erdmann 2, 224), ebenfalls bei ‘lieb’ und ‘unlieb’, z. B.
got. sunu liubana sis vlöv Ayanntöv adroö Mark. 12, 6, mhd.
vient (daz ich im vient si), sodann ‘nah’ und ‘fern’, (doch nicht
im Gotischen), z. B. ahd. was Petrüse gilanger Otfr. ‘Gleich’ und
‘ähnlich’, wenn hier nicht der Instr. vorliegt. Endlich bei
‘schuldig’, wobei sonst der Gen. steht. Im Gotischen findet sich
skula daupau neben griech. Gen. (Evoyos davarou) Mark. 14, 64,
sonst hat auch der griechische Text den Dativ. Ahd. wirdie
töde (vgl. oben das Slavische).
II.
Dative zur Ergänzung der Satzaussage.
Das Verhältnis gestaltet sich verschieden, je nachdem der
in den Dativ tretende Begriff ein Konkretum oder ein Ab-
straktum ist. Im ersteren Falle handelt es sich ganz über-
wiegend um Personen. Dabei tritt in den Dativ diejenige
Person, welcher die Satzaussage gilt. Ob dabei für die be-
theiligte Person eine Annehmlichkeit oder Unannehmlichkeit
herauskommt, ist natürlich für die grammatische Beurtheilung
gleichgültig. Dennoch mag es gestattet sein, den alten Aus-
druck dativus commodi der Bequemlichkeit wegen festzuhalten
(vgl. Landgraf in Wölfflin’s Archiv 8, 46). Die Dative in den
66 141—143 sind nur der Übersichtlichkeit wegen besonders
$ 140.) Kap. VII. I. Der dativus commodi. 297
behandelt. Sakhidhya idyah heisst eigentlich “ein zu preisender
für die Freunde‘. Dass im Dativ dabei der Begriff des Agens
hervortritt, liegt nicht an dem Dativ, sondern an seiner Ver-
bindung mit einem Verbalnomen, welches etwas zu Thuendes
ausdrückt. Gilt die Aussage einem Abstraktum, so entsteht
der sog. finale Dativ.
$ 140. Der dativus commodi.
Arisch. Aus demAltindischen: devan devayatö yaja verehre
die Götter zum Nutzen des Frommen RV. 1, 15, 12; Gcäryaya
kärma karöti er verrichtet ein Geschäft für den Lehrer SB.
11, 3, 3, 6; @fmane ’gnim cinutö in seinem eigenen Interesse
baut er den Feueraltar TS. 5, 2, 3, 1; tasma upakrtäya nıyök-
taram na vivorduh sie fanden für ihn, als er herbeigebracht war,
keinen Fessler \keinen, der ıhn hätte fesseln wollen) AB.7, 16,1.
Aus dem Avestischen: usta ahmäi naire yahmäı zaota a$ava yazaıte
Heil dem Manne, für welchen ein frommer Priester opfert
yt. 10, 137; caprudasem asarnhaqmca Sörprangmca vahıstem frü-
bweresem azem yo ahurö mazdä varenem yim caprugaosem, ya-
hmii zayata bragtaono als vierzehntes, der Örter und Länder
bestes, erschuf ich A. M. das viereckige V., für welches Thr.
geboren wurde vd. 1, 17; yo tanuye ssasti Prabrem welcher für
sich Schutz wünscht vd. 13, 19; aa) yahmäi zsnuto bavantı
ahmäi jasasti avaitahe, Gap yahmai pbisto bavasti ahmäai frascıin-
dayeiti nmänemca visemca wem er gnädig ist, dem kommt er
zu Hilfe, aber wem er feindselig ist, dem vernichtet er Haus
ünd Dorf yt. 10,87. Lateinisch. Eine hübsche Auswahl
von Dativen persönlicher Begriffe findet sich bei Landgraf in
WöHflin’s Archiv 8, 46, z.B. Verres hunc hominem Veneri ab-
solest sibh condemnat (Cicero), mi quidem esurio non tibi (Plau-
tus), ut mayoribus natu (den Älteren zu Ehren) adsurgatur
Cicero), en quis consevimus agros (Virgil.. An die persönlichen
können sich auch unpersönliche Begriffe schliessen, z. B. non
scholae sed vitae discimus. Denn zu den finalen Dativen wird
man scholae und vitae nicht rechnen wollen. Baltisch-Sla-
viseh. Lit. (Schleicher 266), z. B. zmones tikt sdo dirba die
Leute arbeiten nur für sich. Slavische Belege s. bei Miklosich
298 Kap. VII. II. Der dativus ethicus. (8 140—141.
4, 601. Einige serbische Beispiele sind (Danitie 332) sebi ores,
sebi sijes, sebt vlacıs, sebi ces i Znjets für dich pflügst du, für
dich säest du, für dich eggest du, für dich wirst du auch
ernten; niko ne moZe cijelom svijetu kolaca namtjesiti niemand
kann für die ganze Welt Kuchen anmachen; pogaca se prijatelju
$tedi Weizenbrod spart man für den Freund; dok se jJednom ne
smrikne, ne mo2e drugome da svane ehe es für den einen nicht
dunkelt, kann es für den anderen nicht tagen (Dan. 343). Grie-
chisch. Einige Belege sind: Höre ropyupenv Ipıv Öynrotar Ta-
voooyp Zeös für die Sterblichen P 547; Mevelaos $ SH tövöe
r\oöv Zotellauev dem zu Liebe, in dessen Interesse, Sophokles
Aias 1045; twöe d &ywv adrds Bwpnfopa: um seinetwillen, um
ihm gegenüberzutreten H 101. Aus der Prosa (Kühner 350)
Ausdruckweisen wie ola xal Opnpw Atounöns Akyeı (Plato‘ wie
dem (bei) Homer Diomedes spricht (anderen als dem Dichter ist er
stumm). Ich rechne dahin auch Thukydides 1, 13: gatverar
ö: xat Zapiors ’AneıvoxArs Koptvdros vauınyds vads nornoas TEssapaz'
ern © 2orl nalıora tpıaxdsıa Es Thy Teleummy Tode Tod roÄguon,
Ste Apeıwvoxifis Saptoıs YABev d. ıi. den Samiern kam, vgl. da
aber dem reichen man ein gast kam 2. Sam. 12, 4 (Luther) und
Weiteres im deutschen Wb. unter kommen 7bß. Was das Ger-
manische angeht, so findet man einige ahd. Belege bei Erd-
mann 2, 230. |
$ 141. Der dativus ethicus.
Es folgt der sog. dativus ethicus, der nur das Eigen-
thümliche hat, dass er an einem Pronomen erscheint. Er
kennzeichnet das Interesse einer Person an der Satzaussage. Aus
dem Altindischen lässt sich vas anführen, über dessen Ge-
brauch im RV. ich SF. 5, 206 bemerkt habe: “in vielen Stellen
fällt auf, dass der Angeredete suppliert werden muss. Nun
kann man sich zwar immer eine fromme Zuhörerschaft denken,
welche der Sänger anredet, aber es wäre auch möglich, vas
im Sinne des griechischen ro, zu fassen. Dabei ist freilich
zu erwähnen, dass t@ nicht in diesem Sinne vorkommt”. Über
das Lateinische s. Landgraf in Wölfflin’s Archiv 8, 48, z. B.
atque eccum tibi lupum in sermone (Plautus), qued miht Celsus
$141—142.) Kap. VIL H. Der Dativ eines akt. od. med. Partizipiums. 299
ogit (Horaz). Baltisch-Slavisch. Lit. vuiks müms numıre
der Knabe ist uns gestorben. Gute Beispiele aus dem Ser-
bischen führt Miklosich 4, 602 an: jest li mi zdravo putovao
bist du mir glücklich gereist? Ziyepa ti je wie schön sie dir
ist! Cudno ti ga prevars wunderbar hat er dir ıhn betrogen.
Weiteres bei Danıcic 365, woraus man sieht, dass mi und %
auch neben anderen Dativen erscheinen, z. B. smjerno mi se
caru poklonsse demüthig verneigten sie sich mir vor dem Zaren.
Ja, nach Danıitic kommen sogar mi und ti in demselben Satze
zusammen vor. Im Russischen ist besonders bemerkenswerth
ein volksthümliches, schwer übersetzbares — übrigens auch in
anderen slavischen Sprachen vorliegendes — sede, das bei Ver-
ben, wie sitzen, liegen, gehen, stehen, leben, essen, schlafen
vorkommt und bezeichnen soll, dass der Handelnde ausschliess-
lich mit seiner Handlung beschäftigt ist, z. B. disicka lezıtü
sebe kakü mertva der Fuchs liegt wie tot da; ona Akusala sebe
sie ass (‘sie ass sich eins’); votü pervaya sebe bezü sumu i $al-
komü pletetsja da bewegt sich das erste (das volle Fass) vor
sch hin ohne Lärm und langsam (Kıylov). Im Griechi-
schen ist dieser Gebrauch von Homer an sehr häufig (für
Homer vgl. Günther 79 ff.), z. B. unög por oörtw Hüve SLa mpo-
payav E 249; Apeis Tor rarepwv u£y' Apeivoves eby6ped eivar
A 405.
6142. Der Dativ eines aktiven oder medialen
Partizipiums.
Zu einem Dativ dieser Art kann ein aktivisches oder
mediales Partizipium treten, z. B. pupope£voroı ÖE Tolaı
gan, boßoßdxtulos "Haus W109. Ein in mehreren Sprachen vor-
hiegender Spezialfall ist der, dass in den Dativ des Part. dieje-
nige Person tritt, für welche eine Entfernung oder eine son-
stige geographische Thatsache vorhanden ist, so avestisch:
KasciB ca ‚arfsqm varryangm capwaresatem ayarebarangm hvas-
pi naire baremnäi und jedes dieser Rinnsale ist vierzig Tage-
reisen (lang) für einen Reitenden, der mit einem guten Pferde
versehen ist yt. 5, 4. Ebenso in der griechischen Prosa, z. B.
300 Kap. VII. IL Der Dativ bei passiven Partizipien. [$ 142—143,
’Ertldapvds dorı nölıs dv öskıg dornidovrı röv "Iöviov xdArnov (Thuky-
dides, vgl. Krüger 48, 4, 2). Ebenso im Lateinischen, z.B.
quod est oppidum primum Thessaliae vensentibus ab Epiro bei
Caesar. Daran schliesst sich der Dativ des über andere Dinge
Urtheilenden, z. B. ?n universum tamen aestimantı bei Tacitus.
(Näheres bei Landgraf in Wölfflin’s Archiv 8, 50).
$143. Der Dativ der betheiligten Person bei
passiven Partizipien.
Arisch: Im Veda findet sich bei dem sog. Partiz. nec.
auf ya ein Dativ des Agens: sakhibhya Tdyah (von) den Freun-
den zu verehren (SF. 5, 396). Ebenso im Av. yesnyqm aruhe
astvaıte sie, welche von der Welt zu verehren ist yt. 5,1.
Auch bei dem Part. auf ta: ya aom pubrem baraiti anyahmäi
arsänät varstem welche ein Kind gebiert, das von einem an-
dern Mann gezeugt ist yt. 17, 58 (weitere Belege bei Hübsch-
mann 223). Dieser Dativ ist natürlich ein Dativ der bethei-
ligten Person, wirkt aber als Agens. Bei dem Verb. fin. habe
ich ihn nicht gefunden. Lateinisch: Der Dativ ist von
jeher gebraucht bei den Gerundien, erscheint aber auch bei
den Partizipien auf to, z. B. meditata mihi sunt omnia mea
ıncommoda (Terenz). Dagegen ist er selten bei dem Verbum fini-
tum. Griechisch. Ich theile mit, was Brugmann, Griech.
Gr.2209 bemerkt: “Ausser dem Verbaladjektiv auf -t&os gehören
hierher Stellen wie Lys. 24, 4 tosaöra por elpnodw, Xen. An. 1,
8, 12 navd’ Yiv nerolntar, att. Inschr. &unprorar TY Boulg
(Meisterhans, Gr.? 156, 172) u. ähnl. In diesem Gebrauche
hatten sich Dativ und Instrumentalis berührt, und sie sind öfters
schwer gegen einander abzugrenzen.” Wie geläufig der Dativ
des Agens bei dem Partizipium war, zeigt der Umstand, dass
man folgenden Ausdruck wagen konnte (Meisterhans a a. O.):
ano Tod wpAnpevon Zwreöärdı dpyuplov von dem von Sopolis (nicht
1) Die etwa vergleichbaren slavischen Erscheinungen sind hier nicht
erwähnt, weil sie bei Gelegenheit der subjektlosen Verba zu behandeln
sein werden.
eg -
$ 144] Kap. VII. H. Der finale Dativ. 301
6144. Der finale Dativ.
Arisch. Belege sind: urdhvas tistha na üldye erhebe
dieh zur Hilfe für uns RV. 1, 30, 6; argiraso val svargaya
Iokaya satiram äsala die Angiras hielten eine Opfersitzung ab,
um in den Himmel zu gelangen AB. 4, 32, 7; agnım höträya
prävrnata sie wählten den Agni zum Priesterthum (damit er
Priester werde) SB. 1, 2, 3, 1; mosu m? java avanhe komm mir
schnell zu Hilfe yt. 5, 63; zemäda uzuzseinti urvard praprai
pasoa viraya die Pflanzen wachsen aus dem Boden hervor zur
Ernährung von Menschen und Vieh yt. 13, 10, ya vispanam
harısingm zabär garewan yaozZdadastı welche den Leib aller
Frauen bereitet zur Geburt yt. 5, 2. Auch der erbetene Ge-
genstand, als der Zweck der Bitte, kann in den Dativ treten,
BB. iti cin nd prajäyai paSumätyai devasö vdnate martyo vah
0 bittet euch (gewinnt euch für sich) der Sterbliche, ıhr Götter,
zu viehreicher Nachkommenschaft (um diese von euch zu er-
halten) RV 5, 41, 17; amawa bwa verepraynäsca mavoya upa-
mruj6 tanuje zu (um) Kraft und Sieg flehe ich dich an für mich
selbst y. 9, 27. Dieser Dativ kann auch bei as stehen (welches
Verbum dann natürlich auch fehlen kann), z. B. asti hi $mäü
mädäya vah es ist etwas für euch da zum Rausche RV 1,37, 15;
madaya söomö mädaya süra zum Rausch dient Soma, zum Rausch
Branntwein SB. 12, 7, 3, 12; mitemacib haoma hüitıS hazareray-
nyaı asti dagvangm selbst die geringste Kelterung, o Haoma,
dient zur tausendfältigen Tötung von Dämonen y. 10, 6. Häufig
and in beiden Sprachen Dative von Abstraktis, welche gern
an das Ende des Satzes treten, z. B. di kramöd akramid iti
dabhyam üt kramayati pratigthityai mit den Worten üt krama
u.8. w. lässt er mit zwei Versen das Pferd auftreten, des Fest-
stehens halber TS. 5, 1, 3, 1; 90 yazaite hvare pattistalee temap-
hqgm wer die Sonne verehrt zur Bekämpfung der Finsternisse
yt. 6, 4; fr& mqm hunvanuha zwaretee presse mich zum Zweck
des Geniessens y. 9, 2. Nicht selten erscheinen in einem Satze
zwei Dative, z. B. devebhyah paSavo "nnädyayalambhäya näti-
$fhanta die Thiere stellten sich den Göttern zur Speise und
Opferung nicht zur Verfügung AB. 2, 3, 3; fra äbyo tanubyö
302 Kap. VO. IL Der finale Dativ. [$ 144.
haomd visäite baesazai diesen Personen dient (kommt) Haoma
zur Arzenei y. 10,8. Lateinisch. Im Lat. sind diese Dative,
soweit es sich um einfache, nicht von einem Verbalnomen be-
gleitete Substantive handelt, innerhalb des alten Latein beson-
ders häufig in der Bauern- und Soldatensprache, z. B. granatui
videto uti satıs viciae seras sieh zu, dass du genug Wicken
zum Einsammeln der Körner säest (Cato), cibatus offas positas
Speise, die zum Mästen hingestellt ıst (Varro), receptui canere,
locum castris capere u. 8. w. bei Caesar. Eine genauere histo-
rısche Ausführung bei Landgraf in Wölfflin’s Archiv 8, 55.
Aus dem Litauischen kann man hierher ziehen, was
Kurschat $ 1504 angiebt: “rugiai seklai der Roggen zur Saat,
nämlich bestimmt; daczka gerimui ein Fass für das Getränk,
näml. paskirta bestimmt, pastatyta hingestell”. Aus dem
Slavischen führt Miklosich 4, 611 eine Anzahl von Belegen,
wesentlich aus dem Aksl. an, aus denen ich die folgenden
auswähle: otüdatı düsteri braku die Tochter zum Zweck der
Ehe hingeben, fillam in matrimonium dare. Häufig tritt für
brakü das konkrete Zena Weib ein, z. B. venomü da zu sebe
vüzmeli Zene Yepvl, pepviei adrnv abtw yuvalxa. Derselbe Dativ
erscheint bei ‘sein, dienen zu’ und “machen zu’: aksl. pozoru
beachq dienten zum Schauspiel; dychomü ponosenizu &yevndmuev
överöos; Aameni Jegoze nevredu sülvorise zizdqstepi der Stein,
welchen die Bauleute verworfen haben Mark. 12, 10; polo2ılü
ny Jesi smechu visemü clovekomü du hast uns zum Spott für
alle Menschen gemacht. Aus dem Serbischen (Danitic 362)
lässt sich vergleichen: metati kupusa rucku tili veceri Kraut ein-
legen für Mittag- oder Abendessen. Häufig ist cemu wozu, z. B.
dakle cemu cemu sada duso moja zlovoljna si also wozu, wozu,
meine Seele, bist du jetzt unmuthig? Griechisch. Bei dem Dativ
von Abstraktis findet sich dieser Dativ nicht mehr. Denn dass,
wıe Wackernagel, KZ. 28, 141 annimmt, in den desiderativen
Partizipien auf osiwy ein solcher Dativ stecke, also z. B. ösiwv
aus Oder {wv entstanden sei, ist mir unwahrscheinlich, und die
Infinitive werden nicht mehr als Dative empfunden. Dagegen
finden sich auf attischen Inschriften (Meisterhans? 170) eine
$144—146.] Kap. VII. DO. Der Dativ von Zeitbegriffen. Adnom. Dat. 303
Anzahl von Dativen von Konkretis, welche entweder nahe
an den finalen Dativ streifen oder direkt so zu bezeichnen
sind. Dahin gehören: &uAa xat avdpaxes to noAößöw Holz und
Kohlen für das Blei (zum Schmelzen des Bleies) ; „Aoı raic
Bupa Nägel für die Thüren, olxta rporxt droteriunuevn ein
Haus, welches im Hinblick auf die Mitgift verpfändet (ab-
geschätzt) worden ist.
$145. Der Dativ von Zeitbegriffen.
Arisch. aparäya für die Zukunft, samvatsaraya sdm
amyale für ein Jahr verbündet man sich MS. 2, 1, 2 (2, 8).
ayaozdya pascatta bavaintıi yavazfca yavazlätatca unentsühnbar
sind sie darauf für immer und ewig vd. 3, 14. Weitere Belege
bei Hübschmann 225. Auch yt. 10, 93 ‘für beide Welten’ heisst
wohl: ‘für die Dauer des Lebens in beiden Welten’. Wegen
vd. 13, 39 vgl. Geldner, KZ. 25,415.1) Unerklärt lasse ich einen
Dativ der Zeit ım Aksl., den Miklosich 4,615 anführt. Es kommt
nach M. vor utro probrezgu zelo vüstavü rpwi Evvuyov Alav Avaotaz
Mark. 1, 35 und ausserdem utru gluboku dpdpov Bad&os (dieses
sicher Dat.), wofür Luk. 24, 1 im cod. Mar. zelo rano steht.
"8146. Der adnominale Dativ.
Dieser ursprünglich die Satzaussage ergänzende, dann zu
einem einzelnen Substantivum gezogene Dativ findet sich im
Anischen, Lateinischen, Slavischen, Griechischen. Es lässt sich
nicht sagen, ob er schon in der Ursprache vorhanden gewesen
ist. Man vergleiche die treffende Ausführung von Landgraf in
Wölffin’s Archiv, welche vom Lateinischen handelt, aber auch
auf andere Sprachen analog anzuwenden ist.
Arisch. Im Ai. erscheint der Dativ in enger Verbindung
mit einem Nomen in dem eine Art von Kompositum bildenden
Eigennamen däsyave vrkah dem Feinde ein Wolf, dessen Ent-
stehung aus einem Satze deutlich ist (vgl. &rei oe Adovra yu-
vaıkıv Zebs Orxev D 483). Im Avesta tritt nach Hübschmann
220 ein Dativ auf, “der als Possessivus statt des Genitivs zu
1) Ob das im Veda häufig vorkommende dive — dive Dativ oder Lokalis
sei, ist Gegenstand des Streites. Bartholomae erklärt es BB. 15, 188 für
Lokalis.
304 Kap. VII. II. Der adnominale Dativ. [$ 146.
dem Nomen gehört’, z. B. zwarenö zarapusträi die Majestät
des Z. Ich theile zunächst zu einigen seiner Zitate die Über-
setzung von Geldner mit, der den Dativ möglichst zur Geltung
bringt: «sö zwarenö zarapustrai dem Z. nach seiner Herrlich-
keit trachtend yt. 19, 82 (G., 3y, 53), yafsqm zayanam abau-
rune zu diesen Geräthschaften für den Priester gehören (folgen
die Geräthschaften) vd. 14, 8 (G., KZ. 25, 564), yezi nos nat-
rika ähre raozsnan paitididyab so dass das Weib dem Feuer
nicht in die Flammen sehen kann vd. 16, 2 (G., KZ. 25, 587).
Über schwierigere Stellen aus den Gathas vgl. Bartholomae,
AF. 3, 49 und 56, Geldner, BB. 14, 22. Man sieht aus diesen
und ähnlichen Stellen, wie der Dativ, der ursprünglich die
Satzaussage ergänzt, einem einzelnen Nomen innerlich nahe
rückt und somit sich dem Genitiv nähert. Es kann deshalb
nicht Wunder nehmen, wenn im jüngeren Avesta der Dativ
ganz wie der possessive Genitiv gebraucht wird, z. B. nizbayemi
zwareno atryangm daxwyunam nizbayemi zwareno yimaı ıch rufe
die Herrlichkeit der arischen Länder, ich rufe die Herrlichkeit
des Yıma an vd. 19, 39, ja, wenn die Kasus durcheinander
gehen, wie z. B. dapuso ahuräi mazdäi dem Schöpfer A. M.
yt. 13, 157. Weitere Belege bei Hübschmann 221. Latei-
nische Belege finden sich bei Landgraf in Wölfflin’s Archiv
8, 62 unter dem zu engen Titel ‘der finale Dativ von Sub-
stantiven abhängig’. Die Personalbegriffe, zu denen ein solcher
Dativ gehören kann, sind $. 66 aufgezählt. Beispiele sind:
meis bonis omnibus ego te herem faciam (Naevius), quis erus
est igitur tebi (Plautus), guos est servus Sosıa (Plautus), auctor
his rebus quis est (Terenz). Beispiele für den Dativ bei Sach-
begriffen sind: satui semen Saatkorn, pabulum ovibus, ıntertri-
gini remedium Mittel gegen den Wolf u. ähnl. (vgl. oben den
finalen Dativ). Im Litauischen hat sich ein solcher Typus
nicht ausgebildet. Doch lassen sich natürlich einzelne Belege
beibringen, welche daran streifen, z. B. Akad äsz esü jJüumem
dukte 6 jJüs män tevas äsat da ich euch Tochter bin und ihr
mir Vater seid, Leskien-Brugman 157. Slavische Beispiele
finden sich bei Miklosich 4, 605. Ich führe einige Belege aus
$ 146.) Kap. VII. DO. Der adnominale Dativ. 305
dem cod. Mar. an und füge in Klammern die betreffenden
Stellen des serbischen neuen Testamentes hinzu. Da badetü
visemü rabü E£oraı rüvtwv 6oßlos Mark. 10, 44 (serb. Dat. da
bude soima sluga; so steht auch Mar. Mark. 9, 35 visemü sluga,
aber Zogr. mit Genitiv vsechü sluga); drugü mytaremü i gresüni-
komd relwv@v Ylkos xaı Auaprwiav Luk. 7, 34 (serb. Dat. drug
carinicima i grjeänicima) ; süfinıku Ze jeteru rabü bole züle umi-
raase &xatovrapyou BE Tivos boulos xaxüs Eywv TueAle Teleuräv
Luk. 7, 2 (serb. mit Präp. « Aapetana pak jednoga bijase sluga) ;
chramü moji chramü molitod narecetü se 6 olxds you olxos Tpoosuyic
wAndnostar Matth. 21, 13 (serb. Gen. dom molitve); vy Ze sätvo-
riste i vrütüpü razbojnikomü vpels 58 adrov Enorhoate orhAauov
Iyarav Matth. 21, 13 (serb. Adj. a vi nacıniste od njega pedinu
hayducku); svetllinikü telu jestu oko 6 Aöyvos Tod ompards &atıv 6
&pdalud; Luk. 11, 34 (serb. Dat. sotyeda je tijelu oko) ; vy Jjeste
soli zemlji vueis &ote 6 Alas ns yrs Matth. 5, 13 (serb. Dat.
oi ste so zemiyt); jegda Ze pribliti se oreme plodomü Ira 54 Nyyıoav
6 xaıpds rwv xaprov Matth. 21, 34 (serb. Dat. a Akad se pribliii
orjjeme rodovima); tu badetü plali i skrizetü zqbomi &xei &otaı
6 Aauduös xal 6 Bouyuös twv dödvrwv Matth. 13, 50 (serb. Gen.
ondje de biti plac i &krgut zuba),. Aus den von Miklosich bei-
gebrachten aksl. Belegen führe ich noch an: dboga tworica nebu
‘ zemjt i morju Gott den Schöpfer des Himmels und der Erde
und des Meeres. Belege aus der serbischen Profanliteratur bei
Danicie 362 ff., z. B. Ljutica Bogdan ti sestra mu und seine
Schwester, /lijya Brdskoj zemlji glavo Haupt des Landes Brda;
gradu vrata rano zatvorajte schliesst die Thore der Stadt früh
(S. 335). Oft steht zwischen dem Dativ und seinem Nomen
eine Präposition, wobei wir manchmal den Dativ noch gut zur
Geltung bringen können, z. B. kad pogleda konjicu na noge
wenn er dem Rösslein auf die Füsse sieht; zaspala dyevojka
drenku na korenku das Mädchen schlief ein auf der Wurzel des
Kornelkirschenbaumes; zzvadi ga vodi na obalu zog ihn heraus
an das Ufer des Wassers; a sazrela suncu na istoku und wurde reif
bei Sonnenaufgang. Eine bestimmte und feste Grenze für
den Typus des adnominalen Dativs lässt sich natürlich im
Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm. Sprachen. I. 20
306 Kap. VII. II. Der adnominale Dativ. [$ 146.
Slavischen ebenso wenig beobachten wie anderswo. Ich füge noch
einige Belege aus dem Serbischen an, bei welchen es zweifel-
haft ist, ob man den Dativ als Ergänzung der Satzaussage oder
spezieller als Ergänzung eines Nomens auffassen soll. Dahin
gehören Fälle, in welchem das Verbum ‘sein’ erscheint, z. B.
(Danicıc 352) Akad je rat niko nıkom nije brat wenn Krieg ist,
so ist niemand dem anderen Bruder; ja sam suncu rodjena
sestrica ich bin der Sonne eine leibliche Schwester (Schwester
der Sonne); Akad Akoji koga zovne: kume! a nije mu kum wenn
einer den anderen Gevatter nennt und er ist nicht sein Ge-
vatter. Ferner Dative neben andern Verben, z. B. (Danitıc 344)
kad kome umre dijete wenn einem ein Kind stirbt; Akad
Junaku srce zaigralo als dem Jüngling das Herz zu schlagen
anfıng; oci mu se bjehu uzmutili die Augen hatten sich ihm
getrübt, und vieles der Art. Ähnlich ist der Zustand im Rus-
sischen. Griechisch (vgl. Brugmann, Griech.Gr. 209). Ein Beı-
spiel, in dem man noch nicht recht weiss, ob man den Dativ
zur Satzaussage oder zum Nomen ziehen soll, ist 7,v apa darzl
deol rolnoav E&raiprv p 271. Nur zum Nomen gehört ypapua-
Teds 77, BovAT; xal tw Öyuw in attischen Inschriften, neben ypap-
narteug Tr; BovAris. Einige Beispiele, in denen das leitende Wort
nicht eine Person, sondern eine Sache ist, sind: Aadpy Tpwı
taynıov B 99, Unsaupös Beldeocı bei Aeschylus, und inschrift-
liche Wendungen wie fparpa tots Falstors, 76 HEdpıov rors Txo-
xvapıdlors Aoxpois u. ähnl. Über das Germanische sagt Be-
haghel in Paul und Braune’s Beitr. 15, 570: “Sichere altdeutsche
Fälle für den adnominalen Dativ sind nicht bekannt. In demo
Balderes volon sin vuoz kann man den Dativ zum Verbum
ziehen” (Man vergleiche hierzu, was bei den enklitischen
Formen der persönlichen Pronomina über das genitivisch-
dativische idg. *mo?, *toi bemerkt worden ist).
$ 147.] Kap. VIII. Der Genitiv. 307
Kapitel VII Der Genitiv.
$147. Ich habe der Darstellung selbst ein Wort über den
lateinischen (und thessalischen) Genitiv sing. der o-Stämme
vorauszuschicken. Manche Gelehrte halten diesen Kasus der
Form nach für einen Lokalis, so dass also in dem lateinischen
Genitiv der alte Gen. und der alte Lokalis zusammengeflossen
wären. Einen Versuch, diese Ansicht syntaktisch zu begründen,
hat Andreas Bell gemacht in seiner Dissertation de locativi in
prisca latınitate vı et usu, Breslau 1889. Nach Bell’s Ansicht
soll der Green. ursprünglich die Person bezeichnet haben, in
deren Gewalt etwas ist. Die Römer hätten sich aber die Ge-
walt unter dem Bilde eines die Person umgebenden Kreises
vorgestellt. Von diesem Grundbegriff, wie er z. B. in patris
hlıus vorliege, sei man dann dahin gekommen, in den Gen.
auch solche Begriffe zu setzen, die mit einem anderen eng und
dauernd verbunden seien, z. B. filit pater. Pater Marci sei
also nach römischer Auffassung etwa so viel wie Pater ın orbe
Marc. Nonne vero — so fährt der Verf. S. 14 fort — pater
Romae est idem fere denotat quod pater in orbe Romae
est? Itaque locativus fere idem de re exprimit quod gene-
trus de persona etc. Ich halte diese Ausführung für miss-
lungen, weil der Grundbegriff des Gen., den der Verf. aufstellt,
nicht aus der Gesammtüberlieferung der idg. Sprachen ge-
wonnen, sondern willkürlich konstruiert ıst. Aber auch sonst
scheint mir kein Grund vorzuliegen, im Lateinischen oder Grie-
thischen eine Vermischung des Gen. und Lok. anzunehmen.
Die Schwierigkeit, welche uns diese Formen bereiten, wird
auf einem anderen als dem syntaktischen Wege zu be-
kämpfen sein.
Über den Grundbegriff des Genitivs ist $ 69 gehandelt
und gezeigt worden, dass wir zu einem einheitlichen Grund-
begriff nicht vorgedrungen sind, vielmehr zwei Hauptmassen,
20*
308 Kap. VIII. I. Der Genitiv bei Verben. [$ 147— 148.
den Genitiv bei Verben und den Genitiv bei Substantiven, auf-
stellen, über deren Verhältnis zu einander die Meinungen ge-
theilt sind. Abweichend von der gewöhnlichen Ansicht bin ich
eher geneigt, den adverbalen Genitiv für den ursprünglichen
zu halten, und handle demgemäss im Folgenden zuerst von dem
Genitiv bei Verben und solchen verbalen Substantiven, welche
die verbale Konstruktion beibehalten haben, sodann von dem
Genitiv bei Substantiven, bei Adjektiven und endlich dem Gen.
der Zeit- und Ortsbegriffe.
1.
Der Genitiv bei Verben.
$ 148. Der Genitiv unterscheidet sich von dem Akkusativ
dadurch, dass bei dem Gen. der Verbalbegriff nicht auf den
vollen Umfang des Substantivbegriffs zu beziehen ist. Er ist
sozusagen ein verengerter Akkusativ. Es lässt sich deshalb in
dem Gebrauch des Genitivs bei Verben auch eine deutliche
Analogie mit dem Gebrauche des Akkusativs bei Verben ver-
folgen. Mit dem Akkusativ des Objekts kann man ver-
gleichen die Genitive bei Verben der Wahrnehmung, des Herr-
schens (nicht bewältigen, sondern Gewalt haben an), des Essens,
Trinkens, sich Erfreuens, des Gebens und Nehmens und ver-
wandten Verben, ferner von den nur im Griechischen geläufigen
Gebrauchsweisen die Verba des Berührens, Erfassens, Erlangens.
Zu der Verbindung mit zwei Objektsakkusativen bilden
eine Parallele die Verba des Füllens, wozu ıch SF. 4, 41 be-
merkt habe: “Zur Verdeutlichung des Entstehens dieses proeth-
nischen Typus denke man an den doppelten Akkusativ bei
“berauben’. Wie man sagt ‘jemanden berauben etwas’, so sagt
man auch “jemand beschenken, füllen etwas’, dieses etwas aber,
weil man dabei nur einen Theil einer grösseren Masse im Sinne
hat, tritt ın den Genitiv.” Von hier aus bekommt auch der
Gen. des ergriffenen Gliedes, den ich unter $ 156 behandelt
habe, Licht. Mit dem Akkusativ des Inhalts lässt sich
allenfalls vergleichen der griechische Gen. bei blühen, glänzen,
| 148.) Kap. VIII. IL Der Genitiv bei Verben. 309
duften (vgl. SF. 4, 40 und 5, 169), sodann der Gen. des Ein-
sstzes bei spielen u. ähnl. Im Altindischen kann man sagen
gam divyati er spielt (um) eine Kuh. Endlich habe ich den
Gen. des Zieles SF. 4, 41 mit dem Akk. des Zieles verglichen.
Verschiedener Ansicht kann man sein über den Gen. bei seın.
Wer der Meinung ist, dass das Verbum sein in einer vorge-
«hichtichen Zeit auch mit obliquen Kasus verbunden werden
konnte, kann den Gen. bei sei» als einen Rest aus dieser Zeit
betrachten. Ich möchte annehmen, dass er ein in den Prädi-
katstheil des Satzes versetzter adnominaler Gen. sei. Ich habe
diesen Typus an das Ende des Gen. bei Verben gesetzt. — Eine
Schwierigkeit in der Anwendung entsteht durch den Umstand,
dass der Gebrauch des adverbalen Genitivs in den einzelnen
Sprachen verschiedenen Umfang hat, den weitesten im Grie-
chischen. Es lässt sich wohl nicht entscheiden, ob wir darin
eine Alterthümlichkeit oder eine Neuerung des Griechischen
zu erkennen haben. Meine Anordnung ist in dieser Beziehung
durch die Rücksicht auf Übersichtlichkeit bestimmt worden.
Demnach ergiebt sich folgendes Schema:
$149. Wahrnehmen, nebst den griechischen Verben, welche
denken an etwas, sorgen für etwas’ bedeuten.
$ 150. Herrschen, walten, verfügen.
$ 151. Essen, trinken, sich erfreuen.
$ 452. Geben, nehmen und Verwandtes. -
6153. Der Genitiv in positiven Existenzialsätzen im Ser-
bischen, Russischen, Litauischen.
$154. Der Genitiv belebter männlicher Wesen im Sla-
vischen.
$ 155. Griechische Verba von der Bedeutung berühren,
umfassen, sich halten an, treffen, erlangen, theilhaftig werden.
$ 156. Genitiv des ergriffenen Gliedes.
$ 157. Genitiv bei Verben des geistigen oder körperlichen
Hinstrebens (Genitiv des Zieles).
$ 158. Wetten, spielen nebst den verba judicialia.
$ 159. Vereinzeltes aus dem Griechischen, Lateinischen,
Germanischen.
310 Kap. VIII. I. Der Gen. bei wahrnehmen. [$ 148—149.
$ 160. Der Genitiv bei sein.
$ 161. Partitiver Genitiv als Subjekt.
$8 162. Beibehaltener Genitiv bei verbalen Substantiven.
$ 149. Wahrnehmen.
In der sonst gleichartigen Masse spielt nur das Litauische
eine besondere Rolle. Dort heisst küdiktis dutros mötynos das Kind
blickt nach der Mutter. Es liegt hierin eine besondere Er-
scheinungsform jenes allgemeinen Gebrauches vor, wonach das
Substantivrum dann im Genitiv steht, wenn es von dem Verbal-
begriff nur theilweise ergriffen wird. Diese Erscheinungsform
ıst darum besonders interessant, weil man sieht, wie in einer
genitivischen Verbindung der Gedanke des Zieles auftauchen
kann. An diese Verba habe ich die griechischen angefügt,
welche ‘an etwas denken, sorgen für etwas, sich um etwas
kümmern’ bedeuten.
Arisch. Über $rs hören bemerkt Gaedicke, Akk. 46.
“nach $ru hören steht das wirklich Gehörte, das Wort oder der
Schall im Akkusativ, die sprechende Person oder der schallende
Gegenstand im Genitiv”. Im Avestischen findet sich der Gen.
von yasna Gebet in surunuya nö mipra yasnahe, zSnuyä no miphra
yasnahe hör auf unser Gebet, freue dich unseres Gebetes, o
Mithra yt. 10, 32. Über den Gen. und Akk. bei vid hat Gae-
dicke 47 ausführlich gehandelt. Der Gen. steht, wenn vid
bedeutet ‘kennen lernen, erfahren, zu erfahren, zu geniessen
haben’. Im Avestischen steht der Gen. bei vidus eingedenk y.45, 8
iso nach Bartholomae, KZ. 28, 34, anders Mills. Mar ‘ge-
denken, sorgend oder rühmend gedenken’ hat im RV. die Gen.
yayhasya des Opfers, te dvasah deiner Hilfe, &sam derselben,
häufiger den Akk. (vgl. Gaedicke 46), im Av. :da äpravand
dazwyunam manyente varheus a$ahe hier sind die Priester der
Graue desguten heiligen Brauches eingedenk (Geldner, KZ.25, 552)
yt. 13, 147. Im Avestischen erscheint der Gen. auch bei ap:-
vat: usta te apivalahe pouru (so) vacam erezurdangm heil dir!
du verstehst dich sehr auf recht gesprochene Worte y. 9, 25.
Im Aı. hat aps-vat den Akk. bei sich. Griechisch. Dem
ai. $ru entspricht »Aüw. Es hat bei Homer (vgl. Weidenkaff,
{149 Kap. VIII. I. Der Gen. bei hören, erinnern u. ähnl. 311
de usu genitivi apud Homerum, Ilalle 1865, Diss., S. 5) stets
den Gen. der Person, gewöhnlich den Gen. der Sache, aber
auch den Akk. der Sache (die volle Aufnahme des Gehörten
in den inneren Sinn ausdrückend, vgl. OÖ 270 mit x 311).
Auch dxoöw hat stets den Gen. der Person (7 193 ist ’Atpetönv
vorausgenommenes Subjekt des folgenden Satzes), auch in be-
zug auf die Kasus der Sache verhält es sich wie x»Aöw!). Dem
a. od entspricht forda. Bei Homer findet es sich mit dem
Gen. im Sinne von “erfahren sein’ bei tepawv, raons soptrs, Töwv,
payns, Beorportwov u. ähnl. Zu den genannten Verben kommen
bei Homer noch die Synonymen atw, Euvinpt, ruvdavonar (oft
mit dem Akk. der Person), yıyvaoxw merken, erkennen (dreimal),
&öary (ebenso oft), endlich &xıoransvos oöpuıyyos 9 406 und öt-
tasöuevos roAgnoro [| 811. Erinnern und vergessen: pınvnorw
hat den Gen. der Person und Sache bei sich, selten den Akk.,
in welchem Falle es heisst “im Gedächtnis haben’. Über das
entsprechende ai. man s. 8.310. Nach yıuvroxw hat sich Aavdavw
gerichtet, mit dem Gen. der Person und Sache, wenn es ‘ver-
gessen‘, mit dem Akk. der Person, wenn es “verborgen sein vor’
bedeutet. Dazu das vereinzelte andsssov yap ET aurwv x 493.
Lateinisch. Von Verbis des Erinnerns hat memini seit
der Urzeit den Gen. bei sich (ebenso wie den Akkusativ), da-
nach commemini und recordari, wobei aber der Akk. gewöhn-
lch ist. Auf Nachahmung beruht natürlich auch der Gen.
bei vemt ın mentem und ebenso bei oblivisci {vgl. "auf etwas
vergessen nach ‘sich auf etwas besinnen’), das übrigens bei
Plautus nur noch den Akk. hat. Germanisch. Bei hören
(Grimm 4, 661) steht im Got. meist ein Akk. der Sache, aber
auch Gen., wo das Original ihn nicht hat, z. B. hausjandans
fize vaurde Axoboavtss töv Adyov Joh. 7,40, ähnlich in den an-
deren Dialekten. Got. gamunan sich erinnern hat den Gen. wie
das Griechische, aber auch Gen., wo das Griechische Akk. hat
(Grimm 4, 662); Augjan und Pagkjan \s. ebenda) kommen im
li‘ Einen ablativischen Gen. bei Verben des Hörens nehme ich jetzt
nieht an (vgl. darüber Hentze 522ff.), weil ich bei ‘hören’ in den alten in-
dischen und avestischen Texten einen Ablativ nicht finde.
312 Kap. VOII. I. Der Gen. bei wahrnehmen u. ähnl. [$ 149.
Got. nicht mit Gen. vor, wohl aber in anderen Dialekten, z.B.
ahd. sie dähtun dero worto, huge dero worto. “Acht geben
auf (Grimm 4, 658, nicht im Got., aber z. B. ahd. thaz wib
thaz thero duro sah (Otfr.) die Thürwärterin. Der Gen. bei vergesser
(Grimm 4, 663) dürfte sich hier angeschlossen haben. Li-
tauisch. Schleicher S. 275 bemerkt: “die Verba, welche
‘sehen’ bedeuten, haben bisweilen den Genitiv bei sich, meist
mit jener Modifikation, welche im Deutschen durch ‘nach’ be-
zeichnet wird, z.B... küdıkıs dairos mötynos das Kind blickt
nach der Mutter; mäno akys veizd vernüju meine Augen schauen
nach den Treuen; sonst haben sie wıe andere Verba, welche
Sinneswahrnehmungen bezeichnen, den Akkusativ, so regeti,
matyti sehen, schauen, jaüsti fühlen, girdeti, Alausjti hören.
Letzteres hat in der Bedeutung “‘gehorchen’ [nach etwas hin-
hören, auf etwas hören] den Genitiv: Alausyjfi prisakımo dem
Gebote gehorchen”. Ein proethnisches Verbum der inneren
Wahrnehmung ist atsimtüti gedenken, z.B. a/simiük manes ge-
denke mein. Daran schliesst sich ‘vergessen’ mirszti (meist
mit Präp. zusammengesetzt), z. B. uzmi’szo lvo sie vergassen
des Vaters, Schleicher Les. 135. Slavisch 'Miklosich 4, 492 ff.).
Von den Verben, welche “hören” bedeuten, finde ich s/ysati im
cod. Mar. nur mit dem Akk,, z. B. s/ovo, glasü u.ähnl. Auch
wo im Griechischen der Gen. steht, hat der slavische Text den
Akk., so: siysa penija i liky Txovse ouupwvlas xal yopwv Luk.
15, 25. Der Akk. steht auch, wenn das Gehörte in einem Eigen-
namen besteht, z.B. Pilatü Ze slySavü galileja Tldaros dE dxobsas
l’arılatav Luk. 23, 6. (Auffälliger Weise steht im Zogr. auch
slysarü ze Isusa Axodsas 6E repl tod Irsoö Luk. 7, 3 Isusa
als Vertreter des Akk. Der Mar. hat an dieser Stelle o Isuse).
Miklosich aber führt auch den Gen. an, z. B. svetyyichü slovesü
da slysimü sancta verba audiamus. Ebenso finde ich bei us!y-
$ati im cod. Mar. nur den Akk. Miklosich hat auch Gen.,
2. B. visi uslysase glasa sego omnes audierunt hanc vocem. Da-
gegen poslusati hat auch im Mar. den Gen., z. B. poslusaatü
glasa mojego Axo0sı pou Tis vwv7is Joh. 18, 37. Von den Verbis
des Sehens führt Miklosich rideti mit dem Gen. an, z. B.
8149.) Kap. VIII. I. Der Gen. bei p!öopor u. ähnl. 313
tideste daba vıdentes arborem. Im Mar. habe ich nur den Akk.
gefunden. Für den Gen. bei zöreti führt Miklosich z. B. an:
zire drüzosti ucenice dpwv Tod naßntoo nv töApav. Aus Mar.
habe ich nur angemerkt: zireste sich& öpwoaı radra Luk. 23, 49.
Dagegen sämotriti, welches nicht eigentlich ‘sehen’, sondern
ımapavdlavo, xaravo&w bedeutet, hat in den wenigen Stellen
des Mar., an denen es vorkommt, den Gen., z. B. sümotrite
tranü xatavonsate tobs xöpaxas Luk. 12, 24. Im Serbischen
und Russischen ist bei ‘hören’ und ‘sehen’ der Gen. nur schwach
vertreten. Aus dem Serbischen führe ich an: al da vidis cuda
selikoga da siehst du das grosse Wunder, und momct gledayu
djecokaja die Burschen schauen nach den Mädchen (Dani£ic 86).
Einige Beispiele aus dem älteren Russisch s. bei Miklosich.
— Von den Verben der inneren Wahrnehmung führe ich “er-
innern’ an: aksl. prestuplenija pomenemi transgressionis recor-
demur. (Im Mar. habe ich nur den Akk. gefunden). Ebenso
serb. opominjudi ıh ocine zakletve sie erinnernd an den Schwur
des Vaters (Danicie 111); pazili achten auf: pazi mene drage
sestre moje achte mir auf meine liebe Schwester (Danitic 87).
Ebenso russ., z. B. ne mogu ospomniti jego imeni ıch kann mich
auf seinen Namen nicht besinnen. Gewöhnlich aber steht bei
erinnern’ der Akk. Aus dem Serbischen wäre etwa noch bei-
zubringen, dass sich an die Verba des Sehens gewisse Wört-
eben mit der Bedeutung ‘siehe’ angeschlossen haben, z. B. gle
ti njega da ist er (le vorla), nuto momka siehe den Burschen,
eco i muZa da ist dein Mann, elo ti sina, eto ti matere das ist
dein Sohn, das ist deine Mutter Joh. 19, 26 und 27 (Danieic 115).
Anhang. Die griechischen Verben ‘an etwas denken,
sorgen für etwas, sich um etwas kümmern’: y$öonar mit Gen.
der Sache (moAduoro, vöstoro u. ähnl.) mit Akk. wenn es heisst:
auf etwas sinnen, das man erreichen will (xaxd, xaxa £pya);
&uzafopaı mit dem Gen. von Personen und Sachen (ixerdwv,
pidoy, deonporins u. ähnl.), n 422 ixeras; dAdyw mit Gen. der
Person und Akk. der Sache; dAsyilw, perarperopar und ddonar
mit Gen. der Person; perarperopar mit Gen. der Sache; xr-
öopaı mit Gren., gewöhnlich der Person, äxrötw mit Gen. der
314 Kap. VIII. I. Der Gen. bei herrschen, geniessen u. ähnl. [$ 149—151.
Person; p&iw mit Gen. nur bei peuniws (rAouroro, roÄspote),
aus\&w mit Gen. der Person und Sache.
$ 150. Verba, welche "herrschen, walten, verfügen
über’ bedeuten. Der Gen. findet sich überall, ausser ım
Lituslavischen, wo er durch den konkurrierenden Dativ ver-
drängt zu sein scheint.
Arisch. Z. B. ai. A$i herrschen /car$aninam, viSam über
die Menschen, räyas, dravinasya, vasıınam über Gut, götrasya
über den Kuhstall, bresajasya über Arzenei\, ebenso avestisch:
tum axstors anazslöis mibra z$ayehe dazwyungm du, o Mithra, ge-
bietest über Friede und Unfriede der Völker yt. 10, 29, ferner
daevanım über die Dämonen, masyanqm über die Sterblichen
(Hübschmann 278). Ferner ai. :$ verfügen über (im RV.: über
Gut, Reichthum, Menschen u. ähnl., vgl. Grassmann unter ig), im
Avestischen: kap möi urva ise cahya avanphö wıe erlangt meine
Seele irgend einen Beistand y. 50, 1. Griechisch. Belege aus
Homer sind: avassw (z. B. ‘Apyslwov, Teveöoro!, Basıkevo (Ayamwv,
IöAov), Ayeouaı (Erıxoöpwv), xparew (Apyslwv), arpalvo (otparos),
deuistedo (raldov). Lateinisch. Ob rerum potir! noch ein
Rest dieser Konstruktion ist oder eine Neubildung des La-
teinischen, hervorgerufen durch den Begriff “Herr, der in dem
Verbum steckt, wird sich schwerlich entscheiden lassen. Ger-
manisch. Wie sich bei Grimm 4, 658 übersehen lässt, hat got.
valdan den Dat. bei sich, dagegen ahd. u. s. w. den Gen., z. B.
ahd. desero brunnono beidero waltan über diese Panzer beide
verfügen; hüten und pflegen sind im Got. nicht vorhanden.
$ 151. Essen, trinken, geniessen, sich erfreuenan.
Die Verbindung mit dem Gen. ist überall vorhanden ausser
ım Lateinischen, wo der Gen. durch den Akk. und den Instr.
(fruor, vescor) verdrängt worden ist.
Arisch. Was zunächst ‘essen’ und “trinken” betrifft, so
habe ich SF. 5, 159 gezeigt, dass der partitive Sinn des Gen.
im Gegensatz gegen den Akk. noch öfter zu spüren ist, z. B:
apo aSnäti er geniesst Wasser, nd mäasänam aßniyat er esse
keine Bohnen, ähnlich bei pz und bhakf. Belege aus dem
Avestischen sind: @ fi me attayä zaoprayä frarharöis du darfst von
$152.] Kap. VIII. I. Der Gen. bei geniessen u. ähnl. 315
diesem meinem Opfer geniessen yt. 5, 91. yase tE gava iristahe
bazsaile wer von dir trinkt, wenn du mit Milch gemischt bist
y. 10, 13. Auch bei füttern: duve navasli naram asaonqm
cästrayatta geus va hvarebahe va hurayäü va madeus va zweimal
neunzig fromme Männer soll er mit Fleischgericht, Branntwein
oder Meth speisen vd. 14,17. Sich erfreuen an: Im Altindischen
erscheint sowohl im Veda als in Prosa tarp (tepropa«:, z. B.
innasya trpyatı er erquickt sich an Speise 'vgl. den Instr. $ 115).
Daneben erscheinen im Veda pri, kan, mad, pan. Aus dem
Avestischen habe ich nur zu notiert: surunuyä no mipra yasnahr
zinuyd no mibra yasnahıe höre auf unser Gebet, freue dich
unseres Gebetes, o Mithra yt. 10, 32. — Griechisch. Bei
Homer, z. B. rıeiv otvoro, almaros, Awroio varav, naoaslaı
avaydı Ayarods oltov xat otvoro T 160. Dagegen mit Akkusativ
ı.B. Köxko, 77, nie olvov, &rei payes Avöpsuea xpea ı 347. Dazu:
geniessen, zu erfahren haben: ripropar (auch mit Dat.) bei
Homer im Med. sich ersättigen an (£öntöos, ottou, ÜUnvou, edvf;s,
11, Yuldınros, ydoro). Ferner: darros Gynso 768; yedopaı
‚Soupts, Arwafis, drotod, Yaıpav). Grermanisch. Für ‘essen’
führt Grimm 4, 649 aus dem Gotischen nur an: Pis hlaibis matjai
ix od Aprou Eodıdtw 1. Kor. 11, 28, bei 27an keine sichere Stelle,
wohl aber ags. büt bu bisses ofütes ete dass du dieses Obstes
ässest u.ähn]. Für trinken’ hat Grimm aus dem Gotischen eine
iweifelhafte Stelle, dagegen ahd. trinkist du des lüteren brun-
nen u.8s. w. Dazu ‘kosten’ (Grimm 4, 650). Belege für den Gen.
bei ‘sich freuen an, geniessen, gebrauchen’ (Grimm 4, 663) sind:
sıh frewan und sich niofön vom Ahd. an, brauchen (Grimm 4,666)
vom Got. an, z. B. Zeıhtis bruhta A Elaypla Eypnoaunv
2.Kor. 1,17. Neben dem Gen. im Got. und Ahd. auch der
instrumentale Dativ. Baltisch-Slavisch. Im Litauischen
2.B. üsz valgau dünos ich esse Brod, zis paragävo vandens er
kostete Wasser. Slavische Belege bei Miklosich 4, 484, z. B.
akal. ı nikütote pivü vetücha abije chostetü novuumu xal oböels
zwy ralauıv Belsı veov Luk. 5, 39. (Vielleicht könnte indessen
die Nähe der Negation den Gen. verursacht haben. An an-
deren Stellen des cod. Mar. finde ich pit nur mit dem Akk.).
316 Kap. VIII. I. Der Gen. bei geben, nelımen u. ähnl. [$ 151—152.
Miklosich führt an: vypilü meda sladkago er trank des süssen
Methes. Bei rükusıti kosten findet sich der Gen. rina Joh. 2,9.
Serbische Belege, z. B. jests hljeba, pili vode, soli zobatı Salz
fressen, 8. bei Danıcie 85.
$ 152. Geben, nehmen und Verwandtes.
Unter diesem nicht ganz befriedigenden Titel stelle ich
eine Anzahl von Verben zusammen, neben denen der partitive
Charakter des Genitivs besonders deutlich ıst. Das Lateinische,
wo der Akkusativ den Gen. in hervorragend starkem Masse
verdrängt hat, fällt bei dieser Nummer aus. Wichtig ist das
Litauische und Slavische, wo sich im Anschluss an diesen Ge-
brauch gewisse feste Konstruktionstypen entwickelt haben.
Arisch, z. B. rujad drlhani dadad usriyanam er breche
das Feste, gebe uns Kühe RV. 7, 75, 7, haoma dazdı m& ba®-
$sazanım Haoma, gieb mir Heilmittel y. 10, 9; Aumbhyanam
grhniyat man nehme von dem im Topf befindlichen Wasser
TS. 6, 4, 2, 2; yab vä masyo masyangm z$udrangm parageur-
vayeıti oder wenn ein Mann Samen von Männern empfängt
vd. 8, 32. Griechisch. Einige Belege aus Homer mögen
genügen: yaptLop£vn rapsdvrwv a 140, Tup@v alvum£vous ı 225,
Aöprotoro d Eynpe duyarpav S 121, trs yevanıs Exiede E 268, naose
ö ads Yeloıo | 214, Öntäsal re xpenv o 98. — Ein partitiver Sinn
tritt auch deutlich hervor in reıpaw akt. und med. versuchen,
sich versuchen an (akt. neu, prlwv, med. Avöp@v, &poö, Epywv,
tögou, odeEveog u. ähnl.) und reipntliw (sußwrew, Töfou). Ger-
manisch Grimm 4, 648). “Geben’hat im Gotischen den Gen., wo
das Griechische and hat: es akranis bis veinagardis gebeina imma
Iva And Tod xaproü Tod Aurel@vos Öwcıv adry Luk. 20, 10. Sicher
original ist mhd. :ch wsl im mines brötes geben u. ähnl. Ebenso
steht es mitnehmen’: got. nemi akranis Aa And tod xaprod Mark.
12, 2, ags. genam ber bes ofätes nahm des Obstes. Bei ‘haben’
scheint in der alten Sprache der Gen. allein oder doch überwiegend
in negativen Sätzen gebraucht zu sein (vgl. das Slavische), im
Mhd. auch in positiven, z.B.: habent si grözer riterscaft (Grimm
4, 617). Hieran schliesst sich noch der Gen. bei ‘tragen', z. B.
alts. thes brödes gidragan (Grimm A, 648). Aus dem Alt-
5152) Kap. VIII. I. Der Gen. bei geben, nehmen u. ähnl. 317
nordischen führe ich beispielshalber an: get« erlangen (mit
Gen. bei geistigem Erlangen, sonst Akk.), /a zur Gattin neh-
men, in die eheliche Gewalt bekommen. Litauisch. In
bezug auf das Lit. sagt Schleicher, Gr. 274: “Der Akkusativ
weist bei dergleichen Begriffen auf ein bestimmtes Objekt hin,
ı.B. dük man dünos, üsz turiü dünos gieb mir Brod, ich habe
Prod, aber dük man düng, üsz turiü düng gieb mir das Brod,
ich habe das Brod”. Einige Belege sind: tasat dukterü tur&jo
der hatte Töchter (Schleicher, Les. 137), tE Jam tökio dazo su-
daböjo sie verschafften ihm solche Farbe (134), tavöro pirkt
Waaren kaufen (136), vandens semt Wasser schöpfen (134),
parnesz graziü zodärzu if gailiü aszardczu er wird bringen
schöne Wörtlein und bittere Thränlein; rätu söjau ich säte
Rauten u. ähnl. Slavisch. Einige aksl. Beispiele bei Miklo-
sich 4, 484: da mi poSljeti leda mittat mihi glaciem (de la glace);
naseachomä slanutüka cicerem sevimus. Serbische Belege
(Danitie 83 £.) sind: day nam medovine gieb uns Meth, tznest
mi platna bring mir Leinwand heraus, imam brade v ostale
scjte ich habe Brüder und sonstige Verwandte, svega imas
u bijelu dvoru, jo$ da imas ribe od Orida alles hast du im
weissen Gehöft, hättest du noch Fisch aus Ochrida, vıno
pje ko ima novaca Wein trinkt, wer Geld hat, vatre uzeti
Feuer nehmen, kupila je iglu (Akk.) od biljura tanka beza (Gen.)
od grada Mostara sie hat gekauft eine Nadel aus Beryli, feine
Leinwand aus der Stadt M. Diesem letzten Beispiele ent-
spricht genau das russische: kupilü sebe muzikü novyje sapogt,
zene kolecü (Gen.), a doceri serözki ein Mann kaufte sich ein
Paar neue Schuhe, seiner Frau Ringe {unbestimmte Menge,
also Gen.), seiner Tochter ein Paar Ohrringe, Äsböth 7. So
auch bei daft, z. B. dalü svojego snadobtlya gab von seinem
Mittel, 22. Es ist deutlich, dass man in diesen und ähnlichen
Sätzen nicht an das ganze Ding denkt, das gegeben oder ge-
nommen werden soll, sondern an einen Theil. Es kann aber
diese partitive Vorstellung auch auf die Zeit übertragen wer-
den, für welche etwas erbeten wird. So lehren die Gram-
matiker, dass da) mne tvoje) knigi bedeutet: gieb mir dein
318 Kap. VII. I. DerGen. in slavischen Existenzialsätzen ete. [$ 152—153.
Buch auf eine Zeitlang, und so kann dann der Genitiv als
die höflichere Ausdrucksweise erscheinen. Nach Buslajev bei
Miklosich steht “in höflicher Rede der Gen.: poka2i svoJej Anigi
neben dem minder rücksichtsvollen: poka2t sroju Anigu. Dem
Angeredeten wird durch den letzteren Satz mehr zugemuthet
als durch den ersteren, der ungefähr dasselbe aussagt, wie etwa:
zeige das Buch auf einen Augenblick”. Ferner bemerken die
Grammatiker (s. Miklosich 4, 4585‘, dass der Gen. bei dem per-
fektiven, der Akk. bei dem imperfektiven Verbum zu stehen
pflegt, was insofern natürlich ist, als die aoristisch-momentane
Handlung geeignet ist, einen Gegenstand nur zu streifen, die
präsentisch-dauernde aber, ihn in seiner Totalität zu erfassen.
So führt Miklosich an: posejati psenicy Weizen aussäen, aber
sejati psenicu die Handlung des Säens vollziehen, prinesti cody
Wasser herbeibringen, aber nosıtı vodu Wasser tragen. Jemand
giebt einem Bettler einen halben Rubel und sagt primi tzü
nego semitku a sorok-to vosemi kopejekü da) mne sdacı (Gen.)
nimm davon zwei Kopeken und gieb mir acht und vierzig zu-
rück {als Rückgabe). Als der Bettler Miene macht, das ganze
Geld zu behalten, heisst es: podavay sdacu reich mir die Rück-
gabe her (Asböth 36). Umfassendere Sammlungen sind mir
nicht bekannt. Fein ist dieser Gebrauch namentlich auch aus-
gebildet im Polnischen und Cechischen. So sagt man 2. B. im
Polnischen: »nadstawı? ucha \Gen.) er hielt das Ohr hin, un
etwas von dem Gespräche zu hören, dagegen ucho (Akk.), um
alles gut zu hören.
$ 153. Der Genitiv in positiven Existenzialsätzen
ım Serbischen, Russischen, Litauischen (Miklosich 4, 486).
Serbisch (Danitic 59). An den Gen. bei ‘geben, nehmen,
haben’ u. s. w. schliesst sich der Gen. bei {ma es giebt (eig.
es hat) : ıma Jjudi koji es giebt Leute, welche: Aad ıima hlyeba
nema soli, a had ima soli nema hljeba wenn es Brod giebt, giebt
es kein Salz, aber wenn es Salz giebt, giebt es kein Brod; u
svakom zitu ima kukolja in jedem Weizen giebt es Wicken.
Danach auch bei bit sein, z. B. Akad je masla nije brasna wenn
Butter da ist, ist kein Mehl da; dje je djevokaja bice « dyetica
$153—154.] Kap. VII. I. Der Gen. belebter männl. Wesen im Slav. 319
wo Mädchen sind, wird es auch Mannsbilder geben; mene ce
bi a vas bil! ne ce ich werde sein, aber ihr werdet nicht sein.
An ‘sein’ schliessen sich dann noch einige andere Verba ähn-
licher Bedeutung, so trajatı dauern und ieci fliessen, dauern, z. B.
hi ces ziujet dok Turlina traje du wirst leben, so lange noch ein
Türke vorhanden ist, dokle tece sunca i mjeseca so lange es Sonne
und Mond giebt. Im Russischen kann bei dyti ebenfalls
der Gen. stehen, z. B. u menja volü jesti otmycki ich habe hier
einen Nachschlüssel (Äsböth 33). Besonders häufig steht der
Gen. bei passivischem Ausdruck (Buslajev 247), z. B. naechalo
gost; es kamen Gäste angefahren, nabralosi vody es wurde
Wasser gebracht u. ähnl. Dasselbe im Litauischen bei dut:
fat büt szaunü stalu das gäbe gute Tische, Schleicher, Les. 126.
In dem Satze ale ja 76 nebüvo da war es (das Schwein, nicht
mehr (130) mag auch die Negation auf die Wahl des Kasus
eingewirkt haben.
$154. Der Genitiv belebter männlicher Wesen ım
Slavischen.
Die Regel für das Aksl. lautet: Wörter männlichen Ge-
schlechts, welche ein belebtes Wesen bezeichnen, ersetzen den
Akk. sing. durch den Gen. Demnach sagt man im Aksl. z.B.
ostarlisa korabli (Akk.), i ofica svojego (Gen.) ayevre; t& rAolov
xai oy ratepa autay Matth. 4, 22. Dagegen steht der Akk.
beim Dual und Plural belebter Maskulina, z. B. vide düva
brata er sah zwei Brüder Matth. 4, 18; zzgnase proroky 2ötwkav
“09; mpoprras Matth. 5, 12. Ferner steht der Akk. bei allen
übrigen Subst., also bei den Maskulina, welche etwas Unbe-
lebtes bezeichnen, z. B. oben Akorabli; bei sämmtlichen Femi-
ninis, z. B. ıZe aste pustitü Zenq svoJq 65 Av AnoAdoy TnV yuvalıa
auccdo Matth. 5, 31; bei sämmtlichen Neutris, z. B. videse
otroce züpov tÖ ratötov Matth. 2, 11. Dabei werden zu den
Femininis auch die Maskulina femininaler Form gerechnet, es
heisst also: vide düra brata (Akk.) Simona naricajemaago Petra
(Gen.) # Anidrejq (Akk.) brata (Gen.) jego elöe Sbo adslzous LZi-
puva tüv Aeydpevov Ilerpov xal Avöpzav zov aösko0v adrod Matth.
4,15. Diese Regeln erleiden nun nach zwei Seiten hin Aus-
320 Kap. VIII. I. Der Gen. belebter männl. Wesen im Slav. [$ 154.
nahmen, nämlich erstens: Auch Maskulina, welche belebte
Wesen bezeichnen, können im Akk. stehen, z. B. zwar :ze ljubitü
ofica (Gen.) lt materi wer Vater oder Mutter liebt Matth. 10, 37,
aber gleich darauf :2e Zyubitü synü li düsteri wer Sohn oder
Tochter liebt. Eine Regel wird sich in dieser Beziehung schwer-
lich aufstellen lassen. Texte, die sich ganz nahe stehen, gehen
zwar bisweilen zusammen, z. B. heisst es im cod. Mar. prinese
Jjemu oslabljenü (Akk.) zilamı rpooepepov aötp rapalurındv Matth.
9, 2, und im Zogr. ebenso. Dagegen gehen dieselben Texte
an anderen Stellen auseinander, so heisst es Mark. 2, 3 zwar
im Mar. oslabljenü (also wie Matth. 9, 2), dagegen im Zogr.
oslabljena (Gen.). Es scheint also, dass man sıch (wenigstens
einstweilen) mit der Feststellung der Thatsache begnügen müsse,
dass noch Reste der alten Akkusativkonstruktion vorhanden
sind. Ausserordentlich häufig sind diese bei den Pronominibus,
z. B. in Wendungen wie tügda ostavi i dıjavolü Tire auinaw
aötov 6 ötaßoAog Matth. 4, 11. Zweitens: Der Genitiv greift
schon im Aksl. gelegentlich um sich, so dass unbelebte
Mask., Neutra, auch Fem., und im Pronominalgebiet häufig
auch die Plur. der Mask. ergriffen werden. Beispiele für
diesen Vorgang (bei denen aber nicht selten im einzelnen
Zweifel bestehen) findet man bei Miklosich 4, 495 ff. und Scholvin,
Archiv f. slav. Phil. 2, 522. Im Serbischen ıst, so viel ıch
sehe, der Zustand derselbe wie im Aksl. Nur sind bei den
persönlichen Pronomina der Akk. und Gen. zusammengefallen,
welche im Aksl. gesondert sind. Im Russischen steht es wie
im Serbischen, nur ist bei den Wörtern für belebte Wesen
männlichen Geschlechts auch der Plural ergriffen worden. Man
sagt also z. B. carya für Gen. und Akk. sing., carey für Gen.
und Akk. plur.
Ich zweifle nicht, dass dieser Genitiv ım Grunde ein
partitiver ist, und stelle mir die Sache so vor: In den Akku-
sativ tritt ein Substantiv, wenn die vollste Bewältigung durch
das Verbum vorgestellt werden soll. Der Genitiv zeigt gegen
diesen Akkusativgebrauch einen deutlich empfundenen Gegen-
satz. So treten denn in ıhn solche Wesen, welche der vollen
$154—155.) Kap. VIII. I. Der Genitiv bei dado u. 8. w. 321
Bewältigung sich am unzugänglichsten erweisen, sozusagen die
persönlichsten von allen: männliche Personen. Dass ursprünglich
nur der Singular von dieser Konstruktion betroffen wird, hat wohl
sinen Grund darin, dass in ihr hauptsächlich Eigennamen auf-
traten. Im Sprachgefühl übrigens erschien offenbar schon früh
dieser Genitiv nur als eine andere Form des Akkusativs, wie daraus
hervorgeht, dass er auch nach Präpositionen angewendet wurde.
$ 155. Die griechischen Verba berühren, an-
fassen, sich halten an, treffen, erlangen, theil-
haftig werden.
Von der ersten Gruppe liegen bei Homer vor: dad
(imssurpov, &vdtvwwv), öpdosopar (xdviog), Antonaı (Yobvwv, yEıp@v,
zodan, Inzwv, vn@v, oltov u. ähnl.). Während diese Verba nur
mit dem Gen. verbunden werden (® 340 scheint für Arrouaı
den Akk. nicht zu beweisen), findet sich Akk. und Gen. bei
laudavn: Aaße nerprns e 428, army Aaßernv W 711, &MMaßer
adrns (oyeöins) e 325, alpew: yeEocoun Ödoupos &Awv I’ 78, H 56
(Il 406 8. unten), Eyopar: rs (nErprs) Exero otevaymv e 429,
aurev &ydunv ı 435, übertragen o&o 8’ Eeraı drrı xev dpyy, 1 102.
Hierzu wohl auch £petoaro yalns E 309, A 355. Aus der nicht-
homerischen Sprache erwähne ich: röv ypaudpevov Oyxavros dA fo
welcher stösst an das Grundstück u. s. w., kyprisch, Collitz 60.
Hieran schliessen sich die Verba, welche treffen, erlangen,
theilhaftig werden bedeuten, nämlich ruyyavo (auch mit Akk.)
bei Homer Aor. und Fut. treffen auf (Yanadoro Badeins), treffen
urpivdoro, rpoßıBwvros), theilhaftig werden (rour7js xal vooroto,
giörnros dndons), Aayyavo (gew. mit Akk.) bei Homer im Aor.
theilhaftig werden (döwpwv, xtep&wv), im Kaus. (rupös Havdvra),
pelpopan (tus), avrıdoAnsaı (pays, Tanpou, &mmtoos). Auch
arıııo gehört hierher. Es bedeutet treffen auf (N 290 wird
von dem B&Aos gesagt: 7 stepvwv 7) vnöbos Avtiacetev), theil-
nehmen an (z. B. adrap &yw xeio’ ein: xal avrıow rolduoro
M 368), Antheil erlangen an (z. B. dvrıdwv Tabpwv te xal Apvarav
ratsuörns a 25. Endlich ist &raupisxw zu erwähnen, akt. ‘be-
rühren’ (Atdov W 340), med. “zu geniessen haben’ (vsov &oßkoo,
panktos, naroppapins Akeyeıväs).
Deibrück, Vergl. Syntax der indogerm. Sprachen. I. yal
322 Kap. VIII. I. Der Genitiv bei füllen, sättigen. [$ 156,
$ 156. Füllen, sättigen.
Über das Altindische und Lateinische s. $ 114. Grie-
chisch: Die Belege für riurinut (gleich par) und verwandte
Wörter s. bei Klinghardt, de genetivi usu Homerico et Hesiodeo,
Halle 1879 (Diss.), 39. Füllen: riurAngı wird gewöhnlich mitGen.,
z.B. inrwv, alyurtawv, vexöwv, olvoro, n£veos u.8.w. verbunden, sel-
tener mit dem Instr., wo man sehe, übertragen in vtos EvırAnadivar
1452. Sättigen: Aw, z. B. ainaros asaı "Apra, xopevvupı, z.B.
gopdäis, dEdAwv. — An ‘füllen’ schliessen sich noch eine Reihe von
ähnlichen Verben, z. B. 3ds0w vollstopfen (vrpuaros), vnew voll-
füllen (va xpusoö xat yalxoö), &niorepeodar bis zum Rande füllen
(npnttpas &reoribavro norolo), ferner Apidw strotzen von (tapool
uEv tupav Ppidov ı 219, aoltov xal xpeawv 16 olvou BeRptdac
o 334, gewöhnlich mit Instr.), ganz ähnlich oteivo ı 219. Auch
obpw beschmieren (st7jdos xal xstlea Püpow ainaros co 21) kann
man hierher stellen. Germanisch. Got. fulljan und fullnan,
2. B. ahmins veihis gafulljada nveöparos Aylov nAnodnoerar Luk.
1, 15, gasobjan sättigen, theils mit Instr. (Alatbam), theils mit
Gen.: gredagans gasobida Piupe rewüvras Eveninoev Ayadav
Luk. 1, 53. Litauisch: pripilkit man mäno vezimq pinigü
schüttet mir meinen Wagen voll Geld, Leskien-Brugman 321.
Slavisch. Anfüllen: aksl. naplünite vodonosy vody yeyioare
ta; Göplag Ödaros Joh. 2, 7, serb. stolovi se napunise gostiju die
Tische füllten sich mit Gästen, da nam kucu napuni smijeha
dass er uns das Haus erfülle mit Lachen {Danıtic 97). Sätti-
gen: aksl. otü Aqdu se mozetü küto nasytiti chlebü na pustynji
nödev Tobroug Öduvnastal Tıs Wös yoprdcaı Aprwv Er’ £priulas;
Mark. 8, 4. Hieran schliessen sich die mit za zusammenge-
setzten Verba, welche Miklosich 4, 505 anführt. Aus dem Ser-
bischen (Danitic 93) gehören hierher Verba wie nahranitı
füttern, napoyiti tränken u. ähnl., z. B. da 5’ naranıs hljyeba Iije-
loga ti napoji$ vina crvenoga dass du sie nährest mit weissem
Brode und tränkest mit rothem Wein, :znes! mi da s’ napi-
Jjem vina bring mir heraus, dass ich mich an Wein satt trinke,
dok se malo sestrice nagledim dass ich mich ein wenig an der
Schwester satt sehe, da se Jarka sunca nagrejemo dass wir uns
$156—157.] Kap. VIO. I. Der Genitiv des ergriffenen Gliedes. 323
an der hellen Sonne erwärmen (uns vollwärmen), ko se dima
ne nadımt, on se ognja ne nagrija wer sich am Rauche nicht
schwärzen mag, der erwärmt sich auch nicht durch das Feuer
u. ähnl.
$ 157. Genitiv des ergriffenen Gliedes, während
die Person im Akk. (oder bei passivischem Ausdruck
im Nom.! steht.
Die Konstruktion liegt ausgebildet nur im homerischen
Griechisch vor (töv d& reodvra roöwv Elaßev u. ähnl.). Eine un-
verkennbare Spur findet sich aber auch im Altindischen, wo
bei einer bestimmten Passivform von grah das Glied, an dem
jemand ergriffen wird (leidet) in den Gen. tritt, z. B. $rötrasya
grhe er wird am Ohre ergriffen, leidet am Ohre (SF. 5, 161).
Klinghardt S. 19 findet in den griechischen Gen. die Fort-
setzung des Ablativs, indem er sich auf xpupviidev und xeoa-
\igıv Aaße beruft. Allein die Formen auf dev und „ı haben
auch genitivischen Sinn erhalten und bilden daher kein ein-
wurfsfreies Analogon. Entscheidend für die Auffassung als
Gen. dürfte die altindische Konstruktion in’s Gewicht fallen.
Es liegt eine Konstruktion vor, welche sich mit der xa®’ 8Aov
xat xara u&pos vergleichen lässt. Zuerst wird die total er-
griffene Person, dann das partial (nicht um seiner selbst willen)
ergriffene Glied genannt. Es folgen nun Belege für die grie-
chische Konstruktion. Sie liegt vor bei &Aaßov: tüv d& reodvra
zoouv Eladev xpelwv ’EAıpnvwp A 463, hy 8° &Aelıkapevos nrepu-
Y% Adßev dupayviav B 316, TrAkuayov 8’ dp Enerra npooaltas
kaBe yobvov x 365. In den zahlreichen Stellen, an welchen
lade yodvav und ähnliche Wendungen noch vorkommen, steht
zwar kein Akkusativ der Person, er dürfte aber (ebenso wie
bei den folgenden Verben) hinzuzudenken sein, so z. B. in
Tepr yap ool ye napehero xal Aaße yobvav A 557, 8 8 üreöpane
xat Maße yobvav D 68; eidov: kavdiis 58 xduns De Ilnetova
A197, adrixa 8° eit Adımv xegaifis T 126, adrdp 6 yaıpds Eiiv
zpaleıne außwrrv p 263, vor d Enerra otluev &vl mpoßuporar‘ Ta-
guy & avdpousev Ayılleös, ds 8 äye ysıpös &lmv (uns) A 778,
nt Ayaav diber yeıpds Ev (ihn) Q 735; Eyw (yeıp&, rodos).
21*
324 Kap. VIII. I. Der Gen. bei Verben des Hinstrebens. [$ 157—158.
reraywv: Ton yap pe hibe noöog teraywy A 591; &pbw: AAdov piv
yAulvns &pbwv aAdov 82 yırwvos X 493, 7 roööc 7 xal yerpos p 480;
dyw: Boöv d aydınv xspawv y 139; Axm und Öpelxw: F Tor Töv
“Innodoog roöds Zixe P 289 und ähnlich sonst; Il 406 in &xe
ö2 öoupds &iwy ist die aus dem Kopf hervorstarrende Lanze wie
ein Glied behandelt. Passivisch: ah dn raya xal nodös Zixy
o 10; Avisımpe: y&povra de yerpös Aavtorn 2 515 (vgl. & 319).
Endlich ödo: &x 6£ tprpava neleıav Aenty unptvdo Örosv rodos
Y 854. An die Wendung Aaßeiv hat sich (wie allgemein an-
genommen wird) der Gen. bei den Verben Atooonaı, Arravedı,
yovvakopaı angeschlossen (vgl. Klinghardt 29£.). In der That
ist von Sätzen wie 7, yoövwv Atsaoıto Aaßmv dumrıda xoupyv & 142
der Schritt sehr klein zu: 9 8 aldv &u& Arsogsxsto yodvav I 451.
$ 158. Genitiv bei Verben des geistigen oder auch
körperlichen Hinstrebens, Genitiv des Zieles. Über
die Entstehung dieser Nuance des Genitivbegriffes ist oben
S. 310 gesprochen worden.
Im Altindischen habe ich nichts zu bemerken, was über
das SF. 5, 161 Gesagte hinausginge. Es heisst dort “Bei prd-
han steht der getroffene Gegenstand im Gen.: $üna$ caturak-
$asya prä hantı er schlägt auf den vieräugigen Hund los TB.
3,8,4,1. Ähnlich ist ni-kan gebraucht: brahmandsyanihatya
ohne sich an einem Brahmanen vergriffen zu haben AV. 12,3, 44.
Ob auch bei prati-han der Gen. anzunehmen sei, ist zweifel-
haft. Für den Gen. bei as werfen habe ich keine sicher ent-
scheidende Stelle gefunden”. Reichlich vertreten ist dieser
Typus im Griechischen, z. B. aus Homer: epaypaı verlangen
nach, zuerst gesagt von dem Verlangen des Mannes, nach dem
Weibe, dann auch umgekehrt, auch roA&uou; &parisw Part.
(zpeiöv P 660); peuaa Part. (E£pıröos xat duric); Isyavaw Part.
(pıAdtnros, Söpduov von einem Pferde gesagt); Erxeiyonar Part.
(6500 a 309); Tepar (nökros, voororo, vinns); EAbonaı (dAdyou, TEdLoro
Y 122 von Maulthieren gesagt); Audatopaı (6öoto, roA&uoro, Ödp-
roro, Brötoro); asdopar (Essumevos mit 6öoto, roA&poro); Entumlonar
(dapwv, v6orov, axorelmv u 220 auf die Klippe lossteuern); öp-
naoncaı (Tpwwv, '‘Axapavros); Etatsow (Alvelao, Inzwv, veu@v), dazu
$ 158.] Kap. VII. I. Der Gen. bei Verben des Hinstrebens. 325
Ivapnv EmiBadAduevos begierig über die Waffenbeute herfallend
268; tdüm (veds O 693); Avraw entgegentreten (tod 6 Avepo;);
ixavtllm (Atavros); drortedw (Meveldov); tırdoxonar (abroto) ; &pd-
popaı die Arme ausstrecken nach (od rardös Ööpekaro Z 466).
Nach den Verbis des Verlangens richtete sich, wie es scheint,
duslovres dutfs xal ralepore 3 37. Lateinisch. Ob die Verba
cumo, studeo, fastidio, vereor ihren Gen. aus der Urzeit haben
'ygl. namentlich das Litauisch-Slavische), oder ob sie ihn in
Anlehnung an Adj. wie cupidus, studiosus erhalten haben (so
Schmalz? $ 77, wobei man dann annehmen muss, dass diese
Adj. ihren Gen. von anderen Adj. bezogen haben), oder ob
man in irgend einem Grade griechische Einwirkung anzu-
nehmen hat, darüber bin ıch zu einer festen Ansicht nicht
gekommen. Germanisch. Im Gotischen findet sich ein sol-
cher Genitiv bei gairajan begehren, z.B. jabat hvas aipıskaupeins
gairneib godis vaurstvis gairneid sl rıs Erınontis Öpdyerar xaAod
Epyov rıdoper 1. Tim. 3, 1. Eine Anzahl ahd. Verba findet
man bei Erdmann 2, 165, 3. B. geroön (des muoses), ramen nach
etwas trachten, nachstellen (des kindes), ahten feindlich nach-
trachten, verfolgen (dero fianto), zilöon (es) u.ähnl. Aus dem
Alto. gehören Verba wie lesta spähen, suchen nach etwas, eygya
schärfen, antreiben hierher (beide auch mit &/), vgl. Lund 175.
Auch “warten auf etwas’ darf hier wohl genannt werden, so
got. beidan, 2. B. beidands biudangardjos gubs rpoodeydpevos Thv
Basıketav toö Beoo Mark. 15, 43 (vgl. Grimm 4, 800). Ein Gen.
des Zieles bei ‘gehen’ und ‘senden’ liegt vor im Gotischen
(Gabelentz-Loebe 237), z. B. usleibam jainis stadis d1Eldwuev
eis td nepav Mark. 4, 35; insandida ina haspjos seinaizos Eren-
Yev adrov eis Tods Aypous adroö Luk. 15, 15. Ebenso im Alt-
nordischen: gerngo beir fagra tüna sie gingen zu den sehönen
Gehöften (angeführt von Dietrich in Haupt’s Ztschft. 13, 129),
vgl.$ 249. Baltisch-Slavisch. Im Litauischen lässt sich
den Verben des “Verlangens’, wie sie namentlich im Grie-
ehischen häufig sind, an die Seite stellen: Jeszkött suchen, z. B.
Jis eina tös o2kös jeszköt er ging die Ziege suchen, Schleicher
Les. 129. Ferner kläusti fragen, z. B. tävo dü broliai büvo cze
326 Kap. VIII. I. Der Gen. bei Verben des Hinstrebens. [$ 158.
if klause tavgs deine beiden Brüder waren hier und fragten
nach dir (Schleicher Les. 130), gewöhnlich mit dem Gen. der
befragten Person, z. B. klause savo mötynos sie fragte ıhre Mutter
(144). Auch /aukti warten auf (vgl. got. beidan) sei hier er-
wähnt:: brolyczo ldukti des Bruders harren, Schleicher Les. 15.
Bemerkenswerth ist die nicht-lokale Natur des Gen. bei den
Verben ‘gehen’ und ‘schicken’, z. B. if dabaf tas smäks vel
ateis venös dukters und jetzt wird der Drache wieder um eine
Tochter (zu holen) kommen, Schleicher Les. 118; tü raztäyı
ı Mm zeme akıms Zoliü du reisest in das Land nach Kräutern
für die Augen 140; eiti vandens nach Wasser gehen, stüstt
vatko um den Knaben schicken, geistt dangats nach dem
Himmel trachten. Slavisch. Einige Belege für Verba des
Verlangens sind (Miklosich 4,490): aksl. Zelati wünschen, z. B.
luöiaago Zelajuti xpelttovos öp&yovraı (im cod. Mar. kommt
Zelati mit Kasus nicht vor), serb. Zelt ovsentce er wünscht Hafer-
brod, russ. pravdy Zelajetü er strebt nach Wahrheit (Dali). —
Aksl. ?skat# suchen, z. B. ceso tdtesi Tl Inreis; Joh. 4, 27,
znamenyja tStetü ompetov &rılmrei Matth. 12, 39, serb. svaka jaja
masla i5tu alle Eier suchen Butter, russ. iskafi cesti, slavy nach
Ehre, Ruhm suchen. — Ferner cAoteti wollen wird im Aksl. mit
dem Dativ verbunden, kann aber im Serbischen und Russischen
den Gen. zu sich nehmen, z. B. serb. melosti hocu a ne priloga
Gnade will ich und nicht Opfer Matth. 9, 13, russ. dobra cho-
teti Gutes wollen (bei Mikl.). — Dazu proseti fordern, fragen,
aksl. z. B. prosi tela isusova yrroaro 16 oma too Inooü; Matth.
27, 58, serb. pitati fragen : pitao je golub svoje golubice es fragte
der Tauber seine Taube (Daniei6 87, immer so mit persönlichem
Gen.), russ. krovi krovi prositä Blut fordert Blut (Dali). Hier
mag auch ‘warten’ Zidati (Zidati) erwähnt werden, aksl. pogy-
büseje Zidetü ovicg perditam exspectat ovem, russ. dolgo Zdati sü
ettichü jabloni ploda lange muss man von diesen Apfelbäumen auf
Frucht warten (Äsböth 3). Der sogenannte Gen. des Zieles er-
scheint namentlich bei Verben, die mit do zusammengesetzt sind
(Miklosich 4, 501), z. B. aksl. ?Ze doidetü mesta togo qui eum locum
attingat, dovedüSe pesti postquam adduxerunt ad fornacem. Im
$158—159.]) Kap. VOII. I. Der Gen. bei wetten, spielen. 327
Serbischen findet sich dieser Gen. nach Danicit 102 in älterer
Zeit in einer Anzahl von Belegen aus den Volksliedern bei doc:,
pasti, dopasti, zapastı, z. B. in ruke, Saka pasti oder dodı in die
Hand (Gewalt! gerathen; dok i ona ruke dodje smrii bis auch
se dem Tode in die Hand kommt; ı sad mi je evo ruke palo
und jetzt ist es mir in die Hand gefallen; dopasti tamnice in’s
Gefängnis gerathen, ropstva in Sklaverei, sindzira in Ketten,
zla in Unglück, muke in Qual, rare dopanuo er hat eine Wunde
erhalten (ist in Verwundung gerathen); doci glave eig. ‘an den
Kopf kommen, an den Kragen gehen’ hat die Bedeutung “aus
dem Wege räumen’ erhalten. Einige russische Belege bei
Miklosich 4, 502, z. B. sluchü doselü vojevody das Gerücht drang
zu dem Feldherrn. Besonders häufig ist der Gen. des Zieles bei
mit do zusammengesetzten Verben, wenn diese reflexiv sind.
Miklosich 4, 503 meint, bei ihnen könne der Gen. nicht nur als
der Gen. des Zieles, sondern auch daraus erklärt werden, dass
bei den reflexiven Verben der Akk. durch den Gen. ersetzt
wird, was ich dahin gestellt sein lasse.
$ 159. Wetten, spielen, nebst den verba judicıalia.
In bezug auf das Altindische lehrt Pänini 2, 3, 57—60,
dass bei vyava-har und pan handeln, spielen ein Gen. stehe,
wozu im Scholion als Beispiel angeführt wird $atasya vyava
harati und panate er handelt oder spielt um ein Hundert, und
dass dasselbe bei div stattfinde, wozu als Beispiel Satasya div-
yatı, während im Brähmana dabei der Akk. stehe (vgl. $ 178
Schluss). Für den Gen. kenne ich aber keinen Beleg aus der
Literatur, ausser etwa: ayım asyäyamahai wir wollen um das-
selbe einen Wettlauf anstellen AB. 4, 7,4. Auch im Grie-
chischen komme ich über unsichere Ansetzungen nicht hinaus.
Bei Homer findet sich (Krüger Di. 47, 17) repıötdope: im: Tpi-
2005 nepiöwpede W 185 und 2u£dev nepiöwsonaı adrüs db 78.
Nsprötöopar heisst doch wohl wie ai. pari-da ich überliefere
mich selbst, setze mich zum Pfande, sodann “ich wette‘. Da-
nach ist anzunehmen, dass ein Gen. des Preises erst hinzu-
getreten ist. Wenn sich später xezpi mit dem Gen. statt des
blossen Gen. findet, so ist auch daraus für die Erkenntnis der
328 Kap. VIII. I Der Gen. bei wetten, spielen. [$ 159.
Natur des Gen. nichts zu gewinnen. Sodann äpeldw in reöye
dnsıdev ypbosa yalxeiov Z 235. Touvs; in den Worten öAlzov
xövo yovvös Ausißwv A 547 habe ich früher für einen Ablativ
erklärt: “nur wenig ein Knie vom anderen entfernend’, was
mir noch jetzt ansprechend erscheint. Ich finde aber von hier
aus keinen Weg zu dem Gen. des Preises in Z 235. Bei Ado
findet sich EAuoev drotvwv für Lösegeld A 106, dazu Ausdorw rw
ötputw er soll (sie sollen?) sich lösen um den Preis des Dop-
pelten, indem er das Doppelte liefert, eleischeInschr., Collitz 1168.
Endlich wohl xpusöv YtAov avöpos Eöfkaro rıunevra für ihren Mann
327. Da der Gen. mit keinem dieser Verben in innerer Be-
ziehung zu stehen scheint, so liegt der Gedanke nahe, ihn als
einen ursprünglich adnominalen aufzufassen, wofür man sich
auch auf das einzige oben aus dem Ai. angeführte Beispiel berufen
könnte. In dem nachhomerischen Griechisch ist ein Gen. des
Preises bei tınaw (wohl auch schon W 649), atıcw, rwAgw uU.8. W.
ganz gebräuchlich. Zur Ausbildung und Belebung dieser Kon-
struktion hat jedenfalls das Danebenstehen eines im gleichen
Sinne verwendbaren adnominalen Gen. beigetragen, (vgl. z. B.
phokisch oöpa avöpetov Tımäs Apyuptov pväv rdvre Collitz 1555
mit eleisch ra rtpıaxovra uväv teriuwvraı 1159). Hier schliesse
ich die verba judicialia an wie xplvo, ömalw, dtumw, weuyw
u. ähnl., von denen bei Homer noch nichts vorliegt. (Der alt-
überlieferte Kasus scheint der Instr. gewesen zu sein, vgl. La-
uıövrw Laulaı, arkad., Collitz 1, 1222 und davarp Lanıwsdw,
äol., Coll. 1, 213). Den Gen. davarou erklärt Krüger 47, 22, 1
richtig als Gen. des Preises, wofür er das passende Beispiel
aus Demosthenes anführt: A&youcıv ot vönor, day rıs aA xÄonis
xat mh TıundY Bavarou u. s. w. Der Gen. des Vergehens, wel-
ches den Anlass zum gerichtlichen Verfahren bildet, aber lässt
sich nicht so erklären. Ich nehme an, dass er eine Nach-
ahmung des adnominalen Genitivs darstellt. Wenn man Öötxr,
xaxwWoswg U. 8. w. sagt, kann man auch wohl sagen ÖöLxaleıv
xaxwoewg U.8. w. Zu der Einbürgerung mag das Bestehen der
Wendung davarou dtxaßeıv mit beigetragen haben. Nachdem
man sich dann gewöhnt hatte, den Anlass des Verfahrens im
$ 159160. Kap. VIH. 1. Der Gen. bei do u. ähnl. 329
Genitiv zu sehen, konnten auch Personen, wenn sie Anlass des
Verfahrens waren, ın denselben Kasus treten, wie es im Kreti-
schen geschieht, z. B. xaradıxatato t® Eleußipw dExa otacnpavs er
soll ihm wegen eines Freien zehn St. auflegen, Gortyn 1,3 (vgl.
Baunack 85 und Meister, griech. Dial. 2, 70). Lateinisch. Ein
Gen. des Einsatzes wie im Ai. und Griech. findet sich im Lat. nicht.
Dagegen ist hier der sog. Gen. pretii bei den Verba aesti-
mandı und den Verba judicialia zu erwähnen. Ich weiss
nichts beizubringen, was über das bisher Behauptete hinaus-
ginge. 1) Der Gen. pretii bei den Verben facto, pendo, existimo
u. ähnl. Hinsichtlich der Entstehung desselben stimme ich
Schmalz? $ 74 bei, welcher sagt: “Der Gen. pretüi ist ein prä-
dikativer Genitiv. Aus ÄAominem non nauci (attribut.) ent-
wickelte sich sumus non naucı und dann non naucı habere,
2. B. Cie. div. 1, 132 non habeo nauci Marsum augurem”. Man
vgl. die bei Draeger 1, 427 angeführten Sätze, z. B. non ego
homo trioboli sum bei Plautus. 2) Der Gen. bei den sog.
verba judicialia, vgl. Schmalz? 73. Man macht den Gen.
gewöhnlich von einem ausgelassenen crimine, judicio, nomine,
lege abhängig. Es wäre auch möglich, eine Anlehnung an die
eben genannten Verba mit dem Gen. pretii anzunehmen ').
$ 160. Vereinzeltes im Griechischen, Lateini-
schen, Germanischen.
1) Griechisch. Ich erwähne hier noch den Gen. nach
den Verben blühen, glänzen, duften, der mit dem Akk.
des Inhalts zu vergleichen ist. Aus Homer gehören hierher Ası-
pass nokaxol Lou Nö2 osAtvou Ömkeov e 72, anootiAßovres alelparos
1408. Aus der nachhomerischen Sprache 148’ oLaı Buparwv
trestioy (Aeschylus), OLwv tpuyds, tpaotäs u. 8. w. (Aristophanes),
il) Anderer Natur, wenn auch schliesslich desselben Ursprungs, näm-
lich ebenfalls mit den sog. Akk. des Inhalts vergleichbar, ist ein Gen. des
Spieles in Germanischen (Grimm 4, 673), z. B. wurfzäveles spilon,
und im $Slavischen (Miklosich 4, 511, Danicid 111), z. B. serb. igrati se
igre, auch bei einzelnen Spielen, so klisa u. s. w. Gelegentlich kommt dieser
Gen. auch bei anderen Verben als igrati vor, so metati se kamena Steine
werfen (aber nur als Spiel).
330 Kap. VIIL. I. Der Gen. bei lat. refert, germ. leben u. ähnl. ı$ 160.
püpou zveiv (Anakreon), vgl. die Stellen bei Kühner 307, 4. —
Nicht recht deutlich ist mir der Gen. bei verbrennen und
waschen. Es liegen vor: rupds bei Bepeodar, zproar und Ep-
rpjoaı, adds bei vihacdar, roranoto und axeavoio bei Aodsodaı.
Vielleicht sind im Avestischen Analoga vorhanden. Mir sind
die Stellen, welche Hübschmann 277 anführt, nicht deutlich.
2) Lateinisch. Ich erwähne den Gen. bei refert und
interest, hinsichtlich dessen ich mir keine Meinung gebildet
habe. Man nimmt jetzt (vgl. Schmalz ? $ 78} gewöhnlich an,
dass interest sich nach refert gerichtet habe. Was dann refert
selbst betrifft, so fasst Schmalz mit F. Schöll re als Abl. auf
gleich ex re). Dabei soll tua refert bedeuten: ‘vom Stand-
punkt deiner Sache bringt es etwas ein, eine Auffassung, gegen
welche mein Sprachgefühl protestirt. Ich bekenne aber, dass
auch meine bisherige Ansicht, wonach re Nominativ wäre,
nicht frei von Bedenken ist.
3) Im Germanischen habe ich ausser den im Verlauf
der Darstellung erwähnten keine Gebrauchstypen gefunden,
die ıch für indo-germanisch halten möchte, ausser vielleicht
den persönlichen Gen. bei got. helpan, z. B. hilp unsara (Grimm
4, 664., der im Germanischen, so viel ich sehe, kein Analogon
findet. Er könnte wohl mit dem Gen. bei griech. n£öonar u. 8. w.
verglichen werden (vgl. den Dativ $ 131). Die übrigen nicht
erwähnten Typen dürften auf germanischer Weiterbildung be-
ruhen, so namentlich die Genitive mit sogenannter instrumen-
taler Kraft, von welchen Grimm 4, 672 ff. redet. So dürfte
z. B. der Gen. bei leder (nicht im Got., aber später, z.B. wazgers,
brötes leben‘ sich an den Gen. bei essen und trinken angeschlossen
haben. Ursprünglich wird bei libar wie bei jo der Instr. ge-
standen haben. Im Germanischen trat früh eine Präposition
an die Stelle des einfachen Kasus. Wenn nun aber doch aus
irgend einem Grunde der Ausdruck durch einen einfachen
Kasus wünschenswerth erschien, so konnte man leicht auf den
Kasus verfallen, der bei einem mit dem Begriff leder so innig
verbundenen Begriff wie essen, trinken geläufig war. Man
denke etwa an Sätze wie: wer des Brodes isst, der lebt des-
$ 160—161.' Kap. VIII. I. Der Genitiv bei sein. 331
sehen. An Wassers, Brodes u. s. w. knüpfen sich dann be-
kanntlich auch Abstrakta, z. B. der Gerechte wird seines Glau-
bens leben. Nachdem dieser Gen. sich bei leden eingebürgert
hatte, konnte er auch bei sterben verwendet werden, wo im
Gotischen der Instr. erscheint, z. B. Auhrau fragistna. Ahd.
varnon ausstatten, versehen u. ähnl., mag sich an den Gen.
bei füllen und sättigen angelehnt haben, der proethnisch ist.
Der Gen. bei beAleıden mag von dem Gen.-Abl. bei entkleiden
übernommen sein.
$161. Der Genitiv bei sein.
Arisch, z. B. ahar devanam asid rätrir dsuranam der Tag
gehörte den Göttern, die Nacht den Asura TS. 1,5, 9,2; tasya
Salam jaya babhüvuh der hatte hundert Weiber AB.7,13,1. Aus
dem Av. peresapca mä ci3 ahi kalıya ahi und er fragte mich: wer
bist du, wem gehörst du an? y. 43, 7. Ebenso ist der Gen. im
Altpersischen zu erklären: (die Herrschaft) amakham taumaya aha
gehörte unserer Familie Bh. 1,45. Im Griechischen erscheint
bei Homer ein Gen. des Besitzers in der öfter wiederkehrenden
Wendung tod ydp xpdtos &ot’ &vl oixw, für gewöhnlich aber ein
Gen. der Abstammung, bei dem man auch an Entstehung aus
dem Abl. denken könnte (vgl. S. 207), so rarpds 6’ sin’ Ayadoio
0 109, wirnp pev rt’ &ul pol tod Eupevaı a 215, TauTng ToL yevelis
te xal almaros euyonar elvar T 241, Ilarnovds elsı yavedinc 5 232.
Eiyt mit dem partitiven Gen. dürfte bei Homer noch nicht
vorliegen. Ein Beleg aus attischen Inschriften (Meisterhans 2?
165) ist: Tols ovaı Krpuxwv xal Eöpoiniiov (500—456 v. Chr.).
Nach eivaı richtet sich auch ypaypeodaı, so dass man sagen kann:
payasdaı önpov xal QuAfs xal oparplac. Im Lateinischen
erscheint bei esse ein Gen. des Besitzers, z. B. 1» insula domus
est quae regis Hieronis fuit, wobei denn auch ein Infinitivsatz
die Stelle des Subjektes einnehmen kann, z. B. fortis et con-
stantıs est non perturbari in rebus asperis; auch ein Gen. des
getheilten Ganzen, z. B. si? harunc Baccharum es (Plautus).
Im Germanischen (Grimm 4, 652) findet sich bei ‘sein’ und
werden’ ein possessiver Gen., z. B. got. pize ist biudangardi
332 Kap. VOL I. PartitiverGen.alsSubj. Gen. bei verb. Subst. [$ 161—163.
gubs av yap torourwv Eoriv 7, Baoıdlela tod Beoö Mark. 10, 14;
mhd. sit si des goteshüses sint da sie dem Gotteshause gehören.
Ein anderer Gen. ist als Gen. der Zugehörigkeit oder als par-
titiver zu bezeichnen: got. ıbati Jah Pu Pbize siponje ıs bis mans
wn xal od &x tw nadntuv ei tod Aavdpwron Joh. 15, 17; alte. m
bist thu thesorö burgliudiö gehörst du nicht zu diesen Burg-
leuten? Hel. 4975. Litauisch: tas bütas Jo yra das Haus
gehört ihm u.ähnl. Aus dem Slavischen fehlen mir rechte
Belege. Ich habe notiert aksl. tacechü bo jJesti Cesaristuije bozije,
serb. jer je takovijeh carstvo boZije Twv yap torourwv &ativ h Bası-
lela toö Yeoo Mark. 10, 14.
$ 162. Partitiver Genitiv als Subjekt.
In Anlehnung an den partitiven Genitiv, der als Objekt
gebraucht ist, hat sich in einigen Sprachen auch eine Anwen-
dung als Subjekt entwickelt. Dahin gehört aus dem Avesti-
schen: urvaranam zairıgaonangam zaramatm paiti zemäda uzu-
zsyeiti grünfarbige Pflanzen wachsen im Frühling aus dem
Boden yt. 7,41). Aus dem Griechischen führt Brugmann,
Griech. Gr. ? 206 an: IleAArveis 8 xara Bsomidas yevduevor Epa-
xovrd te xal Ev yapa Erıntov Exatipmv es fielen von beiden Theilen,
Xenophon Hell. 4, 2, 20. Ebenso im Litauischen: sziafden
zmoniü pas mans aleis heute werden Leute zu mir kommen,
Kurschat $ 1324.
$ 163. Genitiv bei verbalen Substantiven, der
von Verbis herübergenommen ist.
Wie wir gelegentlich bei Substantiven einen verschleppten
Ablativ gefunden haben, z. B. rak$öbhyö bhiga aus Furcht vor
Rakshas (vgl. $90), so giebt es auch einen verschleppten Genitiv
bei Substantiven, den ich (wohl zufällig) aber nur aus dem
1) Man beachte, dass yt. 7,4 das Verbum im Sing. steht. Ein wei-
teres Beispiel kenne ich nicht, denn vd. 3, 23 ist anders aufzufassen, als es
bei Spiegel 446 geschieht, vgl. Geldner, KZ. 24, 547. Auch einen sicheren
Beleg für den Plur. des Verb. habe ich nicht zur Hand. In vd. 3,10 ya bä
paiti fragstem bavainti arnrömainyavangm geredgm wo es die meisten Schlupf-
winkel der Satanskreaturen giebt, scheint der Gen. von fraöstem abhängig
und der Plur. des Verbums zu fraöstem konstruiert zu sein.
$168—164.] Kap. VIII. IH. Der Genitiv bei Substantiven. 333
Griechischen angemerkt habe. Dahin gehören etwa aus Homer:
oda Yövoro (vgl. Exkeladeodaı); ob Yeäs Epos oBBE yuvauxdc,
zönog xat Eöntoos (vgl. Epapaı), danach wohl Tuepos (Yoro) ;
xdpos mit YuAorıdog, ysoro (nach xopevvont); dyos mit 00 rardds
nach dyvopar); x0Aos in weßtpnev Y0Aov ulös &oio (vgl. XoAoüpaı).
LI.
Der Genitiv bei Substantiven.
$ 164. Ich habe bereits $ 69 geäussert, dass der Genitiv
bei Substantiven sich möglicherweise aus dem Genitiv bei Verben
ableiten lasse. In der That konnte ein Satz wie er isst des
Brodes, einen Bissen, leicht zu er :sst des Brodes einen Bissen
werden, so dass auf diese Weise die Kategorie des partitiven
Genitivg neben Substantiven entstand. Von hier aus kann sich
der sonstige adnominale Genitiv entwickelt haben. Wer mir
ın dieser Auffassung nicht folgen mag, wird wenigstens so viel
zugestehen, dass es nicht angeht, zum Verständnis des adnomi-
nalen Genitivs einen allgemeinen schattenhaften Begriff der
Zugehörigkeit an die Spitze zu stellen, aus dem dann die ein-
selnen Gebrauchsweisen zu deduzieren wären. Vielmehr werden
wir, hier wie überall, anzunehmen haben, dass sich an einen
ältesten Kern (nach meiner Meinung also den partitiven Genitiv)
die übrigen Typen auf dem Wege fortgesetzter Nachahmung
und leiser Veränderung anschlossen.
Will man nun diese flüssige Masse eintheilen — und das
ist doch für jede Darstellung nothwendig — so muss man sich
vor Augen halten, dass die verschiedenen Schattierungen des
Gebrauches durch das Zusammenwirken der Bedeutung des in
einem bestimmten Kasus stehenden Wortes und des am nächsten
zu ihm gehörigen anderen Wortes entstehen. Wir haben bisher
die Eintheilung von dem Verbum hergenommen, zu dem ein
Kasus in Beziehung tritt. Danach haben wir bei dem adnomi-
nalen Genitiv den Eintheilungsgrund denjenigen Substantiven
zu entlehnen, welche, nach der gewöhnlichen Terminologie zu
reden, den Genitiv regieren. Ich theile diese zunächst ın
334 Kap. VII. II. Der Genitiv bei Substantiven. [$ 164.
Dingwörter und Thätigkeitswörter. Bei den Dingwör-
tern ergeben sich leicht folgende Unterabtheilungen. Bedeutet
das regierende Wort eine Masse, der Genitiv aber etwas, was
als Theil einer Masse angesehen werden kann, so entsteht der
Genitiv des getheilten Ganzen. Bezeichnet das regierende Wort
aber etwas was einem andern angehört, der Genitiv aber diesen
andern (oder dieses andere), so sprechen wir von dem Genitiv
des Besitzers. Diesen Abtheilungen lassen sich einige andere
Typen bequem einfügen. Die zweite Gruppe, der Genitiv bei
Thätigkeitsnamen, umfasst den sog. subjektiven und objektiven
Genitiv. Der subjektive Genitiv (so genannt, weil bei anderem
Ausdruck das Genitivwort Subjekt sein würde) ist wahrschein-
lich ın Anlehnung an den Genitiv des Besitzers entstanden.
Denn wenn man einmal sagte der Flügel des Vogels, so bil-
dete man, nachdem man zur Substantivierung von Verbalbe-
griffen vorgeschritten war, leicht das Fliegen des Vogels. Der
objektive Genitiv aber ist an die Stelle eines andern Kasus
getreten, So sagte man z. B. ursprünglich der Geber das Gute
(nicht im Deutschen, wohl aber in der Ursprache), nachdem
sich aber der Gebrauch befestigt hatte, ein Substantivum mit
dem anderen durch Anwendung des Genitivs zu verbinden,
setzte man an die Stelle der Geber des Guten.
Es ist nicht zu leugnen, dass es in manchen Sprachen
noch andere Typen des Genitivs als die erwähnten giebt. So
könnte man z. B. aus Verbindungen wie dem sophokleischen
Aeuanis xXtovos rtöpu& einen Gen. des Vergleiches entwickeln.
Wer eine einzelne Sprache beschreibt, wird auch diesen Ge-
brauchsweisen gerecht werden müssen. Ich habe mich wesent-
lich auf dasjenige beschränkt, was nach meinen Ermittelungen
den indogermanischen Sprachen gemeinsam ist. Eine Aus-
nahme habe ich bei dem sog. Genitivus qualitatis gemacht,
welcher vielleicht nicht indogermanisch ist, sich aber doch in
mehreren Sprachen findet. Sodann ist zuzugestehen, dass die
Grenzen zwischen den einzelnen Gruppen nicht überall sicher
und reinlich zu ziehen sind. Das trifft schon bei den beiden
Hauptgruppen, dem Gen. bei Dingnamen und dem Gen. bei
$164—165.] Kap. VII. NH. Der Genitiv des getheilten Ganzen. 335
Thätigkeitsnamen, zu. Thätigkeitsnamen werden oft zu Ding-
namen, zZ. B. das deutsche Schonung, und damit ändert sich
denn auch das innerliche Verhältnis zu dem Genitivnomen,
und es entsteht eine Verlegenheit für den Darsteller, die be-
sonders peinlich ist, wenn noch beide Gebrauchsweisen eines
Wortes vorhanden sind, wie z. B. (um auch aus einer anderen
Sprache ein Wort anzuführen) bei dem homerischen Aoyo;, das
„wohl Belauerung heisst (Aoyov #Betoro yepovros 5 395) als
Hinterhalt. Auch innerhalb der Hauptgruppen tauchen solche
Schwierigkeiten auf. So rechnen einige Gelehrte Verbindungen
wie Brßaı tr Bowrias zu dem Gen. des getheilten Ganzen,
andere zu dem des Besitzers. Ich glaube, dass bei keiner ehr-
lichen Darstellung eines historischen Kontinuums solche Grenz-
streitigkeiten vermieden werden können.
Ich stelle folgendes Schema auf:
6165. Genitiv des getheilten Ganzen.
$ 166. Grenitiv des Stoffes.
$ 167. Genitiv in negativen Sätzen im Baltisch-Slavischen
$ 168. Genitiv des Besitzers.
$ 169. Genitiv der Definition.
$ 170. Genitiv bei einem passivischen Partizipium.
$ 171. Genitiv der Eigenschaft (qualitatis).
$ 172. Der subjektive und der objektive Genitiv.
$ 173. Genitiv bei Adjektiven.
$ 174. Genitiv von Zeitbegriffen.
$ 175. Genitiv von Ortsbegriffen.
$ 165. Genitiv des getheilten Ganzen.
Der Genitiv des getheilten Ganzen wird so vorgeführt,
dass der Eintheilungsgrund von dem theilenden Worte herge-
nommen wird.
Man wird im Folgendem einiges aufgenommen finden,
welches andere lieber einem Genitiv der Zugehörigkeit werden
zuweisen wollen. Mir ist natürlich nicht entgangen, dass in
Wendungen wie marutäm ganäh die Schar der Marut, ein Theil-
verhältnis nicht vorliegt, da ja die beiden Begriffe sich in ihrem
336 Kap. VIII. II. Der Genitiv des getheilten Ganzen. [$ 165.
Inhalte decken, ich glaube aber, dass solche Wendungen den
partitiven nachgebildet sind. Dass Ausdrücke wie ein Kessel
Wassers u. ähnl. hier aufgenommen sind, wird wohl unbedenk-
lich sein. — Als eine Schattierung des partitiven Gen. kann
man den Gen. des Stoffes ansehen, dessen Entstehung aus dem
weiteren partitiiven man noch in den Einzelsprachen deutlich
merkt. — Betrefls des Genitivs bei Zahlwörtern vergleiche man
die Zahlwörter.
Arısch. SF. 5, 153 habe ich bemerkt, dass dieser Gren.
erscheint in Wendungen wie maritö vdi devanam vilah die
Marut sind die Bauern unter den Göttern, mitrö rät Jivö deva-
nam Mitra ist der gütige unter den Göttern u. s. w. Besonders
häufig ist der partitive Genitiv bei Komparativen und Super-
lativen, z. B.: katard$ canäinoh nicht einmal einer von diesen
beiden, gardabhah paSünam bhärabhäritamalı der Esel ıst unter
den Hausthieren das tragfähigste, ebenso im Av.: katärd ayä
vehrkayä welche von beiden Wolfsarten vd. 13, 41, vispangm
vahıstem das beste von allen y. 43, 2, zwarenaruhastemd zatanqm
hvaredareso masyanqm der majestätischste unter den Menschen,
der himmlisch aussehende unter den Sterblichen y. 9, 4. Ferner
bei den Wörtern für die grösseren Zahlen, z. B. sahdsranı gavam
Tausende von Kühen, ebenso im Av. hazarrem gavam (vgl. die
Zahlwörter), und bei Wörtern, welche irgend eine Abtheilung,
ein Mass bezeichnen, z. B. gönam ardham die Hälfte der Kühe,
maädhös pütram ein Gefäss voll Honig u. ähnl. Im Av.: ia
ba asa ta arsurda yab met avavap dafvayasnangqm nijatem das
ist wahrhaftig wahr, das ist richtig, dass von mir so viel der
Teufelsanbeter erschlagen worden sind yt. 5, 77; cva dama-
nam wie viel der Geschöpfe vd. 5, 33; Aap vast, kap va stuto,
kap va yasnahya was wünschest du, was des Lobgesanges, was
des Opfers? y. 34, 12. Ein solcher Genitiv kann auch von
einem lokalen Adverbium abhängen, z. B. yapcıp ahi upa kvacıp
aiwohä zemö wenn du irgendwo auf dieser Erde bist yt. 12, 22
(das upa ist auffällig, kann aber, so viel ich sehe, die Auf-
fassung des Genitivs nicht beeinträchtigen). Aus dem Ai. habe
ich {SF. 5, 600) beigebracht: sd hötur iha ni limpati er schmiert
$ 165.] Kap. VII. II. Genitiv des getheilten Ganzen. 337
es an diese Körperstelle des Hotar SB. 1, 8, 1, 14. Ebenso von
einem Zahladverbium: ai. tris samvatsardsya dreimal im Jahre.
Eine Steigerung des Begriffs kommt zu Stande, wenn zu einem
Worte der Gen. plur. desselben Wortes tritt, z. B. sömapah
simapanam der gewaltigste Somatrinker, sakha sakhinam der
beste Freund u. ähnl., av. äsungm äsus der schnellste der
Schnellen yt. 10, 65. Griechisch. Der Theiler kann auch
hier sein: a) ein Substantiv, z. B. oriye; dvöpav, Zdvea vexpwv,
aöpwvy te xal Apvsımv Sxaropßn, uymorhpwv Spikos (vgl. das über
maritam gandh S. 335 Gesagte), xeıunAıa xala Anlödos, ddxa Xpucoio
talavıa, dydos BArs (vgl. in anderem Sinne aydos Apoupr.s), YPul-
kav yoıs (wobei xöusıs nicht mehr als nomen actionis empfunden
wird. Wenn der getheilte Gegenstand etwas Ess- oder Trink-
bares u.s.w. und der Theiler ein Gefäss ist, so sprechen wir von
einem Gen. des Inhalts, so in öera; olvov, ridoL olvoro, xpedwv
zivaxss; b) ein Adjektivum: root Tpwwv, delt kelvuv, öta
deauy; auch neutral: Auıov Aeuxoto yalaxtos, Aperrs; besonders.
im Superlativ: Ssöratos ’Ayaröv, dulupwraros allwv; c) ein Pro-
nomen: tıs Exıydoviov dvdpwrwv, ’Ayaınv 05 xe, dc T66 Auepas
inachhom.); auch ein pronominales Adverb: &Alodı yalns, ou
drpöv, Tpls tod Rtov (nachhom.). — An ypöoou tälavrov, denas
otvov u. 8. w. schliessen sich nachhomerische Wendungen, durch
welche der Werth oder Betrag ausgedrückt wird, z. B. tpıa-
zovra zaldvrwv odolav Zxthoato (Lysias), öxtw oradlav Ton drere-
teAsoto teigog (Thukydides), vgl. Krüger, Di. 47, 8. Auch die
Steigerung des Begriffes liegt in der nachhomerischen Sprache
vor, 50 z. B. xaxa xaxöv, äppnt’ dppntwv bei Tragikern. La-
teinisch (vgl. Draeger 1, 412 ff). Der Gen. part. erscheint
ım Lat. bei Substantiven, z. B. copia rerum, amphora vini;, bei
neutralen substantivierten Adjektiven, jedoch nur in beschränkter
Anzahl, im alten Latein namentlich bei guantum, tantum, pau-
zillum, dimidium, bei Cicero vitae religuum, plurimum aelatıs,
und bei dem Neutr. plur. von Kompar. und Superl., z. B. :n-
tertora aedium, summa pectoris, aber nicht bei dem Positiv
(Schmalz 2 $ 70); ferner bei Pronominibus, z. B. guid operis,
caplivorum quid, id aetatis bei Plautus, qui captivorum bei
Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm. Sprachen. I. 22
338 Kap. VIII. DI. Genitiv des getheilten Ganzen. [$ 165.
Livius;' sodann bei Ortsadverbien, z. B. ubt locorum, terrarum,
gentium bei Plautus. Germanisch. Got. managei fiske eine
Menge von Fischen, juka auhsne usbauhta fimf Cüyn Bowv hyd-
paca nevre Luk. 14, 19 u. ähnl. (vgl. Gabelentz - Loebe 212),
alts. Awarf werö ein Haufe von Männern, ahd. wazzares zwibar
amphoram aquae (Grimm 4, 722). Bei Superlativen: got. sa
smalista apaustaule 6 &ayıoros twv Anootöiwv, ahd. manno mil-
tısto (Grimm 4, 736). Der Theiler kann ein Pronomen sein,
z. B. ainshun driggkandane Luk. 5, 39. Das Fragepronomen
ist in dieser Anwendung im Gotischen nicht belegt, wohl aber
im Ahd., z. B. in dem Adverbium warana woher, in wanana
lantes. Beachtenswerth ist der Gen. bei ‘nichts’, z. B. ei ni
vaiht ubilis taujaib ph rornoaı vuäs xaxdv unöev 2. Kor. 13, 7.
Weitere Belege aus den anderen Dialekten bei Grimm 4, 727.
Dieser Gebrauch des Gen. ist im Mhd. bisweilen auf solche
negative Sätze ausgedehnt, in denen die Negationspartikel nicht
ursprünglich substantivisch ist, z. B. mir kom sö lieber geste
nie (Paul $ 257. Auch im Germanischen findet sich die
Steigerung des Begriffes, z. B. altnord. klym Alymja Ton
der Töne, karl karla Held der Helden u. ähnl. (vgl. Grimm
4, 726). Baltisch-Slavisch. Über das Litauische be-
merkt Schleicher 271, dass dieser Gen. besonders bei Zahlbe-
griffen und Superlativen vorkomme, z. B. gulbiu pulkatis ein
Schwarm von Schwänen, peno üpe ein Strom von Milch
(Schleicher, Leseb. 145), Aäütıls vandeis ein Kessel Wassers
(122), dünos kepals ein Laib Brod (140), daüg Zmoniü viel der
Menschen, viele Menschen, n&ks 70 keiner von ihnen, Aaträs
bröliu welcher der beiden Brüder, Aökvens smertelnu jeder der
Sterblichen, pirmäsis sziurlöku der erste unter den Schülern,
maäidusias vaikü der kleinste von den Knaben u. s. w. Auch
findet sich im Litauischen die Steigerung des Begriffes, z. B.
vagiu vagis Dieb der Diebe, Erzdieb, auch bei Abstraktis, z. B.
bedü beda die Noth der Nöthe, höchste Noth. Auch die die Super-
lative steigernde gleichstämmige Form, z. B. geriz geridusias
der Guten bester ist ein Gen. Plur. (vgl. Schleicher 272).
Slavisch. Der Theiler ist a) ein Substantiv (substantiviertes
$ 165.) Kap. VII. HD. Genitiv des getheilten Ganzen. 339
Adjektiv), z. B. aksl. münoZistvo münogo Ludiji riTdos roAd Tod
ad Luk. 6, 17, siado srinizi münogo Aytin xolpwv Ixavav
Luk. 8, 32. Bei dem Neutrum münogo findet sich im cod.
Mar. kein Gen., wohl aber bei malo, z. B. 2etva ubo münoga
a delateli malo 6 pev depropös noAdg ol de &pyarar SAlyoı Luk.
10, 2. Bei tolıko so viel und Aoliko wie viel, z. B. nasytiti
tolıko naroda yopracar DyAov tocoütov Matth. 15, 33, Aoliko
chlebü imate ndoous Aprou; Eyere; 34. Eine Menge von Belegen
aus dem Serbischen liefert Danicic 64 fl., z. B. mnostvo (oder
sl) naroda eine Menge Volks, $aka hyudi eine Hand voll
Leute, jato sokolova ein Trupp Falken, krd ovaca eine Heerde
Schafe, Aolo dyevoyaka i momaka ein Kreis von Mädchen und
Burschen, dublja masla ein Klumpen Butter, gruda snijega ein
Schneeball, grum zemlje ein Erdenkloss, guka zlata ein Klumpen
Gold, Aomad hlyeba ein Stück Brod, Aondir vina ein Becher
Wein u. 8. w.; za njim idjae naroda mnogo ıhm folgte viel
Volks, nas je malo a mnogo Mad2ara unser sind wenig, aber
der M. viele, dosta ljudi dobar junak ein guter Held sind genug
Leute, Aolıko Yudi toliko dudi wie viel Leute so viel Sinne
u.8.w.; $to je ruha na meni je, $to je kruha u meni je was ich an
Kleidern habe, habe ıch an mir, was an Brod, in mir. Ebenso
natürlich ım Russischen, z. B. uceönychü mnogo, umnychü
malo, zuakomychü tima, a druga netü Unterrichtete viel, Ver-
ständige wenig, Bekannte eine Menge, aber kein Freund
(Puschkin). b) ein Adjektiv als Theiler ist kaum mehr vor-
handen. Miklosich 4, 475 führt Gen. bei dem sog. Superlativ
an, wie minje visechü semenü zemünychü wıxpdtepos TAvrav Tv
orzpuatwv &orl twv &ml ts yrs Mark. 4, 31, bemerkt aber so-
gleich selbst, dass dieser Genitiv vielmehr ein Ablativ beim
Komparativ ist. Aus dem Altrussischen notiert Buslajev 427
den seltsamen Genitiv bei ‘alle’: vse nasü odinü Eelovekü alle
von uns sind ein Mensch, d. h. wir stehen alle für einen.
€! Pronomina. Miklosich führt Fälle an, wie aksl. küto techü
riji Tis TooTtwv TOv tpıwv; Luk. 10, 36, und Ähnliches aus den
andern Sprachen, ferner vü to goda eig. in id temporis, d. 1.
e0 tempore, vgl. &; T6d Huepas.
22*
340 Kap. VIH. II. Genitiv des Stoffes. [8 166.
$ 166. Eine Abart des partitiven Genitivs ist der Genitiv
des Stoffes.
Im Arischen nicht häufig, z. B. saumaräudram ghrte
carim nir vapeh Suklanam vrihinam für Soma und Rudra be-
stimme er ein Mus in Butter aus weissem Reis MS. 2, 1,5
(6, 15); ayaywhö kehrpa zwaenahe mit dem Körper von edlem
Erz yt. 13,2. Griechisch. Die homerischen Belege s. bei
Krüger, Dial. Synt. $ 47, 8, Anm. 1. Zwar in Fällen wie ypv-
oolo Ölxa Talavra oder alyeipwy dAco;g begnügt sich unser Ge-
fühl wohl noch mit der partitiven Vorstellung, aber wo es sich
um Gegenstände handelt, welche aus einem Stoffe hergestellt
werden, z. B. tanıns &ploro, Epxos xaosıreporo, Kulıxzvoo xpualou
orarrpes (att. Inschr.}, ypusoö orarüpes Aauıbaxıvot (ebenf.) u. ähnl.,
empfinden wir allerdings eine andere Unterart des Genitivs.
Im Lateinischen ist dieser Gen. nicht häufig, z. B. saepe
lapidum, sanguınis nonnunguam, lerrae inlerdum, quondam etiam
lactis imber defluzit (Cic.). Im Germanischen fehlt dieser Gen.
nicht, z. B. sincgestreöonum füttan goldes mit Kostbarkeiten von
getriebenem Golde, Beovulf 1093. Doch ist mir über die Aus-
dehnung des Typus nichts bekannt, vgl. Grimm 4, 721. Li-
tauisch. Im Litauischen (Schleicher 271, Kurschat $ 1496)
ist der Gen. des Stoffes häufig, z. B. aukso zedas ein Ring von
Gold, szukü jüstas ein Gürtel von Seide, /&pos Asbiratis ein
Eimer von Lindenholz, uteliö maätelis ein Läusemantel, d. h.
ein Mantel aus Läusefellen u. s. w. Man könnte zwar daran
denken, diesen Genitiv als ursprünglichen Ablativ aufzufassen,
wie er bei Verben wie ai. tak$ verfertigen erscheint, (vgl. Zai
Jis Jam däve pleno pätkavas padaryjt da liess er ihm Hufeisen
aus Stahl machen, Schleicher Les. 120). Indessen es ist doch
klar, dass der Kasus selbst in dem eben angeführten Satze
näher zu dem Nomen als zu dem Verbum gehört, und so wırd
er mit den Stoff-Genitiven anderer Sprachen zu vergleichen
sein. Slavisch (Miklosich 4, 462): aksl., z. B. stena kamene
Zestokaago eine Mauer von hartem Stein, serb. (Danitie 60): «a
glavi mu gro2dja vincac auf seinem Haupte ein Kranz von
Trauben; gewöhnlich mit Epitheton, z. B. orata suha zlata ein
$ 166—167.] Kap. VIII. DO. Der Gen. in negativen Sätzen im Balt.-Slav. 341
Thor von reinem Golde, vreteno droa simsirova eine Spindel
aus Buchsbaumholz, Aalpak solle bele eine Mütze aus weisser
Seide. Ebenso ım Russischen volksthümlich, z. B. pokrysa
sedychü bobrovü eine Decke von grauem Biber, drovi to u
Annubki cerna sobolja A. hat Augenbrauen von schwarzem Zobel
(Buslajev 246).
8 167. Der Genitiv in negativen Sätzen im Bal-
tisch-Slavischen.
Wie schon $ 165 bemerkt worden ist, kommt im Ger-
manischen der Genitiv in negativen Sätzen auch dann vor,
wenn es nicht mehr möglich ist, ihn von der Negation direkt
abhängig zu machen, z. B. mhd. mir kom s6 lieber geste nie
(vgl. auch Erdmann 2, 161). Diese Ausdrucksweise ist im
Baltisch-Siavischen zur Regel geworden. Litauisch (vgl.
Schleicher 274), z. B. äsz nepazistu tö Zzmogaüs ich kenne den
Menschen nicht; jis rafku netür er hat keine Hände. Alter-
thümlich und dialektisch findet sich indes auch in negativen
Sätzen gelegentlich der Akkusativ, vgl. Bezzenberger, ZGLS. 238,
Leskien - Brugman 321. Slavisch (vgl. Miklosich 4, 498),
2. B. aksl. ni vilivayqtä vina nova vü mechy vetüchy odöt Bal-
kousty olvov v&ov els doxods ralarods, aber gleich darauf: nü vino
novo vü mechy novy vührajatü ad PaAlousıv olvov veov eis
asmods xaıvous Matth. 9, 17. Der Gen. tritt auch ein neben
einem von einem negierten Verbum abhängigen Infinitiv, z. B.
Jako ne imami küde sübirahi plodü mojichü dr odx Eyw roü
svako Tobs xaproös you Luk. 12, 17; ne mnite jako prüdü raz-
oriti zakona ili prorokü wh vonlonte dr TAdov xatalüsaı Toy
vouov 7) Tods npophtas Matth. 5, 17. Serb. ne irakim volje sooje
nego volju oca od Ina Tod Belnpa To Eubv AAld To Heinua Tod
zatpos Joh. 5, 30; 0n je prosi a brat sestre ne da er freit sie,
aber der Bruder giebt die Schwester nicht u. s. w. Im all-
gemeinen steht dieser Genitiv bei allen Genera und Numeri,
nur das neutrale Pronomen steht nicht selten im Akkusativ,
2. B. serb. isprva ne kazah vam ovo radra ÖL dwiv &E dpyiis odx
eirov Joh. 16, 4. Im Russischen brauchen neuere Schrift-
steller gegen die alte Regel gern den Akk. neben einem
342 Kap. VIII. II. Genitiv des Besitzers. [$ 167—168.
Infinitiv, der von einem negierten Verbum (ne chocu, ne mogu,
ne stanu u. 8. w.) abhängig ist, z. B. ne chocu videti moju ko-
mediju (vgl. Buslajev 250). Nach demselben Grammatiker kann
bei negativen Fragen Gen. oder Akk. stehen. ‘Aber nıcht bloss
in Sätzen mit transitiven Verben, sondern auch bei ‘sein’ und
überhaupt in Existenzialsätzen findet sich der Genitiv (vgl.
Miklosich 4, 357 und das über die positiven Existenzialsätze Ge-
sagte, 8153). Und zwar schon aksl., z.B. i ne be ıma Ceda xal oöx
Tv adtois texvov Luk. 1,7 (ebenso got.); jegda Ze videse narodi jako
Isusa ne bystä iu ni ucenikü jJego Ste odv eidev 6 öyAos Erı Insoüs
obx Earıv dxei oBdE ol naßntat adroo Joh. 6, 24. Serbische Be-
lege sind (Danicic 127): ni di mriva ni bi ranjenoga da war
weder ein Toter noch ein Verwundeter; Akad ntije tebe kod mene
wenn du nicht bei mir bist. Ebenso bei nestanuti ausgehen, z. B.
al je vama hlyeba nestanulo, ali hljeba al crvena vina, ali zlata al
bijela platna ıst euch das Brod ausgegangen, das Brod oder
der rothe Wein, das Gold oder das weisse Linnen? (Da-
nicic 91). Bei anderen Verben, wenn der Ausdruck passivisch
ist, z. B. bila nekaka varos kojoJ se ni ımena ne zna es war
eine Stadt, von welcher selbst der Name nicht bekannt ist.
Daran schliesst sich endlich die Verwendung auch bei ak-
tivischem Verbum, so: ne utece oka ni svijedoka es entkam
nicht Auge noch Zeuge (ebenda 128, 130). Ebenso im Russischen,
z.B. ne bylo dozdja es war kein Regen, sledu netu keine Spur
iist vorhanden), vgl. die subjektlosen Verba.
$ 168. Genitiv des Besitzers.
Da die Beziehungen zwischen zwei Begriffen, von denen
der eine als Besitzer!) gedacht werden kann, sich je nach dem
Sinne der beiden betheiligten Begriffe verschieden gestalten,
so wäre die natürliche Anordnung von der Bedeutung der bei-
den zusammengehörigen Wörter herzunehmen. Es würde zu
1) Dass unter dem Begriff des possessiven Genitivs manches unter-
gebracht worden ist, was besser unter die allgemeinere Kategorie der Zu-
gehörigkeit zu passen scheint, ist oben $. 335 und gelegentlich auch im
Folgenden noch besonders bemerkt worden.
$ 168.) Kap. VIII. IL Genitiv des Besitzers. 313
unterscheiden sein, ob Personen zu Personen, Konkrete zu Per-
sonen, Handlungen zu Personen, andere Konkrete zu einander,
Vorgänge zu Konkretis u. s. w. in Beziehung gesetzt werden.
Eine solche Anordnung kann aber mit Erfolg nur durchgeführt
werden, wenn das Material aus einem bestimmten Sprachzu-
stand vorliegt. Da mir solche Sammlungen nicht zu Gebote
stehen, habe ich nur bei dem Griechischen einen Anfang zu
einer derartigen Gruppierung gemacht. Erst wenn weitere
Sammlungen vorliegen werden, wird man z. B. sehen können,
wie alt die Ausdrucksweise ist, dass als Besitzer der Träger
einer substantivisch gedachten Eigenschaft auftritt, eine Aus-
drucksweise, die bekanntlich in den neueren Sprachen häufig
ist, 2. B. serb. sladost slobode die Süssigkeit der Freiheit (auch
im Lateinischen geläufig).
Als eine besondere Spielart des Gen. des Besitzers er-
scheint der Gen. in der Umschreibung (Gen. definitivus).
An den Schluss stelle ich den Gen. bei dem passiven
Partizipium.
Arisch. SF. 5, 181 sind eine Reihe von Belegen aus
dem Ai. angeführt, wıe ‘Kopf des Pferdes, Körper des Men-
schen, Thür des Himmels, Gipfel des Berges, Sohn des Vaters’
u.s.w. Natürlich finden sich dieselben Gebrauchsweisen auch
in den iranischen Sprachen. Zu dem letzten Beispiele be-
merke ich, dass im Av. wie im Griech. das Wort ‘Sohn’ auch
fehlen kann: äfrem ahurahe mazdäo Atar, den Sohn des A.M.
y.13, 2 (y. 16, 4 steht pubrem dabei). Wie “Vater” kann auch
Familie’ in den Gen. treten, z. B. yab he puhrö uszayala visö
surayd braßtaono dass ihm ein Sohn geboren wurde des star-
ken Stammes Thr. y. 9, 7. Dass nicht etwa in visö ein Ablativ
vorliegt, zeigen Fälle wie: ya hg tum uszayarha tüm erezvo
zarabustra nmänahe pourusaspahe dass du ihm geboren wurdest,
du wahrhaftiger Z.,, des Hauses des P. (der du dem Hause
des P. angehörst) y. 9, 13. Ebenso im Altpersischen: kambujiya
nama kuraus putra amakham taumäya K. mit Namen, des K.
Sohn, aus unserer Familie Bh. 1, 28. Aus dem Aü. ist a. a. O.
der Genitiv bei ‘Pfad’ erwähnt worden: devanam päünthah der
344 Kap. VIIL IL Genitiv des Besitzers. [$ 168.
Pfad der Götter, rläsya pänthäh der Pfad des Rechten, divö
gätüh die Bahn des Himmels, d. i. zum Himmel, vgl. $ 171.
So findet sich auch av. kasna zwäng staremca daß advanem wer
bestimmte den Pfad der Sonne und der Sterne y. 44, 3. va-
histahe arheus vahıstam ayangm yazamaide wir verehren den
besten Zugang zur besten Welt vsp. 23, 1. Bei duta Bote
kann der Gen. denjenigen, der schickt, und denjenigen, zu dem
geschickt wird, bezeichnen. Stömasö avinoh sind im RV. die
Lobgesänge für die A. Sprachlich möglich wäre es auch “die
Lobgesänge der A.’ zu übersetzen (vgl. Pischel-Geldner 1, 23).
Griechisch. Ich führe zunächst einige Belege aus Homer
an und ordne nach dem nicht ım Genitiv stehenden Worte,
wobei zuerst Personen und Dinge, dann Vorgänge, Handlungen
(wobei an den subj. Gen. zu erinnern ist), Zustände zur Er-
wähnung kommen. Belege sind: rarnp dvöpwv te dewv re, Ilo-
Außoro dapap (in dem Satze: Ayaydurv dE yuvatxa roluxirpmv
avdpwrwv & 211 ist nur das thatsächliche Verhältnis zwischen
den betheiligten Personen, nicht das grammatische Verhältnis
zwischen den Begriffen ein anderes), ‘Ayyıdloro ulos, Buyarnp
Aros, Oöuotos Eratpos, keivor AAAnlwv Tarpwior, Boüs "Yreptovos,
deov 2v yovvası, plAmv &v yepotv, Tapsos Öskırepoio Todos, pULEAüg
avöpwv, &v pıvotor Bowv, wpeves Alyishoıo, Bot allnav, Bewv aön,
xnreog döun, adyal NeAloro, Yalxod oteponh, dpea yalns Darhxov,
rruyes OdAuproro, Ent Hiva Balasans, Avden rolns, vnol Üeiv,
avdpunwv Aotea, Öouou dv nparpar Bupyar, xAtuak Somoro, Yhpaos
oBdos, AAwiis Epxos (in anderer Weise, nämlich den Stoff an-
gebend, woraus der Zaun besteht, also eine Abart des partitiven
Gen.: Epxos döovrwv), Boupös Axwah, xopudos palos, xrrars TrAs-
kayxoıo. — poipa Bewv, drıs Beaw, 80Aos AAoyoro, uymothpwv BovAN
te voos te. — Tpwwv xal ’Ayaöv pulonıs alın, "Oduoros dedAor,
xourog BöOYTWVv, oTovos Avöpav, xA0vos &yysıdav, Impds Öpun, Avdpou
rvorn, Ts Av&poro. — YAyos vidos, TADog urtpog, Bewv das, Beod &oprn,,
Aüxwv Tıa, dvadmuara darros, darrds Avln, äydos dpoupns, voosos
Arös peyaloıo (welche von ihm kommt). — Aavawv oltos, xetvou
öAedpos, uynothpwv dBavaros, Tepas peporwv Avdporuv. — xaxoU
dpxn, Bpn doproro. — kelvwv denis, ölun Basılywv, rarpüsxidos (y 83)
$ 168.) Kap. VIH. II. Genitiv des Besitzers. 345
ist ohne Schwierigkeit possessiv aufzufassen, danach wohl auch
zarpos xAnnöov 5 317 und Ayyealln rarpos a 408 und sonst.
Das Gegentheil zu rarpd; xAdos ist narpds And A 142. dewv
Spxos (yprbs de Bey peyav öpxov dmwuvo B 377) scheint der
Eid zu sein, welcher den Göttern gehört, ähnlich prrpös &pı-
vwoes und rardöös roıvn (die Busse, welche dem getöteten Kinde
zukommt, d. h. praktisch Busse wegen des Kindes). So sehe
ich auch in xupata zavroiwv Av&uwv einen poss. Gen. An
diese Aufzählung homerischer Belege knüpfe ich noch einige
Einzelbemerkungen. Nicht selten steht der Gen. neben einem
abgeleiteten Adj., z. B. Neorop&y rapa vn! TloAoryeveos Bası&ros
Y 303. — Auch im Griech. kann der Name des Vaters im Gen.
stehen, so ’OiAjos tayds Atlas B 527, nach Homer auch bei
anderen Verhältnissen, z. B. Deperlun r, Bartov (die Gattin) bei
Herodot, Kitapyos xal oi &xelvoo bei Xenophon. In den atti-
schen Inschriften wird nach Meisterhans? 167 bei der offi-
nellen Nennung eines Bürgers der Gen. des Vaternamens zu-
gesetzt ohne Beifügung von vid,. Zusatz von uld; findet sich
nur in Weih- und Künstleraufschriften und auch hier nicht
immer. Bei Frauennamen erscheint bald der blosse Gen., bald
der Gen. mit duyarnp. Auch die Familie, das Blut, dem
jemand angehört, steht, wie im Iranischen, im Gen., 2. B.
Inds &aoı nal aluaros Apereporo zn 300. — Genitive des Landes, dem
ein Ort angehört, z.B. Dwxaln ’Iuvins bei Herodot, dürften in
den arischen Sprachen noch nicht vorliegen. Lateinisch:
Im Lat. wie in den anderen Sprachen, z. B. Marci puer, domus
Aeronis u. 8. w. Dahin rechnet man mit Recht auch Ausdrücke,
wie Caecilia Metelli (während man in der alten und klassi-
schen Zeit nur Marcus Marci filius, nicht Marcus Marci sagt —
vgl. Schmalz2 $66 — als ehrenvollere Bezeichnung). Germa-
nisch: Um wenigstens aus einem Dialekte einige Belege zu
geben, entnehme ich Erdmann 2, 140ff. die folgenden Beispiele aus
Otfrid: Gotes sun, der gotes boto, druhfines muater, thes diufeles
gisindo, Swabo richt das Schwabenreich, thaz Kristes muas die
von Christo gespendete Speise, lioht suntigero manno Licht für
sündige Menschen, sluzzila himiles Schlüssel zum Himmelreiche,
346 Kap. VI. II. Gen. in der Umschreibung (definitivus). [$ 168—169.
zit thes Zeit dafür (vgl. @pr ödproro), thes Arüzes krefti, Kristes
mahti, in waldes einöte, in opheres wisun (vgl. ötxn), in thrio dago
Fristi u. ähnl. Baltisch-Slavisch: Wendungen wie die aus
den bisher genannten Sprachen angeführten finden sich natür-
lich auch ım Lit. und Slav. Doch ist zu beachten, dass die
possessiven Adjektiva im Slavischen dem Gen. Konkurrenz
machen. Einige Verbindungen, bei denen der Begriff des Be-
sitzes nicht recht ausreicht, vielmehr der der Zugehörigkeit
passender ist, sind: lit. A&mo mergeles die Mädchen des Dorfes,
rargü denos Tage des Elends, peno püdas Milchtopf u. ähn!.
(Kurschat 405), wozu übrigens auch die bisher erwähnten
Sprachen schon theilweise Analoga geliefert haben, wie &py
ööproro u. ähnl. Slavisch. Eine Menge von serbischen Be-
legen für den possess. Green. bei Danicic I1ff. Ich führe nur
an den Gen. bei Abstraktis, welche eine Eigenschaft bedeuten
(S. 17). Beispiele sind: lYepota mlade mome die Schönheit
des jungen Mädchens, miris rana bosioka der Wohlgeruch
des frühen Basilienkrautes, sladost svobode die Süssigkeit
der Freiheit. Aus dem Russischen ist bemerkenswerth, dass in
älterer Zeit die Familie durch den Gen. Sing. oder Plur.
ausgedrückt wurde, z. B. peredü knjazemt Ivanomü Grigor:-
Jevicemü Dolgorukogo (aus dem Jahre 1612), Aleksandry Gaga-
rinychü (1679). Daher jetzt noch indeklinable Familiennamen
genitivischer Form wie Zivago, Suchorukichü (Buslajev 246).
$ 169. Genitiv in der Umschreibung (definitivus).
Diese Abart des possessiven Genitivs kommt dann zu stande,
wenn das Genitivwort die Spezies, das andere aber das Genus
ausdrückt und wenn in der Rede auf das Genitivwort derartig
der Accent des Sinnes fällt, dass die zwei verbundenen Wörter
nur als Umschreibung des Genitivwortes gefühlt werden. Ich
kann diese Form belegen aus dem Griechischen, Lateinischen,
Litu-Slavischen, Germanischen. In derselben etwas besonders
Alterthümliches zu sehen, wie man wohl gethan hat, kann ich
mich nicht entschliessen. Ich möchte im Gegentheil an-
nehmen, dass Ausdrücke, wie arbor fici in der Ursprache nicht
$169] Kap. VIII. II. Gen. in der Umschreibung (definitivus). 347
vorhanden gewesen sind, da für den hierdurch erstrebten Zweck
das Kompositum diente.
Griechisch: Es können dahin gerechnet werden: «hp
davaroıo, Bavatoıo venos, Yolvıxos vEov Epvos (eig. ‘ein Sprössling,
der zur Dattelpalme gehört’, aber sachlich s. v. a. ‘der eine
Dattelpalme ist‘), dv&poro BueAla, Asxtporo nalaıou Beouds d 296,
atya xaxoro; nöAıy adchv tonyelns ldaxns x 416 sehen wir noch
als possessiv an, da wir zwischen rdAıs und ldaxn unterscheiden,
ebenso wie in 'ldaxns Evi örum a 103, dagegen in narplöa yatav
pngeins ldaxns x 463 finden wir, dass die beiden verbundenen
Begriffe sich decken; in lepös bios Alyeioto A 726 kommt es
darauf an, ob wir ’Algeid; als Namen des Flussgottes oder des
Flusses auffassen ; On3ns &dos, Tpolns iepöv nroAtedpov (wozu man
den possess. Gen. in NyA7os rtoAtedpov vergleiche). Auch Wen-
dungen wie teph is TnAepaxoıo gehören hierher. Dass schon der
Dichter darin eine Umschreibung für TnA&uayo; empfand, lehrt das
mask. löov n 477: pelöncev Ö tepn is Indepayoıo &; narep dodal-
potsı löwv. In Örvou düpov decken sich zwar die Begriffe nicht
überhaupt, aber es ist doch gemeint, dass in diesem Falle die
Gabe im Schlaf besteht. Lateinisch: Es gehören hierher
Wendungen, wie arbor fici Feigenbaum, nomen regis der Begriff
‘König’, wohl auch scelus viri, monstrum muleris u. ähnl.
Germanisch: Über das Vorkommen dieses Gen. im Ahd.
handelt Erdmann 2, 144ff. Er bemerkt 146: “Formelhaft zur
Umschreibung einer Person dienen namentlich guati, milti, diuri
und das allgemeinere kraft [vgl. iepn \s] in allen Kasus und
in Verbindung mit Prädikaten und Bestimmungen, die eben
nur der Person selbst gebühren”, z. B. Kristes guati mera wuntar
däti, unz thiu sin guatı uf fon töde irstuanti Otfr. u.s. w. Weiter
vergleichen sich mit den griechischen Wendungen: daz sines
Iichamen hüs, mit des krüzes fiure inan brennen, des steines
burdin (die Bürde, welche der Stein bildete) u. ähnl. Litauisch
undSlavisch: Ragaines m&stas dieStadt Ragnit (Schleicher 273);
serb. s one strane vode Save auf der andern Seite des Flusses
Sau (Miklosich 4, 470).
348 Kap. VIII. II. Gen. beieinem pass. Part. Gen. qualitatis. [$ 170—171.
$ 170. Genitiv bei einem passivischen Parti-
zipium.
Eine Form des Gen. des Besitzers ist der Gen. bei dem
passiven Part., wobei das im Gen. stehende Nomen als Agens
empfunden wird. Dieser Gebrauch findet sich im Arischen,
2. B. pdtyuh krita die gekaufte des Gatten, d. h. von dem
Gatten gekaufte (SF. 5, 153). Ebenso im Av.: amıynizta sunö
benagt von einem Hunde vd. 7,30 (vgl. Hübschmann 270 und
Pischel-Geldner 1, 283 Anm.), ferner, worauf Brugmann
(Leskien-Brugman, Litauische Volkslieder 321 Anm.) aufmerksam
gemacht hat, im Griechischen bei dem Part. Aor. pass., 2. B.
oäs aAdyou awayels Alyiochov re bei Euripides (vgl. auch drdsöorog),
im Litauischen, 2.B. karältaus sijstas vom Könige gesandt
(Schleicher 273) und im Germanischen, z.B. ahd. die gtwihte
mines fater sin, giseganöle sine (Erdmann 2, 142).
6171. Genitiv der Eigenschaft (qualitatis) (auch
mit einem Verbum des Seins).
Ein solcher findet sich ın den arischen Sprachen und im
älteren Griechisch nicht oder nur selten vor. Dagegen ist er
belegt ım Lateinischen, Germanischen, Litu-Slavischen. Es ist
nicht unwahrscheinlich, dass dieser Gen. sich nach Auflösung
der alten Komposita entwickelt hat. Ein paar griechische Bei-
spiele sind: &rtwv Zwv HAınlmv nevre xal tpınxovra Herodot 1, 26,
tov ebpıoxe olxins pv Edyvra dyadis Tpdmou Ö& Houylou 1, 107.
Lateinisch: si quid liberum virslis serus ei nalum esset bei
Ennius, frium literarum homo (nämlıch fur) bei Plautus, homt-
nem mazumi preti bei Terentius, non multi cibi hospitem accıpies
multi joct bei Cicero, vır et consilii magni et virtutis bei Caesar,
colossus centum vigints pedum bei Sueton. Ungewöhnlich sind
Gen. ohne Attribut, z. B. komo nthili bei Plautus. Germa-
nisch: got. dauhtar vintrive tvalibe eine Tochter von zwölf
Jahren; ahd. guotera slahta man ein Mann von guter Art;
mhd. der ritter guoter sınne (Grimm 4, 652 Anm. und 720). Mit
sein: vas auk jere tvalibe Tv yap &rüv Öwöcxa Mark. 5, 42.
Litauisch: Auch hier ist die Regel, dass der zu dem Subst.
tretende, eine Eigenschaft oder einen vorübergehenden Zustand
$171—172.) Kap. VIII. I. Der subjektive und der objektive Gen. 349
bezeichnende Genitiv mit einem Adjektivum verbunden sein
muss. Einige Belege sind: lit. zmogus linksmös szirdes, drüto küno,
auksztös gimines, mäzo stomeis ein Mensch von heiterem Herzen,
von starkem Körper, von hoher Geburt, von kleiner Statur;
irjü metu küdıkıs ein Kind von drei Jahren, irızüa auksinu
skepeta ein Tuch von drei Gulden, drei Gulden werth u. ähnl.
'vgl. Schleicher 272). Slavisch: Aksl. (Miklosich 4, 468): clovekü
jehnu dobra roda avdpwrös tıs eüyevng Luk. 19, 12; Jako düsti
inoceda be jemu jako düvoju na desete letu Er doyarnp kovoyevrs
Ivadın &; Etwv Öwdexa Luk. 8, 42; muzi blagolepina obraza ein
Mann von schöner Gestalt. Aus den serbischen Beispielen,
welche Danitic 53 anführt, hebe ich hervor: Veljyko je bio tunka
ı sisoka struka smedje kose i vrlo malıh brkova u. 8. w. V. war
von schlankem und hohem Wuchse, braunem Haar und sehr
kleinem Schnurrbart; jedan junak lica djevojacka ein Jüngling
von mädchenhaftem Gesicht; dodje momce erna oka na konjicu
loka skoku es kam ein Bursch schwarzen Auges auf einem
Rosse leichten Sprunges; dlaZene duse covek ein Mensch von
glücklichem Gemüthe; drat je mio koje vjere bio ein Bruder
ist lieb, welches Glaubens er auch sei; on biyae mojıh godina
er war von meinen Jahren; cvijet lijepoga mirisa eine Blume
von schönem Geruch. Russische Belege bietet Buslajev 243 ff.,
2. B. celovekü poZiüychü letü ein Mensch von hohen Jahren;
ons takoj ceny i krasoty sie sind von solchem Werth und solcher
Schönheit; 7a Jje&Co toj very sto ich bin noch des Glaubens,
dass; Aakogo cveta moloko von welcher Farbe ist die Milch
(Äsböth 9). Substantiva ohne Akjektiva kommen nach B. nur
ın der Sprache der Poesie und Beredsamkeit vor, z. B. celovekü
ssiny i prirody ein Mensch von Wahrheit und Natur.
$172. Der subjektive und der objektive Genitiv.
Hinsichtlich des subjektiven Genitivs ist oben bemerkt,
dass er nach Analogie des possessiven entstanden zu sein scheint,
hinsichtlich des objektiven, dass er der Vertreter eines anderen
Kasus, gewöhnlich des Akkusativs, sei. Hier bemerke ich
noch, dass dieser Akk. sowohl ein Akk. des Objekts, als des
350 Kap. VIII. II. Der subjektive und der objektive Gen. [8 172.
Inhalts z. B. vixn yayns), als der Richtung (z. B. vöstos yalr,)
sein kann, doch überwiegt der Akk. des Objekts bei weitem.
Im nachhomerischen Griechisch, ım Lateinischen, Germanischen,
Slavischen finden wir den Gen. auch anderen obliquen Kasus
entsprechend. Ob dasselbe auch in den arıschen Sprachen und
bei Homer vorliegt, habe ich nicht ermittelt, möchte also
über das Alter dieser Erscheinung nichts behaupten. An sich
sieht man nicht ein, warum der Gen. nicht ebenso gut einen
anderen mit dem Verbum verbundenen Kasus, wie den Akk.
vertreten könne.
Arisch. Als Belege für den subjektiven Gen. habe ich
SF. 5, 155 aus dem Ai. angeführt: patane vayrasya beim Fliegen
der Blitzwaffe, yayhasya saämrddhyai zum Gedeihen des Opfers
u. ähnl. Aus dem Av. habe ich zufällig nur zur Hand: ahe
yasna yazalanım wegen seiner Verehrung der Götter y. 57, 3,
wobei der erste Gen. subjektiv, der zweite objektiv ist. Einige
Belege für den objektiven Genitiv sind, neben Nomina actionis:
ai. yögö vajinah die Anschirrung des Pferdes; bhrätroyasya vinödah
die Vertreibung des Feindes; av. snabät vispangm datvangm zur
Zerschmetterung aller Dämonen y. 27,1; ai. grähasya hömah die
Ausgiessung eines Trankopfers; av. ma nö afsa ya kaine masyanam
pard fSaremap zwatö garezem ratsaya) das Mädchen soll nicht
mit Willen aus Scham vor den Menschen die Frucht schädigen
vd.15,12; ai. davane vasunam zum Empfange von Gütern (SF.
5,422) ; av. zsnitmaine ahurahe zur Besänftigung des Ahura y.3, 1;
ai. dSvasya dhrtyäi um das Pferd zu halten; av. pattistätee teman-
ham zur Bekämpfung der Finsternisse yt.6,4. — Von Nomina
agentissind zu erwähnen: ai.apam ajah der Beweger des Wassers ;
puram bhinduh der Zerbrecher der Burgen; av. fäyus nemaprhö ein
Räuber der Achtung vd. 4, 1; varheus damis manarhö der
Schöpfer des guten Geistes y.44.4. Das Hauptkontingent aber
stellen die Nomina auf tar, z. B.: ai. däta rayinam der Geber
der Reichthümer; pravadita väcah der Sprecher des Wortes;
av.dätare gatpanqm o Schöpfer der Wesen yt.8,10; paseus bräata
der Schöpfer des Viehs y. 50, 1; mä buyä aurvatqm yüzta, mä
aurvatqm awwisasta, mä aurvatqm nibarta du sollst nicht sein
$172} Kap. VII. IH. Der subjektive und der objektive Gen. 351
ein Anschirrer der Rosse, nicht ein Besteiger (eig. Besitzer)
der Rosse, nicht ein Antreiber der Rosse y. 11, 2.
Als aus dem Akk. des Zieles entstanden, kann man viel-
leicht Wendungen, wie divo gatuh die Bahn zum Himmel, an-
sehen, welche oben S. 344 unter den possessiven Genitiv ein-
gereiht sınd.
Man vergleiche hierzu noch was $ 154 über den Akkusativ
bei verbalem Nominibus gesagt ist.
Griechisch. Einige Belege für objektive Gen. bei No-
mina actionis sind: dvaßAncıs Xaxod, Ausıs vexpoto, ists Artpet-
ao a 40 (denn riveıv mit dem Akk. der Person kann heissen
“für den Tod jemandes Strafe leiden’, vgl. P 34), yunscnpwv
zedasıs, xaxav Önalukıs |vgl. dagegen die subjektiven Euvesıs
tun rorauuv, Auplßacız Tpwwv E623, rapatpasız Eratpou u. ähnl.),
kaav ötpuvrös, rodos und rxodr, mit Gen. wie ßıororo, Ayılkfos
u. 8. w. (vgl. den Akk. öpdaApov moßesız ı 453), TrAepayxoıo Yovoz,
todalnuv Bolai, rounn Avdpwrwv v 151, dntöos dos Furcht
vor Rache, (vgl. dazu »oßos "Apnos die Furcht, welche Ares
verbreitet B 767), örArpara vr@v, peillypara Bupod, Bporwv Bei-
xcıpa, Aupasin Erw u. ähnl. Aus attischen Inschriften &:8-
rlevoav &ri Thy Yulaxhv av Asıstwov (Meisterhans? 1681. Einem
Akk. der Richtung entspricht der Gen. bei vooto; in &rınateo
vosrov yalrıs Darnxwv e 344, einem sog. Akk. des Inhalts der
Gen. bei vixr, in vixn payrs H 26, 8 171. Unter den Nomina
actoris spielen die auf -Tnp die Hauptrolle. Beispiele aus
Homer sind: xuvav dAxTnp, bdartav Anolunavrnp, Apvav ApTa-
xp, dorhp Zdwv und olroıo, Inchp xaxwv, yuntpös kvnsthp, pläns
evahtis ÖAethp, wudwv Prnp (mußwv te Pritäp Zpevaı TpnaTipd Te
&pyuv 1 443), oradymv burnp, dtsrtüv duornp u. ähnl., dazu: suwv
mörtwp, xEvrwp Irrwv, unotwp Yodoıo u.8.w. Nomina mit an-
deren Suffixen sind: porwv önArpkwv, textwv Öoupwv, v7@V Top-
znes. Im Zweifel kann man sein, wohin die Gen. bei den
vielen Wörtern, welche Herrscher bedeuten, zu stellen sein,
wie z. B. Tpwwv Ayös, Advas dewv, Apyol nynothpwv, roumv Aawv,
Basıleus Muxtvns, Ayaav, rrwyav xolpavos, tayins Avkuwv, Öp-
Xapos dvöpov. Man kann an partitive und possessive Auf-
352 Kap. VII. UI. Der Genitiv bei Adjektiven. [$ 172-173.
fassung denken, aber es überwiegt doch wohl die Vorstellung,
dass eine Einwirkung auf die im Gen. stehenden Wesen aus-
geübt wird. Ich nehme daraus die Veranlassung, rorpnv
Aawv ebenso zu dem obj. Gen. zu stellen, wie xosuntwp Aawv.
Gen., die einem ursprünglichen Dativ entsprechen (der nach-
homerischen Sprache angehörig), verzeichnet Krüger 47,7, 5,
z. B. twv xaxwv ouvousta bei Plate. Lateinisch. Den Akk.
des Objekts vertritt der Gen. in amor patrıs, spes vilae, odıum
tut bei Plautus, divint supplicit metus, conservatrix sus bei Cicero.
Den Akk. der Richtung: patefecit earum ipsarum rerum adıtum
bei demselben. An die Stelle anderer Wendungen tritt der
Gen. z. B. in fiducia virium, remedium irae bei Plautus. Ger-
manisch. Ein paar Belege aus dem Ahd. sind (nach Erd-
mann 2, 148) für den subjektiven Gen.: sunnun fart Lauf der
Sonne, für den objektiven: duruh gotes minna um der Liebe
zu Gott willen, duruh des forahta aus Furcht vor ihm u. s. w.
Baltisch-Slavisch. In bezug auf das Litauische führt
Schleicher 272 an, dass batime nepreteliu Furcht der Feinde
sowohl subjektiv als objektiv verstanden werden könne. Ob-
jektive Genitive aus dem Slavischen s. bei Miklosich 4, 470,
Danitie 49 ff. Häufig entspricht der Gen. dem Akk. des Ob-
jekts, z. B. aksl. jetije Araja rizy prehensio limbi vestis, vüs-
kresenije mrütoyjichü excitatio mortuorum, serb. odretenije glave
kneza Lazara die Auffindung des Hauptes des Fürsten L. Fer-
ner dem Dativ, so aksl. za prijazni istovaago cesarja qula vero
regi favetis, serb. od cuda Üijepe djevojke aus Verwunderung
über das schöne Mädchen (nur dieses Beispiel ıst angeführt).
Ein Beleg für den Gen.-Abl. ist serb. zlo se irm od straha
gorega Übel wird ertragen aus Furcht vor Schlimmerem. Noch
einige Belege für andere Kasus s. bei Miklosich.
$ 173. Der Genitiv bei Adjektiven.
Zuerst seien hier nur im Vorübergehen solche Adjektiva
erwähnt, welche wıe Substantiva konstruiert werden. Dahin
gehören Wörter wie ai. priyd lieb (Freund), im Lat. die Par-
ticipia praes. act. von Verben die selbst mit dem Akkusatıv
verbunden werden, z. B.amans, gerens, sciens, so dass also amans
$ 173.) Kap. VIH. I. Der Genitiv bei Adjektiven. 353
patriae Liebhaber des Vaterlandes bedeutet. Ebenso ist viel-
leicht auch die Konstruktion einiger griechischer mit 2ri zusam-
mengesetzter Adjektiva aufzufassen, wie &rtstpopos Avdpwrwv
a 177 (vgl. Ertotpegesdar mit dem Akk.), &rioxonos Ödatwv D 163
(vgl. &rıoxertopaı mit dem Akk.). Zweifelhaft bin ich wegen
IrtwÄonos nudwv und zofov X 281 und @ 397.
Die übrigen hier zu erwähnenden Adjektiva sind, sei es
wirklich, sei es ideal, durch die Stufe des Partizipiums durch-
gegangen, haben also ıhre Konstruktion vom Verbum ent-
lehnt. Den Reigen führt dabei das Wort für ‘voll’. Eine
Schwierigkeit entsteht hinsichtlich gewisser Adjektiva, welche
ursprünglich sicher mit dem Abl. verbunden wurden, die aber
in den Sprachen, welche Ablatıv und Genitiv haben zusammen-
fliessen lassen, sich mit den relativen Adjektiven für das Ge-
fühl der Sprechenden offenbar zu einer Gruppe verbunden
haben. Es schien mir unnatürlich, ‘leer’ von ‘voll’ zu trennen.
Ich habe also derartige Adjektiva hier angeführt, während bei
dem Ablatıv nur auf sie verwiesen worden ist.
Arısch. Ein wirkliches Partizipium ist ai. pürnd voll.
Es wird entsprechend der Konstruktion von par mit Instr. und
Gen. verbunden (vgl. SF. 5, 162). Das entsprechende av. perena
weiss ich nur mit dem Gen. zu belegen [asrustörs perenärshö
voll von Ungehorsam y. 44, 13). Adjektiva mit partizipialer
Konstruktion sind ai. ?$var@ vermögend und ndvedas kundig.
Griechisch. Ich beschränke mich auch hier auf den ho-
merischen Gebrauch (vgl. Krüger Dial. 47, 26). An die Spitze
stelle ich das Adj. ‘voll’. Bei Homer erscheinen neben rAeios
die Gen. avöpüv, Sdarrupövov, elöwiwv, xalxod, Bıöroro Lebens-
mittel, 8avaroro (wovon die Zähne der Scylla erfüllt sind),
neben Eprieros (Evinderos) die Gen. xvions xal aluaros, tüv, olvou,
Piszoro, xuvoparorewv. Neben ‘voll’ steht “reich”: apveıds (Bıdroro,
xpuooio). An ‘voll’ schliesse ich sogleich ‘leer’. Es sind bei
Homer (wo xevd; mit Gen. noch nicht vorliegt): zövıs beraubt,
verlustig in &< p uiwv nollav te xal dodAmv eövıv Ednxev X 44.
(Dazu das Subst. ynpn: ynpn sed Zoopaı Z 408. An “leer
schliesst sich Asios glatt, eben, in Acios rerpdwv & 443 ‘eben an
Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm. Sprachen. I. 23
354 Kap. VII. II. Der Genitiv bei Adjektiven. [$ 173.
Felsen’, d. h. felsenleer, ein Fall, an welchem man fühlt, wie
sich der Gen. bei den sog. relativen Adjektiven entwickelt hat.
Bei folgenden Adjektiven ist es besonders deutlich, dass sie
ihre Konstruktion von den verwandten Verben bezogen haben:
&rıstests bis zum Rande voll (oivoro), pkynpwv eingedenk (Yoprou
d 163), &riindos vergessen machend in xaxav ErlAndov Aravrwy
ö 221, &ros unersättlich (roAdporo, päyns, 80Awv), dxöprtos dass.
(0dou, pays u. ähnl.), Eupopos theilhaftig (Tıe7js $ 480), wo-
nach sich jedenfalls dypopos untheilhaftig gerichtet hat (otn
d Apmopos &orı Aoerpwv xeavoio 3 489, e 275), auch Zrußolos
theilhaftig, habhaft (od yap wrds IrthBoAos 0dd Zperdov ylvapaı
ß 319) gehört hierher, wenn auch ein genau entsprechendes
Verbum nicht vorhanden zu sein scheint. Auch döanpkwv un-
kundig (payrs, rirySwv. kann hierher gezogen werden, insofern
als &röaoxonaı ja auch mit dem Gen. vorkommt. Aus der nach-
homerischen Sprache erwähne ich noch xaprepöv elvar verfügen
über : xaprepöv zivar tWv xprpatwv Täs datstos Gortyn 4, 25. An
diese Verbindungen schliessen sich dann etwas freiere an, wie
Axumvos oltoro, rosıog xal Löntuos, Aortos (Arastos) Löntuos 768
ROTNTOS, AXTHWmv Xpuaoio, Tod AAlou Areins von der Bezahlung
des Übrigen frei CIA. 1, 40 u. ähnl., bei denen man von einem
Gen. der Relation spricht. Undeutlich ist mir der Gen. bei
Atos (Boos, odö &vos — nämlich "Extopos —, roAdos, dodis).
Lateinisch. Alt ist die Verbindung mit dem Gen. jeden-
falls bei p»lenus, wohl auch bei memor und vielleicht noch bei
einigen anderen. An diese schlossen sich dann Adj. verwandten
Sinnes, z. B. an plenus : opulentus, dives, satur, benignus, lo-
cuples, onustus (Schmalz 2 $ 72), oder entgegengesetzten Sinnes,
so inanıs, vacuus, pauper, egenus, indigus, sterilis. So konnte
sich die Vorstellung ausbilden, dass der Sinn eines Adj. durch
ein ım Gen. stehendes Subst. näher bestimmt werden könne,
und Verbindungen wie audar ingenü, ferox scelerum entstehen
(vgl. das über das Germanische Bemerkte. Germanisch.
Alt ist der Genitiv bei voll, z. B. got. ahmins veihrs fulls des
heiligen Geistes voll u.s. w. (Grimm 4, 729), dazu reich und ver-
wandte Begriffe, z. B. mhd. ein ellens richer man, landes unde
$ 173.) Kap. VIII. II. Der Genitiv bei Adjektiven. 355
lute gröziu frouwe u. ähnl. Hieran schliessen sich die Ad-
jektiva, welche ‘leer’ und ähnl. bedeuten, also baar, frei u.s. w.,
ı.B. mhd. vroüden bar, got. frija ist bis vilodis &\eudepa Lorlv
ärö tod vonou Röm. 7, 3 (Grimm 4, 731). Ebendahin auch ‘be-
dürftig’, z. B. got. barbans leikinassaus ypelav Eyovras Bepanelas
Luk. 9, 11. Auf derselben Stufe wie ‘voll’ stehen mhd. ge-
waltec, vrö, sat (Grimm 4, 732), insofern als auch sie ihre Kon-
struktion von den betr. Verben bezogen zu haben scheinen.
Eine besondere Stellung nimmt ‘schuldig’ ein. Das got. skula
ist, wie Grimm 4, 733 bemerkt, ursprünglich ein schwaches Sub-
stantivum, der Gen. also (z. B. daubaus des Todes) adnominal
und zwar ein objektiver Gen. Wie der Gen. bei got. vaırps
würdig zu erklären ist (s. Grimm ebenda), weiss ich nicht.
Im Anschluss an diese überlieferten Konstruktionen hat sich
die freie Verbindung von Gen. und Adj. entwickelt, von wel-
cher die Sammlungen bei Grimm 4, 729 ff. eine Vorstellung
geben. Es tritt dabei namentlich der Gedanke der Ursache
und der der Beziehung hervor. Das Nomen erscheint als Ur-
sache des in dem Adj. ausgedrückten Zustandes in Verbin-
dungen wie: mhd. ir ros diu wären schane, ir gereite goldes
rot, er sach in bluotes röten, ferner bluotes naz, louwes naz
u.ähnl. Es scheint mir nicht zweifelhaft, dass sich diese Wen-
dungen zunächst an ‘voll’ mit dem Gen. angeschlossen haben.
Wie touwes naz bildet man dann auch Jasters sieche u. ähnl.
Dagegen bezeichnet das Nomen den Punkt, in bezug auf wel-
chen das Adjektivum gelten soll, in Wendungen wie: mhd.
gra des häres grau von Haar, was des libes also kranc, helfe
balt rasch mit der Hilfe, ahd. muotes blinde mente coecatıi.
Vermuthlich haben auch diese Wendungen sich zunächst an
voll’ angelehnt. Denn Aäres grä ist ursprünglich ebenso ge-
dacht wie bluotes röt. Aus diesem Gebrauch dürfte sich dann
die Verwendung des Gen. als Gen. der Beziehung auch bei
Substantiven erklären, z. B. mhd. er war des muotes gar ein
man, der des libes was ein degen u. ähnl. Besonders zu er-
wähnen sind die Gen. bei alt, lang, breit u. ähnl., so schon
got. ba framaldra dage seinaize vesun Ayumdrepoı rpoßeßrxöres &v
23*
356 Kap. VIH. II. Der Genitiv von Zeitbegriffen. '$ 173—174.
tais huspaıs adrav Luk. 1, 7, mhd. der järe unmäzen alt, zweio
elnon lang (danach auch bei Adverbien, z. B. mhd. der sne lit
fuozes tiefe Grimm 14, 759) u. ähnl. Ich weiss nicht recht, ob
diese Gen. ebenso wie die vorhergenannten zu erklären sind.
Litauisch und Slavisch. Wie in den verwandten Sprachen
zeigt sich der Gen. bei ‘voll’, z. B. lit. öieras pilnas vandens ein
Teich voll Wasser, serb. srce puno jada das Herz voll von
Kummer (Schleicher 273, Miklosich 4, 452, 507). Daran schliesse
ich ‘leer’, z. B. lit.&zeras tüszczas vandefis (nach Kurschat $ 1517 ff.
nicht üblich‘, aksl. tüst? leer, pustü leer, prostü frei, nagä frei,
sırü beraubt (vgl. yrpr) und einige andere, z. B. pustü trojego
predüstrojenija Epnpos Tis ons npovolas, Cistü gneva rein von Zorn.
Hinsichtlich der Adj. eingedenk, kundig, gewohnt, achtend,
fürchtend, werth, begehrend im Litauischen gilt das bei Ge-
legenheit des Lateinischen Bemerkte. Aus dem Slavischen
führe ich noch die serbischen Adjektiva an, welche Danicic 97
beibringt. Es sind {ausser ‘voll’ und ‘leer’): sit satt, gladan
hungrig (z. B. mesa nach Fleisch), Zedar» durstig (z. B. vode
nach Wasser). Ferner erscheint auch ım Slavischen der Gen.
bei ‘würdig’, z. B. aksl. dostojinä bo jestü delatelji mizdy spoJeje
aktos yap 6 Epyarns TYs Tpopnis abtou &oriv Matth. 10, 10; serb.
dostojan, vredan, vrstan. Bei dostoyinü erscheint auch der Datıv,
vgl. $ 139.
$ 174. Der Genitiv von Zeitbegriffen.
Ein Genitiv von Zeitbegriffen ist vermuthlich anzuerkennen
ım Arischen, sicher im Griechischen, Germanischen, Slavischen.
Ob dieser Typus uralt ist, lässt sich mit Entschiedenheit weder
behaupten noch bestreiten. Ist er uralt, so hindert nichts, ihn
aus der Grundanschauung des Genitivs zu erklären. Denn es
kann sich ein solcher Gen. zu dem Akk. temporis ebenso ver-
halten, wie der adverbale Gen. zu dem adverbalen Akk. Ist der
Typus nicht uralt, so könnte er zwar ebenfalls aus Anlehnung an
andere Genitive, also mittelbar als Ausfluss der Grundbedeu-
tung des Genitivs erklärt werden. Es wäre aber auch mög-
lich, anzunehmen, dass er sich erst aus Wendungen wie ai.
sakft, dvih mit ühnah, samvatsaräsya einmal, zweimal am Tage,
$ 174] Kap. VOII. IL. Der Genitiv von Zeitbegriffen. 357
im Jahre, losgelöst hätte. Man wird vielleicht sicherer ur-
theilen, wenn man sich über das Auftreten der Erscheinung in
den arischen Sprachen verständigt haben wird.
Hinsichtlich des Altıindischen habe ıch SF. 5, 163 im
Einverständnis mit der allgemeinen Meinung (wie ich glaube)
angenommen, dass die Gen. aktös, k$apas, k$apas durch “bei
Nacht’, vastös und ugdsas durch ‘am Morgen’ zu übersetzen seien.
Jetzt bestreitet Bartholomae, BB. 15, 200, das Vorkommen eines
Genitivus temporis im Veda. Er scheint hinsichtlich der meisten
Stellen Recht zu haben, doch möchte ich betrefls vdstos die
Meinung anderer abwarten. Im Avesta hat man bisher eben-
falls Gen. der Zeit angenommen, z. B. airhä kSapd yt.1, 18.
Griechisch. Ein Genitiv der Zeit erscheint 1) adverbial,
also ohne Hinzufügung einer adjektivischen Bestimmung, und
zwar bei Homer oös morgens ® 470, 525, yeinaros, BEpeu;s zur
Winterszeit, zur Sommerszeit n 118, örwpns zur Herbstzeit
X 27, voxtds zur Nachtzeit v 278. Dazu vnveuflns zur Zeit der
Windstille E 523, so auch ausserhalb Homer’s, vgl. Krüger,
Synt. 47, 2, und roA&uw xal eipavap zu Kriegs- und Friedens-
zeiten, eleische Inschrift, Collitz 1172 (wohl auch AAytotw unvöp
jedesmal ım Monat A., eleisch, Collitz 1168). 2) Mit einem
Zahlwort oder Pronomen zur Bezeichnung des Zeitraumes,
innerhalb dessen sich etwas ereignen soll oder ereignet hat.
Bei Homer nur: to0d adroö Auxaßavros &Aebseraı 2vdad "Jöuo-
us & 161, T 306, öfter in der späteren Sprache (vgl. Krüger
a.a. O.), auch inschriftlich, z. B. Aaydoaı tüv nevr’ äpepäv
innerhalb fünf Tagen freilassen, Gortyn 1, 25 (ähnlich noch
einmal, sonst &v rais aufpaıs, Baunack 86), tpıöv urvav lokrisch,
Collitz 1478, rposato öxa Auepwv, attisch, Meisterhans ? 167.
Ein Beispiel aus Plato, in dem Beziehung auf die Vergangen-
heit stattfindet, entnehme ich Krüger: oBöels pe hpwrnxe xarvöv
oööeyv noAlavy &tav. 3) Bei Datierungen findet sich häufig pnvöc
absolut, z. B. böotisch MeveßwAw dpxa, peiwds Opolwulo Collitz
383. Sollte dieser Gen. vielleicht ursprünglich von dem Tage,
der auch genannt war, abhängig gewesen sein? (vgl. die kurz
vorhergehenden böotischen Inschriften. 4) In distributiven
358 Kap. VIII. Il. Der Genitiv von Zeitbegriffen. [$ 174.
Wendungen mit oder ohne Hinzufügung von &xaoto;, so Krüger
47,2 Anm.2 und inschriftlich, z. B. xaradızadöertw tw uev E&)eu-
depw orarrpa, tu. dwiw dapxvav räs apfpas Fexaotas Gortyn 1, 9
(vgl. eleisch, Collitz 1151), pexpı [terpa'xıoyeitwv peötuvov Toö
&vıaurod &xdctou attisch, CIA. 1, 40. Vielleicht sind diese Gen.
als ursprünglich von pv& und ähnlichen Substantiven abhängig
zu denken, vgl. die phokische Inschrift: drorersatw Apyuptou
&xdctov owuaros pväs Öexanevre Ta mpootavtı Collitz 1547.
Germanisch. Im Got. kommen fast nur nahts und dagts in
betracht (Gabelentz-Loebe 240). Gross ist der Kreis der Wörter
auch in den anderen Dialekten nicht (vgl. für das Ahd. Erd-
mann 2, 182). Slavisch: “Der Gen. bezeichnet die Zeit, in
der, während der etwas geschieht. Dieser temporale Gen. ıst
auf gewisse Zeitbestimmungen beschränkt und hat meist ein
Adjektiv oder Pronomen bei sich” (Miklosich 4, 509). Aus dem
Aksl. führt M. Fälle wie die folgenden an: tako lı ne vüz-
moßete jedinogo Casa pobidelt sü münojq ourws odx loyboate wiav
Öpav ypryopüoar per’ &uod; Matth. 26, 40 (wobei die Negation,
so viel ich sehe, keinen Einfluss hat üben können), zJazdi sego
leta Yays todrov röv Evıauröv (a Eorapxas), konicacht togoze leta
mesjaca dekjabrja absolvi (codicem) eodem anno mense decembri.
Im Serbischen (Danicic 61) findet sich dieser Gen. bei dar Tag
und den Tagesnamen, wie z. B. subota Sonnabend, nod Nacht,
nedelja Woche, mjesec Monat, beto Sommer, zima Winter, jesen
Herbst, godina Jahr, vreme Zeit, vijek Lebenszeit, CasStunde, Zivot
Tıeben und einigen wenigen anderen, z. B. prooga Marta am
ersten März, kada do da kneza pogibose jJednog dana a Jednoga
casa als zwei Fürsten umkamen an einem Tage und zu einer
Stunde, one noci kad smo se rastali, dao mi je zlatan prsten
s ruke ın jener Nacht, als wir uns trennten, gab er mir einen
goldenen Ring von seiner Hand, bog ne plada svake subote
Gott zahlt nicht an jedem Sonnabend, mi demo te Cesto poho-
diti u godini svakoga mjeseca, u mjesecu svake nedjeljice wir
werden dich oft besuchen, im Jahre jeden Monat, im Monat
jede Woche, svega ljeta jedna repa i ta croljiva jeden Sommer
eine Rübe und die wurmstichig, nosio ga cijeloga Zivota ich
$ 174—175.)] Kap. VIO. U. Der Genitiv von Ortsbegriffen. 359
trug ihn (den Ring) das ganze Leben hindurch. Russisch:
trefjjago dnja vorgestern, segodnja heute, volksthümlich: dylo
Tia es war am Tage des heiligen Titus (Buslajev 240).
6175. Der Genitiv von Ortsbegriffen.
Ein solcher liegt vor im Avestischen, Griechischen und
Germanischen. Im Avesta erscheint er in Sätzen in sörbrahya
oa daxyeus va in Gau oder Land y. 46, 4, aihhä zemö nidar-
Pyqn man soll auf dieser Erde niederlegen vd. 7, 31. Dieser
Gebrauch, der im Aı. nicht vorhanden ist, scheint nicht alt zu
sein. Hübschmann 280 bemerkt mit Recht, dass er sich erst
aus sonstigen Verbindungen des Genitivs losgelöst habe. Man
kann die Loslösung an Sätzen wie die folgenden verfolgen:
"ahe nmänahe spa va nü väü ein Hund oder Mann dieses Hauses
(gleich: in diesem Hause) vd. 5, 39 (auch vd. 3, 3 kann abe
nmänahe von den Subst. abhängig sein); yos henti ainhä zemö
mazıstaca vahistaca srafsta ca welche auf Erden die grössten,
besten und schönsten sind vd. 2, 27. Das heisst wohl eigent-
lich: die “grössten der Erde’ und ist eine abkürzende Aus-
drucksweise. In dem Satze: yım azem vispahe anheus astvatö
sraestem dädaresa zwahe gayehe zwanvatö y.9, 1, welchen
Geldner, KZ. 25, 479 übeısetzt: “welchen ich von allen irdi-
schen Wesen in meinem langen Leben als den schönsten
gesehen habe’, ist gayehe offenbar ebenso aufzufassen. Auch
denke man zur Erklärung des lokalen Genitivs noch an den
von kva abhängigen Genitiv (S. 336). Griechisch. Für
die Erklärung weiss ich nichts Besseres beizubringen, als von
Hentze 513 gesagt worden ist. Danach wäre in dem Satze
vigog d 0b @alvero naons yalns obd öpdkwv P 372 und in den
verwandten Fällen 9 108, y 251, E 96 der Gen. ın einer Art
Abhängigkeit von der Negation zu denken, so wie er sonst
von zoo, AAAodı und ähnlichen Adverbien abhängig ist. In
solchen Sätzen habe sich die Vorstellung eines Gen. des Be-
reiches ausgebildet, der sich dann emanzipiert hätte in &Ler'
Ereıt” Obuotos &vavrlov, &v rupds adyy, Tolyou Tod &tepou b 89
vgl. 1219, 2 598), in dem nachhomerischen 7; oßoö (Krüger,
Di. 46, 1,3). Solche emanzipierte partitive Gen. dürften denn
360 Kap. IX. Der Akkusativ. [$ 175176.
cam
auch die vielbesprochenen v60i0 und redtoro bei öLwxeıv, oedesdaı,
Epyesdar, Beeıv, rprscewv u. 8. w. sein, welche ich früher als Fort-
setzer des alten Instr. erklärt habe. Man erwäge namentlich
Stellen wie: &rıstauevor neöloro xpaınvd par Evde xal Evda duw-
xepnev 708 Qedeodar E 222, AM Zuuev pıv npwra mapekeldeiv ne-
ötoro turddv K 344. Die Adverbia wie roö sind vielleicht nicht
uralt. Über das Germanische wird bei den Adverbien gespro-
chen werden.
Kapitel IX, Der Akkusativ.
$ 176. Über den Grundbegriff des Akkusativs ist $ 70 ge-
handelt worden. Ich füge hier noch hinzu, was ich SF. 5, 164
in wesentlichem Anschluss an die Schrift von Gaedicke ge-
äussert habe. “Der Akk., welcher in der traditionellen Wort-
stellung unmittelbar vor dem Verbum steht, tritt zu der Hand-
lung des Verbums in diejenige Beziehung, welche durch die
anderen Kasus nicht ausgedrückt wird. Vermöge des beson-
deren Sınnes der Nomina und Verba fällt diese Beziehung unter
gewisse Gesichtspunkte. So finden wir [in der Verbindung von
Verbum und Substantivum] das Streben zu einem Ziel, also in
dem Akk. das Ziel ausgedrückt, falls das Verbum ein Verbum
der Bewegung ist und das Nomen ein solches, welches ge-
eignet ist, wegen seiner materiellen Bedeutung das Ziel einer
Bewegung auszudrücken; wir sprechen von einem Akk. des
Inhalts, falls das Nomen nicht eine Person ist, sondern etwas,
was als Inhalt der Handlung des Verbums aufgefasst werden
kann; von einem Akk. des Objekts und Resultats, wenn das
Nomen geeignet ist, als Objekt einer Handlung angesehen zu
werden. Dabei sind die Begriffe des Zieles, des Inhaltes, des
Objekts, der Zeitdauer u. s. w. in der Grammatik nicht weiter
zu definieren, sondern sınd als Realitäten anzusehen, welche
in der Anschauung der Sprechenden vorhanden sind. Man
wird auch wohl nicht irren, wenn man annımmt, dass sie schon
8176-177.) Kap. IX. Akkusative im Avesta. 361
in sehr früher Zeit (wenn auch natürlich nicht in voller Klar-
heit! empfunden wurden!), doch wird in dieser Beziehung
stets eine Schwierigkeit übrig bleiben. Man weiss nicht, in
wie weit man Gefahr läuft, unsere Anschauungen auf das
Alterhum zu übertragen. Auch in der Abgrenzung der ein-
selnen Anschauungskreise bleibt eine Schwierigkeit. Denn man
darf nicht vergessen, dass die Begriffe Ziel, Objekt u. s. w. wie
Inseln im Meere als Krystallisationspunkte auftauchen und dass
Wendungen übrig bleiben, welche zu dem einen oder dem
anderen Kreise gerechnet oder überhaupt nicht sicher unter-
gebracht werden können. Ja, bei schärferem Nachdenken
kommt man natürlich immer wieder zu der Erkenntnis, dass
in der Sprache selbst nichts gegeben ist als der Verbalbegriff
und der Nominalbegriff und dass eine Eintheilung des Stoffes
zwar unvermeidlich, eine jede aber nicht frei von Willkür ist.”
Die gewählte Eintheilung ergiebt sich aus folgender Übersicht:
6178. Akkusativ der Richtung.
$179. Akk. des Inhalts.
$ 180. Anhang. Akk. bei Verben des Seins?
$ 181. Akk. der Zeiterstreckung.
$ 182. Akk. der Raumerstreckung.
$ 183. Akk. des Objekts und Resultats bei transitiven und
intransitiven Verben.
$ 184. Zwei Akkusative bei einem Verbum.
$ 185. Akk. bei verbalen Nominibus.
$ 186. Akk. der Beziehung.
Der Akk. bei Wörtern des Ausrufs (lat. en u. s. w.) wird
bei der Ellipse zur Erwähnung kommen.
$ 177. Ehe ich in’s Einzelne gehe, habe ich noch, etwas
über Akkusative im Avesta vorauszuschicken. Die erste
Bemerkung bezieht sich auf das Verhältnis von Akkusativ und
Nominativ. Spiegel, Gramm.409ff., hateineReihe von Belegen zu-
sammengestellt, aus denen hervorgeht, dass im jüngeren Avesta
Nom. und Akk. nicht mehr gehörig auseinandergehalten werden.
I) So zu lesen.
362 Kap. IX. Akkusative im Avesta. [$ 177.
Wenn auch unter den von ihm angeführten Stellen eine
Anzahl von verderbten sein mögen, so dürften doch auch solche
übrig bleiben, ın denen eine sprachliche Thatsache vorliegt.
Dieselbe ist so jungen Datums, dass sie im Folgenden unbe-
rücksichtigt bleiben konnte. Sodann handelt es sich um ge-
wisse Besonderheiten des avestischen Sprachgebrauchs, für welche
sich ın der folgenden Darstellung kein Platz gefunden hat.
a) An mehreren Stellen findet sich unzweifelhaft ein sog.
Akk. des Zustandes: yez# Jum frapayemi wenn ich lebend ge-
lange yt. 5, 63; mosu tab as norb daregem yah Frayatayap
bwarsemnö aoi zqm ahuradätgqm aoi nmänem yim zwatparbtm
drum avantem airıstem hamapa yapa paraciß bald war es, nicht
lange, dass er im raschen Laufe gelangte zur gottgeschaffenen
Erde, zum eigenen Hause, gesund, unverwundet, wohlbehalten,
ganz so wie vorher yt. 5, 65. Mir scheint, dass diese Akk.
sich an Adverbia wie ‘rasch, gut’ u. s. w. anschliessen. Von
hier aus ist dann ein kleiner Schritt zu dem gleichen Ge-
brauche eines aktiven Partizips: ya) aete yot mazdayasna päada
ayantem va tacınlem va baremnem va vazemnem vä lacı apaya
nasaum frajasaın wenn die Anhänger des Mazdaglaubens zu
Fuss gehend oder laufend oder reitend oder fahrend auf einen
Leichnam im Wasser stossen vd. 6, 26. Der Sing. ist gerecht-
fertigt, weil jeder der Gläubigen einzeln vorgestellt wird. b)
Eine Ellipse des Verbums scheint in folgender Stelle vor-
zuliegen: aßravanem bisajyah dahmayap paro afrıtor.), nmänahe
nmänöpattim bisayyap niltemem staorem arej6 einen Priester
heile er für einen frommen Segensspruch. Einen Hausherrn
heile er, einen geringen Ochsen als Preis (sc. nehme er) vd. 7, 41.
c) Ein Nominativ scheint vorzuliegen: :da :ristahe tanıum
avahısla anafsem mano anatsem vaco anatsem Syaobnem jetzt
bın ich getroffen () auf den Leib eines Toten ohne Mitwirkung
von Sınn, Wort, That vd. 8, 100, eigentlich: nicht wollend,
machtlos der Sinn u. s. w. d) Unklar ist mir särem auf dem
Haupte yt. 5, 77.
Nunmehr komme ich zur Darstellung des indogermanisch en
Akkusativs. |
$ 178.) Kap. IX. Der Akkusativ der Richtung. 363
$ 178. Der Akkusativ der Richtung.
Arisch. Im Altindischen kommen, wie SF. 5, 166ff. ge-
zeigt worden ist, von intransitiven hauptsächlich die Verba gam
und ; (dieses weit seltener), von transitiven »2 in betracht. Im Ak-
kusativ erscheinen Personen, z. B. Yärunam, Agnim, Örtlich -
keiten, z. B. divam in den Himmel, samudram ın das Meer,
yrhan ın das Haus, mukham ın den Mund, udaram in den Bauch,
dam in eine Gegend u. ähnl., Vorgänge und Thätig-
keiten, z. B. yaykam zum Opfer, häufig auch Zustände,
2. B. jarimanam zum Alter (gelangen), $rävas zu Ruhm, amr-
tatoam zur Unsterblichkeit u. ähnl. Ausser gam und + sind zu
nennen ya gehen, pat fliegen, sarp kriechen, kram schreiten,
ray gehen, sar eilen. Ein Beleg für den Akk. bei r: führen
ist: fav ubhav adhamam tdmo nayati er führt sie beide in die
tiefste Finsternis TS. Ebenso im Av. bei jas: ya dim jasatti
welche zu ihm kommt vsp. 7, 3; ma jasöi) ütarem mü apem
ma zqm mä gqm ma urvarqam mä narem asavanem mä näirikqm
asaonim er soll nicht nahen dem Feuer, nicht dem Wasser,
nicht der Erde, nicht der Kuh, nicht einer Pflanze, nicht einem
frommen Manne, nicht einer frommen Frau vd. 9, 33; yap
nätrıka upaspuprim jasah wenn ein Weib schwanger wird vd.
5,45. Bei : ohne Präpositionen habe ich den blossen Akk.
nicht gefunden. (An den von Hübschmann und Spiegel an-
geführten Stellen ist die Einwirkung von paiti auf den Akk.
möglich. Von den übrigen Verben der Bewegung (Spiegel
417—418) führe ich beispielshalber an: #906 Pwazsente mourum
die Wasser eilen nach Mouru yt. 10, 14. Ein Beleg für ni:
tem va ahum datna natsap zu diesem Leben wird euch der
Glaube leiten y. 31,20. Aus dem Ap. erwähne ich noch :$:
avam adam fräiSayam Arminam jenen schickte ich nach Ar-
menien (Spiegel 417). — Ein Akk. der Richtung erscheint im
Ai. und Av. häufig bei den Verben ‘sitzen (sich setzen), stehen
‘ (sich stellen), wenn diese mit Präp. verbunden sind, welche
eine Bewegung nach etwas hin ausdrücken, aber gelegentlich
auch ohne solche Präp., z. B. barhih sidantu sie sollen sich
auf die Opferstreu setzen RV. 1, 13, 9; gatum he nishidagtu
364 Kap. IX. Der Akkusativ der Richtung. [$ 178,
sie möge sich auf ihren Platz wegsetzen vd. 16, 8. Für sia
führt Spiegel die öfter (s. Justi unter maidhya) vorkommende
Wendung an: yö histaste maidim zrayanhö welcher in der Mitte
des Sees steht, und fügt zur Erklärung hinzu: eigentlich hin
zur Mitte. Griechisch. Bei Homer findet sich derselbe Zu-
stand wie ım Arischen (vgl. LaRoche, Akkusativ bei Homer 92 ff.).
Von Verben kommen hauptsächlich in betracht ixveopaı, ixavo,
{xo. Im Akkusativ erscheinen Personen, z. B. Apntmv, TnAe-
wayov, Aldlonas, pntipa, pynotüpac u. ähnl., Örtlichkeiten z. B.
"Apyos, Tpotnv, OAuprov, oöpavdv, YMv, nrolledpov, vijoov, Swpara, xAı-
olyv, yobvara, ypda u.ähnl. Dahin kann man auch Ausdrücke
wie äpy’ dvöpwrwv rechnen. Mit dem ai. antam gachati er gelangt
zum Ende lässt sich vergleichen ra velara reipad’ fxnaı 8478 und
öXEdpov relpara T 429. (Der Akk. nda bei ix&odaı war wohl ur-
sprünglich persönlich gedacht.) Selten sind Zustände, wie
7Bnv, yrpas. Seltner als ixveonar, Ixw, ixavo sind dw, öbo-
nat, öbvw, ferner Epyonar, eipı, Balvo, veonar. Ein Beispiel für
äyw ist: xrnpara 8 Boa Aydumv 2E Apyeos Auetepov 5 H 363.
Die Prosa scheint sich dieses Akkusativs durchaus entschlagen
zu haben. Am frühesten möchte der Akk. persönlicher Be-
griffe verschwunden sein. Lateinisch. Neben Verben der
Bewegung in der Sprache des Volkes und bei Dichtern bei
mehreren Ortsbegriffen, z.B. rostra advolat bei Cic.ad Att., deve-
nere locos bei Virgil (Schmalz? $ 54), in der klassischen Sprache
nur noch bei Namen von Städten und Inseln (kaum von Län-
dern) und in domum, domos, rus. Der Grund der Beschränkung
ıst derselbe wie bei dem Ablatıv, $ 82. Akkusative des Zieles
sind auch venum in venum ıre und dare, pessum ın pessum abıre
und dare und infitias in infittas ire, was wohl ursprünglich heisst:
‘sich aufs Leugnen legen. Aus dem Germanischen (vgl.
Dietrich, Haupt’s Ztschr. 13, 128) lässt sich ausser heim in heim
gehen u. s. w., das aber nicht mehr als Akk. empfunden wird,
einiges aus dem Altnordischen und Angelsächsischen beibringen, '
nämlich altn. bei fara: seing foru sidan sina bau Högni zu
Bett gingen sie darauf, sie und Högni Atlın. 10, und bei sfiga
mit /and an’s Land steigen H. Hi. 26 und ded Sıg. III, 65; age.
$ 178—179.] Kap. IX. Die Akkusativ des Inhalts. 365
ebenfalls gestigan mit dem Akk. rüste Lager (Genesis), ferner
bei bügan: selerüste gebeah neigte sich auf das Lager im Saale
Beov. 691 (vgl. 1242), endlich bei gefeallan: meregrund gefeöll
fiel zum Meeresgrund hinab 2101, eordan zur Erde 2335. Im
Litauischen ist dieser Akkusativ nicht, im Slavischen kaum
(vgl. Miklosich 4, 391) nachgewiesen.
8179. Akkusativ des Inhaltes.
Vgl. SF. 5, 168 f., Hübschmann 196, Spiegel 415, La
Roche 25 ff., Draeger 1, 356, Grimm 4, 645 ff., Erdmann 2, 75 ff.,
Schleicher 263, Kurschat 376, Miklosich 4, 385 ff.
Wenn der Akk. des Inhalts da stehen soll, wo ein Sub-
stantivum den gleichen Bedeutungsinhalt hat, wie das Verbum,
von dem es abhängig ist, so kann das betreffende Substan-
tivum natürlich nur ein Handlungsname (nomen actionis) sein.
Nun ist aber nichts häufiger, als dass ein Handlungsname in
einen Dingnamen übergeht (z. B. nhd. Schonung), und damit
wird denn auch das Verhältnis zwischen dem Verbum und
dem Akkusativ, (oder, wie wir gewöhnlich sagen, die Art des
Akkusativs) verändert. Ai. vitti z. B. heisst eigentlich Findung,
also vittim vindate er findet sich Findung. Sobald aber vitti
die konkrete Bedeutung ‘Besitz’ erhalten hat, so dass man
sich darunter Land, Vieh u. s. w. vorstellt, so heisst es, “er
findet sich Land’ u. s. w., und wir nennen den Kasus Akku-
satıv des Objekts. Wenn man in der Wendung dööy Epyesdaı
unter ööd6s die Handlung des Gehens versteht, so liegt ein
Akkusativ des Inhalts vor, wenn man aber den Weg als ein
von der Handlung abgesondertes Stück des Raumes vorstellt,
der Akkusativ der Raumerstreckung. Besonders häufig ist der
Akkusativ des Resultates, über den ausführlich Erdmann ge-
handelt hat. Ein Beispiel aus dem von Erdmann nicht be-
handelten Gebiet ist av. y6 narem frazäbaodarhem snabem
Jeinti wer einem Manne einen tödlichen Schlag schlägt vd. 4, 40,
verglichen mit der homerischen Wendung: äydopa: Eixos 8 pe
Bporös oörasev dvnp E 361 u.ähnl. “Einen Schlag schlagen’ ist
noch Akk. des Inhalts, aber “eine Wunde schlagen’ schon Akk.
des Resultates. In teuevos taueiv, welches La Roche 29 unter
366 Kap. IX. Der Akkusativ des Inhalte. [$ 179.
den Akkusativen des Inhalts aufzählt, kann ich nur mehr
einen Akk. des Resultates erblicken.
Diese Eintheilungen sind, wie man sieht, zu flüssig, um
einen Eintheilungsgrund zu gewähren. Dagegen lässt sich ein
solcher hernehmen von dem begrifflichen Abstand, der zwischen
dem Verbum und dem Substantivum obwaltet. Es können
nämlich 1) das Verbum und das Subst. gleichstämmig sein,
2) sie können gleicher oder ähnlicher Bedeutung, aber ver-
schiedenen Stammes sein, 3) es kann das Subst. nur eine be-
sonders hervortretende Erscheinungsform der Handlung be-
zeichnen, z. B. rüp öedopxu;s. Hiernach bringe ich den Akk.
des Inhalts zur Darstellung').
1. Das Verbum und das Substantivum sind von gleichem
Stamme.
Arisch. Im Altind. häufig, auch ohne dass das Subst.
ein Beiwort hätte, z. B. aus dem Veda: tapas tapyate er büsst
Busse, mimäti mäyum blökt ein Blöken, yamam yäti geht einen
Gang; aus der Prosa: vignukraman kramate er schreitet Vishnu-
schritte, kämän kämayatö wünscht Wünsche, äfıifam a $Säste
bittet ein Bittgebet, ayım ajante sie machen einen Wettlauf
u.a. m. Aus dem Avesta: aöte magsma ma$zayanta diese sollen
Harn harnen vd. 8, 13, poiryaqm gerezqm gerezatta sie soll die
erste Klage erheben yt. 17, 57; avajastim paurvgm apo Jaidyors
du sollst von den Wassern die erste Bitte bitten y. 65, 10;
yabcip hvastem anhayeiti auch wenn er einen guten Wurf thut
yt. 10, 21; yö narem ügereptem ägeurvayeiti wer gegen einen
1) Spiegel 415 betrachtet als Akk. des Inhalts auch die ap. Wen-
dungen: ubartam abaram ich habe ihn wohl geschützt, ufrastam aparsam
ich habe ihn strenge bestraft, während Hübschmann 291 Anm., die Parti-
zipia als Akk. m. auffasst, und also übersetzt: “ich bestrafte ihn als einen
sehr bestraften”. Für diese Auffassung spricht äap yo nü hik huberetä barap
aber wer sie als wohlgepflegte (Akk. plur. £f.) pflegt yt. 13, 18. An zwei
anderen Stellen aber finden wir das Part. im Akk. sing. f. neben Akk. plur.
f. und Akk. sing. m., nämlich: yö nö huberetqm bara5 der uns sorgsam
pflege yt. 15, 40; yö vohuberetqm baraite mißrem wer Mitra wohl pflegt
yt. 13,18. Wie diese Bildung, die offenbar adverbialen Chrarakter trägt,
entstanden ist, weiss ich nicht zu sagen.
6179.) Kap. IX. Der Akkusativ des Inhalts. 367
Mann eine Bedrohung verübt vd. 4, 21. Griechisch. Bei
Homer finden sich payry paysodar, moAsuov rolelleıv, velxen
veneiv, Ameılas Anerleiv, BouAds BouAsderv, dyopas dyopsdew, datta
dawuvar, yohv yelodaı, Eros eineiv, uödov nußeiohu:, voov voelv,
föpoa töpwoaı und noch eine und die andere zweifelhaftere Wen-
dung. Bei manchen findet sich kein Epitheton, z. B. bei payr
in payry payeodar, bei manchen steht es immer, z. B. bei Eros
in Erog einetv, andere Subst. kommen mit einem Epitheton oder
ohne ein solches vor, was man alles bequem bei La Roche
übersieht. Es ist klar, dass die verständige Prosa die Hinzu-
fügung eines Beiwortes begünstigen, ja fordern wird. Aus dem
Lateinischen lässt sich anführen: vifam vivere bei Ennius,
serritulem servire, somnium somntare, ludum ludere bei Plautus,
nozam nocuerunt in einer Fetialformel. Über das Attribut,
welches in der späteren Sprache nur unter gewissen Voraus-
setzungen fehlen kann, vgl. Schmalz ? $55 Anm. Germa-
nisch. Im Got. scheint dieser Akk. nicht vorzuliegen, dagegen
führt Grimm einige Belege aus anderen Dialekten an, z.B. mhd.
rät raten, singe ich minen sanc, springen manigen sprunc, altn.
fell hann mikit fall er fiel einen grossen Fall Gunnl. 19. Bal-
tisch-Slavisch. Aus dem Litauischen (vgl. Kurschat $ 1386,
Bezzenberger, ZGLS. 239 Anm.): vargüzi vafgti ein Elend
leben, dainele dainüti eine Daina singen, sufky m&gq möegöti
einen schweren Schlaf schlafen. Aus dem Slavischen berück-
sichtige ich nur das Serb. und Russ., da die aksl. Wendungen,
wie Miklosich bemerkt, vielleicht das Griechische nachahmen.
Serb. da zajedno vijek vjekujemo wir wollen zusammen das
Leben durchleben; voysku vojevati einen Krieg führen; igru
igrati ein Spiel spielen; Zov loviti eine Jagd jagen; russ. gore
gorevali Elend durchmachen; dludü bluditi Hurerei treiben ;
veru verovali einen Glauben glauben; serb. dan daniti einen
Tag zubringen; nod nociti eine Nacht nächtigen; Zyeto lyetovati
den Sommer zubringen; zimu zimovati den Winter zubringen.
Neben dem Substantivum kann auch ein Adjektivum erscheinen,
2. B. serb. ? ovu du prezimiti zimu und ich werde diesen Winter
überwintern, tu su tamnu nodu prenodili da haben sie die
368 Kap. IX. Der Akkusativ des Inhalts. 8 179.
finstere Nacht zugebracht. Doch scheint die Setzung eines
Adj. im Serbischen nicht beliebt zu sein. (1. Tim. 2, 2 wo iva
Apspov xal Youyıov Biov Sıaywpev übersetzt ist durch: da tihi ı mırn
Zioot pozivimo könnte tt und mirni auch Nom. plur. sein).
Russ. dumu dumali krepkuju sie dachten einen starken Gedanken.
2. Das Verbum und das Subst. sind von verschiedenem
Stamm aber gleicher Bedeutung.
Arısch. Im Altindischen überwiegen die Verba, welche
‘gehen’ und ‘siegen’ bedeuten, z. B. pdntham eti er geht einen
Weg, dutyam yatı er geht einen Botengang, Ayım Eti er läuft
einen Wettlauf, vartanım caratı er geht einen Rundgang, (da-
nach vralam carati er begeht ein Gelübde, fastet), adhranam
dhävati er läuft einen Weg, samgramam Jayalı er siegt eine
Schlacht. Dazu sattram äste er hält eine Sitzung ab, und das
vereinzelte vedische: pähl nah $arma viravat schütze uns reichen
Schutz. — Aus dem Avesta: yo narem frazübaodanhem snapem
jJainti wer einem Manne einen tödlichen Schlag schlägt vd.
4, 40, äbrava paoirim aptü pabä frayantu die Priester sollen
zuerst diese Wege wandeln vd. 8,19 (vgl. yt. 10, 38). Griechisch.
Bei Homer spielt ebenfalls der Akk. bei ‘gehen’ eine Rolle, z. B.
6ö6v &AdEuevar A 151 (vgl. das Weitere bei La Roche 31). Mit
dem ai. dütyam ya einen Botengang gehen vergleicht sich &feotrv
&Adovrı 2 235 und ray Evex &kesinv noAAnv 6ö0v TAdev "Üduogsd;
% 20 (wobei von den zwei Akk. 2feoinv dem Verbum am näch-
sten steht). Auch ayysAizv oiyvesxe O 640 gehört hierher, wenn
man, wie ich annehme, so mit Zenodot zu lesen hat. (Da-
neben besteht ayysAtns Bote, welches aus ayyeAin Botschaft so
entstanden ist, wie veavia;s aus veavla u. 8. w., vgl. S. 111).
Dazu kommen ferner aroAwis xaxdv opov, AAysa roAld woyt-
oas, zÜÖnsda yAuxdv Ünvov, weis ayadöov Biov, ellarivnv dai-
vovro und einige ähnliche Wendungen. An vixrv vıxav dürfte
sich angeschlossen haben das in attischen Inschriften vorkom-
mende otös dvixwy dvöpas diese siegten im Männerkampf, denn
otde Evixwv aAvöpas rayxpartıov heisst doch wohl: diese siegten
im Männerkampf im Pankration. Den Genitiv dvöpwv, raldwv
u. 8. w. möchte ich durch Ellipse erklären (die Stellen bei
$ 179. Kap. IX. Der Akkusativ des Inhalts. 369
Meisterhans ? 168). Besondere Erwähnung verdienen noch
dpxov Öpvusdar und dpxıa Tauveıv. Bei öpvuodar oder öpvuvaı
findet sich neyav Spxov u. ähnl., danach das Adj. neutr. Erlopxov
etwag gegen einen Eid Laufendes, einen Meineid. Die Wen-
dungen öuoosov daatov Ituyös Odwp = 271, vwlrepov A&yos adrWv
xovpfdtov, TO iv odx dv Ey rote ui Öpdonım 0 39, yarhoxov
elwoolyarov duvodı W 585 sind wohl so aufzufassen, dass man
eigentlich sagen wollte ‘schwören einen Schwur des Styx’ u.s.w.
und dann abkürzend den Akk. des bezeichnenden Subst. statt
öpxov mit dem Gen. setzte. Sonach sind auch die Akk. der
Götter, bei denen man schwört, als spezialisierte Akk. des In-
halts aufzufassen (vgl. La Roche 36). Andererseits in öpxıa
zeuverv ist das Verbum spezialisiert; man wollte sagen: einen
Eid unter Opferung von Opferthieren schwören.- Aus dem
Lateinischen gehören hierher Wendungen wie garrıre nugas,
oivere aelatem bei Plautus, occumbere letum bei Ennius. Ger-
manisch. Es gehören hierher die Fälle, welche Paul, mhd. Gr. 95
beibringt, z. B. gerichte sitzen Gerichtssitzung halten, die fürsten
sözen ander kür die Fürsten hielten eine Sitzung zu neuer
Wahl. Als Weiterbildungen nach diesem Typus betrachte ich
auch die von Paul $ 245 angeführten Akk. bei Verben der
Bewegung, wie der vuor wazzer unde wege, d.h. so viel als:
er fuhr auf Strömen und Wegen. Sodann sind hier zu er-
wähnen die grosse Masse von Verbindungen von Verben all-
gemeiner Bedeutung wie tun, wirken u. 8. w. mit Akk. von
Subst., welche eine Thätigkeit ausdrücken, z. B. ahd. reda tuon
gleich redinon (Erdmann 2, 78ff.). Diese Ausdrucksweise ist
gewiss alt (vgl. auch Böhtlingk-Roth unter kar), aber ihre grosse
Ausdehnung dürfte daher stammen, dass die Verba dieser Art
inhaltsreichere Verba verdrängt haben. Baltisch-Slavisch.
Im Lit. @szaras verkti Thränen weinen, eımi gera kela eo
bonam viam (bei Bezzenberger), im Slavischen scheinen diese
Wendungen nicht häufig zu sein (vgl. Miklosich 4, 385), z. B. serb.
ipo tom su vreme Zivovali und darauf verlebten sie die Zeit.
Zu dem Akk. des Inhalts sind auch mancherlei vereinzelte
Wendungen des Ai. zu rechnen, die ich SF. 5, 177 angeführt
Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm,. Sprachen. I. 24
370 Kap. IX. Der Akkusativ bei Verben des Seins? [$ 179—180.
habe, z. B. gam divyadhvam spielt unter einander um eine
Kuh SB. ‘Kuh’ ist so zu sagen ein Spezialfall des Begriffes
“Spiel”.
3) Der Akk. bezeichnet nur eine besonders hervortretende
Erscheinungeform der Handlung.
Ich rechne dahin aus dem Altindischen gArtam arsalı
(das Wasser) strömt Butter, einen Butterstrom, bha röcutz (das
Feuer) leuchtet Glanz, madhu pavatö (der Soma) strömt Honig
u. ähnl., Wendungen, die nur ım Veda belegt sind. Aus dem
Griechischen gehören hierher röp dydaiyoto: ösöopxws 7 446,
Eevda yevos rvelovres dodoracav y 203 u. ähnl. (vgl. auch das
über den Akk. bei dÖpvopı Giesagte).
6180. Anhang: Akkusativ bei Verben des Seins?
Wiederholt ist behauptet worden, dass ursprünglich auch
mit seın ein Akkusativ habe verbunden werden können. So
äussert sich Curtius, Erläuterungen ? 169 folgendermassen:
“Schoemann und Haase [an vorher angeführten Stellen] heben
mit Recht hervor, dass auch das Verbum substantivum den
Begriff eines inneren Objekts sehr wohl zulässt, dass mithin
auch die freieren und zum theil ganz adverbialen Akkusative
wie dxhv Ecav ganz ebenso zu fassen sind; axıhv &oav heisst
eigentlich sie waren Ruhe, d. h. sie waren ein ruhiges Sein,
in demselben Sinne, wie man sagen kann sie gingen einen
ruhigen Gang. Ganz ähnlich steht auch im Sanskrit der Akku-
sativ der Handlung beim Verbum substantivum in der um-
schreibenden Perfektbildung, z. B. icam @sa oder icam babhüva
wörtlich dominationem fur, d.i. ich habe geherrscht. Das hohe
Alter gerade dieses Akkusativgebrauchs kann kaum bezweifelt
werden.” Das umschriebene Perfektum des Sanskrit, welches
Curtius hier anzieht, vermag aber das Alter der in Frage ste-
henden Erscheinung nicht zu erweisen. Umschriebene Per-
fekta sind im Veda überhaupt ganz selten. Die wenigen vor-
handenen sind nicht mit asa oder babhüva gebildet, sondern
mit cakära er machte; ridam cakära heisst also “er machte,
vollzog Erblickung’, und der Akk. ist ein Akk. des Objekts.
Erst in den Brähmanas tauchen, gelegentlich und ganz selten,
$ 180.) Kap. IX. Der Akkusativ bei Verben des Seins? 371
Bildungen mit äsa auf, z. B. mantrayam asa er bedachte, was
klärlich auf Übertragung von mantrayam cakära beruht. Es
steht also der Akk. mantrayam nicht in einem lebendigen Ver-
hältnis zu @sa, sondern es ist an die Stelle des Hilfsverbums
cakara das Hilfsverbum &sa getreten, mantrayam aber, welches
offenbar gar nicht mehr als Akkusativ, sondern nur als Verbal-
begriff gefühlt wurde, beibehalten worden. Ein mittelst badkura
umschriebenes Perfektum kommt in der älteren Sprache über-
haupt nicht vor (vgl. Whitney, Gr. $ 1073 und SF. 5, 426).
Das Sanskrit spricht aber auch sonst nicht dafür, dass die Ver-
bindung eines akkusativischen Adverbiums mit as besonders alt
si. Denn, wie ich SF. 5, 202 f. bemerkt habe, habe ıch ım
Rigveda von Adjektiven herrührende Adverbia deutlich akku-
sativischer Form in Verbindung mit as oder 5hü nicht gefunden,
während sie in der alten Prosa vorkommen, z. B. tüsnim äsa
er war still. Im Ai. ist also eine Verbindung von as mit dem
Akkusativ nicht nachgewiesen. Etwas anders steht es mit 5A2.
Böhtlingk -Roth sagen unter bhü ‘mit Akk. in etwas hinein-
kommen, gerathen in, gelangen zu’ und belegen diesen Ge-
brauch aus der älteren Sprache durch: prthir vamnyo "bhy
äsicyala, sd rästräm näbhavat, sa etäni pärthäny apaßyat P.W.
wurde zum Könige gesalbt, gelangte aber nicht zur Herrschaft,
da erfand er die bekannten Prthi-Sprüche TB. 1, 7, 7, 3—4;
yo var bhavati yah Sresthatam abnute sa kilbisam bhavatı wer
gedeiht, wer die höchste Stellung für sich erlangt, der geräth
in Sünde AB. 1, 13, 11. Die einigemal in TS. vorkommende
Phrase s& idam bhavisyati übersetzen Böhtlingk-Roth ‘der wird
es dazu bringen’ s. v. a. ‘der wird Glück haben’. Vielleicht
bedeutet sie vielmehr: ‘der wird hier — in dieser Welt — ge-
deihen. Wie dies nun auch sei, bei den andern Fällen wird
man nicht umhin können, anzunehmen, dass die Inder rästram
und Ailbi$gam, die ja der Form nach Nominative oder Akku-
sative sein können, als Akkusative empfunden haben werden.
Es sei aber doch die Frage aufgeworfen, ob nicht möglicher-
weise kilbigam bhavati ursprünglichst bedeutete ‘der wird Sünde’
(vgl. gr. överöos). Geldner, Studien 126, findet ein Analogon
24*
372 Kap. IX. Der Akkusativ der Zeiterstreckung. [$ 180—181.
zu diesem ai. Akkusativ in den Worten hazarrem aspä bavakti
er bringt es auf tausend Rosse yt. 18, 5. Ich traue mir kein
Urtheil darüber zu, wie es sich mit dieser Stelle verhält.
Nächst dem Altindischen kommt für unsere Frage das
Lateinische in betracht. Bei Bücheler-Windekilde 48 ıst die
Rede von der transitiven Natur von esse, die in der Verbindung
nugas esse hervortrete. Das bezieht sich, wie ich einer freund-
lichen Mittheilung von Bücheler entnehme, auf Cicero epist.
fam. VIII, 15, 1: qui tam nugas esset, wo gewöhnlich nugaz
gelesen wird. Sicher soll nach B. auch nugas in Varro’s Sat.
513 sein: non nugas fieret in theatro. Wie ist dieser Akk. zu
beurtheilen? Ich glaube dass er eine erstarrte, nicht mehr als
lebendiger Kasus empfundene Form ist (ein Indeklinabile, wie
die lateinischen Grammatiker ganz richtig sagen. Die Er-
starrung dürfte vor sich gegangen sein in dem elliptischen
Gebrauch des Objektsakkusativs nugas Unsinn, wie er bei Plau-
tus belegt ist (vgl. Neue ? 1, 470).
Danach bin ich der Ansicht, dass für es (ai. as) eine indo-
germanische Verbindung mit dem Akk. nicht anzunehmen ist.
Wie es sich bei 5A verhält, vermag ich nicht zu entscheiden.
8181. Der Akkusativ der Zeiterstreck ung.
SF. 5, 170 ist gezeigt worden, dass dieser Akk. zunächst
wie ein Akk. des Inhalts zu dem Verbum tritt, z. B. Satam
Jiva $Sarddah lebe hundert Herbste, aßvatihe samvatsaram atifthat
er hielt sich ein Jahr in dem Baume auf u. ähnl. Sodann
verselbständigt sich der Akk. und wird auch da gebraucht, wo
er zu einem Verbum nicht mehr in ein Verhältnis gesetzt wer-
den kann, z.B. tisrö rätrir dik$itah syat drei Nächte hindurch
sei er Geweihter. Der ursprüngliche Sinn der Verbindung von
Verbum und Akk. ist, dass die Handlung den Zeitbegriff aus-
füllt. Der Akk. wird aber auch gebraucht, wenn ein nicht
genauer angegebener Punkt innerhalb einer Zeitlinie gemeint
ist, z. B.: tam pürvedyuh pitarö’vindann uttaram ahar devah
am vorhergehenden Tage fanden ihn die Väter, am folgenden
Tage dıe Götter AB. Der Gebrauch des Avesta erhellt aus
$ 181.) Kap. IX. Der Akkusativ der Zeiterstreckung. 373
folgenden Sätzen: yap asava pararrißyeiti koa astqm zdapanem
havo urva varhaili wenn ein Frommer stirbt, wo weilt seine
Seele diese Nacht über? yt. 22, 1; ho avapa vazata briayarem
priz$aparem er flog weiter drei Tage und drei Nächte lang,
yt. 5, 62; Akad mä uzsyeiti? pancadasa m. u. wie lange (was?)
wächst der Mond? fünfzehn Nächte wächst der Mond yt. 7, 2;
cvaB dräjö upomqnayen wie lange (was für eine Länge) sollen
sie fortfahren? vd. 5, 53; a@tada he üzbaodqm tanum nıdarpbjan
bizsaparem va Prirsaparem va dorthin sollen sie seinen ent-
seelten Körper legen auf zwei Nächte oder drei Nächte vd.
5, 12; (der Ausfluss fliesst von diesem Wasser ab) Aqminemca
zayanemca im Sommer und im Winter yt. 5, 5; cvantem draj6
zroanem aha zemö anaidya wie lange!) soll das Brachliegen
des Bodens stattfinden? vd. 6, 1.
Griechisch. Derselbe Gebrauch. Die allmählich fort-
schreitende Emanzipierung des Akkusativs lässt sich an fol-
genden homerischen Beispielen beobachten (La Roche 7 ff.):
evda xaßeldpevos yeivar xpövov & 295; näv 5° Tpap Yepdunv (flog
ich) A 592; Hueis d& nporav Tuap duapvaneda w Al; Zvda d&
voxt desav o 188; tod Appl yuvaml moAbv xpdvov Alyea na-
oyeıy I’ 157; ravvuyin uev $ 7 ye xal 16a neipe xeleudov B 434;
evda xal Tuarln pev Umalvaoxev yeyav lotdv, vöxtas 6° alAdsoxe
o 139; yalxdo 5 &v xepapım dkdero zpeis xal ddxa univas E 387;
&mel obx oAlyov xpdvov Zora pöAomıs T 157. Nicht im Sinne der
Dauer findet sich bei Homer wohl nur das adverbiale adrrpap
+ 311. Homer hat nach La Roche die Akkusative ypövov, Yap
und fuara, vöxta und vöxtas, seltener uva, Eros, &vıaurdv nebst
Pluralen, ferner 7,da, xeina. Im Lateinischen liegt es ebenso,
also z. B. Aamini diali noctem unam extra urbem manere nefas
est (Livius), dann mit emanzipiertem Akk. Troja decem annos
oppugnata est. Vom Verbum fin. auf das Part. übertragen:
decem annos nalus mit seltsamem Ausdruck, insofern als man
vielmehr ein Wort wie ai. vrddha gewachsen erwartet hätte.
Ebenso im Germanischen, z. B. got. vintru visa rapaysınaca
1) Über dräjö s. 8. 389,
374 Kap. IX. Der Akkusativ der Zeiterstreckung. ($ 181.
(vgl. Gabelentz-Loebe 242, Grimm 4, 890). Bei dem Adjektivum
alt scheint der Akk. erst ahd. zu sein. Die ältere Sprache hat den
Gen. (Grimm 4, 757). Litauisch (Schleicher 263). Im Sinne der
Zeitdauer, z. B. penkias denäs Dijo es regnete fünf Tage lang,
suriüko tris meteliüs pavylusius lapeliüs sammelte drei Jahre
die abgewelkten Blätter, Schleicher, Les. 4; palukekit valan-
dele wartet ein Weilchen 130, menü köturias nedeles ilgas der
Monat ist vier Wochen lang. Ohne diesen Sinn: ö #7 prazydo
nedeles rytq und (die Rose) erblühte am Sonntag Morgen 15;
i7 ta näkti atejo irjs vagys und in dieser Nacht kamen drei
Diebe 121; menü saulüte vede ptfmgq pavasareli der Mond
nahm die Sonne zur Frau im ersten Frühling 3. Im Alt-
kirchenslavischen (vgl. Miklosich 4, 393), die Ausdehnung
über einen Zeitraum bezeichnend, z. B. s prebyste u njego deni
tü xal rap adtw Eperwvav Thv Tuepav dxelvnv Joh. 1, 40; Jako bo
be Iona vü ereod kitove tri dini i tri nosti worep yap Tv "loväs
&v Try xoıllg TOO XhToug Tpsig Tupac xal tpeis vuxtas Matth. 12, 40;
cüto stopite side vesi deni prazdini Ti abe &ornxate EAnv Thv Audpav
“pyol; Matth. 20, 6. Ferner den Zeitpunkt, an dem eine Hand-
lung innerhalb der Zeitstrecke eintritt, z. B. « ubiygtü i ı trefiji
deni vüstanelü xal änoxtevoow adröy xal Ty rplım Tuspg Eyepdr-
oerae Matth. 17, 23 und ähnlich oft. Ebenso im Serbischen
(Danicie 412). Der Begriff der Zeitdauer tritt hervor: midi boZe
podrzi me 508 ovako dugo vreme lieber Gott, erhalte mich noch
so lange Zeit; sluii mene ı tredu godinu diene mir auch das
dritte Jahr; dohe je biti pevac jedan dan nego kokos mesec
besser ist es, einen Tag Hahn zu sein, als einen Monat Henne;
vazdan pije a svu nod me bije den ganzen Tag trinkt er und
die ganze Nacht schlägt er mich. Ohne den deutlichen Be-
griff der Dauer: susjed ga svakt cas opominjao der Nachbar
erinnerte ihn jede Stunde; Aak jedno vece kurjak dodje als
einen Abend der Wolf kam; tu nod sizidje opet iz Negotina in
dieser Nacht ging er wieder aus N. heraus. Russisch. Die
Dauer bezeichnend: :dti vsyu noci die ganze Nacht gehen
(Buslajev 254); Zivetü u nego godü i drugoy er lebt bei ihm
ein Jahr und ein anderes (Äsböth 18); a vekü drugü druga ne
$ 181—182.] Kap. IX. Der Akkusativ der Raumerstreckung. 375
vidals und haben einander ihr Lebtage nicht gesehen (1). Der
andere Gebrauch z. B. in seycasü sogleich.
$ 182. Der Akkusativ der Raumerstreckung.
Arisch. SF. 5, 171 habe ich bemerkt: “Einen besondern
A. der Raumerstreckung hat Gaedicke nicht aufgestellt (vgl.
aber S. 281). Indessen steht es mit demselben in der That
ebenso wie mit dem A. der Zeiterstreckung, wenn auch die
Belege spärlich sind (vgl. Gaedicke S. 84). Ein sicherer Beleg
ist: saptüdala pravyadhan äyım dhävanti sie laufen einen Wett-
lauf siebzehn Schussweiten lang TB. 1, 3, 6, 3. Dass dieses
8. pr. nur ein emanzipierter A. des Inhalts ıst, ıst klar. Man
vergleiche: saptddaßa pravyadhan pr& vidhyati er schiesst sieb-
zehn Schussweiten SB. 5, 1, 5, 13” (auch vifnukramün kramate
er schreitet Vishnuschritte u. ähnl.). Ich füge aus dem Av.
hinzu: apa dim adap vyeiti zrayatshap haca vourukasap haprö-
masaphem adwänem dann vertreibt er ihn vom See V. einen
häbra Weges weit yt. 8, 23; (dort sollen sich die Leichenträger
niederlassen) avavap haca iristapıbyö yaba brigamm so viel von
den Toten entfernt, wie drei Schritte vd. 8, 11; (wo soll die
Wohnung des Leichenwärters sein?) cva) draj6 haca äßrap wie
weit vom Feuer? Prisatagaim haca aprap dreihundert Schritte
vom Feuer vd. 3, 16; paoırim upa mayem nibweresorS pasca
hamöd atwigaitim dva erezu nismahe, pasca zemo isao8 atwigartim
yaba cabwärö erezvö zuerst sollst du ein Loch graben nach
des Sommers Ankunft zwei Finger in die Tiefe (der Tiefe),
nach des Winters und Eises Ankunft so viel wie vier Finger
vd. 9,6. Griechisch. Bei Homer (La Roche 5 ff.) findet sich
oödv mit dyw, Aysopaı, Ayspovedw und dpyw, vereinzelt auch bei
anderen Verben, z. B. &yw 6’ o86v Yyepovedow n 30, ferner die
Wendung rödev nAded” dypd xElsußa y 71 und sonst. Da die
Unterscheidung zwischen Bewegung und Wegstrecke nicht
durchaus sicher ist, so kann man diese Akk. noch als Akk.
des Inhalts bezeichnen. Sicher emanzipiert ist Aelner ayaxksdos
MeveAaov doupds &pwnv W529 (vgl. K 357). Lateinisch. Da
die Vorstellung der Erstreckung vorschwebt, so wird dieser
Akk. bei abesse und distare gebraucht, um die Entfernung
376 Kap. IX. Der Akkasativ des Objekts und des Resultalts. [$ 182—183.
anzugeben, z.B. Caesar milia passuum tria ab Helvetiorum castrıs
castra ponit. Auf die Verbindung mit Adj. übertragen in Wen-
dungen wie: quindecim pedes latus u. s. w. Germanisch:
mhd. nu riten si eine welsche mile (Paul, mhd. Gr. 96), siben vüeze
larc (Grimm 4, 757). Ebenso im Baltisch-Slavischen, z.B.
lit. virve tris seksnius ilga ein Strick drei Klafter lang. Über das
Aksl. s. Miklosich 4, 390, z.B. ide sü@ njeju dee vriste er ging mit
ihr zwei Werste. Die Verbindung mit einem Adjektivum findet
sich z. B. in serb. kamen oko tri arsina visok jJedan arsın Sirok
ı Jednu ped debeo ein Stein, etwa drei A. hoch, einen A. breit
und eine Spanne lang (Danicie 411).
$ 183. Der Akkusativ des Objekts und des Re-
sultats. |
Unter Objekt verstehe ich den Gegenstand der von der
Handlung des Verbums unmittelbar betroffen wird. Ich habe
schon oben bemerkt, dass die Sprechenden diesen Begriff ebenso
wie den der Zeit, der Ausdehnung u. s. w. aus der täglichen
Erfahrung gewinnen. Man hat also den Objektsakkusativ nicht
als den Akk. bei transıtiven Verben zu erklären, so dass der
sonst beliebte Zirkel vermieden wird. Der Akk. des Resultats
ist, wie oben bemerkt, wenn man seine Entstehung in betracht
zieht, von dem Akk. des Inhalts nicht zu trennen. Der fertige
Akk. des Resultats aber steht dem des Objekts am nächsten.
Denn schwerlich empfindet der Sprechende einen Unterschied
zwischen “ein Haus bauen’ (Resultat) und “ein Haus einreissen’
(Objekt).
Ein transitives Verbum ist ein solches, welches mit
einem Akkusativ des Objekts gewohnheitsmässig verbunden
wird, ein intransitives ein solches, bei dem dies nicht ge-
schieht. Da die Verbindung eine gewohnheitsmässige, aber
nicht eine nothwendige ist, so können transitive Verba auch
absolut gebraucht werden, z. B. (vgl. SF. 5, 173ff.) im Alt-
indischen die Verba sprechen, denken, wissen, riechen, hören,
sehen, essen, siegen, kämpfen, im Lateinischen ist dieser ab-
solute Gebrauch nach Schmalz? $ 63 besonders der publizisti-
schen, militairischen und sakralen Sprache eigen, z. B. aves
$183—184.] Kap. IX. Zwei Akkusative bei einem Verbum. 377
addicunt. Die Gewohnheit braucht auch nicht aus der Uhrzeit
zu stammen, sondern es können Verba in den Einzelsprachen
transitiv werden. Diesen Vorgang habe ich für ar und sac
im Altindischen angenommen (a. a. O. 178). Namentlich aber
werden Verba durch Zusammensetzung mit Präpositionen tran-
sitiv (für das Altind. vgl. Gaedicke 94ff... Ebenso ist es auch
nicht unmöglich, dass intransitive Verba in besonderen Fällen
mit dem Akk. verbunden werden, ohne im allgemeinen den
Charakter der Intransitivität einzubüssen, z. B. ai. sad auf-
lauern (gew. sitzen), lat. manere u. ähnl.
6184. Zwei Akkusative beieinem Verbum (Gaedicke
255ff., SF. 5, 178 ff., Hübschmann 191 fl., La Roche 224 ff.,
Draeger 342 ff., 353 ff., Grimm 4, 620ff., Miklosich 4, 388,
Schleicher 263.
Von allen im Folgenden darzustellenden Typen hebt sich
derjenige deutlich ab, in welchem der zweite Akkusativ prä-
dikativ ist. Ich stelle ihn voran. Unter den übrigen ist
für unser heutiges Gefühl völlig unanstössig der Fall, dass der
zweite Akk. ein Akk. des Zieles oder der Zeit ıst, z. B. Euva- -
0uoa yepaıds vnöv Adıvalıc Z 88; nasya tüm ratrim apö grhän
pra hareyuh man soll in dieser Nacht nicht Wasser in sein
Haus bringen MS. 2, 1,5 (7, 2), wo ein Akk. des Zieles und
einer der Zeiterstreckung neben dem Akk. des Objektes er-
scheinen. Diese Akk. scheinen uns ja von den übrigen soweit
entfernt, dass sie unserem Sprachgefühl geradezu als besondere
Kasus erscheinen. Von diesem Typus wird im Folgenden nicht
weiter die Rede sein. Eine weitere Gruppe (im Folgenden
also die zweite) bilden diejenigen Fälle, in welchen der eine
Akkusativ enger als der andere mit dem Verbum verbunden
ist. Dahin gehören Wendungen, wie infitias ire aliquid, wobei
der Akk. der Richtung infitias mit ire zusammen so zu sagen
ein Verbum bildet, namentlich aber die im Griechischen zahl-
reichen Fälle, in denen der eine Akkusativ ein solcher des
Inhalts ist, z. B. ouLdeiv rıvd ravtoinv ouldınta. Den Rest (3)
bildet die Masse der Verbindungen, in welchen die beiden
Akkusative dem Verbum gleich nahe stehen. Er kann füglich
378 Kap. IX. Der prädikative Akkusativ. [$ 184.
in zwei Abtheilungen zerlegt werden. In die erste (3a) stelle
ich diejenigen Ausdrucksweisen, welche entstehen, wenn der
Redende das Bedürfnis fühlt auszudrücken, dass eine Person
und ein Gegenstand in gleicher Weise von der Handlung des
Verbums betroffen werden. Wir können diesen Typus als alt
nachweisen bei den Verben rauben und ausziehen, bitten und
fragen, verhehlen, lehren. Die zweite Abtheilung (3b) umfasst
die Fälle, in welchen ausgedrückt werden soll, dass ein Ganzes
ın einem seiner Theile betroffen werde. Es macht offenbar
einen Unterschied, ob wir sagen “jemandes Gesicht schlagen’
oder ‘jemand in’s Gesicht schlagen’. Im letzteren Falle wollen
wir ausdrücken, dass durch den Schlag die Person als Ganzes
und dabei ein Glied derselben im besonderen betroffen sei. Die
indogermanische Sprache konnte in diesem Falle und ähnlichen
Fällen sowohl dıe Person als das Glied ın den Akkusativ setzen,
z. B. töv Bade xöponv bei Homer. — Dieser von mir unter 3
dargestellte Typus ist einfach und alterthümlich. Es ist wahr-
scheinlich, dass er in der Urzeit häufiger zur Anwendung kam,
als wir nach seinem Auftreten in den Einzelsprachen, die nach
grösserer Deutlichkeit des Ausdruckes strebten, erschliessen
können.
Die zwei Akkusative beı dem Kausativum sind bei diesem
behandelt worden.
1. Der eine der beiden Akkusative ist prädikativ.
Dieser Typus findet sich überall. Doch ist der prädikative
Akkusativ ım Slavischen durch den Instrumentalis eingeengt,
im Litauischen fast verdrängt worden. “Nach Verbis des
Sagens, Nennens — sagt Schleicher, Gr. 263 — steht bisweilen
der Akkusativ auch des Prädikates anstatt des Instrumentalıs,
z.B. säk6 tave szökig, sähe lave tökiq (Dain.) sie sagten, du seiest
so eine, sie sagten, du seiest eine solche. Hier ist nämlich
&sant oder sanczq ausgelassen”. Ich habe deshalb das Litauische
im Folgenden nicht weiter erwähnt. Im Germanischen ist aus
den zwei Akkusativen häufig ein Akkusativ und ein Genitiv
geworden (vgl. die Belege bei Grimm 4, 632).
$ 184.] Kap. IX. Der prädikative Akkusativ. 379
Die Anordnung geschieht nach den hauptsächlich in betracht
kommenden Verben. Machen: Im Arischen z. B. aı. tegam
püfanam adhipam akaröt er machte P. zu dem Herrn derselben
MS. ;yezi bavanı perenäyu zqm cazrem kerenaväne asmänem rabem
kerevanäne wenn ich volljährig sein werde, werde ich die Erde
zu meinem Rade, den Himmel zu meinem Wagen machen
yt. 19, 43; yap kerenaop amarsenta pasu vira dass er unsterb-
lich machte Vieh und Männer y. 9,4. So auch ap., (Spiegel 413).
Ebenso bei dha: sa daSahötäram yayhdm Atmanam vy ädhatta
er machte sich selbst zu einem Opfer mit zehn Hotar MS.; nösp
tqm abravopuprim naeda dasti hupuprim er macht sie nicht
zur Mutter von Athravans, nicht zur Mutter guter Söhne y.
10, 15 (Ap. Spiegel 413). Im Griechischen in der homerischen
Sprache bei row und Tidru, z. B. Aa 0: ralda roreöunv
1494; ol te öbvavraı dppova morfoaı xal Erippovd nep nal ddvra
4 12; mv yap Tpwes Zdnxav Abmvalns idperav Z 300; yoia &
Ednxev dAappa E 122. Im Lateinischen bei facio (reddo, letzteres
besonders mit Adj.), 2. B. mihi nunguam furt dubum, quin te
populus Romanus consulem facturus esset,; Mesopotamiam fertt-
lem efficit Euphrates (Cicero). Innerhalb des Germanischen
liegt bei ‘thun’ im Got. ein substantivischer zweiter Akk. nicht
vor (man sagt vielmehr faujan ina du Piudana ıhn zum König
machen), wohl aber gelegentlich im Altn. gordi hann hirdmann
sinn machte ihn zu seinem Gefolgsmann Gunnl. 11, und Ahd.: du
dine gersta machöst poten (Notker). Dagegen ist das Adj. ganz
geläufig, z. B. raihtos vaurkeih staigos eödelas Toreite Tas TpiBous
Mark. 1,3, sie machönt iz so rehtaz (Otfrid) u. ähnl. bei Grimm
4, 623 ff. Im Aksl. findet sich ein prädikativer Akk. bei postavsti
einsetzen zu, 2.B. kto me postavi sadiyq li delitelja nadü vamı
tlg ne xardornage dıxaorıy A neprornv&p önäc; Luk.12,14. Bei sütvo-
riti: stoorjq va lovca Clovekomü xal romow bpäs Akıeis Avdpurwv
Matth. 4, 19 (im Serb. Instr.: # uäntdu vas lovcima Yyudskijem).
Serbische Belege bei Danitic 409: stavih strazu mladu momu
ich setzte das junge Mädchen als Wache ein; postavih te oca
(Gen, als Akk.) mnogijem narodima rartpa. roAlav Edymv Tederxa
oe Röm. 4, 17; da ga meine veljega vezira dass er ihn zum
382 Kap. IX. Zwei Akkusative bei einem Verbum (2). [$ 184.
quam ille suum nomen catachannam nominabat (vgl. A. Ebert, de
M. Cornelii Frontonis syntaxi, Erlangen 1880, Diss. 11). Die
Stelle aus Terentius, die Ebert als Parallelstelle anführt, näm-
lich et meum nomen nominat, ist anders gestaltet, da sie ja den
zweiten Akk. nicht zeigt.
An diese Fälle, in welchen ein reiner Akk. des Inhalts
erscheint, schliessen sich diejenigen, in welchen dieser Akk.
zum Akk. des Resultates geworden ist. Dahin gehören avest.:
yo narem vixrümentem zwarem jainlı wer einem Manne eine
unblutige Beule schlägt vd. 4, 30. Dazu griechisch: EAxos
avaböyovra tö nıv Bdle Ildvöapos iS E 795; odAnv Tav Tore puv
oüs TAase W 74; altn. hann hjo Bjoern banahogg er hieb dem
(den) B. den Todesstreich (nebst einigen wenigen ähnlichen
Wendungen bei Lund 52). Insbesondere sind hier zu erwähnen
die Verba des Sagens und Anthuns. Sagen. Im alten San-
skrit findet sich selten ein doppelter Akkusativ. Ein Beispiel
ist: agnim maham avöcama suvrktim zu Agni haben wir ein
grosses Gebet gesprochen RV. 10, 80, 7. Häufig im späteren
Sanskrit bei vac, drü, ak u. 8. w. (vgl. Speijer 34). Dazu bei
Homer el tt pw elnoı db 91; 6 d& pw oüötv Apeißero A 563. In
den übrigen Stellen ist das Verbum mit xp6ds zusammengesetzt,
wovon man den Akkusativ abhängig machen könnte. 159 gilt
für unecht. Anthun. Bei kar machen steht im Ai. der Akk.
der Person und als zweiter ein Subst. oder ein Pronomen,
z. B. devan ydc cakrmä kdc cid ägah welches Ärgernis wir den
Göttern angethan haben RV. 1, 185, 8; Aim mä karann abala
asya senäh was können mir seine schwachen Heere thun?
RV. 5, 30,9. Im Griechischen, wo sich dieser Typus weit
ausgebreitet hat, erscheint bei Homer helw (£pdw), als zweite
Akkusative nur Neutra von Adjektivis oder Pronominibus, z. B.
keıvoödxov xaxa bekaı I’ 354; Tis vo oe Todd Epefe D 510. Daran
schliesst sich mit nicht gleicher aber doch nahe liegender Be-
deutung yundopar, z. B. "Extopa dtov deında unöcto Epya W 24.
Mit Recht stellt La Roche auch tivopar hierher: Ertoaro Epyov
asınds avtideov NyAja 0 236.
$ 184.) Kap. IX. Zwei Akkusative bei einem Verbum 3a). 383
3a. Eine Person und ein Gegenstand sind von der
Handlung des Verbums gleich betroffen. Dahin ge-
hören: Rauben, wegnehmen.
Im Arischen mug, z. B. yad amusnitam panım gah als ıhr
dem Räuber die Kühe abnahmt RV. 1, 93, 4; gt, „ya, z. B.
indro marutah sahasram ajınäat Indra nahm den Marut tausend
ab Tand. Br. Ebenso im Avestischen: y6 mqm tab draonö
zinap wer mir diesen Schatz abnimmt y. 11,5. Dazu noch di
im Altpers., vgl. Spiegel 413, und av. van um etwas bringen
y.9, 24. Aus dem Altind. kommen noch hinzu du und dha
einem etwas abmelken, z. B. imam örd särran kamän duhe von
dieser erlangt er alle Wünsche, $B., und vereinzelt im Veda
dhuü schütteln, in: vrkgam phalam dhunuhr schüttle Frucht von
dem Baume RV.3,45,4. Im Griechischen findet sich innerhalb
der homerischen Sprache zunächst das mit ai. 7ya@ identische
Bıaw: Tore vor Prnoaro nısdöv Anavra Anoudöwv Exraylos © 451.
Dazu eine Anzahl von Verben des Beraubens, für die ich nur
je ein Beispiel anführe: dupw Yupdv Annöpa Z 17; bs Ayar-
peitaı Xpuomlöa Poißos Anöllwv A 182; pn pıv Ayatol eöxea
ouAnasmar O 427; Yllov Ö &kalvuro dupöv aupordpm F 155; dpp ol
tod; &vapılov dr’ &vrea 0 343. Ein berauben, entkleiden, ent-
äussern ist auch “abschälen’: repl yap pa & yalxds &Asıbev aulda
ze xal @Aloudv A 236. Ferner ‘abwaschen’: oppa rayısta Ild-
zpoxAov Aofasıav ano Bpdrov aiuardevra 2 345; abrdp oO &x notanod
xpda vilero Stos VDöusseus älyınv 6224. Eine besondere Bemerkung
verdienen ‘ausziehen’ und ‘anziehen’. Für die Verbindung zweier
Akk. mit “ausziehen’ ist beweisend nur eine homerische Stelle:
&x Ev pe ylalvav te yırava Te eipar Eöucav & 341. Danach ist
diese Konstruktion auch in einer Reihe ähnlicher Stellen anzu-
nehmen (vgl. La Roche 238). Der doppelte Akk. bei ‘anziehen’
ist offenbar eine Nachahmung der gleichen Konstruktion bei ‘aus-
ziehen’. Er findet sich wesentlich in der Odyssee, z. B. £sow pıv
ykatvav re yırava te @339. — Im Lateinischen scheint die hier
behandelte Gruppe nur durch cogo vertreten zu sein, 2. B. cives
qui id cogit bei Cicero. Cogo liegt zwar dem Begriff des Be-
raubens fern, nähert sich aber dem in jyä, Pıaw enthaltenen.
384 Kap. IX. Zwei Akkusative bei einem Verbum (38). [$ 184.
Bitten, fordern, fragen. Arisch: ai. rca yamı marütö
brahmanas pätim devan dvo vdrenyam mit dem Lied gehe ich
an die Marutas, Brahmanaspati und die Götter um treffliche
Hilfe RV. 8, 27, 1. Ebenso bei :d, yac u. ähnl. Im Av.: tap
pwa mazda yasa um das bitte ich dich, o Mazda y. 49, 8;
avajastim paurvgqm @po jaidydis du sollst von den Wassern die
erste Bitte bitten y. 65, 10; yO mqm zävare nor jardyehi der
du von mir Schnelligkeit nicht heischest y. 11, 2. Ebenso im
Ap. bei Spiegel 413. Bei ‘fragen’: yajkavalkyam dvau praßnau
prak$yami ich werde Y. zwei Fragen fragen SB.; tab bwä peresä
darum frage ich dich y. 44, 1. Griechisch: Bei Homer altew
und Alosonar, z. B. fired pıv Ödpu paxpöev X 295, ferner eipopar
nebst Kompositis und elpwrdw, z. B. vöv 8° 2dEw Eros AAlo
perallfcaı xal Zpdadar Neotopa 7 243, elpwräs u Ovopa xAurdv
ı 364. Dazu aus der nachhomerischen Sprache (eis) rparrw und
rpärtonaı. Lateinisch: Bei oro und rogo ist in der alten
Sprache gewöhnlich das sachliche Objekt ein Pronomen, doch
bei rogo beim Volke beantragen, auch andere Akk., z. B.
ires viros capitales populum rogato (Draeger 1, 345). Ein Beleg
für posco: tste unus inventus est qui parentes pretium pro se-
pultura liberum posceret bei Cicero. An posco schliesst sich
postulo und exigo, wohl auch zubeo. Im Germanischen schei-
nen sich diese Akk. nur bei got. didjan zu finden in den
Worten vileima ei hatei buk bidjos taujais uggkis Belonev va
6 &dv altnowpev nornoys npiv Mark. 10, 35 (sonst Gen. der Sache).
Innerhalb des Slavischen findet sich ein zweiter Akk. bei fragen
im Serbischen (Daniei6 408): $to te pitam pravo da mi kaZes
was ich dich frage, sollst du mir recht sagen; 5a du vas upitatı
Jjednu rijec tpwrnow üuäs xayw Adyov Eva Matth. 21, 24 (wo-
bei an Nachahmung des Griechischen nicht zu denken ist).
Verhehlen im Griechischen, Lateinischen, Deutschen. Im
Griech., nicht bei Homer, aber z. B. Sophokles El. 957: ouöev
yap os dei xpünteıv u Er. Im Lat. celo, z. B. non te celavs
sermonem bei Cicero, im Deutschen Aelan und verwandte
Wörter, z. B. mhd. minen rät ich nieman hel. Lehren:
Aus dem Arischen habe ich angemerkt: av. fro ma sästu
$ 184.) Kap. X. Der Akk. des Ganzen und des Theiles. 385
sahlkta er lehre mich das Beste y. 45, 6 (so auch anu-Säs im
späteren Sanskrit. Im Griech. ötö$4sxw von Homer an, z. B.
oßvex’ Apa opkas oimas oda Eöldafe 8 480. Ebenso auch xelsdw,
2. B. ur, pe taüra xeleue 9350. Lat.doceo (ebenso wie moneo) und
unger Jehren sind Kausativa und bei diesen besprochen. Lat.arguo
könnte sich nach doceo gerichtet haben. Im Slavischen findet
sich gelegentlich ein Akk. bei uötti, so serb. zlodne ucidu tooy
put pravi ich werde die Bösen deinen gerechten Weg lehren
(Danicie 408). Doch ist der Dativ der etymologisch berechtigte
und der bei weitem häufigste Kasus.
3b. Das Ganze wird in einem seiner Theile durch
die Handlung des Verbums betroffen. Sicher ist diese
Konstruktion vorhanden im Altindischen und Griechischen,
vielleicht auch im Deutschen.
Aus dem Altindischen bringt Gaedicke 268 einige Be-
lege bei, von denen mir sicher erscheint: dirasman indra vytra-
hann ugrö märmäni vidhya dann, o Indra, Vrtratöter, triff als
Held sie auf ihre Blössen (eigentlich: triff sie, ihre Blössen)
AV. 5,8, 9.1) Ausgebildet ist dieser Typus bei Homer. Nach
La Roche kommen wesentlich die Verba und Wendungen in
betracht, die man in den folgenden Belegen findet: rdv p’
Vdvoeus Bade Soupl xöpanv A 501; Innoödpavra peräppevov oörase
Soupl T 401; rov 8’ dopı nAnE adyeva A 240; {va gun piv Auös
Greprchs yoövad” Txorro T 354; tov 8& Tpdnos EAlaßs yuia 9 170;
Bypös te iv elle rapeıds IT’ 35; 7 da oe olvos &yeı gpevas 0 391:
zov dE oxdrog dose xaludev A 461; moldv os Eros Yüyev Epxos Sdov-
twv A 350; xbooe dE yıv xewainy Te xal Aupw odsa xald rn 15;
7 oe nodas viher t 356 und einiges Ähnliche. Wird die Kon-
struktion passivisch, so wird der Akk. des Ganzen zum No-
minativ, während der des Theiles bleibt. So ergiebt sich BEßAnaı
xevewva Staunepe; E 284 und ähnl. Dieser Akk. ist nun von
1) naht nu ydd adhimdsindram kö viryü pardh nicht geht jemand, so
viel wir einsehen, über Indra, über seine Kräfte RV. 1, 80, 15, ist wohl
lehrreich, enthält aber keinen von einem Verbum, sondern einen von einer
Präposition abhängigen Akkusativ.
Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm. Sprachen. I. 25
386 Kap. IX. Der Akkusativ bei verbalen Nominibus. [$ 184—184b.
dem Akk. der Beziehung nicht mehr zu unterscheiden. Dort
wird von ihm weiter die Rede sein.
$ 184. Der Akkusativ bei verbalen Nominibus
(vgl. SF. 5, 181 ff.).
Arisch: Es gehört hierher der Akk. bei Komparatıven
auf ?yqs und :$fha, bez. yarı und söta. Man sagt überein-
stimmend vriram hanı$thah den Feind am besten tötend (vgl.
SF. 5, 188), und yös henti dusmatem jayntsta welche die besten
Töter bösen Denkens sind y. 71, 7 (vgl. y. 28, 9. 32, 7 und
sonst.. Wenn es richtig ist, was ich annehme, dass bei diesen
Formen niemals ein objektiver Gen. vorkommt, so mag das
wohl daher kommen, dass man gewohnt war, einen Gen. in
dieser Verbindung stets partitiv zu fassen. Eine andere wich-
tige Klasse sind die Formen auf tar, bei denen Gen. und Akk.
erscheinen. Man sagt also im Ai. data vasunam und datä väsu.
Gewöhnlich waltet der in diesem Beispiel vorliegende Accent-
unterschied ob, doch ist das nicht durchaus der Fall (vgl. die
SF. 5, 181 angegebene Literatur und SF. 3, 6). Ein Beleg für
den Akk. im Av. ist: yd däapris bantai drvatätem welche dem
Kranken Gesundheit verleihen yt. 13, 24. Ebenso bei manaotar
y. 44, 5 (KZ. 30, 327) und sonst. In beiden Sprachgebieten
scheint auch der Akk. bei Auma Verlangen vorzukommen.
AV.6, 9, 1 heisst mam kumöna aus Verlangen nach mir, und
y. 32, 13 übersetzt wenigstens Geldner (KZ. 28, 263) die Worte
kame Pwahyä maprano dutim: aus Verlangen nach der Bot-
schaft deines Propheten. Auch bei anderen Wörtern liegt die-
selbe Konstruktion vor, so im Ai. bei einem Kompositum, dessen
Schlussglied die einfache Wurzel ist, z. B.: devas tvdm pari-
bhür asi du umschliessest die Götter; bei zusammengesetzten
Wörtern auf a, z. B. drdha cid ärujah selbst das Feste zer-
brechend; bei reduplizierten Wörtern auf z. B. dadir gah Kühe
verleihend; bei Ableitungen auf in, z. B. mam kamini mich
liebend; bei Adj. welche sich an Desiderativ- und Futurbildungen
anschliessen, z. B. $atam pürö ruruksanih hundert Burgen zu
zerstören fähig, soar sanayı$fmüuh begierig den Himmel zu er-
langen, und in der Prosa namentlich noch bei den zahlreichen
$& 1846185.) Kap. IX. Der Akkusativ der Beziehung. 387
Wörtern auf uka, z. B. pa$ün dghätukah nicht geneigt die Heer-
den zu schlagen. Im Av. bei dqmi Schöpfer (wechselnd mit
Gen., Jackson, a hymn of Zoroaster, S. 35), bei atwisravana
achtend, (dagngam den Glauben vd. 3, 40), bei cagv@ spendend
(rafedrem Hilfe y. 46, 2) und ähnl. Adj. Von einem Nomen
auf ra scheint der Akk. abhängig in den Worten: äah yap
hvare uzuxsyeiti bvap zaqm ahuradatqm yaoZdäbrem wenn die
Sonne aufgeht, wird sein Reinigung (Ordnung) der gottgege-
benen Erde yt. 6,2. Innerhalb des Griechischen ist dieser
Akk. bei Homer nicht vorhanden, wohl aber findet er sich bei
Dramatikern und Prosaikern. Krüger 46, 4, 5 führt an: &pwra
oökınos oddels aus Sophokles, änöieuos Bde 7’ 6 rolepos dropa
ropruos aus Aeschylus, 2£apvol eloı rd wpoAoynuiva aus Isaeus
(so regelmässig bei &£apvds eipı, das geradezu zu einem Verbum
geworden ist), dmiornnoves Toav td rpoonxovra aus Xenophon,
und mit einem den Nom. auf tar zu vergleichenden Subst.
Zorı tig Zwxparns TA perdwpa @povtioris aus Plato. Im La-
teinischen (Dräger 1, 329) findet sich dieser Akkusativ noch
bei den Supina, z. B. oppugnatum patriam nostram veniunt
bei Livius, auch bei Formen auf dundus: populabundus agros.
Abhängig von Subst. findet sich dieser Akk. nur bei Plautus,
und zwar nur in Fragesätzen, die mit quid beginnen, z. B. quid
ttbi hanc curatiost rem? Ein Akk. des Zieles erscheint in re-
ditus Romam bei Caesar. Was sich aus dem Germanischen
etwa hierher ziehen lässt, s. bei Grimm 4,755 ff., Erdmann 2, 129.
Im Baltısch-Slavischen erscheint dieser Akk. nur noch
selten (Miklosich 4, 376), z. B. aksl. po prijetiji mi otü boga
velikyji darü nach meinem Empfangen von Gott grosse Gabe.
8185. DerAkkusativ der Beziehung (Gaedicke 216 ff.,
La Roche 12 ff.).
Ein in mehreren Gebieten auftretender Akk. der Beziehung
ist ai. näma, av. nqma (altp. nama), gr. övopa, z. B. ai. %kö
namäsi wer mit Namen bist du, ndmucim nüma mäyinam den
Dämon, Namuci mit Namen. Ebenso im Av. vairı$ yO haosravä
nqma der See, welcher H. heisst yt. 19, 56; yim masyaka du-
25*
388 Kap. IX. Der Akkusativ der Beziehung. [$ 185.
Zakem nqma aojasti das Thier, welches die Menschen D. mit
Namen nennen vd. 13, 2. So auch ap. Kambujiya nama Kuraus
putra Kambyses mit Namen, Kyrus’ Sohn (vgl. Spiegel, Gr. 410).
Wo övopa mit Namen innerhalb des Griechischen zuerst belegt
ist, vermag ich nicht mit Sicherheit zu sagen, weil ich zu keiner
rechten Entscheidung darüber kommen kann, ob övopa in den
homerischen Stellen ’‘Apnm 8’ Ovop &orlv &navunov n 54, Beoxk6-
pevos 8’ ovop rev o 256 und den entsprechenden o 5, ı 247,
u 288 als Nominativ oder Akkusativ aufzufassen sei. Für den
Akkusativ würde Kuxkwnes d’dvon’ noav dnuvunov Hesiodos
Theog. 144 den Ausschlag geben, wenn die Lesart sicher ist,
denn es würde daraus folgen, dass das Verbum auf den Namen,
nicht auf övopa zu beziehen ist. Das mag nun sein, wie es
will, die verwandten Sprachen zeigen, dass övopa mit Namen
einen proethnischen Gebrauch des Kasus fortsetzt. Wie ist
nun dieser proethnische Gebrauch entstanden? Darüber äussert
Gaedicke 216 ff. die unzweifelhaft richtige Vermuthung, dass
der Akk. zuerst nur da vorkam, wo er nach den sonstigen
Regeln des Akkusativgebrauches gerechtfertigt war, und dass
der besondere Sinn der Beziehung sich erst infolge einer Über-
tragung entwickelte. Ich glaube, dass wir uns solche Über-
tragungen deutlich machen können an dem aus dem Avesta
soeben angeführten Satze yım masyaka dulakem nqma aojastı
und aus homerischen Wendungen wie: äpxtov 8’, 7v xal Apakav
&nixAnaıy xaAdousıy 8 273. Mir scheint, dass der avestische Satz
seinem ursprünglichen Sinne nach riehtig gefasst wird, wenn
man »nqma als Apposition auffasst, also: “welchen die Menschen
Duzaka als Namen nennen”. Ob auch &rixAnoıv als Apposition
aufzufassen oder als Akk. des Inhalts nahe zu xaAsiv zu ziehen
ist (und so auch in övona xaleiv rıyd), lasse ich dahingestellt.
In beiden Fällen wäre ja der Akkusativ gerechtfertigt. Der
neue Typus nun scheint entstanden zu sein, indem nach 7
dpakav drixinorv xaldoucıv mit passivischem Ausdruck gebildet
wurde: % üpata änlxinowv xalsitaı. Eine andere Art der Her-
leitung bei gleichem Grundgedanken versucht Gaedicke. Sie
scheint mir aber künstlicher. (Seine Übersetzung von RV.t0,
6185.] Kap. IX. Der Akkusativ der Besiehung. 389
49, 2 ist unsicher. Es wird wohl heissen ‘mich, den Indra mit
Namen, haben die Götter geschaffen’.)
Im Ai. dürften andere Akk. der Beziehung als näma nicht
vorkommen. Wohl aber bietet der Avesta weitere Belege in
den Akk. drajo an Länge, maso an Grösse, bqzö an Tiefe,
Jraßö an Breite: ho perepwe awihä zemö upapwarsti urvarangm
nava vibazva dräjö er schneidet an dieser Stelle mit der Hippe
(tvgl. KZ. 25, 402) die Pflanzen ab, neun vib. in die Länge
vd. 9, 2. In diesem Satze kann man wohl noch den Akk. der
Raumerstreckung zur Geltung bringen: ‘neun vib., nämlich
die Länge derselben’.!) Nicht mehr möglich ist das in den
nachahmenden Sätzen: astica im zü avaiti dqzö yavaktı fra-
Pascı$ denn die Erde ist ebenso gross an Tiefe, wie an Breite
y. 19, 7; ya asti avavasli maso yaha vispä imä äpo welche
ebenso an Grösse ist, ebenso gross ist, wie alle Gewässer yt. 5, 3.
Damit sind identisch die griechischen n&yedo;s an Grösse, pixos
an Länge, eöpo; an Breite, Bado; an Tiefe, SYos an Höhe u. s w.
zuerst: dvvdwpoı ydp ol ye xal dvveanıyess Noav eupos, dtdp
nTxös ya yevdoßnv dvveopyuıoı A 311; T6a0ov Ev nixos, T6osov näxos
eloopdacdar ı 324.
Hiermit ist aber der mit Wahrscheinlichkeit für proeth-
nisch zu haltende Stamm noch nicht erschöpft. Es findet sich
im Av. noch eine Art des Akk., welche nicht mehr aus sich
selbst zu erklären, sondern nur noch als Nachahmung der
ebengenannten zu verstehen ist: yah as vispahe arheus astvalo
asem asavastemo zsaprem huxsaprötemö weil er in der ganzen
lebenden Welt an Wahrheit der wahrhaftigste, an Herrscher-
gewalt der herrschendste war yt. 19, 79. Spiegel 410 führt
noch einige Belege für den Akk. der Beziehung an, die aber
anders zu erklären sein dürften. Wegen yt. 14, 12 s. Geldner,
3 y., 64, wegen vd. 3, 32 KZ. 24, 549, wegen yt. 5, 98 KZ. 25,
1} Interessant ist die Stellung in: cvantem drajo zroänem ainhä zemö
anaidya wie lange soll das Brachliegen dieser Erde stattfinden vd. 6, 1.
Eigentlich: ‘wie lange Zeit der Ausdehnung nach’, so dass dräjö hinter
zroänem stehen würde. Aber dräjo ist durch die Bedeutung von cvantem
angezogen worden.
390 Kap. IX. Der Akkusativ der Beziehung. [$ 185.
396, wegen y. 10, 9 Metrik $. 149. Die angeführten Typen
dürften die proethnischen sein. Damit ist denn auch die ge-
schichtliche Grundlage für das Verständnis des griechischen
Sprachgebrauchs gegeben. Man darf nicht, wie ich SF. 4, 32
konstruierend gethan habe, von der Verbindung dieses Akku-
sativs mit Verben ausgehen, vielmehr wurde er im Beginn der
speziell griechischen Sprachentwickelung nur gebraucht, um zu
deklarieren, dass ein Substantivum als Eigenname verstanden
sein soll, und um anzugeben, mit Rücksicht auf welchen Sub-
stantivbegriff ein an sich weit umfassendes und daher nicht
genügend deutliches Adjektivum einem Substantivum beigelegt
werde. An övopa schloss sich im Griechischen wohl zunächst
yevos, yeven an. Wie das geschehen konnte, wird besonders
deutlich, wenn man überlegt, dass y&vos seine natürliche Stelle
hinter dem Geschlechtsnamen hatte wie dÖvopa hinter dem Per-
sonennamen. Bei Homer steht es in Sätzen wie: doxdeı de
por Zupevaı dvhp Altwäds yevanv, nera 5° Apyeloıcı dvaacsı W 470;
&E’ Iddans ydvos elul 0 267; marpds 8° 2 dyadoo xal dyw yevos
eöyopar elvar S 113. Die vielen in betracht kommenden Ad-
jektiva, bei welchen sich deklarierende Akkusative finden,
lassen sich füglich in folgende Klassen theilen: a) Komparative
und Superlative der Wörter ‘gut’ und ‘schlecht’, z. B. &rel od
&dEv dorı yepelav, od Öfpas oböE Yunv, oöT Ap Ypevas oüte tı Epya
A114; Nön yap tıs tod ye Binv xal yeipas Apelvav A nepar' 7,
xal Eneıra nephoestar 0 139; yuvanıav eldos Aplorn 7 57. Daran
dürften sich einige Verba angeschlossen haben, welche “über-
treffen’ und ‘nachstehen’ bedeuten: &rel repleooı yuvarnıav elöds
Te neyedss Te 168 opdvas Evdov Eloas a 248; bmelpeyev eüpkas Gpous
T 210; (rdow) ob Teu deudpevov, out” Ap @pdvas oure Tı eldog
8 264.
b) Adj., welche gleich oder ähnlich ausdrücken, z. B.
pätıv drakavros, Evallyxıos adönv, Yuhy xal eldos Öpoln, dppara
xal xepalhv ixelos, danach bei dem Partizipium, z. B. d£pas
&ıxuia Bejoı © 305, und bei den Verben welche ‘gleichen’ be-
deuten, z. B. palıora 88 Neotopı ölp elöd; Te peyedis Te Yunv
T äyxıora tolxeı B 57; Auxdovı elsaro Yuynv Y 81. Dazu wett-
$ 185.] Kap. IX. Der Akkusativ der Beziehung. 391
eifern: xoöpnv 8 od yapndw ’Ayapsıvovos "Arpelöno, obd el ypu-
sein Ayppoötıy xallos Eptlor, Zpya 8° Admvaly yAauxanıdı Avrı-
oeptsor 1390.
c) Adj., welche eine körperliche Eigenschaft ausdrücken.
Es wird im Akk. hinzugefügt, mit Rücksicht auf welches Glied
oder welche Beschaffenheit der Person die Eigenschaft beige-
legt werde. Dahin gehören: Toudeös tor pıxpös uäv Zrv Ödpac,
aa nayncns E 801; eldos dt pAla ueyas Nev öpacdar o 4; Bonv
ayadds; rödas bxüc, raybs und Apydc; pokös xepalhv B 219; xapn
kavöds 0 133; nödas xal yeipas ünepdev alpardeıs P 541. An diese
Adjektiva schliesst sich ein Substantivum, nämlich yeipds 7’
alyanenv Epevar xal Erlopova BouAnv m 242, und einige Verben,
nämlich xapn xoudwvres und pelalvero dt ypda xaldv E 354;
aopeov Ö2 orndea A 282.
Diesen Eigenschaftswörtern verschiedener Art fügt sich
olos an: old’ dpernv olos &ocl N 275 und diesem wieder das Ad-
verbium rüs: Palnxes rücs dppıv dvhp Bde walverar elvar slöd; te
neyedds Te lö& ppevas Evöov Elaas; A 337.
d) Adjektiva, welche eine Eigenschaft des inneren Men-
schen oder eine Stimmung ausdrücken. In den Akk. tritt das
innere Organ, mit Rücksicht auf welches die Eigenschaft gelten
soll. (Wir würden eher sagen, in welchem dieselbe ihren Sitz
hat.) Dahin gehören: »pevas alolun, ppevas nAE, voov Aropwärog,
uevos Aayeros, inlppwv BouAnv, ynddouvos xüp. Daran knüpfen
sich Partizipia und Verba finita, welche sich freuen und das
Gegentheil bedeuten, so: dyvöpevos xüp, Axaynıdvos Frop, Bupöv
ayebwv, YlAov Terinpevos Hrop, xeyoAwpetvos Trop, yeynde Ypeva
roumv © 559, xapeln 82 opdva unenp Z 481, ldoüod xe dupöv
lavöms $ 47 (wegen töpronar 8. La Roche 20), #upöv Zywaaro
II 616, xoA&®n N 660 und Ähnliches. Bemerkenswerth sind:
ollov xatarnxopaı Frop T 136, Tpopdouar ppeva vauraı U 627, peya
& Eorteve xuödlımov Xip p 247.
Die bis hierher dargestellte Masse bekam nun Zuwachs
von dem Akk. des Ganzen und des Theiles her, sobald durch
die Umwandlung der Konstruktion in die passivische der Akk.
des Ganzen verschwand (vgl. oben S. 385). Durch solche
392 Kap. IX. Der Akkusativ der Beziehung. ($ 185.
Umwandlung sind entstanden ß&BßAnaı xevsava dtapnepd; E 284,
dyei neyadp Beßinpevos Arop 1 9 (vgl. röv Bade xöponv); “ortöı
taupelp xexakuppevos söpeas Mpoug [1360 (vgl. Tüv de axdros
dsse xaludev). Diese Ausdrücke wurden nun insofern fruchtbar,
als sich in Nachahmung der angeführten Wendungen die Ge-
wohnheit ausbildete. mit passivischen Partizipien und auch mit
passivischen finiten Verben das von der Handlung betroffene
Glied im Akkusativ zu verbinden, auch wenn das Verbum ım
Aktıvum oder Medium nicht mit dem Akk. des Ganzen und
des Theiles konstruiert wurde. Zu den passivischen konnten
sich natürlich auch intransitive gesellen. Ein solcher Akku-
sativ war nun von einem Akk. der Beziehung nicht mehr zu
unterscheiden (vgl. das eben angeführte BeßAnptvos Arop mit
dem $. 391 erwähnten terınp&vos Trop), und dieses Aufgehen
der vorliegenden Konstruktion in den Akk. der Beziehung ist
der Grund, warum ich dieselbe an dieser Stelle behandle.
Die Weiterentwickelung mag man sich etwa folgendermassen
denken. An xexaluppevos @pous schloss sich oaxecıv ellupevor
apous 5 479, daran etwa Aödpw zaldocero yeıpac dantous A 169
und ferner & dvBou nAnjTo oröpa te divas te W 777, und über-
tragen auf das Innere od&veos nATjto ppevas Aupınelalvas P 499.
An die Verba des Treffens, Schlagens, Verwundens: ‘Apnrov d&
xar audı Alnov Ösdaryusvov Arop P 535, yeipa Bapuvdels T 480,
Evda x Amb bivods öpöpdn, adv 8 dore’ Apdydm e 426, mit Über-
tragung auf das Innere: od yd Tıs ppevas dxnernatayudvos Eoat
o 327 (vgl. ppevas HAE u. ähnl.), &x yap rinyn Ypevas II 403,
xarerAnym plAov Arop I 31 und danach peyäporo ölfosuto rallo-
pevn xpadlnv X 461. Endlich Beßapndra Ypevas olivp 7 122.
Diese äusserst bequeme Ausdrucksweise ist dann von den
Römern nachgeahmt worden.
Eine weitere Verfolgung des Akk. der Beziehung durch
die griechische Literatur liegt ausserhalb meiner Aufgabe.
In den übrigen Sprachen scheint dieser Akk. nicht mehr
vorhanden zu sein. Zwar im Lateinischen finden sich ja
Wendungen wie os Aumerosgue deo similis, nudus membra,
nıgrantes terga jJuvencos, aber ich bin mit Draeger 1, 342 der
$ 185—186.) Kap. X. Der Nominativ. 393
Meinung, dass hierin eine Entlehnung aus dem Griechischen
vorliegt. Für das Baltisch-Slavische bemerke ıch, dass
Miklosich 4, 392 einige seltene Fälle dieses Akk. anführt, z.B.
aksl. pleäti i utrobu sizezeni, d. h. humeros et ventrem com-
bustus. Ich glaube nicht, dass das eine Originalkonstruktion
ist. In bezug auf das Litauische meint Schleicher 263, dass
Ausdrücke wie Aöjyq, rafikq paluzti den Fuss, die Hand brechen,
hierher gehören. Wahrscheinlicher ist mir, dass das Intr. paluztı
ein altes Medium fortsetzt (vgl. ai. bahum dpi Sabre er brach
sich den Arm SF. 5,254). Oder sollte vielleicht der Akkusativ
auf der Umdeutung einer älteren Instrumentalkonstruktion be-
ruhen? (vgl. Leskien, Bildungder Nom. 398). — Wie es kam, dass
dieser Akk. in einer Reihe von Sprachen verdrängt wurde, ist
nicht schwer zu sagen. Abgesehen davon, dass der Akk. einiger-
massen ausdruckslos erscheinen mochte, ist einleuchtend, dass
der Instrumentalis ihm Konkurrenz machte. Neben nama und
övona steht namnz und öydnarı. Wie zahlreich die daneben-
stehenden Instr. in den übrigen hierher gehörigen Verbindungen
sind, übersieht man bequem bei La Roche.
Kapitel X. Nominativ, Vokativ.
Der Nominativ.
$ 186. Über den Grundbegriff des Nominativs ist $ 71 ge-
sprochen worden. An dieser Stelle habe ich nur ein Wort
über den Nominativ im Prädikat zu sagen, ein Gegenstand,
auf den ich übrigens in der Lehre vom Prädikat zurückkommen
werde. Über die Verwandlung des Akkusativs (gelegentlich
auch Dativs) der aktivischen Konstruktion in den Nominativ
der passivischen wird bei dem Passivum gehandelt werden.
Der Nominativ im Prädikat. Ein solcher findet sich
ın den arischen Sprachen (vgl. SF. 5, 103) ausser bei as, ah
sein bei Verben, welche bedeuten werden: &irasah sänto dSiva
abhüvan freundlich seiend sind sie unfreundlich geworden. Ap.
394 Kap. X. Der Vokativ. [$ 186—187.
adam ksäyathiya abavam ich wurde König (vgl. Spiegel, Gr. 408) ;
scheinen: ai. gükama m& achadayan sie schienen mir Rinder
begehrend ; av. ya me vaßnarte huraoda welche mir schöngewachsen
scheint y. 11,10; sich vorkommen, sich dünken: ai. sömam
manyalö papivan er glaubt, Soma getrunken zu haben; av. nagda
manyete jaynvd er glaubt nicht, getötet zu haben yt. 10, 71;
nennen: ai. durge hantävocathah du hast dich als Retter in der
Gefahr bezeichnet; samgrahitäro vadante sie geben sich aus als
Wagenlenker; av. Pwöi staotarasca mapranasca ahurä mazda aoge-
madatca usmahtca visamadagca deine Lobpreiser und Prediger
rühmen wir uns und wünschen und wollen dies y. 41, 5 (also
ohne elvaı); fravaräng mazdayasno ich will mich bekennen als
Mazdagläubiger y. 1, 23. An die genannten Verba schliessen
sich die Passiva von ‘nennen’, z.B. av. aftayä urvarayd yä vaoce
hadanagpata jenes Krautes, welches H. heisst vd. 14,4; ai. orsa
hy ügra Srnvife denn als Stier bist du, o Starker, berühmt
RV. 8, 6, 14 (vgl. dazu Bartholomae, KZ. 28, 8).
Dasselbe findet sich in den übrigen Sprachen, so im Ger-
manischen (Grimm 4, 589ff.), z. B. got. sah vatrpip mikıls
jah sunus hauhistins hatlada oöros Eoraı yeyas xal ulös Örblorou
xAndnoerar Luk. 1, 32; altn. ef madr er garr skögarmadr wenn
ein Mann zum Waldmann (Ausgestossenen) gemacht wird, vgl.
Lund 48. Über das Baltisch-Slavische ist $ 122 gehandelt,
wo gezeigt worden ist, wie viel Abbruch der Instrumentalis
dem aus idg. Zeit überlieferten Nominativ gethan hat. Über
andere Konkurrenz, welcher der Nominativ ausgesetzt gewesen
ist, wird in der Lehre von dem Prädikat zu handeln sein.
Der Vokativ.
$ 187. Der Vokativ mit attributiven Wörtern (vgl.
Haskell, Vocativ-Accent in the Veda, Journ. Am.Or.Soc. 11,87 ff.,
SF. 5, 33ff.).
SF. 5, 33 habe ich mich so geäussert: “Ein Vokativ am
Anfang eines Satzes ist betont und zwar auf der ersten Silbe.
Wenn ihm ein Verbum folgt, so ist auch dieses betont, z. B.
devä jivata Götter! lebt AV. 19, 70,1. Man muss also, genau
$ 187.] Kap. X. Der Vokativ mit attributiven Wörtern. 395
genommen, sagen, dass ein solcher Vokativ einen Satz für sich
bildet, hinter welchem ein neuer Satz beginnt. Dagegen ein
Vokativ am Satzende oder im Satzinnern ist unbetont. Wenn
letzterem ein Verbum folgt, so ist dieses unbetont, z. B. asme
u gu vrfanä mädaystham bei uns, ihr beiden Helden, ergötzt
euch RV. 1, 184, 2. Ein solcher Vokativ ist also ein unbetontes
Einschiebsel oder Anhängsel.” In den anderen Sprachen wird
es sich nicht anders verhalten, doch ist das Verhältnis nirgends
so in der Schreibung zum Ausdruck gekommen,!) wie im Alt-
indischen. Einem Vokativ also kann sich ein Verbum nicht in
der Weise anschliessen, wie es sich anderen Kasus anschliesst,
wohl aber können sich an ihn attributive Wörter anlehnen,
und zwar Genitive, Adjektiva, Substantiva in Apposition, z. B.
ai. suno sahasah Sohn der Kraft. Ein solcher Genitiv ist wie
der Vokatıv unbetont, falls er nicht den Satz eröffnet. Im
Griechischen Au; texos u. ähnl. (natürlich ohne irgend eine
Besonderheit des Accentes, von der uns im Griechischen nichts
überliefert ist). Beispiele für Adjektiva?): ai. p&roya hötar alter
Priester RV. 1, 26, 5, sakhe vasö guter Freund 1, 30, 10 und
vieles derart bei Haskell S. 62. Ebenso bei Homer: gÜle xa-
alyınte, oÖAe Överpe, alvörare Kpovlör, y&pov plle u.s.w. Beispiele
der Apposition sind: söma räjan Soma! König! RV. 8, 48, 7
und räjan söma 1, 91, 4, indra väjanam patö Indra, Herr der
Beute 6, 45, 10. Aus Homer gehören dahin: ”Hpn rpeoßa Bea
düyarep ney@loıo Kpdvoro; ’Arpetön Meveias, ötotpepss, öpyape Aawv
1) Für die Satznatur des Vokativs auch bei Homer spricht die That-
sache, dass Wörter, die an die zweite Stelle gehören, wie dö£ nicht unmittel-
bar hinter dem Vok. eines Subst. stehen können, vgl. 'Arpetön, cd d& ade
A 282.
2) SF. 5, 34 habe ich behauptet, ein Adjektivum sei nur dann un-
betont, wenn es dem substantivischen Vokativ folge. Stehe es vorn, so sei
es betont. Man schreibe also im Satzinnern vißve deväh, nicht vi$vs deväh.
Dazu bemerkt Whitney, Am. Journ. of Phil. Vol. XIH, No. 3, 8. 277: “the
alleged rule must be, I think, either an out-and-out mistake, or founded
insufficiently on one or two anomalous examples, of doubtful correcetness”.
In der That liegt ein out-and-out mistake vor, für dessen Aufdeckung
ich Whitney dankbar bin. Im Satzinnern erscheint nur der Typus vißve
deväh, wonach ich a. a. O. zu verbessern bitte.
396 Kap. X. Vok. und Nom. durch und verbunden. [$ 187—188.
und ähnliche feierliche Anreden, welche Helbig, das home-
rische Epos? 260 ff., zusammengestellt hat.
Die attrıbutiven Wörter stehen im RV. stets ım Vokatıv,
meist auch bei Homer. Doch findet sich dort auch das attri-
butive Wort im Nominativ, z. B. p{lo: & Mev&lae A 189. In
den baltisch-slavischen und germanischen Sprachen ist diese letz-
tere Gewohnheit durchgedrungen. Zwar im Altkirchenslavischen
finden sich noch Vokative der alten Form, z. B. Fartseju slepe
blinder Pharisäer, premtlostive gospodi gnädiger Gott u. ähnl.
(Leskien, Handbuch? 72), aber im Litauischen und Germa-
nischen hat das Adjektivum keine gesonderte Vokativform mehr,
vgl. $ 200 und 201 und die Lehre von der Kongruenz.
$188. Vokativ und Nominativ durch und ver-
bunden.
Zwei Vokative können ım RV., so viel ich sehe, nicht
durch ca verbunden werden, was auch nicht unnatürlich ist,
da ca Satzglieder zu einander in Beziehung setzt, die Vokative
aber nicht Satzglieder im eigentlichen Sinne des Wortes sind.
Wo eine solche Verbindung wünschenswerth erscheint und die
einfache unverbundene Nebeneinanderstellung nicht beliebt
wird, wird der zweite Begriff entweder in den nach der Kon-
struktion möglichen obliquen Kasus gesetzt, z. B.: ıyam vam
brahmanas patö suurktir brahmendräya vajrins akari hier ist
euch beiden, dir, o Brahmanaspati, und (demj Indra ein Lied
und eine Andacht bereitet worden RV. 7, 97, 9; ta urdä man-
yeus mahya mazda a$äica yusmatbya gerez& diese Worte meines
Grimmes klage ich euch, dir o Mazda und (dem) A3a y. 32, 9;
oder wo ein obliquer Kasus nicht möglich ist, tritt der Nominativ
für den zweiten Vok. ein, z. B. vayav indraS ca cätathah Vayu
und Indra ihr habt acht RV. 1, 2, 5. Doch kann die Ordnung
auch umgedreht werden, z. B. indra3 ca sömam pibatam brhas-
pat? Indra und Brhaspati trinkt den Soma 4, 50, 10; frö vä
fratsya mazdä asemcä ich bitte euch, Mazda und ASa y. 49, 6.
Vgl. hinsichtlich des Veda SF. 5, 105 und hinsichtlich des
Gathadialekts (wo allein die Konstruktion vorzuliegen scheint)
Geldner, BB. 15, 255, Caland, KZ. 30, 544. Der letztgenannte
$ 188—189.] Kap. X. DerNom.für den Vok. und der Vok. für denNom. 397
Gelehrte stellt die Nominative mit den obliquen Kasus gänz-
lich auf eine Stufe, indem er meint, Anreden wie vdruna
mitrd$ ca seien zu erklären aus yuodm varuna mitrdca und
der Nominativ mitras (so verstehe ich ihn wenigstens) habe
sich nach dem Nominative yuvdam ebenso gerichtet, wie der
Dativ indraya nach dem Dativ vam. Ich ziehe die hier mit-
getheilte Auffassung vor, schon deshalb, weil ich nicht zugeben
kann, dass in ysodm ein wirklicher Nominativ (sondern eher
ein Vokativ) zu erkennen sei. Mit den vedischen Stellen
wie väyav indra5 ca hat Rosen und nach ihm viele andere
T 276 verglichen: Zeö narep "Iöndev peötwv, xudLote weyıore,
his 9 ds navr Epopds nal navt &raxobeıs. Vielleicht ist auch
7406 Ööyarep zu lesen. Daneben kommen in unseren Texten
auch Vokative vor, die durch te verbunden sind, so Alav ’löo-
ueved te. Ob hier mit Cobet (den Monro? 156 anführt) Atas zu
lesen sei, lasse ich dahingestellt.
$ 189. Der Nominativ für den Vokativ und der
Vokativ für den Nominativ.
Wir haben $ 73 gesehen, dass der Nominativ vermuthlich
schon in der Ursprache im Singular einiger Stammklassen und
im ganzen Plural für den nicht gebildeten Vokativ verwendet
worden ist. Ferner haben wir oben gesehen (worüber bei der
Apposition noch weiter gesprochen werden soll), dass der attrı-
butive Vokativ durch den Nominativ ersetzt werden kann. Es
tritt aber gelegentlich der Nominativ auch bei den Wörtern,
welche einen Vokativ bilden können, und in nicht attributiver
Verwendung für den Vokativ ein. Im Altindischen freilich habe
ich das nicht gefunden, im Griechischen wird z. B. {los so
gebraucht (Kühner 22, 43). Im Lateinischen findet sich Vok.
und Nom. neben einander, z. B. da meus ocellus, mea rosa, mi
anıme, mea voluptas, Leonsda argentum mihi (Plautus Asin. 664).
Vermuthlich heisst doch meus ocellus ursprünglich so viel wie
‘der du mein Augapfel bist’ (so dass also eine Konstruktion vor-
läge wie olvoßap&;, xuvös dupar’ Zywy A 225). Auch in der alter-
thümelnden Formel bei Livius 1, 24, 7 aude tu populus Albanus
ist der Nom. wohl ebenso zu fassen. Nach den Angaben der
398 Kap. X. Artikel und Vokativ. [$ 189—190.
Grammatiken steht der Nominativ bei feierlichen Anreden, was
ich dahingestellt sein lasse. Dass die Wahl des Nominativs an
sich auch durch ganz andere Rücksichten bestimmt sein kann
als die Rücksicht auf Feierlichkeit, beweist das Polnische, hin-
sichtlich dessen L. W. Smith, Poln. Gramm.?, 183 sagt: “Der
Vokativ ist dem Polen nicht so geläufig, wie man aus der stark
ausgeprägten Form vermuthen sollte; der Nom. kann ihn oft
vertreten. Wenn man jemand, z. B. einen Diener, beim Tauf-
namen ruft, gebraucht man oft den Nom. Franciszek, Jözef,
aber der Vok. Franciszku, Jözefie ist höflicher.” Offenbar heisst
Jözef so viel als ‘der Josef (soll kommen)’.
Auf der anderen Seite werden zweifellos Vokative von
Eigennamen und Titeln nominativisch gebraucht. So im Ser-
bischen, woraus Leskien in Kuhn und Schleicher’s Beiträgen
6, 173 als Belege für eine ungemein häufige Erscheinung an-
führt: Kad to cuo Kraljevicu Marko als das hörte Kraljevic
Marko (Nom. wäre Kraljevit); netko bjese Strahinidu bane, bjese
bane u malenoj Banjskoj es war ein Ban Strahinic, war Ban im
kleinen Banjska. Das ist nicht anders, als wenn ein Erzieher
bei Walter Scott von seiner Umgebung als der Domine be-
zeichnet wird. Dass Jupiter so zu deuten sei, wird jetzt wohl
allgemein angenommen, und auch die griechischen Amtsbe-
zeichnungen wie ı;röta, vepsAnyepfta u. 8. w. sind gewiss ebenso
zu deuten. (Über eöpdora vgl. J. Schmidt, Pluralb. 400 ff.,
über die ganze Frage ausser der dort angeführten Literatur
Zimmer, KZ. 32, 190 ff.).
Gelegentlich kann der Vokativ durch eine Art von Attraktion
auch dazu kommen, prädikativ gebraucht zu werden. So ai.
(SF. 5, 106) gäutama bruväna o du, der du dich Gautama nennst.
Für das Griechische pflegen die Grammatiken anzuführen dAßıe
xöpe ye&voro (Theokrit), für das Lateinische seu Jane libenttus
audıs (Horaz) u. ähnl., vgl. Kühner 22, 45.
8190. Artikel und Vokativ.
Bezzenberger schreibt in seinen Beiträgen 13, 290: “Jacob
Grimm lehrt Gramm. IV, 383: “Der Vokativ erträgt keinen
Artikel, und wo er ihn in jüngeren Sprachen annimmt, da
& 190.) Kap. X. Artikel und Vokativ. 399
liegt eine Vertretung der zweiten Person durch die dritte zu
Grunde’. Im Gegensatz hierzu nehme ich an, dass die Ver-
bindung des Vokativs mit dem Artikel, bez. einem Pronomen
demonstr. uralt und sogar uralte Regel ist, und dass das Ge-
setz, nach welchem ein mit einem Vokatıv verbundenes Ad-
jektiv im Germanischen in der schwachen, in den lituslavi-
schen Sprachen in der definiten Form erscheint — vgl. got.
laisarı Piubeiga guter Lehrer, ahd. druhtin guato guter Herr,
lit. miftrai gerafis guter Meister, lett. mila mdsa liebe Schwester,
ksl. dodryj rabe guter Knecht — nur eine Folge jener Regel
ist. In den Veden ist jene Verbindung bekanntlich überaus
häufig, vgl. z. B. sd nö vrgann amim carim... dpa vrdhi 0
unser Gewaltiger, decke auf jenen Topf RV. 1, 7, 6, sd nah
pavaka didivö ’gna devan iha vaha o unser leuchtender Reiniger!
Agni! bring die Götter her, das. 12,10”. So Bezzenberger. Nach
meiner Ansicht liegt die Sache anders. Das Pronomen sd erscheint
im RV. häufig bei der zweiten Person des Verbums, z. B. yds
takynoh prathamdm süsy ukthyah du, der du dies zuerst gethan
hast, bist zu preisen 2, 13, 2, am gewöhnlichsten bei Formen
imperativischer Bedeutung, z. B. fvdm vajasya $rütyasya rajasi
sa no myla du gebietest über herrliches Besitzthum, sei du uns
gnädig 1, 36, 12, semdm nö adhvardm yaja besorge du unser
Opfer 1, 26, 1, neben dhäs z.B. 1, 54, 11, neben yak$i 2, 6, 8.
Neben sd erscheint todm, z. B. sd todm nö adyd sumanä ihavıta
bhava du sei uns heute hier ein gnädiger Helfer 1, 36, 2, oder
tcdam mitsammt dem Vokativ eines Substantivums, z. B. s@ todm
agne säubhagatväsya vidvan asmäkam äyuh prä tirehd deva du,
o Agni, der du des Glückes kundig bist, verlängere uns hier
unser Leben, o Gott 1, 94, 16. Oder es erscheint bloss der
Vokativ ohne tvdm, z. B. sd nah piteva sündve 'gne supäyand
bhava du, o Agni, sei uns zugänglich wie ein Vater dem Sohne
1,1, 9. Oder es erscheint ein Vokativ nebst einem Adjektivum,
2. B. s4 a vaha puruhüta präcetaso ’gne devar iha dravdt du
bring hierher, vielgerufener, die weisen Götter, o Agni, eilig
1,44, 1. Diesen mit s@ beginnenden, einen Vokativ enthalten-
den Sätzen steht nun aber eine ungezählte Menge von Vokativ-
400 Kap. XI. Das Adjektivum. [$ 190.
sätzen ohne s@ gegenüber (welche man bei Haskell, Journ. Am.
Or. Soc. 11, 57-ff. überschaut), so dass man meines Erachtens
von einer gewohnheitsmässigen Verbindung von sd mit dem
Vokativ nicht sprechen kann. Vielmehr wird man nur sagen
können, dass Imperativsätzen, welche mit s4 beginnen, ivdm oder
ein Vokativ eingefügt werden kann. Unter diesen Umständen
wird man sich nach einer anderen Erklärung für das Auf-
treten der schwachen, bez. definiten Form des Adj. bei dem
Vok. ın den germanischen und lituslavischen Sprachen um-
sehen müssen. Ich habe eine solche bei dem Adjektivum
$ 200 und 201 versucht.
Kapitel XI. Das Adjektivum.
Die Darstellung beginnt mit denjenigen Punkten, durch
welche das nominale Adjektivum als ein eigener Satztheil ge-
kennzeichnet wird. Dieses sind die Beschränkung auf gewisse
Stammbildungssuffixe, die Motionsfähigkeit, die Ausbildung
einer besonderen, aus der Urzeit herrührenden, Flexion im Ger-
manischen und Litauischen, die Fähigkeit gesteigert zu werden.
Den Eintheilungsgrund für das Übrige liefert die Thatsache,
dass die Adjektiva sich ın ihrem Gebrauch mit anderen Wort-
arten berühren. Zunächst mit den Substantiven. Es giebt
Adjektiva, welche aus Substantivis entstanden sind, und es
giebt Wörter, welche zwischen substantivischer und adjektivi-
scher Anwendung in der Mitte stehen. An diese schliessen
sich die schwachen (bestimmten) Adjektiva des Germanischen,
welche ja aus attributiven Substantiven hervorgegangen sind.
Diesen habe ich sofort die zusammengesetzten (bestimmten)
Adjektiva des Baltisch-Slavischen angeschlossen, da sie sich
zwar nicht ıhrem Ursprung, wohl aber ihrer Verwendung nach
mit den germanischen schwachen Adj. auf das nächste be-
rühren. Sodann findet eine Berührung statt mit den Zahl-
wörtern. Das ist der Fall bei den Wörtern vie}, wenig, halb,
$ 190—191.) Kap. XL. Stammbildung der Adjektiva. 401
mittel. Endlich mit den Adverbien. Damit meine ich z. B.
griechische Wörter wie hparıos am Tage.
Danach ergiebt sich folgendes Schema.
$ 191. Eigenthümlichkeiten der Adj. in bezug auf Stamm-
bildung.
$ 192. Motionsfähigkeit.
$ 193. Besondere Flexion, vorzüglich im Germanischen und
Litauischen.
$ 194. Steigerung der Adjektiva.
$ 195. Steigerung von Substantiven.
$ 196. Komparativ und Superlativ einander in Bedeutung
und Konstruktion berührend.
8 197. Vergleichung zweier Eigenschaften.
$ 198. Adjektiva aus Substantiven hervorgegangen.
$ 199. Attributive Substantiva.
$ 200. Die schwachen (bestimmten) Adjektiva des Ger-
manischen.
$ 201. Die zusammengesetzten (bestimmten) Adjektiva im
Baltisch-Slavischen.
$ 202. Rückblick auf die Adjektiva des Germanischen und
Baltisch-Slavischen.
$ 203. Adjektivum und Genitiv im Slavischen.
$ 204. Vergleichung mit den anderen Sprachen.
$ 205. Adjektivum und Zahlwort.
$ 206. Adjektivum und Adverbium.
$ 191. Eigenthümlichkeit der Adjektiva in bezug
auf die Stammbildung.
Im Arischen und Griechischen sind die Ausgänge der Ad-
jektivstämme recht mannigfaltig. Es finden sich nicht nur
Stämme auf Vokale, sondern auch solche auf », 2. B. ai. yıvan
jung, pivan fett, gr. rlwv, welas; auf s, 2. B. ai. apds kunst-
reich, neben dpas Werk, vedhds fromm, gr. oapns, ferner auf
nt, die Adj. auf vant, fevr. Von diesen Adj. sind einige, wie
die auf » und s vielleicht erst aus Substantiven hervorgegangen,
doch wird der Prozess der Adjektivierung jedenfalls schon in
Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm. Sprachen. 1. 26
402 Kap. XI. Motionsfähigkeit der Adjektiva. [$ 191—192.
der Ursprache begonnen haben. Andere, wie z. B. die auf
vant, fevr treten uns von Anfang an als Adjektiva entgegen.
Dazu kommen dann noch die Partizipia und Komparative.
Was aus diesem Reichthum in den andern Sprachen geworden
ist, übersehe man bei Osthoff, Forschungen im Gebiete der
indogermanischen nominalen Stammbildung 2, 38 ff. Die kon-
sonantischen sind, bis auf geringe Reste ım Lateinischen, ver-
schwunden. Die u-Stämme sind ım Lateinischen in die :-
Deklination übergetreten, im Slavischen und Germanischen
(bis auf geringe Reste im Gotischen! in die o-Deklination auf-
gegangen, dagegen erhalten im Litauischen. Die +-Stämme,
überhaupt von Anfang an nicht sehr zahlreich, sind, wenn
man von unbedeutenden Resten im Gotischen und Litauischen
(didis) absieht, nur im Lateinischen erhalten und haben sich
hier sogar über ihr ursprüngliches Gebiet weit ausgedehnt.
Es finden sich also in den europäischen Sprachen (ausser dem
Griechischen) wesentlich nur o-Stämme, wozu im Lateinischen
noch :-Stämme, im Litauischen «-Stämme kommen. Die »-
Deklination des Germanischen — die sog. schwache — stammt,
wie unten ausgeführt werden soll, von den attributiven Sub-
stantiven.
$ 192. Motionsfähigkeit.
Hinsichtlich der Motionsfähigkeit ist ebenso wie hin-
sichtlich der Stammsuffixe zu bemerken, dass das Arische und
Griechische im wesentlichen den ursprünglichen Zustand be-
wahrt haben dürften. In diesen Sprachen verhält es sich
so: Das Neutrum unterscheidet sich überall vom Masku-
linum in der bekannten Weise. Die Feminina der o-Stämme
haben den Ausgang z, so dass also z. B. in paxpos, paxpe,
poxpov der idg. Zustand vorliegt. Freilich zeigt sich sowohl
auf dem asiatischen wie auf dem europäischen Gebiet je eine
bedeutende Abweichung. Im Altindischen und Avestischen
nämlich ist das Femininsuffix i, welches ursprünglich substan-
tivisch war und dann sich unter den adjektivischen Nicht-o-
Stämmen ausbreitete, auch in das Gebiet der o-Stämme ein-
gedrungen (vgl. über dasselbe Brugmann 2, 313 ff.). Eine feste
$ 192.) Kap. XI. Motionsfähigkeit der Adjektiva. 403
Regel für die Abgrenzung des Gebietes von @ und ? hat sich
bis jetzt nicht aufstellen lassen (vgl. darüber Whitney, Gramm.
$ 332, Liebich, Pänini 102 ff., Spiegel, Gramm. 301 ff.), doch
gestattet das von Whitney beigebrachte Material (wie mir
scheint), auszusprechen, dass ? überall bevorzugt wurde, wo eine
Hinneigung des Wortes zum substantivischen !) oder parti-
zipialen Sinne vorlag, und es lässt sich weiter vermuthen, dass
bei den anderen Adjektiven die Führung den Wörtern wie
däivya zufiel, deren Fem. daivi wahrscheinlich ein auf Kon-
traktion beruhendes ? enthält. Im Griechischen andererseits
fallen die zahlreichen o-Stämme auf, deren Femininum auf os
endigt (vgl. Kühner-Blass $ 147). Ich weiss dem, was ich über
dieselben SF. 4, 63 ff. bemerkt habe, kaum etwas hinzuzufügen,
bin also auch jetzt noch der Meinung, dass Wörter wie 7ouyos
und &wAos wohl eigentlich Substantiva waren, dass auf die
mehrsilbigen Adj. die Komposita verführerisch einwirkten,
welche ihr Fem. naturgemäss auf o; bildeten, und dass endlich
auch die Rücksicht auf das Metrum gelegentlich zur Geltung
gekommen ist. Alle übrigen, also alle Nicht-o-Stämme haben
entweder kein Femininzeichen, oder das schon erwähnte 3,
gr. ıa. Es ist ausnahmlos vorhanden bei den Partizipien und
bei den Adjektiven auf »? (auch bei denen auf ın im Sanskrit).
Es überwiegt bei den v-Stämmen (vgl. Whitney $ 344b, Kühner-
Blass $ 127, Anm. 2). Nicht angetreten ist ? bei den wenigen
Adjektiven, welche :-Stämme sind, ferner nicht bei den Wör-
tern auf s wie apds, Nom. apäs werkthätig, gr. saprc.?) Ver-
muthlich wurden sie noch als Substantiva empfunden. Ebenso
mag es sich mit den wenigen auf ai. ar verhalten. Die mit
dem Suffix var gebildeten haben im Fem. varı, z. B. yayvan,
-vari fromm, plvan, -vari fett (vgl. Lanman, noun-infl. 527);
yivan jung hat als Fem. neben sich yuvatıi. Es lässt sich wohl
1) Man sehe z. B. die Feminina drufi und Syävi bei Grassmann.
2) Wie es sich mit den Komparativen verhalten haben mag, lässt sich
nicht mit Bestimmtheit sagen, da das Arische und das Griechische in dieser
Beziehung nicht übereinstimmen.
26*
404 Kap. XI. Motionsfähigkeit der Adjektiva. [$ 192.
annehmen, dass die leitenden unter diesen Wörtern ursprüng-
lich Substantiva waren (Opferer, Jüngling), die dann adjektivi-
schen Gebrauch erhielten. Im Griech. ıst die Adjektivnatur
dieser Wörter fester ausgeprägt, doch finden wir rtalav bei
Aristophanes auch als Anrede an Frauen gebraucht (Unglücks-
wesen’). Dem ai. pivan, -vari entspricht riwv, risıpa u. ähnl.,
in anderen Fällen ist bei der Bildung des Femininums der
auch im Maskulinum erscheinende Stamm zu Grunde gelegt,
z. B. p&laıva.
Einfacher liegen die Dinge in den übrigen Sprachen. Im
Lateinischen setzen die o-Stämme den idg. Zustand fort.
Die t-Stämme, zu denen sich ja auch die v-Stämme und — mit
ganz wenigen Ausnahmen — die konsonantischen gesellt haben,
unterscheiden das Mask. und das Fem. nicht. Nur bei den
Wörtern wie acer, acris, acre ist in der Schriftsprache eine
Unterscheidung hergestellt worden, offenbar in nachahmender
Anlehnung an Wörter wie asper, aspera, asperum. Die Merk-
würdigkeit des Lateinischen sind die Neutra mit s wie prae-
ceps, dives, atroxz, amans u.8. w. Ich werde auf dieselben in
dem Abschnitt über die attributiven Substantiva ($ 199) eingehen.
Im Germanischen hat sich bei den o-Stämmen die Drei-
geschlechtigkeit erhalten und die neu hinzugekommenen
n-Stämme sind dem entsprechend gestaltet worden. Die übri-
gen Stämme kommen so gut wie nicht in betracht, doch sei
erwähnt, dass im Gotischen noch die Feminina Zulgus fest und
Paursus verdorrt belegt sind. Im Litauischen ist das Neu-
trum, wie überhaupt, so auch bei dem Adj., bis auf schwache
Reste verloren gegangen, wovon sogleich gehandelt werden
soll. Das Femininum ist bei den o-Stämmen rein erhalten
geblieben, z. B. geras, gerd gut, die io-Stämme haben gewisse
lautliche Veränderungen erlitten, und das Femininum derselben
ist in die u-Stämme eingedrungen, z. B. saldıs, saldi süss. Im
Altkirchenslavischen und im allgemeinen auch in den
übrıgen slavischen Sprachen ist die Motionsfähigkeit der dort
fast allein noch vorhandenen o-Stämme erhalten geblieben.
Über die erstarrten Adj. auf % s. unten.
$ 192.) Kap. XI. Motionsfähigkeit der Adjektiva. 405
Eine Verkümmerung hat die Beweglichkeit des Adjek-
tivums im Germanischen und Litauischen erfahren, im Ger-
manischen, weil eine Neutralform, welche den Eindruck der
Flexionslosigkeit macht, sich immer mehr ausgebreitet hat,
im Litauischen, weil das Neutrum bis auf geringe Reste ver-
schwunden ist. Über den Vorgang im Germanischen hat
Grimm 4, 460ff. gehandelt. Was an seiner Darstellung vom
sprachwissenschaftlichen Standpunkt aus zu verbessern war,
ist von Leo Meyer, über die Flexion der Adjektiva im Deut-
schen, Berlin 1863, beigebracht worden. Ich führe hier aus
dem Gotischen, Althochdeutschen und Mittelhochdeutschen nur
so viel an, als nöthig ist, um den Fortgang der Erscheinung
anschaulich zu machen. Im Gotischen giebt es eine kurze
Form des Nom. Akk. sing. neutr. der Adj., z. B. full zu fulls
vol. Diese ist aus einem indogermanischen *plndm ent-
standen, also die direkte Fortsetzung der Urform. Daneben
hat sich eine längere, z. B. fullata, ausgebildet, welche in An-
lehnung an das Pronomen, z. B. fata, entstanden ist. Diese
beiden Formen kommen im attributiven Gebrauch in gleicher
Anwendung vor, z. B. nım bata badi bein oder Peinata nimm
dein Bett, agis mikil grosse Angst und Akelikn mikilata einen
grossen Thurm. Doch sind die kurzen Formen etwa fünf Mal
so häufig als die langen. Anders gestaltet sich die Sache bei
dem prädikativen Gebrauch des Adj. Dort herrscht die kurze
Form durchaus (nur Römer 7, 12 wird als Ausnahme angeführt),
z.B. goß salt das Salz ist gut, jabai salt baud vaırfıp wenn
das Salz dumm wird. Der Grund der verschiedenen Behand-
lung ist einleuchtend: das Adj. erhielt die pronominale Flexion
in derjenigen Anwendung, welche es von dem Substantivum
am deutlichsten unterscheidet, nämlich der attributiven, in die
prädikative Anwendung aber, in welcher das Adj. ja weit
weniger unselbständig erscheint, ist die neuerworbene Flexion
nicht gedrungen. Die kurze Form nun in ihrer Unbezeichnet-
heit konnte sich leichter ausbreiten als eine Form, der man
Genus, Numerus und Kasus anmerkt, sie konnte daher weiter
dringen, und das geschah im Althochdeutschen. Dort drang
406 Kap. XI. Motionsfähigkeit der Adjektiva. [$ 192.
sie ım attributiven Gebrauch auch ın die anderen Genera,
man konnte also nicht bloss Aub And min, sondern auch in
Nachahmung dessen guot man, wih tohter sagen, wenn auch
die gewöhnlichen Formen daneben vorkommen. Im prädi-
kativen Gebrauch aber eroberte sie auch den Plural. Es heisst
also im Sing.: iA bin arm, breit ist phorta inti wit weg, diu
erda ist fol; im Plur.: daz wir bırun al gilich, sie sint gotes
worto flizig, beidiu sint sie arm unde durftig. Doch kommen
ebenso gut auch die vollen Formen vor. Nothwendig ist die
kurze Form nur da, wo ein unbestimmtes Neutrum steht und
das Subjekt garnicht bezeichnet ist, z. B. guot ist uns. Einen
Schritt weiter geht man, indem man die kurze Form auch auf
den prädikativen Akkusativ überträgt, z. B. du findist fol
den salmon fon desen dingon. Gewöhnlich aber ist die dem
Akk. auch sonst gebührende Form, z. B. sinan stuol haz er
stalan. Für den attributiven Gebrauch im Mittelhochdeutschen
fasst Grimm S. 485 die Regel so zusammen: “es heisst meisten-
theils guot man, guotiu frouwe, guot kint; eın frum man, ein
Frumi frouwe, ein frum kint, kann aber auch heissen guwoter
man, ein frumer man, so wie guot frouwe, ein frum frouwe.
“ Mehırsilbige zumal die auf ec, esch, lich weichen der Flexion
aus. Für einzelne Ausdrücke hat sich auch durch Gewohnheit
bald die eine, bald die andere Form festgesetzt”. Häufig sind
die kurzen Formen bei Nachstellung des Adj., z. B. der knappe
wert, und in diesem Falle sind auch die obliquen Kasus an-
gesteckt worden, 2. B. den apfel riche, an deme himele wit,
man pflac des heldes unverzagt u. s. w. In der prädikativen
Anwendung erscheinen der Nom., der Sing. und Plur. in der
Regel in der kurzen Form, z. B. daz du bist biters eiters vol,
do si des wurtin sat, doch kommt auch vor: nides was er voller,
daz er sater was. Der prädikative Akk. kann die kurze Form
haben, z. B. er schuof daz becke vol des brunnen, hat aber
häufiger die längere, z. B. er leit ın töten uffez gras (494). Im
Neuhochdeutschen endlich ist eine scharfe Scheidung zwischen
dem attributiven und dem prädikativen Gebrauch eingetreten.
Der erstere hat fast durchaus die volle, der letztere (mit ganz
$ 192.) Kap. XI. Motionsfähigkeit der Adjektiva. 407
geringen Ausnahmen, wie voller) die kurze Form, ebenso auch
der prädikative Akkusativ, der vielfach resultativen Sinn an-
genommen hat. Wir sagen ja nicht nur er lässt ihn tot legen,
sondern auch er schlägt ıhn tot, weint sich satt, weint sich die
Augen roth u. s. w. (vgl. Paul, Prinzipien? 127).
Mit der prädikativen Verwendung scheint auch eine Ver-
kümmerung der Flexion, welche sich im Altnordischen findet,
zusammenzuhängen. Dort giebt es eine grosse Menge meist
zusammengesetzter und nur in der schwachen Form gebräuch-
licher Adjektiva, welche entweder in allen Kasus auf a, oder
im Nom. sing. mask. auf :, in den übrigen Kasus aber auf a
endigen (vgl. Wimmer, altn. Gr. $ 85, G. Vigfusson, icel.-engl.
Diet. XX). Manche dieser Wörter stehen ın der Mitte zwi-
schen Adjektiven und Substantiven, z. B. etdrofa eidbrüchig,
Eidbrecher. Ich finde dieses Wort auf « ausgehend im prä-
dikativen Gebrauch, so: Ave gardu mik Gyuka arfar üstalausa
ok eidrofa wie mich die Erben des Gjuki liebelos und eid-
brüchig machten Helr. 5, mit sen z. B. nu erum ver eidrofa
nun sind wir eidbrüchig (Wilken 203, 24); dagegen als Sub-
jekt lautet der Nom. plur. auf ar: vada eidrofar ok mordvargar
es schreiten die Eidbrecher und Meuchelmörder (Wilken 88, 8).
Prädikativisch erscheint frumvazti in oA er Sinfjotli er frumvaztı
und da S. erwachsen ist (Wilken 160, 17). Über den Gebrauch
der übrigen, und namentlich auch der nicht zusammengesetzten,
werden uns wohl die Kenner belehren. Im Litauischen (vgl.
Schleicher 257, Kurschat $ 780 und 1340 ff.) ist das Neutrum
der Substantiva verloren gegangen. Damit kommen die Neutra
der Adjektiva, welche sich an ein Substantivum anlehnen, von
selbst mit in Wegfall. Es war aber natürlich, dass das Neu-
trum des Adj. dann blieb, wenn ein Substantivum, an welches
es sich anlehnen könnte, nicht vorhanden war, also wenn das
Adj. prädikativ steht ın Sätzen mit unbestimmtem Subjekt, wie
z. B. ‘mir ist wohl‘. In derartigen Sätzen finden wir im Lit.
das alte echte Neutrum, z. B. eiti Jam sufku zu gehen ist ihm
schwer, män malonü mir ist es lieb. Eine Schwierigkeit ent-
steht bei den o-Stämmen. Bei diesen nämlich können nur
408 Kap. XI. Motionsfähigkeit der Adjektiva. [$ 192.
die mit beweglichem Accent das Femininum äusserlich von
dem Neutrum unterscheiden (z. B. bei geras gut, Fem. gerö,
Neutr. gera), während bei den mit festem Tone (z. B. meilingas
lieblich) beide Formen meilinga lauten würden. Danach dürften
die Ausdrücke wie man gera!), oder wie man nach Kurschat
im Volksmund vielmehr sagt man ger mir ist gut, Jdm pikt
ihm ist unwohl als Neutra zu erklären sein, aber in einem
Satze wie Zai meilinga das ist lieblich kann man nicht erkennen,
welchem Genus meslinga angehört. Syntaktisch genommen ist
es nicht unmöglich, meilinga als Fem. aufzufassen, denn neben
dem Neutrum tritt in diesen Ausdrücken das Fem. konkurrie-
rend und vordringend auf. So sagt man neben man szdlt mir
ist kalt: szianden szaltd heute ist es kalt?), ebenso szianden tızi
eiti heute ist es glitschig zu gehen, jat szväsi es ıst schon hell.
So auch bei Komparativen und Superlativen, z.B. sziafden sziltesne
heute ist es am heissesten. Es lässt sich nicht sicher sagen, wie
das Femininum, das auch in einigen slavischen Sprachen so
vorliegt, zu diesem Gebrauch gekommen sei (vgl. J. Schmidt,
Pluralb. 32), mir scheint die Meinung Kurschat’s, dass bei ei-
nigen der genannten Wendungen die Ellipse eines fem. Sub-
“ stantivums anzunehmen sei, z. B. in jJaü szoesi “es ist schon
hell’ die von dönd Tag, sehr wahrscheinlich, und es liegt nahe,
zu vermuthen, dass solchen Formen wie szv&si andere nachge-
bildet wurden, neben denen nun kein Substantivum mehr vor-
schwebte. Dass ein Bedürfnis für eine Adjektivform vorhanden
war, welche das aus dem Bewusstsein schwindende oder ge-
schwundene Neutrum ersetzen konnte, liegt auf der Hand.
Zu dem Neutrum, so weit es noch vorhanden ist, und dem
Femininum tritt im prädikativen Gebrauch im Litauischen auch
noch das Adverbium, und zwar dann, wenn fat das Subjekt
- on nn on
1) Freilich ist man noch im Zweifel, wie der Endvokal in Formen wie
gera lautlich zu erklären sei (vgl. Brugmann 2, 265). Aber gegen die An-
nahme, dass sie Neutra seien, lässt sich aus diesem Zweifel ein Bedenken
nicht ableiten.
2) Nach Brugmann 2, 565 freilich wäre szalta überhaupt keine Adjektiv-
form, sondern ein femininisches Abstraktum, also ‘heute ist Kälte’.
$ 192.] Kap. XI. Motionsfähigkeit der Adjektiva. 409
ist, z. B. Zui gerai das ist gut (vgl. auch noch J. Schmidt,
Pluralb. 162).
In einigen Sprachen giebt es auch Adjektiva ohne alle
Flexion. Dahin gehören aus dem Altıindischen die merk-
würdigen Formen praSan, pralän, pradan. Praan ist belegt
aus SB. 3,1, 3, 10: drur vai pürufasyakfı prajäan mäma wund
ist das Auge des Menschen, heil das meinige, sodann gewähr-
leistet durch Pänini 8, 3, 7, wo gelehrt wird, dass das nr von
pra3an nicht dieselben Schicksale hat, wie das » von Nomina-
tiven wie bhavän, da es heisst: bhavgschädayati, aber pra-
Sähchadayati. Pratän und pradän kennen wir nur aus späterer
grammatischer Überlieferung. Die indischen Gelehrten haben
erkannt, dass die genannten Wörter zu den Wurzeln $am, tam,
dam gehören; ob nun aber eine Stammform praam oder pra-
$aäm mit einem Nominativ pra$än, der dann erstarrt wäre, an-
zusetzen ist, darüber ist man noch nicht in’s klare gekommen.
Als indeklinable Adjektiva aus dem Lateinischen führen
Schweizer-Surber $ 140 frugt, peregre, volup, damnas, necesse und
nequam an. Frugi dürfte ein Dativ, peregre ein Lokalis und
volup ein Nominativ sein, damnas ist aus damnatos entstanden,
hat sich in der Formel damnas esto gehalten, auch als die
übrigen Formen der gleichen Art auf as verschwunden waren,
und so konnte denn auch damnas sunto gebildet werden. Necesse
mit seinen verschiedenen Nebenformen ist vermuthlich ein Sub-
stantivum, das im prädikativen Ausdruck adjektivisch geworden
ist. Nequam endlich zeigt eine auffallende Ähnlichkeit der
Bildung mit pra$änim) u. s. w., wird also wohl mit diesem
zusammen seine Erklärung finden.
Im Altkirchenslavischen liegen vor eine Reihe von
indeklinablen Adjektiven auf ? wie svododi frei, razlıei ver-
schieden, ?splüni voll, sugubi doppelt, preprosti einfach (vgl.
Miklosich 2,55, Leskien, Handbuch? 72). So sagt man z.B.
(die Belege aus Miklosich’s Lexikon) Zena svobodi jesti otü
zakona die Frau ist vom Gesetze frei, da my otü grechü svo-
bodi bqdemü damit wir von Sünden frei werden und auch
attributiv svododt devicq ein freies Mädchen. Bei einigen —
410 Kap. XI. Besondere Flexion der Adj. im Germ. u. Lit. [$ 192—193.
so bemerkt Leskien? 94 —, z. B. bei svobodt und sugubi, ist es
zuweilen im Zusammenhang des Satzes kaum zu unterscheiden,
ob sie adjektivisch indeklinabel oder adverbiell zu fassen sind.
Über die Erklärung ist noch kein Einverständnis erreicht.
Leskien meint, es könnten erstarrte adjektivische Kasus, viel-
leicht aber auch Substantiva vorliegen, J. Schmidt, Pluralb. 63
entscheidet sich für die erstere Annahme.
$ 193. Besondere Flexion der Adjektiva, vorzüg-
lich im Germanischen und Litauischen.
Im allgemeinen werden in unseren Sprachen die Adjektiva
ebenso flektiert wie die Substantiva. In einigen aber findet
ein Einfluss der pronominalen Deklination auf die adjektivische
statt. So im Altindischen (vgl. Whitney $ 522ff.). Dort richten
sich Komparative und Superlative wie Aalard und Aatama,
yatard und yalama in ihrer Flexion völlig nach den Prono-
minibus As und yd, andere Wörter, z. B. viSva all, haben
ın der ausgebildeten Sprache in allen Kasus pronominale Bil-
dung, ausser im Nom. Akk. sing. des Neutrums, welcher viövam
lautet, nicht vr8vad; in der älteren Sprache kommen auch noch
andere nominal gebildete Kasus vor. Andere Wörter wieder
schwanken zwischen nominaler und pronominaler Flexion, wie
das bei Whitney des näheren gezeigt ist. Vielleicht sind An-
fänge dıeser Bewegung bereits in der Urzeit vorhanden gewesen,
sie haben sich aber in den meisten Sprachen, so z. B. im
Griechischen, Lateinischen, Slavischen, wieder verloren. Im
Germanischen und Litauischen aber hat die Bewegung die
sämmtlichen Adjektiva ergriffen, welche in diesen Sprachen
einen Theil ihrer Kasus nach der Weise der Pronomina bilden.
Dass auf diese Art (und nicht etwa durch Zusammensetzung)
das germanische ‘starke’ und das Litauische ‘unbestimmte’ Ad-
jektirum entstanden sind, ist von Sievers im zweiten Bande
von Paul und Braune’s Beiträgen und von Leskien, Deklin. 130 ff.
auf das klarste gezeigt worden. Eine Veränderung im Gebrauch
des Adjektirums war mit dieser Anbequemung an die pronomi-
nale Flexion nicht verbunden, es kam dadurch höchstens die
Auffassung der Adjektiva als einer für sich bestehenden Wortart
& 193—194.] Kap. XI. Steigerung der Adjektiva. 411
zu deutlicherem sprachlichen Ausdruck. Neben diesem Adjek-
tivum, welches also die einfache Fortsetzung des indogerma-
nischen ist, kamen aber im Germanischen sowohl, wie im
Litauischen neuere Bildungen auf, welche ein gewisses Gebiet
des Grebrauches für sich in Anspruch nahmen und dadurch das
Gebiet des alten Adjektivums verengten. Von diesen wird
$ 200—201 die Rede sein.
$ 194. Steigerung der Adjektiva.
Über die Bildung der Vergleichungsstufen ist bei Bopp 2,
$ 291 ff. und bei Brugmann 2, $ 139 ff. gehandelt worden. Aus
diesen Darstellungen, auf welche ich verweise, geht hervor,
dass die alten Bildungen sich überall, ausser auf dem letto-
slavischen Gebiet, in leidlicher Vollständigkeit erhalten haben.
Im Slavischen nämlich ist zwar der Komparativ geblieben, die
alte Superlativform aber geschwunden. Sie wird auf verschie-
dene Weise ersetzt: es kann der Komparatıv in seiner bestimm-
ten Form dafür eintreten (also wie ım Französischen), oder es
kann dem Komparativ die Partikel »a7 vortreten, über deren
Herkunft etwas Bestimmtes nicht ausgemacht ist (vgl. Bopp
$ 305, 3), oder es kann vor den Positiv das Wort ‘selbst’ treten,
z. B. russ. samaja Cistaya voda das reinste Wasser. Im Litau-
ischen ist der alte Komparativ in weiter gebildeter Gestalt er-
halten. Statt der alten Superlativbildung, die verloren ist, tritt
eine neue auf, über die ich nicht urtheilen mag. Im Lettischen
endlich (vgl. Bezzenberger, BB. 5, 98, Leskien, Bildung der
Nomina im Lit. 515) sind die alten Formen der Konkurrenz
einer Bildung erlegen, welche eine gewisse Verwandtschaft
der Bedeutung zeigt. Dort heisst z. B. zu gudrs klug, der Komp.
gudräks klüger, gudrakais der klügere und die letztere Form
wird auch im Sinne des Superlativs gebraucht. Man hat längst
erkannt, dass darin augmentative Adjektiva vorliegen, wie im
Litauischen gerökas ziemlich gut neben geras gut, didökas ziem-
lich gross neben didıs gross u. ähnl.
[Gelegentlich will ich hier, um zu zeigen, aus wie ver-
schiedenen Quellen die komparativische Bedeutung stam-
men kann, darauf hinweisen, dass im Litauischen dativische
412 Kap. XI. Grundbedeutungen der Komp.- u. Sup.-Suffixe. [$ 194.
Adverbia der Richtung sich dem komparativischen Sinne nähern
können. Ich thue es mit den Worten von J. Schmidt, KZ.
26, 400 “die Adverbia auf -yr, welche die Richtung ‘wohin’
bezeichnen, auksztyn in die Höhe, zemyrn nach unten u. a.
(Schleicher S. 293 ff., Kurschat $ 799) gewinnen, mit Verben der
Bewegung verbunden, einen an den Komparativ heranstreifen-
den Sinn, tolyn vazıüti weiter fahren, sidutumas tävo preszt-
ninku eiti jJü ılgyn Jü didyn das Toben deiner Widerwärtigen
wird je länger je grösser Psalm 74, 23, so Jaunyn, baltyn, dubyn,
durnyn, drutyn, geryn eili u. s. w. jünger, weisser, tiefer,
schlimmer, stärker, besser werden (eine Häufung solcher Ad-
verbia bietet die Daina bei Schleicher, Lesebuch 8. 45); das
Verbum der Bewegung kann auch fehlen, z. B. teip tas kelelis
siauryn so wurde das Weglein schmaler (Schleicher 135, 4)”.]
Was die Grundbedeutungen unserer Suffixe betrifft,
so ist so vie) klar (und auch von Brugmann richtig hervor-
gehoben), dass die Paare :ygs-i$fha und tara-tama — es sei
erlaubt, sie in der sanskritischen Form anzuführen — ursprüng-
lich verschiedenen Sinn hatten. Über das Paar iygqs-istha ist
von Whitney, Gr. $ 467 ff.!) und von mir SF. 5, 188 ff. gehan-
delt und dabei für das Altindische Folgendes ermittelt worden.
Die Formen auf iygqs-ı$tha sind zunächst partizipieller Natur
und sagen aus, dass an dem Substantivbegriff, zu dem sie in
ein attributives Verhältnis treten, die Verbalaktion in hervor-
ragender Weise zur Erscheinung kommt, z. B. avıstha am
meisten fördernd (arcatö brahmakrtim das Gebet des Frommen),
käri$tha am meisten verfertigend (asutim den Trank), gdmistha
und ägamistha aufs beste kommend, herankommend, cetistha
am hellsten glänzend, vicayı$tha am meisten wegräumend (dhas
die Noth), dhestha reichlich gebend (rdtnam Gut), tariygs leicht
durchdringend (nabhas die Wolke), mahiygs reichlicher gebend,
yajiyqs besser oder ausgezeichnet opfernd, tdyamiyqs besser
1) Durch Whitney’s Reklamation (American Journ. of Philol. Vol. XIII,
No. 3, S. 287) veranlasst, bemerke ich, dass ich dieses Zitat schon SF. 5, 188
hätte beibringen sollen.
$19%.] Kap. XL Grundbedeutungen der Komp.- u. Sup.-Sufixe.. 413
in die Höhe hebend (sakthi den Schenkel), vediygs besser fin-
dend, z. B. gäuräd vediyah avapanam die Tränke besser fin-
dend als ein Büffel. Die partizipielle Natur dieser und vieler
anderer Bildungen zeigt sich in dem Sinne, der verbalen Kon-
struktion und der Möglichkeit der Zusammensetzung mit Prä-
positionen. Eine zweite Gruppe stellt sich der Bedeutung nach
schon zu den Adjektiven, z. B. jyayqs überlegen, mächtiger,
vorzüglicher, grösser, stärker, älter, dazu auch jyestha und Jyö-
$thä (letzteres “der älteste’), welche eigentlich bedeuten ‘in her-
vorragender Weise überwältigend’, da sie zu 5y& überwältigen
gehören. Eine dritte Gruppe bilden diejenigen, welche zwar
ebenfalls deutlich zu Verbalwurzeln gehören, aber jedenfalls von
den Sprechenden zu einem Adjektivum in Beziehung gesetzt
worden sind, so 2. B. preygs und pre$tha lieber und liebst
zu priyd lieb, obgleich sie ursprünglich zu pri erfreuen ge-
hören ; variygs und vdrıgtha weiter und weitest zu ur. breit,
obwohl sie auch direkt zu var umfassen gezogen werden können
u.a.m. Endlich giebt es bereits im Veda einige wenige, von
denen man mit Recht sagen kann, dass sie aus Adjektiven
gebildet sind, z. B. tik$niygs schärfer zu tikdnd scharf, wohl
auch ndoyqs oder naviyqs neuer und ndvigfha neuest zu
ndva neu, wiewohl es nicht ausgeschlossen ıst, für diese eine
Wurzelform ru zu Grunde zu legen. Mit dem Thatbestand
des Altindischen, von dem hiermit eine Probe gegeben ist,
stimmt der des Iranischen im wesentlichen überein, vgl. Spiegel
202 und 212. — Über das zweite Paar, nämlich die Suffixe ai.
tara-tama habe ich a. a. O. bemerkt, dass sie keine Beziehung
zum Verbum haben, sondern dass sie bei Adjektiven, Parti-
zpıen, Substantiven [nämlich attributiven], Adverbien und Prä-
positionen, endlich in etwas abweichendem Sinne bei Zahl-
wörtern und Pronominibus auftreten, und ferner ($. 195), dass
das Material, welches das Altindische darbietet, nicht ausreiche,
um eine Vermuthung über den ursprünglichen Sinn und Gel-
tungsbereich dieser Suffixe zu begründen. Eine solche ist von
Brugmann aufgestellt, der sich 2, 421 so äussert: “-ero [wie
es z. B. im ai. ddhara der untere vorliegt] und -tero waren
414 Kap. XI. Grundbedeutungen der Komp.- u. Sup.-Suffixe. [$ 194.
zunächst, wie es scheint, nur in Wörtern, welche Raum- und
Zeit-Anschauungen darstellten, und in gewissen Pronomina
anderer Bedeutung üblich. Dabei stand nur ein Begriff, der
streng gegensätzliche, in Vergleichung wie ‘unten’: ‘oben’ u.s. w.”
Diese Bedeutungsstufe liegt z. B. noch vor in dnAötepos weib-
lich und nicht männlich, öeftrepds rechts und nicht links u. ähnl.
“Im Arischen und Griechischen — so fährt Brugmann fort —
wurde nun Zero ein gewöhnliches Komparativsuffix für Ad-
jektiva irgend welcher Bildung und Bedeutung, wie ai. ämd-
tara-, gr. ouötepog zu ümd-, ouds roh, und hier fand der Ver-
gleich nicht mehr mit dem absoluten Gegensatz statt, sondern
mit dem durch den sogenannten Positiv ausgedrückten Begriff;
wahrscheinlich vollzog sich dieser Prozess unter assoziativer
Einwirkung der anderen Schicht der Komparative”.
Hiermit ist gezeigt oder wahrscheinlich gemacht worden,
auf welchem Wege allmählich das entstanden ıst, was wir in
der ausgebildeten Grammatik Positiv, Komparativ und Super-
lativ nennen. Einige Komparative und Superlative aber sind ohne
einen Positiv überhaupt, oder doch ohne einen gleichstämmigen
Positiv geblieben. In bezug auf das Altindische habe ich
a. a. O. 191 bemerkt: “Zu einer Anzahl von Formen auf iyqs
und t$fha hat sich kein verwandtes Adjektivum gefunden,
nämlich zu jyäyqs und jyestha [oder Jyestha) überlegen, mäch-
tiger, vorzüglicher, grösser, stärker, älter, $reyqs und $röjtha
schöner, besser, vorzüglicher, angesehener, vornehmer, bhüygs
und dAüyistha mehr, zahlreicher, reichlicher, mehr bedeutend,
mehr werth, vargiygs und varsistha der höhere, obere, längere,
grössere, Aaniyqs und känistha (kanistha kleiner) geringer,
weniger, nediyqs und nödisfha näher. Der Grund, warum zu
diesen Wörtern kein Positiv hinzutrat, liegt darin, dass sie ım
relativen (vergleichenden) Gebrauch der Natur ihrer Begriffe
nach älter sind als im absoluten. Von den einheimischen
Grammatikern sind freilich Positive zu ihnen gestellt worden,
welche der Form nach nicht verwandt sind, so praSasya zu
Jyaygs und $reyas, bahu zu bhuyas, vrddha zu varfiygs U.8.W.,
ich habe aber in der alten Sprache keinen Anhalt zu dieser
$ 194—195.) Kap. XI. Steigerung von Substantiven. 415
Gruppierung gefunden”. Im Avestischen verhält es sich ähn-
lich, doch ist mir das Material ım einzelnen nicht zur Hand.
Bekannt sind ferner die Erscheinungen der sog. unregelmässigen
Komparation im Griechischen, Lateinischen und Germanischen,
auf die ich hier nicht näher eingehen will (man vgl. ausser
Grimm namentlich Tobler, KZ. 9, 255 ff... Im Litauischen
scheint etwas Vergleichbares nicht vorzuliegen. Aus dem Alt-
kirchenslavischen führt Leskien, Handbuch * 75 folgende de-
fektive, d. h. des Positivs entbehrende Komparative an: /ucijt
und untji besser, suliji geeigneter xpelocwv, gorijt schlimmer,
boliji und vestiji grösser, mintjt kleiner, racızt lieber, trebli7? noth-
wendiger. Die Eigenthümlichkeit aller dieser in der Bedeutung
und theilweise auch in der Form verwandter Bildungen, keinen
Positiv neben sich zu haben, erklärt sich, wie schon angedeutet
wurde, daraus, dass man die Begriffe, welche hier in betracht
kommen, früher vergleichend als absolut verwendete. Man
sagte also: ‘dieser Mensch ist stärker, besser, grösser u. 8. w.
als ein anderer’, ehe man ihn, von dem Vergleich absehend,
als stark, gut, gross bezeichnete. Die andere sog. Unregel-
mässigkeit, nämlich, dass bisweilen Komparativ und Superlativ
von verschiedenem Stamme sind, z. B. 4yetvwv, Aptoros erklärt
sich aus dem Umstande, dass man zu so entwickelten Begriffen
wie ‘gut’ und ‘böse’ auf sehr verschiedenen Wegen gelangte.
$ 195. Steigerung von Substantiven.
Von den Adjektiven ist die Steigerungsfähigkeit in einigen
Sprachen auch auf die naheliegenden attributiven Substantiva
übergegangen, z. B. ai. dbrahmiygs, brahmistha der bessere
(klügere u. s. w.), beste Brahmane, devdtama der beste Gott
(z. B. devanam devdtamah), $ürätara der bessere Held, kavitara
und Aavitama der bessere, beste Dichter, ptil/tama der beste
Vater, der väterlichste, indratama dem Indra am ähnlichsten
u. a. m. (vgl. SF. 5, 192 und 194). Ebenso im Avesta, z. B.
dagvangm dazvötemo der grösste unter allen Dämonen, zarap-
uströtemö der dem Z. an Würde zunächst stehende Hohe-
priester. So auch im Griechischen: Basıkedrepos und Bastkeu-
taros, SouAdtepos, Aordorepa u. s. w. (Kühner-Blass 1, 575). Als
416 Kap.Xi. Komparativ und Superlativ einander berührend. [$ 195—196.
ein attributives Subst. kann man auch Eieyyos betrachten, daher
auch 2A&yyıoros. Danach könnte sich x£pötotog gerichtet haben.
Es ist aber auch möglich, in x&pöLstos, xhörotos, biyıoroz isolierte
Formen zu sehen, neben denen x£pöos, x7öos, piyos gerade so
zufällig stehen, wie z. B. altindisch öyas Stärke neben öjigtha.
Steigerungen von Substantiven im Mittelhochdeutschen macht
Paul, Prinzipien? 304 namhaft, z. B. diner helfe mir nie neter
wart, was sich daraus erklärt, dass no? in Verbindung mit
werden ganz so wie ein Adjektiv oder Adverb in gleicher Ver-
bindung empfunden wurde und daher nach Analogie dieser
seiner Ebenbilder in diesem bestimmten Falle auch Steigerung
erfuhr.
$ 196. Komparativ und Superlativ einander in Be-
deutung und Konstruktion berührend.
1. Der Komparativ kann (sich darin mit dem Superlativ
berührend) so gebraucht werden, dass man nicht zwei mit ein-
ander zu vergleichende Wesen im Auge hat, sondern so, dass
man einem Wesen eine Eigenschaft in besonders hervorragen-
dem Sinne mit besonderer Betonung zuspricht. So im Alt-
indischen, woraus ich SF. 5, 189 angeführt habe: täriygs leicht
durchdringend, trakfiygs sehr kräftig, dhdviygs schnell dahin-
eilend, ydyıyqs besser opfernd und ausgezeichnet opfernd,
skäbhiygs kräftig stützend, rdbAyge sehr ungestüm, ndoygs
oder ndviygs ganz neu. Dieses letztere (nur im RV. und AV.
erscheinend) wird nie in dem eigentlichen komparativischen
Sinne gebraucht, so dass es die Wörterbücher durch ‘neu, frisch,
jung’ wiedergeben. Ein wirklicher Komparativ von nava kommt
im Veda nicht vor. Sehr selten ist dieser Gebrauch bei den
Formen auf fara. Ganz so im Griechischen, z. B. 05 u£v yap
tı ysperov &v Gpy deinvov EAEsdaı denn es ist gar nicht übel p 176.
Weiteres bei Krüger $ 49, 6, der auch anmerkt, dass in vewrepov
der komparativische Sinn so gut wie erlosehen sei. Dass in
diesem Gebrauch etwas Alterthümliches erhalten sei, ist wohl
nicht zu bezweifeln.
2. Im Griechischen scheinen Superlative mit kompara-
tivischer Konstruktion vorzuliegen. Ich meine die von Kvitala,
0
$ 196.) Kap. XI. Komparativ und Superlativ etc. 417
ZÖG. 1858, 529 ff. gesammelten Fälle, zu denen aus Homer
gehören: röy Ev’ [rErkov] dsıpapevn "Exddn YEpe düpov “Adnyy,
65 xaAlıoroz Env rorxilpasıy HL eyıstos, Aothp 6 Ds Ankkayrnev‘
Exeıto de velarog AMwy Z 295, Tlanadv por vidv, ds GxupopwWraros
army Eriero A 505, Pol tor Avöpa napeivar drlupwrarov AAlwv
e105. Ich habe den Genitiv dAAwv ALI. 21 für einen Ver-
treter des Ablatıvs erklärt, indem ich auf RV. 4, 28, 4 verwies,
wo es heisst: viSoasmät sim adhamah indra däsyün vio däsır
akrnor apraSastäh niedriger als alles andere hast du, Indra, die
Dasyu, der Däsa verfluchte Stämme, zu Boden geworfen (Ludwig).
Die Ähnlichkeit dieses ri$oasmad adhamah mit velaros dllwv
scheint mir schlagend. Der Ablativ dürfte zu adhamd gesetzt
sein wegen des Wortsinnes, nicht wegen der superlativischen
Form (vgl. die ähnlichen Konstruktionen SF. 5, 113). Da
adhama aber auch Superlativ ist, so will der Ausdruck sagen:
‘ganz tief, tiefer als alle. Ebenso steht es mit velaros dAlwv.
Denn Z 295 soll man sich vorstellen, dass nicht etwa sämmt-
liche oben liegende rerkoı auf einmal weggenommen werden,
sondern einer nach dem anderen, worauf dann der kostbarste
als der unterste zum Vorschein kommt. Nach velatos AAMMwv
dürften die anderen Ausdrücke geformt sein, in denen eben-
falls die komparativische und die superlativische Anschauung
in gleicher Weise zum Ausdruck kommen soll!).
1) Die übrigen bei Ziemer, Komparation 55, nach Kvitala angeführten
Stellen habe ich weggelassen, da mir in ihnen ein richtiger Superlativ mit
dem Genitiv des getheilten Ganzen vorzuliegen scheint. Denn Afavtis 9,
Be Apıoros Env eldöc re dpa; Te Tüv Almv Aavamv per’ dpbpova Ilnieiova
1469 ist doch wohl zu übersetzen: “der der schönste unter den Danaern
ausser Achilleus war’, wobei &A/wv durch den Gegensatz gegen IInleiova
"hervorgerufen wurde, während die im Texte erwähnten Stellen gerade die
Eigenthümlichkeit haben, dass in ihnen dAXo; steht, obwohl kein zweiter
Begriff vorliegt, zu dem es in Gegensatz tritt. A 483 liest Nauck nicht
paxaptaros, sondern pardprepos.. Wenn pnaxdpratos zu lesen ist, hat man in
diesem Satze eine Form des Ausdrucks zu erkennen, welche aus der im
Texte angeführten abgeleitet ist. — Auf S. 54 sagt Ziemer: “den Haupt-
beweis für die Fähigkeit des griech. Genitivs, als Separativus zu fungieren,
durch welchen zugleich der Gen. komp. als ein sicherer Ablativus erkannt
wird, haben wir uns noch aufgespart. Von Delbrück ist er nicht erwähnt”.
Delbrtick, Vergl. Syntax der indogerm, Sprachen. 1. 27
418 Kap.XI. Vergleichungzweier Eigensch. Adj.ausSubst. etc. [$197—198.
m are he ee nn nn nn nn nn nn Leere nn
$ 197. Vergleichung zweier Eigenschaften.
Im Obigen ist gezeigt worden, wie der Komparativ dazu
gekommen ist, auszudrücken, dass eine Eigenschaft einem
Wesen in höherem Grade zukomme, als einem anderen. Man
kann ja aber auch den Wunsch haben, zu sagen, dass eine
Eigenschaft einem Wesen in höherem Grade zukomme als eine
andere. In diesem Falle setzt man im Griechischen und La-
teinischen beide Adjektiva in den Komparativ, so: ravtes
X Apnoatar Elampdrepor nödas elvar 7 Apverdtepor Ypuaoıd te Lodt-
tös te a 165 (vgl. Krüger $ 49, 5). In bezug auf das Latei-
nische sagt Schmalz? 503: “Beim Komparativ selbst ist zu be-
merken, dass auch das Adj. oder Adv., in Hinsicht auf wel-
ches eine andere Eigenschaft in höherem Grade erscheint,
durch eine Art formaler Ausgleichung ebenfalls in den Kom-
parativ gesetzt wird; dies ist jedoch vor Varro (l. lat. 10, 75
diligentius quam apertius) und Cic. nicht nachzuweisen”. Man
könnte ja wohl auch das zweite Adj. im Positiv erwarten. So
sagt Lessing irgendwo: sein Kopf war eben wärmer als helle.
Der griechisch-römische Ausdruck ist offenbar — wıe wohl
auch allgemein angenommen wird — gewählt worden, weil den
Sprechenden vorschwebte: wärmer und nicht heller (vgl. Ziemer,
Junggrammatische Streifzüge? 67 £.).
$ 198. Adjektiva aus Substantiven hervorge-
gangen.
a) Es wird jetzt allgemein angenommen, dass einige Ad-
jektiva aus sogenannten abstrakten Substantiven (nicht nomina
agentis) hervorgegangen seien. Innerhalb des Altindischen
habe ich das vermuthet für sahas siegreich, tapus heiss, vapus
schön, drus wund, welche sich im Accent von den Subst. nicht
unterscheiden. {SF. 5, 188), im Griechischen Brugmann für
ueya (Gramm.? 122), derselbe für lat. veius, J. Schmidt für oödap
und uder (Pluralb. 84). Besonders lehrreich ist, was Paul,
Er hat übersehen, dass ich a. a. O. gesagt hatte: “mit der aus dem Grie-
chischen bekannten Erscheinung, dass ein Superlativ komparativische Kon-
struktion erhält — z. B. &xerro 6E velaros AAdlwy Z 295 — lässt sich ver-
gleichen RV. 4, 28, 4”,
6198.}] Kap. XI. Adjektiva aus Substantiven hervorgegangen. 419
Prinzipien 2, für schuld, schade u. ähnl. ausführt. Er sagt da-
selbst mit bezug auf schade: “Noch weiter [als bei schuld]
geht die Isolierung in es ıst schade, indem das Subst. jetzt
gewöhnlich Schaden lautet. Im Mhd. war die Entwickelung
schon noch weiter gegangen. Hier wird schade auch als Prä-
dikat zu persönlichen Subjekten gebraucht und es kommt auch
ein Komparativ und Superlativ davon vor, z. B. im Trojaner-
krieg Konrads von Würzb. der was den Kriechen [cheder dan
semen anders bi der zit; ferner wird dazu ein Adverbium ge-
bildet wie zu einem Adj.: swie schade er lebe (Mhd. Wb. IIb,
635). Ebenso wie schade wird im Ahd. fruma (Vortheil) ge-
braucht, z. B. Otfrid III, 10, 33 'nist’ quad er tho “fruma thaz’
‚es ıst das kein Vortheil). Schon im Mhd. ist daraus eın wirk-
liches Adj. frum, nhd. fromm geworden. Man sagt ein frumer
man etc.” Es ist klar, dass die Adjektivierung in der appo-
sitionellen und prädikativen Stellung begann.
b} Den Übergang vom Substantivum zum Adjektivum haben
auch die Besitzkomposita vollzogen (vgl. die Ausführungen bei
Brugmann, Gr.? 212 und J. Schmidt, Pluralb. 85). 'Hws poßodaxru-
kos heisst — so habe ich mich SF. 4, 12 ausgedrückt — ursprüng-
lich Eos, der Rosenfinger, und ebenso Iloosıd&awv xuavayaite
Poseidon Schwarzhaar (wie Harald Schönhaar). Ursprünglich
also war poöodaxtulos Maskulinum wie $d4xtuAos und xuavoyaita
Femininum wie yatın. Als aber diese Komposita zu Adjek-
tiven herabsanken, richteten sie sich im Geschlecht [möglichst]
nach ihrem Substantivum, und diese Anbequemung fand ihren
Ausdruck in der Nominativbildung xuavoxatıns. “Podoödxtuios
hat sich nicht in dieser Weise anbequemt und es gilt daher für
die griechischen Komposita, was ıch SF. 4, 65 zusammenfassend
gesagt habe: “Diejenigen adjektivischen Komposita, deren
Schlussglied ein Substantivum auf os oder ov ist, bilden kein
Femininum, z. B. poßoödxtuAos, xaAltopupos, dagegen diejenigen,
deren letztes Glied ein Adjektivum dreier Endungen ist, bilden
ein Fem., z. B. äyaulsırds. Wer die homerischen Komposita
mustert, wird diese Behauptung im allgemeinen bestätigt finden,
wenn auch nicht abzuleugnen ist, dass manche Komposita der
27”
420 Kap. XI. Attributive Substantiva. ($ 198—199.
zweiten Gattung auch der Analogie der ersten folgen können.”
Aus dem indischen und iranischen Gebiet ist mir nichts be-
kannt, das sich mit der Übergangsform poöoödxtulos ver-
gleichen liesse.
$ 199. Attributive Substantiva.
Es giebt eine Klasse von Wörtern, welche zwischen Sub-
stantiven und Adjektiven in der Mitte stehen. Man mag sie
attrıbutive Substantiva nennen. Den Grundstock der-
selben bilden Wörter, welche als Attributiva zu Personalbegriffen
gefügt werden können. Sie bezeichnen Menschen nach dem
Alter, dem Stande, der Beschäftigung, irgend einer hervor-
ragenden Eigenschaft. Bald sind sie als Substantiva empfun-
den, und kommen nur ausnahmsweise als Adjektiva vor, bald
sind sie mehr adjektivisch, so dass sie von den Grammatikern
als Adjektive einer Endung bezeichnet zu werden pflegen.
Dem entsprechend ist auch ihre Motionsfähigkeit verschieden.
Manchmal bleibt das Substantivum widerspänstig und man
entschliesst sich, ein im Geschlecht verschiedenes Attribut zu
dem Leitwort zu stellen (z. B. Außntüpes ’Epıvöes bei Sophokles),
dann wieder ist die volle Motionsfähigkeit eingeführt worden,
so bei dem schwachen Adjektivum des Deutschen, welches,
wie bereits von anderen ausgeführt worden ist, seinem Ur-
sprunge nach nichts anderes ist, als ein attributives Substan-
tivum.
Ein Beispiel aus den arischen Sprachen ist ai. visar,
für welches Böhtlingk-Roth die Bedeutungen ‘männlich, Mann,
Männchen des Thieres’ ansetzen. Es ist vielfach durchaus als
Substantivum gebraucht, z. B. vyfeva räji wie ein kräftiger
Hengst RV. 2, 43, 2, dann wieder adjektivisch, z. B. orja
$:$uh das männliche Kind, und vielfach auch bei nicht-per-
sönlichen Leitwörtern, z. B. Soma, Wagen, Keil, Stein u. s. w.,
überhaupt alles, was durch kräftige Erscheinung ausgezeichnet
ist. Gelegentlich tritt es sogar zu einem Femininum, so vfa
vak die kräftige Stimme 10, 115, 8. In einer prädikativen
Aussage tritt es auch einmal in Beziehung zu einem Neutrum,
nämlich 9, 64, 2: vyinas te vrinyam Savo vrja vdnam vrja
& 199.) Kap. XI. Attributive Substantiva. 4231
mädah, salyam vriah vräed asi, was Ludwig übersetzt: “als
eines Stiers ist stiermässig deine Stärke, stierkräftig ist dein
Holz, stierartig dein Rauschtrank, wahrhaftig, o Stier, ein
Stier bist du.” Das Wort ist also bald substantivisch, bald
adjektivisch, aber doch nicht so weit adjektivisch, dass es auch
moviert worden wäre (vgl. auch J. Schmidt, Pluralb. 83).
Ebenso steht es mit ydoar “jung, Jüngling, ein junger Mann’,
und dem dazu gehörigen, aber nicht mit dem Femininsuffix
der Adjektiva gebildeten yuvali, bei dem Böhtlingk-Roth be-
merken: ‘Adj. fem. und Subst., jung, Jungfrau, junges Weib’.
Dass vidhava Wittwe, welches eigentlich ein Subst. ist, oft ın
Verbindung mit den Wörtern für “Weib’ stri, yogit, nari u. 8. w.
erscheint, hat nicht viel zu bedeuten, da es leicht als Fem.
zu dem Adj. vidhava aufgefasst werden konnte (vgl. Abh. der
Sächs. Ges. der Wissensch. 11, 442 ff... Ferner gehört hierher,
was Grassmann unter jJdna Mensch, 13 bemerkt: “bisweilen
findet es sich, im Singular oder Plural, in Verbindung mit
ursprünglichen Adjektiven, die ein Amt oder Geschäft be-
zeichnen und ausserhalb dieser Verbindung nur oder fast nur
substantivisch vorkommen”. Derartige Verbindungen sind:
J4nö nd yüdhva wie ein kriegerischer Mann (vgl. avhp omAlıng),
ripdvo Janasah die betrügerischen Leute, carmamnä janah die
Gerber (vgl. ävöpes ayporöraı) surtk jJanan die Opferherren.
Ebenso bei »ar (@vnp), z. B. ndrö viprah die Sänger.
Aus dem Griechischen (Krüger $ 57, 1, Kühner 22, 232)
gehören hierher zunächst eine Anzahl entschiedener Substan-
tiva, welche ausnahmsweise attributiv gebraucht werden. Die
Leitwörter sind meist Personalbegriffe wie @vnp, yuvh, Avdpwrog,
2. B. bei Homer BasılÄı Avöpl Zorxev, venvig Avöpl dorxws, dvöpes
pynotäpes, yovh Ögonowva, yuvh Tapln; im der attischen Prosa
avnp yipwv, veavlas, npesßürns, Tupavvos, lörwrns, Önktms, prnTwp,
edepy&rns, ypads yoyn; mit dem allgemeineren Begriff avdpwros
verbinden sich roA{rns, die Fem. rpeoßürts, zöpvn, douAn. Bei
Dichtern erscheinen infolge von Übertragung dieser alten Ver-
bindungen auch einige andere Leitwörter, z. B. örAttns und ir-
rörms orpards, vadıns Sudos, sogar olxeıns Bloc, yEpwv 6pdain.ds
422 Kap. XI. Attributive Substantiva. [$ 199.
u. ähnl. Sodann kommen die sog. Adjektiva einer Endung in
betracht (Kühner-Blass $ 150), über welche es in der ange-
führten Stelle heisst: “Die Adjektiva einer Endung sind in
der Regel nur für das Maskulin und Feminin gebräuchlich;
denn der durch diese Adjektiva ausgedrückte Begriff ist ge-
meiniglich von der Art, dass er nur in Verbindung mit lebenden
(persönlichen) Wesen gedacht werden kann. In der Dichter-
sprache jedoch treten sie zuweilen in den Kasus, in denen die
Neutralform mit der des Maskulins und Feminins zusammen-
fällt, d. h. im Genitive und Dative auch mit Neutris in Ver-
bindung, z. B. öpopdsı Blepapoıs, &v nevrtı owpartı u. ähnl.” Es
gehören dahin Wörter wie x&Ang Renner mit und ohne Innos
(vgl. serb. vranac Rappe, vranac kon) das schwarze Pferd);
yopvns leicht bewaffneter Krieger, das neben yupvds steht wie
neuslov. nagec neben nag; dyrv arın, revng arm, mit und ohne
avdpwros, xepvns der Arme, auch als Adj. gebraucht; rAavns
umherirtend, herumschweifend, unstät; äprat raubend, räu-
berisch, wegraffend, auch als Subst. Räuber, wozu man ver-
gleiche, was Miklosich 4, 3 aus dem Altkirchenslavischen
anführt: chystinikü Aprat äpraxtn;, aber auch volkü chysc-
nıkü der räuberische Wolf; dann Wörter wie yapwv, atltwv,
tpnpwv, von denen bei dem Germanischen die Rede sein
wird; °EAnv u. ähnl. als Adj., wozu altkirchenslavisch mu2u
wudeeninu einem jüdischen Manne zu vergleichen ist. Dazu
kommen nun Feminina, so steht z. B. ndrıs Trinkerin (was
sich zu rdtns Trinker verhält wie altindisch yuval! zu
yüvan), auch xdrıs yon, und oriAßr, eine Lampe, die viel Öl
braucht; roxas die Gebärende, roxddes Mutterthiere; toxds
keaıva eine Löwin mit Jungen; patwads die Rasende, auch
ad)., z. B. Adsoa paıwväs; ferner die Völker- und Ländernamen,
2. B. nöiıs "Eds, ai Bowwriöes nöleıc. Bei denen auf -np
kommt, wie oben schon bemerkt wurde, die Form auf mp auch
neben femininischen Leitwörtern vor, z. B. Ppwräpes alypat
bei Aeschylus, daneben giebt es auch Formen auf teıpa, neben
welchen kein Mask. auf ırp vorhanden ist, yB&v rouAußdreıpa.
Manche dieser Wörter sind übrigens so adjektivisch geworden,
8 199.] Kap. XL Attributive Substantiva. 423
dass sie auch eine Femininform erhalten haben, z. B. yaxap,
nÄXALDE. Ä
Im Lateinischen werden zwar auch Substantiva, wie
die bisher genannten, attributiv gebraucht, aber wenn man das
bei Neue? 2, 17 Zusammengestellte übersieht, erhält man den
Eindruck, dass es sich meist um kühnere Wendungen von
Dichtern handelt. Zwar knüpften die Dichter an eine sprach-
liche Tradition an (ahmten nicht etwa die Griechen nach),
aber diese Tradition ist für uns nicht mehr recht erkennbar.
Dem entsprechend sınd denn auch die Leitwörter meist nicht
persönliche, sondern andere Begriffe, wodurch das Pikante des
Ausdrucks gewinnt. Es gehören dahin juvenis, was dem in-
dischen ydvan und yuvati entspricht, als Adj. z. B. mit ann
verbunden; senez (senibus porcıs bei Juvenal); verna Haus-
sklave, aber bei Martial auch vernas apros und verna Liber d.h.
ein Buch, das in Rom geschrieben ist; cwelebs Junggesell, aber
auch sr lecto caelibe bei Catull; ales f. Vogel, aber auch alıte
egquo bei Ovid; vindex Rächer und dazu vindice poena bei Catull;
vigıl Wächter, aber auch mit canıs, ignts, oculs; artifex Arbeiter,
aber auch artifices boves bei Properz; hospes Fremder, Wirth,
als Adj. erst spät z. B. zu cumba bei Statius, als Fem. eben-
falls Aospes, gewöhnlich aber hosptia, das auch seinerseits attri-
butiv verwendet werden kann, z. B. in Ahospita tellus. Einige
Substantiva auf us, z. B. famulus, servus, adulter, haben in
gleicher Weise ein Femininum auf a neben sich, und können
dann ebenfalls attrıbutiv gebraucht werden, z. B. servum
pecus (Horaz) und servam operam (Plautus), famulo vertice und
famulas aquas (Ovid), adultera virgo u. ähnl. Endlich sei noch
auf den bekannten Gebrauch von victor und vickrir verwiesen.
Hierher gehören denn auch die nicht zusammengesetzten Ad-
jektiva einer Endung. Mehrere von diesen zeigen die ent-
schiedenste Bedeutungsverwandschaft mit den oben S. 422 an-
geführten griechischen, z. B. pauper und dives (vgl. nevng),
perniz (vgl. x&ins), rapar (vgl. äprat), ferox verhält sich zu
ferus wie russ. dikari (Wildling), Misanthrop zu dikiy wild.
Andere wie audar, fallax, verax u. ähnl. können sehr wohl
424 Kap. XI. Attributive Substantiva. [$ 199.
m m m U nn nl m nn
als attributive Substantiva gedeutet werden, indessen ist na-
türlich auch die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass sich
nach rapar u. ähnl., nachdem es einmal im Sprachgefühl zu
einem reinen Adj. geworden war, auch andere Adjektiva bildeten.
Auf diese Weise ergiebt sich nun auch eine bessere Erklärung
für den auffallenden Umstand, dass diese Wörter die masku-
linisch-femininische Form auch in der Verbindung mit einem
Neutrum beibehalten. Es gilt davon, was J. Schmidt, Pluralb.
über altindisch of$ar entwickelt hat (vgl. oben S.420). Übrigens
mag sich auch unter den beweglichen Adjektiven noch eines
oder das andere befinden, welches eigentlich ein attributives Sub-
stantiv ist, so 2. B. celer (x&Ans). In der alten Sprache kam
ja celer auch als Fem. vor. Auf die Wörter auf -or bin ich
bei dem germanischen schwachen Adjektivum eingegangen.
Auch im Germanischen, vorzüglich im Gotischen, giebt
es eine Reihe von Wörtern, aber, so viel ich sehe, abweichend
von den übrigen Sprachen, nur noch rn-Stämme, welche nach
dem Ausdruck von J. Grimm zwischen Substantivum und Ad-
jektivum schwanken (vgl. Grimm 4, 524). Dahin gehören von
einfachen Wörtern 2. B. sAula Schuldiger, schuldig (vgl. serb.
* duznik), bandja der Gefangene, ferja Nachsteller, iugnja Lügner,
statro die Unfruchtbare, unfruchtbar, inA:lbo schwanger und
viele zusammengesetzte wie usgrudja träge, muthlos u. a. die
bei Grimm aufgezählt sind.
Aus dem Litauischen führe ich an, was Kurschat $ 1493
bemerkt, wo es heisst: “Eine andere Art Apposition ist die,
welche sich dem zu bestimmenden Subst. vorn fast in der Art
eines substantivischen Attributs anlegt und im Deutschen oft
durch ein Adjektiv ausgedrückt wird. Bsp.: nedylys Zmogüs,
ein stummer Mensch, deszineE rankäa die rechte Hand [vgl. serb.
desnica und Yevica ruka], tat nEkai grozybe nichtige Schönheit,
darbej& mergä, arbeitsames Mädchen, nebylys, deszine, nekat,
darbeja sind aber nicht Adjektiva, sondern Substantiva’. Wei-
teres Material bietet die Leskien’sche oft angeführte Schrift,
z. B. S. 303, 307, 402 und sonst.
Attributive Substantiva aus dem Slavischen sind bei
$ 199.) Kap. XI. Attributive Substantiva. 425
Miklosich 4, 3 ff. angeführt. Sie lehnen sich wie in den an-
deren Sprachen häufig an Wörter an, welche Personen oder
doch belebte Wesen bezeichnen, z. B. aksl. gresin:kü Sünder,
aber auch clovekü greßinkü avdpwrwv apaprwiuv; Clovekü jJadica
i vinopijca Avdpwros payos xal olvondrns; serb. siromah der Arme,
auch mit Covyek; russ. nagnalü onü muiika-pesechoda er holte
einen zu Fuss gehenden Bauern ein, Äsböth 11; aksl. dojilica
tpopd;, auch mit Zena; serb. siroia Waise, auch mit Zena; We-
pota Schönheit, aber auch Jyepota djevojka (vgl. über diese aus
dem Abstrakten in’s Konkrete herüberschwankenden Wörter
beim Genus S. 106); jedinak der Einzelne, auch mit sın; aksl.
chystinskü Räuber, auch mit vlükü; serb. devetak ein Wesen von
neun Jahren mit jarac Bock. Auch Substantiva, die von Farben-
bezeichnungen hergenommen sind, treten auf, z. B. zelenko Apfel-
schimmel auch mit Aony Pferd, ebenso vranac Rappe, russ. beiyji
kakü zajacü beljakü weiss wie ein weisser (Weissling) Hase
Äsböth 9; serb. ovca djelica das weisse Schaf und byelica Senica
der weisse Weizen. Dabei kann auch eine Verschiedenheit des
Genus zwischen dem Leitwort und dem Attributwort vor-
kommen, so heisst crvenika (von crven roth), eig. ein Röthling,
z. B. rothe Ziege, und dann mit Beziehung auf den Wein: te
on pie crveniku vino er trinkt den rothen Wein. (Ein sub-
stantivisches Beiwort tritt zu “Wein’ auch im Griechischen in
tponlas olvos umgeschlagener Wein). Ähnlich kann ovnovina
Schöpsenfleisch auch noch zu meso Fleisch treten. Einige
weitere Belege für nicht-persönliche Leitwörter sind: serb. dva
topa glasnıka zwei Lärmkanonen (glasnık Bote); desnica und
ljevica ruka die rechte und die linke Hand (vgl. das Litauische),
stanac Steher mit kamen ein fest gegründeter Stein. Zu diesen
Substantiven treten dann als zweite Klasse diejenigen, welche
in einer von den Sprechenden deutlich gefühlten Beziehung zu
den Adjektiven stehen, nämlich die aus Adjektiven zum Zweck
der Substantivierung mittelst der Suffixe :kü, icü u.a. gebildeten
Wörter. Über diese sagt Miklosich 4, 6: “Es giebt Sprachen,
in denen das Adjektiv wie das Substantiv den Träger von
Eigenschaften bezeichnen kann, und Sprachen, in denen das
426 Kap.XI. Die schwachen (bestimmten) Adjektiva desGerm. [$ 199—200.
m — nn mm nn _ —_ —-_
nicht stattfindet. Zu den letzteren gehören die slavischen
Sprachen, wenn auch die Regel durch Ausnahmen immer
mehr eingeschränkt wird. Während man im Deutschen sagt:
der Weise ist glücklich, im Französischen: le lage est heureux,
heisst es im Altkirchenslavischen: madrici blazenü jestü, nicht
madrü blaenü jestü‘. Mit dem cod. Mar. verhält es sich in
dieser Hinsicht so. Unter den überhaupt nicht zahlreichen
Wörtern dieser Art, die der Text bietet, giebt es aller-
dings solche, für die Miklosich’s Regel gilt, z. B. starü alt
findet sich als Adjektiv in: azü bo jesmi starü denn ich bin
alt Luk. 1, 18 (im Griechischen ist das Substantivum rpsodurns
gewählt); Aako mozetü Clovekü rodıli se starü sy wie kann ein
Mensch geboren werden, wenn er alt ist? Joh. 3, 4 (yEpwv).
Sonst kommt nur der Komparativ stareji vor. Das Subst. staric?
bedeutet rpeoßürepos. Dagegen bei siepü blind liegt es so, dass
slepü zwar adjektivisch erscheint, z. B. clovekü slepü Joh. 9, 1,
jJaho slepü be &rı Tuoids Tv Joh. 9, 8, synü Timeovü Bartimei
slepü sedease viös Tipalov Bapriuars 6 TupAös &xadrro Mark.
10, 46 und sonst, aber auch substantivisch, z. B. : privese kü
njemu slepa xal wepousıyv aütw TupAdv Mark. 8,22, jeda besü mo-
“ zetü slepomü oci otoresti rn Sayövıov dbvaraı tupiuv Smdalnoug
avotyeıv Joh. 10, 21, imqste sü soboyq chromy, nemy i slepy v
besüny i iny münogy Eyovres ned Eaurav YwÄodg TUpÄoüs XuWpobs
xuAAobs xat &tepous noAloös Matth. 15, 30. So wird denn slepü
auch ganz wie slepici gebraucht, z. B. vozdi sqtü slepi slepicemü,
slepecü Ze slepüca aste voditü Sönyol elsı Tupkot Tuplwv, TupAög
ö& tupAöv 2av Öönyz Matth. 15, 14. Es fragt sich, in wie weit
hierbei ein Einfluss des griechischen Originals anzunehmen ist.
Beispiele aus den anderen Sprachen sehe man bei Miklo-
sich. Eine genauere Darlegung wäre wünschenswerth.
$ 200. Die schwachen (bestimmten) Adjektiva des
Germanischen.
In bezug auf die schwachen Adjektiva hat, nachdem Leo
Meyer einen Schritt auf dem richtigen Wege gethan hatte,
Osthoff in einer ausführlichen und für mich überzeugenden
Darstellung (Forschungen im Gebiete der indogermanischen
$200.] Kap. XI. Die schwachen (besrimmten) Adjektiva des Germ. 427
nominalen Stammbildung 2) gezeigt, dass sie hervorgegangen
sind aus attributiven Substantiven auf n, wie wir sie nament-
lıch im Griechischen und Lateinischen noch finden. Ich habe
bereits oben, S.424, auf dieselben hingewiesen und führe hier aus
Osthoff’s Darstellung (auf die ich im übrigen den Leser ver-
weise) an, dass in den genannten Sprachen nicht selten attri-
butive Substantiva auf » neben Adjektiven auf o liegen, und
zwar derartig, dass die Substantiva als die abgeleiteten Bil-
dungen erscheinen mussten. So liegen im Griechischen neben
einander orpaßd; schielend und orpadwv Schieler, Ywids geil und
YWwlwv (bei Hesychius) Wollüstling, neben -payos, was allerdings
alt nur im Kompositum vorkommt, „aywv Fresser. Besonders
lehrreich ist oöpaviwv neben oöp@vtos, wo auch in deol oöpaviwvss
die halb-adjektivische Natur gut hervortritt. Ähnlich verhält
es sich mit zpnpwv (über alle diese und ähnliche Wörter s. Ost-
hoff 46ff.). Aus dem Lateinischen führe ich beispielshalber
an (Osthoff 58 ff.) st/us plattnasıg und sılo der Plattnasige,
aquilus schwarzbraun und aguılo Nordwind (der schwarze Stür-
mer, wie die Lexikographen bemerken), susurrus flüsternd und
susurro Ohrenbläser (spät belegt, aber vermuthlich volksthüm-
lich). Sodann macht Osthoff auf die Zunamen wie Calo neben
catus, Macro neben macer aufmerksam und sagt dabei 8. 70:
“Vergleichen sich die im Vorhergehenden besprochenen Eigen-
namen auf -or-, wie wir nicht zweifeln, richtig mit der be-
stimmten [schwachen] Form unseres deutschen Adjektivums,
so besagte demnach ein M. Porcius Cuto, Abudius Rufo in
unsere deutsche Redeweise übertragen so viel als M. Porcius
der Kluge, Abudius der Rothe, und der Lateiner gebrauchte
in diesen Fällen ebenso den »-Stamm, wie man althochdeutsch
(Otfrid) sagte Zudowig ther snello, und wie auch wir in Ver-
bindungen wie Karl der Grosse, Friedrich der Weise, August
der Starke stets die schwache Form des Adjektivs anwenden”.
In der That kann man unmöglich in Abrede stellen, dass sich
blindan- zu blinda- gerade so verhält, wie orpaßwv- zu orpapd-
oder silon- zu silo-. Der Unterschied ist nur der, dass im
Germanischen die »-Formen ganz in das System des Adjek-
430 Kap. XI Die schwachen (bestimmten) Adjektiva des Germ. [$200.
der insofern bestimmt ist, als er nur einer von zweien sein
kann. Auch erwäge man, wie oft der Komparativ in Appo-
sition steht.
4) Stets schwach ist der Vokativ. Selbstverständlich
ist das bei alleın stehenden Vokativen, wie Ziubans ıhr Lieben
2. Kor. 7, 1 und sa«i gibid doala wer da sagt du Narr Matth.
5, 22. Denn hier sind die Vokative geradezu Substantiva.
Aber auch bei Anlehnung eines adjektivischen Vokativs an
einen substantivischen, z. B. atta veiha heiliger Vater ist die
Substantivierung natürlich. Das Adj. steht zu dem Vokativ
ın Apposition, und man hat, wenn man das ursprüngliche Ver-
hältnis zum Ausdruck bringen will, zu übersetzen: “Vater, du
Heiliger’. Damit hängt dann auch zusammen, dass der Vokativ
des Adjektivums meist dem des Substantivums nachfolgt (s.
Gabelentz-Loebe S. 173). Wırd das Adj. vorangestellt, so be-
hält es die in der Nachstellung erworbene Form fest.
5) Ferner ist das Adjektivum häufig schwach,
wenn es als Prädikat gesetzt ist, z.B. Mark. 7, 18 jah
Jus invitans sijuß, was Gabelentz-Loebe 173 übersetzen “&ouv-
_ sro, nicht unverständig, sondern Unverständige”. Gabelentz-
Loebe, bei denen man die weiteren Belege nachsehe, sagen
mit Recht, dass das Adj. in dieser Form erscheine, weil es
‘selbständig’ gebraucht sei. Dass die schwache Form nicht zur
festen Regel geworden ist, ist nicht verwunderlich. Wir werden
bei einer zusammenfassenden Darstellung der Lehre vom Prä-
dikat sehen, wie mannigfaltig sich das Prädikatsnomen in un-
seren Sprachen gestaltet hat.
Die schwache Form hat sich nun aber auch von den
eigentlichen Eigenschaftswörtern auf andere Wörter ausgedehnt,
und zwar auf die Ordinalzahlen, die Partizipia des Präsens,
und einige Pronomina und pronominale Adjektiva. Ich zähle
die genannten Klassen hintereinander auf.
1) Die Ordnungszahlen. Sie werden schwach gebildet,
denn sie bezeichnen stets einen bestimmten Gegenstand. Nur
frumists und anfar sind stark, denn sie werden, wie es ja
auch in anderen Sprachen geschieht, als Pronomina empfunden.
8 200.) Kap. XI. Die schwachen (bestimmten) Adjektiva des Germ. 431
2) Das Partizipium des Präsens. Man muss sich
erinnern, dass dieses Part. im Gotischen eine substantivische
Flexion hat, ın welcher es aber nicht oft, und dann meistens
im Nom. sing. mask. belegt ist, z. B. nasjands Heiland, fijands
Feind, frijonds Freund. Daneben liegt die rein partizipielle
Verwendung, in welcher, bis auf den eben erwähnten Kasus,
die schwache Form auftritt. Dass für das Part. diejenige Form
gewählt wurde, welche das Adjektirum dann hat, wenn es
mit dem Artikel verbunden ist, darf nicht Wunder nehmen,
denn die natürliche Verwendung des Partizipiums ist ja die
appositionelle (weshalb es auch in der traditionellen Wort-
stellung hinter seinem Nomen steht), so auch im Got., z.B.
unte braid daur jah rums vigs sa brigganda in fralustai Er.
rlareia H non xal ebpöxwpos 7 6d0s N Andyouoa els Thy Anw-
Acıav Matth. 7, 13; Jah gino visandei ın runa blobrs jera tvalif
xal yuvn odca &v hucsı aluaros And Erwv Öwöera Luk. 8, 43. Der
Nom. sing. mask. wurde, wenn ich nach den Anführungen bei
Grimm 4, 521—22 richtig schliesse, besonders häufig als Sub-
jekt des Satzes, ohne Anlehnung an ein Nomen gebraucht,
z. B. hvazuh sa gaggands du mis jah hausjands vaurda meina
Jah taujands Bo räs 6 &pyöpevos rp6s pe al dxolmv OD TV
Adywv xal romv aötoüg Luk. 6, 47. Deshalb mochte es dem
Sprachgefühl nicht nahe liegen, ihn noch besonders durch An-
wendung der schwachen Form als der Sphäre des Adjektivs
angehörig zu kennzeichnen, obgleich das einige Male geschehen
ist, z. B. im Präd. Pu is sa gimanda au el 6 Epyönevos Luk.7,19.
3. Zu den Pronominibus ist im allgemeinen die schwache
Flexion nicht gedrungen, ausser zu st!ba selbst und sama eben-
derselbe. Ich kann mich hinsichtlich derselben auf Gabelentz-
Loebe ($. 184 und 186) beziehen, welche auch den Grund der
Erscheinung richtig angegeben haben. Stlba ist ein Substan-
tivum und sama bezeichnet einen bekannten und daher be-
stimmten Gegenstand. Zu den Pronominibus werden auch
gerechnet die pronominalen Adjektiva sums irgend einer, sva-
leiks ein solcher, ferner anpar, alls, ganohs, halbs, midyis, was
nicht auffallend ist, da ja alle diese Begriffe auch im Sanskrit
432 Kap. XI Diezusammenges. (bestimmten) Adj. des Balt.-Slav. [5 200—201.
pronominale Flexion haben oder haben können (vgl. Whitney
$ 522 ff). Unfähig der schwachen Deklination ist auch fulls
(Grimm 4, 391). Es kann ja niemals so unabhängig gebraucht
werden wie andere Adjektiva (man kann nicht ‘der Volle’
sagen wie etwa ‘der Heilige’), da es stets der Ergänzung durch
einen Kasus bedarf, und ist daher beinahe ein Hilfswort wie
eine Präposition.
8 201. Die zusammengesetzten (bestimmten) Ad-
jektiva des Baltisch-Slavischen.
Die ‘Zusammensetzung’ geschieht durch Verbindung der
Kasusform des Adjektivums mit der Kasusform des Pronominal-
stammes *j)o. So entstehen im Aksl. aus den Formen Nom.
dobrü, Gen. dobra, Dat. dodru, Akk. dodbrü, Lok. dodre und
den entsprechenden Formen des Pronomens, nämlich 5?, jego,
jemu, 3, jemt, die zusammengesetzten dobrüjt, dodbrajego, dobru-
jemu, dobrüji, dobrejemi. Dass es sich im Litauischen ebenso
verhalte, hat man nie bezweifeln können, dass aber auch die
von mir nicht angeführten Kasus des Altkirchenslavischen und
die des Lettischen in derselben Weise zu deuten seien, ist von
Leskien, Deklination 130 ff. auf das klarste erwiesen. Die
Zusammenrückung der Formen stammt schon aus der Zeit
der slavolettischen Einheit, denn es ist wahrscheinlich,
dass schon in dieser Zeit dıe Gewohnheit bestanden habe,
die Kasus des genannten Pronomens zwischen das flektierte
Adjektiv und Substantiv zu setzen und so das sog. “bestimmte’
Adjektiv zu bilden. Man bezeichnet dieses Pronomen häufig
als nachgestellten Artikel und dagegen ist nichts einzuwenden,
wenn man damit nur sagen will, dass es einigermassen dem
Artikel anderer Sprachen entspricht. Aber man darf darüber
nicht vergessen, dass die Entsprechung nur unvollständig ist.
Denn während in anderen Sprachen der Artikel zu dem Sub-
stantivum tritt, mag dieses nun von einem Adjektivum be-
gleitet sein oder nicht, findet sich unser Pronomen nur dann,
wenn ein Adjektivum bei dem Substantivum steht. Denn im
Aksl. heisst z. B. vino “Wein’ und “der Wein’, aber vino novo
neuer Wein, vino novoje der neue Wein. Es muss also dieses
$ 201.] Kap. XI. Diezusammengesetzten (bestimmten) Adj.imBalt.-Slav. 433
Pronomen von Anfang an die Aufgabe gehabt haben, das Ad-
jektivum mit dem Substantivum zu verbinden, mit anderen
Worten: es kann nur ein Relativum gewesen sein, so dass
vino novoje heisst: “der Wein, welcher neu’. Ich glaube in der
That mit Scherer, ZGDS! 403, dass es sich so verhält, und
werde bei dem Relativum zu zeigen suchen, dass wir in dieser
Verbindung einen alten Typus vor uns haben (wie er z. B.
noch ım Avestischen vorliegt). Es haben demnach wahrschein-
lich ursprünglich die zwei Ausdrucksweisen v:n0 n0v0o und vino
novo je neben einander gelegen und der Sinn der Bestimmt-
heit ist in den zweiten Typus im Gegensatz gegen den ersten
hineingekommen. Dabei bedenke man, dass das Streben nach
einer Form, die etwa unserem Artikel entspricht, etwas sehr
nahe Liegendes ist, wie die vielen Sprachen beweisen, die einen
Artikel entwickelt haben.
Über den Gebrauch des bestimmten Adjektivums im
Litauischen handeln Schleicher, Gr. 260, Kurschat $ 1510 ff.,
Bezzenberger, ZGLS. S. 155 und 232ff., Leskien-Brugman 307.
“Das bestimmte Adjektiv — so sagt Schleicher — entspricht
ım allgemeinen unserem deutschen Adjektiv mit dem bestimmten
Artikel, wird aber nicht völlig so oft gebraucht, wie der Artikel
im Deutschen, sondern nur, wenn ein besonderer Nachdruck
auf dem Adjektiv liegt (weshalb es die bisherigen Grammatiker
auch die emphatische Form nennen).” So stimmen also die drei
Sprachen überein, indem es heisst das neue Testament, aksl.
novyyi zavetü, lit. naujasıs Testamentas. In dem Gleichnis von
dem neuen Wein und den alten Schläuchen heisst es Luk.
5, 37 ım Griechischen: xatl oBöels BaAdeı olvov vdov els doxous
naharobs" el Ö& ynye, brksı 6 v&os olvos Tobs doxous, bei Ulfilas:
Jah ainshun ni giutid vein niujata in balgins fairnjans, aippau
distairid Pata niujo vein Pans balgins, im cod. Mar. i nıktoze
ne vülivaatü vina nova vü mechy vetüchy, aste li ze ni prosaditü
vino novoje mechy, im Litauischen in der von Kurschat revidier-
ten Ausgabe des neuen Testamentes (Halle 1865) :7 neks nepıla
szvezy vynqi senüs ryküs, szeip szvözüsis vynas iszplaiszın senüsius
ryküs. Der Gebrauch des bestimmten Adjektivums ist aber nach
Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm. Sprachen. 1. 28
434 Kap.XI. Die zusammengesetzten (bestimmten) Adj. im Balt.-Slav. [$201.
Ort und Zeit im Litauischen sehr verschieden. So sagt Kurschat::
“Doch wird die Bestimmtheitsform der Adjektiva und der sonsti-
gen adjektivischen Wörter öfter auch vernachlässigt und in man-
chen Gegenden von russisch Litauen sind kaum Spuren davon
vorhanden. Bemerkenswerth ist es, dass dieselbe bei Dona-
litius fast gar nicht vorkommt.” Und Brugmann bei Leskien-
Brugman berichtet über sein Gebiet, dass die bestimmte
Form im ganzen selten sei, etwas häufiger nur bei substan-
tivierten Adjektiven, wie z. B. vyresnysis der Obere. Über
das Schwanken des Gebrauches in der Zeit hat Bezzen-
berger einige Angaben. Unter diesen Umständen muss ich auf
eine Darstellung des litauischen Gebrauches verzichten. Ich
werde denselben nur gelegentlich bei dem Vokativ berücksich-
tigen. Dass das litauische bestimmte Adjektiv dem deutschen
schwachen entspricht, kann nicht zweifelhaft sein und “man
wird zugeben, dass mit vollem Rechte Rask und nach ihm
andere das starke Adjektiv als das unbestimmte, das schwache
als das bestimmte bezeichneten” (Scherer a. a. O. 407).
Über das slavische bestimmte Adjektiv hat Miklosich
4, 129. gehandelt. Man ersieht daraus, dass sich in den
neueren slavischen Sprachen gegenüber dem Altkirchenslavi-
schen mancherlei geändert hat. Man sagt z. B. aksl. domü
novü ein neues Haus, aber domü novyji das neue Haus. Im
Russischen aber ist die Form rov&ü nur noch im prädikativen
Gebrauch vorhanden. Es heisst also elotü domü novü dieses
Haus ist neu, aber nooyy domü bedeutet sowohl “das neue Haus’
als “ein neues Haus’. Diese Beschränkung der einfachen Form
des Gebrauchs gehört aber. wesentlich der Schriftsprache an,
während die Volkssprache noch die ältere Gewohnheit bei-
behalten hat (vgl. Äsböth, Gr. $ 14ff). Ich kann auf diese
Einzelheiten nicht eingehen, beschränke mich also im Folgen-
den darauf, in aller Kürze über den aksl. Gebrauch zu orien-
tieren. Da die Bestimmtheitsform sich wie die n-Form des
Germanischen auf alle oder fast alle adjektivisch verwendbaren
Wortformen ausdehnt, so folge ich der bei dem Germanischen
angewendeten Anordnung, abgesehen davon, dass es bier
A
|
—ıY
8201.] Kap.XI. Die zusammengesetzten (bestimmten) Ad.imBalt.-Slav. 435
nicht nöthig ist, eine besondere Nummer für den Komparativ
aufzustellen.
1. Nach Miklosich 4, 133 haben zusammengesetzte Formen
oft die Bedeutung von Substantiven, z. B. russ. portnoy
Schneider (zu portü Zeug), ztvotnoje Thier, perednjaja Vor-
zimmer u. 8. w. Im Altkirchenslavischen aber ist das nicht
der Fall. TugAot Avaßkeroucı xal XwAot repıraroücı Matth. 11, 5
wird übersetzt, sowohl slep: proziraygtü ® chromi chodetu als
slepijt, chromiji (vgl. Miklosich 4, 145, im cod. Mar. siepiji und
chromiji, im. Zogr. slepiji, aber chromt. Man kann ja auch
ganz wohl sagen: “Blinde sehen’ als ‘die Blinden sehen’. Es
liegt also eine vorübergehende Substantivierung sowohl in
dem einfachen als in dem zusammengesetzten Adjektivum.
Will man die dauernd und ausdrücklich substantivische Form
gebrauchen, so muss man slepici und chromict sagen (vgl. oben
S. 426).
2) Das Adjektivum ım attrıbutiven Gebrauch. Wie
oben bemerkt wurde, heisst v120 novo neuer Wein, vino novoJe
aber der neue Wein und so in unzähligen Fällen. Es entspricht
vino novo dem griechischen v&os olvos und dem gotischen vern
niujata, vino novoje aber dem griechischen 6 veos otvos und dem
gotischen Pata niujo vein. Dabei ist aber die Übersetzung aus
dem Griechischen keineswegs sklavisch, vielmehr steht die be-
stimmte Form überall da, wo der Übersetzer die Bestimmtheit
empfindet. “Der heilige Geist’ heisst z.B. duchü svetyji, obgleich
ım Griechischen rveöpa äyıov (also ohne Artikel) steht. Ebenso
z.B. Luk. 1, 32 synü vySünjaago narecetü se obgleich im Grie-
chischen steht: xat vlös öbtorou xAndnoeraı. Aus der unbegrenzten
Menge von Belegen seien noch angeführt, für die unbestimmte
Form: i vüzüpi glasomi velijemi xal dvepwynoe pwv7j neyaly Luk.
1, 42; radosti velijg JaZe baqdetü yapav peydinv Arıs Eoraı 2, 10;
na novy mesece besünujelü se oeAnvıaleraı Matth. 17, 15 (Var.
na novü meseci bei neuem Monde). Für die bestimmte Form:
i poloZi je vü novemi svojemi grobe xal Ednxev adrd Ev TS xauyp
abtoö uynueip Matth. 27, 60; Cito ubo jestü se, Clo ucenije novojJe
se ti &otı Toro; Tis H dtdayn N xaın adım; Mark. 1, 27. —
28*
436 Kap.XI. Die zusammengesetzten bestimmten! Adj. im Balt.-Slav. [$201.
Wenn mehrere Adjektiva zu einem Substantivum treten, so soll
nach Miklosich 4, 148 der Regel nach nur das erste derselben die
bestimmte Form haben. Indessen soll diese Regel viele Aus-
nahmen leiden, und ın der That steht z. B. im cod. Mar.
Matth. 24, 45 nicht verinyyi rabü ı madrü (6 rıorös Öoülos xal
opcvinos), sondern verinyyi rabü i madryy!.
Eine Klasse der Adjektiva erscheint der Regel nach nur
in der unbestimmten Form, nämlich die Besitz-Adjektiva,
welchen in anderen Sprachen der Genitiv entspricht, vgl.
Miklosich 4, 130, der auch einige Ausnahmen von dieser Regel
verzeichnet. Es heisst also z. B. syn&ö davydorü 6 vids Aastö
(und nicht davydovyyt) Matth. 12, 23; i vinide vü domü zachartijinü
xal elonAdev sl; tov olxov Zayaptou Luk. 1,40; Jako uslysa Elisabefi
celovanje marijino @< Txovae ı EAısaßer toöv doraspöv Tüs Maptas 41
u.s. w. Im allgemeinen hat sich dieser Zustand auch in die
neueren Sprachen fortgesetzt. Man sagt also z. B. russ. Petrovü
domü Peters Haus, Petrova Zena Peters Frau, otcorü sadü der
Garten des Vaters, sestrina $Slyapa der Hut der Schwester u.s. w.
Doch stammen aus der zusammengesetzten (bestimmten) Flexion
der Instr. (Petrovymü) und der Lok. (Petrovomü) und der ganze
Plural mit Ausnahme des Nominativs. — Die Beschränkung
auf die eine Form erklärt sich wohl daraus, dass man das
Substantivum durch diese Art von Adjektiva als hinreichend
genau bezeichnet empfand, so dass eine anderweitige Bestim-
mung desselben unterbleiben konnte.
3. Adjektiva bei dem Vokativ.!) Um die Über-
lieferung der baltischslavischen Sprachen in diesem Punkte
richtig würdigen zu können, muss man sich Folgendes gegen-
wärtig halten (vgl. $ 186). Die Adjektiva neben Vokativen
haben im Altindischen immer und im Griechischen gewöhnlich
ebenfalls die vokativische Form. Im Griechischen können sie
jedoch auch nominativische Form haben, und zwar entweder so,
dass das unbestimmte Adj. voransteht, z. B. otkos @ Mevelas,
1) Ausser den Adjektiven im engeren Sinne sind hier auch die adjek-
tivisch gebrauchten Partizipia berücksichtigt.
$201.] Kap.XI. Diezusammengesetzten (bestimmten) Adj.im Balt.-Slav. 437
oder so, dass das durch den Artikel bestimmte folgt, z. B.
avöpes ol zapdvres. Diese drei Typen sind auch im Baltisch-
Slavischen vorhanden, doch ist der erste nur noch ım Slavischen
erhalten. Demnach findet sich im Altkirchenslavischen
1. die unbestimmte Form und zwar
a) als Vokativ, z. B. Fariseju slepe Matth. 23, 26 (Leskien,
Handb.? 72),
b) als Vokativ-Nominativ, z. B. o rode neverünt Mark. 9,19,
o rode neverüni i razorastenü Luk. 9, 41;
2. die bestimmte Form, von welcher es natürlich keinen
Vokativ giebt, z. B. weitelju blagyyi Matth. 19, 16, Luk.18, 18,
Mark. 10,17; zülyji rabe Luk. 19,22; oftce svetyji Joh. 17, 11;
otice pravedünyji Joh. 17, 25; slavänyjt Teofile Luk. 1, 3; rabe
lgkavyji Matth. 18, 32; duse necistyji Mark. 5, 8; blagyji rabe ı
dobryji Luk. 19, 17; zülyji rabe i lenyji Matth. 25, 26; nemyji vi
gluchyji duse Mark. 9,25; 0 rode neverünyji i razorastenyji Matth.
17, 17. Matth. 25, 21.23 steht im Mar. dodryji rabe ı blagyji
* verine, im Zogr. 21 dobryji rabe blagyji i verünyji, aber 23
verine.
Im Litauischen findet sich sowohl die unbestimmte als
die bestimmte Form, letztere nach Kurschat’s Text die nor-
male. Ich führe an, was ich aus der Ausgabe von Rhesa
(1816) angemerkt habe, und setze dazu in Klammern
Bezzenberger's (ZGLS. 236) Angaben aus Bretken, so weit
sie vorhanden sind. Die unbestimmte Form findet sich z. B.
in ger's mokitojpau dröaoxale Ayade Matth. 19, 16 (Bretken
geras Mistre); ebenso Luk. 18, 18 und Mark. 10, 17 (Bretken
gerasis Mistre und Mistre gerasis); ak tu geras tarne ayade
öoöle Luk. 19, 17; tu pikt’s tarne rovnpe Öoüle Luk. 19, 22;
miel’s Teopile xparıore Bedpıke Luk. 1, 3; szwentas tewe rarep
ayıe Joh. 17, 11; iu geras ir wiernas tarne Sodle Ayade xal rote
Matth. 25, 21 (Bretken gerasis ir wiernasis tarne); tu neczysta
dwase £:elde 16 nveüna Tö axaßtaptov Mark. 5, 8: teisus lewe narep
öixate Joh. 17, 25 (Bretken tersusis tiewe); ak tu netikkinti ır
nelabba gimmine & yevea Amıorog xal Öteorpaupevn Matth. 17,17;
tu nekalbanti ir negirdinti dwase 6 rveüpa To Akakov xal xwpuv
438 Kap.XI. Diezusammengesetzten (bestimmten) Adj. im Balt.-Slav. [$201.
Mark. 9, 25. Dagegen die bestimmte Form: iu piktasis tarne
övöle rovnpe Matth. 18, 32 (Bretken ebenso); tu piktasis tarne
ır Iingini rovrus doüle xal öxvnp& Matth. 25, 26; iu aklasıs Pari-
zeusze Dapıoate tupA& Matth. 23, 26; ak tu netikkinliji gimmine
& yevea anıotos Mark. 9, 19. Beide Formen neben einander:
ak tu nelikkinti ir perwerstoji weisle & yevea Antotos xal Öte-
orpapuevn Luk. 9, 41.
Im Lettischen ist, nach Bielenstein, Gr. $ 531 Anm., dıe
bestimmte Form alleinherrschend geworden.
4. Das prädikative Adjektiv steht im Altkirchenslavi-
schen, abweichend vom Gotischen, stets in der unbestimmten
Form, z. B. jemu Ze nesmi dostojinü sapoga ponesti od oBx el
Ixavös ra broönnara Baoracaı Matth. 3,11; # soelo img jego xal
@yıov TO dvona aurou Luk. 1, 49; 3 prebyvaase nemü xal dtdpeive
xwpd; Luk. 1, 22; pravy tvorıte stizy Jego eüdela; ToLwite Tag
tptßous adtoö Matth.3,3. Genaueres bei Miklosich 4, 136 ff. Nur
prädikativisch gebraucht und darum nur in unbestimmter Form
erscheint radü froh, z. B. radü bystü &yapr, Luk. 23, 8. Ebenso
russ. gorazdü erfahren, geschickt.
5. Die Ordinalıia stehen wie im Gotischen regelmässig
ın der bestimmten Form, z. B. vü Sestyji Ze meöseci &v d£ tw uıvl
zo Extp Luk. 1, 26. Als wichtige Ausnahme führt Miklosich
4, 130 an: samü selbst in Verbindung mit Ordinalia, z. B. sami
vütorü selbander, eigentlich ‘selbst zweiter seiend’; dystä videti
t samogo tretija man konnte ihn selbdritten sehen (Miklosich
4, 67). Offenbar wurde das Zahlwort als prädıkativ empfunden.
Ein zweiter Fall liegt vor in der Verbindung mit polü (Nom.
sing. mask. “die Hälfte”), z. B. polä vütora die Hälfte eines,
des anderen, ein anderes halb, anderthalb, polütreitya leta
drittehalb Jahre (Miklosich 4, 69). In den lebenden Sprachen,
z. B. russ. poltord anderthalb, dürfte die Verbindung ebenso
unverständlich geworden sein, wie z. B. unser ‘drittehalb’.
6. Partizipia. Alle Partizipia des Altkirchenslavischen
sind der doppelten Form fähig (vgl. Miklosich 4, 129). Nur
das Partizipium auf -/& kann die bestimmte Form nicht bilden,
da es, wie Leskien, Handbuch? 116, bemerkt, ursprünglich kein
$201.] Kap. XI. Diezusammengesetzten (bestimmten) Adj. im Balt.-Slav. 439
Adjektivum, sondern ein Nomen agentis ist. (Im Russischen
jedoch sagt man auch dyloje delo eine gewesene Sache, es ist
vorgekommen, Äsböth 56). Ich beschränke mich auf ein paar
Beispiele des Part. praes. Dasselbe erscheint in der unbe-
stimmten Form a) wenn es eine Nebenhandlung ausdrückt,
sich an das Subjekt anschliessend, z. B. ing pritücq predlozi
Jımü glagolje any rapaßoAnv rapeürxev aörois AdywvMatth. 13,31;
ı se glasü iz oblaka glagolje löod ywyn Ex Tis vereing Adyousa
Matth. 17,5. Insbesondere in der Konstruktion des sog. ab-
soluten Dativs, z. B. s jeste glagoljastju jemu xaı Erı adroö Aa-
koövrog Matth. 26, 47. b) wenn es prädikativ gebraucht ist,
sei es in Verbindung mit ‘sein’, sei es abhängig von ‘sehen,
hören’ und ähnlichen Verben, z. B. ; beasete glagohjgsta sü
Isusomü xat noav ouAlaloüvtes to Incoo Mark. 9, A; sego obretomü
razurastajgsta Jezykü nast draorpeyovra to Edvos hywv Luk. 23,2;
Jako my slysachomy-ji glagoljgstt Er Aueis hrovoapev abrou
Aeyovtos Mark. 14,58; videvüse otroky zovgSte ı glagolygste lödvres
Tobg natöas Apabovras xal Adyovras Matth. 21, 15. Dagegen er-
scheint das Partizipium in der bestimmten Form a) wenn es
Subjekt, Objekt u. 3. w. des Satzes ist, also mit substantivischem
Werthe, z. B. glagoljeji o sebe slauy svojeje iStetü 5 An &auroü
lalav Thv ödkav rnv lölav Cnrtei Joh. 7, 18; on Ze otüvestavü rece
kü glagoljastzumu 6 d& äroxpıdels eine tip eindvrı adrp Matth.
12, 48. b) adjektivisch, z.B. s/ySavü slovo glagoljemoje dxousas
töv Adyov Auloupevov Mark. 5, 36. Ein adjektivisches Partizipium
ist also dann unbestimmt, wenn es eine Nebenhandlung aus-
drückt, aber dann bestimmt, wenn es eine Eigenschaft des
Substantivbegriffes ausdrückt, zu dem es gehört, z. B. da sübq-
dqtü se künigy glagohasteje iva 4 ypapıı rinpwdd 7 Adyousa
Joh. 19, 24. (Nicht selten freilich steht ın diesem Falle die
Instrumentalform auf em, statt der auf iyimi (yymi), z. B. Matth.
27,9. Warum, wäre noch zu untersuchen).
Die Pronomina nehmen nach Miklosich 4, 130 die be-
stimmte Form nur vereinzelt an, ohne dass eine Besonderheit
des Sınnes dabei hervorträte.
440 Kap. XI. Rückblick auf die Adj. des Germ. u. Balt.-Slav. [$ 202.
$202. Rückblick auf die Adjektiva des Germa-
nischen und Baltisch-Slavischen.
Die nominalen Adjektiva wurden ursprünglich ebenso
flektiert wie die Substantiva. Dieser Zustand hat sich, wie
in den meisten Sprachen, so auch im Slavischen erhalten, z. B.
vino novo vinum novum. Man nennt dieses slavische Ad).
nach seiner Anwendung das unbestimmte. Nun giebt es aber
Adjektiva nicht nur auf dem nominalen, sondern auch auf dem
pronominalen Gebiet, und es ist deshalb nicht zu verwun-
dern, dass die nominalen Adjektiva von der pronominalen Seite
her einen Einfluss erfuhren. Ein solcher Einfluss (der wahr-
scheinlich schon in der Ursprache begann) lässt sich z. B. ım
Altindischen beobachten, wo aber die Bewegung nicht weit
gediehen ist. Dagegen hat dieselbe im Germanischen und
Litauischen das gesammte Adjektivum ergriffen, bei dem wir
infolge dessen eine Anzahl von Kasus pronominal gebildet
sehen. Man nennt dieses Adjektivum im Litauischen nach
seiner Bedeutung das unbestimmte, im Germanischen mit einer
mangelhaften von Grimm herrührenden, schwerlich mehr aus-
zurottenden Bezeichnung das starke. Das slavische unbestimmte,
Iitauische unbestimmte, germanische starke Adjektivum stellt
also die Fortsetzung des indogermanischen Adjektivs dar. Dass
im Germanischen und Litauischen eine Reihe von Kasus durch
Analogiewirkung verändert sind, ist eine für die Syntax gleich-
gültige Erscheinung. Nur insofern interessiert sie uns, als wir
in dieser Kasusgestaltung eines jener Momente erblicken, welche
das Adjektivum gegenüber dem Substantivum als eine beson-
dere Wortart kennzeichnen.
Zu diesem alten Adjektivum sind nun auf beiden Sprach-
gebieten, dem Germanischen einerseits und dem Baltisch -Sla-
vischen andererseits Neubildungen gekommen, welche in for-
meller Beziehung nichts mit einander zu thun haben, der
Bedeutung nach aber wesentlich übereinstimmen. Und zwar
auf germanischer Seite das sog. schwache Adjektivum. Es
lässt sich nachweisen, dass dieses aus attributiven Substantiven
entstanden ist. Dem Sinne nach sollte man das schwache
$202—203.)] Kap. XI. Adjektivum und Genitiv im Slavischen. 441
Adjektivum als das bestimmte bezeichnen. Denselben Sinn hat
das baltisch-slavische aus einem Relativsatz hervorgegangene
zusammengesetzte (bestimmte) Adjektivum. Wir haben wohl
anzunehmen, dass die Grundlagen für diese Ausdrucksweise
bereits in der Urzeit gelegt worden waren, dass die Gewohnheit
sich so auszudrücken in der baltisch-slavischen Periode über-
hand genommen hatte, dass aber die wirkliche Verschmelzung
in einer Zeit erfolgte, als das baltisch-slavische Urvolk bereits
keine Spracheinheit mehr bildete.
$ 203. Adjektivum und Genitiv im Slavischen.
Das von Substantiva abgeleitete Adjektivum findet in den
slavischen Sprachen eine breitere Anwendung, als in den
übrigen (vgl. Miklosich 4, 7 ff., Danicic 24 ff.).
1. Es wird häufig da gebraucht, wo wir, sei es den Ge-
nitiv, sei es ein Kompositum, seltener ein Adjektivum an-
wenden. So bei Adj., die von Wörtern für Thiere und Pflanzen
herstammen, z. B.: aksl. skuminü livovü catulus leonis, russ.
Rvinaja golova Löwenkopf; serb. nije svako tijelo jedno tijelo,
nego je drugo tijelo Coyjecije, a drugo skotsko, a drugo riblye,
a drugo ptiöije nicht ist alles Fleisch einerlei Fleisch, sondern
ein anderes Fleisch ist der Menschen, ein anderes des Viehes,
ein anderes der Fische, ein anderes der Vögel 1. Kor. 15, 39;
russ. korovijye moloko Kuhmilch;, serb. voluje meso Ochsenfleisch ;
bivolska koza Büflelfell; aksl. suprugi osliji jugum asinorum,
na Zrebete osülji Joh. 12, 15; russ. Asi7 mechü Fuchspelz;
aksl. stado svinoje Ay&in xolpwv Matth. 8, 31; serb. day mi boze
oct sokolove gieb mir, Gott, Falkenaugen ; rodino gnezdo Storch-
nest; zmijin jed Schlangengift,; aksl. bücelinü sütü Bienenwabe;
serb. jelova grana Tannenzweig; bundevski cvet Kürbisblüthe;
zrno Senicno Weizenkorn. Ferner Begriffe anderer Art, z. B.:
aksl. cesaristvije nebesiskoje Himmelreich,, obrazü düzdevü species
pluviae; svetü mesjacji, slünicji To Yüas TAs oeAnvns, Tod Alov;
serb. Zyetni dan Sommertag; Zeiveno doba Erntezeit; gorski vuk
Bergwolf; aksl. viskresinyy dini dies resurrectionis; serb. Anıga
raspusna Scheidebrief; 2ojas kozan ein lederner Gürtel; sodna
vrata Zimmerthür; zubna Dbolest Zahnweh; vratna kost Hals-
442 Kap. XI. Adjektivum und Genitiv im Slavischen. [$ 203.
knochen; aksl. slizöno mnoZistvo lacıımarum multitudo u. s. w.
Allen diesen Ad). liegt, wie es auch bei den Adj. der übrigen
Sprachen der Fall ist, natürlich der Begriff des Substantivums,
nicht ein einzeln vorgestelltes Wesen zu Grunde.
2. Es werden aber auch Adjektiva von Wörtern für per-
sönlich gedachte Einzelwesen abgeleitet, und zwar sehr häufig
von Personennomen. Ich führe aus der grossen Fülle von
Belegen, die sich beibringen liessen, einige altkirchenslavische
an: syne davydovü vi& Aaßid Mark. 10, 48; düsti Irodijadina 7
duyarnp ts Hpwörzdos Matth. 14, 6; wcenict Ioanovs oi paßmral
’Ioavvov Matth. 9, 14; 3 privrüga je kü nogama Isusovama xal
Eppıbav abrob; mapd tous nödas to Inooö Matth. 15, 30; © pri-
sedü Isusü vü domü Petrovü vide tüstq jego lezestq xal &Idwv 6
"Inooös sis Thy olxlav Ilerpou eide rhv nevdepav adroö BeßAnnivnv
Matth. 8, 14 (wo also Jego auf das in dem Adj. enthaltene Subst.
geht. Ebenso bei anderen persönlichen Begriffen, z. B. rü
ssting synü boziji Jesi aAndws Yeod viös el Matth. 14, 33; ugotovite
patli gospodinj? &roıuaoate hy 666v xuptou Mark. 1, 3; ciy?T Jestä
odbrazo-si 3 napısantje? glagolase Jemu: kesarovü tivos r) eixav adım
xat n &mıypapn; Adyovaıv adtı Katsapos Matth. 22, 20; Ay otü
oboyu sütvori voljq oficq Tl; &x Twv dbo Enolnoe To Beinpa Tod
rarpd;; Matth. 21, 31; iZe i-creva materinja rodise se tako olrıyes
&x xoıdllas puntpos Eyevvndncav oörw Matth. 19, 12; ne si li Jestü
tektonovü synü oby oütds &atıy 6 Tod Textovos vids; Matth. 13, 55.
Bei den von Eigennamen abgeleiteten Adjektiven liegt natür-
lich die Einzelperson, bei den anderen entweder der Begrifl,
oder auch ein Einzelwesen zu Grunde. Ein Beispiel für den
ersten Fall ist: syn& do Clovecisky? imalü predali se vü race clo-
vecisce 6 ap viös Tod Avdpwroun pelleı rapadldoodaı eis yeıpaz
@vdpwrwv Luk. 9, 44; ein Beispiel für den zweiten Fall: serb.
ı u njima jedna baba carica i jedna devoyka babina kder und
in ihm (dem Schloss) eine Alte die Kaiserin und ein Mädchen
die Tochter der Alten (Märchen).
Wie man sieht, ist das Verhältnis der Begriffe das pos-
sessive. Es kommen zwar auch andere Verhältnisse vor,
z. B. aksl. strachü igemonovü die Furcht vor dem Abt,
$ 203.) Kap. XI. Adjektivum und Genitiv im Slavischen. 443
serb. od Imbrova straha aus Furcht vor Imbro, aksl. zavıs"
bratinja der Neid gegen den Bruder. Doch ist der possessive
Sinn bei weitem überwiegend.
Wenn ich nun dazu übergehe, das Gebiet der unter 2
genannten Adjektiva gegen das des Genitivs abzugrenzen, so
habe ich zunächst zu bemerken, dass nach meinem Eindruck
die drei in dieser Schrift herangezogenen slavischen Sprachen
im wesentliehen denselben Zustand zeigen. Freilich finden
sich auch Verschiedenheiten, z. B. heisst es serb. pomocu kneza
djavolskog isgoni djavole &v Tw Apyovrı Tuv darmovimov Eußardeı
ta Saruövıa Matth. 9, 34, aber aksl. o Akünezi besü (also Gen.).
Die Untersuchung nach dieser und anderen Richtungen zu er-
schöpfen, kann indes nur demjenigen gelingen, der mit den
slavischen Sprachen auf das genaueste vertraut ist. Ich muss
mich begnügen, einzelne stilistische Konstellationen anzuführen,
unter denen der Genitiv natürlicher erscheint als das Adjek-
tirum. Die Belege entnehme ich vorzugsweise dem Serbischen
und dort wesentlich dem neuen Testament in der Übersetzung
von Wuk, auf dessen ausgezeichnetes Sprachgefühl man sich
auch in diesem Falle am sichersten verlässt. Im allgemeinen
kann man sagen, dass der Genitiv nahe liegt, wenn der Aus-
druck noch eine Fortsetzung findet. Diese Fortsetzung kann
bestehen a) in einem Adjektivum, welches zu dem im Genitiv
stehenden Substantivum hinzutritt, z. B. serb. tt si Hlristos,
sin Boga Zivoga du bist Christus, der Sohn des lebendigen
Gottes Matth. 16, 16, womit man va istınu ti si sın boäy
Math. 14, 33 vergleiche; b) in einer Apposition, z. B. glava
Iovana krstitelja das Haupt Johannis des Täufers Matth. 14, 8,
pleme Isusa Hrista sina Davida Avraamova sina der Stamm-
baum Jesu Christi, des Sohnes Davids, des Sohnes Abrahams
Matth. 1, 1, wo also das Adj. nur in Avraamova sina auftritt,
weil hinter diesem Gliede keine Apposition mehr folgt.')
Nach Miklosisch 4, 14 soll das Adjektivum stets gebraucht
1) Diese für ein ausgebildetes Denken natürlich erscheinende Aus-
drucksweise ist freilich keineswegs die alleinherrschende, sondern es kommt
444 Kap. XI. Adjektivum und Genitiv im Slavischen. [$ 203.
werden bei pronominalem Ausdruck, z. B. aksl. dri2ite nakazantje
moje olica vaSego haltet fest meine, eures Vaters, Lehre; es
findet sich aber auch der Genitiv des Pronomens, so serb. Ztttje
mene Gerasima Zelica mein, des G. Z., Leben (Danitic 36).
Endlich können auch beide Wörter adjektivische Form erhalten,
z. B. aksl. celovanije mojeju rukoju Pavljeyu 6 dorasyos TI &ufj
yeıpi Ilaulou, so auch serb. pozdrauv mojom rukom Pavlovom
Kol. 4, 18; c) ın einem Relativsatz, z. B. serb. Alupe ontjeh 8to
prodavahu golubove dıe Bänke derjenigen, welche Tauben ver-
kauften Matth. 21, 12; moja nauka nije moja nego onoga koyi
me je poslao meine Lehre ist nicht mein, sondern dessen,
der mich gesandt hat Joh. 7, 16; d) die Fortsetzung kann
auch allein in einem zweiten durch ‘und’ angefügten Substan-
tivum bestehen, z. B. vü ime olica i syna si svelaago ducha eis
20 dvoua Tod ratpos xal To uloo xal Toü Aylou nveöuatos Matth.
28, 19; serb. da de bit saranjen Zivot nje ı sve njezine rodbine
dass geschützt werde ihr und ihrer ganzen Verwandtschaft
Leben (Danitic 39).
Zweifelhaft ist mir, ob sich für die Verbindung des Genitivs
oder Adjektivs mit Nomina actionis eine Regel aufstellen lässt.
Aus dem Altkirchenslavischen führt Miklosich eine Reihe von
Adjektiven an, und zwar sowohl im Sinne des objektiven als
des subjektiven Genitivs, z. B. udtyentje Urijino die Ermordung
des Urias (eo auch russ. ubijstvo Igorevo), po predantji Tounove
nachdem Johannes übergeben worden war (Mark. 1, 14), pobe-
Zdenije dijavolovo die Besiegung des Teufels, po£itantje knizinoje
lectio librorum, prisistuije Hristovo adventus Christi. Aus
dem Serbischen habe ich überwiegend Genitive angemerkt,
2. B. vaskrsenije mrtvijeh die Auferstehung der Toten, $Argut
zuba Knirschen der Zähne, radi otpustenja grijeha wegen der
auch der ungenauere Ausdruck durch Adjektiva vor. So steht zwar im
cod. Mar. Luk. 1, 69 korrekt: vi domu Davida otroka svojego &x To olxwp
Aaßiö tod rardös abrod. Nach Miklosich findet sich aber auch vi domu
Davidovi otroka svojego, ferner vü img gospodinje sütvorisaago nebo i zemijq
im Namen des Vaters, der Himmel und Erde geschaffen hat und Ähnliches,
das ich hier nicht weiter verfolgen kann.
$ 203—204.] Kap. XI. Adjektivum und Genitiv im Arischen. 445
Vergebung der Sünden. Dagegen dan rodjenja Irodova der
Tag der Geburt des Herodes Matth. 14, 6, do smrti Irodove
bıs zum Tode des Herodes Matth. 2, 15.
$ 204. Vergleichung mit den andern Sprachen.
Ich komme nun zur Vergleichung des Slavischen mit den
verwandten Sprachen. Doch werde ich, weil mir zur Behand-
lung des gesammten Adjektivums, soweit es mit dem Genitiv
verglichen werden kann, nicht ausreichendes Material zu Gebote
steht, nur die von Eigennamen abgeleiteten Adjektiva zur Ver-
gleichung heranziehen.
Im Altindischen werden bekanntlich sehr zahlreiche
Adjektiva auf a von Substantiven abgeleitet unter Vrddhirung
der ersten Silbe, welche im allgemeinen eine Zugehörigkeit zu
dem zu Grunde liegenden Substantivbegriff bedeuten, z. B.
gärdabha zum Esel gehörig, Esel- (mit pdsas doc) zu gardabha,
gärhapatya, scil. agni das Feuer des Hausherrn u. s. w. Ab-
geleitet von Eigennamen, haben sie ebenfalls eine weite
Bedeutung, z. B. aindra dem Indra gehörig, geweiht, von ihm
ausgehend, ihm ähnlich; ärgirasa von den Angiras stammend,
sie betreffend (z. B. eine Erzählung); pau$fna dem Püshan ge-
weiht, auf ihn bezüglich (z. B. Vieh, ein Mus, das ihm geopfert
wird, ein Lied); märuta auf die Marutas bezüglich, aus ihnen
bestehend, z. B. gand, viSas, Sardhas die Schar der M. Nicht
selten stehen diese Adjektiva neben ‚räjan Köngg ı in demselben
Sinne wie sonst der Gen., z. B. im SB. Ayögavo räjä der dem
Stamm der Ayögu angehörige König, der König der A., ‚Pahcalo
r. der König der Pancäla, Mätsyö r. der König der Matsya.
Genitivisch z. B. Sviknanam r. Später erscheint das Adj. als
Bezeichnung des Königs auch ohne Hinzufügung von rajan,
wie denn Nala als Natgadha bekannt ist. In der alten Sprache
kommt die Auslassung eines selbstverständlichen Substantivums
zwar auch sonst gelegentlich vor, z. B. bei paidva das Schlangen
‚. tötende Ross des Pedu, ganz geläufig ist nur die Auslassung
der Sohn und Tochter bedeutenden Wörter. So ıst Zvastra der
Sohn des TvaStar, fva${rt seine Tochter und so die ganze grosse
446 Kap. XI. Adjektivum und Genitiv im Griechischen. [$ 204.
Masse der Patronymika auf«. Das Wort ‘Sohn’ oder “Tochter”
habe ich bei diesen Adj. (die man also schon als substantiviert
bezeichnen kann) nicht gefunden. Auf das Abstammungsver-
hältnis beschränkt scheinen die Suffixe eya und ayana, das
erstere in der alten Sprache öfter das Verhältnis zur Mutter
anzeigend, z. B. ädıteya Sohn der Aditi, Sväitröyd Sohn der
Sviträ, M amateyd Sohn der Mamatä, Arjuneya Nachkomme des
Arjuna, Uk$anyäyana Nachkomme des Ukshanya, Känvayana
Nachkomme des Kanva. Ich habe diese Bildungen auf 2ya
und äyana nicht mit Substantiven gefunden, ausser ätrayi ydsit
im SR,, worüber man Böhtlingk-Roth unter atreya vergleiche.
Völlig substantiviert sind auch die auf i wie paurukutsi Nach-
komme des Purukutsa u.s.w., über welche man Whitney $ 1221
und Brugmann 2, 264 einsehe. Im Iranischen liegen die-
selben Formen auf a vor, z. B. apers. Märgava Bewohner von
Margiana, av. Aıryava Nachkomme des Airyu (Brugmann
2, 107), insbesondere auch die auf s, z. B. av. mäzdayasni
mazdajasnisch, Dastayanı Sohn des DäStäyana, apers. pätifuvari
einer aus Patischorien (nach Brugmann 2, 264), also noch nicht
mit Beschränkung auf das Abstammungsverhältnis.
Noch mehr Ähnlichkeit mit dem Slavischen hat das Grie-
chische (vgl. Kühner Il2, 224). Wir finden bei Homer pos-
sessive von Eigennamen abgeleitete Adjektiva, z. B. vaös Aya-
weuvoven, Innos Ayapeuvoven, AloAln vroos, Alnörıos töußBos Grabmal
des Aipytos, doric, Innos, vads Neotopen, Oöuanıos ödgos, Pin ’Ipı-
xArein und “Hpaxınein. Namentlich findet sich auch, wie im
Slavischen, die Apposition, welche innerlich zu dem Grundwort
des abgeleiteten Adjektivs tritt, an das Adjektiv selbst angefügt,
so bei Homer Neoropey rapa vn IlvAoryeveos Baoıfos B 54,
T'opyein xepaAn dervoio neAwpov E 741, Sahp adT Zuös Zoxe xuvo-
rıdos I 180 u. ähnl. Besonders dienen diese Adjektiva, um
die Zugehörigkeit der Familienglieder zum Familienhaupte zu
bezeichnen. So findet sich bei Homer ’Ayapsyvoven &Aoyos y 264,
auf einer thessalischen Inschrift IIouraAa Tlovraksta xöpa Tıro-,
psia öva (vgl. Meister, Dialekte 1, 196), am meisten natürlich
mit vidg oder raic, zZ. B. ZdEvelos Karavrıos vids, NnAntos vide,
$204.] Kap. XI. Adjektivum und Genitiv im Griech. und Lat.. 447
Ioravrıos Aydads vids bei Homer (gelegentlich auch das Ver-
hältnis zur Mutter bezeichnend: Tirvov Tarrıov vidv n 324),
Telauwvız rat bei Sophokles u. ähnl. Bisweilen lehnt sich das
Adjektivum nicht an vid; oder ats, sondern an den Namen des
Sohnes, z. B. TeAapwvıos Atlas. Allein stehend, also als Patro-
nymika, kommen diese Adjektiva bei Homer nicht vor, wohl
aber regelmässig im Böotischen, Thessalischen, Lesbischen und
einigen anderen Dialekten, welche diesen nahe liegen (vgl.
Meister a. a. O., Zacher, de nominibus graecis in aros S. 248).
In den übrigen Dialekten sind andere patronymische Bildungen
oder der Genitiv eingetreten (so z. B. OuA%os taybs Atlas neben
Terapwvios Atas). Wir finden also im Griechischen in bezug
auf die Patronymika wenigstens in einigen Dialekten denselben
Zustand wie in manchen slavischen Sprachen, z. B. dem Klein-
russischen, wo man nach Miklosich 4, 8 sagt: Fedko Yvanov
syn, Jesyp Nestorov syn, wo aber syn auch wegbleiben kann
2. B. Stanysiav Narbutov. (An die Stelle des Adjektivs kann
dann auch, wie im Russischen, das Subst. auf ovyc treten, z.B.
Fedor Lyubortovyc.) Im Lateinischen sind Ableitungen von
Eigennamen in ähnlichem Gebrauch wie im Griechischen auch
ın der Prosa vorhanden, z. B. Philocteteus clamor bei Cicero,
während Wendungen der Poesie wie Hectorea conjur auf Nach-
ahmung zu beruhen scheinen. Im patronymischen Sinne aber
liegen‘ Adjektiva nicht vor. Dagegen mag hier bemerkt werden,
dass Adj. die von anderen Bezeichnungen lebender Wesen ab-
geleitet sind, wie z. B. ertlis filius in häufigem und mannıg-
faltigem Gebrauch vorliegen. Auch die Anknüpfung eines
Genitivs an ein pronominales Adjektivum liegt vor, z. B. me
tuum studium adulescentis perspexisse bei Cicero (Schmalz? $ 66).
Aus dem Germanischen und Litauischen weiss ich Ent-
sprechendes nicht beizubringen.
Aus dieser, freilich nur flüchtigen Übersicht, welche anderen
noch vieles nachzubringen überlässt, dürfte folgen, dass ın
unseren Sprachen das von Substantiven abgeleitete Adj., im
Gegensatz gegen den Gen., im allgemeinen dazu dient, den
Begriff eines Substantivums zu einem andern in Beziehung
448 Kap. XI. Adjektiva und Zahlwörter. [$ 204—205.
zu setzen, nicht das Subst. als Individuum. Wenigstens gilt
diese Regel durchaus, wie es scheint, in bezug auf solche Sub-
stantiva, welche nicht lebende Wesen bezeichnen. Bei den-
jenigen, welche lebende Wesen bezeichnen, kommt auch eine
Beziehung vor, die der genitivischen durchaus entspricht, z. B.
voorw tw Basıketiw gleich zoo Baoık&o; bei Aeschylus, Perser 8.
Ganz gewöhnlich ist das bei Ableitungen von Eigennamen von
Personen und es scheint, als sei im Indogermanischen die Be-
zeichnung des patronymischen Verhältnisses durch Adjektiva
früher im Gebrauch gewesen, als die Bezeichnung durch
Genitive.
$ 205. Adjektiva und Zahlwörter.
Einige Adjektiva stehen ihrem Sinne nach den Quantitäts-
wörtern nahe und zeigen deshalb auch in ihrer Konstruktion
verwandte Erscheinungen. Es sind namentlich die Wörter für
viel, wenig, halb, mittel.
Viel: Ein altes Wort für viel ist ai. purd, av. pouru,
altp. paru, gr. xoAu-, got. filu. Das ai. pur& ist im Mask. über-
haupt nicht vorhanden, ausser im Gen. plur. purünam, vom
Neutrum kommt ausser purünam nur purü und purüni vor
(während allerdings das Fem. pürv? in mehreren Kasus belegt
ist, es ist aber wahrscheinlich, dass dieses Femininum nicht
zu den ältesten Bildungen gehört). Die Verwendung von purü
ist durchaus adjektivisch. Man sagt also z. B. purd desnam
viel Gabe, nicht desndsya. Das gotische flu- kommt ausser
in dem adverbialen %#laus nur in der Form lu vor, welche
bei Verben halb adverbiell gebraucht wird, z. B. bei didyan,
Jastan, sodann ganz adverbiell, endlich aber, was uns hier
interessiert, substantivisch mit dem Gen. manageins viel der
Menge, eine grosse Menge, z. B. Jah filu manageins laistidedun
afar imma und eine grosse Menge folgte ihm Mark. 3, 7 (man
beachte das Verbum ım Plural}, vgl. auch Grimm 4, 760. Mög-
licherweise war dieser substantivische Gebrauch des Neutrums
der älteste des Wortes überhaupt. Im Avesta sind schon etwas
mehr Kasus vertreten, als im Veda. So kommt der Nom. sing.
mask. vor: ya yavo pourus bavap wenn reichlich Getreide
$ 205.) Kap. XI. Adjektiva und Zahlwörter. 449
vorhanden ist vd. 3, 32. Noch ausgebildeter ist der adjektivische
Gebrauch bei Homer, wo sich z. B. roAus oder roAAds nicht
selten findet, und zwar neben Wörtern wie olvos, löpws, Butkog,
öpuuayöds u. ähnl., deren kollektiver Sinn die Verbindung ver-
ständlich macht. Auffälliger ist: roAAds yap Tıs Exsıro rapnopos
evda xal Evda H 156. Von den übrigen zahlreichen Wörtern
für viel erwähne ich noch die identischen got. manags, slav.
münogü. Ich führe, um den Gebrauch zu veranschaulichen,
einige Stellen aus Ulfilas und die entsprechenden aus dem
cod. Mar. an. In isoliertem Gebrauch erscheint es mit ad-
jektivischer Flexion, z. B. roAlol &poücot por managar giband,
münozi bo rekqtü Matth. 7, 22; xat roAlo0s av ulav "Iopanı
@rıorpedsr Jah managans sunive Israelis gavandeid, i münogy
synovü tsdrailjevü obratsitü Luk. 1, 16. Sodann stimmen beide
Sprachen in der adjektivischen Verwendung überein, z. B.
Aykovrar ai Apaprlar adrns ai rollat afletanda fravaurhteis
izos bos managons, otüpustajqtü se Jeji gresi münozi Luk. 7, 47;
roAld owpara twv xexorunulvov Aylwv managa leika bize ligan-
dane veihaize, münoga telesa pocivajasttjichü svetyjichüu Matth.
27, 52; xal roraurars napaßokais noAlais Jah svaleikaim managarm
gajukom, i tacemi pritücami münozemi Mark. 4, 33. Ein sub-
stantiviertes Neutrum münogo mit abhängigem Genitiv ist im
cod. Mar. nicht vorhanden, wohl aber findet es sich im Ser-
bischen, dem gotischen adjektivischen manags gegenüberstehend,
2. B. 6 nv Bepronös roAds ol 68 Epyaraı dAlyoı Matth. 9, 37 lautet
gotisch asans raihtis managa ıb vaurstujans favai, dagegen ser-
bisch Zeive (Gen.) je mnogo a poslenika malo (aksl. zetva münoga);
roAAods dyAou; Matth. 8, 18 ist got. managans hiuhmans, serb.
mnogo naroda (aksl. münogy narody). Im Litauischen wird in
den angeführten Stellen entweder eine andere Wendung wie
‘Menge’ u. dgl. gewählt, oder das erstarrte daüg, wovon so-
gleich zu reden sein wird. Von einzelsprachlichen Wörtern
erwähne ich ai. bAüri, deutsch genug, lit. daüg. Das ai. bhüri
kommt im RV. gewöhnlich adjektivisch vor, z. B. bhüri vasu
viel Gut, aber auch substantivisch mit einem Genitiv, z. B.
bhüri paSvah viel des Viehes. In bhüri Artoah viele Male
Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm. Sprachen. 1. 29
450 Kap. XI. Adjektiva und Zahlwörter. [$ 205.
—
möchte ich nicht sowohl ein erstarrtes bAüri (wie lit. daüg)
als vielmehr ein erstarrtes Artvas erkennen, das wie ein Neu-
trum behandelt wurde. Das deutsche genug ist im Grimm’schen
Wörterbuch eingehend besprochen worden. Es ist im Gotischen
ein flektiertes Adjektiv, z. B. gaslepand ganohai xoıpwvrar Ixavot
1. Kor. 11, 30; jJera ganoha ypövous ixavods Luk. 20, 9; s3ponjos
is ganohai jah manageins filu oi padrral adrod Ixavol xat ByAos
roAüg Luk. 7, 11; mib manageın ganohai dykou Ixavoö Mark.
10, 46; tvaim hundam skatte hlaibos nı ganohat sind drLaxoslwv
örvapluv Aptor oöx Apxoöcıv autois Joh. 6, 7. So auch noch im
Mittelhochdeutschen, während es im Neuhochdeutschen durch-
aus erstarrt ist, worüber man Hildebrand’s Darlegung a. a. O.
nachlesen möge. Die anderen Sprachen haben für unser
‘genug’ sehr verschiedene Ausdrücke, z. B. im serbischen neuen
Testament bald mnog, z. B. für stponJos is ganohas : mnogi ucenici
njegovi, bald das ın den slavischen Sprachen vielfache Paral-
lelen bietende aksl. dovolinü (vgl. Miklosich Wb. unter ve? 1), so
entspricht dem got. gaslepand ganohai serb. dovolno ih (Gen.)
spavaju (also das Verbum im Plural). Doch soll dieser Gegen-
stand hier nicht weiter verfolgt werden. Das lit. daüg (vgl.
Schleicher, Gr. 296) ist erstarrt wie unser genug (die älteren
Formen s. bei Bezzenberger, ZGLS. 72). Daäüg viel hat den
Gen. bei sich, wenn es ım Sinne des Nom. oder Akk. steht,
z. B. äsz turiü daüug vargü nesziöti ich muss viel Leiden er-
tragen. Dagegen steht es bei anderen Kasus adjektivisch
voran, zZ. B. üsz daüg Zmonems dünos daviaü ich habe vielen
Menschen Brod gegeben. Die Worte ‘mit solchen manchen
Gleichnissen’ sind Mark. 4, 33 übersetzt daüg tokials prilygini-
mais. Doch kann nach Schleicher in einem solchen Falle auch
der abhängige Gen. stehen. Flektiert ist dag nur bei iso-
liertem Gebrauch, z. B. is daugems pastzadejo er hatte vielen
versprochen. Ebenso wie daüg werden kek wie viel? und te
so viel behandelt.
Wenig. Für ‘wenig’ haben wir kein Wort, welches so-
wohl ın Asien wie in Europa vertreten wäre. Nur gr. raöpos,
lat. paucus und paulus und got. favs sind eines Stammes.
8 205.) Kap. XI. Adjektiva und Zahlwörter. 451
Unsere Wörter werden bald adjektivisch, bald substantivisch
mit Gen. gebraucht. Manche sınd überwiegend im Singular,
andere überwiegend im Plural gebraucht.
Im vedischen Sanskrit dabhrd zu dabh jemandem etwas
anhaben, schädigen, versehren, nie mit Genitiv, z. B. ma da-
bhrdm bhüry a bhara nicht weniges, vieles bring herbei RV.
4, 32, 20; nd tdm jinanti bahdvo nd dabhräh ihn überwältigen
nicht viele, nicht wenige 4, 25, 5. Nachvedisch dpa und al-
pakd, stöka ebenfalls nie mit dem Gen. Bei Homer finden
wir öAlyos und raöpog, das erstere ‘klein, winzig, unansehnlich’
auch von der Gestalt eines Menschen gebraucht, bei Wörtern
wie X@pos, oAxos, Xpövos, Xpetos, Bund; u. s. w., pluralisch nur
u 252 bei {ydöcı (den kleinen, nicht den wenigen). Dagegen
raöpog erscheint fast nur im Plural, z. B. naöpous pynorüpas,
radpoı Ayaıöv, raüpa weniges, singularisch nur bei dem Kollek-
tivum Aads B 675. An raüpos schliesst sich das lateinische
paucus, gewöhnlich pluralisch, und paulus (z. B. Zar bei Varro),
gewönlich aber neutral mit Gen., z. B. paulum lueri. Ferner
das gotische favs, singularisch nur du favamma rpös dAtyov
1. Tim. 4, 8, sonst pluralisch z. B. jah favas sınd bar bigttan-
dans bana xal dAlyoı elolv ol eöplanovres adrhv (6ödv) Matth. 7,14;
jah habaidedun fiskans favans xat elyov lydüsıa dAtya Mark. 8, 7.
Dagegen wird lettil nicht adjektivisch, sondern als Neutrum
mit dem Gen. gebraucht, z. B. veinis leitil brukjais oivw dAlyw
yp® 1. Tim. 5, 23. Innerhalb des Slavischen zeigt das ge-
bräuchlichste Wort für klein und wenig, nämlich malt, in der
Bedeutung ‘klein’ natürlich adjektivischen Gebrauch, wo aber
im Gotischen favai steht, steht im cod. Mar. malo mit Gen.
z.B. Zetva ubo münoga a delateli malo 5 y£v Bepropnös moAüg ol
6 &pyaraı SAlyoı Matth. 9, 37. Im Litauischen endlich ist
mäz mazai, menkai wie daüg behandelt.
Halb. Ein altes Wort, welches in indogermanischer Zeit
offenbar nur adverbiell gebraucht wurde, ist *semi. Aı. sami
‘Adverb) unvollständig, nur zum theil, nur halb, vor der Zeit,
zu früh, so: sami präßnänti, sami märjayantö zum theil isst
man es, zum theil reinigt man sich damit TS. 1, 7, 1, 4; yatha
29*
452 Kap. XI. Adjektiva und Zahlwörter. [$ 205.
sami garbhö 'vapddyate als ob der Fötus zu früh abgeht TS.
5, 5, 1,6. Im Griech., Lat., Germ. (ahd. ags.) ist es als erstes
Glied eines Kompositums erhalten. Eine Weiterbildung ist
griech. fiuıou, welches bei Homer entweder adjektivisch vor-
kommt, z. B. Aploees Aaol, oder neutral mit Gen., z. B. Atou
&vApwv.
Von sonstigen Wörtern erwähne ich ai. nema der eine,
mancher, der andere, z. B. pdeati nemö nahi päkjad ardhäh
kochen wird der eine, nicht kochen wird der andere RV. 10,
27, 18. Die Bedeutung ‘halb’ ist im Altindischen erst spät be-
legt. Dagegen zeigt das Avestische die Verbindung na&m2 asni
und zsafne innerhalb des Tages, der Nacht, d. h. eigentlich
“in dem halben Tage’ (vgl. medius). Das indische ardhd heisst
‘der andere’ (vgl. oben) und als erstes Glied eines Kompositums
‘halb’, z. B. ardhamäsd Halbmonat, ardhavasa eine halbe Kuh.
Eine Ausdrucksweise wie *erdha vaSa scheint nicht vorzu-
kommen (vgl. SF. 5, 68). Dagegen wird das lateinische di-
midius so gebraucht, z. B. bei spatium, crus, doch ist dimidia
pars oder dimidium mit Gen. gewöhnlicher. Das gotische halds
wird in beiden Anwendungen gebraucht: und halba Piudan-
gardja meina Ews huloous Ts Baoıkelas mov Mark. 6, 23; Ahalbata
aiginis meins <a hulon av Örapyövrov ou Luk. 19, 8. Im
Litauischen und Slavischen endlich habe ich ein Adjek-
tivum “halb’ nicht gefunden, sondern nur die Ausdrucksweise
durch Substantiva. Über lit. püse sagt Kurschat unter halb:
“zu bemerken ist, dass p3se, wo es nicht genau die Hälfte be-
deutet, nicht dekliniert wird, z. B. ‘auf halbem Wege’ nicht
ant kelio püses, sondern afit püse kelio”. Im Slavischen bedient
man sich des Subst. polovina Hälfte. Neben dem substan-
tivischen Ausdruck kommt Zusammensetzung mit Adverbien
vor, z. B. lit. pusidunaktis Mitternacht, pusiduzemts Hälfte des
Winters, russ. poldeni Mittag.
Mittel. Ai. mädhya, av. maidya, gr. w&ooos, lat. medius,
got. midjis kann in den meisten Sprachen als neutr. Subst.
mit dem Gen. gebraucht, in allen aber als Adjektiv zu dem
Subst. gefügt werden, z. B. ai. im RV. mädhye samudre mitten
$ 205—206.] Kap. XI. Adjektiva und Adverbia 453
—.
Fe EEE,
im Meere, av. masdjöt paitistäne in halber Beinhöhe vd. 8, 8,
gr. nesoy all, lat. in medio mari, got. bigelun ina ın alh in
midjaım latsarjam xadıLdnevov &v nlow av ördaoxalwy Luk. 2, 46,
wo die Abweichung vom Griechischen die Echtheit der Aus-
drucksweise zeig. Nur im Litauischen und Slavischen drückt
man sich mit Hilfe von Adverbien (Präpositionen) oder Substan-
tiven aus. So sagt das litauische Testament an dieser Stelle:
widuj’ tarp mokitoyu mitten unter den Lehrern, das aksl. po
srede ucitelji, das serbische gdje sjedi medju uciteljima. Dem
griechischen An de rs &oprnjs neoobang Joh. 7, 14 entspricht got.
ana midjai dulp, aber aksl. vu prepolovlentje prazdinika, serb.
u polovinu praznika.
8206. Adjektiva und Adverbiıa.
Häufig finden wir, namentlich in den älteren Phasen der
indogermanischen Sprachen, den adjektivischen Ausdruck, wo
wir Modernen es vorziehen, dem Verbum durch einen ad-
verbialen oder präpositionalen Ausdruck eine Ergänzung hinzu-
zufügen. Man vergleiche für das Altindische SF. 5, 78, für
das Avestische einige wenige Fälle bei Hübschmann 159,
für das Griechische Kühner II? 234, für das Lateinische
Schmalz? 539, für das Gotische Gabelentz - Loebe $ 242
Anm. 1® und 215 Anm. 5, für das Litauische Kurschat $ 1427,
für das Slavische Miklosich 4, 16. Bei dem Deutschen ist
wohl zu beachten, dass das Adverbium in den jüngeren
Sprachperioden vielfach mit der kurzen prädikativen Form,
über welche $ 192 gehandelt worden ist, zusammenfällt, so
dass bisweilen der Schein entsteht, als liege ein adverbialer
Ausdruck vor, während in der That der adjektivische erscheint.
So sagen wir z. B. statt des mhd. dü Ägist ın disem wazzer
kalter unde nazzer (Grimm 4, 493) jetzt kalt und nass, was na-
türlich kein Adverbium ist. Manchmal kann man zweifeln,
so bei irre, ahd. irri in trri gangan und faran. Doch dürfte
irri wohl richtig als Nominativ aufgefasst werden (vgl. Erd-
mann 2, 91). So sagt man im Altindischen: tdtha nd jihma
e$yamah so werden wir nicht irre gehen. Ich werde mich
454 Kap. XI. Adjektiva und Adverbia. [$ 206.
m
im Folgenden auf die Anführung der wenigen gotischen Be-
lege beschränken.
Voran stelle ich die Richtungsadjektiva, welche ge-
wöhnlich in der Nachbarschaft von Verben der Bewegung
stehen. Aus dem Altindischen gehören hierher die zahlreichen
mit aßc gebildeten, so arvanc hergewandt, z. B. arvan Ehi sö-
makämam tvahuh komm hierher (als hierher gewandter), man
nennt dich ja einen Somafreund RV. 1, 104, 9, und so oft bei
den Verben i, ya, gam, ga; arväfcam toa sukhe ratha vahatam
indra ke$inä hierher (als hierher gewandten) sollen dich, o Indra,
die beiden Falben fahren 3, 41, 9; arväncam rayim a krdhi
schaffe Reichthum hierher 8, 90, 4; u$ö arvaca brhata rathena
Jyötifmata vamam asmäbhyam vak$i Ushas mit hierher gewandtem
hohem Wagen, dem lichtreichen, bring uns Gut 7, 78, 1. Da-
neben kommt oft das Adverb arvak vor. Über den Unterschied
in der Anwendung, soweit ein solcher bemerkbar ist, sagt
Grassmann: “namentlich findet sich die adverbiale Konstruktion
häufig da, wo das herannahende eine Zweiheit darstellt, also
wo der Dual arvanca an seiner Stelle wäre, selten wo der
Singular oder Plural zu erwarten wäre”, z. B. rathena suvfta
yätam arcak mit dem schönrollenden Wagen kommt hierher
1, 118, 2; sdm cödaya citräam arvag radha indra varenyam be-
fördere hierher, o Indra, buntes, schätzbares Besitzthum 1, 9, 5.
Wie arvahc wird auch arväcind gebraucht, aber immer nur
adjektivisch. Einige weitere Belege für Adj. auf aßc aus dem
RV. sind: yad udanco grhäm ajagantana als ihr aufwärts nach
Hause ginget 10, 86, 22; södafcam sindhum arınäan mahitva er
liess durch seine Macht den Fluss aufwärts strömen 2, 15, 6;
pralyan devanam viah pratyann üd ef mänugän auf gehst du
‘ entgegen den Scharen der Götter, entgegen den Menschen
1, 50, 5; dyäma prähco ydjamanam dächa wir wollen vorwärts
gehen zum Opferer 5, 45, 5; dpär prar &ti hinweg geht er und
vorwärts 1, 164, 38; präßcam krnöty adhvaram er bringt das
Opfer vorwärts, fördert es 1, 18, 8; Akrnuli päräcah mach sie
zu weggewandten, schlag sie in die Flucht 6, 25, 3. Manch-
mal sind die Interpreten in Zweifel, ob sie die Adjektiva als
$& 206.] Kap. XI. Adjektiva und Adverbis. 455
dauernde oder momentane Beiwörter fassen sollen, z. B. apa
präca indra riSvan amiträn dpapäco nudasva treibe die Feinde
weg von dir nach vorne und nach hinten 10, 131, 1, während
Ludwig ‘die vorderen und die hinteren Feinde’ übersetzt. So
auch 6, 44, 17 und sonst. Das Adverbium ist besonders be-
liebt, wenn mehrere dieser Wörter neben einander stehen, also
der adjektivische Ausdruck zu umständlich sein würde, z. B.
te no göpa apäcyäs td üdak ta ittha nyak purdstäl sarvayä visa
sie sind uns Hüter ım Westen, im Norden und im Süden, ım
Osten mit der ganzen Schar 8, 28, 3. Hier ist das erste noch
Adj. Nur Adverbia, z. B. 8, 10, 5; 8, 4, 1; 3, 53, 11. An die
Adj. auf ac schliesse ich ürdhva aufrecht. Es kommt beson-
ders häufig mit sth@ vor, z. B. ürdhvö agnih sumdanah prätär
asthät früh hat sich erhoben der freundliche Agni 5, 1,2; ud
u $ya vah savita ’sthäd ürdhvö varenyah erhoben hat sich der
Gott Savitar in die Höhe, der herrliche 8, 27, 12; (ydh) ürdhvam
dhitim krnavad dhäräyac ca der das Lied in die Höhe bringe
(lasse es hoch aufstreben’ Ludwig) und es halte 7, 64, 4. Das
Adverbium urdhvam findet sich zuerst AV. 11, 1, 9 ärdhvam
prajam uddhäranti die Nachkommenschaft hoch in die Höhe
hebend, fördernd. Dass urdhva mit sth@ im Griechischen sein
vollkommenes Ebenbild finde, ist schon von Grassmann be-
merkt worden, häufig ist orn 8’ öpdds; öpdds Advasıas findet sich
2 11; vgl. auch ravıwv dtwv Erenalero vura Öpdav Eotadrwv ı 441.
Ganz Ähnliches zeigt sich auch in den anderen Sprachen:
mhd. sin muot stuont höch; lit. stäczas stoveti aufrecht stehen,
aksl. vüsta moj?3 snopüu pravi' meine Garbe richtet sich auf. Aus
dem Griechischen sind ferner anzuführen: rprvns vorwärts
gewandt und sein Gegenstück ürtios, z. B. AMor &rl rieupds
xaraxelwevos, AAAote d adre Öntıos, AAlore SE nprvhs, Tore 6 Öpdös
avasıds Q 11, rprvea rap Aey&eoaı Mevortıadao tavöscsa; Hektor
hinstreckend Y 25. Ebenso in Prosa, z. B. ävexesev üntia bei
Plato. “Rückwärts gewendet’ heisst dlboppos, z. B. tw yiv dp
äboppor rporl”lArov Aroveovro [' 313, daneben auch das Adverbium,
z. B. äoppov 8 "löatos EB port "Irov ipnvy H 413. Ferner raltv-
ops0S: cd Bra Tis Te Öpaxovra löwv raAlvopsos Andorn zurückprallt
456 Kap. XI. Adjektiva und Adverbia. [$ 206,
T' 33. Oft erscheint avrios neben Verben der Bewegung, z.B.
ar Ayapeuvov Avrios Hide dewv Z 54, während das Adverbium
neben Verben des Sprechens und Sitzens auftritt. Neben
avrios findet sich &vavrios, z. B. &vayriog Hide v 226 und das Ad-
verbium: deol 8 Ana ravres Avkstav 2E Löpduy ayol natpös &vav-
tiov A 534. Auch doupaios durch die Thür lässt sich hier an-
führen, z. B. trpos HYupatos TAdov ac üpäs Aadpa Sophokles
Trach. 533. Aus dem Lateinischen erinnere ich an pronus
und supinus, z. B. jacuit resupinus bei Ovid, manus supinas ad
caelum tendere bei Virgil, sublimis abiit fuhr gen Himmel bei
Livius u. ähnl. Aus dem Germanischen: got. uzuh Damma
mela managai galibun siponje is ibukat 2x Tobrou roAlol AnTiAdov
av uaßmrav adrod eis To örlow Joh. 6, 66; yah saei ana haihjat,
samaleiko ni gavandjar sik ibukana xal 6 &v zw Aaypıp Öpotws
eriorpebarw el; to öntow Luk. 17, 31. Im Litauischen isztisas
guläti ausgestreckt liegen, im Altkirchenslavischen ? siy-
savüse ucenict padq nici al Axoboavres ol nadnral Enecov En
nposwrov abrav Matth. 17, 6.
An zweiter Stelle erwähne ich die Adjektiva, welche eine
Reihenfolge ausdrücken, also die Ordinalzahlen und was
damit verwandt ist. Aus der Schulzeit ist uns unvergesslich
im Gedächtnis, dass man den Unterschied zwischen primus und
primum nicht vernachlässigen darf. Man sagt ja im Lateini-
schen, abweichend vom Deutschen:
primus hanc orationem legt — post alıı
prımam » » v post alias
primum » » » post transscrıpst.
Die Ausdrucksweise ist uralt, wie einige Belege für ai. prathamaä
und rpüros zeigen mögen. Als Adjektivum: yö viSvasya Jagatah
pränatds patir yö brahmane prathamo ga dvindat der der Herr
alles Fahrenden und Athmenden ist, der dem Frommen zuerst
(als erster) die Kühe fand RV. 1, 101, 5; sa satwabhih prathamd
göfu gachati er kommt mit den Kriegern zuerst (als erster) zu
den Heerden (welche erbeutet werden sollen) 2, 25, 4; sd revan
yätı prathamd räthena er geht als ein reicher voran mit seinem
Wagen 2, 27, 12; tvam deve$u prathamdm havämahö dich rufen
$ 206.) Kap. XI. Adjektiva und Adverbia. 457
wir als den ersten unter den Göttern 1, 102, 9; indrasya nü
viryanı pra vöcam yanı cakära prathamäni vajri ich will nun
des Indra Heldenthaten preisen, welche der Keilträger zuerst
(als die ersten) vollbracht hat 1, 32, 1. Ebenso bekanntlich
im Griechischen, z. B. xparos &yb pera 5 Opus @ 231; Neorwp
ö& np@rtos atunov'äte K 532; Zv8? 7 Tor Ilpdvoov npürov BaAe Soupi
gasıyö I1 399; Er por npwrm Lwaypı öpelleıs 9 462. Das Ad-
verbium, oder besser das Neutrum sing., wird der im Verbum
enthaltenen Handlung attrıbuiert und erscheint entweder in
bewusstem Gegensatz gegen ein ‘darauf, zweitens, zum zweiten
mal’, oder so, dass man es “anfangs, eben’ oder ähnlich über-
setzt. Z. B.: divas päri prathamam Jajne agnir asmäd dvitiyam
parı jatdvedah aus dem Himmel wurde Agni zuerst geboren,
zu zweit aus uns, der Wesenkenner RV. 10, 45, 1; täasmäd
ekük$aradoyakjaräny Eva prathamdam vadan kumärd vadati des-
halb spricht ein Kind nur ein- und zweisilbige Worte, wenn
es zueret spricht (zu sprechen anfängt) SB. 11, 1, 6,4; tvam
adha prathamdm jJayamand 'ms viva adhitha indra krgfih du
hast im Anfang, als du geboren wurdest, alle Menschen in
Furcht gesetzt RV.4, 17, 7 und so öfter; prathamam gehört also
nicht zu Jayamäna sondern zu dem Verbum des Hauptsatzes,
aber prathamdm und jJüyamäna gehören als parallel stehende
Ausdrücke nahe zusammen, so dass man übersetzen kann:
gleich bei der Geburt, kaum geboren. Aus dem homerischen
Griechisch lässt sich vergleichen: oöpfjas Lv rpwrov Irwyero
xal xuvas Apyoös, adtap &rerta A 50 und die Fälle, wo dem
rp@tov ein deötepov entspricht, z. B. Z 179ff.; den zweiten
Gebrauch von prathamam lässt sich npwrov Innyvnens, z.B. 9 348
an die Seite stellen. Endlich beachte man noch die Überein-
stimmung von yatra prathamam, Öte npürov, ubt primum, 2. B.
yatrastat prathamdm samtdaho bhavati sobald das Feuer nur
entfacht ist SB. 2, 3, 2, 9; &rel xev npwrov Eollntaı Adyov Avöpwv
N 285 u. ähnl. Wie im Altindischen verhält es sich auch im
Avestischen, z. B. yt. 14, wo es heisst ahmai paoıryö (dann
bityö, brityö, tuıryo) äjasah vazemnö verebrayno zu ihm trat
als erster (zweiter, dritter, vierter) fahrend V. Es muss auffallen,
458 Kap. XI. Adjektiva und Adverbia. [$ 206.
dass dieselbe Person als erster, zweiter u. 3. w. und nicht zum
ersten, zweiten u. s. w. mal erscheint, der Ausdruck erklärt
sich aber vollkommen daraus, dass jedesmal ein anderer Vere-
traghna gemeint ist, nämlich das erste mal V. ın Gestalt des
Windes, das zweite mal V. ın Gestalt eines Rindes u. s. w.
Aus dem Germanischen: got. Adam auk fruma gadıygans
varb baproh Atvva Adayı yap rpwros Eridodn etta Eda 1 Tim. 2,13;
ei ın mis frumistamma ataugıdedi Xristaus Iesus alla usbeisnein
iva &v &uol npwrw &vösiintaı mv näoav paxpodupiav 1 Tim. 1, 16.
— Natürlich erscheinen auch sinnverwandte Wörter, welche
nicht gerade Zahlwörter sind, ebenso gebraucht, z. B. te pür-
vapakfah pürve 'dikjanta tE papmäanam apähata, aparapakjä
aparö 'dikjanta te nataräm päpmänam apähata die Anfangs-
hälften der Monate opferten zuerst und wurden die Sünde los.
Darauf opferten die Schlusshälften, wurden die Sünde aber
nicht los AB. 4, 25, 3; pay Öotepaı mäpssuev wir kommen doch
nicht zu spät? Aristophanes Lysistrate 69, wodurch man an lat.
serus (serus in caelum redeas) erinnert wird. — Eine dritte Gruppe
bilden Adjektiva der Zeitbestimmung. Doch habe ich diese —
wohl zufällig — nur im Griechischen, wo sie in grosser Menge
auftreten, und im Lateinischen gefunden. Beispiele aus Homer
sind: hparin (bei Tage) ev byalveoxev neyav lotdv, vüxtas 6 Al-
Abesxe B 104; rov vres Ayaav hparıcı (Tag für Tag) Bpnxydev
m ebpea növrov Ayousıv I 71; npwr Ö bmmolor adv Tebysar dupr-
ydevres vmustv int yAawupfawv &yelponev ökbv Apna 8 530; &omeptos
6 TAdev xallitpıya pin vonsbwv ı 336; ebdov navvöyıor öfter;
ravvöxtos dE ayıy xaxd yundero untiera Zebs onepdalta xtundwv
H 478; Zeus yap 2; Dxeavöv ner dApöpovas Aldıontas yBılöcs Eßn
xara Ödira A 424; öov &vdade Mevropa ötov yBıLldv Ömmolov' Tote
Zußn vol Ilödovöe 5 655; neumtaior d Alyuntov Zuppeltmv ixd-
peoda £257. Aus dem Lateinischen: noctuabundus ad me
venit Cicero an Atticus, nicht selten bei Horaz, z. B. et qui noclur-
nus sacra dıvum legerit Sat.1,3, 117; navus mane forum et vesper-
tinus pete tectum Ep. 1,6,20. Den aus dem Indischen angeführten
Wendungen wie arväca rathöna mit hierher gewandtem Wagen
entspricht das bekannte nocturna versate manu versate diurna.
$ 206.) Kap. XI. Adjektiva und Adverbia. 459
An den Schluss stelle ich eine Auswahl aus der Zahl der-
jenigen, die sich nicht in grössere Gruppen vereinigen
lassen, in beliebiger Folge. Griech. reld; als Fussgänger, zu
Fuss, z. B. arö ydovös wpvuro nelds E 13 (neld ist bei Homer
nicht vorhanden). Damit vergleicht sich das lat. subst. pedes,
z. B. cum pedes iret bei Virgil, lit. peszezas eiti zu Fuss gehen,
z. B. lygtus laukeliüs p&szczu pereisiva auf ebenen Fluren wollen
wir beide zu Fuss gehen, Schleicher, Leseb. 21; aksl. i siysavüse
narodi po njemi ida peii otü gradü xal Axobsavres ol oykoı
1noAoudneav au nel And av rölewv Matth. 14, 13. Dazu
nehme man noch lit. äsz einı basas ich gehe barfuss. (Ueber
das deutsche darfuss vgl. Paul, Prinzipien? 305.) Ai. kevala
ganz kommt im RV. nur adjektivisch vor, z. B. asmakam astu
kevalah uns möge es ganz angehören RV. 1, 7, 10. Damit
lässt sich der Gebrauch von äras in Aras p&v ob ydvort’ av el;
1päs „og Euripides Ion 427 vergleichen, auch lat. fotus. —
Im Altindischen wird von Flüssen gesagt: fäsya vaydm prasave
yama uroih auf dessen Geheiss strömen wir breit dahin RV.
3, 33, 6, desgleichen von einem Flusse im Avesta ya amavatti
tacatli welcher mächtig strömt yt. 5, 3; griechisch oöro; (rorand;),
&nel te duednoav ol Trpevlöa: ueyas ourw &ppön Herodot 8, 138. —
Mit dem deutschen er stund stiller bei Hans Sachs vergleicht
aksl. stase zuerije nepostgpini die Thiere blieben unbeweglich
stehen. — Im Avesta wird daregha lang so gebraucht, z. B.
zwafsa dareghö masjaka nor te caraiti schlaf lange, o Mensch,
noch verstreicht die Zeit dir nicht vd. 18, 16, wozu Geldner, KZ.
25, 524 bemerkt, es sei so ausgedrückt, als ob man im Lateini-
schen dormi diutinus statt diu sagen könnte. — Aus dem Lateini-
schen erinnere ich noch an frequens, rarus und das auffällige
nullus, z.B. is nullis venit bei Plautus, nullus dubilo u. ähnl. —
Endlich seien die eine Stimmung des Handelnden ausdrückenden
Adjektiva erwähnt, wie &xwv, rpoopwv, Zibens, solens, invitus (bei
Cicero invite), timidus, aequus (te minor latum regel aequus orbem
Hor. carm. 1, 12, 57). — Ueber &xeivo; im Sinne von &xet hat
Brugmann, Griech. Gr.? 214 gehandelt. Es ist in der klassi-
schen Grammatik herkömmlich, die hiermit dargestellte Rede-
460 Kap. XI. Die Pronomina. I. Die Pronomina 1.u. 2.Pers. [$206—207.
weise zu bewundern. So sagt Kühner a. a. O.: »die griechische
Ausdrucksweise ıst lebendiger, energischer und anschaulicher
[als die deutsche], indem der nähere Umstand einer Handlung
zugleich ın die Persönlichkeit des Handelnden aufgenommen
wird, als: &onepıos TAdev (vespertinus venit), gleichsam vom Abende
umgeben.«e Das mag für einige wenige Zeitadjektiva für unser
Gefühl zutreffen, und aus dieser Empfindung heraus hat denn
auch Goethe die klassische Wendung nachgeahmt, wenn er
sagt: heute kommt die morgendliche zum Gebet zu Ganges Fluthen,
aber die grosse Mehrzahl ist doch wohl anders aufzufassen.
Es sind alterthümliche Wendungen, die durch die immer mehr
aufkommende, den gewollten Zweck besser erreichende adverbiale
Ausdrucksweise allmählich verdrängt wurden.
Kapitel XII. Die Pronomina.
Ich greife in diesem Kapitel aus der grossen Masse des
Vorhandenen, welches man bei Brugmann 2, 762 ff. überblickt,
nur diejenigen Pronomina heraus, welche mir in syntaktischer
Hinsicht besonders bemerkenswerth zu sein scheinen. Es sind:
1. Die Pronomina erster und zweiter Person.
2. Die enklitischen Formen der Pronomina dritter Person.
3. Das Possessivum ın seinem Verhältnis zum Genitiv.
4. Das substantivische und das adjektivische Reflexiv-
pronomen.
5. Das Demonstrativum to.
6. Das Interrogativum und Indefinitum.
I.
Die Pronomina erster und zweiter Person.
$ 207. Die Nominative im Verhältnis zur Verbal-
form. Im Anfang des Abschnittes über die Personen des
Verbums äussert sich J. Grimm (Gramm. 4, 201) wie folgt:
$ 207”—208.] Kap. XI. I. Pron. person., unbetonte Formen. 461
»Wenn die vollere Gestaltung der Verbalflexion in unverkenn-
barer Berührung steht zu dem persönlichen Pronomen, sei es
durch des letzteren leibliche Agglutination an das Verbum,
oder, wie ich mir es lieber denke, vermöge eines in Verbum
und Pronomen waltenden analogen Bildungstriebs, so ergiebt
sich, dass in den Personen des Verbums zugleich schon der
casus rectus des persönlichen Pronominalbegriffs enthalten sein
werde. So lange das Gefühl oder Nachgefühl dieses Verhält-
nisses in der Verbalflexion lebt, scheint das Subjekt des Satzes,
zumal für die dem Hörenden und Redenden stets gegenwärtige
erste und zweite Person immer auch in dem blossen Verbum
hinlänglich ausgedrückt, ohne dass es eines gesonderten Pro-
nomens bedürfte.a Auf dieser Stufe — und auf ihr stehen ım
allgemeinen die hier behandelten Sprachen — treten also die
Nominative des Pron. erster und zweiter Person nur dann zum
Verbum, wenn auf ihnen ein Nachdruck ruht. Einige Belege
aus dem Sanskrıt für diese übrigens selbstverständliche That-
sache habe ich SF. 5, 30 zusammengestellt. Im Avestischen
ist nach Spiegel, Gramm. 475 der Zustand nicht mehr so alter-
thümlich, vielmehr sei (so sagt Spiegel) in der häufigen Hinzu-
fügung der Pronomina schon eine Hinneigung zum analytischen
Verfahren zu erblicken. Aus der Zahl der übrigen Sprachen
hebe ich noch das Slavische und das Germanische hervor. In
bezug auf das erstere bemerkt Miklosich 4, 71, dass das Pro-
nomen nothwendig dann (ohne nachdrücklich zu sein) stehen
müsse, wenn die Verbalform selbst keine Personalbildung ent-
halte, wie bei den Partizipien der Fall ist, die zu verbis finitis
geworden sind, z. B. russ. 7a dalü, ty dalü. Das Germanische
ist von Grimm a. a. O. behandelt, und gezeigt worden, wie
nur noch das Gotische auf dem alten Standpunkt steht, z. B.
giba Aeyw, batrats tpospgpys, sehvum eldonev, hausidedub Txobaate,
und wie dann in den übrigen Dialekten das Pronomen zur
Stütze der Verbalform herabgesunken ist.
8208. Unbetonte Formen obliquer Kasus. Vgl.
Wackernagel, KZ. 24, 592 ff., Pischel, ZDMG. 35, 714, Ver-
fasser, SF. 5, 30ff. und 204 ff., Spiegel, Gramm. 475 ff., Caland,
462 Kap. XII. I. Pron. person., unbetonte Formen. [$ 208.
zur Syntax der Pronomina ım Avesta, Amsterdam 1891 (ver-
öffentlicht durch die Akad. d. Wiss.), Bezzenberger, ZGLS.
164 f., Wuk Stephanowitsch, serbische Gr. 55, Miklosich
4, 72 fl.
Aus dem Arischen, dem Litauischen, Slavischen und Grie-
chischen lässt sich schliessen, dass bereits in der Urzeit folgende
unbetonte Formen von obliquen Kasus des Pronomens erster
und zweiter Person vorhanden waren.
1. *moi und *loi ım Sinne des nominalen Genitivs und Dativs.
Dafür sprechen das altindische mö genitivisch, z. B. in ta
Jusata me girah diese meine Lieder nehme er gern an RV. 1,
25, 18, dyavabhumi $rnutam rödasi me Himmel und Erde, ihr
beiden Welten, hört auf mich 10, 12, 4; dativisch, z. B. ın
dehi me dadami te gieb mir, so gebe ıch dir VS. 3, 50, und
ebenso in den nicht eben häufigen Dativen der betheiligten
Person (Näheres SF. 5, 205). Akkusativisch scheint me RV.
5, 12, 3 verwendet zu sein. Ebenso wie me wird fe gebraucht,
z.B. vayo ye te sahasrino rdthäsas lebhir ä gahi o Väyu, wel-
ches deine (Gen.) viel gewinnenden Wagen sind, mit denen
komm herbei RV. 2, 41, 1, und gleich im folgenden Verse da-
tivisch; aydm $ukrö ayümi te dieser Trank ist dir dargebracht.
Eine partikelhafte Verwendung, wie bei dem griechischen toı
habe ıch nicht gefunden. Einige Vedastellen, in welchem te
akkusativisch verwendet zu sein scheint, habe ich nach Pischel
a.a.O. verzeichnet. Auf dem iranischen Gebiet haben wir
für die erste Person avestisch nö: (gathisch) oder m?, altp. maiy,
z.B. upa srayanuha vasahe lehne dich an meinen Wagen yt.17,21;
altp. maiy khöatram mein Reich, av. sraota moi merezdätä möi
höret auf mich, seid mir gnädig y. 33, 11. Dem nominalen Gen.
entspricht ng bei dem Partizipium auf ta, z. B. yap m$ avavap
dagvayasnanqm ntijatem dass von mir so viele der Teufelsanbeter
erschlagen sind yt. 5, 77, ebenso apers. iya mana kartam tdä
ut tyamaiy apataram kartam das was hier von mir gethan ist
und was ausserdem von mir gethan ist, Spiegel?, $. 62, A.
Dativisch ist därdt moi gieb mir y. 51, 7; yem möi mraos
den du mir sagtest y. 34, 13; moSu me java avarhe nürem mE
& 208.) Kap. XII. I. Pron. person., unbetonte Formen. 463
bara upastqm eile mir rasch zu Hilfe, bringe mir Beistand
yt. 5, 63; us möt uzäresva ahurä erhebe dich für mich Ahura
y. 33, 12. Der zweiten Person gehören an tö:, 12, taıy, z.B.
hyap va toi namanqm väzistem oder welcher unter deinen Namen
der wirksamste ist y. 36, 3; yase t& gava iristahe bazsaile wer
von dir dem milchgemischten trinkt y. 10, 13; apca tötl vaem
zyama dann möchten wir dir angehören y. 30, 9; usta ipa te
nare Heil nun dir, o Mann vd. 7, 52. Einige altpersische Be-
lege sehe man bei Spiegel. Nach Justi und Wackernagel wird ie
auch akkusativisch gebraucht, doch erkennt Caland $ 95 nur
y. 1,21 als beweiskräftig an. Die Annahme, dass t? auch
ablativisch gebraucht werden könne, ist sehr gewagt; y. 35, 7
steht in Geldner’s Ausgabe nicht ?2, sondern te. Griechisch.
In der homerischen Sprache entsprechen por und ro: (soı kommt
ausser X 381 und A 170 nur betont vor). Sie sind wesentlich
als Dative empfunden, weswegen auch im Griechischen enkli-
tische Genitivformen neu entstanden sind, nämlich bei Homer
peu, osu, ceo (A 396). Aus dem Dativ der betheiligten Person
ist die Partikel tor entstanden (vgl. Cauer in Curtius’ Studien
7, 140ff.), welcher die betonte Partikel rot erst nachgebildet zu
sein scheint. Es fehlt aber doch wenigstens für por nicht ganz
an Resten der alten auch genitivischen Verwendung. Es ent-
spricht dem ai. Srnutdm me, dem av. sraota möt, das griech.
xA00t por, in bezug auf welches ich eine Stelle aus Wacker-
nagel’s Besprechung der Cauer’schen Homerausgabe in der
Berliner Philol. Wochenschrift 11, 39 anführe: “Cauer ersetzt
E 115, K 278, ß 262, 8 762, C 324 das an diesen Stellen durch
die Überlieferung bevorzugte xAößi por durch xAöBi pev (was
allerdings Aristarch A 37, 451, £ 239 und vielleicht auch an
sämmtlichen obigen Stellen geschrieben hat), ohne zu bedenken,
dass durch das nachweislich genitivische oi auch für poı einstige
genitivische Bedeutung wahrscheinlich gemacht wird und ob-
wohl gar nicht abzusehen ist, wie nor, wenn es nicht alt über-
liefert war, so oft neben dem Verbum des Hörens erscheinen
konnte” (vgl. auch J. van Leeuwen, Mnemosyne N.F. 13,217).
Dazu kommt noch der Sprachgebrauch des Herodot, der
464 Kap. XII. I. Pron. person., unbetonte Formen. [$ 208.
2. B. 7a yoı radrnara bietet, vgl. Krüger 48, 12,2. Litauisch.
Im älteren Litauisch finden sich mi und ti im akkusativischen
und dativischen Gebrauch, st wird noch heute ın derselben
Weise gebraucht. Es scheint mir (trotz Hirt, IF. 1, 41) unmittel-
bar einleuchtend, dass mi und {4 dem ai. m& und ?e u. 8. w.
entsprechen. Im Slavischen ist die Lage wesentlich dieselbe
wie im Griechischen. Altüberliefert sind mi, ti, si, so ım
Altkirchenslavischen und Serbischen. (Im Russischen ist von
der einstigen Enklisis des Pronomens überhaupt nur noch eine
schwache Spur vorhanden, vgl. Miklosich 32, 303.) Wie im
Griechischen werden mi, ti, si als Dative empfunden. Da-
neben bestehen im Serbischen die enklitischen Genitivformen
me, te. Einige Beispiele sind: aksl. daZdi mi öds por Matth.
14, 8; unedje bo ti jestä oump£peı yap coı 5, 30; serb. day mi
casu vode gieb mir ein Glas Wasser, uzedu ti glavu ich werde
dir den Kopf abschlagen, po bogu da si mi drat bei Gott
sei mir ein Bruder, mein Bruder, za tri dana ako mi sacuvas
kobilu wenn du mir durch drei Tage die Stute (meine Stute)
hütest (aus den Märchen). Die beiden letzten Beispiele zeigen
mi ın possessivem Sinne (den Wuk, Gramm. 56 bei mi und &i
besonders hervorhebt). Dieser Sinn kann aus dem Dativ ab-
geleitet werden (s. Dativ $ 146). Es ist aber wohl natürlicher,
in ihm Reste der alten genitivischen Verwendung zu sehen
und anzunehmen, dass auf die Ausbildung des adnominalen
Dativs im Slavischen der überlieferte Doppelsinn von mi und
tt nicht ohne Einfluss gewesen sei. Endlich will ich wenigstens
erwähnen, dass auch im Lateinischen noch eine Spur der
Formen *mot und *tot vorhanden ist: 4463 wird nach Bücheler-
Windekilde $ 292 ganz wie ein einsilbiges Wort behandelt und
der Vokativ mi ist vielleicht ursprünglich nichts anderes als
das alte *mo? (Brugmann 2, 819).
2. Als enklitische Akkusative sing. erscheinen ai.
mä und !vä, av. ma und Zwä (vgl. Bartholomae, arische Forsch.
2, 5), griech. pe, oe (dieses orthotoniert und enklitisch). Im
Slavischen haben die enklitischen Akk., z. B. aksl. me, te, serb.
me, te, keine betonten Akkusativformen neben sich, sondern es
5 208.] Kap.XII. I.Enklitische Formen desPron. 1.u.2. Person. 465
erscheinen, der slavischen Gewohnheit gemäss, beseelte Objekte
in den Genitiv zu setzen (vgl. $ 154), die entsprechenden Ge-
nitive, z. B. aksl. mene, tebe. Belege für die angeführten For-
men sind, da dieselben nur einen Kasus vertreten, nicht nöthig.
Die indogermanischen Grundformen lassen sich mit völliger
Sicherheit nicht aufstellen.
Im Griechischen findet sich merkwürdiger Weise rıv, was
der Form nach Dativ ist, im akkusativischen Gebrauch über-
liefert (vgl. G. Meyer, Griech. Gr.? 383).
3. Die Formen *res und *ves finden sich in den
arischen Sprachen im Sinne des Akkusatıvs, Genitivs, Dativs,
so im Altindischen, z. B. yd$ ca paßyati nö janah und wel-
cher Mensch uns erblickt RV. 7, 55, 6; sute dadhifva na3 cäanah
finde Gefallen an unserem Tranke 1,3, 6; vi no radhäsi ma-
tibhir dayadhvam theilt uns Schätze für Lieder zu 7, 37, 2.
Beispiele für vas: @ vo vahısthö vahatu stavddhyai rathah der
trefflichste Wagen führe euch her, zum Preise 7, 37, 1; yad
dha vo balam entsprechend eurer Kraft 1, 37, 12; pr& vo
bhriyanta indavah es werden euch die Tropfen dargebracht
1,14, 4. Häufig steht vas, wie ıch SF. 5, 206 bemerkt habe,
so, dass man es lieber als Partikel auffassen möchte (die na-
türlich im Grunde nichts anderes ist als der Dativ), wie rot.
Dieselbe Ansıcht hat Baunack, Studien I, 2, 353 hinsichtlich
des gathischen ve geäussert (vgl. auch Geldner, KZ. 25, 555,
Anm. 22). Auf dem iranischen Gebiet zeigt sich derselbe
Gebrauch im jüngeren Avesta, wo nö und vo als Akk., Gen.,
Dat. vorkommen, z. B. apa no haca qzanhap bardis rette uns
aus der Noth yt. 10, 23; y0 agnanharti no mand yö agnanhatti
nö kehrpem der uns die Seele (unsere Seele), der uns den Leib
(unseren Leib) schädigt y. 9, 29. Ein sicherer Fall des dati-
vischen Gebrauchs von x6 ist y. 70, 2, des genitivischen 65, 7.
Für v6: yez# vo didvagsa wenn ich euch gepeinigt habe y. 1, 22;
aap vo kascih masyänqm witi mraop denn spreche einer von
euch Menschen so yt. 19, 53. Für den dativischen Gebrauch
ıst mir kein sicherer Beleg zur Hand. Justi ist der Ansicht,
dass »6 und vo auch ablativisch vorkämen, was Caland $ 95
Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm. Sprachen. T. 30
466 Kap.XD. 1. Enklitische Formen des Pron. 1.u.2. Person. [$ 208—209.
bestreitet. In den Gathas dagegen lauten die Akkusative nd
und vd, z. B. aa nd bräzdum so rettet uns y. 34, 7; ye vä
mazda ahura pairijasäs der ich euch M. A. dienen will y. 28, 2.
Dem Genitiv und Dativ dient n2 und ve, z. B. mä ne dusexsapra
x$entä nicht sollen schlechte Fürsten über uns herrschen y.48,5;
ahya hvö ne datrdı davon gieb du uns y. 40, 2; ta ne vaoca
das sage uns y. 31, 3; i@ ve urvala mareniö eurer Lehren ge-
denkend y. 31, 1. Sicher als Dativ ist ve empfunden, wo noch
(eine seltsame Häufung, wie sie bisweilen vorkommt) der Dativ
z$maibja darauf folgt, nämlich y. 28, 10. Das Griechische
hat *nes und *ves verloren, hat aber aus den sonstigen Plural-
formen neue Enklitiken gebildet. La Roche, Homerische Text-
kritik 277 bemerkt darüber, indem er die Lehren der Alten
zusammenfasst: “Die Pronominalformen ruwv, uw, nuas, 7pewv,
keas, vv werden orthotoniert, d. h. sie bekommen mit Aus-
nahme von Aucwv, Tutas den Zirkumflex auf die letzte Silbe,
wenn sie im Gegensatz stehen (ötastelldnevar, Greleuyuevaı),
überhaupt wenn sie hervorgehoben werden sollen (öpıopöv ör,-
Aoösaı), wenn sie am Anfange stehen (Aäpxtıxal) und wenn sie
von einer Präposition regiert werden. Enklitisch sind sie, d.h.
sie werfen ihren Ton auf die vorletzte und beziehungsweise
drittletzte (Zueas), in allen übrigen Fällen, als ankai, andluror”.
Wann die alten Grammatiker 7uıv und wann sie Av gesetzt
haben (falls nämlich das Metrum nicht die Auswahl vorschrieb),
darüber fehlte es an Zeugnissen. So viel ich sehe, sind wir
auch mit unserer modernen Weisheit nicht eben weiter ge-
kommen. Über die im Altkirchenslavischen vorkommenden
enklitischen Dative plur. »y und vy s. Leskien, Handb.? 93,
Brugmann 2, 814.
Enklitische Dualformen giebt es nur im Altindischen,
nämlich nu und v@äm ım Sinne des Akk., Gen., Dat. Ob
hierin etwas Ursprüngliches oder eine Nachahmung von »as
und vas vorliegt, lässt sich nicht entscheiden.
8 209. Allgemeines über die Kasusnatur.
Es hat sich gezeigt, dass einige der enklitischen Formen
einen Kasusgebrauch haben, wie er bei den nominalen Sub-
$ 209—210.] Kap. Xo. II. Enklitische Formen desPronomens3.Person. 467
stantiven nicht vorliegt. *Mot und *tios werden im Sinne des
nominalen Genitivs und Dativs, *nes und *ves noch dazu im
Sinne des Akkusativs verwendet. Wie die Formen zu diesem
Sinne gekommen sind, lässt sich nicht ausmachen. Ich habe,
eine der Möglichkeiten heraushebend, SF. 5, 205 bemerkt, dass
man diese Kasus vielleicht richtiger als Stammformen bezeich-
nen könne. Eine andere Möglichkeit wolle man sich an der
Hand des von Behaghel, Germania 24, 24 über mir, mich u. s. w.
beigebrachten Materials vergegenwärtigen.
II.
Enklitische Formen des Pronomens dritter Person.
Unter den im Folgenden zu erwähnenden Formen sind von
besonderem Interesse diejenigen, welche wie das avestische Ag
(8) im Sinne mehrerer Nominalkasus und Geschlechter, oder
wie das griechische vıv im Sinne mehrerer Numeri stehen. Wir
lernen daraus, dass in der ältesten Zeit eine sehr ungenaue
Aufnahme genannter Begriffe durch schwachbetonte Formen
genügen konnte, welche Formen später durch die Gewöhnung
an eine straffere Durchführung der Kongruenz verdrängt wurden.
Unter diesen Formen wäre auch das griechische ol zu er-
wähnen gewesen, wenn es sicher wäre, was mir nicht eben
unwahrscheinlich vorkommt, dass darin ein indogermanisches
*svoi und *soi (gleich avestisch Ag) zusammengeflossen ist.
6 210. Immer-enklitische Formen.
1. Altindisch im, avestisch im, i und 38, griechisch
wıv, vıv. Über das altindische im sagt Grassmann: “Es ist
ursprünglich Akk. des Deutestammes # mit verlängertem :”.
Das ist natürlich nur eine Umschreibung für das Geständnis,
dass wir uns über die Länge des # wundern. Die Auffassung
als Akk. aber hat kein formelles Bedenken gegen sich. Ob
wıv und vıv mit dem arischen im zusammengehören, kann frei-
lich zweifelhaft sein. Ich habe sie hierher gestellt, weil pıv
und vıv aus einem verdoppelten *:m erklärt zu werden pflegen.
30*
468 Kap. XII. I. Enklitische Formen des Pron. 3. Person. [$ 210.
Über die Bedeutung von im ist schwer in’s klare zu kommen.
Die einheimische Überlieferung hält das Wörtchen für eine
“Expletiva’, und philologisch gestimmte Interpreten sind ge-
neigt, dem zuzustimmen, während es den Linguisten gegen das
Gefühl geht, ein Wort für bedeutungslos zu erklären. Ich theile
diese letztere Stimmung, gestehe aber andererseits zu, dass nicht
wenige Stellen unserer Texte den Eindruck machen, als seien
im, das später zu erwähnende sim und ähnliche Wörter wirklich
nur Füllsel.e Unter diesen Umständen gebe ich anderen das
Wort. Über altindisch im sagt Grassmann, es bedeute 1) ihn,
ste, es, indem es ein Nomen im Singular vertritt und sonst in
demselben Satze das unmittelbare Objekt nicht zugleich ander-
weitig bezeichnet ist; 2) shr, sie, es in gleichem Sınne, aber
so, dass noch ein anderer Akk., der als Apposition zu fassen
und im Deutschen meist durch ‘als’ einzuleiten ist, folgt; 3) ihr
in gleichem Sinne hinter dem Akk. eines Pronomens; 4) ste
beide; 5) sie in der Mehrheit, und zwar ohne und mit einem
zugehörigen Akkusativ. Sodann soll #m= noch im Sinne des
lateinischen cungue, nach dem Interrogativum im Sinne unseres
doch stehen, und endlich in einer Reihe von Stellen zur Ver-
meidung des Hijatus eingeschoben sein. Uber das avestische
im sagt Justi, es sei eine Verstärkungspartikel, ersetze aber
öfter ein Pronomen demonstrativum. In : sieht Bartholomae,
Ar. Forsch. 3, 54 einen Akk. dualis mask., i$ ist nach Caland 62
zurückweisender Akk. plur. mask. oder fem. (vgl. auch Spiegel,
Gramm. 479).
Auf festerem Boden befinden wir uns (wenigstens, was
den Gebrauch betrifft, denn über die Etymologie sind ab-
weichende Vermuthungen möglich, vgl. Brugmann 2, 770) mit
griechischem pıv und vıv. Miv, bei Homer sehr häufig, bezieht
sich ganz überwiegend auf Personen, also auf Mask. oder
Fem., und zwar im Sıngular. Gelegentlich nimmt es auch
Sachen auf, z. B. yaln v 188 (auch 190), ndAıs Q 729, oysötn
e 256, vjoos x 3, auch wenn diese Neutra sind, z. B. gap-
paxov x 305, oxijntpov A 237, ötras Z 221, Eyyos II 142 und
sonst, xeppaöıov Y 287. Dass es x 212 und p 268 dwpara
$ 210.) Kap. XI. IH. Enklitische Formen des Pron. 3. Person. 469
aufnimmt, beweist noch nicht seine Fähigkeit, auch Plurale zu
vertreten. Nicht selten erscheint es vorausnehmend (wie :m
nach Grassmann und andere enklitische Pronomina), z. B. !va
nv madoeıe növoro dtov Ayılllja © 249; 7 puv Zyeıpev Nauoıxaav
&önerkov Ü 48 (vgl. Kühner 2, 566). Wie das deutsche tAn u. s. w.
kann gıv auch reflexiv gebraucht werden, freilich nur in einem
zweiten Satze, z. B. aötap Adnyn SövV "Audos xuvenv, pn puv Löor
&3pımos Apns E845 (ähnlich ® 266, U 90), so dass der Einwand er-
hoben werden kann, die Äusserung geschehe vom Standpunkt
des Erzählers. Sicher aber ist adrdv uıv reflexiv in: adrdv div
rinyfow deıxellgar daudooa; 8 244. In den Worten neppnpıse
.. HE pıv adroy rarpös &ageıe uynoditivar d 118 ist pıv adröv durch
“ihn selbst’ zu übersetzen (ob er ihn seinen eigenen Gedanken
überlassen oder ihn fragen solle. So auch an den anderen
Stellen, wo pıv adıov (D 318, 0 472), yıv adryv (2 729 die Stadt
selbst) oder aötnv yıv (A 117) vorliegt. Der reflexive Gebrauch
von uıv findet sich auch bei Herodot (s. Krüger). Man ver-
gleiche dazu himself und Grimm 4, 318. Niv, nicht bei Homer,
aber nicht selten bei Tragikern und Pindar, steht im Sinne von
adtöv, adrnv, bisweilen auch adrd, also wie gıv, unterscheidet
sich aber von diesem dadurch, dass es (wie 7m nach Grass-
mann) auch pluralisch steht, für adtou;s z. B. Euripides Phoen.
1168 und sonst, für aöra; Euripides Bakchen 813: Aurpw@s vıv
elstöoın Av &ipvwuevas, für adra Sophokles EI. 436, 624 und
auch Euripides Med. 1312 (was als dualisch angeführt wird).
2. Altindisch sim, avestisch him (altp. sim), dazu
av. hi (Dual), A:$ (Plural) und altp. 8:3 (Plural). Vgl.
Wackernagel, KZ. 24,605 ff., Spiegel, Gramm.478, Caland $103.
Die Schwierigkeiten der Interpretation sind dieselben wie bei im,
der Kasuscharakter der Wörtchen aber unverkennbar. Über
ai. sim sagt Grassmann, es bedeute ihn, sie, es u. s. w., den
Akk. eines Substantivs vertretend, und zwar für alle Zahlen,
Geschlechter und Personen. Sehr oft nimmt es das später noch
genannte Substantivum vorweg. Nomina, auf welche es sich
bezieht, sind z. B. agntm den Gott Agni, vayram den Donner-
keil, ugasam die Göttin der Morgenröthe, vartıkam die Wachtel,
470 Kap. XII. DO. Enklitische Formen des Pron. 3. Person. [8 210.
rödasi die beiden Welten, sindhün die Flüsse, gas die Kühe,
tamägsı die Finsternisse. Ausserdem wırd es nach Grassmann
im Sinne des lateinischen cungue und ‘verstärkend’ gebraucht.
Mit diesem sim identisch ist av. him. Es ist sicher gebraucht
im Sinne eines Akk. sing. mask. oder fem., z. B. äa) him jat-
äyen avah äyaptem dann sollen sie ihn um diese Gnade bitten
yt. 15, 40; yazadsa m& him spitama zarabustra yqm aredvim
surgm anahitq du sollst sie verehren, o Sp. Z., meine jung-
fräuliche, hilfreiche Aredvi yt. 5, 1. Nach Wackernagel ist him
an einer Stelle (Visp. 4, 2) pluralisch gebraucht. Doch ist diese
Auffassung nicht durchaus nöthig, man kann es auch auf den
zuletzt genannten Begriff beziehen. Nicht auf eine Person,
sondern auf eine Sache (dagna Glaube) geht him z. B. yt. 13, 100.
Das altpersische sım ist öfter Akk. sing. mask., auf eine Person
gehend, ferner Fem., auf dumi das Land bezüglich, endlich an
einer Stelle auch auf das Neutr. Ahdatram. Pluralisch kommt
es nicht vor. Entsprechend der Beschränkung auf dem Sin-
gular, den die iranischen Formen verglichen mit ai. sim er-
fahren haben, haben sich im Iranischen dualische und plu-
ralısche Formen ausgebildet, nämlich das dualische Ai (Ai vahyö
akem ca beides das Gute und das Böse y. 30, 3), das plura-
lische av. A383, sicher belegt im Sinne von adrods und aüras,
nach Wackernagel 607 auch einmal von aödra. Endlich kommt
im Altpersischen einmal 3:3 als Akk. plur. mask. vor. In we-
sentlich derselben Verwendung wie sim u. s. w. kommt av. und
apers. dim vor, daneben einmal av. di als Neutr. sing., und
pluralisch av. di$ und apers. dis. Man vergleiche dazu preuss.
din, dien eum, eam, dins, diens eos.
3. Iranisch Ag, Saty, Säm. Im Iranischen giebt es en-
klitische Formen, welche sich in einem uriranischen *sat ver-
einigen (Brugmann 2, 807), nämlich gathisch Adi, im übrigen
Avesta h@ und $8, altp. $Saiy. Ein betontes hör, welches Bar-
tholomae in seinem Handbuch anführt, ist nicht vorhanden
(vgl. dessen Ar. Forsch. 2, 4). Wie bei dem Reflexivum gezeigt
werden wird, betrachtet Wackernagel dieses *sai als einen
Abkömmling des Stammes *svo, was mir nicht wahrscheinlich
$210.)] Kap. XO. II. Enklitische Formen des Pron. 3. Person. 471
vorkommt. Ich möchte vielmehr glauben, dass *sat aus dem
Stamme *so (der ja auch im ai. sdsmin und im lat. sum, sam,
sos, sas ausserhalb des Nominativs vorliegt) nach Analogie von
*moi und "tot gebildet sei. Was die Kasusnatur dieses Aör
u. 8. w. betrifft, so entspricht es wie * moi und *lod dem Genitiv
und Dativ, z. B. zsaßröi höi in seinem Reiche y. 45, 10; tä
he taurvayatem {batsü anrahe mainyeus drvatö die überwanden
die Angriffe des bösen, verderblichen Geistes yt. 13, 78 (also
vorausnehmend gebraucht, wie öfter, vgl. Wackernagel 607);
yo cisca ahmi nmäne atnarhä asti masyd geurvaya he pädave
zavare pairi SE uSsi verenüuidı skendem $E mano kerenuidi wer
auch in diesem Hause ein gewalithätiger Mensch ist, dessen
Füssen nımm die Raschheit, verdüstere seinen Verstand, schlage
seinen Geist y. 9, 28; so auch altp.: yassaiy fratama martıya
anusiya Ghantä welche seine vornehmsten Nachfolger waren,
Spiegel? 8, 58. Dativische Beispiele (wozu man übrigens auch
eines oder das andere der eben angeführten rechnen kann)
sind: hausaiy khsatram fräbara er verlieh ihm das Reich,
Spiegel? 46 H.; a5 hör mazdüä ahum dadap ahurö (wer es dem
2. zu Danke macht, der verdient ausgezeichnet zu werden)
und ihm wird A. M. das Leben geben y. 46, 13; ap hör agji
und ich sprach zu ihm y. 43, 8; avab he astı masyö arebem
das ist für sie (die Frau) ein grösserer Nutzen vd. 7, 71. Zweifel-
haft kann man, wie öfter, wegen des Kasus sein in der Stelle
ka he asti ciha was ist dafür die Strafe vd. 3. Bisweilen ist
he kaum zu übersetzen: Ga) he im zü bvah perene und die
Erde war ihm (etwa dem Yıma) voll (von Vieh u. s. w.) vd.2, 16.
Auch pluralische Anwendung kommt vor, so: 1? parasafänho
zaranagna pattiimurzta Gap he apara erezataena die Vorderhufe
sind mit Gold bekleidet, aber ihre (der vier Rosse) hinteren
mit Silber yt. 10, 125. Man vergleiche auch Wackernagel 602
und Caland $ 102. Den ältesten Bestandtheilen unserer Texte
gehört der pluralische Gebrauch, so viel ich sehe, nicht an.
Im Vendidad kommt Ag auch akkusativisch vor: dad yezi
5E barab agvo yap iristem wenn er ihn, den Toten, allein trägt
vd. 3, 14. Einiges Weitere bei Wackernagel 601 (gegen die
472 Kap. XII. U. Enklitische Formen des Pron. 3. Person. [$ 210.
Spiegel'sche Auffassung von $£ als Akk., yt. 14, 52, s. Geldner,
Drei y.$. 84). Die Annahme, dass h? auch Ablatıv sein könne,
ist unsicher. Soweit die Kasusnatur. Was die Wortbedeutung
angeht, so scheint mir A2 (ebenso wie das griechische pıv) an
einigen Stellen auch reflexiv vorzukommen, was Wackernagel
freilich bestreitet. Mir scheint die Annahme dieses Gebrauches
natürlich in: A@ ha maidim nyäzata sie gürtete sich die Leibes-
mitte yt. 5, 127; vidyap saosyqs yaba hör asis anhat der Retter
möchte wissen, wie sein Loos sein wird y. 48, 9 (so die Auf-
fassung von Caland $ 106). Auch y. 45, 10 bezieht sich hör
auf das Subjekt des Satzes. An *”sas schliesse ich das alt-
persische sam. Es wird, wie sich aus Spiegel, Gramm.476 f.ergiebt,
im Sinne des Genitivs (der im Altpersischen den Dativ ın sich
aufgenommen hat, s. $ 129) gebraucht, z. B. adamlam khsäya-
thiya aham ich war ihr König; yapasam hacama apahja wie
ihnen von mir gesagt wurde; avahasam hamaranam kartam so
wurde von ihnen eine Schlacht geliefert; einmal auch im Sinne
des Akkusativs: adamsam ajanam ich schlug sie. Über die
Entstehung dieses 5am lässt sich etwas Sicheres nicht sagen.
Vielleicht ist es aus einer dem ai. &$@m entsprechenden Form
ebenso entstanden, wie das serb. mu aus njemu.
4. Altindisch ena. Ebenso wie im, sim und die übrigen
oben genannten Wörter wurde auch das nur im Altindischen
vorliegende substantivische Pronomen Zra ursprünglich nur als
Akkusativ gebraucht, denn es finden sich in RV. nur die Akk.
enam, Enaäm, enan, enas, ene (und dazu dreimal der Gen. dual.
mask. &nös, der auch durch seine Form auffällt\. Der AV.
liefert dazu &näu und änayös, den Instr. mask. änena, den
Akk. neutr. nad. Die spätere Sprache hat noch den Instr.
fem. enaya und den Akk. plur. neutr. önäni, wie aus Whitney
$ 500 zu ersehen ist. Nach demselben Gelehrten kommt dnad
ım AB. auch als Nom. vor, eine vereinzelte Ausnahme, auf
die nichts zu geben ist, ebenso wenig wie auf die Thatsache,
dass RV. 8, 6, 19 &nam steht, denn es ist noch zweifelhaft, ob
dies gleich eram ist. (Man vergl. zu dem Gesagten Böhtlingk,
Chrestomathie ! 278, der zuerst erkannt hat, dass Ena, welches
$ 210—211.] Kap. XIL II. Enklitische Formen des Pron. 3. Person. 473
in den Handschriften sehr oft mit &a verwechselt wird, nur
Substantivpronomen dritter Person ist, und der an derselben
Stelle auch zuerst die richtige Auffassung von im und sim
vorgetragen hat.) Belege für den Gebrauch von era finden
sich SF. 5, 29 und 567. Ich hebe hervor, dass es auch voraus-
nehmend gebraucht wird, z. B. dhann enam prathamajam dhi-
nam er erschlug ihn, den erstgeborenen der Drachen RV.1,32,3,
und dass es auch zu dem Relativum in Korrelation tritt, z. B.
upainam yajho namatı ya evam vidvan parkti kurute ihm wendet
sich das Opfer zu, welcher (wenn er), dieses wissend, Gruppen
bildet AB. 1, 5, 15.
6 211. Formen, die auch enklitisch sind.
Die bisher erwähnten Formen sind immer enklitisch. Es
giebt aber auch solche, welche je nach ihrer Bedeutung betont
oder enklitisch sind. Dahin gehören im Altindischen folgende
Kasus des Stammes a: asmäi asyütl, asmäd asyäs, asya asyäs,
asmin asyam, abhyam, ebhis äbhıs, ebhyas abhyas, e$am asam,
esu äsu. Sind diese Formen betont, so werden sie zu dem
Pronomen aydm gerechnet, sind sie unbetont, so ergänzen sie
das eben erwähnte era. Hinsichtlich der Bedeutung gilt die
Regel, dass die unbetonten Formen substantivisch gebraucht
werden, also Pronomina der dritten Person sind, die betonten
aber adjektivisch im Sinne von ‘dieser’ oder ‘dieser erwähnte‘).
Aus dem Griechischen gehört hierher das von Aristarch an-
genommene, von den Herausgebern gewöhnlich abgelehnte
autov In xöbe yap adtov Eyovra ara ot7dos M 204 (die Schlange
1) Ich bin SF. 5, 28 nicht recht zur Klarheit darüber gekommen, ob
betonte Formen auch substantivisch gebraucht werden können. Ohne jetzt
die umfängliche Untersuchung wieder aufnehmen zu können, bemerke ieh
nur, dass ich a. a. O. im Irrthum war, wenn ich asyam SB. 3, 2, 3, 2 als
Beleg für den substantivischen Gebrauch anführte. Es ist vielmehr ein
Adj., neben welchem das Substantivum zu ergänzen ist, denn iydm, scil.
prihivt, heisst ‘die Erde’. So viel ich beobachtet habe, haben diejenigen
Formen des subst. Pron., welche dem Mask. und Neutr. gemeinsam sind,
im Veda fast durchaus maskulinischen Sinn. (RV. 1, 23, 214 ist asya Neutrum.)
Die Lage ist also, abgesehen von der Kasusverschiedenheit, dieselbe wie
bei öna.
474 Kap. XUH. 11I. Enklitische Formen des Pron. 3. Person. [$ 211.
biss ihn, der sie trug). Im Lateinischen und Gotischen würde
an dieser Stelle das Reflexivum stehen, das Griechische, wel-
ches sein Partizipium freier handhabt, hat das Pronomen dritter
Person. In den slavischen Sprachen bildet der Stamm "jo
das substantivische Pronomen dritter Person (z. B. aksl. jego,
Jjemu u.s.w.). Die dazu gehörigen Nominative # u.s.w. werden in
Verbindung mit der Partikel Ze relativisch gebraucht. An ihre
Stelle treten on& u.8.w. Wie sich dieser Gebrauch mit dem rela-
tivischen Gebrauche von *yo im Arischen und Griechischen
vereinigt, soll später erwogen werden. An dicser Stelle geht
uns die Thatsache an, dass neben die Formen Jego u. s. w. eine
zweite Reihe nyego (nego) u. 8. w. getreten ist. Und zwar treten
die Formen mit » im Altkirchenslavischen auf, wenn sie von
einsilbigen Präpositionen abhängig sind, z. B. siü nego, otü nego,
tz nego u.8. w. Es kann kein Zweifel sein, dass das % eigent-
lich den Auslaut gewisser Präpositionen bildete (z. B. *süör) und
dann zum Pronomen gezogen wurde, mit dem die Präp. unter
einen Ton trat (vgl. J. Schmidt, KZ. 27, 281 ff). In wie weit
schon in der altkirchenslavischen Zeit das » als zum Pronomen
gehörig empfunden wurde, wäre noch zu untersuchen. In den
lebenden slavischen Sprachen ist das entschieden der Fall. So
stehen z. B. im Serbischen neben einander im Mask. Fem. plur.
der Gen. nyih und th, der Dativ nyıma und ım, ım Fem. sing.
der Gen. nje und je, der Dativ »707 und 307, der Akk. nyu
und je. Dabei werden die »-losen Formen von Wuk und
Miklosich 4, 72 als enklitisch bezeichnet. Ebenso liegt es im
jetzigen Bulgarischen, ob auch im Russischen ist mir zweifel-
haft.!) Ferner ist von Interesse, dass es im Serbischen zwei
Formen giebt, welche durch Verkürzung aus längeren ent-
standen sind, nämlich den Gen. sing. mask. und neutr. ga aus
njega und den Dat. mu aus njemu. Auf diese Formen sei hier
hingewiesen, weil sie vielleicht geeignet sind, auf Formen wie
altpers. sam Licht zu werfen.
1) Ich gestehe nämlich, dass ich im Russischen einen Unterschied
der Betontheit zwischen u njego bei ihm und vü ego dom& in seinem Hause
nicht höre.
$ 212—213.] Kap. XIL III. Die Possessiva und der Genitiv. 475
$ 212. Allgemeinesüber dieAnwendung enklitischer
Formen.
Im allgemeinen werden diese Formen gebraucht, wenn
ein geringerer Nachdruck auf ihnen liegt.
Im einzelnen ist zu bemerken, dass sie, wie alle enkli-
tischen Wörter, dem Platze nach dem ersten Worte des Satzes
zustreben, worüber bei der Lehre von der Wortstellung zu
handeln sein wırd. Sodann will ich noch bemerken, dass ın
der Verbindung mit Präpositionen ursprünglich wohl die or-
thotonierten Formen angewendet worden sind, doch kommen
überall auch enklitische Formen vor. So im Altindischen:
abhito ma RV. 7, 59, 7, vö 'ntar 1, 168, 5. Viele Stellen sınd
zweifelhaft, weil man die Präposition auch zum Verbum ziehen
kann, z. B. 1, 171, 1. 7,1, 3 u.a. Stellen aus dem Avesta ver-
zeichnet Caland $ 93, aus dem Griechischen Krüger $ 25, 1,
Anm. 2. Im bezug auf das Altkirchenslavische bemerkt Miı-
klosich 4, 73: “nach Präpositionen können mit Ausnahme von
mi, ti, si alle enklitischen Formen angewandt werden”, z. B.
vu me verujte eis &ut nıoteuere, dagegen nur Aü mine, tebe, sebe.
Und ebenso sagt Wuk in bezug auf das Serbische (Gr. 56),
dass man immer sage kod mene bei mir, k ment zu mir, da-
gegen könne im Akkusativ auch die enklitische Form gebraucht
werden, z. B. za mene oder za me für mich, za tebe oder za te
für dich. Über das Germanische vgl. Kluge in Paul’s Grund-
riss 1, 346.
Eine genauere Behandlung dieser Frage, welche tief in
die Untersuchung über die indogermanische Satzbetonung
hineinführen würde, wäre wünschenswerth.
II.
Die Possessiva und der Genitiv.
6 213. Genitiv und Possessiva.
Brugmann hat 2, 823 ff. die Vermuthung durchgeführt,
dass die adjektivischen Possessiva der ältesten Zeit aus dem
Genitiv gebildet seien, während es andererseits klar ist, dass
476 Kap. XII. III. Die Possessiva und der Genitiv. [$ 213.
einige Genitive aus Possessiven entstanden sind, so altindisch
asmakam, yugmäkam, avestisch ahmäkem, yüsmäkem, z$mäkem,
lateinisch nostri, vestri, nostrum, vestrum. So unzweifelhaft die
Beziehung zwischen Genitiv und Possessiven ist, bleibt doch
noch, wie sich jeder bei dem Studium der angeführten Seiten
überzeugt, so viel Raum für Zweifel und abweichende An-
schauungen übrig, dass ich es für nutzlos halte, meinerseits
auf diese Fragen einzugehen. Ich beschränke mich deshalb
auf ein paar Worte über die arıschen -Possessiva. In dieser
Hinsicht fällt zunächst auf, dass die vedische Sprache mit
Possessivis sehr schwach versehen ist. Ein Wort für ‘mein’
ist nicht vorhanden, iv@ dein kommt einmal vor, zweimal be-
gegnen adjektivische Formen von yusmaka (yu$makena und
yugmakäbhis), etwas häufiger sind derartige Formen von asmäka.
Mit diesem Zustand stimmt, wie man bei Caland $ 86 ersieht,
der jüngere Avesta im wesentlichen überein, während in den
Gathas die Possessiva ma mein, ahmäka unser, wa dein,
yusmäka und z$mäka euer vorhanden sind. Caland zieht aus
diesem Thatbestand $ 89 den Schluss, dass auch das Vedische
einstmals alle Possessiva gekannt habe, dass dieselben aber
durch sva verdrängt seien. Ich gehe nur so weit, zu ver-
muthen, dass ın der indo-iranischen Zeit Genitive und einige
Possessive vorhanden waren, welche in ihrer Bedeutung mit
einander konkurrierten und sich deshalb in den Einzelsprachen
mit verschiedenem Erfolge das Terrain streitig machten. Dass
das altindische asmakam, yu$makam und die entsprechenden
iranischen Formen erstarrte Neutralformen sind, ist nicht zu
bezweifeln. Gegenüber Brugmann’s Versuch, S. 830 Anm., sich
die Entstehung dieses Gebrauches anschaulich zu machen,
scheint mir noch heute der von Böhtlingk in der ersten Auf-
lage seiner Chrestomathie S. 277 gemachte den Vorzug zu ver-
dienen, der in die Worte gefasst ist: “Am leichtesten können
wir uns diese erhärteten neutralen Formen erklären, wenn wir
annehmen, dass sie ursprünglich bloss prädıkativ gebraucht
wurden” (vgl. dazu SF. 5, 204). Diejenigen Gelehrten, welche
met, tui, griechisch teoro zu erklären wünschen, seien darauf
$ 213—214.]| Kap. XII. IV. Das substantivische Reflexivpronomen. 477
hingewiesen, dass auch für das Avestische ein gleicher Ge-
brauch der eigentlich adjektivischen Formen mahmi und mahya
angenommen, aber von Caland $ 97 angezweifelt worden ist.
IV.
Das BReflexivpronomen.
$ 214. Das substantivische Reflexivpronomen.
Altindisch. In.der alten Sprache ist ein substantivisches
Reflexivpronomen nicht vorhanden, während ein solches in der
späteren Sprache, wenn auch nicht häufig, vorkommt. Böht-
lingk in seinem Wörterbuch sagt darüber: “sva m.n. die eigene
Person, das Selbst, das Ich; in den obliquen Kasus als Pron.
refl. verwendet, auch mit Zurückbeziehung auf Unbelebtes”.
Als Belege führt er an: svoam ca brahma ca ein Ich und Brahma,
na svam Sikfayasi svayamı selbst belehrst du dich nicht, svam
nindantah sich selbst tadelnd (also sing. bei plur.). Dieses Pro-
nomen ist nicht ein Gegenbild des Reflexivums im Griechischen
und Lateinischen, sondern — wie schon die Art der Flexion
beweist — eine”erst im Laufe der Sonderentwickelung des San-
skrit entstandene Substantivierung des Adj. sod, bedeutet also
eigentlich “das Eigene’, daher man denn auch die von Böhtlingk
noch angeführten Worte samikah svany avartanta zwar mit ihm
übersetzen kann “die Krieger kümmerten sich nur um sich‘,
aber auch ebenso gut ‘um das Ihrige. Was wir durch das
subst. Refl. ausdrücken, wırd im vedischen und klassischen
Sanskrit durch tanü (Leib) und ätman (Seele) gegeben, z. B.
yathayaja ylübhir deva devan Eva yajasva tanvam sujäla wie
du, o Gott, den Göttern zu den Zeiten opfertest, so opfere
auch dir selbst, o Schöngeborener, RV. 10, 7, 6 (vgl. SF. 5, 208);
balam dadhäna ätmanı Kraft in sich selbst legend 9, 113, 1,
so namentlich in der Prosa und der späteren Zeit, z. B. at-
mäanam &vd tena punite dadurch läutert er sich selbst MS. (vgl.
SF. 5, 262). — Wenn also ein subst. Refl. vom Stamme sva,
welches sich dem ungeschlechtigen Refl. der klassischen Spra-
chen an die Seite stellen liesse, nicht vorhanden ist, so können
478 Kap. XI. IV. Das substantivische Reflexivpronomen. 1[$ 211.
nn nn
doch Bildungen oder kann doch eine Bildung von sra in appo-
sitioneller Verwendung substantivisch gebraucht werden. Zwar
ob svds gelegentlich im Veda im Sinne unseres “er selbst’ vor-
kommen, lasse ich dahingestellt (SF. 5, 207), dagegen ist von
alter Zeit her soayam gebräuchlich, offenbar eine im Altindischen
entstandene Anlehnung an alam und fvam, also ein erstarrter
Nominativ wie unser selber. Über den Gebrauch habe ich a.a.O.
bemerkt: “svaydm kann sich ebenso wie so« auf alle drei Per-
sonen beziehen, z. B. svaydm sö asmäd a nidö vadhair ajeta
durmalim er selbst treibe von uns weg die Neider und die
Bösen RV. 1, 129, 6; svaydm yajasva diri deva devan selbst
verehre am Himmel, Gott, die Götter 10, 7, 6; hayd nd vidvan
ayuji svayam dhuri wie ein kluges Pferd habe ich mich selbst
an die Deichsel geschirrt 5, 46, 1. Es kann aber auch die
Nominativnatur dieses isolierten Kasus vergessen werden, und
svaydm gelegentlich zu einem anderen Kasus treten, z. B.
svaydam galuim tanva tchamanam den selbst für sich einen Weg
suchenden 4, 18, 10”. Während man also darüber einig ist,
dass ein aus der Urzeit fortgeleitetes substantivisches Reflexiv-
pronomen im Sanskrit nicht vorhanden ist, rechnet man dahin
gewöhnlich eine vereinzelte Präkritform, nämlich se, welche
im Sınne des tonlosen asya, asyas erscheint und wie dieses
den Satzanfang durchaus meidet. Dass se zu dem Stamme
*s90 gehöre, ist zuerst von Bopp, Vgl. Gr. 2, 126 ausgesprochen
und sodann von Wackernagel in seinem oben zitierten Aufsatz
(KZ. 24, 592) näher ausgeführt worden. Ich kann dieser An-
sicht deshalb nicht beitreten, weil se niemals reflexiven, son-
dern stets anaphorischen Sinn hat. Es ist darum viel natür-
licher, es aus dem indischen asya abzuleiten, was Lassen, Instit.
S. 327 und Böhtlingk, Chrestomathie! 279 thun. Über die Art
wie se mit asya vermittelt werden kann, schreibt mir Böht-
lingk: “Aus asya wurde assa, das auch, obgleich nur ganz
ausnahmsweise, vorkommt. Von assa fiel (wie bei nam aus
enam) der Anlaut ab und infolge dessen auch das eine ».
Aus sa entstand s@ durch Anlehnung an me und 12”. Durch
diese Annahme würde sich die Gleichgültigkeit von se gegen
8214) Kap. XII. IV. Das substentivische Reflexivpronomen.
— [ou
479
das Geschlecht gut erklären. Nach einem Grammatiker bei
Hemacandra (vgl. Wackernagel 602) soll s& auch eorum, earum
bedeuten, wozu Böhtlingk bemerkt: “Jacobi, den ich deshalb
befragte, konnte mir nur eine Stelle beibringen. Da se im
Anschluss an me& und te geschlechtslos geworden war, konnte
es nach dem Verlust von sam!) wohl auch als Plural verwendet
werden".
Da mır diese Ansicht sehr wahrscheinlich vorkommt, sehe ich
im Folgenden von einer Verwerthung des präkritischen s2 ab.
Avestisch. Aus der Darstellung bei Caland $ 108 folgt,
dass das Avestische so wenig wie das Altindische ein subst.
Refl. nach Art der klassischen Sprachen besitzt. Es verwendet
an dessen Stelle das anaphorische Pronomen « (also wie im
Deutschen: er nahm ihm ein Weib u. ähnl.), z. B. aprä vacem
baraiti vidva va evidrä va ahyü zeredäca manarhäca da erhebt
seine Stimme der Weise und der Unweise nach seinem Herzen
und Sinne y. 31, 12, oder es gebraucht wie das Altindische
das Subst. tfanu, z. B. aß azem tanüm aguze da verbarg ich
mich yt. 17,55; tanuye ravo agSı8to sich selbst Raum zu schaffen
suchend yt. 13, 107. Brugmann in seiner Übersichtstabelle zur
Deklination der Personalpronomina und des Reflexivums führt
freilich den Dativ Avavoya als substantivisches Reflexivum auf.
Allein es ıst kein Zweifel, dass dieses Wort an der einzigen
Stelle, wo es vorkommt (y. 59, 30), ps? bedeutet. Nach Caland
ist diese Stelle die einzige, an welcher ein solcher Gebrauch
des Stammes *svo vorliegt, während andere, z. B. Justi, an-
nehmen, dass der Nom. hvö nicht selten in dieser Anwendung
erscheint. Die Stellen sind folgender Art: Avo zarahuströ
dieser Z. y. 43, 16; hvö na ye der Mann, welcher y. 46, 13;
hvö ye der, welcher 46, 9 und so öfter in Beziehung zum Re-
lativum, 2. B. y. 51, 8, 10. 46, 6. Auch im Sinne der zweiten
Person wie altindisch «ö, z. B. ahya& hvo ne dätdi davon gieb
— On mm
1) sam würde die Präkritform für ai. cam, asam sein. Es hat sich
aber weder diese Form noch andere Vertreter des Stammes a erhalten. Sie
sind vielmehr durch Formen von ima ersetzt worden.
480 Kap. XII. IV. Das substantivische Reflexivpronomen. [$ 214.
du uns y. 40,2. Es fragt sich, wie man über dieses hvö zu
urtheilen hat. Caland übersetzt es durch ‘dieser’ und meint,
dass es mit dem Reflexivum nichts zu thun habe, und ein
Reflexivum im engeren Sinne kann ja natürlich ein Nominativ
nicht sein. Caland trennt Avö aber auch äusserlich von dem
Reflexivstamm und bringt es mit dem indogermanischen Stamme
*/co zusammen, der im altindischen toa mancher vorliegt (S. 54..
Mich überzeugt diese Kombination nicht, doch bin ich zu einer
anderen, sichereren Meinung über Avö nicht gekommen (vgl.
die Schlussbetrachtung). Eine dem indischen svayam ent-
sprechende Form ist nicht vorhanden, doch lässt sich dem
Gebrauch nach einigermassen zwatö (der Form nach gleich
dem altindischen svatas) vergleichen: zwatö nızbayanuha zarap-
ustra selbst preise, o Z. vd. 19, 34; ma nö ae3a ya kaine zwatd
garewem ra$Sayap nicht soll uns (dieses so gut wie expletiv)
dieses Mädchen mit Willen die Frucht schädigen vd.15,11 /so
Geldner’s Auffassung KZ. 25, 194, während Wackernagel, KZ.
24,599 zwatö unrichtig als Gen. ansieht). — Während sich in dem
bisher angeführten Material ein Reflexivum nicht entdecken
lässt, glaubt Wackernagel dasselbe in allerhand enklitischen
Formen gefunden zu haben, nämlich in dem genitiv-dativischen
av. hör, he, Se, dem akk. kim Ja, his, dem altp. saty (gleich
av. 2), dem pluralischen Sam. Ihm ist Bartholomae, Hand-
buch $ 268 gefolgt und hat noch das ablativische altpersische
8a hinzugefügt.!) Wackernagel legt dabei Gewicht auf die
Identität zwischen dem iranischen *sai (av. Aös, he, se, altp.
Saty) und dem präkritischen sa, welche sich in seiner Dar-
stellung gegenseitig stützen. Hierin kann ich ihm nicht folgen,
da ich se, wie oben gezeigt ist, anders auffasse. Im übrigen
1) Da Brugmann diesem sa die Ehre erwiesen hat, es in seine den
Personalpronomina und dem Reflexivum gewidmete Übersichtstafel aufzu-
nehmen, so will ich nicht unterlassen zu bemerken, dass man vielleicht
einigen Grund hat, die Wirklichkeit dieses sa anzuzweifeln. Es findet sich
nur in der Wendung Ahacä avadasa von dort, nämlich von einem vorher er-
wähnten Punkte. Bartholomae übersetzt ‘von da davon’. Möglich, dass
man sich damals so ausdrückte, aber völlig überzeugend scheint mir die
Deutung nicht.
$ 214.] Kap. XU. IV. Das substantivische Reflexivpronomen. 481
oo mm Pe Un mn nn nn nn m Rn Lets sl nn
sind meine Bedenken dieselben wie bei se. Ich behaupte zu-
nächst, dass die Bedeutung dieser Wörtchen nichts für ihren
reflexiven Ursprung beweist. Zwar bin ich (abweichend von
Wackernagel) der Ansicht, dass avestisch A@ an einigen Stellen
reflexiv gebraucht ist, aber es ist ja bekannt, dass Pronomina,
welche von Anfang an anaphorisch sind, gelegentlich reflexiven
Sınn annehmen, wie im Avestischen selbst (s. S.497), im Deut-
schen und wie bei aurtd; geschieht; also kann ich diesen
Stellen keinen Werth für die Entscheidung der vorliegenden
Frage einräumen. Sodann habe ich Bedenken wegen der Aus-
stossung des v. Und endlich frage ich, warum denn diese
Pronomina, und was man etwa noch dazu stellen kann {ai. sim,
lat. sum, sam, sas), nicht Pronomina dritter Person sein sollen,
wie ai. 2m, griech. pıv, vıv u. ähnliche. Ich habe es also vor-
gezogen, alle die Formen dieser Art unter $ 210 zu behandeln.
Griechisch. Im Griechischen zuerst begegnet uns ein aus-
gebildetes Reflexivum, doch haben die meisten der betreffenden
Formen, besonders bei Homer (den ich allein berücksichtige), auch
anaphorische Bedeutung. Ich habe zuerst einige Bemerkungen
über o{N), &, opıv, oge hinsichtlich ihrer Beziehung zu Genus, Nu-
merus und Kasusgebrauch zu machen und spreche sodann über
das Verhältnis zwischen reflexiver und anaphorischer Bedeutung.
Die Form oi steht im Sinne eines Maskulinums, Femi-
ninums, 2. B. auf Athene bezüglich A 200, Neutrums, z. B. auf
äytpov bezüglich, mit Anwendung auf Personen und Sachen,
worüber man sich aus dem Artikel bei Ebeling unterrichten
kann. Eine Anwendung im pluralischen Sinne lässt sich nicht
nachweisen (vgl. Brugmann, Ein Problem 19). Was die Kasus-
natur anbetrifft, so vertritt es Dativ und Genitiv. Man versucht
zwar den ganzen Gebrauch von oi aus dem Dativ abzuleiten, in-
dessen angesichts der aus den verwandten Sprachen beigebrachten
Parallelen scheint es mır natürlich, den genitivischen Gebrauch
anzuerkennen in Stellen wie die folgenden: [Aaöxos 8 Eyvw
1) Ich brauche da, wo es auf den Unterschied zwischen reflexivischem
und anaphorischem Gebrauch nicht ankommt, der Einfachheit wegen die
unbetonte Form.
Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm, Sprachen. TI. 31
482 Kap. XII. IV Das substantivische Reflexivpronomen. [$ 214.
Tow Evi @peot, yrnÜmosv Te, Örtı ol WX Txovas neyas Beös edkanevoro
11531. Es ist durchaus natürlich, ol mit eüfanevoro zu verbinden,
weshalb denn auch Nauck von seinem speziell griechischen
Standpunkt aus oi in eö zu verändern vorschlägt. Ferner ın
den Stellen, wo ich mir zweı Dative nicht erklären kann, da
die bekannte Figur, in welcher das Ganze und die Theile in
gleichem Kasus stehen, nicht vorliegt: & oi $eot oöpaviwves rarpl
ol Eropov P 195, vgl. A 219, 5 771, o0öE oywe löwy &yolmaaro
You, rt ol Wxa Enesor @lAns aAdyaro mıßesdrv O 156, und
gewiss noch in manchen anderen Stellen (vgl. auch Krüger
48, 12, 2). Hinsichtlich des Akkusativs & scheint mir sicher,
dass er B 197 pluralisch gebraucht ist. Die Kasus des Dualis
und Pluralis (welche man in Gehring’s Index bequem über-
sieht) sind aus dem mit op beginnenden Stamme gebildet, dessen
Entstehung uns noch dunkel ist. Der Dativ opıv hat die sin-
gularische Endung (vgl. &ptv), daraus opı und mit Verdeutlichung
des pluralischen Charakters optsı, opıy kommt bei 'Tragikern
auch singularisch vor. Der Akk. oge wird, wie J. van Leeuwen,
Mnemosyne N. F. 13, 406 nachweist, bei den Tragikern und
gelegentlich auch sonst in älterer Poesie im Sinne von adrov,
adcny, abtw, aurtous, adras gebraucht und weist damit auf einen
einst gleichen Gebrauch von fe zurück. Ob der vielbesprochene
Nominativ ? wirklich zum Reflexivstamm gehört, ist unsicher
(vgl. Brugmann 2, 768).
Was nun das Verhältnis der Bedeutungen betrifft, so war
man früher, sofern man überhaupt die Frage nach der Priorität
aufwarf, der Meinung, dass die reflexivische Bedeutung die
ursprüngliche und die anaphorische irgendwie aus ihr hervor-
gegangen sei. In der neueren Zeit hat dagegen Windisch in
Curtius’ Studien 2, 329 die Ansicht aufgestellt, dass beide An-
wendungsarten aus einer älteren Anwendung des Stammes *svo
als Identitätspronomen (er, sie, es selbst) geflossen sein, die
eine durch Verengung, die andere durch Abschwächung des
ursprünglichen Sinnes. Im Gegensatz hierzu hat sich Brugmann
wieder der alten Theorie angenommen (Ein Problem, 83ff.).
Ich habe nicht die Absicht, mich ın die Debatte zu mischen,
$ 214.] Kap. XII. IV. Das substantivische Reflexivpronomen. 483
weil ich der Meinung bin, dass möglicherweise das anapho-
rische Pronomen mit dem reflexiven nur scheinbar der Form
nach identisch ist. Bekanntlich giebt es bei Homer eine An-
zahl von Stellen, in welchem das Digamma von for, welches
sonst so fest haftet (Hartel, Hom. Stud. III, 74) vernachlässigt
ist. Ich nenne von solchen, welche bisher den Versuchen einer
Änderung mit Erfolg widerstanden haben E 338, Z 101, 289,
W865, 0 105. Vielleicht hat Torp (Beiträge zur Lehre von den
geschlechtslosen Pronomen in den idg. Spr., Christiania 1888,
S. 15) nicht Unrecht, wenn er dieses ol auf *ooı zurückführt,
also mit dem iranischen *sat (altpers. Say, av. hot, he, 82) iden-
tifiziert, welches nach meiner Meinung ($ 210,3) mit dem Stamme
*spo nichts zu thun hat. Danach wäre anzunehmen, dass die
gemischte (reflexive und anaphorische) Bedeutung von ol u.s.w.
ihren Grund in der historischen Mischung einer Form *sot und
einer Form *svos hat. Diese Mischung im Dativ könnte auch
auf andere Kasus des Singulars und Plurals gewirkt haben.
Sollte diese Ansicht richtig sein (welche übrigens auch schon
Wackernagel 608 berührt), so würden die Untersuchungen,
wie sie von Windisch, Brugmann und A. Dyroff, Geschichte
des Reflexivums, Würzburg 1892 angestellt worden sind, eine
veränderte Grundlage erhalten. Ich gehe darauf nicht ein.
Lateinisch, vgl. Gossrau 407 ff., Draeger 1, 52ffl. Das Re-
flexivum, welches im Lateinischen nie anaphorische Bedeutung
hat (für welche is vorhanden ist) bezieht sich auf die Haupt-
person des Satzes. Diese ist gewöhnlich das Subjekt, wofür
es keiner Belege bedarf. Sie kann aber auch in einem anderen
Satzverhältnis stehen, z. B. nam ts est servos ipse neque praeter
se umquam ei servos fuit Plautus Captivi 580, was ja sachlich
dasselbe ist, als ob die Konstruktion mit Aabeo angewendet
wäre. Zu den Gliedern des einfachen Satzes gehören für das
lateinische Sprachgefühl auch die eine Nebenhandlung aus-
drückenden Partizipien und die Infinitive im Akk. cum Inf.,
daher die bei diesen stehenden Pronomina von der Hauptperson
her orientiert sind, z. B. ipse qua gravitate animi criminantes
se ad multitudinem inimicos tulerat, eadem et populi in se
31*
484 Kap. XII. IV. Das substantivische Reflexivpronomen. [$ 214.
saevienlis injuriam tulit Livius 22, 26. Eine selbstverständliche
Ausnahme machen nur die aus der Auflösung des alten Mediums
hervorgegangenen reflexiven Verba, bei denen se unmittelbar
zum Partizipium gehört (vgl. das Gotische!, z. B. se er hac
fuga recipientem bei Caesar. Ein Beleg für den Inf. ist: per-
Juga Fabricio est pollicitus, si praemium sibi proposuisset se clam
in Pyrrhi castra rediturum et eum veneno necaturum Nepos
Datames 58. Natürlich gilt hier dieselbe Ausnahme wie bei
den Partizipien, z. B. reliquos sese contertere cogunt bei Caesar.
Schwieriger ist die Sache bei Perioden, insofern die Haupt-
person ihre Herrschaft auch auf den abhängigen Satz aus-
dehnen kann, in welchem Falle sur, sıdt, se gewählt wird, oder
das Pronomen des abhängigen Satzes vom Sprechenden aus
orientiert wird, in welchem Falle :s, ea, id eintritt. Das erste
findet in der Regel bei den Absichtssätzen, das zweite bei den
Folgesätzen statt, z. B. Dionysius petioit ut se ad amıcıliam
terlium adscriberent, aber Ligarıus ın provincia pacalissima ıla
se gessit ul ei pacem esse expediret (Gossrau 410. Germa-
nisch, vgl. Grimm 4, 317 ff., Gabelentz-Loebe, Gr. 183. Im
Gotischen finden wir wesentlich denselben Zustand wie im
Lateinischen, nur dass (soweit unsere Texte es ausweisen) das
Reflexivum stets das Subjekt des Satzes aufnimmt, während :s
auf das Objekt des Satzes oder auf einen ausser dem Satze
genannten Gegenstand geht, z. B. sva langa hveila spe mip sis
haband brubfad 8s0v xpovov ned’ Zautwv Eyovaı Toy vunpiov Mark.
2, 19, dagegen in demselben Verse vorher: ıdai magun sunjus
brubfadis, und batei mip im ıst brußfaps, fastan wm Süvavroı ol
viol Tod vunowmvos Ev & 6 vupplos per’ abrav dotı vnotedew. Wie
im Lateinischen ist das im obliquen Kasus stehende Partizi-
pium und der Infinitiv nur ein Wort des Satzes, nicht ein
Untersatz, es wird also das neben diesen stehende Pronomen
vom Satzsubjekt beherrscht, z. B. (Daveid) hlatbans faurlagei-
nais malida jah gaf jah aim mip sis.visandam Tobs Aproug Ti;
npoßesews Epaye xal Eöwxs xal tols adv adra oüsı Mark. 2, 26.
Eine Ausnahme machen wie im Lateinischen nur die reflexiven
Verba, z. B. (Pivr) gasaihvandei Paitru varmjandan sik Tlöoüca
$ 214] Kap. XII. IV. Das substantivische Reflexivpronomen. 485
tov Tlerpov Bepparvduevov Mark. 14, 67. Ein Beispiel für den
Infinitiv: Jah gavaurhta tvalif du visan mib sis xal Erxotnoe dw-
dexa Iva wor ner abrod Mark. 3, 14. Auf abhängige Sätze dehnt
das Hauptsubjekt seine Herrschaft nicht aus. Das Reflexivum
bezieht sich also im abhängigen Satze auf das Subjekt dieses
seines Satzes, z. B. fralet Bo managein, eı galeıbandans in bos
bisunjane haimos bugjaina sis malins Arolusov töv dyAov, {va
Areldovres els Tas xöXp xwpas eöpwarv &rıortiopöy Luk. 9, 12.
Die Beziehung auf das Subjekt des Hauptsatzes dagegen wird
durch :s vermittelt, z. B. jah bedun ına ei uslaubidedi im in
Bo galeiban xal rapexalouv adrov Iva Erırpelm aurtois eis Exelvous
eige/Betv Luk. 8, 32. In den übrigen germanischen Dialekten
ist das Reflexivum verkümmert, worüber Grimm Auskunft giebt.
Litauisch (vgl. Bezzenberger, ZGLS. 254 und die eingehende
Darstellung des lettischen Gebrauches beı Bielenstein, Gr. 327 ff.).
Das litauisch-lettische Reflexivum bezieht sich, ebenso wie das
slavische, stets auf das Subjekt des Satzes, aber abweichend
vom Gotischen nicht bloss auf die dritte, sondern auch auf die
erste und zweite Person. Beispiele für die dritte Person sehe
man bei Schleicher, Gr. 299, z. B. ö dabar jis siufeza pas sävo
päczq da sandte er zu seiner Frau; JE oder 768 tür süvo kurpes
sie haben ihre Schuhe. Den Gebrauch bei dem sog. logischen
Subjekt erörtert ausführlich Bielenstein. Ein paar Belege für
die erste und zweite Person sind: äsz tave paversiu Y ütele ö
save {| blüsq ich werde dich in eine Laus verwandeln und mich
selbst in einen Floh (Schleicher 145); dabar tu sdv päts jeszkö-
kis maistq jetzt suche du dir selbst dein Futter (Schleicher 120).
Für das Slavische genügt es, einige Belege aus dem cod.
Mar. beizubringen. Ausserordentlich häufig ist natürlich die
dritte Person, z. B. rece vü sebe er sprach bei sich; rede kü
sebe sie sprachen zu sich; da kupgtü brasüna sebe {va dyopaow-
oıy &autois Ppwpara Matth. 14, 15; viderü ja po sebe tdasta
Deaoanevog abtobs AxoAoußouvras Joh. 1, 38. Das sogenannte
logische Subjekt ist gemeint: jako2e bo oficü Zivota imatü vi
sebe, tako dastü i synovi Zivota imeli vi sebE Gonep ap 6 rarhp
Exer Luhv Ev auto, oltwg Eöwxe xal ta ulm Lwhv Eyeıy dv daur@
486 Kap. XII. IV. Das adjektivische Reflexivpronomen. [$ 214—215.
Joh. 5, 26. Beispiele für die erste Person sind: vise privlekq
kü sebe ravras &Ixdow rpüs &uaurdv Joh. 12, 32; poimq vy kü
sebe rapaltılopar dpäs rpüs &paurdv Joh. 14, 3; ne mogq azü 0
sebe tvoriti nicesoZe od dbvanaı dyw roreiv dm &uaurod oBöcv Joh.
5, 30; azü o sebe glagoljq &yw An &uaurod Aal Joh. 7, 17; 3 0
sebe ne pridü xal an &uautod odx 2AnAuda Joh. 7,28; azü Clovekü
Jjesmi imy podü sobojq vojiny avdpwrdzs elyı Zywv Ön &paurov otpa-
tıwras Matth. 8,9. Zweite Personen kenne ich zufällig nur bei
imperativischem Ausdruck, z. B. süpasi sebe swsov oeaurdv Matth.
27,40; otüvrüzi otü sebe Pale ano ood Matth.18,8; oblict ı mezdju
soboyq i temi Jedindmi Eleykov adrov nerakb soü xal auToD jÖvov
Matth. 18, 15; obace sebe placite se nItv &o &aurobs xlalere Luk.
23, 28; ? Aupite sebe xat Ayopaoate &aurois Matth. 25, 9; ne
rüpistite mezdju sobojq wh yoyyölere per dAArnlwv Joh. 6, 43;
vizljyubisi iskrinjago svojego Jako samü sebe Ayannasıs Tüv rAnotov
oov ws oeaurdv Mark. 12, 31.
$ 215. Das adjektivische Reflexivpronomen.
Um das adjektivische *svo verstehen zu können, müssen
wir Deutschen uns zunächst von dem neuhochdeutschen Ge-
brauch frei machen, der sich weit von dem altgermanischen
entfernt hat, wie er in dem Gotischen und Altnordischen noch
vorliegt. Der Unterschied besteht zunächst darin, dass wir für
den Plural und das Femininum besondere Formen ausgebildet
haben. So heisst es z. B. bei Luther Eph. 5, 28: Also sollen
auch die Männer ihre Weiber lieben, als ihre eigenen Letber.
Wer sein Weib hebet der hiebet sich selbst. Bei Ulfilas aber
heisst es: sva Jah vairos skulun frijon seinos genins sve leıka
seina. Saeı seina gen fryoß Jah sık sıilban frijoß. Und in
bezug auf das Femininum vergleiche man Luther: und sie gebar
ihren ersten Sohn Luk. 2,7 mit Ulfilas: Jah gabar sunu seinana
Dana frumabaur. Sodann brauchen wir sein im rein anaphori-
schem Sinne, also gleichbedeutend mit er, sie, es, was ım
Gotischen und Nordischen nicht der Fall ist, z. B. und es
begab sich da die Zeit seines Amtes aus war, ging er heim in
sein Haus Luk. 1, 23 heisst bei Ulfilas: Jah varp bibe usfull-
nodedun dagos andbahteis is galaib du garda seinamma (so
5215.) Kap. XII. IV. Das adjektivische Reflexivpronomen. 487
auch ım Aksl. ı dystü Jako isplünise se denije sluziby jego ide
vü domü svoji). Ebenso: und führete ihn hinaus vor den Flecken
und spützele in seine Augen und legte seine Hünde auf ihn
Mark. 8, 23, dagegen bei Ulfilas: ustauh ina utana veihsis Jah
speivands in augona is allagjands ana handuns seinos frah ina.
In den Worten und trochknete seine Füsse mit ihrem Haar
Joh. 11, 2 weichen wir also auf doppelte Weise von dem Goti-
schen ab, welches lautet: jah bisvarb fotuns is skufta sei-
namma. Dass das Gotische und Altnordische in den genannten
Beziehungen das Alterthümliche bewahrt haben, beweist (ausser
der Analogie des substantivischen Pronomens! schon die Ver-
gleichung mit dem Lateinischen, welches ja suus ebenfalls auf
Substantiva aller Numeri und Genera bezieht und von :s, ea,
td deutlich scheidet. Es giebt aber noch eine Eigenschaft
unseres Pronomens, welche auch das Altgermanische und das
Lateinische schon verloren haben, welche sich aber z. B. im
Slavischen noch erhalten hat, nämlich die Fähigkeit wie das
substantivische Pronomen auch ein Pronomen erster oder
zweiter Person aufzunehmen. Daher kann im Slavischen
svojt dem gotischen meins oder Deins entsprechen, z. B. serb.!)
eto ja Saljem andjela sp ojega pred licem tvojijem Matth. 11,10
gegen: sat ık ınsandja aggilu meinana faura bus siehe, ich
sende meinen Engel vor dir; oder: aksl. ne dostoyttü tebe imeti
zeny Pilipa bratra svojego es ist nicht recht, dass du deines
Bruders Weib habest Mark. 6, 18 gegen: Pater ni skuld ıst bus
haban gen broßrs beinis. Denselben Zustand wie im Slavischen
werden wir auch im Litauischen, Arischen und ın Resten im
Griechischen beobachten. — Aus dieser einleitenden Betrach-
tung ergiebt sich, dass folgende Punkte für das Verständnis
des adjektivischen *svoo von Wichtigkeit sind: das Verhältnis
zu den Genera und Numeri, die Vergleichung mit dem ana-
phorischen Pronomen, oder anders ausgedrückt: das Verhältnis
zum Subjekt des Satzes, und endlich das Verhältnis zu den
I) Aus cod. Mar. habe ich für die erste Person kein passendes Bei-
spiel gefunden. An der hier vorliegenden Stelle ist noji gebraucht. 8.
darüber unten S. 493.
488 Kap. XII. IV. Das adjektivische Reflexivpronomen. [8 215.
drei Personen. Ich behandle diese drei Punkte in etwas ab-
weichender Reihenfolge, nämlich
1. das Verhältnis des adjektivischen *svo zu den
Genera und Numeri seines Bezugswortes, und zwar:
a) Die Beziehung zum Genus. Die Bezugswörter
können allen Genera angehören, doch werden sich Neutra
selten finden, weil die Bezugswörter fast durchaus Personen
sind. Ein Beleg für das Fem. aus den arischen Sprachen ist:
äpem atsemnä havas kacih nafai havayäati vist havät zan-
tave havayät dainhave (die Fravası kommen) Wasser holend, eine
jede für ihre eigene Sippe, für ihr eigenes Dorf, für ihren eigenen
Gau, für ıhr eigenes Land yt. 13, 66. Ebenso in allen übrigen
Sprachen (z. B. aksl. roditü synü svoji prüvenecü Erexe Toy viöv
abri< töv rpwrordxov Matth. 1,25) ausser im neueren Deutschen,
wo das Reflexivum durch das anaphorische :hr verdrängt ist.
b) Die Beziehung zum Numerus. Die Bezugswörter
können in allen Numeri stehen, so im Arischen im Plural,
z. B. uts svena Savasa Süßuvur ndrah durch ihre eigene Kraft
gediehen die Helden RV. 7, 74, 6; td yüldyeinti pesanahu have
asaht Söifragca sie streiten in Schlachten um ihren Platz und
ihr Gebiet yt. 13, 67. Ein Dual: mödamanau ste grhö sich
erfreuend im eigenen Hause 10, 85, 42. Ebenso ist es in den
übrigen Sprachen (z. B. aksl. « vese i na sünimi svoji xal dvhyayov
adroy eis TO auvEöpıov &aurav Luk. 22, 66) mit Ausnahme des
Griechischen und neueren Deutschen. Im Griechischen hat
sich in Anlehnung an den nur im Griechischen vorhandenen
Plural des substantivischen Reflexivpronomens das Possessivum
operepos entwickelt. Aber wie oye im Sinne des Singular und
Plural stehen kann (s. oben), so fehlt es auch nicht ganz an
Belegen für die Beziehung von op£tepos auf ein singularisches
Grundwort, z. B. &; rpolınwv op£repöv TE Öduov omerdpoug TE To-
x7as Hesiod Aspis 90 (wobei freilich zu bedenken ist, dass auch
ein Einzelner Ap&repos ödyos sagen könnte). Für sicher erklärt
Hartel (Ztschft. f. österr. Gymn. 1876, 734) den analogen Ge-
brauch von opds in: TAde d dpa npwrn Irb& Apdıros OdAuunovds
abv opotaıy naldesaı plAou drd undea narpos Hesiod Theog. 398.
$ 215.) Kap. XII. IV. Das adjektivische Reflexivpronomen. 489
Ebenso wird d; (&0s) auch bei pluralischem Bezugswort ge-
braucht, z. B. t£prwyraı xara Buubv dbv xaxov Aumpayanwavres
Hesiod Erga 58 (vgl. Brugmann, Ein Problem S. 16 ff.).
2. Das Verhältnis zu der Person des Bezugswortes.
Dasselbe kann auch der ersten oder zweiten Person angehören.
In dem Altindischen, mit dessen Darstellung ıch be-
ginne, kann entweder die durch das Pronomen oder die
Verbalform ausgedrückte Person auch weiterhin durch oblique
Kasus des Pronomens oder durch Possessiva bezeichnet werden,
oder sie kann durch das adjektivische sv@ aufgenommen wer-
den, zu dem übrigens auch noch ein Genitiv des Pronomens
treten kann. Hierfür zunächst einige Belege, bei deren Auf-
führung ich mit der zweiten Person beginne: todm ävıtha
sußravasam tavotibhih du hast dem $. mit deinen Hilfen ge-
holfen RV. 1, 53, 10; raksa no agne tava rak$anebhih schütze
uns, 0 Agni, durch deinen Schutz 4, 3, 14; iram na indra
tväbhir uti tvayato abhiffipäsi jänän du, o Indra, förderst durch
deine Hilfen unsere Leute, welche dir anhängen 2, 20, 2 und
ähnlich öfter; tava Aratva tdva täd dasdnäbhir ämasu pakodm
$äcya ni didhah durch deinen Geist, durch deine Wunderthaten,
durch deine Kunst hast du in die rohen (Kühe) die gare (Milch)
gelegt 6, 17, 6; tava pratnena yuüjyena säkhya vajrena dhrsnö
dpa tä nudasva mit deinem alten vertrauten Freunde, dem
Donnerkeil, o Kühner, stoss sie von dir hinweg 6, 21, 7; pi-
bagnidhrät täva bhägdsya trpnuhi trink aus dem Gefässe des
Agnidh, geniess von deinem Antheil 2, 36, 4; vi tdm yuyota
$avasa vy öjasa vi yusmäkabhir utibhih scheidet ihn von Kraft
und Stärke und von euren Hilfen 1, 39, 8. Dagegen mit sva:
svam cägne tancam piprdyasväsmäbhyam ca säubhagam ü yajasva
den eigenen Leib, o Agni, erfreue und uns eropfere Glück
8, 11, 10; svena hi vriram Sdvasa jJaghäntha denn durch eigene
Kraft hast du den Vrtra geschlagen 7, 21, 6; yan mäldram ca
pitäram ca säkam djanayathäs tanvah scayah als du Vater und
Mutter zugleich aus (deinem) eigenen Leibe erzeugt hast 10,54, 3;
ydd indra divi pärye yad rdhag ydd va sve sädans ydtra vasi
wenn du, o Indra, im entferntesten Himmel oder an einem
490 Kap. XIH. IV. Das adjektivische Reflexivpronomen. [$ 215.
besonderen Orte oder am eigenen Sitze oder sonst wo bist
6, 40, 5; yad indragni mädathah sve duröne wenn ihr beide,
Indra und Agni, euch ergötzt im eigenen Hause 1, 108, 7;
a sidatam sväm u lokdm vidans setzt euch beide, eure Stelle
kennend 10, 13, 2. Etwas ferner liegend, aber doch unmiss-
verständlich ist die Beziehung von svd auf die zweite Person
in: tiva toifö Janiman rejatu dyau rejad bhümir bhiydsa seäsya
manyöh vor deiner Stärke bei der Geburt zitterte der Himmel,
zitterte die Erde aus Furcht vor der angeborenen (dir eigenen)
Wuth 4, 17,2. Ein Genitiv des Pronomens zweiter Person
steht neben sva: param mrty6 anu parehri pantham yas te svah
gehe fernhin, o Tod, den Pfad, der dir eigen ist 10, 18, 1;
dgn& yajasva tanvam tdva svam Agni, verehre deinen eigenen
Leib, dich selbst 6, 11, 2; vgl. 6, 5, 4. — Einige Belege für
die erste Person sind: vaydm rajabhih prathama dhänäny asmä-
kena vrjanena jJayema wir möchten durch die Fürsten die ersten
Preise, durch unsere Gemeinde sie erwerben 10, 42, 10. Da-
gegen mit sod: srät sakıyad dranim nabhim ami von der eigenen
Freundschaft gehe ich zu fremdem Geschlechte 10, 124, 2; ula
svdya tanva sam vade tat mit mir selbst bespreche ich mich
darüber 7, 86, 2. Wıe im Indischen ist es im Iranischen,
wofür einige Belege aus dem Avesta genügen mögen. Der
ersten Art entsprechen: tvem mazda ahura frö mä sisa Pwah-
mäp vaocanlıg manyeus haca bwä &eärha du M. A. lehre mich
aus deinem Geiste verkünden mit deinem Munde y. 28, 11;
ta urda manyeus mahya mazda asaica yüsmaibya gerez? diese
Worte meines Geistes klage ich euch beiden, Mazda und AsSa,
y. 32, 9 (weitere Belege für diese Ausdrucksweise findet man
bei Bartholomae, KZ. 28, 37). Der zweiten Art entsprechen:
usta tE yö zwäa aojarha vasoörsaprö ahi wohl dir, der du durch
eigene Macht unumschränkt herrschest y. 9, 25; yım azem
vispahe anmheus astvalö sragstem dädaresa zwahe gayehe den ich
als den schönsten der ganzen lebenden Welt im eigenen (in
meinem) Leben gesehen habe y. 9, 1; yazamarde haom urvänem
wir verehren unsere eigene Seele y. 59, 28; mäavöya havar urung
zbaygmi für meine eigene Seele flehe ich y. 71, 11 (mavoya
$ 215.] Kap. XII. IV. Das adjeksivische Reflexivpronomen. 491
dürfte mit Caland in genitivischem Sinne zu nehmen, also die
Wendung dem indischen fava svam zu vergleichen sein).
Entsprechend verhält es sich mit der dritten Person. — Es
liegt auf der Hand, dass die beiden hiermit vorgeführten
Ausdrucksweisen keineswegs gleichbedeutend sind. In einem
Satze wie foam avitha tävotibhih du hast mit deinen Hilfen ge-
holfen ressortiert {va nicht von fvdm, sondern geht ihm parallel.
Der Redende gebraucht zweimal das Pronomen der zweiten
Person, auf welche es ihm im vorliegenden Falle besonders
ankommt. Dagegen in tvam svena Savasa jaghantha du hast
mit eigener Kraft getötet gehört svena als Adjektivum zu Zvam,
oder genauer gesprochen, zu dem zu ergänzenden Genitiv tava,
welcher ja, wie wir gesehen haben, auch ausgedrückt werden
kann. Diese Ausdrucksweise wird also gewählt, wenn betont
werden soll, dass eine Handlung, Eigenschaft u. s: w. einer
Person eigen ist. Da aber praktisch die beiden Ausdrucks-
weisen so ziemlich auf dasselbe hinauslaufen, so machen sie
einander Konkurrenz. Die Folgen dieser Konkurrenz nun
lassen sich ın den europäischen Sprachen beobachten. In den
meisten derselben hat die Ausdrucksweise mittelst meus und
tuus (wenn ich der Kürze wegen die hier zuerst behandelte
so bezeichnen darf) fast oder durchaus gesiegt. Dahin gehören
das Griechische, Lateinische, Germanische. Dass im Grie-
chischen noch Reste der Ausdrucksweise mittelst suus vor-
handen sind, ist sicher. Unangezweifelt sind für die zweite
Person: ool ö el nAourov Yuuds Zelderan dv Ypealv Toıv Hesiod
Erga 381; ösüte Al’ dvvenere ooetepov rar&p Öuvelovoaı ebenda 2;
für die erste Person: od tor &yw ye Ts yalns Öuvapaı YAuxepwrepov
ao lödsdar ı 27; A alel opeol Tao Exwv dedaiymevov Tirop
AAwuny v 320 (von Nauck unter den Text gesetzt). Dass diese
Ausdrucksweise in dem homerischen Texte einst durch mehr
Stellen vertreten war, scheint mir unzweifelhaft. Wie gross
aber das Gebiet war, darüber wird noch zwischen den Ver-
tretern der sprachwissenschaftlichen Richtung, welche es er-
weitern, und der philologischen, welche es verengern möchten,
gestritten (vgl. die von Hartel, Zeitschrift für d. österr. Gymn.
492 Kap. XII. IV. Das adjektivische Reflexivpronomen. [$ 215.
1876, 734 ff. und von Bamberg, Zeitschrift f. d. Gymnasialwesen
1877,359 ff. herrührenden Anzeigen der Brugmann’schen Schrift).
Da ich nicht in der Lage bin, hinsichtlich der einzelnen Stellen
irgend ein entscheidendes Argument beizubringen, so begnüge
ich mich, diejenigen anzuführen, in welchen Nauck das suus
anerkannt hat. Es sind ausser ı 27 und v 320: vöv pev ön oÖ
zarpbs dsında tloere Außnv A 142; Aön yap pe xal AAloß Ey Exi-
vugoes &oerufj = 249 (so schreibt Nauck mit Brugmann S$. 63);
T® 0 ad vöv xedopar weßtpev ydkov vios &oto U 138 (dagegen
A 393, T 342, 2 422 und 550 schreibt Nauck &7o9). Im La-
teinischen und Germanischen ist die Ausdrucksweise
mittelst suus ganz verschwunden. Denn in Wendungen wie
sul juris sumus oder “ich habe das seiner Zeit erlebt hat man
nicht eine Nachwirkung des alten freien Gebrauches, sondern
die Anwendung einer bei der dritten Person ausgebildeten
und dann erstarrten Formel zu sehen (vgl. Brugmann 119 ff...
Litauisch. Im heutigen Litauisch und Lettisch ist die Aus-
drucksweise mittelst meus und Zuus überall da verdrängt wor-
den, wo das Pronomen erster oder zweiter Person Subjekt des
Satzes ist, z. B. lit. pyardük ti! män sävo!) süny verkauf du mir
deinen Sohn (Schleicher, Les. 121); @sz stoviu afit sävo ZEmes ıch
stehe auf meiner Erde (Schleicher, ebenda 138); lett. diws, düd
man sawu garu Gott, gieb mir deinen Geist; kapez jüs sawu
mäti ne küpjat warum pflegt ihr eure Mutter nicht? nem tu
sawu dulu, es ne'mschu sawu nımm du dein Theil, ich werde
meines nehmen (Bielenstein, Gr. 328). Es kommt freilich ge-
legentlich auch die Ausdrucksweise mittelst Zuus vor, z. B. tat
tu apredyk tg külq sü tävo drebütiars dann bekleide du den Pfahl
mit deinen Kleidungsstücken (Schleicher, Les. 123), nament-
Iıch auch im älteren Litauisch (Bezzenberger 254). Ob darin
nun der Rest eines älteren Zustandes (vgl. das Slavische) oder
etwa ein Germanismus vorliegt, vermag ich nicht zu entscheiden.
Slavisch. Im Altkirchenslavischen ist die Ausdrucksweise
1) Im Litauischen ist das alte adjektivische Pronomen durch das un-
biegsame sävo vertreten, während im Lettischen noch das Adjektiv vor-
handen ist.
$215] Kap. XII. IV. Das adjektivische Reflexivpronomen. 493
durch meus und Zuus recht häufig. In den neueren Spra-
chen hat sich svoy? ausgebreitet, so dass z. B. im Serbischen
derselbe Zustand wie im heutigen Lutauischen besteht. Ich
belege zuerst diese Verschiedenheit innerhalb des Slavischen
(deren genauere Erörterung den Kennern empfohlen sei) durch
einige Belege. Zunächst ist zu beachten, dass innerhalb des
Altkirchenslavischen selbst der Gebrauch gelegentlich zwischen
tooj? und svoy? schwankt. Ich theile, um das zu zeigen, zwei
Stellen in der Gestalt des cod. Mar. mit und gebe in Klammern
die Lesart des Zog. Matth. 5, 23—24 day odv npoapdpys 16
Swpdy aov Eni To Buoraotnprov, xäxei uvnadlis drı 6 AdeAmds aou
£yeı TI xara cool, 24. Apes Exei To Öwpdv sou Zunpoadev too du-
oraomplou xal Önaye npwrov dtallayıdı tw Adelow oou, xal TöTe
21dmy npdapepe To Swpdv oou lautet: aste ubo prinesesi darü tvoJ?
(svoj?) kü oltarjzu i tu pomenesi jako bratü toojt imatü neslo na
te, 24. ostavi iu darü tvoji predü olütaremü i Sedü prezde sümirt
se sü bratromü svojimü (toojimü) ı togda priedü prinesi darü
toojt (svoj?). Matth. 9, 6 Apdv aou Thy xAlvnv xal Öraye els tüv
olxdv oou lautet: vozimi loZe tuoje i idi vü domü svoji (tvoy}).
Nun einige Stellen, in welchen die beiden Codices mit ihrem
tvoj? und moj? gegen das Serbische zusammenstehen, welches
überall 8007 hat: iy Ze poste se poma&i glarq svojq vi lice tvoje
umyji ob ÖE vmorebwv Aleıdal oou Thy xewaAny xal To npdawndv
cov vibar Matth. 6, 17; iy Ze jJegda molisi se vünidi vü klei
tvojq i zatvors dort tooje pomoli se oficyu toojemu ob 52 drav
npooeöym eloeAde el; Tö TanıEidv son xal xlelsas Thy Büpav ao
rpdseutaı tw rarpt oou Matth. 6, 6; da badete synove ofica vasego
Erws yevnode viol Toö rarpds duav Matth. 5, 45; azü pridä vü
ıme ofica mojego &ya E&inAuda Ev TWw Övdnarı Toü Tatpd; (ou
Joh. 5, 43; vise si süchranichü otü Junosti mojeje Talra ravca
&yulafaunv &x veörntös nov Mark. 10, 20. Ebenso Mark. 9, 17
und sonst häufig. Ein paar Belege für die Thatsache, dass
ım Altkirchenslavischen ebenso wie im Serbischen svoyi ge-
braucht wird, sind: :di vu domu svojt geh in dein Haus
Joh. 5, 8; vizlyubisi iskrinjaago svojego Jako samü se Ayannasız
zöv nAnolov oov @; oeaurov Matth. 19, 19; ne 1skusisi gospoda
494 Kap. XII. IV. Das adjektivische Reflexivpronomen. [$ 215.
boga svojego 00x &xrepäosıs xüptov töv Deov oon Matth. 4, 7; ne
dostoyttüu tebE ımeti Zeny Filipa bratra svojego oun &keotl ooı
Eyeıy ThV yovalxa too adelyoü oou Mark. 6,18; # prißidu azu vizelü
ubo bimi svoje sü lichvojq xal &/dwv Ey Exonioaunv dv TO Euöv
oby toxp Matth. 25, 27.
3. Verhältnis zum Subjekte des Satzes. Ich stelle
auch hierbei die arischen Sprachen voran. In diesen bezieht sich
der Stamm svd auf die Hauptperson, d. h. auf diejenige, welche
dem Hörenden sofort einfällt, wenn ın der Rede ein des An-
schlusses an eine Persönlichkeit bedürftiges Possessivum auftaucht.
Die Hauptperson ist gewöhnlich das Subjekt, z. B. prä svam
malım atırat er förderte seine Absicht RV. 1, 33, 13; nir yat
püteva svadhitih Sücir gat sodya krpa tanva röcamanah als der
reine (Agnı) hervortrat wie eine blanke Axt, mit seiner Gestalt
und Schönheit glänzend 7, 3, 9; yazazlg haom urvänem er ver-
ehrt die eigene Seele yt. 6, 4 und so häufig. Sva kann sich
aber auch auf ein anderes Substantivum des Satzes beziehen,
falls das Verständnis sich ohne weiteres ergiebt, z. B. yö nö
abhi hvdrö dadhe sva tdm marmartu duchünä wer uns Nach-
stellung bereitet, den möge seine eigene Bosheit zerschmettern
RV. 2,23, 6; agachatam pituh svasya tydjasa nibadhitam ihr
gingt zu dem durch seines eigenen Vaters Missgunst gestürzten
1, 119, 8; adevayum ava svah sakhä dudhurita den Gottlosen
schleudere zu Boden sein eigener Freund 8, 70, 11; maham
> ddrim päri gü indra säntam nutthä dcyutam sddasas pdri svät
den grossen Adri!), welcher die Kühe umschloss, stiessest du,
o Indra, von seinem eigenen (gleichsam ihm angeborenen) Sitze
6, 17, 5; naht svam ayus cikite janegu denn nicht ist die eigene
Lebensdauer bekannt bei den Menschen 7, 23, 2. Auch das
Pronomen erster oder zweiter Person, welches durch sva auf-
genommen wird, kann in einem obliquen Kasus stehen, z. B.
tubhyed indra svd ökye sömam codami pitäye dir, o Indra, bringe
ıch in deiner Heimstätte den Soma zum Trinken RV. 3, 42, 8.
1) Ich habe mich so ausgedrückt, weil svd darauf deutet, dass der
'Fels’ als eine Art von Dämon gedacht ist. Denn im Veda bezieht sich
svd wohl nur auf Personen.
$ 215.) Kap. XII IV. Das adjektivische Reflexivpronomen. 495
Sva könnte sich in diesem Satze auch auf die in cödamt ent-
haltene erste Person beziehen, aber der Sinn lässt die Be-
ziehung auf tübhyam räthlicher erscheinen. Ein Beispiel einer
zweiten Person in 4, 17, 2 ist oben angeführt worden. Dass
eva sich auf ein Substantivum in dem vorhergehenden Satze
bezieht, dürfte im Veda nicht vorkommen. Wohl aber liegt
ein solcher Fall vor aus dem Avesta: ya) asava para-ırızyeiti
kva abtqm zSapanem havo urva vanhailı wenn ein Gerechter
stirbt, wo verweilt diese Nacht über die zugehörige Seele? yt. 22, 1
(Westerg.). Griechisch. Dass der Stamm *svo das Subjekt des
eigenen Satzes aufnimmt, dafür bedarf es keiner Belege. Fälle
aus Homer, in welchen das Nicht-Subjekt aufgenommen wird,
hat Brugmann, soweit die dritte Person in betracht kommt, S.97
zusammengestellt. Es gehören dahin: Oörw 2y& röparov Zdopar
para ota £räporsıv ı 369; Vöussha peyalnropa & &vl oixp Eöpuvonn
rain Aoecev b 153; ıyy notre Nnkeds yüpev 2öv Sa xaAldos A 281;
En TE pıv hAeoev AAan II 753; Tore 68 Zebs "Extopı düxev Ü xe-
YalTj vopeeıw II 800. (Weitere Belege bei Ebeling unter &<).
Die Stellen, an welchen Brugmann dieselbe Erscheinung für
eine erste oder zweite Person anerkennt, hat er S. 107 ff. ver-
zeichnet. An beinahe allen indessen zweifelt die Kritik herum,
so dass ich hier auf die Behandlung dieser Frage verzichte.
Dass &; sich auf ein nicht in demselben Satze stehendes, son-
dern auf ein weiter zurück liegendes Substantivum bezieht,
kommt bei Homer nicht eben häufig vor (vgl. die Stellen bei
Ebeling und bei Brugmann 97 f.). Beispiele sind: Tuöetöyn ev
Eöwxe pevertolsuos Öpasuunöns Pdoyavov Aupruss, TO d Eüv apa
ni AdAeınto das eigene des Diomedes war zurückgeblieben K 256;
ropev dE & Datldınos Apws Lröoviov Baoıleucs, 80° Eds donos Aupe-
xaAudev xstog ne voornoavra (da sein Haus mich beherbergte)
8617. Im Lateinischen findet dasselbe statt. Es genügt,
einige Beispiele aus Draeger 1, 52 anzuführen: eum suus pater
cum pallio uno ab amica abdurit der eigene Vater (Naevius);
ei nunc alia ducendast domum sua cognata (Plautus) ; Dicaearchum
vero cum Aristoxeno aequali et condiscipulo suo omittamus (Cicero).
Hinsichtlich der Nebensätze darf auf das verwiesen werden,
496 Kap. XII. IV. Das adjektivische Reflexivpronomen. [$ 215.
was bei dem substantivischen Reflexivum beigebracht worden
ist. Im Gotischen (Gabelentz-Loebe 187 f.) geht seins immer
nur auf das Subjekt, sei es des Haupt-, sei es des Nebensatzes,
während wir im Neuhochdeutschen sein auf alle Substantiva,
nicht bloss die Subjekte beziehen. Ich finde keine rechte Aus-
kunft darüber, wie sich dieser Zustand allmählich entwickelt
habe. Im Litauischen ist mir die Beziehung auf eine an-
dere Person als auf das Subjekt des Satzes nicht vorgekommen.
Dagegen bietet Bielenstein S. 330 Beispiele für die Beziehung
auf das sog. logische Subjekt (die Hauptperson, welche dem
Redenden und Hörenden sofort einfällt), z. B. fadam stradnikam
müfcham sawas mätfites ne trüks solchem Arbeiter wird niemals
sein Brödchen fehlen. Slavisch. Aus dem cod. Mar. führe
ich zunächst einige Beispiele an, in welchen offenbar das im
easus obliquus stehende Wort die Hauptperson ist, so: jJego2e
aste prositü synü scojt chleba, jJeda kameni podastü jemu dv äv
aiınan 6 viög adroo Aptov yuh Aldov Emiöwaeı adrw Matth. 7, 9;
i k tomu ne ostavljaate jego nicisoze sütvoriti oficzu svojemu li
materi svojeji xal ouxetı Awiete auröv 0uÖEV ToLjoaL TW TATpl auTod
A Ti entpl adroö Mark. 7, 12; aste dostojstu Cloveku pustiti Zenq
svoJqg el Ekzorıv Avdpunw Arokücaı Try yovaıxa adtou Matth. 19, 3;
predast imü .. komuzüdo protivg sileE svojeji &xaoıy xara TMv
(ötav öbvanıy (so dass jeder erhielt) Matth. 25, 14 f. Weniger
deutlich ist das in Fällen wie die folgenden: posüla ku njemu
Zena svoja Antoreıke Tpös adröv A yovn aurod Matth. 27, 19; gla-
golase jemu ucenici svoji Aeyovow adtw ol nadrral adtoö Mark.
14, 12; vuzvrati no2Zi svoJt vu svoJe mesto Andorpeldy aou mV
näyarpav als töv tönov adrns Matth. 26, 52. Dazu ein paar Be-
lege auch aus dem Serbischen und Russischen: serb. srojy@ de
mu vjera omrznuti der eigene Glaube wird ihm zuwider werden;
da ga kara svoja stara majka dass ihn seine alte Mutter schelte;
tjestle je svoje drugarice ihre Freundinnen trösteten sie; russ.
doroga mne bujnaja golovuska svoJego syna Yyubimago theuer
ist mir das stürmische Köpfchen meines geliebten Sohnes. In
dem strengeren Stil, z. B. in der serbischen Übersetzung des
neuen Testaments von Wuk, dürfte diese Ausdrucksweise nicht
$ 215—216.] Kap. XI. IV. Rückblick auf das Reflexivum. 497
vorkommen. Auf die Erscheinungen des Nebensatzes gehe
ich hier ebenso wenig ein, wie bei dem substantivischen Pro-
nomen.
$ 216. Rückblick.
Aus der hiermit abgeschlossenen Darstellung ergiebt sich,
dass ich in den arischen Sprachen ein substantivisches Reflexiv-
pronomen nicht gefunden habe, wohl aber in allen indoger-
manischen Sprachen ein adjektivisches mit der Bedeutung
“eigen”. Nicht selten kann bei diesem Adjektivum die Person,
der etwas eigen ist, im Genitiv stehen, z. B. deväsya sve k$aye
im eigenen Sitze des Gottes RV.s, 2, 7. Da aber das Sub-
stantivum, zu dem ”*soo gehört, als die Hauptperson des Satzes
bekannt ist, so bleibt es in der Mehrzahl der Fälle weg. Eı-
scheint das Adjektiv *soo als nominales Substantiv, so bedeutet
es der Angehörige. In diesem Sinne liegt es nicht bloss im
Arischen, sondern auch im Slavischen vor.
Die beiden angeführten Thatsachen fordern nun zu Ver-
muthungen über den indogermanischen Zustand auf. Man
kann annehmen, dass das substantivische Reflexivum einst im
Indogermanischen vorhanden war, aber in der arischen Ab-
theilung verloren ging. Dagegen lässt sich nichts völlig Ent-
scheidendes vorbringen, doch wird man zugestehen, dass dieser
Verlust etwas Auffälliges haben würde. Eine zweite Möglich-
keit ist die, dass man (das Reflexivum erst später entstanden
sein lässt. Dass ein Bedürfnis nach einem derartigen Pronomen
sich entwickeln konnte, ist leicht einzusehen. Man kommt ja
häufig in die Lage, neben ein “ch” oder ‘du’ in demselben
Satze ein “mich” oder ‘dich’!) zu setzen, und somit entschie-
dener, als es durch die Medialform geschieht, anzugeben, dass
die Handlung sich auf diejenige Person bezieht, von der sie
ausgeht, z. B. ‘ich töte mich’. Wenn nun nicht ‘ich’ oder ‘du’,
sondern “Cajus’ das Subjekt ist, so kann dieselbe Ausdrucks-
weise nicht angewendet werden, da “Cajum’ schleppend und
1) Natürlich habe ich den Akkusativ nur beispielsweise genommen,
ebenso wie ich ‘Subjekt statt “Hauptperson’ gewählt habe, um den wichtig-
sten und häufigsten Fall vor Augen zu führen,
Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm. Sprachen. I. 32°
498 Kap. XII. V. Das Pronomen *to. '$ 216.
unter Umständen missverständlich sein würde. Man bedurfte
also eines Pronomens, das bei einem Subjekt dritter Person
dem ‘mich’ und ‘dich’ entspricht, und es war natürlich, dass
man bei dieser Gelegenheit an *svos, *svä, *svoom dachte. Denn
ein Pronomen, welches bedeutet ‘zu der genannten Person selbst
gehörig’, konnte wohl auch gebraucht werden, wenn man sagen
wollte ‘die genannte Person selbst. Dass man das substan-
tivisch gebrauchte Pronomen ebenso flektierte wie seine Vor-
bilder, die Pronomina erster und zweıter Person, ıst wohl na-
türlich. Zugleich erklärt sich auch in einfacher Weise, warum
das Reflexivum (abgesehen vom Griechischen) keinen Pluralis
und Dualis hat. Diese Numeri entstanden nicht, weil es formell
unmöglich war, sie zu bilden. Die Kasus der persönlichen
Pronomina haben ja ursprünglich in den drei Numeri dieselben
Findungen, und so unterscheiden sich ja auch das griechische
fe und oge, fıv (kretisch) und sypıv nicht der Endung, sondern
nur dem Stamme nach. Wäre nicht im Griechischen aus uns
unbekannten Gründen die Zweitheilung des Stammes einge-
treten (*ofo und *ooo), so wäre es den Griechen ebenso
unmöglich gewesen, einen Pluralis und Dwualis des Reflexiv-
pronomens zu bilden, wie den übrigen Völkern.
Natürlich entgeht mir das Hypothetische dieser Konstruk-
tion nicht. Auch will ıch nicht unterlassen, noch ausdrücklich
zu bemerken, dass die Untersuchung über die Grundbedeutung
des Stammes *svo erst dann zu Ende gekommen sein wird,
wenn man über das avestische Avo, das gotische sve wıe, das
griechische fo; und was man sonst etwa dahin rechnen kann
(vgl. Brugmann, Griech. Gr.? $ 98), zur Klarheit gekommen
sein wird, was mir bis jetzt nicht gelungen ist.
V.
Das Pronomen *to.
Ich behandle zuerst die identischen Pronomina ai. sd, sa,
tad, av. hö, hä, tap, griech. 6, 7, to, got. sa, so, bala, darauf
das litauısche Zds und das slavische Zu.
$ 217.) Kap. XII. V. Anaphorische Verwendung des subst. Pron. *fo. 499
Über *to ist gesprochen worden SF. 5, 210 ff., Caland 1 ff.,
Krüger $ 50 (dessen Sammlungen eine Grundlage für die wei-
teren Untersuchungen gebildet haben), Monro? 224 ff., Grimm
4, 440 ff. und 383 ff., Gabelentz-Loebe 189 ff. und 165 ff. So
viel ich sehe, wird *fo im Indischen und Avestischen niemals
eigentlich deiktisch gebraucht, sondern stets etwas Erwähntes
oder sonst Bekanntes aufnehmend, und im Griechischen dürfte
es nicht anders liegen. Zwar giebt es homerische Stellen, in
welchen es gleich 86: verwendet zu sein scheint, z. B.: oöx av
zor ypaispum xldapıs ra Te Sünp Ayppoölıns, N Te xdum td Te eldog
T 54. Indessen man kann auch übersetzen: die bekannten
Gaben, deine (berühmte) Schönheit. Im Gotischen freilich
giebt sa, so, bata so oft das griechische oöros wieder, dass man
an seinem auch deiktischen Sinne nicht zweifeln kann. Ob
nun darin etwas Ursprüngliches oder eine gotische Ausdehnung
des Sinnes zu erkennen sei, wage ıch nicht zu entscheiden.
Jedenfalls wird man festhalten dürfen, dass unser Pronomen
schon vor der Sprachtrennung anaphorischen Sinn hatte. Dem
Indischen eigenthümlich ist die Verbindung auch mit Prono-
minibus erster und zweiter Person, z. B. tdm mä, tebhyö nas,
sa team u. s. w. (SF. 5, 211), dem Griechischen und Gotischen
die Verwendung auch als Relativum. Ich behandle zuerst den
gewöhnlichen anaphorischen Gebrauch im substantivischen und
adjektivischen Sinne, sodann die Hinweisung auf etwas Fol-
gendes. Der korrelative Gebrauch, welcher wohl ebenfalls als
proethnisch zu betrachten ist, soll bei dem Relativum zur
Erörterung kommen.
$ 217. Anaphorische Verwendung des substan-
tivischen Pronomens.
In diesem altüberlieferten Sinne erscheint unser Pronomen
häufig im Altindischen, einen bereits erwähnten Begriff auf-
nehmend, und so die Erzählung weiter führend, z. B. {um aus
einer unendlichen Masse Einzelnes herauszugreifen) agrih pür-
vebhir r$ibhir idyd nütanäir utd, sa devan Eha vakfati Agni ist
von alten Sängern zu preisen und auch von neuen, er bringe
die Götter hierher RV. 1, 1, 2; im& söma dramkrtah, tejam pahi
32*
500 Kap. XH. V. Anaphorische Verwendung des subst. Pron. *to [$ 217.
hier sind die zurechtgemachten Somatränke, von ihnen trinke
1, 2,1; yönig fa indra ni$dde akarı, tam a nı $ida ein Bett ist
dir, Indra, zum Niedersitzen bereitet, auf das lass dich nieder
1, 104, 1. Oft werden die Sätze so in einförmiger Weise an-
einander gefügt, z. B. tam prchata sd Jagämä sa voda sd cikitvah
iyate sa nv iyate, täsmin santi praßifas täsminn i$tayah, sd
vajyasya Savasah Sugminas patih ihn bittet, er ist gekommen, er
weiss, er der weise wird angegangen, er wird jetzt angegangen,
in ihm sind die Ordnungen und die Opfer, er ist der Besitzer
der Beute und der gewaltigen Stärke RV. 1, 145, 1. Besonders
auch in der Prosa, z. B. prajapates trayastri5ad duhitära san,
tah sömäya räjhie ’dadät, tasam rohintm üpäit, 1a irsyantih pünar
agachan, ta ano Git, tah pünar ayäücata, ta asmäi nd pünar
adadat, sö 'bravit : rtam ami$va ydtha samävacchä upaisyamı,
atha t6 pünar dasyamiti. sd rläm @mit, ta asmäi pünar adadat,
tasam röhinim &vöpait, tam yaksma ärchat TS. 2,3, 5,1. In
äusserlich wörtlicher Übersetzung heisst das: “Prajäpati hatte
dreissig Töchter, die gab er dem Könige Soma, von diesen
besuchte er (der König) die Rohini, die (die andern) kamen
eifersüchtig wieder zurück, denen ging er nach, die forderte
er wieder für sich zurück, die gab er ihm nicht zurück, er
(der Vater) sprach: schwöre einen Eid, dass du sie der Reihe
nach besuchen willst, dann werde ich (sie) dir zurückgeben.
Der schwur den Eid, die gab er ihm wieder zurück, von diesen
besuchte er doch wieder nur Rohini, den ergriff Auszehrung'.
Wir Deutschen heben nicht in derselben Weise die Nominal-
begriffe hervor, wie es hier durch ?@ geschieht, sondern lieben
es, die Satzgedanken durch Partikeln in Beziehung zu setzen.
Wir müssen also unter Anwendung von ‘da’ und ähnlichen
Wörtern uns vielfach anders ausdrücken, wie es SF. 5, 213 ge-
schehen ıst. Auf welche Person sich {4 bezieht, lässt sich nach
einem äusserlichen Merkmal nicht angeben. Die Beziehung
muss aus dem Sinne erschlossen werden. Häufig bezieht sich
ein wiederholtes ?{4 auf dieselbe Person, z. B. indras tvdstuh
sömam abhisdhäpibat, sd visvan vy ärchat, sa indriyena soma-
pithena vy Ardhyata, sd ydd urdhram udaävamıt te $yamaka
$ 217.) Kap. XII. V. Anaphorische Verwendung des subst. Pron. *to. 501
abhavan, sd prajapatim üpädhävat Indra trank des Tvashtar
Soma gewaltsam aus, da öffnete er sich nach beiden Seiten,
er wurde seiner Kraft, des Somatrankes, beraubt. Das nun,
was er oben ausbrach, wurde zu Hirse, da nahm er seine Zu-
flucht zu Prajäpati TS. 2, 3, 2, 6; asav ädityd nd oy aröcata,
täsmäi devah präyascittim aichan, ldsma etäm sömäräudräm
carim nir avapan die Sonne kam nicht zum Leuchten, da
suchten die Götter für sie eine Sühnehandlung und bestimmten
für sie jenes Soma und Rudra gewidmete Mus TS. 2, 2, 10, 1.
Der Nominativ sd, welcher sehr häufig in dieser Anwendung,
also wie eine überleitende Partikel erscheint, ıst ım SB. zu
einer solchen Partikel geworden (SF. 5, 215). Eine ähnliche
Anwendung im Avesta s. Caland $ 2, doch ist im Avesta die
Verbindung der Sätze durch Formen von td nicht so häufig
wie im Veda, vielmehr werden Partikeln (so namentlich 4)
vorgezogen. Dagegen vergleicht sich derhomerische Gebrauch
dem altindischen, z. B. Antoös xat Ards ulds‘ 6 yap Baaıkfr xo-
Außels vodoov Ava orpatöv üpse A 9; Ds Zpat ebydwevos, Tod d ExÄue
Dordos ’Andilwv A 43; xaleooaro Aabv Ayılleds‘ te yap ini ppzol
Onxe Bea A 55 u.8. w. In der Erzählung wiederkehrend, z. B.:
&s einwv mpolsı, xparepov Ö ini wüßov Erellev. Ta d agxovre Barıv
rapa Hiv aAds arpuydtor, Mupuöovwv 8 Ent te xAuolas xal vras
Ixeoßrv. Tov 8 eüpov napa te xÄrain xal vn! nelalvn Tuevov' 008 Apa
ta yes löwv yrlnoev Ayılleus. tw lv rapßroavre xal aldonevo Ba-
sıÄya sTiTmv, 00ÖE Te gıv Tmpooepuveov 006 Epfovro' aurap 6 Eyvo
A326 ff. Auch darin gleicht der ältere griechische Sprach-
gebrauch, wie er bei Homer und Herodot vorliegt, noch dem
altindischen, dass 6 auch das Subjekt des unmittelbar vorher-
gehenden Satzes aufnehmen kann, z.B. tod piv Auapf, 0 68
Asöxov Obuoodos LodAoy &taipov BeßArxeı A 491; Bdrıs 8 ou Ander
&parucwv rardos &od, Ad 7 y aveöucero A 495 und sonst. Ge-
wöhnlich freilich deutet das Pronomen einen Wechsel des Sub-
jekts an, womit ein Fortschritt in der Durchsichtigkeit der
Erzählung erreicht ist. ‘Man beachte auch den Vorzug, den
das Griechische durch seine d€, yap u. s. w. hat). In der atti-
schen Prosa findet sich der substantivische Gebrauch von ö, 7, r6
502 Kap.XIU. V. Anaphorische Verwendung desadj. Pron. *o. [$217—218.
— oder 6, %, wenn man so schreiben will — nur noch in
stehenden Wendungen, namentlich in 6 p&v — 6 Ö£, einer
Gegenüberstellung, die bei Homer noch selten ist. Im Go-
tischen vertritt sa auch oöros (Grimm 4, 446), worauf hier
nicht weiter eingegangen werden soll. Dem indisch-griechischen
Sprachgebrauch entsprechen Ausdrucksweisen wie: audagas Pai
hrainjahairtans, unte Bai gub gasashvand selig sind die reines
Herzens sind, denn sie werden Gott schauen Matth. 5, 8; sa
ist sunus meins sa liuba, bamma hausjaib das ist mein lieber
Sohn, den höret Luk. 9, 35. Dem attischen xpd roö entsprechen
Verbindungen wie afar bata, ın Pis u. ähnl.
$ 218. Anaphorische Verwendung des adjek-
tivischen Pronomens. |
Unser Pronomen wird seit alter Zeit mit Substantivis ver-
bunden, und zwar gilt für alle betheiligten Sprachen die Regel,
dass bei der ersten Erwähnung das Substantivum allein steht,
beı der zweiten mit dem Pronomen, z. B. heisst es RV. 1,180, 8:
prä ydd vahethe mahina räthasya wenn ihr vorwärts fahrt mit
der Majestät des Wagens und 9: iadm vam ratham vaydm adya
huvema diesen euren Wagen möchten wir heute heranrufen;
sid praja asrjata, ta asya prajah sritah pära babhüvuh er schuf
die Geschöpfe, aber diese (die) von ihm geschaffenen Geschöpfe
gingen zu Grunde SB. 2, 5, 1,1. In demselben Buche heisst
es 1, 6, 3, 1: tvdstur ha vai puträs triSirga $adakfa äsa Tv. hatte
einen dreiköpfigen, sechsäugigen Sohn und später (8): sa@ tvasfa
cukrödha (zürnte). In der Erzählung von Manu und dem Stier
heisst es zuerst (SB. 1, 1, 4, 13): tasminn asuraghni sapatnaghni
vak präviftäsa in ihm hauste eine Asura und Feinde tötende
Stimme, dann aber: tasyalabdhasya sa vag dpa cakrama als er
geopfert war, entwich die Stimme. In diesen Sätzen, die in
unzähliger Menge vorliegen, ist die Voranstellung des Pro-
nomens durchaus das Übliche, nur in der Poesie kommt ge-
legentlich (z. B. RV. 1, 52, 3) auch die Nachstellung vor. Ganz
so ım Avesta, z. B. yazala berezata vaca er opferte mit lauter
Stimme yt. 10, 89. Dann folgt hö vak$ diese Stimme. Bei
Homer: ßpovrnoas 52 deıwov dptx ApyTira xepauvdv, xad d& npdod
$ 218.) Kap. XII. V. Anaphorische Verwendung des adj. Pron. *to. 503
Inzwv Aropndeos Txe yapäle‘ Seıvn Ö& WAOE Spro Beeiou xaLopEvoro,
to d Innw delsavre xaranınmv bu’ dyeapıvy 8 133, vgl. 1 50ff. und
sonst. Ein Beispiel aus dem Gotischen: gasahv svaihron is
Iigandeın ın heitom, Jah attartok handau izos Jah aflaılot ıja so
heito er sah die Schwiegermutter desselben im Fieber liegen,
und er berührte ihre Hand, und das Fieber verliess sie Matth.
8, 14, 15. Weitere Belege bei Grimm 4, 386. Man hat wohl °
die Ansicht ausgesprochen, dass diese Verbindung entstanden
sei, indem das Substantivum zunächst dem Pronomen appo-
sitionell angefügt sei. Und in der That kommen genug Fälle
vor, welche auf diese Annahme führen, so im Altindischen,
wo oft zwischen Pronomen und Substantivum andere Wörter
eingefügt erscheinen, wie es denn z. B. in einem zwischen
Mäitreyi und Yajnavalkya geführten Gespräch abwechselnd
heisst: sa höväca maitreyi und sd höväca yajhavalkyah SB. 14,
5,4, 1ff. Bei Homer (Monro? $ 258) z.B. ö; &yar', al ö Ane-
pukay Adrvatn te xal”Hpr A 20. Ich will gegen die Anschauung,
dass in solchen Sätzen sich der ursprüngliche Typus zeige,
gewiss nicht streiten. Nur wolle man bedenken, dass die Ver-
bindung von Pronomen und Substantivum uralt ist und dass
Sätze wie der eben angeführte homerische immer wieder
neu entstehen konnten, weil ja der substantivische Gebrauch
von 6, %, 6 dem Sprechenden noch geläufig war. — Diesem
Falle, dass das Pronomen ein vorher bereits erwähntes Wort
bei dessen zweiter Erwähnung einführt, steht so zu sagen als
anderer Endpunkt der Linie der Fall gegenüber, dass das Pro-
nomen etwas nicht Erwähntes, wohl aber allgemein Bekanntes
bezeichnet. Derartiges habe ich SF. 5, 210 aus dem Veda an-
geführt, z. B. ta vam viSvasya göpa euch beide berühmte Hüter
des All RV. 8, 25, 1, und dasselbe führt Caland $ 3a aus dem
Avesta an, z. B. ta mainyu das bekannte Geisterpaar, die beiden
Geister. Ob gerade diese Verwendung auch in den anderen
Sprachen vorliegt, lasse ich dahingestellt, jedenfalls aber giebt
es überall solche Fälle, welche zwischen den beiden genannten
Endpolen in der Mitte liegen. Die Grammatiker machen mit
Recht darauf aufmerksam, dass es nicht gerade dasselbe Wort
504 Kap. XH. V. Anaphorische Verwendung des adj. Pron. *to. [$ 218.
zu sein brauche, bei welchem das Pronomen zu stehen habe,
sondern etwa ein sinnverwandtes, z. B. Tuösiön © Eröpouce Yea
+Aauxanıs Adyyn" ebpe 68 tev ya dvaxıa E 793, oder yYaipe d& zw
öpvıdı K 277 (mit Beziehung auf den vorher erwähnten 2pwöts;).
Ebenso hat man längst bemerkt, dass das Pronomen auch einen
Begriff, der etwa in einem Verbum enthalten war, aufnehmen
kann, z. B. adrap nei h' dÖuoodv Te Telebmadv re töv Spxov B 378,
wobei öv den Inhalt des dwvövar aufnimmt. (Über die gleiche
Erscheinung im Avesta s. Caland $ 2, im Gotischen Gabelentz-
Loebe 166). Wichtiger ist ein anderes. Es scheint bisweilen,
als könne unser Pronomen etwas Neues, noch nicht Dagewesenes
einführen. Eın Beispiel der Art aus dem Altindischen (das
keineswegs allein steht) habe ich SF. 5, 214 angeführt: devas
ca va dsuräß cobhäye präjapatyah pasprdhire, 1& ha sma ydd
deva dsuran Jäyanti tdtd ha smälcainän pünar upöt tisthanti.
te ha deva ücur Jdyamd va dsuras tälas to Evd nah pinar upöt
ti$thanti katham nv enän anapajayydm jayemeti. sd hägntr uväca
die Götter und die Asura, beide Nachkommen des Prajäpatı,
kämpften mit einander. So oft nun die Götter die Asura be-
siegten, erhoben diese sich dennoch immer wieder gegen sie.
Da sprachen die Götter: wir besiegen die Asura, danach aber
erheben sie sich immer wieder gegen uns, wie könnten wir
sie nur unwiderruflich besiegen! Da sprach Agni u. s. w. SB.
1, 2, 4, 8. Dazu habe ich bemerkt: “Man sieht hier recht deut-
lich, dass te vor devah gebraucht wird, weil die Rede mittelst
eines schon dagewesenen Nominalbegriffes weitergeführt werden
soll. Dagegen könnte man zunächst meinen, als werde mit
sa hägnih etwas völlig Neues eingeführt. Das ist aber doch
nicht der Fall. Agni ist unter den Göttern schon mit erwähnt
und kann deshalb mit s@ auftreten”. Man kann etwa sagen:
mit sd kann etwas angeführt werden, das dem Redenden und
Hörenden infolge der gegebenen Situation ohne weiteres in
den Sinn kommt. Natürlich schwebt einem Redenden u. a.
auch dasjenige sofort vor, was zu dem Gesagten in einem er-
gänzenden Gegensatze steht, und so hat denn das Pronomen
oft die Aufgabe, eine Art von Gegensatz einzuführen. Dieser
$ 218.) Kap. XIL V. Anaphorische Verwendung des adj. Pron. *o. 505
Gebrauch ist namentlich bei Homer häufig, z. B. @ &oar
Arpetöns, &rt Qveov AAloı Ayarol. Oi d8 deol nap Zuvi xadmuevor
nyopdwvro IT’ 461 und A 1 (sie aber, die Götter). Dabei ist der
Gegensatz, wie es der ausdrucksvolleren griechischen Sprache
zukommt, auch noch durch ög ausgedrückt (vgl. H 443); xoöpoı
& Öpynotüpes &dlveov, &v & dpa toisıv adkol poppiyyes te Bohv Eyov'
ai dE yuvalxes istanevar Baupalov Ent mpoßüporsı &xaorn 3 494,
vgl. 559, A 225; rotos Env Tußeos Alttwiros‘ AaAAd röv ulöv yalvaro
eto x&pra A 399 (ihn, den Sohn), yupvov, Atdp Ta ya tebye Eyaı
xopußatloios "Extup P 122 (vgl. H 84, P 127). Man vergleiche
hierzu Monro? $ 259. Nicht selten wäre der Ausdruck "Gegen-
satz’ für das vorliegende Gedankenverhältnis zu stark, so dass
man lieber von einer Weiterführung sprechen möchte, z. B.
rpos rupxaih &papatvero naboato BE pAok" ol d Avepoı raAıy aurtıs
EBav olxovös veeadar Opnixtov ara novrov' 8 8 Zorevev olönatı Düwv
W228, wobei oi ö’ävspoı offenbar zu dem Vorhergehenden in
demselben Verhältnis steht, wıe 8 ö&, so dass also nicht der
Artıkel des späteren Griechisch anzunehmen ist. Ebenso ö1v
8E uıv Aumaain Endmv Aaße, ti dE oi dose daxpuögıv nAnodev P 695.
In vielen Fällen lässt sich nicht entscheiden, ob eine Art von
Gegensatz empfunden ist, oder ob der sog. generische Artikel
vorliegt, wie er aus dem späteren Griechisch bekannt ist, z. B.
pAYTL XaxOv, O0 RW NOTE or To xpnyvov elnas, alel tor Ta xax Earl
pila opeol pnavredscdur A 106.
Wir haben bis jetzt das Pron. nur mit einfachen Subst.
verbunden gesehen, es kann aber auch zu solchen treten,
welche ein Adjektivum bei sich haben, z.B. im Altindi-
schen: RV. 1, 40, 5 ist von einem mäntra dıe Rede, welchen
der Herr des Gebetes spricht. Der folgende Vers lautet: tam
id vöcemä vidalhesu Jambhüvam mäntram deva anehdsam diesen
heilvollen Spruch möchten wir, o Götter, bei den Opfern
sprechen, den unvergleichlichen;; ı$as tdm aäyam yaSdsam suvi-
ram däsdpravargam rayim dSvabudhyam o Morgenröthe, diesen
herrlichen, aus Männern, Knechten und Rossen bestehenden
Reichthum möchte ich erlangen 1, 92, 8 (rayim nimmt vayan
“die Beute” des vorhergehenden Verses auf); s4 ghä tam
506 Kap.XIlI. V. Das Pron.*to weist auf etwasFolgendes hin. [$ 218—219.
vrfanam rätham adhi tigthati goridam der wird den starken Wa-
gen, den Heerden gewinnenden, besteigen 1, 82, 4 (der Wagen
ist vorher nicht gerade genannt, aber es ist auf ihn hinge-
wiesen worden); idm rvahı $ärdham marulam sumnayür giröpa
bruve jene eure marutische Schar rufe ich Gnade heischend
mit der Stimme an 2, 30, 11. So auch im Avesta, z.B. azem
böib tum ta nipayemi vispa vohu mazdadata ich fürwahr behüte
alle gottgegebenen Güter yt. 5, 89. Ebenso im homerischen
Griechisch, z. B. tüv dsıl@v £rapwv der erwähnten armen
Freunde ı 65; rov Awßrrtpa &reoddAov den, der sich eben breit
gemacht hat B 275; 6 pöyAos &)aıvos der erwähnte ı 378; nv
oAohv Aapußöıv die von dir erwähnte p 113 (während wir ryv
428 durch jene übersetzen möchten); rpös Tod Bası$\7os Arnveos
bei jenem unmilden König, dessen Namen ich nicht nennen
will A 340; rtov &eivov ööormvov p 10 u.s. w., also mit Voran-
stellung oder Nachstellung des Adjektivums wie im Altindi-
schen. Dasselbe im Gotischen, z. B. jah aınshun ni giulid
vein niujala in balgıns fairnjans asbpau distairıid bata niujo vein
Dans balgıns und niemand giesst neuen Wein in alte Schläuche,
sonst zerreisst der neue Wein die Schläuche Luk. 5, 37. Wei-
tere Belege bei Gabelentz-Loebe 174.
$ 219. Hinweisung auf etwas Folgendes.
Das Pronomen kann ım substantivischen und adjektivi-
schen Gebrauch auf etwas, was ım folgenden (oft abhängigen)
Satze zur Sprache kommen soll, hinweisen. Dasjenige, was
sogleich bekannt werden wird, schwebt schon als ein Bekann-
tes vor. Beispiele für den substantivischen Gebrauch sind: aus
dem Altindischen nd väi täd vidma yddi brähmana va smö
'brähmanä vä wir wissen das nicht, ob wir Brahmanen oder
Nicht-Brahmanen sind (SF. 5, 588). Avestisch: ta Pwä pe-
resa eres möi vaoca das wıll ich dich fragen, antworte mir
richtig (nun folgen die Fragen), y. 44,1. Griechisch: ala zo
daupdlm" T6ov Evddde Mevropa dtov 5 655; EodAdv xal To teruxrat,
oT Ayyelos alcına elön O 207 (vgl. Monro? 226). Ebenso im
Deutschen, z. B. im Anfang des Hildebrandliedes «4 gihörta
dhat seggen, dhat sth urhettun u.s. w. Belege für denselben
$ 219—220.] Kap. XII. V. Der Artikel. 507
Gebrauch bei dem adjektivischen Pronomen aus dem Altindischen
sind: grre täd indra te Säva upamam devatätaye yad dhasi ortram
öjasä ich preise, o Indra, diese deine Kraftthat als höchste
für das Opfer, dass du den Vrtra schlägst mit Kraft RV.
8, 62,8; ha ahmai asıs erenävi tah ahmäi jasah üyaptem yah
he puprö us zayata dieses Glück wurde ihm beschieden, dieser
Lohn kam ihm zu, dass ihm ein Sohn geboren wurde y. 9, 7.
$ 22. Artikel.
Hiermit dürfte der ungefähre Umfang der proethnischen An-
wendung dieses Pronomens angegeben sein. Dasselbe diente dazu,
auf etwas Bekanntes, namentlich etwas Erwähntes hinzuweisen.
Es gab also in der Uırzeit keinen Artikel, wenn man (wie es
doch scheint) darüber einverstanden ist, dass das Pronomen
erst dann als Artikel bezeichnet werden kann, wenn es ge-
wohnheitsmässig allen solchen Substantivbegriffen hinzugefügt
wird, welche als ‘bestimmte’ angesehen werden sollen. Dieser
Gebrauch liegt im Veda und Avesta nicht vor, denn auf bei-
den Gebieten wird das Pronomen nur dann gebraucht, wenn
eine Veranlassung dazu durch die gerade vorliegende Situation
gegeben ist, nicht grundsätzlich und allgemein. Der Artikel in
diesem engeren Sinne ist also auch nicht in das Griechische
und Gotische überliefert worden, sondern hat sich in jeder
von diesen beiden Sprachen entwickelt. Was das Griechi-
sche betrifft, so gehen die Meinungen der Gelehrten darüber
auseinander, ob der Artikel bei Homer ‘beinahe noch keiner
und kaum erst aus dem Schosse des Demonstrativums hervor-
gegangen’ (Grimm), oder ob er schon zu Homer's Zeit in der
gewöhnlichen Sprache häufig oder regelmässig war, so dass die
häufige Weglassung desselben als eine Art von poetischer
Lizenz erschiene!). Die Frage wird sich mit Sicherheit und
Genauigkeit wohl schwerlich entscheiden lassen. Dem steht
zunächst die Vieldeutigkeit des Pronominalgebrauchs in vielen
Stellen entgegen, welche so gross ist, dass sicherlich derselbe
moderne Gelehrte zu verschiedenen Zeiten dieselbe Stelle ver-
1) Das scheint die Ansicht von Krüger zu sein.
og m er or
508 Kap. XII. V. Der Artikel. [$ 220.
schieden deuten wird, und sodann die Beschaffenheit unseres
Textes. Ist doch die Möglichkeit keineswegs in Abrede zu
stellen, dass der Artikel an vielen Stellen eingeschmuggelt
worden ist, wo er ursprünglich nicht stand. Nauck hat sich
in seiner Ausgabe von dieser Ansicht leiten lassen, und man
kann auf dem eingeschlagenen Wege noch weiter gehen (vgl.
A. Stummer, über den Artikel bei Homer, Programm von
Münnerstadt, Schweinfurt 1886‘. Man muss sich, glaube ıch,
unter diesen Umständen begnügen, zu behaupten, dass bei
Homer zwar im grossen und ganzen der Artikel noch nicht
in demselben Sınne, wie ın der attischen Prosa, erscheine (wo-
von man sich durch die Vergleichung der Verse A 12 ff. mit
der bekannten Stelle des Plato, wobei sich dsoi und robs Beous,
IIpıaporo nöAıv und mv Tpolav, ratda und mv duyarepar, Ars
via und tov Bedv, oteuua deoio und ra too Beod areunara u.8.w.
gegenüberstehen, eine deutliche Vorstellung verschaffen kann),
dass aber in einer Reihe von Stellen, deren Zahl freilich die
meisten wohl gegenüber der Aufstellung von Krüger einschrän-
ken werden, doch nur mit Zwang eine Verschiedenheit gegen-
über dem attischen Sprachgebrauch gefunden werden könnte.
Es ıst also klar, dass in den homerischen Gedichten ein älterer
und ein jüngerer Zustand im Gemenge liegen. Eine Erklä-
rung für diese Lage der Dinge kann natürlich nur im Rahmen
einer Gesammtanschauung über die Entwicklung der homeri-
schen Poesie gegeben werden!). Der gotische Artikel, der
uns beı Ulfilas entwickelt entgegen tritt, zeigt in mehreren
1) Meister, griech. Dialekte 1, 286, stellt ein dem kyprischen Gebrauch
entnommenes Grundgesetz für den Gebrauch des Artikels auf, das er auch
als “urgriechisch’ in Anspruch nimmt. Es lautet so: ‘Begriffe, die an sich
unbegrenzt oder in Mehrheit vorhanden sind, bedürfen des Artikels, wenn
sie eine begrenzte Einheit bezeichnen sollen; Begriffe, die an sich eine
begrenzte Einheit bedeuten, bedürfen des Artikels nicht. Ich muss in-
dessen gestehen, dass ich in den kyprischen Inschriften keinen anderen
Artikelgebrauch finden kann, als in den griechischen Inschriften überhaupt,
nämlich im wesentlichen denselben, wie im Attischen. Und in der That
sagt ja auch das Meister'sche Gesetz nur mit anderen Worten, dass der
Artikel die Aufgabe habe, zu begrenzen, zu individualisieren oder wie man
sich sonst ausdrücken will.
$ 220.] Kap. XII. V. Der Artikel. 509
bemerkenswerthen Eigenthümlichkeiten Gleichheit oder Ähn-
lichkeit mit dem attischen Gebrauch, so z. B. darin, dass die
individuellsten Wörter, wie Eigennamen, in der Regel ohne
Artikel auftreten, in der Verbindung des Artikels mit dem
Adjektivum, mit ‘all’ u. a. m. Indessen diese Übereinstimmun-
gen stammen unzweifelhaft nicht aus einer Zeit der Gremein-
samkeit, sondern sind auf der gleichen überlieferten Grundlage
unabhängig von einander entstanden, so dass sie uns hier nicht
weiter zu beschäftigen haben.
Es bleibt noch übrig, mit einigen Worten zusammenfassend
auszusprechen, wie sich das Pronomen zum Artikel “entwickelt’
hat. Unter den Substantiven kommen dabei zunächst die Be-
zeichnungen solcher Dinge in betracht, welche in mehreren
oder vielen Exemplaren vorhanden sind, z. B. Pferd. Es ist
klar, dass man in der Urzeit bei der ersten Nennung eines
solchen Dinges nicht ausdrückte, ob man ein bestimmtes Exem-
plar vor Augen hatte oder nicht, man sagte einfach d$vas, Ixros
oder wie das Wort sonst hiess. Wenn nun ein solches Ding
zum zweiten Male zur Erwähnung kam, so war man nicht
gerade genöthigt, aber man konnte mit dem Pronomen auf
dasselbe als ein schon dagewesenes, also bestimmtes, hin-
weisen. Ebenso konnte man gelegentlich das Pronomen zu
einem Begriff setzen, den man als bekannt bezeichnen wollte,
und so kam das Pronomen in häufige Verbindung mit ge-
wissen Substantivren. Wie nun aber ein einzelnes Ding, z. B.
ein Pferd, als ein bestimmtes bezeichnet werden kann, so kann
man auch die Gesammtheit der Pferde als etwas Bestimmtes
z. B. der Gesammtheit der Rinder gegenüberstellen. So kam
das Pronomen dazu, auch bei Wörtern, welche nicht ein kon-
kretes Ding, sondern eine Vorstellung, einen Begriff be-
zeichnen, gesetzt zu werden. Dabei dürfte die pluralische
Ausdrucksweise der singularischen voran gegangen sein. Wenn
nun das Pronomen in dieser Weise gewohnheitsmässig gesetzt
wird, nennt man es Artikel.
510 Kap. XII. VI. Das Interrogativum u. Indefinitum. [$ 221.
$ 221. Baltisch-Slavisch.
Mit dem eben behandelten Pronomen stimmen das litauische
tas, ta und das slavische ?& (aksl. fü, ta, to) überein, nur dass
ım Nominativ der S-Stamm durch den 7-Stamm verdrängt
worden ist. Auch in der Bedeutung stimmen sie mit dem
überein, was hier als proethnischer Gebrauch des Pronomens
ermittelt worden ist. So erscheint ım Litauischen fäs als
Subst. im korrelativen Gebrauche (Schleicher 299, 5) ferner
anaphorisch, z. B. in Sätzen wie: büvo karälius, täs turejo labai
gräzig päczq es war ein König, der hatte eine sehr schöne Frau,
Schleicher, Lesebuch 123. Etwas später heisst es adjektivisch:
tüs karälius. Das gelegentliche Auftreten von /äs, ta als Ar-
tikel halte ich mit Schleicher und Kurschat für einen Ger-
manismus (anders Bezzenberger, ZGLS. 235). Im Lettischen
hat sich eine Anwendung entwickelt, welche dem Artikel
ganz nahe kommt (Bielenstein, Lett. Gr. 255 ff.). Über das
slavische Z& handelt Miklosich 4, 113f. Es erscheint sub-
stantivisch anaphorisch, z. B.: Jako düsti inoceda be jemu Jako
düvoju na desete lelu, s ta umtraase Er duyarnp povoyerhs Tv
auTd Ws Erav Öwdexa xal adın Anedvroxev Luk. 8, 42; i se Eh-
savefi qzika tvoja, i ta zacelü syna xal löob EAısaßer H auyyerns
o0u, xal aürn ovveuAnputa uldv Luk. 1, 36. Adjektivisch, z. B.
slysavü ta slovesa Axoüsas Todtov tüv Adyov Joh. 19, 13; vü to
vreme Ev &xeivp T® xaıp@ Matth. 11, 25; # Aupuwjetü selo to xal
ayopassı tov Aypöv &xeivov Matth. 13, 44. Korrelativ: jeze aste
dastü se vamü vü tü Casü, to glagoljete 8 2av dod div &v
&xeivy Dj pa, toöro Aaleire Mark. 13, 11; ta dela jaZe tvorjgq
diese (genannten) Werke, welche ich thue Joh. 5, 36.
v1.
Das Interrogativum und Indefinitum.
Der Stamm, welchem das Interrogativum und das Indefini-
tivum angehört, erscheint in der Doppelgestalt *go, *gi. Wacker-
nagel, KZ. 29, 144 nimmt an, dass die Form *g ursprünglich
ım Nom. und Akk. gegolten habe, die andere in den obliquen
$222]) Kap. XII. VI. Das Interrogativum u. Indefinitum im Ar. 511
Kasus, nach Caland (50 Anm.) soll *go interrogativ, *gs inde-
finit gewesen sein. Angesichts der Thatsache, dass von *gt
keın Femininum gebildet wird, könnte man vermuthen, dass
die eine Form substantivisch, die andere adjektivisch gewesen
sei. Indes alle diese Hypothesen sind unsicher. Somit thut
man gut, nur mit Brugmann 2, 772 zu behaupten, dass die
beiden Stämme hochbetont fragenden, unbetont indefiniten Sinn
gehabt haben werden.
Im Lateinischen, Litauischen, innerhalb des Slavischen und
Germanischen (nicht im Avestischen nach Caland $ 78) hat
sich relative Verwendung entwickelt, worüber später zu han-
deln sein wird.
Über das Pronomen des Fraglichen (denn so muss es ja
definiert werden), finde ich hier nur zu bemerken, dass in
einem Satze auch zwei solcher Pronomina vorkommen können,
so im Altindischen, z. B. kd ıdam kasmä adat wer hat dies wem
gegeben MS. 1, 9, 4 (135, 1), im Griechischen, Litauischen.
Hierüber, über das die Satzfrage einleitende Aa und anderes
hierher Gehörige wird bei den Fragesätzen zu handeln sein.
Was das Indefinitum angeht, so kann zwar überall die
Form, welche hochbetont als Interr. gebraucht wird, unbetont
als Indef. auftreten, aber meist wird doch dem Pronomen, wenn
es indefinit verstanden werden soll, ein besonderes Zeichen
beigegeben. In dieser Hinsicht stimmen das Altindische,
Avestische, Lateinische, Deutsche in merkwürdiger Weise über-
ein. Diese Sprachen sollen also zunächst behandelt werden.
$ 222. Arısch, Italisch, Germanisch.
Arisch. Das blosse As in indefinitem Sinn wird ın
der alten indischen Sprache in positiven Sätzen nicht ge-
braucht. Im Avesta dagegen kommt es gelegentlich so vor:
kada varda yezi cahyäü z3ayaba mazda aSa yehya mä ülpis dvagpa
wann erfahre ich, ob ihr, o Mazda und ASa, über einen Macht
habt, von dem mir Unheil droht y. 48, 9. Nach Geldner, KZ.
30, 533 ıst unter cahy@ der Böse gemeint, also ein is, den
man nicht nennen will. Ferner Aa möi urvä 15e cahya avanko
512 Kap. XD. VI. Das Interrogativum u. Indefinitum im Ar. [$ 222.
verfügt meine Seele über einigen Beistand y. 50, 1. In ne-
gativen Sätzen dagegen findet sich das ındefinite ka ın beiden
Sprachen, mit ma im RV., z. B. ma käsya yakjam bhujema
möchten wir nicht irgend eines anderen yak$a zu geniessen
haben RV. 5, 70, 4; mä kasmäi dhatam abhy ämitrine nah über-
liefert uns nicht irgend einem Feinde RV. 1, 120, 8 (ausserdem
noch zweimal ım RV). Ebenso im Avesta: mä& cıs paurvo
buüidyagla nö niemand soll es vor uns erfahren y. 9, 21; sodann
auch mit den Negationen, die dem indischen n& entsprechen,
nämlich nörp: yo norıh kahmar miprödrujam masyänqm aoj6 da-
daiti welcher keinem der treubrüchigen Menschen Kraft ver-
leiht yt. 10, 62. (Weiteres bei Caland $ 82).
Gewöhnlich aber erscheint das Indefinitum mit dem Zusatz
cid, ca oder cand.
1. Ka mit gi. cid, av. ci} ım Sinne von ‘wer nur immer,
irgend einer, jeder’!) erscheint sowohl in positiven wie in ne-
gativen Sätzen, z. B. ai. indräd a ka$ cid bhayatö täviyasah vor
dem starken Indra fürchtet sich ein jeder RV. 10, 92, 8; aham
sö asmi yah pura sute vadamı kani cit ich bin der, welcher
früher beim Soma alle möglichen Sprüche zu sprechen pflegte
1, 105, 7; sunvadbhyo randhaya kam cıd avratam den Opfernden
unterwirf jeden Unfrommen 1, 132, 4. Avestisch: (die FravaSi
kommen herbei) äpem agsemnä haväi kacih nafaı Wasser herbei-
holend, eine jede für ihre Familie yt. 13, 66; yavarand kascip
saosyantqm welches Glaubens jeder der S. ist y. 12, 7; kascipca
atsqm varryanam kascihca atsqm apayzaranam capwaresatem
ayarebarangm hvaspaı naire baremnäi und jedes dieser Rinn-
sale und jeder dieser Abflüsse ist vierzig Tagereisen lang für
einen gutberittenen Reiter yt. 5, 4; yah dim kascıp anheus ast-
vato avahıstee wenn ıhm irgend jemand aus der lebenden
Welt begegnet vd. 8, 100; adas kahyacıp paiti y. 33, 11 wird
übersetzt: “bei einer jeglichen Vergeltung’. Für negative Sätze
1) Nach Grassmann erscheint es RV. 1, 110, 2 im Sinne von ‘einige’
(‘die ihr zum theil mir seid verwandt‘). Die Stelle ist undeutlich und eine
andere, die entschieden für diese Färbung des Begriffes spräche, kenne ich
nicht.
$222] Kap. XII. VI. Das Interrogativum u. Indefinitum im Ar. 513
habe ich. nur Belege aus dem Altindischen, z. B. md tva ke
cin ni yaman nicht möge irgend jemand dich fesseln RV.3,45, 1;
gühya nad ke cit niemand kann verborgen bleiben 7, 103, 8.
So auch bei Adverbien vom Stamme ka, z. B. kada : duskrte
ma sugäam blüd yö nah kada cid abhidäsali druhä nicht sei
dem Übelthäter guter Fortgang, der uns, es sei wann es sei,
mit Feindschaft nachstellt 7, 104, 7; sa nah kada cid ärvatä
gamat er komme immer zu uns mit dem Rosse 8, 40, 2. —
Als bemerkenswerthe Verbindungen führe ich aus dem RV.
noch an: rakfäa si nö drarufah svanat samasya käsya cıt schütze
uns vor dem Ton des nicht Spendenden, eines jeden, wer es
auch sei 9, 29, 5; utö nö asyd kasya cid dakjasya täva rrtrahan
asmäbhyam nrmndm a bhara bring uns die Mannhaftigkeit
dieses deines Muthes, welcher er aych sei 5, 38, 4 (d.h. etwas
von all deinen muthigen Entschlüssen.. Einmal!) erscheint
das Pronomen auch verdoppelt (aber dabei auch die zweite
Form betont): yad agne kani kani cid a ts darüni dadhmäsi
wenn wir dir, o Agni, alle möglichen Holzarten auflegen
8, 102, 20. Derselbe Gebrauch im Avesta wird nicht zu be-
zweifeln sein, wenn auch die einzelnen dafür angeführten
Stellen nicht ganz einwandfrei sind (vgl. Caland 49°). Oft er-
scheint ka mit cid, ci} hinter dem Relativum, z. B. yö nah
ka$ cid ririkgati svaih $4 evai ririgista wer immer uns zu Grunde
zu richten sucht, der möge selbst zu Grunde gehen RV. 8, 18,13;
vadhäir duhlqsar dpa düdhyd Jahi dure va ye anti va ke cid
atrinah mit den Waffen schlage die gottlosen, Unfrommen
zurück, alle Atrin, mögen sie nah oder ferne sein 1, 94, 9;
devan vä yac cakyma käc cid ägah oder jedes Ärgernis, das
wır den Göttern bereitet haben 1, 185, 8. Ebenso im Avesta,
z. B. ahmäı yahmäi vasi kahmarcıp zu einem jeden, zu welchem
du willst y. 44, 16. Sowohl ım Veda wie im Avesta sind,
soweit ich sehe, die Sätze, in denen diese Verbindung auftritt,
vollständige (nicht abgekürzte) Relatıvsätze.
1) Die entsprechende Stelle des AV. hat freilich yanı kani cid, aber
die Lesart des RV. wird die ursprüngliche sein.
Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm. Sprachen. ]. 33
514 Kap. XI. VI. Das Interrogativum u. Indefinitum im Ar. [$ 222.
Im Altpersischen entspricht cıy: naiy aha martıya naty
Pärsa naiy Mäda naıy amäkham taumäya kasciy hya u. 8. w. es
war niemand, weder ein Perser, noch ein Meder, noch jemand
von unserer Familie, der u.s. w. Spiegel?S. 6,48 ; kadcıy naty adar-
snaus cisciy bastanaiy niemand wagte etwas zu reden ibid. 8, 53.
In der Verbindung mit ca erscheint As nur im Re-
lativsatz. Dabei ist der Relativsatz gewöhnlich verballos (vgl.
namentlich SF. 5, 570). Belege sind: yat kim caham toäyür
tdam vadamı ld] Jugasva was immer auch ich, dein Verehrer,
hier sage, das nımm freundlich an RV. 6, 47, 10: y6 cısca ahmi
nmän? atnarhä asti maSyö wer irgend in diesem Hause ein
gewaltthätiger Mensch ist y. 9, 28. Ohne Verbum: pratidam
oißvam mödats yat kim ca prthivyam ddhi alles das freut sich,
was irgend auf der Erde .ist RV. 5, 83, 9; ye devah ke ca
yayhiyas tE rayya sdm sgjantu nah welche immer die ver-
ehrungswürdigen Götter sind (also s. v. w. alle Gitter), die
mögen uns mit Gut begaben RV. 10, 19, 7; aß ahura Ävö
mainyüm zarabuströ verentg mazda yastd cisca spenisto aber 2.
erwählt für sich jeden heiligsten Geist von dir, o Ahura Mazda,
y. 43, 16. Dazu adverbiale Ausdrücke wie ai. yatra kvä ca,
av. yaba kavaca u. ähnl. (vgl. Caland 49° und KZ. 31, 264).
3) Es folgt schliesslich die Verbindung mit cana.
Über cand habe ich SF. 5, 544 gehandelt. Es hat offenbar
seine ursprüngliche Stelle im negativen Satze gehabt und scheint
nichts anderes als eine Vereinigung von ca nnd nd. So er-
scheint es bei Formen des Stammes Aa, z. B.: na tdm abnöti
ka canä ihn erreicht niemand RV. 10, 62, 9; nd pära Jigye
katard& canäinöh keiner von den beiden ist je unterlegen 6,
69, 8; Zava vrate vayam na risyema kada cand in deinem Schutze
werden wir nie Schaden leiden 6, 54, 9; mä ta ülayo ’smän
kada cana dabhan lass deine Hilfe uns nie fehlen 1, 84, 20.
Gelegentlich erscheint card auch in Sätzen ohne Negation, so
3, 30, 1 und 1, 113, 8 (Stellen, über deren Übersetzung die
Erklärer verschiedener Meinung sind). Sicher ist, dass kada
cand startr asi 8, 51, 7 bedeutet: “du bist niemals unfruchtbar’
(ganz ähnlich 8, 52, 7). Man darf wohl annehmen, dass der
$222.] Kap. XU. VI. Das Interrogativum u. Indefinitum im Lat. 515
Dichter cana für negativ genug hielt und sich daher ein weiteres
nd sparen zu können glaubte. Grassmann will cand in ca nd
ändern. Im Avesta scheint cına zu entsprechen in kaba cina
wie nur immer vsp. 22, 2 (in einem Satze mit ma). Latei-
nisch (Draeger 1, 71ff). Das einfache gutes wird, wie in
den arischen Sprachen, nur selten in positiven Hauptsätzen
gebraucht, z. B. heus Simoni adesse me quis nuntiate (Plautus),
Jiliam quis habet (Cicero). Gewöhnlich steht es, wie in den
arıschen Sprachen, in negativen Sätzen, und sodann in Kon-
junktionssätzen. Dabei ist die Verbindung mit ss als uritalisch
anzusehen, vgl. umbr. svepis, osk. svaepis, svai pid, volsk. sepis.
Unter den zahlreichen Modifikationen, welche das Lateinische
darbietet (guidam, quispiam, quisquam, quivss, quilsbet, quisque,
quisquis, aliquis) ist sicher guisque und wahrscheinlich auch
quisguam uralt. Quisgue entspricht dem arischen Akas ca.
Es heisst wie dieses “wer es auch sei, jeder, und wie kas ca
nicht frei dastehen kann, sondern sich an das Relativum an-
lehnen muss, so erscheint quisque besonders nach Relativen,
Reflexiven, Superlativen und Ordnungszahlen. Es ist daher
nicht richtig, was Draeger 84 sagt, dass guisgue ursprünglich
ein Relativum generale gewesen sei. In plautinischen Sätzen
wie: quemque hic ınlus videro eum ego obtruncabo sollte man
streng genommen nach Anleitung des arischen yas kas ca quem
quemque erwarten. Indessen ist diese Verbindung, welche da-
durch unbequem wurde, dass derselbe Stamm auch das Rela-
tivum lieferte, offenbar früh aufgegeben worden. Quisquam
entspricht dem Gebrauch nach völlig dem ai. Ad$cana. Denn
es erscheint nur in negativen Sätzen oder in solchen, die den
Dienst von negativen versehen können. Es ist nur substan-
tivisch und deshalb ein Plural nicht nothwendig ("nicht irgend
einer’ besagt ebenso viel wie “nicht irgend welche‘). Ob -guam
mit cand identisch ist oder dasselbe verdrängt hat, lasse ich
dahingestellt (vgl. Grassmann, Wtb. zum Rigveda unter cand).
Unter den übrigen Formen entspricht quisquis einem uralten
Typus (vgl. das oben bei den arischen Sprachen Beigebrachte
und SF. 5, 54). Der Rest besteht aus Neubildungen, von denen
33*
516 Kap. XU. VI. Das Interrogativum u. Indefinitum im Got. [$ 222.
quivis und quilibet deutlich, guidam, quispiam und alıquis mehr
oder weniger undeutlich sind. Das ai. cıd, av. ci), altpers. cıy
findet im Lateinischen keine Entsprechung. Im Gotischen
(Gabelentz-Loebe 196 ff.) verhält es sich im wesentlichen so,
wie im Lateinischen. Das einfache Avas wird nicht häufig im
positiven Hauptsatz indefinit gebraucht. Ein Beispiel ist: ska?
pus hva giban Eyw col rı elreiv Luk. 7, 40. Wie ım La-
teinischen erscheint es in negativen Sätzen, z. B. ni auk mayum
hva vihra sunja ob yap Suvapedd tı xara tus aAndelas 2 Kor. 13, 8,
und besonders häufig in Sätzen mit jabas wenn, tbas ob, Patei
dass. Dem lat. guisque entspricht hvazuh, wenn es ihm auch
nicht völlig gleich ist. Ich kann mich nicht entschliessen, in
dem u einen ‘eingeschobenen’ Vokal zu sehen, sondern meine
mit Sonne, KZ. 12, 279, dass dieses « die aus dem Altindischen
bekannte Partikel « ist, über welche ich SF. 5, 504 gehandelt
habe. Diese Partikel findet sich häufig nach dem Frage-
pronomen (die Frage ‘verstärkend’, wie wir in Ermangelung
einer genauen Abgrenzung der Bedeutung zu sagen pflegen)
und darf daher auch nach dem Indefinitum nicht befremden.!
Der Sınn des got. Ahvazuh ist ‘jeder’, also wie lat. quisque, es
erscheint aber gewöhnlich nicht wie dieses angelehnt, sondern
selbständig, z. B. hvazuh auk funin saltada jah hvarjatoh hunsle
salta saltida räs yap rupl Alusdnsera xal näsa Bucta AAl Akı-
oönseraı Mark. 9, 49. Häufig folgt saeı, z.B. kvazuh nu saeı
hauseib vaurda räs ovv Gorıs Axoveı ToLs Adyous Matth. 7, 24.
Es wird in gewissen Verbindungen auch adjektivisch verwendet,
z. B. daga hvammeh 3a hu£pav. Dass hvas (und natürlich auch
die von ihm abgeleiteten Wörter wie Avarjts) einst auch, wie
guisque im Lateinischen, sich an Zahlwörter anlehnen konnte,
beweisen atnhvarjizuh jeder und ainhvaharuh jeder von beiden,
und auch die etwas auffällige Stellung hinter Kardinal-
zahlen, die dadurch zu Distributiven werden, so: jah atharhait
bans tvahıf jah dugann ins insandjun tvans Ivanzuh xal rPos-
1) An der Aufeinanderfolge der beiden Encliticae u und ca ist kein
Anstoss zu nehmen {vgl. SF. 5, 474 unten).
$ 222—223.) Kap. XI. VL Das Interrogat. u. Indefinit. imLit. u. Lett. 517
xaleitaı Toüs Ömöexa xal Tipkato adtobs Amoordileıv Ebo dbo
Mark. 6, 7. Diese Ausdrucksweise konnte sich wohl nur ent-
wickeln auf Grund der Gewohnheit, unser Pronomen den
Ordinalzahlen anzufügen, wie sie im Lateinischen vorliegt.
Dem indischen k4$ cand entspricht Avashun!\, jedenfalls
dem Gebrauche nach, denn es wird nur in negativen Sätzen
gebraucht, z. B. ni hvashun biubeigs alja ans gub oddels dyados
el uh eis 0 Bei; Mark. 10, 18. Es kommt wie gutisqguam nur
im Singular, und zwar nur im Nominatıv des Maskulinums vor.
$ 223. Baltisch, Slavisch und Griechisch.
Die zweite Gruppe bilden diejenigen Sprachen, welche
kein ererbtes Zeichen für das Indefinitum haben. Unter ihnen
stelle ich das Griechische, als diejenige Sprache, welche auch
keine neuen Zeichen ausgebildet hat (was das Slavische und
Litauisch-Lettische gethan hat), an den Schluss.
Litauisch und Lettisch. Das Pronomen kann auch
indefinit gebraucht werden, z. B. lit. man tai käs pasake mir
hat das jemand gesagt, lett. tur biyja kads wirinsch dort war
ein Männchen (guidam).?2) Besonders geschieht das im nega-
tiven Satze, sei es, dass die Negation zum Verbum gehört,
z. B. lit. tat ne küs nores apsihti das wird nicht so leicht
jemand übernehmen wollen (Kurschat Wb.), sei es, was das
Gewöhnliche ist, dass sie zu dem Pronomen in nahe Beziehung
tritt. So entsteht lit. n&kas nichts, keiner, lett. nekas niemand,
dessen beide Bestandtheile aber noch getrennt werden können
1) Ich bin bie dahin mit Bopp der Ansicht gewesen, dass hun auch
lautlich mit cana identisch sei. Jetzt sehe ich, dass J. Schmidt, KZ. 32,402
hun vielmehr auf den Stamm ku zurückführt. Ich lasse diese Frage wie
andere lautgeschichtliche unentschieden, bemerke aber, dass nach J. Schmidt
dem cana germ. gin u. s. w. entspricht. Jedenfalls also war im Germanischen
ein genaues! Gegenbild von cana vorhanden, mag man dieses nun in hun
oder gir finden, oder die beiden Formen zu vermitteln suchen.
2; Bei Zahlwörtern drückt das lett. Adds das Ungefähre aus, z. B. ar
kädu simtu “mit etwa einem Hundert’. Das heisst wohl eigentlich ‘mit
irgend einem hundert, welches nicht das bestimmte zu sein braucht’,
hat also mit dem Gebrauch von qguisque und got. hvazuh bei Zahlwörtern
nichts zu thun. — Das undeklinirbare lit. kas ‘jeder’ bei Zeitangaben scheint
ursprünglich relativisch zu sein (Leskien-Brugman 320).
518 Kap. XII. VI. Das Interrogativum u. Indefinitum im Slav. [$ 223.
(z. B. ne pi kdda bei niemand). Solche mit einer Negation
zusammengesetzte Formen können auch positiv-indefinit ge-
braucht werden. So heisst Iıt. nekufs oder nekursat, f. nekuri
ein gewisser (adjektivisch) und nekada zuweilen. Auch nekas
kommt nach Bezzenberger, ZGLS. 258 ım älteren Litauisch
so vor. Ich vermuthe, dass dieser Gebrauch aus Sätzen mit
zwei Negationen stammt (wie z. B. “das geschah niemals nicht’).
Ausser in negativen Sätzen erscheint der indefinite Gebrauch
ın Konjunktionssätzen, so ist z. B. lett. A4ds immer indefinit
nach Ja wenn (vgl. got. jabat, lat. ss). Im Litauischen (wenig-
stens dem jetzigen) giebt es also kein besonderes Zeichen für
den indefiniten Gebrauch unseres Pronomens, ausser der eben
erwähnten Verbindung mit der Negation in nekufs nekada.
Dagegen giebt es im Lettischen noch einige erwähnenswerthe
Gestaltungen. Zunächst kann die positive und die negative
Form des Pronomens neben einander gestellt werden, z. B.
düdi kadam nekädam gieb jemandem niemandem, d. h. wem
du willst, kur nekur wo es auch sei oder gleichviel wohin.
Daran schliesst sich jed-kas eig. ‘wenn jemand’, dann ‘irgend
jemand, der erste beste’ (vgl. auch Bezzenberger 257, wo der-
selbe Gebrauch aus dem älteren Litauisch nachgewiesen wird).
Endlich verbindet sich kas mit Aaut wenn doch, wenn, zum
Indefinitum. Slavisch (vgl. Miklosich 4, 86ff.). Im Slavı-
schen zeigen sich im wesentlichen dieselben Erscheinungen wie
im Litauischen und Lettischen. Wie M. sich ausdrückt, er-
hält Aü die Bedeutung eines Pronomen indefinitum dadurch,
dass es tonlos wird, in welchem Falle es meist einem oder
mehreren Wörtern des Satzes nachgesetzt wird. Es kann auch
den Sinn von jeder erhalten, z. B. russ. cto not jede Nacht,
to minuta jede Minute (M.87°). Wie im Lit. wird es mit der
Negation zusammengesetzt, z. B. aksl. nıküto niemand oder mit
Anhängung von Ze: nıkütoze, doch kann, wie im Litauischen,
ns durch eine Präposition von Aüto getrennt werden, z. B. ni
kü komuze nicht zu irgend jemand (M. 88f). Wie im Litau-
ischen kann aber auch aus der Verbindung mit der Negation (re)
ein Indefinitum hervorgehen, z. B. aksl. nekto (prikosna se mind
$ 223.] Kap. XII. VI. Das Interrogativum u. Indefinitum im Griech. 519
nekto Tıyard poö ti; Luk. 8, 46). Eine Erklärung dieser Er-
scheinung ist oben bei dem Litauischen angedeutet. Endlich
sei noch bemerkt, dass auch in slavischen Sprachen ein In-
definitum durch Vorsetzung von Konjunktionen entstehen kann,
2. B. aksl. jede kyj quidam, wobei Jede doch wohl dasselbe ist
wie jeda wenn (vgl. noch M. 89). Was als dem Slavischen
eigenthümlich angesehen werden kann, ist bei M. unter A und
2 erwähnt. Dahin gehören Ausdrücke wie aksl. Jyubo Adver-
bium zu 4ubü lieb, welches zu dem Indefinitum gesetzt, dessen
Sinn noch steigert, z. B. aksl. na kojemi Yyubo meste auf irgend
einem Platze, vgl. lat. quilidet. Die von M. unter / erwähnten
negativen Wendungen, z.B. russ. kto-ni-budi wer es auch sei
sind wohl Abkürzungen vollerer Wendungen, welche den oben
erwähnten lettischen vergleichbar sind, also: “wer es sei oder
wer nicht. Griechisch. Im Griechischen giebt es keine
Verschiedenheit zwischen dem interrogativen und indefiniten
Pronomen, ausser in bezug auf Betonung und Stellung. Um
zu sehen, in wie weit tıs den verschiedenen Arten des In-
definitums in den anderen Sprachen entspricht, habe ich das
maskulinische zı; in der Odyssee durchgesehen. Ich zähle nach
Gehring’s Index 110 Fälle des Gebrauchs in negativen Sätzen,
20 in Bedingungssätzen, etwa 70 in positiven Hauptsätzen.
Dem indischen ydh kd$ ca entspricht dorıs, wozu sich dann
noch 80005 tıs x 45 und die vom Relatıvstamme abgeleiteten
Konjunktionen gesellen. Jenes rıs im positiven Satze wird
substantivisch gebraucht, z. B.7 paka 5n Tıs Exnpe roAunvnotnv
Baotleıav 149; Anpoddxp dE Tıs alba xımv @pdppıyya Auyetav
oloettw 9 254. Häufig mit partitivem Genitiv (wo man ım Aı.
&ka gebrauchen würde), z. B. xal töre ri; pe dewv 6Aopuparo
x 157; @öe Ö& rıc eineoxe v&ov 8 769. Es kann auch zu tıs ein
Adjektivum treten, 2. B. ös rıs nayırav dihupds xal Aroruos u 140;
xal rob tıs Soxdeıs yeyas Eppevaı a 382; ToAAög Yap Tıs Exeito
H 156; AM Bde rıs Sbomvos AAmpevos dvBdd Ixaveı C 206; AAdos
d adte rıs obros Avon u 380; keive taAav ab yE Tıs ppevas dxrne-
rarayuevos &oct 0 327. In einigen dieser Stellen könnte man
vielleicht geneigt sein, substantivischen Gebrauch des Adj. und
520 Kap. XD. VI. Rückblick auf Interrog. und Indefin. [$ 223—224.
adjektivischen von rıs anzunehmen. Dieser letztere liegt jeden-
falls vor, wenn ıs zu Nominativen von Subst. tritt, z. B. Orr
vwp d8 tıs Eme vewraros x 552; xal tıs Bes Tyepöveuev x 141;
Eetvds Ts Süotnvos p 501 u. 8. w. Krüger, Di. Synt. 51, 14, 1,
führt einige homerische Stellen an, an denen ı; im Sinne von
‘mancher, jeder’ gebraucht sein soll. Sonst hat das Griechische
für diesen Gebrauch die besondere Form &xasto; ausgebildet,
über welches Wackernagel, KZ. 29, 144 geistreich gehandelt
hat. Entsprechend lat. quisguis hat sich jetzt auch tisrıg gefun-
den: argivisch al tistıs... . edduvor (vgl. Fröhner, Revue arch.
1891 p. 6), was doch wohl keine Dittographie sein wird.
$ 224. Rückblick.
Wir haben gesehen, dass in allen Sprachen das Pronomen
*go, *gi auch als Indefinitum gebraucht werden kann. Doch
lässt sich vermutben, dass diese Anwendung im einfachen
positiven Hauptsatz ursprünglich nur selten gewesen sei. Ihren
eigentlichen Sitz hatte sie vielmehr im negativen Satze.. Ob
der Gebrauch im Relativsatz und Bedingungssatz schon alt-
überliefert ıst, lässt sich an dieser Stelle nicht wohl erörtern.
Die arischen Sprachen, das Lateinische und Gotische
stimmen überein im Gebrauche von ca, gue, u-h nach dem
Pronomen. Ob *go, *gt mit dieser Partikel etwa von Anfang
an nur in Relativsätzen zu Hause war, muss hier ebenfalls
unerwogen bleiben.
Die genannten Sprachen stimmen ferner überein in dem
Gebrauche von cand, quam, hun, welche eine Verstärkung der
Negation darstellen. Dass die Verbindung mit ca und cand
schon der Ursprache angehört habe, also in der zweiten
Gruppe verloren gegangen sei, ist sehr wahrscheinlich. Wel-
ches der ursprüngliche Sınn dieses ca (welches auch in cand
enthalten ist) gewesen sein möge, lässt sich natürlich nicht
mit Sicherheit sagen. Wahrscheinlich gehört doch ca demselben
Stamme an, wie das in Rede stehende Pronomen, und wir
hätten demnach ın der Zufügung des ca im Grunde dieselbe
Erscheinung vor uns, wie im lateinischen guisguis, also die
Doppelung.
5224] Kap. XII. Die Zahlwörter. 54
Unter den übrigen Anhängseln macht cid, cip, ciy einen
alterthümlichen Eindruck. Es hat denselben Sinn, welchen
ich vermuthungsweise dem ca beigelegt habe.
Die Bedeutung angehend, bemerke ich noch, dass das Indef.
nicht bloss “irgend einer, ein beliebiger‘, sondern auch ‘jeder
beliebige, jeder’ bedeuten kann. Dieser Sinn scheint besonders
in der Verbindung mit ca hervorgetreten zu sein. Man hat
sich — um auch das noch zu erwähnen — viel bemüht, zu
ermitteln, ob das Indef. durch Abschwächung’ aus dem Interr.,
oder dieses aus jenem durch die Hinzufügung des Fragetons
entstanden sei, oder ob etwa — denn auch das ist ja mög-
lich — beide aus einem Pronomen des verwunderten Ausrufs
entstanden seien. Diese Frage ist durch die Mittel einer
historischen Untersuchung nicht zu lösen. Für meinen jetzigen
Zweck genügt es, festzustellen, dass in der Urzeit bereits beide
Gebrauchsweisen vorhanden waren.
Kapitel XII. Die Zahlwörter.
Whitney, Gr.183ff., SF. 5, 80ff.; Spiegel, Gr. 473 £.; Küh-
ner? 621ff.; Neue 2, 144 ff.;, Gabelentz-Loebe, Gr. 179 ff.;
Schleicher, Gr. 295 ff.; Kurschat, Gr. 415 fl.; Bezzenberger,
ZGLS. 177 ff.; Miklosich 4, 51 ff., 476 ff.
Über die Bildung der idg. Zahlwörter !) ist neuerdings von
J. Schmidt, Pluralbildungen (s. den Index) und von Brugmann
2, 463 ff. gehandelt worden. Ich stelle mich im allgemeinen auf
den Boden des von diesen beiden Gelehrten Festgestellten.
Ein Eingehen auf die zwischen ihnen bestehenden Meinungs-
verschiedenheiten kann ich gemäss dem Zwecke dieses Buches
vermeiden.
Über den indogermanischen Zustand lässt sich mit Wahr-
scheinlichkeit Folgendes vermuthen:
1) Ich handle im Folgenden nur von den sog. Kardinalzahlen. Über
die Ordinalzahlen ist gelegentlich gesprochen worden S. 430 und 438.
522 Kap. XIII. Die Zahlen von 1—4. [8 225.
Die Zahlen von 1—4 waren jedenfalls im adjektivischen
Gebrauch. Dass sie auch substantivisch gebraucht werden
konnten, z. B. in Ausdrücken wie der unsrige wir sind unser
drei, ist sehr wahrscheinlich. Über den Ursprung lässt sich
nichts ausmachen.
Die Zahlen von 5—19 sind wahrscheinlich unflektierbar
gewesen, wenigstens dann, wenn sie adjektivisch vor dem Ge-
zählten standen. Dafür spricht vor allen Dingen der That-
bestand im Altindischen, wo diese Zahlen im Veda regelmässig
unflektierbar sind, später aber in den obliquen Kasus regel-
mässig flektiert. Dass dıe Sprache des Veda eine aus der Ur-
zeit überkommene Kongruenz sollte aufgegeben haben, ist
höchst unwahrscheinlich. |
Die Zahlen von 20 an waren unzweifelhaft Substantiva.
Natürlich musste sich aus dieser Verschiedenheit zusammen-
gehöriger Wörter ein Streben nach Ausgleichung, ein Kampf
zwischen Substantivum und Adjektivum entwickeln, welcher
im allgemeinen zu Gunsten des Adjektivums entschieden
worden ist. Dabei aber erhob sich wieder eine neue Schwierig-
keit. Adjektiva stehen mit ihrem Subst. in Kongruenz, und
diese ist auch, wie wir schon bemerkten, im Altindischen,
soweit die Form es zuliess, herbeigeführt worden, aber in den
andern Sprachen sträubte sich doch das Sprachgefühl dagegen,
wenigstens soweit es nicht die ganz niedrigen Zahlen angeht.
Man hatte das richtige Gefühl, dass die Zahlwörter doch etwas
anderes sind als die Adjektiva, und aus diesem Gefühl ent-
stand dann die Abneigung gegen die Durchführung der Kon-
gruenz, welche schliesslich zur Erstarrung führte.
Ich bringe nun die mannigfaltigen Ausdrucksweisen der
Einzelsprachen, die sich aus diesen Verhältnissen ergeben, zur
Darstellung, indem ich die schon angedeuteten Zahlen-
gruppen als Eintheilungsgrund benutze.
$ 225. Die Zahlen von 1—4.
Die adjektivische Beschaffenheit dieser Wörter ist im Ari-
schen noch rein erhalten. Im Griechischen im allgemeinen
$ 225— 226.) Kap. XIN. Die Zahlen von 5—10. 523
wohl ebenfalls, doch ist 860 (ööw) bei Homer nur in starrer Form
nachzuweisen: tüv öbo norpawv K 253; dbw roraumv x 515; dm
xavdveco dpapuiav N 407. Die Schuld der Erstarrung mag die
Form övo tragen, welche den sonstigen Kasus so gar unähnlich ist.
Tpet; und r&soapes sind bei Homer nur im Nom. und Akk. vor-
handen. Über den Gebrauch in der sonstigen Literatur giebt
Kühner einige Auskunft. Im Italischen ist die Vierzahl
erstarrt, nur in dem oskischen petora ist eine Neutralform ge-
blieben, auch die Zwei wird bisweilen ohne Flexion gebraucht.
Im Gotischen ist bei den Wörtern bis drei die Flexion voll-
kommen, z.B. afar brins dagans, du jeram Prim u. ähnl. Bei
vier findet sie sich wie im Lateinischen nicht mehr. Man sagt
door busundjos und dagans, aber auch Advor busundjom und
af fidvor vindam. Nur einmal findet sich Advorim : hafanana
ram fidvorim alpöpevov Dno Teooapwv Mark. 2, 3. Der Grund
liegt offenbar in dem isolierten Gebrauch. Auch wir sagen
ja von vier Münnern, aber getragen von vieren. Das Litauische
kommt insofern nicht in betracht, als die Zahlen von 1—9
sämmtlich adjektivisch gebraucht werden. Im Slavischen ist
der alte Zustand bewahrt worden.
$ 226. Die Zahlen von 5—10.
Die zweite Gruppe bilden die Wörter für die Zahlen
von 5—10. Im Altindischen erscheinen die Formen päfica,
$a$, saptd, aftau (ü), ndva, däSa als Nom. (Vok.) und Akk. mit
pluralischem Subst. Doch kommen sie auch neben anderen
Kasus vor, so pdica neben dem Gen. k$itinam und dem Lok.
kr$tigu, saptd neben dem Lok. sindhusu und dem Instr. hötrbhih,
da$a mit dem Instr. kak$yabhih. Mit Flexionsabzeichen ver-
sehen, in adjektivischem Gebrauche, kommen im RV. vor:
Janegu ‚pahcdsu, adhvaryübhih pahcabhih, saptäbhih puträih, na-
vabhir vajair navali ca väjinam stark durch neun und neunzig
Kräfte 10, 39, 10, da$abhir viraih u. ähnl. — Die Flexions-
formen werden auch gebraucht, wenn das Zahlwort isoliert,
sei es geradezu als Subst., sei es von seinem Subst. entfernt
stehend gebraucht wird, z. B. s4 saptänam irajyati er herrscht
über siebene 8, 41, 9; tvdm ha tydt saptäbhyö Jayamano
524 Kap. XII. Die Zahlen von 5—10. [$ 226.
nn nn on — m nn Den ne nn m er mn mn
$atrühhyo abhavah S$ätrur indra du wurdest damals bei deiner
Geburt ein Feind für die sieben, die keinen Feind hatten
8, 96, 16; @ deabhyam härıbhyam indra yahy @ catürbhir a
$adbhir hüuyamanah | ästabhir daSdbhih sömapeyam mit zwei
Falben komm heran, o Indra, mit vieren, mit sechsen, wenn du
gerufen wirst, mit achten, mit zehnen zum Somatrank ?, 18, 4.
In der Prosa sind ın den obliquen Kasus die flektierten
Formen durchaus üblich geworden. Für den substantivi-
schen Gebrauch unserer Wörter wird eine Stelle aus dem
RV. angeführt, in welcher neben pähca der Gen. stehe, wäh-
rend man den Nom. erwartet: yad indra te cdtasrö yac chüra
sänti tisrah | ydd va pähca kfifinam dvas tät su na a bhara
5, 35,2. Ich kann aber nicht glauben, dass päfca kfitinam
hier anders aufzufassen sei, als 1, 7, 9. 1, 176, 3. 6, 46, 7, wo
pahca genitivisch gedacht ist. Es wird also wohl zu übersetzen
sein: wenn du vier Stämme hast, oder drei, oder wenn du dıe
Hilfskraft der fünf Stämme hast, bring sie uns herbei. Da-
gegen kommt ein solcher Gen. bei da$an vor: daba te kalaanam
hiranyanam adhimahi wir haben von dir zehn goldene Becher
empfangen RV. 4, 32, 19. Hier ist also, wie ich SF. 5, 81 be-
merkt habe, da$an wie unser Dutzend u. ähnl. gebraucht. Im
Avesta überwiegt durchaus die Flexionslosigkeit, doch kommen
adjektivisch vor: navangm und dasangm aspangm von neun,
zehn Rossen u. ähnl. Isoliert pancangm ahmi ich gehöre zu
den fünfen y. 10, 16. Im Griechischen und Lateinischen
sind nur die flexionslosen Formen vorhanden. Das äolische
reunov und das ionische dö&xwv bilden eine Ausnahme. Im
Gotischen haben diese Zahlen im Nom. und Akk. nur die
flexionslose Form (also Formen wie unser sechse gegen sechs
sind nicht vorhanden!. Diese erscheint immer adjektivisch vor
oder nach dem gezählten Wort. Die flexionslose Form wird
auch neben einem obliquen Kasus gebraucht, wenn das Zahl-
wort vorangeht, so: fimf hlatbam, fimf baurgim, sibun sınbam,
tathun baurgim. Wie es sich mit dem nachstehenden Zahlwort
verhält, lässt sich nicht ermitteln, es ist aber aus dem Ver-
halten der Wörter der nächsten Gruppe zu schliessen, dass es
$ 226.] Kap. XIII. Die Zahlen von 5—10. 525
— no um
flektiert wurde. Die einzige flektierte Form unserer Gruppe
ist: ın niunlehundis jah niune garaihtaize irı &vvevnxovra &vvea
öıxalors Luk. 15, 7, wobei niune als Subst. empfunden sein wird.
Von dem Urtrsprünglichen abgewichen sind das Litauische
und Slavische. Im Litauischen sind die Zahlen von 5—9,
nämlich penki Fem. penkios, szeszi sz&szios, septyni septijntios,
asztüni aszlünos, devynı devyjnios rein adjektivisch geworden.
Zehn ist Substantivum, lautete früher deszimtis, lautet jetzt
deszimt und ist ındeklinabel. Es hat das Nomen im Gen. bei
sich. In der älteren Sprache ist, wie Bezzenberger a.a.O. 179
ausführt, die Konstruktion noch mannigfaltiger. Es erscheint
adjektivisch, so deschimtisa miestosu in den zehn Städten,
und als Substantivum flektiert, z. B. su Diewo deschimtimi
(Instr. Sing.) prisakımu (Gen. plur.) mit Gottes zehn Geboten.
Im Slavischen (Miklosich 4, 476 fi.) sind die Zahlen. von 5—10
Substantiva, neben denen dann natürlich der gezählte Gegen-
stand im Gen. steht, z. B. aksl. sedmt tq hlebü obs &nta Aprous,
wörtlich gleich &rtada Thy Aprwv (Leskien, Handbuch? 79.
So z. B. im cod. Mar.: pefi Ze be otü njichü buji ı peli madrü
nevre 62 Tony EE adrav Ppövıpor xat revre uwpat Matth. 25, 2;
pryemü peti hlebü Aaßwv tous revre Aptoug Matth. 14, 19; ne
imamü süde veste peti hlebü obx elsiv Yyiv mAclov 7) nevre Apror
Luk. 9, 13; jedinü be dlüzenu petijq sotü dinari 6 eis wwerls
Öönvapıa zevraxdsıa Luk. 7, 41; o peli hlebü von den fünf
Broden S. 187, 10. Doch können nach Miklosich diese
Zahlwörter in den obl. Kasus auch wie Adjektiva behandelt
werden, die im Kasus und Numerus mit dem gezählten
Gegenstand kongruieren, 2. B. aksl. si petimti sestrami cum
quinque sororibus (für das ältere sö petija sestrü). Nicht selten
findet auch bloss Übereinstimmung im Kasus statt, z. B. si
inemi sestiju cum aliis sex; takozde bysti i drugymi deveti ko-
rabljemi ıdem accidit reliquis novem navibus. In lehrreicher
Weise schildert Baudouin de Courtenay in Kuhn und Schleicher's
Beitr. 6, 81 diesen Vorgang mit bezug auf das Polnische. Er
sagt: “die Zahlwörter ped 5, desc 6, $edem 7, oem 8, däeued 9,
dze$ed 10 sind ursprünglich Substantiva abstrakta fem. gen. und
526 Kap. XIIL Die Zahlen von 11—19. [$ 226— 227.
wirklich kommen im älteren Polnisch fast ausschliesslich For-
men vor, wie Gen., Lok., Dat. pedi, Sesdi, sedmi u. s. f.; Instr.
petq, $escq, $edmq u. s. w. was man manchmal noch heute zu
Tage hören kann. Alle syntaktischen Beziehungen also drückte
man an diesen Zahlwörtern aus und das Substantivum trat nur
als Ergänzung dazu, z. B. dal to pedi (Dat.) paropköf (er hat
es fünf Knechten gegeben), poyechal s pedq (Instr.) Zud2i (er ist
mit fünf Leuten gefahren), oltafe $iwec Jedmq jasne (die Altäre
durch sieben Lichter hell) u. s. f. Allmählich aber trat das Ge-
fühl ein, dass dies Beziehungen nicht des Zahlwortes, sondern
des Substantivs seien, und dass das Zahlwort eigentlich nur
die Rolle der näheren Bestimmung spiele. Darum fing man an,
die Kasusbeziehungen am Substantivum auszudrücken. Da,
wie sich von selbst versteht, diese Substantiva im Plural stehen
müssen, so versetzte man infolge der inneren Kongruenz auch
die sie näher bestimmenden Zahlwörter in den Plural und sagte:
Instr. pedoma (die duale, plural und numeral gewordene En-
dung) /udzmi (mit fünf Leuten) und andere Kasus nahmen
vom Dual die jetzt numeral gewordene allgemeine Endung -u
an: Dat. pedu ludZom (den fünf Leuten), Gen. pedu Zudäi, Lok.
pecu ludzach und selbst Instr. pedu ludzmi neben pedoma ludzmi
u.8s.f. Nur wenn das Zahlwort allein steht, kann man den
nach der Analogie des Plurals gebildeten Dativ pedom u.s. w.
brauchen” u. s. w. (Auch was über die folgenden Gruppen
gesagt wird, wolle man bei diesen vergleichen.)
$. 227. Die Zahlen von 11 bis 19.
In der Gruppe 11—19 finden wir dieselben Erscheinungen,
wie in der vorhergehenden. Im Altindischen zeigt der RV.
(wo begreiflicher Weise diese Zahlen selten erscheinen) nur
Nominativ und Akkusativ, also Formen wie dvadaSa. In der
etwas späteren Sprache treten die flektierten Formen auf, z. B.
$odaSabhir bhögaih mit sechzehn Windungen TS. 5, 4, 5, 4,
pafcadasanam gäyatrinam von fünfzehn Gäyatris SB. 1, 3, 5, 9.
Im Griechischen und Lateinischen kommen nur die unflektier-
ten Formen im adjektivischen Gebrauche vor.
$ 227.) Kap. XIII. Die Zahlen von 11—19. 597
Besondere, von denen der Urzeit abweichende Ausdrücke
bieten das Germanische, Litauische und Slavische,
und zwar bedienen sich das Germanische und Litauische eines
aus der gleichen Wurzel gebildeten Nomens, welches etwa
Überschuss’ bedeutet haben wird. Im Gotischen erscheint
dieses Nomen (*ör) als ı«-Stamm. Demnach hiesse ainlif so
viel als “eines darüber hinaus’, nämlich über zehn. Die Flexions-
verhältnisse sind im Gotischen wie die der vorigen Gruppe.
Wir finden nämlich auch die obliquen Kasus unflektiert, wenn
sie vor dem Gezählten stehen, so ham tvahf siponjam seinaim
Matth. 11,1. Dagegen sind sie flektiert, wenn das Zahlwort
nachsteht, z. B. ana spaurdim fimftaihunim Aro oradluv dexd-
revte Joh. 11, 18; vas auk jere toalibe hy yap tray dwmdexa
Mark. 5, 42. Ferner stehen die flektierten Formen, wenn das
Zahlwort isoliert (substantivisch) gebraucht ist, z. B. Datm aın-
libim den elfen 1 Kor. 15. 5; mib Baim toalibim mit den zwölfen
Mark. 4, 10; ains visands bize toalibe Joh. 6, 71. Die litaui-
schen Formen venülika, doylika, trylika, keturiolika, penkiolika,
szesziolika, septyniölika, asztüniölika, devyniölika sind in der
Schriftsprache indeklinabel. Sie haben nach Kurschat415, wenn
sie im Sinne des Nominativs oder Akkusativs stehen, das gezählte
Wort im Genitiv bei sich, sind also substantivisch gebraucht,
2.B. dvylika zmontü zwölf Menschen (Nominativ und Akkusativ).
Wıll man aber ein Zahlwort als obliquen Kasus verwenden,
so tritt es als Adjektivum vor das gezählte Nomen, z.B. dük
tai tems penkiölika vaikams gieb es den fünfzehn Kindern.
Entsprechend ist der Gebrauch in den Dialekten und der
älteren Sprache, nur dass unsere Wörter noch der Flexion fähig
sind. Und zwar werden sie, falls ein abhängiger Genitiv neben
ıhnen steht, als Singulare femininischer Substantive behandelt,
z. B. visar doylikar pönu dem ganzen Dutzend von Herren,
allen zwölf Herren (Kurschat 269), tarp anu (Gen. plur. mask.)
dwrlıkös (Gen. sing. fem.) unter den zwölfen (Bezzenberger a.a.O.
180). Sind sie isoliert oder Adjektiva, so erhalten sie natürlich
diejenige Flexion, welche ihr leitendes Substantivum verlangt,
also pluralische Form, z. B. aniems wienolikams den elfen (Dat.
523 Kap. XIII. Die Zahlen von 20—%. [$ 227—228.
plur. mask.), pagal dwrlikas (Akk. plur. fem.) gimtnes nach den
zwölf Stämmen. Über die Erklärung dieser litauischen Zahl-
wörter, in denen offenbar ein Nomen *lıko “überbleibend’ zu
Grunde liegt, hat Mahlow, die langen Vokale a & 6 S. 49 das
Richtige gelehrt, indem er bemerkt, keturilika u. s. w. seien
ganz regelmässige Neutra plur., deren erstes Glied vor Ver-
kürzung im Auslaut geschützt war. Über den Vokal von
venü- kann man verschiedener Ansicht sein, worüber hier nicht
zu handeln ist.) So heisst also Aeturiolika (zehn und) vier über-
schiessende. Joh. Schmidt, Pluralb. 39 sieht in den älteren
Formen wie vönülikams, dvylıkars noch die regelmässigen Dative
bez. Instrumentale dieser alten Neutren. Das kann sein. Es
kann aber auch sein, dass in ihnen Neubildungen vorliegen,
wie jedenfalls der Akk. plur. doylikas eine ist. Sicher ist jeden-
falls, dass die Formen auf -Zika ursprünglich Neutra plur.
waren, dann aber, als das Neutrum ım Litauischen verblasste,
als Fem. sing. aufgefasst wurden. Im Slavischen wurden
11—19 mit Hilfe der Präp. na “auf” gebildet, z.B. aksl. jedinü
na desete 11, eig. eins auf zehn (wobei desete Lok. sing. des
Stammes desel- ist), düva na desete 12 u. s. w. In syntaktischer
Beziehung ist, wie sich erwarten lässt, das Wort Jjedinüä, düva u.s. w.
massgebend (Miklosich 4, 480), z. B. Aü jedinuumu na desete Casu
um die elfte Stunde, eig. zu einer Stunde auf zehn; zaporeda
dvema na desete Zriti bogoma jussit duodecim dis sacrificari.
Doch unterliegt man leicht der Versuchung, von diesem nicht
bequemen Typus abzuweichen. Man flektiert gelegentlich (wenn
auch ganz selten) beide Zahlwörter, z. B. dvema na desetema
letomü duodecim annorum (statt na desete), oder man behandelt
die drei Wörter als ein substantivisches Zahlwort, zu dem dann
das gezählte Wort ım Gen. tritt, z. B. dva na desete legeonü
zwölf Legionen (statt Zegeona nach dova).
$. 228. Die Zahlen von 20—90.
Die Zahlen von 20—90 scheinen in ihrem zweiten Be-
standtheil ein Wort von der Bedeutung ‘Dekade’ zu enthalten,
das in 20 ım Dual, in den übrigen Wörtern im Plural er-
scheint (vgl. Thurneysen, KZ. 26, 310 fi.).
$ 228.] Kap. XIII. Die Zahlen von 20—90. 529
Was zunächst die arischen Sprachen betrifft, so hat bei 20
das Avesta die ursprünglichere Form, insofern zwar der Dual
nicht mehr als solcher erhalten, aber doch nicht wie im Indi-
schen Singular geworden, sondern erstarrt ist: visaitt ist un-
beweglich, z. B. visaitt (Akk.) upazanangqm 20 Schläge yt. 10, 122.
Im Sanskrit dagegen ist aus dem Dual der Sing. viSati ent-
standen, der als Fem. flektiett wird. Dabei ist die Ver-
wendung fast durchaus adjektivisch, so dass v4$at! im Kasus
mit seinem Substantivum übereinstimmt, während der Numerus
verschieden ist, z. B. saptd Satani vißati$ ca putrah sieben
hundert und zwanzig Söhne, viSatim gah zwanzig Kühe,
viSatya haribhih mit zwanzig Falben. Ein abhängiger Genitiv
(wie im Avesta) findet sich in: $atä ca viSatim ca gönam hundert
und zwanzig Kühe, wobei übrigens $ata seine Einwirkung
geübt haben wird. Die Zahlen von 30—90 erscheinen in den
arıschen Sprachen nirgends mehr als neutrische Plurale, was
sie in der Ursprache gewesen sein werden, sondern als femi-
ninische Substantive auf ai. Im Avestischen, das auch in
diesem Falle die ursprüngliche Anwendung bewahrt hat, giebt
es freilich nicht mehr den Nom. auf at (einmal ein Nom.
prisas ca), sondern nur die akkusativische Form auf atem.
Diese ist nominativisch verwendet vd. 4, 18ff,, wo die Frage
‘was ist dessen Strafe?” beantwortet wird durch panca upä-
zana, dasa upazana, pancadasa upazana, Prisatem upäzananam
5 Schläge u. s. w. Man könnte allenfalls auch an dieser Stelle
den Akk. annehmen, indem man ergänzt ‘soll er empfangen’.
Doch ist es wohl natürlicher, anzunehmen, der Nominativ
habe die akkusativische Form erhalten, etwa nach Analogie
von satem hundert. Das gezählte Wort steht im Gen., wie in
dem eben angeführten Falle, in capwaresatem atwigämangm
40 Jahre und sonst. Kin Gen. liegt vor in Prisatangm bawrangm
von dreissig Stück Bibern yt 5, 129, wobei ich annehme, dass
bawrangm von Prisatangm abhängig ist. (Geldner übersetzt —
wohl unrichtig — dreihundert.) Adjektivische Anwendung
liegt nicht vor, denn in capwarasca aba garayö cabwaresatemca
dvazca saitg dvagca hazasarg es giebt vier Berge und vierzig
Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm. Sprachen. I. 34
530 Kap. XIH. Die Zahlen von 20—90. 'g 228.
und zweihundert und zweitausend yt 19, 7 ist der Nom. garayö-
natürlich durch cabwaras bestimmt, und ebenso in der einen
Stelle, wo risqs vorliegt, durch Prayas : brayasca brisgsca
nazdista patrishavanayo die drei und dreissig nächsten Opfer-
werkzeuge y. I, 10. Einmal kommt im isolierten Gebrauche
vor pancasapbisca mit den funfzig vsp. 8, 1.
Im Altındischen wird die Form auf af adjektivisch
bei dem Nom. und Akk. aller Geschlechter gebraucht, z.B.
catvärisät $önas vierzig Braune, triSät pada dreissig Schritte
(Akk.), pahcaSat kröna ni vapah sahdsrä funfzig schwarze
Tausende warfest du nieder RV. 4, 16, 13. Der Instr. kommt
wie der Instr. von viSati vor, z. B. catrarı$ata harıbhih mit
vierzig Falben. Neben dem adjektivischen Gebrauch kommt
auch der substantivische vor, z. B. yasam tisrah pahcasäto’
pävapah von denen du drei Funfzigschaften zerstreutest RV. 1,
133, 4, pahcaSatam dSvanam funfzig Rosse. Bei den Zahlen
von 60-90 ist die alte idg. Gestalt durch Neubildungen auf
{5 verdrängt worden. Sie lauten $aftı zsvastim, saptatı haptaıtım,
aiti astaitim, navati navaitıim. Wie man sieht, ist im Avesti-
schen wieder nur die Akkusativform belegt. Sie sind in dieser
Sprache Subst. und haben den Gen. bei sich, z. B. zsvastim
ätaresaokangm sechzig Feuerbrände. Entsprechend dem indi-
schen tisrah pahcaSatah kommt auch nava navaiti$ die neun
und neunzig yt. 13, 62 vor. Im Altindischen überwiegt wieder
der adjektivische Gebrauch, z. B. trih $a$tir marütah die drei-
mal sechzig Marut; $astih fata sechzig Hunderte; navatir nava
sahasra neun und neunzig Tausende; bhindt pürö navalim er
brach neunzig Burgen RV. 1, 130, 7; $asfim sahdsrä sechzig
Tausend; $astya haribhih mit sechzig Falben; navati vajaıh
mit tausend Kräften u. ähnl. Einmal steht navatim adjektivisch _
neben einem Gen. Plur. Denn RV. 1, 121, 13 präsya pärdm
navatim nävyänam kann doch nur heissen: fortschleudernd zum
jenseitigen Ufer der neunzig Ströme. (Regelrecht navatim
nävya dnu 1, 80, 8.) Von substantivischem Gebrauch weiss ich
aus RV. nur die seltsame Wendung navatir ndva 1, 84, 13,
nava navatih 4, 26, 3 anzuführen. Es sollte bedeuten ‘neun
$ 228.) Kap. XHL Die Zahlen von 20—90. 531
Neunzigschaften’, hat aber augenscheinlich die Bedeutung “neun
und neunzig”.
Neubildungen finden wir im Grermanischen, Litauischen
und Slavischen. Das Gotische (nur dieses soll hier berück-
sıichtigt werden) ersetzt die Zahlwörter von 20—60 durch den
Ausdruck “zwei, drei u. s. w., Dekaden’, wobei Dekade tigus
(Mask.) heisst, z. B. Dans Prins tiguns silubrinatze die dreissig
Silberlinge Matth. 27, 3; Amf tiguns jere funfzig Jahre Joh.
8, 57; miß tvaım tıgum Pusundjo mit zwanzigtausend Luk. 14, 31;
ni mins saths tigum jere nicht weniger als sechzig Jahre 1 Tim.
5, 9. Also ist auch ın Jah silba vas Iesus sve jere Prije tigive
und selbst war Jesus dreissig Jahre alt Luk. 3, 23 der Gen.
jere von dem Gen. Prije tigive abhängig. Die übrigen drei
Zahlwörter stduntehund, ahtautehund, niuntehund haben die
vielumstrittene Bildung mit tehund oder hund. Sie sind singu-
larisch, wie #» niuntehundis Jah niune garaihtatze um neun und
neunzig Gerechter willen Luk. 15, 7 beweist. Doch erscheinen
sie ausser an dieser Stelle flexionslos, z. B. bileipid Po niunte-
hund jah niun lässt die neun und neunzig Luk. 15, 4; soAR Pan
viduvo jere ahtautehund jah fidvor diese Wittwe von vier und
achtzig Jahren Luk. 2, 37. Im isolierten Gebrauch liegen sie
nur im Akk. vor, wo sie flexionslos sind, z. B. anbarans sibunte-
hund Luk. 10,1. Im Litauischen sagte man wie im Ger-
manischen zwei Zehner u. s. w., also ursprünglich jedenfalls
dvi deszimti, trys deszimtys u. s. w. Diese beiden Wörter wur-
den (wie im Gotischen) dekliniert und der gezählte Gegenstand
trat im Gen. dazu, z. B. keturüsa deschimtissa metu in vierzig
Jahren (Bezzenberger a. a. O. 181). “Diese im Alit. vorfind-
liche und dialektisch noch heute vorhandene Ausdrucksweise
erfuhr Wandel, indem der Einer mit dem Dekadenwort zu-
sammenschmolz, wobei sich im ersten Glied die Akkusativform
verallgemeinerte und im zweiten theils -deszimts starr wurde,
theils (im Schriftlitauischen) von dvi-deszimt 20 die Form
-deszimt eindrang, also theils tris-deszimts kötures-deszimtsu.s. w.,
theils {ris-deszimt u. s. w.” (Brugmann 2, 500). Im älteren
Litauisch finden sich noch andere Umwandlungen. So entsteht
34*
532 Kap. XIII. Hundert und Tausend. [$ 228— 229.
z. B. aus dem Dual dvi deszimti ein singularısches Kollektivum
(wie ai. viSati), z. B. in po dwideschimties metu nach zwanzig
Jahren. Daraus wieder löste sich ein döszimtis los, welches
dann natürlich singularısch flektiert wurde, während der Einer
seinen natürlichen Numerus behielt, z. B. esch buwau ketury
deschimties matu ich war vierzig Jahre alt. Im Slavischen
herrscht dasselbe Prinzip. Man sagt also aksl. düva deseti
zwanzig, iri deseti 30, cetyre desete (oder -t) vierzig. Da die
Einer von 5 an Substantiva sind, so trıtt zu ihnen natürlich
der Gen. von deseti, also 50 heisst ppfi desetü revräs dexdöwv.
Nur selten werden die beiden Bestandtheile zu einem Worte
vereinigt, z. B. osmi Ai tridesetimi triginta octo. Zu dem so
entstandenen Zahlwort tritt der gezählte Gegenstand im Gen.
Plur. z. B. po cetyrechü desetechü din! nach vierzig Tagen
(Miklosich 4, 482).
$ 229. Hundert und Tausend.
Die Wörter für hundert und tausend sind neutrale Sub-
stantiva.. Im Arischen, wo sie Satam satem, sahäsram ha-
zarrem lauten, kommen sie natürlıch oft isoliert vor, worüber
man sich, soweit es das Altindische betrifft, aus Grassmann’s
Wörterbuch bequem unterrichtet. Ich führe beispielshalber an:
ut t6 katun maghavann üc ca bhüyasa ut sahasrad rirıce krstisu
$ravah dein Ruhm, o Herr, übertrifft hundert und noch mehr,
er übertrifft tausend unter den Menschen RV. 1, 102, 7. (Auf
einen eigenthümlichen Gebrauch des Instr. plur. ist schon
hingewiesen worden, z. B. ya märöya pasca vazenti xz$vaS satürs
hazarrrem ca welche in meinem Gefolge fahren zu Sechshun-
derten und Tausend yt. 5, 95, ebenso hazapräıs zu Tausenden
vd.13,51. Auch $afäis scheint im Veda so vorzukommen, vgl.
8.238.) Das Gezählte tritt in den Gen., und zwar fast durchaus
des Plur., z. B. Satam gönäm hundert Kühe; satem kayadanam
hundert Irrlehrer yt. 10, 2; sahasram samaSiram tausend Misch-
tränke; hazarrem gavam tausend Kühe yt. 9, 3; Satdsya nrnam
von hundert Männern; Sata gavam Hunderte von Kühen; sa-
hasräni gäavam Tausende von Kühen; gavam sahäsräih mit Tau-
senden von Kühen. Gelegentlich kommt auch der kollektiv
$ 229.) Kap. XUI. Hundert und Tausend. 533
gebrauchte Singular des Gezählten vor, so dve Sate göh zwei-
hundert Kühe (vgl. S.154). Statt des Gen. kann auch ein ab-
geleitetes Adjektiv erscheinen, z. B. $atäm gäavyam oder dSoyam
hundert Rinder, Rosse; ebenso bei sahäsram: sahäsra gavyanı
und gäoyebhir aßoyaih sahäsrebhih (RV. 8, 73, 15). Sehr häufig
stehen unsere Wörter auch adjektivisch (das Gezählte im
Plural), und zwar: a) In der Nom.-Akk.-Form. Das Gezählte
steht gewöhnlich ebenfalls in diesem Kasus, aber doch auch im
Instr. oder Gen. Beispiele sind: $atam bhisajah hundert Ärzte,
$urddah Herbste, utayah Hilfen, aha Tage, histenti yazatärhö
satemca hazarremca es stehen die Verehrungswürdigen da,
hundert und tausend yt. 6, 1, wobei indes die Zahlwörter, als
“ epexegetisch stehend, auch als Substantiva empfunden sein
können, wie oft auch im Altindischen; sahasram utayah tau-
send Hilfen, Aharayah Falben, stötarah Lobpreiser, bhogaja
Heilmittel. Für den Akkusativ: $atam himäs hundert Winter,
dSvan Rosse, radhäsi Vorräthe, sahäsram viran tausend Männer,
radhäsi u. s. w., hazarrem aspä (Akk. plur.) bavaiti er bringt
es auf tausend Rosse yt. 18, 5. Für den Instrumentalis: Satdm
cak$ano ak$abhih mit hundert Augen schauend RV. 1, 128, 3,
rathebhih Wagen, utibhih Hilfen u. s. w.; sahasram pathibhrh
auf tausend Pfaden, ztibhrh mit tausend Hilfen, pitrbhih Vätern
u. s. w. Für den Genitiv: hazarrem narqm taocma einen Stamm
von tausend Männern vd. 2, 30. Das Zahlwort kann auch im
Plural stehen, z. B. tvam Satany dva Sämbarasya pürö Jaghanthä-
pratini däsyöh du hast vielhundert Burgen des S. niedergelegt,
die unwiderstehlichen des Feindes RV. 6, 31, A (wobei
das Adjektivum auf das Zahlwort, nicht auf das Gezählte
bezogen ist); sahasra dasyun, ddhiratha vieltausend Feinde,
Wagenlasten; $a$ftim sahdsra vasüni sechzigtausend Grüter
RV. 9, 97, 531). b) So, dass das Zahlwort denselben Kasus
annimmt wie das Gezählte. Dabei ist das Regelmässige, dass
das Zahlwort im Singular steht, z. B. $atena harıbhih mit
1) Ich habe mich in dieser Darstellung für den zweiten Theil der
SF. 5, 82 aufgestellten Alternative entschieden, und zwar wegen der letzt-
erwähnten Stelle.
534 Kap. XIII. Hundert und Tausend. [& 229.
hundert Falben, abAistfibhih Hilfen, und so stets ın der Prosa.
Es kommt aber doch auch vor, dass das Zahlwort ım Plural
steht, so: @ tü na indra Sqsaya gösu abvegu bubhrigu sahäsrosu
turimagha lass uns, o mächtiger Indra, hoffen auf Rinder,
Rosse, schmucke, tausende RV. 1, 29, 1. Doch ist wieder die
Stellung zu bemerken, wodurch das Wort fast wie ein Sub-
stantivum erscheint. Ä
Endlich ist zu erwähnen, dass im Altindischen das G
zählte neben den adjektivisch gebrauchten $atam und sahdsram
auch im Singular stehen kann, z. B. mahe cand team adrivah
pärä Sulkaya deyam, nd sahdsräya nayuläya nd Sataya auch
für grosses Gut würde ich dich nicht hingeben, o Indra, nicht
für tausend, nicht für zehntausend, nicht für hundert (Güter)
RV. 8, 1, 5. Doch können die Zahlwörter hier auch sub-
stantivisch aufgefasst werden. Dagegen sind sie sicher adjek-
tivisch, z. B. räye sahäsräya zu tausend Gütern 1,116,9; niditam
sahdsrad yupad amuficah den gebundenen löstest du von tau-
send Pfählen 5, 2,7; sahdsram 8, 34,16 braucht nicht nothwendig
mit paSim verbunden zu werden.
Was die übrigen Sprachen betrifft, so ist das Wort für 10U
im Griechischen und Italischen erstarrt und adjektivisch, im
Germanischen, Litauischen und Slavischen dagegen noch ein
bewegliches Subst., welches das Gezählte im Gen. neben sich
hat. Im Gotischen ist das Wort für 100 im Singular durch
tarhuntehund ersetzt, ım Plur. kunda aber noch vorhanden.
Hinsichtlich des Litauischen ist noch zu bemerken, dass im
älteren Lit. sziratas, wenn es dualisch oder pluralisch gebraucht
ıst, sowohl deklinabel als indeklinabel verwendet werden kann,
2. B. anıs scheschi schimts viry die sechshundert Männer, aber
keturius schimtus olektuy tilgumg vierhundert Ellen lang (Bezzen-
berger 182).
Ein gemeinsames Wort für 1000 ist meiner Ansicht nach
nicht vorhanden. Denn dem bereits behandelten arischen Worte
entspricht nur das griechische. Doch ist im Griechischen nicht
mehr das Subst., sondern nur noch ein abgeleitetes Ad). (yÜtot)
übrig. Die Adjektivform scheint gewählt worden zu sein
$& 229.] Kap. XIV. Die Adverbia. 535
im Anschluss an ötaxdaroı u. s. w. Im Lateinischen ist mzille
(das ich von den übrigen Wörtern für tausend trenne) meist
adjektivisch, milia fast durchweg substantivisch. Man spricht
eben eher von mehreren “Tausendschaften’, als von einer. Im
Gotischen, wo nur die Pluralform Pusundjos (einmal Busundja)
erhalten ist, im Lit. (fükstantis oder auch tukstant), im Slav.
(aksl. iysesta) steht das Gezählte stets im Gen. Hinsichtlich
des älteren Litauisch ist noch zu bemerken, dass die Tausende
auch mit dem Singular von tikstantis gebildet erscheinen, z.B.
defchimti tukstant; zehntausend.
Endlich die Hunderte. Sie wurden im Indogermanischen
jedenfalls so gebildet, wie es im Arischen, Germanischen, Li-
tauischen und Slavischen geschieht, z. B. ai. dve $ate 100, trini
$atäni 300 u.s. w. Schwierigkeiten machen gr. dıaxdaror, lat.
ducenti u.s. w. Vgl. darüber Brugmann 2, 503.
Kapitel XIV. Die Adverbia.
Der in diesem Kapitel vorzulegende Stoff gliedert sich
naturgemäss in drei Abschnitte. In dem ersten ist über den
Begriff des Adverbiums, also insbesondere der “Erstarrung’, zu
handeln. Dabei ist zu scheiden zwischen Substantiven und
Adjektiven, welche zwar eine grosse Strecke des Weges zu-
sammen gehen, aber doch auch ein jedes besondere Eigen-
thümlichkeiten haben. Bei den Substantiven habe ich eine
Übersicht über einige hauptsächlich bei der Adverbbildung in
betracht kommende Begriffe gegeben.
Den zweiten Abschnitt bildet die Übersicht nach den
Kasus. Die Kasus werden, wie schon früher, in der Reihen-
folge Abl., Lok., Instr., Dat., Gen., Akk., Nom. vorgeführt.
Innerhalb des einzelnen Kasus ist die Anordnung je nach der
Lage der Dinge eingerichtet. Überall sind die Genera und
Numeri einerseits, die Wortarten andererseits nach Möglichkeit
536 Kap. XIV. I. Allgemeines über das Adverbium. "8 230.
auseinandergehalten. Da ich in der etymologischen Deutung
der Adverbia zurückhaltend gewesen bin, bleiben eine Anzahl
wichtiger Typen übrig, welche ich einem bestimmten Kasus
nicht zuweisen mochte. Über sie ist am Schluss dieses Ab-
schnittes gehandelt worden. Doeh sind dabei nur die Typen
besprochen. Von einzelnen Merkwürdigkeiten habe ich nicht
wenige absichtlich unerörtert gelassen.
Den dritten Abschnitt bilden die (in Asien nicht vorhan-
denen) Adverbia, welche aus einer Präposition und einem Kasus
zusammengesetzt sind.
I.
Allgemeines über das Adverbium.
$ 230. Umgrenzung des Gebietes.
Ein in vielen Jahrhunderten langsam herangewachsenes,
aus gar verschiedenen Bestandtheilen zusammengesetztes Ge-
bilde, wie es das indogermanische Adverbium ist, lässt sich
nicht definieren, sondern nur, so gut es eben gehen will, ın
seiner Entwicklung verfolgen und beschreiben. Ebenso wenig
wie eine scharfe Definition ist eine genaue Abgrenzung gegen
das Gebiet der Präpositionen einerseits und der sog. Partikeln
andererseits möglich. Ich muss deshalb den Leser bitten, dort
zu suchen, was er hier vermisst. Aber auch innerhalb des
Gebietes der Adverbia, wie ich es verstehe, wird vieles fehlen.
Zunächst infolge meiner mangelhaften Bekanntschaft mit den
Thatsachen. So will ich namentlich erwähnen, dass auf dem
slavischen Gebiete noch ein ungeheurer Stoff vorliegt, den ich
nicht benutzt habe, weil ich die Bearbeitung durch Kenner
abwarten wolltee Dann aber habe ich auch einiges absichtlich
ausgeschlossen. Dahin gehören die zahlreichen mit nicht er-
kennbaren oder seltenen Suffixen gebildeten Wörter, welche
Orts- oder Zeitbegriffe ausdrücken, z. B. ai. tha hier; Ahyas, gr.
yd&s; ai. Svds, lat. cras, oder die Art der Handlung in anderer
Weise bestimmen, z. B. aı. it, lat. «ta. Diesen Wörtern, welche
z. th. zu unserem ältesten Bestande gehören, würde durch
$ 230.) Kap. XIV. I. Umgrenzung des Gebietes der Adverbia. 537
eine syntaktische Erörterung vielleicht noch manches abzuge-
winnen sein. Ich habe sie nur hier erwähnt, weil sie als
Vorbilder für die später entstandenen Adverbia von Wichtig-
keit geworden sind. Ferner habe ich ausgeschlossen die grosse
Masse von Wörtern, welche deutlich mit kasusähnlichen Suf-
fixen gebildet sind, die bei den Pronomina und Zahlwörtern
ihren eigentlichen Sitz hatten, aber nicht selten auch auf das
nominale Gebiet sich ausgedehnt haben. Ich meine die Suf-
fixe ai. as (lat. Zus), ai. $as (griech. xas), ai. tra, dha, da,
thä u. a., über welche (soweit es das Altindische betrifft) Whitney,
Gr. $ 1097 ff. und SF. 5, 197 ff. zu vergleichen sind. Ferner
aus dem Griechischen dev (worüber u. a. Brugmann 2, 596 ge-
sprochen hat), dt, xıs, ıxa, ts und viele andere. Eine zu-
sammenfassende Behandlung dieser auch in anderen Sprachen
vielfach vertretenen Wortgruppe, für die mancherlei etymo-
logische Vorarbeiten vorliegen, wäre gewiss wünschenswerth.
Somit bleiben für mich zur Behandlung diejenigen Adverbia
übrig, welche aus den gewöhnlichen Kasus (Abl., Lok., Instr.,
Dat., Gen., Akk., Nom.) der Substantiva, Adjektiva, Prono-
mina, Zahlwörter entstanden sind. Dabei ist nun zunächst
eine Schwierigkeit zu überwinden. Gerade die Adverbia,
aus deren Bedeutung ja wenig für ihren Ursprung zu folgern
ist, sind von modernen Lautforschern zum Gegenstand ver-
wegener Kombinationen gemacht worden. So erklärt z. B.
Hirt in dem die Idg. Forsch. eröffnenden Aufsatz das ai. ndk-
tam nachts für einen Instrumentalis, nicht, wie die gemeine
Grammatik es thut, für einen Akkusativ, und ebenso Formen
wie prataram (vgl. S. 18 und 20). Denn er hegt die Ver-
muthung, dass es im Indogermanischen einen Instr. Sing. auf
gegeben habe. Derselbe Gelehrte hält es für wahrscheinlich,
dass rod, drov, od, autod, Örbod, rAod, Ayyxod, 6od, oböanod Lio-
kative seien, welche mit den slavischen wie vrücku identisch
sind. Das ou soll also ein echter Diphthong sein und ein
Lokativsufix « enthalten, welches Bartholomae nachgewiesen
habe /30). Eine andere Art von Lokativen (?-los und durch
Dehnung des o entstanden) soll in dvw, xdtw, Eu, Eow, Elcw,
538 Kap. XIV. I. Begriff der Erstarrung. [$ 230— 231.
rpdow, TÖppw, Ortaw, Ertsyspw, Evısyepw vorliegen (30. Ich
habe keiner dieser Vermuthungen Einfluss auf meine Dar-
stellung eingeräumt, weil ich sie alle für zu unsicher halte.
Ebenso stelle ich mich zu den morphologischen Studien des
gelehrten und scharfsinnigen K. F. Johansson und vielen an-
deren Arbeiten der neuesten Zeit. So bin ich denn freilich
gezwungen, vieles als unerklärt zu bezeichnen, was anderen
gedeutet zu sein scheint.
Adverbia aus Verbalformen werden später zur Besprechung
kommen.
$ 231. Begriff der Erstarrung.
Man ist darüber einig, dass die Adverbia erstarrte Kasus
sind. Es ist daher hier über den Begriff der Erstarrung zu
handeln. Dabei ist zunächst festzustellen, dass es eine Er-
starrung von Kasus giebt, welche nicht zum Adverbium führt.
Das ist auf dem Gebiete der Substantiva z. B. der Fall bei
Wörtern, welche Gewicht, Mass und Zahl bedeuten. In
Beziehung auf diese äussert sich Grimm 4, 285 so: “bei gewicht,
masz und zahl gebrauchen wir heute einen scheinbaren sg. für
den pl. selbst solcher subst., die ın anderen füllen ıhren pl. ge-
hörig bezeichnen. drei pfund, zwölf mark, zwei hand breit, sieben
fusz tief, drei schuh hoch, vier zoll breit, neun riesz oder buch
papier, zwei fasz bier, drei masz wein, acht [chritt lang, zwei
acker lang, zehn stein wolle, zwei eimer honig, zwanzig paar
Schuhe, hundert mann; die beiden letzten bleiben auch im gen.
und dat. unverändert: in ein paar tagen, ein haufen von hun-
dert mann. Von diesen formen urteile ich so. in einigen, wre
pfund, buch, fasz, masz hat sich der alte dem sg. gleiche pl.
neutr. bewahrt, in andern der alte pl. masc. (acker statt des
nhd. ücker), in man die mhd. anomale form. fusz und hand
wurden fehlerhaft in die nemliche analogie gebracht, mhd. findet
sich nur: drier hende breit, siben vüeze lanc Ms. 1, 98°, nicht
hand oder vuoz. wohl aber ist das unflectierte fem. marc [chon
in mhd. sprache hergebracht” u.s. w. Bei paar ist jedenfalls
auch die Analogie der Zahlwörter wirksam gewesen (vgl. auch
Brugmann in Curtius’ Studien 9, 266). Ein ganz ähnlicher
$ 231.) Kap. XIV. I. Begriff der Erstarrung. 539
Vorgang zeigt sich im Serbischen, wo die Begriffe der Zahl
und der Zeit, welche ja so häufig im Akkusativ erscheinen,
in diesem Kasus starr werden, z. B. bilo mu Je stotinu godina
er war hundert Jahr alt, osta mrtvi chiljadu Turaka tausend
Türken blieben tot, nije proslo ni nedelju dana es ist nicht
einmal eine Woche von Tagen vergangen (daneben: nie prosla
ni nedelja dana) vgl. Danıtdic 411 ff.
Aus dem Gebiete der Adjektiva gehört hierher der erstarrte
Nom. der prädikativ gebrauchten Adjektiva im Deutschen,
über den S.405ff. gehandelt worden ist. Gewöhnlich er-
scheint er in der kürzeren (ursprünglich neutralen) Form, aber
gelegentlich ist auch eine maskulinische Form erstarrt, z. B.
voller in der Baum ist voller Äpfel, aber auch die Strassen sind
voller Mensehen. Ebenso verhält es sich mit den Akkusativen
in sich satt essen, sich tot lachen, schwarz färben u. s. w.
Dieser Akk. streift allerdings nahe an das Adverbium und im
Litauischen und Slavischen kann man in diesem Sinne das
Adverbium gebrauchen, im Litauischen das auf a: (vgl. $ 258),
ım Slavischen das auf & (vgl. $ 242), aber es ist doch ein er-
heblicher Unterschied zwischen dem resultativen sıch tot lachen
und dem modalen laut lachen. In dem ersteren Ausdruck ist
auch für unsere jetzige Empfindung noch das vom Adjektivum
geblieben, ‘dass fo? auf die Person und nicht auf das Verbum
bezogen wird, während wir Zaut als Attrıbut der Verbalhand-
lung empfinden.
Einen nahe an diese Akkusative streifenden resultativen
Sınn hat die altındische sowohl an Substantiven als an Ad-
jektiven auftretende Form auf 2, welche vor kar und seltener
auch vor as und 5Aü erscheint. Aus dem bei Whitney, Gr.
$ 1093 zusammengebrachten Material ergiebt sich, dass diese
Formen auf ? noch nicht der ältesten, wohl aber der alten
Sprache angehören, namentlich der alten Prosa. Als Beispiele
von Substantiven mögen dienen: mujft kar die Hand ballen,
phali kar (zu Frucht machen) Körnerfrüchte reinputzen, mithunt
kar Paarung zu Stande bringen, mit as und dhü sich paaren,
sich begatten ; als Beispiel für Adjektiva Arurt kar wund machen,
540 Kap. XIV. I. Begriff der Erstarrung. '$ 231.
ftivri kar schärfen, verstärken, mit bhü heftiger werden zu-
nehmen, sv? kar sich aneignen, #43 kar vereinigen. Aus diesen
Anfängen hat sich dann für das klassische Sanskrit die Regel
entwickelt, welche Whitney so ausdrückt: “Jeder Substantiv-
oder Adjektivstamm kann mit Verbalformen oder Ableitungen
der Wurzeln Ar und dAü (auch von der Wurzel as wırd es
angegeben; solche Fälle sind jedoch, wenn sie vorkommen,
zum wenigsten ausserordentlich selten) nach der Art eines Ver-
balpräfixes verbunden werden. Wenn der Stammauslaut ein «-
oder :-Vokal ist, so wird er in ? verwandelt, ist er ein u-Vokal,
wird er zu %.” Unser Material reicht nicht aus, um die Ent-
stehung dieser auffälligen, offenbar dem Altindischen alleın
angehörigen Form mit Sicherheit festzustellen. Vermuthen lässt
sich Folgendes. Ein Ausgangspunkt ist zu suchen in mu$fi kar
die Hand ballen, was (wie Whitney andeutet und ich SF. 5, 97
als selbstverständlich angenommen habe) nichts anderes ist, als
der Dual von mu$ti Faust; musfi kurute heisst wohl eigentlich
“er macht sich beide Fäuste”. Wenn man aber versteht “er
macht seine beiden Hände zu Fäusten”, so kommt in mugfi ein
resultativer Sinn und mit diesem besonderen Sinne konnte die
Form fortzeugend wirken. Dazu ergiebt sich vielleicht ein
zweiter Ausgangspunkt in den Nominativen auf :, welche zu
Stämmen auf :n gehören. TB. 1, 2, 6, 7 findet sich udväasikarin,
das wir nach dem Kommentar durch ‘von Wohnungen leer
machend’ übersetzen. Ich möchte glauben, dass darin ein ud-
väsin steckt, das zwar nicht belegt, aber von Pänini überliefert
ist. Einer, der um seine Wohnung gebracht ist, würde ein
udvast krtdh sein.
Diese und ähnliche Erscheinungen, welche wohl eine gründ-
liche Erörterung verdienten (vgl. Brugmann, ein Problem der
homerischen Textkritik 119ff., Paul, Prinzipien? 194 ff.), haben
das gemeinsam, dass zwar Formen vorliegen, in denen die
Numeri, die Kasus u. s. w. nicht gehörig auseinander gehalten
werden, aber die Wortart ist dieselbe geblieben, die sie war.
Dagegen bei Adverbien wie zpdpasıv und angeblich, swwrij und
schweigend, ags. facne (eig. mit Bosheit, dann sehr) und pas,
$ 231—232.] Kap. X1V. I. Erstarrung bei Subst. und Adj. 541
oppido und ganz ist auf sehr verschiedenen Wegen eine neue
Wortart entstanden, bei der das Sprachgefühl weder Sub-
stantiv und Adjektiv, noch Genera, Numeri oder Kasus unter-
scheidet. Von dieser Art von Erstarrung ist nun im Folgenden
zu handeln.
Indem ich nun zunächst die Symptome der Eıstarrung
aufzähle, spreche ich zuerst von dem, was den beiden Wort-
arten (Subst. und Adj. auf nominalem und pronominalem Gebiet)
gemeinsam, dann von demjenigen, was einer jeden der beiden
Wortarten eigenthümlich ist.
$ 232. Erstarrung bei Substantiven und Adjek-
tiven.
Diejenigen Symptome der Erstarrung, welche bei Substan-
tiven und Adjektiven in gleicher Weise auftreten, dürften die
folgenden sein.
1. Abweichender Accent.
Das Adverbium trägt oft einen Accent, welcher von dem
der Kasusform abweicht. Über die Accentuation der Adverbia
im Altindischen sind wır, soweit der RV. und AV. ın betracht
kommen, unterrichtet (vgl. E. Thomson, Zur Accentuation des
Adverbes, Sonder-Abdruck aus dem Jahresbericht der Reformier-
ten Schule in Petersburg 1891). Weitere Belehrung hoffen wır
von der Fortsetzung der ausgezeichneten Aufsätze Reuter's in
KZ. 31. Der Stoff aus dem Griechischen wird ja wohl bei-
sammen sein. Dagegen fehlt es noch an einer zusammen-
fassenden, die mannigfaltigen Erscheinungen der einzelnen
Dialekte geschichtlich ordnenden Arbeit über das baltisch-
slavische Gebiet. Es ist unter diesen Umständen nicht zu
verwundern, dass wir mit der Erklärung noch in den Anfängen
stehen. Solche Anfänge sind namentlich gemacht worden von
L. v. Schröder, Die Accentgesetze der homerischen Nominal-
komposita dargestellt und mit denen des Veda verglichen,
KZ. 24, 101ff. und J. Schmidt, Festgruss an Böhtlingk (Stutt-
gart 1888) 100ff. Indem ich an dieser Stelle übergehe, was
sich über den Accent der Komposita und der mit Suffixen wie
tas, Sas u. s. w. gebildeten Formen sagen lässt, stelle ich nur
542 Kap. XIV. L Erstarrung bei Subst. und Ad). I$ 232.
die Frage, wie es mit dem Accent solcher Adverbia steht, die
aus gewöhnlichen Kasusformen der Adjektiva oder Substantiva
hervorgegangen sind. Bei dieser Fassung der Frage sind die
in anderer Beziehung merkwürdigen Formen wie ubhaya in
beiderlei Weise zu ubhäya, madhya dazwischen zu mddhya u.ähn!.
(Thomson 27) von geringerer Wichtigkeit, da sie ein zwar nicht
auf die Adverbia beschränktes, aber doch immerhin auffälliges
Kasussuffix haben. Auch die Formen wie @$uyä zeigen in ihrer
Bildung etwas Besonderes. Dagegen sind für uns von hohem
Interesse die Ablative adharad unten, von unten zu ddhara,
apäkad aus der Ferne zu dpäka, uttarad von links zu üftara,
sanäd von Alters her zu säna, amüd von Hause, aus der Nähe
zu dma (Thomson 37). Hier zeigt deutlich das Adverbium End-
betonung, das Adjektivum Anfangsbetonung, wie etwa griech.
erıLapeiüs neben Erılapelos. Einen sicheren Fall für das um-
gekehrte Verhültnis wüsste ich aus dem Altindischen nicht an-
zuführen. Wohl aber liegt er im Griech. vor in oxa neben
&xb;, Tdya neben tayüs u. s. w., wobei man freilich über die
Erklärung der Endung a noch streitet. Im Kleinrussischen,
dessen Accent von J. Verchratskij in Jagic’s Archiv 3, 381 fl.
behandelt worden ist, findet sich beides. Der genannte Ge-
lehrte sagt 406: “So wie die aus oxytonierten Adjektiven
gebildeten Adverbia den Accent immer zurück werfen, so betonen
die aus paroxytonierten Adj. gebildeten Adverbia die letzte
gorjace, döbrij gut hat dobre und dobrö, choröstj schön, hübsch,
— chörose, velikij gross — veliko, znacniy oder znaöni7 bedeutend
hat znaöno in der Bedeutung: bei weitem, bedeutend, z. B.
znäacno bilisi7 —= bedeutend grösser, doch zracnö in der Bedeu-
tung: man sieht es, es ist einleuchtend, natürlich, Arasnız
(seltener krasniy) schön hat krasno, seltener Arasno. Vom oxyto-
nierten Adj. Yyubjaznty liebevoll finde ich ein oxytoniertes Adver-
bium lyubjazno.” Dass eine Verschiedenheit zwischen der Kasus-
betonung und der Adverbialbetonung bei den Adjektiven schon
in der Ursprache vorhanden war, ist durch J. Schmidt’s Scharf-
sinn sehr wahrscheinlich gemacht worden. Wie sie sich aber
$ 232.] Kap. XIV. I. Erstarrung bei Subst. und Adj. 543
entwickelt habe, lässt sich kaum durch Vermuthung feststellen.
Ich möchte glauben, dass die oben genannten altindischen Adj.
ursprünglich in den casus obliqui oder doch einigen derselben
den Ton auf der Endung hatten!) und diesen in isoliertem
Gebrauch behielten, als er sich bei dem lebendigen Gebrauch
infolge der Ausgleichung mit dem Nominativ und Akkusativ
verlor. Nachdem sich so die Gewohnheit festgesetzt hatte, die
Adverbia anders als die lebendigen Kasuszu betonen, konnte sich,
wie mir scheint, die Zurückziehung des Accentes bei Adverbien
von oxytonierten Adjektiven entwickeln. Über den Accent der
Substantiv-Adverbia möchte ich nicht sprechen. Nur das will
ich bemerken, dass ai. diva keinen sichern Beleg für die
‘Zurückziehung’ des Accentes abgiebt, da die Paroxytonierung
auch die ursprüngliche Betonung sein kann, wie z. B. in gava
zu gö Rind, wo man an eine ‘adverbielle’ Zurückziehung wohl
nicht denken wird. Ich hätte deshalb SF. 5, 139 nicht von
einer “Veränderung”, sondern von einer “Verschiedenheit” des
Accentes reden sollen.
2. Veraltete oder unkenntlich gewordene Kasus-
formen.
Manche Adverbia zeigen Kasusformen, welche in dem
gewöhnlichen Paradigma nicht mehr auftreten. Dahin gehören
z. B. das attische &paoı rechtzeitig, ein alter Lok.; lat. partım,
das in adverbialem Zustande noch das alte « bewahrt hat;
unser heute aus hiu tagu, in dessen ex also noch der uns sonst
abhanden gekommene Instrumentalis eine Spur hinterlassen
hat; das slavische meZdu zwischen, das ein Lok. des Dualis
ist, die lat. Adverbia auf ed, welche Ablative zweiter Deklina-
tion sind, die ai. Ablative täd und yad und vieles der Art.
Ein Beispiel für das Unkenntlichwerden der Form ist
1) Auf diese Vermuthung führt auch der wechselnde Accent in upaka
und upäk4 nahe zusammengerückt, verbunden, benachbart (upak& in nächster
Nähe), däk$ina und dak$ind rechts (dak$ina zur rechten Seite). Denn dass
die Tonverschiedenheit erst von den Adverbien (bei denen sie aus uner-
mittelter Ursache entstanden war) zurückgewirkt hätte auf die lebendigen
Kasus, ist mir wenig wahrscheinlich.
544 Kap. XIV. I. Erstarrung bei Subst. und Adj. '$ 232.
unser je, in dem niemand mehr den Akkusativ zu einem Worte
für ‘Zeit’ vermuthen würde, dessen Nominativ im Gotischen
atvs lautet. Ebenso verhält es sich mit den Formen auf yn
ım Litauischen, z. B. senyr eiti älter werden. Sie sind Datıve
abstrakter Substantiva, die aber die Endung verloren haben,
ein Verlust, der natürlich damit zusammenhängt, dass diese
Formen als isolierte des Schutzes entbehrten, den die Assozia-
tion mit verwandten Formen jeder einzelnen gewährt.
3. Häufig sind die Kasus zwar regelmässig gebildet und
vollkommen kenntlich, aber isoliert, sei es, dass sie Reste
einer früher in mehr Exemplaren vertretenen Bildungsweise
sind, z. B. die Lokale oixor, p£ooı, doms u. 8. w., sei es, dass
sie innerhalb ihres Paradıgmas vereinzelt oder nahezu vereinzelt
sind, z. B. ai. prage früh, diyasa gerades Weges, gr. ravouöty,
lat. sponte, vicem u. 8. w.
4. Genus, Numerus und Kasus werden ın dem
Adverbium nicht mehr verspürt. Was das Genus be-
trifft, so folgen zwar natürlich die Adjektiva, welche mit den
Substantiven zusammen erstarrt sind, dem Geschlechte derselben,
2. B. domi meae, aber nach der Erstarrung löst sich der Kasus
von dem Geschlecht. So sagen wir des Nachts, obgleich Nacht
Femininum ist, und ähnlich ist es wohl aufzufassen, wenn man
ım Lateinischen /uci claro und sereno noctu sagt (vgl. S. 224).
Vollends bei den Adjektiven ist es klar, dass man von dem Ge-
schlechte nichts spürt, es also z. B. gleichgültig ist, dass -50ov neu-
trale, -ö7;v femininische Form trägt. In bezug auf den Numerus
denke man z. B. an domi zu Hause, was man gebraucht, gleich-
viel ob von einem oder von mehreren Häusern die Rede ist,
oder an ai. Sadnais, das Plural ist gegenüber unserem langsam,
das Singular ist u.s.w. Was die Kasus betrifft, so ist klar,
dass bei den Substantiv-Adverbien sich die Verschiedenheiten
der Kasus verwischen. So bedeuten z. B. der Akk. näktam,
der Instr. naktaya, der Lok. noctu, der Gen. nachts nichts weiter
als in der Nacht’, während ursprünglich durch den Akkusativ
ausgedrückt wurde, dass die Handlung den Zeitbegriff aus-
füllt, durch den Instr., dass der Zeitbegriff mit der Handlung
8 232—233.]) Kap. XIV. I. Adverb, Erstarrung von Substantiven. 545
dauernd verbunden ist, durch den Lok., dass er den Zeitpunkt
der Handlung darstellt, durch den Gen., dass der Zeitbegriff
irgendwie durch die Handlung berührt wird. Das gleiche
Konvergieren der Bedeutungen lässt sich bei den Adjektiv-
Adverbien beobachten. Ich führe an, was Jacob Grimm, Gramm.
3, 122 über das Germanische sagt: “Eigentlich sollen, wenn von
einem und demselben adj. verschiedene casus, allein oder mit
präpositionen, adverbial gesetzt werden, daraus auch verschiedene
bedeutungen erwachsen. Das ahd. /uzilo drückt parve, /uzil
parum und /uzilEem paulatım aus, das altn. sid sero, sidan
postea; das ahd. alles omnino, mit allü prorsus, allaz continuo;
das got. raihtis omnino, rathtaba recte; das mhd. /ite sonore
über lät palam; das altn. lengt diu, /dngt longe; das mhd. langes
diu, Zange longe. Oft bedeuten aber mehrere formen das-
selbe, z. B. das ahd. sumes was das goth. sumana; das altn. driu-
gum, driugan und driugt frequenter; das ahd. fer, ferro und
ferron prope; das ahd. anawertes und anawert;, Erist, az Erist
und az £ristin, das mhd. terhes, entwerhes und entwerh ganz
das nämliche. Das adverbialsurrogat Zihho, lice, liga ändert
in der regel den sinn nicht ab, z. B. das ags. singallice gilt
gleichviel mit singales, das altn. sidla und sidarla gleichviel
mit sid.” Man sieht, dass die Bedeutungsverschiedenheiten
zum bei weitem grössten Theile nicht solche sind, welche aus
der Grundbedeutung des Kasus mitgebracht, sondern solche,
welche im Kampfe um’s Dasein von der Adverbialform erworben
worden sind.
6 233. Erstarrungsvorgänge bei Substantiven.
Folgende Symptome der Erstarrung finden sich der Natur
der Sache nach nur bei Substantiven.
Während zu Substantiven Adjektiva oder abhängige Geni-
tive treten können, ist dies bei Adverbien im allgemeinen nicht
der Fall. Einige wenige feste Verbindungen von Adverbien
"mit Adjektiven, welche vorliegen, sind ganz oder doch in der
massgebenden Gestalt in die Zeit der Erstarrung mitgebracht
worden, z. B. lat. domi meae, tuae, suae, nostrae. Es ist ja sehr
wahrscheinlich, dass nicht jede dieser Wendungen aus der
Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm. Sprachen. I. 35
546 Kap. XIV. I. Adverb, Erstarrung von Substantiven. (8 233,
voradverbiellen Zeit stammt. Vielleicht ist doms tuae erst
später dem überlieferten doms meae nachgebildet, aber man
konnte dom: kein Adjektivum aus einem andern Anschauungs-
kreise, wie etwa norae oder magnae, zugesellen. Das Gleiche
lässt sich ım Deutschen beobachten. Wir sagen eines Mor-
gens, auch eines schönen Morgens, aber nicht mehr eines
feuchten Morgens u. s. w. Dabei empfinden wir schön kaum
mehr als Beschreibung der Beschaffenheit des Morgens, schönen
dünkt uns vielmehr so gut wie inhaltsleer zu sein (vgl.
Paul, Prinzipien? 154 ff). Einen Genitiv kann man im all-
gemeinen nicht mehr von einem Adverbium abhängig machen.
Man kann nicht patris doms oder ratpös oixor sagen, sondern
muss ın diesem Falle ıR domo, &v oıxw anwenden. Hier liegt
der Unterschied zwischen Adverbien und gewissen Präpositionen,
wie z. B. yapw. Wo die Verbindung mit einem Kasus usuell
ist, legt die Präposition vor, sonst das Adverbium. (Natürlich
können Adverbia so gut wie manche andere Wörter nachträglich
substantiviert werden. Dann scheinen sie als Neutra gebraucht
zu werden, 2. B. das Heute. Solche Adverbia können dann
auch mit Präpositionen verbunden werden, wobei sie aber
natürlich ihre Gestalt nicht verändern, z. B. eramusstm.)
2. Adverbia treten zu dem Verbum im allgemeinen, immer
abgesehen von dem Fall der nachträglichen Substantivierung,
nicht in dasselbe Verhältnis wie die Kasus. Nur bei gewissen
Gebieten der Kasus, und zwar wesentlich dem lokalen und
temporalen, ıst das der Fall. Ein ablativisches Adverbium
kann den Ausgangspunkt der Bewegung bezeichnen, z. B.
inde wie Romä, aber z. B. nicht den Gegenstand der Ver-
gleichung (major alıquo); ein lokalisches den Ort, z. B. Aie
wie domt, aber z. B. nicht den Gegenstand der Freude; ein
instrumentalisches die Ausdehnung über Raum und Zeit, z. B.
diu wie samvatsarena, auch die Begleitung, so dass man z.B.
bei orovög “mit Eifer’ an sich zweifeln kann, ob ein Instrumen-
talis oder ein Adverbium vorliegt, aber z. B. nicht das Mittel.
Ein dativisches kann gelegentlich die Zeit bezeichnen, z. B.
ai. aparibhyas für die Zukunft, aber z. B. nicht das indirekte
6 233—234.] Kap. XIV. I. Adverbia aus Zeitbegriffen. 547
Objekt; ein genitivisches den Ort und die Zeit, z. B. roö wo,
got. gistradagis morgen, aber nicht das Theilobjekt und kann
auch nicht von einem Nomen abhängig sein. Ein akkusativisches
Adv. kann das Ziel bezeichnen, z. B. foras, oder die Zeitdaur
bez. den Zeitpunkt, z. B. lit. sziaäder heute. Auch solche Ad-
verbia, die sich dem Akk. des Inhalts vergleichen, kommen
vor, z.B. ai. krtvas mal; aber es kann nicht Objekt sein. Mit
einem Worte: das Adverbium, welches ja zu einem Attribut
der Handlung sich entwickelt hat, kann in allen denjenigen
Beziehungen nicht gebraucht werden, die wir — aus Mangel
an einer besseren Bezeichnung — als rein grammatikalische
oder satzliche bezeichnen.
8234. Übersicht über die hauptsächlich zur Ad-
verbialbildung verwandten Substantive Zeitbe-
griffe.
In der folgenden Übersicht ist es selbstverständlich nicht
auf irgend eine Vollständigkeit abgesehen. Ich will nur zeigen,
welche Begriffe sich durchgängig am meisten zur Adverbbildung
eignen, und verfolge dabei zugleich den Gesichtspunkt, zu
zeigen, wie verschiedene Kasus auf verschiedenem Wege zu
demselben Ziele gelangen. Es ist mir praktisch erschienen,
den Stoff so zu gliedern, dass zuerst von den Zeitbegriffen,
dann von den Raumbegriffen, dann von den übrigen gesprochen
wird. Ich führe zunächst die Zeitbegriffe hinter einander auf.
Bei Tage. Da es sich um die Ausdehnung über einen
längeren Zeitraum handelt, so hätte man den Instr., Akk. oder
auch Gen. zu erwarten. Der Instr. liegt in den slavischen
Sprachen vor, z. B. russ. dnemü bei Tage. Ein Instr. mit ad-
verbialem Accent ıst ai. dıva bei Tage, dem das lat. dıu zu ent-
sprechen scheint, nur dass es von noctu ein u angenommen hat,
wie das aksl. diniyq bei Tage seinen Ausgang von nostiyq bei
Nacht erhalten hat. Deu heisst also eigentlich ‘den Tag hindurch’,
dann “lange Zeit’. In den übrigen Sprachen finden sich nicht
gerade Adverbien, aber doch feste Formen oder Verbindungen,
z. B. hu£pas, xard püc, bei tage. Wenn nicht der Tag als die
35*
548 Kap. XIV. I. Adrverbia aus Zeitbegriffen. [$ 24.
helle Zeit im Gegensatz zur Nacht, sondern ein wiederkehrender
Zeitabschnitt gemeint ist, so ist natürlich auch der Lok. am
Platze, z. B. im ai. dydvi-dyavı Tag für Tag.
Früh. Insofern der Zeitpunkt des Tagesanbruchs gemeint
ıst, würde der Lokalis der natürliche Kasus sein. Den Lok.
finden wir denn auch z. B. im ai. prage (vgl. S. 544), ferner ın
u$dsi, welches Grassmann adverbiell nennt, wahrscheinlich weil
es Adverbien parallel geht, z. B. yds tva dosa ya usasi praßgsät
wer dich am Abend, wer dich bei Tagesanbruch preist RV. 4,
2,8. Ein völlig erstarrter Lok. desselben Stammes, der dem
ai. usas zu Grunde liegt, ist fpı.. Derselbe Kasus ist /uct,
vielleicht auch mani, mane.e. Ein Genitiv ist z. B. hoüs,
das man, wie $. 357 bemerkt wurde, adverbial nennen kann,
weil es stets ohne Adjektivum erscheint, wie unser morgens.
Ein Instrumental kann insofern am Platze sein, als man auch
sagen kann: etwas mit der ersten Dämmerung thun, äpa rü Ew.
Ein solcher liegt im serbischen zorom eig. “mit dem Morgen-
roth’, vielleicht auch in diluculo vor. Ein Akkusativ dürfte
lit. anksti sein, auch unser früh. Ob rpwt Lok. ist, lasse ich
unentschieden. Ein besonderes Suffix hat ai. prätar.
Abends. Wir finden Adverbia von der Form des Akku-
gativs, z. B. ai. säydm, im festen Gegensatze zu prätär, mit
dem es auch zu einem Dvandva säydmprätar morgens und
abends verbunden wird; des Instrumentalis, z. B. ai. döfa, russ.
veceromü und vecerkomü (das letztere völlig erstarrt). Lokalıs
ist z. B. vesperi. Der Genitiv findet sich in &or&pas und dem
ziemlich isolierten del\ns, unserem abends.
Bei Nacht. Wir haben, worauf schon oben hingewiesen
wurde, in gleich gewordener Bedeutung den Akk. ai. naktam;
den Instr. aksl. nosfiyg und dem entsprechend in anderen sla-
vischen Sprachen, ai. naktaya mit adverbialem Accent; den
Lok. noctu; den Gen. nachts, dessen von tages herübergenom-
menes s der Form adverbialen Charakter verleiht, den man
dem griech. voxtds nicht oder kaum zusprechen kann (höch-
stens weil es, so viel ich sehe, mit Adj. nicht verbunden wird).
Zweifelhaft bleibt die Bildung von roz, vöxa und vuxtwp (über
$ 234.) Kap. XIV. I. Adverbis aus Zeitbegriffen. 549
das Joh. Schmidt, Pluralb. 212 eine Vermuthung vorträgt).
Merkwürdig ist der Gebrauch des Ablativs asnaapca z3afnaapca
yt. 5, 15.
Heute. Ai. adya ist nicht sicher zu deuten, doch liegt
der Verdacht sehr nahe, dass in a das Pronomen ‘dieser’, in
dya das Wort “Tag’ stecken möge. So mag es sich auch mit
hodie verhalten, über das die Akten noch nicht geschlossen
sind. In den übrigen Wörtern ist die Zusammenfügung von
‘dieser’ und “Tag” deutlich, so in dem griech. onpepov, TApepov,
hinsichtlich dessen man G. Meyer, albanesische Studien III, 52
(Wien 1892, Sitzungsberichte der Akad., Band 75) vergleiche,
ın dem deutschen instrumentalischen heute, in dem akkusa-
tivischen lit. sziafden, aksl. dintsi (serb. danas, russ. dnest),
wobei si der starr gewordene Akk. mask. eines Pronomens ist.
Ein Gen. ist russ. segodnja.
Heint. Wie heute aus Au tagu, so ist das in Dialekten
noch gebräuchliche Aeınt aus ahd. mhd. Ainaht (einem Akk.)
hervorgegangen. Es wird, wie der Artikel in Grimm’s Wb.
zeigt, gebraucht von ‘dieser’ Nacht, d. h. derjenigen, in welcher
der Sprechende sich befindet, sodann von der eben vergangenen
Nacht und endlich auch von der gleich folgenden Nacht. Ob
in der Bedeutung ‘heute’, welche ebenfalls vorkommt, noch die
Zählung nach Nächten nachklingt, oder ob nur eine Verwech-
selung mit heute vorliegt, weiss ich nicht zu sagen. Am meisten
Bedürfnis scheint für die kurze Bezeichnung der eben ver-
gangenen Nacht vorzuliegen. Diesem wird im Deutschen noch
weiter genügt durch mhd. »ehten, mundartlich nächten, einem
Instr. (wobei ich mich über den Pluralis wundere; vgl. Brug-
mann 2, 638). Es bedeutet, wie man aus Grimm’s Wb. ersieht:
in vergangener Nacht, gestern abends, gestern. Auch mit dem
serb. nodas, russ. nocesi ist die eben vergangene Nacht gemeint.
Gestern. In der Urzeit war ein Wort für ‘gestern’ vor-
handen, das Fick nach seiner allerneuesten Bezeichnungsart
zhjes schreibt: ai. hyas, gr. yd&c (und daneben der Akk. plur.
des Adj. ydıla). Das Wort ist nicht sicher zu erklären, doch
darf man mit Wahrscheinlichkeit vermuthen, dass ein Pro-
550 Kap. XIV. L Adverbia aus Zeitbegriffen. [$ 234.
nominalstamm mit der Bedeutung ‘dieser zu Grunde liegt.
Der Form nach könnte es Lok. sein, wie Aeri. Der Begrifl
‘Tag’ wird dabei vorgeschwebt haben. Aus dieser Ableitung
würde sich auch die Beziehung auf den vorhergehenden, wie
auf den nächstfolgenden Tag erklären. Die letztere ist im
Altindischen bestritten, liegt aber deutlich im Grermanischen
vor, wo got. gistradagis morgen und ahd. &gester übermorgen
heisst {wobei freilich das @ auffallend ist. Im Germanischen,
über das man sich aus Kluge’s Artikel belehren möge, liegt
eine adjektivische Ableitung vor. Gestern (ahd. gästaron) ist
augenscheinlich ein Lok. oder Instr. plur. Ob dabei etwa ein
Wort wie ‘Stunde’ zu ergänzen ist, oder wie sonst der Plur.
zu erklären ist (der an den Plur. in nächten erinnert) wüsste
ich nicht zu sagen. In den baltisch-slavischen Sprachen hat
‘Abend’ den Stoff für ‘gestern’ geliefert, so im lit. Akk. väkar,
aksl. Gen. ricera, serb. Jucera, jJucer, Juce, russ. vcera. Es
zeigt seine adverbiale Natur schon durch die vom Accent her-
beigeführte Gestalt der ersten Silbe gegenüber aksl. vecerü
(vgl. Miklosich s. v.).
Vorgestern hat keine gemeinsame Bezeichnung aufzu-
weisen. Es lautet gr. zpwrv (scil. Aufpav), also “jüngst, was
es auch oft noch bedeutet. Dann hat es sich aber auch auf
die Bedeutung vorgestern spezialisiert; rpwı.a macht den Ein-
druck, als sei es nach ydıLa gebildet. Über nudius tertius ist
$ 261 gesprochen. Man vergleiche damit das russ. frefijago dnja.
Sonst erscheinen Zusammensetzungen mit gestern: ehegestern,
vorgestern, lit. üzvakar, serb. prekjyuce und preksinod, onoveceri
vorgestern Abend.
Morgen. Das altindische $v@s ist noch nicht erklärt und
es ist auch noch nicht gelungen, es mit cras, von dem man
es doch ungern trennt, kunstgemäss zu vereinigen. Die übrigen
Wörter knüpfen an den Begriff ‘Morgen’ wie gestern an den
Begriff "Abend’. Das griechische adpıov ist desselben Stammes
wie fpı. Über morgen s. den Artikel in Grimm’s Wb. Im
Litauischen finden wir den Lok. rytö, im Slavischen Formen
von utro “der Morgen’, aksl. den Lok. utre, serb. sjutra, sutra
$ 234.) Kap. XIV. I. Adverbia aus Zeitbegriffen. 551
‘vom Morgen an, am Morgen (vgl. s vecera Abends), russ. zavira
“nach dem Morgen’.
Übermorgen. Ausser unserem deutschen Wort ist mir
an einheitlichen Wörtern nur griech. Zvn eig. ‘jener Tag’, wenn
die Vermuthung von Solmsen, KZ. 31, 473 richtig ıst, lat. pe-
rendie und lit. poryt gegenwärtig.
Heuer. Über das ai. älfdmas (aifamah parjänyo vritimän
bhavisyati heuer wird Parjanya regenreich sein SB. 3, 3, 4, 11)
sagen Böhtlingk-Roth: “in der ersten Silbe ist das Pronomen
i oder & (vgl. &tad) enthalten, samas geht auf sama Jahr zurück,
die Endung entspricht der in anyedyus u. s. w.”. Unter dem
u.8.w. hat man an sadyds, hyäs, $ods zu denken. Im Grie-
chischen erscheint ein akkusativisches Kompositum aus ‘dieser’
und ‘Jahr’, nämlich ofites, rütes, welches nach dem Muster von
onpepov, trpepov gebildet sein dürfte, im Deutschen ein in-
strumentalisches: heuer. Im Lateinischen und Slavischen scheint
ein Wort für ‘heuer’ nicht vorhanden zu sein, doch sagt man
im Serbischen jesenas diesen Herbst, Zyetos diesen Sommer,
zımus diesen Winter. Im Litauischen erscheint der zusammen-
gesetzte Akk. szjmet dieses Jahr.
Im vorigen Jahre.!) Ausai. parut, was Pänini anführt,
gr. neporı, nepucı, altnord. farb, mhd. vert, armen. heru, altir.
ınn uraıd im vorigen Jahr, onn urid seit vorigem Jahr, lässt
sich ein idg. perut, peruti erschliessen. Dass in per das indische
para, lat. pero- (peregre, perendie) und in ut u.s. w. das Wort für
Jahr steckt, welches in ai. samvatsara und gr. feros vorliegt,
ist eine alte und einleuchtende Vermuthung. Mit dem ersten
Element hängt ferner lıt. pernai im vorigen Jahr zusammen
(vgl. neuerdings Kretschmer, KZ. 31, 353). Unbekannt ist die
Herkunft des in den slavischen Sprachen weit verbreiteten
Wortes, welches aksl. und serb. /ani, russ. loni heisst (vgl.
1) Bei den Namen der Jahreszeiten kommen erstarrte Kasus wohl
nur vereinzelt vor, so ai. vasdntä oder vasanta im Frühling, serb. zum: im
Winter, jet? im Sommer, Lokative ohne Präposition, ein Gebrauch, der im
Serbischen nur noch in einer ganz geringen Zahl von Fällen vorliegt (vgl.
Danitie S. 609).
552 Kap. XIV. I. Adverbia aus Zeitbegriffen. ($ 234.
Miklosich Wb. unter *olnı).. Das Lateinische braucht Um-
schreibungen. Noch ist aus dem Serbischen zu erwähnen pro-
ljetos im vorigen Frühling. — Pänını führt noch ein Wort an,
welches sich zu parut verhält, wie ‘vorgestern’ zu ‘gestern’,
nämlich parärs im drittletzten Jahre. Wir können darüber
nur sagen, dass der erste Bestandtheil derselbe zu sein scheint,
wie in parut. Dasselbe bedeutet serb. preklanı.
Von diesen Wörtern, die vom Standpunkt des Redenden
aus eine Zeitbezeichnung vornehmen, sind diejenigen zu son-
dern, bei welchen von einem anderen Zeitpunkt an gerechnet
wird, wie pridie am Tage vor einem anderen (der in der Rede
genannt wird oder sich sonst wie ergiebt), posiridie u. ähnl.,
die von her? und cras verschieden sind. So heisst im Russ.
nakanune am Abend vorher, aber vcera gestern, und ebenso
wird im Serbischen nach Wuk zwischen 3yutradan und sjyutra
unterschieden. Auch das ai. purvedyus würde ıch nicht durch
mit “tags zuvor’ und ‘gestern’, sondern nur durch “tags zuvor’
wiedergeben. Ein Beispiel ist: #pö va aspardhanta yas cemäh
pürvedyur vasativaryd grhyante yas ca prätar ekadhanäh die
Wasser stritten unter einander, sowohl die v., welche am Tage
vor dem Feste, als die e., welche am Morgen des Festes ge-
schöpft werden AB. 2, 20, 7. Eine Vermischung der beiden
Gruppen kann nur insofern eintreten, als ‘heute’, “morgen
u. 8. w. sozusagen objektiviert werden können. Ein Anfang
dazu liegt schon im RV. vor: adyadya Svah-Sva indra trasca
pare ca nah, riSva ca nö Jaritfn satpate dha diva naktam ca
raksıgah immer heute und immer morgen, o Indra, behüte uns
und in der Zukunft und unsere Beter wollest du beschützen
alle Tage hindurch bei Tag und bei Nacht 8, 61, 17. Die
iterativen Komposita adyüdya und $odh-Soah heissen eigentlich
‘jedesmal, wenn es für uns heute, und jedesmal, wenn es für
uns morgen ist. Dann kann man Sodh-Svah auch “an jedem
folgenden Tage’ übersetzen, z. B. $vah-Ivo bhüyan bharati er
wird von Tag zu Tag stärker TS. 1, 5, 9, 2. Auch das ein-
fache $ods kann man durch “am folgenden Tage’ übersetzen,
2. B. yö vai devatah pürvah parighrnäti sa enah $0ö bhute yajate
8 234—235.] Kap. XIV. I. Adverbia aus Ortsbegriffen. 553
wer die Gottheiten zuerst mit Beschlag belegt, der verehrt sie,
wenn (für ihn) das morgen entstanden ist TS. 1, 6, 7,1. Auch
kann $vds substantiviert werden: nd Svahlvam upäsita kö hi
manusyäasya 300 veda man denke nicht an Verschiebung, denn
wer kennt das morgen des Menschen SB. 2, 1, 3, 9. Die gleiche
Objektivierung tritt im Deutschen ein, wenn man z. B. sagt:
heute leiht er, morgen will er’s wieder haben. Der Redende ver-
setzt sich in die Lage des Handelnden oder an einer Handlung
Betheiligten, von dem er spricht.
8 235. Fortsetzung. Ortsbegriffe.
Unter den Ortsbegriffen fällt uns zunächst der Begriff
des Hauses in’s Auge. Wir haben in vielen unserer Sprachen
adverbiale Ausdrücke im Sinne unseres ‘zu Hause’ und ‘nach
Hause’, so gr. oixeı und otixoı, lat. domi, deutsch heime, heim, lit.
name, slav. doma, welches letztere, wenn es auch nicht Lok.
sein sollte, doch lokativischen Sinn hat. Im Altindischen zeigt
sich ein Wort von pronominaler Herkunft, nämlich ama (also
wohl ein alter Instr.) “daheim, zu Hause, bei sich. Das ‘nach
Hause’ lautet gr. olxaöe, olxdvös (weniger erstarrt ist der Akk.
von Ööyos), lat. domum, das nur wegen seiner Verwendung ohne
Präposition allenfalls erstarrt genannt werden kann, deutsch
heim, lit. namün oder namön (wobei r» Präposition ist), slav. im
Dativ domovi. Der Begriff ‘von Hause’ hat nicht so vielfältig
adverbialen Ausdruck gefunden, doch ist oixoßev und domo vor-
handen. An Haus mag man die Städtenamen anschliessen,
wie sie 2. B. im Lateinischen behandelt sind. Warum ist nun
wohl der Lok. domt, Romae u. ähnl. geblieben und warum
sagt man nicht :n domo, in Roma? Ein im Lok. stehender
Ortsbegriff vertrug und verlangte natürlich eine genauere Be-
schreibung durch Adjektiva und durch Präpositionen, welche
im Laufe der Zeit immer regelmässiger hinzugefügt wurden.
Bei domi und Romae aber ist eine genauere Beschreibung nicht
nöthig, denn es kommt nicht darauf an, ein Haus oder eine
Stadt mit ihren ın die Augen fallenden Eigenschaften zu be-
schreiben, sondern es soll nur eine Örtlichkeit insofern bezeich-
net werden, als sie Heimath oder Aufenthaltsort einer Person
554 Kap. XIV. I. Adverbia aus Ortsbegriffen. [$ 235—236.
ist. Für eine solche unanschauliche, gar nicht individualı-
sierende Bezeichnung blieb der Lok. ohne Adjektiv und Prä-
position übrig.
An das Daheim schliesst sich das Draussen, zunächst
Ableitungen des Wortes Thür im Griechischen und Lateini-
schen: döpnde, döpnoı, attisch Yöpası draussen, Vüpale heraus.
Wie sehr die Anschauung der Thür dabei verblasst ist, ergiebt
sich aus homerischen Stellen, wie: &x rövroro Büpale {nämlich
den Fisch ziehend) II 408; &x 8 apa ol npod ddpu yeilıvov @se
döüpase E 694. Im Lateinischen forts, foras, lit. Zauke draussen,
eig. im Felde, laükan hinaus. Auf andere Begriffe, wie Land,
Feld, Fremde, welche vereinzelte Adverbia geliefert haben, gehe
ich hier nicht näher ein, dagegen erwähne ich noch Erde, dessen
Adverbialbildungen dicht an die mit anderen Mitteln gebil-
deten Ausdrücke ‘unten’ und herah’ streifen (vgl. gr. yanai
yapaöız, yanase yanädev (wobei über die Betonung gestritten
werden kann), lat. humt, auch lett. /fem unter. Endlich Kreis:
gt. xuxAdse und etwa auch xuxdw, deutsch rings, russ. Arugomü
rings.
$ 236. Fortsetzung. Die übrigen Begriffe.
Die dritte Masse, diejenigen Formen umfassend, welche
die Art der Handlung oder auch die Art, in welcher der Han-
delnde erscheint angeben, gehört in eine Reihe mit den aus
Adjektivis gebildeten Adverbien, mit Partikeln und Präposi-
tionen. Ich führe aus der an sich unerschöpflichen Masse
Folgendes beispielshalber an: Dem Begriffe schnell entspre-
chen etwa ai. ünjasa $ 243, lat. numero eig. “nach Noten’,
deutsch Augs u. ähnl.; unserem kaum gr. onouöj, dvayaq,
deutsch nöti u. ähnl.; gern ai. kamam; eine zusammengehörige
Gruppe bilden ai. vra)am in Haufen, gr. ravavöly, ags. kedpum
haufenweise, lat. oppido ganz und gar $ 240, vulgo gewöhnlich,
ags. dropmalum tropfenweise, serb. mrrice ein bischen, lat. parttm,
unser theils u. ähnl.; umsonst bedeuten gr. dwrivnv, Tpotxa,
öwpeav, lat. gratis, russ. daromö; an die Multiplikativa der Zahl-
wörter rücken heran die mit ai. Artvas, mal, lit. syk, syki,
kaft (kaftgq) u. ähnl. gebildeten Ausdrücke; an Partikeln
8 236—237.] Kap. XIV. I. Erstarrung von Adjektivis. 555
erinnern ai. rupam nach Art, gr. d£pas, lat. instar und vicem, lat.
modo, die mit wetse gebildeten Komposita, wozu noch Bildungen
wie kreuzweis kommen, welches aus ?» Kreuzes Weise entstan-
den ist. Endlich zu Präpositionen sind yapıy, causa u. ähnl.
geworden. Auf die Entstehung dieser Bildungen haben jeden-
falls auch die gleichbedeutenden Adverbien, welche zu Ad-
jektivis und Pronominibus gehören, anregend gewirkt.
6 237. Erstarrungserscheinungen bei Adjektiven
als solchen.
Bei den adjektivischen Adverbien sind, wie man längst
bemerkt hat, zwei Typen zu unterscheiden. Entweder nämlich
kann das Adjektivum sich von dem Substantivum, zu dem es
in Kongruenz steht, frei machen (z. B. oyeötyv), oder das Ad-
jektivum kann substantiviert werden (z. B. p£ya). Im ersteren
Falle berührt sich die Lehre von dem Adverbium eng mit der
Lehre von der Ellipse, wo weiter darüber zu handeln sein wird.
Es ist richtig, dass man oft nicht in der Lage ist, das vor-
schwebende Substantivum mit einiger Wahrscheinlichkeit nam-
haft zu machen, z. B. bei den indischen Bildungen auf taram,
tamäm und im, den griechischen auf örv u. a., bei andern aber
gelingt die Auffindung eines solchen, z. B. bei raytornv, wobei
ja noch der Artikel tv die Ellipse anzeigt, bei oysötnv, weniger
deutlich bei &vrıßinv, bei lölg, xow7j u. ähnl., bei den altnordi-
schen Akk. mask. ($ 260). Öfter ist man im Zweifel, ob noch
eine elliptische Anwendung des Adjektivums oder bereits ein
Adverbium anzunehmen ist, und zwar tritt der Zweifel nicht
selten bei verschiedenen Exemplaren derselben Adverbialbildung
ein. So wird man z. B. geneigt sein, zu dem altnord. rö«
kropturligan kräftig rudern rödr Ruder, Ruderung zu ergänzen,
also Ellipse anzunehmen, während man zu dem gleichgebilde-
ten jafnan beständig ein Substantivum nicht zu ergänzen weiss.
Das ist natürlich, da ja die bei einem Worte entstandene Aus-
drucksweise sich auf andere fortpflanzt. Die völlige Emanzipation
tritt natürlich erst bei dem mittels Anlehnung gebildeten Worte
ein. Auf die ursprünglich elliptische Ausdrucksweise wird man,
556 Kap. XIV. II. Adverbia aus dem Ablativ. [$237— 238.
wenigstens dem Prinzip nach, die Adverbia mit maskulinischem
und femininischem Ausgang zurückzuführen haben.
Was den zweiten Typus, die Substantivierung, betrifft, so
ıst wohl klar, dass er von dem ersten wesentlich nicht ver-
schieden ist. Wir sprechen ja dann von Substantivierung, wenn
dem Sprechenden neben dem Adjektivum ein Substanzbegriff,
an dem es haftet, vorschwebt, z. B. der Weise. Ist nun dieser
Substanzbegriff kein individueller und deutlicher, sondern all-
gemein und verschwommen, also auch keinem ausgesprochenen
Geschlecht angehörig, so tritt das Adjektivum in die unge-
schlechtige Form. Diese Art des adjektivischen Ausdrucks er-
zeugte besonders viel Adverbia akkusativischer Form, z. B. 760
yeldw süss lachen, eig. “Süsses lachen”.
Wir haben oben gesehen, dass eine erstarrte Substantiv-
form auch zur Präposition werden kann, nämlich dann, wenn
sie nicht zu dem Verbum, sondern zu einem Nomen in die
nächste Sinnesbeziehung tritt, z. B. yapıv. Dasselbe kann sich
natürlich auch bei Adjektivadverbien ereignen, z. B. secundum.
Einen Übergang zu den Präpositionen bilden Wörter wie öpotwg,
&vavtiug, 2. B. &vavriug Eyeı TS owopovı 6 AxdAastos bei Plato.
Bei dem Substantivum ist oben ungefähr der Kreis der
Wörter umschrieben worden, innerhalb dessen Adverbia ent-
stehen. Für die Adjektiva möchte ich ein ähnliches Verzeichnis
nicht aufstellen, sondern Sammlungen innerhalb der Einzel-
sprachen abwarten.
II.
Übersicht nach den Kasus.
$ 238. Ablativ. Altindisch und Avestisch.
Unter dem Ablativ behandle ich ausser den arischen
Sprachen nur das Griechische und Lateinische. Doch will ich
hier noch bemerken, dass die gotischen Adverbia auf fro, näm-
lich Avaßro woher, Bapro daher, jainpro dorther, utapro von
aussen, #2naPro von innen, 3upapro von oben, dalapro von unten,
Jarrraßro von fern, aljabro anderswoher, allabro von allen
Seiten jedenfalls auch der Form nach Ablative sind.
$ 238.) Kap. XIV. I. Adverbie aus dem Ablativ. 557
Altindisch. Ablative von Substantiven werden in der
alten Sprache adverbial nicht verwendet. Denn die isolierten
Abl. äsad aus der Nähe und ärad aus der Ferne, welche Grass-
mann für substantivisch erklärt, können auch von Adjektiv-
stämmen abgeleitet werden. Später finden sich dalad gewaltsam
u. ähnl., eigentlich: “infolge von Gewalt’. Die merkwürdigen,
wesentlich dem Epos angehörigen Formen auf -säd, welche
Whitney $ 1108 anführt, z. B. bAasmasäd zu Asche im Epos
in Verbindung mit den Verben gam, yä, ni, kar, as, bhü, da-
syusad den Räubern zur Beute (l0%6 "yam dasyusäd bhavet diese
Welt würde den Räubern zur Beute werden), scheinen ur-
sprünglich den Stoff angegeben zu haben, aus dem etwas be-
reitet wird, also z. B. bhasmasäd aus Asche bestehend. Eine
ähnliche Wandlung hat das ablativische säksüd durchgemacht.
Es bedeutet eigentlich ‘von der Augengegend aus’, daher mit
‘sehen’ s.v. a. ‘mit eigenen Augen’ und mit Aar ‘sich vor
Augen führen, zu Gesicht bekommen’. Bei Adjektiven liegt
ebenfalls kein Abl. vor (cirad nach langer Zeit ist nachvedisch).
Das einzige Gebiet des Abl. ist also das der Pronomina
und pronominalen Adjektiva. Dahin gehören zunächst einige
Partikeln, die ich hier um der Formen auf w; willen erwähne,
nämlich das nur im RV. vorkommende äd darauf, dann, da,
tad infolge davon’ (ghrtäsya stöokam sakrd dhna aßnam täd
&oedam tätrpäna carami einen Tropfen Butter ass ich einmal
des Tages, infolge.davon bin ich jetzt noch satt RV. 10, 95, 16),
ferner ‘so, so weit’ einem y@d entsprechend: dreamasi vira yad
evd vidmäa tat tva mahäntam wir preisen dich, o Held, den
grossen, soweit als wir es verstehen RV. 6, 21, 6. Über die
Konjunktion yäd seit, soweit als, so lange als s. SF. 5, 584 und
324. Mit yäcchregta bestmöglich vergleicht sich “ws Be&Aroros
u. ähnl., eine Verbindung, welche wohl aus einem Satze (‘wie
es am besten ist‘) zu erklären sein mag. (Kadsmäd, tdsmäd,
yasmäd kommen ım Veda als Adverbia nicht vor. In der alten
Prosa heisst Adsmäd warum, das unendlich häufige fdsmäd
darum, deshalb, y@smäd warum in abhängigen Fragen, vgl. SF.
5, 584). Ferner sind vedisch eine Anzahl von Formen, welche
558 Kap. XIV. IL Adverbia aus dem Ablativ. [$ 238.
Richtungen im Raume oder Nähe und Ferne in Raum und
Zeit bezeichnen, theilweise mit adverbiellem Accent, so: utla-
räd von Norden her (zu üttara), adharad (zu ddhara) von unten
her und ‘unten’, letzteres: asau yd adharad grhäs tälra santo
aräyyah in jenem Haus, welches unten ist, sollen sich die Un-
holde aufhalten AV. 2, 14, 3. Neben nicad von unten ist eine
andere betonte Form desselben Stammes nicht überliefert. Ohne
Anlehnung an ein Adjektivum steht paScad von hinten, hinten,
hinterher, hintennach, hernach, später, zuletzt, in der späteren
Sprache auch ‘rückwärts. Wörter der Nähe und Ferne sind
amäd aus der Nähe (eig. ‘von diesem’ zu dma dieser), sad und
antıkad aus der Nähe, dürad und apakad aus der Ferne. In
aräd (woneben äre) aus der Ferne zeigt sich schon früh eine
starke Veränderung der Bedeutung ‘in die Ferne’: ärad visr$ta
i$avah patantu rak$asam fernhin (d. h. wirkungslos) sollen die
Pfeile der Unholde fliegen, wenn sie abgeschnellt sind AV.
2,3, 6. Von der Zeitferne ist verstanden sanad von alters her.
Merkwürdig ist die angebliche Verbindung mit yivan: indram
ajurydm jardyantam uk$itäm sanad yüvanam avase havämaheRV.2,
16,1, wo Böhtlingk-Roth ‘den ewig jungen’ übersetzen. Aber an
allen anderen Stellen wird sanad mit einem Verb. fin. oder Part.
verbunden, also gehört es wohl auch hier zu Aavämahe (wie zu
Juhomi 2,27,1). Dazu eine Reihe von Wörtern mit -tad (Whitney
$1100®), 2. B. arattäd aus der Ferne, uttarattäd von Norden her,
paScatäd von hinten, adhastad RV. und SB. ‘von unten her’, später
(bei Manu) auch ‘nach unten hin, in die Hölle’, parastad jenseits,
purasiäd vorn, bahistäd ausserhalb (auch als Präpositionen).!)
Schliesslich mache ich noch darauf aufmerksam, dass
keines der hier angeführten Wörter in dem Sinne adverbial
ıst, dass es die Qualität einer Handlung bezeichnete, dass viel-
mehr meist der ablativische Sinn noch deutlich ist. Derselbe
hat indes insofern mehrfach eine Änderung erfahren, als ein
Ruhezustand ausgedrückt wird, also nicht “von oben’, sondern
‘oben’ u.s.w. Der Übergang erklärt sich, wenn man sich
1) tävattäd scheint mir falsche Lesart zu sein (tävat-tävat ı. 1...
$238—239.] Kap. XIV. II. Adverbia aus dem Abl., auf x. 559
gegenwärtig hält, dass eine von einer Stelle ausgehende Be-
wegung ohne grössere Veränderung des Gesammtsinnes der
Aussage auch als an einer bestimmten Stelle sich vollziehend
gedacht werden kann. So kommt es praktisch ziemlich auf
dasselbe hinaus, ob man sagt ‘das Licht scheint von oben’ oder
“es scheint oben‘.
Die Sprache des Avesta zeigt (wenn ich nichts übersehen
habe) nur Ablative von pronominalen Adjektiven: paurvanagmap
von vorn her, vorn, ntstaranagmap von aussen her, antara-
nagmap innerhalb (auch antarap nagmäap), upaırinagmap (wenn
es als ein Wort zu lesen ist) von oben her, oberhalb, adap
nachher, von dort, paskaß nachher, hinterher, uskäh hoch
(uskab yästayd einer Hochgeschürzten yt. 5,64). Beachtenswerth
ist die lokale Bedeutung von uskapß, mit dem man lat. alted
(bei Ennius) vergleiche.
8239. Ablativ. Griechisch (die Formen auf oj,).
Im Griechischen giebt es ein vereinzeltes ablativisches Ad-
verbium in genitivischer Form, nämlich das homerische dAtyov
beinahe, womit man das gleichbedeutende ai. alpakad ver-
gleiche, über das SF. 5, 113 gehandelt ist. Sodann stelle ich
hierher die Formen auf wc. Ich weiss wohl, dass noch laut-
liche Bedenken bestehen, aber die Übereinstimmung des Ge-
brauches zwischen tad und tus, yad und ws scheint mir zwin-
gend. Die Vermittlungsstufen zwischen der ablativischen und
der modalen Bedeutung sind nicht überliefert. Ich vermuthe,
dass diese pronominalen Adverbia im Griechischen den Aus-
gangspunkt für die Entstehung der übrigen Adverbia auf ws
gebildet haben (man denke namentlich daran, wie nahe es lag,
auf nö; mit einem adjektivischen Adverbium auf w; zu ant-
worten), und stelle sie deshalb voran. Ich führe an: rws,
os und &s, rzös und rws, duüs und duws, aürws, AAlws, TAVTWs
und oötw; (nebst dem instrumentalen oörw).
twos kommt bei Homer zweimal bei einem Verbum vor,
nämlich xeivos Tws Aydpeve B 330, wc ÖE o Aneydnpw “cs vüv
Zxrayla olAnca I’ 415 (vgl. tad und yad im Ai.), und einmal
bei einem Adjektivum: tw; pev Env palaxds T 234. Auf die
560 Kap. XIV. II. Adverbia aus dem Ablativ, auf . [$ 239.
Entwicklung der Partikel w; einzugehen, ist hier nicht der
Ort. Dass &: mit yäad identisch sei, folgt aus der oben er-
wähnten gleichen Verwendung vor dem Superlativ, ferner lässt
sich nicht bezweifeln, dass aus derselben Quelle die Verwen-
dung von “sg im relativen Satzgefüge folgt. Ausser diesem a
gleich yad giebt es ein wahrscheinlich erst im Griechischen
entstandenes &;, welches sich zu 6 und & (in 7 8’ &;) so ver-
hält wie oörws zu oüros. Ferner nimmt man an, dass ein drittes
besonderes Wort in dem einzelne Begriffe vergleichenden a;
(z. B. deös 5) vorliege, welches aus *ofa< zu erklären sei. Ich
habe mir darüber keine entschiedene Ansicht gebildet. Über
die Präposition &; vgl. $ 300. rös und zus scheinen nur zu
Verben, nicht — wie tus — auch zu Adjekt. in Beziehung
zu treten. öu@s (dus) heisst ‘in gleicher Weise’, z. B. el xal
poipa rap Avepı tüde danzvar navras Öuws wenn allen das gleiche
Schicksal bevorsteht, von diesem Manne getötet zu werden
P 421, ot d& rpltw Tparı navres TAdov ping adrol Te rolsis xal
nwvoyes Innor A 707, &vvipap ev Öpiwg mÄdonev vöoxraz; Te xal
huap x 28, voxti 8 öuög nielsıv in gleicher Weise wie am Tage
o 34. Mit Dativ: &ydpös yap poı xeivos öpws Atdao möAgaıv & 156.
Damit ıdentisch ist das Wort, welches wir öuws schreiben, so:
Zaprndovrı 8 Ayos yevero I’Nauxou Arıdvros adriX nel T Evinaev‘
&uws 8 od Andero yapyıns gleichwohl, in gleicher Weise, näm-
lich, als ob Glaukos nicht weggegangen wäre M 392, vgl. X 563.
aötwc bedeutet ‘so wie etwas an sich selbst, seiner Natur nach
geschieht oder ist‘, z. B. eö vo xat Hpeis Töpev 8 toL xÄura Tedye’
Eyovrar' al ads &yltappov labv Tpwescı payıdı so wie du bist,
ohne Waffen 3 198. So auch öfter bei Adjektiven, z. B. A&Brra
Aeuxöv Er autos W 268 blank wie er von Natur war, wir könnten
sagen "noch ganz blank’. An anderen Stellen suchen wir an-
dere Umschreibungen, so z. B. oööE tı Epywv &urarov ouöE Bir,
aA aörwg Aydos Apoüprs geradezu u 379, 7 vb Tor adrwus odar
axougpey dort, voos d Andiwie xal aldıs hast du denn nur so
Ohren zum Hören, aber keinen Verstand O0 129. dA\wcs an-
ders, z. B. et rı nöpors kervnıov n: xal Aw; sonst) dolns dwrivrv
ı 267, napos 8 00x Zooetar AlAwms E 218, gs xal cool eldog yiv
8239.) Kap. XIV. II. Ablat. Adverbia, griech. we. 561
Apınpen&s, oböE ev AMlms oBde Bes Teükee und auf andere
\bessere) Weise würde es auch ein Gott nicht machen können
9 176. Dann auch “bei anderer Gelegenheit’: xal ö äAAwc (sonst)
tod y td BeAos nereraı Y 99. Endlich ‘in anderer Weise, als ge-
wünscht war‘, daher ‘umsonst’: Irepyet, Aw; ool ye narhp
npnoato Ilndeds W 144. rnavrw; ganz und gar, bei Homer mit
der Negation, z. B. ravrwg oöxerı vor dtaxpıyessdar ölw nplv yar-
p@v yedcasdaı ich glaube ganz und gar nicht, dass wir noch
auseinander kommen werden v 180. In bezug auf oörw; und
oötw ıst zu bemerken, dass ein Unterschied zwischen beiden
Formen nicht hervortritt, oötw(s) heisst immer nur: “auf diese
Weise’, z. B. &rxel vö toı edadev oörws P 647, el odrw walveodaı
2asopev oölov Apna E 717, el d oütw todr Zorlv A 564. So auch
in or7d odrtw Anönpoßev L 218 und ornd’ ourws ds ndocov p 447,
d.h. ‘so wie du hier bist, ohne dich zu besinnen, sogleich’.
Öfter verbindet es sich mit Adjektiven, z. B. xaldv & oßtw &yav
oonw Töov Öpdainotsıv 008 odtw yepapdv I’ 169. Ich glaube, dass
oötw seinem Ursprunge nach Instrumentalis ist, so dass also
zwei Kasus desselben Wortes adverbial gebraucht wurden,
welche in ihrer Bedeutung zusammenfielen.
Es folgen nun die adjektivischen Adverbia auf wc. Sie
sind bei Homer durchaus noch nicht häufig. Ich habe zufällig
(ohne Vollständigkeit zu erstreben) die folgenden aufgezeichnet:
adıyaas, alöolws, als, alvas, Axröcotws, Axkeıws, Annieyiwc, dpra-
Aews, aoxekdws, doteumelws, Aopaleus, Atpexnews, Appaösws, Öınvexdug,
örxalums, Exnaylwc, E&Aappws, Eunanews, Evbuxdus, Evwradlus, ErıXpa-
tewg, eöxkeıig, ebHpadEwns, arms, xalws, napralluwg, Xpaınvas, Apa-
tepig, Arydus, Auypig, palaxas, mabıötws, peyalms, volepdus, ötpa-
Adws, ÖTPNnpP@s, nepıopaddws, TPOPPOVvEws, TuxLvas, briölws, atepeis,
STUyEpws, OPOÖpWs, TayEu;, Teyvnevrug, breppaius, pllws, Yaleras,
zu einem Partizipium &rıorag.evws, Eoouu&vws. Die meisten kommen
in nur wenigen Wendungen, viele nur in einer vor. Als Bei-
spiel mag alvag zu alvös furchtbar, gewaltig dienen: vüv ö alvas
delöorna A 555, aAld nal alvac deldıa K 38, yuoaro 5 alvas N 165,
dazu pala nep xeyolwp£vos alvas T 324, N 5 albous Aneßnsero,
telpero d alvas E 352, AMId par alvas alöeouaı Tpwas Z 441,
Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm. Sprachen. 1. 36
562 Kap. XIV. IH. Abl. Adverbia, lat. auf e, o, a. [$239—240.
und danach # piv 64 Awßn tade y &ooetaı alvödev alvas H 97,
inel vö nep leraı alvas P 327, alvas yap p aurdv Ye evos xal
dunds Avwyav Q 198, alvas ap pößoror Ereool Te ovloıy Axodmv
tepronan 5 597, Foato 8 alvas ı 353, pldexe yap alvas a 264,
&tepalvsro alvas (glühte gewaltig) ı 379, alvas ddavargar dere
eic ana Eorxev I’ 158, dazu alvas Zoıxdtes K 547. Man bemerke
noch yalaxas edösıv sanft ruhen (nicht ‘schlafen’) y 350, ® 255
und plus in der Wendung: vöv d& Yllmc x Öpdepre jetzt würdet
ihr vergnüglich zusehen A 347. Zu den Verben, mit welchen
diese Adverbia verbunden werden, gehört auch slvaı: tdypa 58
Koupntessı xanws dev ] 551, Evda dtayvavar yalsnuıs Esv dvöpa
&xaotov H 424. Eine Verbindung mit Adjektiven oder Ad-
verbien habe ich nur an folgenden Stellen gefunden: atvo;
{ap ade elnar’Eyw xaxd p 24, wo ich nicht sehe, wie alvas zu
&yw sollte gehören können; äyyı yap alvas adAfic xald Üüperpa
fürchterlich nah x 136; oil d dpa vexpöv And yBovös dyadlovro
Or ndla neydAwms ganz hoch in die Höhe P 723. In bezug auf
die nachhomerische Sprache verweise ich auf Frohwein’s Ab-
handlung in Curtius’ Studien 1, 63 ff. und bemerke hier nur,
dass Adv. auf ws von Komparativen auch bei älteren attischen
Schriftstellern nicht selten sind (vgl. das Verzeichnis S. 98),
dass aber von Superl. aus dieser Periode nur £uvropuwratus
Sophokles Oed. Kol. 1579 belegt ist.
Durch Anfügung von rı gleich ai. cid (welches sich wohl
auch in &xnrı findet) scheinen peyalworl und vewst! entstanden
zu sein. peyalwort findet sich Herodot 2, 161 bei rpoo&rtaıoev,
5, 67 in p. xapra tınäv dient es zur Verstärkung von xäpra.
Danach kann die homerische Formel xeito p£yas neyalwart wohl
nicht heissen “er lag über eine grosse Strecke hin’, sondern
“als, ein gewaltig grosser’. veworl heisst eigentlich ‘auf eine
neue, unerwartete Weise’, ist aber nur belegt im Sinne unseres
"neulich’, z. B. ndAaı dLöoxtaı radra xod vewotl por Sophokles
Elektra 1049.
$ 240. Ablativ. Lateinisch (die adjektivischen Ad-
verbia auf ee, o, a).
Von Substantiven kommen etwa domo und rure in betracht.
8 240.) Kap. XIV. II. Abl. Adverbia, lat. auf e, o, a. 563
Die Hauptmasse bilden die adjektivischen Adverbia auf e, o, a.
Es ıst klar, dass sehr viele derselben instrumentalen Ursprungs
sind, eine Scheidung ist aber nicht mehr möglich, weil die ab-
lativische, instrumentale (und lokale) Bedeutung sich sehr früh
ın der d-Form zusammengefunden hat. Es kommt also hier
schon vieles zur Sprache, das eigentlich in den Instrumen-
talıs gehört.
1. Die Formen auf e. Das ablativische d zeigen noch das
oskische amprufid, das faliskische (d.h. altlateinische) rected,
das ennianische alied, das factllumed der Epistula des Senats
über die Bacchanalien. Im Umbrischen dürfte prufe ein Beleg
für diese Adverbialform sein (vgl. Brugmann in den Verhand-
lungen der sächsischen Ges. der Wiss. 1890, 219). Die Be-
deutungsentwickelung mag im Italischen (anders als im Grie-
chischen) an die Ablative der pronominalen Adjektiva örtlichen
Sınnes angeknüpft haben. Von “hoch’ (vgl. av. uskap S. 559)
führte der Weg leicht zu “aufrecht” und ‘recht’ (rected) und von
diesem zu bene u. s. f. Die Adverbia auf e stehen zu den Ad).
auf us in lebendigem Verhältnis. Für fere freilich und das als
Superlativ dazu gehörige ferme (Ribbeck, Partikeln 6) findet
sich kein Anschluss. Sane und valde haben sich von sanus
und valdus innerlich etwas mehr entfernt, das letztere auch
ın der Form.
Viele Formen auf e (über deren Konstruktion wir einiger-
massen aus Holtze 1, 150 ff. und Wölfflin, lateinische und ro-
manische Komparation, Erlangen 1879 unterrichtet sind) er-
scheinen schon in der ältesten Zeit gleicherweise mit Verben
wie mit Adj. verbunden, z. B. aeque: tragici et comici num-
quam aeque sunt meditati (Plautus) ; guem videam aeque esse
maestum quasi dies si dieta sit (Plautus); numquam aeque ıd
bene locassem (Plautus); homo me misersor nullus est aeque
(Plautus). Walde: valde placere und male valdest bei Catull
u.s. w. Bei einigen kann man indessen noch verfolgen, dass
sie ursprünglich nur mit Verben, noch nicht mit Adjektiven
verbunden wurden, so bei male, was in der alten Sprache oft
neben Verben erscheint, neben Adj. zuerst bei Catull in
36*
564 Kap. XIV. II. Abl. Adverb., lat. auf e, o, a. [$240.
insulsa male ac molesta; bei bene, das bei Plautus nur neben
Verben erscheint (da man bene morigerus furt puer und bene
Zubenter nıcht als Ausnahmen rechnen kann), neben Adj. nicht
selten bei Ennius, Cicero u. 8. w., 2. B. bene magnus, bene fidus;
misere ıst nach Wölfflin, dem ich diese Angaben entnehme, im
ganzen und grossen auf die Verbindung mit Verben beschränkt
geblieben. Hinsichtlich mire und mirifce bemerkt derselbe
Gelehrte, dass Cicero sich zur Verbindung dieser oft gebrauch-
ten Wörter mit Adj. nie recht habe entschliesen können. Auf
der anderen Seite scheinen summe und apprime von Anfang
an nur mit Adj. verbunden worden zu sein, wie bei Adv.
steigernden Sinnes nicht unnatürlich ist. — Zu den Verben,
mit welchen Adverbia auf e verbunden werden, gehört auch
esse, &. B. si tllıs aegre est (Pl.), familiae male ne sit \Cato). —
Aus dem Adjektivgebiete ist bemerkenswerth die Verbindung
gleichstämmiger Adj. und Adv. bei Plautus, z. B. bella belle,
misere miser, unice unicus, firme firmus.
2. Bei den von Adjektiven oder Partizipien gebildeten
Formen auf o ist die ablativische Form deutlich in merstod.
Dem Sinne nach könnten sie alle Instr. sein. Einige Belege
sind: perpetuo immerwährend, cottidiano täglich, matutino früh-
morgens (mit dem Morgen), credro häufig, raro selten, primo
anfänglich, repentino plötzlich, arcano geheim, fortusto zufällig,
mutuo wechselweise, precario bittweise, serio im Ernst, certo
für gewiss, vero ın Wahrheit; dazu von partizipialer Form cito
schnell, falso falsch, merito (meretod) mit Recht, secreto geheim,
und mit noch deutlich partizipialer Verwendung auspicato unter
guter Vorbedeutung, augurato nach Anstellung von Augurien,
compostto nach Verabredung, sortito nach Losung (während man
ıntestato lieber für einen alten Nominativ halten möchte). Im
Gebrauch merkt man das Kasushafte noch stärker als bei den
Formen auf e. Daher ihre häufige Verbindung mit dem Kom-
parativ und Superlativ, worüber Wölfflin 35 und 38 bemerkt:
“Während ich bei Plautus konsequent multo, tanto, nihilo, paulo,
nimio, quanto mit Komparativen und Wörtern von komparativer
Bedeutung, wie malle, praestare verbunden finde, treffen wir
$ 240.) Kap. XIV. II. Abl. Adverbia, lat. auf e, o, a. 565
den Akkusativ zuerst bei Terenz Eum. 131: frater aliquantum
ad rem est avidior.” Ebenso wie der Akk. bei dem Komp. er-
scheint das Adv. auf e beim Superlativ später als die Form
auf o. In der archaischen Latinität wird der Sup. nur mit
multo gesteigert, z. B. multo gravissimus, während sich Aus-
drücke wie Zonge audacıissimus zuerst bei Cicero finden. Freilich
finden sich Formen auf o auch bei dem Positiv, z. B. nimio
impendsosus, magnus bei Plautus.
Im ganzen kann man behaupten, dass die Formen auf e
und o einander ausschliessen. Bei einigen Adjektiven kommen
sie ohne Bedeutungsunterschied nebeneinander vor, so sind
incerte und :ıncerto archaisch, directe und directo bei Cicero in
Gebrauch. In anderen Fällen, so z. B. bei certe und certo
bemüht man sich, die Gebrauchsunterschiede festzustellen, nicht
immer mit Erfolg. Ein Verzeichnis sämmtlicher hierher ge-
höriger Formen s. bei Neue? 2, 617 ff.
3. Unter den Formen auf @ sind ablativisch ertrad,
suprad, also wohl auch contra, intra, ultra u. s. w. Es könnte
immer sein, dass diese trotz ihres @ neutrale Ablative wären
(vgl. Hirt, IF. 1, 24). Andere möchte ich mit Zuversicht für
femininisch halten. Ich führe beispielshalber an: Zac, tlla, ea,
eadem, qua (nämlich via). Sie bezeichnen den Weg, auf dem
sich eine Bewegung vollzieht, z. B. sequere Aac (Plautus), oder
den Ort, wo etwas geschieht, z. B. qua locus ferax non erst,
td plus concidito (Cato), ista state (Plautus), auch übertragen
auf die Art und Weise, so z. B. ın gua-qua (quem omnes ode-
runt qua viri qua mulieres Plautus), vgl. Holtze 1, 86. Auch
kann gua gebraucht werden, wo wir ‘wohin’ sagen würden:
qua res tinclinatura esset (Livius). Via ist auch ursprünglich
verstanden worden bei recta, deztra, sinistra. Zu una dürfte
opera zu ergänzen sein. Frustra, offenbar mit fraus zusammen-
hängend, hat in alter Zeit kurzes a. Es dürfte also wohl Akk.
plur. sein. Das Auftreten der Länge wird auf Analogiewir-
kung von contra u. s. w. zurückgeführt.
566 Kap. XIV. II. Lok. subst. Adverbia, altindisch. [$ 241.
$ 241. Der Lokalis. Substantive im Singularia.
Man nimmt jetzt an (Brugmann 2, 611), dass verschiedene
Stämme in der Urzeit im Sinne des Lokalis gebraucht werden
konnten. Davon sollen sich im Altindischen noch erhalten haben
Formen wie dhar, das eigentlich eine Stammform ist, aber im
Sinne des Nom. Akk. oder Lok. des Sing. gebraucht werden
kann, letzteres in ahar-ahar Tag für Tag und ahar-div: täglich
auch dieses eine Art von ämrödita). Ebenso wird betrachtet
sadivas an einem und demselben Tage (also wohl auch sddyas),
ferner pürvedyds Tags zuvor, utiaredyus am folgenden Tage,
aparedyus am folgenden Tage, ubhayedyus an zwei auf ein-
ander folgenden Tagen. Aus dem Griechischen wird hierher-
gestellt al&v und ale; (denen sich das von demselben Stamme
mit ı gebildete alcı zugesellt hat), aus dem Lateinischen penres
im Inneren.
Unter den auf die gewöhnliche Art gebildeten Lokativen
nenne ich aus dem Altindischen: dgre. dgra Spitze wird,
so viel ich sehe, überhaupt nicht mit Adj. verbunden, wohl
aber mit Gen., so im RV. ägrö rdthanäm an der Spitze der
Wagen. In diesem Falle nennt Grassmann dgrö einen Kasus,
auch noch wenn dgrö ohne Gen. mit einem Verbum des Gehens
verbunden ist, 2. B. agre yatı er geht an der Spitze. Wenn
agre dagegen nicht mit einem Gen. verbunden ist und auch
nicht neben einem Verbum steht, bei welchem man an eine
sich bewegende Reihe denkt, nennt er es Adv., z. B. Atran-
yagarbhäh sdm avartatägre H. bildete sich im Anfang, d4dhämi
te mddhund bhak$am dägr& ıch gebe dir zuerst den Trank des
Soma (RV.). Hier hat also der Prozess der Erstarrung kaum
begonnen. Weiter fortgeschritten ist er in folgenden Worten
des SB.: agnihöträd ägra @ mahald ukthät vom agnihotra an
der Spitze (d.h. vom agnıhotra) an bis zum mahad uktha, wo
ägrö im Satze dieselbe Stelle einnimmt wie @. — Ausser dgre
wären aus dem Veda etwa noch anzuführen abAisvare bei
Zuruf, auf Rufweite, nach, hinter (mit Gen.). Aus nicht accen-
tuierten Texten: prag& früh morgens und morgen früh, eigent-
lich wohl “beim Vorgehen der Sonne’. Aus dem Griechischen
$ 241.) Kap. XIV. I. Lok. subst. Adverbia, lateinisch. 567
wäre etwa das lokativische 7pı (aus auser: KZ. 27, 308 und
BB. 15, 15) zu erwähnen. Aus dem Lateinischen erwähne
ich temere, rite, oppido. Temer® (über dessen Quantität man
Wölfflin, Arch. 4, 51 vergleiche) ist schwerlich etwas anderes
als der Lok. von *temus Finsternis, gleich ai. tamas, heisst
also eigentlich ‘im Dunkel’. Rite ist vielleicht mit Mahlow,
AEO. 52, 54 aus rileu zu deuten, wäre also dann Lok. zu rilus.
Den Gebrauch von oppido (das dem Sinne nach Lok. ist) und die
Erklärungsversuche sehe man bei Hand, Tursellinus. Der an-
sprechendste ist der von Lindemann und Hand herrührende
(neuerdings ebenso Wölfflin, Arch. 6, 195), wonach oppidum
die Feste sei und daher oppido so viel als “fest. Ich halte ihn
aber für misslungen, weil ich mich aus den angeführten Stellen
nicht überzeugen kann, dass oppidum soviel wie ‘Befestigung’
sei, das mir vielmehr dasselbe zu bedeuten scheint wie unser
‘Stadt, Flecken’, und ferner, weil ich nicht einsehen kann, wie
aus einem ‘in der Festung’ sich das zu einem Adj. gehörige
Adverb ‘fest’ entwickeln kann. Ich übersetze also oppido auf
der Stelle. Diese Bedeutung spürt man noch in plautinischen
Wendungen wie ta oppido occidimus omnes, oppido inter:i,
totus doleo atque oppido peris, worin der ursprüngliche Gebrauch
enthalten sein dürfte. Wer auf der Stelle, wo er sich befindet,
ohne Möglichkeit der Rettung, zu grunde geht, gleichsam “auf
der Strecke’ liegen bleibt, ist ‘ganz und gar’ verloren. So
bedeutet im Serbischen udtiti koga na mjesto jemand auf der
Stelle totschlagen so viel als “jemand mausetot schlagen’ (s.
Wuk unter mjesto) und so entstand in dem von oppidum inner-
lich völlig gelösten Worte die steigernde Bedeutung. Als
oppido dann, dem Vorgang der Adverbien folgend, nicht mehr
bloss mit Verben, sondern auch mit Adjektiven verbunden
wurde, erhielt sich noch eine Erinnerung daran, dass es eigent-
lich zu Verben gehörte, welche ein Zugrundegehen, einen
Verlust, eine Minderung bezeichnen, denn es ward überwiegend
mit pauct, parvus, paulum, pusillus, brevis, tenuis verbunden
(Wölfflin, lateinische und romanische Komparation 21). Ger-
manisch: Dem Lok. des Sing. (dem Sinne nach) gehört
568 Kap. XIV. II. Lok. subst. Adverbis, balt.-slav. [8 241.
ahd. u. 8. w. heime, altn. heima zu Hause an. Über fert s.
oben 8. 551. Litauisch. Von ÖOrtsbegriffen erwähne ich
name zu Hause, was doch wohl der alte Lok. zu nämas ist;
vidui drinnen, entstanden aus viduje zu vidüs das Innere; Zauke
draussen (‘auf dem Felde’). Lokale von Zeitbegriffen sind
rytöj oder ryto morgen, am nächstfolgenden Tage, nach
Schleicher Lok. von ryiöyus der morgende Tag, also abgekürzt
aus rylöjui, dazu poryt übermorgen. Woher afidat an jenem
Tage (ostlit. undat) stammt, weiss ich nicht. Von anderen Be-
griffen drauge zusammen mit, 2. B. jis sd manim drauge aldjo
er kam mit mir zusammen. Es ist klar, dass drauge Lok.
von draügas der Gefährte ist. Doch kann ich mir die Ent-
stehung des Adverbiums nicht deutlich machen. Endlich ist ein
häufiger Typus der Lok. (oder Dativ?) auf us von Wörtern, die
mit pa zusammengesetzt sind, z. B. pazıgiuf abwechselnd, paei-
iu (neben paeiliumis) der Reihe nach, padeniui einen Tag um
den anderen, pakeliui unterwegs, paköjyus den Füssen nach
(z. B. jemand etwas pak. nachwerfen), parafkıur handlich,
paoejui mit dem Winde u.8.w. Wo der Ausgangspunkt dieses
Typus zu suchen ist, weiss ich nicht. Für Lok. femininischer
i-Stämme hält J. Schmidt, KZ. 27,287 die Formen auf ie, welche
vor das Verbum gestellt werden, um dessen Begriff zu steigern,
2. B. degte döga es brennt heftig (eig. also ‘in Brennung’).
Belege findet man bei Schleicher, Gr. 313, Kurschat $ 1489 ff.,
vgl. auch Brugmann 2, 613 und Leskien, Bild. d. Nom. 554.
Slavisch. Dem gr. oixor, lat. domi, lit. nam? entspricht der
Bedeutung nach aksl. doma. Vielleicht ist es auch der Form nach
Lokalis (vgl. Kretschmer, KZ. 31,453, Wiedemann, KZ. 32, 150
Anm.). Es findet sich im cod. Mar. nur Joh. 11, 20: a Marija
doma sedease Mapla d£ Ev ro oixp Exaßdlero. An anderen Stellen
giebt es nach Miklosich auch das griechische oixodev wieder.
Im Russischen heisst es ‘zu Hause’ (‘nach Hause’ heisst domaj).
Im Serbischen wird es auch gebraucht, wo wir “nach Hause’
anwenden, z. B. otide doma (aksl. vü domä svoji Matth. 9, 7).
Sodann sind zu nennen die Lokale der Wörter ‘Berg’ und “Thal',
nämlich aksl. gore oben, serb. gorje oben, hinauf zu gora Berg
$241—242.) Kap. XIV. II. Lok. subst. Adverbia, balt.-slav. 569
und aksl. dol& xätw, infra, humi, z. B. mit lezati liegen, serb.
dolje unten, hinunter zu dolä foramen. Ferner aksl. srede
mitten drin zu sreda Mitte (vgl. die Präp.). Auch mit ab-
wechselnd muss der Lok. eines Subst. sein, wie das aksl. und
kleinruss. mitusi zeigt, worin mitu Akk. Sing. ist. (Aksl. vrüchu
oben weist Leskien, Handbuch? 95 nicht einem bestimmten
Kasus zu, weil es ja der Form nach Gen. und Lok. sein
könnte.) Dazu eine Anzahl von Zeitbegriffen, nämlich serb.
onomadne an jenem Tage, neulich, russ. onomedni, auch mit
dem öfter erwähnten pronominalen Zusatz onomednist (wovon
das Ad). onomednisnyj abgeleitet ist); serb. onoveceri vor-
gestern Abend; aksl. und russ. wird morgen früh; serb. Yeti
im Sommer und zimi im Winter; aksl. lan?! r£pucı, serb. Zani
und /ane. Einige dieser Adverbien werden auch mit Präpo-
sitionen verbunden, z. B. do und na utre, otü lan. An
vereinzelten Formen führt Miklosich 4, 652 noch aksl.
pravde juste, z. B. pravde dejuseichü juste agentium und odt-
seine Önpooig zu obiftina xowvwvia an. Endlich erwähne ich
noch aksl. fize, z.B. nesti mt lizd non licet mihi, wozu Miklolich
4, 652 bemerkt: “wie es scheint von einem Subst. /iga, das
sich in russischen Dialekten (ne vo Zigu) erhalten hat”. Es
könnte freilich auch Dativ sein.
$ 242. Lokalis. Substantiva im Dualis und Plu-
ralis.
Duale sind lit. pusta halb, mitten entzwei zu püse Hälfte
(vgl. Leskien bei Brugmann 2, 656) und aksl. meZdu zwischen,
eigentlich in den beiden Grenzen zu me2da Grenzrain (vgl.
Wiedemann in Jagie’s Archiv 10, 657).
Dem Plural gehört aus dem Griechischen an att. 86-
pacı draussen und äpaoı rechtzeitig. Ferner halte ich es mit
J. Schmidt (Pluralb. 344) für wahrscheinlich, dass das ho-
merische &yxa; in ulnis nichts anderes sei als äyxası, ein Lok.
plur. zu dyxwv. Ebenso sind vermuthlich xö£ und Ad£ auf-
zufassen, nach denen sich yvö£ und dö4£ gerichtet haben werden.
Dem Vokal nach ferner liegt xoupti. Ob auch edpdt und nouvdk
570 Kap. XIV. I. Lok. adj. Adverbia, griech. «ı, ı. [$ 242243.
zu dieser Reihe gehören, und wie sich ära: zu ihnen verhält,
lasse ich unentschieden. Aus dem Lateinischen wäre etwa
Joris, sodann quotannis, quotcalendis (Wackernagel, KZ. 27, 146)
anzuführen, falls diese letzteren nicht Instr. sind. Aus dem
Germanischen gehören halben zum Subst. halbe Hälfte, Seite,
ahd. beidem halbom, allen halbon, mhd. beidenthalben, allenthalben,
nhd. allenthalben. Die Grundbedeutung ist also ‘auf den Seiten’.
(Möglich wäre allerdings auch ‘über die Seiten hin’, in wel-
chem Falle man den Instr. anzunehmen hätte). Indes verlor
sich das Gefühl für den Numerus, die lokale Bedeutung ver-
schob sich. Aus ‘auf der Seite” wurde ‘von der Seite her,
z. B. der mutter halben ein erb sein von mütterlicher Seite her,
und daran fügte sich der Gedanke des Ursprungs und der Ver-
anlassung (vgl. Heyne in Grimm’s Wb.)
$ 243. Lokalıs. Adjektiva (darunter griech. eı, ı)
und Pronomina.
Lokativische Adverbia von Adjektivis liegen mir vor aus
dem Altindischen, Griechischen, Slavischen.
Altindisch. Im Veda dürz fern, (z. B. mit as), in die
Ferne (z. B. mit bädh stossen). Ebenso äre. Aus SB. Afipra
schnell, z. B. kfipre ha ydjamano 'mum lökam iyät schnell
würde der Opferer in jene Welt gehen (sterben). Undeutlich
ist die Bedeutungsentwickelung von ri. Griechisch. Sim-
plizia sind p&oco: in der Mitte und öırlet in doppeltem Be-
trage, z. B. 76 piodwpa Ötnist Anotercet tab. Heracl. 1, 109.
Häufiger sind die zusammengesetzten auf ei oder {. Wir
besitzen über diese Adv. eine Abhandlung von Sturz, de ad-
verbiis Graecorum in ı et eı exeuntibus (abgedruckt in dessen
Opuscula nonnulla, Leipzig 1825), welche viel Stoff bietet, aber
keinen Anspruch auf geschichtliche Behandlung erheben kann.
Über die Frage, ob eı oder i zu schreiben sei, lässt sich in
vielen Fällen keine Ansicht gewinnen, da das inschriftliche
Material nicht ausreicht und die Handschriften schwanken.
Dass i aus eı hervorgegangen sei, kann nicht zweifelhaft sein.
Ebenso ist deutlich, dass aus i auch ı entstanden ist (vgl. G.
$ 243.] Kap. XIV. II. Lok. adj. Adverbia, griech. eı, ı. 571
Meyer, Gr.? 342). Dass aber die Kürze schon bei Homer vor-
liege, lässt sich nicht behaupten, da A 637 nichts beweist. Es
sind zu diesem Adverbialtypus zu rechnen 1. Formen auf ei
oder ti, welche zu Adj. auf o gehören, die mit der privativen
Silbe zusammengesetzt sind. Dahin gehören aus Homer Beet
im adeov, dem Zustande der Verlassenheit von Gott : oöx Aßeel
8° Avhp Döucnov Es dev ner o 353. Inschriftlich (Meister-
hans? 115) sind aus attischem oder ienischem Giebiete belegt
die formelhaft verbundenen dovlel und donovdei, z. B. aus
Erythrae (Cauer? 483) und vrrowel. Dazu auf t donovöt mühelos
8 512. (Ob ärpepel in AAX Ey Atpepei bei Aristophanes Wol-
ken 261 wirklich von &rpewns herkommt, oder nicht vielmehr
ın Anlehnung an die eben genannten Adverbia gebildet ist,
wüsste ich nicht zu sagen). Häufig sind Ableitungen von Ver-
bal-Adjektiven auf ro, welche in unseren Homertexten nicht
auf eı, sondern auf i endigen, nämlich : odö dpa ol tıs dvoumi
ye rnapeorn X 371; Ayoymtl deıpev A 637; at x Apayıtl lopev
OdAupndvde D 437; nel od xev Avıdpwri ye teldodn 0 228; 0dd
or yap Avamuwrl ye payovro P 363; Aadpg Avwrorl Söip oblopevns
älöyaro 8 92. Inschriftlich findet sich övopaott im Brı av övo-
past! zepl Ts nölews Ynpllwvraı CIA. I, 40 und äxovırei (rhodisch)
staublos, d. h. wohl “ohne Anstrengung’. In einem oder dem
anderen Falle ist es zweifelhaft, ob wirklich ein Verbaladjektiv
und nicht vielmehr ein Nomen vorschwebte (wie aiuc) und
die äussere Form (wie sie z. B. in dvıöpwri vorliegt) übertragen
wurde. An diese Bildungen, in welchen wohl -tı und nicht
mehr bloss -ı als Endung gefühlt wurde, dürfte sich &ypr;yoprt
in: AAN Eypnyoprl obv reöyesıv elaro navres K 182 angeschlossen
haben Awpodoxrott (so, nicht -ıort schreibt man jetzt) in
od Övvarar paderv Tv gun Öwpodoxnort Aristophanes Ritter 996
muss wohl sein o von Bildungen nach Art von dvwıott erhalten
haben. — 2. Neben den Bildungen mit der privativen Silbe
sind solche mit adto- schon von alter Zeit her vorhanden ge-
wesen, wie das homerische aötovuxt in derselben Nacht & 197
zeigt. Dazu inschr. aödrgepel (worüber Meisterhans? 116 zu
vergleichen ist) und wohl auch aöroever im Laufe desselben
572 Kap. XIV. II. Lok. adj. Adverbia, griech. cı, ı. 18 243.
Jahres Theokrit 28, 13. — 3. An sonstigen Bildungen von zu-
sammengesetzten Adjektivis sind zu nennen tpıororyt in drei
Reihen K 473, und das nach demselben Schema gebildete ge-
taotoıyi W 358, was wohl “einer hinter dem anderen’ bedeutet,
und das nachhomerische ravörpuet in Gesammtheit, z. B. &rx7jAdov
Bordeovres [MAaraıtes rnavönpel Herodot 6, 108, nebst ravopıdet,
z. B. tol p&v ydp rorl nöpyous ravdan ravonıÄi otelyoucıv Aeschylus
Sieben 295 und einige weitere mit rav-.
Zweifelhaft bleibt mir, ob die Formen auf ıorı dasselbe
Element enthalten, wie die unter 2 angeführten. Bei Homer
findet sich yeictori Glied für Glied (nur mit rapeiv), nach-
homerisch ävöptort nach Männerart, Artıxıori und viele ähn-
liche. |
Die Formen &xovri, @xovri, &Bdedovei, Exnrı, dexıtı sieht G.
Meyer, Gramm.? 342 als Lok. der betreffenden konsonantischen
Stämme &xovr- u. 8. w. an, was ja auch mit Rücksicht auf die
Form selbstverständlich erscheint. Indes soll &xovrt denn be-
deuten ‘in oder bei dem Freiwilligen’? Die geschichtliche
Stellung dieser Adverbien führt mich auf eine Vermuthung,
die ich allerdings zweifelnd vortrage. Nach Rutherford, The
new Phrynichus 59 kommt &xovti, und dasselbe gilt von dxovri,
ın der klassischen Gräzität nicht vor, während &delovri aller-
dings neben &deAovrnödv bei Thukydides erscheint. In einer
aristotelischen Stelle, die man für &xovr! anführt, sei vielmehr
zu lesen: oö yap &xdvrı elvan adrd öydonxovra En. Sollte man
danach vielleicht annehmen dürfen, dass auch &deAovri eigent-
lich ein Dativ der betheiligten Person sei, welcher seinen
Accent von den Adverbien auf -ı{ empfangen hat? Über &xmtı,
aexııtı vgl. Osthoff, Perf. 334.
Endlich habe ich hier noch die griechischen Pronominal-
bildungen zu erwähnen. Im Urgriechischen scheinen die
beiden Lokativformen in ihrer Bedeutung so auseinander ge-
gangen zu sein, dass die auf eı die Bedeutung des “Wo’, die
auf oı die Bedeutung des “Wohin? erhielt. Dieser Zustand hat
sich im dorischen Sprachgebiet erhalten, wo ei, rei, önsı wo,
trvet dort, rovrei hier vorliegt, während kretisch „vi wohin
8243—244] Kap. XIV. II. Lok. adj. Adverbia, slav. €. 573
u. ähnl., die auch ein sam Ende erhalten, den urgriechischen
Formen auf oı zu entsprechen scheinen (vgl. G. Meyer? 131).
Im Attischen haben die Formen auf oı wıe rot, &vraudot u. 8. w.
die alte Bedeutung erhalten. Dagegen sind an die Stelle der
Formen auf eı (mıt Ausnahme des aus dem pronominalen Ver-
bande gelösten &xet) die Genitive auf ou getreten. Slavisch.
Lokativische Adverbien von Adj. liegen zwar auch in den von mir
herangezogenen Sprachen vor, sind aber jetzt besonders häufig
im Öechischen (vgl. Miklosich 4, 652). Ich theile einige Bei-
spiele aus dem Altkirchenslavischen mit: dodre prorocistvova
xal@c npoepnteuoe Matth. 15, 7; dodre vise tvorilü als ravra
rerolnxe Mark. 7,37; züly zule pogubitü je xaxols xaxas Atolkoeı
aötoüg Matth. 21, 41. Andere Adverbia wie krepäce stark, sehr,
bedine übel, dlaze gut, Üigüce leicht u. ähnl. s. bei Miklosich.
Nicht immer ist das genau entsprechende Adjektivum vor-
handen, z. B. nicht neben jave offenbar (vgl. javinä): ı oficu
tooJi videjt vü tajne vüzdastü lebe jave xal 6 rarnp oou 6 Blerwv
Ev TE xpunto Arodwaeı oo &v tw Yavepp Matth. 6, 18; jako kü
tomu ne moZaase jave vü gradü vüniti Gore wrxerı adröy Suvaodaı
vavepas eis nöAıv eloeAdetv Mark. 1, 45. Hierher rechnet Mi-
klosich auch irebe zu trebü nothwendig (nicht als Dativ zu
dem Subst. Zreda negotium, was vielleicht richtiger ist). Ne
irebe mi jesi xpeiav oou obx Exw hiesse also nach Mikl. eigentlich:
“du bist mir nicht im Nothwendigen’. Durch irebe jestü ypr und
ähnliche Wendungen gewöhnte man sich, das Wort wie ein
unveränderliches Substantivum anzusehen, daher auch ne trebe
smate oö ypelav Eyere u. ähnl. (die Belege bei Miklosich Lex...
Dies Adv. auf E liegt auch im resultativen Sinne vor (vgl.
S. 539), z. B. aksl. da ne jave jego sütvoretü Tva ph wavepüv
aötöv nornowsıv Matth. 12, 16. Russische Belege sind: vysoce
hoch, borze schnell, Arepce stark u. s. w.
8244. Der Instrumentalis. Substantiva im Sin-
gular.
Altindisch. Zu den Instr. rechne ıch die Formen auf ä,
wie vasdnta, döfa. Einige sind, wie 8. 542 ausgeführt worden
574 Kap. XIV. IH. Instr. subst. Adverbia, altindisch. [$ 244.
ist, im Accent bemerkenswerth, z. B. diva, naktaya (vgl.
Kretschmer, KZ. 31, 353), äsay@ u. s. w. Von Ortsadverbien
erwähne ich einige, die theilweise auch Präp. sind, nämlich
dgrena vorn, äsay& vor jemandes Angesicht (was zu einem
Stamme *as@ zu gehören scheint, vgl. J. Schmidt, Pluralb. 117,
auch äsa unter @s bei Böhtlingk-Roth). Samana zusammen,
zugleich scheint zu sdmana das Zusammensein zu gehören.
Auch Ä$ama ist wohl wegen der vom Instr. etwas abweichenden
Bedeutung als Adverb zu betrachten. Es liegt vor: A$amedam
anyad divy änyad asya das eine von ihm ist auf der Erde, das
andere im Himmel RV. 1, 103, 1; A$ama rdpo maruta äturasya
nah zu Boden das Gebrechen des Kranken unter uns {oder
“am Boden sei’) 8, 20, 26. Von Zeitbegriffen erwähne ich: diva
bei Tage (auch dirasmät bhavati ihm wird licht), döfa am
Abend (daneben die Akk. dogam und dofäs), naktaya bei Nacht,
einmal im RV., was zu einem Fem. "nakta gehören könnte
(weitere Kombinationen s. Joh. Schmidt, Pluralb. 212; Kretsch-
mer, KZ. 31, 353). Nach naktaya könnte sich, wie Joh. Schmidt
a. a. O. meint, soapnuya im Traume gerichtet haben. Vasdntä
oder vasanta im Frühling steht neben vasant« Frühling. Von
anderen Begriffen: sdhasz (mit Gewalt), plötzlich, afjyasa (mit
Schmiere, wie geschmiert) gerades Wegs, gerade aus; bAija
aus Furcht, was für eine ältere Form des Instr. ‘der sonst
bhiydsa heisst) angesehen wird. tarasa ist im Veda noch le-
bendiger Kasus zu täras Kraft, Schnelligkeit, später Adverb
“eilends, rasch, im Fluge’; präydna meistentheils zu präya Mehr-
heit, Hauptbestandtheil. Einige dürften direkt von Verbal-
wurzeln abzuleiten sein, z. B. !drä fort und fort, mria um-
sonst, vergebens, irrig, das nachvedische mudhä von gleicher
Bedeutung, jedenfalls aber pracatä verborgen, heimlich (zu ca?
mit pra). Endlich gehören hierher eine Reihe von isolierten
Formen auf ya, welche als Instrumentale von Substantiven auf
ya anzusehen sind, die zu denominativen Verben gehören.
Von einigen sind andere Kasus belegt, so: avifyam Begierde
(avi$y), vacasyam Beredtsamkeit (vucasy), apasyam Geschäftig-
keit (apasy), namasyas Nom. plur. Verehrung (namasy). Die
$ 244.] Kap. XIV II. Instr. eubst. Adverbia, griech., lat. 575
meisten erscheinen nur im Instr., öfter in der Form auf aya,
80: vacasydyä, apasydya u. 8. w., viele aber nur in der Form
auf @, z. B. irasy@ aus Zorn (trasy), urusy& aus Bereitwillig-
keit zu helfen, zjüya gerades Weges (rjüy), gavyäü aus Begierde
nach Rindern u. 8. w. Bei manchen giebt es beide Instru-
mentalformen neben einander. Wieder andere haben kein
Verbum neben sich, z. B. rathaya aus Begierde nach Wagen,
sugätuya aus Verlangen nach Wohlergehen, vipanya mit Be-
wunderung, Airanyaya aus Verlangen nach Gold u. s. w. —
Instr. sind vielleicht auch die Formen auf t# wie devatä unter
(eig. mit) den Göttern. Griechisch. Bei einigen der ge-
wöhnlich aus Homer beigebrachten Fälle kann man zweifeln,
ob man sie als adverbial bezeichnen soll, so bei avayıy, tor,
evoanj. Sicher liegt die Berechtigung dazu vor bei oroußf,,
welches in der Bedeutung etwas Besonderes hat. Es heisst
bei Homer ‘nur mit Mühe’, z. B. orouöf 5 &Lero Aads B 99
‘d.h. nur mit Mühe brachte man das Volk dazu, sich zu setzen),
und ‘eiligst” o 209. Sodann revouöin mit der ganzen Schar
(vgl. ai. sarodyä vi3ä), woneben vielleicht niemals ein anderer
Kasus desselben Wortes vorhanden war. Es erscheint bei
nAdov, ixdneoda und in engerer Beziehung zu einem Nomen:
dmpntal & xeleus xdpn xopdwvras Ayarols navauöin B 12. —
Danach sind gebildet die nachhomerischen ravorpatız (-4) mit
dem ganzen Heere und rxavoıxly (-a) mit dem ganzen Hause
bei Herodot und Attikern. Sodann erwähne ich aus der atti-
schen Sprache xogı67) ganz und gar, vollständig, z. B. repı-
Eppeov Tiuäs xöxAn xopıöf bei Plato, perpaxbAltov Bv xopıöT
beiDemosthenes; 040X7 langsam, spät, kaum, schwerlich. Latei-
nisch. An ‘ablativischen’ Adverbien aus Substantiven werden
bei Neue 32, 599 ff. aufgeführt: artigerio, curriculo, diluculo, domo,
impendio, initio, modo, numero, oppido, principio, privato, protelo,
vulgo, forte, magnopere und Verwandtes, rite, rure, sponte. Von
diesen sind domo und rure bei dem Ablativ S.562, rife und opp:ido
bei dem Lok. S.567 erwähnt, ebenso sind dsluculo und inttio mög-
licherweise dem Lok. zuzuzählen, obgleich mir die Übersetzung
“mit der Dämmerung’ und ‘mit dem Anfang” natürlicher erscheint.
576 Kap. XIV. I. Instr. subst. Adverbia, lateinisch. [8 244.
Auch bei vulgo kann man zweifeln (‘im Volke’ oder “durch
das Volk hin’). Über antigerio weiss ich nichts zu sagen. Von
den übrigen erfordern nur numero, impendio, causa und gratia
eine Bemerkung. (Ob simitu aus simitud hervorgegangen sei,
wie Jordan, kritische Beiträge 93 annimmt, lasse ich dahın-
gestellt) Das alterthümliche numero ist von Ribbeck, tragı-
corum Rom. fragm. XV behandelt worden. Es heisst schnell,
bald, z. B. discedens numero ventre ait adulescentem (Varro);
neque sat numero mihi videbar currere (Turpilius); sodann mit
leichtem Übergange “zu früh’, z. B. numero huc advenis ad pran-
dium (Plautus); o Apella, o Zeuxis pietor, cur estıs numero mortut,
hoc exemplum ut pingeretis? (ders.). Es kann auch in die Bedeu-
tung von “umsonst’ herüberspielen, z. B. numero ac nequiguam egi
gratias (Afranius). Es wurde nur mit Verben verbunden, vermuth-
lich zuerst mit Verben der Bewegung. Dass es ursprünglich sagen
wollte: ‘mit dem Takte der Musik’ ist schon von anderen be-
merkt worden. Eine gute Parallele bietet das deutsche ach
Noten, welches nach Grimm’s Wb. unter ‘Note’ 1? nicht bloss
‘gehörig, tüchtig, derb, sondern auch ‘rasch’ bedeutet. Für
die Beurtheilung von impendio reichlich, ausserordentlich,
bei weitem kommen vor allem in betracht: et guia consimilem
luserat jam olım ille ludum, impendio magis anımus gaudebai
miht um so mehr Terentius Eun. 3, 5, 39 und: at vlle impendio
nunc magtis odıt senatum Cicero Att. 10, 4. Im Prolog zu
Plautus Aul. ist es mit minus verbunden, später auch mit Ver-
ben. Impendio magts scheint ursprünglich bedeutet zu haben
“um die Zinsen mehr. Über causa und gratia handelt
Wölfflin, Arch. 1, 169. causa ist das ältere Adverb, in gratia
ist die Grundbedeutung des Subst. nie ganz erloschen (“wegen
Krankheit’ kann durch mordi gratia nur in einem solchen
Falle wiedergegeben werden, wo auch wir "Dank einer Krank-
heit’ sagen würden). Wenn gratia in der Poesie schon von
alter Zeit her häufig ist, so erklärt sich das vielleicht aus der
Einwirkung von yapıv. ergo ist noch nicht gedeutet. Ger-
manisch. Alte Instr. auch noch der Form nach sind heute
und heuer. Ahd. Aiutu zeigt den Ursprung aus Aiu tagu, also
$ 244.) Kap. XIV. II. Instr. Adverbia aus Subst. 577
eigentlich “während dieses Tages’. Doch ist die Entstehung
von -/u aus Zagu nicht mehr deutlich empfunden, wie die Ver-
bindung tages htutu (vgl. postridie eyus diei) zeigt. Das Gotische
hat auffälliger Weise kein Adv., sondern verwendet Akimma
daga. Über hinaht s. unter dem Akk. Einige andere Instr.,
über die man zum theil verschiedener Meinung sein kann,
verzeichnet Grimm 3, 139. Ich nenne ahd. röf4 mit Noth,
dessen Entwickelung zu den Bedeutungen 'nothwendig, bei
weitem, natürlich, leider’ Erdmann 2, 257 klar zu machen sucht
(ags. nedde, nyde). Ags. fäcne sehr heisst eigentlich “mit Bos-
heit. Ags. säre mit Schmerz, schmerzlich, heisst älter sere,
ist also vermuthlich eine Lokativform. Das Subst. liegt auch
im got. satr vor, während unser sehr auf das adjektivische
Adverbium ahd. sero zurückgeht. Litauisch (vgl. Schleicher,
Gr. 269). Von Zeitbegriffen czest zu rechter Zeit, und abge-
kürzt: täczes zu der Zeit, kdczes zu welcher Zeit, nökuczes nie-
mals. Ebenso sind aus möfas Jahr gebildet: !!gumet lange Zeit,
vısumet allzeit. Von anderen Begriffen führe ich an: mainü
wechselweise (mainas Tausch), neredü ungebührlich (redas Ord-
nung), p&sta aufgerichtet (p&sta Baumstamm), s/apta mit Heim-
lichkeit, heimlich, zövada im Galopp (mit jJöts reiten), apylanka
und apıjlankomis auf Umwegen, doviseda zweisitzig (mit yoött:
mit Doppelsitz, zweisitzig auf einem Pferde reiten'!). Slavisch.
Von Zeitbegriffen ist anzuführen: aksl. nostiyg i dintjq Nacht und
Tag, wobei diniyq statt dinimi durch die Verbindung mit nostija
hervorgerufen ist (Leskien, Handbuch ? 58), serb. danyjom und
danju bei Tage, nocu bei Nacht; von anderen Begriffen etwa: russ.
krugomü ın der Runde, z.B. desyati verstü krugomü zehn Werst in
der Runde, was ebenso Instr. ist wie wahrscheinlich xöww.
1) Es giebt eine Reihe von Adverbien auf a, von denen ich nicht
weiss, ob oder wie sich eine Beziehung zu femininischen Substantiven nach-
weisen lässt, z. B. gang genug, greta neben einander, palengva leicht, all-
mählich, langsam, samplata dem Ufer gleich (vom Wasser in einem Strome),
kartunta dereinst u.a. Bei manchen ist die Beziehung zu Adjektiven deut-
lich, z. B. pirma vorher, dyka umsonst, auch wohl staiga plötzlich. Es
wäre noch festzustellen, wie diese entstanden sind und wie sie sich zu den
Formen auf ai verhalten.
Delbrück, Vergi. Syntax der indogerm. Sprachen. |. 37
578 Kap. XIV. II. Instr. Adverbia aus Subst. [6 244— 245.
Ferner ist instrumentalisch serb. makom mit einem Hieb, sogleich,
russ. daromü mit einer Giabe, umsonst. Instr. von femininischen
Abstraktis sind aksl. vülortceyqg zum zweiten mal, trefljicejgq zum
dritten mal, müno2sicejq oftmals (Leskien, Handbuch ? 95) und
was aus den übrigen slavischen Sprachen dazu gehört. Auch
aksl. büstyq nur, tüciyg gerade, nur sind substantivische Instr.
Ebenso aksl. Zeftyg ın lefijg jJestü es ist erlaubt. Wie ist
russ. opromefizu über Hals und Kopf aufzufassen? Eine
Besonderheit des Slavischen bilden die russischen und serbi-
schen Adverbia, welche aus dem prädikativen Instru-
mentalis zu erklären sind, die wohl eine vollständige
Sammlung und Behandlung (namentlich auch mit Rücksicht
auf den Accent) verdienten. Ich führe an: russ. gusemü im
Gänsemarsch, eig. ‘als Gans’; peskomü als Fussgänger, zu Fuss;
bosikomü barfuss; nagısomü ganz nackt, ebenso nagıskoy, Instr.
eines Mask. femininischer Form ; stoykom aufrecht; polzkomä
kriechend;; verchomü reitend, eig. als oberster, als Spitze, daher
ım Plural: sel verchamt sie setzten sich zu Pferde (Märchen).
Zweifelhaft bin ich, ob auch russ. tajkomü, serb. tayom heimlich
so aufzufassen ist (“als Heimlicher’), oder etwa neutral ("mit
Heimlichem’). — Bei einigen Adverbien empfindet man eine
nahe Beziehung zu Verben, so serb. vıkom vice er schrie laut.
Dieses vikom ist offenbar der Instr. eines alten Verbalnomens
vikü das Schreien, nicht eines Adj., wie Wuk im Wb. an-
nimmt. Aus dem Russischen: zikomü oder nickomü mit dem
Gesicht zur Erde zu ntknufi sich neigen, skatomü bergab zu
skatıfi, korpomü korpefi sich ohne Rast abmühen und wohl
noch andere mehr.
8 245. Instrumentalis. Substantiva im Plural.
Aus dem Altindischen liesse sich etwa auf sahöbhrs mit
Gewalt, tavigibhis mit Ungestüm verweisen (SF. 5, 139, Pischel-
Geldner 1, 11 Anm... Aus dem Griechischen pflegt man
wöyıs beizubringen, ohne dass jemand die Entstehung aus yöyoıs
hätte wahrscheinlich machen können. Im Lateinischen (s.
Neue? 2, 608 ff.) liegt vor gratis, gewöhnlich zu gratıs zusam-
$245—246.Y Kap. XIV. II. Instr. Adverbia aus Adj. und Pron. 579
mengezogen, eigentlich wohl ‘für einen blossen Dank’ (statt
eines Lohnes), z. B. si non pretio at gratis bei Terentius.
Nach gratis und gratis ist ingratiss und ingratis gebildet (das
Subst. ingraltia ist ganz spät). Wie multimodis, mirimodis, omni-
modis zu beurtheilen sind, lehrt Brugmann 2, 60ff. Aus dem
Germanishen führt Grimm 3, 135ff. eine Reihe solcher For-
men an, die man deshalb adverbial nennt, weil die betreffende
Kasusform regelmässig ohne Adjektiv und in etwas abschattierter
Wortbedeutung erscheint. Ich erwähne: ahd. Awilom, mhd.
wilen, wilent, ags. hoilum vor Zeiten, zuweilen; mhd. Aurzwilen
ın kArzer Zeit, nächstens; ahd. unzitim intempestive; ags. stun-
dum, altn. stundum zu Zeiten; ahd. stephem passim; ahd. weh-
salum vicissim; ags. hoyrftum, hoearfum abwechselnd; mhd.
mäzen ziemlich, genug, sehr (die Konjunktion vom 17. Jahrh.
an); ahd. muoz6m paulatim; ags. hedpum haufenweise; ags.
listum arglistig; ags. lustum freudvoll; alts. wundrum, ags. vun-
drum wunderbar; mhd. triuwen ın Wahrheit, traun. Ent-
schiedener adverbiell sind die ahd. Komposita mit malum, ags.
malum, bei denen das Schlussglied wie ein Suffix wirkt, z. B.
ahd. siaphmälum gradatim, ags. dropmelum tropfenweise, stund-
maelum zeitweise. Merkwürdig ist nächten ivon Mhd. an) mit
seiner singularischen Bedeutung ‘gestern Abend, gestern’ (vgl.
Brugmann 2, 638). Litauisch. Von o-Stämmen: kaftats
zuweilen, szüliats im gestreckten Galopp. Häufig sind Instr.
von @-Stämmen, z. B. tylomis schweigend zu iyla Stillschwei-
gen, iyczöms absichtlich zu iyczd, etwa “Trotz’ (Leskien, Bild.
d. Nom. 312). Gewöhnlich sind die Kasus isoliert, z. B. Alıipomts
knieend, naromis mit plaükti unter dem Wasser schwimmen
(Leskien 208), palipomi: stufenweise (219), stesgomis eilig (220),
pakaitomis abwechselnd (223), noroms nenoroms nolens volens
(218, vgl. noras Wille). Ebenso lett. witamis stellenweise, vgl.
Bielenstein, lett. Spr. $ 532.
8 246. Instrumentalis. Adjektiva und Pronomina.
(Griech. auf o).
Altindisch. Dem Neutrum gehören einige Adverbia
auf ©na und @ an, so: cirena nach langer Zeit, spät (eig. ‘durch
. 37*
580 Kap. XIV. IL Instr. Adverbia aus Adj. und Pron. (5 246.
lange Zeit hin’) und die präpositionalen Adverbia dakfinsna
zur Rechten von (Gen., Abl., Akk.); uttarena nördlich, links
(Gen., Abl., Akk.); antarena dazwischen, innerhalb (Akk.\. —
Dazu das pronominale era so, hier, auch mit pards darüber
hinaus, höher als (so dass es also auch als Kasus erscheint). —
Auf ä gehen aus: ubhaya auf beiderlei Weise, madhya in-
zwischen, zwischen (Gen.), dakjina rechts, gebildet mit ver-
schobenem Accent; nica unten, hinunter, ucca oben, präcä vor-
wärts gehen wohl schliesslich auf konsonantische Stämme zurück,
doch liegen auch nicad uccäis vor, so dass es gestattet ist, diese
Formen an dieser Stelle zu erwähnen. An sie schliesst 'sich
paSca hinterdrein, später, tiraßca in die Quere, irmäa auf der
Stelle, hier, hierher. Von pronominalen Formen: ama daheim
(vgl. amad). Dem Komparativ gehören an: vedisch ndoyasa
und ndviyasz aufs neue, neben den gleichbedeutenden Akk.
navyas und naviyas. Von einem Partizipium praes. act.
ist dhrfata herzhaft, tüchtig, kräftig gebildet (darf wagen).
Für einen Instrumentalis auf ms wird sanems von jeher, alle-
zeit, olim angesehen. Avestisch. Aus dem Avestischen ge-
hören vielleicht die Zahladverbien zsoaZaya -ci5 sechsmal und
naumaya-ci} neunmal (vd. 8, 17—18) hierher. Griechisch.
Man nimmt jetzt wohl allgemein an, dass im Indogermanischen
Instrumentale von o-Stämmen auf 6 und & vorhanden waren,
und solche dürften auch im Griechischen anzuerkennen sein.
Ich scheide aber an dieser Stelle die Formen auf € aus, weil
es mir nicht gelingt, sie überall von den Formen auf 7, aund ag
reinlich zu sondern. Ich werde sie also mit diesen zusammen
behandeln. Die auf w betreffend nimmt man jetzt meist an,
dass sie mit denen auf ws eigentlich illentisch seien. Ich halte
dagegen (wenn ich auch die lautliche Schwierigkeit nicht zu be-
seitigen vermag) an der alten Ansicht fest, dass die Formen auf
og Ablative seien (vgl. oben 8. 559). Dass oötw; (Abl.) und oörw
(Instr.) dieselbe Bedeutung haben, darf nicht Wunder nehmen.
Haben wır doch gesehen, dass die Adverbia überhaupt in ihrer
Bedeutung konvergieren. Freilich giebt es pronominale Formen
auf » von ablativischer Bedeutung, aber doch nur im dorischen
$ 246.) Kap. XIV. II. Instr. Adverbia aus Adj. und Pron. 581
Sprachgebiet !), z. B. Theokrit 3, 25: rav Baltav drodus ds xupara
mv Aleüpaı ümep ts Buvvas oxomidlera "Din; 6 ypıreös (vgl.
auch Ahrens, Dor. 374). Ich sehe aber nıcht ein, warum sie
nicht Gen.-Abl. sein sollen. Diese Annahme ist um so un-
bedenklicher, als die Dorier an Stelle von rxoö u. s. w. be-
kanntlich nei sagen, so dass bei ihnen der Genitiv nicht für
den lokativischen Sinn in Anspruch genommen ist. — Dem
nominalen Gebiete gehören, so viel ich sehe, nur an: ayvw
(zu äpap, vgl. J. Schmidt, Pluralb. 216 Anm., wo noch BB.
15, 17 und KZ. 32, 244 hinzuzufügen ist) plötzlich, eig. “mit
Plötzlichem’, bei Thukydides, und 2rioyepw der Reihe nach,
eig. ‘durch das Fortlaufende hin’, schon bei Homer (vgl. &v
oxep@ bei Pindar, wo also noch das Wort ausserhalb der Zu-
sammensetzung vorliegt). Eine grössere Reihe bilden gewisse
mit Präpositionen zusammenhängende Wörter auf o,
welche alle diejenige Schattierung der Bedeutung zeigen, die
wir durch -wärts ausdrücken. Es sind: rp6oow vorwärts, örioow
rückwärts, bei Homer gewöhnlich mit Verben der Bewegung,
dann auch mit Aelrw: örlow 8% nölas Alne liess das Thor hinter
sich X 137, weniger sinnlich: 1# 5 aAyea xdllın önloow A 279
(eigentlich: er liess hinter sich zurück, als er starb). Die Be-
deutung “in Zukunft’ scheint sich in Stellen wie T 160 ent-
wickelt zu haben. ”E£w hinaus, z. B. nzplv Y nueas &IdEpev Eko
aypöv &s Audtepov d 138. Die Bedeutung ‘draussen’ dürfte sich
bei Homer kaum finden (x 95 oy&dov &&w vergleiche man mit
Zyov eisw dicht vorher). Später hat sich an Zw l&vaı u. ähnl.
auch &£w yiyveodaı und elvaı angeschlossen, wie auch wir "aus-
1) Joh. Schmidt, KZ. 32, 412 sagt: ‘lokr. öro & IGA. 321, 9. 18. 21 =
Coll. 1478, welche Röhl und Baunack (Wortregister zu Coll, II, 1) “wo”
übersetzen, bedeuten vielmehr “woher”, sind also Ablative. Ich meiner-
seits kann nur “wo” übersetzen. Die Stellen lauten: Z£einev dvympetv Or
Ftxastos Av es soll frei stehen, dahin zurückzuwandern, wo jeder gewesen
war; töv Endvyıstov xparetv Aoxpäv En x’ n abröv Iövra der nächste Ver-
wandte soll erbberechtigt sein, wo er sich auch im Gebiet der Lokrer auf-
halte, muss aber selbst kommen; x4v Aoxpois tois "Yroxvapıdlas Ev ra nölı
& x’ 7 xapükar 2v tdyopa und im Gebiet der hypoknemidischen Lokrer es
verkünden in der Stadt wo er ist, auf dem Markte. So urtheilt auch
R. Schöll, der mich in diesem und anderen Fällen freundlich berathen hat.
582 Kap. XIV. IL Instr. Adverbia aus Adj. und Pron. [$ 246.
wärts sein’ u. ähnl. sagen. Eic® hinein. Bei Homer lässt sich
diese Bedeutung auch noch finden in Stellen wie xal eioo
&bprov Eudapeı n 13 und dorda d eiow EüAasev o 96. Das ‘drinnen’
ist deutlich in Stellen wie: oöv ö ad TO aoryäav xal neverv elom
&öuwv Aeschylus Sieben 232. Av» aufwärts, so Adav dv
&deoxe A 596, daraus ‘oben’, so schon Q 544. Kırw abwärts,
z. B. öpdav % 91. Den Übergang zu ‘unten’ zeigt: Zvda d4 o:
ordos &ori aAtw xolAy, dno nerpyg Hesiodos Theog. 302 (die Höhle
geht in den Berg hinein), später sagt man oi xateo deol u. ähnl.
Desselben Sinnes sind die Bildungen auf -tepw und -Tar,
über welche Frohwein in Curtius’ Studien 1, 76 ff. berichtet,
nämlich xposwripw und -Tatwe, Advordpw und -täto und 80 von
den oben genannten ausser von örtoow. Bei Homer finden sich
diese Bildungen (wohl zufällig) nicht vor, wohl aber die sinn-
verwandten docorepw näher heran, &xastepm weiter entfernt
(ei nep xal pda noAAdv Exaorepm Eor Eußolns n 321) und dxaorarıo
ganz fern (Ttöv yap vTes Eacı &xasıdarw odöt nal &yyüs K 113).
Ebenso das von npd gebildete rporepw (vgl. ai. prataram) weiter
vor, bei Verben der Bewegung, danach: xal vo xe 6 rporipw
Er Epıs ydvero wäre noch weiter gegangen W 490, äpfeı xal zpo-
tepw xaxov Eupevar auch für die Zukunft 8 667. Dagegen dru-
tepw weiter weg (dessen » man beachte) ist nachhomerisch.
Andere Bildungen auf -tepw und -tarw s. bei Frohwein. — Eine
dritte Gruppe bilden die pronominalen Formen. Ich bespreche
ode und zw. (Üdrw ist mit oötw;s zusammen unter den ablatıvi-
schen Adverbien S.561 erwähnt). Dass #ös auf einen Instrumental
zurückgeht, scheint mir wegen seiner Bedeutung nicht zweifel-
haft. Hat es doch (wie ich andern gegenüber behaupte) in
mehreren Stellen denselben Sinn wie die eben erwähnten prä-
positionalen Wörter auf w, nämlich “hierhin, hierher gerichtet
in Stellen wie: vo ö &5 &n' äpıst&p Eye orparoö hierher, hierhin
(mit zeigender Geberde) N 326, röv Eeivov &vavılov he xaAlcocov
p 544, vöv 5 de kbv vni xamAudov a 182, Hoaıste, npöpoA Wöe
5 392. Gewöhnlich bedeutet es ‘so wie wir sehen, wie &
geschieht’, z. B. Evexa Bynrüv Zpıdalverov ade A 574, eine Be-
deutung, deren Entwickelung ich hier nicht weiter verfolge.
8 246.] Kap. XIV. II Instr. Adverbia aus Adj. und Pron. 583
Es verbindet sich auch mit Adjektiven, z. B. tl vö 0 &ös ue-
Inpova yelvaro unenp; & 25, od ydp Er AAlov Arıov Ge dvaxıa
xıyncopar E 138 und sonst; und mit einem Adverbium: ei nodsv
dor hde ar &amlvnsg 9 195 (wo Odysseus vielleicht mit dem
&öe auf seine Anwesenheit anspielt),. Ilo nur in Verbindung
mit einer Negation kann wohl nur ‘irgendwann’ bedeutet haben
(ursprünglichst “über irgend einen Zeitraum hin’). Die Be-
deutung ‘noch nicht’ dürfte sich in Sätzen mit dem Aorist oder
Perfektum entwickelt haben, wie z. B. 23dAdv d odre rl zw einas
Eros orte teleooas A 108, oBöd vo nu nep dneppdow du hast wohl
bis jetzt noch nicht gemerkt gehabt D 410, r&Aos d od ne tı
zsyavraı B 122, wobei der Gedanke des “bis jetzt’ aus dem
Tempus hinzukommt. Der so erworbene Sinn ‘noch nicht’
wird dann auch in anderen Verbindungen beibehalten, z. B.
Tuos 8 oörT dp zw Has &tı d Aypıldın vos H 433, obög nd rw
wioyeodar Ömtp rotapoto &ucı W 73, od rw neloonaı s 358. —
Daneben heisst zw auch ‘irgendwie’, so dass man es als eine
Verstärkung der Negation empfindet, z. B. &rel 08 rw rdvres
öpotor M 270. Weitere Belege bei Ebeling zw 2. 08 rw rote
heisst ‘noch niemals. Lateinisch. Da im Lateinischen eine
Scheidung des alten Ablativs und des alten Instrumentalis auf
dem nominalen Gebiet nicht mehr möglich ist, habe ich die
Adverbia auf o und e alle unter dem Ablativ behandelt $. 563.
Dagegen lässt sich aus dem Pronominibus einiges mit Sicher-
heit oder Wahrscheinlichkeit dem Instr. zuweisen. Zunächst
qui und alıqui, welche Brugmann 2, 783 der Form nach für
Instr. hält, deren Bedeutung ja auch durchaus zu dieser An-
nahme stimmt. Ferner die Formen auf o, welche den Ort
angeben, wohin sich etwas bewegt, nämlich eo eodem, hoc,
ıllo illoc, ısto istoc, quo quopiam quoquam, quoquo quovis, alio
alıquo, altro, utroque, citro, intro, retro, uliro, deziro, über
deren Gebrauch in der alten Latinität man Ebrard 616 ver-
gleiche. Sodann ist mir wahrscheinlich, dass die Formen auf
-im wie exim und interim, istim, illım, gewöhnlich ssiinc,
tllinc, hinc, utrimque, olim den Instrumentalen auf -mi ent-
sprechen. In om liegt der Sınn der Zeiterstreckung, utrimque
584 Kap. XIV. II. Instr. Adverbia, femininisch. [$ 246—247.
heisst “auf und von beiden Seiten’, die übrigen bezeichnen den
Punkt, von dem die Bewegung anhebt. Es mag sonderbar
erscheinen, wenn Adverbia, welche ‘wohin’ und solche, welche
‘woher’ bedeuten, gleicherweise auf den Instr. zurückgeführt
werden. Indessen, da dieser Kasus gesetzt wird, wenn es sich
um eine Bewegung durch einen Raum hin handelt, so ist es
immerhin möglich, dass sich neben Verben wie “hineingehen’
ein ‘wohin’, neben “hervorkommen’ ein ‘woher’ aus demselben
Worte entwickelte, welches ursprünglich “auf diesem Wege’
bedeutete. — Eine vereinzelte Bildung, die sich dem ai. dhrgata
an die Seite setzen lässt, dürfte repente sein. Slavisch. Ich
habe nur wenige Belege für den neutralen Instr. notiert. Aus
dem Altkirchenslavischen (Miklosich 4, 684), z. B. jeste ma-
lomi duchajyusti nur noch wenig athmend, visidi pravicemi vi
domi recta domum ingressus. Aus dem Serbischen wäre etwa
lakom beinahe zu erwähnen, das doch wohl eigentlich “leicht-
lich’ bedeuten wird, aus dem Russischen dodromü in gutem,
mit Güte.
$ 247. Fortsetzung. Adverbia femininischer Form.
(Griech. auf n).
Es ıst keineswegs ausgemacht, dass alle Bildungen, die
ich hier bespreche, wirklich femininisch sind. Ich habe manche
nur deshalb hierhergestellt, weil ich annahm, dass der Leser
sie hier suchen würde.
Altindisch. Man hat ytiay@ richtig, päpaya auf üble
Weise, schlecht, unrecht und vamaya gefällig, schön (einmal
im RV.) bisher gewöhnlich für femininale Bildungen erklärt.
Neuerdings aber hat Mahlow dagegen eingewendet, dass ja
die Fem. von päpd und vämd nicht papa und vama, sondern
päpt und vamt lauten, und J. Schmidt, Pluralb. 212 Anm. hat
sich diesen Einwand angeeignet. Er hält rlaya, päpaya und
vamaya für Nachbildungen nach aya und kdyä. Aya aber sei
nicht von vornherein eine Femininalform, sondern geschlecht-
lich indifferent gewesen, und aus dieser geschlechtslosen Zeit
stamme die Verwendung des Wortes als Adverbium. Mir
$ 247.1 Kap. XIV. II. Instr. Adverbia, femininisch. 585
scheint das nicht wahrscheinlich. Neben päpdya und vamdya
ist auch noch dbhadrdya glücklich vorhanden, z. B. väcam va-
data bhadraya sprecht das Wort glücklich aus, yad vargasıi bha-
drdya wenn du heilvoll regnest (vgl. Böhtlingk-Roth s.v.). Dieses
Wort und andere gleiche Bildungen, welche etwa noch vor-
handen waren, können ganz gut die Musterform für papaya
und vamaya gewesen sein. (Ebenso wäre dann auch samäya
aufzufassen). Neben diesen waren Bildungen mit adverbial
verschobenem Accent vorhanden, nämlich riaya richtig (von
Böhtlingk-Roth alg Instr. eines Substantivs aufgefasst) und
akönaya in die Quere. Adatraya ohne Geschenk empfangen
zu haben sehe ich mit Grassmann als Instr. eines Subst. an.
An die Bildungen aus Adj. auf a schliessen sich solche von
Adj. auf w, nämlich urviy@ weithin, äßuya schnell (vgl. das
Avestische), sädhuya gerades Weges, raghuya rasch, leichthin,
auch mithuyä falsch neben mithyä und anusthuya neben anusthyäa
(vgl. auch anu$thu) dabeistehend, unmittelbar, alsbald. Aus dem
pronominalen Gebiet amuya auf jene Weise. Auch sie wurden
von den Indern doch wohl als femininisch empfunden. Be-
stimmte Substantiva, welche den Redenden hierbei vorschwebten,
weiss ich freilich nicht namhaft zu machen. Konstruiert sind
diese Adverbia mit dem Verbum finitum oder einem Parti-
zipium, z. B. mithuya cärantam den falsch gehenden. Sonderbar
ist das dreimal vorkommende papdyämuya auf jene schlechte
Weise, so schlecht; päpäya scheint mit amuya wie ein Adj.
mit seinem Subst. verbunden worden zu sein. Avestisch.
Dem indischen a$uya schnell entspricht av. äsuy@ schnell,
das zweimal neben mosu rasch (ai. maksu) vorkommt. Grie-
chisch. An dieser Stelle sind mehrere verschiedenartige
Gruppen vereinigt, welche von einander zu sondern noch nicht:
gelungen ist. Es scheinen nämlich unter den hier aufgezählten
Formen Instrumentale zu sein, welche im Urgriechischen auf n
ausgingen, welche einem anderen Genus zuzuweisen als die
auf » kein Grund vorliegt, sodann Formen auf urgriechisch «,
deren Herkunft wir noch nicht recht durchschauen (es könnten
vielleicht auch Akk. plur. dabei sein), und endlich Dativ-In-
586 - Kap. XIV. I). Instr. Adverbia, femininisch. 5247.
strumentale, welche also urgriechisch auf aı ausgingen. Die Son-
derung der Gruppen macht namentlich auch deshalb Schwierig-
keiten, weil das ı subscriptum in unserer Überlieferung bald
geschrieben wird und bald nicht. Ich folge, in Ermangelung
eines sachlichen Prinzips, der Schreibung der zufällig von mir
benutzten Ausgaben. Voran stelle ich einige Dativ - Instru-
mentale, neben denen sich die fehlenden Substantiva noch
leicht ergänzen lassen, die also als noch nicht völlig erstarrt
zu bezeichnen sind. Aus Homer gehört dahin tpırıY rerpani?
t anorloouev A 128 (wobei man an alo« ‚oder ein ähnliches
Subst. zu denken hat). Nachhomerisch sind xoıwf gemeinsam,
von Staatswegen, bntf palam (Meisterhans? 114), önpootg von
Staatswegen, !öla privatim. Am leichtesten bietet sich als
Ergänzung ßovAf, z. B. xowf ri Bovisdcavra Sophokles Oid.
Tyr. 606, t&us nv odv dxpıydueß elta to ypdvo xoıvf Euveßnuev
Aristophanes Wolken 66. Ferner xs{j zuerst bei Herodot und
Thukydides, wozu nicht 66% sondern $vvapeı zu ergänzen sein
dürfte. Von den übrigen erwähne ich zuerst die dem nomi-
nalen Gebiete angehörigen. Es sind aus Homer Aadpy (viel-
mehr Aaddpn zu schreiben, wie das Metrum zeigt, vgl. J. Schmidt,
Pluralb. 40) ‘heimlich’, mit Verben verbunden, in Verbindung
mit einem Gen. “heimlich vor’; äpaprfi gleichzeitig. Nach-
homerisch sind att. Nouyf; still, bei Pindar douyä; att. ext;
eitel, unnützlich, zuerst Aeschylus Prom. 450; att. xpupf (z. B.
xpup7j xeüde Sophokles Antig. 85), xpupä bei Pindar. Ausser-
dem äxä sanft, leise bei Pindar. — Es folgen die prono-
minalen Adverbia.e Es kann wohl nicht zweifelhaft sein,
dass im Urgriechischen Adverbia auf n mit der Bedeutung des
‘Wo’ oder der Richtung auf etwas hin vorhanden gewesen sind,
und daneben Adverbia der Art und Weise auf äı (a). Dieser
Zustand liegt noch vor in dem Kretischen der Inschrift von
Gortyn. Dort heisst ör7 wo, z. B. orn x &mıßaldly wo es hin-
gehört 6, 29, und ähnlich 1, 42 und 12, 25. Dagegen örd wie,
z. B. ön4 xa vovavraı xaAlıora wie sie es auf das beste können
12, 30, örd xa Anlovrı wie sie wollen 2, 35. Ebenso heisst
n wo. Wenigstens übersetzt Bücheler die Worte 1, fexdstew
8 247.] Kap. XIV. U. Instr. Adverbia, femininiseh. 587
&ypattaı 6, 30 durch: “wo von jedem geschrieben steht’. Die
anderen Stellen, wo 7 erscheint, sind mir nicht recht klar,
deutlich aber ist, dass & wie bedeutet, so in dem häufigen &
Eyparıaı wie geschrieben steht, ebenso dnep. Sodann ällg in
allg Eyparcaı es steht anders geschrieben 6, 14. Auf späteren
kretischen Inschriften dagegen haben auch die Formen auf n
ein ı erhalten, z. B. önfj &xatepfj (Ahrens, Dor. 362). In In-
schriften und Handschriften anderer Dialekte finden wir den
gleichen Zustand, es sind also im ionisch-attischen Sprach-
gebiet die Formen auf -n und -q nicht mehr zu scheiden. Ich
behandle hinter einander 7 rüde, F Axt, rY Inny, Tadıy, Auf,
ravey, AAly, endlich die auf -yj (die Schreibung nach den
Ausgaben, insbesondere nach der Homerausgabe von Nauck).
T7 (über diesen Weg hin) da, dahin, z. B. 75 ba öl adrdav
(nämlich ruAawv) xevrpnvexdas Eyov inroug E 752, Enny x Won,
ty eixovoıv otiyes Avöpav M 48, .dann auch ‘wo’, z. B. Z 393.
Für rf nep 6 xal Ereıra Teleurnoecdarn Epeilev d 510 ergiebt
sich ‘wie’ als Bedeutung. Töe hier, aber Q 139 ‘so’, 7 (über
welchen Weg hin) wo, wohin, z. B. rods iv redlovde dlwxev
rpös nöAıv, G nep Axarol drulduevor Yoßdovro Auarı To rporepwp
®3, tä inev F xev öh ob, nslawvepks, Ayepoveöns 046 (vgl. dazu tab.
Heracl. 1, 81: äreydvras dr dAldlwv GE yiv Tpıdxovra nödas &
62 Flxarı). Sehr selten ‘wie’, z. B. üße yap Hnelinoe Kpdvou
rar, D teldeı nep 8 415. Dazu nyı wo. 117 wohin gewendet,
2. B. "Extop, af &n tor pevos olyerar; E 472, nd &Bn ’Avöpondym
Aeuuwlevos 2x peyaporo; Z 377. Entsprechend xy, aber auch
modal, z. B. oötw ny ade y' &ort, plkov texas, bs @yopedeıs O 373.
Dass rn die richtige Form ist, zeigt die lakonische Inschrift
des Damonon, wo rnroxa offenbar ‘irgendwo’ bedeutet. Orxrny
(örg) finde ich bei Homer nur in lokalem, nicht in modalem
Sinne. Taöy hier und hierhin (nicht bei Homer), z. B. &st Av
o0tog AAtos Tabry lv aipy Tide 8 ad öbvn nalıv Sophokles Phil.
1330, tadıy ?r&ov bei Plato, sodann häufig “auf diese Weise’.
Ayfj in oödayfj bei Hesiod, Herodot, den Attikern in den Be-
deutungen ‘nirgend, nirgendhin, keineswegs’, z. B. “oaurws;
xara taurd Eyeı xal obögnore oddand obdanns AAlotwary oddenlav
588 Kap. XIV. I. Instr. Adverbia, pluralisch. [$ 247—248.
&vö£yeraı erfährt nie nach irgend einer Richtung hin auf irgend
eine Weise irgend eine Veränderung Plato Phaidon 78 D, Bei;
oddauf oddanins Aöıxos Theaitetos 178 C. Dasselbe in üpınyern,
äuä gleicher Weise bei Pindar. IIavry (nach Ausweis des
Metrums zdvrn, vgl. J. Schmidt, Pluralb. 40) heisst “überallhin,
überall’, z. B. a ö ängyero na Yeoio navım Ava orpardv A 384,
Av nepı u&v navın P6ößos dorepavwraı E 739, so auch tab. Heracl.
1, 143: Toy 8 puyöv nevre xal dena noday navrd. Was Ay
betrifft, so kann man bei Homer noch überall dıe lokale Be-
deutung zur Geltung bringen, später ist die modale unver-
kennbar, z. B. Admvatoı pev yap Önkov &roinoav brepaydeodevres
tü Munrov wor Tf te Ally noAlayfi u. 8. w. Herodot 6, 21.
(Hlerodot scheint also, da er den Artikel braucht, die Ellipse
eines Substantivums empfunden zu haben). Endlich die Ad-
verbia auf -y7 (5) bei Zahlwörtern und verwandten Wörtern,
durch welche, wenn sie von Zahlwörtern abgeleitet sind, an-
gegeben wird, in wie viel Theile zerlegt der Gegenstand ge-
dacht werden soll, also öıyf, tpıyg in zwei, in drei Theile
u. 8. w., zZ. B. toüg Tokdras Tpıyy Erornoavro (Xenophon), yiyveraı
To orpdreupa tpıyl (ebenda), ebenso bei dtmpeisdar, dravgpeıv
veperv, ötpxtadn 8’ 4 Mavrıveia Terpayfj nadärnep Tb dpyatov qxouv
(ebenda). Daran schliessen sich dMayf anderswo, anders-
wohin, ravtayzj überall, überall hin, in allen Beziehungen,
povaxfj allein, auf eine Weise, roAlayxfj vielmal, oft, auf vielerlei
Art. Keines dieser Wörter findet sich bei Homer, der die For-
men auf xa hat, welche doch wohl Akk. plur. sind.
$. 248. Fortsetzung. Adverbia pluralischer Form.
Altindisch. Roth erklärt einige Instr., so bhadrebhis
feliciter und mai$übhis rasch für Adverbien, während Grass-
mann in beiden Fällen das Subst. ‘Rosse ergänzen möchte.
Sicher adverbial sind Sanäis oder Sanäis und Sanakais (was als
Diminutivum dazu gebildet ist) langsam, wccats hoch oben,
nach oben, von oben, »icäis unten, nach unten, von AV. an,
präcäis vorwärts, paräcais abseits. Alle diese Bildungen sind
isoliert, neben Sdnätis, präcais, paräcais sind Stämme auf «a
& 248—249.] Kap. XIV. II. Dativische Adverbia. 589
überhaupt nicht vorhanden. Dass anfangs ein Subst. vor-
schwebte, ist anzunehmen, für $dnäis würde sich ‘Schritt’ dar-
bieten. Auch ein Plur. fem. wird von Roth angenommen,
nämlich dräghifthäbhis langdauernd, während Ludwig ütibhis
ergänzt. Avestisch. v3spa:3 immerdar, dazu nach Bartholomae,
Ar. Forsch. 2, 133 noch pourutemai$ in reichstem Masse (aus
pron. Gebiet äis und adasd). Aus dem Lateinischen ist
etwa alternıs anzuführen, wobei man an victbus denkt. Die
germanischen Bildungen sind Grimm 3, 94 verzeichnet. Es
gehören dahin ahd. /uzzikem paulatim, einezem singulatım,
ags. Iitlum minutatim, miclum magnopere, altn. driugum fre-
quenter, Zongum longe, fornum olım u. ähnl. Auch die mhd.
Adverbia auf lichen, z.B. minneclichen, die Grimm für Akk. sing.
erklärt, sind hierher zu rechnen, wenn smähltihhem der Kero-
ner Gl. beweiskräftig ist. Von vereinzelten Formen ist gestern
zu erwähnen. Aus dem Litauischen dürfte preszats ent-
gegen hierher gehören (vgl. auch Bielenstein, Lett. Spr. $ 528).
Slavisch. Es giebt eine Anzahl von Adverbien auf aksl. y,
welche doch wohl als Instr. plur. anzusehen sind. Dahin ge-
hören aus dem Altkirchenslavischen nach Miklosich 4, 712:
osklabivü se maly ein wenig lächelnd, pisisky laye auf Hunde-Art
bellend, dazu Zenisky auf Weiber-Art, ne razumechü dobre grüäcisky
ich verstand nicht gut auf griechisch, ebenso latınisky auf la-
teinisch, s/ovenisky auf slovenisch u. ähnl. Dazu noch paky
wiederum, aky wie (bei Vergleichung einzelner Begriffe). Ebenso
im Serbischen, z. B. muski auf Männer-Art, zenski auf Weiber-
Art, vucki nach Wolfs-Art, mojski auf meine Weise, naski in
unserer Sprache (vgl. meatim u. ähnl.). Im Russischen muZeskt,
russki, dvorjanski (als Edelmann).
$. 249. Der Dativ.
Aus dem Altindischen lässt sich von Subst. etwa varaya
zur Wahl, nach Herzenslust und arthäya zum Zweck, um willen
anführen, von Adj. das vedische aparäya in nündm na indrä-
paräya ca syah jetzt sei uns (gnädig), o Indra, und für die
Zukunft RV. 6, 33, 5, ferner das vereinzelte Ajarasaya bis zu
hohem Alter (aus äjyarasam gebildet) und das nachvedische
590 Kap. XIV. II. Genitivische Adverbia. [($ 249—250.
ciräya für lange und cıraräträya lange, nach langer Zeit, endlich
(mit merkwürdiger Verschiebung der Bedeutung). Den Dat. plur.
fem. apartbhyas für die Zukunft rechnet Grassmann zu einem
Subst. apart, während ich es vorziehe, eine femininische Adjektiv-
form anzunehmen, zu welcher der Begriff Nacht’ zu ergänzen wäre.
Dass das griechische yapat Dativ sei, hat Osthoff, Perf. 195
wahrscheinlich gemacht. Die Bedeutung ‘zur Erde hin’ kann
man bei Homer fast überall zur Geltung bringen (nicht bloss
bei P&AAw, ydu, dpwoxw, sondern auch bei ypaı). “Auf der Erde’
heisst es A 145 (tv au yapal dfevapıkev) und E 442 (yapal
&pyondvav T avöpemuwv). Aus dem Litauischen gehören hierher
sziamsyk für dieses Mal, ferner die zahlreichen Formen auf yn,
x. B. toljn eiti, vazıüti weiter gehen, fahren; zemyn abwärts,
z. B. saule ldidias zemyjn die Sonne senkt sich herab; auksztyn
eiti nach oben gehen; senyn eits älter werden; storyn eit: dicker
werden, prtktyr eiti schlimmer werden u. 8. w. Bezzenberger,
ZGLS. 110 hat gezeigt, dass sie in der älteren Zeit auf wi oder
ut endigen, also Dative von Stämmen auf yna oder ynıa sind,
und zwar offenbar von Abstraktis, so dass auksztijn eig. heisst
‘zur Höhe’ (vgl. oben bei den Komparativen S. 412 und Les-
kien, Bildung der Nom..411). Aus dem Slavischen nenne
ich aksl. domovi und domovi oixade, russ. alt domovi, jetzt
domoj, aksl. dolu herab, russ. alt dolovi aus dolovi, jetzt dolgy.
Von adjektivischen Bildungen wäre etwa aksl. vünu hinaus zu
nennen, woneben der Lok. vüne draussen steht.
"8250. Der Genitiv.
Wenn in der Urzeit adverbiale Gen. oder solche die dem
Adverbium zustreben, vorhanden gewesen sind, so können sie
wohl nur dem Gebiete des temporalen Genitivs angehört haben.
Hinsichtlich dessen ich auf $ 174 verweise. Hier erwähne ich
aus dem Altindischen noch das merkwürdige cirasya nach
langer Zeit, vorliegend im Epos, z. B. putram drgtväa cirasya
den Sohn endlich erblickt habend Mhbh., zu dessen spezieller
Erklärung ich nichts beizubringen weiss. Griechisch. Aus
dem nominalen Gebiet weiss ich nichts Sicheres anzuführen
(ob &being, &&ns Gen. oder Abl. sei, lässt sich nicht entscheiden).
$& 250.) Kap. XIV. II. Genitivische Adverbia. 591
Dagegen finden sich eine Anzahl lokaler Gen. aus dem Bereich
der Pronomina. Diese dürften schwerlich urgriechisch sein,
da sie nur den ostgriechischen Dialekten angehören. Im Ur-
griechischen wurden in diesem Sinne wahrscheinlich die loka-
tivischen Formen auf eı gebraucht, vgl. S. 572, 581. Ich führe
aus Homer an: xoö wo, einmal durch “wohin’ zu übersetzen: roo
tor Arerlal olyovrar; N 219; rou irgendwo, dann auch irgend‘,
z, B. Oppa tl nou xal tide nad xaxov 5 173; aurod an diesem
Orte; öuod am gleichen Orte, vielfach auch auf Zeit und Art über-
tragen, mit dem Instr. ‘am gleichen Orte mit‘, z. B. xeisdar Hood
vexbeooıw OÖ 118; dyyoo in der Nähe; uYoo hoch oben; tnAov
fern, fernhin. Im Lateinischen kommt man über unsichere
Vermuthungen nicht hinaus. Es sind als Gen. in Anspruch
genommen worden fors zufällig und roz bei Nacht. Was fors
betrifft, so verweist Bücheler (B.-Windekilde $ 158) auf das
oskische svaepis fortis gleich si guis forte. Doch war fortis
schwerlich Gen. sing., vgl. Bronisch, die oskischen :- und e-
Vokale 8. 132. Vielleicht hat doch Pott, Etym. Forsch. II,
1, 875 recht, der fors für einen Nom. sing. erklärt. Es könnte
aus fors sit ‘der Zufall mag eintreten’ hervorgegangen sein.
Bei nox macht ausser dem Gen. sing. auch der Lok. plur. An-
sprüche, so dass noz aus *noxu entstanden wäre, wie mox aus
*mozu. Die Syntax empfiehlt allerdings mehr die Annahme
eines Genitivs. Zahlreich sind die genitivischen Adverbia im
Germanischen. Ueber die substantivischen s. namentlich
Grimm 3,127ff., Erdmann 2,180ff. Ich erwähne zuerst die bei-
den vereinzelten gotischen Formen svare umsonst, worüber ich
nichts zu sagen weiss, und disunjane ringsum, z.B. gaggam du baim
bisunjane hasmom äywyev elc Tas &yonivas xwponoleıs Mark. 1, 38,
welches Kluge in Paul und Braune’s Beiträgen 10, 444 als
Gen. plur. mask. des mit di zusammengesetzten Partizipiums
der Wurzel es erklärt, so dass du baim bisunjane haimom eigent-
lich heisse: ‘zu den Dörfern der Anwohner”. Die übrigen gen.
Adv. knüpfen an temporale und lokale Genitive an, welche in
das Germanische aus proethnischer Zeit überliefert sind. Von
temporalen findet sich im Gotischen: dagis hoizuh in jah vas
592 Kap. XIV. II. Genitivische Adverbia. [$ 250.
Fraquman dagis hvizuh stiur ‘a‘ und es wurde verzehrt an jedem
Tage ein Stier Neh. 5, 18; gistradag:s morgen. In den anderen
Dialekten findet sich gistradagts nicht, dagegen ahd. dages, bei
Otfr. sowohl “am Tage’, d. h. “Tag für Tag’, als auch ‘an dem
und dem Tage’, z. B. thes dages was sambazdages fira, mhd.
tages (hiutes tages, eines tages), ags. düges des Tages, nhd.
tags, eines tages, eines schönen tages u. 8. w. Dazu weitere
maskulinische Zeitangaben, z. B. ahd. winteres, mhd. morgens,
übendes, sumers, järes u. ähnl. Daran schliesst sich das Fem.
ahd. nahtes (namentlich auch in der Wendung tages inti nahtes)
ags. nihtes, mhd. nhd. nachts. Die Ansicht Scherer’s, dass
nahtes, nıhtes u. 8. w. ihr es erst von tages erhalten haben, ist
nach meiner Meinung die richtige. Ein sicherer Fall einer
solchen Uebertragung liegt ın mittwochs vor (Mittwoch war bis
in’s vorige Jahrhundert Fem., empfing das Mask. von den
übrigen Wochentagen, mittwochs von Grimm Wb. zuerst bei
Lessing belegt). Von den lokalen Gen. ist wichtig got. lan-
dis in manna sums godakunds gaggida landıs franiman sıs Piu-
dangardja avdpwnös tıs edyeyhs Enopeödn el; yupav naxpav Aaßeiv
&aurid Baoılefav Luk. 19, 12. Da ‘Land’ nicht so viel ist wie
“Ausland”, kann Zandis ursprünglich nur bedeutet haben “durch
das Land hin’ (vgl. ahd. inlendes intra unius gentis terminos),
also genau wie gr. neöloro u. ähnl. ‘Durch das Land hin’ kann
nun thatsächlich so viel bedeuten wie ‘in ein anderes Land’
und so kann in den Gen. der Gedanke des erstrebten Zieles
kommen, wie er doch wohl bei Zandis vorgeschwebt hat (vgl.
$ 158). Vielleicht hat sich hieran der Gen. des Zieles ange-
schlossen in usleibam jainıs stadis d&uEidwpev eis t6ö nepav Mark.
4, 35; ınsandida ına haihjos seinaizos haldan sveina Ereydbev
adröy eis Tobs Aypoüs abtoo Pdoxewv yotpous Luk..15, 15. (Auf
elilentes fuor peregre profectus est bei Tatian möchte ich keinen
Werth legen, weil peregre in der Fremde und in die Fremde
bedeutet.) Derselbe ursprüngliche Sinn des Gen., wie ich ıhn
ın landts finde, zeigt sich dann noch in dem got. framuigıs
ravrore, z. B. framvigis mib fraujin vairbam ravrore avv
Koptyp &söueda 1 Thess. A, 17, das Grimm als Gen eines Nomens
$ 250.) Kap. XIV. II. Genitivische Adverbia. 593
*framoigs vıa continua auffasst. An diese Gen. haben sich
nun weitere Gen. und Adverbia angeschlossen, welche sich im
Althochdeutschen nach dem von Erdmann aus Otfrid gegebenen
Material bequem verfolgen lassen. Vereinzelt sind Wendungen
wie: thes wäges er sie wista er leitete sie durch die Fluth; sehr
geläufig dagegen Gen. von “Weg, Fahrt’ bei Verben der Be-
wegung, 2. B. gang ouh thines sinthes geh deines Weges (mit
dem Nebenbegriff des Fortgehens), thes ganges sie iltun gähun
sie eilten schnell des Weges, üÜs so thes sinthes thes iro heimin-
ges eile fort nach ihrer Heimath. Neben diesen Mask. erscheint
auch das Fem. fart, z. B. er fuar sär thera ferti, woneben sich
in Nachahmung des Mask. ein Gen. fartes entwickelt hat. Da
nun ‘Fahrt’ eine Thätigkeit bezeichnet, so konnten andere
Substantiva, welche eine Thätigkeit ausdrücken, diesem nach-
folgen, z. B. sıu fuar therero däto redihaftör sie benahm sich
verständiger in diesen Handlungen, in diesem Belege noch
mit faran, wenn schon in übertragener Bedeutung, danach bei
“thun’ u. a. An die Werke schliessen sich die Wörter, z. B.
sprach imo thero worto und daran wieder die geistigen Thätig-
. keiten, so muates bei Verben der Gemüthsbewegung, z. B. er
sth frewe muates, aber auch schon bei anderen Verben, z. B.
wachent muates sind im Geiste wachsam. Hiernach ist es nun
klar, wie die adverbialen Gen. entstehen konnten. Ahd. thär
thera ferti und thär thes fartes heisst formelhaft "damals,
bei dieser Gelegenheit’, ohne dass von einer Bewegung die
Rede ist, ebenso thes sınthes. Daran schliessen sich eines
plicches uno ictu, kä@hes tunses repente u. ähnl., sulichero däto
auf solche Weise, managero thingo in vielen Dingen, mines,
thines thankes meines, deines Denkens, d. h. freiwillig, z. B.
er sines thankes bi unsih starb er starb freiwillig bei uns, vgl.
ags. (un)donces (un)freiwillig, danach neddes gezwungen. Vieles
der Art setzt sich im Mittelhochdeutschen fort, z. B. Auges,
drabes, schuftes cursim, alzuges continuo, unseres unwizzenes,
eines mundes uno ore. Beachtenswerth sind des endes in eam
partem, des mäles damals; vieles auch nhd., z. B. flugs, theils,
Jalls, rings, keineswegs, spornstreichs. Dabei lässt sich wie
Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm. Sprachen. 1. 38
594 Kap. XIV. II. Genitivische Adverbia. [$ 250.
bei nahtes und fartes eine Ausbreitung des s beobachten,
welches wir als Zeichen des Adverbiums empfinden, z. B. in
allerdings u. ähnl. aus dem pluralischen aller dinge (so mhd.
und in jenseits u. ähnl., wo das s an das akkusativische jensett
spät angefügt ist (vgl. Grimm Whb.).
Die adjektivischen Genitivadverbia (Grimm 3, 88 ff.)
machen mir den Eindruck, als ob sie in Anlehnung an die sub-
stantivischen entstanden seien. Ich führe die hauptsächlichsten
derselben in der Reihenfolge auf, welche der Anordnung der
substantivischen entspricht. Temporal, also an got. gistradagıs
anschliessend, sind ahd. järliches, mänötliches, tageliches, ahd.
mhd. ntumwes oder ntwanes neulich, mhd. eines einmal, sumes
bisweilen, ags. simbles immer u. ähnl. — Lokal sind die mit
got. -vasrbis, ahd. -wertes u. 8. w. gebildeten, z. B. got. setan-
deıns andvairpis bamma hlaiwva xadnpevan Anevavrı Tod TApou
Matth. 27, 61, ahd. keimwartes heimwärts, üzwertes extrinsecus,
ags. upveardes, sudveardes u. a. m. Dazu ahd. twörches trans-
verse, mhd. tiwerhes. — Dass got. suns eudews rapayprua und
anaks 2katpyvns Genitive sind, ist wahrscheinlich. Zu suns
weiss ich sonst nichts zu sagen, anaks hält Fick unter *onegos
für ursprachlich. Sodann sind Gen. ahd. mhd. gähes schnell,
plötzlich. Schon ganz modal sind got. allıs in aphan ık giha
izois ni svaran allıs ah öpdanı Elm; Matth. 5, 34, sonst gleich
yap, ahd. mhd. alles und sein Gegenstück nalles, ags. ealles
und nealles; ahd. alles anders, ags. elles; got. rathlis u£v, yap,
also ganz zur Partikel geworden, ahd. mhd. röhtes, slöhtes
omnino. Noch erwähne ich ahd. anderes, ags. micles sehr.
Aus dem Nhd. anders, stracks, schnurstracks, die mit wärts ge-
bildeten, längs, und die mit zugesetztem s, wie z. B. erstens,
zweitens, schönstens. Slavısch. Ein weitverbreiteter aber ver-
einzelter temporaler Gen. ist aksl. vicera, serb. jucera, verkürzt
Jucer, russ. vcera gestern zu vecerä Abend. Im Russischen kann
auch si antreten, das eigentlich Nom. oder Akk. sing. mask.
eines Pronomens ist.
Im Serbischen haben sich zwei genitivische Adverbialtypen
entwickelt, der substantivische auf ice und der adjektivische
$ 250.) Kap. XIV. II. Genitivische Adverbia. 595
'auf ke. Die ersteren, die Formen auf ice, gehen auf Genitive der
im Slavischen so ungemein zahlreichen Feminina auf :ca zu-
rück. In einem Falle liegt das Verhältnis noch ganz klar vor,
nämlich bei mro:ce ein bischen, z. B. pomakni se duso k mene
mrosce rücke ein wenig zu mir, Liebchen!); mrvica ist ein
Dimin. zu mrva Brocken, z. B. nema ni mrve es giebt nicht
einen Brosamen, ko ne kupsi mrovice wer nicht ein bischen kauft.
Vielleicht ist mroice ein bischen zuerst in solchen negativen
Sätzen gebraucht worden. Nach mrovice ist wahrscheinlich
malcice zu wenig, wenig gebildet, was zu dem Adj. malo oder
vielmehr seinem Diminutiv malko gehört. — Das Gros der
Wörter auf ice aber erscheint nur in dieser adverbialen Form
und ist in Anlehnung an die Part. Präs. pass. auf m& gebildet
wie pustimica der Wurfprügel zu pustiti durch Vermittlung von
*yustimü). Diese Substantiva hatten wohl die Bedeutung eines
nomen actionis, also etwa *bodimica die Stechung. Vorhanden
sind z. B.: dodimice stichweise (udarıt: koga jemand erstechen);
vrzimice schleudernd zu vr&, vrgnem; djipimice springend zu
djipiti springen, z. B. iz postelje dyjipimice skace er springt mit
einem Sprunge vom Lager; Arimice und kridimice heimlich zu
kriti verbergen; hotimice, hotimce absichtlich zu Aotyeti wollen;
hitimice schleudernd zu Aitjyeti schleudernd werfen, z. B. or se
hiti dobre hitimice er eilte in grosser Eile. Wie diese Genitive
aufzufassen sind, weiss ich nicht mit Sicherheit zu sagen, viel-
leicht darf man an den Gen. bei :grati spielen erinnern (vgl.
S. 329 Anm., “eines Sprunges, springen’, wie "eines Spieles
spielen). Nicht an das Partizipium, sondern — wie es
scheint — an den Infinitiv knüpft an nehotice ohne es zu
wollen. Das äusserlich gleichgeformte nemtlice ohne Schonung
findet dagegen seiner Bedeutung nach einen Anhalt an dem
Adjektiv mio, aksl. milü. An ein Adjektivum (vgl. aksl.
niet pronus) knüpft sich auch niöice das Gesicht zur Erde nei-
gend, z. B. lijepe se igre naigrali i micice i strmoglavice sie
1) Die Beispiele sind hier und im Folgenden aus Wuk’s Wörterbuch
entnommen.
38*
596 Kap. XIV. II. Adverbis, aus dem Akk. der Richtung. ’$ 250—251.
spielten sich am schönen Spiele satt, das Gesicht neigend und
mit dem Kopf voran. An Komposita adverbialer Bedeutung
ist ce getreten in dem eben erwähnten sirmoglavice, woneben
noch strmoglav vorhanden ist (vgl. aksl. strümoglard, russ.
stremglavü), ferner in naoctglece offenbar neben naocigled (vgl.
gledati schauen). Endlich ist ce sogar an die ihrem Kasus
(za) folgende Präposition radi gefügt worden in z/aradıce ın
böser Absicht, eig. ‘um etwas Bösen willen’, z. B. ja nijesam
dosao zlaradice ich bin nicht in böser Absicht gekommen. —
Gen. sing. fem. von Adjektiven sind die Adverbia auf Ae.
Dem abgeleiteten Adjektivum liegt ein Subst. zu Grunde, so
in vucke nach Wolfs-Art, z. B. polje je prekasao vucke er
durchtrabte das Feld wie ein Wolf; pustimicke nach Prügel-Art
vgl. pustimica ein Wurfprügel), 2. B. bacıts drvo p. ein Holz
prügelartig werfen. In anderen Fällen liegt eine Verbindung
von Präp. und Subst. zu Grunde: posmence namentlich, natraske
zurück (von frag Spur), naguske rücklings (guz Hinterbacke).
Zu einem Verbum stehen in Beziehung mucke schweigend (vgl.
Miklosich, Wb. unter *melk). Auf Partizipia scheinen zurück-
zugehen: Zmuredke mit verbundenen Augen (vgl. Zmursti die
Augen zuhalten\, jeZedke liegend, stojedke stehend. Endlich
ist ke auch an fertige Adverbia angetreten, nämlich an Kasus
von Subst., die um das Pronomen si vermehrt sind, so: danaske
heute, zimuske diesen Winter, jutroske heute früh u. s. w.
$ 251. Akkusativ der Richtung.
Aufden Akkusativ derRichtunggehen zurück die bekannten
mehr oder weniger erstarrten lateinischen Akkusative domum,
rus, venum (mit re), foras eigentlich ‘zur Thüre’, dann “hinaus.
In der Vulgärsprache (Petronius) heisst foras auch “draussen,
wozu man die Bedeutungsentwicklung von Bupale vergleiche.')
Aus dem Germanischen gehört Aeim nach Hause hierher.
Im Althochdeutschen und Mittelhochdeutschen ist hesme domi
1) Ich halte es danach nicht für nöthig, neben dem akkusativischen
foras noch ein ursprünglich lokativisches anzunehmen, wie es Bragmann
2, 704 zweifelnd thut.
8251—252.] Kap. IXV. II. Adv.,a.d. Akk. der Zeit-u.Raumerstreckung. 597
und heim domum streng geschieden, während die beiden in
späterer Zeit nicht selten zusammengefallen sind (vgl. Heyne
in Gramm’s Wb. unter heim). SF.5, 185 habe ıch auch das
altindische kamam nach Belieben als einen Akk. der Rich-
tung erklärt, so dass also kamam ätya eigentlich hiesse ‘zu dem
Wunsche eines Andern herankommend’. Es wären aber auch
andere Auffassungen möglich, z. B. könnte man den Akk. als
Apposition zur Satzhandlung ansehen.
6 252. Akk. der Zeit- und Raumerstreckung.
Aus dem Altindischen gehört ndktam nachts hierher,
über welches ich SF. 5, 184 bemerkt habe: “n@ktam (nur dieser
Kasus liegt vor) weicht von dem Akk. der Zeit im Gebrauch
insofern ab, als es nicht etwa “die Nacht hindurch’, sondern
‘nachts’ (Gegensatz diva) bedeutet, eine sehr naheliegende
Übertragung, und man würde vielleicht ndktam nicht als Ad-
verbium bezeichnen, wenn es nicht ein isolierter Kasus wäre,
und wenn es nicht ausschliesslich in dem angeführten Sinne
(es erscheint nicht etwa auch als Objekt) vorkäme”. — Aus
dem Griechischen ist aurnnap zu erwähnen. Ebenso dürfte
Axunv eben, gerade, noch aufzufassen sein. Es findet sich, ab-
weichend von dem attischen Gebrauche, bei Xenophon Anab.
4, 3, 26: al 6 OyAos axyımv drdßaıve. Später ist es häufig, vgl.
Rutherford zu Phrynichus C. Ebenso scheint apyyv von vorn
herein, überhaupt erklärt werden zu können. Oder heisst es
“als Anfang’? Die älteste Stelle dürfte Sophokles Antig. 92
sein: Apyv d& Bmpav od npener taunyava. Meist, wie im vor-
liegenden Falle, mit Negation, doch auch ohne eine solche:
Apxnv yap yo pnyavrconar ourw ich werde es von vorn herein
so einrichten, Herodot 1, 9. Weitere Belege bei G. Hermann,
ad Vigerum 725.
Zahlreicher sind derartige Adverbia im Germanischen.
Von Zeitakkusativen nenne ich zuerst das gotische atv, Akk.
von aivs Zeit, Welt: nur in negativen Sätzen, also »i atv nicht
das Leben hindurch, z. B. ni aiv sva uskunb vas in Israela
odögnore dodyn ourws &v t@ Iopanı Matth. 9, 33. Wie sehr
atv als adverbial empfunden wurde, zeigt seine Anhängung an
598 Kap.XIV. II. Adv. a. d. Akk. der Raum- u. Zeiterstreckung. [$ 252.
suns bald, plötzlich, auf einmal und an Ahalis in halısatv kaum je.
In diesen Zusammensetzungen bezeichnet aiv nicht mehr die
Zeitlinie, sondern den Zeitpunkt. 4Aso ıst ahd. 20, unser nhd.
Je (über dessen Entwickelung man den Artikel von Heyne ın
Grimm’sWb. vergleiche). In bezug auf manche der weiterhin von
Grimm 3, 140 angeführten mit Adjektiven verbundenen Akk.
kann man zweifeln, ob man sie adverbial nennen darf. Man
wird dazu namentlich dann geneigt sein, wenn sich gelegent-
lich Komposition entwickelt. Ich führe an: ahd. drittiun stunt
zum dritten Male, sumstunt bisweilen; ahd. :o wila schon längst,
dia wila tamdıu, nhd. allewerle, dieweil und alldieweil; mhd.
alle zit, nhd. allzeit. Auch ahd. mhd. Ainaht, nhd. heinacht,
heint ıst wohl Akk. — Von Subst. lokaler Bedeutung führe
ich zunächst “Weg’ an. Singular dieses Begriffes ıst das alt-
nord. drauf fort (entstanden aus Wendungen, wie ‘den Weg
gehen’), pluralisch mhd. alle wege immer. An “Weg? schliesst
sich ‘Fahrt’, z. B. ahd. alla fart überall, durchaus, und sodann
‘Seite’ und ‘Theil’, ‘Seite, schon mhd. in adverbialer Ver-
wendung, ist bekannt aus jenseit, diesseit u. s. w., welche später
ein s eihalten haben (vgl. den Gen.). In der alten Zeit ist
häufiger das Subst. ahd. halba, z. B. ahd. westerün halba Motnes
westlich vom Main, mhd. dise halp der berge auf dieser Seite
der Berge, disehalp, oberhalp, niderhalb, ruckhalb, unser ober-
halb, auch handhalb nach der Handseite hin, satielhalb nach
der Sattelseite hin (vgl. Aald im Wb.). Sodann “Weise’: ahd.
andarwis, mhd. alle wis u. ähnl. Ob ‘Theil’ an die Reihe dieser
Substantive anzuschliessen ist, oder ob sich mhd. meistteil
meistens u. ähnl. wie partim in appositioneller Stellung ent-
wickelt haben, wüsste ich nicht zu sagen.
Aus dem Litauischen gehören hierher väkar gestern,
das jedenfalls aus väkarq den Abend verkürzt ist, dazu zivakar
vorgestern, ferner die mit dem Pronomen szis dieser zusammen-
gesetzten, z. B. szianden, szeäden heute aus szıd dengq, szignakt,
szenakt diese Nacht, heint aus szıq nakti, szimet heuer aus szi
metq. Diese durch Abkürzung des letzten Theiles gekennzeich-
neten Wörter sind dann natürlich unflektierbar geworden, z. B. ait
$ 252—253.] Kap. XIV. II. Adv., hervorg. aus dem Akk. den Inhalts. 599
szefden für heute bei Schleicher, Les. 150 (a% wird mit dem
Gen. verbunden). Mit den aus dem Germanischen beigebrachten
Ausdrücken lokalen Sinnes vergleicht sich andsz@! jenseits und
das gleichbedeutende arapus, die als Präp. den Gen. regieren.
Schleicher sagt darüber Gr. 279: “andpus auch anapusei, andszal
jenseit ist Akk. von and püse, and szalis jene Seite, oder viel-
leicht von einer Zusammensetzung beider Worte abgeleitetes
Adverb”. Vielleicht sind es aber Instr.
Slavisch. Wie in der Kasuslehre gezeigt worden ist,
wird der Akk. auch gebraucht, um den Zeitpunkt zu be-
zeichnen. Denselben Sinn haben die adverbialen Formen serb.
oncas sogleich, ovcas soeben (zu cas Stunde, Augenblick),
russ. totcasä sogleich, sejycasü jetzt. Akk. ist auch serb. syutra-
dan den Tag darauf. Häufig tritt auch an den Akk. des
Stammes der Akk. sing. mask. des Pron. s’, der dann erstarrt,
so z. B. aksl. din?s?, serb. danas, russ. dnes? heute; serb. nodas,
russ. noces? in dieser (vergangenen) Nacht; serb. Zjetos, russ.
letosi im vorigen Sommer; serb. zimus diesen Winter u. ähnl.
$ 253. Akkusativ des Inhalts.
Aus Akkusativen des Inhalts sind Adverbien wie unser
mal entstanden. Es gehören dahin ai. Ayftvas, über welches
Böhtlingk-Roth bemerken: “Die ältere Sprache zeigt das Wort
stets getrennt vom Zahlworte (ausser in a$fakgtvas achtmal
ım AV.) und betont dasselbe auf der ersten Silbe; in der
klassischen Sprache verbindet sich das Zahlwort mit Artvas zu
einem Komp. und der Ton rückt auf die letzte Silbe. Die indi-
schen Grammatiker, welche nur des letzteren Falles erwähnen,
nennen Artvas ein Suffix, während es offenber der Akk. plur. von
einem Nomen act. auf tu von 1. kar ist”. Demnach heisst Aftvas
eigentlich ‘Handlungen’ und wurde zuerst in Sätzen gebraucht
wie ‘viele Handlungen schlagen’, was nur eine etwas weniger an-
schauliche Wendung ist für ‘viele Schläge schlagen’. Im Altindi-
schen aber liegt diese ursprüngliche Form der Anwendung nicht
mehr vor, sondern Artvas ist schon erstarrt, insofern das zu ihm
tretende Adjektivum nicht mehr flektiert wird. Es erscheinen
davor Zahlwörter wie da$a, pdfca, ferner kati wie viel, die
600 Kap. XIV. II. Adrv., hervorg. aus dem Akkusativ des Inhalts. \$ 253.
flektierbaren Adj. aber erscheinen in neutraler Form, so im
RV. bhüri marmgjmä te tanvam bhüri krtvah wir haben deinen
Leib vielmal geputzt 3, 18, 4), im SB. baku, im RV. Säbvat:
imam mahe vidathyaya SuSam Sasvat kytca idyäya prä jabhruh
dieses Lied haben sie dem grossen Opfer- und Verehrungs-
werthen allezeit (allemal, dargebracht 3, 54, 1. Wo man in
die Verlegenheit kam, mit Ärivas ein sonst stets flektiertes
Zahlwort zu verbinden, konnte man sich damit helfen, dass
man das Multiplikativum setzte, so dass derselbe Begriff doppelt
ausgedrückt wurde. Dieser Ausweg ist ın tri$krtvas dreimal
des AB. ergriffen worden. Über das Litauische sagt Kur-
schat 267: “Das deutsche mal wird im allgemeinen durch kaftas
oder sjkis in ziemlich gleicher Bedeutung, bei der Multiplika-
tion bloss durch ka’tas ausgedrückt. Einmal: veng kartq oder
ceng sykt, auch bloss Aaftg, syki. Sechsmal rufen heisst
szeszis kartüs (auch kart‘ oder bloss mit Elision des -u- kaits)
oder sykıls (verkürzt syA) szaukti. Bei dem Einmaleins ist es
üblich geworden Äkafts zu sagen, z. B. szeszis kafts (für kartus)
szeszi sechs mal sechs” u. s. w. Zu je einem Worte vereinigt
sind: angsyk jenes Mal, vöngsyk einmal, düsyk zweimal, daug-
syk wielmals.. Im Altkirchenslavischen finden wir den
Dual und Plural Araty von Aratü : düva kraty Öts, trs kraly tpis,
mnogy kraty rollaxıs, also noch weniger erstarrt als im Alt-
indischen. — Über das dem Sinne nach entsprechende deutsche
mal, welches ın allemal u. ähnl. die pluralische Flexion ein-
gebüsst hat, s. Grimm’s Wb. unter mal 3a. Für den Kasus
eines Subst., und zwar den Akk., hält man auch umbr. pert
in petiropert viermal, lat. per in antioper, tantlisper u. 8. w.
(Bücheler in Wölfflin’s Archiv 1, 103). Genaueres lässt sich
nicht mehr ermitteln. Ein Akk. des Inhalts scheint mir noch
öduas zu sein in dem vielerörterten Verse: w; ol p&v papvavro
ö£as rupös aldonevoro A 596 sie kämpften die Gestalt des Feuers,
stellten sie in ihrem Kampfe dar. Ähnlich wird wohl auch
ölxrv aufzufassen sein, was zuerst bei Pindar und Aeschylus
vorzukommen scheint, z. B. 3p£per SAapaydrou ölxav vöatos Opo-
tunou Sieben 85, danach wohl auch tporov.
$ 253—254.] Kap. XIV. II. Adv., hervorg. aus dem appos. Akkusativ. 601
Das bei Homer und noch später iz. B. xal &; ro »avepov
arodvvres Alta nera too yunvaledaı Mleldavro Thukydides 1, 6) auf-
tretende Aira wird mit Recht für einen Akk., sei es nun eines
Stammes Aır oder eines Stammes Aıra gehalten. Air’ delpecdar
heisst also eigentlich: ‘sich Fettglanz ansalben’. Es liegt also
ein Akk. des Resultats vor.
$ 254. Akkusativ in der Apposition.
Nicht selten hat sich, worauf schon im Vorhergehenden
gelegentlich hingewiesen worden ist, der adverbiale Gebrauch
aus der Stellung in der Apposition entwickelt. Unter den
dahin gehörigen Adverbien befinden sich eine Anzahl von
neutralen Formen, bei denen neben dem Akk. gleichberechtigt
der Nominativ in betracht kommt.
Aus dem Altındischen mag einiges von dem hierher-
gehören, was Gaedicke 171 ff. zusammengestellt hat, Andeu-
tungen, die eine eingehendere Prüfung verdienen. Ich meine
namentlich: ye’mäväsyam ratrim udästhur vrajam atrinah die
Atrın, welche in der Neumondsnacht in Scharen (eigentlich
‘als Schar’) aufgestanden sind AV. 1, 16, 1; ya ima öfadhayo
grigmahömantäbhyam nilyakta bhavantı ia var$a vardhante tah
Sarddi barhifo rupam prästirnäh $ere die Pflanzen, welche im
Sommer und Winter verkümmern, die wachsen in der Regen-
zeit und liegen im Herbst nach Art des Opfergrases hinge-
streckt (eig. “als Gestalt’) SB. 1, 5, 3, 12.— Griechisch. Bei
Homer liegen vor: rpdpacıy als Vorwand, vorgeblich, z. B.
ent 5° &orevayovro yuvalxes Ilarpdxkov npdpacıy, opwv 5° abrav
xtöe &xdorn T 302 (T 262 ist zweifelhaft); rp6paoıy p&v ‘Apyelous
llous Apiv rorel, lölg 5 Exei Aaxedarnovloıs kuyyiyverar Aristo-
phanes Ritter 466; ZrAwe npdpasıv En EAAnondvrou Herodot 5,
33. xapıv als Gunst, um willen, wegen (also als Präposition
gebraucht), z. B. 8; rıs dt Tpwwv xollyo Ei vnust YEporto auv
rupl andeip yApıy "Extopos örpuvavtos O 743 (als eine dem H.
erwiesene Gunst); wunös bebdecsdaı yAwoons yapıv Hesiod Erga
707. Häufig ist &unv yApıy, ohv yApıy, toötou xapıv, letzteres
ganz im Sinne unseres ‘wegen’. Auch der Artikel kann dabei
stehen: ot od rhv Adnvaluv yapıy &otparedovro, dAAA mv aurWv
602 Kap. XIV. II. Adv., hervorg. aus dem appos. Akkusativ [6 254.
Munstov Herodot5, 99. Nachhomerisch sind öwrivnv, rpoixa,
&wpedv ‘als freie Gabe, umsonst’, z. B. öwrlvnv yap &v to vom
obx &&7iv doövar Herodot 6, 89. Für rpotxa wird als älteste
Stelle ein Fragment des Sophokles angeführt: xaxöv pev öpav
tı npoix £rtoraraı, öfter kommt es bei Aristophanes vor, z. B.
2öldouv Höbdopara Aropoüaıv adrors mpoixa Ritter 679; Swpeav,
z.B. ynölv dwpeav zparteıv, finde ich erst aus Polybius belegt.
Sodann die Neutra: övap im Traum und örap in Wirklichkeit,
z. B. Euripides Iphig. Taur. 517, wo auf den Vers Tpoiav iso;
old" is Aravrayoo Adyos erwidert wird mit den Worten: w;
piroT Mweldv ye und lömv övap, was man noch übersetzen
könnte “als Traumgesicht’; Aeschylus Prom. 485 xäxpıva npw-
os &E dverpdrwv 2 yph Urap yevesdar (“als und dann ‘in’ Wirk-
lichkeit). Lateinisch. Ich habe notirt: :d genus und Ver-
wandtes, instar, volup, vicem, woran ich partım schliesse,
welches auf mehrfache Weise gedeutet werden kann. Über
td genus und was dazu gehört hat Wölfflin, Archiv 5, 387 ff.
gehandelt. Es ist wohl einleuchtend, dass genus mit td, omne
und ähnlichen Adj. zuerst als Apposition zu einem Nom. oder
Akk. trat. Es würde also ein Satz wie coronamenla omne
genus facito ut serantur ‘Cato), wenn man die ursprüngliche
Geltung des Ausdrucks betonen will, zu übersetzen sein:
“Kranzblumen, jede Art’. Ebenso beim Akk. Nun wird omne
genus, id genus u. s. w. ebenso verstanden, wie die älteren
(bei Plautus und Terenz allein vorliegenden) Wendungen eius
modi u. 8. w. Danach wird es denn auch möglich, :. g., 0. 9.
u, s. w. mit anderen Kasus zu verbinden, z. B. alıis sd genus
rebus, pascuntur omne genus objecto frumento, beides beı Varro,
der oft auch dem Leser überlässt, das Subst. zu ergänzen, z. B.
ın hoc genus scil. praediis. An :ıd genus scheint sich :ıd
aetatis angeschlossen zu haben, z. B. cum :d aelatıs jilio
bei Cic.!). Über instar hat Wölfflin, Archiv 2, 581 ge-
mm m
1) Bei dieser Gelegenheit mag bemerkt werden, dass man jetzt auch
minus als ‘die Minderheit’ auffasst (Stolz? 352). Doch spürt man von dem
substantivischen Charakter nichts mehr, da es natürlich ganz wie majus
behandelt worden ist.
$254.] Kap. XIV. I. Adr., hervorg. aus dem appos. Akkusativ. 603
handelt. Es ist ein Subst., schwerlich ein substantivierter In-
finitiv, mit der Grundbedeutung ‘Gegengewicht, Gegenbild’.
In der archaischen Sprache liegt es nicht vor. Bei Cicero
finden wir es als regelrecht konstruierten Nominativ oder Akku-
sativ, also ınstar est alicujus rei, oder instar habere, obtinere,
putare. Demnach könnte man in einem Satz wie navem cybaeam
mazimam, triremis instar auch allenfalls noch übersetzen: “das
Bild einer Trireme’. Bei Catull finden wir instar im Sinne
von “nicht weniger als’ (habes instar triginta jugera prati). Die
Bedeutung ‘gleichwie’ findet sich zuerst Virgil Aen. 12, 923
ın der Verbindung mit einem intransitiven Verbum: volat atri
turbinis instar. Ad instar ist später als instar. — Volup (Neue
22,101) ist das substantivierte Neutrum von volupts, welches sein
e ebenso verloren hat, wie animal u. s. w. Ob bei Plautus
noch das ältere vo/upe zu lesen sei, vermag ich nicht zu ent-
scheiden. Das Subst. liegt deutlich vor in plautinischen Wen-
dungen wie: facite vostro anımo volup, das Adverbium in:
cursu armis equo vichtabam volup Most. 1, 2, 74, d. h. nach
Lust, eigentlich “als Vergnügen’, also als Apposition zur Satz-
handlung gedacht. — Vicem ist bereits bei Plautus (vgl. Brix
zu Capt. 397) durchaus erstarrt. Ein paar Belege aus der
klassischen Sprache sind: mihi uni necesse erıt el meam et
aliorum vicem pertimescere (für mich und für andere Furcht
zu haben), Sardanapali vicem in suo lectulo mori, beides bei
Cic., ceteri vicem pecorum obtruncabantur bei Sallust. Vielleicht
hat man ursprünglich in appositioneller Wendung sagen können
munus explere vicem alicujyus ein Amt ausfüllen, als die Stelle
eines anderen. /r vicem ist nachplautinisch. — Dass partim
Akk. von pars ist, erhellt noch deutlich aus Sätzen, wie sie
Neue 12, 205 anführt, z. B. partim copiarum ad tumulum ez-
pugnandum mittit, partim ipse ad arcem ducit (Livius), wo
auch partem stehen könnte. Dieser Akk. steht dann auch für
andere Kasus, z. B. atque haud scio an partim eorum fuerint
‘Cato) mit pluralischem Verbum, und sogar: cum partim vllo-
rum (Cato). Daraus entwickelte sich der distributive Gebrauch.
Es lag nahe, in Sätzen wie: Aic insidiantes vigilant, partım
604 Kap. XIV. II. Akkus. Adverbia verbalen Inhaltes. [$ 254—255.
requiescunt (Ennius Ann. 443) auch vor das erste Partizipium
partim zu setsen. Was das Alter des erstarrten partim betrifit,
so ist zu bemerken, dass es bei Plautus zu fehlen scheint.
Dieses partim kann, wie die angeführten Beispiele zeigen, aus
dem einfachen Objektsakkusativ entstanden sein, vielleicht
auch aus dem Gebrauche in der Apposition. So ist jedenfalls
majorem und marimam partem (etwas, und zwar den grössten
Theil) zu erklären, was schon bei Plautus vorliegt: majorem
partem in ore habıtas meo Poen. 413.
$ 255. Adverbia verbalen Inhaltes (ai. am, griech.
8ov, da, Önv, lat. tim).
Eine besondere Stellung nehmen diejenigen akkusativi-
schen Adverbia ein, welche bei deutlich nominaler Form doch
unzweifelhaft einen Verbalbegriff enthalten, also den indischen
Absolutiva zu vergleichen sind, nämlich die altindischen For-
men auf am, die griechischen auf öov und önv, die lateinischen
auf tim.
Altindisch. Ich meine die mit Präpositionen oder (was
selten ist, mit Nominalthemen komponierten Formen wie abhi-
krämam herzutretend, nämagräham unter Namennennung. Sie
treten, wie ich SF. 5, 401 ff. gezeigt habe, nicht wie ein Par-
tızipium zu einem Nomen, sondern zu der Satzhandlung hinzu
und geben einen die Handlung begleitenden Vorgang an,
welcher in einer Handlung des Satzsubjekts besteht, z. B.
abhikrämam juhöti er opfert unter Hinzutreten zum Feuer;
tasmät parihvalam vacam vädatıi na mänusim präsrlam deshalb
spricht er das Wort auf schwankende Weise, nicht ein gerades,
menschliches; sdrvä ha va Enam devatah sampradäyam ädna-
pek$am göpäyanti alle Gottheiten behüten ihn in fortwähren-
der Folge und ohne wegzublicken. Bisweilen tritt noch der
Instrumentalis eines gleichstämmigen Abstraktums hinzu, z.B.
yano vas devebhya ud akramat, tam prüljäh präifam üichan
das Opfer entfloh den Göttern, sie suchten es unter Treiben
treibend. Fast immer steht neben den Formen auf am eın
aktives oder mediales Verbum in der dritten Person Singularıs
oder auch Pluralis, sehr selten erscheint eine passivische Form,
$ 255] Kap. XIV. II. Akkus. Adverbia verbalen Inhaltes. 605
so: tasmäd vyahävam eva Sqstauyam deshalb ist unter Einschie-
bung des &@Akäva zu rezitieren (AB.). Die Entstehung dieses Ge-
brauches der Formen auf am kann nicht zweifelhaft sein.
Gerade die wenigen im RV. vorliegenden Fälle zeigen, dass
der Ursprung im Akk. des Inhaltes liegt: y6 nilayam cdrati
yah pratänkam wer sich versteckend, wer schleichend wan-
delt (AV.), rca kapötam nudata pranödam mit dem Verse ver-
jagt die Taube unter Fortjagen (RV.).. Dass in pranddam
nudati, welches eigentlich heisst: “er jagt Jagung’ der Akk.
adverbial genommen wurde, dazu mag die Vertrautheit mit
den Absolutivis auf /o@ vielleicht etwas beigetragen haben.
Namentlich lag diese Umformung nahe, wenn, wie in dem
angeführten Beispiel, von dem Verbum ein anderer Akk. ab-
hängig war.
Griechisch. Es kommen die Adverbia auf önv, öov und
öa in betracht.
1. Die Adverbia auf önv. Unter den bei Homer vorkom-
menden Formen dieser Art ist nur eine, die man geneigt sein
kann, als Akkusativ eines Substantivs zu fassen, nämlich döyv
genug, insofern man Zöpevaı Aönv E 203 übersetzen kann ‘sich
Sättigung essen’, und Tpüas dörv &idoaı rol&por T 423 die
Troer zur Sättigung am Kriege treiben. (Nach aönv dürfte
das nachhomerische rayrnönv gänzlich gebildet sein.) Alle
anderen drücken deutlich nach Art der indischen Absolutiva
eine Nebenhandlung aus. Als Subjekt derselben ist stets das
Subjekt des Hauptverbums empfunden. Nur einmal hat eine
Umsetzung in die passivische Konstruktion stattgefunden in
BArjto yap Guov Soupt . . Axpov Emı$lyönv P 598, wozu man als
aktivisches Vorbild vergleiche: Appınzöuv 8° dpa TnAgpayxov
Bare xeip Ent napıö Alydnv x 277. Sie schliessen sich an das
als wurzelhaft empfundene Element des Verbums in Paönv
im Schritt (nicht laufend); 4dpPßAhönv mit yodwoa etwa "auf-
jammernd’ X 476; rapaßAnönv mit &yopedwv etwa “indem er die
Äusserung hinwarf’ A 6, ömoßAhörv mit Aueißero einfallend
(nicht unterbrechend, aber mit Hast anknüpfend, was auch
schon gegen dıe alterthümliche Etiquette verstösst) A 292;
606 Kap. XIV. IL Akkus. Adverbia verbalen Inhaltes. [$ 255.
Anönv in xAnönv els dyophv xıxinaoxtuev Avöpa Exaotov, unde Boav
I 11, also “einladend’, dazu övopaxinönv unter Namennennung
in &x 8’ övopaxinörv Auvasv dvöpales Aplstous 6 278 und &
övopariNönv dvopalav avöpa Exaotov X 415 (es scheint, dass ££
beide male zum verbum finitum zu ziehen ist, zu dem Kom-
positum vgl. man ai. Aastagrhya an der Hand ergreifend
u. ähnl.); tunönv schneidend, ritzend; &rıypaßörnv ritzend, Alyörv
und 2rıllyöyv streifend; Zur4yörv in die Falle gehend v 132;
in Beziehung zu abgeleiteten Verben stehen: öpaprnönv zu-
sammentreffend N 584; dußoAdönv aufwallend; peradponadnv
hinterherlaufend E 80; rporporadnv sich zur Flucht wendend
I 304, Exırpoyaönv geläufig; dmiorpopaödry mit xreive K 483,
mit töntov x 308, eigentlich “aufsuchend’ s. v. a. ‘einen nach
dem andem’. (Frohwein a.a.O. 111 ff. bringt die nach Art
von apßoAadry gebildeten Formen mit Substantiven zusammen,
womit die Bedeutung nicht recht stimmen will, während &xt-
Tpoyadnv mit tpoydwvra o 451 zusammengeht.), Den adjektivi-
schen Adverbien ganz nahe steht xpößönv: xpußörv prd dva-
vavda pUÜrnv 8; rnarplda yatav vra xatıoyfpevar A 455. Aus der
Zahl der nachhomerischen Bildungen sei noch BüLry gedrängt
erwähnt, das vielleicht aus *Böörv durch Einwirkung von PüLo
entstanden ist, und öpdoordörv in: Avd’ hy dreprn; THvöe ppou-
prssis nerpav öpdootaörnv dünvog Aeschylus Prom. 31. Endlich
noch die Formen auf {vörv wie Aptorivörv (Frohwein, S. 129),
deren ıy ich nicht zu erklären weiss.
2. Die Formen auf $ov und da. Während die Entstehung
der altindischen Absolutive auf am aus neutralen Abstraktis
sicher, die Entstehung der griechischen Formen auf önv aus
femininischen Abstraktis sehr wahrscheinlich ist, kann man hin-
sichtlich der Formen auf öov und da zweifeln, ob sie aus Sub-
stantivis oder Adjektivis hervorgegangen sind. Mir erscheint
das Erstere wegen der Analogie der Bildungen auf am, dnv
und 4m wahrscheinlicher. Ich gestehe freilich, dass man
über das ö des Suffixes, so wenig wie über das ö von önv bis
jetzt etwas sagen kann, das über unsichere Vermuthungen
hinausginge. Vielleicht ist nur o das Suffix, & aber ın den
$ 255.) Kap. XIV. II. Akkus. Adverbia verbalen Inhaltes. 607
übrigen zu Grunde liegenden Musterbildungen ein Bestand-
theil des Stammes (vgl. Baötfo neben Paörv).. Nach dieser
Auffassung regelt sich nun die folgende Übersicht des Ge-
brauches.
Die homerischen Formen auf öov drücken a) wie die auf
önv und die indischen Absolutive eine Nebenhandlung aus.
Sie stehen in deutlicher Beziehung zu den als Wurzeln des
Verbums empfundenen Elementen, so: dvaotaödv aufstehend,
2. B. da tösode xal Önpes Avastaödv W 469; Arnootaödv fern-
stehend, z. B. mit Aloseodaı; &rıoraödv herantretend, besonders,
z. B. vopnoev 8 dpa näcıv Enıotaddv v 54; mapacraödv neben
jemand tretend; xeptotaödv um jemand herumtretend in repısta-
ööv AANodev dAAos oütaLov N 551; Zußaödv einsteigend in } &Aneoß',
Av vjas An xopudaloAos "Exrwp, 2ußadov Tkesdar Av narplöa yalav
Exaotos 0 504, also genauer: ‘nachdem ihr eingestiegen seid’;
rapax\ıööv abbiegend (von der Wahrheit) in: oöx Av &y& ye dla
rapet einomı napaxdıödv 8 348; yavödv den Schlund aufsperrend,
d. h. hinuntergiessend in: ds dv pıv yavödv Ein und aloıma mivm
o 294. Aus solchen Absolutivis hervorgegangen, aber nicht
mehr eine Handlung bezeichnend, sondern in die Analogie der
aus Adjektivis gebildeten Adverbia übergegangen sind: oyxeödv
eig. ‘sich haltend an’, dann aber ‘nahe’, z. B. od p£v tıs oyaddv
&orı nölıs 0 737, und übertragen: xal nr@ rep &ovrı pala oyeödv
x 441. Dazu aötooyeödv s. v. a. “im Nahkampf’; dupaödv offen
mit den Gegensätzen d6Ap, Aadpn, xpupnödv; Avapavödv öffentlich,
vor der Welt: 8; p dvapavööv önvıe (während ihr eigentlicher
Gatte ein Gott war) Il 178, dazu &favavavöcdv dass. Zwei dieser
Bildungen treten auch zu Adjektiven, nämlich dıaxpıösdv ent-
schieden in ot y4p ol eioavro dtaxpıööv elvar @ptoror M 103 (ähn-
lich O 108) und pvödv neben Ayveıds o 426. Wir könnten etwa
“überströmend”’ sagen, da ‘überflüssig’ anderen Sinn hat. b) Aus
xpupfj scheint gebildet zu sein xpuprödv in: 7) Aupaöov NE xpu-
onödv. c) -dov tritt an Substantiva und bezeichnet dann, dass
die Handlung sich in Form, nach Art (oder auch in Be-
gleitung) eines Dinges vollzieht. So: ßorpuöov rerovrar die
Bienen fliegen in Form einer Traube B 89; dAyeAnödv in einer
608 Kap. XIV. II. Akkus. Adverbia verbalen Inhaltes. 8 255.
lHeerde (nicht distributiv); Il 160; ähnlich iLaddv, rupmBsv,
valayyndöv, Öpladdv; oparprödv nach Art einer Kugel : rxe %&
uıv oparprööv Elrkapevos dr öpllou N 204; xAaymödv mit Geschrei:
„Aayynööv npoxadıkövrwv B 464 (danach poAnzödv bei Aeschylus‘.
d) Eine Verbindung von Adjektiv und Substantiv schwebte vor
bei der Bildung von ravdunaödv mit voller Wuth o 33, nachh.
önodupaödv; eine Verbindung von Präposition und Subst. in
xatwpaödv ausholend, eig. von der eigenen Schulter herab,
und xatapuladov nach Phylen B 668.
Die Bildungen auf öa können doch wohl nichts anderes
sein, als Plurale zu öov. Ein besonderer Grund für die Wahl
des Numerus wird sich wohl nicht ermitteln lassen. Eine Anzahl
dieser Formen unterscheidet sich nicht sichtbar von den ent-
sprechenden auf dov, nämlich dyyada (xal Aupada Epya yEvorın
? 391), avapavöa, ärostada und abtooyeöa. Einige andere nähern
sich den Präpositionen, nämlich xpu36a (vgl. xpugönv) heimlich
vor : xpußöa Arös AAAwv te dewv 2168, ulyda (vgl. piyönv im Hymnus
auf Hermes) ‘im Gemenge’, ohne Kasus w 77, mit dem instrum.
Dativ in piyö aAkoıar Heoisı 8 437. Noch einige nachhomerische
Formen der Art bei Frohwein, S. 124. Auffällig ist bei xpu3öa
und Genossen das Gegenüberstehen von Formen auf önv, ein
Verhältnis, das sich auch bei denen auf ıvöa (Frohwein, S. 129 ff.)
findet.
Lateinisch. Die Adverbia auf tim (Neue? 2, 547 f.!)
haben gerade in ihrer ältesten Verwendung eine deutliche
innere Beziehung zu einem Verbalbegriff und instrumentale
Kasusbedeutung. Bopp, Vgl. Gr. 3, $ 844 hat also vollkommen
recht, wenn er itractim durch mit Ziehung, cursim mit Laufen,
caesim mit Hauen, confertim mit Zusammendrängung übersetst.
Es liegt demnach nahe, in diesen Formen Instrumentale von
Partizipien zu sehen und sie mit olım, istim, ihm u. 8. w.
1) Nachträglich sind mir die schätzbaren Arbeiten von A. Funck in
Wölfflin’s Archiv 7, 485 ff. und 8, 77ff. zugekommen. Ich habe meine kurzen
Bemerkungen unverändert gelassen, so dass deutlich wird, dass wir in wich-
tigen Punkten zusammengetroffen sind.
$ 255.) Kap. XIV. II. Lat. Adverbia auf dm. 609
zusammenzubringen. Ritschl, Op. 2, 458, dem dieser Gedanke
ebenfalls gekommen ist, weist ihn indessen (mit Recht, wie mir
scheint) ab, indem er sagt: “Auf die sonstigen zahlreichen
Adverbialbildungen mit 4m und stm die Zugrundelegung des
lokalen [instrumentalen] #% auszudehnen, wird die Bedeutung
derselben ohne Zwang nicht wohl zulassen, folglich eine Be-
schränkung dieser Bildung auf Pronominalstämme anzuer-
kennen sein“. So wird denn doch wohl die Bopp’sche Er-
klärung, wonach in diesen Formen Akkusative sing. fem.
vorliegen, der sich auch die meisten Forscher angeschlossen
haben, den Vorzug verdienen. Es fragt sich nur, wie Akku-
sative von Substantiven zu instrumentaler Verwendung und
deutlicher Beziehung zum Verbum gekommen sein mögen.
Dass partim den Ausgangspunkt gebildet haben könne, glaube
ich nicht, denn es ist so entschieden nominal in seiner Ver-
wendung (man denke namentlich an den abhängigen Genitiv),
dass ich keinen Übergang zu caesim und Genossen finde. Da-
gegen ist in siatim eine Form gegeben, welche ohne Zwang
als Akk. sing. aufgefasst werden kann und welche zugleich
eine natürliche Beziehung zum Verbalgebiet hat. Denn es ist
nichts gegen die oft ausgesprochene Meinung einzuwenden,
wonach siatim der Akk. zu einem (später durch statio ver-
drängten) Nom. *statis ıst, welcher dem aı. sthitis das Stehen,
griech. ordoıs vollkommen entspricht. Die adverbiale Bedeu-
tung von sialim dürfte sich aus dem Akk. des Inhalts ent-
wickelt haben. Man könnte das plautinische szatim stant signa
mit archaisierender syntaktischer Auffassung noch übersetzen :
“die Feldzeichen stehen ihren Stand’. Da nun die Nomina auf
-ts durch die auf -4o verdrängt wurden, so verlor statim seine
Beziehung zum Nominalgebiet und verband sich innerlich
mit stare, so dass die Sprechenden es in der Bedeutung von
‘stehender Weise, mit Stehen, unter Stehen’ auffassten, und
caesim, carptim u. s. w. danach bildeten. Ausdrücklich be-
merke ich dabei, dass ich nicht glaube, statim sei die einzige
keimkräftige Form dieser Art gewesen, es ist nur die einzige,
die uns erhalten ist. Die Beziehung zu Verben, welche nach
Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm. Sprachen. I. 39
610 Kap. XIV. II. Neutrale adj. Adv. Altind. u. Avest. [$255—256.
meiner Ansicht auf die beschriebene Weise entstanden sein
kann, blieb nun nicht die einzige. Es sind ja auch catervatim
und zahlreiche ähnliche Bildungen vorhanden, welche zu No-
minibus gehören. Sie sind offenbar entstanden in Anlehnung
an cumulalım u. ähnl., welche ganz so gut zu cumulus wie zu
cumulare gezogen werden können. Wieder ein Stück ferner
stehen dann meatım, tuatım, nostratim, wozu man serb. naskı
in unserer Sprache (Instr. plur.) vergleiche. Praesertim scheint
mir ein sartım in gutem Stande vorauszusetzen, pedetenttm ist
eine Zusammenrückung aus pede und tentım.
8 256. Adjektiva neutral. Altıindisch und Avestisch.
Die hier in betracht kommenden Adjektiva versuche ich in
gewisse Bedeutungsgruppen zu sondern. Voran stelle ich die
lokale Gruppe. Dahin gehören namentlich die Richtungs- Ad-
jektiva, dann die temporale Gruppe, darauf dıe übrigen Ad-
jektiva, welche eine Qualität der Handlung angeben, wie gut
und schlecht, schnell, die ganze Menge derjenigen, die man
als steigernd bezeichnen kann. Fine besondere Stellung nehmen
die Zahlwörter ein, insofern das Adjektivum die Apposition
zu einem Substantivum, das Adverbium die Apposition zur
Handlung bildet. Die Komparative und Superlative, bei denen
das Adverbium in den allermeisten Fällen durch den Akkusativ
gebildet wird (im Altindischen hat man auch navyasa neben
ndoyas und im Griechischen kommen auch Formen auf ws vor),
sind nur gelegentlich erwähnt worden, wo eine besondere Ver-
anlassung dazu vorzuliegen schien (vgl. auch die Literatur-
angaben bei Kretschmer, KZ. 31, 352). Übrigens sind die
Grenzen der Gruppen natürlich fliessend und nur der Über-
sichtlichkeit wegen gezogen. Es entgeht mir nicht, dass manche
Adj. eigentlich unter zwei Gruppen fallen würden, so z. B.
ai. brhat in der Bedeutung “weit” bei ‘sich öffnen’ unter die
erste, in steigernder Bedeutung unter die letzte. Überall finden
wir nur den Singular, ausser im Griechischen, wo der Plural
theils neben dem Sing. auftritt, theils allein das Feld behauptet
(im Superlativ). Die lateinischen Adverbia wie cetera scheinen
unter griechischem Einfluss entstanden zu sein.
$ 256.] Kap. XIV. II. Neutrale adj. Adv. Altindisch u. Avestisch. 611
Altindisch. Vgl. Gaedicke 218 ff., SF. 5, 185 ff. Als
Belege aus der lokalen Gruppe mögen dienen: dürdm in die
Ferne bei Verben des Gehens, Sendens, Wegtreibens, “fern
hinweg von’ bei Verben des Fliegens, Führens, Treibens. Im
RV. ist es noch kaum Adverbium, dagegen: dürdm ha va
asman mytyür bhavalı fern ist von ihm der Tod SB. 14, 4, 1, 10;
nedi$tham ganz nahe bei den Verben des Herbeikommens,
Herbeibringens, Herbeiwünschens; urd& weit mit schreiten,
dringen, blicken; sadhu gerade aus, z. B. rtäasya pantham dnv
&ti sadhü dem Pfade des Rechten folgt er gerade RV. 5, 80, 4,
dann ‘regelmässig, richtig, gut, wohl, recht, gehörig’; zyu auf
gerade, richtige Weise, z. B. pathah purasta rjü negatı der
Führer führe richtig die Pfade RV. 5, 46, 1, ryu yakfatah die
beiden sollen richtig opfern 2, 3, 7. Dazu der Kompar.: {va
rJiyah patatu sie fliege gerader als ein Pfeil AV. 5, 14, 12. Zu
der temporalen Gruppe (vgl. auch unten die Zahlwörter und
Verwandtes) mag man cirdm lange rechnen, z. B. mä cirdm
tanuthä üpahı zieh nicht lange dein Werk hin RV. 5, 79, 9,
mit einem Übergang in modale Bedeutung: sa yadı na jayeta
yadı ciram jayeta sollte das Feuer nicht oder langsam ent-
stehen AB. 1, 16, 9. Von sonstigen Adverbien führe ich an:
citräm bhänty u$dsah glänzend leuchten die Morgenröthen RV.
6, 65, 2, was noch ganz nahe an den Akk. des Inhalts oder
des Resultats rührt; bhadrdm jJivanto jJaranam asimahi glück-
lich lebend möchten wir das Alter erlangen RV. 10, 37, 6;
sukhäm svapiti er schläft angenehm SB.; mögham fälsehlich
gehört zunächst zu einem Verbum des Sagens. Daher steht
dem Ursprünglichen noch nahe: y6 ma mögham yatudhanety
aha wer mich fälschlich Zauberer nennt RV. 7, 104, 15, ferner
steht: sa tan mögham up@ vavarta sie wandte sich ihnen da
thörichter Weise zu SB. 3, 2,4, 6; dhrsad kühnlich : agnim
dhr$nv \vöpa carati er geht kühn auf das Feuer los SB. 1,2,1,3,
vgl. auch dhrgdt bei Grassmann. Sodann mehrere Wörter von
der Bedeutung ‘schnell’, so dravät Neutr. des Partiz. von dru
mit verschobenem Accent, z. B. tüv ü yalam üpa dravdt kommt
beide schnell herbei RV. 1, 2, 5, und die isolierten tüyam, Sibham,
39*
612 Kap. XIV. IL Neutrale adj. Adv. Altindisch u. Avestisch. [$ 256.
öfadm mit Verben des Gehens und Bringens. Von den Wör-
tern mit der Bedeutung ‘viel, stark’ sind einige SF. 5, 186
angeführt, z. B. balistham Syäyalı es friert am stärksten, balavad
vatı es weht stark, jyöftham vardhatz wächst am stärksten
aus SB. Dazu füge man aus dem RV. drAat über das Grass-
mann bemerkt: ‘weit, in Verbindungen wie: “sich weit auf-
thun, sich weit ausbreiten, weithin glänzen’, ferner intensiv,
also bei Verben des Leuchtens, Tönens, Begehrens oder Er-
regens, Befestigens, Wachsens “hell, laut, sehr’ oder “hastig,
fest, hoch, empor’. Namentlich aber purö und mdhi (rolü,
got. filu und ueya!, altn. mygk). Pur oder purü findet sich
in der Bedeutung ‘viel, oft, sehr’ bei Verben, namentlich bei
sprechen, Andacht üben, leuchten, wachsen, helfen. Damit
ist zu vergleichen purd sdkhibhya asulim karisihah vielfach
den Freunden Erquickung verschaffend RV. 7, 97, 7, weil die
Formen wie käriffha beinahe partizipialer Natur sind. Dann
aber wird purd auch mit Adjektiven verbunden, und zwar
wirkt es bei Zusammensetsungen mit puru- noch weiter stei-
gernd, indem es vor puruhütd vielgerufen (harta vriram daksı-
nönendrah purü puruhütäh, mahan mahtbhih Sachbhih RV.8,2, 32).
und purubhuj vielbesitzend (purü purubhuja 5, 73, 1) tritt. So-
dann nach der Überlieferung neben candrd in puri Scandram
das sehr glänzende (Gebiet) RV. 3, 31, 15, wo es freilich sehr
nahe liegt, aber nicht nothwendig ist, purußcandrdm zu schreiben.
Böhtlingk und Roth haben dann noch angemerkt, dass purü
mit viSva verbunden wird, im Sinne von ‘all und jeder‘. Die
Verbindung scheint ursprünglich nebenordnend zu sein, also
purü vißvani jürvan vieles, ja alles versengend RV. 1, 191, 9,
ebenso purü vi5oa jJanima manusänam 7, 62, 1, danach weiter
gebildet: durg& cand dhriyate viva @ puru jano yö asya tävifim
acukrudhat selbst in einer Feste hält sich nicht irgend ein
Mensch, der seinen Zorn erregt hat 5, 34, 7 (mit sonderbarer,
wohl durch das Metrum veranlasster Stellung). Was sima
1) Die Identifizierung von mdhi und „ira wird freilich angefochten,
8. J. Schmidt, Pluralb. 247.
$ 256.) Kap. XIV. II. Neutrale adj. Adv. Altindisch u. Avestisch. 613
purü bedeutet, ist mir nicht recht klar. Mdhi wird häufig mit
Verben verbunden, so mit wachsen, strahlen, anrufen, ehren,
preisen u. ähnl., sicher ist die Steigerung eines Adjektivs durch
mähi in yä mähi priyä welche sehr lieb ist RV. 1, 151, 4, mdhi
sthirdm den sehr starken 8, 32, 14. — Die Zahlwörter mit
ihren Adverbien wie prathamdm sind bereits $ 206 erwähnt.
Es gehören weiter dahin und sind ebenfalls aus Apposition zu
erklären: pürvam, z. B.: ydm u pürvam dhuve tdm iddm huve
den ich auch früher anrief, den rufe ich jetzt an RV. 2, 37, 2;
apardm, 2. B.: ta vam adyd tao apardm huvama die beiden
möchten wir jetzt und in Zukunft anrufen 1, 184, 1; ndoyas
oder ndviyas, 2. B.: dynö tvdm päraya ndvyd asman svastibhir
dt! durgäni viva Agni, du leite uns auf's neue mit Heil über
alle Fährlichkeiten 1, 119, 2. Sami hiess ursprünglich “halb”,
im Adverbium “nur als Halbes, nur zur Hälfte, daher im
Sanskrit ‘unvollständig’ und ‘vor der Zeit’, z. B.: sämi mär-
Jayante sie reinigen sich nur unvollständig TS. 1, 7, 1, 5, yatka
sami gärbhö "vapddyate tädfg eva tät als ob vor der Zeit die
Frucht abgeht, so ist das 5, 5, 1, 6. — Satydm in Wahrheit
fürwahr dürfte ursprünglich von einem Verbum des Sprechens
abhängig gewesen sein, wie das gleichbedeutende 2tedv. In
dem Sinne von ‘wahrlich’ kann es aber auch ein Nominativ,
also aus einem Satze entstanden sein. — Dass vdram ein
Adverb sei, ist mir nicht sicher, denn yds tö sdkhibhya &
väram RV.1, 4, 4 u. ähnl. übersetze ich: “der vor deinen Freun-
den das Beste ist’, und vdram-varam AV. 3, 19, 8 u. 8. w.
scheint nicht ‘nach Belieben’, sondern “jeden besten’ zu be-
deuten.
Eine besondere Art akkusativischer Adverbien — so habe
ich mich SF. 5, 186 geäussert — sind die auf betontes vat
endigenden, welche bezeichnen, dass die Handlung nach der
Weise des Nomens vor sich geht, an welches das Suffix va
tritt, z. B. argirasoat nach der Weise der Angiras (Whitney
$ 1107). Die Entstehung dieses Adverbiums kann man sich an
Ausdrücken wie manuvdd vadema klar machen. Das bedeutet
eigentlich: “wir möchten etwas zum Menschen Gehöriges (mit
614 Kap. XIV. IL Neutrale adj. Adv. Altindisch u. Avestisch. [$ 256.
dem Menschen Versehenes) reden’, d. h. ‘nach Menschen-Art,
wie es sich für den Menschen gehört.’
Natürlich können auch Komposita ın akkusativischer Ad-
verbialform erscheinen, z. B. advefas ohne Abneigung, in
freundlicher Gesinnung, wie astepy&s u. ähnl. Im Sanskrit
sind solche Komposita besonders häufig, deren erstes Glied eine
Präposition ist (vgl. Zvönpos u. ähnl.). Davon sind Adverbia
adhtdevatam in bezug auf die Götter, äcaturdm bis in’s vierte
Glied, parögaryuti über das Weideland hinaus, anukamdm nach
Wunsch. Vermuthlich sind dann den Bildungen mit änu solche
mit yatha nachgefolgt, z. B. yathakamam nach Wunsch. Einige,
aber nicht erschöpfende Ausführungen darüber s. SF. 5, 187.
Avestisch. Nach dem mir vorliegenden Material zu
schliessen ist der Gebrauch wesentlich derselbe wie im Alt-
indischen. Ich führe an: Jwäsem schnell, deregem lange (vgl.
altpers. drangam, z. B. drangam jiva du mögest lange leben). Belege
für Superlative sind: äasıstem, z. B. yaba äsı$tem fravaydı) damit
es möglichst schnell verlösche, fra@stem am meisten, bäldistem
dass., kambi$tem am wenigsten, seltensten. Dem ai. satyam
entspricht kaipim wahrhaftig, =. B. yezi apa sta haibim wenn
ihr wirklich existiert y 34, 6, bei vafda y 35, 6. Einmal scheint
es auch zu einem Adjektiv zu gehören: Prayo haibım asavano
äfrwacarhd zavamnti drei wahrhaft gute rufen verwünschend
y 11,1. Doch könnte man Aaipim auch durch fürwahr über-
setzen (vgl. ai. satydm). Besondere Bildungen sind: vagnemnem:
vagnemnem ahmap para dagva patayen sichtbarlich strichen vor-
mals die Teufel umher yt 19, 80; eres richtig, z.B. eres möt vaoca sage
es mir richtig y 44,1; fraorep gern, lieber (ist Neutr. eines
Part... Von Zahlwörtern: paotrim: kva paoirim ainhä zemö
sätstem wo zuvörderst ist es auf dieser Erde am angenehmsten
vd.3,1. Dann folgt in derselben Wendung bitim, pritim. Von
Multiplikativis: @pbifm zweimal, äpritim dreimal, axtütrim vier-
mal, eigentlich bis zum zweiten u. s. w. (vgl. ai. @caturam).
Einige Beispiele für Komposita sind: nyapem stromabwätts,
paityäpem stromaufwärts, apastibustt unbemerkt (von Justı für
Instr. gehalten).
$ 257.) Kap. XIV. II. Neutrale adj. Adv. Griechisch u. Lateinisch. 615
$ 257. Adjektive neutral. Griechisch und Latei-
nisch.
Griechisch. Über den Gebrauch dieser Adverbia bei
Homer hat La Roche in seinen homerischen Studien S. 37—82
unter umfassender, aber leider nicht vollständiger (vgl. S. 56)
Vorlegung des Stoffes gehandelt. Er theilt die Masse in fol-
gende Gruppen. Zuerst behandelt er die temporalen Akku-
sative wie tpletes, onkepov, XdLLdv, abptov, npwrov, v&ov, die Neutra
der Ordinalzahlen wie rpörov, np@ra, Vorepov, Dorara, dann die
Wörter wie donepyds, Aoxelds, voleuds, &unevds, welche “auf der
Übergangsstufe zwischen temporaler und modaler Bedeutung
stehen”. Die zweite Gruppe bilden die lokalen Akkusative
wie töoov, Ocov, roAAdv, noAö, wozu auch gehören sollen eöpö in
edpv xpelwv und eupd dewv, die dritte die modalen Akkusative,
z. B. u£ya, roAd, noA)dv, oAlyov, tdsov und Ooov, Zxnaylov und -a,
Toov und -a, Ayyıstov und -a, dredv, ruxıvov und ruxvd, Turdov
u. ähnl. Die vierte Gruppe bilden die Inhalts-Akkusative,
welche sich einigermassen nach Verben ordnen lassen, z. B.
öewvov oder peydAa bei Verben des Tönens, 66 oder oapdovıov
bei lachen, deıvov oder öfüurarov bei sehen, ö&ö bei wahrnehmen,
öervov oder Aaumpov bei scheinen, nöö bei duften, @yx{noAov oder
paxpa bei Verben der Bewegung, talaöpıyov bei kämpfen u. 3. w.
Die letzte Gruppe bildet der Akk. der Beziehung, welcher
nur bei Neutris von Pronominibus oder pronominalen Adjektivis
erscheint. Man sieht, dass diese Gruppen sich einigermassen
mit den von mir aufgestellten decken (nur ist der Akk. der
Beziehung etwas speziell Griechisches) und dass La Roche’s
Eintheilung ebenso unvollkommen ist wie die meinige. Ins-
besondere wird man bald gewahr, dass der sog. modale Gre-
brauch sich eigentlich in jeder Gruppe entwickelt, da er nichts
anderes ist als der zum adverbialen entwickelte Gebrauch des
Akkusative.. Von einer weiteren Anführung des griechischen
Stoffes glaube ich absehen zu dürfen. Dagegen sind einige
Bemerkungen über den dem Griechischen eigenthümlichen
Plural und über die Verbindung eines Adverbiums mit einem
Adjektivum oder Adverbium am Platze.
616 Kap. XIV. IL Neutrale adj. Adv. Griechisch u. Lateinisch. [5 257.
1. Singular und Plural.
In vielen Fällen lässt sich nachfühlen, weshalb für ein
Adverbium die singularische, beziehungsweise pluralische Form
gewählt wurde oder doch möglich war. So bemerkt La Reche
45, dass der Plural nie bei den lokalen Adverbien rosov, Ooov,
rolAov, zoAy, edpu erscheine. Es heisst ferner onuepov, aupıov,
rpwrov, v&ov, YBıLov (nur B 303 ydıla te xal zpweLa). S. 47 theilt
La Roche mit, dass der Plural nie als Massbestimmung bei
Komparativen und Superlativen vorkomme ausser bei Z£oya
(doch fällt auch diese Ausnahme vielleicht hinweg, da es
zweifelhaft ist, ob nicht öya und &toya ursprünglich Instrumentale
sind). Der Singular erscheint ferner regelmässig bei dsüurepov,
tplrov, terparov (aber npwra neben zpwrov). doppov zurück tritt
nur in diesem Numerus auf, ‘ein wenig’ heisst turdov, während
zurda in turda Starunkas a 174 und xepauvs turda Balwv xedaaunı
# 387 “in kleine Stücke’ bedeutet. Einige Verba, welche einen
kontinuierlichen Vorgang darstellen, haben naturgemäss ein
singularisches Neutrum bei sich, so ‘schlafen’ (66) und ‘lachen’
(61). Nur pluralisch ist rappda häufig (64), &vödfıa und dmı-
ö£fıa nach rechtshin (66), wobei an die mehreren Glieder der
Reihe gedacht ist. Deutlich ist der Unterschied zwischen rxoAAd
und old. Den Gebrauch von roAlla vergegenwärtige man sich
an folgenden Belegen: 6; pda rnoAla ridyydn a1; roAla iv
ap paotıyı Fog Enepaisto Belvay, moAda 88 perlıyloraı poonude,
roAla 5’ Apeın P 430, nö Asxalouevn Z 458; rolla Ö& oi
xpaöln roppupe pevoytı D 551; to pada no’ Enerelle napıoyspev
A 229; para noAla radov xal noAN” duoynoa 8 155; moAda Arooo-
uevn E 358. Überall tritt der Begriff der wiederholt vollzogenen
Handlung hervor. Mit Adjektiven wird roAla nie verbunden.
loAu dagegen kommt vor bei Verben im Sinne von ‘weit’:
roAd npoßeßnxas anavıwv Z 125, ferner mit Boulopar “vorziehen‘,
mit pdavo ‘zuvorkommen’ (48), sonst mit Adjektiven und zwar
fast ausschliesslich bei Komparativen und Superlativen, z. B.
roAd plAtepos und »lltaros. Der Plural erscheint (nicht noth-
wendig, da nicht selten der Singular daneben vorkommt, aber
in verständlicher Weise) neben Verben, welche eine in wieder-
$ 257.) Kap. XIV. II. Neutrale adj. Adv. Griechisch u. Lateinisch. 617
holten Akten sich abspielende Handlung enthalten, so schreien,
lärmen, schreiten u. ähnl. Dahin gehören opepdalta bei xrundw,
o&ta bei xexinya, aöıya (auch -öv) bei otevayiio, fapea (auch
Bapu) bei otevayw, neyala steht, wie schon Ameis beobachtet
hat, nur bei Verben die einen Ton bezeichnen (s. La Roche
53 Anm.), alva und oixtp& bei öloyupopar, dewva bei duoxide,
&leeıva bei terpıya und oluwLw, paxpa bei Bodw, ferner paxpa
und xpaınva ın Verbindung mit den Partizipien Bıßas und rpoßı-
Bas. Auch gYpovsw gehört hierher, da bei ppovewy fast aus-
schliesslich Plurale wie ayadd, oAoa u. ähnl. stehen, ausser
ueya, Tcov und doov (57). Besondere Beachtung verdienen die
Superlative. Es scheint (Sammlungen stehen mir nicht zu
Gebote), dass regelmässig im Griechischen das Adverbium des
Komparativs singularisch, das des Superlativs pluralisch ist,
so z. B. bei Homer regelmässig näAAov palıora, Bäccov Tayıora,
im Kretischen Öorepov, aber xaAlıcra. Diese Eigenthümlichkeit
des Griechischen kann sich nur allmählich entwickelt haben,
und es darf daher nicht Wunder nehmen, wenn wir bei Homer
das Superlativ-Adverbium auch in singularischer Form antreffen.
So steht P 675 öfurarov ögpxeodar; äyyıora, z. B. in Ayyıora
Eoixer ist das Gewöhnliche, aber 98: 7’ Ayyıorov ndlev adra e 280
(was nur adverbial verstanden werden kann) ; xpwrista, z. B. in
Kalyavra npurtıota xax’ Ooaswevos nposdernev A 105, aber Aprepıöı
rpwrıotov dreukato u 60; gewöhnlich dorara xal nunara, aber der
Singular X 203, v 116. Man bekommt den Eindruck, als stehe
der Singular dem Adjektivum noch näher, als sei er noch nicht
ın dem Grade erstarrt, wie der Plural. Die Frage, weshalb
die Griechen in der beschriebenen Weise verfahren sind, lässt
sich schwer durch eine unserem jetzigen Verstande die Billi-
gung abzwingende Formel beantworten. Man kann nur
schliessen, dass die Griechen diejenige Handlung, welcher sie
das Adverbium des Komparativs als Attribut beilegten, als eine
einheitliche auffassten, während ihnen bei der durch das
Superlativ-Adverbium näher bestimmten die verschiedenen mög-
lichen Akte vorschwebten. Einigermassen vergleichbar ist
unser neuhochdeutsches Verfahren mittelst ‘am’, über welches
618 Kap. XIV. II. Neutrale adj. Adv. Griechisch u. Lateinisch. [$ 257.
man Grimm’s Wb. unter ‘am’ vergleiche. Wenn wir sagen “der
Tag ist wärmer als die Nacht’, so fassen wir jeden der beiden
verglichenen Zustände als ein einheitliches Ganzes auf, während
wir bei dem Ausdruck ‘der Tag ist um Mittag am wärmsten’
an die Linie der verschiedenen Grade der Wärme denken,
welche sich um Mittag auf der Höhe befindet. Die Vertheilung
der Adverbien unter die Numeri stammt natürlich aus der Zeit,
in welcher die Adverbien noch nicht völlig erstarrt waren. Wenn
diese Erstarrung zum Abschluss gekommen ist, empfindet man
die Numeri nicht mehr. Es ıst daher kein Wunder, dass es
ziemlich viele Fälle giebt, in denen wir einen Grund für die
Wahl des Numerus nicht mehr angeben können. Das ist z.B.
der Fall bei xaAdv und xald: xaAdv findet sich nur bei aetie,
xald dagegen 2. B. in dem Satze: od ev xala yölov rövo
Evdeo Bump Z 326, wobei xaAd als ursprünglich appositionell zu
erklären ist. Ferner ist mir undeutlich, warum es ävrlov und
avrla, aber nur &vavtiov heisst (La Roche 64), warum man bald
toov bald toa anwendet, z. B. @AAa ge ioov ldaryevesosıy Erina
E 203, aber & 6& yıv tiev Ica texeosıv U 551. Ganz gleich peyal’
söyero I 275 und peya 8’ suiaro p 239, vfas p&v Taumpwrov
&pbssopev eis Aa dtav ö 577 und Ir da oi zaunpwra dewv
npnoato navcmv P 568, und mancherlei anderes der Art.
2. Verbindung von Adverbien mit Adjektiven
oder Adverbien.
Der homerische Sprachzustand steht in dieser Beziehung
dem altindischen noch nahe. Denn wie im Altindischen nur
maht und pur& mit Adj. oder Adv. verbunden werden, so wer-
den bei Homer, so viel ich sehe, nur solche Adverbia in dieser
Weise gebraucht, welchen der Sinn der Steigerung oder des Gegen-
theils derselben anhaftet. Am häufigsten ist die Verbindung mit
Komparativen und Superlativen. Dahin gehören peya, z B.
mit Apelvay und dApıstos, auch mit Positiven, z. B. n£ya vamos
(La Roche 47), xoXd, z. B. mit gitepos, piltaro;, auch mit den
Adv. rxporepw und npiv (48), zoAAdv, z. B. mit dpelvov, apıoros
(49), pdiıora öfter mit Superlativen, z. B. Zydıoros 8° Ayıızı
paltot' Zev 48° Döuoft B 220, auch: 8; te pdlıora Aaprpov rap-
$257.] Kap. XIV. II. Neutrale adj. Adv. Griechisch u. Lateinisch. 619
oalvnar E 5, Toö yap neoev dyyı nAlıcta ganz nahe 5 460, dAl-
xov, z.B. mit xpetocwy (49), t6oov, z. B. mit Yeptepos, auch bei dem
Positiv: vnrtos Eoo', @ feivs, Alnv tdoov HE yallppuv 5 371 (49),
&oov, Z. B. mit p£prepos, xaprıotos. Nicht mit dem Komp., wohl
aber mit dem Superl. und Pos. findet sich &&oya, z. B. bei
@proros und äyveıd; (51). Bei Pos. und Adverbien das nach-
stehende rotov, z. B. Bapa rotov und xepödleov 6n Tolov (wenn
dieses nicht Adjektiv ist), vgl. 50. Eine vereinzelte Verbin-
dung ist ruxva hoyaldn cs 109 und heia Aplyvuros (55), welches
letztere aber wie ein Partizipium empfunden sein wird. Dazu
kann man etwa noch ti, zavra u. ähnl. rechnen, die aber wohl
noch als Akk. der Beziehung, nicht als Adverbia zu bezeich-
nen sind.
Lateinisch. Im Lateinischen sind diese Adverbia, ver-
glichen mit dem Altindischen und Griechischen, nicht eben
häufig. Es gehören dahin Formen wie multum, summum,
commodum, primum, prius und die übrigen Komparative auf
sus, auch magts, rımis, satis (Brugmann 2, 564), factle u. a.
Ein Verzeichnis findet man bei Neue? 2, 579 ff. (doch ziehe
ich vor, temere als Lok. eines Substantivs zu fassen, vgl.
S.567). Der Gebrauch ist derselbe, wie in den verwandten
Sprachen. Ein Akk. des Inhalts liegt z. B. vor in magnum
clamat bei Plautus, eine Apposition z. B. in maygna supremum
voce ciemus bei Virgil. Auch recens, über das man Neue? 2,
592 vergleiche, heisst wohl eigentlich: ‘als etwas Neues’. —
Auch im Lateinischen lässt sich noch nachweisen, dass die
Verbindung mit dem Verbum die ursprüngliche ıst. Man sagt
zuerst multum vales, mullum laborat u. ähnl., darauf multum
loquax. Im einzelnen bemerke ich noch nach Wölfflin, dass
plus erst zu Ende des zweiten nachchristlichen Jahrhunderts
mit Adjektiven verbunden wird, valıdius überhaupt nur mit
Verben.
Über das adverbiale cetera, alia, omnia hat Wölfflin, Arch.
2, 90 gehandelt. Wesentlich kommt nur cetera in betracht.
Es kommt in der alten Sprache sehr selten vor (eine Stelle
bei Ennius und eine bei Plautus) und ist auch in der reinen
620 Kap. XIV. II. Neutrale adj. Adv. Germanisch. [$ 257—258.
Prosa im ganzen gemieden. So ist die Vermuthung gerecht-
fertigt, dass die Konstruktion sich nicht ohne Einfluss des
Griechischen entwickelt habe. Cetera findet sich am häufigsten
bei Adjektiven, so namentlich cetera sımilis und cetera nudus,
seltener bei Verben, so cetera quiescas bei Plautus und cetera
adsentior Crasso bei Cicero.
6 258. Adjektiva neutral. Germanisch.
(Vgl. Grimm 3, 97.) Zur lokalen und temporalen Gruppe
gehören die mit wert gebildeten im Althochdeutschen, Mittel-
hochdeutschen, Angelsächsischen, z. B. ahd. afterwert zurück,
heimort nach Hause, üzwert, inwert, mhd. danwert, hanwert,
ags. upveard, sudveard, im Neuhochdeutschen durch die geni-
tivischen auf -wärts verdrängt. Dazu die mhd. mit Zanc, z.B.
tagelanc, hiutelanc. Die Adverbia “modalen’ Gebrauches sind
nicht so häufig, wie im Sanskrit und Griechischen, da ihnen
ebenso wie im Lateinischen mehrere andere Gattungen von
Adverbien Konkurrenz machen. Es handelt sich im wesent-
lichen um einige häufig gebrauchte Wörter, welche durch die Dia-
lekte durchgehen, so got. ahd. %lu, mhd. vsl, nhd. viel (dazu auch
ahd. miAhhrl, mhd. michel); got. leitil, ahd. Zuzid, mhd. Zützel, von
da an im Deutschen durch wenig verdrängt, ags. /ytel; got.
ganoh (noch kaum als adverbial zu betrachten), ahd. mhd.
genuog, nhd. genug, ags. genog. Dabei sind die angeführten
Formen nicht bloss als Adverbia, sondern meist auch als Kasus
im Gebrauch. Hinsichtlich der Anwendung gilt dasselbe wie
in den verwandten Sprachen. Dem gr. xoXd, ai. purd ent-
spricht lu mit Verben häufig bei Otfrid (vgl. Erdmann 2, 83),
aber auch schon im Gotischen mit Adjektiven und Adverbien,
z. B. at filu managati manageın visandein raurdAA0ou öykou dvros
Mark. 8, 1; filu gabaurjaba Törora 2 Kor. 12, 9; lu mais, =. B.
in: ib is flu mais hropida 5 d& roll pällov Expatev Mark.
10, 48 und so häufig im Althochdeutschen, z. B. Alu scons,
märt, luber, riche u. ähnl., von Adv. daz, scono, späto, fruo,
höho, kraftlicho u. ähnl., bisweilen auch durch Aarto ver-
stärkt, z. B. harto filu ziaro, kleind, kleinöor u. ähnl. Dem gr.
p&ya entspricht altn. myak, auch dieses nicht bloss mit Verben,
$ 258.) Kap. XIV. II. Neutrale adj. Adv. Germanisch. 621
sondern auch mit Adj. verbunden, z. B. 270% langa hrid, ziem-
lich lange Zeit. Bisweilen kann man schwanken, ob ein Akk.
oder ein Adv. vorliegt. So könnte man das got. Zeit:l in Jestıl
galaubjandans Matth. 6, 30 als Akk. des Objekts auffassen,
aber da es öAtydrıoror wiedergiebt, so wird es vermuthich als
Adverbium empfunden worden sein. Wie ein Akk. des inneren
Objekts steht es in hashait ina aftıuhan fairra staba leitil Ars
ns is &ravayayeiv öAlyov Luk. 5, 3. Hinsichtlich der Adverbia
der Komparative und Superlative verweise ich auf Grimm
3,585 ff. Hier kommen in betracht die im Gotischen auf :s
oder s auslautenden Adverbia (vgl. Brugmann 2, 408), so hauhis
in usgagg hauhis rpocavaßr,dı Avwrepov Luk. 14, 10; framis in
Jah jainpro inn gaggands framis leitil nat npoßäs dxeidev dAlyov
Mark. 1, 19; Aaldis in ns Pe haldis nicht um so mehr, d.h.
keineswegs; mais, z. B. ak mais vairs habaida Alla yäalkov els
to yeipov 2/Boüca Mark. 5, 26 (wo also ma:s nicht etwa zu vasrs
gehört); mins, z. B. svebauh ei ufarassau tzvis frijonds mins
‚rijoda el xal repissortpus dpäs Ayanav Frrov Ayanmuaı 2 Kor.
12,15; vairs; seibs ın banaseths "weiter, noch’ zu seipus spät.
Diese Wörter finden sich zum theil auch in den übrigen Dia-
lekten, so ım Althochdeutschen mer, min, virs, baz, das im
Gotischen batis lauten würde. Neben den Adverbien auf ?s
stehen die auf os, im Gotischen noch selten, nämlich sniumun-
dos ın sniumundos nu insandida ina otrovbmorepws ody Erepba
aöröv Phil. 2, 28; aljaleıkos in jah jabai hva aljaleikos hugyib
xal ei rı &räpwg Ypoveite Phil. 3, 15. In den anderen Dialekten
sind sie ganz gebräuchlich, z. B. im Althochdeutschen skumor
schneller, z. B. thaz thu tuos tuoz sliumor quod facis fao citius
Tatian); rumör weiter (z. B. rumör faran longius ıire Tat.);
elihhör sonst (far nu intini curi elihhör sunton vade et amplius
noliı peccare Tat.) u. ähnl. Leidör hat sich von dem Verbum,
zu dem es gehörte, losgelöst und ist zur Interjektion ge-
worden.
Von Adverbien der Superlative begnüge ich mich, got.
Frumist anzuführen, z. B. silbo auk airba akran barrıb: fru-
mist gras baproh ahs adtopden yap F N xapropopei, rpWrov
622 Kap. XIV. II. Neutrale adj. Adv. Lit. (auchai)u. Slav. [$ 258-259.
x6prov elta ordyuv Mark. 4, 28, wo die Entstehung aus der
Apposition (“als erstes’) deutlich ist, und im übrigen auf
Grimm 3, 586 zu verweisen.
$ 259. Adjektiva neutral. Litauisch (auch a:) und
Slavisch.
Litauisch. Aus dem Preussischen gehört hierher tusnen
stille (vgl. ai. t$ntm). Im Litauischen ist die alte Form durch
die Bildung auf as verdrängt worden. Auch diese ist indes
wohl als eine akkusativische anzusehen, denn J. Schmidt,
Pluralb. 227 ff. hat wahrscheinlich gemacht, dass das lit. {a3 der
Form nach eine Bildung wie das lateinische qguae (Nom. Akk.
plur. neutr.) sei. Zugleich zeigt er, wie es gekommen sein
könne, dass {ai so zu sagen den Singular und Plural in sich
enthalte, also gewissermassen ein numerusloser substantivischer
Nom. Akk. neutr. des Demonstrativums sei. Dass die Ad-
jektiv-Adverbia auf ai dieselbe Bildung darstellen, lässt sich
meines Erachtens nicht bezweifeln, mag man nun mit Schmidt
annehmen, dass schon in der Ursprache auch bei den Nomina
ein Nom. Akk. plur. neutr. auf a vorhanden war oder dass
im Litauischen der Ausgang at von den Pronomina auf die
Adjektiva übertragen worden sei. Die Konstruktion dieser
Adverbia ist dieselbe wie die der neutralen Adverbia ın den-
selben Sprachen, z. B. szis tlgai neder&jo dieser feilschte nicht
lange, Schleicher, Les. 128; nes jis büvo labai pailses denn er
war sehr ermüdet 119; Zabai göras vyjras ein sehr guter Mann
u. 8. w. Beachtenswerth ist, dass die Form auf ai auch bei
Zeitbegriffen erscheint, z. B. pernat im vorigen Jahre. Ferner
da, wo wir die erstarırte Form des Adjektiv brauchen: $etp
Jüdal iszmuszts so schwarz ausgeschlagen (mit Zeug) Schl. 118;
baf’zdq zahai prisiparbüt sich den Bart grün färben 134. So
auch, wenn es im Prädikat steht, z. B. räst büs viskas gerai
vielleicht wırd alles gut werden 140; ne gerai kad U cze
atkelavai es ist nicht gut, dass du hierher gereist bist 139.
Merkwürdig sind die Adverbia von den sog. Partizipien der
Möglichkeit und Nothwendigkeit wie süktinas gleich &iıxteo;
und älıxtds, z. B. &jo su apasztalais i Jerusalem o ne sugriztinai
$ 259.) Kap. XIV. II. Neutrale adj. Adv. Lit. (auch ei) u. Slav. 623
bet hktinai er ging mit den Aposteln nach Jerusalem, aber
nicht um zurückzukehren, sondern um zu bleiben; Akad tau
düczau sz1q zeme gyventinai dass ich dir dieses Land zum Wohnen
gebe; svetas niszmerütinai didelis die Welt ist unermesslich gross
(vgl. Leskien, Bild. der Nom. 405, Kurschat $ 1547). Im Ai. würde
man in diesem Falle den Dativ eines Abstraktums brauchen.
Slavisch. Es gehören hierher die zahlreichen Adverbia
auf o zu Adjektiven auf ü, z. B. aksl. premo gerade zu premii,
zelo sehr zu zelü ayoöpdc, malo wenig zu malü klein, razino aus-
einander zu razinü dıapopos. — Bemerkenswerth ist Zyubo zu
Ijubü carus, welches nach dem Interrogativum und Rel. ge-
braucht wird (vgl. S. 519), also Aüto Izyubo und yJakovä Iyubo,
serb. mnogo viel, dobro gut, russ. borzo geschwind, 2100 leb-
haft u. s. w. Öfter ist das Adjektivum daneben nicht mehr
vorhanden, z. B. serb. koso schief, Ziho ungerade (vgl. aksl. lichü
reptooos). Im Russischen sind Diminutivbildungen neben den
Adv. häufig, z. B. neben tverdo fest twerdeniko und tverdovato,
neben skoro sehnell skoreniko, neben cisto rein Gisteniko und
augmentativ cıstöchoniko. Neben den Formen auf o die auf
Je, 2. B. aksl. prüvoje erstens, dalece lange neben dale& und
dalekü, danach auch Zestoce hart zu Zestokü (woneben kein
Zestoci), so auch glaboce tief, vysoce hoch u. ähnl. (vgl. Miklo-
sich 4, 159, und Leskien, Handbuch? 94, der in einem Theil
der hierher gehörigen Formen Komparative vermuthet). Ferner
die Komparative, z. B. aksl. bolje besser, veste mehr, vySe ober-
halb, serb. vede mehr, vi$e oberhalb u. s. w., russ. dli2e näher,
nize niedriger u. s. w. Dazu natürlich auch die Superlative
wıe russ. najbolise. Endlich gjebt es noch eine Reihe von
Adverbien auf % und ?, welche als Akkusative von u-, o- und
i-Stämmen anzusehen sind, z. B. aksl. vünü hinaus, nız& hinab,
blizü oder blizi nahe, häufig zusammengesetzt, z. B. bezdobi zur
Unzeit, posledi zuletzt, strümoglavs über Kopf u. ähnl. (Leskien,
Handbuch 2 94).
Zur Veranschaulichung des Gebrauches greife ich aus der
grossen Masse einige altkirchenslavische Beispiele heraus, denen
ich die entsprechenden serbischen Stellen beifüge: po $to my
624 Kap. XIV. IL Fem. adj. Adverbia. Altindisch. [$ 259—260.
ı Farıses postimü se münogo (za $to mi s Fariseji postimo mnogo)
drarl npeis xal ol Dapıoator vnoreuonev noAla; Matth. 9, 14; raz-
gnevavü sg zelo (razgnjevi se orlo) &dupnwdr Alav Matth 2, 16;
bqdi uoestaje se sü sqpiremi svojimi skoro (miri se sa suparnıkom
svojijjem bdrzo) \sdı zuvomv to Avriölxep con tayu Matth. 5, 25;
Auch neben Adjektiven und Adverbien, z. B. i by3e rizy jego
liäteSte se bely zelo jako snegü (1 chaljine njegove postadose sjajne
i orlo bijele kao snijeg) xal a Ipatıa aurou dydvero arißovre,
Aeuxa Alav ws xuuv Mark. 9, 3; 8 jutro probrezgu zelo vüstarü
(a u jutru vrlo rano ustavki) xal zpwi Zvvuyov Alav avastas Mark.
1, 35. Als Beleg für die aus der Apposition zu erklärenden
Adverbia mag dienen: aksl. prüvoje erstens, vüloroje zu zweit,
zweitens, auch mit dem dem griech. Artikel entsprechenden
Pronomen: aksl. toprüvo (to rpwtov), serb. topro erst, russ. teperi
Jetzt.
8260. Adjektiva femininisch.
Im Altindischen giebt es eine Anzahl von Bildungen
auf {aram und tamäm, denen Präpositionen, Partikeln, Ad-
verbien zu Grunde liegen (vgl. Gaedicke 227), z. B. samtaram
pädakau hara thu die Beinchen mehr zusammen RV. 8, 33, 19.
yalard vai sämyattaybh paräjäyate pa vai sd (so zu 1.) kramaty
abhitaram u ai Jäyan krämati wer von zwei im Kampfe Be-
griffenen unterliegt, der weicht zurück, aber der Siegende rückt
immer weiter vor SB. 1, 5, 3, 6.)
An die Präpositionen schliesst sich nd, z. B. te purvapak$ah
pürve 'diıkjanta te püpmänam apühata, aparapakfä apare ’di-
k$anta te nalaram papmänam apähata die P. weihten sich zu-
erst und schlugen die Sünde von sich weg, nachher weihten
sich die A., die schlugen die Sünde keineswegs von sich weg
AB. 4, 25, 3. Dazu Adverbia wie „yöklamäm am längsten,
z. B. mit jiv leben. Diese Wörter auf m nun bilden eine
1) Auf diese Weise wurde so zu sagen der Sinn eines zusammen-
gesetzten Verbums gesteigert und so erklärt es sich, dass, wie Böhtlingk
unter tara bemerkt, das Sufflix taram in der späteren Sprache auch an das
einfache Verbum finitum angefügt werden konnte, x. B. prathayatitaräm
fördert noch mehr (Ratnävali in Böhtlingk’s Chrestomathie 223).
$ 260.) Kap. XIV. II. Akk. adj. Adverbia, femininisch. 625
jüngere Schicht neben älteren auf am. Im RV. findet sich
neben avatardm, parälardm, pralardm, vilaram auf am das
einzige samfaram. Wie nun diese femininale Bildung entstand
und wie sie dazu kam, sich an die Stelle der älteren neutralen
zu schieben, ist noch nicht ermittelt (vgl. auch SF. 5, 186).
Die Ansicht, dass das @ durch “Verlängerung” aus a entstanden
sei, kann ich nicht für eine Erklärung halten. Denn sie be-
sagt doch nur, dass wir uns über die Länge des Vokales
wundern. Ä
An die Formen auf am schliessen sich einige auf zm,
nämlich sdanim jetzt, tadänım damals, vifvadanim immer, tugnim
stille. J/danim erklären Böhtlingk-Roth als Akk. fem. eines
Stammes *idäna und ergänzen ein Subst. wie rätrim die Nacht,
wogegen Gaedicke 232 nicht ungegründete Bedenken erhebt,
obne aber selbst eine mir einleuchtende Erklärung vorzubringen.
Tu$nim findet sich neben asinah sitzend, aber auch neben as
sein: üsnim @sa er wurde still. Eine plausible Ergänzung weiss
ich nicht vorzuschlagen, verweise aber auf axnv, das ebenfalls
femininische Form hat. Durchsichtiger sind die Verhältnisse
im Griechischen. Bei den ältesten Bildungen dieser Art
war natürlich ein Subst. zu ergänzen, das man aber nicht immer
mehr mit Sicherheit angeben kann (vgl. Lobeck, Paralip. 362 ff.).
Am meisten erinnern noch an diesen Ursprung diejenigen, bei
denen der Artikel erscheint, z. B. my tayloınvy, nv npwrmv.
Von ihnen wird bei der Ellipse zu sprechen sein. Der homeri-
schen Sprache gehören an: zpynv neulich, wozu ein Subst. wie
Nacht oder Tag zu ergänzen sein dürfte, ferner die Formen
auf ötnv, nämlich oyeölnv in tubov 8& oysöinv E 830, offenbar
s. v. a. ‘drauf los’, ebenso aurooyeötnv unmittelbar drauf los
mit ninke. Vermuthlich ist rAnyrv zu ergänzen (vgl. oy£öa
Bein Waffen zum Kampf in der Nähe bei Aeschylus). aupaötnv
öffentlich zu appadıo; (in aupadıos yaos bei Homer) mit den
Gegensätzen oıyfj und Aadpy. Sodann avtıßirv. Neben avrtätov,
z. B. in el y&v &n avrißıov auv teuyear neıpnideing A 386, steht
xal "Extopı neıpndrivar avrıßlnv D 225, pre ob, Ilndetön, BEA 2pı-
Cepevaı Basıkzı avrıßinv A 277 (Weiteres bei La Roche 64). Man
Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm. Sprachen. 1. 40
626 Kap. XIV. II. Akk. adj. Adverbia, femininisch. [8 260.
kann an ein Substantivum wie gpıs denken. Aus der Zahl der
nachhomerischen Bildungen erwähne ich: naxpav weit, z. B.
mit rresdaı bei Sophokles, mit areAdeiv bei Aristophanes, mit
teiverv und &xteiveıv (von der Rede gesagt) bei Aeschylus, mit
Sry (also auf die Zeit angewendet) bei Sophokles. Gänzlich
erstarrt ist n&pnv eigentlich in das jenseitige, entfernte Land,
z. B. r£pnv &; mv ’Ayaıtrv Steneutev Herodot 8, 36, schon bei
Homer präpositionsartig mit dem Genitiv verbunden: repvasy',
ov tıv’ Eleoxe, nepnv alos 2 752. Das lebendige Adjektivum ist
ım Altindischen als para jenseitig, entfernt erhalten, z. B. param
evd parardtam sapdinim gamayamasi in die äusserste Ferne
bannen wir die Nebenbuhlerin RV. 10, 145, 4. Ob arpıaımv
ein Adj. oder ein Adv. ist, bleibt zweifelhaft. Unerörtert lasse
ich die folgenden Formen auf -rv, unter denen sich vielleicht
eine oder die andere Substantivform befindet: Avrıy, par»,
axıv, önv, Alyv, rAyv. Lateinisch. Die Adverbia auf am sind
verzeichnet bei Neue? 2, 576 ff. Es gehören dahin: alıquam,
allgemein in alıquamdiu, ausserdem familiär mit mulii ver-
bunden (Wölfflin, Kompar. 22). Es ist wohl nicht zweifelhaft,
dass partem zu verstehen ist. Dasselbe Wort ist zu ergänzen
bei dbifariam u. s. w., vielleicht auch bei coram, das zu einem
Adj. *corus vor dem Angesicht befindlich gehören könnte
(vgl. ai. sak$ad). Bei perperam unrichtig könnte man an vıiam
denken. Protinam und promiscam werden bei Schweizer-Sid-
ler-Surber $ 223 aus protinuam und promiscuam erklärt. Welches
Substantiv dabei zu ergänzen wäre, sehe ich nicht. Ebenso
wenig weiss ich über clam und palam Auskunft zu geben.
Für einen Akk. plur. fem. pflegt man alias zu erklären und
dazu vices zu ergänzen. Diese Auffassung ist mir wahrschein-
licher als die Brugmann’sche, wonach es Lok. sein soll. Von
alteras gilt dasselbe. Aus dem Pronominalgebiet sind etwa
noch Akk. wie iam, guam zu nennen, über die sich nichts
Bestimmtes sagen lässt. Ob germanische Adverbia, etwa die
auf got. o hierhergehören, muss zweifelhaft bleiben. Aus den
slavischen Sprachen habe ich nur aksl. protivg e regione,
contra notiert, vgl. Miklosich Wb. unter proti (wo man auch
$ 260—262.] Kap. XIV. I. Akk. adj. Adv., mask. 627
die Entsprechungen aus den anderen slavischen Sprachen
findet). Miklosich bemerkt dazu: eig. ein sing. Akk. fem. von
protivü.
8 261. Adjektiva maskulinisch.
Grimm 3, 95 verzeichnet eine Anzahl altnordischer Ad-
verbien, welche aus dem Akk. sing. mask. entstanden seien,
wie qjarnan libenter, hardan dure, driugan frequenter, mtkinn
fortiter u.a. Sie kommen, so viel ich sehe, in der poetischen
Edda nicht vor, ausser Äropturligan kräftig. Gewöhnlich ist
es leicht, das betreffende Substantivum zu ergänzen, so dass
man in Zweifel geräth, ob man die Formen auf -ar unter den
Ellipsen oder unter dem Adverbium behandeln soll. Einige
Beispiele, auf die mich Sievers hingewiesen hat, sind: röa
kropturligan (scil. rödr) kräftig rudern Hymiskv. 28; gräta
saran (scil. grät) schmerzlich weinen; gengu skipın mikinn
ut yfir grunnit die Schiffe gingen einen grossen (Gang) über
das Meer; foruw konungmenn mikinn die Königsleute fuhren
eine grosse Fahrt; hann keyrdi ba hest sinn ok ridr mikınn er
trieb sein Ross an und reitet einen grossen (Ritt); 0% brosti at
litinn bann und er lächelte dazu dieses kleine (Lächeln). Die
Zitate bei Fritzner, Ordbog? II, 695 und 541. Völlig adverbial
ist Jjafnan Gylfaginning 33: hann kom asum jJafnan i fullt van-
dr@di er brachte die Asen stets in grosse Verlegenheit'.
$ 262. Der Nominativ.
Dass Nominative erstarren können, ist bekannt (vgl. Brug-
mann in Curtius’ Studien 9, 259 fl). Sichere Fälle von ad-
verbialer Erstarrung aber dürften selten sein.
Ich habe als mögliche Fälle aus dem Lateinischen
notiert: nudıus, mordicus, totiens u. ähnl., secus. Mit nudius
hat es freilich eine besondere Bewandtnis. Wenn dius, wie
man doch annehmen möchte, dem indischen dyds in püurvedyüs
tags zuvor u.8. w. gleich ist, so ist es nicht Nom., sondern
wie dyus wahrscheinlich Lok. ohne Kasuszeichen, wie denn
auch dius bei Plautus Merc. 862 (neque noctu, neque dius)
lokativisch gebraucht ist. Dieselbe Form liegt in ınterdius vor.
40*
628 Kap. XIV. Adverbia aus dem Nominativ. [$ 262.
Danach sollte nudius, dessen nu doch wohl gleich vw ist, ‘am
heutigen Tage’ bedeuten. Es scheint aber, dass nudius als
Nom. sing. der zweiten Deklination empfunden wurde, und
so konnte denn Zertius u. s. w. hinzutreten (heute der dritte
Tag), z. B. nam parasitum misi nudiusquartus Cariam Plautus
Cure. 206. Das vielbesprochene mordicus sieht Bücheler ın
Wölfflin’s Archiv 1, 104 als ein Adjektivum an, das sich zu
mordere verhält wie medicus zu mederi. Der Nom. sing. mask.
habe die Alleinherrschaft erlangt und die übrigen Kasus ver-
drängt. Das sei bei mordicus um so begreiflicher, als es der
Natur der Sache nach wohl überwiegend zu männlichen Substan-
tiven gefügt worden sei. Wie ist es aber mit varicus sperrbeinig,
welches Apulejus Met. 1, 13 in bezug auf zwei Weiber gebraucht
wird: varicus super faciem meam residentes vesicam ezonerant?
In dem Suffix von quinquiens, totiens u. s. w. sieht Stowasser
in Wölfflin’s Archiv 5, 136 das Part. iens gehend. Ich habe
bisher in meinen Vorlesungen dieselbe Auffassung vorgetragen,
sehe aber, dass Thurneysen (ebenda 575) und J. Schmidt, Plu-
ralb. 295 sich entschieden ablehnend aussprechen, ohne übn-
gens ihrerseits etwas beizubringen, das mir einleuchtete. —
Secus endlich hält Zimmern, Wölfflin’s Arch. 4,602 für das Part.
von sequi, welches in alter Zeit seguons, secuns gelautet habe.
Indessen es scheint mir unnatürlich, das Adverbium secus von
dem Nomen secus Geschlecht zu trennen, das ebenso wie tenus
zu adverbialer Bedeutung gekommen sein wird. Freilich weıs
ich für die Entwickelung der Bedeutungen nur einen sehr
hypothetischen Stammbaum aufzustellen. Altindisch sac, wel-
ches offenbar die ursprüngliche Bedeutung des Verbums am
treuesten bewahrt hat, heisst: "zusammen sein, nahe sein, an-
hängen, nachfolgen. Demnach dürfte secus Anhang, Nach-
kommenschaft bedeutet haben und virtle secus zunächst die
männliche Nachkommenschaft, dann erst das männliche Ge-
schlecht bezeichnet haben. Aus secus Anhang, Nähe, Seite
kann dann der präpositionale Gebrauch entstanden sein und
endlich kann sich aus ‘Seite’ der Begriff der Entfernung und
des Gregensatzes herausgebildet haben (vgl. “meinerseits und
$ 262—263.] Kap. XIV. II. Griech. Adverbia auf «. 629
‘bei Seite stellen‘). Im Litauischen kann der Nominativ kas
mit dem Akkusativ eines Zeitbegriffes verbunden werden, z. B.
kas subatele szlaviad moczutes kömq jeden Sonnabend kehrte ich
Mutters Hof (Schleicher Les. 35), und danach erklärt man dann
mit Recht in AasdEn täglich, kasn2kt allnächtlich und ähnlichen.
Wörtern bei Schleicher, Gr. 264 (der sie übrigens getrennt
schreibt) den zweiten Theil für akkusativisch. Es giebt aber.
— wie Schleicher weiter bemerkt — auch derartige Verbin-
dungen aufs, z. B. kasmets jährlich, kasrytis (oder kasryt) all-
morgendlich. In solchen sieht Schleicher Akk. plur. Er deutet
also z. B. kasmets aus kas metüs und ebenso Kurschat $ 1406, der
zu diesem speziellen Falle bemerkt, dass metat Jahr ursprünglich
ein Pluralsubstantiv gewesen sei und in manchen Gegenden noch
sei. Brugmann bei Leskien-Brugman 320 aber sieht in den For-
men auf s Nominative des Singulars. Er führt an, dass neben
Wendungen wie kas väkarq jeden Abend auch kas väkaras u. 8. w.
vorkomme, und weist ferner darauf hin, dass diese Ausdrucks-
weise jedenfalls die ursprüngliche sei, da ja eigentlich Aas mit
dem Nominativ einen relativischen Nebensatz ausmache. Da-
nach würde Akas väkaras bedeuten ‘welcher Abend es auch sei,
und man muss sich wohl vorstellen, dass kas väkarq aus einer
Vermischung dieser Konstruktion mit dem Akkusativ bei Zeit-
begriffen entstanden sei. Mir scheint diese Auffassung an-
sprechend, ich habe deswegen die genannten Wörter an dieser
Stelle erwähnt.
Ein gewiss nicht vereinzelter Fall liegt vor in dem russi-
schen pravda die Wahrheit, welches auch im Sinne von in
Wahrheit, freilich, allerdings’ gebraucht wird, also eher eine
Partikel als ein Adverbium genannt werden kann, z. B. ono
pravda dorogo da Ijubo es ist zwar theuer, aber schön. Na-
türlich ist es aus dem Satze ‘es ist Wahrheit’ hervorgegangen.
$ 263. Ungedeutete Formen des Griechischen (aufa).
Aus dem Griechischen sind eine Anzahl von Formen
auf & zu nennen, von denen man nicht weiss, ob sie dem Akk.
plur. oder dem Instr. sing. angehören (vgl. über sie Kissling,
630 Kap. XIV. II. Griech. Adverbia auf a. [$ 263,
K2Z. 17, 202). Wenn ich hier von den noch ungelösten laut-
lichen Schwierigkeiten absehen darf, so möchte ich behaupten,
dass dpa durch seine Bedeutung Anspruch auf instrumentale
Abstammung hat. “Apa bedeutet ‘mit (in) der gleichen Hand-
lung, zugleich”. Bald tritt der Gedanke der Gileichzeitigkeit
hervor, z. B. wenn von Wettlaufenden gesagt wird ot! ö iyn
ravres xapralluw; Enstovro B 121, bald der des räumlichen Zu-
sammenseins, z. B. in der Verbindung mit &rouaı. Da aber
der ursprüngliche Begriff immer der der zugleich erfolgenden
Handlung ist, so kann man oft auf beide Arten übersetzen,
x. B. la npopvnotivor EodAdere, rd Apa navres © 230, wo wir
“alle gleichzeitig’ oder ‘alle in einem Haufen’ sagen könnten.
“Gleicherweise’ übersetzen wir: vöv 5 dpa T axbpuopos xal drkupd;
repl navrwv Erkeo A 417. — Dagegen ist dapa viele Male der
Bedeutung nach ein Akk. plur. Belege sind: dapa dpwazovra;
ötotoüg 0 470; Erel Hapa rorov &uloyoped AAdrloıcıy a 209; Tasıa
pe Ayeıpdusvor Bay EBalste II 207; od pev yap rı Dana yunacios
dv! oixp @alveraı 0 516. Unter den übrigen sind einige, welche
Adjektiva neben sich haben, zu denen sie gehören können,
nämlich @xa in schneller Bewegung oder Handlung (wxö;);
taya bald (tayös); Alya laut mit xwxdeıv und dslösıv (Auyb5);
oaäpa deutlich genau, nur mit ‘wissen’ und ‘sagen’ (sapri;‘. Bei
anderen sind die Adj. nicht oder nicht mehr vorhanden, näm-
lich bei alya sogleich; }xa schwach, leise, matt; rüxa dicht mit
derselben Bedeutungsentwickelung wie ruxıyd;, also z. B. rp%
y Ste 6 Balapos nuxa Bailero I 588 (vgl. A 576), nuxa zo;
und rüuxa dopnacns (dupnxtns als Partiz. empfunden), daher
‘sorgfältig’, z. B. rixa 8 Erpepe dla Deavw E 70; peia leicht,
ohne Schwierigkeit, stets mit Verben ausser heia d aplyvwr &ati
p 265 (partizipial); biuoa in rasch wiederholter Handlung; pala,
ein Steigerungswort, dessen ursprünglicher Sinn nicht mehr
zu erkennen ist, sehr häufig mit Verben, Adjektiven, Adverbien
verbunden (s. Ebeling). Zweifelhaft ist die Herkunft von dya,
welches mit ££oyos und dessen adverbialem Plural &foya nichts
zu thun haben kann, da der Begriff der Auszeichnung, der in
foxos (zu &i£yw) liegt, wesentlich auf Rechnung des 2: kommt.
$ 263 —264.] Kap. XIV. U. Lateinische Adv. auf ter. 631
Nachhomerisch sind xpöpa heimlich, piya verbunden mit, xapra
sehr (häufig bei Herodot, z. B. xapra 7öscdaı und xapra Aay-
rpds), opdöpa sehr, wovon Kissling a. a. O. 201 vermuthet, dass
es aus opoöpds in Anlehnung an pda und xapra gebildet
worden sei. In das präpositionale Gebiet gehört ävra gerade
auf etwas los, z. B. dAX 6 yiv Avra löwv hiedaro yalxeov Eyyos
N 184, avra payssdaı drauf los kämpfen T 163, ävra oyopevn,
in der Richtung auf ihn zu verharrend & 141, deotor yap Avra
&ofxeı gleicht geradezu @ 630. Die Bedeutung würde also gut
zum Instrumentalis passen.
$ 264. Ungedeutete Formen des Lateinischen
(auf ter).
Im Lateinischen herrscht noch keine Einigkeit in bezug
auf die Adverbia auf ter. Sie sind von Osthoff in Wölfflin’s
Archiv 4, 455 fl. aus Zusammensetzung mit iZer erklärt worden,
also dreviter gleich “kurzweg’. Ich kann dieser Erklärung nicht
beitreten. Die Hauptschwierigkeit beruht in dem Vorhanden-
sein von inter, praeter, propter, subter, circiter die man doch
von den übrigen Formen auf ter nicht trennen kann. Osthoff
freilich entschliesst sich zu dieser Trennung und legt für inter
die Heischeform *enteros zu Grunde, aus der «ixier enstanden
sei, wie vir aus *viros. Demnach wäre :nter ein erstarrter
Nom. sing. mask. Daraus würde sich die Folgerung ergeben,
dass inter von dem gleichbedeutenden altır. eier, ai. antar,
altpers. antar zu trennen sei, d. h. eine jener Gleichungen von
unmittelbarer Evidenz, auf welchen die vergleichende Gramma-
tik aufgebaut ist, würde aufzugeben sein, weil sie zu einer an
sich nicht ungefälligen Hypothese auf dem Gebiete einer
Einzelsprache nicht stimmt. Ich halte ein solches Verfahren
nicht für empfehlenswerth, bin vielmehr der Ansicht, dass man
von inter als der einzig nachweisbaren proethnischen Form auf
ter bei der Erklärung der übrigen ausgehen muss. Danach
stelle ich mir die Entwickelung folgendermassen vor. Wie
inter zu in verhält sich sudter zu sub, praeter zu prae, propter
zu prope, circiter zu circum, obiter zu ob. (Denn obiter als
Gegenstück zu obviam aus ob und :ler zu erklären, hindert
632 Kap. XIV. II Germanische Adv. auf da, a, o. (5264-265.
mich die Bedeutung). Ob alle diese Formen nach dem einen
Muster von inter gebildet sind oder ob in der Urzeit schon
mehrere Formen dieser Art vorhanden waren, bleibe dahin-
gestellt. Die ursprünglich lokale Bedeutung des Suffixes ist
in cireiter und oditer darum nicht mehr zu fühlen, weil sich
die beiden Wörter aus der Zahl der Ortsbestimmungen ent-
fernen. Circiter herum wird zu “ungefähr” und aus ‘obenhin’
entwickelt sich “auf oberflächliche Weise. Daran konnte sich
aliter, pariter u. s. w. leicht anschliessen und damit die ganze
Schar der Adverbien auf ter, worüber hier nicht weiter zu
handeln ist.
$ 265. Ungedeutete Formen des Germanischen
(auf got. ba, a, o, mit -lich und ung) und des Baltisch-
Slavischen.
Germanisch. Innerhalb des Germanischen lassen sich
(namentlich im Augenblick, wo die Forschungen über die ger-
manischen Auslautgesetze noch keineswegs am Ende stehen)
nicht mit Sicherheit unter bestimmten Kasus unterbringen:
1. Die gotischen Formen auf da, z. B. abraba kräftig,
azetaba gern, leicht, balfaba kühn. Osthoff, KZ. 23, 93 mag
wohl Recht haben, dass sie Instr. oder Abl. von Substantiven
sind, welche sonst im Germanischen nicht mehr vorhanden
sind, wohl aber im Slavischen, wo Kollektive und Abstrakte
aus Subst. und Adj. mit da gebildet werden, so: aksl. svatiba
Hochzeit, eigentlich wohl Hochzeitsgäste, züloba Bosheit, serb.
druzba sodalitas, Audoba Bosheit u. ähnl. (Miklosich 2, 216).
Was ihre Konstruktion betrifft, so erscheinen die Formen auf
ba beim Verbum, z. B. ohtedun abraba &uoßndncav apdöpa
Matth. 27, 54; jah gasahv bairhtaba allans xal &v&ßkeye mAau-
s änavtas Mark. 8, 25; gaigrot baitraba Exkauae nıxpüs Matth.
‚75; pai ubilaba habandans ol xaxüs Exovres Mark. 2, 17;
rduba baloips dewwüs BasavıLöuevo; Matth. 8, 6. Nur an einer
:lle könnte man geneigt sein, ein Adv. auf da zum Adj. zu
ıhen, nämlich in: vas auk mikils abraba Tv yap niyas apdöpa
ırk. 16,4. Aber die Stellung (falls sie nicht dem Griechischen
$ 265.) Kap. XIV. U. Germanische Adv. auf ba, a, o. 633
entnommen ist) spricht dafür, dass adraba zu dem Satze, nicht
zu dem Adj. allein gehört.
2. Die übrigen gotischen auf a, z. B. fairra, nehva, vaila.
In bezug auf varla ist zu bemerken, dass es zu Verben in ein
besonders nahes Verhältnis tritt, so zu visan, z. B. valla visands
daga hvammeh bairhtaba ebypawvöpuevos xad’ nuepav Aaympas
Luk. 16, 19. So heisst es mit Augjan wohlgesinnt, einstimmig
sein, mit galeıkon Wohlgefallen haben an, mit tauyan wohl-
thun, ebenso auch ahd. wola mit denkan wohlgesinnt sein, mit
wellan wohlwollen, mit {won wohlthun (vgl. lat. benefacio).
Einmal ist vas/a auch mit einem Adj. verbunden, nämlich in
sat, nu mel vaila andanem T6od, vöv xarpüs eünpdadextog 2. Kor.
6, 2 (vgl. 8, 12), wobei aber zu beachten ist, dass andanems
innerlich den Partizipien nahe steht. Dagegen bei dem ahd.
wola ist die Verbindung mit einem Adj. unzweifelhaft, z. B.
wola wakar, wola quekes muotes, und mit einem Adv. in wola
skıoro sehr rasch.
3. Die gotischen auf o, z. B. galeiko gleich, varraleiko
männlich, sinteino immer, usdaudo eifrig, oft ohne daneben-
stehendes Adjektivum, so usstndo besonders, sundro besonders,
sniumundo eilig, andaugjo offen, arojo umsonst, Piubjo heim-
lich, gahahjo zusammenhängend, allandjo völlig, aufto etwa,
vielleicht, misso wechselseitig, sprauto schnell, unveniggo un-
verhofft. Diesen gotischen Formen auf o entsprechen die alt-
nordischen auf a, z. B. gorva bereit, illa übel, schlecht, vida
weithin, und viele auf liga, z. B. byartliga glänzend; ferner
nach Sievers’ Meinung, der ich mich anschliesse, die althoch-
deutschen und altsächsischen auf o, z. B. ahd. follo in reich-
lichem Masse, gerno mit Freuden, Zango lange, /uto laut, heftig,
stark, harto sehr, diko oft; alts. diopo tief, gerno begierig, gern,
tulgo sehr; mhd. balde, gerne, hohe, lange, sanfte, vaste, harte
u. ähnl. Im Nhd. haben wir das e noch in lange, gerne, sonst
ist in bald, gern, hoch u. s. w. das Adj. mit dem Adv. zusammen-
gefallen. Besondere Beachtung verdienen die Adv. von Adj.
auf Zich, z. B. ahd. dlidlicho froh zu biidlich, forahtlicho ängst-
lich zu forahtlich, jamarlicho entsetzlich zu jamarlich. Unter
634 Kap. XIV. II. Deutsche Adr. auf ich. [$ 265.
den dreissig Adj. auf Zich aus Otfrid, welche Kelle 2, 372
anführt, finde ich in sechzehn Fällen Adj. und Adv. in dieser
Weise neben einander, dagegen in vierzehn Fällen (daldlicho
kühn, driulicho mit Treue, drugilicho ränkevoll, drütlicho zärt-
lich, erlicho anständig, follicho in vollem Masse, garalicho gänz-
lich, gisuäslicho freundschaftlich, gomilicho männlich, guallicho
auf herrliche Art, herlicho mächtig, Zugilicho fälschlich, thegan-
licho auf Helden-Art, ungisewanlicho unsichtbar) steht das Adv.
allein. Es scheint also, dass schon im Ahd. /icho als Adverbial-
endung empfunden worden ist. Jedenfalls ist das im Mhd. der
Fall, wo man zu ganz ganzlıche, zu salec selecliche, zu mtlte
miltecliche bildet (vgl. Grimm 2, 661). Der Grund für die
Bevorzugung dieser Endung lag natürlich darin, dass sie die
Adverbialität des Wortes deutlicher hervortreten liess, als die
Formen auf e, welche ja ın Formen wie Äleine sich von dem
Adj. nicht unterschieden. Im Nhd. haben wir diese Adverbial-
bildung noch in Formen wie freilich, schwerlich, weislich,
während im Englischen /y ausschliesslich adverbiell geworden
ist. Näher auf diese Adverbia einzugehen, unterlasse ich, weil,
wie mir Sievers mittheilt, eine besondere Untersuchung über
dieselben demnächst zu erwarten ist.
Den gotischen Adverbien auf o möchten vielleicht auch
einige der angelsächsischen Adverbia auf a wie söna bald, Zela,
teala geziemend u. ähnl. entsprechen. Dagegen gehören die
ags. auf e wie beorhte glänzend, füste fast, gearve ganz und
gar, georne gern, hearde hart, sehr, cymlice herrlich, eddiglice
ım Ueberfluss u. ähnl. einer anderen mir nicht deutlichen Bil-
dungsweise an.
Was die Anwendung dieser Adverbia betrifft, so habe ich
die gotischen Formen nur in Verbindung mit Verben gefunden,
auch im Ahd. dürfte diese Verbindung überwiegen, doch findet
sich auch die Stellung vor dem Adj., so z. B. im Otfrid bei
thräto sehr, 2. B. wuntar thräto seltsanaz, mit thrato herten
banton, thräto liublichoe. harto sehr, 2. B. mit ungimah, mihtl,
sellsanı, rümo (sehr entfernt), agaleizo (sehr beharrlich), thegan-
scho (sehr heldenmässig). Vgl. noch reAhto bei Kelle. Nicht
$ 265.] Kap. XIV. II. Deutsche Adverbia mit ung. 635
gefunden habe ich diese Verbindung bei sA0no, sero, garo, gilicho,
bei denen sie sich später eingestellt hat.
4. Wie das ahd. Zicho, das mhd. liche und Zichen, das
engl. !y zu Adverbialsuffixen geworden sind, wobei also das
Adjectivsuffix durch das Sprachgefühl mit zum Adverbialzeichen
gezogen wurde, so ist auch das Suffix ing oder ung (über
welches Grimm 3, 233 handelt) als Bestandtheil des Adverbial-
suffixes empfunden worden. Es erscheint im Got. mit dem
Ausgang o in unventggo unverhofft, im alts. auf o, also dar-
nungo heimlich, farungo unversehens, gegrungo geradezu, offen-
bar, in Wahrheit, im Ags. auf a, z.B. feringa plötzlich, sem-
ninga alsbald, arunga durchaus, gänzlich, gerunga (aus gegnunga)
geradezu, vollständig. Diese Bildungen dürften auf denselben
(noch unerkannten) Kasus zurückgehen. Ein anderer, nämlich
der Akk. sing. fem. erscheint im althochdeutschen ı2gän, z.B.
arauwingun frustra (vgl. got. arvyo), italıngun dass., gahıngun
subito, faringün repente, blintilingon latenter, rucchilingon supine
u. ähnl. lm Mhd. entspricht ingen, z. B. helingen heimlich,
flüglingen plötzlich, rückelingen rücklings, biuchelingen bäuch-
lings, sitelingen seitlings u. ähnl. Im Nhd. ist von den zahl-
reichen adverbialen Gen. das s übertragen, so dass blindlings,
rücklings, meuchlings u. 8. w. entstanden sind. Ing oder ung
ist danach ein adjektivbildendes Suffix, welches im Germanischen
nur noch in einigen Kasus erhalten ist. In anderen Sprachen
aber ist es noch lebendig, denn es scheint mir dasselbe zu sein,
wie das indische afßc, welches hauptsächlich an Präpositionen
erscheint, z. B. idaßc aufwärts gerichtet, präßc vorwärts gewandt,
vorn befindlich, aber auch ein Adjektivum weiterbildend in $ortyanc
weisslich neben $vitra und $vstd (in dem Eigennamen Dadhyahe
scheint es an das Subst. dadhi getreten zu sein). Im Lat.
gehört dahin propinguus neben prope, longinquus neben longus.
5. Endlich sei noch bemerkt, dass im Nhd. gewisse Sub-
stantiva, welche das zweite Glied einer Zusammensetzung oder
Zusammenrückung bilden, auf dem Wege sind, Adverbial-
endungen zu werden, so: Ding in neuerdings, platierdings, Fall
in gleichfalls, jedenfalls, Mal ın einmal, vormals, niemals, Mass
636 Kap. XIV. III Adverbia aus Präpositionen mit Kasus. [$ 265—266.
in gewissermassen, folgendermassen, Weg in keineswegs u. a.
(Heyse, Gr. 526).
Sehr viel habe ich noch übrig gelassen aus dem baltisch-
slavischen Gebiet, wovon man sich überzeugen kann, wenn
man Bielenstein, lett. Spr. $ 524 ff. und Leskien, Handbuch?
$ 84 durchnimmt. Ich möchte über diese Formen zunächst den
Kennern das Wort lassen.
nl.
8 266. Adverbia aus Präpositionen mit Kasus.
Griechisch. Bei Homer findet sich xat’ axprns oder
xaraxprıg (ob man trennt oder zusammenschreibt ist gleichgültig),
worin ich mit der Überlieferung den Gen. von äxpn sehe (vgl.
auch J. Schmidt, Pluralb. 371 Anm.). Es bedeutet ‘von oben
her’ in den Worten: «< apa uıv Eindyr' Elasev peya xüpna
xat' axprs e 313. Daraus entwickelt sich der Sınn ‘bis auf
den Grund’, z. B. ws el Arasa "los öppudsssa rupl auöyorto
xar äxpıs X 410. Endlich “gänzlich. Desselben Sinnes
wie xat dxpns ist das Wort, das man gewöhnlich xara-
xp7idev schreibt. Ich nehme also an, dass darin nicht das Wort
für ‘Haupt’, sondern ebenfalls äxpn, steckt und dass xar' äxpr,-
dev zu schreiben sei. Karevara mit löwv O 320 ‘in’s Angesicht
sehend’. Wahrscheinlich ist &v ara dasselbe wie eis ora (mit
töeosdar), aber früh verschmolzen, weil 2v mit dem Akk. abkam.
Zu diesem Akk. &vwra trat dann noch die Präp. xara. Nach
Homer ist belegt &xroöwv aus dem Wege, abseits (Herodot‘,
danach gebildet (wie Buttmann, Gr. 2, 243 bemerkt) 2urodev
ım Wege, hinderlich (zuerst bei Aeschylus); rapaypipa sogleich,
auf frischer That, auf der Stelle (Thukydıdes); rpoöpyou zum
Zweck (Arıstophanes). In manchen Fällen kann man zweifel-
haft sein, ob die Verbindung einer Präposition mit einem Akk.
oder der Akk. eines zusammengesetzten Adjektivums vorliegt,
so xarevavtiov D 567; üneppopov (wobei die Form drdppopa B 155
für die Annahme eines zusammengesetzten Adj. spricht); pe-
duotepov (ol neßöctepor die Nachkommen bei Aeschylus). Ge-
nauere Untersuchung wird vielleicht feststellen können, welcher
$266.] Kap. XIV. III. Adverbia aus Präpositionen mit Kasus.. 637
Vorgang im einzelnen Falle anzunehmen ist. Dass an sich die
Entstehung eines Adjektivs aus einer Verbindung von Präp.
und Kasus nicht unmöglich ist, beweist „poößos, z. B. &rel ds
opodöd; Eatıv Apyelov otpard; Sophokles Ant. 15. Man hat nie
gezweifelt, dass dem Adj. ppoödos die Phrase rpd 6öoü ylyvaodaı
vorwärts des Weges, auf dem Wege kommen, zu Grunde liege,
wie sie A 382 steht. "Avavra, Zvavra, xdtavra, rapavıa habe ich
nicht erwähnt, weil ich nicht weiss, ob -avta noch als leben-
diger Kasus oder schon als Adverbium empfunden worden ist.
Aus dem Lateinischen erwähne ich: adamussim nach
der Schnur (Varro); admodum völlig (Plautus); adfatım zur
Genüge (wobei freilich fatis nicht vorhanden ist. Ob man
auch ad prima besonders, vorzüglich, als Adv. betrachten soll,
kann zweifelhaft sein. Von cum primis gilt dasselbe. Über
comminus und eminus bemerke ich, dass mir die Auffassung
von Corssen 2, 415 nicht einleuchtet. Ich stelle die Wörter
hierher, weil ich den Verdacht habe, dass in minus der Abl.
pl. von manus steckt. J. Schmidt, Pluralb. 50 Anm. sieht
in *manus(u) den Lokalis, mir nicht recht wahrscheinlich, weil
e und com ihrer Bedeutung nach sich nicht zum Lok., sondern
vielmehr zum Abl. und Instr. schicken. Denuo von neuem.
Auch in desubito (Naevius) und derepente (Ennius) scheint eine
Verbindung mit dem Abl., nicht mit dem Adv. vorzuliegen.
Extemplo von der Stelle, alsbald (Terenz), eine alterthümliche
Formel, welche sich erhielt, weil jedem Römer die Wendung
er templo (d. h. unmittelbar nach dem Wahlakt im templum)
magistratum occipere geläufig war (vgl. Jordan, krit. Beitr. 351).
Ergo soll nach Pott, dem sich Corssen 1, 449 anschliesst, aus
e rego (so wie erga aus e rega) entstanden sein, was so viel
sein soll wie e regione. Ich mag darüber nichts behaupten.
Invicem (jünger als vecem). Incassum («rn mit dem Neutrum von
cassus leer, nichtig) bei Lukr. Mit dem Abl. erscheint :x
verbunden in impraesentiarum für jetzt (Cato), was Wölfflin,
Archiv 4, 11 richtig aus :ın praesentia rerum zu deuten
scheint. Dazu auch depraesentiarum. Ilico auf der Stelle aus
*in sloco. Imprimis unter den ersten, vorzüglich. Es ist mir
638 Kap. XIV. III. Adverbia aus Präpositionen mit Kasus. :'$ 266.
wahrscheinlich, dass primis Abl. plur. des Maskulinums sei.
Obriam entgegen. (Über oditer s. bei den Adverbien auf ter).
Postmodo ist vielleicht nichts weiter als posimodom. Propediem
nahe dem :heutigen) Tage, nächster Tage (Cic.). Propemodum
Plautus! beinahe. Sublımer in die Höhe, d. h. ursprünglich an
die obere Schwelle der Thüre hinaufgezogen, wie bei der Züch-
tigung der Sklaven geschah, vgl. Ritschl, Opusk. 2,462. Sedulo,
wohl aus se dolo (vgl. J. Schmidt, Pluralb. 50 Anm.‘, nicht zu
sedeo. Enthält intervias einen Akk. plur. oder einen Gen. sing.?
Bücheler (B.-Windekilde $ 158) behauptet mit Entschieden-
heit das letztere. Zuzugeben ist ihm, dass in Stellen wie
dum rus eo, coepi egomet mecum inter vıas aliam rem ex ala
cogstare (Terenz) der Akk. plur. nicht passt. Bedenklich aber
ist mir, dass ich die Entstehung eines genitivischen Adverbiums
mir nicht deutlich zu machen weiss, denn weder wage ıch
anzunehmen, dass inter früher mit dem Gen. verbunden wurde,
noch sehe ich die lateinischen Adverbia genitivischer Form,
welche eine verführerische Anziehung hätten ausüben können.
Es bleibt also doch wohl nur übrig, dass inter vias 8. v. a.
unterwegen (wie in deutschen Dialekten gesagt wird !) bedeu-
tete. Dass man nun einen solchen Ausdruck, nachdem er ein
festes Adverbium geworden war, auch mit Beziehung auf einen
einzelnen Weg gebrauchen konnte, scheint mir natürlich, da
ja bei Adverbien das Gefühl für den Numerus zu schwinden
pflegt. (An inter pugnas nehme ich keinen Anstoss, da ‘Schlacht’
zu den Wörtern gehört, welche man singularisch und plura-
lisch auffasst.) In antea, postea, postidea, interea, praelerea,
propterea, antehac, posthac, quapropter u.ähnl. sind Ablative zu
erkennen nach adrorsum ead in der Ep. de Bacch. In dem
führenden Worte unter diesen wird also eine Präposition stecken,
welche einstmals mit dem Ablativ verbunden werden konnte.
Praefiscine oder praefiscini unberufen, z. B. praefiseini hoc
nunc dixerim, d. h. möge mir die Überhebung nicht schaden,
i) unterwegs ist daraus entstanden. Das s ist ja im Deutschen
geradezu ein Adverbialsuffix geworden, wie z. B. in meinerseits (vgl. Paul,
Prinzipien? 194).
$ 266.] Kap. XIV. III. Adverbia aus Präpositionen mit Kasus. 639
wenn ich behaupte (Plautus); servus meus homo praefiscini frugi
mein Diener ist unberufen ein brauchbarer Mensch (Petronius).
Die Erklärung von Ribbeck, Part. 3 ‘voran mit dem Amulet’
kommt mir an sich etwas gezwungen vor, auch nehme ich
Anstoss an der ausgesprochen instrumentalen Bedeutung bei
lokativischer Form. Es könnte sein, dass pr. nichts anderes
ist, als ‘vor der Verzauberung, ehe eine solche eintreten kann’.
Dass prae sonst nicht ‘vor’ in zeitlichem Sinne bedeutet, scheint
mir kein Gegengrund, denn thatsächlich ist das prae der hin-
dernden Ursache nichts anderes als das zeitliche ‘vor’. Denn prae
lacrimts loqui non possum heisst eigentlich: ich kann nicht vor
den Thränen zum Reden kommen, sie kommen mir immer
zuvor. Freilich weiss ich eine Konstruktion von prae und pro
mit dem Lok. nicht nachzuweisen. Allenfalls könnte man
"Mwdı zps anführen.
Für das Germanische hat Grimm 3, 104 ff. und beson-
ders 142 ff. wieder besser gesammelt, als für irgend eine andere
Sprache geschehen ist. Er sagt dabei (S. 143): “Denkbar kann
aus der verbindung vieler sinnlichen oder eines jedweden ab-
strakten subst. mit präpositionen ein solches adv. entspringen,
man wird es aber erst dann annehmen, wenn es durch wieder-
holten gebrauch eingeführt worden ist, und am sichersten,
wenn sich eine abgezognere bedeutung, als der gehalt der
worte mitbringt, daneben einfindet. Zu berg drückt uns
sursum aus, zu thal deorsum, zurück retro, ohne dasz wir uns
der begriffe berg, thal und rücke dabei zu erinnern brauchen;
aber auch unser mit willen (sponte), mit fleisz (ex composito,
consulto) ist merkbar etwas anders, als wenn wir dieselben
worte und in derselben konstruktion für voluntate und cum
diligentia setzen, obschon diese ebenwohl voluntario und dili-
genter bedeuten dürfen”” Grimm behandelt dort Wörter wie
überall, überein, fürwahr, zumal (mhd.ze mäle), beiseit, überhaupt
(wahrscheinlich “über die Häupter hin’ von einer summarischen
Zählung der Heerde) u. s. w. Merkwürdig sind auch die zu
Präpositionen gewordenen neben, kraft, laut u. ähnl., bei
denen die einst vorhandene Präposition entweder undeutlich
640 Kap. XIV. III. Adverbis aus Präpositionen mit Kasus. [$ 266.
geworden oder verschwunden ist (vgl. über sie das Grimm’sche
Wörterbuch).
Aus dem Litauischen habe ich zufällig nur wenig notiert.
Beispiele sind afgäl zurück, rückwärts (gälas Ende); permer
zuviel, übermässig (mera Mass‘ ; pokim vor Augen aus pö akım:
tszlEs fürwahr (fösa Wahrheit).
In den slavischen Sprachen gibt es eine Fülle solcher
Wörter, von denen ich einige beispielshalber anführe. Ich
entnehme die Belege aus Miklosich 4, 157 ff. Oft sind die
Kasusendungen durch Abkürzung unkenntlich geworden. Sehr
häufig findet sich das in Adverbien so gebräuchliche i. Aksl.
opeli, na-opeti rückwärts, vüz-opefi, za-peli apa riöas, serb.
opet wieder, russ. opjafi wieder werden auf das Wort für
‘Ferse’ zurückgeführt, welches aksl. peta lautet, also eigent-
lich “an der Ferse. Damit vergleichen sich unmittelbar serb.
natrag zurück zu {rag Spur, sodann mit der Präpos. s s-traga
hinten, und von straga ist dann wieder ein neues Adverbium
mit der Präp. o, nämlich o-strag hinten gebildet. Auch ein
weiteres Wort für ‘Spur’, aksl. sledü, hat Stoff für mancherlei
Adverbia gegeben, z. B. aksl. posledi, posledi postea, davon
kompar. Adv. posleide (vgl. Miklosich, Wb. s. v.. Aksl.
0-kolo herum, Adv. und Präp.; serb. oAolo, oko dass.; russ. oAolo
ungefähr, als Präp. herum, zu Aolo Kreis (Miklosich unter
*kole). Russ. o-zemi humi, nach Miklosich unter *zem auch
na-zemi. Aksl. iskri, iskry, prüskri nahe; serb. u-kraj neben,
russ. dial. Arej), Ari als Präp. in der Bedeutung nahe bei
(nach Miklosich) gehören zu *Ara7, aksl. Araji Rand. Serb.
na-ocı und u-oct im Angesicht, u-oci nedjelje angesichts des
Sonntags, d. i. am Sonnabend, zu oAo Auge. Serb. od maha,
odmah, namah sogleich zu mah Hieb. Serb. s-Juiro morgen,
russ. za-vtra, dass. zu *ufro bei Miklosich. Russ. v-volyu, do-
voli und ähnliche Bildungen mit der Bedeutung ‘genügend’
zu volja Wille (vgl. Miklosich unter *vel 1). Einige Beispiele
für die Verbindung einer Präp. mit dem Kasus eines Adjek-
tivums sind: russ. v-male bald, po-malu allmählich (mal& klein);
v-siarı einst, tz-starı von alter Zeit (starü alt); iz-nova, sütznora,
$ 266—267.] Kap. XIV. II. Rückblick auf das Adverbium. 641
v-novi von neuem, za-novo wie neu (nov& neu); v-Arute zu
schnell, in Eile von Arui& hastig; o-drugü plötzlich, wozu nach
Miklosich 4, 161 cas& zu ergänzen ist, also: im anderen Augen-
blick; serb. za-ista und od-ista gewiss zu aksl. sstä (vgl. Miklo-
sich unter *jes), russ. potomu daher, deshalb, potomü darauf,
und vieles der Art.
Schliesslich können nicht bloss Kasus, sondern auch schon
fertige Adverbia mit Präpositionen verbunden werden, z. B.
griech. &&rı, perönıode, xaravrınpd, lat. adhuc, eramussim (dieses
wahrscheinlich in Nachahmung von adamussim), adaeque auf
gleiche Weise (schon bei Plautus), während ein adaeguus nicht
vorhanden ist. Doch soll dieser Gesichtspunkt hier nicht weiter
verfolgt werden.
$ 267. Rückblick.
In dem hiermit beendeten Kapitel ist gezeigt worden, dass
die Adverbia, wie ich das Wort hier verstanden wissen will,
zu bezeichnen sind als erstarrte Kasus von Substantiven und
Adjektiven auf nominalem und pronominalem Gebiet. Über
das Genus war, soweit es die Substantive betrifft, nichts zu
bemerken. Bei den Adjektiven, welche substantiviert sind,
erscheint das Neutrum. lst aber die Ellipse eines Substantivums
anzunehmen, so zeigt das übrig bleibende Adjektivum am
häufigsten femininale Form. Es handelt sich eben oft um
Abstrakta, und diese sind oft Feminina.. Von den Numeri
ist der Singular durchaus überwiegend. Der Plural ist am
verbreitetsten im Instr., z.B. in ai. $anäis langsam, av. vispais
gänzlich, ags. miclum sehr, in den deutschen Adv. auf lichen
und Üinger, im Slavischen wahrscheinlich in den Formen auf.
Der Akk. plur. findet sich im Griechischen und in einigen
lateinischen Formen, die vielleicht unter griechischem Einfluss
stehen. Der Dual ist selten, z. B. aksl. me2dw zwischen (den
beiden Grenzrainen). Die Kasus sind alle vertreten, mit Aus-
nahme des Vokativs, der ja aber kein eigentlicher Kasus ist.
Die seit alter Zeit am häufigsten vorkommenden Kasus sind
Akk. und Instr. Seltener ist der Lok. Der Abl. lässt sich
Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm. Sprachen. I. 41
642 Kap. XIV. II. Rückblick auf das Adverbium. [$ 267.
für die älteste Zeit nur an pronominalen Wörtern nach-
weisen. Am schwächsten vertreten sind Genitiv, Dativ und
Nominatıv.
Natürlich lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen, wie es
ın der Grundsprache ausgesehen habe. Es ist aber sehr wahr-
scheinlich, dass eine Verschiedenheit des Accentes am kasuell
und am adverbial gebrauchten Kasus (wenigstens in einigen
Fällen) schon in der Ursprache vorhanden gewesen ist. Auch
lässt sich nicht absehen, warum gewisse akkusativische und
instrumentalische Adverbia gefehlt haben sollen. Bei manchen
Adverbien ist durch direkte Vergleichung festzustellen, dass sie
der idg. Ursprache angehörten. Ich führe als Beispiele einige
von den Formen an, welche Fick in der neuen Auflage seines
grossen Werkes anerkennt (wobei ich auch die neueste Trans-
skription beibehalte). Derartige sind: moAsi eilend, bald, vgl.
ai. makgu, av. mosu, lat. moz und mit etwas abweichender Be-
deutung pad (Schrader KZ. 30, 477). Ob freilich moksu ein
Lok. plur. oder Akk. sing. ist, lässt sich nicht mit Bestimmt-
heit sagen (so wenig wie bei lat. oız). Nicht ganz zweifesohne ist
auch die kasuelle Beschaffenheit der Wörter, welche Fick
unter öves, onegos, mithos, mithü, mughus verzeichnet. Ein Akk.
eines zusammengesetzten Subst. wäre perut im vorigen Jahre,
eines zusammengesetzten Adj. proznu. Ausserdem ist unzweifel-
haft, dass Wörter wie zhjes gestern und Wörter für “hier,
‘dort’, ‘so’ u. ähnl. vorhanden gewesen sind. Es kann also
nicht bezweifelt werden, dass eine Anzahl von Adverbien be-
reits aus der Ursprache in die Einzelsprachen übergegangen
sind. In den Einzelsprachen aber haben, je mehr sich das
Bedürfnis herausstellte, dem Verbum so gut wie dem Nomen
ein Attribut hinzuzufügen, die Adverbia sich gewaltig vermehrt.
Dabeı lösten sich für das Sprachgefühl von einzelnen Exem-
plaren der Adverbia gewisse Suffixe, die als adverbbildend
empfunden werden, los (z. B. öov, önv, tim, serb. ice u. s. w.),
und es entstanden zahlreiche Adverbien neu, welche nie selbst
Kasus von Substantiven oder Adjektiven gewesen sind. Man
kann also, wenn man die Einzelsprachen im Auge hat, nicht
$ 267— 268.) Kap. XV. Präpositionen. Einleitendes. 643
mehr sagen, dass die Adverbia, sondern nur, dass die Proto-
typen der Adverbia erstarrte Kasus sind.
Was die Konstruktion der Adverbia betrifft, so ıst klar,
dass sie ursprünglich nur zu Verben treten konnten; darunter
auch zu dem Verbum ‘sein. Sehr früh aber fand die Über-
tragung statt, dass sie (namentlich wohl die steigernden) auch
zu Adjektiven und Adverbien gezogen wurden. Doch haben
sich in dieser Beziehung die einzelnen Sprachen verschieden
verhalten. Im Altindischen finden wir im Veda gewisse Ad-
verbia auch neben Adjektiven. So heisst es z.B. RV. 1, 117, 13
yuvam cydvanam abvina Jaranlam pünar yiuvanam cakrathuh
$acıbhih ihr beiden ASvin habt den alternden Cyaväna durch
eure Künste wieder jung gemacht. Als sich aber der Stil ver-
feinerte, drückte man sich anders aus. Denn es heisst SB. 4,
1, 5, 10: palım ni me pünaryuvanam kurutam macht meinen
Gatten wieder-jung. Man hatte die Empfindung, dass wenn
pünar nicht mit yivan zusammengesetzt würde, es leicht zum
Verbum gezogen werden könnte, so dass die Aufforderung
dahin gehen würde, die Handlung des Jungmachens zum
zweiten Male vorzunehmen.
In neueren Sprachen ist dann aus dem adverbialen Aus-
druck wieder ein adjektivischer geworden. Wir sagen er redet
Jliessend und danach ein fliessender Redner u. ähnl., und wenn
die Gebildeten auch vielfach an dieser Umformung Anstoss
uahmen, so geht sie doch unaufhaltsam ihren Weg.
Kapitel XV. Präpositionen.
$ 268. Einleitendes.
Über die Präpositionen handelt ein 859 Seiten starkes
Werk von A.F. Pott (Etymologische Forschungen auf dem Ge-
biete der indogermanischen Sprachen, zweite Auflage, erster
Theil, Lemgo und Detmold 1859). Wer den Versuch macht,
dieses Buch zu lesen (ganz wird es wohl niemand überwinden)
41*
644 Kap. XV. Präpositionen. Einleitendes. [$ 268.
wird recht deutlich gewahr, wie sich seit den Zeiten des Be-
gründers der Lautlehre die Ziele der Sprachforschung verändert
haben. Pott, der sich in den von Kant ausgegangenen An-
schauungen bewegte, stellt zunächst eine Art von Kategorien-
tafel, eine Übersicht der im menschlichen Verstande ruhenden
Raumbegriffe auf, welche auf S. 160 der moderne Leser mit
Erstaunen betrachtet. Sodann, bei der Behandlung der einzelnen
Präpositionen, rückt der etymologische Gesichtspunkt durchaus
in den Vordergrund, und zwar tritt dabei das, was wir jetzt
die etymologischen Schrullen des ausgezeichneten Mannes
nennen würden, besonders hervor. Beispielsweise sind unter
apa behandelt: av. apa und apara; r$pucı und andere Zeit-
partikeln; aro, ano, woher rünatos; germ. fram, fra, from:
ahd. ad; ahd. fona, von; Ableitungen von got. af u. 8. w.; ai.
dpara, unser aber, ver-, rapa; ai. pdra (alius), pdrä retro).
ralaı u. 8. W.; TApog, rapd; ai. pärd, nepa, repav; lat. per, osk.
perum; lit. Wörter im Sinne von lat. post; andere einschlägige
lit.-lett. Präp. mit r, wie per, lett. pahr, lit. par; lit. prö, slar.
pre, pere; ır. for; ai. pari, av. pasrs, repl; pdri nept steigernd;
rep;, lit. pri, pre, preuss. prei; poln. przy; Unterschied
der Derivata von apa und aäpi, relpw, &ropov, got. faran, lat.
parıo, aperio, operio, reperio, experior; fahren, lat. porto;
ai. par (complere), lat. paro, par; tmpero, pareo u.s. w. So-
dann fällt uns auf, dass der geschichtliche Gesichtspunkt stark
zurücktritt, so dass z. B. nirgends der Versuch gemacht ist, zu
ermitteln, ob gewisse Verbindungen von Präpositionen und
Verben etwa schon in die proethnische Zeit zurückgehen. Da
nun ausserdem, dem Plane des Werkes gemäss, die Syntax
wenig berücksichtigt ist, so habe ich nicht eben viel Nutzen
aus der einzigen umfassenden Bearbeitung meines Gegenstandes
ziehen können. Ebenso wenig habe ich von einer Arbeit
Grassmann’s (KZ. 25, 339) Vortheil gehabt, welcher darauf
ausgeht, die vorhandenen echten Präpositionen aus ihren Ur-
elementen abzuleiten. Ich halte dieses Unternehmen für phan-
tastisch. Benutzt habe ich hauptsächlich für das Altindische
SF. 5, 432ff., für das Iranische die betreffenden Partien ın
& 268.) Kap. XV. Präpositionen. Einleitendes. 645
Hübschmann’s Schrift zur Kasuslehre und Spiegel’s Grammatik
der alt. Spr. 452ff., nebst dessen Keilinschriften?. Für das
Griechische ist vorwiegend Homer herangezogen worden.
Als ein Muster geschichtlicher Behandlung, wie sie allen Prä-
positionen zu theil werden sollte, erwähne ich das Frankfurter
Programm (1874) von Tycho Mommsen: Entwicklung einiger
Gesetze für den Gebrauch der griechischen Präpositionen yerd,
cöv und apa bei den Epikern. Für das Lateinische lieferte
ausser den Lexicis Neue ein reiches Material. Dabei sind die
italischen Dialekte möglichst herangezogen worden, wobei die
oskischen Inschriften nach Zvetajeff’s Sylloge inscriptionum
Oscarum, Petropoli 1878 zitiert werden. Innerhalb des Ger-
manischen habe ich mich wieder vorzüglich an das Gotische ge-
halten und verweise im übrigen auf die mit Recht berühmte
Abhandlung von Graff, Die althochdeutschen Präpositionen,
Königsberg 1824 und Grimm 2, 796ff. und 4, 765ff. Die lı-
tauischen Präpositionen sind von Kurschat, Gr. 388 behandelt
worden, wobei Bezzenberger, Beiträge zur Geschichte der litaui-
schen Sprache (Göttingen 1877) 243 ff. zu berücksichtigen war.
Hinsichtlich der slavischen Präpositionen endlich verweise
ıch auf Miklosich 4, 195 ff. und die Abschnitte unter den ein-
zelnen Kasus. Hinsichtlich der Terminologie bemerke ich, dass
ich das Wort “Präposition’ in doppeltem Sinne gebrauche,
nämlich als Bezeichnung der Wortart und bei der Verbindung
mit Kasus, für die mit Verben verbundenen Präpositionen
scheint mir der von Varro gebrauchte Ausdruck Präverbia der
passendste (Grassmann sagt dafür Richtungswort), den freien
Gebrauch, z. B. gr. r£pı in hohem Grade, nenne ich her-
gebrachter Weise ‘adverbial”.
Für die Darstellung hat sich mir folgende Gruppierung
als die natürliche ergeben. In dem ersten Abschnitt wird
von dem Verhältnis der Präpositionen zu den Verbalformen
und den Kasus im allgemeinen gehandelt, wobei sich ergiebt,
dass bei den allermeisten Präp. die Verbindung mit den Verbal-
formen die älteste ist. Ich sage ‘mit den Verbalformen’, da
Ja von einer Verbindung oder gar Zusammensetzung mit dem
646 Kap. XV. Präpositionen. Einleitendes. [8 268.
Verbum als solchem nicht gesprochen werden kann. Der zweite
Abschnitt bringt eine Aufzählung derjenigen Wörter, welche in
den hier berücksichtigten Sprachen zugleich als Präverbien und
Präpositionen dienen, der dritte umfasst solche proethnische
Wörter, welche nicht überall oder nur vereinzelt zugleich Prä-
verbien sind. Es muss bei mehreren derselben offen gelassen
werden, ob der Gebrauch als Präverbium nıe vorhanden oder
ob er vielleicht verloren gegangen ist. Der vierte Abschnitt
bringt diejenigen proethnischen Wörter zur Darstellung, welche
nie als Präverbien auftreten. Im fünften gebe ich eine nach
den einzelnen Sprachen geordnete Übersicht, bei der die Lücken,
welche in der vorhergehenden Darstellung gelassen werden
mussten, ausgefüllt werden. Im sechsten endlich ist eine
Probe von den in den Einzelsprachen zu Präpositionen ge-
wordenen Wörtern gegeben. Ich habe also nicht die Ein-
theilung in echte und unechte, sondern in proethnische und
ethnische Präpositionen zu Grunde gelegt. Die Zerlegung in
echte und unechte Präp. beruht ja, wie allgemein zugestanden
wird, auf einer Ansicht über die etymologische Herkunft un-
serer Wörter, welche naturgemäss einem starken Wandel unter-
worfen ist. Zwar können sich auch (durch Aufstellung neuer
etymologischer Kombinationen) unsere Ansichten über das Alter
einer Präposition ändern, aber eine völlig genügende Ein-
theilung wird sich ausser der alphabetischen, die mir zu äusser-
lich schien, überhaupt nicht finden lassen.
Dass mir bei der Fülle des Stoffes vieles entgangen sein
wird, bezweifle ich nicht. Manches ist absichtlich übergangen,
z. B. die Verbindung der Präpositionen unter sich, auch wenn
sie nicht Präverbia sind, die z. B. im Lateinischen eine so
grosse Rolle spielt (vgl. Wölfflin’s Archiv 5, 321 ff). Auch
will ich nicht unterlassen hervorzuheben, dass es mir nicht in
dem wünschenswerthen Masse gelungen ist, die Entwickelung
der Präp. innerhalb der Einzelsprachen historisch darzustellen.
Es fehlt eben noch sehr an monographischen Behandlungen,
namentlich was die Präverbien betrifft. Wenn ich bei den
Präverbien die einander entsprechenden Verbindungen zu-
$ 268—269.] Kap. XV. L Präpositienen. Präverbium u. Verbum fin. 647
sammengestellt habe, so soll damit natürlich nur gesagt sein,
dass diese Verbindungen aus proethnischer Zeit stammen
können.
1.
Allgemeines über die Präpositionen.
Eine Präposition kann zu einem Verbum oder einem Kasus
in nähere Beziehung treten. Sie kann aber auch (wie z. B.
griech. x£pı) adverbial gebraucht werden. Um zu zeigen, wie
es nach den genannten drei Richtungen in denjenigen Sprachen
aussieht, welche aller Wahrscheinlichkeit nach dem Ursprüng-
lichen am nächsten kommen, gebe ich zunächst eine Übersicht
über die in betracht kommenden Verhältnisse im Altindischen
und Griechischen, oder genauer gesprochen, ım Veda und
Homer.!)
$ 269. Präverbium und Verbum finitum.
Die allgemeine Regel für das Altindische lautet (SF. 5, 36 ff.):
Das Verbum im Hauptsatze ist unbetont, ausser wenn es am
Anfange des Satzes steht, das Verbum des Nebensatzes ist be-
tont. Das Präverbium bleibt von dem unbetonten Verbum
getrennt und ist selbst betont, legt sich dagegen proklitisch an
das betonte an. Doch kommt ım Nebensatze auch vor, dass
das Präverbium wie im Hauptsatze behandelt wird. Das Regel-
mässige ist also, dass man sagt prd gachati er geht vorwärts,
aber yah pragdchati welcher vorwärts geht. Im Griechischen
1) Was die iranischen Sprachen angeht, so ist der Zustand im Avesta
etwa so wie im RV., ich habe aber hier auf Ausnutzung desselben ver-
zichtet, weil meine Sammlungen unzulänglich sind. Anders im Altpersi-
schen. Dort habe ich das Präverbium stets unmittelbar vor dem Verbum
gefunden, ja selbst enklitische Wörter treten nicht wie in den anderen sonst
auf gleicher Altersstufe stehenden Sprachen zwischen Präverbium und Ver-
bum, vgl. parikarähadis du wirst sie erhalten, visanähadis du wirst sie zer-
stören, Spiegel? $ 64. Entsprechend ist das Verhalten der Präpositionen
gegenüber ihrem Kasus. Sie stehen im Altpersischen fast durchaus vor dem
Kasus. Das Altpersische ist also, was den Gebrauch der Präverbien und
Präpositionen betrifft, schon auf demselben Standpunkte angelangt, wie ihn
etwa das Lateinische einnimmt.
648 Kap. XV. I. Präpositionen. Präverbium und Verbum finitum. {$ 269.
sind, wie ich mit Wackernagel annehme, noch Spuren der
einstigen Unbetontheit des Verbums vorhanden, so dass man
wohl ein Recht hat, in dieser Behandlung des Verbums das
Ursprüngliche zu sehen. Dagegen lässt sich im Griechischen
eine Verschiedenheit zwischen Hauptsatz und Nebensatz nicht
entdecken. Es möge also an dieser Stelle dahingestellt bleiben,
ob der Zustand im Altindischen auf einer Fortführung oder
auf einer Veränderung des proethnischen beruht. Ich werde
auf diese Frage bei der Lehre vom Satze zurückkommen. So
viel ich sehe (Zählungen habe ich nicht veranstaltet), ist es
ım Veda und den homerischen Gedichten das Grewöhnliche,
dass das Präverbium unmittelbar vor das Verbum tritt, wobei
es dann im Veda getrennt gehalten, bei Homer mit dem Ver-
bum zusammengeschrieben wird, z. B. ut pätayatı pak$inah sie
macht die Vögel auffliegen RV. 1,48, 5; pra vepayantı parvatäan
vi viicanti vanaspalin, prö ärata marutö durmäda iva deväsah
särvaya vi3a sie erschüttern die Berge und zerzausen die Bäume,
ihr seid ja auch vorwärts gestürmt wie Berauschte, o Maruts,
mit der ganzen Schar 1, 39, 5, bei Homer £uvenxe, &reupnunsav,
rpoogpn u. 8. w.!) Sehr häufig treten aber auch ein oder mehrere
Wörter dazwischen, z. B. @ fr& vißantu sie mögen in dich ein-
gehen 1,15,1; gdvam dpa vrajam vrdhi öffne den Stall der Kühe
1,10, 7. Gewöhnlich nımmt dabei das Präverbium die erste
Stelle im Satze ein, z. B. sam vajrenäsgjad vrtram indrah, prä
svam malim atirac chäSadanah mit dem Keil traf Indra den
Vrtra, seinen Willen führte er glorreich hinaus 1, 33, 13; «+
$rrginam abhinac chüfnam indrah den gehörnten S. zerschlug
Indra 1, 33, 12; de chväitröyd nr$ahyäya tasthäu S. erhob sich
zum Männersieg 1, 33, 14; & süyakam maghävädatta väjram der
Herr ergriff den Schleuderkeil 1, 32, 3; prats $ma ri$ato daha
verbrenne die Feinde 1, 12, 5; vi göbhir ddrim äirayat um der
Kühe willen spaltete er den Felsen 1, 7, 3; dpa sma tam
pathö jahi treibe ihn vom Pfade hinweg 1, 42, 2; nir jyötifa
1) Es sei hier bemerkt, dass ich mich auch hinsichtlich der Accen-
tuierung der Präpositionen nach der Ausgabe von Nauck richte.
$ 269.] Kap. XV. I. Präpositionen. Präverbium und Verbum finitum. 649
tümasö ga aduk$at mit Licht melkte er die Kühe aus der
Finsternis 1, 33, 10; prd sunvatäah situvatah $asam avah des
Opfernden, Preisenden Gebet hast du gefördert 1, 33, 7; ni
nö höta varenyah säda yavistfha mänmabhih lass dich um un-
serer Gebete willen nieder als verehrungswürdiger Priester,
o jüngster 1, 26, 2; päri tva girvano gira imäa bhavantu vi-
$fvatah von allen Seiten mögen dich, o Liederfreund, diese
Lieder umgeben 1, 10, 12. Entsprechendes findet sich auch
in der Prosa (vgl. SF. 5, 45), z. B. dpa va ötdsmäd indriydm
viryam krämati ydh samgrämdm upaprayäti weg geht von dem-
jenigen Kraft und Heldenhaftigkeit, welcher in die Schlacht
geht TS. 2, 2, 1, 2; pra prajdya jäyeya ich möchte mich durch
Nachkommenschaft fortpflanzen TS. 2, 1, 2, 3. Insbesondere
treten zwischen Präverbium und Verbum solche Wörter, welche
der Stelle nach dem ersten Worte des Satzes zustreben. Das
sind hervorhebende Wörter, wie va und övd und die Enkliticae,
z. B. uta yddy andhö bhävati präivd pabyati selbst wenn er blind
ist, sieht er doch TS. 2, 2, 4, 4; vi nö dhehr verleihe uns SB.
2,4, 2, 1; vi väi te mathtsyamaha imäh prajäh wir werden
diese deine Geschöpfe zerreissen SB. 2, 5, 1, 12. Auch in
Nebensätzen kommt die Trennung vor, z. B. vi ya srjdti
sdmanam welche die Versammlung entlässt RV.1,48, 6; yad adya
bhänunä vi dvärao rndoo divdh wenn du heute mit dem Licht
die Thüren des Himmels öffnen wirst 1, 48, 15; ye te prä
yame$u yuhjate mdnd dänaya sürdyah die Herren, welche bei
deinem Kommen ihren Sinn zum Geben rüsten 1, 48, 4; pdri
ydd indra rödasi ubhe dbubhöjir mahina vißvdtah sim als du,
o Indra, die beiden Welten mit deiner Grösse rings umfasstest
1, 33, 9; yde cid dhi te vilo yatha prd deva varuma vratam
minimäsi dydvi-dyavt wenn wir, o Gott Varuna, dein Gebot
Tag für Tag als Menschen übertreten 1, 25, 1; ni yena musfi-
hatydya ni vyira rimadhämahät durch den wir mit einem Faust-
schlage die Gegner überwinden wollen 1, 8, 2.
Ebenso bei Homer, nur dass sich ein Unterschied zwischen
Hauptsatz und Nebensatz nicht beobachten lässt, z. B. ünd re
tpdwos EiAaße yula I’ 34; napd 8 Eyyea paxpa nennyev I’ 135; dc
650 Kap.XV. I. Präpositionen. Präverbium und Verbum finitum. .$ 269.
& Epkras Erımöis Ayelpopev, ds 5 &xardudnv Belonev, dv Ö adımv
Xpusmlda xaldırapyov Broouev A 142; xparepöv 8 &rı nößov Ereikev
A 25; oßs nor’ An’ Alvelav EIdumv 8 108; 2E dpa 5n Tor Ereıa
deol ppdvas wAeoav adrol H 360. Namentlich treten, wie ım
Altındischen, einsilbige Wörter zwischen das Präverbium und
das Verbum: ürd T Zoyero xal xareveuosv N 368; pera 5 drpa-
nero A 199; xat äp ELero A 101; np yap Txe Bea A 195; pn
&E u Tine Bea A 208; nepl yap ba & yalxds Ekeev A 236.
Das Präverbium kann auch folgen, wenn auch nicht eben
häufig. Beispiele aus dem RV. sind: ddardi vi srutir divah der
Pfad des Himmels ist erschienen 1, 46, 11; jJayema sam zJudhi
sprdhah wir möchten die Feinde im Kampfe besiegen 1, 8, 3;
avında usriya anu du hast die Kühe aufgefunden 1, 6, 5; gamad
väjebhir a sä nah er möge mit Beute zu uns kommen 1, 5, 3.
Aus Homer: ywpnsav 8 önd Te rpdpayor xal Yaldınaz "Exrep
A 505; Töre 8 nn Eyev xdra yala uälaıva B 699; Evapılov de’
evrsa M 195; rider d dvl Saldcda noAdda = 179; Aobay ano Bpöca
aluardevra = 7.
Wenn mit einem Verbum zwei Präverbien verbunden
sind, so ist die Stellung derselben im RV. ebenfalls eine freie.
Sie können beide hinter einander (aber als selbständige, jedes
für sich betonte Wörter) vor dem Verbum stehen (vgl. SF.
5, 47£.), x. B. abhi prehi komm (vorwärts gehend) herbei RV.
10, 103, 12; ındram sakhäyo danu sam rabhadhvam den Indra,
ihr Freunde, fasst hintereinander an 10, 103, 6; dihastam ri
pärelana geht nach Hause hin auseinander 10, 85, 33. Oder
es steht ein Wort oder Wörter zwischen ihnen, z. B. dpäasmät
preyat er möge fortgehen von ihm weg 10, 117, 4; abhi savyena
prä mySa raffe mit der Linken herbei 8, 81, 6; prä viryena
devatati cekite durch Heldenkraft zeichnet er sich unter den
Göttern aus 1, 55, 3. Oder es kann auch das eine Präverbium
hinter dem Verbum stehen, z. B. dgne vi pasya brhatabkhi raya
Agni, blicke (vi paßya) her mit grossem Reichthum 3, 23, 2;
upa präyobhir a gatam kommt mit Labungen herbei 1, 2, 4.
Im Laufe der Zeit hat sich aber die Veränderung vollzogen,
dass das zweite Präverbium allein betont, das erste ihm aber
$269.] Kap. XV. I. Präpositionen. Präverbium und Verbum finitum. 651
proklitisch angeschlossen wird, z. B. oyabhi caretö, abhisam
gachante u. ähnl. in MS. (im Text mit dem Verbum zusam-
mengeschrieben). Das Gleiche findet sich auch schon ım RV,.,
wenn das zweite Richtungswort a ist, z. B. atyayähi 3, 35, 5,
wobei auch noch das Verbum enklitisch hinzutritt, so dass
das Ganze einen einzigen Komplex bildet. Der Grund für
diese besondere Behandlung des @ liegt offenbar darin, dass
es das Verbum sehr häufig nur in fast unfassbarer Weise modi-
fiziert, also nicht recht als ein von demselben getrenntes Element
empfunden wird. Was die Nebensätze betrifft, so kommt es
wohl im RV. vor, dass beide Präverbien sich selbständig halten,
aber das Gewöhnliche ist, dass entweder das eine selbständig
bleibt und das andere sich vor das betonte Verbum unbetont
vorlegt, z. B. sdm ydm äyanti dhendvah zu welchem die Kühe
zusammen hinkommen RV. 5, 6, 2, oder dass sie beide in diese
Lage gerathen, z. B. ydam vipra ukthavahaso "bhipramanduh den
liederführende Sänger erfreut haben 8, 12, 13. In der Prosa
ist dieses letztere Verfahren das üblichere geworden. Endlich
können zu einer Verbalform auch drei Präverbien treten,
wobei gewöhnlich @ oder dva das letzte ist. Ich habe über
diese Verbindungen SF. 5, 435f. gehandelt und führe hier nur
beispielsweise an: tdm sd mätsya upanya pupluve der Fisch
schwamm auf ihn zu, von unten sich nähernd SB. 1, 8, 1,5;
mädhye ha va etdt pranäh sänta iti ceti cätmänam anuvyüc ca-
ranti auf diese Weise folgen die Hauche, welche in der Mitte
sind, einander gesondert herausgehend nach SB. 9, 4, 3, 6.
Im Homer finden sich zwei Präverbien gelegentlich
von ihrem Verbum getrennt oder ihm nachgestellt, z. B. ünex
xaxdımra pbyormev ı 489; orn Öe napex A 486. Stehen die Prä-
verbien unmittelbar vor dem Verbum, so wird entweder eines
mit ihm zusammengeschrieben, z. B. dA od ot yApıs Aypt
repioteperar &rkeooıw 8 175, oder beide: "Extwp d Appırspiorpupa
xallitpıyas Innous 8 348. Etwas Genaueres vermag ich darüber
nicht zu sagen. Drei Präv. scheinen unter sich und mit dem
Verbum vereinigt zu werden, s. unter brexrpoddw, brexnpoAdw,
brexnpopfw, Önexnpopedyw, brekavadow, TAPEXTPOYPELYD U. 8. W.
652 Kap.XV. I. Präpositionen. Präverbium u. Verb. infinit. [$ 269270.
Zum Schluss wıll ich noch bemerken, dass eine Präpo-
sition auch allein stehen kann, derartig, dass ein Verbum
neben ihr zu ergänzen ist. Belege für diese Erscheinung aus
dem Altindischen findet man bei Grrassmann unter den ein-
zelnen Präpositionen und im Index zu Pischel und Geldner,
Ved. Stud. 1. Dass eine Form von as fehlen kann, ist unter
parı und prätis bemerkt worden. Ausser as kommen noch
einige andere Verba, wie gehen, rufen, geben u. ähnl. in be-
tracht. Beispiele sind: ä samydtam indra nah svastim $atru-
türyäya brhatim dmydhram ununterbrochenes Glück zum Siege
über die Feinde, hohes unablässiges her (gieb) uns, o Indra
RV. 6, 22, 10; @ t% na indra her (komm) du zu uns, o Indra
1, 10, 11; indram üpa präSastay& den Indra herbei zur Hilfe
(lasst uns rufen) 5, 39, 4; prd t& sölära Onyo rdsam mädaya
ghrgvays deinen Saft (lassen rinnen) vorwärts die Presser in das
Gefäss zu kräftigem Rausch 9, 16, 1; yö vi dürah paninam der
die Pforten der Panis (öffnete) 7,9,2; @po agnim yakasak sam hi
pürvih denn viele herrliche Wasser (strömen) zusammen zu Agni
3,1,11. Ähnliches lässt sich im Avesta beobachten und ebenso
im Griechischen. Gewöhnlich ist eine Form von eiul zu er-
gänzen, z. B. &vB’ Evı yev oudıns, &v 5 Tnepos, dv 6° daptotüs
= 216; oö yap är Avnp p 537; od yap rıs nera Tolos dvnp @ 93;
rapı ydp xal dApelvoves AAloı W 479; ümd 8’ Hulovor Takaspyot
6 636. Gelegentlich aber auch andere Verba, so ein Verbum
der Bewegung in zpd yev 7’ AAN, adrap dr dla N 799; etwa
orrdı zu Ava Z 331.
$ 270. Präverbium und Verbum infinitum.
Dass die Trennung des Präverbiums vom Verbum in-
finitum im Altindischen stattfinden kann (wenn sie auch
selten ıst), habe ich SF. 5, 49 gezeigt. Beispiele aus dem RV.
sind: pr& SmdSru dödhuvat den Bart schüttelnd; @ ca para ca
pathibhi$ c4rantam den heran und hinweg über die Pfade hin
laufenden; tänvanta & rdjah den Dunst hinbreitend. Wie es
mit zwei Richtungswörtern gehalten wird, zeigen folgende
Belege: abAy ücarantih die herankommenden; püäri göbhir
ävrtam den mit Milch umhüllten; und andererseits: vipraydnlah
$ 270—271.] Kap. XV. L Präpositionen. Präposition und Kasus. 653
die auseinander strebenden. Aber nicht bloss bei Parti-
zipien, sondern auch bei dem Infinitiv findet sich bisweilen
dieselbe Erscheinung, z. B. prd daSüge datav um dem Frommen
zu spenden RV. 4, 20, 10; vi präsartave sich weiter auszubreiten
8, 67, 12. Ebenso bei Homer, z. B. r& 7 &oodueva npd T &dvra
A 70; nplv yY &rt vo Twd’ Avöpl adv Imroroıwv xal dyeapıy Avrıßlnv
2ABGuVTE obv Evreoı nepndrvar E 219; öAdoavr Ano navras &ral-
pous B 174. Bei Infinitiven: Aptv dro Aoıyöv apövar A 67; pE£vov
ö Em Eomepov &Ideiv a 422; nplv y’ And narpl pllp Ödpevar
A 98.
$ 271. Präposition und Kasus,.
Die Stellung der Präposition zu ihrem Kasus lässt sich
innerhalb des Altindischen nur in der Prosa auf eine feste
Formel bringen: die Präposition steht nach dem Kasus, nur
@ bis und purä@ vor stehen vor ihm (vgl. SF. 5, 21). Über den
Zustand in der alten Poesie lässt sich schwer ein sicheres
Urtheil fällen, weil, wie sich noch weiter zeigen wird, es in
sehr vielen Fällen zweifelhaft bleiben muss, ob die Präposition
zum Verbum oder zum Nomen gehört. Bei den sicheren
Fällen der letzteren Art lässt sich beobachten, dass die Präp.
wie in der Prosa oft hinter dem Kasus steht, z. B. parä ma
yanti dhitäyd gävo nd gävyütir dnu fernhin gehen meine An-
dachten wie Kühe zu den Weiden RV. 1, 25, 16 u.s. w. Man
sehe namentlich SF. 5, 452 über @, und ddhi und pdri mit
dem Ablativ bei Grassmann. Freilich steht auch oft die Prä-
position voran, z. B. ma mädhi putrö vim iva grabhigta ergreift
mich nicht wie einen Vogel über seiner Brut 2, 29,5 u. 8. w.
Feste Verbindungen der Art sind dpa dyavi am Himmel, anu
dyün die Tage hindurch, präti vdram dem Wunsche gemäss.
In wie weit bei der Voranstellung der Präp. metrische Gründe
entscheidend waren, muss dahin gestellt bleiben. Sie allein
verantwortlich zu machen, würde mir gewagt erscheinen. —
Zwischen die Präposition und den Kasus können Wörter treten,
wie zwischen das Präverbium und das Verbum, z. B. ayne
räk$a nö (hasah präti $ma deva rifatah o Agni, schütze uns
vor Noth gegen die Schädiger, o Gott RV. 7, 15, 13; pathö va
654 Kap.XV. I. Präposition zum Verbum oder Kasus gezogen. [$ 271—272.
e$ö 'dhy apathenäiti vom Pfade sich abwendend geht jener
auf pfadloser Bahn TS. 2, 2, 2, 1; yayhdpaier erädhi yaykam
nir mimite aus dem Opferherren bildet er das Opfer MS. 1, 4,6
(53, 19); pürufam hy dno a$vah denn auf den Menschen folgt
das Pferd SB. 6, 2, 1, 18; sdroäni va dfa rüpäni paSünam praty
ü labhyate er wird geopfert, um ein Äquivalent für alle Thier-
gestalten zu haben TS. 5, 5, 1, 2.
Im Griechischen stehen die Präpositionen im allge-
meinen vor ihrem Kasus. In der Prosa findet sich die Nach-
stellung bei repl, bei Dichtern ist sie häufig. An dieser Stelle
mag es genügen, auf die Zusammenstellungen bei Krüger, Di.
Synt. $ 68, 4 zu verweisen. — Dass Wörter zwischen Präpo-
sition und Kasus treten, ist bei Homer nichts Seltenes, wenn
es auch nicht so häufig geschieht wie bei Präverbium und
Verbum, z. B. pera yes xAuröv Qaplova A 310; 2E Er narpav
8 245; npös yap Ars 5 207; &; nep dönloow u 199; Ta oe rpori
vaalv AyıllTos bedıdaydar A 831; eüpor 8 &v nnuara oixp ı 535;
rap odx 2HEAwv E&delodon e 155; auch in adrdp nd yBav apsp-
öadkov xovaßıLe noduv adrwv te xal Innwv B 465 scheint mir natür-
lich, önd mit roö@v zu verbinden. In der bekannten Stelle xat re
rpo 8 toü &vdnoev K 224 scheint mir zweifelhaft, ob toö zu xpd
oder zu dem zusammengesetzten Verbum zu ziehen sei. Selten
ist bei Homer die Einschiebung bei nachstehender Präposition,
wie: ds Ixöpp por Eve tpegeraı T 326. In der attischen Prosa
ist eine solche Stellung von repı nicht ungewöhnlich, z. B.
rölews p&v o0v al »poupal nepı Tadıy yıyvdodwaoav (Plato).
$ 272. Die Präposition kann zum Verbum oder
zum Kasus gezogen werden.
Nicht selten kann man im Zweifel sein, ob man die Prä-
position näher zum Verbum oder näher zum Kasus in Beziehung
setzen soll. Ich führe zunächst einige Fälle aus dem Rigveda
an. Bei der Durchmusterung derselben wird man bemerken,
dass Böhtlingk-Roth gewöhnlich das Präverbium annehmen,
Grassmann gewöhnlich die Präposition. Der Kürze wegen
zeichne ich solche Sätze durch das Zeichen * aus: *ats irjfam
$ 272.) Kap. XV. I. Präposition zum Verbum oder Kasus gezogen. 655
vavakfitha du bist über das Beissende (den Rauch) empor-
gewachsen RV. 3, 9, 3; in dhir na Jürnam dti sarpati toäcam
wie eine Schlange kriecht er über seine alte Haut weg (d. h.
so viel als: aus ihr hinaus) 9, 86, 44 könnte man dti an sich
doppelt auffassen. Dass jedenfalls auch die Verbindung mit
dem Verbum möglich ist, zeigt: ydd vamrö alisarpati worüber
die Ameise wegkriecht 8, 102, 21; in tistha ratlham ddhi tam
steige auf diesen Wagen 5, 33, 3 fasst Grassmann adhi als
Präp., meint dann aber selber, es sei besser zum Verbum zu
ziehen. Ebenso 9, 85, 9; *ürdhvo hy asthad adhy antärik$e hoch
hat er sich aufgestellt auf der Luft 2, 30, 3; *abhi dyam ma-
hina bhuvam an Grösse habe ich den Himmel übertroffen
10, 119, 8; *abhi Iva pürvapitaye srjami somyam madhu für dich
zum Vortrunk giesse ich aus den Somasaft 1, 19, 9. Böhtlingk-
Roth stellen also den Akk. ioa@ in Beziehung zu den Verbum
abhi-sarj, wie man in der Prosa abAi-sary losgehen auf, an-
fallen mit dem Akk. verbindet; in däßvasam üpa gachatam
kommt zum Verehrer, besucht den Verehrer 1, 47, 3 ist beides
möglich; in vdhantvo arundpsava üpa tva somino grham die
rothen Rosse sollen dich herbeiführen zum Hause des Soma-
trinkers 1, 49, 1 ist dpa natürlich nicht mit iv@ zu verbinden,
obwohl dies unmittelbar darauf folgt, sondern entweder mit
vahantu oder grhdm; *pdri dyam anydd iyate das andere um-
wandelt den Himmel 1, 30, 19; *prati va ena ndmasähdm emi
ich gehe euch entgegen mit dieser Andacht 1, 171,1. Natür-
lich kann der Zweifel erst recht eintreten, wenn zwei Präpo-
sitionen vorhanden sind, z. B. *s4 mänusir abhi vi8o vi bhati
er glänzt über die menschlichen Völker hin (überglänzt sie)
7,5, 2; so fassen Böhtlingk-Roth auch in vi yäty abhi mänugan
er breitet sich über die Menschen aus 1, 48, 7 abhi als Prä-
verbium, während anderen die Auffassung als Präp. natürlicher
erscheinen wird. Ich füge noch einige Sätze hinzu, in welchen
der von den europäischen Sprachen herkommende Leser sicher-
lich eine Präpositon erkennen würde, während Böhtlingk-
Roth nur Präverbien annehmen: pa bhrätytvam ayati er kommt
zur Brüderschaft heran (um euer Bruder zu werden) 8, 20, 22;
656 Kap.XV. I. Präposition sum Verbum oder Kasus gezogen. [$ 272.
gavo nd yütham üupa yanti vädhraya üpa mä yanti vadhrayah
wie Kühe zur Heerde kommen die Verschnittenen, kommen
zu mir die Verschnittenen 8, 46, 30; üd ghed abhi vrfabham
ästäaram e$i süurya du gehst auf gegenüber dem Stier, dem
Schützen, o Sonne 8, 93, 1 (vgl. na svapantam abhyud ıyat nicht
möge sie über einem Schlafenden aufgehn SB. 3, 2, 2, 27);
mäam dnu prä tö mäno valsdm gäur iva dhavatu dein Herz eile
zu mir herbei, wie die Kuh zum Kalbe 10, 145, 6; id utsnäya
rayım abhi pra tasthuh nachdem sie dem Wasser entstiegen
waren, gingen sie auf Reichthum aus 2, 15, 5 (vgl. nädyo
hrdayat puritätam abhipra üfthante Adern ziehen sich vom
Herzen aus nach dem Herzbeutel hin SB. 14, 5, 1, 21).
Was Homer betrifft, so wird allgemein zugegeben, dass
man öfter nicht entscheiden könne, ob Präposition oder Rich-
tungswort anzunehmen sei. Schwankt doch bisweilen sogar
die Überlieferung, z. B. A 269, wo xal piv toloıv &ym usdonileov
oder ned’ önlkeov, & 191, wo oteüro ydp “Hoatstoıo rdp olosyev
&vrea xald oder raporo£uev geschrieben wird. Die Untersuchungen
der Neueren haben nicht zu einem feststehenden Ergebnis ge-
führt. Hoffmann, dem Kühner sich anschliesst, nimmt an
— ich erwähne nur die Hauptsachen — dass Verbindung mit
dem Verbum, nicht mit dem Kasus vorliege, wenn die Prä-
position von dem Kasus durch die Hauptzäsur geschieden ist,
z. B. &vvipap tv Ava orparov Gyero xnila Beoio A 53 (also dv-
WxEro); Xwonswp, Ste T aupl Tupwdı yatav indoon B 782 (also
aupınacay); Apkorauös dt repl oröna yivero OU 607 (also zepı-
xivero). Eine Ausnahme sollen die elidierten Präpositionen
machen, wie roAla 54 Keßpısynv aup ökka Soüpa nemnyer II 772,
wo sich das leicht gewordene dyp an Keßprövnv anlehnen soll.
Mit dieser Ausnahme ist aber zugleich zugegeben, dass die
Hauptzäsur keinen Schnitt des Sinnes zwischen den Grenz-
wörtern macht, und damit der Regel selbst der Boden ent-
zogen. Eine zweite Regel geht dahin, dass dıe Verbindung
mit dem Verbum anzunehmen sei, wenn zwischen die Prä-
position und den Kasus ein oder mehrere Wörter von Gewicht
treten, wie z. B. app! d£ yaitaı auoro dlsaovraı U) 266 (wobei
$272.] Kap. XV. L Die Präposition sum Verbum oder Kasus gezogen. 657
Kühner hinzufügt: den Schultern wallen die Mähnen umher,
poetischer als “um die Schultern’). Insbesondere soll Verbindung
mit dem Verbum stattfinden, wenn das Verbum nach der Prä-
position, aber vor dem Kasus steht, z. B. mepl 52 &lpog 6b Ber
"öup 8 3 (also xepidero); oder wenn die Präposition hinter dem
Verbum, aber nicht unmittelbar vor dem Kasus steht, z. B.
Bakdsıv 7 And Ödxpu mapeıwv 5 198 (also Aroßakkeıw). Auf der
anderen Seite ist nun aber auch wiederum nicht zu leugnen,
dass auch eine Präposition von ihrem Kasus durch einzelne
Wörter getrennt werden kann. Als solche Wörter werden an-
gegeben ‘kleine, gewichtlose, zum theil enklitische Wörter’, z. B.
dıa ev dp Lwornpos &ihlaro A 135 (also da Lworäpos, nicht dt-
eAhAaro), und attributive Genitive, z. B. BA d£ xar OdAduroro
xapıvov A 44 (also nicht xatEßn). Das Unglück war nur, dass
man nicht mit Bestimmtheit sagen konnte, welche Wörter ge-
wichtig und welche gewichtlos seien, und so ergaben sich Ent-
scheidungen, welche den Glauben an die Richtigkeit des ganzen
Verfahrens zerstören müssen, z. B. &v in &v ö& od Totoı rephosaı
N 829 soll Präverbium sein, aber &x in &x ydp opsas ysıpav
pbyov hvla A 128 Präposition, weil die trennenden Wörter im
ersteren Falle gewichtig, im zweiten gewichtlos sein sollen; in
Bakgsıv T And daxpu rapemv soll Präverbium, in Pr d& xar
OöAöproro xapnvwv Präposition vorliegen u. s. w. Dass es ge-
lingen sollte, durch tiefer eindringende oder weiter ausgreifende
Untersuchung zu bestimmteren Ergebnissen zu gelangen, halte ich
nicht für wahrscheinlich, vielmehr stimme ich Tycho Mommsen
bei, wenn er a. a. O. 29 mit Beziehung auf ysra y4p te xal
Alyeoı tepreraı dvnp 0 400 sagt: “Ob man nerd an die zunächst
stehende Biegung äAyscı oder enger an das Zeitwort tepreraı
anschliessen soll, hängt weniger von der Wortstellung — die
ja als eine rhetorische, sinnlich-komplexive hier wie in vielen
anderen Fällen beides zulässt — als vielmehr lediglich von
dem damaligen Gebrauche ab. Da wir diesen nun nicht
immer kennen, so bleibt uns manchmal ein Zweifel übrig; ja
es ıst möglich, dass auch alte kundige Leser des Homer hier
verschieden, die einen per AAyesoı repreraı, die anderen nera-
Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm. Sprachen. ]. 43
658 Kap. XV. I. Die Präposition zum Verbum oder Kasus gezogen. ([$ 272.
tepreraı dAyesı verbunden und danach betont haben”. Unter
diesen Umständen muss ich mich damit begnügen, einige Be-
lege für die Thatsache anzuführen, dass man oft nicht ent-
scheiden kann, ob Präverbium oder Präposition vorliegt. Solche
Belege sind: dyupt 88 nnAnt opepdaldoy xporagoıoı TIvdoceto pap-
vau£voro O 608; dpi 88 ıv omupd tünte xal adydva dfppa Z 117;
av 6 Apa TmAduayos vnös Baive B 416; am typ yeıpbs Öpöpyvo
E 416; roAMdv ap and rAuvol elcı nölnos C 40; Blepapmv Aro
ödxpua inter E 129; xepains ano Yäüpos Eleonev d 88; dx de Xpo-
onis wnds Br A 439; dx 54 vixus olixav Yöpeov w 417; dvnAudev
&x Ödpu yalns 6 167; dv dE Te olvov xpmripow xepdwvro u 252; &v
ög Te Bonds ormdecıv Artponds darıv II 162; Ev 5 Eder Aaxnoderm
8 274; olaıw &nl Zeig Bine xandv uöpov Z 357; to 8 Enl xudveov
veoos Ayaya W 188; &nl Tpweocev dpnikar A 408; tw 5 els Auporipm
Aroundeos Apuara Prmv 8 115; dmel xard teiyos EBnoav N 737;
xard 5 aina veoutatou Eppss yeıpdc N 539; Baloı xara daxpo
raperov 8 223; uerd 84 pymoripow eıne p 467; rap 5 loav Oxe-
avod re bods w 11; Tod xev SH rAumpwra rap Aylad Öpa PEporo
A 97; aördp &yw repl ytv Elpos dpyupdndov aporıv Baldenv x 261;
rept T Appös dödvras yivaraı T 168; nor 58 unintpov Bade yaiy
A 245; npd 5 dp oöpfies xlov adray W 115; So öL xTunos Bpvuro
rooolv dvöpwv T 363.
Soweit der Veda und Homer. Vergleicht man sie, so
findet man bei aller Ähnlichkeit doch eine erhebliche Ver-
schiedenheit: bei Homer hat die präpositionelle Anwendung
stark zugenommen. Das ist auch ganz natürlich. Wenn zu
einem mit einem Präverbium in Beziehung stehenden Verbum
ım Altindischen ein Kasus tritt, so geschieht das entweder in
einem sehr allgemeinen Sinne (so bei den Akkusativ) oder in
einem ziemlich eng umgrenzten (so bei dem Gen., Dat., Instr.,
Lok., Abl.). Im Griechischen ist es anders. Der alte, freie
Gebrauch des Akkusativs ist sehr eingeschränkt. Im Altind.
würde z.B. in einem Satze wie Ab 8’ &; xouledv wos ueya Eipos
A 220 2; als Präverbium gelten können, weil xouledv Akk. des
erstrebten Zieles sein kann, im Griechischen nicht mehr. Die
obliquen Kasus aber sind zusammengeflossen, der Abi. mit
$272—273.) Kap. XV. IL Die-Präp. als Adverbium oder Partikel. 659
dem Gen., die übrigen mit dem Dativ, so dass durch eine
Präposition angedeutet werden muss, in welchem Sinne der
betr. Mischkasus verstanden werden soll. Im Griechischen ist
also der Hinzutritt einer Präposition zu dem Kasus nöthiger
geworden als er im Veda war. Man kann also aus dem
Griechischen allein nicht wohl entscheiden, welche Anwendung
der Präposition die ursprüngliche war. Aus dem Veda aber
erhellt auf das deutlichste, dass es die präverbielle war.
$ 273. Die Präposition als Adverbium oder Partikel.
Es ist bekannt, dass Präpositionen auch als Adverbien und
als Partikeln erscheinen können. Ich bespreche diesen Ge-
brauch, um zu ermitteln, ob vielleicht in ihm eine ältere An-
wendungsstufe der Präposition vorliegt, was ich verneine.
1. Dass eine Präposition wie ein Adverbium des Ortes oder
der Steigerung gebraucht wird, findet sich nicht selten bei
Homer, z. B. dydaı 5° Appl nepl n£ya Tayov © 10; ndvra ÖE oil
Bidpap’ Any! xal ömpbas ebaev Autumn ı 389. Es liegt auf der
Hand, dass auch ın diesen Stellen der Gebrauch als Präverbium
vorliegt, nur dass die Beziehung zwischen dem Richtungswort
und dem Verbum nicht so innig geworden ist, dass sog. zu-
sammengesetzte Verba entstanden sind. Im Veda würde man
diese Verbindungen ohne Bedenken dahin rechnen. Von be-
sonderem Interesse ist pärs-nepl. päri soll rings bedeuten,
RV. 1, 146, 5 didrk$önyah päri kasthasu sehenswürdig rings bei
den Holzscheiten. Man könnte freilich auch mit Ludwig an-
nehmen, dass hier eine Verbindung von pdrs mit dem Lok.
vorläge, und ‘um die Scheite” übersetzen. RV. 9, 7, 6 kann
päri auch zu sidasi gezogen werden. Endlich 7, 3, 7 yatha
vah svähägndye dasema pärtläbhir ghrtävadbhi ca havyaih
“damit wir mit Zuruf eurem Agni dienen mit Erquickungen
und butterreichen Opfern’ soll par! weiterhin bedeuten. Man
kann aber auch pdri-da5 annehmen. Bei Homer heisst rept
unzweifelhaft in hohem Grade, z. B. ıd 5% repl daupa Teruxto
> 549; oö nepl yiv npdppwv apaöln K 244; nepl n&v Belsıv Taxdv
II 186; oüvexd ror nepl düxe Beös rolspunia Epya N 727; xal
42*
660 Kap. XV. I. Die Präpositionen in der Zusammensetzung. [$ 273—274.
rdvrov Tpwwv, repl 8° au Ilpıäpoıd ya naldov & 105. Es scheint
mir natürlich, anzunehmen, dass diese Bedeutung von xept in
der Verbindung mit den Verben eiut und ylyvopar entstanden
ist, welche zuerst hiessen “herum sein’, dann “bewältigen, über-
treffen, drüber stehen’ (vgl. Sätze wie: ol zepl p&v BouArzv Aavamv,
repl 8 dor& uäyschaı A 258, wo man auch übersetzen kann:
ihr seid ausgezeichnet vor). Denselben Sinn wie repl hat aı.
dti in dti yö mandrö yajdthaya devah der Gott, welcher sehr
lieblich zum Verehren ist RV. 2, 28, 1 (die anderen Stellen,
welche Grassmann anführt, scheinen mir den freien Gebrauch
von dti nicht zu erweisen). Offenbar liegt ın dii-mandräd eine
Art von Komposition vor.
2. Präpositionen können auch wie Partikeln satzverbindend
oder wortverbindend gebraucht werden. Dahin gehören ai.
dpi auch, sogar (vgl. SF. 5, 525), av. aipi auch, altp. apiy auch.
noch, z.B. aß aipi täis anhaiti usta so mag es auch durch diese
wohl ergehen y. 30, 11, dazu griech. &r! ö$ ausserdem (Herodot);
ai. dpa dazu, ferner; z.B. üpa ca trayddaßö mäsah dazu der
dreizehnte Monat SB. 6, 2, 2, 29; ai. ddki dazu: faflir viräso
ddhs $at sechzig Helden, dazu sechs RV. 7, 18, 14; mpös 88 xat,
rpös &E dazu (Herodot); nerd 64 darauf u. ähnl. Es kommt mir
wahrscheinlich vor, dass auch diese Bedeutungen sich aus der
Verbindung mit Verben entwickelt haben. Man erwäge nach
dieser Richtung homerische Ausdrucksweisen wie: rpopnvnottvo:
dodAdere, und’ Ana mävrec, mpüros &yb, nera 8 Opec @ 231;
Bidccoe 54 oi xoröAnv, npbs 8° Apom bike revovre E 307.
& 274. Die Präpositionen in der Zusammen-
setzung.
Da es nach den bisher vorgeführten Thatsachen wahr-
scheinlich ist, dass das Altindische auch in dieser Beziehung
das Alterthümliche erhalten habe, so beschränke ich mich auf
diese Sprache. Eine Präposition bildet entweder das erste Glied
eines Kompositums, dessen zweites Glied ein Nomen von ver-
balem Sinne ist, so dass diese Zusammensetzung die grösste
Ähnlichkeit mit der Verbindung zwischen Präverbium und
8274] Kap. XV. 1. Die Präpositionen in der Zusammensetzung. 661
Verbum hat, oder eines Kompositums, dessen zweites Glied ein
echtes Nomen ist.
1. Ich führe zuerst Beispiele für die erste Art der Ver-
bindung an, welche die bei weitem häufigste ist. Die Belege
entnehme ich den trefflichen Abhandlungen von Reuter, KZ.
31, welche für die Lehre von der indischen Komposition voll-
ständiges und übersichtlich geordnetes Material bieten. Solche
Belege sind z.B.: samidh flammend, anuga nachgehend, pratidüh
frisch gemolkene Milch, viprc nicht berührend (als Gegensatz
zu sampfc in Berührung stehend), paripri theuer, abhipramür
zermalmend, samydh das Gelingen, apadha das Versteck, upasdd
die Belagerung, vyävrt die Unterscheidung, prakyntd der Zer-
schneider, parskrößa der Schreier, atigrahö der mächtige Er-
greifer (Überergreifer), »idhärays der etwas eingesetzt hat,
abhibhavd übermächtig, parimard d nächste Umgebung
hingestorben ist, samgamd das Zusammentreffen, abhidröha die
Beleidigung, atimänd der Hochmuth, vimöka die Ausspannung,
arambhä die Unternehmung, adhivakd die Fürsprache, upavakd
die Anrede, paräväkd der Widerspruch, anusamcard nachgehend,
pratyavaröha das Herabsteigen zu jemand hin, upepsa der
Wunsch, vicikitsa zweifelnde Überlegung, antardhi Verbergung,
üäcakri etwas ın etwas verwandelnd, parädadi hingebend,
vyardhuka verlustig gehend, pramäyuka dem Untergang ver-
fallend, samithd das feindliche Zusammentreffen, pratidivan der
Gegenspieler, vibhävan scheinend, upaßtvarı daneben liegend,
paryäyin feindlich umgehend, anukamin begierig, pratigrähin
ın Empfang nehmend, pratyudyamin das Gegengewicht haltend,
äkrämana heranschreitend, n. das Heranschreiten, »iskrdyana
loskaufend, n. das Loskaufen, samgdmana versammelnd, n. das
Zusammentreffen, ävdriansa umwendend, n. das Umwenden,
abhyadhäna das Hinzulegen, abhyavahdrana das Hinabschaffen,
oyaffi das Erlangen, upapti die Erreichung, dahiti die Erinne-
rung, pröti der Weggang. Man sieht, dass die Präposition in
keinem anderen Sinne auftritt, denn als Präverbium.
2. Viel geringer ist die Anzahl der Fälle, in welchen die
Präposition mit einem Nomen im engeren Sinne verbunden wird.
662 Kap.XV. I Die Präpositionen in der Zusammensetzung. [$ 274.
Die Art dieser Verbindung kann eine verschiedene sein.
Erstens nämlich so, dass das Nomen von der Präposition ab-
hängig gedacht ist, z. B. atyav: über die Schafwolle rinnend,
adhiratha (auf dem Wagen seiend) Wagenlast, anupatha den
Weg entlang gehend, druorata nach jemandes Befehl handelnd,
apavrata gegen das Gesetz handelnd, adhtdyu dem Himmel
zustrebend, adeva den Göttern zustrebend, äpathi auf dem Wege
befindlich, upärsbudhna über den Boden emporragend, pranapät
Urenkel (eig. der vor dem Enkel seiende, wobei die Anschauung
von der Reihe der Aszendenten übertragen ist), praävira den
Helden vorangehend, sie übertreffend (ein grosser Held),
upakak$d bis zur Achsel reichend, atirätra übernächtig, apiprana
jeden Athemzug begleitend, apifarvard an die Nacht grenzend,
Frühmorgen. Hieran schliessen sich die akkusativischen Ad-
verbia mit Schlussbetonung wie: anupürodm (einem vorderen
folgend) nach der Reihe, anusfoadham dem eigenen Willen ge-
mäss, freiwillig, gern, abhiynü bis ans Knie, ädvadaam bis auf
zwölf, pradögam abends, pratikämam nach Begehr, pratidogam
gegen Abend, samakjam vor Augen. Zweitens: Die Präpo-
sition hat ihre Beziehung ausserhalb des Kompositums. Dabei
können die Komposita substantivisch oder adjektivisch sein.
Belege für den ersten Fall sind: adhipats Oberherr, adhsraja
dass., präpada Fussspitze, prapatha in die Ferne führender Weg,
pratijand Gegner. Für den zweiten Fall: atyurmı (darüber
gehende Welle habend) überwallend, ddhinirniy mit glänzendem
Gewand bekleidet, ddhirukma Goldschmuck an sich tragend,
adhtvastra mit Gewändern bekleidet, &d0j7as (in die Höhe gehende
Gewalt habend) übergewaltig, pramanas (vorwärts strebende
Gesinnung habend) sorgsam, liebreich, prämahas (vor anderen
hervorragende Macht habend) von grosser Macht, prävayas mit
Jugendkraft begabt, vigriva dem der Hals abgehauen oder um-
gedreht ist, vipakgas auf beiden Seiten des Wagens gehend,
vipatht zur Seite des Weges gehend, auf Abwegen gehend,
viparva gelenklos, vimaya der Zauberkraft beraubt, virupa ver-
schiedene Farbe habend, sdmant« gemeinsame Enden habend.
an einander grenzend, sdmökas gleiche Wohnstätte habend.
5274] Kap. XV. I]. Die Präpositionen in der Zusammensetzung. 663
In diesen Beispielen tritt keine Bedeutung der Präposition
hervor, welche man für besonders bemerkenswerth oder gar für
besonders ursprünglich anzusehen hätte. Eine bemerkenswerthe
Nuance zeigt sich etwa bei ve, parı und prd. Vi mit Verben be-
deutet, wie ich SF. 5, 464 ausgeführt habe, ‘auseinander’, so
bei Verben der Bewegung wie vi-3 auseinander gehen, vi-dru
auseinander laufen u. s. w. Sind diese Verba transitiv, so
bedeuten sie: durch Bewegung auseinander bringen, durch-
schneiden, z. B. vi-y& durchfahren, vi-dhav durchrinnen, hin-
rinnen durch, durchsickern, vi-pat durchschneiden, vi-gah sich
tauchen ın (apds, eigentlich das Wasser auseinander tauchen).
Daran schliesst sich vimadhya die Mitte eines Gegenstandes,
eigentlich die "Durchmitte. Bei den Verben, welche ‘er-
scheinen, sehen, unterscheiden’ bedeuten, wird durch vi die sich
entfaltende Erscheinung und die auseinander legende Thätig-
keit bezeichnet, z. B. vi-dar$ deutlich sich wahrnehmen lassen,
zum Vorschein kommen, vi-pa$ sehen, unterscheiden, vi-cit
wahrnehmen, unterscheiden, vi-vid unterscheiden, wissen, vi-
3%a erkennen, unterscheiden. Daran knüpft sich vi-maras mit
durchdringendem Verstande begabt. In anderen Fällen wird
der Begriff der Trennung betont, z. B. vi-tak$ abspalten, vs-ni
wegführen. Dazu gehören die oben angeführten Nominal-
bildungen wie vigriva u. s. w. und das eben erwähnte vimanas,
welches auch ‘unverständig’? bedeutet. Endlich kann man »
auch “durch und durch’ übersetzen, so dass es eine Verstärkung
des Verbalbegriffes ausdrückt, z. B. vi-sah überwältigen, vi-ra7
bemeistern, vi-a$ erlangen, in Besitz nehmen, beherrschen.
Eine gleiche Verstärkung des Begriffes findet sich in vicargant
sehr regsam. Bei pr@ entwickelt sich aus der Anschauung der
vorschreitenden Bewegung der Gedanke des Hervortretens,
Hervorragens, wie in prämahas hervorragende Macht habend
(s. oben); so erscheint pra auch vor Adjektiven z. B. pralanu
sehr fein, ebenso im Griechischen, so bei Homer in rporas
durchaus jeder. Eben daher erklärt sich auch der von Miklosich
so genannte diminuierende Gebrauch im Slavischen und Litaui-
schen, z. B. russ. prosini bläulich, lit. pröjüdis schwärzlich,
664 Kap. XV. I. Schlussbetrachtung über die Präp. 15274275.
proraudonas dunkelroth, rothbraun, d.h. eigentlich stark blau,
aber nicht ganz u. s. w. — Über päri habe ich SF. 5, 459 be-
merkt: “Man kann aber ‘herum’ auch gebrauchen, wenn man
den Nachdruck auf die vollständige Umfassung eines Gegen-
standes, die vollständige Vollbringung einer Handlung legt.
So kann man päri allenfalls mit ‘vollständig, ganz’ übersetzen
und ihm mithin einen verstärkenden Sınn zuschreiben, so ın
der Verbindung mit vand loben, rühmen, preisen; mit Ad er-
kennen, genau wissen; mit vid genau wissen Indpı olde).
Daran schliessen sich Zusammensetzungen wie parsmanyu von
Zorn erfüllt, parıdurbala überaus schwach und manche andere
nachvedische Wörter, ferner partvatsara ein volles (rundes) Jahr
(etwas anderes ist wohl paryaßru voller Thränen aufzufassen,
nämlich: Thränen um sich habend). Ebenso im Griech., z. B.
repıunxns sehr lang, lat. per- in permagnus, lit. perdaüg zu
viel, perdidelis zu gross, serb. prelijep sehr schön u. ähnl.
So zeigt sich denn überall, dass der Gebrauch in der Zu-
sammensetzung mit dem Nomen sich an den Gebrauch des
Präverbiums anlehnt, welches also die Wahrscheinlichkeit für
sich hat, den ursprünglichen Sinn zu enthalten. Ich leugne
natürlich nicht, dass sich aus der Beobachtung des Grebrauches
der Präp. und Zusammensetzungen auch manches für meinen
Zweck Nützliche ergeben würde (z. B. die Uebereinstimmung
von lat. odlongus und tech. obdelny, obdlouhy länglich), glaube
aber, aus dem angeführten Grunde von der Behandlung dieses
Gegenstandes, für den mir ausgedehnte Sammlungen nicht zu
Gebote stehen, absehen zu dürfen.
$ 275. Schlussbetrachtung.
Aus meiner Darstellung dürfte sich ergeben haben, dass
es die ältere Aufgabe der Präpositionen war, die Handlung
des Verbums nach Massgabe des ihnen innewohnenden Sinnes
näher zu bestimmen. Trat nun zu dem so bestimmten Verbum
ein geeigneter Kasus, so konnte sich zwischen ıhm und der
Präposition ein näheres Verhältnis entwickeln, bei dem die
Präposition den Sınn des Kasus, wie wir später im einzelnen
sehen werden, sehr erheblich modifizieren konnte. Da die
$ 275.) Kap. XV. I. Schlussbetrachtung über die Präp. 665
traditionelle Wortstellung im Indogermanischen die gewesen
sein wird, dass die Präposition vor dem Verbum stand, vor ihr
aber der Kasus (da ja das Verbum gewohnheitsmässig am Satz-
schluss stand), so ergiebt sich als natürliche Stellung der Prä-
position die Stellung hinter dem Kasus, den sie bestimmt oder,
wie wir sagen, regiert. Bei dieser Ansicht der Sache ist voraus-
gesetzt, dass die Präposition sich von dem Verbum löst und
zu dem Kasus übergeht. Man kann aber auch den Fall an-
nehmen, dass sie bei dem Verbum bleibt und bei dem Kasus
wiederholt wird. In einem solchen Falle und bei okkasioneller
Stellung des Verbums könnte die Präp. wohl auch vor den
Kasus getreten sein. Ich erspare mir die Erörterung dieser
Frage bis zu einer zusammenfassenden Erwägung der indo-
germanischen Wortstellung.
Die Präp. war in der Ursprache im Hauptsatze jedenfalls
nicht mit der Verbalform, zu der sie innerlich gehört, ver-
schmolzen (wie es im Nebensatze ausgesehen habe, lasse ich
hier unerörtert). Dieser Zustand ist im Altindischen geblieben,
in anderen Einzelsprachen aber hat sich allmählich eine An-
näherung der Präp. und der Verbalform vollzogen, so dass im
nachhomerischen Griechisch, im Lateinischen, Germanischen,
Baltisch-Slavischen die Verbundenheit der regelmässige Zustand
ist. Doch finden sich überall noch Reste der ursprünglichen
Getrenntheit, z. B. lat. sub vos placo, got. ga-u-hva-sehvi (Kluge,
KZ. 26, 80), lit. ap-si-su%tt sich drehen (Kurschat $ 1142). Dass
der Ausdruck “Zusammensetzung’ für diese Vereinigung unter
einem Accent nicht eben passend ist, ist klar. Doch wird er
sich schwerlich mehr ausrotten lassen.
Etwas abweichend von meiner eigenen früheren Ansicht
habe ich jetzt den sog. adverbialen Gebrauch der Präp. be-
handelt. Ich glaubte früher, z. B. in xepı sehr noch einen Rest
eines uralten, freien Gebrauches des Wortes zu erkennen. Indes
bei näherem Zusehen hat sich ergeben, dass die Thatsachen
ım Veda und Homer mehr dafür sprechen, in dem sog. freien
Gebrauch eine Entwickelung aus dem präverbialen zu erblicken.
666 Kap. XV. II. ai. dpa, av. apa, gr. drd, lat. ab, got. af. 5276.
Do.
Die zugleich als Präverbia und Präpositionen gebrauchten
Wörter.
In diesem Abschnitt sollen die hauptsächlichsten der durch
das Indogermanische durchgehenden Präpositionen zur Dar-
stellung gebracht werden, und zwar in folgender Reihenfolge:
$ 276. Ai. dpa, av. apa, gr. aro, lat. ab, got. af.
$ 277. Ai. dva, av. altp. ava, lat. au, preuss. au, aksl. u.
$ 278. Ai. antär, av. antare, altp. antar, lat. snter (umb.
osk. anter).
$ 279. Ai. dpi, av. aipt, gr. &ri. Dazu lat. od, Hit. pi.
$ 280. Aı. abhi, av. aim, asbi, altp, abıy, lat. od (amb),
germ. di (umbı), slav. oba.
8 281. Ai. dd, av. us, altp. ud, us, got. ul, us.
$ 282. Ai. dpa, av. altp. upa, gr. uno, got. uf (lat. sub).
$ 283. (Anhang zu 282) lıt. 20, pa-, aksl. po.
$ 284. Ai. parı, av. pair, altp. parıy, gr. zepl, lat. per.
got. farr, lit. pef (aksl. pre-).
$ 285. Ai. prd, av. altp. fra, gr. xpo, lat. pro, lit. pra (prö,
slav. pro.
$ 286. Av. pasti, pastis, altp. pats, patis, gr. rotl, nos.
$ 287. Ai. präti, gr. rporl, zpoc.
$ 288. Ai. sdm. av. altp. ham, lit. su, aksl. sü.
8 276. Ai. dpa, av. apa, gr. ano (ano), lat. ab (viel-
leicht ap in aperio), got. afı)
bedeutet, wie Krüger sich ausdrückt, ursprünglich Ab-
scheidung. Es tritt daher häufig zu Verben des Gehens und
Führens, z. B. ai. apa-i, gr. Aretyı, lat. abeo weggehen; ai. apa-
gam, av. apa-jas, gr. Anolalvo weggehen; ai. dpa-cyu, gr.
aroosvona: enteilen; ai. dpa-sthäa sich fern halten, abtrünnig
1) Von ab wird @ wohl getrennt werden müssen, wenn auch das Ver-
hältnis von er zu & ein Analogon bietet. ä könnte dem indischen & ent
sprechen.
$276] Kap.XV. I. ai. dpa, av. apa, gr. dr.6, lat. ab, got. af. 667
werden, gr. dpiornuı entfernt stehen von, lat. absisto wegtreten,
sich entfernen, got. afstandan abstehen, sich abwenden, ab-
fallen; ai. dpa-ay, gr. drayw, lat. abigo wegtreiben; ai. apa-bhar,
av. apa-bar, gr. anop&pw wegtragen; lat. abduco wegführen,
got. aftiuhan fortziehen. Von weiteren proethnischen Ver-
bindungen führe ich noch an: ai. dpa-dhä, gr. arorlönpı, lat.
abdo wegthun (vgl. namentlich ai. apadha Versteck und lat.
abdo verstecken); ai. dpa-chid, gr. anooyilw, lat. abscindo, got.
afskardan abspalten, abschneiden; ai. dpa-mar}, gr. anopöpyvopı
abwischen; ai. dpa-Ak$i abnehmen (vom Monde gesagt), gr. aro-
odivo zu Grunde gehen; ai. apa-/up ausraufen, abtrennen, pass.
abfallen, lat. aörumpo. Bisweilen sind in einer Sprache nur
Ableitungen vorhanden, aus welchen auf das einstige Vorhanden-
sein der Verbindung der Präposition mit dem Verbum ge-
schlossen werden kann, z. B. lässt ai. dpacıti Rache, Strafe
(andrısy) auf dpa-ck gleich Arotivu schliessen, ai. apavaktär
Untersager, Abwehrer auf dpa-vac gleich ansinov schlug ab,
versagte. Ich bemerke hierbei, dass durch die Verbindung von
*gpo mit Verben des Sagens verschiedene Nuancen des Sinnes
entstehen können. So heisst ai. dpa-bru eine Person jemandem
aus dem Sinne reden, so dass er sie vergisst; dpa-vad seinen
Unmuth auslassen, tadeln, schmähen, jemand zerstreuen; gr.
aropruı gerade heraus sagen und leugnen, areinov gerade heraus
sagen und andererseits verweigern, verneinen; lat. abdico ver-
werfen, aberkennen; got. afaikan absagen, leugnen, verleugnen;
afgiban absagen, entsagen. Noch führe ich einige Verbindungen
an, die sich bloss in Asien oder bloss in Europa finden. Dahin
gehören: ai. dpa-kart av. apa-kareß abschneiden (vgl. aro-
xontw u. ähnl); apa-dah wegbrennen, durch Gluth vertreiben,
av. apa-daz sich ein Glied verbrennen (vgl. aroxatw); ai. dpa-
yaj und av. apa-yaz durch ein Opfer wegschaffen (vgl. Geldner,
BB. 15, 249). Nur europäisch sind äreıpı, absum, aroveuw,
abnuo u.a.
Wie man aus den angeführten Beispielen sieht, können
durch die Verbindung eines Verbums mit *apo sehr verschiedene
Bedeutungen entstehen. Die Handlung des Verbums kann
668 Kap. XV. IL ai. dpa, ar. apa, gr. dr, lat. ab, got. af. [8 276.
zur Vollendung gebracht werden, so in areprpı heraussagen,
ferner araldopaı, aroxteivo und viele andere. Es kann aber
auch das Gegentheil der Bedeutung des Simplex erscheinen,
so 2. B. ausser bei den angeführten Verben des Sagens bei ai.
apa-rädh verfehlen (eig. weg, vorbei treffen), gr. aroöoxei es
missfällt u. ähnl.
Vergleicht man das Griechische (und Gotische) mit den
arıschen Sprachen, so fällt das verhältnismässig häufigere Er-
scheinen von aro auf. Das mag sich z. th. daraus erklären,
dass ano auch die Präposition *dvo, ai. dva, av. ava, lat. au
mit zu ersetzen hat. So entspricht z. B. dem griech. anoleize
(got. aflifnan) ai. dva-ric, dem gr. anovilw ai. doa-niy (vgl. got.
afbvahan). |
Hinsichtlich der Verbindung von *@po mit Kasus habe
ich in bezug auf das Altindische SF. 5, 446 Folgendes be-
merkt: “apa wird nicht mit Kasus verbunden. Zwar giebt es
im Veda vereinzelte Stellen, in denen man einen Ablatıv mit
dpa verbinden könnte, z. B. dpö shu na iydm barur ädıtya apa
durmaltih asmdd etv djaghnufi weg gehe dieser Pfeil, weg das
Unheil von uns, ihr A., ohne uns getroffen zu haben RV.
8, 67, 15. Aber keine Stelle ist vorhanden, welche zu einer
solchen Auffassung zwänge und die übrige Sprache entscheidet
dagegen.” Über den Zustand im Avestischen sagt Spiegel,
Gramm. 465: “apa erscheint als selbständige Präposition in der
Bedeutung Ainweg nur an einer einzigen Stelle des jüngeren
Avesta vd. 15,133.” Mir scheint, dass an dieser Stelle zu apa (in
apäca) das Verb darez zu ergänzen ist. Das Lateinische zeigt
ab ın Verbindung mit seinem natürlichen Kasus, dem Ablativ. Als
Ersatz dieses Kasus erscheint im Griechischen der Genitiv, mit
Ausnahme des Arkadisch-Kyprischen, welches den Dativ (Lo-
kalıs) hat, z. B. aro räı Cäı von dem Lande (vgl. Hoffmann,
Griech. Dial. 1, 307). Da in diesen Dialekten der Ablatıv wie
im übrigen Griechisch durch den Genitiv ersetzt wird, so muss
diese auffallende Konstruktion von dro (und &£) von der Prä-
position aus erklärt werden. Ich möchte annehmen, dass eine
Nachahmung der durch den Gegensatz der Bedeutung verbun-
$ 276—277.) Kap. XV. II ai. dva, av. ava, lat. preuss. au, slav. «. 669
denen Präposition &v vorliegt. Hinsichtlich des Gebrauches
von äro bei Homer sei noch darauf aufmerksam gemacht, dass
es sich (wie Krüger, Di. S. 6 68, 16, 4 bemerkt) fast durch-
gängig auf äusserliche und sinnliche Erscheinungen beschränkt.
— Das gotische af hat als Vertreter des Ablativs den Dativ bei
sich. (Eine bequeme Übersicht des Gebrauchs bei Gabelentz-
Loebe im Glossar.) .
$ 277. Ai. dva, av. altp. ava, lat. au, preuss. au,
aksl. u.
Die Grundbedeutung lässt sich aus dem Ai. noch gut er-
kennen. Ich glaube SF. 5, 449f. gezeigt zu haben, dass sie
‘herab’ ist. Oft wird indessen mehr der Ausgangspunkt und
der Zielpunkt als die Herabbewegung in's Auge gefasst, so dass
es scheint, als habe das Wort die Bedeutung “weg von’, oder
‘hinein in’. Indem ich auf meine Darstellung des altindischen
Gebrauchs verweise, führe ich hier eine Anzahl von Verbin-
dungen an, welche dem Ai. und Av. gemeinsam sind. Dabei
lässt sich denn freilich nicht leugnen, dass die Bedeutung
“herab’ im Av. oft nicht mehr hervortritt, was zum theil wohl
an unserer nicht genauen Auffassung liegen wird. Beispiele
sind: ai. dva-i herabkommen, sich stürzen auf, hinweggehen,
sich entfernen, hingehen zu mit dem Akk., av. wandeln (von
den Himmelskörpern gesagt, die auf ihrer Bahn wandeln); ai.
ava-pat herabfliegen, fallen, av. ava patah ava zrayö er lief
herab zum See yt. 19, 58; ai. doa-stha hinabsteigeu, sich fern-
halten (auch sich entfernen), dastehen, Halt machen, av. sich hin-
stellen, hintreten; ai. ava-aj hinabtreiben (die Kuh zum Wasser),
av. ava-az herbeiführen (von feindlichen Heeren); ai. ava-ni
hinab-, hineinführen, stecken in, av. yt. 19, 44 “den heiligen
Geist herunterholen aus dem lichten Paradies’ (Geldner, 3 y. 22);
ai. dava-bhar hineinstecken, sinken lassen, abtrennen, abhauen, av.
bringen, tragen; ai. dva-kart abschneiden, av. schneiden (jemand
mit Messern am Leibe), vgl. deutsch “herunterschneiden’; ai.
ava-grabh loslassen, ablassen, nachlassen von, av. avagerepta
hineingerathen (in eine Frage, in Noth), eig. hinabgelassen; ai.
dva-sarj schleudern, abschiessen, hineinwerfen, hinausstossen,
670 Kap. XV. UL. ai. dva, av. eva, lat. preuss. aw, slav. w. 18 277.
hinausdrängen |z. B. aus dem Mutterleibe), av. ava-harez zurück-
weisen; ai. dva-hva herabrufen, herrufen, av. ava-zbdaä anrufen
(der Flehende wird unten stehend gedacht, vgl. upa); ai. dra-
Na gering achten, av. ava-zan merken, aufmerksam werden. —
Im Lateinischen aufero und aufugio tritt nur der Sinn des
‘weg’ hervor, so dass es von *dpo nicht mehr zu scheiden ist.
— Im Preussischen lassen sich vergleichen aumüsnan Ab-
waschung (vgl. das identische aksl. umyts; abwaschen und aı.
ava-nı)), auskandint ersäufen, auminius betrübt, eig. herab-
gestimmt u. a. (vgl. Fick* 705). — Im Slavischen lässt sich
nach Miklosich 4, 247 erstens die Bedeutung ‘weg’ erkennen,
z.B. aksl. ubeZats aufugere, uolesti abstrahere, ukloniti declinare,
urezati abscindere u. a. In wie weit etwa das ‘herab’ noch
durchschimmert, wäre zu untersuchen. Bei umyti abwaschen,
eigentlich “den Schmutz herunterwaschen’ ist das noch der
Fall. Sodann dient « zur Perfektivierung, wird also so ge-
braucht wie ano im Griechischen, z. B. ubifi erschlagen, gr.
anoxtelvw, umreti sterben aroßvnoxsw. Da u das in den Hitu-
slavischen Sprachen verschwundene *dpo in sich aufgenommen
hat, so kann man diese Bedeutungsentwickelung auf dpo zu-
rückführen.
Verbindung mit Kasus. Nach dem eben Ausgeführten
ist es natürlich, dass *@vo eine Verbindung mit dem Ablatıv
und dem Akkusativ, dem Ausgangspunkt und dem Zielpunkt
der Bewegung eingehen konnte. Das erstere hat sich im Alt-
indischen und Slavischen ereignet. Im Altindischen glaube
ich (SF. 5, 451) die Verbindung dra divdh vom Himmel herab
anerkennen zu sollen. Im Slavischen (Miklosich 4, 574 ff.)
steht % bei dem ablativischen Genitiv, und zwar bei Verben
des Verlangens, Empfangens, Nehmens, z.B. aksl. prost u mene
attnadv ne Mark. 6, 22; vüprasaje u njichü äruvdavsro rap adrav
Matth. 2, 4. Da nun dasjenige, was man von jemand fordert,
kauft u. s. w. sich bei ihm befindet, man also die Verbindung
auch verstehen kann als ‘bei jemand fordern, kaufen’, so kann
auch bei anderen Verben «u mit dem Gen. in dem Sinne von
‘bei’ erscheinen. So erklärt es sich, dass, wie Miklosich sich
$277—278.] Kap. XV. II. ai. antär, av. antare, lat. inter (anter. 671
ausdrückt, der Genitiv mit « den Gegenstand bezeichnet, in
dessen Nähe etwas ist, eine Handlung vor sich geht, z. B. jaZe
videchü u ofica mojego 5 &upaxa napd t@ rarpl you Joh. 8, 38;
da obedujetü u njego drws Apıornon nap adra Luk. 11, 37; jiZe
beachq unjego oi rap adtw Mark. 3, 21; postavi je u sebe &om-
cev aötd rap &auro Luk. 9, 47. Hauptsächlich handelt es
sich dabei um Personen. Ein ähnlicher Fall liegt bei der
italienischen: Präposition da vor. Mit dem Akkusativ findet
sich ava im Avesta. Besonders lehrreich sind einige Fälle, in
denen sich ava sowohl bei dem Verbum als bei dem Kasus
findet, z. B. ma he ava pädem ava hista tritt nicht in ihre Spur
yt. 17,57. Nur bei dem Kasus steht es z. B. Auba t2 agtem
ätrem asti baran ava adlem nmänem wann sollen die das Feuer
in das Haus bringen vd. 5, 41. Nach Justi soll ava einmal
auch mit dem Instrumentalis vorkommen, was ich dahingestellt
sein lasse.
$ 278. Ai. antdr, av. antare, apers. antar, lat. inter
(umbr. osk. anter).
Über die mit artdr verbundenen Verba im Altindischen
s. SF. 5, 445. Im Avestischen habe ich nur notiert antare-car,
das nach : Justi ‘vertheilen’ bedeutet (ai. antär-car sich be-
wegen zwischen, innerhalb), und antare-mr& untersagen (vgl.
interdico). An Übereinstimmungen zwischen Altindisch und
Lateinisch lassen sich etwa namhaft machen: ai. antdr-gam
und 9@ gehen zwischen etwas, dazwischen treten, trennen,
ausschliessen von (dieses bei gam), lat. intervenio während
einer Handlung sich einfinden, unterbrechen, einschreiten; ai.
antdr-i dazwischen treten, jemand den Weg vertreten, ab-
schneiden, von etwas ausschliessen, übergehen, lat. intereo
zwischen etwas treten und darin verschwinden, untergehen
(vgl. intercido dazwischen fallen, verloren gehen); [ai. antar-
stha den Weg vertreten, aufhalten, lat. intersto dazwischen-
stehen (spät belegt)]; ai. antdr-chid abschneiden, intercludo,
lat. interscindo auseinanderreissen, trennen, stören, Zerreissen,
unterbrechen. Wie man sieht, bedeutet antar, inter dazwischen,
672 Kap. XV. ID. ai. antdr, av. antare, lat. inter (anter). [$ 278.
so bei den ai. Verben s dazwischen gehen, als Bote oder Ver-
mittler, car (s. oben); bh% (dazwischen sein) eindringen in; pas
hineinschauen. In dem ai. antarvidvan genau kennend betont
antäar das Unterscheidungsvermögen, vgl. lat. internosco und
intelligo, engl. understand. Im Lateinischen ist die ursprüng-
liche Bedeutung von inter zahlreich vertreten, z. B. intercurro
dazwischen laufen; interequito dazwischen reiten; interfluo da-
zwischen fliessen; interfundo dazwischen giessen; interjaceo da-
zwischen liegen; interluceo dazwischen schimmern, durchschim-
mern; intermisceo dazwischen mischen; intermitto dazwischen
legen, dazwischen leer lassen, offen lassen, internascor dazwischen
entstehen u.a. m. Sodann entwickelt sich die Vorstellung der
Hemmung und Trennung. Dahin gehören die schon genannten
wie ai. antdr-ga und gam ausschliessen von, lat. intervenio; ai.
antdr-chid abschneiden, lat. interscindo; av. antare-mrü inter-
dico; ferner ai. antdr-dhä dazwischen legen, setzen, abschneiden,
absondern; ai. antäar-yam Einhalt thun, anhalten (auch drinnen
halten). Dieser in solchen Verbindungen erwachsene Sinn von
antar zeigt sich auch bei antdar-khya den Blicken entziehen
(khy@ blicken). Lateinische Belege sind: intercedo hindernd
dazwischen treten, intercludo absperten, iniersaepio verzäunen,
abschliessen. Bisweilen wird der Begriff des Zertrennens be-
tont, z. B. interfodio zergraben, zerstechen, intercido ein Ganzes
in der Mitte durchschneiden, durchstechen; bisweilen das Weg-
nehmen, z. B. interbsbo wegtrinken, austrinken, intercipio auf-
fangen (eig. dazwischen ergreifen, ehe etwas an seinen Be-
stimmungsort gelangt), wegfangen, entreissen; interficio auf-
zehren, zu Grunde richten (vgl. auch :niereo, was bei der
Bedeutungsentwickelung vorgeschwebt haben mag), interimo
aus dem Wege räumen, vernichten. — Heisst interrogo eigent-
lich: fragend dazwischentreten?
Als Präposition wird antär u. s. w. in den drei Sprachen
mit dem Akkusativ verbunden, z. B. antär maht brhati rö-
dasime vigva te dhama varuna priyäni zwischen diesen beiden
Welten befinden sich, o Varuna, alle deine lieben Wohn-
stätten RV. 7, 87,2. Av. vispem ımah adidasti yab anlare zqm
$ 278—279.] Kap. XV. I. ai. api, av. ampı, gr. Ext, lat. ob, lit. -pi. 673
asmanemca er überschaut alles, was zwischen Erde und Himmel
ist yt. 10, 95; da me tum hamcaranuha antare aredem nmänahe
komm du mit herein in die Seite meines Hauses (in mein
Haus) yt. 17, 60. Ebenso im Italischen, z. B. osk. anter slagim
abellanam inim nürlanam zwischen der Flur von Abella und _
von Nola; lat. ager qui inter urbem ac Tiberim fuit (Livius);
inter densas fagos assidue vensebat (Virgil) und in anderen hier
nicht zu erörternden Nuancen (Zeit, Umstände u. s. w.). Im
Altindischen erscheint antar noch mit dem Lok. und dem Abl.,
doch kann man dabei, wie ich SF. 5, 446 gezeigt habe, meist
noch den Kasus und die Präp. gesondert zur Geltung bringen,
z. B. äsye ’ntäh im Munde drinnen, @syad antdh aus dem Munde
drinnen, d. h. aus dem Innern der Mundhöhle. Die sozusagen
nominale Natur des Wortes zeigt sich auch in seiner Verbin-
dung mit dem Genitiv, welche nach Böhtlingk-Roth innerhalb
des Veda VS. 40, 5 vorliegt: tad antar asya särvasya läd u
särvasyäsya bähyatah das ist innerhalb der ganzen Welt und
auch ausserhalb derselben. Die Frage, ob antare im Avesti-
schen etwa noch mit dem Instr. oder Lok. erscheint, ist er-
örtert von J. Schmidt, Pluralb. 268. Auf dem ıtalischen Gebiet
liegt vielleicht eine Verbindung mit dem Lok. vor cipp. Ab. 14.
$ 279. Ai. api, av. aipi, gr. &xt (Enı. Dazu lat. od,
lit. -pi.
Über das altindische dpi in Verbindung mit Verben habe
ich SF. 5, 447 bemerkt: “Bei Verben des Gehens ist es am
nächsten durch unser ‘in’ wiederzugeben, so mit i eintreten in
(einen Ort) oder unter, z. B. yada pürujah sodpiti prandm tärhi
väg dpy ei während der Mensch schläft, geht die Stimme in
den Athem auf SB. 10, 3, 3,6. Ähnlich mit gam, gä, pad; mit
sthä ın den Weg treten (AV); mit as und 5hü in etwas sein,
nahe zusammengehören mit, und sodann zu theil werden und
theil haben, z. B. devalöke me ’py asat mir soll Antheil sein
am Götterhimmel SB. 1, 9, 1,16; tos indräpy abhüma an dir
haben wir Antheil gewonnen, o Indra, RV. 2, 11, 12; mit ni (in
der Prosa! hingeleiten auf, in, zu (dem Pfade, der Götterwelt!;
Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm, Sprachen. I. 43
674 Kap. XV. I. ai. dpi, av. aipi, gr. Ext, lat. ob, lit. -pi. [8279.
var} hinwenden; parc (AV.) beimischen; da% anbrennen, die
Flammen in engste Berührung bringen mit. In allen den
genannten Verbindungen tritt die Anschauung des Nahehem-
kommens oder Hineinkommens deutlich hervor. Da nun das
neu Hinzutretende häufig auf das Vorhandene gethan wird,
so entwickelte sich in dpi (wohl schon in proethnischer Zeit)
die Bedeutung ‘auf, über’, z. B. mit vap bestreuen, überstreuen;
mit sarj darauf werfen, hinzufügen (einen Somastengel); mit
sar darauf fliessen, und so entsteht denn in einigen Verbin-
dungen der Begriff des Bedeckens, Zudeckens, so mit nah an-
binden, aber auch zubinden (den Mund); mit ruA verwachsen,
zuwachsen ; mit dh@ hineinstecken, darreichen, hingeben, aber
auch zudecken, verstopfen, verschliessen; so auch mit rıp in
apiripta verklebt, erblindet. Auffällig ist für uns die Verbin-
dung mit Verben des Schlagens und ähnliche Verbindungen,
in welchen wir geneigt sind, dpi durch ‘ab’ wiederzugeben, »:
mit vra$c abhauen (den Kopf), eig. wohl einschlagen ; mit der
(jemandem die Rippen) zerbrechen, einbrechen, sich den Am,
den Hals brechen ; mit $as (AV. einmal) den Nabel wegschneiden,
eig. einschneiden; mit han: Öfadhayah khälu va ötäsyar sühm
api ghnanti ya vehäd bhavati die Kräuter verderben der Kuh
die Tracht, welche zu verwerfen droht TS. 2, 1, 5, 3; endlich
mit ghas abfressen, eig. einfressen, zerfressen (von Ameisen,
welche eine Sehne zerfressen) SB. 14, 1, 1, 9. Von einer inner-
lichen Zuwendung ist die Rede bei %% auffassen, verstehen,
entschliessen; bei mar$ vergessen, wobei wohl die Verbindung
von einem Verbum hergenommen ist, welches aufmerken be
deutet (vgl. vergessen auf;”. Im Avestischen ist die Ver-
bindung von aipi mit Verben selten (bei Justi unter ırı oder rı,
kan, kareb, yZar (ghzhar geschr.), car, jan, jas, darez, par,
spä, Su), es lassen sich deshalb nur wenige Entsprechungen
beibringen, nämlich: aipi-jas hingehen (in’s Paradies) zu öpr
gam in etwas eingehen, bei jemand eintreten; atpi-jan töten
zu dpi-han abtreiben (die Frucht); aipi-Akarep niedermetzeln
zu dpi-kart abschneiden. Im Altpersischen findet sich api
mit Verben nicht. Über ixi bei Homer handelt La Roche
$279)] Kap.XV. I. ai. dpi, av. aipi, gr. Ext, lat. od, lit. -pi. 675
im 21. und 23. Bande der Zeitschrift für österreichische Gym-
nasien, der 204 Verbindungen von !rt mit Verben aufzählt.
Unter diesen Verben sind natürlich eine Reihe von solchen,
welche sich auch im Arischen finden, ich kann aber nur die
folgenden sich entsprechenden Verbindungen von Präp. und
Verbum namhaft machen: &rıßalvwo aufsteigen, besteigen (Land,
Schiffe, Wagen), auch von der Begattung der Thiere gebraucht,
zu ai. dpi-gam in etwas eingehen, bei jemand eintreten, inire
feminam;; &rırlönyı darauf, daran, dazu legen, während im Alt-
indischen das ‘hinein’ mehr hervortritt. Dagegen stimmen die
beiden Sprachen in der Bedeutung ‘darauf legen, schliessen’
überein, z. B. tö6sonv HAlßarov nerpnv inddnne Büpyaıv ı 243 (vgl.
auch &xtönna Deckel) ; dupas & Andünxe paeıvas p 45. Das Alt-
indische geht schon ein wenig weiter, indem es mit dem Instr.
konstruiert: d$mana bilam äpy adham ich habe das Loch mit
einem Steine geschlossen AV. 7, 35, 2; Ereruı darauf, daran,
dabei sein, während ai. @pi-as in etwas sein, nahe zusammen-
sein mit bedeutet, sodann ‘zufallen, zu theil werden’, z. B.
asme sd (rayir) dpi $yat uns möge der Reichthum zufallen
RV. 6, 68, 6, womit man vergleiche: äv&pas otoww &reorı piya
xparos Hymnus Demet. 150. Zu &rxıylyvonar (Eapos 8 &rıylverau
pn Z 148) lässt sich apiy4 hinzugeboren, nachgeboren ver-
gleichen. Äusserlich stimmen noch &rlorapaı und dpi-stha,
erırellw und aspt-car, &rıosdw und aipi-Su.
In einer Reihe von Fällen stimmt &ri vielmehr mit abAhi
dem Sinne nach überein, z, B. Ereıpı, &repyopar hinzugehen,
darauf los gehen, herankommen, ai. abht-i herankommen,
sich einstellen, zugehen auf, aufsuchen, losgehen auf; &rdp-
von: antreiben, loslassen gegen, ai. abAt-ar dringen zu (nach
Böhtlingk-Roth); &rxıreropaı hinzufliegen, herbeifliegen, ai.
abhi-pat herbeifliegen, hinzufliegen; &rırlew darüber schiffen,
befahren (also mit jener Nuance, die bei adhi so häufig ist);
ai. abhi-plu hinschiffen zu; Zrıppdw herbeiströmen in ra & &ndp-
pee edvea nerav A 724; ai. abhi-sru herströmen. Dagegen
Eerıppew in AAAA 1E mv xadönepdev Erıppdeı Hör Eiarov B 754 würde
einem dpi-sru entsprechen; &rıypepw dazutragen, ai. abhi-bhar
43*
676 Kap. XV. IL ai. dpi, av. aipi, gr. irt mit Kasus. [$ 279.
zuschieben (jemandem ein Vergehen): &rayw herbeiführen, ai.
abhi-aj (herbeibringen) vereinigen; &rıxlöo anhören, darauf
hören, ai. abAi-$ru hören, eig. hinhören; 2Zrıö£pxopar darauf
sehen, ai. abhs-dars anblicken; 2o&rw verfolgen, sich darauf
stürzen u. 8. w., ai. abhi-sac aufsuchen, sich jemand zuwenden:
ärıdyvvone darüber anziehen, darüber werfen, ai. abhi-vas sich
hüllen in, kaus. bekleiden, bedecken.
Ich folgere aus diesem Thatbestand, dass im griechischen
rt das alte *epi und *ebhr (s. unten S. 679), welches im Grie-
chischen *2»{ lauten würde, zusammengeflossen sind, und bin
mit anderen Gelehrten der Ansicht, dass dieses letztere ın
’Egrditns und &plopxos (dpıöpxous‘ Toüro da Too n Adye Phry-
nichus 280) erhalten sei. Die Bedeutung von &rtopxo; (Ertop-
xov Suvövar bei Homer) ist freilich schwer zu erklären. Sıe
würde es aber ebenso sein, wenn man in der Präp. das alte
*$pi annähme. Es scheint die “Beschwörung’, den Eid, durch
welchen man einem anderen zusetzt und ihn bewältigt, zu
bedeuten.
äpi, aipi, &rt ın Verbindung mit Kasus.
In den arischen Sprachen, wo eine solche Verbindung sehr
selten ist, finde ich den Akkusativ und den Lokalıs, den
ersteren im Avesta in den Sätzen: vispgqmca aıpi imqm zam
auf der ganzen Erde y. 57, 33, tqprygm aipi xJapanem in der
dunklen Nacht yt. 14, 13, wozu sich aus dem Griechischen
vergleichen lässt nf 5 des levar roAAhv Anl yalav; B 364,
ebdov ravvöyıos xal En Ida xal ueoov huap m 288 und vieles der
Art (La Roche 21, 90 ff). Sodann steht &ri mit dem Akk. im
Sinne von ‘auf etwas hin’, z. B. ööwp Zr yeipas Zyavav a 146,
Pr 8° ap Em Arpelörv Ayausuvova B 18 (vgl. a. a. O. 83 ff.).
Mit dem Lokalis findet sich @pi einige Mal ım RV. (SF. 5,
448), 2. B. yak pärthiväsö ya apam äpi vrate welche (Göttinnen'
irdisch nnd welche ım Bereich des Wassers sind RV. 5, 46, 7.
Diesem dp: entspricht 2r{ mit dem lokalen Dativ (La Roche
a. a. 0. 21, 94 ff.), z. B. roAla dE punpl’ Exre Bemv lepoto dri Io-
mots y 273, 8acor vöv Bporot elsıv Ent ydovi otrov Zöovres 9 222
u. 8. w. Es scheint aber, dass nicht alle Dative bei 2xi aus
$ 279.) Kap. XV. II. &xi mit Dat. Italisch op. 677
Lokalen zu erklären sind, vielmehr konnte vielleicht auch &xt
zu dem echten Dativ treten, worin wir dann eine griechische
Neuerung zu erkennen hätten, z. B. in Fällen wie: &t aAn-
Aorsıv tövres IT 15. Man hat sich das wohl so zu erklären,
dass der Dativ zuerst zu dem mit ri zusammengesetzten
Verbum trat, z. B. dpvis yap opıy Ernie M 200, oder rotar Ö
ei rpiros Hide Diloltios u 185, wo man zweifeln kann, ob &rl
näher zum Nomen oder zum Verbum zu ziehen ist. In diesem
&zi kann natürlich *eps und "ed)i stecken.
Eine Errungenschaft des Griechischen ist die Verbindung
von &xt mit dem Genitiv. Diese Konstruktion scheint ent-
standen zu sein bei den mit &r! zusammengesetzten Verben
des Strebens, neben denen ein Gen. des Zieles stand. Danach
stünden dem ursprünglichen Typus noch nahe Sätze wie die
folgenden: xAayyy al ye nerovrar En Qxeavoio poawy I’ 5, 7 xad-
vrepde Xtoro veoipneda nanalodsons, vnsov Eml Wuplns y 171, oöre
ROTE nporpenovro nelawvdwv int vnav E 700. Daran knüpfen
sich leicht Wendungen wie: xardönxev Ent yBdovds, ELer inl
öp6vou u. ähnl. und endlich Genitive der Ortsruhe wie &r &ypoü
u. ähnl. Nicht selten lässt sich noch in der angegebenen Rich-
tung ein Unterschied zwischen Gen. und Dativ spüren, z. B.
vna p£v ol ye pelaıwvav Em Hrelporo Epuaoav blood Eri Yapadoız
A 485. Oft aber scheinen schon bei Homer beide Verbin-
dungen gleichbedeutend.
Anhang.
Anhangsweise behandle ich das italische op und das
litauische -p:.
1. Italisch op. Es kann wohl keinem Zweifel unter-
liegen, dass das italische op mit dem idg. *epi übereinstimmt.
Das Verhältnis der Vokale pflegt man sich dadurch deutlich
zu machen, dass man es Ablaut nennt. Dieses op liegt vor
im Oskischen, wo es mit dem Ablativ als dem Vertreter des
Lokalis verbunden wird: püd üp eisüd sakaraklüd ist quod
apud id sacrum est Zvetajeff, Sylloge 56, 13; ne pon op tovtad
petirupert urust nisi cum apud populum quater oraverit 76, 14;
678 Kap. XV. II. Italisch op, litauisch -pi. [$ 279.
svae pis op eizois com altrud ligud acum herest si quis apud
ıllos cum altero lege agere volet 76, 23.
Aus dem Lateinischen wird op-erio dahin gestellt, und
es dürften wohl in dem Präverbium od, das in den meisten
Fällen auf abAi zurückgeht, auch einige solche op stecken.
Dahın gehören oddo vormachen, vorsetzen, vorschieben, vor-
stopfen, vgl. ai. dpi-dha hineinstecken, zudecken, verstopfen,
verschliessen; odsto dastehen bei etwas, hinderlich sein, vgl.
al. dpi-sthä in den Weg treten, dagegen in obsisto vor etwas
hintreten, sich widersetzen könnte od auf abhi zurückgehen.
Auch in odduco kann api und abAhi sich vereinigen, das erstere
in der Bedeutung vorziehen, zumachen, das zweite in der Be-
deutung: gegen etwas oder jemand heranführen. In manchen
Fällen bin ich in Zweifel, worauf od zurückgeht, z. B. bei
occubo, obstruo, obsaepio, occludo.
2. Litauisch -pi. Das lit. -ps, auch verkürzt zu p, er-
scheint hinter Genitiven, wobei es die Richtung bei Verben
der Bewegung angiebt, z. B. devöp zu Gott (vgl. Kurschat,
Gr. $ 1477, der pi seltsamer Weise von pri herleitet). In der
älteren Sprache findet es sich oft hinter Lokalen, z. B. devep
bei Gott (vgl. Bezzenberger, ZGLS. 251). Früher pflegte man
dieses ps mit *ept zusammenzubringen. Aber das s ist nicht
ursprünglich, sondern aus einem Diphthong entstanden, worauf
die lettische Präposition p3 hinweist, welche mit dem Genitiv
verbunden wird, 2. B. p} tewa bei dem Vater, p} laika bei Zeiten
(vgl. Bielenstein, Gr. $607). Damit wird von Fick in Bezzen-
berger’s Beitr. 7, 94 das argivische ro: (hin zu mit dem Akk.) ver-
glichen, über das Baunack in Curtius’ Studien 10, 104 gehandelt
hat (vgl. auch KZ. 30, 570). Der Form nach könnte nun diese
aus -p3, pi, zoı zu erschliessende Präposition ganz wohl zu lit.
ape (in der Zusammensetzung api und apy) gestellt werden,
zu dem sie sich verhalten würde, wie ai. pi- zu dpi. Aber
die Bedeutung macht Schwierigkeiten, da ap um bedeutet.
Es mag also die Frage, wie es sich mit diesen litauischen
Formen verhält, weiterer Forschung vorbehalten bleiben.
$ 280.] Kap. XV. II. abht, atwi, ob (amb-), bi (umbi), obü. 679
$ 280. Aı. abhi, av. aiwi, aidi, altp. abiy, lat. od
(umbd-), germ. bs (umbi), slav. obü.
Ich nehme an, dass die in der Übersicht genannten For-
men auf zwei Urpräpositionen zurückgehen.
Die erste bedeutet “auf zu’ und lautete im Idg. wahr-
scheinlich *ed% und mit Ablaut *odAz (vgl. das bei *&pi Gesagte),
die zweite bedeutete ‘zu beiden Seiten’ um’ und lautete wahr-
scheinlich *ambA? oder *mdhi. Die beiden einander nahe liegen-
den. Formen haben sich in den einzelnen Sprachen vermischt,
und zwar enthält ai. adhi und av. atwi die Grundform *ebAt,
während in abhitas und atwitas zu beiden Seiten die Grund-
form *mbhi steckt. Im Griechischen giebt. es nur geringe Reste
von *ebAi (vgl. oben S. 675£. bei &rt), während *amdAht durch
aut fortgesetzt wird. Im Lateinischen geht 05 auf *odAht, amb-
auf *ambhr zurück. Im Gotischen di stecken beide Formen,
in den übrigen altgermanischen Dialekten geht di auf *ebAi
oder *obhi, umbi auf *mbhi zurück. Das slavische odü ist der
Form nach gleich *odAt. Um dieser Mischungen willen stelle
ich die Einzelsprachen besonders dar. Bisweilen ist es mir
nicht gelungen, die Grenzlinien deutlich zu ziehen.
Altindisch und Avestisch (adAt, abi, am).
Dass ai. abhi, av. abi oder aiws und altp. adiy identisch
sind, ist unzweifelhaft. Gewöhnlich betrachtet man auch ar.
avi nur als abweichende Schreibung. Da aber der Zweifel an-
geregt worden ist (Hoffmann, die griechischen Dialekte 1, 306),
ob nicht avi eine besondere Urpräposition sei, so lasse ich die-
selbe bei Seite, wodurch dann freilich die Zahl der Parallelen,
welche sich zwischen Altindisch und Avestisch ziehen lassen,
erheblich vermindert wird. Über den Gebrauch von abhi mit
Verben habe ich SF. 5, 448 bemerkt: “abhi bezeichnet ‘herbei,
auf zu’. Dieser Sinn tritt deutlich hervor in der Verbindung
mit Verben der Bewegung und Thätigkeit. Häufig bezeichnet
dabei abhi diejenige Affızierung oder Bewältigung des Gegen-
standes, welche wir durch unser de ausdrücken, wobei dann
das intransitive Verbum transitiv wird.” Belege für abAi her-
bei, auf zu bei Verben der Bewegung sind: mit s und gam
680 Kap. XV. IL adk, aiei, ob (amb-), bi 'umbi:, obü. [5 280.
herankommen, mit drwu herbeieilen, mit vaA hinfahren, her-
beiführen, hinführen zu u. a. m. Es kann sich aber auch
bei denselben Verben der Sinn unseres de- entwickeln, z. B.
ai. abhi-i begehen, d. h. thatsächlich so viel als ‘gehen über
hin’, z. B. tam äuk$näit cärmabhih paßcatpränch vibhdjamänä
abhiyuh sie begingen die Erde von West nach Ost, sie mit
Rindsleder vermessend SB. 1, 2, 5, 2. Damit lässt sich ver-
gleichen: yö zem frabä atwyaiti welcher die Erde in ganzer
Breite begeht (Geldner: umwandert) yt. 10, 95. Geldner ge-
braucht ‘um’ auch KZ. 25, 508 in der Übersetzung von asiwivaz:
yaba avap hvarezsagtem Larasca harqm berezaitim fraca altı
atwica vazailg wie jenes Sonnengestirn über die hohe Haraiti
heraufkommt und herumfährt yt. 10, 118. Auch hier scheint
mir ‘besteigt’ oder eine ähnliche Wendung richtiger. Weitere
Belege sind ai. abAr-vars beregnen, abhi-vam bespeien, abhi-ıdh
(beflammen) mit Flammen umgeben, in Flammen setzen, abh+
mar (besterben) durch den Tod beflecken; av. arwı-aks beauf-
sichtigen, atwi-ruc beleuchten u. a. m. Aus der Vorstellung
der auf etwas hin gerichteten Thätigkeit geht leicht der Ge-
danke der Bewältigung hervor, so in abAt-bhu hart bedrängen,
übertreffen, überlegen sein, überwältigen. Endlich führe ich
noch, um den Übergang zu der Verbindung mit Kasus zu ver-
mitteln, folgende Worte aus SF. 5, 448 an: “Häufig tritt abhi
zu dem Nomen, welches zu dem Verbum gehört, derart in
innerliche Beziehung, dass wir es ‘mit Beziehung auf, zum
Nutzen oder Schaden von’ übersetzen, z. B. mit ric zu Gunsten
jemandes übrigbleiben, mit Jar für jemand geboren werden.
Ganz besonders häufig ist dieser Gebrauch, wenn abht die erste
von zwei Präpositionen ist, z. B. abAi ud « über jemand auf-
gehen (von der Sonne gesagt); abhi ud sarz) zum Schaden von
jemand knarren.”
Verbindung mit Kasus. 4AbAi erscheint nur bei dem
Akkusativ, in Bedeutungen, die sich nach dem Gesagten
von selbst ergeben, z. B. ud ir$va näry abhi jivalokdm erhebe
dich, o Frau, zur Welt der Lebendigen RV. 10, 18, 8; vi$oa yö
car$antr abhi der über alle Menschen ist RV. 1, 86, 5; rifam
$ 280.) Kap. XV. I. Lateinisch 02. 681
eväitdt sammukham k$atriyam abhy avivadınim kardti auf diese
Weise macht er das Volk zugeneigt, unrebellisch gegenüber
dem Herrscher SB. 3, 9,3, 3; tad ete ’bhi Slokah darauf beziehen
sich die folgenden Zeilen SB. 11, 5, 5, 12 (vgl. SF. 5, 449).
In den iranischen Sprachen erscheint unsere Präp. eben-
falls ganz überwiegend mit dem Akk. (vgl. Spiegel, Gramm. 454),
z.B. altp. hauv Atrina basta anäyata abiy mä dieser A. wurde
gebunden zu mir geführt Spiegel? 10, 82; ardi und atwi kom-
men überwiegend mit Verben vor. Ein Fall, in welchem a:bi
mit dem Lok. auftritt, scheint y. 43, 7 zu sein, wo es heisst:
ferasayai abi Pwahu gagpahu zur Befragung über deine Leute
(so Geldner, KZ. 30, 318). Man vergleiche über a:di noch
Baunack 349.1!)
Lateinisch od.
Das lateinische od ist schon oben S. 678 erwähnt worden,
wo gezeigt wurde, dass es in einigen Fällen der Fortsetzer des
idg. *eps sei, zu dem es in einem sogenannten Ablautsverhältnis
stehe. In den meisten Fällen aber entspricht o5 dem ai.
abhi. Für dieses haben wir oben um des Griechischen willen
eine Grundform *ebhi aufgestellt. Zu dieser würde sich die
Form, auf welche od zurückgeht ebenso verhalten wie das
oskische 0p zu *epi. Um zu zeigen, dass lat. ob dem ai.
abhi, av. atwi dem Sinn nach entspricht, erwähne ich zuerst
einige Fälle auch äusserlicher Entsprechung. Dahin gehören:
obvenio absichtlich bei etwas sich einfinden, begegnen, auf-
stossen, ai. abhi-gam herbeikommen, herankommen, folgen, nach-
gehen; odeo an oder in etwas gehen, dahingehen, sterben,
1) Der Vollständigkeit wegen erwähne ich noch die Verbindungen von
avi. Es steht der Akk.: yö razält? avi zrayö vourukasen welcher zum See
V. fliegt yt. 8,6; der Lok.: yezi ca afsa gadwa avi mademö [vä) västrg [va]
frajasäß wenn eine trächtige Hündin mitten in eine Hürde kommt vd. 15, 41
inach Geldner, KZ. 25, 197); der Dativ: yada azem fsaoni vabwa avabaräanı
avi mardä dämabyö dass ich den Geschöpfen des M. Futter und Heerden
verschaffe yt. 9, 9; der Abl.: ars stadra starösära avi kusräda kusröpatäda
(dich tragen die Vögel) zu Bergen und Bergspitzen aus Enge und Engpass
y. 10,11. Wenn es auch einmal mit dem Gen. erscheint ‚Spiegel 456), so
ist das ein partitiver, welcher den Akk. vertritt.
682 Kap.XV. II Lateinisch 08. 5 280.
sich an etwas machen, besuchen, bereisen, ai. adhi-t heran-
kommen, losgehen auf, erreichen, gelangen zu; odseguor Folge
leisten, sich hingeben, ai. abAt-sac aufsuchen, sich jemand zu-
wenden; oppeto entgegengehen, ai. abhi-pat herbeifliegen, . loe-
gehen; obverto gegen etwas hinwenden, ai. abAi-vart sich be-
geben, kommen nach oder zu, sich ergiessen in, sich hinziehen
nach, losgehen auf, entgegenkommen; obsideo besetzt halten,
auf etwas sitzen, belagern (also auf etwas hin, gegenüber sitzen),
ai. abhi-sad drohend gegenüber stehen, im Zaume halten; od-
tineo inne haben und ostendo !aus obs-) entgegenstrecken, ai.
abhi-tan sich ausbreiten vor oder über, vor etwas aufstellen
(also nur dem lat. ostendo ähnlich, an sich könnte abhr-tan
aber auch wohl “behalten” bedeuten); ofero entgegenbringen,
ai. abhi-bhar zuschieben (ein Verbrechen). In diesen Verbin-
dungen offenbaren sich bisweilen bei dem entsprechenden Verben
verschiedenartige Phasen der Bedeutung des Präverbiums. Ich
lasse nun einige Belege aus dem Lateinischen folgen, welche,
so gut es geht, nach dem Sinne des Präverbiums geordnet
sind. Voran stelle ich Verba der Bewegung und Thätigkeit,
bei denen od noch deutlich die Bedeutung “auf etwas hin’ hat:
occurro entgegenlaufen; ofundo hingiessen, verschütten, über-
schütten; odlundo gegen oder auf etwas schlagen, abstumpfen;
offendo anstossen; occido zu Boden schlagen; occido hinfallen:
occumbo hinfallen, niederfallen; odritor sich entgegenstemmen:
obluctor gegen etwas ankämpfen;; oppugno gegen etwas kämpfen,
berennen; odtcto entgegenwerfen, setzen, stellen; odgero dar-
bringen, darbieten; 0ppono hinsetzen, entgegenstellen; obirecio
gegen etwas arbeiten, Widersacher sein; officio entgegentreten,
in den Weg treten. Natürlich übersetzen wir manchmal durch
andere Richtungswörter, so in odorsor entstehen, z. B. obortae
sunt tenebrae, eig. auf etwas zu sich erheben; occulco nieder-
treten, eig. auf etwas; so auch opprimo niederdrücken; odtingo
berühren, zufallen; occupo einnehmen; occtpto anfangen; op-
perior erwarten u. s. w. Oboedio heisst “nach etwas hinhören’,
oboleo ursprünglich “nach einer Richtung hin einen Geruch
von sich geben. Besonders erwähne ich die Verba, welche
8.280.) Kap. XV. II. Lateinisch ob. 683
‘sprechen’ oder etwas Ähnliches bedeuten: odloguor gegen je-
mand reden, widersprechen, tadeln; odsecro beschwören; ob-
testor zum Zeugnis anrufen; odnuntio melden, hinterbringen,
verkündigen; odjyurgo tadeln, schelten; obludo gegen jemand
scherzen oder schäkern; odrogo einem Gesetze seine Gültigkeit
benehmen (wobei also das ‘entgegen’ besonders kräftig hervor-
tritt). — Schon unter den genannten Verbindungen sind manche,
in denen wir ob wie abAi durch unser be- übersetzen, wobei
also, wie ım Ai., die Vorstellung der Bewältigung vorschwebt.
Ebenso bei den folgenden: odaro überackern, beackern; obumbro
beschatten; occulo bedecken, verbergen; oblıno beschmieren,
bestreichen; odlimo verschlemmen, mit Schlamm bedecken;
obtego bedecken; obrubo verhüllen, bedecken; odruo über-
schütten, bedecken. Auch odstringo zuschnüren, zubinden,
heisst wohl eig. “beschnüren’; obsorbeo hinabschlürfen könnte
bedeuten “ein Getränk beschlürfen. In den Verben wie ob-
stupesco staır werden, odsurdesco taub werden, obticesco schweig-
sam werden, obmutesco verstummen, odduresco hart werden,
obdormisco einschlafen, odtorpesco starr werden bezeichnet ob
die auf einen Zustand hin eingeschlagene Richtung. Bisweilen
wird o5 auch durch “um” übersetzt, z. B. in obsideo, obvallo
mit einem Wall umgeben. Aber odsideo kann natürlich auch
bedeuten: sich, auf etwas los in Bewegung setzen (vgl. ai. dpa-
sad). In odvallo ist od nicht anders zu verstehen, als in ai.
abhi-dah eig. “bebrennen’, dann “mit Flammen umgeben’.
Ferner wird ob durch ‘herum’ übersetzt in obversor vor etwas
herumgehen, sich herumtreiben, z. B. castris, oculis, aber in od
liegt natürlich nur die Richtung auf den im Dativ stehenden
Gegenstand ausgedrückt. So auch in odamdulo, wenn ein Datıv
dabei steht, wie mur:is (Livaus). Der Sinn der Präp. wird
natürlich kein von Grund aus anderer, wenn obambulo ohne
Kasus als ‘hin und herspazieren, herumspazieren’ gebraucht
wird. Ebenso bei oderro, wobei auch noch ein Transitivum
“gleichsam beirren, beschweifen’ (Georges) ausgebildet ist. Daran
schliesst sich dann endlich odeo um etwas herumgehen (clıpeum
obit pellis circumdata Virgil), eig. begehen (vgl. adhi und bi).
AS4 Kap. XV. II. Lateinisch ob, gotisch bt. f& 280.
ich kann also keinen sicheren Fall finden, in welchem od
schon an und für sich der Sinn von ‘um’ hätte. — Ob omitio
wirklich od enthält, ıst zweifelhaft. — Dem aı. abkitas ent-
spricht amd in amdigo nach zwei Seiten hin streiten, ungewiss
sein, ambio herumgehen, amburo ringsherum, von aussen, halb
verbrennen u. 8. w.
Als Präposition wird od wie abki mit dem Akk. ver-
bunden, z. B. od Romam legiones ducere (Ennius); lanam ob
oculum habere (Plautus), sodann zur Bezeichnung des Zweckes,
zu dem man hinstrebt, z. B. od rem judicandam pecuniam ac-
cipere (Cicero), sodann daran anschliessend bei der Veranlassung,
z. B. 05 metum vor oder aus Furcht. Endlich auch zur Be-
zeichnung des Entgeltes, wogegen man etwas hingiebt, z. B.
ob asınos ferre argentum (Plautus).
Gotisch bt.
Das gotische Zi stimmt in einer Reihe von Fällen durchaus
mit abki und Genossen überein, z. B. bigiman &yistasdaı über-
fallen; dbihragjan übersetzt Luk. 19, 4 rpotpfyew, meint aber
wohl “hineilen zu’, nämlich zu dem gleich zu nennenden Feigen-
baum!); Ddigitan zupisxew; biniuhsjan xarasxorneiv nachspüren,
ausforschen ; bistiggan rpoonintewv, Tpoopnyvovaı, Tpoanörzeiv;
biaukan npootidevar; bisauljan nialveıy; bisvatrban &xuaoceıv (be-
wischen, vgl. abki-marj, das ebenfalls durch ‘“abwischen’ ungenau
wiedergegeben wird); biskaban (beschaben) scheren; bihvahan
virtesdar sich über und über waschen; dikukjan xaragıleıv mit
Küssen bedecken; dslatgon erıeiysıw belecken; bismeitan Erı-
xplerw; bispeivan &urtüsıwv; bilaskon turatleıv verspotten; bimampjan
dass. ; birodjan yoyybseıv, Srayoyyulsıv; Didomjan xpivsw; bisvaran
Gpxikerv (eig. beschwören); bifarhon rAeovsxteiv bevortheilen;
biplahjan xaraysläv; bibagkjan draloylleodar; biarbaidjan Yulorı-
netodar sich bemühen. In einigen Fällen könnte di den Sinn
von ”@po zu haben scheinen, so in dbtraubon sulav, &xöbeıw. Aber
es liegt hier wohl der Gedanke der Bewältigung vor, den wir
1) Ein Wort für unser ‘vorwärts scheint im Gotischen nicht vorban-
den gewesen zu sein.
$ 280.) Kap. XV. II. Gotisch bi. 685
bei abhi sich entwickeln sehen. Nach biraubon kann sich
biniman x\£rteıw gerichtet haben!). Man bemerke, dass wie ai.
abhi auch got. di- intransitive Verba transitiv macht (vgl. noch
Grimm, Gramm. 2, 798).
Es fragt sich nun, ob und inwieweit di auch die Bedeutung
‘um’ hat. Wir haben oben gesehen, dass abhi-dah, welches
eigentlich “bebrennen’ heisst, ganz wohl auch durch “mit Flammen
umgeben’ übersetzt werden kann. So hat denn auch diskeinan
eigentlich die Bedeutung “bescheinen’, kann aber gebraucht
werden, um das griechische repıapreıv wiederzugeben (Luk.
2, 9). So entsprechen noch andere gotische Verba mit dr
griechischen mit rep{, ohne dass man anzunehmen braucht,
dass die Präpositionen selbst sich decken. Dahin gehören
bibindan repıdetv, bigairdan nepızwvvövar, bivasbjan repıßalleıv,
repıxuxkoüv, bimastan reprräuverw (denn es kommt praktisch auf
dasselbe hinaus, ob man ‘beschneiden’ oder “umschneiden’ sagt,
wenn auch die ursprüngliche Anschauung ganz verschieden ist).
Das griechische xuxkouv ıst Joh. 10, 24 durch bırinnan wieder-
gegeben: Panuh birunnun ına Iudasess. Natürlich kann man
auch sagen: sie berannten ihn. Dasselbe giebt repırpeyeıv wieder
Mark. 6, 55: birinnandans all Pata gavi, wo man auch mit
(berennen) besuchen’ auskommen kann (vgl. oben av. a:bi-ya).
Bistandan repıstävaı und repıxuxAoöv lässt sich wohl mit abAr-
sthä vermitteln; dittuhan herumziehen, z.B. in dtlauh veihsa
Bisunjane giebt wohl repıdysıw wieder, kann aber auch ‘beziehen’
sein. In disarhvan kann man wohl eine Parallele zu abAr-ak$
finden (wenn auch Mark. 10, 23 ‘umherblicken’ das Natürliche
ist). In bihvairban ovveyerv Luk. 8, 45 kann möglicher Weise
das Drauflosdrängen ausgedrückt sein. In allen diesen Fällen
also kann man in dt- das Gegenbild von abAi finden, also.
als ursprünglichen Sinn “darauf los’ festhalten, wenn man auch
nicht dazu genöthigt ist. Unnatürlich aber würde mir diese Auf-
fassung scheinen bei disttan und bisunjane (was ja wahrscheinlich
1) Einige Fälle wie z. B. bileifan lasse ich absichtlich unerörtert,
wie ich denn auch auf die Heranziehung der übrigen germanischen Dialekte
verzichten muss.
686 Kap. XV. II. Gotisch di. (5 288.
eine Partizipialform ist, s. bei den Adverbien S. 591). Bisılan
übersetzt repıowxoüv: Jah varb qna allaım ayıs batm bisitandam
xal &ydvero &ml navras Pößos Tod; repioxoüvras adrous Luk. 1, 65;
bisitands ist reploıwos, repiympos. Abhi-sad heisst drohend
gegenüberstehen, im Zaum halten, und dem entsprechend ags.
bissttan obeidere und alts. disittian belagern. Damit lässt sich
‘Umwohner, Nachbar’ wohl zusammenbringen, aber doch nur
gezwungen. Ich halte also für wahrscheinlich, dass das ds des
ags. und alts. Wortes dem ai. abht entspricht, wie es bei Verben
erscheint, das got. 5 in disitan aber dem griech. duot und dem
ai. abhitas auf beiden Seiten.
ds mit Kasus. Auch in der Präposition lassen sich wie
in dem Präverbium die zwei Bestandtheile unterscheiden. Ich
stelle, wie bei dem Verbum, denjenigen Gebrauch voran, der
sich mit dem desai. abAhi deckt. Der altüberlieferte Kasus
dabeı ist der Akkusativ, daneben findet sıch der Dativ und
der Instrumentalis. Zunächst der Akkusativ. Der alte lokale
Gebrauch (‘auf etwas hin’) findet sich nur noch gelegent-
lich im Gotischen, so: jabai hvas uk stautai bi tashsvon Peina
kinnu Satıs os bantleı el; rhv Öefıdv oıaydva Matth. 5, 39. In
der Wendung n3 mannanhun bi vig goljaib ymöcva xard Tıv
650v donaoyode Luk. 10, 4 liegt wohl auch die Anschauung “auf
den Weg’ ursprünglich zu Grunde. Auch bi Aveila niundon
zepl Thy dvarıy opav kann zunächst ‘bis zur Stunde hin’, dann
‘zu der Stunde, in der Stunde’ bedeuten. Daran scheint sich
gelehnt zu haben: ds Verekan papam zur Zeit des Papstes
V. im cal. got. Doch könnte in diesen Zeitangaben auch ‘um’
stecken. Über andere Zeitangaben, die man bei Gabelentz-Loebe
ım Glossar verzeichnet findet, wage ich nicht zu urtheilen.
Bi tvans zu zweien 1 Kor. 14, 27 kann ursprünglich sein “bis
zu zweien‘. Der sog. ‘ethische’ Gebrauch von di mit dem Akk.
lässt sich völlig aus dem auch von Grabelentz-Loebe voran-
gestellten, nämlich “in Beziehung auf’ ableiten, der auch in
abhi hervortritt. Namentlich hebe ich hervor, dass ds ım Got.
bei den Verben stldaleikjan staunen, saurgan sorgen, unverjan
unwillig sein, birodjan murten, gasakan drohen, gavrargjan
$ 280.) Kap. XV. II. Got, alts. ds, ags. be. 687
verdammen, ulan dulden, kvopan sich rühmen, dtdjan bitten,
gretan weinen erscheint, so dass es durch ‘um, wegen, über
zu übersetzen ist und an das Gebiet des Instrumentalis
streift, letzteres namentlich auch ın liban bi hlaib ainana dr
äptw uövp Luk. 4,4. Ähnlich im Ahd. (Graff, Präpositionen 107)
und im Alts., wo aber nur Verba des Sagens in betracht
kommen. Diese in der Verbindung mit dem Akkusativ ent-
wickelten Bedeutungen sind nun auch in der Verbindung
mit dem lokalen Dativ (ursprünglich wohl dem Lokalis) und
dem Instrumentalis verwendet worden. In Verbindung mit
dem lokalen Dativ entsteht bei, und zwar natürlich zunächst
im Sinne der Bewegung nach etwas hin, z. B. e& Avan ni
gastaggjais bi staina fotu beinana wrote npooxndbms rpbs Aldov
tov nöda soo Luk. 4, 11; distagg ahva bi jainamma razna rpo<-
Eepprtev 6 roranös r7j olxig &xelvn Luk. 6, 48. Auch in andgreipan
und fairgreipan bi handau xpareiv Ts yeıpds kann man noch
das Fassen nach etwas hin verstehen. Einige Beispiele aus
dem Angelsächsischen entnehme ich Heyne’s Glossar zum
Beowulf: gefeng be eazle fasste an der Achsel, zledon leöfne
Peöden be mäste legten den lieben Herrn hin neben den Mast,
be healse genam nahm ihn beı’m Halse, fiel ihm um den Hals.
Im Sinne der Ortsruhe ist ds mit dem Dativ im Gotischen kaum
belegt, wohl aber in den anderen alten Dialekten, z. B. im
Angelsächsischen: sät be Dem gebrödrum tvem sass bei den bei-
den Brüdern, häfde be honda hatte an der Hand u. s. w. Auf
die Entwickelung der zeitlichen und ethischen Bedeutung von
dt mit dem Dativ gehe ich nicht ein. Mit dem Instr. erscheint
bi im Got. und Alts., und zwar im letzteren in der verständ-
lichen Bedeutung ‘wegen’ (di thiu deswegen, bi hvi weswegen).
Wie got. bsbe nachher, späterhin zu seiner Bedeutung gekom-
men ist, ist mir nicht recht klar.
Es folgt nun die Bedeutung ‘um? (ai. abhitas). Es gehören
dahin wohl Stellen wie satun bi ina managei &xddmro repl aurov
6xAos Mark. 3, 32; gasaihvands managans hiuhmans bi sik löwv
roAlo0g OyAous mepl adrov Matth. 8, 18 (vgl. ahd. bei Graff
8.181 do gisah der heilant managa menigt umbi sih); gavasıbs
688 Kap. XV. II. Slavisch obü, o. [5 280.
gairda bi hup seinana repl try S&apbv auroö Mark. 1, 6 (vgl. ahd.
Johannes habeta fellinan buohhah umbi sino lentın).
Demnach bin ich der Meinung, dass durch das got. di die
beiden alten Präpositionen *ebAi auf etwas hin, und mdAi auf
beiden Seiten, um repräsentiert sind. In den anderen ger-
manischen Dialekten ist, so viel ich sehe, die erstere durch
ags. be, alts. dt, ahd. di, die zweite durch ags. ymb (also ymb-
sittend Nachbar gleich got. bisitands), alts. umdi, ahd. umbi
vertreten. Zwar sehe ich, dass gelegentlich der ersten Form
auch ın diesen Dialekten die Bedeutung der zweiten gegeben
wird (z. B. Beov. 859 ‘im Umkreise der beiden Seen’), aber
man kann wohl auch da mit ‘bei’ u. s. w. auskommen (‘bei
den beiden’). |
Slavisch (odü, o).
Dass ou dem Sinne nach mit dem gotischen dt durchaus
übereinkommt, hat Miklosich 4, 218 ff. gezeigt. Indem ich mich
diesem Gelehrten anschliesse, erwähne ich zuerst einige Fälle,
die von ihm als dunkel bezeichnet werden. Es sind diejenigen,
in welchen der Sınn des aı. adhi darauf los, hin zu noch am
deutlichsten hervortritt. Dahin gehören: aksl. obresti finden,
nach Miklosich eigentlich “auf etwas kommen’, vgl. sä-resti zu-
sammentreffen, begegnen; aksl. oblesti u£veıv, decumbere, wohnen
bei, eig. ‘sich legen zu jemand hin (vgl. ai. abAi-8i liegen auf mit
Akk., abhi-Sri sich flüchten zu); serb. opasti 1. abfallen, 2. ver-
läumden in der ersten Bedeutung auf ofü zurückzuführen, in der
zweiten möchte M. es durch ‘anfallen’ erklären. Wenn russ. ody-
vati wohnen aus odü und byti zu erklären ist, so lässt sich ai.
abhi-bhü in der Bedeutung ‘sich zuwenden, kommen zu’ verglei-
chen. Aksl. odestati (aus obü-vestatt) heisst versprechen’, eigent-
lich“ in Beziehung auf etwas sprechen’; ähnlich serb. ogovorih
entschuldigen, vertheidigen, russ. ogovor:fi tadeln und verthei-
digen, eig. ‘über etwas sprechen’; russ. osuditi verurtheilen, eig.
“beurtheilen’. Aksl. opiti se heisst ‘sich betrinken’, obiyast! se
schwelgerisch sein. Noch besser als in diesen Medien kommt
das obü zu seiner Geltung in der russischen aktivischen Wen-
dung jego obüeh i opili man hat ihn arm gegessen und
$ 280.) Kap. XV. II. Slavisch obü, o. 689
getrunken, eig. auf ihn los gegessen. Häufig entspricht od&
unserem be-, wofür es genügt, einige Zeilen aus Miklosich an-
zuführen: “aksl. odajat! incantare, nhd. besprechen; obliyati
perfundere, begiessen; odlügait calumniari, ahd. pisprächön ob-
trectare; obonjyati odorarı, nhd. beriechen; obrositt irrorare, be-
thauen; oglagolatı calumniari; odarıt? donare, beschenken;
oklevetati calumniarı; oArasti furari, bestehlen; oplakati deflere,
beweinen; obarovati custodire, bewahren.” Das slavische odü
bedeutet aber auch ‘um’, wie das gotische 5. Dafür einige
altkirchenslavische Belge aus Miklosich: oditi (obü-stt) xuxAodv,
circumdare; obleZati nepıxeisdar, circumjacere; oblo2its repırıdtvar;
obüzırats circumspicere; obüstojati circumstare. In einigen
anderen Fällen kann derselbe Zweifel erhoben werden wie bei
dem got. b:.
Als Präposition findet sich o5& im cod. Mar. nur in
obü onü polü n&pav, Avtındpav, eigentlich “nach jener Seite hin’,
also wie abht, ferner in odü nosti dra vontdc. Wie diese Nuance
(got. alla naht) entstanden ist, weiss ich nicht. Die andere
Form o erscheint mit den Akkusativen: da ne jegda pretüknest
o kameni nogy tvojeje pnmore rpooxddlms npos Aldov tov ndda ou
Matth. 4, 6 (also wo im Gotischen db? mit dem Dat.-Lok. steht);
dazdü nama da jedinü o desnajq tebe ı jedinü o &jujq tebe se-
deve dos Tuiv Iva eis &x Öskımv oou xal eis 2 edwvupwv aou xadlom-
pev Mark.10,37 (eigentlich “uns zur Rechten hinsetzen’); metase
Zrebije o nje Balkovres xAnpov &r’ acra Mark. 15, 24. Mit dem
Lokalis kommt es in einer Weise vor, die sich an diese Akku-
sative angelehnt haben könnte: sübüra se narodü münogü o njemi
ouvnydn ÖyAos roAls dr’ aördv Mark. 5, 21. In anderen Stellen
hat es deutlich den Sinn von ayol, z. B. i pojasü usinenü o
ereslechü jego xal Lwvnv depparivnv zepl Thy dopüv adrod Mark.
1, 6; aste obloZetu kameni Zrünovünyji o vyji jego el neplxerrar
Aldog puAıxög nepl Töy tpaynAov adroö Mark. 9, 42; € sedease 0
njemi narodü xal &xadnro öyAos nepl adrdv Mark. 3, 32; © sqsteji
o Tyre i Sidone xat ol repl Töpov xal Zıöwva Mark. 3, 8. Wo o
in übertragener Bedeutung steht, weiss ich nicht mit Sicherheit
zu sagen, auf welche Grundbedeutung es zurückgeht. Einige
Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm. Sprachen. |. 44
690 Kap. XV. ID. gr. dpet, ahd. umbi, ai. ud, av. us. [$ 280-281.
Beispiele sind: divljachq se narodi 0 uceniji jego &kerinooovro ol
öykor drl Tä drdayt adtoö Matth. 7, 28; « Aako jestu pisano o
syne xal rag ytypantar Ertl töy vidv Mark. 9, 12; o künezi besü
izgonitü besy &v T® Apyovr. mv daroviov dxßaileı ta daruövıa
Matth. 9, 34.
Zum Schluss stelle ich noch einmal die Formen zusammen,
welche auf *ambAi, *mbhi zu beiden Seiten, um zurückgehen.
Es sind ai. abhitas, welches in der alten Prosa unzweifelhaft
‘zu beiden Seiten’ bedeutet, av. atwito dass., z. B. yım ancitö
mazdayasna histenta um welchen herum die M. stehen yt. 5, 98;
gr. aupl und lat. amb-, ahd. umbi u. s. w. Im Gotischen bi
stecken beide Urpräpositionen, wie im Slavischen odü&, o. In
den modernen slavischen Sprachen ist o ‘um’ meist durch oXolo
verdrängt. Da ich über die Konstruktion von di und o ‘um’
bei dem Gotischen und Altkirchenslavischen gehandelt habe,
füge ich hier nur noch einige Belege für aupi und ahd.
umbi u. s. w. bei (vgl. Monro? 170ff. und Graff 181). Sie er-
scheinen mit dem Akkusativ, z. B. aup! 8’&0v olAov ulov Zyeu-
ato nıyee Asuxm E 314; wo appl xprrmpa tpanelas Te rAndousa;
xeiusd" Evi peyapp A 419. Ahd.: do gisah der heilant managa
menigi umbs sıh; auch angewendet auf die Zeit: umbi dia
nuntun zit riof der heilant. Im Griechischen findet sich
ausserdem Dativ und Genitiv. Der (in der späteren Sprache
verschwundene) Dativ ist offenbar ein Lokalıs, z. B. zöpu yap
aup’ üporoıv Eysı adxos A 527; ferner bei streiten, z. B. apo’
"Elevy xal xıypası räcı nayesdar [' 70, woran sich einige andere
Verba angeschlossen haben wie pepunplw, nußeonar (vgl. unter
rept mit dem Gen.). Der Genitiv findet sich: naysodov riöaxos
aup’ öllyns TI 824; aelöcıv app’ "Apsos guAdrntos # 266. Er
scheint den Dativ verdrängt zu haben.
$ 281. Ai. dd, av. us, altp. ud und us, got. ul, us.
Mit ai. dd in die Höhe, heraus wird wohl got. ut hinaus,
heraus identisch sein, welches nicht mit dem Verbum zu-
sammengesetzt wird, sondern frei vor oder hinter ihm steht,
z. B. ut gaggan hinausgehen (auch ut usgaggan), ut batran
$& 281.) Kap. XV. IL ai. dd, av. us, got. ut, us. 691
hinaustragen, Ahtri ut komm heraus. Das Präverbium got. us
dagegen entspricht dem av. us, so dass man für die Urzeit neben
*id ein *uds anzusetzen haben wird. Da sich eine Verschieden-
heit der Bedeutung nicht entdecken lässt, behandle ich die in
der Überschrift genannten Wörter als identisch. Der Sinn ist
‘hinauf und insofern mit der Hinaufbewegung auch eine Hinaus-
bewegung verbunden ist ‘hinaus. Einige Beispiele sind: ai.
üd- aufgehen, hinausgehen, entkommen, av. us-t hervorgehen;
ai. dd-gam in die Höhe gehen, herausgehen, av. us-Jam zum Vor-
schein kommen, got. usgaggan hinausgehen, fortgehen; ai. ud-ar
sich erheben, av.us-arhervorgehen, auferstehen (vgl. got. urrinnar
ausgehen, aufgehen); ai. 4d-a$ an die Spitze kommen, av. us-as
hinaufdringen; ai. dd-ar hinaufathmen, ausathmen, got. usaran
aushauchen, den Geist aufgeben; aı. üd-stkä aufstehen, sich
aufmachen, entstehen, av. us-sta sich erheben, got. usstandan
aufstehen, aufbrechen; ai. dd-sad sich bei Seite machen, sich
entziehen, zu Ende gehen, verschwinden, got. vs-sttan aufsitzen,
sich aufrichten; ai. dd-gradh aufheben, heraufnehmen, erheben,
herausgreifen, herausziehen, wegnehmen, wegziehen, av. us-
garew erheben; ai. üd-bhar herausnehmen, heraustragen, aus-
lesen, av. us-bar heraustragen, got. usbatran hinaustragen, hervor-
bringen, vorbringen. Bemerkenswerth ist, dass bisweilen aus
dem hinaus ein bei Seite und hinweg wird, so bei ai. dd-sad
(s. oben); “d-vas kaus. aus seiner Stelle entfernen, versetzen;
üd-man aus dem Verstande herauskommen, verrückt werden;
av. us-vad kaus. aus dem Heirathen herausbringen, am Heirathen
hindern. Ferner beachte man ai. dd-ni und dd-sic aufschöpfen,
vollschöpfen und vergleiche got. usfulljan eig. auffüllen (s. auch
üd-par bei Böhtlingk-Roth), dann ausfüllen, erfüllen, vollständig
machen, ersetzen. Aus dem Gotischen erwähne ich noch:
usvandjan sich abwenden; usgimar umbringen, töten; usgildan
vergelten; usdbugjan erkaufen (aus den Händen des Inhabers);
usbidjan erbitten, usbulan erdulden (ob dem griech. av&tAn zu
vergleichen, also eig. ‘in die Höhe heben’?); usdliggoan durch-
bläuen, aushauen (wohl eigentlich ‘so schlagen, dass das Blut
herauskommt); usfilkan begraben ist mir nicht deutlich.
44*
692 Kap.XV. IL ai. spa, av. upa, gr. drö, got. uf. [$ 281—282.
Die Entwickelung unseres ur, er soll hier nicht verfolgt
werden.
Als Präposition zeigt sich unser Wort nur im Gotischen,
wo es mit dem ablativischen Dativ verbunden wird, z. B. bei
giman (stibna us himina eine Stimme aus dem Himmel;; us-
gaggan (us valın aus dem Wasser); usstandan (us daubasm von
den Toten) u. s. w. Die Übertragungen auf Zeit und Ursache
verstehen sich leicht. Eine gute Übersicht bietet das Glossar
von Grabelentz-Loebe.
6 282. Ai. dpa, av. altp. upa, gr. nd, got.uf (lat. sud).
Es lassen sich eine Reihe von Verbindungen anführen,
in denen das Altindische und Avestische übereinstimmen, so:
ai. und av. dpa-i sich nähern, sich fleischlich nähern, beschlafen ;
ai. üpa-gam hinzukommen, feindlich zusammenstossen, inire,
av. upa-jam hinzukommen; ai. &pa-stha hinzutreten, sich stellen
neben, sich bittend nähern, av. upa-sta hinzutreten; ai. upa-Iri
sich anlehnen, av. upa-sri sich anlehnen (so nach Geldner, drei
y. 107); ai. dpa-sac aufsuchen, av. upa-hac besuchen; ai. dpa-ay
herantreiben, av. upa-az hinbringen; ai. üpa-ni hinsuführen, av.
dase.; ai. ipa-bhar herbeitragen, bringen, av. upa-bar bringen;
ai. üpa-vah herbeiführen, bringen, av. upa-vaz hinführen; ai.
üpa-k$i sich aufhalten, wohnen in oder bei, bleiben; av. upa-
xzös wohnen; ai. dpa-yam unterlegen, zum Weibe nehmen, av.
upa-yam (in anupayalta) subigere puellam; ai. upa-han schlagen,
stossen auf, anstecken, berühren, av. upa-jan anschlagen, an-
stossen; ai. dpa-kart verletzen, av. upa-kareb schneiden; ai.
üpa-dhar tragen, stützen, av. upa-dar stützen (den Himmel);
ai. upa-dhar$ sich wagen an, av. upa-dares erzwingen; ai. üpa-
sar) draufgiessen (eig. dazugiessen), aussenden, av. upa-harez
hinwerfen (z. B. das Kleid über jemand), besprengen; ai. upa-
brü zu jemand sprechen, anrufen, zureden zu, av. upa-mrü an-
rufen; ai. upa-hva herbeirufen, einladen, einstimmen, beloben,
av. upa-zba rufen zu, anrufen; ai. dpa-situ preisen, besingen,
av. upa-stu preisen, beten. Zweifelhaft ist, welchem indischen
Verbum das avestische da in upa-da entspricht, welches nach
$ 282.) Kap. XV. I. ai. tipa, av. upa, gr. dn6, got. uf. 693
Geldner ‘sich fügen’ bedeutet. Ai. “pa-da heisst ‘auf sich
nehmen’ (als Last), dpa-dha darauflegen, daranlegen, ansetzen,
z. B. den Arm um eine Frau legen, die Zähne an etwas an-
getzen, Ziegel bei einem Bau auflegen, etwas an das Feuer,
auf das Feuer setzen, also scheint die Grundbedeutung: nahe
heranbringen.
Aus dieser Übersicht dürfte sich die Grundbedeutung ‘nahe
herzu, heran, herbei’ ergeben. Im Altindischen speziell zeigt
sich noch eine etwas andere Färbung der Bedeutung, über die
ich SF. 5, 454, indem ich üpa mit abhi und @ verglich, Fol-
gendes bemerkt habe: “dhav mit dpa heisst herzulaufen, seine
Zuflucht nehmen zu, mit abAhi losrennen auf; sar mit upa das-
selbe wie dhäv, mit abhi herbeilaufen, fliessen zu; car mit dpa
herbeikommen, sich nähern, hinzutreten um zu bedienen, je-
mandem an die Hand gehen, aufwarten, unternehmen, dagegen
mit abhi bezaubern; sad mit dpa sich setzen zu, nahen, heran-
treten, namentlich mit Verehrung, mit abAi drohend gegenüber-
stehen; sth@ mit uipa stehen bei, sich stellen neben, sıch bittend
nähern, mit abAi treten auf, bemeistern. In diesen Fällen tritt
deutlich folgender Unterschied hervor: in gewissen Verben mit
abhi zeigt sich der Sinn des Drauflosgehns und Bemeisterns,
mit dpa der des bescheidenen Nahens, d. ı. des Nahens von
unten. Der Gegensatz gegen ä& tritt in folgenden Beispielen
hervor: zunächst bei dkav (ü@ herbeilaufen), sad (& sich setzen
auf), stkä (@ etehen auf, besteigen), deren Verbindung mit «pa
und abhti eben erwähnt worden ist, nicht weniger bei einigen
anderen wie: 33 mit dpa liegen bei (die Frau bei, neben dem
Manne), mit & liegen in, auf; bei v:$ mit «pa sich setzen, mit
ä eingehen, eintreten; parc mit dpa hinzufügen, mehren, mit ä
erfüllen, vermischen; 5ar mit dpa hinzugeboren werden, hinzu-
kommen (von dem Schaltmonat gesagt), mit @ an einem Orte
geboren werden; yaj mit dpa dazu opfern, mit @ herbeiopfern.
Während also in @ das “in, an, auf” liegt, tritt bei dpa der Be-
griff des Sichanschmiegens, des Danebenseins, des Hinzugefügt-
werdens hervor. Danach dürfte sich aus dem Bisherigen als
die Bedeutung von tpa ergeben: unten an, nahe an, herbei,
694 Kap. XV. IL ai. spa, av. upa, gr. br, got. uf. [$ 282.
noch dazu”. Diese Beobachtungen sind richtig, nur muss hinzu-
gefügt werden, dass sich bei üöpa auch noch die Nuance des
“auf” findet. Schon im Vorhergehenden ist diese Bedeutung
hier und da aufgetreten, hier will ich namentlich noch das
Verbum wüpa-star (örootop&vvup:) anführen. Es heisst über-
breiten, wird gebraucht von der Decke, die man dem Rosse
überbreitet (RV. 1, 162, 16) und ım Ritual technisch von dem
Opferschmalz, welches so aufgegossen wird, dass es einen Über-
zug bildet, sodann daneben legen, umlegen, umkleiden mit,
z. B. im Ritual das Feuer mit Gräsern umlegen, endlich
unterstreuen, unterlegen, z. B. ein Fell, um darauf zu sitzen.
Wie sich diese Bedeutung ‘auf’ entwickelt habe, lässt sich aus
dem Altindischen nicht recht ersehen. Das Germanische und
Lateinische deuten darauf hin, dass ursprünglich eine von
unten auf erfolgende Bewegung gemeint war (etwa wie wenn
man einen schweren Stein fortbewegt), woraus sich dann "nach
oben hin, auf’ entwickeln konnte. Im Sanskrit zeigt sich
die so entstandene Doppelheit der Bedeutung recht auffallend
in dpara einerseits und upamd andererseits: tupara bedeutet
nach Böhtlingk “unterhalb gelegen, der untere, der hintere,
der spätere, der nähere, der benachbarte’, upama dagegen “der
oberste, höchste, der herrlichste, trefflichste, der nächste, erste’.
In dem zweifellos verwandten upar: tritt nur der Begriff des
oben hervor, wie in ön&p und got. wfar.
Ich komme zum Griechischen. In dieser Sprache ist
die Nuance des “Unter zur Alleinherrschaft gekommen (vgl.
die Aufzählung der bei Homer vorkommenden Zusammen-
setzungen mit önd von La Roche, ZFÖG. 12, 360 ff). Daher
lassen sich nur wenige Verbindungen anführen, welche auch
ın der Bedeutung den arischen entsprechen. So deckt sich
Örootop&vvupı wenigstens mit einem Theile der Bedeutung von
üpa-star; droLeöyvopn. anschirren mit dpa-yuy dass.; Öreıpı dar-
unter sein mit üpa-as in, unter etwas sein (unter dem Schutze des
Gottes, einmal in RV.). Gewöhnlich tritt der Gegensatz deut-
lich hervor, so heisst ördyw nicht wie das identische upa-ay
hinzuführen, sondern darunter führen, und sogar darunter
$ 282.) Kap. XV. II ai. upa, av, upa, gr. brn6, got. uf. 695
wegführen (sudducere); öÖplorapcı nicht mehr dazutreten, son-
dern sich darunter stellen, sich unterziehen; örop&pw nicht wie
üpa-bhar hinzubringen, sondern (unten) wegtragen, davon-
tragen.
Im Germanischen haben sich die Bedeutungen so ge-
theilt, dass das gotische uf (abgesehen von einigen Fällen der
Zusammensetzung mit dem Verbum) nur “unten an’ bedeutet,
die entsprechenden Formen der verwandten Dialekte aber, wie
altn. of, ahd. oda, opa (vgl. über dieselben J. Schmidt, KZ. 26, 32)
fast nur ‘oben an’. (Spuren des alten weiteren Gebrauches
werden uns im Altnordischen in der Verbindung mit Kasus
begegnen). Vermuthlich wirkte in diesen Sprachen die An-
ziehung von über stark ein. Auch war ja eine Präposition zu
entbehren, welche nur ein Synonymum von uzter darstellte.
Das gotische uf mit Verben entspricht meist dem griechischen
önö (wenn auch nicht dem ürd des griechisches Textes im neuen
Testament), z. B. ufdaupjan untertauchen, ufgairdan unter-
binden, umgürten, ufhausjan auf jemand hören, ihm gehorchen,
unterthan sein, ufhnatojan unterwerfen, ufligar unterliegen, zu
Ende gehen, verschmaehten, ufmeljan unterschreiben, ufsagggjan
versenken, wfsliupan einschlüpfen, sich einschleichen, dann
auch mit der bei önd nicht selten auftretenden Nuance:. sich
fortschleichen öroorelkeıy &aurdv Gral. 2, 12, ufstrauyyan unter-
streuen, unterbreiten. In manchen Fällen bleibt der genaue
Wortverstand von uf mir undeutlich, so in uförikan verachten,
übermüthig behandeln, ufdrinnan verbrennen, entbrennen, er-
hitzt werden, ufkunnan erkennen, erfahren, kennen, wissen,
ufbanjan ausdehnen. Nach Abzug dieser bleiben noch eine
Anzahl übrig, in denen wir uf durch ‘auf übersetzen, nämlich
ufbauljan und ufblesan aufblasen, ufhlohjan machen, dass je-
mand auflacht, ufkropjan aufschreien, ausrufen, ufsvogjan auf-
seufzen, ufoopjan aufschreien, ufgraban aufgraben, ufhaben
aufheben, emporhalten, ufrakjan in die Höhe strecken, aus-
strecken. Es scheint mir deutlich, dass in mehreren dieser
Fälle eine von unten auf erfolgende und in die Höhe strebende
Bewegung gemeint ist.
696 Kap. XV, U.ai upa, av. upa, gr. ur6, got. wf. [$ 282.
Lateinisch. Woher das lateinische sud sein s hat, weiss
man nicht. Es ist aber klar, dass es mit dpa u. s. w. dem
Sinne nach völlig übereinstimmt. Es bedeutet wie diese die
Bewegung unten an etwas hin und die Annäherung überhaupt,
z. B. subeo unter etwas gehen, sich ducken, herankommen,
subsido sich niedersetzen, subdo unterlegen, untersetzen, sub-
struo unterbauen, sudsterno unterstreuen, unterbreiten, subsum
darunter sein, in der Nähe sein, sudseguor unmittelbar nach-
folgen u.s. w. Aus der Anschauung des nahe Herankommens
(wobei aber nicht vollständiges Erreichen vorausgesetzt ist) ent-
wickelt sich im Lateinischen der abschwächende Sinn von
sub, welcher in der Zusammensetzung mit Nominibus und
Verbis häufig ist, z. B. sudlino unten hin schmieren, ein wenig
anschmieren, berappen, subaccuso ein wenig tadeln, subblandıor
ein wenig schmeicheln, subdubsto einigen Zweifel hegen. Ferner
hat sich das Unterschieben zum An-die-Stelle-Schieben (Er-
setzen) entwickelt, 8. B. sudstituo unter etwas stellen, an die
Stelle setzen, sufficto nachwählen, sublego und subrogo an die
Stelle jemandes wählen. Besonders deutlich erscheint bei sus
die von unten aus in die Höhe gehende Bewegung, z. B. succedo
unter etwas gehen, von unten herangehen, hinaufsteigen, sub-
duco darunter wegziehen, entziehen, benehmen, in die Höhe
ziehen (tunscam, supercilia, namentlich naves gleich aveixo!,
subicso unter oder unten an etwas werfen, in die Höhe werfen
(corpora saltu ın equos Virg.), submitto senken, erheben (oculos
Ovid.), subsilio in die Höhe springen (a sede), sublevo in die
Höhe heben, aufrichten, subrigo in die Höhe richten, erheben,
subveho hinaufführen, stromaufwärts führen, succingo von unten
herauf gürten, aufgürten u. s. w.
*ipo mit Kasus.
Die natürlichen Genossen einer Präposition von der Be-
deutung von *tpo sınd der Akkusativ und der Lokalis. Diese
finden sich denn auch überall, dazu noch der Instr. im Alt-
indischen, der Gen.-Abl. im Griechischen. 1. Der Akkusativ.
Im Altindischen im Sinne von hin-zu: indra yahi dhiyesitö
$ 282.] Kap. XV. U. ai. upa, av. upa, gr. br6, got. uf. 697
üpa brahmäni väghdtak komm herbei, o Indra, herbeigerufen
durch die Andacht und zu den Gebeten des Frommen RV.1, 3, 5.
Im iranischen Gebiete finde ich nur den Sinn des Verweilens
bei etwas, also die Konstruktion, welche sich zunächst bei Ver-
ben der Bewegung einstellte, auf Verba der Ruhe übertragen,
z. B. altp. kara Päarsa uta Mäda hya upa mam äha das persische
und medische Heer, das bei mir war Spiegel? 14, 18; av. iqm
yazata upa zrayö vourukasem er opferte ihr am See V. yt.5, 116.
Sodann auch bei Zeitbegriffen, z. B. upa usärhem um die Zeit
der Morgenröthe (vgl. önö vöxta, sub noctem) yt. 5, 62. Einmal
soll es im Altpersischen ‘für’ bedeuten. Im Griechischen
ist der Gebrauch ebenso, nur dass die Nuance des unten die
herrschende geworden ist, z. B. öro te on&os HAaoe yjka unten in
die Höhle, in den Schutz der Höhle A 279, önd Loyöv dyeıv,
önd "MAtov HAde kam bis unter Ilion u. ähnl. Auch bei Verben
der Ruhe, z. B. rentmas yap Exeıro bmd Bpdvov x 362, Basoı Eaaıv
om nda 7 neAıdv te d.h. auf der ganzen Erde E 267. Auch bei
Zeitbegriffen findet sich örd, z. B. 8; y &xdlevey Tpwal rori
arökıy Aynoaodaı voyxd nd rvd &lohv, Bre T pero dlos ’Ayuleüs
X 101. Dass dabei der Begriff der Erstreckung betont werde,
kann ich nicht finden. (II 202 hegt er in xä,). Bei Thukydides
findet sich örö Toüg adtods yp6vous, Önö vöxta u. ähnl. (La Roche
a.a.O. 344). Im Germanischen zeigt das Gotische den-
selben Gebrauch wie das Griechische, aber nur bei Verben der
Bewegung, z. B. ei uf hrot mein inn gaggats va you brd TIV
oteynv ela&Ady: Matth. 8, 8; dupe ei uf melan satjaidau \va br
zöy nöörov tedZ Mark. 4, 21. In den übrigen Dialekten ist die
Bedeutung ‘ob’ zur Entfaltung gelangt, doch hat sich im Alt-
nordischen noch die alte Verbindung mit Zeitbegriffen erhalten,
z. B. of midja nött um Mitternacht (vgl. Wilken, die pros. Edda,
Glossar unter of). Das lateinische su5 drückt wie das Prä-
verbium “unten an etwas hin’ oder “unter etwas hin’ aus, z. B.
sub montem succedunt mililes, exercitum sub jugum mittlere. Sub
noctem ist schon erwähnt. 2. Lokalis. Im Arischen z. B.
ai.amür ya pa süryö yäbhir va süryah sahd jene, welche bei der
Sonne sind oder mit denen die Sonne ist RV.1,23,17. Über üpa
698 Kap. XV. IL ai. upa, av. upa, gr. Ir.6, got. uf. "& 282.
dyari vgl. SF. 5, 455. Av. z. B. yapcıib ahi upa aodapsu
rarhayä wenn du an den Gewässern der R. bist yt. 12, 18.
Ebenso im Griechischen ('unter';, z.B. Epöouev @adavaroısı Teir,-
essa; dxarsudas xadl br6 rAaravistp B 306; xotunadv por Zrvos
on’ öppuatv 69sE gasıyv» = 236 u. ähnl. Wie in dieser Verbin-
dung der Sinn der bewegenden Ursache sich entwickelt, ist
von La Roche a. a. O. 348 ff. gezeigt worden. Aus dem Gebiet
des Germanischen begnüge ich mich wieder mit der An-
führung des Gotischen: svasre magun uf skadau ıs fuglos hi-
minis gabauan hore öbvasdaı Ind Thy oxıdv abrod Td rereıva Tou
oöpavod xatasxı,vouv Mark. 4, 32. Temporal z. B. uf Pauntiau
Peilatau unter Pontius Pilatus. Das lateinische sud bedeutet
“unten an’, ‘unter’, z.B. sub monte esse, sub terra habitare. Tem-
poral sub Zuce urbem ingredi u.ähnl. In temporalen Ausdrücken,
cervi sub ipsa die quam marıme invia petunt Plin. könnte viel-
leicht der Instr. stecken. So weit der Akk. und Lok. Mit dem
Instrumentalis verbindet sich üpa im Ai. in upa dyubhıh
im Laufe der Tage und, was auffälliger ist, in dpa dharmabhıh
gemäss der Ordnung. Vielleicht ist dpa mit dem Instr. pro-
ethnisch (vgl. das litauische pö mit dem Instr.).. Im Griechi-
schen verbindet sich önd mit dem ablativischen Genitiv
und so entsteht der Sinn ‘von unter etwas her’, z. B. Luyo3
öro vom Joche her unten, woraus sıch dann der Gedanke der
veranlassenden Kraft entwickeln kann (vgl. La Roche a. a. O.
354ff.), =. B. ol d Innous iv &ucav Önd Luyod töpwovras 8 39;
npwros On Apvsıod Audunv ı 463; nodwv Oro doörog öpwper Hesiod
Theog. 70; rxodüv 8 Gno doünov Axodw rn 10; Tudetöng bm &pelo
woßeupsvos Txero vras 8 149; xard 5 Enenkav nor yalg Ados dm
bınns 8 190; ol davov dv neölp Kıxdvwv Ero önwdtvres ı 66. Der
Gen. mit önd steht auch, wenn angegeben werden soll, dass
etwas sich unter etwas befindet, z. B. 6dı d ro vepdwv Erdev
tpnpwva neisıav W 874. Ich glaube, dass dieser Gebrauch aus
dem erstbehandelten entstanden ist, denn was man ünö Luyod
löst, befindet sich ürd Luyoö. Übrigens ist auch nicht zu ver-
gessen, dass die verschiedenen Präpositionen einander beein-
flussen können. Es kann bei diesem Gebrauche von rs also
$& 282—283.)] Kap. XV. II. lit. po, pa-, lett. pa, aksl. po. 699
auch ein Einfluss von &rt vorliegen. Doch weiss ich einen
solchen nicht nachzuweisen.
$ 283. lit. pö, pa-, lett. pa, aksl. po.
Ich halte es für nicht unwahrscheinlich, dass diese Präp.
zu "ipo gehören. Ein Beweis ist schwerlich zu erbringen.
Auf die Darstellung des Präverbiums, dessen Entwickelung mir
nicht klar geworden ist, verzichte ich, dagegen folgen hier
einige Bemerkungen über die Präp. Sie wird verbunden (vgl.
namentlich Bielenstein, lett. Spr. 296 ff., Miklosich 4, 226 ff.,
430 ff., 676 £., 652 ff.):
1. Mit dem Akkusativ. Im Litauischen bezeichnet sie
nach Kurschat fast so viel als durch, nur mit dem Neben-
begriff von hin und her, überall, z. B. jıs vdlkiojas pö visq
sveiq er treibt sich überall in der Welt umher. Bielenstein
macht darauf aufmerksam, dass eine Bewegung bezeichnet
werde, aber ohne bestimmte Richtung, z.B. pa tirgu staigat
auf dem Markte umhergehen. Im Lettischen soll pa mit Akk.
auch ‘unter’ bedeuten, wofür ich aber einen sicheren Beleg
vermisse. Über das slavische po sagt Miklosich, es bezeichne
den Raum, über den sich eine Thätigkeit erstreckt, ohne ihn
auszufüllen. Dieser Sinn könnte sich bei *4po mit dem Lok.
entwickelt haben und von da auf die Präp. mit dem Akk.
übergegangen sein. Näher mit dem alten Sinn von ödpo würde
die Bedeutung stimmen, welche Miklosich 4, 431 angiebt, wonach
es räumlich und zeitlich die Grenze bezeichnen soll, bis zu
welcher sich eine Thätigkeit erstreckt. Ich muss das Ur-
theil darüber den Kennern überlassen. 2. Mit dem In-
strumentalis im Lit. in der Bedeutung unter, z. B. pö
zeme gyventi unter der Erde wohnen. Das scheint das alte
*ipo zu sein. 3. Mit dem Lokalis im Slavischen. Dort tritt
es zu demjenigen, hinter und nach dem eine Bewegung statt-
findet, z.B. itt po komi jemand nachfolgen. Wenn *dpo ur-
sprünglich ‘bis heran’ bedeutet, so könnte sich auch ‘dicht
hinter’ daraus entwickelt haben, es könnte aber auch das Wort
für hinter (ai. paSca u. s. w.) in Frage kommen. 4. Mit dem
Dativ, im Slavischen häufig, im Lit. nur in einigen Wendungen.
700 Kap. XV. IL. parı, pairt, zipl, per, fair, per. [5 2835—284.
Über die Entstehung dieser Verbindung weiss ich etwas Be-
stimmtes nicht zu sagen. 5. Mit dem Genitiv ım Lit. ge-
wöhnlich im Sinne von ‘nach’ (von der Zeit), z. B. ne pö :ilgo
nach nicht langer Zeit. Vereinzelt auch in einer Weise, dass
man eher den Lokalis erwarten möchte, nämlich: p6 aks@ vor
den Augen, pö deszines zur Rechten.
W. Müller in Kuhn und Schleicher’s Beiträgen 8, 103 ist
der Meinung, dass die slavische Ursprache, also auch das
Litauische, nur die Verbindung mit dem Akk. und dem Lok.
gekannt habe. Ich weiss nicht, ob er Recht hat.
6 284. Ai. pdri, av. pairi, altp. parıy, gr. zepi
(r&pı), lat. per, got. fair, lit. pe? (aksl. pre-).
Über rept und seine arischen Verwandten hat Sonne, KZ.
14, 1ff. gehandelt. Er geht von der, wie ich glaube (s. oben
8.659 ff.), unrichtigen Ansicht aus, dass in dem freien (adverbialen)
Gebrauch des Wortes der älteste Sinn stecke, und da nun repı
öfter im Sinne des Übertreffens steht, so setzt er ‘über’ als Ur-
bedeutung an. Die Bedeutung ‘um’, die er nicht leugnet,
glaubt er mit über nicht vereinigen zu können, verzichtet
also darauf, einen ‘Generalnenner zu finden. Von wesentlich
demselben Material geht Grassmann, Wb. s. v. aus, der aber zu
einer anderen Grundauffassung gelangt. Er sagt: “die Grund-
bedeutung ist die der räumlichen Umgebung. Da das Um-
fassende nothwendig grösser ist, äls das Umfasste, so geht aus
dem Grundbegriffe der Begriff der Überragung (in Zusammen-
fügungen und Zusammensetzungen) hervor, ein Übergang, der
sich besonders in der Zusammenfügung von 5h% mit part klar
darlegt. Dagegen tritt der Begriff des räumlich höher gelegenen
(Sonne, KZ. 14, 3 ff.) nirgends weder im Sanskrit noch in den
verwandten Sprachen hervor.” Ich bin der Ansicht, dass man
Grassmann in dieser Polemik gegen Sonne Recht geben muss.
Auf weıt umfassenderen Sammlungen beruht die Darstellung
von J. Schmidt, Vokalismus 2, 99 ff., der auch das Lateinische,
Litauische und Slavische herbeizieht. Er stellt folgendes
Schema auf:
& 284.) Kap. XV. II päri, paırs, zepl, per, fair, per. 701
I. Darüber hinaus
1a. lokal,
1b. Übergang von einer Form in die andere, z. B. |it.
perdaryti umarbeiten, ändern, gr. repıloranaı,
ic. aus 1b. entwickelt, eine Wiederholung ausdrückend,
z. B. russ. peregovorsfi seine Worte wiederholen.
2a. darüber hinaus, das Mass überschreitend,
2b. übertreffen.
II. 1. herum,
2. der Reihe nach, z. B. lat. percensere einzeln durch-
mustern.
IH. 1. hindurch,
2. ZEI-.
IV. Vollendung oder hoher Grad der Handlung oder des
Zustandes,
ia. Vollendung,
1b. Aufhören, z. B. lit. perzydeii verblühen und die
Blüthezeit überdauern, nicht mehr blühen,
2. hoher Grad,
3. Dauer, z. B. lat. persedeo sıtzen bleiben.
Ich bin mit J. Schmidt S. 100 der Meinung, dass auf die
Art des Fachwerkes nicht viel ankommt. Wir sind doch nicht
in der Lage, die geschichtliche Entwickelung lückenlos zu ver-
folgen. Im Leben schliesst sich ein leichter Übergang un-
merklich an den anderen, uns gehen eine Anzahl solcher
Übergänge verloren, und so erscheinen getrennt von einander
die verschiedenen “Bedeutungen’, deren Vereinigung Aufgabe
unserer wissenschaftlich geschulten Phantasie ist. Wenn ich
doch in der Anordnung von J. Schmidt abweiche, so geschieht
es, weil ich denke, man könne etwas historischer verfahren.
Ich habe den Eindruck, dass der älteste Gebrauch in den
arıschen Sprachen und dem Griechischen vorliegt, und stelle
diesen an die Spitze. Von der später erschienenen Literatur
erwähne ich noch Zycha, zum Gebrauch von rept (bei Homer,
Hesiod, Pindar, Herodot und den Tragikern), Wien 1886,
702 Kap. XV. LU. pärt, pairi, zepl, per, fair, per. [$ 284.
Programm, und einen Aufsatz von Stolz über per und Anhang
ın Wölfflin’s Archiv 2, 497 fl.
I. *oerı als Präverbium.
Die erste Schicht bilden ai. pari, av. pasri, gr. zept.
1. Für die Grundbedeutung halte ich ‘um’. Dieselbe tritt
deutlich hervor in Verbindungen wie ai. päri-5 umhergehen,
umwandeln, replsını dass.; ai. pars-gam und ga umherziehen,
umwandeln, umgeben, sich nach allen Seiten verbreiten, dahin-
gehen, abscheiden, av. pairi-jas, z. B. in pasritacap, pairijasap
yt. 17, 26 was Greeldner übersetzt: sprang bei und stand zur
Seite (eigentlich “umgab’, hier mit Übertragung auf einen ein-
zelnen), repıßatvw umschreiten, umgehen, umwandeln, (das Pferd)
besteigen, eig. mit den Beinen umgeben; ai. part-car sich umher-
bewegen, umherwandeln, umwandeln, bedienen, repıreionaı
sich herumbewegen, umher sein; ai. pari-sru ringsum herbei-
fliessen, abträufeln, umherschwimmen, repıppgw umströmen; ai.
par:-as herumsitzen, sitzen bleiben, repıxadnpar rings umher
sitzen, belagern; ai. pari-$i herumliegen um, umfassen, sich
befinden in oder an, reptxerpa:ı dass.; ai. part-stha umstehen,
ım Wege stehen, hemmen, hindern; zeptloraue sich rings-
herum stellen, umstehen, umstellen (z. B. ein Wild), die vor-
bereitende Stufe zu ai. hemmen; ai. pärı-dha herumlegen, um-
legen (z.B. ein Gewand), umgeben, reprr{öng: dass.; ai. pari-vas
anziehen, repıvvupı dass. Dazu liessen sich noch eine Menge
von Belegen aus den Einzelsprachen stellen.
2. Die Bedeutung “hindurch”. Übergang von einem zum
anderen. Nicht selten kommt man ım Veda ın die Lage pari
mit ‘durch’ zu übersetzen. Grassmann thut das in seinem
Wörterbuch zum Rigveda bei päri-s durchwandern, päri-ga
hindurchwandern zu, pärt-dru umlaufen, hindurchlaufen, part-
dhav herumfliessen oder hindurchfliessen, pars-ya umherwan-
dern, umherfahren, umwandern, durchwandern, durchfahren,
hindurchrinnen, durchlaufen (ähnlich auch Böhtlingk-Roth),
päri-vi$ hindurchgehen in, päri-vart durchrollen. Böhtlingk-
Roth übersetzen par:i-pu (Grassmann: hell hinströmen zu) mit
durchseihen, läutern. Es handelt sich um Stellen wie die
$ 284.] Kap. XV. II. parı, parri, nept, per, fair, per. 1703
folgenden: ya gäur vartanim paryeti nigkrtam die Kuh, welche
ihren bestimmten Weg wandelt RV. 10, 65, 6; utd dyaväprthivi
yathana pari ıhr umwandert (durchwandert) Himmel und Erde
5, 55, 7, wobei doch die Anschauung ist, dass die Erde ‘durch-
quert' wird. Dann wird par: öfter von dem Soma gebraucht,
der durch die Seihe rinnt, z. B. dvyö var pari dhäva laufe
durch den Schweif des Schafes 9, 86, 48 und so öfter, wobei
mir die zu Grunde liegende Anschauung nicht immer ganz klar
ist. Aus dem Epös ziehen Böhtlingk-Roth Stellen herbei, wie:
dvärakäm paridhävati er läuft in der Stadt Dv. herum, durch-
läuft sie. Man sieht also, dass man an einen Rundgang zu
denken hat, bei dem man von einem Punkte zum andern ge-
langt. So braucht der Römer perambulo von dem Aırzte, der
bei seinen Kranken umhergeht, und so sagt Petronius: per-
basıo der Reihe nach abküssen, nämlich circumeuntem puerum.
Natürlich kann dann auch der Gedanke des Rundganges
mehr zurücktreten, so dass nur das ‘durch’ übrig bleibt. Im
Griechischen scheint sich etwas genau Entsprechendes nicht
zu finden, da für ‘durch’ öi4 zu Gebote stand. Dagegen zeigt
sich eine Parallele bei einer Bedeutung, die der eben genann-
ten nahe liegt. Im Aı. heisst par:-sic umgiessen, aus einem
Gefäss in das andere giessen, eine Nuance die an die Vor-
stellung des Rundganges (par:-i u. s. w.) anzuknüpfen scheint.
So im Griech. xepıfotnpı umändern, zepieıpt, rnepr£pyonaı über-
gehen (von der Herrschaft gesagt).
3. In zwei Gruppen übersetzen wir päri durch “über”,
nämlich a) bei den Verben, welche ein Übersehen u. ähnl. be-
deuten, b) bei Übertreffen.
a) Übersehen u. s. w. SF. 5, 459 habe ich bemerkt: “In
einigen Fällen übersetzen wir par: mit über, doch ist die Zu-
rückführung auf den ursprünglichen Sinn noch wohl möglich.
Wie pärt-vart sich drehen, aber auch sich hin und her be-
wegen, sich tummeln bedeutet, so heisst dhar mit part zwar
ursprünglich sich im Kreise herumbewegen, dann überhaupt
sich umherbewegen, sich ausbreiten über; pa$ mit pari seinen
Blick herumgehen lassen, überblicken, und hieran knüpft sich
704 Kap. XV. II pärs, pairi, rept, per, faır, per. ($ 284.
wie im Deutschen (im Gegensatz gegen die Anschauung des
fest haftenden Blickes) der Begriff des Übersehens. So heisst
auch pärt-cak$ übersehen, übergehen, verschmähen, für schuldig
erklären und ebenso parı-man übersehen, vernachlässigen RV.
7, 59, 3.” Jetzt füge ich noch eine Anzahl von interessanten
Ausdrücken hinzu, welche ich in den Abhandlungen der Sächs.
Ges. d. Wiss. 11, 580f. behandelt habe, nämlich paryädhatar
der jüngste Bruder, welcher das adhana vollzogen hat, obwohl
es der älteste noch nicht gethan, dazu ist paryahsta der passiv
betheiligte ältere Bruder; parsyaffar ıst der jüngere Bruder,
welcher einem älteren bei dem Somaopfer zuvor gekommen
ist, pari$fa der überholte und übergangene ältere; parivioidand
der beim Heirathen zu seinem Vortheil übergangen hat, parı-
rıttda der passıv Betheiligte, dazu die Substantiva partveller
(aktiv), parsortti (passiv)... Dazu kommen noch jüngere Aus-
drücke bei J. Schmidt a. a. O. 104. Im Griechischen findet sich
genau Vergleichbares bei Homer wohl nicht. Ich erwähne
repiopaw 1. umhersehen, sich nach allen Seiten umblicken,
2. übersehen, darüber weg sehen, nicht beachten; reptopovew
1. von allen Seiten überlegen, überdenken, erwägen (Aristo-
phanes), 2. sich darüber hinweg setzen, verachten (Thukydides.
b) Übertreffen. Es stimmen zusammen: ai. päri-as und
repisip:, pars-jan und repıytyvona. Was pars-as betrifft, so
stimmen die Veda-Interpreten ın der Auffassung mancher Stelle
nicht überein; nach meiner Ansicht müssen zu päri-as auch
manche Stellen gezogen werden, in welchen die Form von as
fehlt (vgl. das Kapitel über die Ellipse), und sind die Be-
deutungen so zu bestimmen: 1. herum sein um: nädrayak päri
$anto varanta nicht hinderten dich die umgebenden Felsen
RV. 3, 32, 16; 2. hemmen (vgl. pari-sthä): ava nö väajayım
ratham sukaram te kim it päri fördere unseren wettfahrenden
Wagen, leicht ist es dir, was steht im Wege? 8, 80, 6 (so Böht-
lingk-Roth, seltsam ist Ludwig’s Auffassung: “was wichtiger”);
präcinena mänasä barkänävata yad adya cit Krndvah käs trä
parı wenn du mit vorwärtsstrebendem, emmstlichem Entschluss
heute handeln wirst, wer hindert dich? 1, 54, 5 (so Böhtlingk-
$ 284.) Kap. XV. II. ai. pdri, av. pairi, gr. repf. 705
Roth, Ludwig: wer ist da bei dir); 3. überholen, übertreffen:
ndkth sudaso rdtham päry üsa nd riramat niemand überholt
den Wagen des Sudäs, noch bringt ihn zum Stehen 7, 32, 10;
näsya te mahimänam pdri $tah die beiden (Himmel und Erde)
übertreffen nicht seine Grösse 1, 61, 8; päry asya mahimä prthi-
vim samudrdm seine Grösse übertrifft die Erde und das Meer
AV. 13, 2, 45. Die bekannte Stelle RV. 7,103, 7 samvatsardsya
tad dhah pärı $tha übersetzen Böhtlingk-Roth jetzt nicht mehr
‘ihr verbringt diesen Tag des Jahres’, sondern, wie aus Böht-
lingk’s Wb. hervorgeht: “ihr (überholt) haltet nicht ein’. Das-
homerische rzepteıpı heisst übertreffen, wird aber nicht wie
pärt-as mit dem Akk., sondern wegen seines komparativischen
Sinnes mit dem Gren.-Abl. verbunden: 2reil replescı yuovaınv
etöos co 248, vgl. Sonne, a. a. O. 7. Sodann wohl pari-jan und
reptyiyvopar. rneptylyvopar findet sich: yntı 8° Tivloyos repıylverau
ivıdyoro W318; Socov repıylvoued” AaMwy üb Te nakaıspoouvn
te 8 102. Damit vergleiche ich: iad äditya mahi tat te mahi
$Sravo ydd &kö vılvam pdri bhüma jäyase das, o Sonne, ist deine
Grösse, ja dein grosser Ruhm, dass du allein gewaltiger bist
als alle Welt, die ganze Welt übertriffst AV. 13, 2, 3. (Böht-
lingk-Roth ziehen pdr: zu dem Akk. und übersetzen: “dass du
allein bist gegenüber der ganzen Welt’) Aus dem homerischen
Griechisch kommt noch rxepıBaAlw hinzu. Anders steht es mit
pari-bhü gleich repıpüvaı. Part-bhü heisst: um etwas her sein,
umfangen, umfassen, einschliessen, in sich enthalten, und darin
stimmt repıyövar zu. Ausserdem aber bedeutet pars-bhu auch
noch: übertreffen, mehr sein, bemeistern, besiegen. Es scheint,
dass diese Bedeutungen sich gut ın der von Grassmann ge-
wählten Weise vermitteln lassen, also überhaupt das ‘über’ wie
‘übertreffen’ sich aus dem ‘um’ erklären lässt.
4. Hoher Grad, Vollendung. Man kann ‘herum’ auch
gebrauchen, wenn man den Nachdruck auf die vollständige
Vollbringung einer Handlung legt. So kann man unsere Präp.
allenfalls mit ‘vollständig, ganz, sehr’ übersetzen, und ihr
mithin einen verstärkenden Sinn zuschreiben. Ich habe a. a. O.
für diesen Sinn aus dem Altindischen beigebracht: part mit
Delbrück, Vergl Syntax der indogerm. Sprachen. I, 45
706 Kap. XV. I. ai. pürt, av. pairi, gr. nepl. [$ 284.
vand loben, rühmen, preisen (einmal ım AV.), %&# erkennen,
genau wissen (einmal im RV., dann im Epos), vid genau wissen
(dreimal vedisch) und man könnte vielleicht noch einige Fälle
hinzufügen, in welchen der Sinn der Präp. nicht genau fassbar
ist. Als Nominalzusammensetzungen bringt Sonne a. a.O. 20
aus dem Veda bei: paripri (einmal RV.) lieb, theuer (vgl. pari-
prita dem man Liebes erweist, schmeichelt, wohl urspr. um-
schmeichelt), partdvegas (einmal RV.) hassend, feindlich; part-
manyü eifersüchtig, grollend. In der späteren Sprache giebt
es einige Beispiele mehr, z. B. paricapala überaus beweglich,
paridina überaus betrübt, partyata vollkommen ausgereift in
aparijäta unreif geboren, nicht lebensfähig zur Welt gekommen.
Im Griechischen findet sich rspl olöa gleich pdri voda, ferner
tov repl Moüo’ Zptinoe, nepl uev oe tiov Aavaol u. ähnl. (Sonne,
a.a.0. 7). Ferner in Zusammensetzungen, z. B. repwaldr;,
rspıunxns, replppav u.8.w. Dazu kommen aus dem Altindi-
schen noch einige Verbindungen von pars mit Verben der Be-
wegung u. ähnl., z. B. mit i umwandeln, aber auch erreichen;
mit ya und ga dass.; mit a$ eintreffen bei, erreichen; mit ap
erreichen, gewinnen, Verbindungen, in welchen ein vollständiges
Erreichen des erstrebten Zieles ausgedrückt ist.
5. Die bis hierher genannten Bedeutungszentren stehen
in einem gewissen Zusammenhang unter einander. Zum Schluss
habe ich noch eine Anwendung von pdri-repl zu erwähnen,
welche fremdartig ist. Die Präposition scheint auch Abwen-
dung und Ausschliessung zu bedeuten, so in ai. parı-bädh
ausschliessen von, schützen vor; pdri-varj ausbiegen, ausweichen;
gr. repıräpuvonar abschneiden, reptarpeoncı abziehen, entreissen.
Man könnte sagen, dass bei diesen Verbindungen die ‘Aus-
schliessung’ im Verbum, in dem Präverbium aber der nicht
deutlich hervortretende Begriff der Vollendung liege. Aber
diese Auskunft wird jedenfalls bei repröüw versagen, welches
A 100 nichts anderes als ‘ausziehen’ bedeuten kann. Ich
möchte annehmen, dass in diesem Falle der an der Präp. m
ihrer Verbindung mit dem Kasus, dieses Mal dem Ablatıv, ent-
wickelte Sinn auf das Präverbium übertragen worden sei (vgl.
$ 284.] Kap. XV. II. lat. per, lit. per, (aksl. pre), got. farr. 707
part mit Abl.). Die Verbindung wäre also ebenso aufzufassen,
wie etwa in reptpapvanaı, Tepıywopat, wo repı- auch innerlich
zu einem Nomen in Beziehung steht.
Lat. per, lit. pef (aksl. pre), got. fair.
Die zweite Schicht bilden lat. per, lit. pef, aksl. pre
(welchem russ. pere entspricht). Zwar kann das aksl. pre auch
auf ein proethnisches *pra? zurückgehen, aber die Bedeutungen,
wenigstens die des Präverbiums, stimmen so genau mit dem
ht. pe’ überein, dass man annehmen muss, pre sei die Form,
welche *per(ö) vor Konsonanten erhalten musste, (ausser im
Russischen, wo pere eintrat). Ich verfolge nun auch an dieser
Stelle die oben aufgestellten Bedeutungen und verweise hin-
sichtlich des Materials im allgemeinen auf die Darstellung von
J. Schmidt.
1. Die Bedeutung ‘um’ ist kaum mehr vorhanden. Im
Lateinischen ist dafür circum, im Litauischen ap&, im Slavi-
schen od% und als Präp. oAolo üblich geworden. Aus dem
Lateinischen rechnet J. Schmidt a. a. O. 105 hierher Verba wie
perluo abspülen; perfundo übergiessen; pertego ganz bedecken;
perlino überschmieren; perspergo besprengen; pertergo ab-
wischen, leicht berühren; pertracto überall betasten; pervello
bezupfen, berupfen. Man wird aber wohl gestehen, dass von
diesen Verben aus sich nicht unmittelbar ein Grundbegriff ‘um,
ringsum’ oder, wie Schmidt sagt, ‘herum’ gewinnen lässt, eher
“über hin, durch hin’, und dasselbe gilt von den Verben, welche
Stolz S. 500 unter 1. als zu der Bedeutung ‘ringsum, rings-
umher, der Reihe nach’ gehörig aufführt, wie z. B. peragro
durchwandern; perequito fort und fort reiten, überall umher-
reiten, durchreiten u. ähnl. Was sich aus dem Litauischen und
Slavischen beibringen lässt, sehe man bei J. Schmidt. Derselbe
erwähnt auch got. farr-veitjan umher spähen und fairgreipands
handu die Hand umgreifend, d.h. ergreifend.
2. Durch und über einen Raum oder eine Zeithin.
Wie man sich die Vermittlung mit ‘um’ zu denken hat, ist
oben S. 702 gezeigt worden. Beispiele aus dem Lateinischen,
die Hauptmasse des per ausmachend, finden sich bei Stolz 500, 1.
45*
708 Kap. XV. II lat. per, lit. per (aksl. pre), got. fair. [$ 284.
Es gehört dahin u. a. auch perfugio überlaufen (durch dieWachen
durch zum Feinde hin, lit. perbegti hinüber laufen). Aus dem
Litauischen perdristi hindurchwaten, watend hinüberkommen,
und nach J. Schmidt: perklampots durch den Morast hindurch-
kommen; pernakvoti pernoctare; perzömavotı perhiemare; per-
snausts verschlafen; perskaityti perlegere u. am. Aus dem
Slavischen: aksl. predrodits vado transire; prevesti traducere;
prevreäti trajicere; prebyti manere; serb. prezimiti überwintern,
prenodili die Nacht hinbringen u. a. m. Insbesondere gehört
hierher, was J. Schmidt S.106 anführt, nämlich die Anschauung,
dass sich eine Handlung über eine Reihe von Punkten. oder
Gegenständen einzeln und nach einander erstreckt, so lat. per-
censeo einzeln durchmustern; perlego senatum die Namen aller
Senatoren der Reihe nach verlesen; perrogo der Reihe nach
durchfragen bei der Abstimmung; persolvo Stück für Stück
auszahlen u. s.w. Ganz ebenso russ. perepisali der Reihe nach
aufschreiben ; pereöttati eines nach dem andern durchlesen ; pere-
celovati perbasiare u.8s.w. Aus der Anschauung des Hindurch-
gehens hat sich die des Zerspaltens entwickelt. J. Schmidt
führt einige Belege für diese Bedeutung aus dem Sanskrit an,
doch scheint mir, dass sie nirgends deutlich hervortritt. Ab-
zusehen ist von dem ganz spät belegten pars-dq$ zerbeissen.
In einigen anderen Fällen tritt die Bedeutung des Präverbiums
hinter der des Verbums so stark zurück, dass man sıe ın ıhrer
Entwickelung nicht recht verfolgen kann. So heisst pars-Sar
allerdings ‘zerbersten’, aber ebenso übersetzen wir auch $ar mit
para, nis und prä; neben pärs-bhtd zerspalten steht pra-bhid in
derselben Bedeutung; neben pari-mard zerstampfen auch mard
mit pdrä, prd, vi, sam in demselben Sinne; päri-chid auf beiden
Seiten abschneiden wird auch mit ‘abschneiden’ und einmal
mit “zerschneiden’ und “verstümmeln’ übersetzt; parı-gharf ein-
mal mit ‘zerreiben’. Auf das deutlichste aber tritt dieser Sinn
in der zweiten Schicht hervor, so im Lateinischen: percido
zerhauen, zerschlagen und im obszönen Sinne gleich pedico;
perfringo durchbrechen, z. B. phalangem hostium; perscindo zer-
reissen; perseco zerschneiden u. a. Im Litauischen nach
$ 284.) Kap. XV. I. lat. per, lit. per (aksl. pre), got. fair. 709
J.Schmidt: perdalyti zertheilen;; perlauztt durchbrechen; perkulti
durchschlagen; pergrezti durchbohren ; perpiauti durchschneiden ;
pertraukti entzweireissen u. a. m. Selten im Slavischen (vgl.
J.SchmidtS.108). Aus dem Gedanken des Überganges von einem
Punkte der Reihe zum anderen hat sich wohl auch (wie oben
S. 703 bemerkt wurde) die Vorstellung eines Überganges und
einer Veränderung entwickelt, so im ai. pdri-sic umgiessen,
gr. repiismpı umändern. Dieser Gebrauch findet sich nach
J. Schmidt S. 101 nicht selten im Litauischen und Slavischen,
z. B. lit. perdaryti umarbeiten, ändern; perkalti umschmieden,
durch Schlagen umarbeiten; perbalnoti umsatteln; persiredyti
sich umkleiden u. a. m.; russ. perekrestili umtaufen; perevessti
anders wohin hängen; perevaljafi umwalken u. s. w. Sehr an-
sprechend der Bedeutung nach fügt J. Schmidt an dieser Stelle
diejenigen Fälle ein, in welchen eine Veränderung in pejus
ausgedrückt ist, so lat. pereo zu Grunde gehen; perbito dass.;
perdo zu Grunde richten; perverto umwenden, umstossen, ver-
nichten gleich lit. perversti verdrehen, russ. pereverteti dass.; lit.
pergimti entarten, persiraszyti sich verschreiben u. a. (J. Schmidt
102). Perverto u. s. w. erklärt sich wohl am einfachsten aus
“herumdrehen’, daher denn auch ai. pari-vartayati im Epos.
bedeutet “um und um drehen’ s. v. a. zu Grunde richten ').
3. “Über in “überg&hen’ und ‘übertreffen’. Mit den
oben $. 704 genannten Verbindungen wie ai. päri-ya) beim
Opfern übergehen lässt sich vergleichen lit. persedeti gleich
russ. peresideti kogo länger sitzen als ein anderer; russ. pererostt
kogo jemand im Wachsen überholen; perevrafi kogo jemand
im Schwatzen übertreffen, niederschwatzen u. ähnl. Besonders
tritt in diesen Sprachen die Anschauung der Überschreitung
des Masses hervor, ohne dass eine Vergleichung (wie bei “über-
treffen’) stattfände, z. B. lit. perkrauti überladen (Wagen, Schiff);
persigerti sich übersaufen; persudyti versalzen; russ. perepeci
1) Böhtlingk-Roth vergleichen perdo mit pdrä-dä hingeben, zu Grunde
gehen lassen, und so liesse sich »ereo auf pärä-i weggehen, abscheiden,
sterben zurückführen. Nach den jetzigen Anschauungen über die Laut-
gestalt der Präp. lässt sich das aber nicht halten.
710 Kap. XV. II. lat. per, lit. per (aksL pre), got. fair. [$ 284.
zu stark backen, vgl. lit. perkepti u.a. m. (Die Belege sind aus
J. Schmidt S. 103 entnommen). Man kann diese Bedeutungen
wohl aus ‘darüber hinaus’ ableiten, und dieses aus “durch und
durch’ erklären (z. B. “jemanden durch- und durchstossen, so
dass das Schwert darüber hinausragt” Stolz a. a. O. 500). Es
ist mir aber nach dem oben Ausgesprochenen wahrscheinlicher,
dass der Ausgangspunkt doch bei ‘um’ zu suchen sei.
4. Hoher Grad, Vollendung. Den oben 8. 705 ge-
nannten Belegen schliessen sich aus der zweiten Schicht zahl-
reiche an, bei denen übrigens im einzelnen wohl das ‘durch’
empfunden sein mag, wenn auch der ganze Typus aus dem
Gedanken der Umfassung abgeleitet sein wird. Beispiele aus
dem Lateinischen (bei Stolz a. a. O. 501) sind: peracesco
durch und durch sauer werden, sehr ärgerlich werden; percrepo
laut ertönen; percrucio sehr quälen; perdoleo tief schmerzen;
perbibo ganz aussaugen; perdisco völlig, gründlich, gut lernen;
perfruor vollständig geniessen u.a. m. Aus dem Baltisch-
Slavischen führt J. Schmidt u. a. an: lit. permastyti gehörig
durchdenken; pertyrineti, perklausineti genau nachfragen; per-
nokti ganz reif werden; perdzuts ganz trocken werden; russ.
peresochnufi ganz und gar trocken werden u. a. m. (S. 107).
In den baltischen Sprachen entwickelt sich, wie J. Schmidt S. 109
bemerkt, aus dem Gedanken der Vollendung auch noch der
des Aufhörens einer Handlung oder eines Zustandes, z. B. lıt.
perzydeti verblühen und die Blüthezeit überdauern, nicht mehr
blühen; peruzti verrauschen; perstott aufhören gleich russ.
perestati. Endlich stellt J. Schmidt S. 110 noch die Kategorie
der Dauer auf. Es wird wohl gelingen, die hier genannten
Verbindungen bei den bis jetzt genannten Typen unterzubringen.
So mag ai. pari-äs unthätig dasitzen eigentlich bedeuten, herum-
sitzen, nicht an die Sache herangehen, in päri-vas verweilen
mag das par: enthalten sein, was die Erstreckung durch einen
Raum ausdrückt, dasselbe in perfero bis an’s Ende ertragen
u. 8. w.
Zum Schluss sei erwähnt, dass got. fair jedenfalls mıt
*peri identisch ist. Doch möchte ich die Ausführung den
$ 284.] Kap. XV. ID. *peri mit Kasus. 711
Spezialisten überlassen, da ich mich in den heranzuziehenden
althochdeutschen Formen nicht zurechtfinde.
II. *perti als Präposition.
Es erscheinen der Akkusativ, Lokalıs, Ablativ.
1. Der Akkusatıv.
Im Altindischen finden wir pdri im Sinne von ‘um’,
örtlich und zeitlich, z. B. ma $üns agns ni jadama nrnam mä-
$ejaso 'viratä päri tvä lass uns nicht in Heldenmangel, kinder-
los, o Agni, verwaist an Kämpfern um dich sitzen RV.7, 1, 11;
päri dyam anydd iyatö das andere (Rad) bewegt sich um den
Himmel 1, 30, 19; $raddham prätär havamahe, Sraddham ma-
dhydmdinam pdri Sr. rufen wir morgens, Sr. um die Mittags-
zeit 10, 151, 5. Im Sinne des Übertreffens, der sich bei pari-
bhu und päri-as ausgebildet hat, findet sich par: mit Akk.:
päry asya mahima prthivim samudrdm jydtia vibhrajan pdri
dyam antärık$am seine Grösse übertrifft Erde und Meer (vgl.
$. 705), durch sein Licht strahlt er über (überstrahlt er) Himmel
und Äther AV. 13, 2,45. Im Altpersischen finden wir es
im Sinne von ‘über’ bei reden: Aasciy naiy adarsnaus cisciy
thastanaty pariy Gaumatam niemand wagte etwas zu reden
über G. Spiegel? 8, 53 (vgl. ai. pari-vad über etwas reden. Der
Gegenstand des Gespräches ist der Mittelpunkt desselben). Im
Avestischen tritt bei einem Zeitbegriff der Gedanke der Er-
streckung hervor: dareyemcip pair! zroanem über eine lange
Zeit hin yt. 13, 53. Im Griechischen bei Homer nur ‘um’,
z. B. tol 5 &xaröußmv &kelng Zomoav Zööpntov nepl Bupdv A 448.
2. Der Lokalis.
Aus dem Gebiet der arischen Sprachen weiss ich nur
anzuführen: nosB erezejyyoi frajyartıs nord fsuyent? dregvasu
pairi y. 29, 5, was Bartholomae, Ar. Forsch. 3, 15 übersetzt:
nicht soll dem, der gerecht lebt, nicht soll dem Bauern ein
Leid geschehen von Seiten der Ungläubigen (eig. nicht soll
Vergewaltigung sein bei den Ungläubigen). Ferner y. 34, 8,
wo pairi nach Bartholomae a. a. O. und Geldner, BB. 14, 27
mit yaesu zu verbinden ist, nicht mit Spiegel, Gramm. 463 mit
712 Kap. XV. IL *peri mit Kasus. [$ 284.
dem Datıv!.. Was das homerische Griechisch betrifft, so
verweise ıch auf Monro? 173 und Zycha 20. Es gehören hierher
Sätze wie: alba tor alpa xelarvöv &pwhosı nepl oupi A 303; nept
d Eyyei xeipa xaneitaı B 389, Extöpeov 8 yırava nepl orndesor
&attar B 416. Auch der Gegenstand, um den der Streit statt-
findet, um den es sich handelt, kann im Lok. mit rept stehen,
“zunächst rein lokal 2 453 päpvavro sp röAgew. Den Über-
gang von dem rein örtlichen zum Begriffe des Schutzes und
der Vertheidigung bildet die Stelle Zeds 8 Ent vört &lohv T@vuosv
xparepfj daulvn, dppa pilp repl naröl nayns dAods növos sin 11 568;
unwillkürlich verbinden wir schon den Begriff des Schutzes,
obwohl rdvos repl raıöt eigentlich lokal ist” (Zycha 21). Auch
bei öslöıa K 240 schwebt wohl noch der Gedanke des Schutzes
vor. Daran schliessen sich dann Verba des Zürnens u. ähnl.
(noch nicht bei Homer). Auf die von Monro in den Anm.
erörterten Streitfragen (repl xTpı u. ähnl.) gehe ich nicht ein.
3. Der Ablativ.
Über den altindischen Gebrauch giebt Grassmann ». v.
Auskunft. Er sagt: “Mit dem Ablativ drückt es die Bewegung
von einem Orte her aus, wobei es gleichgültig ist, ob der Ort
oben, unten oder ın derselben wagerechten Ebene liegt; viel-
mehr ist die eigenthümliche Beziehung oder Anschauung,
welche pars der allgemeinen ablativischen Richtung des Woher
hinzufügt, ursprünglich die, dass der Ort, von wo die Bewegung
ausgeht, nicht als ein Punkt, sondern als ein rings oder an
vielen Punkten den Gegenstand umgebender Raum aufgefasst
wird”. So übersetzen wir denn pdrs durch ‘von her’ (im Sinne
der Bewegung), z. B. divak vom Himmel her, devebhyah von
den Göttern her, barhifah von der Opferstreu her (uttiffhan
päri b. aufstehend von der Opferstreu) u. 8. w. Prä-ric mit
dem Ablativ bedeutet über etwas hinausragen. Tritt noch
pari hinzu, so bedeutet es ‘rings über etwas hinausragen’,
li) Aus dem Veda liesse sich etwa herbeisiehen: «sms vatsim päri
$dntam nd vindan das bei uns seiende Kalb fanden sie nicht RV. 1, 72, 2,
aber die Interpreten schlagen auch andere Auffassungen vor. Vielleicht
auch pdri käfthäss um die Scheite s. oben 8. 659.
$ 284.) Kap. XV. I. *peri mit Kasus. 713
z. B. divds prthioyah über Himmel und Erde. Ferner heisst
es ‘von her’ im Sinne des Ursprungs bei 7ar geboren werden
und grabh ergreifen. Eine Bewegung von innen heraus ist
gemeint in dem Satze: ratham y& cakrür mänasah pdri dhydyä
welche den Wagen gemacht haben aus ihrem Geiste heraus
mit Kunst RV. 4, 36, 2. Mit ‘gemäss’ (eig. von aus) übersetzen
wir pdri ın dhärmanas päri von Gerechtigkeits wegen, dem
Rechte gemäss RV. 6, 70, 3 und janugah pari seinem Wesen
gemäss (gleich jJanufa) 8, 66, 9. Ludwig übersetzt: von seiner
Geburt her. Einige Stellen, an welchen Grassmann “wegen, um
willen’ übersetzt, sind zweifelhaft, so 4, 36, 8, was ich nicht
übersetzen mag wegen des kontroversen Sinnes des Wortes
dhisanä; 3, 5, 10, wo ich mit Ludwig vorziehe zu sagen: von
den Bhrgu’s weg; vißvebhyd hi tva bhiivanebhyas päri tvagtäjanat
2, 23, 17 scheint mir Ludwig am richtigsten zu fassen: er er-
zeugte dich mit Bevorzugung vor allen Wesen. Es findet also:
Anknüpfung an den komparativischen Sinn statt, welcher in
replerm u. 8. w. hervortritt. Endlich die an einen Toten (oder
eine Totenurne) gerichteten Worte 10, 18, 13 üt 12 stabhnämi
prthivim toat päri‘) kann ich nur übersetzen: “ich mache dir
die Erde fest, wölbe dir die Erde um oder über dich”. Diese
Anwendung von pärs mit dem Ablatıv ist freilich im Alt-
indischen vereinzelt, wır werden aber einer Parallele im Grie-
chischen begegnen. Der ursprüngliche Sinn ist wohl: von dir
aus ringsherum, oder: von dir aus oben. Im Avesta findet
sich pair! mit der Bedeutung ‘weg von’: adtada he [aetE maz-
dayasna] panta vicinagtg pairi urvaräbyasca varedabyasca man
soll für sie einen Aufenthaltsort aufsuchen abseits von Kräutern
und Blumen vd. 16, 2 (nach der Auffassung von Geldner,
KZ. 25, 586). Ferner bei schützen: nö nipayä pairi drvatap
mahrkap du mögest uns beschirmen vor dem argen Tod yt.10, 93.
— Man sieht aus dieser Darstellung, dass »dri seinen besonderen
Sinn gegenüber dem übermächtigen Ablatiıv oft nur schwach
1) Dass so zu verbinden ist, tvd£ pdrs nicht zu den folgenden Worten
gehört, dafür spricht die Versabtheilung.
14 Kap. XV. II. *peri mit Kasus. [$ 284.
und kaum erkennbar behauptet hat. Der homerische
Sprachgebrauch berührt sich mit dem arischen zunächst in-
sofern, als repl den Sinn des Übertreffens hat, z. B. repi ravrov
Eppevar AAlwv A 287; Intpbs de Exaotos drıotanevos Tepl TAvrov
aydpwrwv 8 231. Vielleicht gehen auf den Ablativ zurück auch
die Gen. in den beiden Stellen: # & adrod teravuato nepl ondsox
yAapupoto Apepis Hfuwoa & 68 und repi rpörıog Befamra e 130 (vgl.
tvat pars S. 713). Sonst könnte man auch daran denken, dass
in diesem Falle der Gen. für den Dativ eingetreten sei, in
Nachahmung des bei &rit obwaltenden Verhältnisses. Am häu-
figsten tritt bei zepi in den Genitiv der Gegenstand des Streites,
2. B. @< ol päv nepl vnds duootlporo päyovto Il 1. (In der Ilias
kommen 44 Genitive mit zepi vor, 32 mal steht der Genitiv
nach Verbis des Streitens und Kümpfens’ Zycha 22). Hieran
scheinen sich andere Verba angeschlossen zu haben, bei denen
der Gegenstand, um den es sich handelt, durch rxepi mit dem
Gen. ausgedrückt ist, bei Homer: 7 por dyos rept T adroü xal
nepl ravrmv @ 249; napl kelvoro &pdodar a 405, vgl. y 77; as Ton
Odvojos dym repl vdarov Axouoan 7 270; xexkurd peu, punoTüpss,
toüds nepl kelvon p 370; sin Ays por rept untpdc 0 347; dppa xs
öuousvdecaı Ydövou repl Bouledompev nr 234; 4 rı nept Ipwwv xai
Ayassv pspenplles; Y 17; olda ydp ed rapl xeivon p 563. Ich
vermag diesen Gen. nicht an den alten Ablatıv anzuknüpfen,
sondern sehe in ihm den echten griechischen Genitiv, der sein
Gebiet auf Kosten des Dativs erweitert hat.
Das lat. per und das lit. pe haben als Präpositionen
den Akkusativ bei sich (vgl. Kurschat $ 1462 ff). Sie werden
gebraucht. 1. Mit Beziehung auf den Raum, und zwar tritt im
Lateinischen noch die Anschauung des Rundganges oder Um-
ganges von Ort zu Ort gelegentlich hervor, z. B. invilati per
domos (Livius., supplicatum per compila tota urbe est (ders.),
dann im Sinne des Durchgangs durch oder über einen Ort,
2. B. lat. alterum iter per provinciam nostram erat multo facıkus
(Cicero); coronam auream per forum ferre (derselbe); per pairıs
corpus carpentum agere (Livius); lit. per mestq keliautsi durch
die Stadt reiten, tal män &jo per szirdj das ging mir durch's
$ 284.] Kap. XV. II. *peri mit Kasus. 715
Herz. 2. Mit Beziehung auf die Zeit, und zwar a) zur Be-
zeichnung der ununterbrochenen Fortdauer, z. B. Zudı decem
per dies facti sunt (Cicero); ht. per näkti budeti die Nacht
hindurch wachen, äsz sirgaü per visq metq ich war krank das
ganze Jahr hindurch; b) zur Bezeichnung der Zeit, in deren
Dauer ein einzelnes Faktum fällt, z. B. quum per ludos scorta
raperentur (Livius), per eos dies C. Figulus praetor Brundisium
venit (ders.); lit. Jis apstilanke püs müs pei' Jöng er besuchte
uns um Johanniszeit, jis yrü gimes per möszlus er ist zur Zeit
der Mistfuhre geboren. 3. Im Sinne des Mittels (eigentlich
des Weges, durch den hin etwas geschieht, vermittelt wird),
wofür es genügt, einige litauische Sätze anzuführen: zokänas
pe? Moyzesziy yra dütas des Gesetz ist durch Moses gegeben
worden; smeilis al&jo i sveig pei grökq der Tod kam in die
Welt durch die Sünde. Endlich wird pe auch im Sinne von
‘mehr als’ gebraucht, z. B. jis gyvena per tris myles toli ex
wohnt über drei Meilen entfernt. Es ist also aus “über-hin’
der Sinn ‘über-hinaus’ entstanden. Dieser liegt deutlich vor
ın pef‘ merg über das Mass hinaus, und ist wohl auch im La-
teinischen vorhanden gewesen, wenn man aus perfdus auf ein
per fidem über die Treue hinaus schliessen darf.
Merkwürdig ist, dass im Umbrischen per im Sinne von
‘für’ mit dem Abl. erscheint: poplu per pro populo, nomne per
pro nomine, fratrus per pro fratribus. Das kann doch wohl nur
auf einer Vermischung mit pru (lat. pro) beruhen.
Das slavische pre erscheint nach Miklosich 4, 437 als
Präposition nur im Slovakischen, Polnischen, Sorbischen, und
zwar in einer Weise, dass es scheint, als hätten sich darin das
idg. *pert: und *prai gemischt. Dieselbe Mischung scheint auch
in prezü vorzuliegen, das mit dem Akk. (Miklosich 4, 438) als
Fortsetzer des idg‘ *peri auftritt, mit dem Gen. (563) dagegen
an lat. praeter erinnert, also vielleicht auf idg. *prat zurück-
geht. Nur das letztere scheint in predö mit Akk. (440) und
Gen. (562) vorzuliegen.
716 Kap. XV. II. prd, fra, zp6, lat. pro, lit. pra-, slav. pro. [$ 285.
$ 285. Aı.prd, av. altp. fra, gr. rpo, lat. pro (pro),
lit. pra- (prö), slav. pro.
Dass ai. pra, av. altp. fra, gr. rp6, got. fra, lit. pra, slav.
pro identisch sind, leuchtet ein. Auch im Lateinischen giebt
es ein prö bei Verben wie profileor, profugio, profundo, pro-
hibeo, protego u.a. Daneben tritt pröd auf, dem das litauische
prö (so lautet das Wort als Präposition, während pra das Verbal-
präfix ist) entsprechen dürfte. Ein Unterschied der Bedeutung
zwischen *pro und "prod lässt sich nicht auffinden, so dass
die beiden Formen hier zusammen behandelt werden.
Ich führe zunächst einige Verbindungen mit Verben auf,
welche aus proethnischer Zeit stammen oder stammen können:
ai. prd-i fortgehen, weitergehen, aufbrechen, sterben, av. fra-i
vorwärts gehen, gr. zpdeıpı vorgehen, vorwärts gehen, vorrücken,
lat. prödeo hervorkommen, vorwärts gehen, lit. praeiti vorbei-
gehen, aksl. prosts ötaßatvarv, ördpyeodar, Srekipyeodar, rapfpyeoda:,
rpoßalverv, serb. prodi durchgehen, vorbeigehen, vergehen, vorbei
sein (von der Zeit gesagt), abgehen (von der Waare gesagt);
ai. prd-gam aufbrechen, hingehen, schreiten zu, av. frajas
kommen, gr. rpoßatv» vorwärts gehen, einherschreiten, über-
treffen, lat. prövenso hervorkommen, vorwärts kommen, von
Statten gehen, got. fragiman verzehren, etwas verthun; ai. prd-ar
in Bewegung setzen, erregen, vgl. got. frarınnan sich verlaufen;
ai. prd-pat ausfliegen, davonfliegen, hinfliegen, hinabfliegen,
-stürzen, einer Sache verlustig gehen (mit Abl. der Sache,
einmal im Mhbh.), gr. rporintw falle, beuge mich vorwärts;
al. prä-sac verfolgen (eig. nach vorwärts sich vereinigen), lat.
prösequor hinterdrein (d. h. nach vorne hin) gehen, begleiten;
ai. prä-sarp hinschleichen, hineinschleichen, beschleichen,
schliefen in, anbrechen (von der Finsternis gesagt), lat. pröserpo
hervorkriechen, vorwärts kriechen,; ai. prd-sru hervorfliessen,
ausströmen, gr. rpop&w hervorfliessen, hervorströmen; ai. prd-
stha sich erheben, sich aufmachen, av. fra-sta sich erheben,
vorwärtsgehen, gr. rpotornuı voranstellen, lat. prosto hervor-
ragen, öffentlich ausstehen; ai. prd-Si sich legen auf, gr. rp6-
xeınaı bereit vorliegen; ai. prd-aj antreiben, gr. rpodyw hervor-
6285.) Kap. XV. II. pri, fra, rp6, lat. pro, lit. pra-, slav. pro. 717
treiben, lat. prödigo hervortreiben, forttreiben, verthun; ai. prd-
vah weiterführen, vorwärtsziehen, -treiben, av. fra-vaz führen,
fahren, lat. pröveho vorwärts führen, lit. praveits etwas vorbei-
fahren, aksl. provesti &taysıy (z. B. durch ein Thor); ai. pra-vart
in eine rollende Bewegung gerathen, in Gang kommen, auf-
brechen, hervorkommen, beginnen, sich an jemand machen, sich
vergreifen an (letzteres im Epos), got. fravamrpan verderben
(also der Entwicklung im Sanskrit vergleichbar), aksl. provrü-
teti zpuräav, Ötarepoväv, perforare; ai. prd-bhar herbeibringen, vor-
bringen, vorstrecken, schleudern, av. fra-bar bringen, vortragen,
hervorbringen, gr. rpoy&pw vorbringen, jemandem etwas vor-
rücken, hintragen, hinbringen, lat. pröfero vorwärts bringen,
hervorbringen, got. frabairan vertragen, ertragen, aksl. probirati
se elaöberv, ingredi (nach Miklosich: sich durchkämpfen, d.h.
sich durch das entgegenstehende Volk vorwärts bringen); ai.
- prd-star hinstreuen, ausbreiten, av. fra-star streuen (schwerlich
“zusammenbinden’ wie Justi sagt), lat. prosterno hinbreiten,
hinstrecken, 'aksl. prostreti teiverv, &xtelvewv, rapateivewv; al. prd-
tan sich ausbreiten über, überziehen, bedecken, erfüllen, gr.
rpotelv» davor ausbreiten, ausspannen, vorhalten, lat. prötendo
vor sich hinstrecken; ai. prd-da hingeben, geben, schenken,
abzahlen (eine Schuld), av. fra-das geben, gr. rpoölöwpı voraus-
geben, herausgeben, preisgeben, aksl. prodati zwieiv, rırpaoxeıv,
vendere; ai. prd-dh@ vorsetzen, darbringen, av. fra-da hervor-
bringen, fördern, mehren, gr. rporlörgp: hinstellen, vorlegen,
lat. prödo hervorbringen, thun, zur Welt bringen, verrathen;
ai. prd-jan geboren werden, entstehen, sich fortpflanzen, gr.
rpoylyvopa:ı vorwärts, hervor, zum Vorschein kommen, lat. prö-
gigno hervorbringen; ai. prd-kar ausführen, bewirken, daneben
auch wegthun, vernichten (eig. vorwärts und dadurch weg
bringen), so schon AV. 12, 2, 5: ydt tva kruddhäh pracakrür
manyünä piüru$sö mrte wenn man dich, o Feuer, voll Zorn aus-
gelöscht hat, weil ein Mensch gestorben ist, danach “abthun,
töten’ im Epos, av. fra-kar hervorbringen, lat. procreo hervor-
bringen; ai. prd-ric hinausreichen, hervorragen über, gr. rpo-
leirw zurücklassen, im Stich lassen, verlassen. Der ursprüng-
718 Kap. XV. IL prä, fra, rpd, lat. pro, lit. pra-, slav. pro. [$ 285.
liche Sinn scheint zu sein “etwas vorne vor sich liegen lassen
und sich dann abwenden’, so dass unser “hinter sich lassen’
thatsächlich auf dasselbe hinauskommt. Ai. pra-kart abschnei-
den, zerschneiden, av. fra-kereb zerschneiden, dann auch bilden,
(vor sich schneiden), schaffen, z. B. y 9, 8, Iıt. prakı?sti durch-
hauen, so dass ein Loch entsteht, aksl. procrütatı teuveıw, rpoyapar-
teıv, praeformare; ai. prd-chid abreissen, abschneiden, zerhauen,
durchbohren, av. fra-scid vernichten, lat. proscindo zerreissen,
zerschneiden; ai. prd-budh erwachen, av. fra-bud, serb. probuditi
aufwecken; ai. prd-pa$ vorausblicken, vor sich sehen, lat. pro-
spicto in die Ferne sehen (z. B aus dem Fenster schauen), Vor-
sicht anwenden; ai. prd-vid kennen, wissen, av. fra-vid kennen
lernen, gr. rpoetöov in die Ferne sehen, in der Ferne, von ferne
erblicken, lat. prövideo vor sich sehen, vorhersehen, aksl. pro-
videts zpoopäv; ai. prd-jNa erkennen, verstehen, sich zurecht
finden, got. fra-kunnan verachten; ai. prd-vac verkünden,”
preisen, mittheilen, verrathen, av. fra-vac aussprechen, gr. rpo-
sizov vorhersagen, heraussagen, verbieten (letzteres in der Prosa,
entwickelt aus dem Begriffe des entschiedenen Heraussagens);
al. prd-as voran sein, in ausgezeichnetem Masse sein, vor-
wiegen, gr. npdeıu: vorher sein (rpd &dvra das Vergangene),
lat. prosum nützlich sein (vgl. das folgende Verbum); ai. pra-dhu
hervorkommen, mehr werden, reicher werden, zu Gute kommen,
helfen, nützen, av. fra-bu zu etwas werden, hervorkommen,
serb. prodsti gedeihen; ai. prd-vas verreisen, sich entfernen,
verschwinden, aufhören, nicht mehr vorhanden sein, got. fra-
visan verschwenden, verbrauchen; ai. pra-ad verzehren, got.
fraitan fressen, (lit. prasst# eine Öffnung hindurchfressen, serb.
projesti se Lust zu essen bekommen wohl einzelsprachlich).
Aus dieser Übersicht folgt, dass *prö vorwärts, voran be-
deutet, besonders häufig in Verbindung mit Verben der Bewegung.
Soll das Streben nach einem Ziel betont werden, so übersetzen
wir durch “hin zu’, soll das Sichentfernen betont werden, durch
‘fort’. Besonders beachtenswerth ist ein altindischer Gebrauch,
über den ich SF. 5, 460 bemerkt habe: “Wenn man eine neu
vorzunehmende Handlung im Sinne hat, so bekommt das
8 285.] Kap. XV. II. prd, fra, rp6, lat. pro, lit. pra-, slav. pro. 719
Verbum mit pra einen ingressiven Sinn, der an den des Aorists
erinnert. Eine Übersetzung eines solchen prd, welches nur das
Eintreten der Handlung in die Wirklichkeit hervorhebt, ist oft
nicht möglich. Im Hinblick auf eine schon begonnene Hand-
lung entsteht der Gedanke der Fortsetzung oder Wiederholung.”
Beispiele für die erstere Nuance sind: pra-käS sichtbar werden
(ohne pra sichtbar sein); pr@-y@ sich auf den Weg machen;
prä-krid sich an’s Spielen machen; pra-yudh den Kampf be-
ginnen; prd-pa sich an’s Trinken machen; prd-mud lustig wer-
den; pra-ga zu singen anheben. Sehr viel seltener ist die
zweite Nuance, welche z. B. vorliegt in pra-hu in einer Folge
opfern, pra-sü fortkeltern. Diesem altindischen Gebrauch ent-
spricht genau der litauische und slavische. Hinsichtlich des
Litauischen bemerkt Kurschat 128, dass pra öfter auch ein
anfangendes Thun bezeichne, z. B. pragysti zu krähen anfangen:
gaidys pragydo der Hahn begann zu krähen. In bezug auf
das Slavische sagt Miklosich 4, 234, dass pro perfektive
Verba bilde, welche bald den Anfang, bald die Vollendung
bezeichnen. Dahin gehören aksl. proglagolati zu sprechen an-
fangen, progledati zu sehen anfangen, serb. proigrati ein wenig
spielen, anfangen zu spielen, Lust zum Spielen bekommen,
prokukati anfangen zu klagen, ein wenig klagen, promudi
heiser werden, propjevati anfangen zu singen, ein wenig singen
u. ähnl. Eine leise Wendung des Sinnes zeigt sich im Russi-
schen, z. B. progrevati zeitweise oder um einige Grade wärmen.
Dem ai. prd-sG und prd-hu entspricht serb. proslaniti zu Ende
feiern.
Sodann ist zu bemerken, dass sich aus dem Begriffe des
Vorwärtskommens auch der des Zuendekommens, des Verder-
bens und Verlierens entwickeln kann. So heisst im Altindi-
schen pra-dhanv zerrinnen, vergehen, wozu man got. frarinnan
sich verlaufen und fragiman verzehren vergleiche (eig. zu Ende
kommen, dann mit kausativer Wendung: zu Ende bringen):
Ai. pra-vart heisst, wie wir oben sahen, u. a. auch ‘sich ver-
greifen an’ wovon got. fravairban verderben nicht weit abliegt.
Ai. präd-vas heisst eigentlich ‘sein Nachtquartier vorwärts ver-
720 Kap. XV. I. prd, fra, rp6, lat. pro, lit. pra-, slav. pro. [$ 285.
legen’, dann ‘verschwinden’ und dasselbe (nur kausativ) ist got.
Jravisan verschwenden. Dem ai. pra-kar wegthun, vernichten,
abthun, töten entspricht der Bedeutung nach einigermassen
got. fravaurkjan verwirken, sündigen. Ebenso führt eine Brücke
von gr. rpoeinov verbieten zu got. fragiban sich gegen etwas
erklären, verachten. Endlich giebt es im Litauischen und
Slavischen Verba bestimmter Bedeutung, in welchen *pro
scheinbar einen Verlust bedeutet, nämlich lit. pragerti ver-
trinken (eig. weiter trinken, zu Ende trinken), praszökti ver-
tanzen, russ. propifi vertrinken, proZrafi verfressen (z. B. all
sein Geld), serb. protgrati, russ. protgrafi verspielen, russ. pro-
spali eine gewisse Zeit schlafen, verschlafen.
Diesen zusammenfassenden Erörterungen füge ich noch
einiges über die einzelnen Sprachen hinzu. Aus dem Grie-
chischen erwähne ich, dass rpd auch in freierer adverbieller
Bedeutung zu dem Verbum treten kann, z. B. in zpoptyvop: :
rallaxlöı rzpopıyävar (früher als der Vater) | 452, zp6xkuros
früher gehört, alt u.ähnl. Aus dem Gotischen lassen u. a.
folgende Verben noch eine aufklärende Vergleichung zu:
fraletan freilassen, entlassen : npoleinw; fravrikan verfolgen :
prösequor , fracatrpan verwerfen, zerstreuen, wegwerfen : prödıyo;
Fravslvan fortreissen, rauben : rpoaıpdopar sich etwas heraus-
nehmen, wegnehmen, ähnlich franıman nehmen, in Besitz
nehmen, frahinpan fangen, gefangen nehmen; fraslindan ver-
schlingen : got. fraitan s. oben; fragıban vergeben, verleihen,
schenken : ai. prd-yam darreichen. Die auf den ersten Blick
auffallendsten Verbindungen wie fragiman, fravaurkjan, fravisan
sınd oben erklärt. Demnach ist der Gedanke aufzugeben, als
stecke in dem gotischen fra noch etwas anderes als *pro. Das
litauische pra hat als häufigste Bedeutung ‘vorbei ent-
wickelt, welches aus vorwärts hervorgegangen ist, z. B. praeiti
vorbeigehen, prö szäl pravaziüti an der Seite vorbeifahren.
Daneben hat sich bei Verbis wie ‘schlagen’ die Bedeutung
‘durch’ entwickelt, z. B. lödq prakifsti das Eis durchhauen,
eig. das Eis vor sich hin hauen. Andere Nuancen sind oben
erwähnt (vgl. Kurschat 128). Über das slavische pro sagt
$ 285.) Kap. XV. IJI. Slavisch pro. 721
Miklosich 4, 234: ‘als Präfix bezeichnet pro a) die Be-
wegung durch einen Gegenstand in einer Richtung; b} die
Dauer einer Handlung während einer bestimmten Zeit; c) die
Bewegung aus einem Gegenstande heraus, von demselben weg,
an einem Gegenstande hin, vorüber und über denselben hinaus;
d) das Hervorbrechen aus dem Innern eines Gegenstandes;
e) den Verlust einer Sache durch eine Handlung [z. B. russ.
propiti vertrinken]; f) es bildet perfektive Verba, die bald den
Anfang, bald die Vollendung bezeichnen [z. B. serb. proigrati
zu spielen anfangen, proslavsti zu Ende feiern]; g) Diminution
[z. B. serb. prodajati ein wenig hexen, probesjediti beginnen
zu sprechen, ein wenig sprechen, provikati ein wenig anschreien
u.8s.w.). Die Nummern e—g sind bereits besprochen (denn
g sehe ich nur als eine Unterart von f an), es bleiben also
nur noch a—d und diejenigen Verba zu erwähnen, die
Miklosich, als nicht gut unterzubringen, durch ein ‘man merke’
einführt. Ich erwähne dabei nur serbische Beispiele. Mir
ordnen sich dieselben so. Es giebt auch im Slavischen noch
eine Reihe von Fällen, in welchen die nach vorwärts strebende
Handlung bezeichnet wird, z. B. prostrijeti ausbreiten (eig. vor
sich, vgl. prd-star), propeti ausspannen, provedriti se sich auf-
heitern (die Helligkeit rückt vor), proredi vorhersagen, progla-
sit bekannt machen, prodati verkaufen (vgl. prd-da), prosut:t
ausgiessen. An den Begriff des Vorwärts schliesst sich der
Gedanke der Eıstreckung über einen gewissen vor uns liegen-
den Zeitraum, z. B. probaviti zubringen, proigrati eine Weile
spielen. Charakteristisch für das Slavische wie für das Litauische
ist die Entwickelung von ‘vorbei’ aus ‘vor’, z. B. probjezivati
vorbeilaufen, provesti vorbeiführen, procdi vorbeigehen, proledeti
vorbeifliegen. Ebenso findet sich im Serbischen (aber auch
anderswo) die Nuance des ‘durch’, z. B. proditi durchschlagen
(vor sich hin schlagen, bis das Loch fertig ist), probdosti durch-
stechen. Übrigens sieht man gerade am Serbischen sehr deut-
lich, dass alle diese Nuancen in einander verfliessen, vgl.
prodi durchgehen, vorbeigehen, vergehen, abgehen (von der
Waare), provesti durchführen, vorbeiführen, zubringen, protigrati
Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm. Sprachen. L 46
722 Kap. XV. I. *pro mit Kasus. [$ 285.
EEE EEE
dahintanzen, eine Zeit lang tanzen, anfangen zu tanzen, ver-
spielen.
*nro mit Kasus.
In den arischen Sprachen und im Gotischen wird *prö
nicht mit Kasus verbunden. Es kommen also nur das Grie-
chische und Lateinische einerseits, das Litauische und Slavische
andererseits in betracht.
1. Griechisch und Lateinisch. In der homerischen
Sprache bedeutet zpd mit dem Gen.-Abl. vor im räumlichen
Sinne, z. B. roAb npd Yllwv paysodaı A 373, npb Eiev xAoveovra
galayyas E 96, ot T Eri xanpp Binpevo Altar rpö xobpev Ör-
priinpwv P 726. Dann im Sinne von für (so dass der Han-
delnde schützend vor dem andern steht), z. B. yaysodaı xpo re
ralöwv xal npo yuvamav O 57, SAgodaı duxkecws npd nöAnos X 110.
Selten im zeitlichen Sinne: rxp6 yapoıo o 524 (wenn es nicht
etwa “anstatt” bedeutet). Q 734 ddAsdwv rpd Avaxtos AperAlyou
scheint zu bedeuten ‘arbeitend für einen harten Herrn’, wobei
aus ‘zum Schutz für’ der Gedanke ‘zum Vortheil von’ ent-
wickelt ist. Wieder eine andere Nuance zeigt sich in pn pıv
Ayaıol Apyaldou npd YiRoro ZAwmp Öniorsı Alnorev P 667, was doch
wohl heisst: angesichts der Furcht. Ausser mit dem Gen.-Abl.
wird zpd mit dem Kasus auf dı verbunden in 'lAıddı npd vor
Dlion, 7&8ı xp6 kurz vor der Morgenröthe. Der lateinische
Gebrauch mit dem Ablativ entspricht dem griechischen, zu-
nächst in lokalem Sinne: sedens pro aede, sodann im Sinne
des Schutzes und Vortheils: dimicare pro libertate. Der Ge-
danke der Stellvertretung, der sich im Lateinischen zeigt, z. B.
pro magistratu esse oder operas dare scheint sich aus dem Ge-
danken des Vortheils entwickelt zu haben, also eigentlich: für
den anderen, der es gut hat, da er ausruhen kann. Die übrigen
Verzweigungen verfolge ich hier nicht.
2. Litauisch und Slavisch., Im Griechischen und
Lateinischen fanden wir *pro im Sinne von ‘vor’, wobei das-
jenige, von dem an gerechnet wird, in den Ablativ tritt. Im
Lit. und Slav. ist ‘vor’ erloschen (doch russ. molviti pro sebja
vor sich hinsprechen), weshalb auch der Abl. nicht mehr
$ 285—286.) Kap. XV. II av. paitt, altp. patıy, gr. rorl. 723
erscheint. Im Litauischen (Kurschat 400) heisst prö vorbei und
wird mit dem Akk. verbunden, z. B. kulka jam prö galvq
praleke die Kugel flog ihm am Kopfe vorbei. An vorbei schliesst
sich, wie bei pra-, durch, z. B. prö duris laükan eitt durch die
Thür hinausgehen. Der slavische Gebrauch, von dem Miklo-
sich 4, 437 handelt, z. B. klruss. 7a k tobi posl’u pro pomoe ich
werde zu dir um Hilfe schicken, beruht auf dem Übergang
von vor zu für.
8 286. Av. pasts und pastis, altp. patiy und patis,
griech. rori und nis).
Im Iranischen entspricht pati durchaus dem ai. praätı,
z. B. av. patli-i herzugehen, ap. pati-i zugehen, zufallen, ai.
prati-i herzugehen u. 8. w.; av. patti-jam herzukommen, ai.
präti-gam dass.; av. paiti-bar entgegenbringen, ap. paii-bar
zurückbringen, ai. prati-bhar entgegenbringen, darbringen; av.
paiti-stä stehen, widerstehen, ai. prati-stha dass.; av. patti-jan
gegenschlagen, sich wehren, ai. prati-han dass.; av. pattı-zan
annehmen, willkommen heissen, ai. prati-7Ra anerkennen, gut
aufnehmen, gutheissen; av. patt:-pares befragen, ap. patt-pars
dass., ai. präti-prach dass.; av. paiti-vac zu jemand sprechen,
antworten, ai. prati-vac dass.; av. pasti-vid kaus. anzeigen, ai.
prati-vid dass. Bemerkenswerth ist pattis-muc bekleiden in
pastismuxta, so dass also der bei prati-muc S. 727 besprochene
Bedeutungsübergang in die arische Periode zu verlegen ist. Aus
dem Altpersischen erwähne ich noch patt-ar$ beaufsichtigen,
verglichen mit rpotidooonar hinblicken auf, ahnen. Von den
wenigen bei Homer vorkommenden Verbis mit rori lässt
nur roriögpxoua: die unmittelbare Vergleichung, und zwar
'mit ai. präti-darS anschauen, erblicken zu. Äusserlich stimmt
noch rotırernmuiar v 98 mit prati-pat. Die in den anderen
Dialekten vorkommenden Verba mit zor{ habe ich nicht ge-
sammelt.
1) Im Ai. ist *pöti durch präti verdrängt worden. Welcher Bedeu-
tungsunterschied ursprünglich zwischen *pöti und *pröti obwaltete, lässt
sich nicht mehr feststellen.
46*
724 Kap. XV. II. av. paits, altp. patiy, gr. rort. [$ 286.
Das iranische pais wird als Präposition verbunden mit
1. dem Akkusativ, und zwar in der Bedeutung ‘gegen,
entgegen’, 2. B. av. paiti aZötk zairitahe kehrpem haoma vadare
jaidi gegen den Körper des grünen Drachen schleudere, o
Haoma, die Waffe y. 9, 30; ap. adam karam fräisayam tyar-
patiy ich schickte das Heer gegen sie Spiegel? 20, 72; av. Dwä patiti
zi haxedrem daide vahıstem denn mit dir (dir gegenüber) habe
ich beste Freundschaft yt. 10, 80. Sodann wird es auch bei
Verben gebraucht, welche nicht Verba der Bewegung sind,
z. B. yab zSayata patti bumim dass er auf der Erde herrschte yt.
19,26. Ferner bei Zeitbegriffen: av. patii ratum zur Zeit y.2,18,
ap. zSapa va rauca pati va bei Nacht oder bei Tage Spiegel?
4, 20. Auf andere als lokale oder temporale Verhältnisse über-
tragen erscheint pasti z. B. in: manö ramayeti huzsnuitım paiti
miprahe er versöhnt das Gemüth des Mithra zur Gnade yt.
10, 109; ap. patiy duvitiyam und trifiyam zum zweiten und
zum dritten Male. Einen Beleg für past: entsprechend, ge-
wachsen (vgl. ai. prat) entnehme ich Spiegel, Gramm. 459
hä m& baya ahunahe vairyehe satem paiti anyatsqm rabwam
diese Abtheilung des Ahuna-Vairya gilt gleich hundert anderen
Hauptgebeten y. 19, 5. Entsprechend dem ursprünglichen Sinn:
von pasti wird auch patili$ gebraucht: hö vazata paitis nmänem
yım hvapasbim er flog zu seinem eigenen Hause yt. 5, 62. So
auch ap. patı$, 2. B. 18, 43. 2. mit dem Lokalis: ar. vi-
spahu pasti barezähu vispahu vardayanähu spaso ünhätre auf
allen Thürmen und an allen Fenstern sitzen Späher yt.
10, 45; barsagsu paiti aspangm auf den Rücken der Pferde
yt. 5,53; yesng paitt bei dem Opfer. Zeitbegriffe: yazazsa mam
paili asnı paiti zSafne verehrte mich am Tage, in der Nacht
yt. 1, 9 (wober asni jedenfalls Lok. ist). 3. dem Instru-
mentalis, insofern eine Erstreckung über einen Raum aus-
gedrückt ist: y@ zemä paiti fratacinti welche über die Erde
strömen yt. 5, 96. 4. dem Ablativ. Man erwartet die Be-
deutung ‘von her’, welche sich auch findet in Stellen wie: yö
vispem ahum astvantem adıdasti haraipyap paiti baresanhap
der die ganze Welt überschaut von der hohen Haraiti aus
8 286.) Kap. XV. I. av. paits, altp. .patiy, gr. rotl. 725
yt. 10, 51, vgl. yt. 5, 25; yım yazala ahuro mazdä raozsnah
paiti garonmänap yt. 10, 123 übersetzt Geldner: “den A. M. im
lichten Paradies verehrte’. Die ursprüngliche Anschauung wird
sein: ‘vom Paradiese aus. Aus “von her’ kann sich “nach? ent-
wickeln: anuzvarstap paiti paurvap nach ungesühnter früherer
(That) vd. 4, 20. In den beiden folgenden Sätzen sind zwei
Handlungen als aufeinander folgend dargestellt, die wir
lieber als gleichzeitig auffassen, wesshalb wir past durch ‘mit’
übersetzen: uzdatap paiti haomap (wer dich verehrt) mit einer
Haomaspende yt. 10, 91 (so Geldner, KZ. 25, 502); ereZurdap
paiti vacanhap uiti vacebi$ aojano mit Eideswort also schwörend
yt. 5, 76 (ders., KZ. 25, 391). Endlich findet sich patti im Avesta
auch mit dem Dativ und Genitiv verbunden.
Für den Dativ ist ein sicherer Beleg: paiti apre übem
barahb (als wenn er) es als Schmalz zum Feuer brächte vd. 16, 17
(so Geldner, KZ. 25, 588); y. 33, 11 kann auch Gen. sein.
Der Dativ trat natürlich zunächst zu dem mit paiti verbun-
denen Verbum. Der Genitiv erscheint da, wo wir den Ablativ
für natürlich halten würden, nämlich in der Bedeutung “um
willen, wegen’ (eig. ausgehend von, anknüpfend an), so: va-
nantem stärem yazamaidg amahe paits hutastahe den Stern V.
rufen wir an um seiner tüchtigen Stärke willen yt. 8, 12 (so
Geldner, KZ. 25, 467); yqm yazata zarabuströ humatahe paiti
manarhö ihn bat Z. um gute Gesinnung yt. 16, 6; adtahe paiti
bedeutet ‘dafür’ (zur Strafe) vd. 4, 20 und so öfter. Zweitens
finden wir den Genitiv da, wo der Lokalis zu erwarten wäre,
2. B. bayö nidabap hvapä haraspyd paiti barezaya (dich) setzte
der kunstreiche Gott nieder auf der hohen Haraiti y. 10, 10,
vgl. yt. 9, 17, wo beide Kasus parallel stehen. Hierher kann
man auch rechnen: yerihä paiti @pö tacinti auf welcher Flüsse
laufen yt. 13, 10, obgleich man auch sagen könnte, an dieser
Stelle sei der Instr. der zu erwartende Kasus. Wie es nun
gekommen ist, dass in diesen Fällen der Gen. an die Stelle
anderer Kasus getreten ist, weiss ich nicht recht befriedigend
zu erklären. |
Das griechische Gegenbild des iranischen pat: findet
726 Kap. XV. I. ai. prätt, gr. port, p6s. [($ 286—287.
sich bei Homer mit dem Akkusativ, Dativ, Genitiv. Bei dem
Akkusativ in derselben Weise wie patı, z. B. Ixovro Atoxidsos
nor! dwpa y 488; Tpwol norl nrölıv Aynsasdaı X 101; xüpa rori
oxardv plov ader y 295; xal pıv rorl Epxlov auliis eioe a 102;
E&Lleodnv rorl Bupdv x 379; oravre nort zvornv A 622. Eine weitere
Entwickelung zeigt: huiv Boor valovar npös Hda T Hekıdv te, 48
&oaoı neröniode norl Ldpov Hepoevra v 240. Bei einem Zeitbegriff:
arap taya tor zorl Eonepa piyiov Eoraı p 191. Bei dem sog.
Dativ wird rorl so gebraucht, dass man den Kasus als Lokalis
erkennt, z. B. o0ö£ ti pıv ratösc ori yoovası nannaLouaı E 408;
dodrov Axouge norl onılddescr Halasans e 401; nori yaly yeipa;
Gelpmv BaAov Anodvnonwv nepl Yaoyavp A 423. Häufiger wird
das Streben nach einem Ziele ausgedrückt, z. B. norl de air-
tpov Bade yaty B 80; xard 8 Enrnkav ori yaly 8 190 und so
mehrfach in rorl yaly; ov d& rorl ol eilev w 347. Es lässt sich
nicht mit Sicherheit sagen, ob hierin der Lokalis des erstrebten
Zieles oder (wıe im Avestischen) der Dativ vorliegt. Mit dem
Genitiv habe ich nur notiert: adrös 88 rort nrölros rerer alel
X 198. Ilorıneropar konnte also wie öpfyopaı und ähnliche Verba
den Gen. zu sich nehmen. Oder sollte der Gen. Vertreter des
Ablativs sein, wie bei rpds?
8 287. Aı. prdti, gr. nporl, np6s.
Zwischen rpotl und rpds lässt sich ein Unterschied der
Bedeutung nicht feststellen. Dass xport, bei Homer wenigstens,
nicht mit dem Genitiv verbunden wird, dürfte zufällig sein.
Ich behandle die beiden Formen also als gleichbedeutend.
Prati bedeutet, wie ich SF. 5, 462 gezeigt habe, ‘gegen,
entgegen. Der Begriff des Drauflos und des Bewältigens, der
sich bei abht entwickelt hat, tritt nicht hervor. Als Belege
mögen dienen: mit # entgegengehen, angehen, zu etwas ge-
langen; car zu jemand treten, sich nähern; pad betreten, hin-
zutreten, anfangen bei, antwortend beginnen; sth@ (sich gegen
etwas stemmen) stehen, dastehen, gegründet sein, Bestand
haben; dah entgegenbrennen, mit den Flammen begegnen;
dhar$ aushalten, widerstehen; dh@ ansetzen, einsetzen, wieder-
herstellen, anheben, anfangen (letzteres aus ansetzen entwickelt) ;
$ 287.) Kap. XV. IL ai. präti, gr. zporl, rpö«. 1727
bhar entgegenbringen, darbringen; as zuwerfen, hinwerfen,
umschlagen, einbiegen (vom Zeuge gesagt) ; han schlagen gegen,
anspiessen ; Ahyä erblicken, ansehen; dar$ anschauen, gewahren;
dru antworten; vac verkünden, melden, antworten; mud ent-
gegenjubeln, zujauchzen; vä$ zublöken; gar wachen bei (sich
gegen jemand hinwendend); ju$ Liebe bezeugen, sich gütig
erweisen, gern annehmen; z7%@# anerkennen, gut aufnehmen,
billigen, bestätigen, bejahen, antworten; budh gegen etwas wach-
sam sein (wahrnehmen); $ar (gegen etwas zerbrechen) die
Spitze abstossen, abbrechen; Ava anrufen. Bisweilen entwickelt
sich der Begriff des Gewachsenseins, Gleichseins (vgl. Gegen-
stand halten), so bei 5Ad gleichkommen (SB.), yam das Gleich-
gewicht halten. Wie präti-bhu wird auch präti-as gebraucht,
z. B. indra ndki$ toa präty asty djam, viva jatäny abhy äsi
tan! o Indra, niemand von ihnen kommt dir gleich, du über-
triffist alle diese Wesen RV. 6, 25,5. Häufig kann die Form
von as auch fehlen (vgl. unter päri), z. B. indram nd mahna
prthivi cand prdt® dem Indra kommt an Grösse nicht einmal
die Erde gleich RV. 1, 55, 1. Ferner entsteht der Begriff
‘zurück’, nämlich dann, wenn man sich vorstellt, dass die
Gegenbewegung gegen eine andringende Bewegung ausgeführt
wird, z. B. präti-nud gegenstossen, zurückstossen, prati-uh zu-
rückschieben, zurückdrängen, abstreifen. Als Einzelheiten seien
erwähnt: präti-Sru antworten (eig. nur: gegenhören); präti-muc
anziehen, anhängen, befestigen an, sich anziehen, während
muc lösen bedeutet. Offenbar ist prati-muc im gefühlten Gegen-
satz gegen vi-muc lösen, ausziehen zu dieser seiner Bedeutung
gekommen. Im Griechischen finden sich nicht eben viele
genau entsprechende Gegenbilder. Es lassen sich etwa an-
führen: rpdaeıuı hinzugehen, herankommen, prati-i hinzugehen,
entgegengehen (auch feindlich), herbeikommen ; zpooßatvw hinzu-,
hinangehen, losgehen auf, beschreiten, betreten, gelangen zu, ai.
präti-gam entgegenkommen, entgegengehen, zurückkehren ; rpdo-
xermar daran liegen, sitzen, präti-5i gegen jemand liegen, nicht
von seiner Seite weichen; rpoorlöru:ı dazu setzen, legen, prati-dha
ansetzen, einsetzen, anlegen (einen Pfeil) u. s. w.; rpooögpxopar
728 Kap. XV. II ai. präti, gr. rnpös mit Kasus. [$ 287.
anblicken, prati-dars dass.; rpotidooonar hinblicken auf, ahnen,
sehen, erkennen, präti-ik$ zusehen, hinblicken auf, erblicken,
erwarten, warten. Häufig findet sich im Griechischen der
Sinn ‘noch dazu’, z. B. nposarpdopoı dazu erwählen, rposartdw
noch dazu verlangen u. s. w., namentlich wenn rxpo;s noch vor
die Hauptpräposition tritt.
Im Griechischen hat sich ein adverbialer Gebrauch ent-
wickelt, bei Homer in rpt; d€£ ausserdem aber, z. B. BAaoos
ög ol xorüAnv, npös d Appm häke tevovre E 307.
Die Verbindung mit Kasus. Im Altindischen findet
sich der Akk. (vielleicht der Ablativ), im Griechischen der
Akk., Dat. (Lok.), Gen. (Abl.).
1. Der Akkusativ. Im Veda in Verbindung mit Verben
der Bewegung. Dahin rechnet Grassmann Stellen wie prati
va na ndmasäham emi ich komme euch entgegen, zu euch
mit diesem Andachtsliede RV. 1, 171,1. Doch kann man in
diesem Falle prati auch näher zum Verbum ziehen. Sicher
zum Kasus gehört es: prati tydm cärum adhvaram göpithäya
pra hüyase zu dem geliebten Opfer wirst du gerufen zum Zwecke
des Milchtrinkens RV. 1, 19, 1. In der Prosa habe ich es so
nicht gefunden, vielmehr im Sinne von ‘gegen, hin, bei, an,
auf’ den Ort im allgemeinen (ungefähr) bezeichnend, z. B.
mädhyam präti paSür värıjthah ein Thier ist nach der Mitte
zu am dicksten SB. 8, 2, 4, 19; tam prötham prati samgrhıya
ihn am Rücken packend TS. 2, 1, 5, 1. Ferner wird präts bei
Zeitbegriffen gebraucht, z. B. agnifömiyam präti vacam vi syjante
gegen das A. zu (eine bestimmte Opferhandlung) darf man
wieder sprechen MS. 3, 8, 2 (93, 13). Im Veda findet praii
sich bei ‘schützen’, z.B. dgne rakfa no qhasah praäti $ma deva
rifatah o Agni, schütze uns vor Noth gegen die Schädiger RV.
7,15, 13. Wıe prati mit einigen Verben den Sinn des Gegen-
gewichtes annimmt, so auch die Präp.: sdrväns va &$d rüpani
paSünam präty & labhyat dieser wird geopfert als gleichwerthig
allen Thiergestalten TS. 5, 5, 1, 2. In übertragenem Sinne heisst
prati "gemäss’, z. B. prati vdram dem Wunsche gemäss, und
“in Beziehung auf’: ya ichöd imam ö0a prati wer mit Beziehung
$ 287.) Kap. XV. II. ai. präti, gr. zo6c mit Kasus. 729
auf diesen wünscht AB. 8, 7, 6. Bei Homer stehen zport
und xp‘; im Sinne räumlicher Annäherung (port auf diesen
Gebrauch beschränkt), z. B. Bf d ipnevar rpös öüua B 298;
aneßn rpös paxpov OAuprov x 307; Tue rpbs obpavdv W 868;
rpds ba nlaravıorov Öpousev B 310; Toosaxı pıv Anootpelaoxe
npds neölov, autos 58 morl nröiıog nerer alel X 197; tobs piv ne-
ötovöe dlwxsv npös nöAlıy D 3; Zoxlövavro da npbs Öupad Exastos
B 258; äppara 5 Exlıvav npös Evanıa 5 42; YEperv npbs Öwpara
p 83. An diese Verba der Bewegung schliessen sich: 5 ö äpa
rpös xlova naxphv Toto b 90; Apoıvduou ps yova xadelLero
zu den Füssen o 395; elv all xeitar npös Löpov ı 25; door
vatousı rpds hda T HElıdv te v 240. Sodann erwähne ich
Verba, welche sehen bedeuten, z. B. rartaivovt npös rerprv
u 233. Ferner solche, welche eine Äusserung enthalten: @<
ot yey Toradra mpös AAAnAous Ayöpevov, Z. B. 8 620; rpos pntepa
etzeiv n 151 u. ähnl. Dazu auch: ®pooe d& npös Eu aurdv & 331;
xAatsoxe rpös obpavdv & 364. Vereinzelt ist: np; Aroundsa Teuye
äneıßev Z 235. Endlich ist noch die Bedeutung ‘gegen’ im
Sinne des Widerstandes zu erwähnen: rpös dalpova Yuwrl pü-
x«ceodaı P 98 (vgl. 104). Bei Zeitbegriffen kommt rpds; bei Homer
nicht vor, wohl aber später, z. B. rpös n@ 2Zypeodar (doch vgl.
roti). 2. Der Lokalis. Diese Verbindung liegt nur im Grie-
chischen vor. Aus Homer gehören dahin: &yxtpalos patvorro
rpos odbei ı 459; npds ypuodn repivwm xaranükaro yeipa E 425;
rpbs nerpgaw pıvol Aneöpupdev e 434; ruxıval de npos AAAnAmaıv
Exovtaı e 329. Ein Dativ (nicht Lokalıs) könnte vorliegen in
BaAlopeva port yaly X 64, vgl. n 279; Thy 88 nporl or eile ® 507,
vgl. Y 418. (S. unter zorl). Vielleicht auch: daocav Erapot
te xaxol pös total te Önvos x 68. 3. Der Ablativ-Genitiv.
Die Verbindung von rxpos mit dem Ablativ (bei zpori im Homer
nicht vorhanden), welche wohl aus der Urzeit stammen könnte,
ergiebt die Bedeutung ‘von her’. Im Altindischen ist sie kaum
vorhanden. Böhtlingk-Roth führen nur eine Stelle aus dem
Epos an: uk$äanam paktva saha Odanena asmät kapotat prati te
nayantu einen Ochsen sollen sie braten und ihn mit Mus als
Entgelt für diese Taube bringen, wo also die Bedeutung eine
730 Kap. XV. II. ai. sam, av. ham, lit. su, slav. su. [$ 287—288.
übertragene ist. Im Griechischen tritt ‘von her’ deutlich hervor
in folgenden Wendungen: Txer’ Zudv 88 NE rpös Hotwv 7) Eorepimv
avdpwurwv 8 29; Tıanv dpvöpevor Meveldp npö; Tpuwv A 160;
zıunv rpös Zuvös Eyovres A 302 und daran anschliessend: töe
Tıunsssa yevorro mpös nooros ao 161; ooL Apıora renointar xara
oixov npös Ipwwv Z 56; 58° ürep oEdev aloye Axodw npös Tpwwv
2525. Auch lässt sich derselbe Sinn noch spüren in: ot re
depıotas npbs Arös elpbaraı A 239; rpös yap Ads eloıv Anavızz
ksivor sie stehen unter ihm, man könnte sagen: ressortieren
von ihm Z 207, und damit vergleichbar rpös &AAns ioröv doalvors
Z 456. Ilpos mit dem Gen. steht auch, um die Lage zu be-
zeichnen, z. B. rpös @Aös (eßdoucı) K 428 sie schlafen vom Meere
her, in der Richtung des Meeres. Man könnte auch mit um-
gekehrter Anschauung sagen ‘nach dem Meere hin’ (vgl. xpös
Cdpov u. ähnl.). Ebenso: duw d& 1E ol düpaı elotv, al pEv rpüs
Bopdao v 109; 000° &aooı xpavany ldaxnvy xard xoıpavkousıy, oud
8ocoı vnooısı mpös "Hiıdos Inroßororo » 346. Endlich steht bei
schwören, zum Zeugnis anrufen, anflehen die Person, von der
eine Einwirkung kommen soll, im Gen.-Abl. mit rpos, z. B.
youvvakscdaı rp6s T dloyov xal narpos A 66; paprupoı Eotwv pic
deny naxapuv A 339; odd Lriopxhom rpös datkovos T 188. Mit
ow findet sich rpos in npös xoruAndovopıv e 433.
6 288. Ai. sdm, av. altp. kam, lit. su (getrennt s«, im
Komp. sq-), aksl. süö, im Komp. sq-1).
Über den Sinn von ai. sam habe ich SF. 5, 468 mich so ge-
äussert: ‘sdm in Verbindung mit Verben bedeutet “zusammen‘,
und zwar kann es sich sowohl um die Verbindung eines 'Thä-
ters mit einem anderen handeln, z. B. sam-pa zusammen trinken,
als um die Einwirkung auf den Gegenstand der Handlung,
z. B. sam-pi$ zusammendrücken. Im letzteren Falle steht sam
nicht selten so, dass wir es nur als Verstärkung der Verbal-
bedeutung empfinden’. Entsprechend sagt Miklosich 4, 245
1) Kretschmer, KZ. 31, 416, trennt sö und sü von sdm und bringt sie
mit söv zusammen, ohne mich zu überzeugen. Von £öv, söy habe ich ganz
abgesehen, da über die Entstehung und die Verwandtschaftsverhältnisse
desselben nichts feststeht.
8 288.] Kap. XV. I. ai. sdm, av. ham, lit. su, slav. sü. 731
über sö: “Als Präfix bezeichnet sö, entsprechend dem griech.
oöyv, lat. cum, got. ga a) ein zusammen, so dass entweder durch
die Handlung eine Vereinigung mehrerer Gegenstände be-
wirkt (colligere), oder so, dass eine Handlung von mehreren
Subjekten zugleich unternommen wird (convivere); b) bewirkt
es mit dem Schwinden der Bedeutung des sü bloss Perfek-
tivierung des Verbum’. Dafür einige Beispiele: ai. sam-i zu-
sammenkommen, av. kam-i dass., hit. susteiti dass.; aı. sdm-sthä
sich sammeln, av. ham-stä dass., lıt. suwsitöti zusammentreten,
aksl. sästali se convenire; ai. sdm-bhü sich verbinden, ent-
stehen, av. ham-bu zusammen sein, lit. sustbütt dass., akal.
sübyti se rimpoüodar, Avanınpoücdaı, fieri; ai. sdm-bhar zu-
sammentragen, vereinigen, av. ham-bar dass., aksl. sübrafi
dass.; ai. säm-kar zusammensetzen, zubereiten, weihen, av.
ham-kar fertig machen, vollenden, abschliessen; ai. sam-ci auf-
schichten, fertig schichten, aneinanderfügen; ai. sdm-vah zu-
sammenführen, av. kam-vaz hinfliegen, vgl. lit. süvestz (vedu)
zusammenführen, aksl. süvesti (vedg) dass.; ai. sam-grabh
zusammenfassen, ergreifen, zusammenziehen, dünner machen,
av. ham-garew ergreifen; ai. sdm-star neben einander hinstreuen,
av. ham-star ausbreiten; ai. sdm-var zudecken, av. ham-var
dass.; ai. sdm-yu an sich bringen, in sich aufnehmen, verbin-
den, av. ham-yu verbinden; ai. sam-prach sich befragen, unter-
reden, begrüssen, av. ham-pares fragen, sich berathen; ai. sdm-
budh erwachen, wahrnehmen, erkennen (nicht vedisch), av. kam-
bud wissen, bei Sinnen sein, aksl. sübljustz impeiv, Starnpeiv, tueri;
al. sdm-vid zusammen wissen, wissen, kennen, einverstanden
sein, aksl. süvedeli conscium esse. Im besonderen bemerke
ich, dass in ai. sam-an aufathmen, sdm-jiv zum Leben zurück-
kehren, wieder lebendig werden, die Anschauung des Sam-
melns zum Ausdruck kommt, ferner, dass in al. sdm-par
zum Ende führen und sdm-tar übersetzen, überschiffen, über
etwas hinübergehen der Gedanke der Vollendung hervortritt.
Sam-ruj heisst zerbrechen, sam-vraSc in Stücke hauen, ‘zu-
sammenhauen’, wie auch wir sagen, sdm-tak$ einerseits behauen,
bearbeiten, andererseits zusammenhauen, zerhauen; sdm-dah
732 Kap.XV. II. Lit. su, slav. sö mit Kasus. [8 288.
zusammenbrennen, verbrennen, av. kam-daz aufbrennen. Ebenso
lit. suvalgyti aufessen (vgl. aksl. sünest:), sulauzti zerbrechen,
wozu Kurschat $ 453 bemerkt: “der Begriff des ‘zusammen’ bei
Verben der Bewegung enthält aber auch den des Zusammen-
ziehens in einen kleineren Raum und so mag wohl auch die
Bedeutung des Zerstörens, Vernichtens sich mit den mit su
zusammengesetzten Verben verbunden haben”.
Als Präposition erscheint weder säm noch ham, wohl
aber lit. s&, und zwar mit dem natürlichen Kasus, dem
soziativen Instrumentalis. Belege aus dem Litauischen giebt
Kurschat $ 1480, z. B. vilkqg sü meszka suoesti den Wolf mit
dem Bären zusammenführen, su devu sävo ddrbq pradeti sein
Werk mit Gott anfangen, JE atejo sü kardals ıf kartimis sie
kamen mit Schwertern und Stangen. Über den slavischen Ge-
brauch s. Miklosich 4, 759. Häufig stehen im Instr. Per-
sonen, 2. B. aksl. ı javı se Jımü Ilıya sü Mosejemü xal wodn
adtoig HAla; adv Mwoei Mark. 9, 4; 128 Beachq sü njimü sü obema
na desete oi repl adrov adv nois Swöexa Mark. A, 10; sis loboyq
umireti ouv cool Aroßaveiv Matth. 26, 35. Aber auch andere
Begriffe, z. B. vizelü ubo bimi svoje sü lichvoyq txopıodumv Av
td duöv obv töxp Matth. 25, 27; sü Aletoojg izdrece ei’ äpxou
“poldynoev Matth. 14, 7; 3 abije sü radostijg prijemlje je xal
eddö; usrd yapäs Aaußavov adıdv Matth. 13, 20.
Im Slavischen wird s@ aber auch mit dem ablativischen
Genitiv verbunden, worüber Miklosich 4, 569 sagt: ‘Der Gen.
mit sö bezeichnet den Ort, von dem eine Bewegung ausgeht.
Das Verbleiben an diesem Orte wird durch na ausgedrückt:
sü entspricht daher, etwa wie nizü, dem griech. xat mit dem
Gen. und dem lat. de. Der Gen. mit sü bezeichnet ferner
jede, auch eine bloss gedachte Entfernung; endlich auch das
Verbleiben an einem Orte” Im ood. Mar. giebt sö mit Gen.
regelmässig das griech. @xd und &x wieder und bedeutet meist
“von herab’. Am häufigsten ist s& nebese, z. B. sü nebese pa-
düsa dx tod oöpavoo zeodvra Luk. 10, 18. Ebenso sü gory,
z. B. süsedüsu Ze jemu sü gory xaraßdvrı d& adt dmd Too dpowx
Matth. 8, 1. Sodann ohne die Nuance des “herab” bedeutet
& 288.) Kap. XV. I Lit. s@, slav. s& mit Kasus. 133
es ‘von her’, z. B. ide drugü mi pride sü pati kü mine !xel
ollog you rapeydvero 25 6600 npös pe Luk. 11, 6; gredastju
sü sela &pyduevov ar dypoö Mark. 15, 21; vüsta sü vecere
&yelperan 2x Tob Öelnvon Joh. 13, 4. Ferner sind zu be-
achten die Verbindungen sü zadi drruoßev, z. B. pristapisi sü
zadi rpoceAdoüoa Örıcdev Matth. 9, 20. Dasselbe bedeutet s&
sleda von der Spur aus Luk. 8, 44. Mit dem Adverbium vyse
bedeutet es dvwdev, dm Avwdev, 2£ Öbous. Mit dem “Verbleiben
an einem Orte’ sind Ausdrücke gemeint wie serb. on je bio s
onu stranu vode, ja sam bıla vodı s ove strane er war auf der
einen Seite des Wassers, ich auf der andern, worin wie im aksl.
sü onogo polu (rdpav) eigentlich die Bedeutung ‘von her’ steckt.
Ein Beleg für die Anwendung auf die Zeit ıst russ. s& techü
porü von der Zeit an, der Beweggrund tritt ebenda hervor,
z. B. sü pecali ne mrutü aus Kummer stirbt man nicht. Es
ist klar, dass dieses sö nichts anderes ist, als das bisher be-
handelte. Die Verbindung mit dem Abl. ergiebt den Sinn:
von der Verbindung mit etwas her, aus dem Zusammensein
mit. Ein treffendes Analogon bietet das iranische kaca, welches
eigentlich ‘bei’ bedeutet, mit dem Ablativ aber “von weg’, s.
$ 298. Nachdem durch die Verbindung mit dem Kasus dieser
Sınn in die Präposition gekommen war, drang er auch in das
Richtungswort, daher (vgl. Miklosich 4, 246) Verba wie aksl.
süvesti demittere, süplesti exuere, süprestt dejicere, sügnati de-
pellere und entsprechend in den anderen slavischen Sprachen.
Es liegt also hier einmal ein Fall vor, in welchem ein bestimm-
ter Gebrauch der Präposition älter ist, als der des Richtungs-
wortes. Endlich erwähne ich noch, dass sö auch mit dem Akk.
verbunden wird (Miklosich 4,443), und zwar den Ort bezeichnend,
an dem etwas geschieht, wovon schon oben ein Beispiel aus
dem Serbischen angeführt ist (s onu siranu wie man a latere
und ad latus sagen kann). Wahrscheinlich ist dieser Gebrauch
eine Analogiebildung nach na stranu u. ähnl. Wenn der Akk.
mit sö auch noch die ungefähre Grösse angiebt, z. B. russ.
tomu sü godü es ist ungefähr ein Jahr her, verstü sü dvadcati
etwa zwanzig Werst u. ähnl., so ist unser ar zu vergleichen.
734 Kap. XV. IIL av. ana, gr. dva, lat. an, got. ana, slav.na. [$ 289.
III.
Proethnische Präpositionen, welche nicht überall
Präverbisa sind.
Dieser Abschnitt enthält folgende Paragraphen:
8 289. Av. ana, gr. äva, lat. an, got. ana, slav. na lit.
nü, nü).
8 290. Ai. anti, gr. avıi, osk. ant, got. and, Iıt. at.
8 291. Gr. pera, got. mib (nebst reda).
8 292. Ai. paSca, paScad, av. pasca, pasng, altp. pasa, lat.
post, lit. päskut, pas. |
$ 293. Ai. purä, purds, av. para, parö, got. faura, faur.
8 294. Ai. tıras, av. taro, lat. trans, got. bairh.
8 295. Ai. upart, av. upatr:, altp. uparıy, gr. Ürep, got.
ufar (lat. super).
8 296. Av. adanri, got. undar.
8 297. Ai. dechä, gr. Eote, lat. usque (slav. jJeäte).
6 289. Av. ana, gr. ava, lat. an, got. ana, slav. na
(lit. nu nu).
Dass ava und lat. an in anhelare identisch sind, ist ein-
leuchtend. Auch kann wohl nicht bezweifelt werden, dass av.
ana, got. ana und slav. na dazu gehören. Das av. ana findet
sich nach Spiegel, Gr. 468 an vier Stellen des Avesta. An
zwei derselben, vd. 5, 5 und yt. 10, 23, übersetzt Geldner das
Wort durch ‘so’, an der letztgenannten Stelle für mich ein-
leuchtend. Es bleiben ya vispanqm yuxtanam azem fratemem
Panjayenı ana xzwaretqm yqm dareyqm dass ich von allen Ge-
spannen das vorderste zum Laufe treibe auf der langen Renn-
bahn yt. 5, 50 und ana barezi$ sayamnanqm der auf dem Lager
liegenden vd. 18, 26.
Proethnisch scheint die Verbindung mit dem Akkusativ
zu sein, doch ist die Anwendung in den einzelnen Sprachen
veıschieden. Im Griechischen deutlich von einer Bewegung
$ 289.) Kap. XV. II. got. ana, slav. na. 735
nach aufwärts, z. B. xiov dv ödmAhv &pöcar y 176, namentlich
bei Erstreckung über eine Fläche hin, z. B. 7 7? äavd vara
HEouoa draurepts adydv Inaverı N 547, dann auch häufig, ohne
dass eine Aufwärtsbewegung hervortritt, z. B. üydnoav 8 Ava
ößna A 570 und die bei Homer häufigen Wendungen du reötov,
av "EAMaöa, Ava dotu u. 8. w., womit ja auch av. ana zwaretqm
yqm dareyqm übereinstimmt.
Got. ana hat diese Bedeutungen nicht mehr, vielmehr hat
sich aus ‘durch etwas hin’ die Bedeutung ‘auf, an, zu etwas
hin’ entwickelt, z. B. sunsaiv bata skip varb ana airpai ana
Poei eis sddyedun eidEws To rAotov Eyevero Ent TAc yüs eis Av
dn7yov Joh. 6, 21; Ava usiddjedup ana aubida sarhvan ri &t&idere
eis Thy Eprpov Beaoacdaı; Matth. 11, 7; ahman sve ahak atgag-
gandan ana ina To nveöna Woel reprotepdy xaraßaivov dm abrdv
Mark. 1, 10; jah gusat ana ina xal &xadıoev Er adrw (nämlich
auf das Füllen) Mark. 11, 7 (vgl. oben das Avestische); yeipas
ErıBalleıv Ent heisst uslagjan handuns ana, rirtewv dr! npdowrov
driusan ana andvasrpi, &vapxakllecdhaı ana armins niman, !rı-
ainteıv El tpdynlov driusan ana hals. Auch ‘gegen’ (feindlich):
Jah jabai Satana usstob ana sik silban xal el 6 Zaraväs Avdorm
&p &aurdy Mark. 3, 26. Entsprechend im Slavischen (Miklosich
4, 415). Miklosich führt aus dem Kleinrussischen na im Sinne
der Erstreckung über einen Raum an: budes panom na vu
Ukrajinoeku du wirst Herr sein über die ganze Ukraine, was
schwerlich alt ist. Im Aksl. tritt “hin auf’ und “hin zu’ hervor,
2.B. : vüzlagajqtü na plesta xal &nırddasıy Erl tods wuous Matth.
23, 4; da begajqatü na gory geuytrwoav &ri a dpn Matth.24, 16;
krüvü prolivlema na zemljq aina Exyuvöpevov Ei Tns y7s Matth.
23,35; povele ıti na onü polü &x&leuoev AreAdeiv eis to nepav Matth.
8,18. Ebenso im Serbischen und Russischen. Ferner ‘gegen’
wie im Got., z. B. aksl. i vüstangtü ceda na roditelje xal &xa-
vaornoovraı texva &rmı yoveıs Matth. 10, 21; süvetä tvorechq na
njt ouußoultov &rolouv xar autoo Mark. 3, 6. Daraus entwickelt
sich dann ra, welches den Zweck einer Thätigkeit, die Ab-
sicht, oft auch die unbeabsichtigte Folge bezeichnet, worauf
hier nicht eingegangen werden soll. In Verbindung mit
736 Kap. XV. III. gr. dvd, got. ana, slav. na. [$ 289.
Zeitbegriffen scheint der Gedanke der Dauer noch durch. Bei
Homer nur äva vöxta = 80, bei Ulfilas: jahr jabai sibun sinbam
ana dag fravaurkjai du bus xal day &ntanıs Ti; Apkpas Ädnapın
eis o& Luk. 17, 4. Im Slavischen nach Miklosich 4, 417 ebenso,
z. B. aksl. nebregose jego tako na mnogy dini neglexerunt eum
ita per multos dies; aber auch zur Bezeichnung des Eintrittes
einer Handlung, z. B. aksl. na utrija proximo die, und beson-
ders zur Bezeichnung unseres ‘auf’, z. B. aksl. na jJedinü Casü
najetü dystü er ward auf eine Stunde gedungen; russ. Echali
kuda na zimu irgendwohin für den Winter verreisen.
Eine Verbindung mit dem Lokalis findet sich im Grie-
chischen, Gotischen und Slavischen. Im Griech. nur in der
alten Poesie, z. B. eööe rarhp Ava Fapyapw Axpp = 352. Sehr
verbreitet im Gotischen, wo wir ‘auf, an, in’ übersetzen, doch ist
niemals der Aufenthalt im Inneren von etwas oder das Ein-
dringen in’s Innere gemeint. Beispiele sind: ak uta ana auf-
Jam stadim vas aA) Eiw &v &pnpors tönoıs Tv Mark. 1, 45; varr-
pai vilja seins sve ın himina Jah ana airbar yevıdrw To Helrua
oou Ws Ev odpav@ xal Ent Tüc ytic Matth. 6, 10; ıd Pattrus ula
sat ana rohsnai 6 58 Ilerpos Ei 2xddnrto &v fi adAZ Matth. 26,69;
usliban ana ligra ligandan rapaklurınöv Ent xAlvns Beinpevov
Matth, 9, 2; auch bei Verben der Bewegung, z. B. jJah bipe
gam ana bamma stada xar ds TAdev El tov törov Luk. 19, 5.
Selten bei Zeitbestimmungen, z. B. ana midjai dulb 7; Eopri;
pesoösrs Joh. 7, 14. (Weiteres in dem übersichtlichen Artikel
ana im Glossar von Gabelentz-Loebe). Während im Griech.
und Got. der Dativ an die Stelle des Lokalis getreten ist, er-
scheint im Slavischen noch der wirkliche Lokalis. Aus der
Darstellung bei Miklosich 4, 661 ff. hebe ich Folgendes hervor.
M. sagt: “Der Lok. mit na bezeichnet den Ort, wo, auf oder
an dem sich etwas befindet, wo, auf oder an dem etwas ge-
schieht. »a entspricht regelmässig dem deutschen auf und an.
Die ursprüngliche Bedeutung bezieht sich auf die nach auf-
wärts gekehrte Fläche des Gegenstandes, z. B. aksl. na zemi
auf der Erde, na gore auf dem Berge, na sel& auf dem Felde,
na prestoleE auf dem Throne, na odre auf dem Lager. Man
$ 289.) Kap. XV. III. av. ana, gr. dvd, got. ana, slav. na. 137
sagt aber doch auch aksl. na nebesi 3 na zemi &v oöpavo xal
&rt Tüc y7s Matth. 6, 10 und sonst. In Ausdrücken wie na
slänici in der Sonne ist nach M. zunächst der von der Sonne
beschienene Raum ausgedrückt. Wie im Gotischen ana bei
den Verben Zagyan legen, satjan setzen, satan säen, straujan
streuen u. 8. w., so steht im Slavischen za bei den Verben
poloziti hinlegen, posaditti hinsetzen, postav:ti hinstellen u. s. w.,
z. B. aksl. ze sozüda chraming svoyg na kamene Eatıs dxodd-
pnos Thy olxlav abrod Eri Thy nerpnv Matth. 7, 24. Bei Zeit-
begriffen bezeichnet na die Zeit, in der etwas geschieht, z. B.
na polu dine um Mittag.
Endlich erscheint im Griechischen noch eine Verbindung
mit dem Genitiv, bei Homer in dva vrds Balveıv. Diese Ver-
bindung ist innerhalb des Griech. aus dvaßatveıv vnds entstanden,
worin ävaßalveıy wie ein Verbum des Erstrebens oder Berührens
behandelt ist. Über eine scheinbare Verbindung von na mit
dem Gen. s. Miklosich 4, 546.
Die Verbindungen von äva, ana, na mit Verben
scheinen in den Einzelsprachen entstanden zu sein. Ich führe
aus denselben an, was für die Bedeutungsentwickelung von
Interesse ist.
Im Griechischen bedeutet dva- in die Höhe, auf (bis-
weilen in ‘an’ übergehend), z. B. dvaßalvo hinaufgehen; &vt-
ornpı aufstehen machen, vertreiben, med. aufstehen; dvaricw
aufwärts fahren, auf die hohe See fahren; dvariliw aufsprossen
lassen, aufgehen; dvaxovıllw aufspritzen und vieles Ähnliche;
Avarlöruı aufstellen; AveAxw aufziehen; dvampew aufheben; dva-
veow durch Aufheben des Hauptes oder der Augenbrauen ver-
neinen; dvadepxopaı aufblicken; avizpı ın die Höhe heben,
lösen (dsouödv 9 359); Avapplnıw aufwerfen (das Wasser mit dem
Ruder); dvarallo in die Höhe schwingen; dvaxpalw aufschreien
und ähnliche Verba; &vasatvw aufhellen; dvappnyvopı aufreissen,
zerfleischen; dvaotyw öffnen; dvareravvunı öffnen, ausbreiten;
avalöw auflösen; dvanıw in die Höhe knüpfen, anknüpfen (ein
Schiffstau); dvaxpepavvonı aufhängen, anhängen; dvalsyw auf-
lesen, sammeln ; &vaö&yon.aı aufnehmen; dvaxato zum Aufflammen
Delbrück, Vergi. Syntax der indogerm. Sprachen. I. 47
138 Kap. XV. III. av. ana, gr. dvd, got. ana, slav. na. [$ 289.
bringen, entzünden ; äysyelpw aufwecken; avıyveöw aufspüren,
nachspüren; dvarvdw aufathmen, wieder zu Athem kommen,
dazu Avaraum aufhören machen und avayuyw erfrischen; ava-
wioyw durch Daraufgiessen zumischen (rap ö zBalov Leras, Ava
ö& xpt Asuxöv Zuıkav 8 41, vgl. Hentze, Anhang zu y 390); so
auch ävarturinpı eig. auffüllen, dann erfüllen (sein Geschick) ;
dvanıscou ın 6 of xepall; Avanakeıs t 92 auf sein eigenes
Haupt abwischen, vgl. dieselbe Übertragung in ai. ni-marj: tö
väi devas täm nävindan yasmin yayndsya krürdm märkfyamaha
tt die Götter fanden denjenigen nicht, an dem sie das Blutige
des Opfers hätten abwischen können, d. h. auf den sie es
hätten übertragen können MS. 4, 1, 9 (12, 1), s. Festgruss an
O. Böhtlingk, Stuttgart 1888, S. 23. Auf das Heraufführen im
Gedächtnis bezieht sich dvapınynoxw jemand an etwas erinnern;
dazu dvayıyyaoxw genau erkennen; Gvelpopa:r (herausfragen) er-
fragen, befragen; äverinv eig. in die Höhe heben, dann aus-
halten, ertragen; woran sich 4vaplıvo erwarten schliesst; dva-
orpeow umkehren (ötppous), eigentlich: das Untere in die Höhe
kehren ; ävappoıßödw schlürfend in den Mund hinaufziehen,
daher einschlürfen, und dem Sinne der Stelle nach “wieder
einschlürfen’ » 104 und ebenso &ve&ßpota 240. — Oft übersetzen
wir durch ‘zurück’, z. B. dvayvayurıo (die Fessel) zurückbiegen,
eig. in die Höhe biegen; dv&yw zurückhalten (Inrous \W 426),
in die Höhe halten; so auch dvedpyw (palayyas) die sonst zum
Vorwärtsstürzen geneigten Reihen aufhalten; so öfter bei Ver-
ben des Laufens, Weichens, so heisst avarpyw aufschiessen
(von einer Pflanze), dann aber zurücklaufen, z. B. @va 7 Zöpap
örlooo E 599. In diesem wie in anderen ähnlichen Fällen
handelt es sich darum, dass jemand ım Vorwärtsstürmen inne-
hält, sich gleichsam aufrichtet und so zurückweicht. Dahin
gehören noch dvaywp&w zurückweichen; dvaxaloyaı dass.; Avsıne
zurückgehen nach dem Ausgangspunkt, von dem man vor-
wärts, also gleichsam herabgekommen ist, zurückkehren ; dvepyo-
waı wieder zurückkehren; dvaödw zurücktauchen ; ävayw zurück-
führen. Daran schliesst sich dvaßallw zurückwerfen, auf-
schieben.
& 289.) Kap. XV. III. got. ana, slav. na, lit. nu. 139
Im Gotischen entspricht das Präverbium ebenfalls der
Präposition, z. B. anagaggan herbeikommen, künftig sein; ana-
kumbjan sich niederlegen; anameljan aufschreiben ; anatımrjan
aufzımmern, aufbauen; anahaban anhaben, inne haben; ana-
Jilhan übergeben; anahaitan anrufen; anabiudan entbieten; ana-
giban lästern, schmähen; anaprafsijan trösten; anamahlyan
Gewalt anthun; anananbjan wagen; anahveslan beruhigen; ana-
kunnan lesen. In den letztgenannten übersetzen wir ara nicht,
doch empfinden wir den Gedanken der auf einen Gegenstand
hin gerichteten Thätigkeit. Zu anadrigkan sich betrinken können
wir ‘sich einen Rausch antrinken’ vergleichen. Bei einigen
Verben empfinden wir nichts anderes als die Betonung des
Eintretens der Handlung: anaslepan einschlafen, anaslavan und
anasılan still werden, erschweigen. In ananıujan avaveoov und
anagtujan Avalwrupeiv könnte das griechische Vorbild auf die
Wahl des Präverbiums eingewirkt haben.
Über das Slavische handelt Miklosich 4, 213ff. Es ge-
nügt, einige serbische Belege anzuführen. Danach wird na
beim Verbum gebraucht im Sinne der Präp., z. B. nabostı
anspiessen; nalo2its darauf legen (analagjan) u. s. w. Sodann
bezeichnet es den Anfang einer Handlung, also das Daran-
gehen, z. B. navrtyeti anbohren (nijesam provrtio nego sam
samo navrtio ich habe es nicht durchbohrt, ich habe es nur
angebohrt) ; nagorjeti anbrennen; nagristi anbeissen u. s. w.
Drittens drückt es aus, “dass die Handlung an vielen Gegen-
ständen vollzogen wurde oder bis zu einem gewissen Punkte
gediehen ist”. Damit sind Ausdrücke gemeint wie nabacati in
Menge werfen; nabirati in Menge lesen; nagnjectti ın Menge
kneten. Offenbar bedeutet ra hier ‘noch dazu, daran. Daran
knüpft sich die vierte Bedeutung (“dass das handelnde Sub-
jekt die Handlung bis zur Sättigung ausgeführt hat”), z. B.
nabtrati se sich satt klauben. Endlich perfektiviert za das
Verbum.
Anhang: lit. ȟ.
Dem griech. äv&, oder genauer gesprochen, dem griech.
dvw entspricht lautlich lit. n& (als Präv. ni). Die Bedeutung
47°
740 Kap. XV. IIL lit. nü, ai. dnti, gr. drei. [$ 289290.
desselben ist “abwärts von, sich entfernend von’; sie ist offenbar
entstanden in der Verbindung mit dem Ablativ (also eig.‘von auf‘)
und von da auch auf die Verbindung mit Verben übertragen.
Es verbindet sich nach Kurschat 393 mit dem (ablativischen)
Genitiv, 2. B. iytüs Arıita nü dangaüs der Regen fällt vom
Himmel; z&0e n& meödio nulüpti die Rinde vom Baume al-
schälen; nü pikto nusikreipti sich vom Bösen abwenden; r&
lgös pasigduti von der Krankheit genesen. In der Verbindung
mit Verben “hinab, z. B. nupülis hinabfallen, ruberti hinunter-
streuen, nusisiöti sich herabstellen, sich setzen, klar werden
(von einer Flüssigkeit); oder ‘ab’, z. B. ruardyjti abtrennen,
nuartı abpflügen, nuattt ab- oder ausziehen (von Fussbekleidung),
nustöts aufhören (abstehen); natürlich auch öfter in übertragenem
Sinne: nusidäts einen Fehltritt begehen (sich wegsetzen), rusi-
gast! in Schrecken gerathen, nusimifiti verzagen. Aus ‘hinab
entwickelt sich aber auch ‘hin’ (etwa aus Wendungen stammend,
wie.‘zum Meere hinabgehen’), z. B. nubögti hin- oder hinab-
laufen, nueiti hin- oder hinabgehen.
$ 290. Ai. dnti, gr. ävri, osk. ant, got. and, lit. at.
Sicher identisch sind ai. dntt und dvri. Das erstere ist
nie mit Kasus verbunden. Es bedeutet ‘vor sich, in der Nähe’
2. B. Sdirum anti nd vindasi du findest vor dir, dir gegenüber
keinen Feind, findest ihn nicht vor RV. 1, 176, 1; $atdm in nu
Sarado dnti hundert Herbste haben wir vor uns 1, 89, 9. Meist
mit dem Gegensatz der Ferne, 3. B. yö nö agne 'bhidasaty anti
dürö padi$tä sah wer uns, o Agni, befehdet in der Nähe, in
der Ferne, der möge fallen 1, 79, 11. Im Griechischen findet
sich im Kretischen, Attischen, Delphischen inschriftlich noch
der lokale Gebrauch von ävtl, z. B. im Gesetz von Gortyn
ävıl nartöpwy in Gregenwart von Zeugen, bei Homer nur in
übertragenem Sinne: aid’ äya navres "Extopos bp&ler Avıl dogs
rl vnvol nepacdaı Q 254. Die Bedeutungsentwickelung war
wohl die bei pro angedeutete (S. 722). Als Präverbium er-
scheint avri sicher nur in dvrıpepesdar (Monro? 192).
Auf dem italischen Gebiet ist mit and, Avri identisch
$ 290—291.] Kap. XV. II ital. ant, got.. and, lit. ant. 741
das oskische ant: ant pontiram ante pontem, ant trübu ante
domum. Das lateinische antid, ante hat ablativische Form, die
es vielleicht erst nachträglich erhalten hat. Als Adv. erscheint
es im Sinne von ‘hinten’ im Gegensatz gegen ‘vorn’ oder von
‘vorher’ gegen “nachher. Als Präp. hat es wie post den Akku-
sativ (vielleicht den Abl. in antea), in demselben Sinne wie
das Adv., z. B. post me erat Aegina, ante me Megara in Cıc.
Brief.; im Sinne des Vorziehens: quem ante me diligo (ebenda),
ante alios u. ähnl. Von der Zeit: ante lucem.
Das gotische and und das litauische a#t werden das-
selbe sein, wie dnti. Zweifelhaft bleibt mir, wie got. anda-
und lit. anta (Bezzenberger, ZGLS. 243) zu erklären sind. In
der Bedeutung weicht das Got. und Lit. nicht unerheblich von
den anderen Sprachen ab. Zwar in der Zusammensetzung zeigt
das germ. and-, ent- noch ein gelinderes oder stärkeres “gegen-
über, gegen’ (Grimm 2, 809ff.), aber die Präp. and (mit dem
Akk.) zeigt die entfernter liegende Bedeutung “entlang, über
hin’, z. B. usgagg and vigans Jah fabos &telde eis ts Höods xal
gpayuoüs Luk. 14, 23; Jah meriba urrann and all gavi bisitande
bi ina xal onın 2EnNde xad Eins TNS Tepıyapon repl adrtod
Luk. 4, 14; run gavaurhtedun sis alla so hairda and driuson
in marein Gpunoe räoa I Aydin Twv yolpwv xatd Tob xprlvod
eis rhv Odlaocav (also faktisch so viel wie herab’) Matth.
9, 32; unte is and bata munaida hairhgaggan Er dr dxelvns
Tpelke drpyeodaı Luk. 19, 4. Das lit. at bedeutet ‘auf’. Es
wird mit dem Gen. verbunden, z. B. aft kalno auf dem
Berge, aft laüko eits auf das Feld gehen. In der älteren
Sprache (s. Bezzenberger a. a. O.) kommt auch der Akk. vor.
Die Entwickelung der Bedeutung im Germ. und Lit. ist mir
nicht recht klar.
$ 291. Gr. perd, got. mid nebst gr. nedd.
„era1) bedeutet mit dem Lok.-Dat. ‘zwischen’, z. B. nied-
vesar per Avöpdor oüvov Zövra O 611; per Ayaoisıv moAduılov
1) Vgl. die 8. 645 zitierte Schrift von Tycho Mommsen.
742 Kap. XV. III gr. perd, got. mid. [$ 291.
1352; nerd yanpnAfoıv Zyovre N 200. Im Ai. würde der Lok.
oder der Lok. mit anidr stehen. Der Gedanke der Gemein-
schaft, wie er im Instr. vertreten ist, tritt bei per@ nicht her-
vor. Mit dem Akk. bedeutet es ‘zwischen hinein’, z. B. ? 8
OdAuundvös Beßnxeı Swnar &s alyıöyoro Ads nera dalnovas AAAous
A 222. Manchmal wird der Gedanke des Hinstrebens zu einer
Menge mehr betont als der des Eintauchens in dieselbe, z. B.
üs elnav Tobg päv Almev adtoö, BT 68 per AAlous A 292, und in
Anlehnung an solche Wendungen tritt denn per@ auch zu
Einzelwesen, z. B. aörap 8 P7j adv doupl per Avrideov TloAdömpov
Y 407. So entsteht die Vorstellung des “hin nach, nach’, deren
Entwickelung ich nicht weiter verfolge. Mit dem Genitiv
findet sich per& bei Homer nur in einigen wenigen Stellen,
in demselben Sinne wie mit dem Dat.-Lok. Ich kann wenig-
stens zwischen Verbindungen wie per Ayaoioıy roAl&uıLov 1 352
und perd Bowrov &uayovro N 700 einen Unterschied nicht ent-
decken.
Das gotische mip, welches mit pera@ bis auf die Endung
identisch sein wird, findet sich mit dem Dat.-Lok. in der Be-
deutung ‘zwischen’ noch Mark. 7, 31: gam at marein Galeilaie
mib tveihnaim markom Daikapaulaios HAde npds nv dalassav
ns Fodukatas dvd uEoov twv öplwy Aexandiews. Auch wenn von
einer Mehrheit von Wesen die Rede ist, kann man mi wie
pera mit dem Lok. auffassen, z. B. vas sitands mi andbahtam
xal Tv ouyxaßmpevos pera T@v Önnperuv Mark. 14, 54; vas mib
diuzam Tv perd av Ümpluov Mark. 1, 13; ebenso mid im ist
brubfaßs u. ähnl. Daran kann sich angeschlossen haben mıp
mit einem Singularis, z.B. so managei soei vas mib imma 6 5ylo;
6 &v per’ adtoö Joh. 12, 17 und ähnlich sehr oft. Es giebt aber
auch Fälle, in denen wir mi nicht durch “unter, bei’ übersetzen
können, sondern ‘mit’ anwenden müssen, z. B. gemun ın garda
Seimonts Jah Andratins mib Iakobau Jah Iohannen T\dov el; Th
olxlav Zluwvos xal Avöpfov era "Iaxwßou xal 'Iuavvov Mark. 1,29:
atstobun hai gudjans Jah bokarjos mib ham sinistam intomoav
ol Apyıspeis xal ol ypappareis abv Tois mpeoßurtpors Luk. 20, I
u. ähnl. Hierin kann eine Weiterbildung des Gebrauches von
5 291—292). Kap. XV. III. got. mid, gr. reöd, ai. pabca. 743
mi mit dem Lok. vorliegen, es kann aber auch der Instru-
mentaliıs angenommen werden, der im Arischen allein erscheint.
Dort findet sich nämlich das zwar nicht identische, aber doch
verwandte av. map mit dem Instr. (vgl. Spiegel, Gr. 467). Viel-
leicht ist auch ai. smat ‘mit’ mit dem Instr. verwandt.
Anhang. lleöda.
Gr. reda, im Lesbischen, Böotischen, Kretischen und Argi-
vischen der Vertreter von pera ist von Ahrens, Dial. 1, 152
mit rxoös zusammengebracht werden (nos red cum 2ost obs
pes cognatum existimamus, ita ut sequendi notio primaria sit),
Osthoff hält es für den Instrumentalis, also eig. “auf dem Fusse’
(vgl. Osthoff, Perf. 574). Auf die Entwickelung der Bedeutung
hat — so muss man annehmen — yerd eingewirkt. Mit neöd
bringt Bugge in Paul und Braune’s Beiträgen 12, 419 das mittel-
deutsche de? mit zusammen.
$ 292. Ai. paSca (-ad), av. pasca, pasne, altp. pasa,
lat. post, lit. päskuti, pas.
Ai. pa$ca hinten, hinterdrein, westlich ist nur Adverbium,
paScad von hinten, hinterher, hinten, hintennach wird in der
Bedeutung hinter, hinterher, westlich von auch als Präp. mit
Abl. oder Gen. gebraucht, aber nur in nachvedischen Schriften.
Dem ai. pa$ca entspricht av. pasca, entweder mit Abl., z. B.
pasca briz5aparap nach drei Nächten vd. 5, 54, oder mit Akk.,
z. B. pasca hu frasmödaitim nach Sonnenaufgang yt. 5, 94.
Ob die Formen auf 4, über welche Spiegel, Gr. 466, handelt,
z. B. pasca jainti datvangm nach der Erschlagung der Teufel
yt. 10, 133, Akk. oder Instr. seien, ist Gegenstand der Kontro-
verse. Es müssen doch wohl Instrumentale sein. Endlich er-
scheint pasca auch noch mit Gen. s. unter parö. Ausser pasca
giebt es im Iranischen noch altp. pasä: hya aniya kara Pärsa
pasa mana asiyava das übrige persische Heer zog mir nach
Spiegel? 24, 32, also mit Gen. Ebenso av. pasne, z. B. pasne
var6is hinter dem See yt. 5, 37, was Genitiv ist. In dem-
selben yt. kommt es auch mit Akk. vor (p. @pem hinter dem
Wasser).
744 Kap. XV. UI. ai. pasca u. s. w.,.ai. purä u. 8. w. !$292—293,
Verwandt sind aus dem italischen Gebiet lat. post mit
Akk., osk. pist, umbr. pus, post mit Abl., z. B. umbr. pus veres
oder jünger post verer hinter dem Thore. Vielleicht liegt die-
selbe Verbindung noch in lat. postes vor. Zu post kommen
dann noch lat. poste, postid, umbr. osk. pustin nach mit dem
Akk., im Umbrischen nach Bücheler distributiv, im Oskischen
in püstin slagem im Cipp. Abell. 34. Dem av. pasne entspricht
lat. pone Adv. und Präp. mit dem Akk. “hinten, hinter‘.
Endlich gehört hierher lit. päskus (paskus) nach, hinterher,
danach und wohl auch die Präp. pas, obwohl die Bedeutung
derselben stark abweicht. Sie heisst heran, an, bei (von un-
mittelbarer Berührung), wird besonders mit Beziehung auf Per-
sonen gebraucht und mit dem Akk. verbunden.
Das lateinische pos? ist auch Präverbium geworden.
$ 293. Ai.pura, purds, av. para, pard, got. faura,
Jeur.
Die arischen Wörter, ‘vor’ bedeutend, haben ihre natür-
liche Verbindung mit dem Ablativ, z. B. sitdväi pura päryad
indram dhnah ich will Indra vor dem entscheidenden Tage
loben RV. 3, 32, 14. Dann bei Verben, welche retten u. ähnl.
bedeuten, wobei der Gedanke wohl der ıst, dass der Schützende
vor den zu schützenden tritt oder die schützende Handlung vor
der Schädigung eintritt, z. B. pura idsya abhilastör dva sprtam
rettet vor diesem Fluche RV. 10, 39, 6; jivan nd abhi dhe-
tanädityasah pura häthät bewahrt uns lebendig, o ihr A., vor
der Ermordung (indem ihr uns vor ihr schützt) 8, 67, 5; agnım
purä tanayitnör acitiäd dvass kynudhvam schafft Agni zur Hilfe
herbei, zum Schutze vor (die beiden folgenden Wörter sind
nicht ganz deutlich) 4, 3, 1. Im Av. wird para ebenfalls ge-
wöhnlich mit dem Abi. verbunden, z. B. para akmäap vor diesem,
vorher yt. 13, 53. Auf die vereinzelten anderen Verbindungen,
in die es nach Justi noch treten soll, gehe ich nicht ein. —
Ai. purds mit dem Abl., z. B. nd gardabhdm purö dhvän
nayantı man spannt nicht den Esel vor das Ross RV. 3, 53, 23.
Ausserdem erscheint es bei dem Akk., z. B. dsadan mältaram
$ 293.) Kap. XV. II. ai. purd, av. para, got. faura, faur. 745
purah er setzte sich vor die Mutter 10, 189, 1. Grassmann
nımmt auch eine Verbindung mit dem Lok. an, doch dürfte
es an diesen Stellen als Adverb aufzufassen sein. Bei dem av.
paro erscheint der Abl.: (n0 nipayä) agsmahe paro draomebyö
schütze uns vor den Sturmkolonnen des A. yt. 10, 93 (vgl.
Geldner, KZ. 25, 502); yap nö uyrabäzaus nivänap paro bbiöyan-
byo so lange uns der starkarmige vor den Feinden beschützt yt.
10,75. Es steht auch bei fürchten und Furcht (im Ai. für pura
von Grassmann angenommen, aber nicht sicher), z. B. yapba
azem nor) Larstö franmane Pwaegsab paro datvapıbyö dass ich
nicht erschrocken fliehe aus Furcht vor den Dämonen yt. 17, 25.
Einmal, nämlich yt. 13, 57 (vgl. Geldner, KZ. 25, 543), findet
sich bei parö auch der Lok., und zwar nachdem unmittelbar
vorher der Abl. gestanden hat. Der Genitiv findet sich in
pasca parö nmänahe bald hinter, bald vor dem Hause vd. 13, 46,
wohl als Vertreter des Ablativs.
Auf den Ablativ dürfte auch der Dativ bei got. faura
zurückgehen. Faura heisst ‘vor’ in lokalem Sinne; sodann
wird es bei verbergen, verhüllen, fliehen, sich hüten gebraucht,
wobei man die Bedeutung ‘vor, angesichts, gegenüber von’
noch empfindet, z. B. gafalh sik faura im &xpößn An abrav
Joh. 12, 36; iD nu gafulgin ist faura augam beinaim Expüßn And
&pBdaluuv oov Luk. 19, 42 (man sagt “klar vor’, also auch ‘ver-
borgen vor’); so auch vas gahulib faura im tv rapaxexalun-
usvov Ar adrav Luk. 9, 45 und danach auch ei bairgats im faura
Pamma unseljin Tva Tnphons abtods &x Tod rovnpoö Joh. 17, 15.
Bei Pliuhan kann noch die Bedeutung ‘vor’ deutlich gefühlt
werden, insofern der Verfolgende hinter dem Fliehenden her
ist, z. B. gaplauh faura im Eouyev dr adruy Mark. 14, 52;
‘angesichts’ heisst faura wohl auch bei ‘sich hüten’: atsaihvib
Jaura kugnapraufetum rpootyere 52 dnd twv Veudonpopntav Matth.
7,15. Dann in negativen Sätzen wie lat. prae die Hinderung
ausdrückend, eigentlich ebenfalls ‘angesichts’: faura Fareisaium
ns andhaihaitun dıa tobs Dapıoatous 08x &uoAdyouv Joh. 12, 42;
Jah ni mahta (gasaihvan Iesu) faura managein xal obx Möbvaro
“ro tod dyAou Luk. 19, 3.
746 Kap. XV. III got. faur, ai. tirds u. 8. w. 15 293—294.
Das got. faur hat auffälliger Weise den Akkusativ bei
sich. Es gleicht in einem Theile seines Gebrauches dem ai.
pura und dem idg. *prö, es steht von der Zeit, z. B. faur
hanıns hruk vor dem Krähen des Hahns Matth. 26, 75, ferner
wie *prö Schutz oder Stellvertretung ausdrückend, z. B. saei
nist vihra izvis faur izoes set dc obx Eorı xad Apmv onep Iamv datıv
Mark. 9, 40; gıban saiwvala seina faur managans lun doüvaı Tiv
duyhv abtoü Adtpov dvrl noAAmy Mark. 10, 45. In einem anderen
Theile seines Gebrauches aber gleicht es rapa und entspricht
ıhm vielleicht auch körperlich. Ich rechne dahin: Avarbonds
Ffaur marein repınarav rapa vhv dalaccav Mark. 1, 16; gadraus
Jaur vig Ereos napa Thy 6ödv an den Weg Mark. 4, 4; sat faur
vig du aihtron Exadnro rapa Thy 650v npooaıav Mark. 10, 46;
galaib faur gard &iridev Em eis TO nposaulıov Mark. 14, 68.
Vielleicht hat sich von diesem Bestandtheil aus die Akkusativ-
konstruktion auf das ganze Wort ausgebreitet.
Nach Art eines Präverbiums findet sich ai. puras ver-
bunden mit kar und dhä ‘an die Spitze stellen’. Auch im Goti-
schen ist die Präposition zum Präverbium geworden, und zwar
feura in der Bedeutung ‘vor, vorher’, faur auch im Sinne von
zapd, etwa in faurbiudan verbieten, faurgidan verreden.
$ 294. Ai. tiräs, av. tard (tare), lat. trans, got. Bairh.
Dass tiras und tarö identisch sind, ist sicher, wahrschein-
lich auch, dass sie irgendwie mit far überschreiten zusammen-
hängen. Trans hält Thielmann in Wölfflin’s Archiv 4, 248
für das Partizipium von *fräre und sieht die ursprüngliche
Anwendung in einem Satze wie: trans mare proficiscor ın Grae-
cıam. Da dem lat. trans das umbrische iraf entspricht, müsste
die Bedeutungsverschiebung in der italischen Zeit eingetreten
sein, wogegen an sich nichts einzuwenden wäre. Ich trage
aber doch Bedenken, trans von tirds loszureissen, und mithin
auch gegen eine Erklärung aus bloss italischen Mitteln. Frei-
lich Fick’s Aufstellung eines idg. *irns, das er als Akk. plur.
erklärt, will mir ebenfalls nicht einleuchten und somit ziehe ich
vor, die Sache unentschieden zu lassen. Got. Zairh scheint
8 294—295.] Kap. XV. III. upär:, upairs, upariy, ürtp, ufar, super. 747
sein nächstes Analogon in ai. firyafic in die Quere gerichtet
zu haben. Die Wörter sind mithin nicht identisch, aber ver-
wandt. Als Präp. werden sie mit dem Akk. verbunden. Ich
begnüge mich, einige Beispiele aus den arischen Sprachen an-
zuführen: sö arjendraya piläye tirö römäny aoyaya fliesse du
dem Indra zum Trunk durch die Schafshaare hindurch RV.
9, 62, 8; ya nah piparat tämas tirah welche uns durch die
Finsternis hindurch, über sie hinweg führe 1, 46, 6; tirds tamö
dadr3& scheint durch die Finsternis 6, 48, 6; yadı väsi tirojanam
yddı va nadyas tırah wenn du fern von Menschen oder jenseits
der Flüsse bist AV. 7, 38, 5. “Über hin’ kann auch im Sinne
der Nichtachtung verstanden werden, z. B. tvam tydm indra
süryam paSca säntam puräs krdhi devanam cit tird valam du,
o Indra, bring die Sonne, welche hinten ist, nach vorn, selbst
gegen den Willen der Götter RV. 10, 171, 4. In der Zeit
nach dem RV. findet sich auch die Verbindung mit dem Ab-
lativ, z. B. manusyebhyas tirö bhavati ıst den Menschen ver-
borgen (abseits von ihnen) SB. 13, 6, 2, 20. Im Avesta mit
Akk., z. B. husem pesum ratcaya taro varuhim vitanuhattım
mache mir eine trockene Furt durch die liebe V. frei yt. 5, 77.
Der Gedanke des Mittels und der Ursache, wie er im Gotischen
auftritt, ist den arischen Sprachen so fremd wie dem Lateini-
schen. Mit Verben wird firds-tarö nur sehr wenig verbunden,
al. mit Äar wegschaffen, verdecken; mit dhä beseitigen, weg-
schaffen, verbergen (ebenso im Avesta in einigen Zusammen-
setzungen); mit 5% abhanden kommen; vgl. noch av. tarömata
Verachtung. Im Lat. und Got. ist die Verbindung mit Verben
ganz üblich geworden.
$ 295. Ai. upar:, av. upairt, altp. upariy, gr. ürep,
got. ufar, lat. super.
Als Präverbium wird upärt in den arischen Sprachen nicht
gebraucht (neben av. upairi-:5 findet sich die Lesart patri-ıs,
8. Justi), wohl aber im Griechischen und Gotischen, z. B.
örepdAlonaı überspringen, örepßalvw überschreiten, brepßallw
überwerfen, hinauswerfen über, öreptyw halten über (das
Feuer), hinausragen über u.s.w., got. ufargaggan überschreiten
748 Kap. XV. IH. upäri, upairi, upariy, dntp, ufar, super. [$ 295.
übertreten, zu weit gehen, ufarhafjan sık sich überheben,
ufarlagjan darüber legen, darauf legen, ufarmunnon vergessen
u.8.w. Super wird im alten Latein nur sehr selten mit ein-
fachen Verben verbunden.
Von Kasus findet sich überall der Akkusativ, z. B. aı.
asmäkam uttamam krdhi brav devesu surya varfistham dyam
tvöpars mach unseren Ruhm, o S., zum höchsten bei den Göttern,
zum erhabensten, selbst über den Himmel hinaus RV.4,31, 15;
ayam vilvani tifthati punänd bhüvandparı somd devö nd süryah
dieser geklärte Soma steht über allen Wesen wie die Sonne
9, 54,3. Av. yahmaı matbanem fräbweresab yö dadva ahurö
mazdä upairi haraqm berezaitim welchem einen Palast der
Schöpfer Ahura Masda erbaute oben auf [eig. über] der hohen
Hara yt. 10,50. Sodann im Sinne von ‘über hin’: pasvasca
staoräca upairi zam vicarenta Vieh und Zugthiere wandeln
über die Erde hin yt. 5, 89. Aus Homer nehme man dasu:
0 dE Teigog üntp nav Soünos öpwper M 289; ürslp Alla xlövaraı
dus W 227, Tuösiöso 8 üntp Gpov Aptorepdv TAuß dxman E 16
und im übertragenen Sinne atcav u. ähnl. Im Gotischen: sa
ist Jah saei usstaig ufar allans himinans adrd; dorı xal 6 dvaßas
drepdAyu TAvrwv Twv oöpawav Eph. 4, 10. Dem gr. Drelp üka
(vgl. av. upatri zam) entspricht got. ufar marein, wobei aber
das Erreichen des Endes betont wird, also ripav: afar Bata
galaib Jesus ufar marein ysrd tadra AnnAdev 6 Imooös nepav rüic
daAaoans Joh. 6, 1. Dazu kommen noch bildliche Ausdrucks-
weisen (Überhebung, Bevorzugung), die sich leicht ergeben.
Auf den gleichen Anschauungen ruht die Verbindung von lat.
super mit dem Akk.
Ausser dem Akkusativ findet sich in den beiden arischen
Sprachen der Instrumentalis: av. yätk upairi äya zemä gaobis
$yenti worin sie hier auf Erden mit ihren Heerden wohnen
mögen y. 12, 3 und ebenso ai.: div! svand yalate bhtumydpar
zum Himmel strebt der Lärm tiber die Erde hin, über der Erde
RV. 10, 75, 3 (Böhtlingk-Roth nehmen den Gen. an mit un-
gewöhnlicher Kontraktion, was mir angesichts des avestischen
Gebrauchs unnöthig scheint). Sodann findet sich der Genitiv
& 295—296.] Kap. XV. IIL av. adasrı, got. undar. 749
im Ai. und Griech. Zwar ist der Gen. im Veda nicht vor-
handen, wohl aber in der darauf folgenden Literatur, z. ‚B-
dak$inasya bhruva uparı oberhalb der rechten Braue Käty. Sr.,
tava tisfheyam upari über dir möchte ich stehen Mhbh. Diese
Verbindung muss als eine natürliche erscheinen, da upär: eine
Art von Mittelstellung zwischen den echten und den unechten
Präp. einnimmt, welche letztere gewohnheitsmässig den Gen.
bei sich haben. Belege aus Homer sind: orä 8’ äp ünip xepa-
Ans h A; Eygeln d äp Ömip vorov dvl yaly Eon D® 69; und in
übertragenen Sinne: Aloce# öntp roxdwv 0 660. Es ist freilich
auch möglich, dass der griech. Gen. Vertreter des Ablativs ist.
Dieser Kasus ist einmal im Avesta belegt, nämlich in upair:
hamerenäb was Geldner ‘ohne Zusammenstoss’ übersetzt und
wozu er bemerkt: “wörtlich, höher, als dass man sie erreichen,
mit ihnen zusammenstossen könnte’ KZ. 25, 556.
In Zweifel kann man sein bei dem germanischen Dativ
und dem lateinischen Ablatıv, insofern man sie auf den Instr.
oder Lok. zurückführen kann, der doch ebenfalls möglich wäre.
Der Dativ findet sich z. B. im Gotischen: varp- rigis ufar alla:
atrbas oxdros &y&vero &ri näcav ınv yrv Matth. 27, 45 und ebenso
ın den anderen Dialekten. Im Lateinischen könnte man ge-
neigt sein, den Lok. anzunehmen, da dieser im Umbrischen
bei super vorliegt.
$ 296. Av. adairi, got. undar.
Av. adairi, got. undar haben dieselbe Bildung wie uparı
u. 8. w. zu dpa, altp. apariy zu dpa, doch ist die einfache
Präposition, welche dpa und dpa entspräche, nicht mehr vor-
handen. .Adairi unter verbindet sich mit dem Akk., z. B. äap
azem tanum aguzE adatrı pädem geus darauf versteckte ich mich
unter den Standort eines Rindes yt. 17, 55. So im Gotischen,
nur in tbai lukarn gimib dube ei uf melan saljaidau arhpau
undar hgr wnrı 6 Aöyvos Epyerar iva Ömd ov pdörov Ted Mn 07%
thv Alvnv Mark. 4, 21. Dass in unserem unter dieses undar
und zugleich die Fortsetzung von idg. *enter steckt, ist unter
germ. ?n S. 766 bemerkt worden.
750 Kap. XV. II. ai. dchä, gr. Eote, lat. usque. [$ 297,
8297. Aı. achä, gr. Eote, lat. usque (slav. jeste).
Mit den in der Überschrift genannten Wörtern hat es in-
sofern eine eigene Bewandtnis, als ich nicht mit Zuversicht
behaupten möchte, dass sie wirklich identisch sind, da die
Vokalfärbung Schwierigkeiten macht, vgl. Zubaty, KZ. 31, 10fl.
Auch in der Hinsicht sind sie eigenthümlich, als man nur ai.
achä eine Präposition nennen kann. Dieses Wort gehört also
jedenfalls hierher.
ücha (besser achä) findet sich häufig ım Veda, selten ın
der alten Prosa als Präverbium ‘hin zu’ neben Verben der
Bewegung und des Sprechens, die bei Grassmann s. v. auf-
geführt sind, z. B. dcha mahl brhati Jamtamäü gir dütö nd ganto
abvina huvadhyäi hingehen möge das grosse, hohe, beste Lob-
led wie ein Bote, um die Asvin zu rufen RV. 5, 43, 8; sd
rätnam märtyö vasu viSvam tökam uld imana dchä gachaty
astrtah jener Sterbliche kommt zu Gut und aller Nachkommen-
schaft unbesiegt 1, 41, 6. dcehä mit vad heisst "begrüssen‘, mit
vac “einladen”. In Sätzen, welche ein Verbum der Bewegung
enthalten, erscheint sehr häufig ein Akkusativ so, dass wir
ächa zu ihm in nähere Beziehung zu setzen haben, z. B. pa
prägät paramdm yät sadhästham ärvah dchä pildram mäldram
ca herbei ist der Renner gekommen zur höchsten Stätte hin,
zum Vater und zur Mutter RV. 1, 163, 13; ioam vrtha nadya
indra särtave 'cha samudrdm asyjö räthah iva du, o Indra,
hast leicht die Flüsse fliessen machen zum Meere hin wie
Wagen (beim Wettrennen) 1, 130, 5; gäyatrim var deva yazynım
dcha prähinvant sa riktägachat die Götter schickten die Gäyatri
zum Opfer hin (um das Opfer), sie kam aber leer zurück MS.
1,6, 4 (92, 10). Bloomfield, Am. Journ. Phil. VI, Nr. 21, S.2
macht auf eine, seiner Ansicht noch besonders nahe Parallele
zu usque ad aufmerksam, indem er bemerkt, dass auch neben
acha oft Präpositionen wie adbAi u. s. w. stehen, z. B. 25a
stömo märutam Sardho dchä rudräsya sünühr yuvanyühr ud
a$yah dieser Gesang möge herauf dringen hin zu der Schar
der Marut, den jugendlichen Söhnen des Rudra RV. 5, 42, 15,
womit er vergleicht ab imts unguibus usque ad verlicem summurns
$ 297.) Kap. XV. IH. ai. dehä, gr. Eote, lat. usque. 751
bei Cicero. Man hüte sich aber die Ähnlichkeit zu über-
schätzen. Im Lateinischen ist ad die Verbindung zwischen
usque und dem Kasus, im Ai. sind üd u, s. w. nur zweite Prä-
verbien (vgl. das Verzeichnis bei Grassmann). Sonach darf
man behaupten, dass cha im Ai. eine Präposition sei. Grass-
mann bemerkt zwar, es verschmelze begrifflich mit dem Verbum,
ohne lautlich mit ihm zu verwachsen. Aber es ist doch frag-
lich, ob darin wirklich ein Unterschied gegenüber den echten
Präpositionen begründet sei. Allerdings ist dch@ in Neben-
sätzen nicht mit dem Verbum verschmolzen, aber es ist in
solchen Sätzen überhaupt selten und auch andere Präpositionen
verschmelzen ja nicht immer. Am nächsten im Gebrauch steht
üchä das lateinische usqgwe. Es heisst “in einem fort” und
mit ad und ir “bis zu”. Über seine Verbindung mit dem Akk.
sagt Wölfflin, Archiv 4, 52: “Während bei Plautus usque mit
Akkusativ noch fehlt, finden wir zuerst bei Terenz Ad. 655
Virginem ut secum avehat? Sie est. Miletum usque obsecro?
Natürlich ist es eine verkehrte Auffassung, den Akkusativ von
usque regiert zu denken, da der Städtename auch ohne usque
im Akkusativ stehen würde. Ab Alpibus usque Romam con-
tendit bedeutet mithin: er reiste von den Alpen nach Rom ohne
die Reise zu unterbrechen, oder: er reiste in einem fort von
den Alpen nach Rom, und dass das Ziel erreicht wird, ergiebt
sich eben aus der Versicherung, die Reise habe keinen Unter-
bruch erlitten. Usque kann in dem vorliegenden Beispiele
ebenso gut auf ad Alpıbus bezogen werden, nach Cic. Cluent. 192
usque a mari supero Romam proficisci” Im Griechischen
ist &ote bei Homer nicht vorhanden, von Aeschylus ab als Kon-
junktion ‘bis’, bei Xenophon und später wie usque, z. B. Zore
&nt 76 öanedov. Da demnach usque, Eote im alten Latein und
im Griech. weder Präverbien noch Präp. sind, so wird sich
auch dchä erst im Einzelleben des Indischen dazu entwickelt
haben. Das Wort wird in der Ursprache die Ausdehnung über
den Raum hin bedeutet haben, woraus sich dann später leicht
in der Verbindung mit einem Verbum und Akk. “durch den
Raum hin, bis’ entwickelte. Auf diese Urbedeutung geht
752 Kap. XV. IV. ai. sdeoa, av. haca, altir. sech, ai. sahd. [8 297—298.
dann auch das slavische jJeste (s. Miklosich s. v.) zurück, bei
dem eine Übertragung auf die Zeit stattgefunden hat.
IV.
Proethnische Präpositionen, welche nicht Präverbia sind.
$ 298. Ai. saca, av. altp. haca, altirisch sech, ai
sahd.
Der Zusammenhang von ai. saca mit dem Verbum, welches
im ai. sac, gr. Eropar lautet, ist unverkennbar. Aı. sdca be-
deutet als Adverbium “dabei, zur Hand; zugleich, zusammen’.
Mit dem Lok. vor- oder nachstehend: “bei, in, angesichts von,
zusammen mit’, z. B. asmö indra säca sute ni jada pitäye mädhu
zu uns, o Indra, bei dem Somasaft setz dich nieder, das Meth
zu trinken RV. 8, 97, 8; amäjür iva pitröh sdcä sat! wie eine
im Hause Alternde, die bei den Eltern ist 2, 17, 7. Im ira-
nischen Sprachgebiet hat haca nie die Bedeutung ‘mit. Zwar
führt Spiegel, Gr. 464 dafür an yOr geus haca syeinti y. 37, 2,
welche Worte nur übersetzt werden könnten, welche ‘zusam-
men mit dem Vieh wohnen’. Aber die Worte sind aus ihrer
Stelle gerückt und deshalb nicht sicher zu verstehen. Haca
ist vielmehr durch ‘weg von’ zu übersetzen und wird mit dem
Ablativ verbunden, z. B. tacınti @p6 zrayanhap haca puitikap
avı zrayö vourukasem die Wasser fliessen aus dem See P. in
den See V. vd. 5, 19. Zeitlich von an: Aaca hu varsap a hü
Frasmödatörp von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang yt. 5, 91.
Übertragen etwa “um willen’ so in afa5 kaca um der Gerechtig-
keit willen y. 28, 2. Wenn auch der Genitiv vorkommt, so
ist dieser wohl ein Nachfolger des Ablativs. Im Altpersischen
hat der Ablativ stets Aaca vor sich. Man sieht also, dass der
Sınn der Präp. in dem Kasus so gut wie aufgegangen ist,
etwa wie bei zpori, lit. n& und sonst. Ja, die Sprechenden
empfinden offenbar in der Präp. den Sinn, der eigentlich im
Kasus steckt, nämlich “von weg’ u. s. w., und so erklärt es
sich, dass unser Wort auch den Sinn von ‘ohne erhalten
5298—299.] Kap.XV. IV. bahis, ba, berü, dveu. inuh, radiy, radi. 753
konnte, der seinem ursprünglichen gerade entgegengesetzt ist.
Das ist nach Bezzenberger, BB. 16, 238 im Keltischen ge-
schehen in acymı. corn. bret. hep ohne, ir. sech (letzteres
“bei einer Sache vorbei, über hinaus, vor jemand voraus‘, s.
Windisch Wb.).
Mit dem Verbum sac hängt, wie J. Schmidt, KZ. 25, 103
richtig bemerkt, auch ai. sakdm in Gemeinschaft mit, nebst
mit Instr. zusammen. Es ist der adverbial gewordene Akk.
eines Nomens sakd-.
Ai. saha als Adv. gemeinsam, zusammen, zugleich, als
Präp. mit Instr. mit, sammt, nebst, zugleich mit. Dazu av.
hada, altp. hada gleicher Bedeutung und Konstruktion (vgl.
Spiegel, Gr. 465). Verwandt ist griech. äua, dessen adverbialer
Gebrauch oben $ 263 erörtert worden ist. Als Präp. wird es
mit dem instrumentalen Dativ verbunden, in den bei Homer
meist Personen treten.
$ 299. Aı. dbahis, lit. be, slav. bezäü; gr. ävev, got.
inuh;, altp. rädıy, slav. radı.
Ai. bahis draussen (ausserhalb des Hauses, des Dorfes, der
Stadt, des Reiches u. s. w.) von aussen, hinaus, ausserhalb von
mit Abl. Identisch damit ist lit. de (Kurschat, Gr. 390), lett.
be/ (Bielenstein, lett. Spr. 2, 292), slav. dezö (Miklosich 4, 512)
ohne. Sie werden überall mit dem ablativischen Genitiv ver-
bunden.
Gr. äveu, got.inu (inuh) ohne, vgl. Brugmann, griech. Gr.2218.
Bei ävev steht der ablativische Gen., bei izu nicht der danach
zu erwartende Dativ, sondern der Akk. Der gleiche Kasus
erscheint auch bei ai. vinz, das ebenfalls ‘ohne’ bedeutet. Ai.
sarular weit hinweg (besonders mit ys weit hinweg treiben,
auch mit Abl.: A$eträd apa5yam sanutd$ caranlam von dem
Platze sah ich ihn weggehen RV. 5, 2, 4) wird mit Wahr-
scheinlichkeit zusammengestellt mit griech. ätep ohne (mit
Gen.-Abl.), altsächs. sundir ohne (mit Akk.), ahd. suntar u.s.w.
Vgl. darüber, sowie über verwandte Partikeln Kretschmer,
K2Z. 31, 351.
Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm, Sprachen. I. 48
754 Kap. XV. V. Präpositionen im Arischen. [$ 299— 300.
Endlich sei noch erwähnt, dass altp. rädıy wegen in ava-
hyarädıy deswegen mit dem slavischen radı wegen, z. B. togo
radıi deswegen, unverkennbar zusammenstimmt (Ebel in Kuhn
und Schleicher’s Beitr. 1, 426ff.), wenn auch die Wörter nicht
identisch sind, weil slav. # im Auslaut nicht einem idg. * ent-
sprechen kann. Auch die Beziehung zu ai. radh gerathen ist
wohl nicht abzuweisen. Genaueres weiss ich nicht anzugeben.
V.
Übersicht über die Präpositionen in den Einzelsprachen.
8 300. Arisch.
Im Vorhergehenden sind behandelt worden ai. @pa, dva,
antär, dpi, abhi, dd, pa, päri, prä, prati, säm, dnti, pabcad,
pura, purds, tirds, upari, säca, sahd, bahis, ir. apa, ava, antare
‘altp. antar), atwi, aibi, abiy, avi, ud, us, upa, pairi, parıy, fra,
paiti, paitis, pati, patis, ham, ana, maß, pasca, pasa, para,
pard, taro, upairi, upartiy, adhairi, haca, rädıy.
Nicht erwähnt sind die folgenden echten Präpositionen:
Ai. dti, av. aiti, altp. atiy, die beiden letzteren ganz
schwach belegt. Als Präverbium zeigt ai. ats die Begriffe des
Hinüberkommens (Hindurchdringens), Übertreffens, Mehrthuns,
Übergehens (Beseitigens) und ebenso in seiner Verbindung mit
dem Akkusativ (vgl. SF. 5, 441). Es ist wahrscheinlich, dass
mit ati das lit. dt (wofür auch ati- vorkommt) und das slavische
ot& identisch sind. Doch gelingt es mir nicht, die Bedeutungen
in einleuchtender Weise zu vermitteln. Auch das Verhältnis
zu lat. at- in atavus und andererseits zu Erı, lat. et, got. 1d-
macht noch Schwierigkeiten.
Ai. ddhi auf, selten mit Akk., häufig mit Lok. und Abl,,
im RV. auch mit Instr. (SF. 5, 441ff.) steht bis jetzt noch da
ohne sichere Beziehung in den verwandten Sprachen.
Ai. anu, av. anu, altp. anuo. Als Präverbium im Aı.
häufig im Sinne von ‘nach’ (vgl. SF. 5, 443), so dass bald der
Begriff des Nachfolgens, bald der der Kontinuität im Nachgehen
$ 300.] Kap. XV. V.a,ä, ni, ni, pära. 755
(entlang, durch hin), bald der des Nachkommens mehr hervor-
tritt, selten ist es im Avesta (vgl. i, da, marez, sac bei Justi).
Als Präposition erscheint es mit dem Akk. in entsprechenden
Bedeutungen (vgl. a. a. O., Speijer 119 und Spiegel, Gr. 453).
Im Altpersischen findet sich einmal der. Lok.: Zazäna näma
vardanam anuv Ufräatauvä eine Stadt Z. mit Namen am Euphrat
Spiegel? 12, 92. Im indischen Epos tritt gelegentlich auch bei
anu der Punkt, von dem die Nachfolge anhebt (und zwar in
zeitlicher oder kausaler Beziehung) in den Ablativ, vereinzelt
auch ın den Genitiv, so dass wir also aru durch unmittelbar
nach übersetzen. Ich möchte annehmen, dass der Genitiv der
Nachfolger des Ablativs ist.
Ai. 4, av. altp. © In Verbindung mit Verben bedeutet
es ‘herbei, heran, an’, als Präposition im Ai. (SF.5, 451) mit dem
Lok. ‘an, auf, in, bei, zu’, mit dem Akk. “hin zu’, mit dem
Abl. ‘von weg’ und wenn es voransteht “bis. Ebenso im Avesta,
z. B. mit Lok. bwahmi @ z5aßröi ın deinem Reiche y. 49, 8;
mit Akk. ü rapibwinem zroanem um die Mittagszeit y. 9, 11;
kapa drujem nis ahmap ü nis naSama teng @ ava yoi wie sollen
wir die Druj wegschaffen von uns (Abl.) hin zu jenen, welche
u.8. w. y. 44, 13; mit Abl. Aaca hu varsap a hu frasmodatoıp
von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang yt. 5, 91. In beiden
Sprachgebieten erscheint @ auch noch als hervorhebende und
verbindende Partikel, deren Verhältnis zur Präposition hier
unerörtert bleiben soll. — Über die Verwandten von @ in den
übrigen Sprachen ist man noch nicht zu einem Einverständnis
gelangt.
Ai. ri, av. altp. ni sind nur als Präverbien gebraucht
und bedeuten ‘nieder, hinein. Der Zusammenhang mit un-
serem nider, slav. nizü ıst klar, möglich, dass es auch mit Ev
zusammenhängt. Das Gegentheil dazu ist ai. nis, av. nis, die
Bildung mir nicht klar.
Ai. parä ist von mir SF. 5, 457 behandelt worden. In-
wieweit ihm das av. para entspricht, ist mir nicht deutlich
geworden (vgl. Spiegel, Gr. 461—462). Früher stellte man es
dem gr. rapa gleich, doch bestehen Bedenken wegen der
48*
756 Kap. XV. V. Präpos. im Arischen. [$300.
Vokale, und man muss auch gestehen, dass die Bedeutung
nicht recht passen will. Para ist nur Präverbium.
Ai. vi, av. vi nur Präverbien. Über ri auseinander habe
ich SF. 5, 464 ff. gehandelt. Das av. v; wird im wesentlichen
ebenso gebraucht. Man stellt ei gewöhnlich mit dem got. vipra,
unserem wider, zusammen.
Von diesen Wörtern sind nur als Präverbia im Gebrauch
al. dpa, av. altp. apa, ai. dva (was allerdings vereinzelt mit
dem Abl. divds vorkommt), av. altp. ava, ai. dd, av. altp. ud
us, al. ni, av. altp. nt, ai. nis, av. nis, al. para, av. parat),
ai. prd, av. altp. fra, ai. vi, av. vi, ai. sdm, av. altp. ham.
Dazu noch av. as, altp. atıy, während ai. dii auch Präpo-
sition ist. |
Im bezug auf die Verbindung mit Kasus verhalten sie sich
folgendermassen.
Bei dem Ablativ findet sich apa, welches ja dem Sinn
des Kasus ganz nahe steht, nicht, da «pa immer mit dem Ver-
bum verbunden ist. In diesem Falle genügte dem Indischen
der Kasus, der ja (gegenüber z. B. dem Griehischen, wo er
mit dem Gen. verschmolzen ist), ganz deutlich geblieben ist.
Gans selten erscheint «va S. 670. Die übrigen echten Prä-
positionen sind von dem Kasusbegriff so zu sagen verschlungen
worden, so part, pairi, das dem Ablatıv die Nuance des ‘rings’
hinzufügt, die aber bald verschwindet, so dass wır den Ablatıv
mit päri wie den blossen Ablativ durch ‘von her’ übersetzen,
S. 712. Ebenso verhält es sich mıt ddhi, worüber ıch SF. 5, 442
bemerkt habe: “Insofern ddhi zu dem Ablativ die Nuance ‘auf
hinzufügt, hat man, wenn man genau sein will, ‘von auf’ zu
übersetzen und so kommt es häufig vor, z. B.: dtah partjmann
a gahi divd va röcanad ddhi von da, o Umwandler, komm her-
bei, oder von dem Lichtraum des Himmels, d. h. von dem
Lichtraum des Himmels, auf dem du thronst RV. 1, 6, 9. In-
dessen verliert sich auch die Empfindung für das auf und es
wird der Ablatıv mit ddhs auch zur Bezeichnung des Ursprunges
gebraucht, so bei Jan, und es kommen Wendungen vor wie die
folgende: niraitu Jivd ak$ato jivö Jivantya ddhi heraus komme
$ 300.) Kap. XV. V. Präpos. im Arischen. 757
‘der Knabe) lebend unverletzt, lebend aus der Lebenden heraus
5, 78, 9”. In besonders merkwürdiger Weise zeigt sich dieser
Vorgang bei av.avi !S. 681 Anm.) haca (8. 752) und antar (8.673),
welche ja von Natur einen dem Ablativ entgegengesetzten Sinn
haben. Man kann bei diesen und ähnlichen Verbindungen
sich wohl auch vorstellen, dass eine Verbindung zuerst mit dem
homogenen Kasus eingetreten ist, z. B. bei antdr mit dem
Lok. (also äsye ’ntdh im Munde drinnen), und dass sie dann
auch bei dem Ablativ sich vollzogen hat (2. B. äsyad antäh
aus dem Munde drinnen, d.h. so viel als aus dem Innern des
Mundes). Eine besondere Bewandtnis hat es mit &, worüber
ich SF. 5, 452 gesagt habe: “Hinter dem Abl. hat # wohl
eigentlich dieselbe Bedeutung wie hinter dem Lok., so dass
pärvatäd & eigentlich bedeutet ‘von, an (auf) dem Berge’ (vgl.
ddhi), dann ‘vom Berge her’. Wir übersetzen auch ‘von weg’,
z. B. ya$ cid dhi va bahübhya a sutävan Aviväsati wer dich
von vielen andern weg mit seinem Somatrank heranlockt.
RV. ı, 84, 9. Bisweilen hat #4 mit dem Abl. den Sinn des
Vorzugs, so: yds 1ö sakhibhya @ vdram der ein Gut ist vor
deinen Freunden, besser ist als deine Freunde 1, 4, 4. End-
lich vor dem Ablativ bedeutet @ ‘bis’, z. B. yati giribhya &
samudrät gehend von den Bergen bis zum Meere 7, 95, 2, ä
nimrücah bis zum Sonnenuntergang 1, 161, 10. Nur vereinzelt
folgt @ in diesem Sinne nach (vgl. Grassmann s. v.). Bei der
Erklärung der Konstruktion von & vor dem Ablativ wird man
die Stellung besonders zu beachten haben. Die ursprüngliche
und so zu sagen natürliche Verbindung liegt vor ın samu-
draäd ä vom Meere her, die Umkehrung nach Stellung und
Sinn ist @ samudräd bis zum Meere hin.” Wie im Altindischen
verhält es sich im Avestischen, die hier angedeutete Be-
wegung scheint sich also in der Zeit der arischen Gemein-
schaft vollzogen zu haben. Bei purds, purä, parö, para
vor, palcäd, pasca noch, bahis draussen tritt in den Ablativ
der Punkt, von dem aus das vor, nach, draussen bemessen
wird. Die Präpositionen stehen also verhältnismässig selb-
ständig da.
758 Kap. XV. V. Präpos. im Arischen. [8 300.
Beı dem Lokalis finden sich arısch antar S. 673, ä
S. 755, upa S. 697, dazu ai. adhi S. 754, dpi S. 676, av. ati,
avı S.681 Anm., paitı S.724, parrı S.711, altp. anuo S.754, von
Präpositionen im engeren Sinne ai. sdcä 8. 752. Überall er-
scheint die Präp. so zu sagen als Spezialisierung des weit um-
fassenden Kasusbegriffs.
Der Instrumentalis in seinem soziativen Theile bedarf
ım allgemeinen keiner stärkenden Präp. (sehr häufig steht ja
auch sam bei dem Verbum!. Soll die Gemeinschaft besonders
stark hervorgehoben werden, so treten ai. sahd, av. hada, altp.
hada (S. 753), av. map (S. 743) dazu. Für den Ausdruck des
Mittels genügt der blosse Kasus. So bleibt denn nur der
Instr. der Zeit- und Raumerstreckung übrig. Dieser kann
durch eine Präp. spezialisiert werden, so ddhi snuna über die
Oberfläche hin (SF. 5, 442), dpa dyubhih im Laufe der Tage
(S. 668), ebenso bei ai. upart, av. upairs (S. 748). Unsicher ist
die Verbindung mit av. pasca (S. 743).
Bei dem Dativ habe ich nur av. aus S. 681 und paiti
S. 725 gefunden. In dieser Verbindung wird der Dativ lokal
empfunden worden sein, was sich natürlich bei dem Dativ so
gut wie bei dem Akkusativ, der von Anfang an gleichfalls
keinen lokalen Sinn hatte, nachträglich einstellen konnte.
Wo der Genitiv auftritt, könnte er wohl als adnominal
empfunden worden sein, so bei ai. antar (im Innern) S. 673,
upäri S. 749, paScad, av. pasne S. 743, altp. rädiy S. 754. Im
Iranischen könnte er auch Nachfolger des Ablativs sein, so bei
av. parö S. 745, altp. pasa S. 743. Eine Verbindung des Gen.
mit echten Präp. ist stets unursprünglich, so wenn er sich bei
av. avi und paitt findet (wie der Dativ). Etwas Spätes ist auch
die gelegentliche Verbindung von ai. aru mit dem Gen. S. 755.
Mit dem Akkusativ finden sich, den Kasus in seiner
räumlichen Bedeutung spezialisierend, arisch anu 8.754, antar
S. 672, abhi S. 680 (und av. avi), ü 8. 755, upa S. 692, parı
S. 711, prati S. 728, pati 8. 724, dazu ai. di S. 754, adhı
S. 754, av. ana S. 734. Ferner ai. upäari, av. upairı S. 745,
av. adairi S. 749, ai. tırds, av. taro S. 747, ai. puras S. 744,
5 300—301.] Kap. XV. V. Griechisch &v, &£, ward. 759
av. pasca, pasne S. 743. Diese Wörter verdanken ihre Kon-
struktion wahrscheinlich der Nachahmung der echten Präp.
$ 301. Griechisch.
Im Vorhergehenden sind besprochen worden: and, Ext,
anpl, repl, nort, rporl, npd, ünd, Ava, Avıl, nera (meöd), ür£p,
welche sämmtlich zugleich Präverbien und Präpositionen sind.
Ausserdem sind erwähnt duo, avev, drtep.
Im Folgenden sollen noch erwähnt werden öıd, &v, 2, xara,
rapd, aoöv.
Über die Herkunft von öı4 weiss ich nichts zu sagen.
’Ev findet sich wieder im italischen ex (ir), lit. (mit dem
Akk.), wohl auch im slav. v&, welches aus *on entstanden ist
(das eine Ablautsform zu er sein könnte). In einer Reihe von
griech. Dialekten wird &v wie das lat. und germ. :» mit dem
Akk. und Lok. verbunden. In den anderen Dialekten steht
an Stelle von &v mit Akk. das neu entstandene eis, &; (vgl.
Brugmann, Ber. d. sächs. Ges. d. Wiss. 1883, 181 ff.).
&& ist im lat. ex und kelt. (altgallisch ex, ir. ess, nur in
Kompositis) vertreten. Seine natürliche Verbindung ist die mit
dem Abl. Wie ärd wird es aber im kyprisch-arkadischen
Dialekt mit dem Dativ konstruiert (vgl. unter and S. 668).
xara bedeutet als Präverbium ‘hinab’ oder hat einen Sinn,
der sich aus diesem leicht ableiten lässt. Es bildet den deut-
lich empfundenen Gegensatz zu äva. Dieses scheint aber nicht
der ursprüngliche Sinn, sondern nur eine Unterart desselben
. zu sein, die sich aus “hinein in’ entwickelt haben dürfte. Für
diese Annahme sprechen einerseits die Anwendungstypen von
xara als Präposition, die sich meines Erachtens aus ‘hinab’
nicht ableiten lassen, andererseits die Thatsache, dass mit dem
griech xara das keltische can? übereinstimmt, von dem schon
Zeuss? 685 bemerkt, dass es sowohl dem lat. cum als dem
griech xar4 entspreche. Die Frage, wie es mit lat. cum steht,
lasse ich hier bei Seite. Dieses keltische can! nun ist vor-
handen als neukymr. gar (aus prätonischem cant) “mit, bei’;
bret. gant, com. gans, gan ‘mit’ (in soziativem Sinne), “von, durch’
760 Kap. XV. V. Griechisch xard. [$ 301.
(Urheber bei’'m Passivum). Im Bret. wird es auch mit ‘für’
übersetzt, z. B. für (gant) die Toten beten. Im Irischen ist
es als cöt nur in cötduith “sentio, sensus’ erhalten (vgl. darüber
Zimmer, Keltische Studien 1, 112f.).. Die Grundform dürfte
*knta (*kmta) sein. Als Grundbedeutung stelle ich vermuthungs-
weise auf: über hin, durch hin, in (mit dem Sınne der Ver-
breitung). Daher ‘überall in’ in mehr oder minder deutlich
distributiver Anwendung, dann ‘bei, unter, an’. Dass ‘bei’ und
‘mit’ zusammengehören, haben wir bei gstd gesehen, vgl. auch
av. haca S. 752. Diese Bedeutungen ergeben nun folgende
Anwendungen bei dem Akkusativ und Genitiv.
1) Bei dem Akkusativ ‘überhin, durchhin, überall in, unter,
bei’, z. B. aus Homer: xar' dypods nAalesdaı x 150; Bi 5 levar
xara vnas durch hin K 136; xara burnıa ruxva xeineda & 473;
N 5 &dsev xard xüpa A 483; ot valouor xard nıöiıv B 130; Auxtnv
xara xorpavkouaıy M 318; nevovto xara orpardv A 318. Sehr
häufig ist xard rölepov, xad doulvrv. In Sätzen wie &sirc
ECovro xara xAtopous Te Öpdvous te w 385 finden die Erklärer
wohl mit Recht eine Andeutung distributiver Anschauung.
‘Unter, bei” übersetzen wir, wenn es, was bei Homer nicht
häufig geschieht, in bezug auf Menschen gesagt wird, z. B. oö
piv ydp wor dveu Önlov Eev, Ad xar adtobs orpmpäro N 556;
Son 54 xußrormtäipe xar' adrtobs moAntc &kapyovros dölvevov xard
usosous 2 605. “An übersetzen wir, wenn bei Verben des
Treffens der getroffene Theil angegeben wird, z. B. Beßinxer
“Aouröv xard dekidv E66. ‘In’ sagen wir bei Wendungen wie:
xard opeva xal xard Buudv. Selten haben wir durch “hinein in,
hinunter in, hinab in’ zu übersetzen, so z. B. öuoed’ Aldc xara
xöpa Z 136. Übertragen kommt xard vor im Sinne von “ent-
sprechend’: xard noipav, od xard xdauov. Vielleicht geht es aus
von ‘durch hin’, sich in der Linie des xdonos bewegend.
2) Bei dem Genitiv wird xard doppelt gebraucht. In dem
ersteren Falle, wo wir ‘herab von’ oder ‘herab’ übersetzen, ist
der Kasus deutlich der Ablativ: xaT oöpavoo elAnAoudas Z 128;
daxpua 88 opıy deppua xara Blepapwv yapddız bee P 438. Die
Verwendung von xara bei dem Abl. vergleicht sich der von
$ 301.) ‚Kap. XV. V. Griechisch raod, shv, die. | 761
ai. adhi, lit. nd u. s. w. In dem zweiten Falle tritt in den
Genitiv vielmehr derjenige Gegenstand, auf den die Bewegung
sich richtet, 2. B. xard yBovös dunara nnias auf die Erde [' 217;
xara 5 Öpdalunv xeyuT Aylüs herab auf E 696; xdvıv yadaro
xax xeoaits 2 24; alyuh xara yalns @yero hinein in N 504;
buyh d& xara ydovös @yero hinab unter W 100. Zur Erklärung
beachte man das bei rort $. 726 Bemerkte.
zapa& brachte man früher mit ai. parä zusammen, was
jetzt für unzulässig gilt (vgl. S. 755). Ich lasse es bei
Seite.
Auch über die Verwandtschaftsverhältnisse von oöv sind
die Gelehrten nicht einig (die neueste Behandlung ist die von
Kretschmer, KZ.31,415ff.). Über seine Verwendung bei Homer
sagt Mommsen a. a. O. 38: “söy ist der gewöhnliche Ausdruck
für die Zugehörigkeit eines Begriffes zu einem anderen; die
Bedeutung theilt sich nach zwei Seiten, je nachdem die Prä-
position mehr mit Zuthat von oder mehr mit Hilfe von
bezeichnet. Die durch oöy angeknüpfte Sache oder Person er-
scheint im ganzen weniger als gleichberechtigt oder an Umfang
oder Zahl überwiegend (wie bei vera), sondern als das Sekun-
däre, oft geradezu als Anhängsel” Das ist genau der Sinn
des Instrumentalis, und es ist denn auch kein Zweifel, dass
dieses der Kasus ıst, der bei obv auftritt.
Ich füge noch ein Wort über &; bei. “3 nimmt eine ganz
eigenthümliche Stellung ein. Mommsen a. a. O. 36 sagt
darüber: “Das Wörtchen findet sich nur einmal bei Homer als
Präposition verwandt in einer durch nichts als unecht erkenn-
baren Stelle, ın der höhnischen Schimpfrede des gemeinen
Melantheus p 218: “s alel röv öpolov Aysı Deös ds Tov Öpotov.
Nun aber findet sich meines Wissens nicht nur in der ganzen
übrigen Epik, sondern überhaupt in der gesammten griechischen
Poesie kein einziges wo; als Präposition, allein die Komödie
und (obwohl diese es sehr selten haben) die beiden jüngeren
Tragiker ausgenommen; Pindar und Aeschylus z. B. die sonst
alle Rektionen aller Präpositionen zulassen (ausser dass Aeschylus
kein äva c. Dat. hat), meiden nur dies &. Offenbar nahmen
762 Kap. XV. V. Griechisch x. [$ 301.
Sophokles und Euripides das Vorwort aus der attischen Kon-
versationssprache, der sie ihren Stil in sehr vielen Punkten
mehr als Aeschylus annäherten; die Komödie hatte von vorn
herein keinen Grund, eine prosaische Fügung zu scheuen.”
Über die Art, wie “gs zur Präposition geworden sei, weiss ich
sichere Auskunft nicht zu geben. Gewöhnlich nimmt man an,
os, das oft neben Präpositionen steht, sei durch die Nachbar-
schaft verleitet selbst zur Präposition geworden (so Krüger,
Gr. 69, 63, 4), was mir nicht einleuchtet. Näher liegt es, &w;,
was (wie unabhängig davon auch ai. yavat) aus einer Kon-
junktion zur Präp. geworden ist (vgl. Wackernagel, KZ.28, 117),
zur Aufklärung heranzuziehen und somit auf &; damit zurück-
zugehen. Doch fehlen die Mittelglieder.
Unter die Kasus vertheilen die hier erwähnten Präposi-
tionen sich folgendermassen:
Mit dem ablativischen Genitiv verbinden sich rept
wie päri, pair S. 714, rpds wie av. paitt S. 729, ärd wie lat.
ab, got. af S. 668, 25 wie lat. ex, zpd wie lat. pro S. 722, und
wie lat. sub S. 698, dazu noch xara S. 760, rapa und dvsu und
atep S. 753. Mit dem lokalen Dativ Ent S. 676, aut S. 690,
repl S. 712, npds S. 729, und S. 698, Ava S. 736, pera S. 742,
rapa, &v,. Mit dem instrumentalen Dativ oöv. Der echte
Dativ erscheint vielleicht bei gewissen Verwendungen von &rt
und rpds (S. 677, 729). Der echte Genitiv findet sich bei
avi, onep, da, Ent, noti, Ava, Apol, rnepl, nera. Bei Avti, drep
und ötz dürfte es der alte adnominale Genitiv sein, welcher
uns bei den unechten Präp. begegnet. Dagegen bei den übrigen
ist es ein griechischer Genitiv. Bei rt, rori, dva scheint diese
Konstruktion so entstanden zu sein, dass zunächst ein Genitiv
des erstrebten Zieles zu einem mit &rt, rxori oder dva verbun-
denen Verbum trat und dann das Verhältnis zwischen Kasus
und Präp. entstand. Bei dot, pera, sept aber scheint der Ver-
lauf ein anderer gewesen zu sein. Der Genitiv bei dupt und
pera ist bei Homer noch ganz selten und auch der bei xzp!
(so weit er nicht Vertreter des Ablatıvs ist) ist offenbar nicht
alten Datums. Es scheint, dass diese Genitive im gefühlten
$ 301—302,] Kap. XV. V. Präpos. im Italischen. 7163
Gegensatz gegen die überlieferten lokalen Dative entstanden
sind. Den Kasus bei äupl empfand man offenbar ım ganzen
noch als lokal, wenn er auch in Wendungen wie äyy’ "EAdvy xal
xmnpaacı räcı nayeodaı I 70 schon wesentlich metaphorisch ge-
fühlt sein wird. Den entscheidenden Schritt zur Ausprägung
der metaphorischen Bedeutung aber that man, indem man statt
des Dativs den Gen. setzte, z. B. näyeodov nlöaxos App’ ölyns
Il 824. Genau dasselbe Verhältnis findet statt zwischen yap-
vavro rept nuAgaıv & 453 und @s ol ev nepl vnöc &uasdlporo
päyovro II 1, nicht so einleuchtend bei nera. Die Ersetzung
des anschaulicheren Dativ bei Präp. durch den abstrakteren
Genitiv ist eine der wichtigeren Thatsachen der griechischen
Kasuslehre. Sie ganz zu erklären, bin ich nicht im stande, ich
denke mir, dass bei dem Suchen nach einem nicht lokal auf-
zufassenden Ausdruck der Genitiv sich einstellte, weil man von
&rt her an eine beinahe gleiche Verwendung des Dativs und
Genitivs gewöhnt war.
Mit dem Akkusativ verbinden sich Ext S. 676, rept S. 711,
rpös S. 728, ind 8.697, ava 8. 734, nera S. 742, Öndp 9. 748,
xara S. 760, as S. 761, &v, apa.
'8 302. Italisch.
Im Vorstehenden sind behandelt worden: ab, au, inter, op,
ob, amb, sub, per, pro, an, osk. ant, lat. ante, post, osk.
umbr. pustin, osk. pus, lat. pone, trans, super.
Nur Präverbia sind amdi, amb, dazu amfr, das wohl mit
Bücheler aus amfer zu deuten ist (vgl. das Verhältnis von sud
und super); an das wenigstens in anhelare dem gr. äva zu ent-
sprechen scheint; au, por, das dem gr. rapa gleich gesetzt
wird. Dazu noch dis, red, sed, über die ich nichts zu sagen
weiss, was über das Bekannte hinausginge.
Somit bleiben übrig:
ad. Noch nicht recht deutlich ist das Verhältnis zu ar.
Osk. az ist wohl aus *ads zu deuten. Es tftt zum Akk., so
umbr. asamad ad aram, osk. az hortom ad hortum. Offenbar
ist es dasselbe wie got. at, welches freilich mit dem Akk. nur
764 Kap. XV. V. Italisch cum, de, en, prae. [$ 302.
noch bei Zeitbestimmungen erscheint: at maurgin vaurbanana
rpotas yevon&vns Matth. 27, 1, vgl. ad meridiem.
cum (com-), mit dem vielleicht got. ga zusammengehört,
bezeichnet nach Schmalz ursprünglich das lokale Zusammen-
sein, 2. B. vivit cum Balbo da wo Balbus. Damit lässt sich
der umbrische Gebrauch (Bücheler, Umbrica 200) vergleichen,
wo es mit dem Abl. verbunden wird und ‘bei’ bedeutet: asaku
juxta aram, verisco bei den Thoren. Das Lateinische, nament-
hıch auch soweit das Präverbium ın betracht kommt, scheint
aber dafür zu sprechen, dass im allgemeinen das Zusammen-
sein als Grundbegriff angenommen werde, wovon die lokale
Bedeutung nur eine Schattierung ist. Aus dem ÖOskischen
merke man cum preivatud. Es ist also im Oskischen wie im
Lateinischen der Instrumentalis in den Ablatıv aufgegangen
und -dabei die d-Form beibehalten (vgl. op 8. 677).
de ist sicher identisch mit altır. di. Auch osk. dat ıst
wohl ganz nahe verwandt. Dass dat mit dem Ablatıv verbun-
den wurde, ist zweifellos, doch die Ausdrucksweise der tabula
Bantina wird wohl auf Nachahmung des Lateinischen beruhen.
De, di, dat werden zu den unter got. dw besprochenen Wör-
tern gestellt, zu denen sie sich verhalten können, wie lit. n«&
zu vd u. ähnl., so dass sie eigentlich ‘bei’ oder etwas Ähn-
liches bedeuteten und die Bedeutung ‘von weg, von herab’
auf die Rechnung des Abl. zu setzen wäre.
en gleich gr. &v. Es wird seit proethnischer Zeit mit Akk. .
und Lok. verbunden. In den Dialekten tritt er hinter die
Kasus, z. B. umbr. fermnome ad terminum, manuve in manu,
Jondlıre, funtlere in fontibus, wobei die Kasus, welche in den
letztgenannten Formen enthalten sınd, Lokale sind (vgl.
Bücheler, Umbrica 200, J. Schmidt, KZ. 27, 307). Im Latei-
nischen mit Akk. und dem ın den Ablativ aufgegangenen
Lok.: ın altod, preivatod, coventionid.
prae (pre, pri) mit Abl., lat. prae manu, umbr. pre veres
ante portam. Wie prae und pri sich zu einander verhalten,
weiss ich nicht recht zu sagen. Im Slavischen scheint zwischen
pre (das wenigstens als Präposition auch dem lat. prae entspricht)
& 302—303.) Kap. XV. V. Präpos. im Germanischen. 765
und pri dasselbe Verhältnis stattzufinden. Möglich, dass prae
auch mit dem Lok. verbunden werden konnte. Auf dieser
Annahme beruht meine Deutung von praefiscini S. 638.
Osk. pert in pert viam trans viam cipp. Ab. 33 mag dem
pamphyl. rept in repreöwxe gleich sein (Collitz 1260, 21) und
irgendwie mit rpotl und kret. ropri zusammenhängen.
Unter die Kasus vertheilen cich die Präpositionen folgen-
dermassen.!)
Mit dem Ablativ verbinden sich ab S. 668, de S. 764,
ex S. 759, pro S. 722, umbr. pus S. 744. Zweifelhaft ist prae,
wobei auch der Lok. ın Frage kommt, und umbr. -per im Sinne
von pro. Mit dem Lokalis, sei er rein, oder in den Abl. auf-
gegangen, osk. umbr. er $. 764, umbr. super S. 749, osk. anter
S. 673, lat. :%» S. 764, osk. op S. 677. Mit dem Instrumen-
talis cum, wobei aber allerdings auch der Lok. in Frage
kommt. Mit dem Akkusativ ad S. 763, ın S. 764, inter
S. 672, ob S. 684, per S. 714, sub S. 697, post, pone S. 744,
trans 8. 746, super S. 748. |
$ 303. Germanisch.
Ich beschränke mich wieder wesentlich auf das Gotische.
Im Vorstehenden sind behandelt worden: af, bi, us, uf,
Jar, fra, ana, and, mip, faura, faur, bairh, ufar, undar, inu.
Nur Präverbien sind ausser fatr und fra: dis, ga und fri.
Dis zer von dem lateinischen dis zu trennen, scheint mir nicht
wohl möglich, der Weg aber zur lautlichen Vereinigung beider
Wörter ist noch nicht mit Sicherheit gefunden. Ga wird zwei-
felnd mit lat. com zusammengestellt. Es wird darüber bei dem
Abschnitt über die perfektiven Verba zu handeln sein. Fri
erscheint nur in /risahts Bild. Über seine Bedeutung wage
ich nichts zu sagen. J. Schmidt, KZ. 26, 24 führt es mit faır
auf *peri zurück.
1) Zu den bloss mit der lateinischen Form erwähnten Präp. verweise
ich auf Bücheler’s lexicon italicum.
766 Kap. XV. V. Germanisch at, du, in, fram, afar, und. [$303.
Es bleiben übrig die folgenden:
at bei ist schon bei lat. ad erwähnt, wo auch seiner Ver-
bindung mit dem Akk. gedacht ist. Der Dativ, bei dem es
erscheint, ist der lokale.
dw als Adv. hinzu, als Präp. mit dem Dativ, vereinzelt
mit dem Akk., bezeichnet die Bewegung zu etwas hin, dann
den Zweck, die Absicht, die Folge. Es stimmt mit dem alts.
ags. 6, dem ahd. zuo derartig in der Bedeutung überein, dass
ich es nicht für möglich halte, sie zu trennen. Weitere Ver-
wandte von du, oder wenn man sich nicht entschliessen kann,
es hierher zu stellen, von ?ö sind zunächst aksl. do, lit. do, da
(Bezzenberger, ZGLS. 244), altır. do und dann (vgl. Miklosich
4, 202) av. da in drujo vatsmenda azemnqgm die zum Hause des
Unholds Geschleppte yt. 10, 86, griech. -e. Ursprünglich mag
es eine deiktische Partikel gewesen sein. In den drei genann-
ten Sprachen aber ist es zu einer Präp. (auch Präverbium) ge-
worden (vgl. Johannson, BB. 15, 312). In dem mit du, {0
verbundenen Kasus sehe ich den echten Datıv.
ın wird wie &v u. s. w. mit dem Akk. und Lok. verbunden.
Unverständlich ist mir got. 3 wegen mit dem Gen. Sollte
die Ellipse eines Substantivums anzunehmen sein? Zu bemer-
ken ist noch, dass ein dem idg. *enter entsprechendes Wort
ım Gotischen nicht überliefert ist, während in unserem unter
dieses und got. undar (av. adatrı) steckt.
ram von etwas her ist eine Art von Superlativbildung
zu *prö. Der Dativ bei ihm ist der ablativische.
afar nach, eine komparativische Bildung zu *apo wırd
mit dem Akk. und dem, wie es scheint, echten Dativ ver-
bunden.
und mit dem Akk. heisst “bis an’ räumlich und zeitlich.
Mit dem Dativ ‘um, für’, z. B. augo und augin jah tunpu und
tunpau &odalpov avıl Spdainoo xat dödvra Avri dödvros Matth.
5, 38. Was die Verwandten und die Herkunft von und betrifft,
so hat man es schon früher mit dem ags. 5d bis zu (temporal)
zusammengestellt. J. Schmidt, KZ. 26, 24 hält diese Zusammen-
stellung fest, meint aber, dass dd mit got. and (S. 741) auf
$ 303— 304.) Kap. XV. V. Präpos. im Litauischen. 767
urgermanisches *arp, idg. *anti zurückgehe, dagegen und auf
*nti. Mir ist das sehr wahrscheinlich. Einer Verwandtschaft
von and und und waren sich die Goten natürlich nicht mehr
bewusst. Wie der Dativ bei und zu erklären sei, ıst mir nicht
deutlich.
Auf die Kasus vertheilen sich die gotischen Präpositionen
wie folgt. Mit dem ablativischen Dativ verbinden sich af
S. 669, faura 8. 745, fram S. 766, us S. 692. Mit dem loka-
tivischen Dativ 55 8. 687, uf S. 698, ana S. 736, miß 8. 742,
ufar 8. 749, at, ın. Mit dem instrumentalischen Dativ
bi S. 687 und etwa noch mid S. 743 und ufar S. 749. Mit
dem echten Dativ vermuthlich du und.afar, mit dem echten
Genitiv vielleicht in. Mit dem Akkusativ bi S. 686, uf
S. 697, ana 8. 735, faur S. 746, Bairh S. 747, and S. 741, ufar
S. 748, undar S. 749, ınu S. 753 und von den S. 766 erwähnten
at, du, ın, afar, und.
Bei einem Vergleich mit dem Griechischen fällt das Zurück-
stehen des Genitivs auf. Der Grund liegt in dem Umstande,
dass der Ablativ (wenigstens in seinem grössten Theile) nicht
an den Genitiv, sondern an den Dativ übergegangen ist.
$ 304. Litauisch.!)
Besprochen sind ape, po, per, prö, sı, nü, alt, päs, be,
do. Erwähnt ist das untrennbare at.
Nur Präverbium ist a? (wie ım Lettischen). Von solchen
Formen, welche das Ansehen echter Präp. haben, bleiben
noch übrig:
pre, pri mit dem Gen. bezeichnet bei Verben des Bleibens
oder Herankommens die unmittelbare Nähe oder Berührung.
Ihm entspricht das mit dem Lok. verbundene slavische pr:,
welches nach Miklosich 4, 679 dasjenige bezeichnet, in dessen
Nähe oder Gegenwart, bei dem etwas ist. Trotz der etwas
abweichenden Bedeutungen sind pr£, pri als identisch mit lat.
prae zu betrachten.
1) Die abweichenden Formen, welche manche Präpositionen im prä-
verbalen Gebrauch haben, sind hier nicht mit aufgeführt.
768 Kap. XV. V. Präpos. im Litauischen. [$ 304.
Keine Auskunft weiss ich zu geben über die Herkunft
von isz aus mit dem Gen., aksel. ız2& mit dem Gen. Fick bringt
isz mit &£, lat. gall. er zusammen, für die er eine Grundform ega,
eg ansetzt. Ich weiss aber i nicht zu erklären, welches auf
diesem Sprachgebiet aus e doch nur entsteht, wenn ein Nasal
im Spiele ist.
Über ü£ bemerkt Schleicher: a@ mit dem Akk. wird nur
im uneigentlichen Sinne gebraucht und bedeutet ursprünglich
hinter’; “hinter etwas stehen’ kann bedeuten: für etwas stehen,
es vertreten (das deutsche ‘für’ geht von der entgegengesetzten
Anschauung aus), z. B. 22 ıszkädgq stoveti für den Schaden
stehen, so geht ü2 über in die Bedeutung “für, anstatt’; Aalbek
ü2 mane sprich für mich, dsz Jam nz karve Jduti düsıu ich
werde ihm für eine Kuh einen Ochsen geben. Derselbe sagt
über die Verbindung mit dem Genitiv: “2 mit dem Gen. be-
zeichnet das Verweilen hinter etwas und die Bewegung hinter
etwas hin, z. B. «2 gires hinter dem Walde, u Aäakalio hinter
dem Ofen, seskis u: stälo setze dich hinter den Tisch u. s. w.
Thüre und Fenster wird vom Inneren des Hauses aus gesehen,
daher 33 düru, u2 Jango stovets vor (wörtl. hinter) der Thüre,
dem Fenster stehen, d. h. ausserhalb des Hauses.” Wie sich
zu dieser Entwickelung der Bedeutung aksl. vüz& stellt (welches
doch wohl mit a2 identisch ist), das mit dem Akk. verbunden
wird und wie «2 für, anstatt bedeutet, sonst aber abweicht,
weiss ich nicht zu sagen.
Unter die Kasus vertheilen sich die Präp. wie folgt.
Mit dem ablativischen Genitiv verbindet sich nö S. 740, isz
S. 768, mit dem Lokalis im älteren Lit. -ps S. 678, mit dem
Instrumentalis »pö S. 699, sü S. 732, mit dem Dativ pö
S. 699, mit dem Genitiv aftS. 741, sodann pr& und pö, bei
denen man eher den Lokalis erwarten sollte, an dessen Stelle
also vielleicht der Gen. getreten ist, endlich do und u. Mit
dem Akkusativ ap& S. 678, »ö S. 699, per S. 714, prö S. 723,
püs 8. 744, ü& 8. 768.
$ 305.] Kap. XV. V. Slavisch vy, razü, nizü, prezü, kü. 769
$ 305. Slavisch.
Im Vorstehenden sind erwähnt worden: u, obü, po (wozu
podü unter gehört), pre, pro, sü, na (wozu nadü gehört), bezü,
radi, otü bei ai. di, vü bei &v, pre bei lat. prae, do bei got.
du, izü bei lit. isz, vüzü bei lit. QZ.
Es bleibt noch übrig z«. Es bedeutet hinter (vgl. Miklosich
4, 206) wird mit dem Akk. (404), Gen. (527), Instr. (743) ver-
bunden. Über Verwandtschaft und Herkunft ist nichts bekannt.
Nur Präverbien sind vy und razü.
cvy aus findet sich nur im Russischen, Cechischen, Polni-
schen, Sorbischen, während in den übrigen slavischen Sprachen
an seiner Stelle iz& steht. Über Herkunft und Verwandtschaft
weiss ich nichts zu sagen.
razü, dem Sinne nach etwa lat. dis, ist unbekannter Her-
kunft. Es erscheint als Präp., wie Miklosich 4, 242 angiebt,
nur ım Westen des nsl. Sprachgebietes, also in Oberkrain,
worin wohl eine Neuerung zu erkennen ist. Über pre s.
oben 8. 764. |
Nur Präpositionen sind niz&, prozü, prezü, kü.
Nizü, prozü, prezü sind mit dem Anhang z“ gebildet, über
welchen Miklosich 4, 197 handelt. Nizü entspricht dem ari-
schen ri, es wird mit dem Akk. verbunden und bezeichnet
nach Miklosich 4, 424 eine abwärts gehende Bewegung.
k& nimmt schon insofern eine eigenthümliche Stellung
ein, als es die einzige echte Präposition des Slavischen ist,
welche nur mit dem Dativ verbunden wird. Über die Bedeu-
tung sagt Miklosich 4, 622: “Der Dativ mit Aü& bezeichnet den
Gegenstand, auf welchen die Thätigkeit gerichtet ist, es mag
nun ein blosses Hingekehrtsein nach einem Punkte oder eine
Bewegung nach demselben ausgedrückt werden. Der Dativ
mit kü steht dem präpositionslosen Dativ am nächsten.” Bei-
spiele sind: aksl. subrase se Aü njemu ouvayovraı rpüs adrdv; by-
vajetü privedenü kü njemu yiveran peransunöusvos npög auTöv;
gotovitü se kü otüchoZdeniju er bereitet sich zur Abreise; alt-
russisch (W. Miller in Kuhn und Schleicher’s Beiträgen 8, 104)
Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm. Sprachen. ]. 49
770 Kap. XV. V. Präpos. im Slavischen. [$ 305.
Danıilu vozorativsusja k domovi als Daniel nach Hause zurück-
kam; : rece Olegü k Borisovi und es sagte Oleg zu Boris;
nadejasja kü gospodevi er hoffte auf den Herrn. Miller bemerkt
mit Recht, dass in diesen Sätzen die Präposition gleich einer
hervorhebenden Partikel gebraucht sei und macht in dieser
Hinsicht besonders darauf aufmerksam, dass k& auch zu dem
schon in den ältesten Denkmälern erstarrt auftretenden dosmooi
gesetzt wird. Ich stimme ihm deshalb bei, wenn er k% für
ıdentisch mit ai. Adam erklärt, über welches ich SF. 5, 150
Folgendes ausgeführt habe: “Über Adam sagen Böhtlingk-Roth:
“1) wohl, gut, bene, 2) dient zur Hervorhebung der Beziehung
des Dativs und steht in der Regel am Ende eines Päda’. Die
Bedeutung wohl u. s. w. lässt sich auch in dem unter 2) auf-
geführten Gebrauch noch erkennen. Es steht nämlich kam
nur hinter Dativen von Personen (dem sogenannten Dativus
commodi) und hinter Dativen von Abstraktis (dem sogenannten
finalen Dativ), also nur in Fällen, wo ein ‘zum Heil’ oder ein
ähnlicher Begriff am Platze ist, z. B. yuvdm Etam cakrathuh
sindhugu plavam älmanvantam pakfinam täugryaya kam ihr habt
jenes belebte, beflügelte Schiff in das Wasser gesetzt für T.,
' ,
dem T. zum Heile RV. 1, 182, 5; tvam devasö amrtäya kam
papuh dich haben die Götter der Unsterblichkeit zu Liebe ge-
trunken 9, 106, 8; samändm ahjy ahjate Subha kam mit gleicher
Farbe schmücken sie sich, um zu glänzen 7, 57, 3. Derselbe
Gebrauch in der Prosa”. Im Slavischen ist der Sinn von
“wohl, der ja auch im Ai. nur schwach durchscheint, vollends
geschwunden und das Wörtchen hat, da es ganz in die Ana-
logie der Präpositionen überging, auch die Stellung derselben
angenommen.
Unter die Kasus vertheilen sich die Präp. wie folgt:
Mit dem ablatıvischen Genitiv verbinden sıch u S. 670,
sü S. 732, bezü S. 753, otü S. 754, iz S. 768. Mit dem Loka-
lis obü S. 689, po (podä) S. 699, pri, pro S. 765, na 8. 736,
v& S. 759. Mit dem Instrumentalis sö proethnisch, dazu
za. Wie nadü, podü, predä zu der Verbindung mit dem Instr.
gekommen sind, wäre noch zu untersuchen. Mit dem echten
$ 305—306.] Kap. XV. VI. Präpositionen in den Einzelsprachen. 771
Dativ po S. 700 und A& S. 769. Mit dem echten Genitiv
za S. 769 und do 8. 766, bei denen ich den Grund der Kasus-
wahl nicht einsehe. Die scheinbare Verbindung von na mit
Gen. beruht auf Ellipse (Miklosich 4, 546). Mit dem Akku-
satıv obü S. 689, po S. 699, prozü, prezü, predü, pro S. 723,
sü S. 733, na S. 735, v& 8. 759.
VI
$ 306. Einige in den Einzelsprachen entstandene
Präpositionen.
Ich gebe nur einige Proben aus dem Altindischen und
Lateinischen.
Aus dem Altindischen ist dgr@ S. 566 erwähnt worden.
Daran schliesst sich aus der späteren Sprache sthäne an der
Stelle, anstatt. Hier erwähne ich zuerst eine Reihe von Ad-
verbien, welche in präpositionaler Verwendung merkwürdiger
Weise nicht den Genitiv, sondern den Akkusativ bei sıch
haben, z. B. pdrena hinaus über; dntarena innerhalb, zwischen;
üttaröna nördlich, links von, dakfınena rechts, südlich von,
ubhaydtas auf beiden Seiten, dgrena vor, z. B. dakfinena vedim
rechts von der Vedi, dgrena Saläm vor der Hütte. Wie kom-
men diese Wörter zum Akkusativ? Auf diese Frage habe ich
SF. 5, 183 bemerkt: “Es scheint, dass nach artdr und antara
zwischen sich zunächst dntarena und nach diesem die anderen
gerichtet haben. Warum die ursprüngliche Genitivverbindung
verlassen wurde, zeigt Gaedicke (Akkusativ im Veda) 209, in-
dem er ausführt, dgrena kalayah würde geheissen haben ‘an
der Vorderseite der Hütte, während man doch sagen wollte
“in dem Raum vor der Hütte. Wörter, welche einem sonst
durch Präp. gedeckten Bedürfnis genügen sollten, erhielten
somit auf dem Wege der Anlehnung an bedeutungsverwandte
Präpositionen auch die Konstruktion derselben.” Daran schliesst
sich aus der späteren Sprache n:Aka$@ ın der Nähe von, z. B.
yamunam des Flusses Y. Es bedeutet eigentlich ‘mit dem
49*
772 Kap. XV. VI. Präpositionen in den Einzelsprachen. & 306.)
Probirstein’, d. h. einer Sache nahe und gründlich auf den
Leib rückend.
Aus der nicht-vedischen Sprache führe ich noch an:
prabhrti von an mit Abl. Das Fem. prabhrti heisst im
Veda: Darbringung, Wurf, Schlag, Anhub, Anfang; daher ein
adjektivisches Kompositum mit prabhrti in der nachvedischen
Sprache: beginnend mit, z. B. dvyahaprabhrti (Nom. -is) mit
einer zweitägigen Feier beginnend, davon das Adverb in neu-
traler Form, z. B. Zömaprabhrti von den Haaren an. Dieses
prabhrti löst sich nun auch von dem Kompositum ab und tritt
hinter einen Ablatıv, z. B. skandhät prabhrti von der Schulter
an, sarpasya grahanat p. von dem Ergreifen der Schlange an.
Die “Loslösung’ ist offenbar vermittelt worden durch die For-
men auf ias, welche als erste Glieder eines Kompositums vor-
kommen, z. B. t/auti von hier aus weiter fördernd, tiahpradana
Darbringung von hier aus, welche aber gewöhnlich selbständige
Wörter sind. So war also z. B. tatahprabhrti eigentlich ein
Kompositum, wurde dann aber in zwei Wörter zerlegt.
yävat, Neutrum des Pronomens yavant heisst eigentlich:
wie weit, wie sehr, wie viel, in welcher Menge. Daher be-
deutes yavad varfam eigentlich ‘so lange als ein Jahr dauert,
d. h. während eines Jahres. Der Charakter als Präp. erscheint
deutlich, so bald yarat zu einem Nomen tritt, dessen Akku-
sativ anders lautet als der Nominativ, z. B. sakaläam räatrım
yävat während der ganzen Nacht. Sodann bedeutet es ‘bis’,
zunächst in Fällen wie svagrkam yavat so weit das eigene
Haus geht, d. h. vom Standpunkt des Ankommenden aus ‘bis
zum Hause’, dann nadım yavat bis zum Flusse u. ähnl. End-
lich kann es auch mit dem Abl. verbunden werden, ın Nach-
ahmung des sinngleichen &@, z. B. yäratsüryodayat bis zum
Sonnenaufgang (dieser Beleg bei Speijer S. 123, die übrigen
beı Böhtlingk-Roth).
Wie eine Präposition fungiert auch das Absolutivum zra-
bhya, eigentlich “angefangen habend’, dann ‘von an’.
Aus dem Lateinischen erwähne ich versus, tenus,
penes.
$ 306.) Kap. XV. VI. Präpositionen in den Einzelsprachen. 773
Es ist längst erkannt, dass versus Nom. sing. mask. des
Partizipiums von verto war und sich von da aus zum Adverbium
und zur Präposition entwickelt hat. Dem ursprünglichen Ge-
brauch entspricht es, wenn Caesar sagt: Pompejus ad Cordubam
versus iter facere coepit, dagegen ist versus erstarrt in einem
Satze wie: duae caveae quae speclant ad ezxorienlem versus
(Varro). Dieses versus (vorsus) findet sich von alters her als
letztes Glied vieler Zusammensetzungen, welche man bei Neue
22, 634 ff. überblickt, z. B. ın ursprünglicher Konstruktion:
non prorsus sed transvorsus cedit quasi cancer solet (Plautus),
dagegen erstarrt: mortales multi rursus ac prorsus meant (Varro).
Die Erstarrung ist eingetreten, weil die adverbiale Ausdrucks-
weise gegenüber der adjektivischen zunahm, und versus also
mit Adverbien innerlich assoziiert wurde, wozu noch die Ver-
führung durch das danebenstehende versum (vorsum) kommt,
welches von ältester Zeit her adverbiell verwendet wurde.
Wenn in der klassischen Zeit die Form auf us häufiger wird,
als die auf um (z. B. bei adversus), so hat das offenbar den
ästhetischen Grund, dass man das Zusammentreffen einer Präp.
auf um und eines Akkusativs auf m, insbesondere auf um ver-
meiden wollte.
tenus ist ein neutrales Subst. “der Strick, die Strecke,
vorliegend bei Plautus Bacch. 793: pendebit hodie pulcre, ita
intendi tenus. Es ist identisch mit dem einmal im RV. vor-
liegenden ai. tdnas Nachkommenschaft, eig. ‘Ausdehnung’. Wie
es zur präpositionalen Verwendung gekommen ist, ist von
Wölfflin, Arch. 1, 415 auseinandergesetzt. Tauno tenus regnare
heisst eigentlich: über die Strecke hin, vom Taunus an gerech-
net, regieren. Die Verbindung mit dem Gen. dürfte durch
pexpı, die mit dem Akk. durch usque ad beeinflusst sein. Zu-
erst erscheint die präpositionale Anwendung in Cicero’s Aratea.
Ein ursprünglicher Lokalis ist penes. Dieses Wort, dessen
Zusammenhang mit penus, penates, penitus, penetrare auf der
Hand liegt, fasst Wölfflin, Arch. 4, 88ff. (vgl. auch 389 ff.) als
Lok. von penus auf. Das ist gewiss richtig, nur hat man wohl
nicht anzunehmen, dass im Lateinischen der Vokal von *penest
774 Kap. XV. VI. Präpositionen in den Einzelsprachen. [$ 306.
abgefallen sei, sondern dass penes ein alter ohne Suffix ge-
bildeter Lok. sei, wie ale; (Brugmann 2,393). Penes bedeutet also,
da penus gewiss eher die Speisekammer als den Mundvorrath
bezeichnet hat “im Hausinnern’, daher denn (wie Wölfflin sich
ausdrückt) penes aligquem dasjenige ist, was im Innern des
Hauses verschlossen oder im Bausch des Gewandes verborgen
ist, oder was in der Hand gehalten wird. Verbunden wird es
überwiegend mit esse und habere, z. B. istaec Jam penes vos
psaltriast (Terenz), quom ejus rem penes me habeam domi
(Plautus). Das Wort sollte also den Gen. bei sich haben und
hat ıhn sicher ursprünglich gehabt. Warum ist dieser Kasus
nicht beibehalten worden? Der Natur der Sache nach war
penes besonders häufig mit dem Gen. des Pronomens erster und
zweiter Person verbunden. Als dieser nun im Lateinischen in
Wegfall kam, konnte er bei penes nicht wie in anderen Fällen
(z. B. pater meus) durch das Adj. ersetzt werden, weil penes
wegen seiner Form nıcht mehr recht als Substantivkasus em-
pfunden wurde. Deshalb wird in diesen Verbindungen zuerst
nach Analogie von apud der Akk. eingetreten sein, der dann
alleinherrschend wurde. penus neben penes ıst schwerlich alt,
und wohl (wie Wölfflin meint) nicht ohne Einwirkung von
tenus entstanden.
Viele merkwürdige Bildungen enthalten die baltisch-slavi-
schen Sprachen, vgl. Schleicher, Gr. 278ff,, Kurschat 388 ff.,
Bielenstein, lett. Spr. 2, 288 ff., Gramm. 291ff., Miklosich 4, 253 ff.
Erwähnt sei hier nur, dass auch im Slavischen Bildungen wie
unser Äraft, laut u. ähnl. vorkommen, z. B. serb. mjesto statt
(wo das russische omesto noch die Präposition zeigt), Aray an
den Rand, neben u. ähnl.
Index”.
I. Verba und Adjektiva.
Altindisch.
aj 201.
dram 295.
ardh 283.
arvänc, arväcind 215.
a$ essen 314.
as sein 287. 331. 370.
393.
as werfen 258. 293. 324.
asüy 283.
ah 280. 282.
übhaga 229.
: 201. 289. 363.
18 227.
ı 229.
td 384.
i8 314.
ißvard 353.
uc 252,
urusy 209.
urdhvd 215.
kan 252. 315.
kar 248. 379. 382.
kar (kırdti) mit prd 228.
kalp 283.
küßala 230.
kram 2%. 363,
kri 211. 249.
krid 246.
krudh 283.
gam 227. 363.
gardh 228.
garh 282.
glä 283.
grabh 211. 316. 323,
mit präti 227.
cäru 229. 295.
chad 394.
chid 209.
jan 207. 382.
ji 202. 381.
jiv 252. 330.
Jya 383.
tak$ 208.
tarp 252. 315.
tus 252.
tra 209.
dafasy 232.
da 281. 316, mit päri
327.
da$ 282.
div 327. 370.
duh 383.
druh 283.
dha 228. 379, mit antdr
212.
dhä (dhayatı) 383.
dhü 383.
nand 252.
nam 293.
ndvedas 353.
ni 201. 290. 363.
pan 327.
pat 363.
pätye 248.
pan 315.
par füllen 250. 353.
pa schützen 209.
pä trinken 211. 250. 314.
pürnd 353.
prach 2217. 384.
priyd 229. 352.
pri 315.
brü 282.
bhaks 314.
bhaj mit a 229.
bhar 290.
bhi 212.
bhuj 252. 253.
bhü 370. 393, mit sdm
381.
mad 252. 315.
man 310. 380. 394,
mard 284.
mah 252.
mimaqs 229.
1) Dieser Index umfasst nur die mit Kasus verbundenen Verba und
Adjektiva sowie die Adverbia. Ein vollständiger Index soll nach Schluss
des ganzen Werkes folgen.
776 Index. Altindisch: mue — Griechisch: dyelßopar.
muc 209. har mit prd 293, mit | man 310. 380. 394.
mud 252. vydva 327. mip 205.
mus 383. hars 252. mru 282. 380, mit ei
mrad 282. hä 212, mit ni 293. 248.
yat 228. 246. häs 246. ya 384.
ya 363. 384, hi 290. yaokda 209.
yüc 384. hu 228. vac 282. 380. 391.
yu 209. vat mit aps 310.
yuj 246. I vad mit upa 290.
dh 246. van 383.
Vak 909. Avestisch (altpersisch.. vahikta 295.
ruh mit a 228. ares 289, västray 315.
rej 212. ah 288. 331. 393. vid mit ns 193.
vac 282. 382. 394, altp. ah 331. vidus 310.
vat mit dps 310. ! 201, mit para 289. vaen 394.
vad 394. ss 314. vortda 293.
vap mit d 228.
var vorziehen 213.
vart mit vya 248.
vah 290.
void 310. 381.
vidh 282.
vyadh 355.
vraj 363, mit abAiprä
289.
$qs mit d 228.
Jak 282.
$äs mit anu 385.
fivd 295.
$raddhä 285.
$ru 286. 310. 381. 394.
fvas mit vi 255.
sac 246.
sajosas 269.
sad 363.
san 211.
samd 269.
sar 363.
sarj 293.
sarp 363.
sic 211. 228.
sidh 282.
spardh 229. 246.
svad 283.
han mit ni, prd, prdti
324.
har zürnen 283.
altp. :5 363.
urvada 295.
kar 3719.
zwar mit fra 314.
xsi 314.
zenu 315.
garexr 282,
gareo 211. 316.
Jad 384.
Jjas 289. 363, mit x 289.
ji 383.
Jim 289.
Ju (jıw) 256.
zan 380.
za 228,
Dwazxs 363.
dar 209.
da 193. 281. 316.
da (ai. dha) 228. 379.
altp. di 283.
dis 193.
du 282.
nas 209.
peres 384.
perena 353.
frya 295.
bars 315.
bar 211. 290, mit apa
209, mit vi 248.
ı bud mit fra 212.
: bi 372. 394.
sänh mit fra 384.
stä 364.
sts mit uz 201.
sru 310. 381.
hac 246.
had 364.
hazaosa 269.
en
Griechisch.
dyalkopar 254.
dym 324, 364.
ddatov 354.
dndesco 311.
alvunar 316.
alptn 321, 8. &.
alten 384.
dio 311.
dadynpar 214. 255.
dundto 313.
dxunvoc 354.
dxöprtoc 354.
dxodn 311.
dxthumv 354.
dAadm 205.
dAeyiio 313.
dAtym 313.
dAttm 210. 283.
duetßopar, dpeldm 382.
328,
Index.
Auelton 314.
änpopos 354.
dpöyo 210.
dvanveöo 212.
dydoom 287. 314.
ayödvm 283.
dveyo 291.
dvıdlo 255.
dnlornuı 324.
dveıdo 321. 325.
dvyrıBoltn 321.
dvrlos 296.
Eros 354.
dein 328.
draupdm 282. 383.
drolobm 383,
arootliBm 329.
ärtopar 321.
dohyo 283.
aprdim 283.
dpyebm 287.
&pyopar 207. dpyw 207.
287.
doyaldın 214.
ätdAavros 269.
dreihs 354.
drepnßopar 205.
dros 354.
Ayvupar 214.
dyarpkopar 283. 383.
ayveıöc 353.
dpbscn 212.
dyebov, dytuv 214.
&ydopar 255.
du 252. 322.
Balvo 364.
Bali 228. 258.382.385.
Bacıledw 287. 314.
Bıdm 383.
Bidrto 203.
Bpid 252. 322.
Ppoöw 252.
Böscw 322.
yalo 254.
yanto 316.
yedopar 315.
jtyyopar 207. 208 Anm.
Griechisch: dueitom — xoreu,
yovvalopar 324.
yumydo 209.
det 205.
debop.ar 205.
ötyonar 211. 227. 328.
dm 203. 324.
örddoxm 311. 385.
öldmpr 281.
ölepar 203.
dıxdlm 328,
ötchrm 203. 328. 381.
Boxen 283.
öpdsconar 321.
öbym 364,
öüm 314. 364.
eyyrös 296.
elxeAos 296.
eixu 203. 293.
eljl 207. 288. 331.
el 203. 364.
elpopar 384.
eipurdn 384.
exrdüm 383.
ei, ellov 323. 385.
&labvm 382.
Eidopar 324.
eId, TAdov 291,
Ex 324.
Euopos 354.
eurndlopar 313.
eurohdo 330.
eyavrioc 296.
Zvaplln 383.
Eyvunı 383.
eEatvupaı 383.
Fer, einov 282. 382.
erarıvem 284.
eratocm 324,
erauploxm 321.
erelyopor 324.
enhBodos 354.
ertxkonos 353.
eriindos 354.
errımalopnar 324.
erın£pponar 214.
enloxonos 353.
ertotapar 311.
777
ertoteghs 354.
eriotegonar 322,
erlorpopos 353.
Epanar 324.
epariim 324.
&pyu 203.
Epöm 382.
Epelöonar 228. 321.
eplkm 247.
Epöxm 203.
epum 203. 324.
Epyop.ar 364.
epmem 203.
Erapiim 247.
eüvıg 353.
eydpöc 296.
En, Eyopar 203. 321.
323. 385.
Lauıdon 328.
Can 254.
hyenovedo 287.
Aytopar 287. 314. 380.
Trıos 290.
hsodopar 212.
depıotedo 287. 314.
deponar 330.
Initm 329.
lepar 324.
Hüw 325.
Indyo 364. 385.
Inveopar 364.
Tu 364.
lcos 296.
loyaydoo 324.
xaltn 380. 381.
zarlrru 385.
xaradırdkn 329,
xaptepöc 354.
4eriebm 385.
xevög 353.
do, ahöonar 205. 313.
ıurinorm 380.
Anton 316.
lvo 228.
xI0o 310.
“opevvupt 252. 322.
“orten 214. 284.
778 Index. Griechisch: zoart» — Lateinisch: appropinguo.
xpattn 212. 314.
xplvo 209. 328.
xpönten 384.
xurdo 247.
wuyto 385.
kayydyn 321.
Aauddvm 321. 323. 385,
Aavddvo 311.
Asios 359.
kelropar 212.
Ahyo 203.
Aıalopar 324.
Alssouar 324. 384.
Aravsoo >24.
Aodopar 330.
Abo 209. 328,
pdpvapaı 247.
pdyopar 247.
peyalpo 214.
ptdonan 313. 330,
pelpopar 321.
pin 314.
ptpnaa 324.
petarpkropar 313.
uhdopar 382.
prvio 214.
plyvupı 247.
pipvhoxo 311.
pyhumv 354.
vepeschn 284.
veopar 364.
vnio 322.
viCopar 383.
vixdo, vıraopar 212.368.
381.
viren 330. 385.
viper 257.
von 380.
vospllopar 203.
Euvinpı 311.
6döpopar 214.
öLm 329.
ödopar 313.
olöa 311. 381.
otvilonar 250.
Storeum 325.
&\opuponar 214.
VE
Sul 247.
Spvugt 369.
&uoros 269. 296.
öpöpyvuopı 203.
öylvnpu 315.
&yopar 214.
ornöte 247.
örtaw 316.
6pkyvupı 325.
öppdopa 324.
öpvupı 208 Anm.
obrdm 385.
öbelm 325.
rdocn 318.
rattopar 315.
‚ ’
Tavo, Tavonar 203.
rerpdo 247. 316.
repntko 316.
reld,m 292,
repıdldona 327.
repiAänoo 383.
rerdvvup: 291.
rhyvupı 228.
riivapar 292.
rtierinpi 251. 322.
rivo 315.
rinto 228. 291.
rAeios 353.
rinatikopar 247.
rihese 385.
ren 330.
rodm 209 379.
roleullm 247.
rpdrto, rpdrrond: 384.
erprdunv 227. 250.
rpoudnto 291.
rehtde 330.
ruvdcvonar 311.
rolto 328.
beim 382.
sevonar 324.
onpalvo 287. 314.
oruLonaı 284.
orelvn 322.
otepem 205.
aurldo 383.
eu 369.
tepropan 254. 315.
teraydv 324,
tesyw 209.
<lönpı 228. 379.
za 328.
tivoo, tivopar 214. 382.
rboropar 325.
Tuyyavo 321.
brelxu 293.
bokixu 324.
Epayov 315.
palvopar 283.
(pa) plpm 293.
gedyn 203. 328. 385.
odoven 214.
auto 381.
Dos 296.
obpm 322.
yalonar 202.
yalpın 254.
yalsrdc 296.
yatto 205.
xapllopar 316.
(baxpu) ytov 214.
yhen 353.
Anpsom 205.
XoAdopar 214. 284.
pauspko 283.
ypabopar 321.
Yhopar 214. 284.
Yoptun 202. 293.
das 321.
hdtu 203.
dvkopan 227.
Lateinisch.
absum 282.
abundo 252.
adjuto 282.
adsuesco 281.
advenio 228.
advolo 364.
alienus 215.
amans 352.
appello 380.
appropinquo 292.
Index.
—- [ —
arceo 202.
argquo 385.
audaz 354.
ausculto 286.
benignus 354.
bibo 250.
capıo 211.
careo 205.
cassus 215.
cedo 202. 293.
celo 384.
cogo 383.
colloco 228.
commeminı 311.
concedo 293.
confido 255.
consulo 232.
eredo 285.
cupidus 325.
cupio 284. 325.
delecto 253.
devenio 364.
dignus 270.
dives 354.
doceo 385.
editus 207.
egenus 354.
egeo 205.
emo 250.
eo 29%.
exzcuso 293.
ergo 384.
existimo 329.
Jacio 248. 329. 379.
fastidio 325.
Javeo 284.
Jerox 354.
Jido 255. 285.
Sretus 255.
Fungor 253.
gerens 352.
ignosco 284.
impero 286.
impleo 251.
ınanis 215. 354.
indigeo 205.
indigus 354.
indulgeo 284,
interest 530.
invideo 2833.
JjJubeo 384.
Judico 381.
labor 202.
levo 209.
liber 215.
libero 209.
libet 283,
licet 283.
loco 228.
locuples 354.
medeor 282.
memini 311.
minor 283.
misceo 247.
mitto 290.
moderor 236.
moneo 335.
moveo 202.
natus 201.
noceo 282.
nomino 380. 382.
nudus 215.
obliviscor 311.
onustus 354.
opulentus 354.
opus est 253 Anm.
orbo 205.
orbus 215.
oriundus 207.
oro 384.
ortus 207.
parco 282.
pauper 354.
pello 202.
pendo 329.
placeo 283.
plenus 269. 354.
pluit 257.
posco 384.
postulo 334.
potior 248. 314.
privo 205.
procreatus 207.
procumbo 228.
Lateinisch: arceo — Germanisch: ähten. 779
prohibeo 202.
prospicıo 282.
: prosum 2832.
recordor 311.
reddo 379.
refert 330.
rogo 384.
satur 354.
satus 207.
sciens 352.
sequor 241.
servio 282,
sımilis 269.
solvo 209.
spolio 208.
sterilis 354.
sto 250.
studeo 325.
studiosus 325.
sudo 258.
sum 331. 372.
sumo 211.
tendo 290.
utor 253. 254.
vaco 215.
vacuus 354.
rendo 250.
vereor 325.
vescor 259.
victito 254.
videor 283.
vivo 254.
voco 380.
m 11111 I
Germanisch
(gotisch unbezeichnet).
nhd. absagen 282.
afskıuban 260.
afstandan 203.
mhd. nhd. alt 359.
andbahtjan 283.
andhausjan 286.
andvasjan 205.
attekan 292.
ahd. ähten 325.
Index.
Germanisch: äläten — letla.
alts. alatan 210.
ags. älysan 210.
ags. ästigan 292.
basrgan 286.
mhd. bait 355.
balıyan 284.
altn. bana 262.
mhd. dar 355.
ags. beceorfan 206.
ags. bedelan 206.
beidan 325.
altn. beita 261.
ags. beleösan 206.
ags. beneötan 206.
ags. beniman 206.
ags. beredan 206.
ags. beredfian 206.
ags. dbescyran 206.
alts. bidelian 206.
bidjan 384.
ahd. diginnan 207.
bileidan 262.
ahd. dilinnan 204.
alte. dilösian 206.
alts. bineotan 206.
alts. biniman 293.
ahd. distözan 204.
ahd. biteilan 206.
blandan 247.
altn. bläsa 257.
altn. bregda 259.
ags. dbregdan 259.
nhd. dreist 355.
altn. dreyta 261.
brukjan 315.
buqjan 250.
ags. bügan 365.
ahd. darbön 206.
ahd. denchan 312.
altn. eggja 325.
mhd. erwachen 212.
ags. etan 315.
altn. fara 364.
altn. fa 317.
altn. /nesa 257.
ahd. folgön 283.
ags. forleösan 206.
_ a ln nn nn, - ee nn u m rer
ags. fornıman 293.
ags. fon 292.
frabugjan 261.
Jrakunnan 284. 293.
fraliusan 262.
Jramaldrs 355.
fragiman 262.
Fragistjan 262.
fragisinan 331.
fraßjan 286. 294.
Fravisan 262.
reis 355.
ahd. sıh frewan 315.
Julljan, fullnan 322.
fulls 354.
agn. fyllan 252.
gahrainjan 210.
gahorinon 247.
gasrnjan 325.
galeikon 283.
galeiks 269.
gamunan 311.
altn. ganga 325.
gasakan 284.
gasoßjan 322.
gaplaihan 285.
gaumjan 286.
gavadjon 241.
gavaldan 287.
mhd. nhd. geben 282.
316.
age. gedigan 262.
er
ags. gefeallan 365.
ags. gefeöhan 254.
ags. gensman 316.
ags. geötan 258.
ahd. gerön 325.
ags. gestigan 365.
alte. geswikan 204,
altn. geta 317.
mhd. gewaltec 355.
gıban 316.
ahd. giboraner 208.
alte. gidragan 316.
alts. gıkopon 250.
ahd. gsiang 296.
ags. gilpan 255.
ahd. gimangolon 206.
ahd. gitan 209.
altn. görva 379.
mhd. grä 355.
mhd. gröz 354.
mhd. haben 316.
altn. hafa 2%.
altn. hAafna 261.
hasljan 210.
hastan 394.
altn. halda 261.
hatızon 284.
hausjan 286. 294. 311.
altn. heıla 261.
mhd. heizen 380.
ahd. helan 384.
hilpan 283. 330.
hleıbjan 283.
altn. hniga 293.
altn. koggva 382.
hugjan 311.
nhd. hüten 314.
altn. hvelfa 260.
idveitjan 254. 293.
im 331.
ahd. inberan 206.
ahd. inbintan 210.
insandjan 325.
ahd. ırläran 210.
ahd. ırläzan 210.
ahd. srlösan 210.
stan 315.
altn. Aasta 259.
altn. Aıppa 260.
altn. Anyta 261.
mhd. kranc 355.
kukjan 285. 293.
altn. kveda 380.
ags. evedan 261.
lasan 284. 293.
mhd. nhd. Zang 355. 356.
lausjan 210.
alt. Zäta 262.
mhd. leben 330.
altn. legqaja 260.
nhd. ehren 385.
altn. deita 325.
Index. Germanisch: lekinon — Litauisch: priptti. 781
lekinon 210.
alts. lettian 204.
Iiban 330.
ags. linnan 204.
Hiufs 296.
Tiugan 247.
altn. lüka 261.
lukan 261.
altn. Zypta 260.
ahd. machön 379.
matjan 315.
mhd. naz 355.
nhd. nehmen 282.
got. ags. niman 293.
316.
ahd. niotön 315.
nhd. pflegen 314.
ahd. queman 292.
gistjan 262.
gidan 261.
ags. radan 249.
ahd. rämen 325.
reikinon 249. 287.
ahd. reinan 210.
rignjan 257.
mhd. rich 354.
mhd. röt 355.
nhd. sagen 282.
saian 259.
sama 269.
hd. sat 355.
altn. s& 259.
ags. sävan 259.
ahd. sehan 312.
mhd. sieche 355.
alts. sikorön 210.
sildaleikjan 214.
siponjan 283.
skaidan 262.
skalkinon 283.
skaman sik 214. 255.
altn. skjöta 261.
skula 296. 355.
altı. slyngja 280.
altn. snüa 261.
altn. spilla 262.
ahd. spilon 329.
ags. spivan 258.
alt. steypa 260.
altn. stiga 364.
age. svatan 258.
altn. svipta 260.
altn. taka 292.
taujan 379.
tekan 292. 294.
mhd. tiefe 356.
alte. tömsan 210.
ahd. trinkan 315.
altn. tina 262.
Pagkjan 311.
Darfe 355.
baurban 206.
Diudinon 249. 287.
Diupjan 285. 293.
ags. Bolian 206.
alte, tholon 206.
ufbrikan 284.
ufhaugjan 286.
ufstraujan 239.
usagljan 284. 293.
usdreiban 260.
uskiusan 260.
usleiban 325.
usgiman 262.
usgistjan 262.
uspriutan 234.
usvandjan 203-4.
vairpan 289.
vairpan 288. 394.
vairps 353.
valdan 314.
ahd. waltan 314.
vaurkjan 379.
ags. vealdan 249.
altn. veifa 260.
altn. velta 260.
alte. wenkean 204.
ags. veorpan 259.
nhd. vergessen 312.
altn. verpa 259. 261.
vitan 286.
mhd. wichen 204.
hd. vient 296.
mhd. vrö 355.
altn. yppa 260.
ahd. zilön 325.
Litauisch.
ateiti 326.
atimti 281.
atsiminti 312.
atsisakjti 204.
atsiskirti 204.
baidyjtis 213.
bijötis 213.
böstis 214.
büti 264. 266. 319. 332
(vergl. 288).
dairjtis 312.
dejüti 214.
drebeti 213.
düti 317.
diaügtis 252. 257.
eiti 326.
geisti 326.
gelbeti 283.
girdsti 312.
Jaüsti 312.
Jeszköti 326.
kläusti 325.
klausjti 312.
Ijgus 295.
liukti 326.
matyti 312.
mölas 295.
mifszti 312.
mirti 256.
net&kti 206.
nusitikätis 255.
padeti 252.
paliiti 393.
paragäuti 315.
parnöszti 317.
pasäti 265.
Pastöti 264.
pavirsti 264.
Pilnas 326.
pirkti 249. 317.
pripilti 322.
782
privalyti 206.
regeti 312.
sakyti 282.
saugöts 210.
sektis 283.
sdemti 317.
seti 317.
sitisti 326.
stots 266.
sudaböts 317.
szlüzyts 265. 283.
tureti 317.
tüszczas 356.
vadintsi 263.
vdlgyti 315.
vazıılti 326.
veizddti 312.
röryti 255.
verkti 214.
Slavisch
‚altkirchenslavisch un-
bezeichnet).
serb. bite 265. 318.
serb. bjegats 291.
bojati se 213.
serb. bojatt se 213.
russ. bojatisja 213.
serb. drinuts se 255.
serb. drukati se 256.
byvatı 267.
byti 265 (vgl. 208. 288).
russ. dyti 219.
bezati 204.
russ. beiati 204.
serb. vidjeti 313.
videti 312.
serb. vijate 258.
viseti 229.
serb. vjersts se 247.
serb. vladatı 249.
elasti 249. 287.
serb. voditi 291.
serb. voljeti 285.
aksl. serb. vonjati 256.
russ. conjati 256.
serb. vredan 356.
oresti 258.
serb. urstan 356.
vüzavideti 283.
vüzeti 281.
vükusıti 316.
vünımatı 286.
russ. vspomnits 313.
eypits 316.
russ. vyrosts 264.
venits 249.
rerovati 285.
vezeti 229.
glagelati 282.
serb. gladan 356.
serb. glasıti 263.
serb. gledati 313.
gonezngti 210.
serb. gradits 264.
serb. grijesiti 283.
serb. dati 317. 380.
russ. dati 317. 318.
deizati 258.
divits se 285.
serb. didits se 255.
dliEinu 270.
aksl. serb. dovesti 291.
326.
dovolinü 252. 270.
doiti 326.
russ. dordti 327.
serb. dopasti 327,
dostojinü 295. 356.
serb. dostojan 356.
serb. dods 291. 327.
serb. driati 381.
dychati 257.
serb. Zalıtı 283.
serb. Zedan 356.
Zelati 326.
russ. Zelati 326.
serb. Zeljeti 326.
serb. Zirljets 253.
kidati (fidati) 326.
serb. zabavljati se 248.
Index. Litauisch: pricalyti — Slavisch: nagrejati se.
serb. sarıdıti 283.
russ. zavıdovrati 2%.
serb. zaZmurits 258.
. zamotati 258.
serb. zapasti 327.
. zastıdıti se 255.
serb. zuati 263.
russ. zvalti 263.
serb. zodatı 316.
zireti 313.
| aksl, serb. egrati 247.
serb. igrati se 329.
serb. «zbavits 211.
iemensti 264.
serb. iznijets 317.
serb. ıma 318.
serb. smati 317.
aksl.serb. smenovati 263.
350.
aksl. serb. iskati 326.
russ. ıskatı 326.
isplünsti 251.
ste 290.
serb. ses 290.
serb. kazatı 263. 380.
kleti se 256.
serb. Aleti se 256.
serb. klonits se 204.
russ. kljastisja 256.
kosngti (kasatı) se 229.
292.
serb. krıv 295.
kryti 212.
serb. kup:ts 311.
russ. kupsti 317.
serb. ZaZitı 283.
Inssti 206.
kügati 283.
serb. mariti 285.
serb. mahnuti 258.
serb. melati 329.
serb. meinuti 379.
serb. misisti se 256.
mindti 381.
navyknagti 287.
serb. nagledati se 322.
serb. nagrejati se 322.
Index. Slavisch: nagü — chotsti.
nagü 356.
serb. nadatı se 285.
serb. nadımiti se 323.
nade&jati 285.
serb. nazvatı 267.
serb. napiti se 322.
naplüniti 322.
serb. napojıts 322.
serb. napunsti 322.
naresti 267.
naricati 380.
serb. nastanuti 264.
nasypati 251.
nasytitt 322.
naucıti 287.
serb. nahranıti 322.
serb. naciniti se 267.
nestt 291.
serb. obladati 249.
serb. odmetnuti se 204.
odoleti 287.
serb, odoljets 287.
serb. odreci se 204.
ofeniti se 246.
okanıti 204.
serb. opominjati 313.
serb. oprastati 283.
aksl. serb. oprostiti 211.
284.
serb. osloboditi 210.
serb. ostati 267, se 204.
serb. paziti 313.
gerb. pasti 327.
pekti se 255.
aksl. serb. piti 250. 315.
316.
serb. pitati 326. 384.
plakati se 214.
serb. platiti 250.
serb. plasiti se 213.
povininü 270. 295.
podobinü 295.
russ. podobnyj 295.
serb. poznati 381.
pozybatı 258.
serb. pokazati se 380.
russ. pokatiti 318.
pokloniti se 293.
serb. poklonjati se 293.
russ. poklonttisja 293.
polokiti 228.
aksl. serb. pomoziti 283,
russ. pomoci 283.
pominsti 313.
poslusati 312.
aksl. serb. postaviti 264.
379.
serb. postati 267.
serb. postidits se 213.
postyditi se 213.
postgpiti 204.
posülati 317.
russ. posejati 318.
potajits 212.
serb. prepasti se 213.
russ. prinesti 318.
russ. pritvoritisja 264.
prichoditi 290.
serb. promeinuti 264.
267.
prositi 326.
prostits 210.
prostü 356.
serb. procdi se 204.
pretvoriti 264.
serb. pur 356.
pustü 356.
serb. ragatt se 256.
radovati se 257. 284.
serb. radovatı se 284.
russ. radovatisja 284.
razigeiti 204.
razumiıti 286.
serb. razumjeti 286.
rasputiti se 248.
serb. rastavıti 248.
retits 247.
resti 282.
serb. rugati se 283.
russ. rugati 263. 284.
rygati 257.
ragati se 256. 284.
serb. satvorsti 264.
serb. sahranits 211.
183
svobodsti 210.
russ. sdelati 264.
sirü 356.
serb. sit 356.
sluiti 283.
russ. slu:its 283.
siysatı 312.
serb. smerdits 256.
smijati se 256. 284.
serb. smijati se 256.
smrüdeti 256.
russ. smejatisja 256. 284.
serb. sramiti se 213. 255.
serb. stavıts 379.
serb. starati se 255.
serb. stvoritt 267.
russ. stydılisja 213.
serb. suditi 249. 263.
sumotriti 313.
sümeßati se 247.
süpatı 257.
sütvorsti 379.
sejats 317.
russ. sejatt 318.
serb. tedı 319.
testi 257.
serb. trajatı 319.
serb. irgovats 261.
trudıti se 257.
trebe 207.
tüstt 356.
tücinü 295.
ugodits 283.
serb. uzuijats 258.
serb. uzeti 281. 317.
serb. upitati 384.
serb. upravsti 249.
upüvali 255.
uslysati 312.
ustgjati 287.
serb. ueiniti 264.
aksl. serb. ucıti 385.
russ. ucıti 287.
russ. charkatı 258.
serb. Ahvalıti se 255.
choteti 285. 326.
russ. choleti 326.
184
chranıti 210.
serb. ciniti (se) 267. 380.
Altindisch.
aksnayd 555.
ägre 566.
ögrena 514.
angırasvdt 613.
ünjasa 544. 554. 574.
adatraya 555.
adyd 549. 552.
adresas 614.
adharäd 542. 558.
adhästäd 555.
adhidevatdm 614.
anukamdm 614.
anusthü, -uyd 585.
antarena 580.
antıkid 558.
anyedyus 551.
aparäya 589.
aparibhyas 546. 590.
aparedyus 566.
apasydya 575.
apäkad 542. 558.
abhitaram 624.
abhisvare 566.
amd 553. 580.
amäd 542. 558.
amuya 585.
aya 584.
arättäd 558.
arthaya 589.
arväk 454.
alpakäd 559.
ühardıvı 566.
äcaturdm 614.
äjarasäya 589.
ad 557.
ärad 557.
—
serb. cuvati se 211.
euditi se 257. 285.
serb. cuditi se 285.
II. Adverbia.
äre 570.
äßuya 542. 585.
äsayd 574.
äsäd 557. 558.
iti 536.
sdänim 625.
irasyd 575.
ih&a 536.
irmä 580.
ucca 580.
uccdis 570. 558.
uttarättäd 558.
uttarad 542. 558.
üttarena 580.
utlaredyus 566.
upäke 543 Anm.
ubhayä 542. 580.
ubhayedyus 566.
uru 611.
urusyd 575.
urciya 585.
usdsi 548.
ürdhvdm 459.
rjü 611.
rjüya 575.
rtaya 584.
rte 570.
ena 580.
äisamas 551.
ösam 612.
kdya 584.
kasmäd 551.
kımam 554. 597.
krtvas 5417. 554. 599.
kjama 574.
kfipre 510.
gavya 515.
citram 611.
Index. Slavisch: chranıti — Altindisch: ndvyas.
serb. skoditi 283.
serb. jesti 316.
cirdm 611.
ctraralraya 5%.
cirasya 590.
cırad 5517.
ciraya 5%.
cırena 579.
jyoktamim 624.
tadanım 625.
ana 514.
— tamäm 624.
— tardm 625.
tärasä 574.
— taräm 624.
tdvısibhis 578.
tüsmäd 557,
tid 543. 557. 559.
tiraca 580.
tayam 611.
tußnim 625.
trskrtvas 600.
daksind 543. 580.
daksınena 580.
dasyusad 551.
diva 543. 547. 574. 591.
dürdm 215. 611.
düräd 558.
düre 510.
dosa 548. 573.
dravdt 611.
dräghisthäbhis 589.
dhrsdt 611.
dhrdata 580. 584.
dhrsnü 611.
ndktam 537. 544. 548.
597.
naktaya 544. 548. 574.
nataräm 624.
nävyas, ndviyas 580. 610.
Index. Altindisch: ndevyasa — Griechisch: alz;.
nivyasä, ndviyasa 580.
610.
nämagraham 604.
nica 580.
nicad 558. 580.
nicais 588.
parastäd 558.
paräcäis 588.
pararı 552.
parut 551. 552.
parögavyuts 614.
paScä 580.
palcatäd 558.
pakcäd 558.
päpdya 584.
pünar 643.
purastäd 558.
purü 612.
pürvam 613.
pürvedyüs 552. 566.
prage 544. 548. 566.
pracdtä 574.
prataram 531.
prathamdm 457. 613.
präcä 580.
präcdis 588.
prätär 548.
prägena 574.
baläd 557.
bahi$täd 558.
brhat 610. 612.
bhadram 611.
bhadräaya 584.
bhadrebhis 588.
bhasmasäd 557.
bhisa 574.
maksu 585. 642.
mak$übhis 588.
madhya 542. 580.
manuvdt 613.
mahi 612.
mithuyd, mithya 585.
mudhä 574,
mr$a 574.
mögham 611.
yathakamdm 614.
yasmäd 557.
yad 543. 557. 559,
raghuyd 585.
rathaya 575.
rupdm 555. 601.
vacasydya 515.
vdram 613.
varaya 589.
vasintä, vasantä 551
Anm. 573.
vamdya 584.
vipanyä 575.
vißvadänim 625.
vräjdm 554. 601.
Sanakdis 588.
$dnais 544. 588. 641.
Abham 611.
$vis 536. 550. 551. 552.
satydm 613.
sadivas 566.
sadyds 551. 566.
sanäd 542. 558.
sdnemi 580.
samand 574.
samdya 585.
samtaräm 624.
sdhasa ST4.
sdhobhis 518.
süktad 557.
sädhu 611.
sädhuya 585.
samt 613.
säydm 548.
säydmprätar 548.
sukhäm 611.
sugätuya 575.
svapnayä 574.
hastagr'hya 606.
hiranyaya 575.
hyds 536. 549. 551.
Avestisch.
adap 559.
adais 589.
antaranaemap 559.
apaitibusti 614.
Delbrück, Vergl. Syntax der indogerm. Sprachen, I,
1785
asne 215.
ärtunrim 614.
äbritim 614.
apbıtim 614.
äsistem 614.
üsuya 585.
upairinagmäp 559.
uskap 559. 563.
eres 614.
äis 589.
| kambistem 614.
zsvalaya-cid 580.
PBritim 614.
Dwäsem 614.
dareyem 614.
näumaya-cıp 580.
nistaranasmäh 559.
nyäpem 614.
paskap 559.
paityäpem 614.
paurvanazmäp 559.
paoirim 614.
pourutemäris 589.
frasstem 614.
Fraorep 614.
bitim 614.
bäidistem 614.
mosu 585. 642.
vispäis 589. 641.
vaenemnem 614.
haıdim 614.
nn
Griechisch.
dyada 617.
areinöov 607.
dyxde 569.
äyyıorov 617.
dyyod 537. 591.
aonyy 605.
ddıya 617.
dexntı 572,
ddeel 571.
alet 566.
alev 566.
ales 566.
50
786
alvd 617.
alvs 561.
ala 630,
dxä 586.
duty 625. 626.
dxuhv 597.
drovırst 571.
dxovri 572.
Dig 587.
dAAayı 588.
An 588.
Dis 559. 560.
äpa 630.
duä 588.
duapry 586.
duayınd 571.
duBihönv 605.
dußorddm 606.
dun 587. .
dungen 588.
daoymi 571.
dupadd 608.
dupadinv 625.
dppadsy 607.
dydyan 554. 575.
dvaramti 571.
dvavta 637.
dvaotadöv 607.
dvapavdd 608.
dvamavddy 607.
dyßpıott 572.
dveöpentt 571.
dvourmtl 571.
dvra 631.
dvem 626.
dveßinv 555. 625,
dvrißrov 625.
dvrlov, dvrla 618.
dva 537. 582.
dvaıoıt 571.
dyotdtm, dvatipm 582.
ärab 570.
drootadd- &6v 607. 608.
drprdenv 626.
drottpm 582.
dprotivörv 606.
dppoi 221.
dpyhv 597.
dsrovdel 571.
dorovdt 571.
dosortpm 582.
daulct 571.
drpenel 571.
drruixıori 572.
aödnpepet 571.
abpıov 550. 616.
aörnnap 597.
avrotver 571.
abrovuyt 571.
abrooyedinv 625.
abrooyedöv, -&d 607.608.
abrod 537. 591.
abrus 559. 560.
dpa 581. |
dyoppov 455. 616.
Bad 605. 607.
Bapta 617.
Borpud6v 607.
Bölnv 606.
wöE 569.
dein 548.
deıvd 617.
&nas 555. 600.
debtepov 616.
önmocte 586.
&hv 626.
Staxpıdöv 607.
ölxıy 600.
dertAet 970.
&tyy 588.
&mpedv 554. 602.
&mpodoxnert 571.
ömrtvnv 554. 602.
&ypnyopri 571.
&deAovendöv 572.
edeAovrt 572.
ei 572.
elx7; 586.
elom 537, 582.
exaoıdtoo, -tepm 582,
Exatepf 587.
exei 573.
Exı 562. 572,
Exovet 572,
Index. Griechisch: alv& — Isov.
tıroöhv 638.
&leewd 617.
euBad6dv 607.
eunıhydnv 606.
turodchv 636.
Evavra 637.
evavtiov 618.
tvavtioc 556.
evötkıa 616.
evioyepcb 538.
evraudoi 573.
tvory 575.
ekavapavdöv 607.
e£eins 590.
eeerı 644.
Eoya 618. 619. 630.
Em 537. 581.
erıypdßönv 606.
erıdekra 616.
enılapelüs 542.
erlyönv 605. 606.
erıotadsv 607.
entotpopdönv 606.
erısyepb 538. 581.
entrpoydönv 606.
tortpa; 548,
tom 537.
treöy 613.
eupdE 569.
eöpo 616.
7 586. 587.
186 556.
Ira 630.
Autpas 747.
hoöc 548.
pr 548. 567.
Asuyti 586.
nyı 587.
dad 630.
Yässov 617.
Hopale 554. 596.
Ybpascı 554.
Hopnde 554.
Yüupnpı 554.
(dig 555. 586.
Madöy 608.
loov, -a 617. 618.
Index. Griechisch: xaxüs — ro.
xarüc 562.
xdiNıora 617.
zalöy, xald 618.
xdpra 562. 631.
xataxpiidev 636.
xardrpnc 636.
»dravta 637.
xaravıınpb 641.
atapuradöv 608.
xarevavtiov 636.
xarevorna 636.
adın 537. 582.
xaropadöy 608.
xAayyndöv 608.
“Ahönv 606.
x0tyn) 955. 986.
zomıön 575.
xoupiE 569.
xparnvd 617.
xpbßda 608.
xpbßönv 606.
xpupa 631.
xpugndöov 607.
*pup 986.
xuxköce 554,
Addpn 586.
AdE 569.
ıtya 630.
Atydry 605. 606.
Atıy 626.
Ara 601.
narpa 617.
paxpav 626.
pdia 540. 630,
nalaxüc 562.
nudiıota 617. 618.
pärdov 617.
puarnv 626.
nad 642.
peya 555. 617. 618. 631.
weyara 617,
weyalus 562.
peyalwort 562.
neßüctepov 636.
nekerort 572.
uesor 544. 570.
neradponadnv 606.
petastoryi 572.
peröniche 641.
ulyda 608.
pörıs 578.
poArmöcv 608.
kovayı) 588.
pouva& 569.
veov 616.
vewott 562.
wmrowel 571.
voxtwp 548.
voya 548.
Euvronwtdtug 562.
66dE 569.
olxade 553.
olxer 221. 553.
olxodev 553.
olxor 221. 544. 546. 553.
568.
olazpa 617.
öAtyou 559. 619.
6A0d 617.
öpaprhönv 606.
öpradöv 608.
önodupadöv 608.
öpolmg 556.
önob 537. 591.
önöäg, Suumc 559. 560.
Svap 602.
Övopaxıhönv 606.
övonaart 571.
oEta 617.
öküratov 617.
öng 586.
öneı 572.
ömn, Smi, Inn 586. 587.
örtow 538. 581.
örnou 537.
örem 581 Anm.
6pdostaöny 606.
öcov 616. 617. 619.
od 537.
obdanı) 588.
oddanod 537.
odtu, obrws 559. 561.
580.
öya 630.
787
rauhönv 605.
rdpnpwtov, -a 618.
raybnpel 572.
raydupad6v 608.
ravormla 575.
ravonıdel 572.
ravstparıq 575.
ravauöiy 544. 554. 575.
ravtayg 588.
rdven 588.
rdytws 559. 561.
rapaßıhönv 605.
rapaxiıdöv 607.
rdpavta 637.
rapactad6y 607.
rapaypfiza 636.
rein 586.
rei 581. 582.
repnv 626.
reprotad6v 607.
repust, nepurı 551.
rg, nn 587.
rınv 626.
rot 573.
roAla 616.
roAlayn 588.
roAAdy 616.
road 616. 618.
röppw 538.
rod, nou 581. 591.
rpoixa 554. 602.
rpöcow 538. 581.
rposwrarw, -tipw 582.
rporepw 582.
rporporadnv 606.
rpobpyou 636.
rpöpacıy 540. 601.
rpdnv 550. 625.
rpwt 548.
rpwıla 550.
rpdriorov 617.
rpürtov 457. 616.
roxa 630.
ruxva 619.
rü& 569.
rupyndöv 608.
rw 583,
50*
788 Index.
rüc, Ts 559. 561.
beia 619. 630.
biepa 630.
bußöv 607.
sapa 630.
ohnepov 549, 551. 616,
ofites 551.
amrn 540. 575.
spepdalta 617.
srousn 546. 554. 575,
sparpndöv 608.
spößpa 631.
oyedlnv 555. 625.
oyedöy 607.
oyoAy 575.
zappta 616.
tabryg 597.
zaya 542. 630.
rayıora 617.
taylorıv 559.
terparAn 586.
zerpatov 616.
co 587.
zyöe 587.
mod 537. 591.
npepov 549. 551.
envei 572,
my& 581.
tites 551.
zahönv 606.
rotov 619.
tösov 616. 619.
routet 572,
<pırıy 586.
zpıstoryi 572.
zplzov 616.
zpıyn 988.
zpörov 600.
urdöy, -a 616.
tdc 559.
ut 572.
Örrap 602.
breeppopov 636.
droßihönv 605.
Dorepov 617.
öbod 537. 591.
yalayymö6v 608.
plus 562.
yaleras 562.
yapnadıc 554.
yanalce 554.
Yapader 554.
xapal 554. 590.
yavdöv 607.
yapıy 546. 555. 556. 601.
des 536. 549.
ydıra 549. 550.
XH:Löv 616.
» 581 Anm.
wde 582.
dıxa 542. 630.
orep 581.
üpacı 543.
ds, dis 557. 559. 560.
Italisch
(latein. unbezeichnet).
adaeque 641.
adamussim 631.
adfatım 637.
adhuc 641.
admodum 637.
aeque 563.
alıa 619.
alıas 626.
alıo 583.
alıquam,aliquamdıu 626.
aliquantum 565.
aliqui 583.
alted 559.
alteras 626.
alternıs 589.
altro 583.
osk. amprufid 563.
antea 638.
antehac 638.
antıgerio 575.
apprime 564.
arcano 564.
augurato 564.
auspicato 564.
Griechisch: rös — Italisch: ertemplo.
bene 563.
bifariam 626.
caesım 608.
catervatim 610.
causa 559. 576.
certe 569.
certo 564. 569.
cetera 610. 619.
cito 584,
citro 583.
clam 626.
comminus 631.
commodum 619.
composito 564.
confertim 608.
contra 565.
coram 628,
cottidiano 564.
cras 536. 550. 552.
crebro 564.
cumprimis 632.
cumulatım 610.
curriculo 575.
cursim 608.
demum 626.
denuo 637.
deprassentiarum 637.
derepenti 631.
dextra 569.
dextro 583.
desubito 637.
diluculo 548. 575.
directe 565.
diu 224. 546. 547.
dius 627.
domi 544. 545. 546. 553.
568.
domo 553. 562. 575.
domum 553. 596.
dudum 626.
ea 56».
emmus 631.
eo, eodem 583.
ergo 576. 637.
exzamussım 546. 641.
erım 583.
extemplo 637.
Index. Italisch: extrad — secus.
eztrad 565.
Jactte 619.
factlumed 563.
Jalso 564.
fere 563.
Jferme 563.
Joras 5471. 554. 596.
Joris 554. 570.
Jors 591.
Forte 575.
Fortuito 564.
Jfrustra 565.
(td) genus 602.
gratia 576.
gratiss, gratis 554. 578.
hac 565.
heri 224. 550. 552.
hie 546.
hinc 583.
hoc 583.
hodie 223. 549.
humi 554.
slsco 637.
tlla 565.
ülım 583. 608.
sdlo, slloc 583,
smpendio 575. 576.
impraesentiarum 637.
imprimis 637.
incassum 637.
incertce 565.
incerto 565.
inde 546.
ingratiis, ingratis 579.
instio 575.
instar 555. 602.
inter 601.
interdius 627.
interea 638.
interim 583.
intervias 638.
intestato 564.
intra 565.
intro 583.
invicem 637.
istim 583. 608,
isto 583.
sta 536.
longe 565.
lucı 223. 544. 548.
magis 619.
magnopere 575.
magnum 619.
male 564.
manı 224. 548.
matutino 564.
meatim 589. 610.
meritod 564.
mire 564.
mirsfice 564.
mirimodis 579.
misere 564.
modo 555. 575.
mordsceus 627.
moz 591. 642.
multimodis 579.
multo 564.
multum 619.
mutuo 564.
nıhtlo 564.
nımio 564. 6565.
nımis 619.
noctu 224. 544.547. 548.
nostratim 610.
nox 548. 591.
nudıus 550. 627.
numero 554. 575. 576.
obiter 631.
obviam 637.
olım 583. 608.
omnia 619.
omnimodis 579.
oppido 541.554. 567.575.
palam 626.
partım 543. 554.598.603.
paulo 564.
pedetentim 610.
penes 566.
ver (antioper, tantisper)
600.
peregre 220 Anm., 551.
perendie 223. 551.
1 perperam 626.
perpetuo 564.
189
umbr. petiropert 600.
pogtea 638.
posthac 638.
postidea 638.
postmodo 638.
postridie 552. 577.
praefiscınt 638.
praesertim 610.
praeterea 638.
precario 564.
pridie 223. 552.
principio 575.
primo 564.
primum 456. 619.
prius 619.
privato 575.
promsscam 626.
propediem 638.
propemodum 638.
propterea 638.
protelo 575.
protinam 626.
umbr. prufe 563.
qua 565.
quam 626.
quanto 564.
quapropter 638.
qui 583.
quo, quoquam, quoquo,
quopiam, quovis 583.
quotannıs 570.
quotoalendis 570.
raro 564.
recens 619.
recta 565.
rected 563.
repente 584.
repentino 564.
retro 583.
rite 567. 575.
rure 562. 575.
rus 596.
sane 563.
satıs 619.
secreto 564.
secundum 556.
secus 627.
790 Index, Italisch: sedulo — Germanisch: iupapro.
sedulo 638. | ahd. mhd. alles 545.594. | got. ahd. Alu 620.
serio 564. nhd. alleweile 598. altn. fjerb 551.
simitu 576. allis 594. nhd. Augs 554. 593.
sinsstra 565. nhd. allzeit 593. altn. fornum 589.
sortito 564. mhd. alzuges 593. framıs 621.
sponte 544. 575. anaks 594. Framvigis 592.
statim 609. ahd. anawert, -tes 545 | nhd, früh 548.
sublimen 638. ahd. anderes 594. Jrumist 621.
summe 564. andvairpıs 594. nhd. fürwahr 639.
summum 619. nhd. angeblich 540. ahd. mhd. gähes 59.
suprad 565. -ba, Adv. auf, got. 632. | ganoh 620.
tam 626. mhd. beidenthalben 570. | nhd. ganz 541.
tanto 564. nhd. beiseit 639. ahd. göstaron, nhd. ge-
temere 567. 619. ags. beorhte 634. stern 550. 589.
temperi 223. bisunjane 591. gistradagis 547. 550.592.
-ter, Adv. auf 631. altn. draut 598. 594.
totiens 627. dalapro 556. altn. garnan 621.
tractım 608. mhd. danwert 620. nhd. halben 570.
tuatım 610. nhd. dieweil 598. haldis 621.
ultra 565. -dingse, Adv. auf, nhd. | halıs 598.
ultro 583. 635. -halp, Adv. auf, mhd.
una 565. mhd. drabes 593. 598.
utrimque 583. altn. driugan 545. 627, | altn. hardan 627.
utroque 583. driugt 545, driugsem | ahd. harto 620.
valde 563. 545. 589. hauhis 621.
venum 596. ags. dropmalum 554.579. | ags. hedipum 554. 579.
vero 564. -e, Adv. auf, ags. 634. | altn. hewna 568.
vesperi 223. 548. ags. ealles 5%. ahd. mhd. nhd. Aeime,
viceom 544. 555. 603. ahd. ögester 550. heim 553. 568. 596.
volup 603. nhd. ehegestern 550. ahd. heimort 620.
vulgo 554. 575. mhd. eines 594. ahd. heimwartes 5%.
ahd. einezem 589. nhd. heint 549. 598.
nn ahd. elshhör 621. nhd. Aeuer 551. 576.
. elles 594. nhd. heute 543. 546. 549.
‚Germanisch mhä.entoßrh, entwärhes | 576.
(gotisch unbezeichnet). 545. mhd. hinaht 549. 598.
-a, Adv. auf, altn. 633.
nhd. abends 548.
ahd. afterwert 620.
aw 597.
aljaleıkos 621.
aljahro 556.
allapro 556.
ahd. alla, 545.
nhd. alldieweil 598.
nhd. allenthalben 570.
nhd. allerdings 594.
ahd. &o 598.
ahd. örist 545.
nhd. erstens 594.
ags. fäcne 540. 577.
ags. füste 634.
fasırra 633.
Jairraßro 556.
-falls, Adv.auf, nhd.635.
nhd. falls 593.
ahd. fer, ferro, ferron
545.
mhd. Ainwert 620.
mhd. Asutelanc 620.
hvapro 556.
ahd. Awilön 579.
ags. huilum 579.
ags. huyrftum 579.
-ing-, Adv. mit, germ.
635.
innapro 556.
ahd. inwert 620.
supaßro 556.
Index.
altn. jafnan 555. 621.
JjJampro 556.
ahd. järliches 598.
nhd. je 544. 598.
nhd. jenseits 594.
nhd. keineswegs 593.
nhd. Araft 639.
nhd. Areuzweis 555.
altn. Aropturligan 555.
627.
mhd. kurzwilen 579.
landis 592.
mhd. Zange, langes 545.
nhd. langsam 544.
altn. längt 545.
nhd. Zaut 639.
ahd. Zeidor 621. _
leitil 620.
altn. Zengi 545.
-Isch, Adv. auf, ahd. 633.
ags. listum 579.
ags. Jitlum 589.
altn. /ongum 589.
ags. lustum 579.
mhd. Züte 545.
ahd. /uzil, luzilem, luzilo
545.
ahd. /uzzikem 589.
mais 621. .
-mäl, Adv.auf, ahd. 599.
600. 635.
ahd. mänötliches 594.
-massen, Adv. auf, nhd.
636.
mhd. mäzen 579.
mhd. meistiesl 598.
ags. micles 594.
ags. miclum 589. 641.
ahd. mihhil, mhd. michel
620.
altn. mıkınn 627.
mhd. minneclichen 589.
mins 621.
nhd. mittwochs 592.
altn. mjok 620.
nhd. morgens 546. 548.
550. 592.
Germanisch:: jafnan — Litauisch: aukszeyn.
ahd. muozöm 519.
ahd. mhd. nahtes, nhd.
nachts 544. 548. 592.
ahd. mhd. nalles 594.
ags. neddes 593.
ags. nealles 594.
nhd. neben 639.
mhd. nehten 549.550.579.
nehva 633.
ahd. mhd. niuwes, ni-
wanes 594.
ahd. nötı 554. 577.
-o, Adv. auf, got. ahd.
alts. 633.
raıhtaba 545.
raihtis 545. 594.
ahd. mhd. röhtes 594.
nhd. ringe 554. 593.
ahd. rämöor 621.
altn. säran 627.
ags. sare 571.
nhd. schnurstracks 594.
mhd. schuftes 593.
nhd. schweigend 540.
. sehr 571.
. sıd, sidan 545.
. sidarla, sidla 545.
. simbles 594.
. singales 545.
. singallice 545.
. mhd. slöhtes 594.
ahd. slsumöor 621.
ahd. smählihhem 589.
sniumundos 621.
ags. sona 634.
nhd. spornstreschs 593.
ahd. staphmälum 579.
ahd. stephim 519.
nhd. stracks 594.
ags. stundmelum 579.
altn, ags. stundum 579.
ags. südveard, -es 594.
620.
sumana 545.
ahd. mhd. sumes 545.594.
ahd. sumstunt 598.
suns 594.
791
svare 591.
mhd. tagelanc 620.
ahd. tageliches 594.
ags. tela, teala 634.
nhd. thesis 554. 593.
mhd. triuwen 579.
mhd. twerhes 545. 591.
Banaseıps 621.
Bapro 556.
nhd. überall 639.
nhd. überein 639.
nhd. üderhaupt 639.
-ung-, Adv. mit, germ.
635.
nhd. unterwegen, -wegs
638 Anm.
ahd. unzitim 579.
ags. upveard, -des 594.
620.
utabro 556.
ahd. uzwert, -tes 594.
620.
varla 633.
varrs 621.
mhd, vert 551.
mhd. Auges 593.
nhd. vorgestern 550.
ahd, wöhsalum 579.
nhd. wenig 620.
mhd. wilen, wilent 579.
ahd. winteres 592.
-wis, Adv. auf, mhd.598.
alts. wundrum 579.
ags. vundrum 579.
nhd. zumal 639.
Litauisch.
-at, Adv. auf, 622.
anapus 599.
anaszäl 599.
andai 568.
ankstı 548.
apylanka, -komis 517.
atgäl 640.
auksztyn 590.
792 Index. Litauisch: czesö — Slavisch: zımuske.
excsu 577. samplata 577 Anm. serb. vucks 589.
568. senyn 544. 590. russ. vcera 550.552. 594.
dyka 577 Anm. syk, syki 554. vünu 59.
drauge 568. slapta 517. vänü 623.
doisedäa 577. staiga 577 Anm. vütoricejq 578.
gana 577 Anm. stesgomts 579. vysocd 573.
gretä 577 Anm. storyn 5%. oyse 623.
üguemst 5717. seidmsyk 590. videra 550. 594.
isztäs 640. seianden 547. 549. 598. | veste 623
kait, kaftq, kaits, kar- | szimet 551. gigbode 623.
tüs 544. 600. saäliais 579. kleinr. gorjac6, gorjad
kartais 579. tai 622. 542.
kartuäta 517 Anm. Wwezöms 579. serb. gorje 568
kasdän 629. &lomis 579. gors 569.
kasmäts 629. tolyn 5%. grüdisky 589.
kasnäkt 629. twiezes 577. russ. gusemü 578
kasryts 629. üzvakar 550. 598. kleinr. daund 542
kidpomis 579. väkar 550. 588. dalede 623.
küczes 517. vidui 568. serb. danas 549. 599
laükan 554. visumsdt 577. serb. danaske 5%.
laukd 554. 568. lett. witamis 579. serb. danjom, danju 571.
mame 577. zövada 577. russ. daromü 554. 578.
nam: 553. 568, iemyn 59%. russ. dvorjanski 589.
namön, 553, serb. djipimice 595.
naromls 579. nn russ. dnemü 547.
näkucrös 577. russ. dnesi 549. 59%
neredü 577. . Blavisch kleinr. döbre, dobrö 542.
noroms nenoroms 579. (eltkirchenslavisch UN | russ. dobromü 584.
padäniut 568. bezeichnet). dobr& 573.
paellius, -sumss 568. aky 589. serb. dolje 569
pakastomis 579. bezdobt 623. russ. dolovt, doloj 5%
pakeliut 568. blazs 573. dols 590.
paköjui 568. blizü 623, dols 569.
palengva 577 Anm. serb. bodimice 595. doma 553. 568.
palipomis 519. bolje 623. domovs, domovi 5%
parankıus 568. russ. borzs 573. russ. domovi, domaj 5%
pavkjus 568. russ. bosikomü 578. (568).
pasigiui 568. büßjg 578. dinijq 547. 577.
permär 640. bedind 573. dinist 549. 599.
pernai 551. kleinr. veliko 542. serb. Zenski 589.
pesta 577. russ. verchomü 578. Kenisky 589.
piktyn 590. russ. vecerkomü 548. Kestode 623.
pirmä 577 Anm. russ. vederomü 548. serb. ämurecke 5%.
poryt 551. 568. serb. vikom 578. russ. zavira 551.
preszaıs 589. serb. vrzimice 595. serb. zims 551. 569.
pusiai 569. vrüchu 537. serb. zimus 551. 59.
rytö, rytdj 550. 568. serb. vucke 596. serb. zimuske 5%.
Index. Slavisch: zlaradice — juce. 793
serb. zlaradice 596. russ. nagisomü 578, pisisky 589.
kleinr. znudcno, znadnö | serb. naguske 596. russ. peskomü 578.
542. russ. najbohse 623. razino 623.
serb. zorom 548. russ. nakanung 552. russ. russki 589.
züle 573. serb. namah 640. russ. segodnja 549.
zelo 623. serb. naocdigled 596. russ. sejcasü 599.
iskri, iskry 640. serb. naociglece 596. russ. skatomü 578.
russ. korpomü 578. serb. natraske 596. russ. skoreniko 623.
serb. koso 623. serb. naskı 589. 610. russ. skoro 623.
kleinr. Aräsno, krasnö | serb. nemilice 595. slovenisky 589.
542. gerb. nehotice 595. srede 569.
russ. krej, kri 640. nizü 623. gerb. stojecke 596.
gerb. Arıidımice 595. russ. nıkomü 578. russ. stoykomü 578.
serb. krimice 595. serb. nicıce 595. serb. strmoglav 596.
russ. krugomü 554. 577. | russ. nickomü 578. serb. strmoglavice 596.
russ. krepes 573. serb. nodas 549. 599. strümoglavi 623.
krepüce 573. serb. nodu 577. serb. sjutra 550. 552.
akal. serb. Zani 569. russ. nocesi 549. 599. serb. sjutradan 552. 599.
latinisky 589.
serb. leZecke 596.
serb. Ziho 623.
serb. Yeti 551. 569.
serb. Yetos 551. 599.
russ. Zont 551.
higüce 573.
Diz& 569.
russ. l&iosi 599.
lktyjg 578.
Yubo 623.
kleinr. Yubjaznd 542,
malo 623.
malomi 584.
serb. malcice 595.
maly 589.
serb. mahom 578.
meidu 543. 569. 641.
mitusi 569.
mite 569.
serb. mojsks 589.
serb. mrvice 554. 595.
russ. muieski 589.
serb. muski 589,
serb. mucke 596.
münokicgq 578.
russ. nagiskoj 578.
nostijq 547. 548. 577.
obiscine 569.
serb. ovcas 599.
serb. odmah 640.
serb. okolo 640.
serb. onovecer: 550. 569.
onomadne 569.
onomedni 569.
oncas 599.
serb. opet 640.
russ. opromeliju 578.
opeti 640.
ruse. opjati 640.
paky 589.
serb. poimence 596.
posledi 623. 640.
pravda 629.
pravde 569.
pravicemt 584.
serb. prekjuce 550.
serb. preklanı 552,
gerb. preksinod 550.
serb. proljetos 552.
protiwq 626.
prüvoje 623.
premo 623.
serb. pustimidke 596.
serb.
russ.
serb.
russ. taqjkomü 578.
serb. tqjom 578.
russ. iverdeniko 623.
russ. iverdo 623.
russ. tverdovato 623.
russ. teperi 624.
serb. toprv 624.
toprüvo 624.
russ. totcasü 599,
tretijicejq 578.
trebe 573.
tücjg 578.
utre 550. 569.
serb. hitimice 595.
kleinr. chörose 542.
serb. hottmice, hotimce
595.
russ. distechoniko 623.
russ. cisteniko 623.
russ. disto 623.
-isky, Adv. auf, 589.
Jjave 573,
gerb. jesenas 551.
serb. jutroske 596.
serb. juce, juder, jucera
550. 594.
Nachträge und Berichtigungen.
Zu 8. 150 unter Milch: Brugmann macht mich darauf aufmerksam,
dass in melocon ein singularischer Instrumentalis auf ms stecken könne, von
dem Grundriss 2, 638 oben die Rede ist.
Zu S. 253 bemerkt Brugmann: »8. 253 stellen Sie in der altüblichen
Weise utor mit ai. av zusammen. Das geht nicht wegen osk. sittiuf usus,
usio (aus *oststiön-) und pälign. oisa usa. utor ostor ist uritalisches *osölr),
das unmöglich mit av zusammengebracht werden kann. Ausseritalische
Verwandte zu ost- sind noch nicht gefunden.«
Zu 8. 334: »Der objektive Genitiv ist an die Stelle eines anderen
Kasus getreten.« Bei der Formulierung dieses Satzes sind (worauf mich
Brugmann aufmerksam macht) die Fälle wie memoria rerum gestarum über-
sehen worden, die insofern anders liegen, als schon das Verbum mit dem
Genetiv verbunden war.
Zu 8.365. Wie mir Leskien mittheilt, ist der Akkusativ der Rich-
tung im Litauischen doch nachzuweisen, und zwar finden sich eine Menge
von Beispielen in Jusskeviez, Dainos, so: iszveze Vilniaus möstälj fahr aus
in die Stadt Vilna; zöme püle fiel zur! Erde; Zdisıv bernäh rütu darzq wir
wollen .den Burschen in den Rautengarten lassen; m2s vazıüsim sveczk
szält wir werden in das Land der Fremden [in die Fremde) fahren.
Zu 8.535 ff. J. Zubaty handelt jetzt in IF. 3, 119 über einige lit.
und lettische adverbiell gebrauchte Instrumentalendungen.
Zu S. 595 bemerkt Leskien: In einer Abhandlung von Maretid,
Hrvatogrpski adverbi na ice, ce, ke (Rad der südslav. Akakemie Heft %
[1889)) wird die Sache anders erklärt. Es wird geleugnet, dass überhaupt
der Gen, die Art und Weise bezeichnen könne. Man habe anfangs gesagt
iz novice (Gen. von novica, abhängig von iz, 'ganz gleichbedeutend mit «
nova). Das wurde,' unter einen Accent ‘gestellt, "als .ein Wort empfun-
den, iznovicee.e Nach solchen Mustern habe man dann gebildet z. B»
naocice, naustice u. 8.w., schliesslich sei ice, ce, ke allgemein geworden.
Nachträge und Berichtigungen. 795
8, 2. 6 v. u. ein sich zu tilgen.
30, - 14 - o. lies in dem Kapitel.
78, - 15 - u. lies nach statt noch.
133 lies $ 39 statt 32.
136, 2 Au. 5 v. u. lies remeni sapogu ... . Joh. 1, 27 statt remenü
sapogü .. .. Joh.1, 2,7.
158, - 10 v. u. lies qsäbhyam statt gsahhyam.
229, - 19 - o. lies dstvevd statt dätvevd.
317, - 15 - u. lies posljeti statt posljeti.
318, - 13 u. 14 v. o. lies söjati und pos&jatt statt s&jati und posgjati.
325, - 5 v. u. lies $ 250 statt 8 249.
426, - 4 - o. lies de sage statt de lage.
459, - 13 - u. lies dareya statt daregha.
507 lies 8 220 statt 22.
559, 2. 14 v. o. lies modale statt lokale.
578 Mitte lies styykomü statt stejkom.
623, 2.5 v. u, lies sirmoglavi statt strınoglavi.
Drack von Breitkopf & Härtel in Leipzig.