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Full text of "Grundzüge der physischen Erdkunde"

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HARVARD  UNIVERSITY 


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GEOLOGICAL  SCIENCES 
LIBRARY 


ALEX.    ACASSIZ. 


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GRÜNDZÜGE 

DER 


PHYSISCHEN  ERDKUNDE 


VON 


PROF.  DR.  ALEXATOER  gUPAN, 

HERAUtiGEBEB  VON  PETERMANNS  GEOGRAPHISCHEN  MITTEILUNGEN. 


ZWEITE,  UMGEARBEITETE  UND  VERBESSERTE  AUFLAGE. 

MIT  203  ABBILDUNGEN  IM  TEXT 
UND  ZWANZIG  KARTEN   IN  FARBENDRUCK. 


LEIPZIG, 
VERLAG  VON  VEIT  &  COMP. 
^"^  1896. 


U-v_. 


KÜMMEL  LIBRARY 

AUG  0  4  1986 

HARVARD  UNIVERSITY 


Druck  von  Motz  gor  Je  Wittig  in  Leipzig. 


Vorwort. 


^u  der  zweiten  Auflage  meiner  Physischen  Erdkunde  habe  ich 
nur  wenige  erläuternde  Worte  hinzuzufügen.  Der  ursprüng- 
liche Plan  ist  im  wesentlichen  beibehalten  worden.  In  Bezug  auf  die 
Aufgaben  der  physischen  Geographie  haben  sich  meine  Ansichten 
nicht  geändert,  und  wer  darüber  noch  nicht  orientiert  ist,  und  sich 
dafür  interessiert,  den  muß  ich  bitten,  das  betreffende  Kapitel  in 
der  ersten  Auflage  (S.  10)  nachzulesen. 

Im  einzelnen  hat  das  Buch  eine  völlige  Umarbeitung  erfahren. 
Dazu  nötigten  nicht  bloß  die  großen  Fortschritte  der  Wissenschaft 
im  Laufe  des  verflossenen  Jalirzehnts,  sondern  auch  der  Umstand, 
daß  ich  mich  nun  an  eincHi^Qrte  «s^i^dj  in  eiftör  Stellung  befinde, 
wo  mir  viel  reichlicheres  Material  zuströmt,  als  es  früher  der 
Fall  war. 

Eine  hoffentlich  willkommene  Neuerung  sind  die  Litteratur- 
nachweise.  Es  lag  mir  dabei  die  Absicht  fern,  eine  große  Gelehr- 
samkeit zu  entfalten,  und  ich  wollte  damit  nur  dem  Studieren- 
den, der  sich  über  diesen  oder  jenen  Gegenstand  eingehender 
unterrichten  will,   Fingerzeige  geben.     Wer  die  genannten  Werke 


IV  Vorwort 

ZU  Bäte  zieht^  wird  darin  weitere  litterarische  Hinweise  finden. 
Nur  in  jenen  Fällen,  wo  die  Quellen  schwerer  zugänglich  sind,  sind 
auch  einzelne  Angaben  mit  Citaten  belegt  worden. 

Großen  Dank  schulde  ich  meinem  Verleger,  Herrn  H.  Cbedneb, 
der  der  Erweiterung  des  Werkes  und  der  Vermehrung  der  Ab- 
bildungen^ die  ich  für  eine  durchaus  notwendige  Beigabe  zu  jeder 
physischen  Geographie  halte,  nicht  den  geringsten  Widerstand  ent- 
gegengesetzt hat;  sowie  auch  Herrn  Dr.  C.  E.  M.  Eohkbach  für 
seine  opferwillige  und  erfolgreiche  Unterstützung  bei  der  Korrektur. 

Gotha,  im  Oktober  1895. 

A.  Snpan. 


Inhalt. 


Einleitniig:. 

Di€  Gestalt  und  GrtfBe  der  Erde.  S.l.  Entwicklung  der  Erde.  S.2.  —  Gestalt  der  Erde. 
S.  3.  —  Dimensionen  der  Erde.  S.  5.  —  Fl&chenberechnung.  S.  5.  —  Litteratur- 
nacbweise.  S.  6. 

Die  Teile  des  Erdkörpers.  S.  7.  Der  Erdkern.  S.  7.  —  Die  Erdkruste.  S.  12.  — 
Litteratumachweise.  S.  IS. 

Die  vier  Enertliequelleii.  S.  14.  Die  Wirkungen  der  unterirdischen  Krftfte.  S.  14.  —  Die 
solaren  Wirkungen.  S.  15.  —  Die  Anziehung  von  Sonne  und  Mond.  S.  17.  — 
Die  Rotation  der  Erde.     S.  17.  —  Litteratumachweise.  S.  18. 

Gesdiidite  der  Erde.  S.  19.  Litteratumachweise.  S.  22. 

Die  GrundzOge  der  Gestaltung  der  Erdoberfläche.  S.  23.  Verhältnis  von  Wasser  und  Land. 
S.  23.  —  Einteilung  des  Ozeans.  S.  26.  —  Einteilung  des  Festlandes.  S.  27.— 
Oberflächengestaltung  des  Festlandes.  S.  80.  —  Vertikaler  Aufbau  der  Erd- 
lu-uste.  S.34.  —  Mittlere  Höhen  und  Tiefen.  S.36.  —  Litteratumachweise.  S.40. 


Erster  Abschnitt.    Die  LofthfiUe. 

Die  Höhe  und  Zusammensetzung  der  Luft.  S.41.  Höhe  der  Luft  S.41.  —  Zusammen- 
setzung der  Luft.  S.41.  —  Litteratumachweise.  S. 42. 

Die  Erleuchtung  und  Erwärmung  der  Erdoberfläche.  S.42.  Wärmequellen.  S.42.  —  Jahres- 
zeiten. S.  43.  —  Wärmemenge.  S.  45.  —  Die  Beleuchtungszonen.  S.  46.  — 
Das  Polarlicht.     S.  48.  —  Litteratumachweise.  S.  52. 

Die  Abnahme  der  Temperatur  mit  der  Höhe.  S.  52.  Wärmequellen  der  oberen  Luftschichten. 
S.  52.  —  Freie  Atmosphäre.  S.  53.  —  Gebirge.  S.  55.  —  Wärmeumkehr  im 
Gebirge.  S.  58.  —  Plateaus.  S.  59.  —  Reduktion  der  Temperatur  auf  das 
Meeresniveau.     S.  61.  —  Litteratumachweise.  S.  62. 

Die  horizontale  Verteilung  der  Temperatur.  S.62.  Normale  Temperaturverteilung.  S.63.  — 
Abweichungen.  S.  65.  —  Wärmeverteilung  in  den  extremen  Monaten.  S.  67.  — 
Durchschnittstemperatur  der  Parallelkreise,  Meridiane,  Erdteile  und  Meere ; 
Isanomalen.  S.  71.  —  Temperaturzonen.  S.  74.  —  Litteratumachweise.  S.  77. 

Die  Schwankungen  und  die  mittlere  Veränderlichkeit  und  Abweichung  der  Temperatur.  S.  78. 
Die  tägliche  Wärmeschwankung.  S.  78.  —  Die  jährliche  Wärmeschwankung. 
S.  81.  —  Temperaturveränderlichkeit.  S.  83.  —  Mittlere  Abweichung.  S.86.  — 
Litteratumachweise.  8.  87. 

Windsysteme  und  Windgebiete.  S.  88.  Windgesetze.  S.88.  —  Allgemeine  Luftzirkulation. 
8.  90.  —  Anticyklonen.  S.  94.  —  Cyklonen.  S.  94.  —  Passate.  S.  99.  - 
Litteratumachweise.  S.  101. 


VI  Inhalt 

Luftdruck"  und  Windverieilung  in  den  extremen  Jahreszetten.  S.lOl.  Die  Isobarenkarten. 
S.lOl.  —  Nördlicher  Winter.  S.102.  —  Nördlicher  Sommer.  S.106.  —  Mittlere 
monatliche  Barometerschwankungen.  8. 109.  —  Litteratumachwcise.  S.  110. 

Lokale  Winde.  S.  110.  Lokale  Wind  Systeme.  S.  111.  —  Einfluß  lokaler  Verhältnisse  auf 
die  Winde    S.  112.  —  Litteratumachwcise.  S.  116. 

Der  Wasserdampf  in  der  Atmosphäre  und  die  Ursachen  seiner  Kondensation.  S.  116.  Ver- 
schiedene Ausdrücke  für  die  Feuchtigkeit  der  Luft.  S.116.  —  Die  Winde  als 
Verbreiter  des  W^asserdampfes.  S.  119.  —  Kondensation  des  Wasserdampfes. 
S.  119.  —  Litteratumach weise.  SS.  122. 

Die  Verteilung  der  jährlichen  Niederschlagsmengen.  S.122.  Gesetze  der  Verbreitung  der 
Niederschläge.  S.  122.  —  Nordkontinente  und  Sahara.  S.  125.  —  Sfid- 
kontinente.  8. 128.  —  Mittlere  Hegen  Wahrscheinlichkeit.  S.  129.  —  Litteratur- 
nach weise.  8.  133. 

Die  jahreszeitliche  Verteilung  der  Niederschläge.  S.133.  Periodische  Regen.  S.  184.  — 
Gleichmäßige  Niederschläge.  S.  137.  —  Regengebiete.  S.  138.  —  Gewitter. 
S.  139.  —  Hagel.     8.  140.  —  Litteraturnachweise.  8.  141. 

Verbreitung  des  Schnees.  8. 1 42.  Verbreitung.  S.  142.  —  Die  Schneegrenze.  S.  143.— 
Verteilung  der  Schneegrenze.  S.  147.  —  Litteraturnachweise.  8.  149. 

Gletscher.  8.149.  Begriff  und  Einteilung  der  Gletscher.  S.  150.  —  Die  Gletscher- 
zunge. S.  152.  —  Gletscherkom.  S.  154.  —  Gletscherbewegung.  S.  154.  — 
Gletschertheorie.  S.  157.  —  Struktur.  8.  158.  —  Moränen.  8.  161.  ~  Ab- 
schmelzung.  S.  162.  —  Litteraturnachweise.  8.  165. 

Die  geographische  Verteilung  der  Gletscher.  8. 165.  Die  Tropen.  S.  1 65.  —  Gemäßigte  Zonen. 
S.  166.  —  Polare  Zonen.  S.  1 69.  —  Eisberge.  S.  1 7 1 .  —  Litteraturnachweise.  8. 173. 

Das  Klima.  8.  173.  Klimaprovinzen.  S.  173.  —  Die  35jährigen  Schwankungen. 
S.  175.  —  Säkulare  Perioden.  S.  181.  —  Geologische  Perioden.  S.  182.  —  Über- 
sicht der  Schwankungen.  S.  185.  —  Klimaänderungen.  S.  187.  —  Ein- 
fluß des  Waldes.  8.  1^9.  —  Litteraturnachweise.  8.  190. 


Zweiter  Abschnitt.    Das  Meer. 

Morphologie  des  Meeres.  8.191  Gliederung  des  Weltmeeres.  S.  191.  —  Unterseeische 
Böschungen.  S.  194.  —  Relief  des  Meeresbodens.  8.  196.  —  Bedeckung  des 
Meeresbodens.  S.  200.  —  Permanenz  der  ozeanischen  Becken.  S.  205.  — 
Litteraturnachweise.  8.  206. 

Das  Meerwasser.  S.207.  Das  Meeresniveau.  8.207.  —  Salzgehalt  und  spezifisches  Ge- 
wicht. S.  212.  —  Farbe.  S.  217.  —  Litteraturnachweise.  8.  219. 

Die  Wellenbewegung.  S.  2 19.  Windwellen.  S.219.  —  Krandung.  8.223.  —  Stoß-  und  Ex- 
plosionswellen. S.  225.  —  Stehende  Wellen.  S.  226.  —  Litteraturnachweise.  8. 228. 

Die  Gezeiten.  8.228.  Theoretische  Gezeiten.  S.229.  —  Wirkliche  Gezeiten.  S.  233.  — 
Die  atlantischen  Gezeiten.  8.233.  —  Gezeitenstrome.  S.237.  —  Fluthöhe.  8. 238. 
Litteraturnachweise.  8.  240. 

Die  Meeresströmungen.  S.240.  Nordatlantischer  Ozean.  8.242.  —  Die  übrigen  Ozeane. 
8.246.  —  Theorie  der  ozeanischen  Strömungen.  S.247.  —  Anwendung  der  Trift- 
theorie auf  die  beobachteten  Strömungen.  S.251. —  Litteraturnachweise.  8. 255. 

DieWärmeverleilung  im  Wasser.  8. 255.  Die  Oberflächentemperatur  des  Meeres.  8.255.  — 
Tiefentemperatur  in  Süßwasserseen.  S.  257.  —  Tiefentemperaturen  im  Salz- 
wasser. S.259.  —  Atlantischer  Ozean.  S.262.  —  Nördliches  Eismeer.  S.264.  — 
Übrige  Ozeane.  S.  266.  —  Das  Meereis.  S.  268.  —  Litteraturnachweise.  8.  271. 


Inhalt.  VII 

Dritter  Abschnitt.    Die  Dynamik  des  Landes. 

Die  Hauptformen  der  Dislokationen.  8. 272.  Theorien.  S.  275.  —  Litteratui-nachweise.  S.  278. 

Moderne  Niveauverändeningen.8.278.  LitoraleNiveauveränderungen.S.278.  —Theorie. 
S.  280.  —  Skandinavien.  S.  282.  —  Höhere  arktische  Breiten.  S.  288.  — 
Mittlere  und  niedere  Breiten.  S.  290.  —  Schlußfolgerungen.  S.  294.  — 
Binnenländische  Niveauveränderungen.  S.  296.  —  Litteratumach weise.  S.  297. 

Die  vulkanischen  Ausbruche.  S.  298.  Eruptivprodukte.  S.  299.  —  Die  vulkanischen  Aus- 
bruche. S.  300.  —  Überblick  der  Vulkanformen.  S.  308.  —  Erlöschen  der 
Vulkane.  S.  309.  —  Geographische  Verbreitung  der  Vulkane.  S.  310.  — 
Theorie  des  Vulkanismus.  S.  317.  —  Schlammsprudel.  S.  320.  —  Litteratur 
nachweise.  S.  322. 

Erdbel»on.  S.322.  Instrumente.  S.  324.  —  Dauer.  S.  325.  —  Intensität  und  Wirkungen. 
S.  326.  —  Areal.  S.  328.  —  Ursachen.  S.  331.  ~  Einteilung  der  Beben. 
S.  336.  —  Tiefe  des  Herdes.  S.  337.  —  Erdbebenstatistik.  S.  338.  — 
Litteratumachweise.  8.  340. 

Obersidit  der  exogenen  Wirkungen.  S.  840. 

Die  Verwitterung.  S.343.  Der  Verwitterungsprozeß.  S.343.  —  Bodenarten.  S.  345.  — 
Gebiete  vorherrschender  Denudation.  S.  346.  —  Gebiete  säkularer  Ver- 
witterung.   S.  352.   —  Litteratumachweise.    S.  353. 

Das  unterirdische  Wasser.  S.354.  Verhalten  des  Bodens.  S.354.—  Das  Karstphänomen. 
S.  356.  —  Quellbildung.  S  364.  —  Einteilung  der  Quellen.  S.  366.  — 
Geysir.  S.  368.  —  Litteratumachweise.  S.  370. 

Das  fließende  Wasser.  S.  370.  Wassermenge.  S.  370.  —  Bewegung  des  Wassers.  S.  374.  — 
Die  Arbeit  der  Flüsse.  S.  376.  —  Flußablagerungen.  S.  378.  —  Litteratur- 
nach weise.  S.  381. 

Tlialbndung  durch  Erosion.  S.  381.  Gesetze  der  Erosion.  S.  881.  —  Zeitliche  und  räum- 
liche Varationen  des  Erosionstypus.  S.  383.  —  Modeme  Thalbildungen. 
S.  386.  —  Klammen  und  Canons.  S.  387.  —  Terrassenbildung.  S.  390.  — 
Tektonische  und  Abdämmun^tnfen.  S.  394.  —  Wasserfälle.  S.  395.  — 
Gletschererosion.  S.  397.  —  Genetische  Einteilung  der  Thäler.  S.  898.  — 
Litteratumachweise.  S.  401. 

Deitabildungen.  S.401.  Mündungsformen  der  Flüsse.  S. 401.—  Bau,  Gestalt  und  Ober- 
flächenform der  Deltas.  S.  403.  —  Wachstum  der  Deltas.  S.  404.  — 
Geographische  Verbreitung  der  Deltas.  S.  405.  —  Litteratumachweise.  S.  408. 

DIeArheit  des  Windes.  S.  408.  Winderosion.  S.408.  —  Äoli8cheSandablagemngen.S.410. 

—  Dünen.  S.411.  —  Staubablagerungen.  S.413.  —  Litteratumachweise.  S.  415. 

Die  Arbeit  des  Meeres.  S.  415.  Begriff  der  Küste.  S.  41 5.  —  Charakter  der  Küste.  S.  416. 

—  Die  Brandung.  S.  417.  —  Steilküsten.  S.  417.  —  Zerstörung  der  Flach- 
küsten. S.  421.  —  Erosion  durch  Gezeitenströmungen.  S.  423.  —  Anschwem- 
mung. S.  423.  —  Litteratumachweise.  S.  426. 

Die  geographische  Verbreitung  der  exogenen  Wiricungen.  S.  427.  Bodenarten.  S.  427.  — 
Faziesgebiete.  S.  431.  —  Litteratumachweise.  S.  434. 

Vierter  Abschnitt.    Morphologie  des  Landes. 

Obersicht.  S.  435.  Orographisches  System.  S.  436.  —  Hypsometrische  Systeme. 
S.  437.  —  Hypsometrie.  S.  438.  —  Orometrie.  S.  440.  —  Genetisches  System. 
S.  441.  —  Litteratumachweise.  441. 

Die  Oberflläehenformen  der  Flachschichtung.  S.442.  Das  Tafelland.  S.442.  —  Ausgefüllte 
Landsenken.  S.443.  —  Peripherische  Flachböden  jugendlichen  Altere.  8.446.-  • 


VIII  Inhalt. 

Ergebnis.  8.  449.  —  Umformune  durch  Denudation.  S.  449.  —  Umformung 
durch  Bruch.  S.  457.  — Obersichtder  Umwandlungsformen  der  Flachschichtung. 
ö.  461.  —  Litteratumachweise.  462. 

Faltengebirge.  S.463.  Terminologie.  S.463.  —  Theorie.  S.466.  —  Querprofil  einfacher 
Faltengebirge.  S.  467.  —  Querprofil  zusammengesetzter  Gebirge.  S.  469.  — 
Längserstreckung.  S.  473.  —  Beziehungen  der  Faltengebirge  zu  einander. 
Abgrenzung  und  Einteilung  derselben.  S.  475.  —  Beziehungen  der  Ketten- 
gebirge zum  ungefalteten  Vorlande.  S.  477.  —  Litteratumachweise.  S.  479. 

Umformung  der  Faltengebirge.  S.  479.  Umformung  durch  Bruch.  S.  479.  —  Umformung 
durch  Destruktion.  S.  483.  —  Umgestaltung  durch  Destruktion  und  Bruch. 
S.  487.  —  Vorkommen  der  Rumpfschollengebirge.  S.  490.  —  Orographie  der 
BumpfschoUengebirgc.  S.  491.  —  Genetische  Einteilung  des  Faltenlandes. 
S.  494.  —  Litteratumachweise.  S.  495. 

Hexurgeblrge.  S.  496.  Geschlossene  Flexurgebirge.  S.  496.  —  Theorie.  S.  497.  — 
Aufgelöste  Flexurgebirge.   S.  498.  —  Litteratumachweise.  S.  499. 

Vulkanische  Berge.  S.  500.  Stratovulkane.  8.500.  —  Umwandlung  durch  Denudation. 
S.  503.  —  Homogene  Vulkane.  S.  504.  —  Einteilung  der  vulkanischen  Boden- 
formen. Ö.  506.  —  Litteratumachweise.  S.  506. 

Gliederung  derfiebirge.  S.507.  Alter  derThfiler.  S.  507.— Längs- und Querthäler.S.  507. 

—  Wasserscheide.  S.511.  —  Durchgangsthftler.  S.  511.  ~  Thalwasserscheiden. 
S.  516.  —  Aufschließung  der  Gebirge.  S.  519.  —  Litteratumachweise.  S.  520. 

DieFIÜS8e.S.520.Einteilung.S.520.~VerteilungderFlüsse.S.  521.— Flußvermischung 
und  Wasserteilung.  S.  523.  -  Bau  der  Flußsysteme.  S.  525.  —  Größe  der  Flüsse. 
S.  526.  —  Veränderungen  der  Flüße.  8.  527.  —  Litteratumachweise.  S.  531. 

Die  Seen.  S.  53 1 .  Beckenformen.  S.  53 1 .  —  Dimensionen  der  Seebecken.  Depressionen. 
S.  536.  —  Seengebiete.  S.  538.  —  Süß-  und  Salzwasserseen.  S.  542.  —  Erlöschen 
der  Seen.  S.  544.  —  Sumpf  und  Moor.  S.  546.  —  Litteratumachweise.  S.  548. 

Die  horizontale  Gliederung  des  Festlandes.  S.  548.  Die  Halbinseln.  S.548.— Inseln.  S.  551. — 
GenetischeEinteilung.S.552.  —  Kontinentalinseln,  geologischer  Beweis.  S.5o2. 

—  Biologischer  Beweis.  S. 554.— Restinseln.  S.558.  —  Litteratumachweise.  S.560. 

Ursprüngliche  Inseln.  S.  560.  Hebungsinseln.  S.  560.  —  Vulkaninseln.  S.  560.  —  Korallen- 
inseln. S.  561.  —  Theorie  der  Koralleninseln.  S.  565.  —  Flora  und  Fauna. 
S.  571.  —  Litteratumachweise.  S.  574. 

KUstenformen.  8.574.  Haupttypen.  S.  574.  —  Detailformen.  S.  576.  —  Thalbuchten. 
S.578.  —  Natürliche  Seehäfen  und  Meeresstrassen.  S.  583.  —  Küstenentwick- 
lung und  mittlerer  Küstenabstand.     S.  585.   —  Litteratumachweise.  S.  588. 


Ffinfter  Abschnitt. 
Die  geographiselie  Verbreitung  der  Pflanzen  und  Tiere. 

Allgemeine  Bemerkungen  über  die  Verbreitung  der  Pflanzen.  S.  589.  Abhängigkeit  vom 
Boden.  S.  589.  —  Abhängigkeit  vom  Klima.  S.  590.  —  Pfianzenwandemngeu 
und  Pflanzenverbreitung.  §.  592.  —  Litteratumachweise.  S.  595. 

Die  Hauptzonen  und  Hauptregionen  der  Vegetation.  S.  595.  Tropische  Pflanzenzone. 
S.  595.  —  Gemäßigte  Zone.  S.599.  —  Polare  Waldgrenzen.  S.  601.  —  Polare 
Pflanzenzone.  S.  602.  —  Pflanzenregionen.  S.  603. 

Die  wichtigsten  Vegetationsformationen  innerhalb  der  Waldgrenzen.  S.  607.  Tropenwald. 
S.  608.—  Der  Wald  mittlerer  und  höherer  Breiten.  S.  610.  —  Savane.  S.  612. 
—  Grassteppen.  S.  614.  —  Wüstensteppen  und  Wüsten.  S.  616.  —  Buschland. 
S.618.  —  Ausdehnung  der  Formationen.  S.620.  —  Litteratumachweise.  S.621. 


Inhalt.  IX  - 

Die  Entwicidiingsgeschlclite  der  Florenreiche.  S.  621.  Die  tropische  Florenzone.  S.  621.  — 
Boreale  Zone.  S.  622.  —  Australe  Zone.  S.  625.  —  Floristische  Einteilung 
des  Landes.  S.  627.  —  Hochgebirgsflora.  S.  628.  —  Moderne  Ver&nderungen. 
S.  680.  —  Litteratumachweise.  S.  632. 

Die  Nutzpflanzen.  S.  632.  Gerealien.  S.  633.  —  Andere  Kulturpflanzen.  S.  636.  — 
Litteratamachweise.  S.  639. 

Die  Lebensbedingungen  derTierwelLS.639.  Beziehungen  zwischen  der  Tier- und  Pflanzen- 
welt S.640.  —  Färbung.  S.  641.  ~  Abhängigkeit  derTiere  von  der  Temperatur. 
S.  642.  —  Tropische  Tierwelt  S.  644.  —  Arktische  Tierwelt  S.  645.  — 
Vertikale  Verteilung.  S.  646.  —  Periodizität  im  Tierleben.  S.  648.  —  Be- 
ziehungen der  Tiere  zu  einander.    8.  649.  —  Litteratumachweise.  S.  650. 

Die  EnlwlGiduiig  der  Faunenreiche.  S.  650.  Die  australische  Gruppe.  S.  651.  —  Süd- 
amerika. S.  658.  —  Afrika.  S.  655.  —  Indisches  Beich.  S.  657.  —  Die  mitt- 
leren und  höheren  Breiten  der  Nordhalbkugel.  S.  658.  —  Faunengruppen 
und  -reiche.  S.  662.  —  Litteratumachweise.  S.  664. 

Begister.    8.665. 

Berichtigungen  und  Zusätze.    S.  706. 


Verzeichnis  der  Kartenbeilagen. 


Tafel  1.  Landhöhen  und  Meerestiefen. 

2.  Die  morphologischen  Hauptgebiete  der  Erde. 

8.  Jahres-Isothermen. 

4.  Januar-Isothermen. 

5.  Juli-Isothermen. 

6.  Thermische  Anomalie  im  Januar  und  Juli. 

7.  Die  Temperaturzonen  der  Erde. 

8.  Linien  gleicher,  jährlicher  Wlirmeschwankung. 

9.  Isobaren  und  Winde  im  Winter. 

10.  Isobaren  und  Winde  im  Sommer. 

11.  Jährliche  Niederschlagsmengen. 

12.  Jahreszeitliche  Verteilung  der  Niederschläge. 
18.  Verbreitung  der  Gletscher  und  des  Treibeises. 

14.  Die  Klima-Provinzen. 

15.  Meeresströmungen. 

1 6 .  Küstenverän  derungen. 

17.  Korallenbauten,  Vulkane,  Erdbeben. 

18.  Vegetationskarte. 

19.  Die  Florenreiche. 

20.  Faunengruppen  und  -Reiche. 


Einleitung. 


Die  Gestalt  und  Größe  der  Erde. 

Die  einfache  Naturanschauung  betrachtet  die  Erde  als  ruhen- 
den Körper,  den  die  Sonne  in  kreisförmiger  Bahn  umwandelt. 
Der  alexandrinische  Gelehrte  Ptolemäus  gab  dieser  Anschauung 
zuerst  einen  wissenschaftlichen  Ausdruck  und  schuf  damit  ein  Welt- 
system, das  bis  zum  Anfange  der  Neuzeit  seine  Geltung  bewahrte.  Er 
machte  die  Erde  zum  Zentrum  des  Weltalls,  und  die  von  der 
Theologie  beherrschte  Wissenschaft  des  Mittelalters  fand  in  diesem 
Systeme  eine  Bestätigung  ihres  Grundsatzes,  daß  der  Mensch  der 
Mittelpunkt  und  Zweck  der  Schöpfung  sei.  Erst  Copernicus  ver- 
bannte die  Erde  aus  ihrer  usurpierten  Stellung  und  wies  ihr  einen 
bescheideneren  Platz  im  Sonnensysteme  an.  Die  Erde  ist  ein  Planet, 
der  sich  in  24  Stunden  einmal  um  seine  Achse  und,  vom  Monde 
begleitet,  in  einem'  Jahre  einmal  um  die  Sonne  bewegt,  von  der  er 
Licht  und  Wärme  empfängt. 

Die  Fortschritte  in  der  Erforschung  des  Erdkörpers,  seines 
organischen  Lebens  und  seiner  Entwicklung  hatten  eine  gänzliche 
Umwandlung  der  Weltanschauung  im  Gefolge.  Wir  sehen  in  der 
Katur  nicht  mehr  eine  Aufeinanderfolge  wunderbarer  Schöpfungs- 
thaten,  die  jede  Form  fertig  und  unabänderlich  aus  dem  Nichts 
oder  aus  dem  Chaos  hervorriefen,  sondern  einen  nach  ewigen  Ge- 
setzen wirkenden  Mechanismus,  in  dem  die  Formen  in  beständiger 
Umwandlung  begriffen  sind.  Man  mag  darüber  streiten,  ob  diese 
Anschauung  der  großen  Fülle  der  Erscheinungen  gerecht  wird  und 
ob  wir  von  ihr  die  Lösung  aller  Welträtsel  erwarten  dürfen;  aber 
keinem  Zweifel  unterliegt  es,  daß  sie  unendlich  befruchtend  auf  die 
Wissenschaft  gewirkt  hat.  Wenn  wir  annehmen,  daß  jede  Form  durch 
einen  unerforschlichen  und  uns  daher  willkürlich  erscheinenden 
Schopfungsakt  entstanden  ist,  dann  bleibt  uns  am  Ende  nichts 
übrig,    als    diese    Formen    zu    beschreiben    und    zu    klassifizieren; 

SupAN,  PhjBlacbe  Erdkunde.    2.  Aufl.  1 


2  Einleitung. 

nehmen  wir  aber  an,  daß  alles  auf  natürlichem  Wege  sich  ent- 
wickelt hat,  so  können  wir  diesem  Prozesse  nachspüren.  Die  Natur- 
wissenschaft schreitet  von  der  Systematik  zur  Genetik 
fort,  und  damit  erwachsen  auch  der  Geographie  ganz  andere  Auf- 
gaben, als  sie  früher  zu  lösen  hatte. 

Entwicklung  der  Erde.  Kant  und  Laplace  verknüpften  auch 
die  einzelnen  Teile  unseres  Sonnensystems  genetisch  miteinander. 
Alle  Körper  desselben  bildeten  nach  dieser  Hypothese  einst  einen 
großen  kugelförmigen  Nebelfleck,  der  sich  infolge  der  Abkühlung 
im  kalten  Weltenraume  zusammenzog.  Dadurch  erhöhte  sich  die 
Rotationsgeschwindigkeit,  die  Abplattung  an  den  Polen  und  die  Aus- 
bauschung  am  Äquator  wurden  immer  größer,  und  so  lösten  sich  mit 
der  Zeit  am  Äquator  Teile  los,  die  einen  Ring  bildeten.  Dieser 
zerriß  infolge  ungleicher  Beschaffenheit  und  Erkaltung  und  ver- 
anlaßte  so  die  Entstehung  planetarischer  Nebelballen.  Derselbe 
Prozeß  wiederholte  sich  auch  hier:  erst  Ringbildung,  wie  sie  noch 
am  Saturn  beobachtet  werden  kann,  dann  Zerreißung  derselben 
und  Bildung  der  Monde.  So  erscheinen  nach  dieser  geistvollen 
Hypothese  alle  Glieder  des  Sonnensystems  als  eine  große  Familie, 
deren  Mutter  die  Sonne  ist,  wie  sie  auch  noch  jetzt  alles  Leben 
auf  der  Erde  ernährt  und  erhält. 

Noch  einen  Schritt  weiter  nach  rückwärts  führen  uns  die  eng- 
lischen Physiker  Thomson  und  Groll,  die  uns  begreiflich  machen 
wollen,  wie  der  Umebel  entstand,  d.  h.  wie  die  Materie  in  diesen 
glühenden,  gasigen  Zustand  geriet.  Als  ursprüngUch  nehmen  beide 
dunkle  Massen  an;  nach  Thomson  sind  diese  ruhend  und  stürzen 
durch  eigene  Anziehung  auf  einander;  nach  Groll ^  besitzen  sie  von 
allem  Anfang  an  eine  ihnen  eigentümliche  Geschwindigkeit,  und 
indem  sie  den  Raum  durchfliegen,  stoßen  zwei  oder  mehrere  solcher 
Massen  auf  einander  und  die  Bewegung  setzt  sich  in  Wärme  um. 

Durch  fortgesetzte  Abkühlung  und  Zusammenziehung  wurde 
die  Erde  aus  einem  glühenden  Nebelballen  ein  glühendflüssiger 
Körper,  der  sich  endlich  mit  einer  Erstarrungskruste  umhüllte.  Die 
Wasserdämpfe  wurden  kondensiert  und  sammelten  sich  in  den  Ver- 
tiefungen der  Erdkruste  als  Meer  an,  über  das  die  Erhöhungen  als 
Kontinente  emporragen.  Der  Gegensatz  von  Land  und  Wasser  ist 
seit  dieser  Zeit  ein  bleibender  Gharakterzug  unseres  Planeten,  wenn 
auch  die  geographische  Verteilung  dieser  beiden  Grundformen  dem 
Wechsel  unterworfen  ist. 

Nun  fühlen  wir  sicheren  Boden  unter  den  Füssen,  denn  die 
Zeugnisse  der  Erdgeschichte  sind  uns  in  den  auf  einander  folgenden 
Gesteinsschichten,   in   den   vielfachen  Störungen    derselben   und   in 


Die  Gestalt  und  Größe  der  Erde. 


den  begrabenen  Lebewesen  noch  erhalten.  Aber  auch  hier  hat 
sich  eine  richtige  Deutung  erst  allmählich  herausgearbeitet.  Zwar 
konnten  es  sich  auch  die  älteren  Geologen  nicht  verhehlen,  daß  der 
Erdkörper  und  sein  organisches  Leben  yerschiedene  Stadien  durch- 
gemacht hat^  aber  sie  meinten  noch,  daß  die  einzelnen  Perioden  der 
Erdgeschichte  durch  allgemeine  Katastrophen,  die  das  Bestehende 
vernichteten,  und  ebensoviele  Neuschöpfungen  von  einander  getrennt 
seien.  Erst  Hoff*  und  Lyell'  lehrten,  daß  die  Veränderungen  der 
Erdoberfläche  sich  nicht  sprungweise,  sondern  allmählich  vollzogen 
haben,  in  derselben  Weise,  wie  wir  sie  auch  in  der  geschichtlichen 
Gegenwart  beobachten,  und  durch  dieselben  Kräfte,  die  noch  jetzt 
thätig  sind;  wenn  auch  zugegeben  werden  mag,  daß  die  Kraft- 
äußerungen in  früheren  Epochen  eine  größere  Intensität  besaßen. 
Lamabk  und  Darwin  wendeten  diese  Theorie  auch  auf  die  organische 
Welt  an,  die  von  niederen  zu  höheren  Formen  fortschreitend,  end- 
lich im  Menschen  gipfelt 

(Gestalt  der  Erde.  Als  ein  sicheres  Zeugnis  für  die  einstige 
flüssige  BeschaflFenheit  des  Erdkörpers  wird  dessen  Gestalt  an- 
gesehen, aber  mit  Unrecht,  denn  jeder  rotierende  kugelförmige 
Körper,  der  nicht  absolut  starr  ist,  muß  an  den  Enden  der  Rotations- 
axe,  d.  h.  an  den  Polen  sich  abplatten  und  am  Äquator  sich  aus- 
bauschen: mit  anderen  Worten:  die  Kugel  muß  ein  Sphäroid 
werden.  Die  sphäroidale  Gestalt  der  Erde  ist  direkt  durch  Pendel- 
beobachtungen und  Gradmessungen  erweisbar,  indirekt  auch  auf 
astronomischem  Wege. 

Die  Pendelbeobachtungen  ergaben  als  Resultat,  daß  die 
Länge  des  Sekundenpendels  (d.  h.  eines  Pendels,  das  in  einer  Sekunde 
eine  Schwingung  ausfuhrt)  vom  Äquator  nach  den  Polen  zunimmt^ 
Diese  Thatsache  kann  ihre  Erklärung  nur  darin  finden,  daß  die  Schwer- 
kraft an  den  Polen  am  größten,  am  Äquator  am  kleinsten  ist.  Der 
Grund  ist  ein  doppelter.  Einerseits  erreicht  die  Fliehkraft,  die  der 
iSchwerkraft  direkt  entgegenwirkt,  am  Äquator  ihren  größten  Wert, 
während  sie  an  den  Polen  gleich  Null  ist;  anderseits  ist  man  wegen  der 

X  Zur  Illustration  dieses  Gesetzes  greifen  wir  aus  Helmerts  Tabelle  einige 

Stationen  in  Abständen  von  ca.  10^  B.  heraus: 

Lftnge  des  i  Lflnge   des 

Sekunden-  |  Sekonden- 

pendels  pendeis 

N.  B.      in  mm.  '  N.  B.      In  mm. 


Gaussah  Lout    .    .    .     0^   2'  991,o55 

Trinidad 10°  39'  991,o9i 

Mauwi 20<»52'  991,79* 

Ismailia SO'^öÖ'  992,249 

Hoboken  —  New  York  40«  45'  993,i9i 


Bonn 500  44'  994,072 

Unst 60<^45'  994,959 

Hammerfest.     .     .    .700  40'  995,55? 

Spitzbergen  .     .     .     .79*50'  996,o«7 


Einleitung. 


Abplattung  dem  Erdmittelpunkte,  dem  Sitze  der  Schwerkraft,  an  den 
Polen  am  nächsten,  und  ist  am  Äquator  am  weitesten  davon  entfernt 
Einen  noch  augenfälligeren  Beweis  für  die  Abplattung  der  Erde 
liefern  die  Gradmessungen.  In  Fig.  1  ist  rechts  ein  halber  kreis- 
förmiger, links  ein  halber  elliptischer  Meridian  dargestellt;  P  be- 
ziehungsweise F  ist  der  Pol,  und  die  Horizontallinie  der  Durchschnitt 
der  Äquatorialebene.  Wählen  wir  auf  dem  Ereisquadranten  zwei  Paare 
von  Punkten,  von  denen  a  und  h  nahe  dem  Äquator,  c  und  d  nahe  dem 

Pole  sich  befinden. 
Die  Vertikalen  (oder 
Normalen),  die  wir 
in  diesen  Punkten 
errichten,  sind  Halb- 
^  messerund  schneiden 
sich  daher  in  o;  der 
•  Winkel  aoh  ist  =  cod 
=  10®,  ebenso  ist 
der  Bogen  ah  =  c</, 
oder  mit  anderen 
Worten:  auf  einer 
Eugel  entspre- 
chen gleichen 
Winkelabständen    der    Normalen  gleiche  Meridianbogen. 

Anders  auf  dem  Sphäroid.  Die  Normalen  schneiden  sich  nicht 
mehr  im  Zentrum,  die  Winkelabstände  von  a  und  h\  c  und  i  sind 
zwar  gleich  (=  10"),  wovon  wir  uns  sofort  überzeugen  können, 
wenn  wir  mit  dem  Radius  ao  von  o'  und  o"  aus  Ereise  beschreiben 
(die  Bogen  a"6"  z=^  c" i'  ^  cd  =  ah)\  aber  die  ihnen  entsprechenden 
Meridianbogen  sind  ungleich  {a'b'  <  cd),  weil  die  Erümmung  der 
Ellipse  gegen  den  Pol  hin  sich  verflacht.  Auf  dem  Sphäroid 
nimmt  also  die  Länge  eines  Meridiangrades  vom  Äquator 
gegen  die  Pole  zu. 

Indem  die  große  französische  Gradmessung  in  der  Mitte  des 
vorigen  Jahrhunderts  für  die  Länge  eines  Meridiangrades  in  Lapp- 
land 111949,  in  Frankreich  111212,  in  Peru  110608  m  fand,  er- 
brachte sie  den  unumstößlichen  Beweis  für  die  sphäroidale  Gestalt 
der  Erde.  Als  aber  die  folgenden,  in  verschiedenen  Gegenden  aus- 
geführten Gradmessungen  und  Pendelbeobachtungen  verschiedene 
Werte  für  die  Abplattung  ergaben,  gelangte  man  zur  Erkenntnis, 
daß  die  Gestalt  der  Erde  der  Regelmäßigkeit  entbehrt.  Und  dies 
gilt  nicht  bloß  von  der  Landoberfläche  mit  ihren  Erhebungen  und 
Vertiefungen,  nicht  blos  von  der  wirklichen  Meeresoberfläche,  die 


Abplattung  der  Erde. 


Die  Gestalt  und  Große  der  Erde. 


wechselnden  Umgestaltungen  unterliegt;  auch  das  sogenannte  Geold, 
d.  h.  die  idelle,  unbewegte,  nur  unter  dem  Einflüsse  der  Schwerkraft 
stehende  Meeresfläche,  die  man  sich  durch  ein  System  von  Kanälen 
Yon  der  Küste  in  das  Innere  der  Kontinente  gefbhrt  denkt,  ent- 
spricht nicht  einem  regelmäßigen  Sphäroid,  sondern  zeigt  Abnahmen 
und  Zunahmen  mit  konkaver  Krümmung  nach  dem  Erdinnem  zu. 
Es  ist  die  Aufgabe  der  großen  europäischen  Gradmessung,  diese 
Abweichungen  in  Bezug  auf  Europa  festzustellen  und  zugleich  ihre 
Ursachen  zu  erforschen. 

Dimensionen  der  Erde.  Die  nächste  praktische  Folge  dieser 
Unregelmäßigkeit  ist  die,  daß  man,  um  die  Dimensionen  der 
Erdoberfläche  zu  berechnen,  ein  ideelles  Sphäroid  zu  Grunde  legen 
muß,  das  sich  den  Ergebnissen  der  Grad-  und  Pendelmessungen 
möglichst  anschmiegt.  Unter  diesen  Berechnungen  hat  die  von 
Bessel,  obgleich  sie  sich  nur  auf  zehn  zuverlässige  Gradmessungen 
stützt,  weitaus  die  größte  Verbreitung  gefunden  und  kann  auch 
heute  noch  als  ausreichend  für  geographische  Zwecke  erachtet 
werden.     Die  Hauptwerte  sind  folgende^: 

ÄquatorialhalbmesBer  (a)  =  6377,4  km. 
Polarhalbmesser  (b)  =  6356,i  km. 

Abplattung  =  ^  =259' 

Umfang  des  Äquators  =  40  070  km. 

Umfang  im  Meridian  =  40  003  km. 

Oberfläche  der  Erde  =  509  950  714  qkm. 

Körperinhalt  der  Erde  »  lOSS  Milliarden  cbkm. 

Neben  den  BEssELschen  Werten  haben  sich  in  neuester  Zeit 
auch  die  von  Clarke  und  Faye  vielfach  eingebürgt.  Die  Abplattung 
wird  hier  beträchtlich  größer  angenommen,  so  von  Clarke  1866 
zu  ^/jgg,  1880  zu  V293»  ^^^  F^YE  sogar  zu  7292-  Helmert^  hält 
dagegen  ^/,q^  für  die  oberste  Grenze  und  gelangt  auf  einem  wesent- 
lich anderen  Wege,  wie  Bessel,  zu  dem  gleichen  Resultate  (7299)* 
Dagegen  steht  es  ziemlich  fest,  daß  die  BESSELSchen  Werte  für  a 
und  b  zu  klein  sind;  als  wahrscheinlichste  Länge  des  Äquatorial- 
halbmessers gilt  jetzt  6378,2  km,  und  damit  ändert  sich  natürlich 
auch  die  Oberfläche  des  Erdpshäroids,  doch  nicht  so  beträchtlich,  daß 
wir  die  runde  Zahl  von  510  Millionen  qkm  nicht  beibehalten  könnten. 

Flachenberechnnng.  Die  Fläche  eines  Landes  kann  entweder 
durch  direkte  Vermessung  oder  auf  planimetrischem  Wege,  d.  h.  auf 
der  Karte  mit  Hilfe  des  Planimeters  ermittelt  werden.  Die  letztere 
Methode  wird  weitaus  am  häufigsten  angewendet,  ja  für  halb  oder 
ganz  unzivilisierte  Länder  ist  sie  die  einzig  mögliche.    Da  kommt  es 


6  Einleitung. 


nun  in  erster  Linie  darauf  an,  welche  Dimensionen  des  Sphäroids 
der  Messung  zu  G-runde  gelegt  werden,  ob  z.  B.  die  BEss£Lschen,  wie 
es  in  der  Geographischen  Anstalt  Jüstüs  Perthes  in  Gotha  ge- 
schieht, oder  die  CLABEEschen,  die  Stbelbitzky  bei  seinen  bekannten 
Flächenberechnungen  Europas  und  des  Russischen  Reiches  ange- 
wendet hat  Unter  sonst  gleichen  Umständen  muß  für  ein  und 
dasselbe  Land  die  Fläche  nach  Clabke  stets  größer  sein,  als  die 
nach  Bessel;  aber  der  Unterschied,  der  sich  daraus  ergiebt,  ist  in 
den  meisten  Fällen  geringfügig  gegenüber  der  Unsicherheit  der 
Messung,  die  durch  das  mangelhafte  Eartenmaterial,  den  Maßstab 
der  Karte,  die  Ausdehnung  des  Papieres  bei  verschiedener  Feuchtig- 
keit und  die  Beschaffenheit  des  Instrumentes  bewirkt  wird.  Selbst 
bei  Ländern  mit  so  vortrefflichen  Karten,  wie  Frankreich  oder 
Italien  sie  besitzen,  haftet  den  Flächenzahlen  noch  ein  wahrschein- 
licher Fehler  von  ^2  ^^^  ^  Prozent  des  Areals  an;  und  man  mag 
daraus  einen  Schluß  ziehen,  wie  es  selbst  mit  den  besten  Flächen- 
zahlen dort  bestellt  ist,  wo  noch  verhältnismäßig  wenig  Punkte  durch 
gute  Breiten-  und  Längenbestimmungen  festgelegt  sind,  und  jede 
neue  größere  Reise  Verschiebungen  des  Kartenbildes  zur  Folge  hat. 
Solche  Länder  werden  infolge  dessen  meist  in  kleinerem  Maßstabe 
abgebildet,  und  daraus  erwächst  wieder  ein  anderer  Fehler,  der  bei 
sonst  größter  Sorgfalt  bis  zu  3  Prozent  der  Fläche  sich  steigern  kann. 
Überdies  ist  auch  zwischen  der  auf  die  Karte  projizierten  Bläche 
und  der  wahren  Oberfläche  zu  unterscheiden.  Dies  wird  sofort 
klar  aus  Fig.  2,  die  ein  schematisches  Gebirgsprisma  darstellt    Auf 

der  Karte  erscheint  nur  die  Grundfläche 
ab  de  und  nur  ihr  Areal  wird  ermittelt, 
die  wahre  Oberfläche  ist  aber  acfd  +  hcfe. 
Dieser  Unterschied  verschwindet  nur  auf 
völlig  horizontalen  Flächen  und  nimmt  mit 
^'  ^'  dem    Böschungswinkel    zu,    so    daß   er    in 

Gebirgsländem  einen  ziemlich  hohen  Wert  erreicht  Für  ein  Ge- 
birge vom  Typus  des  Böhmerwaldes  hat  z.  B.  Bene§^  berechnet,  daß 
die  wahre  Oberfläche  um  3,8  Prozent  größer  ist,  als  die  projizierte. 

Li tteraturnach weise.  ^  Cboll,  Stellar  Evolution,  London  1SS9.  — 
•  Hoff,  Geschichte  der  durch  die  Überlieferung  nachgewiesenen  natürlichen 
Veränderungen  der  Erdoberfläche.  Gotha  1822—40.  —  '  Lyell,  Principles  of 
Geology,  London  1830—33.  12.  Aufl.  1876.  —  ♦  Darwin,  The  Origin  of  Species, 
London  1859.  Letzte  deutsche  Ausgabe  von  Cabüs,  Stuttgart  1883.  —  ^  Haupt- 
werk Helkert,  Die  mathematischen  und  physikalischen  Theorien  der  höheren 
Geodäsie.  Berlin  1880 — 84.  Günther,  Handbuch  der  mathematischen  Geographie, 
Stuttgart  1890.  Hier  sei  auch  das  im  Erscheinen  begriffene  Lehrbuch  der 
Geographie  von  H.  Waoneb  (Hannover  u.  Leipzig,  1.  Lief.  1894)  erwähnt,  für 


Die  Teile  des  Erdkörpers. 


mathematiBche  Geographie  wohl  der  beste  Leit^Eideiiy  den  wir  besitzen.  — 
*  H.  Waomeb,  Die  Dimensionen  des  Erdsphäroids  nach  Bessbl;  in  Behks  Geo- 
graphischem Jahrbuch,  Bd.  III,  1870.  —  '  BeneS,  Die  wahre  Oberfläche  des 
BöhmerwaldeSy  in  dem  Bericht  des  Vereins  der  Greographen  an  der  Universitfit 
Wien,  1888. 


Die  Teile  des  Erdkörpers. 

Wenn  wir  von  den  Dimensionen  der  Erde  sprechen,  so  ver- 
stehen wir  darunter  nur  die  des  festen  Erdkörpers,  schließen  aber 
deren  gasförmige  Umhüllung,  die  Atmosphäre,  aus,  obwohl  diese 
ebenso  einen  integrierenden  Bestandteil  des  Erdkörpers  bildet,  wie 
die  Gesteinshülle  und  der  Erdkern.  Die  Gesteinshülle  tritt  ent- 
weder als  Festland  zu  Tage  oder  ist  als  Grund  des  Meeres  und 
der  Seen  unseren  Blicken  entrückt,  so  daß  wir,  ausgehend  von  den 
Erscheinungen  der  Oberfläche,  von  einer  Gesteinshülle  im  engeren 
Sinne  und  einer  Wasserhülle  sprechen  können. 

Der  Erdkern.  Eine  so  scharfe  Grenze,  wie  zwischen  der  Luft- 
und  GesteinshüUe,  besteht  zwischen  der  letzteren  und  dem  Erdkern 
nicht,  und  es  ist  schon  aus  diesem  Grunde  unmöglich  anzugeben, 
bis  zu  welcher  Tiefe  die  GesteinshüUe  hinabreicht  Das  tiefste 
Bohrloch  der  Erde,  das  Schiadebacher  bei  Leipzig,  durchfuhr  sie 
nur  bis  1748  m  Tiefe;  es  ist  also  selbst  an  dieser  Stelle  vom  Erd- 
innem  nur  der  3644.  Teil  des  mittleren  Halbmessers  bekannt. 

So  unnahbar  das  Erdinnere  auch  der  direkten  Beobachtung  ist, 
so  sind  uns  doch  zwei  Thatsachen  bekannt,  die  geeignet  sind,  etwas 
Licht  über  seine  Beschaffenheit  zu  verbreiten. 

Die  mittlere  Dichte  der  ganzen  Erde^  beträgt  nach  den  ver- 
läßUchsten  Untersuchungen  5,6,  d.  h.  die  Erde  ist  ö^emal  so  schwer 
als  eine  gleich  große  Wasserkugel.  Da  die  Gesteine,  welche  sich 
hauptsächlich  an  dem  Baue  der  Erdoberfläche  beteiligen,  nur  ein 
spezifisches  Gewicht  von  etwa  2^3  bis  3  besitzen,  so  muß  die  mittlere 
Dichtigkeit  des  Lineren  noch  größer  sein,  als  die  der  ganzen  Erde. 
SüESS  hat  daher  den  Erdkern  in  zutreffender  Weise  die  Barysphäre 
(ßcepvg  =  schwer)  genannt,  und  sie  der  Lithosphäre  oder  Gesteins- 
hülle und  der  Atmosphäre  gegenübergestellt  Es  ist  auch  sehr  wahr- 
scheinlich, daß  sich  innerhalb  des  Erdkörpers  die  Stoffe  vom  Anfange 
an  nach  ihrer  Schwere  geordnet  haben,  und  die  schwersten  daher 
den  innersten  Kern  bilden.  Nach  Analogie  der  Meteoriten,  jener 
Trümmer  von  Weltkörpem,  die  von  Zeit  zu  Zeit  auf  die  Erde 
fallen  und  teils  aus  Silikatgesteinen,  teils  aus  gediegenem  nickel- 
haltigen  Eisen  bestehen,  hat  man  vielfach  die  Vennutung  ausge- 
sprochen, daß  der  Erdkern  aus  Eisen  bestehe. 


8  Einleitung. 

Einen  Schluß  auf  die  Wärme  des  Erdinnern  gestatten  die 
Beobachtungen  bei  den  zahlreichen  vertikalen  und  horizontalen 
Tiefbohrungen,  die  in  allen  Kulturländern  zu  technischen  und 
industriellen  Zwecken  ausgeführt  wurden.  Die  Temperaturschwan- 
kungen der  Oberfläche  dringen  nur  bis  zu  einer  geringen  Tiefe  in 
die  Gesteinshülle  ein;  schon  in  einer  Tiefe  von  ca.  1  m  wird  die 
tägliche  Schwankung  nicht  mehr  fühlbar,  und  in  unseren  Gegenden 
beträgt  nach  Adolf  Schmidts*  Untersuchungen  schon  in  einer  Tiefe 
von  15 — 16  m  der  Unterschied  der  jährlichen  Extreme  nur  mehr 
0,1®  C.  In  den  Tropen,  wo  die  jahreszeitlichen  Gegensätze  gering 
sind,  dürfte  die  Schicht  konstanter  Temperatur  schon  in  circa 
6  m  Tiefe  zu  finden  sein.  Von  da  an  nimmt  die  Temperatur 
in  allen  Jahreszeiten  und  überall  mit  der  Tiefe  zu.  Man 
nennt  die  Tiefe,  die  einer  Temperatursteigerung  von  1®  C.  ent- 
spricht, die  geothermische  Tiefenstufe;  sie  beträgt  nach  den 
Schiadebacher  Beobachtungen  zwischen  1266  und  1716m  Tiefe  — 
den  weitaus  zuverlässigsten  in  dieser  Beziehung,  da  die  künstlichen 
Fehlerquellen  hier  nahezu  ganz  vermieden  wurden  —  39,6  m.  Wenn 
an  anderen  Orten  andere  Werte  gefunden  wurden  (in  Liverpool 
z.B.  66,4 — 71,9,  dagegen  in  NeujQfen  Um),  so  ist  dies  nur  lokalen 
Wärmeherden  (chemische  Prozesse  in  Bergwerken,  Thermen  u.  s.  w.) 
zuzuschreiben,  und  diese  bewirken  auch,  daß  die  Zunahme  scheinbar 
ungleichmäßig  erfolgt,  je  nachdem  man  sich  ihnen  nähert  oder 
von  ihnen  entfernt.  So  betrug  im  610  m  tiefen  Fermanschacht  in 
Nevada  mit  einer  mittleren  geothermischen  Stufe  von  18,i  m  die 
Zunahme  zwischen  400  und  500  e.  F.  4®,9,  zwischen  1800  und 
1900  e.  F.  aber  nur  0^,  iind  zwischen  300  und  400  F.  &nd  sogar 
eine  Abnahme  um  l®,i  statt.  Die  Beobachtungen  in  den  großen 
Alpentunnels  lehren,  daß  die  geothermischen  Tiefenstufen  von  der 
Thalsohle  gegen  das  Innere  des  Berges  größer  werden.  So  z.  ß. 
im  St.  Gotthardtunnel: 

Tiefe  des  Tunnels  301       558      1026      1165  m 

Geothermische  Stufe         24,o      42,3       51,8        52,5  „ 

Die  Flächen  gleicher  Erdwärme  wiederholen  also  die  Konturen  der 
Oberfläche,  indem  sie  im  Innern  der  Gebirge  ansteigen,  aber  unter 
einem  flacheren  Winkel  als  die  Böschungen.  Nehmen  wir  an,  ein 
Berg  B  erhebe  sich  2000  m  über  die  Ebene  A  (Fig.  3).  Die  mittlere 
Jahrestemperatur  betrage  hier  10°,  und  auf  dem  Berggipfel  0°;  die 
geothermische  Tiefenstufe  sei  unter  A  39,6  und  unter  B  52,6  m.  Es 
wird  dann  unter  dem  Berggipfel  im  Niveau  der  Ebene  das  Thermo- 
meter 39®  zeigen,  während  wir  unter  A  diese  Temperatur  erst  in 


Die  Teile  des  Erdkörpera-  9 

1148m  Tiefe  erreichen.  Diese  Thatsache  ist  von  größter  prak- 
tischer Wichtigkeit,  denn  da  der  menschliche  Körper  trockene 
Wärme  nur  bis  50®  und  feuchte  nur  bis  40®  ertragen  kann,  so 
sind  Tunnelbauten  durch  sehr  hohe  Gebirge  ebenso  unmöglich,  wie 
Bergwerke  in  großen  Tiefen. 

Es  kann  femer  keinem  Zweifel  unterliegen,  daß  im  Innern  der 
großen  Massenerhebungen  der  Gesteinshiille,  die  wir  Kontinente  ^ 
nennen,  die  Isothermenflächen  in  ähnlicher  Weise  ansteigen,  wie  im 
Innern  der  Gebirge.  So  fand  z.  B.  die  Challengerexpedition  im 
südatlantischen  Ozean  in  4846  m  Tiefe  Wasser  von  nur  1®  Wärme, 
und  wir  müssen  annehmen,  daß  unter  dem  afrikanischen  Boden  in 
gleicher  Tiefe  bereits  eine  Temperatur  von  146®  herrscht 

Da  aber  die  geothermischen  Tiefenstufen  unter  den  Erhebungen 
größer  sind,  als  unter  der  Ebene,  so  muß  allmählich  ein  Ausgleich 
erfolgen,  indem  die  Geoiso- 
thermen  immer  flacher  werden, 
wie  Fig.  3  versinnlicht.  In 
diesem  Falle  muß  bereits  in 
4500  m  unter  dem  Niveau  der 

Ebene  sowohl  untere,  wie  unter      VzWi^\\''''''][^''''^'''^^^^^^^^ 

B   die    gleiche    Temperatur      ••••^iV//.V.'--;;!w>!!;;'---V;:;;;--.5^. 

herrschen,    und    es    ist    anzu-      .•.V.W.*.*'- ioö' -.'i.'l'v^^' 

nehmen,   daß  von  da  an  keine      ^'l-^Af----.. y^J; •••''•'".*.V.'7?iI.' 

weitere     Störung     im     gleich-      Zl^lci^isothe^en ^^" 

mäßigen   Verlaufe   der  Geoiso-  Fig.  3.    Geoisothermen. 

thermen  eintritt,  und   die   geo- 

thermische  Tiefenstufe  nicht  mehr  von  den  Keliefverhältnissen  der 
Erdoberfläche  beeinflußt  wird. 

Nimmt  aber  die  Wärme  stetig  bis  zum  Mittelpunkte  zu?  Es 
ist  dies  die  nach  den  Beobachtungen  wahrscheinlichste  Annahme, 
wenn  auch  nie  exakt  zu  beweisen.  Dagegen  kann  die  Frage,  ob 
überall,  wo  keine  örtlichen  Einflüsse  störend  eingreifen,  die 
Temperaturzunahme  in  allen  Tiefen  gleichmäßig  erfolge,  nicht 
beantwortet  werden.  Alle  zu  diesem  Zwecke  aufgestellten  Formeln 
haben  nur  innerhalb  der  Grenzen  der  Beobachtung  Giltigkeit,  und 
schon  oben  wurde  darauf  aufinerksam  gemacht,  daß  selbst  das 
Schiadebacher  Bohrloch  nur  den  3644.  Teil  des  Erdradius  re- 
präsentiert Haben  diejenigen  Recht,  welche  annehmen,  daß  die 
Erde  eine  durch  Wärmeleitung  und  Wärmeausstrahlung  sich  ab- 
kühlende Kugel  ist,  dann  müssen  die  geothermischen  Tiefenstufen 
gegen  den  Mittelpunkt  zu  immer  größer  werden.  Foüioebs  Rechnung 
und  Bischofs  Experiment   mit   einer  Basaltkugel   führen   zu   dem 


10  Einleitung. 

nämlichen  Schlüsse.     Letztere  zeigte  48  Stunden  nach  dem  Gusse 
folgende  Temperaturen: 

Entfernung  vom  Mittelpunkte    0  4,6"  6,75"        9" 

Temperatur  192,5«     170,o»      165,3<»      187,5« 

Thermische  Stufe  0,200"      0,1«*"       0,no" 

Das  eine  ist  jedenfalls  gewiß,  daß  die  Temperatarzunahme  sich 
nicht  bloß  auf  die  unserer  Messung  zugängliche  Zone  beschränkt, 
sondern  auch  in  jene  bedeutenden  Tiefen  hinabreicht,  aus  der  die 
heißen  Quellen  und  das  geschmolzene  Gestein  der  Laven  an  die 
Oberfläche  kommen.  Bleibt  sich  die  geothermische  Tiefenstufe  gleich, 
so  muß  schon  in  einer  Tiefe  von  67  km  die  Temperatur  der  schmel- 
zenden Schlacke,  d.h.  1700°,  erreicht  werden.  Man  hat  daraus  den 
Schluß  gezogen,  daß  das  Erdinnere  eine  glühendflüssige  Masse  ist, 
die  von  einer  verhältnismäßig  dünnen  Kruste  umschlossen  wird, 
und  es  kann  nicht  geleugnet  werden,  daß  diese  Annahme  eine  einfache 
und  befriedigende  Erklärung  der  geologischen  Thatsachen  bietet. 

Von  Seiten  einiger  Physiker  ist  aber  dagegen  Widerspruch  er- 
hoben worden,  der  sich  hauptsächlich  auf  diejenigen  Erscheinungen 
stützt,  die  durch  die  Anziehungskraft  der  Sonne  xmd  des  Mondes 
bedingt  werden.  Unter  dem  Einflüsse  dieser  Gestirne  kann  zu- 
nächst die  Erde  wegen  der  polaren  Abplattung  ihre  Rotationsachse 
nicht  in  unveränderter  Lage  erhalten,  sondern  dieselbe  muß  gewisse 
Bewegungen  ausführen,  die  denen  eines  wankenden  Kreisels  nicht 
unähnlich  sind,  und  von  den  Astronomen  als  Nutation  und  Prä- 
zession bezeichnet  werden.  Aber  die  darauf  gegründete  Schluß- 
folgerung Hopkins',  daß  die  Erdkruste  mindestens  1270 — 1590  km 
mächtig  sein  müsse,  ist  als  unhaltbar  erwiesen  worden,  indem  der 
Aggregatzustand  des  Erdinnftm  nach  G.Dakwin  auf  jene  Bewegungen 
keinen  Einfluß  ausübt.  Das  Hauptbedenken,  das  jetzt  —  haupt- 
sächlich von  den  englischen  Forschern  Thomson  und  G.  Darwin*  — 
gegen  die  Annahme  eines  feurig-flüssigen  Erdinnern  ins  Feld  geführt 
wird,  stützt  sich  auf  das  Flutphänomen.  Jene  Bewegungen  des 
Meeres,  die  unter  dem  Namen  Ebbe  und  Flut  allgemein  bekannt 
sind,  könnten  nach  der  Ansicht  jener  Physiker  nicht  zu  stände 
kommen,  wenn  das  Erdinnere  flüssig  und  die  Kruste  dünn  wäre, 
denn  dann  müßte  auch  die  Kruste  sich  heben  und  senken,  also 
Land  und  Wasser,  und  wir  würden  die  Gezeiten  ebenso  wenig  wahr- 
nehmen, wie  die  Bewegung  der  Erde.  Da  aber  das  Wasser  sich 
erfahrungsgemäß  anders  verhält,  als  die  Kruste,  so  müsse  die  Erde 
mindestens  den  Starrheitsgrad  des  Stahles  besitzen.  Die  Sammlung 
und  rechnerische  Bearbeitung  des  umfangreichen  Beweismaterials 
ist  zwar  noch  nicht  abgeschlossen,  aber  einige  theoretische  Bedenken 


Die  Teile  des  Erdkörpers.  11 

sind  doch  schon  ausgesprochen  worden.  Wenn  Thomson  meint,  das 
Innere  der  Elrde  müsse  durch  Druck  starr  geworden  sein,  so  hält 
dem  Siemens'^  die  erfahrungsgemäße  Thatsache  entgegen,  daß  der 
Druck  Quarz  und  quarzreiche  Silikate  nicht  verfestige,  sondern  nur 
aus  einem  dünn-  in  einen  zähflüssigen  Zustand  überführe,  um  aber 
eine  zähflüssige  Masse  durch  die  Anziehungskraft  der  Sonne  und 
des  Mondes  in  Bewegung  zu  setzen,  bedarf  es  natürlich  mehr  Zeit, 
als  um  den  gleichen  ESekt  in  einer  Wassermasse  zu  erzielen;  „es 
scheint  daher  wahrscheinlich,  daß  die  Erdflut  —  auch  wenn  man 
annimmt,  daß  der  Kruste  keine  in  Betracht  kommende  Starrheit 
oder  Elastizität  zuzuschreiben  ist  —  bei  der  Rotation  der  Erde 
soweit  hinter  der  Meeresflut  zurückbleibt,  daß  sie  nur  einen  geringen 
vermindernden  Einfluß  auf  dieselbe  ausüben  kann.<<  Von  anderen 
Gesichtspunkten  ausgehend,  hat  0.  Fisheb*  nachzuweisen  gesucht, 
daß  eine  flüssige  Unterlage,  welche  Gase  gelöst  enthält,  nicht  not- 
wendigerweise Fluterscheinungen  zeigen  müsse.  Auch  gegen  die 
weitere  Schlußfolgerung  Thomsons,  daß  die  Erde  von  innen  nach 
außen  erkaltet  sei  —  denn  sobald  sich  eine  Kruste  gebildet  habe, 
müsse  sie  als  schwerer  in  dem  flüssigen  Körper  untergesunken 
sein — ,  sprechen  mancherlei  Versuche;  das  größte  Experiment  fuhrt 
uns  die  Natur  selbst  in  der  flüssigen  Lava  des  Kilaueakraters,  die 
eine  feste  Decke  trägt,  vor  Augen. 

Es  stehen  sich  also  noch  immer  zwei  Hypothesen  —  flüssiges 
oder  wenigstens  plastisches  Erdinnere  mit  Kruste  und  vöUig  feste 
Erde  —  einander  gegenüber;  die  Vermittlungsannahme  einer  flüs- 
sigen Schicht  zwischen  der  festen  Kruste  und  dem  festen  Erdkern 
hat  keine  Bedeutung  mehr.  Nur  eine  Modifikation  der  Flüssigkeits- 
Hypothese  ist  es,  wenn  Zöppkitz',  auf  den  Untersuchungen  von 
A.  RiTTEB  fußend,  dafür  eintritt,  daß  das  Erdinnere  sich  in  einem 
gasförmigen  Zustande  befinde.  Wir  wissen  nämlich  von  einer 
Reihe  von  Körpern  —  und  es  läßt  sich  auch  von  den  andern  an- 
nehmen — ,  daß  sie  oberhalb  einer  für  jeden  Körper  bestimmten, 
der  sogenannten  kritischen  Temperatur  nur  mehr  als  Gase  existieren 
and  durch  keinen  noch  so  hohen  Druck  in  einen  andern  Aggregat- 
zustand übergeführt  werden  können.  Da  im  Erdmittelpunkte  die 
Temperatur  jedenfalls  20000®  übersteigen  muß,  so  darf  voraus- 
gesetzt werden,  daß  bereits  sämtliche  Körper  die  kritische  Temperatur 
weit  überschritten  haben.  In  folgerichtiger  Weise  leitete  Günther® 
daraus  den  Satz  ab,  daß  der  Erdkörper  alle  Aggregatzustände 
in  ganz  allmählichen  Übergängen  in  sich  vereinige.  Die  feste 
Erdkruste  geht  in  eine  plastische  Zone,  diese  in  eine  zähflüssige, 
diese  in  eine  flüssige,  diese  endlich  in  einen  gasförmigen  Kern  über. 


12  Einleitung. 


Aber  auch  der  letztere  erscheint  in  diesem  Systeme  noch  zweigeteilt 
Die  äußere  Zone  nehmen  Gase  ein,  die  ihre  Individualität  noch  bei- 
behalten haben  (Günthers  Zone  der  „gemischten"  Gase);  im  innersten 
Kerne  aber  ist  der  molekulare  Zusammenhang  in  Atome  aufgelöst, 
und  an  Stelle  der  „gemischten**"  treten  die  einatomigen  Gase.  Die 
Vorstellung,  daß  der  innerste  Kern  das  größte  spezifische  Gewicht 
besitze,  ist  mit  Günthebs  Hypothese  sehr  wohl  vereinbar. 

Die  Erdkruste.  Soweit  die  Erdkruste  der  unmittelbaren  Be- 
obachtung zugänglich  ist,  besteht  sie  aus  Gesteinen,  die  sich  aus 
mehreren  Mineralien  zusammensetzen;  nur  wenige  wie  Quarzfels, 
Schwefel,  Graphit  und  einige  andere  sind  einfache  Gesteine.  Die 
Unterlage  scheinen  tiberall  Gneiß  und  krystallinische  Schiefer 
zu  bilden,  doch  treten  sie  auch  an  vielen  Stellen  auf  weite  Er- 
streckungen zu  Tage.  Darauf  ruhen  mit  wechselnder  Mächtigkeit 
die  geschichteten  oder  Sedimentgesteine,  von  denen  Schiefer, 
Kalksteine,  Dolomite,  Sandsteine  und  Konglomerate  die  verbreitetsten 
sind.  Eruptive  Massengesteine  durchbrechen  vielfach  die  kri- 
stallinische Grundmauer  wie  den  sedimentären  Oberbau.® 

Daß  die  Erdkruste  nicht  überall  gleich  mächtig  ist,  wird  ziemlich 
allgemein  angenommen.    Nach  Hennessy^*^  wächst  die  Exzentrizität 


Fig.  4.     Ein  Teil  der  Erdkruste  nach  O.  FiSHBB. 

nach  dem  Innern,  sodaß  die  Kruste  am  Äquator  am  dünnsten  und 
an  den  Polen  am  dicksten  sein  müßte;  die  äußerste  Schicht  des 
flüssigen  Erdkerns  hat  dieselbe  Abplattung,  wie  die  innerste  Schicht 
der  Kruste,  dann  nimmt  die  Exzentrizität  nach  dem  Mittelpunkte 
wieder  ab.  0.  Fisher  denkt  sich  die  Kruste  infolge  seitlicher 
Zusammenschiebungen,  wie  sie  im  Laufe  der  geologischen  Ent- 
wickelungsgeschichte  eingetreten  sind,  derart  gestaltet,  daß  alle  Her- 
vorragungen an  der  Erdoberfläche  in  ebensolchen  an  der  Untenseite 
der  Kruste,  gleichsam  wie  im  Wasser,  sich  abspiegeln  (Fig.  4).  Als 
mittlere  Mächtigkeit  der  Kruste  ist  dabei  40  km  angenommen ;  die 
„neutrale  Zone**,  von  der  beim  Zusammenschub  die  Teilchen  der 
Kruste  nach  oben  und  unten  gepreßt  werden,  liegt  in  16  km  Tiefe. 
Damit  stehen  nun  auch  Dichtigkeitsunterschiede  der  oze- 
anischen und  kontinentalen  Krustenteile  im  Zusammenhange, 


Die  Teile  des  Erdkörpers.  13 


zu  deren  Annahme  man  übrigens  auch  genötigt  wird,  wenn  man  auch 
nicht  die  Ansichten  Fishers  teilt.  Wir  haben  oben  (S.  3)  gesehen, 
daß  die  Pendellänge  nach  dem  Pole  zu  wächst.  Aus  einem  ähn- 
lichen Grunde  sollte  man  auch  erwarten,  daß  unter  gleicher  geo- 
graphischer Breite  die  Pendellänge  auf  dem  Festlande  größer  sein 
müsse,  als  auf  dem  offenen  Meere,  weil  dort  die  anziehenden  Massen 
größer  sind.  In  der  That  scheint  aber  gerade  das  umgekehrte  Ver- 
hältnis stattzufinden,  wie  man  aus  den  Pendelbeobachtungen  auf 
ozeanischen  Inseln  schließen  darf.  Das  führt  zu  der  wichtigen 
Folgerung,  die  früher  schon  von  mehreren  Forschem  ausgesprochen 
und  in  neuester  Zeit  wieder  von  Helmert"  bekräftiji^t  wurde,  „daß 
die  Wirkung  der  Kontinentalmassen  mehr  oder  weniger  kompensieii; 
wird  durch  eine  Verminderung  der  Dichtigkeit  der  Erdkruste 
unterhalb  der  kontinentalen  Massen^.  Auch  die  Schwere- 
messungen  in  den  Alpen,  im  Himalaya  und  Kaukasus,  die  sehr 
beträchtliche  Massendefekte,  also  eine  geringere  mittlere  Dichtigkeit 
der  gebirgigen  Krustenteile  im  Vergleich  zu  den  Ebenen  ergaben, 
fuhren  zn  dem  Analogieschlüsse,  daß  die  ozeanischen  Krustenteile 
dichter  sind  als  die  kontinentalen.  Aus  Erwägungen  allgemeiner  Natur 
hat  Siemens  die  Wahrscheinlichkeit  solcher  Unterschiede  dargethan. 
Die  Höhendifferenz  zwischen  dem  zentralasiatischen  Hochlande  und 
dem  Boden  des  Pazifischen  Ozeans  beträgt  mindestens  10000m;  der 
erstere  übt  also  auf  den  Erdkern  einen  um  ein  paar  tausend  Atmo- 
sphären höheren  Druck  aus,  und  die  Folge  davon  müßte  sein,  daß 
das  Hochland  einsinkt  und  der  Meeresboden  sich  hebt  Da  dies 
nicht  der  Fall  ist,  so  kann  das  hydrostatische  Gleichgewicht  nur  da- 
durch erhalten  werden,  daß  der  Meeresboden  aus  schwererem 
Gesteine  besteht,  als  die  Kontinente,  oder  daß  die  flüssige  Unter- 
lage unter  dem  Meeresboden  ein  größeres  spezifisches  Gewicht  besitzt. 

Litteraturnachweise.  ^  Einen  guten  Überblick  über  die  verschiedenen 
„Methoden  zur  Bestimmung  der  mittleren  Dichte  der  Erde*'  giebt  unter  diesem 
Titel  Fresdobf  in  der  wissenschaftlichen  Beilage  zum  Jahresbericht  des  Gymna- 
siums zu  Wittenburg  i.  Elsaß  1894.  —  *  Ad.  Schmidt,  Theoretische  Verwertung  der 
Königsbeiger  Bodentemperatnr-Beobachtungen,  Königsberg  1892.  —  *  Hüyssen, 
Die  Tiefbohrung  im  Dienste  der  Wissenschaft,  in  den  Verhandlungen  des  VIII. 
Deutschen  Geographentages,  Berlin  1889.  Eine  umfangreiche  Zusammenstellung 
von  530  Stationen  giebt  P^restwich  in  den  Proceedings  of  the  Royal  Society, 
Bd.  XLI,  1886.  —  *  Die  Arbeiten  von  Thomson  und  G.  Dabwin  sind  nur  dem  ge- 
wiegten Mathematiker  yerständlich,  einen  elementaren  Beweis  für  die  Starrheit  der 
Erde  versuchte  G.  F.  Begkeb  im  American  Joum.  of  Science,  1890,  Bd.  XXXIX, 
S.  336.  —  ^  Siemens  in  den  Monatsberichten  der  Preußischen  Akademie  der 
Wissenschaften  1878,  S.  558.  —  «  Fisher,  Physics  of  the  Earth's  Crust,  2.  Aufl. 
London  1889.  —  ^  Zöppritz  in  den  Verhandlungen  des  I.  Deutschen  Geographen- 
tages, Berlin  1882,  S.  15.  —  ®  Günther,  Entwickelung  der  Lehre  vom  gasförmigen 


14  Einleitung. 

Zustande  des  Erdinnem,  im  XIV.  Jahresberichte  der  Greographischen  GreselUch&ft 
in  München  1892.  --  >  Löwl,  Die  gebiigsbildenden  Felsarten,  Stuttgart  1893 
(ein  yortrefflichos,  aber  elementares  Hilfsbüchlein).  Kalkowsky,  Elemente  der 
Lithologie,  Heidelberg  1886.  —  '®  Hennesst,  Philosophical  Magazin  1886,  Bd.  XXII, 
S.  231  und  828.  —  "  Helmebt,  Die  Schwerkraft  im  Hochgebirge.  Berlin  1891. 
Von  größter  Wichtigkeit  sind  v.  Stbbnecks  Relative  Schwerebestimmungen  in 
Österreich-Ungarn  (s.  die  letzte  Abhandlung  darüber  in  den  Mitteilungen  des 
K.  u.  K.  Militärgeographischen  Instituts,  Bd.  Xm,  Wien  1894). 


Die  vier  Energiequellen. 

Die  Veränderungen,  denen  die  Erdoberfläche  seit  dem  Beginne 
ihrer  Geschichte  fortwährend  unterliegt,  lassen  sich  unmittelbar  oder 
mittelbar  auf  vier  Energiequellen  zurückführen:  auf  die  Erdwärme, 
die  Sonnen  wärme,  die  Drehung  der  Erde  und  die  Anziehungskraft 
von  Sonne  und  Mond.  Hier  handelt  es  sich  nur  darum,  das  Ge- 
webe von  Ursachen  und  direkten  und  indirekten  Wirkungen,  welche 
das  Erdenlehen  ausmachen,  in  seinen  Grundzügen  darzulegen  und 
damit  das  Verständnis  der  nachfolgenden  Betrachtungen  anzubahnen. 

Die  Wirkungen  der  nnterirdisolien  Kräfte.  Wenn  wir  als  erste 
Energiequelle  die  Eigenwärme  der  Erde  genannt  haben,  so  ist 
dies  so  zu  verstehen,  daß  ein  völlig  erkalteter  Körper  nicht  mehr 
im  Stande  wäre,  aus  eigner  Kraft  Veränderungen  an  der  Oberfläche 
hervorzurufen.  Solche  Veränderungen  haben  sich  aber  im  Laufe 
der  geologischen  Zeiträume  wiederholt  ereignet  und  ereignen  sich 
noch  fortwährend.  Ihnen  verdanken  wir  in  erster  Linie  die  ab- 
wechselungsreichen Formen  der  Landoberfläche  und  höchst  wahr- 
scheinlich auch  den  Gegensatz  von  Land  und  Meer. 

Die  meisten  Schichten,  welche  die  Oberfläche  des  Festlandes 
zusammensetzen,  sind  ursprünglich  auf  dem  Boden  des  Meeres 
horizontal  oder  mit  sehr  sanfter  Neigung  abgelagert  worden.  Es 
giebt  zwar  Ausnahmen,  wo  schon  die  ursprüngliche  Lagerung  unter- 
einem  größeren  Winkel  erfolgt,  aber  sie  treten  in  der  Eegel  nur 
in  örtlich  beschränkter  Weise  auf.  Wo  immer  nun  ehemaliger  Meeres- 
boden in  Festland  umgewandelt  wurde,  müssen  wir  eine  nachträg- 
liche Niveauveränderung  annehmen.  Dabei  kann  die  ursprüngliche 
Lagerung  der  Schichten  keine  oder  nur  eine  geringfügige  oder  aber 
eine  erhebliche  Störung  erleiden:  wir  sprechen  im  erstem  Falle  von 
einfachen  Niveauveränderungen  (Hebungen  und  Senkungen),  im 
letzteren  von  Niveauveränderungen  mit  Dislokation  der 
Schichten  oder  von  Dislokationen  schlechtweg.  Die  wichtigsten 
dieser  Schichtenstörungen  sind  die  Faltung  und  die  Verwerfung, 
und  wir  verstehen  unter  letzterer  die  Niveauveränderung  eines  größeren 


Die  vier  Energiequellen.  15 

oder  kleineren  Stückes  der  Erdoberfläche  (Scholle)  entlang  yon  Bruch- 
spalten. Eine  dritte  Wirkung  unterirdischer  Kräfte  sind  die  vul- 
kanischen Ausbrüche,  während  wir  die  Erdbeben  nicht  als  ein 
selbständiges  Phänomen,  sondern  nur  als  eine  Begleiterscheinung  von 
Dislokationen  oder  vulkanischen  Ausbrüchen  zu  betrachten  haben. 

Die  8olaren  Wirkungen.  Für  die  Gestaltung  der  Oberfläche  ist 
aber  die  EJrdwärme  nicht  der  einzige  Faktor.  Die  Sonnenwärme 
tritt  ihr  als  zweite  Energiequelle  ebenbürtig  an  die  Seite.  Ja  auch 
das  organische  Leben  ist  im  Grunde  genommen  nichts  anderes,  als 
umgewandelte  Sonnenwärme. 

Abgesehen  von  der  Pflanzendecke  wirkt  die  zugeführte  Sonnen- 
wärme auf  jeden  Punkt  der  Landoberfläche  zerstörend,  und  dieser 
Einfluß  wird  wesentlich  erhöht  durch  ihre  periodischen  Schw^ankungen, 
zunächst  durch  die  thermischen  Gegensätze  von  Tag  und  Nacht, 
Sommer  und  Winter.  Allerdings  beruht  der  Verwitterungsprozeß 
zunächst  nur  auf  der  chemischen  Einwirkung  der  Lufthülle  auf  das 
Gestein,  und  er  würde  nicht  sofort  zum  Stillstande  gebracht  werden, 
wenn  die  Sonne  plötzlich  erlöschte.  Nicht  sofort,  aber  doch  schon 
bald.  Die  Lockerung  des  Gesteins  durch  die  Temperaturunterschiede 
würde  aufhören,  und  das  Wasser  würde  seinen  Kreislauf  einstellen. 

Dazu  kommt  aber  noch  die  ungleiche  Verteilung  der  Temperatur. 
Sie  setzt  das  Luftmeer  in  ununterbrochene  Bewegung,  es  entstehen 
die  Winde. 

Die  Winde  erzeugen  wieder  zweierlei  Bewegungen  innerhalb  der 
Wasserhülle:  Wellen  und  Strömungen.  Das  bewegte  Meer  zer- 
stört die  Küsten,  und  das  Zerstörungsprodukt  wird  entweder  im 
Meere  abgelagert  oder  an  anderen  Stellen  zur  Vergrößerung  des 
Landes  verwendet.  Auf  dem  Lande  bewirkt  der  Wind  direkt  eine 
Umlagerung  des  losen  Materials,  wodurch  er  unter  Umständen  auch 
indirekt  an  der  Abtragung  des  Gesteins  mitarbeitet;  eine  noch  ein- 
greifendere Rolle  spielt  er  aber  als  Wasserverteiler. 

Alles  Wasser  verdunstet  unter  dem  Einflüsse  der  Sonnenwärme, 
am  meisten  natürlich  das  Meer.  Die  Winde  führen  den  Wasser- 
dampf landeinwärts  und  lassen  ihn  hier  als  Begen  oder  Schnee 
niederfallen.  Das  Wasser  dringt  zum  Teil  in  den  Erdboden  ein  und 
fördert  und  unterhält  den  Verwitterungsprozeß;  zum  Teil  fließt  es  ober- 
flächlich ab,  schafft  Thäler  durch  seine  eigene  zerstörende  Kraft  und 
durch  die  Fortführung  fremder  Zerstörungsprodukte,  und  entledigt 
sich  an  anderen  Stellen  wieder  dieser  jfremden  Stoffe,  durch  die  es 
das  Land  erhöht  oder  auf  Kosten  des  Meeres  und  der  Seen  ver- 
größert In  großen  Höhen  und  unter  polaren  Breiten  tritt  das  Wasser 
vorwiegend  in  der  festen  Form,  als  Eis  aus,  aber  auch  dieses  wirkt. 


16  Einleitung. 


wenn  auch  in  etwas  anderer  Weise,  als  das  Wasser,  zerstörend  und 
neuschaffend. 

Wenn  wir  also  die  geologische  Thätigkeit  der  Sonnenwärme,  die 
mit  der  letzteren  periodischen  Schwankungen  unterliegt,  noch  einmal 
überblicken,  so  haben  wir  zu  unterscheiden: 

1.  Förderung  des  Verwitterungsprozesses: 

2.  Wirkungen  des  Windes; 

3.  Wirkungen  des  Wassers  und  zwar 

a)  im  Meere  und  in  den  Seen, 

b)  des  fließenden  Wassers; 

4.  Wirkungen  des  Eises  und  zwar 

a)  des  Meereises, 

b)  des  Landeises. 

Jede  dieser  Wirkungen  ist  zugleich  eine  zerstörende,  wie  eine 
schaffende;  beide  Seiten  ergänzen  sich  notwendigerweise,  denn  eben- 
sowenig, wie  aus  dem  Nichts  ein  Etwas,  kann  aus  dem  Etwas  ein 
Nichts  werden.  Aber  die  äußere  Erscheinungsform  wird  eine  andere. 
Lappabent^  schätzt  das  durchschnittliche  jährliche  Ergebnis  der  kon- 
tinentalen Zerstörung  auf  10,43,  der  marinen  auf  0,8o  und  der  che- 
mischen auf  4,92  cbkm,  die  gesamte  jährliche  Abtragung  also  auf 
rund  16  cbkm.  Um  soviel  verliert  das  Land  imd  gewinnt  das  Meer; 
das  erstere  wird  um  0,iiomm  erniedrigt,  der  Spiegel  der  letzteren  um 
0,044  mm  erhöht;  die  Höhe  des  Landes,  die  wir  ja  vom  Meeresniveau 
aus  rechnen,  nimmt  also  jährlich  um  0,iio  +  0,o44  ==  0,i54  mm  ab,  oder 
in  ca.  6500  Jahren  um  1  m.  Die  Sonnenwärme  wirkt  somit  der  Erd- 
wärme entgegen;  die  Erhöhungen  und  Vertiefungen,  die  die  unter- 
irdischen Kräfte  schaffen,  werden  durch  die  Oberflächenkräfte  wieder 
ausgeglichen.  Aber  diese  Umlagerung  von  Material  kann  unter  der 
Voraussetzung  einer  dünnen  Kruste  und  einer  plastischen  Unterlage 
selbst  wieder  Niveauveränderungen  hervorrufen,  indem  das  erleichterte 
Land  in  die  Höhe  steigt  und  der  beschwerte  Meeresboden  sich  senkt 

Zu  den  Ablagerungen  irdischen  Ursprungs  gesellen  sich  über- 
dies noch  kosmische  Bruchstücke,  von  denen  die  Meteorsteine  die 
bekanntesten  sind.  Nachgewiesen  ist  auch  eine  kosmische  Beimengung 
der  Tiefsee-Ablagerungen  in  Gestalt  von  braungelben  Körnchen  von 
^/j  mm  mittlerem  Durchmesser  (Bronzitchondrite)  und  Kügelchen  von 
Magneteisen*;  dagegen  ist  es  sehr  unwahrscheinlich,  daß  kosmi- 
scher Staub  in  genügenden  Mengen  auf  die  Erde  gelangt,  um,  wie 
NoBDENSKiöLD^  meint,  unseren  Planeten  im  Laufe  geologischer  Zeit- 
räume merkbar  zu  vergrößern.  Was  beglaubigt  ist,  sind  nur  ver- 
einzelte und  örtliche  beschränkte  Fälle  kosmischen  Niederschlages, 


Die  vier  Energiequellen.  17 


die  aaf  die  Entwicklung  des  Erdballs  keinen  nennenswerten  Einfluß 
ausüben. 

Die  Anziehimg  von  Sonne  und  Mond.  Durch  die  Anziehungs- 
kraft von  Sonne  und  Mond  erleidet  die  Erde  periodische  Gestalts- 
Teränderungen,  die  zunächst  allerdings  nur  in  der  Ebbe  und  Flut 
des  Meeres  einen  sichtbaren  Ausdruck  finden.  Auch  diese  Bewegung 
wird  unter  Umständen  ein  bedeutsamer  Faktor  in  dem  Umgestaltungs- 
prozesse der  Küsten.  Daß  auch  die  feste  Erdkruste  jener  Anziehung 
unterliegt,  war  schon  theoretisch  yorauszusetzen,  aber  erst  mit  Hilfe 
eines  so  empfindlichen  Instrumentes  wie  es  das  Horizontalpendel 
von  Rebbüb-Paschwitz*  ist,  gelang  es  diesem  sowohl  auf  Teneriffa, 
wie  in  Potsdam  Bewegungen  der  Lotlinie  nachzuweisen,  die  auf 
sehr  geringe  körperliche  Gezeiten  (nur  mit  einem  Koefficienten  von 
etwa  0,01")  zurückzuführen  sein  dürften. 

Die  Eotation  der  Erde.  Als  letzte  Energiequelle  haben  wir 
endlich  die  Rotation  der  Erde  zu  nennen,  die  alle  in  horizontaler 
Richtung  sich  bewegenden  Körper  auf  der  nördlichen  Hemisphäre 
nach  rechts,  auf  der  südlichen  nach  links  ablenkt.  Die  Ursache 
dieser  Ablenkung  ist  eine  doppelte;  zunächst  die  Beibehaltung  der 
Bewegungsrichtung.  In  Figur  5,  die  einen  Erdquadranten  vorstellt, 
bewegt  sich  ein  Körper  in  einer  gewissen  Zeit  von  a  nach  b^  während 
er  in  derselben  Zeit  infolge  der  Rotation  von  a  nach  d  gelangt 
Die  Wirkung  dieser  Doppelbewegung  ist 
dieselbe,  als  wenn  auf  der  stillstehenden 
Erde  die  Bewegung  von  a!  ausginge  und 
parallel  mit  der  ursprünglichen  Richtung 
[ab)  nach  V  gerichtet  wäre.  Die  dadurch 
hervorgerufene  Ablenkung  nach  rechts  tritt 
in  der  Zeichnung  deutlich  hervor,  indem 
der  Winkel  a'  größer  ist  als  a.  Die  Be- 
wegungsrichtung ist  dabei  ganz  gleichgültig, 
und  es  muß  besonders  betont  werden,  daß 
auch  die  äquatoriale  (d.  h.  ostwestliche  oder 
westöstliche)  der  Ablenkung  unterliegt. 

Eine  zweite  Ursache  der  Ablenkung 
liegt  in  der  Beibehaltung  der  Rotations-  ^?'  ^-  Ablenkung  durch  die 
geschwindigkeit  (Fig.  6).  Ein  Körper  be-  **  '"'richtung.  *^®^^*^ 
wege  sich  z.  B.  vom  40.  zum  50.  Breiten- 
grade, also  in  meridionaler  Richtung  nach  Norden.  Er  würde  von 
a  nach  b  gelangen,  wenn  sich  nicht  inzwischen  a  nach  d  und  b 
nach  V  fortbewegt  hätte.    Es  läßt  sich  wieder  annehmen,  daß  die 

SrPAH,  Phjrsiacbe  Erdkunde.    2.  AufL  2 


18 


Einleitung. 


Erde   ruhe   und  die  Bewegung   von  d  ausgehe;   wir  setzen  femer 
der  Einfachheit  wegen  voraus,   daß  die  erstgenannte   Ursache    der 

Ablenkung  nicht  vorhanden 
sei.  Wird  dann  der  Körper  in 
V  anlangen?  Nein,  denn  die 
Geschwindigkeit  des  Punktes 
a  ist  größer  als  die  von  h 
(fe :  a  =  1 : 1,«),  und  mit  dieser 
größeren  Geschwindigkeit  er- 
reicht a  den  50.  ParaUel.  Er 
wird  daher  dem  Punkte  H 
vorauseilen  und  den  Punkt  c 
treflfen,  d.  h.  die  aus  Süd 
kommende  Bewegung  wird  in 
eine  aus  SW.  kommende  ver- 
wandelt Diese  Ablenkung  ist 
bei  meridionalen  Bewegungen 
am  größten,  wahrend  äquatoriale  dadurch  nicht  beeinflußt  werden. 
Die  Größe  der  Ablenkung  ist  proportional  dem  Sinus  der  geogra- 
phischen Breite,  erreicht  somit  an  den  Polen  ihr  Maximum  und 
wird  am  Äquator  gleich  Null. 

Die  Ablenkung  der  Bewegungen  erfolgt  also  im  Sinne  der  Pfeile: 


Fig.  6. 


Ablenkung  durch  die  Beibehaltung  der 
Botationsgesch  windigkeit. 


N.      NO. 


Nördliche  HemisphAre. 

m >- 

SO.      S.    SW.      W.      NW.      N. 


SOdliche  HemiBphflre. 


Wenn  auch  alle  horizontalen  Bewegungen  dieser  Ablenkung 
unterliegen,  so  leisten  ihr  doch  nur  die  Luft-  und  Meeresströmungen, 
solange  sie  nicht  auf  einen  kräftigen  Widerstand  stoßen,  in  so  sicht- 
barer Weise  Folge,  daß  jeder  Zweifel  ausgeschlossen  ist  In  Bezug 
auf  die  Flüsse  sind  aber  die  Meinungen  geteilt;  d.  h.  die  Ablenkung 
kann  zwar  nicht  geleugnet  werden,  wohl  aber  ihre  geologische  Be- 
deutung. 

Litteraturnachweise.  ^  de  Lapparent,  La  mesure  du  temps  par  les 
ph^nomönes  de  Sedimentation,  im  Bulletin  de  la  Society  g^logique  de  France, 
Bd.  XVIII.  —  '  MüRRAY  et  Renard,  Les  caraetöres  microscopiques  des  cendres 
▼olcaniques  et  des  ponssiöres  cosmiques,  im  Bulletin  du  Mus^e  R.  de  Thistoire 
naturelle  de  Belgique,  Bd.  lU,  1884.  —  '  Nordenskiöld,  Studien  und  Forschungen, 
Leipzig  1885.  —  *  v.  Rebeür-Paschwitz,  Über  Horizontalpendel-Beobachtungen 
in  Wilhelmshaven  etc.,  in  den  Astronomischen  Nachrichten  1892.    Bd.  GXXX. 


Geschichte  der  Erde.  19 


Geschichte  der  Erde. 

Die  Geschichte  der  Erde  ist  Gegenstand  einer  eigenen  Wissen- 
schaft, der  Geologie,^  die  aber  zur  physischen  Geographie  in  so 
engen  Beziehungen  steht,  daß  wir  es  uns  nicht  versagen  können, 
hier  wenigstens  die  Hauptmomente  anzudeuten. 

Jede  Schicht  der  Erdkruste  entspricht  einem  gewissen  Zeit- 
abschnitte, dessen  absolutes  Maß  wir  freilich  nicht  kennen.  Nur  ihr 
relatives  Älter  läßt  sich  teils  aus  den  Lagerungsverhältnissen,  teils 
aus  den  organischen  Einschlüssen  ermitteln.  Schichten  mit  Über- 
resten gleichartiger  Lebewesen  fassen  wir  zu  Stufen  oder  Etagen, 
die  Etagen  zu  Serien,  die  Serien  zu  Formationen  oder  Systemen, 
die  Formationen  wieder  zu  Formationsgruppen  zusammen.  Zeit- 
lich entspricht  die  Formation  einer  Periode,  die  Formationsgruppe 
einem  Zeitalter. 

Solcher  Zeitalter  unterscheidet  die  Geschichte  der  Erde  fiinf. 
Aus  der  Urzeit  oder  dem  archäischen  Zeitalter  stammen  die 
Gneiße  und  krystallinischen  Schiefer,  die  nur  zweifelhafte  Spuren 
organischen  Lebens  enthalten.  Mit  dem  Auftreten  einer  reichen 
Tierwelt,  der  sich  später  echte  Landpfianzen  zugesellen,  beginnt  das 
Altertum  der  Erde,  das  primäre  oder  paläozoische  Zeitalter, 
aber  eine  weite  Kluft  trennt  die  organischen  Typen  jener  fernen 
Epoche  von  denen  der  Gegenwart.  Fische  und  Amphibien  sind 
fast  bis  zum  Schlüsse  die  einzigen  Vertreter  des  Kreises  der  Wirbel- 
tiere; die  Meere  beleben  zahllose  Armfüßer  (Brachiopoden),  besonders 
aus  den  ausgestorbenen  Familien  Spirifer  und  Productus.  Im  Mittel- 
alter der  Erde,  im  sekundären  oder  mesozoischen  Zeitalter, 
erscheinen  schon  die  Vorläufer  der  jetzigen  Lebewelt,  aber  unter 
den  Landtieren  spielen  noch  die  Reptilien,  unter  den  Seetieren  die 
Ammoniten  und  ihre  Verwandten  die  erste  Rolle.  In  der  Neuzeit 
der  Erde,  im  tertiären  oder  känozoischen  Zeitalter,  nehmen  Tier- 
und  Pflanzenwelt  modernen  Charakter  an  und  die  Säugetierfauna 
gelangt  zu  immer  reichlicherer  Entwicklung.  Die  geologische  Gegen- 
wart oder  das  quartäre  Zeitalter  endlich  kann  kurzweg  als  das 
Zeitalter  des  Menschen  bezeichnet  werden. 

Zum  bequemen  Nachschlagen  in  zweifelhaften  Fällen  lassen  wir 
hier  eine  Übersicht  der  wichtigsten  geologischen  Haupt-  und  Unter- 
abteilungen von  den  ältesten  bis  zu  den  jüngsten  folgen. 
L   ArehUsche  Formationsgruppe, 
n.   Pal&ozolsehe  Formationsgruppe: 

1.  Cambrische  Formation; 

2.  Silur; 

2* 


20  Einleitung. 


3.  Devon; 

4.  Karbon  oder  Steinkohlenformation: 

a)  Unter-Karbon  (Kulm), 

b)  Ober-Karbon  (produktive  Steinkohlenformation); 

5.  Permische  Formation  oder  Dyas: 

a)  Rotliegendes. 

b)  Zechstein. 

III.  Mesozoische  Formationsgruppe: 

1.  Trias: 

a)  Buntsandstein, 

b)  Muschelkalk, 

c)  Keuper; 

2.  Jura: 

a)  liias, 

b)  Dogger  oder  brauner  Jura, 

c)  Malm  oder  weißer  Jura; 

3.  Kreide  oder  kretacelsche  Formation: 

a)  Untere  Kreide: 

a)  Neocom  und  Wealden, 
ß)   Gault; 

b)  Obere  Kreide: 

a)   Cenoman, 
ß)   Turon, 
/)   Senon. 

IV.  Eänozolsche  Formationsgruppe: 

1.  Alt-Tertiär  oder  Eogen: 

a)  Eocän, 

b)  OUgocän; 

2.  Jung-Tertiär  oder  Neogen: 

a)  Miocän, 

b)  Pliocän. 
V.   QuartSre  Formation: 

a)  Diluvium, 

b)  Alluvium. 

Diese  Formationen  sind  weder  tiberall  in  lückenloser  Reibe, 
noch  dort,  wo  sie  vorkommen,  in  gleicher  Weise  entwickelt.  Es 
herrschten  zu  allen  Zeiten  ähnliche  Verhältnisse,  wie  in  der  Periode, 
in  welcher  wir  leben:  im  AUuvium.  Die  eigentlichen  alluvialen  Ab- 
lagerungen sind  in  den  Meeren  zu  suchen,  aber  auch  hier  sind  sie 
im  offenen  Meere  anderer  Art,  als  in  der  Nähe  der  Küste.  Das 
Land  ist  vorwiegend  eine  Stätte  der  Zerstörung;  die  Ablagerungen 


Geschichte  der  Erde.  21 


der  Flüsse,  Gletscher,  Seen  und  des  Windes  und  die  vulkanischen 
Neubildungen  sind  von  verhältnismäßig  geringer  Ausdehnung.  Es 
geht  daraus  auch  hervor,  daß  Ablagerungen  innerhalb  gleicher  Zeit- 
räume sehr  verschiedene  Mächtigkeit  besitzen  können.  So  besteht 
z.  B.  das  oberste  Triasglied,  der  Eeuper,  in  Deutschland  aus  sandigen, 
thonigen  und  mergeligen  Gesteinen,  die  eine  Gesamtmächtigkeit 
von  etwa  300  m  erreichen,  während  in  den  Ostalpen  in  derselben 
Periode  Kalksteine  und  Dolomite  bis  zu  ein  paar  tausend  Meter 
Mächtigkeit  zur  Ablagerung  gelangten.  Und  anderseits,  während 
in  Deutschland  und  in  den  Alpen  alle  drei  Glieder  der  Trias  ent- 
wickelt sind,  fehlt  in  England  der  Muschelkalk,  und  der  Keuper 
ruht  unmittelbar  auf  Buntsandstein,  so  daß  man  es  hier  vorzieht, 
die  ganze  Formation  als  New  Red  Sandstone  zu  bezeichnen. 

Trotzdem  läßt  sich,  wenn  man  die  Maximalmächtigkeiten  der 
Formationen  miteinander  vergleicht,  der  Gedanke  nicht  abweisen, 
daß  das,  was  wir  geologische  Perioden  nennen,  Zeiträume  von  sehr 
verschiedener  Dauer  repräsentiert  In  noch  höherem  Grade  gilt  das 
von  den  geologischen  Zeitaltern,  und  man  darf  mit  einiger  Sicher- 
heit die  Behauptung  aussprechen,  daß  sie  um  so  kürzer  werden,  je 
junger  sie  sind.  In  der  sog.  „Weltgeschichte"  ist  es  ja  auch  nicht 
anders.  Da  umfaßt  das  Altertum  reichlich  4000,  das  Mittelalter 
aber  nur  etwa  1100  Jahre.  Auch  in  einer  andern  Beziehung  finden 
wir  eine  Analogie  zwischen  der  „Welt-"  und  der  Erdgeschichte. 
Wie  die  Gliederung  der  ersteren  nur  auf  den  europäisch-medi- 
terranen Kulturkreis  anwendbar  ist,  aber  nicht  auf  die  Geschichte 
anderer  Kulturvölker,  so  paßt  das  herrschende  geologische  System 
zunächst  nur  auf  die  Verhältnisse  in  Mittel-  und  Westeuropa,  d.  h. 
im  Heimatlande  der  geologischen  Wissenschaft  Zwar  läßt  es  sich 
auch  auf  das  übrige  Europa  und  auch  auf  Nordamerika  übertragen, 
aber  jenseits  des  Äquators  versagt  es  stellenweise.  Das  innere 
Südafrika  baut  sich  nach  Schenck*  aus  drei  Formationen  auf: 
der  Primär-,  Kap-  und  Karruformation;  erst  die  Schichten,  die 
iu  einigen  Küstengegenden  auf  den  Karrubildungen  liegen,  lassen 
sich  mit  der  nordhemisphärischen  Kreide  identifizieren.  Auf  der 
vorindischen  Halbinsel'  entspricht  der  Karruformation  das  Gond- 
wana-System,  aber  wahrscheinlich  nur  zum  Teil.  In  die  Sprache  der 
europäischen  Geologie  übertragen,  umfaßt  das  Gondwana  den  Un- 
geheuern Zeitraum  vom  oberen  Karbon  bis  zum  oberen  Jura,  also 
))aläozoische,  wie  mesozoische  Formationen;  und  die  bedeutungsvolle 
Grenze  zweier  europäischer  Formationsgruppen  trennt  in  Indien  nur 
zwei  Etagen  der  unteren  Gondwana-Serie.  Steigen  wir  in  immer 
tiefere  Horizonte  hinab,  so  folgt  auf  die  Gondwana  die  Vindhya- 


22  Einleitung. 


und  auf  diese  die  Cuddapahformation;  es  bleibt  aber  noch  ganz 
unsicher,  wie  sie  sich  zeitlich  zur  südafrikanischen  Kap-  und  zu  den 
älteren  paläozoischen  Systemen  der  Nordhalbkugel  verhalten. 

Es  ist  oben  gesagt  worden,  daß  unsere  gebräuchliche  geologische 
Einteilung  auf  den  organischen  Einschlüssen  beruht  Nun  tritt 
aber,  dank  den  epochemachenden  Untersuchungen  von  Süess^  immer 
deutlicher  hervor,  daß  die  Umgestaltungen  im  Bereiche  der  Lebe- 
welt mit  wichtigen  geographischen  Veränderungen  der  Vorzeit  nicht 
zusammenfallen.  Solche  Veränderungen  sind  die  Transgressionen 
oder  XJberflutungen  und  die  Gebirgsfaltungen. 

Zu  wiederholten  Malen  ist  der  Boden  der  heutigen  Festländer 
trocken  gelegt  und  vom  Meer  überflutet  worden.  So  liegt  z.  B.  die 
obere  Kreide  nicht  überall  normal  auf  der  unteren  Serie,  sondern 
vielfach  auf  Jura,  Trias,  ja  sogar  auf  paläozoischen  und  archäischen 
Formationen.  In  der  Mitte  der  Kreideperiode  trat  also  das  Meer 
über  seine  bisherigen  Ufer  hinaus  und  eroberte  weite  Landgebiete. 
Transgressionen  von  beschränktem  Umfange  gehören  zu  den  ge- 
wöhnlichen Ereignissen  der  Erdgeschichte,  ausgedehnte  sind  aber 
verhältnismäßig  selten;  die  mitteldevonische,  unterkarbonische,  mittel- 
jurassische und  oberkretacelsche  sind  die  bekanntesten.  Die  letztere 
scheint  die  größte  gewesen  zu  sein,  denn  ihre  Spuren  lassen  sich 
über  die  ganze  Erde  verfolgen. 

Zu  wiederholten  Malen  war  auch  das  Festland  ein  Schauplatz 
gewaltiger  Gebirgsfaltungen.  Zwar  sind  die  Äußerungen  der  inneren 
Erdkräfte  an  keine  bestimmten  Perioden  gebunden  und,  wie  die 
Erdbeben  uns  lehren,  eine  geradezu  alltägliche  Erscheinung,  aber 
trotzdem  hat  es  uns  Suess  im  hohen  Grade  wahrscheinlich  gemacht, 
daß  sie  in  gewissen  Zeitabschnitten  eine  größere  Intensität  erlangten. 
Solche  Faltungsepochen  waren  in  nacharchäischer  Zeit  das  jüngere 
Silur,  das  jüngere  Karbon  und  das  Tertiär.  Die  meisten  unserer 
Kettengebirge  stammen  aus  der  letzten  Epoche,  aber  wiederholt 
werden  wir  auch  den  Überresten  älterer  Schöpfungen  begegnen. 

Das  Ergebnis  des  sicher  Millionen  von  Jahren  dauernden  geo- 
logischen Entwicklungsprozesses  sind  die  heutigen  Formen  der  Erd- 
oberfläche, deren  Grundzüge  wir  im  nächsten  Abschnitte  zu  schildern 
versuchen  werden.  Aber  nicht  als  ein  endgültiges  Ergebnis  sind  sie 
aufzufassen,  sondern  auch  nur  als  ein  Durchgangsstadium.  In  An- 
betracht der  Ungeheuern  Länge  geologischer  Zeiträume  sind  unsere 
Karten  kaum  mehr,  als  Momentphotographien. 

Litteratnrnachweise.  *  Besonders  empfehlenswerte  Lehrbücher  der 
Geologie  sind  H.  Credneb,  Elemente  der  Geologie,  7.  Aufl.,  Leipzig  1891; 
Neümatb,  Erdgeschichte,  Leipzig  1887  (neue  Auflage  im  Erscheinen  begriffen); 


Die  Grundzüge  der  Gestaltung  der  Erdoberfläche.  23 


Kat«eb,  Lehrbuch  der  Geologie,  Stuttgart  1891 — 93.  Von  fremdsprachigen  Lehr- 
büchern sei  besonders  auf  de  Lappasent,  Trait^  de  Gr^ologie,  8.  Aufl.,  Paris  1893, 
wegen  seiner  außerordentlichen  Beichhaltigkeit  und  steten  Rücksichtnahme  auf 
die  Bedürfhisse  des  Geographen,  und  auf  Dana,  Manual  of  Geologj,  4.  Aufl., 
New  York  und  London  1895,  wegen  der  Berücksichtigung  amerikanischer  Ver- 
hältnisse aufrnerksam  gemacht.  —  *  Schenck,  Die  geologische  Entwicklung 
Südafrikas,  in  PsTEBMAinis  Mitteilungen,  1888.  —  '  Oldham,  Manual  of  the 
Geology  of  India,  2.  Aufl.,  Calcutta  1893.  —  *  Süss,  Das  Antlitz  der  Erde, 
Wien  1885  u.  1888. 


Die  Grondzug^e  der  Gestaltung  der  Erdoberfläche. 

(Siehe  Karte  I  und  ü.) 

Verhältnis  von  Wasser  und  Land.  ^  Die  bekannten  Landmassen 
schätzt  man  nach  den  neuesten  Quellen  auf  rund  135  Mill.  qkm. 
Die  Zahl  ist  beständigen  und  ziemlich  beträchtlichen  Veränderungen 
unterworfen,  da  das  Kartenmaterial,  worauf  die  Flächenberech- 
nungen sich  gründen,  mit  dem  Fortschreiten  unserer  geographischen 
Kenntnisse  sich  fortwährend  verbessert  Es  giebt  ja  noch  große 
Eaimie,  die,  soweit  die  historische  Kunde  reicht,  noch  kein  Mensch 
betreten  hat  Im  arktischen  Gebiete  erreichte  Peehy  1827  unter 
ca.  20»  0.  82M5'B.,  Patee  1874  unter  ca.  58V,«  0.  82«  5' B., 
Mabkham  1876  unter  ca.  63«  W.  die  höchste  Breite:  83«  20';  auf  der 
anderen  Seite,  unter  156«  W.,  kam  die  unglückliche  „Jeanetten-Expedi- 
tion nur  bis  77«14'B.  Im  ganzen  schätzt  man  hier  die  noch  unbe- 
kannte Fläche  auf  6,8  Mill.  qkm.  Um  den  Südpol  beträgt  sie  sogar 
16,2  Mill.  qkm;  Weddell  drang  hier  1823  unter  45« W.  nur  bis  74«15', 
Ross  1842  unter  ca.  162«  W.  bis  78«10'B.  vor.  Wenn  wir  diese 
22,6  MilL  qkm  unbekannten  Landes  von  der  Rechnung  ausschließen 
und  der  letzteren  die  BESSELSchen  Dimensionen  der  Erde  zu  Grunde 
legen,  so  erhalten  wir  für  die  Meeresfläche  352^2  Mill.  qkm.  Das  Land 
nimmt  also  nur  27,8  Prozent  der  bekannten  Erde  ein  und  verhält  sich 
zum  Meere  wie  1 : 2,6.  Je  nachdem  wir  jene  unbekannten  Räume 
dem  Wasser  oder  Lande  zuweisen,  schwankt  der  prozentische  Anteil 
des  Landes  zwischen  26,6  und  31,o,  und  das  Verhältnis  des  Landes 
zum  Wasser  zwischen  1 : 2,8  und  1 : 2,2.  Als  wahrscheinlichste  Werte 
nimmt  Wagneb  neuerdings  an: 

Land        144  449  000  qkm  =  28,8  Proz. 
Wasser    365  501000     „     =71,7     „ 

woraus  sich  ein  Verhältnis  von  Land  zu  Wasser  =  1  :  2,64  ergiebt. 

Land   und  Wasser   sind   aber   ungleichmäßig   verteilt     Die 

nördliche   Halbkugel    hat   40,    die    südliche    im   günstigsten   Falle 

nur  17  Prozent  Land,   und   in   demselben   Gegensatze   stehen   die 


24 


Einleitung. 


Östliche  Hemisphäre  mit  85  und  die  westliche  mit  20  (nach  Ttllo 
mit  19)  Prozent  Land.  Die  nachstehende  Tabelle  zeigt  uns  ein  Über- 
gewicht des  Landes  nur  zwischen  70  und  40^  n.  B.  Dann  beginnt  die 
Herrschaft  des  Meeres;  zunächst  freilich  nur  allmählich,  und  zwischen 
10®  N.  und  30®  S.  bleibt  das  Verhältnis  von  Wasser  und  Land  nahezu 
konstant    Zwischen  80  und  60®  S.  liegt  die  eigentliche  Wasserzone; 

Tabelle  der  Verteilung  der  Land- und  Wasserflächen  inner- 
halb der  10®-Zonen,  in  Prozenten. 


nach  Heiderich 

nach 

We8tl.H 
Land 

albkugel 
Meer 

östl.  Halbkugel 
Land   |    Meer 

Ganze  Erde 
r^and       Meer 

Waoneb 

Tiand 

90-80°  N 



— 

1 

— 

— 

:         (25) 

80—70 

39,8 

60,2 

25,6          74,4 

32,7 

67,8 

1       28  8 

70—60 

58,9* 

41,1 

83,4* 

16,6 

71,5* 

28,5 

71,4 

60—50 

40,9 

59,1 

73,2* 

26,8 

57,0* 

43,0 

56,9 

50—40 

33,8 

66,2 

70,7* 

29,8 

52,2* 

47,8 

52,3 

40—30 

27,a 

72,8 

59,7* 

40,8 

43,5 

56,5 

42,8 

30—20 

17,1 

82,9 

57,5* 

42,5 

37,8 

62,7 

87,6 

20—10 

15,6 

84,4 

37,7 

62,8 

26,7 

73,8 

26,3 

10—0 

16,4 

83,6 

29,5 

70,5 

23,0 

77,0 

22,5 

0— lOS 

23,7 

76,3 

21,9 

78,1 

22,8 

77,2 

2R,6 

10—20 

20,6 

79,5 

24,5 

75,5 

22,5 

77,5 

22,1 

20—30 

13,4 

86,6 

32,5 

67,5 

22,8 

77,2 

i       23,1 

30—40 

9,1 

90,9 

11,2 

88,8 

10,1 

89,9 

11,* 

40—50 

4,8 

95,2 

1,^ 

98,8 

3,8 

96,7 

3,2 

50—60 

2,1 

97,9 

0,0 

100,0 

1,0 

99,0 

'              0,8 

60—70 

1,8 

98,2 

4,6 

95,4 

3,2 

96,8 

(5) 

70—80 
80—90 

__ 

— 









(50) 

zwischen  50  und  60*^  S.  herrscht  das  Meer  viel  entschiedener  vor,  als 
zwischen  60  und  70^  N.  das  Land.  Die  Abnahme  des  Landes  nach 
S.  ist  auch  der  gemeinsame  Charakterzug  beider,  durch  den  Meridian 
von  Greenwich  getrennter  Halbkugeln,  in  beiden  tritt  aber  ein  dop- 
peltes Maximum  deutlich  hervor;  das  Haupt-Maximum  fallt  zwischen 
70  und  60^  N.,  das  sekundäre  liegt  im  W.  zwischen  0  und  10^  S., 
im  0.  aber  zwischen  20  und  30^  S.  Eine  eigentliche  Landzone  (mit 
mehr  als  50  Prozent  Land)  hat  aber  die  Westhemisphäre  nur  zwischen 
70  bis  60®  N.,  während  sie  auf  der  Ost-Halbkugel  über  50  Breitengrade, 
von  70  bis  20®  N.  sich  ausdehnt  Nur  in  drei  Zonen,  80  bis  70®  N., 
10  bis  0®  N.  und  40  bis  60®  S.  übertriflft  die  westliche  Landfläche 
die  östliche,  am  meisten  steht  sie  hinter  letzterer  zurück  zwischen 
20  und  30®  nördlicher  und  südlicher  Breite. 


Die  Grundzüge  der  Gestaltung  der  Erdoberfläche. 


25 


Fig.  7.     Erdkarte  in  Stetnhaüsebs   Stemprojektion. 


Man  hat  die  Erde  auch  in  eine  Land-  und  eine  Wasserhalbkugel 
geteilt;  im  Pole  der  ersteren,  die  beinahe  alles  Tockene  der  Erd- 
oberfläche enthält,  liegt  London,  im  Pole  der  letzteren  die  Antipoden- 
insel bei  Neuseeland. 
Kreisförmig  umlagern 
die  großen  Kontinental- 
massen das  arktische 
Binnenmeer:  Amerika 
dringt  bis  7P50',  Eu- 
ropa bis  TPIO',  Asien 
bis  77^42'  B.  Tor;  von 
da  an  strecken  sie  mit 
abnehmender  Breiten- 
entwickelung polypen- 
artig ihre  Arme  nach 
Süden  aus,  um  auf  der 
südhchen  Hemisphäre 
in  drei  Spitzen  zu  enden : 
Südamerika  in  56®,  Au- 
stralien mit  Tasmanien 
in  43*^  40',  Afrika  sogar 
schon  34^51'  B.  Dagegen  hat  der  Ozean  seine  Heimat  auf  der  süd- 
lichen Halbkugel,  wo  das  Antarktische  Eismeer,  die  Sildsee  und  der 
Indische  Ozean  den  Stamm  einer  zusammenhängenden  Wasserfläche 
bilden,  die  in  zwei  Armen,  dem  Nordpazifischen  und  dem  Atlantischen 
Ozean  mit  dem  Arktischen  Meere,  auf  die  Nordhemisphäre  über- 
greift. 

Im  Gegensatze  zur  ununterbrochenen  Meeresfläche  erscheint  das 
Trockene  allerdings  in  der  Form  von  getrennten  Massen,  Kontinenten 
und  Inseln,  von  denen  aber  die  letzteren  —  nur  7.2  Prozent  der 
ganzen  bekannten  Landfiäche  —  eine  verhältnismäßig  untergeordnete 
Bolle  spielen.  Doch  ist  es,  dank  der  nahen  Aneinanderrtickung  der 
Kontinente  an  ihrer  arktischen  Breitseite,  möglich,  von  jeder  Süd- 
spitze eines  Südkontinentes  zu  den  beiden  anderen  zu  reisen,  ohne 
das  Land  aus  den  Augen  zu  verlieren.  Die  Beringstraße,  die  Asien 
von  Amerika  trennt,  ist  nur  1 Y2  Längengrade  (111  km)  breit.  Zwischen 
Neufundland  und  Irland  erstreckt  sich  allerdings  der  Ozean  über 
48  Längengrade  oder  3300  km,  aber  zwischen  Grönland  und  Nor- 
wegen engt  er  sich  schon  auf  1500  km  ein.  Wie  ganz  anders  ge- 
stalten sich  die  Verhältnisse  an  den  Ausläufern  der  Kontinente!  Das 
Kap  Hoom  ist  vom  Kap  Agulhas  89,  das  letztere  vom  South  Cape 
137,  und  dieses  vom  Kap  Hoom  144  Längengrade  entfernt 


26  Einleitung. 

EiBteilnng  des  Ozeant.  Gewöhnlich  unterscheidet  man  fünf  Kon- 
tinente und  fünf  Ozeane.  Untersuchen  wir,  ob  dies  in  der  Natur 
begründet  ist  Die  offizielle  Einteilung  des  Weltwassers  grenzt 
zunächst  die  beiden  Eismeere  von  den  übrigen  Ozeanen  durch  die 
Polarkreise  ab;  und  da  die  südlichen  Festländer  schon  in  niederen 
Breiten  enden,  so  werden  die  kontinentalen  G-renzen  des  Atlan- 
tischen, Indischen  und  Großen  oder  Pazifischen  Ozeans  durch 
die  Meridiane  der  drei  Südspitzen  (GT^W.,  20^  und  146^  0.  Gr.)  bis 
zum  südlichen  Polarkreise  ergänzt. 

Aber  Meridiane  und  Polarkreise  sind  keine  natürlichen  Grenzen, 
und  doch  lassen  sich  morphologische  Gesichtspunkte,  die  uns  bei  der 
Einteilung  des  Festlandes  leiten,  auch  hier  zur  Geltung  bringen.  So  ist 
die  Südgrenze  des  Arktischen  Meeres  durch  eine  Reihe  von  untersee- 
ischen Bodenanschwellungen  gegeben,  und  wir  werden  in  einem  späteren 
Kapitel  nachweisen,  welchen  Einfluß  sie  auch  auf  die  Verteilung  der 
Tiefentemperaturen  haben.  Auf  der  pazifischen  Seite  ist  die  Bering- 
straße  schon  oberflächlich  eine  gute  Grenze,  ihre  Bedeutung  wird 
aber  noch  verstärkt  durch  ein  submarines  Plateau,  das  sich  vom 
asiatischen  Ostkap  über  die  Diomedes-  und  Krusenstem-Insel  zum 
Kap  Prinz  von  Wales  hinüberzieht.  Auf  der  atlantischen  Seite  finden 
wir  solche  Bodenschwellen  unter  dem  Polarkreise  zwischen  Bafiin- 
land  uud  Grönland,  und  eine  zweite,  besonders  wichtige,  die  von  der 
grönländischen  Ostküste  über  Island  und  die  Färöer  zu  den  Shet- 
land-Inseln  hinüberstreicht;  von  hier  bis  zur  Südwest-Spitze  Norwegens 
ist  die  Grenze  freilich  nur  eine  künstliche.  Die  Nordgrenze  des 
Antarktischen  Meeres  wird  morphologisch  durch  die  Loxodromen^ 
gebildet,  die  die  Südspitzen  der  drei  südlichen  Erdteile  miteinander 
verbinden.  Dieses  Meer  ist  das  einzige,  das  ohne  kontinentale 
Schranken  und  wahrscheinlich  nur  von  kleineren  Inseln  unterbrochen 
die  ganze  Erde  umgiebt,  es  ist  der  circumterrane  Ozean  im  Gegen- 
satze zu  den  interkontinentalen. 

Für  einen  physiologischen  Einteilungsgrund  trat  Kümmel*  ein. 
Danach  giebt  es  nur  drei  Ozeane  mit  selbständigen  Systemen  von 
Meeresströmungen.  Die  Grenzmeridiane  der  offiziellen  Einteilung 
werden  beibehalten,  aber  bis  zum  Südpol  oder  bis  zu  den  Spitzen 
des  hypothetischen  Kontinentes  am  Südpol  verlängert  Das  Südliche 
Eismeer  verschwindet  somit  ganz  aus  der  Liste  der  Ozeane,  während 
das  Nördliche  zu  einem  Dependenten  des  Atlantischen  Ozeans  herab- 
sinkt.    Da   wir  aber  über  das  Antarktische  Meer  und  seine  Strö- 


X  Die  Lozodromen,  die  alle  Meridiane  unter  gleichem  Winkel  schneiden, 
erscheinen  nur  auf  Karten  in  Mercatobs  Projektion  als  Grerade. 


Die  Grundzüge  der  Gestaltang  der  Erdoberfläche.  27 

mungen  noch  wenig  wissen,  so  empfiehlt  sich  diese  Einteilung  derzeit 
noch  nicht 

Karstens^  verdanken  wir  eine  neue  Berechnung  des  Flächen- 
inhaltes der  einzelnen  Ozeane  innerhalb  der  offiziellen  Grenzen.  Er 
fand  für  das  Arktische  Eismeer  12,8,  für  den  Atlantischen  Ozean  90, 
für  den  Indischen  74,  für  den  Pazifischen  175,4,  und  für  das  Südliche 
Eismeer  15,6  Mill.  qkm.  ^  Der  Pazifische  Ozean  ist  also  fast  um  das 
Areal  Asiens,  des  gewaltigsten  Kontinentes,  größer,  als  das  gesamte 
Festland  der  Erde.  Es  bedeckt  am  Äquator  die  Hälfte  unseres 
Planeten,  ist  noch  unter  44®  S.  11300  km  breit,  verengt  sich  aber 
am  Nordende  auf  111  km.  Der  Indische  Ozean  wiederholt  im  ab- 
geschwächten Maße  die  Gestalt  der  Südsee,  während  der  Atlan- 
tische thalformig  zwischen  der  alten  und  neuen  Welt  eingebettet  ist. 
Seine  Breite  ist  ziemlich  gleichmäßig,  wenn  man  sie  nach  Parallel- 
graden mißt;  nach  km  gemessen,  zeigen  sich  aber  erhebliche  Unter- 
schiede. So  betraf  die  Breite  unter  35®  S.  6800,  unter  25®  N.  7800, 
unter  65  ®  N.  aber  nur  3800  km,  und  außerdem  wird  hier  die  Meeres- 
fläche noch  durch  Grönland  unterbrochen. 

Einteilimg  de8  Festlandes.  Die  Weltkarte  zeigt  uns  zwei  große 
zusammenhängende  Kontinentalmassen,  eine  West-  und  eine  Ost- 
feste, wovon  die  erstere  31,  die  letztere  69  Prozent  alles  Trockenen 
umfaßt.  Wir  zählen  zur  letzteren  auch  Australien,  das  trotz  seiner 
insularen  Lage  mit  der  alten  Welt  durch  eine  ununterbrochene 
Inselkette  verbunden  ist  Neben  dem  Gegensatze  der  alten  und 
neuen  Welt  fällt  uns  aber  auch  sofort  der  zwischen  den  Nord- 
und  Südkontinenten  in  die  Angen;  sie  werden  durch  eine  große 
Bruchzone  (s.  Fig.  7),  die  vom  europäischen  Mittelmeere  zu  den 
west-  und  ostindischen  Inselmeeren  hinüberführt,  voneinander  ge- 
schieden. Dies  führt  uns  zur  Frage  nach  den  Grenzen  der  Erdteile, 
wobei  wir  vorläufig  von  dem  insularen  Zugehör  absehen  wollen. 

Von  allen  Kontinenten  ist  nur  Australien  ringsum  von  Meer 
umflossen  und  bildet  gleichsam  ein  Mittelglied  zwischen  Insel  und 
Erdteil.  Diese  Isolierung  verleiht  ihm  eine  ausgeprägte  Individualität, 
und  dieser  Charakterzug  wird  noch  durch  den  Umstand  verschärft, 
daß  die  Abtrennung  von  Asien  wahrscheinlich  schon  vor  der  Tertiärzeit 
erfolgte,  wie  man  aus  der  altertümlichen  Tracht  seiner  Säugetierwelt 
schließen  darf.  Wohl  ist  auch  Amerika,  irrtümlich  als  ein  einziger 
Erdteil  bezeichnet,  allseitig  von  Wasser  umgeben,  aber  schon  ein 
flüchtiger  Blick  auf  die  Kart  läßt  ihn  als  Doppelkontinent  er- 

^  Die  daraus  sich  ergebende  Summe  ist  um  8,8  Mill.  qkm  großer,  als  die 
von  Waqneb  (S.  23)  angenommene,  was  sich  aus  abweichenden  Ansichten  über 
die  Aosdehnong  der  polaren  Länder  erklärt. 


28  Einleitung. 


kennen.  An  yerschiedenen  Stellen  des  Mittelgliedes  wird  der  west- 
liche Hochgebirgswall  vollständig  unterbrochen;  die  granitischen 
Gresteine  und  krystallinischen  Schiefer  verschwinden^  und  an  ihre 
Stelle  treten  vulkanische  Gesteine  mit  submarinen  Eonglomerat- 
und  Tufifbildungen  und  jungen  Anschwemmungsmassen.  Die  Wasser- 
scheide erniedrigt  sich  auf  der  Landenge  von  Tehuantepec  auf 
208,  beim  Hafen  von  Brito  auf  46  (13  m  über  dem  Nicaragua- 
See),  zwischen  Aspinwall  und  Panama  auf  87,  auf  dem  Isthmus 
von  Darien  zwischen  dem  Caquirri  und  der  Paya  auf  142,  in 
der  Provinz  Choco  zwischen  dem  Mittellaufe  des  Rio  Atrato  und 
der  Mündung  des  Rio  Jurador  auf  154,  endlich  im  Westen  Ton 
Cupica  auf  186  m.  So  trennen  die  Isthmen  von  Tehuantepec  und 
Panama  mit  dem  zentralamerikanischen  Zwischenstücke  Nord-  und 
Südamerika  nicht  minder  scharf,  wie  die  Landenge  von  Sues 
Afrika  und  Asien;  nur  ist  die  Hoffnung,  daß  wie  hier,  so  auch  hei 
Panama  ein  Kanal,  statt  der  nur  72,6  km  langen  Eisenbahn  heide 
Ozeane  verbinden  werde,  leider  in  weite  Feme  gerückt.  Daß  noch 
in  junger  geologischer  Vergangenheit  natürliche  Kanäle  beide  Kon- 
tinente schieden,  Kanäle,  die  durch  submarine  Eruptionen  in  der 
Tertiärzeit  und  durch  Hebungen  (worauf  die  16 — 34®  starke  Neigung 
der  Tertiärschichten  im  Innern  der  Panamaenge  hindeutet)  verstopft 
wurden,  das  beweist  die  auffallende  Übereinstimmung  der  Seefische 
und  die  nahe  Verwandtschaft  der  Meeres-MoUusken  zu  beiden  Seiten 
des  Isthmus  von  Panama.  Morphologisch  endet  Nordamerika  schon 
bei  der  Enge  von  Tehuantepec,  und  auch  der  faunistische  Charakter 
Zentral- Amerikas,  das  seine  Tierwelt  hauptsächlich  vom  Südkontinente 
empfing,  führt  zu  dieser  Grenzbestimmung. 

Zwischen  Europa,  Asien  und  Afrika  liegen  Teile  der  großen 
Bruchzone,  das  Mittelmeer  und  die  Grabensenkung  des  Roten  Meeres, 
und  nur  im  Sues-Isthmus  findet  ein  schmaler  Landzusammenhang 
statt  Nach  Th.  Fuchs'*  genauen  Untersuchungen  besteht  dieser 
Isthmus  aus  rezenten  Bildungen  von  meist  lockerer  Beschaffenheit, 
wodurch  die  Anlage  des  Kanals,  der  nur  südlich  von  den  Bitterseen 
eine  feste  Gipsbank  durchbricht,  wesentlich  gefördert  wurde.  Den 
nördlichen  Teil  bedecken  Ablagerungen  des  Mittelmeeres,  den  süd- 
lichen Ablagerungen  des  Roten  Meeres,  zwischen  beiden  schiebt  sich 
ein  Streifen  von  Nilsedimenten  ein.  Der  zur  Hälfte  ausgetrocknete 
Mensaleh-See  und  die  in  Marschland  verwandelten  Seen  von  BaUah 
sind  ebenso  abgetrennte  Stücke  des  Mittelmeeres,  wie  die  Bitterseen, 
die  bis  zur  Durchstechung  des  Kanals  trocken  lagen,  Reste  des  Roten 
Meeres  sind,  mit  dem  sie  vielleicht  noch  in  geschichtlicher  Zeit 
verbunden  waren.    Alles  drängt  uns  zu  dem  Schlüsse,  daß  die  Ver- 


Die  Grandzüge  der  Gestaltung  der  Erdoberfläche.  29 


einigong  yon  Asien  und  Afiika  erst  in  der  geologischen  Gegenwart 
sich  vollzog.  Aber  dem  widerspricht  die  fundamentale  Verschieden- 
heit der  Faunen  des  Boten  und  Mittelmeeres,  die  erst  seit  der 
Eröffiiung  des  Kanals  durch  Hin-  und  Herwanderungen  zu  schwinden 
beginnt  —  ein  Beweis,  daß  nicht  verschiedene  Lebensbedingungen, 
sondern  nur  ein  feste  Barriere  die  frühere  Vermischung  verhinderte. 

Während  Australien  völlig  isoliert  ist,  Asien  und  Afrika  wie 
Nord-  und  Südamerika  nur  durch  schmale  Landbrücken  zusammen- 
hängen, erscheint  der  fünfte  Kontinent,  Europa,  nur  als  eine  große 
asiatische  Halbinsel.  Fügen  wir  noch  hinzu,  daß  er  die  Flora  und 
Fauna  mit  den  benachbarten  Gegenden  Asiens  teilt,  so  scheint  er 
jede  Berechtigung  seiner  kontinentalen  Selbständigkeit  eingebüßt  zu 
haben.  Li  der  That  verdankt  er  seine  Würde  zunächst  nur  der 
eigenartigen  und  hohen  Kultur  seiner  Bewohner,  und  es  wäre  ebenso 
kleinliche  Pedanterie,  wie  vergebliche  Mühe,  wollte  man  ihn  jetzt 
zum  asiatischen  Anhängsel  degradieren.  Die  Landesgrenze,  die  mit 
der  Kultur  immer  weiter  nach  Osten  rückte,  ist  freilich  schwankender 
Natur.  Eine  gute  Marke  bildet  nur  das  Uralgebirge,  während  der 
Uraliiuß  lediglich  nur  eine  konventionelle  Grenze  ist  Ln  Südosten 
ragt  zwar  auch  ein  Gebirge  empor,  aber  mit  besseren  Gründen,  als 
auf  den  Kamm  des  Kaukasus,  verlegen  wir  die  Grenze  in  die 
Manytsch-Niederung,  wo  die  Wasserscheide  zwischen  dem  Schwarzen 
und  Kaspischen  Meere  nur  10  m  über  dem  Spiegel  des  ersteren 
liegt,  und  noch  in  junger  geologischer  Vergangenheit  ein  natürlicher 
Kanal  beide  Wasserbecken  verband. 

Um  die  Selbständigkeit  Europas  auch  morphologisch  zu  be- 
gründen, hat  man  darauf  hingewiesen,  daß  es  wie  Asien  in  drei 
Halbinseln  ausläuft  Man  hat  dies  überhaupt  als  einen  gemeinsamen 
Zug  der  Nordkontinente  bezeichnet,  aber  schon  die  Ungleichheit  des 
Baues  und  der  Entwickelungsgeschichte  der  asiatischen  und  euro- 
päischen Halbinseln  belehrt  uns,  daß  die  Dreizahl  nichts  mehr  ist 
als  eine  Zufälligkeit;  abgesehen  davon,  daß  man  sie  bei  Nordamerika 
nur  dadurch  retten  kann,  daß  man  Mexico  erst  bei  dem  Zusammen- 
schlüsse mit  Südamerika  seine  Halbinselnatur  einbüßen  läßt.  Auffallen- 
der ist  die  Zuspitzung  Südamerikas  und  Afrikas;  nur  bei  Australien 
wurde  durch  die  Abtrennung  Tasmaniens  diese  Eigentümlichkeit 
etwas  verwischt.  Auch  sonst  haben  die  Südkontinente  manche  ge- 
meinsame Züge.  So  entspricht  die  flache  Bucht  von  Arica  dem 
Busen  von  Guinea  und  dem  Australischen  Golfe,  und  es  ist  be- 
merkenswert, wie  die  Größe  dieser  Einschnitte  gegen  Osten  stetig 
zunimmt. 

Sehen  wir  von  dem  insularen  Zubehör  vorläufig  ganz  ab,  so 


30  Einleitung. 


erhalten  wir  für   die  Areale  der  Kontinente  folgende  abgerundete 
Zahlen: 


Nordamerika      20,o  Mill.  qkm. 
Europa  9,2     „        „ 

Asien  41,»     „        ,, 

Nordkontinente  70,7     „        ., 


Südamerika  17,6  Mill.  qkm. 

Afrika  29,2  „         „ 

Australien  7,6  „        „ 

Sttdkontinente  54,«  „        ., 


(56  Prozent).  (44  Prozent). 

In  Bezug  auf  die  geographische  Lage  entspricht  stets  ein  Nord- 
kontinent einem  Siidkontinente.  Aber  in  ihren  gegenseitigen  Größen- 
yerhältnissen  weicht  jedes  Paar  von  den  anderen  ab.  Europa-Afrika 
und  Asien-Australien  stellen  die  Extreme  dar,  zwischen  denen  die 
fast  gleich  großen  amerikanischen  Zwillinge  vermitteln. 

Oberfläohengestaltnng  des  Festlandes.  Wie  sehr  die  üblichen 
Grenzen  zwischen  Europa,  Asien  und  AMka  nur  konventionelle  sind, 
ersieht  man  am  besten  daraus,  daß  die  Hauptformen  ihrer  Bodengestal- 
tung sich  darüber  hinwegsetzen.  Der  hervorstechendste  Zug  der  alten 
Welt  ist  der  große  Hochlandgürtel,  der  in  ostwestlicher  Richtung 
die  drei  Erdteile  miteinander  verbindet,  die  große  Achse  dieser  zu- 
sammenhängenden Festiandsmasse.  Er  beginnt  im  W.  mit  dem  iso- 
lierten Felsengebirge  der  Pyrenäen  und  zerbrochenen  Gliedern  des 
europäischen  Alpensytems,  dessen  Aste  sich  nach  W.  über  die  Apenninen 
nach  dem  Atias  und  der  südspanischen  Sierra  Nevada  verzweigen, 
während  im  0.  die  Gebirge  der  westlichen  Balkanhalbinsel,  die 
Karpaten  und  der  Balkan  fester  mit  ihm  zusammenhängen.  Dann 
folgt,  abermals  nach  einer  Unterbrechung,  der  Kaukasus  mit  dem 
taurischen  Jailagebirge  und  endlich  die  gewaltigen  Hochländer  Asiens, 
von  mächtigen  Gebirgen  umschlossen  und  zum  Teil  auch  erfüllt,  nach 
0.  an  Ausdehnung,  wie  an  Seehöhe  wachsend.  Die  Glieder  dieser 
zusammenhängenden  Zone  sind  das  kleinasiatische  Hochland,  im 
S.  vom  Taurus  begrenzt,  das  armenische  Hochland,  das  iranische 
Dreieck  und  endlich  Zentralasien.  Ein  verhältnismäßig  schmaler 
Gebirgsarm,  der  Hindukusch,  verbindet  es  mit  Iran;  aber  gerade 
hier,  im  W.,  verschlingen  sich  mehrere  Gebirge  auf  das  engste,  um 
dann  nach  verschiedenen  Richtungen  auszustrahlen:  der  Himalaja 
mit  seinem  Parallelzug,  dem  Karakorum,  das  höchste  Gebirge  der 
Erde;  der  Kuenlun,  die  Pamir  und  der  Tianschan.  Himalaja  und 
Kuenlun  schließen  die  tibetanischen  Hochflächen  ein,  die  größte 
Bodenanschwellung  unseres  Planeten,  fast  so  hoch  gelegen,  wie  die 
Spitze  der  Jungfrau  und  der  anderen  Kolosse  des  Bemer  Oberlandes. 
Niedriger  (800 — 1000  m)  ist  die  nördliche  Stufe  Centralasiens,  für 
die  jetzt  der  chinesische  Name  Hanhai  (das  Meer)  sich  eingebürgert 
hat    Auch  ist  hier,  der  Gebirgsrahmen  nicht  so  hoch  und  lücken- 


Die  Grondzüge  der  Gestaltung  der  Erdoberfläche.  81 

hafter,  und  zwischen  den  scherenfÖrmig  auseinander  tretenden 
Tianschan  und  Altai  öflEhet  sich  im  W.  ein  bedeutsames  Völkerthor. 
Kleinasien -Armenien  hat  unter  40®  0.  eine  Breite  von  400  km 
(Distanz  Berlin-Frankfurt  a.  M.),  Iran  unter  60®  0.  eine  Breite  von 
1300  km  (Distanz  Berlin -St  Petersburg),  Zentralasien  unter  90®  0. 
eine  Breite  von  8000  km  (Distanz  Berlin  bis  zum  Ural  unter  gleicher 
Breite).  Dieses  immer  weitere  Auseinandertreten  der  Gebirge  endet 
im  0.  mit  einer  großen  gabelförmigen  Teilung,  indem  das  sibirische 
Gebirge  nach  NO.  bis  zum  Ostkap  an  der  Beringstraße,  das  hinter- 
indische nach  S.  und  endlich  auf  Sumatra  und  Java  über  SO.  nach 
0.,  dann  nach  S.  sich  wendet  und  mit  Neuseeland  abschließt  Inner- 
halb dieser  Gabel  liegen  die  zerrissenen  Gebirgsbogen  der  ostasiati- 
schen Inselwelt 

Zentralasien  und  Iran  umschließen  weite  trockene  Hochflächen. 
Dieser  Teil  des  Hochlandgürtels  ist  zugleich  Wüstengürtel.  Das 
schmale  Eleinasien  steht  schon  unter  günstigeren  Bedingungen,  aber 
abflußlose  Becken  zeugen  noch  immer  vom  binnenländischen  Mangel 
an  Niederschlägen.  Erst  im  Bereiche  des  Mittelmeeres  tritt  völlige 
Auflösung  ein,  und  nur  in  den  Donausenken  finden  wir  noch 
schwache  Anklänge  an  asiatische  Verhältnisse.  An  die  Stelle  des 
Hochlandgürtels  tritt  ein  anderes  orographisches  Element  als  tren- 
nende Schranke:  die  große  Wüstentafel,  die  Arabien,  Syrien  und 
die  Sahara  samt  Ägypten  umfaßt 

Diese  breite  Zone  voll  hoher  Gebirge  und  ausgebreiteter  Wüsten, 
die  nur  im  Roten  Meere  und  in  der  Suesenge  eine  Unterbrechung 
erleidet,  scheidet  die  alte  Welt  in  drei  große  Abschnitte:  den  mitter- 
nächtigen, den  mittägigen  und  den  morgenländischen.    In  jedem  hat 
sich  eine    eigenartige  Kultur   entwickelt:    die  antik-christliche,    die 
indische  und  die  chinesische.    Erst  die  entwickelte  ozeanische  SchiiT- 
fahrt  des   15.  Jahrhunderts  bewältigte  die  Wüstenschranke,   indem 
sie  sie  umging;  mit  diesem  Zeitpunkte,  der  zugleich  auch  die  atlan- 
tische Schranke   durchbrach   und   uns   Amerika   schenkte,    beginnt 
eigentlich  erst  die  weltgeschichtliche  Entwicklung   der  Menschheit 
Den  mitternächtigen  Abschnitt  erfüllt  das  große  paläark- 
tische  Flachland,  das  man  wohl  auch  das  russische  nennen  dürfte, 
weil  es  mit  ganz  geringfügigen  Ausnahmen  unter  dem  Szepter  des 
Zaren  steht    Es  umfaßt  den  größten  Teil  des  europäischen  Rußlands, 
Sibiriens  und  Turans.     Gerade   unter  jenen   Längengraden,  wo  es 
am  tiefsten  nach  S.  eingreift,  erhebt  sich  daraus  das  üralgebirge, 
aber  ohne   es  völlig  in  zwei  Hälften  zu  trennen.     Das  westliche 
Europa  ist  verhältnismäßig  niederes  Bergland  oder  Ebene,  aber  die 
Berge  sind  anders  gestaltet,  als  die  langen  Faltenzüge  des  Hochland- 


32  Einleitung. 

gürteis,  denen  äußerlich,  an  Länge  und  Höhe,  nur  das  skandi- 
navische Gebirge  nahekommt.  Die  Zerteilung  in  kleine  Berg- 
massen und  Bergketten  mit  eingestreuten  Ebenen  und  Hügelländchen, 
die  stellenweise  bis  zur  insularen  Auflösung  fortgeschritten  ist,  ver- 
leiht dem  westlichen  Europa  einen  hohen  Grad  der  Aufgeschlossen- 
heit, und  dazu  kommt  noch,  daß  —  abermals  mit  Ausnahme  des 
skandinavischen  Gebirges  —  die  Bergzüge  mehr  oder  weniger  senk- 
recht zur  Küste  streichen  und  der  Meeresluft  ungehinderten  Eingang 
gewähren. 

Die  mittägige  Seite  umfaßt  zwei  alte  Festlandmassen,  das 
tafelförmige  Australien  mit  aufgebogenem  Ostrande  und  die 
indisch-afrikanische  Provinz,  die  jetzt  in  drei  Hauptstücke  zer- 
fällt: Dekan,  Madagaskar  und  Afrika  jenseits  des  Äquators.  Das 
letzere  besteht  aus  den  vier  Becken  des  Niger,  des  Tsadsees,  des 
Kongo  und  dem  Sambesi-Kalahari-Becken.  Am  schärfsten  ist  diese 
Beckennatur  im  äquatorialen  und  südlichen  Afrika  ausgebildet,  wo 
eine  breite,  über  1000  m  hohe  Landschwelle  den  Kongo  und  Sambesi 
trennt  Bald  ist  der  West-,  bald  der  Ostrand  höher;  die  Flüsse, 
die  sich  im  Innern  breit  entwickeln,  gelangen  nur  durch  schmale, 
stufenförmig  abstürzende  Thäler  zum  Meere;  und  so  gesellt  sich  zur 
plumpen,  gliederlosen  Gestalt  ein  schweres  orographisches  Hindernis, 
das  erst  die  kühnen  Entdeckerthaten  der  letzten  vierzig  Jahre  über- 
wanden. 

Die  östliche  Randzone,  vom  Polarkreise  bis  über  den  Äquator 
sich  erstreckend,  hat  keine  einheitlichen  orographischen  Züge.  Auf 
den  ochotskischen  Küstenstrich  folgt  das  mandschurische  Becken 
und  endlich  das  chinesische  und  hinterindische  Bergland  mit  seineu 
breiten  Anschwemmungsebenen  am  Unterlaufe  der  Flüsse.  Einheitlich 
ist  nur  die  horizontale  Gliederung,  das  tiefe  Eindringen  des  Meeres 
und  die  Inselguirlanden,  die  eine  fast  ununterbrochene  Vorposten- 
kette  des  größten  Festlandes  gegen  den  größten  Ozean  bilden. 

Auch  die  neue  Welt  hat  ihren  Hochlandgürtel,  aber  dieser 
erstreckt  sich,  entsprechend  der  Hauptachse  des  amerikanischen  Fest- 
landes, in  meridionaler  Eichtung,  und  nicht  ununterbrochen  durch 
beide  Kontinente,  wie  schon  auf  S.  28  ausführlicher  dargelegt  wurde. 
Es  erinnert  einigermaßen  an  alpine  Verhältnisse,  wenn  wir  sehen, 
wie  die  Cordillere  von  Columbia  fächerförmig  auseinandertritt  und 
mit  ihrem  vielfach  zerstückelten  Ostarm  einen  großen  Bogen  über 
die  Küstenkette  von  Venezuela,  die  Antillen  und  die  westlich  strei- 
chenden Bergzüge  von  Guatemala  beschreibt.  Auch  in  Amerika 
schwillt  der  Hochlandgürtel  stellenweise  bedeutend  an,  indem  sich, 
wie  in  Asien,  Hochflächen   zwischen  die  ßandgebirge  einschalten; 


Die  Grandzüge  der  Gestaltung  der  Erdoberfläche.  88 

aber  während  er  sich  in  der  alten  Welt  konstant  nach  einer  Bich- 
tung  verschmälert,  erreicht  er  in  der  neuen  Welt  zwei  Breiten- 
maxiina, in  jedem  Kontinent  eines.  Aber  keine  Anschwellung  kann 
sich  mit  der  zentralasiatischwi  messen.  Die  nördliche,  unter  40^  N., 
die  das  abflußlose  wüste  „Große  Becken^'  und  das  Coloradoplateau 
einschließt,  ist  nur  1600  km  (Distanz  Berlin — Moskau),  die  südliche 
oder  bolivianische,  unter  20®  S.,  sogar  nur  750  km  (Distanz  Berlin — 
Triest)  breit  Der  entschiedenste  Unterschied  zwischen  den  beiden 
Hochlandgürteln  der  Erde  besteht  aber  darin,  daß  der  amerikanische 
fast  unmittelbar  aus  dem  Ozean  emporsteigt:  fast  alles  Festland 
dacht  sich  zum  Atlantischen  Ozean  ab,  die  pazifische  Seite  ist  nur 
ein  schmaler  Küstenstrich.  Dafür  fehlt  hier  ein  so  scharfer  klima- 
tischer Gegensatz  zwischen  der  gemäßigten  und  kalten  Mittemachts- 
und der  tropischen  Mittagsseite,  wie  er  die  alte  Welt  auszeichnet 

Steigen  wir  in  Südamerika  von  der  Cordülere  nach  Osten  herab, 
so  gelangen  wir  in  eine  breite  wasserreiche  Tiefebene,  dann  erhebt 
sich  der  Boden  wieder  und  senkt  sich  endlich  zur  östlichen  Eüste. 
Die  atlantische  Seite  hat  also  die  Form  einer  Mulde,  deren  tie&te 
Teile  unter  dem  mexicanischen  Golf  und  der  Caribischen  See  be- 
graben liegen.  So  scharf  ist  diese  mittlere  Furche  ausgeprägt,  daß 
selbst  die  Wasserscheiden  zwischen  den  nach  Norden  und  Süden 
fließenden  Strömen  fast  oder  ganz  verschwinden.  Aber  der  Ostrand 
der  Mulde,  Brasilien-Guyana,  ist  nicht  nur  wesentlich  niederer 
als  der  westliche  Hochlandgürtel,  sondern  auch  durchbrochen,  und 
zwischen  den  einzelnen  BAndstücken  tritt  die  mittlere  Tiefebene  in 
breiten  Streifen  bis  an  das  atlantische  Gestade  und  leitet  die  Haupt- 
ströme in  dieser  Bichtung  ab. 

Die  Oberfläche  Nordamerikas  ist  sehr  ähnlich  geformt,  nur  kann 
man  hier  mehr  von  einer  mittleren  Furche,  als  von  einer  breiten 
Mulde  sprechen.  Mississippi  und  Mackenzie  nehmen,  nach  entgegen- 
gesetzten Seiten  strömend,  diese  Furche  ein.  Östlich  steigt  der 
Boden  der  Prärien  allmählich  bis  zum  Fuße  des  Felsengebirges, 
der  in  beträchtlicher  Seehöhe  liegt,  an;  im  Osten  unterscheiden  wir 
eine  Appalachen-  und  eine  Hudson-Provinz.  Die  erstere  ist  eine 
mäßige  Hochfläche,  östlich  begrenzt  von  den  AUeghanies,  die  der 
Lage  nach  zwar  den  brasilianischen  und  Guyana-Hochmassen  ent- 
sprechen, aber  zum  unterschiede  von  diesen  ein  Kettengebirge  sind. 
Nach  Osten  folgt  dann  eine  breite  Küstenebene.  Die  Hudson-Provinz 
zeigt  eine  aufiiallende  Ähnlichkeit  mit  Skandinavien;  beide  bestehen 
aus  den  ältesten  Gesteinen  und  umschließen  flache,  mit  Wasser 
erfüllte  Senken,  die  Hudsonbai  und  die  Ostsee.  Suess  hat  diese 
Greländeform  treffend  mit  der  Innenseite  eines  Schildes  verglichen. 

SopAir,  PhjdBche  Erdkimde.    2.  Aufl.  3 


84  Einleitung. 

Zu  den  bisher  genannten  morphologischen  Provinzen  kommen 
noch  drei  insulare:  die  Südsee,  die  arktische  und  die  antarktische. 
Nur  die  letztere  enthält  wahrscheinlich  auch  einen  Kontinent. 

Diese  Einteilung,  die  unserer  Darstellung  auf  Karte  11  zu 
Grunde  liegt,  sieht  von  den  üblichen  Kontinentalgrenzen  völlig  ab, 
ohne  sie  verdrängen  zu  wollen.  Die  Anregung  dazu  haben  wir 
aus  SuEss^  epochemachendem  Werke  über  das  „Antlitz  der  Erde^ 
empfangen,  doch  sind  wir  dabei  in  erster  Linie  von  morphologischeii 
Gesichtspunkten  ausgegangen,  und  wir  werden  dies  in  einem  späteren 
Abschnitte  ausführlicher  zu  begründen  haben.  Die  morphologische 
Gleichartigkeit  wird  aber  bedingt  durch  ähnliche  entwicklungsge- 
schichtliche Schicksale.  So  sind,  wie  wir  später  sehen  werden,  die  Hoch- 
landgürtel der  Hauptsache  nach  groBe  Faltungszonen,  wenn  auch 
der  Faltungsprozeß  nicht  in  allen  Teilen  sich  gleichzeitig  vollzogen  hat 
Manche  Provinzgrenzen  mögen  freilich  noch  anfechtbar  sein,  so  be- 
sonders der  Umfang  unserer  ostasiatischen  Provinz,  die  vielleicht 
besser  in  eine  kontinentale  und  eine  insulare  zu  scheiden  wäre. 
Trotzdem  konnten  wir  uns  nicht  entschließen,  die  Zahl  der  Pro- 
vinzen zu  vermehren;  denn  je  spezieller  Einteilungen  werden,  desto 
mehr  verlieren  sie  an  Übersichtlichkeit,  und  das  wäre  gerade  den 
Zwecken  unseres  Buches  wenig  förderlich. 

Neben  dem  Gegensatze  der  alten  und  neuen  Welt  tritt  auch 
der  zwischen  der  atlantischen  und  pazifischen  Welt  deutlich 
hervor.  Von  der  Cordillerenkette  bis  zum  Nordflügel  des  ostasia- 
tischen Fächers  reicht  die  atlantische  Welt,  auch  Afrika  öfihet  seine 
Hauptpforten  dem  atlantischen  Meeresgebiete.  Wie  schmal  sind  da- 
gegen die  kontinentalen  Bezirke  der  pazifischen  Welt^  und  nachdem 
sie  sich  im  Norden  fast  berührt  haben,  fliehen  sie  dann  immer  weiter 
auseinander.  Zwar  ist  kein  Ozean  reicher  an  Inseln,  wie  die  Südsee, 
aber  auch  sie  schlagen  keine  Brücke  von  einem  Gestade  zum  anderen. 
Niemals  drang  ein  Kulturstrahl  von  China  zu  den  Völkern  Mexicos 
und  Perus;  erst  Europa  hat  Amerika  erobert 

Vertikaler  Aufbau  der  Erdkruste.  Die  neuen  Erdkarten  mit 
Linien  gleicher  Höhe  (Isohypsen)  und  Tiefe  (Isobathen)  (vgl.  Karte  1) 
eröffiien  uns  einen  sehr  lehrreichen  Einblick  in  den  Aufbau  der  Erd- 
kruste. Setzen  wir  die  ganze  Erdoberfläche  =  100,  so  erhalten  wir 
für  die  einzelnen  Höhen-  und  Tiefenstufen  folgende  Prozentzahlen:* 
8840—4000  m  über  dem  Meeresnivean    0,»  Proz. 

>»  >»  1>'     » 

V  >}  ^>*         »» 

1000-  200  „       „         „  „  18,0      „ 

200-       0  „       „        „  „  10,J     „ 


Die  Grnndzüge  der  Grestaltnng  der  Erdoberfläche. 


35 


0 —  200  m  unter  dem  Meereeniveau    6,3  Proz« 
200-1000  „      „        „  „  3,2 

1000—2000  „       „         „  „  3,4 

2000-3000  „       „         „  „  6,6 

3000—4000  „       „         „  „  14,8 

4000—8515  „       „         „  „  37,0 

Wir  können  diese  Zahlen  in  folgender  Weise  graphisch  darstellen. 
Wir  nehmen  den  Meeresspiegel  als  Abscissenachse  und  tragen  auf 
derselben  die  den  einzelnen  Stufen  entsprechenden  Strecken  auf. 
Dann  errichten  wir  in  jedem  Teilpunkte  Ordinaten,  für  das  Land 
nach  oben,  für  das  Meer  nach  unten,  geben  ihnen  die  betreflfenden 
Hohen  (8844,  4000,  3000  etc.)  und  verbinden  endlich  ihre  Endpunkte 
mit  einer  Kurve,  die  den  allmählichen  Übergang,  wie  er  in  der  Natur 
Regel  ist,  zum  Ausdruck  bringen  soll.  Die  Endpunkte  dieser  hypso- 
graphischen  Kurve  sind  die  größte  Landhöhe  (Gaurisankar  8840  m) 
und  die  größte  bekannte  Meerestiefe  (bei  Japan  8515  m).  Ihr  Verlauf 
ist  sehr  wechselnd:  von  8840m  bis  2000  m  Seehöhe  steil,  dann  sich 


Fig.  8.     Hypaographische  Kurve  der  Erastenoberfläche. 

Terflachend,  besonders  zwischen  200  m  und  dem  Meeresspiegel,  und 
in  derselben  Weise  bis  200  m  Tiefe  sich  fortsetzend.  Hier  erst  hört 
die  Kontinentaltafel  auf.  Dann  folgt  bis  etwa  3000  m  Tiefe  ein 
Steilabfall,  denwiralsKontinentalböschung  (arktische Region)  auf- 
fassen können,  endlich  die  Tiefenregion  (abyssische  Region),  flach 
bis  6000  m,  dann  wieder  steil.  In  Prozenten  der  Erdoberfläche 
kommen   diesen   drei   Hauptteilen   der  Kruste   folgende  Werte   zu: 

Kontinentaltafel,  +  8840  bis  -  200  m     35,8  Proz. 

Kontinentalböschung,  -  200      „    —  3000  m  13,2     „ 
Tiefenregion,  -  3000    „     -  8515  m  51,5     „ 

Mehr  als  die  Hälfte  der  Erde  nimmt  also  der  Tiefboden  des 
Weltmeeres  ein. 

Den  vertikalen  Aufbau  der  einzelnen  Kontinente  und  Ozeane 


86 


Einleitang. 


nach    den    drei    Höhen-,   bezw.    Tiefenstufen    zeigt    in    Prozenten 
der   betreffenden    Einheiten   die    nachstehende   Tabelle. 


Höhenstufen 


HochBtafe  (über  2000  m) 
Mittelstufe  (200— 2000  m) 
Unterstufe  (unter  200  m) 


08 

9* 


H 


1,5 

14.1 

41,7 

60,5 

56,B 

25,4 

c 

a 

.2 

£ 

J 

< 

3 

_< 

2,4 

0,8 

82,2 

68,3 

15,4 

36,0 

6,0 

61,6 

82,4 


9,0 
48,4 
42,6 


a 


62,i 
29,t 


Tiefenstufe 

Kontinentalstufe  (0— 200  m)  .  .  . 
Kontinentalböschung  (200—8000  m) 
Tiefenregion  (über  8000  m)    .     .     . 


Atlanti- 
scher 
J}zean 

11,5 

25,5 
63,0 


,  Indischer .    Großer 
Ozean         Ozean 


4,6 
21,2 

74,2 


5,4 
14,6 

80,1 


Meer 

19,2 

73,7 


Auf  dem  Festlande  herrscht  überall  die  Mittelstufe  vor,  mit 
Ausnahme  von  Europa,  dem  nur  Südamerika  nahe  kommt  Die 
Hochstufe  ist  am  meisten  in  Asien  und  Südamerika  entwickelt  Der 
massige,  auch  vertikal  wenig  gegliederte  Bau  Afrikas  findet  in  obigen 
Zahlen  einen  treffenden  Ausdruck.  Die  ozeanischen  Becken  sind  noch 
gleichartiger  als  die  Festländer,  doch  tritt  die  Eigenart  des  Atlantischen 
Ozeans  in  der  relativ  großen  Ausdehnung  der  beiden  oberen  Stufen 
deutlich  hervor. 

Mittlere  Höhen  und  Tiefen.  Die  Ausmessung  der  Flächen 
zwischen  den  Isohypsen  und  Isobathen  bildete  in  neuester  Zeit  auch 
vielfach  die  Grundlage  von  Berechnungen  der  mittleren  Höhe  des 
Festlandes  und  mittleren  Tiefe  des  Meeres,  sei  es,  daß  man  dabei 
nur  rechnerisch  verfuhr,  wie  Mubeay^  und  der  Verfasser*,  oder  sich 
der  hypsographischen  Kurve  bediente,  wie  Penck.*  Diese  Kurre 
schließt  eine  unregelmäßige  Fläche  ab,  die  an  den  geraden  Seiten 
von  den  Ordinaten  der  höchsten  Erhebung  und  der  größten  Tiefe 
und  von  der,  der  Ausdehnung  des  betreffenden  Kontinentes  oder 
Ozeans  entsprechend  langen  Abscisse  (dem  Meeresspiegel)  begrenzt 
wird  (vergl.  Fig.  8).  Der  Quotient  dieser  Fläche  und  der  Länge  der 
Abscisse  ist  die  gesuchte  mittlere  Höhe,  bezw.  Tiefe.  Neben  dieser 
planimetrischen  Methode  hat  Heiderich ^  sich  auch  der  Profil- 
methode bedient,  und  in  neuester  Zeit  hat  Kabstens*  auch  wieder 
die  ältere  Feldermethode,  die  aber  nur  für  die  Ozeane  ange- 
wandtwird, zu  Ehren  zu  bringen  gesucht  Uns  scheint  Penoks  Methode 
den  Vorzug  zu  verdienen,  schon  deshalb,  weil  sie  auf  kontinentale 


Die  Graodzüge  der  Gestaltung  der  Erdoberfläche. 


37 


und  ozeanische,  auf  große  und  kleine  Gebiete  in  gleicher  und  ein- 
facher Weise  anwendbar  ist,  wenn  sie  auch  bei  der  Konstruktion 
der  Kurve  Willkürlichkeiten  nicht  ganz  ausschließt.  Doch  dürfen 
wir  von  diesen  Mittelwerten  nicht  zuviel  verlangen;  sie  bieten  uns 
bequem  zu  handhabende  Vergleichszahlen,  aber  sie  vermögen  nur  auf 
indirekte  Weise  zu  Vorstellungen  über  die  Hauptzüge  der  Oberflächen- 
gestaltung und  die  Ausdehnung  der  Gebirge,  Hoch-  und  Tiefebenen 
zu  führen.  Wie  große  Fortschritte  unsere  Kenntnis  von  den  Relief- 
verhältnissen  des  Landes  in  den  letzten  50  Jahren  gemacht  hat^ 
ersieht  man  am  besten  aus  einem  Vergleiche  der  HuMBOLDTSchen 
Schätzung  der  mittleren  Höhe  mit  den  neueren  Ermittelungen.   Hum- 


ÖO* 


Flg.  9.     Mittlere  Höhe  des  Landes  und  mittlere  Tiefe  des  Meeres. 

BOLDT  hatte  300  m  gefunden,  jetzt  darf  man  rund  700  m  als  wahr- 
scheinlichsten Wert  annehmen.  Für  das  Meer  ist  die  entsprechende 
Zahl  3500  bis  3700  m;  halten  wir  an  der  ersteren  als  wahrschein- 
lichen Minimalwert  fest,  so  erhalten  wir  als  Volumina  für  die  Fest- 
landmassen bis  zum  Boden  des  Meeres  606,7  und  für  das  Wasser 
1279,8  Mill.  cbkm.  Das  Land  verhält  sich  zum  Wasser  wie  1 :2,i; 
das  ist  annähernd  derselbe  Wert,  wie  wir  ihn  für  die  Ober- 
flächen gefunden  haben.  Würden  wir  die  Landmassen  abtragen 
und  gleichmäßig  über  den  Boden  des  Meeres  ausbreiten,  so  würde 
dieses  noch  immer  mit  einer  mittleren  Tiefe  von  2500  m  den  Erdball 
Unflaten. 


38 


Einleitung. 


Obwohl  die  mittlere  Meerestiefe  fünfmal  größer  ist,  als  die  mittlere 
Landhöhe,  sind  die  größten  bekannten  Tiefen  und  Höhen  doch  nahezu 
gleich.  Schon  daraus  müßte  man  den  Schluß  ziehen,  daß  auf  dem 
Lande  die  geringen  Höhen  und  im  Meere  die  großen  Tiefen  vor- 
herrschen, und  wir  haben  bereits  gesehen,  daß  dieser  Schluß  yöllig 
gerechtfertigt  ist. 

Nach  Breitenzonen  sind  die  mittleren  Höhen  und  Tiefen  von 
Heiderich  ^  undTiLLO®  berechnet  worden.  Die  Zahlen  des  ersteren 
lieferten  das  Material  für  das  Diagramm  in  Fig.  9,  das  die 
mittleren  Höhen,  bezw.  Tiefen  der  Landes-  und  Meeresprofile  von 
5  zu  5®  B.  darstellt.  Das  Land  zeigt  eine  wellenförmige  Gestaltung 
mit  Anschwellungen  in  80  <>  N.,  35"  N.,  15"  S.  und  45"  S.,  die  gegen 
Süden  hin  stetig  an  Höhe  abnehmen,  —  ein  Satz,  der  freilich  nur  bis 
60"  S.  gilt,  da  im  unbekannten  Südpolargebiete  vielleicht  noch  hohe 
Landmassen  liegen.  Das  Tiefbecken  des  Meeres  erstreckt  sich  von 
50"  N.  bis  50"  S.,  gegen  die  Pole  hin  steigt  der  Meeresboden  an, 
so  daß  —  allerdings  nicht  in  regelmäßiger  Weise  —  die  Abplattung 
der  Kruste  dadurch  gemildert  erscheint.  Einen  ziiBFermäßigen 
Ausdruck  dafür  bietet  in  nachstehender  Tabelle  die  letzte  Columne, 
wo  die  Mittelhöhe  der  Kruste  in  Bezug  auf  den  Seespiegel  (-f  über, 
—  unter  demselben)  durch  die  vollständige  Ausebnung  aller  Er- 
hebungen und  Vertiefungen  gewonnen  wurde.     Diese  Tabelle  zeigt 


Nach  \ 

\   TiLLO 

Nach  Heiderich 

Mittlere 
Land- 
höhe 

Mittlere 
Meeres- 
tiefe 

Mittlere 
Land- 
höhe 

Mittlere 
Meeres- 
tiefe 

Mittlere 

Rrusten- 

höhe 

80—700  N. 

550 

630 

1044 

510 

+       0 

70—60 

360* 

890 

492 

718 

-f  138 

60-50 

470 

2130 

480* 

1801 

-   461 

50—40 

770 

3650 

652 

3762 

.  - 1454 

40—30 

1350 

4150 

1472 

3986 

-1612 

30-20 

740 

4150 

750 

3647 

-2010 

20—10 

520* 

4100 

576* 

3872 

-2685 

10—  0 

690 

4020* 

618 

3489*      1       -2544 

0-10<>  S. 

!         550 

4100 

622 

3535 

-2586 

10—20 

1        830 

4200 

907 

3789 

-2732 

20—30 

600 

4420 

735 

3898 

-2860 

30—40 

470 

4120 

528 

3666 

-3242 

40-50 

540 

4210 

623 

3732 

-3590' 

50—60 

400* 

8690 

393* 

2945 

-2910 

60-70 

1        510 

2850 

843 

2651 

-2589 

Die  Gnindzflge  der  Gkstaltang  der  Erdoberflftcbe. 


39 


aber  auch,  daß  im  einzelnen  die  Berechnungen  noch  immer  etwas 
problematisch  sind.  Die  Maxima  und  Minima  fallen  zwar  mit  einer 
einzigen  Ausnahme  hei  beiden  Berechnern  in  die  gleichen  Zonen,  aber 
die  Zahlen  selbst  dififerieren  doch  noch  erheblich.  Es  erklärt  sich 
dies  zur  Genüge  aus  der  Ungleichheit  des  Kartenmaterials  und  der 
Berechnungsmethode,  sowie  aus  abweichenden  Grenzbestimmungen. 
Wenn  man  dies  im  Auge  behält,  so  wird  man  von  der  Überein- 
stimmung der  neueren  Ergebnisse  betreflfs  der  mittleren  Höhe  des 
Festlandes  überrascht  sein,  während  in  Bezug  auf  die  einzelnen 
Kontinente  die  Angaben  zum  Teil  noch  schwankend  sind: 


Autoren 

t 

g 

flS 

1      ll 

TS 

» 

^ 

3      ^J 

-^ 

1 

HuiooLDT  (1844)     ... 

205 

851 

1 

228 

845 

307 

(£iiizelbereclmmigen)  .    . 

297  • 

— 

662  *<> 

— 

— 

— 

— 

DE  Lapparkht  (1888) "    . 

292 

879 

612 

862 

595 

537 

646 

MüiiRAT  (1888)'  .... 

286 

972 

616 

245 

575 

688 

686 

SüPAM  (1889)»      .... 

290 

940 

620 

260    '    610        610 

680 

Pbkck  (1889)»     .... 

280 

950 

650 

280 

600    '    630 

j    705 

V.  TiLLO  (1889)"     .     .     . 

317 

957 

612 

240 

622 

617 

'    693 

Heidbbich  (1891)1    ,     ,    , 

875 

920 

602 

470 

830 

760 

744 

Pbhck  (1893)»     .... 

830 

1010 

660 

310 

650 

650 

735 

Als  mittlere  Tiefe  d< 

3r  Ozeane  ^ 

rird  angegeben: 

Autoren 

1     Atlanti- 
sches 
Gebiet 

Pazifi- 
sches 
Gebiet 

1 

ndische 
Gebiet 

sll    ^ 

?7elt- 
meer 

Kbümmkl  (1879)x«  .     .    . 

8180 

8650 

3310 

3440 

DE  Läfpaxkxt  (1888)"     . 

1         — 

— 

— 

4260 

KEümcBL  (1886)  x  "     .     . 

8070 

3650 

3310 

3320 

MüRRAT  (1888)  X'     .      .      . 

3510 

4140 

3820 

3800 

SüPAH  (1889)»     .... 

3830 

8870        1        8600 

8650 

Pehck  (1889)»     .... 

3290 

3870                8590 

3650 

V.  TiLLO  (1889)"     .     .     . 

4020 

4380                8670        „        3800 

Heidshich  (1891)1    .     .    . 

— 

— 

—                  3440 

Kaeoteks  (1894)»    .     .     . 

81 

60 

383C 

> 

3590 

3500 

Vertikale    und   horizontale   Ausdehnung   scheinen   im   geraden 
Verhältnisse  zu  einander  zu  stehen,^*  obwohl  wir  den  ursächlichen 


^  Die  Zahlen  für  die  Einzelozeane  habe  ich,  um  Yergleichbarkeit  zu  er- 
zielen, nach  den  Zahlen  der  betreffenden  Autoren  und  nach  deren  Methoden 
berechnet 


40  Einleiinng. 


Zusammenhang  nicht  aufzudecken  vermögen.     Die  HEEDESiCHschen 
Zahlen  widersprechen  ührigens  zum  Teil  auch  dieser  Vermutung. 

Litteraturnachweise.  ^  Heiderich,  Die  mitÜeren  Erhebnngs Verhält- 
nisse der  Erdoberfläche,  Wien  1891.  Nach  Breitenzonen  giebt  neue  Zahlen 
H.  Wagneb  in  Pbtekhanms  Mitteilungen  1895,  S.  48  (die  ausführliche  Abhand- 
lung ist  erst  während  der  Drucklegung  dieses  Buches  im  II.  Bande  von  Gerlakds 
Beiträgen  zur  Geophysik,  Stuttgart  1895,  erschienen);  nach  Längszonen  v.  Tnxo 
ebendaselbst  S.  96.  —  *  Rrühmbl,  Versuch  einer  vergleichenden  Morpholo^e 
der  Meeresräume,  Leipzig  1879.  —  '  Karsteivs,  Eine  neue  Berechnung  der 
mittleren  Tiefen  der  Ozeane,  Kiel  1894.  —  *  Fuchs,  Die  Landenge  von  Suez, 
in  den  Sitzungsberichten  der  Wiener  Akademie  der  Wissenschaften,  mathem.- 
naturw.  Klasse  1877.  —  ^  Nach  Penck  in  Petermanits  Mitteilungen  1889,  S.  17. 
(Daselbst  auch  die  Berechnung  von  Supan.)  —  *  Pencks  Moi-phologie  der  Erd- 
oberfläche, Bd.  I.  —  ^  MüRRAT  im  Scottish  Geographical  Magazine,  1888,  S.  1.  — 
^  V.  TiLLo  in  Petermanns  Mitteilungen  1889,  S.  48.  —  •  Leipoldt,  Die  mittlere 
Höhe  Europas,  Plauen  i.V.  1874.  —  "  Chavanne,  Die  mittlere  Höhe  Afrikas, 
in  den  Mitteilungen  der  Wiener  Geogi-aphischen  Gesellschaft,  1881.  —  "  de  Lap- 
parent,  Trait6  de  Geologie,  Paris  1883.  —  "  v.  Tillo  in  den  Iswesstijä  der 
Russischen  Geographischen  Gesellschaft,  1889,  S.  118.  —  *•  KattifMEL,  Der  Ozean, 
Leipzig  1886.  —  **  v.  Tillo  in  Petebmanns  Mitteilungen  1889,  S.  49. 


Erster    Abschnitt. 

Die  Lufthülle/ 


Die  Höhe  und  Zusammensetzung  der  Luft. 

Höhe  der  Luft.  Die  Lufthülle  umgiebt  den  festen  Erdkörper 
in  der  Form  eines  Hohlsphäroides.  Ihre  Höhe  hat  man  nach  dem 
ersten  Aufleuchten  der  Sternschnuppen  auf  180  km  berechnet  Aber 
auch  darüber  hinaus  erfüllen  —  wie  aus  den  neuesten  Forschungen 
über  die  „leuchtenden  Wolken"  hervorgeht^  —  verdünnte  Gase  den 
ßaum  zwischen  dem  Planeten  und  der  Sonne;  Gase,  welche  man 
im  Gegensatz  zur  Erdenluft  als  Himmelsluft  bezeichnet  hat,  und 
die  sehr  wohl  zu  unterscheiden  sind  von  dem  Äther,  jenem  ange- 
nommenen Medium,  das  uns  die  Lichterscheinungen  vermittelt. 
Während  die  Erdenluft  noch  an  der  Bewegung  der  Erde  teilnimmt, 
verharrt  die  Himmelsluft  in  relativer  Euhe  oder  bewegt  sich  nach 
verschiedenen  Eichtungen,  begleitet  aber  zugleich  das  ganze  Planeten- 
system auf  seiner  Wanderung  durch  den  Weltraum.  Wir  haben  es 
hier  nur  mit  den  meteorologischen  Erscheinungen  zu  thun,  und  diese 
beschränken  sich  auf  eine  verhältnismäßig  geringe  Höhe.  Die  Atmo- 
sphäre ist,  wie  alle  Körper,  schwer;  eine  bis  zum  Meeresniveau  herab- 
reichende Luftsäule  hält  im  Mittel  einer  760  mm  hohen  Quecksilber- 
saule das  Gleichgewicht  Mit  der  Höhe  nimmt  der  Luftdruck 
ab,  denn  die  auf  dem  Barometer  lastende  Luftsäule  wird  kleiner. 
Dem  Luftdrucke  ist  aber  auch  die  Dichte  proportional,  denn  jede 
Schicht  drückt  auf  die  untere  und  preßt  sie  zusammen.  Schon  in 
5513  m  Seehöhe  ist  die  Luft  um  die  Hälfte  dünner,  als  im  Meeres- 
niveau (Dichte  =  1),  und  in  einer  Höhe  von  59  400  m  ist  der  Baro- 
meterstand schon  auf  ^^  mm  und  die  Dichte  auf  0,ooo3  herabgesunken. 

Zusammensetzung  der  Luft.  Die  Atmosphäre  ist  ein  Gemenge 
von  Stickstoff  und  Sauerstoff,  die  in  der  Eegel  im  Volumver- 
hältnis  von  79 :  21  stehen.  Der  letztere  ist  der  wichtigste  Bestandteil, 
da  er  den  Atmungsprozeß  des  tierischen  Organismus  unterhält,  dessen 
Existenzfähigkeit  aufhört,  wenn  der  Sauerstoffgehalt  auf  1 7,2  Prozent 


42  Die  LufilifiUe. 


sich  yermindert  hat  Da  dünnere  Luft  weniger  Sauerstoff  enthält^  als 
dichtere,  so  ist  dem  tierischen  Lehen  eine  Höhengrenze  gesetzt,  die 
10  000  m  nicht  beträchtlich  übersteigt.  Die  sogenannte  „Bergkrank- 
heit", die  fast  jeden  in  bedeutender  Seehöhe  befallt,  wird  weniger 
durch  die  geringe  Dichtigkeit  der  Atmosphäre,  als  durch  die  Abnahme 
des  Sauerstoffgehaltes  verursacht;  erhielt  sich  doch  Bebsok  noch  in 
9150m  Höhe  —  die  größte  Höhe,  in  der  bisher  eine  wissenschaft- 
liche Beobachtung  gemacht  wurde  (4.  Dez.  1894)  —  durch  künstliche 
Zufuhr  von  Sauerstoff  frisch  bei  Kräften.  In  den  Tropen  ist  die 
Luft  oxygenärmer,  als  in  unseren  Breiten;  aber  man  hat  noch  nicht 
untersucht,  ob  dieser  Unterschied  beträchtlich  genug  ist,  um  im 
menschlichen  Organismus  größere  Veränderungen  hervorzurufen. 

Unter  den  zufälligen  Bestandteilen  spielt  die  Kohlensäure, 
die  Ernährerin  der  Pflanzen,  eine  hervorragende  Rolle,  wenn  sie  sich 
auch  im  Mittel  nur  mit  ca.  0,08  Prozent  an  der  Zusammensetzung 
der  Atmosphäre  beteiligt  Noch  geringer  ist  der  Ammoniak  geh  alt 
Wasser  dämpfe  sind  zwar  immer  und  überall  vorhanden,  aber  ihre 
Menge  ist  außerordentlichen  Schwankungen  unterworfen.  Staub, 
gasformige  Fäulnisprodukte  und  mikroskopische  Organismen,  die 
häufig  die  Träger  ansteckender  Krankheiten  sind,  verunreinigen 
überall  die  Luft.  In  Palermo  beträgt  der  Gehalt  an  organischen 
Substanzen  vom  Februar  bis  Mai  0,io3  und  steigert  sich  im  trockenen 
Sommer  auf  0,i6o  Volumprozente.  Der  Regen  wäscht  also  gleichsam 
die  Atmosphäre  und  ist   daher  von  eminenter  sanitärer  Bedeutung. 

Litteraturnachweise.  *  Allgemeine  Werke  über  Meteorologie  und 
Klim^tologie:  Hann,  Astronomische  und  physische  Geographie,  in  der  Allgemeinen 
Erdkunde  von  Hann,  Hocbstbtteb  und  Pokornt,  Prag -Leipzig  1886;  Mohk, 
Grundzüge  der  Meteorologie,  Berlin  1887;  Günther^  Die  Meteorologie,  München 
1889.  Für  Witterungskunde  ist  ein  Hauptwerk:  van  Bebbrr,  Handbuch  der 
ausübenden  Witterungskunde,  Stuttgart  1885—86.  Das  theoretische  Pendant 
dazu  ist:  Spbuno,  Lehrbuch  der  Meteorologie,  Hamburg  1885.  Die  umfang- 
reichsten klimatologischen  Darstellungen  sind:  Hann,  Handbuch  der  Klima- 
tologie,  Stuttgart  1883,  und  Woeikow,  Die  Rlimate  der  Erde,  Jena  1887.  Die 
vollständigste  kartographische  Darstellung  bietet  Hanns  Atlas  der  Meteorologie 
in  Berqhaus'  Physikalischem  Handatlas,  Gotha  1887.  —  ■  Förster,  Die  Er- 
forschung der  obersten  Schichten  der  Atmosphäre,  in  den  Verhandlungen  der 
Gesellschaft  für  Erdkunde.  Berlin  1891. 

Die  Erleuchtung  und  Erwärmung  der  Erdoberfläche. 

WäimeqneUen.  Licht  und  Wärme  bedingen  das  organische  Leben. 
Die  ungleiche  Erwärmung  der  unteren  Luftschichten  ist  die  letzte 
Ursache  aller  meteorologischen  Prozesse,  die  ihrerseits  wieder  die 
Oberfläche  der  Erde  umgestalten.    Und  alle  diese  Wirkungen  gehen 


Die  Erlenchtang  und  Erwärmuiig  der  ErdoberflSche.  43 

von  der  Sonne  aus,  unserer  Licht-  und  Wärmequelle.  Die  Eigen- 
wärme der  Erde  ist  ohne  Einfluß  auf  die  Oberfläche,  und  die  Wärme, 
die  die  Fixsterne  aussenden,  kommt  uns  nur  indirekt  zu  Gute,  indem 
sie  die  Temperatur  des  Weltraumes  erhöht. 

Die  Sonne  ist  ein  glühendflüssiger  Körper,  umgeben  von  einer 
ebenfalls  glühenden  Atmosphäre,  die  für  uns  allein  sichtbar  ist  Auf  ihrer 
Oberfläche  bemerkt  das  bev^afi'nete  Auge  wechselnde  Flecken,  über 
deren  Wesen  die  Meinungen  noch  geteilt  sind.  Rudolf  Wolf  er- 
kannte in  ihrem  Auftreten  eine  gewisse  Regelmäßigkeit,  indem  von 
einem  Maximum  bis  zum  nächsten  durchschnittlich  ein  Zeitraum  von 
11  Jahren  verstreicht  Wir  werden  sehen,  wie  diese  Fleckenperiode 
auch  in  einigen  irdischen  Phänomenen  sich  vriederspiegelt 

Ein  kleiner  Teil  der  Wärmestrahlen,  die  die  irdische  Lufthülle 
passieren,  wird  von  ihr  gleichsam  verschluckt;  von  den  senkrecht 
auf  die  Erde  fallenden  ca.  Y^,  von  den  schief  einfallenden  aber 
mehr,  weil  sie  einen  längeren  Weg  durch  die  Atmosphäre  zurück- 
legen. Nun  wäre  zwar  auch  dann,  wenn  die  Lufthülle  fehlte,  die 
Erwärmung  jedes  Punktes  der  Erdoberfläche  zunächst  ab- 
hängig von  der  Bestrahlungsstärke,  d.  h.  von  dem  Winkel, 
unter  dem  ihn  die  Sonnenstrahlen  trefi'en,  aber  dieses  Grundgesetz 
wird  durch  die  genannte  Eigenschaft  der  Atmosphäre  noch  verstärkt 
Die  Wärmedurchlässigkeit  oder  Diathermanität  der  Luft  vermin- 
dert sich  mit  zunehmender  Feuchtigkeit,  und  es  ist  jedermann  be- 
kannt, wie  sehr  dichter  Nebel  oder  eine  ununterbrochene  Wolkendecke 
die  Bestrahlung  verhindern. 

Die  Erdoberfläche  strahlt  die  empfangene  Wärme,  die  nur  lang- 
sam und  nur  bis  zu  einer  geringen  Tiefe  in  den  Boden  eindringt 
(vgl.  S.  7),  wieder  in  den  kalten  Weltraum  zurück;  aber  auch  jetzt 
wirkt  die  Luft  wie  ein  schützender  Mantel,  der  zu  rasche  und  zu 
starke  Wärmeabgabe  verhindert.  Infolge  der  Achsendrehung  der 
Erde  wechseln  Tag  und  Nacht,  d.  h.  ein  Zeitraum,  wo  die  Wärme- 
zufuhr die  Ausstrahlung  überwiegt,  und  ein  anderer,  in  dem  nur 
Ausstrahlung  stattfindet  Der  Tag  ist  daher  wärmer  als  die  Nacht, 
und  die  Temperatur  ist  einer  24  stündigen  Periode  unterworfen. 

Jahreazeiten.  Würde  die  Bahn,  auf  der  die  Erde  die  Sonne 
umwandelt,  mit  der  Aquatorialebene  zusammenfallen  und  die  Erdachse 
senkrecht  auf  derselben  stehen,  so  würde  jeder  Punkt  der  Erdober- 
fläche das  ganze  Jahr  hindurch  die  Sonnenstrahlen  unter  dem  gleichen 
Winkel  empfangen,  Tag  und  Nacht  wären  immer  und  überall  von 
gleicher  Dauer,  und  es  gäbe  keine  Jahreszeiten  und  keine  jährliche 
Temperaturperiode.  Nun  bildet  aber  die  Erdbahn  mit  der  Äquato- 
rialebene einen  Winkel  von  23^3^  und  die  Erdachse,  die  während 


44 


Die  Lufthülle. 


des  ganzen  Umlaufes  mit  sich  selbst  parallel  bleibt,  ist  unter  einem 
Winkel  von  66  ^g®  gegen  die  Erdbahn  geneigt.  Die  beistehenden 
Figuren  zeigen  die  Stellung  der  Erde  zur  Sonne  in  den  vier  Epochen 
des  Jahres.  Die  Sonnenstrahlen  können  wegen  der  großen  Entfer- 
nung beider  Himmelskörper  voneinander  als  parallel  gedacht  werden. 
Fig.  10  stellt  die  Erde  am  21.  Dezember  dar.  Nur  der  Wende- 
kreis des  Steinbocks,  23  7^^  südl.  vom  Äquator,  wird  von  senkrechten 
Strahlen  getroffen.  Die  ganze  Kalotte  innerhalb  des  nördlichen  Polar- 
kreises (66^3  B.)  faUt  in  die  unbeleuchtete,  die  ganze  Kalotte  inner- 
halb des  südlichen  Polarkreises  in 
die  beleuchtete  Erdhälfle.  Die  süd- 
liche Hemisphäre  hat  den  längsten, 
die  nördliche  den  kürzesten  Tag; 
auf  jener  beginnt  der  astronomische 
Sommer,  auf  dieser  der  Winter, 
und  zwar  einerseits  wegen  der 
Fig.io.  Stellung  der  Erde  am  2i.De£ember.  Kürze   des  Tages,  anderseits  weü 

jeder  Punkt  der  Nordhalbkugel  die 
Sonnenstrahlen  unter  einem  spitzeren  Winkel  empfängt,  als  ein  unter 
gleicher  Breite  befindlicher  Punkt  auf  der  südlichen  Hemisphäre. 

Am  21.  März  und  23.  September  steht  die  Erde  in  den  Schnitt- 
punkten der  Bahn  und  Äquatorialebene  (s.  Fig.  11).  Senkrechte  Strahlen 
treffen  nur  den  Äquator;  der  Winkel,  unter  dem  die  Strahlen  auf 
die  beiden  Hemisphären  einfallen,  ist  unter  gleicher  geographischer 
Breite  gleich.  Ebenso  ist  auf  der  ganzen  Erde  (mit  Ausnahme  der 
Pole)  Tag  und  Nacht  gleich  lang.  An  diesen  beiden  Tagen  beginnen 
die  astronomischen  Übergangsjahreszeiten  Frühling  und  Herbst 


Fig.  11.    Stellung  der  Erde  am  21.  März 
und  23.  September. 


Fig.  12.    SteUung  der  Erde  am  21.  Juni. 


Fig.  12  zeigt  die  Stellung  der  Erde  zur  Sonne  am  21.  Juni. 
Senkrechte  Sonnenstrahlen  fallen  auf  den  Wendekreis  des  Krebses 
(2372®  ^-  ß-)-  ^^^  nördliche  Hemisphäre  hat  den  längsten  Tag  und 
Sommeranfang,  die  südliche  den  kürzesten  Tag  und  Winteranfang; 
und  ebenso  yerhalten  sich  die  beiden  polaren  Kalotten  gerade  um- 
gekehrt, wie  am  21.  Dezember. 


Die  Erleuchtung  und  Erwärmung  der  Erdoberfläche. 


45 


Von  den  vier  astronomischen  Jahreszeiten  weichen  die  meteoro- 
logischen in  Bezug  auf  die  Begrenzung  und  Dauer  etwas  ab: 

Nordhemisphlre  Sfidhemisphflre 
Dezember — Februar            Winter  Sommer 

März— Mai  Frühling         9erbBt 

Juni — August  Sommer  Winter 

September — November       Herbst  Frühling. 

Wärmemenge.  Da  die  Wärmezufuhr  einerseits  von  dem  Mnfalls- 
winkel  der  Sonnenstrahlen,  anderseits  von  der  Tageslänge  abhängig  ist, 
so  nimmt  siemitderBreiteab,  wobei  jedoch  zu  berücksichtigen  ist, 
daß  die  Linie  senkrechter  Einstrahlung,  also  größte  Wärmezufuhr  im 
Laufe  eines  Jahres  zwischen  den  beiden  Wendekreisen  sich  ver- 
schiebt Denken  wir  uns  die  Erde  ohne  atmosphärische  Hülle,  und 
setzen  wir  die  Wärmemenge,  die  ein  Punkt  empfangen  würde,  wenn 
er  die  Sonne  das  ganze  Jahr  hindurch  im  Zenith  hätte,  =  1000, 
so  erhalten  wir  nach  Wienebs^  Berechnung  folgende  Wärmemengen 
für  die  verschiedenen  Breiten: 


Breite 

Sommer- 
halbjahr 

Winter- 
halbjahr 

Jahr 

0« 

153 

153 

306 

10 

162 

139 

301 

20 

166 

123 

289 

30 

166 

102 

268 

40 

1    161 

80 

241 

50 

153 

56 

209 

60 

U2 

32 

174 

70 

132 

13 

145 

80 

128 

3 

131 

90 

127 

0 

127 

Diese  Zahlen  gelten  natürlich  für  die  nördliche,  wie  für  die  süd- 
liche HalbkugeL  In  einer  anderen  Beziehung  besteht  aber  zwischen 
beiden  ein  Gegensatz.  Das  astronomische  Winterhalbjahr  dauert  auf 
der  südlichen  186  Tage  (2 L  März  bis  23.  September),  auf  der  nördlichen 
nur  179  Tage  (23.  September  bis  21.  März),  und  dem  entsprechend 
ist  das  nördliche  Sommerhalbjahr  um  7  Tage  länger  als  das  süd- 
liche. Der  Grund  dieser  Ungleichheit  ist  in  der  elliptischen  Gestalt 
der  Erdbahn  zu  suchen.  Die  Sonne  steht,  wie  Fig.  13  zeigt,  in  einem 
Brennpunkte,  und  die  Erde  befindet  sich  daher  einmal  des  Jahres  in 
der  Sonnennähe  (Perihel)  und  einmal  in  der  Sonnenfeme  (Aphel). 
Während  die  Erde  im  Mittel  in  24  Stunden  einen  Bogen  von  59'  8" 
zurücklegt,  rückt  sie  im  Perihel  um  61'  10",  im  Aphel  nur  um  57' 


46  Die  Lufthülle. 


12''  vor.  Da  die  Erde  jetzt  am  1.  Januar  im  Perihel  und  am  2.  Juli 
im  Aphel  steht,  so  gelangt  sie  rascher  vom  Herbst-  zum  Frühlings- 
punkte,  als  vom  Frühlings-  zum  Herbstpunkte,  woraus  die  längere 
Dauer  des  südlichen  Winters  und  nördlichen  Sommers  sich  erklärt. 
Das  Perihel  hat  aber  keine  konstante  Lage.  Etwa  4000  Jahre 
V.  Chr.  fiel  es  mit  dem  Herbstpunkte  zusammen  und  infolgedessen 
waren  beide  Halbjahre  gleich  lang.  Bis  jetzt  hat  es  einen  Bogen  von 
nahezu  101®  zurückgelegt  und  wird  im  Jahre  6470  den  Frühlingspunkt 

erreicht  haben,    d.  h.  die 

öJSp^= ^  Sommer-  und  Winterhälfte 

des  Jahres  werden  wieder 
gleich  sein.  Von  da  an 
wird  die  Südhemisphäre 
die  begünstigtere  sein,  und 
in  ca.  10  500  Jahren  werden 
Perihel  und  Aphel  ihre 
Plätze  gewechselt  haben, 
und  der  nördliche  Winter 
Fig.  13.    Die  Erdbahn.  länger  Sein   als  der  süd- 

liche. In  einem  Zeiträume 
von  ungefähr  21 000  Jahren  vollflihrt  somit  die  Apsidenlinie  {PÄ 
in  Fig.  12)  einen  Umlauf. 

Auf  die  Wärmezufuhr  haben  diese  Veränderungen  jedoch  keinen 
Einfluß,  selbst  wenn  einmal  der  Unterschied  von  Sommer-  und  Winter- 
halbjahr seinen  äußersten  Grenzwert  von  33  Tagen  erreicht  haben 
wird.  Unter  allen  Umständen  erhält  jede  Halbkugel  im  Winterhalb- 
jahr 37  und  im  Sommerhalbjahr  63  Prozent  der  jährlichen  solaren 
Strahlenmenge,  und  nur  darin  besteht  ein  Unterschied,  daß  sich  die 
konstante  Wärmezufuhr  auf  verschieden  lange  Perioden  verteilt, 
daß  also,  wenn  die  Zahl  der  Tage  eines  Halbjahres  größer  ist,  durch- 
schnittlich weniger  Wärme  auf  einen  Tag  entfallt,  als  im  entgegen- 
gesetzten Falle. 

Die  Beleuchtnngzonen.  So  entscheidend  nun  auch  die  geogra- 
phische Breite  für  die  Wärmezufuhr  ist,  so  ist  sie  für  die  endgültige 
Temperaturverteilung  doch  nicht  der  einzige  Faktor,  und  es  wider- 
streitet daher  durchaus  den  thatsächlichen  Verhältnissen,  wenn  man 
die,  aus  den  Zeiten  der  griechischen  Naturphilosophie  uns  über- 
kommene Einteilung  jeder  Hemisphäre  in  drei  Klimazonen,  die  durch 
die  Wende-  und  Polarkreise  voneinander  getrennt  werden,  noch  auf- 
recht erhalten  will.  Dagegen  behalten  diese  Zonen  noch  ihren  vollen 
Wert,  wenn  man  sie  ausschließlich  auf  die  Beleuchtungsverhält- 
nisse anwendet;  nur  muß  man  ihnen  dann  andere,  als  die  üblichen 


Die  Erleuchtung  und  Erwftrmnng  der  Erdoberfläche.  47 

Namen  beilegen.  Wir  nennen  den  Gürtel  zwischen  Äquator  und 
Wendekreis  die  Tropen-,  den  zwischen  Wende-  und  Polarkreis  die 
mittlere  und  den  Kugelabschnitt  innerhalb  des  Polarkreises  die 
polare  Zone.  Nur  bis  zur  Grenze  der  Tropenzone  treflFen  senk- 
rechte Strahlen  die  Erdoberfläche,  und  zwar  zweimal  des  Jahres  und 
nur  an  den  Wendekreisen  einmal.  Die  mittlere  Zone  hat  mit  der 
tropischen  nur  den  regelmäßigen  Wechsel  von  Tag  und  Nacht  inner- 
halb 24  Stunden  gemein. 

Vom  Äquator,  wo  Tag  und  Nacht  immer  gleich  sind,  bis  zu 
den  Polen,  wo  ein  halbjähriger  Tag  mit  einer  halbjährigen  Nacht 
wechselt,  nimmt  im  Sommer  die  Tages-,  und  im  Winter  die  Nacht- 
länge stufenweise  zu: 

Tropische  und  mittlere  Zone: 

G.  B.        0»  lO»  20»  90»  40»  60»  60»  60»/,» 

Längster  Tag  12»»0"  12*'35»  IS'^IS"»  13^56»  14^51"  16''9"  IS^'BO«'  24»'0'» 

KürzesterTag  12  0  11  25  10  47  10    4  9     9  7    51  5  80       0  0 

Unterschied  0  0  1  10  2  26  3  52  5  42  8    18  18     0  24  0 

Nordpolare  Zone: 

G.  B.        66*/,»       70»  80»  90» 

Die  Sonne  geht  nicht  unter        1        65        184        186  Tage. 
Die  Sonne  geht  nicht  auf  1        60        127        179      „ 

Für  die  südliche  Hemisphäre  sind  die  Zahlen  umzukehren.  Am 
antarktischen  Pol  geht  z.  B.  die  Sonne  179  Tage  nicht  unter  und 
186  Tage  nicht  auf. 

Die  astronomische  Dauer  der  Nächte  wird  aber  durch  die 
Dämmerung  beschränkt  Indem  die  Lichtstrahlen  in  immer  dich- 
tere Luftschichten  gelangen,  werden  sie  gebrochen,  so  daß  man  Sonne 
und  Sterne  schon  über  dem  Horizonte  sieht,  wenn  sie  sich  that- 
sächhch  noch  unter  demselben  befinden.  Die  volle  Nacht  dauert 
nur  solange,  als  der  Stand  der  Sonne  unter  dem  Horizonte  mehr 
als  16^  beträgt  Je  größer  der  Winkel,  unter  dem  Sonnenstrahlen 
einfallen,  desto  länger  die  Dämmerung;  ihre  Dauer  wächst  also  mit 
der  geographischen  Breite.  In  der  Tropenzone  gehen  Tag  und 
Nacht  fest  unvermittelt  ineinander  über.  Dagegen  giebt  es  von 
50^/j^  B.  an  zur  Zeit  des  höchsten  Sonnenstandes  keine  eigent- 
Uchen  Nächte  mehr,  indem  Abend-  und  Morgendämmerung  ineinander 
fließen.  In  der  Breite  von  St  Petersburg  z.  B.  dauern  diese  hellen 
Nächte  vom  27.  April  bis  15.  August  Für  die  polare  Zone  erweist 
sich  die  Dämmerung,  die  die  monatelange  Nacht  verkürzt,  als  eine 
besondere  Wohlthat  Unter  70®  B.  währt  der  Tag  vom  20.  Mai  bis 
23.  Juli,  aber  die  Nächte  vorher  vom  30.  März  angefangen  und 
nachher  bis  zum  12.  September  werden  ganz  von  der  Dämmerung 
erfuUt    Am  Nordpol  beginnt  die  Morgendämmerung  am  4.  Februar, 


48  Die  Lufthülle. 


die  Sonne  geht  am  21.  März  auf  und  am  23.  September  unter^  und 
am  6.  November  erlischt  auch  die  Abenddämmerung.  So  wird  die 
volle  Nacht  auf  90  Tage  eingeschränkt 

Das  Polarlicht.^  Die  polare  Wintemacht  wird  auch  zeitweise 
von  jenen  eigentümlichen  und  rätselhaften  Lichterscheinungen  er- 
hellt, die  wir  unter  dem  Namen  Polarlichter  zusammenfassen  uod 


Fig.  14.     Geographische  Verbreitung  des  Nordlichtes  nach  Fritz. 

je  nach  der  Hemisphäre,  auf  welcher  sie  auftreten,  als  Nord-  und 
Südlichter  bezeichnen.  Das  erstere,  das  natürlich  häufiger  be- 
obachtet und  eingehender  studiert  wurde,  ist  besonders  in  einem 
5 — 10  Meridiangrade  breiten  Gürtel  in  der  Nähe  des  Polarkreises 
heimisch,  wo  es  ein  fast  tägliches  Phänomen  ist,  und  wird  nach 
Norden  wie  nach  Süden  immer  seltener.  Fig  14  verbindet  die  Orte 
gleicher  Häufigkeit  der  Nordlichter  durch  Linien  von  entsprechender 
Breite,  die  sich  in  kreisähnlicher  Gestalt  um  den  magnetischen 
Nordpol  gruppieren.  Da  letzterer  im  arktischen  Archipel  von  Nord- 
amerika unter  ca.  70^  B.  und  96®  w.  L.  von  Greenwich  sich  befindet, 
so  erklärt  es  sich  leicht,  daß  die  Linien  gleicher  Häufigkeit  in  der 
neuen  Welt  viel  weiter  gegen  den  Äquator  herabsinken  als  in  der 
alten,  und  somit  die  Parallelkreise  schneiden.  Nur  ausnahmsweise 
ist  das  Polarlicht  auch  in  niederen  Breiten  sichtbar,  wie  das  große 


Die  Erleuchtung  und  Erwärmung  der  Erdoberfläche. 


49 


Nordlicht  vom  Jahre  1859  fast  bis  zum  Äquator;  und  auch  von  der 
südlichen  Hemisphäre  wissen  wir,  daß  den  Bewohnern  der  alten 
Incastadt  Cuzko  unter  12^2^  B«  dieses  Phänomen  nicht  unbekannt 
ist  Am  glänzendsten  zeigt  es  sich  aber  stets  nur  in  der  Maximal- 
zone, wo  es  hauptsächlich  in  zwei  Grundformen,  als  Band-  und 
Strahlenlicht,  auftritt.  Das  erstere  besteht  aus  nebeneinander 
gereihten  senkrechten  Lichtstreifen,  die  den  Eindruck  von  in  •  der 
Luft  fliegenden  Bändern  oder  herabhängenden  Draperien  machen 
{Fig.  15).  Die  zweite  Form  ist  ein  leuchtender  Bogen  am  nördlichen 
Himmel,  dessen  Enden  sich  auf  den  Horizont  stützen  (Fig.  16). 
Er  umsäumt  ein  völlig  dunkles  Kreissegment;    aber   der  umstand, 


Fig.  15.     Band-NordUcht  nach  J.  PaY£R. 

daß  es  hellere  Sterne  durchscheinen  läßt,  beweist  uns,  daß  die 
Finsternis  nur  eine  durch  den  Kontrast  hervorgerufene  optische 
Täuschung  ist  Aus  dem  Lichtbogen  schießen  Strahlen  in  den 
mannigfachsten  Farben  hervor,  um  sich  nicht  selten  über  dem 
Scheitel  des  Beobachters  zu  einer  glänzenden  Krone  zu  vereinigen. 
Manchmal  erscheint  auch  ein  Bogen  über  dem  anderen.  Nur  eine 
Modifikation  des  Strahlenlichtes  ist  der  gewöhnliche  Nordlicht- 
bogen ohne  Bewegung  und  ohne  Strahlen,  der  in  den  höheren 
Breiten  jenseits  der  Maximalzone  am  häufigsten  ist;  manchmal  er- 
scheint hier  aber  noch  ein  zweiter  Bogen  im  Süden  und  beide 
tauschen  Strahlen  aus.  Im  innersten  Polarraume  wird  meist  nur 
ein  heller  Nebel  am  südlichen  Horizont  sichtbar,  und  die  ge- 
ringe Lichtentwickelung  erklärt  es,  daß  man  hier  Nordlichter  nur 

SüPiLH,  Physische  firdkonde.    2.  Aufl.  ^ 


50 


Die  Lufthülle. 


selten  beobachtet  hat.  In  unseren  Breiten  wird  zumeist  nur  eine 
mattrote  Wolke  oder  eine  rote  Beleuchtung  des  nördlichen  Himmels 
wahrgenommen;  doch  ist  sie  in  den  Perioden  größter  Häufigkeit 
intensiv  genug,  um  das  Lesen  zu  gestatten  und  Schattenwurf  zu 
erzeugen.  Gewöhnlich  ist  aber  die  Lichtstärke  auch  in  höheren 
Breiten  so  gering,  daß  Sterne  I.  und  II.  Größe  durchschimmern, 
und  selten  wird  die  Leuchtkraft  des  Vollmondes  übertroflFen,  daher 
auch  die  Häufigkeit  der  beobachteten  Polarlichter  zur  Vollmondszeit 
ein  Minimum  erreicht. 

Wie  die  Erscheinungsweise  und  Intensität,  ist  auch  die  Höhe 
der  Polarlichter  verschieden,   doch  scheinen  sie  in  höheren  Breiten 


Fig.  16.     Strahlen-Nordlicht  zu  Bergen  in  Norwegen  nach  H.  Sattler. 


der  Erde  näher  zu  sein.  Bald  sind  sie  nur  innerhalb  enger  Grenzen 
sichtbar,  bald  beleuchten  sie  einen  beträchtlichen  Teil  der  Hemi- 
sphäre; bald  dauern  sie  nur  wenige  Minuten,  bald  ganze  Nächte 
ja  manchmal  erstrecken  sie  sich  sogar  über  einen  größeren  Zeit- 
raum, wie  das  Nordlicht,  das  vom  28.  August  bis  7.  September  1859 
dauerte.  Es  gilt  als  Regel,  daß  große  Erscheinungen  sich  allmählich 
entwickeln  und  allmählich  verschwinden. 

Über  die  Natur  des  Polarlichtes  haben  Lemströms  Experimente 
den  lange  gewünschten  Aufschluß  gebracht  Am  29.  Dezember  1882 
gelang  es  ihm  durch  ein  mit  Spitzen  versehenes  Drahtnetz,  das  auf 
dem  Gipfel  der  kegelförmigen  Pietarintunturi  bei  Kultala  in  Finn- 
land aufgestellt  wurde,  ein  wirkliches  Nordlicht  zu  erzeugen ,  und 


Die  Erlenchtung  and  Erwärmung  der  Erdoberfläche. 


51 


die  Untersuchungen  der  folgenden  Jahre  haben  die  Theorie  wesent- 
lich vervollständigt  Die  elektrische  Natur  des  Polarlichtes  ist  nun 
außer  Zweifel  gestellt;  vertikal  abwärts  fließende  elektrische  Ströme 
sind  es,  die  nach  Lemstböms  Auffassung  die  Luft  zum  Glühen 
bringen,  und  es  ist  nach  Paitlsen  anzunehmen,  da&  diese  Ströme 
erst  in  der  eigentlichen  Polarlichtzone  zur  Erdoberfläche  herab- 
steigen. Dieser  Umstand  in  Verbindung  mit  dem  Dichteunterschied 
der  Luftschichten  bewirkt  in  den  höheren  Breiten  eine  ganz  andere 
Entwickelung  des  glänzenden  Phänomens,  eis  wir  es  in  unseren 
Gegenden  kennen. 

Am  häufigsten  sind  die  Polarlichter  1  bis  2  Stunden  vor 
Mittemacht,  nur  in  der  Nähe  des  magnetischen  Nordpoles  verspäten 
sie  sich  etwas.  Über  die  jährliche  Periode  giebt  Fig.  17  Aufschluß. 
Die  Kurve  aa  stellt  die  Periode  der 
NordUchter  dar,  bb  die  der  Süd- 
lichter (beide  in  Prozenten  der  Jahres- 
mengen)  und  ce  die  mittlere  tägliche 
Variation  der  Deklinationsnadel  in 
München  und  Hobart  (in  Minuten). 
AUe  drei  Kurven  zeigen  Maxima  zur 
Zeit  der  Nachtgleichen  (März  und  Okto- 
ber) und  Minima  zur  Zeit  des  höchsten 
und  tiefsten  Sonnenstandes  (Juni  und 
Januar).  Es  zeigt  sich  darin  unleugbar 
em  Zusammenhang  mit  dem  Erdmagnetismus,  aber  man  darf 
nicht  übersehen,  daß  in  den  höheren  Breiten  jenseits  der  Maximal- 
zone der  jährliche  Gang  ein  anderer  ist.  An  der  Westküste  von 
Grönland  z.  B.  nimmt  die  Zahl  der  Nordlichter  stetig  vom  September 
bis  zum  Dezember  oder  Januar  zu  und  dann  wieder  ab.  Und  noch 
in  anderer  Beziehung  besteht  ein  bedeutsamer  Gegensatz.  Während 
nämüch  in  den  niedereren  Breiten  die  Polarlichter  am  häufigsten  in 
den  Jahren  der  Sonnenfleckenmaxima  und  am  seltensten  zur  Zeit 
der  Fleckenminima  auftreten,  also  dem  gleichen  Gesetze  unterliegen, 
wie  die  magnetische  Variation,  zeigen  sie  in  der  inneren  arktischen 
Zone  ein  gerade  entgegengesetztes  Verhalten.  Ob  sich  darin  regel- 
mäßige Verschiebungen  der  Maximalzone,  sowohl  innerhalb  des 
Jahres  wie  im  Verlaufe  einer  Sonnenfleckenperiode,  aussprechen, 
wieWEYPBECHT  meinte,  mag  noch  fraglich  bleiben;  aber  auch,  wenn 
diese  Zone  unveränderlich  bleiben  sollte,  muß  man  zugeben,  daß 
eine  lebhaftere  Entfaltung  des  Nordlichtes  in  niedereren  Breiten  mit 
einer  Abschwächung  dieses  Phänomens  in  den  höheren  Breiten  Hand 
in  Hand  geht 


Flg.  17. 


Jährliche  Periode  des 
Polarlichtes. 


52  Die  Lnftihülle. 


Litteraturnachweise.  ^  Wieneb  in  der  österr.  Meteor.  Ztschr.,  1879, 
S.  113.  —  ■  Fritz,  Das  Polarlicht,  Leipzig  1881;  Lemstböm,  L'aurore  boreale. 
Paris  1886;  Pjiulsen,  Aurores  bor^ales  observees  k  Godtbaab,  Kopenhagen  1891. 

Die  Abnahme  der  Temperatar  mit  der  Höhe. 

Wärmequellen  der  oberen  Luftschichten.  Die  erwärmte  Erd- 
oberfläche teilt  ihre  Temperatur  zunächst  den  unteren  Luftschichten 
mit.  Für  die  höheren  Schichten  der  freien  Atmosphäre  giebt  es 
verschiedene  Wärmequellen.  Sie  behalten  zunächst  einen  Teil  der 
sie  durchstrahlenden  Sonnenwärme  zurück  (s.  S.  43),  sodann  empfangen 
sie  auch  von  der  Erdoberfläche  ausgehende  Wärmestrahlen.  Von 
weitaus  größerer  Bedeutung  sind  aber  die  aufsteigenden  Luft- 
ströme.  Indem  die  untersten  atmosphärischen  Schichten  erwärmt 
werden,  dehnen  sie  sich  aus  und  steigen  in  die  Höhe,  während 
kältere  Luft  von  oben  ihren  Platz  einnimmt.  So  schreitet  allmäh- 
lich —  wie  Hann  sich  ausdrückt  —  die  Erwärmung  der  Luft  durch 
das  Spiel  aufsteigender  wärmerer  und  niedersinkender  kälterer  Luft- 
säulchen von  unten  nach  oben  fort,  und  das  Werk  des  einen  Tages 
wird  nach  nächtlicher  Unterbrechung  am  anderen  wieder  fortgesetzt 

Nach  den  Prinzipien  der  mechanischen  Wärmetheorie  kühlt 
sich  aufsteigende  trockene  Luft  um  V  C.  für  je  100  m  Erhebung 
ab,  und  es  ist  sowohl  die  Anfangstemperatur,  wie  die  Höhe,  vod 
wo  aus  das  Aufsteigen  stattfindet,  ohne  Einfluß  darauf.  Umgekehrt 
wird  herabsinkende  trockene  Luft  um  1^  für  je  100  m  erwärmt. 
Anders  verhält  sich  die  mit  Wasserdampf  gesättigte  Luft 
Einerseits  kühlt  sie  sich  bedeutend  weniger  ab,  weil  der  Wärme- 
verlust zum  Teil  durch  die  bei  der  Kondensation  des  Wasserdampfes 
frei  werdende  Wärme  ersetzt  wird;  anderseits  ist  die  Temperatur- 
abnahme um  so  geringer,  je  höher  das  Niveau,  von  wo  das  Auf- 
steigen stattfindet,  und  je  höher  die  Anfangstemperatur  ist.^ 

Ist  die  aufsteigende  Luft  nicht  mit  Wasserdampf  gesättigt,  so 
verhält  sie  sich  bis  zum  Zeitpunkte,  wo  Kondensation  eintritt,  wie 
trockene,  dann  wie  gesättigte  Luft. 

Unter  allen  Umständen  muß  die  mittlere  Jahrestempe- 
ratur mit  der  Höhe  abnehmen,  einerseits  weil  die  Entfernung 
von  ihrer  Hauptquelle,  der  Erdoberfläche,  wächst,  anderseits  weil 
die  Lufthülle  immer  dünner  wird  und  dadurch  die  Ausstrahlung 
begünstigt.  Es  ist  aber  zu  betonen:  die  mittlere  Jahrestemperatur, 
weil  —  wie  es  sich  jetzt  mit  immer  größerer  Bestimmtheit  heraus- 

X  Anfangstemperatur  -10<»      0®  10«       20«        30« 

Wärmeabnahme  für  100 m  H.     0,70®      0,68°        0,54®      0,4i«      0,»8® 


Die  Abnahme  der  Temperatur  mit  der  Höbe. 


53 


stellt  —  zu  gewissen  Tageszeiten  und  unter  gewissen  Witterungs- 
verhältnissen  die  Temperatur  wenigstens  in  den  unteren  Luftschichten 
überall  mit  der  Hohe  zunimmt. 

Freie  Atmospliare.  Durch  die  Einrichtung  des  bekannten  Eiffel- 
turms in  Paris  für  den  meteorologischen  Dienst  ist  zum  ersten 
Male  die  Möglichkeit  geboten  worden,  regelmäßige  Beobachtungen 
über  den  Zustand  der  freien  Atmosphäre  anzustellen.  Die  Instru- 
mente sind  in  2,  123,  197  und  302  m  über  dem  Boden  aufgestellt 
und  an  den  drei  letzteren  Stellen  somit  TöUig  dem  unmittelbaren 
Einflüsse  des  Bodens  entrückt,  während  anderseits  die  luftige  Bauart 
des  Turmes  selbst  eine  Störung  der  Instrumente  durch  Strahlung 
ausschließt^  Bei  Tage  erreicht  die  Wärmeabnahme  einen  überraschend 
hohen  Wert,  besonders  bis  200  m  Höhe  im  Frühjahr  und  Sommer, 
wo  sie  sogar  über  den  Maximalwert  für  aufsteigende  trockene  Luft 
hinausgeht.  Das  erklärt  sich  dadurch,  daß  in  den  Mittagsstunden 
der  Erdboden  überhitzt  wird  und  seine  Wärme  nicht  rasch  genug 
den  oberen  Luftschichten  mitteilen  kann.  In  der  Nacht  tritt  der 
umgekehrte  Fall  ein;  der  Boden  kühlt  sich  rascher  ab,  als  die  Luft, 
die  noch  einen  Wärmefond  vom  vorhergehenden  Tage  bewahrt  hat 
Daher  nimmt  in  allen  Jahreszeiten  die  Temperatur  bis  200  m  zu,  und 
wenn  auch  dann  Abnahme  eintritt,  so  ist  es  doch  auf  der  Höhe  des 

Temperaturänderung  für  je  100m  Höhe. 


Eiffelturm  (300  m) 


|i    Mitternacht 
I:    bis  4^  früh 


Mittag  bis 
4»*  N.M. 


24  stund. 

Mittel 
1890—92 


Schaf  beig  (1776  m) 
Sonnblick  (3105  m). 


Winter 
Frühling 
Sommer 
Herbst 


i  +0,19« 

-0,02 
+  0,06 
+  0,41 


-0,78° 
-1,10 
-1,00 
-0,87 


-0,18« 
-0,51 
-0,50 
-0,14 


Mittel  (red.) 
1851—90 

-0,59« 
-0,64 
—  0,83 
-0,58 


Jahr  +0,16  —0,95  —0,82         |  —  0,6i 

Eiffelturmes  meist  immer  noch  wärmer,  als  auf  dem  Erdboden. 
Aber  die  Abnahme  bei  Tage  ist  größer,  als  die  Zunahme  bei  Nacht, 
die  mittlere  Tagestemperatur  nimmt  also  in  der  Kegel  ab. 

Um  von  der  durchschnittlichen  Temperaturabnahme  in  den 
höheren  Schichten  der  Atmosphäre  eine  Vorstellung  zu  gewinnen, 
müssen  wir  die  zwei  benachbarten  Gipfelstationen  der  Salzburger 
Alpen,  den  Schafberg  und  den  Sonnblick,  zu  Rate  ziehen.  Allerdings 
wirkt  hier  neben  dem  Zuflüsse  von  unten  auch  die  eigene  Wärme- 
aufnahme und  Ausstrahlung  des  Bodens,   und  aus  dem  Vergleiche 


54  Die  Lufthülle. 


der  Beobachtungen  der  Müncbener  Luftscbiffer  mit  den  gleichzeitigen 
Temperaturablesimgen  anf  den  bayerischen  Höhenstationen  können 
wir  entnehmen,  daß  die  Unterschiede  zeitweise  recht  beträchtlich 
sind.^  In  der  freien  Atmosphäre  sind  die  Schwankungen  geringer; 
daher  ist  sie  in  der  Nacht  und  im  Winter  wärmer,  als  die  Luft 
über  den  Berggipfeln,  bei  Tage  und  im  Sommer  (wenigstens  bei 
normaler  Witterung)  aber  kälter.  Im  langjährigen  Mittel  mögen 
sich  diese  Unterschiede  ausgleichen,  und  damit  Gipfelstationen  auch 
für  die  Verhältnisse  in  der  freien  Atmosphäre  verwendbar  werden; 
wegen  ihrer  freien  Lage  eignen  sich  dazu  keine  Beobachtungspunkte 
besser,  als  die  oben  genannten.^  Wie  am  Eiffelturm,  so  ist  auch  in 
der  Luftschicht  zwischen  dem  Schaf berg  und  Sonnblick  die  Tempe- 
raturäbnahme  im  Frühling  und  Sommer  größer,  als  im  Herbst  und 
Winter,  aber  diese  jahreszeitlichen  Gegensätze  sind  in  der  untersten 
Luftschicht,  die  noch  ganz  unter  dem  Einflüsse  des  Erdbodens  steht, 
ungleich  größer.  Daher  ist  hier  die  Temperaturabnahme  im  Jahres- 
mittel fast  um  die  Hälfte  geringer,  als  in  den  hpheren  Schichten. 
Aus  Glaish£bs  berühmten  Ballonbeobachtungen  in  den  sechziger 
Jahren,  die  bis  8000  m  Höhe  reichten,  hat  man  geschlossen,  daß  die 
Temperaturabnahme  nach  oben  sich  verlangsamt  Nun  sind  aber 
alle  älteren  Beobachtungen  dieser  Art,  vielleicht  die  von  Wklsh 
(1852)  ausgenommen,  gänzlich  unbrauchbar;  erst  seit  der  Einführung 
des  AssMANNSchen  Aspirationspsychrometers  haben  die  Temperatur- 
beobachtungen im  Ballon  den  notwendigen  Grad  von  Zuverlässigkeit 
erlangt  Allerdings  haftet  ihnen  der  unvermeidliche  Fehler  an,  daß 
sie  nur  Augenblicksbilder  liefern,  nur  den  Zustand  der  Atmosphäre 
unter  wechselnden  Witterungsverhältnissen  uns  kennen  lehren.  Es 
werden  noch  viele  Fahrten  unternommen  werden  müssen,  ehe  man 
daran  gehen  kann,  aus  widerspruchsvollen  Einzelbeobachtungen  nor- 
male Mittelwerte  abzuleiten.  Aber  auch  jetzt  schon  haben  die  Hoch- 
fahrten des  Berliner  Vereins  für  Lüftschiffahrt  unsere  Vor- 
stellungen von  der  senkrechten  Wärmeverteilung  wesentlich  berichtigt 
Zwei  Sätze  stehen  wenigstens  fest:  1)  daß  die  Atmosphäre  bis  in  be- 
trächtliche Höhen  in  scheinbar  regelloser  Weise  aus  verschieden  tempe- 
rierten Schichten  besteht,^  2)  daß  die  Temperaturabnahme  auch  in 


^  Als   Beispiel    diene   die    von  Kremser  bearbeitete  Fahrt  des  Ballons 
„Humboldt"  am  1.  März  1893.     Die  Temperaturabnahme  für  je  100  m  betrug: 

0— 1000m  Höhe    0,w^  2600— 3100  m  Höhe    0,88« 

1000—1600          „         0,88  3100—3400          „         0,6? 

1600—2000          „         0,70  3400—3700          „         0,48 

2000—2300          „         0,58  3700—4300          „         0,66 
2300—2600          „         0,90 


Die  Abnahme  der  Temperatur  mit  der  Höhe. 


55 


großen  Höhen  viel  rascher  erfolgt,  als  man  bisher  annahm.  Während 
man  früher  für  die  Grenze  der  Atmosphäre  Temperaturen  von  —  34 
bis  —  49  ®  berechnete,  sind  jetzt  schon  Höhentemperaturen  bis  —  67  ® 
durch  Messung  festgestellt.^  Aber  diese  Temperatur  ist  keines- 
wegs die  tiefste,  die  auf  unserem  Planeten  registriert  wurde.  Am 
15.  Januar  1885  zeigte  das  Weingeistthermometer  auf  der  ostsibiri- 
schen Station  Werchojansk  —  68°;  das  würde  an  dem  gewöhnlichen 
Luftthermometer  einer  Temperatur  von  —  76®  entsprechen.*  Bis 
zu  mehr  als  doppelter  Gaurisankarhöhe  muß  man  sich  also  erheben, 
um  in  der  freien  Atmosphäre  Temperaturen  wiederzufinden,  die  in 
Ostsibirien  unter  dem  Einflüsse  intensiven  Wärmeverlustes  des  Erd- 
bodens schon  in  einer  Seehöhe  von  50  m  zu  stände  kommen!  Aber 
in  jenen  Luftregionen  dürfte  sich  die  Temperatur  kaum  jemals  be- 
deutend von  —  60°  entfernen;  in  Werchojansk  hat  man  schon 
Maxima  von  30®  beobachtet. 

Oebirge.  Je  massiger  ein  Gebirge  ist,  desto  mehr  gewinnt  die 
Wärmeaufrahme  und  Ausstrahlung  der  Thalböden,  Böschungen  und 
Gipfel  an  Bedeutung  gegenüber  der  Wärmezufahr  aus  den  unteren 
Regionen.  Meist  vergleicht  man  Ebenen-  oder  Thalstationen  mit 
Gipfelstationen,  und  in  diesem  Falle  wird  das  Endergebnis  häufig 
durch  klimatische  Eigentümlichkeiten  getrübt,  die  mit  der  absoluten 
Höhe  nichta  zu  thun  haben.  Namentlich  die  in  den  Niederungen 
stagnierende  kalte  Winterluft  drückt  den  Durchschnittswert  für  die 
Temperaturabnahme  manchmal  erheblich  herab.  Es  ist  dies  im 
Auge  zu  behalten,  wenn  man  nachstehende  Tabelle  durchmustert, 
welche  die  vertikale  Wärmeabnahme  flir  je  100  m  in  einigen  Ge- 
birgen Europas,  Asiens,  Nordamerikas  und  der  Insel  St.  Helena  zeigt. 


X  Übersicht  der  höchsten  Ballonfahrten  und  der  beobachteten  Minimal- 
temperatoren.    Die  Höhen  in  Klammem  sind  nur  rohe  Nfiherungswerte. 


LaftacUffer 
Gross 
Gross 
Berson 
Welsh 
Barral-Bixio 

TiBSANOIER 

Glaisber 

Gross 

Bbbsom 


Datum 
19.  Okt.    1S93 

14.  März  1893 
6.  Sept  1894 

10.  Nov.  1852 
27.  Juli     1850 

15.  April  1875 
5.  Sept.  1862 

11.  Mai    1894 
4.  Dez.   1894 


Seehöhe    Temperatur 


6060 

6105 

6220 

(6900) 

(7000) 

7400 

7650 

7700 

9150 

(14000) 

15600 

? 

Die   drei   letzten  Fahrten   wurden   von   unbemannten  Ballons  mit  Registrier- 
apparaten ausgeführt 


„UA6rophile"    21.  März  1893 
„Cirrus**  7.  Juli    1894 

„Cinus"  6.  Sept  1894 


-26,0» 

-27,6 

-26,0 

-22,8 

-39,7? 

-11,0? 

-20,7? 

-36,5 

-47,9 

—  55,0 

-53,0 

-67,0 


7930  m     -32,8^ 


16325 
18450 


-52,0 

? 


56 


Die  Lufthttlle. 


.G«g«nd 

Schottland  (Ben  Nevis)  .... 
Norwegen  (bei  Kristiania)  .     .    . 

Harz 

Erzgebirge,  Nordseite      .... 

„  Südseite 

Raube  Alp     

Nördliche  Schweiz 

Südliche  Schweiz 

Ostalpen',  Nordseite 

„  Tirol  u.  Tessin  .    .    . 

„  Kärnten 

Pyrenäen  (Pic  du  Midi)  .  .  . 
Serra  da  Estrella 

Nördlicher  Kaukasus 

Südlicher  Kaukasus 

Bengalen 

Indische  Nordwest-Provinzen  .     . 

Ceylon 

Insel  Hongkong 

Mt.  Washington  (New-Hampshire) 
Felsengebirge 

St  Helena 


Winter      FrQhling     Sommer       Herbst 


0,60« 

0,05 

0,48 

0,48 

0,S0 

0,26 

0,84 

0,47 

0,84 

0,50 

0,96 

0,50 

0,53 


0,26 
0,89 
0,56 
0,47 
0,57 
0,62 


0,40 
0,55 

0,84 


0,72» 

0,72 

0,67 

0,60 

0,74 

0,53 

0,65 

0,64 

0,60 

0,66 

0,57 

0,61 

0,72 


0,48 
0,54 
0,5i 
0,64 
0,58 
0,47 


0,59 
0,71 


Jahr 


0,68  • 

0,91 

0,70 

0,64 

0,72 

0,55 

0,61 

0,66 

0,62 

0,67 

0,58 

0,56 

0,71 


0,51 
0,58 
0,47 
0,57 
0,62 
0,67 


0,68« 

0,52 

0,51 

0,54 

0,60 

0,42 

0,47 

0,56 

0,47 

0,57 

0,42 

0,56 

0,63 


0,88 
0,48 
0,57 
0,59 
0,59 
0,66 


0,67 
0,69 


0,90  0,07 


0,52 
0f50 

0,88 


0,«« 

0,S6 
0,ft8 
0,65 
0,68 
0,44 
0,52 
0,58 
0,51 
0,60 
0,46 
0,56 
0,65 


0,41 
0,40 
0,52 
0^6 
0,59 
0,60 


0,55 
0,64 

0,93 


Die  mittlere  Jahrestemperatur  nimmt  ferner  in  Indien  um  0,43 
bis  0,60^,  im  Himalaja  um  0,46 — 0,48®,  in  Tibet  um  0,46°,  im  Kuenlun 
uni  0,48®,  in  Mexico  um  0,63®,  und  in  den  Andes  um  0,4i — 0,6a®  för 
je  100  m  Erhebung  ab. 

Man  ersieht  aus  dieser  Zusammenstellung,  daß  die  Abnahme 
der  mittleren  Jahrestemperatur  auf  der  ganzen  Erde  ziemlich 
gleichmäßig  ist,  im  Mittel  0,6®  für  100  m,  wenn  wir  St.  Helena  von 
der  Rechnung  ausschließen.  Aber  gerade  die  abnormen  Verhältnisse 
auf  St  Helena  sind  sehr  lehrreich.  Die  untere  Station,  Jamestown, 
ist  außerordentlich  trocken,  und  die  von  hier  aufsteigende  Luft 
befolgt  im  Frühjahr  und  Sommer  (Regenmenge  6  und  22  mm) 
nahezu  das  Gesetz  der  Temperaturabnahme  dampfleerer  Luft  Im 
Herbst  steigt  die  Regenmenge  auf  49  mm,  und  dem  entsprechend 
sinkt  die  Wärmeabnahme  auf  0,88®;  im  Winter  endlich  erreicht  die 
Niederschlagshöhe  ihr  Maximum  (68  mm)  und  die  Wärmeabnahme 
ihr  Minimum.  Dieses  Beispiel  beweist,  daß  für  isolierte  Anhöhen 
die    aufsteigende    Luft    die    fast    ausschließliche    Wärmequelle    ist. 


Die  Abnahme  der  Temperatar  mit  der  Höhe. 


57 


während  sie  in  ausgedehnten  Gebirgen  gegenüber  der  Wärmearuf- 
nahme  und  Ausstrahlung  der  Abhänge  und  Thalflächen  naturgemäß 
etwas  zurücktritt 

Im  Winter  ist  die  Luft  in  der  Regel  viel  feuchter,  als  im  Sommer; 
schon  aus  diesem  Grunde  muß  die  Temperatur  im  Winter  am  lang- 
samsten, im  Sommer  am  raschesten  mit  der  Höhe  abnehmen.  Wenn 
Bengalen  davon  eine  Ausnahme  macht,  so  erklärt  sich  dies  daraus, 
daß  hier  der  Sommer  den  Winter  an  Feuchtigkeit  übertriflft.  Auch 
die  tägliche  Periode  ist  überall  scharf  ausgeprägt.  Aus  dem  Ver- 
gleiche der  nahe  benachbarten,  frei  gelegenen  Bergstationen  Sonn- 
blick und  Kolm-Saigum  ermittelte  Tbabebt^  für  die  Nachthälfte 
eine  mittlere  Abnahme  von  0,66®,  für  die  Tageshälfte  eine  solche  von 
0,66«  für  je  100  m. 

Die  folgende  Tabelle  giebt  als  Beispiele  des  Bergklimas  die 
mittleren  Monats-  und  Jahrestemperaturen  der  drei  höchsten,  unter 
verschiedenen  Breiten  gelegenen  Beobachtungsstationen.  Zum  Ver- 
gleiche fügen  wir  Upemivik  an  der  grönländischen  Westküste,  die 
nordlichste  Station  der  Erde  mit  langjährigen  Beobachtungen,  bei. 


Alpen* 

Sonnblick 


Geogr.  Breite 
Höhe  m 


Dezember 
Janaar  . 
Februar  . 

März 
April 
Mai 

Juni 
Juü 
August    . 

September 
Oktober  . 
November 

Jahr   .     . 


47»  3'  N. 
3105 


-12,4« 
-12,9 

-13,0* 

-11,8 

-  8,0 

-  4,« 

-  1,0 

1,5 

-  1,0 

-  4,. 

-  9,7 

-  6,3 


Felsengrebirgre.l       Andes. 

Pikes  Peak  ,     Antisana 


38<>  50'  N. 
4308 


-14,80 
-16,4* 
-15,6 

-13,4 
-10,4 

-  5,8 

0,« 

4,* 

3,t 

■  0,a 

-  5,8 
-11,8 

-  7,1 


0'>21'  S. 
4060 


6,0  0 

6,2 

5,1 

5,6 

5,. 

5,5 

4,» 

3,»» 

3,0 

4,0 

5,0 

5,5 

4,0 


Grönland. 

Upernivik 

72'»  47'  N. 


-14,t0 

-21,1 

-23,6* 

-21,1 
-13,1 

-  3,7 

1,« 
4,0 
0,0 

-  4,2 

-  8,8 

-  8,2 


Es  ist  eine  landläufige  Vorstellung,  daß  das  Bergklima  in 
größeren  Höhen  einen  polaren  Charakter  annehme.  Nun  findet 
man  allerdings  die  mittleren  Jahrestemperaturen  des  Sonnblick 
oder  des  Pikes  Peak   in   der   arktischen  Zone   wieder,   aber   selbst 


58  Die  Lufthülle. 


das  durchschnittlich  kältere  Upernivik  hat  einen  wärmeren  Sommer 
und  Herbst,  als  die  Hochgipfel  der  Alpen  und  des  Felsengebirges. 
Ebenso  auffällig  ist  der  Kontrast  von  Antisana  und  Westeräs  an  der 
schwedischen  Küste  unter  50^37'.  Die  Jahrestemperatur  ist  an  beiden 
Orten  dieselbe,  aber  die  tiefste  Monatstemperatur  ist  an  letzterem 
—  4,e^  und  die  höchste  16,3^  Das  Höhenklima  unterscheidet  sich 
also  vom  polaren  wesentlich  durch  kühle  Sommer  und  verhältnis- 
mäßig milde  Winter. 

Aber  es  besitzt  noch  einen  anderen  Vorzug,  der  selten  ent- 
sprechend gewürdigt  wird.  Die  mittleren  Temperaturen  einer  Be- 
obachtungsstation sind  Schattentemperaturen;  in  den  alpinen 
Hochthälem  ist  aber  bei  vorwiegend  heiterem  Himmel  und  Wind- 
stille die  Insolation  außerordentlich  kräftig,  und  daher  im  Winter 
der  Unterschied  zwischen  Sonnen-  und  Schattentem])eratur,  der  in 
der  polaren  Nacht  natürlich  wegfällt,  sehr  bedeutend.  In  Davos 
(1650  m  hoch)  stieg  z.  B.  die  Lufttemperatur  am  30.  Dezember  1873 
nicht  über  —12,8®,  aber  in  der  Sonne  zeigte  das  Thermometer  um 
9  Uhr  Morgens  25,6«  und  um  Vf^  Uhr  Nachmittags  38,6®.  Von 
dem  bekannten  Kurorte  Meran  sagt  Fuchs,  daß  vom  Dezember  bis 
März  die  Nächte  Winter,  die  Tage  aber  sommerliches  Frühjahr 
seien.  Auch  im  Sommer  ist  der  Unterschied  zwischen  Sonnen-  und 
Schattentemperatur  bedeutender  als  in  der  Ebene.  Er  beträgt  nach 
H.  Hoffmann  ^  im  Juli  und  August  in  den  Alpen  16,4«,  in  Gießen 
(an  den  gleichen  Tagen  gemessen)  dagegen  nur  4,9®.  Im  Gebirge 
ist  die  Luft  trockener  und  reiner,  während  im  Tief  lande  der  größere 
Dampfgehalt,  die  größere  Dichtigkeit  und  die  Trübung  der  untersten 
Luftschichten  einen  beträchtlichen  Teil  der  eingestrahlten  Sonnen- 
wärme absorbiert. 

Wärmeumkehr  im  Gebirge.  Die  Beobachtungen  auf  dem  Eiffel- 
türme haben  uns  gelehrt,  daß  in  der  Nacht  der  Boden  regelmäßig 
so  stark  erkaltet,  daß  eine  Wärmeumkehr,  d.  h.  eine  vertikale 
Temperaturzunahme  eintritt,  die  aber  viel  geringfügiger  ist,  als  die 
Abnahme  in  den  Tagesstunden.  In  Gebirgsländem  kann  sie  jedoch 
im  Winter  ein  dauernder  Zustand  werden,  der  bei  Tag  wie  bei 
Nacht  wirksam  ist.  Grundbedingung  ist  ein  hoher  Barometerstand, 
der  heiteres,  ruhiges  Wetter  erzeugt;  günstig  wirkt  auch  eine  dichte 
Schneedecke,  da  diese  durch  Ausstrahlung  außerordentlich  intensiv 
erkaltet.  Diese  Temperaturemiedrigung  teilt  sich  nur  den  untersten 
Luftschichten  mit,  die  bei  vorherrschender  Windstille  sich  ruhig 
über  dem  Thalboden  lagern.  Zwar  erkalten  auch  die  Berggehänge 
und  Gipfel,  aber  hier  ist  die  Luft  immer  etwas  bewegt,  und  die 
dem  Boden  unmittelbar  auflagernden  kalten  Schichten  können  sich 


Die  Abnahme  der  Temperatur  mit  der  Höhe. 


59 


mit  den  wärmeren  der  freien  Atmosphäre  mischen.  Dann  ragen 
die  Bei^e  als  Wärmeinseln  aus  dem  kalten  Meere  der  Thäler  und 
Ebenen  hervor,  und  es  können  Wochen  vergehen,  bis  der  normale 
Zustand  wieder  hergestellt  ist  Solche  Umkehrperioden  tragen  natür- 
lich auch  dazu  bei,  die  mittlere  winterliche  Temperaturabnahme 
zu  erniedrigen,  wenn  wir  die  Beobachtungen  an  Ebenen-  oder  Thal- 
stationen der  Berechnung  derselben  zu  Grunde  legen. 

Geographisch  bedeutsam  wird  die  Wärmeumkehr  aber  nur  dort, 
wo  sie  auch  in  langjährigen  Mittelwerten  zum  Ausdrucke  kommt,  also 
zum  habituellen  klimatischen  Charakter  gehört.  In  den  Alpen  sind, 
wie  Hann  ^  zififemmäßig  nachwies,  alle  Thäler,  welche  gegen  die  herr- 
schende Windrichtung  abgeschlossen  sind,  durch  diese  Abnormität 
ausgezeichnet,  und  daraus  erklärt  es  sich,  daß  die  menschlichen 
Wohnstatten  mit  auffallender  Begelmäßigkeit  selbst  breite,  frucht- 
bare Thalsohlen  meiden  und  sich  auf  die  Gehänge  zurückziehen. 
Das  Engadin  und  das  kärntnische  Drauthal  sind  schon  lange  bekannte 
klassische  Beispiele  dafiir.  Sils  im  Engadin  (1810  m  hoch)  ist  im 
Januar  ( — 8,0  ^  fast  ebenso  kalt  als  der  St.  Bernhard  in  247 8  m  H.  ( —  8,3), 
und  Bevers,  nur  1715  m  hoch  gelegen,  hat  sogar  —9,7^,  ist  also  um 
4,9®  kälter  als  der  75  m  höhere,  aber  isolierte  Eigi.  Im  Drauthale 
nimmt  in  der  Regel  die  Temperatur  normal  mit  der  Höhe  ab,  im 
Winter  sind  aber  noch  die  Stationen  in  1 600  m  H.  wärmer  als  die 
1000  m  tieferen  Thalsohlen.^  Im  Gebiete  des  ostsibirischen  Kälte- 
pols rufen  dieselben  Ursachen  dieselbe  Wirkung  hervor.  Auf  dem 
ca.  2200  m  hohen  Alibertberge  ist  nach  Wobikow  die  Temperatur  im 
Januar  um  4®  höher  als  im  benachbarten  Irkutsk  (460  m  h.),  da- 
gegen im  Juli  in  ganz  normaler  Weise  um  6,6®  und  im  Jahresmittel 
um  5,1®  tiefer. 

Plateaus.  Über  ausgedehnten  Plateaus,  die  stellenweise,  wie 
z.  B.  im  südlichen  Zentralasien,  zu  alpiner  Höhe  ansteigen,  werden 
die  untersten  Luftschichten  in  derselben  Weise  erwärmt,  wie  über 


X 

Stationen 

Höhe  m 

Januar 

April 

Juli 

Oktober 

Jahr 

Klagenflirt 

440 

-6,.« 

8,.» 

18,.« 

8,.» 

7,«» 

Kappel 

560 

-5,. 

6,T 

17,4 

8,1 

6,. 

Fellach 

805 

-4,0 

5,. 

15,. 

7,5 

6,. 

ünterschfiff- 

1er  Alpe 

1063 

-3,6 

4,. 

15,1 

6,» 

5,» 

Obirl 

1230 

-4,» 

4,5 

14,0 

6,1 

4,' 

Obirll 

1612 

-5,1 

8,1 

12,, 

5,» 

3,7 

Hoch-Obir 

2047 

-6,. 

1,» 

9,« 

2,» 

0,. 

60  Die  Lufthttlle. 


dem  Tief  lande.  Von  einer  Wärmemitteilung  durch  aufsteigende  Luft- 
massen aus  der  Tiefebene  kann  keine  Rede  sein,  am  wenigsten  bei 
den  großen,  gebirgsumschlossenen  Tafelländern  der  Erde.  Man  könnte 
daraus  schließen,  daß  hier  die  Seehöhe  ohne  Einfluß  auf  die  Tempe- 
ratur sei.  Allein  die  Beobachtungen  beweisen,  daß  hier  dasselbe 
Gesetz  zu  Recht  besteht,  wie  für  die  freie  Atmosphäre  und  das  Ge- 
birge, nur  ist  die  Ursache  eine  andere.  Die  Luft  über  den  Hoch- 
ebenen ist  dünner  als  über  dem  Tief  lande,  daher  wird  der  Boden 
und  die  untere  Luftschicht  zwar  rasch  erwärmt,  aber  ebenso  rasch 
abgekühlt.  An  hellen  8ommertagen  mag  es  hier  ebenso  heiß  sein^ 
als  wenige  Meter  über  dem  Meeresniveau,  aber  die  Nächte  sind  be- 
deutend kälter,  und  dieser  Gegensatz  steigert  sich  mit  der  Seehöhe. 
Daher  muß  die  letztere  auch  in  der  Tagestemperatur  zum  Ausdrucke 
kommen,  denn  diese  ist  ein  24  stündiges  Mittel,  oder  wenigstens  auf 
ein  solches  reduziert 

Es  wäre  für  den  Geographen  von  höchster  Wichtigkeit,  das 
Maß  der  Temperaturabnahme  auf  den  Hochebenen  festzustellen.  Leider 
stoßen  wir  hier  auf  zwei  bedeutende  Hindernisse.  Von  den  großen  Tafel- 
ländern der  Erde  besitzen  wir  —  mit  Ausnahme  des  nordameri- 
kanischen —  nur  spärliche  und  kurze  Beobachtungen.  Wir  sind  femer 
meist  darauf  angewiesen,  Plateau-  und  Tieflandstationen  mitein- 
ander zu  vergleichen,  aber  diese  liegen  häufig  weit  entfernt  vonein- 
ander und  stehen  unter  verschiedenen  klimatischen  Bedingungen. 
Ein  Vergleich  der  Stationen  auf  dem  Prairienplateau  und  am  Mississippi 
ergiebt  folgende  Temperaturabnahme  für  je  100  m: 

Winter  0,54**,     Frühling  0,87®,     Sommer  0,!ii^,    Herbst  0,«®,    Jahr  0,88®. 

Die  jährliche  Periode  nimmt  also  den  umgekehrten  Verlauf,  wie 
im  Gebirge,  weil  im  Sommer  auch  die  Erwärmung  der  Hochflächen 
eine  bedeutende  ist,  und  die  Abnahme  der  mittleren  Jahrestemperatur 
ist  etwas  geringer.  Ein  etwas  anderes  Resultat  liefert  der  Vergleich 
von  Hasaribag  und  Barhampur  in  Bengalen: 

Winter  0,4i®,    Frühling  0,i8®,    Sommer  0,87®,    Herbst  0,m®,    Jahr  0,8t®. 

Wie  die  Wahl  der  Vergleichsstationen  die  höchste  Vorsicht  er- 
fordert, zeigt  folgendes  Beispiel.  Valparaiso  und  das  um  489  m  höher 
gelegene  Santiago,  nur  110  km  voneinander  entfernt,  scheinen  zu 
einer  Untersuchung  über  die  vertikale  Temperaturänderung  vollkommen 
geeignet  zu  sein.  Santiago  ist  im  Juli  (Winter)  um  4,3®  kälter  als 
Valparaiso,  von  November  bis  März  dagegen  wärmer,  im  Januar 
sogar  um  2,3®.  Ist  da  der  Schluß  gestattet,  daß  die  Temperatur  im 
Sommer  mit  der  Seehöhe  zunimmt?  Keineswegs,  denn  Valparaiso 
repräsentiert   das   unter   dem  Einflüsse  der  kalten  Meeresströmung 


Die  Abnahme  der  Temperatur  mit  der  Höhe.  61 

stehende  Küstenklima,  Santiago  das  Binnenklima;  sie  sind  daher  nicht 
miteinander  vergleichbar.  Santiago  wäre  jedenfalls  noch  viel  wärmer, 
wenn  es  tiefer  läge.  Nördlich  vom  27°  B.  zeigen  die  chilenischen 
Inlandstationen  auch  im  Winter  eine  scheinbare  vertikale  Tem- 
peraturzunahme,  die  in  der  Wärmeausstrahlung  der  kahlen  Felsen 
und  in  der  Abwesenheit  der  Eüstennebel  begründet  ist 

Aeduktion  der  Temperatur  auf  das  Meeresniveau.  Von  den 
großen  Faktoren,  die  die  mathematische,  d.  h.  allein  von  der  geo- 
graphischen Breite  abhängige  Wärmeverteilung  auf  der  Erdoberfläche 
modifizieren,  haben  wir  den  am  meisten  wechselnden,  die  Seehöhe, 
soeben  kennen  gelernt  Wir  können  ihn  ausschließen,  indem  wir 
die  beobachteten  Temperaturen  auf  das  Meeresniveau  reduziren; 
wenn  wir  sodann  die  Orte  mit  gleicher  Temperatur  durch  Linien 
(Isothermen)  miteinander  verbinden,  so  gewinnen  wir  ein  einfaches 
und  übersichtliches  Bild,  das  uns  die  Ursachen  der  thatsächlichen 
Wärme  Verteilung  sofort  verrät 

Die  Frage  nach  dem  besten  Reduktionsmaßstabe  dürfte  wohl 
kaum  jemals  mit  Sicherheit  zu  beantworten  sein.  Für  die  beiliegen- 
den Isothermenkarten  wurden  die  von  Wild  benützten  Werte  (Ab- 
nahme für  100  m  im  Jahresmittel  0,47*^,  im  Januar  0,36®,  im  Juli 
0,69®)  angewendet  Sie  empfehlen  sich  deshalb,  weil  es  sich  ja  meist 
um  Plateaustationen  handelt  und  hier  die  Wärmeabnahme  etwas 
langsamer  stattfindet  als  im  Gebirge.  Eine  andere  Frage  ist  die, 
ob  ein  einheitlicher  Maßstab  für  die  ganze  Erde  angewendet  werden 
darf.  Solange  wir  über  die  Temperaturabnahme  auf  Hochebenen 
nicht  besser  unterrichtet  sind,  als  jetzt,  ist  dies  Verfahren  jedenfalls 
nicht  nur  das  bequemste,  sondern  auch  sicherste.  Denn  wollte  man 
2.  B.  fiir  Nordamerika  und  Vorderindien  die  auf  S.  60  angegebenen 
Werte  benützen,  so  müßte  man  erst  untersuchen,  ob  sie  nicht  bloß 
lokale  Bedeutung  haben  und  auf  große  Länderkomplexe  angewendet 
werden  dürfen.  Wollte  man  aber  fiir  jeden  einzelnen  Fall  ein  eigenes 
Reduktionsmaß  berechnen,  so  käme  man  zu  demselben  Resultate, 
wie  wenn  man  alle  Stationen  mit  größerer  Seehöhe  ausschließen 
würde.  Ein  einheitlicher  Maßstab  liefert  zwar  nur  ein  ideales,  aber 
jedenfalls  ein  einheitliches  Bild.  Er  muß  aber  auch  dann  in  An- 
wendung kommen,  wenn  thatsächUch  die  Temperatur  mit  der  Höhe 
zunimmt;  denn  nur  auf  diese  Weise  wird  z.  B.  die  Kälte  des  Thal- 
bodens im  Draugebiete  auf  der  Isothermenkarte  des  Januar  klar  her- 
vortreten, während  eine  umgekehrte  Reduktion  alle  örtlichen  Eigen- 
tümlichkeiten verwischen  würde.  Man  muß  sich  nur  stets  vor  Augen 
halten,  was  das  Isothermenbild  eigentlich  darstellen  will.  Es  sagt 
uns  nicht,  so  würde  die  Wärmeverteilung  sich  gestalten,  wenn  die 


62  Die  Lufthfllle. 


ganze  Erdoberiläche  eine  ununterbrochene  Ebene  im  Meeresniveau 
wäre;  sondern  es  setzt  die  wirklichen  Terrain  Verhältnisse  mit  allen 
ihren  modifizierenden  Einflüssen  voraus,  und  elimiert  nur  die  ther- 
mische Wirkung  der  Seehöhe. 

Litteraturn achweise.  ^  Anoot,  Sur  la  d^croissance  de  la  temperator 
dans  Tair  avec  la  bauteur,  in  den  Comptes  rendus  der  Pariser  Akademie  d. 
Wissensch.  Bd.  CXV,  1892.  —  '  Finstebwaldeb  u.  Sohncke  in  der  Meteoro- 
logischen Zeitschrift  1894,  S.  361.  Vgl.  auch  Sohnckes  akademische  Festrede 
,,Qber  die  Bedeutung  wissenschaftlicher  Ballonfahrten",  München  1894.  —  '  Hanh, 
Studien  über  die  Luftdruck-  und  Temperaturverhältnisse  auf  dem  Sonnblick- 
gipfel, in  den  Sitzungsberichten  der  Wiener  Akademie  d.  Wissenschaften,  Math.- 
naturwiss.  Klasse,  1891,  Bd.  C.  —  ^  Meteorologische  Zeitschrift  1 886,  S.  178.  — 
^  Hank,  Die  Temperaturverhältnisse  der  österreichischen  Alpenländer,  in  d. 
Sitz.-Ber.  d.  Wien.  Akad.  d.  Wiss.,  Matb.-naturw.  Kl.  1884—85,  Bd.  XC,  XCl 
u.  XCII.  Hanns  Werte  für  die  Ostalpen,  aus  der  Combination  sämtlicher 
Temperaturmittel  nach  der  Methode  der  kleinsten  Quadrate  gewonnen,  sind 
wohl  die  zuverlässigsten,  welche  jemals  für  ein  Gebirge  berechnet  winden.  — 
^  Trabert,  Der  tägliche  Gang  der  Temperatur  und  des  Sonnenscheins  auf  dem 
Sonnblickgipfel,  in  den  Denkschriften  der  Wiener  Akademie  d.  Wissensch., 
Math.-naturwiss.  Kl.  Bd.  LIX,  1892.  Die  Arbeit  bietet  auch  in  theoretischer 
Beziehung  viel  beachtenswertes.  —  ^  Hoffhann  in  der  Zeitschrift  der  oster- 
reichischen  Gesellschaft  für  Meteorologie,  1882,  S.  123. 

Die  horizontale  Verteilung  der  Temperatur. 

(Vergl.  Karten  HI  bis  VIL) 

Wir  haben  oben  (S.  45)  die  relativen  Wärmemengen  kennen  gelernt, 
welche  die  verschiedenen  Breiten  von  der  Sonne  empfangen  würden, 
wenn  die  Erde  nicht  von  Luft  umhüllt  wäre.  Es  muß  nun  einen 
Schritt  weiter  gegangen,  es  muß  der  Wärmebetrag  festgestellt  werden, 
den  die  Luft  bei  dem  Durchgange  der  Sonnenstrahlen  absorbiert;  und 
es  muß  endlich  festgestellt  werden,  wie  sich  die  verschiedenen  Erd- 
oberflächen zu  derjenigen  Wärmemenge,  die  bis  auf  den  Boden  ge- 
langt, verhalten.  Denn  Land  und  Wasser  empfangen,  wenn  sie  auch 
unter  gleicher  Breite  liegen,  wegen  der  ungleichen  Reflexion  der 
Sonnenstrahlen  verschiedene  Wärmemengen,  und  zwar  wie  Zenksb^ 
nachgewiesen  hat,  das  Wasser  überall  weniger  als  das  Land.  Mit 
der  Polhöhe  steigert  sich  dieser  Gegensatz,  weil  die  Reflexion  mit 
dem  Einfallswinkel  der  Sonnenstrahlen  wächst.  Daß  die  Luft  über 
dem  Lande  in  der  Regel  trockener  ist,  als  über  dem  Meere,  und 
daher  mehr  Wärme  durchläßt,  kommt  noch  als  weiterer  umstand 
hinzu.  Entscheidend  ist  aber  nicht  die  Wärmeaufnahme,  sondern 
die  Art  und  Weise,  wie  die  Wärme  festgehalten  wird,  luid  in  dieser 
Beziehung  ist  das  Wasser  im  Vorteile.  Auf  dem  Lande  wird  nur 
eine  dünne  Schicht  erwärmt  und  die  Wärme  rasch  wieder  an  die 


Die  horizontale  Verteilung  der  Temperatur.  63 


Luft  abgegeben;  das  Wasser  wird  dagegen  schon  direkt  bis  zu  grö- 
ßeren Tiefen  von  der  Sonne  durchstrahlt,  und  außerdem  gestattet 
die  Beweglichkeit  der  einzelnen  Teile  den  während  der  Nacht  und 
im  Winter  erkalteten  oberen  Schichten,  als  den  schwereren,  zu 
Boden  sinken  und  wärmeren  Schichten  ihren  Platz  einzuräumen. 
Das  Land  erhält  viel  Wärme,  aber  es  geht  verschwenderisch  damit 
um;  das  Wasser  hält  seinen  geringeren  Vorrat  sparsam  zusammen 
und  speichert  Wärmemengen  für  die  kalten  Perioden  auf.  Daraus 
folgt  unmittelbar:  1)  daß  die  Temperatur  über  dem  Wasser 
bei  Nacht  und  im  Winter  höher  und  bei  Tag  und  im  Sommer 
niedriger  ist  als  auf  dem  Lande,  oder  mit  anderen  Worten,  daß 
das  Landklima  größeren  täglichen  und  jährlichen  Schwan- 
kungen unterworfen  ist,  als  das  Seeklima;  2)  daß  die  mitt- 
lere Jahrestemperatur  in  höheren  Breiten,  wo  die  kalten 
Perioden  lange  andauern,  auf  der  See,  in  niederen  Brefiten 
auf  dem  Lande  höher  ist 

S'ormale  Temperaturverteilung.  Wir  haben  bisher  nur  von  rela- 
tiven Wärmemengen  gesprochen;  aber  diese  müssen  erst  in  die  gemein- 
verständliche Sprache  der  Temperaturgrade  übersetzt  werden,  um  für 
die  klimatologische  Betrachtungsweise  überhaupt  brauchbar  zu  wer* 
den.  Das  ist  der  heikle  Punkt  der  modernen  Methode,  denn  es 
giebt  kaum  eine  meteorologische  Station,  von  der  wir  mit  Bestimmt- 
heit behaupten  können,  daß  sie  reines  See-  oder  Landklima  besitze; 
und  es  ist  daher  begreiflich,  wenn  Zenker,  der  sich  mit  diesen 
Untersuchungen  hauptsächlich  beschäftigt,  noch  immer  bestrebt  ist, 
seine  Werte  zu  verbessern.     Die  zuletzt  gefundenen  sind  folgende:^ 


»reite 

Landklima 

Seeklima 

Unterschied 
(Landklima-Seeklima) 

0^ 

sejs«» 

26,1» 

+  10,«« 

10 

35,3 

25,t 

+  9,. 

20 

30,9 

28,0 

+  7,. 

30 

24,0 

19,. 

+  4,' 

40 

14,7 

14,» 

+  0,* 

50 

3,T 

8,4 

-    4,T 

60 

-   8,^ 

1,0. 

-10,1 

70 

-18,1 

-  S,i 

-14,, 

80 

^22,7 

-  5,» 

-16,. 

90 

-24,3        . 

-   6,' 

-17,5 

Am  Äquator  ist  das  Landklima  dem  maritimen  am  meisten  über- 
legen; dann  nähern  sich  beide  Elimate  immer  mehr,  bis  sie  unter 
42^  B.  einander  gleich  werden;  von  da  ab  ist  das  Seeklima  wärmer, 
und  es  wird  immer  wärmer,  je  mehr  wir  uns  dem  Pole  nähern,  — 
freilich  unter  einer  Voraussetzung,  die  in  der  Natur  nicht  erfüllt  wird: 


64 


Die  Lufthalle. 


daß  nämlich  das  Wasser  nicht  gefriert  Wir  nennen  die  Zone  zwischen 
0  und  42^  B.  die  innere  und  die  Zone  zwischen  42  und  90^  B.  die 
äußere.  Die  mittlere  Temperatur  der  Erde  würde  ihren  höchsten 
Grad  erreichen,  wenn  die  innere  Zone  nur  aus  Land  und  die  äußere 
nur  aus  Wasser  bestünde,  und  im  umgekehrten  Falle  ihren  niedrigsten 
Wert  erlangen.  Es  ist  leicht  einzusehen,  daß  beide  Extreme  für  die  Be- 
wohnbarkeit der  Erde  durch  Landorganismen  gleich  ungünstig  wären. 
In  Wirklichkeit  liegen  zwischen  80*^  N.  und  50**  S.  Land  und 
Wasser  in  meridionalen  Streifen  nebeneinander,  und  nun  tritt 
nicht  bloß,  wie  unter  allen  Umständen,  ein  Wärmeaustausch  in  meridio- 
naler,  sondern  auch  in  ostwestlicher  Richtung  ein,  denn  stets  müssen 
verschieden  temperierte  Räume,  die  miteinander  korrespondieren,  einen 
Ausgleich  anstreben.  Selbst  wenn  wir  annehmen,  daß  im  innersten  Teile 


J/tf*r» 


Land 


Mr^r 


Litifd 


Fig.  18.     NormaMsothermen. 


der  Land-  und  Meeresstreifen  reines  Land-  bezw.  reines  Seeklima  sich 
noch  erhalten  könnte,  so  wird  doch  gegen  die  Ränder  hin  stets  eine 
Mischung  eintreten  und  die  beiden  Klimate  sich  immer  mehr  einander 
nähern.  Dieser  einfachste  Fall  ist  in  Fig.  18  dargestellt  Land  und 
Meer  sind  als  regelmäßige  Streifen  zwischen  80  ^N.  und  50  ^S.  gedacht 
Im  mittleren  Meridian  dieser  Streifen  sind  den  Temperaturen  von 
5  zu  5^  diejenigen  Stellen  angewiesen,  die  ihnen  nach  dem  Solar- 
klima zukommen,  und  die  Orte  gleicher  Temperatur  sind  durch  Linien 
(sog.  Isothermen)  miteinander  verbunden.  Das  sind  die  Normaliso- 
thermen unter  der  Voraussetzung,  daß  Land  und  Wasser  in  meridio- 


Die  horizontale  Verteilung  der  Temperatur.  65 

nalen  Streifen  nebeneinander  lagern;  sie  weichen  mit  Ausnahme 
der  Isotherme  in  42®  B.  (in  der  Figur  annähernd  die  15®  Isotherme) 
überall  von  dem  Verlaufe  der  Parallelkreise  ab,  indem  sie  in  der 
inneren  Zone  vom  Meere  gegen  das  Land,  in  der  Hußeren  vom  Lande 
gegen  das  Meer  polwärts  ansteigen.  Auf  dem  Lande  treten  in  der 
äquatorialen  und  polaren  Zone  sogar  in  sich  geschlossene  Isothermen- 
sYsteme  auf.  Aber  obwohl  Wärmeänderungen  auch  in  ostwestlicher 
Richtung  sich  Yollziehen,  so  bleibt  doch  stets  das  Grundgesetz  des 
solaren  Klimas  gewahrt,  indem  in  jedem  Meridian  die  Temperatur 
vom  Äquator  gegen  die  Pole  hin  stetig  abnimmt. 

Abweichungen.  Vergleichen  wir  dieses  Normalbild  mit  der 
Karte  der  Jahresisothermen  (Karte  III),  so  werden  wir  von  dem  hohen 
Grade  der  Übereinstimmung  beider  überrascht  sein,  soweit  es  die 
Grundgesetze  der  Temperaturabnahme  mit  wachsender  Breite  und 
der  IsothermenkrOmmung  betrifft  Aber  neben  der  Übereinstimmung 
gewahren  wir  auch  auffallende  Abweichungen  von  dreierlei  Art 
Winde  und  Meeresströmungen  bewirken  Wärmeverschiebungen,  ab- 
norme Elrwärmungen  auf  der  einen  und  damit  notwendigerweise 
Erkaltungen  auf  der  anderen  Seite.  Es  ist  eine  der  wichtigsten 
physikalischen  Thatsachen  und  auch  für  die  Entwicklung  des 
Menschengeschlechts  yon  weitest  tragender  Bedeutung,  daß  fast  die 
ganze  nördliche  gemäßigte  und  kalte  Zone  wärmer  ist,  als  ihr  der 
Breite  nach  zukommt,  und  daß  die  heiße  Zone,  vor  allem  die  süd- 
liche, diesen  uns  so  erwünschten  Wärmezuschuß  deckt  In  die  nörd- 
lichsten Teile  der  Kontinente  dringt  das  Seeklima  so  weit  ein,  daß 
mit  Ausnahme  des  inneren  eiserfiillten  Grönlands  selbst  die  niedrig- 
sten Jahrestemperaturen  höher  sind,  als  die  den  betreffenden  Breiten 
entsprechenden  Werte  des  solaren  Landklimas;  offenbar  eine  Folge 
davon,  daß  das  Land  in  den  höheren  Breiten  abbricht  Würde 
Asien  über  den  Pol  mit  Amerika  zusammenhängen,  so  würden 
in  60  und  70°  B.  viel  niedrigere  Temperaturen  auftreten,  als  es 
thatsächlich  der  Fall  ist  Auch  in  der  Tropenzone  löst  sich  das 
Land  auf,  auch  hier  siegt  das  See-  über  das  Landklima,  und  selbst 
die  höchsten  beobachteten  Jahrestemperaturen  erreichen  nicht  die 
Wärmegrade  des  reinen  solaren  Landklimas,  das  einen  großen  Teil 
der  Kontinente  unbewohnbar  machen  würde.  Auf  dem  Indischen 
Ozean  bewirkt  die  große  kontinentale  Umrahmung  eine  deutliche 
Wärmeerhöhung;  hier  hat  sich  der  Ausgleich  zwischen  Land-  und 
Seeklima  wirklich  vollzogen,  indem  das  erstere  erniedrigt,  das  letztere 
erhöht  wurde,  während  im  südtropischen  Teile  des  Atlantischen 
Ozeans  die  Strömimgen  den  Einfluß  des  umgebenden  Festlandes  so 
sehr  unterdrücken,  daß  es  entschieden  als  zu  kalt  erscheint.     Da- 

SiTAX,  PbjBlaohe  Erdkunde.    2.  Aufl.  5 


66  Die  Lufthülle. 


gegen  ist  der  ganze  Norden  zu  warm,  und  diese  Abnormität  tritt 
besonders  in  den  höheren  Breiten  schärfer  hervor.  Die  Isothermen 
dringen  hier  mit  den  warmen  Meeresströmungen  durch  eine  offene 
Pforte  viel  weiter  gegen  Norden  vor,  als  im  abgeschlossenen 
Pazifischen  Ozean.  Diese  größte  Meeresfläche  endlich  wird  von  dem 
Landklima  nur  wenig  beeinflußt,  die  Strömungen  sind  nicht  sehr 
energisch  entwickelt,  und  die  Wärmeverteilung  dürfte  hier  am  meisten 
den  theoretischen  Voraussetzungen  entsprechen. 

Die  Scheitel  unserer  Normalisothermen  in  Fig.  18  liegen  in  der 
Mitte  der  Festländer  und  Meere,  und  die  Krümmung  verläuft  regel- 
mäßig. Bei  den  wirklichen  Isothermen  ist  dies  nicht  der  Fall,  die 
Scheitel  sind  alle  nach  Osten  verschoben,  in  die  Nähe  der  Ränder  der 
Kontinente  und  Meere,  und  infolge  dessen  sind  sie  am  Westrande  des 
Festlandes  mehr  oder  weniger  scharf  geknickt,  während  sie  am  Ost- 
rande in  sanftem  Schwünge  verlaufen.  Die  innere  und  äußere  Zone 
unterscheiden  sich  nur  insofern,  als  dort  die  polwärts,  hier  die  äquator- 
wärts  gerichteten  Scheitel  geknickt  sind;  dort  liegt  die  abnorme  Stelle 
an  der  Vorderseite,  hier  im  Rücken  der  herrschenden  Winde,  aber  in 
beiden  Fällen  sind  die  Winde  die  Ursachen  der  Verschiebung. 

Diese  Isothermengestaltung  ist  nur  der  Ausdruck  des  Gesetzes, 
daß  die  Westküsten  in  höheren  Breiten  wärmer,  in  niederen  Breiten 
kälter  sind  als  die  Ostküsten.  Theoretisch  sollten  ja  beide  Küsten 
nahezu  gleich  warm  sein,  unter  dem  Einfluß  der  Westwinde  verschiebt 
sich  aber  in  der  äußeren  Zone  unserer  Halbkugel  das  Seeklima  im 
Westen  weit  in  das  Land  hinein,  und  ebenso  verschiebt  sich  das 
Landklima  gegen  die  Ostküste  und  macht  seinen  erkältenden  Ein- 
fluß noch  weit  in  das  Meer  hinaus  geltend.  In  der  Zone  der 
Passate  sind  auch  die  von  diesen  Seewinden  getroffenen  Küsten  die 
wärmeren,  aber  die  Verkettung  von  Ursache  und  Wirkung  ist  hier 
eine  andere.  Hier  schiebt  sich  ein  Zwischenglied  ein,  das  wir  erst 
später  genauer  kennen  lernen  werden:  die  Erkaltung  des  Meerwassers 
an  den  Westküsten  Afrikas  und  des  tropischen  Amerikas  durch  Auf- 
steigen von  Tiefenwasser  imd  Zufluß  polaren  Wassers.  Wo  dieses 
kalte  Küstenwasser  fehlt,  wie  in  Australien,  da  ist  die  Ostküste  die 
kühlere,  weil  sie  vom  Seewind  überweht  wird  und  das  tropische 
Seeklima  ja  kälter  ist  als  das  Landklima. 

Die  dritte  Unregelmäßigkeit  besteht  endlich  in  der  stellenweisen 
Wärmezunahme  mit  wachsender  Breite.  Der  Grund  liegt  in  der 
horizontalen  und  vertikalen  Gliederung  des  Festlandes,  im  Wechsel 
von  Land  und  Wasser  längs  eines  Meridians,  in  Vegetationsverhält- 
nissen, in  Meeresströmungen  u.  s.  w.  Verbindet  man,  wie  es  auf 
Karte  VII  geschehen  ist,  die  heißesten  Punkte  der  Meridiane  mitein- 


Die  horizontale  Verteilang  der  Temperatar.  67 


ander,  so  erhält  man  den  thermischen  Äquator,  der  in  höchst 
unregelmäßiger  Weise  zwischen  26®  N.  und  9®  S.  hin  und  her 
schwankt  und  den  mathematischen  Gleicher  stellenweise  kreuzt 
Daß  er  im  Pazifischen  Ozean  auf  die  Südhemisphäre  hinübertritt,  ist 
wohl  in  den  Strömungsverhältnissen  begründet,  sonst  liegt  er  aber 
fast  durchaus  auf  unserer  Halbkugel  und  bewegt  sich  auf  den  Fest- 
ländern am  weitesten  polwärts.  Warum  er  in  Afrika,  wo  am  wirk- 
lichen Äquator  doch  auch  breites  Land  ist,  so  weit  nach  Norden 
sich  verschiebt,  mag  auffallen,  ist  aber  ohne  weiteres  erklärlich, 
wenn  man  erwägt,  daß  er  eine  Wüste  durchzieht,  die  im  Sommer 
außerordentlich  sich  erhitzt  und  ihre  Wärme  den  untersten  Luft- 
schichten mitteilt,  während  am  Gleicher  das  Land  mit  Vegetation 
bedeckt  ist  Deshalb  liegt  auch  in  Amerika  die  heißeste  Stelle  nicht 
im  üppig  bewaldeten  Äquatorialstreifen,  sondern  im  trockenen 
Binnenlande  Mexicos. 

Ob  die  Pole  die  kältesten  Punkte  der  Erdoberfläche  sind,  wie 
es  das  solare  Klima  verlangt,  wissen  wir  nicht  In  Bezug  auf  den 
Südpol  läßt  sich  nicht  einmal  eine  Vermutung  aussprechen,  auf  der 
nördlichen  Halbkugel  deutet  manches  darauf  hin,  daß  der  thermische 
Pol  etwas  gegen  Amerika  verschoben  ist  Der  kälteste  Ort,  von  dem 
wir  eine  zusammenhängende  Beobachtungsreihe  haben,  ist  die  Lady 
Franklin-Bay  an  der  Ostktiste  von  Grinnellland  (82^  27'  N.)  mit 
einer  mittleren  Jahrestemperatur  von  —20*^.  Außer  dem  hypothe- 
tischen Kältepole  giebt  es  aber  noch  ein  paar  Kältezentren,  wo 
nach  allen  Seiten,  auch  gegen  Norden  die  Temperatur  abnimmt: 
das  eine  im  grönländischen  Inlandeise,  das  andere  in  Ost- 
sibirien, das  aber  auf  unserer  Karte  nicht  zur  Darstellung  gelangt, 
weil  die  geschlossene  Isotherme  von  —  17®  im  Janagebiete  in  das 
von  uns  adoptierte  Dezimalsystem  nicht  hineinpaßt  Auffallender- 
weise finden  wir  in  Nordamerika  kein  Gegenstück  dazu;  es  erklärt  sich 
das,  wenn  auch  noch  keineswegs  zur  vollen  Befriedigung,  aus  der 
winterlichen  Wärmeverteilung,  zu  deren  Besprechung  wir  jetzt  über- 
gehen. 

Wärmeverteilung  in  den  extremen  Monaten^  Die  mittlere  Jahres- 
temperatur ist  eigentlich  ein  imaginärer  Wert,  denn  die  Sonne  wandert 
im  Verlaufe  eines  Jahres  von  einer  Hemisphäre  zur  anderen,  und 
mit  ihr  das  ganze  Isothermensystem,  der  Wärmeäquator  sowohl,  wie 
die  beiden  Grenzlinien  zwischen  der  inneren  und  den  äußeren  Zonen. 
Nur  in  den  XJbergangsjahreszeiten  nähert  sich  die  Wärmeverteilung 
dem  mittleren  Zustande,  im  Januar  und  Juli  weicht  sie  am  meisten 
davon  ab.  Aber  nicht  im  gleichen  Sinne.  Alles  was  wir  früher 
als  Abweichung  vom  Normalen   bezeichnet  haben,   gelangt  in  der 


68  Die  Lufthülle. 


inneren  Zone  im  Sommer,  in  der  äußeren  im  Winter  zur  höchsten 
Entfaltung.  In  diesen  Jahreszeiten  bleibt  fllr  die  betreflFende  Zone 
der  Charakter  der  Jahresisothermen  zwar  gewahrt,  ist  aber  bis  zum 
Extrem  verzerrt.  Man  ersieht  das  am  besten  aus  der  Knickung 
der  Isothermen,  die  immer  einen  schroffen  Übergang  vom  See-  zum 
Landklima  unter  gleicher  Breite  anzeigt  Im  Sommer  schwächt  sich 
in  der  äußeren  und  im  Winter  in  der  inneren  Zone  der  Gegensatz  von 
Wasser  und  Land  ab,  und  der  Einfluß  der  Polhöhe  gewinnt  an 
Bedeutung. 

Der  thermische  Äquator  liegt  im  Januar  (s.  Karte  IV)  zum 
größten  Teil  in  der  Südhemisphäre,  am  weitesten  ausgebuchtet  auf 
den  Kontinenten,  wo  in  den  trockenen  Gebieten  die  Hitze  über  30*^ 
steigt,  in  Südamerika  allerdings  nur  im  westlichen  Argentinien,  wäh- 
rend das  innere  Australien  ein  wahrer  Glutofen  ist,  ähnlich  wie  die 
Wüstendistrikte  Nordafrikas  und  Vorderasiens  im  Juli.  Die  innere 
Zone  umfaßt  alle  südlichen  Festländer,  auf  unserer  Halbkugel  be- 
ginnt die  äußere  Zone  aber  schon  zwischen  10^  und  20^  B.  Unsere 
Aufmerksamkeit  wird  hier  weniger  durch  die  pazifischen  Verhält- 
nisse gefesselt,  als  durch  jene  im  Umkreise  des  Atlantischen  Ozeans 
vom  Felsengebirge  bis  zum  Ostrande  Asiens.  Hier  wirkt  der  Golf- 
strom in  der  That  als  Warmwasserheizung,  aber  nur  das  europäische 
Gestade  überfluten  die  herrschenden  Westwinde  mit  lauen  atlan- 
tischen Lüften,  an  der  Ostküste  der  alten  und  neuen  Welt  kommen 
sie  als  kalte  Landwinde  an.  Der  Gegensatz  von  West  und  Ost 
wird  noch  dadurch  verschärft,  daß  die  Seewinde  an  den  Westküsten 
feucht  sind:  der  bewölkte  BUmmel  hindert  die  Ausstrahlung,  die  bei 
der  Kondensation  des  Wasserdampfes  frei  werdende  Wärme  erhöht 
die  Temperatur.  Die  entgegengesetzte  Wirkung  hat  das  trockene 
klare  Wetter  an  der  Ostküste  Asiens.  Dagegen  sind  die  kalten 
Polarströme  an  den  Ostseiten  der  Nordkontinente  von  geringerer 
thermischer  Bedeutung.  Sie  sind  schmal,  und  ihre  Temperatur  wird 
nicht  durch  die  herrschenden  Winde  den  benachbarten  Küsten- 
strichen mitgeteilt,  wie  die  der  warmen  Strömungen  den  westlichen 
Gestaden.  Nur  in  der  nordostasiatischen  Inselwelt,  die  an  der 
Westküste  von  einem  Zweige  des  warmen  Kuro  Schio  und  an  der 
Ostküste  von  einer  kalten  Strömung  aus  dem  Ochotskischen  Eis- 
meere berührt  werden,  entstehen  Gegensätze,  die  im  Kleinen  den 
Kontrast  zwischen  den  West-  und  Ostseiten  der  Kontinente  wieder- 
holen. Noch  gewaltiger  ist  der  Unterschied  zwischen  dem  winter- 
lichen Land-  und  Seeklima.  Der  Ostschenkel  der  atlantischen  Iso- 
thermenknickung nimmt  einen  meridionalen  Verlauf,  ja  wendet  sich 
zum  Teil  sogar  widersinnig  gegen  Südwesten  und  Westen.    So  wird 


Die  horizontale  Verteilung  der  Temperatur. 


die  Wärmeabnahme  in  der  alten  Welt  von  West  nach  Ost  stärker  als 
Ton  Süd  nach  Nord.  Zwischen  der  südlichsten  und  nördlichsten 
Stadt  Europas,  Tarifa  und  Hammerfest,  beträgt  sie  durchschnittlich 
für  100  km  0,44^,  dagegen  zwischen  Europa  und  Westsibirien,  auf 
das  gleiche  Maß  reduziert,  im  56.  Parallel  0,6i^  und  im  63.  sogar 
0,82®.  Die  0^- Isotherme  tiberschreitet  an  der  norwegischen  Küste 
den  Polarkreis,  sinkt  im  östlichen  Asien  bis  zum  34.  Breitengrade 
herab,  steigt  dann  in  Japan  wieder  bis  40^  und  an  der  amerikanischen 
Westküste  bis  59®,  um  im  Innern  der  Union  bis  38®  herabzusinken 
und  die  Ostküste  unter  ca.  40®  B.  zu  erreichen.  Schanghai  unter 
der  Breite  von  Alexandrien  hat  dieselbe  mittlere  Januartemperatur 
wie  Thorshaven  auf  Färöer  unter  62®  B.  und  die  amerikanische  Ost- 
küste in  der  Breite  von  Sizilien.  Am  schroffsten  sind  die  Gegen- 
satze an  den  atlantischen  Gestaden,  wo  in  Eristiansund  und  Aale- 
sund an  der  norwegischen  Küste  die  mittlere  Tagestemperatur  nie 
unter  0®  sinkt,  während  an  der  amerikanischen  selbst  die  mittlere 
Monatstemperatur  auf  —20®  und  darunter  fällt 

Alle  Isothermenkarten  verzeichnen  in  Ostsibirien  ein  Eälte- 
zentrum  von  enormer  Tiefe.  In  Breiten,  wo  die  Lufttemperatur  auf 
dem  Atlantischen  Ozean  sich  über  dem  Gefrierpunkte  hält  und  die 
norwegische  Küste  so  warm  ist,  wie  das  pontische  Gestade  Süd- 
rußlands, beträgt  die  mittlere  Jahrestemperatur  in  Jakutsk  (62®  N.) 
—42,8®,  sie  sinkt  in  Werchojansk  am  Janaflusse  auf  —52,7®  und 
steigt  in  Ustjansk  an  der  arktischen  Küste  wieder  auf  —41,4®.  Dies 
ist  die  Gegend,  wo  überhaupt  die  tiefsten  Temperaturen  beobachtet 
wurden:  so  in  Irkutsk  —62®  und  in  Werchojansk  —68®,  während 
als  absolutes  Minimum  auf  der  westlichen  Hemisphäre  (am  Floeberg 
Beach)  bisher  nur  —58,7®  notiert  wurde.  Indes  hat  Woeikow 
Zweifel  an  der  lüchtigkeit  der  üblichen  Darstellung,  der  auch  wir 
gefolgt  sind,  ausgesprochen.  Er  hat  darauf  aufinerksam  gemacht, 
daß  die  Stationen  hier  alle  in  den  Thälem  liegen,  und  daß  aller 
Wahrscheinlichkeit  nach  die  Temperatur  im  Winter  mit  der  Höhe 
zunimmt  Die  tiefsten  geschlossenen  Isothermen  müßten  also  schmale 
Kältebänder  entlang  den  Flußläufen  umsäumen,  anstatt  in  weiter 
Ausdehnung  Berg  und  Thal  zu  umschließen.  Aber  selbst  wenn  wir 
uns  dieser  Auffassung  anschließen,  eines  ist  unzweifelhaft,  die  außer- 
gewöhnliche Erkaltung  Ostsibiriens  im  Vergleiche  zu  den  Binnen- 
landschaften Nordamerikas  in  gleicher  Breite.  Wir  werden  bei 
Besprechung  der  Luftdruckverteilung  in  Ostsibirien  ebenso  abnorme 
Verhältnisse  ausgebildet  finden,  und  unzweifelhaft  besteht  zwischen 
beiden  meteorologischen  Elementen  eine  Wechselbeziehung.  Schon 
an  der  Grenze  zwischen  West-  und  Ostsibirien  sinkt  das  Thermo- 


70  Die  LufthüUe. 


meter  bei  Windstille  im  Winter  außerordentlich  tief,  während  alle 
stärkeren  Winde  die  Temperatur  erhöhen,  gleichgültig  aus  welcher 
Himmelsrichtung  sie  wehen.  Bei  Windstille  stagnieren  die  durch 
die  heftige  Ausstrahlung  des  schneebedeckten  Bodens  erkalteten 
unteren  Luftschichten,  und  es  kommt,  um  sehr  tiefe  Temperatur- 
grade zu  erzeugen,  nur  darauf  an,  daß  Kalmen  vorherrschen.  Das  ist 
nun  in  Ostsibirien  der  Fall.  Die  hügelige  Natur  des  ganzen  Landes, 
die  ziemlich  hohe  Scheidewand,  die  das  Stanowoi-Gebirge  zwischen 
Ostsibirien  und  dem  Pazifischen  Ozean  aufrichtet,  hindern  den 
Abfluß  der  kalten  Tiefenluft  zu  den  umgebenden  Gebieten  niederen 
Barometerstandes;  während  die  Luft  des  canadischen  Mackenzie- 
beckens,  das  sonst  unter  ähnlichen  Bedingungen  steht,  wie  Ostsibirien, 
nach  Norden,  Osten,  Süden  freie  Bahn  findet. 

Ein  zweites  Eältezentrum  bildet  die  Eiswüste  Grönlands,  wo 
Nansen  in  Seehöhen  von  über  2000  m  schon  im  September  1888 
Nächte  erlebte,  in  denen  sein  nur  bis  —30®  gehendes  Thermometer 
völlig  versagte.  Mohn*  berechnete  auf  konstruktivem  Wege  ein 
Minimum  von  —45®!  Es  dürfte  also  das  grönländische  Kälte- 
zentrum dem  ostsibirischen  nicht  viel  nachgeben,  ja  vielleicht  es 
sogar  übertreffen,  aber  trotzdem  möchten  wir  es  vermeiden,  beide 
Gegenden,  wie  üblich,  als  Kältepole  zu  bezeichnen,  solange  wir 
über  die  Verhältnisse  um  den  mathematischen  Pol  noch  gänzlich 
im  Unklaren  sind.  Sicher  befindet  sich  auch  hier  ein  Kältezentrum, 
aber  welches  von  den  dreien  oder  ob  alle  drei  den  Namen  Kältepol 
verdienen,  das  zu  entscheiden  muß  der  Zukunft  vorbehalten  bleiben. 

Ln  Juli  (s.  Karte  V)  steigt  der  Wärmeäquator  weit  in  unsere 
Hemisphäre  hinauf,  besonders  in  Asien  und  Nordamerika,  wo  er 
dem  30.  Parallel  sich  nähert,  vielleicht  ihn  sogar  überschreitet 
Auch  hier  sind  wieder  Mitteltemperaturen  über  30^  an  die  vege- 
tationsarmen Gebiete  gebunden;  am  heißesten  ist  die  Sahara.  Die 
Grenze  zwischen  der  inneren  und  äußeren  Zone  liegt  in  Australien 
und  Südamerika  in  ca.  20^  B.,  auf  der  nördlichen  Halbkugel  um- 
faßt die  innere  Zone  die  Kontinente  bis  über  70^  B.,  mit  Ausnahme 
von  Grönland.  Überall  ist  das  Meer  kälter  als  das  Land,  die 
Isothermen  steigen  auf  dem  Festlande  polwärts  an,  und  senken 
sich  auf  der  See  äquatorwärts,  aber  die  Wärmeunterschiede  sind 
im  allgemeinen  doch  nicht  so  groß  als  die  entgegengesetzten  im 
Januar;  nur  im  westlichen  Nordamerika  zeigen  die  dichtgedrängten 
meridionalen  oder  sogar  übergekippten  Isothermen  eine  beispielslos 
rasche  Wärmezunahme  von  der  Küste  nach  dem  Inneren  des  Landes 
an.  San  Diego  am  californischen  Gestade,  das  unter  dem  Einflüsse 
einer  kühlen  Meeresströmung  und  vorherrschender  Seewinde  steht, 


Die  horizontale  Verteilung  der  Temperatur.  71 


hat  eine  mittlere  Jahrestemperatur  von  21,3^,  das  nur  240  km  davon 
entfernte  Fort  Yuma  in  der  Coloradowüste  dagegen  34,i*^.  Das 
ergiebt  in  östlicher  Richtung  eine  Wärmesteigerung  von  1^  für 
nicht  ganz  19  km. 

Das  sibirische  Eältezentrum  ist  verschwunden,  selbst  Werchojansk 
hat  eine  mittlere  Julitemperatur  von  14,4®  und  ist  beträchtlich  wärmer 
als  Nordamerika  unter  gleicher  Breite,  das  schutzlos  den  polaren 
Winden  preisgegeben  ist  Man  beachte  besonders,  wie  die  tief 
eindringende  Hudsonbai,  die  erst  spät  ihr  Eis  verliert,  die  Iso- 
thermen nach  Süden  zurückdrängt  So  wird  Labrador,  in  der  Breite 
von  England  und  Norddeutschland,  eines  der  unwirtlichsten  Länder, 
denn  nicht  die  mittlere  Jahrestemperatur  und  die  Winterkälte 
ist  entscheidend  für  den  Kulturwert  eines  Landes,  sondern  die  Sommer- 
wärme. Abgesehen  vom  Pole  dürfte  die  kälteste  Gegend  das  Eis- 
plateau des  inneren  Grönlands  sein,  denn  obwohl  hier  die  Wärme- 
zufuhr eine  beträchtliche  ist,  so  geht  sie  doch  größtenteils  im  Tau- 
prozesse wieder  verloren,  so  daß  die  Luft  niemals  dauernd  über  0^ 
erwärmt  werden  kann.  Soweit  aber  sonst  die  Beobachtungen  reichen, 
sinkt  die  mittlere  Monatstemperatur  nirgends  unter  den  Gefrierpunkt, 
während  auf  der  südlichen  Hemisphäre  Boss  im  Jahre  1843  schon 
in  der  Breite  von  Island  einen  Januar  mit  —0,7^  Mitteltemperatur 
verlebte. 

Auf  dieser  Halbkugel  nehmen  die  Isothermen  einen  einfacheren 
Verlauf  als  im  Sommer,  weil  die  Kontinente  nicht  in  hohe  Breiten 
hineinreichen.  Die  West-  und  Ostküsten  von  Afrika  und  Süd- 
amerika zeigen  dasselbe  thermische  Verhalten  wie  im  Januar,  nur 
ist  die  Wärmedifferenz  in  der  Nähe  des  Äquators  größer,  weiter 
gegen  Süden  aber  kleiner  als  im  heißesten  Monat  Den  schärfsten 
Gegensatz  bilden  die  brasilianische  und  die  peruanische  Küste.  Lima 
unter  12*^  B.  und  172  m  ü.  M.  hat  eine  mittlere  Julitemperatur  von 
14,7®,  die  im  Osten  erst  unter  27®  B.  erreicht  wird.  Der  Unter- 
schied von  15  Breitengraden  wird  zwar  auf  der  Nordhemisphäre 
übertroffen,  aber  nirgends  finden  wir  wieder  eine  so  niedrige  Tem- 
peratur so  nahe  dem  Äquator. 

Bnrclischnittstemperatiir  der  Parallelkreiie,  Meridiane,  Erdteile 
vnd  Keere;  Iianomalen«  Nach  den  Isothermenkarten  hat  zuerst  Doye 
die  „Normaltemperaturen",  richtiger  gesagt,  die  Durchschnitts- 
temperaturen der  Parallelkreise  berechnet,  und  in  neuester 
Zeit  hat  Spitaler  mit  Zuhilfenahme  des  inzwischen  reichlich  ange- 
wachsenen Beobachtungsmaterials,  wie  es  in  Hanns  Isothermenkarten 
niedergelegt  ist,  diese  Operation  wiederholt*  Ich  füge  seinen  Ergeb- 
nissen nur    noch    einige    Berichtigungen    hinzu,    die    die    neueste 


72 

Die  Lufthülle. 

Konstruktion    der   Grönland-Isothermen 

durch   M 

ohn    not 

wendig 

machten. 

Durchschnittstempera 

turen  d( 

3r 

Breitengrade. 

Breite 

Jahr        Januar 

Juli 

Breite 

Jahr 

Januar 

Juli 

80  «N. 

-17,0^       -32^ 

2,40 

lO^N. 

26,4 

25,7 

26,7 

70 

-10,2         -26,1 

6,8 

0 

25,9 

26,2 

25,5 

60 

-  0,8         -16,0 

14,1 

10  S. 

25,0 

25,9 

24,0 

50 

5,.         -   7,2 

18,1 

20 

22,7 

25,» 

20,5 

40 

14,0               3,9 

23,8 

30 

18,5 

22,8 

15,» 

30 

20,s             13,9 

27,4 

40 

11,8 

16,1 

9,7 

20 

25,7             21,7 

28,1 

50 

5,9 

8,1 

3,2 

Der  Gegensatz  zwischen  den  beiden  Halbkugeln  springt  aus  diesen 
Zahlen  sofort  in  die  Augen,  nur  muß  man  den  nördlichen  Januar  mit 
dem  südlichen  Juli  und  umgekehrt  vergleichen.  Im  wärmsten  Monat  ist 
die  ganze  nördliche  Hemisphäre  wärmer,  als  die  südliche,  im  kältesten 
aber  nur  vom  Äquator  bis  26,3®  B.,  und  im  Jahresmittel  nur  zwischen 
0  und  45,3®  B.  In  den  höheren  Breiten,  wenigstens  bis  zum  mut- 
maßlichen anarktischen  Festlande,  liegt  das  thermische  Übergewicht 
auf  der  südlichen  Halbkugel,  in  deren  ununterbrochenen  Wassergürtel 
hier  nur  noch  ein  schmaler  Ausläufer  der  neuen  Welt  hineinragt 
Was  wir  oben  (s.  S.  63)  über  das  Verhältnis  von  Land-  und  Seeklima 
in  verschiedenen  Breiten  sagten,  findet  also  hier  wieder  seine  Be- 
stätigung. Im  kältesten  Monat  hat  die  nördliche,  vorwiegend  Land- 
hemisphäre eine  Mitteltemperatur  von  8,0®,  die  südliche,  ozeanische 
eine  solche  von  12,3®;  im  wärmsten  Monat  hat  die  erstere  22,6°, 
die  letztere  nur  17,6®.  Im  Jahresmittel  gleichen  sich  die  Gegensätze 
wahrscheinlich  ganz  aus^  so  daß  die  Durchschnittstemperatur  jeder 
Halbkugel  etwa  15®  beträgt 

Man  hat  auch  sog.  Durchschnittstemperaturen  ftir  die  ein- 
zelnen Breitenzonen  (Spitaleb,  v.  Tillo®),  für  die  Meridiane  (Buys- 
Ballot^  und  für  die  Erdteile  und  Meere  (v.  Tillo®)  berechnet;  alle 
diese  Zahlenreihen  variieren  nur  das  Grundgesetz  von  dem  Gegensatze 
des  Land-  und  Seeklimas.  Noch  deutlicher  kommt  dies  auf  den  Isa- 
nomalenkarten  zum  Ausdrucke. 

Die  Berechnung  der  fälschlich  sogenannten  Normaltemperaturen 
führte  Do  VE  zur  Aufstellung  des  Begriffes  der  thermischen  Ano- 
malie. Man  versteht  darunter  die  Abweichung  der  Temperatur  eines 
Ortes  von  der  Durchschnittstemperatur  seiner  Breite.  Ist  die  Ano- 
malie positiv,  so  gilt  der  betreffende  Ort  als  zu  warm,  im  entgegen- 
gesetzten Falle  als  zu  kalt.  In  neuerer  Zeit  hat  auch  Spitaler*  Karten 
entworfen,  auf  welchen  die  Orte  gleicher  Anomalie  durch  Linien, 
sogenannte  Isonomalen  miteinander  verbunden  sind.    Auf  Taf.  Yl 


Die  horizontale  Verteilung  der  Temperatur. 


73 


ist  die  Anomalie  in  beiden  extremen  Monaten  zur  Darstellung  ge- 
bracht 

Konstant  zu  warm  sind  die  Westseiten  der  nordhemisphärischen 
Festländer,  aber  aus  orographischen  Gründen  in  sehr  verschiedener 
Ausdehnung.  Denn  während  in  Amerika  das  Cordillerensystem  der 
Seeluft  nicht  gestattet  über  den  schmalen  pazifischen  Küstenstrich 


lecf* 


Fig.  19.     Thermische  Anomalie  in  50  <*  N.  B. 


Pö« 


W.    (f 


Fig.  20.     Thermische  Anomalie  in  20  ^  8.  B. 

In  Fig.  10  und  20  bedeutet  N  die  Durchschnittstemperatur  des  betreffenden   Breiten- 
grades, +  bedeutet  positive,   —  negative  Anomalie.       Anomalie  im  Januar. 


Anomalie  im  Juli. 


binnenwärts  vorzudringen,  werden  im  ofiFen  liegenden  Westeuropa 
ausgedehnte  Länder  derWohlthat  der  atlantischen  Winterwärme  teil- 
haftig. Zu  kalt  sind  die  Ostseiten,  und  auch  darin  zeigt  sich  wieder 
die  Bevorzugung  der  alten  Welt.  In  den  übrigen  Gebieten  wechselt 
die  thermische  Anomalie  im  Laufe  des  Jahres  ihre  Zeichen:  die 
Meere  sind  im  Winter  zu  warm  und  im  Sommer  zu  kalt,  das  Innere 
der  Kontinente  ist  im  Sommer  zu  warm  und  im  Winter  zu  kalt 
So  ordnen  sich  etwa  nördlich  von  20^  N.  die  vier  Arten  der  ther- 
mischen Anomalie  in  meridionalen  Streifen  an.  Aus  Fig.  19.  wird 
dies  noch  deutlicher,  wir  ersehen  daraus  aber  auch,  daß  die  winter- 
lichen Anomalien  viel  größer  sind,  als  die  sommerlichen.  Umgekehrt 
verhält  es  sich  aber  in  den  Tropen  (vgl.  Fig.  20),  wo  die  Erhitzung 


74  Die  LufthüUe. 


des  Festlandes  durch  die  senkrechten  Sonnenstrahlen  entscheidend 
wirkt  Aber  im  großen  und  ganzen  entspricht  die  Temperaturrer- 
teilung  in  den  Tropen  viel  mehr  dem  solaren  Klima,  als  in  unseren 
Breiten ;  es  gilt  der  allgemeine  Satz,  daß  die  Anomalie  um  so  großer 
wird,  je  mehr  die  Isothermen  von  den  Parallelkreisen  abweichen. 
Innerhalb  des  circumterranen  Ozeans  können  nur  Meeresströmungen 
kleine  Anomalien  hervorrufen. 

Auch  in  den  Tropen  wechseln  die  vier  oben  genannten  Arten 
der  Anomalien  miteinander  ab;  aber  die  permanent  kalten  Gebiete 
liegen  nun  im  Westen,  die  permanent  warmen  Gebiete  im  Osten  der 
Festländer,  —  Australien  ausgenommen.  Bemerkenswert  ist  der 
große  Gürtel  beständiger  positiver  Anomahe,  welcher  sich  zwischen 
10  und  20^  S.  fast  um  die  ganze  Erde  schlingt,  nur  unterbrochen 
durch  die  verhältnismäßig  kalten  Meeresräume  im  Westen  Afrikas 
und  Südamerikas. 

Temperaturzonen.  Wenn  wir  das,  was  über  die  horizontale 
Wärmeverteilung  bisher  gesagt  wurde,  überblicken,  so  ergiebt  sich, 
daß  das  wirkliche  Klima  zwar  auf  dem  solaren  beruht,  aber  stellen- 
weise mehr  oder  minder  beträchtlich  von  demselben  abweicht  Die 
alten  Klimagürtel  (s.  S.  46)  aufrecht  zu  erhalten,  ist  unter  solchen 
Umständen  vergebliches  Bestreben,  denn  was  nützt  eine  Regel,  wenn 
die  Ausnahmen  überwiegen?  An  die  Stelle  von  Wende-  und  Polar- 
kreisen, die  die  mathematischen  Zonen  begrenzen,  sind  also  Iso- 
thermen zu  setzen  (s.  Taf.VII). 

Für  die  Polargrenzen  der  warmen  Zone  eignen  sich  am 
besten  die  Jahresisothermen  von  20^  Sie  fallen  im  großen  und 
ganzen  zusammen  mit  den  Polargrenzen  der  Palmen,  die  Gbisebach 
den  reinsten  Ausdruck  des  Tropenklimas  nannte,  und  auch  mit 
jenen  der  Passatwinde,  die  —  wie  wir  später  sehen  werden  —  für  die 
warmen  Erdgegenden  so  sehr  charakteristisch  sind.  Für  die  Abgren- 
zung der  gemäßigten  von  den  kalten  Zonen  habe  ich  ursprünglich 
die  Jahresisotherme  von  0^  vorgeschlagen.  Dieselbe  hat  allerdings 
zunächst  nur  theoretische  Bedeutung,  aber  praktisch  doch  auch  in- 
sofern, als  innerhalb  der  0 ^-Isotherme  beständiges  Bodeneis  vor- 
kommt Nach  Wilds  Annahme  tritt  es  dort  auf,  wo  die  Jahres- 
temperatur —  2°  beträgt;  in  der  That  ist  aber  seine  Verbreitung 
von  einer  Reihe  anderer  Umstände  abhängig,  unter  denen,  wie  Wobikow 
gezeigt  hat,  der  Schnee  am  wichtigsten  ist  Als  schlechter  Wärme- 
leiter schützt  die  Schneedecke  den  Boden  vor  Ausstrahlung,  und  ein 
Eisboden  entwickelt  sich  erst  dort,  wo  die  Jahrestemperatur  unter 
—  5^  herabsinkt;  während  dort,  wo  sie  fehlt,  wie  z.B.  in  weiten 
Gebieten   Zentralasiens,  der   Boden   schon   bei   höheren   Mitteltem- 


Die  horizontale  Verteilung  der  Temperatur. 


75 


peraturen  in  einer  gewissen  Tiefe  dauernd  gefriert.  Es  ist  auch 
mit  Becht  der  Einwurf  erhoben  worden,  daß  jenseits  der  Nulliso- 
therme sehr  verschiedene  Elimate  existieren,  verschieden  nämliche 
wenn  wir  den  Einfluß  des  Klimas  auf  die  Pflanzenwelt  und  damit 
auch  auf  den  Menschen  berücksichtigen.  Allen  Anforderungen  einer 
guten  Grenze  entspricht  dagegen  die  10^-Isotherme  des  wärmsten 
Monats.  Die  Sommerwärme  ist  für  die  Vegetation  entschei- 
dend, die  Winterkälte  ist  ohne  Einfluß.  Wo  die  Mitteltemperatur 
des  wärmsten  Monats  10^  nicht  mehr  erreicht,  da  ist  Wald  wuchs 
und  Getreidebau  ausgeschlossen,  und  damit  nehmen  die  menschlichen 
Eolturformen  eine  andere  Gestaltung  an. 

Den  Unterschied  der  mathematischen  Klimagürtel  und  unserer 
Temperaturzonen  entnimmt  man  deutlich  aus  folgenden  Zahlen: 


Grenze  zwischen  der 


nördl.  kalten  u.  gemäß.  Zone  . 
nördl.  gemäß,  u.  warmen  Zone 
südl.  warmen  u.  gemäß.  Zone 
sudl.  gemäß,  u.  kalten  Zone    . 


Mathem. 
Zonen 


Temperatm^onen 


Mittlere 
Lage 


66« 

27' N. 

67  <»  3'  N. 

23 

27 

30     31 

23 

27  S. 

26     58  S 

66 

27 

47     58 

Extreme 


72«     54  V,' 
38       22*/6 
36       12 
54V«  44 


Aus  der  mittleren  Lage  der  Grenzisothermen  können  wir  die 
Flächen  der  Temperaturzonen  berechnen: 


Mathem. 
Zonen 


Temperatur- 
Zonen 


Mill.  qkm 


21,24 

20,26 

132,61 

105,67 

101,12 

129,04 

101,12 

115,21 

132,61 

73,79 

21,2« 

65,97 

Nördl.  kalte  Zone  .    . 
Nördl.  gemäßigt«  Zone 
Nördl.  warme  Zone    . 
Südl.  warme  Zone 
Südl.  gemäßigte  Zone 
SfidL  kalte  Zone     .    . 


Die  warmen  Temperaturzonen  sind  ausgedehnter  als  der  Gürtel 
zwischen  den  Wendekreisen,  eine  Folge  der  großen  Entwicklung 
der  Kontinentalmassen  zu  beiden  Seiten  des  Äquators.  Aus  dem- 
selben Grunde  nimmt  auch  die  südliche  warme  Zone  eine  kleinere 
Flache  ein,  als  die  nördliche.  Das  entscheidende  ist  aber  die  ge- 
waltige Ausdehnung  der  südlichen  kalten  Zone.  Das  ist  die  Wirkung 
des  circumterranen  Meeres.    Wo  Südamerika  weiter  in  dieses  Meer 


76  Die  Lufthülle. 


hinausragt,  da  springt  auch  die  10<^- Isotherme  weiter  als  irgendwo 
anders  gegen  den  Pol  vor.  Nun  haben  wir  allerdings  einigen  Grund 
anzunehmen,  daß  um  den  antarktischen  Pol  sich  ein  Festland  lagert, 
aber  für  die  Temperaturzonen  bleibt  dies  gleichgültig.  Kontinente 
sind  machtlos,  wenn  sie  nicht  in  einem  breiten  Zusammenhange  mit 
dem  Festlande  der  gemäßigten  und  warmen  Zone  stehen.  Wenn  ein 
großes  Südpolarland  existiert,  so  ist  es  unter  einer  Eisdecke  begraben, 
wie  das  Innere  Grönlands.  — 

Von  wesentlich  anderen  Gesichtspunkten  ging  Köppbn  ®  bei  der 
Aufstellung  seiner  Wärmezonen  aus.  Er  begrenzt  dieselben  nicht 
durch  Isothermen,  sondern  berücksichtigt  nur  die  Dauer  gewisser 
Temperaturen,  und  zwar  ohne  Reduktion  auf  das  Meeresniveau.  Als 
Schwellenwerte  sind  20®  und  10®  angenommen;  über  20®  nennt 
Koppen  heiß,  10—20®  gemäßigt,  unter  10®  kalt 

Im  tropischen  Gürtel  Köppens  sind  alle  Monate  heiß,  im 
subtropischen  wenigstens  4,  höchstens  11.  Der  gemäßigte 
Gürtel  charakterisiert  sich  dadurch,  daß  wenigstens  4  Monate  ge- 
mäßigt sind;  eine  üntereinteilung  in  drei  Gürtel  wird  hier  für  notwendig 
erachtet.  Der  konstant  gemäßigte  kommt  nur  auf  den  Ozeanen,  der 
sommerheiße  nur  auf  dem  Festlande  vor;  nur  der  dritte,  mit  ge- 
mäßigtem Sommer  und  kaltem  Winter  breitet  sich,  von  einer  großen 
Unterbrechung  in  Sibirien  abgesehen,  rings  um  die  Erde  aus.  Auf 
den  gemäßigten  Gürtel  folgt  der  kalte,  in  dem  höchstens  4  Monate 
gemäßigt,  die  übrigen  kalt  sind;  endlich  der  polare  Gürtel:  alle 
Monate  kalt. 

Der  polare  Gürtel  Köppens  fällt  also  mit  unserer  kalten  Zone 
zusammen,  die  20®- Isotherme  durchschneidet  aber  verschiedene 
Dauergebiete.  Zwischen  der  einen  und  der  anderen  Einteilung  zu 
wählen,  liegt  kein  Grund  vor;  man  kann  beide  mit  Nutzen  neben- 
einander gebrauchen.  Unsere  Einteilung  hat  den,  besonders  in 
didaktischer  Beziehung  nicht  zu  unterschätzenden  Vorzug  der  Ein- 
fachheit, sie  schließt  sich  den  althergebrachten  Klimazonen  möglichst 
an,  und  endlich  kommt  den  Grenzlinien,  wie  wir  gesehen  haben, 
auch  eine  reelle  Bedeutung  zu.  Dagegen  ist  Köppens  Gesichtspunkt 
für  viele,  namentlich  pflanzengeographische  Untersuchungen  im  hohen 
Grade  fruchtbringend,  wenn  wir  uns  auch  nicht  verhehlen  können, 
daß  seine  Einteilung  einer  viel  größeren  Spezialisierung  fähig  ist 
und  diesem  Schicksale  auch  nicht  entgehen  wird,  freilich  um  sich 
damit  immer  mehr  von  der  Forderung  klarer  Übersichtlichkeit  zu 
entfernen.  Man  wird  dann  anfangen,  Karten  für  die  Dauer  ver- 
schiedener Schwellenwerte  gesondert  zu  entwerfen,  wie  das  für  Europa 
bereits   geschehen    ist®    Überhaupt   sucht  man  jetzt  in  der  Küma- 


Die  horizontale  Verteilung  der  Temperatur.  77 


tologie  nach  neuen  Methoden.  Es  möge  hier  nur  eine  erwähnt 
werdeD.  Wir  arbeiten  jetzt  ausschließlich  mit  arimethischen  Mittehi 
der  Temperatur,  des  Begens  u.  s.  w.  Neben  denselben  lassen  sich 
aber  aus  den  meteorologischen  Beobachtungen  noch  andere  Werte 
ableiten,  und  unter  diesen  hat  der  Scheitelwert,  der  vorherrschende 
oder  wahrscheinlichste  Wert,  unzweifelhaft  eine  bedeutende  Zukunft 
in  der  Klimatologie.^^  Um  das  Verhältnis  des  Mittelwertes  (M)  zum 
Scheitelwert  (S)  klar  zu  legen,  habe  ich  nach  Meyer  die  Temperaturen 
zu  Breslau,  6**  früh,  für  die  Periode  1876—85,  zusammengestellt 

Jan.    Febr.    März    April    Mai    Joni    Juli    Aug.    Sept    Okt.    Noy.    Dez. 

M.        -3,0       -0,8  0,2  4,4  8,9         13,9        15,4        14,8         11,1  6,4  1,9  -1,1 

8.       -0,e         1,5       0,4         2,2        8,0 12^2 ^1 4,i      13,2      11,2       6,5       l,a  0,4 

M-S.  -2,4    -2,s     -0,2      +2,2      +~0,9     +1^1"+ 1,8     +1,1      -0,1      -0,1    +0,6      ^^5 

Die  Scheitelwerte  sind  also  höher  in  der  kalten,  die  Mittelwerte 
in  der  warmen  Jahreszeit  Im  Januar  z.  B.  kommen  Temperaturen 
zwischen  —  2,i  bis  —3®  nur  in  5,8,  Temperaturen  von  —  0,i  bis  —  1® 
aberiiilO,2Prozent  aller  Fälle  vor.  Mit  anderen  Worten:  von  allen  Tempe- 
raturen ist  in  Breslau  im  Januar  um  6**  früh  nicht  die  Mitteltemperatur 
von  —3®,  sondern  eine  viel  mildere,  nämlich  —  0,e®  die  wahrscheinlichste. 

Eine  kartographische  Darstellung  der  mittleren  Maxim a  und 
Minima  hat  van  Bebber"  versucht  Das  Bild  der  Januar-  und 
Julüsothermen  kommt  hierin  in  verschärfter  Weise  zum  Ausdrucke. 
Mittlere  Maxima  von  40^  und  Minima  von  —50^  kommen  aus- 
schließlich auf  dem  Festlande  vor. 

Litteratarnachweise.  *  Zenkeb,  Die  Verteilung  der  Wärme  auf  der 
Eidoberflftche,  Berlin  1888.  —  '  Zenker  in  der  Meteorologischen  Zeitschrift 
1892,  S.  336  TL  380;  1893,  S.  340;  in  Petermanns  Mitteilungen  1898,  S.  39.  — 
'  bothennenkarten  für  alle  Monate  hat  seit  Dove  erst  wieder  Buchan  (im 
Challenger- Werk,  Physics  and  Chemistry,  ü.  Bd.,London  1 889),  leider  im  Fahrenheit- 
Maße  veröffentlicht  —  *  Mohn  und  Nansen,  Nansens  Durchquemng  von 
Grönland,  Gotha  1892  (105.  Ergänznngsheft  zu  Petermanns  Mitteilungen).  — 
'  Spttaler,  Die  Wftrmeverteilung  auf  der  Erdoberfläche,  in  den  Denkschriften 
d.  Wiener  Akademie  d.  Wissenschaften,  math.-naturwiss.  GL,  1886,  Bd.  LI. 
laanomalenkarte  des  Jahres  in  Petermanns  Mitteilungen  1887,  des  Januar  und 
Juli  ebendas.  1889.  Neue  „Normaltemperaturen^'  hat  Precht  (Meteorologische 
Zeitschrift  1894,  S.  81)  unter  der  Voraussetzung  berechnet,  daß  Land  und  Wasser 
aberall  gleich  verteilt  sind.  Es  sind  dies  also  völlig  imaginäre  Werte.  Auf  die 
Bezeichnung  Normaltemperatureu  haben  nur  die  auf  S.  64  mitgeteilten  An- 
spruch. —  •  V.  TiLLO,  Recherches  sur  la  r^partition  de  la  temperature  et  de 
1&  pression  atmosph^rique  k  la  surface  du  globe,  St  Petersburg  1887.  — 
'  Buys-Ballot,  Verdeeling  der  Wannte  over  de  Aarde,  Amsterdam  1888.  — 
'Koppen,  Die  W&rmezonen  der  Erde,  in  der  Meteorologischen  Zeitschrift  1884.  — 
*  SüpAN,  Die  mittlere  Dauer  der  Wärmeperioden  in  Europa,  in  Petermanns  Mit- 
teiloogen  1887.  -—  *•  H.  Meter,  Anleitung  zur  Bearbeitung  meteorologischer  Be- 
obachtungen, Berlin  1891.  —  **  van  Berber  in  Petermanns  Mitteilungen  1893,  S.  273. 


78  Die  Lufthülle. 


Die  Schwankungen  und  die  mittlere  Veränderliohki 
und  Abweichung  der  Temperatur. 

*  (Siehe  Karte  VIII.) 

Die  tägliche  Wärmeschwankung.  Das  Klima  eines  Landes  w 
nicht  bloß  durch  die  mittleren  Temperaturen  des  Jahres  und  ( 
Monate,  sondern  auch  durch  die  Schwankungen  und  die  Veränd 
lichkeit  der  Wärme  charakterisiert.  Wie  alle  meteorologischen  1 
mente  hat  auch  die  Temperatur  eine  dreifache  Periode,  e 
tägliche,  eine  jährliche  und  eine  cyklische;  von  der  letzteren  wen 
wir  bei  einer  anderen  Gelegenheit  sprechen. 

Das   tägliche  Minimum   und  Maximum   fällt   nicht   mit  d 

tiefsten   und   höchsten  Sonnenstande  zusammen,   sondern  versp^ 

sich  um  ein  paar  Stunden.    Das  Minimum  tritt  ein,  wenn  die  A 

Strahlung  der  tagsüber  empfangenen  Wärme  ihren  Höhepunkt  errei 

ji  hat,  im  Seeklima  1 — 2^  vor  Sonnenaufgang,  an  kontinentalen  Or 

l'  dagegen    bei   Sonnenaufgang    oder    einige   Minuten   nachher. 

;;  Maximum  erreicht  die  Wärme  auf  dem  Meere  und  an  den  Küs 

^  zwischen   12  und  1^  mittags  und  im  Sommer  etwas  früher  als 


'jl  Winter,  auf  den  Kontinenten  dagegen  zwischen  2  und  3^  nachmitt 

•  und  im  Sommer  etwas  später  als  im  Winter. 

1  Den  mittleren  Unterschied  zwischen  der  höchsten  und  tiefs 

'  Tagestemperatur,  wie  sie  am  Maximum-Minimum-Thermometer 

gelesen  werden  können,  nennt  man  die  unperiodische  täglic 

1  Wärmeschwankung   (Amplitude),    die   Differenz   zwischen 

I  größten  und  kleinsten  Ordinate  der  mittleren  Tageskurve  dagc| 

r     ,  die  periodische.    Unmittelbar  läßt  sich  diese  nur  durch  wenigst 

j{  stündliche   Beobachtung    finden,    mittelbar    durch   geeignete   Inl 

polation  der  fehlenden  Beobachtungen.  Die  unperiodische  Schwanku 

die   stets   größer   ist   als   die  periodische,   kennen  wir  von  vie 

Stationen,  da  sie  leicht  zu  ermitteln  ist,  während  die  periodis< 

nur  für  verhältnismäßig  wenig  Orte  berechnet  wurde.   Die  Schwiei 

keit  besteht  nun  in  der  Vermengung  des  nicht  streng  miteinander  ^ 

gleichbaren  Materials,  daher  auch  die  Lehre  von  der  geographiscl 

f  Verbreitung  der  täglichen  Wärmeschwankung  leider  noch  auf  keii 

allseitig  gesicherten  Basis  ruht.    Doch  treten  jetzt  schon  die  Grui 
I  Züge  deutlich  hervor. 

Im  allgemeinen   steigt  die  tägliche  Temperaturschwankung  i 
abnehmender  und  fällt  mit  zunehmender  Bewölkung,  da  letztere 
wohl  die  Insolation  wie  auch  die  Ausstrahlung  vermindert.     Sie 
daher  in  unseren  Breiten  im  Winter  kleiner  als  im  Sommer,  verh 


Die  Schwankungen  und  die  mittlere  Veränderlichkeit  der  Temperatur.     79 

sich  aber  in  Ostindien,  soweit  die  Winter  trocken  sind,  gerade  um- 
gekehrt Auf  dem  Meere  beträgt  sie  einerseits  infolge  der  größeren 
Bewölkung,  anderseits  wegen  der  geringen  thermischen  Leitungs- 
fahigkeit  des  Wassers  nur  1 — 2®;  an  den  Küsten  ist  sie  etwas 
größer,  und  noch  größer  im  kontinentalen  Tieflande.  So  steigert  sie 
sich  im  Jahresmittel  auf  dem  55.  Breitengrade  von  3,7®  in  Kopen- 
hagen auf  4,8®  in  Moskau  und  5,i®  in  Kasan.  In  der  turanischen 
Niederung,  wo  der  vegetationslose  Boden  sich  rasch  erwärmt  und 
abkühlt,  erreicht  sie  unter  41 — 42®  B.  12®  und  darüber.  Noch  größer 
ist  sie  in  den  australischen  Ebenen,  selbst  in  geringer  Entfernung 
vom  Meere.  So  hat  z.  B.  HoUow  in  Queensland,  nur  40  km  von  der 
Küste  entfernt  und  ca.  60m  hoch,  eine  unperiodische  Schwankung 
Yon  13,1®,  und  Deniquil  im  Murray  gebiete  eine  solche  von  19,s®;  es 
ist  also  auch  die  periodische  im  letzteren  Falle  unzweifelhaft  größer 
als  in  Turan.  Die  höchsten  Werte  erreicht  sie  aber  auf  regenarmen 
Hochebenen,  wo  die  dünne,  trockene  Luft  die  Ein-  und  Ausstrah- 
lung der  Wärme  außerordentlich  befördert.  So  groß  auch  die 
Temperaturschwankung  in  der  aral-kaspischen  Steppe  ist,  so  ist  sie 
doch  im  August  und  September  um  9  bis  nahezu  12®  kleiner  als 
auf  den  Plateaus  und  in  den  Hochthälem  der  Pamir.  Auch  auf 
dem  Karakorumplateau  fand  Shaw  im  September  eine  durchschnitt- 
liche Amplitude  von  19,6®,  im  Karakaschthale  aber  bei  trübem  Wetter 
nur  13®.  Im  westlichen  Tibet  beobachtete  Przewalski  selbst  noch 
im  Dezember  eine  mittlere  Differenz  von  17,8®  zwischen  den  Tempe- 
raturen um  8^  früh  und  1^  nachmittags  und  ein  Maximum  von  26,6®. 
Schon  diese  Beispiele  belehren  uns,  daß  die  tägliche  Amplitude  auf 
dem  zentralasiatischen  Hochlande  selbst  die  in  den  Sandwüsten  der 
Sahara  übertrifft,  welche  man  bisher  als  die  Gegend  der  extremsten 
Wärmeschwankungen  ansah.  Allerdings  sank  in  der  Oase  Mursuk 
während  des  Aufenthaltes  von  Rohlfs  im  Winter  1865/66  die  Tempe- 
ratur in  der  Nacht  mehrere  Male  unter  den  Q-efrierpunkt,  sogar  bis 
—  5®,  aber  selbst  in  der  libyschen  Wüste  beobachtete  Jobdan  im 
Mittel  von  21  Tagen  im  Dezember  und  Januar  nur  eine  Amplitude 
von  13,6®,  während  sie  in  Kairo  in  derselben  Zeit  nur  10,i®  betrug. 
Zwischen  Mursuk  und  Schimmedru  fand  Nachtigal  sogar  zur  Zeit 
des  Zenithalstandes  der  Sonne  und  bei  heiterem  Bummel  nur  eine 
mittlere  Schwankung  von  22,4®.  Die  größte  Differenz  in  der  afrika- 
nischen Wüste,  die  Babth  unter  27,8®  B.  und  in  300  m  Seehöhe 
erlebte,  beträgt  allerdings  35®,  aber  sie  wird  in  Schatten  gestellt 
durch  die  Beobachtungen  auf  den  westlichen  Plateaus  von  Nord- 
amerika. So  betrug  die  Schwankung  zu  Wickenburg  in  Arizona 
(34®  N.,  112,7W.,  620  m  hoch)  am  28.  Juli  1877  38,9®,  am  31.  42,2® 


80 


Die  LufthflUe. 


4 


und  am  1.  August  40^.  Das  sind  einzelne  Fälle;  aber  auch  c 
stündlichen  Beobachtungen  der  amerikanischen  Vermessim^ 
ingenieure  auf  den  Plateaus  des  Felsengebirges  zwischen  35  m 
42®  B.  ergaben  für  die  Seehöhe  von  1500 — 1600  m  so  enorm  ho 
monatliche  Mittelwerte  (Juli  24,2®,  August  20,8  und  November  19. 
wie  sie  kaum  noch  irgendwo  vorkommen  dürften.  Dieser  Charakt^ 
zug  ist  übrigens  auch  den  tropischen  Hochebenen  insofern  eigen,  i 
die  Wärmeschwankung  hier  größer  ist  als  im  benachbarten  Tieflanc 
So  beträgt  sie  z.  B.  auf  dem  Plateau  von  Guatemala  (1480  m  I 
9,6®,  in  Belize  an  der  Küste  aber  nur  2,9®. 

Im  Gebirge  ist  die  tägliche  Temperaturschwankung  in  d( 
Hochthälem  größer  als  in  der  Ebene,  auf  den  Berggipfeln  dagegi 
kleiner;  und  der  Satz,  daß  sie  mit  der  Höhe  abnehme,  findet  dah 
nur  auf  die  letzteren  Anwendung.  Nachstehende,  von  Woeikc 
entlehnte  Tabelle  ist  in  dieser  Beziehung  sehr  lehrreich.  Man  ve 
gleiche  nur  Altstätten  mit  dem  benachbarten  Gäbris  oder  Beve 
mit  dem  nur  wenig  höheren  Kigi.  Nicht  bloß  die  größere  Trocke 
heit  der  Atmosphäre  in  den  Thälem,  sondern  auch  die  starke 
Abkühlung  in  den  Wintemächten,  wenn  die  schwere  kalte  Luft  \ 
den  Gehängen  herabfließt,  um  sich  ruhig  über  dem  Thalboden  : 
lagern,  begünstigt  die  Steigerung  der  Wärmeschwankung.  Die  Päss 
nicht  so  frei  wie  die  Berggipfel,  aber  auch  nicht  so  eingeschloss< 
wie  die  Thäler,  vermitteln  zwischen  diesen  Extremen. 


Höhe  m 

Jahr 

Winter 

Somm« 

Hochebene 

Bern 

574 

7,0« 

4,oO 

9,.« 

Altstätten 

;          478 

6,3 

3,0 

9,3 

Hochthal 

1 

Bevers 

1715 

10,6 

7,. 

11,. 

Paß. 

St  Bernhard 

2478 

4,8 

2,» 

5,i 

Gipfel 

1 

Gäbris 

1250 

3,8 

2,3 

4,T 

Rigi 

1         1784 

2,8 

1,3 

3,5 

Zunächst  ist  also  die  tägliche  Wärmeschwankung  von  d( 
topographischen  Verhältnissen  abhängig.  Der  Einfluß  d 
Polhöhe  kommt  erst  in  zweiter  Linie  in  Betracht  An  den  Küste 
Stationen  in  der  Nähe  des  Äquators  ist  die  Amplitude  nicht  groß 
als  in  unseren  Breiten,  und  nur  darin  besteht  ein  wesentlich 
Unterschied,  daß  sie  dort  —  wie  die  Tageslänge  —  das  ganze  Jal 


Die  Schwankungen  und  die  mittlere  Veränderlichkeit  der  Temperatur.     81 

hindurch  ziemlich  gleich  bleibt.  In  St  Thom6  {0<>20'N.)  beträgt 
sie  ß^y  zu  TschintBchoscho  (5^9' S.)  6,4  ^  zu  Sansibar  (6<>  10'  S.) 
4,1  ^  in  Batavia  (6 Ml'  S.)  5,9 »  und  auf  Ascension  (7<>55'  S.)  S,!». 
Auf  den  Kontinenten  tritt  unter  übrigens  gleichen  Verhältnissen 
ihre  Abnahme  mit  der  Breite  schärfer  hervor.  So  ist  sie  z.  B. 
in  Lugan  um  2,9^  größer  als  in  Moskau,  und  selbst  noch  in  Odessa 
um  1,4®,  trotz  der  Nähe  des  Meeres.  Ihr  Maximum  erreicht  sie 
auf  den  Hochplateaus  zwischen  30  und  50^  B.,  während  weiter  im 
Norden  die  Insolation  in  den  kurzen  Wintertagen  und  die  Aus- 
strahlung in  den  kiurzen  Sommernächten  zu  geringfügig  ist,  als  daß 
die  Wärme  innerhalb  24  Stunden  beträchtlich  variieren  könnte.  Im 
polaren  Gürtel  mit  seinen  monatelangen  Winternächten  und  ebenso 
langen  Sommertagen  ist  sie  naturgemäß  sehr  gering.  So  auf  Nowaja 
Semlja  unter  73Vj<»  und  auf  der  Sabine-Insel  unter  li^J^^B.  2,6®, 
in  der  Mosselbai  (79,9«  B.)  0,9 «  und  in  der  Polarisbai  (81,6®  B.)  1,6 ». 
An  den  Polen,  wo  ein  halbjähriger  Tag  mit  einer  halbjährigen 
Nacht  wechselt,  fallt  die  tägliche  Wärmeschwankung  mit  der  jähr- 
lichen zusammen. 

Die  jährliche  Wärmesohwankung^  Aus  demselben  Grunde  wie 
in  der  tägUchen,  fallen  auch  in  der  jährlichen  Temperatur- 
periode Maximum  und  Minimum  nicht  mit  dem  höchsten  und 
tie&ten  Sonnenstande  zusammen,  sondern  treten  etwas  später  ein. 
In  den  mittleren  und  höheren  Breiten  des  nördlichen  Festlandes 
ist  der  Juli  der  wärmste  und  der  Januar  der  kälteste  Monat,  auf 
dem  Meere  sind  dagegen  im  allgemeinen  Februar  und  August  die 
extremen  Monate.  In  der  tropischen  Zone  steigt  das  Thermometer 
am  höchsten,  wenn  die  Sonne  den  Scheitelpunkt  erreicht;  so  ist  in 
Columbia  der  März,  in  Zentralamerika  der  April  und  in  Mexico 
der  Mai  der  wärmste  Monat  Während  sonst  überall  die  mittleren 
Monatstemperaturen  eine  einfache  Kurve  darstellen,  zeigt  diese  in 
der  Äquatorialzone,  wo  die  beiden  Zenithstände  der  Sonne  weit 
auseinanderliegen,  zwei  Erhebungen.  Doch  ist  dies  keineswegs  eine 
allgemeine  Erscheinung.  Deutlich  ausgeprägt  ist  das  doppelte 
Maximum  z.  B.  im  südäquatorialen  Teile  des  malaischen  Archipels, 
dagegen  in  Singapore  nur  in  einer  leisen  Hebung  der  Kurve  im 
Oktober  angedeutet  In  Westafrika  tritt  es  scharf  an  der  Elfenbein- 
küste und  in  Tschintschoscho,  also  unter  5^N.  und  S.  hervor,  aber 
undeutlich  am  Äquator,  und  schon  in  Sansibar  unter  6^S.  ist  die 
einfache  Kurve  wieder  hergestellt 

Die  Differenz  der  extremen  Monatstemperatiuren  nennen  wir 
die  jährliche  Wärmeschwankung  (s.  Klarte  VHI).  Vom  Äquator, 
wo  sie  durchschnittlich  1,8^  beträgt  und  auf  den  ostindischen  Inseln 

SoPAH,  Fhyaiflcbe  Erdkunde.    2.  Aufl.  6 


82  Die  Lufthülle. 


sogar  auf  0,8^  herabsinkt,  nimmt  sie  gegen  die  Pole  zu,  gleichzei 
aber  auch  von  den  Küsten  gegen  das  Innere  der  Kontinente,  i 
Klima  mit  einer  mittleren  Jahresamplitude  bis  höchstens  15^  1 
zeichnen  wir  als  Äquatorial-,  beziehungsweise  Seeklima,  \ 
15 — 20®  als  Übergangsklima,  von  20 — 40**  als  Landklima  u 
über  40®  als  exzessives  Landklima.  Das  Seeklima  wird  du] 
warme  Winter  und  kühle  Sommer,  das  Landklima  durch  ka 
Winter  und  warme  Sommer  charakterisiert  Das  erstere  ist  i 
unserer  Hemisphäre  nördlich  vom  30.  Parallel  nur  auf  die  We 
küsten  beschränkt,  wogegen  die  Ostküsten  wegen  der  bedeutend 
Winterkälte  Landklima  haben.  Auch  in  den  höheren  Breiten  i 
Ausnahme  von  Grönland  und  in  den  mittleren  Breiten  der  Si 
halbkugel  ist  die  jährliche  Schwankung  an  den  Westküsten  kleii 
als  an  den  östlichen,  imd  dem  gleichen  GFesetze  begegnen  wir 
den  Gestaden  der  südeuropäischen  Halbinseln  und  Vorderindie 
Das  Landklima  nimmt  auf  den  Südkontinenten  wegen  ihrer  niedei 
Breite  nur  ein  verhältnismäßig  kleines  Areal  ein,  während  es  d 
weitaus  größten  Teil  der  nördlichen  Festländer  umfaßt  Der  Geg^ 
satz  der  ozeanischen  und  kontinentalen  Erdhälfte  macht  sich  wie( 
geltend;  schon  unter  40®  N.  ist  die  Jahresschwankung  durchschni 
lieh  um  10,4®  größer  als  auf  dem  entsprechenden  südlichen  Parall 
und  die  Differenz  steigert  sich  mit  der  Annäherung  an  die  Pc 
Durch  exzessives  Landklima  ist  die  Umgebung  der  winterlicl 
Kältecentren  ausgezeichnet;  das  Maximum  erreicht  die  jährlic 
Temperaturschwankung  in  Ostsibirien  (Werchojansk  67,i®).  über 
in  der  gemäßigten  und  kalten  Zone  erscheinen  die  Linien  gleid 
Amplitude  abhängig  von  den  Winterisothermen,  im  warmen  Gür 
dagegen  von  den  Sommerisothermen;  sie  verhalten  sich  also  ebei 
wie  die  Kurven  gleicher  Jahrestemperatur. 

Auf  isolierten  Berggipfeln  ist  die  Jahresschwankung  klen 
als  in  der  Ebene,  weil  die  Wärme  im  Winter  langsamer  mit  c 
Höhe  abnimmt,  als  im  Sommer.  Der  Einfluß  des  Land-  und  S< 
klimas  macht  sich  aber  auch  hier  geltend: 


H.  m 

Winter 

Sommer 

DiffeK 

3000 

-8,5» 

II,.» 

20,. 

2996 

-4,. 

5,. 

10,1 

Pikes  Peak,  Pelsengebirge   38,8®  N. 
Casa  inglese,  Ätna   87,8  N. 

In  den  Hochthälern  ist  die  jährliche  Schwankung  nicht  nur  1 
trächtlicher  als  auf  freien  Berggipfeln  in  gleichem  Niveau,  sende 
auch  größer  als  in  der  Ebene.  Folgende  Tabelle  giebt  auch  i 
Ursache  dieser  Erscheinung  an: 


Die  Schwankungen  und  die  mittlere  Veränderlichkeit  der  Temperatur.     83 


H.  m 

Kältester  M. 

Wärmster  M. 

Difierenz 

Rigi        1790 

-4,.« 

9,1» 

14,.» 

Bevers    1715 

-9,7 

11,. 

21,. 

Basel        278 

0,t 

19,. 

18,. 

Für  die  Plateaus  läßt  sich  ein  präzises  Gesetz  noch  nicht  aufstellen. 
Auf  einigen  difiFerieren  die  extremen  Monatstemperaturen  etwas  mehr, 
auf  anderen  etwas  weniger  als  im  kontinentalen  Tief  lande;  aber 
nirgends  ist  der  Unterschied  so  bedeutend,  daß  man  auf  eine  be- 
stimmte Abhängigkeit  von  der  Seehöhe  schließen  könnte. 

Vergleichen  wir  die  Verteilung  der  jährlichen  Wärmeschwankung 
mit  der  der  täglichen,  so  gelangen  wir  zur  Aufstellung  folgender 
klimatischer  Typen: 

1.  Das  Äquatorialklima.  Auf  dem  Meere  und  auf  dem 
Lande  in  nicht  beträchtlicher  Seehöhe  sind  beide  Schwankungen 
gering,  aber  die  tägliche  ist  größer  als  die  jährliche.  Erstere  be- 
tragt im  Mittel  der  auf  S.  81  angeführten  Stationen  5,6^,  letztere 
nur  2,8®;  und  lediglich  in  diesem  Sinne  ist  der  bekannte  Satz  auf- 
zufassen, daß  die  Nacht  der  Winter  der  Tropen  sei. 

2.  Im  Seeklima  der  mittleren  und  höheren  Breiten 
sind  beide  Schwankungen  gering,  aber  die  jährliche  größer  als  die 
tagliche.  Landeinwärts  nehmen  beide  zu.  Die  jährliche  Variation 
nimmt  unter  übrigens  gleichen  Verhältnissen  auch  mit  der  Breite 
zu,  die  tägliche  aber  ab. 

3.  Das  Polarklima  mit  großer  jährlicher  und  kleiner  täglicher 
Schwankung. 

Mit  Bezug  auf  die  Seehöhe  lassen  sich  folgende  Typen  unter- 
scheiden: 

1.  Das  Bergklima.  Beide  Schwankungen  sind  kleiner,  als  im 
benachbarten  Tieflande.    Das  Bergklima  gleicht  somit  dem  Seeklima. 

2.  Das  Plateau-  und  Hochthälerklima  hat  dagegen  einen 
streng  kontinentalen  Charakter.  Die  tägliche  Temperaturschwankung 
ist  unter  allen  Umständen  und  unter  allen  Breiten  größer  als  im 
Tieflande,  während  die  jährliche  von  der  in  den  Niederungen  nicht 
beträchtlich  differiert 

Temperatnrveranderliohkeit.  Ein  klimatologisches  Moment  von 
eminent  geographischer  Bedeutung,  aber  bislang  noch  wenig  ge- 
würdigt, ist  die  mittlere  Veränderlichkeit  der  Temperatur  von 
einem  Tage  zum  andern.  Schon  Hann,*  dessen  bahnbrechende 
Untersuchungen  bereits  in  mehreren  Ländern  Nachahmung  ge- 
fimden  haben,  machte  darauf  aufmerksam,  wie  die  größere  Wärme- 
yariabiütät  in  Nordamerika,  Australien  und  Neuseeland  auf  den 
körperlichen  Habitus  wie  auf  den  Charakter  der  europäischen  Ein- 


84 


Die  Lufthülle. 


H  < 


Wanderer  merklich  einwirkt,  und  wir  fügen  die  Vermutung  hiü 
daß  der  erschlaiFende  Einfluß  des  Tropenklimas  hauptsächlich  in  < 
geringen  Veränderlichkeit  begründet  ist.    Einen  Einfluß  auf  die  Ste 
lichkeit,  die  sowohl  in  der  geographischen  Verteilung  wie  im  jährlicl 
Gange   mit  der  Temperaturveränderlichkeit  wächst,   hat  Ebemsi 
wenigstens  für  Norddeutschland   sehr  wahrscheinlich  gemacht 
liegt  femer  auf  der  Hand,  daß  auch  die  Verbreitung  der  Pflan; 
zum  Teil  von  diesem  Momente  abhängt,  und  es  ist  nur  zu  bedauc 
daß  Untersuchungen  in  dieser  Richtung  noch  nicht  eingeleitet  wurd 
Infolge   des  Wechsels   der  Jahreszeiten   nimmt  die  Tagest( 
peratur  bis  zum  Maximum  zu  und  dann  wieder  ab.     Das   ist 
periodische  Element  in  der  Veränderlichkeit     Nebstdem  wir! 
aber  auch  Winde,  Bewölkung,  Niederschläge  u.  s.  w.,  und  das  ist 
unperiodische  Element,  welches  sich  schon  dadurch  als  das  m 
gebendere  erweist,  daß  die  Werte  für  die  mittlere  Veränderlich! 
sich  nicht  erheblich  ändern,  wenn  man  den  Einfluß  des  periodisa 
Elements  eliminiert     Daraus  erklärt  es  sich,  daß  in  der  Zone 
regelmäßigen  Winde,  in  den  Tropen,  die  Tagestemperatur  weni 
variiert  (in  Georgetown  z.B.  durchschnittlich  nur  um  0,8^,  als  im 
biete  der  wechselnden  Luftströmungen.    Die  mittlere  Veränderlich] 
nimmt  daher  mit  der  Breite  zu,  aber  in  ganz  unregelmäßiger  We 
wie  folgende  Tabelle  in  der  letzten  Kolumne  zeigt: 


Mittlere 
Breite 

Dez. 

bU 

Febr. 

MSrz 

bis 

Mai 

Juni 

bis 

Aug. 

Nov. 

Ji 

Arktisches  Nordamerika 

71,.» 

8,4« 

2,«« 

1,." 

2,5^ 

2 

AmerikaDiscbe  Westkttste 

47,4 

2,0 

1.« 

1,1  • 

1,5 

1 

Westliches  Plateau 

40,j 

8.« 

2,. 

2,.» 

2,« 

2 

Inneres  von  Nordamerika 

43,0 

*,' 

3,. 

2,i» 

3,s 

3 

Östliches  Nordamerika 

42,. 

4,1 

2,» 

2,.' 

2,7 

2 

Südöstliches  Nordamerika 

30,« 

2,, 

1,0 

!,•• 

1,» 

1 

Plateau  von  Mexico 

19,j 

1,' 

1,« 

0,,' 

0,T 

1 

England 

58,7 

2,1 

1,6 

!,«• 

1,» 

1 

Mitteleuropa 

49,« 

2,2 

1,» 

1,« 

1,T* 

1 

Europisches  Rußland 

56,« 

8,J 

2,6 

2,,* 

2,s 

2 

Westsibirien 

56,0 

4,e 

3,1 

2,7* 

3,1 

3 

Ostsibirien 

57,1 

8,8 

2.« 

2,1* 

2,T 

2 

Ostasien 

50,j 

2,8 

2,< 

1,T* 

2,3 

2 

Westliches  Mittclmeer 

42,1 

1,3 

1,3 

1,4 

ly 

1 

östliches  Mittelmeer 

35,« 

1,6 

1,7 

1.« 

1,1* 

1 

Südliche  Halbkugel  33,8  1,9  1,5*  1,7  2,o  1 

Die  nördliche  Hemisphäre  hat  zwei  Maximalbezirke,  von  denen  n 
allen  Seiten,  auch  gegen  die  Pole  hin,  die  Veränderlichkeit  abnim 


Die  Schwankungen  und  die  mittlere  Veränderlichkeit  der  Temperatur.     85 


Der  eine  liegt  im  Innern  von  Nordamerika  und  umfaßt  wahrschein- 
lich die  nördlichsten  Teile  der  Vereinsstaaten  und  den  südlichen 
und  mittleren  Teil  der  Hudsonbai-Länder;  der  andere  liegt  in 
Westsibirien,  etwas  nördlicher  als  der  amerikanische,  und  auch 
etwas  schwächer  ausgebildet.  Der  Gegensatz  der  Ost-  und  West- 
küsten tritt  auch  hier  wieder  zu  Tage,  indem  die  erstere  eine  etwas 
yariablere  Temperatur  hat  (europäische  Westküste  48,7^  N.  1,6 ^ 
asiatische  Ostküste  47,8®  N.  2^;  es  ist  dies  wahrscheinlich  eine 
Folge  davon,  daß  hier  die  Wärme  im  Winter  rasch  mit  der  Breite 
zunimmt  Wenn  auch  die  Veränderlichkeit  in  der  Regel  landeinwärts 
sich  steigert,  so  darf  man  doch  nicht  dem  Seeklima  als  solchem 
einen  mildernden  Einfluß  zuschreiben,  denn  in  diesem  Falle  müßte 
sie  auf  der  südlichen  Halbkugel  geringer  sein,  als  auf  der  nörd- 
lichen, während  doch  thatsächlich  das  Umgekehrte  stattfindet  Den 
durchschnittlichen  Wert  von  1,8®,  der  jenseits  des  Äquators  schon 
in  33,8  B.  erreicht  wird,  finden  wir  auf  unserer  Erdhälfte  im  Mittel 
erst  unter  49,8®  B..  Mit  der  Höhe  wächst  die  Veränderlichkeit,  und 
zwar  zum  Unterschiede  von  den  Schwankungen,  gleichmäßig  auf 
Berggipfeln,  wie  auf  Plateaus.  In  Zürich  (480  m)  beträgt  sie  im 
Jahresmittel  1,8®,  auf  dem  Ütliberg  (874  m)  2,o®  und  auf  dem  Rigi 
(1784  m)  2,4®.  In  Stuttgart  (270  m)  betraf  sie  1,8®,  in  München 
(479  m)  dagegen  2,i®.  Im  Erzgebirge  nimmt  sie  durchschnittlich 
um  0,03®  für  je  100  m  zu. 

In  den  mittleren  und  höheren  Breiten  unserer  Halbkugel  er- 
reicht die  Veränderlichkeit  ihr  Maximum  im  Winter  und  ihr  Mini- 
mum im  Sommer.  Die  geographische  Anordnung  bleibt  aber  das 
ganze  Jahr  dieselbe,  nur  sind  im  Sommer  die  Unterschiede  beträcht- 
lich kleiner  als  im  Winter.  Die  winterlichen  Werte  sind  also  für 
das  Jahresmittel  das  Entscheidende,  und  das  giebt  uns  den 
Schlüssel  zur  Erklärung  der  Maximalbezirke  in  die  Hand.  Sie  liegen 
an  den  Grenzen  der  winterlichen  Regionen  hohen  Luftdruckes,  wo 
eine  häufige  Verschiebung  der  Windgebiete  stattfindet.  So  gelangt 
z.  B.  Westsibirien  bald  unter  die  Herrschaft  warmer  Winde  vom 
Atlantischen  Ozean,  bald  unter  die  der  kalten  Luftströmung  vom 
asiatischen  Kältezentrum.  Nordamerika,  der  kleinere  und  daher 
wärmere  Kontinent,  dessen  meridionale  Gebirge  ein  Abfließen  der 
kalten  Luft  zu  den  Meeren  im  Osten  und  Süden  gestatten,  erfährt 
aus  diesem  Grunde  (wie  wir  später  ausführlicher  erörtern  werden) 
auch  raschere  Windwechsel,  und  die  Tagestemperatur  ist  daher 
größerer  Veränderlichkeit  unterworfen.  Man  muß  sich  auch  stets 
vor  Augen  halten,  daß  die  Winde  nicht  nur  direkt  die  Temperatur 
beeinflussen,  sondern  auch  indirekt,  indem  warme  Winde  im  Winter, 


86 


Die  Lofthtflle. 


weil  sie  meist  von  der  See  kommen,  auch  Bewölkung  und  Niedc 
schlage  bringen,  die  kalten  Landwinde  aber  Heiterkeit  und  trocke 
Luft;  und  wir  haben  schon  gehört,  daß  das  eine  die  Temperat 
erhöht,  das  andere  sie  erniedrigt 

Örtliche  Einflüsse  spielen  im  Sommer  eine  viel  größere  Ro! 
als  im  Winter.  Namentlich  wird  die  Variabilität  gesteigert,  wenn 
der  Nähe  eines  erhitzten  Landstriches  ein  höheres  Gebirge  oder  ei 
größere  Wasserfläche  sich  befindet,  wie  an  der  Hudsonbai  und  i 
canadischen  Seengebiete,  oder  auf  der  bayerischen  Hochebene  u 
im  oberitalienischen  Tieflande.  Besonders  auffallend  ist  im  Somm 
die  geringe  Veränderlichkeit  in  den  Polargegenden,  die  nicht  grö£ 
ist  als  in  den  Mittelmeerländem.  Auf  der  südlichen  HemisphS 
sind  Frühling  und  Herbst  die  extremen  Jahreszeiten,  und  der  Somm 
ist  sowohl  an  den  Küsten,  wie  im  Binnenlande  veränderlicher  i 
der  Winter. 

Klimatologisch  wichtig  ist  auch  die  Häufigkeit  der  Veränderung 
von  bestimmter  Größe.  Auch  hier  wiederholt  sich  die  geographisc 
Verteilung,  die  wir  schon  kennen  gelernt  haben,  wenn  auch  mit  einig 
Unterschieden.  So  sind  z.  B.  Veränderungen  von  mehr  als  6® 
Ostsibirien  seltener  als  im  europäischen  Rußland,  geringere  Änderung 
aber  häufiger.  In  beiden  Maximalbezirken  sind  Änderungen  von  2 
und  darüber  nicht  sehr  selten,  und  auch  solche  von  25^  kommen  nc 
vereinzelt  vor,  aber  der  westsibirische  Bezirk  scheint  öfter  bedeutend 
Schwankungen  unterworfen  zu  sein,  als  der  inneramerikanische.  I 
gegen  reichen  in  Amerika  die  großen  Temperaturwechsel  viel  wei 
nach  Süden,  als  in  der  alten  Welt,  was  Hann  mit  Recht  den  „North( 
zuschreibt,  jenen  von  Norden  kommenden  Winterstürmen,  die  manc 
mal  bis  in  den  Golf  von  Mexico,  also  bis  über  die  Grenze  der  warm 
Zone  hinaus  die  binnenländische  Kälte  tragen. 

Mittlere  Abweichung.  Wie  in  der  mittleren  Veränderlichk< 
so  können  wir  wohl  auch  in  der  mittleren  Abweichung  ( 
Monats-  und  Jahrestemperaturen  der  einzelnen  Jahrgänge  von  d< 
Mittelwerte  ohne  Rücksicht  auf  das  Vorzeichen,  wie  sie  Dove*  : 
zahlreiche  Stationen  berechnete,  einen  Ausdruck  für  die  unperiodiscl 
Störungen  sehen,  wenn  auch  —  wie  aus  späteren  Erörterungen  herv 
gehen  wird  —  ein  periodisches  Element  darinnen  steckt,  das  al 
aller  Wahrscheinlichkeit  nach  von  dem  ersteren  verdunkelt  yn 
Ihre  geographische  Verteilung  ist  von  großer  klimatologischer  1 
deutung.  Es  zeigt  sich,  daß  Abweichung  und  Veränderlichkeit  ni 
parallel  laufen.  Zwar  gilt  auch  für  erstere  im  allgemeinen  < 
Gesetz,  daß  sie  vom  Äquator  gegen  die  Pole  und  von  den  Küsl 
landeinwärts  zunimmt.    In  der  alten  Welt,  wie  in  Nordamerika,  li' 


I 


Die  Scliwiinkimgeii  und  die  mittlere  VerSiiderlicbkeit  der  Temperatur.      87 

das  Gebiet  der  größten  Abweichung  im  Innern,  und  sind  die  Monats- 
and Jahrestemperaturen  an  der  Ostküste  variabler  als  an  der  west- 
lichen, aber  damit  hört  auch  der  Parallelismus  auf.  Die  neue  Welt 
hat  die  größte  Veränderlichkeit,  die  alte  die  größte  Abweichung;  die 
störenden  Elemente,  welche  die  Temperaturkurve  von  einem  Tage  zum 
anderen  beeinflussen,  sind  in  Amerika  mächtiger,  aber  sie  treten  auch 
regelmäßiger  von  Jahr  zu  Jahr  auf,  als  auf  unserer  östlichen  Feste. 
Die  Abweichung  im  amerikanischen  Binnenlande  ist  nicht  größer  als 
im  nördlichen  Deutschland,  und  in  den  östlichen  Yereinsstaaten  sogar 


Länder 


Größte 
Abweichung 


Kleinste       | 
Abweichung    | 


Italien 

England  .  .  .  . 
West-Europa  .  . 
Schweiz  .  .  .  . 
Süd-Deutschland  . 
Nord-  Deutschland 
Baltische  Lfinder  . 
Nordo8t-£uropa 
Inneres  Bußland  . 
Ural  und  Sibirien 


Westliches  Amerika 
Inneres  Amerika    . 
Östliches  Amerika 


Polarlftnder 


Dez.  1,44^ 

Jan.  1,46 

Jan.  2,36 

Dez.  2,03 

Jan.  2,51 

Jan.  2,To 

Jan.  2,13 

Jan.  3,18 

Dez.  8,50 

Dez.  3,13 

Jan.  2,1« 
Febr.  2,6s 
Febr.  1,89 

Dez.  1,95 


Aug.  0,90^ 
Sept.  0,89 
Sept.  1,07 
Okt  1,11 
Sept.  1,16 
Sept.  1,09 
Sept.  0,87 
Sept  1,01 
Mai    1,41 

Juli      1,17 

Sept.  0,64 

Aug.    1,13 

Juli    0,90 
Sept  1,19 


Jahr 

1,19^ 

1,« 

1,44 

1,46 

1,65 

1," 

1,4T 
1,84 

2,00 

1,97 
1,33 

1,,. 

1,59 


geringer  als  in  Westeuropa.  Ebenso  ist  die  Abweichung  auf  der 
südlichen  Hemisphäre  kleiner,  als  auf  der  nördlichen  unter  gleicher 
Breite.  Alles  das  beweist,  daß  sie  von  der  Kontinentalität 
des  Klimas  weit  abhängiger  ist,  als  die  Veränderlichkeit.  Dagegen 
nehmen  beide  mit  der  Höhe  zu,  aber  die  Abweichung  nur  um 
0,007°  für  100  m.  In  den  einzelnen  Monaten  ist  sie  verschieden. 
Am  größten  ist  sie  im  Winter,  wo  die  Temperatur  am  meisten  von 
den  Winden  abhängt;  am  kleinsten  im  Spätsommer;  nur  in  Gegenden 
mit  strengerem  Landklima  fällt  das  Minimum  in  den  Anfang  oder 
in  die  Mitte  des  Sommers. 

Litteratnrnachweise.  *  Sufak,  Die  Verteilung  der  jährlichen  Wärme- 
Schwankung,  in  der  Zeitschrift  für  wissenschaftliche  Geographie,  1880,  Bd.  T.  — 
*  Hann,  Untersuchungen  über  die  Veränderlichkeit  der  Tagestemperatur,  in 
Sitzungsberichten  der  Wiener  Akademie  der  Wissenschaften,  Math.-naturwiss. 
Kl.  1875,  Bd.  LXXI,  11;  Die  Veränderlichkeit  der  Temperatur  in  Österreich, 
in  den  Denkschriften  der  Wiener  Akademie  d.  Wissenschaften,  Math.-naturwiss. 


88  Die  Lufthülle. 


Kl.  1891,  Bd.  LVm.  —  '  Kbehsbb,  Die  Verftnderlichkeit  der  Lafttempen 
in  Norddeutschland,  in  den  Abhandlungen  des  Preußischen  Meteorologiscl 
Instituts,  Bd.  I,  1888.  —  *  Doye,  Die  mittlere  und  absolute  Verftuderlich] 
der  Temperatur,  in  den  Abhandlungen  der  Berliner  Akademie  der  Wisc 
Schäften  1867. 


Windsysteme  und  Windgebiete. 

Windgesetze.  Zu  wiederholten  Malen  hatten  wir  schon  Greleg 
heit,  den  Einfluß  der  Winde  auf  die  Wärmeverteilung  kennen 
lernen.  In  einem  späteren  Kapitel  werden  wir  erfahren,  daß  i 
Wind  einer  der  wichtigsten  Faktoren  ist,  die  die  Verteilung  i 
Niederschläge  regeln.  Es  ist  daher  nicht  Überschätzung,  wenn  n 
den  Wind  als  den  eigentlichen  Träger  des  Klimas  bezeichnet,  t 
zugleich  —  da  die  klimatischen  Verhältnisse  das  organische  Lei 
und  damit  auch  die  Entwicklung  der  Menschheit  bedingen  — 
eine  Kulturmacht  ersten  Ranges. 

Direkt  erscheinen  die  Winde  von  der  Verteilung  des  Luftdmcl 
abhängig.  Ein  ungleich  yerteilter  Luftdruck  zeigt  an,  daß  das  Glei 
gewicht  der  Atmosphäre  gestört  ist,  und  die  Winde  haben  die  Ti 
denz,  dasselbe  wiederherzustellen.  Dieses  Grundprinzip  der  moden 
Meteorologie  ergab  sich  unmittelbar  aus  den  sogenannten  sync 
tischen  Witterungskarten,  die  den  Zustand  der  Atmosphi 
über  einem  größeren  oder  kleineren  Teile  der  Erdoberfläche  (Euro 
nordatlantischer  Ozean,  Vereinigte  Staaten  von  Amerika)  in  eii 
bestimmten  Stunde  (meist  7^  früh  nach  Ortszeit)  darstellen.  I 
diesen  Karten  sieht  man  die  Orte  gleichen  Luftdruckes  durch  Lini 
die  sogenannten  Isobaren,  miteinander  verbunden.  Um  die  1 
obachteten  Barometerstände  miteinander  vergleichbar  zu  mach 
muß  man  sie  auf  das  Meeresniveau  reduzieren;  und  außerdem  m 
man,  da  das  Gewicht  aller  Körper,  somit  auch  der  Luft,  mit  < 
Polhöhe  zunimmt,  eine  Schwerekorrektur  anbringen,  d.  h.  die  un 
verschiedenen  Breiten  beobachteten  Barometerstände  auf  einen  j 
meinsamen  Parallel  (gewöhnlich  den  45.)  reduzieren.  Der  Verglei 
der  Isobaren  mit  den  Winden  ergiebt  nun  folgende  zwei  Geset 
die  nach  ihren  Entdeckern  benannt  werden: 

1)  Das  BüYS-BALLOT'sche  Gesetz:  Die  Luft  strömt  von  der  Gege 
höheren  Luftdruckes  nach  der  niederen  Luftdruckes  und  wird  dal 
durch  die  Erdrotation  auf  der  nördlichen  Hemisphäre  nach  recl 
und  auf  der  südlichen  nach  links  abgelenkt  Man  kann  noch  d 
Satz  hinzufügen,  daß  jedes  Windsystem  aus  zwei  Strömungen  beste 
aus  einer  unteren  vom  höheren  Luftdruck  zum  niederen  und  eii 


WindsjBteme  und  Windgebiete. 


89 


oberen  in  entgegengesetzter  Eichtang.  Beide  werden  durch  die 
Achsendrehnng  der  Erde  abgelenkt,  die  untere  aber  außerdem  noch 
durch  die  verschiedenen  Eeibungswiderstände  an  der  Erdoberfläche. 
Ozeanische  Winde  unterliegen  einer  größeren  Ablenkung  als  kon- 
tinentale, weil  die  letzteren  auf  dem  unebenen  Boden  des  Festlandes 
nicht  Yöllig  dem  Einflüsse  der  Botation  zu  folgen  vermögen.  Stets 
aber  bildet  die  Windrichtung  mit  dem  Gradienten  einen  Winkel, 
der  jedoch  nie  90®  erreicht 

2)  Das  STBVBNSON'sche  Gesetz  lautet:  Die  Windstärke  wird 
bedingt  durch  den  barometrischen  Gradienten,  d.  h.  durch  die 
Druckdifferenz,  welche  in  der  Richtung  senkrecht  zu  den  Iso- 
baren gemessen  und  auf  eine  Längeneinheit  (jetzt  allgemein  1®  am 
Äquator  =111  km)  bezogen  wird.  Je  steiler  der  Gradient,  desto 
dichter  gedrängt  die  Isobaren,  desto  größer  auch  die  Windgeschwindig« 
keit  Aber  auch  sie  wird  durch  die  Beibung  wesentlich  modifiziert. 
LooMK^  ermittelte  die  Windgeschwindigkeit  in  Kilometer  pro  Stunde 
für  folgende  Gebiete,  die  wir  in  der  Eichtung  W. — 0.  anordnen. 


Vereinigt 

e  Staaten 

Nord- 
atlant 
Ozean 

Europa 

Binnen- 

Ost- 

West-        Binnen- 

land 

küste 

küste 

land 

Winter 

18,7 

18,0 

53,1 

22,8 

14,1 

Frühling     .... 

15,2 

17,0 

49,e 

20,3 

13,5 

Sommer       .... 

11,2 

12,. 

41,0 

18,6 

10,6 

Herbst 

12,5 

16,1 

47,8 

20,9 

12,5 

Jahr 

13,1 

15,9 

47,9 

19,8 

12,7 

In  allen  Jahreszeiten  sehen  wir  hier  die  Windgeschwindigkeit 
vom  Ozean  gegen  die  Küste  und  von  der  Küste  gegen  das  Binnen- 
land abnehmen,  also  genau  in  der  Bichtung,  in  der  die  Reibungs- 
widerstände wachsen.  Aus  demselben  Grunde  nimmt  die  Windstärke 
mit  der  Höhe  zu,  und  schon  geringe  Höhenunterschiede  fallen  da 
schwer  ins  Gewicht  Ist  doch  schon  auf  dem  300  m  hohen  Eiflfelturme 
die  Windstärke  3 — 4  mal  größer  als  auf  dem  Ya  km  davon  entfernten 
Turme  des  Meteorologischen  Zentralbureaus  in  21  m  Höhe.  Aber 
auch  in  der  täglichen  Periode  unterscheiden  sich  Meer,  Land  und 
freigelegene  Berggipfel  wesentlich  voneinander.  Auf  dem  Meere  ist 
eine  tägliche  Periode  der  Windgeschwindigkeit  so  gut  wie  gar  nicht 
bemerkbar,  Tag  und  Nacht  weht  es  mit  gleicher  Stärke.  Auf  dem 
Festlande  erreicht  sie  unter  allen  Breiten  ihr  Minimum  in  den  ersten 
Morgenstunden  und  ihr  Maximum  ein  paar  Stunden  nach  Mittag;  sie 
steigt  und  fällt  also  mit  der  Temperatur,  und  dieser  Parallelismus 


90  Die  Lufthülle. 


kommt  auch  darin  zam  Ausdrucke,  daß  sie  an  heiteren  Tagen  schäi 
ausgeprägt  ist  als  an  trüben.  In  den  höheren  Luftschichten 
dagegen  der  Wind  bei  Nacht  bedeutend  stärker  als  bei  Tage,  wie 
Beobachtungen  nicht  nur  auf  Berggipfeln,  sondern  auch  schon 
dem  Eiffeltürme  zeigen.  Die  unteren  Schichten  werden  also 
meisten  zur  Zeit  der  größten  Erwärmung  in  die  allgemeine  Li 
Zirkulation  hineingezogen,  während  sich  diese  in  der  Nacht  hat 
sächlich  nur  auf  die  oberen  Schichten  beschränkt  Koppen  erk] 
dies  dadurch,  daß  in  den  Mittagsstunden  die  unteren  Luftschich 
sich  ausdehnen  und  in  die  Höhe  steigen,  während  die  oberen,  stär 
bewegten  herabsinken.  Infolge  dessen  findet  ein  stärkerer  Austau 
zwischen  den  verschiedenen  Niveaus  statt  und  die  horizontale  ( 
schwindigkeit  der  ganzen  Luftmasse  wird  eine  gleichförmigere. 

Allgemeine  Lnftzirkulation.  Ehe  wir  uns  in  eine  Schilden 
der  Hauptwindarten  einlassen,  richten  wir  unseren  Blick  auf 
Fundamentalsystem  der  Luftbewegung,  wie  es  durch  die  großen  Ges( 
der  Wärmeverteilung  geregelt  wird.  Denn  in  letzter  Linie  ist 
Luftdruck,  d.  h.  das  Gewicht  der  Luftsäule,  die  einer  Quecksill 
Säule  von  entsprechender  Höhe  (als  normal  nimmt  man  im  Meei 
niveau  760  mm  an)  das  Gleichgewicht  hält,  eine  Funktion  der  T< 
peratur.  Allerdings  auch  des  Dampfgehaltes,  denn  Wasserdampf 
leichter,  als  eine  gleiche  Quantität  Luft,  aber  dieser  Faktor  sei 
hängt  unter  sonst  gleichen  Umständen  lediglich  von  der  Wärme 
Der  Zusammenhang  zwischen  Luftdruck  und  Temperatur  bedarf  in 
noch  einer  weiteren  Erörterung.  Am  Äquator  —  wir  lassen  1 
überall  der  Einfachheit  wegen  den  thermischen  und  mathematisc 
Äquator  zusammenfallen  —  am  Äquator  tritt  unter  dem  Einfli 
beständiger  hochgradiger  Erwärmung  eine  Auflockerung  der  gan 
Luftmasse  ein;  die  Flächen  gleichen  Druckes  steigen  in  die  H( 
d.  h.  sie  entfernen  sich  weiter  von  der  Erdoberfläche,  als  an 
Polen.  Dadurch  wird  der  Luftdruck  noch  nicht  vermindert,  sond 
erst  durch  die  Folgeerscheinung.  Es  entsteht  nämlich  in  den  obe 
Luftschichten  eine  Strömung,  die  der  Abdachung  vom  Äquator  2 
Pole  folgt.  Vom  Äquator  wird  Luft  weggeflihrt  —  und  nun  si 
hier  der  Luftdruck;  an  den  Polen  wird  Luft  angehäuft  —  und  i 
steigt  hier  der  Luftdruck.  Damit  ist  die  Gleichgewichtstör 
aus  den  oberen  Schichten  in  die  unteren  verlegt  und  erfon 
nun  einen  Ausgleich  durch  eine  Etickströmung.  Auf  der  ruh 
den  Erde  entstehen  also  zwei  Meridional ströme:  ein  primi 
Oberstrom  vom  Äquator  zu  den  Polen  und  ein  sekundärer  TJn 
Strom  von  den  Polen  zu  Äquator,  beide  durch  Vertikalströme  1 
einander  verbunden.     In  den  höheren  Breiten  geht  der  Obersti 


Windsysteme  und  Windgebiete.  91 

durch  eine  absteigende  Bewegung  in  den  Unterstrom  über,  in  den 
niederen  Breiten  der  ünterstrom  durch  eine  aufsteigende  Bewegung 
in  den  Oberstrom.  Damit  ist  der  Kreislauf  geschlossen.  Allbekannt 
ist  folgendes  Experiment:  man  öffnet  das  Fenster  eines  geheizten 
Zimmers,  und  sofort  entsteht  eine  Luftzirkulation;  unten  fließt  die 
kalte  Luft  in  das  Zimmer  hinein,  oben  die  warme  Luft  in  das  Freie 
hinaus,  wovon  man  sich  durch  die  Bewegung  einer  Eerzenflamme 
unmittelbar  überzeugen  kann.  Nur  in  Einem  Punkte  stimmt  dieser 
Versuch  mit  den  großen  irdischen  Verhältnissen  nicht  überein,  darin 
nämlich,  daß  die  äquatoriale  Hitze  und  die  polare  Kälte  nicht  un- 
yermittelt  aufeinander  stoßen. 

Auf  der  ruhenden  Erde  mit  homogener  Oberfläche  würde  sich 
also  die  Luftdruckverteilung  genau  an  die  Temperaturverteilung  an- 
schließen, nur  in  umgekehrter  Weise.  Die  Temperatur  nimmt  gegen 
die  Pole  hin  stetig  ab,  der  Luftdruck  stetig  zu. 

Wenn  wir  aber  aus  den  mittleren  Jahresisobaren  die  Durchschnitts- 
barometerstande der  Breitenkreise  in  derselben  Weise  ableiten,  wie 
aus  der  Isothermenkarte  die  entsprechenden  Durchschnittstempera- 
turen, so  erhalten  wir  ein  ganz  anderes  Bild.  Statt  Einer  baro- 
metrischen Depression  am  Äquator  und  zwei  Hochdruckgebieten  an 
den  Polen  bestehen  in  den  untersten  Luftschichten  vier  Hochdruck- 
gebiete und  drei  Depressionen.^ 

Nordpolares  (arktisches)  Hochdruckgebiet 

KördL  subpolare  (subarktische)  Depressionszone 

Nördl.  subtropische  Hochdruckzone 

Äquatoriale  Depressionszone 

Südl.  subtropische  Hochdruckzone 

Sudl.  subpolare  (subantarktische)  Depressionszone 

Südl.   polares   (antarktisches)  Hochdruckgebiet 

Daß  die  äquatoriale  Depression  auf  der  nördlichen  Halbkugel 
liegt^  kann  nicht  auffallen,  wenn  man  erwägt,  daß  der  thermische 
Äquator  ebenfalls  nach  Norden  verrückt  ist.  Um  so  rätselhafter  sind 
die  subtropischen  Hochdruck-  und  die  subpolaren  Depressionszonen. 

Die  alte  DovESche  Windtheorie,  die  von  den  Verhältnissen  auf 
einer  ruhenden  Erde  ausging,  gab  dafür  keine  genügende  Erklärung. 
Man  hatte,  unmutig  darüber,  den  Gegenstand  schon  ganz  fallen  ge- 
lassen, und  erst  in  den  letzten  Jahren  fing  man  an,  das  Problem 
von  einer  anderen  Seite  wieder  in  Angriff  zu  nehmen.  Man  erkannte 
den  fundamentalen  Einfluß  der  Erdrotation,  die  nicht  bloß  meridionale 
Strome  ablenkt,  sondern  selbst  Ströme  in  der  Richtung  der  Parallelen 

X  Abgeleitet  aus  den  FaaBEL'schen  Zahlen  durch  graphische  Interpolation. 


Breite 

Loftdruck 

(90  »N. 

760,7  mm) 

66 

758,2 

34 

762,4 

8 

757,8 

28  S. 

768,7 

? 

? 

? 

1 

92  Die  Lufthalle. 


erzeugt,   obwohl  in  der  praktischen  Anwendung  dieser  Erkenn 
die  Wege  auseinander  gehen. 

Febeel*  und  mit  ihm  die  überwiegende  Anzahl  der  Mete< 
logen  gehen  von  dem  Prinzipe  der  Erhaltung  der  Fläche  aus.  Ri 
wir  uns  noch  einmal  ins  Gedächtnis  zurück,  daß  die  Zirkulation 
der  ruhenden  Erde  einen  primären  Oberstrom  vom  Äquator  : 
Pol  verlangt  Durch  die  Rotation  der  Erde  wird  er  aus  einem  S 
in  einen  Südwest-,  endlich  in  einen  Westwind  verwandelt  Je  we 
er  in  höhere  Breiten  gelangt,  desto  größer  wird,  entsprechend  ( 
Flächensatze,  seine  Geschwindigkeit,  und  endlich  so  groß,  daß 
Zentrifugalkraft  die  polare  Anziehung  überwiegt  Dieser  Umschw^ 
vollzieht  sich  beiläufig  in  30 — 35®  n.  und  s.  Breite.  Bis  ds 
wächst  der  Luftdruck  entsprechend  dem  Temperaturunterschiede,  d 
i  _  nimmt  er  wieder  ab  entsprechend  der  Zentrifugalkraft.    Es  entste 

'1  also   auf  jeder  Hemisphäre   gleichsam  zwei  Wirbel:   einer  um 

Äquator,  wo  der  Unterstrom,  weil  aus  höheren  Breiten  komm< 

:  nach  Osten,  und  der  Oberstrom,  weil  aus  niederen  Breiten  komm( 

I  nach  Westen  abgelenkt  ist;  und  einer  um  den  Pol,  wo  oben  und  ui 

^^V  westliche  Strömung  herrscht     An   der  Grenze  beider  Wirbel  se 

sich  die  Luft  zu  Boden,  an  den  Grenzen  der  nord-  und  südhe 

sphärischen  Wirbel   um   den  Äquator   steigt  sie  in  die  Höhe. 

!    *  beiden  Zonen  vertikaler  Luftbewegung  herrschen  am  Boden  Wi 

.  stillen  oder  schwache  Winde  vor. 

Zu  ähnlichen  Ergebnissen  gelangte  v.  Siemens',  der  den  £ 
von  der  Erhaltung  der  Kraft  in  den  Vordergrund  seiner  dedukti 
Untersuchung  stellte.  Die  Energie,  welche  sich  durch  die  Rotal 
der  Luftmasse  um  die  Erdachse  ansammelt,  muß  unverändert  bleil 
Nun  wird  aber  durch  die  vorher  erwähnten  Meridianströme 
Luftmeer  vermischt,  und  die  Summe  der  lebendigen  Kraft  kann  ] 
dann  die  gleiche  bleiben,  wie  im  Zustande  relativer  Buhe,  w( 
überall  die  Rotationsgeschwindigköit  von  379  m  in  der  Sekunde,  c 
die  normale  Rotationsgeschwindigkeit  in  35*^  B.  herrscht  Polwf 
von  35**  B.,  wo  die  Rotationsgeschwindigkeit  sonst  geringer  wl 
eilt  die  Luft  der  Erddrehung  voran,  muß  also  auch,  wie  die  Ei 
sich  von  Westen  nach  Osten  bewegen;  äquatorwärts  von  35® 
wo  die  Rotationsgeschwindigkeit  sonst  größer  wäre,  bleibt  die  1 
hinter  dem  Erdkörper  zurück,  sie  bewegt  sich  also  in  entgeg 
gesetzter  Richtung,  wie  die  Erde,  von  Osten  nach  Westen.  An  ( 
Grenzen  beider  Strömungen  herrscht  relative  Ruhe,  hier  häuft  s 
die  Luft  an,  es  entstehen  die  subtropischen  Maxima. 

In  streng  mathematischer  Weise  und  mit  Berücksichtigung  > 
Reibung  hat  Obebbeck*  das  Problem  behandelt,  freilich  ohne  ( 


l^ 


Windsysteme  und  Windgebiete. 


93 


Xguafor 


untere  Luftschicht. 


Obere  Laftschicht. 


thatsachlichen  Verhältnissen  in  allen  Punkten  gerecht  zu  werden. 
Immerhin  sind  wir  schon  soweit  gelangt,  uns  eine  Vorstellung  von 
der  allgemeinen  Luftzirkulation  machen  zu  können,  etwa  in  der  Weise, 
wie  ich  sie  in  Fig.  21  darzustellen  versucht  habe.  Wir  sehen  oben 
eine  Hemisphäre  in  Polarprqjektion  mit  den  beiden  entgegengesetzten 
Wirbeln  in  den  unteren  und  den  beiden  gleichlaufenden  in  den 
oberen  Schichten  und  die  breiten,  dunkel  gehaltenen  Kalmen-Zonen 
mit  vorherrschend  vertikaler  Luftbewegung.  Das  Verhältnis  der  ver- 
schiedenen Bewegungsrichtungen  zu  einander  zeigt  der  untere  Durch- 
schnitt durch  das 
Luftmeer  zwi- 
schen 60^  N.  und 
60®  S.  Warum  wir 
an  diesen  Breiten 
Halt  machten,  hat 
seinen  Grund 
darin,  daß  eine 
Erklärung  der  po- 
laren Hochdruck- 
gebiete noch  aus- 
steht Das  ark- 
tische ist  sicher 
vorhanden,  wenn 
auch  wahrschein- 
lich nicht  so  in- 
tensiv wie  die  sub- 
tropischen ;  die 
Existenz  eines 
antarktischen  läßt 
sich      wenigstens 

vermuten.  Die  Theorieen  verlangen  Abnahme  des  Luftdruckes  bis 
zu  den  Polen,  und  schon  in  mäßigen  Höhen  der  Atmosphäre 
scheint  dies  in  der  That  der  Fall  zu  sein.  Einige  Schwierigkeit 
bereitet  auch  noch  die  ZurtickfÜhrung  der  zu  den  Polen  ab- 
strömenden Luft  in  niedere  Breiten,  weshalb  wir  auch  diesen  Punkt 
in  unserer  Darstellung  imberücksichtigt  gelassen  haben.  Auffallend 
ist  der  Gegensatz  zwischen  den  nördlichen  und  südlichen  subpolaren 
Depressionen;  wir  kennen  zwar  die  Lage  der  letzteren  nicht,  aber 
wir  können  mit  Sicherheit  sagen,  daß  sie  eine  viel  größere  Tiefe 
erreicht,  als  die  arktische.  Febebl  hat  folgende  Durchschnittsbaro- 
meterstände berechnet. 


Fig.  21.     Schematiflche  DanteUung  der  allgemeinen 
LnftzirknlatioD. 


f 

s 


if 


94 

Die  Lufthülle. 

B!ieil8 

a^o 

40<> 

45  • 

Ö0<>        55« 
700  mm  + 

60  <> 

65  0 

70» 

Nord 

62,4 

62,0 

61,5 

60,7        M^^i 

58,7 

58,2 

58,6 

Süd 

62,4 

60,6 

57,8 

53,2         48,2 

^.'i.i 

30,7 

38,0 

\ 


Wir  erblicken  in  diesem  Gegensatze,  der  in  den  angefuhj 
Zahlen  in  so  drastischer  Weise  zu  Tage  tritt,  einen  Ausdruck 
verschiedenen  Eeibungswiderstände  in  den  mittleren  und  höhe 
Breiten  beider  Halbkugeln,  denn  über  der  südhemisphärise 
Wasserfläche  muß  der  polare  Wirbel  zu  viel  kräftigerer  Entfalt 
gelangen,  als  bei  uns,  wo  Land  und  Wasser  mehrfach  wechseln. 

Wir   verlassen   nun   das  Feld  der  Theorie,   die  ihren  Aus 
allein  von  systematischen  Ballonbeobachtungen  erwarten  darf, 
wenden  uns  den  erfahrungsgemäß  festgestellten  Windverhältnisse 
den  untersten  Luftschichten  zu. 

Anticyklonen.  Betrachten  wir  synoptische  Witterungskarten 
größerer  Ausdehnung,  etwa  die  des  nordatlantischen  Ozeans,  so 
kennen  wir  eine  dreifache  Art  der  Luftbewegung:  eine  pa 
tische,  cyklonische  und  anticy klonische.  Doch  bestehen  sie  n 
unabhängig  nebeneinander,  sondern  Passate  und  Cyklonen  treten  s 
in  Verbindung  mit  Anticyklonen  auf.  Anticyklonen  (Fig.  22)  i 
kreisähnliche  oder  elliptische  Gebiete  hohen  Barometerstandes, 
denen  die  Luft  allseits  von  der  Gegend  des  höchsten  Luftdruc 
dem  sogenannten  barometrischen  Maximum,  ausströmt  In 
halb  des  Gebietes  steigt  die  Luft  herab  und  dieser  vertikale  St 
wird  durch  horizontalen  Zufluß  in  der  Höhe  ernährt  Dafiir  spr 
außer  der  Wolkenrichtung,  die  gegen  das  Maximum  gekehrt  ist, 
große  Konstanz  der  Anticyklonen,  die  natürlich  bald  sich  aufli 
müßten,  wenn  beständig  nur  Luft  ausströmte;  endlich  auch 
vertikale  Temperaturzunahme,  von  der  bereits  auf  S.  58  die  Rede 
Wenn  auch  Anticyklonen  ihren  Ort  verändern,  so  ist  ihnen  c 
im  Vergleich  zu  den  Cyklonen  eine  gewisse  Kühe  und  Stetig 
eigentümlich.  Das  Wetter  ist  meist  ruhig,  klar,  im  Sommer  1 
im  Winter  meist  kalt,  aber  nur  in  den  untersten  Luftschichten; 
der  Höhe  nimmt  die  Temperatur  zu.  Linerhalb  der  Anticylon^ 
der  Wind  meist  schwach  und  schwankend;  Kalmen  sind  häufig. 

Cyklonen.  Ganz  anders  ist  der  Charakter  der  Cyklonen.  \ 
versteht  darunter  Gebiete  niederen  Luftdruckes  von  kreisähnli« 
oder  elliptischer  Gestalt;  die  Gegend  des  tiefsten  Luftdruckes  l 
das  barometrische  Minimum.  Allseitig  strömt  ihm  die  Ld 
Spirallinien  zu,  einerseits  vom  Minimum  angezogen,  anderseits  di 
die  Erdrotation  abgelenkt  Eine  von  NNO.  nach  SSW.  gezoj 
Linie   \^y  in  Fig.  22)  teilt  die  Cyklonen  unserer  Breiten  in 


Windsysteme  und  Windgebiete.  95 


Hälften  mit  entgegengesetztem  Witterungscbarakter,  von  dem  Mohk 
folgende  schematische  Übersicht  entworfen  hat: 

Hintere  (linke)  Seite:         Vordere  (rechte)  Seite: 
Windrichtung  ...      0.  NO.  N.  NW.  W.     W.  SW.  S.  SO.  0.^ 
Barometer    ....  steigt  fällt 

Temperatur,  Feuchtig- 
keit und  Bewölkung  fallt  steigt 
Niederschlag     .     .     .              nimmt  ab             in  der  Regel  bedeutend. 
Die  hintere  Seite  wird  also  durch  kalte  Polar-,  die  rechte  durch 
warme  Äquatorialwinde  ausgezeichnet.    Doch  bezeichnen  diese,  für 


/f^ 


Fig.  22  a.     Anücyklonen  und  Cyklonen  auf  der  nördlichen  Halbkugel. 

^^^      iri'^     ^^flf/f"  VM/. 

Fig.  225.     Anticyklonen  und  Cyklonen  auf  der  südlichen  Halbkugel. 

beide  Hemisphären  gleichmäßig  anwendbaren  Ausdrücke  nicht  etwa 
den  Ort  der  Entstehung,  sondern  lediglich   die  Eichtung,  aus  der 

X  Für  die  südliche  Hemisphäre  ist  Süden  statt  Korden   und   umgekehrt 
SU  setzen. 


96  Die  LufthüUe. 


I  die   Winde    wehen.      Wir  werden   im   folgenden   die   hintere   S< 

1  der  Cyklonen   die   Polar-  und  die  vordere  die  Äquatorialse 

\  nennen.    Im  Zentrum  der  barometrischen  Depression  sind  die  Wii 

I  veränderlich  und  Windstillen  häufig.    Der  Gradient  (und  damit  ai 

J  die  Windgeschwindigkeit)  ist   nicht  in   allen   Teilen   der   Cykloi 

4  gleich;  der  größte  liegt  im  nördlichen  und  westlichen  Europa  m( 

f,  im    südlichen,    der   kleinste   im   nördlichen   Quadranten;    auf  ( 

^4  ersteren   sind   daher   die   meisten  europäischen  St&rme  beschräi 

f  Aber   auch   innerhalb   eines  Quadranten  nimmt  der  Gradient   y 

i  Zentrum  gegen  die  Peripherie  erst  zu,  dann  wieder  ab.  Bei  gleich 

^  Gradienten   sind   in   unseren  Breiten  die  nördlichen  und  ösÜicl 

h  Winde  stärker,  als  die  südlichen  und  westlichen;  und  im  Somi 

j  sind  alle  Winde  stärker,  als  unter  gleichen  Verhältnissen  im  Wini 

I  Bis  zu  welcher  Höhe  die  cyklonische  Bewegung  reicht,  ist  n< 

wenig  untersucht  worden.  In  der  Bai  yon  Bengalen  vermögen 
Cyklonen  nicht  einmal  die  300 — 600  m  hohen  Ostghats  zu  üb 
schreiten.  In  der  östlichen  Union  erreichen  sie  selten  die  Höhe  < 
Mt.  Washington  (1900  m),  während  in  der  westlichen  selbst  das  ü 
4000  m  hohe  Felsengebirge  keine  absolute  Schranke  für  sie  bil( 
Die  ältere  Theorie  (Eonvektionstheorie),  die  auch  heute  m 
[i  viele  Anhänger  zählt,  erblickt  in  der  Cyklonenbildung  die  erste  ^ 

X  anlassung    zur   atmosphärischen   Gleichgewichtsstörung.     An   ül 

\  wärmten  Stellen   entwickelt  sich  ein  aufsteigender  Luftstrom;    s 

\  Dampfgehalt  wird  dabei  kondensiert,  und  die  dadurch  frei  geword( 

I  Wärme  verstärkt  den  Auftrieb,    Oben  fließt  er  nach  allen  Seiten 

I  und  sinkt  dann  erkaltet  zu  Boden  und  erzeugt  Anticyklonen. 

i  speist  in   den   oberen  Schichten   die  Cyklone   die   sie  umgeben< 

j  Anticyklonen,    und    in   den   unteren    Schichten   ernährt   die    Ai 

i,  cyklone  die  Cyklonen. 

''  Für  die  tropischen  Cyklonen  und  einige  engbeschrankte  P! 

.;  nomene  unserer  Breiten,  wie  z.  B.  für  die  verheerenden  Lufbwir 

T;  oder  Tornados  Nordamerikas  wird  diese  Erklärung  auch  jetzt  m 

ziemlich  allgemein  festgehalten.  Für  die  maßgebenden  Witterun 
erscheinungen  der  gemäßigten  und  wohl  auch  der  kalten  Zone  1 
sie  aber  ihre  Geltung  verloren,  seitdem  Hann  nachgewiesen  hat,  c 
die  mittlere  Temperatur  der  gesamten  Luftsäule  innerhalb  der  Ai 
cyklone  höher  ist,  als  innerhalb  der  Cyklone.*  Die  letztere  ks 
also  nicht  ein  Produkt  abnormer  Erwärmimg  sein.  Man  darf  i 
nehmen,  daß  die  erste  Störung  im  Gleichgewichtszustande  der  L 
von  der  Anticyklone  ausgeht;  sie  entwickelt  sich  an  einer  Ste 
wo  ein  Arm  der  allgemeinen  Luftströmung  nach  dem  Pole 
Boden  sinkt  und  dadurch  in  der  Nachbarschaft  eine  Vermindem 


WindsTsteme  nnd  Windgebiete.  97 


des  Luftdruckes  bewirkt  Ist  aber  ^uf  diese  Weise  au  der  Erdober- 
iiäcbe  eiumal  der  Austoß  zu  einer  cyklonaleu  Bewegung  gegeben, 
dann  wird  unter  giinstigen  Umständen  das  barometrische  Minimum 
durch  den  um  dasselbe  entstehenden  Luftwirbel  immer  mehr  ver- 
tieft. Je  mehr  das  Barometer  im  Zentrum  sinkt,  desto  steiler  wird 
der  Gradient,  desto  heftiger  der  Wirbel,  desto  geringer  auch  der 
Luftdruck  im  Mittelpunkte.  So  trägt  die  Cyklone  in  sich  selbst  die 
Bedingungen  ihres  Wachstums,  das  aber  erfahrungsgemäß  zeitlich 
beachränkt  ist 

Von  ihrer  Geburt  bis  zu  ihrem  Erlöschen  sind  die  Cyklonen 
in  beständiger,  bald  schnellerer,  bald  langsamerer  Wanderung  be* 
griffen.  Li  der  tropischen  Zone  bewegen  sie  sich  nach  Osten,  biegen 
dann  an  der  Polargtenze  der  Passate  nach  Norden,  beziehungsweise 
Süden  um,  wobei  sie  an  Tiefe  verlieren,  aber  an  Ausdehnung 
gewinnen,  und  schlagen  in  den  mittleren  und  höheren  Breiten  einen 
westlichen  Weg  ein.  Das  letztere  gilt  auch  von  jenen  Depressionen, 
die  in  den  außertropischen  Gegenden  entstehen.  Die  Cyklonen  be- 
wegen sich  also,  seltene  Ausnahmen  abgerechnet,  stets  im  Sinne  der 
allgemeinen  Luftzirkulation;  sie  sind  Wirbel,  die  von  den  großen 
Ost*  und  Westströmen  weiter  getragen  werden.  Genauer  kennen  wir 
bisher  allerdings  nur  ihre  mitüeren  Zugstraßen  zwischen  dem  Felsen- 
gebirge und  Ural.  In  Nordamerika  wandert  die  Mehrzahl  unter  ca. 
45^  B.  durch  die  Seenregion,  während  andere  aus  dem  SW.  auf  den 
Atlantischen  Ozean  gelangen.  Mehr  als  die  Hälfte  der  nordamerika- 
nischen Minima  durchkreuzt  denselben  in  4—6  Tagen  und  erreicht 
Europa.  Die  einen  ziehen  über  Labrador  oder  enÜang  der  Küste  nach 
Grönland  und  von  da  nach  Osten;  die  Bahnen  der  anderen  teilen  sich 
in  der  Nähe  von  Neuschottland,  um  entweder  über  Island,  oder  quer 
über  den  Ozean  oder  nördlich  von  den  Azoren  nach  Europa  zu 
fuhren.  Hier  ist  der  Norden  das  Hauptdurchzugsgebiet  der  Minima. 
Eine  Straße  beginnt  bei  Island,  zieht  dem  norwegischen  Gestade  entlang 
über  den  Polarkreis  hinaus  und  führt  von  da  entweder  nordwärts  in 
das  Eismeer  oder  zum  Weißen  Meere  oder  nach  SO.  in  das  Innere 
von  Rußland.  Von  den  britischen  Inseln  und  ihrer  Umgebung 
wandern  die  Minima  entweder  über  die  Nordsee,  Südschweden  und 
die  mitüere  und  südliche  Ostsee  nach  den  baltischen  Provinzen 
und  nach  Finnland;  oder  —  jedoch  in  selteneren  Fällen  und  im 
Sojnmer  fast  nie  —  über  Frankreich  nach  dem  Mittelmeere.  Hier 
vereinigt  sich  diese  Zugstraße  mit  der  vom  westlichen  Mittelmeer 
kommenden,  um  im  weiteren  Verlaufe  teils  nach  SO.,  teils  in  das 
Schwarze  Meer,  teils  nach  NO.  in  das  innere  Rußland  zu  fahren. 
Besonders  ausgezeichnet  sind  die  Ereuzungspunkte  der  Zugstraßen, 

SopAH,  Phjsiscbe  Erdkunde.    IL  Aufl.  7 


98 


Die  LufthnUe. 


5 


f 


wie  die  Lorenzomündung,  die  Gegenden  in  der  Dayisstraße,  s 
westlich  Yon  Island  und  bei  den  Lofoten,  das  südliche  Schwei 
und  der  Atlantische  Ozean  zwischen  50  und  52^  N.  und  34  i 
38  ^W.  Gr.  Hier  pflegen  die  Minima  länger  zu  yerweUen  und  schlaj 
häufig  auf  kurze  Zeit  sogar  eine  retrograde  Bewegung  ein;  hier  bili 
sich  auch  die  meisten,  so  einflußreichen  stationären  Depression 
Die  mittlere  24standige  Geschwindigkeit  der  Minima  betr 
in  Nordamerika  1097,  auf  dem  nordatlantischen  Ozean  696  und 
Europa  646  km.  Daraus  ergiebt  sich  ein  bedeutungSToller  Uni 
schied  zwischen  dem  nordamerikanischen  imd  europäischen  Eli] 
Denn  die  direkte  Folge  der  fortschreitenden  Gyklonen  ist  die  V< 
änderlichkeit  des  Wetters;  je  rascher  sie  wandern,  desto  grö 
auch  die  Veränderlichkeit  Die  Punkte  a  und  b  in  Fig.  22  a  (S. 
gelangen,  wenn  die  Cyklone  nach  rechts  fortschreitet,  Ton  < 
Äquatorial*  auf  die  Polarseite,  wobei  sich  in  a  (entsprechend  d 
sogenannten  DovEschen  Drehungsgesetze,  das  aber  nur  beschrän 
Geltung  hat)  der  Wind  im  Sinne  eines  Uhrzeigers  von- 80.  ü 
SW.  nach  NW.,  in  b  aber  im  entgegengesetzten  Sinne  von  SO.  ü 
NO.  nach  NW.  dreht 

Innerhalb  einer  größeren  Depression  können  sich  auch  seki 
däre  oder  Teilminima  bilden,  am  häufigsten  auf  der  Süd» 
derselben.  Im  ersten  Stadium  ihrer  Entwicklung  yerraten  sie  s 
durch  eine  seitliche  Ausbuchtung  der  Isobaren.  Unter  günstij 
Bedingungen  lösen  sie  sich  yom  Hauptminimum  los  und  yerfolj 
selbständig  ihren  Weg. 

.  Die  eigentliche  Heimat  der  Cyklonen  sind  die  subpolaren  ] 
pressionszonen.  ^     In  einem  schmalen  Gürtel  zu  beiden  Seiten 
Äquators  fehlen  sie  ganz,   denn  hier  ist  die  ablenkende  Wirki 
der  Erdrotation  zu  schwach,  als  daß  Störungen  des  Gleichgewicl 
zustandes   der  Luft  nicht  bald   ausgeglichen   werden    müßteu. 
dem  übrigen  Teile  der  Tropenzone  fehlen  sie  zwar  nicht,  und  s 
insofern  wichtig,  als  sie  meist  von  verheerenden  Stürmen  begle 
sind,  aber  sie  sind  nur  einige  Monate  beschränkt    Genauer  beka 
sind  nur  die  Hurricane   des  nordatlantischen  Tropenmeeres, 
Teifune    der   Chinasee   und   die  Cyklonen   des  Indischen   Ozei 
Von  den  erstgenannten  kommen  nach  Loomis  88  Prozent  auf 


^   Zahl  der  Stürme  in  Prozenten  aller  Beobachtungen  auf  dem   n 
atlantischen  Ozean: 

0-  5<>N. 
5—10 
10—15 
15—20 


0,M 

20—25»  N. 

1,« 

40— 45'N.     10.» 

0,1 

25—30 

8,, 

45—50            14,0 

0,. 

80-35 

7,7 

50—55            16,0 

1,1 

86—40 

18,1 

55—60            80,5 

Windsysteme  und  Windgebiete.  99 


Monate  August  bis  Oktober,  wo  der  thermische  Äquator  am  wei- 
testen Tom  mathematischen  sich  entfernt  Die  niedrigste  Breite 
ihres  Vorkommens  ist  10,s^N.,  das  umbiegen  der  Bahn  erfolgt  im 
Sommer  im  Mittel  in  30,e^,  im  September  in  29,7^  B.;  die  durch- 
schnittliche tägliche  Geschwindigkeit  beträgt  460  km.  Auch  die 
Teifune  sind  in  der  warmen  Zeit  am  häufigsten  (72  Prozent  in  den 
Monaten  Juli  bis  Oktober).  Von  den  Wirbelstilrmen  im  Pazifischen 
und  Indischen  Ozean  kommen  52  Prozent  auf  den  Herbst  (September 
bis  November)  und  43  Prozent  auf  den  Frühling  (April  bis  Juni): 
das  sind  die  Zeiten  der  sogenannten  Monsunwechsel,  wovon  wir  im 
nächsten  Abschnitte  hören  werden.  Ihre  niedrigste  Breite  ist  6,i^,  die 
ümbiegung  ihrer  Bahn  nach  Norden  vollzieht  sich  im  Durchschnitt 
schon  unter  19,8^  B.,  die  mittlere  Geschwindigkeit  in  24  Stunden 
beträgt  310  km.  Im  südindischen  Ozean  sind  die  Monate  Januar 
bis  April  die  Sturmzeit. 

Wir  haben  oben  gesagt,  Gyklonen  seien  hauptsächlich  eine  Er- 
scheinung der  subpolaren  Depressionszonen,  und  wir  hatten  dabei 
natürlich  die  subarktische,  als  die  allein  genügend  bekannte,  besonders 
im  Auge.  Die  von  der  Theorie  geforderten  Westwinde  kommen 
hier,  wie  ims  die  Bichtung  der  Cirrus -Wolken  lehrt,  nur  in  den 
höheren  Schichten  der  Atmosphäre  zu  ungestörter  Entwickelung, 
auf  dem  Boden  des  Luftmeeres  treiben  dagegen  Gyklonen  und  Anti- 
cyklonen  ihr  wechselndes  Spiel.  Jeder  Ort  auf  der  Erdoberfläche 
in  unseren  Breiten  gelangt  bald  in  eine  anticyklonische,  bald  in 
eine  cyklonische  Luftbewegung,  bald  auf  die  äquatoriale,  bald  auf 
die  polare  Seite  der  wandernden  Gyklonen,  und  erleidet  dadurch 
beständige  Witterungsveränderungen.  Selbst  in  langjährigen  baro- 
metrischen Mittelwerten  kommt  dies  zum  Ausdrucke;  niemals  um- 
spannt eine  kontinuierliche  Depressionszone  die  ganze  Erde,  immer 
löst  sie  sich  in  Gyklonen  und  Anticyklonen  auf,  die  in  ostwestlicher 
Richtung  neben  einander  lagern,  geradeso  wie  die  verschieden  er- 
wärmten Land-  und  Wassermassen;  und  je  schärfer  dieser  Temperatur- 
gegensatz ausgebildet  ist,  desto  schärfer  sondern  sich  auch  die  beiden 
barometrischen  Systeme  voneinander  ab. 

Geographische  Eigentümlichkeiten  sind  es  also,  die  von  ca.  35^ 
n.  B.  bis  in  das  arktische  Meer  hinein  die  allgemeine  Luftzirkulation 
an  der  Erdoberfläche  wesenüich  modifizieren. 

Passate.  In  den  niederen  Breiten  zwischen  den  beiden  sub- 
tropischen Hochdruckzonen  entspricht  dagegen  die  Bewegung  in 
den  untersten  Luftschichten  wenigstens  auf  den  Meeren  den  theo- 
retischen Voraussetzungen.  Es  ist  das  G-ebiet  der  Passate,  des 
nordöstlichen  auf  der  nördlichen,  des  südöstlichen  auf  der  südlichen 


100 


Die  LufthüUe. 


Hemisphäre.  Sie  unterscheiden  sich  von  den  Cyklonen  vor  all< 
dnrch  ihre  Beständigkeit,  denn  beständig  ist  auch  die  äquatoriale  I 
pression,  wenn  sie  sich  auch  mit  dem  Gang  der  Sonne  verschiebt  u 
dadurch  ebenfalls  Yerrückungen  der  beiden  subtropischen  Hochdru< 
Zonen  bewirkt  In  nachstehender  Figur,  wo  die  Kurven  die  mittleren  I 
rometerstände  des  Breitenkreise  (nach  der  Berechnung  von  Teisseke 
deBoet®)  in  ihren  positiven  und  negativen  Abweichungen  von  d( 
als  normal  geltenden  Luftdruck  im  Meeresniveau  (760  mm)  zur  Di 
Stellung  bringen,  sind  diese  jahreszeitlichen  Verschiebungen  dui 
die  punktierten  Linien  angedeutet.  In  der  Nähe  des  mathematisch 
M*  *o*  ao'  at^  /o*  o'  fo*  20'^'  4<f  SO'  Äquators  kann  also  i 

Punkt  zeitweise 
Depressionsgürtel  i 
seinen  variablen  W; 
den  und  Stillen  (Ei 
mengürtel)  liegen  u 
zeitweise  wieder  niii 
die  Herrschaft  bald  c 
NO..,  bald  des  S( 
Passates  gelangen.  AI 
auch  davon  abgeseb 
bedarf  die  Vorstellu 

Flg.  23.     VerteiluDg    des    Luftdruckes.     (Die    Abstände  ^^"^     ^er    Gleichmaß 

Yom  mittleren  Luftdrucke  760  mm  in  mm  entsprechend  keit    Und    Regelmäß 

dem  Barometerstande.)  j^^j^  j^^  p^^^^^^  ^.^j^ 

Einschränkung.  Das  Nebeneinander  von  Wasser  and  Land  wü 
auch  hier  störend.  Von  einem  ununterbrochenen  Passatban 
kann  man  daher  auf  der  nördlichen  Hemisphäre  niemals  und  2 
der  südlichen  nur  im  Winter  sprechen.  Auch  auf  den  Meeren 
der  SO.-Passat,  entsprechend  der  bedeutenderen  barometrisch 
Höhe  des  südsubtropischen  Maximums,  besser  entwickelt,  als  der  N< 
Passat.  Die  äquatorialen  Depressionen  bilden  hier  keine  gleichmäl 
breiten  Bänder,  sondern  verschmälem  sich  von  0.  nach  W.  beträchtli< 
und  ebenso  wenig  ist  der  Luftdruck  in  den  subtropischen  Ho< 
druckzonen  gleichmäßig  verbreitet,  sondern  verdichtet  sich  in  c 
Nähe  der  Westküsten  der  Kontinente  zu  scharf  umrissenen  An 
cyklouen.  Daher  kommt  es,  daß  wir  den  Passat  nur  in  den  O 
hälften  der  Meere  ganz  regelmäßig  ausgebildet  finden,  während 
im  Westen  eine  rückläufige  Bewegung  annimmt  Der  SO.  c 
Südhemisphäre,  wo  diese  Erscheinung  besonders  kräftig  ausgebilc 
ist,  geht  allmählich  in  0.,  NO.,  NW.,  W.  über,  so  daß  dadurch  i 
vollkommen  geschlossener   anticyklonischer   Kreislauf  um   die   sc 


Luftdruck-  und  Wiudverteilung  in  den  extremen  Jahreszeiten.         101 

tropischen  Maxima  entsteht,  und  die  Passate  selbst  nur  als  ein  ver- 
längerter Zweig  desselben  erscheinen.  Daß  auch  die  Passatzonen  zeit- 
weiUg  von  CJyklonen  durchfurcht  werden,  wurde  schon  oben  erwähnt, 
und  endlich  unterliegen  auch  ihre  polaren  Grenzen  häufigen  un- 
periodischen Verschiebungen. 

Über  der  passatischen  Bewegung  in  den  unteren  Schichten 
zieht  die  antipassatische  in  den  oberen  Schichten  in  entgegen- 
gesetzter Eichtung,  wodurch  der  vertikale  Kreislauf  geschlossen 
wird.  Der  Pic  von  Teneriffa,  3700  m  hoch,  ragt  bereits  in  diese 
Eegion  westlicher  Winde  hinein,  und  der  Himalaja  wird  im  Winter 
schon  in  2000  m  Höhe  von  denselben  getroffen. 

Litteraturnacliweise.  *  Loomis,  im  American  Jonmal  of  Science  1885, 
Bd.  XXX,  S.  9.  —  •  Zur  Einführung  (ohne  Zuhilfenahme  der  höheren 
Mathematik)  dient  Febhel,  A  populär  Treatise  on  the  Winds,  London  1889.  — 
^  V.  SiEJCEMB,  Die  Erhaltung  der  Kraft  im  Luftmeer  der  Erde,  in  den  Sitzungs- 
berichten der  Berliner  Akademie  der  Wissenschaften  1886.  —  *  Obbrbeck,  Über 
die  Bewegungserscheinungen  der  Atmosphäre;  ebenfalls  in  den  Sitzungsberichten 
1889  (S.  883  und  1129).  Für  die  Theorie  der  allgemeinen  Luftzirkulation  sind 
femer  wichtig  Hblkholtz,  Über  atmosphärische  Bewegungen,  in  den  Sitzungs- 
berichten der  Berliner  Akademie  der  Wissenschaften  1888  und  1889;  und  Möllbb, 
Zur  Dynamik  der  Atmosphäre,  in  der  Meteorologischen  Zeitschrift  1893.  — 
^  Kann,  Das  Luftdruckmaximum  vom  November  1889,  in  den  Denkschriften 
der  Wiener  Akademie  der  Wissenschaften,  Math.-naturwiss.  Klasse,  Bd.  LVII, 
1890.  Bezold,  Zur  Theorie  der  Cjklonen,  in  den  Sitzungsberichten  der  Ber- 
liner Akademie  der  Wissenschaften  1890.  —  'Teisssbenc  de  Bobt,  R^partition 
de  la  piession  atmosph^rique  k  la  surface  du  globe,  in  Comptes  rendus  d.  Aca- 
d^mie  des  Sciences.    Paris  1889  (S.  878). 


Luftdruck-  und  Windverteilung  in  den  extremen 
Jahreszeiten.  ^ 

(Siehe  Karte  IX  und  X.) 

Die  Isobarenkarten.  In  derselben  Weise,  wie  einst  Doye  die 
mittlere  Temperaturverteilung  in  einzelnen  Monaten  und  im  Jahres- 
durchschnitt kartographisch  durch  Isothermen  darstellte,  hat  Buchan 
Isobaren- und  Windkarten  entworfen,  die  uns  die  mittleren  Zustände 
des  Luftmeeres  vor  Augen  fähren.  Dieser  Versuch  ist  für  das  Jahr 
und  die  extremen  Monate  (Januar  und  Juli)  von  verschiedenen 
Seiten,  für  alle  Monate  aber  nur  noch  einmal  und  zwar  von 
BüCHAN*  selbst  wiederholt  worden.  Indes  leiden  diese  Karten  an 
verschiedenen  Mängeln.  Hakn  mußte  1886  das  Geständnis  ablegen, 
daß  „die  Kurven  (mittleren  Isobaren),  die  mit  vorhandenem  guten 
Material  konstruiert  werden  können,  so  umfassender  Interpolationen 
bedürfen,   daß   sie  eigentlich   mehr  eine  Darstellung  unserer  Vor- 


102  Die  Lufthttlle. 


Stellungen  von  der  Verteilung  des  Luftdruckes  sind,  als  der  A 
druck  von  Thatsachen".  Trotz  dieses  skeptischen  Urteils  dür 
wir  aber  wohl  sagen,  daß  die  Isobarenkarten  wenigstens  im  groJ 
und  ganzen  der  Wirklichkeit  entsprechen,  wenn  wir  auch  gena 
ganz  zuverlässige  Darstellungen  nur  von  sehr  wenigen  Gegendi 
besitzen.  Ein  weiterer  Übelstand  liegt  darin,  daß  wir  die  mittle 
Luftdruckverteilung  mit  den  vorherrschenden  Winden  in  Vergle 
setzen,  also  einen  Mittelwert  mit  einem  Scheitelwerte.  Die  1 
herigen  Versuche,  die  mittlere  Windrichtung  eines  Ortes  fest 
stellen,  haben  zu  keinem  befriedigenden  Ergebnisse  geführt,  i 
ebenso  wenig  sind  wir  im  stände,  die  sehr  maßgebenden  ortlicl 
Einflüsse  auf  die  Drehung  der  Windfahne  zu  beseitigen.  In 
treten  diese  Übelstände  mehr  in  Detailuntersuchungen  störend 
Tage,  als  bei  der  Feststellung  der  Haupt -Windgebiete  in  i 
extremen  Jahreszeiten,  womit  wir  es  hier  zu  thun  haben. 

Nördlicher  Winter  (Karte  IX).  Im  Bande  hohen  Lu 
druck  es,  das  sich  vom  Dezember  bis  zum  März  um  unsere  Hs 
kugel  schlingt,  liegen  vier  anticyklonische  Zentren;  zwei,  ^ 
denen  die  NO.-Passate  ausgehen,  am  Rande  der  Tropenzone  x 
zvfSLT  das  atlantische  im  S.  der  Azoren,  das  pazifische  nordöstl 
von  Hawaii,  die  beiden  anderen  dagegen  auf  den  Kontinenten  in 
Nähe  der  Gebiete  größter  negativer  Wärmeanomalie.  Das  ostsibirisi 
Maximum  ist  um  10  mm  höher  als  das  nordamerikanische,  di 
dort  sinkt  die  Temperatur  um  24**,  hier  nur  um  10^  unter  < 
Breiten  durchschnitt.  Die  Isobaren  von  75  bis  65  mm  buchten  a 
auf  der  Ostfeste  scharf  nach  W.  aus,  und  ähnliche  Krümmunj 
zeigen  auch  die  Isanomalen. 

Das  äquatoriale  Minimum  liegt  auf  dem  Atlantischen  i 
Pazifischen  Ozean  nördlich  vom  Gleicher,  nur  auf  dem  warmen  In 
sehen  Ozean  ist  es  mit  der  Sonne  etwas  nach  S.  gewandert 

Hoher  Luftdruck  breitet  sich  über  die  ganzen  Nordkontinente  \ 
und  umschließt  zwei  subpolare  Gebiete  niederen  Baromet« 
Standes,  deren  Minima  bei  Island  und  den  Aleuten,  also  in  i 
Nähe  der  relativ  wärmsten  Gegenden  unserer  Hemisphäre  lieg 
Auch  hier  ist  wieder  der  Zusammenhang  mit  der  Temperatur« 
teilung  deutlich  ausgeprägt.  Die  größere  Tiefe  des  nordatlantiscl 
Minimums  ist  bedingt  durch  den  höheren  Grad  der  positiven  A 
malie ;  und  auch  die  Biegungen  der  Isobaren  sind  in  den  Isanoma 
vorgezeichnet,  wie  beispielsweise  das  wichtige  Teilminimum  in 
Davisstraße. 

Der  thermische  Gegensatz  von  West  und  Ost,  der  dasWinI 
klima  unserer  Halbkugel  beherrscht,  kommt  auch  darin  zum  A 


Luftdruck-  und  WindverteUung  in  den  extremen  Jahreszeiten.        108 


drucke^  daß  in  derselben  Richtung  Windsysteme  von  entgegengesetztem 
Charakter  einander  ablösen.  Auf  die  nordatlantische  Gyklone  folgt  die 
ostasiatische  Anticyklone,  dann  die  nordpazifische  Cyklone  und  endlich 
die  nordamerikanische  Anticyklone.  Eine  Linie,  die  auf  den  Meeren 
ungefähr  mit  den  30.  Parallel  zusammenfällt,  auf  den  Kontinenten 
aber  —  wie  Karte  IX  zeigt  —  beträchtlich  h(Uier  ansteigt,  bildet, 
gleichsam  wie  ein  barometrisches  Gebirge,  die  Hauptwindscheide 
zwischen  den  vier  nördlichen  und  den  südlichen  Systemen. 

Von  jenen  ist  die  nordatlantische  Cyklone  fbr  uns  am  wich- 
tigsten, überdies  auch  am  eingehendsten  erforscht  Eine  Yon*  den 
Bermudas  gegen  Island  gezogene  Linie  trennt  die  Polar-  von  der 
Äquatorialseite.  Auf  der  letzteren  herrschen  südliche  und  west- 
liche Winde  Tor,  welche  die  höhere  Lufttemperatur  des  Golfstrom- 
gebietes, größere  Feuchtigkeit  und  Niederschläge  über  das  mittlere  und 
polare  Europa  bis  nach  Westsibirien  verbreiten,  aber  natürlich  in 
immer  geringerem  Maße,  je  weiter  sich  die  ozeanischen  Winde  von 
ihrer  ürsprungsstätte  entfernen,  und  je  mehr  kontinentale  Luftmassen 
in  den  Wirbel  gezogen  werden.  Die  folgende  Tabelle,  welche  die 
mittlere  Differenz  der  Polar-  (— )  und  Äquatorial  winde  (+)  in  Pro- 
zenten fbr  einige  Gegenden  angiebt,  zeigt  uns  am  besten  den  Kon- 
trast zwischen  beiden  Seiten  der  Cyklone. 


Polartalte. 

Neu-£ngland -31,4 

Küflte  von  New  York  bis  zur 

Chaspeakbai -21,i 

Kü8t«  von  der  Chaspeakbai  bis 

Savannah —  9,o 

Hudflonthal —  9.2 

Seenregion +4,« 

Ohio  und  Tennessee       .    .    .  +ll,o 

Oberes  Missisaippithal    ...  —  4,o 


iLquatorlalselte. 

Irland +20,o 

Schottland +26,» 

England +7,» 

Norwegische  Westküste      .    .  +SS,6 

Norwegische  SüdkÜBte    .    .    .  -15,o 

Südschweden +9,5 

Baltische  NW.-Küate      ...  +  3,o 

Belgien  und  Nordfrankreich   .  +22,2 

Französische  Westküste      .    .  +  8,s 
Niederlande,   Deutschland  und 

Dftnemark +26,2 

Nord- Alpen  (Bi^   nnd  Schaf- 
berg)      .     .     .' +21,5 

Inneres  Böhmen +15,o 

Nordabhang  der  Karpaten  .     .  +10,3 

Ostseeprovinzen  und  Finnland  +27,s 

Nord-Rußland +21,o 

Zentral-Rußland +23,5 

Westsibirien       +20,o 

Man  ersieht  ans  dieser  Tabelle,  daß  in  Europa  nicht  alle  Gegenden 
gleichmäßig  begünstigt  sind.  England  nnd  das  südliche  und  östliche 
Skandinavien    haben  im  Osten  nnd  Süden  wärmere  Meeresflächen, 

die  häufig  der  Schauplatz  von  Cyklonenbildungen  sind,  aber  ohne 


104  Die  Lufthttlle. 


auf  unseren  Isobarenkarten  als  Teilminima  klar  hervorzutreten.    J< 

Lokalitäten  liegen  daher  oft  auf  der  Polarseite  von  Barometerdepi 

!  l  sionen.    In  Nordamerika  nimmt  die  Häufigkeit  der  nördlichen  Wii 

I  nach  Süden  rasch  ab  (und  infolge  dessen  die  Temperatur  ebenso  ra 

;  zu),  ja  stellenweise  herrschen  sogar  die  Iquatorialwinde,  wenn  a) 

nicht   bedeutend    vor.     Es  erklärt  sich  dies  aus  der  regelmäßij 

Wanderung  von  Cyklonen  aus  dem  Inneren  der  Yereinsstaaten  gei 

I  Osten,  wodurch  ihre  Zugstraßen,  sowie  die  südlich  davon  gelegei 

Landstriche    häufig    der    Wohlthat    äquatorialer    Winde    teilha 

werden. 

Die  nordpazifische  Cyklone  unterscheidet  sich  von  der 

,  lantischen  in  einigen  wesentlichen  Punkten.    Sie  umfaßt  auf  der  eii 

Seite  die  Ostabdachung  Asiens,  auf  der  anderen  den  schmalen  p; 

fischen  Rand   von   Nordamerika.     Ihre   kontinental   abgeschloss 

!  Nordseite  ist  viel  ausgebildeter,  als  die  offene  der  atlantischen  Cjklo 

j  überall   in  der  Umgebung  der  Beringstraße   herrschen   Polarwii 

vor,  wie  die  Vega-Expedition  bestätigen  konnte.    Aus  dem  gleicl 

-    '  Grunde   hegt   das  Minimum  hier  wenigstens  10  Breitengrade  s 

-  '  lieber  als  im  Atlantischen  Ozean;  Alaska  befindet  sich  daher  sei 

auf  der  Polarseite,  während  Skandinavien  noch  auf  der  Äquator 

j  Seite  liegt    Die  letztere  ist  also  in  der  neuen  Welt  in  nordsüdlic 

I  Richtung  beschränkter,  als  in  der  alten  Welt,  aber  auch  gegen  Os 

j  hin,  weil  Gebirge  ein  tieferes  Eindringen  nicht  verstatten.   Ein  ebe 

I  bemerkenswerter  Unterschied  liegt  in  der  gleichförmigen  Entwic 

lung  der  Polarseite  bis  an  den  Wendekreis.     Eine  Linie  von  ( 

Bonininseln  zu  den  Aleuten  trennt  sie  von  den  äquatorialen. 


PolarBeite. 
Ochotskische  Küste  und  Kam- 
tschatka       —41,5 

Sachalin,  Japan  und  China    .     —46,7 


Äquatorialselte. 
Pazifische    Küste    von    Nord- 
amerika       + 

Oberes  Columbia + 


'  Ein  Vergleich  mit  den  auf  S.  103  mitgeteilten  Zahlen  zeigt  i 

deutlich,  daß  das  östliche  Nordamerika  in  den  mittleren  Breiten  ungle 
begünstigter  ist  als  das  östliche  Asien.  Hier  nimmt  die  Wärme  ni 
so  rasch  nach  Süden  zu;  Schanghai  hat  nur  eine  mittlere  Janu 
temperatur  von  3,2°.   Noch  schärfer  tritt  der  Gegensatz  in  denNied 

I  Schlagsverhältnissen  hervor,  wie  wir  später  sehen  werden.     Wo 

dieser  Unterschied?     OflFenbar  findet  in  Ostasien  keine  so  lebhi 
I    I  Cyklonenbewegung  statt,  wie  in  den  Vereinigten  Staaten.     Alle  ] 

'  wegung  nimmt  in  diesen  Breiten  eine  östliche  Richtung,  und  in  die 

^  1  stößt  sie  auf  hohe  Gebirge.    Ebensolche  verhindern  auch  den  Abf 

der  Luft  nach  Süden.  So  gewinnt  die  sibirische  Anticyklo 
eine   größere   Festigkeit  als  die   nordamerikanische,   und   daduj 


Luftdruck-  und  WindverteÜung  in  den  extremen  Jahreszeiten.         105 


ist  wohl  auch  zum  TeU  die  abnorme  Höhe  des  Luftdruckes  be- 
dingt 

Außer  den  beiden  genannten  Anticyklonen  dürfte  noch  eine  dritte 
im  Gebiete  des  amerikanischen  Kältepols  sich  befinden.  Darauf  deuten 
die  sehr  bestandigen  NW.- Winde  hin,  die  das  ganze  arktische  Amerika 
bis  in  die  Baffinbai  und  Davisstraße  überwehen. 

An  der  Hauptwindscheide  finden  wir  schwankende  Strömungs- 
yerhältnisse,  da  die  Grenzen  der  Windgebiete,  der  Beweglichkeit  des 
Elementes  ent^rechend,  sich  beständig  verschieben.  Je  weiter  wir 
aber  gegen  Süden  Yordringen,^  desto  mehr  nimmt  die  Luftzirkulation 
einen  passatischen  Charakter  an.  Die  Polargrenze  des  eigentlichen 
N0.-Pas8ates  liegt  im  Osten  und  Westen  des  Atlatitischen  Ozeans 
in  ca.  26 ^B.  und  sinkt  in  der  Mitte  auf  ca.  18^  herab;  die  westliche 
Sahara  auf  der  einen  Seite  und  Zentralamerika  und  der  nördliche 
Teil  Yon  Südamerika  auf  der  anderen  gehören  noch  diesem  Gebiete 
an.  Auch  im  Pazifischen  Ozean  trefi^en  wir  den  ausgebildeten  Passat 
erst  jenseits  des  30.  Parallels  im  Osten  und  des  21. — 25.  im  Westen 
an.  In  der  östlichen  Sahara,  in  Arabien  und  in  Mesopotamien  zieht 
eine  sehr  beständige  NW.-Strömung  zum  Indischen  Ozean.  In  Zentral- 
asien beginnt  das  passatische  System  erst  jenseits  des  Himalaja,  der 
weit  in  die  Begion  der  antipassatischen  Strömung  hineinragt;  dies- 
seits desselben  bis  zum  50.  Breitengrade  ist  ein  Übergangsgebiet  mit 
schwankenden  Winden,  unter  denen  aber  doch  die  polaren  Yorherrschen. 
Wie  hier  das  Relief  des  Erdbodens  die  Passatgrenze  nach  Süden 
schiebt^  so  rückt  im  Westen  das  Mittelmeer  die  Hauptwindscheide 
nach  Norden.  Auch  hier  nimmt  der  Luftdruck  Yom  Festlande  gegen 
die  See  ab;  aber  das  Yielfach  gegliederte  Mittelmeer  beherbergt 
mehrere  Minima,  und  die  WindYcrhältnisse  sind  daher  ziemlich  kom- 
plizierter Natur.  Doch  herrschen  an  den  nördlichen  und  westlichen 
Küsten  im  allgemeinen  nördliche  und  an  den  südlichen  südliche 
Winde  vor. 

Jenseits  des  Himalaja  fließt  die  Luft  den  großen  Thälem  des 
Granges  und  Brahmaputra  entlang  zum  Indischen  Ozean,  wo  die  Strö- 
mung erst  die  regelmäßige  passatische  Richtung  annimmt.  Überall, 
wo  der  Ealmengürtel  im  Süden  des  Äquators  liegt,  also  im  ganzen 
Indischen  Ozean  und  in  der  westlichen  Südsee,  dringt  der  NO.-Passat 
auf  die  Südhemisphäre  hinüber  bis  ca.  10  °B.  und  in  Australien  noch 
weiter.  Er  wird  hier  durch  die  Rotation  in  einen  NW.-  bis  W.-Wind 
umgewandelt,  und  daher  im  malaischen  Archipel  und  in  Australien 
als  NW.-  oder  Australmonsun  bezeichnet  Unter  dem  Ausdruck 
Monsun  (yom  arabischen  mausim  s=  Jahreszeit)  Yorsteht  man  einen 
mit  den  Jahreszeiten  wechselnden  Wind;  so  führt  auch  der  indische 


106  Die  Lufthülle. 


Passat  den  Namen  NO.-Monsun,  nur  weil  er  im  Sommer  vom  S 
Monsun  abgelöst  wird. 

Auf  der  südlichen  Halbkugel  folgt  ebenfalls  auf  den  äquj 
rialen  Depressionsgürtel  eine  Zone  hohen  Luftdruckes,  die  aber  du 
die  stark  erwärmten  Kontinente  unterbrochen  wird.  Die  Lufld 
lockerung  schafft  hier  Minima,  die  ringsum  Ton  der  kälte 
Umgebung  Luft  anziehen  und  in  cjklonale  Bewegung  setzen.  ^ 
haben  also  hier,  entsprechend  den  drei  Meeren,  drei  Passat^ 
biete,  die  durch  die  festländischen  Cyklonen  voneinander 
trennt  werden. 

Der  SO.- Passat  überschreitet  in  dieser  Jahreszeit  (Sommer) 
in  den  ösüichsten  Teilen  des  Atlantischen  und  Pazifischen  Oze 
den  Äquator,  während  er  sonst  überall  Ton  dem  nördlichen  Pen 
bis  ca.  10^  s.  B.  zurückgedrängt  wird.  Er  erreicht  seine  höd. 
Breite  (33 — 34^  im  Grebiete  der  subtropischen  Maxima,  und  von 
nähert  sich  seine  Polargrenze  immer  mehr  dem  Äquator.  Im  Os 
wird  er  durch  die  benachbarten  kontinentalen  Minima  in  SW.  i 
gewandelt  (besonders  deutlich  ist  diese  Ablenkung  an  der  a&ikanise 
Westküste  ausgebildet),  im  Westen  vollzieht  sich,  ebenfSeJls  unter  c 
Einflüsse  jener  Minima,  die  schon  auf  S.  100  geschilderte  ümk< 
wodurch  die  anticyklonische  Bewegung  um  die  subtropischen  Maxi 
geschlossen  wird.  Nirgends  und  niemals  ist  dieses  Phänomen  k 
tiger  ausgebildet,  als  in  dieser  Jahreszeit  auf  der  Südhemisphi 
Wir  finden  es  sogar  mitten  in  der  Südsee  wieder,  wo  das  ostli 
Passatgebiet  von  dem  schwächer  entwickelten  westlichen  durch 
Band  des  rückkehrenden  Passates  getrennt  wird.  Von  etwa  45 
breitet  sich  bis  in  die  unbekannte  Südpolarwelt  hinein  die  anta 
tische  Windzone  mit  vorherrschenden  westlichen  und  nordwestlic 
Strömungen  aus. 

Nördlicher  Sommer.  (Karte  X.)  Der  April  ist  für  die  nördli 
Halbkugel  ein  Übergangsmonat  Im  Mai  weicht  schon  die  Z 
hohen  Luftdruckes  gegen  N.  zurück,  und  der  äquatoriale  Gürtel  i 
deren  Luftdruckes  dringt  von  S.  aus  vor.  Ln  Juli  und  August 
die  eigentümliche  Verteilung  des  Barometerstandes,  von  dem 
sogleich  sprechen  werden,  zur  höchsten  Ausbildung  gelangt 

Auf  der  südlichen  Halbkugel  liegen  die  Verhältnisse  einfacl 
Die  im  Dezember  und  Januar  getrennten  Gebiete  hohen  Luftdruc 
schließen  sich  schon  im  Februar  über  dem  südamerikanischen  E 
tinent  zu  einem  ununterbrochenen  Bande  zusammen  und  die 
Zustand  erhält  sich  bis  November.  Die  subtropischen  Maxi 
liegen  in  ca.  30^  S.;  auch  auf  den  Kontinenten  entwickeln  sich  sei 
in  den  Gegenden  negativer  Wärmeanomalie.    Nördlich  davon  de 


Luftdruck-  und  Windverteilung  in  den  extremen  Jahreszeiten.        107 

die  Passatzone  aus,  die  sich  nicht  mehr  auf  die  Meere  allein 
beschrankt,  wenn  sie  auch  auf  den  Kontinenten  weniger  regelmäßig 
ausgebildet  ist  Die  drei,  bez.  vier  sommerlichen  Passatgebiete  lassen 
sich  trotzdem  auch  jetzt  noch  unterscheiden,  doch  verschmelzen  die 
beiden  pazifischen,  wenigstens  im  Norden,  völlig  miteinander.  Die 
anticyklonische  Bewegung  um  die  subtropischen  Maxima  ist  noch 
gut  erkennbar,  aber  sie  vollzieht  sich  erst  in  höheren  Breiten.  Auf- 
fällig dürfte  in  dieser  Jahreszeit  (Winter)  die  Ablenkung  des  Passates 
gegen  die  südafrikanische  Westküste  erscheinen;  aber  sie  erklärt  sich 
leicht,  wenn  man  bedenkt,  daß  hier  das  Meer  stets  kälter  ist  als  die 
Eüstenzone,  und  daß  diese  eine  genügende  Ausdehnung  besitzt,  um 
durch  Lufkauflockerung  den  Seewind  anzuziehen. 

Die  Polargrenze  des  eigentlichen  Passates  liegt  in  ca.  25^  B.; 
im  Atlantischen  Ozean  reicht  sie  bis  gegen  30^,  in  der  mitt- 
leren Südsee  zieht  sie  sich  bis  gegen  18^  B.  zurück.  Jenseits  des 
40.  Parallel  herrscht  überall  die  westliche  Strömung  des  antark- 
tischen Windgebietes.  Hier  hat  sich  im  allgemeinen  seit  dem  Sommer 
nichts  geändert,  nur  der  Gradient  ist  etwas  steiler  geworden. 

Welcher  Kontrast  zwischen  beiden  Jahreszeiten  tritt  uns  aber 
auf  der  nördlichen  Halbkugel  entgegen!  Lassen  wir  die  alte 
Welt  vorläufig  außer  Betracht  Das  äquatoriale  Minimum  ist  mit 
dem  thermischen  Äquator  allenthalben  nach  Morden  gerückt,  im 
Mittel  bis  ca.  10®  N.,  nur  an  den  Westseiten  der  Festländer  bis 
15—20**  N.  Überall  folgt  ihm  der  SO.-Passat  auf  unsere  Hemisphäre, 
und  wird  dabei  in  der  Nähe  des  erhitzten  östlichen  Festlandes  in  SW. 
umgewandelt  Auch  das  Gebiet  hohen  Luftdruckes  ist  auf  dem  Meere 
beträchtlich  weiter  gegen  den  Pol  fortgeschritten,  durchschnittlich  bis 
55**  B.  Ebenso  liegen  die  subtropischen  Maxima  nördlicher  als  im 
Winter,  unter  ca.  40®  B.,  und  damit  verschiebt  sich  auch  die  Haupt- 
windscheide in  höhere  Breiten.  Auf  den  Kontinenten,  die  wärmer  sind 
als  das  Meer  in  gleicher  Breite,  biegen  sich  dagegen  die  Isobaren  nach 
Süden  um,  und  der  Luftdruck  nimmt  landeinwärts  ab;  daher  sinkt 
die  Hauptwindscheide  in  Amerika  bis  zum  20.  Parallel  und  in  der 
alten  Welt  verschwindet  sie  vollständig. 

Es  dürfte  nun  an  der  Zeit  sein,  einen  vergleichenden  Blick  auf 
die  horizontale  Luftdruckverteilung  im  Sommer  und  Winter  zu  werfen. 
Auf  den  Meeren  folgen  in  beiden  Jahreszeiten  aufeinander:  das  äqua- 
toriale Minimum,  das  subtropische  Maximum,  das  subpolare  Minimum 
und  das  polare  Maximum  (letzteres  wenigstens  auf  unserer  Halb- 
kugel). Die  Festländer  beherbergen  dagegen  im  Winter  Maxima  und 
im  Sommer  Minima.  Es  besteht  also  ein  fundamentaler  Gegen- 
satz zwischen  den  marinen  und  kontinentalen  Maxima  und 


108  Die  Lufthülle. 


Minima;  jene  sind  permanent,  wandern  aber  mit  der  Sonne,  d 
sind  periodisch. 

Die  nordhemispfaärische  Passatzone  reicht  im  Sommer  nur 
der  Saharaküste  westwärts  ungefähr  bis  zum  Meridian  Ton  Sachs 
Ihre  Polargrenze  liegt  auf  den  Meeren  durchschnittlich  in  28 
steigt  aber  im  Osten  über  30®  an.  Die  Nähe  der  erhitzten  Eontii 
talflächen  erzeugt  eine  vollständige  anticyklonische  Bewegung  um 
subtropischen  Maxima,  wie  wir  sie  bisher  nur  auf  der  Südhemispt 
beobachten  konnten. 

In  den  mittleren  und  höheren  Breiten  lagern  vier  cjklonis 
Windgebiele  nebeneinander,  nur  das  der  alten  Welt  reicht  aucl 
die  Tropenzone  hinein.  Eine  strenge  Scheidung  durch  ausgedel 
anticyklonische  Systeme  findet  nur  in  den  mittleren  Breiten  statt 
den  höheren  treten  die  Windscheiden  nur  auf  sehr  detaillirten  Isobai 
karten  deutlich  hervor.  Überdies  sind  die  Winde  nicht  so  stark 
im  Winter,  denn  die  Druckdiflferenzen  sind  nach  allen  Richtungen 
geringer,  ebenso  wie  die  Temperaturunterschiede.  Sie  sind  aucl 
den  höheren  Breiten  von  geringerer  klimatologischer  Bedeutung 
im  Winter,  weil  die  Verteilung  der  Temperatur  hauptsächlich  du 
die  Insolation  bedingt  wird,  und  wir  werden  ihnen  daher  nur  ( 
flüchtige  Betrachtung  widmen. 

Im  nordatlantischen  Cyklonengebiete  liegt  das  Minin 
östlich  von  Island.  Amerika  östlich  vom  Mississippi  und  von  ei 
Linie,  die  man  sich  zwischen  der  Seenregion  und  der  Hudsonbai  n 
Nordwesten  gezogen  denkt,  der  Atlantische  Ozean  nördlich  einer  L 
von  Florida  bis  Frankreich,  die  britischen  Inseln,  Frankreich  und 
westliche  Deutschland  gehören  dazu.  Im  Norden  der  Linie  Jamesl 
Island  herrschen  Polar-,  südlich  davon  Äquatorialwinde  vor.  Die  N 
der  großen  ostkontinentalen  Barometerdepression  macht  sich  s 
auch  hier  insofern  geltend,  als  in  Westeuropa  die  Polarström 
häufiger  ist,  als  im  Winter.  Über  die  Lage  des  Minimums  in 
pazifischen  Gyklone  ist  nichts  genaues  bekannt  Die  amc 
kanische  Cy klone,  zieht  S.-  und  SO.- Winde  aus  dem  GU)lf 
Mexico  an,  die  das  ganze  Prärienplateau  überströmen,  und  erze 
anderseits  NW.- Winde  an  der  pazifischen  Küste.  Weitaus  am  wi 
tigsten  ist  aber  das  Cyklonengebiet  der  alten  Welt  ] 
Hauptminimum  verlegt  Hanv  nach  Iran  und  in  das  Indusgel 
aber  die  Biegungen  der  Isobare  von  755  mm  verraten  nicht  min 
wichtige  Teilminima,  wie  im  westlichen  Sibirien,  in  der  Sah 
und  in  China.  Überall  ist  in  den  weiten  erhitzten  Ebenen  Geleg 
heit  zur  Bildung  barometrischer  Minima  vorhanden,  an  allen  Sei 
saugt   der  Kontinent  Luft  ein,    wie   er  im  Winter  Luft  ausaü 


Luftdruck-  und  Windverteilung  in  den  extremen  Jahreszeiten.        109 

Im  Saden  wird  —  das  einzige  Beispiel  dieser  Art  —  der  indische  NO- 
Passat  YöUig  unterdrückt  und  die  Luft  gezwungen,  in  entgegengesetzter 
Sichtung y  als  SW. -Monsun  dem  zentralasiatischen  Minimum  zu- 
zufließen. Thalaufwärts  strömt  sie  in  Hindustan  bis  zur  großen  Hima- 
laja-Barriere, ja  yielleiclit  in  tieferen  Einschnitten  auch  darüber  hin- 
weg. Nach  Westen  herrscht  dieser  Monsun  bis  Arabien,  nach  Osten  bis 
zu  den  Philippinen.  In  der  Sahara  dringt  der  SO.-Passat  bis  gegen 
20 ®N.  vor;  in  China,  Japan  und  auf  dem  benachbarten  Festlande  löst 
der  SO.- Wind  den  winterlichen  NW.  ab.  Auf  der  anderen  Seite  des 
großen  Depressionsgebietes  herrschen  vom  östlichen  Deutschland  und 
der  Balkanhalbinsel  bis  Sibirien  und  Turan  polare  Strömungen  TOr. 

Dasselbe  Gesetz,  das  hier  die  Luftzirkulation  über  einem  Drittel 
der  Erdoberfläche  regelt,  macht  sich  auch  im  kleinen  geltend.  Skan- 
dinavien und  die  iberische  Halbinsel  sind  ebenfalls  abgeschlossene 
Cyklonengebiete,  wie  im  Winter  kleine  anticyklonische  Zentren.  Auch 
Italien  zieht  Seewinde  an,  während  im  südlichen  Mittelmeere  nörd- 
liche Winde  zur  Sahara  ziehen. 

Die  Änderungen  vom  Winter  zum  Sommer  zeigt  folgende 
schematische  Übersicht  der  flauptwindgebiete: 


Winter. 


Nordpaziflsche    Nordamerik.  Nordatlantische  Ostasiatische 

Cyklone         Anticyklone  Cyklone  Anticyklone 


Nordpazififlches  Nordatlantisches      (Mittelmeer-      Nordindisches 

Passatgebiet  Passatgehiet  Gehiet)  Paasatgehiet 


West-  u.  Os^a-    Südamerik.   Südatlant  Südafrikan.  Südindisches  Austral. 
züisches Passatgehiet  Cyklone   Passatgebiet   Gyklone    Passatgehiet  Cyklone 

Antarktisches  Windgehiet 


Sommer. 


Nordpaziflsche        Nordamerikanische        Nordatlantische 
Cjklone  Cyklone  Cyklone 


Nordpazifisches  Nordatlantisches 

Passatgehiet  Passatgehiet 


Cyklonengehiet 
der  alten  Welt 


Südpazifisches  Südatlantisches  Südindisches 

Passatgehiet  Passatgehiet  Passatgehiet 

Antarktisches  Windgebiet. 


Mittlere  monatliche  Barometenchwankungen.    Wie  die  Wärme- 
schwankungen, so  sind  auch  die  mittleren  Schwankungen  des 


l 


l. 


110  Die  Lufthülle. 


^  .  Luftdruckes   ein   bedeutungsvolles  klimatisches  Element,   anc 

•  ist  ein  großes  Verdienst  Köppens,^  dieselben  zuerst  kartograph 

;  /  •    dargestellt  zu  haben.    Je  größer  sie  sind,  desto  unruhiger  ist  da 

i  .  schnittliche  das  Wetter,  desto  steiler  ist  wahrscheinlich  der  G-radJ 

und  desto  stärker  sind  die  Winde.  Auf  der  Nordhemisphäre  nimmt 
durchschnittliche  monatliche  Barometerschwankung  vom  Äquato] 
zum  60.  Parallel,  der  Gegend  der  subpolaren  Minima,  zu,  dann  wi« 
ab.  Überall  ist  sie  im  Winter  größer  als  im  Sommer,  aber  die  D 
renz  der  winterlichen  und  sommerhchen  Schwankung  ist  in  der  Tro] 
Zone  auf  den  Kontinenten  und  von  30^  B.  ab  auf  dem  Meere  betra 
lieber.  Vergleichen  wir  Meer  und  Festland  miteinander,  so  erg 
sich  ein  sehr  bemerkenswerter  Gegensatz.  Bis  zum  20.  Parallel 
das  Wetter  auf  dem  Meere  im  Gebiet  des  regelmäßigen  Passates  £ 
beständiger  als  auf  den  Kontinenten,  nördlich  Tom  30^  B.  ist 
j  gekehrt  das  maritime  Wetter  schwankender.    Zwischen  20  und 

ist  eine  Übergangszone.    Mit  der  Polargrenze  des  Passates  steigt 
Sommer  der  tropische  Typus  bis  zu  30^  B.  und  sinkt  im  Winter 
-    '  Typus  der  gemäßigten  Zone  bis  20®  B.  herab. 

.  I  Auf  der   südlichen   Hemisphäre   ist   dasselbe   Gesetz   der 

hängigkeit  von  der  Breite  wirksam,  wie  auf  der  nördlichen,   i 
j  die  Schwankungen   sind   dort   beträchtlicher,   namentlich  wenn 

■  die   Sommer   miteinander   vergleichen.     Die  Maximalwerte   uns« 

1  Halbkugel   werden  jenseits   des  Äquators   schon   zwischen   50 

•  55®  B.    erreicht  —  ein  Beweis,  daß  in  der  südlichen  gemäßij 

Zone  Cyklonen-   und  Anticyklonenbildungen   ebenso  wechseln, 
I  bei  uns,  und  daß  die  barometrischen  Gradienten  steiler  sind.   In 

*  '  That  berichten  alle,  die  die  antarktische  See  durchfuhren,  von  ( 

stürmischen  Charakter  der  dort  herrschenden  Westwinde. 

Litteraturnachweise.     ^  Supan,  Statistik  der  unteFen  Luftstromun 
Leipzig  1881.   —  '  Buchan,  Monats-  und  Jahresisobaren  im  Challenger-V 
/  cit.  S.  77.  —  '  Noch  unerreichtes   Muster  ist  Hann,  Die  Verteilung  des  I 

druckes  über  Mittel-  und  Südeuropa.  Wien  1887.  Für  die  Methode  der 
arbeitung  mariner  Beobachtungen  ist  Rüno,  Rdpartition  de  la  pressure  ai 
sphörique  sur  Focean  atlantique  septentrional ,  Kopenhagen  1894,  maßgeb 
—  *  Koppen,  Die  monatlichen  Barometerschwankungen,  in  den  Annalen 
Hydrographie  und  maritimen  Meteorologie  1882. 

I 

)  Lokale  Winde. 

I    I  Die  lokalen  Winde  können  wir  in  zwei  Hauptarten  teilen, 

ersten  gehören  die  lokalen  Winde  in  des  Wortes  strengster  Bec 
tung,  die  nicht  durch  die  allgemeine  geographische  Verteil 
des  Luftdruckes,   sondern  durch  örtlich  beschränkte  barometris 


i « 


Lokale  Winde. 


111 


Unterschiede  hervorgerufen  werden.  E^  ist  selbstvertständlich,  daß 
solche  lokale  Druckdififerenzen  nur  dann  zur  Geltung  gelangen 
können,  wenn  die  Atmosphäre  nicht  von  beträchtlichen  Störungen 
heimgesucht  wird.  Die  Winde  dieser  Kategorie  sind  daher  nicht 
nm*  örtlich,  sondern  auch  zeitlich  beschränkt  Die  zweite  Hauptart 
bilden  jene  Winde,  die  zwar  Teile  der  aUgemeinen  Luftzirkulation 
sind,  aber  in  bestimmten  Gegenden  oder  nur  unter  bestimmten 
Umständen  eine  lokale  Färbung  erhalten. 

Lokale  Windsysteme.  Zur  ersten  Art  gehören  die  Land-  und 
See-,  Berg-  und  Thalwinde.  Die  ersteren,  deren  Theorie 
Blakfohd^  ausgebildet  hat,  finden  wir  an  den  Gestaden  aller 
größeren  Wasserflächen,  hauptsächlich  aber  an  den  Meeresküsten. 
Wenn  in  den  Vormittagsstunden  das  Land  sich  erwärmt,  steigen  die 
Luftsäulen  über  demselben  zu  einer  größeren  Höhe  an,  als  über  dem 
kahleren  Meere;  es  entsteht  infolge  dessen  eine  obere  Strömung 
vom  Lande  zur  See,  und  zum  Ausgleich  in  den  unteren  Luft- 
schichten der  Seewind.  Die  Zirkulation  reicht  in  ziemlich  bedeu- 
tende Höhen,  wie  die  Beobachtungen  mittels  eines  befestigten  Ballons 
in  der  Bucht  der  Coneyinsel  (New  York)  lehren.  ><  In  den  Abend- 
stunden gleichen  sich  die  Druckunterschiede  aus,  und  nach  Mitter- 
nacht, wenn  sich  das  Land  mehr  abgekühlt  hat  als  das  Meer,  ent- 
wickelt sich  die  umgekehrte  Bewegung:  in  den  oberen  Schichten  ein 
Seewind,  in  den  unteren  ein  Landwind. 

Ein  echter  Tagesmonsun  sind  auch  die  Berg-  und  Thal- 
winde,* ein  allen 
Gebii^ländem 
gemeinsames  Phä- 
nomen, wenn  auch 
kaum  irgendwo 
großartiger  und 
regelmäßiger  ent- 
wickelt, als  in 
Tibet  und  Easch- 
garien.  Wenn  mit 

steigender  Sonne  dieLuft  im  Thale  und  an  den  Berghängen  sich  erwärmt, 
dehnen  sich  die  Luftsäulen  (Fig.  24)  ab  und  cd  bis  b'  und  d'  aus,  und  es 
entsteht  nun  ein  Gradient  von  der  freien  Atmosphäre  gegen  den  Berges- 


Fig.  24.     Berg-  und  Thalwinde. 


Oberes  Ende  des  Landwindes 
Unteres  Ende  des  Landwindes 
Oberes  Ende  des  Seewindes 


0.  Aug.  1879 

10.  Aug.  1879 

13.  Aug.  1879 

lM9-p.m. 

3M0»p.m. 

ll'^öO^a.m. 

270  m 

330  m 

320  m  (?) 

150 

150 

210 

120 

150 

200 

I 
I 

112  Die  Luftliülle. 


1  hang  hin.  Dasselbe  Resultat  wird  außerdem  noch  durch  einen  and 

■  Umstand  erzielt.    Die  Luft  am  Abhänge  wird  mehr  erwärmt,  al 

der  freien  Atmosphäre  im  gleichen  Niveau;  jene  strebt  als  spezi: 

I  leichter  in  die  Höhe,  und  muß  durch  zuströmende  Luft  ersetzt  wei 

!  So  entwickelt  sich  bei  Tag  ein  Steigungswind  die  Gehänge  hinan, 

zum  Ersätze  fließt  Luft   aus   der  Ebene   thalaufwärts.     Bei  N 

*  ziehen  sich  die  Luftsäulen  ab  und  cd  bis  6"  und  d"  zusammen, 

i  dem  neuen  Gradienten  folgt  ein  Fallwind  an  den  Gehängen  Ii 

und  thalabwärts  ziir  Ebene  hinaus. 

Wo    die  Berghänge    mit  Schnee    und  Eis    bedeckt  sind 
daher  erkaltend  auf  die  Luftschichten  wirken,  da  entsteht  auch 
Tag  ein  kalter  Fallwind.    Dieser  Art  sind  z.  B.  die  Nevados  < 
Schneestürme   auf  dem   mit  hohen  Bergen  gekrönten  Plateau 
Quito. 
;  Auch  im  oberen  Engadin  weht  im  Sommer  bis  nach  Scanüs 

;  Tage  ein  Thalwind.     Diese  Anomalie  bereitete   der  Theorie   ei 

,    j  Schwierigkeiten,  bis  sie  BiLLWiiiiiEB  durch  die  eigentümlichen 

'    '  graphischen  Verhältnisse   des  Thaies  befriedigend   erklärte.     A 

'  !  hier  finden  wir   den  regelrechten  Steigungswind,   aber  der  Ek 

dafür  kommt  nicht  von  dem  stark  eingeengten  unteren  Thale,  i 
I  dern  von  dem  ganz  ofifenen  oberen  Ende. 

\  Enge  Nebenthäler,  die  von  hohen  und  steilen  Felswänden 

I  geschlossen  und  daher  nur  wenige  Stunden  von  der  Sonne  beschic 


;  werden,  senden  oft,  besonders  im  Sommer,  kalte  Winde  in  das 

wärmere  Hauptthal.     Bekannt  ist  der  Wisperwind,   der,   aus  < 

I  Taunus  kommend,  manchmal  das  um   12 — 18^  wärmere  Bhein 

heimsucht.  Eine  ähnliche  Wirkung  erzeugt  die  Nachbarschaft 
Gebirge  und  Ebene,  besonders  im  Frühjahr  und  Herbst;  das  Kl 
des  bayerischen  Plateaus  und  der  Po-Ebene  wird  zum  Teil  di 
diesen  Gegensatz  bedingt.  Zu  den  echten  lokalen  Winden  gel 
auch  jene  eigentümliche  und,  wie  es  scheint,  ganz  abgeschlosf 
Luftzirkulation  im  Ghor,  wo  im  Sommer  Süd-  und  im  Winter  N< 
winde  ausschließlich  herrschen. 

EinfluTs   lokaler  Verhältnisse  auf  die  Winde.     Zweige  der 
gemeinen  Luftbewegung  können  durch  bestimmte  lokale  Verhältn 
in  ihrer  ursprünglichen  Bichtung  oder  Stärke  verändert  wer 
oder  auch  einen  eigentümlichen  klimatischen  Charakter  erhal 

^  So  werden  im  meridionalen  Champlain-Hudsonthal  im  Staate  1 

York  die  winterlichen  NW.- Winde  in  N.-  und  die  sommerlic 
SW.-Winde  in  S.- Winde  umgewandelt.  Das  von  Nordwesten  n 
Südosten  ziehende  Ebrothal  kennt  eigentlich  nur  zwei  Lufts 
mungen:  den  Cierzo  (Nordwesten)  und  Bochomo  (Südosten).  Ein  gi 


Lokale  Winde.  118 


artiges  Beispiel  dieser  Art  liefert  auch  Hindustan,  wo  der  Winter- 
monsun thalabwärts  und  der  Sommermonsun  thalaufwärts  fließt,  und 
selbst  die  antipassatische  Strömung  in  2000  m  Höhe  im  Winter 
genau  den  Bahnen  des  Sommermonsuns  folgt.  Auf  wie  weite  Strecken 
hin  ein  Gebirge  die  Windrichtung  zu  bestimmen  vermag,  beweisen 
die  Gegenden  an  der  Ostseite  der  Karpaten,  wo  NW.-  und  SO.- 
Winde  von  Bessarabien  bis  in  die  Nähe  Ton  Lemberg  entschieden 
vorherrschen. 

In  noch  höherem  Grade,  als  die  Richtung,  unterliegt  die  Stärke 
des  Windes  der  lokalen  Beeinflussung,  besonders  durch  Temperatur- 
unterschiede, wie  zwischen  dem  Meere  und  einem  gebirgigen  Hinter- 
lande im  Winter,  oder  zwischen  einem  solchen  und  einer  erhitzten 
Küstenebene  im  Sommer.  Auf  diese  Weise  erhält  der  Mistral,^  ein 
stürmischer  N.-  oder  NW.- Wind,  der  die  Küstengegenden  von  der 
EbromQndung  bis  in  den  innersten  Winkel  des  genuesischen  Golfs  so 
häufig  heimsucht,  seinen  eigentümlichen  Charakter.  Besonders  heftig 
ist  er  in  der  Provence  und  Languedoc,  wo  die  Gebirgsmauem  der 
Gerennen  und  Alpen  aneinander  stoßen,  und  wo  er  regelmäßig  auf- 
tritt, wenn  ein  Minimum  sich  im  Süden  oder  Südosten  der  Provence 
befindet,  während  eine  Anticjklone  über  dem  mittleren  und  süd- 
westlichen Frankreich  lagert  Diese  Druckverteilung  ist  im  Winter 
die  normale,  daher  auch  der  Mistral  in  dieser  Jahreszeit  am  häu- 
figsten. Seine  Heftigkeit  erklärt  sich  dadurch,  daß  die  Gegensätze 
nicht  sofort  ausgeglichen  werden,  indem  die  von  Norden  kommende 
Luft  einige  Zeit  hinter  dem  Gebirge  sich  staut  Ähnlich  verhält 
sich  die  Bora^  an  den  gebirgigen  Küsten  von  Triest,  Dalmatien 
und  Albanien.  Man  versteht  danmter  NO.-  und  0. -Winde,  die 
besonders  im  Winter  durch  Minima  auf  dem  Adriatischen  Meere 
erzeugt  werden.  Die  zeitweise  Stauung  und  das  plötzliche  Herein- 
brechen über  die  Pässe  des  Gebirges  kommt  in  dem  stoßweisen 
Wehen  dieser  oft  gefährlichen  Stürme  zum  Ausdrucke,  die  am 
wütendsten  dort  sind,  wo  der  Gebirgskamm  mindestens  800 — 600  m 
hoch  und  zugleich  in  horizontaler  Richtung  nur  ein  paar  Kilometer 
von  der  warmen  See  entfernt  ist  Solche  Borastürme  kommen 
übrigens  auch  bei  Noworossisk  am  NO.-Ufer  des  Schwarzen  Meeres 
and  am  Fuße  eines  ca.  550  m  hohen  Ausläufers  des  Kaukasus  vor, 
und  MiDDiarDORPF  berichtet  von  einer  gleichen  Erscheinung  an  der 
ochotskischen  Küste. 

Alle  diese  Winde  sind  kalt  und  trocken,  und  diese  Eigen- 
schaft bedarf  einer  Auseinandersetzung.  Ein  Beispiel  wird  hier  am 
schnellsten  zum  Ziele  führen.  An  einem  Januartage  mit  mittlerer 
Monatstemperatur  bewege  sich  die  Luft  von  Alessandria  (Seehöhe 

ScPAM,  Phydiche  Erdkunde.    2.  Aufl.  8 


1 
i 


.    I 


114  Die  Lufthülle. 


98  m,  Temperatur  —0,»^  über  den  Bocchettapaß  (780  m  hoch)  na 
Genua  (48  m  hoch,  Temp.  8®).  Auf  dem  Bocchettapasse  wird 
sich  von  -0,9«  auf  -3,6^  abkühlen  (Abnahme  für  100  m  0,4%  b€ 
Herabsinken  auf  der  anderen  Seite  aber  nach  der  Theorie  um 
für  je  100  m  erwärmen.  In  der  That  beträgt  die  Zunahme  m 
Mohns  Berechnung  freilich  nur  0,984 ",  weil  ein  Teil  der  Wärme  z 
Verdampfen  des  ausgeschiedenen  Wassers  verbraucht  wird,  al 
immerhin  hat  die  Luftströmung  am  Südfuße  des  Apennin  e 
Temperatur  von  3,6^.  Sie  ist  also  wärmer  wie  in  Alessandria  i 
daher  relativ  trockener,  aber  in  Genua  erscheint  sie  dennoch 
relativ  kalter  Wind.  Wäre  aber  der  Bocchettapaß  2000  m  ho 
dann  würde  ihre  Temperatur  auf  demselben  sich  zwar  auf  —i 
erniedrigen,  aber  am  Südfuße  auf  10,7^  erhöhen,  d.  h.  sie  würde 
Genua  als  trockener  und  relativ  warmer  Wind,  als  sogenann 
Föhn  ankommen. 

Die  Temperatur  eines  Windes  hängt  also  unter  übrigens  gleicl 
Umständen  1)  von  der  Wärmedifferenz  der  Anfangs-  und  Endstat 
ab,  2)  von  der  Höhe  des  Gebirges,  das  er  zu  überschreiten  hat 

Der   Föhn*  ist   eine   zahlreichen  Gebirgsländem   gemeinsa 
Erscheinung,  während  man  ihn  früher  nur  auf  die  Nordalpen 
schränkt   glaubte.     Hier   ist   dieser  warme   und  trockene   Südw 
(SW — SO),   der  sich  zeitweise  zum  Sturme  steigert,   von  Besan« 
am  Jura  bis  Vorarlberg  zu  Hause,  erreicht  aber  in  seinen  östHcl 
Ausläufern    auch    das    untere   Innthal    und    manchmal    sogar 
Thäler  von  Salzburg   und  des  Salzkammergutes.     Er   erzeugt, 
sonders  im  Frühling,  oft  plötzliche  und  gefährliche  Schneeschmc 
und  Überschwemmungen,  ist  aber  auch  von  dauerndem  Einflüsse 
das  Klima  ^  und  ermöglicht  die  Maiskultur  in  Gegenden,  von  dei 
sie  sonst  ausgeschlossen  wäre. 

Nach  Hann  tritt  der  Föhn  auf  der  Nordseite  der  Alpen  di 
auf,  wenn  sich  eine  tiefere  Barometerdepression  auf  dem  AÜantiscl 
Ozean  zwischen  dem  Golf  von  Biscaja  und  Nordschottland  einst( 
Der  Luftdruck  ist  dann  am  Nordfuße  der  Alpen  viel  tiefer,  als 
Südfuße,  weil  die  mächtige  Gebirgsmauer  eine  Ausgleichung 
Dichtigkeit  der  unteren  Luftschichten  verhindert.  Die  Luft  v 
durch  jenes  Minimum  aus  den  nördlichen  Thälem  gleichsam  i 
gepumpt,  und  zum  Ersätze  strömt  nun  Luft  vom  Südabhange  ü 
die  Pässe  auf  die  Nordseite,  wobei  durch  die  Abkühlung  der  i 


i: 


X  Höhe      Winter 

Zürich  470  m       ~0,8<» 

Altdorf  (Föhngebiet)  454  l,i 


«hUng 

Sommer 

Herbst 

Ja] 

8,.» 

IV 

8,.» 

8, 

9,. 

17,. 

10,. 

9,, 

Lokale  Winde.  115 


steigenden  Luft  am  Südabhange  häufig  Niederschläge  erzeugt  werden. 
Daß  bei  der  Föhnbildung  die  Höhe  des  Gebirges  das  maßgebende 
Moment  ist,  beweist  der  Nordföhn,  der  in  den  südlichen  Thälem 
erscheint,  wenn  hier  der  Luftdruck  beträchtlicher  tiefer  ist,  als  auf 
der  Nordseite. 

Heutzutage  weiß  man,  daß  der  Föhn  ein  allgemein  verbreitetes 
Phänomen  ist  Der  sogenannte  Scirocco  auf  der  Nordseite  der 
Pyrenäen  und  in  Algier  ist  nach  Hebert  nichts  anderes  als  Föhn. 
In  Modena  nimmt  der  SW.-,  in  Simferopol  auf  der  Erimhalbinsel 
der  SO.-,  in  Trapezunt  und  im  Eurthal  der  SW.-,  in  Kutais  dagegen 
der  ONO.-Wind  zeitweise  einen  föhnartigen  Charakter  an.  Für  die 
Westküste  Japans  hat  erst  kürzlich  Enippino  das  Vorkommen  des 
Föhns  nachgewiesen.  Auch  an  der  Ostseite  der  nordamerikanischen 
Gebirge,  der  Bocky  Mountains  sowohl,  wie  der  Alleghanies  zeigt 
sich  diese  Windform  häufig.  In  Neuseeland  ist  er  besonders  ent- 
wickelt auf  der  Ostseite  der  Südalpen.  In  Grönland  ist  er  an  beiden 
Küsten  heimisch,  je  nachdem  ein  tiefes  barometrisches  Minimum 
westlich  oder  östlich  von  dieser  Eontinentalmasse  erscheint,  nur  daß 
hier  nicht  ein  Überwehen  des  ganzen  inneren  Eisplateaus  voraus- 
gesetzt werden  darf,  sondern  ein  Abströmen  der  Luft  von  demselben 
genügt,  um  ähnliche  thermo-djnamische  Wirkungen  zu  erzeugen,  wie 
in  schmalen  Gebirgszügen.  Von  großer  klimatischer  Bedeutung  ist  der 
Föhn  an  der  Westküste,  wo  er  im  Winter  und  Frühjahr  die  Tempe- 
ratur häufig  über  den  Gefrierpunkt  hebt.  In  Jakobshayn  z.  B.  ist 
die  durchschnittliche  Zahl  der  Föhntage  16  (in  der  Schweiz  40).  In 
Nischne-Kolymsk  erwähnt  schon  Wbangbll  einen  trockenen  und 
warmen  Wind  aus  Südosten,  wo  ein  Ausläufer  des  Stanowoigebirges 
liegt.  WoEiKow  hat  auch  den  Föhn  herangezogen,  um  manche  Eigen- 
tümlichkeiten des  ostasiatischen  Winterklimas  zu  erklären.  Wo  der 
Gebirgsrand  unterbrochen  ist,  bringt  der  herrschende  Nordwest  die 
Temperatur  des  sibirischen  Kältezentrums  bis  an  die  Küste;  wo  er 
aber  ein  Gebirge  übersteigen  muß,  erwärmt  er  sich  beim  Herab- 
sinken. Daher  ist  z.  B.  Ajan  im  Januar  um  2,8^  wärmer  als  Niko- 
lajewsk  und  Peking  um  4,8®  wärmer  als  Niutschwang. 

Die  Trockenheit  und  Wärme  hat  der  Föhn  mit  den  Wüsten- 
winden^ gemein  und  lange  Zeit  hielt  man  ihn  auch  für  einen 
solchen.  Er  erhält  aber  seinen  Charakter  durch  lokale  Verhältnisse 
und  verliert  ihn  auch  wieder,  sobald  diese  zu  wirken  aufhören; 
während  die  Wüstenwinde  ihn  aus  der  Wüste,  in  der  sie  entstehen 
oder  die  sie  passieren,  mitbringen.  So  sendet  die  Sahara  den 
Ehamsin  nach  Ägypten,  den  Harmattan  nach  Oberguinea  und 
sogar  über  breite  Meerestrecken  den  Leste  nach  Madeira  und  den 

8* 


116  Die  Lufthülle. 


Canarischen  Inseln,  den  Levecfae  an  die  spanische  Ostküste  y 
Kap  Gata  bis  zum  Kap  Näo,  und  den  Scirocco  (nicht  zu  ^ 
wechseln  mit  den  ebenso  genannten  feucht-warmen  Winden  in  Ital 
und  auf  dem  Adriatischen  Meere)  nach  Sicilien.  Ein  Wüstenw 
ist  femer  der  bekannte  Samum  im  mittleren  und  nördlichen  Arab: 
Auch  von  der  Mohavewüste  im  westlichen  Nordamerika  sind  sol 
Winde  bekannt  Aber  keine  sind  heißer  und  trockener  als  die 
dem  Inneren  von  Australien  kommenden.  Neümayer  beobachl 
einmal  in  Melbourne,  wie  durch  einen  solchen  Wüstenwind  die  A] 
an  den  Bäumen  buchstäblich  gebraten  wurden.  In  Neu-Süd-Wf 
schwankt  die  Temperatur  dieses  Windes  zwischen  27  und  43**, 
Binnenlande  ist  sie  aber  viel  höher.  So  beobachtete  Stüet 
Zentralaustralien  am  21.  Januar  1845  55^  im  Schatten,  und 
Dezember  1828  zerstörte  ein  heißer  Wind  am  Hunt  River  auf  € 
Strecke  von  nahezu  50  km  allen  Weizen. 

Litteraturnachweise.  ^  Blanford,  Land-  und  Seewinde  an  der  R 
von  Bengalen,  in  der  Zeitschrift  der  österreichischen  Gesellschaft  für  Mete 
logie,  1877.  —  "  Hann,  Zur  Theorie  der  Thal-  und  Bergwinde,  ebendasc 
1879.  —  '  Debsch,  Der  Ursprung  des  Mistral,  ebendaselbst  1881.  —  *  Hj 
Klimatologie  cit.  S.  42  —  ^  Nieheyer,  Die  heißen  Winde  der  Wüstengeb 
Meldorf  1891. 

Der  WasserdaxQpf  in  der  Atmosphäre  und  die  Ursacl: 
seiner  Kondensation. 

Verschiedene  Ausdrücke  far  die  Feuchtigkeit  der  Luft,  i 
Wasserflächen  und  die  Pflanzendecke  entsenden  fortwährend  Wasi 
dampf  in  die  Atmosphäre.  Man  mißt  den  absoluten  Feuch 
keitsgehalt  der  Luft  als  Dunstdruck;  die  Höhe  einer  Que 
silbersäule  (ausgedrückt  in  mm),  die  der  Expansivkraft  des  Wasi 
dampfes  das  Gleichgewicht  hält,  gilt  noch  allgemein  als  Maßs 
desselben,  obwohl  die  Angabe  des  Gewichtes  des  Wasserdam] 
in  einem  Kubikmeter  Luft  (ausgedrückt  in  Gramm)  vorzuzie! 
wäre.  Die  folgende  Tabelle  zeigt  aber,  daß  beide  Ausdrücke  ni 
sehr  voneinander  abweichen. 

Die  Erfahrung  lehrt,  daß  die  Luft  bei  einer  bestimmten  T( 
peratur  nur  eine  bestimmte  Menge  Wasserdampf  in  sich  aufiiehi 
kann: 

Temperatur     -10»        —b^       C»        b^        IC^       15«       20<>       i 
Maximaldunstdruck  2,i  3,i         4,6        6,5         9,a        12,t        17,4       1 

Maximalgewicht  2,8  3,4         4,9        6,g         9,4        12,t        17,i       * 

Es  ergiebt  sich  daraus,  daß  die  Verdunstung  mit  der  T( 
peratur  steigt,  wobei  freilich  auch  der  Wind  insofern  von  Einfluß 


Der  Wasserdampf  in  der  Atmosphäre  u.  die  Ursachen  seiner  Kondensation.     117 

ald  er  die  feuchte  Luft  immer  wieder  fortführt  und  dadurch  eine 
rasche  Sätttigung  verhindert  Je  größer  die  Verdunstung ,  desto 
größer  ist  die  absolute  Feuchtigkeit  der  Luft;  sie  muß  daher,  wie 
sie  an  jedem  Orte  mit  der  Temperatur  steigt  und  fällt,  auch  in 
ihrer  geographischen  Verteilung  sich  an  die  der  Wärme  anschließen. 
Die  Linien  gleichen  Dunstdruckes  wiederholen  in  der  That  alle 
Biegungen  der  Isothermen^  und  nur  die  regenarmen  Gebiete  der 
Kontinente  machen  begreiflicherweise  davon  eine  Ausnahme.  Die 
jährliche  Schwankung  des  Dunstdruckes  steigert  sich  wie  die  der 
Temperatur  vom  Äquator  gegen  die  Pole  und  von  den  Küsten 
landeinwärts,  wobei  in  unseren  Breiten  der  Gegensatz  von  Ost- 
und  Westküsten  in  derselben  Weise  hervortritt,  wie  auf  der  Karte 
der  jährlichen  Wärmeschwankung.  Ebenso  nimmt  die  absolute 
Feuchtigkeit  mit  der  Höhe  ab  und  zwar  in  der  freien  Atmosphäre 
rascher  als  im  Gebirge,  und  hier  (mit  Ausnahme  des  Pic  von  Tene- 
riffa und  vielleicht  der  ganzen  Passatzone)  unter  höheren  Breiten 
schneller  als  unter  niederen.  Schon  in  einer  Höhe  von  2000  m 
hat  der  Feuchtigkeitsgehalt  um  die  Hälfte  abgenommen  und  über 
6500  m  Höhe  finden  wir  nur  mehr  ^/^^  des  atmosphärischen  Dampf- 
gehaltes. 

Wenn  auch  für  die  Charakteristik  des  Klimas  einer  Gegend  der 
Dunstdruck  ein  entscheidendes  Element  ist,  so  bedarf  er  doch  stets 
zu  seiner  Erläuterung  der  Temperaturangabe  und  eignet  sich  daher 
wenig  zu  klimatologischen  Vergleichen.  Wenn  wir  auf  die  unten- 
stehende Tabelle  ^  einen  Blick  werfen,  so  finden  wir  bei  Königsberg 
und  Breslau  die  gleichen  Jahresmittel  der  absoluten  Feuchtigkeit; 
ist  aber  wirklich  die  Luft  in  beiden  Städten  durchschnittlich  gleich 


X 

Winter    Frühling    Sommer    Herbst 

Jah] 

Absolute  Feuchtigkeit  (mm) 

Königsberg 

3,5* 

5,3              10,4           6,2 

6,5 

Breslau 

3,1* 

5,«              10,«           6,8 

6,5 

Borkum 

4,»* 

6,5                11,6             8,2 

7,8 

Trier 

4,5* 

6,0               10,S            7,3 
Relative  Feuchtigkeit  (Proz.) 

7,0 

Königsberg 

87 

76               74*            83 

80 

Breslau 

83 

71                69*            78 

75 

Borkum 

91 

84                82*            87 

86 

Trier 

85 

68*              69              80 
Sättigungsdefizit  (mm) 

75 

Königsberg 

0,5*. 

1,8                        8,7                 1,8 

1,8 

Breslau 

0,7* 

2,4                4,«           2,0 

2,4 

Borkum 

0,5* 

1,8                        2,6                 1,2 

1,4 

Trier 

0,9* 

2,8                  4,6             2,0 

2,6 

118 


Die  LufthOlle. 


feucht?  Nein,  denn  die  Temperatur  ist  verschieden,  um  beque 
Vergleichswerte  zu  schaffen,  berechnet  man  daher  entweder  < 
prozentische  Verhältnis  des  wirklichen  Dunstdruckes  {d)  zu  d 
der  Temperatur  entsprechenden  Maximum  (w),  d.  L  die  relati 
Feuchtigkeit  (/),  die  in  der  Meteorologie  schon  lange  eine  herv 
ragende  Rolle  spielt;  oder,  nach  Wilds  Vorgange,  das  Sättigunj 
defizit  (s),  d.  h.  die  Dampfmenge,  welche  der  Luft  unter  ( 
gegebenen  Temperaturverhältnissen    zur  Sättigung   noch    fehlt 

Formeln   ausgedrückt   ist  also  /*  =  100  —  und   s  =  m  —  (i.      I^ 

wird  sofort  klar,  daß  Königsberg  feuchter  ist  als  Breslau.  Aus  < 
Formeln  ergiebt  sich  auch,  warum  die  jährliche  Periode  des  Sättigun 
defizits  denselben  Verlauf  nimmt,  wie  die  des  wirklichen  Dunstdrucl 
während  die  relative  Feuchtigkeit  gerade  das  entgegengesetzte  V 
halten  zeigt.  In  unseren  Gegenden  ist  die  Luft  im  Sommer  absc 
am  feuchtesten,  relativ  aber  am  trockensten.  Welches  Element, 
relative  Feuchtigkeit  oder  das  Sättigungsdefizit,  sich  besser  für 
Zwecke  der  Klimalehre  eignet,  ist  noch  eine  offene  Frage ' ;  es  unl 
liegt  aber  keinem  Zweifel,  daß  das  erstere  manchmal  irreleitet 
erweckt  z.  B.  den  Schein,  als  ob  in  Trier  der  Frühling  trocke 
sei,  als  der  Sommer,  während  doch,  wie  sich  aus  dem  Sättigungsdei 
ergiebt,  gerade  das  Umgekehrte  der  Fall  ist  Trotzdem  ist 
relative  Feuchtigkeit  aus  ihrer  dominierenden  Stellung  noch  ni 
verdrängt.  Wenn  wir  oben  sagten,  daß  ihre  jährliche  Kurve 
entgegengesetzten  Sinne  verlaufe,  wie  die  der  Temperatur,  so  bec 
dies  insofern  einer  Einschränkung,  als  sie  im  asiatischen  Mons 
gebiete  und  in  den  Polargegenden,  wo  die  Winter  sehr  troc! 
sind,  mit  der  Wäime  steigt  und  fällt,  obwohl  dieser  Parallelisi 
auf  kein  direktes  Verhältnis  zwischen  beiden  Elementen  hindeutet  "^ 
die  absolute  Feuchtigkeit  nimmt  auch  die  relative  von  den  Küs 
(mit  Ausnahme  der  asiatischen  Ostküste)  gegen  das  Innere 
Landes  ab  und  ist  am  geringsten  in  den  Wüsten  und  Stepp 
aber  im  Gegensatze  zu  jener  ist  sie  in  höheren  Breiten  durchschn 
lieh  größer  als  in  niederen.  In  vertikaler  Richtung  nimmt  sie  ur 
allen  Umständen  bis  zu  einer  gewissen  Höhe  zu  und  dann  bestän 
ab.  Die  Höhe  dieser  Maximallinie  ist  aber  sehr  schwanke 
Flammabion  traf  sie  auf  seinen  Ballonfahrten  am  10.  Juni  1867 
150  m,  am  15.  Juli  aber  in  1100  m  H.  an.  Im  Gebirge  machen  s 
lokale  Einflüsse  geltend.  Am  Antisana  in  den  Andes  von  Quito,  4061 
hoch,  sinkt  die  relative  Feuchtigkeit  selten  bis  74  herab  und 
reicht  meist  den  Sättigungspunkt.  Doch  war  Mühkys  Schluß,  ( 
sich    die    ganze   Äquatorialzone    durch    große    Feuchtigkeit   bis 


Der  Wasserdampf  in  der  Atmosphftre  n.  die  Ursachen  seiner  Kondensation.     119 

einer  Höhe  von  5700  m  auszeichne,  voreilig,  denn  Jukghuhit  belehrt 
uns,  daß  auf  Java  die  relative  Feuchtigkeit  in  3400  m  flöhe  48 
und  in  8700  m  Höhe  nur  mehr  10  Prozent  beträgt  Das  ist  be- 
deutend weniger,  als  auf  dem  Gipfel  des  Montblanc  (4810  m),  wo 
ün  August  55  Prozent  gemessen  wurden.  Jedenfalls  ist  die  rela- 
tive Feuchtigkeit  im  Gebirge  größer,  als  im  gleichen  Niveau  der 
freien  Atmosphäre,  weil  dort  au&teigende  Luftströme,  die  wir  als 
Bergwinde  kennen  gelernt  haben,  beständig  Wasserdampf  hinauf 
tragen. 

Die  Winde  als  Verbreiter  des  Wasserdampfes.  Da  die  Luft  in 
fortwährender  Bewegung  ist,  so  kann  der  an  einem  Orte  erzeugte 
Wasserdampf  auch  anderen,  oft  weit  entfernten  Orten  zu  gute  kommen. 
Die  Begelung  der  Verteilung  des  Wasserdampfes  und  damit  auch 
der  Niederschläge  ist  die  zweite  Hauptaufgabe  der  Winde  im  Haus- 
halte der  Natur.  Seewinde  sind  selbstverständlich  feuchter  als  Land- 
winde, büßen  aber  ihren  Charakter  immer  mehr  ein,  je  weiter  sie 
landeinwärts  vorrücken.  Winde,  die  aus  kälteren  in  wärmere  Gegen- 
den kommen,  sind  relativ  trocken,  weil  sich  ihr  Dampfgehalt  immer 
weiter  vom  Sättigungspunkte  entfernt;  umgekehrt  sind  Luftströmungen 
(mit  Ausnahme  der  von  Natur  trockenen  Wüstenwinde)  relativ 
feucht,  wenn  sie  aus  wärmeren  in  kältere  Gegenden  versetzt  werden. 
Auf  diese  einfachen  Sätze  werden  wir  uns  berufen,  wenn  wir  von 
der  geographischen  Verteilung  der  Niederschläge  sprechen  werden. 

Kondensation  des  Wasserdampfes.  Es  entsteht  nun  die  Frage: 
unter  welchen  Bedingungen  schlägt  sich  die  Luftfeuchtigkeit  nieder? 
Ofifenbar  kann  nur  solange  Wasser  dampf  aufgenommen  werden,  als 
die  Luft  noch  nicht  gesättigt  ist;  sobald  aber  die  relative  Feuchtig- 
keit 100  Prozent  übersteigt  —  und  dies  kann  nur  geschehen,  wenn 
ganz  oder  nahezu  gesättigte  Luft  mehr  oder  weniger  rasch  abgekühlt 
wird  — ,  so  muß  ein  Teil  des  Wasserdampfes  ausgeschieden  werden. 
Wir  haben  uns  also  die  Frage  vorzulegen:  unter  welchen  Bedingungen 
kann  rasche  Abkühlung  der  feuchten  Luft  eintreten? 

Berührung  feuchter  Luft  mit  Körpern,  deren  Temperatur  durch 
nächtliche  Ausstrahlung  unter  die  der  umgebenden  Atmosphäre 
herabgesunken  ist,  oder  starke  Verdunstung  des  Bodens  und  der 
Pflanzen  in  hellen,  windstillen  Nächten,  wenn  die  unterste  Luft- 
schicht kälter  ist  als  der  Boden  —  eine  von  diesen  Ursachen,  meist 
aber  beide  zusammen  erzeugen  den  Tau  und  Reif  (gefrorenen  Tau).^ 
Messimgen  am  Observatorium  von  Montsouris  im  Februar  1874  er- 
gaben für  diese  Niederschlagsform  eine  monatliche  Höhe  von  2,6  mm; 
in  regenarmen  Gegenden  kann  also  der  Tau  eine  nicht  ganz  un- 
bedeutende Rolle  spielen.    Eine  andere  Ursache  der  Kondensation 


120  Die  Lufthülle. 


ist  die  Vermischung  ungleich  temperierter  Luftmassen.    Daher  a 
die    warmen,   feuchten  Winde   in  unseren  Gegenden  meist  Reg 
bringer,   besonders   in   der  kälteren  Jahreshälfte;    aber  auch  k^ 
Winde   können   zu   Niederschlägen   Veranlassung   geben,   wenn 
plötzlich  in  eine  dampfgeschwängerte  Atmosphäre  einbrechen. 
Quelle  der  reichlichsten  Niederschläge  sind  aber  die  freiwillig  o 
gezwungen  emporsteigenden  Luftströme.     Zu  den  ersteren  gehö 
die  aufsteigenden  Luftströme  im  Zentrum  einer  Barometerdepressi 
der  Bergwind  im  Gebirge  und  alle  jene  emporsteigenden  Luftströ 
die  sich  in  den  heißen  Nachmittagsstunden  windstiller  Sommert 
lokal  über  größeren   und  kleineren  Ebenen  entwickeln.     Die  Üb 
hitzung  des  Bodens  erzeugt  im  letzteren  Falle  einen  labilen  Glei 
gewichtszustand  der  Atmosphäre,  d.  h.  einen  Zustand,  in  dem 
Temperatur  um  mehr  als   1*^  für  je   100  m  Höhe  abnimmt,  wc 
die  Ballonfahrten  der  Münchener  LuftschiflFer*  zum  ersten  Male  i 
thatsächlichen  Beweis  erbracht  haben.  ^    Die  zweite  Art  bilden  h( 
zontale   Luftströmungen,    welche   durch   orographische  Hindemi 
besonders  durch  Gebirge  gezwungen  werden,  sich  aufwärts  zu 
wegen,  wodurch  selbst  relativ  trockene  Winde  in  Regenwinde  i 
wandelt  werden  können. 

Auch  jede  Abnahme  der  Geschwindigkeit  eines  horizonta 
Luftstromes  muß,  solange  er  sich  nicht  verbreiten  kann,  sei 
Querschnitt  erhöhen,  also  ein  Aufsteigen  bewirken ;  und  solche  T 
änderungen  vollziehen  sich  nicht  bloß  dort,  wo  die  Reibung  zunim 
wie  bei  dem  Übergange  eines  Luftstromes  von  dem  Meere  auf 
Land,  oder  von  einer  nackten  Fläche  auf  eine  mit  Vegetation 
kleidete,  oder  von  einer  Grasfläche  in  den  Wald,  sondern  auch  mit 
auf  dem  Ozean.* 

So   lange   der  Wasserdampf  gasförmig  in  der  Atmosphäre  ^ 

X   Nehmen  wir  eine  Temperatarabnahme  von  1,2^  an,   so  wird  die  L 
temperatur,    wenn  wir  unmittelbar   über   dem   Boden    26^   haben,    in   M>( 
Höhe   20^   und   in    1000  m  Höhe  14^  betragen.     Steigt  ein  Luftteilchen 
untersten  Schicht  in  die  Höhe ,  so  wird  es  sich  höchstens  um  1  ^  für  je  10< 
abkühlen,  also  in  500  m  2P  und  1000  m   16°  besitzen.     In  jedem  Niv« 
ist   es   aber  wärmer,    als   die   umgebende   Schicht  und  es  findet 
Ruhe,  wenn  es  eine  gleich  warme  Schicht  erreicht.    Andererseits  ist  die  s 
Ersatz  von  oben  kommende  Luft  in  jedem  Niveau  kftlter,  als  die  Umgeb 
(1000  m   14^,  500  m   19^,  0  m   24^)  und  kann  bis  zum  Boden  gelangen.     . 
diese  Weise  kann  eine  vertikale  Luftzirkulation  bis  in  beträchtliche  Höhen  i 
entwickeln.     Das  ist  weder  bei  dem  indifferenten  (Temperaturabnahme 
noch  bei  dem  stabilen  Gleichgewichtszustande  der  Luft  (Temperaturabnal 
weniger  als  1  ^)  möglich.    Ein  labiler  G-leichgewichtszustand  kann  natürlich 
bei  Windstille  entstehen,  da  sonst  Mischung  der  Luftschichten  eintritt 


Der  Wasserdampf  in  der  Atmosphäre  u.  die  Ursachen  seiner  Kondensation.     121 

teilt  ist,  ist  er  Yollkommen  durchsichtig.  Die  blaue  Farbe  des 
Himmels  ist  ihm  zuzuschreiben,  daher  sie  um  so  dunkler  erscheint, 
je  höher  der  Standpunkt  des  Beobachters,  oder  je  trockener  die  Luft 
ist®  Kondensiert  sich  der  Wasserdampf  zu  Tröpfchen,  so  erzeugt  er 
Trübung  und  eine  weißliche  Färbung  des  Firmamentes.  Eine  örtliche 
Anhäufung  von  Wassertröpfchen  verschiedener  Größe  oder  in  bedeu- 
tenden Höhen  von  Schneekrystallen ^  nennt  man  Wolken.®  Nebel 
ist  nichts  anderes  als  Wolkenbildung  in  den  untersten  Luftschichten. 
Er  tritt  als  eine  beständige  und  daher  geographisch  wichtige  Erschei- 
nung besonders  an  den  Berührungsstellen  kalter  und  warmer  Meeres- 
ströme (z.  B.  an  der  Bank  von  Neufundland)  auf,  desgleichen  auch 
aD  den  von  kalten  Meeresströmungen  begleiteten  tropischen  Küsten. 
Ein  geographisch  wichtiges  Element,  dem  aber  bisher  ver- 
hältnismäßig wenig  Beachtung  geschenkt  wurde,  ist  der  mittlere 
Grad  der  Bewölkung, ^^  da  von  ihr  die  Verbreitung  mancher 
Pflanzenarten  (z.  B.  der  Dattelpalme)  ebenso  abhängig  ist,  wie  von 
der  Temperatur.^     Welch  ein   gewaltiger,   tiefgreifender  Gegensatz 


Nord  Süd 

7(^  oo*  jo*  ^cr  3cf^  ao^  /o*    o     10   »o  so  ^o   50  eo 


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Fig.  25.     Mittlere  Verteilung  der  Bewölkung  auf  der  Erde. 
Bewölkung.  Mittlerer  jährl.  Luftdruck. 


besteht  z.  B.  in  dieser  Beziehung  zwischen  den  Wüsten  und  unseren 
heimatlichen  Gegenden!  Biskra  am  Nordrande  der  Sahara  hat  im 
Jahre  durchschnittlich  264,4  heitere  Tage,  dagegen  Berlin  nur  30,5. 
Und  der  letztere  Ort  stellt  nicht  etwa  ein  Extrem  dar,  denn  die 
Bewölkung  nimmt  in  Europa  in  nordwestlicher  Richtung  zu  und 
erreicht  ihr  Maximum  auf  den  britischen  Inseln  und  in  Skandinavien. 
Teiüsebekc    de    Bobt    hat    die    durchschnittliche    Bewölkung    der 


X  Diese  Erfahrung  verdanken  wir  der  Ballonfahrt  Bersons  im  Dezember 
1894  (8.  S.  55>  Bisher  hielt  man  die  Cimiswolken  für  Anhäufungen  von  Eis- 
nadeln. 

X  X  Ausgedrückt  in  Zahlen  von  1  (ganz  heiter)  bis  10  oder  bis  100  Cganz 
bewölkt). 


122  Die  LufthaUe. 


Breitengrade   ermittelt,^    und    trägt   mau   seine   Zahlen  zusami 
mit  den  mittleren  Barometerständen  in  ein  Coordiuatensystem 
(s.  Fig.  25),  so  erhält  mau  einen  klaren  Einblick  in  den  Zusamn 
hang  zwischen  der  Bewölkung  und  der  allgemeinen  Luftbewegi 
Wo  die  Luft  in  die  Höhe  steigt  und  sich  abkühlt,  wie  im  Ber 
der  äquatorialon  Depressionszone,  da  erreicht  die  Bewölkung  ei 
hohen  Betrag;    dann  folgen  in  der  Breite  des  subtropischen  H< 
druckgürtels,  wo  die  Luft  herabsinkt,  Zonen  mit  heiterem  Himi 
dann  verfinstert  er  sich  wieder,  um  sich  gegen  die  Pole  hin  wi( 
etwas  aufzuklären.    Daß  die  Bewölkung  der  vorwiegend  ozeanisc 
Südhemisphäre  die  der  nördlichen  übertrifft,  ist  ohne  weiteres 
ständlich.     Auf  Elfbbts    Bewölkungskarte   von  Mitteleuropa  • 
neben   dem   allgemeinen  Gesetze  der  Zunahme  nach  Norden  a 
der  Einfluß  des  Geländes  deutlich  hervor,  indem  die  Luvseiten 
Gebirgszüge  immer  bewölkter  sind  als  die  Leeseiten ,   und   gebi 
umschlossene  Gebiete  sich  meist  eines  verhältnismäßig  heiteren  Hinu 
erfreuen. 

Der  Eondensationsprozeß  des  atmosphärischen  Wasserdam] 
der  mit  der  Wolkenbildung  beginnt,  führt  in  seiner  weiteren  ] 
Wicklung  zu  Niederschlägen  in  der  Form  von  Regen,  Sei 
oder  Hagel.  Sie  sind  neben  der  Wärme  und  den  Winden 
dritte  klimatologische  Hauptelement,  von  dem  nicht  bloß  das  o 
nische  Leben,  sondern  auch  die  Formen  der  Erdoberfläche  zum  gr( 
Teil  abhängig  sind. 

Litteraturn achweise.  ^  H.  Mateb,  Jährlicher  Gang  der  Luftfeuc 
keit  in  Norddeutschland,  in  der  Meteorologischen  Zeitschrift  1885.  Hann, 
Luftfeuchtigkeit  als  klimatischer  Faktor,  in  der  Wiener  klinischen  Woc 
Schrift  1888.  —  *  Chistoni,  Sülle  cause  della  formazione  della  mgiada,  in 
Annali  di  Meteorologia,  I.  Teil,  1880.  —  «  Citiert  S.  62  Note  2.  —  *  Woe 
in  der  Meteorologischen  Zeitschrift  1894,  S.  401.  —  *  Pernteb,  Die  blaue  F 
des  Himmels,  Wien  1890.  —  •  Wolkenatlas,  herausgegeben  von  Hildebbandi 
Koppen  und  Neumayeb,  Hamburg  1890.  —  '  Teissebenc  de  Bobt,  Etüde 
la  distribution  moyenne  de  la  n^bulosit^  k  la  surface  du  globe,  in  den  Am 
du  bureau  central  m^t^orologique  de  Paris.  Erster  Versuch  von  Bewölki: 
karten  der  ganzen  Erde  für  alle  Monate  und  das  Jahr.  —  ^  Teissebenc  de  ] 
im  American  Meteorological  Journal  1890,  S.  49.  -—  •  Elfebt,  Die  BewÖU 
in  Mitteleuropa,  in  Petebmanns  Mitteilungen  1890. 

Die  Verteilung  der  jährlichen  Niederschlagsmenge 

(Siehe  Karte  XI.) 

Gesetze  der  Verbreitung  der  Niederschläge.  Kein  zweites  me 
rologisches  Element  ist  so  sehr  von  lokalen  Verhältnissen  abhän 
keines  wechselt  so  sehr  von  Jahr  zu  Jahr,  als  die  Niederschli 
menge,   und  zwar  —  zum  Unterschiede   von  der  Temperatur  — 


Die  Verteilung  der  jährlichen  Niederschlagsmengen.  123 

den  Tropenländern  ebenso,  wie  in  der  gemässigten  Zone.  Es  sind 
dsiier  zur  Feststellung  verlässlicher  Mittelwerte  langjährige  Beob- 
achtungsreihen nötig,  und  wie  wenig  solche  besitzen  wir  ausser  Europa! 
Trotzdem  sind  die  Hauptgesetze  schon  jetzt  erkennbar  und  ist  eine 
kartographische  Darstellung  möglich,  vorausgesetzt,  dass  sie  sich  nur 
auf  das  Festland  beschränkt  und  auf  alle  Details  verzichtet^ 

Zunächst  zeigt  sich  eine  Abhängigkeit  der  jährlichen  Nieder- 
schlagsmenge von  der  Breite.  Mubbay'  hat  sie  für  die  ein- 
zelnen Parallelzonen  von  je  10®  nach  Loomis  Regenkarte  berechnet; 
da  aber  die  Zonen  gegen  die  Pole  zu  immer  kleiner  werden,  so 
müssen  Relativwerte  —  in  unserem  Falle  cbm  Niederschlag  auf  je 
ein  qkm  —  eingeführt  werden,  und  man  erhält  sodann: 

0  10         20         30         40         50         60         70         80 

^  10*  20®  30°  40°  50°  60°  70°  80°  90° 
NordL  Hemisph&re  21,9  10,2  7,«  5,9*  6,i  5,9  4,o  3,8  8,e* 
Südl.  HemisphÄre  20,8     13,a      7,i*      7,5      11,«      11,2  10^7* 

Ein  gewisser  Parallelismus  mit  der  Verteilung  der  Bewölkung 
und  dem  allgemeinen  Ereislaufe  der  Luft  ist  unverkennbar,  nur  ist 
das  äquatoriale  Maximum  hier  beträchtlich  grösser,  als  das  der  mitt- 
leren Breiten,  und  das  polare  Minimum  übertrifffc  wenigstens  auf 
unserer  Halbkugel  das  der  Rossbreiten  (subtropische  Hochdruckzonen) 
um  ein  bedeutendes.  Indeß  würde  sich  die  Niederschlagskurve  viel- 
leicht noch  enger  an  die  Bewölkungskurve  anschliessen,  wenn  wir  uns 
nicht  auf  die  kontinentalen  Regenmengen  beschränken  müssten.  Mittel- 
werte von  mehr  als  500  cm  sind  aus  der  gemässigten  Zone  nicht  be- 
kannt, und  über  100  cm  steigt  hier  die  Niederschlagshöhe  nur  an  den 
Windseiten  der  Gebirge,  während  sie  im  Aquatorialgürtel  nur  stellen- 
weise darunter  sinkt  Die  arktischen  Gegenden  sind,  soweit  wir  sie 
kennen,  regenarme  Gebiete.  Dagegen  stehen  die  24  stündigen  Maxima 
der  Regenhöhe  in  unseren  Breiten  den  tropischen  nicht  nach.'  Das 
grösste  bekannte  Maximum  (1036  mm)  weist  zwar  eine  tropische 
Station,  Tscharapundschi  in  Assam,  auf,  aber  nicht  sehr  viel  kleiner 
ist  das  zu  Joyeuse  am  Ostabhange  der  Cevennen  (792  mm).  Tägliche 
Regenmengen  von  200  mm  und  darüber  sind  auch  in  der  warmen 
Zone  nicht  allgemein,  und  andererseits  kommen  solche  auch  in  Eng- 
land, im  südöstlichen  Frankreich  und  in  den  Südalpen  vor  und  ver- 
ursachen plötzliche  Überschwemmungen. 

Wir  haben  oben  gesagt,  dass  der  atmosphärische  Dampfgehalt 
mit  der  Breite  abnimmt,  die  relative  Feuchtigkeit  aber  sich  steigert 
Der  Regen  steht  also  wohl  zu  eraterem,  nicht  aber  zu  letzterem 
im  direkten  Verhältnisse.  Noch  ein  anderes  Beispiel  zeigt  uns,  dass 
die  Luft  trotz  beträchtlicher  Feuchtigkeit  wenig  Regen  liefern  kann. 


124 


Die  LuAhaile. 


I 

i 


Die  mittlere  relative  Feuchtigkeit  beträgt  in  Port  Said  am  Sueskj 
ebenso  wie  in  Rom  67  Proz.,  trotzdem  fallen  dort  durchschnitt 
nur  52  mm  und  hier  821  mm.     Im  Sommer  ist   die  Luft   in  ] 
Said  um  9  Proz.  feuchter,  als  in  Rom,  aber  trotzdem  ist  Port  i 
regenlos,   während   Rom   80   mm   Niederschlag   aufweist.      In 
polaren  Gegenden   ist   wenig  Veranlassung   zu    aufsteigenden   L 
strömen  vorhanden,  und  die  feuchte  Atmosphäre  überschreitet  se 
den  Sättigungsgrad;  in  den  kontinentalen  Gebieten  der  niederen  Bre 
können  Mangel  an  orographischen  Hindernissen  und  die  starke 
hitzung  der  untersten  Luftschichten,  in  denen  die  Regentropfen  wi( 
verdunsten,  ehe  sie  den  Boden  erreichen,  den  Widerspruch  zwisc 
Feuchtigkeitsgehalt  und  Regenmenge  erklären.    Namentlich  für 
zuletzt    genannten    umstand   sprechen   unmittelbare   Beobachtun 
Pezewalskis  auf  dem  Alaschanplateau. 

Wenn  auch  die  fliessenden  und  stehenden  Gewässer,  sowie 
Pflanzendecke  des  Festlandes,  vor  allem  die  ausgedehnten  Urwä 
mancher  Tropengegenden  durch  ihre  Verdunstung  der  Luft  Feuch 
keit  zuführen,  so  bleibt  doch  immer  das  Meer  die  Hauptquelle  derNie( 
schlage,  und  die  letzteren  müssen  daher  von  der  Küste  landein  wa 
abnehmen.  Dies  zeigt  sich  nicht  nur  im  allgemeinen  in  den  jl 
liehen  Regensummen,  sondern  auch  in  der  Häufigkeit  der  Niederschi 
und  in  der  mittleren  Dauer  der  nassen  und  trockenen  Perioden 

Von  den  Küsten  müssen  wieder  jene  regenreicher  sein,  die  in 
Regel  von  Seewinden  getroffen  werden,  also  in  höheren  Breiten 
westlichen  und  im  Passatgebiete  die  östlichen.  Südamerika  illustr 
dieses  Gesetz  in  prägnantester  Weise.  Aus  dem  auf  S.  120  Gesa^ 
ergiebt  sich  femer,  dass  das  Relief  des  Erdbodens  von  massgebenc 
Einflüsse  auf  die  Niederschlagsmenge  ist.  Sie  nimmt  mit  der  . 
näherung  an  das  Gebirge  zu  und  in  diesem  selbst  mit  der  Hi 
aber  nur  bis  zu  einer  gewissen  Grenze.  In  Hindustan  liegt  n 
Hill  die  Maximalregion  des  Regens  in  1270  m  Höhe,  d.  h.  dort, 
im  Mittel  eine  von  der  Ebene  aufsteigende  Luftmasse  den  Sättigui 
punkt  des  Wasserdampfes  erreicht.  Der  Mt.  Owen  Stanley  auf  N 
guinea,  nur  8®  vom  Äquator  entfernt,  ist  bis  2400  m  feucht,  d 
erst  trocken.  In  den  bayrischen  Alpen  erreicht  die  Maximalzone 
Winter  nur  eine  Höhe  von  600  bis  1000  m,  steigt  aber  mit  zur 
mender  Wärme  immer  höher.  Es  ist  daher  einleuchtend,  wel 
wichtige  Rolle  die  Gebirge,  besonders  in  sonst  regenarmen  Gegen 
spielen.  Selbst  in  der  Sahara  vermögen  sie  noch  zeitweise  kräf 
Flüsse  zu  entsenden,  im  regenlosen  Sommer  Südeuropas  werden 
Gebirge  immer  noch  benetzt,  und  in  der  Sandwüste  am  obe 
Hoangho  ist  der  Alaschan  mit  einem  Waldgürtel  bekleidet 


Die  Verteilung  der  jährlichen  Niederschlagsmengen. 


125 


Wenn  ein  Gebirgszug  mehr  oder  weniger  senkrecht  steht  zur 
Richtung  der  feuchten  Luftströmungen,  so  ist  die  Windseite  regen- 
reicher, als  die  Leeseite^  und  dieser  Kontrast  steigert  sich  mit  der 
Höhe  des  Gebirges.  Sein  Einfluss  reicht  auch  noch  weit  über  seine 
orographischen  Grenzen  hinaus,  indem  er  kleineren  oder  grösseren 
Strecken  des  im  Windschatten  gelegenen  Flachlandes  Regen  ent- 
zieht, bis  eine  abermalige  Erhebung  des  Bodens  eine  abermalige 
Steigerung  der  Niederschläge  hervorruft  Darauf  beruht  die  Be- 
deutung so  vieler  Gebirge  als  Wetter-  und  Klimascheiden.^ 

Hordkontinente  und  Sahara.  Halten  wir  uns  diese  wenigen 
Hauptsätze  vor  Augen  und  erinnern  wir  uns  an  die  Verteilung  der 
Winde,  so  wird  uns  das  Bild  auf  Karte  XI  sofort  verständlich 
werden.  Für  Europa  und  Asien  nördlich  vom  Hochlandgürtel  ist 
der  Atlantische  Ozean  der  Regenspender.  Daher  die  Abnahme 
der  Niederschläge  von  Westen  nach  Osten,  ein  Gesetz,  das  ebenso 
zutage  tritt,  wenn  wir  den  ganzen  Festlandkomplex  betrachten,  wie 
wenn  wir  die  West-  und  Ostküsten  der  Halbinseln  und  Inseln  mit- 
einander vergleichen.  Die  größten  Mengen  finden  wir  an  den  west- 
lichen Küstengebirgen  (Dommesten  in  Norwegen  195,  Glenquoich  in 
Invemess,  Schottland,  275,  Sierra  Estrella  310  cm),  an  den  Alpen- 
rändern, besonders  am  südlichen  (Hermsburg  in  Krain  317  cm) 
und  im  dalmatinischen  Gebirge  (Crkvice  429  cm).  Da  die  Terrain- 
gestaltung in  der  europäischen  Westhälfte  so  mannigfaltig  ist,  so 
wechselt  natürlich  auch  die  Regenhöhe  auf  kurze  Distanzen,  aber 
im  allgemeinen  beträgt  sie  mehr  als  50  cm.  Unter  dieses  Maß 
sinkt  sie  nur  in  einigen  Teilen  von  Schweden,  im  östlichen  Teile  des 
Seinebeckens,  im  gebirgsumschlossenen  Böhmen  und  südlichen  March- 
gebiete,  vor  allem  aber  in  den  inneren  Plateaulandschaften  (Sala- 
manca   27  cm)    und    an    der    SO. -Küste    Spaniens,    dem    nieder- 


X  Wie  dieser  Gegensatz  auch  innerhalb  eines  Gebirgssystems  sich  geltend 
macht,  zeigt  folgendes  Beispiel.  Der  Regen  kommt  hier,  wie  in  ganz  Europa, 
vom  Westen. 


1 

1  ' 

Westseite 

' 

Ostseite 

Bludenz 

1 

1 

1 
3 

1 

•s 

i 

1 

1 

Gerade     £ntfemang     von 

i 

Arlberg  in  km  .... 

80,4 

10,. 

9,0 

5,1 

1,2 

3,8 

26,6 

Seehohe  m  

560 

1062 

1220  '  1405 

1790 

1280 

810 

Niederschlag  cm  ...     . 

119 

151 

183 

185 

189 

119 

61 

I 


126 


Die  Lufthülle. 


i 
\ 

I: 


schlagsärmsten  Gebiete  von  Westeuropa,   wo  nach  Willkomm 
und  mehr  Jahre  ohne  einen  einzigen  anhaltenden  Regen  vergel 
die  Bewölkung  saharisch  gering  ist,  und  die  Dattelpalme  ihre  Frü< 
reift. 

In  Osteuropa  beträgt  die  jährliche  Niederschlagsmenge  fast  all 
halben  unter  60  cm,  im  mittleren  Westsibirien  ca.  40,  im  L< 
gebiete  meist  unter  30  und  am  Ochotskischen  Eismeere,  soweit  n 
das  Gebirge  an  die  Küste  herantritt,  unter  20  cm.  Mit  der 
nähme  nach  Osten  verbindet  sich  im  russischen  Reiche  aber  a 
eine  Abnahme  nach  Norden  und  Süden,  und  die  Regenmenge 
reicht  ihr  Minimum  im  turanischen  Tieflande  bis  zum  Kasp: 
einem  echt  kontinentalen  Gebiete,  das  von  allen  Meeren  entw« 
durch  weite  Flachlandstrecken  oder  Hochgebirge  getrennt 
(Astrachan  16  cm,  Petro  Alexandrowsk  am  Amu  Darja  6  cm). 

Jenseits  des  asiatischen  Hochlandgürtels  liegt  das  pazifis 
indische  Monsungebiet.  Das  östliche  Kamtschatka,  Japan,  C1 
südlich  vom  Jangtse-Kiang  und  fast  ganz  Ostindien  haben 
Niederschlagsmenge  von  mehr  als  100  cm.  Da  an  der  pazifisc 
Seite  der  sommerliche  SO.-Wind  der  Regenbringer  ist,  so  nimmt 
Niederschlag  in  nordwestlicher  Richtung  ab.  Für  die  beiden 
dischen  Halbinseln  ist  der  SW.-Monsun  der  Regenwind,  daher 
Westküsten  2 — 3  mal  mehr  Niederschläge  empfangen,  als  die  Ostküs 
In  Hindustan  weht  dieser  Monsun  aus  dem  bengalischen  Golfe  t 
aufwärts  und  in  gleicher  Richtung  nehmen  die  Niederschläge 
Im  östlichen  Bengalen  beträgt  ihre  jährliche  Höhe  überall  I 
200  cm;  am  Südabhange  des  Khassiagebirges  liegt  in  1250  m  £ 
der  einzige  bekannte  Ort  der  Erde  mit  mehr  als  10  m  Regenl 
(Tscharapundschi  1204  cm).  Im  westlichen  Bengalen  schwankt 
Niederschlagshöhe  zwischen  1 — 200  cm,  in  der  Ebene  am  mittL 
Ganges  und  an  der  Dschamuna  beträgt  sie  durchschnittlich  85 
im  südlichen  Pandschab  und  am  mittleren  Indus  sinkt  sie  s( 
unter  20  cm  herab.  Auf  dem  Plateau  von  Dekan  dürfte  sie 
Mittel  etwas  über  70  cm  betragen. 

Zwischen   dem    atlantisch  -  arktischen    und    pazifisch  -  indis( 
Regengebiete  schieben  sich  die  niederschlagsarmen  Plateaufläc 
von  Zentralasien,  Iran  und  zum  Teil  auch  Kleinasien  ein,  deren 
birgsumrahmung   allseitigen   Windschatten   erzeugt     Regenlos 
freilich   auch    die   mongolischen    Wüsten    und   Steppen   nicht, 
Pbzewalski  bezeugt,  aber  selbst  der  nördliche  Gebirgsrand  hat 
ca.  20  cm  Niederschlag,  und  nur  über  das  nordöstliche  Tibet 
breitet  der  Sommermonsun  noch  reichlichere  Benetzung.    Im  Im 
von  Iran   erreicht  die  jährliche  Regenmenge  nach  St.  John  e 


Die  Yerteiliuig  der  j&hrlichen  Niederschlagsmengen.  127 


riel  mehr  als  12 — 13  cm.  Dagegen  verdankt  jenes  Wüstengebiet, 
das  sich  von  Mesopotamien  über  Syrien,  Arabien  und  die  Sahara 
bis  zum  Atlantischen  Ozean  ausdehnt,  seine  Regenarmut  lediglich 
den  beständigen  Nordvrinden,  die,  wenn  sie  auch  vom  Meere  kommen 
—  wie  im  Sommer  in  der  Sahara  — ,  wegen  der  höheren  Tempe- 
ratur der  Wüstenluft  relativ  trocken  sind.  Nur  der  Nordabhang  des 
AÜas  und  die  Libanonküste  werden  etwas  ausgiebiger  benetzt  Von 
den  Rändern  dieses  Gebietes  (Biskra  20,  Alexandrien  22,  Jerusalem 
55  cm)  nimmt  die  Regenmenge  nach  dem  Innern  rasch  ab:  Bagdad  15, 
Port  Said  5,s,  Kairo  Q,4y  Sues  2,6  cm.  Es  zeigt  sich  also,  daß  selbst 
die  unmittelbare  Nachbarschaft  des  Meeres  dieses  Schicksal  nicht 
zu  wenden  vermag. 

In  Nordamerika  gestaltet  sich  die  Regenverteilung  infolge 
verschiedener  orographischer  Verhältnisse  wesentlich  anders.  Der 
pazifische  Regenbezirk,  der  dem  atlantischen  der  alten  Welt  ent- 
spricht, reicht  nur  bis  zur  Eüstencordillere,  dagegen  ist  der  des 
mezicanischen  Golfs  und  des  Atlantischen  Ozeans  verhältnismäßig 
viel  weiter  ausgedehnt,  als  die  entsprechenden  südlichen  und  öst- 
lichen Gebiete  Asiens.  Das  Hauptreservoir  für  die  nordamerikanische 
Ostabdachung  ist  der  Golf  von  Mexico,  dessen  warme  und  dampf- 
reiche Luft  einerseits  durch  die,  die  Vereinigten  Staaten  durch- 
querenden Minima,  anderseits  durch  die  kontinentale  Barometer- 
depression im  Sommer  landeinwärts  gezogen  wird,  da  keine  Gebirge 
mit  äquatorialer  Richtung  hindernd  in  den  Weg  treten.  Daher  ist 
das  Areal,  das  trotz  des  Vorherrschens  der  Ebene  über  100  cm 
jährlichen  Niederschlags  empfängt,  hier  größer,  als  irgendwo  in  der 
alten  Welt  nördlich  vom  30.  Breitengrade.  Erst  von  Virginia  an 
beginnt  das  eigentliche  Regengebiet  des  Atlantischen  Ozeans.  In  den 
nördlichen  Territorien  der  Union  und  westlich  von  der  Hudsonbai 
sinkt  die  Niederschlagshöhe  unter  25  cm,  entsprechend  den  trocke- 
nen G^enden  von  Turan  und  Ostsibirien.  Auch  Vertreter  der  beiden 
anderen  Arten  regenarmer  Gebiete  finden  wir  hier.  Wo  an  der 
pazifischen  Küste  die  Äquatorialwinde  aufhören,  werden,  wie  an  der 
atlantischen  Küste  Nordafrikas,  die  Niederschläge  immer  seltener 
und  dürftiger.  Mogador  an  der  marokkanischen  und  S.  Diego  an 
der  califomischen  Küste,  nahezu  unter  gleicher  Breite,  haben  auch 
fast  gleichviel  Regen  (27  und  26  cm).  Es  ist  das  eine  allen  West- 
küsten im  Rücken  des  Passates  eigentümliche  Erscheinung,  aber 
trotzdem  auffallend,  weil  hier  Länderstriche  angesichts  des  Ozeans 
verdursten.  Die  subtropischen  Anticyclonen  scheiden  sie  ebenso  wirk- 
sam, wie  ein  hohes  Gebirge,  vom  regenspendenden  Meere;  und  wenn 
auch  Seewinde  in  das  Küstenland  eindringen,  so  kommen  sie  doch 


128  Die  Lufthttlle. 


nicht  von  weit  her  und  müssen  eine  Zone  kalten  Küstenwas 
überwehen,  so  daß  sie  relativ  trocken  im  wärmeren  Lande  anlan 
Mit  Ausnahme  der  Sahara,  deren  klimatische  Verhältnisse  ei 
komplizierter  sind,  dehnen  sich  diese  subtropischen  Troci 
gebiete  nirgends  weit  landeinwärts  aus;  die  nahen  Küstengeb 
setzen  ihnen  bald  eine  Grenze.  So  auch  in  Nordamerika; 
aber  schließt  sich  unmittelbar  daran  eine  von  bedeutenden  Bo« 
erhebungen  eingeschlossene  Windschattenregion,  die  nördlich  1 
Nevada  und  östlich  bis  zum  Felsengebirge  sich  ausdehnt  In 
Coloradowüste  ist  der  Niederschlag  kaum  reichlicher  als  in 
Sahara,  denn  Fort  Mohave  hat  nur  6  cm  und  selbst  Fort  Yum 
der  Nähe  des  Meeres  nur  9  cm. 

Südkontinente.      Die   Landstriche   zu   beiden   Seiten 
'.  Äquators   haben   mit   wenigen  Ausnahmen  eine  jährliche  Nie 

'r  Schlagshöhe  von  mehr  als  100  cm,  so  1)  der  ostindische  Archipel 

der  nördlichste  Teil  von  Australien  bis  IS^s^B.  am  Überlandsi 
graphen  und  bis  IS^s^  B.  in  Queensland;  2)  das  mittlere  Af 
wo  wahrscheinlich  die  ganze,  in  tropischer  Pflauzenf&lle  prang« 
Ä(iuatorialzone  sehr  regenreich  ist,  da  die  Messungen  in  der 
liehen  Seenregion  kaum  minder  hohe  Resultate  ergaben,  als  an 
Küsten;  endlich  3)  in  der  neuen  Welt  Zentralamerika,  der  gr 
Teil  von  Westindien,  das  nördliche  Südamerika,  mit  Ausnahme 
zentralen  Gegenden,  die  ganze  Amazonasebene  und  sogar  die  ä 
torialen  Hochthäler  der  Andes.  Jenseits  des  Gleich^rs  ändert 
die  Begenverteüung  aber  bald  und  zwar  auf  allen  drei  Kontinente 
demselben  Sinne.  Niederschläge  bringt  hier  der  Passat,  teils  der  n 
mäßige^  teils  der  rückläufige ;  die  Hauptregenquelle  ist  daher  fbr  Aus 
I  lien  die  Südsee,  für  Südafrika  der  Indische  und  für  Südamerika 

■  Atlantische  Ozean.  Überall  nimmt  die  Niederschlagshöhe  nach  Wc 

ab,  doch  ruft  die  ungleiche  Terrainbildung  der  drei  Festländer 
greifende  Unterschiede  hervor.     Südamerika,  das  seine  lange 
dachung  nach  Osten  kehrt,  ist  bis  an  den  Fuß  der  Andes  wohl  bewäi 
t  und   nur  das  Innere  des  brasilianischen  Massivs,   die  sogenan: 

I  Campos  dürften  etwas  trockener  sein.     Weiter  als  sonst  dehnt 

I  hier  das  subtropische  Trockengebiet  aus;  der  ganze  pazifische  Küs 

strich  von  5 — 30^  S.  ist  ein  fast  absolut  niederschlagsloses  G« 
[  wo  Jahre  ohne  einen  Tropfen  Regen  verfließen,   was   aber   ehe 

i  wenig,    wie    in    anderen  Wüsten,    gelegentliche   wolkenbruchai 

!  Regengüsse    (z.   B.    im   Winter    1881    in   der  Atacamawüste) 

.^  schließt.    Das  kalte  Küsten wasser  erzeugt  im  Winter  dichte  N 

!  (garüas),    die   aber   nach   Woeikows   Angabe   auf  die  Region 

i  30ü — 1000  m  Seehöhe  beschränkt  sein  sollen. 


Die  Verteiluiig  der  jährlichen  Niederschlagsmengen.  129 

Einen  schroffen  Gegensatz  zu  Südamerika  bildet  Australien. 
Die  Lage  des  Gebirges  am  Ostrande  beraubt  die  inneren  Ebenen  bis 
gegen  die  Westküste  hin  der  pazifischen  Feuchtigkeit  Zwar  hat 
das  Flußgebiet  des  Darling  und  Murray  noch  immer  eine  mittlere 
Niederschlagsmenge  von  40  cm  und  erst  in  den  zentralen  Niederungen 
zwischen  25  und  30^  B.  sinkt  sie  unter  20  cm,  aber  Mittelwerte 
geben  hier  kein  ganz  zutreffendes  Bild  von  den  Begenverhältnissen. 
Der  eigentliche  Charakterzug  derselben  ist  vielmehr  die  Unregel- 
mäßigkeit» der  Wechsel  von  oft  jahrelangen  Dürreperioden  und  ver- 
heerenden Gewitterregen. 

Aach  Südafrika  senkt  sich  nach  Westen,  aber  der  östliche 
Hochrand  ist  zwischen  den  Drakenbergen  und  dem  Seenplateau 
mehrfach  unterbrochen.  Daher  hat  erst  die  Westhälfte  Regen- 
mengen unter  50  cm,  und  selbst  die  Ealahariwüste  erhält  regel- 
mäßigere und  nachhaltigere  Niederschläge,  als  z.  B.  die  Sahara. 
Fast  regenlos  ist  nur  die  Eüstenterrasse  vom  Eap  Negro  (16®  S.) 
bis  über  den  Oranje  hinaus;  das  ist  die  subtropische  Wüste,  der  nur 
die  dichten  Winternebel  etwas  Feuchtigkeit  bringen. 

Wie  mit  einem  Zauberschlage  verändert  sich  die  Situation,  so- 
bald vrir  über  die  Büiuptwindscheide  in  das  Gebiet  der  vorherrschenden 
NW.-  und  W. -Winde  treten.  In  Südamerika^  wird  nun  die  West- 
seite der  Andes  regenreich  und  die  Ostabdachung  kommt  in  den 
Windschatten.  An  der  Südküste  des  Eaplandes  ist  ebenfalls  eine 
Begenabnahme  nach  Osten  bemerkbar,  und  auf  Neuseeland  kommt 
der  Gegensatz  zwischen  dem  niederschlagsreicheren  Westen  und 
niederschlagsarmeren  Osten  zur  vollen  Geltung. 

Kttlere  Segenwahrscheinlichkeit^  Wir  haben  bisher  nur  von 
den  jährlichen  Regenmengen  gesprochen,  ohne  auf  die  Eegendauer 
oder  Begenwahrscheinlichkeit^^  Rücksicht  zu  nehmen.  Da 
Menge  und  Dauer  der  Niederschläge  aber  nicht  gleichmäßig  wachsen 
und  abnehmen,  so  müssen  wir  —  soweit  es  das  Beobachtungsmaterial 
gestattet  —  wenigstens  einen  flüchtigen  Blick  auf  die  geographische 


X  Den   raschen   Obergang   an   der   chilenischen   Küste   macht    folgende 
Tabelle  ersichtlich: 

0,8  cm  jährl.  Regenmenge 
4 
84 
50 
287 
XX  Der  Quotient  aas  der  Anzahl  der  Etegentage  einer  Periode  (Monat, 
Jahr  o.  8.  w.)  dividiert  durch  die  Gesamtzahl  der  Tage  der  betreffenden  Periode. 
Eine  Begenwabrscheinlichkeit  von  0,5o  sagt  also,  daß  von  100  Tagen  50  Begen- 
tage  sind. 

SuFAM,  PhTiliche  Erdkunde.    2.  AnlL  9 


CopUp6 
Serena 

27  » 
29,t 

YalparaTso 
Talca 

88,9 
85,4 

Gonception 

36,8 

i 


130 Die  Lufthflne. 

Verteilung  der  Regen  Wahrscheinlichkeit  werfen.  Es  erscheint 
um  so  notwendiger,  als  nur  auf  diesem  Wege  ein  Vergleich 
Niederschlagsverhältnisse  auf  dem  Meere  und  Festla 
möglich  ist:  ein  Vergleich,  bei  dem  man  freilich  stets  im  Auge 
halten  muß,  daß  die  marinen  Mittelwerte  auf  ganz  anderen  Gr 
lagen  beruhen,  als  die  kontinentalen,  die  aus  regelmäßigen,  m 
jährigen  Beobachtungen  an  einem  und  demselben  Orte  hei 
gehen. 

Auf  dem  Atlantischen  wie  auf  dem  Indischen  Ozean  nimmt 
Regenwahrscheinlichkeit    von    der    äquatorialen   Kalmenzone    i 
Norden  und  Süden   ab,  jenseits   der  Passatgrenze   im  Gebiete 
Aquatorialwinde   wieder   zu,   im  Norden  der  subarktischen  Cyk 
aber  jedenfalls  wieder  ab.    Die  Abhängigkeit  von  der  Windvertei 
tritt  somit  ganz  deutlich  hervor,  und  —  was  besonders  beacht 
wert  ist  —  am  öftesten  regnet  es  nicht  in  der  Äquatorialzone, 
dem  in  den  mittleren  Breiten.    Man  darf  auch  die  Vermutung 
sprechen,   daß  die  südlichen  Ozeane  mehr  Niederschläge  erha 
als   die  nördlichen,  und  angesichts  der  sehr  viel  grösseren  Was 
bedeckung  der  Südhalbkugel  ist  dies  auch  nicht  auffallend. 

Atlantiseher  Ozean  naeh  Kippen  und  Sprnngr.'^  Mittlere  Besi 

wahrscheinlich 

Gebiet  der  Westwinde  (40--50<'  N.) 0,61 

Übergangsgebiet  (20— 40^  N.) 0,S5 

Permanentes  NO.-Passatgebiet  (10—20  <>  N.) 0,27* 

Übergangsgebiet  (5— 10®  N.) .     .     .     .     .  0,45 

Kalmenzone  (0— 5<>  N.) 0,50 

Gebiet  des  permanenten  SO.-Passates 0,2*2* 

Gebiet  des  zeitweilig  rückläufigen  SO.-Passates    ....  0,34 

Jenseits  30*  S über  0,4o 

Jenseits  50<>  S über  0,5o 

Slldatlantiseher  Ozean  nach  Sehlee.' 

Dampferroute  x  Segelroute  x 

0—5        <>    S.  0,52  0       —    7V2     0    S.  0,49 

5     —12V,  0,51  VU—lb  0,50 

12V,— 17»/«  0,58  15     —25  0,5« 

I7V2— 30  0,46  25     —32V,  0,55* 

30     —35  0,42*  32  V,— 42V2  0,64 

42V,~55  0,7« 


X  Die  Dampferroute  von  Europa  nach  La  Plata  geht  dicht  bei  Arne 
vorbei,    die   Segelroute    nach    der  Magellanstraße    liegt    etwas    östlich   da 
aber   doch    nicht   im    eigentlichen   Passatgebiete.      Es   ist   zu    beachten, 
die  Berechnungen  von  Schlee  viel  höhere  Werte  ergaben,  als  die  von  Köp 
und  da  sie  auf  reicblicherem  Material  beruhen,    so  darf  man    annehmen, 
sie  der  Wirklichkeit  näher  kommen. 


Die  Verteilung  der  jährlichen  Niederschlagsmengen.  131 

dstlleher  Indiseher  Ozean  (80—120°  0.)  naeh  t*  Danckelman. ' 

Mittlere  Begen- 
wahrscheinlichkeit 

Äquatorialgürtel  (8— 0<>  N.)      .     .     .     • 0,5« 

Äqaatorialgortel  (0— 8<>  S.) 0,64 

Pasaatzone  (8— 20°  S.) 0,5i 

Paasatzone  (20— 30«  S.) 0,45* 

Übergangsgebiet  (30—36°  S.)  .     •     ^ 0,63 

Gebiet  der  Westwinde  (36—50°  S.) 0,67 

Auf  den  Kontinenten  finden  wir  den  marinen  Typus  der  mit 
der  Breite  erst  ab-,  dann  zu-  und  endlich  wieder  abnehmenden  Regen- 
wahrscheinlichkeit nur  an  den  Westseiten  vollkommen  ausgebildet, 
während  an  den  Ostseiten  eine  ziemlich  gleichmäßige  Abnahme  gegen 
die  Pole  stattfindet  Zwischen  40*^  N.  und  etwa  ebensoviel  S.  sind 
eben  die  regenarmen  Küstengebiete  nur  auf  die  Westseite  beschränkt 

Auch  auf  dem  Festlande  ist  die  Aquatorialzone  durch  eine 
Begenwahrscheinlichkeit  von  mehr  als  0,4o,  stellenweise  von  über 
0,50  ausgezeichnet  Dann  folgt  in  der  alten  Welt  eine  Zone  von 
0,30 — 0,40  Begenwahrscheinlichkeit,  wozu  die  oberen  Nilgegenden,  die 
Malabarküste,  das  östliche  Hinterindien  und  Südchina  gehören.  In 
Oberguinea,  Bengalen  und  Nipon  schwankt  die  Regen  Wahrschein- 
lichkeit zwischen  0,3o  und  0,3o  und  sinkt  in  Senegambien,  in  Vorder- 
indien mit  Ausnahme  der  genannten  Teile  und  des  Pandschab  und 
in  den  Ebenen  von  Peking  auf  0,io — 0,2o  herab.  Im  Wüstengebiete 
beträgt  sie  weniger  als  0,io,  steigt  aber  von  da  wieder  in  nordwest- 
licher Richtung,  Die  Zone  0,io — 0,2o  umfaßt  Syrien,  Kleinasien, 
Mesopotamien  und  Turan;  die  von  0,2o— 0,3o  das  mediterrane  Europa, 
Südrußland,  die  Kirgisensteppe  und  Sibirien;  die  Zone  0,so  bis  0,4o 
das  mittlere  und  südliche  Frankreich,  den  Nordrand  der  Alpen 
und  die  Karpaten,  femer  Nord-  und  Zentralrußland;  endlich  die 
Zone  0,40  bis  0,6o  Britannien,  fast  ganz  Deutschland  und  Nor- 
wegen. 

Eüne  älmliche  Anordnung  finden  wir  an  der  schmalen  Westab- 
dachung Nordamerikas,  eine  Wesentlich  andere  aber  im  Osten.  In 
Zentralamerika  und  an  der  Golfküste  von  Mexico  beträgt  die  Regen- 
wahrscheinlichkeit 0,80  bis  0,40y  auf  dem  mexicanischen  Tafellande 
und  in  den  Vereinigten  Staaten  östlich  vom  Felsengebirge  0,3o — 0,3o, 
stellenweise,  wie  in  Virginien,  Georgia  und  Carolina,  sogar  weniger 
als  0,20.  unter  diesem  Mittelwerte  bleibt  sie  auch  im  ganzen  arktischen 
Gebiete.  Auf  den  Südkontinenten  erreicht  sie  nur  in  der  Zone  der 
Äquatorialwinde  (Chile  upd^  westliches  Neuseeland)  0,4o  und  mehr^ 
scTEL^t  hält  sie  sich  fast  überall  unter  0,8o  und  in  den  regenarmen 
Gegenden  unter  0,io. 

9* 


132 


Die  Lufthülle. 


Schon  aus  dieser  kurzen  Beschreibung  ergeben  sich  ; 
wichtige  Gesetze:  1.  Zwischen  ca.  35^  N.  und  S.  ist  der  Begei 
der  Westküste  seltener  als  an  der  Ostküste,  jenseits  dieser  Gr 
parallelen  werden  aber  die  Westküsten  häufiger  von  Regen  hi 
gesucht  Die  beiden  Küsten  Terhalten  sich  also,  in  Bezug  auf 
Häufigkeit  (wie  im  allgemeinen  auch  bezüglich  der  Menge) 
Niederschläge  ebenso  zu  einander,  wie  in  Bezug  auf  die  Erwärm 
2.  Die  Regenwahrscheinlichkeit  ist  im  allgemeinen  auf  dem  M 
größer,  als  auf  dem  Festlande  in  gleicher  Breite.  Ganz  beson 
gilt  dies  von  der  ozeanischen  Passatzone  im  Vergleiche  zu  den  Wüj 
Auf  dem  Atlantischen  Ozean  regnet  es  in  diesem  Gürtel  eb 
häufig  wie  in  Südeuropa,  und  im  südindischen  sogar  ebenso 
wie  in  Norddeutschland.  An  und  für  sich  ist  allerdings  der 
sat  als  ein  aus  höheren  Breiten  kommender  Wind  trocken,  ; 
man  darf  nicht  vergessen,  daB  seine  Polargrenze  von  einem  ^ 
zum  anderen  bedeutenden  Schwankungen  unterliegt,  daß  gelegen 
(besonders  im  südindischen  Ozean)  Cyklonen  diesen  Gürtel  du 
schneiden,  und  daß  seine  Äquatorialgrenze  ebenfalls  jahreszeitli< 
Verschiebungen  unterworfen  ist.  Der  Passatzone  der  Südsee  kö 
man  zwar  geneigt  sein,  wüstenähnliche  Regenarmut  zuzuschrei 
denn  auf  der  Backerinsel  (0,s®N.)  beträgt  die  Regen  wahrschein 
keit  nur  0,ie  (4 ^/^  monatliche  Beobachtung)  und  auf  der  Maiden; 
(4^  S.)  nach  mehr  als  zweijähriger  Beobachtung  nur  0,io.  i 
ITague  erzählt,  wie  oft  ein  der  Insel  sich  nähernder  Regengu 
zwei  Arme  sich  teilte,  indem  die  Wolke  durch  die  vom  we 
Eorallensand  aufsteigende  erhitzte  Luft  gespalten  wurde.  Es  reg 
also  auf  dem  Meere  öfter  als  auf  der  Insel. 

Über  die  Niederschlagsmenge  des  Passatgürtels  wissen  wir 
lieh  nichts  sicheres.  Anhaltender  Regen  kommt  nicht  vor,  som 
nur  vorübergehende  „Passatschauer**,  wie  sie  der  deutsche  Seen 
nennt  Die  Messungen  der  „Novara"  zwischen  6  und  12®  N., 
ein  durchschnittliches  Maximum  von  5,3  mm  pro  Stunde  erga 
beziehen  sich  leider  nicht  auf  die  eigentliche  Passatzone,  und  \ 
die  Beobachtungen  auf  den  Inseln  geben  uns  keine  unzweidei 
Antwort  auf  unsere  Frage,  da  orographische  Verhältnisse 
Regenmenge  beeinflussen.  St  Helena  hat  auf  der  Leeseite 
und  auf  der  Windseite  105  cm,  Ascension  hat  8,  Praia  auf 
Capverdeschen  Inseln  32,  Maiden  34  cm.  Es  ist  also  wahrscl 
lieh,  daß  auch  die  Regenmengen  der  ozeanischen  Passatzone  die 
regenarmen  Gebiete  des  Festlandes  übertreflFen. 

In  den  außerpassatischen  Breiten  ist  dagegen  die  Regendicl 
keit  auf  dem  Festlande  infolge  mannifaJtiger  Terraingestaltung 


Die  jahreszeitliche  Yerteilong  der  Niederschläge.  133 

sommerlicher  Platzregen,  auf  die  wir  noch  zurückkommen  werden, 
wohl  durchwegs  größer  als  auf  den  Inseln.  ^  In  den  mittleren  und 
höheren  Breiten,  wo  die  Zahl  der  Segentage  auf  dem  Meere  selbst 
die  in  den  Tropen  übertrifft,  ist  die  Niederschlagsmenge  doch  ver- 
hältnismäßig gering.  Dem  Ozean  fehlen,  wie  in  Bezug  auf  die 
Temperatur,  so  auch  in  Bezug  auf  die  Niederschläge  die  Extreme 
des  Festlandes. 

Littera in rn achweise.  *  Alle  bisherigen  Darstellungen  beruhen  auf 
Looms,  Mean  annual  Bainfall  for  different  countries  of  the  globe,  im  American 
Journal  of  Science  1882,  Bd.  I,  und  1888,  Bd.  I.  —  '  Murray,  The  total  annual 
Rainfall  on  the  land  of  the  glohe,  im  Scottish  Geographica!  Magazine  1887.  — 
*  ZiEKER,  Die  größten  Regenmengen  eines  Tages.  Peterkanks  Mitteilungen 
1881.  —  *  KÖPPBK,  Die  jährliche  Periode  der  Regen  Wahrscheinlichkeit  in  der 
nördlichen  Hemisphäre,  in  der  Zeitschrift  der  österreichischen  Gesellschaft  für 
Meteorologie  1876.  —  ^  Koppen  und  Sprung,  Die  Regenverhältnisse  des  Atlan- 
tifichen  Ozeans,  in  den  Annalen  der  Hydrographie  und  maritimen  Meteorologie 
1880.  —  *  ScHLEE,  Niederschlag  etc.  in  einem  Teile  des  Atlantischen  Ozeans, 
in  der  Meteorologischen  Zeitschrift  1892.  —  '  y.  Danckelkan,  Die  Regen- 
hSufigkeit  auf  dem  Indischen  Ozean,  in  der  Zeitschrift  der  Gresellschaft  für 
Erdkunde,  Berlin  1886. 

Die  jahreszeitliche  Verteilung  der  Niederschläge. 

(Siehe  Karte  XU.) 

Neben  der  mittleren  Menge  und  Dauer  der  Niederschläge  ist 
ihre  jahreszeitliche  Verteilung  namentlich  für  das  Pflanzenleben  von 
größter  Bedeutung.  Karte  Xu  stellt  ihre  Haupttypen  dar.  Auf 
dem  Atlantischen  Ozean,  nach  dessen  Muster  sich  wahrscheinlich 
auch  die  Begenverhältnisse  auf  der  Südsee  regeln,  und  auf  dem 
sudindischen  Ozean  folgt  auf  eine  schmale,  äquatoriale  Zone  mit 
Regen  zur  Zeit  des  Zenithstandes  der  Sonne  (Tropenregen)  eine 
Zone  vorherrschender  Winterregen,  und  zwar  in  zwei  Modifikationen: 
im  Westen  bis  ca.  35 — 40®  B.  ist  der  Sommer  arm  an  Niederschlägen 
(subtropischer  Regen),  während  in  den  übrigen  Teilen  des  Meeres 
keine  Jahreszeit  durch  besondere  Trockenheit  sich  auszeichnet    Auf 


Insel  St.  Paul  im  Beringmeer 
ThorBhavn,  PÄroer  .... 
Stanleybafen,  Falklandinseln  . 

New- York 

Florenz 

Viktoria,  Hongkong  .... 
Tseharapimdschi 


Begenwahr- 

JihrUche 
Begenmenge 

mm  pro  Tag 

(Regendichtig- 

kelt) 

0,8* 

109  cm 

8,5 

0,82 

181 

6,7 

0,54 

52 

2,a 

0,.4 

118 

8,5 

0,27 

108 

11,5 

0,.. 

288 

20,3 

0,5. 

1204 

68,4 

ia4 


Die  Lufthülle. 


den  Kontinenten  ist  die  Zone  der  Tropenregen  mächtig  entwic 
und  daran  schließt  sich  gegen  die  Pole  hin  die  Zone  des  Rc 
zu  allen  Jahreszeiten  mit  dem  Maximum  im  Sommer. 

Winterregen  sind  also  der  ozeanische,  Sommerri 
der  kontinentale  Typus.  Im  Westen  schiebt  sich  das  ozean: 
Regime  in  die  Kontinente  hinein,  im  Osten  das  kontinentale  in 
Meer  hinaus.  Dieseits  wie  jenseits  des  Aquatorialgürtels  bege 
wir  also  auch  hier  wieder  einem  scharfen  Gegensatze  der  w 
liehen  und  östlichen  Küsten. 

Im  allgemeinen  kann  man  als  Regel  feststellen,  daß  für 
Gegend  dann  Regenzeit  eintritt,  wenn  Gelegenheit  zu  aufsteige: 
Luftströmen  durch  die  Bildung  von  Cyklonen  oder  bei  lab 
Gleichgewichtszustande  der  Atmosphäre  gegeben  ist.  Auf 
größten  Teile  des  Meeres  wird  diese  Bedingung  besonders  im  W 
und  Herbst  erfüllt,  während  in  der  warmen  Jahreszeit  der  1 
metrische  Gradient  sich  verflacht.  Die  Hauptmassen  der  Kontii 
haben  dagegen  im  Winter  hohen  Barometerstand,  während 
sommerliche  Luftauflockerung  die  Seewinde  weit  in  das  Land  hii 
zieht,  und  die  Erhitzung  des  Bodens  an  windstillen,  heiteren  T 
zu  einem  labilen  Gleichgewichte  der  Luft  führt,  das  örtlich 
schränkte,  kurz  dauernde,  aber  oft  heftige  Gewitterregen  erzeu] 

FeriodlBohe  Bogen.  Die  Tropenregen  sind  streng  period 
so  daß  darauf  die  Bewohner  jener  Zone,  in  der  die  gleichmi 
Wärme  den  Gegensatz  von  Winter  und  Sommer  verwischt,  die  kl 
tologische  Einteilung  des  Jahres  in  eine  trockene  und  eine  Rege 
gründen.  Der  Regen  tritt  im  allgemeinen  mit  dem  Zenitbst 
der  Sonne  ein,  also  in  der  Nähe  des  Äquators  zweimal  und  g 
die  Wendekreise  hin  einmal;  hier  beschränkt  er  sich  auf  ein 
Monate,  dort  dehnt  er  sich  über  einen  größeren  Teil  des  Ja 
aus,  umsomehr,  da  die  Zeit  zwischen  den  beiden  Regenperi 
auch  nicht  ganz  der  Niederschläge  entbehrt.^     So  kommt  es, 

X  Als  Beispiel  diene  Loanda  an  der  Westküste  A&ikas  unter  8^49' 
wo  mehrjährige  Beobachtungen  vorliegen.  Die  Sonne  steht  hier  am  26.  Fei 
und  17.  Oktober  im  Zenith;  dem  ersteren  Stande  entspricht  die  kleine, 
letzteren  die  große  Regenzeit 

j  .  Boginn  der  kleinen 

•^  Regenzeit 

? 

18.  Febr. 

5.  Febr. 

8.  Febr. 

Die  mittlere  Dauer  der  vier  Perioden '  berechnet  sich  folgendermaßen:  | 
Trockenzeit  164,  große  Begenzeit  107,  kleine  Trockenzeit  85,  kle^ie  Beg< 


1879 
1880 
1881 
1882 
1883 


Beginn  der  großen 
Trockenzelt 

Beginn  der  großen 
Regenzeit 

Beginn  der  kle 
Trockenzel 

6.  Mai 

5.  Okt 

21.  Dez. 

29.  April 

4.  Sept 

29.  Dez. 

10.  April 

2.  Dez. 

27.  Dez. 

23.  Mal 

8.  Okt 

— 

5.  Mai 

29.  Nov. 

? 

Die  jahreszeitliche  Yerteilimg  der  Niederschläge.  135 


in  einigen  äquatorialen  Gegenden,  besonders  in  der  Amazonasebene, 
auf  Sumatra  und  an  der  Südspitze  von  Malacca  die  Regenverteilung 
einen  Charakter  annimmt,  der  ihr  sonst  nur  in  höheren  Breiten 
eigen  ist. 

Die  Tropenregen  hängen  stets  mit  einer  Änderung  der  Wind- 
richtung zusammen;  der  Passat  hört  auf  und  westliche  Strömungen 
erhalten  das  Übergewicht.  Insofern  sind  alle  Tropenregen  Monsun-, 
regen,  wenn  man  auch  diese  Bezeichnung  gewöhnlich  nur  auf  die 
periodischen  Niederschläge  Ostindiens  und  Australiens  anwendet, 
d.  h.  auf  diejenigen  Tropenländer,  die  äquatorwärts  an  ein  Meer 
grenzen.  Hier  ist  der  Monsuncharakter  mit  typischer  Schärfe  aus«* 
gebildet;  in  ganz  Indien  ist  Nordost  der  trockene,  und  Südwest 
der  Regenwind.  Im  Pandschab  dauert  die  Eegenzeit  von  Juli  bis 
September,  an  der  Malabarküste  von  Mai  bis  Oktober  (dagegen  an 
der  Coromandelküste  von  Juli  bis  Dezember),  und  auf  Ceylon  finden 
wir  schon  eine  doppelte  Eegenzeit  im  Frühjahr  und  Herbst  Regen- 
los sind  im  allgemeinen  die  Monate  von  November  bis  März,  nur 
im  Pandschab  bringt  der  niedersinkende  Antipassat  auch  im  Winter 
Niederschläge. 

Orographische  Eigentümlichkeiten  beeinflussen  die  jahreszeit- 
liche Eegenverteilung  in  den  Tropen  viel  mehr  als  in  unseren 
Breiten.  Wo  Küstengebirge  vom  marinen  Passat  getroffen  werden, 
kommt  es  niemals  zur  Ausbildung  einer  völligen  Trockenzeit,  weil 
da  auch  im  Winter  die  Möglichkeit  zu  Steigungsregen  geboten  ist 
Der  Ostrand  des  tropischen  Afrika  ist  daher  ungleich  bevorzugter, 
als  der  westliche,  wo  in  der  Regel  drei,  vier  oder  noch  mehr  Monate 
lang  kein  Tropfen  Regen  fäUt  Ja  unter  Umständen  kann  der  tropische 
Regencharakter  ganz  unterdrückt  werden,  wenn  ein  Eüstenort  im 
Windschatten  des  sommerlichen  Monsuns,  aber  dem  winterlichen  Passat 
offen  hegt  Finschhafen  an  der  Nordostküste  von  Neuguinea  z.  B. 
bekommt  dadurch  eine  ganz  anormale  Regenperiode,  die  der  des 
Hatzfeldhafens  an  derselben  Eüste  gerade  entgegengesetzt  verläuft.^ 

Während  sonst  das  tropische  Regensystem,  wie  schon  der  Name 
besagt,  den  30.  Parallel  nirgends  beträchtlich   überschreitet,   reicht 


59  Tage.  Man  beachte  besonders  die  große  Unregelmäßigkei  im  Beginne  der 
Hanptregenzeit,  den  zeitweiligen  Wechsel  beider  Regenzeiten  (1881  dauerte  die 
,,große"  Regenzeit  nar  25  Tage,  die  darauf  folgende  „kleine^  aber  104)  und 
das  vollstfindige  Fehlen  der  kleinen  Perioden  im  Jahre  1882—83.  Das  alles 
zeigt  deutlich,  welchen  Schwankungen  der  Tropenregen  unterworfen  ist. 
X  Sommer        Herbst        Winter        Frühling 

Hatzfeldhafen       41,8  30,7  8,4  19,e  Proz. 

Finschhafeu  9,s  18,6  46,o  26,i     „ 


136  Die  Lufthttlle. 


es  in  OstaBien  mit  allen  seinen  Eigentümlichkeiten  bis  aber 
Amurmündung  hinaus.  Die  Bodenständigkeit  der  winterlichen  A 
cyklone  in  Ostsibirien  bewirkt  eine  ebenso  große,  nahezu  passatii 
Konstanz  jener  NW.- Winde,  die  nicht  bloß  die  peripherischen  Lan 
sondern  auch  einen  großen  Teil  von  Zentralasien  &st  von  aller 
fuhr  ozeanischer  Feuchtigkeit  abschneiden,  während  sich  in  Ni 
amerika  aus  schon  erörterten  Gründen  die  Verhältnisse  wesent 
anders  gestalten.  In  Japan  hat  der  NW.- Wind  schon  etwas 
seiner  Beständigkeit  eingebüßt,  und  außerdem  auf  seinem  Wege  t 
das  Meer  Feuchtigkeit  aufgenommen.  Hier  weist  also  die  jährli 
Verteilung  der  Niederschläge  keine  strenge  Periodizität  mehr 

Ebenso  periodisch,  wie  die  tropischen  Regen,  sind  die  subt 
pischen,  nur  im  umgekehrten  Sinne.  Am  reinsten  ist  dieser  Tj 
in  den  subtropischen  Trockengebieten  ausgeprägt,  wo  der  Som 
ganz  regenlos  ist  und  nur  der  Winter  einige,  wenn  auch  ungenüge 
Feuchtigkeit  bringt  Das  hängt  mit  den  Verschiebungen  der  i 
tropischen  Anticyklonen  zusammen;  im  Sommer  rücken  diese 
höhere  Breiten  und  die  besagten  Trockengebiete  gelangen  d 
unter  die  strenge  Herrschaft  des  Passates.  Äquatorwärts  sind 
Subtropenregen  von  den  tropischen  scharf  abgegrenzt,  polarw 
findet  aber  ein  Übergang  zu  den  ozeanischen  Kegen  höherer  B|?ei 
statt,  indem  die  Sommerregen  immer  reichlicher  werden,  aber  o 
das  Winter-  und  Herbstmaximum  zu  überflügeln. 

Während   der   subtropische  Regentypus   sonst   überall  auf 

Westküsten  im  polaren  Grenzbezirke  des  Passates  beschränkt  ist, 

streckt  er  sich  zu  beiden  Seiten  des  Mittelmeers  weit  landeinwl 

über  die  Sahara,  Arabien,  Syrien,  bis  nach  Iran  und  Turan,  wo 

sich  in  Eleinasien  und  in  den  Südhalbinseln  Europas  ein  Übergai 

gebiet  zu  dem  mittel-  und  westeuropäischen  Regentypus  anschli 

Das  ist  eine  Anomalie,  die  ihres  Gleichen  nur  in  der  weiten  I 

dehnung  der  Tropenregen  in  Ostasien  findet    Doch  hat  es  sich 

genauerer   Untersuchung^   herausgestellt,    daß   dieses  weite   Ge 

keinen   einheitUchen  Charakter  besitzt     Gemeinsam   sind   nur 

Winterregen  und  der  trockene  Sommer,  in  den  übrigen  Jahresze 

1  verhalten  sich  aber  die  Küsten-  und  Binnenlandschaften  ganz 

weichend  voneinander.    Die  ersteren  haben,  wie  alle  Küsten  mittl« 

,  und  höherer  Breiten,  Herbstregen,  die  letzteren  Frühjahrsregen, 

!  wir   glauben   in   diesen   ein   Äquivalent   der  Sommerregen   höh( 

I  Breiten  gefunden  zu  haben.     In  Vorderasien,  im  Inneren  der  p] 

näischen  Halbinsel,  von  Algier  etc.  steigt  die  Temperatur  im  Fr 

I  jähr  sehr  rasch;  die  Luft  hat  noch  vom  Winter  her  einige  Feuch 

i  keit  bewahrt,  und  damit  ist  die  Möglichkeit  zu  Gewitterregen  gegel 


Die  jahreazeitliche  Verteilung  der  Niederschläge. 


137 


wie  wir  sie  in  unseren  Gegenden  im  Sommer  häufig  erleben.  Die 
heißeste  Jahreszeit  dörrt  hier  die  Luft  so  aus,  daß  diese  selbst  in 
aufsteigenden  Strömen  keinen  Regen  mehr  zu  erzeugen  vermag,  und 
die  gleichmäßig  wehenden  Polarwinde  f^ren  keine  neue  Feuchtig- 
keit zu. 

OleichmaXsige  Hiedersohlage.  Den  periodischen  Begen  der 
niederen  Breiten  stehen  die  gleichmäßigen  Niederschläge  der 
mittleren  und  höheren  Breiten  gegenüber,  und  zwar  gleichmäßig  nur 
in  dem  Sinne,  daß  keine  Jahreszeit  völlig  trocken  ist,  wobei  aber 
eine  jährliche  Periode  mit  dem  Maximum  im  Winter-  oder  Sommer- 
halbjahr überall  deutlich  hervortritt  Auch  in  der  warmen  Zone 
sind  gewisse  Gegenden  durch  gleichmäßige  Niederschläge  ausge- 
zeichnet; aber  hier  bleibt  dieser  Eegentypus  stets  eine  Ausnahme, 
während  er  im  allgemeinen  jenseits  des  30.,  in  der  alten  Welt  jen- 
seits des  40.  Parallels  und  auf  dem  Meere  sogar  in  noch  niedererer 
Breite  fast  allein  herrscht  Ob  auch  in  den  polaren  Gegenden,  ist 
noch  unentschieden.  Jedenfalls  empfiehlt  es  sich  nicht  die  Umgebung 
der  winterlichen  Eältezentren  als  selbständige  Gebiete  mit  trockenem 
Winter  auszuscheiden;  die  wenigen  Beobachtungen  berechtigen  nicht 
dazu,  ja  der  kälteste  Ort,  Werchojansk,  zeichnet  sich  besonders 
durch  reichliche  SchneefaDe  aus. 

Die  einzelnen  Typen  gehen  langsamer  oder  schneller  ineinander 
über,  aber  ganz  unvermittelt  stoßen  vielleicht  nur  Tropen-  undSubtropen- 
regen  zusammen.  Wenn  wir  uns  vom  ostasiatischen  Monsunbezirke  nach 
Westen  begeben,  so  wird  das  sommerliche  Maximum  immer  kleiner, 
es  verschiebt  sich  endlich  auf  den  Herbst  und  am  atlantischen  Ge- 
stade auf  den  Winter.  In  gleicher  Weise  wächst  das  winterliche 
Minimum  und  wird  endlich  in  den  Frühling  verlegt.  Die  folgende 
Tabelle  zeigt  auch,  daß  der  Unterschied  zwischen  Maximum  und 
Minimum  gegen  Westen  immer  kleiner  wird,  d.  h.  daß  die  Nieder- 
schläge  sich  immer  gleichmäßiger  über  die  Jahreszeiten  verteilen. 


Winter      Frahllng   |  Sommer   |    Herbst 


Prozente  der  Jahreemenge 


Sibirien 

Zentral-Rußland  .... 
östlichee  Norddeutschland  . 
Westliches  Norddentschland 

England 

Irland 


9* 
16* 
19* 
22 
24 
28 


16 

21 

20 

20* 

20* 

21* 


53 
37 
36 
31 

26 
24 


22 
26 
25 
27 
30 
27 


Max.- 
Min. 


44 
21 
17 
11 
10 
7 


Jenseits  des  Atlantischen  Ozeans  mit  seinem  ausgesprochenen  Winter- 
maximnm  finden  wir  in  den  östlichen  Vereinsstaaten  von  Nordamerika 


i   ■ 


138 


Die  Lufthülle. 


i 
I' 


eine  Regenverteilung  ähnlich  derjenigen  in  der  westlichen  Hälft 
Norddeutschland,  und  erst  allmählich  bildet  sich  das  Sommer] 
mum  schärfer  aus.  Begeben  wir  uns  von  Mitteleuropa  übei 
Alpen  in  das  subtropische  Gebiet,  so  gelangen  wir,  wie  die  z 
Tabelle  uns  lehrt,  fast  unvermerkt  aus  dem  Bezirke  der  Sommer 


Winter       FrQhling      Sommer    {     Herbst 


Prozente  der  Jahresmenge 


16* 

24 

38 

22 

13* 

22 

36 

29 

17* 

24 

28 

31 

19* 

25 

25 

31 

21* 

23 

24 

32 

26 

22 

20* 

32 

32 

23 

10* 

35 

38 

24 

3* 

35 

72 

18 

0,4* 

10 

Nordalpen  von  Wien  bis  Bregenz 
Sädfaß  der  Zentralkette      .     .     . 

Sttdalpen 

Oberitalienische  £bene    .... 

£milia 

Toskana,  Umbrien  und  die  Marken 

Latium  und  Neapel 

Sicilien 

Malta 


in  den  der  Winterregen.  Nur  werden  wir  gewahr,  daß  höhere 
birge,  wie  die  Alpen  und  der  Apennin,  den  Übergang  beschleui 
Am  Südfuße  der  ersteren  beginnen  schon  die  Herbstregen, 
südlich  vom  letzteren  wird  plötzlich  der  Sommer  die  trock 
Jahreszeit 

Nur  nebenbei  sei  erwähnt,  daß  die  höheren  Stationen  des 
sehen   und   zentralfranzösischen  Gebirges    dem   ozeanischen  Sj 
der  Winterregen  angehören.     Eingehendere  Untersuchungen  w< 
lehren,   ob  die  Seehöhe  überall  im  Gebiete  der  Sommerregen 
Einfluß  in  gleicher  Weise  äußert.     Es  wäre  dies  ein  weiterer  J 
dafür,  daß  das  Bergklima  dem  marinen  ähnlich  ist. 

Eegengebiete.  Überblicken  wir  noch  einmal  das  in  diesen 
dem  früheren  Abschnitte  Vorgetragene,  so  gelangen  wir  zu  folg« 
Einteilung  der  Erdoberfläche: 

1.  Gebiete  dauernder  Regenarmut: 

a)  Arktische  Gebiete, 

b)  Innerkontinentale  Gebiete, 

c)  Windschattengebiete, 

d)  Gebiete  beständiger  Polarwinde  (subtropische  Wüst 

2.  Gebiete  periodischer  Regenarmut: 

a)  Gebiet  der  Tropen-  (Monsun-)  Regen, 

b)  Gebiete  der  Subtropenregen ; 

3.  Gebiete  gleichmäßiger  Niederschläge: 

a)  Maximum  im  Sommerhalbjahr, 

b)  Maximum  im  Winterhalbjahr. 


Die  jahreszeitliche  Verteilnng  der  Niederschläge.  1 39 


Die  geographische  Verteilung  dieser  Gebiete  ist  ziemlich  regel- 
mäßig. An  den  Westküsten  gelangen  wir,  wenn  wir  vom  Äquator 
gegen  die  Pole  fortschreiten,  aus  den  Tropenregen  mit  strenger 
Periodizität  in  die  subtropischen  Wüsten,  dann  in  das  Gebiet  der 
sabtropischen  Eegen,  endlich  in  das  Gebiet  gleichmäßiger  Regen 
mit  winterlichem  Maximum.  An  den  Ostküsten  gehen  die  Tro- 
penregen, die  zum  Teil  wenigstens  einen  mehr  gleichmäßigen 
Charakter  annehmen,  ohne  subtropische  Zwischenglieder  in  das 
Gebiet  gleichmäßiger  Niederschläge  mit  sommerlichem  Maximum 
über.  Im  Inneren  der  Festländer  vollzieht  sich  der  Ausgleich 
des  westlichen  und  östlichen  Typus,  aber  so  daß  der  letztere  als 
kontinentaler  weitaus  vorherrscht,  während  der  erstere  Küstentypus 
bleibt  Die  innerkontinentalen  Gebiete  dauernder  Regenarmut  sind, 
wie  schon  der  Name  besagt,  auf  die  zentralen  Gegenden  des  Fest- 
landes beschränkt,  die  Windschattengebiete  können  aber  überall  vor- 
kommen, nicht  bloß  im  Inneren,  sondern  oft  unmittelbar  an  der 
Küste.  Sie  sind  orographische,  nicht  meteorologische  Erscheinungen. 
Gewitter.  Aus  der  geographischen  Verteilung'  und  jährlichen 
Periode  der  Gewitter  kann  man  den  Schluß  ziehen,  daß  sie  Begleit- 
erscheinungen des  Kondensationsprozesses  des  Wasserdampfes  sind. 
Die  rein  physikalische  Frage,  wie  bei  dieser  Gelegenheit  eine  so 
hohe  elektrische  Spannung  zu  Stande  komme,  harrt  noch  der  Lösung, 
ist  aber  glücklicherweise  für  unsere  Zwecke  nicht  von  Belange. 

Wie  die  Regenmenge,  nehmen  auch  die  Gewitter  mit  der  Breite 
ab.  Nirgends  tritt  dieses  Phänomen,  das  in  seiner  schauerlichen  Schön- 
heit auf  den  Menschengeist  stets  einen  tiefen  Eindruck  gemacht  hat, 
häutiger   und   großartiger  auf,   als  in  den  Tropen.     In  Abessinien 
sind  jährlich  im    Mittel    424   Gewitter,    die    sich    auf    216    Tage 
verteilen.     Auf  den  Hochebenen  von  Mexico,  Bogota  und  Quito  ist 
durchschnittlich  jeder  dritte  Tag  ein  Gewittertag.    Natürlich  ist  die 
Begenperiode  auch  die  gewitterreichste  Zeit,  aber  die  Beobachtungen 
lehren  zugleich,  daß  nicht  jeder  Regenguß  von  Gewitter  und  nicht 
jedes  Gewitter  von  Regen  begleitet  ist.     In  Europa,  wo  die  Ver- 
teilung dieses  Meteors  am  besten  gekannt  ist,  zeigt  sich  neben  der 
Abnahme  nach  Norden  auch  eine  solche  gegen  Westen.    Das  legt  uns 
die  Frage  nahe,  ob  es  auf  dem  Meere  überhaupt  weniger  wettere, 
als  auf  dem  Festlande  —  eine  Frage,  die  Abaoo  einst  mit  Ja  be- 
antwortete.    KiiSm,  y.  Danckelman^  u.  a.  haben  diese  Ansicht  be- 
richtigt   Für  den  tropischen  Teil  ist  sie  entschieden  zurückzuweisen ; 
nur  im  Passatgebiete  sind  Gewitter  selten,   was  mit  der  relativen 
B^genarmut  dieser  Gegenden  übereinstimmt.    In  den  höheren  Breiten 
sind  sie  nach  der  allgemeinen  Ansicht  der  Seefahrer  hauptsächlich 


140  Die  Lufthülle. 


an  die  warmen  Meeressströmungen  gebunden.  Ziemlich  frei  ^ 
elektrischen  Entladungen  der  Atmosphäre  sind  die  Wüsten  und 
polaren  Gegenden,  aber  es  ist  eine  Fabel,  daß  sie  dort  ganz  i 
bekannt  seien.  Lima  an  der  peruanischen  Küste,  das  besond 
in  diesem  Rufe  stand,  erlebte  am  31.  Dezember  1877  ein  hefti 
Gewitter,  und  ünterägypten  und  die  algerische  Sahara  sind  soj 
gewitterreicher  als  Norwegen.  Lokale  Verhältnisse  sind  in  die 
Beziehung  von  großem  Einflüsse,  sonst  wäre  es  nicht  zu  versteh 
warum  es  z.  B.  an  der  Südspitze  der  iberischen  Halbinsel  so  auß 
ordentlich  selten  wettert.  Allgemein  ist  bekannt,  daß  dieses  PJ 
nomen  in  der  Ebene  minder  häufig  auftritt,  als  im  Gebirge, 
besonders  der  Bergwind  an  ruhigen  Sommernachmittagen  Regen  i 
Gewitter  erzeugt.  Bis  zu  einer  Höhe  von  1300 — 1400  m  nehni 
sie  zu,  dann  wieder  ab. 

Auf  dem  Meere  der  mittleren  und  höheren  Breiten  wiegen  < 
Winter-,  auf  dem  Festlande  die  Sommergewitter  vor.  Doch  ze 
sich  eine  solche  Übereinstimmung  mit  der  jährlichen  Niederschlai 
Periode  nicht  in  jedem  einzelnen  Falle.  Madrid  und  Biskra  e 
regenarmen  Sommern  haben  doch  in  dieser  Jahreszeit  am  meist 
Gewitter  und  dasselbe  gilt  von  Schottland,  trotzdem  daß  auch  hier  d 
Maximum  der  Niederschläge  in  die  kälteste  Jahreszeit  fallt.  And< 
seits  nehmen  aber  die  Wintergewitter  entschieden  ab,  je  weiter  v 
uns  vom  atlantischen  Gestade  in  das  Gebiet  der  Sommerregen  begebe 
und  in  Osteuropa  und  Sibirien  sind  sie  bereits  ganz  verschwundc 

Die  Unterscheidung  von  Wärme-  und  Wirbelgewitter,  wie  i 
Mohn  aufgestellt  hat,  muß  auch  jetzt  noch  aufrecht  erhalten  werdei 
wenn  auch  bei  den  ersteren  auf  sehr  detailliert  gezeichneten  Wettt 
karten  manchmal  eine  örtliche  beschränkte  cyklonale  Anordnung  d 
Isobaren  hervortritt.  Die  Wärmegewitter  sind  Folgeerscheinung 
des  latenten  Gleichgewichtszustandes  der  Luft;  ihnen  gehört  c 
überwiegende  Mehrzahl  der  Sommergewitter  des  Festlandes  an,  c 
weitaus  am  häufigsten  in  den  Nachmittagsstunden  eintreten  u: 
in  der  Regel  nicht  weit  über  ihren  ürsprungsort  sich  verbreite 
Dagegen  sind  alle  Wintergewitter  und  überhaupt  alle  elektrisch 
Phänomene  in  den  außertropischen  Teilen  des  Ozeans  Begleiter  c 
großen  Cyklonen,  mit  denen  sie  wandern  und  dadurch  oft  zu  eii 
weiten  Verbreitung  gelangen. 

Hagel.    Nur  kurz  sei  der  Verteilung  des  Hagels  gedacht, 
dieser  wegen  seiner  verderblichen  Wirkungen  auch  geographiscl 
Interesse  bietet.    Freilich  ist  die  Statistik  desselben  ziemlich  mang 
haft,   und   überdies   werden   nur  von   wenigen  Beobachtern  Ha( 


\  (Eiskömer)  und  Graupen  (kleine  Schneeballen)  auseinander  gehalt( 


Verbreitung  des  Schnees.  141 


was  freilich  auch  schwer  möglich  ist^  da  beide  Formen  vielfach  in- 
einander übergehen.  So  ist  es  noch  nicht  einmal  mit  Sicherheit 
festgestellt^  ob  die  mittleren  Breiten  die  eigentliche  Heimat  dieses 
Phänomens  sind,  denn  auch  in  den  Tropen  ist  es  nicht  selten. 
Humboldts  Ansicht,  daß  der  Hagel  hier  nur  in  größerer  Höhe  vor- 
komme, da  in  den  tieferen  Niveaus  die  Eiskömer  von  der  Hitze 
rasch  aufgezehrt  werden,  hat  wohl  für  das  äquatoriale  Südamerika 
Giltigkeit,  aber  weder  für  die  Eüstenebene  von  Guatemala,  noch 
für  die  tiefer  gelegenen  Flußthäler  der  brasilianischen  Provinz  Minas 
Geraes,  noch  endlich  für  Java  und  den  Sudan,  die  heißeste  Gegend 
der  Erde,  oder  für  das  Innere  von  Australien  im  Sommer. 

Als  die  Hauptbedingung  der  Hagelbildung  erscheint  eine- größere 
Menge  von  Wasserdampf.  Daher  schließt  sich  die  jährliche  Periode 
des  Hagels  enge  an  die  des  Regens  an,  enger  sogar  als  die  der 
Gewitter.  Daher  nimmt  auch  in  Europa  der  Hagel-  und  Graupen- 
fall mit  dem  Begen  von  West  nach  Ost  ab,  aber  die  Zahl  der  reinen 
Hagelfälle  steigt  in  derselben  Sichtung.  Selten  ist  dieses  Phänomen 
in  den  polaren  Gegenden  und  Wüsten.  Lokale  Einflüsse  sind  ganz 
besonders  maßgebend,  daher  in  jeder  Gegend  neben  den  Hagel- 
strichen Land  liegt,  das  nur  selten  unter  dieser  Heimsuchung  zu 
leiden  hat.  Das  Beobachtungsmaterial  genügt  noch  nicht  zur  Fest- 
stellung allgemein  giltiger  Gesetze,  doch  läßt  es  sich  jetzt  schon 
aussprechen,  daß  es  im  Gebirge  häufiger  hagelt  als  in  der  Ebene, 
und  im  Mittelgebirge  häufiger  als  im  Hochgebirge.  Vom  Kaukasus 
(vielleicht  der  hagelreichsten  Gegend  der  Erde)  sagt  Abigh,  daß  alle 
zum  Gebirge  herbeiziehenden  Ungewitter  den  Charakter  verheerender 
Hagelstürme  erst  dort  annehmen,  wo  die  weiten  Thäler  in  die 
Ebene  münden,  und  von  da  ab  gerne  der  Zone  der  niedrigen 
Vorberge  folgen.  Ähnlich  ist  es  auch  in  den  Alpen.  In  der  Schweiz 
wird  die  Hochebene  und  der  Jura  am  meisten  durch  HagelfäUe 
geplagt,  in  Kärnten  das  niedrige  Bergland  der  Osthälfte,  und  ebenso 
in  Steiermark  das  Hügelland  gegen  die  ungarische  Grenze  hin. 

Litteraturnachweise.  ^  Supak,  Die  jahreszeitliche  Verteilung  der 
Niederschläge  in  Europa,  Westasien  und  Nordafrika;  in  Petermanns  Mit- 
teilungen 1890.  —  '  Dürftige  Tabellen  von  Klein  und  Fritz  in  Petermanns 
MitteUnngen  1870  (S.  427)  und  1871  (S.  115).  Das  Beobachtungsmaterial  ist  in 
den  letzten  Jahren  bedeutend  gewachsen,  aber  noch  nicht  einheitlich  verarbeitet 
worden.  —  *  v.  Danckelkan,  Kegen,  Hagel  und  Gewitter  im  Indischen  Ozean, 
im  Archiv  der  Deutschen  Seewarte  1880.  —  ^  v.  Bezold  in  der  Meteorologischen 
Zeitschrift  1895,  S.  121. 


142  Die  Lufthülle. 


Verbreitung  des  Schnees« 

Verbreitung  ^  Unsere  Gegenden  gehören  der  Zone  der  g 
mischten  Niederschläge  an:  in  der  kälteren  Jahreszeit  sehn 
es,  in  der  wärmeren  regnet  es.  Schon  im  mittleren  Italien  si 
Schneefälle  in  den  Niederungen  selten,  aber  immerhin  hat  noch  £< 
durchschnittlich  1,4  Schneetage  im  Jahr.  Jenseits  des  Atlasgebirf 
und  der  Südgrenze  von  Syrien  ist  der  Schnee  in  der  Ebene  i 
bekannt,  an  der  Ostseite  der  alten  Welt  aber  rückt  seine  Äquator! 
grenze,  den  Winterisothermen  folgend,  weiter  nach  Süden,  bis  ül 
Canton  hinaus  (23®  B.),  und  eine  ähnliche  Anordnung  wiederh 
sich  auch  in  Nordamerika. 

Begeben  wir  uns  nach  Norden,  so  wird  die  feste  Niederschlagsfoi 
in  der  Ebene  immer  häufiger.  Mit  Ausnahme  von  Norwegen  dürfte  c 
Grenze  der  sommerlichen  Schneefälle  sich  in  der  Nähe  des  Poh 
kreises  halten;  schon  auf  Boothia  Felix  unter  70®  ß.  betragen  i 
von  Juni  bis  August  40  Proz.  der  Niederschläge,  und  auf  ähnlie 
Verhältnisse  deuten  die  Beobachtungen  Nordenskiölds  in  d 
Nähe  der  Beringstraße.  Auf  der  Südhemisphäre  scheint  die  Gren 
des  Sommerschnees  schon  in  der  Nähe  des  50.  Parallels  zu  liege 
Aber  überall,  soweit  man  auf  den  Polarkalotten  vorgedrungen  i 
regnet  es  auch  in  den  warmen  Monaten;  und  es  ist  ganz  ungewi 
ob  eine  Zone  des  festen  Niederschlags  überhaupt  existiert.* 

Wie  in  horizontaler,  so  verändert  sich  auch  in  vertikaler  Eie 
tung  mit  der  abnehmenden  Temperatur  die  Form  der  Niederschlag 
Während  in  unseren  Gegenden  die  steigende  Sonne  den  winterlicht 
Schnee  in  der  Ebene  und  in  den  unteren  Gebirgsregionen  aufzehi 
bleibt  er  in  den  höheren  Partieen  das  ganze  Jahr  liegen  und  wii 
noch  durch  gelegentliche  sommerliche  Schneefälle  vermehrt  Ub( 
die  Veränderungen,  welche  die  Schneedecke  eines  Gebirges  im  Lau 
eines  Jahres  durchmacht,  haben  wir  langjährige  Beobachtungen  ni 
vom  Säntis  in  der  Schweiz  und  vom  Innthale  bei  Innsbruck.'  D 
letzteren  sind  insofern  wichtiger,  als  sie  sich  sowohl  über  das  Non 
wie  das  Südgehänge  des  Thaies  ausdehnen,  doch  berücksichtigen  s 
nur  die  steilen  Böschungen,  wo  der  Schnee  leichter  schmilzt,  als 
den  Mulden  des  Hochgebirges.  Im  Winter  ist  das  ganze  Th 
(570  m  über  See)  mit  Schnee  bedeckt,  dann  zieht  sich  seine  unte; 
Grenze  bis  zum  Spätsommer  in  immer  größere  Höhen  zurück,  u 
im  Herbste  sich  rasch  wieder  zu  Thal  zu  senken.^ 


X  März  April  Mai  Juni  Juli  Aug.  Sept  Okt.  Nov. 

Südabhang        960  1270  1700  2190  2680  3130  3210  2150  1300  n 

Nordabhan^      720  1110  1540  2030  2470  2930  2760  1890  1010  n 

Unterschied      240  160  160  160  210  200  450  260  290  n 


Verbreitung  des  Scbnees. 


143 


Im  heißesten  Monat  (Juli)  kommen  Schneefälle  nur  oberhalb 
2100  m  vor,  aber  auch  in  dieser  oberen  Region  regnet  es  noch 
ziemlich  häufig.  Die  meteorologische  Station  auf  dem  Sonnblick- 
gipfel in  den  Tauem  (3100  m  Höhe)  verzeichnete  im  Sommer  1887 
17  und  im  Sommer  1888  10  Regentage.  Es  ist  also  auch  zweifel- 
haft, ob  ein  Gebirge  in  die  Region  beständig  fester  Niederschläge 
hineinragt. 

Die  Schneegprenze^.  Der  pulverig  trockene  Schnee,  der  in  den 
höchsten  Regionen  unserer  Alpen  fällt,  bleibt  auf  den  steilen  Graten 
und  Abhängen  nicht  lange  haften.  Das  Spiel  der  Winde  und  die 
eigene  Schwere  führen  ihn  jenen  großen  Mulden  und  kesseiförmigen 


Fig.  26.     Firnfeld  des  Gurgler  Gletschers. 

Vertiefungen  zu,  mit  denen  die  Thäler  nach  oben  enden,  und  häuft 
ihn  hier,  zusammen  mit  dem  an  Ort  und  Stelle  gefallenen  Schnee 
zu  gewaltigen  Massen  an,  die  an  den  sanfteren  Böschungen  des  um- 
gebenden Höhenkranzes,  stellenweise  bis  an  den  Kamm  desselben  hinauf- 
ziehen, jedoch  so,  daß  aus  der  weißen  Fläche  noch  immer  schneefreie 
Felseninseln  aufragen  (Fig.  26).  Der  Hochschnee  nimmt  hier  unter 
dem  E}influ6se  wechselnden  Abtauens  an  Sommertagen  und  nächtlichen 
Wiedergefrierens  eine  graupenförmig-kömige  Beschaflfenheit  an,  er 
wird  zum  Firn.  Nach  unten  geht  dieser  durch  den  Druck  seiner 
eigenen  Masse  in  Eis  über;  die  Schneedecke,  die  darüber  lagert, 
wird  thalabwärts  immer  dünner  und  endet  an  jener  Linie,  wo  die 
Somtnerwärme  schon  hoch  genug  ist^  um  die  Schneemenge  des  vorigen 


•1  ?» 


I 
? 

M 


144 


Die  Lufthülle. 


\ 


Winters  und  gelegentlichen  Neuschnee  aufzuzehren.    Diese  Lini< 
die  Schnee-  oder  Firnlinie;  beide  BegriflFe  können  in  unseren  Hi 
gebirgen   thatsächlich   als   identisch   betrachtet   werden,    denn 
Schneegrenze  wird  immer  an  den  Fimfeldem  gemessen.     Ober] 
derselben  herrscht  Anhäufung,  unterhalb  Abschmelzung  vor. 

Fimfeld  reiht  sich  an  Fimfeld;  es  ist  selten  eine  auf  w 
Strecken  zusammenhängende  Schneedecke,  aber  es  sieht,  von  ii 
betrachtet,  fast  so  aus.  Wir  können  die  einzelnen  Firnlinien  i 
die  trennenden  Kämme  hinweg  zu  einer  einzigen  Linie  verbind 
die  dem  Gebirge  entlang  laufend,  im  Sommer  das  vorwiegend  schj 
bedeckte  von  dem  vorwiegend  schneefreien  Lande  trennt  Das 
die  wirkliche  Schneelinie. 

Aber  diese  Linie  fällt  nicht  mit  einer  bestimmten  Isohypse 
sammen,  denn  die  Bedingungen  zu  dauernder  Schneeanhäufung  s 
nicht  tiberall  gleich.     Die  Höhe   der  Grenze  hängt  allerdings 
nächst  von  zwei  klimatischen  Faktoren  ab:  von  der  Sommer wäi 
und  von  der  Niederschlagsmenge;  aber  selbst  wenn  innerhalb  ei 
Gebirges  von  beschränkter  Ausdehnung  diese  beiden  Faktoren  ni 
erheblich  variieren,  schwankt  doch  die  Schneegrenze  infolge  oroj 
phischer  Verschiedenheiten,  die  in  der  Lage  und  im  Baue  der  Fi 
mulden  begründet  sind.    Maßgebend  ist  vor  allem  die  Lage  an 
Sonnen-  oder  Schattenseite  eines  Gebirges  und  die  Lage  gegenü 
der  herrschenden  Windrichtung.     Am  Finsteraarhom-Massiv    z. 
hat  die  Schneegrenze  an  der 

Nordahdachung  eine  Seehöhe  von  2850  m 
Ostabdachung       „  ,.  ,,     2860 ,, 

Südahdachung      ,,  „  „     3010  „ 

Westabdachung    „  „  „     2900  „ 

Der  Gegensatz  von  Nord-  und  Südabdachung  tritt  in  den  AI] 
überall  deutlich   hervor,   obwohl   im  allgemeinen   der  Niedersch 
auf  der   Südseite   größer   sein    dürfte.    Aber  erst  dann,  wenn 
Südseite  sehr  erheblich  feuchter  ist,  kehrt  sich  der  Gegensatz  i 
Wir  werden  noch  später  davon  zu  sprechen  haben. 

Selbst  bei  benachbarten  Gletschern  von  gleicher  Lage  ki 
die  Höhe  der  Fimgrenze  sehr  verschieden  sein.  Wählen  wir  wie 
ein  Beispiel  aus  dem  Finsteraarhom-Massiv.  Dem  großen  Alets 
gletscher  fließen  rechts  der  Mittelaletsch-,  der  Triest-  und  der  Ol 
aletschgletscher  zu;  bei  dem  ersten  liegt  die  Schneegrenze  in  30 
bei  dem  zweiten  in  3210,  bei  dem  dritten  in  2830  m  Seehöhe, 
alle  fließen  nach  SO.  und  doch  schwankt  die  Schneegrenze  um  v( 
380  m!  Ein  näheres  Eingehen  auf  den  Bau  der  Fimmulden 
klärt  uns  freilich  diese  Unterschiede;  die  Triester  Mulde  liegt  < 


Verbreitang  des  Schnees.  145 


Mittagssonne  ganz  offen,  während  der  Ober-ÄletschlSüm  durch  hohe 
Kämme  beschattet  wird. 

Als  klimatisches  Phänomen  ist  die  Fimgrenze  natürlich  auch 
Schwankungen  von  Jahr  zu  Jahr  unterworfen.  Eine  einzige  Messung 
hat  daher  nur  beschränkten  Wert  Aber  Messungen  sind  in  den 
alpinen  Gebirgen  tlberhaupt  schwierig  und  bieten  nicht  im  entfern- 
testen jene  Gewähr,  wie  an  den  Vulkankegeln  des  tropischen  Süd- 
amerikas, wo  die  Schneelinie  durch  Regelmäßigkeit  und  Beständig- 
keit schon  frühe  die  Aufmerksamkeit  der  Forschungsreisenden  auf 
sich  gelenkt  hat  Man  Tersuchte  daher,  ihre  Seehöhe  zu  be- 
rechnen, zunächst  auf  direktem  Wege  durch  Einstellung  klimatischer 
Mittelwerte,  wie  es  t.  Sonklab  in  umfassender  Weise  gethan  hat 
Aber  diese  Methode  konnte  zu  keinem  befriedigenden  Resultate 
fahren,  weil  die  Grundlagen  nicht  gesichert  sind.  Die  ältere  Vor- 
stellung, daß  die  Schneegrenze  mit  der  Höhenisotherme  von  0^  zu- 
sammenfalle, wurde  bald  als  unhaltbar  erkannt  In  den  letzten 
Jahren  sind  drei  indirekte  Methoden  mit  Erfolg  angewendet  worden. 
Die  älteste  derselben^  giebt  eigentlich  nur  Grenzwerte;  die  obere 
Grenze  stellen  die  Gipfelhöhen  jener  Bergmassen  dar,  die  Gletscher 
entsenden,  die  untere  bezeichnen  jene  benachbarten  Gipfelhöhen,  die 
trotz  günstiger  Lage  keine  großen  Schneefelder  mehr  beherbergen. 
Man  kann  die  Frage  auch  so  steDen :  welche  Isohypse  muß  ein  Berg 
übersteigen,  um  Gletscher  bilden  zu  können?  Diese  Isohypse  ist  dann 
annähernd  die  Schneegrenze  innerhalb  eines  größeren  Gebirgs- 
abschnittes.  Um  zu  Vorstellungen  über  die  Seehöhe  der  eiszeitlichen 
Schneegrenze  zu  gelangen,  ist  dies  die  einzige  bisher  bekannte 
Methode  und  hat  in  dieser  Beziehung  schon  gute  Dienste  geleistet 
Die  orometrische  Methode  Bbügenebs^*  geht  von  der  Annahme 
aus,  daß  mindestens  ^/^  einer  Gletscherfläche  über  der  Schneegrenze, 
d.  h.  im  Sammelgebiete  liege,  und  bestimmt  nun,  welcher  Isohypsen- 
flache  dieses  Fimareal  an  Größe  gleichkommt  Die  betreffende 
Isohypse  stellt  die  Mazimalhöhe  der  SchneeUnie  dar;  die  Maximal- 
hohe  insofern,  als  das  Verhältnis  der  Eiszunge  zum  Fimfelde  mit 
Ausnahme  der  großen  Thalgletscher  sicher  überschätzt  ist,  und  weil 
innerhalb  des  ewigen  Schnees  schneefreie  Partien  sich  befinden,  die 
nicht  in  das  Gletscherareal  einbezogen  werden.  Die  Ausdehnung 
dieser  Partieen,  die  ihre  Schneefreiheit  nur  ihrer  Steilheit  verdanken, 
kann  aber  unter  Umständen  eine  sehr  beträchtliche  sein;  für  den 
Ankogel  z.  B.  fand  Richtee^  innerhalb  der  Höhenlinie  von  2700  m 
41  Proz.  schneefrei.  Als  dritte  Methode  gesellt  sich  endlich  die 
von  KuBOWSKi®  hinzu.  Wenn  —  so  schließt  er  —  der  Niederschlag 
proportional  der  Höhe,  wächst  und  die  Abschmelzung  in  gleichem 

SoPAir,  Vhjauche  Erdkunde.   2.  Aufl.  10 


146  Die  LufthOlle. 


i 
I 


Verhältnisse  abnimmt,  so  muß  die  mittlere  Höhe  des  Gletscl 
(Eiszunge  und  Firn)  diejenige  Linie  sein,  wo  sich  beide  Fakte 
das  Gleichgewicht  halten,  d.  h.  die  Schneegrenze.  In  Wirklicli 
ist  die  gemachte  Voraussetzung  allerdings  nicht  ganz  erfüll t,  s 
trotzdem  ist  erfahrungsgemäß  die  mittlere  Gletscherhöhe  zwar  et^ 
aber  nur  wenig  größer  als  die  Höhe  der  Schneegrenze. 

Allein  mag  die  Berechnungsmethode  noch  so  fein  sein,  so  c 

wirkliche  Schneegrenzen  ebensowenig  vergleichbare  Größen,  wie 

Temperaturen  von  Orten  in  yerschiedener  Seehöhe.    Man  hat  da 

einen  neuen  Begriff  aufgestellt,   den  der  klimatischen  Sehn 

grenze,  d.  h.  jener  idealen  Schneegrenze,  die  lediglich  durch 

klimatischen  Faktoren  bedingt  ist.    Aber  leider  ist  die  Ausscheidi 

der  störenden  orographischen  Momente  schwieriger,  als  die  Beduki 

der  Temperatur  auf  das  Meeresniveau.     Man  muß  sich  mit  Mit 

werten  behelfen,  indem   man  voraussetzt,  daß  sich  die  Gunst  i 

Ungunst  der   örtlichen  Verhältnisse   innerhalb  eines .  grösseren  ( 

birgsabschnittes  ausgleichen.    Es  liegt  aber  auf  der  Hand,  daß  c 

nur  zufällig  geschehen  kann,  und  erst  die  Heranziehung  eines  s 

großen   Zahlenmaterials   wird   uns   in  dieser  Beziehung   vor    F< 

Schlüssen  einigermaßen  bewahren.    Man  ist  indeß  auch  noch  imi 

nicht  darüber  einig,  was  alles  als  orographisches  Moment  anzusel 

sei.    Richter,   Bbückneb,   Eübowsei   u.  a.   faßen   die   klimatis« 

Schneegrenze  als  die  Schneegrenze  auf  einer  supponierten  horizc 

talen  Fläche  auf,  wo   der  Gegensatz  von  Sonnen-   und  Schatt 

Seite  wegfällt,  und  suchen  diesem  Begriffe  dadurch  gerecht  zu  werd 

daß  sie  bei  der  Mittelziehung  sämtliche  Lagenverhältnisse  berü 

sichtigen.    In  der  Finsteraarhomgruppe  z.  B.  schwanken  die  wi 

liehen  Schneegrenzen  nach  der  Berechnung  von  Kubowski  zwiscl 

2490  und  3210  m.     Der  Mittelwert  ist   2950  m,   und  man  nin 

an,  daß  an  dieser  Stelle  ein  Hochplateau  mit  ewigem  Schnee  bede 

wäre,   wenn   es  sich   über  diese  Grenze  erhöbe.     Es  ist  aber  k 

daß  man  dabei  auch  voraussetzt,  daß  die  klimatischen  Faktoren 

allen  Abdachungen  die  gleichen  seien,  und  wir  haben  keinen  Bew 

daß  diese  Voraussetzung  richtig  ist.    Es  ist  möglich,  daß  die  S 

Seite  niederschlagsreicher  ist,  und  daß  dort  die  Schneegrenze  n< 

höher  liegen   würde,   wenn   die  Schneeanhäufung  nur  ebenso  g 

wäre,  als  am  Nordabhange.  Wo  die  klimatischen  Gegensätze  zwiscl 

den  beiden  Seiten  eines  Gebirges  sich  erheblich  steigern,  wie  in  vie 

Gebieten  der  Erde,  da  wird  das,  was  man  als  klimatische  Sehr 

grenze  annimmt,  nicht  bloß  ein  idealer,  sondern  geradezu  ein  u 

ginärer  Wert    Allein  nicht  bloß  der  Niederschlagsfaktor  kann  ds 

zu  kurz  kommeni   auch   der  Einfluß  des  Temperaturfaktors   ^ 


Verbreitang  des  Schnees.  147 


unserer  Ansicht  nach  nicht  richtig  geschätzt  Was  wir  Temperatur 
nennen,  ist  Luft-  d.  h.  Schattentemperatur;  darnach  berechnen 
wir  auch  die  vertikale  Wärmeabnahme  und  berücksichtigen  dabei 
die  intensive  Sonnenstrahlung  an  hochgelegenen  Orten  ganz  und  gar 
nicht  Die  Temperatur  wirkt  als  klimatischer  Faktor  auf  die  Schnee- 
grenze also  nur  an  der  Schattenseite  eines  Gebirges;  die  Verhält- 
nisse an  der  Sonnenseite  sind  dagegen  durchaus  abnorme  und  nähern 
sich  den  normalen  nur  zur  Zeit  dichter  Bewölkung.  Wir  definieren 
daher  die  klimatische  Schneegrenze  als  die  mittlere  Schneegrenze 
auf  der  Schattenseite  eines  Gebirgsabschnittes  mit  mög- 
lichst gleichartigen  Temperatur-  und  Niederschlagsver- 
hältnissen,  und  glauben  uns  damit  auch,  wenigstens  der  Haupt- 
sache nach,  mit  der  AufÜBtösung  Batzels  in  Übereinstimmung  zu 
befinden.  Wir  müssen  aber  später  noch  eine  wichtige  Einschränkung 
machen. 

Batzexi^  unterscheidet  übrigens  noch  eine  orographische 
Schneegrenze.  Dauernde  Schneeanhäufungen,  teils  wirkliche  Fim- 
flecke,  teils  Lawinenreste  kommen  nämlich  unter  abnorm  günstigen 
Bedingungen,  an  beschatteten  Orten  mit  kellerartiger  Temperatur, 
auch  unterhalb  der  Schneegrenze  vor.  Die  untere  Grenze  dieser 
vereinzelten  Voikommnisse  nennt  Batzhl  die  orographische  Schnee- 
grenze im  Gegensatze  zur  klimatischen. 

Verteilung  der  Sohneegranie.^®  Die  Liste  der  gemessenen  und 
geschätzten  Schneegrenzen  in  verschiedenen  Teilen  der  Erde  ist 
ziemlich  reichhaltig,  aber  so  außerordentlich  ungleichmäßig,  daß 
man  am  besten  thut,  auf  eine  Reproduktion  derselben  zu  verzichten. 
Daß  vereinzelte  Messungen  nur  problematischen  Wert  haben,  wurde 
schon  oben  erörtert,  und  die  schätzungsweisen  Angaben  lassen  sich 
nicht  immer  auf  den  Grad  ihrer  Zuverlässigkeit  prüfen.  Berechnungen 
auf  indirektem  Wege  sind  nur  für  unsere  Alpen  geliefert  worden 
und  überhaupt  nur  möglich  in  Ländern,  von  denen  genaue  Höhen- 
schichtenkarten existieren.  Noch  bedauerlicher  ist  aber  die  Verwirrung, 
die  bis  in  die  neueste  Zeit  in  Bezug  auf  den  Begriff  der  Schneegrenze 
bestand,  sodaß  man  oft  nicht  weiß,  ob  sich  eine  Zahl  auf  die  oro- 
graphische oder  wirkliche  oder  klimatische  oder  eine  andere  Schnee- 
grenze bezieht)  und  in  welcher  Weise  die  klimatische  Schneegrenze 
aufgefaßt  wird.  Ja  bei  manchen  Gebirgen  ist  es  überhaupt  schwer 
zu  entscheiden,  ob  man  es  mit  rein  orographisch  oder  mit  kli- 
matisch bedingtem  Firn  zu  thun  hat  Aber  trotz  aller  Mängel  des 
Zahlenmaterials  lassen  sich  doch  schon  einige  allgemeine  Gesetze 
aufstellen. 

Wenn   wir   von  den  Niederschlägen  vorerst  ganz  absehen,   so 

10* 


148  Die  Lufthülle. 


müssen  wir  voraussetzen,  daß  die  Schneegrenze  von  dem  thermisc] 
Äquator  nach  beiden  Polen  sich  senkt  und  zwar  rascher  nach  d 
Stidpole,  weil  auf  der  Stidhemisphäre  die  Sommertemperatur  niedri 
ist,  als  unter  entsprechenden  nördlichen  Breiten.  Das  ist  auch 
der  That  der  Fall.  Im  Kaskadengebirge  Oregons  ist  die  Schi 
grenze  auf  2100 — 2400  m  festgesetzt,  in  den  stidchilenischen  An 
unter  44^  B.  liegt  sie  schon  in  1400  m.  Im  streng  ozeanisd 
Klima  Südgeorgiens  fand  die  deutsche  Polarexpedition  in  der  Br< 
des  nordenglischen  Gebirges  am  Boßgletscher,  der  an  der  Ostkii 
bis  an  das  Meer  herabsteigt,  die  Fimgrenze  schon  in  360  m  Höhe,  a 
beträchtlich  tiefer  als  auf  Jan  Mayen  unter  71  ^N.  Aber  in  kein 
Polarlande,  das  man  bisher  besser  kennen  gelernt  hat,  sinkt 
klimatische  Schneelinie  bis  an  den  Meeresspiegel  herab,  wohl  al 
überall  die  orographische. 

Die  höchste  Öeehöhe  en^eicht  die  Schneegrenze  zwar  stets  inn 
halb  der  innem  Zone,  wo  das  Landklima  wärmer  ist  als  das  S 
klima,  aber  nicht  unter  dem  Äquator,  sondern  in  den  trockensi 
Gegenden.  Im  westlichen  Hochgebirgswalle  Amerikas,  der  sich  weg 
seiner  Erstreckung  durch  alle  Klimagürtel  am  besten  zu  Gletsch 
Studien  eignet,  aber  in  dieser  Beziehung  leider  noch  wenig  bekai 
ist,  liegt  der  Scheitelpunkt  der  Schneegrenzenkurve  unter  18*^10' 
6120m  über  dem  Meeresspiegel.  Die  gemessene  Stelle  befindet  si 
am  Nordostabhange  des  Vulkans  Pauchata;  der  benachbarte  Vulk 
Sajama  (18^7'  S.)  hat  seine  Fimgrenze  in  5925  m,  sodaß  i 
ca.  6000  m  als  maximalen  Näherungswert  fiir  die  südamerikanisc 
Westcordillere  annehmen  dürfen.  Auf  der  Ostcordillere  aber,  ( 
schon  dem  subtropischen  Wüstenklima  entrückt  ist,  liegt  die  Schn< 
grenze  um  ca.  1000  m  tiefer,  trotzdem  daß  der  Sommer  hier  heißer  i 
f^  muß  übrigens  darauf  aufmerksam  gemacht  werden,  daß  innerht 
des  Tropengürtels  die  Feststellung  der  klimatischen  Schneegrei] 
mit  großen  Schwierigkeiten  verknüpft  ist,  weil  keine  Abdachung  oh 
besondere  orographische  Schutzmittel  das  ganze  Jahr  hindurch  : 
Schatten  liegt.  Die  alte  Welt  hat  ihre  höchste  Schneegrenze  : 
trockenen  Tibet  Das  Karakorumgebirge  unter  3573^  N.  trägt  a 
der  Nordseite  erst  über  5700  m,  auf  der  Südseite  sogar  erst  üb 
5900  m  ewigen  Schnee;  die  erstere  Zahl  repräsentiert  nach  unsei 
Auffassung  die  klimatische  Fimlinie.  Für  den  Himalaja  reicht  ab 
^  unsere  Definition  dieser  Linie  nicht  aus.     Er  trennt  zwei  Eüim 

!  extreme,  der  Süden  ist  enorm  feucht,  der  Norden  enorm  trocke 

I  Daher  der  außergewöhnliche  Fall,  daß  die  Schneegrenze  am  Nor 

I '  abhänge  (5300  m)  viel  höher  liegt  als  am  Südabhange  (4900  m).    B 

I  solchen  klimatischen  Unterschieden  darf  natürlich  nicht  die  nördlicl 


Gletscber: 149 

Schneelinie  als  die  des  ganzen  Gebirges  betrachtet  werden,  aber 
ebensowenig  die  südliche,  Torausgesetzt»  daß  hier  nicht  Fimmulden 
gefanden  werden,  die  durch  besonders  günstigen  Bau  vor  dem 
direkten  Eänüusse  der  Sonnenstrahlen  stets  geschützt  sind. 

Am  genauesten  kennen  wir  jetzt,  dank  den  sorgfältigen  Unter- 
suchungen Eduasd  Bichtbbs,  die  Verteilung  der  klimatischen  Schnee- 
grenze in  den  Ostalpen.    Sie  liegt  hier 

in  den  nördlichen  Kalkalpen in  2500  m  H. 

in  der  Silvretta ,,  2650  „ 

im  Innern  der  Ötzthaler  Alpen „  2900  „ 

in  den  nördlichen  Verzweigungen  derselben      .  ,,  2800  „ 

im  Ortlergebiete „  2900  „ 

im  Venediger  und  GIockner-Massiv „  2600  „ 

im  Adamello „  2800  „ 

in  der  Brentagruppe unter  2700  „ 

in  der  Marmolata in  2650  „ 

Überraschend  ist  hier  die  Senkung  der  Schneegrenze  nach  Osten, 
während  man  früher  das  Entgegengesetzte  annahm,  und  femer  ihre 
hohe  Lage  in  den  Ötzthaler  und  Ortleralpen,  deren  massiger  Bau  die 
vertikale  Wärmeabnahme  verlangsamt  und  deren  zentrale  Lage  ver- 
mutlich eine  geringere  Niederschlagsmenge  bedingt 

Litteraturnachwelse.  *  Hans  Fischer,  Die  Äquatorialgrenze  des  Schnee- 
falls, Mitteilungen  d.  Vereins  für  Erdkunde,  Leipzig  1888.  —  '  M.  Fbiedrich, 
Niederschlftge  u.  Schneelagerung  in  der  Arktis.  Leipzig  1891.  —  '  v.  Kbrner, 
Die  Schneegrenze  im  Gebiet  des  mittleren  Innthales,  in  d.  Denkschr.  d.  Wiener 
Akad.  d.  Wias.  1887.  —  ^  F.  Klenqel,  Die  historische  Entwicklung  des  Begriffs 
der  Schneegrenze,  Mitteilungen  d.  Vereins  für  Erdkunde,  Leipzig  1889.  — 
*E.  Brückner,  Die  Vergletscherung  des  Salzachgebiets,  Wien  1886.  -—  •  Brückner, 
Die  Hohen  Tauem  u.  ihre  Eisbedeckung,  in  der  Zeitschrift  d.  D.  u.  ö.  Alpen- 
vereins 1886.  —  '  E.  Richter,  Die  Gletscher  der  Ostalpen,  Stuttgart  1888.  — 
^  L.  KiTROwsKi,  Die  Höhe  d.  Schneegrenze,  in  d.  Arbeiten  d.  geographischen  In- 
stituts der  Universität  Wien,  1891.  —  •  Fr.  Ratzel,  Zur  Kritik  der  natürlichen 
Schneegrenze,  in  der  Leopoldina,  1886.  —  *®  Heim,  Handbuch  der  Gletscher- 
koode,  Stuttgart  1885. 


Gletscher.^ 

Wenn  auch  in  der  Region  des  ewigen  Schnees  der  Verdunstungs- 
prozeß nicht  stille  steht,  so  fällt  ihm  doch  nur  ein  geringer  Bruch- 
teil der  jährlichen  Niederschlagsmenge  zum  Opfer,  und  das  Wachs- 
tnin  der  Schneemassen  wird  dadurch  nur  wenig  gehindert  Es  giebt 
aber  ein  wirksameres  Gegenmittel:  die  Bewegungsfähigkeit  desSc}inees. 
Er  wird  dadurch  den  wärmeren  Regionen  zugeführt  und  hier  auf- 


150  Die  LnfthüUe. 


^  f 


n 


gelöst,  um  entweder  in  den  mütterlichen  Schoß  des  Meeres  zuru 
zukehren  oder  in  Dampfform  seinen  Kreislauf  wieder  zu  begini 
Die  übliche  Bezeichnung  „ewiger  Schnee^'  ist  demnach  insofern  € 
unrichtige,  als  nicht  die  einzelne  Schneelage,  sondern  nur  die  Schi 
bedeckung  eine  dauernde  ist 

Plötzlich  gleitende  Schneemassen  nennt  man  Lawinen.  Name 
lieh  im  Frühjahr  sind  solche  häufig,  wenn  der  erweichte  Schnee 
den  steileren  Hängen  nicht  mehr  haften  kann.  Der  Schuß  ei 
Jägers,  der  Pfiff  einer  Lokomotive,  das  Jauchzen  eines  sangfirol 
Älplers  genügt  dann,  um  den  auf  das  Äußerste  gespannten  Griei 
gewichtszustand  aufzuheben.  Aber  so  gewaltige  Massen  auch  dada 
dem  Thale  zugeführt  werden,  so  verheerend  auch  eine  solche  Ka 
Strophe  wirken  kann,  so  trägt  doch  die  langsame,  aber  stetige  Tl 
bewegung  des  Gletschers  unendlich  mehr  zur  Entlastung  der  Ho 
gebirge  bei  und  ist  auch  in  ihren  sonstigen  Wirkungen  eines  • 
wichtigsten  erdphysikalischen  Phänomene. 

Begriff  und  Einteilung  der  Gletscher.  Wir  müssen  uns  zunäc 
über  den  Begriff  des  Gletschers  verständigen,  denn  dieser  Ausdruck  w 
in  sehr  verschiedener  Weise  gebraucht,  und  dies  giebt,  wie  es  ni 
anders  sein  kann,  zu  vielen  Mißverständnissen  Veranlassung.  Über 
wo  dauernde  Schneeansammlungen  vorhanden  sind,  kommt  es  ai 
zur  Eisbildung,  denn  der  Schnee  geht  in  seinen  unteren  Schich 
schon  vermöge  seiner  eigenen  Schwere  in  Eis  über,  und  verschiec 
ist  nur  die  Tiefe,  in  welcher  dieser  Übergang  sich  vollzieht  A 
nicht  überall  tritt  das  Eis  aus  der  Schneehülle  zutage,  oder  ] 
anderen  Worten,  nicht  überall  dringt  das  Eis  aus  der  Region  < 
ewigen  Schnees,  wo  es  sich  dauernd  in  der  Tiefe  befindet,  in  c 
jenige  Kegion  ein,  wo  die  winterliche  Schneehülle  im  Sommer  schmi 
Firn-  und  Eisgrenze  fallen  dann  zusammen,  und  wenn  wir  auch 
diese  Eisbildung  den  Begriff  Gletscher  anwenden,  so  können  wir 
passend  als  Firngletscher  bezeichnen.  Wir  finden  sie  über 
wo  nur  einzelne  regelmäßig  gestaltete,  ungegliederte  Gipfel  in 
Schneeregion  hineinreichen,  vorausgesetzt,  daß  die  Abhänge  sa 
genug  sind,  um  überhaupt  eine  Schneedecke  tragen  zu  könn 
Anders  in  jenen  Gebirgen,  die  mit  einem  langgestreckten  Kam 
über  die  Schneegrenze  emporsteigen.  Wir  haben  da  große,  ho« 
gelegene  Sammelbecken,  wie  wir  sie  in  den  Firnmulden  kennen 
lernt  haben,  und  ein  ausgebildetes  Thalsystem,  das  dem  Eisstrome  c 
Weg  in  die  Tiefe  weist.  Deutliche  Scheidelinien  grenzen  h 
die  einzelnen  Gletscher  voneinander  ab;  jeder  Gletscher  ist 
Individuum  für  sich,  eine  hydrographische  Einheit;  jeder  besteht  i 
zwei  Teilen,  aus  Firn  und  Eiszunge,  ja  wir  können  sogar  nc 


Gletgcter.   161 

als  dritten  Teil  den  dazu  gehörigen  Hochschnee  anfügen.  Je  nach- 
dem die  Eiszunge  entwickelt  ist,  unterscheiden  wir  Gletscher 
erster  und  zweiter  Ordnung.  Die  ersteren  können  wir  als  Thal- 
gletscher bezeichnen,  denn  ihre  ausgebildete  Eäszunge  bewegt  sich 
stromartig  thalabwärts  oft  bis  in  die  Wald-,  ja  sogar  bis  in  die 
Eulturregion.  Die  anderen  besitzen  nur  eine  wenig  entwickelte  Eis- 
zunge, sie  scheinen  hoch  oben,  an  den  Abhängen  der  Thäler  zu  kleben, 
und  man  hat  sie  daher  Hängegletscher  benannt  Diese  und  die  Thal- 
gletscher sind  Unterarten  der  alpinen  Gletscher. 

Wieder  eine  andere  Gestaltung  gewinnt  das  Gletscherphänomen, 
wenn  eine  breite,  plateauartige  Gebirgsmasse  mit  ewigem  Schnee  sich 
bedeckt  Hoch-  und  Firnschnee  verschmelzen  dann  zu  ausgedehnten 
Schneefeldem,  die  entweder  in  gleicher  Weise  wie  die  Fimgletscher 
als  Eismauer  abbrechen  oder  Eiszungen  in  der  Form  von  Thal- 
und  Hängegletschem  nach  verschiedenen  Seiten  entsenden.  Das  ist 
die  Erscheinungsform  des  Inlandeises.  Der  Unterschied  vom  alpinen 
Typus  besteht  darin,  daß  beim  Inlandeise  die  Individualisierung  ver- 
loren geht;  es  besteht  aus  einer  Gletscherfamilie,  die  von  einem 
gemeinsamen  Schneefelde  ohne  erkennbare  Fimscheiden  gespeist  wird. 
Den  alpinen  Gletscher  können  wir  einem  Gebirgssee  mit  einseitigem 
Abflüsse  vergleichen  —  der  See  entspricht  in  diesem  Falle  der  Fim- 
mulde  —  das  Inlandeis  ist  einem  See  gleich,  der  eine  flache  Wasser- 
scheide bedeckt  und  nach  verschiedenen  Seiten  hin  entwässert 

Als  eine  Mittelform  zwischen  dem  alpinen  Gletscher  und  dem 
Inlandeise  bezeichnet  Russell*  den  Vorland-Gletscher  des 
Mount  Elias  in  Alaska,  den  einzigen  noch  lebenden  Repräsentanten 
einer  Form,  die  in  der  Eiszeit  weit  verbreitet  war.  Die  Gletscher- 
zungen verschiedener  alpiner  Fimfelder  erstrecken  sich  hier  über  den 
Fuß  des  Gebirges  hinaus  und  verschmelzen  im  Vorlande  zu  einem 
3900  qkm  großen  Eisfelde,  den  Malaspina-Gletscher.  Sein  Nähr- 
gebiet hat  also  alpinen  Bau,  er  selbst  aber  gleicht  dem  In- 
landeise. 

Nach  diesen  Erörterungen  können  wir  zu  unserem  Ausgangs- 
punkte zurückkehren.  Der  Ausdruck  „Gletscher**  wird  für  drei  ver- 
schiedene Dinge  gebraucht: 

1.  Für  alle  aus  dem  Schnee  hervorgehenden  dauernden  Eis- 
bildungen auf  dem  Lande.  In  diesem  Sinne  spricht  man  z.  B. 
Ton  einer  Vergletscherung  Grönlands  oder  Norddeutschlands  zur 
Eiszeit  u.  s.  w.; 

2.  für  die  alpinen  Gletscher  und  setzt  dann  Gletscher  in 
bestimmten  Gegensatz  zum  Inlandeise.  Unsere  Fimgletscher  werden 
dann  nicht  als  Gletscher   umgesehen,   und  in  diesem  Sinne  ist  es 


162 


Die  Lufthülle. 


zu  verstehen,  wenn  z.  B.  vereinzelten  hohen  Vulkankegeln  Gletscl 
abgesprochen  werden; 

3.  für  die  Eiszungen  der  alpinen  Gletscher  und  des  Inlai 
eises,  und  man  unterscheidet  dann  streng  zwischen  Gletscher  und  Fi 

Aus  unseren  Auseinandersetzungen  dürfte  schon  hervorgegan^ 
sein,  dass  wir  uns  für  den  weitesten  Begriff  entschieden  habi 
wir  werden  aber  der  nachfolgenden  Schilderung  hauptsächlich  < 
alpinen  Verhältnisse  zu  gründe  legen,  weil  diese  am  besten  bekai 
und  am  eingehendsten  erforscht  sind. 

Die  Gletflchersnnge.  Wenn  man  Gletscher  als  Eisströme  1 
zeichnet,  so  denkt  man  dabei  zunächst  an  die  großen  Thalgletsch 


Fig.  27.    Mer  de  Glace. 


Wie  die  Flüsse  vereinigen  sich  mehrere  derselben  zu  einem  einzige 
Eisstrome.  Wir  nennen  als  Beispiel  die  berühmte  Mer  de  Glac 
in  der  Montblanc-Gruppe,  die  den  Arveiron  zur  Arve  entsende 
Bei  der  Vereinigung  ist  der  Eisstrom  2000  m  breit,  später  wird  e 


Gletscher.  153 


auf  ca.  1000  m  eingeengt  Sein  Ende  erreicht  dieser  vielbesuchte 
Gletscher,  der  bis  zu  den  Eiskatarakten  des  G^ant  9800  m  mißt, 
in  1125  m  Seehöhe,  also  nur  75  m  über  Chamonix.  Das  Sammel- 
gebiet hat  eine  Gesamtfläche  von  3013  ha.  (nämlich  Glacier  du 
G6ant  1600,  G.  de  Löchaux  569,  G.  de  Talefre  844);  die  Mer  de 
Glace  eine  solche  von  1165  ha.;  das  Verhältnis  der  Eiszunge  zum 
Firn  ist  also  1:2,6  oder  rund  1:3,  und  dies  darf  man  auch  als 
das  durchschnittliche  Verhältnis  bei  allen  großen  Thalgletschern  der 
Alpen  ansehen,  wenn  auch  Schwankungen  innerhalb  ziemlich  weiter 


Fig.  28.    Gorner  Gletecher. 

Grenzen  selbst  bei  benachbarten  Gletschern  vorkommen.  Bei  Hänge- 
gletscbem  ist  das  Verhältnis  natürlich  ein  anderes.  Man  kann  hier 
1:8  als  Eegel  annehmen. 

Meist  ist  der  Eisstrom  in  der  Mitte  etwas  höher  als  an  den 
Ufern,  wo  er  unter  dem  Einflüsse  der  erwärmten  Berggehänge 
rascher  schmilzt.  Beim  Aletschgletscher  in  den  Berner  Alpen 
betrug  die  Erhöhung  der  Mitte  über  dem  Rande  im  August  1872 
nahezu  60  m.  Wo  aber  die  Ränder  eine  dichte  Schuttdecke  tragen, 
während  der  mittlere  Teil  schutzlos  der  Wirkung  der  Sonnenstrahlen 


154  Die  LufthfUle. 


preisgegeben  ist,  da  ist  der  letztere  tiefer  eingesenkt,  wie  dies  z 
beim  Vemagtgletscher  in  Tirol  der  Fall  ist  In  unseren  Alpen  beti 
die  Mächtigkeit  des  Gletschers  in  seinen  oberen  Partien  mehi 
hundert  Meter,  am  Ende  aber,  besonders  wenn  es  in  die  Kuli 
region  hineinreicht,  übersteigt  sie  kaum  Baumeshöhe.  Nienaals  a 
läuft  der  Gletscher  allmählich  aus,  sondern  bricht  stets  als  eine  m 
oder  weniger  hohe  Eismauer  ab,  die  aus  einem  gewölbten  Tt 
den  Schmelzwasserbach  entläßt  Am  reichlichsten  ist  dieser  na1 
lieh  in  der  heißen  Jahreszeit,  aber  bei  den  großen  Gletschern 
Alpen  versiegt  er  selbst  im  Winter  nicht  und  ist  in  Grönland  so 
kaum  schwächer  als  im  Sommer.  Auch  auf  der  Oberfläche 
Gletschers  ruft  die  Sommersonne  zahlreiche  Bäche  und  Seen  her 
aber  die  Nacht  legt  sie  wieder  in  Eisfesseln,  die  erst  der  folge; 
Tag  wieder  sprengt. 

Gletscherkom.  Wenn  wir  nach  dem  wissenschaftlichen  Spra 
gebrauche  unter  Gletscher  Firn  und  Eiszunge  zusammenfassen, 
unterscheiden  wir  doch  streng  zwischen  Firn-  und  Gletscher 
und  beschränken  den  letzteren  Ausdruck  auf  das  Material  der  Zur 
Vom  Hochschnee  zum  Firn  und  vom  Firn  zum  Firneis  lassen  s 
alle  Übergänge  beobachten;  der  Firn  wird  nach  unten  immer  gr 
kömiger,  und  das  Firnkom  erscheint  auch  noch  im  Fimeise 
tiefen  Schichten  eingebettet  in  eine  Masse  trüben,  mit  Luftbläscl 
angefüllten  Eises.  Ganz  anders  ist  das  Gletschereis  beschaffen.  ] 
ganze  Masse  ist  von  einem  dichten  Netze  von  Haarspalten  dar 
zogen  und  zerfällt  dadurch  in  unzählige  eckige  Eisstückchen, 
man  Gletscherkörner  nennt  Es  sind  Eiskrystalle,  die  sich 
ihrer  Ausbildung  gegenseitig  hemmten,  also  etwas  ganz  anderes 
das  Firnkorn,  obwohl  das  Gletschereis  durch  Umformung  aus  d 
Firneis  hervorgeht:  ein  Prozeß,  der  freilich  noch  nicht  der  Beoba 
tung  zugänglich  gemacht  wurde.  Die  Gletscherkörner  werden  imr 
größer,  je  mehr  wir  uns  dem  Ende  des  Eisstromes  nähern,  oder  ] 
anderen  Worten:  sie  wachsen  mit  dem  Alter  —  eine  Erschein u 
die  bisher  noch  keine  allseitig  befriedigende  Erklärung  gefimc 
hat  Die  letzte  Phase  in  dem  Streite  um  das  Gletscherkorn  bezeich 
die  Behauptung  Hagenbach -Bischofps,^  daß  alle  größeren  I 
kry stalle  die  benachbarten  kleineren  in  sich  aufnehmen,  mag  i 
das  Eis  in  Euhe  oder  in  Bewegung  sein.  Bislang  hatten  vi 
Forscher  die  Kömerstruktur  mit  der  Bewegung  in  ursächlicl 
Zusammenhang  gebracht 

Gletscherbewegimg.  Die  einseitige  Bewegung  des  Gletsch 
setzt  eine  Neigung  des  Bettes  voraus,  die  wir  aber  in  der  Re 
nicht  messen,  sondern  nur  nach  der  Neigung  der  Gletscheroberflä^ 


Gletscher.  155 

beurteilen  können.  Jedenfalls  ist  die  letztere  größer,  weil  die  Mächtig- 
keit nach  unten  abnimmt  Sie  beträgt  bei  den  Thalgletschem  3 — 6^, 
doch  ist  der  Firn  in  der  Eegel  etwas  steiler.  Geringere  Neigungen 
scheinen  in  außeralpinen  Gebirgen  sogar  noch  häufiger  zu  sein.  Wie 
in  den  Flußthälem  unterbricht  auch  in  den  Gletscherthälem  oft  eine 
steile  Stufe  die  sanfte  Abdachung;  der  Eisstrom  löst  sich  bei  seinem 
Sturze  in  ein  Trummermeer  auf,  aber  unterhalb  schließen  sich  die 
Spalten  meder,  und  in  majestätischer  Buhe  zieht  er  weiter.  Hänge- 
gletscher haben  eine  viel  größere  Neigung  als  Thalgletscher,  und  es 
kommt  nicht  selten  vor,  daß  große  Eisstücke  abbrechen  und  als 
Gletscherlawine  in  das  Thal  herabstürzen.  Geschieht  dies  regel- 
mäßig und  ist  die  Materialzufuhr  ausreichend,  so  wachsen  die  Eis- 
trümmer am  Fuß  der  Gletscherwand  wieder  zusammen  und  bilden 
einen  bewegungsfähigen  regenerierten  Gletscher,  der  keinen  Zu- 
sammenhang mit  der  Fimregion  hat.  Vielleicht  gehören  die  „halb- 
aasgebildeten'^  Gletscher  Tibets,  welche  A.  Schusteb  als  zusammen- 
gefrorene Schneemassen  mit  äußerst  geringer  Bewegung  charakterisiert, 
in  diese  Kategorie,  Auch  Fimlager  unterhalb  der  klimatischen  Schnee- 
grenze können  vereisen,  wie  beispielsweise  das  Blaueis  am  Hoch- 
kalter bei  Berchtesgaden. 

Eine  eigentümliche  und  noch  nicht  ganz  aufgeklärte  Erscheinung 
sind  die  Nieve  penitente,  d.  h.  der  Büßerschnee  der  argentinischen 
CordiUeren.  Es  sind  ausgedehnte  Schnee-  oder  Eisfelder  unterhalb 
der  Fimgrenze,  die  durch  Sonne  und  Wind  in  merkwürdig  aus- 
gezackte Figuren  verwandelt  sind.  Von  ferne  betrachtet,  nehmen  sie 
sich  wie  ein  Chor  stehender  oder  knieender,  in  weiße  Schleier  gehüllter 
Frauengestalten  aus.  „Figur  —  so  schildert  sie  Güssfeld  —  reiht 
sich  an  Figur,  jede  hoch  und  starr  aufgerichtet,  übermenschlich  groß, 
eine  jede  von  ihrem  Nachbar  verschieden,  und  alle  scheinen,  ver- 
steinerten Sündern  gleich,  auf  ein  erlösendes  Zauberwort  zu  harren." 
Nach  Bbackebüsch*  kommen  sie  nur  auf  lockerem,  wasserdurch- 
lässigem Boden  vor,  und  er  schließt  daraus,  daß  sie  nicht  nach  Art 
normaler  Gletscher  auf  ihrer  Unterlage  sich  abwärts  bewegen,  sondern 
passiv  von  der  rutschenden  Unterlage  zu  Thale  gebracht  werden. 
Dabei  löst  sich  das  Eis  vom  Firnfelde  los,  es  entstehen  Spalten  und 
Klüfte,  und  die  Eismasse  zerfällt  in  Blöcke,  die  nun  von  den 
meteorischen  Kräften  in  so  seltsamer  Weise  modelliert  werden. 

Von  derartigen  abnormen  Erscheinungen  abgesehen,  befinden 
sich  Firn  und  Gletscher  in  ununterbrochener  Bewegung  thal- 
abwärts;  unregelmäßige  Bewegungen,  wie  sie  aus  den  Messungen 
von  Ppaff,  Klocke  und  Koch  hervorzugehen  schienen,  können  nicht 
als  erwiesen  gelten,  weil  die  Abweichungen  noch  innerhalb  der  Grenzen 


\'  156  Die  Lnfthülle. 


^  der  Beobachtungsfehler  liegen.  Dabei  folgt  das  anscheinend  spröde 

I  genau  den  Gesetzen  des  fließenden  Wassers.    Die  Geschwindig] 

}[  hängt  auch  hier  von  der  Neigung  des  Bettes  und  von  der  Gp 

^  und  Konzentration  des  Querschnittes  ab.    Sie  wechselt  daher  im 

,  halb  eines  und  desselben  Gletscherkörpers  und  nimmt  bei  normal 

{  Thalbaue   gegen    die   Mitte  zu   und   dann   gegen  das  Ende   wie 

?  ab.     Die    Thalgletscher    bewegen    sich    schneller    als    die    Hän 

.  gletscher,  obwohl  die  letzteren  eine  größere  Neigung  besitzen;   a 

^  die  Thalgletscher  sind  mächtiger  und  überwinden  leichter  die  B 

i  bung  am  Untergrunde.    Wird  die  Eismasse  in  dem  sich  verengenc 

(  Bette  zusammengepreßt,  so  wird  die  Reibung  vermindert,  währe 

i  der  Querschnitt  sich  gleich  bleibt,  und  die  Geschwindigkeit  steig 

I  sich.     Zahlreiche  Beobachtungen  haben  ferner  gelehrt,  daß  sie  ^ 

{  den   Eändem   nach   der   Mitte   zunimmt,    daß   sie   in   gekrümml 

\  Thälem  am  konvexen  Rande  stärker  ist  als  am  konkaven,  und  d 

}  dann  die  Linie  größter  Geschwindigkeit  nicht  genau  in  der  Mit 

!  sondern  näher  dem  konvexen  Rande  liegt    Auch  gelang  es  Tynda 

I  am  Glacier  de  G^ant   nachzuweisen,   daß   die  Bewegung   von    c 

I  Oberfläche  nach  dem  Grunde  abnimmt 

i  Aber  das  Maß  der  Bewegung  hält  keinen  Vergleich  aus  mit  de 

1  des  fließenden  Wassers.    In  den  Alpen  wie  in  Norwegen  rücken  e 

[  Gletscher  durchschnittlich  in  24  Stunden  nur  0,i  bis  höchstens  0,4  m  v( 

I  Heim  hat  berechnet,  daß  ein  Schneeteilchen  etwa  450  Jahre  braue! 

j  um  vom  Gipfel  der  Jungfrau  bis  zum  Ende  des  Aletschgletsche 

j  zu  gelangen!    Die  gewaltigen  Gletscher  des  Himalaja  bewegen  si 

■  allerdings  viel  rascher,  im  Sommer  täglich  2 — 3,7  m,  doch  tiberstei 

i  in    dieser  Jahreszeit  —  wie   wir   sehen   werden   —   auch   die    G 

j  schwindigkeit    mancher    alpinen    Eisströme    1  m.       Die    lebhaftes 

i  Bewegung  herrscht  im  nordwestlichen  Grönland;  Geschwindigkeitc 

[  wie  sie  von  Steensteüp,  Helland,  Hammeb,  v.  Dbygalski  u.  a.  i 
den  Ausläufern  des  Inlandeises  nordwärts  der  Diskobai  gemessi 
wurden,  übersteigen  noch  weit  das  himalajische  Maß,  wenn  s 
auch  noch  immer  nicht  größer  sind,  als  die  Geschwindigkeit  klojn 

I  Schnecken!  Ein  Fortschreiten  von  10,  20  bis  32  m  in  der  Mitt( 
linie  für  je  24  Stunden  ist  sonst  noch  nirgends  im  normalen  Z 
Stande   beobachtet   worden.     Hier   wirkt   die   gewaltige   Masse   d 

'  Binneneises  als  Treibkraft;  im  äußersten  Süden,  im  Bezirke  Julian 

j  haab,  wo  das  Inlandeis  schon  beträchtlich  sich  verschmälert,  ko 

I  statierte  Steensteüp  eine  alpine  Langsamkeit  der  Ausläufer,   ui 

1  dasselbe  berichtet  man  von  den  selbständigen  Gletschern  der  Ran 
zone.     unter  außergewöhnlichen,  noch  gänzlich  unaufgeklärten  B 

i  dingungen  nehmen  aber  manche  alpine  Gletscher  plötzlich  eine  u 

i 
I 

I 
i 


Gletscher.  157 


heimliche  und  verderbliche  Geschwindigkeit  an,  um  dann  wieder  in  ihre 
gemächliche  Gangart  zurückzufallen.  Der  Vemagtgletscher  in  Tirol 
und  der  Dewdarokgletscher  im  Kaukasus  sind  durch  derartige  Aus- 
brüche bekannt  Der  erstere  rückte  z.  B.  in  der  Zeit  vom  19.  Mai 
bis  1.  Juni  1845  täglich  um  12,7  m  vor,  am  1.  Juni  sogar  um  1,9  m 
in  der  Stunde! 

Auch  darin  unterscheidet  sich  der  Gletscher  vom  Fluß,  daß  seine 
Bewegungsfahigkeit  einer  strengen  jahreszeitlichen  Periode  unter- 
worfen ist  Diese  Thatsache  steht  fest,  wenn  wir  auch  nur  wenige 
vollständige  Jahresbeobachtungen  haben.  ^ 

Auch  von  Jahr  zu  Jahr  wechselt  die  Geschwindigkeit.  Sie 
betrug  nach  Seelands  Beobachtungen  auf  der  Pasterze,  einem  der 
mächtigsten  Eisströme  der  Ostalpen,  von  1883 — 86  konstant  50,4  m 
pro  Jahr,  fiel  1887  auf  41,i,  1888  sogar  auf  30,e,  stieg  dann  wieder 
1889—90  auf  41,4  und  1891  auf  51,o,  und  sank  1892  auf  48,7  m. 
Die  mittlere  tägliche  Geschwindigkeit  dieser  zehnjährigen  Periode 
ist  nur  0,i26m. 

Gletscherfheorie.  Die  Thatsachen,  die  wir  vorgeführt  haben, 
beweisen,  daß  der  Gletscher  nicht  als  Ganzes  auf  geneigtem  Boden 
herabgleitet,  sondern  daß  er  fließt,  d.  h.  daß  die  kleinsteu  Massen- 
teilchen ihre  gegenseitige  Lage  fortwährend  verändern.  Das  setzt  bei 
diesem  anscheinend  starren  Körper  einen  hohen  Grad  von  Plastizität 
voraus,  und  man  kann  sich  davon  überzeugen,  wenn  man  sieht, 
wie  er  sich  den  wechselnden  Formen  seines  Bettes  anschmiegt 
An  der  Westküste  Grönlands  reicht  unter  62®  40'  B.  ein  Ausläufer 
des  Binneneises  in  einen  schmalen,  nordöstlich  streichenden  See,  den 
er  in  T-Form  ausfüllt  Von  den  Gletschern  des  Franz-Josef-Landes 
berichtet  Payeb,  daß  die  durch  Bergvorsprünge  geteilten  Arme  am 
Fuße  der  ersteren  wieder  zusammenfließen.     Vielleicht  den  drasti- 


X  A  l8  Beispiel  mögen  die  Beobachtungen  von  Porbes  an  der  Mer  de  Glace  die 

Jahr  1844-45 

Mittlere 

tägl.  Geschwindigkeit 

2.  Okt  —   1.  Nov. 

0,747  m 

2.  Nov.  —  3.  Dez. 

0,466    ., 

4.  Dez.  —  6.  Jan. 

0,290    „ 

7.  Jan.  -17.  Febr. 

0,867     „ 

18.Febr.— 17.  März 

0,431     „ 

18.  März— 16.  April 

0,4S0    „ 

n.April— 16.  Mai 

0,571     „ 

17.  Mai   -18.  Juni 

0,960    „ 

19.  Juni  —  3.  Juli 

1,016    „ 

4.  Juli   —   5.  Aug. 

1,278,, 

6.  Aug.—  7.  Okt. 

0,906    „ 

Jahresmittel  0,678  (Summe  251,6  m) 


/ 


t 


158 


Die  Lufthülle. 


schesten  Beweis  liefert  aber  der  kleine  norwegische  Gletscher 
Kaagan   (70®  B.),  in    dem  Foebes   die  Form  einer  herabrinnei 
Thräne  so  schön  ausgebildet  fand. 

Auch  darüber  sind  die  meisten  Forscher  jetzt  einig ,  daß 
leitende  Motiv  der  Gletscherbewegung,  ebenso  wie  des  fließei 
Wassers,  die  Schwerkraft  ist,  nicht  —  wie  man  vielfach  gern 
hat  —  Kräfte,  die  im  Eise  selbst  thätig  sind.  Nach  Heims  j 
fassung  gehört  das  Gletschereis  in  die  Kategorie  der  dickflüssi 
Körper,  die  auf  Druck  plastisch  ausweichen  und  auf  Zug  zerrei 
Den  Druck  übt  hier  die  eigene  Masse  aus,  den  Zug  die  thalabw 
gerichtete  Komponente  der  Schwerkraft  Die  Art  der  Plasti: 
bedarf  aber  doch  noch  einer  Erläuterung.  Allerdings  ist  das 
wenn  seine  Eigentemperatur  in  der  Nähe  des  Schmelzpunktes  li 
plastisch  und  kann  sich  ohne  Bruch  umformen,  aber  diese  Ei| 
Schaft  reicht  zur  Erklärung  nicht  aus.  Eine  Bewegung,  wie  die 
Gletschers,  ist  mit  Zerreißungen  und  Verschiebungen  verbuni 
und  der  Eiskörper  müßte  sich  endlich  in  ein  Haufenwerk  auflo 
wenn  nicht  eine  zweite  Eigenschaft  zu  Hilfe  käme,  die  der  Re 
lation.  Sie  besteht  darin,  daß  tauende  Eisstückchen  an  ihren 
rührungsstellen  sofort  wieder  zusammenwachsen.  Sie  ist  es,  die 
Wunden  heilt,  die  die  kleinen  Brüche  wie  die  großen  Spalten  ' 
schwinden  läßt,  die  zwei  Gletscher  zu  einem  einzigen  Strome  verbin 
Struktur.  Mit  der  Bewegung  des  Gletschers  hängt  auch  dej 
Struktur   zusammen.     Das   Gletschereis   ist  keine   gleichföm 

_^   ^__     ._-^__  _  — _  Masse, es  besteht  1 

-,     ~  _  r-  mehr  auB  wechsi 

^       -        -  _  —    "-_      den,  mehr  oder 

"  -      niger  dicht  gedrä 

ten  Bändern  o 
Streifen  von  weiß 
Eis,  das  seine  Fa 
den  kleinen  Luftl 
sen  verdankt, 
denen  es  angef 
ist,  und  von  blau 

Fig.  29.    Ein  Stück  Gletschereis,     (a  die   Tischplatte,   auf    Eis,      auS     dem 
der    das    aus    blauem   und   weißem   Eis    zusammengesetzte     r  nA-kloopri  oiioapt 
Eisstück  ruht.)  ^ 

ben    sind    (Fig. 
Das  erstere  schmilzt  wegen  seiner  größeren  Porosität  leichter  i 
bildet  Vertiefungen,   das  letztere  dagegen  Erhöhungen.     Überbl: 
man  den  Eisstrom  von  einem  erhabenen  Standpunkte  aus  und 
günstiger  Beleuchtung,  so  scheinen  die  zahllosen  kleinen  Erhebun 


Gletscher. 


159 


ZiebnenpH* 


lerer  SeelenkogeL 


^imkrerSeelnJtogel^ 


ZU  Linien  (Ogiven)  zu  verschmelzen,  die  quer  über  den  Gletscher 

hinlaufen,   und   in   der  Nähe    des  Firns  kaum  merkbar  gekrümmt 

sind,  nach  abwfixts  aber,  entsprechend  der  schnelleren  Bewegung  der 

(jletschermitte,   immer  spitzere  Bogen  beschreiben.      Jeder   Zufluß 

bringt  sein  eigenes  Ogi- 

yensjstem   mit   sich,    so 

daß  nach  der  Vereinigung 

mehrere  solche  Systeme 

nebeneinander  laufen,  bis 

sie  endlich  verschmelzen 

oder  bis  die  stärkere  Ogive 

die  schwächere  verdrängt 

(Fig.  30). 

Die  gebänderte  Struk- 
tur tritt  mit  voller  Klar- 
heit an  den  Spaltenwän- 
den zu  Tage.  Daß  die 
Bänder  ganz  verschieden 
smd  von  den  Fimschich- 
ten,  beweist  eine  Stelle 
am  Furkagletscher,  die 
Tyndall  entdeckte.  Hier 
beobachtete  er  deutliche 
horizontale  Schichtung 
des  Eises  y  die  offenbar 
aus  der  Fimschichtung 
hervorging,  und  in  lot- 
rechter Richtung  verlau- 
fend die  blauen  Adern.  Diese  Entdeckung  bewog  ihn  hauptsächlich, 
die  Gletscherstruktur  als  eine  Wirkung  des  Druckes  zu  erklären. 
Es  ist  eine  Thatsache,  daß  der  Schmelzpunkt  des  Eises  durch  Druck 
erniedrigt  wird.  Innerhalb  des  Gletschers  übt  jede  nachfolgende 
Partie  auf  die  vorhergehende  einen  Druck  aus,  es  treten  Verflüssi- 
gungen ein,  die  Luftblasen  werden  ausgetrieben,  und  das  Wasser 
erstarrt  dann  wieder  zu  luftfreiem  Eis.  Daher  stehen  die  blauen 
Bänder  senkrecht  auf  der  Druckrichtung  und  nimmt  ihre  Zahl  und 
Größe  thalabwärts  zu.  Eeicheren  Aufschluß  könnten  die  nordischen 
Gletscher  bieten,  da  hier  die  Bandstruktur  besonders  schön  aus- 
gebildet ist  So  bemerkt  man  z.  B.  auf  Spitzbergen  an  frischen 
Querschnitten  tiefblaue  Adern  bis  zu  IV2  ^  Dicke  und  2 — 4  m 
Länge,  die  in  verschiedenen  Richtungen  sich  kreuzen,  wobei  jedoch 
die  horizontale  vorherrscht 


Fig.  30.    Botmooegletscher  nach  v.  Sonklar. 


160 


Die  Lufthfille. 


I 

i 


|5 


\ 


I 


Der  Gletscher  ist  oben  als  dickflüssiger  Körper  bezeichnet  wor 
der  dem  Zuge  gegenüber  sich  spröde  verhält;  die  Folge  davon  isi 
Spaltenbildung,   der  Ausdruck   des  Kampfes   der  Kohäsion 
der  Streckung,  und  daher  stets  senkrecht  zur  Spannungslinie.    ^ 
Bergschrunde  an,  jener  Spalte,  die  die  Schneemasse  des  Firn 
der  des  Gipfelkörpers  trennt,  bis  zum  Gletscherende  ist  der  E 
und  Eiskörper   in   allen  Gegenden  vielfach   zerklüftet,   wenn    a 
im  allgemeinen  die  nordischen  Gletscher  elastischer  erscheinen, 
unsere  alpinen.  Querspalten  werden  durch  die  verschiedene  Neig 
des  Bettes  hervorgerufen,  vernarben  aber  wieder,  wenn  das  Gei 
sich  vermindert.     Eine  eigentümliche  Art  der  Querspalten  sind 
Kandspalten  (s.  Fig.  28,  r  in  Fig.  31),    die  einen  Winkel  von 
bis  ca.  45®  mit  den  Seiten  einschließen 
durch  die  schnellere  Bewegung  der  Mitte 
zeugt  werden.  Infolge  dessen  nimmt  in  Fig 
das   Stück  Ä  nach   einer   gewissen   Zeit 
Form  Ä  an,  und  das  Quadrat  a  wird  zi 
verzerrt     Dadurch  erfährt  die  Ldnie  xy  € 
Streckung  {xy\  der  das  Eis  nicht  folgen  ka 
Es  muß  reißen  und  zwar  senkrecht  zur  Li 
der   größten  Spannung  (Spalte  ss).     Ist 
Bett  gekrümmt,  so  ist  die  Spaltung  an 
konvexen  Seite  stets  größer,  als  an  der  k 
kaven.    Längsspalten  bilden  sich,  wenn 
Gletscher  aus  einem  engen  in  ein  weites  I 
tritt,  denn  dann  wirkt  die  Spannung  in  < 
Querrichtung  des  Gletschers. 

Wenn  im  Sommer  die  an  der  Oberflät 
des  Gletschers  entstehenden  Bäche  in  e 
Spalte  hinabstürzen  (sog.  Gletschermühlc 
so  höhlen  sie  mit  der  Zeit  tiefe  und  beim 
zylindrische  Löcher  im  Eise  aus,  die  manchmal  bis  auf  den  Gn 
reichen.  Gelangen  Steine  in  ein  solches  Loch,  so  werden  sie  von  c 
Sturzbächen  in  kreisende  Bewegung  gesetzt  und  können  unter  gl 
stigen  Verhältnissen  in  dem  Boden  Vertiefungen,  sog.  Riesentö[ 
ausschleifen.  Berndt  fand  zwei  solche  von  0,8  und  1,8  m  Durchmes 
im  verlassenen  Bette  des  Rosenlauigletschers.  Allerdings  wandert 
Gletschermühle  mit  der  Spalte  abwärts,  aber  an  gewissen  Stel 
erzeugt  die  Unebenheit  des  Bodens  immer  wieder  Spalten,  und  < 
Ausarbeitung  des  Riesentopfes,  die  die  eine  Kaskade  begonnen,  se 
einige  Tage  nachher  eine  andere  fort     Die  schönsten  Riesentöj 


,U 


Fig.  31.    Randspalten. 


aus  der  Eiszeit  stammend,  sieht  man  im  Gletschergarten  in  Luze 


Grletschet. 


161 


Koranen.  Eine  andere,  mit  der  Gletscherbewegung  zusammen^ 
hängende  Erscheinung  sind  die  Moränen.  Die  Oberflächen- 
moränen werden  durch  die  größeren  und  kleineren  Gesteinsstücke 
gebildet,  die  von  den  Felsen  sich  losbröckeln  und  auf  den  Gletscher 
herabfallen.  Wallartig  häufen  sie  sich  an  den  beiden  Seiten  des 
Eisstromes  an.  Fließen  zwei  Gletscher  zusammen,  so  vereinigen 
sich  ihre  inneren  Seitenmoränen  zu  einer  Mittelmoräne, 
und  die  Anzahl  der  letzteren  giebt  uns  somit  Aufschluß  über  die 
Zalü  der  Zuflüsse  (Fig.  31  und  32).     Erniedrigt  sich  die  Oberfläche 


Fig.  32.    Moränen  und  Gletschertische. 

des  Gletschers  durch  Abschmelzung,  so  können  die  Seitenmoränen 
ganz  oder  zum  Teil  auf  Felsgrund  zu  liegen  kommen  und  werden 
damit  dem  Transporte  entzogen.  In  diesem  Stadium  bezeichnet  man 
sie  als  Ufermoränen. 

Nicht  alle  Gletscher  haben  ausgebildete  Oberflächenmoränen, 
wenn  diese  auch  den  Thalgletschem  unserer  Breiten  nie  ganz  fehlen. 
Dagegen  sind  sie  —  wie  wir  später  eingehender  besprechen  werden 
—  in  den  polaren  Gegenden  selten.  Keinem  Gletscher  fehlt  aber 
die  Grundmoräne.  Dringt  man  durch  die  Höhle,  aus  der  der 
Gletscherbach  kommt,  unter  die  Eismadse  ein,  so  findet  man,  daß 
diese  nicht   unmittelbar  auf  dem  Felsboden  aufruiit,  sondern  von 

SupAir,  Phjaiflche  Erdkunde.  2.  Aufl.  11 


162 


Die  LufthtOle. 


demselben  durch  eine  Lage  von  Sand,  Grus  und  Schlamm  mit 
gebetteten  Gesteinsblöcken  von  verschiedener  Größe  getrennt 
Die  letzteren  sind  mehr  oder  weniger  gerundet,  ihre  Oberfläch 
geglättet  und  —  wenn  das  Gestein  nicht  besonders  hart  ist  — 
Schrammen  und  Kritzen  bedeckt  In  gleicher  Weise  findet 
wenn  man  die  Grundmoräne  entfernt,  den  Felsboden  poliert  unc 
geradlinigen  Kritzen  in  der  Richtung  der  Gletscherbewegung  bed 
Dasselbe  Phänomen  beobachtet  man  auch  an  den  Seitenwänder 
Eisstromes;  ihre  ursprünglichen  Unebenheiten  sind  abgerundet 
ihre  Oberfläche  ist  blank  gescheuert  und  geschrammt  Durch 
Thatsachen  sieht  sich  Heim  genötigt,  neben  der  fließenden  Glets( 
bewegung  auch  eine  gleitende  anzunehmen,  die  aber  gegenübei 
ersteren  nur  eine  untergeordnete  RoUe  spielt 

Aber  selbst  solche,  die  dem  Gletscher  die  Kraft  zuschre 
Seebecken  auszuschaufeln,  sprechen  ihm  ausdrücklich  die  Fähi^ 
ab,  selbst  abschleifend  zu  wirken.  Dieses  Geschäft  besorgen 
mehr  nach  einer  weitverbreiteten  Ansicht  teils  jene  Gesteinstrün 
die  zvnschen  der  Thalwand  und  dem  Gletscherrande  auf  den  G 
gelangen,  teils  Stücke  der  Oberflächenmoräne,  die  durch  Spalten  ii 
tiefer  und  tiefer  sinken  und  endlich  den  Grund  erreichen.  Man  c 
sich  mit  anderen  Worten  die  Seiten-  und  die  Unterfläche  des  < 
Sehers  mit  eingebackenen  Gesteinsblöcken  wie  mit  Zähnen  bei 
und  diese  polieren  und  kritzen  die  Felsen  und  werden  dabei  e 
zermalmt  Das  Endprodukt  dieses  Prozesses  ist  eine  schlan 
sandige  Masse,  die  zum  Teil  die  Grundmoräne  bildet,  zum  Teil  d 
den  Gletscherbach  („Gletschermilch"  wegen  seiner  trüben  F 
herausbefördert  vrird. 

Wir  werden  später  sehen,  daß  diese  Theorie  zur  Erklärung 
Grundmoränen  der  polaren  Gletscher  nicht  ganz  ausreicht 

Während  der  Gletscher  die  Oberflächenmoräne  auf  se 
Rücken  thalabwärts  trägt,  schiebt  er  unter  sich  auch  die  Gi 
moräne  vorwärts.  An  seinem  Ausgange  lagert  er  beide  als  1 
moräne  ab,  die  bald  als  ein  schmaler  niedriger  Stein  wall, 
als  eine  weite  Schlamm-  und  Kiesfläche  uns  entgegentritt,  is 
mächtige  Felstrümmer  zwischen  kleinen  unregelmäßigen  Schutthi 
zerstreut  liegen.  Mit  dem  transportierten  Material  vermischt 
manchmal  der  vom  Gletscher  zusammengeschobene  lockere  E 
des  Vorlandes. 

AbiohmeLning^.  Außer  der  Bewegung  ruft  auch  die  Absch 
zung  Veränderungen  im  Eiskörper  hervor,  und  zwar  Abschmel 
von  oben  durch  die  Sonnenstrahlen,  warme  Winde  und  Regen 
von    unten    wahrscheinlich    durch  die  Erdwärme.      Oberfläcb 


Gletscher. 


163 


Massenanhäufungen  schützen  Teile  des  Grletschers  vor  diesem  Zer- 
störungsprozesse. Die  Mittelmoräne  befindet  sich  auf  einem  Eiswulste; 
einzelne  größere  Steinblöcke  scheinen  gleichsam  aus  dem  Eise  her* 
vorzuwachsen.  So  entstehen  die  bekannten,  stets  nach  der  Mittagsseite 
geneigten  Gletschertische  (Fig.  32),  denen  freilich  auch  nur  eine 
vergängliche  Existenz  beschieden  ist.  Die  Sandkegel,  die  oft  eine 
Höhe  von  mehreren  Metern  erreichen,  ruhen  ebenfalls  auf  geschützten 
Eiserhöhungen.  Dagegen  sind  dünne  Sand-  und  Schlammlagen,  wie 
sie  von  den  Abhängen  herabgeschwemmt  oder  durch  den  Wind  her- 
beigeführt werden,  nicht  nur  kein  Schutzmittel,  sondern  geradezu 
Beförderer  der  Abschmelzung.  Sie  sammeln  sich  als  sogenannte 
Schmutzbänder  in  den  Ogiven  und  in  den  Vertiefungen,  welche 
die  zusammengewachsenen  Querspalten  unterhalb  eines  Gletscher- 
falls bezeichnen,  und  verharren  in  ihrer  Lage,  indem  sie  sich  immer 
tiefer  in  das  Eis  hineinfressen.  Allgemein  herrscht  in  den  Alpen- 
ländem  die  Überzeugung,  daß  der  Gletscher  fremde  Körper  aus- 
stoße; und  dies  ist  auch  insofern  richtig,  als  jeder  Körper,  der  in 
eine  Spalte  fällt,  an  einem  thalabwärts  gelegenen  Punkte  infolge 
der  Abschmelzung  wieder  an  die  Oberfläche  kommt  Auf  diese 
Weise  können  sich  auch  Teile  der  Grundmoräne  den  Oberflächen- 
moränen beigesellen. 

Die  Abschmelzung  nimmt  mit  der  Temperatur  thalabwärts  zu. 
Wo  sie  durch  die  Zufuhr  von  oben  nicht  mehr  ersetzt  wird,  dort 
muß  der  Gletscher  enden.  Ist  die  Zufuhr  bedeutend,  so  rückt  der 
Gletscher  immer  weiter  vor;  übersteigt  der  Betrag  der  Abschmelzung 
schon  weiter  oben  den  der  Zufuhr,  so  wird  das  Gletscherende  immer 
weiter  thalaufwärts 
verlegt:  der  Eisstrom 
zieht  sich  zurück,  er 
schrumpft  ein. 

In  diesem  Zu- 
stande befinden  sich 
seit  dem  Beginne  der 
fünfziger  Jahre  die 
Gletscher  der  Alpen, 
Pyrenäen,des  Kauka- 
suSjNorwegens,  über- 
haupt alle  Gletscher, 
von  denen  genauere 
geschichtliche  Nach- 
richten vorliegen.  Über  die  Alpen  sind  wir  am  besten  unterrichtet; 
hier  sind  die  Gletscher  unter  strenge  Aufsicht  gestellt;  der  Ehone- 

11* 


■OT  AlteMorane 

—  MorciJiFVJai8 

-       -  1836 

GUtst3ter  rundtsn 

f882 


Fig.  33.    Rückgang  des  Rhdnegletschen  (nach  A.  Hbim). 


164 


Die  Lufthülle. 


gletscher  wird  seit  1874  regelmäßig  vermessen.  Den  älteren  S 
zeigen  die  Moränen  an;  wir  ersehen  aus  Fig.  33,  wie  beträchtlicl] 
Gletscher  seit  1856  zurückgegangen,  und  eine  wie  große  Fläche 
eisfrei  geworden  ist  Es  ist  aber  weder  die  Längen-,  noch 
Arealabnahme  entscheidend  für  das  Maß  des  Kückganges,  som 
nur  der  Volumverlust,  und  dieser  nimmt  absolut  mit  der  G 
des  Gletschers  zu;  doch  scheinen  auch  relativ  die  großen  Glets 
mehr  Einbuße  erlitten  zu  haben,  als  die  kleinen.^ 

Die  Periode  allgemeinen  Gletscherrückganges  nähert  sich 
reits  ihrem  Ende  und  auch  aus  der  früheren  Zeit  wissen  wir, 
Vorstoß-  und  Rückzugsperioden  miteinander  wechselten.  Der  W 
rungscharakter  des  einzelnen  Jahres  ist  darauf  ohne  Einfluß; 
findet  ebenso  oft  in  kalten  und  nassen  Jahren  ein  Rückzug,  wi 
warmen  und  trockenen  Jahren  ein  Vorstoß  statt. 

Nach  FoBEL®  hängt  die  Länge  des  Gletschers  von  seiner 
schwindigkeit  ab,  und  diese  wieder  von  der  Mächtigkeit  des  E 
Je  dicker  es  ist,  desto  schneller  fließt  es.  Wir  haben  also  i 
den  Ursachen  der  wechselnden  Mächtigkeit  des  Gletscherkörpen 
fragen,  und  diese  sind  ofl'enbar  die  Abschmelzung  und  die  Speis 
durch  den  Firn.  Die  erstere  wird  zwar  durch  die  Mitteltempen 
des  Sommers  bedingt,  aber  diese  wirkt  nicht  sogleich  auf  die  D 
des  ganzen  Eisstromes  ein.  Ist  sie  nur  vorübergehend  sehr  ^ 
oder  sehr  gering,  so  wird  sie  auf  die  Lage  des  Gletscherendes 
Schlüsse  des  betreffenden  Sommers  wenig  Einfluß  haben;  vieln 
entscheidet  darüber  unter  sonst  gleichen  Verhältnissen  der  dui 
schnittliche  Gesamtcharakter  einer  größeren  Reihe  früherer  Somi 

In  zweiter  Linie  kommt  die  Niederschlagsmenge   in  Betra 
denn  von  ihr   hängt  die  Mächtigkeit  des  Firns  und  damit  der 
trag  der  Zufuhr  ab.     Forel  zeigte,   daß   diese  Ursache   von   o 
nach   unten    ihre   Wirkung   steigert     Nur    mit   etwas    geminde 
Mächtigkeit  gelangt  z.  B.  das  Fimeis  bis  zu  einem  gewissen  Pur 


)<  Einer  Zusammenstellung  von  Finstebwaloeb  und  Schukck*  entneh 
wir  folgende  ostalpine  Fälle  mit  Angabe  des  Rückgangs  in  allen  Dimensic 
seit  dem  Maximalstande  bis  zum  Beobachtungsjahr: 


Gliederferner  (—1887) 
Homkees  (—1884) 
Alpeinerfemer  (—1886) 
Suldenerferner  (—1886) 
Obersulzbachfemer  (—1880) 
Gepatschfemer  (—1887) 
Pasterze  (—1882) 


Fläche 

Lftngenabnahme 

Arealrerlost 

Volamr 

ha 

m 

ha 

Mül.  c1 

893 

806 

47 

29 

497 

350 

ca.  17 

34 

720 

200-650 

46 

40 

953 

1350 

68 

50 

1570 

500 

46 

65 

2200 

460 

72 

129 

3015 

unter  100 

gering 

218 

Die  geographische  Verteilatig  der  Crletscher.  165 

des  oberen  Gletscherthales.  Die  ITolge  davon  ist  Abnahme  der  Gre- 
schwindigkeit  und  Zunahme  der  Abschmelzung.  Schon  stärker  Ter- 
mindert  fließt  die  betreffende  Eispartie  weiter  thalabwärts  und  zwar 
mit  noch  geringerer  Geschwindigkeit  und  daher  noch  mehr  dem 
Abschmelzungsprozesse  preisgegeben.  In  einer  gewissen  Anzahl  von 
Jahren  kann  diese  eine  Ursache  die  ganze  Länge  des  Gletschers 
durchwandert  haben  und  dann  erst  auf  die  Lage  des  Gletscher- 
endes bestimmend  einwirken.  Nicht  die  Niederschlagsmenge  des 
betreffenden  Jahres  ist  also  daftir  maßgebend,  ob  der  Eisstrom 
▼orrQckt  oder  zurückgeht,  sondern  das  Mittel  der  Schneemassen, 
die  in  den  letzten  Jahrzehnten  gefallen  sind.  Wir  werden  darauf 
noch  später  zurückkommen. 

Auffällig  ist  das  ungleiche  Verhalten  selbst  benachbarter  Glet- 
scher, aber  Forel,  der  seit  einer  Reihe  von  Jahren  regelmäßige 
Beobachtungen  über  die  Veränderungen  der  Alpengletscher  sammelt, 
gelang  es  auch  diesen  Widerspruch  zu  lösen.^  Je  größer  der  Gletscher 
und  je  geringer  seine  Neigung,  desto  beständiger  ist  er.  Die 
kleinen  und  stark  geneigten  passen  sich  zuerst  den  veränderten 
klimatischen  Bedingungen  an.  Schon  1875  zeigte  im  Montblanc- 
Massiv  der  Glacier  des  Bossons  den  Beginn  der  Vorstoßperiode  an, 
aber  15  Jahre  dauerte  es,  bis  alle  Gletscher  dieses  Gebirges  von 
der  neuen  Bewegung  ergriffen  wurden,  und  zuletzt  der  größte  der- 
selben, der  Glacier  des  Bois. 

Litteraturnachweisc.  *  Hauptwerk  Heims  Gletscherkunde,  cit  S.  149. 
Ferner  Richter,  Ostalpen,  cit.  S.  149.  —  •  Russell,  The  Malaspina  Glacier,  im 
Journal  of  Geology,  Chicago  1893.  —  •  Hagembach-Bischoff,  Weiteres  über 
Gletschereis,  in  den  Verhandlungen  der  Naturforschenden  Gesellschaft  in  Basel, 
1889.  —  *  Brackebusch,  Die  Penitentesfelder,  im  Globus,  1893,  Bd.  LXIII.  — 
^  Finsterwaldeb  u.  Schunck,  Der  Gepatschfemer,  in  der  Zeitschrift  d.  D.  u.  Ö. 
Alpenvereins,  1888.  —  *  Forel,  Essai  sur  les  variationes  p^riodiques  des  glaciers, 
in  d.  Archives  des  sciences  phjsiques  et  naturelles,  Genf  1881.  —  ^  Forel  im 
Jahrbuch  des  Schweizer  Alpenklub,  1893—94,  8.  243. 

Die  geographische  Verteilung  der  Gletscher. 

(Siehe  Karte  XUI.) 

Die  Tropen.  Die  beiliegende  Karte  zeigt,  daß  die  Gletscher 
vorzugsweise  ein  polares  Phänomen  sind.  Penck  schätzt  die  vereisten 
Gebiete  der  Nordhemisphäre  auf  2^4  und  die  der  südlichen  Halb- 
kugel auf  etwa  14  Hill,  qkm,  die  Existenz  eines  antarktischen  Kon- 
tinentes vorausgesetzt.  Aber  die  Gletscher  sind  an  keine  Zonen  ge- 
bunden; man  kann  nur  sagen,  daß  ihre  orographischen  Ansprüche 
um  so  größer  werden,  je  höher  die  klimatische  Schneegrenze  sich 


166  Die  Lufthülle. 


erhebt  Auch  in  den  Tropen  fehlen  sie  nicht;  da  aber  hier 
einzelne  Vulkanriesen  in  die  Region  des  ewigen  Schnees  hineinra 
so  ist  das  Gletscherphänomen  meist  nur  in  der  Form  der  Fi 
gletscher  entwickelt  Der  Kibo,  der  6000  m  hohe  Westgipfel 
Kilimandscharo  (3®  s.  B.)  hüllt  sich  nach  Hans  Meyers^  S( 
derung  in  einen  Eismantel,  der  auf  der  Nordostflanke  nur  bis  5 
auf  der  Südwestseite  aber  bis  3800  m  herabreicht  Hoch-  und  F 
Schnee  vereinigen  sich  zu  einem  einzigen  Gürtel.  Nur  dort, 
tiefere  Mulden  sich  einsenken,  entwickeln  sich  kleine  Gletscherzui 
nach  Art  der  alpinen  Hängegletscher,  ein  längerer  nur  im  Südwes 
der  aus  der  großen  Kraterspalte  herauszukommen  scheint.  E 
ähnlichen  Ausbildungsweise  begegnen  wir  im  tropischen  Ameri 
Die  Forschungen  von  Reiss,  Stübbl,  Whymper  u.  a.  haben  uns  s 
hier  eine  verhältnismäßig  reiche  Schneewelt  enthüllt,  aber  meist  ! 
es  nur  Eismäntel,  die  sich  den  höchsten  Vulkankegeln  anschmie 
i^{|  zum  Teil  geschützt  durch    eine  Aschendecke,  dann  kleine   Häi 

gletscher,  und  nur  unter  besonders  günstigen  orographischen  "^ 
hältnissen  Eisströme  von  alpinem  T}'pus,  wie  am  nicht  vulkanisc 
Sara  urcu  in  Ecuador,  wo  sie  bis  4200  m  Seehöhe  herabsteigen 
Oemäßigte  Zonen.  In  den  gemäßigten  Zonen  sind  schon  v 
Kammgebirge  mit  ewigem  Schnee  bedeckt,  und  der  alpine  Gletsch 
typ  US  gelangt  dadurch  zu  einer  fast  ausschließlichen  Herrscl 
Dies  gilt  wenigstens  für  die  Hochländer  bis  in  die  Nähe  des  60. 
rallels;  darüber  hinaus  entwickeln  sich  schon  Übergangsformen, 
denen  später  die  Rede  sein  soll.  Der  Alpengürtel,  der  die  alte  \^ 
durchzieht,  ist  in  allen  seinen  höheren  Teilen  eine  Stätte  hen 
ragender  Gletscherbildungen.  Auf  der  iberischen  Halbinsel  fin 
wir  allerdings  erst  rudimentäre  Anläufe.  Selbst  die  Pyrenf 
beherbergen  meist  nur  Hängegletscher  und  vorwiegend  nur  auf 
Nordseite;  der  Maladettagletscher  endet  hier  schon  in  2300  m  H( 
Ein  kleines  Eisfeld  soll  auch  die  Sierra  de  Gredos  besitzen.  ] 
südlichste  Eisstrom  unseres  Erdteiles  ist  der  Corralgletscher  am  Nc 
abhänge  der  Sierra  Nevada  in  2800 — 2900  m  Höhe,  unser  h( 
liebstes  Schneegebirge  sind,  von  Skandinavien  abgesehen,  die  Alp 
In  der  Schweiz  sind  1839,  in  den  Ostalpen*  1462  qkm  vergletsch» 
die  kristallinische  Zone,  als  das  höchste  und  kompakteste  G^bi 
ist  die  eigentliche  Heimat  der  Eiswelt,  ^  und  hier  vor  allem 
Montblanc-Gruppe,  das  Bemer  Oberland,  die  Penninischen  und  ( 
thaler   Alpen.     Dreizehn   Gletscherzungen   sind   über    10  km   la 


^  In  den  Ostalpen  haben  die  Centralalpen  nach  Richter  141S07ha, 
nördlichen  Kalkalpen  2693,  die  südlichen  16S7  ha  Gletscherareal. 


Die  geograpbiBche  Verteilnng  der  Gletscher. 


167 


weitaus  alle  übertrifft  der  Aletschgletscher  mit  16,6  (samt  Firn  24)  km 
Länge;  er  bedeckt  in  seiner  Gesamtheit  129  qkm,  d.  h.  mehr  als 
das  Doppelte  der  Fläche  von  San  Marino.  Sein  Nachbar  auf  der 
anderen  Seite  des  Fiescher  Grates,  der  untere  Grindelwaldgletscher, 
hat  den  Euhm,  unter  allen  alpinen  Eisströmen  am  tiefsten  in  die 
Kulturregion  herabzusteigen;  er  endet  jetzt  in  der  Nähe  des  Dorfes 
Grindel wald  in  1080  m  Seehöhe,  1818  reichte  er  noch  bis  zur  Höhen- 
linie von  983  m.  Sonst  liegt  das  Ende  der  großen  alpinen  Thal- 
gletscher durchschnittlich  schon  in  1900  m  Höhe. 

Das  nächste  Gletschergebirge  ist  der  Kaukasus,*  vor  allem 
der  zentrale  Teil  desselben.  Er  kann  sich  vielleicht  mit  den  Alpen 
messen;  jedenfalls  ist  seine  Eisbedeckung  bis  auf  die  neueste  Zeit 


ß'iUsse 


Fig.  34.    Die  Gletscher  des  Earakorom-Gebirges. 
^  =  Nagar,  H~  Hispar,  H.T,  —  Hisparpaß,  K  =  KorofaD,  K^  —  Dapsang,  8620  m  hoch. 

unterschätzt  worden.  Der  Karagamgletscher  in  der  Adai-Choch- 
Gruppe  ist  16 — 19  km  lang  und  steigt  bis  1740  m  Seehöhe  herab. 
Am  gewaltigsten  entwickelt  sich  das  Gletscherphänomen  in  den  hohen 
Randgebirgen  Zentralasiens,  im  Himalaja,  Karakorum,  Hindukusch, 
Tian-schan,  und  schon  bedeutend  schwächer  im  Altai.  Im  Himalaja 
enden  die  meisten  Thalgletscher  in  3400 — 4200  m,  der  des  Nanga 
Parbat  in  Kaschmir  sogar  erst  in  2900  m  Höhe.  Noch  gletscher- 
reicher ist  der  Karakorum,  wo  die  Eisströme  nicht  nur  den  Hinter- 
grund der  Querthäler  einnehmen,  sondern  auch  in  die  Längsthäler 
herabsteigen  und  in  denselben  sogar  flache  Wasserscheiden  überfluten. 
Das  merkwürdigste  Beispiel  hat  uns  Conways  Expedition  i.  J.  1892 
genauer  kennen  gelehrt  (Fig.  34).^  Wenn  wir  von  Nagar  in  einem 
Seitenthale  des  Gilgit  aufwärts  gehen,  so  erreichen  wir  bei  Hispar 
in  3145  m  Seehöhe  das  Ende  des  gleichnamigen  Gletschers  (60  km 
lang),  der  am  Hisparpasse  (5380  m  hoch)  ohne  Unterbrechung  in  den 


188 


Die  Lufthülle. 


nach  der  entgegengesetzten  Seite  abfließenden  Biafogletscher(51  kmla 
übergeht  Dieser  endet  bei  Korofan  in  3000  m  Seehöhe.  Die  Gesa] 
länge  dieses  gewaltigen  Doppelgletschers  entspricht  dem  Rhonethale  y 
Rhonegletscher  bis  Martigny.  Das  Hauptfirngebiet  des  Biafogletsch 
bezeichnet  Conway  wegen  seiner  anscheinend  völligen  Flachheit 
„Firn-See"  (Schneesee  in  Fig.  34);  er  bedeckt  ein  Areal  von  ca.  300  ql 
auf  dem  das  Fürstentum  Reuß  ä.  L.  oder  das  Gebiet  der  Hansast 
Lübeck  bequem  Platz  hätten.  Die  tibetanischen  Gebirge  sind,  i 
Ausnahme  des  zentralen  Kuenlun,  zu  trocken,  um  große  Eisströ 
zu  erzeugen.  Am  pazifischen  Rande  Asiens  sind  die  orographiscl 
Verhältnisse  der  Gletscherbildung  nirgends  günstig;  wie  es  schei 
selbst  in  Kamtschatka  nicht,  wo  doch  gewaltige  Vulkankegel  s: 
erheben.  Kleine  Fimfelder  wurden  vom  nördlichen  Korea  und  v< 
Ostabhange  des  japanischen  Berges  Tateyama  (36**  35'  N.,  2900 
hoch)  gemeldet  Wir  müssen  uns  auf  die  amerikanische  Seite  I 
geben,  um  wieder  echte  Gletschergebirge  zu  finden.  Die  pazifisc 
Küstenkette  wird  von  Alaska  bis  zur  Südgrenze  von  Britisch-Colui 
bia  durch  reichliche  Niederschläge  benetzt,  die  die  Schneegren 
stark  herabdrücken.  Noch  im  Takuflord  in  58  ^  B.  gehen  die  E 
ströme  bis  ans  Meer  herab,  und  unter  55  ^  B.,  also  in  der  Polhö 
des  südschottischen  Gebirges,  endet  einer  erst  bei  400  m  Seehöl 
Ein  Hauptzentrum  sind  die  St  Elias-Alpen  an  der  Ostgrenze  Alaska 
des  Malaspina-Gletschers  haben  wir  schon  auf  S.  151  gedacl 
Würdig  reiht  sich  ihm  der  Muirgletscher  an,  den  Reib®  in  den  letzt 
Jahren  eingehend  studiert  hat  Er  l)edeckt  ein  Areal  von  900  qki 
das  siebenfache  der  Aletschfläche,  und  tritt  mit  einer  Gesamtmächti 
keit  von  280  m  in  das  Meer  hinaus.  Dieser  gewaltigen  Masse  ei 
spricht  auch  eine,  weit  über  alpine  Verhältnisse  hinausgreifende  G 
schwindigkeit  von  2,i9  m  pro  Tag  in  der  Mittellinie.  In  den  Ve 
einigten  Staaten  sind  die  dem  pazifischen  Gestade  zunächst  liegende 
höheren  Gebirge  das  Kaskaden-Gebirge  und  die  Sierra  Nevada.  Au< 
über  die  Eiswelt  dieser  Höhenzone  haben  uns  erst  die  Forschung« 
der  letzten  Zeit  Aufklärung  verschafi't^  Die  mächtigen  Vulkanber^ 
des  Kaskadenzuges  tragen  echte  Gletscher,  der  Mt  Shasta  (in  41  ®  I 
4423  m  hoch)  z.  B.  fünf  zwischen  2,7  und  0,8  qkm  Flächeninhalt,  v( 
denen  der  Witungletscher  erst  in  2400  m  Seehöhe  endet  Selbst  d 
schon  ziemlich  trockene  Sierra  Nevada  beherbergt  zwischen  36^ 
und  38**  B.  nicht  weniger  als  17  Gletscher,  freilich  alle  sehr  kle: 
und  unentwickelt,  und  nur  bis  ca.  3500  m  herabreichend.  Na< 
Osten  nehmen  Niederschläge  und  Eisentwicklung  rasch  ab.  Je 
Davis  Peak  im  Großen  Becken  hat  nur  einen  kleinen  Fimfleck  i 
besonders  günstiger  Lage,  und  auch  das  Felsengebirge  scheint  inne 


Die  geographische  Verteilimg  der  Gletscher.  169 

halb  der  Vereinigten  Staaten  in  der  Gegenwart  nur  wenig  bedeu- 
tende Hängegletscher  zu  erzeugen.  Erst  auf  canadischem  Boden, 
in  den  Quellgebieten  des  Saskatchewan  und  Athabaska  treten  echte 
Thalgletscher  von  alpinen  Dimensionen  auf,  und  auch  die  inneren 
Parallelketten,  das  SeUdrk-  und  Goldgebirge,  entbehren  dieses 
Schmuckes  nicht 

Das  niederschlagsreiche  Seeklima  der  südlichen  Hemisphäre  ist 
der  Gletscherentwicklung  besonders  günstig.  In  den  Breiten  von 
Triest  bis  Hamburg  steigen  von  den  kaum  2600  m  hohen  An  des 
Eisströme  bis  zum  Meeresspiegel  herab,  an  den  Abhängen  begleitet 
von  Hochwäldern  der  antarktischen  Buche  und  Birke.  Kolibri  und 
Papageien,  die  wir  als  tropische  Vögel  zu  betrachten  gewohnt  sind, 
bewohnen  hier  Gletscherlandschaften.  An  der  Westseite  der  neu- 
seeländischen Alpen  enden  der  Franz-Josef-  und  Prinz-Alfred- 
Gletscher  in  der  Breite  von  Florenz  erst  in  215  (bezw.  214)  m  Höhe, 
wo  die  mittlere  Jahrestemperatur  (10**)  der  von  Wien  gleicht,  und 
eine  üppige  Tieflandvegetation  von  Nadelhölzern,  Buchen,  Baum- 
farnen und  Fuchsiabüschen  gedeiht  An  der  trockeneren  Ostseite 
liegt  das  Gletscherende  durchschnittlich  in  1200  m  Höhe,  also  auch 
hier  noch  immer  700  m  tiefer  als  in  unseren  Alpen.  Auf  den 
Kerguelen-Inseln  in  der  Breite  von  Nürnberg  und  Prag  senkt 
sich  der  Zeyegletscher  bis  ca.  210,  der  Lindenberggletscher  bis 
ca.  75  und  der  Naumanngletscher  bis  ca.  60  m  Seehöhe  herab. 

Polare  Zonen.  Wie  in  der  heißen  Zone  der  Firngletscher,  in 
der  gemäßigten  der  alpine  Gletscher,  so  herrscht  auf  der  polaren 
Kalotte  das  Inlandeis  vor.  Trotzdem  sind  diese  verschiedenen 
Formen  zunächst  orographisch  bedingt,  und  nur  daß  die  Schnee- 
grenze gegen  die  Pole  sich  senkt,  hat  zur  Folge,  daß  zuerst  nur  die 
höchst  ragenden  Gipfel,  dann  auch  die  Kämme  der  Hochgebirge, 
endlich  auch  niedriger  gelegene  Plateaus  Eis  erzeugen.  Unter 
günstigen  Umständen  fehlt  auch  der  alpine  Typus  im  Polarlande 
nicht,  wie^  z.  B.  auf  Spitzbergen,  ebensowenig  wie  die  Form  des 
Inlandeises,  allerdings  in  sehr  bescheidenen  Dimensionen,  den  mitt- 
leren Breiten  (z.  B.  auf  dem  Ewigen  Schneeberg  in  den  Salzburger 
Alpen).  Schärfer  ausgeprägt  finden  wir  ihn  allerdings  erst  im  skan- 
dinavischen Hochlande  von  60^  B.  an.  Das  mächtigste  Gletscher- 
gebiet ist  hier  der  Jostedalsbrä  von  61^3  bis  gegen  62^  B.  hin. 
Am  Nordabhange  des  Sogne^ords  erhebt  sich  dieser  flachgewölbte 
Bergrücken,  ein  Fjeld,  wie  man  es  hier  nennt;  an  den  Rändern,  wo 
die  Thäler  einzuschneiden  beginnen,  1400 — 1800,  in  der  Mitte  2038  m 
hoch.  Den  ganzen  Rücken  bedeckt  ein  ununterbrochenes  Firnfeld, 
erst  an  den  Rändern  sehen  einige  steile  Gipfel  aus  demselben  hervor; 


170 


Die  Lufthülle. 


900  qkm,  eine  Fläche  so  groß  wie  eines  der  Schwarzburgisc 
Fürstentümer  in  Thüringen,  liegt  hier  unter  Schnee  begraben.  N 
allen  Seiten  steigen  Eiszungen  herab;  man  zählt  allein  24  Glets< 
erster  Ordnung.  Sie  enden  in  300 — 600m  Seehöhe,  der  Boi 
gletscher  reicht  aber  bis  150  m,  der  Suphellagletscher  sogar 
50  m  Seehöhe  herab. 

Die  denkwürdige  Reise  Nansens®  im  Jahre  1888  hat  uns 
Geheimnisse  der  grönländischen  Eiswelt,  der  umfangreiche 
unserer  Halbkugel,  enthüllt  Da  finden  wir  das  Inlandeis  in  sei 
typischesten  Ausbildung.  Nur  die  Ränder  sind  eisfrei,  oder  eig( 
lieh  nur  der  Westrand,  denn  im  Osten  tritt  das  große  Binnei 
das  Sermerssuak  der  Eskimos,  vielfach  bis  an  den  Küstenrand  he 
und  bricht  hier  in  Steilmauern  ab.  Nach  Westen  sendet  es  gr 
Eisströme  bis  ins  Meer  hinaus;  von  ihrer  außerordentlichen 
schwindigkeit  haben  wir  bereits  an  anderer  Stelle  gesprochen, 
der  Polhöhe  der  NANSENschen  Durchquerung  ist  diese  eisfreie  Z 
etwa  100  km  breit  Auf  das  Sermerssuak  entfallen  445  km,  da 
50  auf  die  westliche,  15  auf  die  östliche  Randzone,  380  auf 
innere  Schneeplateau  in  Höhen  von  mehr  als  1000  m;  Nansen  ül 
schritt  die  Scheide  zwischen  beiden  Abdachungen  in  2716  m  Hc 
Das  Eismeer  wölbt  sich  also  flach  von  einer  Küste  zur  andei 
und  wie  man  vermuten  darf,  auch  von  Süden  nach  Norden.  S 
Ende  hat  Peary  in  ca.  82®  N.  erreicht 

In  den  beiden  Randzonen  ist  der  Schnee  grobkörnig,  m 
innen  zu  wird  er  immer  feiner,  endlich  so  „fein  wie  Staub". 
Tage  taut  nur  die  Oberflächenschicht  etwas  auf,  um  bei  Nacht  wiei 
zu  einer  dünnen  Eiskruste  zu  gefrieren;  kein  Bächlein  entsteht,  nie 
geht  durch  Abschmelzung  verloren,  alles  wird  durch  den  Nachtfi 
wieder  festgehalten.  Die  Trockenheit  des  Schnees  verhindert 
Höhen  von  mehr  als  2300  m  sein  Zusammenballen^  er  kann  dsL 
erst  in  sehr  großer  Tiefe  in  Eis  übergehen.  Dieser  innerste  1 
war  auf  einer  Strecke  von  ca.  150  km  so  glatt  wie  ein  Spiegel,  ol 
andere  Unebenheiten,  als  die  Spuren,  die  die  Reisenden  zurückließ( 
eine  unübersehbare  Schneefläche  ohne  Staub,  ohne  Schmutz,  ol 
irgend  einen  fremden  Körper.  Mit  einem  Wort:  der  innere  1 
des  Sermerssuak  entspricht  dem  alpinen  Hochschnee,  die  Ra: 
Zonen  dagegen  den  alpinen  Firnmulden.  Nicht  bloß  der  Schnee 
hier  fimartig,  es  treten  auch  schon  Spalten  auf,  die  auf  lebhaft 
Bewegung  hinweisen;  einzelne  Berggipfel,  hier  Nunatakken  genai 
ragen  inselartig  aus  dem  Schnee  hervor  (s.  Fig.  35).  Was  das  Inland 
von  dem  alpinen  Gletscher  unterscheidet,  ist  die  ungeheuere  A 
dehnung  der  Hochschneeregion  im  Vergleiche  zur  Firn-  und  eige 


Die  geograpbisclie  Verteilung  der  Gletscher. 


171 


liehen  Gletscherzone,  d.  h.  derjenigen  Zone,  wo  individualisierte 
Eisströme  in  das  eisfreie  Land  vordringen.  Diese  sind  zwar  ungleich 
länger,  breiter  und  mächtiger,  als  die  alpinen  Thalgletscher,  aber 
doch  nur  zwergartige  Anhängsel  im  Vergleiche  zu  den  Dimensionen 
des  Inlandeises,  das  mit  seinem  Flächeninhalte  von  ca.  2  Mill.  qkm 
ganz  Mittel-  und  Westeuropa  überHuten  würde.  An  und  für  sich 
sind  die  grönländischen  Gletscherzungen,  wie  gesagt,  gewaltige  Ge- 
bilde; der  größte  derselben,  der  Humboldt-Gletscher,  hat  eine  Länge 
von  110  km  und  endet  mit  einer  100  m  hohen  Eiswand. 

Was  das  Inlandeis  femer  noch  vom  alpinen  Typus  unterscheidet, 
ist  der  Mangel  an  Oberflächenmoränen,  die  höchstens  in  den  Rand- 
gebieten,  aber   auch  da   nur  selten,   von  den  Nunatakken  erzeugt 


Fig.  35.    Grönländisches  Inlandeis  nach  Jensen. 


werden  können.  Dagegen  fehlt  die  Grundmoräne  nicht,  ein  deut- 
licher Beweis,  daß  fließendes  Eis  seine  Unterlage  zu  erodieren 
vermag. 

Die  Form  des  Inlandeises  verbreitet  sich  über  alle  größeren  Inseln, 
die  in  der  atlantischen  Öfinung  des  arktischen  Kalotte  liegen,  über 
Island  (Gletscherareal  nach  Thoeoddsen  13400  qkm),  Spitzbergen, 
Franz -Josef- Land;  dagegen  ist  westlich  von  Grönland,  wo  kein 
warmer  Golfstrom  reichlichere  Niederschläge  erzeugt,  das  Gletscher- 
phänomen sehr  dürftig  entwickelt. 

Eifllrerg^.  Wenn  ein  polarer  Gletscher  in  tieferes  Meer  hinaus- 
tritt, so  erfolgt  an  der  Stelle,  wo  das  Eis  leichter  wird,  als  das  von 
ihm  verdrängte  Wasser,  ein  Bruch  von  unten  nach  oben,  und  die 
abgerissenen  Gletscherstücke  setzen  nun  als  Eisberge  ihren  Weg 
im  Meere  fort,  häufig  auch  Erde  und  Felsblöcke  —  Bruchstücke 
der  Moränen  —  mit  sich  führend.  Zahlreiche  Luftblasen  verringern 
ihr  spezifisches  Gewicht,  so  daß  meist  noch  ^r  der  ganzen  Masse 
aus  dem  Meere  hervortaucht.  Es  kann  dabei  leicht  geschehen,  daß 
sie  vollständig  umkippen,  und  dann  statt  der  ursprünglichen  wild 
zerklüfteten  Gletscheroberfläche  die  mehr  oder  weniger  ebene  Sohle 
nach  oben  kehren.     Durch  die  polaren  Meeresströme  nach  Süden 


172 


Die  Lufthülle. 


entführt,  werden  diese  großen  Klötze  mit  meist  senkrechten  Wän 
von  der  Sommersonne  zu  phantastischen  Gestalten  umgeformt, 
sie  endlich,  in  Trümmer  zerfallen,  mit  dem  Meereise  verschmeL 
oder  im  offenen  Ozean  vergehen. 

Grönland  und  Franz-Josef-Land  sind  die  Hauptgeburtsstal 
der  großen  arktischen  Eisberge,  deren  Masse  in  einzelnen  Fa 
zu  21  MilL  cbm  bestimmt  wurde.  Dagegen  fehlen  sie  an  der  gan 
West-  und  Nordküste  von  Nowaja  Semlja,  wie  an  der  Südspitze 
Spitzbergen,  weil  hier  das  Meer  an  den  Küsten  zu  seicht  ist,  i 
nur  kleine  Stücke  von  den  Gletschern  abbröckelt 


^' 


Fig.  36.    Eisberg  nach  Payer. 

Weitaus   häufiger   und  größer,   auch   anders  gestaltet,   als 
Nordpolarmeere,  sind  die  Eisberge  in  der  antarktischen  See.     ] 
Naturforscher    der   „ChaUenger"- Expedition    schildern    sie    als 
waltige   Tafeln    von    400 — 1000  m  Durchmesser   und   60  m  Höh 
Die  ebene,  horizontale  oder  geneigte  Oberfläche  ist  von  zahlreicl 
Spalten  durchschnitten,  die  senkrechten  Seiten  wände  zeigen  we^ 
selnde  Lagen  von  blauem  und  weißem  Eise  in  deutlichster  Schichtn 
Nach  unten  werden  die  Schichten  dünner  und  sind  horizontal, 
oberen,  die  keinen  Druck  erlitten  haben,  sind  leicht  gebogen.    Si 
diese  Tafelberge  Meer-  oder  Gletschereis?     Heim  hat  sich  für  < 
erstere  entschieden,  und  auch  Nansen  ist  der  Ansicht,  daß  üb 
einander  getürmte  Treibeisschollen  Eisberge  formen  können.     T 
können   uns   aber   nicht  davon  überzeugen,   daß  jene  geschichte 
etwa  60  m  hohe  Eismauer,  an  der  Ross  mehrere  hundert  Kilome 


Das  Klima.  173 


weit  entlang    fuhr,    ohne    ihr  £nde   zu   erreichen,    etwas   anderes 
gewesen  sein  könnte,  als  die  Bruchfiäche  eines  kolossalen  Gletschers. 

Litteraturoachweise.  ^  Hans  Meter,  Ostafrikanische  Gletscherfahrten, 
Leipzig  1890.  —  *  Schwarze,  Verbreitung  der  Gletscher  in  den  Westgebiigen 
Amerikas,  im  „Ausland"  1891.  —  •  E.  Richter,  Ostalpen,  cit  S.  149.  —  *  Fresh- 
FiELD,  The  Peakes,  Passes  and  Glaciers  of  the  Caucasus,  in  den  Proceedings 
of  the  B.  Geographica!  Society,  Loiidon  1888.  —  ^  Gonway,  Climbing  and  Ex- 
ploration in  the  Karakorum  Himaiayas,  London  1894.  Die  Karte  wurde  1894 
von  der  R.  Geographica!  Society  in  London  herausgegeben.  Unsere  Fig.  34 
ist  nach  einem  Kärtchen  im  Alpine  Journal  entworfen.  —  ®  Reid,  Studies  of 
Muir  Glacier,  im  National  Geographica!  Magazine,  Washington  1892.  —  '  Russell, 
The  existing  G!aciers  of  the  United  States  im  5.  Jahresbericht  des  Geological 
Survey  of  the  ü.  S.,  Washington  1885.  —  ®  Mohn  u.  Nansen  cit  S.  77.  ■— 
*  I.  Bd.  des  Challenger-Report:  Narrative  of  the  Gruise,  London  1885. 


Das  Klima. 

Klimaprovinzen  (s.  Karte  XIV).  Unter  Klima  eines  Ortes  ver- 
stehen wir  den  mittleren  Zustand  der  Atmosphäre,  wie  er  uns  durch 
langjährige  meteorologische  Durchschnittswerte  repräsentiert  wird.  Als 
die  Hauptfaktoren  haben  sich  Wärme  und  Niederschlag  erwiesen,  in- 
direltt  auch  die  Winde  und  die  orographischen  Verhältnisse,  da  sie 
die  Verteilung  der  beiden  ersteren  Elemente  wesentlich  mitbedingen. 
Es  ist  nun  die  Aufgabe  der  physischen  Geographie,  das  Zusammenspiel 
dieser  vier  Faktoren  in  den  einzelnen  Lokalitäten  zu  untersuchen, 
gemeinsames  zusammenzufassen,  und  nach  dem  vorherrschenden 
Witterungstypus  Klimaprovinzen  aufzustellen.  In  jeder  dieser 
großen  Abteilungen  lassen  sich  noch  eine  Reihe  von  Klimabezirken, 
oder  wie  man  sie  sonst  nennen  will,  unterscheiden,  und  in  manchen 
Gegenden  wird  das  Beobachtungsmaterial  noch  eine  weitere  ünter- 
einteilung  gestatten.  Es  liegt  in  der  Natur  der  Sache,  daß  über  die 
Zahl  und  Grenzen  der  Haupt-  und  Unterabteilungen  wohl  niemals 
eine,  alle  Zweifel  ausschließende  Übereinstimmung  erzielt  werden 
dürfte;  und  auch  Karte  XIV,  die  sich  nur  auf  die  Darstellung 
der  Provinzen  beschränkt,  ist  lediglich  als  ein  Versuch  aufzufassen.^ 

Von  den  34  Klimaprovinzen  —  unter  diese  Zahl  dürfte  keine 
Einteilung  herabgehen  —  entfallen  21  auf  die  östliche  Landfeste 
mit  Polynesien,  12  auf  die  neue  Welt  und  1  auf  die  Nordpol-Zone. 
Wir  müssen  uns,  um  Wiederholungen  zu  vermeiden,  auf  eine  kurze, 
aphoristische  Schilderung  derselben  beschränken. 

1»  östliche  Kontinente  und  Inseln» 

1.  Westeuropäische  Provinz.  Milde  Wintertemperatur  unter  dem  Ein- 
flnase  der  westlichen  Winde  und  des  Golfstromes.    Jährliche  Wärmeschwankung 


174 


Die  LnfthttUe. 


IV. 

i 
r 


onter  15^.  Reichliche  Niederschläge  mit  ziemlich  gleichmäßiger  Verteiiung  t 
die  Jahreszeiten.  Smnmen  sehr  variabel,  da  die  Terraingestaltung  außerord 
lieh  wechselvoll  ist.  Überhaupt  wechseln  die  klimatischen  Verhältnisse  oft 
kurze  Distanzen,  und  es  wird  daher  eine  eingehende  Untersuchung  zur  i 
Stellung  zahlreicher  Unterabteilungen  fähren. 

2.  Osteuropäische  Provinz.     Es  beginnt  schon  das  Grebiet  des  Lj 
klimas.     Vorherrschen  der  Ebene,  daher  Unterschiede  hauptsächlich   nur 
der  geographischen  Breite  abhängig.    Die^Niederschläge  sind  geringer,   al 
der  1.  Provinz,  und  nehmen  nach  Südosten  ab;  ausgeprägtes  Sommermaxim 

3.  Westsibirische  Provinz.  Die  Grenze  gegen  die  osteuropäii 
Pro\'inz  liegt  dort,  wo  die  positive  Jahresanomalie,  die  Europa  auszeich 
aufhört;  und  es  ist  zu  betonen,  daß  sie  fast  genau  mit  der  Urallinie  2usamn 
föllt  Im  übrigen  unterscheidet  sich  diese  Provinz  von  der  vorhergenani 
nur  durch  ein  schärferes  Hervortreten  aller  Charaktereigentümlichkeiten.  Gi 
Temperaturveränderlichkeit. 

4.  Ostsibirische  Provinz.     Jenseits   des  Jenissei   beginnt    eine 
gemeine  Hebung   des  Landes,  Tiefebene  nur  an  den  Flüssen.     Gebiet  ei 
winterlichen  Kältezentrums.    Jährliche  Wärmeschwankung  am  größten.    Nie< 
schlage  im  allgemeinen  gering. 

5.  Kamtschatka-Provinz.  Das  Meer  mildert  die  Temperaturextr« 
und  führt  reichlicheren  Regen  zu. 

6.  Chinesisch-japanische  Provinz.  Auf  dem  Festland  relativ 
deutende  Winterkälte  und  streng  periodische  Regen.  In  Japan  treten  di 
Eigentümlichkeiten  etwas  gemildert  auf. 

7.  Die  Asiatische  Hochlandprovinz  umfaßt  alle  gebirgsumschlosse] 
Hochländer,  die  im  allseitigen  Windschatten  liegen ;  daher  sehr  trocken.  Win 
kälte  durch  die  bedeutende  Seehöhe  gesteigert,  Sommerwärme  durch  die  k 
tinentale  Lage.    Tägliche  Wärmeschwankung  sehr  bedeutend. 

8.  Aral-Provinz.  Trockenes  Tiefland;  Niederschlagsmaximum  im  Nor 
im  Sommer,  im  Süden  im  Winter.  In  Turan  strenge  Winter  und  sehr  he 
Sommer. 

9.  Indus -Provinz,  durch  Trockenheit  und  Hitze  ausgezeichnc 
Tiefland. 

10.  Mittel me er- Provinz.    Große  Mannigfaltigkeit  wegen  reicher  h< 
zontaler  Gliederung  und  wechselnder  Oberflächenbeschaffenheit    Mild  ist 
Klima  überall  mit  Ausnahme  der  inneren  Hochländer.    Winterregen. 

11.  Sahara-Provinz,    bis    nach   Mesopotamien    reichend,    Gebiet 
trockenen   Nordwinde,    wahrscheinlich    regenärmste  Gegend    der  Erde.     E 
tinentalität  und  vegetationsarmer  Boden  steigern  die  Sommerhitze  außerord( 
lieh,  jährliche  und  tägliche  Wärmeschwankung  beträchtlich. 

12.  Tropische  Provinz  von  Afrika.  Wärme  auf  dem  inneren  Ho 
land  durch  die  Seehöhe  gemildert,  desto  größer  aber  auf  den  schmalen  Kiist 
ebenen.    Tropenregen,  nach  Westen  abnehmend. 

13.  Kalahari-Provinz,  umfaßt  das  ganze  regenarme  Gebiet  von  S 
west- Afrika. 

14.  Kap-Provinz,  subtropisch. 

15.  Ostindisch-australische  Monsunprovinz.  Mit  Ausnahme  ein! 
Gegenden  im  Archipel  streng  periodischer  Regen  mit  SW.-Wind,  bezw.  N^ 
Wind.    Temperatur  ziemlich  gleichmäßig  trotz  beträchtlicher  Ausdehnung 
Provinz;  Jahrßssch wankung  sehr  mäßig. 


Das  Klima.  175 

16.  Australische  Binnenprovinz.  Große Temperatureztreme ;  unregel- 
mäßige Niederschläge,  vorherrschend  trocken. 

17.  Australische  Südwest-Provinz,  subtropisch. 

18.  Australische  Ost-Provinz,  bis  an  die  Wasserscheide  auch  die 
SO.-Küste  und  Tasmanien  umfassend.  Niederschläge  ergiebig  und  ziemlich 
gleichmäßig.    Wärmeschwankung  mäßig. 

19.  NeuseeländischeProvinz,  wahrscheinlich  auch  die  kleine  ren  Inseln 
in  der  Umgebung  umfassend.    Mildes  Klima  mit  ziemlich  gleichmäßigem  Regen. 

20.  Poljnesische  Tropenprovinz.  Tropenklima,  durch  die  See  ge- 
mildert, eigentlich  das  ganze  Jahr  ein  milder  Sommer.  Regen  auf  den  hohen 
Inseln  reichlich  und  mit  tropischer  Periodizität. 

21.  Hawaii-Provinz.  Temperatur  ebenfalls  gleichmäßig  mild.  Regen 
subtropisch. 

2.  Amerika. 

1.  Hudson-Provinz.  Zum  größten  Teile  extrem  es  Landklima  und  wenig 
Niederschläge. 

2.  Nordwestliche  Küstenprovinz.  Regenreiches,  mildes,  gleich- 
mäßiges Klima. 

8.  Galifo mische  Provinz.  Verhältnismäßig  kühl,  besonders  im  Sommer. 
Streng  subtropische  Regenperiode. 

4.  Hochlandprovinz.  Trocken,  große  jährliche  und  tägliche  Wärme- 
schwankung. 

5.  Atlantische  Provinz.  Im  Winter  großer  Temperaturgegensatz 
zwischen  Norden  und  Süden,  Landklima  auch  an  der  Küste.  Regen  reichlich 
und  gleichmäßig  über  das  Jahr  verteilt    Große  Veränderlichkeit 

6.  Westindische  Provinz,  auch  den  Südrand  von  Nordamerika  um- 
fassend. Gleichmäßige  Wärme,  Niederschläge  zu  allen  Jahreszeiten,  aber  mit 
ausgesprochenem  Sommermaximum. 

7.  Tropische  Cordillerenprovinz.  Im  inneren  Tafelland  wegen 
beträchtlicher  SeehChe  ewiger  Frühling.  In  Mexico  und  Zentralamerika  aus- 
geprägte Zenithairegen,  in  Südamerika  gleichmäßige  Niederschläge. 

8.  Tropenprovinz  von  Südamerika.  Der  Gegensatz  von  Gebirgs- 
und  Tiefland  dürfte  eine  ziemliche  Mannigfaltigkeit  des  Eüümas  hervorrufen, 
doch  wissen  wir  darüber  nichts  Sicheres. 

9.  Peruanische  Provinz,  auch  einen  Teil  von  Chile  bis  zum  30.**  B. 
umfassend.    Regenlos  und  abnorm  kühl. 

10.  Nordchilenische  Provinz,  subtropisch. 

11.  Südchilenische  Provinz,  außerordentlich  niederschlagsreich.  Tem- 
peratur gleichmäßig,  Sommer  kühl. 

12.  Pampas-Provinz.  Regen  nicht  reichlich;  jährliche  Temperatur- 
Schwankung,  wenigstens  im  Norden,  ziemlich  groß. 

Arktische  ProTlns.  Die  Kigentümlichkeiten  des  polaren  Klimas  wurden 
schon  mehrfach  erCrtert  Auch  hier  lassen  sich  viele  Unterabteilungen  unter- 
scheiden. Als  Südgrenze  auf  den  Kontinenten  kann  man  die  10 ^-Isothermen 
des  wärmsten  Monats,  die  annähernd  mit  der  Baumgrenze  übereinstimmt,  an- 
nehmen. 

Sie  SSjihrigen  Sohwanknngen.  Man  hat  schon  lange  darüber 
gestritten,  ob  das  Klima  eines  Ortes  konstant  oder  veränderlich  ist. 
Der  Begriff  der  Veränderlichkeit  muß  aber  schärfer  gefaßt  werden; 


176  Die  Lufthülle. 


wir  haben  zwischen  dauernden  Veränderungen  nach  einer  Richti 
und  periodischen  Schwankungen  zu  unterscheiden,  und  es  ist  auch 
Frage  zulässig,  ob  Bewegungen  beider  Art  nebeneinander  stattfind 

Belehrt  durch  vielerlei  Erfahrungen,  sind  wir  jetzt  zu  der  A 
fassung  geneigt,  daß  die  meteorologischen  Prozesse  regelmäßig 
Schwankungen  unterliegen,  und  zwar  in  der  Weise,  daß  jede  Peric 
wieder  in  eine  Reihe  von  Perioden  kürzerer  Dauer  zerfällt  We 
wir  diese  Schwankungen  im  Sinne  ihrer  gewöhnlichen  graphiscl 
Darstellung  (vgl.  z.  B.  Fig.  37)  als  Wellen  auffassen,  so  können  i 
auch  sagen,  daß  jede  Welle  sich  in  kleinere  auflöst,  diese  wiet 
in  kleinere  u.  s.  w.,  daß  aber  dabei  niemals  ganz  regelmäßige  C 
stalten  entstehen. 

Wir  haben  die  tägliche  und  jährliche  Periode  der  Temperal 
bereits  kennen  gelernt.  Wir  können  die  erstere  unterdrücken,  we 
wir  die  mittleren  Tagestemperaturen  berechnen,  und  die  Aneinand 
reihung  der  letzteren  läßt  uns  die  jährliche  Periode  erkennen.  V 
können  auch  diese  ausschalten,  wenn  wir  das  Jahresmittel  berechn 
Das  zweite  maßgebende  Elimaelement,  der  Regen,  ist  in  seil 
Periodizität  schwieriger  zu  behandeln,  weil  er  nirgends  eine  dauern 
Erscheinung  ist;  doch  ist  auch  er  deutlichen  jährlichen  Schwankung 
unterworfen,  wenn  diese  auch  in  verschiedenen  Gegenden  hi 
stärker,  bald  schwächer  hervortreten. 

In  der  täglichen,  wie  in  der  jährlichen  Temperaturperiode  si 
zwei  Elemente  deutlich  zu  unterscheiden.  Das  periodische  l 
wirkt  stetige  Zunahme  vom  Minimum  zum  Maximum  und  da 
wieder  ebenso  stetige  Abnahme,  und  nur  die  unperiodische 
nicht  an  bestimmte  Zeiten  gebundenen  Veränderungen  rufen  in  de 
streng  regelmäßigen  Verlaufe  der  Temperaturkurve  Störungen  he 
vor.  In  noch  höherem  Grade  ist  das  bei  der  Regenkurve  der  Fa 
Gerade  dieses  unperiodische  Element  suchen  wir  durch  langjährij 
Mittelwerte  zu  beseitigen,  indem  wir  —  wenn  auch  nicht  ganz  z 
trefifend  —  annehmen,  daß  es  ebenso  oft  im  positiven  wie  im  neg 
tiven  Sinne  wirkt 

Reihen  wir  nun  die  klimatologischen  Jahresmittel  eines  Ort 
an  einander.  Kalte  und  warme,  nasse  und  trockene  Jahre  wechse 
mit  einander  ab,  scheinbar  ohne  Gesetzmäßigkeit  Sind  die 
Schwankungen  von  Jahr  zu  Jahr  nur  unperiodische,  oder  steckt  au( 
ein  periodisches  Element  darin? 

Daß  man  das  letztere  so  lange  vergeblich  suchte,  hat  sein( 
Grund  offenbar  darin,  daß  die  unperiodischen  Veränderungen  m 
der  Länge  der  Periode  an  Bedeutung  wachsen.  Zunächst  fand  nu 
Beziehungen  zu  der  einährigen  Sonnenfleckenperiode,*.  die  ai 


li) 


Das  Klima.  177 

den  Erdmagnetismus  und  die  Polarlichter  von  so  entscheidendem 
Einflüsse  ist  Dagegen  ist  sie  in  den  meteorologischen  Erscheinungen 
nur  schwach  ausgeprägt  oder  gänzlich  verwischt  Am  klarsten  tritt 
sie  noch  in  den  Niederschlägen  hervor,  die  mit  der  Zahl  der  Sonnen- 
Hecken  steigen  und  fallen;  aber  nur  in  den  Tropen  ist  diese  Ab- 
hängigkeit von  praktischer  Bedeutung,  insofern  die  Zeit  der  Flecken- 
minima  Dürre  und  häufig  sogar  Hungersnot  bringt  Dagegen  lassen 
die  Temperaturbeobachtungen  es  noch  immer  im  Zweifel,  ob  die 
fleckenarme  Sonne  der  Erde  mehr  Wärme  zusendet  als  die  flecken- 
reiche; und  außerdem  ist  diese  Schwankung  zu  gering,  als  daß  sie 
mehr  als  bloß  theoretisches  Interesse  erwecken  könnte. 

Die  Schwankimgen  der  Gletscher  und  des  Niveaus  abflußloser 
Seen  wiesen  aber  doch  allzu  deutlich  auf  meteorologische  Perioden 
höherer  Ordnung  hin,  die  mit  den  Sonnenflecken  nicht  in  Einklang 
zu  bringen  sind.  Hier  setzte  E.  Bbückneb^  den  Hebel  an.  Er 
untersuchte  die  Wasserstandsschwankungen  einer  größeren  Zahl  von 
abflußlosen  Seen,  Flußseen  und  Flüssen  aus  allen  Gegenden  der 
Erde,  die  Temperatur-  und  Begenmessungen,  die  bis  in  die  Mitte, 
bezw.  den  Anfang  des  18.  Jahrhunderts  hinaufführen;  die  Eisver- 
hältnisse der  russischen  Flüsse,  deren  Aufzeichnungen  ebensoweit 
(betreffs  der  Düna  bei  Eiga  sogar  bis  1556)  hinaufreichen;  die 
sorgfältigen  Aufzeichnungen  über  das  Datum  der  Weinernte  in 
Westeuropa,  die  sich  bis  zum  Ende  des  14.  Jahrhunderts  zurück- 
verfolgen lassen,  und  endlich  die  Nachrichten  über  kalte  Winter, 
die  das  Material  bis  ca.  1000  n.  Chr.  ergänzen. 

Das  Ergebnis  war  die  Entdeckung  einer  durchschnittlich  3 5j äh- 
rigen Periode,  die  zu  der  Häufigkeit  der  Sonnenflecken  in  keinen 
Beziehungen  steht  Jede  Periode  zerfällt  in  eine  kalte  und  eine 
warme  Hälfte;  die  Jahrestemperaturen  steigen  bis  zu  einem  Maxi- 
mum an  und  sinken  dann  bis  zu  einem  Minimum  herunter,  freilich 
noch  unregelmäßiger,  als  die  Tagestemperaturen  innerhalb  der  Jahres- 
periode, weshalb  es  Bbückner  vorgezogen  hat,  fünfjährige  Durch- 
schnittszahlen zu  verwerten,  die  in  ihrem  Wesen  genau  den  Mooats- 
mitteln  entsprechen.  Die  Zeit  zwischen  zwei  Temperaturminima 
schwankt  zwischen  20  und  50  Jahren,  ebenso  wie  auch  die  Zeit 
zwischen  zwei  jährlichen  Minima  nicht  immer  365  Tage  beträgt; 
das  Mittel  von  35  Jahren  ergiebt  sich  aber  aus  verschiedenen  An- 
sätzen, so  daß  es  wenigstens  vorläufig  als  wahrscheinlichster  Wert 
festgehalten  werden  muß. 

Die  Schwankung  erscheint  auf  den  ersten  Blick  nicht  beträcht- 
lich, nach  der  Tabelle  auf  S.  178  nur  höchstens  1  ®  C,  in  der  Periode 
1836 — 70  sogar  nur  O,^**.     Aber  man   muß  beachten,   daß  bei   der 

Sdpam,  Physische  Enlkundo.   2.  Aufl.  12 


178 


Die  Lufthülle. 


Klimaschwankungen.  ^ 


^t 


Jahre 

Temperatur 

Regen 
(Prozente) 

Seen 

Beginn 

der  Grletschei 

bewe^ungen 

1731—1735 

-  0,84  0 

-  4 

1735  Forstoß 

1736—1740 

-   0,48* 

+  9 

1740  Max. 

1741—1745 

-   0,85 

-6* 

1746—1750 

+  0,44 

+  6 

1750  Rückzoi 

1751—1755 

+  0,18 

+  5 

1756—1760 

-0,08 

-  3 

1760  Min. 

1761-1765 

-  0,10 

+  0 

1766—1770 

-  0,42* 

-4* 

1767  Vorstoß 

1771—1775 

+  0,24 

+  7 

1776—1780 

+  0,15 

-  2 

1780  Max. 

1781—1785 

+  0,18 

-  2 

1786-1790 

-0,11 

+  2 

1791—1795 

+  0,46 

-  2 

1796-1800 

+  0,07 

-  1 

1800  Min. 

1800  Rückgan 

1801  —  1805 

+  0,26 

-  4* 

1806—1810 

-0,18 

+  8 

1811—1815 

-   0,48* 

+  0 

1814  Vorstoß 

1816—1820 

—  0,85 

+  0 

1820  Max. 

1821—1825 

+  0,66 

-2 

1823  Rfickgan 

1826-1830 

+  0,14 

-0 

1831—1835 

+  0,08 

-  8* 

1885  Min. 

1836—1840 

-  0,89* 

-  5 

1840  Vorstoß 

1841—1845 

-0,00 

+  1 

1846—1850 

-0,08 

+  8 

1850  Max. 

1851—1855 

+  0,11 

+  1 

1855  Ruckgan 

1856—1860 

+  0,08 

-  4 

1861—1865 

-0,06 

-  5* 

1865  Min. 

1866—1870 

+  0,11 

-  1 

1871—1875 

-0,04 

+  2 

1876—1880 

-0,07 

+  7 

1880  Max. 

1881-1885 

-  0,08* 

+  6 

X  Mittel  aus  sämtlichen  Gruppen  der  Erde;  die  positiven  und  negativ 
Werte  stellen  Abweichungen  von  der  mittleren  Temperatur  bezw.  Jahi 
menge  des  Regens  dar,  im  letzten  Falle  in  Prozenten  der  mittleren  Jahi 
menge. 


Das  Klima. 


179 


•5 
4 


4» 


Zusammenfiwsung  der  Beobachtungsreihen  einzeker  Orte  zu  Gruppen- 
mitteln  und  dieser  wieder  zu  einem  Mittel  für  die  ganze  Erde  viele 
Gegensätze  sich  ausgleichen.  Wir 
können  yermuten,  daß  im  konti- 
nentalen Klima  die  Amplituden 
großer  werden  (im  südwestlichen 
Rußland  z.  B.  bis  2^,  und  mög- 
licherweise findet'auch  eine  Steige- 
rung mit  der  Breite  statt  Die 
DovBschen  Werte  für  die  mittlere 
Abweichung  (s.  S.  87)  geben  viel- 
leicht auch  hierfür  einen  Anhalts- 
punkt ^  wenn  sie  auch  für  unsere 
Frage  nur  mit  großer  Vorsicht  zu 
benutzen  sind. 

Diese  Temperaturschwankun- 
gen treten  gleichzeitig  auf  der 
ganzen  Erde  ein,  die  Ursache 
muß  daher  außerhalb  der  Erde 
liegen,  und  wir  sind  geneigt,  sie 
in  periodischen  Veränderungen  des 
Strahlungsvermögens  der  Sonne  zu 
suchen,  obwohl  es  den  Astronomen 
bisher  noch  nicht  gelungen  ist, 
einen  positiven  Anhaltspunkt  für 
diese  Hypothese  zu  gewinnen.  Mit 
der  Temperatur  schwankt  auch  der 
Niederschlag,  aber  im  G-egen- 
satze  zur  ersteren  nicht  überall  in 
dem  gleichen  Sinne.  Auf  den  Land- 
flächen sind  die  kalten  Hälften  der 
35jährigen  Perioden  zugleich  naß, 
die  warmen  zugleich  trocken;  auf 
dem  nordatlantischen  Ozean  und 
wahrscheinlich  auf  allen  Meeren 
findet  ein  entgegengesetzter  Zu- 
sammenhang statt  Dies  hängt 
mit  den  periodischen  Veränderun- 
gen des  Luftdruckes  zusammen. 
Er  sinkt  in  der  trocken-warmen  Hälfte  auf  dem  nordatlantischen 
Ozean  und  steigt  über*  Europa;  dort  vertieft  sich  das  subpolare 
Minimum,  hier   entsteht   eine  Anticyklone,   die   wirksamer  als  ein 

12* 


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I 


180 


Die  Lufthalle. 


hohes  Randgebirge  uns  von  der  Zufuhr  feuchter  Meeresluft  i 
schneidet.  In  der  feucht-kühlen  Hälfte  gleichen  sich  die  Gegensä 
etwas  aus;  über  dem  nordatlantischen  Ozean  steigt  das  Baromel 
über  Europa  sinkt  es. 

Die  feuchten  und  trockenen  Periodenhälften  decken  sich  nie 
ganz  genau  mit  den  kalten  und  warmen.  Für  Süddeutschland  find 
wir  z.  B.  auf  graphischem  Wege  (vgl.  Fig.  37): 


Temperatur 
Max.  1777,  warm  1773— 1781  x 
Min.  1785,  kalt      1781  — 1788  x 
Max.  1796,  warm  1788— 1809  X 
Min.  1816,  kalt      1809—1824 
Max.  1880,  wann  1824—1836 
Min.  1854,  kalt      1836—1859 
Max.  1866,  wann  1859—1876 


Regen 


—  1815  feucht,  1809  Max. 
1815-1839  trocken,  1824  Min. 
1839—1851  feucht,  1844  Max. 
1851—1869  trocken,  1862  Min. 


Auch  in  der  Tabelle  für  die  ganze  Erde  zeigen  sich  Versch 
bungen  und  Unregelmäßigkeiten,  namentlich  scheint  sich  die  Peric 
1756 — 1805  durch  fast  permanente  Trockenheit  ausgezeichnet 
haben.  Wir  können  aber  noch  nicht  sagen,  ob  diese  Anom« 
thatsächlich  begründet  ist,  oder  ob  sie  nur  in  der  bedauerlicl 
Mangelhaftigkeit  des  Beobachtungsmaterials  ihre  Erklärung  tinc 
Von  der  Größe  der  Regenschwankungen  giebt  uns  jene  Tabelle  k 
richtiges  Bild,  weil  in  dem  Mittel  für  die  ganze  Erde  die  eu 
päischen  Stationen  wegen  ihrer  großen  Anzahl  naturgemäß  doi 
nieren  und  auch  die  nordatlantischen  Gebiete  einbezogen  sind. 
Europa  beträgt  die  Schwankung  nur  14 — 20  Proz.  in  den  e< 
kontinentalen  Gebieten  Asiens  aber  schon  bis  36  Proz.,  in  Barm 
in  Sibirien  z.  B.  über  100  Proz.  der  mittleren  Jahressumme  (18 
bis  1865  durchschnittlich  150,  1881—85  460  mm!).  Solche  Geg< 
den,  die  ja  an  und  für  sich  schon  an  Wasserarmut  leiden,  verändt 
in  der  Trockenzeit  in  der  That  ganz  ihr  Aussehen,  und  hier  greil 
die  Klimaschwankungen  noch  viel  tiefer  als  bei  uns  in  die  mens< 
liehen  Verhältnisse  ein.  Und  doch  fühlen  wir  ihren  Einfluß  sei 
in  Deutschland  schon  schwer  genug. 

Von  den  in  die  physische  Geographie  einschlägigen  Ersch 
nungen  werden  die  Wasserstände  der  Seen  und  Flüsse,  das  Meer 
niveau,  die  Eisbildung  auf  den  nordischen  Flüssen  und  die  Bewegu 
der  Gletscher  am  meisten  beeinflußt;  der  Zusammenhang  tritt  seh 
in  der  Haupttabelle  deutlich  hervor,  noch  besser  aber,  wenn  wir  < 


X  Möglicherweise  muß  auch  in  der  Haupttabelle  (S.  178)  die  lange  Peri( 
175G— 1805  in  zwei  Perioden  1756—1785  und  178G— 1805  aufgelöst  werden. 


Das  Klima.  181 


Alpengletscherepochen  mit  den  Schwankungen  in  Süddeutschland  in 
Vergleich  setzen.^  Wir  legen  auf  das  Verhalten  der  Seen  und  Glet- 
scher das  Hauptgewicht,  weil  sich  darin  auch  noch  größere  Klima- 
perioden widerspiegeln.  Ehe  wir  aber  darauf  eingehen,  wollen  wir 
nur  noch  eine  wichtige  Schlußfolgerung  ziehen. 

Wir  haben  schon  wiederholt  über  die  üngleichmäßigkeit  der 
klimatologischen  Mittelwerte  geklagt  Aus  unseren  Erörterungen 
über  die  35jährige  Periode  geht  klar  hervor,  erstens  daß  nur 
gleichzeitige  Mittelwerte  miteinander  vergleichbar  sind,  zweitens 
daß  kurze  Beobachtungsreihen  selbst  in  den  Tropen  ganz  un- 
genügende Werte  ergeben,  weil  sie  dem  auf-  oder  abwärtssteigenden 
Aste  der  Klimawelle  angehören  können.  Mittel,  die  wirklich  das 
Klima  repräsentieren,  sog.  Normalwerte,  müssen  eine  ganze  Klima- 
periode umfassen,  also  auf  etwa  30 — 35jährige  Beobachtungen  sich 
stützen.  Aber  wir  werden  noch  sehr  lange  warten  müssen,  bis  diese 
Forderung  auf  der  ganzen  Erde  erfüllt  ist;  bis  dahin  müssen  wir 
alle  unsere  Isothermen-,  Isobaren-,  Wind-  und  Regenkarten  als  ziem- 
lich rohe  Skizzen  betrachten. 

Säkulare  Perioden.  Aus  den  Normalmitteln  ist  die  35jährige 
Periode  eliminiert,  wie  aus  den  Jahresmitteln  die  jährliche,  aus  den 
Tagesmitteln  die  tägliche.  Es  entsteht  nun  die  Frage,  ob  die  Nor- 
malmittel,  aneinander  gereiht,  eine  ähnliche  Schwankung  zeigen, 
wie  die  Jahresmittel;  ob  noch  Perioden  höherer  Ordnung  bestehen. 
Ziffermäßig  lassen  sich  diese  nicht  mehr  nachweisen,  denn  wenn 
auch  manche  Temperaturreihen  bis  in  die  Mitte  oder  den  Anfang 
des  18.  Jahrhunderts  hinaufreichen,  so  sind  sie  doch  selten  homogen 
und  überdies  zu  spärlich  verteilt,  um  Rückschlüsse  auf  Bewegungen 
auf  der  ganzen  Erde  zu  gestatten.  Aber  mancherlei  Anzeichen 
haben  wir  doch  in  den  Aufzeichnungen  über  die  Wasserstände  des 
Kaspisees,  die  Eisbedeckung  der  Flüsse,  die  Weinernte,  die  Glet- 
schervorstöße, daß  die  35jährigen  Perioden  nur  Auszackungen 
größerer  Wellen  sind,  die  sich  vielleicht  über  ein  Jahrhundert  und 
mehr  ausdehnen  und  daher  mit  Recht  säkulare  genannt  zu  werden 
verdienen.^  Es  ist  auch  wahrscheinlich,  daß  es  säkulare  Perioden 
verschiedener  Ordnung  giebt;  diejenigen,  die  uns  Blytt  an  der 
Vegetationsfolge  in  Norwegen  und  Schweden  kennen  gelehrt  hat, 
dürften  die  der  höchsten  Ordnung  darstellen.* 

„Die  Torfmoore  des  südlichen  Norwegens,"  sagt  Blytt,  „be- 
stehen, wenn  sie  über  der  höchsten  marinen  Stufe  liegen,  aus  vier 


X    Brückneb  hat  ursprünglich   seine  35jährigen  Schwankungen  säkulare 
genaimt;  es  liegt  aber  auf  der  Hand,  daß  dies  schon  etymologisch  unrichtig  ist. 


182 


Die  Lufthülle. 


Torfschichten  mit  drei  zwischengelagerten  Waldschichten,  nnd 
sind,  seit  sie  sich  anfingen  zu  bilden,  jetzt  zum  vierten  Male 
Wald  bewachsen«  Auf  eine  ähnliche  Anzahl  wechselnder  Peria 
deuten  auch  die  dänischen  Torfmoore  mit  ihren  vier  Torfschichl 
welche  zuweilen  von  Wurzelschichten  geschieden  werden.  Torfino 
mit  allen  drei  Wurzelschichten  sind  aus  Dänemark  bekannt,  glei 
falls  aus  einzelnen  Teilen  Schwedens,  Södermanland,  Smaaland  i 
Dalsland.  Moore  mit  drei  Wurzelschichten  kennt  man  aus  Schlesi 
aus  England  und  Schottland  und  aus  dem  Juragebirge.'' 

Im  norwegischen  Gudbrandsdalen,  unter  61  ^  45'  N.,  finden 
einen  mehrfachen  Wechsel  von  Tuflfen  und  Lehmschichten,  die  Bl^ 
in  folgender  Weise   mit  den  Moor-  und  Wurzelschichten  des  s 
liebsten  Norwegens  und  Dänemarks  zu  identifizieren  versuchte: 


Südlichste  Gegenden 

Gudbrandsdalen 

4.  Periode. 
Wald  der  Gegenwart 
Subatlantiflcher  Torf  (Buchen,  Erlen) 

Erde 

3.  Periode. 

Subboreale  Wurzelßchicht 
Atlantischer  Torf  (Eichen) 

Kiefemtuff 

2.  Periode. 

Boreale  Wurzelschicht 
Infraborealer  Torf  (Kiefern) 

Lehm  und  Dryastuff 
Birkentuff 

1.  Periode. 

Subarktische  Wurzelschicht 
Subglazialer  Torf  (Birken,  Espen) 

Lehm 
Moräne. 

Wir  haben  also  hier  einen  Wechsel  von  langen  trocken-warn 
Zeiträumen  mit  Waldbildung  und  Lehmanhätifung  und  feucht-küh 
Zeiträumen  mit  Moor-  und  Tuffbildungen.  Sie  stellen  vier  gr( 
KlimaweUen  dar,  die  von  der  Eiszeit  bis  in  die  unmittelbare  Geg 
wart  hineinreichen,  denn  der  subglaziale  Torf  ruht  auf  Lehm  i 
alpiner  Silberwurz  (Dryas),  Polarweide  u.  dergl.,  und  dieser  wie^ 
auf  der  glazialen  Grundmoräne.  Aber  jene  südnorwegischen  i 
dänischen  Profile  deuten  zugleich  auch  auf  Perioden  noch  höhe 
Ordnung  hin.  Die  zweite  Periode  scheint  wärmer  gewesen  zu  s 
als  die  erste,  die  dritte  wärmer  als  die  zweite;  in  der  letzte 
hat  aber  die  Temperatur  nach  der  Ansicht  Blytts  einen  Höhepu 
erreicht,  von  dem  sie  in  der  vierten  Periode  wieder  herabsank. 

GeologiBche  Perioden.    Die  BLYTTschen  Perioden  füllen,  wie 
sagt,  die  geologische  Gegenwart,  das  Alluvium,  aus.    Die  vorl 
gehende  Epoche,  das  Diluvium,  zeigt  uns  in  den  Spuren,  die  sie  hini 


Da«  Klima.  183 


lassen  hat,  noch  weit  größere  Elimawellen.    Mit  der  Mehrzahl  der 
heutigen  Forscher  nehmen  wir  in  Europa  drei  Eiszeiten  an,   die 
durch  wärmere  Interglazialzeiten  getrennt  wurden.     Die  erste 
Biszeit  war  die  intensivste;  jede  folgende  war  milder  als  die  Yorher- 
gehende,  aber  auch  die  thermischen   Gegensätze   von   Glazial-   und 
Interglazialzeit  scheinen  sich  successive  abgestumpft  zu  haben.    An- 
knüpfend an  die  erste  BLYTTsche  Periode  haben  wir: 
VI.   Dritte  Eiszeit, 
V.   Zweite  Interglazialzeit, 
IV.   Zweite  Eiszeit, 
in.   Erste  Interglazialzeit, 
n.   Erste  (Haupt-)  Eiszeit, 
I.   Gemäßigte  (pliocäne)  Periode.^ 
In  Amerika  unterscheidet  man  zwei,  nach  anderer  Auffassung 
aber  ebenfalls  drei  Eiszeiten. 

Im  Höhepunkte  der  Glazialperiode  war  das  Gletscherphänomen 
mächtig  entwickelt  Wie  heutzutage  nur  noch  Grönland,  war  da- 
mals ganz  Nord-Europa  unter  einer  Eisdecke  begraben  (vgl.  Taf.  XIII), 
deren  mächtigster  Ausgangspunkt  Skandinavien  war.  In  der  zweiten 
Kiszeit  war  diese  Decke  schon  erheblich  zusammengeschrumpft,  in 
der  dritten  hatte  sich  das  britische  Gletscherzentrum  vom  skandi- 
nayischen  bereits  losgelöst  In  Nordamerika  füllte  den  Raum  zwischen 
der  canadischen  Küstenkette  und  dem  Felsengebirge  ein  gewaltiger 
Gletscher  aus,  der  von  ca.  52 — 59  ^N.  nach  Nordwesten  und  Süd- 
osten floß.  Oöstlich  vom  Felsengebirge  strahlte  das  Inlandeis  von  der 
Gegend  zwischen  dem  Mackenzie  und  der  Hudsonbai  und  von 
Labrador  aus  und  ergoß  sich  sogar  bis  in  die  nördlichsten  Vereins- 
staaten, in  Ohio  und  Indiana  bis  über  den  40.  Parallel,  also  weiter 
wie  in  der  alten  Welt,  wo  selbst  in  Rußland  der  49.  Breitenkreis 
wohl  nirgends  überschritten  wurde.  Alle  Gebirge,  die  jetzt  noch 
Gletscher    tragen,    waren    damals    bis    in    die    Hauptthäler    herab 


X  Von  den  schottischen  Verhftltnissen  ausgehend,  hat  J.  Geikie*  kürzlich 
sechs  Eiszeiten  unterschieden.  Die  erste  ist  älter,  als  die  erste  unserer  Tabelle; 
ob  damals  große  Landeisbildungen  stattgefunden  haben,  erscheint  uns  aber  noch 
nicht  ausgemacht.  Unsere  erste,  zweite  und  dritte  Eiszeit  entsprechen  der 
zweiten,  dritten  und  vierten  Geikies;  die  fünfte  und  sechste  fällt  mit  den  Alteren 
BLYTTschen  Perioden  zusammen.  Daß  die  feuchten  Hälften  dieser  Perioden 
kälter  waren,  als  die  Gegenwart,  lehren  schon  die  Funde  im  südlichen  Norwegen; 
Schottland  erzeugte  damals  noch  Gletscher,  aber  die  Schneehöhe  hob  sich  immer 
mehr  (in  der  vierten  Eiszeit  lag  sie  in  300—500,  in  der  fünften  in  760,  in  der 
sechsten  in  1070  m  Seehöhe).  Der  GEiKiEschen  Auffassung  entspricht  es,  wenn 
man  sagt,  die  heutigen  Gletschergebiete  haben  die  Eiszeit  noch  nicht  ganz  über- 
wunden.   Zwischen  Diluvium  und  Alluvium  giebt  es  eben  keine  scharfe  Grenze. 


184  Die  LafthüUe. 


Ljlil 


vereist;  unsere  alpinen  Gletscher  rückten  bis  an  die  nördlichen  u 
südlichen  Ebenen  vor  und  lagerten  hier  ihre  Moränen  ab.  A\ 
Gebirge,  die  jetzt  schneefrei  sind,  erzeugten  damals  Gletscher,  we 
auch  nicht  sehr  mächtige;  man  hat  berechnet,  daß  die  Schneegrei 
damals  500 — 1300  m  tiefer  lag,  was  einer  Temperaturemiedrign 
von  3 — 4^  entspricht  Man  braucht  also  nicht  zu  ungeheuei 
Wärmeschwankungen  seine  Zuflucht  zu  nehmen,  um  die  Eisz 
zu  erklären.  Jedenfalls  war  aber  der  Niederschlag  beträchtli 
größer,  als  in  der  Gegenwart,  wenigstens  auf  den  Landfläch« 
HuLiiS^  „Pluvialperiode",  die  das  Tote  Meer  so  anschwellen  li( 
daß  es  das  ganze  Ghor  erfüllte,  trat  aller  Wahrscheinlichkeit  na 
gleichzeitig  mit  der  Glazialperiode  ein;  wir  wissen  auch,  daß  < 
Sahara  einst  wasserreicher  war,  daß  Flüsse  damals  Thäler  ausfurcht 
und  in  der  Oase  Chargeh  Steineichen  wuchsen.  In  Zentralasi 
hatten  die  Seen  sich  mächtig  ausgebreitet,  der  Kaspisee  stand  no 
mit  dem  Schwarzen  Meere  in  Verbindung.  Die  schlagendsten  I 
weise  für  die  Gleichzeitigkeit  der  Pluvial-  und  Eisperioden  liefe 
aber  die  großen  Seen  auf  dem  trockenen  Hochlande  der  westlich 
Vereinigten  Staaten,  der  Bonne ville-See,®  dessen  kümmerlicher  Ub< 
rest  der  Große  Salzsee  ist,  der  Lahontan-See®  am  Fuße  der  Siei 
Nevada  u.  a.,  die  so  deutliche  Strandlinien  hinterlassen  haben ,  d 
man  ihre  einstige  Fläche  —  109  300  qkm  gegen  15  400  qkm  in  d 
Gegenwart  —  ziemlich  genau  ermitteln  konnte.  Entscheidend  i 
daß  hier  zwei  Schwellungsperioden,  entsprechend  zwei  Eiszeitc 
deutlich  erkennbar  sind,  und  daß  in  der  Zwischenzeit  die  See 
bedeckung  wahrscheinlich  unter  das  gegenwärtige  Maß  herabsai 
Die  Interglazialzeiten  werden  jetzt  vielfach,  wenn  auch  in  nie 
ganz  unanfechtbarer  Weise,  als  Trockenperioden  aufgefaßt,  die  selb 
Mitteleuropa  in  Steppen,  ähnlich  den  heutigen  südrussischen,  ui 
schufen.  Die  Fauna  des  mitteleuropäischen  Löß,  für  dessen  int€ 
glaziales  Alter  vieles  spricht,  ist  von  Nehring  als  eine  echte  Steppe 
fauna  erkannt  worden.  ^^ 

Wir  bewegen  uns  bei  allen  diesen  Untersuchungen  freilich  no( 
auf  unsicherem  Boden.  Zunächst  entsteht  ja  die  Frage,  ob  d 
Eiszeit  wirklich  ein  wiederkehrendes  Phänomen  ist,  oder  ob  sie  bi 
her  einzig  in  der  Geschichte  der  Erde  dasteht.  Und  auch  in  let 
terem  Falle  sind  die  Aussichten  in  die  Zukunft  schwankend.  Na( 
BrERMANNs^^  Ansicht  haben  wir  keine  neue  Gletscherperiode  mal 
zu  befürchten,  weil  die  Sonne  mit  fortschreitender  Kontraktion 
einen  wärmeren  Zustand  übergeht,  der  den  Ausfall  der  Eigenwärn 
unseres  Planeten  zur  Genüge  deckt  Zu  einem  ganz  anderen  Schlus 
gelangt  Dübois,  ^^  trotzdem  daß  auch  er  die  Ursache  der  geologische 


Das  Klima.  185 


Kümaänderungen  in  die  Sonne  yerlegt.  Bis  zur  Tertiärzeit  war 
unsere  Wärmespenderin  ein  weißer  Stern,  dessen  heißere  Strahlen 
ein  üppiges  organisches  Leben  auf  der  ganzen  Erdoberfläche  ins 
Dasein  riefen.  Dann  folgte  eine  verhältnismäßig  kurze  Übergangs- 
periode aus  dem  weißen  ins  gelbe  Stadium,  der  die  sich  vollziehende 
Abkühlung  der  Erdoberfläche  in  der  Tertiärzeit  entspricht.  Am 
Beginne  haben  wir  in  Mitteleuropa  noch  tropisches  Klima,  Grönland 
trug  noch  unter  70®  B.  eine  reiche  Waldflora  von  Sequoien,  Cypressen, 
Eichen,  Wallnußbäumen  u.  s.  w.,  und  diese  verbreitete  sich  auch  über 
Island  und  Spitzbergen.  In  der  Miocänzeit  ist  das  mitteleuropäische 
Klima  schon  subtropisch,  in  der  Pliocänzeit  schon  gemäßigt,  gleich 
dem  gegenwärtigen.  Nun  ist  die  Sonne  im  gelben  Stadium  an- 
gelangt. Eigentümlich  sind  dieser  Entwickelungsphase  gewisse  Schwan- 
kungen, die  durch  das  Auftreten  chemischer  Verbindungen  erzeugt 
werden.  Dann  erhält  die  Sonne  eine  rötliche  Farbe,  ihr  Sirahlungs- 
vermögen  nimmt  ab,  es  beginnt  die  Eiszeit.  Im  Diluvium  trat 
dieses  Phänomen  zum  ersten  Male  auf,  aber  nun  gehört  es  zum 
dauernden  Inventar  der  Erde.  Eiszeiten  und  Interglazialzeiten  werden 
wechseln,  bis  die  Sonne  endlich  dauernd  rot  geworden  ist  und  end- 
lich ganz  verdunkelt.  Dann  kommt  die  Nacht,  auf  die  kein  Tag 
mehr  folgt. 

Dieses  Lehrgebäude  würde  zusammenstürzen,  wenn  es  gelänge, 
fiir  die  vielfach  behauptete  Eiszeit  gegen  Ende  der  paläozoischen 
Epoche  mehr  Anhaltspunkte  zu  gewinnen,  als  es  bisher  leider  der 
Fall  war.  Sie  würde  uns  lehren,  daß  auch  die  tertiäre  Tropen- 
periode, von  der  wir  oben  sprachen,  nur  eine  Welle  war,  der  nicht 
bloß  eine  tiefe  Depression  folgte,  sondern  auch  voranging,  und  wir 
dürften  erwarten,  daß  die  Erde  wieder  einmal  von  einer  warmen 
Hauptwelle  überflutet  werde.  Dann  würde  das  Wort  Ben  Akibas 
eine  höhere  Bedeutung  gewinnen:  „Es  ist  alles  schon  dagewesen." 
Aber  wie  gesagt,  zu  der  Kette  dieser  Schlußfolgerungen  fehlen 
noch  viel  mehr  Glieder,  als  wir  in  Händen  haben. 

Übersicht  der  Schwankungen.  Als  erwiesen  mögen  dagegen 
folgende  Ordnungen  von  Klimaschwankungen  gelten: 

Erster  Ordnung  sind  die  geologischen  Wellen,  wie  sie  sich 
von  der  Pliocänzeit  bis  in  die  Gegenwart  deutlich  verfolgen  lassen. 
Wir  können  annehmen,  daß  jede  dieser  primären  Wellen  wieder  in 
eine  Reihe  untergeordneter  Schwankungen  zerfallt,  nachweisbar  ist 
dies  aber  nur  bei  der  letzten,  zu  der  die  Gegenwart  gehört. 

Zweiter  Ordnung  sind  die  säkularen  Wellen,  von  denen 
die  BLYTTschen  wohl  den  höchsten  Rang  einnehmen;  daß  auch 
kürzere  noch  existieren,  ist  höchst  wahrscheinlich,  aber  bisher  weder 


186 


Die  Lufthülle. 


geognostisch  noch  zifiFerDmäßig  sicher  nachgewiesen,  so  daß  wir 
läufig  als  Schwankungen 

Dritter  Ordnung  die  35jährigen  oder  BBüCEKEBschen 
zeichnen  müssea. 

Vierter  Ordnung  sind  dann  die  jährlichen  und 

Fünfter  Ordnung  die  täglichen  Schwankungen. 

In  einer  Beziehung  sind  aher  die  täglichen  und  jährlic 
Schwankungen  ganz  anderer  Art,  als  die  längerdauemden.  Da 
nämlich  durch  die  verschiedene  Stellung  der  Erde  zur  Sonne  " 
vorgerufen  werden,  so  tritt  jede  Phase  immer  nur  auf  der  einen  I 
hälfte  auf,  nicht  gleichzeitig  auf  der  ganzen  Erde,  wie  wir  es  we 
stens  von  der  35jährigen  Temperaturperiode  annehmen  müs 
Die  säkularen  Schwankungen  sind  bisher  überhaupt  nur  für  einen  < 
begrenzten  Eaum  nachgewiesen  worden,  und  was  die  großen  Eüsze 
betrifift,  so  können  wir  zwar  wohl  sagen,  daß  sie  überall  dilu 
sind,  aber  nur  vermuten,  daß  der  Höhepunkt  der  Vergletscherung 
beiden  Halbkugeln  wirklich  gleichzeitig  eintrat.  Die  bisheri 
kosmischen  Theorien,  von  denen  die  von  Groll ^^  die  bekannt 
ist  und  auch  jetzt  noch  viele  Anhänger  zählt,  erklären  die  Eis 
durch  das  Zusammenwirken  der  periodischen  Störungen  der  I 
bahn,  nämlich  der  Exzentrizität,  der  Schiefe  der  Ekliptik  und 
Vorrückens  des  Perihels.  ^  Darnach  wäre  die  Eiszeit  zwar  i 
periodisch  wiederkehrende  Erscheinung,  aber  auf  der  nördlic 
und  südlichen  Halbkugel  alternierend,  wie  die  Jahreszeiten. 


>^  Die  für  die  Vergletscherung  einer  Halbkugel  günstigsten  Verhält] 
sollen  dann  eintreten,  wenn  sie  den  Winter  bei  größter  Exzentrizität  im  Aphel 
Sie  ist  dann  160,S2  Mill.  km  von  der  Sonne  entfernt  und  bat  200  Tage  Wi 
(35  Tage  mehr  als  das  Sommerhalbjahr).  Jetzt  hat  die  Südhemisphäre 
Winter  im  Aphel,  aber  bei  der  gegenwärtigen  geringen  Exzentrizität  (Entfen 
von  der  Sonne  lb\,i2  Mill.  km)  ist  ihr  Winterhalbjahr  nur  7  Tage  länger  als 
Sommerhalbjahr.  Übrigens  betrachtet  Groll  die  kosmischen  Verändenii 
nur  als  indirekte  Ursachen  der  geologischen  Klimaschwankungen.  Sie  bewi 
eine  Verschiebung  des  Kalmengürtels,  der  jetzt  zum  großen  Teil  auf  unj 
Halbkugel  liegt,  nach  jener  Hemisphäre,  die  den  Winter  im  Perihel  hat,  und  d 
auch  eine  Änderung  im  Regime  der  Winde  und  Meeresströmungen,  die 
Landklima  in  so  hohem  Grade  beeinflussen.  Es  ist  beachtenswert,  daß  Bli 
der  den  Grundgedanken  der  CROLLSchen  Theorie  völlig  teilt,  wenigstens  füi 
Atlantischen  Ozean  zu  einer  geradezu  entgegengesetzten  Ansicht  gelangt, 
erzeugt  nicht  der  perihelische,  sondern  der  aphelische  Winter  höhere  Wa 
denn  er  verschärft  den  Gegensatz  von  Land-  und  Seeklima  und  steigert  dad 
die  Windgeschwindigkeit  und  den  Golfstrom.  Freilich  betrachtet  Blttt  die  Ei 
nur  als  ein  lokales  atlantisches  Phänomen,  zu  dessen  Erklärung  er  nocl 
Absperrung  des  Golfstroms  durch  eine  Landbrücke  von  Europa  nach  Gröi 
zu  Hilfe  ruft. 


Dh8  Klima.  187 


haben  aber  bereits  (8.  46)  erfahren,  daß  trotz  aller  Schwankungen 
der  Erdbahn  jede  Halbkugel  immer  gleich  viel  Wärme  erhält;  und 
wenn  sich  die  CnoLLsche  Theorie  trotzdem  erhält,  so  findet  dies 
darin  seine  Erklärung,  daß  sie  mit  bekannten  Faktoren  rechnet, 
während  periodische  Veränderungen,  die  auf  die  ganze  Erde  gleich- 
zeitig einwirken,  sich  unserer  Beobachtung  und  Messung  noch  ent- 
ziehen. 

Xlimaändernngen.    Unter  dem  Gesichtspunkte  der  Elimaschwan- 
kungen  betrachtet,  gewinnen  auch  die  verschiedenen,  immer  wieder 
anfbauchenden  Nachrichten  über  die  Änderung  des  Klimas  einzelner 
Gegenden    eine    ganz   neue   Beleuchtung.      Es   wurde   darüber   ein 
zeitweise   erbitterter   Streit  geführt,   aber   Gegner   und   Verteidiger 
können  sich  heute  die  Hand  reichen,  ohne  ihre  Ansichten  gänzlich 
ändern   zu  müssen.     Nur  müssen   die   ersteren   zugeben,   daß   das 
Klima  in  der  That  nichts  konstantes  ist,  daß  Änderungen  von  ver- 
schiedener Dauer  stattfinden,  und  daß  jede  Generation  solche  Ände- 
rungen   erfährt,    die   ihr   bei   oberflächlicher  Betrachtung   dauernd 
erscheinen    können.     Früher    sagte    man,    das   Klima   ändere   sich 
lokal,   aber   dauernd;  jetzt   sagen   wir:    die  Klimaänderungen  sind 
zeitlich  beschränkt,  aber  allgemein.     Da  wir  nur  mit  Normalwerten 
operieren,  so  können  wir  die  Grenzen  der  Klimaprovinzen  im 
großen  und  ganzen  als  konstant  betrachten,  vom  Standpunkt 
der  säkularen  Schwankungen  betrachtet,  sind  sie  es  aber  wahrschein- 
lich nicht    Nur  muß  man  in  dieser  Beziehung  größte  Vorsicht  walten 
lassen,   weil   die  Nachrichten,   aus  verschiedenen   Zeiten   stammend, 
sehr  leicht  nur  die  BnüCKNEEschen  Perioden   widerspiegeln  können, 
und   daher  nicht   einfach   aneinander  gereiht   werden   dürfen.     Es 
könnte  dann  leicht  geschehen,  daß  wir  nur  die  absteigenden  Äste 
aufeinander  folgender  S^limawellen  wahrnehmen,  nicht  aber  die  da- 
zwischen liegenden  aufsteigenden,  und  dieß  könnte  zu  ganz  falschen 
Schlüssen  führen.  Selbst  solche  Zeugnisse,  die  gut  in  den  Bahmen  der 
säkularen  Klimaschwankungen  Blytts  hineinpassen,  müssen  sorgfältig 
geprüft  werden,  und  selten  gelingt  es,  die  Ursachen  einer  Veränderung 
reinlich  voneinander  zu  scheiden.     Hat,  wie  man  von  Zeit  zu  Zeit 
immer  wieder  behauptet,  stetige  Eegenabnahme  Griechenland,  Klein- 
asien, Syrien  und  andere  Kulturstätten  des  Altertums  zur  Verödung 
und  Barbarei  verurteilt,  oder  ist  nur  die  üntüchtigkeit  der  jetzigen 
Bewohner    dafür    verantwortlich    zumachen?     Wahrscheinlich    das 
letztere,    denn    einerseits    hat    üngeb    schon   vor   Jahren   nachge- 
wiesen,   daß   jene   Länder    auch    im   Altertume   an   Wassermangel 
litten,  und  andererseits  blüht  die  alte  Fruchtbarkeit  wieder  auf,  wenn 
—  wie  bei  Urfa,  Aintab,  Mess'r  u.  a.  a.  0.  —  der  Boden  durch  ein 


188  Die  Lufthülle. 


1 


■  I 


I  ausgebreitetes  Kanalsystem  genügend  benetzt  wird.    Für  die  Gebi 

j  an  der  Äquatorialgrenze  der  Subtropenzone  glauben  viele  Forscl 

*  wie  G.  Fbitsch,  Loew,  Fbaas,  Theobald  Fischer  u.  a.,  eine  Klic 

\  änderung  im  Sinne  zunehmender  Trockenheit  nachweisen  zu  könni 

\  aliein    alle    Erzählungen   laufen   doch   nur  darauf  hinaus,    daß 

^  Quellen   und  Flüsse   an  Wasserreichtum   abgenommen   haben  0( 

4  ganz  versiegt  sind;  und  wir  werden  später  sehen,  daß  auch  die  V 

V  nichtung  von  Waldbeständen  und  die  Abnahme  der  Bodenkultur 

j  diesem  traurigen  Resultate  führen  kann,  ohne  daß  die  mittlere  jährli< 

»  Niederschlagsmenge  sich  wesentlich  zu  verändern  braucht    Es  ks 

J  dies    namentlich   der   Fall   sein    in  Ländern,   wo    keine  winterli( 

j  Schneedecke   allmählich   das  Wasser  in   den  Boden  versinken   \l 

i!  und    der   Regen   sich    nur   auf  wenige    Monate    beschränkt      AI 

Zeugnissen  gegenüber  steht  die  durch  Baudenkmäler  verbürgte  Tl 
1  Sache    fest,    daß    der   tunesische  Schott-el-Djerid   in    der  römiscl 

1  Kaiserzeit  ebenso  spärlich  mit  Wasser  gefüllt  war,  wie  heutzuta 

\  Wie  Reichelt  ^^   urkundenmäßig   nachwies,   hatte  der  Weinbau 

Deutschland  um   das  Jahr  1000  seine   größte  Ausbreitung  errei( 
selbst  nach  Niederbayern,  Thüringen  und  Brandenburg  war  er  v 
gedrungen.     Hat   sich    seitdem   das  Klima   verschlechtert?      Nie 
j  zwingt    uns    zu    diesem    Schlüsse.      Der    kirchliche    Gebrauch 

:  Weines  bei  der  Messe  ließ  es,  besonders  den  Klöstern,  wünsche 

y  wert  erscheinen,  ihn  überall  anzubauen,  wo  er  in  günstigen  Jak 

:  eben    noch    fortkommt;    die    Güte    des   Erzeugnisses    spielte    da 

j  keine  Rolle.     Je  mehr  sich  aber  der  Geschmack  und  die  Verket 

mittel  verbesserten,  desto  mehr  zog  sich  der  Weinbau  in  Gegenc 
zurück,    wo    er   noch    als   ein  lohnender  Zweig  der  Landwirtsch 
betrieben  werden  kann.    Sehr  oft  werden  Kulturen  aufgegeben,  ^ 
1  sich  ihr  Erträgnis  aus  äußeren  Gründen  vermindert.    So  verschwim 

allmählich  der  Maulbeerbaum  aus  Südtirol,  weil  die  Konkurrenz  i 
ostasiatischen  Seide  zu  mächtig  geworden  ist,  und  in  einigen  Ja 
hunderten  könnte  ein  Gelehrter  daraus  eine  Klimaänderung  folge 
wenn  ihn  nicht  die  zahlreichen  Geschichtsquellen  der  Gegenw 
:  über  die  wahren  Ursachen  belehren  würden.     Ganz  in  das  Geh 

der  Sage  gehören  die  Nachrichten  vom  einstigen  Kornreichtu 
Islands,  von  skandinavischen  Ansiedlungen  an  der  Ostküste  Gr< 
lands,  von  der  Gangbarkeit  alpiner  Pässe,  die  jetzt  vergletsch 
sind  u.  s.  w.  Sie  sind  alle  teils  durch  Untersuchungen  an  Ort  u 
Stelle  —  wie  in  Grönland  — ,  teils  durch  die  historische  Kri 
widerlegt  worden,  was  natürlich  nicht  verhindern  wird,  daß  na 
sie  von  Zeit  zu  Zeit  immer  wieder  einem  leichtgläubigen  Publiki 
auftischen  wird. 


Das  Klima.  189 


Sinflaß  des  Waldes.   Die  schwierigste  und  am  meisten  umstrittene 
Frage  ist  die  nach  dem  Einflüsse  des  Waldes  auf  das  Klima.    Daß 
er    als  Windbrecher   wirkt,   ist   eine  tägliche  Erfahrung;    er  bietet 
dadurch  ebenso  Schutz  wie  ein  Gebirge,  nur  in  geringerem  Grade. 
Alle    anderen  Einflüsse  werden  aber  vielleicht  überschätzt.     Jeden- 
falls   haben  die  verschiedenen  Untersuchungsmethoden  verschiedene 
Ergebnisse  geliefert    Wenn  man,  wie  es  z.  B.  Woeikow  that,  große 
Waldgegenden  mit  unbewaldeten  vergleicht,  so  scheinen  überall  die 
ersteren  sich  durch  niedrigere  Jahrestemperatur,  geringere  Wärme- 
schvrankungen  und  reichlichere  Niederschläge  vor  den  letzteren  aus- 
zuzeichnen.    Diese  Methode   ist  aber  nicht  einwandfrei,   weil  man 
möglicherweise  dem  Walde  zuschreibt,  was  in  der  That  eine  Wir- 
kung  anderer  Faktoren   ist     Es  ist  jedenfalls  auffallend,   daß  die 
forstlich-meteorologischen  Beobachtungen  in  Deutschland,  Osterreich 
und    Schweden    einen   so   weit   reichenden   Einfluß   nicht   erkennen 
lassen.  ^^    Es  ist  zwar  festgestellt,  daß  die  Lufttemperatur  unter  den 
Baumkronen   etwas  niedriger   ist   als   in  den  Lichtungen  und  hier 
wieder  etwas  niedriger  als  an  den  benachbarten  Freilandstationen, 
aber    im  Jahresmittel  nur  um  etwa   ^1^^.     Auch  sind  die  Schwan- 
kungen im  eigentlichen  Walde  geringer,  als  in  der  Lichtung  und 
im  Freilande,  denn  das  Laubdach  schützt  namentlich  in  der  Vege- 
tationszeit vor  intensiver  Ein-  und  Ausstrahlung,  und  das  echte  Wald- 
klima nähert  sich  in  dieser  Beziehung  dem  Seeklima.     Gerade  die 
Eigenschaft  des  Windbrechers  hindert  aber  das  Innere  des  Waldes 
in  klimatische  Wechselbeziehung  zum  entfernten  Freiland  zu  treten, 
nur  die  Temperaturverhältnisse  der  Baumkronen  können  durch  Ver- 
mittelung  von  Luftströmungen  auf  größere  Entfernung  wirken,  und 
zwar,    wie   die  Erfahrung   gelehrt   hat,   besonders   in    der   kälteren 
Tageshälfte,  wenn  die  Baumkronen  bei  klarem  Himmel  rascher  er- 
kalten, als  der  nackte  Boden.     Im  großen  und  ganzen  ist  also  der 
Einfluß   des   Waldes   auf  die   Temperaturverteilung,   wenigstens   in 
den  Kulturländern  imserer  Breiten,  ein  sehr  mäßiger;  und  niemand 
wird    behaupten   woUen,    daß   sich   das   Isothermensystem   gänzlich 
umgestalten  würde,  wenn  Europa  und  Asien  von  Ozean  zu  Ozean 
ein    einziger  Wald   wäre.     Noch    zweifelhafter  ist   der  Einfluß   auf 
die  Kegenmenge.     Es  ist  allerdings  wahrscheinlich,  daß  der  Wald 
das  Ansteigen   horizontaler   Luftströme   durch   Stauung   begünstigt, 
und  wir  wollen  auch  nicht  leugnen,  daß  die  Verdunstung  der  Pflanzen 
ebenso   wie   der  Landseen    etwas    zu  den  atmosphärischen  Nieder- 
schlägen  beiträgt,    aber   das  ist   doch   wohl   nur   ein   ganz    kleiner 
Prozentsatz  jener  Feuchtigkeitsmenge,  die  das  Weltmeer  aushaucht. 
Wenn  es  anders  wäre,  könnte  der  Kegen  nicht  mit  solcher  Gesetz- 


I  A 


1869—75 

1875—83 

Wald  der  Zentralprovinzen 

1215 

1369  mm 

Ganz  Indien 

1072 

1074    „ 

J  190  Die  Lufthülle.    Das  Klima. 

^1  mli£igkeit   von   den  Küsten   gegen   das  Innere  der  Festländer  i 

\  H  nehmen.    Es  ist  beachtenswert,  daß  die  forstlichen  meteorologiscl] 

{Stationen  die  Lösung  dieser  Frage  noch  nicht  zu  fördern  v 
mochten;  fiir  uns  ein  Beweis,  daß  es  sich  hier  nur  um  minimi 
Einflüsse  des  Waldes  handeln  kann.  Vielleicht  ist  es  in  den  Trop 
anders.  Blanford  hat  die  Regenverhältnisse  eines  Gebietes  v 
ca.  160000  qkm  in  den  indischen  Zentralprovinzen  vor  und  na 
'  I  der  Bewaldung,  die  1875  begann,  untersucht,  und  um  den  Einfl 

der  Perioden  dritten  Ordnung  auszuschließen,   mit  denen  von  gs 
\  Indien  verglichen.     Das  Ergebnis  war  folgendes: 

i  . 

Das   betreflfende  Gebiet   war  also  vor  der  Bewaldung  um 
nach   derselben   aber   um   27  Prozent   regenreicher   als   Indien 
Gesamtdurchschnitte.     14  Prozent  könnten  also   auf  Rechnung   < 
Bewaldung  gesetzt  werden.    Aber  auch  das  erscheint  uns  noch  ni( 
j    ;  ganz    sicher,    denn    schon    1874,    also    vor   der   Wiederbewaldu] 

begann  dort  die  Regenkurve  stark  anzusteigen,   und  außerdem 
die   mittlere  Regenmenge   eines  Landes   von  so  gewaltigen  Geg< 
Sätzen,  wie  Indien,  ein  zu  schematischer  Wert,  als  daß  er  uns 
Vergleichsobjekt  ein  befriedigendes  Gefühl  der  Sicherheit  erwecl 
könnte. 

Litteraturnach weise.     *  Von  anderen  Prinzipien  ausgehend,  als  i 

J  bat  HüLT  eine  klimatische  Einteilung  entworfen  (in  den  Vetenskapliga  M 

^  delanden   af  geografiska  f5reningen  i  Finland,  I,   1892 — 93).    —    ■  Hahn,  1 

]  Beziehungen    der  Sonnenflecken    zu  meteorologischen  Erscheinungen,    Leip 

I  1877.  —  '  BattcKNEB,  Rlimasch wankungen  seit  1700,  Wien  1890.  —  *  Richt 

1  Geschichte  der  Schwankungen  der  Alpengletscher,  in  der  Zeitschrift  des  D. 

Ö.  Alpenvereins  1891.  —  ^  Blytt,  Zwei  Kalktuff bildungen  in  Gudbrandsdal« 

Beiblatt  .S6  zu  Enolers  Botanischem  Jahrbuch  1892.  —  •  J.  Gbikie,  The  gr 

Ice  Age,  London  1894.  —  ^  Hüll,  The  Survey  of  Western  Palestine,  Lonc 

1886.  —  ®  Gilbert,  Lake  Bonne ville,  Washington  1890.  —  •  Russell,  Greologi 

History  of  Lake  Lahontan,   Washington  1885.  —    "  Nehbing,  Über  Tundi 

und  Steppen  der  Jetzt-  und  Vorzeit,  Berlin  1890.  — -   "  Biebmann,  Zur  Fn 

nach  den  Ursachen  der  Eiszeit;    im  Gymnasialprogramm    Klagenfiirt  1890. 

"   DüBOis,    Die   Klimate    der   geologischen    Vergangenheit,   Leipzig   1893. 

"  Groll,  Climate  and  Cosmology,  Edinburgh  1885.   —  **  Blytt,  Kurze  Üb 

sieht   meiner  Hypothese  von    der   geologischen  Zeitrechnung,   in  den  schi 

dischen  Geologiska  fSreningens  fSrhandlingar,  1890,  Bd.  XII.  —  "  Rbichx 

Beiträge  zur  Geschichte  des  ältesten  Weinbaues  in  Deutschland,    Reatlin^ 

1886.  —  "  Ebebmateb,  Die  klimatische  Wirkung  des  Waldes  auf  seine  ü 

gebung,  in  der  Meteorologischen  Zeitschrift  1895. 


ZT^eiter  Abschnitt. 

Das  Meer.' 


M' 


Morphologie  des  Meeres.* 

[it  der  Luft  teilt  das  Wasser  die  Eigenschaft  der  Beweg- 
lichkeit seiner  Teilchen,  aber  diese  Beweglichkeit  findet 
eine  Schranke  in  der  Gestaltung  des  Gefäßes,  das  das  Wasser  um- 
schließt. 

GUedening  des  Weltmeeres.    Die  Gliederung  des  Landes  spiegelt 
sich  nur  zum  Teil  in  der  des  Meeres  wieder.    Wohl  entspricht  das 
Adriatische  Meer  der  langgestreckten  Gestalt  Italiens  und  der  Ben- 
galische Busen  der  Dreieckform  Vorderindiens,  aber  zwischen  der 
arabischen  Halbinsel  und  den  sie  begrenzenden  Meereseinschnitten 
finden  wir  keine  morphologischen  Beziehungen  mehr.     Ein  so  rudi- 
mentäres Glied,  wie  die  Somalihalbinsel  und  der  nordwestliche  Vor- 
spmng  des  afrikanischen  Festlandes,  ist  der  Golf  yon  Guinea.  Schärfer 
ausgeprägt  sind  schon  die  Arabischen  und  Bengalischen  Meerbusen; 
wir  können  sie  yergleichen  mit  jenen  Halbinseln,  deren  Bergzüge 
sich  ohne  Unterbrechung  im  Festlandsrumpfe  fortsetzen.    Während 
aber  der  Boden   der   genannten  Golfe  allmählich  zur  Tiefsee  sich 
absenkt^  ist  er  in  der  Bafßnbai  trogförmig  gestaltet,  und  eine  Schwelle 
trennt  ihn  von  dem  Becken  des  ofifenen  Atlantischen  Ozeans.     Ein 
Gegenstück  dazu  finden  wir  in  jenen  gebirgigen  Halbinseln,  die  sich 
mittels   eines   Tieflandstreifens   an   den   FesÜandsrumpf  angliedern. 
Macht  sich  die  Trennung  auch  oberseeisch  geltend,  indem  sich  die 
Verbindungsstelle  zwischen  dem  ofifenen  Ozean  und  seinem  Neben- 
raume  zu  einer  schmalen  Pforte  verengt,  so  entsteht  ein  Binnen- 
meer,  das  unter   den   großen  Halbinseln   der  Gegenwart  nur  ein 
typisches  Seitenstück  findet:  die  Krim.     Im  übrigen  sind  auch  die 
Binnenmeere  sehr  verschieden.    Bald  ist  die  Verbindungsstelle  ein 
einziger   schmaler  Kanal,    wie  bei   dem   europäischen   Mittelmeere 
mid  Persischen  Golf,   bald   ist  sie   durch   insulare   Mittelpfeiler  in 
mehrere  Eingänge  geteilt,  wie  bei  der  Ostsee,  Hudsonbai  und  dem 


192 Das  Meer. 

Roten  Meere;  bald  füllen  diese  Meere  tiefe  Einstürze  der  Erdkruste ; 
wie  im  Roten  und  Mittelländischen  Meere,  bald  flach  schüsselforn 
Einsenkungen,  wie  in  der  Ostsee  und  Hudsonbai.  Ganz  eigena 
sind  die  inselabgeschlossenen  Meere  in  dem  Bereiche  : 
trümmerter  Faltenzüge.  Sie  sind  eine  charakteristische  Eigenti 
lichkeit  der  pazifischen  Welt,  die  sie  am  West-  und  Nordra 
umsäumen:  das  Bering-,  Ochotskische  und  Japanische  Meer, 
Ostchinesische  See,  das  Australasiatische  Mittelmeer  bilden  < 
ununterbrochene  Übergangszone  zwischen  dem  größten  Festla 
und  dem  größten  Meere.  Der  Atlantische  und  Indische  Oz 
haben  nur  je  ein  Glied  dieser  Art:  das  amerikanische  Mitteln 
und  das  Andamanische  Meer. 

Die  Binnen-  und  inselabgeschlossenen  Meere  fassen  wir  ui 
dem  Namen  Nebenmeere  zusammen.  Sie  besitzen  im  Gegen» 
zu  den  offenen  Busen  eine  gewisse  Selbständigkeit,  und  zwar 
Binnenmeere  in  noch  höherem  Grade  als  die  inselabgeschlosse] 
weil  sie  von  den  großen  Meeresströmungen  nicht  berührt  wer( 
Sie  gleichen  geschlossenen  Häusern  mit  einem  einzigen  Th 
während  die  Meere,  die  durch  Inselketten  vom  Ozean  geschie 
werden,  offenen  Säulenhallen  ähnlich  sind,  durch  deren  zahlrei 
Eingänge  die  Meeresströme  ungehindert  ein-  und  ausfließen  körn 
sofern  nicht  die  Tiefenverhältnisse  Hindemisse  bereiten.  Die  N< 
;i  See  zählen  wir  nur  aus  konventionellen  Gründen  zu  diesen  Nel 

j  meeren;  in  Wirklichkeit  ist  sie  nur  ein  Meerbusen  mit  durchboh 

j  Rückwand,    der   auch   in   seinem   unterseeischen  Relief  keine  S 

von  Selbständigkeit  verrät. 

Das  Beringmeer  und  das  Australasiatische  Mittelmeer  un 
scheiden  sich  von  den  übrigen  Nebenmeeren  dadurch,  daß  sie 
Durchgangsmeere  zwei  Ozeane  miteinander  verbinden. 
Sueskanal  hat  diese  Eigenschaft  auch  dem  europäischen  Mittelm< 
wieder  zuück  gegeben  und  dadurch  dessen  Bedeutung  außerordent 
gesteigert  Überhaupt  muß  man  zugestehen,  daß  die  Nebenme 
so  sehr  sie  auch  räumlich  hinter  dem  Ozean  zurücktreten  — 
machen  nur  6,4  Prozent  des  Weltmeeres  aus  —  und  nur  als  geri 
fügige  Anhängsel  desselben  erscheinen,  die  menschliche  Entwickle 
in  viel  höherem  Maße  beeinflußten;  gerade  ihre  verhältnisml 
kleinen  Dimensionen  befähigten  sie  dazu,  die  völkerverbindende  K 
des  Meeres  früher  zur  Geltung  zu  bringen,  als  die  ungeheuere  Was 
wüste  des  offenen  Ozeans.  Je  gegliederter  diese  Nebenmeere  s 
um  so  besser  konnten  sie  ihre  Kulturaufgabe  erfüllen.  In  di( 
Beziehung  wird  das  europäische  oder  das  Mittelmeer  schlechtweg 
keinem  übertroffen.     Durch  die  italienische  Halbinsel  zerf&Ut  et 


Morphologie  des  Meeres. 


193 


zwei  Hauptbecken;  das  östliche  besitzt  im  Adriatischen  und  Ägäischen 
Meere  zwei  weitvorgreifende  Glieder  und  spielt  dem  Schwarzen  Meere 
gegenüber  selbst  wieder  die  Bolle  eines  Ozeans.  Einen  ganz  anderen 
Tjpus  repräsentiert  das  Australasiatische  Mittelmeer.  Ohne  hervor- 
ragende Gliederung  zeichnet  es  sich  durch  weitgehende  Individuali- 
sierung seiner  Teile  aus;  namentlich  die  östliche  Hälfte  gleicht  einem 
Zellengewebe,  das  uns  noch  deutlicher  wird,  wenn  wir  die  Tiefen- 
verhältnisse  berücksichtigen.  Die  senkrechten  und  wagrechten  Di- 
mensionen müssen  eben  stets  im  Zusammenhange  betrachtet  werden. 


Fläche  qkm 

MiUlere  Tiefe  m 

Größte 

bekannte 

Tiefe 

Ozeane  und  Nebenmeere     | 

nach 

nach 

nach 

1 

Rabstems 

Kabstens 

MuaRAT 

m 

Arktisches  Meer i 

12  795  850 

820 

l    1150 
J 

4846 

Hadsonbai j 

1  222  609 

130 

202 

Atlantischer  Ozean  .         .     .    ' 

79  776  346 

8760 

4060 

8341 

Kanal  ond  irische  See  .    .   > 

213  381 

60 

80  X 

263 

Nordsee ! 

547  623 

90 

110 

808XXX 

Ostsee 1 

430  970 

70 

100 

427 

Earopäiscbes  Mittelmeer   .   ^ 

2  963  035 

1430 

1310 

4400 

St  Lorenz-Golf     .    .    .    .    i 

219  298 

130 

—  X  X 

572 

Amerikanisches  Mittelmeer  . 

4  584  567 

2090 

1970 

6270 

Indischer  Ozean i 

72  563  443 

3650 

3860 

6205 

Rotes  Meer 

448  810 

460 

690 

2271 

Persischer  QoU    .    .    .    .   . 

236  785 

35 

50 

90? 

Andamanisches  Meer    .    . 

790  550 

800 

—  X  X 

3156 

Großer  Ozean 

161  137  973 

4080 

4420 

8515 

Australasiatisches  Meer 

8  081  780 

980 

940 

5120 

Ostchinesisches  Meer     .    . 

1  242  480 

140 

190 

1100? 

Japanisches  Meer     .    .     . 

1  043  824 

1100 

950 

3000 

Ochotskisches  Meer  .    .    .   , 

1  507  609 

1270 

530 

1300? 

Beringmeer 

2  264  664 

1110 

1160 

3926 

Golf  von  Califomien     .     . 

166  788 

990 

X  X 

2904 

Antarktisches  Meer.    .    .    . 

15  630  000 

1500 

1150 

3612 

0£Fener  Ozean 

341  903  612 

3670 

4000 

8515 

Nebenmeere 

25  964  773 

1220 

1100 

6270 

X    Nur  Kanal.    —     ><^   Dem   offenen   Ozean   zugezählt.    —     xxx   Im 
8kagerrak. 

Supah  ,  Physische  Erdkunde.   2.  Aofl. 


13 


194 Daa  Meer. 

unterseeische  Böschungen.  Der  ozeanographische  Zweig  c 
physischen  Erdkunde  war  bis  in  die  letzten  Jahrzehnte  ein  seltsan 
Gemisch  von  wahren  und  falschen  Vorstellungen,  guten  Beoba< 
tungen  und  willkürlichen  Annahmen;  und  erst  die  wissenschaftliche 
mit  zuverlässigen  Apparaten  ausgerüsteten  Seeexpeditionen,  die  s 
den  sechziger  Jahren  begannen,  und  unter  denen  die  des  britisch 
Kriegsschiffes  „Challenger**(1872 — 76)^  besonders  hervorragt  hab 
eine  wissenschaftliche  Meereskunde  begründet.  Ihnen,  sowie  d 
zahlreichen  Kabellegungen  verdanken  wir  zunächst  eine  richtige 
Vorstellung  von  der  Tiefe  und  Beschaffenheit  des  Meeresbodei 
Aber  selbst  unsere  neuesten  und  besten  Isobathenkarten*  lass 
mehr  ahnen,  als  sie  wirklich  darstellen,  da  die  Lotungen  nicht  bl 
verhältnismäßig  spärlich,  sondern  auch  sehr  ungleichmäßig  verte 
sind.  Sie  drängen  sich  dichter  in  der  Nähe  der  Küsten,  wo  d 
praktische  Bedürfnis  der  Schiffahrer  schon  früh  zu  Tiefenuntc 
suchungen  führte,  während  die  weiten  Flächen  des  offenen  Ozea 
nur  von  vereinzelten  Lotungsreihen  durchfurcht  sind.  Glückliche 
weise  wird  dieser  Übelstand  dadurch  gemildert,  daß  der  Meere 
boden  im  großen  und  ganzen  ebener  ist  als  die  Oberfläcl 
des  Festlandes.  Es  fehlt  dort  das  mannigfaltige  Relief  unsei 
Gebirgslandschaften,  ja  es  ist  fraglich,  ob  die  faltende  Kraft,  c 
unsere  Hochgebirge  geschaffen  hat,  unter  dem  Wasser  überbau 
thätig  ist.  Zwei  andere  Faktoren,  die  die  Details  der  oberseeisch 
Bodenformen  herausmodellieren,  die  Verwitterung  und  die  Erosic 
fehlen  dem  Meeresboden  ganz  oder  wirken  doch  in  einer  ander 
Weise.  Die  Verwitterung  fehlt,  denn  der  Meeresboden  ist  gänzli 
vor  dem  Einflüsse  der  Atmosphärilien  geschützt;  und  wenn  auch  d 
Seewasser  eine  zersetzende  und  auflösende  Wirkung  auf  den  festi 
Meeresgrund  ausübt,  so  geht  dieser  chemische  Prozeß  doch  außc 
ordentlich  langsam  vor  sich,  und  seine  Produkte  werden  nicht  dur« 
Winde  und  fließendes  Wasser  nach  fernen  Gegenden  entführt,  so 
dem  lagern  sich  an  Ort  und  Stelle  wieder  ab.  Zwar  ist  auch  d 
Meerwasser  bewegt,  aber  seine  mechanischen  Wirkungen  reiche 
nicht  tiefer  als  bis  200  m,  und  sind  auch  anderer  Art,  als  die  d 
I  Flüsse :  sie  gehen  ins  Breite  und  schaffen  keine  Sinnen.    Mit  Eine 

I   "  Worte:  die  tieferliegenden  Teile  des  Meeresbodens  sind  nicht  e 

;  Eeich   der  Zerstörung,   sondern   der  Ablagerung,   und   Ablagerui 

i  schafft  in  der  Regel    nicht   neue  Unebenheiten,   sondern   sucht  d 

I  vorhandenen  zu  mildern  und  auszugleichen. 

!  Daher   zeichnen   sich  die  submarinen  Erhebungen   durch  vo 

1  wiegend  sanfte  Böschungen  aus.    Von  der  Küste  sinkt  der  Meere 

boden  gewöhnhch  langsam  bis  200  m  Tiefe,  dann  steiler  bis  3000 


Morphologie  des  Meeres.  195 


und  verlauft  dann  ganz  allmählich  bis  zu  noch  größeren  Tiefen. 
Als  Beispiel  diene  ein  Durchschnitt  durch  den  Atlantischen  Ozean 
in   10^  s.  B.  von  Afrika  bis  zum  Bande  des  westlichen  Beckens. 

Tiefe  Böschung 


Kfiste~200  m 

0« 

14' 

200-1000  „ 

1 

50 

1000—2000  „ 

1 

9 

2000-3000  „ 

1 

9 

3000-4000  „ 

0 

34 

4000-5000  „ 

0 

11 

Ostatiantisches  Becken 

- 

- 

5000—4000  m 

0 

4 

4000—3000  „ 

0 

10 

Verbindungsrücken 

- 

- 

3000— 4000  m 

0 

23 

4000—5000  „ 

0 

15 

5000—6000  „ 

0 

11 

Westatlantisches  Becken  — 

Die  größten  Böschungen  am  afrikanischen  Sockel  entsprechen 
ungefähr  dem  Gefälle  mäßig  steiler  Alpenthäler  (SiUthal  in  Tirol 
z.  B.  1®  27'),  die  Abdachungsverhältnisse  der  Tiefsee  aber  denen 
unserer  Tiefebenen;  so  senkt  sich  z.  B.  die  Poebene  vom  Rande  der 
Alpen  unter  einem  mittleren  Winkel  von  0^  8'  gegen  die  mittlere 
Flußrinne,  und  die  durchschnittliche  Abdachung  der  westdeutschen 
Tiefebene  zwischen  dem  Wiehengebirge  und  der  Hadelnküste  er- 
reicht kaum  den  Wert  von  0**  1'.  Eine  so  völlige  Horizontalität 
mag  wohl  auch  das  ostatlantische  Becken  besitzen,  das  in  unserem 
Durchschnitte  so  breit  ist,  wie  Mitteleuropa  zwischen  Genua  und 
Schleswig;  als  größte  Tiefe  wurde  weiter  südlich  5600  m  gelotet. 
Der  Verbindungsrücken  erhebt  sich  zwar  bis  zu  der  ansehnlichen 
Höhe  von  3000  m  über  die  Becken,  aber  der  Anstieg  von  Osten  wie 
der  Abstieg  nach  Westen  verlaufen  ganz  allmählich,  wenn  auch  der 
letztere  etwas  steiler  ist  Die  Breite  des  Rückens  selbst  ist  etwa 
gleich  der  Entfernung  Berlin-Braunschweig,  sein  höchster  bekannter 
Punkt  in  dieser  Gegend  liegt  2640  m  unter  dem  Meeresspiegel. 

Steilere  Abfälle,  als  wir  hier  kennen  gelernt  haben,  kommen 
aber  an  den  Rändern  der  Festländer  und  ihrer  unterseeischen  Sockel 
häufig  vor.  Die  britischen  Inseln  ruhen  auf  einer  ausgedehnten 
Platte  von  200  m  Tiefe.  Gehen  wir  von  der  westirischen  Küste  unter 
55^  B.  nach  Westen,  so  finden  wir  den  Rand  jener  Platte  erst  in 
102  km  Entfernung,  was  einem  AbfaUswinkel  von  kaum  0®  7'  ent- 
spricht Dann  ändern  sich  die  Verhältnisse  plötzlich;  von  200  bis 
500  m  Tiefe  beträgt  die  Böschung  schon  1®  43',  von  500— 1000  m 

13* 


i 


196 Das  Meer. 

2^  52',  von  1000— 2000  m  sogar  5«  43'.  Da  wir  diese  AbfäUe  al 
Wahrscheinlichkeit  nach  als  Bruchränder  zu  betrachten  haben, 
denen  die  marinen  Schollen  in  die  Tiefe  gesunken  sind,  so  müB 
wir  eigentlich  noch  höhere  Böschungswerte  erwarten,  und  ursprü] 
lieh  mögen  sie  wohl  auch  höher  gewesen  sein,  bis  die  ins  M 
hinausgeführten  festländischen  Sedimente  die  Bruchflächen  verhüllt 

Nach  DiETBiCHS  Untersuchungen^  hat  es  den  Anschein,  ( 
die  durch  Bruch  vom  Festlande  abgetrennten  Inseln  sich  rascher 
Meer  senken,  als  die  Kontinente  selbst;  die  steilsten  unterseeiscl 
Böschungswinkel  —  über  50**,  wie  sie  selbst  in  den  Gebirgen 
den  Seltenheiten  zählen  —  finden  wir  aber  nur  bei  den  vulkaniscl 
und  Koralleninseln.  Auch  mitten  im  Ozean  begegnen  wir  manchi 
großen  Tiefen  unterschieden  auf  kurze  Entfernung,  teils  an  E 
brüchen,  wie  im  Osten  des  Tongaarchipels  (bis  zu  7^,  teils  an  i 
Herten  Bergen,  die  wahrscheinlich  vulkanische  oder  sedimenti 
Aufschüttungen  auf  dem  Meeresboden  sind.  Der  Südabhang  ^ 
submarinen  felsigen  Faradayhügel  (49  ^  N.,  29  ^  W.),  senkt  sich  ue 
Winkeln  von  19  bis  35^,  und  die  Daciabank  an  der  marokkaniscl 
'  Küste  (31®  N.,  1 3V2®  W.)  erhebt  sich  mit  einer  mittleren  Böschung  ^ 

I  27®  aus  dem  4000  m  tiefen  Boden  bis  zu  90  m  unter  dem  Meeresspiei 

Eelief  des  MeeresbodenB  (s.  Karte  I).  An  das  Festland  schli 
sich  zunächst  der  Strand,  jener  amphibische  Gürtel,  der  bei  Ho 
wasser  Meeresboden  und  bei  Niederwasser  Land  ist.  Muiu 
schätzt  die  Länge  aller  Küsten  auf  200000  km  und  die  mittl 
Strandbreite  auf  0,8  km;  der  Strand  bedeckt  also  eine  Fläche  1 
160000  qkm,  etwa  0,o4  Proz.  der  Meeresfläche  in  ihrer  weites 
Ausdehnung.  Dann  folgt  die  Kontinentalstufe  oder  Flachsee 
200m  Tiefe,  endlich  die  Tiefsee  jenseits  der  Isobathe  von  200 
Der  Gegensatz  von  Flach-  und  Tiefsee  hat  eine  noch  höhere  ] 
deutung,  als  eine  rein  morphologische.  Wir  haben  schon  erwäk 
daß  bis  200  m  die  mechanischen  Wirkungen  des  bewegten  S 
Wassers  reichen,  und  wir  können  noch  hinzufügen,  daß  auch  ( 
Licht  noch  bis  zum  Boden  der  Flachsee  eindringt  und  damit  gl 
andere  Lebensbedingungen  für  Pflanzen  und  Tiere  schafft,  als 
in  der  Tiefsee  vorhanden  sind. 

Es  ist,  wenn  auch  nicht  Gesetz,  so  doch  Regel,  daß  die  tiefe 
Einsenkungen   nicht  in  der  Mitte,   sondern  am  Rande  der  Meei 
becken  liegen.     Im  Pazifischen  Ozean  wurden  Tiefen  von  mehr 
8000  m  nur  im  Westen  gelotet: 

W  55'  N.     152<>  26'  0.  8515  m 

11»  24'    „      148«  16'    „  •  8367,, 

170     4'  S.      172«  14'  W.  8284,, 


H 


Morphologie  des  Meeres.  197 


Im  Atlantischen  Ozean  liegt  die  tiefste  Lotungsstelle  mit  8341  m 
dicht  unter  den  Antillen  in  19^  39'  N.,  66®  26' W.,  im  Indischen 
(6205  m)  ebenso  dicht  an  den  Suda-Inseln  unter  11<>22'S.,  116®  50'  0. 

Die  allerdings  spärlichen  Lotungen  südlich  von  60®  siidl.  B. 
lassen  vermuten,  daß  der  Boden  des  antarktischen  Meeres  ein  Plateau 
von  kaum  mehr  als  1000— 1500  m  Tiefe  bildet  Größere  Tiefen 
wurden  nur  südlich  vom  Indischen  Ozean  gefunden,  südlich  vom 
Großen  Ozean  übersteigt  nur  eine  Messung  2000  m,  und  jenseits 
des  Polarkreises  lotete  Hess  nur  Tiefen  von  350 — 1100  m.  Von 
diesem  antarktischen  Plateau  senkt  sich  der  Boden  nach  Norden 
zu  den  eigentlichen  ozeanischen  Tiefbecken.  Am  einfachsten  ist  der 
Bau  des  indischen  Beckens,  das  zwischen  1883  und  1887  mehr- 
fach durchquert  wurde.  Die  4000  m  Linie  umschließt  beinahe  den 
ganzen  Ozean,  soweit  er  vom  Festlande  eingerahmt  ist;  die  Osthälfte 
liegt  sogar  unter  5000  m. 

Nach  der  pazifischen  Seite  sendet  das  antarktische  Plateau 
zwei  große  Ausläufer  von  weniger  als  4000m  Tiefe;  das  westliche 
schließt  sich  an  Australien  an  und  trägt  die  Mehrzahl  der  polyne- 
sischen  Inseln,  das  östliche  schließt  sich  an  Südamerika  an  und 
ist  nahezu  inselleer;  nur  im  Westen  scheint  es  mit  dem  Sockel  der 
Paumotu-Eilande  zusammenzuhängen.  Beide  südpazifische  Pla- 
teaus bergen  Einsenkungen,  aber  das  westliche  viel  mehr,  wie  es 
überhaupt  ein  mannigfaltigeres  Relief  besitzt,  als  irgend  ein  anderer 
Teil  des  offenen  Weltmeeres.  Auf  dem  Ostplateau  sind  namentlich 
die  tiefen  Einsenkungen  in  25  und  26®  S.,  unmittelbar  an  der 
chilenischen  Küste,  bemerkenswert;  da  mehr  als  7000  m  gelotet 
wurden,  muß  die  Böschung  des  südamerikanischen  Eontinental- 
massivs  hier  eine  ganz  ungewöhnliche  Steilheit  erreichen. 

Zwischen  den  Plateaus  liegt  das  pazifische  Tiefbecken,  das 
sich  nördlich  von  10  ®N.  beträchtlich  erweitert  und  nun  von  Amerika 
bis  zu  den  asiatischen  Inseln  sich  ausbreitet.  Am  Nordrande  senkt 
es  sich  unter  6000,  am  Westrande  sogar  unter  8000  m. 

Zwischen  25®  N.  und  19®  S.  und  östlich  vom  145.  Meridian 
w.  V.  Gr.  fehlten,  mit  Ausnahme  der  Küstengewässer,  bis  1884  Lotungen 
gänzlich.  Einige  Andeutung  gab  nur  der  Verlauf  der  Flutwellen, 
die  bei  den  Erdbeben  von  Arica  (1868)  und  von  Iquique  (1877)  von 
der  peruanischen  Küste  ausgingen,  durch  den  fraglichen  Meeresraum 
sich  fortpflanzten  und  endlich  die  hawaiischen  Inseln  erreichten. 
Aus  der  Geschwindigkeit  dieser  Wellen  läßt  sich  mit  Hilfe  der 
Formeln  von  Lagrange  und  Rüssel  die  mittlere  Tiefe  des  durch- 
wanderten Meeres  berechnen.  Die  von  F.  v.  Hoghstetteb^  und 
Geinitz^  gefundenen  Werte  sind  folgende: 


M 


198 Das  Meer. 

Mittlere  Tief 
Arica — Hawaiische  Inseln  (Mittel  aus  zwei  Berechnungen)  4691  m 

Iquique— Hilo 4252  ,, 

Iquique — Honolulu 4060  „ 

Die  Durchquerung  dieses  ausgedehnten  Meeresteiles  durch  < 
italienische  Kriegsschifif  „Vettor  Pisani"  hat  die  Richtigkeit  die 
indirekten  Messung  völlig  bestätigt,  denn  das  Mittel  seiner  Lotung 
zwischen  Peru  und  Hawaii  beträgt  4569  m.  Über  4000  m  steigt « 
Boden  nur  westlich  von  den  Galapagosinseln  an  und  unter  500( 
sank  das  Lot  nur  an  einer  Stelle. 

Im  Atlantischen  Ozean  trennt  ein  zusammenhängeni 
Rücken,  der  die  S-förmige  Gestalt  des  Ozeans  wiederholt  und  ( 
Träger  der  meisten  vulkanischen  Inselbildungen  ist,  die  beiden  wc 
liehen  vom  östlichen  Becken.  Meist  beträgt  seine  Tiefe  nicht 
heblich  mehr  als  2000  m,  und  nur  im  Norden,  wo  er  sich  sU 
verbreitet,  birgt  er  einige  Einsenkungen.  Eine  Abzweigung  die 
Rückens,  die  in  der  Nähe  von  Tristan  d'Acunha  vom  Hauptkör] 
sich  loslöst  und  zum  afrikanischen  Festlande  hinüberzieht,  schei 
das  Eapbecken  vom  ostatlantischen.^  Wir  werden  später  seh 
wie  wichtig  diese  Anordnung  für  die  ozeanische  Wärmeverteüung 
Tiefen  von  mehr  als  6000  m  sind  in  allen  Becken  mit  Ausnahme 
südöstlichen  gefunden  worden,  die  meisten  und  die  ausgedehnte 
aber  im  nordwestlichen.  Es  läßt  sich  schon  jetzt  mit  Bestimmtl 
aussprechen,  daß  der  nördliche  Seeboden  ein  mannigfaltigeres  Re 
besitzt,  als  der  südliche,  und  daß  in  gleicher  Weise  der  westli' 
vor  dem  östlichen  ausgezeichnet  ist 

Der  nordatlantische  Rücken  geht  endlich  in  das  breite  islf 
dische  Plateau  über,  das  von  der  flachen  Nordsee  nach  Gr 
land  hinüberzieht;  seine  höchsten  Teile,  südlich  von  den  Fär 
und  in  der  Dänemarkstraße,  nähern  sich  bis  auf  649,  bezw.  66( 
dem  Meeresspiegel.  Jenseits  dieser  Erhebung  setzt  sich  das 
lantische  Thal  im  Eismeerbecken  fort,  das  zwischen  Sp 
bergen  und  Grönland  seine  größte  bekannte  Tiefe  erreicht  Di( 
atlantische  Tiefenlinie  ist  die  wahre  Grenze  zwischen  ( 
alten  und  neuen  Welt,  während  im  Beringmeere  eine  Flach 
beide  Landfesten  verbindet  Die  größte  Tiefe  der  Beringstraße 
trägt  auf  Dalls  Messungslinie  nur  52  m  und  damit  hängt  wohl  a 
ihre  geringe  Breite  im  Vergleiche  zu  den  drei  isländischen  Kana 
zusammen. 


><  Da  auf  Karte  1  die  Isobathen  nur  in  Abstunden  von  2000  m  gezeic 
sind,  kommen  einige  Erhebungen  nicht  zur  Darstellung. 


Morphologie  dee  Meeres.  199 


Von  den  Reliefverh&ltnissen  des  übrigen  arktischen  Meeresbodens 
wissen  wir  nur  wenig,  aber  dieses  wenige  läBt  uns  vermuten,  daß 
die  Flachsee  hier  außerordentlich  große  Räume  einnimmt.  Da  nur 
yerhältnismäßig  schmale  Meeresströme  das  polare  Wasser  nach  Süden 
entführen,  so  häufen  sich  die  von  den  großen  Flüssen,  hauptsäch- 
lich Sibiriens,  herbeigeführten  Sedimente  auf  dem  arktischen  Meeres- 
boden wie  in  einem  See  an  und  erhöhen  ihn  beständig.  Dazu  kommen 
noch  die  Moränenlasten  der  Eisberge,  über  deren  Massen  man  freilich 
nichts  Näheres  weiß,  und  Fetzen  des  Meeresbodens,  die  an  das 
G-rundeis  anfrieren,  mit  ihm  in  die  Höhe  steigen  und  wandern.  Doch 
durften  die  Eisberge  für  das  antarktische  Meer  von  größerer  Be- 
deutung sein,  als  für  das  nordpolare.  Die  über  700  km  lange  Neu- 
fundlandbank, die  sich  genau  an  der  Stelle  befindet,  wo  das  von  der 
polaren  Meeresströmung  mitgeflihrte  Eis  mit  dem  warmen  Golfstrome 
zusammentrifft,  wurde  nach  Rodman®  mehr  durch  den  Detritus  des 
Feldeises  aufgehäuft,  und  wächst  noch  in  die  Höhe.  Andere 
Meeresräume  mögen,  wie  Hahn  auseinandergesetzt  hat,  ihre  Flach- 
heit den  Gletschern  der  Eiszeit  direkt  oder  indirekt  (durch  Eisberge) 
Terdanken.  Dieser  Gesichtspunkt  mag  auf  die  Ostsee,  auf  die  Hud- 
sonbai, auf  das  Meer  bei  Patagonien  und  vielleicht  auch  auf  das 
Beringmeer  und  die  Nordsee  Anwendung  finden  (wenn  sich  auch 
wohl  nie  mit  Bestimmtheit  wird  ermitteln  lassen,  bis  zu  welchem 
Grade  diese  Anwendung  gestattet  ist),  aber  keinesfalls  auf  die  austra- 
lischen Flachseen  y  auf  die  Sundasee,  das  Ostchinesische  und  Per- 
sische Meer,  zu  deren  Gestaden  keine  diluvialen  Gletscher  herab- 
stiegen. 

Den  soeben  genannten  flachen  Nebenmeeren  stehen  die 
tiefen  gegenüber,  doch  sind  auch  diese  weniger  tief,  als  die  ozea- 
nischen Becken,  und  nur  an  wenigen  Stellen  sank  das  Lot  über 
4000  m.  In  der  Regel  sind  sie  trogartig  gestaltet,  so  daB  die  ozea- 
nischen Ausgangspforten  flacher  sind,  als  der  innere  Eaum;  ein 
Umstand,  der  für  die  vertikale  Wärmeverteilung  besonders  wichtig 
ist.  Am  typischsten  ist  die  Trogform  im  Roten  Meere  ausgeprägt; 
die  tiefste  Stelle  liegt  fast  genau  in  der  Mitte.  In  anderen  Meeren 
ist  der  Boden  unebener;  am  mannigfaltigsten  ist  das  Relief  des 
australasiatischen,  amerikanischen  und  vor  allem  des  europäischen 
Mittelmeeres.  Das  Eingangsthor  zwischen  den  Kaps  Trafalgar  und 
Spartel  ist  meist  weniger  als  200  m  tief,  und  nur  einige  Durchfahrten 
reichen  unter  400  m  hinab ;  aber  schon  zwischen  Gibraltar  und  Ceuta 
erreicht  die  Tiefe  800  m  und  darüber.  Das  Mittelmeer  selbst  gliedert 
sich  in  drei  Becken  von  mehr  als  2000  m  Tiefe;  das  westliche  er- 
reicht eine  Maximaltiefe  von  3149m,  das  tyrrhenische  eine  solche 


200  Das  Meer. 


von  3731m,  das  östliche  eine  solche  von  4400  m.  Corsica  mit  5 
dinien  und  Italien  mit  Sizilien  und  dem  tunesischen  Landvorspru 
bilden  die  Scheidewände;  in  der  sizilischen  Straße  beträgt  selbst 
größte  Tiefe  nur  454  m.  Das  zur  Hälfte  Hache  Adriatische  IM 
(Maximaltiefe  1590  m)  und  der  Pontus  (2618  m)  sind  echte  Bini 
meere,  das  Marmarameer  (größte  Tiefe  1344  m)  ein  solches  mit  i 
Ausgängen,  das  Ägäische  Meer  (größte  Tiefe  2250m)  eine  du 
Inseln  abgeschlossene  Randbildung.  Auch  hier  bestätigt  sich  sc 
das  Gesetz,  daß  die  Kandmeere  Hacher  sind  als  das  Hauptmeei 
Das  amerikanische  Mittelmeer  zerf&Ut  durch  Landvorsprö 
und  Inseln,  nämlich  durch  Yukatan — Cuba  und  Mosquitolan 
Jamaica— Haiti,  in  drei  Becken,  von  denen  das  mittlere  eine  T 
von  6270  m  erreicht  Ganz  eigenartig  ist  das  Relief  des  aust 
asiatischen  Mittelmeeres.  Zwischen  den  größeren  Inseln  und  Ii 
gruppen  sinkt  der  Boden  zapfenförmig  zu  isolierten  Tiefen  von  4 
bis  5120m  hinab,  während  die  Tiefe  der  sie  untereinander  und 
dem  Ozean  verbindenden  Meeresteile  nur  zwischen  700  und  18C 
schwankt.  Rasche  Bodensenkungen  von  geringer  Ausdehnung  i 
zwar  dem  ganzen  westpazifischen  Ozean  eigen,  aber  nii^ends 
dieser  Charakterzug  schärfer  ausgeprägt,  als  zwischen  Form 
Bomeo  und  Neuguinea. 

Bedeckung  des  Meeresbodens.®  Nur  an  wenigen  Stellen  berl 
das  Lot  Felsboden,  meist  ist  der  Grund  des  Meeres  mit  lockei 
Material  bedeckt.  Die  geologische  Arbeit  nimmt  eben  imgestöi 
Fortgang;  die  Ablagerungen  in  den  Meeren  sind  die  eigentlic 
Alluvionen.  Nach  Ursprung  und  Beschafifenheit  unterscheidet  i 
^  kontinentale  und  pelagische  Ablagerungen.    Das  Material 

den  ersteren  liefert  teils  die  von  den  Meeres  wogen  beständig  bem 
r.  Küste,  teils  das  Innere  der  Festländer,  deren  Zerstörungsprodi 

■    j  durch  die  Flüsse  dem  Meere  zugeführt  werden.  Stets  wird  dasMatc 

[  '1  einem  natürlichen  Schlemmprozesse  unterworfen.  Die  gröberen  Stil 

1^  bleiben   in   der   nächsten  Nachbarschaft  der  Küste,  der  Sand  \ 

i  etwas  weiter  hinausgeführt,  der  Schlamm  am  weitesten.    Die  Küs 

werden  also  in  der  Regel  von  Sandablagerungen  begleitet.  I 
wo  sich  zwei  einander  entgegenkommende  sand-  und  schlai 
beladene  Strömungen  treffen,  lassen  sie  ihre  Last  zu  Boden  fa 
und  bauen  jene  für  die  Schiffahrt  so  gefährlichen  Sandbänke  ( 
Barren  auf,  die  oft  auf  viele  Kilometer  Erstreckung  den  Küi 
entlang  ziehen.  Manche  steigen  dauernd  über  den  Seespiegel 
!  por,  manche  nur  zur  Ebbezeit,   manche  —  und  diese  sind  die 

ftirchtetsten    —    verbergen    sich    stets    unter    dem    Meeresspi( 
Häufig  werden  sie  von  Einsenkungen  unterbrochen,  die  den  Schi 


Morphologie  des  Meeres.  201 


als  Durchfahrten  dienen,  aber  die  Lage  und  Tiefe  dieser  Kanäle  ist 
vielfachen  Veränderungen  unterworfen.  Andere  Barren  sind  nur  zur 
Flutzeit  und  auch  dann  oft  nur  mit  kleinen  Fahrzeugen  passierbar. 

Eies,  Sand  und  Schlamm  bedecken  den  Strand  und  die  Flach- 
see, die  feinsten  erdigen  Massen  oder  der  Schlick,^  an  deren  Zu- 
sammensetzung sich  bereits  auch  Meeresorganismen  in  hervorragen- 
dem Maße  beteiligen,  treten  aber  schon  in  die  Tiefsee  hinaus,  umsäumten 
die  submarinen  Abdachungen  der  Festländer  und  Inseln  und  erfüllen 
den  Boden  der  tieferen  Nebenmeere  mit  Ausnahme  des  amerikanischen. 
Es  ist  besonders  beachtenswert,  daß  nicht  bloß  im  nördhchen  Eis- 
meere, soweit  es  üach  ist,  sondern  auch  im  südlichen  nur  solcher 
Schlick  gefunden  wird,  denn  er  kündet  deutlich  die  Nähe  eines  antark- 
tischen Festlandes  an.  Weitaus  am  verbreitetsten  ist  der  blaue 
Schlick,  der  seine  Farbe  der  Beimengung  von  organischer  Substanz 
und  Eisensulfid  verdankt  Große  Mengen  von  Glaukonitkömem.  die 
meist  Steinkeme  von  Foraminiferen  bilden,  färben  den  Schlick  grün ; 
die  ockerhaltigen  Sedimente,  die  die  großen  südamerikanischen 
Ströme  in  das  Meer  führen,  geben  den  Schlickablagerungen  an  der 
brasilianischen  Küste  eine  rote  Farbe.  Vulkanische  Gestade  liefern 
grauen  Schlamm  und  Sand,  Korallenriffe  eine  amorphe  kalkige  Masse, 
in  der  organische  Bestandteile  in  der  Form  von  Korallentrümmem 
und  Schalen  größerer  und  kleinerer  Meerestiere  bereits  überwiegen 
(vgl.  Tab.  S.  205). 

Den  eigentlichen  Boden  der  Ozeane  —  eine  Fläche,  doppelt 
ßo  groß  als  das  gesamte  Festland  —  bedeckt  organischer  Schlamm 
und  roter  Thon.  Auch  in  Bezug  auf  die  Verbreitung  der  marinen 
Lebewesen  haben  die  Untersuchungen  in  den  letzten  Jahrzehnten 
zu  überraschenden  Resultaten  geführt.  Allerdings  erlischt  das  Pflanzen- 
leben mit  dem  Sonnenlichte  schon  ca.  200 — 250  m  unter  dem  See- 
spiegel, aber  das  Tierleben  kennt  keine  Tiefengrenzen,  wenn  es  auch 
am  reichlichsten  in  der  obersten  und  in  der  untersten  Begion  ent- 
wickelt ist  Die  Tierleichen  fallen  zu  Boden,  und  ihre  festen  Be- 
standteile schichten  sich  hier  in  so  enormen  Massen  auf,  daß  z.  B. 
der  „Travailleur**  an  der  tiefsten  Stelle  des  biskayschen  Meerbusens 
(5100  m)  in  einem  Kubikcentimeter  Schlamm  116  000  Foraminiferen 
und  Radiolarien  fand.  Diese  mikroskopischen  Wurzelfüßer  sind  auch 
hauptsächlich  die  Baumeister  des  organischen  Tiefseeschlammes,  an 
dessen  Zusammensetzung  sich  aber  auch  unorganische  Massen,  Mineral- 
partikelchen und  feinster  Schlamm,  beteiligen.  Diese  Massen  stammen 

X  Die  Engländer  unterscheiden  Ooxe  und  Mud.  Meist  übersetzt  man 
ersteres  mit  Schlamm,  letzteres  mit  Schlick;  andere  bezeichnen  Ooxe  als  Erde 
und  Mud  als  Schlamm. 


202  Das  Meer. 


4 


zum  Teil  noch  vom  Festlande,  ja  nach  Gümbels  Untersuchui 
der  von  der  „Gazelle"  ^^  mitgebrachten  Bodenproben  scheint  s< 
noch  feinster  Flußdetritus  mit  Hilfe  der  Meeresströmungen 
in  den  oflfenen  Ozean  hinaus  zu  gelangen.  Auch  den  Winden 
eine  wichtige  Vermittlerrolle  zu,  indem  sie  Staub  und  vulkani 
Asche  weit  über  die  Ursprungsstätte  hinaus  verbreiten.  Wohl  nirg( 
spielen  die  ozeanischen  Staubfälle  eine  größere  Rolle,  als  im  Gel 
der  Capverdischen  Inseln ;  aber  gelegentlich  werden  auch  westlic' 
Gegenden  heimgesucht  Der  küstenfernste  Punkt,  von  dem  bi 
roter  Passatstaub  gemeldet  wurde,  liegt  in  40,9^  N.  und  37,«® 
der  Staubfall  am  12.  Februar  1882  bedeckte  ein  Areal  von 
527  300  qkm,  fast  von  der  Ausdehnung  des  Deutschen  Reiches.  W 
]  liehe  Staubfälle  kommen  allerdings  durchschnittlich  nur  acht  bis  ne 

\  mal  im  Jahre  vor,  aber  häutig  ist  die  Luft  über  den  capverdise 

j  Gewässern   mit   Staub   erfüllt,    und   weiter   gegen   die    afrikanis 

}  Küste  zu  sind  die   unerwünschten  trockenen  Nebel  eine  bestanc 

/  Erscheinung.     Seit   Hellmanns   und   Dinklages^^   Untersuchun 

I  kann  es  keinem  Zweifel  mehr  unterliegen,  daß  der  nordatlantis 

<  Passatstaub  aus  der  Sahara  stammt,  nicht  wie  seiner  Zeit  Ehbenbj 

annahm,  aus  Südamerika. 

Einer  noch  größeren  Verbreitung  ist  die  feine  Asche  fähig, 

1,  bei  vulkanischen  Ausbrüchen  oft  in  kolossalen  Mengen  in  die  1 

f  geschleudert  wird.     Man  schätzt  die  Totalmenge  der  Auswurfst 

f  bei  dem  berühmten  Krakatau- Ausbruche  im  Jahre  1883  auf  18  1 

Ionen  cbm.  Der  Aschenfall,  der  bis  zu  60  mm  Mächtigkeit  anschw 
erstreckte  sich  von  Singapore  im  Norden,  bis  zu  den  Cocosins 
im  Süden,  und  von  Benkulen  (Sumatra)  im  Westen  bis  Patuha  (Ja 
im  Osten,  d.  h.  über  ein  Gebiet  von  827  000  qkm.  Ganz  um 
gleichlich  ausgedehntere  Wanderungen  imtemahmen  aber  jene  feins 
Aschenmengen,  die  in  die  oberen  Luftströmungen  gelangten  i 
von  diesen  zunächst  über  den  ganzen  Äquatorialgürtel  und  dt 
polwärts  getragen  wurden.  Namentlich  auf  der  Nordhalbkugel  ^ 
die  Luft  nahezu  vollständig  mit  Asche  durchsetzt,  und  erzeu 
dadurch  die  prächtigen  Dämmerungserscheinungen  und  8onsti| 
optischen  Phänomene  im  Herbste  und  Frühwinter  1883,  wie  ähnli( 
auch  schon  früher  nach  großen  vulkanischen  Ausbrüchen  (1818  i 
1831)  beobachtet  wurden.  ^^ 

Solche  gelegentliche  kontinentale  Spenden  stehen  aber  in  ih 
Bedeutung  für  die  pelagischen  Ablagerungen  jedenfalls  zurück  ge{ 
die  Stoffmengen,  die  die  vulkanischen  Ausbrüche  auf  dem  Meei 
boden  selbst  liefern.  Aus  Rudolphs  Untersuchungen,^'  von  dei 
wir  bei  einer  anderen  Gelegenheit  ausführlicher  sprechen  werden,  g 


Morphologie  des  Meeres.  203 


mit  Bestimmtheit  hervor,  daß  solche  submarine  Ausbrüche  überall 
vorkommen,  in  der  Flach-,  wie  in  der  Tiefsee,  auf  den  Rücken  und 
Plateaus,  wie  in  den  Becken  des  Meeresgrundes.   Asche  und  Bims- 
stein bedecken  oft  weithin  die  Meeresfläche,  manchmal  in  solchen 
Massen,  daß  sie  Schiffe  am  Weiterfahren  hindern,  und  sinken  nur 
sehr  langsam  zu  Boden.    Erwähnt  wurde  schon,  daß  das  Seewasser 
den   Felsengrund   des  Meeres   chemisch   zersetzt;    auch   diese  Zer- 
störungsprodukte,  die   der   Verwitterungserde   des   Festlandes   ent- 
sprechen, beteiligen  sich  am  Aufbaue  der  anorganischen  pelagischen 
Ablagerungen;  und  endlich  gesellt  sich  dazu  auch  noch  etwas  kos- 
mischer Staub   in   der  Form    kleiner  Kügelchen   mit  metallischem 
Kern  oder  krystallinischer  Struktur.  Das  Wachstum  dieser  Sedimente 
geht  äußerst  langsam  vor  sich,  jedenfalls  viel  langsamer,  als  das 
der  kontinentalen  Ablagerungen,  und  langsamer  auch,  als  die  Auf- 
schüttung auf  den  Erhebungen  des  Tiefseebodens.     Denn  hier  tritt 
ja   noch   das   organische  Element  hinzu.     Allerdings  bevölkern 
jene  Myriaden  winziger  Organismen,  die  man  jetzt  unter  dem  Namen 
Plankton  zusammenfaßt,^  gleichmäßig  die  tiefsten,  wie  die  seichteren 
Gewässer,  und  ununterbrochen  geht  ein  Regen  von  Kalkgehäusen 
zu   Boden.     Aber  je   tiefer   sie   gelangen,   desto   rascher  verfallen 
sie  der  Zerstörung,  da  der  Eohlensäuregehalt  des  Meerwassers  mit 
der  Tiefe  zunimmt,  und  außerdem  kohlensäurehaltiges  Wasser  unter 
hohem  Drucke  mehr  kohlensauren  Kalk  aufnimmt,   als  unter  dem 
gewöhnlichen  Luftdrücke.     Daraus  erklärt  es  sich,  daß  der  Kalk- 
schlamm   nur   die   mäßiger   tiefen   Abgründe   des   offenen   Ozeans 
bedeckt    Die  größte  Verbreitung  hat  der  Globigerinenschlamm, 
besonders  im  Atlantischen  Ozean  (58  MiU.  qkm);  auch  im  Indischen 
Ozean,  wo  er  den  Westen  und  Norden  einnimmt,  herrscht  er  noch 
vor,  während  er  im  Großen  Ozean  der  Hauptsache  nach  auf  die 
polynesischen  Plateaus  beschränkt  ist     Seinen  Namen  führt  er  von 
der  Foraminiferengattung  Globigerina,  deren  Schalen  weitaus  über- 
wiegen.    Besonders  gerne  folgt  sie  den  warmen  Meeresströmungen, 
und  ihre  weite  polare  Verbreitung  im  Atlantischen  Ozean  verdankt 
sie  nur  dem  Golfstrome. 


X  HicKEL  teilt  die  Salzwasserorganismen  nach  ihrer  Lebensweise  in  drei 
Klassen:  das  Benthos  {ßiv&og  =  die  Tiefe)  umfaßt  alle  festliegenden,  laufenden 
nnd  kriechenden  Organismen,  die  also  an  den  Meeresboden  gebunden  sind ;  das 
Plankton  (TiXavaci  =  umherschweifen)  alle  schwimmenden  Organismen,  die 
widerstandslos  den  Bewegungen  des  Meeres  folgen;  das  Nekton  (vrjxjdg  = 
schwimmend)  endlich  die  kräftigeren  Schwimmer,  die  auch  gegen  die  Strömung 
sich  bewegen  kdnnen.  Zu  den  pelagischen  Ablagerungen  trfigt  das  Plankton 
am  meisten  bei. 


204 


Das  Meer. 


-r: 


.  I 


Auf  dem  mittleren  Rücken  des  südatlantischen  Ozeans  nim 
der  Globigerinenschlamm  durch  die  massenhafte  Anhäufung  i 
Molluskenschalen,  besonders  von  Pteropoden  und  Heteropoden,  eii 
besonderen  Charakter  an.  Man  hat  diese  lokal  beschränkt«  Ab 
des  Kalkschlammes  als  Pteropodenschlamm  bezeichnet. 

In  den  höheren  antarktischen  Breiten  scheinen  die  feinen  Kies 
panzer  der  mikroskopischen  Algenordnung  der  Diatomaceen  diese 
Rolle  zu  spielen,  wie  die  Globigerinenschalen  in  den  übrigen  Meer 
Freilich  ist  es  noch  sehr  fraglich,  ob  der  Diatomeenschi  am 
der  übrigens  auch  einen  großen  Prozentsatz  kohlensauren  Kalkes  e 
hält,  wirklich  ein  ununterbrochenes  breites  Band  um  das  südli( 
Eismeer  schlingt,  wie  es  Murrays  marine  Bodenkarte  darstellt, 
er  ja  nur  an  fünf  Stationen  des  „Challenger"  beobachtet  wurde.  So 
hat  man  ihn  nur  noch  in  der  Nähe  der  Kurilen  gefunden. 

In  aUen  diesen  Ablagerungen  bilden  die  anorganischen  Bestai 
teile  nur  ca.  ^g,  im  roten  oder  Tiefseethon  aber  ^lo  ^®^  Prob 
Im  Atlantischen  Ozean  bedeckt  dieser  die  tiefsten  Einsenkungen  < 
Becken,  während  die  Rücken  und  Plateaus  —  wie  schon  erwähnt 
Globigerinenschlamm  einnimmt;  im  Indischen  Ozean  nimmt  der  r 
bis  schokoladenbraune  Thon  den  tieferen  Ost^n  ein;  im  Pazifiscl 
Ozean  gewinnt  er  aber  seine  größte  Verbreitung  (106  Mill.  qk 
im  Nord-  und  Ostbecken  herrscht  er  nahezu  ausschließlich, 
besitzt  alle  physikalischen  und  chemischen  Eigenschaften  eines  echi 
Thones;  er  ist  weich,  plastisch,  schmierig;  seinem  Hauptbestandtc 
nach  kann  man  ihn  als  ein  Thonerde-Silikat-Hydrat  bezeichnen,  i 
es  aus  der  chemischen  Zersetzung  vulkanischer  Auswürflinge  herv 
geht.  An  einigen  der  tiefsten  Stellen  des  Indischen  und  Gro£ 
Ozean  mischen  sich  mit  ihm  die  kugeligen  Kieselgerüste  der  I 
diolarien  oder  Gittertierchen  in  solchen  Mengen,  daß  man  si 
genötigt  gesehen  hat,  ihn  als  eigene  Art  unter  dem  Namen  Radi 
larienschlamm  auszuscheiden. 

Übersicht  der  Meeresablagerungen. 


Pelagische 
Ablagerungen 

Bestandteile  in  Prozenten 

Tiefengrenze 
m 

Arej 

haltige          haltige 
Organismen  Organismen 

Anorgan. 
Ab- 

Mill.q 

Eoter  Thon 

7 

2 

91 

4100—7200 

133 

Radiolarienschlamin     .     . 

4 

54 

42 

4300-8200 

5 

Diatomeenschlamm .    .    . 

23 

41 

36 

1100-3600 

28 

Globigerinenschlamm  .    . 

64 

2 

34 

700—5400 

128 

Pteropodenfichlamm     .    . 

79 

8 

18 

700—2800 

1 

Summe  d.  pelag.  Ablag.  . 

1        — 

— 

— 

296 

Morphologie  des  Meeies. 


205 


Kontinentale 
Ablagerungen. 

Blaaer  Schlick  .  .  . 
Roter  Schlick  .  .  . 
Grüner  Schlick  .  .  . 
Grüner  Sand  .... 
Vulkanischer  Schlamm 
Vulkanischer  Sand .  . 
Korallenschlamm  .  . 
Korallensand  .... 


Summe  d.kontinent  Ablag, 


Bestandteile  in  Prozenten 


Kalk-       Kieselsftiire-   Anorgan. 
halüge     I     haltige     |       Ab- 
OrganiBmeD.  Orgaoi8ineii|lageraDgeD 


T 


13 
32 
25 
50 
20 
29 
86 
87 


3 
1 

U 
8 
2 
1 
1 
5 


84 
67 
61 
42 
78 
70 
13 
8 


Tiefengrenze 


200—5100 
200—2200 
200—2800 
unter  1600 
500-5100 
200-  800 
200—3300 
unter  500 


Areal 
Mill.  qkm 

37,6 
0,8 

}  2,6 
j  1. 
1       7>» 


-  !       49,4 


Permanenz  der  ozeanischen  Becken.  Da  es  auf  dem  Festlande 
keinen  Punkt  giebt,  der  nicht  ein  oder  mehrere  Male  Meeresboden 
gewesen  ist;  da  nachweisbar  nach  längeren  Kontinentalperioden  das 
Meer  weite  Festlandsräume  überflutete  (Transgression),  so  muß  man 
erwarten,  unter  den  Schichten,  die  unseren  Boden  zusammensetzen, 
sämtliche  Vertreter  der  heutigen  Meeresablagerungen  wiederzufinden. 
Das  ist  bis  zu  einer  gewissen  Grenze  in  der  That  auch  der  Fall. 
Soweit  unsere  Sedimentgesteine  nicht  auf  festländische  Bildungen 
zurückzufuhren  sind,  lassen  sie  sich  nicht  nur  als  alte  Strand-  und 
Flachsee-,  sondern  auch  als  alte  Kontinentalablagerungen  der  Tiefsee 
ohne  Schwierigkeit  erkennen.  Schreibkreide  und  Nummulitenkalke 
sind  höchstwahrscheinlich  alte  pelagische  Ablagerungen,  die  sich 
unter  denselben  Verhältnissen  niederschlugen,  wie  heutzutage  der 
Globigerinenschlamm.  Nur  dem  roten  Thone  ist  man  in  keiner  For- 
mation wiederbegegnet,  und  es  ist  dies  um  so  auffallender,  als  er 
fast  ein  Drittel  des  ganzen  Meeresbodens  einnimmt  Man  hat  daraus 
geschlossen,  daß  die  ozeanischen  Becken,  wenigstens  die  von 
mehr  als  4000  m  Tiefe,  von  jeher  mit  Meer  bedeckt  waren;  der 
Wechsel  von  Land  und  Wasser  würde  sich  also  nur  auf  ca.  68  Pro- 
zent der  Erdoberfläche  vollzogen  haben  und  wohl  auch  in  Zukunft 
darauf  beschränkt  bleiben. 

Diese  Annahme  würde  an  Festigkeit  gewinnen,  wenn  es  sich 
bestätigen  sollte,  daß  die  ozeanischen  Krustenteile  dichter  sind,  als 
die  kontinentalen  (vgL  S.  12). 

Anderseits  sprechen  dagegen  sowohl  Thatsachen  der  Tier-  und 
Pflanzenverbreitung,  wie  auch  geologische  Gründe.  Die  ersteren 
lassen  zum  Teil  wenigstens  auch  eine  Deutung  im  Sinne  der  Per- 
manenz der  Ozeane  zu,  zwingender  sind  dagegen  die  letzteren.  Die 
Bruchränder,  die  jetzt  die  Gestade  des  Atlantischen  und  westlichen 


206 Das  Meer. 

Indischen  Ozeans  bilden,  weisen  darauf  hin,  daß  Teile  alter  F 
länder  in  das  Meer  gesunken  sind,  und  die  Verteilung  der  oberju] 
sischen  Organismen  verlangt  anscheinend  ebenso  gebieterisch  € 
von  der  gegenwärtigen  wesentlich  abweichende  Anordnung 
Wasser  und  Land.  Von  so  verschiedenen  Gesichtspunkten  2 
gehend,  gelangten  Süss^*  wie  Neümayk^^  zu  demselben  Schlu 
daß  sowohl  der  Atlantische,  wie  der  Indische  Ozean  jugendlia 
Alters  sind  und  wenigstens  in  der  Jurazeit  zum  großen  Teil  n 
von  Land  eingenommen  wurden.  Neumaybs  kartographische  E 
Stellung  der  Verteilung  von  Wasser  und  Land  in  der  Juraperi 
zeigt  an  Stelle  des  nord-  und  südatlantischen  Ozeans  zwei  F 
länder,  in  denen  Teile  der  alten  und  neuen  Welt  miteinander  ^ 
schmelzen.  Sie  werden  in  der  Gegend  jener  großen  Bruchzc 
die  noch  heute  einer  der  charakteristischesten  Züge  im  Antlitze 
Erde  ist  (s.  Fig.  7  S.  25),  durch  das  zentrale  Mittelmeer  geschiec 
von  dem  nur  in  den  europäischen  und  amerikanischen  Mittehnee 
noch  dürftige  Reste  und  auch  diese  nur  in  vielfacher  Umgestalt 
erhalten  sind. 

Die  Anhänger  der  Lehre  von  der  Permanenz  der  Ozeane  steJ 
sich    die    geologische  Entwicklung  der  Erdoberfläche  meist  in 
Weise  vor,  daß  die    heutigen  Kontinente   im  Laufe   der  Zeit 
immer  größer  und  zahlreicher  werdenden  Inseln  zusammenschmob 
Es  läßt  sich  übrigens  auch  die  Annahme,  daß  das  Verhältnis  von  Wai 
und  Land  stets  das  gleiche  geblieben   sei,   mit  dem  Lehrsatze 
I  Permanenz  sehr  wohl  vereinigen,  denn  es  giebt  genug  seichte  Meei 

•*  räume,  besonders  auf  den  Polarkalotten,  die  über  den  Wasserspi« 

emporsteigen  konnten,  wenn  das  jetzige  Land  unter  denselben  versa 
I  und  umgekehrt.     Ja  selbst  die  Landkonstruktionen  von  Süess  1 

I  Neümayb  stehen  in  keinem  unlöslichen  Widerspruche  zu  der  Tl 

'  Sache,  daß  der  rote  Thon  in  den  geologischen  Formationen  ni 

vertreten   ist,   denn   wir   kennen   weder   das   Maß   des   Wachsti 
'  und  die  Mächtigkeit  dieser  Tiefseeablagerung,  noch  die  Länge 

I  geologischen  Perioden.    Der  Schluß,  daß  diejenigen  Meeresteile, 

I  heute  im  Niveau  des  Tiefseethones  liegen,  immer  in  demselben 

]  legen  haben  müssen,  ist  ein  ganz  willkürlicher.    Das  einzige,  ' 

^!  wir   folgern    dürfen,   ist   dies:    daß   der  Meeresboden   von   d 

f  Zeitpunkte  an,    wo   er  sich  mit  rotem  Thone   zu   bedecl 

I  begann,  nicht  mehr  Land  wurde. 

Litteraturnachweise.     ^    Hauptwerk   v.  Boqüslawski   und   Rbüm] 
'  Handbuch  der  Ozeanographie,  Stuttgart  1884—87.     Von    fremdsprachigen 

^  besonders  Thoulet,  Oc^anographie,   Paris  1890,  zu  nennen.    Bergbaus,  A 

^  der  Hydrologie  und  Teile  des  Atlas  der  Geologie  (in  Bergbaus'  Physikaliscl 


ÜH 


Das  Meerwasser.  207 


Atlas,  Gotha  1891  ii.92).  —  *  Kbühmel,  Morphologie,  cit  S.  40.  —  *  Das  Chal- 
lenger-Werk  (Report  on  the  scientific  Results  of  the  Voyage  of  H.  M.  S. 
C hallenger;  herausgegeben  von  C.  W.  Thomson  u.  J.  Murbat),  1882—95,  umfaßt 
50  B&nde,  von  denen  aber  40  zoologischen  Inhalt  haben.  Die  geographisch 
^richtigen  Teile  werden  an  den  geeigneten  Stellen  citiert  werden.  —  *  Die 
größten  Tiefenkarten  sind  1.  im  metrischen  Maße  die  ,, Weltkarte  zur  Übersicht 
der  Meerestiefen^^,  herausgegeben  vom  Deutschen  Reichsmarineamt,  Berlin  1893; 
2.  im  englischen  Maße  die  drei  Karten  im  I.  Bde.  der  Summarj  of  Results  des 
Challenger  Report,  1895.  Die  darin  eingeführte  Nomenklatur  können  wir  in 
keiner  Weise  billigen.  —  *  Dietrich,  Untersuchungen  über  die  Böschungsver- 
hftltnisse  der  Sockel  ozeanischer  Inseln,  Greifswald  1892.  —  *  v.  Hochstetteb 
in  PsTEBHAirNs  Mitteilungen  1869,  S.  222.  —  ^  Geinitz  ebendort  1877, 
S.  454.  —  '  RoDMAN,  Report  on  Ice  and  Ice  Movements  in  the  North  Atlantic 
Ocean,  Washington  1890.  (Nr.  93  der  Publikationen  des  U.  S.  Hydro^aphic 
Office.)  —  •  MuRRAT  u.  Renard,  Deep-Sea  Deposits  (Challenger  Report),  London 
1891.  —  >ö  Die  Forschungsreise  S.  M.  S.  Gazelle,  Berlin  1889  u.  1890.  Bd.  II 
enthält  die  ozeanographischen  Ergebnisse.  —  ^^  Dinklagb  in  den  Annaleu  der 
Hydrographie  und  maritimen  Meteorologie  1886,  S.  69  u.  113.  —  "  Symoks, 
The  Eruption  of  Krakatoa,  London  1888;  Kiesslinq,  Untersuchungen  tiber 
DSmmemngserscheinungen ,  Hamburg  1888.  —  ''  Rudolph,  Über  submarine 
Erdbeben  und  Eruptionen,  in  Gerlands  Beiträgen  zur  Greophysik,  1887.  — 
"  Süss,  Antlitz  der  Erde,  cit.  S.  23.  —  "  Neumayr,  Verbreitung  der  Jura- 
formation, in  den  Denkschriften  der  Wiener  Akademie  der  Wissenschaften, 
Mathem.-naturwiss.  Klasse,  1885,  Bd.  L. 


Das  Meerwasser. 

Das  MeereBüivean.  Im  Gegensatze  zu  den  starren  Teilen  der 
Erdkruste  ordnen  sich  die  leicht  verschiebbaren  Teilchen  des  Meeres 
nach  dem  Verhältnisse  von  Schwer-  und  Fliehkraft;  seine  Oberfläche 
repräsentiert  die  wahre  Erdgestalt  (das  Geold),  während  die  Land- 
fläche unter  dem  Einfluß  ganz  anderer  Kräfte  in  unregelmäßigen 
Erhebungen  und  Vertiefungen  verläuft.  Allerdings  wird  auch  der 
Meeresspiegel  von  Wellen  bewegt,  aber  dies  ist  immer  nur  ein  vor- 
übergehender Zustand,  den  wir  durch  eine  zweckmäßige  Pegelauf- 
stellung an  der  Küste  eliminieren  können.  Femer  unterliegt  das 
Meer  auch  der  Anziehungskraft  von  Mond  und  Sonne,  seine  Ober- 
fläche hebt  und  senkt  sich,  was  wir  freilich  nur  an  der  Küste,  wo 
Bewegtes  und  Festes  aneinander  grenzen,  beobachten  können;  aber 
aus  den  Ablesungen  des  wechselnden  Wasserstandes  am  Pegel  können 
wir  das  mittlere  Niveau  oder  das  Mittelwasser  berechnen,  und 
auf  dieses  beziehen  wir  unsere  Höhenmessungen,  während  die 
Tiefenmessungen  von  dem  augenblicklichen  Meeresniveau  ausgehen. 
Die  daraus  entspringende  Ungleichheit  der  Tiefen  ist  indeß  ohne 
Belang,  weil  der  Unterschied  zwischen  Hoch-  und  Niedrigwasser  im 


208 


Das  Meer. 


,1' 


l 


oflfenen  Ozean  äußerst  gering  ist.  Endlich  ist  noch  zu  beach 
daß  das  Meer  infolge  seiner  eigenen  Zusammendrückbarkeit  n 
Taits  Untersuchungen^  eine  durchschnittliche  Niveauemiedrig 
um  35  m  erleidet. 

Wäre  die  Erde  ein  regelmäßiges  Rotationsellipsoid,  wie  i 
es  bei  allen  Berechnungen  ihrer  Größe  voraussetzt,  so  müßte 
Mittelwasser  überall  im  gleichen  Niveau  liegen.  Das  könnte  a 
nur  unter  der  Bedingung  einer  ganz  gleichmäßigen  Massenverteil 
der  Fall  sein,  denn  jede  Störung  derselben  verursacht  eine  "^ 
Schiebung  des  Schwerpunktes  und  dadurch  eine  Ablenkung  des  E 
lotes,  die  sich  aus  der  Diflferenz  der  astronomisch  und  geodät 
gemessenen  Entfernungen  zweier  Oberflächenpunkte  ermitteln  li 
Nun  besteht  aber  die  Erdoberfläche  aus  tiefen  wassergefiillten  Bec 
und  mächtigen  kontinentalen  Anschwellimgen  aus  festem  Grest 
An  der  Grenze  dieser  verschiedenen  Teile  wird,  wie  man  zunä< 
voraussetzen  muß,  das  Lot,  das  uns  die  Richtung  der  Schwerk 
anzeigt,  gegen  das  Festland  abgelenkt,  und  der  Meeresspiegel,  der 
Niveaufläche  senkrecht  zur  Lotlinie  sich  stellen  muß,  wird  hiei 
die  Höhe  gezogen,  was  zur  Ausgleichung  natürlich  eine  Senk 
anderer  Teile  der  Meeresfläche  zur  Folge  hat.  Denken  wir  uns 
Einfachheit  wegen  alle  Kontinente  entfernt  bis  auf  Europa-Aj 
und  das  Meer  durch  Kanäle  unter  dieses  Festland  fortgesetzt 
Zentrum  des  Kontinentes  (48®  N.,  73®  0.)  würde  das  Geold,  b^ 
der  Meeresspiegel'  am  höchsten  ansteigen,  aber  auch  an  dem  < 
gegengesetzten  Punkte  würde  eine  Niveauerhöhung  eintreten,  d 
hier  wirkt  die  Anziehungskraft  der  Festlandmasse  am  wenigsl 
gleichzeitig  wird  aber  auch  der  Schwerpunkt  der  Erde  von  i 
Mittelpunkt  gegen  das  kontinentale  Zentrum  hin  verschoben, 
daß  an  dem  entgegengesetzten  Meridian  der  Abstand  zwisc 
Oberfläche  und  Schwerpunkt  größer  wird,  als  er  es  vor  ] 
Schaltung  des  Festlandes  war.  Zwischen  den  beiden  Erhebun 
liegen  die  Senkungen  der  Meeresfläche.  Helmert*  fand  hie 
folgende  Werte: 


Abstand 

vom 

Festlandszentrum 


Meridian 
(Greenwich) 


Lage  der  deformierten 
Niveaufläche  über(+) 
und  unter  ( —  )  dem  nor- 
malen Niveau 


0« 
180^ 


78  0  0. 
143«  0. 
3«  0. 
107«  W. 


+  504 
-  188 
+  201 


Das  Meerwasser.  209 


In  Wirklichkeit  liegen  mehrere  Festländer  unregelmäßig  zer- 
streut im  Meere,  und  ihre  Wirkungen  auf  das  Geoid  interferieren 
miteinander.  Helmebt  hat  nach  seinen  Berechnungen  eine  Karte 
der  Greoiddeformationen  entworfen,  die  aber  nur  ein  theoretisches 
Interesse  in  Anspruch  nehmen  darf.  Unsere  Kenntnis  von  der 
Massenrerteilung  ist  viel  zu  gering,  als  daß  sich  daraus  schon  zifPer- 
mäßige  Ermittlungen  jener  Deformationen  ableiten  ließen;  und  da 
die  Zahlen  aller  reellen  Bedeutung  entbehren,  so  schweben  natür- 
lich auch  alle  jene  weittragenden  Schlüsse,  die  man  vor  einigen 
Jahren  darauf  baute,  in  der  Luft.  Die  Pendelbeobachtungen,  auf 
die  schon  einmal  {S.  12)  hingewiesen  wurde,  haben  nach  Anwendung 
der  Kondensationsmethode  Helmebts  es  im  höchsten  Grade  wahr- 
scheinlich gemacht,  daß  durch  Massendefekte  in  den  Kontinenten 
einerseits,  durch  größere  Dichtigkeit  der  ozeanischen  Kruste  anderer- 
seits eine  Ausgleichung  angestrebt,  wenn  auch  vielleicht  noch  nicht 
erreicht  wird;  und  1891  konnte  Helmebt  seine  Überzeugung  dahin 
aussprechen,  daß  die  Abweichungen  des  Geoids  von  dem  Normal- 
ellipsoide  nirgends  ±  200  m  übersteigend 

Welche  Gestaltsveränderungen  auch  immer  der  Meeresspiegel 
dadurch  erleiden  möge,  sein  Charakter  als  Niveaufläche  wird  nicht 
berührt  Wohl  geschieht  dies  aber  durch  eine  Reihe  anderer  Ur- 
sachen, einerseits  durch  die  Verschiedenheiten  des  Salzgehaltes, 
andererseits  durch  meteorologische  Einflüsse.  Eine  genauere  Kenntnis 
dieser  Art  von  Störungen  verdanken  wir  Mohns  klassischen  Unter- 
suchungen über  das  europäische  Nordmeer  zwischen  Norwegen,  Schott- 
land, Island,  Grönland  und  Spitzbergen.*  Es  ist  ohne  weitere  Erklärung 
verständlich,  daß  das  Meer,  sobald  es  durch  äußere  Kräfte  in  seiner 
Gleichgewichtslage  gestört  wird,  bestrebt  ist,  durch  Strömungen  seinen 
ursprünglichen  Zustand  wiederherzustellen,  und  daß,  wenn  jene  Ejräfte 
dauernd  wirken,  auch  die  Strömungen  dauernd  erhalten  werden.  Den 
größten  Einfluß  üben  die  vorherrschenden  Winde  und  die  dadurch 
bewirkten  Strömungen  aus,  die  das  nordatlantische  Luftdruckminimum 
umkreisen.  Hier,  von  68<>  N.  1^  W.  bis  71 V^«  N.  3^  0.,  hat  auch  die 
Windfläche,  d.h.  die  durch  den  Wind  allein  deformierte  Meeres- 
fläche, ihren  tiefsten  Stand,  über  den  sie  bis  0,8  m  an  der  europäi- 
schen Küste,  bis  0,9  m  bei  Grönland,  bis  0,6  m  bei  Spitzbergen  und 
bis  0,3  m  bei  Island  ansteigt.  Das  zweite  Störungsmoment  sind  die 
Dichtigkeitsunterschiede,  die  von  der  Verteilung  der  Temperatur  und 
des  Salzgehaltes  abhängen.  Es  ist  bekannt,  daß  verschieden  dichte 
Flüssigkeiten  in  kommunizierenden  Röhren  verschiedene  Niveaus 
einnehmen,  und  zwar  die  dichteste  das  tiefste.  Im  Meere,  wo  die 
Gewässer  von  verschiedener  Dichte  sich  vermischen  können,   wird 

SUPAH,  Phjraiscbe  Erdkunde.   2.  Aufl.  14 


210 Daa  Meer. 

ein  oberflächliches  Stromgefälle  yon  dem  höheren  Niveau  nach  di 

tieferen  entstehen.  Auch  die  Dichtigkeitsfläche  (d.h.  die  durch  c 

Dichteunterschiede  allein  deformierte  Meeresfläche)  steigt  im  Noi 

meere  nach  den  Sandern  an.    Die  Hauptdepressionen  liegen  nördli 

;  1  Yon  Färöer,  östlich  von  Island  (größte  Einsenkung,  0,um  unter  de 

^  l  Normalniveau),  östlich  yon  Jan  Mayen  und  westlich  von  der  Bare 

insel,  d.  h.  dort,  wo  niedere  Temperatur  und  hoher  Salzgehalt  si 

vereinigen.    Bei  Grönland  steigt  die  Dichtigkeitsfläche  auf  0,ä — C 

bei   Spitzbergen   auf  0,«,    bei   Norwegen    auf  0,2 — 0,e  m    über    c 

Normalfläche.    Aus  Wind-  und  Dichtigkeitsfläche  setzt  sich  nun  c 

wirkliche  Stromfläche  zusammen;^    dazu  kommt  noch  als   wer 

;  bedeutendes  Störungsmoment  der  verschiedene  Luftdruck,    der  d 

j^  anderen   Faktoren   sogar  entgegenarbeitet,    weil  er  von  der  Mi1 

J  des    Meeres    gegen    die    Küsten    hin    steigt      Das    Enderzeugn 

die  wirkliche  Meeresoberfläche,  weicht  nur  wenig  von  der  Stroi 

i  flFäche  ab:  sie  bildet  eine  Mulde,  deren  tiefster  Punkt  in  6S^I^^ 

j'  l^W.   liegt   und   dann   nach   allen   Seiten,   zuerst  langsam,   da 

>  schneller    ansteigt     Das   Eüstenwasser    bei    den   Färöer  liegt   C 

j  bei   Island,    Jan  Mayen   und   Spitzbergen  0,6,   bei   Finmarken   ( 

1  ,  bei  Schottland  1 — l,i,   bei  Nowaja  Semlja  l,i,   bei  Grönland,  Jl 

I  >  land   und   im   südlichen  Norwegen   1,4  m   über  jener   tiefsten  Ei 

Senkung. 

Wenn  meteorologische  Vorgänge  auf  den  Wasserstand  besti] 
mend  einwirken,  so  muß  letzterer  notwendig  auch  periodisch( 
Schwankungen  unterworfen  sein.  Eine  jährliche  Periode  ist  i 
die  Ostsee  und  das  Schwarze  Meer  nachgewiesen.  In  der  erster 
fällt  das  Maximum  in  den  August,  das  Miuimum  in  den  April;  d 
Schwarze  Meer  hat  den  höchsten  Wasserstand  im  Mai  und  Ju 
den  niedrigsten  im  Februar.  Die  Anschwellung  an  den  Eüst 
erfolgt  also  in  der  Regenzeit,  wenn  die  Flüsse  mehr  Süßwasser  i 
Meer  fuhren  und  auf  diese  Weise  nicht  nur  jene  fast  abgeschlossen 
Becken  stärker  füllen,  sondern  auch  indirekt  durch  Verringern 
des  Salzgehaltes  das  Niveau  in  die  Höhe  treiben.  Die  sekundär 
Maxima,  das  baltische  im  November  und  das  pontische  im  Dezemb 


X  AIb  Beispiele  dienen  folgende  Stationen: 

Beobachtungsstaüon       (1,033.0.  10«  22' W.         2«    5'  W. 

Höhe  über,  bez.  unter  (— )  dem  Normalniveau. 
Windflftche       ....         0,58om  Ojuem  0,019  m 

Dichtigkeitsfläche     .     .        0,218  „  —  0,112  „  —  0,«i6  „ 

Stromfl&che      ....        0,793  „  0,o84  „  —  0,ooi  „ 


Das  Meerwasser.  211 


bleiben  freilich  noch  unerklärt  Bbückneb^  fand  auch  seine  35jährige 
Periode  in  den  Pegelablesungen  an  der  Ostsee  und  im  Schwarzen 
^feere  ausgeprägt;  ja  selbst  das  Küsten wasser  des  offenen  Ozeans 
steigt,  wie  die  Beobachtungen  an  nordwestlichen  Hafenplätzen  Frank- 
reichs zeigen,  in  der  feuchten  Periodenhälfle  an  (in  Ha  vre  bis 
0,06  m)  und  senkt  sich  in  der  trockenen.  Hier  ist  offenbar  die  Ver- 
ringerung des  Salzgehaltes  durch  das  Flußwasser  das  entscheidende 
Moment. 

Die  Thatsache,  daB  das  Mittelwasser  an  den  Küsten  in  yer- 
schiedenen  Niveaus  liegt,  hat  auch  eine  große  praktische  Bedeutung. 
Die  Höhenmessungen  der  einzelnen  Länder  hören  damit  auf,  streng 
vergleichbare  Werte  zu  sein.  Ja  sogar  innerhalb  eines  und  desselben 
Staates  können  sich  diese  Unzukömmlichkeiten  fühlbar  machen.  In 
Preußen  wurden  vor  1866  alle  Höhenangaben  in  den  östlichen  Pro- 
vinzen auf  den  Nullpunkt  des  Pegels  zu  Swinemünde,  und  in  den 
westlichen  Provinzen  auf  den  Nullpunkt  des  Amsterdamer  Pegels 
bezogen.  Als  sich  nun  Preußen  durch  die  Einverleibung  Hannovers 
zu  einer  kompakten  Ländermasse  zusammenschloß,  war  jener  hypso- 
metrische Dualismus  unhaltbar  geworden.  Man  verlegte  den  Aus- 
gangspunkt des  Nivellements  der  Landesaufnahme  seit  1879  in  die 
Berliner  Sternwarte,  wo  auf  dem  tief  fundierten  Nordpfeiler  der 
,^Normalhöhenpunkt"  angebracht  ist;  genau  37  m  unter  demselben 
befindet  sich  die  „Normalnull'',  auf  die  alle  neuen  Höhenmessungen 
bezogen  werden.  Man  glaubte  ursprünglich,  daß  sie  genau  im  gleichen 
Niveau  mit  dem  Nullpunkte  des  Amsterdamer  Pegels  liege,  in  der 
That  liegt  sie  aber  nach  den  letzten  Berechnungen  0,o4m  unter 
demselben  und  0,212  m  über  der  Swinemünder  Null.  Die  Schweiz, 
die  keine  Meeresgrenzen  hat,  wählte  als  Basis  ihres  Nivellements 
den  Pierre  du  Niton  bei  Genf,  dessen  mittlere  Seehöhe  noch  nicht 
mit  Sicherheit  ermittelt  ist;  man  nimmt  jetzt  als  solche  373,54  m 
an.  In  den  übrigen  Staaten  geht  man  vom  Mittel-  oder  Nieder- 
wasser an  der  betreffenden  Küste  aus,  und  die  Aussicht  auf  eine 
gemeinsame  europäische  Normalnull  dürfte  sich  nicht  so  bald  ver- 
wirklichen, seit  sich  auch  die  internationale  Erdmessungskommission 
dagegen  ausgesprochen  hat  Denn  unter  allen  Umständen  müßte 
diese  Normalnull  an  das  Meer  verlegt  werden,  sonst  würde  man 
auf  jeden  Vergleich  der  europäischen  Höhen  mit  jenen  anderer 
Festländer  und  der  Liseln  verzichten;  aber  mit  der  Wahl  eines 
einzigen  PegelnuUpunktes  würde  man  für  die  entfernteren  Länder 
noch  größere  Fehlerquellen  eröffnen,  als  diejenigen  sind,  unter  denen 
man  jetzt  leidet  Selbst  unsere  feinsten  Nivellements  unterliegen 
nach  BöBSCH  noch  einem  mittleren  Fehler  von  ±  4,42  mm  auf  das 

14* 


212 


Das  Meer. 


Kilometer,  und  andererseits  sind  die  Niveauunterschiede  des  Mitt€ 
Wassers  an  den  verschiedenen  Küsten  jedenfalls  nicht  so  groß,  a 
man  früher  annahm.  Sie  dürften  in  den  europäischen  Meeren  wo 
selten  0,6  m  überschreiten  und  in  den  meisten  Fällen  nicht  einm 
0,1  m  erreichen,  doch  lassen  sich  genauere  Zahlen  bis  jetzt  nur  fi 
wenige  Punkte  geben.  ^ 

Salzgehalt  und   speziflsches   Oewioht     32  Elemente   sind  bi 
lang  im  Meerwasser  nachgewiesen  worden  und  es  unterliegt  keine 

Zweifel,  daß  künftige  ünte 


suchimgen  diese  Zahl  no< 
vermehren  werden.  Sie  e 
scheinen  als  Bestandteile  tei 
des  Wassers  selbst,  teils  d 
absorbierten  Luft  und  Ko 
lensäure,  zum  größten  T< 
aber  der  aufgelösten  chen 
sehen  Verbindungen.  D 
letzteren  bezeichnet  man 
ihrer  Gesamtheit  als  Sal 
gehalt;  dieser  ist  es,  der  de 
Meerwasser  den  eigentüi 
lieh  salzig  bittem  Oeschma 
und  das  hohe  spezifische  G 
wicht  verleiht  Im  allgem< 
nen  kann  man  35  Promi 
als  den  normalen  Salzgehj 
des  offenen  Ozeans  betrac 
ten.  Seine  Zusammensetzu 
ist,  wie  auch  die  zahlreichen  Analysen  der  Challenger-Proben  neue 
dings  wieder  bestätigten,  unter  allen  Breiten  und  Längen  die  gleicl 
und  nur  der  Kalkgehalt  nimmt  mit  der  Tiefe  etwas  zu.  Fobc 
HAMMEE  fand  im  Durchschnitte  in  1000  Teilen  Wasser: 


Fig.  38.    Salzgehalt  des  Atlantischen  Ozeans 
nach  Krümmel^  und  Schott  ^ 


X  Helmert  sagt  darüber:  ,,Da8  Resultat  dieser  Arbeit  (Kritik  v 
48  Nivellementspolygonen  in  Mittel-  und  Westeuropa)  hat  gezeigt,  daß  dasmittl« 
Niveau  im  Mittelländischen  und  Adriatischen  Meer  ca.  13  cm  tiefer  liegt, 
in  der  Ostsee,  Nordsee  und  im  Kanal,  aber  auch,  daß  Differenzen  von  d 
selben  Ordnung  entlang  der  nördlichen  und  südlichen  KüBten  vorkomm« 
Ein  Teil  dieser  Differenzen  ist  sicherlich  reell,  wie  z.  B.  die  bis  zu  15  • 
betragenden  für  die  Punkte  an  der  holländischen  Küste.  Allein  sobald 
sich  um  große  Entfernungen  von  Stationen  handelt,  kann  diese  Realität  nc 
nicht  als  erwiesen  betrachtet  werden." 


Das  Meerwasser.  213 


Kochsalz 26,9  Teile  \  Chlorverbindungen 

Chlormagnesium     .     .     .  3,2     „       >  30,7  oder  89,5  Proz. 

Chlorkalinm 0,6     „       i  des  Bückstandes. 

Bittersalz 2,3     „      )  Schwefelsäuresalze 

Gips 1»3     »»      J  3,5  oder  10,3  Proz. 

Rohlensäuresalze  etc.      .  0,i      ,,  oder  0,2  Proz. 

Salzgehalt 34,3  Teile 

Der  Unterschied  zwischen  dem  Meer-  und  Flußwasser  besteht  aber 
nicht  nur  in  dem  weitaus  größeren  Salzgehalt  des  ersteren,  sondern 
auch  in  der  Zusammensetzung  desselben.  Im  Meerwasser  herrschen 
die  Chlorverbindungen,  im  Flußwasser  die  Kohlensäuresalze  ent- 
schieden vor;  der  Salzgehalt  des  ersteren  kann  also  kaum  von  dem 
letzteren  abgeleitet  werden. 

Die  Ermittlung  des  Salzgehaltes  durch  feinere  Methoden  ist 
nur  im  Laboratorium  möglich.  Weitaus  die  meisten  Untersuchungen 
sind  aber  an  Bord  des  SchüBfes  angestellt  worden,  und  hier  ist  man  im 
wesentlichen  auf  drei  Methoden  angewiesen:  auf  die  Bestimmung  des 
spezifischen  Gewichtes  mittels  des  Aräometers,  auf  die  Feststellung 
des  Chlorgehaltes,  der  in  einem  nahezu  konstanten  Verhältnisse  zum 
ganzen  Salzgehalte  steht,  und  auf  die  Untersuchung  des  optischen 
Brechungsexponenten  des  Seewassers,  der  ebenfalls  vom  Salzgehalte 
abhängigt  Die  wichtigste  und  am  meisten  angewandte  Methode 
ist  die  erstgenannte;  ihr  seien  daher  einige  Worte  gewidmet. 

Das  in  der  deutschen  Marine  und  auch  sonst  gebräuchlichste 
Aräometer  giebt  unmittelbar  das  spezifische  Gewicht  des  Seewassers 
bei  seiner  augenblicklichen  Temperatur  {t%  bezogen  auf  destilliertes 

Wasser  von  17,6®  (14^  R),  oder  um  es  kurz  auszudrücken  *S'[    — oj* 

Das  spezifische  Gewicht  des  Meerwassers,  das  man  gewöhnlich, 
wenn  auch  nicht  ganz  korrekt,  mit  seiner  Dichte  identifiziert,  ist 
außer  vom  Salzgehalte  auch  von  der  Temperatur  abhängig,  da  das  Meer- 
wasser, wie  alle  Körper,  bei  steigender  Temperatur  sich  ausdehnt 
und  dadurch  leichter  wird.  Das  spezifische  Gewicht  ist  daher 
periodischen  und  unperiodischen  Schwankungen  unterworfen  wie  die 
Temperatur  selbst.  Wir  können  den  Einfluß  der  Temperatur  aus- 
scheiden, wenn  wir  alle  Aräometerangaben  auf  gleiche  Temperatur 
reduzieren,   z.  B.  auf  17,6**,   wie    es    bei    uns    üblich   ist^      Dieses 


X  Die  Engländer  berechnen,  um  wieviel  mal  Seewasser  von  der  Temperatur 
15,56®  (60®  F.)  schwerer  ist,  als  ein  gleich  großes  Volumen  destilliertes  Wasser 

(15j0\  /0®\  /20°\ 

Q    I.    Andere  Beduktionen  sind  '51— ^1   und  'S'I-jö").    Eine 

internationale  Regelung  ist  dringend  erwünscht. 


214  Das  Meer. 

reduzierte  spezifische  Gewicht  'S/rY*^]  wird  allein  vom  Salzgeha 

bestimmt  und  kann  direkt  in  denselben  verwandelt  werden,^  de 
ziehen  es  manche  Darsteller  vor,  in  ihre  Karten  nur  Linien  gleicl 
Dichte,  bezw.  gleichen  reduzierten  spezifischen  Gewichtes  e 
zuzeichnen.  * 

Obwohl  sich  das  Aräometer  auch  schon  auf  Handelsschif 
eingebürgert  hat,  so  haben  doch  eigentlich  nur  die  wenigen  wiss^ 
schaftlichen  Expeditionen  wirklich  brauchbares  Material  geüefe 
und  unsere  Kenntnis  von  der  Verteilung  des  Salzgehaltes 
den  Oberflächenschichtfen  ist  daher  noch  eine  recht  mang 
hafte;  selbst  die  Karten  des  Atlantischen  Ozeans  von  Kbümmi 
und  Schott®  sind  noch  für  viele  Gegenden  hypothetisch  (Fig.  l 
Indes  tritt  das  Grundgesetz  doch  schon  deutlich  hervor.  Im  offen 
Ozean  steigt  der  Salzgehalt  von  der  Aquatorialzone  bis  gegen 
bis  30^  Breite  und  sinkt  dann  wieder  polwärts,  wobei  wir  es  nati 
lieh  unentschieden  lassen  müssen,  ob  sich  dieses  Verhalten  bis 
die  innersten  Polarkalotten  fortsetzt.  Man  erkennt  sofort,  daß  Sa 
gehalt  und  Luftdruck  im  inneren  Zusammenhange  stehen,  wenn  ai] 
nicht  im  direkten,  sondern  durch  Vermittlung  der  Winde.  Dal 
fallen  die  Maximalgebiete  des  Salzgehaltes  und  Luftdruckes  ni( 
zusammen,  sondern  die  ersteren  liegen  in  der  Zone  lebhaftes 
passatischer  Luftbewegung,  weil  hoher  Salzgehalt  durch  starke  V( 
dunstung  bedingt  ist,  und  nichts  so  sehr  die  Verdunstung  bef&rd( 
als  regelmäßige,  frische,  trockene  Winde.  Die  äquatoriale  Minim 
Zone  des  Atlantischen  Ozeans  liegt  im  Windstillengürtel  zwiscl 
5  und  10®  N.  und  erstreckt  sich  nur  an  der  afrikanischen  Kü 
weiter  nach  Süden.  Ob  hier  die  ergiebigen  Regengüsse  der  Aqua 
rialzone  für  die  Verdünnung  des  Seewassers  verantworlich  zu  macl 
seien,  mag  noch  als  unentschieden  gelten.  Dafür  spricht  jedenfs 
die  Thatsache,  daß  in  diesen  äquatorialen  Meeresgegenden  die  sa 
arme  Schicht  nur  einen  verhältnismäßig  dünnen  Überzug  bild 
während  in  etwas  höheren  Breiten  der  Salzgehalt  normal  mit  ( 
Tiefe  abnimmt.  Schott  hat  in  neuester  Zeit  auf  Grund  seiner  I 
fahrungen  den  Einfluß  des  Regens  bestritten;  nach  seiner  Ansi( 
ist  hier  der  Salzgehalt  vielmehr  der  normale  und  erfährt  nur  dan 
keine  Steigerung,  weil  unregelmäßige,  schwache  Winde  oder  Stil] 
und  feuchte  Luft  die  Verdunstung  hindern.     Aus  einem  ähnlicli 


X  Salzgehalt  in  Promille  ist  =  1310  Is  Uy^    "  ^) »  ^^®'  ^^^  *^®^* 
lischen  Reduktion  =  1353  (s  \^~f\  -  l]  . 


Das  Meerwasser.  215 


Grunde  yemngert  sich  der  Salzgehalt  stetig  nach  den  mittleren  und 
höheren  Breiten  zu,  denn  in  gleicher  Eichtung  sinkt  auch  die  Ver- 
dunstung infolge  abnehmender  Temperatur  und  zunehmender  relativer 
Luftfeuchtigkeit.  Die  Meeresströmungen  vermögen  dieses  Gesetz 
nicht  YöUig  zu  durchbrechen,  aber  sie  rufen  doch  Störungen  hervor, 
die  sich  in  starken  Ejümmungen  der  Linien  gleichen  Salzgehaltes 
kundgeben.  Wo  polare  Ströme,  wie  an  den  Ostküsten  Amerikas, 
weit  in  niedere  Breite  vordringen,  verringern  sie  den  Salzgehalt 
merklich,  während  warme  Ströme  ihr  salzreicheres  Wasser  mehr 
oder  minder  weit  in  höhere  Breiten  fähren.  Am  weitesten  der  Golf- 
strom, in  dessen  Bereiche  ein  Salzgehalt  von  35  Promille  noch  den 
70.  Parallelkreis  überschreitet.  Nichts  Ahnliches  weist  sonst  die 
Meereskunde  unserer  Tage  auf  Im  südaÜantischen  Ozean  reicht 
die  35-Linie  nur  im  Brasilstrome  bis  43^  B.  und  zieht  sich  sonst  bis 
gegen  36®  B.  zurück,  und  ein  gleiches  Verhalten  zeigen,  soweit  unsere 
Kenntnisse  reichen,  auch  die  übrigen  Südozeane.  Im  nordpazifischen 
Ozean  liegt  die  äußerste  Polargrenze  dieses  Salzgehaltsgrades  ebenfalls 
in  36  ®  B.  Schon  dies  vermag  uns  eine  Vorstellung  zu  geben  von  der 
Macht  des  Golfstromes,  dem  in  der  That  kein  anderer  gleichkommt. 

Wir  haben  bisher  die  Eüstenzone  von  unserer  Betrachtung  aus- 
geschlossen. Wo  große  Ströme  einmünden,  zeigt  sich  ihre  ver- 
dünnende Wirkung  oft  noch  in  ziemlich  großer  Entfernung  von  der 
£üste.  Oft,  aber  nicht  immer.  Daß  das  äquatoriale  Minimum  im 
Atlantischen  Ozean  an  der  afrikanischen  Seite  so  weit  nach  Süden 
herabreicht,  ist,  wenigstens  zum  Teil,  dem  Niger  und  noch  mehr 
dem  Kongo  zuzuschreiben;  aber  Orinoko  und  Amazonas  fuhren  noch 
größere  Mengen  Süßwassers  dem  Meere  zu,  und  doch  erlahmt  ihr 
Einfluß  schon  knapp  an  der  Küste,  gegen  die  die  Passatströmungen 
salzreiches  Wasser  hinwälzen.  In  den  polaren  Zonen  gelangt  das 
festländische  Süßwasser  in  der  Form  von  Eisbergen  noch  weiter  in 
das  Meer  hinaus,  aber  auch  das  schmelzende  Meereis  ist  nur  schwach 
salzig  und  kann  zur  Verdünnung  der  Oberflächenschichten  beitragen. 

Die  geographische  Verbreitung  des  Salzgehaltes  im  Indischen 
und  Pazifischen  Ozean  weicht  in  den  Grundzügen  von  dem  atlan- 
tischen Bilde  nicht  ab.  Auch  daß  der  Indische  Ozean  nur  ein 
Maximalgebiet,  nördlich  von  30**  S.,  besitzt,  kann  uns  nicht  über- 
raschen, wenn  wir  beachten,  daß  er  nur  in  seinem  südhemisphärischen 
Teile  von  beständigem  Passat  überweht  wird.  Die  Verteilung  ist 
also  in  allen  Ozeanen  dieselbe,  aber  in  den  absoluten  Werten  be- 
stehen große  Unterschiede.  Der  nordatlantische  Ozean  ist  weitaus 
der  salzreichste,  der  nordpazifische  sicher  der  salzärmste  Ozean.  ^^ 
Als  Maxima  werden  angenommen  im  nordatlantischen  Ozean  37.6, 


216  Das  Meer. 


im  südatlantischen  ebenfalls  37,e,  im  Indischen  36,4,  im  nordpaziiische 
35,7  Promille. 

Die  Nebenmeere  zeigen  ein  sehr  verschiedenes  Verhaltei 
Zunächst  ist  entscheidend,  ob  sie  von  den  großen  Meeresströmunge 
berührt  werden  oder  nicht  Im  ersteren  Falle  ist  der  Salzgeha 
von  dem  Charakter  der  Strömung  abhängig,  aber  immer  etwi 
geringer  als  im  benachbarten  offenen  Ozean,  weil  Nebenmeere  yei 
hältnismäßig  mehr  Flußwasser  empfangen.  Die  inselabgeschlossene 
Meere  am  Ostrande  Asiens  haben  34  bis  34,6  Promille  Salzgehal 
wenn  sie  von  warmen,  und  30 — 32  Promille,  wenn  sie  von  kalte 
Strömungen  durchzogen  werden.  Im  australasiatischen  Mittelmeei 
ist  der  unterschied  zwischen  der  verhältnismäßig  salzarmen  Banlu 
und  Javasee  und  den  salzreichern  Gewässern  im  Norden  und  Non 
Osten  besonders  auffallend,  und  die  Annahme  Schotts,  daß  d: 
letzteren  noch  pazifisches  Wasser  erhalten,  scheint  uns  das  ßichti« 
zu  treffen.  Dagegen  ist  der  geringe  Salzgehalt  der  Javasee  (ca.  'S 
Promille)  auffallend,  wenn  man  die  niedere  Breite  berücksichtig 
und  wir  können  die  Vermutung  nicht  zurückweisen,  daß  reichUcl 
Zufuhr  von  Regenwasser  hier  auch  mit  im  Spiele  ist  In  de 
Binnenmeeren  regelt  sich  der  Salzgehalt  der  Oberflächenschicht« 
ausschließlich  nach  dem  Verhältnisse  von  Verdunstung  und  Süßwasse 
Zufluß.  In  einem  warmen  und  trockenen  Elima  erreicht  er  eii 
Höhe,  wie  selbst  im  Ozean  nicht  Das  Rote  Meer  ist  wohl  di 
salzreichste  (40  Promille),  aber  selbst  das  europäische  Mittelme< 
hat  noch  über  37  Promille.  Das  Schwarze  Meer  wird  dagegc 
schon  stark  durch  die  einmündenden  großen  Flüsse  ausgesüßt  (ca.  1 
Promille),  und  noch  weit  mehr  die  Ostsee,  wo  auch  die  niedei 
Temperatur  der  Verdunstung  hinderlich  ist  Während  die  Nordse 
die  mit  dem  Ozean  in  offener  Verbindung  steht,  noch  im  Ostc 
32,6  Promille  Salzgehalt  besitzt,  sinkt  dieser  im  Skagerak  sehe 
auf  29,  im  westiichen  Teile  der  Ostsee  auf  8,  im  nördlichen  Bottnische 
Busen  schon  unter  3  Promille.  Auch  noch  in  einem  anderen  Punki 
unterscheiden  sich  die  Binnenmeere  wesentlich  vom  offenen  Ozeai 
in  den  ersteren  nimmt  der  Salzgehalt  mit  der  Tiefe  zu,  im  letztere 
aber  ab,  wenigstens  bis  gegen  2000m  Tiefe;  und  wenn  er  dar 
auch  wieder  etwas  zu  steigen  scheint,  so  ist  er  doch  stets  am  Grunc 
geringer  als  in  den  Oberflächenschichten.  Die  Konzentration  d( 
Seewassers  unter  dem  Einflüsse  der  Verdunstung  vollzieht  sich  ; 
nur  an  der  Oberfläche.  Aber  da  das  Wasser  dadurch  schwen 
wird,  so  sinkt  es  unter  und  kann  in  den  Binnenmeeren  unter  d€ 
hier  obwaltenden  Temperaturverhältnissen  (von  denen  später  au 
führlicher  die  Rede  sein   soU)   wirklich   bis   zum   Boden  gelange 


Das  Meerwasser.  217 


während  im  kalten  Ozean  schon  in  Tiefen  von  etwa  200  m  eine 
Dichtigkeit  herrscht,  die  kein  weiteres  Einsinken  des  salzreichen 
Oberflächenwassers  gestattet 

Indem  wir  vom  Salzgehalte  sprachen,  sprachen  wir  zugleich  auch 
von  den  Verbreitungsgesetzen  des  reduzierten  spezifischen  Gewichtes. 
Anderen  Gesetzen  unterliegt  das  absolute  spezifische  Gewicht,  das 
nicht  nur  vom  Salzgehalte,  sondern  auch  von  der  Temperatur  ab- 
hängig ist  und   auf  destilliertes  Wasser  von  4®  bezogen  wird  (also 

S    7ö  )•    Leider  hat  man  es  bisher  selten  in  den  Kreis  der  Unter- 

suchimgen  gezogen,  obwohl  es  als  einer  der  Faktoren  der  Meeres- 
strömungen sicher  die  größte  Beachtung  verdient.  Soviel  wir  wissen, 
nimmt  es  von  der  Äquatorialzone  gegen  die  Pole  und  an  jedem 
Ort^  mit  der  Tiefe  zu.  Die  Wirkungen  des  sich  verringernden  Salz- 
gehaltes werden  also  durch  die  Temperaturemiedrigung  mehr  als 
ansgeglichen. 

Farbe.  Mit  dem  Salzgehalte  und  der  Temperatur  hängt  bis  zu 
einem  gewissen  Grade  auch  die  Farbe  des  Meeres  zusammen. 
Wenn  man  absieht  Ton  allen  jenen  Beflexerscheinungen  an  der  Ober- 
fläche des  Seespiegels,  die  die  Himmelsfarbe,  die  wechselnde  Be- 
wölkung, die  Sonnenhöhe  und  das  Mondlicht  hervorrufen,  so  kann 
man  die  Meeresfarbe  als  blau  bis  grün  bezeichnen.  In  kleinen 
Mengen  betrachtet,  ist  allerdings  das  Seewasser  ebenso  farblos,  wie 
destilliertes  Wasser;  jene  Färbung  kommt  nur  dem  Meere  als  ganzes 
zu,  und  schon  daraus  kann  man  schließen,  daß  auch  sie  eine  Keflex- 
erscheinung  ist,  die  aber  in  größeren  Tiefen  ihren  Sitz  hat.  Daher 
erscheinen  auch  weiße  Gegenstände,  wenn  man  sie  in  das  Meer 
taucht,  zuerst  grün  und  nehmen  eine  immer  blauere  Färbung  an, 
je  tiefer  man  sie  versenkt,  bis  sie  dem  Auge  gänzlich  entschwinden. 
Die  größte  Sichttiefe,  die  man  bisher  beobachtet  hat,  betrug  66  m 
(in  31^44'N.,  43®38'W.).  Daß  aber  die  chemisch  wirksamsten 
Strahlen  der  blauen  und  violetten  Seite  des  Spektrums  noch  tiefer 
eindringen,  lehren  Untersuchungen  mittels  der  photographischen 
Camera.  Die  sorgfältigsten  wurden  von  Fol  ^^  zwischen  Corsica  und 
der  Eiviera  angestellt;  photographische  Platten  wurden  in  461m 
Tiefe  noch  belichtet,  in  480  m  aber  nicht  mehr;  zwischen  diesen 
Niveaus  muß  also  für  jene  Strahlen  die  Grenze  liegen.  Dagegen 
werden  die  roten  und  gelben  Strahlen  sehr  bald  vom  Wasser  ab- 
sorbiert, und  dies  ist  unzweifelhaft  der  Grund,  weshalb  Meer  und 
Seen,  wenn  sie  nicht  verunreinigt  sind,  blau  oder  grün  erscheinen. 
Die  blauen  Strahlen  werden  wahrscheinlich  durch  die  auch  im  an- 
scheinend reinen  Wasser  vorkommenden  feinen  Trübungen  reflektiert; 


^ 


218 Das  Meer. 

je  weiter  sie  in  das  Meer  eindringen,  desto  blauer  ist  die  Yi 
je  kürzer  ihr  Weg  ist,  desto  mehr  gelbe  Strahlen  sind  ihnen 
gemengt,  d.  h.  desto  grüner  ist  die  Farbe. 

Es  ist  daher  ohne  weiteres  verständlich,  daß  an  der  Küste 
über  Bänken  das  Wasser  grün  ist,  und  in  der  tiefen  See  die  B 
umsomehr  dem  Blau  sich  nähert,  je  reiner  und  durchsichtigei 
Wasser  ist  Hier  ist  der  Punkt,  wo  Salzgehalt  und  Temperatu 
maßgebende  Faktoren  eingreifen.  Mehrfache  Untersuchungen  h 
ergeben,  daß  die  Trübung  um  so  rascher  zu  Boden  sinkt,  je 
reicher  und  wärmer  das  Wasser  ist 

Daß  ein  solcher  Zusammenhang   wirklich   besteht,   lehrt 
die  Farbenkarte    des   nordatlantischen   Ozeans  von    EBüMMSii, 
einzige  dieser  Art,   die  bisher   gezeichnet   wurde.^     Möglich   w 
eine    solche   Darstellung    erst    durch    die    FoBELsche    Skala, 
alle  Abstufungen  vom  tiefsten  Kobaltblau  bis  zum  dunkelsten  ( 
durch   das   prozentische  Verhältnis   einer  blauen   und  einer  g( 
Lösung  in  exaktester  Weise  unterscheiden  läßt   Ule  hat  diese  S 
noch  erweitert,  indem  er  dem  Grün  (Forels  Nr.  XI,  35  Proz. 
und  65  Proz.  gelb)   noch   yerschiedene  Prozentsätze   einer   brai 
Lösung  hinzufügte." 

Zwischen  10^  S.  und  40**  N.  ist  der  Atlantische  Ozean  ko 
blau,  doch  bestehen  einige  Ausnahmen.  Grünlich-blau  sind 
Küstengewässer  um  die  Canarischen  Inseln  und  der  östliche  Teil 
Äquatorialzone,  in  den  noch  Ausläufer  des  kalten  Benguelastrc 
einzudringen  scheinen;  tief  kobaltblau  und  von  größter  Transpa 
ist  die  sog.  Sargassosee,  die  nur  zum  Teil  mit  dem  Maximalgel 
des  Salzgehaltes  zusammenfällt.  Zwischen  40  und  50®  N.  hen 
die  grünlich-blaue,  jenseits  50®  im  Gebiete  des  Golfstromes  8( 
eine  ausgeprägt  grünblaue  Farbe,  während  die  Polarströme  an 
amerikanischen  Seite  und  die  seichte  Nord-  und  Ostsee  dunkelgr 
Wasser  führen.  Im  großen  und  ganzen  ist,  wie  oben  bemerkt, 
Zusammenhang  zwischen  Farbe  einerseits  und  Salzgehalt  und  1 
peratur  andererseits  wohl  Yorhanden,  aber  im  einzelnen  giebt  es  < 
yiele  Ausnahmen,  die  noch  ihrer  Erklärung  harren.  Wir  dürfen  j 
nicht  vergessen,  daß  es  kalte  Süßwasserseen  giebt,  die  sich  d 
herrliche  blaue  Färbung  auszeichnen. 

Außergewöhnhche  Meeresfärbungen,  wie  milchweiß,  blutrot,  f 
lieh-  oder  schiefergrau,  ohvenbräunlich,  nennt  der  Seemann  bez< 
nenderweise  „Miß-"  oder  „Verfärbung".  Sie  treten  immer  nur 
radisch  und  örtlich  begrenzt  auf  und  werden  meist  von  massei 
auftretendem  Plankton  erzeugt  Mancher  Meeresname  mag  d 
zusammenhängen.     So  heißt  das  Gelbe  Meer  sicher  von  den  ] 


Die  Wellenbewegung.  219 


massen,  die  der  Hoangho  ihm  zuführt^  während  andere  Namen^  wie 
Weißes  und  Schwarzes  Meer,  ebenso  sicher  mit  der  Färbung  nichts 
zu  thun  haben.  In  Bezug  auf  das  Kote  Meer  sind  die  Ansichten 
geteilt.  Milliarden  mikroskopischer  Tierchen  sind  es  auch,  welche 
jenes  wunderbar  schöne,  besonders  den  Tropenmeeren  eigentümliche 
Phänomen  erzeugen,  das  als  Meeresleuchten  bekannt  ist 

Li tteraturnach weise.  ^  Challenger  Report,  Physics  and  Chemistry, 
Bd.  n,  1889.  —  •  Helmebt  cit.  S.  6.  —  ■  Helhert  cit  S.  13.  —  *  Mohn, 
Nordhavets  Dybder,  Temperator  og  Ströminger,  Kristiania  1887.  —  *  BbOcknbb 
cit.  S.  190.  —  *  Helmebt,  Le  Z^ro  des  altitudes,  in  den  Verhandlungen  der 
permanenten  Kommission  der  internationalen  Erdmessung  in  Florenz  1891.  — 
7  ELbümmel,  Greopbysikaliscbe  Beobachtungen  der  Plankton-Expedition,  Kiel  1893. 
—  *  ScHoiT,  Wissenschaftliche  Ergebnisse  einer  Forschungsreise  zur  See  1891 
und  1892,  Gotha  1893.  (109.  Ergänzungsbeft  zu  Petebmaiins  Mitteilungen.)  — 
*  Bughan,  Report  on  the  Oceanic  Circulation  (Appendix  zum  Cballenger-Report), 
1895.  —  *<^  Makabow,  Le  „Vitiaz"  et  l'Oc^an  pacifique,  St  Petersburg  1894. 
Vergl.  auch  EIbümmel  in  Petebmanns  Mitteilungen  1893,  S.  85.  —  "  Fol  in  den 
Comptes  rendus  de  TAcad^mie  des  sciences  de  Paris  1889,  Bd.  CIX,  S.  323.  — 
ÜLE  in  Petebmanns  Mitteilungen  1892,  S.  70;  vergl.  dazu  die  Bemerkungen 
y.  Dbtoalskis,  ebendas.  S.  286. 


it 


Die  Wellenbewegung. 

Windwellen.  Von  der  strömenden  unterscheidet  sich  die  Wellen- 
hewegung  dadurch,  daß  nur  die  Form  der  Bewegung,  der  Wechsel 
von  Berg  und  Thal,  fortschreitet,  während  das  einzelne  Wasser- 
teilchen seine  Lage  im  Räume  wenig  oder  gar  nicht  verändert  Wir 
können  uns  durch  den  Augenschein  davon  überzeugen,  wenn  wir 
irgend  einen  leichten  Gegenstand  auf  das  Wasser  werfen:  er  hebt 
und  senkt  sich  nur,  während  Berg  und  Thal  unter  ihm  hinwegeilen. 
Jedes  Wasserteilchen  bewegt  sich  dabei  wie  ein  sich  drehendes  Bad 
in  einer  kreisähnlichen  Vertikalebene:  aufwärts  und  zugleich  in  der 
Richtung  der  bewegenden  Kraft  nach  vorwärts,  dann  hinunter  und 
zugleich  gegen  die  Richtung  der  bewegenden  Kraft  nach  rückwärts. 
Man  nennt  dies  eine  Orbitalbewegung.  Das  Profil  fortschrei- 
tender Wellen  ist  am  besten  mit  einer  Trochoide^  vergleich- 
bar, und  die  Erfahrung  hat  gelehrt,  daß  die  Trochoidenformeln 
auch  auf  die  Wellen,  wenigstens  auf  solche  in  tiefem  Wasser,  sich 
anwenden  lassen.  Die  Hauptmaße:  die  Wellenlänge  (L)  oder  die 
Entfernung  von  einem  Wellenkamme  zum  andern,   die  Periode  (T) 


X  Bollt  ein  Bad  auf  einer  horizontalen  Fläche  weiter,  so  beschreibt  ein 
beliebiger  Punkt  der  Peripherie  eine  Cjkloide,  ein  solcher  an  einer  Bad- 
speiche aber  eine  flachere  Kurve  oder  eine  Trochoide. 


220  Das  Meer. 

oder  die  Zeitdauer  zwischen  zwei  aufeinanderfolgenden  Wellenber 
und  die  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  {G)  der  Welle  in  der  Seki 
stehen  im  inneren  Zusammenhange,  so  daß,  wenn  eines  dieser 
mente  durch  die  Beobachtung  gegeben  ist,  die  anderen  sich  di 
die  Trochoidengleichungen    rechnungsmäßig  ableiten  lassen.  ^ 
ist  dabei  nicht  zu  vergessen,  daß  Beobachtungen  auf  einem  fahrei 
Schiffe   die  eigene  Geschwindigkeit  und  den  Winkel  zwischen  I 
linie  und  Wellenrichtung  berücksichtigen  müssen.     Das  vierte 
Hauptmaße,  die  Wellenhöhe  oder  der  Vertikalabstand  zwischen  J 
und  Thal,  kann  dagegen  nur  durch  unmittelbare  Beobachtung 
gestellt  werden,  und  da  man  dafür  leider  noch  kein  sicheres  I 
verfahren  ausfindig  gemacht  hat,   so  ist  begreiflicherweise  auch 
geübteste  Seemann  vielfachen  Täuschungen  ausgesetzt,  und  es  erl 
sich  daraus  zur  Genüge,   daß  Höhe  und  Steilheit  der  Meereswe 
in  Wort  und  Bild  so  häufig  übertrieben  werden. 

Es  ist  nicht  schwer,  zu  erklären,  warum  um  irgend  einen  Ge\ 
stand,   der  die  Wasserfläche  trifft,  konzentrische  Wellen  entste 
An  dieser  Stelle  wird  das  Wasser  herabgedrückt,  seine  leicht 
schiebbaren  Teilchen   weichen    aus,    und   indem   sie  dadurch   e 
Druck  auf  alle  benachbarten  Wasserteilchen  ausüben,  wird  um 
Depressionsstelle  eine  Erhöhung  des  Wasserspiegels,  ein  W^ellenl 
erzeugt.     Dieser  sinkt  wieder  in  sich  zusammen,  schwingt  aber 
möge  des  Gesetzes  der  Trägheit  noch  über  seine  Gleichgewichts 
hinaus,   und   so  entsteht  an  der  Stelle  des  früheren  Wellenbe 
ein  kreisförmiges  Wellenthal,  das  an  seiner  äußeren  Peripherie  wi< 
einen  Wellenberg  erzeugt.     Auf  diese  Weise  pflanzt  sich  die 
wegung  fort,  bis   die  Keibung  die  bewegende  Kraft  aufgezelirt 
Der  Wind  dagegen  ist  eine   kontinuierlich  und  horizontal  wirke 
Kraft  und  sollte  die  Wasserteilchen  vor  sich  hersclüeben.    Und 
ist  in  der  That  auch  der  Fall,  der  Wind  erzeugt  ebenso  Strömur 
wie  Wellen,  und  die  Frage  ist  nur  die,  wann  erzeugt  er  die  e 
wann  die  andere  Bewegungsart,  und  wie  gehen  beide  ineinander  ül 
Sobald  die   völlig  ruhige  See  von  einem  Winde  mit  mehr  als  C 
Geschwindigkeit  in  der  Sekunde  getroffen  wird,  entsteht  eine  lei 


0        V    9  9 

Fügen  wir  für  n  (LuDOLPische  Zahl  =  8,142)  und  g  (Beschleunigung 
Schwere  =  9,806)  die  Werte  ein,  so  erhalten  wir  nach  Schott  folgende  ein! 
Gleichungen : 

C  =   1,25}/^"  =   l,5cr 
L  =  0,M  (7*    =   1,5«  T» 

T     =     0,80  l/ZT   =     0,64  C, 


Die  Wellenbewegung. 


221 


Kräuselung  des  Wasserspiegels.  Die  Oberflächenschicht,  die  sich 
hei  jeder  Flüssigkeit  in  mancherlei  Hinsicht  wie  eine  selbständige 
Membran  verhält,  legt  sich  in  Falten,  wie  die  Haut  am  Handrücken, 
wenn  man  mit  dem  Finger  über  denselben  hinwegstreicht.  Die 
glättende  Wirkung  des  Öles  auf  die  Wellenbewegung  beruht  nur 
darauf,  daß  die  Olschicht,  die  sich  über  das  Wasser  ausbreitet,  neue 
Spannungsyerhältnisse  schafft.  Die  oben  beschriebenen  Fältchen  oder 
die  kapillaren  Wellen,  wie  Scott  Russell  sie  nannte,  sind  es 
nun,  die  dem  Winde  neue  Angriffspunkte  bieten  und  immer  höher 
zu  wirklichen  Wellen  anwachsen.  Je  größer  der  Raum  und  die 
Wassermasse  ist,  desto  ungehinderter  kann  diese  Entwicklung  vor 
sich  gehen;  das  Meer  ist  daher  der  eigentliche  Schauplatz  großer 
W'ellenbildungen.  Dabei  wird,  wenn  der  Wind  lang  genug  aus  einer 
und  derselben  Richtung  weht,  die  Tendenz  immer  größer,  die  Wasser- 
teilchen in  dieser  Richtung  auch  wirklich  weiterzubewegen,  so  daß 
die  Orbitalbahnen  nicht  mehr  geschlossene  Kurven  bilden,  und  jedes 
Wasserteilchen  am  Ende  einer  Schwingung  von  seiner  früheren  Lage 
etwas  abgerückt  ist.  Daraus  entstehen  die  Triftströmungen,  auf  die 
wir  bei  einer  andern  Gelegenheit  noch  zurückkommen  werden. 

Aus  Schotts  Wellenmessungen  heben  wir  folgende  beobachtete 
Werte  hervor: 


Greogr. 


Geogr. 


Breite  i  Länge 


70 

11 
29 
29 


Wind- 
stftrke 
0—12 


Greschwin- 

digkeit 
m  pro  Sek. 


Länge 
m 


Periode 
Sek. 


Atlantisches  Passatgebiet. 

4,» 
5,0 

6,6 

6,0 


15»  W. 

5 

7.« 

36,« 

10      „ 

4—5 

7,. 

37,5 

9    0. 

5 

8,8 

58,8 

»    » 

5 

10,j 

61,. 

Höhe 
m 


1,0 

1,8—2,0 

4,0 

4,5 


] 

ndisches 

Passatge 

biet. 

26»  S..I48<>0. 

5 

7,» 

32,8 

4,. 

0,8 

26     „ 

48     „ 

6 

8,j 

44,. 

5,» 

2,5 

n   „ 

72     „ 

8—9 

14,7 

130,t 

8,8 

7—8 

Böschung 


50 

9 
11 
13 

40 
10 
10 


Je  stärker  der  Wind  ist,  desto  größer  sind  alle  Wellendimen- 
sionen^  aber  auch  bei  gleichbleibender  Windstärke  entwickeln  sie 
sich  immer  voller,  wofür  die  beiden  Beobachtungen  Schotts 
in  29^  S.  9^0.,  die  am  gleichen  Tage  gemacht  wurden,  ein  gutes 
Beispiel  bieten.  Aber  diese  Abhängigkeit  tritt  bei  den  einzelnen 
Dimensionen  in  yerschiedenem  Grade  zu  Tage.  Am  veränderlichsten 
ist  jedenfalls  die  Höhe,  aber  sie  bildet  sich  nicht  ruhig  bis  zu  dem 
der  Windstärke  entsprechenden  Maximum  aus,  weil  bei  zunehmender 


222 


Das  Meer. 


] 


Luftbewegung  die  Kämme  abbrechen  und  sich  in  das  vor  ihi 
liegende  Thal  stürzen.  Auf  stürmischem  Meere  sind  diese  „Sta 
Seen"  den  Schiffen  äußerst  gefährlich.  Gleichzeitig  verändert  s 
mit  der  Windstärke  auch  das  Verhältnis  von  Höhe  und  Länge,  o< 
mit  anderen  Worten  der  Böschungswinkel  der  Wellenberge,  der  i 
so  steiler  wird,  je  heftiger  der  Wind  weht^  Über  das  Verhält 
der  Wind-  und  Wellengeschwindigkeit  sind  die  Ansichten  gete 
nach  den  einen  laufen  die  Wellen  schneller,  nach  den  anderen  lai 
samer  als  der  Wind.  Dieser  Widerspruch  rührt  davon  her,  daß  m 
bei  der  ümwandlimg  der  beobachteten  Windstärke  in  Windgesch"w 
digkeit  verschiedene  Reduktionsfaktoren  anwendet.  Bei  mäßig 
Winde  bewegen  sich  die  Wellen  nicht  schneller,  als  die  grof 
Segelschiffe  und  die  meisten  Dampfer,  imd  selbst  bei  Sturm  erreicl 
sie  nur  selten  die  Geschwindigkeit  von  Schnellzügen  (ca.  19  m  ] 
Sekunde  im  deutschen  Flachlande).  In  Schotts  Beispielen  si 
freilich  nur  die  ruhigeren  Passatgebiete  vertreten,  und  es  unterli( 
keinem  Zweifel,  daß  die  Zonen  der  Westwinde,  besonders  die  st 
liehe,  viel  ausgebildetere  Wellen  besitzt,  wie  aus  den  zahlreicl 
Messungen  von  Paris  hervorgeht.  ^  ^  Als  höchste  beglaubigte  Dim< 
sionen  können  folgende  angesehen  werden: 

Geschwindigkeit  ...  28  m  in  der  Sek. 

Länge 500  m 

Periode 18  Sek. 

Höhe 15  m,  jedenfalls  nicht  über  18  m. 

Wie  das  Wasser,  in  das  wir  einen  Stein  geworfen  haben,   : 
folge  seines  großen  Trägheitsmomentes  und  seiner  geringen  innei 


X  Nach  Schott  beträgt  bei 

Windstärke             5  (mäßig) 

6—7  (stark) 

9  (Storm) 

WeUenböschung            ß^ 

10** 

110 

XX  Beobachtete  Mittelwerte: 

Geschw. 

Linge 

Perlode 

Höh 

m 

m 

Sek. 

Mittel    1 

Atlantisches  Passatgebiet  .    , 

11,2 

65 

5,8 

1,» 

Indisches  Passatgebiet  .     . 

12,6 

96 

7,6 

2,. 

Südatlantische  Westwinde  .    | 

14,0 

133 

9,6 

4,3 

Indische  Westwinde  .     .     . 

15,0 

114 

7,6 

5,.      1 

Ostchinesisches  Meer     .     .    1 

11,. 

79 

6,g 

3,2 

Westpazifischer  Ozean  .     .     ' 

12,4 

102 

8,2 

3,. 

Maximum 


6 
5 

7 

11,5 
6,5 

7.5 


— i 

Mittic 


5 
6 

8 

7 
5V, 


Es  darf  indes  nicht  verschwiegen  werden,  daß  in  neuester  Zeit  gegen 
allgemeine  Zuverlässigkeit  der  Messungen  von  PAeis  schwerwiegende  Beden] 
erhoben  wurden. 


Die  Wellenbewegung. 


223 


Reibung  nur  allmählich  zur  Ruhe  kommt  ^  so  wogt  das  Meer  auch 
dann  noch,  wenn  sich  der  Wind  schon  gelegt  hat  Diese  Bewegung 
nennt  der  Seemann  Dünung,  im  Gegensatze  zu  den  unmittelbaren 
Windwellen  oder  „Seen".  Nichts  bietet  dem  Neuling  ein  geheimnis- 
ToUeres  Schauspiel,  als  wenn  auf  windstiller  Fläche  Welle  auf  Welle 
heranrollt,  von  den  Seen  durch  nichts  unterschieden,  als  durch  sanf- 
tere Böschung  und  abgerundete  Form  der  Kämme.  Die  alte  Be- 
wegung dauert  manchmal  noch  fort,  wenn  schon  neuer  Wind  aus 
anderer  Richtung  sich  erhoben  hat;  alte  und  neue  Wellen  durch- 
kreuzen sich  dann  nach  den  Gesetzen  der  Interferenz,  als  ob  jede 
nur  für  sich  da  wäre;  und  es  steigert  sich  bis  zum  tollen  Win'warr, 
wenn  eine  tiefe  Cyklone  mit  ihrer  rasch  wechselnden  Windrichtung 
über  das  Meer  zieht.  Dann  kann  die  Dünung  dem  Schiffer  schon 
einige  Zeit  vorher  den  kommenden  Sturm  verkündigen.  Am  reinsten 
und  großartigsten  gelangt  die  Dünung  in  den  Zonen  der  regelmäßigen 
Passate  imd  im  äquatorialen  Kalmengürtel  zur  Ausbildung;  die  ge- 
waltigen Wellen,  die  die  Weststürme  höherer  Breiten  erregen,  dringen 
sogar  nicht  selten  von  einer  Halbkugel  in  die  andere  vor.  ^ 

Brandung.  Nach  den  experimentellen  Untersuchungen  der  Ge- 
brüder Wbbeb  reicht  die  Wellenbewegung  bis  zu  einer  Tiefe,  die 
dem  350  fachen  Betrage  der  Wellenhöhe  gleichkommt  Bei  den 
höchsten  Wellen  würde  also  erst  das  Wasser  jenseits  der  Isobathe 
von  6300  m  in  Ruhe  verharren.  Aber  mit  der  Tiefe  nimmt  die 
A\'ellenhöhe  rasch  ab,  die  Orbitalbahnen  nehmen  eine  elliptische 
Gestalt  mit  immer  mehr  sich  verkürzender  Yertikalachse  an,  so  daß 
in  größeren  Tiefen  die  Wellenbewegung  eigentlich  nur  mehr  in  einem 
Hin-  und  Herschieben  der  Wasserteilchen  besteht  Schon  in  einer 
Tiefe,  die  gleich  ist  der  Wellenlänge,  beträgt  nach  der  Theorie  die 
Wellenhöhe  nur  mehr  den  SOOsten  Teil  der  oberflächlichen.  Indeß 
genügt  diese  Bewegung,  um  den  festsitzenden  Tiefentieren  fort- 
während Nahrung  zuzuführen,  ja  sie  ist  in  mäßiger  Tiefe  bis  circa 
200  m  noch  im  stände,  feste  Teilchen  in  Bewegimg  zu  setzen,  wie  man 
aus  den  Kräuselungen  des  Sandes  nachweisen  kann.  Auf  seichtem 
Grunde  wird  also  ein  Teil  der  lebendigen  Kraft  in  Arbeit  umgesetzt, 
und    dieser  Vorgang   wird   noch   dadurch   befördert,   daß   hier   die 


X  Beispiele  zweier  starker  Dünungen  nach  den  Beobachtungen  von  Schott: 

SQdl.    !     östL 
Breite      Lftnge 

Wlnd- 
Richtang     Stftrke 

DQoang 
auB 

Geeohw. 
m  pro  Sek. 

Länge 
m 

Periode 
Sek. 

="'•     BÖMhung 
m 

19«           0^ 
28     '     39 

SO. 

0 
5 

SW. 

SW. 

17,4 

23,5 

174,0 
341,7 

10,0 

4,0           4» 

7,6           4 

224 


Das  Meer. 


OrbitaJgeschwindigkeit  nicht  bloß  mit  der  Wellenhöhe,  sondern 
mit  der  Verminderung  der  Wassertiefe  zunimmt,  wenn  sie  wolil 
kaum  jemals  ihr  theoretisches  Maximum,  den  halben  Wert  der 
Pflanzungsgeschwindigkeit  der  Wellenform,  erreichen  dürfte.    Zuj 
wird  die  Welle,  wenn  sie  aus  tiefem  Wasser  in  flaches  tritt,  küi 
und    diese    doppelte    Umgestaltung    macht    sich    auch   dann 
geltend,  wenn  die  Seen  über  eine  Bank  im  offenen  Ozean  i 
Wenn  sie  dagegen  an  sanft  ansteigenden  Eüstenabdachungen  hi 
laufen,  so  erleiden  die  untersten  Wasserschichten   außerdem  ( 
Reibung  eine  wesentliche  Verzögening;    die    Kämme   verlieren 
symmetrische    Form,    neigen    sich    nach    vom   und    stürzen 
Man  bezeichnet  diesen  Yorgang  als  Brandung;   sie  tritt  an 
Küsten  auf,  die  allmählich  in  das  Meer  verlaufen,  am  großarti 
aber  wohl  an  der  Guineaküste  Afrikas,  wo  sie  unter  dem  N 

Kalema  bekannt  ist  und  durc 
heftige  und  häufige  Westdünun 
südatlantischen  Ozeans  erzeugt 
Aber  nicht  bloß  die  Form,  soi 
auch  die  Richtung  der  Wellen  ä 
sich  etwas  infolge  ungleicher  Keil 
wie  dies  Fig.  39  schematisch 
stellt  Die  Wellen  ab,  die  in  ei 
Entfemimg  vom  Ufer  in  der  Ricl 
des  Windes  verlaufen,  machen  u 
Nähe  des  Landes  eine  Schwenl 
weil  die  a-Hälften  sich  auf  tief 
Grunde  und  daher  rascher  bew 
als  die  6-Hälften.  Bei  heftigen 
lange  andauernden,  gegen  das  Land  gerichteten  Stürmen  verb 
sich  mit  der  Brandung  der  Windstau,  eine  Erhebung  des  Wa 
spiegeis,  die  besonders  in  trichterförmig  sich  verengenden  Bu( 
den  Betrag  von  mehreren  Meter  erreichen  kann  und  die  Flüss 
zwingt,  aufwärts  zu  fließen.  Solche  Sturmfluten  setzen  fl 
Küstenländer  oft  weithin  unter  Wasser  und  gehören  daher  zu 
verheerendsten  Phänomenen. 

Wesentlich    verschieden    von    der    Strandbrandung    ist 
Klippenbrandung.     Trifil   die  Woge    eine    steil   bis   zu  gröl 

^  Die  Formeln  vodLaqranoe  (manchmal  auch  als  Airys  Formeln  bezei( 
für  flaches  Wasser,  in  denen  ein  neuer  Faktor  h  =  Wassertiefe  eintritt,  la 


Linien  gleicher  Tiefe. 
-< — mt  WindrichtUTig. 

Fig.  39.    Wellen  am  Ufer. 


Über  eine  weitere  Anwendung  dieser  Formel  s.  S.  197. 


!>/' 


r 


Die  Wellenbewegung. 


225 


Tiefe  abfallende  Wand,  so  wird  sie  von  dieser  zurückgeworfen,  d.  h.  sie 
erfahrt  eine  Gegenwirkung,  als  ob  eine  Welle  von  gleicher  Form 
und  Geschwindigkeit  ihr  entgegenliefe.  Dadurch  wird  sie  gleichsam 
zusammengepreßt;  sie  erhebt  sich,  da  sie  nur  nach  aufwärts  aus- 
weichen kann,  zu  beträchtlicher  Höhe  (bis  zu  30  m),  und  ein  Wogen- 
chaos macht  dann  das  Ufer  oft  unnahbar.  Einsame  Felseninseln 
und  Leuchttürme  sind  vor  allem  dieser  Klippenbrandung  ausgesetzt, 
aber  nur  wenn  der  Wind  stark  und  auflandig  ist,  entfaltet  sie  sich 
in  ihrer  ganzen  furchtbaren  Größe. 

Stoß-  und  Explosionswellen.  Zu  den  fortschreitenden  Wellen  des 
Meeres  gehören  außer  den  Windseen  auch  jene  Fluterscheinungen, 
die  häufig  im  Gefolge  von  heftigen  Erderschütterungen  auftreten  und 
die  man  daher  als  Erdbebenfluten  bezeichnet  hat.  Die  bekanntesten 
Vorkommnisse  dieser  Art  knüpfen  sich  an  die  beiden  peruanischen 
Beben  von  Arica  (13.  August  1868)  und  Iquique  (9.  Mai  1877); 
mehrere  Wellen  durcheilten  den  Pazifischen  Ozean  von  Amerika 
bis  nach  Australien,  im  Jahre  1877  sogar  bis  zu  den  japanischen 
Inseln  und  richteten  stellenweise  bedeutende  Verwüstungen  an.  Von 
den  Windseen  unterscheiden  sie  sich  durch  ihre  gewaltigen  Dimen- 
sionen; die  Gescbwindigkeit  steigert  sich  auf  150 — 200  m  und  dar- 
über, die  Länge  auf  400 — 900  km,  die  Periode  erweitert  sich  auf 
eine  halbe  Stunde  und  darüber;  nur  die  Höhe  ist  verhältnismäßig 
gering  und  übersteigt  jedenfalls  nicht  beträchtlich  die  der  Windseen. 
Dieser  eigentümliche  Charakter  gestattet  nicht  mehr  die  Anwendung 
der  Trochoidenformeln;  da  die  Wellenlänge  die  Wassertiefe  bedeutend 
übertrifft^  so  ist  hier  (wie  schon  einmal,  S.  224,  bemerkt  wurde)  die 
Geschv^indigkeit   nur  von   der   letzteren    abhängig.     Einen   tieferen 


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Fig.  40.  WaBsentandsYerandeningen  in  Sydney  14. — 16.  August  1S6S  nach  den  Auf- 
zeichnungen des  selbstregistrierenden  Flutmessers.  (Reduktion  nach  d.  Taf.  in  den 
Sitz..Ber.  d.  Wien.  Akad.  d.  Wiss.,  Math.-nat.  Kl.  Bd.  LX.  1S69.)   (Höhen  in  engl.  Fuß.) 

Einblick  in  das  Wesen  dieser  Wasserbewegung  gewähren  die  Auf- 
zeichnungen selbstregistrierender  Flutmesser,  die  durch  ihre  Auf- 
stellung ja  nur  dem  Einflüsse  der  kurzen  Windwellen  entrückt  sind. 
Wir  ersehen  aus  der  Flutkurve  von  Sydney  (Fig.  40),  daß  die  in 

SuPAK,  Physische  Erdkunde.   2.  Aufl.  15 


226  Das  Meer. 

Frage  stehenden  Wellen  durchaus  nicht  mächtig  genug   sind, 
Wechsel    der   Gezeiten    zu   unterdrücken,    sondern   nur   als    un 
geordnete  Störungen  erscheinen,  die  der  Kurve  ein  gezähntes  1 
sehen  verleihen.    Am  14.  August  ist  die  Kurve  noch  ziemlich  re 
mäßig;    am   15.  August   nach  2  Uhr  morgens   beginnt  die   Wel 
bewegung,    gegen    7   Uhr   tritt   die    Hauptstörung   ein:    eine    ^ 
von  etwa  ^/g  m  Höhe  und  einer  Periode  von  40  Minuten.    Dann  fol| 
bis  zum   19.  August  noch  eine  ganze  Reihe  von  Oszillationen 
gelegentlichen  Ruhepausen;    die  Zahl  sämtlicher  Wellen  belief 
auf  ungefähr  170. 

Die  Hauptwelle  wurde  von  F.  von  Hochstetter  direkt  als  < 
Wirkung  des  Erdbebenstoßes  in  Ärica  aufgefaßt,  aber  schon  Schi 
hat  die  ünhaltbarkeit  dieser  Annahme  dargethan.  In  letzter  ! 
hat  Rudolph'  alle  Phänomene  dieser  Art  einer  kritischen  Prüi 
unterzogen  und  ist  dabei  zu  folgendem  Ergebnisse  gelangt  El 
sowenig  wie  alle  heftigen  Erdbeben  in  Ktistengegenden,  sind 
Seebeben,  d.  h.  Erschütterungen  des  Meeresbodens,  von  Flutwe 
begleitet  Es  ist  durch  zahlreiche  Beobachtungen  erwiesen, 
SchiflPe  plötzlich  einen  Stoß  verspürten,  als  ob  sie  auf  Grund 
gefahren  wären,  auch  daß  sie  emporgehoben  wurden  und  dann  wie 
einsanken,  ohne  daß  der  Meeresspiegel  irgend  welche  Veränder 
erlitt  Die  Stoßwelle  pflanzt  sich  also  vom  Meeresboden  de 
die  ganze  Wassermasse  fort,  erzeugt  aber  keine  Oberflächenwel 
Dazu  bedarf  es  noch  eines  anderen  Faktors,  und  diesen  fir 
Rudolph,  namentlich  durch  die  Beobachtungen  bei  den  gro 
Sprengarbeiten  im  Hafen  von  San  Francisco  geleitet,  in  den 
kanischen  Eruptionen  auf  dem  Meeresboden  und  in  den  damit  ' 
bundenen  Gas-  und  Dampfexplosionen,  so  daß  wir  jetzt  nicht  m 
von  Erdbeben-,  sondern  von  Explosionsfluten  zu  sprechen  hal 
Man  hatte  zwar  früher  auch  an  plötzliche  Einstürze  auf  dem  Mee: 
gründe  gedacht,  nach  denen  das  Wasser  von  allen  Seiten  1 
drängt,  aber  kein  einziger  zuverlässiger  Schiflfsbericht  läßt  eine  sol 
Deutung  ungezwungen  zu.  Auch  für  die  Krakatauwelle  (Au^ 
-  1883)  scheint  sie  nicht  zuzutreffen.     Diese  Explosionsflut  —  ( 

der  großartigsten,  die  die  Geschichte  kennt  —  überschwemmte  ' 
{  beerend  alle  Küsten   der  Sundastraße,  und  machte  sich  nicht  l 

1  .  im  ganzen  Umkreise  des  Indischen  Ozeans  bemerkbar,  sondern 

\  auch  in  den  Atlantischen  Ozean  ein,  wo  sie  an  so  entfernten  Or 

wie  in  Südgeorgien,   an   der  Panamaenge  und  an  der  französisc 
Küste  (Rochefort)  von  den  Flutmessem  verzeichnet  wurde. 
!  Stehende  Wellen.     Plötzliche  Anschwellungen  des  Wassers 

I  den  •  Ufern    ohne    sichtbare    Ursache    kommen    in   Binnenseen 


Die  Wellenbewegung.  227 


ibgeschlossenen  Meeresteilen  hänfig  vor.    Man  nennt  sie  im  Genfer 

$ee  Seiches  —  ein  Name^  der  sich  jetzt  allgemein  für  diese  Er- 

icheinnBgen  eingebürgert  hat  — ,  an  der  Ostsee  Seebär  (Verstümme- 

nng  von  Bare  =  Woge),  an  der  sizilianischen  Küste  Marrobbio, 

n  Nordspanien  Eesaca  n.  s.  w.    Soweit  es  sich  am  die  Seiche  der 

Binnenseen  handelt,  kann  das  Problem  —  dank  besonders  den  Be- 

nühnngen  Forels*  —  als  gelöst  betrachtet  werden.    Rasche  Ver- 

üidenmgen  des  Luftdruckes,  plötzliche  Windstöße  von  den  Bergen 

lerab.  Stürme  und  andere  gewaltsam,  aber  lokal  wirkende   atmo- 

iphärische  Störungen  rufen  sowohl  in  der  Längs-  wie  in  der  Quer- 

ichse  des  Genfer  Sees  stehende  Wellen  hervor,  eine  eigentümliche 

Schaukelbewegung  des  Wassers,  so  daß  das  Niveau,  während  es  am 

dnen  Ufer  steigt,  an  dem  entgegengesetzten  fällt.     Wird  bei  B  ein 

)lötzlicher  Druck   ausgeübt,   so   nimmt   der  Seespiegel  {ÄKB)   die 

Form    ÄKB,   dann   die   Form   Ä'KB"    an, 

vie  die  Wasseroberfläche  in  einem  Gefäße, 

las  man  bald  auf  die  eine,    bald   auf  die 

mdere  Seite  neigt     Dieses  Spiel  kann  sich 

stundenlang  wiederholen.     K  ist  der  Euhe- 

3unkt  oder  Knoten;  die  Mehrzahl  der  Seiches 

dnd  wohl  einknotige  (uninodale)  Wellen  von  ^. 

iem  oben  beschriebenen  Typus,  doch  kommen    ^ig.  4i.  stehende  Wellen. 

luch  zweiknotige  (binodale)  vor,  bei  denen 

rieh    der   Spiegel  AGB  in   ÄCB\   dann   in   Ä'C'B"  u.  s.  w.   de- 

brmiert 

Ob  auch  auf  jene  marinen  Flutwellen,  die  ihrem  ganzen  Wesen 
lach  nicht  als  Dünxmg  gedeutet  werden  können,  entweder  weil  ihre 
Periode  zu  lang  ist,  oder  weil  sie  (wie  der  baltische  Seebär)  nach 
turzer  S^eit  ebenso  plötzlich  verschwinden,  wie  sie  erschienen  waren, 
—  ob,  sage  ich,  auch  auf  diese  Wellen  die  Seichetheorie  in  ihrem 
ganzen  Umfange  Anwendung  findet,  muß  noch  als  offene  Frage 
gelten.  Nur  soviel  darf  als  sicher  betrachtet  werden,  daß  jene  Wellen 
aicht  Explosionswellen  sind,  sondern  ebenfalls  atmosphärischen  Ein- 
äüssen  ihr  Dasein  verdanken.  Für  den  Seebären  hat  R  Crednbe 
üese  Ursache  wenigstens  sehr  wahrscheinlich  gemacht* 

Eine  befiiedigende  Erklärung  durch  die  Seichetheorie  haben 
lie  rätselhaften  Bewegungen  im  Euripus  gefunden.®  Nach  den 
Wasserstandsbeobachtungen  im  Nordhafen  von  Chalkis  treten  zur 
Zeit  der  Mondviertel  anstatt  der  regelmäßigen  Gezeiten  8 — 9  Wellen 
innerhalb  12  Stunden  mit  einer  Durchschnittshöhe  von  5 — 6  cm  und 
einer  mittleren  Periode  von  1^  25™  auf;  und  diese  letztere  stimmt,  wie 
ilie  Seichetheorie  es  verlangt,  mit  den  Dimensionen  des  talantischen 

15* 


228 


Das  Meer. 


Euripus  gut  überein.  ^  Im  Südhafen  sind  die  Niveauschwankan 
permanent;  man  zählt  in  12  Stunden  7 — 8  Wellen  von  8 — 18  cm  H 
und  einer  mittleren  Periode  von  1^36".  Sind  auch  diese  letzt« 
stehende  Wellen^  so  muß  man  sich  den  chalkidischen  und  eretrise 
Euripus  als  ein  einheitlich  bewegtes  Becken  vorstellen,  um  die  nöti 
Maße  zu  erhalten. 

Litteraturnachweise.  *  Schott,  cit.  S.  219.  —  •  PAris  in  der  Ri 
maritime  et  coloniale,  Paris  1871,  Bd.  XXXI,  S.  111.  —  "  Rudolph,  cit  S. 
—  *  FoREL,  Die  Formel  der  Seiches,  in  den  Archives  des  Sciences,  Grenf  1 
u.  1885.  —  *  R.  Credner,  Über  den  Seebär  der  westlichen  Ostsee,  im  Jahrl 
der  Geographischen  Gesellschaft  in  Greifswald  1887 — 88.  Günther,  Über 
rhythmischen  Schwankungen  des  Spiegels  geschlossener  Meeresbecken,  in 
Mitteilangen  der  Geographischen  Gesellschaft  in  Wien  1888.  —  *  KeC^m 
Das  Problem  des  Euripus,  in  Peteemakks  Mitteilungen  1888. 


Die  Ghezeiten« 

Das  Meeresniveau  ist  einem  periodischen  Schwanken  un 
worfen,  indem  es  innerhalb  eines  Mondtages  von  24**  50°*  zwei 
fällt  und  zweimal  steigt.  Beistehende  Figur  versinnlicht  uns  B( 
achtungen  am  Pegel  von  Cuxhaven  zwischen  5**  früh  und  8**  abe] 


Fig.  42.    Gezeiten  zu  Cuzhaven. 

Der  höchste  Wasserstand  (Hochwasser)  tritt  ein,  wenn  der  M« 
den  Meridian  des  Ortes  passiert  (obere  Kulmination)  und  wenn 
180^  davon  entfernt  ist  (untere  Kulmination),  das  Niedrigwas 


Die  halbe  Schwingungsdauer  (in  Sekunden)  t  = 


l 


Wh' 


l  «  Lftnge 


Beckens  (in  m),   h  =  mittlere  Tiefe  desselben  (in  m),   g  (Beschleunigung 
Schwere)  =  9,806. 


Die  Gezeiten. 


229 


er  ungefähr  zur  Zeit  des  Mondauf-  und  -Unterganges.  Daher  hatte 
ixhaven  am  19.  August  1866  Hochwasser  früh  und  abends,  und 
edrigwasser  mittags  und  um  Mittemacht,  während  sieben  Tage 
äter  der  umgekehrte  Fall  eintrat.  Das  Steigen  des  Wassers  nennt 
Em  Flut,  das  Fallen  Ebbe;  beide  Bewegungen  zusammen  Tiden 
ler  Gezeiten.  Aus  dem  angefahrten  Beispiele  ersieht  man,  daß 
e  Zeitdauer  von  Ebbe  und  Flut  nicht  immer  gleich  ist,  ebenso 
e  Hoch-  und  Niedrigwasser  nicht  immer  den  gleichen  Punkt  am 
5gel  berühren.  Von  größter  Wichtigkeit  für  die  Schiffahrt  ist  die 
^Stimmung  1)  der  Hafenzeit,  d.  i.  des  Zeitunterschiedes  zwischen 
!m  Meridiandurchgange  des  Voll-  und  Neumondes  und  dem  darauf- 
Igenden  Hochwasser,  und  2)  der  Flutgröße  oder  des  Höhenunter- 
hiedes  zwischen  Hoch-  und  Niedrigwasser. 

Theoretische  Gezeiten.   Nach  dem  NEwroNschen  Gesetze  besitzen 
[e  Körper  Anziehungskraft,  die  im  geraden  Verhältnisse  zu  ihrer 


Fig.  43.    EntstehaDg  der  theoretiBcheD  Gezeiten. 


asse  und  im  umgekehrten  zum  Quadrate  ihrer  Entfernung  steht 
>  wird  nicht  bloß  der  Mond  von  der  Erde,  sondern  auch  die  Erde 
m  Monde  angezogen;  und  die  Gezeitenbewegung  wäre  eine  ebenso 
afache  als  regelmäßige  Erscheinung,  wenn  die  Erde  flüssig  oder 
n  einem  Meer  von  gleichmäßiger  Tiefe  bedeckt  wäre,  das  den 
iziehenden  Kräften  sofort  Folge  zu  leisten  vermöchte.  Befindet 
zh  der  Mond  in  der  Äquatorialebene  (Fig.  43),  so  wird  der  Punkt  Ä 
tt  meisten,  G  weniger,  B  am  wenigsten  angezogen.  A  wird  also 
n  C,  und  C  von  B  entfernt,  oder  mit  anderen  Worten:  der  Durch- 
esser AB  zu  AB  verlängert.  Dadurch  wird  notwendigerweise  der 
orchmesser  OW  verkürzt,  und  die  Aquatorialebene  AOBW  nimmt 
e  Gestalt  ÄC/BW  an.    Nördlich  und  südlich  von  A  und  B  werden 


230 


Das  Meer. 


die  Teilchen  nicht  bloß  von  G  entfernt,  sondern  auch  nach  Ä  i 
hinübergezogen,  so  daß  z.  B.  D  nach  Lf  gelangt;  und  infolge  d 
muß  auch  eine  Verkürzung  der  Achse  NS  eintreten.  A  und  j 
wegen  sich  also  nur  in  vertikaler  Richtung,  alle  übrigen  Pi 
aber  auch  horizontal  gegen  A  und  B  hin,  und  die  horizc 
Bewegungskomponente  nimmt  von  A  und  B  gegen  0,  Wy  N  jx 
immer  mehr  auf  Kosten  der  vertikalen  zu.  Das  Niedrigwass 
den  Meridianen  NOS  und  NWS  und  das  Hochwasser  in  den  '. 
dianen  NAS  und  NBS  bedingen  sich  ebenso  gegenseitig,  wie 
und  Berg  in  der  Windwelle.  In  der  That  haben  wir  es  auch 
mit  zwei  großen  Wellen  zu  thun,  die  dem  scheinbaren  Mondum 


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Fig.  44.    Mondesphasen. 

folgend,  in  24**  50"  einmal  die  Erde  umkreisen,  so  daß  in  A 
das   Hochwasser   das   Niedrigwasser  (7,   dann   das   Hochwassei 
endUch  das  Niedrigwasser  W  folgt.     Dasselbe   geschieht   auf 
Parallelkreisen,   imd   nur   an   den  Polen  ^    bleibt  der   Wassers 
unverändert 

Neben    dem  Monde   übt  aber  auch   die  Sonne  eine  merk 
Anziehungskraft  auf  die  Erde  aus,  aber  wegen  ihrer  387  mal  gröfl 
Entfernung  verhält  sich  das  von  ihr  erzeugte  Hochwasser  zu 
vom  Monde  erzeugten  nur  wie  4:9,  obwohl  ihre  Masse  um  ( 
26YamilHonmal  die  des  Mondes  übertriflFt.     In  24**  umkreisen 


X  In  der  Figiir  43  ist  Hoch-  und  Niedrigwasser  der  Deutlichkeit  weg 
übertriebener  Größe  dargestellt. 


Die  Grezeiten. 


231 


wei  Sonnenwellen  und  in  24**  50"  zwei  Mondwellen  von  Ost  nach 

i^est  die  Erde.    Mond-  und  Sonnenwelle  vereinigen  sich  zu  einer 

inzigen  Welle,  deren  Höhe  und  Eintrittszeit  von  der  wechselnden 

tellung  beider  Gestirne  zu  einander  abhängt  (Fig.  44).    In  der  Phase 

es  Neumondes  passieren  diese  gleichzeitig  den  Meridian,   und  das 

onnenhochwasser   tritt   gleichzeitig   mit  dem  Mondhochwasser  ein. 

>as  wirkliche  Hochwasser  stellt  die  Summe  beider  dar,  und  ebenso 

as  wirkliche  Niedrigwasser  die  Summe  beider  Niedrigwasser.     Der 

mgehrte  Fall  tritt  im  ersten  Viertel  ein;  wenn  A  Sonnenhochwasser 

at,  hat  es  Mondniedrigwasser 

nd  umgekehrt,  und  die  wirk- 

chen  Gezeiten  sind  gleich  dem 

Interschiede.  der  Mond-  und 

onnentiden.  Zur  Zeit  desVoll- 

londes  trifft  die  untere  Kul- 

lination  des  Mondes  mit  der 

beren  der  Sonne  zusammen, 

nd    das   Resultat    muß    das- 

elbe   sein   wie  bei  Neumond. 

nnerhalb  eines  Monats  erreicht 

Iso  die  Fluthöhe  zweimal  ihren 

ochsten  (Springtiden)  und 

weimal  ihren  niedersten  Wert 

taube    oder    Nipptiden  ^); 

iie  Übergänge  zwischen  diesen 

Extremen   stellt  Fig.  45    dar. 

ian   hat   die   Mondflut   theo- 

etisch  zu  563  mm,   die  Son- 

lenflut  zu  246  mm  berechnet; 

üe  Springflut  steigt  daher  zu 

►63  +  246  =  809  mm,  die  taube 

riut  aber  nur  bis  563  —  246  =  317  mm  an.  Den  Unterschied  zwischen 

len  Fluthöhen  zur  Zeit  der  Syzygien  und  Quadraturen  nennt  man 

Ke  halbmonatliche  Ungleichheit 

Die  größte  Fluthöhe  fällt  stets  in  die  durch  die  Mittelpunkte 
ier  Erde  und  des  Mondes,  bezw.  der  Sonne  gelegte  Ebene,  in 
fig.  43  also  in  die  äquatoriale.  Da  aber  die  Mondbahn  um  ca.  28^ 
ind  die  Ekhptik  um  ca.  23^2^  gegen  die  Ebene  des  Äquators  geneigt 
(ind,  so  muß  das  Maximum  der  Mondfluthöhe  innerhalb  eines  halben 


BcanMtwcJlt 


Fig.  45.    Sonoe-  uod  Mondwelle. 


^ 


><  Der  Ausdmck  „Nipptiden"  ist  eine  Verstümmelung  der  englischen  Be- 
eichnong  neap  Hdes. 


232 


Das  Meer. 


i    < 


Monats  zwischen  0  und  28^  B.  und  das  der  Sonnentiuthöhe  ini 
halb  eines  halben  Jahres  zwischen  0  und  23^/2^  B.  oszillieren, 
betrachten   hier   nur   den  einfachsten  Fall:    die  Deklination   bei 
Himmelskörper   betrage   23^2^  N.   (Fig.  46).     Am  Äquator   ist 
Vergleich  nzu  Fig.  43)  zwar  die  Fluthöhe  gesunken,  aber  Ebbe 
Flut  dauern  noch  immer  gleichlang  (H^N^  =zN^H^  =  H^N^  ==  N^^. 
Wesentlich  anders  gestalten  sich  aber  die  Verhältnisse  nördlich 
südlich   davon.     In  40^  n.  Br.  z.  B.   ist   das   Hochwasser   bei 
oberen  Kulmination  (fl"^)  größer  als  bei  der  unteren  {H^)  und  ehe 
differieren  die  niedrigsten  Wasserstände.    Femer  ist  die  Dauer 
Ebbe  zwischen  H^  und  N^  bedeutend  länger,  als   die  der  dar; 
folgenden  Flut  {N^H^,  worauf  dann  wieder  eine  kurze  Ebbe  {H^ 


Mond      Sonne 


Fig.  46.    TagUche  Ungleichheit  der  Gezeiten. 

und  eine  lange  Flut  {N^H^)  folgen.    Man  nennt  diese  ünterschi 
die  tägliche  Ungleichheit. 

Endlich   hängt   die   fluterzeugende   Kraft   der   Sonne    und 
Mondes  auch  von  ihrer  wechselnden  Entfernung  von  der  Erde 
Die  Mondflut  schwankt  nach  der  theoretischen  Berechnung  zwisc 
647  und  465  mm,   die  Sonnenflut  nur  zwischen   259   und  234  i 
Die  höchste  Springflut  ist  also  906,  die  niederste  taube  Flut  231  r 
Diesen  Unterschied  nennt  man  die  parallaktische  Ungleichh 

Fassen  wir  das  bisher  Gesagte  noch  einmal  in  Kürze  zusamn 
Die  Flutgröße  und  die  Hafenzeit  hängen  ab:  1)  von  der  Stelli 
des  Mondes  zur  Sonne,  2)  von  der  Deklination  beider  Gestirne,  i 
3)  von  der  Entfernung  derselben  von  der  Erde.  Die  theoretisci 
Gezeiten  ändern  sich  ferner  mit  der  Breite.  Am  Äquator  findet  ke 
tägliche  Ungleichheit  statt,  unter  den  übrigen  Breiten  aber  nur  d; 


im 

Die  Gezeiten.  283 


icht,  wenn  die  Deklination  von  Mond  und  Sonne  =  0  ist    Jenseits  j . 

er  Breiten  28°  N,  und  S,  nimmt  die  Flutgröße  stetig  gegen  die  ^ 

^ole  ab.     An  den  Polen  selbst  wechseln  Ebbe  und  Flut  innerhalb  { 

ines  halben  Monats  einmal.  , 

Wirkliche  Gezeiten.     Die  Bedingungen^   die  die  Theorie  steUt^  r^ 

rerden  aber  in  der  Natur  nicht  erfüllt.    Die  Trägheit  gestattet  dem  ^5* 

Nasser  nicht,  den  anziehenden  Kräften  sofort  Folge  zu  leisten.   Die  J 

Jngleichmäßigkeit  der  Meerestiefen  erlaubt  es  ferner  der  Flutwelle  ;^ 

icht,   mit  dem  scheinbaren  täglichen  Umlaufe  der  Sonne  und  des  *^ 

londes   gleichen   Schritt   zu   halten.     Von   noch   entscheidenderem  '^ 

ünflusse  ist  die  Unterbrechung  der  ozeanischen  Fläche  durch  Fest- 
mdmassen,  und  die  theoretischen  Entwicklungen  von  Newton  und 
iAPLACE,  die  von  der  Voraussetzung  einer  allgemeinen  Meeres- 
edeckung  ausgehen,  haben  insofern  keinen  praktischen  Wert,  als 
ich  daraus  für  keinen  Ort  der  Erde  Hafenzeit  und  Fluthöhe  rech- 
erisch  ableiten  lassen. 

Whewell  war  der  erste,  der  seine  Theorie  den  beobachteten 
lafenzeiten  anzupassen  suchte.  Wenn  man  die  gleichen  Hafenzeiten, 
ezogen  auf  den  Meridian  von  Greenwich,  durch  Linien  (Cotidal 
tnes,  Flutstunden-  oder  bloß  Flutlinien)  miteinander  verbinde,  so 
lüssen  diese  —  das  war  Whewells  Ansicht  —  die  Kämme  der 
^rtschreitenden  Flutwellen  darstellen.  Für  seichtes  Meer  ist  diese 
mnahme  zulässig,  und  für  die  britischen  Gewässer  ist  seine  Dar- 
tellung,  wie  wir  sehen  werden,  auch  heute  noch  giltig,  aber  die 
Verlängerungen  dieser  Flutiinien  in  das  offene  Meer  hinaus  ist  — 
rie  der  Autor  später  selbst  zugab  —  lediglich  ein  Phantasie- 
emälde.  Auch  war  Whewell  der  Ansicht,  daß  die  Südsee  die 
igentliche  Geburtsstätte  der  Gezeitenbewegung  sei,  und  die  Flut- 
welle erst  von  da  aus  in  den  Atlantischen  Ozean  eindringe,  und 
uchte  damit  zu  erklären,  daß  hier  in  der  That  die  Springtiden 
rst  1^2 — 2^2  Tage  nach  den  Syzygien  eintreten.  Aber  auch  diese 
lypothese  ist  durch  die  Erfahrung  widerlegt,  daß  nicht  nur  Binnen- 
aeere,  wie  das  Mittelländische  und  die  Ostsee,  sondern  auch  von 
iüeT  ozeanischen  Verbindung  abgeschlossene,  große  Becken,  wie  der 
dichigansee,  Ebbe  und  Flut  besitzen. 

Die  atlantischen  Gezeiten.  Die  neueren  Theorien  suchen  vor 
Jlem  die  Unregelmäßigkeiten  der  atlantischen  Gezeiten  zu  er- 
:lären.  Ost-  und  Westküste  zeigen  einen  auffallenden  Mangel  an 
Übereinstimmung,  namentUch  im  nordatlantischen  Becken.  Die  Flut- 
löhe  ist  selbst  unmittelbar  am  ozeanischen  Gestade  üben-aschend 
loch,  und  auf  der  Ostseite  höher  als  an  der  westlichen,  während  in  der 
üdhemisphärischen  Hälfte  das  umgekehrte  Verhältnis   stattzuhaben 


234 


Dafl  Meer. 


scheint.  Die  Hafenzeit  verspätet  sich  an  der  Ostküste,  je  w< 
wir  von  Süd  nach  Nord  fortschreiten,  immer  mehr,  als  ob  die  I 
welle  in  dieser  Richtung  fortschreiten  würde,  oder  vielmehr  als  ob  z 
Wellen  sich  nach  Norden  bewegten,  denn  Orte,  die  nm  60 — 65  Brei 
grade  von  einander  entfernt  sind,  haben  gleiche  Hafenzeit.  An 
Westküste  begegnen  wir  nur  bis  zu  den  kleinen  Antillen  € 
ähnlichen  Anordnung,  von  den  Jungfern-Inseln  bis  Neu-Schottlaji( 
24  Breitengrade  Unterschied!  —  schwankt  aber  die  Hafenzeit 
zwischen  0^  3™  und  1*^  47™,  tritt  also  die  Springflut  fast  üb< 
gleichzeitig  ein.^ 

Auf  die  ungleichmäßige  Ausbildung  der  periodischen  Gezei 
Schwankungen  an  beiden  Gestaden  werden  wir  noch  später  zur 
kommen. 

Nach  Fitzboy,  Dovb  und  Febbel  lassen  sich  die  Gezeiten 
nordatlantischen  Ozean  durch  die  Annahme  einer  meridiom 
stehenden  Welle,  einer  Seiche  im  großartigsten  Maßstabe  erkla 
Eine  solche  konnte  unter  günstigen  Umständen  durch  Interfei 
zustande  kommen,  indem  die  ursprüngUche,  von  den  Gestirnen 
zeugte  Flutwelle  von  den  Küsten  zurückgeworfen  wurde.  Das  W< 
einer  solchen  stehenden  Welle  besteht  —  wie  schon  darge 
wurde  —  darin,  daß  die  beiden  Ufer  abwechselnd  Hoch- 
Niederwasser  haben.     Das  amerikanische  Gestade  hat  in  der  1 


^  Auszug  aus  einer  Tabelle  von  B5BGEN^  Nur  Orte  mit  möglichst  h 
Lage  wurden  gewählt  Die  Hafenzeiten  sind,  um  vergleichbar  zu  sein, 
Greenwicher  Zeit  reduziert 


Breite 


580  N. 

46—48  „ 

41  „ 

86—37  „ 

31—82  „ 

26—27  „ 

14  „ 

4-  5  „ 

6—  7  S. 

12  „ 

26—27  „ 

84-40  „ 

54  „ 


Westküste 

Ostküste 

Ort 

Hafenzeit 

Fluthöh» 

Ort 

Hafenzeit 

FTuI 

(Qreenwich) 

m 

(Qreenwich) 







St  Kilda     .    . 

6h    4m 

Kap  Race 

lOh  82m 

1,8 

Ouessant      .    . 

3    52 

Block  Insel  . 

0    22 

1,0 

Oporto    .    .    . 

3      4 

Kap  Henry  . 

0    44 

l,a 

Lagos      .    .    . 

2    42 

Ossabaw  Sd.. 

1    43 

2,2 

Funchal  .    .    . 

1    56 

Abaco  .    .    . 

1      9 

0,9 

Ferro  .... 

1    42 

Martinique 

8      5 

0,4 

Gorr^e    .    .    . 

9    18 

Cayenne    .     . 

7    45 

1,8 

Kap  Palmas    . 

5      1 

Parahyba .     . 

7    29 

3,0 

Kongo     .     .     . 

3    41 

Bahia   .     .     . 

7      0 

2,4 

Benguela     .    . 

2    51 

S.  Catherina. 

5    59 

1,8 

Angra  Pequena 

1    30 

Rio  Negro     . 

3    11 

3,e 

Tafelbai.    .    . 

1    27 

Staten  Island 

1     8    45 

2,4 

— 

— 

- 

Die  Gezeiten.  235 


oahezu  überall  gleichzeitig  Fiat,  am  europäischen  aber  müßte  sich 
oach  der  Ansicht  Febbels  die  stehende  Welle  infolge  der  wechseln- 
den Tiefenverhältnisse  in  eine  fortschreitende  verwandeln. 

Wir  haben  oben  (S.  228)  die  Seicheformel  kennen  gelernt  Wir 
können  berechnen,  ob  die  Länge  und  mittlere  Tiefe  des  atlantischen 
Beckens  mit  der  Periode  der  Flutwelle  (12^  25°^)  übereinstimmt,  und 
iamach  den  Wert  der  Theorie  bemessen.  Die  Prüfung,  die  Böbgen 
vorgenommen  hat,  ergab  kein  günstiges  Eesultat 

Atry  hat  in  seiner  Kanal-  oder  Wellentheorie  den  maßgebenden 
Eünfluß  der  Eeibung  auf  das  Gezeitenphänomen  würdigen  gelehrt. 
[n  einem  gleichmäßig  tiefen  Kanal  erzeugt  die  Anziehungskraft  des 
Sfondes  eine  Welle  von  der  Periode  eines  halben  Mondtages  und 
?^on  der  Länge  des  halben  Erdumfangs  (^  TTO  in  Fig.  43),  die  Höhe 
ist  aber  abhängig  von  der  Tiefe  des  Kanals  und  steht  zu  dieser  im 
geraden  Verhältnisse.  Sobald  an  irgend  einer  Stelle  des  Kanals  die 
Breite  oder  Tiefe  sich  ändert,  so  daß  die  primäre  Welle  in  ihrer 
Fortbewegung  gehindert  wird,  entsteht  als  Ausdruck  der  neuen 
Grleichgewichtsstörung  eine  sekundäre  Welle  von  derselben  Periode 
wie  die  primäre,  aber  von  verschiedener  Länge,  die,  weil  sie  unter 
EiUen  Umständen  die  Tiefe  weit  übertriflft,  nach  der  LAGRANGESchen 
Formel  im  direkten  Verhältnisse  zur  Tiefe  steht  ^ 

Die  Annahme  eines  regelmäßigen  Kanals  ermöglicht  die  Rech- 
nung, entspricht  aber  natürlich  nicht  den  Formen  der  Meeresbecken, 
rrotzdem  läßt  sich  die  Theorie  bis  zu  einem  gewissen  Grade  auch  auf 
üe  natürlichen  Verhältnisse  anwenden;  jedenfalls  ist  sicher,  daß  die 
Ekn  den  Küsten  beobachteten  Gezeiten,  wenn  sie  wirklich  fort- 
schreitende Wellen  sind,  nur  sekundäre  Wellen  sein  können. 

Darauf  baut  Böegen  weiter.  Die  atlantischen  Hafenzeiten  deuten 
an,  daß  die  Flutwelle  von  S.  nach  N.  fortschreitet  Zwei  Orte  im 
N.  und  S.  mit  gleicher  oder  ähnlicher  Hafenzeit,  wie  z.  B.  St  Catherina 
in  Brasilien  und  St  Kilda  in  Schottland  sind  dann,  wie  man  an- 
aehmen  darf,  nur  eine  Wellenlänge  von  einander  entfernt  Stimmt 
die  wirkliche  Entfernung  mit  der  aus  der  Periode  und  mittleren  Tiefe 
berechneten  überein  oder  doch  wenigstens  nahezu  überein,  so  wird 
man  fllr  jene  Annahme  eine  wesentliche  Stütze  gewonnen  haben. 
Kreldel*  glaubt  sogar,  dass  es  einst  möglich  sein  werde,  aus  den 
TiefiMi  und  Hafenzeiten  die  Lage  der  Flutlinien  im  offenen  Ozean 
zu   berechnen;   für   die    südatiantische  12  Uhr -Linie   hat   er   einen 


><  Man  nennt  die  primftren  Wellen  auch  gezwungene,  weil  sie  unter 
der  unmittelbaren  Herrschaft  der  wellenerzeugenden  Kraft  stehen,  die  sekun- 
dftren  dagegen  freie.    Windseen  sind  z.  B.  gezwungene,  Dünungen  freie  Wellen. 


236 


Das  Meer. 


solchen  Versuch  bereits  gewagt  Ihr  Kamm  verläuft  wegen 
wechselnden  Tiefe  nicht  den  Breitenkreisen  parallel,  sondern  eilt 
tieferen  Wasser  schneller  vorwärts,  als  im  seichteren.  ünt«r  12 
verlegt  ihn  Kreidel  nach  3572^  ^'>  unter  44^  W.  aber  nach  43^4 
Es  darf  übrigens  nicht  verschwiegen  werden,  daß  auch  d 
neuesten  Versuche,  dem  Gezeitenphänomen  theoretisch  beizukomr 
nur  in  verhältnismäßig  wenigen  Fällen  wirklich  befriedigende  Re 
täte  erzielt  haben.  Das  kann  auch  nicht  wunder  nehmen,  denn 
Flutwelle  unterliegt  auch  noch  anderen  Einflüssen  außer  dem 
Tiefe.  Zunächst  dem  der  Erdrotation,  die  sie  nach  links  dräi 
und   es  mag  damit  wohl   auch  zusammenhängen,   daß  im  südat 


Fig.  47.     „Cotidal  Unes"  nach  Whewell. 

tischen  Ozean  das  Westufer,  im  nordatlantischen  das  Ostufer 
bedeutendere  Fluthöhe  aufweist.  Noch  entscheidender,  namentl 
auf  die  Hafenzeit,  wirken  die  verschiedenen  Interferenzen  ( 
BöEGKN  nimmt  neben  der  großen  Flutwelle,  die  von  S.  nach  N.  verläi 
auch  eine  kleinere  an,  die  in  ostwestUcher  Richtung  sich  fortpflan 
und  außerdem  kann  die  Hauptflutwelle  selbst  unter  gewissen  ü 
ständen,  namenthch  durch  den  Verlauf  der  Küsten  gezwungen,  e 
rückläufige  Bewegung  annehmen.  Genauer  sind  eine  Reihe  solcl 
Interferenzen  in  den  britischen  Gewässern  und  in  der  Nords 
bekannt;  die  auffaUende  Verteilung  der  Hafenzeiten  in  dieser  Gege 


Die  Gezeiten. 


237 


ib  Whewell  zuerst  Veranlassung,  Flutlinien  zu  konstruieren,  die 
ch  hier  auch  bewährt  haben  und  durch  die  neuesten  Erfahrungen 
ir  im  Einzelnen  korrigiert  wurden  (Fig.  47).  Nach  dieser  Dar- 
ellung  erreicht  die  Flutwelle  zuerst  die  iberischen,  dann  die  fran- 
►sischen  Küsten,  dringt  sodann  in  den  Kanal  und  in  die  Irische 
je  ein  und  umzieht  Irland  und  Schottland,  so  daß  sie  an  der  nord- 
tlichen  Küste  Schottlands  und  in  der  Themse  gleichzeitig  (Green- 
icher  Mittag)  eintrifft.  Zwischen  diesen  beiden  Punkten  ist  aber 
e  Hafenzeit  kleiner  und  nimmt  von  Norden  nach  Süden  zu. 
^HEWELL  erklärte  dies  durch  die  Annahme,  daß  die  Flutwelle  in 
eser  Gegend  nur  eine  Fortsetzung  der  vom  nördhchen  Schottland 
»mmenden  sei.  An  der  Themsemündung  trifft  also  die  Kanal- 
3lle  mit  der  zwölf  Stunden  älteren  schottischen  Welle  zusammen, 
ler  mit  anderen  Woften:  in  der  Zeit,  als  eine  Flutwelle  Schottland 
nzieht,  um  bis  London  zu  gelangen,  passieren  zwei  Wellen  die 
raße  von  Dover.  In  ähnhcher  Weise  treffen  sich  zwei  Flut- 
jllen  in  der  Irischen  See,  während  die  norwegische  Welle  in  den 
:agerak  eindringt,  ohne  für  die  deutschen  Küsten  Bedeutung  zu 
iwinnen. 

Geseitenströme.  Wenn  die  Auffassung  des  Gezeitenphänomens 
3  fortschreitende  Welle  richtig  ist,  so  ergibt  sich  daraus  die  Er- 
ärong  der  Gezeitenströme.  Man  braucht  sich  nur  vor  Augen 
L  halten,  daß  jedes  Wasserteilchen  eine  Orbitalbewegung  ausführt 
id  dazu  genau  soviel  Zeit  braucht,  als  die  Wellenperiode  beträgt;  in 
Lserem  Falle  also  sechs  Stunden  nach  vorne  und  sechs  Stunden 
irch  rückwärts  sich  bewegt.  Die  gleichzeitige  Bewegung  nach  oben 
id  unten  macht  sich  nicht  fühlbar;  überdies  nimmt  auch  die 
rbitalbahn  umsomehr  die  Gestalt  einer  flachen  ElUpse  an,  je 
nger  die  Welle  ist. 

In  einem  Punkte  scheinen  aber  die  Gezeitenströme  der  Wellen- 
eorie  zu  widersprechen.  Man  muß  nämhch  voraussetzen,,  daß 
jr  Stromwechsel  oder  das  Kentern  des  Stromes  jedesmal  statt- 
idet,  wenn  das  Niveau  des  Mittelwassers  (mm  in  Fig.  48)  er- 
icht  wird;  in  Wirklichkeit  aber  vollzieht  er 
ch  meist  bald  nach  Hoch-  und  Niederwasser 
r  und  N  in  Fig.  48),  nachdem  eine  kurze 
Bit  völliger  Stillstand  geherrscht  hat.  Dieses 
morme  Verhalten  läßt  sich  auf  den  Einfluß 
*s  ansteigenden  seichten  Meeresgrundes  zu- 
Lckführen,  wodurch  der  vordere  Schenkel 
ir  Welle  eine  Verkürzung  erleidet.  Das  Einsetzen  des  Ebbestromes 
imittelbar  nach  Hochwasser  entspriclit  dem  Branden  der  Windseen. 


Fig.  48.     Bahn  der 

Wasserteilchen  in  der 

Flutwelle. 


vi 


238  Das  Meer. 


t      ^ 


Wo  günstigere  Verhältnisse  obwalten,  nähert  sich  der  Zeitpunkt 
*  Kenterns  auch  mehr  der  theoretischen  Forderung. 

L  Wie  wir  ebenfalls  im  vorigen  Kapitel  schon  hervorgehoben  hs 

biegt  der  Wellenkamm,  wenn  er  eine  sanfte  Böschung  hinanfl 
^  parallel  zur  Küste  um.     Daher  geht  der  Flutstrom  stets   senki 

t  auf  das  Land  zu  und  fließt  der  Ebbestrom  ^  ebenso  vom  Lande 

/  welche  Eichtung  sie  auch  immer  in  größerer  Entfernung   Ton 

Küste  verfolgen  mögen. 
;  Fluthöhe.     Mit   dem   Wellencharakter   der   Gezeiten    häng 

femer  auch  zusammen,  daß  die  Fluthöhe  an  den  Küsten  des  I 
landes  viel  beträchtlicher  ist,  als  auf  dem  offenen  Meere;  ern 
sie  doch  selbst  an  den  ozeanischen  Eilanden  Hawaii  und  Tahiti 
0,3  bis  0,6  und  auf  St.  Helena  nur  0,9  m.  Besonders  günstig  erwe 
sich  dreieckige  Buchten,  deren  Boden  aUmälilich  ansteigt,  in 
hier  die  Flutwelle  an  Höhe  gewinnt,  was  sie  an  Breite  verl 
So  sind  an  der  europäischen  Küste  besonders  der  Bristol -K 
und  die  Bai  von  St.  Michel  durch  hohe  Flutwellen  (15,9,  b 
11  m)  ausgezeichnet,  und  auf  der  amerikanischen  Seite  erre 
die  Flutgröße  in  der  Fundybai  sogar  21,8  m.  In  trichterfon 
Flußmündungen  eindringend,  schiebt  sich  das  schwere  Salzwa 
keilförmig  unter  das  Flußwasser  ein,  so  daß  dieses  thatsächlich  ei 
Stunden  aufwärts  fließt.  Die  Vorderseite  der  Flutwelle  ist  hier 
sonders  steil,  daher  die  Flut  kürzer  dauert  als  die  Ebbe.  Schwe 
./  günstige   orographische  Verhältnisse   die  Flutgröße   beträchtlich 

und  finden  sich  ausgedehnte  Untiefen  vor,    so    entwickelt  sich 
id-  imposante  aber  gefährliche  Flutbrandung.     (Bore  des  Gan 

Mascaret  der  Seine  vor  ihrer  ReguUerung,  Pororoca  des  Amazoi 
Stroms).  In  mächtiger  Brandung  stürzt  sich  das  Wasser  über 
flachen  Uferbänke,  während  in  der  Mitte  des  Stromes  die  Flutw 
als  ungebrochener  mauerartiger  Wall  aufwärts  fortschreitet  I 
wo  die  Gezeitenbewegung  aufhört,  ist  die  eigentUche  Grei 
zwischen  Fluß  und  Meer;  an  ihr  haben  sich  zahlreiche  der 
deutendsten  Handelsstädte  entwickelt.  Sie  liegt  z.  B.  in  der  W< 
67,  in  der  Elbe  148,  in  den  Hauptarmen  des  Ganges  ca.  250, 
Jangtse-Kiang  über  800,  am  Amazonas  nahezu  1000  km  landeinwl 

An   den  Tiden   nehmen   aber  nur  die  ozeanischen  Flüsse 
In  den  Binnenmeeren  ist  die  Fluthöhe  so  gering,  daß   man   ih 
dies  Phänomen  früher  sogar  ganz  abgesprochen  hat.   An  der  Ostki 
der  Adria  beträgt  sie  z.  B.  durchschnittlich  nur  0,ie  m  und  in  Ti 


X  Die  Küstenbewohner   gebrauchen  dafür   kurzweg  die  Ausdrücke 
und  Ebbe. 


Die  Grezeiten. 


239 


und  Venedig  0,7  m;  nur  in  den  Syrien  steigt  sie  bis  2  m.  In  den 
Selten  und  im  Sund  schwankt  sie  zwischen  0,o6 — 0,62  m  und  an  der 
deutschen  Ostseeküste  sogar  zur  Zeit  der  Syzygien  nur  zwischen 
0,01  und  0,11  m.  Bei  Chicago  am  Michigansee  erreicht  die  Spring- 
flut 0,07  m.  Es  muß  übrigens  nochmals  betont  werden,  daß  auch 
Stürme  den  Wasserstand  wesentlich  beeinflussen,  indem  sie  Wasser 
zur  Küste  hintreiben  (Windstau)  oder  von  ihr  entfernen;  die 
beobachtete  mittlere  Flutgröße  ist  also  nicht  allein  das  Resultat  der 
Gezeitenbewegung. 

Die  periodischen  Veränderungen  der  Fluthöhe  vollziehen 
sich  nicht  überall  in  gleicher  Weise;  aber  unsere  Theorien  sind  zu 
unvollkommen,  als  daß  es  ihnen  bereits  gelungen  wäre,  diese  merk- 


Fig.  49.     Gezeiten  zu  Liverpool  nach  Lbntz. 


■  t  H  ^i 


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Fig.  50.     Gezeiten  zu  Peterpaulowsk  nach  Lentz." 

würdigen  örtlichen  Verschiedenheiten  aufzuheUen.  So  ist  z.  B.  im 
nordatlantischen  Ozean  die  halbmonatliche  Ungleichheit  an  der  ameri- 
kanischen Seite  nur  halb  so  groß,  als  an  der  europäischen.  Die  täg- 
liche Ungleichheit  ist  an  beiden  Gestaden  gering;  am  amerikanischen 
wächst  sie  aber  rasch  nach  S.  zu,  und  im  Golf  von  Mexico  ist  die  kleine 
Ebbe  schon  völlig  verschwunden  und  innerhalb  24  Stunden  wechseln 
Flut  und  Ebbe  nur  einmal.  Solche  Eintagstiden  haben  auch 
die  Golfe  von  Tongking  und  Manila.  Im  nordpazitischen  Ozean  ist 
die  tägliche  Ungleichheit  ebenfalls  kräftig  entwickelt,  wie  der  Ver- 
gleich der  Fig.  49  und  50  lehrt.     Die  halbmonatliche  Ungleichheit 


240 


Das  Meer. 


-  i 

9 

i 


ist  an  beiden  Orten  gut  erkennbar,  die  tägliche  ist  aber  in  L 
pool  (nordatlantischer  Typus)  kaum  merkbar,  obwohl  der  Mon( 
1.  Mai  das  Maximum  der  Deklination  erreicht,  dagegen  sehi 
deutend  in  Peterpaulowsk  (nordpazifischer  Typus),  obwohl  die  il 
deklination  am  21.  Juni  =  0  ist.  ^  Bis  zum  19.  Juni  ist  das 
mittägige  Hoch-  und  Niedrigwasser  das  größere,  vom  19.  Jui 
aber  das  nachmittagige.  Man  beachte  auch,  wie  an  beiden  ( 
die  Eintrittszeit  von  Hoch-  und  Niedrigwasser  sich  allmählich 
schiebt 

Daß  wir  das  Wasser  an  den  Küsten  steigen  und  fallen  S( 
beweist  schon,  daß  es  der  Anziehungskraft  des  Mondes  unen 
leichter  folgt,  als  die  feste  Erde.  Aber  deshalb  darf  die  let; 
doch  nicht  als  gänzlich  gezeitenlos  betrachtet  werden,  wie  s 
auf  S.  17  erörtert  wurde,  und  der  Nullpunkt  des  Pegels,  auf 
man  Hoch-  und  Niedrigwasser  bezieht,  ist  daher  selbst  kein 
Punkt.  Wenn  am  26.  August  1866  der  Wasserstand  zu  Cuxh 
von  1,82  auf  4,96  m  stieg  (s.  Fig.  42),  so  entfernte  sich  das  Meeresni 
nicht  bloß  um  3,i3  m  vom  Erdmittelpunkte,  sondern  um  3,i3  m 
dem  Betrage,  um  welchen  der  Pegelnullpunkt  selbst  gestiegen 

Die  beobachtete  Flutgröße  ist  also  gleich  der  wirklichen  I 
große  des  Wassers  weniger  der  Flutgröße  der  festen  Erde,  oder 
anderen  Worten:  die  beobachteten  Tiden  sind  Different 
tiden.  Wie  groß  die  Erdflut  ist,  läßt  sich  vielleicht  einma 
Bezug  auf  die  halbmonatlichen  Schwankungen  ermitteln;  bedeui 
ist  sie  jedenfalls  nicht  und  kann  nur  theoretisches  Interesse  b 
spruchen. 

Litteraturweise.  ^  Segelhandbuch  des  Atiantischeu  Ozeans,  heraiu 
von  der  deutschen  Seewarte,  Hamburg  1885.  —  *  Rreidel,  Untersuchu] 
über  den  Verlauf  der  Flutwellen  in  den  Ozeanen,  Frankfurt  a.  M.  188? 
•  Lentz,  Flut  und  Ebbe,  Hamburg  1879. 


Die  Meeresströmungen. 

(Siehe  Karte  XV.) 

'    Strömungen  können  durch  verschiedene  Ursachen  bewirkt  wer 
Von    den    sogenannten   Gezeitenströmungen   wurde    bereits 
sprochen;    sie  beherrschen   das  Meer  oft  bis  in  beträchtliche  ] 
femung  von  der  Küste,   wie  in  den  britischen  Gewässern,   in 
Hudsonstraße   und    im   Lorenzgolf,    in    den    seichten    Gebieten 


^  Die  tägliche  Ungleichheit  ist  nach  der  Tlieorie  proportional  dem  S 
der  doppelten  Deklination. 


\ 


Die  Meeresströmungen.  241 


australasiatischen  Mittelmeeres  oder  im  Golf  Ton  Carpentaria.  In 
engen  Meeresstraßen  geben  sie  Veranlassung  zu  Wirbelbildungen, 
von  denen  der  Maelstrom  bei  den  Lofoten  und  die  Scylla  und 
Charybdis  in  der  Meerenge  von  Messina  die  bekanntesten  Bei- 
spiele sind.  Zwischen  Binnenmeeren  und  dem  Ozean  entstehen 
Strömungen  zur  Ausgleichung  des  Salzgehaltes.  Vom  salz* 
reicheren  Meere  geht  ein  Unterstrom  zum  salzärmeren  und  zum 
Ersatz  dafiir  ein  Oberstrom  in  entgegengesetzter  Sichtung.  So  fließt 
das  Wasser  der  Ostsee  oberflächlich  zur  Nordsee  ab,  während  ein 
Tiefstrom  aus  der  Nordsee  in  die  Ostsee  eindringt,  der  in  der 
Eadettenrinne  zwischen  Darßerort  und  Gjedser  sein  Ende  flndet 
Atlantisches  und  pontisches  Wasser  strömt  oberflächlich  in  das  salz- 
reiche Mittelmeer  ein,  von  dem  wieder  Tiefströme  zum  Ozean  und 
zum  Schwarzen  Meere  gehen. 

Wesentlich  anderer  Art  sind  die  großen  ozeanischen  Strö- 
mungen, die  im  Haushalte  der  Natur  eine  so  bedeutsame  ßoUe 
spielen.  Flußartig  und  scharf  begrenzt,  wie  sie  in  der  schematischen 
Darstellung  der  meisten  Karten  erscheinen,  sind  sie  freilich  nicht; 
meist  werden  wir  —  wie  bei  Flüssen  von  sehr  schwachem  Gefälle  — 
nur  durch  indirekte  Anzeichen  belehrt,  daß  die  Wasserteilchen  in 
einer  bestimmten  Eichtung  fortschreiten.  Amerikanisches  Treibholz 
gelangt  z.  B.  nach  Island  und  Norwegen;  Flaschen,  welche  einen 
Zettel  mit  genauer  Angabe  der  Stelle  und  Zeit  des  Aussetzens  ent- 
halten, werden  an  weit  entlegenen  Orten  wieder  aufgefunden.  Die 
Geschichte  erzählt  uns,  daß  GABBAii  im  Jahre  1500,  als  er  nach 
Ostindien  segeln  wollte,  von  den  Strömungen  nach  Westen  entfiihrt 
und  so  der  unfreiwillige  Entdecker  Brasiliens  wurde.  Vor  allem  aber 
ist  die  Temperatur-  und  zum  Teil  auch  die  Salzgehaltsverteilung  im 
Meere  ein  sicherer  Beweis  flir  das  Vorhandensein  von  Strömungen 
sowohl  an  der  Oberfläche,  wie  in  der  Tiefe  des  Ozeaus. 

Auf  dem  offenen  Meere  ermittelt  man  die  Strom-  ^^ 
Versetzung  des  Schiffes  durch  den  Vergleich  des  aus 
dem  Kurs  und  der  Fahrgeschwindigkeit  berechneten 
(„gegißten"  d.  h.  geschätzten)  Standortes  mit  dem 
astronomisch  bestimmten  („Besteck'*)  im  Verlaufe  eines 
„Etmals''  (Zeitraum  von  einem  Mittag  zum   anderen). 

Folgendes  Beispiel,   einer  Abhandlung  von   Schott^    a^- c 

entnommen  y    wird   uns   über   das   Wesen   dieser   Be- 
stimmung aufklären.    Ein  Schiff  befindet  sich  an  einem  g^myeraetOTmir 
Mittag  in  0.  (Fig.  51);    31 M5'  N.,    186«  20'  0.     Am 
nächsten  Mittag  sollte  es  sich  nach  der  Schiffsrechnung  in  A.  (29^  29'  N., 
134®  20'  0.)  befinden,  ist  aber,  wie  die  astronomische  Beobachtung 

SCPAK,  Phjsiflche  Erdkunde.    2.  Aufl.  IB 


242  Das  Meer. 


'  zeigt,  thatsächlich  in  B.  (29«  48'  N.,  134M7'  0.),  wurde  also  ^ 

^,  rend   seiner  Fahrt  durch  eine  Strömung  {AB)  etwas  nach   NO. 

'  gelenkt.     Der  Breitenunterschied  zwischen  dem  gegißten   und  a 

'  nomischen  Besteck  (BC)  beträgt  19'  oder  19  Seemeilen,  der  Län 

unterschied  (-4(7)  27'  oder  (nach  der  mittleren  Breite  von   A  ui 
•  '^  berechnet)  23  Seemeilen.    In  dem  rechtwinkeligen  Dreiecke  ABC 

i  '.  ■  nun  die  beiden  Katheten  bekannt;  daraus  läßt  sich  ermitteln   1. 

i  Weg  AB,  den  die  Strömung  in  24  Stunden   zurückgelegt  hat, 

ihre  Geschwindigkeit,    2.  der  Winkel  ABC  =  dem  Winkel  a, 
die  Stromrichtung  mit  dem  Meridian  (NS)  einschließt.    Im  vorlie 
den  Falle  ergiebt  sich  flir  die  Strömung  die  Richtung  N.  52  ^  O. 
;  eine   Geschwindigkeit  von  30  Seemeilen  pro  Tag  =  0,6  m  pro  i 

also  eine  bedeutend  geringere  als  die  Wellengeschwindigkeit,     I 
dadurch  entzog  sie  sich  der  direkten  Beobachtung. 

Es  ist  klar,    daß  diese  Methode,    die  Strom  Versetzung   zu 
stimmen,    an   großen  Übelständen  leidet,    denn   das  Resultat   hl 
ganz  von   der  Zuverlässigkeit  der  Schiffsrechnung  und  der  astn 
j  mischen    Positionsbestimmung    ab.     Temperatur-    und    Salzgehs 

,  messungen  müssen  daher  immer  ergänzend   mitwirken;    nament 

letztere   betrachtet  Schott   als  das  sicherste  Mittel,   um   über 
polare  oder  äquatoriale  Herkunft  einer  Wasserprobe  zu  entscheic 
Aber  jede  Beobachtung  gilt  zunächst  nur  flir  die  Jahreszeit,  in 
sie  gemacht  wurde;  stellt  man  alle  zusammen,  so  erkennt  man, 
•  sowohl  die  Richtung  wie   die  Stärke  der  Meeresströmungen  stel] 

'  weise   erheblichen  jahreszeitlichen  Schwankungen  unterwoi 

sind.     Auch  aus  diesem  Grunde  sind  unsere  Stromkarten  nur  s 
,  schematisch. 

Xordatlantischer  Osean.     Am   besten  kennt  man   begreiflicl 

;  weise    die  Strömungen   im  Atlantischen   Ozean.     In  der  Z 

zwischen   ca.  20^  N.   und  10®  S.    fließen   die   beiden    Äquatori 

Strömungen  nach  Westen,    die   nördliche  in  ihren  Grenzen  et 

schwankend,    die   südliche  stets  über  den  Äquator  auf  unsere  ] 

misphäre  übersetzend.     Ihre  Geschwindigkeit  ist  am  größten,   w 

i   ',  die  Sonne  in  den  Wendekreisen  steht,  nimmt  aber  stets  vom  Äquj 

f  gegen  die  Ränder  ab.    Im  Mittel  beträgt  sie  in  der  nördhchen  Si 

-.    :  mung  24,  in  der  südlichen  30  km  pro  Tag.    Zwischen  beiden  be^ 

1    *  sich  die  Guineaströmung  mit  einer  durchschnittlichen  Gesch? 

f   ^  digkeit  von  28  km  in  entgegengesetzter  Richtung.     Stets  breitet 

■   I  sich  fächerg^rtig  gegen  Osten  aus;   ihr  Anfang  liegt  nach  Kbüic 

im  Jahresmittel  in  35 ^2^  W.,  schwankt  aber  zwischen  25  und  50® 

und  ebenso  schwankend  ist  ihre  Breite  im  Osten. 

i  Über  den  weiteren  Verlauf  der  Äquatorialströmungen  und  ih 


Die  Meereströmungen.  243 


Zusammenhang  mit  dem  Golf-  oder  Floridastrome  ^  haben  die  syste- 
matischen Untersuchungen  der  amerikanischen  Marine  seit  1883,  die 
an  verschiedenen  Punkten  von  einem  verankerten  Schiflfe  aus  vor- 
genommen wurden,  helles  Licht  verbreitet.  *  Am  südamerikanischen 
Kap  S.  Roque  teilt  sich  der  südUche  Äquatorialstrom.  Der  Nordarm 
vereinigt  sich  mit  der  nördlichen  Äquatorialströmung,  und  beide  fließen 
nun  teils  als  Antillenstrom  an  der  Außenseite  der  westindischen 
Inseln  nach  NW.,  teils  dringen  sie  durch  die  vielen  Passagen  zwischen 
den  Inseln  St.  Vincent  und  Antigua  in  das  Karibische  Meer  ein,  kehren 
aber  zum  Teil  als  ünterstrom  wieder  in  den  Ozean  zurück.  Am 
kräftigsten  ist  der  Strom  zwischen  St.  Vincent  und  St.  Lucia;  süd- 
lich von  Grenada  herrschen  wechselnde  Strömungen,  westlich  von 
Antigua,  im  Umkreise  der  Großen  Antillen,  nur  Gezeitenströme.  Aber 
nicht  die  ganze  Wassermenge,  die  durch  die  Floridastraße  in  den 
Ozean  sich  ergießt  (89872  Mill.  Tons  pro  Stunde),  stammt  von  jenen 
Zuflüssen  der  Äquatorialströmung  her;  auch  nordhemisphärisches 
Wasser,  das  der  Passat  durch  die  Antillenpassagen  in  das  Karibische 
Meer  hineintreibt,  mag  einen  erhebhchen  Beitrag  leisten.  In  diesem 
Meere  ist  der  Strom  im  Anfange  an  der  Oberfläche  kaum  erkennbar, 
wächst  aber  nach  W.  zu  rasch  an  Geschwindigkeit  und  tritt  endlich 
durch  die  Yucatan- Straße  in  den  Golf  von  Mexico  ein.  Auch  hier 
verliert  sich  wieder  der  oberflächliche  Zusammenhang,  die  Strö- 
mungen sind  schwach  und  wechselnd;  erst  am  Eingange  in  die  Flo- 
ridastraße, etwa  in  85®  L.,  ist  die  östliche  Richtung  deutlich  aus- 
geprägt Diese  Straße  durcheilt  der  herrliche,  55  km  breite  und  800  m 
mächtige  Floridastrom  mit  einer  mittleren  täglichen  Geschwindig- 
keit von  134  km,  die  sich  zeitweise  bis  zu  220  km  steigert,  also  die 
des  Oberrheins  bei  mittlerem  Wasserstande  sogar  noch  übertrifit 
Auch  darin  bleibt  die  Analogie  mit  den  festländischen  Flüssen  ge- 
wahrt, daß  die  Geschwindigkeit  in  oder  nahe  der  Mitte  am  größten 
ist  und  gegen  die  Ränder  abnimmt  In  den  periodischen  Schwan- 
kungen der  Richtung,  Breite,  Geschwindigkeit  und  Temperatur  zeigt 
sich  aber  ein  deutlicher  Zusammenhang  mit  dem  Gezeitenphänomen. 
Mit  steigender  Deklination  des  Mondes  breitet  sich  der  Strom  auSj 
wird  aber  flacher;  die  Geschwindigkeit  nimmt  an  den  Rändern  zu, 
in  der  Mitte  aber  ab,  wodurch  sich  auch  die  Temperaturgegensätze 
zwischen  diesen  Stromteilen  abschwächen. 

In    den   Ozean    hinaustretend,   bewegt   sich   der   Floridastrom, 


X  Der  Name  Floridastrom  war  bis  Franklin  (1772)  allein  üblich,  und 
KsüHMEL  hat  in  neuester  Zeit  versucht,  ihn  wieder  einzubürgern,  weil  man 
unter  dem  Namen  Golfstrom  vieles  zusammenfaßt,  was  nicht  strenge  zusammen- 
gehört. 

16* 


244  Das  Meer. 


durch  bedeutenden  Salzgehalt,  tiefblaue  Färbung  und  hohe  Ten 
ratur  von  der  Umgebung,  besonders  im  W.,  scharf  sich  abheb( 
entlang  der  200  m- Linie  und  parallel  mit  der  nordamerikanisc 
Küste,  nach  NW.  bis  zum  Kap  Hatteras.  Von  da  entfernt  er  s 
seine  frühere  Richtung  beibehaltend,  immer  weiter  vom  Festlande 
endet  ungefähr  in  40^  oder  45®  W.  Dabei  wird  er  immer  bre: 
flacher,  langsamer,  kälter;^  am  Ende  zerfasert  er  sich  in  kalte 
warme  Bänder.  Ein  solches  Vorkommen  deutet  aber  nicht  i 
wendiger  Weise  darauf  hin,  daß  hier  Strömungen  von  verschiede 
Temperatur  auf  einander  stoßen  und  sich  gegenseitig  dnrchdrin^ 
I  ein  solcher  Schluß  ist  vielmehr  erst  dann  vöUig  gerechtfertigt,  w 

1  sich  zu  den  Gegensätzen  der  Temperatur  auch  solche  des  SalzgehaJ 

i  vielleicht  auch  der  Färbung  gesellen. 

Die  Antillenströmung  bewegt  sich  parallel  mit  dem  Floridastrc 
nach  Nordwest  und  dann  nach  Nordost.  Als  eine  Fortsetzung  bei 
kann  jener  Arm  betrachtet  werden,  der  in  östlicher  Richtung  i 
Ozean  durchquert,  an  der  afrikanischen  Küste  nach  Süden  umbit 
und  endlich  in  die  nordatlantische  Aquatorialströmung  einläuft, 
der  meridionale  nordafrikanische  Strom  von  höheren  in  nied 
Breiten  fließt,  wirkt  er  abkühlend  auf  die  Meeresoberfläche. 

Innerhalb  des  großen  nordatlantischen  Stromwirbels  breitet  s 
eine  verhältnismäßig  ruhige  See  aus.  Hier  sammeln  sich  die  i 
den  westindischen  und  karibischen  Felsenküsten  losgerissenen  v 
von  Flüssen  herbeigeführten  Tange  vom  Sargassumgeschlechte  an,  i 
sich  vermöge  ihres  Reichtums  an  Luftblasen  in  ihren  oberen  Tei! 
im  Wasser  aufrecht  erhalten. 

Jene  beiden  Krautbänke,  die  nach  Humboldts  Ansicht  s 
Jahrhunderten  an  ihrer  Stelle  verharren,  sucht  der  Seefahrer  freil 
vergebens,  aber  ebensowenig  entspricht  es  den  Thatsachen,  we 
KuNTZE  die  Ekistenz  eines  Sargassomeeres  kurzweg  leugi 
Keümmel^  wendet  diesen  Namen  auf  jenes  Gebiet  an,  wo  treibei 
Tangmassen  in  10  und  mehr  Prozent  aller  untersuchten  Fälle  an 
troffen  wurden;  es  erstreckt  sich  von  39  bis  75^  W.  und  von  21 
34®  N.,  umfaßt  also  eine  Fläche  von  nahezu  47^  MilL  qkm. 


X  Temperaturen  nach  v.  Boouslawski: 

FloridaBtraOe         Kap  Hatteras    Sadl.  y.  NeuschotUand 

16,7« 
19,4 

25,0 
20,0 
20,4 


N.  B. 

25  <> 

350 

Winter 

25,0  0 

22.3« 

Frühling 

25,6 

22,8 

Sommer 

2S,8 

26,7 

Herbst 

27,8 

24,4 

Jahre 

26,7 

24,0 

Die  Meeres8tr5mnngeii.  245 


Unmittelbar  an  den  Floridastrom  und  die  Ausläufer  der  Antillen- 
strömung schließt  sich  jene  berühmte  nordöstliche'*  Strömung  an, 
die  für  das  Klima  unseres  Kontinentes  so  außerordentlich  wichtig 
ist,  und  auf  die  wir  nach  Petermanns  Vorgange  den  Namen  Golf- 
strom beschränken.  Ihr  Zusammenhang  mit  den  tropischen  Ge- 
wässern ist  durch  Treibprodukte  aus  Westindien,  ja  sogar  aus  dem 
Meerbusen  von  Guinea  außer  allem  Zweifel  gestellt  Auch  fließt  nicht 
bloß  eine  oberflächliche  Schicht  warmen  Wassers  dem  arktischen 
Meere  zu;  liegt  doch  noch  beim  Felseneilande  Rokall  (57,e®  B.)  die 
Tiefenisotherme  von  5^  um  650  m  tiefer  als  im  atlantischen  Äqua- 
torialgürtel. Im  Sommer  erreicht  der  Golfstrom  seine  größte  Aus- 
dehnung. Ein  Ausläufer  dringt  vielleicht  in  die  Baffinbai  ein,  aber 
höchstens  bis  zum  75.  Parallel;  ein  zweiter  bespült  die  West-  und 
Nordküste  Spitzbergens  und  gelangt  dann  nach  Kükenthal*  von  N. 
her  in  die  Hinlopenstraße;  ein  dritter  erreicht  NowajaSemlja,  hat  aber 
(nach  einer  Messung  im  Jahre  1881)  am  Einlange  in  die  Matotschkin- 
straße  nur  mehr  eine  Mächtigkeit  von  höchstens  2  m.  Dieß  ist  wohl 
der  östlichste  Punkt  des  Golfstromes^  denn  wenn  auch  im  Spätsommer, 
wenigstens  im  September,  eine  eisfreie  Rinne  die  Schififahrt  vom 
Jenissei  bis  zum  Kap  Tscheljuskin  ermöglicht^  so  verdankt  man  dies 
den  großen  sibirischen  Flüssen,  deren  Gewässer  nach  dem  Austritte 
in  das  Meer  durch  die  Erdrotation  nach  Osten  abgelenkt  werden. 

Im  Winter  erlischt  der  Golfstrom  schon  in  geringerer  Polhöhe, 
aber  noch  immer  umgiebt  er  Island  und  Norwegen  mit  einem  warmen 
Mantel 

An  drei  Stellen  trifft  er  mit  Polarströmen  zusammen,  die  im 
Sommer  Eisberge  und  Meereis  nach  Süden  entführen.  Der  Labra- 
dorstrom, der  aus  der  Baffinbai  kommt  und  durch  zahlreiche  Zu- 
flüsse aus  dem  arktischen  Archipel  von  Nordamerika  verstärkt  wird, 
begegnet  dem  Floridastrome  bei  Neufundland,  und  weicht  ihm,  durch 
die  Erdrotation  abgelenkt,  nach  liuks  aus.  Er  bildet  den  sogenannten 
„kalten  Wall"  an  der  Ostküste  der  Vereinigten  Staaten  und  dringt 
auch  —  wie  der  Verlauf  der  Tiefenisothermen  in  Fig.  54  (S.  262) 
lehrt  —  unter  die  warme  Strömung  ein.  Daß  übrigens  ein  Teil  des 
kalten  Wassers  schon  bei  Neufundland  unter  den  Floridastrom  unter- 
taucht und  direkt  nach  Süden  fließt,  ergiebt  sich  daraus,  daß  ge- 
legentlich Eisberge  den  letzteren  durchqueren.  Ähnlich  verhält  sich 
die  o  st  grönländische  Strömung,  ehe  sie  an  der  Südspitze  Grönlands 
nach  Norden  umbiegt,  zum  Golfstrome  bei  Island,  nur  daß  hier  im 


^  Im  Gegensätze  zur  Richtung  der  Winde  bezeichnet  man  die  der  Meeres- 
strömungen nach  der  Himmelsgegend,  nach  welcher  sie  fließen. 


246 


Das  Meer. 


Sommer  das  kalte  Wasser  nicht  bloß  unterseeisch  unter  das  wa 
eindringt,  sondern  auch  oberflächlich  dasselbe  überflutet,  weil 
spezifisches  Gewicht  durch  das  Schmelzwasser  des  Eises  verrin 
wird.  Eine  dritte  arktische  Strömung  begegnet  dem  Golfstrome 
Sommer  bei  der  Bäreninsel  und  teilt  ihn  in  zwei  Arme.  Über 
Verhalten  dieses,  sowie  des  vorhergenannten  Polarstromes  im  Wi 
wissen  wir  nichts  Sicheres. 

Die  übrigen  Ozeane.  Der  südliche  Arm  der  atlantischen  Ä< 
torialströmung  fließt  nach  den  Untersuchungen  von  Krümil£l. 
Brasilstrom  der  Küste  von  Südamerika  entlang  bis  48^  8. 
biegt  dann  nach  Osten  um,  um  im  Vereine  mit  einem  Auslii 
der  großen  antarktischen  Ostströmung  als  Benguelastrom  in 
Äquatorialströmung  wieder  einzumünden.  Zwischen  dem  Brasilsti 
und  der  Küste  zieht  der  Falklandstrom,  ein  Ausläufer  der 
arktischen  Strömung  und  somit  ein  Gagenstück  des  Labradorstro 
bis  Rio  Janeiro. 

Demselben  Kreislaufe  begegnen  wir  auch  in  den  übrigen  Oze; 
zwischen  50^  N.  und  S.:  zwei  äquatoriale  Strömungen,  die  d 
eine  Gegenströmung  getrennt  werden;  warme  Ströme,  die  als  . 
läufer  der  äquatorialen  an  den  Ostküsten  der  Kontinente  höh 
Breiten  zueilen  (der  Kuro  Schio  entspricht  dem  Florida-, 
ostaustralische  und  Agulhasströmung  dem  Brasilstrome); 
biegung  dieser  Ausläufer  nach  0.  und  Stauung  an  den  östli^ 
Festländern,  an  deren  Westseiten  kühle  Ströme  gegen  den  Aqu 
vordringen,  um  sich  mit  der  äquatorialen  Strömung  zu  verein 
(californisch-mexicanische  Strömung,  Perustrom  und  w 
australische  Strömung,  letztere  aber  ausnahmsweise  durch  e 
warmen  Stromarm  von  der  Küste  getrennt).  In  der  Mitte  der  Sti 
ringe  dehnen  sich  verhältnismäßig  ruhige  Gebiete  aus. 

Ist  aber  auch  diese  Anordnung  allen  Ozeanen  gemeinsam 
hat  doch  jeder  wieder  seine  Eigentümlichkeiten.  Im  Indisc 
Ozean  und  in  der  Chinasee  ist  die  nördliche  Äquatorialströn 
und  die  Gegenströmung  nur  zur  Zeit  des  Nordost- Monsuns  au 
bildet,  im  Sommer  bleibt  aber  von  dem  regelmäßigen  System 
noch  der  südliche  Aquatorialstrom  übrig,  der,  sobald  er  in  nördl 
Breiten  übertritt,  dem  Südwest-Monsun  folgt  und  nach  Nordost 
biegt.  Im  Pazifischen  Ozean  fällt  namentlich  die  streifenartige  ] 
Wicklung  des  Gegenstromes  gegenüber  der  keilartigen  im  Atlantis( 
Ozean  auf,  aber  wir  dürfen  nicht  vergessen,  daß  die  Beobachtm 
dort  mangelhaft  sind.  Im  Osten  linden  wir  manche  Anklänge 
atlantische  Verhältnisse.  Der  Kuro-Schio  ist  wie  der  Flor 
Strom  eine  kräftige,  warme,  salzreiche,  blaue  Strömung.     Wie 


Die  MeereBstrdmungen.  247 


den  Arbeiten  von  Schott  hervorgeht,  tritt  die  Äquatorialströmung 
bei  Formosa  in  die  nördliche  Chinasee  ein  und  fließt  westhch  von  den 
Riu-Kiu-Inseln  bis  zur  Van  Diemenstraße,  wo  sie  sich  teilt.  Ein 
Nebenarm  begleitet  die  Westküste  Japans,  der  Hauptarm  aber,  der 
eigentliche  Kuro-Schio,  ergießt  sich  in  den  Ozean,  verfolgt  zunächst 
die  Ostküste  Japans  und  wendet  sich  dann  nach  Osten.  Wie  der 
Florida-  mit  dem  Labradorstrome  an  der  Neufundland-Bank,  so  stößt 
der  Kuro-Schio  mit  der  kalten  Kurilen-Strömung  zusammen; 
nur  verschiebt  sich  hier  die  Berührungsstelle  mit  den  Jahreszeiten, 
von  38®  B.  im  Februar  bis  50®  B.  im  August  Auch  ein  Gegenstück 
der  Antillenströmung  fehlt  nicht;  wir  erblicken  es  im  Bonin  ströme 
östlich  von  der  Riu-Kiu-Kette.  Was  dem  Großen  Ozean  aber  fehlt, 
ist  ein  Golfstrom;  ein  solcher  kann  sich  hier  nicht  entwickeln,  denn 
in  der  Breite,  in  welcher  jener  im  Atlantischen  Ozean  erst  beginnt, 
liegen  die  Aleuten  und  jenseits  derselben  steigt  der  Meeresboden 
rasch  zur  seichten  Beringenge  an.  Kein  Ausläufer  des  Kuro-Schio 
dringt  über  den  Aleutengürtel  vor,  wie  Dall  nachgevriesen  hat,  und 
ebenso  wenig  dringt  ein  Strom  aus  dem  arktischen  Meere  durch  die 
Beringstraße  in  den  Stillen  Ozean  ein.  Wohl  kommen  aber  kalte 
Strömungen  aus  dem  Bering-  wie  aus  dem  Ochotskischen  Meere,  die 
im  W^inter  weit  nach  Süden  ausgreifen:  der  schon  genannte  kuri- 
lische  längs  den  Küsten  von  Kamtschatka  bis  nach  Nipon,  der 
sachalinische  an  der  Ostseite  Sachalins  und  die  Amur-Liman- 
Strömung,  die  an  der  Festlandsküste  wahrscheinlich  bis  nach  Korea 
gelangt.  Selbst  das  Gelbe  Meer  sendet  einen  kühlen  Strom  bis  in 
die  südliche  Chinasee. 

Theorie  der  ozeanischen  Strömungen  ^  Man  hat  als  erzeugende 
Kraft  der  Meeresströmungen  bald  die  Erdrotation,  bald  die  Winde 
angenommen. 

Denken  wir  uns,  eine  von  Meer  bedeckte  Erde  ohne  atmosphä- 
rische Hülle  und  ohne  Temperaturunterschiede  beginne  sich  um 
ihre  Achse  zu  drehen.  In  diesem  Moment  werden  unzweifelhaft 
Strömungen  beginnen,  aber  nur  solange  dauern,  bis  überall  das 
Gleichgewicht  zwischen  Schwer-  und  Fliehkral't  hergestellt  ist.  Das 
ilndergebnis  ist  die  sphäroldale  Gestalt;  es  ist  aber  nicht  einzusehen, 
wie  die  heutigen  Strömungen  mit  der  Erdrotation  als  primäre 
Ursache  zusammenhängen  sollen.  Ihr  Einfluß  beginnt  erst  wieder, 
sobald  aus  irgend  einer  anderen  Ursache  das  Gleichgewicht  gestört 
wird,  wie  wir  bei  der  Erörterung  der  modernen  Windtheorie  ge- 
sehen haben. 

Solche  Störungsmomente  finden  sich  auch  im  Ozean,  nämlich  Un- 
gleichheiten der  Erwärmung  und  des  Salzgehaltes,  mit  einem  Worte, 


248 


Das  Meer. 


Dichteunterschiede.  Daß  diese  eine  Deformation  der  Meei 
Oberfläche  und  damit  auch  Strömungen  erzeugen,  haben  wir  im  u 
Schlüsse  an  Mohns  Monographie  des  europäischen  Nordmeeres  sei 
auf  S.  209  dargethan  Es  unterliegt  keinem  Zweifel,  daß  —  abgesel 
von  den  Gezeiten  —  der  Ozean  auch  dann  keine  bewegungsl 
Masse  wäre,  wenn  die  Lufthülle  in  ewiger  Ruhe  verharrte;  a 
ebenso  unzweifelhaft  geht  aus  Mohns  Rechnungen  hervor,  daß  di 
Ausgleichsströmungen  in  ihrer  Ej*aft  und  Bedeutung  weit  zurü 
treten  hinter  die  Windströmungen.  In  diesem  Sinne  darf  man  sa^ 
der  Wind  ist  der  Hauptmotor  der  ozeanischen  Ströme.  I 
zwischen  beiden  Phänomenen  ein  innerer  Zusammenhang  beste! 
müsse,  drängt  sich  schon  bei  der  vorurteilslosen  Betrachtung  ei 
Karte  der  Meeresströmungen  auf  und  war  schon  längst  die  Ül 
Zeugung  der  Seefahrer  und  seekundigen  Männer. 

Es  ist  dabei  freilich  noch  nicht  ganz  klar,  wie  zwei  so  ^ 
schiedenartige  Bewegungen,  wie  die  wellenförmige  und  strömer 
durch  eine  und  dieselbe  Kraft  in  einem  und  demselben  Medi 
hervorgerufen  werden  können.  Uns  erscheint  die  Strömung  als  e 
Steigerung  der  Wellenbewegung,  etwa  in  dieser  Reihenfolge:  ka 
lare  Wellen,  ausgebildete  Wellen,  oberflächliche  Trift,  tiefer  greifen 
Meeresstrom;  über  die  Art  und  Weise,  wie  die  eine  Bewegungsfc 
sich  in  die  andere  umsetzt,  liegen  aber  unseres  Wissens  noch  ke 
Beobachtungen  vor.  Zunächst  müssen  wir  uns  mit  der  Thatsa( 
begnügen,  daß  Winde  Strömungen  erzeugen.  Sehr  lehrreich  sind 
dieser  Beziehung  die  Beobachtungen  auf  dem  deutschen  Feuersch 
„Adlergrund"  zwischen  Rügen  und  Bomholm,  die  ersten  Beoba 
tungen  dieser  Art  von  einem  festen  Punkte  aus  und  in  genügen« 
Entfernung  vom  Lande®.  In  86  Prozent  aller  Fälle  lief  die  Strömt 
mit  dem  Winde  des  betreflfenden  Tages,  und  der  Einfluß  des  Wint 
erstreckte  sich  schon  in  kurzer  Zeit  bis  5  m  Tiefe.  Die  Strc 
richtung  fiel  aber  nicht  genau  mit  der  Windrichtung  zusamm 
sondern  wich  im  Durchschnitte  um  30®  nach  rechts  ab.  Waren  i 
Winde  veränderlich,  so  war  die  Strömung  für  das  ganze  Etmal  i 
Resultante  aller  Winde;  und  nur  dann,  wenn  die  Luftbewegi 
schwach  war,  konnte  es  vorkommen,  daß  der  Strom  nicht  mit  di 
Winde  oder  sogar  gegen  denselben  lief. 

Was  der  allgemeinen  Anwendung  der  Trifttheorie  auf  ( 
Meeresströmungen  hindernd  im  Wege  stand,  war  die  Ansicht,  d 
der  Wind  nur  die  Oberflächenschicht  des  Wassers  in  Bewegu 
setzen  könne,  aber  nicht  in  die  Tiefe  dringe.  Diesen  Irrtum  1 
seitigt  zu  haben,  ist  das  unsterbliche  Verdienst  von  Zöppbitz. 
seiner,    1878    erschienenen  Abhandlung^  gelangte    er  —  allerdii 


Die  Meeresströmungen.  249 


unter  der  Voraussetzung  eines  unbegrenzten  und  gleichmäßig  tiefen 
Ozeans  —  zu  folgendem  Ergebnisse.  Wenn  sich  die  oberste  Wasser- 
schicht  aus  irgend  einem  Grunde  mit  gegebener  Geschwindigkeit  in 
ihrer  eigenen  Ebene  fortbewegt^  so  erhält  die  zweite  Schicht  infolge 
ihres  molekularen  Zusammenhanges  mit  der  obersten  einen  Antrieb 
zur  Bewegung  in  gleicher  Sichtung,  und  ihre  Geschwindigkeit  muß 
sich  der  der  ersten  Schicht  immer  mehr  nähern,  wenn  die  gleich- 
förmige Bewegung  fortdauert  In  gleicher  Weise  pflanzt  sich  die 
Bewegung  bei  genügend  langer  Dauer  auf  die  dritte,  dann  auf  die 
vierte  Schicht  fort,  und  endlich  bis  zum  Boden.  In  einem  4000  m 
tiefen  Ozean  wird  unter  der  Voraussetzung,  daß  der  Wind  an  der 
Oberfläche  mit  konstanter  Sichtung  und  Geschwindigkeit  weht,  die 
Schicht  in  100  m  Tiefe  in  41  Jahren  Yio  ^^^  ^^  239  Jahren  die 
halbe  Oberflächengeschwindigkeit  erreichen.  In  ca.  200000  Jahren 
wird  der  stationäre  Zustand  hergestellt  sein,  in  welchem  die  Ge- 
schwindigkeit von  der  Oberfläche  bis  zum  Boden  proportional  der 
Tiefe  abnimmt 

In  Wirklichkeit  bleibt  sich  allerdings  weder  die  Richtung  noch 
die  Gcischwindigkeit  des  Windes  immer  gleich.  Aber  auch  die  Ver- 
änderungen pflanzen  sich  nur  mit  großer  Langsamkeit  nach  der  Tiefe 
fort,  sodaß  rasch  vorübergehende  nur  die  obersten  Schichten  beein- 
flussen. Die  tieferen  Schichten  werden  dagegen  im  Laufe 
der  Zeit  eine  Bewegung  in  der  Richtung  der  vorherrschen- 
den Winde  annehmen,  und  ihre  Geschwindigkeit  wird  durch 
die  mittlere  Geschwindigkeit  an  der  Oberfläche  bestimmt. 
Mit  anderen  Worten:  Die  großen  Meeresströmungen  der  Gegenwart 
sind  ein  Produkt  aller  Winde,  die  seit  ungezählten  Jahrtausenden 
*über  die  betreffenden  Gegenden  des  Ozeans  hinweggestrichen  sind. 
Diese  durch  den  Wind  an  Ort  und  Stelle  erzeugten  Strömungen 
nennt  Eoiümhel  gezwungene.^  Infolge  der  ihm  eigenen  Bewe- 
gungsenergie setzt  aber  jedes  Wasserteilchen  seinen  einmal  einge- 
schlagenen Weg  fort,  solange  die  Reibung  mit  den  ruhigen  Wasser- 
teilchen, die  es  ebenfalls  in  Bewegung  setzen  muß,  seine  Geschwindigkeit 
nicht  aufgezehrt  hat  Die  durch  einen  bestimmten  Wind,  z.  B. 
den  Passat,  erzeugte  Bewegung  kann  sich  also  auch  außer- 
halb seines  Bereiches  fortsetzen.  Dieser  Fall  tritt  ein,  wenn 
der  Strom  auf  ein  festes  Ufer  stößt.  Nehmen  wir  mit  Zöppritz  der 
Einfachheit  wegen  eine  Vertikalwand  an,  so  muß  sich  der  Strom  in 
zwei  teilen,  die  dieselbe  Geschwindigkeit,  wie  die  Mutterströmung, 
aber  nur   mehr  ihre   halbe  Breite   besitzen.     Diese   Ströme   nennt 


X  Vgl.  dazu  S.  285  Anm. 


250 


Das  Meer. 


Krümmel  freie.  Umgekehrt  vereinigen  sich  zwei  gleiche  Strc 
die  entlang  einer  Wand  einander  zufließen,  zu  einem  einzigen, 
mit  der  Geschwindigkeit  und  doppelten  Breite  der  Stammströmui 
im  rechten  Winkel  von  der  Wand  abfließt 

So  weittragend  aber  auch  die  Schlußfolgerungen  der  Triftthe 
sind,  so  erschöpfen  sie  doch  nicht  die  Fülle  des  natürlich  Gegebe 
Sie  bedürfen  einer  Ergänzung,  und  diese  gab  Krümmel.^ 

Das  Wasser  ist  nämlich  eine  zusammenhängende,  unelastii 
Flüssigkeit,  die  jeden  Mangel  an  einer  Stelle  durch  Zufluß  von  a 
Seiten  auszugleichen  strebt.  Der  Satz  des  alten  Vareniüs:  W 
ein  Teil  des  Ozeans  sich  bewegt,  so  bewegt  sich  der  ganze  Oz 
gilt  in  seinem  vollen  Umfange.  Hier  knüpfte  Krümmel  mit  se 
ebenso  einfachen  wie  sinnreichen  Experimenten  an.  In  dem  ^ 
eckigen  Wassergefäße  in  Fig.  52a  rufen  die  beiden  Triftströme, 


Fig.  52a. 


Krümmels  Stromexperimente. 


Fig.  52  b. 


durch  kräftige  Pfeile  dargestellt  sind,  ein  ganzes  System  and( 
Ströme  hervor,  die  alle  nach  der  Stelle  hineilen,  wo  Wasser  v 
geblasen  wurde.  Der  Gegenstrom  in  der  Mitte  und  die  Stromri 
zu  beiden  Seiten  der  Triftströme  sind  deutlich  zu  erkennen.  Dii 
eingesetzte  Blechwände  lassen  sich  ähnliche  unregelmäßige  U 
gestaltungen  erzielen,  wie  sie  in  der  Natur  vorkommen;  Fig.  I 
giebt  z.  B.  den  Aquatorialausschnitt  aus  dem  Atlantischen  Oz( 
und  die  Strömungen  zeigen  in  der  That  auch  eine  überrasche 
Ähnlichkeit  mit  unserem  Kartenbilde  auf  Taf.  XV. 

Das  System    der  Windströmungen    besteht  also   stets 
2  Teilen: 

1.  Ströme  der  direkten  Wirkung,  primäre  oder  Triftströmung 


Die  Meeresströmaugen.  251 


a)  gezwungene  Strome, 

b)  freie  Ströme; 

2.  Ströme  der  indirekten  Wirkung,  sekundäre  oder  Kompen- 
sationsströme. 

Auf  jeden  Strom  wirkt  die  Erdrotation  ablenkend;  über  das 
Maß  dieser  Ablenkung  gehen  aber  die  Ansichten  auseinander.  Jeden- 
falls ist  zu  beachten,  daß  die  Geschwindigkeit  der  Strömungen  um 
sehr  vieles  geringer  ist,  als  die  der  Winde;  so  berechnete  Mohn, 
daB  im  Durchschnitte  ein  Wind  von  10  m  pro  Sekunde  nur  eine 
Strömung  von  ü,os  m  erzeugen  könne!  Eine  so  langsame  Bewegung 
ist,  so  sollte  man  meinen,  dem  Einflüsse  der  Erdrotation  nicht  in  hohem 
Grade  unterworfen.  Andererseits  ist  aber  doch  ein  starkes  West- 
drängen  der  polaren  und  ein  stiirkes  Ostdrängen  der  äquatorialen 
Strömungen  unverkennbar;  wir  werden  indeß  sogleich  sehen,  daß 
hierbei  zum  Teil  auch  andere  Umstände  mitwirken. 

Anwendung  der  Trifttheorie  auf  die  beobachteten  Strömungen. 
Etwa  zwischen  40^  N.  und  ebensoviel  S.B.  vollzieht  sich  die  strö- 
mende Bewegung  des  Meeres  in  einer  Weise,  die  allen  Anforderungen 
der  Triftthe(^rie  entspricht.  Die  Äquatorialströmungen  stehen  ganz 
unter  dem  Einflüsse  der  Passate;  der  südliche  ist  kräftiger  entwickelt 
und  tritt  im  Atlantischen  Ozean  über  den  Äquator  hinüber,  genau 
so  wie  der  Passat;  im  nordindischen  Ozean  wechseln  die  Ströme 
mit  den  Monsunen.  Wie  die  Äquatorialströmungen  typische  Bei- 
spiele gezwungener  Triften  sind,  sind  die  Gegenströmungen  reine 
Eompensationsströme.  An  den  Westküsten  der  Ozeane  entwickeln 
sich  aus  den  Äquatorialströmungen  durch  Teilung  freie  Ströme,  aber 
diese  nehmen  bald  einen  gemischten  Charakter  an.  Einerseits  ge- 
langen sie  in  die  Gebiete  des  rückläufigen  Passates  —  wie  man 
besonders  deutUch  im  südatlantischen  Ozean  sieht  —  und  werden 
dadurch  zu  gezwungenen  Strömen,  andererseits  wirkt  das  Kompen- 
sationsbedürfnis an  der  Ursprungsstätte  der  Passate  anziehend  auf 
die  nach  Osten  sich  umbiegenden  Ströme.  Aus  diesem  Ineinander- 
greifen verschiedener  Kräfte  erklärt  es  sich,  daß  die  Kerne  der 
Stromringe  nicht  mit  den  subtropischen  Anticyklonen  zusammenfallen. 

In  den  mittleren  und  höheren  Breiten  herrschen  äquatoriale 
Südwest-,  bezw.  Nordwestwinde  vor.  Von  dem  nordpazifischen  Ozean 
sehen  wir  aus  schon  erörterten  Gründen  hier  ab ;  im  nordatlantischen 
Ozean  folgt  aber  der  Golfstrom  in  der  That.der  vorwaltenden  Wind- 
richtung; seine  Herkunft  aus  den  Tropen  ist,  wie  wir  wissen,  außer 
Zweifel  gestellt  Auch  hier  haben  wir  also  allem  Anscheine  nach 
eine  wirkliche  Trift. 

Die  Nordwestwinde  der  mittleren  südlichen  Breiten  sind  noch 


,  252  Das  Meer. 

1  — — ^— — — — — — — — — — 

stärker,  noch  regelmäßiger  als  die  nordischen  Südwestwinde.     E 

sollten  wir  also  auch  Golfstrome  erwarten,  die  Wärme  in  die  t 

arktische  Zone  hineintragen;  und  doch  werden  wir  enttäuscht    AI 

1  dings  umspannt  eine  gewaltige,  zusammenhängende  Ostströmt 

j  den  ganzen  circumterranen  Ozean  jenseits  des  40.  Parallels,    a 

4  sie  stammt  nicht  aus  dem  warmen  Erdgürtel.    Wenn  auch  die  C 

•^  richtung  im  großen  und  ganzen  den  Winden  entspricht,  so  ist  d 

i  von  den  beiden  anderen  Komponenten  die  nördliche  entschieden 

I   ^  kräftigere,  nicht  die  südliche,  wie  die  Trifttheorie  es  erfordert.    - 

%  weite   Strecken   hin   sind   nordöstliche   Versetzungen    durchaus 

herrschenden.     Noch    überzeugender    spricht    für    die   Beimischi 

eines  polaren  Stromelementes  die  Wassertemperatur  ^  und  das  s 

arktische  Treibeis,   das  bis  40^  B.,  ja   stellenweise   sogar   darü 

hinaus  gelangt.     Nichts  ähnlichem  begegnen  wir  in  den  nordiscl 

Meeren,  mit  einziger  Ausnahme  der  Neufundlandbank,  wo  Golf-  i 

\  Labradorstrom  sich  begegnen.   Aber  ungleich  großartiger,  wahrsch« 

i  lieh  einzig  in  seiner  Art  ist  das  Schauspiel  des  fingerförmigen 

einandergreifens  warmer  und  kalter  Strömungen,  das  uns  der  w< 

liehe  Indische  Ozean  in  40®  S.  bietet.    Verschiedener  Salzgehalt  i 

abwechselnd  blaue  und  grüne  Färbung  beweisen,  daß  hier  wirk] 

Tropen-  und  Polarwasser  um   die  Herrschaft   ringen.     Als  Sch< 

im  Sommer  1891  diese  Gegend  durchfuhr,  beobachtete  er  zwiscl 

10  und  70^0.  nicht  weniger  als   16  warme  und  kalte  Bänder  y 

1 70  bis  850  km  Breite,  in  denen  Temperatursprünge  bis  zu  6®  v 

kamen.     An   ein   paar  Stellen   scheinen  warme  Ströme  wirklich 

höhere  Breiten  durchzubrechen,  wie  man  es  vom  Kerguelenstroi 

sicher  annimmt,  aber  wie  ärmlich  ist  auch  dieser  gegenüber  d 

Golfstrome ! 


><  Die  nachstehende  Tabelle,  ans  Kbümmels  Karten  der  Meeresisotherm 
abgeleitet,  liefert  dafür  das  Beweismaterial  in  übersichtlicher  Form.  Es  e 
die  arktischen  Augusttemperaturen  mit  den  antarktischen  Febmartemperatu 
und  umgekehrt  in  Vergleich  gesetzt. 

Sommertemperatur  Wintertemperatur 

Breite  30 «  40  <>  50  <>  30  ^  40  <>  50  • 

Pazifischer  Ozean 
N.  B.  (+)      24,7^             19,70             11,40  18,«o  10,4«  4,3« 

S.   B.  (-)      22,8 17^8 9^  17,8  12,2  7,s 


Ditt 

+  1,. 

+  2.« 

+  1,5 

+  1,' 

-M 

-S,. 

AtlantiBcher  Ozean 

N. 

B. 

(+) 

25,1 

22,7 

15,0 

20,1 

15,2 

7,« 

S. 

B. 

(-) 

22,, 

17,0 

6,. 

17,1 

11,0 

8,1 

Diff.  +2,9  +5,7  +8,2  +2,9  +8,6  +4,8 


Die  MeeresstrÖmuDgen.  253 


Ein  Erklärongsversuch  dieser  anscheineDd  abnormen  Verhält- 
nisse anf  der  südlichen  Halbkugel  wäre  verfiüht,  solange  unser  Wissen 
Yon  dieser  Erdzone  noch  in  seiner  gegenwärtigen  Dürftigkeit  ver- 
harrt Namentlich  muß  zunächst  festgestellt  werden,  ob  polares 
Wasser  sich  gleichmäßig  dem  Oststrome  beimengt,  oder,  wie  es  den 
Anschein  hat,  nur  in  einzelnen  Strömen  in  die  mittleren  Breiten 
gelangt.  Da  wir  auch  von  den  Winden  der  südpolaren  Zone  so  gut 
wie  nichts  wissen,  so  ist  es  immerhin  möglich,  daß  jene  hypothe- 
tischen Ströme  mit  der  Trifttheorie  ebenso  in  Übereinstimmung 
stehen,  wie  der  ostgrönländische  und  Labradorstrom,  deren  Richtung 
übrigens  wohl  auch  durch  das  Eompensationsbedürfois  und  die  Erd- 
rotation mitbestimmt  wird. 

Daß  polares  Wasser  aus  dem  antarktischen  Ozean  entlang  den 
Westküsten  der  Festländer  bis  in  die  äquatoriale  Zone  gelangt,  ist 
eine  traditionelle  Vorstellung,  die  auf  allen  Strömungskarten  zum 
Ausdrucke  gelangt.  Allerdings  sind,  wie  die  Isothermen  der  Meeres- 
oberfläche zeigen  (vgl.  z.  B.  Fig.  55  auf  S.  262)  innerhalb  des  tro- 
pischen Stromwirbels  die  Ostseiten  kälter,  als  die  Westseiten,  aber 
dieß  gilt  auch  für  die  nördliche  Hemisphäre,  obwohl  wir  doch  be- 
stimmt wissen,  daß  weder  der  nordafrikanische  noch  der  califomische 
Strom  vom  Pole  kommen.  Sie  sind  die  Fortsetzungen  der  relativ 
warmen  östlichen  Verbindungsströme,  verändern  aber  ihren  ther- 
mischen Charakter,  sobald  sie  sich  aus  höheren  in  niedere  Breiten 
bewegen,  indem  sie  dann  im  Vergleiche  zu  ihrer  Umgebung  als  kühl 
erscheinen.  Groß  kann  aber  dieser  Unterschied  nicht  sein,  weil  die 
Ströme  sich  langsam  bewegen  und  dadurch  Zeit  gewinnen,  sich  den 
neuen  Wärmeverhältnissen  anzupassen.  Als  die  bedeutendsten  Ströme 
gelten  der  Peru-  und  Benguelastrom.  In  Bezug  auf  den  ersteren 
hat  schon  Hettneb^®  nachgewiesen,  daß  er  an  der  westpatagonischen 
Küste  keine  Temperaturemiedrigung  bewirkt,  was  doch  der  Fall  sein 
müßte,  wenn  er  aus  dem  Eismeere  käme.  Gegen  die  polare  Ab- 
stammung des  Benguelastromes  spricht  sein  hoher  Salzgehalt  (35  bis 
36  Promille);  man  vergleiche  ihn  nur  mit  dem  Falklandstrome,  dessen 
Salzgehalt  34  Promille  nicht  übersteigt 

Es  giebt  aber  für  die  Westküsten  zwischen  40®  N.  und  S.  eine 
viel  wirksamere  Kältequelle:  das  aufsteigende  Tiefenwasser. 
Es  ist  ein  allgemeines  Gesetz,  daß  an  den  Luvküsten  Wasser  aus 
der  Tiefe  aufsteigt,  um  das  vom  Winde  weggetriebene  Wasser  zu 
ersetzen.  In  der  Passatzone  liegen  die  kontinentalen  Westküsten 
an  der  Luvseite;  eine  Kompensation  findet  nicht  nur  oberflächUch 
von  den  Seiten  her  statt,  sondern  auch  von  unten.  So  leicht  ver- 
standlich  auch   dieser  Vorgang   ist,   so   wenig   wurde   er   beachtet, 


254 


Das  Meer. 


't 


.1  r 


obwohl  DiNKLAGE   scboii   1875    darauf  aufmerksam    gemaclit  hi 
Vollgiltige  Beweise  brachten  erst  die  Beobaclitungen  an  Uferste 
mit    zeitweise    ablandigen  Winden,    wie  wir   solche    in    den    let: 
Jahren  an  der  afrikanischen  Ostktiste  kennen  gelernt  haben.  ^^ 
Zeit  der  Südwestmonsune  haben  hier  weite  Küstenstrecken  auffalJ 
kaltes  Wasser,   wie  zwischen  Warschekh  und  dem  Kap  Guardi 
im  N.  und  0.  der  Insel  Sokotra,  und  an  ein  paar  Stellen  der 
bischen   Südküste.     Bei    Nordostmonsun    verschwinden   diese    ka 
Zonen,  aber  im  Golf  von  Aden,  wo  die  Strömung  nach  W.  und  2 
geht,   erscheint  eine  neue  zwischen  Kap  Guardafui  und  Bas -AI] 
An   polares  Wasser   ist   in    allen    diesen  Fällen  natürlich  nicht 
denken.     Noch  überzeugender  sind  die  Beobachtungen  Muhray; 
den  Fjorden  und  Süßwasserseen  Schottlands."    Wir  greilen  nur 
Beispiel  heraus:    den  Loch  Lochy,    der,   von  NO.  nach  SW. 
erstreckend,  den  südwestlichen  Teil  des  caledonischen  Grabens  erf 
Die  nachfolgenden  Zahlen  sprechen  von  selbst:  das  warme  Wa 
zieht  mit  dem  Winde;  es  sammelte  sich  am  7.  September  1887 
Nordostwinde  (Stärke  1)  am  Südwestende  und  zwei  Tage  später 
Westsüdwestvrind  (Stärke  5 — 6)  am  Nordostende  an. 


7.  September 

9.  September 

Tiefe 

Nähe  des 

Mitte 

Nähe  des 

Nähe  des 

Nähe  d 

Faden 

SW.-Eudes 

NO.-Endes 

SW.-Endes 

NO.-En< 

Wind    ^ 

Wind    >- 

0 

13,70 

isy 

12,60 

12,tO 

12,«o 

5 

13,4 

13,2 

12,4 

12,7 

12,8 

10 

13,4 

12,» 

12,1 

11,5 

12,. 

20 

8,4 

8,4 

— 

9,0 

— 

30 

7,^ 

7,8 

— 

7,8 

Daß  es  sich  bei  dieser  Wärmeschichtung  wirklich  um  Aufstei 
von  Tiefenwasser  handelt,  zeigte  am  deutlichsten  das  Verhalten 
Fjord  (Loch)  Striven  im  Dezember,  wo  die  Temperatur  in  abnon 
Weise  mit  der  Tiefe  zunimmt,  denn  hier  war  die  Luvseite  wj 
und  die  Leeseite  kalt. 

Auch  in  anderer  Richtung  sind  diese  Beobachtungen  sehr  le 
reich.  Man  stellt  sich  die  Vertikalzirkulation  häufig  so  vor,  ( 
das  Tiefenwasser  nur  unmittelbar  an  der  Luvküste  aufquelle,  w 
rend  man  niedere  Temperaturen  etwas  abseits  davon  immer  n 
geneigt  ist,  kalten  Obertiächenströmen  zuzuschreiben.  Die  Isotherc 
im  Loch  Lochy  am  7.  September,  wo  auch  in  der  Mitte  gemes 
wurde,  biegen  aber  nicht  am  Nordost  ende  plötzlich  in  die  Hc 
sondern    steigen    bis    gegen  20  Faden  Tiefe    allmählich   von  S 


Die  Meeresströmungen.  255 


nach  NO.  an.     Genau  denselben  Verlauf  finden  wir  im  Nordatlan- 
tischen Ozean  zwischen  20  und  40^  B.,  bis  zu  ca.  1000  m  Tiefe; 

Faden:      100         200         800         400  500         600 

West     32«54N.       63«22'W.       23,3«       18,4°       17,4«       16,90       12,2»       7,7« 
Ost         33    46  jy         19    17    „        15,&         14,3         12,6         10,4         10,6         9,« 

Eine  kalte  Küstenzone  zeichnet  die  Ostseiten  aller  Passatmeere 
aus,  mit  einziger  Ausnahme  von  Westaustralien.  Krümmel  erklärt 
dies  durch  die  geringe  meridionale  Entwicklung  dieses  Erdteiles, 
die  ihm  gestattet,  das  fortgeführte  Meerwasser  durch  eine  Strömung 
von  N.  her  zu  ersetzen.  Wahrscheinlich  sind  auch  die  rätselhaften 
Stromkabelungen,  heftige  und  geräuschvolle,  kurzwellige  Wasser- 
bewegungen, auf  solches  Aufsteigen  von  Tiefenwasser  zurückzuführen. 

In  seinen  klimatischen  und  sonstigen  Eigenschaften  unterscheidet 
sich  das  kalte  Auftriebwasser  durchaus  nicht  von  kalten  Oberflächen- 
strömungen. Es  erzeugt  ebenfalls  ein  rauhes,  wenn  auch  ziemlich 
gleichmäßiges  Küstenkhma,  indem  es  besonders  die  Sommertempe- 
ratur stark  herabsetzt;  es  hüllt  sich  in  dichte  Nebel,  während  es  gleich- 
zeitig die  Regenbildung  hindert.^  Wie  alles  kühlere  Meerwasser, 
beherbergt  es  auch  eine  ungeheure  Planktonfülle,  die  eine  reiche 
Fischfauna  ernährt.  Das  „Dunkelmeer*^  an  der  afrikanischen  Nord- 
westküste ist  wahrscheinlich  ein  nicht  minder  ergiebiger  Fischerei- 
grund, wie  die  Neufundlandbank  oder  das  Gebiet  der  Falkland- 
strömung. 

Litteraturnachweise.  'Schott  cit.  S.  219.  —  "  Pillsbuht,  The  Gulf 
Stream,  im  Report  der  N.  S.  Coast  and  Greodetie  Survey  für  1889—90.  Washing- 
ton 1892.  —  ^  RRtJMMEL,  Die  nordatlantische  Sargassosee,  in  Fetebmanns  Mit- 
teilungen 1891.  —  ^  Kükenthal,  Bericht  über  die  Reise  nach  Ostspitzbergen 
1889,  in  Peterhanns  Mitteilungen  1890.  —  *  Eine  gute  Übersicht  gibt  Pahde, 
I>ie  theoretischen  Ansichten  über  die  Entstehnng  der  Meeresströmungen,  im 
Jahresberichte  dea  Realgymnasiums  zu  Krefeld  1888.  —  •  Dinklaoe,  Die  Ober- 
flächenströmangen  im  sudwestlichen  Teil  der  Ostsee,  in  den  Annalen  der 
Hydrographie  und  maritimen  Meteorologie  1888.  —  ^  Zöppritz,  Zur  Theorie 
der  Meeresströmungen,  in  den  Annalen  der  Physik  1878,  Bd.  III.  —  ^  KRttMMEL, 
cit.  S.  206.  —  *  Krümmel,  Die  Temperaturyerteilung  in  den  Ozeanen,  in  der 
Zeitschrift  für  wissenschaftliche  Greographie,  Bd.  VI,  1887.  —  ^®  Hettnee,  Das 
Klima  von  Chile  und  Westpatagonien,  Bonn  1881.  —  "  Pufp,  Das  kalte  Auf- 
triebwasser, Marburg  1890.  —  "  Murray,  im  Scottisch  Geographica!  Magazine 
1888,  S.  345. 

Die  Wärmeverteilung  im  Wasser. 

.  Bie  Oberflächentemperatur  des  Meeres.  ^  Die  Oberfläcbentempe- 
ratar  des  Meerwassers  ist  im  allgemeinen  etwas  höher  als  die  der 
untersten  Luftschichten,  namentlich  stets  über  warmen  Strömungen 


X  Vgl.  S.  66  u.  127. 


256 


Das  Meer. 


und  im  Winter  auch  meist  über  kalten.  *  ^  In  einzelnen  Tages- 
Jahreszeiten  kann  dieser  Unterschied  ziemlich  beträchtlich  wer 
weil  die  Wassertemperatur  viel  geringeren  Schwankungen  unterwo 
ist,  als  die  Lufttemperatur;  im  Jahresdurchschnitte  ist  er  aber  ( 
gering,  wie  bei  der  innigen  Berührung  von  Luft  und  Wasser  und 
der  großen  Wärmekapazität  des  letzteren  nicht  anders  zu  erwa 
ist.  Genügt  doch  die  Temperaturemiedrigung  eines  cbm  Wa 
um  1®,  um  die  Temperatur  von  3000  cbm  Luft  um  1®  zu  erhö 
Die  Luftisothermen  haben  daher  überall  das  Bestreben,  sich  i 
liehst  enge  den  W^asserisothermen  anzuschließen;  die  letzteren 
aber,  außer  von  der  geographischen  Breite  auch  von  der  1 
zontalen  und  vertikalen  Wasserzirkulation  abhängig  (vgl.  Fig. 
Daher  ist  zwischen  ca.  40*^  N.  und  40®  S.  das  Meer  im  Osten  kl 
und  jenseit  dieser  Parallelen  wärmer  als  im  Westen.  Die  Mäcl 
keit  des  Golfstromes  verrät  sich  durch  die  weit  nach  Norden 
schwungenen  Isothermenkurven,  und  das  Zusammenrücken 
Wärmelinien  bei  Neufundland  ist  ein  Werk  der  Labradorstrom 
Für  den  Atlantischen,  wie  ftlr  den  Großen  und  Indischen  0 
gilt  das  gemeinsame  Gesetz,  daß  die  nördlichen  Partien  wärmer 
als  die  entsprechenden  südlichen.  ^  ^    Dieser  Gegensatz  ist  in  lei 

><  Als  Mittel  der  Differenz  Luft  minus  Wasser  aus  je  vier  Beisp 
können  angeführt  werden: 

Winter         Fühling        Sommer         Herbst  J 

Wanne  Strömungen        -2,i<>  -0,»*^  -0,8<^  -1»^^  - 

Kalte  „  -0,4  +0,8  +0,«  +0,i  + 

XX  Die  nachfolgenden  Durchschnittstemperaturen  der  Meeres 
fläche  zwischen  50°  N.  u.  S.  sind  aus  dem  Isothermenkarten  von  Kbümmx 
geleitet.  Als  jährliche  Temperatur  wurde  annähernd  das  Mittel  aus 
extremen  Monaten  angenommen. 


Breite 

50»  N. 
40 
30 
20 
10 
0 

10    S. 

20 

30 

40 

50 


Februar 

August 

Jahr 

AUant. 

Paxif. 

Ind. 

AUant. 

Pazlf. 

Ind. 

AÜant. 

Parif. 

Ozean 

Ozean 

Ozean 

Ozean 

Ozean 

Ozean 

Ozean 

Ozean 

( 

7,.« 

4,2^ 

— 

1     15,0» 

u,.» 

-          1 

11,.« 

7,.» 

15,» 

10,4 

— 

22,7 

19,, 

19,. 

15,. 

20,1 

18,9 

— 

25,8 

24,t 

—           . 

23,. 

21,. 

24,. 

23,5 

24,8  0 

1     27,8 

26,1 

27,0» 

26,0 

25,1 

25,5 

26,7 

26,5 

1     27,5 

28,. 

27,1 

26,. 

27,. 

27,a 

27,0 

28,1 

!    24,9 

26,7 

27,e 

26,0 

26,. 

26,. 

26,. 

28,7 

1     22,7 

25,. 

26,1 

24,. 

26,1 

23,. 

25,9 

26,8 

1     20,0 

22,. 

22,7 

21,. 

24,1 

22,. 

22,8 

22,9 

17,2 

n,. 

18,8      1 

20,0 

20,1 

17,0 

17,8 

16,1 

11,* 

12,» 

12,7 

14,. 

14,T       1    ] 

,      6,» 

9,9 

5,6 

3,1 

7,. 

4,0  : 

5,0 

8,t 

Die  Wfirme Verteilung  im  Waaser. 


257 


Linie  eine  Folge  der  stärkeren  Entwicklung  des  Südostpassates.  Die 
südliche  Äquatorialströmung,  die  im  Atlantischen  Ozean  beständig, 
im  Indischen  aber  nur  zur  Zeit  des  Südwestmonsuns  den  Äquator 
überschreitet,  führt  unserer  Hemisphäre  eine  Menge  erwärmten  Wassers 
zu,  und  dieses  ernährt  wieder  die  mächtigen  warmen  Ströme  der 
nördlicheren  Breiten.  Die  Ozeane  der  südlichen  gemäßigten  Zone 
erhalten  dagegen  nicht  nur  weniger  Tropenwasser,  sondern  stehen 
überdies  noch  mit  dem  Eis- 
meere in  offener  Verbindung. 
Dies  ist  wahrscheinlich  auch 
der  Grund  der  ziemlich  gleich- 
mäßigen Temperaturvertei- 
lung jenseits  des  30.  Süd- 
parallels.  Diesseits  desselben 
sind  die  Gegensätze  bedeutend 
größer.  Innerhalb  des  Tropen- 
gürtels (20^  N.  bis  30«  S.)  ist 
der  Indische  Ozean  am  wärm- 
sten, der  Atlantische  am 
kältesten.  Dagegen  ist  nörd- 
lich von  20«  N.  der  Atlan- 
tische Ozean  beträchtlich 
wärmer  als  der  Pazifische,  ob- 
wohl dieser  vom  Eismeere 
abgesperrt  ist:  wieder  ein 
Beweis  für  den  hohen  Vor- 
rang des  Golfstromes  vor  dem 
Kuro  Schio. 

Tiefentemperatur  in  SüB- 
wasserseen.  Wie  in  der  Luft- 
hülle   unseres   Planeten    die 

Temperatur  mit  der  Höhe  abnimmt,  so  in  der  Wasserhülle  mit  der 
Tiefe.  In  derselben  Eichtung  vermindert  sich  auch  die  Wämie- 
schwankung,  die  in  den  Schweizer  Seen  in  150  m  Tiefe  völhg  er- 
lischt^^  sodaß  in  den  tieferen  Schichten  das  ganze  Jahr  hindurch 
eine  gleichmäßige  Temperatur  herrscht. 

Während  aber  die  Atmosphäre  hauptsächlich  von  unten  erwärmt 
wird,  empfängt  das  Wasser  seine  Wärme  von  oben,  und  die  Tempe- 
raturverteilung in  einer  Wassersäule  gestaltet  sich  dalier  wesenthch 
anders,  als  in  einer  Luftsäule  von  gleicher  Höhe.  Die  Süßwasser- 
seen erwärmen  sich  am  Tage  und  im  Sommer  durch  Durchstrahlung 
und  Leitung  und  kühlen  sich  nachts  und  im  Winter  durch  Leitung 

SüPAN,  Physische  Erdkunde.    2.  Aufl.  17 


Fig.  53.    Isothermen  der  Oberfläche  des 
atlantiscbeu  Ozeans  nach  der  Darstellung  der 
deutschen  Seewarte. 


'4 

f 


258  Das  Meer. 


i  und  vertikale  Wasserzirkulation  ab.    Die  direkte  Sonnenwirkung 

I  einflußt  nur  eine  dünne  Obei-flächenschicht;   nach  Gbissingebs  M 

I  sungen   im   kärtnischen  Weißensee*  reichte   sie  anfangs  Septeml 

j  nur  bis  12  m  Tiefe.    Die  vertikale  Zirkulation  wird  dadurch  herv 

^  gerufen,  daß  das  Oberflächenwasser  sich  abkühlt,  dadurch  schwe 

wird  und  untersinkt,  bis   es   eine  Schicht  von  gleicher  Tempera 
'.  und   Dichte    erreicht    hat.      Wärmere   Tiefenschichten   steigen   s 

/  kühlen  sich  wieder  ab,  sinken  wieder  unter,  und  dieses  Spiel  dau 

'^^  solange,  bis  das  gestörte  Gleichgewicht  wieder  hergestellt  ist    Wi 

■  die  Dichte  des  Süßwassers  nur  von  der  Temperatur  abhängig, 

müßte  in  jenen  Tiefen  unserer  Seen,  in  welche  die  Sommerwär 
durch  Leitung  nicht  mehr  einzudringen  vermag,    das  Wasser  e 
Temperatur  besitzen  gleich  der  mittleren  Januartemperatur  der 
treffenden  Gegend.     Bekanntüch  erreicht  aber  das  Süßwasser  se 
größte  Dichte  schon  bei  4^  über  Null,  und  in  der  That  finden 
j  diese  Temperatur  auch  in  allen  unseren  tieferen  Alpenseen,  vora 

I  gesetzt  daß  sie  nicht  durch  warme  Quellen  auf  dem  Grunde  gespi 

,  werden.    In  der  Regel  steht  aber  die  Tiefentemperatur  einige  Zehr 

Grad    über  4;    es  ist  dieß  dem  Einflüsse   der  Erdwärme  und   d 
wärmeerzeugenden  Fäulnisprozesse    der   auf  dem  Boden   lagemc 
\  Organismen  zuzuschreiben. 

I  In  den  Sommermonaten  nimmt  die  Temperatur  beständig  ^ 

oben  nach  unten  ab;  beständig,  aber  nicht  gleichmäßig.  Wir  hal 
vielmehr  5  scharf  getrennte  Schichten  zu  unterscheiden,  die  all 
dings  nur  bei  sehr  detaillierten  Messungen  erkennbar  sind.  Als  I 
spiel  mögen  die  beiden  Temperaturreihen  Grissingebs  im  Weissen 
am  7.  September  1891   dienen: 


8ha.  m 

. 

4*»  p.  m. 

rflächei 

itemperatur 

18,8  0 

19,8* 

chicht 

Tiefe 

Abnahme 

Tiefe 

Abnahme 

m 

ganze 

pro  m 

m 

ganze        pro 

I. 

0-  8 

1,70 

0,.o 

0—  8 

1,0»             O,» 

IL 

8—10 

5,7 

2,9 

8—11 

7,4               2,5 

III. 

10—15 

4,9 

1,0 

11—14 

3,e               1,2 

IV. 

15—40 

2,1 

0,1 

14—34 

2,5                     0,2 

V. 

40— Grund 

0,0 

0,0 

34— Grund         0,o              0,q 

Das  größte  Interesse  nimmt  die  Schicht  II  oder  die  Sprungschic 
wie  sie  ihr  Entdecker,  Ed.  Richter  nannte,*  in  Anspruch.    Daß 
täglichen  Verschiebungen  unterliegt,  zeigt  schon  das  obige  Beisp 
noch  größer  sind  natüriich  die  jahreszeitlichen,  ^ie  aus  denMessnnj 
im  elsässischen  Weissensee®  hervorgeht,  ja  zeitweise  verschwindet 


Die  Wärmeverteilung  im  Wasser.  259 


ganz.  Jedenfalls  ist  sie  im  Sommer  am  schärfsten  ausgebildet  nnd 
nimmt  das  höchste  Niveau  ein.  Ihre  obere  Grenze  bezeichnet  den 
Endpunkt  der  vertikalen  Zirkulation,  die  durch  die  nächtliche  Ab- 
kühlung der  Oberflächenschicht  erzeugt  wird  und  bis  zu  jener  Tiefe 
sich  erstreckt,  in  der  die  Temperatur  gleich  ist  der  nächtlichen 
Oberflächentemperatur.  Die  auf-  und  absteigenden  Schichten  ver- 
mischen sich  nun  so  innig,  daß  sie  am  darauffolgenden  Morgen  eine 
gleichmäßige  Temperatur  annehmen.  Diese  ist  natürUch  an  der 
oberen  Grenze  der  Zirkulationsschicht  tiefer  als  die  Temperatur  des 
vorhergehenden  Tages,  an  der  unteren  aber  höher,  und  statt  der 
früheren  gleichmäßigen  Abnahme  findet  nun  ein  Sprung  statt.  So 
trägt,  so  paradox  es  auch  klingen  mag,  die  nächtliche  Abkühlung 
die  Wärme  in  die  Tiefe,  und  zwar  um  so  tiefer,  je  größer  die  täg- 
liche Wärmeschwankung  ist. 

Den  sommerlichen  Zustand  nennen  wir  mit  Fobel^  die  regel- 
mäßige Wärmeschichtung;  im  Winter  dagegen  herrscht  in  den 
tieferen  Seen  unserer  Alpen  die  umgekehrte  Schichtung.  Im 
Momente  des  Überganges  hat  die  ganze  Wassersäule  ca.  4^.  Werden 
die  oberflächlichen  Schichten  kälter,  so  sinken  sie  nicht  mehr  ein. 
Die  Temperatur  der  tieferen  Schichten  erniedrigt  sich  nur  durch 
Ausstrahlung;  sie  nimmt  nach  der  Tiefe  zu,  bis  die  konstante  Schicht 
von  4^  erreicht  ist.  ^  Die  Eisbildung  beginnt  daher  stets  an  der 
Oberfläche  und  schreitet  langsam  nach  unten  fort.  Aber  niemals 
können  unsere  tieferen  Landseen  bis  auf  den  Grund  gefrieren,  und 
so  kann  ihr  organisches  Leben  auch  den  Winter  überdauern. 

Auf  diese  Verhältnisse  hat  Forel  seine  thermische  Ein- 
teilung der  Süßwasserseen  gegründet.  Ln  tropischen  Typus 
herrscht  das  ganze  Jahr  hindurch  die  regelmäßige,  im  polaren 
die  umgekehrte  Schichtung.  Der  gemäßigte  Typus  hat  im  Sommer 
die  erstere,  im  Winter  die  letztere  Schichtungsart.  Jede  Haupt- 
kategorie zerfallt  in  tiefe  und  seichte  Seen,  je  nachdem  sie  über  die 
Tiefengrenze  der  jährlichen  Wärmeschwankung  hinabragen  oder  nicht. 

Tiefentemperaturen  im  Salzwasser.  Li  zwei  Punkten  unter- 
scheiden sich  hinsichtlich  ihres  thermischens  Verhaltens  die  salzigen 
von  den  Süßwasserbecken.  Mit  steigendem  Salzgehalte  verschiebt  sich 
nämlic]i  auch  der  Gefrierpunkt  und  das  Dichtigkeitsmaximum  nach 


X  Die  Temperatorverteüung  im  Züricher  See  war  am  25.  Januar  1880 
nach  FoBEL  folgende: 

Tiefe  m      0        20        40        60        80        100        120        183 
Temp.        0,2^     2y     3,5  ^      3,7  •       3,8  <>       3,9 «        4,0^        4,o<> 

17* 


260 


Das  Meer. 


abwärts,  ^  und  damit  ändert  sich  das  Minimalmaß  der  Tiefenteni 
ratur.  Sie  kann  im  Süßwasser  nur  bis  -f  4*^,  in  1  prozentigem  S 
wasser  aber  schon  auf  +  2^,  im  2prozentigen  auf  —  0,5®  sinl 
natürlich  immer  vorausgesetzt,  daß  die  klimatischen  Verhältnisse 
Erzeugung  so  niedriger  Wärmegrade  gestatten.  Sobald  aber 
und  dieser  Fall  tritt  schon  bei  einem  Salzgehalte  von  30  Prom 
ein  —  das  Dichtigkeitsmaximum  tiefer  liegt,  als  der  Getrierpui 
wird  die  untere  Temperaturgrenze  der  Tiefenschichten  nur  m 
von  dem  letzteren  bestimmt.  Die  Eisdecke,  mit  der  sich  der  Wasi 
Spiegel  überzieht,  schützt  als  schlechter  Wärmeleiter  jene  Schiet 
vor  intensiverer  Erkaltung,  und  daher  kann  selbst  das  Bodenwaj 
polarer  Meere  nicht  kälter  sein  als   —2  bis   —  3^ 

Der   zweite  Unterscheidungspunkt   ist   folgender.     Die   tiefe 
Süßwasserschichten  erwärmen  sich  hauptsächlich  durch  Leitung, 
die  vertikale   Zirkulation   nicht  weit   hinabreicht.     Um  Wasser 
der  Oberfläche  in  die  Tiefe  zu  führen,  giebt  es  hier  nur  ein  Mit 
die  Abkühlung;    im  Salzwasser  dagegen  noch   ein   zweites:    die 
wärmung.     Indem   das   erhitzte   Obertiächenwasser  verdunstet,    v 
es  relativ  salzreicher,  schwerer,  und  sinkt  unter.    Um  die  ungehei 
Bedeutung   dieses   Faktors    zu   würdigen,    vergleiche    man   nur 
Temperaturen  im  Mittelmeere  und  in  den  oberitalienischen  Seen.  I 
unter  1 50  m  Tiefe  schon  überall  Temperaturen  von  4,6  bis  6**,  ( 
selbst   an  den  tiefsten  Stellen   noch    eine    Temperatur   von    13^* 
Dieser  Wärmegrad  entspricht  ungefähr  der  mittleren  Januartemp< 
tur  der  Luft  in  diesen  Gegenden  und  herrscht  mit  geringen  Sch\^ 
kungen   in   der   ganzen,   mehrere  1000  m  mächtigen  Wassersch 
jenseits  der  500  m-Isobathe.    Die  vertikale  Temperaturabnahme 
trägt  hier  nur  ein  paar  Zehntel  Grad. 

Das  Mittelmeer  ist  ein  nahezu  abgeschlossenes  Becken.  AI 
dings  empfängt  es  einen  atlantischen  Unterstrom,  aber  die  Gibral 
schwelle  ist  zu  seicht,    als    daß  das  kalte   ozeanische  Tiefenwa 


X  Karsten    (Gazellewerk,    II,    S.  53)  gibt   als    wahrscheinlichste    Vi 
folgende  an: 

Salzgehalt  (Promille)  0  10  20  80 

Gefrierpunkt  0^  -0,8^  -1,5**  -2,3^ 

Dichtigkeitsmaximum       +4°  +2'^  -0,5  -4*' 

XX  Zwischen  Korfu  und  Ben  Ghäsi  (Tripolis)  war   die   durchschnitt] 
vertikale  Wärmeverteilung  nach  den  Messungen  der  „Pola"  im  September 
folgende: 

Tiefe                  0  10          50         100  500        Boden  (bis  3700  m) 

Temperatur  24,8^  23^      isy       15,5°  U^              18,4-13,7 ^ 

An    der    tiefsten  bekannten   Stelle   des  Mitlelmeeres    (4400  m)    fand 
„Pola"  13,5<'.« 


Die  Wärmeverteilung  im  Wasser.  261 

eintreteD  könnte.  Maßgebend  für  die  Tiefentemperatur  der 
Nebenmeere  ist  also  die  Tiefe  und  auch  die  Breite  der 
Kanäle,  die  sie  mit  dem  Hauptmeere  verbinden.  Daß  wir 
auch  die  Breite  als  einen  Faktor  für  den  Grad  der  Vermischung 
zweier  Gewässer  anfuhren,  bedarf  keiner  w^eiteren  Erörterung. 

Im  Gebiete  des  Schwarzen  Meeres  ist  das  Klima,  besonders 
das  winterliche,  beträchtlich  kälter  als  im  Mittelmeere,  und  dement- 
sprechend müssen  wir  hier  Tiefentemperaturen  von  etwa  6®  erwarten. 
Das  ist  in  der  That  auch  der  Fall.  Die  russische  Forschungsexpe- 
dition im  Sommer  1890  fand  nordöstlich  von  der  Donaumündung 
6^  in  38  m  Tiefe,  an  der  Südküste  der  Krim  O,?»  in  60  m  Tiefe,  in 
der  Nähe  des  Bosporus  6,7®  in  57  m  Tiefe  und  in  dem  tiefsten 
Becken  des  Pontus  7,2®  in  55  m  Tiefe.  Von  da  ab  nimmt  aber  die 
Temperatur  bis  zum  Boden  wieder  um  2®  zu,^  offenbar  erwärmt 
durch  das  Mittelmeerwasser,  das  als  Unterstrom  durch  den  Bosporus 
in  das  Schwarze  Meer  fließt.  Aber  auch  die  auffallend  rasche 
Wärmeabnahme  in  den  obersten  Schichten  ist  lehrreich;  je  geringer 
die  Verdunstung  ist,  desto  matter  ist  die  veiükale  Zirkulation.  Sie 
erlischt  hier  schon  in  55  m  Tiefe,  d.  h.  in  der  Schicht  der  niedrigsten 
Temperatur. 

Auch  im  Ozean ^®  verlangsamt  sich  die  Wärmeabnahme  gegen 
den  Boden  zu.  Selbst  die  Messungen  in  Abständen  von  100  bis 
200  m  lassen  eine  Dreiteilung  fast  überall  erkennen :  rasche  Abnahme 
in  der  Oberflächenschicht,  die  bis  200  oder  auch  bis  400  m  hinab- 
reicht; langsamere  zwischen  200  bezw.  400  und  ca.  1000  m  Tiefe, 
aber  immerhin  noch  im  Betrage  von  ^j^  bis  P  pro  100m;  endlich  sehr 
langsame,  fast  unmerkliche  Abnahme  jenseits  der  1000  m-Tiefe,  kaum 
0,1**  pro  100  m.  Soweit  reicht  die  Analogie  mit  den  Nebenmeeren. 
Aber  zum  Unterschiede  von  diesen  erstreckt  sich  der  Ozean  über 
alle  öimagürtel,  und  seine  einzelnen  Teile  stehen  in  mehr  oder 
minder  freier  Verbindung  mit  einander.  Diese  beiden  Momente 
wirken  sich  entgegen;  an  der  Oberfläche  herrscht  noch  der  Unter- 
schied der  Breite,  und  die  Temperatur  bewegt  sich  noch  in  Diff'e- 
reiizen  von  33^,  zwischen  30®  in  einigen  wenigen  Teilen  des  tro- 
pischen Ozeans  und  —  3^^  im  Polarmeere.  Das  Bodenwasser  der  tieferen 
Becken  ist  dagegen  überall  nahezu  gleich  kalt  und  schwankt  nur 
zwischen  +  2  und  —  2,5®. 

X  Nach  WoEiKows  Bericht*  ist  die  Wärmeschichtung  über  dem  Tiefbecken 
folgende: 

Tiefe  m        0         10        55         100        500        1000        2158 
23,2<>     21,2^     7,2^        Sy         8,90         9,0°  9,3° 


262 


Das  Meer. 


Vertikale  Temperaturverteilung  im  Atlantischen  Ozea 
(Nach  den  Beobachtungen  des  „Challenger**,  1872—73  u.  1876.) 


wtsii  2\j(ni  j^ijg  'U^cKj  xt^o  i 

Fig.  54.     Tiefeniflotbermen  des  Atlantischen  Ozeans  zwischen  30  und  40^  N. 


Fig.  55.     Tiefenisothermen  des  Atlantischen  Ozeans  zwischen  30  und  40^  S. 

Atlantisoher  Ozean.    Berücksichtigt  man  die  Durchschnittstem 
ratur  der  ganzen  Wassermasse,   so  ist  der  Atlantische  Ozea 


X  Vergleichende  Übersicht  der  Temperatur  der  Ozeane. 


Atlantischer  Ozean. 

Tiefe:  Faden 

0 

50 

100 

200 

300 

500 

1000 

1500 

Meter 

0 

91 

183 

366 

549 

914 

1829 

2743 

40—20«  N. 

21,2« 

17,8« 

16,«» 

14,.» 

12,7« 

v 

3,.» 

2,5» 

20-0       „ 

25,4 

16,4 

14,, 

10,. 

7,« 

4,» 

3,3 

2,. 

0-20     S. 

24,8 

18,8 

13,2 

9,2 

6,5 

4,. 

3,. 

2,. 

20-40      „ 

19,1 

16,8 

14,1 

10,. 

6,» 

3,. 

2,. 

2,2 

stiller  Ozean. 

40-20«  N. 

20,8« 

16,8« 

13,.« 

9,.» 

6,2» 

3,.» 

1,,» 

l-i" 

20-0       „ 

26,7 

24,8 

n,a 

9,. 

1,« 

4,. 

2,. 

1,« 

0—20    S. 

26,6 

25,8 

21,2 

11,5 

7,. 

*,* 

2,. 

1,» 

20-40     „ 

20,2 

18,s 

16,5 

12,4 

8,. 

5,. 

2,. 

(1,0 

Indischer  Ozean. 

10—20«  S. 

25,4« 

— 

18,2» 

12,2» 

8,2» 

5,2» 

— 

— 

20-40     „ 

20,4 

— 

15,0 

10,. 

9,. 

6,. 

— 

— 

Die  Wärmeverteilung  im  Wasser. 


263 


(s.  Fig.  54 — 56)  zwischen  30  und  40®  N.  der  wärmste  Teil  des  ganzen 
Weltmeeres.  Über  einer  Fläche  von  ca.  4  Mill.  qkm  lagert  eine  500  m 
mächtige  Schicht  von  mehr  als  1572^  mittlerer  Temperatur.  Hier 
ist  die  Geburtsstätte  jener  allgemeinen  nordöstlichen  Wasserbewegung 
zu  suchen,  die  wir  als  Golfstrom  bezeichnen.  Selbst  im  Tropen- 
gürtel ist  das  Wasser  schon  in  200  m  Tiefe  beträchtlich  kälter,  ja 
in    den  mittleren  Schichten  der  südlichen  Hälfte  (0 — 20®  S.)  sogar 


MOO  "        oooo  -»ooo  «ooo  ■»». 

Fig.  56.     Meridianaler  Durchschnitt  durch  den  Atlantischen  Ozean. 

kälter,  als  zwischen  20  und  40®  S.  Auf  die  Gegensätze  zwischen  West 
und  Ost  haben  wir  schon  aufmerksam  gemacht  Bis  zu  einer  Tiefe 
von  rund  500  m  ist  der  nordatlantische  Ozean  im  Gebiete  des  Aus- 
läufers der  Äquatorialströmung  wärmer,  als  im  Osten;  in  den  unteren 
Schichten  aber  kälter,  weil  durch  die  untergesunkenen  Polarströme 
abgekühlt  Auch  im  südatlantischen  Ozean  sind  die  oberen  Partien 
der  Westhälfte  durch  höhere  Wärme  ausgezeichnet.  Anderer  Art 
sind  die  merkwürdigen  Gegensätze,  die  die  Bodentemperaturen  der 
westlichen  und  östlichen  Becken  zeigen: 


NW.-Becken 

Nordhälfte  des  Ost-Beckens 

1,8«    bis    1,8  0 

1,6«  bis  2,7 0 

SW.-Becken 

Südhftlfte  des  Ost-Beckens 

Norden  0,2*^  bis 

oy 

2,1  ö  bis  2,4  <> 

Mitte     0,6      „ 

0,8 

Soden    0,«      „ 

-0,6 

Kap-Becken 
0,50  bis  1,0« 

Es  ist  klar,  daß  diese  niederen  Temperaturen  nicht  an  Ort  und 
Stelle  entstanden  sein  können.  Ein  anderes  Beispiel  wird  dies  noch 
besser  zeigen.  Nur  neun  Bogenmindten  nördlich  vom  Äquator  (unter 
30,3°  W.)  beobachtete  der  „Challenger''  folgende  Temperaturen: 


OberflSche 

25,»» 

Tiefe    500  Faden    914  m 

4,." 

Tiefe    50  Faden    91  m 

19,« 

„      1000 

„        1829 

3,. 

„      100      „      188 

18,. 

„      1500 

„        2743 

2.T 

„      200      „      366 

8,> 

„      2275 

„        4160 

1,. 

„       300      „      549 

5,. 

(Boden) 

Wir  haben  hier  eine  Wassermasse  von  fast  4000  m  Mächtigkeit^ 
deren  Temperatur  niedriger  ist,  als  die  tiefste  hier  mögliche  Luft- 


264 


Das  Meer. 


temperatur.     Wir  schließen  daraus,   daß  das  Tiefenwasser 
Polarmeere  stammt  und  daß  es  durch  eine  dauernde  un 
seeische    Strömung   beständig   erneuert  wird,  da  es  ja  : 
bereits  eine  höhere  Temperatur  hätte  annehmen  müssen 

Es  kann  auch  keinem  Zweifel  unterliegen,  daß  das  äquatc 
Tiefenwasser  antarktischen  Ursprungs  ist,  denn  nur  nach  S 
sinkt  die  Bodentemperatur,  während  sie  nach  Norden  hin  s 
Wir  werden  hier  aufmerksam  auf  die  hohe  Bedeutung  des  u 
seeischen  Reliefs.  Am  ungehindertsten  ergießt  sich  das  polare  W; 
in  das  südwestüche  Becken,  wobei  noch  zu  beachten  ist,  daß  < 
Strömung  infolge  der  Ablenkung  durch  die  Rotation  der  Erde  I 
haupt  die  Tendenz  hat,  sich  nach  Westen  zu  wenden.  Auch  in 
Kap-Becken  gelangt  noch  Wasser  von  weniger  als  1®,  in  die  anc 
Becken,  die  durch  zusammenhängende  Bodenanschwellungen  von 
südwestlichen  geschieden  sind,  aber  nur  das  wärmere  Wasser  j 
Schicht,  die  mit  dem  submarinen  Rücken  in  gleicher  Höhe 
Aus  demselben  Grunde  bleiben  die  nordatlantischen  Tiefen  vor 
Eindringen  des  arktischen  Wassers  geschützt,  wie  die  von  Kbümi 
berechneten  Zugangsdimensionen  beweisen: 

Zugangsbreite        Zugangstiefe      Zugangsqaerschnitt 
Arktische  1521  km  585  m  890  qkm 

Antarktische      9186  2740  25170 

Vördliohes  Eismeer.  In  der  Fortsetzung  des  atlantischen  Tl 
liegt  das  nördliche  Eismeerbecken.  Die  Temperatur  nimn 
den  Polarmeeren  —  wenigstens  im  Sommer  —  nicht  überall  r 
mäßig  mit  der  Tiefe  ab ;  häufig  ist  eine  kalte  Schicht  zwischen 
wärmeren  ^  ^  oder  aucli  eine  warme  Schicht  zwischen  zwei  kalt 
eingeschlossen.  ^  ^  ^  Nachstehende  Durchschnitte  werden  uns  übe 
vertikale  Wärmeverteilung  Aufschluß  geben.  Im  Süden  des  Gi 
plateaus,  das  hier  bis  649  m  aufsteigt,  breitet  sich  das  warme  a 
tische  Wasser  aus,  während  im  Eismeerbecken  und  in  dessen 
lieber  Fortsetzung,  der  Färöer-Shetlands-Rinne,  die  warme  Sei 
die  offenbar  aus  dem  Atlantischen  Ozean  stammt,  verhältnisn 
dünn  ist  (Fig.  57).  Unter  ihr  hat  das  Meer  Minus -Temperati 
aber    ohne    den   Gefrierpunkt    des   Salzwassers    zu    erreichen; 


X  Die  Breite  multipliziert  mit  der  Tiefe. 
XX  Z.  B.  ßsy  N.,  15,7  0.  (19.  Juni  1878,  nach  Mohn) 

Tiefe  m       0         18         37         73       110       146       183       366  624  (Bo 

Temp.  0    10,7      8,0        5,7        4,4*       5,i         5,8         5,9        6,4  6,5 
XXX  Z.  B.  76,4 «N.,  45,5^0.  (31.  Juli  1878,  Beob.  „W.  Barents") 

Tiefe  m  17     34     51     68       85       102       119     136     153     170     187  204 

Temp.  ®  2,0  1,5     0,5   -0,i  -0,5    -0,c*    -0,4     0,o      0,3      0,5      0,a  0,o      - 


Die  Wärmeverteilong  im  Wasser. 


265 


Bodentemperaturen  schwanken  zwischen  —  1,3®  und  —  1,7®.  Eine 
Vermischung  beider  verschieden  warmen  Wassermassen  verhindert 
das  Plateau.  Im  folgenden  Durchschnitt  (Fig.  58),  der  senkrecht 
zum  ersten  gezogen  ist,  sehen  wir,  wie  die  warme  Golfstromschicht 
von  Westen  nach  Osten  an  Mächtigkeit  zunimmt.    Die  0®-lsotherme 


Fig.  57.     Vertikale  Temperaturverteilung  im  europäischen  Nordmeer  nach  Mohn. 

liegt  in  der  östlichen  Hälfte  zwischen  500  und  1200  m  und  im  Mittel 
in  860  m  Tiefe.  Dieser  Gegensatz  erklärt  sich  dadurch,  daß  der 
Golfstrom  sowohl  durch  die  westlichen  Winde  wie  durch  die  Erd- 
rotation nach  Osten  gedrängt  wird. 

Der  norwegischen  Küste  sind  mehr  oder  weniger  breite  Bänke 
vorgelagert,   in    die   der  beckenartige  Boden   der  Fjorde  eingesenkt 


Fig.  58.     Vertikale  Temperaturverteilung  im  europäischen  Nordmeer  nach  Mohn. 

ist.  Niemals  gefriert  das  Wasser  der  letzteren,  selbst  nicht  unter 
den  höchsten  Breiten.  Ihre  Bodentemperatur  ist  durchschnittUch 
um  8,7®  höher  als  die  mittlere  Januartemperatur  der  Luft,  ja  nörd- 
lich vom  62.  Parallel  sogar  um  2,2®  höher,  als  die  mittlere  Jahres- 
temperatur. Es  ist  dies  wieder  ein  augenscheinlicher  Beweis  dafür, 
daß  das  norwegische  Küstenwasser  seinen  Wärmevorrat  aus  niederen 
Breiten  bezieht;  die  Bänke  schützen  aber  die  Fjorde  vor  dem  Ein- 


h 


266 


Das  Meer. 


dringen  des  kalten  Wassers  des  Eismeerbeckens.  Auf  so  mai 
fachen  Bedingungen  beruht  also  die  abnorme  klimatische  Begünstij 
des  nordwestlichen  Europa. 

Die  warme  Oberflächenschicht  wurde  an  der  Westküste 
Spitzbergen  bis  über  den  80.  Parallel  und  östlich  von  der  B^ 
insel  bis  ca.  75®  B.  verfolgt.  In  der  Barentsee  sinkt  die  0°-l8oth( 
nur  noch  an  einer  Stelle  bis  200  m  Tiefe  herab,  nähert  sich 
im  Norden  schon  bis  auf  12  m  dem  Meeresspiegel.  Nördlich 
nordöstlich  von  Nowaja  Semlja  ist  das  ganze  Meer  unter  0*^  abgek 
Nur  an  einigen  Stellen  wird  bei  Windstille  die  Oberfläche  durcl 
Sommersonne  vorübergehend  stärker  erwärmt,  aber  schon  von  l 
an  findet  man  eine  nahezu  konstante  Temperatur  von  —  2,o  bis  — 
und  merkwürdigerweise  im  Winterhalbjahr  um  ca.  0,7®  höher  al 
Sommer.  Im  sibirischen  Eismeere  beobachtete  man  schon  in  30 — 
Tiefe  -  1  bis  -  2,4®. 

Es  liegt  also  der  Schluß  nahe,  daß  das  kalte  Wasser  des 
meerbeckens  und  der  Färöer-Einne  arktischen  Ursprungs  ist. 
widerspricht  aber  der  für  polares  Wasser  erfahrungsgemäß  zu 
Salzgehalt  und  andererseits  der  geringe  Stickstoflfgehalt  ^  dessel 
denn  wir  wissen,  daß  die  Luftmenge,  welche  das  Seewasser  von 
Atmosphäre  aufnimmt,  im  umgekehrten  Verhältnisse  zu  seiner  Tei 
ratur  steht.  In  der  That  finden  wir  auch  im  Gebiete  der  unzw< 
haft  polaren  ostgrönlöndischen  Strömung  geringeren  Salz-  und  hol 
Stickstoffgehalt,  als  am  Boden  des  Eismeerbeckens.  Wir  mi 
daher  annehmen,  daß  das  kalte  Wasser  des  letzteren  wenigstens 
Teil  aus  dem  Atlantischen  Ozean  stammt,  oder  mit  anderen  Wo 
daß  hier  der  Golfstrom  in  einer  absteigenden  Bewegung  begriffe] 

Übrige  Ozeane.  Im  Großen  Ozean  ist  die  vertikale  Tei 
raturverteilung  im  allgemeinen  zwar  ähnlich  der  im  Atlantis 
Ozean,  doch  bestehen  auch  einige  wichtige  Unterschiede.  Der  käl 
Teil  ist  der  außertröpische  nördliche  Ozean.  Am  wärmsten  ij 
den  oberen  Schichten  die  äquatoriale  Zone  und  in  den  mittleren 
südliche  Teil  jenseits  von  20®  südl.  B.  In  größeren  Tiefen  hen 
weitaus  mehr  thermische  Übereinstimmung  als  im  Atlantischen  0: 
Ebenso  fehlen  auch  die  verhältnismäßig  bedeutenden  Extreme 
atlantischen  Bodentemperaturen,  denn  im  nördlichen  Teil  schwai 
sie  im  allgemeinen  nur  zwischen  0,5  und  1,6®  und  in  der  Sü 
zwischen  0,e  und  1®. 

Wie  sehr  die  Mächtigkeit  der  nordatlantischen  warmen  f 

X  Die  Stickstofiinenge  des  Wassers  nimmt  man  als  Maß  der  gesa 
Luftmenge^  da  der  Sauerstoffgehalt  zum  Teil  von  ZafUlligkeiten  abhängig 


Die  Wärmeverteilung  im  Wasser.  267 


mang   die  der  nordpazifischen  übertrifft,  zeigen  die  Beobachtungen 
des  „Challenger**  in  beiden  Meeren  zwischen  32  und  38**  N. 

Mittlere  Tiefe  der  Isothermen 
20^  15°  lO** 

Atlantischer  Ozean  20— 70°  W.         40  m         430  m       790  m 
Stiller  Ozean  170°  W.  —  140°  0.      20  120  350 

Dagegen  ist  bis  ca.  1000  m  Tiefe  der  tropische  und  südliche 
Stille  Ozean  wärmer  als  der  Atlantische  in  gleicher  Breite,  in  größeren 
Tiefen  aber  entschieden  kälter,  wenn  auch  nirgends  so  tiefe  Boden- 
temperaturen gefunden  wurden,  wie  zwischen  Südamerika  und  Tristan 
d'Acunha. 

Eigentümlich  ist  die  Wärmeverteilung  in  den  isolierten  Boden- 
senkungen der  westlichen  Südsee  und  des  austral-asiatischen  Mittel- 
nieeres.  In  der  Celebessee  (zwischen  dem  Sulu- Archipel  und 
Celebes)  beträgt  z.  B.  die  Temperatur  von  1460  m  bis  zum  Boden 
(in  4755  m  Tiefe)  gleichmäßig  3,8^.  Eine  Barriere  von  1190  m  Tiefe 
sperrt  nämlich  das  kältere  Tiefenwasser  des  offenen  Ozeans  von 
dieser  Bodensenkung  ab.  In  der  benachbarten,  allseitig  abgeschlosse- 
nen Sulusee,  die  nur  indirekt  durch  die  China-  und  Celebessee  mit 
dem  Ozean  in  Verbindung  steht,  hat  die  Wassersäule  von  730  bis 
4664  m  Tiefe  (Boden)  sogar  eine  konstante  Temperatur  von  10,3*^. 
Das  sind  weitere  Beweise  für  die  Annahme,  daß  die  ozeanische 
Tiefenkälte  vom  Südpol  stammt. 

Auch  im  Indischen  Ozean  erreicht  kaltes  Bodenwasser  deu 
Aquatorialgürtel.  Weiter  als  irgendwo  anders  drang  hier  der 
„ChaUenger"  gegen  die  antarktische  See  vor.  Zwischen  52  und 
54®  B.  beträgt  die  Temperatur  an  der  Oberfläche  selbst  im  Sommer 
nur  3®,  in  200  m  Tiefe  nie  mehr  als  P,  und  am  Grunde  in  3566  m 
Tiefe  —  0,e^  Welcher  Gegensatz  zwischen  dem  südlichen  und  nörd- 
lichen Ozean!  Selbst  in  dem  verhältnismäßig  kalten  nordpazifischen 
Ozean  fand  man  unter  gleichen  Breiten  an  der  Oberfläche  um  5,?^ 
und  in  200  m  Tiefe  um  2,i^  wärmeres  Wasser,  und  auch  die  Boden- 
temperatur ist  dort  höher.  Es  müssen  also  die  warmen  Strömungen 
in  den  höheren  südlichen  Breiten  —  wenigstens  im  Süden  des 
Indischen  Ozeans  —  viel  unbedeutender  sein,  als  in  den  nördhchen 
Meeren.  Gerade  dieser  Umstand  regt  eine  Reihe  hochwichtiger 
Fragen  an,  die  noch  ihrer  Lösung  harren.  Es  ist  Thatsache,  daß 
eine  Wasserzirkulation  zwischen  dem  Nordpol  und  dem  Äquator 
durch  das  atlantische  Thor  mittels  Oberflächenströmungen,  die 
allerdings  auch  in  beträchtliche  Tiefen  hinabreichen,  stattfindet.  Ob 
außer  dem  Falklandstrom  noch  andere  echte  südpolare  Oberflächen- 


268 


Das  Meer. 


9 
J 

f 

0 


Strömungen  bis  in  die  Tropenzone  hinaufgehen,  ist  zweifelhaft;  ; 
sicher  ist,  daß  eine  submarine  antarktische  Strömung  den  Aqu 
erreicht  und  auch  auf  die  nördliche  Hemispliäre  hinübertritt, 
ist  zwar  außerordentlich  langsam  und  verrät  sich  nur  dem  Thei 
meter,  aber  jedenfalls  verdient  sie  den  Namen  einer  Strömung,  ( 
sie  bewirkt  eine  Wasserversetzung.  In  welcher  Beziehung  stehl 
nun  zu  den  Oberflächenströmen?  Und  auf  welche  Weise  erhält 
südliche  Polarmeer  Ersatz?  Denn  nur  dann,  wenn  ebensoviel  Wa 
zufließt,  als  abfließt,  kann  sich  eine  konstante  Strömung  entwicl 
Ist  es  endlich  wahrscheinUch,  daß  die  schwachen  warmen  Oberfläc 
Strömungen  der  Südhemisphäre  diesen  Ersatz  leisten? 

Wyville  Thomson,  der  Leiter  der  „Challenger"-Expedi 
stellte  die  Hypothese  auf,  daß  auf  der  Wasserhalbkugel  die  Nie 
schlage  größer  seien  als  die  Verdunstung,  während  auf  den  Me 
der  Landhalbkugel,  auf  dem  Atlantischen,  nordindischen  und  n 
pazifischen  Ozean  die  Verdunstung  den  Niederschlag  übens-iege. 
antarktische  Strömung  gleiche  nun  dieses  Mißverhältnis  aus. 
bestechend  auch  diese  Erklärung  auf  den  ersten  Blick  erschein 
erweist  sie  sich  doch  bei  näherer  Betrachtung  als  ziemlich  haltlos 
sie  auf  ganz  willkürlichen  Annalimen  beruht.  Nach  dem  „Challeni 
Hauptwerke  ^2  stammt  das  tropische  Tiefenwasser  von  der  Oberfl 
zwischen  40  und  55®  S.,  und  die  aus  den  warmen  Gegenden  1 
mende  Ersatzströmung  glaubt  man  in  jener  warmen  Schicht,  die 
unter  65®  S.  in  550  m  Tiefe  fand,  entdeckt  zu  haben. 

Das  Meereis.  Während  die  übrigen  Meere  die  Kontinente  i 
verl}inden  als  trennen,  sind  die  Polarmeere,  als  der  Schauplatz  i 
ausgedehnten  und  regelmäßigen  Eisbildung,  auch  für  das  tauglic 
Scliiff  ein  ernstliches  Verkehrshindernis,  das  jeder  Berechnung  spc 
Wie  viele  Opfer  hat  es  gekostet,  ehe  man  den  Gedanken  auj 
durch  die  Nordwestpassage  in  den  Stillen  Ozean  zu  gelangen; 
wenn  auch  die  Nordostpassage  von  Nordenskiöld  glücklich  i 
wunden  wurde,  so  ist  doch  auch  diese  ruhmreiche  That  ohne  f 
tische  Folgen  für  den  atlantisch -pazifischen  Verkehr.  Die  m^ 
Eisbildung  ist  überdies  auch  von  hoher  klimatischer  Bedeut 
denn  das  Eis  verhält  sich  gegen  die  Wärme  wie  Land,  erkaltet 
im  Winter  durch  Ausstrahlung  rasch  und  intensiv,  und  ruft  E 
metermaxima  und  polare  Winde  hervor,  während  es  in  der  som: 
liehen  Tauperiode  Wärme  verbraucht  und  dadurch  ebenfalls  ab 
lend  auf  die  Umgebung  wirkt. 

Eisbildung  von  polarem  Charakter  findet  auch  im  Bering- 
Ochotskischen  Meere  statt.  Auch  das  Asowsche  Meer  und 
Ostsee  nördUch  von  der  Linie  Stockholm-Osel  gefrieren  jeden  Wi 


Die  Wärme  Verteilung  im  Wasser.  269 

teilweise  oder  ganz,  was  offenbar  durch  den  geringen  Salzgehalt 
begünstigt  wird. 

Das  Eis  der  Polarmeere  besteht  aus  Eisbergen,  Flußeis, 
das  aber  nur  in  den  sibirischen  Küstengegenden  einige  Bedeutung 
gewinnt,  und  Eisfeldern.  Die  ersteren  stammen  fast  ausschließlich 
von  Gletschern  her  (s.  S.  171),  doch  können  auch  Teile  der  auf- 
gebrochenen Eisdecke  eines  Flusses  durch  Aufeinanderpressung  wahre 
Berge  bilden  und  wie  das  Gletschereis  Gesteinsmaterial  mit  sich 
tuhren.  Das  Eisfeld  ist  marinen  Ursprungs;  Stücke  desselben  nennt 
man  je  nach  ihrer  Größe  Flarden,  Schollen  oder  Brocken.  Die 
Vorposten  gegen  das  offene  Meer  bilden  lose  Eismassen,  das  sog. 
Treibeis,  während  das  innere  Polarmeer  mit  schwerem  Packeis 
besetzt  ist,  das  aber  freilich  auch  nicht  eine  ununterbrochene  Eis- 
masse bildet.  Vielmehr  werden  die  einzelnen  größeren  und  kleineren 
Felder  durch  Stellen  offenen  Wassers,  sog.  W^acken,  von  einander 
getrennt. 

Verfolgen  wir  nun  die  Bildung  und  Umformung  des  Polareises 
an  der  Hand  der  klassischen  Schilderung  von  Weypkecht.^^  Beim 
Beginne  der  kalten  Jahreszeit  ist  noch  altes  Eis  vorhanden,  dazu 
kommt  nun  neue  Eisbildung.  Vom  Sommer  her  hat  das  Polarmeer 
ein  gewisses  Wärmequantum,  das  ihm  durch  warme  Strömungen, 
durch  das  Schmelzwasser  des  Eises,  und  (auf  unserer  Hemisphäre) 
durch  die  Flüsse  zugeführt  wurde.  Die  erkalteten  Oberflächen- 
schichten sinken  unter,  die  warmen  steigen  in  die  Höhe.  Eigentlich 
könnte  die  Eisbildung  erst  beginnen,  wenn  die  ganze  Wassermasse 
unter  —  2^/^^  abgekühlt  ist,  aber  in  der  That  gefriert  das  W^asser 
an  der  Oberfläche  schon,  ehe  die  warmen  Schichten  heraufkommen. 
Bei  rascher  Eisbildung  an  der  Oberfläche  wird  nur  ein  Teil  des 
Salzgehaltes  ausgeschieden,  bei  langsamer,  nach  unten  fortschreitender 
aber  der  ganze ;  dadurch  werden  die  nächsten  Schichten  salzreicher, 
ihr  Gefrierpunkt  wird  herabgesetzt  und  die  vertikale  Zirkulation  geht 
rascher  vor  sich.  Erfahrungsgemäß  beträgt  die  größte  Dicke  des  in 
einem  arktischen  Winter  gebildeten  Eises  nur  1 — 2^2  in.  Ursprüng- 
lich hat  es  eine  glatte  Oberfläche,  aber  bald  entstehen  infolge  der 
Bewegung  der  Felder  durch  Wind  und  Strömungen,  infolge  von 
Gleichgewichtsstörungen  und  Temperaturdifferenzen  zwischen  Luft 
und  Wasser  Eisse  und  Sprünge.  Sofort  schießt  in  den  Offnungen 
Wasser  empor  und  treibt  die  Stücke  des  Feldes  auseinander,  wird 
aber  bald  selbst  von  jungem  Eise  bedeckt.  Die  hin  und  her  ge- 
triebenen Felder  schieben  sich  über  und  unter  einander  (Eis- 
pressung, Fig.  59),  und  ven^^achsen  endlich  durch  Begelation  und 
Ausfrieren    der  Zwischenräume    zu    einer   kompakten   llasse.     Aber 


270 


Das  Meer. 


auch  jetzt  sind  dem  Wachstum  Grenzen  gesteckt:  nach  unten, 
das  Eis  den  Taupunkt  erreicht,  und  auch  nach  oben,  dei 
massenhafter  es  wird,  desto  seltener  werden  Brüche  und 
Schiebungen.  Nach  Weypbecht  kann  Salzwassereis  nur  eine  Mä 
keit  von  10  m  erreichen,  und  wenn  höheres  beobachtet  wurde 
25  m  hohes  im  Smithsund),  so  war  es  nur  durch  unterschobene 
Massen  gehoben  worden. 

Von  dieser  Art  ist  also  das  winterliche  Packeis:  ein  besi 
sich  bewegender  und  umformender  Trümmerhaufen  aus  alten 
jungem  Eis,  dessen  Oberfläche  noch  dazu  durch  Schneestürme 
während  verändert  wird.  Ihre  Unebenheit  macht  auch  weite  Schi 
reisen  unmöglich. 


Fig.  59.     Eispressung  nach  Payeb. 


Ende  Mai  beginnt  es  in  den  arktischen  Gegenden  zu  t 
Die  steigende  Temperatur,  vor  allem  aber  Nebel  und  Regei 
schleunigen  diesen  Prozeß.  Es  entstehen  Seen  und  Flüsse,  die 
Meere  Süßwasser  zuführen.  Die  Wacken  erweitem  sich,  und  Sei 
und  Brocken  schwimmen  darin  herum.  Die  Polarströmungen  fi 
die  losen  Massen  in  wärmere  Gegenden.  Die  äquatoriale  Ti 
eisgrenze  (s.  Karte  XIIl)  schwankt  auf  der  südlichen  Halb 
zwischen  56^  B.  im  Süden  von  Amerika  und  35^  B.  am  Kap 
guten  Hoffnung,  selbst  das  Packeis  überschreitet  unter  dem  G 
wicher  Meridian  den  50.  Parallel,  d.  h.  die  Breite  von  Prag!^*  E 
arktisches  Treibeis  betritt  nur  den  westlichen  Atlantischen  0 
während    den  Golfstrom  bis  über  den   70.  Breitengrad  hinauf 


Die  Wärmeverteilung  im  Wasser.  271 


Eisstiick  zu  passieren  vermag.  Nach  einer  allerdings  nicht  ganz 
sicheren  Berechnung  von  Böbgen  ist  am  Ende  der  warmen  Jahres- 
zeit ^/g  der  Gesamtoberfläche  des  Eisgebietes  eisfrei.  Aber  der 
kurze  Sommer  vermag  nicht  alles  zu  zerstören,  was  der  lange  Winter 
geschaflfen  hat.  Es  müßte  sich  daher  in  den  Polarmeeren  immer 
mehr  Eis  anhäufen,  wenn  es  nicht  thatsächlich  nur  so  lange  wachsen 
würde,  bis  die  winterliche  Zunahme  genau  gleich  ist  dem  sommer- 
lichen Verluste. 

Die  Geschichte  der  Polarfahrten  lehrt,  daß  die  Eisgrenzen  von 
Jahr  zu  Jahr  großen  Schwankungen  unterworfen  sind.  Sie  sind 
weniger  von  der  Sommerwärme,  als  von  den  Wind-  und  Strömungs- 
verhältnissen innerhalb  des  ganzen  Polarbeckens  abhängig;  daher 
sind  im  arktischen  Meer  die  Ostküsten  stärker  belagert  als  die  west- 
lichen, die  Nordküsten  stärker  als  die  südhchen.  Traurige  Erfah- 
rungen haben  den  Glauben  an  ein  oifenes  Polarmeer  zerstört  Doch 
hiüt  NoRDENSKiöLD  uoch  daran  fest,  daß  es  kaum  jemals  bis  in  be- 
deutendere Tiefen  und  abseits  vom  Lande  dauernd  gefriert.  Jenseit 
des  sibirischen  Küsteneises  wurden  auch  im  Winter  breite  eisfreie 
Stellen  (sog.  Polynia)  beobachtet.  Aber  von  praktischem  Werte 
sind  alle  diese  Öffnungen  nicht,  denn  launenhaft  verschheßen  sie 
sich  dem  einen  Schiffe,  während  sie  sich  dem  anderen  öffnen.  Viel- 
leicht ist  es  dem  Luftballon  noch  vorbehalten,  in  diesen  Gegenden 
eine  große  Eolle  zu  spielen. 

Litteraturnachweise.  *  Kbümmel,  cit.  S.  255,  n.  9.  — -  'Koppen,  Das 
Verhältnis  der  Temperatur  des  Wassers  u.  der  Luft  an  der  Oberfläche  des  Ozeans, 
in  den  Annalen  der  Hydrographie  u.  Maritimen  Meteorologie  1890.  —  *  Fobel, 
La  faune  profonde  des  lacs  Suisses,  Basel  1885.  —  ^  Gtrissinger  in  Petebmanns 
Mitteilnngen,  1892,  S.  153.  —  *  Richter,  Die  Temperaturverhältnisse  der  Alpen- 
seen, in  den  Verhandlungen  des  IX.  Deutschen  Geographentages  in  Wien 
1891.  —  •  Heroesell,  Langenbeck  u.  Rudolph,  Die  Seen  der  Südvogesen,  in 
den  Geographischen  Abhandlungen  aus  Elsaß-Lothringen,  1892,  Bd.  I.  — 
^  Forel,  Classification  thermique  des  lacs  d'eau  douce,  in  den  Comptes  rendus 
de  Tacad^mie  des  sciences  de  Paris,  18.  März  1889.  —  ®  Berichte  der  Com- 
mission  für  Erforschung  des  östlichen  Mittelmeeres,  in  den  Denkschriften  der 
Wiener  Akademie  der  W^issenschaften,  Mathem.-naturwiss.  Classe,  Bd.  LIX— LXI, 
1892 — 94.  —  »  WoEiKOw  in  Petermanns  Mitteilungen  1891,  S.  88.  —  ^^Buchan, 
Report  on  Oceanic  Circulation,  Appendix  zum  Challenger-Report,  1895. 
Temperaturkarten  von  0—1000  Faden  Tiefe  für  je  100  Faden,  dann  für  1500 
und  2200  Faden  und  größere  Tiefen.  —  "  Krümmel,  cit  S.  40.  —  ^*  Narrative, 
Bd.  I.  —  **  Weyprecht,  Die  Metamorphosen  des  Polareises,  Wien  1881.  — 
"  Fricker,  Die  Entstehung  und  Verbreitung  des  antarkischen  Treibeises, 
Leipzig  1898. 


Dritter   Abschnitt. 

Die  Dynamik   des  Landes.' 


A'^ 


Die  Hauptformen  der  Dislokationen.^ 

Is  endogene  Wirkungen,  d.  h.  als  Wirkungen  von  Kräften, 
die    ihren    Sitz   im   Erdinnem    haben,    wurden    auf  S.  14 
Niveauveränderungen  und  vulkanische  Ausbrüche  genannt 

Die  Niveauveränderungen,  oder  um  genauer  zu  sprechen, 
die  endogenen  Niveauveränderungen  können  wir  nach  verschiedenen 
Gesichtspunkten  einteilen : 

1.  der  Zeit  nach  in  instantane,  die  plötzlich  eintreten,  und 
in  säkulare,  deren  Wirkungen  erst  nach  längeren  Zeiträumen  zur 
Wahniehmung  gelangen; 

2.  der  Ausdehnung  nach  in  regionale  oder  ausgedehnte  und 
in  lokale  oder  örtlich  beschränkte.  Eine  scharfe  Grenze  ist  zwischen 
beiden  in  der  Theorie  nicht  zu  ziehen,  in  der  Praxis  aber  wird  man 
selten  im  Zweifel  sein,  welcher  Kategorie  man  die  beobachtete 
Niveau  Veränderung  zuzählen  soll; 

3.  die  Niveauveränderungen  können  sich  mit  oder  ohne  sicht- 
bare Schichteustörung  (Dislokation)  vollziehen;  die  ersteren  nennen 
wir  kurzweg  Dislokationen,  und  mit  diesen  haben  wir  uns  hier 
zu  beschäftigen. 

Die  Dislokationen  lassen  sich  auf  horizontal  oder  vertikal  wirkende 
Kräfte  zurückführen.  Über  die  beiden  Formen  der  Horizontal- 
dislokationen, Faltung  und  Blatt,  können  wir  rasch  hinwegeilen. 
Zwar  ist  es  hauptsächlich  die  Faltung  der  Oberäächenscliichten, 
die  die  meisten  und  wichtigsten  Kettengebirge  der  Erde  geschaffen 
hat,  aber  bei  der  Besprechung  der  letzteren  wird  sich  uns  bequemere 
Gelegenheit  bieten,  auf  die  verschiedenen  Arten  der  Falten  näher 
einzugehen.  Von  geringem  Einflüsse  auf  die  Beschaffenheit  des  Ge- 
ländes scheint  dagegen  das  Blatt  zu  sein.  Man  versteht  darunter 
eine  Horizontal  Verschiebung  der  Schichten  entlang  einer  Bnichspalte; 
ein    Vorgang,    der    besonders    deutlich    bei    dem    großen    zentral- 


Die  Hauptfonnen  der  Dislokationen. 


273 


Fig.  60.     Falten. 


japanischen  Erdbeben  vom  28.  Oktober  1891  beobachtet  wurde.  ^  Bei 
Midori  z.  B.  schnitt  die  Spalte  eine  Chaussee  entzwei,  und  die  Ost- 
hälfte wurde  um  4  m  nach  N.  verschoben ;  damit  verband  sich  auch  eine 
Senkung  oder  Verwerfung  des  West- 
liügels  um  6  m  (Fig.  61).  Besonders 
auffällig  tritt  das  Blatt  dann  her- 
vor, wenn  sich  entlang  der  Spalte 
ein  Thal  entwickelt  hat,  und  die 
Gehänge  nun  nicht  mehr  zusammenpassen.  Im  allgemeinen  scheint 
diese  Dislokationsform  an  gefaltete  Gegenden  gebunden  zu  sein. 

Die  Hauptform  der  Vertikaldislokation  ist  die  Verwerfung, 
worunter  man  jede  Vertikalverschiebung  ursprüngHch  zusammen- 
hängender Schichtenteile  entlang  einer  Bruchspalte  versteht  (Fig.  62). 
Sie  kann  in  hori- 
zontalen wie  in  ge- 
neigten Schichten 
vorkommen ;     die 

Verwerfungs- 
spalte kann  ver- 
schiedene Lagen 
zum  Horizont  ein- 
nehmen, die  Art 
der  Verschiebung, 
wie  das  Maß  der- 
selben —  die  sog. 

Sprunghöhe  — 

kann  ebenfalls  sehr  verschieden  sein.  Häutig  treten  Verwerfungsspalten 
in  beträchlicher  Ausdehnung  und  in  großer  Zahl  auf  und  zerlegen 
einen  Schichtenkomplex  in  einzelne  Schollen.  Sie  können  dabei 
mehr  oder  weniger  parallell  verlaufen,  als  sog.  Tafelbrüche  (Fig.  63), 
oder  sie  bilden  Bruchnetze,  die  aus 
einem  System  sich  durchkreuzender  peri-  ^  ^ 
pherischer  Brüche  und  Eadialsprünge  C '__ 
bestehen  (Fig.  64).  Auch  die  einzelnen  "^ 
Schollen  können  sich  verschieden  ver- 
halten. In  Fig.  62  fallen  sie  z.  B.  gleich- 
sinnig nach  einer  Richtung  ab,  und  wir 
sprechen  dann  von  einemStaffelbru  che; 
häutig  ragt  aber  eine  Scholle  als  sog.  Horst  über  die  Umgebung  hervor 
(Fig.  65),  oder  senkt  sich  als  Graben  unter  die  Nachbarschollen 
hinab  (Fig.  66).  Diese  Erscheinungen  gehören  hauptsächlich  den  Ge- 
bieten der  Tafelbrüche  an,   während  die  Einstürze  von  rundlichem 


Fig.  61. 


Verschiebung  (Blatt)  und  Verwerfung  bei  Midori, 
nach  KOTO. 


OOOOA 


Fig.  62.     Verwerfung. 


SuPAir,  PhTsiBche  Erdktmde.   2.  Aufl. 


18 


274 


Die  Dynamik  des  Landes. 


oder  polygonalem  Umrisse,  die  man,  wenn  sie  klein  sind,  als  Kessel- 
brtiche,  und,  wenn  sie  größeren  Umfang  besitzen,  als  Senkungs- 
becken bezeichnet,  durch  Bruchnetze  erzeugt  werden. 

Manchmal  kommt  es  nicht  zum  Bruche,  obwohl  die  Teile  eines 
Schichtenkomplexes  ebensolche^  oder  ähnliche  Niveauveränderungen 


Fig.  63. 
Tafelbrüche  nach  Heim. 


I         RtuiialapaUm 

Flg.  64. 
Bnichnetse  nach  Heim. 


erleiden,  wie  bei  der  Verwerfung.  Statt  des  Bruches  entsteht  dann  eine 
Schichtenbiegung,   weshalb  man  diese  Form  der  Vertikaldislokation 


Fig.  65. 
Hont  nach  Heim. 


Fig.  66. 
Grab^  nach  Heim. 


als  Flexur  bezeichnet  (Fig.  67).   Sie  tritt  mit  Verwerfungen  vergesell- 
schaftet auf,  und  zwischen  beiden  Arten  bestehen  mannigfache  Über- 


z^^^%-^— _ 

^2222s^^iiiiiiaiiii 

^^^~^^^^^^-^^^^~ 

^ 

^^^^^&#i 

Fig.  67. 
Flexur  nach  Heim. 

Fig.  68, 
Zerrissene  Flexur  nach  Heim. 

gänge,  von  denen  Fig.  68  die  häufig  vorkommende  zerrissene  Flexur 
mit  „geschleppten"  Schichtenenden   an   der  Biegungsstelle  vorführt 


Die  Haaptformen  der  Dislokationen.  275 

Wir  haben  also,  wenn  wir  noch  einmal  rückwärts  blicken,  im 
Ganzen  vier  Hauptformen  der  Dislokation: 

Durch   vorwiegend   horizontal  |  1,  Falte, 

wirkende  Kräfte  entstanden:    J  2.  Blatt, 

Durch    vorwiegend    vertikal      1  3.  Verwerfung, 

wirkende  Kräfte  entstanden:  J  4.  Flexur. 

In  der  Eegel  treten  diese  Dislokationsformen  regional  auf.  Es 
giebt  weite  Gebiete,  wo  die  Schichten  ihre  ursprüngliche  horizontale 
Lagerung  beibehalten  haben,  und  Störungen  nur  eine  untergeordnete, 
örtlich  beschränkte  Kolle  spielen.  Es  giebt  weite  Gebiete,  wo  die 
Schichten  in  Falten  gelegt,  und  wieder  andere,  wo  sie  in  Schollen 
aufgelöst  sind.  Wohl  kommen  neben  Falten  auch  Verwerfungen, 
neben  Verwerfungen  auch  Falten  vor,  aber  immer  ist  es  Eine  von 
diesen  beiden  Hauptformen,  welche  einer  bestimmten  Gegend  ihr 
Gepräge  verleiht,  so  daß  wir  mit  Eecht  von  Falten-  und  Schollen- 
ländern sprechen  dürfen.  Dieser  regionalen  Anordnung  der  Schichten- 
störungen ist  es  zu  danken,  daß  Berge  und  Ebenen  nicht  wirr 
durcheinander,  sondern  in  geschlossener  Weise  auftreten,  und  daß 
geographische  Provinzen  entstehen,  die  durch  ihren  einheitlichen 
Bau  auch  die  Entwicklung  ihrer  menschlichen  Bewohner  beeinflussen. 

Theorieen.  Dem  Geographen  gentigt  es,  wenn  es  ihm  gelingt,  eine 
bestimmte  Oberflächenform  aus  ihrer  Bauart  zu  erklären;  den  letzten 
Grund  der  endogenen  Erscheinungen  aufzusuchen,  tiberläßt  er  neidlos 
den  Geschichtsschreibern  der  Erde.  Aber  ganz  können  auch  wir  nicht 
den  theoretischen  Erörterungen  nicht  aus  dem  Wege  gehen;  wir 
können  nun  einmal  nicht  des  geistigen  Bandes  entbehren,  das  die 
beobachteten  Thatsachen  zusammenhält.  Doch  beschränken  wir  uns 
hier  nur  auf  einige  allgemeine  Gesichtspunkte,  die  uns  später  das 
Verständnis  der  Eünzelphänomene  erleichtern  sollen. 

Daß  Bodenbewegungen  und  vulkanische  Ausbrüche  in  irgend 
einem  ursächUchen  Zusammenhange  mit  dem  heißen  Erdkern  stehen, 
ist  jetzt  die  vorherrschende  Ansicht  der  Geologen.  Nur  vereinzelt 
taucht  noch  die  Meinung  auf,  daß  Veränderungen  innerhalb  der 
Kruste  selbst,  außergewöhnlicher  Wärmeverlust  oder  außer- 
gewöhnliche Wärmeerhöhung  durch  mechanische  oder  chemische 
Vorgänge,  genügen,  um  Hebungen  und  Senkungen,  Gebirgsbildung 
und  Eruptionen  zu  erklären.*  Aber  diese  Stimmen  verhallen  fast 
ungehört.  Jahrzehnte  hindurch  herrschte  die  plutonistische 
Theorie,  die  dem  heißfltissigen  Erdinnem  eine  aktive  Wirksamkeit 
zuschrieb  und  alle  tektonischen  und  vulkanischen  Phänomene  als  Re- 
aktion des  explosiven  Erdkerns  gegen  die  erstarrte  Kruste  auffaßte. 

18* 


276  Die  Dynamik  des  Landes. 

Das  genauere  Studium  der  Faltengebirge  hat  diese  Anschauung  er- 
schüttert und  der  Kontraktionstheorie  den  Weg  gebahnt.  Diesi» 
beruht  auf  der  Voraussetzung,  daß  das  Erdinnere  rasclier  erkaltet 
und  sich  zusammenzieht,  als  die  Kruste,  so  daß  zwischen  beiilen 
ein  Hohlraum  entsteht.  Wie  ein  Gewölbe  an  seiner  schwächsten 
Stelle  sich  senkt  und  endlich  zusammenbricht,  so  auch  die  Kruste :  aber 
da  ihr  Umfang  zu  groß  ist  fiir  den  zusammengeschrumpften  Erdkern, 
so  muß  durch  die  Zusammenpressung  oder  Faltung  schwacher  Piir- 
tien  erst  Raum  geschaffen  worden  fiir  die  starreren  Schollen,  dit* 
nun  ebenfalls  dem  Zuge  der  Schwerkraft  folgen  können.  Süss,  der 
diese  Theorie  bis  in  ihre  äußersten  Konsequenzen  ausgebildet  liat 
kennt  nur  Einen  Fundamen talakt:  die  Senkung.  Ungleichmäßige 
Senkung  der  Krustenstücke  schuf  Festländer  und  Meere.  Es  gieM 
nur  Eine  Art  der  Hebung,  die  durch  Faltung,  aber  auch  diese  i«jt 
nur  eine  Wirkung  der  Schwerkraft,  die  sich  örtlich  in  eine  tangen- 
tial wirkende  Kraft  umsetzt.  Die  vulkanischen  Ausbrüche  sinken 
zu  untergeordneten  Begleiterscheinungen  des  großen  Zusammen- 
bruches der  Erdrinde  herab,  denn  dieser  Vorgang  öffnet  die  Spalten, 
durch  die  die  Dämpfe  und  die  Lava  ihren  Weg  nach  der  Ober- 
fläche finden. 

Im  Gegensatze  zu  Stiss  hält  de  Lapparent  die  Faltungf  ür  die 
ursprüngliche  Folge  der  Erdkontraktion  und  den  Bruch  und  die 
Schollensenkung  fiir  den  sekundären  Vorgang.®  Auch  die  Verein- 
barkeit faltungsloser  Hebung  mit  der  Schrumpfungstheorie  wird  neuer- 
dings behauptet.® 

Immer  mehr  häufen  sich  die  Beweise  dafür,  daß  unter  den 
Hochgebirgen  ein  Massendefekt  vorhanden  ist,  der  entweder  diireh 
Hohlräume  oder  durch  eine  geringere  Dichtigkeit  der  Tiefengest^iue 
bewirkt  sein  kann.  Diese  Thatsache  bereitet  der  Kontraktionstheorie 
allerdings  einige  Schwierigkeiten,  denn  man  erwartet,  daß  die  Faltuu.s 
eine  größere  Dichtigkeit  in  der  Tiefe  erzeugt.  Dies  ist  hauptsächlich 
der  Grund,  weshalb  Eothpletz  die  Kontraktionstheorie  durch  ihr 
Gegenteil,  die  Expansionstheorie,  ersetzt  wissen  will.^  Seltsam 
klingt  es  freihch,  daß  die  Erde  sich  durch  Wärmeverlust  ausdehne, 
wie  Wasser  und  Wismut;  man  will  es  damit  begründen,  daß  feste 
Massen  weniger  zusammpreßbar  sind  als  flüssige.  Die  Aktion  geht 
von  der  mittleren  Zone  zwischen  Kruste  und  Kern  aus;  indem 
diese  erstarrt,  dehnt  sie  sich  aus  und  ist  bestrebt,  die  Kruste  zu 
heben.  Die  Vorgänge,  die  nun  folgen,  spielen  sich  in  derselhen 
Weise  ab,  wie  bei  der  Kontraktion,  nur  daß  wir  statt  „Senkung** 
„Hebung"  zu  setzen  haben.  Schwächere  Teile  der  Mittelzone  dehnen 
sich  stärker  aus  und  bewirken  Hebung  der  aufgelagerten  Krustenscholle 


Die  Hanptformen  der  Dislokationen.  277 

und  Streckung  und  Zerreißung  derselben.  In  die  Spalten  dringen 
eruptive  Gesteinsmassen  ein.  Durch  die  Ausdehnung  spezifisch 
leichter  geworden,  erleiden  jene  Partieen  der  Mittelzone  nun  aber 
auch  einen  seithchen  Druck  durch  die  sich  fortgesetzt  ausdehnenden 
stärkeren  Partieen  und  dadurch  soll  auch  Faltung  in  den  gehobenen 
Krustenschollen  eintreten  können. 

Ein  anderer  Gegner  der  Kontraktionslehre,  0.  Fishee,®  hat  in 
letzter  Zeit  eine  eigenartige  Theorie  entwickelt,  die  freilich  fast  nur 
auf  Hypothesen  aufgebaut  ist,  aber  doch  nicht  mit  völligem  Still- 
schweigen übergangen  werden  darf. 

Wie  schon  airf  S.  12  dargethan  wurde,  denkt  sich  Fisher  die 
Erdkruste  als  eine  verhältnismäßig  dünne  Schicht  auf  einer  leicht- 
flüssigen Unterlage.  Ozeanische  Becken  und  kontinentale  Massen  sind 
von  Anfang  an  geschieden,  wenn  auch  mancherlei  Grenzverschiebungen 
im  Laufe  geologischer  Zeiträume  stattgefunden  haben.  Die  ozeanische 
Kruste  sinkt  tiefer  in  das  Magma  (die  leichtflüssige  Unterlage)  ein 
und  ist  dichter  als  die  kontinentale,  wobei  die  Dichte  mit  der  Tiefe 
zunimmt.  Dagegen  ist  das  Magma  unter  den  Ozeanen  weniger  dicht 
als  unter  den  Festländern.  Diese  Unterschiede  geben  Veranlassung 
zu  Ausgleichsströmungen,  die  fortwährend  Wärme  von  unten  nach 
oben  führen,  und  eine  Umlagerung  der  Massen  bewirken.  Unter 
den  Ozeanen,  gegen  deren  kalte  Tiefen  eine  starke  Wärmeabgabe 
stattfindet,  steigen  im  Magma  fortwährend  Ströme  auf,  um  jenen 
Wärmeverlust  zu  ersetzen ;  unter  den  Kontinenten  befinden  sich  ab- 
steigende Ströme.  Dieses  Spiel  auf-  und  absteigender  Ströme  erfordert 
einen  Ausgleich  durch  horizontale  Ströme;  in  den  oberen  Schichten 
der  Magmas  geht  eine  solche  Strömung  von  den  Ozeanen  gegen  die 
Ränder  der  Kontinente,  in  den  unteren  Schichten  von  den  Kontinenten 
zu  den  Ozeanen.  Die  ersteren  können  nun  vermöge  der  Eeibung 
an  der  Unterseite  der  Kruste,  besonders  dort,  wo  die  unteren  Aus- 
bauchungen des  Festlandes  Widerstand  leisten,  die  Kruste  zusammen- 
pressen, falten  —  so  entstehen  Gebirge  an  der  Grenze  von  Land 
und  Meer  (die  amerikanischen  Cordilleren!).  Stellenweise  muß  die 
ozeanische  Kiniste  dem  Anpralle  des  aufsteigenden  Magmas  nach- 
geben; es  bilden  sich  Spalten  und  Vulkane  mitten  im  Weltmeere. 
Die  Ungleichmäßigkeit  jener  Ströme  giebt  auch  zu  vulkanischen  Er- 
scheinungen Veranlassung.  Unter  gewissen  Erdstellen  werden  sie 
energischer  und  schmelzen  die  Unterseite  der  Kruste  ab;  diese  wird 
dünner,  es  entstehen  Spalten,  und  die  betreffende  Gegend  wird  von 
vulkanischen  Ausbrüchen  heimgesucht. 

Neben  den  Strömungen  des  Magmas  wirkt  aber  noch  seine 
ungleiche    Belastung   als   formbildendes   Element.     Zwischen 


278  Die  Dynamik  des  Landes. 


den  kontinentalen  und  ozeanischen  Krustenteilen  muß  Gleichgewicht 
herrschen  (vgl.  S.  13),  und  dieses  wird  durch  die  verschiedene  Dichte 
hergestellt.  Aber  das  Gleichgewicht  wird  sofort  gestört,  wenn  die 
Oberfläche  des  Festlandes  durch  die  zerstörenden  Kräfte  abgetragen 
und  Teile  desselben  durch  das  fließende  Wasser  in  das  Meer  ge- 
führt werden.  Die  belastete  ozeanische  Kruste  muß  tiefer  in  das 
Magma  einsinken,  das  entlastete  Festland  muß  steigen. 

Diesen  Gedanken  hat  Dutton®  zu  seiner  isostatischen  Theorie 
ausgebaut,  die  er  aber  nur  auf  die  Faltengebirge  angewendet  wissen 
will.  Wir  werden  daher  bei  einer  späteren  Gelegenheit  darauf  zu- 
rückzukommen haben. 

Litteraturnachweise.  ^  Hauptwerke:  Süss,  Das  Antlitz  der  Erde,  cit. 
S.  28;  V.  RiCHTHOFSN,  Führer  für  Forachungsreisende,  Berlin  1886;  Pknck,  Morpho- 
logie der  Erdoberfläche,  Stuttgart  189  t;  Peschel,  Neue  Probleme  der  vergleichen- 
den Erdkunde,  3.  Aufl.,  Leipzig  1878;  zwar  inhaltlich  z.T.  veraltet,  aber  in  der  Dar- 
stellung noch  immer  unerreichtes  Muster.  Zu  den  auf  S.  22  genannten  Lehrbüchern 
der  Geologie  sind  hier  noch  hinzuzufügen  Rever,  Theoretische  Geologie,  Stuttgart 
1888,  u.  Walther,  Lithogenesis  der  Gegenwart,  Jena  1894.  Bergbaus,  Atla^ 
der  Geologie,  Gotha  1892,  z.  T.  auch  Atlas  der  Hydrographie,  1891,  in  Bebohauf' 
Physikalischem  Atlas.  —  'De  Marqerie  u.  Heim,  Die  Dislokationen  der  Erd 
rinde  (französicher  u.  deutscher  Text;  Synonyma  in  französischer,  deutscher  o. 
englischer  Sprache;  unentbehrliches  Hilfsbuch),  Zürich  1888.  —  ■  Koto,  The 
Cause  of  the  Great  Earthquake  in  Central  Japan,  1891,  im  Journal  of  College 
of  Science,  Univcrsity  of  Japan  1893.  —  *  Vgl.  z.  B.  v.  Fritsch,  Allgemeine 
Geologie,  Stuttgart  1888.  —  *  De  Lapparent,  IjQ  sens  des  mouvements  de 
l'ecorce  tcrrcstrc,  im  Bulletin  de  la  Society  g6ologique  de  France  1887,  Bd.  XV'. 
—  *  Vgl.  Kavser,  Lehrbuch  d.  Geologie  I,  S.  458.  —  Rothpletz,  Ein  geo 
logischer  Querschnitt  durch  die  Ostalpen,  Stuttgart  1894.  —  *  Ftsher,  cit, 
S.  13.  —  •  DüTTON,  Some  of  the  greater  problems  of  physical  Geology,  im 
Bulletin  of  the  Philosophical  Society,  Washington  1892,  Bd.  XL 


Moderne  Niveauveränderungen. 

(Siehe  Karte  XVL) 

Litorale  Niveanveränderungen.  Es  ist  eine  alte  Erfahrung,  dafi 
die  Grenze  zwischen  Land  und  Meer  Verschiebungen  erleidet,  nicht 
bloß  periodische  durch  Ebbe  und  Flut,  sondern  auch  dauernde.  Hier 
ist  anscheinend  die  günstigste  Stelle,  um  endogenen  Niveauveränder- 
ungen nachzuspüren ;  im  Meeresspiegel  glaubt  man  eine  sichere  Marke 
zu  haben,  an  der  sich  auch  kleine,  langsame  Höhenveränderungen 
des  Festen  messen  lassen.  Aber  es  bedarf  nur  einer  kurzen  Er- 
wägung, um  zu  erkennen,  daß  wir  auch  hier  mannigfachen  Täuschungen 
ausgesetzt  sind,  und  daß  die  Verschiebung  der  Strandhnie  ein  reclit 
kompliziertes  Phänomen  ist. 


Moderne  KiyeaaTerftndeningen.  ä7d 


Das  Land  kann  nicht  nur  durch  Hebung  in  das  Meer  hinaus- 
wachsen, sondern  auch  durch  Anschwemmung;  Insehi  können  dadurch 
landfest  werden,  Häfen  versanden,  einstige  Seestädte,  wie  Eavenna, 
vom  Meere,  ihrem  Lebenselemente,  abgeschnitten  werden.  Wenn  das 
Meer  gegen  das  Land  vorrückt,  so  ist  man  noch  immer  nicht  ohne 
weiteres  zu  dem  Schlüsse  berechtigt,  daß  das  Land  sinke.  Die 
sturmbewegte  See  hat  genug  Küstenstriche  und  flache  Inseln  ver- 
.schlungen,  ohne  daß  eine  Niveauveränderung  stattgefunden  hätte. 
Lange  Zeit  hindurch  galten  unterseeische  Wälder  und  Torfmoore 
als  untrügliche  Zeichen  der  Landsenkung;  heute  wissen  wir,  daß  sie 
auch  durch  einfache  Abrutschung,  durch  Einbrüche  der  Sturmfluten 
und  Zerstörung  natürlicher  Deiche  in  ihre  gegenwärtige  Lage  ver- 
setzt werden  können.  An  Schwemmlandküsten,  besonders  in  Deltas, 
wird  häufig  wirkliche  Senkung  beobachtet,  aber  diese  kann  nur 
eine  Folge  der  Zusammensackung  der  lockeren  Massen  sein  und  mit 
eigentlichen  Krustenbewegungen  nichts  zu  thun  haben. 

Wo  wir  aber  Spuren  der  Zerstörung  durch  das  brandende 
Meer  oder  Ablagerungen  mit  marinen  Organismen  außerhalb  der 
Grenze  der  Sturmfluten  finden,  werden  wir  auf  eine  Niveauver- 
änderung schließen  dürfen.  Freilich  auch  da  ist  Vorsicht  nötig, 
denn  manche  Muschelhaufen  sind  nichts  anderes  als  Beste  mensch- 
licher Mahlzeiten  aus  vorgeschichtlicher  Zeit,  und  am  Ende  werden 
wir  noch  immer  vor  die  Fi*age  gestellt  sein,  welches  Element  sein 
Niveau  verändert  habe,  die  Oberfläche  des  Landes  oder  der  Spiegel 
des  Meeres. 

Auch  das  Mittelwasser  des  Meeres  ist,  wie  wir  erfahren 
haben,  eine  veränderhche  Größe.  Lassen  wir  selbst  die  Geoid- 
veränderungen  durch  die  Anziehungskraft  des  Festlandes,  auf  die 
man  einige  Zeit  so  großes  Gewicht  gelegt  hatte,  als  einen  noch  nicht 
abschätzbaren  Faktor  bei  Seite,  so  müssen  wir  doch  jene  Niveau- 
veränderungen berücksichtigen,  die  im  Gefolge  der  Klimaschwank- 
ungen nicht  nur  in  Binnenmeeren,  sondern  auch  an  ozeanischen  Küsten 
auftreten.  Das  sind  Ursachen,  die  den  Meeresspiegel  lokal  be- 
einflussen; Verminderung  der  Wassermenge  und  räumliche  Ver- 
änderungen der  Meeresbecken  sind  dagegen  Ursachen,  dieimganzen 
Weltmeere  gleichzeitig  sich  geltend  machen.  Verminderung  der 
Wassermenge  muß  überall  eine  Senkung  des  Spiegels  bewirken.  Es 
kann  nicht  geleugnet  werden,  daß  durch  die  Hydratisierung  der 
Eruptivgesteine,  durch  das  Eindringen  von  Wasser  in  die  Haar- 
spalten der  Felsen  und  durch  dauernde  Eisbildung  viel  Wasser 
teils  für  immer,  teils  auf  lange  Zeit  dem  Meere  entzogen  wird;  aber 
es  unterliegt  ebensowenig  einem  Zweifel,  daß  Teautschold^  diese 


280  Die  Dynamik  des  Landes. 


Faktoren  in  ihrer  Bedeutung  ganz  außerordentlich  überschätzt  hat 
Kommt  der  vulkanische  Dampf,  wie  es  wahrscheinlich  ist,  nicht  aus 
dem  Meere,  so  führen  überdies  die  Ausbrüche  der  Feuerberge  auch 
wieder  Wasser  dem  Meere  zu.  Die  räumlichen  Veränderungen  der 
Meeresbecken  hat  Süss  als  eustatische  Bewegungen  bezeichnet. 
Senkt  sich  der  Meeresboden  oder  verschwindet  Festland  unter  dem 
Meere,  so  sinkt  überall  der  Meeresspiegel,  während  ihn  die  Aufhäufung 
von  Sedimenten  am  Meeresgrunde  überall  hebt. 

Wir  haben  eine  Eeihe  von  möglichen  Ursachen  kennen  gelernt, 
die  bei  der  Verschiebung  der  Strandlinie  mitwirken,  und  jede  der- 
selben kann  entgegengesetzte  Wirkungen,  sowohl  Landgewinn  wie 
Landverlust,  erzeugen.  Wir  haben  zunächst  diejenigen  Verschiebungen 
auszuscheiden,  die  nur  auf  mechanische  Ursachen,  auf  die  Thätig- 
keit  des  Meeres  und  der  Flüsse  zurückzuflihren  und  mit  keiner 
eigentlichen  Niveauveränderung  verbunden  sind.  Wir  haben  ferner 
auszuscheiden  die  oberflächlichen  Niveau  Veränderungen 
durch  Gleitung  von  Küstenschollen  und  Zusammensackung  ange- 
schwemmter Massen,  und  erst  das,  was  übrig  bleibt,  können  wir 
als  wirkliche  litorale  Niveauveränderung  betrachten.  Und 
nun  haben  wir  zu  untersuchen,  ob  die  Niveauveränderung  auf  senk- 
rechten Verschiebungen  des  Meeresspiegels  oder  des  Landes  beruht. 

Diese  Unterscheidung  ist  aber  in  vielen  Fällen  so  schwierig, 
dafs  man  überhaupt  darauf  verzichten  mufs.  Man  wird  dann  eine 
Entscheidung  nur  auf  Grund  seiner  theoretischen  Ansichten  treflFen 
können,  und  diese  Ansichten  sind  verschieden  und  haben  im  Laufe 
der  letzten  150  Jahre  schon  mehrfach  gewechselt.  Süess  schlug 
daher  vor,  für  die  beiden  Arten  der  litoralen  Niveauveränderung 
neutrale  Bezeichnungen  zu  gebrauchen:  negativ  für  Senkung  des 
Meeresspiegels  oder  Hebung  des  Landes,  positiv  fiir  Steigung  der 
Meeresniveaus  oder  Senkung  des  Landes.  Diese  Namen  haben  seit- 
dem in  der  wissenschaftlichen  Litteratur  fast  überall  Eingang  ge- 
funden, obwohl  sie  nicht  ganz  so  neutral  sind,  wie  sie  aussehen, 
und  auch  keine  sinnlichen  Vorstellungen  erwecken.  In  beiderlei 
Hinsicht  wären  nach  unserer  Meinung  die  Ausdrücke  kontinentale 
Strandverschiebung,  wenn  diese  zu  Gunsten  des  Landes  erfolgt,  und 
marine  Strand verscliiebung,  wenn  das  Meer  dabei  gewinnt,  vor- 
zuziehen. 

Theorieen.  Als  man  im  vorigen  Jahrhundert  zuerst  dem  Prob- 
leme der  schwedischen  Niveau  Veränderung  näher  trat,  nahm  man  an, 
der  Wassersi)iegel  sinke  und  das  Land  bleibe  fest.  Diese  Theorie 
vertrat  besonders  CELsnrs.  Zu  Beginn  unseres  Jahrhunderts,  als 
die    plutonistische   SchultT  ihre    Siegeslaufbahn    begann,    wurde    die 


Moderne  Niveauveränderungen.  281 

entgegengesetzte  Theorie,  hauptsächlich  gestützt  durch  die  gewaltige 
Autorität  Leopold  v.  Büchs,  die  herrschende;  nun  wurde  der 
Meeresspiegel  konstant  und  das  Land  beweglich.  Die  dritte  Phase 
knüpft  sich  hauptsächlich  an  den  Namen  Süss.  Die  Veränderlich- 
keit des  Meeresniveaus  wird  wieder  anerkannt,  aber  auch  das  Land 
ist  beweglich.  Nur  Hebung  ohne  Faltung  sei  undenkbar,  und  was 
wir  bisher  als  Küstenhebung  gedeutet  haben,  müsse  in  Wirklichkeit 
auf  eine  Senkung  des  Meeresspiegels  zurückgefiihi-t  werden. 

Für  uns  Geographen  ist  die  Frage  insofern  wichtig,  als  Ver- 
schiebungen der  Strandlinie  durch  Niveauveränderungen  noch  immer 
fortdauern;  für  den  Geologen  hat  sie  aber  eine  noch  viel  umfassen- 
dere Bedeutung,  denn  sie  ist  auf  das  innigste  verknüpft  mit  dem 
Problem  der  Transgressionen.  Süss  vermuthete  eine  Oszillation 
des  Ozeans  zwischen  den  Polen  und  dem  Äquator,  und  fügte 
schüchtern  hinzu,  daß  dies  vielleicht  mit  periodischen  Schwankungen 
der  Fliehkraft  zusammenhänge.*  Auch  Blytt  vertritt  diese  An- 
sicht.* Es  sei  daran  erinnert,  daß  die  Gestalt  der  Erde  das  Pro- 
dukt von  Schwerkraft  und  Fliehkraft  ist.  Je  größer  die  Drehungs- 
geschwindigkeit, desto  größer  die  Fliehkraft,  desto  abgeplatteter  die 
Erde.  Die  Drehung  von  W.  nach  0.  wird  aber  verzögert  durch  die 
Fluthwelle,  die  sich  von  0.  nach  W.  bewegt.  In  den  Perioden  hoch- 
gradiger Exzentrizität  der  Erdbahn  soll  die  Flutwelle  verstärkt 
werden,  dadurch  wird  die  Drehung  verlangsamt,  die  Fliehkraft  ver- 
mindert, und  die  Gestalt  der  Erde  nähert  sich  wieder  der  Kugel. 
Der  deformirenden  Kraft  folgt  zunächst  das  Meer,  sein  Spiegel  sinkt 
in  der  Äquatorialzone  und  hebt  sich  gegen  die  Pole  hin.  In  den 
Perioden  intensiv  entwickelter  Fliehkraft  wächst  dagegen  die  Abplat- 
tung, dann  erniedrigt  sich  das  Meeresniveau  in  den  Polargegenden  und 
steigt  im  Äquatorialgürtel.  Blytt  hält  es  sogar  für  mögUch,  daß  mit 
der  Zeit  auch  die  feste  Erdkruste  der  Deformation  unterliegt. 

Zugegeben,  daß  die  Flutwelle  die  oben  geschilderte  Wirkung 
ausübt,  so  weiß  man  doch  nichts  über  das  Maß  dieser  Wirkung. 
Thatsache  ist,  daß  sich  seit  den  Zeiten  des  Hipparch,  also  seit  zwei 
Jahrtausenden,  die  Dauer  des  Stemtages  sich  nicht  um  mehr  als  0,4* 
verändert  haben  kann.  Die  Hauptfrage  lautet  aber:  besteht  wirklich 
zwischen  dem  Äquator  und  den  Polen  ein  Gegensatz  der  Niveau- 
veränderungen, eine  Schaukelbewegung  im  großen  Stile?  Der  Be- 
weis dafür  kann  natürlich  nur  fttr  die  Gegenwart  erbracht  werden, 
aber  wir  werden  sehen,  daß  man  ihn  schuldig  geblieben  ist. 

Eustatische  Bewegungen  betrachtet  Süss  nur  als  von  neben- 
sächUcher  Bedeutung,  während  Löwl  sie  zum  Mittelpunkte  seiner 
Theorie    machte.*     Die    ozeanischen  Becken    seien    durch  Beinbruch 


282 


Die  Dynamik  des  Landes. 


entstanden,  und  ihre  Sohle  sinke  fortwährend  tiefer  ein.  Wenn 
trotzdem  der  Meeresspiegel  nicht  an  allen  Küsten  gleichmäßig  sinke, 
an  manchen  in  Ruhe  verharre,  an  andern  sogar  zu  steigen  scheine, 
so  sei  dies  dadurch  zu  erklären,  daß  nicht  bloß  jene  Scholle,  welche 
den  Meeresgrund  bildet,  sondern  auch  die  benachbarte  Küsten- 
scholle sich  senke,  und  daß  beide  Bewegungen  nicht  im  gleichen 
Tempo  sich  vollziehen.  Es  ist  klar,  daß  das  Vorhandensein  solcher 
Küstenschollen  und  ihr  eigenartiges  Verhalten  in  jedem  einzelnen 
Falle  festzustellen  ist,  ehe  man  zu  Löwls  Theorie  seine  Zuflucht 
nehmen  darf. 


Fig.  69.     Doppelte  Strandlinie  bei  Grötnes  mit  entsprechenden  Terrassen  an 
dem  Thalausgang  in  der  Mitte  nach  Mohn. 


Fig.  70.     Strandlinie  zwischen  Yang  und  Skaarliodden  nach  Mohn. 

Skandinavien.  Skandinavien  ist  das  klassische  Land  der  Strand- 
verschiebungen; hier  wurden  die  ersten  und  bis  auf  den  heutigen 
Tag  sorgfältigsten  Beobachtungen  angestellt,  hier  wurden  alle  Theorien 
zuerst  erprobt. 

An  der  steilfelsigen  ozeanischen  Westküste  ^  finden  wir  Muschel- 
bänke, Terrassen  und  „Seter",  was  man  im  Deutschen  mit  der 
sonst  im  allgemeinem  Sinne  gebrauchten  Bezeichnung  „Strand- 
linien" übersetzt  hat.  Man  versteht  darunter  horizontale  wege- 
artige Einschnitte  im  festen  Gestein,  die  an  den  Steilwänden  der 
Fjorde  und  Sunde  und  an  freiliegenden  Inseln  sich  hinziehen. 
Ihre  Länge  schwankt  zwischen  ^/g  und  22  km.,  ihre  Seehöhe  reicht 
bis   180  m.     Häutig  treten    mehrere    über   einander   auf.     Richard 


Hau 


Moderne  Niveauveränderongen. 


283 


Lehmann  zählte  deren  bei  Kverve  (nördlich  von  Aalesund,  6273®  N) 
nicht  weniger  als  fünf,  die  er  genau  gemessen  hat®    Von  der  Ge- 


Seehöhe  des 

Uogefihre 

Abfallswinkel 

unteren  Bandes 

oberen  Randes 

Mittlere  SeehShe 

Breite 

8ur 

der  Stufe 

der  Stufe 

der  Stufe 

nichsten  Stufe 

I. 

28,1  m 

81,1  m 

29,ain 

66  m 

30® 

II. 

19,7 

21,7 

20,7 

40 

27 

III. 

— 

— 

14,G 

12,s 

26 

IV. 

— 

— 

9,i 

18 

40 

V. 

4,2 

6,. 

4,' 

85 

demllch  stell  zur 
See  hin. 

Steinsbeschaffenheit  und  Schichtenstellung  zeigen  sie  sich  völlig  un- 
abhängig, im  Norden  sind  sie  aber  im  Allgemeinen  lülutiger  und  besser 
ausgebildet,  als  im  Süden.  Während  die  Gehänge,  an  denen  sie  auf- 
treten, mit  Gletscherstreifen  und  -Schrammen  bis  zum  Meeresspiegel 
bedeckt  sind,  tragen  sie  selbst  keine  Spuren  eiszeithcher  Abschleifung, 
sind  also  jedenfalls  nachglazialen  oder  wenigstens  spätglazialen  Alters. 
In  inniger  Gesellschaft  mit  den  Seter  erheben  sich  stufenförmig 
an  den  Flußmündungen  die  Terrassen,  ebene,  sanft  gegen  das 
Meer  sich  neigende  Flächen,  aus  Sand-  und  Thonschichten  aufgebaut. 


Fig.  71.     Norwegische  Terrassen  nach  Ejerülf. 

Die  schematische  Darstellung  in  Fig.  71  macht  die  Beziehung  der 
Terrassen  des  Hauptthaies  1  und  2  mit  der  des  Nebenthaies  und 
den  weißen  Strandlinien  klar.  Kjerulp  deutet  sie  als  submarine 
Deltas,  deren  Bildung  sich  noch  unter  dem  gegenwärtigen  Meeres- 
spiegel als  Stufe  5  fortsetzt.  Die  Erosion  des  Flusslaufes  (die  ge- 
strichelte Linie  in  Fig.  71)  hat  die  Terrassen  entzweigeschnitten,  so 
daß  wir  sie  vom  heutigen  Thale  aus  hoch  oben  an  den  Gehängen 
erbUcken. 

Strandlinien  und  Terrassen  sind  alte  Wasserstandsmarken.  Bis 
in  das  letzte  Jahrzehnt  war  auch  ihr  mariner  Ursprung  unangefochten, 
sie  galten  als  sichere  Beweise  einer  nachglazialen  Landhebung.  Aber 
schwierig  war  zu  erklären,  warum  diese  Marken  selbst  in  benach- 
barten Fjorden  in  verschiedenen  Seehöhen  auftreten,  und  warum 
das  Meer  nur  in  den  verhältnismäßig  ruhigen  Fjorden  und  vSunden 
die  Kraft   hatte  Strandlinien  in  den  Fels   zu    schneiden,  und  nicht 


284 


Die  Dynamik  des  Landes. 


auch  an  der  freien  Küste,  inmitten  heftigster  Brandung.  Einen  ent- 
scheidenden Einfluß  gewann  die  Entdeckung  echter  Seter  im  süd- 
norwegischen Binnenlande  durch  Hansen  i.  J.  1885.^  Sie  liegen 
zwischen  657  und  1090  m  Seehöhe,  also  außerhalb  des  höchsten 
Meeresstandes.  Hansen  erklärte  sie  für  Uferlinien  eines  Sees,  der 
durch  Eis  abgedämmt  war,  und  diese  Hypothese  wandte  nun  Sii^> 
auch  auf  die  Seter  an  der  Küste  an.  Die  Fjorde  und  Sunde  bil- 
deten darnach  in  der  zweiten  Eiszeit  Seen,  eingeschlossen  im  W. 
durch  die  Gletscher,  die  von  den  hohen  Inseln  und  Küstengebirgen 
ausgingen,  im  0.  durch  das  Inlandeis,  dessen  Ausläufer  die  inneni 
Ende  der  Fjorde  berührten.  Ähnliche  Verhältnisse  zeigt  noch  jetzt 
die  Westküste  Grönlands,  doch  finden  sich  hier  nur  an  einer 
einzigen  Stelle  Terrassen.  Für  den  Romsdalsfjord  hält  überdies 
Sandler  ^  die  SuEsssche  Hypothese  nicht  für  zutrefi'end  und  ersetzt 
den  Eisdamm  durch  eine  gewaltige  Endmoräne,  die  jetzt  zu  Schäreu 
zerbrochen  ist. 

Wie  immer  es  sich  mit  der  Entstehung  der  Strandlinien  auch 
verhalten  möge,  so  scheint  in  ihrer  Anordnung  doch  eine  bestimmte 
Regelmäßigkeit  zu  bestehen.  Nach  Hansen®  lassen  sie  sich  nämlich 
in  zwei  Linien  einreihen,  die  gegen  das  Innere  des  Landes  an- 
steigen, und  zwar  die  obere  Linie  mehr  als  die  untere^.  Das  ist 
genau  dasselbe,  was  Brav  Ais  schon  vor  einem  halben  Jahrhundert 
von  Hammerfest  durch  den  Varö-Sund  bis  zum  Hintergrunde  des 
Altenfjords  beobachtet  hatte,  und  dessen  Richtigkeit  später  so  viel- 
fach angezweifelt  wurde.  Wir  werden  später  noch  darauf  zurück- 
kommen. 

Als  drittes  Phänomen  der  norwegischen  Küste  wurden  oben  die 
Muschelbänke    bezeichnet.      Sie    sind    die    unantastbaren    Zeu^jen 


X  Aus  den  Diagrammen  ergiebt  sich  folgendes: 


Fjorde 

Seeböhe  m 

Westliche  Neigung  in  Sek. 

Obere  Linie  |  Untere  Linie 

Obere  Linie  |  Untere  Linie 

Altengord-Hammerfest 
Tromsöfjord   .... 
Romsdalsfjord     .     .     . 

Söndmöre 

Nord^ord 

Sündfjord 

SogneQord      .... 

25—  68 
23-  66 
36—146 
30—102 
28-100 
28—  52 
49—155 

13—28 
15-25 
28-54 
17—32 

21-29 
30—55 

122" 

150 

281 

211 

230 

102 

147 

50" 
51 
74 
40 

39 
36 

Es   muß    übrigens  betont  werden,  daß   doch   recht  viele  Seter  sich  dem 
Liniensysteme  nicht  fugen. 


Moderne  Niveauverftnderungen.  285 

einer  doppelten  Strandverschiebung.  Die  oberen  (in  170 — 140 — 
125  m  Seehöhe)  sind  die  altern,  denn  sie  enthalten  nur  Organismen 
kälterer  Meere,  während  in  den  untern  (in  50 — 40 — 15m  Seehöhe) 
nur  Arten  der  jetzigen  Küstenfauna  vorkommen.  Es  fand  also  in 
der  Kiszeit  oder  bald  darauf  eine  positive  Niveauveränderung  statt, 
dann  eine  negative,  dann  unter  den  gegenwärtigen  klimatischen  Ver- 
hältnissen eine  positive,  aber  von  größerem  Betrage  als  die  erste, 
und  endlich  wieder  eine  negative.  Denselben  Anzeichen  begegnen 
wir  auch  in  Schweden. 

Hier  hat  de  Geeb^®  eine  neue  Methode  angewendet,  die  zu 
überraschenden  Resultaten  führte.  Er  stellte  nicht  nur  —  womit  man 
sich  bisher  begnügt  hatte  —  die  Verbreitung  der  Meeresablagerungen 
mit  quartären  Fossilien  fest,  sondern  auch  die  Höhe  des  Meeres- 
spiegels an  den,  den  betreffenden  Fossilfunden  benachbarten  Hügeln, 
deren  Moränendecke  noch  unverkennbare  Spuren  der  einstigen  Meeres- 
wirkung  trägt.  Die  auf  diese  Weise  ermittelte  spätglaziale 
Strandlinie  steigt  gegen  das  Innere  des  Landes  an,  aber  —  und 
dies  ist  der  entscheidende  Punkt  —  ohne  Rücksicht  auf  die 
heutigen  Isohypsen.  An  der  baltischen  Küste  von  Schweden 
hegt  sie  z.  B.  bei; 


Burtrfisk    . 

.     640  30' N. 

in 

193  m 

Seehöhe, 

Hudiksv&li 

.     61    50    „ 

» 

213,, 

}} 

Norrköping 

.     58    44    „ 

7» 

130,, 

71 

Broms    .     . 

.     56    20    „ 

V 

65  „ 

V 

Stenshufud 

.     55    40    „ 

» 

32  „ 

» 

Das  stimmt  mit  dem  Ergebnisse  von  Bbavais  an  der  Küste 
von  Finnmarken  völlig  überein.  Die  höhere  Linie,  die  hier  in  Be- 
tracht kommt,  liegt  bei  Hammerfest  in  28,6  m  und  im  Innern  des 
AltenQords  in  67,4  m  Seehöhe.  Auch  die  neuesten  Untersuchungen 
Hansens,®  von  denen  ebenfalls  schon  die  Rede  war,  fügen  sich  völlig 
ein  in  den  Rahmen  des  neuen  Bildes. 

Nach  dem  Beispiele  Gilbebts  wurden  die  Punkte  gleicher 
Strandhöhe  mit  Linien  verbunden,  die  de  Geer  Isobasen  oder 
Linien  gleicher  Deformation  nannte.  Die  Maximalzone,  von  der 
Isobase  von  180  m  umschlossen,  fällt  mit  dem  Gebiete  größter 
Eisanhäufung  zusammen,  die  Isobase  von  Om  schließt  sich  ziem- 
hch  enge  den  Grenzen  der  skandinavisch  -  finnischen  ürgebirgs- 
masse  an. 

Es  entsteht  nun  die  Frage:  ist  die  ungleiche  Höhe  der  Strand- 
linie ursprüngHch  oder  war  die  Strandhnie  ursprünglich  horizontal 
und  erlitt  erst  später  Veränderungen?    Im  ersteren  Falle  muß  sich 


286 


Die  DyoMnik  des  Landes. 


der  Meeresspiegel    ungleichmäßig    gesenkt,    im    letzteren    das    Land 
ungleichmäßig  gehoben  haben. 

Den  erstem  Fall  hatte  Penck^^  schon  1882  ins  Auge  gefiißt, 
indem  er  behauptete,  daß  die  Attraktion  der  skandinavischen  Eis- 
massen   eine    ungleichmäßige    Anschwellung   des   Meeresspiegels    an 

den  Küsten  bis  zu  200  m  be- 
wirkt habe.  Wir  brauchen 
uns  bei  dieser  Hypothese 
nicht   länger    aufzuhalten, 
weil  ihre  Unhaltbarkeit  fast 
gleichzeitig    von    Herge- 
sell ^^  und  von  Drygal- 
SKi  ^*  auf  Grund  der  neuen 
HELMERTSchen  Untersuch- 
ungen   dargethan    wurde. 
Beide   gelangten    zu   dem 
Schlüsse,     daß    auf    dem 
Höhepunkte    der    Eiszeit 
das    Meeresniveau    durch 
Bindung    beträchtlicher 
Wassermengen   eine    Sen- 
kung    (nach     Hergesell 
um  70  m)  erfuhr,  und  daß 
es    an    den    Küsten    der 
Inlandeisfiächen  sich  zwar 
hob,    aber  nur   um    einen 
nicht   nennenswerten    Be- 
trag  (bei    einer   Mächtig- 
keit   des    Eises    von  1000  m   an    der   skandinavischen  Küste  nach 
Hergesell  um  4  m,  nach  v.  Drygalski  um  6  m  und  an  der  nord- 
amerikanischen Küste  um  etwa   12  m).      Damit   stimmen    auch  die 
Ergebnisse  der  Arbeiten  Woodwards^*  überein. 

Es  bleibt  also  nichts  übrig,  als  die  spätglaziale  Strandverschiebung 
Skandinaviens  und  Finnlands  als  wirkliche  und  zwar  ungleich- 
mäßige Landhebung  anzuerkennen.  Vielleicht  war  es  dieser 
Vorgang,  der  die  Ostsee  völlig  absperrte  und  in  einen  Süßwassersee 
verwandelte,  worauf  Ablagerungen  mit  der  gemeinen  Flußna])f- 
schnecke  (Ancylus  fluviatilis)  hinweisen.  In  nachglazialer  Zeit, 
nach  Blytt  in  der  Epoche  der  Atlantischen  Torfbildung  (vergl. 
S.  182),  trat  wieder  eine  Senkung  ein,  der  eine  Hebung  folgte; 
für  die  südlichen  baltischen  Gegenden  hat  de  Geer  auch  die  Iso- 
basen dieser  Niveauschwankung  gezeichnet.     Sie  nehmen  denselben 


...•; •' t? 



3 

1^  w^.--^"  V^^^ 

JÄ^^ 

.^...^^'X.^^'^^^^ 

+   ■••    +   +  Je(Kige  Wiasatrachetde 

Eisacheide^ 

laoöca-^fv. 

Fig.  72.     Spätglaziale  Isobasen  von  Skandinavien 
in  Abstanden  von  60  zu  60  m  nach  de  Geer. 


Moderne  Niveauveränderungen.  287 

Verlauf,  wie  die  spätglazialen,  aber  das  Maximum  der  Hebung  er- 
reicht hier  nur  mehr  60  m. 

So  gelangen  wir  in  die  Gegenwart.  An  den  finnischen  und 
schwedischen  Gestaden  dauert  die  kontinentale  Strandverschiebung 
noch  fort  Schon  im  vorigen  Jahrhundert  war  man  darauf  aufmerk- 
sam geworden  und  hat  durch  Anbringung  von  Wassermarken  an 
geeigneten  felsigen  Eüstenstellen  ein  ziffermäßiges  Maß  für  diese 
Bewegung  zu  erlangen  gesucht.^*  Mehr  Gewicht  legt  Sieger^® 
mit  Recht  auf  die  Pegelaufzeichnungen  ^ ,  mit  denen  die  Höhe  der 
langjährigen,  meist  aus  dem  vorigen  Jahrhundert  stammenden  Wasser- 
marken über  dem  jetzigen  Seespiegel  eine  leidliche  Übereinstimmung 
zeigen.  Siegee  verarbeitete  das  ganze  kritisch  gesichtete  Beobachtungs- 
material zu  einer  lehrreichen  Isobasenkarte,  aus  der  wenigstens 
für  Schweden  und  Finnland  südlich  von  62^  B.  mit  großer  Wahr- 
scheinlichkeit hervorgeht,  daß  die  negative  Niveauveränderung 
von  der  Mitte  der  Ostsee  und  des  Kattegats  nach  der  Küste 
zunimmt  Die  Isobasen  schmiegen  sich  allen  Biegungen  der  Küst« 
an  und  wenden  sich  im  Finnischen  Meerbusen  nach  0,  ähnlich  den 
Isobasen  de  Geebs.  Diese  Bewegung  scheint  erst  in  der  geschicht- 
Uchen  Zeit  begonnen  zu  haben  und  seit  dem  Anfange  des  vorigen 
Jahrhunderts  an  Intensität  abzunehmen.  Der  Hauptsitz  der  Be- 
wegung scheint,  wie  in  den  älteren  Zeiten,  im  Innern  der  Halb- 
insel zu  liegen. 

Dem  gegenüber  steht  die  ältere,  von  Süss  wieder  aufgenommene 
Hypothese  von  der  Entleerung  der  Ostsee.  Eine  solche  könnte 
nur  durch  eine  Elimaänderung  bewirkt  werden,  aber  keine  An- 
zeichen deuten  darauf  hin.  Die  schwedischen  Seen  zeigen  entweder 
gar  keine  Strandverschiebung,  oder  wo  eine  solche  vorhanden  ist, 
eine  beträchtlich  geringere,  als  an  der  Meeresküste.  Femer,  wenn 
der  baltische  Spiegel  sinkt,  warum  nur  an  der  schwedischen  und 
finnischen,  und  nicht  auch  an  der  deutschen  Küste? 

Brückner  ^^  hat  die  Pegelbeobachtungen  zu  Stockholm,  an  zwei 


X  Streng  vergleichbar  sind  nachfolgende  aus  der  Periode  1852—75  (wir 
beginnen  mit  der  schwedischen  Westküste  und  gehen  dann,  von  S.  nach  N. 
fortschreitend,  auf  die  Ostküste  über.  Die  beigesetzten  Zahlen  geben  das  Sinken 
des  Seespiegels  in  cm  in  der  ganzen  Periode). 


HäUö  .  . 
Vinga.  . 
UtkUppan 
Öland.  . 
Stockhelm 


6»»B. 

11  cm 

Grönakfir      .    . 

.    59  V.'  B-  3<  cn» 

68  V, 

81  „ 

Svartklubben    . 

•     60  V,         22  „ 

67  V. 

«„ 

DjuTsten  .    .    . 

•     60  V,         13  „ 

56 

67  „ 

Storjongfiran 

.     61  V«        64  „ 

67  V, 

23  „ 

Malöm     .    .    . 

•     65  V.         13   „ 

69  V. 

80  „ 

288 


Die  Dynamik  des  Landes. 


^^Sj^i^^vt^^gl^'^S^^^ 


tinnischen  und  acht  deutschen  Stationen,  zu  Lustrenmitteln  ver- 
einigt, graphisch  dargestellt.  In  Übereinstimmung  mit  der  von  ihm 
entdeckten  Periode  schwankt  der  Wasserstand  an  der  deut^Nchen 
Küste  entsprechend  dem  Regenfalle  in  Deutschland  und  der  Zufulir 
von  Flußwasser.  Ganz  anders  geartet  sind  die  schwedischen  und 
tinnischen  Kurven,  sie  senken  sich,  wenn  auch  nicht  gleichmäßig, 
so  doch  fast  kontinuirlich.  Damit  ist  der  Beweis  erbracht,  daß  die 
Wasserschwankungen  hier  nicht    allein    vom    klimatischen  Elemente 

abhängig  sind,  wie  an  der  deutschen  Küste, 
sondern  daß  noch  ein  iuideres,  fremdarti«?es 
hinzutritt  Man  könnte  ja  zunächst  an  eine 
Zunahme  des  Salzgehaltes  an  der  schwedischen 
und  tinnischen  Küste  denken,  aber  um  jenen 
Effekt  zu  erzielen,  müßte  hier  die  Ostsee  si^it 
dem  Ende  der  50er  Jahre  mehr  Salz  aufp- 
nommen  haben,  als  sie  im  Ganzen  besitzt  K^ 
bleibt  also  nichts  übrig,  als  eine  seil) ständige 
Hebung  des  Landes  anzunehmen.  In 
trockenen  Perioden  wird  dieses  Element  durch 
das  klimatische  verstärkt,  in  nassen  wird  es 
abgeschwächt,  ja  stellenweise  sogar  vöUij: 
verschleiert 
um  einen  Teüstrich  entepricht  An   dieser  Hebung  muB  uatürhcli  auch 

einem   Steigen  des  Wassers    Norwegen  teilnehmen.  DiePegelbeobachtungen 

um  25  mm  u.  einer  Zunahme  ®   .  ,  ,        ^ 

desRegenfanes  um  5  Prozent,    lassen  hier  allerdings  eine  solche  Bewegung 
^di^^T  ^"^^^"J*^**^"^"    nicht  erkennen,  aber  das  erklärt  sich  leicht 

aus    den    starken  Gezeiten.     Sobald   wir  im 
N.  in  die  ruhige  Bucht  des  Weissen  Meeres 
gelangen,   stellen    sich  sofort   wieder  die  Spuren  einer  kontinentalen 
Strandverschiebung  an  den  Solowezk} -Inseln  ein. 

Die  skandinavische  Frage  kann  vorläufig  als  abgeschlossen  be- 
trachtet werden.  In  ein  neues  Stadium  wird  sie  erst  treten,  wenn 
das  neue,  durch  Nivellement  verknüpfte  und  mit  selbstregistrierenden 
Instrumenten  ausgerüstete  Pegelnetz  eine  genügende  Reihe  von 
Jahren  funktioniert  haben  wird. 

Höhere  arktische  Breiten.  Erhöhte  Bedeutung  gewinnt  das 
skandinavische  Phänomen  durch  seine  weite  Verbreitung  in  den 
höheren  Breiten  unserer  Halbkugel.  Die  britischen  Inseln  tragen 
vom  Kanal  bis  nach  Schottland  die  deutlichsten  Spuren  negativer 
Niveauveränderungen  in  vorgeschichtlicher  Zeit.  In  Schottland  reichen 
die  Muschelbänke  mit  arktischer  Fauna  bis  160,  auf  Island  bis 
40  m  Seehöhe.     Spitzbergen,  Franz-Joseph-Land  und  Nowaja-Semlja 


^i^ipii/ 


Fig.  73.  Wasserstandkurven 
von  Stockholm,  Hango  und 
Lökö  und  an  der  deutschen 
Ostseeküste  nach  Brückner. 
(Ein    Ansteigen    der    Kurve 


Moderne  Niveauverftnderungeii.  289 

haben  prächtig  ausgebildete  Küstenterrassen.  In  Grönland  linden  sich 
Reste  noch  jetzt  hier  lebender  Muscheln  in  um  so  größeren  Höhen, 
je  weiter  wir  nach  Norden  fortschreiten:  unter  61  ^'B.  in  3 — 5  m,  unter 
64«'  B.  in  18  m,  unter  72®  B.  in  60  m  Höhe.  In  Grinnellland  rücken 
sie  bis  300  m,  an  der  Polarisbai  unter  81  ®  40  N.  sogar  bis  gegen  600  m 
Höhe  empor.  Im  östlichen  Teile  Nordamerikas  fand  de  Geeb  die 
ihm  aus  der  schwedischen  Heimat  bekannten  Erscheinungen  genau 
wieder;  er  konnte  seine  Methode  auch  hier  anwenden  und  wenigstens 
Bruchstücke  von  Isobasen  in  die  Karte  einzeichnen.^®  Die  Boden- 
bewegung begann  fast  genau  an  der  Südgrenze  des  diluvialen  In- 
landeises und  nahm  sowohl  nach  Norden  wie  auch  vom  At- 
lantischen Ozean  gegen  das  Innere  des  Landes  rasch  an  Intensität 
zu.  Nördlich  vom  Ottawa  erreicht  die  Hebung  bereits  einen  Wert 
von  218  m. 

Auch  die  nordrussische  Ebene  war  in  nachglazialer  Zeit  bis  in  das 
Quellgebiet  der  Dwina  und  bis  an  den  Fuß  des  Ural  mit  Meer  bedeckt; 
wie  weit  diese  boreale  Transgression  nach  Westen  reichte,  ist  noch 
nicht  untersucht.  Die  thonigen  und  sandigen  Ablagerungen  ent- 
halten gekritzte  Geschiebe  und  eine  Fauna  ähnlich  derjenigen,  wie 
sie  noch  jetzt  an  der  murmanischen  Küste  lebt,  und  entsprechen  der 
spätglazialen  skandinavischen  Schicht  mit  Yoldia  arctica.  Die  Strand- 
linie hatte  eine  Verschiebung  um  ungefähr  150  m  erlitten.^®  In 
vSibirien  sind  arktische  Konchylien  am  untern  Ob  und  Jenissei  ge- 
funden worden;  die  sog.  Holzberge,  die  die  höchste  Erhebung  an 
der  Südküste  Neusibiriens  bilden  und  von  Middkndorfp  einst  für 
diluviales  Treibholz  gehalten  wurden,  haben  sich  dagegen  als 
ältere  Ablagerungen  erwiesen  und  dadurch  ihre  Beweiskraft  für  eine 
Hebung  eingebüßt.  ^^  Am  pazifischen  Gestade  Nordamerikas  sind 
spätglaziale  Meeresablagerungen  bis  nach  Vancouver  herab  bekannt; 
auf  dieser  Insel  erreichen  sie  noch  20  m  Seehöhe. 

Diese  weite  Verbreitung  quartärer  negativer  Niveauveränderungen 
um  den  Pol  herum  war  es  hauptsächlich,  die  zu  dem  Glauben  einer 
großartigen  Wasseroszillation  zwischen  dem  Äquator  und  den  Polen 
verleitete.  Andere  Theorien  bringen  sie  in  direkte  Beziehungen  zum 
Inlandeise.  Ausgehend  von  der  Vorstellung  einer  hochgradigen 
Elastizität  der  Erdkruste,  haben  eine  Reihe  englischer  und  skandi- 
navischer Forscher  —  auch  de  Geer  und  Hansen  zählen  zu  diesen 
—  die  Ansicht  verfochten,  daß  das  diluviale  Inlandeis  die  Land- 
massen, die  es  bedeckte,  herabgedrückt  habe;  als  es  schwand, 
seien  diese,  von  einer  schweren  Last  befreit,  wieder  in  die  Höhe 
gestiegen.  E.  v.  Drygalski^^  schreibt  dagegen  die  Hebung  einer 
Änderung  der  Wärmeverhältnisse  der  obersten  Erdschichten  seit  dem 

SüPAN,  Physiflche  Erdkunde.    2.  Aufl.  19 


290  Die  Dynamik  des  Landes. 

Rückzüge  des  Inlandeises  zu.  Die  Obertiäche  eines  vereisten  Landes 
nimmt  nämlich  die  konstante  Temperatur  von  0®  an,  die  Geoisc»- 
thermen  senken  sich,  die  Erkaltung  bewirkt  Zusammenziehung,  der 
Boden  senkt  sich.  Nach  dem  Verschwinden  des  Eises  tritt  der 
umgekehrte  Vorgang  ein:  die  Ausstrahlung  der  Erdkugel  ist  an 
dieser  Stelle  nun  nicht  mehr  gehemmt,  die  Geoisothermen  steigen 
an,  und  die  allgemeine  Erwärmung  bewirkt  Ausdehnung  und 
Hebung. 

Auf  die  für  uns  wichtigere  Frage,  ob  an  den  arktischen  Küsten 
auch  jetzt  noch,  wie  in  Schweden,  Bewegung  stattfinde,  können  wir 
leider  keine  Antwort  geben.  Für  Südengland  ist  es  z.  B.  entschieden 
verneint,  für  das  südwesthche  Grönland  dagegen  bejalit  worden. 
Hier  soll  sich  eine  positive  Niveauveränderung  bemerkbar  machen; 
her  solange  ein  so  gründlicher  Kenner  der  grönländischen  Geologe, 
wie  Steensteup,  sich  gegen  diese  Annahme  skeptisch  verhält,  haben 
wir  keinen  Grund,  für  dieselbe  einzutreten. 

Mittlere  und  niedere  Breiten.  Wenn  wir  die  zahlreichen  An- 
gaben über  Niveauveränderungen,  wie  wir  sie  in  den  Sammlungen 
von  Hahn^^  und  Issel*^  angehäuft  finden,  in  eine  Karte  eintragen, 
so  erhalten  wir  zwischen  ca.  50^  N.  und  30^  S.  ein  Bild,  in  dem 
positive  und  negative  Verschiebungen  in  buntester  Regellosigkeit  mit- 
einander abwechseln.  An  der  atlantischen  Küste  Frankreichs  ver- 
zeichnet GiRABD  nicht  weniger  als  3  Hebungs-  und  8  Senkungsfelder! 
Wenn  es  sich  in  Wirkliclikeit  um  Bewegungen  so  eng  begrenzter 
Schollen  handeln  würde,  dann  müßte  doch  in  irgend  einer  Weise 
auch  das  Hinterland  merkbar  davon  beeinflußt  werden.  Davon  ist 
aber  keine  Rede. 

Zunächst  müssen  wir  alle  jene  Fälle  ausscheiden,  wo  mecha- 
nische Ursachen  zur  Erklärung  der  Strandveränderungen  ausreichen. 
Es  ist  das  freilich  nicht  immer  leicht,  es  werden  manche  zweifel- 
hafte Fälle  übrig  bleiben,  aber  besser  ist  es,  sie  als  solche  zu  be- 
zeichnen, als  sie  mit  Bestimmtheit  der  einen  oder  anderen  Kategorie 
zuzuweisen. 

Ist  diese  Arbeit  gethan,  so  wird  das  Bild  ebenso  einförmig,  wie 
es  früher  bunt  war.  Wir  sehen  dann  in  der  ganzen  Zone  fast  nur 
vereinzelte  oder  mehr  oder  minder  zusammenhängende  Spuren  einer 
negativen  Bewegung  in  der  Form  von  Terrassen  und  marinen  Ab- 
lagerungen, unter  denen  die  trocken  gelegten  KorallenriflFe  des 
warmen  Erdgürtels  eine  besonders  wichtige  Rolle  spielen.  Selbst 
Ostaustrahen,  das  noch  Süss  von  der  allgemeinen  Regel  ausnehmen 
zu  sollen  glaubte,  ist  von  solchen  Anzeichen  nicht  frei.**  Ob  das 
Land  sich   gehoben,    ob  das  Meer  sich  gesenkt  hat,  ist  in  keinem 


Moderne  Niveauverftndenuigen.  291 

Fcille   mit  Sicherheit  erwiesen,   etwa  in  der  Weise,   wie  für  Skandi- 
navien und  das  nordöstliche  Amerika.  Wo  die  Meeresablagerungen  nur 
in  geringer  Seehöhe  auftreten  und  die  Beobachtungen  nicht  in  langen 
Zeiträumen  wiederholt  wurden,  ist  die  Möglichkeit  nicht  ausgeschlossen, 
daß  wir  es  nur  mit  einer  vorübergehenden  Erniedrigung  des  Meeres- 
spiegels zu  thun  haben.     Ebenso  schwierig  ist  die  Frage  nach  dem 
Alter  der  Bewegung.     Wir  können  die  tertiären  Vorkommnisse  aus- 
scheiden, aber  wir  können  nicht  sagen,  daß  das,  was  wir  als  quartär 
bezeichnen,   auch  wirklich  gleichzeitig  ist     Vom  streng  morphologi- 
schen Standpunkte  betrachtet,  mag  dies  gleichgültig  erscheinen,  aber 
um    so    schwerer   empfindet   es   der  Theoretiker.     In  den  niederen 
Breiten  fehlt  eine  so  feste  Marke,  wie  sie   die  Eiszeit  uns  für  die 
arktischen  Küsten   bietet.     Das  gilt  bis   zu  einem  gewissen  Grade 
selbst  für  die  Gegenden  jenseits  des  30.  südlichen  Parallels,  ja  selbst 
Tür  diejenigen,   die  auch  eine  diluviale  Eiszeit  erlebt  haben.    Merk- 
würdig bleibt  es  allerdings,  daß  überall  an   den  Südenden   der 
Kontinente   die  Strandlinien  mit  ebensolcher  Regelmäßig- 
keit auftreten,  wie  im  hohen  Norden.    So  auf  Neuseeland,  in  der 
Victoria-Kolonie  Australiens,  im  Kaplande,  in  Patagonien  und  Chile. 
Südlich  vom  la  Plata  bis  zur  Südspitze  Amerikas  ist  der  Stufenbau 
fast   nicht   minder   scharf  entwickelt,    wie  in  Grönland;    oft  folgen 
5   })is    9  Terrassen    landeinwärts    aufeinander.      Die    nachglazialen 
Muschelbänke   —  Doerings  querandinische  Stufe   —   liegen  am  la 
Plata  20  bis  30  m  über  dem  Meere  und  steigen  nach  Süden  immer 
höher  an  bis  100  m.    An  der  pazifischen  Küste  reichen  die  Terrassen 
von  Chile  bis  nach  Peru  hinein;    manche  haben  hier  eine  moderne 
Hebung  von  ein  paar  tausend  Meter  angenommen.    Soweit  es  sich  um 
einen   so   enormen  Betrag  handelt,  sind  die  Beweise  jedenfalls  un- 
zureichend,  aber  am  Cerro  Gordo  unter  dem  Wendekreise  steigen 
([uartäre  Muschelbänke  doch  bis  nahezu  500  m  empor.    Sie  müssen 
ebenso  wie  die  übrigen,  in  weit  entlegener  Zeit  entstanden  sein,  aber, 
weil  sie  neben  Vertretern  der  heutigen  Fauna  auch  Arten  enthalten, 
die   hier   nicht  mehr  vorkommen.     Genauere  Altersbeziehungen  zur 
nordischen  Eiszeit  lassen  sich  jedenfalls  nicht  feststellen. 

Wir  kennen  nicht  den  Zeitpunkt,  wo  die  Küstenfaunen  ihr 
heutiges  Gepräge  erhielten,  und  jedenfalls  vollzog  sich  diese  letzte 
Wandlung  in  verscliiedenen  Meeren  zu  verschiedenen  Zeiten.  Eine 
sicherere  Basis  gewinnen  wir  aber,  wenn  uns  geschichtliche  Zeug- 
nisse zu  Hilfe  kommen.  Junge  Meeresablagerungon  wurden  z.  B. 
an  verschiedenen  Punkten  des  pontischen  und  propontischen  Ge- 
stades gefunden;  am  Hellespont  enthielten  sie  ein  Eeuersteinmesser: 
ein  Beweis,   daß  zu  jener  Zeit  schon  Menschen  hier  wohnten.     An- 

19* 


292  Die  Djnamik  des  Landes. 

dererseits  haben  sorgfältige  Untersucliungen  dargethan,  daß  die 
Niederungen  der  Krim  und  am  Asowschen  Meere  seit  der  Zeit,  da 
PoLYBius  und  Strabo  sie  beschrieben,  keine  nennenswerten  Verän- 
derungen erhtten  haben.  Damit  ist  das  Alter  jener  marinen  Niveau- 
veränderung mit  genügender  Schärfe  festgestellt  Aber  trotzdem 
daß  die  historische  Kunde  im  Mittelmeergebiete  weiter  in  das  AIt<^r- 
tum  zurückreicht,  als  irgendwo  sonst,  konnte  SuESS  nur  zwei  Stellen 
bezeichnen,  wo  in  geschichtlicher  Zeit  unzweifelhafte  nega- 
tive Niveauveränderungen  stattgefunden  haben:  an  der  Küste 
von  Pozzuoli  und  an  der  Ostküste  Kretas.  Von  der  erstem 
werden  wir  später  sprechen ;  an  der  letzteren  entdeckte  Spratt  neben 
zahlreichen  Strandlinien  und  Löchern  der  Bohrmuschel  die  Kestt^ 
des  künstlichen  Hafens  von  Phalasama,  den  der  Periplus  von  Skylax 
im  4.  Jalirhundert  v.  Ch.  erwähnte,  90  m  von  der  Küste  entfernt  und 
7  m  über  dem  Meeresspiegel  (Fig.  74).  Als  dritte  Stelle  können  wir 
die  westlichste  Insel  der  italienischen  Ponzagruppe,  Palmarola,  hin- 
zufügen. Vergleicht  man  die  Kartenbilder  und  Beschreibungen  von 
ScROPE  i.  J.  1822  und  von  Dölter  i.  J.  1875  miteinander,  so 
wird  man  von  dem  außerordentlichen  Wachstume  dieses  nur  gelegent- 
lich   bewohnten,    steilen    Felseneilandes    überrascht    sein.     Emmons, 

der     es     1892     besuchte, 
^^yj/^^g^   A^'T^X^^l^A  konstatierte  eine  negative 

J^^^Aö^^  Pf^ii^f^^^^^^    p/nur       Niveauveränderung       von 

Fig.  74.     Ruinen  von  Phalasama,  noch  Spratt.       ^^  °^'    ^  ^'    ^^^     ^^    ^^ 

pro  Jahr.^^  Daß  man  hier 
nur  von  Landhebung  sprechen  kann,  versteht  sich  von  selbst;  aber 
fast  nehmen  wir  Anstand,  sie  als  „säkulare"  zu  bezeichnen.  Hier 
scheinen  wohl  vulkanische  Kräfte  mit  im  Spiele  zu  sein. 

Positive  Niveauveränderungen  sind  anscheinend  viel  seltener 
als  negative,  aber  jedenfalls  nur  scheinbar.  Wir  dürfen  nämhcli 
nicht  vergessen,  daß  negativ  verschobene  Strandlinien  vor  aller 
Augen  liegen,  soweit  sie  nicht  durch  Wind  und  Wetter  zerstört 
worden  sind,  während  die  positiv  verschobene  Küstenlinie  sich  unter 
dem  Meere  verbirgt.  Nur  dort,  wo  ein  Gestade  unter  scharfer  Kon- 
trolle steht,  wird  sich  ein  langsames  untertauchen  erkennen  lassen. 
Es  ist  hier  auch  besonders  schwierig,  die  tektonischen  Verschiebungen 
von  den  mechanischen  zu  trennen.  Versunkene  Wälder  und  Torf- 
moore mit  Kulturresten  aus  der  jüngeren  Stein-  und  Bronzezeit, 
z.  T.  sogar  aus  der  römischen  Periode,  begleiten  die  Küste  der 
Nordsee  und  des  Kanals  von  Jütland  bis  zur  Normandie.  Süess  hat 
alle  diese  Vorkommnisse  auf  ßutschungen  und  Sturmfluten  zurück- 
geführt,   und    zum  Beweise    dafür    sich    auf  die  Thatsache   berufen, 


Moderne  Niveauveränderungen.  293 

daß  außerhalb  der  Dünen  römische  Bauwerke  in  Gegenden  vor- 
kommen^ wo  Torfmoore,  die  mit  Meeressand  bedeckt  sind,  römische 
Münzen  bis  270  n.  Ch.  bergen.  Mit  Recht  macht  'er  auch  geltend, 
daß  bei  langsamem  Vorrücken  des  Meeres  die  Brandung  den  Torf' 
zerstört  und  die  Bäume  entwurzelt  hätte.  Ein  zweites  Gebiet,  wo 
unterseeische  Moore  und  Wälder  häufig  vorkommen,  ist  die  atlan- 
tische Flachküste  der  Vereinigten  Staaten.  Wie  an  der  Nordsee- 
und  Kanalküste  hat  auch  hier  das  Meer  stellenweise  weite  Bezirke 
erobert,  aber  trotzdem  muß  man  billig  bezweifehi,  daß  hier  wirk- 
lich eine  positive  Niveauveränderung  im  Spiele  ist.  Denn  neben 
diesen  Senkungsspuren  begegnet  man  auch,  wie  schon  Cook^®  zugiebt, 
trocken  gelegten  Austernbänken ;  und  Chesteh,^^  der  sonst  der  Senkungs- 
hypothese zustimmt,  macht  für  die  Delaware -Halbinsel  eine  ent- 
schiedene Ausnahme,  da  hier  die  Strandlinie  noch  jetzt  landeinwärts 
wandere.  Eine  zweifelhafte  Stelle  ist  femer  das  Mündungsgebiet 
des  Amazonenstroms;  sollte  der  enorme  Landverlust  hier  wirklich 
nur  der  zerstörenden  Kraft  des  Meeres  zuzuschreiben  sein?  Wir 
können  darauf  keine  bestimmte  Antwort  geben,  selbst  dann  nicht, 
wenn  wir  berücksichtigen,  das  westlich  ^^  und  östlich  davon  negative 
Niveauveränderungen  bemerkbar  sind,  denn  es  ist  nicht  bekannt,  ob 
diese  nicht  einer  schon  längst  abgeschlossenen  Periode  angehören. 
Von  der  Zusammensackung  der  Schwemmstoffe  wurde  schon 
gesprochen.  Aus  dem  Podelta  werden  zahlreiche  Beispiele  solcher 
örtlichen  Senkungen  gemeldet. 

Auf  der  anderen  Seite  der  Adria,  an  der  istrischen  und  dalma- 
tinischen Küste  hört  man  Sagen  von  versunkenen  römischen  Städten 
und  Bauwerken.  Hilbeb^®  hat  die  Strecke  zwischen  Grado  und 
Pola  sorgfältig  untersucht  und  kam  zu  dem  Schlüsse,  daß  eine  allge- 
meine Senkung  dieses  Küstenstriches  nicht  erweisbar  sei.  Allerdings 
hat  das  Meer  seine  Grenzen  ei'weitert,  aber  durch  eigene  Kraft. 
Die  so  häufig  zitierten  „versunkenen"  Molen  sind  nichts  anderes, 
als  die  unterseeischen  Fundamente  von  Molen,  deren  obere  Teile 
die  Brandung  zerstört  hat.  Örtliche  Senkungen  sind  dagegen  aller- 
dings vorgekommen  und  können  in  einem  so  jungen  Einsturzgebiete, 
wie  es  die  nördliche  Adria  ist,  und  auf  einem  von  Höhlen  so  sehr 
unterminierten  Boden  nicht  auffallen.  1890  wurden  2 — 300  m  süd- 
Hch  vom  Felseneilande  St.  Giovanni  in  Pelago  bei  Eovigno,  26  m 
unter  dem  Meere,  durch  einen  Taucher  die  Eeste  einer  Stadt  ent- 
deckt, die  man  mit  der  seit  679  verschollenen  Inselstadt  Cissa  iden- 
tifiziert'® hat  Von  ähnlichen  Ereignissen  meldet  auch  die  griechische 
Geschichte;  Städte,  die  auf  Schwemmland  erbaut  waren,  rutschten 
mit  diesem  in  die  Tiefe   der  See,   wenn   es   sich  infolge   von  Erd- 


294  Die  Dynamik  des  Landes. 


erschütterungen    von  seiner   festen   Unterlage  losgelöst   hatte.      Das 
sind  aber  alles  instantane,  örtlich  beschränkte  Niveauveränderungeu ; 
in  vulkanischen  öegenden,  wie  am  Golfe  von  Neapel,  sind  indes  seit 
dem  Altertum  auch  säkulare  Senkungen  vorgekommen  und  setzen  sich 
bis  in  unsere  Tage  hinein  fort.    Aber  auch  sie  sind  an  enge  Grenzen 
gebunden;  nirgends  ist  eine  moderne  positive  Niveauverände- 
rung auf  weite  Strecken   hin   mit  Sicherheit  nachgewiesen 
worden.    Damit  soll  aber  die  Mögliclikeit  einer  solchen  nicht  geleug- 
net werden.    Wer  sich  zur  DARWiN'schen  Kifttheorie  bekennt,  findet  in 
den  Korallenmeeren  der  Südsee  und  des  Indischen  Ozeans  Senkungs- 
felder   von    solcher   Ausdehnung,    daß  sie   den  Hebungszonen    wohl 
das  Gleichgewicht  halten.    Indes  sind,  w^ie  wir  später  sehen  werden, 
über  diesen  Punkt  die  Meinungen  sehr  geteilt.    Eine  andere   Streit- 
frage   betrifft   die    sogenannten    unterseeischen    Thäler,   mehr    oder 
minder  scharf  eingeschnittene  Rinnen  im  Meeresboden,  die  genau  in 
der  Fortsetzung  überseeischer  Thäler  liegen.  ^^     Man  kennt  sie  z.  ß. 
am  Hudson,  am  Kongo^  an  der  ligurischen  Küste,  aber  auch  in  SüB- 
wasserseen,  wie  im  Genfer-  und  Bodensee.    Die  einen  fassen  sie  als 
untergetauchte  Thalstücke  auf,  die  anderen  führen  sie  auf  Strömungen 
zurück,  die  das  Flußwasser  nach  seinem  Eintritte  in  djis  Meer  oder 
in  den  See  verhindern,  gerade  in  seinem  Stromstriche  die  Sedimente 
abzulagern.     Allgemeinere  Zustimmung  linden  als  indirekte  Beweise 
positiver  Niveauveränderungen  die  Fjorde  und  die  ihnen  verwandten 
Erscheinungen,    ferner    die    abgegliederten    Halbinseln    und    endheh 
diejenigen   Inseln,    die   vermöge  ihres  geologischen  Baues  und  ihrer 
Lebewelt  als  einstige  Zugehörige  des  Festlandes  zu  betrachten  sind. 
Ebenso  werden  wir   später  die    angegliederten  Halbinseln   und    die 
echten  Reliktenseen  als  Anzeichen  negativer  Bewegungen  kennen  lernen. 
Schlußfolgenmgen.      Es    ist    das   unbestreitbare   Verdienst   von 
Süss,  die  Nachrichten  von  Verschiebungen  der  Strandlinie  zum  erst4?n 
Male  einer  scharfen,  wissenschaftlichen  Kritik  unterzogen  zu  haben; 
und    es    muß    auf    das    nachdrücklichste    jeder   Versuch    bekämpft 
werden,  in  den  alten  Scldendrian  wieder  hineinzugeraten.   Die  Schluß- 
folgerungen,   zu  denen  Süss  gelangte,   sind  aber  nicht  haltbar.     An 
vielen  Orten   mag  der  Meeresspiegel  sich  auf-   und  abwärts  bewegt 
haben,  wir  haben  aber  auch  unzweifelhafte  endogene  Niveauverände- 
rungen des  Landes  kennen  gelernt  und  zwar  von  verschiedener  Art: 
instantane  und  säkulare,  regionale  und  lokale.     Was  vor  der  Kritik 
nicht  Stand  hält,   sind  nur  die  Schaukelbewegungen,    die    einst 
eine    so   hervorragende    Rolle   in    den   Lehrbüchern    spielten.     Man 
glaubte  vielfache  Beweise  gefunden  zu  haben,   daß  Länder  an   der 
einen  Seite  sich  erheben  und  gleichzeitig  an  der  anderen  sich  senken; 


Moderne  Niveau verftnderungen.  295 

Schweden,  Grönland,  Kreta,  Neuseeland  waren  besonders  beliebte 
Beispiele.  Aber  teils  beruhte  diese  Annahme  auf  falschen  oder  un- 
richtig gedeuteten  Beobachtungen,  teils  ging  sie  insofern  zu  weit, 
als  die  Gleichzeitigkeit  der  entgegengesetzten  Bewegungen  nicht  zu 
erweisen  ist. 

Viele,  vielleicht  die  Mehrzahl  der  quartären  Niveauveränderungen 
haben    sich    in    der  vorgeschichtHchen  Zeit  vollzogen  und  sind  zur 
Ruhe  gelangt,  andere  mögen  in  die  historische  Epoche  hineinreichen, 
wieder  andere  gehören  ganz  der  geschichtlichen  Gegenwart  an.     Ja 
eine  und  dieselbe  Erdstelle  hat  verschiedene  Phasen  durchgemacht. 
Skandinavien  erlebte  seit  der  Eiszeit  eine  Reihe  von  Oszillationen, 
die    vielleicht   durch  Ruhepausen  getrennt   waren.      Sombrero,    ein 
kleines  Felseneiland  Westindiens,  bestellt  aus  sechs  Kalkbänken  mit 
rezenten  Konchylien;    die  Spalten    sind    mit   Phosphaten    ausgefüllt, 
die  ofl'enbar  von  alten  Guanolagern  herrühren.     Mindestens  dreimal 
müssen  solche  Guanobildungen  entstanden  sein  und  mindestens  ebenso 
oft  muß  das  Inselchen  vor  seiner  letzten  negativen  Bewegung  über 
den   Meeresspiegel   emporgetaucht  und  wieder  unter  demselben  ver- 
schwunden sein.    Gerade  solche  drastische  Thatsachen  waren  es,  die 
der  Hebungstheorie  Gegner  erweckten,  denn  derartige  Oszillationen 
traut  man  leichter  dem  beweglichen  Element  des  Meeres  zu,  als  dem 
Boden,  mit  dem  man  unwillküriich  den  Begriff  der  Festigkeit  verbindet. 
Indes  giebt  es  eine  Erdstelle,  wo  selbst  Süss  zur  x^nnahme  endogener 
Bodenbewegungen  sich  gezwungen  sieht.    Es  ist  der  vielbesprochene 
Serapistempel  von  Pozzuoli   am  Golf  von  Neapel.     Die   drei   auf- 
rechtstehenden Säulen  sind  in  einer  Höhe  von  3  oder  3^/g  bis  6  m 
über  dem  Boden  des  Gebäudes  ringsum  von  Bohrmuscheln  angenagt. 
Nach  SüESS  folgte  hier  auf  eine  langsame  Senkung  eine  plötzliche 
Hebung  bei  dem  Ausbruche  des  Monte  Nuovo  i.  J.  1538;  in  beiden 
Fällen  aber  war  die  Bewegung   eine  lokale.     Jetzt  soll  die  Küste 
wieder  in  langsamer  Senkung  begriffen  sein.  ^ 

Auf  die  Frage>  ob  die  endogenen  Niveauveränderungen  der  Küste 
von  wahrnehmbaren  Schichtenstörungen  begleitet  sind,  können  wir 
eine  auf  Beobachtung  gegründete  Antwort  nicht  geben.  Indes  ist 
die  Bewegung  eines  Teiles  der  Erdkruste  geradezu  un- 
denkbar ohne  Schichtenbiegung  oder  ohne  Randspalten, 
es  kann  aber  in  dem  ersteren  Falle  die  Spannweite  der  Falte  solche 


X  Nach  Bbauns'  Ansicht  (Leopoidina  1888)  war  das  Serapeum  ein  Profan- 
bau zur  Zucht  von  Meerestieren  und  daher  mit  Seewasser  gefüllt.  Diese,  durch 
kerne  äußeren  Gründe  unterstützte  Hypothese  würde  allerdings  die  negative 
Bodenbewegung  überflüssig  machen;  die  positiven  sind  aber  anderweitig  be- 
glaubigt 


296  Die  Dynamik  des  Landes. 


Dimensionen  annehmen  und  in  dem  letzteren  die  Scholle  so  groß  sein, 
daß  die  Dislokation  selbst  unserer  Beobachtung  entgeht.  Dieser  Art 
scheinen  die  regionalen  Hebungen  Skandinaviens  und  Nordamerika-s 
zu  sein.  Dagegen  dürften  die  Spalten,  an  denen  eng  begrenzte  Küsten- 
schollen in  die  Tiefe  fahren,  von  aufmerksamen  Beobachtern  wohl 
vielfach  noch  festgestellt  werden  können. 

Bümenländische  Siveauveranderungen.  Daß  im  Verlaufe  der 
Quartärzeit  auch  die  Oberfläche  des  Festlandes  mancherlei  Verände- 
rungen durch  endogene  Kräfte  erlitten  hat,  ist  schon  an  vielen  Orten 
durch  Beobachtung  festgestellt  oder  wenigstens  wahrscheinlich  ge- 
macht So  sind  beispielsweise  nach  den  Ausführungen  v.  Koenens  ^^ 
mehrere  Spalten  westlich  und  südwestlich  vom  Harz,  die  zur  Bildung 
von  Einbruchsthälem  und  Seebecken  Veranlassung  gegeben  haben,  erst 
nach  der  Eiszeit  entstanden;  ja  sogar  der  Abstand  zwischen  dem  Harz 
und  rheinischen  Schiefergebirge  und  die  Längsachse  des  Harzes  selbst 
sollen  durch  einen  Schub  von  Osten  nach  Westen  verkürzt  worden  sein. 
An  den  einstigen  Ufern  des  erloschenen  BonneviUe-Sees,  von  dem  schon 
auf  S.  184  die  Rede  war,  lernen  wir  dieselben  Deformationen  der 
alten  Strandlinien  kennen,  die  uns  de  Geeb  an  der  schwedischen  Küste 
gezeigt  hat.  Auch  dort  haben  die  Strandlinien  ihre  horizontale  La^je 
verlassen  und  steigen  um  so  höher  an,  je  weiter  wir  uns  vom  Rande 
dem  Zentrum  des  alten  Sees  nähern;  der  Seeboden  hat  hier  an- 
scheinend eine  beulenartige  Auftreibung  von  etwa  40  m  erfahren, 
und  man  hat  auch  dieselben  Theorien,  wie  bei  Skandinavien,  —  Ent- 
fernung der  Wasserlast  oder  Ansteigen  der  Geoisothermen  —  zur  Er- 
klärung herangezogen.  ^^ 

Daß  ähnliche  Vorgänge  auch  in  unseren  Tagen  sich  abspielen, 
darf  man  voraussetzen,  seitdem  sich  die  Ansichten  über  das  skan- 
dinavische Hebungsphänomen  geklärt  haben.  Würde  nur  die  Küste 
emporsteigen,  das  Innere  des  Landes  aber  stabil  bleiben,  so  müßten 
die  Flußläufe  schon  Verschiebungen  erhtten  haben.  Der  direkten 
Beobachtung  sind  aber  nur  örtlich  begrenzte,  instantane  Bewegungen, 
z.  B.  bei  Erdbeben,  zugänglich;  in  Bezug  auf  säkulare  Veränderungen 
ist  mau  im  Binnenlande  aber  noch  mehr  Täuschungen  ausgesetzt, 
wie  an  der  Küste.  Namentlich  sind  alle  Nachrichten  über  Ver- 
änderungen der  Aussichtsweite  —  z.  B.  in  der  Umgebung  von 
Jena*^*  und  im  Ainthale  im  französischen  Jura'^^  —  mit  großer  Vor- 
sicht aufzunehmen,  leinen  gleichen  Fall  in  der  piemontesischen 
Provinz  Cuneo  konnte  Sacco  lediglich  auf  Gleitung  und  Rutschung 
zurückführen.  ^®  In  den  letzten  Jahren  machte  eine  scheinbar  exakte 
Beobachtung  von  Bewegungen  des  französischen  Bodens  Aufsehen. 
Aus  dem  Vergleiche  der  älteren  Bou&DALOU^schen  Nivellierung,  dem 


Moderne  Niveau  Veränderungen.  297 

sog.  Nivellement  g6ii6ral  de  la  France,  und  dem  neuen  Präzisions- 
nivellement  glaubte  man  schließen  zu  dürfen,  daß  der  Boden  in  der 
Richtung  von  Marseille  nach  Calais  bis  zu  78  mm  sich  gesenkt 
habe;  jetzt  sind  aber  alle  beteiligten  Kreise  darüber  einig,  daß  diese 
DiflFerenz  systematischen  Fehlem  zuzuschreiben  ist.  Auch  in  der 
Schweiz  glaubte  man  aus  den  bisherigen  Aufnahmen  kleine  Ver- 
schiebungen innerhalb  des  Gebirgsdreiecks  Rigi-Lägem-Napf  zu  er- 
kennen, aber  auch  diese  sind  in  den  Messungen  nicht  begründet.  ^^ 
Allerdings  sind  geodätische  Arbeiten  zu  diesem  besonderen  Zwecke 
noch  nirgends  unternommen  worden.  Erfolg  würden  sie  namentlich 
in  denjenigen  Ländern  versprechen,  wo  man  fortdauernde  Gebirgs- 
bildung  aus  anderen  Gründen  vermuten  kann;  vielleicht  wäre  keine 
Gegend  dazu  geeigneter,  als  die  turanische  Ebene,  gegen  die  nach 
Griesbachs  Ansicht  die  Faltung  vom  nördlichen  Afghanistan  her 
noch  jetzt  fortschreitet.^® 

Liittera  turn  achweise.     ^  Tbaütschold,    Über  säkulare  Hebungen  und 
Senkungen,  im   Bulletin  de  la  Society  des  Naturalistes  de   Moseou,   1869.  — 
^  Vgl.  Süss'  erste  Schrift  über  „die  vermeintlichen  säkularen  Schwankungen**  etc., 
in     den    Verhandlungen     der  Wiener    Greologischen    Reichsanstalt    1880.    — 
*  Blytt  cit.  S.  190  (n.  14).  —  *  Löwl»  Die  Ursache  der  säkularen  Verschiebungen  der 
Strandlinie,  Prag  1886.  —  ^  Kjebulf,  Die  Geologie  des  südlichen  und  mittleren 
Norwegen,  Bonn  1880.  —  ^  R.  Lehmann,  Über  ehemalige  Strandlinien  in  Nor- 
wegen, Halle  a.  S.  1879.  —  '  Hansbn,  On  Seter  in  Central  Norway,  in  Nature, 
London  1886,  Bd.  XXXIII.  —  '  Sandler,  Strandlinien  und  Terrassen,  in  Peter- 
manns   Mitteilungen    1890.    —    'Hansen,    Strandlinje- Studier,    im  Archiv    for 
Mathematik   og  Naturvidenskab ,   Bd.  XIV  (1890)   und  XV  (1892).    —    »<>  De 
Geer,  Om  Skandinaviens  niväförändringar  under  qvartärperioden ,  in  den  Ver- 
handlungen der  Stockholmer  Greologischen  Gesellschaft,  Bd.  X  und  XII,  1888  und 
1890.    Quatemary  Changes  of  Level  in  Scandinavia,  im  Bulletin  der  Geological 
Society  of  America  Bd.  IH,  1891.  —  "  Penck,  Die  Schwankungen  des  Meeres- 
spiegels,    im    Jahresbericht    der    Geographischen    Geseilschaft    in    München, 
Bd.  VII.  —  '*  Hergesell,  Die  Änderung  der  Gleichgewichtsflächen  der  Erde 
durch  die  Bildimg  polarer  Eismassen,  in  Gerlands  Beiträgen  zur  Geophysik, 
Bd.  L  1887.  —  *■  V.  Dryoalski,  Die  Geoiddeformationen  der  Eiszeit,  in  der  Zeit- 
schrift der  Berliner  Gesellschaft  für  Erdkunde  1887.  —  "  Woodward,  On  the 
form  and  position  of  the  Sea  Level,  im  Bulletin  of  the  U.  S.  Geological  Survey, 
Nr.  48,  1888.  —  *^  Holmström,  Om  Strandliniens  förskjutning  k  Sveriges  Rüster, 
in  d.  Abhandlungen  d.  schwedischen  Akademie  der  Wissenschaften,  Bd.  XXII, 
1888.  —  **  Sieger,  Seeschwankungen  und  Strand  Verschiebungen  in  Skandinavien, 
in  der  Zeitschrift  der  Berliner  Gesellschaft  für  Erdkunde,  1893.  — -  *^  Brückner, 
Ober  Schwankungen  der  Seen  und  Meere,  in  den  Verhandlungen  des  Deutschen 
Geographentages  zu  Wien,  1891.  —  **  De  Geer,  Pleistocene  Changes  of  Level 
in  Eastem  North  America,  in  the  Proceedings  of  the  Boston  Society  of  Natural 
History,  1892.  —  *•  Tschernyschew,  Apercu  sur  les  d^pots  posttertiaires  au  nord 
et  k  Test  de  la  Bussie  d'Europe;  in  d.  Schriften  d.  kais.  Gesellschaft  für  Natur- 
wissenschaften in  Moskau  1892.  —  •"  Schmalhausen  u.  v.  Toll,  Tertiäre  Pflanzen 
der  Insel  Nensibirien,  in  den  Memoiren  der  Eussischen  Akademie  der  Wissen- 


298  Die  Dynamik  des  Landes. 

Schäften  1890.  —  '^  v.  Dryoalski,  Über  Bewegungen  der  Kontinente  zur  Eiszeit 
in  den  Verhandlungen  des  VIII.  deutschen  Geographentages  zu  Berlin,  18-^9.  — 
"  Hahn,  Untersuchungen  über  das  Aufsteigen  und  Sinken  der  Küsten.  Leipzig 
1879.  —  "  IßSEL,  Le  osciiiazioni  lente  del  suolo,  Genua  1883.  —  •*  Vgl.  JArn 
und  Etheridoe,  Geology  of  Queensland,  Brisbane  1892.  —  '*  Emmons  im  Neuen 
Jahrbuch  für  Mineralogie  etc.  1892,  Bd.  II,  S.  88.  —  '*  Cook,  Subsidence  along 
the  Sea-coast  of  New  Jersey,  im  Americal  Journal  of  Science  1857,  Bd.  IL  — 
"  Chestee,  The  Gravels  of  the  Southeni  Delaware  Peninsula;  ebendas.  18s5. 
Bd.  I.  —  '*  Für  Surinam  s.  Martin,  Reise  nach  den  niederländ.-westindischeu 
Besitzungen  in  der  Revue  coloniale  internationale,  1885.  —  "  Hilbeb,  Geolo- 
gische Küstenforschungen  zwischen  Grado  und  Pola,  in  den  Sitzungsberichten 
der  Wiener  Akademie  der  Wissenschaften,  Mathem.-Naturwiss.  Classe,  1889.  — 
'^  Bericht  in  den  Mitteilungen  der  Wiener  Geographischen  GescIUchaft  1b90. 
S.  383.  —  ^^  Eine  Zusammenstellung  des  Beobachteten  findet  man  in  Likhardt. 
Unterseeische  Flußrinnen,  im  Jahresbericht  der  Geographischen  Gesellschaft  in 
München,  1892.  —  "  v.Koenen,  Über  Dislokationen  westlich  und  südwestlich  vom 
Harz,  im  Jahrbuch  der  Pi'eußischen  Geologischen  Landesanstalt  für  1884.  — 
"  Gilbert,  cit  S.  190.  —  "  Berichte  von  Kahle,  Pfeiffer  u.  Gerke  in  den 
Mitteilungen  der  Geographischen  Gesellschaft  in  Jena,  1886,  1887  u.  1888  — 
^^  Berichte  von  Girardot  und  Romiedx  im  Bulletin  geographique  historique 
et  descriptive,  1890.  —  '•  Sacco,  Des  ph^nom^nes  altim^triques  dans  rinterieur 
des  contiuents,  im  Bulletin  der  französischen  geologischen  Gesellschaft  18b5  ^ti. 
Bd.  XIV.  —  ^^  Messerschmidt,  Die  wichtigsten  Beziehungen  zwischen  Geologie 
u.  Geodäsie,  im  Jahresbericht  der  physikalischen  Gesellschaft  in  Zürich  lt>il2. 
Brückner,  Über  die  angebliche  Änderung  der  Entfernung  zwischen  Jura  und 
Alpen,  im  Jahresberichte  der  Geographischen  Gesellschaft  in  Bern  1893.  — 
^^  Griesbach,  Field-Notes  from  Afghanistan,  in  den  Records  of  the  Geological 
Survey  of  India,  1886. 

Die  vulkanischen  Ausbrüche.^ 

Kein  Phänomen  führt  uns  deutlicher  vor  Augen,  daß  die  Kräfte 
des  Erdinnern  noch  immer  thätig  sind,  als  der  Ausbruch  eines  Vul- 
kans. Aber  so  großai-tig  dieses  Schauspiel  auch  ist,  so  steht  es 
doch  in  seinen  Wirkungen  weit  zurück  hinter  den  langsam,  unmerkhar 
sich  vollziehenden  Veränderungen,  denen  die  Erdoberfläche  unaus- 
gesetzt unterworfen  ist.  Für  die  geologische  Gegenwart  wenigstens 
gilt  der  Satz,  daß  der  Vulkanismus  nur  eine  Erscheinung  von  ört- 
licher Bedeutung  ist.  Aber  in  einem  Punkte  unterscheidet  er  sich 
von  allen  andern  Phänomenen:  er  schafft,  wo  er  zu  voller  Entfaltung 
gelangt,  wirkliche  Neubildungen,  während  sonst  überall  eine  Um- 
formung oder  Umlagerung  schon  vorhandener  Oberflächenmassen  statt- 
findet. Aus  unbekannten  Tiefen  wird  neues  Material,  im  Schmelz- 
flüsse befindliches  Silikatgestein  oder  Magma,  wie  man  es  jetzt  all- 
gemein benennt,  zu  Tage  ge{()rdert.  Den  Ort,  wo  dieses  Magma 
bereitet  wird,  bezeichnet  man  als  Lavaheerd.  Wo  zwischen  einem 
Lavaheerde  und  der  Erdoberfläche  durch  einen  Kanal  eine  Verbindung 


Die  vulkaniBchen  Ausbrüche.  299 

hergestellt  ist,  entsteht  ein  Vulkan.  Zahlreiche  solcher  Kanäle 
aus  finihem  geologischen  Perioden,  mit  Eruptivgesteinen  ausgefüllt 
und  durch  die  Denudation  bloßgelegt,  sehen  wir  die  geschichteten 
Gesteine  durchbrechen.  Nicht  immer  erreichten  sie  die  Oberfläche, 
und  die  Ei-uption  spielte  sich  dann  in  der  Tiefe  ab;  ein  Vorgang, 
den  wir  am  besten  als  Krypto Vulkanismus  bezeichnen  kömien. 
Seine  Bildungen  gewinnen  erst  dann  geographische  Bedeutung,  wenn 
ihre  Decke  zerstört  ist  und  sie  nun  unverhüllt  zu  Tage  treten.  Aber 
auch  oberirdische  Ausbrüche  führen  nicht  immer  zu  Neubildungen. 
Gelangen  sie  über  das  embryonale  Stadium  nicht  hinaus,  so  werden 
nur  die  Trümmer  der  durchbrochenen  Kruste  ausgeworfen;  an  der 
()l)ei-fläche  bildet  sich  ein  kreisartiges  oder  ovales  Loch,  die  Trümmer- 
gesteine verstopfen  den  Kanal,  und  nach  diesem  einmaligen  Ver- 
suche stellt  der  Vulkan  seine  Thätigkeit  ein.  So  entstehen  die 
Maare,  über  deren  Bau  erst  jüngst  die  Untersuchungen  Brancos^ 
im  Schwäbischen  Jura  helles  Licht  verbreitet  haben,  obwohl  man 
solche  Gebilde  aus  der  Eifel,  der  Auvergne,  Zentralamerika,  Ost- 
indien und  Japan  schon  lange  kannte.  Nur  heftigere  oder  wieder- 
holte Eruptionen  erzeugen  oberirdische  Anhäufungen  von  magmati- 
schem  Material. 

Eruptivprodukte.  Das  Magma  ist  eine  Mischung  verschiedener 
Verbindungen,  unter  denen  die  Kieselsäure  stets  die  erste  Rolle 
spielt.  Aber  in  verschiedenen  Mischungen  doch  in  verschiedenem 
Grade,  so  daß  man  danach  saure  und  basische  Eruptivgesteine  unter- 
scheiden kann.  Die  tertiären  und  der  Gegenwart  angehörigen  ordnen 
sich  in  folgende  Reihe: 

RhyoUth,  Kieselsäuregehalt  mindestens  75  Proz., 
Trachyt,  „  65  Proz.  und  darüber, 

Andesit,  „  über  50  Proz., 

Basalt,  „  40—50  Proz. 

Diese  Reihenfolge  gilt  auch  für  den  Grad  der  Schmelzbarkeit. 
Basalt  schmilzt  unter  gewöhnlichem  Luftdrucke  schon  bei  einer  Tem- 
peratur von  1100—1370«  C. 

An  der  Erdoberfläche  erscheint  das  Magma  entweder  in  zu- 
sammenhängenden, heißttüssigen  Massen  als  Lava  —  oder  in  locke- 
ren Auswürflingen,  die  auf  ihrem  Wege  durch  die  Luft  einen  großen 
Teil  ihrer  Wärme  einbüßen  und  meist  erkaltet  zu  Boden  sinken.  Je 
nach  der  Größe  unterscheidet  man  Blöcke,  die  bis  zu  1  m  Durch- 
messer erreichen;  Bomben,  die  durch  Drehung  in  der  Luft  eine 
kugelige,  keulen-  oder  fladenförmige  Gestalt  annehmen;  Lapilli  von 
Hasel-  oder  Wallnußgröße,  vulkanischen  Sand  und  endlich  Asche. 


300 


Die  Dynamik  des  Landes. 


Die  letztere,  ein  feines  Pulver,  vermischt  sich  mit  Wasser  zu  Schlamm, 
der  in  erhärtetem  Zustande  die  sogenannten  Tuffschichten  bildet; 
besser  ist  es  indes,  diese  Bezeichnung  nur  für  die  unterseeischen 
Schlammablagerungen  zu  gebrauchen,  für  die  Schlammströme  des 
Landes  aber  —  wie  Löwl  rät  —  den  in  der  Eifel  gebräuchlicheD 
Namen  Trass  anzuwenden. 

Das  Magma  ist  kein  trockener  Schmelzfluß,  sondern  imprägniert 
mit  zahlreichen  Gasen,  von  denen  mindestens  99  Proz.  Wasser- 
dampf sind.  Unter  den  übrigen  Gasen  nimmt  schweflige  Säure  die 
erste  Stelle  ein,  nieht  bloß  wegen  ihrer  Menge,  sondern  auch  des- 
halb, weil  sie  keinem  Vulkane  fehlt. 


Fig.  75.     Der  Vesuv  während  des  Ausbruches  im  Jahre  1822. 

Die  vulkanischen  Ausbrüche.  Es  darf  als  Regel  gelten,  daß 
die  Vulkane  intermittierend  thätig  sind,  sei  es,  daß  der  Kanal 
zeitweise  sich  verstopft,  sei  es,  daß  das  Eruptions-Material  sich  er- 
schöpft oder  auch,  daß  nicht  immer  diejenigen  Kräfte  wirksam  sind, 
die  das  Magma  zum  Aufsteigen  nötigen.  Nur  wenigen  Vulkanen 
ist  eine  gleichmäßige  Thätigkeit  eigen,  und  auch  diese  bildet  eigent- 


Die  vulkanischen  Ansbrücbe.  301 

lieh  nur  eine  vorübergehende  Phase.  Stromboli,  eine  der  Liparischen 
Inseln,  ist  das  bekannteste  Beispiel  dieser  Art.  Seit  den  frühesten 
Zeiten  des  Altertumes  ist  er  ununterbrochen  thätig.  Ähnlich  wie  bei 
Geysiren,  wiederholen  sich  die  Eruptionen  in  regelmäßigen  Pausen 
von  5 — 15  Minuten;  die  eine  Öffnung  des  Gipfelkraters  stcißt  in 
Intervallen  von  wenigen  Minuten  Dampf  aus,  was  etwa  eine  Minute 
dauert,  während  in  der  anderen  Lava  in  Perioden  von  10 — 15  Mi- 
nuten steigt  und  fällt  und  beim  Steigen  eine  Schlackengarbe  empor- 
schleudert. Erst  1889  machte  sich  eine  lebhaftere  Erregung  be- 
merkbar und  trat  Lava  aus.  Auch  der  Mt.  Yaaowa  auf  Tana  (Neue 
Hebriden)  und  der  Izalco  in  Zentralamerika  zeigen  ein  ähnliches 
Verhalten,  und  seit  dem  vorigen  Jahrhunderte  ist  auch  der  Sang- 
uay  in  Quito  in  die  Phase  der  Strombolithätigkeit  eingetreten. 

Der  Charakter  der  Eruption  hängt  im  wesentlichen  einerseits 
von  der  chemischen  Zusammensetzung  und  dem  Dampfgehalte  des 
Magmas,  andererseits  von  der  Beschaffenheit  des  vulkanischen 
Kanals  ab.  Wir  können  verschiedene  Typen  unterscheiden,  aber 
wir  können  noch  nicht  sagen,  welcher  der  normale  ist.  Indes  darf 
man  doch  den  Vesuvtypus  als  denjenigen  bezeichnen,  wo  die 
einzelnen  Akte  des  Eruptionsdramas  am  vollständigsten  und  gleich- 
mäßigsten entwickelt  sind. 


Fig.  76.     Idealer  Durchschnitt  des  Vesuvs  nach  von  Hochstetter. 

n  die  Somma,  b  gemischter  Kegel,   c  Aschenkegel,   d  kleine  parasitische  Schuttkegel, 
e  hypothetischer  innerer  Lavaraum. 

Der  Vesuv  ist  ein  doppelgipfeliger  Vulkanberg.  Auf  der  rechten 
Seite  unseres  Bildes  (Fig.  75)  sehen  wir  den  jetzt  thätigen,  aus  Asche 
und  Lava  bestehenden  Vulkankegel,  gekrönt  von  einer  trichterförmigen 
Einsenkung  oder  einem  Krater,  der.  das  obere  Ende  des  Haupt- 
eruptionskanals darstellt  Der  Gipfel  oder  richtiger  die  wallartige  Er- 
hebung zur  linken  Hand,  die  Somma,  ist  der  Rest  eines  vorgeschicht- 
lichen Tuffkegels,  in  dessen  ausgeweitetem  Krater  sich  der  neue  Kegel, 
der  moderne  Vesuv  seit  d.  J.  79  aufgebaut  hat.  Einen  idealen  Durch- 
schnitt zeigt  obiges  Bild  (Fig.  76),  nur  muß  bemerkt  werden,  daß  das 
Innere  des  Vulkans  lediglich  hypothetisch  als  ein  weiter,  von  Lava 


302  Die  Dynamik  des  Landes. 


erfüllter  Raum  eingezeichnet  ist.  Man  kann  sich  an  dessen  Stelle  auch 
einen  schlotformigen  Eruptionskanal  vorstellen. 

Bis  zur  furchtharen  Katastroi)he  im  Jahre  79,    der  die  Stüdte 
Pompeji,  Herculanum   und  Stabiae  zum  Opfer  fielen,  galt   der  Ve- 
suv für  erloschen.     Bis    1631    meldet  die  Geschichte  nur   17   Aus- 
brüche, wiederholt  blieb  der  Berg  mehr  als  1  Jahrhundert,  zweimal 
sogar  mehr  als  2  Jahrhunderte  ruhig;  seit  dem  12.  Jahrhundert  be- 
deckte er  sich   wieder  mit   reicher  Waldvegetation.     Der  Ausbruch 
von  1631  übertraf  an  Schreckhchkeit  noch  jenen  zur  Zeit  des  Kaiser«» 
Titus,  und  seitdem  hat  der  Vulkan  seinen  Charakter  verändert-     Die 
Ruhepausen  wurden  kürzer,  aber  die  Thätigkeit  verlor  an  Intensität, 
w^enn  auch  heftige  Eruptionen  —  Paroxysmen,  wie  Sceope  sie  nennt 
—  zeitweise  noch   immer  sich  ereignen  (1760,   1794,    1822,    1872). 
Auch  bei  anderen  Vulkanen  hat  man   diese  Erfahrung  gemacht;   es 
kann  als  Regel  gelten,   daß  je  länger  die  Ruhe,  desto  heftiger  die 
darauf  folgende  Eruption  ist.     Es  muß,  wie  man  vermuten  darf,  eine 
gewaltige  Dampfmenge  im  Lavaherde  sich  ansammeln,  um  durch  den 
in  der  Ruhezeit  verstopften  Kanal  oder  an  anderer  Stelle  einen  neuen 
Weg  sich  zu  bahnen.  Erdbeben  leiten  meist  als  äußere  Zeichen  dieses 
Kampfes  die  bevorstehende  Katastrophe  ein,  ja  manchmal  hebt  sich  der 
Boden,  um  dann  wieder  zu  sinken,  w4e  durch  Beobachtungen  bei  dem 
Vesuvausbruche  im  Dezember  1861  festgestellt  wurde.  Immer  mächtigere 
Dampfmassen  entsteigen  dem  Krater,  bis  dieser  berstet,  und  eine  hohe 
Aschensäule,  die  sich  oben  pinienartig  ausbreitet,  emporsteigt  (Fig.  75). 
Ein  feiner  Aschenregen  beginnt,  der  durch  den  Wind  oft  weithin  ge- 
führt wird ;  so  bei  dem  Ausbruche  des  Coseguina  (in  Nicaragua)  am 
20.  Januar  1835,  einem  der  schrecklichsten  Phänomene  dieser  Art  in 
den  letzten  Jahrhunderten,  2000  km  in  die  See  hinaus  und  bis  zu  dem 
350  km   entfernten  Guatemala.     Nachts  erscheint  an  der  Stelle  der 
Rauchpinie  eine  imposante  Feuersäule  von  wechselnder  Helle.    Da  sie 
auch  im  heftigsten  Sturme  unbeweghch  bleibt  und  selbst  Sterne  von 
schwacher  Leuchtkraft  durchscheinen  läßt,   so  ist  sie    nur    als    der 
Wiederschein  der  glutfiüssigen  Lava  im  Kanal  zu  betrachten.     Aber 
auch    wirkhche  Flammen,    erzeugt    von    brennbaren   Gasen,   wurden 
manchmal  beobachtet;  doch  sie  sind  schwach  und  von  geringer  Hohe. 
Gewaltige  Schlackenraketen  verkünden  das  Aufsteigen  der  Lava.    Der 
Ootopaxi  schleuderte  i.  J.  1 533  Felsstücke  von  3  m  Dicke  900  m  hoch 
und   über  22  km  weit.     Heftige  Eruptionen    werden   von  Gewittern 
begleitet.     Die  Wasserdämpfe    erhalten    nämlich    —    wie   Palmteri 
nachwies  —   durch   schnelle  Verdichtung   positive,    die  Asche    aber 
beim  Fallen  in  diesem  Medium  negative  Elektrizität:  wahrscheinlich 
ist  auch  der  ganze  Berg  elektrisch  geladen.     Gewöhnliche  meteoro- 


Die  vulkanischen  Ausbräche.  303 

logische   Begleiterscheinungen   sind    Sturm   und    Regengüsse;    diese 
oder  der  geschmolzene  Schnee   erzeugen,  mit  Asche  vermischt,  die 
Schlamm  ströme,  die  oft  verheerender  wirken  als  die  Lavaströme. 
Den  Schluss  des  Eruptionsaktes  bildet  meist  der  Austritt  von 
Lava-j  seltener  aus  dem  Gipfelkrater  als  an  den  Abhängen,  wo  sich 
eine   radial  auf  die  Achse  des  Kegels  stehende  Spalte  öflfnet;  ja,  oft 
spielt  sich  die  ganze  Eruption  am  Abhänge  ab,  wie  1861  am  Vesuv, 
während    der  Hauptkrater   nur   durch   eine   intensivere  Gasentwick- 
lung   daran   teilnimmt.     Meist   fließt  die  Lava  in  ruhigen  Strömen, 
die    auch   bei    starker   Neigung   noch   zusammenhängende  Gesteins- 
schichten   zu    bilden   vermögen.     Das    hängt   wesentlich    von    ihrer 
chemischen    Beschaffenheit    und    dem   Grade    ihrer   Durchtränkung 
mit  Wasserdampf  ab;  sie  kann  bei  35^  noch  erstarren  und  bis  10^ 
Neigung  noch  fließen.     Die  Masse  der  ausgeworfenen  Lava  ist  eine 
sehr    bedeutende;    sie    betrug   z.   B.  bei    der  Eruption    des  Vesuvs 
i.  J.    1872   20   und  bei   der  des  Bourbon-Vulkans   i.  J.  1787    900 
Mill.  cbm.     Der  Skaptar  Jökull  auf  Island   sandte  im  Jahre  1783 
zwei  Ströme  aus,  von  denen  der  westliche   80,   der  östliche  45  km 
lang  war.     Sie  bedeckten  900  qkm,   eine  Fläche,  so  groß  wie  eines 
der    Fürstenthümer  Schwarzburg,    erfüllten   die   Skaptaschlucht   bis 
einer  Höhe  von  100 — 200  m  und  erreichten  eine  mittlere  Mächtigkeit 
von  30  m.     Das  ergiebt  die    erstaunhch   große  Masse    von   27000 
Mill.  cbm.     Geht  der  Eruptionsprozeß  rasch  und  unter  bedeutender 
Dampfentwickelung   vor   sich,    so    zerfällt   der  Lavastrom    in    einen 
Trümmerhaufen   (Block-    oder   Schollenlava);    im    anderen  Falle 
geht   er    durch    das  Zwischenstadium   der  Zähflüssigkeit    aus    dem 
tlüssigen  in  den  festen  Zustand  über  und  bildet  dann  die  zusammen- 
hängende Fladen-  oder  Gekröslava. 

Aus  manchen  Vulkanen,  wie  aus  einigen  javanischen  oder  aus 
dem  Demawend  in  vorgeschichtlicher  Zeit,  tritt  die  Lava  nicht  in 
ffussigem  Zustande,  sondern  halb  erkaltet  als  ein  Gewirr  von  Blöcken 
aus.  Dagegen  scheint  nach  Th.  Wolf  die  Nachricht  von  den  süd- 
amerikanischen „Kotlaven"  nur  auf  ungenauer  Beobachtung  zu  ba- 
sieren. Es  sind  einfache  Schlammströme,  die  am  Cotopaxi  neben 
echten  Lavaströmen  vorkommen. 

Erdbeben,  Aschenauswurf,  Lavaerguß  sind  die  drei  Akte,  in 
die  gewöhnlich  das  Eruptionsschauspiel  beim  Vesuvtypus  vom 
Beginne  bis  zu  seinem  Höhepunkte  zerfällt.  Sie  können  sich  in 
verhältnismäßig  kurzer  Zeit  abspielen,  aber  auch  wochen-  und 
monatelang  mit  kurzen  Ruhepausen  wiederholen  und  wir  sprechen 
im  letzteren  Falle  von  einer  Eruptionsperiode,  wie  z.  B.  der 
Vesuv  eine  solche  vom  Januar  1871  bis  zum  April  1872  durchlebte. 


304  Die  Dynamik  des  Landes. 


Das  veränderlichste  Moment  sind  die  Erdbeben.  Sie  fehlen  oft 
ganz,  wie  bei  den  meisten  Ausbrüchen  des  Cotopaxi  oder  stehen 
wenigstens  in  keinem  Verhältnisse  zur  nachfolgenden  Katastropht^, 
wie  bei  der  Krakatau-Eruption  i.  J.  1883.  Der  Ätnaausbruch  i.  .1. 
1865  wurde  durch  geUnde  Erschütterungen  eingeleitet,  aber  — 
gegen  alle  Regel  —  durch  eine  sehr  heftige  abgeschlossen. 

Von  viel  gri'jßerer  Wichtigkeit  ist  es  aber,  ob  das  Magma  über- 
haupt und  in  welcher  Form  es  an  die  Oberfläche  gelangt.  Bei  dem 
Vesuvtypus  geschieht  dies,  wie  wir  gesehen  haben,  sowohl  in  der 
Form  lockerer  Auswürflinge,  wie  in  der  von  Lavaströmen.  Aber 
gerade  die  Geschichte  der  letzten  Jahrzehnte  hat  uns  eine  Reibe 
anderer  Typen  kennen  gelehrt. 

Der  Bandaisan  in  Japan,  seit  Menschengedenken  erloschen, 
hatte  am  15.  Juli  1888  eine  furchtbare  Dampfexplosion,  die  die 
ganze  Nordseite  des  Gipfels  wegsprengte  und  an  deren  Stelle  einen 


Fig.  77.     Profil  des  Bandaisan  vor  und  nach 
der  Eruption  nach  Sekiya. 

gewaltigen  Krater  von  383  ha  Flächeninhalt  schuf.  Beistehendes 
Profil  (Fig.  77),  in  dem  die  alte  Gestalt  durch  eine  punktierte  Linie  an- 
gedeutet ist,  veranschaulicht  diese  Veränderung.  Magma  trat  nicht 
zu  Tage;  das  ausgeworfene  Material,  das  man  auf  1213  MilL  cbm 
schätzt,  entstammte  nicht  der  Tiefe,  sondern  dem  abgesprengten  Teile 
des  Berges,  dessen  Gesteine  schon  vorher  durch  Gasausstromungen 
zersetzt  worden  waren.' 

Wasserdampf  spielte  offenbar  auch  die  Hauptrolle  bei  zwei 
anderen  Katastrophen  der  letzten  Jahre,  bei  den  Ausbrüchen  des 
Krakatau*,  eines  Inselvulkans  der  Sundastraße,  am  27.  Augast  1883 
und  des  Tarawera*  auf  der  Nordinsel  Neuseelands  am  10.  Juni 
1886.  Der  erstere  hatte  seit  1680  geruht,  der  letztere  war,  soweit 
die  Tradition  reicht,  nicht  mehr  thätig  gewesen.  In  beiden  Fällen 
hatte  die  Eruption  einen  explosiven  Charakter,  zum  Unterschiede 
vom  Bandaisan  wurden  gewaltige  Mengen  von  Asche  und  Bims- 
stein (schaumig  aufgeblähte  Lavafetzen)  ausgeworfen,  aber  kein 
Lavastrom  ergoß  sich  aus  den  Spalten. 


Die  vulkanischen  Ausbrüche. 


305 


JHERA 


Viel  seiteuer  sind  dagegen  mehr  oder  weniger  reine  Lava- 
eruptionen. Hawaii  stellt  den  basaltischen,  Santorin  den  andesi- 
tischen  Typus  vor. 

Die  Inselgruppe  Santorin®  in  den  ägäischen  Gewässern  besteht 
aus  vulkanischen  Bildungen  verschiedenen  Alters.     Die  Hauptinseln 
Thera   und  Therasia  mit  dem  Eilande  Aspronisi  sind  die  Trümmer 
eines  zerbrochenen  Kraterwalles  aus  vorgeschichtlicher  Zeit    Inner- 
halb desselben  entstanden  durch  neue  Ausbrüche  die  kleinen  Kameni- 
Inseln:    198    v.    Ch.    die   Palaea-Kameni,    1573    die   Mikra-Kameni, 
1707  —  12  die  Nea- 
Kameni,    1866    die 
Inseln  Georgios  und 
Aphroessa,  die  rasch 
anwachsend  mit  der 
Nea  -  Kameni       ver- 
schmolzen.        Diese 
letzte    Eruption    bot 
nun  zum  ersten  Male 
die   erwünschte   Ge- 
legenheit,   die    Ent- 
stehung von  Andesit- 
bergenzu  beobachten . 
Am  Beginne  vollzog 
sich  das  Schauspiel  in 
^ößter  Ruhe,  ohne 
Erdbeben,  ohne  Ex- 
plosionen, ohne 
unterirdisches      Ge- 
räusch.     Erst  päter 
nahm    die    Eruption 

einen   heftigeren 
Charakter  an.  Steine 

wurden  emporgeschleudert  und  mächtige,  mit  Asche  geschwängerte 
Dampfsäulen  erhoben  sich,  aber  dies  alles  bildete  nur  nebensäch- 
liche Momente;  der  eigentliche  Charakterzug  des  Santorin- Ausbruches 
besteht  darin,  daß  sich  über  der  unterseeischen  Öffnung  des  Kanals 
der  zähe  Lavabrei  wulstartig  anhäufte,  indem  immer  neue  Massen 
aus  der  Spalte  sich  hervordrängten  und  die  alten  in  die  Höhe 
und  zur  Seite  schoben.  Sehr  passend  wurden  d\6  neugebildeten 
Inseln  mit  „riesigen  Schwämmen"  verglichen.  „Mit  eigenen  Augen", 
*  schreiben  Reiss  imd  Stübel,^  „haben  wir  eine,  an  manchen  Stellen 
bis   zu   200  m   mächtige,    von    steilen   Böschungen    begrenzte  Lava^ 

ScPAjr,  Physische  Erdkunde.    2.  Aufl.  20 


Fig.  78.     Santorin  im  Jahre  1866  nach  v.  Seebach. 


306  Die  Dynamik  des  Landes. 


masse  entstehen  sehen,  deren  Oberfläche  kaum  irgend  welche 
Schlackenbildung  zeigte,  und  der  jeder  Aschen-  oder  Schlacken- 
kegel fehlte.*'  „Diese  Lava",  heißt  es  an  einer  anderen  Stelle, 
„war  so  zähflüssig  und  von  einer  so  mächtigen,  in  große  glasi^^^ 
Blöcke  zerteilten  Erstarrungskruste  bedeckt,  daß  die  flüssiu»- 
Lava  selbst  niemals  an  der  Oberfläche  sichtbar  wurde."  Währeml 
lockere  Massen  sich  wallartig  um  die  Ausbruchsöffhung  anhäuften, 
wurde  diese  verdeckt,  daher  war  auch  anfangs  ein  Krater  nicht 
bemerkbar;  erst  nach  der  Explosion  am  18.  Juli,  die  den  mitt- 
leren Teil  der  Georgsinsel  zerstörte,  enstand  an  dieser  Stelle  eine 
kraterähnliche  Vertiefung,  wo  sich  Lava  ansammelte  und  Ausbrüche 
stattfanden.  „Die  anfangs  flach  gewölbte  Gestalt  der  Insel  formxe 
sich  allmählich  zu  einem  regelmäßigen  stumpfen  Kegel." 

Hawaii®  ist  eine  aus  vier  oder  fünf  Basaltkegeln  zusammen- 
geschweißte Insel.  Das  nordwestliche  Hörn  bildet  die  Kohala-Kette 
(1678  m  h.),  der  Überrest  des  ältesten  Vulkans;  im  Westen  erhebt  sich 
der  Hualalai  (2522  m  h.),  seit  1801  ruhig;  die  Mitte  nehmen  di^- 
beiden  Bergriesen,  der  seit  langem  erloschene  Kea  (4208  m)  und 
der  noch  thätige  Loa  (4168  m),  ein.  Am  Ostabhange  des  letzteren 
öffnet  sich,  in  1231  m  Seehöhe,  der  ungeheuere  Krater  Kilauea. 
der  ebenso,  wie  der  Krater  Mokuaweoweo  auf  dem  Loagipfel,  vou 
den  senkrecht  abstürzenden  Bruchrändern  nahezu  horizontal  ge- 
schichteter Lavaströme  eingeschlossen  wird.  Dutton*  erklärt  dies- 
großen  Vertiefungen  nicht  für  echte  Krater,  sondern  für  Einsturz- 
becken,  und  will  dafür  den  Namen  Caldera  angewendet  wissen.  Inner- 
halb derselben  liegen  die  berühmten,  mit  flüssiger  Lava  erfüllten 
Seen,  ein  einzig  dastehendes  Phänomen.  Es  muß  eine  gewaltige  und 
vor  allem  eine  kontinuierlich  wirkende  Kraft  sein,  die  die  Magma- 
säule beständig  in  dieser  Höhe  zu  erhalten  vermag.  Allerdings 
wirkt  sie  nicht  gleichmäßig;  auch  die  hawaiischen  Vulkane  sind  inter- 
mittierend thätig.  Aber  da  ihre  basaltische  Lava  sehr  dünnflüssig 
ist,  so  staut  sie  sich  nicht,  wie  die  andesitische  Santorins,  über  der 
Ausbruchsöffnung  an,  sondern  fließt  ruhig  über.  Der  See  entleert 
sich  und  der  Boden  des  Kraters  stürzt  über  dem  Hohlräume  eiu. 
Der  Dampf  kann  ohne  viel  Widerstand  entweichen,  er  vermag  daher 
die  Projektile  nur  wenige  Meter  in  die  Höhe  zu  werfen,  und  diese 
fallen,  ohne  sich  abzukühlen,  an  der  gleichen  Stelle  wieder  nieder 
und  bauen  Miniaturkegel  von  4 — 18  m  Höhe  auf,  „Dribblet-cones^ 
wie  Dana  sie  bezeichnend  nennt.  Manchmal  finden  allerdings  hef- 
tigere Eruptionen  statt  und  dann  werden  glühende  Lavafontänen 
60 — 200  m  hoch  emporgeschleudert.  Asche,  Lapilli,  Bomben  spielen 
auch  hier  nur  eine  untergeordnete  Rolle. 


Die  Tiilkanischen  Ausbrüche.  307 


Ein  Vulkan  ist  aber  durchaus  nicht  immer  an  einen  be- 
stimmten Eruptionstypus  gebunden.  Die  Eilauea  hatte  i.  J.  1789 
einen  gewaltigen  Aschen-  und  Steinausbruch;  der  Krakatau  ist  aus 
wechselnden  Lagen  Yon  Aschen-  und  Lavaschichten  aufgebaut  — 
ein  Beweis,  daß  er  jßrüher  genau  nach  dem  Vesuvtypus  sich  verhielt. 
Eichtig  ist  es  aber,  daß,  wenn  auch  ein  Vulkan  zeitweise  seinen 
Emptionscharakter  ändert,  er  doch  in  der  Kegel  einen  bestimmten 
Typus  bevorzugt. 

Femer  haben  wir  zu  beachten,  daß  alle  diese  verschiedenen 
Eruptionsarten  ein  Moment  gemeinsam  haben,  indem  sie  nämlich 
alle  von  einem  Zentrum  ausgehen,  um  das  sie  die  Auswurfsmassen 
mehr  oder  minder  kreisförmig  anhäufen.  Das  Endprodukt  ist  in 
diesem  Falle  immer  ein  Berg.  Daneben  kennen  wir  aus  früheren 
Erdepochen  aber  auch  Lavaergüsse  aus  langgestreckten,  lippen- 
förmigen  Spalten,  die  teils  Gebirgszüge,  teils  —  wenn  die  Lava 
dünnflüssig  war  und  in  großen  Mengen  ausfloß  —  ausgedehnte 
Tafeln  schufen.  Die  Hargita  in  Ungarn  ist  ein  Beispiel  eines 
solchen  Gebirgszuges,  die  Basaltdecke  im  nordwestlichen  Dekan,  die 
das  Königreich  Preußen  an  Flächeninhalt  übertrifil,  ein  Beispiel 
einer  vulkanischen  Tafel. 

Um  nun  den  Beweis  zu  fähren,  daß  zwischen  den  Zentral*- 
und  Labialeruptionen  kein  fundamentaler  Unterschied  besteht, 
müssen  wir  zunächst  an  die  Thatsache  erinnern,  daß  auch  die 
Zentralvulkane  in  der  Regel  eine  reihenweise  Anordnung  zeigen  und 
daß  man  diese  mit  Recht  auf  langgestreckte  Spalten  zurückgeführt 
hat.  Allerdings  sind  diese  Spalten  nicht  sichtbar,  aber  wir  über- 
tragen hier  nur  ins  große,  was  uns  die  Erfahrung  im  kleinen  wiederholt 
kennen  gelehrt  hat,  wie  bei  den  Ätna- Ausbrüchen  i.  J.  1669  und  1865 
oder  bei  der  Tarawera-Eruption  i.  J.  1886.  In  dem  letzteren  Falle 
entstand  eine  von  Nordosten  nach  Südwesten  ziehende  Spalte  von 
14  km  Länge  und  innerhalb  derselben  eine  Reihe  von  Kratern,  die 
ebensovielen  Eruptionszentren  entsprachen.  Auch  die  dazwischenliegen- 
den unzerstörten  Brücken  wurden  von  engen  Vertikalspalten  durchsetzt 
Wir  dürfen  also  mit  Thomas^  annehmen,  daß  zuerst  entlang  einer 
Linie  der  Boden  sich  spaltete  und  daß  dann  die  unterirdischen 
Kräfte  an  demjenigen  Punkten  einsetzten,  wo  entweder  die  Gesteins- 
beschaffenheit den  Ausweg  erleichterte,  oder  größere  Dampfzufuhr 
die  Explosionskraft  vermehrte.  Würde  sich  aus  den  eng  benach- 
barten Kratern  Lava  ergossen  haben,  so  hätten  sich  die  Ströme  leicht 
zu  einer  Gesamtmasse  vereinigen  können,  die  die  einzelnen  Ausbruchs- 
stellen verdeckt  hätte,  oder  es  hätten  auch  die  einzelnen  Zentren- 
selbst, wenn  sie  noch  näher  aneinander  gerückt  wären,  miteinander 

20* 


308  Die  Dynamik  des  Landes. 


verschmelzen  können.  Man  sieht  also,  zwischen  Zentral*  und 
Labialeruptionen  sind  Übergänge  vorhanden,  beide  beruhen 
im  wesentlichen  auf  demselben  Vorgange. 

Besonders  lehrreich  ist  in  dieser  Beziehung  Island,  dessen 
Erforschung  wir  in  neuester  Zeit  hauptsächlich  Thoboddsen  ver- 
danken ^°.  Hier  finden  wir  verschiedene  Typen  vertreten:  echte  ge- 
schichtete Vulkane,  aus  wechselnden  TuflFen  und  Lavaströmen  be- 
stehend, wie  der  Vesuv;  Lavavulkane,  ganz  nach  hawaiischem  Muster, 
nur  kleiner,  flache  schildförmige  Erhebungen  mit  einer  tellerartigen 
Vertiefung  am  Gipfel;  endlich  Labialbildungen  in  verschiedenen 
Stadien  ihrer  Entwicklung.  Am  häufigsten  ist  die  Anfangsfoim: 
entlang  einer  Spalte  treten  eine  Reihe  noch  wohl  individualisierter 
länglicher  Krater  auf;  seltener  sehen  wir  der  Spalte  entlang 
lange,  aber  doch  noch  an  vielen  Stellen  durchbrochene  Wälle  von 
Schlacken  und  Lavastücken;  am  seltensten  ist  die  ausgebildete  Form 
einer  völligen  Vereinigung  der  Zentren,  die  nach  beiden  Seiten  dünn- 
flüssige Lava  ergossen  haben. 

Überblick  der  Vulkanformen.  Jeder  Vulkan  ist  das  Produkt  seiner 
eigenen  Thätigkeit,  und  da  diese  Thätigkeit  sich  in  so  mannigfacher 
Art  äußert,  so  müssen  natürlich  auch  die  Produkte  mannigfach  sein. 
Lediglich  von  diesem  Gesichtspunkte  aus  einmal  die  Vulkanformen 
zusammenzufassen,  empfiehlt  sich  deshalb,  weil  die  spätere  morpho- 
logische Betrachtungsweise  noch  andere  Momente  zu  berücksichtigen 
haben  und  damit  auch  zu  einem  anderen  Systeme  gelangen  wird. 

Wo  der  Ausbruch  lediglich  in  einer  Dampfexplosion  besteht,  wie 
bei  dem  Bandaisan,  kann  natürlich  von  Neubildungen  keine  Rede 
sein,  sondern  findet  nur  Zerstörung  statt  Wo  die  Eruption  zwar 
einen  explosiven  Charakter  zeigt,  zugleich  aber  auch  neues  Material 
zu  Tage  fördert,  wird  sowohl  »erstört  wie  geschafi'en,  und  es  hängt 
ganz  von  den  näheren  Umständen  ab,  welche  Wirkung  die  Oberhand 
gewinnt.  Bei  dem  Ausbruche  des  Tarawera  wurden  zwar  1500  MilL 
cbm  Asche  ausgew^orfen,  aber  etwa  230  Mill.  wurden  in  das  Meer 
getragen  und  1270  MilL  verteilten  sich  auf  eine  Fläche  von  der 
Größe  Badens.  Die  Heftigkeit  der  Explosion  war  so  groß  und  es 
fand  eine  so  vollständige  Zerstäubung  statt,  daß  es  nicht  zur  Bildung 
eines  Aschenkegels  kommen  konnte.  Indes  ist  nicht  bloß  die  Ex- 
plosion an  sich  für  die  Zerstörung  verantwortlich  zu  machen.  Indem 
Material  aus  der  Tiefe  entfernt  wird,  entstehen  hier  Hohlräume  und 
der  darüber  befindliche  Boden  stürzt  ein.  Die  vier  Inseln  der 
Krakataugruppe  hatten  vor  der  Katastrophe  von  1883  ein  Areal  von 
4020  ha;  durch  Einsturz  verloren  sie  2291  ha,  durch  Neubildung 
gewannen  sie  1305  ha;  das  ergiebt  ein  Defizit  von  986  ha.  Ein  kleines 


Die  vulkanischen  Ausbrüche.  809 


Eiland,  das  den  sonderbaren  Namen  „Der  polnische  Hut"  trug,  ver- 
schwand ganz,  die  Hauptinsel  wurde  um  die  Hälfte  kleiner,  Verlaten 
Eiland  wuchs  dagegen  um  das  dreifache. 

Die  Eruptionen  können  wir  einteilen  in  einfache  und  ge- 
mischte. Die  einfachen  produzieren  entweder  nur  oder  doch  vor- 
herrschend nur  lockeres  oder  festes  Material.  Wir  unterscheiden 
demnach  Locker-  und  Lavaeruptionen. 

1.  Bei  zentralen  Lockereruptionen  ist  der  Grad  der  Fein- 
heit des  Auswurfsmaterials  von  Wichtigkeit.  Asche  kann,  wie  beim 
Tarawera,  lediglich  zur  Erhöhung  des  Bodens  beitragen,  während 
die  Ausbruchsstelle  selbst  nur  durch  eine  Vertiefung  im  Boden  ge- 
kennzeichnet wird.  Dasselbe  ist  auch  der  FaU,  wenn  nur  eine  ein- 
zige Eruption  an  der  betreffenden  Stelle  stattfindet  und  dabei  nicht 
beträchtliche  Mengen  von  Lockermaterial  ausgeworfen  werden.  Das 
Resultat  ist  also  eine  negative  Bodenform.  Dazu  gehören  auch 
die  Maare. 

Als  positive  Bodenformen  gehen  aus  diesen  Eruptionen  auf 
dem  festen  Lande  Aschen-  oder  Schlackenkegel,  auf  dem  Boden 
des  Meeres  Tuffkegel  hervor. 

2.  Als  Erzeugnisse  labialer  Lockereruptionen  sind  die 
langen  Schlackenwälle  in  Island  zu  betrachten. 

3.  Gemischte  Zentraleruptionen  schaffen  ebenfalls  ter- 
restrische oder  submarine  geschichtete  Kegel,  die  sich  von  den 
Aschenkegeln  nur  dadurch  unterscheiden,  daß  die  Beteiligung  von 
Lavaströmen  ihnen  größere  Festigkeit  verleiht.  Beiden  ist  femer 
gemein,  daß  sie  einen  Krater  auf  ihrem  Gipfel  besitzen.  —  Ge- 
mischte Labialeruptionen  sind  nicht  bekannt 

4.  Zentrale  Lavaeruptionen  erzeugen  Berge  ohne  Krater 
oder  nur  mit  kraterförmigen  Vertiefungen  am  Gipfel.  Ihre 
Böschungsverhältnisse  hängen  wesentlich  von  dem  Flüssigkeitsgrade 
der  Lava  ab. 

5.  Labiale  Lavaeruptionen  fuhren  zur  Bildung  langgestreck- 
ter Gebirgszüge,  wenn  die  Lava  zähe,  und  zu  der  von  Tafeln 
oder  Plateaus,  wenn  die  Lava  dünnflüssig  ist. 

Erlöschen  der  Vulkane.  Nach  einer  Eruptionsperiode  versinken 
die  intermittierenden  Vulkane  wieder  einige  Zeit  in  einen  Zustand 
der  Erschöpfung,  der  durch  die  sogenannte  Solfatarenthätigkeit 
charakterisiert  wird.  Man  versteht  darunter  das  Ausströmen  von 
Wasserdampf  in  der  Gestalt  kleiner  Säulen  (Fumarolen)  und  von 
Gasen  sowohl  aus  dem  Krater,  wie  aus  den  Rissen  der  Abhänge. 
Manche  Vulkane,  wie  die  Solfatara  von  Pozzuoli,  der  Demawend  in 


310  Die  Dynamik  des  Landes. 


Persien  u.  a.,  verharren  immer  in  diesem  Zustande.  Fluor  und 
Chlor,  die  das  intensivste  Eruptionsstadium  charakterisieren,  sind 
aus  den  Gasexhalationen  verschwunden;  endlich  verschvrinden  auch 
die  schwefligen  Gase,  die  Temperatur  nimmt  ab,  die  Fumarolen 
hören  auf;  und  nur  die  Kohlensäure^  die  entweder  als  Gas  ausströmt 
(Mofetten)  oder  mit  Wasser  vermischt  erscheint  (Sauerquellen), 
und  manchmal  auch  Thermen  erinnern  an  die  einstige  vulkanische 
Thätigkeit  der  betreflfenden  Erdstellen. 

Da  aber  —  wie  die  Geschichte  lehrt  —  selbst  jahrhunderte- 
lange Ruhe  keine  Gewähr  für  die  Zukunft  bietet^  so  ist  es  ganz 
willklirlich,  wenn  z.  B.  Karti  Fuchs  alle  jene  Vulkane,  die  seit  300 
Jahren  nicht  mehr  thätig  waren,  als  erloschen  bezeichnet.  Das 
gilt  wenigstens  für  Gegenden,  wo  neben  ruhenden  auch  tiiätige  Vul- 
kane vorkommen.  Hier  ist  die  Ruhe  vielleicht  nur  Schlaf,  nicht 
Tod.  Dagegen  können  wir  den  Puy  de  Come  in  der  Auvergne  oder 
den  Fönnerich  der  Eifel  mit  einigem  Rechte  erloschene  Vulkane 
nennen,  weil  die  vulkanischen  Gebiete,  in  denen  sie  liegen,  seit 
Menschengedenken  keinen  Ausbruch  mehr  erlebt  haben.  Statt  thäti- 
gen  und  erloschenen  Vulkanen  unterscheiden  wir  also  beser  thä- 
tige  und  erloschene  Vulkangebiete;  die  ersteren  enthalten  zu- 
weilen nur  thätige,  in  der  Regel  aber  thätige  und  sclilafende  Vul- 
kane, die  letzteren  dagegen  nur  erloschene  Vulkane. 

Ctoographische  Verbreitung  der  Vulkane  (s.  Karte  X^ni).  Die 
Statistik  von  Karl  Fuchs  zählt  325  Vulkane,  die  in  den  letzten 
drei  Jahrhunderten  thätig  waren:  eine  Zahl,  die  jedenfalls  zu  niedrig 
gegriflfen  ist.  Von  diesen  kommen  102  auf  die  asiatische  und  113 
auf  die  amerikanische  Seite  des  Stillen  Ozeans,  und  25  sind  in  dem- 
selben zerstreut.  Das  ergiebt  eine  Summe  von  240  (74  Proz.);  die 
pazifische  Welt  ist  somit  in  der  Gegenwart  der  Hauptsitz 
der  vulkanischen  Thätigkeit.  Dagegen  kommen  auf  den  Atlan- 
tischen Ozean  nur  30,  auf  den  Indischen  5,  auf  das  südliche  Eis- 
meer 2,  auf  Europa  mit  dem  Mittelmeere  7,  auf  Afrika  27  und  auf 
das  asiatische  Festland  12. 

Die  älteren  Theorien  legten  besonders  darauf  Gewicht,  daß  die 
meisten  Vulkane  im  Meere  oder  in  der  Nähe  desselben  sich  befinden, 
und  brachten  dies  mit  der  Erfahrung,  daß  Wasserdampf  eines  der 
Hauptprodukte  der  Ausbrüche  ist,  in  ursächliche  Verbindung.  Meer- 
wasser, so  folgerte  man,  müsse  zu  den  unterirdischen  Feuerherden 
dringen,  um  das  Magma  eruptionsfähig  zu  machen.  Diese  Theorie 
läßt  aber  zweierlei  unerklärt  Erstens  die  Thatsache,  daß  Vulkane 
auch  fem  vom  Meere  vorkommen.  Leider  wissen  wir  zu  wenig  von 
jenen  zentralasiatischen  Vulkanen,  die  Bonvalot  und  Prinz  Heinrich 


Die  Tulkanischen  Ausbrüche.  311 


VON  Orleans  in  87^  ö.  L.  und  35  bis  3672^  n.  B.  entdeckten,  um 
uns  auf  sie  hier  berufen  zu  können;   dagegen  können  wir  anflihren 
di^    mandschurischen  Feuerberge  südöstlich  von  Mergen,  also  über 
SOO  km   von   der   Küste  gelegen,   die  nach  der  Angabe  v.  Bicht- 
HOFENs  noch  am  Anfange  des  18.  Jahrhunderts  in  Thätigkeit  waren, 
ferner  die  in  jüngster  Zeit  von  L.  v.  Höhnel  und  Stühlmann  ent- 
deckten, noch  thätigen  Vulkane  Zentralafrikas:  den  Virungo,  südlich 
vom  Albert  Edward -See   und   den  Teleki -Vulkan  am  Südende  des 
Rudolfsees,  die  1100,  bezw.  750  km  vom  Meere  entfernt  sind.     Die 
zweite  Thatsache,   welche  die  ältere  Theorie  ignoriert,   ist  die,  daß 
ausgedehnte  Küstenstrecken  vulkanlos  sind.    Von  Grönland  bis  zum 
Feuerlande  fehlen  die  Vulkane  mit  einziger  Ausnahme  von  West- 
iiidien,  und  das  gegenüberliegende  Gestade  des  Atlantischen  Ozeans 
hat  nur  einige  wenige  Vulkanbezirke  in  Afrika.    Gehen  wir  um  das 
Kap  der  guten  Hoffnung  herum,    so  finden  wir  dieselbe  Armut  bis 
mich  Hinterindien.     Hier   ändern   sich   die  Verhältnisse   mit   einem 
!Male.     Der  große  vulkanische  Sundabogen  leitet  uns  in  den  Stillen 
Ozean  hinüber.     Nirgends    drängen    sich    die  Feuerberge    enger   an 
einander,  als  an  seiner  Westseite.     Von  der  Nordinsel  Neuseelands 
über  die  Neuen  Hebriden,   den  Bismarck- Archipel,  die  Philippinen, 
Formosa,  die  Riu-Kiu,  Japan,  die  Kurilen,  Kamtschatka  reiht  sich 
fast  ununterbrochen  Bogen  an  Bogen.  Den  Norden  schließt  die  Aleuten- 
reihe ab,  dann  folgen  im  Osten  die  amerikanischen  Vulkane  innerhalb 
des  Hochlandsgürtels.    Die  thätigen  Hauptgebiete  der  Gegenwart  sind 
das  mexicanische,  zentralamerikanische,  äquatoriale,  peruanische  und 
chilenische.    Daß  aber  Nordamerika  einst  nicht  zurückstand,  beweist 
das  Kaskadengebirge,  das  zum  großen  Teil  aus  übereinandergelagerten 
Lavaströmen  von  stellenweise  mehr  als  1000  m  Mächtigkeit  besteht, 
deren  Ausbruch  in  die  nach  tertiäre,    zum  Teil   sogar   in   die  nach- 
glaziale  Zeit   fällt;   und   nicht   minder    deutlich    spricht   das   große 
Lavafeld  des  Columbia  und  Snake-River,  das  sich  über  fünf  Längen- 
und  drei  Breitengrade  ausdehnt     In  der  geschichtlichen  Gegenwart 
beschränkt  sich  die  —  wie  es  scheint,  durchaus  gemäßigte  —  Thätig- 
keit   auf  die  Vulkane    der   Alaska- Halbinsel,    auf  den   Elias-   und 
Wrangell-Berg  und  auf  einige  Gruppen  am  Nordende  des  Kaskaden- 
Gebirges   und    der   Sierra  Nevada.     Der   jüngste   Aschenkegel   des 
Lassen  Peak-Gebietes  dürfte  erst  im  17.  Jahrhundert  entstanden  sein.^^ 
Diese  Verteilung  der  Vulkane  an  den  Festlandsrändem  wurde 
uns   erst  verständlich,   seit  Süess  den  inneren  Zusammenhang  der 
vulkanischen  Erscheinungen  mit  den  großen  Dislokationen  aufge- 
deckt hat.   Die  pazifischen  Ränder  werden  von  jungen  Faltengebirgen 
gebildet,  die  atlantischen  und  indischen  von  abgebrochenen  Schollen. 


812  Die  D3mamik  des  Landes. 


Nur  Westindien  und  Hinterindien  mit  den  Sundainseln  machen  eiie 
Ausnahme  im  pazifischen  Sinne^  und  wir  haben  gesehen,  daß  diese 
Gebiete  auch  durch  lange  Vulkanreihen  ausgezeichnet  sind.  "Wir 
können  somit  den  Satz  aussprechen,  daß  der  pazifische  Rand- 
typus  den  Vulkanismus  fördert,  der  atlantische  ihn  hemut. 

Thätige  und  erloschene  Vulkane  —  letztere  allerdings  in  der 
Mehrzahl  —  begleiten  auch  jene  jugendlichen  Faltengebirge,  dif  die 
alte  Welt  in  westlicher  Eichtung  durchsetzen,  aber  gerade  die  löch- 
sten  asiatischen  Ketten,  vor  allem  der  Himalaja  sind  frei  davoi.  Im 
Osten  beginnen  diese  Reihen  mit  dem  Demawend  des  Elbursgtbirges, 
dann  folgen  die  kaukasischen,  armenischen,  kleinasiatiscbdn  und 
griechischen  Vulkane,  endlich  die  der  einzelnen  Zweige  dei  Alpen- 
systems. 

Die  Beziehungen  zwischen  den  Vulkanen  und  den  Fsltenzügen 
sind  sehr  mannigfaltige.  Die  meisten  Cordillerenvullane  sind 
dem  Gebirgskamme  aufgesetzt.  In  Quito,  südlich  von  2*S.,  liegen 
sie  zwischen  beiden  Cordilleren,  überlagern  aber  sowohl  las  krystal- 
linische  Schiefer-  wie  das  Porphyrgebirge,  und  Th.  Wolf  spricht  die 
Ansicht  aus,  daß  sie  erst  nach  dem  älteren  Diluvium  auf  den- 
selben Spalten  entstanden,  aus  welchen  der  alterupäve  Porphyr 
aufgestiegen  war.  In  Mexico  durchziehen  die  Vulksne  quer  das 
Plateau,  und  in  Zentralamerika  schneidet  die  Vulkanreihe  zwischen 
8^48'  und  16^10'  die  Hauptachse  der  Cordilleren,  indem  sie  im 
Süden  auf  der  atlantischen  Abdachung,  dann  auf  dem  Scheitel  des 
Gebirges  und  endlich  auf  der  pazifischen  Seite  auftreten.  Die  vul- 
kanische Linie  ist  also  gegen  Nordwest  bis  Westnordwest  gerichtet, 
aber  die  Feuerberge  erheben  sich  in  Guatemala  aif  Querlinien,  die 
nahezu  senkrecht  die  HaupÜinie  schneiden;  und  auf  jeder  Querlinie  ist 
der  thätige  Vulkan  in  der  Regel  der  dem  Ozean  nächste.  Es  findet 
also  hier  eine  Verschiebung  der  Ausbruchsstellen  gegen  den  pazi- 
fischen Rand  statt.  In  Nordamerika  liegen  Lassen  Peak  und  Mount 
Shasta  zwar  im  Streichen  der  Sierra  Nevada,  aber  nicht  auf  dem 
Kamme,  sondern  an  jenen  Stellen,  wo  das  ganze  Gebirge  einen  Ein- 
bruch erlitten  hat. 

Ahnliche  Beispiele  liefert  auch  die  alte  Welt  Die  kaukasi- 
schen Vulkane  sind  ebenso  dem  Gebirge  aufgesetzt,  wie  die  Üema- 
wend-Solfatara  dem  Eiburs;  letzteres  Gebirge  wird  aber  nach  Teetze 
auch  an  seinem  südlichen  Bruchrande  von  trachytischen  Hügel- 
reihen begleitet.  Das  vulkanische  Gebiet  des  Hegaus  liegt  in  einem 
Einsturzfelde  des  Jura  zwischen  Thayngen  und  Arfüngen.  Auch  die 
Canarischen  Inseln  liegen  im  Streichen  des  Atlas. 

In  Europa   waren   die  inneren  Senkungsfelder  jener  Kettenge- 


Die  vulkanischen  Ausbrüche.  313 

birge,    deren  krystalUnische  Zone  nur  mehr  in  Bruchstücken  vor- 
handen   ist,   ein  Hauptschauplatz  der  vulkanischen  Thätigkeit.    Am 
inneren   Eande  der  Apenninen   ziehen  Vulkane   von  Toskana  bis 
Sicilien.     Solche   sind   die  Trachytberge  Monte  Amiata  und  Monte 
CiminOy  die  Kraterseen  von  Bolsena,  Vico  und  Bracciano,  das  Albaner- 
gebirge bei  Rom,  das  vielleicht  noch  in  geschichtlicher  Zeit  thätig 
war;    die   acht  Vulkane   des   Hemikerlandes   bei    Frosinone,   deren 
Entstehung  nach  Branco  in  die  vor-  oder  altalluviale  Periode  fällt; 
die  Rocca  monfina,   die  tertiären  Vulkane  der  Pontinischen  Inseln, 
die  phlegräische  Gruppe  mit  der  Solfatara  und  dem  Monte  nuovo, 
die  Inseln  Procida,  Vivara  und  Ischia  mit  dem  Epomeo,  der  1302 
den  letzten  Ausbruch  erlebte;  der  Vesuv  und  endlich  die  Liparischen 
Inseln,  von  denen  Stromboli,  Vulcano  und  Lipari  noch  thätig  sind. 
Nur  der  Ätna  und  der  erloschene  Vultur  liegen  an  der  Außenseite 
der  Apenninen  und  bilden  nach  Suess  die  Endpunkte  radialer  Erd- 
bebenlinien.    Am  mediterranen  Bruchrande  des  Atlas  finden  sich 
ebenfalls  insulare  und  kontinentale  Vulkane,  und  in  gleicher  Weise 
ist  die  Innenseite  des  bätischen  Gebirgssystems  von  Cabo  de  Gata 
bis  Cabo  de  Palos  mit  jungen  Eruptivbildungen  besetzt.   Den  inneren 
Rand   der  Karpaten   begleiten   die   vorwiegend   trachytischen  Ge- 
birge von  Schemnitz  und  Eremnitz,  von  Gran,  der  Matrastock^  die 
weinberühmte   Hegyalja,    der   Vihorlat- Gutin -Zug  und  die   ketten- 
förmige Hargita.    Auf  der  östlichen  Bruchseite  der  Alpen  mangeln 
trachytische  und  basaltische  Ausbruchstellen  nicht  gänzlich,  und  die 
Wiener  Thermenlinie  ist  ein  anderer  Zeuge  des  gewaltigen  Einsturzes 
dieser  Gebirgskette.     An  der  Südseite  des  böhmischen  Erzgebirges 
fanden  mächtige  Basaltergüsse  in  der  Neogenzeit  statt  (böhmisches 
Mittelgebirge,  Duppauer  Gebirge),   und   hier  liegen  auch  die  welt- 
berühmten Thermen  von  Teplitz  und  Karlsbad.    Der  Balkan   hat 
ebenfalls   an   seiner   Bruchseite  junge   Eruptivgesteine   und   warme 
Quellen.      In    ähnlichen    Beziehungen    steht    wohl    die    erloschene 
Vulkanreihe   vom  Argäus   bis  zum  Kara-Dagh  zum   Taurus   und 
stehen  vielleicht  die  armenischen  Feuerberge  zum  Kaukasus. 

Genauere  Beziehungen  zwischen  dem  Auftreten  von  Vulkan- 
reihen und  den  orographisch-geologischen  Verhältnissen  lassen  sich 
auch  im  griechischen  und  westindischen  Archipel  nachweisen.  Die 
15  Cykladen-Vulkane,  die  sämtlich  trachytische  Luven  zu  Tage 
förderten,  ziehen  von  Nisyros  über  Santorin  und  Milo  nach  Methana 
und  Ägina,  also  am  Außenrande  des  zu  Inseln  zerstückelten  Gebirges 
und  entlang  einer  Verwerfungsspalte,  wo  das  seichte  Agäische  Meer 
zu  bedeutenden  Tiefen  absinkt.  Wir  verdanken  diese  Deutung  dem 
österreichischen   Geologen  Neümayr;    dagegen    hat   die   Lage   der 


314 


Die  Dynamik  des  Landes. 


Antillenvulkane  schon  L.  v.  Buch  richtig  aufgefaßt,  ohne  zu 
seiner  Zeit  viel  Beachtung  zu  finden,  obwohl  seine  Auffassung  die 
moderne  Theorie  schon  im  Keime  enthält.  Die  Vulkanreihe  zieht 
in  einem  Bogen  von  Grenada  über  Martinique  nach  St  Christoph; 
an  der  konvexen  Außenseite  liegen  von  Tabago  im  Süden  bis  St 
Martin  im  Norden  nur  Inseln,  die  aus  Kalkstein  bestehen.     Sie  sind 

die  Reste  eines  Gebirges,  an  dessen 
Innenrande,  wie  bei  den  Apennin  en  oder 
Karpaten,  die  vulkanische  Thätigkeit 
sich  mächtig  entfaltete.  Schon  diese 
Beispiele  zeigen  uns,  wie  oeben  Faltungs- 
zonen auch  Bruchfelder  von  vulkanischen 
Kanälen  durchzogen  werden.  Aber  auch 
jugendliche  Senkungen  allein,  ohne  Fal- 
tung, erweisen  sich  als  günstig. 

Eines  der  interessantesten  Ergebnisse 
der  jüngsten  Afrikaforschung  ist  die  Ent- 
deckung der  großen  ostafrikanischen 
Grabeneinstürze.  dieSuESS  in  genialer 
Weise  mit  den  erythräischen  und 
Syrischen  Brüchen  verknüpft  hat^- 
Diese  Bruchzone,  die  größte,  die  wir 
kennen,  erstreckt  sich  über  60^  Breiten- 
grade, vom  Nordende  S)Tiens  bis  zum 
Sambesi.  Das  syrische  Glied  beginnt 
mit  der  Bekaa  zwischen  dem  Libanon 
und  Antilibanon,  setzt  sich  dann  fort  in 
der  typischen  Grabensenke  des  Ghor, 
die  unter  dem  Spiegel  des  Meeres  liegt, 
und  endet  mit  dem  Golfe  von  Akaba.  Hier 
stößt  der  Nordnordost  streichende  syrische 
Graben  auf  den  Nordwest  streichenden 
erythräischen,  der  durch  den  Golf  von 
Sues  und  das  Rote  Meer  ausgefüllt  ivird. 
Dazu  rechnet  Süess  auch  noch  die 
niedrige  Landschaft  Afar,  die  neben  er- 
loschenen auch  noch  mehrere  thätige 
Vulkankegel  besitzt  Auch  die  Inseln  sind  hier  vulkanisclie 
Schöpfungen,  und  die  gegenüber  liegende  Küste  Jemens,  sowie  die 
Hadramauts  an  dem  Grabeneinbruche  des  Golfes  von  Aden  sind 
ebenfalls  umfangreiche,  wenn  auch  zum  größten  Teil  erloschene 
Vulkangebiete.      Mit    steilem    Bruchrande    stürzt    das    abessinische 


Pig.  79.     Schematische  Dar- 
steUuDg  der  syrischen,   erythrä- 
ischen u.  ostafrikanischen  Brüche. 
(  •*  Graben ,   ■   mit  Wasser  be- 
deckte Grabenteile,    o  Vulkane). 


Die  vulkanischen  Ausbrüche.  315 

Hochland   nach  Afar   ab;    vom  Vulkan  Dofane   bei  Ankober  führt 
SuEss  die  Bruchzone  hypothetisch  weiter  bis  zum  Eudolfsee,  wo  die 
Entdeckungen   v.  Höhnels   beginnen,   die   weiter  im  Süden    durch 
die  Baumanns   ergänzt  werden.     Der  große  ostafrikanische  Graben 
reicht  mindestens  von  5®  N.  bis  5®  S.,  vielleicht  noch  darüber  hinaus 
bis   zum  Njassasee.     Er  ist  durch  eine  Beihe  abflußloser  Seebecken 
ausgezeichnet,  hat  aber  den  orographischen  Charakter  einer  Graben- 
senke z,  T.  dadurch  eingebüßt,  daß  er  mit  jungeruptiven  Gesteinen 
ausgefüllt  wurde.     Der  thätige  Teleki-Vulkan  ist   schon   früher   ge* 
nannt  worden;  erloschene  Vulkandome,  wie  der  Ngai,  Meru  und  die 
beiden   Bergriesen   Kenia   und   Kilimandscharo    erheben   sich   hier 
oder  auf  Seitenzweigen  des  Einsturzgrabens.     Noch  deutlicher  prägt 
sich    der   zentralafrikanische   Graben   in   der  Bodengestaltung 
aus;  er  enthält  die  Seen  Tanganika,  Albert  Edward-  und  Albert-See, 
und  zwischen  den  beiden  erstgenannten  liegt  die  schöne  Gruppe  der 
Mfumbiro- Vulkane,  von  denen  wir  den  Virungo  ebenfalls  schon  kennen 
gelernt  haben. 

Diese  eigenthümliche  Verteilung  der  Vulkane  auf  den  Fest- 
ländern und  an  deren  Rändern  und  ihr  Auftreten  in  Reihen  legen 
die  Vermutung  nahe,  daß  in  den  weitaus  meisten  Fällen  die  Erup- 
tionen praeexistirende  Spalten  benutzten.  Wir  dürfen  zwar  an- 
gesichts der  Experimente  Daube^jes^^)  nicht  schlechtweg  läugnen, 
daß  hoher  Gasdruck  von  unten  allein  Kanäle  öifnen  könne,  aber 
in  der  Regel  wird  das  Magma  dort  aufsteigen,  wo  durch  Dislo- 
kationen das  Gefüge  der  Erdkruste  zerüttet  ist  Wo 
Schichten  auf  weite  Strecken  niemals  eine  Störung  erlitten  haben,  wie 
in  der  russichen  Ebene,  oder  wo  junge  Tiefländer  allmählich  in  das 
Meer  verlaufen,  wie  an  den  arktischen  Küsten,  da  fehlen  auch  Vulkane. 
Selten  sind  sie  auch  in  älteren  Dislokationsgebieten,  wo  die  meisten 
Wunden  bereits  vernarbt  sind,  wie  uns  die  atlantischen  und  indischen 
Küsten  zeigen.  Beispiele,  wie  die  Vulkane  der  Eifel  und  des  fran- 
zösischen Zentralplateaus,  deren  Ausbrüche  bis  in  die  geologische 
Gegenwart  hineinreichen,  z.  T.  vielleicht  noch  vom  Menschen  mit- 
erlebt wurden,  dürfen  nicht  als  Ausnahmen  betrachtet  werden,  denn 
wir  wissen,  daß  diese  Massive,  obwohl  Bruchstücke  alter  Gebirge,  noch 
in  der  Tertiärperiode  vielfachen  Bewegungen  unterworfen  waren. 

Wir  haben  bisher  die  ozeanischen  Vulkane  außer  Acht  ge- 
laßen, weil  uns  ihre  Beziehungen  zu  der  Tektonik  des  Untergrundes 
natürlich  verborgen  bleiben.  Aber  so  wenig  wir  auch  von  ihnen 
Ibissen,  so  dürfen  sie  in  einem  Gemälde  der  vulkanischen  Erscheinungen 
doch  nicht  fehlen,  denn  schon  der  gewaltige  Anteil,  den  lockere 
Eruptivmassen    an    der  Zusammensetzung   der  Tiefsee-Ablagerungen 


316 


Die  Dynamik  des  Landes. 


nehmen,  spricht  für  ihre  Häufigkeit  Wenn  sie  trotzdem  auf  unsem 
Karten  sehr  in  den  Hintergrund  treten,  so  erklärt  sich  dieß  einfach 
daraus,  daß  wir  von  unterseeischen  Ausbrüchen  nur  zufallig  durch 
ein  vorüberfahrendes  Schiff  Kenntnis  erhalten.  Die  spärlichen  Be- 
obachtungen in  dieser  Beziehung  hat  Rudolph  gesammelt^*  Wir 
ersehen  daraus,  daß  sich  diese  Ereignisse  unter  dem  Meere  in  gleicher 
Weise  abspielen  wie  auf  dem  Lande;  die  eigentümlichste  Erscheinung, 
die  mehr  oder  weniger  hohen  Wassersäulen,  die  sich  über  der  Aus- 
bruchsstelle erheben,  ist  durch  die  Besonderheit  des  Schauplatzes 
bedingt.  Auch  Bodenerschütterungen  fehlen  nicht,  die  sich  dem  Schiff 
als  Stösse  fühlbar  machen ;  dumpfes  Brüllen  macht  sich  vernehmbar, 
Rauch   und  Flammen    erheben    sich  über  das   Wasser,  Asche   und 


Fig.  80.     Submarine  Eruption  bei  PanteUaiia  in  der  Straße  von  SiciUen 
im  Oktober  1891,  nach  Ricco. 


Bimssteinmassen  werden  herausgeschleudert,  manchmal  sieht  man 
auch  große  Stücke  Lava  umhertreiben  (Fig.  80).  Es  ist  schon  an 
früherer  Stelle  dargethan  worden,  daß  die  sog.  Erdbebenflutwellen 
von  unterseeischen  Eruptionen  herrühren. 

Auch  auf  dem  Boden  des  Meeres  bauen  die  zentralen  Aus- 
brüche Kegel  auf,  die  —  wenn  die  Auswurfsmassen  in  einem  gün- 
stigen Verhältnisse  zur  Wassertiefe  stehen  —  endhch  als  Inseln 
über  den  Meeresspiegel  emporsteigen.  Aschen-  und  Schlackenhaufen 
fallen  freihch  bald  wieder  der  Brandung  zum  Opfer,  wie  beispiels- 
weise die  Insel  Ferdinandea  i.  J.  1831,  und  nur  eine  Untiefe  erinnert 
dann  noch  an  ihren  einstigen  Bestand.  Lavaergüße  verleihen  ihnen 
aber  grössere  Festigkeit  und  sichern  ihre  Existenz.   Von  den  Inseln 


Die  vulkanischen  Ausbrache.  317 

<ler  liparischen  Gruppe  (bei  Sicilien)  entstanden  wahrscheinlich 
mehrere  in  der  geschichtlichen  Zeit;  mit  Bestimmtheit  weiß  man  dies 
freilich  nur  von  der  Insel  Vulcanello  (ca.  200  v.  Chr.),  die  im  Mittel- 
alter mit  Vulcano  verwuchs.  Andere  Beispiele  sind  die  Inseln  Joanna 
Bogoslowa  bei  den  Aleuten  (1796)  und  Didica  nördlich  von  den  Phi- 
lippinen (1856).  Die  jüngste  Inselbildung,  von  der  wir  Kenntnis 
haben,  die  1885  entstandene  Falkeninsel  in  der  Südsee  (20*^  19'  S., 
175*^  21^2'  W.),  dürfte  wohl  schon  wieder  verschwunden  sein. 

Gebland  hat  in  seinen  „Vulkanischen  Studien"^*  nachzuweisen 
versucht,  daß  sich  die  vulkanischen  Kräfte  auf  dem  Meeresboden  in 
anderer  Weise  äußern,  als  auf  dem  Festlande.  Seine  Ausführungen 
beruhen  aber  hauptsächlich  nur  auf  der  Annahme,  daß  alle  Korallen- 
inseln auf  unterseeischen  Vulkanbergen  ruhen.  Zwingende  Gründe 
für  eine  solche  Annahme  sind  aber,  wie  wir  an  späterer  Stelle  sehen 
werden,  nicht  vorhanden,  und  damit  entfällt  auch  die  Folgerung, 
daß  die  Vulkane  des  Meeresbodens  in  einer  anderen  Beziehung  zum 
Erdinnem  stehen,  als  die  kontinentalen.  Auch  die  Frage,  ob  der 
Grund  des  oflfenen  Ozeans  oder  die  Räuder  der  Festlandsmassen  mit 
ihren  insularen  Vorposten  in  der  Gegenwart  der  Hauptschauplatz 
der  vulkanischen  Thätigkeit  seien,  muß  noch  als  völlig  unentschieden 
dahingestellt  bleiben. 

Theorie  des  Vulkanismus.  Über  zwei  Punkte  hat  die  Theorie 
Auskunft  zu  geben:  über  die  Herkunft  des  Magmas  und  über  die 
Kraft,  die  es  zum  Aufsteigen  in  der  Spalte  nötigt 

Die  ältere  Theorie  betrachtet  das  Magma  einfach  als  den 
Ausfluß  des  heißflüssigen  Erdkerns.  Dieser  Ansicht  kann  auch  der- 
jenige beipflichten,  der  einen  festen  Zustand  des  Erdinnern  annimmt, 
denn  dieser  aktuelle  Zustand  ist  nur  eine  Folge  des  Druckes  der 
darüberliegenden  Gesteinsmassen  und  muß  in  den  flüssigen  über- 
gehen, sobald  Entlastung  durch  Spaltenbildung  eintritt  ^'  Diese  Er- 
klärung wird  unterstützt  durch  die  geographische  Verteilung  der 
Vulkane,  nötigt  aber  dem  Magma  eine  ganz  passive  Rolle  auf  und 
betrachtet  die  Vulkane  lediglich  als  sekundäre  Begleiterscheinungen 
der  Dislokationen.  Viel  schwieriger  ist  es,  das  Magma  von  einem 
gasförmigen  Erdkern  abzuleiten.  Die  Hypothese  ftihrt,  wie  wir  an 
früherer  Stelle  (S.  11)  auseinandergesetzt  haben,  zur  Annahme  eines 
allmählichen  Überganges  vom  festen  Zustande  an  der  Erdoberfläche 
durch  die  Zwischenstufen  des  plastischen  und  flüssigen  zum  gas- 
förmigen Zustande  im  Innern;  und  die  plastische  Zwischenstufe,  die 
keine  Spaltenbildung  gestattet,  schließt  den  Erdkern  von  jedweder 
Verbindung  mit  der  Oberfläche  ab.    Günther'^  verlegt  daher  ganz 


318  Die  Dynamik  des  Landes 

folgerichtig  die  Laraherde  in  die  Erdkruste  selbst  Auch  aus  zwei 
anderen  Gründen  glaubte  man  abgesonderte  Lavaherde  an- 
nehmen zu  müssen.  Zunächst  lehrt  die  Erfahrung,  daß  selbst  benach- 
barte Vulkane  sich  in  ihrer  Thätigkeit  gegenseitig  nicht  beeiniiusseD. 
Ein  drastisches  Beispiel  bieten  der  Loa  und  Kilauea,  die,  wie  wir 
gesehen,  doch  TöUig  zu  einem  einzigen  Berge  verschmolzen  siml 
Seit  1832  hatte  jeder  Vulkan  neun  Eruptionen,  von  diesen  waren 
aber  nur  drei,  der  i.  J.  1868  streng  und  die  i.  d.  J.  1832  und  185) 
nahezu,  gleichzeitig.  Sind  auch  diese  seltenen  Fälle  nur  Zufall  oder 
treten  beide  Lavaherde  zeitweilig  mit  einander  in  Verbindung?  Die 
letztere  Annahme  ist  bei  zwei  Kamtschatka -Vulkanen,  der  Klju- 
tschewskaja  Sopka  und  dem  Schiweljutsch,  trotz  ihrer  beträchtlichen 
Entfernung  von  einander,  unabweisbar.  Ihre  Eruptionen  i.  J.  1814 
wechselten  so  exakt  mit  einander  ab,  daß  man  keinen  Zweifel  he^ea 
kann,  daß  die  Lava  bald  durch  den  einen,  bald  durch  den  anderen 
Schlot  einen  Ausweg  fand. 

Wurzeln  sämtliche  Vulkane  im  Erdkern,  so  liegt  der  Schluß 
nahe,  daß  Laven  der  gleichen  Periode  die  gleiche,  Laven  verschie- 
dener Perioden  aber  verschiedene  mineralogische  BeschaflFenheit  be- 
sitzen müssen.  In  Wirklichkeit  findet  aber  das  gerade  Gegenteil 
statt.  „Erinnern  wir  uns",  sagt  v.  Fritsch,  „daß  in  den  Jahren 
1865 — 67  auf  dem  engbegrehzten  Gebiete  des  Mittelmeeres  viererlei 
Lava  floß,  jede  von  der  anderen  wesentlich  abweichend,  jede  aher 
im  allgemeinen  dem  Charakter  der  letzten  Ausbrüche  dessell)eD 
vulkanischen  Gebietes  entsprechend,  nämlich  die  Ätnalava  von  1865. 
die  Santorinlava  von  1866,  die  Vesuvlava  vom  März  1866  und  von 
1867 — 68,  und  gleichzeitig  mit  allen  diesen  die  fortdauernden  kleinen 
Ergüsse  des  Stromboli."  Der  Vesuv  hat  basaltische,  die  Phlegräi- 
sehen  Felder  haben  trachytische  Lava ;  von  den  beiden  eng  benacli- 
barten  Eruptionspunkten  des  Monte  Cimino  forderte  der  eine  augil- 
andesitische,  der  andere  nephelin-  und  leucithaltige  Gesteine  zutage. 
Die  Beweiskraft  solchfer  Thatsachen  für  die  Annahme  gesonderter 
Lavaherde  wird  indes  etwas  vermindert  durch  die  andere  Thatsaclie, 
daß  auch  der  Lavacharakter  eines  und  desselben  Vulkans  in  man- 
chen Fällen  dem  Wechsel  unterworfen  ist.  Der  Vesuv  z.  B.  hatte 
früher  eine  trachytische  Periode,  ja  Hekla  und  Krafla  auf  Island 
werfen  abwechselnd  saure  und  basische  Laven  aus,  und  es  ist 
BuNSEN  gelungen,  nachzuweisen,  daß  die  auf  Island  neben  normal- 
trachytischen  und  normalbasaltischen  Gesteinen  vorkommenden  Über- 
gänge sich  in  der  That  auf  Mischung  der  beiden  NormaUaven  zu- 
rückführen lassen.  In  den  älteren  Eruptionen  entdeckte  v.  Kicht- 
HOFEN  das  seitdem  mehrfach  bestätigte  Gesetz,  daß  Propylitgesteine 


Die  vulkanischen  Ausbrüche.   '  319 


die  Ausbruchsthätigkeit  eröffneten,  darauf  Andesit  folgte,  endlich  bei 
abnehmender  vulkanischer  Thätigkeit  Trachyt,  Rhyolith  und  Basalt. 
Die  Annahme  abgeschlossener  Lavaherde  beseitigt  zwar  manche 
Schwierigkeiten,  giebt  uns  aber  dafür  neue  Rätsel  auf.  Wir  müssen 
uns  große  Hohlräume  in  verhältnismäßig  geringer  Tiefe,  gefüllt  mit 
Magma,  denken.  Ist  das  Magma  ein  Überrest  aus  der  Zeit  der 
Erstarrung,  und  aus  welchem  Grunde  konnte  es  sich  flüssig  erhalten? 
Oder  wird  es  an  Ort  und  Stelle  neu  gebildet,  und  durch  welche 
Vorgänge?  Sind  chemische  Prozesse,  an  die  man  besonders  gedacht 
hat.  oder  tektenische  Veränderungen  wirklich  ausreichend,  um  ört- 
lich solche  Wärmegrade  zu  erzeugen,  wie  sie  die  Lava  erfordert? 
Wir  müssen  leider  mit  diesen  Fragezeichen  schließen. 

In  Bezug  auf  die  zweite  theoretische  Grundfrage  herrscht  mehr 
Übereinstimmung.  Von  den  meisten  wird  wenigstens  die  große  Rolle 
anerkannt,  die  der  Wasserdampf  bei  den  explosiven  Ausbrüchen 
spielt,  und  nur  vereinzelt  erheben  sich  noch  Stimmen,  die  auch  dies 
in  Abrede  stellen.^®  Die  Spannkraft  des  Wasserdampfes  ist  es,  die 
die  ursprünglichen  Spalten  erweitert  oder  neue  öffnet  und  Teile  der 
Lava  mit  sich  fortreißt,  um  sie  als  Bomben,  Lapilli,  Sand  oder  Asche 
fallen  zu  lassen.  Zum  Teil  dürfte  das  Wasser  wohl  von  außen  stam- 
men, vom  Grundwasser,  vielleicht  auch,  aber  nur  bei  denjenigen 
Vulkanen,  die  sich  sehr  nahe  der  Küste  befinden,  vom  Meere.  Dazu 
bedarf  es  nicht  großer  Spalten,  es  genügen  auch  die  feinsten  Poren, 
wie  sie  jedes  Gestein  durchziehen.  Selbst  dann,  wenn  das  Wasser 
in  Tiefen  gelangt,  wo  es  vermöge  der  Hitze  sich  in  Dampf  verwan- 
deln muß,  kann  es  noch  durch  Diffusion  das  Magma  durchdringen, 
wie  uns  Versuche  mit  glühenden  Metallen  lehren.  Es  wird  dann 
vom  Magma  absorbiert,  während  kaltes  Wasser,  das  während  eines 
Ausbruches  mit  der  Lava  in  Berührung  kommt,  sich  sofort  von  ihr 
sondert  und  dann  explodiert  Ein  Teil  des  Wassers  mag  vielleicht 
schon  ursprünglich  im  Magma  vorhanden  sein,  und  als  noch  wahr- 
scheinlicher gilt  dies  von  den  übrigen  Gasen.  Schon  der  Umstand, 
daß  sie  bei  dem  Erstarren  der  Lava  in  einer  bestimmten  Reihen- 
folge entweichen,  belehrt  uns,  daß  sie  sich  nicht  indifferent  gegen 
das  Magma  verhalten,  sondern  von  diesem  absorbiert  sind. 

Aber  weiter  dürfen  wir  wohl  nicht  gehen  und  dem  Dampfe  die 
Fähigkeit  zuschreiben,  eine  Lavasäule  aus  unergründlichen  Tiefen 
oft  mehrere  tausend  Meter  über  den  Meeresspiegel  emporzutreiben. 
Sind  doch  gerade  die  Lavaemptionen  dadurch  ausgezeichnet,  daß 
dabei  verhältnismäßig  wenig  Dampf  mitwirkt!  Auch  hier  stehen  wir 
wieder  vor  einem  ungelösten  Rätsel.  Es  ist  die  Vermutung  aus- 
ge3prochen  worden,   daß  die  Kontraktion  der  Erdrinde  das  Magma 


320  «      Die  Dynamik  des  Landes. 


gewissermaßen  ausquetsche,  und  damit  wäre  eine  weitere  Erklärung 
dafür  gewonnen,  daß  Vulkane  besonders  häufig  an  den  Bändern  der 
»Senkungsfelder  auftreten. 

SchlammBprudeL    Neben  den  echten  Vulkanen  nennt  der  Sprach- 
gebrauch auch  „Schlammvulkane",  für  dieGüMBBL^®  die  passendere 
Bezeichnung    Schlammsprudel    (Fig.   81)    Torgeschlagen    hat 
Man  versteht  darunter  Hügel,  die,  wie  die  echten  Vulkane,  das  Pro- 
dukt ihrer  eigenen  Thätigkeit  sind,  aber  nur  aus  thonigem  Schlamm 
bestehen,  der  bei  starkem  Regen  oft  so  völlig  erweicht  wird,  daß  der 
ganze  Hügel  zerfließt.     Auf  dem  Gipfel  befindet  sich  der,  zur  Zeit 
der  Ruhe  meist  mit  schlammigem  Wasser  gefüllte  Krater  mit  den 
Eruptionsöffnungen.    Die  Höhe  ist  in  der  Regel  außerordentlich  ge- 
ring im  Vergleiche  zum  Umfange,  auf  Trinidad  z.  B.  nur  1,3  m.     Zu 
den  höchsten  gehören  der  Macaluba  auf  Sizilien  (49  m)  und  vor  allem 
die  Schlammvulkane  *  der  kaspischen  Region,   wo  dieses  Phänomen 
am  großartigsten  entwickelt  ist.    Neben  hunderten  von  kleinen  Eru]>- 
tionspunkten  zählt  man  zwischen  Baku  und  der  Eurmündung  etn'ä 
30  große  Schlammberge  und  6  vulkanische  Inseln.     Der  Kegel  des 
Osman  Dagh  mißt  sicher  300  m  Höhe,  und  der  Krater  des  150  m 
hohen  Agh-Sibyr  hat  einen  Durchmesser  von  900  m.**^    Perioden  der 
Ruhe,    in   denen  nur  Gas  ausströmt,  wechseln  mit  solchen  heftiger 
Thätigkeit.    Dann  steigen  in  dem  breiartigen  Schlamme  des  Kraters 
große    Blasen    auf,    und    zerspringen   unter    donnerartigem    Getöse, 
wobei   Schlamm,  manchmal  auch  Steine   ausgeworfen  werden.     Der 
Ausbruch  des  Lok-Botan  im  Bakugebiete  am  5.  Januar  1887  war  von 
einer  prächtigen  Lichterscheinung  begleitet,   indem  sich  die  entzün- 
deten Gase    zu    einer   Feuersäule    von    600  m  Höhe   erhoben.     Der 
Schlammstrom,    der   sich  aus  dem  Krater  ergoß,   war  300  m  lang, 
200  m  breit  und  durchschnittlich  2  m  mächtig.     Erdbeben  sind  als 
Begleiterscheinungen  nicht  selten,  auch  spaltet  sich  manchmal  der 
Boden,  und  es  tritt  sogar  Senkung  ein. 

Unter  dem  Begriff  „Schlammsprudel"  hat  man  zwei,  in  ihrer 
orographischen  Erscheinung  zwar  gleiche,  genetisch  aber  verschiedene 
Phänome  zusammengefaßt.  Die  eine  Art,  die  man  als  warme 
Schlammsprudel  bezeichnen  kann,  wird  durch  eine  beständig  hohe 
Temperatur  und  durch  das  Ausströmen  großer  Mengen  von  Wasser- 
dampf charakterisiert.  Sie  sind  nur  vulkanische  Begleiterscheinungen: 
Solfataren  in  der  thonreichen  Umgebung  von  Feuerbergen,  nament- 
lich im  Gebiete  der  Tuffschichten,  und  als  solche  nur  auf  vul- 
kanische Gegenden  (Island,  Zentralamerika,  Celebes,  Luzon,  Neusee- 
land) beschränkt. 

Die  kalten   Schlammsprudel  oder  Salsen  stehen   dagegen   mit 


Die  vulkanischen  Ausbrüche. 


321 


dem  Vulkanismus  in  keinem  direkten  Zusammenhange.  Ihre  Tem- 
peratur erhöht  sich  nur  zur  Zeit  heftiger  Eruptionen,  und  auch 
nur  dann  wird  Wasserdampf  in  größerer  Menge  ausgestoßen.  Sonst 
aber  bildet  Kohlenwasserstoff  90  bis  95%  ^'Uer  exhalierten  Gase. 
Solche  Schlammsprudel  sind  die  unter  dem  Namen  „Mudlumps"  be- 
kannten Inselchen  an  den  Mündungen  des  Mississippi,  die  der  Zersetzung 
der,  in  den  Deltaablagerungen  aufgehäuften  organischen  Substanzen 
und  der  damit  Hand  in  Hand  gehenden  Gasentw^icklung  ihre  Exi- 
stenz verdanken.  Andere  Schlammsprudel  sind  in  ihrem  Vorkommen 
an  das  Vorhandensein  von  Naptha  und  Thonschichten  gebunden; 
ihr  Hauptgebiet  finden  wir  am  Südabhange  des  Kaukasus,  auf  den 
Halbinseln  Taman  und  Kertsch  und  in  der  Umgebung  von  Baku. 
Das  Naphta,  ein  verschiedenartiges  Gemisch  flüssiger  Kohlen- 
wasserstoffe, entsteht  nach  der  herrschenden  Anschauung  durch  die 


Fig.  81. 


Die  Schlammsprndel  von  Turbaco  bei  Carthagena  (ColumbieD) 
nach  A.  von  Humboldt. 


Verwesung  organischer,  zumeist  thierischer  Reste.  Die  Erfahrungen 
in  den  Petroleum distrikten  der  alten  und  neuen  "Welt  haben  aber 
gelehrt,  daß  im  gefalteten  Gelände  die  Aussichten  für  die  Erbohrung 
von  Naphtaquellen  auf  den  Schichtensätteln  viel  günstiger  sind,  als 
in  den  Schichtenmulden,  und  damit  steht  die  Thatsache  in  Ver- 
bindung, daß  die  kaspischen  Schlammvulkane  mit  Ausnahme  eines 
einzigen  alle  reihenweiße  auf  Sattellinien  liegen.  So  stehen  also 
auch  die  Salsen,  wie  die  echten  Vulkane  und  die  solfatarischen 
Schlammsprudel  in  innigen  Beziehungen  zu  den  Dislokationen. 

SupAK ,  PhTsische  Erdkunde.    2.  Aafl.  21 


822  Die  Dynamik  des  Landes. 


Litteraturnachweise.  *  Sgrope,  Über  Valkane,  Berlin  1872  (ncth 
immer  ein  klassisches  Werk);  C.  W.  Fuchs ,  Vulkane  und  Erdbeben,  Lieipzig 
1875;  Dana,  Characteristics  of  Volcanoes,  New  York  1890.  —  •  Braacu, 
Schwabens  125  Vulkan-Embryonen,  Stuttgart  1894.  —  "  Sekiya  u.  Klkdciii,  TLe 
Eruption  of  Bandai-san,  im  Journal  of  the  College  of  Science,  Tokio  18S9.  — 

*  Verbeek,  Rrakatau,  Batavia  1884  (vgl.  auch  Petebhakns  Mitteil.  1886,  S-  lOi.  — 

*  Smith,  The  Eruption  of  Tarawera,  Wellington  1887;  Thomas,  Report  of  the 
Eruption  of  Tarawera  and  Rotomahana,  Wellington  1888.  —  •  Foüqü£,  Santoriu 
et  ses  eruptions,  Paris  1879.  —  ^  Reiss  u.  Stübel,  Geschichte  u.  Beschreibung 
der  vulkanischen  Ausbrüche  bei  Santorin,  Heidelberg  1868.  —  ®  Dana,  s.  h. 
Anm.  *.  —  *  DuTTON,  Hawaian  Volcanoes,  im  4.  Jahresberichte  des  U-  S.  Gi^.- 
logical  Survey,  Washington  1884.  —  **^  Thoroddsen  ,  Die  Vulkane  im  nord- 
östlichen Island,  in  den  Mitteilungen  der  Wiener  Geographischen  Gr«sell9ohaft. 
1891.  —  "  Diller,  A  late  Volcanic  Eruption  in  Northern  California.  Bulleiit 
of  the  ü.  S.  Geological  Survey  1891,  Nr.  79.  —  "  v.  Hohnel,  Rosiwal,  Toila 
und  Süss,  Beiträge  zur  geologischen  Kenntnis  des  östl.  Afrika,  in  den  Denk- 
schriften d.  Wiener  Akad.  d.  Wiss.  1891.  Baümann,  Durch  Massailand  zur 
Nilquelle,  Berlin  1894.  —  "  Daübr^e,  in  Nature,  London  1893,  Bd.  XLVIIL 
S.  226.  --  **  Rudolph,  cit.  S.  207.  —  **  Gerland,  Vulkanische  Studien,  in  den 
Beiträgen  zur  Greophysik  1894.  —  "  Reyer,  Physik  der  Eruptionen  u.  Eruptiv- 
gesteine, Wien  1877.  —  ^^  Günther,  Gedanken  über  das  Wesen  des  Vulkanis- 
mus, im  „Ausland"  1892.  —  "Vgl.  Bornemann  (Über  Schlackenkegel  u-  Laven,  in: 
Jahrbuch  der  preußischen  geologischen  Landesanstalt  1887),  der  sich  auf  analoge 
Vorgänge  beim  Schmelzprozesse  der  Schlacken  in  Hochöfen  beruft.  —  "  GChbei^ 
Das  Eruptionsmaterial  der  Schlammvulkane  von  Patemo,  in  den  Sitzungs- 
berichten der  bayerischen  Akademie  der  Wissenschaften,  Mathem.-physik.  Klase^r 
1879.  —  *®  Sjögren,  Diie  Thätigkeit  der  Schlammvulkane  in  der  kaspischen 
Region  1885—87,  in  den  Verhandlungen  der  russischen  mineralogischen  Gesell- 
schaft, St.  Petersburg  1887. 


Erdbeben.^ 

Erschütterungen  der  Erdoberfläche  können  auch  durch  plötz- 
liches Niederfallen  großer  Massen  auf  dieselbe,  z.  B.  durch  Berg- 
stürze, erzeugt  werden;  aber  man  ptiegt  nur  solche  Erschütterungen 
als  Erdbeben  zu  bezeichnen,  deren  Ursache  unter  der  Oberfläche 
gelegen  ist.  Halten  wir  daran  fest,  so  müssen  wir  auch,  yorläulig 
wenigstens,  jene  Zitterbewegungen  ausschließen,  die  sich  nur  an 
sehr  feinen  Instrumenten  bemerkbar  machen  und  die  man  daher  auch 
als  mikroseismische  Bewegungen  bezeichnet  hat  Man  kennt  sie 
noch  nicht  seit  langer  Zeit^  und  hat  ihnen  bisher  nur  in  Italien  und 
Japan  ein  systematisches  Studium  gewidmet.  Die  Zahl  dieser  Er- 
zitterungen ist  außerordentlich  groß  —  1887  zählte  man  z.  B.  in 
Tokio  222  mikroseismische  Tage  — ;  es  scheint,  als  ob  die  Elrd- 
oberfläche  fast  fortwährend  in  Bewegung  ist,  während  die  landläufige 
Vorstellung  das  feste  auch  für  das  unbewegliche  hält  Über  das 
Wesen  dieser  Oszillationen  sind  die  Ansichten  noch  geteilt;  während 


Erdbeben.  323 


italienische  Forscher  den  Ausgangspunkt  unter  die  Oberfläche  ver- 
legen und  zwischen  Erzitterungen  und  Beben  ^  nur  einen  graduellen 
Unterschied  zulassen,  dabei  aber  auch  den  großen  Einfluß  der  Luft- 
druckschwankungen be- 
tonen^ ist  man  in  Japan 
zur     Überzeugung    ge- 
langt,   daß    der  Wind 
den  Erdboden  und  damit 
auch    das     Instrument 
(Tremometer)  inSchwin- 
glingen     versetzt.        Ist  Fig.  82.     Erdbebenwellen, 

diese    Theorie    richtig, 

so  gehören   die  mikroseismischen  Bewegungen  ausschließlich  in  die 
Kategorie  der  exogenen  Wirkungen. 

Wir  wenden  uns  nun  jenen  Erschütterungen  zu,  die  unzweifel- 
haft von  einer  Stelle  unter  der  Erdoberfläche  ausgehen.  Wir  nennen 
diese  Stelle  das  Zentrum  des  Erdbebens  oder  den  Erdbeben- 
herd. Die  Bewegung,  die  hier  plötzlich  eintritt,  pflanzt  sich  wellen- 
förmig nach  allen  Seiten  fort,  wie  Fig.  82  schematisch,  unter  der 
Voraussetzung,  daß  die  Erdkruste  eine  homogene  Masse  sei,  im 
Querschnitte  darstellt  Die  erste  Welle,  die  an  die  Oberfläche  (00) 
gelangt,  triflFl  diese  genau  in  dem  Punkte  senkrecht  über  dem  Zen- 
trum, im  sog.  Epizentrum  (E).  Indem  dann  die  Wellen  fortschreiten, 
werden  die  Oberflächenpunkte  I,  IT,  HI  u.  s.  w.  berührt.  Die  Stoß- 
richtung wird  durch  die  Radien  der  Wellenkreise  repräsentiert;  der 
Winkel,  den  sie  mit  der  Erdoberfläche  einschließen,  heißt  der 
Emergenzwinkel  («',  e",  €'"u. s.w.).  Dieser  erreicht  im  Epizentrum 
den  Wert  von  90®  und  wird  nach  Außen  hin  immer  kleiner.  Nur 
im  Epizentrum  ist  der  Stoß  vertikal,  in  jedem  andern  Punkte  des 
erschütterten  Gebietes  aber  läßt  sich  die  Stoßrichtung  in  zwei  hori- 
zontale (N.S.  und  O.W.)  und  eine  vertikale  Komponente  zerlegen,  und 
je  weiter  der  betreffende  Punkt  vom  Epizentrum  entfernt,  oder  mit 
anderen  Worten,  je  kleiner  der  Emergenzwinkel  ist,  desto  mehr  über- 
wiegen die  horizontalen  Komponenten  die  vertikale,  und  damit  ändert 
sich  der  Charakter  der  Bodenbewegung,  wie  er  an  der  Oberfläche  zur 
Wahrnehmung  gelangt.  Wo  die  vertikale  Komponente  noch  bedeutend 
ist,  ist  die  Bewegung  eine  stoßförmige  oder  sukkussorische, 
bei  spitzem  Emergenzwinkel  erscheint  sie  uns  wellenförmig  oder 
undulatorisch.    Die  erstere  maoht  sich  als  Stoß  fühlbar,  wodurch 


^  Tremors  und  Eartbquakes  nach  dem  wissenschaftlichen  Sprachgebrauche 
der  Engländer. 

21» 


324  Die  Dynamik  des  Landes. 


oft  Häuser  und  Menschen  emporgeschnellt  und  Leichen  aus  den  Gräbern 
herausgeworfen  werden.  Die  wellenförmige  Bewegung  schreitet  nach 
einer  bestimmten  Richtung  fort,  manchmal  dem  Auge  direkt  sicht- 
bar, meist  aber  nur  erkennbar  aus  der  Sichtung  der  Bisse  und 
Spalten  in  Gebäuden,  aus  der  Lage  umgeworfener  Gegenstände  u.  dgl. 
Aus  der  drehenden  Verschiebung  der  Steine  an  Pfeilern,  Obeüsken 
u.  s.  w.  glaubte  man  früher  auch  auf  eine  rotatorische  Bewegung 
schließen  zu  müssen:  es  hat  sich  aber  herausgestellt,  daß  in  all 
diesen  Fällen  der  Schwerpunkt  und  der  Haftpunkt  der  Steine  nicht 
in  einer  senkrechten  Linie  lagen,  und  unter  solchen  umständen  muß 
auch  ein  rein  seitlicher  Stoß  eine  Drehung  der  Steine  bewirken. 

Bisher  haben  wir  nur  die  seismische  Hauptwelle,  die  vom 
Zentrum  ausgeht,  berücksichtigt;  jeder  Punkt  der  Oberfläche,  der 
von  einem  Stoße  getroffen  wird,  wird  aber  dadurch  selber  wieder 
der  Ausgangspunkt  einer  neuen  Bewegung,  einer  Neben  welle,  die 
sich  in  einer  homogenen  Masse  ebenfalls  kreisförmig  nach  allen 
Seiten  fortpflanzt.  Sie  ist  in  Fig.  82  durch  Pfeile  gekennzeichnet, 
und  man  ersieht  daraus,  daß  das  Epizentrum  nicht  blos  Wellen 
aussendet,  sondern  auch  solche  empfängt. 

lüBtrumente.  Wir  sind  bisher,  um  einige  Hauptbegrifl'e  zu  er- 
örtern, unter  gewissen  vereinfachenden  Voraussetzungen  von  der 
Tiefe  ausgegangen  und  haben  daraus  die  Erscheinungen  an  der 
Erdoberfläche  konstruiert  Die  Erdbebenforschung  geht  aber  den 
umgekehrten  Weg,  denn  zur  Beobachtung  gelangen  nur  die  Ober- 
flächenphänomene,  und  daraus  muß  man  auf  die  Vorgänge  in  der 
Tiefe  schließen.  Erst  in  neuester  Zeit  hat  man  angefangen,  in  dieser 
Beziehung  systematisch  vorzugehen.  Italien,  Japan,  die  Schweiz 
waren  die  ersten  Länder,  die  sich  mit  einem  Netze  seismischer  Be- 
obachtungsstationen überzogen,  und  immer  weiter  breitet  sich  der  Ge- 
brauch von  Listrumenten  aus,  die  allein  exakte  Daten  zu  liefern 
vermögen.  Die  älteren  Instrumente  beruhen  auf  der  Bewegung  von 
Flüssigkeiten.  Viel  empiindlicher  ist  aber  das  Pendel,  das  jetzt  den 
Hauptbestandteil  der  feineren  Instrumente  bildet  Am  einfachsten 
sind  die  Seismoskope,  die  lediglich  die  Thatsache,  daß  ein  Erd- 
beben stattgefunden  hat  und  die  Richtung  desselben  anzeigen.  Das 
Seismometer  giebt  die  wichtigsten  Bewegungsmomente  nach  den 
drei  Komponenten  an  und  ist  in  der  Regel  mit  einem  Seismo- 
graphen verbunden,  der  die  aufeinanderfolgenden  Bewegungen 
selbstthätig  aufzeichnet  Automatische  Vorrichtungen  an  Uhren 
dienen  dazu,  die  Eintrittszeit  der  Beben  genau  zu  fixieren. 

Das  wichtigste  Ergebnis  der  Instrumentalbeobachtung  ist  der 
Nachweis,  daß  die  seismische  Bewegung   eine   äußerst  komplizierte 


Erdbeben.  325 


ist.  Bei  dem  Beben  in  Tokio  am  15.  Januar  1887,  das  wir  als 
Beispiel  anführen  wollen,  waren  alle  drei  Komponenten  deutlich 
entwickelt,  aber  die  vertikale  und  die  horizontalen  erreichten  nicht 
gleichzeitig  ihren  Höhenpunkt,  ja  die  vertikale  Bewegung  hörte  nach 
72  Sekunden  beinahe  ganz  auf,  während  die  horizontalen  noch  fort- 
dauerten; von  diesen  erlosch  zuerst  die  ostwestliche  und  erst  nach 
längerer  Zeit  auch  die  nordsüdliche.  Auch  ihre  Maxima  fielen  nicht 
immer  in  die  gleiche  Zeit,  und  die  östliche  bezw.  westliche  Bewegung 
war  bald  mit  der  nördlichen,  bald  mit  der  südlichen  verbunden. 
Sekiya  hat  nach  den  Aufzeichnungen  dieses  Seismographen  die  Bahn 
eines  Erdteilchens  wähi^end  der  ersten  72  Sekunden  des  Bebens  durch 
ein  Modell  in  großem  Maßstabe  dargestellt;  es  bildet  einen  höchst 
seltsam  verschlungenen  Knoten,  zu  dessen  Erklärung  das  Zusammen- 
und  Gegenwirken  von  Haupt-  und  Nebenwellen  kaum  ausreicht. 
Vor  allem  geht  daraus  hervor,  daß  die  Angaben  der  Stoßrichtung, 
auf  die  man  früher  so  großes  Gewicht  gelegt  hat,  in  der  Regel  nur 
von  problematischem  Werte  sind. 

Dauer.  Die  Dauer  eines  Stoßes  beträgt  meist  nur  wenige 
Sekunden,  aber  es  vergehen  oft  mehrere  Minuten,  bis  das  Zittern 
des  Bodens  aufhört  und  die  Ruhe  völlig  wiederhergestellt  ist.  Selten 
besteht  das  Erdbeben  aus  einem  einzigen  Stoße,  wie  das  rheinische 
im  Jahre  1846;  auch  das  berühmte  Beben  von  Caracas  am  26.  März 
1812,  wo  nur  drei  Stöße  unmittelbar  auf  einander  folgten,  gehört 
zu  den  seltensten  Ausnahmen.  In  der  Regel  treten  zahlreiche 
sekundäre  Erschütterungen  ein,  die  dem  Hauptstoße  teils  vorangehen, 
teils  folgen.  Erstrecken  sie  sich  auf  eine  größere  Zeitdauer,  so 
spricht  man  von  einer  Erdbebenperiode.  Eine  solche  war  das 
Jahr  1783  für  Calabrien;  ja,  die  schwachen  Erschütterungen  dauerten 
noch  über  ein  Jahrzehnt  fort.  Das  Großgerauer  Beben  am  Mittel- 
rhein dauerte  von  1869 — 1873;  vom  Oktober  bis  Ende  1869  zählte 
man  über  600  Stöße.  In  Yokohama  traten  vom  1.  bis  6.  Mai  1870 
123  Stöße  ein,  und  in  Hawaii  betrug  im  März  1868  allein  die  Zahl 
der  stärkeren  Stöße  über  2000. 

Über  die  Abgrenzung  einer  Erdbebenperiode  können  Zweifel 
entstehen.  In  Agram  erwachte  z.  B.  die  seismische  Thätigkeit  nach 
fimig^riger  Ruhe  am  12.  November  1877.  Das  darauffolgende  Jahr 
verfloß  ohne  Erschütterung,  1879  brachte  aber  schon  drei  Beben. 
Am  9.  November  1880  trat  der  Hauptstoß  ein;  darauf  folgten  in 
demselben  Monat  noch  zehn  Erdbebentage.  Der  Dezember  hatte 
deren  acht,  der  Januar  1881  sieben,  der  Februar  zwei,  der  März  drei, 
der  April  einen.  Vom  9.  November  bis  zum  12.  April  dauerte  die 
längste  Pause  nur  28  Tage,   nachher  traten  solche  von  mehreren 


326  Die  Dynamik  des  Landes. 


Monaten  ein,  aber  zeitweise  schwoll  die  unterirdische  Erregung  wieder 
an,  wie  im  August,  September  und  Oktober  1883.  Man  kann  in 
diesem  Falle  die  Periode  mit  dem  12.  April  1881  abschließen  oder 
sie  auch  auf  die  nächsten  Jahre  ausdehnen;  beide  Auffassungen 
lassen  sich  verteidigen,  aber  die  erstere  ist  unzweifelhaft  die  stren- 
gere und  darf  daher  auf  allgemeinere  Zustimmung  rechnen.  Das 
Agramer  Beispiel  lehrt  uns  auch,  daß  innerhalb  einer  Periode  die 
Intensität  mehrfach  wechseln  kann. 

Intensität  und  Wirktingen.  Meßbar  ist  die  Intensität  nur  an 
den  Kurven,  die  der  Seismograph  zeichnet;  für  gewöhnlich  muß 
man  sich  auf  eine  rohe  Schätzung  nach  dem  Gefühl  und  nach  den 
Wirkungen  auf  bewegliche  und  unbewegliche  Gegenstände  beschrän- 
ken. Diesem  Zwecke  dient  die  FoEELsche  Skala,  die  zehn  Inten- 
sitäten unterscheidet.  Der  erste  Grad  kommt  den  mikroseismischen 
Bewegungen  zu,  auch  der  zweite  macht  sich  nur  an  Instrumenten 
bemerkbar.  Grad  3  wird  von  dem  Menschen  nur  unter  besonders 
günstigen  Verhältnissen,  Grad  4  aber  auch  mitten  in  der  Thätigkeit 
beobachtet.  Beben  von  der  Intensität  5  sind  schon  im  stände,  be- 
wegliche Gegenstände  zu  verschieben;  der  sechste  Grad  äußert  sich 
im  Umwerfen  solcher  Gegenstände  und  in  der  Erzeugung  von  Kissen 
an  den  Wänden  und  Decken  der  Häuser.  Steigert  sich  die  Inten- 
sität bis  zum  siebenten  Grade,  so  werden  Gebäude  schon  in  ernst- 
licherer Weise  beschädigt  und  Kamine  stürzen  ein.  Bei  Erschüt- 
terungen vom  achten  Grade  werden  Hütten  und  Stadeln  umgeworfen, 
bei  solchen  vom  neunten  Grade  auch  fest  gebaute  Häuser  demoliert. 
Hier  liegt  der  wunde  Punkt  der  FoBELschen  Skala.  Die  Zerstörung 
von  Gebäuden  —  ein  Merkmal,  das  überdies  nur  auf  bewohnte 
Gegenden  Anwendung  findet  —  ist  nicht  allein  von  der  ursprüng- 
lichen Intensität  des  Stoßes,  sondern  auch  von  dem  Material  und 
der  Orientierung  der  Gebäude,  sowie  von  der  Beschaffenheit  des 
Untergrundes  abhängig.  Es  ist  ein  durch  zahlreiche  Erfahrungen 
gestütztes  Gesetz,  daß  Erdbeben  in  lockerem  Boden  viel  zerstörender 
wirken,  als  in  festem,  vorausgesetzt,  daß  die  Aufschüttungsmassen 
nicht  eine  bedeutende  Mächtigkeit  besitzen.  Ist  letzteres  der  Fall,  so 
wird  der  Stoß  gleichsam  gedämpft  und  dringt  nur  abgeschwächt  an 
die  Oberfläche.  Das  zeigte  sich  z.  B.  ganz  klar  bei  dem  Charlestoner 
Erdbeben  vom  31.  August  1886,  dem  größten,  das  die  Vereinigten 
Staaten  seit  ihrem  Bestehen  erlebt  haben.  Sobald  die  seismischen 
Wellen  das  Alluvialland  des  Mississippi  erreicht  hatten,  nahm  die 
Intensität  rasch  ab.  Ist  die  Erschütterung  schwach,  so  genügt  auch 
eine  leichte  Decke  lockeren  Materials,  um  den  Stoß  aufzuhalten,  so 
daß  man  sagen  kann:    Unter  sonst  gleichen  Verhältnissen  hat  Fels- 


Erdbeben.  327 


boden  mehr,  aber  schwächere  Beben,  als  seichter  Aufschüttungs- 
boden; Aufschüttungsboden  von  großer  Mächtigkeit  dagegen  wenig 
und  schwache  Beben.  ^ 

Erdbeben  vom  höchsten  Intensitätsgrade  (10)  lassen  auch  dauernde 
Spuren  im  Boden  zurück.    Spaltenbildung  ist  eine  gewöhnliche  Er- 
scheinung.  Grundwasser  und  Schlamm  bricht  häufig  aus  den  Spalten 
hervor  und  baut  Schlammkegel  auf,  die  bei  Laien  die  Meinung  er- 
wecken,   es   handle  sich  hier  um  vulkanische  Eruptionen.     Längs- 
spalteo,  oft  von  beträchtlichen  Dimensionen,  sind  am  häufigsten;  bei 
Einstürzen  unterirdischer  Hohlräume  bilden  sich  auch  Radialspalten. 
Wind    und  Wasser   füllen    diese    Öffnungen    zum  Teil    wieder   aus; 
manchmal  schließen  sich  diese  selbst,  wobei  eine  Horizontalverschie- 
bung   der  Ränder   bemerkbar   wird.     Infolge   von  Spaltenbildungen 
versiegen  Quellen  oder  neue  brechen  hervor,  und  Thermen  verändern 
ihre  Temperatur.     Auch  zu  Bergstürzen  geben  Erderschütterungen 
häufig  die  letzte  Veranlassung.     Das  Beben  von  Wernoje  im  Jahre 
1887  entkleidete  die  Thalgehänge  ihrer  Verwitterungsdecke,  die  bei 
den  heftigen  Regengüssen  in  mächtigen  Schlammströmen  sich  über 
den  Thalboden  ausbreitete,   so  daß  nicht  bloß  die  Vegetation  ver- 
nichtet, sondern  auch  die  Physiognomie  der  Thäler  völlig  verändert 
wurde.     Beim  Erdbeben   von  Katsch,   1819,  sank  eine  Fläche  von 
ca.  520  qkm   und  wurde  in   einen  See   verwandelt,    teilweise  üfer- 
senkungen  traten  1865  am  Züricher  See   und  1867   am  Lago  Mag- 
giore   ein,   und   1865    verschwand   bei    einem  Beben   plötzlich    eine 
Insel  der  Maledivenreihe.     Dies  sind  nur  einige  zufällig  herausge- 
griffene Beispiele  von  Bodensenkungen,  während  die  Nachrichten  von 
Hebungen  bei  Erdbeben  einer  sctiärferen  Kritik  nicht  Stand  halten. 
Höchstens  die  tropischen  Cyklonen  und  plötzhche  Überflutungen 
der  Küsten   bewirken   ähnliche   Verheerungen,    wie   die   Erdbeben. 
Nach  einer  amtlichen  Zusammenstellung  wurden  in  Italien  selbst  im 
verhältnismäßig  ruhigen  Jahre  1870  durch  Erdbeben  2225  Häuser 
zerstört,  98  Menschen  getötet  und  223  verwundet.    In  Südamerika 
verloren    1868    ca.    70  000   Menschen    bei   Erderschütterungen    das 
Leben.     Noch  frisch  ist   die  Erinnerung   an  jene  furchtbare  Kata- 
strophe,  die   am  28.  Oktober  1891   die  gartenähnliche  Ebene  von 
Owari-Mino  in  Zentral-Japan  betraf.     7279  Menschen  wurden  ge- 
tötet, 17393  verwundet,  197  850  Gebäude  ganz,  78296  halb  zerstört, 
und  6379  gingen  dabei  durch  Feuer  zu  gründe.    Der  Gesamtschaden 
beziffert  sich  auf  mehr  als  90  Mill.  Mark.^    Das  alles  war  das  Werk 
weniger  Sekunden! 

Manche  Beobachtungen  sprechen  dafür,  daß  die  Intensität  mit 
der  Tiefe   abnimmt     In  den  Bergwerken  von  Essen  spürte  man 


328  Die  Dynamik  des  Landes. 


das  rheinische  Beben  vom  Jahre  1 828  nicht,  und  das  große  Agramer 
Beben  im  Jahre  1880  machte  sich  in  den  Gruben  von  Wies  in 
Steiermark  nur  bis  zu  einer  Tiefe  von  28 — 30  m,  aber  nicht  mehr 
in  Tiefen  von  60 — 120  m  fühlbar.  Um  diese  Frage  zur  Entscheidung 
zu  bringen,  wurden  1887 — 1890  an  der  Station  Tokio  und  in  einer 
unmittelbar  daneben  befindlichen  Grube  von  ö^j  m  Tiefe  systema- 
tische Beobachtungen,  die  sich  aber  nur  auf  die  Horizontalkompo- 
nenten beziehen,  angestellt  Bei  schwachen  Erschütterungen  ver- 
hielten sich  die  Instrumente  an  der  Oberfläche  und  in  der  Tiefe 
ganz  gleich,  und  auch  die  Hauptwellen  bei  stärkeren  Beben  machten 
sich  an  beiden  Stellen  in  gleicher  Weise  bemerkbar.  Ein  Unter- 
schied bestand  nur  in  Bezug  auf  die  kleinen  und  raschen  Vibrationen, 
die  den  Hauptstößen  vorangehen,  indem  sie  die  Tiefe  viel  weniger 
berührten,  als  die  Oberfläche.* 

Areal.  Das  Gebiet  größter  Intensität  an  der  Oberfläche  nennt 
man  das  pleistoseiste;  von  da  nimmt  die  Intensität  mehr  oder 
minder  regelmäßig  nach  allen  Seiten  ab.  Bei  dem  oben  erwähnten 
zentral-japanischen  Beben  von  1891  gelang  es,  die  Areale  der  ein- 
zelnen Intensitätsgrade  genauer  von  einander  zu  scheiden: 

Intensität  10  ll  111  qkm 

„  7—9  44  907     „ 

,,  6  52  315     „ 

4--5  134  722     „ 


Gresamtareal        243  055  qkm 

Man  sieht,  die  Areale  wachsen  mit  abnehmender  Intensität  Da 
aber  die  zerstörende  Wirkung,  wie  wir  gesehen  haben,  von  verschie- 
denen umständen  abhängt,  so  kann  es  uns  nicht  Wunder  nehmen, 
daß  selbst  nahe  benachbarte  Orte  in  verschiedener  Weise  betroffen 
werden,  und  auch  im  pleistoseisten  Gebiete  verhältnismäßig  ruhige 
Stellen  vorkommen  können.  Man  nennt  solche  Örtlichkeiten,  wo 
sich  die  Gewalt  der  seismischen  Wellen  infolge  felsiger  Bodenbe- 
schalfenheit,  vielleicht  auch  infolge  von  Interferenzerscheinungen 
gleichsam  bricht,  Erdbebeninseln  oder  -brücken. 

Die  wirklichen  Grenzen  eines  Erdbebenareals  lassen  sich  nicht 
mit  Sicherheit  ziehen,  denn  außerhalb  der  deutlich  erschütterten 
Fläche  giebt  es  immer  vereinzelte  Orte,  wo  das  Beben  noch  wahr- 
genommen wurde,  und  die  äußersten  Spuren  lassen  sich  nur  am 
empfindlichsten  aller  Instrumente,  am  Horizontalpendel,  wahrnehmen.* 
Erreichten  die  Ausläufer  der  japanischen  Beben  von  1891  und  1894 
doch  sogar  die  Observatorien  von  Wilhelmshaven  und  Potsdam!  Diese 
Unsicherheit  der  äußeren  Grenzen  macht  es  erklärlich,  daß  man  sich 
früher  in  Bezug  auf  die  Ausdehnung  mancher  Beben  übertriebenen 


Erdbeben.  329 


Vorstellungen  hingab.  So  soll  das  berühmte  Lissaboner  Beben  von 
1755  ein  Gebiet  von  3872  ^^^  ^^  betroflfen  haben;  hier  sind 
offenbar  auch  jene  Küstengegenden  mitgerechnet,  wo  nur  große  Flut- 
wellen beobachtet  wurden,  und  Höbnes  reduziert  jene  enorme  Zahl 
mit  Becht  auf  ca.  16^2  MiU«  qkm.  Aus  denselben  Gründen  ver- 
dient auch  die  Angabe  von  ca.  20  Mill.  qkm  für  das  Neuseeländer 
Beben  von  1855  kein  Vertrauen.  Das  ausgedehnteste  Erdbeben  der 
letzten  Jahre  war  das  Gharlestoner  von  1886,  das  eine  Fläche  von 
2,3  MiU.  qkm,  viermal  so  groß  als  das  Deutsche  Reich,  in  Bewegung 
versetzte. 

Areal  und  Intensität  einer  Erschütterung  stehen  nicht  immer, 
wie  man  vermuten  könnte,  in  geradem  Verhältnisse  zu  einander.  Oft 
sind  schwache  Beben  viel  ausgedehnter^  als  starke.  Jenes  von  Ischia 
am  28.  Juli  1883  z.  B.,  das  Casamicciola  vollständig  zerstörte,  reichte 
nicht  über  die  kleine  Insel  hinaus,  während  das  mitteldeutsche  Erd- 
beben von  1872,  das  kaum  irgendwo  den  6.  Intensitätsgrad  über- 
schritt, eine  Fläche  von  1 70  000  qkm  in  Mitleidenschaft  zog. 

Zeichnet  man  die  Verbreitungsgrenzen  eines  Erdbebens  auf  eine 
Karte  ein,  so  erhält  man  verschiedene  Gestalten,  je  nach  der  Ober- 
Hächenbeschaffenheit  der  betreffenden  Gegend  und  der  Gestalt  des 
Epizentrums.  Ist  das  letztere  ein  Punkt,  so  erhält  das  seismische 
Gebiet  eine  mehr  oder  weniger  kreisförmige  Gestalt,  und  wir  sprechen 
dann  von  einem  zentralen  Beben.  Ist  das  Epizentrum  eine  Linie, 
so  entsteht  ein  lineares  Beben  mit  mehr  oder  weniger  eliptischen 
Verbreitungsbezirken.  Kreisförmige,  bezw.  elliptische  Gestalt  müssen 
unter  der  Voraussetzung  gleichmäßiger  Fortpflanzungsgeschwindigkeit 
der  seismischen  Wellen  auch  die  Homo-  oder  Isoseisten  haben, 
jene  geschlossenen  Kurven,  welche  die  Orte  gleichzeitiger  Erschütterung 
miteinander  verbinden.  Freilich  nur  unter  der  Voraussetzimg  völlig 
exakter  Zeitangaben,  eine  Voraussetzung,  die  solange  frommer  Wunsch 
bleibt,  als  nicht  einmal  die  Eisenbahnen-  und  Telegraphenuhren 
einen  gleichmäßigen  Gang  besitzen.  Viel  wichtiger  ist  aber,  daß 
auch  die  Voraussetzung  betreffs  der  Fortpflanzungsgeschwin- 
digkeit nur  in  einer  vollständig  homogenen  Erde  zutrifft.  Eine 
solche  giebt  es  aber  nicht.  Sobald  die  Welle  aus  einem  Gestein 
in  ein  anderes  übertritt,  verändert  sich  —  wie  zahlreiche  Versuche 
lehrten  —  ihre  Geschwindigkeit  Aber  einem  bestimmten  Gestein 
kommt  nicht  etwa  eine  bestimmte  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  zu, 
denn  diese  ist  wieder  abhängig  von  der  Intensität  des  Stoßes  und 
wächst  mit  derselben;  und  außerdem  erzeugt,  wie  aus  den  Experi- 
menten von  FouQtifi  und  LfiVY  hervorgeht,  ein  einziger  Stoß  mehrere 
Wellen   von   verschiedener  Geschwindigkeit,     In  Gebieten   mit   ge- 


330  Die  Dynamik  des  Landes. 


neigten  Schichten  pflanzt  sich  die  Welle  in  der  Streichrichtung  der 
Schichten  schneller  fort,  als  senkrecht  zu  derselben,  und  hier  könneii 
die  Homoseisten  eine  elliptische  Gestalt  annehmen,  selbst  wenn  das 
Beben  ein  zentrales  ist.  Namentlich  hohe  Gebirge  stellen  sich  der 
seismischen  Bewegung  häufig  als  fester  Wall  entgegen;  so  bew^iren 
sich  die  Andes  von  Südamerika  stets  als  Schutz  gegenüber  den 
häufigen  Erschütterungen  an  der  pazifischen  Küste. 

Für  die  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  hat  uns  das  bisherige 
Studium  der  Erdbeben,  wie  nicht  anders  zu  erwarten  ist,  nur  rohe 
Näherungswerte  geliefert.  Sie  schwanken  zwischen  260  und  5200  m 
in  der  Sekunde;  der  letztere  (Charlestoner  Beben,  1886)  bildet  aber 
eine  Ausnahme,  und  sieht  man  davon  ab,  so  dürfte  die  mittlere 
Fortpflanzungsgeschwindigkeit  zwischen  600  und  700  m  liegen.  Das 
gilt  aber  nur  für  das  unmittelbare  Erdbebengebiet;  in  größeren 
Entfernungen  pflanzen  sich  die  Stöße  rascher  fort  Bei 
dem  japanischen  Beben  am  22.  März  1894  wurde  die  Lage  des  Epi- 
zentrums in  43®  N.,  146^0.  ermittelt;  von  da  erreichte  die  Welle 
Tokio  mit  einer  mittleren  Geschwindigkeit  von  2770  m,  Südrußland 
mit  einer  solchen  von  10020  m,  Mittelitalien  mit  einer  solchen  von 
10  390  m.  Rebeub-Paschwitz  schließt  daraus,  daß  sich  die  seis- 
mischen Wellen  nicht  gleichmäßig  vom  Zentrum  nach  allen  Seiten 
fortpflanzen,  sondern  nach  der  Tiefe  schneller,  als  nach  der  Ober- 
fläche zu.® 

Wir  müssen  hier  nochmals  auf  die  schon  angedeutete  Einteilung 
der  Beben  zurückgreifen.     Wir  haben  zu  unterscheiden 

1.  zentrale  Beben:  die  Bewegimg  geht  von  einem  Punkte  aus 
und  pflanzt  sich  wellenförmig  nach  allen  Seiten  fort; 

2.  lineare  Beben:  entlang  einer* Linie  tritt  die  Erschütteruug 
gleichzeitig  ein,  wie  z.  B.  am  26.  März  1872  an  der  Ostseite  der  cali- 
fomischen  Sierra  Nevada  vom  34.  bis  zum  38.  Parallel.  Gerade 
dieses  Beben  griff  aber  auch  zu  beiden  Seiten  der  Hauptlinie  auf 
die  benachbarten  Gegenden  über,  und  nur  innerhalb  dieser  seit- 
lichen Gebiete  kann  von  einer  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  ge- 
sprochen werden.  In  diesei*  zweiten  Kategorie  unterscheidet  man 
¥deder 

a)  Längsbeben,  parallel  mit  dem  Streichen  der  Schichten 
und  Gebirge; 

b)  Qu  er  beben,  die  die  Streichrichtung  in  einem  spitzen  bis 
rechten  Winkel  durchschneiden. 

3.  Flächenbeben:  die  ganze  seismische  Fläche  wird  gleich- 
zeitig oder  nahezu  gleichzeitig   erschüttert     Hier  kann   weder  von 


Erdbeben.  331 


einem  Epizentrum,  noch  von  einer  oberflächlichen  Fortpflanzungs- 
geschwindigkeit mehr  die  Rede  sein.  Die  schweizerischen  Beben 
der  letzten  Jahre  scheinen  alle  dieser  Kategorie  anzugehören,  denn 
noch  niemals  ist  es  gelungen,  ein  Epizentrum  in  imgezwungener 
Weise  zu  finden. 

ürBachen.  Die  Erkenntnis  der  soeben  erwähnten  Verschieden- 
heiten ist  die  wichtigste  Errungenschaft  der  modernen  Erdbeben- 
forschung. Denn  nur  die  oberflächliche  Betrachtungsweise  früherer 
Zeiten,  die  allein  an  den  gleichartigen  Wirkungen  haftete,  konnte 
annehmen,  daß  alle  Erdbeben  einander  gleich  seien,  und  daß  sie  da- 
her auch  alle  eine  gleiche  Ursache  haben  müßten;  und  es  lag  nichts 
näher,  als  sie  ebenso  wie  die  vulkanischen  Eruptionen,  die  sie  in 
der  Regel  begleiten,  auf  das  heißflüssige  Erdinnere  zurückzuführen. 

VoLGEB  war  der  erste,  der  den  modernen  Grundsatz  aussprach, 
daß  Erdbeben  durch  verschiedene  Vorgänge  im  Innern  der  Erde 
erzeugt  werden  können.  Als  solche  Ursachen  hat  man  jetzt  drei 
erkannt:  den  Vulkanismus,  den  Einsturz  unterirdischer  Hohlräume, 
die  durch  die  auslaugende  Thätigkeit .  des  Wassers  in  Kalk,  Salz 
und  Gips  entstanden  sind,  und  Dislokationen. 

Damit  sind  wir  aber  erst  einen  Schritt  weitergekommen.  Eine 
volle  praktische  Bedeutung  erhält  die  genetische  Einteilung  in 
vulkanische,  Einsturz-  und  Dislokationsbeben  erst  dann, 
wenn  man  in  jedem  einzelnen  Falle  mit  Bestimmtheit  die  Ursache 
angeben  kann.  Von  diesem  Ziele  sind  wir  einstweilen  noch  ziemlich 
weit  entfernt 

Wenn  ein  Vulkan  und  seine  nächste  Umgebung  vor  seinem 
Ausbruche  erschüttert  wird,  so  können  wir  diesen  Vorgang  allerdings 
mit  Sicherheit  als  vulkanisches  Beben  bezeichnen.  Aber  schwan- 
kender wird  unser  Urteil,  wenn  ein  Erdbeben  von  gleichen  Eigen- 
schaften, d.  h.  ein  zentrales  und  örtlich  beschränktes,  zwar  auch  in 
einer  vulkanischen  Gegend  auftritt,  aber  ohne  gleichzeitigen  Aus- 
bruch, oder  gar  in  einer  Gegend,  wo  die  vulkanische  Thätigkeit 
schon  als  erloschen  gelten  darf.  Jene  beiden  Eigenschaften,  mit 
verschiedenen  Intensitätsgraden  verbunden,  kommen  auch  den  Ein- 
sturzbeben zu,  und  in  der  That  sind  die  Ischiaer  Erdbeben  in  der 
ersten  Hälfte  der  80  er  Jahre  von  Lasaulx  und  Palmieei  als  Ein- 
sturz-, von  Mebgalli  u.  a.  als  vulkanische  Beben  gedeutet  worden. 
Ja,  es  ist  nicht  einmal  ausgemacht,  ob  nicht  auch  Dislokationen 
zentrale  und  lokale  Beben  hervorrufen  können,  und  es  wird  uns 
daher  nicht  wunder  nehmen,  wenn  z.  B.  Neumatb  das  Kaiserstuhl- 
Erdbeben  V.  J.  1882  für  ein  vulkanisches,  Knop  dagegen  für  ein  Dis- 
lokationsbeben  hält,   oder  wenn  Lasaulx   das  Großgerauer  Beben 


332  Die  Dynamik  des  Landes. 


(1869)  auf  Einsturz  und  andere  Forscher  es  auf  Schichtenstörung  zu- 
rückführen. Seitdem  wir  wissen,  daß  vulkanische  Elruptionen  manch- 
mal gar  nicht  bis  zur  Oberfläche  gelangen,  sondern  in  der  Tiefe 
stecken  bleiben,  und  da  wir  vermuten  dürfen,  daß  auch  diese  Vor- 
gänge Erdbeben  erzeugen,  müssen  wir  mit  R.  Hörnes  den  vulkanischen 
Beben  noch  kryptovulkanische  anreihen,  aber  in  der  Praxis  fehlt 
uns  dafür  jedes  Erkennungszeichen. 

Die  linearen  und  Flächenbeben  sind  so  eigenartig,  so  gänzlich 
verschieden  von  den  nachweisbar  vulkanischen  und  Einsturzbeben, 
daß  man  sie  einer  anderen  Ursache  zuschreiben  muß.  Die  heutige 
Wissenschaft  sieht  in  diesen  Erscheinungen  einen  Beweis  dafür,  daß 
Verschiebungen  in  der  Erdkruste  noch  immer  ihren  Fortgang  nehmen. 
Begründet  wird  diese  Annahme  1.  durch  thatsächliche  Dislokationen 
bei  Erdbeben,  2.  durch  die  Existenz  von  Stoß-  oder  Schütterlinien, 
die  wiederholt  den  Ausgangspunkt  von  Erdbeben  bilden,  3.  durch  die 
geographische  Verbreitung  der  Erdbeben. 

Von  Spaltenbildungen  und  Senkungen  ist  schon  auf  S.  327  ge- 
sprochen worden.  Man  kann  allerdings  einwenden,  daß  man  hier 
Ursache  und  Folge  miteinander  verwechselt,  und  in  vielen  Fällen 
ist  es  in  der  That  schwer  zu  entscheiden,  ob  das  Beben  durch  die 
Dislokation  oder  die  Dislokation  durch  das  Beben  erzeugt  wurde. 
Einige  FäUe  aus  der  jüngsten  Vergangenheit  sind  aber  in  dieser 
Beziehung  so  lehrreich,  daß  wir  sie  nicht  mit  Stillschweigen  über- 
gehen können. 

Bei  dem  Belutschistaner  Erdbeben  am  20.  Dezember  1892  ent- 
stand parallel  mit  dem  Ehadschakgebirge,  an  dessen  Westfuße,  eine 
über  20  km  lange  Spalte,  die  gleichzeitig  mit  Verschiebung  und  Ver- 
werfung verbunden  war.  Man  konnte  dies  um  so  genauer  konsta- 
tieren, als  die  Spalte  die  Eisenbahn  kreuzte.  Diese  neue  Dis- 
lokationslinie fällt  nahezu  zusammen  mit  einer  alten,  die  durch 
eine  Bodensenkung  und  das  Hervortreten  zahlreicher  Quellen  mar- 
kiert ist.® 

Noch  deutlicher  spricht  die  112  km  lange  Spalte,  welche  sich 
bei  dem  großen,  schon  mehrfach  erwähnten  japanischen  Erdbeben 
am  28.  Oktober  1891  öffnete.  Sie  durchschneidet  quer  das  Gebilde 
und  war  ebenfalls  mit  Verwerfung  und  Verschiebung  verbunden  (s. 
Fig.  61  auf  S.  273).  Für  die  Annahme,  daß  sie  Ursache,  nicht  Folge 
des  Bebens  war,  spricht  die  bandartige  Gestalt  des  pleistoseisten 
Gebietes  zu  beiden  Seiten  dieser  Spalte  und  seine  geringe  Breite  im 
Gebirge  (nur  ca.  10  km). 

Bei  dem  lokrischen  Erdbeben  im  April  1894  entstand  eine  etwa 
60  km  lange  Spalte,  welcher  entlang  eine  ausgedehnte  Scholle  des 


Erdbeben. 


333 


niittelgriechischen  Festlandes  gegen  den  Kanal  von  Atlanti  absank. 
Die  Spranghöhe  der  Vervirerfung  schwankt  zwischen  einigen  Zenti- 
metern und  2  m/  Es  war  also  dieses  schwere  Erdbeben  nur  eine 
kleine  Phase  in  dem  großen  Zerstücklungsprozesse,  der  im  südöst- 
lichen Europa  schon  seit  vorgeschichtlicher  Zeit  im  Gange  ist 

Noch  verdient  eine  Beobachtung  in  Sumatra  Erwähnung,  wo 
bei  dem  Erdbeben  am  17.  Mai  1892  Triangulationspfeiler  bis  zu  1  m 
verschoben  wurden.®  Auch  hier  zeigt  sich  wieder,  wie  geringfügige 
Dislotationen  heftige  Erschütterungen  erzeugen  können. 

Viele  solcher  seismischen  Linien  sind  habituelle  Stoß-  oder 
Schütterlinien.     In  den  Ostalpen  und  in  Unteritalien  sind  zwei 
Arten    solcher    Stoßlinien   erkannt   worden.     Eine   peripherische 
Linie     zieht    an 
der  Südseite  der  !J.tLv,3^.r, 

Alpen  vom 
Gardasee  über 
Udine  und  Görz 
bis  Fiume;  Er- 
schütterungen 
sind  in  diesen 
Gebieten      sehr 

häufig  und 
hängen  offenbar 
mit  der,  auch 
im  Gebirgsbaue 
klar  zu  Tage 
tretenden,  all- 
mählichen Ab- 
senkung der  Süd- 
alpen zusammen. 

Noch  schärfer  tritt  der  tektonische  Charakter  der  peripherischen 
Erdbebenlinie  in  Calabrien  und  Sicilien  {AB  in  Fig.  83)  hervor. 
Wir  werden  später  ausführlicher  auseinandersetzen,  wie  die  ganze 
krjstallinische  Innenzone  der  Apenninen  bis  auf  wenige  Reststücke 
zerbrochen  und  versunken  ist  Das  größte  dieser  Reststücke  ist  das 
calabrisch-peloritanische  Gebirge,  und  hier  hegt  die  Schütterlinie 
zwischen  dem  Monte  Cocuzzo,  den  vatikanischen  Bergen  und  dem 
Scyllafelsen  im  Westen  und  dem  Silawalde  und  Aspromonte  im  Osten; 
in  SiciUen  umzieht  sie  das  Peloritanische  Gebirge.  Innerhalb  des 
kreisförmigen  Senkungsfeldes,  dessen  Peripherie  jene  Stoßlinie  bildet, 
liegen  die  liparischen  Vulkane,  von  denen  transversale  (radiale) 
Schütterlinien  ausgehen  (a — f  in  Fig.  83);  an  dem  Endpunkte  einer 


Trtipt-iJH' 


Fig.  83.     Die  Erdbebenlinien  in  Unteritalien  nach  Süss. 


334  Die  Dynamik  des  Landes. 

derselben  befindet  sich  der  Ätna.  Charakteristisch  fiir  die  periphe- 
rische Linie  ist  es,  daß  die  Stoßpunkte  wandern.  Während  de? 
calabrischen  Erdbebens  im  Jahre  1783  befand  sich  das  Zentrum  am 
5.  Februar  in  Oppido,  am  7.  in  Soriano,  am  28.  in  Polia  und  am 
28.  März  in  Girifalco,  war  also  langsam  nach  Norden  vorgerückt. 
Dann  sprang  es  nach  Süden  zurück  und  befand  sich  am  5.  Juni 
wieder  in  der  Nähe  von  Oppido,  bei  Badicena. 

Eine  Reihe  von  Transversal-  oder  Querlinien  sind  auch  iu 
den  Alpen  nachgewiesen,  z.  B.  die  Garda-  und  Etschünie,  die  Lmie 
von  Venedig  bis  Villach,  die  in  ihrer  Verlängerung  die  Mürzliiiie 
trifft,  die  Linie  Triest-Littai  u.  s.  w.  Man  ist  vielfach  der  Ansicht 
daß  diese  Linien  horizontalen  Verschiebungen  entsprechen. 

Der  kräftigste  Beweis  für  die  tektonische  Natur  der  meisten 
Erdbebenliefert  deren  geographische  Verbreitung  (s.  Karte  XYIP. 
Allerdings  sind  unsere  Kenntnisse  in  dieser  Beziehung  äußerst  lücken- 
haft und  die  meisten  bisherigen  Versuche  einer  kartographischen  Dar- 
stellung roh  und  unbeholfen:®  allerdings  können  wir  von  keiner 
Gegend  der  Erde  mit  absoluter  Sicherheit  behaupten,  daß  sie  toII- 
.  kommen  bebenfrei  sei;  aber  soviel  steht  fest,  daß  die  Häufigkeit  und 
Intensität  der  Erdbeben  in  verschiedenen  Gegenden  sehr  verschieden 
ist,  und  daß  die  Hauptgebiete  der  seismischen  Thätigkeit  gerade  die- 
jenigen sind,  welche  in  verhältnismäßig  junger  Vergangenheit  großen 
tektonischen  Umwälzungen  unterworfen  waren.  Wohl  sind  auch  die 
Vulkane  vorzugsweise  an  diese  Gebiete  gebunden,  aber  die  Erd- 
bebenzonen umfassen  viel  größere  Flächen,  ja  manche  der  intensivsten 
Erschütterungsgebiete  sind  gänzlich  frei  von  vulkanischer  Thätigkeit. 

In  Europa  liegen  die  seismischen  Hauptgebiete  innerhalb  der 
alpinen  Zone:  die  Alpen  und  Karpaten,  besonders  das  innerkarpatische 
Senkungsfeld,  Griechenland,  sowohl  die  ägäische  wie  die  jonische 
Seite;  Italien,  besonders  Calabrien,  die  Umgebung  des  Vesuv  und 
Ätna  und  der  mittlere  Apennin;  das  Atlasgebirge,  die  Sierra  Neva^Iu 
und  die  Pyrenäen.  Ausserhalb  liegen  das  Lissaboner  Gebiet  und 
der  junge  oberrheinische  Graben. 

Auch  in  Asien  fäUt  eine  seismische  Hauptzone  mit  dem  Hoch- 
landgürtel vom  Kaukasus  bis  zum  Himalaja  zusammen;  häufige  Er- 
schütterungen suchen  auch  die  Umgebung  des  syrischen  Grabens 
heim,  und  es  ist  beachtenswert,  daß  die  einzigen  namhaften  Erdbeben, 
die  uns  aus  Afrika  südlich  vom  Atlas  gemeldet  wurden,  im  zentral- 
afrikanischen Graben,  am  Tanganika,  vorkamen. 

Anderseits  ist  es  ebenso  beachtenswert,  daß  auf  der  ungestörten 
russischen  Tafel,  besonders  in  der  jungen  arktischen  Tiefebene  und 
in  Westsibirien  Erschütterungen  sehr  selten  und  schwach  sind. 


Erdbeben.  335 


Der  indisch-pazifische  Faltenrand,  der  —  wie  wir  sahen  —  der 
Hauptträger  der  vulkanischen  Thätigkeit  in  der  Gegenwart  ist,  ist 
wohl  zugleich  auch  der  Hauptschauplatz  seismischer  Erschütterungen. 
Japan,  wo  man  im  Durchschnitte  jährlich  auf  600  Erdbeben  rechnen 
kann;  Zentralamerika,  wo  das  Thal  von  San  Salvador  bezeichnender 
Weise  die  Hängematte  heißt;  der  pazifische  Küstenstrich  im  tro- 
pischen Südamerika  haben  ihresgleichen  nicht.  Aber  gerade  hier 
tritt  die  Unabhängigkeit  der  Erdbeben  von  den  thätigen  Vulkanen 
vielfach  in  prägnanter  Weise  zu  Tage.  In  Japan  ist  diese  Thatsache 
schon  lange  bekannt,  die  vornehmsten  Schüttergebiete,  unter  denen 
die  Gegenden  westlich  und  nördlich  von  Tokio  den  ersten  Platz 
behaupten,  liegen  an  der  Ostseite,  dort,  wo  das  Land  steil  zur 
größten  bekannten  Meerestiefe  abstürzt.  Im  vulkanreichen  Zentral- 
amerika sind  nach  Montessus  die  Städte  in  der  Nähe  thätiger 
Feuerberge  minder  bedroht,  als  die  in  der  Nachbarschaft  erloschener; 
und  fiir  Chile  hat  Domeyko  nachgewiesen,  daß  gerade  der  nörd- 
liche Teil,  wo  es  keine  thätigen  Vulkane  giebt,  am  schwersten  unter 
dem  seismischen  Ungemach  zu  leiden  hat. 

Die  atlantischen  Seiten  der  beiden  Landfesten  sind  zwar  durch- 
aus nicht  bebenfrei,  stehen  aber  in  dieser  Beziehung  doch  weit 
liinter  den  pazifischen  zurück. 

Noch  viel  weniger,  wie  von  der  Verbreitung  der  Erdbeben,  sind 
wir  von  den  Seebeben,  d.  h.  den  seismischen  Erschütterungen  des 
Meeresbodens  unterrichtet.  Das  wenige,  was  wir  darüber  wissen,  hat 
Rudolph^**  in  übersichtlicher  Weise  —  auch  kartographisch  —  zu- 
sammengestellt und  einige  wichtige  Schlüsse  daraus  gezogen.  Ihrer 
Wirkung  nach  sind  zwei  Kategorien  zu  unterscheiden:  Seebeben  mit 
und  ohne  Flutbewegung.  Die  ersteren  treten  nur  in  Gesellschaft  von 
unterseeischen  Explosionen  auf,  sind  also  vulkanischer  Natur; 'die 
letzteren  erzeugen  keine  sichtbare  Bewegung,  aber  der  Stoß  pflanzt 
sich  durch  das  Wasser  fort  und  wird  von  einem  zufällig  daselbst 
befindlichen  Schiffe  auch  als  solcher  empfunden.  Nur  wenn  er  senk- 
recht zur  Meeresfläche  gerichtet  ist,  vermag  er  Wasserstrahlen  empor- 
zuschleudera.  Daß  viele  Seebeben  dieser  zweiten  Kategorie  durch 
Dislokationen  verursacht  werden,  scheint  daraus  hervorzugehen,  daß 
es  auch  Seebeben  mit  ausgesprochen  linearer  Verbreitung  giebt;  Ru- 
dolph hat  einen  dieser  Fälle,  das  Seebeben  zwischen  den  Azoren 
und  Madeira  am  22.  Dezember  1884  eingehender  erörtert.  Manchmal 
greift  das  Seebeben  auf  das  Land  über,  das  Epizentrum  liegt  dann 
im  Meere,  wie  so  häufig  bei  den  japanischen  Beben. 

Ebenso  wie  die  Seebeben  fügen  sich  auch  die  Simultanbeben 
der   genetischen   Dreigliederung   ein.     Diese   von   Reyer   glücklich 


336  Die  Dynamik  des  Landes. 


gewählte  Bezeichung  besagt  nichts  anderes^  als  daß  in  zwei  oder 
mehreren  entlegenen  Gegenden  gleichzeitig  Erdbeben  eintraten,  ohnt- 
daß  in  den  dazwischenliegenden  Gegenden  Erschütterungen  wahrge- 
nommen wurden.  Drei  Fälle  sind  hier  denkbar:  1.  die  Simultan- 
beben  sind  völlig  unabhängig  voneinander,  und  die  Gleichzeitigkeit  ist 
lediglich  Zufall,  2.  das  eine  Erdbeben  wird  durch  das  andere  erzeugt, 
3.  beide  werden  durch  eine  gemeinsame  Ursache  hervorgerufen.  Der 
häutig  gebrauchte  Ausdruck  Relaisbeben  paßt  ausschließlich  für 
den  zweiten  Fall;  aber  auch  zugegeben,  daß  manche  Simultanbeben 
Relaisbeben  sind,  so  dürfen  die  letzteren  doch  keineswegs  als  eine 
vierte  Kategorie  in  die  genetische  Einteilung  eingefügt  werden.  An 
dem  Orte  des  sekundären  oder  Relaisbebens  war  die  Disposition  zu 
einem  vulkanischen  Ausbruche,  einem  Einstürze  oder  einer  Dislokation 
jedenfalls  schon  vorhanden,  und  das  primäre  Beben  gab  nur  den  letzten 
Anstoß  zur  Lösung  einer  Spannung^  die  ohne  denselben  noch  längere 
Zeit  sich  erhalten  hätte. 

Einteilung  der  Beben.  Wir  wiederholen  nochmals  die  Einteilung 
der  Beben  nach  den  verschiedenen  Einteilungsprinzipien: 

1.  Nach  dem  Orte:  Erd-  und  Seebeben; 

2.  Nach  der  Form  der  Erdbebenfläche,  bezw.  des  Epizentrums: 
Zentrale,  lineare  und  Flächenbeben. 

3.  Nach  der  Ursache:  vulkanische,  Einsturz-  und  Dislokations- 
beben. 

4.  Nach  der  Intensität:  schwache  (Grad  2 — 4  der  FoRKLschen 
Skala),  mittelstarke  (Grad  5)  und  starke  Beben  (Grad  6—10). 

Kombinieren  wir  die  ersten  drei  Einteilungen,  wobei  wir  Ton 
den  beiden  ersten,  als  den  am  leichtesten  erkennbaren,  ausgehen,  so 
erhalten  wir  als  bisher  beobachtete  Formen: 

1.  Zentrale  Beben: 

a)  Zentrale  vulkanische  £rdbeben,    a)  Zentrale  volkanisohe  Seebeben 

b)  Zentrale  Einsturz-Erdbeben,  ? 

c)  Zentrale  Dislokations-Erdbeben,  ? 

2.  Lineare  Beben: 

d)  Lineare  Dislokations-Erdbeben,     ß)  Lineare  Dislokations-Seebeben 

3.  FiSehenbeben: 

e)  Flächen-Dislokations-Erdbeben,  ? 

Jede  Kategorie  kann  man  dann  wieder  weiter  in  schwache,  mittel- 
starke und  starke  Beben  einteilen,  wobei  man  aber,  wenn  es  sich 
um  die  Charakteristik  eines  Erdbebens  in  seiner  Gesamtheit  han- 
delt, stets  nur  die  Intensität  im  pleistoseisten  Gebiete  zu  berück- 
sichtigen hat. 


Erdbeben.  337 


Tiefe  des  Herdes.  Als  einen  weiteren  Beweis  für  die  tekto- 
nische  Natur  der  meisten  Erdbeben  wird  noch  häufig  angeführt, 
daß  nach  allen  bisherigen  Berechnungen  der  Herd  oder  das  Zen- 
trum der  Bewegung  in  sehr  mäßiger  Tiefe  liegt,  jedenfalls  noch 
innerhalb  der  Kruste  und  daß  der  Erdkern  daher  in  keinerlei 
Weise  an  diesem  Phänomen  beteiligt  sei.  ^ 

Aber  alle  bisher  angewendeten  Methoden  zur  Ermittlung  dieser 
Tiefe  haben  sich  als  unzulänglich  erwiesen. 

Mallet  geht  von  der  Voraussetzung  aus,  daß  die  Spalten  in 
den  Mauern  auf  der  Stoßrichtung  senkrecht  stehen.  Eine  Anzahl 
auf  diese  Weise  ermittelter  Stoßlinien  müssen  sich  im  Zentrum 
schneiden.  Aber  abgesehen  davon,  daß  die  Spaltenrichtung  auch 
durch  die  Bauart  und  das  Baumaterial  beeinflußt  wird  und  daß  man 
daher  stets  eine  mehr  oder  minder  willkürliche  Wahl  unter  den  be- 
schädigten Gebäuden  treffen  muß,  ist  auch,  wie  Wähner  dargethan  hat, 
die  Grundvoraussetzung  Mallets  nicht  zutreffend.  Durch  jede  Erd- 
bebenwelle wird  der  Boden  deformiert  und  mit  ihm  neigen  imd  heben, 
neigen  und  senken  sich  auch  alle  mit  ihm  festverbundenen  Gegenstände, 
wie  ein  ruhendes  Schiff  auf  dem  wellig  bewegten  Wasser.  Diese  Be- 
wegung der  festen  Gegenstände,  sagen  wir  z.  B.  eines  Turmes,  unter- 
scheidet sich  von  der  pendelförmigen  dadurch,  daß  die  Geschwindigkeit 
mit  der  Entfernung  von  der  Gleichgewichtslage  wächst  In  dem  Augen- 


X  Obersicht  der  bisherigen  Berechnungen: 

Lokalität  und  Jahr  (Autor)                        Tiefe  in  m  (abgerundet) 

Rheinland  1S46  (Sghmii>t) 88  800 

Calabrien  1857  (Mallet) 9  300 

Sillein  1858  (Schmidt) 26  300 

Mitteldeutschland  1872  (v.  Ssbbaob) 18  000 

Herzogenrath  1873  (v.  Lasaulx) 11 100 

Herzogenrath  1877  (v.  Lasaulx) 27  100 

Westdeutschland  1878  (v.  Lasaulx  u.  Schxtmachbb)  8  900 

Jokohama  1880  (Milnb) 5  250 

iBchia  1881  (Johw-Lavm) 520 

Ischia  1888  (John-Lavis) 530 

Ischia  1888  (Palmibbi) 3  000 

Andalusien  1884  (Tabamblu) 12  000—13  000 

Andalusien  1884  (Fouqu^) 11  000 

Kaschmir  1885  (Johbs) 12 100 

Bengalen  1885  (Middlbmis) 72  400 

Charleston  1886  (Dütton) •  19  300 

Ligurien  1887  (Tabaiielli) 17  500 

Wemoje  1887  (Muschketow) 5  000—8  000 

Amuri  1888  (Hutton) 82  000 

Bauhe  Alb  1890  (A.  Schmidt) ca.  100 

Konstantinopel  1894  (Eginitis) 34  000 

SupAV,  PhysiBCiie  Erdkunde.    2.  Aufl.  22 


338  Die  Dynamik  des  Landes. 

blicke,  wo  der  nach  rechts  geneigte  Turm  nach  links  in  seine  Gleich- 
gewichtslage wieder  zurückkehren  soll,  hat  er  das  größte  Bestreben, 
sich  weiter  nach  rechts  zu  bewegen  und  dieser  Widerstreit  kommt  io 
der  Lockerung  des  Baumaterials,  in  Spaltenbildung,  oder  wenn  die 
Bewegung  intensiv  genug  ist,  im  Einstürze  des  Gebäudes  zum  Aus- 
drucke. 

Y.  Seebachs  Methode  gründet  sich  auf  Zeitbestimmungen,  also 
schon  an  und  für  sich  auf  sehr  mangelhafte  Daten.  Femer  ist  sie 
nur  auf  zentrale  Beben  anwendbar,  und  endlich  macht  sie  die  in 
der  Natur  durchaus  unerfüllte  Voraussetzung,  daß  sich  die  Erdbeben- 
welle mit  gleichmäßiger  Geschwindigkeit  nach  allen  Seiten  fort- 
pflanze. 

Falb  benutzt  das  mehr  oder  weniger  starke,  oft  donnerartige 
Geräusch,  das  die  Erderschütterungen  begleitet  und  bestimmt  die 
Tiefe  des  Zentrums  aus  dem  Zeitunterschiede  zwischen  dem  Ge- 
räusche und  dem  Stoße.  Man  kennt  aber  weder  die  Fortpflanzungs- 
geschwindigkeit der  Erdbebenwellen,  noch  die  des  Schalles  im  Boden. 

Auch  DüTTONs^*  Methode  findet  nur  auf  zentrale  Beben  Anwen- 
dung. Die  Intensität  bietet  auch  hier  die  Handhabe  zur  Berechncmg, 
aber  in  anderer  Weise  wie  bei  Mallbt.  Sie  wird  nur  von  zwei  Faktoren 
abhängig  gedacht:  von  der  Gesamtenergie  der  Bewegung  und  von  der 
Tiefe  des  Ausgangspunktes.  Eine  ein&che  mathematische  Überlegnng 
führt  dann  zu  dem  Satze,  daß  die  Intensität  in  der  unmittelbarsten 
Nähe  des  Epizentrum  langsam,  dann  gegen  die  Peripherie  zu  immer 
schneller,  endlich  wieder  langsam  abnimmt  Die  Schlußformel  ist 
sehr  einfach.  Setzen  wir  den  Abstand  desjenigen  Oberflächenpunktes, 
wo  die  Abnahme  der  Intensität  ihr  Maximum  erreicht,  vom  Epi- 
zentrum =  ic,  so  ist  die  Tiefe  des  Zentrums  =  x  ^/g.  Auch  in  dieser 
Methode  sind  Voraussetzungen  gemacht,  die  in  Wirklichkeit  nicht 
zutreffen;  die  sekundären  Faktoren,  die  die  Intensität  an  einem  Orte 
modifizieren,  bleiben  unberücksichtigt  und  damit  ist  bei  der  Be- 
stimmung von  X  nicht  nur  dem  Irrtum,  sondern  auch  der  Willkür 
Thür  und  Thor  geöffnet. 

Erdbebenstatistik.  Lange  Zeitglaubte  man,  wie  z.T.  auch  heute  noch; 
der  Statistik  der  Erdbeben  die  Gesetze  dieses  Phänomens  entnehmen 
zu  können.  Unglücklicherweise  leidet  auch  diese  Methode  an  einigen 
erheblichen  Mängeln.  Nur  aus  den  dichter  bevölkerten  Kultur- 
ländern, die  ja  nur  einen  kleinen  Prozentsatz  der  ganzen  Landfläche 
ausmachen,  erhalten  wir  auch  von  schwächeren  Beben  Kunde,  aus 
den  übrigen  Ländern  aber  nur  von  den  heftigsten  Erscheinungen 
dieser  Art,  und  die  Seebeben  entziehen  sich  fast  ganz  unserer  Be- 
obachtung.    Die  Nachrichten  aus  den  früheren  Jahrhunderten  sind 


Erdbeben.  339 


nicht  nnr  außerordentlich  mangelhaft,  sondern  in  manchen  Fällen 
geradezu  gefälscht,  wie  Th.  Wolf  in  Bezng  auf  alle  sogenannten 
vulkanischen  Ereignisse  in  Südamerika  nachwies. 

Man  hat  in  der  zeitlichen  Verteilung  der  Beben  kosmische  und 
meteorologische  Einflüsse  zu  erbUcken  geglaubt  PsfiBBY  suchte  nach- 
zuweisen, daß  sie  bei  den  Syzigien  häufiger  seien,  als  bei  den  Quadra- 
turen des  Mondes,  und  gründete  darauf  die  Theorie,  daß  die  Beben 
nichts  anderes  seien,  als  Fluterscheinungen  des  heißflüssigen  Erd- 
kerns. J.  Schmidt  kam  aber  zu  einem  wesentlich  anderen  Schlüsse. 
Das  Maximum  tritt  allerdings  bei  Neumond  ein,  aber  ein  zweites 
Maximum  auch  zwei  Tage  nach  dem  ersten  Viertel;  zur  Zeit  des 
Vollmondes  (also  ganz  im  Gegensätze  zu  dem  Flutphänomen) 
nehmen  die  Beben  ab  und  sind  am  Tage  des  letzten  Viertels  am 
seltensten.  Zwar  ist  im  Hinblicke  auf  die  Gezeitenbewegung  der 
festen  Erde  (s.S.  17),  die  bei  besonderer  Stärke  der  fluterregenden 
Kräfte  Spannungen  in  den  oberen  Teilen  der  £!rdkruste  zur  plötz- 
Uchen  und  gewaltsamen  Auflösung  bringen  kann,  die  Fluttheorie 
nicht  kurzweg  von  der  Hand  zu  weisen,  aber  ein  alle  Zweifel  aus- 
schließender Beweis  ist  dafür  noch  nicht  erbracht  worden. 

Eine  jahreszeitliche  Periode  tritt  zwar  überall  hervor,  ist  aber 
nur  in  gewissen  Gegenden  schärfer  ausgeprägt.  Streng  vergleichbar 
sind  allerdings  nur  die  Länder,  wo  ein  regelmäßiger  Beobachtungs- 
dienst die  Vollständigkeit  der  Aufzeichnungen  verbürgt,  wie  die 
Schweiz  und  Japan: 

Winter      FrOhling      Sommer        Herbst 

Schweiz,  1880—91  S7,s  22,8  15,t*  25,o  Proz. 

Japan,      1885—90  24,9  25,8  24,o*  25,s      „ 

Betrachtet  man  diese  Zahlen,  so  erhält  man  den  Eindruck,  daß 
es  sich  mit  den  seismischen  Erscheinungen  ebenso  verhält,  wie  mit 
den  Niederschlägen  in  den  Gebieten  gleichmäßiger  Verteilung:  die 
Ursachen  sind- immer  vorhanden,  aber  in  manchen  Zeiten  kommt 
ein  gewisses  Plus  hinzu,  das  die  Häufigkeit  steigert.  Woh^  kommt 
dieses  Plus?  Zur  Eiitscheidung  wäre  eine  ganz  zuverlässige  Beben- 
statistik südhemisphärischer  Länder  notwendig.  Ist  nämlich  dort 
auch  der  nördliche  Sommer  die  bebenärmste  Jahreszeit,  so  kann 
man  an  eine  Plutwirkung  der  erdnahen  Sonne  denken;  fällt  aber  — 
worauf  die  Statistik  einiger  chilenischen  Städte  hindeutet  —  das 
Südhemisphärische  Minimum  in  den  südlichen  Sommer,  so  liegt 
der  Schluß  nahe,  daß  die  Verteilung  des  Luftdruckes  mit  im  Spiele 
ist  Man  könnte  dann  sagen:  Ungleichmäßig  verteilter  Luftdruck, 
d.  h.  starke  Gradienten,  wie  sie  in  mittleren  und  höheren  Breiten 
den  kälteren  Jahreszeiten  eigentümlich  sind,  begünstigen  die  Aus- 

22* 


340  Die  Dynamik  des  Landes. 

lösung  vorhandener  Spannungen  innerhalb  der  Erdkruste.  Wir  haben 
oben  gesehen^  daß  diese  Hypothese  auch  auf  die  mikroseifimischen 
Bewegungen  Anwendung  fand. 

Litteraturnachweise.  ^  Hörnbs,  Erdbebenkunde,  Leipzig  1893.  - 
'  Vgl.  die  Beobachtangen  in  Tokio  in  den  Transactions  of  the  Seismological  Society 
of  Japan,  1890,  Bd.  XITI,  S.  41.  —  »  Koro,  cit  S.  278.  —  ♦  Transactior^ 
of  the  Seismological  Society  of  Japan,  1892,  S.  19.  —  ^  v.  Rebbub-Paschwttz. 
Über  die  Aufzeichnungen  der  Fern  Wirkungen  von  Erdbeben,  in  Petkbmasxs 
Mitteilungen  1893.  Europäische  Beobachtungen  des  japanischen  n.  venezolaEi- 
sehen  Erdbebens  1894,  ebendas.  1895.  —  •  Vgl.  den  Bericht  Greesbachs  in  d. 
Records  of  the  Geological  Survey  of  India,  1893,  S.  57.  —  '  Sküphos,  Die  zw^i 
griechischen  Erdbeben  in  Lokris  1894,  in  der  Zeitschrift  der  Gesellschaft  für 
Erdkunde  in  Berlin,  1894.  —  *  Seismische  Boden  Verschiebung,  in  Peteiuiaks.« 
Mitteilungen  1895,  S.  97.  —  •  Den  ausfuhrlichsten  Erdbebenkatalog  lieferte 
Mallet  (Earthquake  Catalogue,  London  1850),  för  die  Periode  1865—85  Fuchs 
(in  den  Sitz.-Ber.  d.  Wiener  Akad.  d.  Wiss.,  Math.-nat  KL,  1886,  Bd.  92,  Ab- 
teil. I);  eine  wichtige  Ergänzung  bildet  der  Erbebenkatalog  des  russischeo 
Beiches  von  Muschketow  u.  Oblow  (St.  Petersburg  1893).  Grenauere  Erdbeben- 
karten existieren  nur  für  Italien  (von  Tarahelli  in  den  Annali  dell'  Ufficio 
centrale  meteorologico  italiano,  1886,  Bd.  8,  4.  Teil)  und  Japan  (von  Supik  in 
Petermanns  Mitteil.  1893).  In  der  seismischen  Kartographie  fehlt  es  noch  an 
einem  einheitlichen,  wissenschaftlichen  Prinzipe,  das  allerdings  eine  genaue  Erd- 
bebenstatistik zur  Voraussetzung  hat  Ein  darauf  bezüglicher  Versuch  Ton 
F.  de  Montessüs  de  Ballobe  (in  den  Archives  des  sciences  physiques  et  naturelles, 
Genf  1892  u.  94)  dürfte  kaum  auf  allgemeine  Zustimmung  rechnen  können.  — 
"  Rudolph,  cit  S.  207.  —  "  Dutton,  The  Charleston  Earthquake  of  August  31, 
1886,  im  IX.  Jahresbericht  des  U.  S.  Geological  Survey,  Washington  1889. 


Übersicht  der  exogenen  Wirkungen. 

Die  endogenen  Erscbeinangen,  die  wir  bisher  kennen  gelernt 
haben,  sind  zwar  auch  vielfach  mit  Zerstörung  verbunden,  aber 
hauptsächlich  wirken  sie  doch  aufbauend  und  halten  damit  jenen 
Agentien  das  Gleichgewicht,  die,  von  außen  auf  die  Oberfläche 
wirkend,  die  Erhöhungen  abzutragen,  die  Unebenheiten  auszugleichen 
trachten. 

Dieser  Prozess  zerfällt  in  drei  Akte:  Zerstörung,  Abfuhr,  Ab- 
lagerung. Zerstörung  und  Abfuhr  sind  aber  zum  Teil  notwendig 
mit  einander  verbunden,  und  wir  fassen  sie  in  dem  Begriffe 
Destruktion  zusammen.  Die  destruktiven  Kräfte  sind  die  Wärme, 
die  Luft,  das  Wasser  und  die  organische  Welt 

1.   Die  Destruktion. 

a)  Ausschließlich  zerstörend  wirkt  nur  die  Verwitterung;  ihr 
yerfällt  alles,  wenn  auch  in  verschiedenem  Grade,  am  langsamstes 


ÜberBicht  der  exogenen  Wirkungen.  341 

wohl  der  mit  Wasser  bedeckte  Boden.  Die  Verwitterungsprodukte 
bleiben  entweder  an  Ort  und  Stelle  liegen  oder  werden  fortgeführt. 
Auf  diese  Abfuhr  der  Verwitterungsprodukte  beschränken  wir  den 
Ausdruck  Denudation,  wie  es  auch  seiner  Etymologie  entspricht.^ 
Denudierend  wirken  die  Schwerkraft,  das  bewegte  Wasser  und  Eis 
und  die  bewegte  Luft. 

b)  Erosion  im  weitesten  Sinne  des  Wortes  ^^  nennen  wir  die 
Arbeitsleistung  des  hewegten  Wassers  in  flüssiger  und  fester  Form 
und  der  bewegten  Luft.  Auch  sie  ist,  wie  die  Verwitterung,  teils 
ein  chemischer,  teüs  ein  mechanischer  Prozeß.  Die  chemische 
Auflösung  wird  ausschließlich  durch  Wasser  bewirkt,  und  steht  an 
Bedeutung  weit  zurück  hinter  der  mechanischen  Erosion,  d.  h.  der 
gewaltsamen  Loslösung  von  Gesteinsteüchen  durch  die  Stoßkraft  der 
denudierendeu  Agentien.  Eine  genauere  Betrachtung  dieses  Pro- 
zesses führt  zur  Unterscheidung  von  Ablation  und  Corrasion.  Zu- 
nächst werden  nur  lockere  Bestandteile  des  Bodens,  die  dem  Wasser, 
Eise  oder  Winde  im  Wege  liegen,  mitfortgerissen  (Ablation),  aber 
diese  dienen  dem  betreffenden  Agens  nun  gleichsam  als  Feüe,  um 
durch  Beibung  auch  das  feste  Gestein  innerhalb  seiner  Bahn  abzu- 
schleifen und  zu  zerstören  (Corrasion).  Von  der  Verwitterung 
unterscheidet  sich  die  Erosion  schon  dadurch  wesentlich,  daß  ihre 
Zerstörungsprodukte  niemals  an  Ort  und  Stelle  liegen 
bleiben;  auf  die  Loslösung  folgt  unmittelbar  die  Abfuhr,  und  be- 
stünde diese  auch  nur  in  einer  Verschiebung  um  einige  Millimeter. 

Von  den  drei  Destruktionsprozessen  bewirkt  die  Verwitterung 
an  und  für  sich  keine  Veränderung  der  Oberflächenform;  morpho- 
logische Vorgänge  sind  nur  die  Denudation  und  die  Erosion.  Alle 
erosiven  Kräfte  sind  zugleich  denudierend,  denn  die  Denudation 
bildet  ja  nur  einen  Teil  jenes  Prozesses,  den  wir  oben  als  Ablation 
bezeichnet  haben;  andererseits  wirken  aber  nicht  aUe  Denudations- 


X  Wenige  Begriffe  sind  so  schwankend,  wie  der  der  Denudation,  und  das 
fuhrt  zu  schweren  Mißverständnissen.  Anfangs  glaubten  wir  diesen  Ausdruck 
im  allgemeinsten  Sinne  gebrauchen  zu  können;  was  uns  aber  schließlich  doch 
bewog,  dafür  die  neue  Bezeichnung  Destruktion  einzuführen,  war  der  Umstand, 
daß  die  meisten  unter  Denudation  nur  das  subaSrische  Zerstörungswerk  zu- 
sammenfassen und  die  Abrasion  durch  die  Brandung  dazu  in  Gegensatz  stellen. 
Üusere  späteren  Erörterungen  über  die  „Destruktionsflächen''  werden  unser 
Vorgehen  rechtfertigen. 

^  >(  Im  engem  Sinne  spricht  man  nur  von  einer  Erosion  des  fließenden 
Wassers.  Pur  die  Arbeit  der  Brandung  ist  der  Ausdruck  Abrasion  schon 
vielfach  im  Gebrauche.  Die  Winderosion  nennt  Waltheb  Deflation,  die 
Gletschererosion  Exaration;  wir  würden  Detrition  (von  deterere  =  abreiben) 
vorziehen. 


342  Die  Dynamik  des  Landes. 


kräfbe     zugleich    erosiy,    so    die    Schwerkraft    und    der    spulende 
Regen. 

2.    Die  Ablagerung 

ist  die  Kehrseite  der  Zerstörung;   beide  bedingen  sich   gegenseitig. 
Wir  unterscheiden: 

a)  Eluviuin,   Verwitterungsschutt    auf   ursprünglicher   Lager- 
stätte ; 

b)  Alluvium,  Verwitterungs-  und  Erosionsprodukte,  die  durch 
die  denudierenden  Kräfte  an  anderer  Stelle  abgelagert  werden. 

Die  Denudation  ist  periodischen  und  unperiodischen  Ver- 
änderungen unterworfen,  wie  die  Elemente  selbst,  die  dabei  im 
Spiele  sind.  Anders  vollzieht  sie  sich  nachts,  als  am  Tage;  anders 
im  Winter,  als  im  Sommer;  anders  in  den  feucht-kühlen  Perioden 
als  in  den  trocken-warmen.  Tiefgreifender  als  diese  zeitlichen  süid 
die  räumlichen  Unterschiede,  in  denen  sich  die  großen  kUmatischeo 
Gegensätze  der  Länder  widerspiegeln.  Tropen-  und  Polargürtel. 
Regengebiete  und  Wüsten  werden  in  verschiedener  Weise  denudiert, 
und  verschieden  gestaltet  sich  darnach  ihre  Oberfläche.  Penck 
schließt  aus  der  Thatsache,  daß  die  höchsten  Gebirge  den  Tropen 
angehören,  auf  das  Vorhandensein  eines  absoluten  oberien  Denu- 
dationsniveaus, über  das  kein  Gebirge  hinauswachsen  könne,  weil 
es  dann  sofort  der  Abtragung  unterliege,  und  verlegt  dieses  Niveau 
in  eine  Höhe  von  2 — 3000  m  über  der  Schneelinie.  Klimaperioden 
von  langer  Dauer  oder  völlige  Veränderung  des  Elimas  eines  Landes 
sind  daher  von  größter  morphologischer  Bedeutung.  Aber  wenn 
auch  die  Art  der  Denudationsarbeit  rasch  sich  ändert,  so  braucht 
es  doch  lange,  bis  der  ihr  entsprechende  Kelieftypus  den  alten  ver- 
drängt. Noch  begegnen  wir  allenthalben  in  höheren  Gebirgen  und 
unter  größeren  Polhöhen  den  Spuren  der  Eiszeit,  in  Wüsten  den 
Spuren  einstiger  ßegenfüUe,  in  niederschlagsreichen  Gegenden  den 
Spuren  ehemaliger  Trockenheit. 

Als  absolutes  unteres  Denudationsniveau  bezeichnet Pekck 
das  Meeresniveau,  und  in  der  That  kann  kein  Fluß,  kein  Gletscher 
eine  Erhebung  unter  den  Meeresspiegel  erniedrigen,  nur  dem  Winde 
kann  man  unter  besonders  günstigen  Umständen  eine  solche  Fähig- 
keit'zuerkennen.  Auch  jede  Veränderung  der  Meereshöhe  muß  daher 
die  Denudationsarbeit  beeinflussen.  Von  den  absoluten  Denudations- 
niveaus sind  die  wirklichen  zu  unterscheiden,  die  durch  den  höch- 
sten und  tiefsten  Punkt  einer  bestimmten  Landerhebung  repräsentiert 
werden;  aber  stets  bleiben  die  wirklichen  Denudationsniveaus  inner- 
halb der  absoluten. 


Die  Verwitterung.  343 


Die  Verwitterung. 

Der  Verwittenmgsproseß.  Die  Verwitterungskräfte  dringen  nicht 
nur  aUmählich  von  der  Oberfläche  in  das  Innere  einer  Gesteins- 
masse vor,  sondern  finden  ihren  Weg  auch  durch  zahkeiche 
Spalten  und  Risse,  die  in  verschiedenster  Ausdehnung  jedes  Gestein 
durchsetzen.  Bei  Felsmassen,  die  durch  Ablagerung  im  Wasser 
entstanden  sind,  werden  die  einzelnen  Schichten  durch  mehr 
oder  minder  weite  Klüfte  voneinander  getrennt;  besonders  zahlreich 
sind  aber  die  Spältchen  zwischen  den  dünnen  Lagen  der  geschieferten 
Gesteine^  und  namentlich  dann  eröfinen  sich  den  zersetzenden  Agen- 
tien  viele  Eingangsthore,  wenn  die  Schieferung  die  Schichtung 
schneidet  Eruptivgesteine  werden  von  Absonderungsklüften  durch- 
zogen, und  ebenso  werden  sie,  wie  die  Sedimentgesteine,  häufig  von 
Dislokationsspalten  durchsetzt  Infolge  von  Temperaturschwan- 
kungen dehnen  sich  die  Massenteilchen  aus  und  ziehen  sich  dann 
wieder  zusammen,  und  zwar  um  so  intensiver,  je  dunkler  die  Farbe 
und  je  rauher  die  Oberfläche  ist  Risse  und  Sprünge  sind  das  Re- 
sultat dieser  Volumveränderungen;  ja  in  tropischen  Wüstengebieten 
erweist  sich  die  große  tägliche  Wärmeschwankung  als  kräftig  genug, 
große  Gesteinsmassen  völlig  zu  zertrümmern.  In  den  höheren  Breiten 
und  in  den  Hochgebirgen  der  warmen  Zone  spielt  der  Frost  eine 
ähnliche  Rolle.  Das  gefrierende  Wasser  in  den  Spältchen  und 
Klüften  des  Gesteins  dehnt  sich  aus  und  löst  dieses  in  scharfkantige, 
unzersetzte  Fragmente,  oft  von  kolossalen  Dimensionen  auf.  Von 
geringem  Einflüsse  ist  der  Blitz,  der  nur  Löcher  und  Schrammen- 
steme  erzeugt,  ohne  sich  weiter  an  der  Zertrümmerung  der  Felsen 
zu  beteiligen.^ 

Hand  in  Hand  mit  dieser  mechanischen  Auflösung  geht  die 
chemische  Zersetzung,  d.  h.  die  Veränderung  der  Substanz  des  Ge- 
steins durch  die  Einwirkung  von  Sauerstoff,  Kohlensäure  und  Wasser. 
Wir  nennen  diesen  Vorgang  mit  Roth^  die  einfache  Verwitterung. 
Keine  Kalksteine  und  Dolomite,  Anhydrit  und  Gips,  Salz  (Chlor- 
natrium) und  andere  Mineralien,  die  aber  beim  Baue  der  Erdrinde 
sich  nicht  in  so  hervorragender  Weise  beteiligen,  werden  durch 
kohlensäurehaltiges  Wasser  vollständig  gelöst  und  fortgeführt  Von 
den  anderen  Mineralien  werden  nur  einige  Bestandteile  entweder 
direkt  aufgelöst  oder  in  lösliche  Verbindungen  umgewandelt,  während 
ein  unlöslicher  Rest  als  Verwitterungserde  zurückbleibt,  und  nun 
unter  Umständen  der  mechanischen  Abtragung  unterliegt.    Diesem 


344  Die  Dynamik  des  Landes. 


Prozesse  unterliegen  vor  allem  die  thonerdehaltigen  Silikatgesteine,  die 
neben  den  kalkigen  Gesteinen  einen  Hauptbestandteil  der  Erdkruste 
bilden.  Der  Rückstand  ist  mehr  oder  weniger  reine  Thonerde, 
die  allein  der  Vegetation  eine  dauernde  Wohnstätte  bieten  kaniL 
Es  muß  übrigens  betont  werden,  daß  auch  der  Kalkstein  in  zahl- 
reichen Fällen  Beimengungen  von  Thonerde  enthält,  die  bei  der  Ver- 
witterung ebenfalls  zurückbleibt 

Die  durch  die  einfache  Verwitterung  erzeugten  Lösungen  wirken 
ebenfalls  zersetzend  auf  die  Gesteine  ein.  Roth  nennt  diesen  Vor- 
gang die  komplizierte  Verwitterung.  Auch  die  Pflanzen  betei- 
ligen sich  in  hervorragendem  Maße  an  dem  Zerstörungsprozesse.  Im 
lebenden  Zustande  sind  ihre  Wurzeln  imstande,  vermöge  ihrer  orga- 
nischen Säuren  durch  Endosmose  mineralische  Bestandteile  zur 
Nahrung  in  sich  aufzunehmen.  Beim  Absterben  entwickeln  sich  die 
sog.  Humussäuren,  die  sich  mit  den  im  Pflanzenkörper  vorhande- 
nen Alkalien  zu  humussauren  Alkalien  verbinden  und  ebenfalls 
lösend  und  zersetzend  auf  das  Gestein  einwirken.  Auch  scheinbar 
nackte  Felsen  unterliegen  ihrem  Einflüsse.  In  den  Alpen  und  Pyre- 
näen, in  den  Vogesen  utid  in  der  Auvergne  fand  Muntz'  nicht 
bloß  die  Felsflächen,  sondern  sogar  die  feinsten  Gesteinsporen 
mit  mikroskopischen  Organismen  bedeckt,  die  ihren  Kohlen-  und 
Stickstofi'bedarf  unmittelbar  der  Luft  entnehmen  und  bei  ihrem  Ab- 
sterben diese  Stoffe  dem  Gestein  üborlassen.  Das  Faulhom  in  der 
Schweiz  ist  von  solchen  nitrifizierenden  Organismen  bis  in  den  Kern 
hinein  durchfressen.  Auf  diese  Pioniere  der  Humusbildung  folgeu 
nun  niedere  Pflanzen,  die  ihren  Stickstoff  bedarf  aus  dem  Boden 
beziehen.  Winde  führen  die  Keime  von  Schorfflechten  herbei,  die 
an  der  befeuchteten  Felsfläche  kleben  bleiben  und  ohne  eigentiiche 
Wurzeln  festen  Fuß  fassen.  Bald  bedecken  diese  den  Felsen  mit 
farbigen,  staubartigen  Überzügen  und  zerstören  allmählich  durch  ihre 
Verwesungsprodukte  ihren  mütterlichen  Boden.  So  arbeiten  viele  Gene- 
rationen mikroskopischer  Organismen  an  der  Herstellung  einer  Erd- 
krume, die  endlich  auch  weniger  genügsame  Pflanzengeschlechter 
ernähren  kann,  während  die  ursprüngliche  Vegetation  immer  mehr 
an  Boden  verliert.  Je  mächtiger  die  Erdkrume  wird,  desto  dichter 
und  mannigfaltiger  wird  die  Pflanzendecke,  bis  endlich  auch  B&iune 
sich  ansiedeln,  die  durch  ihre  tieftreibenden  Wurzeln  teils  mecha- 
nisch, teils  chemisch  das  Zerstörungswerk  vollenden. 

So  arbeiten  Luft,  Wasser  und  Pflanzen  seit  ungezählten  Jahr- 
tausenden gemeinsam  an  der  Umgestaltung  der  Erdoberfläche.  Modi- 
fiziert wird  aber  dieser  Prozeß  durch  die  verschiedenen  klimatischen 
Bedingungen  und  durch  die  Lagerungsverhältnisse  des  Gesteins.  J^ 


Die  Verwitterung.  345 


geneigter  die  Schichten,  je  reicher  die  Eruptivgesteine  an  Absonde- 
rongsklüften  sind,  desto  rascher  geht  die  Verwitterung  vor  sich.  Die 
Gebirge  sind  daher  vor  allem  der  Sitz  der  zerstörenden  Kräfte,  auch 
deshalb,  weil  sie  unter  allen  Umständen  regenreicher  sind  als  die 
Ebenen.  In  den  Eisregionen  der  Hochgebirge  und  in  der  Polar- 
zone schützt  die  Gletscherdecke  vor  den  Angriffen  der  Atmosphä- 
rilien, aber  in  um  so  höherem  Grade  unterliegen  die  nackten  Felsen 
der  zertrümmernden  Gewalt  des  Frostes. .  In  der  warmen  Zone  fehlt 
dieses  Agens,  aber  um  so  kräftiger  wirken  hier  die  tropischen 
Regengüsse  und  die  dichte  Vegetation.  Wo  die  Niederschläge  ge- 
ring sind,  ist  der  mechanische  Einfluß  des  Temperaturwechsels  um 
so  größer,  während  anderseits  die  geringe  chemische  Zersetzung 
stellenweise  auch  die  Erhaltung  der  feinsten  Oberflächenformen 
möglich  macht.  Th.  Fuchs  fand  z.  B.  auf  dem  Isthmus  von  Snes 
noch  Wellenschlagspuren  in  der  Umgebung  der  Bitterseen,  und 
Bäderspuren  im  Sande  des  Eabretplateaus  waren  noch  nach  zwölf 
Jahren  unverwischt  So  hat  jedes  Klimagebiet  seine  eigentümliche 
Verwitterungsform,  die  dem  Relief  ein  charakteristisches  Gepräge 
verleiht 

Bodenarten.^  Unter  allen  Umständen  ist  es  aber  das  Ziel  der 
Verwitterungskräfte,  den  festen  Felsen  in  Steinschutt  (Blöcke,  Ge- 
rolle, Grus  und  Sand)  aufzulösen.  Dieser  bildet^den  sog.  Geröll- 
oder Schuttboden.  Schreitet  die  chemische  Zersetzimg  weiter  fort, 
80  entsteht  die  pulverartige  Erdkrume,  das  letzte  Verwitterungs- 
produkt aller  thonerdehaltigen  Mineralien.  Steinschutt  in  Verbin- 
dung mit  Erdkrume  giebt  den  sog.  Mineral-  oder  Rohboden,  der 
nach  seiner  Zusammensetzung  und  daher  auch  nach  seiner  landwirt- 
schaftlichen Brauchbarkeit  in  mehrere  Arten  eingeteilt  wird.  Be- 
steht die  ganze  Bodenmasse  aus  mindestens  80  Prozent  Sand,  so 
nennt  man  ihn  Sandboden.  Thonboden  enthält  wenigstens 
65  Prozent  Thonsubstanz,  Lehmboden  ist  ein  Gemenge  von  Thon 
und  sehr  feinem  Sand,  und  Mergelboden  ein  Gemisch  von  höchstens 
75  Prozent  Thon  und  wenigstens  15  Prozent  Kalk  nebst  verschie- 
denen anderen  Beimengungen.  Mit  dem  Rohboden  vermischen  sich 
mehr  oder  weniger  Pflanzenreste;  besteht  wenigstens  die  Hälfte  des 
Bodens  aus  festen  Humussubstanzen  und  der  Rest  aus  anderen  Erd- 
arten^  so  wird  er  als  Humusboden  bezeichnet.  Bei  der  Bildung 
desselben  sind  —  wie  Dabwin*  nachgewiesen  hat  —  die  Regen- 
würmer in  hervorragender  Weise  beteiligt  Indem  sie  unglaubliche 
Massen  Erde,  mit  Vegetabilien  gemischt,  verschlingen  und  wieder 
ausscheiden,  werden  immer  neue  Oberflächen  der  Einwirkung  der 
Kohlen-   und  Humussäuren   preisgegeben  und  die  Zersetzung  wird 


H46  Die  Dynamik  des  Landes. 

dadurch  außerordentlich  gefördert^  In  den  Tropen  geht  dieser  Prc>- 
zeß  mindestens  dreimal  so  schnell  vor  sich,  als  in  England.  Ameisen 
sind  die  eifirigsten  Helfershelfer  der  Regenwürmer,  namentlich  in 
trockenen  Gegenden,  und  auf  den  Eoralleninseln  üben  verschiedene 
Krebse  dieselbe  geologische  Thätigkeit-  aus.®  Nicht  kultur&hig  ist 
der  allerdings  selten  vorkommende,  reine  Kalkboden,  ebenso  wie 
der  nur  aus  Quarzsand  zusammengesetzte  Boden,  denn  unter  allen 
Umständen  ist  der  Pflanzenwuchs  an  das  Vorhandensein  von  Thon- 
erde  gebunden.  Die  Mächtigkeit  des  Gesamtbodens  (Humus-  und 
Rohbodens)  ist  sehr  verschieden;  für  die  meisten  Kulturgewächse 
sind  nur  die  obersten  30  —  60  cm  maßgebend,  nur  die  Waldbäume 
treiben  ihre  Wurzeln   beträchtlich  tiefer. 

Gebiete  vorherrschender  Denudation.  Auf  völlig  horizontalem 
Felsboden  häufen  sich  die  Verwitterungsprodukte  an;  nur  die  feinsten 
können  vom  Winde  fortgeführt  werden.  Ist  der  Boden  aber  — 
wie  dies  in  der  Regel  der  Fall  ist  —  geneigt,  so  bemächtigt 
sich  das  fließende  Wasser  (und  das  Eis)  des  Schuttes,  und  bei 
stärkerer  Neigung  auch  die  Schwerkraft  Davison  beobachtete 
auch  ein  langsames  Äbwärtskriechen  des  Gehängeschuttes,  das  er 
auf  Ausdehnung  und  Zusammenziehung  infolge  wechselnder  Tempe- 
ratur zurückführt.'  Man  unterscheidet  daher  eine  trockene  und 
eine  nasse  Abfuhr,  wenn  auch  in  der  Natur  gewöhnlich  beide  zu- 
sammenwirken. Das  Endziel  des  Denudationsprozesses  ist  die  Bloß- 
legung des  verwitterten  Felsbodens,  wodurch  den  Atmosphärilien 
wieder  neue  Angriffspunkte  geboten  werden. 

Es  giebt  Gebiete,  in  denen  die  Abtragung  der  V^erwitt^nmg 
das  Gleichgewicht  hält  und  es  daher  niemals  zur  Bildung  eines  Ver- 
witterungsbodens kommen  kann.  Reichliche  Niederschläge  und  starke 
Neigung  des  Bodens  sind  notwendige  Vorbedingungen  dieses  Vorganges, 
der  daher  hauptsächlich  nur  auf  die  steilen  Abhänge  der  Gebirge  be- 
schränkt ist  In  den  gebirgigen  Teilen  des  Festlandes  finden  die  zer- 
störenden Kräfte  den  freiesten  Spielraum.®  Schafft  die  Erosion  die 
Gegensätze  von  Berg  und  Thal,  so  arbeitet  die  Verwitterung  vorwiegend 
an  der  Form  der  Gipfel  und  Gehänge.  Je  steiler  die  Schichten  aufge- 
richtet sind,  je  zahlreicher  die  Spalten,  je  verwitterbarer  die  (Jesteine, 
desto  ruinenhafter  erscheinen  die  Kämme  und  Gipfel.  Bei  der  unend- 
lichen Mannigfaltigkeit  ihrer  Formen  muß  man  freilich  auf  einfache 
morphologische  Gesetze  verzichten,  nur  von  einigen  besonders  auf- 


^  So  wurde  z.  B.  in  der  Nähe  von  Maer-Hall  innerhalb  zehn  Jahren  ein 
sandigeB  Grasfeld  mit  einer  50  mm  dicken  Humassehicht  fiberkleidet 


Die  Verwitterung. 


347 


lallenden  Typen  kann  hier  die  Rede  sein.  Wirkt  die  Verwitteining 
gleichförmig  in  allen  Richtungen,  und  setzt  ihr  das  Gestein  keinen 
großen  Widerstand  entgegen,  so  entstehen  die  schönen,  regelmäßig 
gebildeten  Kuppenformen,  wie  sie  manche  Massengesteine  (Porphyre. 
Granite,  Gabbros  u.  s.  w.)  zeigen.  Sind  die  Klüfte  aber  zahlreich, 
so  lösen  sich  die  Gipfel  häufig  in  unförmige  Blockhaufen  auf  (Fig.  84). 
Felsenmeere  nennt  man  sie,  wenn  sie  eine  größere  Ausdehnung  er- 
reichen. Die  große 
Mehrheit  der  Pyre- 
uä^ngipfel    sind   nach 

Leymerie  solche 
Trümmerhaufen;  nicht 
bloß  die  Granit-,  son- 
dern auch  die  Kalk- 
berge. Werden  im 
Laufe  der  Zeit  Blöcke 

weggeführt,  so  bildet  pj^  g^  Schwarzhorn  im  Wallia  (3207m)  nach  Heim. 
der  Rest  oft  Säulen- 
ruinen, wie  z.  B.  der  Plöckensteingranit  im  Böhmer  Wald  (s.  Fig.  85) 
oder  der  Sandstein  in  den  Vogesen  und  der  Sächsischen  Schweiz. 
Manche    Bergspitzen    sind   so   verwittert,    daß    man    —    um    mit 


Fig.  85.     Königstein. 

Heim  zu  reden  —  „mittels  Hebeeisen  den  ganzen  Gipfel  schleifen 
könnte,  ohne  einen  zusammenhängenden  festen  Block  von  einem 
Meter  Durchmesser  zu  finden".  Mit  Recht  tragen  viele  derselben 
Namen,  wie  „Fauler**,  „Faulberg*',  „Faulhom"  und  dergleichen.  In 
den    Zonen   der   oft    senkrecht    stehenden   krvstallinischen  Schiefer 


348 


Die  Dynamik  des  Landes. 


sind  wild  zerrissene  Kämme  und  kühn  geformte  Gipfel  sehr  hautig 
(Fig.  86),   aber   es  fehlt   auch   nicht   an  Beispielen   vom    entgegen- 


Fig.  86.     Aclettagrat  nach  Heim. 
gesetzten  Extrem.     So  bildet  der  leicht  verwitterbare  Thonschiefer 


Fig.  87.     Mythen  nach  Heim,     (a*  fester  Kalkstein,  b  Schiefer  oder  Flysch.) 

in*der  spanischen  Sierra  Nevada  langgezogene  Bücken,  über  die  sich 

die  beiden  höchsten  Punkte 
(Veleta  und  Mulhacen)  kaum 
merklich  erheben.  Wechsehi 
Gesteine  von  verschiedener 
Widerstandskraft  mit  einan- 
der ab,  so  werden  die  här- 
teren durch  die  Verwitterung 
gleichsam  herausmodelliert, 
wie  zwei  drastische  Beispiele 
aus  der  Natur  in  Fig.  87  und 
88  zeigen.  Fig.  89  belehrt 
uns  endlich,  welche  Kamm- 
form gebogene  Sediment- 
schichten annehmen  können. 
In  Bezug  auf  dieGehänge- 
form  unterscheiden  sich  die 

Fig.  88.   Aus  dem  Colorado-Gebiet  (zwei  Trachyt-  Sedimentgesteine    wesentlich 

gäoge  im  horizontalen  Sandstein  n)  nach  Hayden.  h.    .     i 

von  den  krystalliniscnen 
Schiefem.  Der  Böschungswinkel  ist  unter  sonst  gleichen  Umständen  — 
wie  Lagerung,  Zerklüftung,  Verwitterungsgrad  und  klimatische  Ver- 


Die  Verwitterung. 


349 


hältnisse  —  bei  verschiedenen  Felsarten  verschieden.  Seine  Steilheit 
kann  nur  bis  zu  einer  gewissen  Grenze,  die  Heim  die  Maxim al- 
böschung  nennt,  zunehmen;  wird  diese  überschritten,  so  brechen 
die  oberen  Massen  schneller  oder 
langsamer  nach,  stürzen  herab  und 
Kamm  und  Gipfel  werden  erniedrigt. 
So  haben  die  nach  oben  fortschrei- 
tenden Schluchten  den  ursprünglich 
gerade  verlaufenden  Grat  der  Chur- 
firsten  in  9 — 11  Zacken  zerschnitten 
(Fig.  90). 

Im  allgemeinen  ist. die  Maximal- 
böschung am  größten  bei  Kalksteinen 
und  Dolomiten,  kleiner  bei  Sand- 
steinen und  Quarziten,  am  kleinsten  bei  Schiefem.  Da  nun  bei 
einem  aus  verschiedenen  Sedimentgesteinen  bestehenden  Berge  die 
Maximalböschung  von  Schicht  zu  Schicht  wechselt,  so  entstehen 
ungleichmäßig  geneigte  Abhänge  mit  sog.  Bandstruktur,  d.  h. 
mit  flach  geneigten  Verwitterungsterrassen,    die    den  weicheren 


Fig.  89.     Sichelkamm  nach  Heim. 


Fig.  90.     Die  Churfirsten  nach  Heim. 


Schichten  entsprechen -(Fig.  91).  Bei  den  krystallinischen  Schiefem 
bleibt  dagegen  in  der  Regel  die  Maximalböschung  den  ganzen  Ab- 
hang entlang  die  gleiche.  Als  eines  der  schönsten  Beispiele  nennt 
Heim  den  Bristenstock  (in  der  Schweiz),  wo  mit  Ausnahme  einer 
ganz  unbedeutenden  Einbiegung  der  ganze  Abhang  unter  einem 
Winkel  von  36^  geneigt  ist.  Die  krystallinischen  Schiefer  nehmen 
übrigens  eine  ähnliche  Verwitterungsform  an  wie  die  Sedimentge- 
steine, wenn  sie  flach  gelagert  sind;  anderseits  tritt  auch  bei  den  Sedi- 
mentgesteinen die  Bandstruktur  zurück,  wenn  sie  steil  aufgerichtet, 
dünnschichtig  oder  schieferig  sind. 

Es  muß  übrigens  bemerkt  werden,  daß  die  wirkliche  Böschung 


350 


Die  Dynamik  des  Landes. 


nicht  immer  der  Maximalböschung  entspricht  Sie  ist  gröi5er,  wenn 
das  fließende  Wasser  durch  Abtragung  und  Unterwaschung  so  rasch 
arbeitet,  daß  die  Verwitterung  nicht  gleichen  Schritt  halten  kann; 
sie  ist  kleiner  im  umgekehrten  Falle.    Senkrechte  oder  überhängende 


Fig.  91.     Verwitterungsterrnssen  im  Qlärnisch-Gebirge  nach  Baltzeb. 

Wände   sind  verhältnismäßig  selten    und    stets    örtlich    beschrankt; 

wenn  trotzdem  häufig  solcher  Erwähnung  geschieht,  so  kommt  dies 

daher,  daß  das  unge- 
übte Auge  nichts  so 
sehr  überschätzt,  als 
Böschungswinkel.  Oft 
wird  die  Böschung 
am  Fuße  eines  Ab- 
hangs plötzlich 
sanfter:  das  sind  ent- 
weder Schutt- 
halden, die  meist 
auf  trockenem  We^e 
sich  bildeten  und 
gewöhnlich  nurunt^r 
3 — 10°  geneigt  sind, 

oder  vom  Wasser  abgelagerte  Schuttkegel,  die  meist  einen  Winkel 

von  30®  erreichen. 

Die  ausserordentliche  Gewalt  des  spülenden  Regens  in  lockeren 

Massen  illustrieren  am  besten    die  Erdpyramiden,    die    aus   dem 


Fig.  92  a.  Erd Pyramiden  bei  Bozen  in  Südtirol  (8 — 30  m  H.). 


Die  Verwitterung  851 


Gebirgsschutt  ausgewaschen  werden  (Fig.  92a).  Die  an  der  Ober- 
Hache  oder  im  Schutt  befindlichen  Steinblöcke  dienten  dabei  als 
Schutz  gegen  die  fortschreitende  Erosion,   wie   Fig.    92b   erläutert. 

Solche  Bildungen 
findet  man  bei  Bozen,    n^ 
im  Visp-  und  Bergun- 
thaie im  Kanton  Wal- 
lis, in  den  Pyrenäen  bei 
Luchon,  am  Ufer  von 

Boumemouth  und  im  Fig.  92  b.     Darcfaachnitt  snr  Erklanmg  der  Bildimg  der 

großartigsten  Maßstab  ^^Py^^unlden  nach  Lybll.    abo  die  Wände  und  die  Sohle 

:       TT-       1    •        T      j  ^^  ^™  Porphyr  ursprünglich  ansgewaflohenen  Thaies,    dfe 

im  Munalaja.     in    der  dieAasfuUnng  des  Thaies  durch  den  Moränenschutt  eines 

Umgebung    von     Mel-  ^^o.    Gletschers,     gbh  jetziger  Thaleinschnitt  mit'Erd- 

1                     •    i     1  Pyramiden  zu  beiden  Seiten. 

boume   wird   der 
lehmige  Sandstein   in 

ähnlicher  Weise  ausgewaschen,  so  daß  nur  noch  vertikale  Säulen 
unter  vorspringenden  Teilen  der  Kalkdecke  stehen  bleiben. 

Neben  der  regelmäßigen  Denudationsarbeit,  die  den  Verwitterungs- 
schutt zu  Thale  fUhrt,  um  ihn  allmählich  mit  Hilfe  des  fließenden 
Wassers  in  die  Ebene  hinauszuschaffen,  giebt  es  auch  katastrophen- 
artige Ereignisse,  welche  große  Massen  auf  einmal  Ton  den  Anhöhen 
in  das  Thal  befördern.  Nach  lange  andauernden  Regengüssen  ver- 
wandeln sich  die  Wildbäche  nur  allzuhäufig  in  gewaltige  Schlamm- 
und  Schuttströme  (sog.  Muren),  die  weite  Thalstrecken  übeirschütten. 
Durch  solche  Muren  wurden  z.  B.  in  den  Jahren  1874  und  1875 
bei  Eied  im  Oberinnthal  320000  kbm  Schutt  angehäuft  Seltener, 
aber  noch  verheerender  sind  die  Berg-  und  Felsstürze, •  wodurch 
das  oft  Jahrhunderte  lang  angehäufte  Verwitterungsmaterial,  manch- 
mal auch  kolossale,  durch  den  Frost  losgelöste  Felsblöcke,  oft  durch 
anbekannte  Ursachen  aus  dem  Gleichgewichte  gebracht,  in  eine  stür- 
zende Bewegung  geraten.  Erdbeben  geben  häufig  Veranlassung 
dazu;  dies  war  der  Fall  beim  Abstürze  der  Schlaggendorfer  Spitze 
in  der  Tatra  (1662),  wodurch  dieselbe  ca.  300  m  an  Höhe  verlor, 
und  beim  Einstürze  der  Südseite  der  ViUacher  Alpe  (25.  Januar  1348), 
wodurch  13  Dörfer  begraben  wurden.  Entlang  von  Schicht-  oder 
Eluftflächen,  die  gegen  das  Thal  einfallen,  können  nicht  nur  lose, 
sondern  auch  Felsmassen  abrutschen,  wenn  ihre  Eohäsion  durch 
Spaltenbildungen  gelockert  und  ihre  Unterlage  durch  starke  Regen- 
güsse oder  abgelenkte  Quellen  durchweicht  ist.  Der  Sturz  des  Roß- 
berges am  2.  September  1806,  wodurch  vier  Dörfer  verschüttet 
worden,  ist  eine  der  bekanntesten  Katastrophen  dieser  Art.  Leider 
treten  sie  in  nassen  Jahren  im  Gebirge  sehr  häufig  ein.  Nach  Aretin 


352  Die  Dynamik  des  Landes. 


schweben  in  Tirol  300000  Menschen  in  steter  Lebensgefahr,  und 
SiMONY  veranschlagt  den  jährlichen  Schaden  auf  durchschnittlich 
eine  Million  Mark.  Der  Unverstand  der  Menschen  unterstützt  oft 
noch  die  zerstörenden  Kräfte,  indem  natürliche  Widerlager,  die  die 
zum  Rutschen  geneigten  Massen  stauen,  leichtsinnigerweise  weg- 
geräumt werden.  So  veranlaßte  z.  B.  die  Anlage  von  Steinbrüchen 
bei  Elm  jenen  furchtbaren  Bergschlipf  am  11.  September  1881, 
der  nicht  bloß  den  Thalboden,  sondern  auch  den  unteren  Teil 
der  gegenüberstehenden  Lehne  mit  einer  Schuttmasse  von  zehn 
Millionen  Kubikmetern  bedeckte.  In  manchen  Gegenden  setzen  sich 
kleinere  Kutschungen  durch  Jahrhunderte  hindurch  fort  In  Thälem, 
die  das  Wasser  im  lockeren  Material  ausgegraben  hat,  sind  Be- 
wegungen der  Massen  infolge  ihrer  eigenen  Schwere  eine  regelmäßige 
Erscheinung. 

Gebiete  säkularer  Verwitterung.  Gegenüber  diesen  Gebieten 
einer  kräftigen  Denudation,  wo  die  Verwitterung  stets  neue  Angrife- 
punkte  findet,  giebt  es  auch  weite  Erdräume  mit  warmfeuchtem 
Klima,  wo  unter  dem  Schutze  einer  dichten,  tiefgreifenden  Wald- 
vegetation, die  die  Abfuhr  der  Verwitterungsprodukte  hindert,  der 
Zersetzungsprozeß  von  den  Klüften  und  Fugen  konzentrisch  gegen 
das  Innere  des  Felsbodens  fortschreitet  und  diesen  im  Laufe 
langer  Zeiträume  bis  zu  einer  bedeutenden  Tiefe  in  ein  Haufenwerk 
von  eckigen  Gesteinsfragmenten,  Gruß  und  sandigen  und  thonigen 
Massen  verwandelt,  während  der  Denudationsprozeß  sich  hauptsäch- 
lich auf  die  Fortführung  der  Karbonate  beschränkt  Pümpellt,  der 
auf  diesen  Vorgang  besonders  aufoierksam  gemacht  hat,  bezeichnete 
ihn  als  säkulare  Verwitterung.  Die  Gebiete  derselben  teilt 
VON  RiCHTHOFEN  in  Regionen  der  Lateritbildung  und  in  solche 
der  lehmigen  Zersetzung.  Der  Laterit,  der  nur  im  Tropen- 
gürtel vorkommt,  unterscheidet  sich  von  den  lehmigen  Verwitterungs- 
produkten der  gemäßigten  Zone  oder  der  ihr  entsprechenden  Gebirgs- 
regionen  der  warmen  Zone  hauptsächlich  durch  den  hohen  Gehalt 
an  Eisenoxyd  und  die  dadurch  hervorgerufene  ziegelrote  Farbe  des 
Zerreibungsmehles.  Seine  Beschränkung  auf  die  Tropen  führte 
J.  Walther  darauf  zurück,  daß  bei  den  zahlreichen  Gevrittem 
dieses  Erdgürtels  in  der  Luft  genügend  viel  Salpetersäure  entstehe, 
um  in  hohem  Grade  oxydierend  auf  die  Gesteine  einzuwirken,  und 
in  der  That  hat  die  Analyse  des  Regenwassers  von  Caracas  den 
hohen  Salpetersäuregehalt  tropischer  Gewitterregen  bestätigt^®  In 
Vorder-  und  Hinterindien,  im  brasilianischen  Gtebirge  und  in  Afrika 
von  Senegambien  bis  zum  Kapland  ist  diese  Bodenart  außerordent^ 
lieh  häufig  und  erreicht  stellenweise  eine  Mächtigkeit  bis  zu  60  m. 


Das  unterirdische  Wasser.  353 


In  der  gemäßigten  Zone  sind  hauptsächlich  die  östlichen  Staaten 
der  Union  im  Süden  der  diluvialen  Gletschergrenze  von  einer 
mächtigen  Verwitterungsrinde,  dem  Produkte  des  einstigen  Urwaldes, 
hedeckt 

In  einigen  Gebieten  säkularer  Verwitterung  wurde  das  Felsen- 
gerust  infolge  von  Klimaschwankungen  in  vorgeschichtlicher  Zeit  oder 
von  Niveauveränderungen,  die  eine  erhöhte  Erosionsthätigkeit  hervor- 
riefen, wieder  bloßgelegt  und  zeigt  nun  eigentümliche  unregelmäßige 
Oberflächenformen,  einen  Wechsel  von  Erhöhungen  und  Vertiefungen, 
die  der  Verbreitung  widerstandsfähiger  und  leicht  zerstörbarer  Ge- 
steine entsprechen.  In  der  Mongolei  gab  wahrscheinlich  eine  starke 
Verminderung  der  Niederschläge  die  Veranlassung  dazu.  Die  Vege- 
tation starb  infolgedessen  ab,  und  der  Wind  bemächtigte  sich  der 
feineren  Verwitterungsprodukte,  während  der  gröbere  Schutt  zurück- 
blieb. Auch  die  Grundmoränen  diluvialer  Gletscher  wurden  von 
Ptjmpbllt  für  umgearbeiteten  Verwitterungsschutt  gehalten.  ^^  Hier 
betreten  wir  aber  bereits  das  Gebiet  der  reinen  Hypothese,  wie  ja 
überhaupt  in  Bezug  auf  die  Eluvialbildungen  die  Ansichten  noch 
sehr  der  Klärung  bedürfen. 

Litteratarnachweise.  '  Heik,  im  Jahrbuch  des  Schweizer  Alpenklub,  1886, 
Bd.XXI,  S.342.  —  '  Roth,  Lehrbuch  der  chemischen  Geologie,  Bd.I,  Berlin  1879.— 
'MuKTz,  in  den  Comptes  rendus  de  TAcad^mie  des  Sciences,  Paris  1890,  BdrCX, 
S.  1370.  —  *  Sbnpt,  Fels  u.  Erdboden,  München  1876.  —  *  Dabwin,  Die  Bildung 
der  Ackererde  durch  die  Thätigkeit  der  Würmer,  Stuttgart  1882.  —  *  Keller, 
Reisebilder  aus  Ostafrika  und  Madagaskar,  Leipzig  1887.  Haacke,  Über  die 
geologische  Thätigkeit  der  Ameisen,  in  „Zoologischer  Garten'^  Frankfurt  a.  M. 
1886.  Lknz,  Die  Bedeutung  der  Termiten  für  Erdbewegung,  in  den  Mit- 
teilungen der  Wiener  Gkographischen  Gesellschaft  1894.  —  ^  Dayisov,  im  Geo- 
logical  Magazine  1889,  S.  255.  —  •  Hbdc,  Über  die  Verwitterung  im  Gebirge, 
Basel  1879.  —  •  Heim,  Über  Bergstürze,  Zürich  1882.  Neumate,  Über  Berg- 
stürze, in  der  Zeitschrift  des  D.  u.  ö.  Alpenvereines,  1889.  —  ^^  Müntz  und 
Mabcamo,  Über  den  Salpetersfiuregehalt  tropischer  Regen,  in  der  Meteoro- 
logischen Zeitschrift  1889.  —  "  Pümpbllt,  im  American  Journal  of  Science 
1879,  Bd.  I,  S.  188. 


Das  unterirdische  Wasser.^ 

Von  den  Niederschlägen  fließt  ein  Teil  oberflächlich  ab,  ein 
Teil  yerdunstet;  ein  Teil  wird  Ton  den  Organismen  aufgenommen 
und  kehrt  erst  nach  deren  Tode  wieder  in  den  Kreislauf  des  Wassers 
ziuück;  etwa  ein  Drittel  versinkt  in  den  Erdboden  und  kommt 
stellenweise  als  Quelle  wieder  zu  Tage;  und  nur  ein  kleiner  Bruch- 
teil wird  für  längere  Zeit,  vielleicht  dauernd,  der  großen  Wasser- 

BoTAM,  PhTiiMlM  Erdkunde.    3.  Aufl.  23 


354  Die  Dynamik  des  Landes. 


Zirkulation  (von  der  Erdoberfläche  in  die  Atmosphäre  und  von  der 
Atmosphäre  auf  die  Erdoberfläche  zurück)  entzogen^  indem  er  bei 
der  Umwandlung  wasserfreier  in  wasserhaltige  Mineralien  aufge- 
braucht wird. 

Verhalten  des  Bodens.  Nicht  alle  Bodenarten  verhalten  sich 
gleichmäßig  gegenüber  dem  Wasser.  Undurchlässig  sind  ThoiL 
Mergel,  Lehm  und  die  meisten  krystallinischen  Gesteine,  freilich 
auch  nicht  absolut  undurchlässig,  denn  selbst  die  mikroskopischen 
Poren  fester  Gesteine  sind  noch  häufig  mit  Feuchtigkeit  (sog.  Berg- 
feuchtigkeit) durchtränkt.  Aber  immerhin  spielen  sie  eine  wesent- 
lich andere  EoUe  im  Haushalte  der  Natur,  als  lockerer,  poröser  oder 
zerklüfteter  Boden,  dem  die  Eigenschaft  der  Durchlässigkeit  in 
hohem  Grade  zukommt 

Besteht  die  Oberfläche  aus  undurchlässigem  Boden,  so  kommt 
es  zu  keiner  Quellenbildung.  Ist  sie  eben,  so  versumpft  sie;  ist  sie 
geneigt,  so  fließt  das  Wasser  rasch  ab;  bei  Dürre  versiegen  die 
Bäche  und  Flüsse,  bei  heftigen  Niederschlägen  schwellen  sie  zu  Wild- 
strömen an. 

In  durchlässigem  Boden  versinkt  das  Wasser,  nachdem  es  die 
Kapillarräume  der  obersten  Schicht  gefüllt  hat,  in  die  Tiefe,  bis  es 
auf  eine  undurchlässige  Schicht  stößt,  und  es  kann  als  Regel  gelten, 
daß  heftige  Niederschläge  ihm  weniger  Nahrung  zuführen,  als  schwacher 
Regen  oder  schmelzender  Schnee.  Wesentlich  verschieden  verhält 
sich  aber  lockerer  und  poröser  Boden  einerseits,  zerklüfteter  anderer- 
seits. Der  erstere  saugt  das  Wasser  auf,  wie  ein  Schwamm,  und 
wird  in  seinen  untersten  Teilen,  über  der  undurchlässigen  Schicht, 
mehr  oder  weniger  durchtränkt.     Das  ist  das  Grundwasser,  fiir 

das     flächenhafte 

Ausbreitung 
charakteristisch    i;^t. 
Liegen  die  Schichten 

Fig.  93.     Becken  mit  zwei  Grundwaaserschichten  (i  u.  3)    1^0rizontal,80      bildet 

und  zwei  undurchlässigen  Schichten  {2  u.  4),    a  artesischer  CS     gleichsam    einen 

Brunnen,     b  gewöhnUcher  Brunnen.  g^^.  gjj^^  siegenei^, 

SO  bewegt  es  sich 
langsam  in  der  Richtung  der  Abdachung.  Im  letzteren  Falle  finden 
wir  meist  mehrere  Grundwasserniveaus  übereinander,  durch  un- 
durchlässige Schichten  voneinander  getrennt.  In  Fig.  93,  die  uns  die 
Lagerungsverhältnisse  eines  Beckens  schematisch  vor  Augen  führt, 
führen  z.  B.  die  Schichten  1  und  3  Grundwasser,  denn  die  letztere, 
die  unter  a  und  b  tief  im  Boden  begraben  liegt,  streicht  an  anderen 
Orten  zutage  und  erhält  hier  direkt  atmosphärische  Niederschlag. 


Das  unterirdische  Wasser. 


355 


Die  oberste  Gnmdwasseretage  (1)  ernährt  unsere  gewöhnlichen 
Brunnen,  DaubbSe  nennt  sie  daher  die  phreatische  Schicht  (von 
ffQiuQ  =  Brunnen).  Manche  Schriftsteller  wenden  auf  sie  allein  die 
Bezeichnung  Grundwasser  an;  wie  überhaupt  der  Begriff  Grund- 
wasser zu  denjenigen  gehört,  über  die  in  der  Litteratur  die  größte 
Verwirrung  herrscht. 

In  den  Brunnen  erscheint  das  Grundwasser  als  Wasserspiegel, 
dessen  Höhe  sich  von  einer  Jahreszeit  zur  anderen,  von  einem  Jahre 
zum  anderen  ändert.  Diese  Schwankungen  sind  vor  allem  von  zwei 
Faktoren  abhängig,  die  sich  einander  ent- 
gegenarbeiten: von  dem  Niederschlage  und 
der  Verdunstung;  und  seine  jährliche  Periode 
richtet  sich  nach  demjenigen  Faktor,  der 
größeren  jahreszeitlichen  Schwankungen  unter-  „. 

s\tt   94       Gn]DdwftS86r    ftn 

werfen  ist  ^.   Die  Niederschläge  sind  aber  nicht  der 'Küste.  («  Meeresoiveau 
ausschließlich  die  Ernährer  des  Grundwassers,  b«i  Ebbe,  t  bei  Flut;  gg' 
denn  in  den  Klüften  nnd  Poren  des  Gesteins    ^"^^rS^ÄTt! 
zirkuliert    auch    Luft    und   kondensiert    hier 

im  Sommerhalbjahr,  wo  die  Bodentemperatur  bis  30  m  Tiefe  niedriger 
ist  wie  die  Luftwärme,  seinen  Lihalt  an  Wasserdampf  ^  Außer  der 
atmosphärischen  Feuchtigkeit  dringt  auch  Fluß-  und  Seewasser  in 
die  durchlässigen  Uferwandungen  ein  und  durchnäßt  ein  größeres 
oder  kleineres  Gebiet.    In  manchen  Küstengegenden  fallt  und  steigt 


X  Als  Repräsentanten  der  beiden  Typen  führt  Sotka'  München  und  Berlin 
an.  In  nachstehender  TabeUe  ist  die  Yerdunstang  durch  das  Sättigungsdefizit 
ausgedruckt,  die  Grundwasserhöhe  ist  die  Höhe  des  Wasserspiegels  über  dem 
Meere.  Die  jahreszeitlichen  Werte  sind  als  Abweichungen  vom  durchschnitt- 
lichen Monatsmittel  gegeben,  um  den  ParaUelismus  klarer  hervortreten  zu 
lassen.  Man  beachte  besonders  das  gegenteilige  Verhalten  der  Stationen  im 
Winter  und  Sommer;  in  München  steigt  und  fällt  das  Grundwasser  mit  dem 
Regen,  in  Berlin  ist  es  dagegen  von  der  Verdunstung  abhängig.  Im  Frühling 
schwillt  es  durch  die  Schneeschmelze  an. 


Mün 

chen  185 

~  Ver-    ' 
dunstung 

8—85 

Berlin  1870- 

-85 

Nieder- 
schlag 

Grund- 
wasser- 
hohe 

Nieder- 
schlag 

Ver- 
dunstung 

Grund- 
wasser- 
höhe 

Monatsmittel  . 

[66,1  mm 

1,60  mm 

515;4«  m 

47,6  mm 

2,71  mm 

32,04  m 

Winter  .     .    . 

-29,5 

-1,M 

-0,07       1 

-     7,2 

-1,07 

+  0,08 

Frühlmg     .    . 

-    5,5 

+  0,11 

+  0,04       1 

-   8,1 

+  0,08 

+  0,27 

Sommer      .    . 

1+42,4 

+  1,M 

+  0,18 

+  15,6 

+  2,49 

-0,08 

Herb0t   .    .    . 

1-   7,. 

-0,4. 

-0,08 

-   0,0 

-0,54 

23* 

-0,32 

356  Die  Dynamik  des  Landes. 


das  Brunnenniveau  mit  Ebbe  und  Flut;  Fig.  94  zeigt  uns,  wie  da.«; 
Grundwasser,  das  bei  Ebbe  einen  Ausfluß  zum  Meere  hat^  bei  Flut 
gestaut  wird. 

So  geartet  sind  die  Verhältnisse  in  den  breiten  Alluvialthälem 
der  Gebirge  und  auf  den  weiten  Ebenen,  die  mit  lockeren  Massen 
bedeckt  sind.  Das  sind  aber  gerade  die  am  dichtesten  besiedelten 
Gebiete  der  Erde,  und  daraus  erhellt,  welche  Bedeutung  dem  Grund- 
wasser zukommt. 

Wesentlich  anders  gestaltet  sich  die  unterirdische  Wasserzirku- 
lation im  zerklüfteten  Boden.  Auch  hier  wandert  es  in  die  Tiefe, 
bis  es  durch  eine  zusammenhängende  undurchläßige  Schicht  gehenunt 
wird,  aber  es  breitet  sich  nicht  flächenartig  aus,  sondern  bewegt 
sich  durch  die  Spalten  und  Schichtungsfugen  wie  in  Kanälen. 
Darin  besteht'  die  Eigentümlichkeit  des  Kluftwassers  gegenüber 
dem  Grundwasser. 

Das  Karstphänomen.^  Es  ist  vorauszusetzen,  daß  auch  das  Kluft- 
wasser seine  erodierende  Kraft  bethätigt.,  indem  es  seine  Kanäle 
allmählich  erweitert;  aber  größere  Veränderungen  ruft  es  doch  nur 
dort  hervor,  wo  sich  zu  der  mechanischen  Wirkung  eine  ausgiebige 
chemische  gesellt.  Das  ist  vor  allem  der  Fall  in  Salz,  Gips  und 
Kalkgestein,  die  durch  kohlensaures  Wasser  aufgelöst  und  fortgeführt 
werden.  Dadurch  werden  die  ursprünglichen  Klüfte  zu  mehr  oder 
minder  großen  Gängen  und  Hohlräumen  erweitert  Am  weitesten 
fortgeschritten  ist  dieser  Prozeß  im  Karste,  jenem  Kalkgebirge,  das 
sich  von  der  Laibacher  Ebene  über  Istrien,  Dalmatien,  Bosnien,  die 
Herzegowina  und  Albanien  bis  nach  Griechenland  erstreckt,  weshalb 
man  jetzt  alle  hierher  gehörigen  Erscheinungen  unter  dem  Namen 
Karstphänomen  zusammenzufassen  pflegt  Das  Charakteristische 
desselben  besteht  darin,  daß  die  Erosion  hauptsächlich  unter  die 
Oberfläche  verlegt  ist,  wodurch  eine  starke  Zerklüftung  und  Durch- 
löcherung des  ganzen  Geländes  erzeugt  wird.  Die  weitverzweigten 
Höhlen  kann  man  ftlglich  als  unterirdische  ThSler  bezeichnen. 
Wie  in  oberirdischen  Thälern  wechseln  auch  hier  oft  Engen  und 
Weitungen,  findet  man  auch  hier  Seen  und  Wasserfälle.  Wenn 
viele  Grotten  keine  Flüsse  beherbergen,  so  erklärt  sich  dies  daraus, 
daß  die  Eröffnung  neuer  Klüfte  (z.  B.  infolge  von  Erdbeben)  das 
Wasser  von  seiner  ursprünglichen  Bahn  abgelenkt  hat  Häufig  münden 
Seitenhöhlen  in  die  Haupthöhle,  wie  Nebenthäler  in  das  Haupt- 
thal, oder  die  Zweiggänge  eines  Grottensystems  sind  nur  verlassene 
Wege  des  Hauptflusses.  Manche  Grotten  bestehen  aus  mehreren, 
etagenartig  übereinander  liegenden  Höhlen,  deren  unterste    in  der 


Das  unterirdische  Wasser.  357 


Regel  von  einem  Bache  durchflössen  wird.     Ein  berühmtes  Beispiel 
dieser  Art  ist  die  Lueger  Grotte  in  Erain. 

Sind  die  Höhlen,  einerseits  ein  Produkt  der  zerstörenden  Kraft 
des  Wassers,  so  sind  sie  andererseits  auch  ein  Schauplatz  von  Neu- 
bildungen. Kies  und  Lehm  werden  [vom  fließenden  Wasser  abge- 
lagert, während  die  Tropfsteine  von  dem  durch  die  Decke  sickernden 
Eegenwasser  gebildet  werden.  Dieses  scheidet  den  Kalk,  mit  dem 
es  sich  auf  seinem  Wege  beladen  hat,  bei  der  Verdunstung  zum  Teil 
an  der  Decke,  zum  Teil  an  dem  gerade  darunter  liegenden  Pimkte 
des  Bodens  aus.  Die  herabhängenden  Tropfsteine  oder  Stalaktiten 
und  die  vom  Boden  aufsteigenden  Stalagmiten  vereinigen  sich  end- 
lich  bei   ungestörtem   Wachstum   zu  Säulen  (Fig.  95).     Neben  den 


Fig.  95.     Aas  der  Adelsberger  Grotte  in  Krain. 

Zapfen  und  Kegeln,  die  dem  tropfenden  Wasser  ihre  Entstehung 
verdanken,  giebt  es  auch  schwammartige  Kalkbildungen,  die  aus 
größeren  Wassermengen  abgelagert  sind,  und  oft  einen  zauberhaften 
Anblick  gewähren,  wie  z.  B.  die  Draperien  an  den  Wänden,  die 
durch  Niederschläge  aus  den  Überrieselungen  der  Wandflächen  ent- 
stehen. Ist  der  Kalk  rein,  so  sind  alle  diese  Bildungen  wasserhell; 
häufig  werden  sie  aber  durch  Beimengung  von  Metalloxyden,  beson- 
ders von  Eisen,  gefärbt.    * 

In  den  sog.  Eishöhlen  vertritt  Eis  die  Stelle  des  Tropfsteins. 
Es  sind  diess  stets  Sackhöhlen,  d.  h.  ihr  Eingang  liegt  höher,  als 
der  übrige  Höhlenraum.  In  diesem  sammelt  sich  die  schwere  kalte 
Winterluft,  wie  in  einem  Gefäße,  und  wird,  da  sie  nicht  abfliessen 
kann,  von  der  warmem  Luft  im  Frühjahr  und  Sommer  nicht  ver- 
drängt Eishöhlen  können  daher  nur  in  Gegenden  vorkommen,  wo 
die  winterliche  Temperatur  dauernd  unter  den  Gefrierpunkt  sinkt.  ^ 


358 


Die  Dynamik  des  Landes. 


Manche  unterirdischen  Flüsse  des  Karstes  treten  niemals  zu 
Tage  und  münden  unterirdisch  in  das  Meer.  An  solchen  Stellen  hat 
das  Seewasser  geringen  Salzgehalt  Wir  begegnen  diesem  Phänomen 
an  allen  Ealkküsten.  In  den  dalmatinischen  Gewässern  hat  z.  B. 
die  Hertha-Expedition  das  Vorhandensein  zahlreicher  Orundquellen 
festgestellt  Die  Quelle  von  Cannes  mündet  162,  die  von  S.  Bemo  190. 
die  am  Kap  St  Martin  sogar  700  m  unter  dem  Meeresniveau.  Anderer- 
seits tritt  auch  das  Meerwasser  in  die  E^lüfte  des  Kalksteines  ein 
und  bricht  nach  unterirdischem  Laufe  als  Quelle  hervor.     Bekannt 


JaJBoboriiMKo 


'^frlsber^ 


Fig.  96.     Flußsystem  der  Laibach  in  Erain,  nach  Urbas  xl  a. 
— »^—  Oberirdiache,  unterirdische  Flnßlanfe. 

sind  die  beiden  Quellen  bei  Argostoli  auf  Eephalonia,  die  stark  genug 
sind,  um  Mühlen  zu  treiben;  und  einen  ähnlichen  Fall  hat  vokLokekz 
in  Istrien  beobachtet 

Die  Mehrzahl  der  Karstflüsse  fließt  aber  teils  in  unterirdischen, 
teils  in  oberirdischen  Thälem.  Ein  bekanntes  Beispiel  bietet  der 
Laibachfluß  (EHg.  96),  der  als  Poik  seinen  Anfang  nimmt,  dann  bei 
Adelsberg  in  die  berühmte  Grotte  eintritt,  als  ünz  wieder  zu  Tage 
kommt,  abermals  verschwindet  und  endlich  unter  dem  Namen  Lai- 
bach das  oberkrainische  Thalbecken  betritt  Von  den  85  km  seiner 
Gesamtlänge  kommen  20  auf  den  unterirdischen  Lauf^  und  in  gleicher 


Das  unterirdische  Wasser.  359 


Weise  verhalten  sich  auch  viele  seiner  Nebenflüsse.  Das  Verschwinden 
geschieht  entweder  plötzlich  in  eine  Spalte  oder  in  eine  im  Niveau 
der  Thalsole  sich  befindende  Höhle. 

Soweit  die  oberirdischen  Thalstücke  eng  und  gewunden  sind, 
dürften  sie  nichts  anderes  sein,  als  eingestürzte  Höhlen.  In  vielen 
FäUen  läßt  sich  dieser  Ursprung  noch  direkt  nachweisen,  wenn  Reste 
der  alten  Decke  in  der  Form  von  Tunnels  oder  natürlicher 
Brücken  noch  erhalten  sind.  Doch  werden  Brücken  dieser  Art 
auch  durch  herabgestürzte,  große  Felsblöcke  gebildet,  die  sich 
zwischen  den  unteren  Thalwänden  einklemmen;  und  eine  dritte  Ent- 
stehungsart,  durch  Uberwucherung  mit  Travertinablagerungen,  hat 
KeijLJBB  an  einem  Beispiele  aus  der  Provinz  Umbria  erläutert.® 

Eine  andere  Bewandtnis  dürfte  es  aber  mit  jenen  breiten  ober- 
irdischen Thalstücken,  wie  denen  von  Planina  und  Zirknitz,  haben, 
fiir  die  sich  am  besten  der  in  Bosnien  übliche  Namen  Polje  (Feld) 
eignet.  Auch  sie  sind  von  allen  Seiten  geschlossene,  langgestreckte 
Becken  oder  Wannen,  wie  sie  Penck  genannt  hat,  oft  von  bedeutender 
Ausdehnung;  das  von  Livno  mißt  z.  B.  379  qkm.  Der  Mehrzahl  nach 
streichen  sie  parallel  mit  dem  Gebirge  und  den  Schichtenfalten  nach 
Nordwest,  und  damit  hängt  auch  ihre  reihenweise  Anordnung  zu- 
sammen. Soweit  unsere  Kenntnisse  reichen,  kommen  sie  nur  in  dis- 
lozierten Gebieten  vor,  und  Martel  betrachtet  sie  mit  Eecht  als  alte 
Seebecken  und  führt  ihre  Entstehung  auf  dieselben  Bodenbewegungen 
zurück,  die  auch  in  anderen  Gebirgen  die  Bildung  von  Seebecken 
veranlaßten;  nur  daß  bei  den  letzteren  der  oberirdische  Abfluß  an 
einer  Seite  eine  Ofihung  geschaffen  hat  Manche  Poljen  beherbergen 
noch  abflußlose  Seen,  wie  das  von  Janina  in  Epirus  oder  das  Vrana- 
becken  auf  der  Insel  Gherso;  andere  werden  nur  noch  periodisch 
mit  Wasser  gefüllt  Der  Zirknitzer  See  ist  das  am  besten  studierte 
Beispiel  dieser  Art^.  Das  seebüdende  Wasser  kommt  in  allen  Fällen 
hauptsächlich  von  unten,  aus  den  mit  Geröll  bedeckten  Spalten  und 
Löchern  am  Fuße  des  Gebirges  oder  am  Boden  der  zeitweilig  wasser- 
bedeckten Thalebene,  und  verschwindet  dann  auch  wieder  in  den- 
selben. Alle  diese  Sauglöcher  führen  nach  Tietze  zu  einem  verti- 
kalen Spaltensysteme,  das  einerseits  mit  unterirdischen  Wasser- 
behältern, andererseits  mit  der  Oberfläche  in  Verbindung  steht  Bei 
anhaltendem  Regen  oder  bei  Schneeschmelze  werden  diese  Adern 
mit  Wasser  gefüllt,  und  aus  den  in  tieferem  Niveau  mündenden 
muß   dann   das  Wasser   nach  dem  Gesetze  der  kommunizierenden 


X  Ein  Seitenstück  d&zu  ist  der  Bauemgraben  oder  Hungersee  am  Süd- 
abhange  des  Harzes  (vgl.  Petermanns  Mitteilungen  1864,  S.  48  u.  191). 


360  Die  Dynamik  des  Landes. 


Gefäße  hervortreten  und  das  Thal  erfüllen.  Wird  durch  irgend  ein 
Ereignis  dem  Wasser  ein  anderer  unterirdischer  Weg  angewiesen, 
so  hört  die  Seebildung  ganz  auf,  wie  in  der  Ebene  von  Verdoletsch 

in  Kroatien  oder  wie  auch 
in  manchen  Poljen  Inner- 
krains.  Nun  ist  das  Polje 
trocken,  und  es  hängt 
ganz  von  der  BeschafTen- 
-^       ~~~'-^'-  -  heit  des   ehemaligen  See- 

Fig.  97.     Doppeldoline  bei  Leseteche  im  Karst       bodens,  von  der  Verteilung 

der  Sauglöcher  und  von 
den  Beziehungen  zu  benachbarten  Höhlen  ab,  ob  es  von  einem  oder 
mehreren  verschwindenden  Flüssen  bewässert  wird  oder  ganz  des 
Wassers  entbehrt.  Die  Poljen  von  Zirknitz  und  Planina  (s.  Fig.  96) 
z.  B.  sind  in  das  Abflußsystem  der  Laibach  einbezogen. 

Noch  einer  anderen  Eigentümlichkeit  des  Karstes  muß  gedacht 
werden.  Nicht  bloß  die  Oberfläche  des  Karstplateaus,  sondern  auch 
die  Abhänge  der  Berge  sind  mit  Schüssel-  oder  trichterförmigen  Ver- 
tiefungen bedeckt,  für  die  die  deutsche  Wissenschaft  die  slovenische  Be- 
zeichnung Doli  nen  angenommen  hat  Sie  treten  vereinzelt  oder  gesellig 
auf,  und  sind  häufig  so  dicht  neben  einander  (oft  40—50  auf  1  qkm!), 
daß  die  Karstoberfläche  in  der  That  einem  blatternarbigen  Gesichte, 
womit  man  sie  so  oft  verglichen  hat,  ähnlich  sieht  Die  Form  dieser 
Löcher  ist  bald  kreisrund,  bald  unregelmäßig,  ihre  Tiefe  variiert 
zwischen  2  und  20  m,  ihr  Durchmesser  von  10  bis  120  m.  Selten 
besteht  der  Boden  aus  nacktem  Fels,  meist  ist  er  mit  Zersetzungs- 
lehm bedeckt,  hier  und  da  auch  mit  Wasser  und  in  den  höheren 
Regionen  auch  mit  dauerndem  Schnee  gefüllt  Von  diesen  geschlos- 
senen Felsendolinen  sind  die  Naturschachte  und  Schwemni- 
landdolinen  zu  unterscheiden.  Die  ersteren  sind  FelsendoHnen, 
die  entweder  mittels  einer  verbreiterten  Spalte  zu  einer  blinden  Höhle 
oder  mittels  eines  breiten  Schlotes  zu  einem  unterirdischen  Fluß- 
thale  führen  (Fig.  100).  Die  Schwemmlanddolinen  treten  im  lockeren 
Boden  auf,  sei  es  auf  dem  Lehmboden  großer  Felsendolinen,  sei  es 
auf  Thalböden.  Nur  von  ihnen  gilt,  was  Pilak  vom  kroatischen 
Grenzbezirke  berichtet,  nämlich  daß  die  Neubildung  von  Dohnen  so 
rasch  vor  sich  gehe,  daß  mancher  Bewohner,  der  nach  einigen 
Jahrzehnten  in  seine  Heimat  kam,  dieselbe  kaum  mehr  zu  erkennen 
vermochte,  denn  Häuser  waren  infolge  von  Einstürzen  verlegt,  neue 
Wege  waren  gebahnt,  Obstgärten  waren  verschwunden.  Hier  finden^ 
das  liegt  auf  der  Hand,  Einstürze  über  breiten  Spalten  im  Unter- 
grunde  statt     Dieselbe   Entstehungsweise   schrieb   man   auch  des 


Das  unterirdiBche  Wasser. 


361 


Felsendolinen  und  Naturschachten  zu,  und  in  manchen  Fällen 
dürfte  diese  Erklärung  zutreffend  sein.  Zwischen  dem  Tartarusarm 
der  Adelsberger  Grotte  und  der  Höhle  von  Ottok  breitet  sich  ein 
großes  Trümmerfeld  aus  und  gerade  über  ihm  befindet  sich  die 
Doline  Stara  Apnenca.  Hier  ist  offenbar,  wie  aus  Fig.  98  erhellt, 
die  Decke  des  ehemaligen  Hohlraumes,  der  den  Tartarus  mit  der 
Ottokgrotte  verband,  eingestürzt     Dagegen  können  wir  in  anderen 


Fig.  98.     Die  Einsturzdoline  Stara  Apneoca  in  Krain,  nach  Martbl. 

Fällen  direkt  nachweisen,  daß  ein  derartiger  Vorgang  nicht  statt- 
gefunden hat  Der  Bau  einer  3  m  tiefen  Doline  bei  ünterloitsch 
ist  durch  einen  Eisenbahneinschnitt  völlig  aufgedeckt  (Fig.  99).  Hier 
ist  die  Doline  in  festen  Fels  eingesenkt,  der  Boden  ist  —  wie  die 
Zeichnung  durch  Punktierung  andeutet  —  bis  zu  einer  gewissen 
Tiefe  durch  Verwitterung  mürbe  gemacht  oder  aufgelöst,  am  tiefsten 
unter  dem  Boden  der  Doline,  von  wo  sich  enge  Spalten  nach  der 
Tiefe  ziehen.  Hier  kann  von  Einsturz  keine  Bede  sein ;  die  einzige 
Erklärung,  die  uns  übrigbleibt,  ist  die  durch  chemische  Erosion 
des  Kalksteins,  die  das  Wasser  entlang 
vorhandener  Spalten  bewirkte.  Wir 
dürfen  annehmen,  daß  dieser  Prozeß 
sich  auf  diejenigen  Stellen  konzentrierte, 
wo  besonders  viele  Vertikalspalten  der 
Zersetzung  vorgearbeitet  hatten  und  die 
Abfuhr  der  Zersetzungsprodukte  nach 
der  Tiefe  begünstigten.  Mit  der  Zeit 
wurden  diese  Spalten  verstopft  und  die 
Verwitterungserde  konnte  sich  nun  auf 
dem  Boden  der  Doline  ansammeln.  Auch  viele  Naturschachte  sind 
nichts  anderes,  als  durch  chemische  Erosion  erweiterte  Vertikal- 
spalten; ein  nicht  mißzuverstehendes  Beispiel  dieser  Art  aus  dem 
französischen  Karstgebiete  bietet  uns  Fig.  100. 

Den     Dolinen     nahe     verwandt     sind     die     geologischen 


Fig.  99.  Eroaionsdoline  bei  Ünter- 
loitsch in  Krain,  nach  CviJic. 


362 


Die  Dynamik  des  Landes. 


Orgeln,  kleine,  kaminartige  Löcher  im  thonigen  Kalksteine^  die 
aber  stets  mit  lockeren  Massen  bedeckt  und  ausgefiült  sind  und 
daher  nur  in  Einschnitten  zu  Tage  treten.  Ein  Oberflächengebilde 
anderer  Art  wie  die  Dolinen,  aber  ebenfalls  durch  chemische 
Erosion    entstanden,    sind    die    in    den   Kalkalpen    wohlbekannten 

Karren  oder  Schratten  (Fig.  101). 
Sie  treten  bald  allein,  bald  mit  Dolinen 
vergesellschaftet  auf,  und  zwar  nur  auf 
vegetationslosen  Kalkflächen,  wo  das  Eegen- 
und  Schmelzwasser  oberflächlich  abfließen 
kann.  Statt  Löcher  bilden  sich  dann  zahl- 
reiche lange  und  parallele  Furchen,  die 
der  Abdachung  folgen,  und  zwischen  welchen 
Bippen  von  verschiedener  Breite,  oft  mit 
messerscharfer  Kante  und  dann  sehr  gefähr- 
lich für  den  Wanderer,  sich  erheben.  Be- 
sitzt die  Oberfläche  eine  geringe  Neigung, 
so  herrschen  unregelmäßige  tiefe  Löcher  und 
kurze  Furchen  vor.  Stets  entsprechen  die 
Vertiefungen  den  leichter,  die  Erhebungen 
den  schwerer  löslichen  Partien;  ist  der 
Kalkstein  unrein,  so  bilden  sich  zwar  rauhe 
Oberflächenformen,  aber  keine  Karren.^ 

Überblicken  wir  noch   einmal  alle  die 
verschiedenen  Elemente  des  Karstphänomens: 


Fig.  100.  Naturechacht  Font- 
longae  bei  dem  Dorfe  Bidon, 
Dep.  Ardßehe,  nach  Martbl. 


1.  Gebilde  der  Tiefenerosion: 

a)  primäre:  Höhlen. 

b)  Sekundäre,   durch   Einsturz    ent- 
standen: 

a)  aUe  Schwemmlanddolinen, 
ß)  Felsendolinen,  zum  Teü, 
y)  Naturschachte,  zum  Teil, 
S)  Offene  Thalstücke. 


X  In  neuerer  Zeit  wurde  vielfach  die  Ansicht  laut,  daß  die  Karren  durch 
die  Schmelzwässer  eiszeitlicher  Grletscher  geschaffen  wurden,  allein  sie  sind 
keineswegs  auf  alte  Glazialgebiete  beschränkt,  sondern  kommen  in  allen  ELlimaten 
und  in  den  verschiedensten  Höhenlagen  vor.  Gletschererzeugnisse  mögen  aber 
Wühl  jene  breiten  gewundenen  Furchen  sein,  die  durch  gerundete  Rücken  von- 
einander getrennt  werden,  und  auf  die  man  leider  auch  die  Bezeichnung  Karren 
anwendet. 


Das  unterirdische  Wasser. 


363 


2.  Gebilde  der  Oberflächenerosion: 

a)  Im  reinen  Kalkstein. 

a)  Auf  ebenem  oder  sanft  geneigtem  Kalkboden: 

acc)  Felsendolinen,  zum  Teil, 

ßß)  Naturschachte,  zum  Teil. 
ß)  Auf  stark  geneigtem  Kalkboden:  Karren. 

b)  In  unreinem  Kalkstein:  geologische  Orgeln. 

3.  Tektonische  Formen,  durch  die  Tiefenerosion  modifiziert: 

Poljen. 
Nicht  alle  Elemente  des  Karstphänomens  sind  überall  in  gleicher 
Weise  ausgebildet,  am  seltensten,  wie  es  scheint,  die  Poljen.     Die 


Fig.  101.     Ein  Karrenfeld  nach  Hbim. 


Gausses  in  Frankreich  sind  z.  B.  verhältnismäßig  wenig  höhlen- 
aber  sehr  dolinenreich,  während  umgekehrt  der  Wüstenkalk  des 
Antilibanon  zahlreiche  Grotten  birgt,  der  Dolinen  aber  gänzlich  ent- 
behrt. Sieht  man  von  der  Vollständigkeit  ab,  so  kann  man  sagen,  daß 
das  Karstphänomen  eine  allgemeine  Verbreitung  besitzt.  Weder 
das  geologische  Alter  noch  die  Lagerungsverhältnisse  der  Kalksteine 
sind  darauf  von  Einfluß.  Es  kommt  ebenso  in  Faltengebirgen  wie 
in  horizontal  geschichteten  Plateaus  (z.  B.  in  Livland  oder  in  den 
Gausses)  vor.  Maßgebend  ist  nur  die  größere  oder  geringere  Rein- 
heit des  Kalksteines,  und  nur  diesem  Umstände  ist  es  zuzuschreiben, 
daß  die  Caprotinen-  und  Kudistenkalke  der  Kreideformation  die 
Hauptträger  des  Karstphänomens  zu  sein  scheinen. 


364 


Die  Dynamik  des  Landes. 


In  Europa  sind  neben  dem  Karstgebirge  (im  weitesten  Sinne 
des  Wortes)  die  Kalkplateaas  der  Gausses  im  französischen  Zentral- 
massiv  das  ausgedehnteste  und  —  Dank  den  jahrelangen  Forschnngen 
Mabtels  —  bestbekannte  Earstland.  Von  den  zahlreichen  außereuro- 
päischen Vorkommnissen  wollen  wir  nur  zwei  nennen:  Jamaica,  ein 
echtes  Karstland,  dem  auch  die  Poljen  nicht  fehlen,  und  das  umfang- 
reiche Höhlengebiet  der  Vereinigten  Staaten  zwischen  dem  Alleghany- 
Gebirge  und  dem  Missisippi.  Die  Mammuthöhle  in  Kentucky  besteht 
aus  nicht  weniger  als  203  Gängen  mit  einer  Gesamtlänge  von  240  km, 
gleich  der  Entfernung  Berlin-Hamburg!  Das  läßt  alles,  was  sonst 
von  solchen  Bildungen  bekannt  ist,  weit  hinter  sich  zurück,  denn  die 
nächst  grösste  Höhle  der  Welt,  die  Wyandotthöhle  in  Indiana,  mißt  nur 
37,6  km  und  die  längsten  Grotten  des  Karstes  haben  nur  5 — 6  km. 

Ob  die  Höhlen  der  gehobenen  Koralleninseln  auch  in  die  Kate- 
gorie des  Karstphänomens  gehören,  mag  noch  dahingestellt  bleiben, 
da  schon  die  lebenden  RifiFe  nicht  massive  Bauten  sind.  Kkaus 
zählt  sie  gerade  so  wie  die  Blasenräume  in  Eruptivgesteinen  zu  den 
ursprünglichen  Höhlen. 

Ouellbildung/  Wir  haben  das  Wasser  auf  seinen  unterirdischen 
Wegen  begleitet,  imd  haben  nun  die  Bedingungen  zu  untersuchen,  unter 
welchen  es  —  oft  weit  von  seinem  Ursprungsorte  —  als  Quelle  wieder 
zutage  tritt     Freilich  nicht  immer   als   scharf  markierter  Wasser- 


faden.  Häufig  bezeichnen  nur  ein  intensiveres  Grün  der  Vegetation, 
Binsen,  sumpfiger  Boden  oder  dunkle  Flecken  inmitten  ausgetrock- 
neter Felder  die  Stelle,  wo  Wasser  aus  dem  Boden  hervordringt; 
in  diesen  Falle  versinkt  es  auch  zum  Teil  wieder  in  die  EJrde,  um 
seinen  Kreislauf  von  neuem  zu  beginnen. 

Zwei  Fälle  sind  zu  unterscheiden:  1)  die  undurchlässige  Schicht 
wird  von  einer  Vertiefung  an  der  Erdoberfläche  durchschnitten  und 
das  Bodenwasser  tritt  in  der  Schnittlinie  zutage.  Das  sind  ab- 
steigende Quellen,  die  lediglich  dem  Gesetz  der  Schwere  folgen. 
2)  Die  undurchlässige  Schicht  liegt  unter  der  Oberfläche  und  das 
Bodenwasser  wird  entweder  durch  hydrostatischen  Druck  oder  durch 


Das  unterirdische  Wasser.  365 


komprimierte  Gase  (Kohlensäure  oder  Kohlenwa88er8toflF^)oder  durch 
Wasserdampf  in  Spalten  in  die  Höhe  getrieben.  Das  sind  auf- 
steigende Quellen. 

An  dem  schematischen  Durchschnitte  in  Fig.  102  sollen  einige 
Arten  der  Quellbildung  erläutert  werden.  AB  ist  die  undurch- 
lässige Schicht  mit  flachwelliger  Lagerung.  Das  Thal  I  schneidet 
in  dieselbe  ein.  Ihr  entlang  bewegt  sich  das  Bodenwasser  —  sei 
es  Grund-  oder  Kluflwasser  —  auf  der  rechten  Seite  dem  Thale 
zu  und  tritt  in  6^  als  Schichtquelle  hervor.  Daß  dies  nicht  gleich- 
mäßig am  ganzen  Grehänge  geschieht,  hat  seinen  G-rund  in  den  Un- 
ebenheiten der  Unterlage  oder  in  Spaltengängen,  die  dem  Wasser 
bestimmte  Bahnen  anweisen.  Dies  ist  ein  Beispiel  einer  absteigen- 
den Quelle. 

Im  Thale  II  bleibt  die  linke  Böschung  aus  schon  erörterten 
Gründen  trocken.  Die  rechte  kann  aber  Quellen  besitzen,  denn 
zwischen  11  und  IV  bildet  die  undurchlässige  Schicht  eine  Mulde, 
und  sobald  sie  angeschnitten  wird,  preßt  der  hydrostatische  Druck 
das  Bodenwasser  an  beiden  Schnittlinien  als  sogenannte  Überfalls- 
qu eilen  heraus.  Solche  finden  sich  in  den  Thälem  11  und  17  (w). 
Im  Thale  III  kann  das  Bodenwasser  ebenfalls  durch  seinen  eigenen 
Druck  in  einer  Spalte  aufsteigen,  wenn  der  Thalboden  tiefer  liegt 
als  die  Muldenränder  der  undurchlässigen  Schicht.  Solche*  Quellen 
nennt  man  Spaltquellen  [Sp)  Dazu  getören  auch  die  arte- 
sischen Brunnen,  bei  denen  die  Spalte  künstlich  durch  Bohrung 
erzeugt  wird,  wenn  sie  auch  meist  tiefere  Etagen  des  Bodenwassers 
anzapfen  (s.  a.  in  Fig.  93).  Verwandt  sind  ihnen  auch  die  Quell- 
tümpel (in  manchen  Gegenden  Seeaugen  genannt),  die  dadurch 
entstehen,  daß  das  Grundwasser  bei  hohem  Stande  eine  Vertiefung 
der  wasserführenden  Schicht  oder  deren  Decke,  wenn  eine  solche 
vorhanden  ist,  völlig  erfaUt  Ein  solcher  Quelltümpel  im  großartigen 
Maßstabe  ist  der  Neusiedler  See,  der  infolge  trockener  Jahre  1865 
ganz  verschwand,  aber  seit  1867  sich  wieder  zu  füllen  begann. 

Im  Thale  IV  lernen  wir  noch  eine  andere  Art  der  Quell- 
bildung, die  Verwerfungsquelle  {v)  kennen.  Die  undurchlässige 
Schicht  ist  hier  längs  einer  Spalte  derart  verschoben,  daß  ihr  linker 
Flügel  vor  die  durchlässige  Schicht  des  rechten  Flügels  gebracht 
wird.  Das  Bodenwasser,  das  auf  der  rechten  Thalseite  abwärts 
fließt,  wird  dadurch  plötzlich  gehemmt  und  gezwungen,  entlang  der 
Verwerfangsspalte  in  die  Höhe  zu  steigen.   Spalten-  und  Verwerfiings- 


X    Die   Eohlenwasserstofßquellen  haben   wir  als   Schlammsprudel   schon 
kennen  gelernt  (s.  S.  821). 


366  Die  Dynamik  des  Landes. 


quellen  sind  die  einfachsten  Beispiele  aufsteigender  Quellen.  Viel 
komplizierter  liegen  die  Verhältnisse  in  stark  disloziertem  Boden,  wo 
ein  weitverzweigtes  Netzwerk  von  Spalten  die  Quellen  zutage  forderL 

Einteiliing  der  ftnellen.  Die  wichtigsten  Eigenschaften  der 
Quellen  sind  ihre  Wassermenge,  ihr  Gehalt  an  festen  Bestandteilen 
und  ihre  Temperatur. 

Wie  das  Grundwasser,  so  sind  auch  die  Quellen  von  den  Nieder- 
schlägen abhängig.  Spalten,  die  unter  normalen  Verhältnissen  trocken 
sind,  ergießen  in  sehr  nassen  Jahren  die  sog.  Hungerbrunnen, 
die  diese  Bezeichnung  deshalb  führen,  weil  sie  als  Anzeichen  einer 
schlechten  Ernte  betrachtet  werden.  In  Gegenden  mit  periodischem 
Regen  fließt  auch  die  Mehrzahl  der  Quellen  periodisch,  überhaupt 
besitzen  nur  solche  Quellen,  die  mit  großen  unterirdischen  Wasser- 
reservoirs (z.  B.  in  der  Nähe  von  Seen)  in  Verbindung  stehen,  eine 
gleichmäßigere  Wassermenge.  Je  ausgedehnter  das  Quellgebiet  eines 
Ortes  ist,  desto  unabhängiger  wird  es  in  den  Wasserverhältnissen 
von  seinem  eigenen  Klima,  In  regenlosen  Gegenden  treten  die 
Quellen  in  weiter  Entfernung  von  ihrem  Ursprünge  hervor.  In  den 
Oasen  der  libyschen  Wüste,  deren  eine  Kette  parallel  mit  dem  Nil 
zieht,  während  die  andere  den  Südabhang  des  cyrenäischen  Plateaus 
umsäumt,  stammen  sie  nach  Zittel  aus  dem  tropischen  Regengebiete 
von  Afr&a.  Auf  den  wasserdichten  Schichten  der  nubischen  Sand- 
steinformation fließt  das  Sickerwasser  nach  Nordosten,  wo  es  sich 
in  einer  seichten  Mulde  westlich  vom  Nil  ansammelt,  da  eine  schwache 
Aufbiegung  der  Kreideschichten  unter  der  nördlichen  Oasenreihe 
den  Abfluß  zum  Mittelmeere  verhindert.  Die  ältere  Hypothese,  daß 
das  Seihwasser  des  Nils  die  östlichen  Oasen  speise,  erweist  sich  schon 
deshalb  als  unhaltbar,  weil  die  Schichten  gegen  den  Nil  einfallen. 
Die  Franzosen  haben  in  der  algerischen  Sahara  von  dem  erstaun- 
lichen unterirdischen  Wasserreichtume  der  Wüste  durch  artesische 
Brunnenbohrungen  den  ergiebigsten  Gebrauch  gemacht 

Je  weitere  unterirdische  Bahnen  eine  Quelle  durchwandert, 
desto  mehr  belädt  sie  sich  mit  festen  Bestandteilen,  unter  denen 
Karbonate,  Sulfate  und  Chloride  die  wichtigsten  sind.  Denn  überall, 
nicht  bloß  in  direkt  löslichen  Gesteinen,  wirkt  die  chemische  Erosion 
des  kohlensäurehaltigen  Wassers.  Der  Mineralgehalt  der  Quelle 
hängt  zunächst  von  der  Beschaffenheit  des  Muttergesteins  ab.  In 
England  sind  jene  Quellen  am  reinsten,  die  aus  dem  Granit  und 
Gneiß  kommen;  ihnen  zunächst  kommen  die  aus  dem  Silur  und 
Kohlensandstein  stammenden;  am  meisten  verunreinigt  sind  jene, 
die  ihren  Weg  durch  den  Dyaskalk  und  durch  das  Diluvium  und 
Alluvium  nehmen.     Unter  sonst  gleichen  Umständen  sind  Thermen 


Das  unterirdische  Wasser.  367 


reicher  an  festen  Bestandteilen,  als  kalte  Quellen,  weil  warmes 
Wasser  eine  größere  Lösungskraft  besitzt;  doch  giebt  es  auch  ver- 
hältnismäßig reine  Thermen,  wie  die  von  Pfäffers,  Gastein,  Plom- 
hieres  und  Bormio. 

Je  nach  dem  vorherrschenden  Mineralgehalte  unterscheidet  man 
Kalk-,  Kiesel-,  Stahl-,  Natron-,  Schwefel-,  Soolquellen  u.  s.  w.;  sind 
die  Quellen  sehr  kohlensäurereich,  so  nennt  man  sie  Sauerquellen. 
Viele  von  ihnen  haben  wegen  ihrer  Heilkraft  große  Bedeutung, 
einige  wirken  sogar  auf  die  Oberflächengestaltung  ein.  Das  gilt 
hauptsächlich  von  den  kalk-  und  kieselsäurereichen  Quellen; 
letzterer,  die  stets  heiße  Quellen  sind,  werden  wir  sogleich  gedenken. 
Die  ersteren  lagern  Travertin,  oft  in  großer  Mächtigkeit,  ab.  Aus 
Italien  sind  viele  Beispiele  davon  bekannt;  am  berühmtesten  sind 
die  Ablagerungen  des  Anio  bei  Tivoli.  Das  an  den  Ufern  wachsende 
Rohr  wird  inkrustiert,  der  Schaum  des  Wasserfalles  bildet  Stalaktiten, 
und  die  tiefe  Schlucht,  in  die  er  sich  stürzt,  besteht  aus  horizon- 
talen Schichten  von  Tuffen  und  Travertin  von  120 — 150  m  Mächtig- 
keit, ist  also  zum  großen  Teil  selbst  ein  Ablagerungsprodukt  des 
Flusses.  Noch  weit  großartiger  sind  die  Travertinbildungen  der 
Quellen  auf  dem  kleinasiatischen  Plateau  Pambuk-Ealassi  in  der 
Nähe  der  alten  Stadt  HierapoUs. 

Quellen,  die  dem  Grundwasser  entstammen,  also  aus  mäßiger 
Tiefe  kommen,  haben  eine  Temperatur,  die  im  allgemeinen  der  mitt- 
leren Jahreswärme  des  betreffenden  Ortes  entspricht,  aber  doch  eine 
jährliche  Schwankung  zeigt.  Kälter  sind  die  absteigenden  Quellen 
im  Gebirge,  die  durch  Schnee-  und  Gletscherwasser  gespeist  werden,^ 
und  die  unterirdischen  Abflüsse  tieferer  Seen,  deren  Bodenschicht 
bekanntlich  nur  eine  Temperatur  von  4®  besitzt  Als  warme  Quellen 
oder  Thermen  bezeichnet  man  jene,  deren  Temperatur  die  mittlere 
Jahreswärme  der  Luft  an  der  Ausflußstelle  übersteigt  Man  kann 
daher  relativ  und  absolut  warme  Quellen  unterscheiden,  und  als 
Grenzwert  das  höchste  thermische  Jahresmittel  im  Meeresniveau  (30^ 
annehmen.^  ^     Ihre   höhere   Temperatur   ist   aber   nach   DAUBKfcBs 


X  Die  höchsten,  bisher  bekannt  gewordenen  kalten  QueUen  liegen  nach 
einer  ZnsammensteUnng  von  ScHLAonnwEiT  in  Tibet  5379,  im  Himalaja  4852, 
in  den  Andes  4782  und  in  den  Alpen  3182  m  hoch  (Petbbmammb  Mitteilungen 
1865,  S.  867). 

>cx  Dampfquellen  (100")  hat  Europa  nur  eine:  die  Soffioni  in  Toskana. 
Über  S(^  haben  die  Bäder  auf  den  Ldparen  (97—100%  Gurgitello  auf  l8chia(90"), 
die  Kerobader  (86")  und  Pisciarelli  (84")  bei  Pozzuoli,  Albano  in  den  Euganeen 
(84,5"),  ChaudesaigneB  in  Frankreich  (Cantal,  88")  und  die  Petersquelle  im  Terek- 
thale  (89").    Berühmte  Thermen  in  Mitteleuropa  sind  Burtscheid  (78"),  Karlsbad 


368 


Die  Dynamik  des  Landes. 


Ansicht  nicht  immer  ein  Beweis  dafür,  daß  sie  aus  großen  Tiefen 
stammen;  sie  können  auch  durch  vulkanisches  Gestein,  das  seine 
Wärme  noch  großenteils  bewahrt  hat,  erhitzt  worden  sein.  In  der 
Regel  sind  sie  aber  wohl  an  ein  tief  hinabreichendes,  vertikales 
Spaltensystem  gebunden,  also  ebenso,  wie  die  Vulkane  eine  Begleit- 
erscheinung beträchtlicher  Schichtenstörungen.  Daher  entspringen 
heiße  Quellen  auch  dort,  wo  es  nicht  zu  vulkanischen  Ausbrüchen 
kam.  Daraus  erklärt  es  sich  auch,  daß  die  in  stark  dislozierten 
Gegenden  häufigen  Erdbeben  oft  dauernd  die  Temperatur  der  Ther- 
men verändern,  indem  sie  tiefere  Spalten  entweder  öfl&ien  oder 
schließen.  Durch  das  Lissaboner  Erdbeben  (1755)  wurde  z.  B.  die 
Temperatur  der  Königinquelle  zu  Bagnferes  de  Luchon  in  den  Pyre- 
näen von  ca.  8  auf  50^  erhöht,  und  andererseits  verwandelte  das 
Erdbeben  von  1660  die  Thermen  zu  Bagneres  di  Bigorre  in  kalte 
Quellen.  Auch  ihr  ziemlich  gleichmäßiger  Wasserreichtum  weist 
darauf  hin,  daß  ihr  Sammelgebiet  dem  Einflüsse  der  meteorologischen 
Schwankungen  fast  ganz  entrückt  ist 

GeyBir.®  Kochend  heiße  Quellen  kommen  nur  in  vulkanischen 
Gegenden  vor.  Steigt  ihre  Temperatur  über  den  Siedepunkt,  so 
verwandeln  sie  sich  zum  Teil  oder  ganz  in  Dampf,  wie  die  Karapiti 
auf  Neuseeland.  Die  interessantesten  Erscheinungen  dieser  Art  sind 
die  Geysire,  intermittierende  Springquellen,  die  in  der  Hegel  große 
Quantitäten  Kieselsinter  um  ihre  Mündungsstelle  absetzen.  Dadurch 
entstehen    meist    allmählich   ansteigende   Kegel  mit  einem   flachen 

Becken  in  der  Mitte,  auf  dessen  Boden  ein 
zylindrischer  Kanal  mündet  So  gebaut  ist 
der  Große  Geysir  auf  Island  (Fig.  103  u.  104), 
der  dem  Phänomen  den  Namen  gab  und 
bisher  auch  am  eingehendsten  studiert  wor- 
den ist  Vor  der  Eruption  ist  sein  Becken 
mit  krystallhellem,  bläulichgrünem  Wasser 
gefüllt,  dessen  Temperatur  von  oben  nach 
unten  zunimmt  und  gleichzeitig  auch  in 
jeder  Schicht  bis  zum  Zeitpunkte  der  Elmp- 
tion  sich  steigert,  ohne  irgendwo  den  Siede- 
punkt zu  erreichen.  Heftiger  unterirdischer 
Donner  kündigt  den  Ausbruch  an,  das 
Wasser  beginnt  zu  wallen,  kleinere  Erup- 
tionen erfolgen,  endlich  schießt  ein  Strahl  heißen  Wassers,  ca.  S  m 
stark   und   über  30  m  (einmal  sogar  70  m)  hoch,  von  Dampfwolken 

(74°),  Gastein  (71,6°),  Wiesbaden  (69°),  Baden-Baden  (67%  Ofen(61<^Mehadia(55«), 
Aachen  (55°),  Leuckerbad  (51°),  Teplita  (49°),  Ems  (47,b°)  etc. 


4Ä<^ 


Fig.  103.  DurohBchnitt  des 
Großen  Geysirs  auf  Island  in 
1 :  1000  nach  den  Messungen 
von  Coleb (1881).  DieZahlen 
links  sind  beobachtete  Tempe- 
raturen, die  rechts  die  der 
Tiefe  entsprechenden  Siede- 
punkte.    KS,  =B  Eieselsinter. 


Dm  nnterirdiache  Wasser. 


369 


Tiingeben  und  manchmal  auch  von  Steinen  begleitet,  herror.  Von 
Zeit  zu  Zeit  scheint  der  Strahl  einzusinken ,  aber  immer  wieder 
erhebt  er  sich.  Nach  ca.  10  Minuten  fällt  er  endlich  in  sich  zu- 
sammen, das  Becken  ist  leer  und  nur  die  Steigröhre  ist  noch  bis 
2  m  unter  der  Oberfläche  gefüllt  Nach  einer  Pause  von  mehreren 
Stunden  wiederholt  sich  dieses  imposante  Schauspiel  in  der  eben  ge- 
schilderten Reihenfolge. 

Es  ist  klar,  daß  Dampf  die  Wassermasse  im  Kanal  empor- 
schleudert, und  die  verschiedenen  ElrklänmgsTersuche  weichen  nur 
in  der  Angabe  der  Örtlichkeit,  wo  die  erste  Dampfentwicklung 
stattfindet,  von  einander  ab.  Ältere  und  neuere  Theorien  verlegen 
sie  in  Hohlräume,  die  mit  der  Steigröhre  in  Verbindung  stehen, 
BuNSEN  dagegen  in  die  Mitte  der  Steigröhre  selbst  Für  den  Großen 
Geysir  ist  diese  Annahme  auch  durch  Beobachtung  erhärtet, 
denn  Steine  und  ein  Ther- 
mometer, die  auf  den 
Boden  der  Röhre  versenkt 
wurden,  wurden  nicht  aus- 
geschleudert, ja  letzteres 
blieb  sogar  bei  einer  hef- 
tigen Eruption  völlig  un- 
Tersehrt  In  der  That 
ersehen  wir  auch  aus  den 
Zahlen  in  Fig.  103,  daß 
sich  gerade  in  der  Mitte 
des  Kanales  die  Tempera- 
tur des  Wassers  am  meisten 
dem  Siedepunkte  nähert; 
hier  muß  ein  besonderer 
Wärmeherd  liegen,  und 
damit  stimmt  auch  der 
Bau  der  Röhre,  die  nach 
Bbtsons  Entdeckung  in 
13^/,  m  Tiefe  eine  ein- 
springende Leiste  besitzt 
Die  Wasserscbicht  d  mit 
121,8^  braucht  nur  um 
2  m,    bis    zum  Niveau  c, 

wo  der  Siedepunkt  schon  bei  120,8*  liegt,  gehoben  zu  werden,  um 
sich  sofort  in  Dampf  zu  verwandeln.  Diese  Hebung  wird  durch  die 
Erhitzung  des  ganzen  Röhreninhaltes  von  unten  her  bewirkt;  die 
Abkühlung  von  oben  und  die  Zufuhr  kalten  meteorischen  Wassers 

SiTPAH,  Physische  Erdkunde.    2.  Aufl.  24 


Fig.  104.     Der  Große  Geysir  nach  Fuchs. 


370  Die  Dynamik  des  Landes. 


wirken  entgegen,  und  darauf  beruht  die  Periodizität  der  Ausbrüche 
und  ihre  allmähliche  Steigerung  zu  einer  Haupteruption. 

Eb  ist  keineswegs  ausgemacht ,  ob  diese  Erklärung  fiir  alle 
Geysire  ausreicht,  da  sie,  und  zwar  selbst  benachbarte,  in  yielen 
wichtigen  Merkmalen  voneinander  abweichen.  Jedenfalls  ist  Bunsens 
Annahme,  daß  ein  Sinterbecken  notwendig  sei,  nicht  zutreffend, 
denn  der  Steamboot-Öeysir  im  Yellowstonegebiete  zeigt  erst  die 
ersten  Ansätze  zu  einer  solchen  Umrandung.  Beachtenswert  ist  auch, 
daß  es  Malfboy  in  Neuseeland  gelang,  durch  Ableitung  einer 
Wasserschicht  von  60  cm  Mächtigkeit  die  Puia-Thenne  in  eine 
Springquelle  von  9 — 12  m  Höhe  zu  verwandeln.  • 

In  Island  ist  neben  dem  schon  genannten  Großen  Geysir  der 
Strokr,  der  erst  1784  während  eines  Erdbebens  entstand,  am  be- 
kanntesten, auch  dadurch,  daß  man  ihn  durch  hineingeworfene 
Steine  und  Erde  zur  Eruption  zwingen  kann.  Noch  großartiger 
ist  dieses  Phänomen  im  Nationalpark  im  Felsengebirge  (am  oberen 
Yellowstone  und  Madison)  entwickelt.  Zahlreich  sind  hier  die  Dampf- 
quellen, Geysire  und  heißen  Quellen;  im  oberen  Geysirgebiete  am 
Feuerlochflusse  werden  Wasserstrahlen  von  70 — 80  m  und  Dampf- 
säulen von  300  m  Höhe  emporgeschleudert.  Diesen  beiden  Be- 
zirken kann  sich  nur  noch  die  Nordinsel  von  Neuseeland  an  die 
Seite  stellen.  ICinen  wunderbaren  Anblick  boten  einst  die  terrassen- 
förmig aufgebauten,  marmorweißen  Kieseltuffiiblagerungen  des  Teta- 
rata,  bis  sie  durch  den  Tarawera -  Ausbruch  im  Jahre  1886  völlig 
zerstört  wurden.  Sonst  finden  sich  Geysire  nur  noch  vereinzelt,  wie 
in  Califomien,  nördlich  von  San  Francisco,  oder  in  Japan,  wo  Küktzb 
ein  Vorkommen  beschrieben  hat. 

Litteraturnachweise.  '  Hauptwerk:  DAUsaiE,  Les  eauz  souterrames 
&  r^poque  actuelle,  Paris  1887.  ^  '  Sotka,  Die  Schwankungen  des  Grund- 
wassers, Wien  1888.  —  •  Hann,  Über  eine  neue  Quellentheorie,  in  der  Zeit- 
schrift der  österreichischen  Gesellschaft  fQr  Meteorologie  1880.  —  ^  Cvuiö,  Das 
Karstphänomen,  Wien  1898.  Mabtel,  Les  abimes,  Paris  1894.  Kraus,  Höhlen- 
kunde, Wien  189-1.  —  ^  Richter  ^  Über  Eishöhlen  in  Petericakiys  Mitteilungen 
1889.  —  •  Keller,  in  Petermanns  Mitteilungen  1881,  S.  329,  —  '  Haas, 
Quellenkunde,  Leipzig  1895.  —  ^  Hauptwerk:  Holmes  und  Peale,  Yellowstone 
National  Park,  Washington  1888  (im  12.  Annual  Report  of  the  U.  S.  Survey  of 
the  Territories).  —  •  Malproy  in  den  Transactions  of  the  New  Zealand  In- 
stitute 1891,  Bd.  XXIV,  S.  579. 

Das  fliefsende  Wasser.^ 

Wassermenge.  Die  Quellen,  das  oberflächlich  abfließende  Regen- 
wasser und  das  Schmelzwasser  des  Schnees  und  Eises  vereinigen 
sich  schließlich  zu  Wasserf&den,   die  wir  je  nach  ihrer  Größe  als 


Das  fliefiende  Waseer. 


371 


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Winter 
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Fig.  lOö. 


Wafiserstand   der  Memel  bei  Tilsit   im 
Mittel  der  Jahre  1842-:-71. 


Bäche,  Flüsae  oder  Ströme  zu  bezeichnen  gewohnt  sind.  Dem 
Gesetze  der  Schwere  folgend,  streben  sie  insgesamt  dem  tiefsten 
Niveau  der  Erdoberfläche,  dem  Meeresniveau  zu,  wenn  auch  nicht 
alle  das  Ziel  erreichen.  In  regenarmen  Gegenden  ist  ihre  Waaser- 
menge  zu  gering,  als  daß  sie  der  Verdunstung  Widerstand  leisten 
könnten,  und  so  finden 
sie  ein  vorzeitiges  Ende, 
indem  sie  entweder  in  einen 
See  münden,  oder  in  den 
Boden  einsickern,  oder  von 
der  Sonne  aufgezehrt,  spur- 
los verschwinden.  Nur 
größere  Ströme,  wie  der 
ägyptische  Nil  oder  der 
Euphrat  und  Tigris,  deren 

Quellgebiete  in  einer 

niederschlagsreichen  Zone 

liegen,  oder  die  durch  die 

Schmelzwässer  schneereicher  Hochgebirge  ernährt  werden,   dringen 
sieghaft  durch  Wüstendistrikte  bis  zum  Meere  durch. 

Die  Wassermenge,  die  den  Ozean  erreicht,  schätzt  Wobikow 
auf  600000  cbm  in  der  Sekunde. 

Die  jährliche  Periode  (Fig.  105)  und  die  Schwankungen 
des  Wasserstandes  der  Flüsse  werden  in  imseren  Gegenden,  wo  kein 
Monat  ohne  Regen  vergeht,  mehr  durch  lokale  Verhältnisse  als 
durch  die  Niederschläge  bedingt  So  verhält  sich  nach  Hagen  beim 
Rhein  an  der  holländischen  Grenze  die  geringste  Wassermenge  zur 
größten  wie  1:6,6,  bei  der  Mosel  oberhalb  Metz  wie  1:98  und  bei 
der  Loire  bei  Briare  wie  1 :  312,4.  Diese  Zahlen  sind  freilich  nicht 
ganz  sicher,  aber  immerhin  lehrreich.  Die  Ursache  der  starken 
Schwankungen  des  Wasserstandes  der  Loire  haben  wir  unzweifelhaft 
in  der  fortschreitenden  Entwaldung  ihres  Gebietes  zu  suchen. 
Die  Beobachtungen  an  den  forstlich -meteorologischen  Stationen  in 
Bayern  ergaben  zwar  keine  Beweise  für  die  weit  verbreitete  An- 
sicht, daß  der  Wald  die  Regenmenge  erhöhe;  aber  jedenfalls  ist  es 
sichergestellt,  daß  im  Waldboden  mehr  Wasser  einsickert  als  im 
freien  Felde,  daß  also  mit  der  Entwaldung  die  Menge  des  ober- 
flächlich abfließenden  Wassers  zu-  und  die  Zahl  der  Quellen  ab- 
nimmt Zur  Zeit  heftiger  Regengüsse  müssen  daher  die  Flüsse 
mächtig  anschwellen,  während  in  der  Periode  des  Niedrigwassers  die 
Ernährung  durch  die  Quellen  gering  ist,.  Am  Niederrhein  ist  die 
jahreszeitliche  Verteilung  der  Niederschläge  eine,  sehr  gleichmäßige 

24* 


372 


Die  Dynamik  des  Landes. 


denn  im  Sommer,  wenn  der  Spiegel  anderer  Flüsse  beträchlicfa  sinkt 
erhält  er  reichlichen  Zuschuß  von  dem  schmehenden  Schnee  der 
Alpen.  Außerdem  wirken  auch  Seen  und  Ufersümpfe  als  Begola- 
toren,  indem  sie  zur  Zeit  großer  WasserfbUe  einen  Teil  des  Wassers 
zurückbehalten,  um  ihn  in  der  Trockenzeit  langsam  wieder  abzugeben. 
Daher  ist  das  Verhältnis  des  tieüsten  Wasserstandes  des  Rheines  zum 
höchsten  oberhalb  des  Bodensees  in  Graubünden  =  1 :  70,  bei  Basd 
aber  nur  =  1  :  14. 

Hoch-  und  Niedrigwasser  treten  bei  großen  Strömen  nicht  an 
allen  Orten  gleichzeitig  ein.'  Vom  Bodensee  bis  Ketsch  erreicht  der 
Bhein  seinen  höchsten  Stand  im  Juli,  wenn  der  Schnee  in  den 
Alpen  schmilzt,  von  Bacharach  abwärts  aber  (wie  die  Weser)  im 
Februar,  weil  hier  die  Nebenflüsse  durch  die  Schneeschmelze  am 
Beginne  des  Frühlings  anschwellen.  Das  Frühlings-Hocfawasser  ist 
besonders  den  großen  Strömen  der  russischen  und  sibirischen  Ebenen 
eigen,  deren  Schneedecke  weit  rascher  schmilzt,  als  die  im  Gebirge 
(vergl.  Fig.  105);  hier  tritt  die  jährliche  Periode  der  Flußhdhe  fast 
ebenso  scharf  hervor,  wie  in  den  subtropischen  und  tropischen  Län- 


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Fig.  106.     Miniere  NilwaaMntande  bei  den  Bamges  nnterhmlb 
Kairo  1849—78. 

dem  mit  ihren  ungleichmäßig  Terteilten  Niederschlägen.  Die  spa- 
nischen Plateauöüsse,  die  im  Frühjahr  zu  brausenden  Fluten  an- 
schwellen,  ziehen  sich  im  Sommer  zu  unscheinbaren  Wasserftden 
zusammen;  und  in  den  Gebieten  regenloser  Sommer  rerschwinden 
in  dieser  Jahreszeit  viele  Ton  den  kleineren  Flüssen  (intermit- 
tierende Flüsse  oder  Fiumaren)  ganz.  Weniger  schwankt  der 
Wasserstand  nur  bei  jenen  subtropischen  Flüssen,  die  aus  dem 
Hochgebirge  kommen,  wie  beispielsweise  bei  dem  GuadalquiTir. 
Noch  größer  sind  die  Schwankungen  in  der  Tropenzone,  wo  die 
Kegenzert  mit  der  alpinen  Sehneeschmelze  zusammentnffib,  wenn 
nicht  andere  Verhältnisse  mildernd  einwirken,  wie  beim  Nil 
(Fig.    10«)   oder  Ganges.     Das   Qtiellgebiet  des   erstere»  liegt  im 


Dm  fließende  Wasser. 


373 


Äquatorialgartel,  wo  der  Gegensatz  von  Begen  und  Trockenheit 
nicht  80  schroff  ist,  und  überdies  wirken  hier  auch  die  großen  Seen 
als  Eegulatoren.  Das  Quellgebiet  des  Ganges  und  seiner  nördlichen 
Nebenflüsse,  der  Eümalaja,  erhält  bekanntlich  auch  im  Winter  durch 
den  Antipassat  Niederschläge.  Eine  Ausnahmestellung  nehmen  die 
beiden  Äquatorialströme  ein.  Im  Gebiete  des  Amazonas  selbst  ver- 
geht kein  Monat  ohne  Regen^  während  seine  Nebenflüsse  in  den 
entgegengesetzten  Jahreszeiten,  die  nördlichen  im  nordhemisphärischen 
und  die  südlichen  im  südhemisphärischen  Sommer  anschwellen ;  und 
die  Gleichmäßigkeit  der  Wassermenge  des  Hauptflusses  wird  nur 
dadurch  etwas  gestört,  daß  die  südlichen  Zuflüsse  größer  sind,  als 
die  nördlichen.   Ähnliche  Bedingungen  finden  beim  Kongo  statt,  so 


Fig.  107.     Wasserstande  des  Rheins  bei  Düsseldorf,  1800—1879. 

daß  man,  schon  lange  vor  Stanleys  Entdeckung,  die  Existenz  des 
nördlichen  Eongobogens  aus  den  Wasserständen  im  Unterlaufe  des 
Stroms  erschlossen  hatte. 

Die  Wassermenge  der  Flüsse  wechselt  von  Jahr  zu  Jahr  mit 
den  Niederschlägen  (Fig.  107),  am  meisten  in  den  Gegenden  der 
unregelmäßigen  Hegen,  wie  besonders  im  Innern  Australiens.  Die 
sogen.  Creeks  bestehen  gewöhnlich  nur  aus  einer  Reihe  unzusammen- 
hängender Teiche,  die  sich  nur  nach  andauerndem  Regen  zu  Flüssen 
aneinanderschließen.  In  den  Jahren  1817  und  1870  breiteten  sich 
Murray  und  Darling  seeartig  aus  und  das  Hochwasser  brauchte 
Monate,  um  abzufließen,  während  in  trockenen  Jahren  zahlreiche 
Nebenflüsse  nur  ausnahmsweise  den  Hauptstrom  erreichen.  Für 
unsere  Gegenden  glaubte  man  aus  Pegelbeobachtungen  den  Schluß 
ziehen  zu  dürfen,  daß  die  Wassermenge  der  Flüsse  abnehme;  andere 
behaupteten,  daß  wenigstens  der  mittlere  und  niedere  Wasserstand 
sinke,  während  die  Hochwässer  steigen;  wir  wissen  aber  jetzt,  daß 


874  Die  Dynamik  des  Landes. 


sich  in  diesen  Schwankungen  nur  die  35jährigen  Klimi4>erioden' 
wiederspiegehi,  ebenso  wie  in  der  Dauer  der  Eishedeckung,  die 
die  Flüsse  höherer  Breiten  oft  monatelang  in  Fessehi  sdilägt  und 
dem  Verkehre  entzieht^ 

Außergewöhnliche  Hochwässer,  die  Überschwemmungen  ver- 
ursachen^ werden  nicht  nur  durch  heftige  Regengüsse,  plötzliche  Schnee- 
schmelze und  durch  den  Eisgang  —  wenn  die  treibenden  Schollen 
zu  Barrieren  sich  aufstauen  — ,  sondern  auch  durch  orographische 
Hindernisse  im  Flußlaufe  hervorgerufen.  Im  letzteren  Falle  gehören 
sie  zum  geographischen  Charakter  größerer  oder  kleinerer  Gebiete. 
Ungarn  bietet  uns  ein  lehrreiches  Beispiel  davon.  Der  Untergang 
Szegedins  im  März  1879  ist  nur  ein  Glied  einer  langen  Reihe  ähn- 
licher Katastrophen,  die,  wie  Stefanoviö  nachwies,  insgesamt  durch 
Stauungen  des  Donauwassers  in  den  Felsengen  zwischen  Bazias  und 
Orsowa  bewirkt  wurden. 

Bewegung  des  Wassers.  Zunächst  gilt  für  die  Bewegung 
des  fließenden  Wassers  dasselbe  Gesetz,  wie  für  jede  Bewegung 
auf  der  schiefen  Ebene,  d.  h.  sie  ist  abhängig  von  dem  Gefälle- 
Ist  der  Höhenunterschied  zwischen  der  Quelle  und  einem  Punkte  a 
des  Flußlaufes,  bezogen  auf  die  Längeneinheit  =  ^  so  ist  in  a  die 
Endgeschwindigkeit  des  Flusses  v  =  yYgh  {g  der  bekannte  Wert 
für  die  Beschleunigung  der  Schwere).    Daß  aber  diese  Geschwindig- 


^  Für  folgende  Flüsse  betrfigt  die  mittlere  Dauer  der  Eisbedeckung 
in  Tagen: 

Donau  bei  Gralatz  (1836—75) 37,s 

Elbe  bei  Hamburg  (1816— 73) 39 

Weichsel  bei  Warschau 60 

Düna  bei  Riga 125 

Newa  bei  St.  Petersburg 147 

Oka-Moskwa  bei  Moskau     .    .  .    .    .  147 

Wolga  bei  Kasan 147 

Wolga  bei  Astrachan       101 

Dwina  bei  Archangelsk 178 

Ob  bei  Bamaul 168 

Ob  bei  Tomsk 179 

Jenissei  bei  Jenisseisk 170 

Angara  bei  Irkutsk 87 

Lena  bei  Kirensk 208 

Amur  bei  Nikolajewsk 91 

St.  Lorenzostrom  bei  Quebeck  (1815—68)     .     .  141 

Erie-Kanal  (1828—57) 136 

Hudson  bei  Albany  (1817—67) 92 

Zu  bemerken  ist,  daß  diese  Mittelwerte,  weil  auf  verschiedene  ZeitrSume  sich 
beziehend,  nicht  unmittelbar  miteinander  vergleichbar  sind. 


Das  fließende  Wasser.  875 


keit  niemals  erreicht  wird,  ist  eine  Folge  der  ßeibungswider* 
stände.  Und  zwar  ist  eine  äußere  und  eine  innere  Beibung  zu  über- 
winden: die  äußere  vollzieht  sich  an  der  festen  Begrenzung  des 
Flusses,  die  innere  entsteht  durch  das  Vorübergleiten  der  einzelnen 
Flüssigkeitsläden  aneinander,  oder  —  wie  Boussinesq*  für  alle  Fälle 
nachwies,  wo  die  Geschwindigkeit  groß  oder  das  Bett  etwas  unregel- 
mäßig ist  —  dadurch,  daß  der  molekulare  Zusammenhang  zwischen 
den  einzelnen  Wasserschichten  besonders  in  der  Nähe  der  unebenen 
Wände  zerrissen  wird^  und  abgelöste  Wasserteilchen  sich  fortwährend 
wirbelartig  durch  die  übrige  Flüssigkeit  hinbewegen.  Nun  ist  aber 
klar,  daß  in  einem  Bette  von  gegebenem  Gefälle .  und  Querschnitte 
eine  größere  Wassermenge,  den  Reibungswiderstand  leichter  besiegen 
wird  als  eine  kleinere;  femer  daß  unter  sonst  gleichen  Umständen  die 
Eeibung  in  einem  breiten  Bette  größer  ist,  als  in  einem  schmalen. 
Die  wirkliche  Geschwindigkeit  eines  Flusses  steht  also  in  einem  geraden 
Verhältnisse  zum  Gefälle  und  zur  Wassermenge  und  in  einem  um- 
gekehrten zur  Breite  des  Bettes. 

Je  weiter  ein  Wasserfaden  von  der  reibenden  Außenfläche  ent- 
fernt ist,  desto  freier  kann  er  der  Wirkung  der  Schwerkraft  folgen. 
Daher  nimmt  die  Geschwindigkeit  von  der  Mitte  gegen  die  Ufer  und 
Ton  oben  nach  unten  ab,  erreicht  aber,  wegen  des  Widerstandes  der 
Luft,  den  höchsten  Wert  nicht  an  der  Oberfläche  selbst,  sondern  etwas 
unterhalb  derselben,  und  zwar  in  der  £«gel  um  so  tiefer,  je  tiefer 
der  Fluß  ist  (Fig.  108).  Die  Linie,  welche  die  Punkte  größter  Ober- 
flächengeschwindigkeit verbindet,  der  Stromstrich  genannt,  bewegt 
sich  im  allgemeinen  über  der  tiefsten  Furche  des  Bettes,  dem  Thal- 
weg. Aus  dieser  Verteilung  der  Geschwindigkeiten  erklärt  es  sich, 
daß  die  Oberfläche  der  Flüsse  nicht  eben  ist.  Bei  Hochwasser  wird 
der  Mitte  mehr  Wasser 
zugeführt  als  den  Bändern, 
und  der  Flußspiegel  nimmt 
eine  konvexe  Gestalt  an. 
Sinkt     der    Wasserstand, 

so   fließt  in  der  Mitte  die     ^'«'  ^^^'    ^-'""'^  gleicher  Geschwindigkeit  innerhalb 

des  Querpronls  eines  Flußes. 

größte   Wassermenge    ab, 

und   die  Oberfläche   wird 

konkav, ,  bis  wieder  normale  Verhältnisse  eintreten  und  der  Spiegel 

sich  ein  wenig  über  der  Horizontalebene  emporwölbt.  Beim  Mississippi 

betragen  diese  Oszillationen  bis  zu  2  m. 

Die  Reibung  durch  die  innere  Bewegung  des  Wassers  steigert 
sich,  wenn  bedeutendere  Hindemisse,  wie  Ufervorsprünge,  große 
Sand-   und  Kiesablagerungen   oder  FelsrifFe   vorhanden   sind.     Sie 


376 


Die  Dynamik  dee  Landee. 


erzeugen  Seiten-  und  Gegenströme,  die  unter  Umständen  zur  Wirbel- 
bildung  ftihren  und  erst  allmählich  wieder  in  die  normale  Sichtung 
einlenken. 

Würden  die  Flüsse  vom  Ursprünge  bis  zur  Mündung  auf  glatten 
schiefen  Ebenen  sich  bewegen^  so  wäre  ihr  Lauf  ein  Töllig  gerad- 
liniger. Aber  diese  Bedingung  wird  in  der  Natur  nicht  erf&llt. 
Mannigfache  Hindemisse  oft  unscheinbarer  Art  sind  vorhanden,  und 
da  das  fließende  Wasser  stets  den  tiefsten  Punkt  au&ucht^  so  wird 
es  häufig  von  seinem  geraden  Laufe  abgelenkt  und  gezwungen,  in 
schlangenarügen  Windungen  (Serpentinen)  sich  zu  bewegen.  Diese 
werden  um  so  zahlreicher,  je  geringer  das  Gefalle  ist  In  jeder 
Biegung  werden  die  am  schnellsten  sich  bewegenden  Wasserfäde:* 
gegen  das  konkave  Ufer  (a  in  Fig.  109)  hingetrieben,  taudien  an 
ihm  in  die  Tiefe  hinab,  wobei  sie  durch  Eeibung  einen  Teil  ihrer 
Bewegungsenergie  einbüßen,  und  steigen  am  konvexen  Ufer  {b  in 
Fig.  109)  wieder  in  die  Höhe.  Der  Stromstrich  (««  in  Fig.  109) 
befindet  sich  daher  nicht  mehr  in  der  Mitte,  sondern  schwankt  von 
einem  Hohlnfer  zum  anderen.  Die  unmittelbare  Folge  dieser  Bewegungs- 
art ist  die  Vertiefung  des  Flußbettes  in  der  Nähe  des  konkaven  Ufers 
und  die  Unterhöhlung  und  Abnagung  des  letzteren,  während  in  dem 
verhältnismäßig  ruhigen  Räume  an  der  entgegengesetzten  Seite  (bei  b) 
Sinkstoffe  abgelagert  werden.  Diese  Doppelthätigkeit  vergrößert  die 
Erümmung  immer  mdir,  besonders  wenn  der 
herrschende  Wind  das  Wasser  gegen  das  Hohl- 
ufer treibt  und  die  Versandung  des  Eonvexufers 
durch  Treibmassen  unterstützt.  Ist  der  Isthmus 
zwischen  den  Bogenenden  sehr  enge  geworden, 
so  wird  er  häufig  vom  Hochwasser  durchbrochen; 
auf  diese  Weise  entstand  z.  B.  die  Insel  Budsak 
bei  Zenta  (Fig.  110).  In  der  Mehrzahl  der 
Fälle  muß  aber  der  Mensch  dieses  fiegulierungs- 
werk  ausfahren.  Die  Kurve,  welche  dann  anfangs 
noch  als  Nebenkanal  dient,  versandet  w^en 
des  schwachen  Gefälles  und  der  geringen  W^asser- 
zufuhr  immer  mehr^  besonders  an  der  Aus-  und 
Eingangsstelle,  und  wird  endlich  völlig  vom 
Flusse  abgeschnitten.  Solche  sichelförmige  Seen 
(Altwasser),  die  nur  noch  bei  Hochwasser  vor- 
übergehend mit  dem  Flusse  in  Verbindung 
treten,  sind  in  Tiefebenen  sehr  häufig  (s.  Fig.  111). 
Die  Arbeit  der  niUse.  Die  Betrachtungen  über  die  Serpentinen 
haben  uns  schon  mitten  in  die  geologische  Arbeit  der  Flüsse  hinein- 


Fig.  109.     Serpen  tineD. 


Das  fließende  Wasser. 


377 


Fig.  110.     Thöß  bei  Zenta. 


geführt  Wie  alle  in  Bewegung  befindlichen  Körper,  besitzt  auch 
das  ffießende  Wasser  lebendige  Kraft,  gleich  dem  halben  Produkte 
aus   der  Masse   (Jf)   und   dem   Quadrate   der  Geschwindigkeit  (v). 

Setzen  wir  in  diese  Formel  (-0-)  den  Wert  von  v  (s.  S.  374)  ein,  so 

erhalten  wir  für  die  kinetische  Energie  des  Wassers  den  Ausdruck 
=  JIhg.  Maßgebend  für  die  Arbeits- 
leistung eines  Flusses  an  einem 
bestimmten  Punkte  ist  also  seine 
Wassermenge  und  die  Fallhöhe. 
Diese  Energie  verwendet 
der   Fluß   zur  Überwindung  des 

Widerstandes,  den  ihm  die 
Kohäsion  des  Gesteins  entgegen- 
setzt Dieser  Prozeß  ist  nichts 
anderes,  als  die  mechanische 
Erosion,  von  der  wir  auf  S.  341 
gesprochen  haben.  Daß  lockere 
Massen  leichter  erodiert  werden, 
als   festes  Gestein,   ist  bekannt; 

ebenso  bekannt  ist,  daß  verschiedene  Gesteine  verschiedene  Kohäsion 
besitzen,  aber  wir  sind  noch  nicht  im  stände,  dieselbe  ziffernmäßig 
abzuschätzen.  Die  Erosion  geht  entweder  in  die  Breite  oder 
in  die  Tiefe  oder  nach 
beiden  Eichtungen  zu- 
gleich. Es  ist  aber 
noch  wenig  erforscht, 
in  welchem  Verhält- 
nisse die  Seiten-  und 
Tiefenerosion  zu  ein- 
ander stehen,  denn  die 
Erfahrung  lehrt,  daß 
manchmal  das  Bett  noch 
verbreitert  wird,  wenn 
zur  Tieferlegung  keine 
Kraft  mehr  vorhanden 
ist,  ja  selbst  dann, 
wenn  das  Bett  durch 
Ablagerung  erhöhtwird. 

Der  Fluß  ist  aber 
nicht  bloß  selbständiger  Arbeiter,  er  ist  auch  Diener  fremder  Kräfte. 
Er  hat  nicht  bloß  seine  eigenen  Erosionsprodukte  weiterzuschaffen. 


Fig.  111.     Altwasser  der  Thdß  bei  Kis-Korös. 


378  Die  Dynamik  des  Landes. 

sondern  auch  das,  was  ihm  die  Schwerkraft,  der  spülende  Begeii, 
der  schmelzende  Schnee  an  Verwitterungsschutt  außerhalb  des  Be- 
reiches seiner  Erosionssphäre  zuführt  Das  Verhältnis  der  Last  [L] 
zur  Wasserkraft  {K)  an  einer  bestimmten  Stelle  des  Flußlaufes  kann 
nun  ein  dreifaches  sein: 

1.  L  <  K:  die  Last  wird   fortgeführt   und   der  Überschuß   an 

Kraft  wird  zur  Erosion  verwendet; 

2.  L  =  K:  die  Last  wird  fortgeführt,  es  findet  aber  keine  Tiefen- 

erosion statt; 

3.  L^  Kl  ein  Teil  der  Last  wird  transportiert,  der  Überschuß 

wird  abgelagert. 

Beide  Momente,  die  die  geologische  Arbeit  des  Flusses  be- 
dingen, Last  und  Kraft,  sind  nach  Ort  und  Zeit  veränderlich.  Wo 
Hochwasser  eben  noch  erodieren  kann,  kann  das  folgende  Nieder- 
wasser nur  ablagern.  Manchmal  wird  durch  Bergstürze  eine  solche 
Menge  Schutt  auf  einmal  in  das  Flußbett  geworfen,  daß  jahrelang 
an  seiner  Beseitigung  gearbeitet  werden  muß  und  die  Erosion  auf 
ebenso  lange  Zeit  brach  gelegt  wird.  Bei  Flüssen,  die  im  Gebirge 
entspringen  und  dann  durch  Hügelland  und  Tiefebene  ihren  Lauf 
nehmen,  hängt  die  Energie  mehr  von  der  nach  unten  abnehmenden 
Geschwindigkeit,  als  von  der  in  gleicher  Richtung  zunehmenden 
Wassermenge  ab,  und  in  diesem  Falle  wird  im  großen  und  ganzen 
der  Oberlauf  durch  Erosion,  der  Unterlauf  durch  Ablagerung 
charakterisiert.  Ln  Zwischenstücke  oder  im  Mittellaufe  ist  die 
Geschwindigkeit  im  allgemeinen  wenigstens  bei  Hochwasser  eben 
noch  groß  genug,  um  die  Sinkstoffe  fortzuschaffen,  reicht  aber  nicht 
mehr  hin,  um  das  Bett  zu  vertiefen.  Dagegen  bewirkt  hier  die 
seitliche  Erosion  durch  Serpentinenbildung  eine  Verbreitung  des 
Bettes.  Einschneiden,  Verbreitem  und  Erhöhen  folgen  sich  also 
thalabwärts  aufeinander,  doch  ist,  wie  gesagt,  keine  dieser  Thätig- 
keiten  ausschließlich  auf  eine  der  drei  Abteilungen  des  Flußlaufes 
beschränkt. 

Flußablagerungen.  Der  Fluß  führt  Sedimente,  teils  in  ge- 
löstem Zustande,  teils  mechanisch  mit  sich  fort.  Die  chemisch 
gelösten  Mineralstoffe  (kohlensaurer  und  schwefelsaiirer  Ealk,  etwas 
kohlensaure  Magnesia  und  untergeordnet  Kochsalz)  bilden  zwar  nur 
ca.  Veooo  ^®^  Wassermenge,  können  aber  im  Laufe  geologischer  Zeit- 
räume einen  hohen  Betrag  erreichen.  Ein  Teil  dieser  Stoffe  wird 
bei  Hochwasser  im  Inundationsgebiete  abgelagert,  ein  anderer  durch 
das  Sickerwasser  dem  Boden  zugeführt,  der  größte  Teil  aber  ge- 
langt in  das  Meer.    Warum  das  Meer  trotzdem  keine  konzentrierte 


Dfts  fließende  Wasser.  379 


Xjösang  von  kohlensaurem  Kalk  und  Gips  ist,  erklärt  sich  aus  dem 
Verbrauch  dieser  Stofife  durch  die  marine  Tierwelt  Das  mechanisch  mit- 
^efuhrte  Material  wird  einem  Schlemmprozesse  unterworfen.  Größere 
Felsstücke  können  höchstens  durch  angeschwollene  Wassermassen 
fortgeschleppt  werden;  so  vermag  z.  B.  die  Linth  bei  Hochwasser 
ÖO  kg  schwere  Blöcke  weiterzubewegen.  Aber  in  die  Ebene  gelangen 
sie  nicht,  sondern  bleiben  ebenso  wie  grobes  GeröUe  im  Gebirge 
zur&ck.  Weiter  hinab  werden  Eies,  Sand  und  am  weitesten  Schlamm 
geführt  Der  letztere  wird  schwebend  erhalten,  der  Sand  aber  nur 
solange,  als  die  innere  Bewegung  des  Wassers  eine  bedeutende  ist 
Im  entgegengesetzten  Falle  sinkt  er  zu  Boden  und  wird  hier  strom- 
abwärts geschleppt  In  geradlinigen  Flußstrecken  bilden  sich  wan- 
dernde Sandbänke  (Untiefen),  so  daß  das  Flußprofil  beständig  sich 
IT  erändert  (ygl.  Fig.  112),  während  die  Ablagerungen  an  den  konvexen 
Ufern  der  Serpentine  verhältnismäßig  stabil  sind.  Auch  wenn  die  Ge- 
schwindigkeitdes  Wassers  sich  nicht  verändert,  entsteht  eine  Sandab- 
lagerung an  den  Stellen,  wo  das  Bett  sich  verbreitet.  Ist  das  Gefälle 
beträchtlich,  so  können  sich  die  Sedimente  nur  dort  am  Boden  an- 
häufen, wo  Rückstau  eintritt  —  also  hinter  einem  festen  Gegenstande 
im  Flußbette  und  an  den  toten  Stellen  in  den  Biegungswinkeln 
eines  plötzlich  sich  verengenden  Bettes  —  oder  infolge  von  Scha- 
rung, d.  h.  beim  Zusammentreffen  zweier  konvergierender  Strömungen. 
So  kann  eine  Insel  durch  Ablagerungen  nach  oben  infolge  von  Rück- 
stau und  nach  unten  infolge  von  Scharung  vergrößert  werden.  Sand- 
inseln  bilden  sich  nach  den  Erfahrungen  der  Hydrotechniker  in  den 
meisten  Fällen  aus  stromabwärts  gerichteten  Landzungen,  deren 
Verbindung  mit  dem  Ufer  durchrissen  wurde,  oder  bei  der  Durch- 
brechung einer  Serpentine  (S.  376).  Diese  aus  losem  Material  auf- 
gehäuften Gebilde  können  natürlich  wieder  vom  Wasser  verschlungen 
werden,  wenn  nicht  der  Pflanzenwuchs,  namentlich  tiefer  wurzelnde 

Bäume,    Halt    gewähren.     Die      p-~-^,„_— — . 

Pflanzendecke    hält    auch    das      [  *^  _^ 

immer  neu   herbeigeschaffte 
Material   fest,  so  daß  sich  die 

Inselendhchauch  über  den  Hoch-    Fig.  112.     Profil    des  Donaubettes  unterhalb 
Wasserstand     erhebt       In     tro-       ^^^  Reichsbrücke  bei  Wien,  nach  Penck. 

pischen  Flüssen  veranlaßt  ^^' ''  ^^^'^• 

häufig  auch  Treibholz  die  Ent- 
stehung von  Inseln  oder  gar  geschlosseneu  Wehren,  da  wegen  des 
größeren  spezifischen  Gewichtes   des  Wurzelendes  die  Bäume  eine 
schiefe  Stellimg  im  Wasser  einnehmen  und  leicht  im  Grunde  sich 
festsetzen  können. 


/ 


380  Die  Dynamik  des  Landes. 


In  den  beschriebenen  Fällen  wird  entweder  das  Flußbett  erhöht 
oder  eine  Insel  gebildet  oder  das  Ufer  vergrößert  Ahnlicher  Art  ist  die 
Ablagerung  im  sog.  Inundationsbette  wenig  tief  eingeschnittener 
Ströme,  das  sie  nur  bei  Hochwasser  überschwemmen.  Setzt  der 
Mensch  —  wie  z.  B.  im  unteren  Polande  —  der  Ausbreitung  des 
Hochwassers  durch  Dammbauten  Schranken,  so  wird  alles  Material 
im  Flußbette  zurückbehalten  und  erhöht  dasselbe  stetig,  so  daß  das 
Flußniveau  oft  mehrere  Meter  hoch  über  der  umgebenden  Niederung 
liegt  Natürlich  müssen  auch  die  Dämme  immer  höher  wachs^i, 
aber  leider  können  sie  das  Kulturland  zu  ihren  Füßen  nicht  immer 
vor  dem  Einbrüche  des  Wassers  schützen. 

Gebirgsbäche,  die  aus  steilen  Seitenthälem  kommen,  lagern  fast 
ihr  gesamtes  Material  beim  Eintritte  in  das  sanfter  geneigte  Haupt- 
thal in  der  Form  von  Schuttkegeln  ab.  Nebenflüsse,  die  ihre 
Sinkstoffe  bis  zur  Mündung  mitführen,  werden  hier  gestaut  und  ge- 
zwungen, das  Material  im  inneren  Winkel  der  Mündungsstelle  fallen 
zu  lassen.  Je  mehr  die  Ablagerung  wächst,  desto  weiter  wird 
die  Mündungsstelle  nach  abwärts  verschoben.  Die  Nebenflüsse  des 
Po  zeigen  diesen  Vorgang  in  besonders  prägnanter  Weise;  ja  die 
Landzunge  zwischen  der  Etsch  und  dem  Po  ist  so  rasch  gewachsen, 
daß  der  tirolische  Fluß  aus  dem  Klientel  seines  einstigen  Haupt- 
stromes entlassen  wurde  und  nun  parallel  mit  diesem  in  das  Meer 
fließt« 

Die  Sedimente,  die  am  Lande  keine  Ruhestätte  finden,  werden 
endlich  in  einem  See  oder  im  Meere  abgelagert  Daß  selbst  die 
langsam  fließenden  Ströme  der  Tiefebenen  noch  im  stände  sind  Ma- 
terial iortzuschaffen,  hat  seinen  Grund  darin,  daß  sie  in  der  Begel 
bis  zu  ihrem  Ende  Zuflüsse  empfangen,  imd  daß  zwei  Flüsse  nach 
ihrer  Vereinigung  niemals  ein  Bett  Ton  doppelter  Breite  einnehmen. 
Das  Bett  des  Hauptflusses  behält  entweder  seine  frühere  Breite 
bei  oder  verengt  sich  sogar,  wie  z.  B.  das  des  Mississippi  von  1400  m 
in  der  Nähe  der  Ohiomündung  bis  750  m  zwischen  CarroUton  und 
der  Deltagabelung.  Tritt  aber  auch  keine  Verschmälerung  ein,  so 
muß  sich  doch  die  größere  Wassermenge  jetzt  rascher  bewegen,  als 
vor  Au&ahme  des  Nebenflusses,  um  so  mehr  als  jetzt  nur  mehr  die 
Reibung  von  zwei,  statt  von  vier  Ufern  zu  überwinden  ist  Mit  der  Gre- 
schwindigkeit  wird  aber  auch  die  Transportkraft  des  Wassers  ge- 
steigert 

Die  Menge  der  Sedimente,  die  die  Flüsse  teils  in  gelöstem 
Zustande,  teils  mechanisch  mitführen,  giebt  uns  eine  Vorstellung 
von  der  allmählichen  Zerstörung  des  Festlandes.  Die  Elbe  bei 
Lobositz  enthält  nach  Breitenlohner  in  1  cbm  Wasser  91,2  g  ge- 


Thalbildung  durch  Erosion.  381 


loste  und  103,8  g   suspendierte  Stoffe.     Für   das  Jahr  1866   wurde 
das   Gewicht  der  bei  Lobositz   Torbeigef&hrten  Stoffe   auf  ca.  1170 
"Mill,  kg  berechnet    Die  BeuB  setzt  nach  Heim  an  ihrer  Mündung 
im   Tierwaldstätter  See  jährlich   durchschnittlich    150000  cbm  Ge- 
seliiebe  ab;  jeder  Quadratkilometer  ihres  Flußgebietes  verliert   also 
jäbriich  242  cbm  Material^  wodurch  die  Gebirgsoberääche  in  4  Jahren 
und  1  Monat  um  1  mm   erniedrigt  wird.    Für   ganz  England   be- 
rechnete Beabe   einen   Höhenverlust  von    1  mm   in  42^2  Jahren. 
r>er  Vergleich  dieser  Zahlen   lehrt  uns,  wie   rasch  die  Zerstörung 
im   Hochgebirge   vor  sich   geht    Nach   Guppt   beträgt  die  Anzahl 
der   Jahre^   die   zur  Abtragung   von   1  mm   im   ganzen  Flußgebiet 
notwendig  ist^   beim  Po  2,4,   Hoangho   4,6,   Bhone  5,i,   Ganges  7^, 
Jangtsekiang  12^6^  Mississippi  20,i,  bei  der  Donau  23^  der  Themse 
32^2,   beim  Peiho  *84,7,   und   beim  Laplata  98,4.    Wohl    mit  Eecht 
sagt  Hbim:   „Schließlich  bleiben  wir  nach   solchen  Messungen   und 
Betrachtungen  unentschieden,  ob  wir  sagen  sollen:  Die  Verwitterung 
und  Erosion  ist  ein  Vorgang,  der  mit  staunenerregender  Schnellig- 
keit  und   Gewalt   an   der   Umformung   der  Gebirge   arbeitet,   oder 
sollen  wir  sagen:  Sie  ist  ein  Vorgang,  der  fast  unmerklich  langsam 
arbeitet     Beides  ist  wahr  —  den  ersteren  Eindruck  erlangen  wir  bei 
Betrachtung  des  Schutttransportes  durch  die  Ströme,  den  letzteren 
im  Anblick  der  viel  gewaltigeren  Masse  des  Gebirges/* 

Litteraturnach weise.  *  Am  ausführlichsten  werden  die  Flüsse  iu 
hydrotechnischen  Werken  behandelt  Besonders  zu  empfehlen  sind  Haoek, 
Handbuch  der  Wasserbaukunst,  Berlin  1871,  und  Franzius  und  Soknk,  Wasser- 
bau, Leipzig  1884.  Ausftihrlich  auch  in  Pekcks  Morphologie  cit.  S.  278.  — 
'  WosiKow,  KHmate,  dt  S.  42.  —  "  BaüCKVBR,  Klimaschwankungen  dt  S.  190.  — 
*  BoüssniBSQ,  Essai  sur  la  th^orie  des  eauz  courants  in  den  M^moirs  der  fran- 
zSsischen  Akademie  der  Wissenschaften  1877.  —  ^  Von  einem  Ausnahmefalle 
handelt  Henkel  in  Petermanns  Mitteilungen  1889,  S.  176. 


Thalbildung  dnrcli  Erosion.^ 

'  Ctosetae  der  Srosion.  Die  ersten  Anfänge  der  Thalbildung  durch 
Erofflon  können  wir  nach  jedem  Kegengasse  im  Gebirge  beobachten. 
Das  abfließende  Wasser  hat  sich  Rinnsale  im  lockeren  Boden  aus- 
gegraben, die,  wenn  die  Böschung  nicht  allzn  steil  ist,  nicht  direkt 
Ton  der  Höhe  ins  Thal  hinanterziehen,  sondern  diagonal  einander 
Zulaufen,  um  sich  endhch  zu  einer  einzigen  Rinne  zu  vereinigen.  Die 
Produkte  seiner  Zerstörung  lagert  es  als  Schuttkegel  am  Fuße  des 
Gehänges  ab  und  fließt  in  weit  Terzweigten  Wasserfäden  über  den« 
selben  hin.     Der  Schuttkegel  bildet  den  Unterlauf,  alles  übrige  den 


382 


Die  Dynamik  des  Landes. 


Oberlauf  des  Wildbaches,  während  der  Mittellauf  nur  auf  einen 
Punkt  zusammengedrängt  ist.  Nach  den  nächsten  Eegengüssen  finden 
wir  das  Bett  im  Oberlauf  vertieft,  den  Schuttkegel  erhöht^  und  gleich- 
zeitig hat  sich  das  Quellgebiet  nach  rückwärts  erweitert  Die  Ero- 
sion bewirkt  also  nicht  nur  eine  Vertiefung  des  einmal  entstandenen 
Bettes,  sondern  auch  eine  Verlängerung  desselben  nach  rückwärts. 
Die  Erfahrung  lehrt  femer,  daß  Thäler  unter  einfachen  Verhält- 
nissen im  Längsprofile  die  Form  einei;  nach  unten  verflachen- 
den Kurve  annehmen,  und  es  ist  auch  leicht  einzusehen,  warum 
dies  geschehen  muß.  Selbst  wenn  ein  Fluß  ursprünglich  in  einem 
Kanäle  mit  gleichmäßigem  Gefälle  sich  bewegen  würde,  könnte  dieses 
nicht  erhalten  bleiben,  denn  die  Wassermenge  nimmt  nach  unten  zu 


JÖÖtf 


/0OÖ- 


Fig.  113.     Langsprofil  des  Litzerbachthales  bei  Laas  (Tirol). 
LSxige  und  Höhe  im  gleichen  Maßstabe  (Meter). 


und  damit  auch  die  Arbeitsfähigkeit  Im  untersten  Teile  beginnt 
der  Fluß  einzuschneiden,  und  die  Erosion  schreitet  stetig  nach 
oben  fort,  aber  nach  Maßgabe  der  Wasserkraft  Danach 
richtet  sich  das  neue  Gefälle ;  es  wird  zwischen  den  einzelnen  Teilen 
des  Thaies  das  Gleichgewicht  hergestellt  sein,  wenn  sich  oben  mit 
geringster  Wassermenge  ein  stärkstes  Gefalle,  unten  mit  größter 
Wassermenge  ein  schwächstes  Gefälle  paart. 

Wenn  aber  auch  allgemein  anerkannt  wird,  daß  die  Thalkurve 
ein  Erzeugnis  der  Flußerosion  ist,  so  sind  doch  in  ein  paar  Haupt- 
punkten die  Meinungen  noch  geteilt  Nach  unserer  Ansicht  hat  die 
Kurve  zwei  Fixpunkte,  den  Flußursprung  ujid  die  Flußmündung  — 
vorausgesetzt  natürlich,  daß  die  Höhenlage  dieser  Punkte  keinen 
anderweitigen  Veränderungen  unterliegt  —  oder  mit  anderen  Worten: 
die  Ausgestaltung  der  Kurve  hängt  unter  sonst  gleichen  Verhältnissen 
von  dem  Höhenunterschiede  der  beiden  Fixpunkte  ab.  Nach  Pm- 
LippsoN  ist  dieser  Unterschied  aber  gleichgültig  und  wird  die  Kurve 
lediglich  durch  die  Wassermenge  bestimmt,  so  daß  ihr  oberer  End- 
punkt nicht  immer  mit  der  Wasserscheide  zusammenfällt,  sondern 
bald  über,  bald  unter  derselben  zu  liegen  kommt;  femer  hat  Phiuppson 


ThalbUdnng  durch  Erosion.  383 


diejenige  Kurve,  bei  der  in  allen  Punkten  die  Wasserkraft  die  gleiche 
ist^  als  Erosionsterminante  bezeichnet,  indem  er  voraussetzt,  daß 
nsLcli  Erreichung  derselben  die  Erosion  so  gut  wie  erlösche.  Dem 
gegenüber  hat  Penck^  daraufhingewiesen,  daß  erfahrungsgemäß  noch 
Ströme  mit  einem  Gefälle  von  weniger  als  7»  Proz.  „erstaunliche 
Sandmassen  transportieren  und  oft  große  Löcher  auskolken'^.  „Die 
Erosion,"  sagt  er,  „hört  erst  dann  aut,  wenn  die  Gewässer  so  träge 
dahinschleichen,  daß  sie  nicht  mehr  die  feinsten  Partikel  zu  ver- 
schleppen vermögen,  welche  sich  im  Laufe  der  Zeiten  durch  das 
Zusammenwirken  der  verschiedensten  Kräfte  aus  ihrem  Boden  los- 
ösen/^  Man  kann  dies  zugeben,  aber  doch  die  Frage  aufwerfen, 
ob  in  einem  so  weit  fortgeschrittenen  Stadium  auch  die  Tiefen- 
erosion oder  nur  mehr  die  Seitenerosion  infolge  wechselnder  Serpen- 
tinenbildung  wirksam  sei. 

Mit  der  Gestaltung  des  Längsprofils  hängt  offenbar  auch  die 
des  Grundrisses  zusammen.  Gehen  wir  ein  Erosionsthal  hinauf  so 
durchschneiden  wir  zunächst  einen  kanalartigen  Einschnitt,  die 
Klamm, ^  und  gelangen  endlich  in  eine  muldenförmige  Erweiterung, 
das  Kar,^  wo  sich  die  einzelnen  Quellarme  zu  dem  Bache  ver- 
einigen. Die  Steilheit  des  Gehänges  bringt  die  spülende  Kraft  des 
Regenwassers  zur  vollen  Entfaltung,  die  Erhebungen  zwischen  den 
einzelnen  Wasserrillen  werden  einfach  abgeschwemmt  Derselbe 
Vorgang  gestaltet  auch  die  ursprünglich  senkrechten  Wände  der 
Klamm  um;  sie  nehmen  eine  Neigung  an,  die  der  Maximalböschung 
des  betreffenden  Materials  entspricht 

Dreifach  ist  also  der  Charakter  des  Erosionsthaies:  im  Grund- 
riß die  Trichterform,  im  Längsprotil  eine  nach  oben  konkave 
Kurve,  im  Querprofil  die  V-Form. 

Die  letztere  erhält  sich  freilich  nur  solange,  als  die  Seitenerosion 
nicht   Zur  Geltung   kommt    Diese  schiebt  die  Wände  zurück  und 

schafft  einen  Thalboden,  das  Profil  X/  wird  in  das  Profil  \ / 

übergeführt,  die  Klamm  hat  sich  in  ein  wirkliches  Thal  ver- 
wandelt Auch  dieser  Prozeß  schreitet  von  unten  nach  oben  fort 
ZelÜiche  und  räumliche  Yariationen  des  Erosioiistypus.  Von 
den  beiden  Kräften,  die  miteinander  ringen,  der  Kohäsion  und  der 
Wasserkraft,  ist  die  erstere  für  jedes  Thal  ein  für  allemal  gegeben,  die 
letztere  aber  periodischen  Änderungen  unterworfen.  Sie  ist  bekanntlich 
ein  Produkt  von  Wsussermenge  und  Geschwindigkeit,  und  nach  beiden 
^Richtungen  können  Veränderungen  eintreten.  Die  Wassermenge 
wechselt  mit  den  Jahreszeiten;  nur  das  regelmäßige  Hochwasser 


X  Beide  Ausdrücke  stammen  aus  den  Alpen« 


384  Die  Dynamik  dm  Landes. 


ist  für  die  GestaJtang  der  Endkurve  maßgebend ,  außei^e wohnliche 
Hochwässer  bringen  nur  vorübergehende  Störungen,  die  Perioden 
des  Niedrigwassers  sind  Perioden  des  Stillstandes;  ja  stellenweise 
kann  sogar  Ablagerung  eintreten,  die  das  nachfolgende  Hochwasser 
erst  beiseite  schaffen  muB,  ehe  es  an  die  Fortführung  seiner  Ero- 
sionsarbeit gehen  kann.  Von  größerer  Bedeutung  sind  aber  lang- 
dauernde  Klimaperioden,  wie  wir  später  sehen  werden. 

Auch  die  Geschwindigkeit,  d.  h.  das  Ge&Ile,  kann  sich  ändern. 
Für  jedes  Thal  ist  der  Mündungspimkt  zunächst  ein  Fixpunkt,  die 
Erosionsbasis,  unter  die  auch  der  kräftigste  Fluß  nicht  heranter- 
gehen  kann.  Wird  aber  —  nehmen  wir  an,  nach  Vollendung  der 
Gleichgewichtskurve  —  der  Mündungspunkt  durch  äußere  Kräfte 
erniedrigt  oder  gehoben,  so  treten  sofort  andere  Bedingungen  ein. 
In  dem  ersten  Falle  wird  die  Wasserkraft  am  Ende  des  Thaies  ge- 
steigert, von  neuem  beginnt  hier  die  Erosion  und  schreitet  thalauf- 
wärts  fort,  bis  die  neue  Kurve  fertiggestellt  ist  Im  zweiten 
Falle  wird  die  Wasserkraft  vermindert  und  kann  die  Schuttzofohr 
nicht  mehr  bewältigen;  der  Thalboden  wird  ausgefüllt  und  auch 
dieser  Vorgang  macht  sich  im  Längsprofil  des  oberen  Thalabschnittes 
geltend.  Die  letzte  Erosionsbasis  sämtlicher  Flüsse  ist  der  Meeren 
Spiegel;  jede  Niveauveränderung  weckt  mit  der  Zeit  auch  ein  Echo 
in  den  entferntesten  Gegenden  an  der  Hauptwasserscheide  des  Fest- 
landes oder  der  InseL  Erst  paßt  sich  ihr  der  Hauptfluß  an,  dann 
dessen  Nebenflüsse,  dann  deren  Zuflüsse  u.  s.  w.  Geht  die  Niveau- 
veränderung allmählich  vor  sich,  so  kommt  die  Thalbildung  niemals 
zur  Ruhe,  denn  jeder  Tag  schafft  neue  Bedingungen,  die  freilich 
nur  in  ihrer  Summierung  große  Wirkungen  erzeugen  können. 

Unzählig  sind  die  räumlichen  Variationen.  Selten  ist  in 
einem  größeren  Thale  die  Widerstandskraft  des  Gesteins  überall 
die  gleiche,  und  anders  vollzieht  sich  die  Erosionsarbeit  im  hori- 
zontal geschichteten  Boden  als  in  aufgerichteten  Schichten,  anders^ 
wenn  der  Fluß  die  letzteren  durchquert,  als  wenn  er  in  ihrer  Streich- 
richtung sich  bewegt  Eine  der  merkwürdigsten  E^rscheinungen  ist 
die  diagonale  Stromzerlegung,  die  nach  Gilbebts  und  t.  Sicht- 
HOFENs  Ansicht  dadurch  entsteht,  daß  der  Fluß  ein  aus  aufgerid»- 
teten  härteren  und  weicheren  Schichten  bestehendes  System  diagonal 
durchschneidet,  wobei  er  das  Bestreben  hat,  in  den  weicheren 
Schichten  möglichst  lange  zu  verharren  und  die  harten  Schichten 
auf  möglichst  kurzem  Wege  zu  durchqueren,  so  daß  der  Grundiiß 
einen  ziekzackformigen,  aus  vielen  kurzen  Längs-  und  Qnerstrecken 
bestehenden  Thallauf  zeigt  (Fig.  114).  Im  allgemeinen  ist  aber  der 
Einfluß  des  Gesteins  auf  die  Thalbildung  noch  wenig  erforscht^  nur 


Thalbildung  durch  Erosion. 


385 


Fig.  114.     Diagonale  Strom- 
zerleguDg  nach  v.  Richthofen. 
(A=»  harte,  PF^  weiche  Schichten.) 


das  eine  läfit  sich  behaupten,  daß  der  Härtegrad  des  Gesteins 
die  Thalbildung  verzögern,  aber  nicht  aufhalten  kann.  Ist 
nur  genügend  Zeit  gegeben,  so  siegt  die  Erosion  unter  allen  Um- 
standen, aber  die  Übergangsformen 
bis  zur  Erreichung  des  Endgefälles 
werden  durch  die  Verschiedenheit  des 
Gresteins  außerordentlich  mannigfaltige. 
Wir  haben  bisher  die  Wasser- 
scheide als  den  oberen  Fixpunkt  des 
Thaies  angesehen,  aber  dies  ist  nur 
insofern  richtig,  als  man  sie  als 
Linie  betrachtet  In  der  Regel  ist  aber 
die  Wasserscheide  ein  mehr  oder  minder 
breiter  Bücken  oder  bei  einem  Einzel- 
berge ein  Kegel  oder  eine  Platte.  Inner- 
halb einer  solchen  Fläche  ist  die  wasserscheidende  Linie  durch 
die  rückwärtsschreitende  Erosion  sehr  wohl  verrückbar.  Es  kommt 
dabei  vor  allem  auf  die  Verteilung  der  Thäler  an.  Sind  sie  an 
beiden  Seiten  einer  Erhebung 

wechselständig  ange- 
ordnet, wie  in  Fig.  115,  so 
sucht  jeder  Fluß  sie  zu  er- 
obern, jeder  drängt  die  ur- 
sprünglich gerade  Scheide- 
linie {ab)  zurück,  so  daß  sie 
die  zickzackförmige  Gestalt 
ABC  annimmt  Sind  die  Ver- 
hältnisse auf  beiden  Seiten  die 
gleichen,  so  wird  die  Endge- 
stalt eine  mehr   oder  minder 

regelmäßige  sein,  im  umgekehrten  Falle  werden  den  stärkeren 
Flüssen  größere  Ausbuchtungen  der  Scheidelinie  entsprechen.  Ist 
die  eine  Seite  sehr  regenreich  im  Vergleiche  zur  anderen,  so  kann 
eine  allgemeine  Verschiebung  der  wasserscheidenden  Linie  nach 
der  Trockenseite  erfolgen.  Bei  gegenständiger  Thalanordnung, 
d.  h.  wenn  zwei  entgegengesetzt  verlaufende  Thäler  mit  ihren  Sammel- 
becken an  der  Wasserscheide  zusammenstoßen,  kann  das  kräftigere 
Thal  in  das  Quellgebiet  des  anderen  übergreifen  und  sich  dasselbe 
dienstbar  machen.  Man  muß  sich  dabei  vor  Augen  halten,  daß 
in  diesem  Falle  der  wasserscheidende  Rücken  durch  die  beider- 
seitige Erosion  immer  mehr  zugespitzt  wird  und  dadurch  der 
Verwitterung   und  der  Erniedrigung   durch   die   Schwerkraft,    das 

QoTAX,  PhydBChe  Erdkunde.    2.  Aofl.  25 


Fig.  115.     Zickzackförmige  WaBseracheide. 


886  Die  Dynamik  de«  Landes. 


spülende  Wasser,   den    schmelzenden   Schnee  u.  s.  w.   rascher    zum 
Opfer  fällt 

Auf  ungleiche  Erosion  fährt  Hilbeb^  auch  die  so  häutige 
Asymmetrie  der  Thalgehänge  zurück,  vorausgesetzt,  daß  sie 
nicht  in  der  Schichtenstellung  begründet  ist  (wie  in  den  Isoklinal- 
thälem,  wovon  später  die  Rede  sein  soll).  Fig.  116  stellt  das  Quer- 
profil durch  eine  Reihe  von  ParaUelthälern  dar,  von  denen  jedes 
folgende  tiefer  eingeschnitten  ist,   als  das  vorhergehende.     Thal  T, 

hat    einen    sanften    Abhang 

y4v  X'\  ^^^  ^^^  linken,    einen    stei- 

/  j     Ny  /    j    \  leren    auf   der  rechten  Seite 

^     i       ^N^S/^"^      '        \     /    (^-^>^^)5    ^'^^  Rücken  A 
\         I  ^"^  I  N?ä/      senkt   sich    steil  zu  Tj,    all- 

"/ —  c    " s        '  D  mählicher   zu    T^    ab.     Dort 

Fig.  116.    Asymmetrische  Thaler.  Hegt  die  Erosionsbasis  höher 

als  hier  (7\F>r,^),  auf 
dem  Abhänge  AT^  wird  daher  kräftigere  Denudation  herrschen  imd 
die  Wasserscheide  A  gegen  7\  verrückt  werden.  Das  ist  ganz 
der  gleiche  Vorgang,  wie  wir  ihn  oben  bei  den  gegenstandigen 
und  wechselständigen  Thälern  kennen  gelernt  haben;  man  wird 
daher  im  allgemeinen  sagen  können:  die  Wasserscheide  rückt 
stets  nach  der  Seite  der  schwächeren  Erosion. 

Moderne  Thalbildongen.  Das  Entstehen  von  Thälem  durch 
Erosion  wurde  in  geschichtlicher  Zeit  mehrfach  beobachtet  Im 
Vispthale  wurde  am  rechtseitigen  Gehänge  zwischen  Visp  und  Salden 
1855  eine  eisenhaltige  Quelle  eröffiiet,  die  sich  zwei  Jahre  darauf 
bereits  eine  Schlucht  ausgegraben  hatte.  1865  war  diese  nach  Lyells 
Bericht  schon  beträchtlich  erweitert  und  hatte  sich  gleichzeitig  nach  rück- 
wärts bis  in  einen  Weingarten  verlängert,  den  sie  nun  entzweischnitt 
Ihre  Breite  betrug  hier  37  m  und  ihre  Tiefe  ca.  4^/^  m.  Derselbe  Geo- 
loge erzählt  auch  von  einer  Thalbildung  bei  Milledgeville  im  Staate 
Georgia,  wozu  allerdings  Klüfte  von  ca.  1  m  Tiefe  im  abgeholzten 
Thonboden  Veranlassung  gegeben  haben.  Innerhalb  eines  Zeitraumes 
von  20  Jahren  waren  sie  zu  einer  Schlucht  von  17m  Tiefe,  274  m 
Länge  und  6  — 55  m  Breite  ausgearbeitet  worden.  Häutig  wurden 
auch  Auswaschungen  in  losen  vulkanischen  Massen  beobachtet;  auf 
diese  Weise  entstand  1824  am  Vesuv  ein  Thal  von  7^2  m  Tiefe  in 
drei  Tagen.  In  Südrußland  sind  viele  Fälle  bekannt,  wo  Karren- 
geleise zu  Schluchten  von  30 — 50  m  Tiefe  und  mehreren  Kilometer 
Jjänge  erweitert  wurden.  Das  sind  Thalbildungen  in  lockerem  Bo- 
den; seltener  sind  natürlich  historische  Nachrichten  von  solchen 
Elrscheinungen   im  festen  Gestein.     Ca.  5  km   oberhalb   Ademo  am 


Thalbildung  durch  Erosion. 


387 


Westabhange  des  Ätna  versperrte  ein  Lavastrom  1603  dem  Simeto 
den  Weg.  Bis  zu  Lyells  Besuche  im  Jahre  1828  hatte  der  Fluß 
im  verfestigten  Gestein  ein  neues  Thal  von  1 5  bis  ca.  1 00  m  Breite 
und  12 — 15  m  Tiefe  ausgehöhlt.  Nach  Hoff  hat  auch  das  Flüß- 
chen  Caltabianco  in  einem  396  v.  Chr.  ergossenen  Lavastrom  ein 
4,3  m  tiefes  Thal  sich  eingegraben,  und  ähnliche  Fälle  werden  von 
den  vorgeschichtlichen  Lavaergüssen  in  Zentralfrankreich  erzählt. 

Klammen  und  Canons.  Die  Anfänge  der  meisten  Thäler  liegen 
aber  v^reit  jenseit  der  Grenzen  historischer  Erinnerung,  und  nur  im 
Laufe  geologischer  Zeiträume  konnten  so  tiefe  Einschnitte  in  Gebirgen 
und  Plateaus,  wie  wir 
sie  jetzt  beobachten, 
entstehen.  Aber  viel- 
fach treten  uns  noch 
^sichtbare  Spuren  der 
Krosion  entgegen,  und 

wir  können  das 
fließende  Wasser  bei 
seiner  Zerstörungs- 
arbeit belauschen.  Von 
den  zahlreichen  Kinnen 
mit  spiegelglatt  polier- 
ten Wänden  und  von 
verschiedener  Tiefe,  die 
unscheinbare  Wasser- 
faden in  der  harten 
Nagelfluh  des  Kigi  bei 
Vitznau  ausgemeißelt, 
und  dieKüTmEYER*  so 
anschaulich  beschrie- 
ben  hat,   bis   zu   den 

tiefen  Klammen  unserer  Alpen,  Montenegros,  des  Thüringer  Waldes 
bei  Eisenach  etc.,  giebt  es  alle  möglichen  Übergänge.  Eine  der  lehr- 
reichsten Bildungen  dieser  Art  ist  die  Liechtensteinklamm,  die  der 
(Troß-Arlbach  vor  seinem  Eintritte  in  das  Salzachthal  durchströmt 
(Fig.  117).  Die  Thalsohle  ist  zugleich  das  Flußbett,  und  wir  können 
bequem  beobachten,  wie  das  Wasser  die  Felswände  bearbeitet.  Es 
glättet  sie  und  meißelt  durch  rückläutige  Strömung  Nischen  aus 
(Fig.  118).  Bis  über  300  m  steigen  die  nur  2 — 4  m  voneinander 
entfernten  Wände  über  den  Flußspiegel  empor,  und  ihre  Polie- 
rung, sowie  die  Nischen,  die  stellenweise  noch  Geröll  enthalten 
und  weit  über  dem  Hochwasserstande  sich  befinden,  geben  uns  die 

25» 


Fig.  117.     Lieohtensteinklamm. 


388  Die  Dynamik  des  Landes. 


Gewißheit,  daß  der  Bach  einst  in  einem  höheren  Niveau  geriosen 
ist  und  die  Thalsohle  allmählich  vertieft  hat  Nicht  immer  erhalten 
sich  solche  Spuren;  früher  oder  später,  je  nach  der  Gesteinsart 
fallen  sie  der  Verwitterung  anheim,  und  endlich  faßt  auch  die  Vege- 
tation auf  den  einst  spiegelglatten  Wänden  Fuß,  die  letzten  Spuren 
verwischend  und  verhüllend.  Die  Böschung 
der  Abhänge  nähert  sich  immer  mehr  ihrem 
natürlichen  Maximalwerte,  und   kein  direktes 

\ßr    -    ^^^^    Zeichen verrätunsmehrdenUrsprungdes  Thaies. 
f^^f    Glücklicherweise  hat  uns  die  Natur  alle  mög- 
^ ^^m      liehen  Übergangsformen  zwischen  der  Klamni 
^^^K^       und  dem  fertigen  Thale  erhalten.     Die  Kitz- 
lochklamm befindet  sich  bereits  im  ersten  Ver- 
witterungsstadium   und    die    Steilwände    der 
Gasteinerklamm    (zwischen     jener    und     der 
Liechtensteinklamm)  tragen   bereits    eine 
Nissen.         ">  Rkhtung  Pllanzendecke,    aus    der    aber    hier  und    da, 
der  Strömung.  freilich   nur    dem   aufinerksamen   Beobachter 

sichtbar,  eine  Erosionsspur  hervorlugt.  In 
der  Kranabetter  Klamm  bei  Innsbruck  sieht  man  alle  drei  Stadien 
nebeneinander. 

Gleiche  Gebilde,  wie  hier  in  aufgerichteten  Schichten,  schafft 
die  Erosion  auch  in  ungestörten.  Der  große  Canon  des  westlichen 
Colorado  ist  in  leicht  nach  Süden  geneigten  festen  Gesteinsschichten 
eingeschnitten.  Nach  Duttons^  Untersuchungen  begann  die  Erosion  am 
Ende  der  Kreide-  oder  am  Anfange  der  Tertiärzeit.  Die  tertiären. 
Kreide-,  Jura-  und  Triasschichten  wurden  durch  Denudation  entfernt, 
und  am  Ende  derMiocänperiode  begann  der  Colorado  sein  Bett  in  Carbon 
einzuschneiden  und  ist  bereits  bis  zur  granitischen  Unterlage  fort- 
geschritten. Das  1800  m  tiefe  Thal  ist  im  Querschnitte  trichterförmig, 
d.  h.  es  besteht  aus  einem  breiten  oberen  und  schmalen  unteren 
Teile,  wie  auch  manche  Klammen  der  Alpen.  Die  steilen,  oft  senk- 
rechten Wände  zeigen  Glättung  und  Nischenbildung,  die  Sohle  ist 
oft  so  schmal,  daß  sie  vom  Flusse  ganz  überschwemmt  wird,  imd 
wie  bei  den  Klammen  hat  die  Thallinie  die  Serpentinenform  mit 
aus-  und  einspringenden  Winkeln  (Fig.  119).  Die  Canons  sind  aber 
nicht  bloß  dem  Colorado  eigentümlich.  Auch  der  obere  Missouri, 
der  Rio  grande  del  Norte,  der  Red  River  und  Arkansas  fließen  teil- 
weise durch  solche  gigantische  Klammen,  und  endlich  finden  wir 
solche  (von  1500 — 1800  m  Tiefe)  auch  im  Scottgebirge  nordwestlich 
der  Sierra  Nevada.  Dutton  betrachtete  die  Canons  ursprünglich  als 
die  Thalform  regenarmer  Gebiete;  als  er  aber  später  dieselben  Bil- 


Thalbildung  durch  Erosion. 


389 


dungen  auf  den  hawaiischen  Insehi  kennen  lernte,  mußte  er  selbst  seine 
Kinschränkung  fallen  lassen.  Überall,  wo  die  Tiefenerosion  viel  inten- 
siver arbeitet,  als  die 
Seitenerosion ,     ent- 
stehen    Schluchten. 
Klammen ,    Canons ; 
aber  die  Steilheit  der 
Thalwände  erhält 
sich   nur    dort,    wo 
diese  Tor  Abspülung 

bewahrt  bleiben. 
Das  ist  der  FaU 
in  trockenen  Erd- 
strichen, wie  im  west- 
lichen Nordamerika, 
aber  —  wiePENCxmit 
Recht  betonte — auch 

im    durchlässigen 
Gestein,     besonders 
in    klüftigen    Sand- 
und  Kalksteinen,  die 
den  Begen  ver- 
schlucken.    Das 
schöne    Elbthal    im 
Quadersandsteinge- 
biete der  Sächsischen 

Schweiz  unter- 
scheidet sich  von  den 
amerikanischen    Ca- 
nons in   nichts,   als 

in  den  Dimensionen  und  in  der  Gesteinsbeschafienheit  der  Wände. 
Vereinzelten  Erosionsspuren  in  verschiedenen  Höhen  über 
dem  heutigen  Flußspiegel  begegnen  wir  häufig,  sowohl  im  gefalteten 
wie  im  flachgeschichteten  Gelände.  Im  Himalaja  kann  man  sie 
bei  kleineren  Flüssen  bis  400  m,  selbst  bis  über  600  m  und  im 
oberen  Lauf  des  Ganges,  Sutlej  und  Indus  bis  zu  900  m  über  dem 
jetzigen  Wassemiveau  verfolgen.  An  den  Gehängen  des  Elbthales 
oberhalb  Dresden  liegen  Schotterbänke  in  verschiedenen  Höhen,  und 
im  Nilthale  kommt  die  Cyrena  fluvialis,  die  noch  jetzt  den  Strom 
bewohnt,  37  m  über  der  Fluthöhe  vor.  Das  sind  unmittelbare  Be- 
weise dafllr,  daß  die  Flüsse  sich  allmählich  ihre  Thäler  ausgehöhlt 
haben,  und  man  muß  dies  besonders  betonen,  weil  bis  in  die  jüngste 


Fig.  119.     Marble  Canon. 


390  Die  Dynamik  des  Landes. 


Zeit  die  Meinung  herrschte,  die  Gebirgsthäler  seien  ursprüngliche 
Spalten,  und  DAUBRfiE  selbst  im  nicht  dislozierten  Gelände  in  den 
Flußläufen  nur  ein  Netz  sich  kreuzender  Spalten  zu  erkennen  glaubte. 
Terrassenbildung.  Die  Mehrzahl  der  Thäler  kann  aber  direkte 
Zeichen  ihres  Erosionsursprungs  nicht  mehr  aufweisen.  Verwittenings- 
erde  bedeckt  die  mehr  oder  minder  sanft  ansteigenden  Gehänge, 
und  Flußsedimente,  Schutthalden,  Ablagerungen  von  Bergstürzen 
u.  s.  w.  verhüllen  die  felsige  Unterlage  der  Thalsohle,  die  der  Fluß 
höchstens  bei  außerordentlichem  Hochwasser  noch  in  der  ganzen 
Breite  überschwemmt.  Glücklicherweise  hat  uns  aber  die  Erosions- 
arbeit ungezählter  Jahrtausende  in  den  Terrassen  und  Thal- 
stufen ein  untrügliches  Merkmal  hinterlassen,  dessen  theoretische 
Erkenntnis  sich  allerdings  erst  in  unseren  Tagen  vorurteilslosen 
Forschern  erschlossen  hat. 

Den  Ausdruck  „Terrasse"  beschränken  wir  auf  die  mehr  oder 
weniger  horizontalen  Stufen  der  Thalgehänge.  Sie  treten  in  zwei, 
genetisch  verschiedenen  Formen  auf:  als  Ausfüllungs-  und  Fels- 
terrassen. Die  einfachste  Art  der  erstgenannten  Kategorie  sind 
die  Inundationsterrassen,  wie  sie  Fig.  120  in  einem  Querschnitte 
darstellt.  Das  Felsbett  wurde  einst  mit  Sedimenten  ausgefüllt^  in 
welchen  der  zu  neuer  Erosionsarbeit  angeregte  Fluß  ein  Bett  sich 
grub.  Bei  gewöhnlichem  Wasserstande  benutzt  er  die  Rinne  A,  bei 
Hochwasser  aber  füllt  er  das  Thal  bis  J  und  /  aus.  Nur  auf  einer 
oder  auf  beiden  Seiten  blieben  Terrassen  als  Denudationsreste  zurück, 
bald    durch    neue  Absätze    erweitert,   bald   durch   seitliche  Erosion 

verkleinert.  In  vielen  Thälem  sind 
in  den  ehemaligen  Flußabsatzen 
mehrere  Terrassen  übereinander 
ausgegraben,  und  die  höheren 
reichen    weit    über    die    höchsten. 

Flg.  120.     iDundationsterrassen.  .   ,    .  ,  ,  -«tt  .«     i  ' 

jetzt  vorkommenden  Wasserstände 
des  Flusses  hinaus.  Das  Ausfüllungsmaterial  dieser  Diluvial- 
terrassen stammt  aus  der  Eiszeit,  und  sie  sind  auch  nur  auf  ehe- 
mals vergletscherte  oder  ihnen  benachbarte  Gebiete  beschränkt.  In 
einem  großen  Teile  von  Nordamerika  innerhalb  der  Driftgrenze  und 
etwas  südlich  davon  wurden  in  der  Champlainperiode,  die  die  zweite 
Eiszeit  abschließt,  die  Thäler  (mit  Ausnahme  derjenigen  im  Hoch- 
gebirge) mit  großen  Massen  von  Sand  und  Schotter,  die  die  Schmelz- 
wässer des  Inlandeises  herbeiführten,  angefüllt.  Die  darauffolgende 
negative  Niveauveränderung  (vgl.  S.  289)  verlegte  die  Mündungs- 
stellen der  Flüsse  ruckweise  in  immer  tiefere  Niveaus,  und  zwang 
dadurch  die  Flüsse  ihr  Bett  immer  tiefer  einzuschneiden,   während 


Thalbildung  durch  Erosion. 


391 


sie  in  ruhigen  Zwischenpausen  Zeit  fanden,  es  zu  erweitern. 
Solche  Terrassen,  wie  sie  Fig.  121  zeigt,  erstrecken  sich  viele  Kilo- 
meter weit  an  den  Ufern  der  nordamerikanischen  Flüsse,  freilich 
nicht  immer  mit  gleicher  Regelmäßigkeit,  sei  es,  daß  die  Ausfiillungs- 
inasse  schon  ursprünglich  ungleichmäßig  verteilt  war,  sei  es,  daß  die 


Fi^.  121.     Terrassen  des  Connecticut,  südl.  von  Hannover  (New-Hampshlre), 

nach  Dana. 

Erosion  an  einigen  Stellen  mehr  zerstörte  als  an  anderen.  Auch  in 
Mitteleuropa  sind  diluviale  Schotterterrassen  eine  weitverbreitete 
Erscheinung.  Sie  sind  nach  Penck  in  den  wasserreichen  Perioden 
des  Gletschervorstoßes  abgelagert  und  in  Perioden  schwächerer  Strom- 


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Flg.  122.     I^ngenpro61  des  Benßthales. 
Höhen  Dl  aßstab  fünfmal  großer  als  der  LÄngenmaßstab. 

thätigkeit  wieder  erodiert  worden.  In  allen  diesen  Fällen  erzählen 
uns  die  Terrassen  nichts  von  der  ursprüngUchen  Geschichte  des 
Thaies,  sondern  nur  von  einer  Episode  in  der  Entwicklung  desselben. 
Durch  die  neubelebte  Erosion  wurde  das  frühere  Niveau  der  Sohle 
nur  zurückgewonnen,  oder  dieses  Ziel  wenigstens  angestrebt  . 


392  Die  Dynamik  des  Landes. 


Etwas  anderes  lehren  uns  die  Feister rassen  und  die  ihnen 
entsprechenden  Thal  stufen,  über  deren  Vorkommen  in  der  Schweiz 
Heim  und  Bodmeb  eingehende  Untersuchungen  angestellt  haben.* 
Die  Betrachtung  der  einzelen  Profile  wird  uns  zunächst  über  die 
thatsächlichen  Verhältnisse  aufklären.  •  Wie  zahlreiche  Alpenthäler 
hat  auch  das  Reußthal  ein  gebrochenes  Längsprofil  (Fig.  122), 
in  dem  sich  das  normale  gleichsam  mehrmals  wiederholt  Auf  das 
breite  sanft  geneigte  ürserenthal  folgt  die  wilde  Schellenenschlucht, 
dann  folgen  rasch  Thalstücke  mit  wechselndem  Charakter,  und  end- 
lich das  ausgedehnte  Auflagerungsgebiet  von  Amsteg  bis  zur  Mün- 
dung der  Reuß  in  den  Umer  See.     In  anderen  Alpenthälem  ist  der 


Fig.  123.     Querprofile  des  Reußthales  nach  Heim,     a  nahe  bei  Ältdorf,  b  nahe 

Gosehenen,   c  im   IJnerenthal.     (Die  romischen   Zahlen   bedeuten  Thalstnfen,   wie  in 

Fig.  122)  und  die  arabischen  die  ihnen  entsprechenden  Terrassen.) 

Stufenbau  noch  ausgeprägter,  so  z.  B.  im  Gasteinerthal,  wo  drei 
Stufen  ^  mit  sanftem  Gefälle  und  beckenartiger  Erweiterung  mit  ein- 
ander und  mit  der  Mündungsstufe  durch  steile  Klammen  oder  durch 
Gefällsbrüche  und  Wasserfälle  verbunden  sind.  Dagegen  zeigt  uns 
das  Reußthal  an  mehreren  Stellen,  wie.  oberhalb  Amsteg  oder  in  der 
Schellenenschlucht  (s.  Profil  b  in  Fig.  123),  die  Entstehung  der 
Terrassen  aus  Thalstufen.  Indem  das  Wasser^  durch  irgend  einen 
umstand  zu  erneuter  Thätigkeit  gezwungen,  eine  tiefe  Schlucht  in 
dem  alten  Thalboden  ausarbeitet,  bleiben  Reste  des  letzteren  als 
Terrassen  an  einem  oder  an  beiden  Gehängen  zurück.  Erlahmt  die 
Erosionskraft,  so  hört  die  Tieferlegung  der  neuen  Thalsohle  auf,  und 
es  beginnt  die  Verbreiterung  derselben,  wodurch  natürlich  die  Ter- 
rassen immer  mehr  beschränkt  werden.  Außerdem  arbeiten  auch 
Verwitterung,  Seitenbäche,  Muren,  Bergstürze^  Lawinen  u.  s.  w.  an 
ihrer  Zerstörung;   und  wir  dürfen  ims  daher  nicht  wundem,  wenn 


Höhe  der  Stufe 
Mündung  bei  Land 687  m  hoch  — 

1.  Stufe,  Becken  von  Gastein   ,       840         „  208  m 

2.  „             ,,          „    Böckstein      1080         „  240 
8.      „        Naßfeld 1640         „  560 


Thalbildung  durch  Erosion.  398 


^wrir  diese  Beste  alter  Thalböden  nur  noch  stellenweise  an  den  Ge- 
hängen finden.  Ebenso  ist  es  erklärlich,  daß  die  oberen  und  daher 
älteren  Terrassen  weniger  gut  erhalten  sind^  als  die  unteren  und 
jtingeren. 

Vereinigen  wir  die  Terrassen  und  die  etwa  noch  vorhandenen 
Thalstufen,  die  annähernd  im  gleichen  Niveau  liegen,   miteinander, 
so  erhalten  wir  verschiedene  Thalböden,  die  unter  sanften  Winkeln 
thalabwärts  sich  neigen  (die  punktierten  Linien  in  Fig.  122).  Im  Eeuß- 
thale  unterscheidet  man  vier  solche,   in  2200—1900,   1600—1400, 
1200—900  und  900— 600  m   Höhe;    der   unterste  Thalboden,   von 
Amsteg  bis  Flüelen  (in  536 — 437  m  Höhe)  hat  natürlich  noch  keine 
Terrassen  gebildet.     Es  würde  das  aber  sofort  geschehen,  wenn  die 
Mündungsstelle  in  ein  tieferes  Niveau  verlegt  würde.     Wir  können 
diesen  Prozeß  in  den  Seitenthälern  des  unteren  Reußthales  verfolgen. 
Die  kleineren  und  daher  wasserärmeren  Nebenbäche  konnten  in  ihrer 
Erosionsarbeit  mit  dem  Hauptflusse  nicht  gleichen  Schritt  halten; 
ihre  Mündungsstellen  liegen  daher  in  beträchtlicher  Höhe  über  der 
Sohle  des  Hauptthaies,   und  zwar  in  um  so  größerer,  je  näher  sie 
dem  Ausgang  des  letzteren  liegen.     In  Kaskaden  und  Wasserfällen 
stürzen  sie  in  das  Beußthal  hinab.    Aber  indem  die  Erosion  immer 
weiter   nach   rückwärts   einschneidet,   nähert   sich   das   Niveau   der 
Sohle  im  unteren  Teile  des  Nebenthaies  immer  mehr  dem  der  Mün- 
dungsstelle im  Hauptthale. 

Auf  den  Thalstufen  herrscht  jetzt  Ruhe,  in  den  Absätzen  der- 
selben aber  ununterbrochene  Bewegung.  Das  Niveau  V  schreitet 
gegen  IV,  IV  gegen  III,  III  gegen  II  fort  Das  Endprodukt  wäre 
eine  normale  Kurve.  Gestört  würde  dieser  Prozeß  nur,  wenn  die 
Mündungsstelle  schneller,  als  ihr  die  Erosion  zu  folgen  vermöchte, 
durch  Bodenbewegungen  tiefer  gelegt  oder  das  Thal  gehoben  oder 
die  Wassermenge  des  Flusses  durch  eine  Klimaänderung  vermehrt 
würde.  Derartige  Ereignisse  müssen  einst  stattgefunden  haben; 
höchst  wahrscheinlich  waren  es  absolute  oder  relative  Niveauver- 
änderungen der  Mündung,  die  (Fig.  122)  von  1  nach  2  und  so  fort 
bis  zur  heutigen  Stelle  herabrückte.  Die  Stufen-  und  Terrassenober- 
flächen entsprechen  Ruhepausen,  die  Absätze  Bewegungsperioden. 
Die  Nebenthäler  nehmen  selbstverständlich  an  den  Veränderungen 
des  Hauptthaies  Teil,  daher  ihre  Terrassen  und  Stufen  denen 
des  letzteren  entsprechen,  während  verschiedene  Flußgebiete  in  der 
Höhenlage  und  Zahl  ihrer  Stufen  und  Terrassen  voneinander  ab- 
weichen. Hier  haben  wir  also,  wenn  die  Deutung  der  Schweizer 
Geologen  richtig  ist,  einen  sicheren  Beweis  fiir  die  allmähliche  Aus- 


394  Die  Dynamik  des  Landes. 


höhlung  des  Thaies.^  Untersuchungen  über  die  Verbreitung  der 
Felsterrassenbildung  werden  eine  der  Hauptaufgaben  der  nächsten 
Zeit  sein,  da  sie  für  die  Thalbildungstheorie  die  wichtigsten  Auf- 
schlüsse versprechen;  leider  scheinen  manche  Thäler,  wie  z.  B.  die 
Bosniens  und  Griechenlands,  auch  dieses  Beweismittels  gänzlich  zu 
entbehren. 

Manchmal  vereinigen  sich  Fels-  und  Diluvialterrassen,  wie  z.  B- 
im  Unterinnthale  in  Tirol.'  Am  Südabhange  erblicken  wir  eine 
breite  Felsterrasse,  die  Dörfer  (Laas)  und  Felder  trägt;  an  den 
Nordabhang  lehnen  sich  Diluvialterrassen  und  Reste  eiszeitlicher 
Moränen.  Die  älteste  Moräne  (2)  liegt  hier  in  geringer  Höhe  über 
dem  heutigen  Innthale,   an    einer   anderen  Stelle   im  lliale   selbst, 


Fig.  124.  Innthal  bei  Innsbruck  nach  Blaas.  1  Grundgebirge,  2  Untere  Moräne. 
3  Breccien  und  Konglomerate  (untere  Flußablagerungen  und  deren  Äquivalente),  4  mitt- 
lere Flußablagerungen,  5  oberste  Moräne,  6  obere  Flußablagerungen,   7  moderne  Flnß- 

ablagerungen. 

woraus,  mit  unzweifelhafter  Gewißheit  hervorgeht,  daß  die  Felster- 
rasse von  Laas  einer  sehr  alten  Zeit  angehört  und  daß  bei  dem  Ein- 
tritte der  diluvialen  Vergletscherung  das  Thal  bereits  seine  jetzige 
Tiefe  erreicht  hatte.  Ein  mächtig  angeschwollener  Strom,  der  Vor- 
bote des  heranrückenden  Gletschers,  verschüttete  es  mit  seinen  Sauden 
und  Gerollen,  über  die  dann  der  Gletscher  seine  Grundmoräne  hin- 
wegschob, bis  endlich  nach  seinem  Schwinden  ein  geschiebearmer 
Fluß  die  alten  Ausfüllungsmassen  bis  auf  wenige  Eeste  an  den 
Rändern  wieder  wegräumte.  Dieser  Prozeß  hat  sich  seit  Beginn 
der  Eiszeit  dreimal  wiederholt 

Tektonische  und  AbdämmongsBtnfen.  Im  Gegensatze  zu  den 
Verwitterungsterrassen  nimmt  die  Bildung  der  Erosionsterrassen  auf 
die  Härte  des  Gesteins  keine  Rücksicht.  Nur  dort,  wo  die  Erosion 
langsamer  arbeitet,  finden  die  härteren  Gesteinspartien  Zeit,  ihre 
Widerstandskraft  zur  Geltung  zu  bringen.  In  diesem  Falle  ent- 
sprechen die  steilen  Thalengen  den  härteren  und  die  Thalstufen  den 

X  In  neuester  Zeit  hat  allerdings  Löwl  (in  den  Verhandlungeu  der  Wiener 
Geologischen  Reichsanstalt,  1894,  S.  470  f.)  Bedenken  gegen  die  Auffassung 
der  Schweizer  Geologen  ausgesprochen.  Es  muß  aber  wohl  noch  die  Antwort 
der  letzteren  abgewartet  werden. 


Thalbildung  durch  Erosion.  395 


^weicheren  Schichten.     Diese   tektonischen  Stufen,  wie  Löwl  sie 
nennt«  sind  zwar  auch  Zeugen  der  Erosion,  aber  sie  vermögen  Ter- 
rassen durch  das  ganze  Thal  hindurch  nur  dann  hervorzubringen, 
wenn   der  Eiegel  an  der  Mündung  sich  befindet.     Wesentlich  ver- 
schieden von  den  Stufen,    die  in   der  ursprünglichen  Thalunterlage 
aixsgearbeitet  wurden,  sind  die  sehr  häufig  vorkommenden  Abdäm- 
mnngsstufen.    Bergstürze,  alte  Endmoränen,  oder  rasch  wachsende 
Schuttkegel   der   Nebenbäche   stauen  den  Hauptfluß  zu  einem   See 
auf:    ein  Ereignis,   von   dem  uns  die  Geschichte  der  Hochgebirgs- 
länder  wiederholt  erzählt.     Ist   der  Damm   solid   genüge    um    dem 
Wasserdrucke  dauernd  Widerstand  zu  leisten,  so  wird  der  See  all- 
mählich ausgefüllt  und  bildet  dann  eine  Thalebene,  die  durch  eine 
steile,  in  den  Damm  eingerissene  Schlucht  mit  der  nächsten  Stufe 
in  Verbindung  steht.    Im  Vintschgau  wiederholte  sich  dieser  Prozeß 
nachweisbar  viermal  und  erzeugte  dadurch  einen  scharf  ausgeprägten 
Stufenbau. ^     Werden    diese   Thalebenen   später   durchschnitten,   so 
entstehen  Terrassen,  die  mit  den  Ausfüllungsterrassen  in  allen  wesent- 
lichen Punkten  übereinstimmen. 

Wasserfalle.  Eines  der  landschaftlich  bedeutsamsten  Phänomene 
unfertiger  Thäler,  nämlich  der  Wasserfälle,  wurde T)ereits  vorüber- 
gehend gedacht.  Man  kann  Mündungs-  und  Thalfälle  unter- 
scheiden; der  untere  Gasteiner  Fall  gehört  beispielsweise  zur  ersten, 
der  obere  zur  zweiten  Kategorie.  Jeder  Mündungsfall  schreitet  zu- 
rück, wird  in  ein  hinteres  Thalstück  verlegt  und  dadurch  zu  einem 
Thalfalle.  An  dem  unteren  Qasteiner  Falle  kann  man  die  Anfänge 
dieses  Prozesses  gut  beobachten.  Nicht  alle  Thalfälle  aber  waren 
einst  Mündungsfälle,  sondern  sie  können  auch  mit  der  Bildung 
tektonischer  oder  Ausfiillungsstufen  zusammenhängen. 

Der  Wasserfall  ist  der  Ausdruck  des  denkbar  größten  Gefälles. 
Stets  ist  aber  fließendes  Wasser  bestrebt,  das  Gefälle  zu  mäßigen. 


1.  Stufe,  Seen 

Maiser  Heide 

2.  Stafe,  Glarnser  Ebene 

Schlanderser  Kegel 

3.  Stufe,  £bene  zwischen  Göflan  und  Latsch  . 

Tarscher  Kegel 

4.  Stufe,  Ebene  zwischen  Marein  und  Stäben  . 

Tablander  Kegel  

5.  Stufe,  Ebene  zwischen  Natums  und  Rabland 

TöU-Kegel 


MitUere 

Seehdhe 

in  m 

Abstand  des 
höchsten  Tom 
tiefsten  Thal- 
punkt in  m 

Mitüeres 
GefSlle 

1472 

61 

0*^23' 

— 

534 

2   36 

884 

58 

0   12 

— 

174 

1   20 

668 

37 

0   21 

— 

54 

1    18 

577 

36 

0   21 

— 

45 

1      3 

504 

13 

0   20 

— 

173 

4     5 

396  Die  Dynamik  des  Landes. 


die  Gleichgewichtslinie  der  Thalsohle  herzasteilen.    Stark  geneigt« 
Schichten  setzen  ihm  in  der  Regel  kein  Hindernis  entgegen.    Indem 
es  einerseits  in  den  Boden  einschneidet,  anderseits  den  Band  ab- 
schleift und  abbröckelt,  wird  der  Neigungswinkel  der  Sohle  immer 
kleiner.   Das  Wasser,  das  irüher  in  einem  einzigen  Strahle  über  die 
senkrechte  Felswand  sich  herabstürzte,  löst  sich  in  eine  stufenförmige 
Reihe  von  Fällen  —  Kaskaden  —  auf,  und  da  bei  jedem  einzelnen 
Fall   dieselbe  Arbeit  sich  wiederholt,   so  entstehen  aus  Kaskaden 
Katarakte.     Haben  sich  endlich  die  Böschungen  soweit  gemildert^ 
daß  das  Wasser  nicht  mehr  fällt,  wohl  aber  noch  pfeilschnell  dahin- 
schießt,  so  ist  der  einstige  Wasserfall  bei  dem  letzten  Akte  seiner  Ent- 
wicklungsgeschichte angelangt:  bei  dem  Stadium  der  Stromschnellen. 
Solche   können   übrigens    auch   selbständig    entstehen    durch    Fels- 
stürze, deren  gewaltige  Trümmer  im  Flußbette  sich  verbreiten. 

In  horizontalen  oder  schwach  geneigten  Schichten  findet  der 
geschilderte  Umwandlungsprozeß  nur  dann  statt,  wenn  das  Material 
gleichmäßig  ist  oder  die  Härte  der  Gesteine  von  oben  nach  unten 
zunimmt.  Der  Geneseefall  bei  Rochester  in  Nordamerika  (Fig.  125) 
ist  bereits  in  das  Stadium  der  Kaskaden  eingetreten.  Dagegen  be- 
steht die  49  m  hohe  Felswand,  über  die  der  Niagara  sich  stürzt,  in 
den  oberen  Partien  aus  hartem  Kalkstein  und  in  den  unteren  aus 
weichen  Schiefern  (Fig.  126).     Diese  werden  durch  die  wirbelnden 

Wassermassen    am   Fuße    des    Falles 
ausgewaschen,    der    Kalkstein    bricht 
stückweise  herunter,  und  -der  Wasser- 
fall schreitet  langsam  thalaufwärts  fort 
Bis  jetzt  hat  er  einen  Weg  von  12  km 
Fig.  125.    Profil  des  Genesee-FaUes    zurückgelegt    und    sich    dadurch    aus 
naohDANA.  A;«  Kalk,  5cA= Schiefer-    einem  Mündungsfalle  (bei  Queenstown) 
thon,  g.  ^g™«  Band,  s^       j^^    ^^^^^  Thalfall   verwandelt^    Ana- 
loge   Erscheinungen    weist    das    esth- 
ländische  Kalkplateau  auf;  die  Fälle  der  Narowa,  des  Jagowal  u.  a. 
sind  seit  einem  Menschenalter  schon  beträchtlich  thalaufwärts  gerückt 
Einige   Wassertälle   zeichnen   sich   durch   ihre   Höhe  aus    (als 
höchster  gilt  der  Yosemitefall  in   der  califomischen  Sierra  Nevada 
680  m  hoch),  andere,  wie  der  Rheinfall  bei  Schaffhausen,  der  Niagara^ 
faU,  der  Victoriafall   des  Sambesi   u.  a.,   durch  ihre  Wassermasse. 


X  Genauere  Ennittelungen  sind  erst  seit  1842  möglich,  wo  die  Fille  nun 
erstenmal  sorgfältig  aufgenommen  wurden.  Bis  1890  war  der  canadische  Fall 
um  81,86,  der  amerikanische  um  9,87  m  zurückgegangen.'  Eine  Berechnung  des 
Alters  des  Niagarafalles  IftBt  sich  aber  darauf  nicht  gründen,  weil  sich  nicht 
voraussetzen  läßt,  daß  der  Rückgang  gleichmäßig  erfolgte. 


Thalbildung  durch  Erosion.  397 


Häufig  greift  die  Erosion  nicht  gleichmäßig  die  Gesteinsunterhige 
an;  es  bleiben  dann  Felsreste  im  Bette  zurück,  und  der  Fall  teilt 
sich  in  Arme  (z.  B.  der  Rheinfall).  Unzählig  sind  solche  Felsklippen 
in  den  Katarakten  des  Nil  oder  in  den  Stromschnellen  des  Orinoco 
bei  Maypures. 

Gletsohererosion.  Neben  dem  fließenden  Wasser  schreiben  viele 
Forscher  auch  den  Gletschern  thalbildende  Kraft  zu.  Die  Beob- 
achtung in  yerlassenen  Gletschergebieten  lehrt  uns,  daß  die  Eis- 
ströme die  Tendenz  haben,  die  Unebenheiten  zu  beseitigen  und  die 
£cken  abzurunden,  und  daß  sie  daher  ihre  Unterlage  wie  ihre 
Seiten  wände  glätten.  Es  leugnet  auch  niemand,  daß  sie  auf  die 
Form  der  Gehänge  einen  bestimmenden  Einfluß  ausüben;  oberhalb 
der  diluvialen  Gletschergrenze  sind  die  Formen  eckig,  unterhalb 
derselben  gerundet  Es  muß  aber  auch  jeder  zugestehen,  daß  Po- 
lierung der  Felsen  mit  Fortführung  von  Material,  also  mit  Erosion 
verbunden  ist    Aus  den  Experimenten  von  Blümcke  und  Finstbe- 

Nord.  Süd. 

Ontorio-See        Queenstown  NUgara-Fall  Erie-See 


Fig.  126.    Der  Niagaraflaß  and  seine  Falle. 
s  Weiche    Oneida-  and   Medina-Sandsteine    und  Clinton-Orappe.     i  Weiche  Niagara- 
Schiefer,     k  Harter  Niagara-Kalkstein. 

WALDBB*  geht  femer  hervor,  daß  in  Eis  gebettete  Gesteine  unter 
wechselndem  Drucke,  der  bald  Gefirieren,  bald  Ver.flii8sigung  des  Eises 
bewirkt,  sich  genau  so  verhalten,  wie  Gesteine  an  der  Oberfläche,  d.  h. 
es  erfolgt  nicht  nur  eine  Zersprengung  der  Gesteine  unter  der  Ein- 
wirkung des  Gefrierens  und  Wiederauftauens  des  Spaltenwassers,  son- 
dern es  werden  auch,  wie  bei  der  gewöhnlichen  Verwitterung,  feine 
Partikelchen  losgelost  Nimmt  man  an,  daß  ein  und  derselbe  Punkt 
des  Gletßcherbodens  bei  dem  Vorüberschreiten  des  Eisstromes  unter 
wechselnden  Druck  gelangt,  so  muß  man  zugestehen,  daß  die  Verwitte- 
rung auch  unter  dem  Gletscher  noch  fortarbeitet  Man  ersieht  daraus, 
wases  mit  dem  oft  wiederholten  Satze,  daß  der  Gletscher  konserviere, 
auf  sich  hat  Die  Verwitterungs-  und  Erosionsprodukte  in  Verbin- 
dung mit  dem  von  den  Oberflächenmoränen  stammenden  Schutte 
liefern  die  enormen  Schlammmassen,  die  der  milchigtrübe  Gletscher- 
bach abwärts  schafft,  und  Penck  hat  daraus  berechnet,  daß  das 
Grebiet  des  Unteraargletschers  in  ca.  1  ^/^  Jahren  um  1  mm  erniedrigt 
wird.  Kann  also  die  erodierende  Kraft  der  Gletscher  nicht  geleugnet 
werden,  so  muß  man  sich  doch  stets  vor  Augen  halten,  daß  Gletscher 


398  l>ie  Dynamik  des  Landes. 


anders  arbeiten  als  fließendes  Wasser.  Jene  bewegen  sich  ungleich 
langsamer,  aber  sie  entfalten  über  einem  Punkte  eine  größere  Masse, 
wenn  auch  an  eine  Zerquetschung  und  Zertrümmerung  der  Gesteins- 
unterlage selbst  durch  den  mächtigsten  Eisstrom  nicht  gedacht 
werden  darf.  Der  Fluß  wirkt  ferner  nur  entlang  einer  Linie  ver- 
tiefend, der  Gletscher  aber  auf  Flächen.  Niemals  wird  eine  Eis- 
masse nach  Art  des  grönländischen  Inlandeises,  die  sich  über  eine 
schiefe  Eben©  bewegt,  ein  Thal  aushöhlen  können,  vorausgesetzt, 
daß  der  Boden  überall  gleichen  Widerstand  bietet.  Doch  ist  der 
Fall  denkbar,  daß  entlang  einer  Spalte  die  Verwitterung  bis  in 
ziemliche  Tiefen  vorgearbeitet  hat,  und  damit  würde  dem  Eise  die 
Möglichkeit  geboten  sein,  seine  erodierende  Kraft  auf  eine  Linie  zu 
konzentrieren. ^°  Vielleicht  sind  manche  polare  Thalbildungen  auf  diese 
Weise  zu  erklären,  aber  jedenfalls  nicht  die  Thäler  unserer  einst 
vergletscherten  Hochgebirge.  Diese  sind  mit  Bestimmtheit  älter,  als 
die  diluvialen  Gletscher.^  Aber  überall,  wo  ein  Gletscher  ein  Thal 
vorfindet,  wirkt  er  unzweifelhaft  umgestaltend.  Er  erodiert  zu- 
gleich nach  der  Tiefe  und  nach  den  Seiten,  er  ist  gleichsam  be- 
strebt, die  Thalwände  auseinanderzuschieben.  Beide  Medien  stimmen 
aber  darin  überein,  daß  sie,  je  nach  dem  Gefälle,  bald  erodieren, 
bald  ablagern.  Das  Vorhandensein  loser  Massen  in  verlassenen 
Gletscherbetten  beweist  also  nichts  gegen  die  Erosion. 

Genetische  Einteilung  der  Thäler.  Die  Allgewalt  der  Erosion 
findet  ihren  prägnantesten  Ausdruck  darin,  daß  an  den  Regenseiten 
der  Kettengebirge  die  Thalbildung  entwickelter  ist  und  tiefer  in  das 
Gebirge  eindringt,  als  auf  der  Leeseite.  ^^  Je  schärfer  der  klima- 
tische Gegensatz,  desto  ausgeprägter  der  Gegensatz  der  Gliederung. 
Während  der  Nordabhang  des  Eibursgebirges  von  tiefen  Thälem 
durchfurcht  ist,  ist  der  südliche  ein  einziger  schroflfer  Abhang  ohne 
eigentlichen  Fluß.  Selbst  in  unseren  niederschlagsreichen  Gegenden 
läßt  sich  der  klimatische  Einfluß  auf  den  Erosionsprozeß  manchmal 
nachweisen;  so  berichtet  z.  B.  de  Lamblabdie,  daß  alle  Th&ler  der 
hohen  Normandie,  die  mehr  oder  minder  senkrecht  vom  Begenwind 
getroffen  werden,  steiler  und  tiefer  eingeschnitten  sind,  als  die 
anderen. 

Die  Frage  nach  dem  Ursprung  der  Thäler  ist  aber  häufig 
mit  der  Frage  nach  der  Ausbildung  derselben  verwechselt  worden. 
Ursprüngliche  Thäler,  d.  h.  Hohlformen,  die  lediglich  durch  den 
Bau  des  Bodens  bedingt  sind  und  an  deren  Ausgestaltung  die 
Erosion  nur  einen  geringfllgigen  Anteil  hat,   sind   verhältnismäßig 


X  Man  vergleiche,  was  auf  S.  894  über  das  Innthal  gesagt  wurde. 


Thalbildung  durch  Erosion.  399 

selten.     Wir  kennen  nur   drei  Arten:   Mulden-,  Senkungs-  und 

interkolline  Thäler.     Die  ersteren,  in  den  Mulden  der  Schichten- 

falten   gelegen,   sind   verhältnismäßig   selten   und  wohl  kaum  je  in 

ihrer  ursprünglichen  Gestalt  erhalten,  so  daß  man  im  Zweifel  sein 

kann,   ob   man   sie   zu   den   ursprünglichen  Thälem   rechnen  darf. 

Die  Senkimgsthäler   nehmen,    wie  beispielsweise  das  Oberrheinthal, 

eine  Mittelstellung  zwischen  Thal  und  Ebene  ein  und  werden  besser 

der    letzteren    morphologischen   Kategorie    zugezählt.      Interkolline 

Thäler  liegen   zwischen   zwei   selbständigen  Gebirgen,   die   niemals 

oder    wenigstens    nie    vollständig    zusammenhingen.     Sie  sind  also 

im  Gegensatze  zu  allen  anderen  Thälem  primäre  Gebilde,  wie  die 

Gebirge   selbst,   die   sie   einschließen.     So   ist  in  der  Wetterau  ein 

Teil   der   hessischen   Senke   als  Thal  übriggeblieben,  als  im  Osten 

des  Taunus  vulkanische  Ausbrüche  das  Vogelsgebirge  schufen.   Auch 

in    diesen  Fällen   ist   es   manchmal   schwierig,   zwischen  Thal  und 

Ebene  zu  unterscheiden. 

Alle  übrigen  Thäler  können  wir  als  Erosions  thäler  bezeich- 
nen, insofern  wir  darunter  Thäler  verstehen,  die  ihre  heutige  Aus- 
bildung der  Erosion  verdanken.  Als  solche  verraten  sie  sich 
namentlich  durch  drei  Merkmale:  1).  durch  ein  Längsprofil,  das 
mehr  oder  weniger  der  Gleichgewichtskurve  ähnlich  ist  Gebrochene 
Kurven  sind,  wie  wir  gesehen  haben,  nur  Übergangsstadien;  das 
Fehlen  der  Rückwand  im  Quellgebiet  deutet,  wie  wir  bei  einer 
anderen  Gelegenheit  ausführen  werden,  auf  gewisse  Vorgänge  in  der 
Entwicklungsgeschichte  des  Thaies  hin.  2).  Durch  den  mehr  oder 
weniger  gewundenen  Lauf  des  Thaies,  so  daß  in  der  Regel  das 
kulissenartige  Ineinanderschieben  der  Seitengehänge  uns  hindert, 
das  ganze  Thal  zu  überblicken.  Solch  ein  Verlauf  entspricht  ganz 
der  Tendenz  der  Flüsse  zu  Umwegen,  ja  manche  Thäler,  wie  be- 
sonders das  der  Mosel,  zeigen  ausgesprochene  Serpentinen,  und  es 
fehlen  dann  auch  nicht  tote  Thalstrecken,  die  im  Gebirge  das  Alt- 
wasser der  Ebene  vertreten.  3).  Durch  die  Verästelung  im  obersten 
Thalgebiete.  Ein  Thal  löst  sich  am  oberen  Ende  in  zwei  unter 
einem  spitzen  Winkel  zusammenstoßende  Quellthäler  auf,  diese 
wieder  in  zwei,  diese  abermals  u.  s.  w.  Ein  solches  Thal  endigt 
also  nicht  mit  einem,  sondern  mit  mehreren  Karen,  aber  die  Ver- 
zweigung ist  genau  derselbe  Vorgang,  der  zur  Bildung  eines  Kars 
führt  Keines  dieser  Merkmale  läßt  sich  durch  die  Annahme  er- 
klären, daß  die  Thäler  tiefe  Spaltenaufrisse  seien. 

Anders  gestaltet  sich  aber  das  Problem,  wenn  wir  die  Frage  stellen, 
warum  ein  Erosionsthal  gerade  an  dieser  Stelle  sich  entwickelt  hat 
Es  unterliegt  keinem  Zweifel,  daß  die  ursprüngliche  Anlage  zahl- 


400  Die  Dynamik  des  Landes. 


reicher  Thäler  im  Bodenbaue  begrilndet  war,  der  den  erodierenden 
Kräften  eine  bestimmte  Richtung  anwies.  Neben  diesen  tek- 
tonischen  Thälern  giebt  es  aber  viele  andere,  bei  denen  sich 
kein  Zusammenhang  mit  geologischen  Verhältnissen  nachweisen 
läßt,  wohl  aber  mit  hypsometrischen,  insofern  sie  der  Hauptabdachung 
eines  Gebirges  oder  einer  schiefen  Ebene  folgen.  Wir  nennen  sie 
Abdachungs-  oder  orographische  Thäler.  Es  bleibt  jedem 
unbenommen  sich  vorzustellen,  daß  gelegentliche  Risse  und  Elüfte 
die  ersten  atmosphärischen  Niederschläge  da  oder  dort  zu  Wasser- 
fäden gesammelt  haben,  aber  es  muß  betont  werden,  daß  bei  dem 
gänzlichen  Mangel  an  oberflächlichen  Klüften  das  fließende  Wasser 
die  gleiche  Richtung  nehmen  und  in  derselben  Thäler  aushöhlen 
mußte.  Es  giebt  aber  endlich  auch  unzweifelhafte  Elrosionsthäler. 
die  sowohl  mit  den  tektonischen,  als  mit  den  hypsometrischen  Be- 
dingungen im  Widerspruche  stehen.  Zur  Erklärung  dieser  rätsel- 
haften Gebilde  nimmt  v.  Ricbt- 
^!^^^^:^==^^^  HÖFEN  an,  daß  sie  zu  einer  Zeit 
entstanden,  als  das  heutige  Gebirge 
noch  mit  einer  flachen  Sediment- 
decke  verhüllt  war.  Die  Flüsse  folgten 
der  Abdachung  der  alten  Oberfläche 
^^\}^L  5-''if  """^If^^^  ^^"i^iit"^^^  und  konnten  sich  in  der  ursprüng- 

a 6  alte  Oberflache,  c(/ jetzige  Oberfläche.  t».  v.  t_   i  • 

Das  epigenetische  Thal  tf  stammt  aus  liehen  Richtung  erhalten,  wenn  sie 
der  Zeit  von  ab  und  folgte  der  Ab-  gjch  ZU  der  Zeit,  da  die  Sedimentr 

dachnng  von  a  nach  6,  entspricht  aber    j     i        i        t\        j  j^  r\  r 

nicht  derOberflacheoTTd,  die  zwei  Thäler  ^öcke   der   Denudation   zum  Opfer 
Ton  tp  nach  o  und  d  erfordern  würde,  flel,  schon  genügend  tief  in  den  alten 

Untergrund,  d.  h.  in  die  jetzige  Ober- 
fläche eingefressen  hatten  (s.  Fig.  127).  v.  Richthoekn  nannte 
diese  Thalbildung  eine  epigenetische. 

Das  System  der  Thäler  ist  also  folgendes: 

1.  Ursprüngliche  Thäler, 

a)  Muldenthäler, 

b)  Senkungsthäler, 

c)  Interkolline  Thäler; 

2.  Erosionsthäler^ 

a)  Orographische  Thäler, 

b)  Tektonische  Thäler, 

c)  Epigenetische  Thäler. 

Die  Kategorie  der  Verwitterungsthäler,  von  denen  wir  bei  der 
Gletschererosion  sprachen,  lassen  wir  vorläufig  als  problematisch 
außer  Betracht. 


Deltabildungen. 


401 


Litteraturnachweise.     *  Rütdieteb,  Über  Thal-  u.  Seebildung ,  Basel 
1869.     SupAN,  Thalbildungen  des  östlichen  Graubündens  u.  d.  Tiroler  Zentral- 
alpen, in  d.  Mitteilungen  d.  Wiener  Geographischen  Gesellschaft  1877.    Löwl, 
Über  Thalbildung,    Prag  1884.     Philippson,    Ein  Beitrag   zur  Erosionstheorie, 
in    Petesmanns   Mitteilungen  1886;    Studien    über  Wasserscheiden  in  den  Mit- 
teilungen des  Vereins  für  Erdkunde  in  Leipzig    1886.      De   la  Noe    und  De 
Margebie,    Les  formes  du  terrain,    Paris  1888  (handelt  hauptsächlich  von  der 
Eroaion  und  enthält  sehr  lehrreiche  Abbildungen).  —  •  Penck,  Das  Endziel  der 
Erosion  u.  Denudation,  in  den  Verhandlungen  d.  VUI.  deutschen  Geographen- 
tages, Berlin  1889.  —  •  Hilbeb,  Asymmetrische  Thäler,   in  Petebmanns  Mit- 
teilungen 1886.  —  *  ROtimeteb,  Der  Rigiberg,  Basel  1877.  —  *  Dutton,  Tertiary 
History  of  the  Grand  Canon  District,  Washington  1882.  —  •  Heim,  Die  Erosion 
im  Gebiete  der  Reuß,  im  Jahrbuch  des  Schweizer  Alpenklub  1878 — 79.   Bodmeb, 
Terrassen  und  Thalstufen  der  Schweiz,  {Zürich  1880.  —  '  Blaas,  Die  Glazial- 
formation im  Innthale,  Innsbruck  1885.    —    ^  Über  den  Niagarafall  s.  Journal 
of  the  American  Geographical  Society,  1891,  S.  212.  —  •  BLttMCKE  u.  Finsteb- 
walder,  Zur  Frage  der  Gletschererosion,  in  d.  Sitzungsberichten  d.  bayerischen 
Akademie  d.  Wissenschaften,  Mathem.-physik.  Klasse  1890.  —  *®  v.  Dbtgalski, 
Ein  typisches  P^ordthal,  in  der  RiCHTHOPEN-Festschrift  1893.  —  "  Krümmbl,  Ein- 
seitige Erosion,  im  „Ausland^^  1882. 


Deltabildxingen.  ^ 

Mündnngsformen  der  Flüsse.    Wie  sich  in  der  Thalbildung  die 
zerstörende  Kraft   des   fließenden  Wassers   geographisch  am   wirk- 


Fig.  128.     Nildelta  nach  R.  Cbbdner. 


samsten   äußert,   so   in   der  Deltabüdung   seine  aufbauende  E^raft. 
Wenn  ein  Fluß  in  ein  ruhendes  Wasser  mündet,  so  tritt  nicht  so- 

SUPAX ,  Phjsische  Erdkunde.   2.  Aufl.  26 


402 


Die  Dynamik  des  Landes. 


gleich  eine  Vermischung  ein,  sondern  er  behält  vermöge  seiner 
Stoßkraft  noch  einige  Zeit  den  Charakter  einer  selbständigen  Masse 
bei.     Im  Meere    und  in  Salzseen  kommt  noch  der  Umstand  hinzu, 


Fig.  129.     Mississippidelta  nach  R.  CitEDNBR. 

daß    das   süße   Flußwasser   wie   Öl   auf  dem   schweren   Salzwasser 
schwimmt     Allmählich  vermengen   sicji  beide  Flüssigkeiten  zu  so- 


Fig.  130.    Petschoradelta  nach  B.  Ceedneb.      Fig.  131.    Ebrodclta  nach  R.  Cbedkbr. 


genanntem  Brackwasser,  bis  endlich  unter  fortdauerndem  Einflasse 
der  Wasserbewegung  das  Flußwasser  völlig  absorbiert  wird.  Vor 
der  Kongomündung  ist  das  Oberflächenwasser  noch  bis  zu  einer  Ent- 


DelUbildungen.  403 


femung  von  23  km  süß,  und  die  Zone  des  brackischen  Wassers  reicht 
noch  40 — 50  km  weiter. 

Mit  der  Geschwindigkeit  des  Flusses  erlischt  auch  dessen  Trag- 
kraft, und  die  Sedimente  lagern  sich  am  Boden  des  Meeres  oder 
Binnensees  ab,  und  bilden  entweder  Sandbänke,  Untiefen  und  Barren, 
oder  wachsen  unter  günstigen  Verhältnissen  über  den  Seespiegel 
empor.  Es  giebt  also  nach  den  eingehenden  Untersuchungen  von 
R.  CsEDNEB  nur  zwei  Mündungsformen:  offene  Mündungen 
mit  unterseeischen  Ablagerungen  und  Deltamündungen,  wo- 
bei sich  das  Land  auf  Kosten  des  Meeres  oder  eines  Sees  ver- 
größert Man  kann  daher  ozeanische  und  Binnendeltas  unter- 
scheiden. 

Die  Bezeichnung  Delta  wurde  ursprünglich  nur  auf  den  Unter- 
lauf des  Nils  angewendet  (Fig.  128).  Das  Hauptgewicht  legte  man, 
dem  Namen  entsprechend,  auf  die  Gabelung  des  Flusses  in  zwei 
oder  mehrere  Arme,  und  in  diesem  Sinne  sprach  man  auch  von 
einem  Delta  des  Cooper  Creek  oder  des  Amazonas,  obwohl  in  keinem 
dieser  Fälle  eine  Schöpfung  von  Neuland  durch  Flußabsätze,  die 
von  rezenten  Bildungen  stehender  Gewässer  unterlagert  werden,  statt- 
findet. Gerade  das  betrachtet  aber  der  moderne  Deltabegriff  als 
das  wesentliche.  Die  Gabelung  ist  dagegen  ein  nebensächlicher 
Vorgang,  die  keineswegs  immer  mit  dem  Beginn  des  Deltalandes  zu- 
sammenfällt, ja  bei  einigen  echten  deltabildenden  Strömen,  wie  z.  B. 
beim  Ebro  (Fig.  131),  gänzlich  fehlt. 

Bau,  Gestalt  und  Oberflächenform  der  Deltas.  Das  Baumaterial 
liefern  hauptsächlich  die  Flußsedimente,  bei  größeren  Flüssen  feiner 
Sand  und  Schlamm,  bei  kurzen  Küstenflüssen  (besonders  an  Steil- 
ufern) auch  Gerolle.  Das  gröbste  Material  fällt  schon  zunächst  der 
Mündung,  das  feinere  aber  erst  in  größerer  Entfernung  zu  Boden. 
Da  aber  das  Hochwasser  vermöge  seiner  größeren  Transportfähigkeit 
die  schwereren  Sedimente  weiter  hinausfuhrt,  als  das  Mittelwasser, 
und  dieses  wieder  weiter  als  das  Niedrigwasser,  so  entsteht  zugleich 
eine  Wechsellagerung  von  gröberem  und  feinerem  Material.  Die 
Lagerung  ist  im  Meere  gewöhnlich  eine  flach  geneigte  bis  nahezu 
horizontale;  nur  in  Binnenseen  kann  die  Böschung  des  Schuttkegels, 
an  dessen  Zusammensetzung  sich  auch  GeröUe  in  größerer  Menge 
beteiligt,  35®  erreichen.  Neben  den  Flußsedimenten  liefern  auch 
Treibholz,  das  später  in  Torf  oder  Lignit  umgewandelt  wird,  und 
in  sehr  untergeordneter  Weise  animalische  Bestandteile  Baustoffe 
zur  Deltabildung.  Die  von  Sand-  und  Schlammmassen  bedeckten 
organischen  Substanzen  entwickeln  bei  ihrer  Zersetzung  Gase,  die 

26* 


404  Die  Dynamik  des  Landes. 


in  manchen  Deltas  (besonders  in  dem  des  Mississippi)  genug  Spann- 
kraft besitzen,  um  die  Decke  zu  sprengen  und  kleine  Schlamm- 
und  Gasvulkane  (sogenannte  Mudlumps)  zu  erzeugen. 

Die  Mächtigkeit  der  Deltabildungen,  über  die  uns  Bohrungen 
Aufschluß  geben,  ist  sehr  verschieden.  Beim  Nil  beträgt  sie 
höchstens  15,  beim  Rhein  über  60,  bei  der  Rhone  über  100,  beim 
Po  173  m.  Nicht  in  allen  Fällen  läßt  sich  die  Grenze  zwischen 
den  Fluß-  und  Meeressedimenten  mit  Sicherheit  ziehen,  daher 
die  Angaben  z.  B.  in  Bezug  auf  das  Mississippidelta  beträchtlich 
dififorieren. 

Häufig  entstanden  Deltas  in  tief  eingeschnittenen  Meeresbuchten. 
Wenn  es  richtig  ist,  daß  der  blaue  Thon,  auf  dem  die  modernen 
AUuvionen  des  Mississippi  ruhen,  nicht  rein  fluviatilen  Ursprungs 
ist,  so  beginnt  das  Delta  des  amerikanischen  Riesenstroms  schon 
bei  der  Ohiomündung.  In  der  Gegenwart  können  wir  die  Ausfül- 
lung von  Meeresbuchten  z.  B.  am  Laplata  oder  am  Dnjestr  be- 
obachten. In  manchen  Fällen  sind  die  Buchten  durch  Uferwälle 
(Nehrungen)  abgeschlossen,  wie  an  der  Memelmündung,  beim  Nil 
dagegen  durch  eine  Inselreihe,  die  nach  Janko  aus  jungmarinem 
Kalke  besteht.*  Die  Bucht  ist  hier  bis  auf  einige  Lagunen  schon 
ausgefüllt.  Die  Poanschwemmung  ist  sogar  über  die  Uferwälle 
hinausgewachsen,  und  hat  sich  damit  aus  einem  Ausfüllungs- 
delta in  ein  vorgeschobenes  Delta  verwandelt  Besonders 
drastische  Beispiele  der  letzteren  Art  sind  die  Deltas  des  Ebro 
(Fig.  131),  der  Lena  und  des  Mississippi  (Fig.  129). 

Die  Deltaländer  sind  völlig  horizontale  Ebenen,  die  sich  bei 
Hochwasser  stetig  erhöhen  und  gegen  das  Meer  hin  in  ein  sumpfiges 
Litorale  übergehen.  Nur  wo  das  Delta  nicht  allseitig  wächst,  wie 
das  der  Rhone,  werden  am  Strande  Dünenreihen  aufgeworfen,  die 
aber  mit  den  schon  erwähnten  präexistierenden  Uferwällen  nicht 
verwechselt  werden  dürfen.  Da  das  Gefälle  sehr  gering  ist,  so  ist 
der  Flußlauf  fortwährenden  Veränderungen  unterworfen,  indem  alte 
Kanäle  versanden  und  neue  sich  bilden.  Wenn  die  Gabelung  unter 
einem  spitzen  Winkel  erfolgt,  wie  am  Nil,  so  erleidet  die  Spitze 
des  dreieckförmigen  Landes  beständigen  Abbruch  und  rückt  tbal- 
abwärts  vor. 

Wachttom  der  Delta«.  Am  raschesten  scheint  das  Delta  des 
Terek  zu  wachsen,  denn  es  rückt  jährlich  durchschnittlich  495  m  in 
den  Kaspisee  vor.  Unter  den  großen  Stromdeltas  dürfte  sich 
das  des  Mississippi  am  schnellsten  vergrößern,  aber  —  wie  dies 
auch   bei    anderen  Flüssen   der  Fall   ist  —    nicht   gleichmäßig  an 


Deltabildungen.  405 


allen  Miindungsstellen,  ohne  daß  die  Wassermenge  der  einzelnen 
Anne  (hier  Pässe  genannt)  dafür  verantwortlich  gemacht  werden 
könnte.  ^ 

Am  Podelta  läßt  sich  der  Einfluß  des  Menschen  auf  das  Wachs- 
tum des  Landes  erkennen.  Dieses  betrug  von  1600  bis  1804  pro 
Jahr  70  m,  von  1200  bis  1600  aber  nur  23  m,  weil  damals  noch 
nicht  ein  umfassendes  Deichsystem  den  Fluß  zwang,  den  größeren 
Teil  seiner  Sinkstoffe  in  das  Meer  zu  führen.  Aus  demselben  Grunde 
rückt  das  Nildelta  jährlich  nur  um  4  m  vor,  denn  die  regelmäßigen 
Überschwemmungen  entziehen  ihm  eine  Menge  Sedimente,  die  im 
Binnenlande  liegen  bleiben.  Wo  eine  positive  Niveauveränderung 
stattfindet  oder  das  stürmische  Meer  besonders  heftig  die  Neuland- 
bildungen bekämpft,  können  sogar  Deltas  wieder  zerstört  werden. 
Das  Narentadelta  an  der  dalmatischen  Küste  verliert  immer  mehr 
an  Umfang,  und  das  Rheindelta,  das  schon  zum  großen  Teil  unter 
dem  Seespiegel  liegt,  würde  demselben  Schicksal  verfallen,  wenn  es 
nicht  durch  Dämme  geschützt  wäre.  Das  Emsdelta,  das  noch  zur 
Römerzeit  bestand,  ist  ganz  verschwunden,  und  wir  haben  Ursache 
anzunehmen,  daß  auch  die  Weser,  Elbe  und  Eider,  wie  der  Hudson 
und  Connecticut  an  der  Ostküste  der  Vereinigten  Staaten  einst  Deltas 
besessen  haben. 

Infolge  des  Wachstums  können  Deltas  benachbarter  Flüsse  mit- 
einander verschmelzen,  wie  das  des  Rhein,  der  Maas  und  Scheide  und 
das  des  Ganges  und  Brahmaputra;  oder  zwei  Flüsse  können  sich  zu 
einem  Hauptkanal  vereinigen  wie  Euphrat  und  Tigris;  oder  ursprün- 
lich  selbständige  Flüsse  sinken  zu  Nebenflüssen  herab.  So  wurde 
z.  B.  der  Pruth  der  Donau  und  der  Red  River  dem  Mississippi 
tributär.  Das  Landfestwerden  von  Inseln,  die  Zweiteilung  langge- 
streckter Seen  durch  seitlich  einmündende  Flüsse,  die  endliche  Aus- 
füllung der  Seen  sind  alles  Folgeerscheinungen  des  Wachstums  der 
Deltas. 

Geographische  Verbreitung  der  Deltas.  Die  unterseeischen  Ab- 
lagerungen an  offenen  Flußmündungen  zeigen  häufig  eine  so  ausge- 
sprochene Deltaform,  daß  wir  sie  geradezu  als  submarine  Deltas 
bezeichnen  können  (vgl.  Fig.  132  mit  Fig.  130).  Jedes  Oberflächen- 
delta muß  als  submarines  begonnen  haben  und  kann  wieder  unter 
besonderen  Umständen  in  ein  solches  verwandelt  werden;  zwischen 


X  SW.-Paß     S.-Paß     NO.-Paß    Paß  ä  l'Outre 

Wassermenge  in  Prozenten    ...      84  8  22  23 

Jährliches  Wachstum  in  m     ...     103  85  40  — 

Die  übrigen  13  Proz.  der  Wassermenge  werden  durch  Nebenkanäle  abgeführt. 


400  Die  Dynamik  des  Landes. 


beiden  Formen  besteht  also  kein  genetischer  Gegensatz.  Eis  ent^ 
steht  nun  die  Frage,  unter  welchen  Bedingungen  die  Flußabla^e- 
rungen  unterseeisch  bleiben,  unter  welchen  sie  über  den  Meeresspiegel 
emporwachsen.  Daß  allgemein  wirkende  Ursachen  dabei  im  Spiele 
sind,  ergiebt  sich  schon  aus  dem  geselligen  Auftreten  beider  Mun- 
dungsformen.  Deltaküsten  sind  z.  B.  die  russische  und  ostsibirische 

Eismeerküste,     die 

südostasiatische 
Küste  vom  Grelben 
Meere  bis  zum  Golfe 
von  Bengalen,  der 
nördliche  Teil  der 
Ostküste  von  Süd- 
afrika, das  Gestade 

des  Golfes  von 

Guinea,  die  Küsten 

des  Schwarzen  und 

Mittelländischen 

Fig.  132.     Submarines  Delta  des  Mersey,   1847.  Meeres,  die  Südost- 

küsten  der  Bal- 
tischen See,  die  Küsten  des  amerikanischen  Mittelmeeres  u.  s.  w. 
Dagegen  haben  der  Juba,  die  Kerka,  der  Bug  u.  a.  offene  Mün- 
dungen, obwohl  sie  sich  an  Deltaküsten  in  das  Meer  ergießen,  und 
anderseits  geben  uns  die  Mündungen  des  Indus,  Schat  el  Arab, 
Laplata,  Rhein  u.  s.  w.  Beispiele  von  Deltabildungen  an  sonst 
deltafreien  Küstenstrecken. 

Es  ist  bisher  kein  einziger  Fiaktor  gefunden  worden,  der  allein 
die  eine  oder  die  andere  Mündungsform  bedingt.  Die  Gironde,  die 
66  mal  mehr  Sedimente  in  das  Meer  führt,  als  die  deltabildende 
Weichsel,  hat  trotzdem  eine  offene  Mündung.  Elbe  und  Weser 
haben  ein  stärkeres  Gefälle,  wie  zahlreiche  Deltaflüsse,  und  können 
daher  auch  mehr  Material  an  der  Mündung  ablagern,  aber  trotzdem 
ohne  sichtbaren  Erfolg.  Träge  schleichen  Nil  und  Donau  dahin, 
einen  großen  Teil  ihrer  festen  Bestandteile  hissen  sie  im  Binnen- 
lande zurück,  und  doch  bauen  sie  Deltas.  Im  tiefen  Meere  schaffen 
die  Küstenflüsse  zwischen  Toulon  und  Genua  neues  Land,  während 
die  Themse  in  einer  Flachsee  nur  Sandbänke  abzulagern  vermag. 
Daß  Uferwälle  keine  notwendige  Bedingung  der  Deltabildung  sind, 
beweist  schon  der  Umstand,  daß  viele  Deltas  über  dieselben  hinaus- 
wachsen. Andererseits  giebt  es,  wie  an  der  Ostküste  der  Vereinigten 
Staaten,  Lagunen  mit  Nehrungen,  in  die  bedeutende  Flüsse  münden, 
ohne  sie  auszufüllen.     Viele  waren  der  Meinung,  eine  kräftige  Ge- 


Deltabildungen.  407 


zeitenbewegung  verhindere  die  Deltabildung,  aber  sie  konnten  durch 
den  Hinweis  auf  die  großen  Deltas  des  Ganges,  Indus,  Niger  u.  a. 
leicht  widerlegt  werden.  Im  Gegensatze  zu  den  genannten  Flüssen 
haben  Murray  und  Columbia  offene  Mündungen,  obwohl  diese  von 
ebbe  und  Flut  nur  schwach  bewegt  werden.  Wohl  aber  beeinflussen 
die  Gezeiten  die  Form  der  Ästuarien,  d.  h.  der  Mündungsarme, 
in  die  sie  eindringen.  Indem  das  Flußwasser,  durch  die  keilartig 
eindringende,  spezifisch  schwerere  Flut  nach  oben  gedrängt,  an 
Breite  zu  gewinnen  sucht,  was  es  an  Tiefe  verliert,  wird  das 
Astuarium  trichterförmig  erweitert,  gleichgültig,  ob  die  Mündung 
eine  offene  oder  eine  Deltamündung  ist.  Nur  darf  man  nicht 
alle  trichterförmigen  Buchten  (wie  beispielsweise  die  Laplata- 
Bai)  als  Flußschöpfungen  betrachten  und  als  Astuarien  be- 
zeichnen. 

Auch  Küstenströmungen  verhindern  weder  Deltabildungen,  noch 
rufen  sie  sie  hervor.  Im  Bereiche  des  Mozambiquestromes  mündet  der 
Sambesi  mit  und  der  Limpopo  ohne  Delta  und  ebenso  verhalten  sich 
Orinoco  und  Amazonas  an  der  von  der  südäquatorialen  Strömung 
bespülten  Küste.  Der  Einfluß  der  Strömungen  beschränkt  sich 
darauf,  daß  unter  umständen  die  Flußablagerungen  durch  Sedimente, 
die  von  fernher  stammen,  vergrößert  werden.  Winde  verstärken  die 
Strömung  des  Flusses  und  damit  auch  dessen  Transportkraft,  wenn 
sie  thalabwärts  wehen,  während  sie  im  umgekehrten  Falle  auf  das 
Wachstum  des  Deltas  verzögernd  einwirken,  aber  ohne  es  verhindern 
zu  können.  Auch  die  Richtung  der  Mündungsarme  ist  oft  eine 
Folge  der  vorherrschenden  Windrichtung;  die  östliche  Ablenkung 
der  Ehönearme  durch  den  Mistral  (s.  S.  119)  mag  als  Beispiel  an- 
geführt werden. 

R.  Cbedneb  glaubte  in  den  Niveauveränderuugen  den  Schlüssel 
zur  Erklärung  der  geographischen  Verbreitung  der  Deltas  gefunden 
zu  haben.  Es  ist  auch  einleuchtend,  daß  positive  Niveauverän- 
derungen die  Entstehung  offener  Mündungen  und  negative  die 
Deltabildung  im  hohen  Grade  begünstigen  müssen.  Aber  nicht 
immer  gehen  beide  Phänomene  Hand  in  Hand.  Im  Po-,  Memel-, 
Rhein-,  Ganges-  und  Mississippidelta  fand  man  bei  Bohrungen  in 
mehr  oder  minder  beträchtlichen  Tiefen  und  wiederholt  Torflager 
und  Baumstämme  in  ungestörter  Stellung.  Es  lassen  sich  diese 
Thatsachen  kaum  anders  als  durch  die  Annahme  einer  positiven 
Niveauveränderung  erklären.  Zwar  ist  es  wahrscheinlich,  daß  wir 
es  hier  nur  mit  örtlich  beschränkten  Sackungsvorgängen  zu  thun 
haben,  aber  immerhin  sind  negative  Niveauschwankungen  hier  aus- 
geschlossen.    Andererseits  sind  unzweifelhafte    Hebungsgebiete   frei 


408  Die  Dynamik  des  Landes. 


von  Deltas,  wie  die  pazifische  Küste  der  neuen  Welt  oder  das  Mlin- 
dungsgebit  des  Amurs. 

Das  Zusammenwirken  verschiedener  Faktoren,  unter  denen  die 
Niveauveränderungen  jedenfalls  auch  eine  Rolle  spielen,  bedingt  also 
die  geographische  Verbreitung  der  Deltas^  ohne  daß  wir  jetzt  schon 
in  jedem  einzelnen  Falle  die  Haupt-  und  Nebenursachen,  die  för- 
dernden und  hemmenden  Momente  zu  sondern  vermöchten.  Vielleicht 
werden  uns  eingehende  Detailstudien  der  Lösung  des  Rätsels  näher 
bringen,  aber  derzeit  läßt  sich  noch  nicht  einmal  die  Vermutung 
aussprechen,  ob  es  jemals  gelingen  werde,  die  Anordnung  der 
offenen  und  Deltamündungen  auf  eine  einfache  Formel  zurückzu- 
führen. 

Litteraturnachweise.  ^  R.  Credner,  Die  Deltas,  Gotha  1878  (Er- 
gänzungsheft Nr.  56  zu  Petermanns  Mitteilungen).  —  *  Jank6,  Das  Delta  des 
Nil,  im  Jahrbuch  der  Ungarischen  Geologischen  Anstalt  1890. 


Die  Arbeit  des  Windes.^ 

Winderosion.  Die  geologische  Bedeutung  des  Windes  erkannt 
zu  haben,  ist  das  epochemachende  Verdienst  v.  Richthofens.  Daß 
diese  Entdeckung  erst  so  spät  reifte,  hat  seinen  Grund  darin,  daß 
der  Wind  in  Kulturländern  eine  verhältnismäßig  untergeordnete  Rolle 
spielt,  ungeordnet  jedenfalls  mit  Vergleiche  zum  fließenden  Wasser. 
Wo  der  lockere  Boden  durch  eine  Vegetationsdecke  geschützt  ist, 
ist  er  der  Ablation  des  Windes  ebenso  entrückt,  wie  wenn  er  mit 
Schnee  oder  Eis  bedeckt  ist,  oder  wie  wenn  seine  Teilchen  durch 
Feuchtigkeit  fester  mit  einander  verbunden  sind.  Die  Wüste,  wo 
nackter,  trockener  Lockerboden  weite  Flächen  einnimmt,  ist  das 
eigentliche  Reich  des  Windes,  hier  herrscht  er  beinahe  unum- 
schränkt. Es  kommt  noch  hinzu,  daß  über  baumlosen  Ebenen  die 
untersten  Schichten  der  bewegten  Luft  eine  verhältnismäßig  geringe 
Reibung  erleiden,  und  die  Windstärke  somit  schon  unmittelbar  am 
Boden  einen  hohen  Grad  erreicht.  Welche  Mengen  Materials  von 
der  Luft  transportiert  werden,  kann  jeder  ermessen,  der  eine  Schil- 
derung jener  gewaltigen  Staub-  und  Sandstürme  in  Wüsten  und 
Steppen,  die  die  Sonne  verfinstern,  gelesen  hat;  ja  in  manchen 
Gegenden  Zentralasiens  ist  die  Luft  so  mit  Staub  erfüllt,  daß  sie 
sogar  bei  völliger  Windstille  den  Sonnenstrahlen  den  Durchgang 
verwehrt. 

Anders  als  die  Ablationskraft  des  Wassers  wirkt  die  des  Windes, 


Die  Arbeit  des  Windes.  409 


Das  Wasser  transportiert  abwärts  und  nur  ausnahmsweise  auch  auf- 
wärts; der  Wind  weht  auf-  und  abwärts,  er  ist  bis  zu  einem  ge- 
wissen Grade  unabhängig  von  der  Schwerkraft,  wie  von  der  Be- 
schaflfenheit  des  Geländes.  Das  Wasser  ist  an  gewisse  Seehöhen 
gebunden  und  muß  oberhalb  derselben  dem  Eise  weichen,  das  Eeich 
des  Windes  erstreckt  sich  über  die  ganze  Erde,  über  alle  Breiten, 
über  alle  Höhen.  Das  fließende  Wasser  wirkt  linear  und  schafft 
Kinnen,  der  Wind  denudiert  Flächen  und  erzeugt  nur  ausnahms- 
weise Binnen,  indem  er  Straßen  mit  gelockertem  Boden  in  Hohlwege 
verwandelt. 

Im  Vergleiche  zur  Ablation  durch  den  Wind  oder  zur  Deflation, 
wie  Waltheb  sie  nannte^,  ist  die  Corrasion  ziemlich  geringfügig. 
Eine  corradierende  Thätigkeit  übt  der  Wind  nur  dann  aus,  wenn  er 
Sand  gegen  Felsen  schleudert.  Thoület  hat  auf  experimentellem 
Wege  die  Bedingungen  der  Zerstörung  durch  Sandgebläse  unter- 
sucht; sie  hängt  von  der  Sandmenge,  der  Windstärke,  der  Härte 
des  angegriflfenen  Gesteins  im  Vergleiche  zu  derjenigen  der  Angrifls- 
waffe,  von  der  BeschaflFenheit  des  ersteren  —  homogene  Gesteine  sind 
widerstandsfähiger  als  zusammengesetzte  — ,  von  dem  Winkel  ab,  unter 
dem  der  Luftstrom  auffällt  und  der  60®  übersteigen  muß,  wenn 
bedeutendere  Wirkungen  erzielt  werden  sollen,  etc.  etc. 

An  der  Zerstörung  der  Felswüste  arbeiten  unausgesetzt  Insolation 
und  chemische  Verwitterung,  namentlich  die  erstere.  Sie  zersprengt 
den  Fels  in  scharfkantige  Stücke  von  verschiedener  Größe;  die 
kleineren  trägt  der  Wind  fort,  die  größeren  läßt  er  liegen.  Ist  das 
Gestein  spröde  oder  mangelt  es  an  Sand,  so  entsteht  aus  der  reinen 
Felswüste  die  Hammada,  d.  h.  ein  Felsboden,  der  mit  zahllosen 
kantigen  Absplitterungsstücken  übersät  ist.  Die  Hammada  kann 
aber  auch  nur  ein  Ubergangsstadium  zur  Serir  —  wie  man  die  Kies - 
wüste  in  der  Sahara  nennt  —  darstellen.  Ist  genügend  viel 
Sand  vorhanden,  so  wird  auch  der  Hammadaschutt  von  dem  Winde 
corradiert,  die  weicheren  Bestandteile  werden  entfernt  und  nur  der 
härteste  unter  den  Hauptbestandteilen  der  Gesteine,  der  Quarz,  bleibt 
zurück.  Aber  auch  dieser  geht  nicht  ganz  siegreich  aus  dem  Kampfe 
mit  den  zerstörenden  Kräften  hervor;  er  wird  durch  Sandgebläse  ab- 
geschliffen und  erhält  jenen  Firnisglanz,  der  ihn  merklich  vom  Fluß- 
geröUe  unterscheidet.  Die  Kieswüste,  bedeckt  mit  gerundeten  Quarz- 
stücken und  dazwischen  mit  Quarzsand,  ist  das  Endprodukt  der 
Denudation  der  Felswüste.     Ein  drastisches  Beispiel  davon  ist  die 


X  Neuerdings  hat  er  diesen  Begriff  erweitert,  indem  er  auch  die  Corrasion 
einbezieht,  was  aber  nicht  mehr  dem  Wortsinne  entspricht. 


410  Die  Dynamik  des  Landes. 


Ealanscho-Serir  zwischen  Audschiia  und  Dschibbena,  wo  man  nach 
RoHLFs  stundenlang  über  linsen-  und  erbsengroße ,  dann  wieder 
stundenlang  über  nußgroße  Kiesel  wandern  muß. 

Äoliflche  Sandablag^emng^en.  Die  Transportkraft  des  Windes 
ist  demselben  Gesetze  unterworfen,  wie  die  des  Wassers.  Je  leichter 
das  Material,  desto  weiter  der  Transport  Schreiten  wir  von  der 
Serir  in  der  Richtung  des  herrschenden  Windes  fort,  so  betreten 
wir  zuerst  Gebiete,  wo  Sand,  dann  erst  solche,  wo  die  feinsten 
Partikelchen  verschiedener  Gesteinsarten,  die  wir  unter  dem  Namen 
Staub  zusammenfassen,  zur  Ablagerung  gelangen.  Wechselt  der 
Wind  häufig,  so  kommt  es  auch  zu  keiner  so  strengen  Sonderung 
der  Denudations-  und  Ablagerungsgebiete;  aber  gerade  in  den  Wüsten 
scheint  —  nach  den  spärlichen  Beobachtungen,  die  uns  vorliegen, 
zu  schließen  —  die  Windrichtung  ziemlich  beständig  zu  sein. 

Der  Sand  wird  entweder  fiächenartig  ausgebreitet  —  das  ist  die 
Flugsandwüste  — ,  oder  zu  Hügeln  und  Hügelketten  aufgeworfen  — 
das  ist  die  Dünen  wüste.  Wenn  wir  von  Wüste  sprechen,  so  soll 
damit  aber  nicht  gesagt  sein,  daß  äolische  Sandablagerungen  nur 
auf  die  eigentlichen  Wüstengebiete  beschränkt  sind.  Sie  kommen  auch 
bei  uns  in  Mitteleuropa  in  trockeneren  Gegenden  nicht  selten  vor. 
aber  sie  werden  hier  bald  durch  die  Vegetation  befestigt,  während 
sie  in  der  Wüste,  zum  Teil  wenigstens,  beständiger  ümlagerung  unter- 
liegen. 

Wir  unterscheiden  Strand-  und  Binnenland-Dünen.  Die 
Entstehungsweise  ist  in  beiden  Fällen  dieselbe,  aber  die  Herkunft 
des  Baumaterials  ist  verschieden.  Am  Strande  liefert  es  das  Meer, 
woher  aber  stammen  die  ungeheuren  Sandmassen  der  Wüste?  Auch 
da  dachte  man  an  das  Meer;  und  wo  in  jüngster  geologischer  Ver- 
gangenheit die  Wüste  von  Meer  bedeckt  oder  bespült  war,  wie  z,  B. 
die  indischen  Geologen  von  der  Wüste  Thurr  behaupten,  mag  diese 
Ansicht  auch  richtig  sein.  Aber  gerade  für  die  größten  Sandwüsten 
der  Erde  muß  man  nach  anderen  Sandquellen  suchen,  und  mau 
glaubte  sie  in  der  Zersetzung  von  Sandsteinen  gefunden  zu  haben. 
Der  nubische  Sandstein  in  Nordafrika  und  die  mürben  Sandsteine  der 
Kreideformation  in  Zentralasien  wurden  längere  Zeit  für  die  haupt- 
sächlichsten Sandlieferanten  gehalten.  In  Bezug  auf  den  erstereu 
hat  aber  Walthee  geltend  gemacht,  daß  er  schwer  verwittere  und 
auch  nicht  so  weit  verbreitet  sei,  als  daß  aller  Sand  der  Sahara 
davon  herstammen  könnte.  Seiner  Meinung  nach  sind  die  krjstalli- 
nischen  Gesteine,  die  durch  die  Insolation  am  meisten  angegriffen 
werden,  die  vornehmsten  ürsprungsstätten  des  saharischen  und  ara- 
bischen Flugsandes. 


Die  Arbeit  des  Windes. 


411 


I.  Stadium. 


II.  Stadium. 


Dünen.^    Um  die  Dünenbildung  zu  beobachten,  begeben  wir  uns 
an   den  Strand.    Der  von  der  Brandung  zurückgelassene  Sand  wird, 
sobald  er  trocken  geworden,  von  dem  Seewinde  landeinwärts  getragen. 
Da  oder  dort  staut  er  sich  vor  einem  Hindemisse  auf,  beispielsweise, 
^wie    in  Fig.  133,  vor  einem  Pflocke,   den  man   absichtlich  in  den 
ßoden  gesteckt  hat,   um  daran  die  Art  der  Dünenbildung  experi- 
mentell zu  erweisen.     Der  Sandhügel  wächst  immer  höher  an,  bis 
seine  Böschung   in  eine  Linie  mit  dem  oberen  Pflockende  kommt, 
^worauf  der  Sand  sich 
auch  an  der  Leeseite 
des  Hindernisses  an- 
häuft  Endlich  wird 
auch  der  leere  Kaum, 
den  die  kleine  Wirbel- 
bewegungdes  Windes 
Tor  dem  Pflocke  offen 
hielt,  ausgefüllt;  das 
Hindernis   ist  völlig 
mit    Sand    bedeckt, 
und  die  Düne  kann 
nun  weiter  wachsen, 
soweit  es  das  zuge- 
führte Material,  also 
indirekt   die   Stärke 

der  Gezeiten  und  der  Wind  gestatten.  Stets  ist  die  Böschung  auf 
der  Windseite  sanfter  als  auf  der  Leeseite,  wo  der  Sand  nur 
der  Schwerkraft  folgt.  In  den  Landes  steigen  die  Dünen  unter 
einem  Winkel  von  5 — 12^  von  der  Seeseite  an  und  fallen  unter 
einem  Winkel  von  28 — 32^,  stellenweise  sogar  unter  einem  solchen 
von  35**  gegen  das  Land  ab.  An  der  Westküste  der  Sahara,  wo 
der  Passat  Dünenhügel  aufwirft,  ist  natürlich  die  Seeseite  die  steilere. 
Da  die  Feinheit  des  Baumaterials  mit  der  Windstärke  wechselt,  so 
tritt  auch  Schichtung  ein,  wie  wir  in  Fig.  133  (III.  Stadium)  ange- 
deutet haben. 

In  der  Natur  veranlassen  die  verschiedenartigsten  Hindemisse, 
wie  Baumstümpfe,  Haufen  ausgeworfener  Muscheln  und  dergleichen, 
Sandansammlungen,  vor  allem  aber  Sträucher,  die  als  Sandfänge 
dienen.  Kein  Hindernis  ist  zu  kleli^,  denn  der  Sand  macht  es  selbst 
von  Tag  zu  Tag  größer.  Sind  sie  dicht  gedrängt,  so  entstehen  statt 
einzelner  Hügel  ganze  Dünen wäUe,  die  manchmal,  halbmondförmig 
gebogen,  ihre  konkave  Seite  dem  Lande  zukehren.  Menge  und 
Korngröße  des  Sandes  einerseits,  die /mittlere  Windstärke  anderseits 


III. 

Fig.  133. 


Stadium. 
Dünenbildung. 


412  Die  Dynamik  des  Landes. 


bestimmen   das  Wachstum   der   Dünen.     In  Europa   sind   die    der 
Landes  die  höchsten;  sie  erreichen  60 — 70  m,  Lascour  sogar  90  m, 
während  sie  an  der  Nord-  und  Ostsee  stets  unter  30  oder  40  m 
bleiben.    Auch  sind  die  Stranddtinen,  soweit  sie  vegetationslos  sind, 
beständigen  Umbildungen  unterworfen,  der  Sand  der  Luvseite  wird 
auf  die  Leeseite  getragen,  und  so  wandert  die  Düne  landein- 
wärts.   Weite  Strecken  werden  dadurch  versandet,  die  menschlichen 
Wohnsitze   zurückgedrängt  und  Wälder  verschüttet,  die,  wenn   sie 
auch  ein  günstiges  Geschick  wieder  von  ihren  Fesseln  befreit,  ihre 
Lebenskraft  doch  unwiederbringlich  eingebüßt  haben.    In  den  Landes 
rücken  die  Dünen  im  Durchschnitte  jährlich  1 — 2  m  landeinwärts, 
an  manchen  Stellen  aber  —  wie  die  Dünen  von  Teste  und  L^ge  — 
20  bis  25  m;  ferner  in  Schleswig  7,  auf  der  Frischen  Nehrung  3^  ^ 
bis  572   ^^^  auf  der  Kurischen  Nehrung  ca.  5^2  ^'    So  entstehen 
mehrere  Hügelreihen    hintereinander,   landeinwärts  stetig  an  Höhe 
zunehmend.     In  der  Tropenzone,  wo  sogleich  Pflanzen,   besonders 
Mangrovebäume,  von  den  Dünen  Besitz  nehmen,  ist  deren  Beweglich- 
keit gering,  und  auch  in  Europa  scheinen  sie  ehemals  natürliche 
Wälder  getragen  zu  haben,  denn  Montaigne  berichtet  im  16.  Jahr- 
hundert, sie  hätten  erst  seit  kurzer  Zeit  zu  wandern  angeüangen. 
In  unseren  Tagen  sucht  man  sie  durch  Anpflanzung  von  Gewächsen 
mit  langen  Wurzeln,  wie  Strandhalm,  Strandhafer,  Strandroggen  und 
Strandweide,  zu  befestigen;    hat  sich  dann  aus  den  Abfallen  der- 
selben eine  dünne  Humusschicht  gebildet,  so  siedeln  sich  auch  andere 
Pflanzen  an,  die  die  Seeluft  vertragen. 

In  Binnenländern  mit  trockenem,  warmem  Sommer,  wie  im 
südlichen  Rußland,  finden  wir  in  offenen,  sandigen  Flachtliälern  die 
niedrigen  Flußdünen.  Gew^altiger  tritt  aber  das  Dünenphänomen 
in  der  Wüste  auf.  Höhen  von  100  m  und  darüber  sind  keine 
Seltenheit,  der  Sandberg  am  Natronsee  von  Fessan  soll  160  m  er- 
reichen. Die  gewöhnliche  Form  sind  die  langgestreckten  Dünen 
mit  konvexer  Böschung  an  der  Windseite  und  scharfem  Grate,  der 
nach  der  Leeseite  zuerst  steil  abstürzt  und  dann  mit  konkaver 
Böschung  sich  allmählich  verflacht.  Daneben  kommen  in  der  Sahara, 
im  Nefud,  in  der  uralkaspischen  Wüste  und  in  Südamerika,  aber 
nur  auf  völlig  ebenen,  vegetationslosen  Strecken,  auch  niedere 
Bogendünen  (Barchane)  vor  mit  halbmondförmiger  Krümmung 
nach  der  Leeseite,  wie  wir  solche  manchmal  auch  am  iStrande  be- 
obachten können.  Die  Wüstendünen  scheinen  aber  beständiger  zu 
sein,  als  die  Stranddünen,  sonst  würden  sie  nicht  besondere  Namen 
tragen  und  könnten  sich  uralte  Karawanenwege,  Brunnen  und  ganze 
Oasenarchipele  nicht  erhalten.    Die  Beobachtungen  in  der  algerischen 


Die  Arbeit  des 'Windes.  413 


Sahara  lehrten,  daß  die  Dünen  im  Innern  feucht  sind;  diese 
JB^euchtigkeit  kommt  nach  Coubbis  von  unten  und  giebt  die  erste 
Veranlassung  zur  Anhäufung  von  Sand  an  einer  bestimmten  Stelle, 
während  Bollakd  die  erste  Ursache  der  Dtinenbildung  in  der  Un- 
ebenheit des  Geländes  erblickt,  die  den  Flugsand  an  der  Fort- 
bewegung hindert,  und  die  Feuchtigkeit  von  den  atmosphärischen 
Niederschlägen  ableitet  Möge  die  eine  oder  die  andere  Ansicht 
richtig  sein,  jedenfalls  ist  die  innere  Feuchtigkeit  ein  vortreffliches 
Verfestigungsmittel.  Aber  trotzdem  darf  man  sich  auch  die  saha- 
rischen Dünen  nicht  als  völlig  unbeweglieh^vorstellen;  in  der  west- 
lichen Wüste  mit  ihren  Nordwestwinden  ist  eine  äußerst  langsame 
Verschiebung  der  Sandmassen  nach  Osten  und  Süden  aus  verschie- 
denen Anzeichen  zu  erschließen.* 

Staubablagenmgen.  Staubniederschläge  finden  zwar  überall  statt, 
aber  nur  auf  grasbedeckten  Ebenen  oder  in  abflußlosen  Becken  in  der 
Nähe  von  Wüstenräumen,  die  besonders  aus  dem  Zerfalle  krystalli- 
nischer  Gesteine  viel  Staub  liefern,  erreichen  sie  einen  nennenswerten 
Betrag  und  wirken  oberflächengestaltend.  Auf  stark  geneigtem  Boden 
spült  sie  der  Regen  wieder  ab,  und  auf  nacktem  Boden  erfaßt  sie 
wieder  der  nächste  Windstoß  und  trägt  sie  weiter. 

Da  der  Staub  sehr  verschiedenartige  mineralische  (besonders 
thonige)  und  organische  Bestandteile  in  sich  vereinigt,  so  ist  der 
äolische  Aufschüttungsboden  in  der  Eegel  sehr  fruchtbar,  voraus- 
gesetzt, daß  die  klimatischen  Bedingungen  günstig  sind.  Ist  die 
Trockenheit  aber  so  groß,  daß  die  Flüsse  das  Meer  nicht  erreichen, 
so  beschränkt  sie  nicht  bloß  direkt  den  Pflanzen  wuchs,  sondern 
auch  indirekt,  indem  die  Salze,  die  derselben  Quelle  entstammen^ 
wie  der  Staub  selbst,  und  durch  Wind  und  fließendes  Wasser  überall- 
hin verbreitet  werden,  den  Aufschüttungsboden  imprägnieren.  So  ent- 
steht die  Salzsteppe  nicht  bloß  dort,  wo  das  Meer  sich  erst  vor 
kurzer  Zeit  zurückgezogen  hat,  oder  wo  Salzseen  austrocknen,  wenn 
auch  in  dem  letzteren  Falle  der  Salzgehalt  des  Bodens  in  der  Eegel 
am  größten  ist;  oft  so  groß,  daß  Salzkrusten  wie  frisch  gefallener 
Schnee  den  Boden  weithin  bedecken. 

Tritt  aber  eine  Elimaänderung  ein,  sodaß  der  Niederschlag 
den  Betrag  der  Verdunstung  übersteigt,  so  bahnen  sich  die  er- 
starkten Flüsse  einen  Weg  zum  Meere  oder  zu  den  nächsten 
ozeanischen  Flüssen,  graben  tiefe  Erosionsschluchten  in  das  Becken 
der  Salzsteppe  ein,  tragen  die  äolischen  Ablagerungen  dem  Meere 
zu,  befreien  den  Boden  von  seinem  Salzgehalte  und  machen  ihn 
dadurch  dem  Ackerbaue  zugänglich.  Die  Steppengebilde  werden 
auf  diese  Weise,  nach  v.  Eichthofbns  Theorie,  in  Löß  verwandelt 


414  Die  Dynamik  des  Landes. 


Man  unterscheidet  zwei  Arten  von  Löß:  Land-  und  Seelöß. 
Der  erstere,  die  weitaus  verbreitetste  Art,  ist  eine  nahezu  homogene 
Masse  aus  lehmiger  gelber  Erde  mit  etwas  Sand,  etwas  kohlensaurem 
Kalk  und  einigen  leicht  löslichen  alkalischen  Salzen.  Feine  Kanäl- 
chen,  die  Hohlräume  ausgewitterter  Wurzelfasem,  durchziehen  ihn, 
saugen  das  Wasser  begierig  auf  und  verhindern  dadurch  die  Bildung 
von  Seen  und  Sümpfen;  wahrscheinlich  bedingen  sie  auch  den  Hang 
des  Lößes  zu  vertikaler  Zerklüftung,  die  —  wie  wir  bei  einer 
anderen  Gelegenheit  sehen  werden  —  landschaftlich  so  bedeutungs- 
voll wirkt.  Wirkliche  Schichtung  fehlt;  eine  scheinbare  Schichtung 
wird  durch  die  lagerartig  horizontale  Anordnung  von  Mergelknollen 
(den  sog.  Lößmännchen)  hervorgerufen;  doch  beweist  ihre  vertikale 
Stellung,  daß  sie  an  Ort  und  Stelle  entstanden  sind.  Dieser  Um- 
stand, sowie  die  eigentümliche  Verbreitung  des  Lößes,  die  sich  an 
kein  Niveau  bindet,  und  das  fast  ausschließhche  Vorkommen  von 
Landschnecken  in  demselben,  werden  als  Beweise  für  den  äolischen 
Ursprung  dieser,  durch  außerordentliche  Fruchtbarkeit  ausgezeich- 
neten Ackererde  angeführt.  Der  Seelöß  wurde  dagegen  in  Salzseen 
abgelagert;   er  ist  geschichtet  und   ermangelt   der  Kapillarstruktur. 

In  Europa  spielt  der  Löß  eine  verhältnismäßig  untergeordnete 
Rolle,  wenigstens  in  morphologischer  Beziehung.  Am  verbreitetsten 
ist  er  im  Rhonethale,  im  Rhein-  und  Donaugebiete  (im  letzteren 
von  Bayern  bis  Rumänien),  in  Thüringen,  im  nördlichen  Böhmen, 
und  besonders  in  Galizien  und  der  Bukowina,  von  wo  er  sich  über 
das  wolhynisch-podolische  Plateau  bis  in  die  Ukraine  fortsetzt  Seine 
Mächtigkeit  beträgt  aber  nur  30  bis  60  m.  Dagegen  erreicht  er 
im  nordwestlichen  China,  wo  er  ein  Areal  von  der  Grösse  des 
Deutschen  Reiches  fast  ununterbrochen  bedeckt,  stellenweise  eine 
Mächtigkeit  bis  zu  600  m.  Kaum  weniger  entwickelt  ist  er  auf 
dem  nordamerikanischen  Prärienplateau  von  Missouri  bis  Texas,  wo 
noch  Salzseen  und  weite  sandige  Strecken  an  den  einstigen  Zustand 
erinnern;  ferner  auf  der  gebirgsumschlossenen  Hochebene  der  west- 
lichen Union,  wo  ihn  Russell  unter  dem  Namen  Adobe  beschrieben 
hat;*  endlich  in  der  südamerikanischen  Pampasebene,  die  sich  vom 
mittleren  Bolivia  bis  Patagonien  erstreckt 

Die  Frage,  ob  alle  Bodenarten,  die  man  jetzt  unter  dem  Namen 
Löß  zusammenfaßt,  äolischen  Ursprungs  sind,  harrt  übrigens  noch  der 
Entscheidung.  In  Bezug  auf  den  deutschen  wie  auf  den  Prärienlöß 
finden  sich  unter  den  Geologen  noch  immer  energische  Verteidiger 
der  Ansicht,  daß  er  ein  wässeriger  Niederschlag  sei.  Auch  über 
die  Entstehung  der  russischen  und  indischen  Schwarzerden, 
die    sich    durch    reichen    Humusgehalt    und    daher    durch    große 


Die  Arbeit  des  Meeres.  415 


Fruchtbarkeit  auszeichnen,  sind  die  Meinungen  noch  immer  geteilt. 
T.  RiCHTHOFEN  betrachtet  sie  nur  als  Abarten  des  Löß,  d.  h.  als 
äolische  Ablagerungen,  die  die  intensive  Humifizierung  ihrer  oberen 
Schichten  dem  Einflüsse  örtlicher  Bedingungen  verdanken.  Die 
russische  Schwarzerde  oder  Tschernosjom  bedeckt  ein  weites  Ge- 
biet vom  Pruth  bis  zur  Wolga  in  einer  Mächtigkeit  von  1 — 20  m 
und  tritt  auch  im  westüchen  Sibirien  wieder  auf.  Ihr  ausgezeich- 
netster Kenner,  Dokütschajew,  erklärt  sie  für  eine  Eluvialbildung, 
entstanden  durch  die  Verwitterung  der  darunter  liegenden  Urgesteine.^ 
Auch  die  unter  dem  Namen  Eegur  oder  Cottonsoil  bekannte 
Schwarzerde,  die  in  Südindien  nahezu  ein  Drittel  des  Bodens  ein- 
nimmt, halten  einige  indische  Geologen  für  eluvial,  andere  dagegen  für 
eine  Süßwasserablagerung;  und  man  hat  darauf  hingewiesen,  daß  auch 
jetzt  noch  zahllose  Sümpfe  und  Wasserlachen  die  östliche  Küsten - 
ebene,  besonders  im  Süden,  bedecken. 

Litteraturnachweise.  *  Eine  weitere  Ausführung  der  auf  den  Wind  be- 
zuglichen Auseinandersetzungen  in  v.ßiCHTHOFENs  Führer  etc.  ist  Jon.  Waltheb,  Die 
Denudation  in  der  Wüste,  in  den  Abhandlungen  d.  Sächsischen  Gesellschaft 
d.  Wissenschaften  1891.  ~  *  Sokolöw,  Die  Dünen,  Berlin  1894.  —  '  Choisy, 
Documents  relatifs  k  la  mission  dirig^e  au  sud  de  TAlg^rie,  Paris  1890.  Vgl. 
auch  die  zahlreichen  Artikel  über  die  Saharadünen  von  Courbis,  Rolland, 
Blanc  etc.  in  den  Comptes  rendus  der  Pariser  Geographischen  Gesellschaft, 
1890.  —  *  Russell,  Subaßrial  Deposits  of  the  Arid  Region  of  North  America, 
im  Geological  Magazine  1889.  —  *  Dokütschajew,  Die  russische  Schwarzerde, 
St  Petersburg  1888. 


Die  Arbeit  des  Meeres.^ 

Begriff  der  Engte.  Unter  Küste  versteht  man  zunächst  die 
Grenzlinie  zwischen  Meer  und  Land.  Aber  da  das  Meer  ein 
bewegliches  Element  ist,  so  erleidet  diese  Linie  beständig  Verschie- 
bungen. Nur  dort,  wo  die  Küste  unter  einem  rechten  Winkel  in 
die  See  abstürzt,  erschÄnt  sie  in  der  Horizontalprojektion  als  feste 
Linie,  in  Wirklichkeit  aber  schwankt  sie  auf  und  abwärts,  und  die 
Küste  ist  auch  hier  nicht  eine  Linie,  sondern  ein  mehr  oder  weniger 
breites  Band.  Li  allen  Fällen  aber,  wo  das  Land  sich  unter  einem 
spitzen  Winkel  in  das  Meer  senkt,  ist  die  Küste  eine  Fläche,  und 
in  diesem  Sinne  wird  auch  der  Ausdruck  Strand  gebraucht,  wenn 
derselbe  auch  in  der  Eegel  nur  auf  breitere,  sandbedeckte  Küsten- 
striche Anwendung  findet. 

Zwischen  Land  und  Meer  schiebt  sich  also  eine  Zone  ein,  die, 
obwohl  dem  Festlande  angehörig,  doch  der  umgestaltenden  Arbeit 


416  Die  Dynamik  des  Landes. 


durch  das  bewegte  Meer  unterliegt.  Ihre  Grenze  gegen  das  Meer 
liegt  dort,  wo  dauernde  Wasserbedeckung  stattfindet^  die  Grenze 
gegen  das  Land  aber  noch  weiter  landeinwärts,  als  die  Eüstenlinie 
zur  Zeit  des  höchsten  Wasserstandes,  weil  die  Brandung  Gesteins- 
material weiter,  als  sie  selbst  dringt,  vorwärts  zu  schleudern  vermag. 
In  Meeren  mit  ausgeprägten  Gezeiten  wird  der  äußerste  Saum  der 
Küstenzone  regelmäßig  bei  Flut  von  Wasser  bedeckt  und  zur  Ebbt* - 
zeit  wieder  trockengelegt. 

Neben  dem  Meere  wirken  in  der  Küstenzone  natürlich  auch  die 
übrigen  exogenen  Kräfte,  besonders  aber  sind  zwei  Vorgänge  wichtig: 
die  Deltabildungen  der  Flüsse  und  die  ebenfalls  schon  besprochenen 
Dünenbauten  durch  den  Wind,  wozu  allerdings  das  Meer  das 
Material  liefert.  Ein  kombinierter  Prozeß  ist  es  auch,  wenn  das 
Meer  als  Transportmittel  für  Flußsedimente  dient. 

Charakter  der  Küste.  Im  allgemeinen  wird  der  Charakter  der 
Küste  durch  das  Hinterland  bedingt.  Wir  werden  bei  einer  anderen 
Gelegenheit  noch  ausführlicher  darauf  zurückkommen,  hier  handelt 
es  sich  nur  um  die  Umgestaltung  der  Küste  durch  das  Meer,  und 
dafür  ist  in  erster  Linie  das  Querprofil  der  Küste  maßgebend. 
Wir  unterscheiden  in  dieser  Beziehung  Flach-  und  Steilküsten. 
Wohl  gilt  im  großen  und  ganzen  die  Regel,  daß  Tiefebenen  mit 
Flachküsten  enden,  und  Gebirge  mit  Steilküsten  an  das  Meer  heran- 
treten, aber  im  einzelnen  giebt  es  doch  viele  Ausnahmen.  Die 
Kreideküste  zwischen  der  Seine-  und  Sommemündung  gehört  nach 
hypsometrischen  BegriflFen  einem  Tief  lande  an,  und  ist  trotzdem 
eine  Steilküste  mit  ca.  100  m  hohen  senkrechten  Wänden.  Ebenso 
ist  das  östliche  Gestade  von  Rügen  eine  prächtige  Steilküste,  obwohl 
das  Vorgebirge  Arcona  nur  55  m  über  den  Meeresspiegel  ansteigt; 
auch  die  samländische  Niederung  endigt  mit  einer  30 — 50  m  hohen 
Steilküste.  Andererseits  schieben  sich  häufig  mehr  oder  weniger 
schmale  Küstenebenen  zwischen  das  Meer  und  den  Gebirgsrand  ein. 
So  begleitet  beispielsweise  der  sandige  KtÄtenstrich  Germesir  den 
südlichen  Steilabfall  des  iranischen  Hochlandes  und  schafft  ein 
flaches  Gestade.  Es  ist  ferner  auch  nur  im  großen  und  ganzen 
richtig,  daß  sich  der  Küstencharakter  auch  unter  dem  Meere  fort- 
setzt, oder  mit  anderen  Worten,  daß  die  unterseeische  Böschung 
an  Flachküsten  flacher  ist  als  an  Steilküsten.  Wo  z.  B.  die  nor- 
wegische Steilküste  südlich  von  Stavanger  durch  die  ausgedehnte 
Ebene  Jädern  unterbrochen  wird,  ändert  sich  der  unterseeische  Steil- 
abfall  nicht  im  geringsten,  und  schon  in  einer  Entfernung  von 
3 — 4  km  lotet  man  eine  Tiefe  von  235  m.     Wohl  ist  die  Zone  der 


Die  Arbeit  des  Meeres.  417 


Flachsee  gewöhnlich  nur  an  ebenen  Küsten  sehr  breite  aber  vergessen 
'wir  nichts  daß  auch  die  Steilufer  Dalmatiens  und  der  britischen 
Inseln  aus  einem  sehr  seichten  Meere  sich  erheben. 

Die  Brandung.  Jede  Küste  befindet  sich  nach  Pfapfs  treff- 
lichem Ausspruche  im  Belagerungszustande,  aber  trotzdem  finden 
^'ir  überall  Küstenstellen  ^  die  vorwiegend  unter  Zerstörung  leiden, 
neben  anderen,  deren  Veränderung  hauptsächlich  durch  Anschwem- 
mung erfolgt  Unter  den  zerstörenden  Kräften  ist  die  Brandung 
jedenfalls  die  mächtigste.  Wie  groß  ihre  Gewalt  ist^  läßt  sich  daraus 
entnehmen,  daß  sie  vom  Damme  von  Biarritz  einen  Felsblock  von 
34  000  kg  10 — 12  m  und  einen  anderen  von  43000  kg  bei  Barra- 
Head  1  ^j  la  weit  fortbewegte.  Auf  den  Leuchtturm  von  Bell-Eock 
übt  sie  einen  Druck  von  1 7  000  und  auf  den  von  Skerryvore  einen 
Druck  von  30  500  kg  pro  Quadratmeter  aus.  Selbstverständlich 
wächst  die  Kraft  der  Brandung  mit  der  Windstärke,  und  ihren 
Höhepunkt  erreicht  sie,  wenn  der  Sturm  senkrecht  die  Küste  trifft, 
denn  die  Wellenbewegung  kombiniert  sich  dann  mit  dem  Windstau. 
Daher  bieten  uns  die  steilen  Westküsten  höherer  Breiten  ein  Bild 
völliger  Zerrissenheit  dar.  Mit  gleichmäßiger  Stärke  tobt  die  Bran- 
dung gegen  die  tropischen  Gestade,  teils  durch  die  regelmäßigen 
Passate,  teils  durch  die  Westdünung  erzeugt.^  Nicht  bloß  durch 
ihre  Arbeitsleistung  zeichnet  sich  die  Brandung  aus;  sondern  auch 
durch  ihre  Allgegenwart.  Wir  finden  sie  nicht  bloß  in  allen  Meeren, 
sondern  auch  in  den  Seen,  allerdings  geringer  an  Intensität,  aber 
dem  Wesen  nach  gleich.  Was  daher  im  folgenden  über  die  Um- 
gestaltung der  Meeresküsten  gesagt  wird,  kann  —  wenn  man  sich 
nur  des  Unterschiedes  von  groß  und  klein  bewußt  bleibt  —  auch 
auf  die  Seeufer  angewendet  werden.*  Auch  jene  wichtige  Kraft, 
die  man  gewöhnlich  als  Küstenstrom  bezeichnet,  wird  von  neueren 
Forschern  lediglich  aus  der  Wellenbewegung  abgeleitet  Beschränkter 
ist  die  Thätigkeit  der  Gezeitenströille,  und  wir  werden  sie  daher 
vorläufig  außer  acht  lassen.  In  den  polaren  Meeren  wird  die  Dy- 
namik der  Küstenveränderung  durch  das  Treibeis  etwas  modifi- 
ziert;' wo  es  in  heftiger  Bewegung  ist,  wie  in  der  Klippenbrandung, 
wirkt  es  wie  schweres  Belagerungsgeschütz  und  fordert  die  Zer- 
störung; wo  es  sich  anhäuft,  schützt  es  die  Küste  und  verhindert 
die  Abfuhr  der  Erosionsprodukte. 

Stellküsten.  Denken  wir  uns  eine  steil  ins  Meer  abÜEillende 
Felsenwand.  Indem  die  Woge  an  dieselbe  schlägt,  preßt  sie  die  in 
den.  Spalten  befindliche  Luft   zusammen  und  lockert  dadurch  das 


X  Vgl.  dazu  den  Abschnitt  über  Brandong  auf  S.  223. 

SuPAir,  PhTBlBche  Erdkonde.   2.  Aufl.  27 


418  Die  Dynamik  des  Landes. 


Gefilge.  Zieht  sie  sich  zurück,  so  wird  die  Luft  nachgesogen  und 
kleine  Gesteinspartikelchen  werden  dadurch  herausgeführt  Ablation 
und  Korrasion  wirken  beständig  zusammen;  durch  den  Stoß  der 
Brandung  werden  kleine  Teilchen  vom  Felsen  losgelöst,  die  IScken 
werden  abgebrochen,  und  größere  Gesteinsstücke,  in  höheren  Breiten 
auch  Treibeis  werden  als  Geschosse  gegen  die  Felsenfestung  ge- 
schleudert. Dabei  ist  zu  beachten,  daß  die  Brandung  stets  flä- 
chenhaft  wirkt,  wie  der  Wind,  aber  doch  wieder  grundverschieden 
von  dem  letzteren.  Die  Meereswoge  ist  an  ein  gewisses  Niveau 
gebunden,  der  Wind  an  keines,  aber  daf&r  arbeitet  jene  viel  gründ- 
licher. Der  Wind  führt  nur  das  lockere  Material  fort  und  schafft 
damit  Unebenheiten,  die  im  Laufe  der  Zeit  allerdings  verschwinden, 
die  Brandung  arbeitet  aber  von  Anfange  an  auf  Nivellierung  hin, 
und  man  hat  daher  diesen  Erosionsprozeß  sehr  passend  als  Ahra- 


Fig.  134.  Flg.  135. 

Umgestaltung  der  Steilküste.  „Der  alte  Hut'',  Neiueeland,  nach  Dana. 


sion  bezeichnet  Zimächst  entsteht  an  der  Steilküste  eine  hohl- 
kehlenartige Vertiefung  innerhalb  der  Zerstörungszone,  deren  untere 
Grenze  etwas  über  dem  Niveau  des  Niedrigwassers  und  deren  obere 
Grenze  etwas  über  dem  Niveau  des  Hochwassers  liegt  (s.  c  in  Fig.  134). 
Aber  auch  oberhalb  dieser  Zone  tritt  die  Küste  immer  weiter  zurück, 
indem  die  unterwaschenen  Partien,  ihrer  Stütze  beraubt,  endlich 
herabstürzen.  Die  feineren  Zerstörungsprodukte  werden  fortgeführt, 
die  gröberen  schichten  sich  am  Fuße  der  Steilküste  auf  und  bilden 
meistens  einen  schmalen  Schuttwall,  der  unter  Umständen  die  Küste 
vor  weiteren  Angriffen  schützt  Nur  solch  einem  natürlichen  Wellen- 
brecher verdankt  es  z.  B.  der  waldgekrönte  Kreidefelsen  der  Stubben- 
kammer  auf  Rügen,  daß  er  nicht  schon  längst  in  den  Fluten  ver- 
sunken ist.  Fig.  134  führt  uns  die  Umgestaltung  einer  Steilküste 
schematisch  vor  Augen.  Das  ursprügliche  Profil  aob  hat  sich  in 
dtfb  verwandelt  Das  Endergebnis  der  Abrasion  ist  eine  Strand- 
terrasse, deren  Plattform  als  sanft  geneigte  Ebene  vom  Niveau  der 
Ebbe  gegen  die  Rückwand  ansteigt  (s.  e/"  in  Fig.  134).    Die  Bildung 


Die  Arbeit  des  Meeres.  419 


solcher  Terrassen  hat  Th.  Wolf  an  der  Küste  von  Ecuador*,  Eich. 
Tjehmans  bei  der  Poststation  Böigen  in  Norwegen^  und  Th.  Sttjdek 
am  basaltischen  Gestade  der  Eergueleninsel^  beobachtet  Ob  das 
Meer  schneller  oder  langsamer  an  Terrain  gewinnt,  hängt  Yon  der 
Starke  der  Brandung  und  der  Widerstandsfähigkeit  des  Gesteins  ab. 
An  den  Küsten  des  unruhigen  Kanals  wird  das  jährlich  vom  Meere 
fortgeführte  Material  auf  10  Millionen  Kubikmeter  geschätzt  Rasch 
brechen  hier  die  unterwaschenen  Kreidefelsen  zusammen,  während 
der  feste  Kalkstein  der  ligurischen  Küste  überhängende  Wände  bildet 
Granit,  Gneiß,  Syenit,  Basalt  u.  s.  w.  können  lange  der  Brandung 
trotzbieten,  aber  auch  sie  sind  nicht  gegen  die  Zerstörung  gefeit 
Leichtes  Spiel  haben  dagegen  die  Wogen,  wo  sie  eine  aus  lockerem 
Material  aufgebaute  Steilküste  bespülen;  so  dringt  z.  B.  bei  Holder- 
ness  in  Yorkshire,  wo  Geschiebelehm  das  schroff  abstürzende  Gestade 
bildet,  das  Meer  auf  einer  Länge  von  58  km  jährlich  2,8 — 3  m  landein- 
wärts vor.  Auch  die  Lagerungsverhältnisse  sind  von  Bedeutung;  jeden- 
falls geht  die  Zerstörung  leichter  vor  sich,  wenn  der  Küstenabbruch  aus 
Schichtenköpfen,  als  wenn  er  aus  Schichtenflächen  besteht  In  leicht 
löslichem  Kalksteine  gräbt  die  Woge  durch  chemische  Erosion  tiefe 
Höhlen,  Kammern  und  Gänge  ein,  vorausgesetzt,  daß  die  Decke 
fest  genug  ist,  um  nicht  einzustürzen.  Von  solcher  Bildung  ist  bei- 
spielsweise die  Küste  der  australischen  Kolonie  Viktoria  in  der  Nähe 
des  Kaps  Otway.  Li  anderen,  nicht  löslichen  Gesteinen  scheint  die 
Höhlenbildung  an  das  Vorhandensein  von  Spalten  gebunden  zu  sein, 
die  vom  Meere  allmählich  erweitert  werden.  Von  solchen  Erosions- 
erscheinungen am  norwegischen  Steilufer,  die  jetzt  freilich  infolge 
der  Niveauveränderung  dem  Bereiche  der  Brandung  entrückt  sind, 
berichtet  Eeüsch.^  Die  Sjongheller-Grotte  auf  Valderö  ist  z.  B. 
142  m  lang  und  am  Eingange  38  m  hoch,  wird  aber  gegen  die  Tiefe 
zu  immer  niederer.  Dieser  Umstand,  sowie  die  Glätte  der  Wände 
beweist,  daß  sie  vom  Meere  ausgewaschen  wurde.  Weltberühmt  ist 
die  Lisel  Torghat  (65,4  ^ß.),  deren  Felsenkappe  in  einer  Seehöhe  von 
110 — 125  m  von  einem  gewaltigen  Loche  durchquert  wird.  Die 
Länge  desselben  beträgt  280  m,  seine  Höhe  20 — 75  m  und  seine 
Breite  11 — 28  m.  Die  glatten  Wände  dieses  Rieseüthores  weisen 
mit  Bestimmtheit  darauf  hin,  daß  es  ein  Werk  der  Meereserosion 
ist  Auch  Eiesentöpfe  wurden  mehrfach  auf  ehemaligem  Meeres- 
boden beobachtet  Strömungen  in  engen  Sunden  erzeugen  nischen- 
artige Vertiefungen  in  den  Wänden,  gerade  so  wie  die  Flüsse  des 
Festlandes. 

Der  Wechsel  von  Schichten  verschiedener  Beschaffenheit  bringt 
es  mit  sich,    daß    die  Küste    nicht    überall    gleichmäßig    zurück- 

27* 


420  Die  Dynamik  des  Landes. 


weicht.  Die  St  Brides-Bai  im  südwestlichen  Wales  ist  in  Karbon- 
schichten  eingeschnitten,  während  die  Eruptivgesteine  zu  beiden 
Seiten  als  Vorgebirge  erhalten  bliebeft;  und  dieselbe  Ebrscheinung, 
daß  weicheren  Schichten  Buchten,  härteren  dagegen  Vorgebirge 
entsprechen,  wiederholt  sich  an  der  ganzen  britischen  Westküste, 
soweit  sie  aus  solidem  Gesteine  besteht. 

Ein  ausgezeichnetes  Beispiel  einer  bogenförmigen  Abrasions- 
küste hat  Theobald  Fischeb®  bei  Tipaza  in  Algier  beobachtet 
Fast  auf  jeden  Kilometer  Küstenlänge  kommt  hier  eine  Bucht,  in 
jede  mündet  ein  Gießbach,  und  die  Größe  der  Buchten  steht  im 
genauen  Verhältnisse  zu  der  Lauf  länge  und  dem  Wasserreichtume  der 
betreffenden  Bäche.  Hier  hat  offenbar  die  Erosion  des  iließenden 
Wassers  der  Abrasion  vorgearbeitet^  was  sich  auch  dadurch  erweist, 
daß  doi%  wo  keine  Bäche  münden,  die  Küste  geradlinig  verläuft 

Die  Abrasionskraft  arbeitet  nicht  bloß  im  horizontalen  Sinne, 
sondern  auch  in  die  Tiefe.  Sie  korradiert  die  Oberfläche  der  Ter- 
rasse; und  da  die  Wellenbewegung  noch  bis  200  m  Tiefe  im  stände 
ist,  loses  Steinmaterial  hin  und  her  zu  schieben,  so  darf  man  an- 
nehmen, dass  die  Korrasion  erst  in  dieser  Tiefe  völlig  erlischt,  vor- 
ausgesetzt, daß  sich  die  Terrasse  nicht  mit  einer  Schutt-  oder  Scuid- 
decke  schützt  Daraus  erklärt  sich  wahrscheinlich,  daß  die  Tiefen- 
linien bis  zu  200  m  die  Gestalt  der  Küstenlinie  wiederholen.  Mit 
der  Tieferlegung  wächst  auch  die  Breite  der  Terrasse,  bis  endlich 
die  Welle  auch  zur  Zeit  des  höchsten  Wasserstandes,  indem  sie 
die  schiefe  Ebene  hinaufläuft,  durch  Eeibung  ihre  Kraft  völlig  ein- 
büßt. Nur  eine  positive  Niveauveränderung  kann  die  zerstörende 
Thätigkeit  wieder  beleben,  wie  eine  negative  ihr  vorzeitig  Halt  ge- 
bieten kann,  indem  sie  die  Strandterrasse  dauernd  trocken  legt 

Die  Lage  der  Endlinie  der  Abrasion  —  Abrasionsterminante, 
wie  Philippson  sie  nennt  —  hängt  nur  von  der  Stärke  der  Bran- 
dung ab,  und  nur  die  Dauer  des  Abrasionsprozesses  auch  von  der 
Beschaffenheit  der  Küste.  Denn  über  kurz  oder  lang  siegt  das  Meer 
über  jedes  Hindernis,  ebenso  wie  das  fließende  Wasser.  Allerdings 
können  Teile  des  Steilufers,  die  sich  durch  besondere  Härte  aus- 
zeichnen oder  die  schon  früher  durch  Spaltenbildungen  sich  von 
ihrer  Umgebung  ganz  oder  teilweise  losgelöst  haben,  als  Inselpfeüer 
stehen  bleiben,  die  einstige  Küstenausdehnung  verratend.  Nament- 
lich die  steilen  Westküsten  der  höheren  Breiten  werden  von  dichten 
Schwärmen  solcher  Felseneilande  und  Klippen  begleitet  Aber  auch 
diese  Vorposten  werden  mit  der  Zeit  vom  Meere  weggeräumt,  um 
als  blinde  Klippen  den  Schiffen  nur  noch  gefährlicher  zu  werden. 
So  sieht  man  bei  Arbroath  an  der  schottischen  Ostküste  eine  lange 


Die  Arbeit  des  Meeres. 


421 


Riflfreihe  aus  festem  Gestein  bei  Ebbe  bloßgelegt.  Ein  anderes  aus- 
gezeichnetes Beispiel  ist  das  Sandsteinriff,  das  die  Küste  Brasiliens 
durch  acht  Breitengrade  vom  Cabo  Frio  bis  zum  Cabo  do  Calcanhar 
begleitet 

Zerstömng  der  Flachküsten.  Auch  Flachküsten  faUen  der 
Meereserosion  zum  Opfer,  wie  die  Geschichte  des  deutschen  und 
englischen  Nordseestrandes  beweist.  Aber  nicht  unablässig  wirkt 
liier  die  Brandung  zerstörend,  wie  an  den  Steilküsten,  sondern  haupt- 
sächlich nur  bei  Windstau,  wenn  das  Meer  weite  Gebiete  über- 
schwemmt; aber  dann  mit  furchtbarer  Gewalt.  Sehr  lehrreich  ist 
in  dieser  Beziehung  die  Geschichte  der  Zuidersee  ®  (Fig.  13G).  Etwa 
^/^  derselben,  von  der  Inselreihe  Wieringen -Ameland  bis  ungefähr 
zur    Linie    Edam-Kampen,    war 


Ter  fi4;licnift^ 


noch  zur  Eömerzeit  Land.  Der 
südliche  Teil  bildete  den  Binnen- 
see Flevo;  ihn  durchfloß  der 
Rheinarm  Ijssel,  der  wahrschein- 
lich zwischen  Vlieland  und  Ter 
Schelling  mündete.  Vom  4.  Jahr- 
hunderte unserer  Zeitrechnung  an 
beginnt  das  große  Zerstörungs- 
werk,  das  besonders  durch  Über- 
flutungen bei  Nordweststürmen 
gefördert  wurde.  Am  Ende  des 
7.  Jahrhunderts  waren  Ter  Schel- 
ling und  Ameland  schon  Inseln. 
Im  Jahre  1170  wurde  alles  Land 
zwischen  Texel,  Medemblik  und 
Stavoren  verschlungen,  mit  Aus- 
nahme der  insularen  Beste.  1237 
erweiterte      sich      der     Flevosee 

beträchtlich,  indem  eine  große  Fläche  zwischen  Eukhuizen,  Sta- 
voren und  Kampen  dauernd  überflutet  wurde.  Im  Jahre  1395  fiel 
endlich  auch  der  schmale  Isthmus  zwischen  Medemblik  und  Stavoren, 
und  die  nördliche  Meeresbucht  verband  sich  mit  dem  südlichen 
Binnensee.  Den  Landverlust  seit  der  Zeit  Cäsars  schätzt  man  auf 
wenigstens  5813  qkm,  wovon  nur  3635  qkm  durch  Eindeichung  dem 
Meere  wieder  abgewonnen  wurden.  Im  Jahre  1218  schuf  eine  Sturm- 
flut den  Jadebusen,  und  bis  Weihnachten  1277  lag  an  der  Stelle  des 
heutigen  Dollart  das  fruchtbare  Reiderland.  Auch  den  friesischen 
Inseln,  dem  alten  Küstenrande  Deutschlands,  ist  eine  vergängliche 
Existenz    beschieden.     Borkum  wurde    im  9.  Jahrhunderte    in  zwei 


Fig.  136.     Zuidersee. 


422 


Die  Dynamik  des  Landes. 


Teile  zerrissen  ^   die  nur  noch  bei  Niedrigwasser  zusammenhängen, 
und  Langeoog  im  Laufe  der  Zeit  in  drei  Stücke.    Das  Dorf  auf  der 

Insel  Wangeroog  wurdedurch 
die  Sturmfluten  des  Dezem- 
bers 1 854 zerstört,  und  Kirch- 
turm wie  Leuchtturm  werden 
jetzt  von  der  Flut  bespült 
Auch  das  steile  Helgoland 
hat  an  umfang  verloren,  wenn 
auch  nicht  soviel ,  als  man 
früher,  verleitet  durch  ten- 
dentiöse  Erfindungen  des 
15.  Jahrhunderts,  glaubte. ^^ 
Die  Verluste  der  flachen 
nordfriesischen  Inseln  sind 
ebenfalls  übertrieben  worden, 
wenn  sie  auch  noch  groß 
genug  sind.  Man  betrachte 
nur  die  Entwicklung  Nord- 
strands, wie  sie  Fig.  137 
darstellt.  Für  das  13.  Jahr- 
hundert fließen  allerdings 
die  Geschichtsquellen  zu 
dürftig,  als  daß  sich  die 
Umrisse  der  Inseln  und  des 
Festlandes  genau  zeichnen 
ließen.  Aber  noch  vor  der 
großen  Sturmflut  in  der 
Nacht  vom  11.  zum  12.  Ok- 
tober 1634  besaß  Nordstrand 
eine  ansehnliche  Ausdeh- 
nung. Diese  Katastrophe, 
die  alle  Deiche  hinwegfegt« 
und  6408  Menschen  das 
Leben  kostete,  ließ  nur  drei 
Eilande  übrig ;  allerdings 
hätte  —  wie  man  nicht  ver- 
schweigen darf  —  recht- 
zeitige Hilfe  noch  manches 
Stück   Landes    retten    kön- 


(^   Oeest^  -Z-5--^  eingedeichtes  Zaitd 
■--•;.  unbedeü^etesZaiuL 


Fig.  137.   Nordatrand  um  1240,  1634  und  1892    nen."     In  ähnlicher  Weise 
nach  R.  Hansen.  i^^^   ^^   englische   Nordsee- 


Die  Arbeit  des  Meeres.  42S 


küste  gelitten.  An  der  Stelle,  wo  einst  die  Orte  Autburn,  Hartbnrn 
und  Hyde  standen,  dehnen  sich  jetzt  Sandbarren  aus. 

Erosion  duroh  Gezeitenströmungen.^'  Wir  haben  uns  bisher 
hauptsächlich  auf  die  Wirkungen  der  Brandung  beschränkt  und  die 
Oezeiten  nur  insofern  in  Betracht  gezogen ,  als  sie  einßn  wechseln- 
den Wasserstand  bewirken.  An  den  Küsten  rufen  diese  aber  auch 
alternierende  Strömungen  hervor,  die  zwischen  Inseln,  in  Kanälen, 
trichterförmigen  Küsteneinschnitten  und  Flußmündungen  eine  be- 
deutende Stärke  erlangen.  Da  die  Flutwellen  um  viele  tausend  Mal 
länger  sind,  als  das  Wasser  tief  ist,  so  bewegen  sich  die  Wasser- 
teilchen von  der  Oberfläche  bis  zum  Boden  fast  gleichzeitig  und  mit 
gleicher  Stärke  hin  und  her.  Die  Erosionskraft  ist  daher  sehr  be- 
deutend und  wirkt,  entsprechend  der  Art  ihres  Auftretens,  linear, 
nicht  flächenhaft  wie  die  Brandung.  Die  Tiefenerosion  beeinflußt 
den  Meeresboden.  Im-  Südarme  der  Fundybai,  in  der  Enge  von 
Parrsboro,  findet  sich  ausnahmsweise  Felsenboden  von  mehr  als  200  m 
Tiefe;  der  durch  Einengung  verstärkte  Gezeitenstrom  ist  es,  der  — 
nach  Keümmels  Erklärung  —  hier  jede  Sedimentablagerung  ver- 
hindert Auch  die  tiefen  Einnen  im  friesischen  Wattenmeere  führt 
Kbümmel  auf  die  Gezeitenströmungen  zurück.  Um  kennen  zu  lernen, 
wie  sie  auch  seitlich  erodieren,  muß  man  sich  in  die  innersten  Teile 
tief  und  schmal  einschneidender  Meeresbuchten  begeben,  die  die 
Brandung  nicht  mehr  erreicht  Wir  haben  oben  gesehen,  daß  dort, 
wo  weiche  und  harte  Schichten  wechseln,  die  Abrasion  eine  Bogen- 
küste  erzeugt  Aber  diese  Bogen  können  nicht  tief  eindringen,  weil 
die  Welle  durch  Eeibung  an  den  Seitenwänden  zu  sehr  geschwächt 
wird.  Das  ist  gerade  ein  willkommenes  Arbeitsfeld  für  Gezeiten- 
strome. Was  der  Flutstrom  losreißt,  fuhrt  der  Ebbestrom  ins  Meer 
hinaus;  und  je  tiefer  die  Bucht  keilartig  eindringt,  desto  kräftiger 
entwickelt  sich  die  Strömung.  Nirgends  erreicht  die  Flutwelle  eine 
größere  Höhe,  als  in  der  Fundybai;  zwischen  Sackville  und  der 
Grünen  Bai  ist  der  Isthmus  schon  auf  20  km  Breite  eingeschrumpft; 
kein  Zweifel,  daß  hier  an  der  völligen  Lostrennung  Neu-Schottlands 
gearbeitet  wird.  Angesichts  solcher  Wahrnehmungen  läßt  sich  der 
Gedanke  nicht  abweisen,  daß  auf  diese  Weise  auch  England  einst 
zur  Insel  wurde.  Haben  doch  die  Untersuchungen  anläßlich  der 
Tunnelprojekte  den  ungestörten  Schichtenzusammenhang  zwischen 
Dover  und  Calais  ergeben. 

Anflchwemmung.  Zerstörung  und  Neubildung  gehen  auch  an 
der  Küste  Hand  in  Hand.  Das  lehren  am  deutlichsten  die  Gezeiten- 
ströme in  engen  Einfahrten  und  Flußmündungen,  wo  sie  kräftig 
genug  entwickelt  sind.    Die  tiefe  Fahrrinne  liegt  nicht  in  der  Mitte, 


424  Die  Dynamik  des  Landes. 

sondern  ist  nach  links  yerschoben;  rechts  dehnen  sich  die  An- 
schwemmungen aus.  Nach  Kbümhels  Erklärung  haben  wir  hierin  eine 
Doppelwirkung  der  Gezeiten  unter  dem  Einflüsse  der  Erdrotation  zn 
erblicken.  Flut-  und  Ebbestrom  werden  nach  rechts  abgelenkt;  der 
erstere  erodiert,  der  letztere,  beladen  mit  den  Sedimenten  des  zurück- 
gestauten Wassers,  lagert  ab.  Wichtiger  sind  jene  marinen  Neu- 
bildungen, die  der  Küste  direkt  zu  gute  kommen.  Wir  haben  hier 
zwei  Arten  zu  unterscheiden:  Ablagerungen  auf  dem  Strande  selbst, 
und  Ablagerungen  auf  dem  Meeresboden,  die  durch  Wachstum  über- 
seeisch werden.  Zur  ersten  Kategorie  gehören  vor  allem  die  Sand- 
massen, die  das  Material  zur  Dünenbildung  liefern.  Häufig  treten 
die  Ablagerungen  beider  Kategorien  yergesellschaftet  auf,  d.  h.  zu- 
nächst wächst  das  Neuland  aus  dem  Meere  empor,  und  dann  erhöht 
es  sich  durch  Übergußsedimente.  Eine  wichtige  Rolle  bei  den  Neu- 
landbildungen spielt  die  Vegetation.  An  'der  friesischen  Küste 
wird  das  nur  bei  Niedrigwasser  trockene  Watt  zwischen  den  Inseln 
und  dem  Festlande  bei  jeder  neuen  Flut  durch  hinzugefuhrte 
Schlammteilchen  etwas  erhöht  Zwischen  den  Pflanzen,  die  sich 
darauf  ansiedeln,  bleibt  immer  mehr  Schlamm  zurück,  bis  endlich 
die  gewöhnliche  Flut  die  Fläche  nicht  mehr  zu  überschwemmen  ver- 
mag. Neue  Gräser  und  Kräuter  erhöhen  und  verfestigen  immer 
mehr  den  Boden,  der  schon  als  Weide  benützt  wird  (Kelter),  bis  er, 
durch  Eindeichung  völlig  vor  dem  Meere  geschützt,  als  Polder  ein 
fruchtbares  Ackerland  liefert  In  noch  höherem  Grade  wirken  die 
Mangrovebäume  mit  ihrem  weit  ausgesponnenen  Wurzelgeflechte  als 
Schlamm-  und  Sandfänger,  sie  sind  die  wahren  Pioniere  des  Landes 
im  Kampfe  gegen  das  Meer.  Wir  finden  sie  überall  am  tropischen 
Gestade,  wo  der  Boden  thonreich  und  die  Brandung  nicht  zu 
heftig  ist 

Von  größter  Wichtigkeit  ist  der  Prozeß  der  Küstenversetzung, 
wie  ihn  Philippson  nennt,  d.  i.  der  Transport  der  Zerstörungspro- 
dukte von  der  einen  Küstenstelle  nach  einer  andern,  oft  weit  ent- 
fernten. Die  Kraft,  welche  diese  Umsetzung  bewirkt,  bezeichnet  man 
als  Küstenströmung;  doch  neigen  manche  Forscher  zur  Ansicht, 
daß  jener  Vorgang  nur  eine  Wirkung  schräg  auflaufender  Wellen 
ist,  die  Gerolle  und  Sande  vor  sich  her  stoßen  (von  a  nach  b  in 
Fig.  138),  während  die  rücklaufende  Welle  sie  in  einer  zur  Küsten- 
linie senkrechten  Richtung  wieder  zurückführe  (von  b  nach  c  in  Fig.  1 38)« 
Auf  diese  Weise  müßten  die  Sedimente  zickzackformig  weiter  ge- 
schoben werden  (in  Fig.  138  z.  B.  von  a  bis  d),  wobei  sie  eine  stetige 
Verkleinerung  erleiden.  Indes  dürften  doch  wohl  auch  länger  dauernde 
auflandige  Winde  wirkliche  Küstendriften  erzeugen,  ganz  abgesehen 


Die  Arbeit  des  Meeres.  425 


von  den  Gezeitenströmen;  und  jedenfalls  darf  man  den  Ausdruck 
„Küstenströmung"  noch  weiter  gebrauchen,  wenn  man  sich  nur  stets 
des  Gegensatzes  zu  den  eigentlichen  Meeresströmungen,  in  deren 
Bereich  wohl  nur  mehr  die  feinsten  Sedimente  gelangen,  bewußt 
bleibt  Der  Flutstrom  ist  es  z.  B.,  der  die  Abrasionsprodukte  der  Kalk- 
küste Yon  Calvados  nach  der  Seinebucht  westlich  von  Honfieur  führt. 
Der  Detritus  der  spanischen  Nordktiste  wandert  an  den  Strand  der 
Gironde.  Eine  vom  Golfe  von  Triest 

nach  Westen   fließende   Strömung    ^^;^N    k''n"k    K    f^a^ 
fangt  die  Sedimente  auf,  die  die  ^    N    N    n    n  \J  \ 

Flüsse  vom  Isonzo  bis  zum  Po  von  A/^«  ^^ 

den  Alpen  bringen,  und  füllt  da-  ^«"  ^38.    KüstenvencteuDg. 

mit   die   Lagunen   aus.     Mit   den 

Sinkstoflfen  des  Dnjepr,  Dnjester  und  der  Donau  vergrößert  eine 
Liitoralströmung  die  Küste  der  Dobrudscha,  und  in  gleicher  Weise 
kommt  das  Material,  das  die  Rhone  den  Alpen  entfährt,  der  Küste 
der  Languedoc  zu  gute;  Hoff  giebt  ihr  Wachstum  auf  1 — 2  m  pro 
Jahr  an. 

Die  Transportkraffc  einer  Strömung  sinkt  unter  das  der  Last 
entsprechende  Maß,  wenn  die  Strömung  mit  einer  anderen  entgegen- 
gesetzt gerichteten  zusammentrifft,  oder  durch  Reibung  auf  seichtem 
Grunde.  Im  ersteren  Fall,  besonders  in  der  Nähe  von  Flußmündungen, 
entstehen  häufig  Inseln,  d.  h.  freie  Anschwemmungen  im  Gegen- 
satz zu  den  Ansatzanschwemmungen,  zu  denen  der  zweite  Fall 
Veranlassung  giebt  Ist  der  Grund  tief  genug,  so  tritt  die  Strömung 
bis  an  die  Küste  heran,  an  deren  äußerstem  Saume  die  Ablagerung 
erfolgt.  Dies  ist  der  Strandsaum,  wie  Philippson  ihn  nennt,  der 
ihm  den  Strandwall  gegenüberstellt  Der  letztere  bildet  sich  in 
einiger  Entfernung  von  der  Küste,  sei  es,  daß  der  Grund  zu  seicht 
ist,  sei  es,  daß  die  Küste  ursprünglich  eingebuchtet  ist  und  die 
darauf  gerichtete  Strömung  durch  Reibung  an  den  Seitenwänden 
verhindert  wird,  das  Innerste  der  Bucht  zu  erreichen.  Unter  den 
verschiedenen  Formen  der  Strand  wälle  sind  namentlich  zwei  be- 
sonders auffallend  und  häufig:  die  Nehrung  und  der  Haken. 
Die  Danziger  Bucht  zeigt  uns  beide  Bildungen  nebeneinander.  In 
sanftem  Bogen  schwingt  sich  die  Frische  Nehrung  von  der  einen 
Seite  der  Bucht  zur  anderen  und  trennt  den  innersten  Teil 
derselben  als  Strandsee  (hier  Haff  genannt)  von  dem  Meere. 
Manche  Nehrungen  sind  völlig  geschlossen,  andere  hat  eine 
gelegentliche  Sturmflut  oder  der  Mensch  geöffnet  Ein  Haken  er- 
streckt sich  im  Westen  von  Rixhöft  bis  Heia;  es  sind  das  freie 
in  das  Meer  hinausragende   schmale  Landzungen,   die   von   irgend 


426  Die  Dynamik  des  Landes. 


einem  testen  Punkte  an  der  Eiiste  oder  an  einer  Insel  ans  zu 
wachsen  beginnen,  zuerst  in  einer  geraden  Linie  und  am  Ende  haken- 
förmig sich  umbiegend,  genau  wie  die  Strömung,  der  sie  ihre  Ent- 
stehung verdankt.  Es  ist  wahrscheinlich,  daß  auch  manche  Neh- 
rungen als  Haken  begonnen  haben,  jedenfalls  giebt  es  zwischen 
beiden  Formen  mancherlei  Übergänge.  Neben  der  langen  schmalen 
6estalt  ist  ihnen  auch  die  glatte  Außen-  und  die  zerfranste  Innen- 
seite gemeinsam;  jene  schneidet  die  Strömung  ab,  an  dieser  nagt 
ein  unregelmäßig  bewegtes  Meer.  Gemeinsam  ist  ihnen  auch  die 
allmähliche  Erhöhung  durch  Dünenbildung.  In  den  Strandseen  finden 
die  Sedimente  der  einmündenden  Flüsse  eine  völlig  geschützte 
Ablagerungsstelle ;  sie  füllen  sie  allmählich  aus,  und  Seestädten. 
wie  Ravenna,  wird  dadurch  der  Lebensnerv  abgeschnitten.  An  der 
Außenseite  des  jungen  Landes  können  wieder  neue  Nehrungen  ent- 
stehen, und  so  schreitet  die  Landbildung  siegreich  gegen  das  Meer 
fort,  aber  nur  zu  häufig  unterbrochen  von  Perioden  mariner  Reaktion, 
besonders  wenn  eine  positive  Niveauveränderung  die  letztere  unter- 
stützt An  der  Stelle  des  Mensalehsees  im  Nildelta  standen  einst 
die  Städte  Tanis  und  Tennis,  und  der  See  von  Abukir  entstand  erst 
1784.  Dagegen  kann  eine  negative  Niveauveränderung  das  ange- 
schwemmte Land  dauernd  vor  Überflutungen  schützen.  Inseln  wer- 
den durch  Strandwälle  landfest  gemacht,  wie  beispielsweise  Portland 
an  der  südenglischen,  Giens  an  der  südfranzösischen,  S.  Antioco  an 
der  sardinischen  oder  der  Mte.  Argentario  an  der  toskanischen  Küste. 
Aber  die  Neubildungen,  so  bedeutend  sie  auch  an  manchen  Stellen 
erscheinen  mögen,  ersetzen  nicht  den  Verlust;  das  beweist  die  große 
Ausdehnung  der  submarinen  Küstenablagerungen,  von  denen  auf 
S.  200  die  Rede  war.  Das  Ringen  zwischen  Meer  und  Land  endet 
stets  zu  Ungunsten  des  letzteren. 

Litteraturnachweise.  *  Philippson,  Über  Typen  der  RüstenformeD, 
in  der  v.  RiCHTHOPEN-Festschrift,  1893.  —  •  Gilbert,  The  Topographie  Featares 
of  Lake  Shores,  im  Jahresberichte  d.  ü.  S.  Geological  Survey  1883—84.  — 
^  Hartmann,  Der  Einfluß  des  Treibeises  auf  die  Bodengestalt  der  Polargebiete, 
in  den  Beiträgen  zur  Geographie  des  festen  Wassers,  Leipzig  1891.  —  *  Rick. 
Lehmann,  Zur  Strandlinienfrage,  in  der  Zeitschrift  für  die  gesamten  Natur- 
wissenschaften 1880.  —  *  RiCH.  Lehmann,  Neue  Beiträge  zur  Kenntnis  der  ehe- 
maligen Strandlinien,  ebendas.  1881.  —  •  Studer,  Geologische  Beobachtungen 
auf  Kerguelensland,  in  der  Zeitschrift  der  Deutschen  Geologischen  Gesellschaft 
1878.  —  ^  Reüsch  im  Neuen  Jahrbuch  für  Mineralogie  etc.  1879,  S.  244.  — 
*  Theob.  Fischer  in  Petermanns  Mitteilungen  1887,  S.  1.  —  •  Küypeb  in  Peter- 
MANNS  Mitteilungen  1876,  S.  284,  und  in  der  Zeitschrift  für  wissenschaftliche 
Geographie  1883,  Bd.  IV,  S.  105,  mit  lehrreicher  Karte.  —  ^^  Tittel,  Die  natür- 
lichen Veränderungen  Helgolands,  Leipzig  1894.  —  **  R.  Hansem  in  Petermakks 
Mitteilungen  1898,  S.  177.  —  "  Krümmel  in  Petbrmanns  Bütteiiongen  1889,  S.  129. 


Die  geographische  Verbreitung  der  exogenen  Wirkungen.  427 

Hie  geographische  Verbreitung  der  exogenen 
Wirkungen. 

Bodenarten.  Nach  dem  Schema  v.  Bighthofens  hat  Rohr- 
bach in  Bebghaus'  Physikalischem  Atlas  eine  Bodenkarte  der  festen 
Erdoberfläche  entworfen,  nnd  v.  Tillo  hat  darnach  den  prozentischen 
AnteU  der  Bodenarten  nach  Kontinenten  und  Breitenzonen  plani- 
metrisch  bestimmt^ 

Etwas  abweichend  von  der  hier  beliebten  Einteilung  unter- 
scheiden wir  vier  Hauptbodenarten:  Eis-,  Fels-,  Wechsel-  und 
Liockerboden.  Den  Korallenboden  können  wir  nicht  als  einen  selb- 
ständigen Typus  gelten  lassen,  da  er  sich  ungezwungen  dem  Locker- 
boden einreiht. 

Das  Eis  tritt  bodenbildend  nur  in  den  Regionen  ewigen  Schnees 
auf.  Die  oben  genannten  Autoren  haben  es  nicht  berücksichtigt, 
wir  können  aber  nach  einer  Schätzung  v.  Tillos  sein  Areal  auf 
etwa  2  Prozent  der  Festlandsoberfläche  veranschlagen,  wobei  wir 
von  dem  hypothetischen  Südpolarkontinente  gänzlich  absehen.  Das 
einzige  bekannte  Land,  wo  der  Eisboden  nach  allen  Dimensionen 
eine  große  Mächtigkeit  erreicht,  ist  Grönland. 

Da  das  feste  Gestein  überall  den  zersetzenden  Kräften  der 
Verwitterung,  des  Frostes  und  der  Insolation  unterliegt,  so  kann 
Felsboden  nur  dort  zu  Tage  treten,  wo  die  Denudation  die  Zer- 
setzung überflügelt.  Je  nach  der  Denudationsart  haben  wir  marinen, 
tiuviatilen,  glazialen  und  äolischen  Felsboden  zu  unterscheiden;  die 
beiden  ersten  Unterarten  werden  auf  Rohrbachs  Karte  nicht  aus- 
geschieden, weil  der  Maßstab  zu  klein  war;  die  beiden*  anderen 
nehmen  11  Prozent  des  Festlandes  ein,  und  zwar  6  Prozent  der 
äolische,  5  Prozent  der  glaziale  Felsboden. 

Der  äolische  Felsboden  ist  der  Wüste  eigentümlich,  sein 
Hauptverhreitungsbezirk  ist  die  Sahara,  so  daß  er  nicht  weniger  als 
14  Prozent  von  Afrika  einnimmt  Der  glaziale  Felsboden  ist>  wenn 
man  von  den  Gletscherregionen  der  Hochgebirge  aller  Zonen  ab- 
sieht, auf  die  gegenwärtigen  und  diluvialen  Binneneislandschaften 
beschränkt.  Im  weiten  Umkreise  umgiebt  er  die  Hudsonbai,  das- 
jenige Gebiet,  wo  auch  heute  noch  die  kalte  Zone  in  unserem  ther- 
mischen Sinne  (s.  S.  71)  am  weitesten  äquatorwärts  herababsteigt. 
Ein  volles  Viertel  des  nordamerikanischen  Festlandes  ist  glazialer 
Felsboden.  Freilich  dürfen  wir  dabei  nicht  vergessen,  daß  der 
Kartenzeichner  rein  schematisch  verfuhr.  Wenn  hier  die  Riesen- 
fläche  von   etwa  5  Mill.  qkm  (das  halbe  Europa!)   mit   der  Farbe 


428 


Die  Dynamik  des  Landes. 


der  glazialen  Denudation  bedeckt  wurde,  so  ist  damit  nicht  gesagt, 
daß  jede  andere  Bodenart  ausgeschlossen  sei.  Entbehren  ja  doch 
jene  Gegenden  keineswegs  gänzlich  des  Waldwuchses,  und  dieser 
setzt  eine  Bodenkrume  voraus.  Die  Farbe  soll  nur  das  Vor- 
herrschen einer  bestimmten  Bodenart  andeuten. 


Übersicht  der  Verteilung  der  Bodenarten  nach  Erdteilen  und 
Breitengtirteln  nach  v.  Tillo  (in  Prozenten  der  betreffenden  Erdteile 

bezw.  Breitenzonen). 


oe 

1 

1 

1 
< 

et 
M 

% 

1 

< 

1^ 

h 

CD 

1 

^    h 

n 

OB    "S-S 

T  II 

I.  Eisboden 

II«  Felsboden 

1.  Durch  glaziale  Denudation 

2.  Durch  äolische  Denudation  .  ! 

III.  Weehselboden 

IT«  Loekerboden: 

1.  Eluvialboden 

a.  Lehm 

b.  Latent 

c.  Gebirgsfichutt      .... 

2.  Aufschüttungsboden  .     . 

a.  Marine  Aufschüttung  x  x 

b.  Gletscherschutt  .... 

c.  Alluvionen 

d.  Äolische  Aufschüttung: 

«.  Flugsand 

ß.  Feinerdige  Ablagerung 
y.  LÖSS 

e.  Vulkanische  Aufschüttung 


|27 
25 

I    2 

!  4 

126 

'17 
9 

43 

23 
1 

0 

13 

5 

1 


nicht  berücksichtigt 


9 

7 

1141 

9 

0      1 

— 

— 

7    - 

14 

8 

3 

9 

3 

22 

&4  45 

50 

22 

37  1    2 

1 

— 

16    48 

1  |  — 

49 

61 

36  45 

33 

— 

0      0 

0 

36 

1      4 

— 

5 

3 

27 

2 

0 

8 

1 

13 

13 

20 

1 

18 

7 

3 

10 

— 

0 

1 

2 

0 

21124 

-1,24 
2l'- 

o!'  0 


31  |52 
15  Ij  52 
161  — 


67'j24 

5|'i  — 
23 


48 


19 
41 
0' 

>1| 


—  :     3 


2      1 


7      5 


11 
5 
6 
4 

43 

18 
25 

—  I  —  I    0 
32  63    42 


11  4 

O'  1  I 

1  3 

4  6 

63  27 
—  !  12 
63    15 


1  I  1 
—  5 
12      3 


20 


13 
—    12 

li    2 


0 

8 
5 

7 

i: 

4 

1 


Es  giebt  aber  Gegenden,  wo  keine  Bodenarten  vorherrschen, 
oder  wo  nach  v.  Eichthüfens  Ausdruck  ein  „Ebenmaß  von  Zer- 
störung und  Fortschaflfung*'  besteht.  Als  solche  führt  uns  Rohrbachs 
Karte  die  höheren  Gebirge  aller  Zonen  vor.  Das  geforderte  „Eben- 
maß" besteht  nun  hier  nicht  in  dem  Sinne,  daß  an  jedem  einzelnen 
Punkte  die  einander  entgegenwirkenden  Kräfte  sich  das  Gleichgewicht 
halten;  vielmehr  finden  wir  da  eine  Reihe  von  Bodenarten  vertreten, 


X  Mit  Polynesien. 
XX  Mit  Hinzurechnung  des  Korallenbodens. 


Die  geographische  Verbreitung  der  exogenen  Wirkungen.  429 

aber  in  buntem  Wechsel,  so  daß  keine  auf  weite  Strecken  hier  das 
Überge^cht  erhält.  Daher  nennen  wir  diesen  Boden  den  Wechsel- 
boden. V.  TiLLO  hat  dafär  ein  Areal  von  4  Prozent  berechnet 
Relativ  am  meisten  vertreten  Anden  wir  ihn  in  Südamerika  (Andes) 
und  in  Europa  (alpiner  Gürtel,  Mittelgebirge). 

Mehr  als  fünf  Sechstel  des  gesamten  Festlandes  ist  mit  Schutt, 
Gerolle,  Kies,  Sand,  Erde  bedeckt.  Alles  das  fassen  wir  unter  dem 
Namen  Lockerboden  zusammen. 

Genetisch  zerfällt  er  in  zwei  Hauptunterabteilungen.  Die  Decke 
des  Felsengerüstes  ist  entweder  an  Ort  und  Stelle  durch  kumulative 
Verwitterung,  Frostwirkung  und  Insolation  entstanden  und  bUeb 
liegen,  weil  die  denudierenden  Mächte  ihr  nicht  gewachsen  waren 
—  das  ist  der  Eluvialboden  — ,  oder  sie  ist  von  anderswo  herüber- 
geführt —  das  ist  der  Aufschüttungsboden.  In  die  genannten 
vier  Fünftel  teilen  sich  diese  beiden  Böden  nach  der  Karte  ungef&hr 
zu  gleichen  Hälften;  es  mag  aber  fraglich  bleiben,  ob  der  Auf- 
schüttungsboden  dabei  nicht  zu  kurz  gekommen  ist. 

Unter  den  Eluvialbildungen  sind  Lehm  und  Laterit  die 
wichtigsten ;  ersterer  ist  den  mittleren  und  höheren  Breiten,  letzfterer 
den  Tropen  eigentümlich.  Der  größte  Verbreitungsbezirk  des  Lehms 
ist  Sibirien;  auch  das  südliche  China,  das  ostaustralische  Gebirge, 
die  Vereinigten  Staaten  östUch  vom  Mississippi  treten  als  Lehm- 
boden augenfälliger  hervor,  als  uns  begründet  erscheint  Laterit  be- 
deckt Mexico  und  Zentralamerika,  die  krystallinischen  Massengebirge 
im  östlichen  Südamerika  das  äquatoriale  Afrika,  Madagaskar,  Ost- 
indien; mit  einem  Worte:  ein  volles  Viertel  des  ganzen  Festlandes. 
Zu  den  Eluvialbildungen  ist  femer  auch  der  Gebirgsschutt 
abflußloser  Becken  zu  zählen.  Mächtige  Schutthalden  umsäumen 
hier  die  Gebirge,  ja  in  manchen  Gegenden,  wie  z.  B.  in  Persien, 
hüllt  sie  ein  Schuttmantel  bis  an  den  Kamm  ein.  Die  Karte  ver- 
zeichnet diesen  Bodentypus  nur  in  Zentralasien.  Im  strengen  Sinne 
des  Wortes  muß  auch  die  Hammada  dazu  gerechnet  werden. 

Aufschüttung  lockerer  Massen  kann  erfolgen  einerseits  durch 
die  denudierenden  Kräfte,  anderseits  durch  vulkanische  Ausbrüche. 
Den  letzteren  wird  nur  eine  Fläche  von  1  Prozent  zuerkannt.  Von 
den  Ablagerungen  der  ersten  Kategorie  kommen  die  marinen  auf 
KoHBBAOHS  Karte  so  wenig  zur  Geltung,  daß  sie  auf  v.  Tillos  Liste 
nicht  einmal  1  Prozent  erreichen.^  Auch  die  Fluß-  und  Seen- 
anschwemmungen,   auf    die    man    gewöhnlich    die    Bezeichnung 


X    Sicher  ist  z.  B.  Nordmßland   als  marine  Ablagerung  zu   betrachten, 
vgl.  S.  289. 


4 so  Die  Dynamik  des  Landes. 

Alluvium  anwendet,  sind  nach  der  Karte  weniger  verbreitet  als 
man  erwarten  sollte.  Ihre  Hauptdomäne  ist  Südamerika,  die  un- 
geheuere Ebene  des  Amazonasgebietes.  Es  ist  ein  interessantes,  aber 
vielleicht  anfechtbares  Ergebnis  der  Karte,  daß  das  Gletscher- 
schuttland mehr  Raum  einnimmt,  als  die  Alluvionen.  Und  doch 
ist  es  nur  auf  wenige  Gregenden  beschränkt  Moderne  Glazial- 
ablagerungen finden  sich  nur  dort,  wo  Gletscher  sich  zurückziehen 
und  das  sind  verschwindend  kleine  Flächen.  Alle  anderen  stammen 
aus  der  Eiszeit;  wieder  ein  Beweis  dafür,  welch  gewaltigen  Ein- 
fluß jene  Klimaepoche  auf  die  gegenwärtige  Gestaltung  der  Erd- 
oberfläche ausübt  In  Nordamerika  sind  23,  in  Europa  sogar 
86  Prozent  des  Areals  mit  Glazialablagerungen  bedeckt.  Zum  Unter- 
schiede von  anderen  Aufschüttungen  (die  Dünen  ausgenommen)  ver- 
ebnen sie  nicht  immer,  sondern  schaffen  sogar  Niveauunterschiede. 
Die  echte  Moränenlandschaft  besteht  aus  dicht  aneinander  ge- 
häuften Endmoränen;  unregelmäßig  verteilte  Hügelwälle,  die  bald 
durch  enge  Schluchten,  bald  durch  größere  Depressionen  mit  Seen 
oder  Mooren  getrennt  werden,  bilden  hier  ein  außerordentlich  wechsel- 
volles Relief.  Eine  solche  Moränenzone  umgiebt  den  Nord-  und 
Südrand  der  Alpen  und  dringt  an  den  Ausgängen  der  großen,  einst 
gletschererfüllten  Thäler  bogenförmig  weit  in  die  Ebene  vor.  Nur 
an  ihren  äußeren  Rändern  sind  sie  schon  zum  Teil  der  Denudation 
zum  Opfer  gefallen.  Die  in  den  österreichisch-italienischen  Kriegen 
viel  umkämpften  Höhen  von  Custozza  und  Solferino  sind  solche 
Moränenwälle.  Besonders  schön  ist  der  Bogen  bei  Ivrea;  hier  steigen 
die  Hügel  bis  zu  330  m  über  die  Ebene  empor.  Die  Landrücken 
von  Preußen,  Pommern  und  Mecklenburg  sind  ebenfalls  seenreiche 
Moräneniandschaften,  und  in  noch  größerer  Ausdehnung  finden  wir 
sie  in  Nordamerika,  besonders  in  Minnesota,  Dakota  u.s.w.  Interessant 
sind  die  Asar,  meist  ausgedehnte,  lineare  Rücken,  und  die  Kames 
oder  Eskers,  isolierte  unregelmäßige  Kuppen  oder  dammartig  hinter- 
einander liegende  Anhäufungen.  Diese  Bodenformen,  die  in  Schweden 
und  Finnland  typisch  ausgebildet  sind,  aber  auch  in  Norddeutsch- 
land nicht  fehlen,  führt  man  auf  die  Schmelzwässer  des  diluvialen 
Inlandeises  zurück,  wenn  auch  in  Bezug  auf  die  Details  der  Ent- 
stehungen die  Ansichten  noch  schwanken.^ 

Überraschend  ist  die  ungeheuere  Ausdehnung  der  äolischen 
Ablagerungen,  zu  denen  ^  allerdings,  wie  wir  an  anderer  Stelle 
bemerkt  haben,  manches  gezählt  sein  mag,  was  nicht  dazu  gehört 
Das  gilt  weniger  von  den  Sandwüsten  (7  Prozent  des  Festlandes), 
als  von  den  feinerdigen  Ablagerungen,  die  mit  17  Prozent,  und  vom 
Löß,   der  mit  4  Prozent  vertreten  ist     Die  beiden  ersteren  Arten 


Die  geographiBche  Verbreitung  der  exogenen  Wirkungen.  431 

charakterisieren  vor  allem  die  alte  Welt,  wo  sie  eine  breite  Zone 
von  Zentralasien  bis  zur  Sahara  einnehmen.  Beweglicher  Sand  be- 
deckt Flächen,  die  zusammen  so  groß,  wie  Rußland  und  Mittel- 
europa sind,  und  Staub  ein  Areal  von  der  anderthalben  Größe 
unseres  Erdteiles.  Australien  ist  mit  60  Prozent  seiner  Fläche  ein 
äolisches  Ablagerungsgebiet  Dagegen  übertrifft  in  Bezug  auf  Löß 
Amerika  die  Ostfeste  nicht  bloß  relativ,  sondern  auch  absolut.  Mit 
den  Pampas  und  dem  westlichen  Mississippigebiet  kann  sich  nur  das 
chinesische  Lößland  an  Ausdehnung  messen. 

Paziesgeblete. ^  Die  endogenen  Kräfte  sind  überall  die  gleichen; 
ob  sie  in  ihren  Äußerungen  einem  zeitlichen  Wandel  unterworfen 
sind,  mag  noch  dahingestellt  bleiben.  Die  exogenen  Kräfte  variieren 
dagegen  nach  bestimmten,  zum  Teil  schon  klar  erkannten  Gesetzen 
örtlich  wie  zeitlich.  Es  ergeben  sich  daraus  für  die  Umgestaltung 
des  Bodens  verschiedene  Faziesgebiete,  von  denen  nur  die  funda- 
mentalen hier  kurz  skizziert  werden  mögen. 

Als  erster  derselben  tritt  uns  die  Küstenzone  entgegen,  und 
zwar  die  Küstenzone  aller  Breiten,  obwohl  klimatische  Unterschiede 
wohl  auch  hier  zu  weiterer  Einteilung  Veranlassung  geben  können; 
jedenfalls  steht  die  polare  Küste  unter  etwas  anderen  Bedingungen, 
als  die  eisloser  Gewässer.  Das  Charakteristische  ist  das  Vorhanden- 
sein von  Kräften,  die  dem  übrigen  Festlande  gänzlich  fehlen:  der 
Brandung  und  der  Gezeiten.  Abrasion  und  marine  Anschwemmung 
sind  Prozesse,  die  nur  hier  sich  vollziehen.  Daneben  sind  nur  noch 
die  Verwitterung,  die  Deltablagerung  und  die  Dünenbildung  durch 
den  Wind  von  besonders  formgebender  Bedeutung. 

Das  Festland  außerhalb  der  Küstenzone  steht  vor  allem  unter 
der  Herrschaft  des  Klimas,  von  dem  wir  wissen,  daß  es  örtlich  und 
zeitlich  wechselt  Doch  kommen  hier  nur  die  langen  Klimaperioden 
in  Betracht,  durch  die  beträchtliche,  in  ihren  Wirkungen  weit  in 
die  folgende  Periode  hinübergreifende  Verschiebungen  der  Fazies- 
gebiete hervorgerufen  werden.  Wir  können  in  dieser  Beziehung 
geradezu  Permanenz-  und  Mutationsgebiete  unterscheiden.  Beide 
haben  seit  dem  Beginne  der  Quartärzeit  Klimaänderungen  durch- 
gemacht, aber  in  den  ersteren  blieben  die  geologischen  Oberflächen- 
prozesse im  wesentlichen  immer  die  gleichen  und  erfuhren  nur  eine 
zeitweise  Abschwächung  oder  Steigerung,  während  sie  in  den 
Mutationsgebieten  totale  Umwandlungen  erlitten.  Die  Ursache  solcher 
Mutationen  kann  eine  doppelte  sein:  eine  rein  klimatische  in  den 
Grenzbezirken  der  großen  Kh'mareiche,  oder  eine  tektonische,  wo- 
durch besonders  die  Begenmenge  eines  Landes  beeinflußt  wird. 
Als  erstes  Faziesgebiet  haben  wir  diePolarländer  zu  nennen 


432  Die  Dynamik  des  Landes. 

und  zwar  im  Sinne  unserer  Temperaturzonen  (s.  Karte  VII).  Charakte- 
ristisch ist  hier  die  geringe  Bedeutung  des  fließenden  Wassers  und 
der  Pflanzendecke.  Die  Verwitterung  erfolgt  hauptsächlich  mecha- 
nisch durch  Frostwirkung.  Die  vorherrschenden  Bodentypen  sind 
Eisboden,  glazialer  Felsboden  und  Gletscherschutt. 

Die  regenreichen  Gebiete  der  gemäßigten  und  warmen 
Zone,  soweit  sie  nicht  einmal  von  Eis  bedeckt  waren,  haben  mit- 
einander gemein,  daß  Wasser  und  Pflanzen  überall  an  der  Ver- 
witterung des  Gesteins  arbeiten.  Felsboden  tritt  daher  nicht  mehr 
auf  weite  Erstreckung  zu  tage,  und  wird  weit  mehr  von  Eluvial- 
bildungen,  als  von  Aufschüttungsmassen  verhüllt  In  zwei  Punkten 
unterscheiden  sich  aber  die  beiden  Zonen  sehr  wesentlich:  1).  der 
Eluvialboden  ist  in  der  gemäßigten  Zone  Lehm,  in  der  warmen 
Latent,  2).  in  der  warmen  Zone  sind,  entsprechend  dem  größeren 
Regei\reichtume ,  die  fluviatilen  Anschwemmungen  beträchtlich  aus- 
gedehnter wie  in  der  gemäßigten. 

Zwischen  die  polare  und  gemäßigte  Zone  schieben  sich  die 
glazialen  Übergangsgebiete,  die  aus  der  Eiszeit  noch  glazialen 
Felsboden  und  Gletscherschuttland  in  die  gegenwärtige  Klimaperiode 
herübergerettet  haben,  Typen,  die  jetzt  freilich  der  Verwitterung, 
Verwaschung  und  Zuschüttung  allmählich  anheimfallen. 

Ein   scharf  gezeichnetes   Faziesgebiet  ist   die   Wüste.     Auch 
hier   fehlen   fließendes   Wasser   und   Pflanzendecke,   wie  im  Polar- 
gürtel, aber  es  fehlt  auch  das  Eis,  und  die  Temperaturverhaltnisse 
sind    andere.      Die    wichtigste   destruktive   Kraft   ist  hier   die  In- 
solation,  die   wichtigste   denudierende  Kraft   der  Wind.     Äolischer 
Felsboden,  Gebirgsschutt,  Flugsand  sind  die  vorherrschenden  Boden- 
typen.    Wir  betonen:   die  vorherrschenden,  aber  nicht  die  aus- 
schließlichen, weil  Waltheb*  wenigstens  in  Bezug  auf  die  Sahara 
in  neuester  Zeit  die  Hypothese  aufgestellt  hat,  daß  die  Wüste  seit  ihrer 
Trockenlegung  Wüste  gewesen  sei,  und  daß  die  Bodenarten  wie  die 
Oberflächenformen  nur  auf  diejenigen  Kräfte  zurückzuführen  seien, 
die  wir  heute  noch  daselbst  thätig  sehen.    Die  entgegengesetzte  An- 
sicht erblickt  in  der  Sahara  eine  junge  Wüste,  die  sich  einst  eines  viel 
feuchteren  Klimas  erfreute  und  noch  Dokumente  jener  glücklicheren 
Periode  bewahrt  hat     Es  sind  dies  zunächst  die  Thäler  und  ge- 
waltigen   Schottermaßen,     zu    deren    Erklärung     die     heute    vor- 
handenen Wasserkräfte  nicht  ausreichen.     Wai/fheb  hat  das  kühne 
Wagnis     unternommen,     auch     die     Wüstenthäler     oder    Wadis 
durch  Deflation  zu  erklären.     Ein   derartiger  Versuch    mußte   ao- 
befriedigend    ausfallen    und    hätte    überhaupt   nur   dann   eine  Be- 
rechtigung,  wenn   wir  keine   positiven  Beweise   für  einen  Klima- 


Die  geographische  Verbreitung  der  exogenen  Wirkungen.  433 


Wechsel  besäßen.    Solche  sind  aber  vorbanden.    Am  weitesten  fort- 
geschritten  ist   die   geologische  Forschung   in  der  algerischen  und 
tunesischen   Sahara. '^     Seit  der  Kreidezeit  ist  dieses  Wüstengebiet 
Festland,  die  jüngeren  Schichten  sind  Süßwasserablagerungen 
untermiocänen,  pliocänen  und  quartäxen  Alters.    Die  ersteren  treten 
nur  an  wenigen  Stellen  im  Norden  zu  Tage,  um  so  ausgedehnter  sind 
aber    die  beiden  anderen.     Sie  erstrecken  sich   in   einer  Breite  von 
ca.   350  km   von  Biskra   bis    El  Biodh  (700  km)   und  senden  noch 
Ausläufer  einerseits  bis  in  die  Kleine  Syrte,  andererseits  bis  gegen 
Figig.    Erinnern  wir  uns  daran,  daß  genau  zur  Eiszeit  auch  in  dem 
trockenen  Landbecken  der  westlichen  Vereinigten  Staaten  gewaltige 
Seen  existierten,  so  werden  wir  nicht  fehlgreifen,  wenn  wir  auch  dem 
Quartärsee   der  Sahara   ein   glaziales   Alter   zuweisen.     Aber   auch 
nach  seinem  Verschwinden  blieb  das  Klima  noch  feucht  genug,  um 
große  Flüsse    zu  ernähren,   und   diese  Flüsse  schufen  jene  großen, 
in  die  Süßwasserbildungen  eingeschnittenen  Thäler:    die  Wadis  Mia 
und  Igharghar,  die  sich  im  Wadi  Rir  vereinigen,  Wadi  Suf,  Wadi 
Djedi.     Die  Anordnung  dieser  Thäler,  die  gegen  den  tiefsten  Punkt, 
das  Schott  Melrir,  konvergieren,  die  Verzweigung  nach  oben  und  die 
häufigen   Serpentinen   sprechen   deutlich    für    erosiven    und    gegen 
äolischen  Ursprung.     Das  Längsprofil  hat  freilich  eine  Umwandlung 
erfahren;  ein  ununterbrochener  Thalweg  ist  nicht  mehr  vorhanden, 
sondern   nur   mehr   eine   stufenförmige  Aufeinanderfolge   länglicher 
Becken,   die   durch   Schwellen   getrennt  sind.     Diese  Umgestaltung 
gehört  einer  Zeit  an,  da  die  Flüsse  vertrockneten  und  der  Wind 
Alleinherrscher  wurde. 

Diese  Ergebnisse,  die  durch  Rolland  in  den  letzten  Jahren 
völlig  sichergestellt  wurden,  haben  nichts  überraschendes.  Verwand- 
lungen feuchter  Landstriche  in  trockene  sind  ja  schon  vielfach  bekannt 
geworden.  Zu  den  nordamerikanischen  Beispielen,  deren  wir  mehr- 
fach gedachten,  gesellt  sich  u.  a.  auch  das  große  Ural-Kaspische 
Becken.  In  der  That,  war  die  Eiszeit  ein  allgemeines  Phänomen, 
wie  hätten  dann  so  ausgedehnte  Wüsteneien  bestehen  können,  wie 
sie  die  Gegenwart  aufweist?  — 

Kehren  wir  wieder  zu  den  Faziesgebieten  zurück.  An  die  Wüsten 
schließen  sich  dann  als  Übergangsform  zu  den  feuchten  Gebieten 
die  Steppen  an.  Der  äolische  Denudationsboden  tritt  zurück,  der 
äolische  Aufschüttungsboden  herrscht  aber  noch  entschieden  vor. 
Nur  ist  es  nicht  mehr  Flugsand,  sondern  Thonstaub,  der  die  felsige 
Unterlage  verhüllt  Wir  müssen  übrigens  nochmals  darauf  auf- 
merksam machen,  daß  über  die  Deutung  mancher  hierher  gehöriger 
Gebilde   Zweifel  bestehen,  wie   dasselbe  ja   auch   von    den    Löß- 

Sdpax,  PhTsiBche  Erdlrande.   2.  Aufl.  /  28 


434  Die  Dynamik  des  LaDdes. 


gebieten  gilt.  Ist  Richthofens  Theorie  allgemein  gültig,  so  ge- 
hören auch  die  letzteren  zu  den  Mutationsgebieten,  nur  daB  sich 
hier  die  Klimaänderung  im  entgegengesetzten  Sinne  vollzog,  wie  in 
den  Wüsten. 

Litteratar  nach  weise.  *  v.Tillo,  Petebhanns  Mitteilungen  1893,  S.  IT.— 
•  Zur  Orientierung  s.  Wahnschafpe.  Grundrücken  bei  Lubarz,  im  Jahrbuch  d. 
preußischen  geologischen  Landesanstalt  1890.  —  '  Walther,  Lithogenesis  cit 
S.  278.  —  *  Walthbr,  cit.  S.  415.  —  *  Choisy,  cit   S.  415. 


Vierter  Abschnitt. 
Morphologie  des  Landes/ 


Übersicht. 

Nachdem  wir  die  einzelnen  Kräfte  kennen  gelernt  haben,  gehen 
wir  zur  Betrachtung  der  Formen  über,  oder  richtiger  gesagt, 
zur  Systematik  der  Formen,  die  wir  als  Endergebnis  jener,  teils 
gleich-,  teils  widersinnig  wirkenden  Kräfte  verstehen  zu  lernen  haben. 
Dieser  genetische  Gesichtspunkt  in  der  Morphologie  ist  es  haupt- 
sächlich, der  die  moderne  geographische  Auffassung  von  der  früher 
herrschenden  unterscheidet.  Es  ist  derselbe  ümwandlungsprozeß, 
den  auch  die  übrigen  beschreibenden  Naturwissenschaften  durchge- 
macht haben. 

Jedwede  Oberflächenform  ist  ein  Individuum.  Wie  jeder  Kon- 
tinent und  jedes  Meer  seine  eigentümlichen  Züge  hat,  so  auch  jedes 
Gebirge,  jede  Ebene;  denn  sicherlich  haben  zwei  Erdstellen,  trotz 
Übereinstimmung  im  Grundcharakter,  im  Verlaufe  ihrer  Entwicklungs- 
geschichte nicht  genau  dieselben  Schicksale  erfahren.  Es  ist  auch 
leicht  erklärlich,  daß  der  Individualismus  mit  der  Schichten- 
störung zunimmt,  und  daß  er  daher  am  meisten  in  den  Ketten- 
gebirgen ausgebildet  ist.  Diese  Abwesenheit  von  allem  Schema- 
tischen bedingt  zum  großen  Teil  die  Mannigfaltigkeit  des  Völkerlebens. 

In  dieser  Eigenschaft  der  Oberflächenformen  ist  auch  die  Zwei- 
teilung der  Geographie  in  eine  allgemeine  und  spezielle  begrün- 
det Die  letztere  hat  gerade  die  individuellen  Züge  zu  erfassen, 
die  erstere  sieht  von  diesen  ab  und  sucht  das  Gemeinsame.  Die 
Aufgabe  der  geographischen  Morphologie  ist  die  Klassifi- 
zierung der  Oberflächenformen  auf  genetischer  Grundlage. 
Aber  dies  ist  ein  ideales  Ziel,  dessen  Erreichung  wir  einer  fernen 
Zukunft  überlassen  müssen.  So  groß  ist  noch  die  Lückenhaftigkeit 
unserer  geographischen  und  mehr  noch  unserer  geologischen  Kennt- 
nis, daß  wir  uns  mit  der  Aufstellung  von  Typen  begnügen  müssen. 

Die  Morphologie  betrachtet  1.  die  Landmassen  als  Einzelwesen 


436  Morphologie  des  Landes. 


in  ihren  Beziehungen  zu  einander  und  zum  Meere  (Kontinente,  Kon- 
tinentalinseln, ursprüngliche  Inseln;  Küstengliederung),  2.  die  Land- 
massen  als  Komplexe  verschiedener  Oberfiächenformen.  Methodisch 
empfiehlt  es  sich,  den  zweiten  Abschnitt  zuerst  zu  behandeln. 

Orographiflohes  System.  Die  Reliefformen  des  Landes  lassen 
sich  nach  drei  Gesichtspunkten  einteilen,  nach  der  äußeren  Er- 
scheinung, nach  der  Höhenlage  und  nach  der  Entstehungsweise. 
Wenn  wir  auch  den  letzteren  Gesichtspunkt  jetzt  obenan  stellen,  so  muß 
man  doch  daran  festhalten,  daß  jedes  dieser  Systeme  seine  Berech- 
tigung hat,  und  daß  es  der  Übersicht  dienlicher  ist,  sie  nebenein- 
ander zu  stellen,  als  eines  in  das  andere  einzuschachteln. 

Die  orographischen  Grundbegriffe  sind  Ebenheit  und  Uneben- 
heit; sie  beziehen  sich  auf  das  Maß  der  Niveauunterschiede  benach- 
barter Punkte.  In  ihrer  räumlichen  Anordnung  gewahren  wir  eine 
große  Mannigfaltigkeit:  bald  beherrschen  sie  als  Flach-  oder  Ge- 
birgsland  ausgedehnte  Erdräume,  bald  durchdringen  sie  sich  gegen- 
seitig, indem  hier  ein  Berg  oder  ein  auch  äußerlich  scharf  indivi- 
dualisiertes Gebirge  sich  aus  der  Ebene,  wenn  auch  nicht  immer 
mit  einem  ganz  deutlichen  Fuße  erhebt,  dort  eine  Ebene  als  Land- 
senke  von  Gebirgen  eingeschlossen  erscheint 

I.  Der  geographische  Begriff  der  Ebenheit  ist  bekanntlich  ein 
viel  weiterer  als  der  geometrische,  weil  Änderungen  des  Gefälles 
einen  gewissen,  aber  keineswegs  für  alle  Menschen  gleichen  Schwellen- 
wert erreichen  müssen,  um  von  dem  Äuge  bemerkt  zu  werden.  Wo 
die  Fläche  langsam  ansteigt,  und  nach  der  anderen  Seite  sich  ebenso 
langsam  wieder  senkt,  so  daß  eine  Wasserscheide  entsteht,  da  sprechen 
wir  von  einer  Landschwelle. 

IL  Einen  viel  großem  Formenreichtum  zeigen  die  Uneben- 
heiten. Einzelerhebungen  nennt  man  Berge,  ausgedehntere  Er- 
hebungen Gebirge,  aber  der  Sprachgebrauch  schwankt  sehr  häufig 
und  es  wäre  vergebUche  Mühe,  wollte  man  ihn  durch  feste  Maße 
in  ein  künstliches  System  zwängen.  Nur  die  Gepflogenheit,  auch 
hervorragende  Punkte  innerhalb  eines  Gebirges  als  Berge  zu  be- 
zeichnen, wollen  wir  aus  der  Sprache  des  Geographen  verbannen. 

Man  kann  folgende  orographische  Kategorien  unterscheiden: 

1.  Kammgebirge  zeichnen  sich  durch  deutliche  Längser- 
streckung und  eine  scharf  ausgesprochene  Kammlinie  aus,  sie  ent- 
behren jedoch,  im  Gegensatze  zum  Kettengebirge,  einer  reichhcheren 
Gliederung  durch  Längsthäler.  Unter  den  Einzelerhebungen  ent- 
sprechen ihnen  die  Kegelberge. 

2.  Linearer  entwickelt  ist  auch  das  Rückengebirge,  aber  statt 


Übersicht.  437 


eines  scharfen  Kammes  krönt  es  ein  breiter  Rücken.   Einen  gleichen 
Gegensatz  bildet  der  Kuppenberg  zum  Kegelberge. 

3.  Das  Plateaugebirge  ^  hat  eine  breite,  wenigstens  in  ein- 
zelnen Teilen  ebene  Oberfläche.  Unter  den  Einzelerhebungen  kann 
ihm  der  Tafelberg  zur  Seite  gestellt  werden,  aber  eine  scharfe 
Grenze  läßt  sich  nicht  ziehen,  weil  auch  bei  Plateaugebirgen  häufig 
die  Ausdehnung  nach  der  einen  Horizontaldimension  niclit  erheblich 
von  der  nach  der  anderen  abweicht 

4.  An  Massengebirge  oder  Massive  stellen  wir  nur  die 
Forderung,  daß  Breite  und  Länge  nahezu  gleich  seien,  die  Gestaltung 
der  höchsten  Teile  kann  aber  sehr  verschieden  sein.  Das  Ötzthaler 
Alpenmassiv  besteht  z.  B.  aus  Kämmen,  in  anderen  ist  die  Ober- 
fläche wellig,  und  nur  dort,  wo  sie  vorherrschend  eben  ist,  werden 
wir  die  Bezeichnung  Massiv  besser  mit  der  des  Plateaugebirges  ver- 
tauschen. 

5.  Kettengebirge  bestehen  zwar  vorwiegend  aus  einer  An- 
einanderreihung mehr  oder  weniger  paralleler  Kammgebirge,  die 
durch  Längsthäler  getrennt  sind,  aber  sie  können  auch,  wie  die 
Alpen,  Massive  und  Plateaugebirge  enthalten,  doch  zeigen  auch 
diese  eine  deutliche  Anordnung  in  der  Längsrichtung  des  ganzen 
Gebirges. 

6.  unregelmäßige  Anhäufungen  von  Bergen  bilden  ein  Berg- 
land, und  je  nach  der  Form  derselben  kann  man  Kuppen-  und 
Tafelgebirge  unterscheiden. 

7.  Geht  eine  Fläche  mit  scharfer  Biegung  in  eine  andere,  tiefer 
liegende  über,  so  entsteht  eine  Landstufe,  die  im  gewöhnlichen 
Sprachgebrauche  häufig  als  Gebirge  bezeichnet  wird  und  daher  hier 
nicht  übergangen  werden  darf. 

Hypsometrisohe  Systeme.  Dem  Systeme  der  absoluten  Höhe 
liegt  der  Gedanke  zu  Grunde,  daß  die  Temperatur  mit  der  Höhe 
abnimmt  und  damit  die  Lebensbedingungen  der  Organismen,  wie  das 
Wesen  und  Maß  der  zerstörenden  Kräfte  sich  ändern.  In  der  Wahl 
der  Grenzisohypsen  ist  natürlich  ein  weiter  Spielraum  offen  gelassen, 
denn  selten  bezeichnet  eine  bestimmte  Höhenlinie  auch  einen  Wechsel 
der  Oberflächenform.  Ob  wir  die  Grenze  zwischen  Nieder-  und 
Mittelgebirge  bei  600  m,  zwischen  Mittel-  und  Hochgebirge  bei 
1300  m  ansetzen,  oder  bei  irgend  einer  anderen  Seehöhe,  ist  in  der 
Natur  nicht   begründet.     In   letzter  Linie  sind  diese  Einteilungen 


^  y.  RicHTHOFEN  sprach  sich  gegen  die  Beibehaltung  des  Ausdruckes 
Plateau  aus.  Dieser  ist  aber  so  sehr  eingebürgert,  daß  man  ihn  durch  einen 
Machtspruch  kaum  wird  entfernen  können. 


438  Morphologie  des  Landes. 


nur  unseren  europäischen  Verhältnissen  angepaßt,  aber  Seehöhen 
von  1000  m  oder  2000  m  haben  hier  eine  ganz  andere  Bedeutung 
als  im  polaren  oder  im  tropischen  Klima.  Trotzdem  möchten  wir 
die  Bezeichnungen  Mittel-  und  Hochgebirge  nicht  missen-,  die  ge- 
rundeten Formen  des  ersteren,  die  zugespitzten  des  letzteren  sind 
natürliche  Unterschiede,  aber  nicht  die  Seehöhe  ist  dafür  maßgebend, 
sondern  der  Abstand  der  beiden  wirklichen  Denudationsniveaus^  der 
Unterschied  zwischen  Gipfel-  und  Thalhöhe.  An  die  Stelle  des 
Systems  der  absoluten  Höhen  wollen  wir  daher  mit  Penck  eiu 
solches  der  relativen  Höhen  setzen;  die  Grenze  von  Mittel-  und 
Hochgebirge  mag  um  den  Höhenunterschied  von  etwa  1000  m 
schwanken,  denn  auch  sie  variiert  mit  dem  Klima. 

Dagegen  hat  sich  von  den  absoluten  Werten  die  Se^höhe 
von  200  m  als  Grenze  zwischen  Tief-  und  Hochland  aUgemeiu 
eingebürgert.  Der  Grund  liegt  darin,  daß  über  Y,  der  gesamten 
Landfläche  unter  200  m  liegt,  und  diese  Höhenstufe  selbst  auf  kleinen 
Karten  deutlich  zur  Geltung  kommt.  Selbstverständlich  ist  das  Tief- 
land vorwiegend  Flachland;  viele  Flachländer  steigen  aber  ganz  un- 
merkbar in  beträchtliche  Seehöhen  empor,  wie  z.  B.  die  nordameri- 
kanischen Prärien  im  39.  Parallel  von  30  bis  über  2000  m,  ohne 
daß  sich  irgendwo  ein  Gefällsbruch  bemerkbar  machte  oder  der  Ab- 
stand zwischen  zwei  Isohypsen  auf  Gannetts  schöner  Relief  Map  (1892) 
irgendwo  einem  größeren  Böschungswinkel  als  0®  16' entspräche.  Solch 
ein  geographisches  Individuum  in  eine  bestimmte  Kategorie  des 
absoluten  Höhensystems  einzureihen,  ist  natürlich  unmöghch.  Das- 
selbe gilt  übrigens  auch  vom  relativen  System  Pencks,  soweit  es 
das  Flachland  betrifft.  Er  unterscheidet  1.  Ebenen  mit  seichten 
Flußeinschnitten,  2.  Platten  mit  Thälem  unter  200  m  Tiefe, 
3.  Tafelländer  mit  tieferen  Thälern.  Es  liegt  auf  der  Hand,  daß 
Tafelländer  in  Platten,  Platten  in  Ebenen  übergehen  können.  Der 
Verengerung  des  Begriffes  Ebene  ist  nur  zuzustimmen,  aber  die 
Grenze  zwischen  Platte  und  Tafelland  ist  ganz  willkürlich  gewählt 
Außerdem  drücken  die  Namen  Platte  und  Tafel  keineswegs  eine 
Zerschnittenheit  des  Geländes  aus,  sie  sind  im  Gegenteil  konzen- 
trierte Namen  für  ebenes  Land,  ganz  abgesehen  davon,  daß  Tafelland 
in  der  modernen  Geologie  einen  ganz  bestimmten  Begriff'  bezeichnet 

Hypaometrie.  Wenn  auch  hypsometrischen  Systemen  eine 
gewisse  Willkürlichkeit  anhaftet,  so  ist  doch  die  Höhenmessung 
eine  der  unentbehrlichsten  Grundlagen  der  geographischen  Erkennt- 
nis, ebenso  unentbehrlich,  wie  die  Bestimmung  der  räumlichen  Lage 
durch  Breite  und  Länge. 

Es   giebt   drei  Methoden   der  Höhenmessung:    die  nivellitische, 


.^*^ 


Übersicht.  439 

trigonometrische  und   barometrische.     Diese  KeiheDfolge   entspricht 
auch  ihrer  Eangordnung  in  Bezug  auf  die  Genauigkeit* 

Bei  dem  Nivellement  wird  der  Höhenunterschied  benachbarter 
Punkte  durch  horizontales  Zielen  nach  senkrechten  Maßstäben  (Latten) 
bestimmt  Die  letzteren  sind  2 — 4  m  lange,  geteilte  Stäbe  (a  in 
Fig,  139);  das  Nivellierinstrument  {b  in  Fig.  139)  besteht  aus  einer 
Libelle  und  einem  Femrohr,  deren  Achsen 
unter  sich  parallel  und  beim  Gebrauche  hori- 
zontal sind.  Eine  besondere  Berücksichtigung 
der  Erdkrümmung  ist  unnötig,  weil  sich  ihr 
die  Ziellinien  an  und  für  sich  als  Tangenten  p.^  ^gg^  NiveUement. 
anschmiegen.  Diese  genaueste  hypsometrische 
Methode  ist,  wenn  sie  sich  über  größere  Räume  erstrecken  soll, 
äiißei-st  zeitraubend  und  kostspielig,  daher  sie  auch  nur  in  Kultur- 
ländern zur  Anwendung  kommen  kann.  ^ 

Trigonometrisch  mißt  man  Höhen  mittels  des  Theodoliten, 
eines  Instrumentes,  das  sich  ebenso  zur  Bestimmung  von  Horizontal- 
wie  von  Höhenwinkeln  eignet,  und  daher  in  der  wissenschaftlichen 
Ausrüstung  eines  Forschungsreisenden  eine  wichtige  Rolle  spielt 
Haben  wir  die  Höhe  des  Berges  D  (in  Fig.  140),  die  durch  die 
Vertikale  I)C  repräsentiert  wird,  zu  messen,  so  genügt  es  nach  den 
Gesetzen  der  Trigonometrie  eine  Basis  [AB)  auf  ebenem  Boden  und 
von  den  beiden  Endpunkten  derselben  die  Höhenwinkel  a  und  ß  zu 
messen.  ^^  Dabei  macht 
man  allerdings  die  Voraus- 
setzung, daß  die  Linien  AB, 
AD  und  BD  Gerade  sind, 
und  dies  triflft  ja  in  Wirk- 
lichkeit nicht  zu.  AB  wird 
durch   die  Erdkrümmung,     A  B  c 

AD  und  BD  werden  durch  Fig  140.     Trigonometrische  HöbenmessuDg. 

die  Strahlenbrechung  ge- 
bogen, und  namentlich  die  letztere  ist  eine  nicht  zu  unterschätzende 
Fehlerquelle  für  die  trigonometrische  Höhenmessung.  Begnügt  man 
sich  mit  Höhenzahlen,  die  noch  in  ihren  Einheiten  (in  Meter)  richtig 
sind,  so  kann  man  den  Einfluß  von  Erdkrümmung  und  Refraktion 
vernachlässigen,  solange  die  Entfernung  von  der  Höhenlinie  {AC 
in  Fig.  140)  5  km  nicht  übersteigt. 


X  Vgl.  dazu  S.  211. 

^.     _„,      ^  r^  .  .    1  j  r»  sin  «  sin  8 

y  X  Pie  Höhe  OP  ist  dann  =^  A  B      --^ " 

öin  {(}  —  aj 


440  Morphologie  des  Landes. 


Die  barometrische  Höhenmessung  gründet  sich  anf  das  Ge- 
setz, daß  der  Luftdruck  in  geometrischer  Progression  mit  der  Höhe 
abnimmt.  Ist  in  einer  bestimmten  Zeit  der  Barometerstand  und 
die  Temperatur  an  der  unteren  Station  B  und  T  und  an  der  oberen 
b  und  t,  so  ist  nach  Kühlmann  die  Höhendifferenz  (in  m) 

=  18400  [  1,00167  +  0,00367    -^  +  '-]  l0g|. 

Allein  diese  Formel  hat  einen  Mangel.  Sie  setzt  fälschlich  voraus,  daB  die 
mittlere  Temperatur  der  Luftsäule  zwischen  beiden  Stationen  gleich 

ist        —  .   Daher  liefern  die  Barometerablesungen  zu  verschiedenen 

Tages-  und  Jahreszeiten  bald  zu  hohe,  bald  zu  niedere  Werte, 
und  nur  die  Jahresmittel  der  meteorologischen  Beobachtungen 
geben  Höhen,  welche  sich  von  den  wahren  Werten  nur  wenig  ent- 
fernen. Es  ist  klar,  daß  Höhenbestimmungen  auf  Grund  von  einigen 
wenigen,  ja  oft  nur  von  einer  einzigen  Ablesung  sehr  unsicher  sein 
müssen,  besonders  dann,  wenn  die  Beobachtungen  an  beiden  Stationen 
nicht  gleichzeitig  erfolgten,  oder  wenn  die  Seehöhe  der  unteren 
Station  nicht  völlig  sichergestellt  ist.  Noch  zweifelhafter  wird  das 
Resultat,  wenn  das  Meeresniveau  als  untere  Station  angenommen 
wird,  fiir  die  man  nfich  den  Isobaren-  und  Isothermenkarten  nur 
ganz  vage  Werte  einsetzen  kann.  Trotzdem  sind  weitaus  die  meisten 
Höhenmessungen  in  unzivilisierten  Ländern  mittels  des  Barometers 
gemacht  worden,  besonders  seitdem  wir  im  Anerold,  das  den 
Luftdruck  durch  die  Federkraft  einer  metallenen  luftleeren  Büchse 
anzeigt,  ein  außerordentlich  bequemes  Instrument  besitzen.  ^  Leider 
reicht  der  Grad  seiner  Zuverlässigkeit  bei  weitem  nicht  an  die  des 
Quecksilberbarometers  heran,  und  eignet  sich  letzteres  wegen  seiner 
Zerbrechlichkeit  wenig  zur  Mitnahme  auf  Reisen.  Eine  gute  Kon- 
trolle bieten  die  neuen  Kochthermometer  aus  Jenaer  Glas,  die 
in  ihren  Angaben  konstanter  sind  als  die  Anerolde.'  Auch  dieses 
Instrument  dient  zur  barometrischen  Höhenmessung  und  beruht 
darauf,  daß  der  Siedepunkt  mit  abnehmendem  Luftdrucke  herabrückt; 
so  befindet  er  sich  z.  B.  bei  einem  Barometerstande  von  760  mm  bei 
100«,  von  700  mm  bei  97,7<>,  von  600  mm  bei  93,6^ 

Im  allgemeinen  ist  das  Urteil  berechtigt,  daß  unsere  Kenntnisse 
von  den  Höhenverhältnissen  nicht  bloß  sehr  lückenhaft,  sondern  auch 
sehr  unsicher  sind.  Indes  ist  ein  kräftiger  Fortschritt  nach  beiden 
Richtungen  unverkennbar. 

Orometrie.^  Wir  haben  schon  an  früherer  Stelle  der  Versuche 
gedacht,  die  mittlere  Höhe  bezw.  Tiefe  größerer  Erdräume  zu  be- 


X  Das  AneroXd  oder  Federbarometer  wurde  1S47  von  Viri  erfanden. 


Übersicht  441 

x^chnen,  Versuche,  die  bis  auf  Laplace  zurückreichen,  aber  erst 
Tinter  der  Meisterhand  Humboldts  eine  greifbare  Gestalt  annahmen. 
-Ans  dieser  Volumenberechnung  entwickelte  sich  die  Orometrie, 
clie  es  sich  zur  Aufgabe  stellt,  alle  charakteristischen  Formen-  und 
Größenverhältnisse  der  Gebirge  durch  Mittelwerte  zum  ziff er  mäßigen 
Ausdrucke  zu  bringen.  Was  man  bisher  mit  Worten  schilderte,  soll 
nun  mit  Zahlen  kurz,  prägnant  und  ohne  jeden  subjektiven  Bei- 
l^^eschmack  zur  Darstellung  gelangen,  v.  Sonklar  war  der  erste, 
der  dieses  Programm  in  ein  System  brachte,  indem  er  die  Begriffe 
der  mittleren  Kamm-,  Gipfel-  und  Sattelhöhe,  der  mittleren  Schar- 
tung,  der  mittleren  Thal-  und  Sockelhöhe,  der  mittleren  Neigungs- 
winkel der  Thalböden  und  Gehänge  u.  s.  w.  feststellte.  Es  bedarf 
keiner  weitläufigen  Auseinandersetzung,  daß  wir  für  das  ver- 
gleichende Studium  der  Gebirge  aus  der  Orometrie  die  größte 
Belehrung  schöpfen  können,  aber  leider  steckt  dieser  Zweig  der 
geographischen  Forschung  noch  ganz  in  den  Kinderschuhen.  So- 
lange sich  noch  jeder  seine  Methode  selbst  zurechtschneidet,  können 
keine  streng  vergleichbaren  Werte  geliefert  werden.  Dazu 
kommt  noch,  daß  der  Orometer  ausschließlich  mit  Karten  arbeitet 
und  von  der  Zuverlässigkeit  derselben  in  seinen  Resultaten  ab- 
hängig ist 

Genetisohes  System.  Um  zu  einem  genetischen  System  zu  ge- 
langen, müssen  wir  den  entwicklungsgeschichtlichen  Weg  betreten; 
dieser  Aufgabe  sollen  die  nächsten  Abschnitte  gewidmet  sein.  Wir 
gehen  dabei  von  der  Wahrnehmung  aus,  daß  die  feste  Erdoberfläche 
im  wesentlichen  aus  zwei  tektonischen  Grundformen  besteht:  aus 
flach  gelagerten  und  aus  gefalteten  Schichten.  Die  erstere  bedingt 
Ebenheit,  die  letztere  Unebenheit.  Diese  beiden  Grundformen  können 
aber  Umwandlungen  erleiden,  einerseits  durch  Brüche  und  Massen- 
verschiebungen entlang  derselben,  anderseits  durch  die  überall  und 
zu  allen  Zeiten  wirkende  Destruktion;  und  unser  Hauptaugenmerk 
soll  darauf  gerichtet  sein,  möglichst  vollständige  Umwandlungsreihen 
herzustellen.  Eine  fremdartige  Zuthat  liefern  die  vulkanischen 
Ergüsse;  auch  sie  sind  Umwandlungsprozessen  unterworfen. 

Litteraturn  ach  weise.  *  Hauptwerke  wie  für  die  Dynamik  s.  S.  278.  — 
*  Jordan,  Vermessungskunde,  Bd.  II,  1893.  —  '  Vgl.  v.  Danckelman,  in  d.  Ver- 
handlungen der  Berliner  Gesellschaft  f.  Erdkunde,  1888,  S.  594.  —  *  Peuckbr, 
Beitrfige  zur  orometrischen  Methodenlehre,  Breslau  1890,  woselbst  die  ziemlich 
ausgedehnte  Litteratur  übersichtlich  zusammengestellt  ist. 


442  Morphologie  des  Landes. 


Die  Oberfläohenformen  der  Flachsohichtimg. 

Den  Ausdruck  Fl  ach  Schichtung  haben  wir  gewählt,  weil 
völlig  horizontale  Lagerung  verhältnismäßig  selten  ist  Selbst  dort, 
wo  man  eine  solche  voraussetzte,  hat  sich  häufig  bei  enteile rtf,^- 
Beobachtung  eine  leise  Neigung  nach  einer  bestimmten  Himmels- 
gegend herausgestellt.  Solange  diese  Neigung  aber  keinen  hohen 
Wert  erreicht,  erzeugt  die  Flachschichtung  als  Urform  stets 
Flachland. 

Das  Tafelland.  Wir  mögen  bezweifeln,  daß  es  irgend  eine 
Gegend  der  heutigen  Landoberfiäche  giebt,  die  stets  flach  war,  aLer 
wir  wissen  bestimmt,  daß  ausgedehnte  Räume  seit  langen  geologischen 
Perioden  Flachland  sind.     Das  sind  die  Tafelländer. 

Li    Rußland^    finden    wir,    wenn    wir   von    dem    Dwina-    und 
kaspischen  Gebiete  absehen,   oberflächlich  Ablagerungen  der  Eiszeit 
und  jenseits  ihrer  Grenzen    eine    mehrere   Meter   mächtige  Schiebt 
von    Schwarzerde     (vgl.    S.  415).      Aber   nicht    sie    sind   es,    denen 
Rußland    seinen    orographischen    Charakter   verdankt.       Vom    Silur 
an    ruhen    alle    Fonuationen    flach    auf  granitischer  Unterlage,    dio 
in  St.  Petersburg  und  südwestlich  von  Nowopawlowsk  im  Gouverne- 
ment Woronesch  erbohrt  wurde   und  im  südlichen  Rußland  in  den 
Flußthälern   wieder   zu   Tage    tritt.     Zwar   felilen    Störungen    nicht 
ganz,    aber  sie   sind  un})edeutend    und  örtlich  beschränkt.     Endlos 
breitet  sicli  die  Flädie  aus,    nur  unmerkliche  Erhebungen  scheiden 
die  Gewässer,    sell)st  die  Waldaihöhe  bringt  geringe  Abwechselung 
in    das    einförmige  Bild;     kein  Punkt  im   Innern    überschreitet    die 
Seehöhe  von   425  m.      Nur  im   Kohlengebiete  am    Donez    sind   die 
karbonischen  Schiefer,  Sandsteine  und  Kalksteine  in  steilere  Falten 
gelegt,  aber  horizontale  Kreide-  und  Tertiärschichten  verhüllen  dieses 
unterirdische  Gebirge,  wenn  auch  nicht  bis  zu  völliger  Unkenntlich- 
keit, indem  die  Sättel  der  Karbonfalten  als  geradlinige,  niedere  Vor- 
sprünge oder  Leisten  an  der  Oberfläche  sich  bemerkbar  machen  und 
dieser  einen  flach-welligen  Charakter  verleihen. 

Zu  den  ausgedehntesten  Tafelländern  gehört  die  Wüstenplatte 
der  alten  Welt.  Soweit  die  Sahara^  nicht  von  modernen  Ablagerungen 
verdeckt  ist,  und  abgesehen  von  den  Durchbrüchen  der  altkrystallinischen 
Unterlage,  besteht  sie  zum  großen  Teil  aus  paläozoischen  Schichten, 
dann  im  Osten  aus  Nubischem  Sandstein,  in  der  Mitte  aus  Gebilden 
der  mittleren  und  oberen  Kreide,  und  nur  im  Nordosten  aus  tertiären 
Ablagerungen.  Aber  so  verschiedene  Niveauveränderungen  sie  auch 
erUtten   hat,   die   flache  Lagerung   der   Sedimente   wurde   dadurch 


Die  Oberflächenformen  der  Flachschichtung.  448 

niclit  erheblich  gestört    Die  saharische  Tafel  setzt  sich  nach  Arabien 
fort,   wo   eine   gewaltige  Sandsteindecke  Granit   und  alte  Eruptiv- 
gesteine  verhüllt^     Auch   sonst   ist   in   Afrika   die   Tafellagerung 
^weit  verbreitet,  unzäHig  sind  die  Schollen  horizontaler  Sandsteine, 
die    wahrscheinlich    der  jüngeren   Primär-    und    älteren   Sekundär- 
periode angehören.    Das  Innere  von  Australien  darf  ebenfalls  als 
Xa.felland   bezeichnet   werden.     In  Nordamerika  breitet  sich  von 
den  Alleghanies  bis  über  den  Mississippi  eine  paläozoische  Tafel  aus, 
und  daran  schließt  sich  im  Westen  bis  zum  Felsengebirge  die  schräge 
Kreidetafel  der  Prärien.    Südamerika  hat  seine  brasilianische  Tafel, 
die  sich  allerdings  auch  mit  Strichen  von  wesentlich  anderem  Cha- 
rakter zu  einer  orographischen  Einheit  verbindet,  wie  wir  an  einer 
späteren  Stelle  ausführlicher  zu  erörtern  haben  werden. 

Die  wesentliche  Eigenschaft  des  Tafellandes  ist  seine  Zusammen- 
setzung aus  festem  Schichtgestein  höheren  Alters.  Daß  sein  oro- 
graphischer  Charakter  nur  durch  die  Lagerungsverhältnisse  bedingt  ist, 
zeigt  sich  am  deutlichsten  dort,  wo  es  an  ein  Gebirge  von  gleicher  geo- 
gnostischer  Zusammenset/.uug  grenzt,  und  die  bisher  flach  gelagerten 
Schichten  sich  nun  in  die  Höhe  richten.  Soweit  sich  die  Tafelländer  aus 
Sedimentgestein  aufbauen,  in  denen  wohl  auch  maachmal  Eruptiv- 
inassen  eingelagert  sind,  können  wir  sie  auch  ursprüngliche  Ebenen 
nennen  und  stellen  sie  jenen  Flachländern  ent/^'egen,  die  mit 
lockerer  Aufschüttung  jugendliche  Störungsgebiete  verhüllen  und  die 
wir  als  aufgesetzte  Ebenen  bezeichnen  können.  Nur  jene  aus- 
gedehnten Lavadecken,  wie  wir  sie  am  Columbia  und  Snake  River 
im  Westen  der  Vereinigten  Staaten  und  im  nordwestlichen  Dekan 
finden,  machen  davon  eine  Ausnahme.  Der  sog.  Dekan  trapp  be- 
deckt eine  Fläche  von  mehr  als  400000  qkm  und  erreicht  stellen- 
weise eine  Mächtigkeit  von  1800  m.  Der  Untergrund  ist  uneben, 
alte  Thäler  von  mehr  als  300  m  Tiefe  sind  mit  Lava  ausgefüllt. 
Die  Schichtung  ist  horizontal,  die  feste  Gesteinsbeschaffenheit  macht 
das  Trappplateau  zu  einem  echten  Tafellande,  seine  Oberfläche  zeigt 
alle  charakteristischen  Eigenschaften  eines  solchen,  und  trotzdem 
müssen  wir  es  zu  den  aufgesetzten  Ebenen  rechnen.  Man  hat  diese 
Flachländer  Übergußtafeln  im  Gegensatze  zu  den  Schichtungs- 
tafeln genannt 

Ausgefüllte  Landsenken.  Sie  sind  ohne  Ausnahme  jugendliche 
Oberflächenformen,  die  ältesten  reichen  in  das  Tertiär  zurück.  Ihrer 
Umgebung  gegenüber  verhalten  sie  sich  meist  völlig  fremd,  wenn  sie 
auch  hier  und  da  durch  den  fortschreitenden  Faltungsprozeß  in  die 
Gebirgsbildung  einbezogen  und  dadurch  verfestigt  wurden. 

Man  hat  zwischen  Anschwemmungsflächen  und  äolischen 


444  Morphologie  des  Landes. 


Aufschüttungen   zu   unterscheiden.     Die   oberrheinische   Tief- 
ebene* ist  eine  der  ausgezeichnetsten  Typen  eines  Grabenbniches. 
Die  große  mesozoische  Tafel,  die  einst  von  Schwaben  bis  nach  Loth- 
ringen reichte,  sank  hier  am  tiefsten  ein,  und  der  Graben  wurde  in  der 
mitteloligocänen  Zeit  vom  Meere,  im  Miocän  und  Pliocän  von  einem 
Süßwassersee  eingenommen  und  mit  deren  Ablagerungen  ausgefüllt^ 
dann  im  Diluvium  vom  Rhein  erobert,  der  seine  Schotter  und  Sande 
darüber    ausbreitete.     Die   Donauebenen    bauten   sich   seit    dem 
jüngeren  Tertiär  über  gewaltigen  Kesseleinbrüchen  auf.    Bohrungen 
in  der  niederungarischen  Ebene  haben  die  lehrreichsten  Ergebnisse 
geliefert    Westlich  von  Altofen  erhebt  sich  der  Dreihotterberg  etwas 
über  400  m   über  das  Meeresniveau,   aus   dem   ältesten  Gestein   in 
dieser  Gegend,  dem  triassischen  Hauptdolomit  bestehend.   Ihm  lagert 
sich  im  Osten  oligocäner  Mergel  an,  der  sich  von  200  bis  100  m 
Seehöhe  senkt  und   dann  unter  der  Donau  verschwindet     Auf  der 
Magareteninsel   fand    man   ihn    unter   der   alluvialen  Decke   wieder 
und  verfolgte  ihn  bis  19  m  unter  den  Meeresspiegel.    Nur  2,8  km  da- 
von  entfernt,   im   Stadtwäldchen,    durchfuhr   der   Bohrer   zunächst 
jüngere  Tertiärschichten,  erreichte  erst  in  ca.  450  m  Meerestiefe  das 
Oligocän  und  in   700  m  den  Dolomit  des  Dreihotterberges.  ^     Das 
ergiebt   auf  eine    Entfernung   von   7  km    eine   Niveaudifferenz    von 
1100  m!     Auf  den  neogenen  Rand  folgen  nach   dem  Innern   des 
Alföld  zu  diluviale  Ablagerungen,  überdeckt  mit  Löß-  und  Flugsand 
und  durchfurcht  von  alluvialen  Flußniederungen.     Nahezu   in    der 
Mitte  des  Beckens,  in  Szentes  an  der  Theiß,  wurde  ein  314  m  tiefer 
artesischer   Brunnen    gegraben,    der   bis    97  m   unter  dem  Meeres- 
spiegel diluviale  Sande  und  Thone  mit  SüßwasserconchyUen  durch- 
bohrte und  dann  erst  das  Tertiär  erreichte.®    Vergleichen  wir  diese 
beiden  Bohrungen,  so  können  wir   sagen,   daß   Niveauunterschiede 
von  reichlich  200  m  durch  junge  Anschwemmungen  bis  auf  wenige 
Meter  ausgeglichen  wurden.    Indes  läßt  sich  vermuten,  daß  Senkung 
und  Ausfüllung  nicht  zwei   zeitlich  getrennte  Akte  waren,  sondern 
daß  beide  Prozesse  wenigstens  bis  zu  einem  gewissen  Grade  Schritt 
mit  einander   hielten.     Für   einige   aus  Flußalluvionen   bestehende 
Ebenen  ist  dies  durch  Bohrungen  nachgewiesen:    so  wurde  neuer- 
dings  bei  Porto vecchio    in  der  Poebene   in  215  m/  bei  Lueknow 
in   der   Gangesniederung   in    284  m   unter   dem  Meeresniveau    der 
Untergrund   der   modernen   Anschwemmung  nicht    erreicht,®    wenn 
man  ihm  auch  im  letzteren  Falle  schon  ziemlich  nahe  gekommen  zu 
sein  scheint  Es  unterüegt  natürlich  keinem  Zweifel,  daß,  als  jene  Tief- 
alluvionen  abgelagert  wurden,  der  Boden  wie  heute  über  dem  Meeres- 
spiegel sich  befand.    Elrderschütterungen  in  jungen  Schwemmgebieten 


Die  Oberflächenformen  der  Flachschichtang. 


445 


weisen    übrigens  darauf  hin,  daß  die  Senkung  auch  jetzt  noch  fort- 
dauert- 

Ausgefüllte  Seebecken,  die  einen  unebenen  Untergrund  verhüllen, 
sind  außerordentlich  häufig  und  ebenso  verschieden  in  Bezug  auf  Aus- 
dehnung, wie  auf  Seehöhe.    Dem  rheinischen  und  den  Donaubecken, 
die   dem  Tieflande  angehören,   können  wir  die  castilianischen  oder 
die    Hochflächen    der  Anden  gegenüberstellen.     Sie  sind  insgesamt 
Landsenken,   aber   es   giebt   daneben   auch  Landsenken,  die  durch 
Steppengebilde  ausgefüllt  sind.    Ihre  Verbreitung  ist  an  klima- 
tische   Grenzen   gebunden:    nur  dort  kommen  sie  vor,  wo  die 
geologische  Kraft   des  Windes  zur  unumschränkten  Herrschaft  ge- 
langt,   d.  h.  in   trockenen   Gegenden,    oder   in   solchen,    die   früher 
regenärmer  waren,   als  jetzt   (vgl.  S.  413).      Eigentümlich   ist   ihnen 
die  Beckenform.    v.  Richthofen*  schildert  die  Lößmulden  des  nörd- 
lichen   Teiles   der   chinesischen    Provinzen   Tschili   und  Schansi   in 
folgender  Weise:   „Fast   eine  jede  der  großen  Einsenkungen,  wenn 


Fig.  141.     Querachnitt  der  Loßbecken  am  Südfuße  des  Wu-tai-schan   nach  v.  RiCHT- 

HÖFEN.     Lange  zur  Höhe   =1:8. 

a  festes  Grebirge,  b  Löß,  e  See-Ablagerungen. 

wir  sie  von  einer  Höhe  überblicken,  hat  die  Grestalt  eines  Steppen- 
beckens, indem  eine  Vertikalebene  die  Oberfläche  in  einer  Kurve 
von  der  Form  eines  zwischen  den  beiden  Gehängen  schlaff  ge- 
spannten Seiles  durchschneiden  würde  (s.  2  und  3  in  Fig.  141). 
Der  Höhenunterschied  zwischen  den  Rändern  und  der  Mitte  beträgt 
oft  mehrere  tausend  Fuß;  aber  die  Abdachung  ist  so  allmählich, 
daß  das  Auge  sich  keine  Vorstellung  von  der  Größe  dieser  Diffe- 
renzen machen  kann.  Zunächst  den  Gehängen  ist  der  Neigungswinkel 
am  größten;  gegen  die  Mitte  hin  nimmt  er  immer  langsamer  ab, 
bis  sich  der  diesseitige  mit  dem  jenseitigen  Abfall  in  einer  Ebene 
begegnet.  Der  obere  Muldenrand  geht  bald  unmittebar  durch  An- 
häufungen von  eckigem  Schutt  in  den  aus  festem  Gestein  bestehenden 
trennenden  Gebirgsrücken  über,  bald  lehnt  er  sich  an  Felswände, 
welche  noch  hoch  darüber  aufragen.  .  .  .  Neben  diesen  normalen 
Formen  treten  auch  einseitige  Lößmulden  (1,  4  und  5  in  Fig.  141) 


446  Morphologie  des  Landes. 


axif,    bei    denen   die  lange,  geschwungene  Abdachung  sich  nur  von 
einer  Flanke  herabzieht,  und  wo  von  dem  tiefsten  Teile   derselben 
entweder  eine  durch  Seeausfullung  entstandene,  beinahe  voUkommene 
Ebene  bis  an  das  jenseitige  Gehänge  hinanreicht,  oder  eine  schmale 
Lößaufschüttung   den    zweiten  Muldenflügel  gewissermaßen  nur   an- 
deutet    In  allen  solchen  Fällen,  soweit  ich  deren  beobachtet  habe, 
ruht  der  ausgebildete  Muldenflügel  auf  einer  im  Durchschnitt  sanft 
geneigten  Fläche    des   unterliegenden  Gesteins,   während  der  rudi- 
mentäre Teil,  oder  der  ebene  Boden,  an  eine  steile   und   im  Ver- 
hältnis sehr  hohe  Felswand  grenzt."    Solche  Lößländer  sind  in  China 
die  Provinzen  Schansi,  Nord-Tschili  und  Honan,  aber  noch  all  ge- 
meiner ist  der  Löß  in  Schensi  und  Kansu,  wo  er  den  eigentlichen 
Boden   bildet   und   ihm  Form  und  Farbe  giebt.     Eine  Fläche  Ton 
der  Größe  des  Deutschen  Reiches  trägt  hier  eine  fast  kontinuierliche 
Lößdecke.    Wir  müssen  indes  die  Frage  offen  lassen,  ob  es  Flachen 
giebt,  die  ausschließlich  äolischer  Aufschüttung  ihre  Entstehung 
verdanken,  wenn  wir  auch  nicht  daran  zweifeln,  daß  der  windbewegte 
Staub  in  trockenen   Gegenden  Mächtigkeit  genug  besitzt,  um   sich 
an  der  Gestaltung  von  Geländeformen  zu  beteiligen.    Am  wenigsten 
wäre   solcher  Zweifel  in  Bezug  auf  die  ausgedehnten   Hochflächen 
Zentralasiens  berechtigt     Doch  bezeichnet  Griesbach^®   Tibet   als 
ein  Faltenländ,    dessen  breite  Mulden  mit  jung-  und   nachtertiären 
Seenablagerungen   (im    Hundts-Plateau   über   600  m  mächtig)    aus- 
gefüllt sind;  und  vom  Tarimbecken  und  der  Wüste  Gobi  wissen  wir, 
daß  hier  seit  dem   Ende   der  Kreideperiode    ein  Meer  flutete,   das 
durch  die  Dsungarei  mit  dem  aral-kaspischen  Meere   in  Verbindung 
stand  und   dann,  als  das  Klima  immer  trockener  wnirde.  der  Ver- 
dunstung anheimfiel.    Hier  bilden  also  marine  Sedimente  die  Unter- 
lage, über  die  sich  atmosphärische  Ablagerungen  ausbreiten.   Auch  in 
den  viele  Kilometer  breiten  Flachmulden  des  westlichen  Hochlandes 
von  Nordamerika  sind  Seengebilde  nachweisbar. 

Peripherische  Flachböden  jugendlichen  Alters.  Wir  haben  bis- 
her nur  die  aufgesetzten  Ebenen  innerhalb  der  Festländer  in  den 
Kreis  unserer  Betrachtung  gezogen,  und  es  entsteht  nun  die  B^^rage, 
ob  jene  jugendlichen  Flachlandsgebilde,  die  an  das  Meer  grenzen, 
auf  gleiche  Vorgänge  sich  zurückführen  lassen.  Wir  antworten: 
ohne  Zweifel  in  einzelnen  Fällen,  wo  solche  Ebenen  buchtenformig 
in  das  Festland  eindringen.  Ein  solches  Senkungsfeld  ist  der  alte 
Po -Golf,  den  Alpen-  und  Apenninenflüsse  mit  ihren  Geröllmassen 
ausfüllten  und  noch  ausfüllen.  Was  nördlich  der  Linie  Pavia-Mantua- 
Verona-Udine  liegt,  ist  diluvial,  was  südlich  davon  liegt,  ist  alluvial. 
Das  chinesische  Tiefland  lehrte  uns  v.  Richthofkn  als  Teil  eines 


Die  Oberflächenformen  der  Flachschichtung. 


447 


ausg^edehnten  Einbruchkessels   kennen,    den    die   Anschwemmungen 
des     Hoangho    in  Land    verwandelten,    und    die    vorderindische 
Ebene,   die  von  Meer  zu  Meer  reicht,  ist  wohl  auch  nur  eine  konti- 
nentale Depression.     Selbst  das  deutsche  Tiefland  scheint  nur  ein 
verdecktes  Schollenland   zu   sein.     Paläozoisches    und   mesozoisches 
Grundgebirge    mit  gestörtem  Schichtenbau   tritt  noch  mehrfach  zu 
Tage,    Rügen  und  Helgoland  sind  ebenfalls  solche  stehengebliebene 
oder    gehobene  Schollen.     In    der  Tertiärzeit   nahm   das  Meer   von 
diesem    Senkungsfelde   Besitz,    seine  Ablagerungen   verwischten   die 
Höhenunterschiede,  wenn  auch  nicht  ganz,  weil  am  Ende  der  Miocän- 
periode   wieder  neue  Störungen   eintraten.     Daraus   erklärt  es  sich, 
daß  selbst  nahe  bei  einander  liegende  Bohrungen  sehr  beträchtliche 
Niveauverschiedenheiten    des   tertiären    Untergrundes   verraten.     Im 
Weich  bilde  Berlins  schwankt  —  wie  man  aus  den  22  Messungen  in 
Wahnschaffes  Zusammenstellung^^  entnehmen  kann  —  die  Mächtig- 
keit   der  Diluvialdecke    zwischen    34   und  126  m,    die   Seehöhe   der 
tertiären  Basis  zwischen   +2  und   —  90  m,   die  Niveauunterschiede 
der  gegenwärtigen  Oberfläche  betragen  an  den  Bohrlöchern  aber  nur 
7  m.      So  sehr  hat  die  Eiszeit  mit  ihren  Ablagerungen,  die  sie  über 
den  Norden  Deutschlands  ausbreitete,  ausgleichend  gewirkt.     Aber 
eine     völlige   Ebene    ist    auch    dadurch    nicht    geschaffen    worden. 
Zwischen  einem  südlichen  Landrücken,  der  sich  von  der  schlesischen 
Platte  über  die  Niederlausitz,  den  Fläming  und  die  Lüneburger  Heide 
nach  Nordwest  erstreckt,  und  der  großen  baltischen  Seenplatte,  die 
zuerst  nach  Südwest  zieht  und  dann   ebenfalls  nach  Nordwest  um- 
biegt,  liegt  eine  breite  von  Längsthälern  durchfurchte  Mulde,  und 
die    äußersten   Höhenunterschiede   betragen   noch   immer    ein   paar 
hundert  Meter,  ^    wenn  auch  Schwellen  und  Mulde  sich  allmählich 
ineinander  verlieren.    Über  die  Ursache  dieses  Bodenbaues  sind  ver- 
schiedene Ansichten  geäußert  worden,  aber  immer  deutlicher  scheint 
hervorzutreten,    daß   sich    darin    unterirdische    Gebirgszüge    wider- 
spiegeln. 

Von   den  Gestaden   des  sibirischen  Eismeeres  zieht  das  Flach- 
land über  die  Obniederung  bis  in  das  Herz  des  asiatisch-europäischen 


>^  Höchste  Punkte 
der  südl.  Landschwelle 
m 
Lüneburger  Heide  170 
Fläming  ...  200 
Niederlausitz  .  .  280 
Tamowitzer  Platte 
(Mesozoisch)      .     400 


Thäler  der  Mulden- 
mitte 

m 
Hamburg      ...      3 

Berlin 37 

Küstrin     ....     13 
Bromberg      ...     37 


Höchste  Punkte  der 
nördl.  Landsch welle 
m 
Holstein       .     .     .     160 
Mecklenburg    .     .     180 
Pommern    (Turm- 
berg)   ....     330 
Preußen        ...     310 


448  Morphologie  des  Landes. 


Kontinentes.     Aber  der  Lauf  der  Gewässer  zeigt  eine  Zweiteilung 
an.    Tobobk  im  Obgebiete  liegt  109  m  über  See,   die  wasserschei- 
dende Eirgisensteppe  steigt  über  800  m  an,  auf  der  anderen  Seite 
liegt  der  Aralsee  48  über,  der  Kaspisee  26  m  unter  dem  Spiegel  de» 
Schwarzen  Meeres.    Das  junge  aral-kaspische  Tiefland  ist  also 
ohne  Zweifel  eine  Landsenke,  und  die  aus  altem  Gestein  bestehenden 
Gebirgszüge,   die   inselartig   aus   den   lockeren   Oberäächengebilden 
auftauchen,  machen  es  wahrscheinlich,  daß  es  eine  aufgesetzte  Ebene 
über  einem  Schollenlande  ist   Ganze  Schwänne  solcher  Gebirgsinseln 
durchziehen  die  Eirgisensteppe;  wir  schließen  daraus^  daß  die  Wasser- 
scheide  durch    eine  Erhebung  des  Untergrundes  vorgezeichnet  i>t. 
Dagegen  fehlen  uns  Anhaltspunkte,  um  die  Verhältnisse  im  sibiri- 
schen Tief  lande  zu  beurteilen.    Der  nördliche  Teil  ist  wahrscheinüch 
erst  in  der  Quartärzeit  aus  dem  Meere  aufgetaucht,  gerade  so  wie 
Nordrußland  (Vgl. 289),  nur  können  wir  im  letztem  Falle  vermuten, 
daß   die  nachglaziale  Transgression  sich  nicht  wesentlich  von  den 
früheren  unterschied,  d.  h.  nur   eine  neue  Flachschicht  den  schon 
vorhandenen    hinzufügte.      Wir   wollen,    um  einen  neutralen   Aus- 
druck zu  wählen,  alle  diejenigen  jugendlichen  peripherischen  Flach- 
böden, die  durch  Anschwemmung  oder  marine  Strandverschiebung 
dem  Lande  zuwuchsen,  und  über  deren  Untergrund  wir  nicht  unter- 
richtet sind,  als  angefügte  Ebenen  bezeichnen.   Wir  finden  solche 
an   den   meisten   Eüsten,   wenn   auch   oft'  nur  auf  einen  schmalen 
Streifen  beschränkt    Die  sanft  zum  Meere  sich  abdachenden  Ebenen, 
die  die  Vereinigten  Staaten  an  der  atlantischen  und  G^lfseite  um- 
säumen, und  von  New  Jersey  bis  Georgia  von  50  auf  300  km  Breite 
anwachsen,  sind  ein  ausgezeichnetes  Beispiel  dieser  Eategorie.  Seit 
der  Ereideperiode  hat  hier  das  Land,  trotz  mannigfacher  Schwank- 
ungen,   eine    stetige   Vergrößerung    erfahren.^*     Nirgends    ist   die 
Form  der  Tieffläche  ausgedehnter  als  in  Südamerika;  sie  erreicht 
1 1  Y2  Mill.  qkm   und  nimmt  */g  des  Eontinents   ein.      Aber  wenn 
auch  das  ganze  Flachland  zusammenhängt,  so  bildet  es  doch  keine 
genetische   Einheit.    Die  Llanos   des  Orinoco   sind  tertiäre  Meeres 
ablagerungen ,    die   in  jeder  Regenzeit  durch  neue  Flußanschwem- 
mungen     erhöht     werden.      Die    Amazonas  -  Ebene    scheint    nach 
den    bisherigen    geologischen   Untersuchungen    ein  äuviatiles  Anf- 
schüttungsgebiet  zu  sein,  eine  kolossale  Deltabildung,  deren  Anfange 
bis  in  die  Eocänperiode  zurückreichen.    In  der  argentinischen  Ebene 
lagert  unter  dem  ca.  1  m  mächtigen  Alluvium  die  sogenannte  Pam- 
pasformation, eine  Mergel-  oder  Lehmschicht  mit  Eesten  von  Land- 
säugetieren, die  ihrem  ganzen  Charakter  nach  dem  Löß  entspricht 
Nach  Santiago  Roth^^  wechseln  äolischer  Löß,  Flußlöß  und  See- 


Die  Oberflflcbenformen  der  Flachschichtung.  449 

mergel  wiederholt  miteinander,  und  umfassen  diese  Bildungen,  die 
man  bisher  für  ausschließlich  quartär  hielt,  den  ganzen  Zeitraum 
Tom  Diluvium  bis  in  das  früheste  Tertiär.  Marine  Ablagerungen 
unter  dem  Löß  wurden  nur  bei  Buenos  Aires  gefunden.  An  ver- 
schiedenen Stellen  tauchen  krystallinische  Gebirgsinseln  aus  den 
jüngeren  Schichten  empor;  möglich,  daß  auch  hier  ein  altes  Schollen- 
land begraben  liegt 

Ergebnis.     Unsere   bisherigen  Erörterungen   ergeben  folgendes 
genetische  System  der  Flachländer: 

I.   Ursprüngliche   Ebenen   oder  Schichtungstafelländer 
(Hoch-  und  Tiefflächen). 

II.   Aufgesetzte  Ebenen: 

1.  Übergußtafeln. 

2.  Locker  geschichtete  Flächen. 

a)  Landsenken  (Hoch-  und  Tiefland). 

a)   Landsenken  im  Schollenlande, 
ß)   Landsenken  im  Faltenlande. 

b)  Peripherische  Tiefländer. 

ä)   Buchtenländer, 
ß)   Angefügte  Ebenen. 

Natürlich  ist  dieses  System  noch  einer  weiteren  Gliederung 
fähig  —  so  z.  B.  die  Kategorie  der  aufgesetzten  Ebenen  nach  der 
Art  der  Aufschüttung  — ,  aber  uns  kommt  es  nur  darauf  an,  einige 
Haupttypen  herauszugreifen  und  diese  systematisch  aneinander  zu 
reihen.  Einteilungen,  die  sich  zu  weit  in  Einzelheiten  verlieren, 
erschweren  die  Übersicht,  statt  sie  zu  erleichtern. 

Umformung  durch  Denudation.  Überall,  wo  das  fließende  Wasser 
größere  Kjraft  erlangt,  wird  das  flachgeschichtete  Land  von  Thälern 
durchschnitten.  Die  Wasserkraft  hängt  bekanntlich  vom  Gefälle  und 
von  der  Wassermenge  ab;  Siebenbürgen  und  die  niederungarische 
Ebene  mögen  uns  den  .Einfluß  des  erstgenannten  Faktors  vor  Augen 
führen.  Zwei  meridionale  Flüsse  durchziehen  Niederungam:  die 
Donau  senkt  sich  von  103  m  (bei  Budapest)  auf  83  m  (bei  Vukovar), 
die  Theiß  von  113  m  (bei  Tokaj)  auf  79  m  (bei  Semlin);  das  Gefälle 
ist  bei  beiden  ungefähr  das  gleiche:  1 :  12  000,  wenn  man  von  den 
Krümmungen  absieht  Zwischen  Donau  und  Theiß  erhebt  sich  die 
diluviale  Kumaniersch welle  durchschnittlich  30 — 40  m  über  die  allu- 
vialen Thalflächen ;  nur  im  Westen  wird  sie  von  einem  Steilrande,  ofi'en- 
bar  dem  alte  Donauufer  begrenzt;  gegen  die  Theiß  hin  senkt  sie  sich  un- 
merkhch.   Ebenso  unmerklich  steigt  das  Gelände  von  der  Theiß  nach 

SüPAif,  PhTBuche  Erdkunde.    2.  Aufl.  29 


450  Morphologie  des  Landes. 


Siebenbürgen  hin  um  20  bis  30  m.  Niveauunterschiede  sind  ako 
natürlich  vorhanden,  aber  nur  an  wenigen  Stellen  werden  sie  dem 
Auge  wahrnehmbar,  sonst  empfängt  der  Beschauer  überall  den  Ein- 
druck einer  horizontalen  Ebene.  Anders  in  Siebenbürgen.  Das 
Innere  ist  mit  flachgelagerten  Sauden,  lockeren  Sandsteinen  und 
Mergel  der  jüngeren  Tertiärformation  erfüllt;  hier,  wie  im  ungari- 
schen Tieflande  ist  der  Straßenbau  durch  den  Mangel  an  festen 
Steinen  gehemmt  Szamos  und  Marcs,  die  nach  Ungarn  entweichen, 
erreichen  aber  ein  Gefälle  von  etwa  1 :  800,  bezw.  1 :  1100,  und  dem 
entsprechen  Thaltiefen  von  200  m  und  darüber.  Die  Ausfüllungs- 
masse ist  in  eine  Reihe  von  Höhenzügen  zerschnitten,  nichts  erinnert 
mehr  an  das  ursprüngliche,  nach  Westen  sich  senkende  Flachland, 
als  die  nach  dieser  Richtung  ziemlich  regelmäßig  abnehmende  See- 
höhe der  Berge. 

Maßgebend  für  den  Grad  der  Erosionskraft  ist  aber  nicht  die 
Seehöhe  eines  Flachlandes,  sondern  die  Höhe  über  der  Erosions- 
basis. Die  Thäler  der  Szamos  imd  Marcs  können  nicht  tiefer  werden, 
als  das  Theißthal,  und  die  Tieferlegung  des  letzteren  hängt  ab  von 
der  Ausgestaltung  des  engen  Durchbruchsthaies  von  Orsova,  das  bei 
Hochwasser  die  Theiß  oft  genug  staut  und  Überschwemmungen  ver- 
ursacht Für  Gebiete  mit  Abfluß  ist  freilich  in  letzter  Instanz  der 
Meeresspiegel  die  Erosionsbasis,  die,  wenn  auch  nicht  jetzt,  doch  in 
Zukunft  einmal  zur  Geltung  kommen  muß.  Tiefländer  sind  daher 
in  der  Regel  weniger  durchfurcht,  einförmiger,  ungegliederter  als 
Hochflächen.  Aber  abflußlose  Hochflächen  sind  es  nicht  minder. 
Es  ist  ganz  gleichgültig,  daß  der  Westrand  des  Tarimbeckens  in 
Kaschgar  und  Jarkand  1200  m  über  dem  Meere  liegt,  denn  seine 
Erosionsbasis,  der  Lob-nor,  hat  selbst  eine  Seehöhe  von  800  m,  und 
für  das  Gefälle  kommt  nur  die  Höhendifferenz  von  400  m  in  Be- 
tracht Freilich  entscheidender  ist  noch,  daß  es  an  Wasser  selbst 
mangelt  Nur  unter  besonders  günstigen  Verhältnissen  überwindet 
ein  Fluß  die  Gefahren  der  Wüste,  wie  der  Nil,  dessen  Thal  die 
ganze  Saharatafel  entzwei  schneidet  Auch  stammt  in  der  Wüste  noch 
manches  Thal  aus  der  früheren,  feuchteren  Klimaperiode,  das  nun 
der  Umformung  durch  den  Wind  unterliegt,  bald  weiter  ausgearbeitet 
bald  mit  Sand  verschüttet  wird. 

Welche  Formen  die  Denudationskraft  des  Wassers  schließlich 
erzeugt,  hängt  von  der  Gesteinsbeschaffenheit  der  Hochflächen,  von 
dem  Neigungswinkel  der  Schichten,  von  der  Zahl  der  Thäler,  von 
der  Dauer  der  Erosionsarbeit  ab.  Bis  zu  200  m  tiefe  Thäler,  von 
denen  einige  jetzt  trocken  liegen,  durchfurchen  den  schwäbischen 
Teil  der  oberdeutschen  Hochebene,  aber  die  breiten  Zwischenstücke 


Die  Oberflächenformen  der  Flachschichtung. 


451 


haben  ihren  ursprünglichen  Charakter  gewahrt  (Fig.  142).  So  ge- 
waltig sich  auch  die  Denudation  im  Tafellande  des  Colorado  ent- 
faltet hat  —  so  gewaltig,  daß  durchschnittlich  16 — 1800  m  mächtige 
Deckschichten  bis   auf  wenige  Reste   verschwunden   sind  — ,  so  ist 


Fig.  142.     Profil  eines  Teiles  der  schwäbischen  Hochebene  nach  Penck. 
1  Tertiär,  2  diluviale  Nageifluh,  3  unterer  Glazialschotter,  4  Moränen. 

es  doch  noch  immer  eine  geschlossene  Masse.  Wir  haben  seiner 
Canons  schon  gedacht;  es  sind  deren  verhältnismäßig  wenige,  weil 
das  Klima  an  Trockenheit  leidet,  aber  die  wenigen  lassen  an  Groß- 
artigkeit alle  ähnlichen  Bildungen  der  Erde  weit  hinter  sich  zurück. 


Fig.  143.     SeitencanoDS  des  Colorado. 

Je  nach  der  Widerstandskraft  der  Schichten  sind  sie  in  ü-  oder 
V-Form  bis  zu  2000  m  Tiefe  in  das  Tafelland  eingeschnitten.  Sind 
die  oberen  Schichten  härter  als  die  unteren,  so  entstehen  steilwan- 
dige Schluchten,  die  im  Vergleiche  zur  Ausdehnung  des  Plateaus  nur 
als  unbedeutende  Risse  erscheinen  (s.Fig.  119  S.  289),  während  im  um- 

29* 


452 


Morphologie  des  Landes. 


gekehrten  Falle  die  Gehänge  sich  sanfter  und  meist  stufenförmig 
abdachen.  Manchmal  bestehen  die  Canons  aus  zwei  Stockwerken, 
im  Großen  Canon  ist  das  obere  8 — 9000  m  breit  und  600  m  tief  und 
endet  unten  mit  einer  rauhen  Fläche,  in  die  sich  das  schmale  untere 
Thal,  nur  1000—1200  m  breit,  900  m  tief  einsenkt  (vgl.  Fig.  151 
S.  459).   Ein  bekanntes  europäisches  Canongebiet  ist  die  Sächsische 


Fig.  144.     Aussicht  auf  JLößschluchten  durch  eine  ÖffnuDg  in  der  Wand  eines  Hohl- 
weges am  Paß  Han-sin-ling  in  Schansi  nach  v.  Richthofen. 

Schweiz,  wo  die  Durchlässigkeit  und  vertikale  Zerklüftung  des  Qua- 
dersandsteines die  Erhaltung  der  mauergleichen  Felswände  fordert. 
Selbst  der  lockere  Löß  eignet  sich  infolge  seiner  Neigung  zu  senk- 
rechter Spaltung  zu  dieser  Thalform.  Ein  labyrinthartiges  System 
von  Thälern  durchschneidet  die  chinesischen  Lößplateaus  nach  allen 
Richtungen;  die  Wände  sind  senkrecht  oder  sogar  tiberhängend, 
und   verlaufen    dort,   wo   horizontale  Lager  von  Mergelknollen  eine 


Die  Oberflächenformen  der  Flachschichtung. 


453 


scheinbare  Schichtung  hervorrufen,  in  regelmäßig  zugehackten  Ter- 
rassen (Fig.  144),  ja  einzelne  Pfeiler  lösen  sich  von  den  Lößmassen 
völlig  los.  Auch  der  Wind  schafft  Hohlwege  entlang  den  Verkehrs- 
'wregen,  wo  Karrenräder  oder  der  Huf  der  Tiere  den  Boden  ge- 
lockert hat  So  geht  aus  der  monotonen  Hochfläche  abflußloser 
Gebiete,  sobald  mit  einer  Kliraaänderung  das  fließende  Wasser  seine 
Tbsttigkeit  zu  entfalten  beginnt,  eine  Landschaft  hervor,  in  der  sich 
die    größte  Einförmigkeit,   die,  im  Baumateriale   begründet   ist,   mit 

einer  „endlosen  Mannigfaltigkeit  der  Ciselierung"  verbindet. 

Sind  die  Thäler  zahlreich  im  Verhältnisse  zur  Ausdehnung  der 

Fl&che,  so  schrumpfen  die  Zwischenstücke  zu  schmalen  Rippen,  oder 

vereinzelten  Erhebungsmassen  zusammen;  die  zerschnittene  Fläche 

hat  sich  in  ein  Erosions gebirge  aufgelöst. 


Fig.  145.     Ambas  in  Abessioien. 

In  lockeren  Ausfiillungsmassen  flachen  sich  die  Böschungen 
der  Berge  und  Bergzüge  ab;  im  Neogenbecken  Siebenbürgens  nehmen 
sie  stellenweise  eine  kammartige  Gestalt  an,  und  gerade  dadurch 
ist  die  ursprüngliche  Oberflächenform  völlig  verwischt  worden. 

Anders  im  Tafellande.  Mit  steilen,  oft;  stufenförmig  sich  auf- 
bauenden Abhängen  erheben  sich  über  dasselbe  Tafelberge  oder 
umfangreichere  Plateaus,  oben  flach  abgeschnitten.  In  der  Regel 
ist  die  oberste  Schicht  veiderstandsfähiger,  als  die  darunter  liegende. 
Auf  der  Ereidetafel  Südaustraliens  sind  sie  stets  mit  einem  gelben 
Feuerstein-Jaspisgestein  oder  mit  einem  harten  porzellanähnlichen 
Sandstein  und  Quarzit  gekrönt.^*  Quarzitischer  Sandstein  deckt  in 
Südafrika  die  Tafelberge  der  Kapformation,  Diabas  die  der  Karru- 
formation.  Gesellig  treten  sie  hier  z.  B.  in  den  bogenförmig  ange- 
ordneten Karree-  und  Prambergen  südlich  vom  Oranje  auf.  Kluft- 
artige Thäler  scheiden  diese  Hunderte  von  Bergen,  deren  Gipfel 
ohne  Ausnahme  ca.  300  m  über  der  Hochebene  liegen  und  deren 
Abhänge  mit  kolossalen  Trümmern  herabgestürzter  Gesteinsmassen 
bedeckt  sind.    Lavadecken  schützen  besonders  häufig  die  Tafelberge, 


454  Morphologie  des  Landes. 


SO  in  Arabien,  so  die  Ambas  Abessiniens  (s.  Fig.  145),  die  Mesas  (Tische"; 
des  Coloradoplateans  (Fig.  151  S.  459).  Hier  ist  die  Auflösung  durch 
Denudation  stellenweise  außerordentlich  weit  fortgeschritten,  beson- 
ders im  Gebiete  der  leicht  zerstörbaren  eocänen  Sandsteine  und 
Mergel,  wo  das  Seltsame  jener  phantastisch  ruinenhaften  OberÖächen- 
gestaltung,  die  unter  dem  Namen  der  ,,bad  land  erosion*'  berahmt 
geworden  ist,  noch  durch  die  lebhaften,  häufig  wechselnden  Gesteins- 
farben erhöht  wird.^^ 

Die  Tafelberge  stellen  ein  altes  Niveau  des  Tafellandes  dar, 
und  in  diesem  Sinne  hat  man  sie  auch  „Zeugen"  genannt.  Die 
Steilabhänge  sind  entweder  vertikale  Eluftäächen,  wie  im  Elbsand- 
steingebirge  der  Sächsischen  Schweiz,  oder  sie  sind  dadurch  ent- 
standen, daß  die  Zerstörung  durch  die  Atmosphärilien  oder  durch 
die  Insolation  und  den  Wind  in  der  weichen  Unterschicht  weiter 
nach  innen  fortschreitet,  als  in  der  harten  Oberschicht,  und  daß 
diese  dann  über  der  Hohlkehle  nachbricht  Bedingung  ist  nur,  daß 
die  Unterschicht  allseitig  entblößt  wird,  und  dies  kann  durch  Thal- 
bildung oder  Zerklüftung  bewirkt  werden. 

Größere  Schwierigkeiten  bietet  die  Erklärung  jener  Land- 
stufen,  die  wir  als  Denudationsstufen  bezeichnen  wollen.  Ein 
lehrreiches  Beispiel  ist  die  Schwäbische  Alb,  und  sie  ist  doppelt 
lehrreich  durch  die  Untersuchungen  Beancos^®  geworden. 


UTÄTertüir    ^^J/abn     JS^ße^fff^    ^^tas        ^^7>%au 

Fig.  146.     Die  Schwäbische  Alb. 
Maßstab  der  Länge  1:1000000,  der  Höhe  1:100000. 

Von  dem  Donauthale  in  der  oberdeutschen  Hochebene  erhebt 
sich  das  Plateau  der  Schwäbischen  Alb  ganz  allmählich  um  etwa 
300  m  und  stürzt  im  Norden  steil  4 — 500  m  zu  den  welligen  Flächen 
des  Neckarlandes  ab,  wo  sich  über  triassische  Ablagerungen  eine 
leichte  Decke  von  Lias  ausbreitet  (Fig.  146).  Über  dem  Lias  folgt  an 
den  Abhängen  der  Alb  der  Braune  Jura  (Dogger),  ebenso  wie  der 
erstere  vorwiegend  aus  thonigen  und  mergeligen  Gebilden  bestehend, 
dann,  mit  einer  Steilmauer  endend,  der  massige  Kalkstein  des 
Weißen  Jura  oder  Malm.  Die  Schichten  neigen  sich  leise  nach 
Süden.  Gegen  das  Tertiär  der  oberdeutschen  Hochebene  grenzt  sie 
eine  Verwerfung  ab,   im   Norden   ist  aber   nirgends   ein   Bnich  be- 


Die  Oberflächenformen  der  Flachschichtung.  455 

merkbar.     Daß  hier  die  Alb  einst  weiter  in  das  Neckarland  hinein- 
reictte  und   durch  Denudation   nach  Süden   gedrängt   wurde,   war 
schon  lange  Überzeugung,   aber   ein   positiver  Beweis  wurde   dafür 
erst  von  Branco  gefunden.    Die  Tuffgänge  der  miocänen  Maare  ent- 
halten,  wie  wir  auf  schon  S.  299  auseinander  gesetzt   haben,   eine 
Samnalung  aller  durchbrochenen  Gesteine;  Dogger  und  Malm  kommen 
selhstverständlich  in  den  Tuffgängen  der  Alb  vor,   aber   sie   fehlen 
ebensowenig   im  Vorlande,   wo   sie   nicht   mehr  anstehen;   und   ein 
Transport  von  fernher  erscheint  nach  dem  ganzen  Sachverhalte  als 
ausgeschlossen.     Auch  das  nördlichste  Tuffmaar,   bei  Schamhausen 
im  Kerschthale  gelegen  {Ein  Fig.  146),  macht  von  dieser  allgemeinen 
Regel  keine  Ausnahme;  der  Steilrand  der  Alb  muß  also  in  der  Miocän- 
zeit  wenigstens  in  der  Gegend  von  Stuttgart  (if  in  Fig.  146)  gelegen 
haben,  imd  hat  sich  seitdem  um  etwa  23km  zurückgezogen:  eine  sehr  be- 
scheidene Leistung  der  Denudation,  wenn  man  die  ungeheuere  Länge  der 
Zeit  in  Betracht  zieht  Daß  der  isolierte  Jurafetzen  von  Langenbrücken 
im  Hheinthale,  den  eine  Versenkung  vor  Denudation  geschützt  hat,  einst 
mit  der  Alb  zusammenhing,  ist  nun  keine  waghalsige  Vermutung  mehr. 
Die  Steilwand  der  Alb  ist  keine  Thalwand,   sie  steht  mit  der 
Bildung  des  Neckarthaies  in  keinem  unmittelbaren  Zusammenhange, 
denn  sie  setzt  sich  nach  Nordost  fort,   während   der   Neckar   nach 
Nordwest   umbiegt     Wie    alle    Denudationsstufen    schneidet    sie 
den  Lauf  der  Flüsse  senkrecht   oder   unter   einem   spitzen 
Winkel.     Die   Entstehungs weise   ist   dieselbe,   wie   bei   den   Tafel- 
bergen:   Auswaschung  der  weichen  Unterschicht  und  Abbröckelung 
der  harten  Oberschicht     Auf  Karten  größeren  Maßstabes  erscheint 
der  Steilrand  keineswegs  als  eine  gerade  verlaufende  Mauer,  sondern 
zerfranst    Zwischen  den  Thälem,  die  von  der  Alb  ausgehen,  springen 
Gebirgssporen  halbinselartig  vor,   manchmal   breit  und  abgerundet, 
manchmal    schmal   und    spitz    zulaufend.     Nun   kann   die   Erosion 
diese  gefährdeten  Vorposten  auch  von  rückwärts   angreifen;   Thal- 
einschnitte trennen  sie  vom  Mutterkörper  ab,  der  Gebirgsvorsprung 
wird  ein  Tafelberg,  und  schutzlos  preisgegeben  verfällt  dieser  nun 
den  allseitig  eindringenden  zerstörenden  Kräften.     Wie  ein  solcher 
Steilrand   immer  weiter   zurückweicht,   läßt   sich   beobachten,   aber 
seine  ersten  Anfänge  sind  noch  rätselhaft. 

Das  nordfranzösische  Tiefland  ist  ein  flachesBecken,  in  dessen 
Mitte,  bei  Paris,  die  vom  Nord-,  West-  und  Südwest-Eande  kommenden 
Flüsse  sich  vereinigen.  Vom  Osten  kommend,  überschreiten  wir  im 
jurassischen  Argonnenwalde  die  Wasserscheide  zwischen  Maas  und 
Seine.  Nun  folgt  die  Kreideüäche  der  Champagne,  die  sich  mit 
einem  halbmondförmigen  Steilrande  von  Laroche  über  Vitry-le-frangois, 


456  Morphologie  des  Landes. 


Ste.  Menehould  bis  nach  Rethel  scharf  von  der  Jura-Unterlage  abhebt 
und  sanft  nach  Westen  senkt  Noch  schärfer  ist  die  Grrenze 
zwischen  der  Kreide  und  dem  Tertiär  der  Beckenmitte;  diese  Land- 
stufe,  die  sich  von  Monterau  über  Epemay  nach  Laon  erstreckt, 
steigt  140  bis  gegen  200  m  über  die  sie  durchbrechenden  Flüsse  an. 
Paris  liegt  26  m  über  dem  Meere;  im  Westen  erhebt  sich  die  Kreide- 
tafel der  Normandie  wieder  über  200  m. 

Zweierlei  ist  klar:  1)  der  Lauf  der  Flüsse  ist  durch  die  Becken- 
form bedingt,  ihre  Thäler  sind  reine  erosive  Abdachungsthäler; 
2)  zur  Zeit,  als  die  Thalbildung  begann,  muß  die  Oberflächen- 
gestaltung eine  andere  gewesen  sein.  Die  Landstufen  müssen  jünger 
sein,  als  die  sie  durchbrechenden  Flüsse.  Das  Zurückweichen  der 
Tertiärstufe  ist  übrigens  erwiesen  durch  ihre  zahlreichen  Reste«  die 
dem  Kreideringe  im  Osten  und  besonders  im  Westen  auflagem. 

Durch  ebenso  reizvolle  Abwechslung  zeichnet  sich  das  englische 
Tiefland  aus.  Mit  wenigen  Ausnahmen  sind  hier  die  Lagerungsver- 
hältnisse der  Schichten  von  der  Triasformation  angefangen  ungestört 
(Fig.  147).  In  westöstlicher  Richtung  folgen  aufeinander:  das  aus  pri- 
mären Gesteinen  bestehende  Gebirge,  die  aus  Trias  und  Lias  zusammen- 
gesetzten Ebenen,  welche  vom  Sevem  und  Mersey  einerseits,  Trent  und 

Berglana  von    Walca  Tiefla^id 

(SIIur-und.alter  roter  SazulBtein.) 
^Äs^  Trla»-u.IlM         Jura  Ir<ia.c  Xoci-n 

Fig.  147.     Geologisches  Profil  von  England  nach  Ramsay. 

Ouse  andererseits  bewässert  werden;  dann  das  Juraplateau,  das  sich  von 
den  Cotswold  Hills  über  das  sog.  zentrale  Tafelland  und  die  Lincoln- 
Höhen  nach  Norden  erstrekt;  endlich  das  winkelförmig  nach  Osten 
geöflEnete  Kreideplateau  (Marlborough-  und  Chiltemhügel,  die  ostangli- 
kanischen Höhen,  die  Lincoln  und  York  Wolds),  welches  das  Eocän- 
becken  von  London  einschließt  Beide  Plateaus,  die  steil  nach  Westen 
und  sanft  nach  Osten  abfallen,  hielten  nur  wegen  der  Festigkeit  ihres 
Materials  der  Denudation  Stand,  wenn  auch  nicht  ganz.  Denn  einst  be- 
deckten Jura  und  Kreide  auch  die  Trias  im  Westen,  wo  sie  aber  bis  auf 
wenige  Überreste  verschwunden  sind;  ihre  westlichen  Steilränder 
sind  lediglich  ein  Produkt  der  zerstörenden  Kräfte.  Auf  diese  Weise 
erklärt  sich  nach  Ramsay  ^^  auch  die  Thalbildung  der  Themse,  deren 
Quellgebiet  niedriger  liegt,  als  das  Kreideplateau,  das  sie  durchbricht 
Die  Erosion  begann  oflFenbar  schon  damals,  als  die  Kreide  noch  bis 
an  den  Ursprung  dieses  Flusses  hinaufreichte.  Aber  gelöst  ist  das 
Rätsel  der  Stufenbildung  damit  noch  nicht  Die  Richtung  des 
Flusses  war  durch  die  Neigung  der  Schichten   bedingt,   aber   hätte 


Die  Oberflfichenformen  der  Flachschichten.  457 

die  ursprüngliche  Oberfläche  dieselbe  Neigung  besessen,  warum  kam 
nicht  ein  einfaches  tiefes  Thal  statt  eines  Stufenbaues  zu  stände? 
Wir  müssen  daher  mit  No£  und  de  Maegeeie^®  von  der  aller- 
dings  nicht  weiter  zu  erklärenden  Annahme  ausgehen,  daß  die  ur- 
sprüngliche Oberfläche  sanfter  sich  neigte  als  die  Schich- 
ten (Fig.  148).  Nun  streichen  ab- 
wechselnd harte  und  weiche  Schichten 
aus,  die  weichen  Zonen  werden  rascher 
zerstört  als  die  harten,  die  Ungleich-  ^g- 148.  EntetehuDgder  LaDdstufen. 
,..      ..  -^  ,  «li     «7  weiche  Schichten,    ab  cd  ursprüng- 

lieit    ist    gescnafien    und    nun   weicht        uche  Oberfläche,  abeefd  jetzige 
die  Stufe,  immer  höher  werdend,   in  Oberfläche. 

der  Fallrichtung  der  Schichten  zurück. 

ISine  weitere  Bedingung  ist  nur,  daß  der  Fluß  sein  Thal  in 
schnellerem  Tempo  vertieft  als  die  Stufenbildung  fortschreitet,  da  er 
sonst  abgelenkt  würde. 

Eine  der  großartigsten  Denudationsstufen  der  Erde,  die  Nieu- 
weveld-,  Schnee-  und  Drakenberge,  grenzt  die  große  Karru  von  den 
inneren  Hochflächen  Südafrikas  ab.  Die  wenig  widerstandsfähigen 
Beauford-Schieferthone  und  Stormberg- Sandsteine  werden  durch 
Diabasdecken  geschützt,  wie  die  Tafelberge  im  Innern.^®  Hier  wird 
besonders  deutlich,  daß  Landstufen  und  Tafelberge  aus  demselben 
Denudationsprozesse  hervorgehen. 

Umformung  durch  Bruch.  Aber  nicht  alle  Landstufen  haben 
den  gleichen  Ursprung;  den  Denudationsstufen  müssen  wir  Bruch- 
stufen  gegenüber  stellen.  Eine  solche  ist  der  Ostrand  der  abessi- 
nischen  Tafel,  die  sich  nach  Aubbts^®  Forschungen  aus  Triassand- 
steinen.  Jurakalken  und  gewaltigen  vulkanischen  Auswurfsmassen 
über  dem  niederen  DanakiUande  ein  paar  tausend  Meter  hoch  auf- 
baut. Wir  haben  dieses  Bruches  schon  gedacht  als  eines  Gliedes 
jener  Grabenversenkungen,  die  sich  von  Syrien  bis  zum  Njassa  er- 
strecken (S.  314).  Manchmal  geht  der  Bruch  in  eine  Flexur  über; 
das  Eibsandsteingebirge  bricht  gegen  das  krystallinische  Gebirge  der 
Lausitz  mit  einer  Verwerfungsspalte  ab,  während  es  im  Süden  mit  einer 
Schichtenneigung  von  20°  unter  das  böhmische  Mittelgebirge  sich 
senkt.  Eine  mächtige  Flexurstufe  ist  das  Nankou-Gebirge,  das  die 
Tiefebene  von  Peking  im  Nordwesten  abschließt  (Fig.  149),  und  solcher 
Beispiele  finden  sich  noch  viele  in  v.  Richthofens  klassischem  China- 
werke. Manchmal  löst  sich  die  Senkung  in  Staflfelbrüche  auf;  in  dem 
Karbonplateau  von  Süd-Schansi  zählt  man  deren  vom  Rande  des 
Tieflandes  bis  Ping-ting-tschou  nicht  weniger  als  neun,  die  ebenso 
vielen  Landstufen  entsprechen;  die  Schichten  neigen  sich  etwas  gegen 
das  Plateau,   so  daß  am  Rande  jeder  Stufe  der  Eohlenkalk  unter 


458 


Morphologie  des  Landes. 


Kaukou 


F^  gjalks/aivf  der  Sväschen  Formation, 


Fig.  149.     Nankou-Gebirge  in  Nordchina 
nach  V.  Richthofbn. 


der  produktiven  Steinkohlenformation,  die  sonst  die  Oberfläche  bildet, 
zu  tage  tritt.*^  Auch  unser  Erdteil  bietet  eine  Fülle  von  Beispielen 
ähnlicher  Art,  wenn  auch  in  bescheidenerem  Maßstäbe;  man  erinnere 

sich  nur  an  die  Steilaln 
stürze,  welche  die  Xoni- 
hälfte  des  oberrheinischen 
Grabenbruches  begleiten. 
Wohl  kaum  ist  aber  irgend- 
wo ein  frischer  Bruchrainl 
zu  beobachten,  stets  hat 
er  durch  die  nie  rastende  Denudation  Veränderungen  erütteu, 
und  oft  können  nur  genauere  geologische  Untersuchungen  eot- 
scheiden,  ob  man  es  mit  einer  Denudations-  oder  einer  Bnichstufe 
zu  thun  hat 

Allein  Verwerfungen  beschränken  sich  nicht  auf  die  Rander 
flachgeschichteter  Teile  der  Erdkruste,  sie  greifen  auch  in  das 
Innere  ein  und  können  große  Partien  der  Flachländer  in  Schollen 
zerlegen.  Selbst  aufgesetzten  Ebenen  bleibt  dieser  Umformungs- 
prozeß nicht  fremd.  Stufenförmig  bricht  das  Wiener  Becken  nach 
dem  Innern  ab,  aber  der  orographische  Charakter  erlitt  dadurch 
keine  wesentliche  Veränderung,  weil  die  Denudation  in  lockeren 
Massen  die  Niveauunterschiede  leicht  verwischt.    Nur  die  Anordnung 


Fig.  150.     Profil  des  Wiener  Beckens  (Westhälfte)  nach  Karrbr. 
a  Marine,  6  sarmatische,  c  Kongerienstufe  der  Neogenformation  (T^pel,  Sand  u.  Schotter. - 

der  Schichten  wurde  insofern  beeinflußt,  als  nun  vom  Rande  gegen 
das  Innere  des  Beckens  immer  jüngere  Bildungen  aufeinander  folgen 
(Fig.  150).  Anders  verhält  es  sich  aber  im  Tafellande.  Auch  in 
diesem  Punkte  mögen  uns  die  amerikanischen  Geologen  wieder  als 
Ftihrer  dienen  (Fig.  151).  Die  unterste  Scholle  im  Coloradoplateau 
entlang  dem  Großen  Canon,  das  uns  alle  Geheimnisse  der  Tiefe 
aufschließt,   ist  die  des  Grand  Wash,   die  durch  die  gleichnamige 


Die  Oberflächenformen  der  Flachschichtung.  459 

Spalte  im  Osten  (OTT  in  Fig.  151)  begrenzt  wird.  Hier  hat  eine 
Versenkung  von  1800  —  2100  m  Sprunghöhe  stattgefunden;  die 
Denudation  hat  diese  DiflFerenz  gemildert,  aber  noch  immer  muß 
man  1000  m  steigen,  um  auf  das  Sheavwits- Plateau  zu  gelangen 
(1600  m  ü.  M.).  Hier  herrscht  schon  der  mächtige,  widerstands- 
fähige Kohlenkalkstein.  Eeste  der  permischen  Schiefer  haben  sich 
nur  erhalten,  wo  Lavaeinlagerungen  sie  schützten;  ein  paar  aus- 
gedehnte Plateaus  erheben  sich  bis  2100  m.  Nun  folgt  die  Hurri- 
cane-Spalte  (H)  mit  leiser  Flexurbeugung,  und  abermals  steigen  wir 
eine  Stufe  empor,  zum  Uinkaretplateau  (2100  m],  das  den  2700  m 
hohen  Tafelberg  Mt  Trumbull  {Tb)  trägt     Die  Toroweap-Spalte  (7^) 


^.B,   ^  Sheopmts 
GWastL 


H  f  Meeras  NivBau 

Lauf  des  Colorcudo 


Fig.  151. 

Profil  des  Colorado-Plateaus  im  Parallel  des  Großen  Canon,  nach  DüTTON  reduziert. 

Maßstab  der  Länge  1:2000000,  der  Höhe  1:400000. 

macht  sich  orographisch  nicht  sehr  bemerkbar;  das  Kanabplateau, 
die  umfangreichste  aller  Schollen  dieses  Profils,  verharrt  ebenfalls 
in  Seehöhen  von  1800 — 2100  m.  Der  Anstieg  nach  Westen  ist  aber 
unverkennbar,  besonders  in  der  vorkarbonischen  Unterlage,  die  der 
Kanab-Canon  {K.  C.)  bereits  erreicht.  Nun  folgt  die  höchste  Scholle, 
das  Kaibabplateau  (2700  m),  nach  Westen  durch  zwei  Brüche  (West- 
Kaibab-Spalte  —  W,K.  —  1  u.  2)  vom  Kanab  geschieden,  nach  Osten 
in  einer  sanften  Flexur  (0.  Ä.)^  zur  Marble  Canon-Platte  (1500  m) 
sich  senkend.  Noch  einmal  beugen  sich  die  Karbonschichten  in  die 
Tiefe,  und  über  ihnen  erscheinen  nun  Perm  und  die  mesozoischen 
Formationen  bis  zur  Kreide,  die  vom  ganzen  Osten  bis  auf  die  ge- 
nannten Permreste  abgeschwemmt  sind.  Die  Echo  CliflFs  (2300  m) 
sind  eine  Denudationsstufe. 

Alle  diese  tektonischen  Veränderungen  müssen  sich  vollzogen 
haben,  als  die  Coloradotafel  schon  Land  war  und  der  Coloradofluß 
sein  herrliches  Thal  schon  zu  vertiefen  begann,  denn  unbekümmert 
setzt  er  seinen  Weg  fort,  wenn  auch  die  Schollenbewegung  seiner 
Laufrichtung  widerspricht 

Li  diesem  Teile  des  Tafellandes  sehen  wir  eine  sanft;  sich  neigende 


X   Man   beachte,    daß   in  Fig.  151  wegen  der  4  fachen  Überhöhung  alle 
Neigungen  übertrieben  sind! 


460  Morphologie  des  Landes. 


Ebene  durch  vertikale  Niveauveränderungen  der  Schollen  in  ein 
Stufenland  verwandelt  Aber  noch  ist  im  großen  und  ganzen  der 
Charakter  der  Fläche  gewahrt  Auch  dieser  kann  verschwinden. 
Um  das  darzulegen^  folgen  wir  zunächst  Russell,^*  dem  wir  einen 
lehrreichen  Bericht  über  die  geologischen  Verhältnisse  von  Süd-Oregon 
verdanken. 

Das  „Große  Becken"  zwischen  dem  Felsengebirge  und  der  Sierra 
Nevada  ist  ein  echtes  Schollenland,  aber  die  Südhälfte  ist,  wie  wir 
später  sehen  werden,  doch  von  wesentlich  anderer  Beschaffenheit^ 
als  die  nördliche.  Hier  breiten  sich  die  großen  vulkanischen  Tafeln 
aus  Basalten,  Ehyolithen  und  deren  Tuffen  aus,  und  diese  sind  durch 

Malheur        ^  _  Stein  ^     . 

Bassin.  ^    '  jSJSS^  ^^'  KU  "^     ^"TS 


Fig.  152.    Profile  ans  dem  südöstlichen   Oregon  nach  RüSSEix. 

a  Mittleres  Alvordthal,  h  nördliches  Alvordthal. 

1  Vulkanische  Ablagerungen,  2  moderne  AusfuUungsmassen. 

spätere  Dislokationen  vielfach  zerstückelt  worden.  Fig.  152  a  stellt 
uns  den  Bau  im  mittleren  Älvordthale  (42  7,  «N.,  118  V/ W.)  ^^ 
Es  ist  ein  einfacher  Grabenbruch,  ausgefüllt  von  Ablagerungen 
eines  einst  viel  größeren  Sees;  das  Steingebirge,  das  sich  zu  der 
ansehnlichen  Höhe  von  14 — 1500  m  über  der  Thalsohle  erhebt,  ist 
eine  einfache  Bruchstufe,  die  nur  an  der  Ostseite  als  Gebirge  er- 
scheint, während  sich  nach  Westen  die  Schichten  ganz  allmählich  neigen. 
Die  entgegengesetzte  Neigung  herrscht  an  der  Ostseite  des  Grabens.  Am 
nördlichen  Ende  des  Alvordthales  (Fig.  1526)  werden  die  tektonischen 
Verhältnisse  aber  verwickelter.  Die  Bruchstufe  der  Stein  Mountains 
ist  zwar  noch  vorhanden^  aber  innerhalb  des  Grabens  liegen  noch 
zwei  SchoUen  mit  steiler  Schichtenneigung  nach  Westen  {Km  Fig,  152ft), 
die  wir  als  Keilschollen  bezeichnen  woUen,  und  am  Ostrande  löst 
sich  von  der  Tafel  des  Barren  Valley  eine  andere  Scholle  los  (7  in 
Fig.  1526),  die  ihre  Flachschichtung  noch  bewahrt  hat,  aber  beider- 
seits als  Berg  über  die  Umgebung  sich  erhebt  Das  ist  eine  Tafel- 
scholle, man  könnte  auch  sagen  Tafelhorst,  wenn  festgestellt  wäre, 
daß  er  allseitig  von  Brüchen  begrenzt  wird.  Da  aber  dies  häufig 
schwierig  ist,  und  manchmal  schon  ein  späterer  Forscher  einfache 
Auflagerung  auf  einer  Seite  beobachtete,  wo  ein  früherer  auch  eine 
Verwerfung  annehmen  zu  müssen  glaubte,  so  woDen  wir  den  seit 
Süss  vielgebrauchten  Namen  „Horst"  in  unsere  Terminologie  nicht 
aufnehmen.    Daß  Tafel-  und  Keilschollen  in  typischer  Ausbildung 


Die  Oberflächenformen  der  Flachschichtung.  461 


sich,  orographisch  sehr  wesentlich  voneinander  unterscheiden,  lehrt 
ein  Blick  auf  RussEUiS  Profil.  Die  erstere  gleicht  mit  ihrer  Platte 
völlig  einem  durch  Denudation  herausgearbeiteten  Tafelberge,  die 
letztere  erzeugt,  wenn  sie  ausgedehnt  genug  ist,  ungleichseitige  Kamm- 
gebirge, mitunter,  wenn  die  Schichten  keine  große  Widerstandskraft 
besitzen,  auch  Riickengebirge;  aber  stets  ist  die  Ungleichartigkeit 
der  Böschung  ein  charakteristisches  Merkmal  dieser  Gelandeform. 

Daß  der  Zusammenhang  der  Schollen  hier  oberflächlich  durch 
jugendliche  Ablagerungen  verhüllt  ist,  ist  ein  nebensächliches 
Moment  Im  hessischen  Berglande  (Fig.  153)  ist  eine  solche  Mas- 
kierung nur  in  untergeordneter  Weise  bemerkbar,  aber  auch  hier  sind 
die  Schollen  so  stark  gegeneinander  verschoben,  daß  —  und  dies  ist 
das  wesentliche  —  die  einstige  Fläche  sich  in  ein  Bergland 

Gebirge         Wald  BuchmlfeliL 


f=^  BuJidsandsteiiL ,         P^^^  Zechsiei/i, 

Q  ffß/hUßiBs  Gruivägeöirga ,  ■■  Basalt, 


Fig.  153.     WestosÜiclier  Darchschnitt  durch  das  hessische  Bergland  nach  Penck. 
Maßstab  der  Lange  1:250000,  der  Hohe  1:25000. 

verwandelt  hat  Indem  die  Gresteine  in  verschiedene  Niveaus 
gertickt  sind,  wird  der  Denudationsprozeß  außerordentlich  verwickelt. 
Im  großen  und  ganzen  bleibt  das  tektonische  Bild  gewahrt;  Schollen, 
die  gehoben  oder  stehen  geblieben  sind,  erscheinen  als  Berge  und 
Gebirge,  gesunkene  Schollen  als  Vertiefungen.  Im  einzelnen  kann  aber 
die  Orographie  in  direkten  Widerspruch  zurTektonik  treten.  Die  Werra- 
senkung  in  Hessen  ist  unzweifelhaft  eine  gehobene  Scholle,  aber  ent- 
weder hat  die  Denudation  hier  so  kräftig  gewirkt,  daß  die  Trias 
gänzlich  abgeschwemmt  wurde,  oder  die  Trias  war  hier  schon  ur- 
sprünglich wenig  entwickelt. 

Übersicht  der  ümwandlungsformen  der  Flachschiohtnng. 

L   Der    ursprüngliche   Charakter   der   Fläche   vdrd   verändert, 
aber  nicht  aufgehoben: 

1.  durch  Erosion:  zerschnittenes  Flachland. 

a)  Im  Tafellande, 

b)  im  aufgesetzten  Flachlande  (castilianischer  Typus); 

2.  durch  Bruch:  Tafelschollenland  (Coloradotypus). 


462  Morphologie  des  Landes. 


n.  Die  Fläche  kann  als  solche  ihren  Charakter  wahren  oder 
verändern,  stellt  sich  aber  durch  eine  Landstufe  in  scharfen  oro- 
graphischen  Gegensatz  zum  Vorlande: 

3.  Denudationsstufe  (Albtypus). 

4.  Tektonische  Stufe: 

a)  Bruchstufe  (abessinischer  Typus), 

b)  Flexurstufe  (Nankou-Typus). 

III.  Die  Fläche  löst  sich  auf  und  wird  Gebirge: 

5.  Durch  Erosion:  Erosionsgebirge. 

a)  Im  Tafellände,  Plateaugebirge  (Elbsandstein-Typus), 

b)  in  der  aufgesetzten  Ebene,  Rücken-  und  Eammgebirge 

(siebenbürgischer  Typus). 

6.  Durch  Bruch:  Tafelschollengebirge  (hessischer Typus). 

IV.  Einzelformen  sowohl  in  den  zerschnittenen,  wie  in  den  auf- 
gelösten Hauptformen: 

7.  Durch   Denudation:    Denudationsberge,    teils   Tafel- 

berge,  teils   aber  auch  abgerundete  oder  zugespitzte 
Erhebungen. 

8.  Durch  Bruch:  Schollenberge. 

a)  Tafelschollenberge, 

b)  Keilschollenberge. 

Die  äußersten  ümwandlungsformen  sind  jedenfalls  die  Flexur- 
stufe und  die  KeilschoUe,^  insofern  als  hier  die  Flachschichtung 
vollständig  aufgehoben  ist.  Ihre  innigen  Beziehungen  zur  Flach- 
schichtung läßt  es  aber  doch  gerechtfertigt  erscheinen,  sie  an  dieser 
Stelle  in  das  genetische  System  einzufügen. 

Litteraturnachweise.  *  BLarpinsky,  Übersicht  der  physiko- geogra- 
phischen Verhältnisse  des  europäischen  Rußlands  während  der  verflossenen  geo- 
logischen Perioden;  in  den  Beiträgen  zur  Kenntnis  des  Bnss.  Beiches,  ISST. 
V.  TiLLOs  hypsometrische  Karte  von  Rußland  1889  (vgl.  Petsrmanms  Mitteil. 
1890;  S.  156).  Neue  geologische  Karte  1892,  in  Reduktion  in  Petermanns  Mit- 
teilungen 1895.  —  •  Rolland,  Geologie  du  Sahara  alg^rien  in  Choisy,  cit  S.  415; 
L'histoire  g^ologique  du  Sahara,  in  den  Comptes  rendus  de  TAcad^mie  des 
Sciences  1890.  —  ^  Doughty,  Travels  in  Arabia  Deserts,  Cambridge  1888.  — 
*  Lepsius,  Die  oberrheinische  Tiefebene,  Stuttgart  1885.  —  *  Bericht  von  Zaic- 
MONDY  im  Jahrbuch  d.  Wiener  Geologischen  Reichsanstalt,  1878,  S.  659.  — 
^  Bericht  von  Halavats  im  Jahrbuch  d.  ungarischen  geologischen  Anstalt,  IdSS, 
S.  165.  —  ^  Pantanelli,  Le  acque  sotterranee  nella  Proviucia  Modenese;  in  d 
Atti  della  Societä  dei  naturalisti  di  Modena  1888.  —  *  Oldham  in  d.  Recorda 
of  the  Geological  Survey  of  India  1890,  S.  261.  —  ^^  v.  Ricbthofen,  China, 
Bd.  II.  S.  387.  —  *°  Griesbach,  Geology  of  Central  Himalaya,  in  den  Memoire 

^  Dieser  Begriff  ist  hier  enger  gefaßt,  als  in  v.  Richthofens  Führer,  wo 
auch  einseitige  Rumpfschollen  dazu  gezählt  werden. 


Faltengebirge. 


463 


of  the  Geological  Survey  of  India  1891.  —  "  Wahmschaffe,  Die  Ursachen  der 
Oberfiächengestaltung  des  norddeutschen  Flachlandes,  Stuttgart  1891.  —  ^'  Von 
der  Greschichte  dieser  Küstenebene  handelt  ausführlich  Mo  Geb,  The  Lafayette 
formation,  im  12.  Aunual  Eeport  of  the  ü.  S.  Geological  Survey,  1890—91.  — 
"  S-  ]RoTH  in  der  Zeitschrift  der  Deutschen  geologischen  Gesellschaft,  1888, 
S.  375-  —  **  Brown,  The  Mesozoic  Plains  of  South  Australia,  1888.  —  "  Um 
eine  Vorstellung  von  diesen  wunderbaren  Formen  zu  gewinnen,  betrachte  man 
die  meisterhaften  Zeichnungen  Duttous,  die  er  seiner  „Physical  Geology  of 
the  Grrand  Canon  District"  (im  2.  Annual  Report  of  the  U.  S.  Geological 
Survey,  1882)  beigab,  besonders  das  Panorama  von  Point  Sublime.  —  *®  Branco, 
eit-  S.  322.  —  "  Ramsay,  Physical  Geology  and  Geography  of  Great  Britain, 
London  1878.  —  *®  No8  und  de  Maeoebie,  cit.  S.  401.  —  *•  Schenck,  Die  geo- 
lo^sche  Entwicklung  Südafrikas;  in  PeterhaKns  Mitteil.  1888.  -*-  ^^  Aübry  im 
Bulletin  de  la  Soci6t^  göologique  de  France  1885—86,  Bd.  XIV,  S.  201.  —  "  S- 
das  Profil  in  v.  Richthofek,  China  II,  S.  442.  —  **  Russell  im  4.  Annual 
Report  of  the  ü.  S.  Geological  Survey,  1884. 


Faltengebirge. 

Terminologie.  Man  hat  streng  zu  unterscheiden  zwischen 
Faltenland  und  Faltengebirge;  ersteres  ist  der  weitere,  letzteres 
der  engere  Begriff.  Faltung  ist  ein  weitverbreitetes  Phänomen, 
aber  nur  dort,  wo  sie  in  ihrer  Ursprünglichkeit  noch  soweit  erhalten 
ist,  daß  sie  der  Erdoberfläche  die  ihr  eigentümliche  Form  lang- 
gestreckter Wellen  verleiht,  kann  man  von  einem  Faltengebirge 
sprechen.  Im  großen  und  ganzen  deckt  sich  der  Begriff  Falten- 
gebirge   mit    dem   Begriff  Kettengebirge.      Jedenfalls    sind    die 


a.  Antikllnalkamm        b,  SynkÜDalthal         c.  Isoklinalkamm 
d.  Ifloklinalthal  e.  ÄDtiklinalthal        f.  Synklinalkamm. 

Fig.  154.     Form  und  Orographie  der  Falten  nach  Heim. 


meisten  jener  gewaltigen  Kettengebirge,  die  die  Hochlandszonen 
beider  Welten  zusammensetzen,  durch  Faltung  entstanden,  und  das- 
selbe gilt  von  den  beiden  Kettengebirgen  außerhalb  jener  Zonen,  dem 
Ural  und  den  Alleghanies. 

Die  einfachste  Form  ist  die  normale  stehende  Falte. 
Sie  besteht  aus  zwei  Teilen:  dem  Sattel,  von  dem  Schichten 
beiderseitig  abfallen  (daher  Antiklinale  genannt),  und  der 
Mulde,    zu    der    die   Schichten    beiderseitig    sich    zuneigen,    und 


464 


Morphologie  des  Landes. 


liegende  Falle 
Fig.  155. 


»etuefe  Falte  etehendM  Falte 

Lage  der  Falten  nach  Heim, 


die  man  daher  auch  als  Synklinale  bezeichnet  In  seiner  ein- 
fachsten Form  schafft  der  FaltungsprozeB  mehr  oder  minder  lang- 
gestreckte Antiklinalkämme  und  Synklinalthäler  {a  und  b  in 
Fig.  154).  Aber  nur  sehr  selten  ist  diese  ursprüngliche  Form  noch 
erhalten,  wie  in  vielen  Teilen  des  Schweizer  Jura.  Man  liebt  es, 
die  Gebirge  mit  Ruinen  zu  vergleichen,  aber  man  muß  hinzufügen. 

daß  diese  gewaltigen 
Bauwerke  schon  Hainen 
waren,  ehe  sie  fertig 
^^^'"  dastanden,  weil  die  ge- 
birgsbildenden  Kräfte 
zu  langsam  arbeiten, 
als  daß  sie  den  zerstörenden  einen  großen  Vorsprung  abgewinnen 
könnten.  Die  Denudation  kann  die  natürliche  Anordnung  des 
Faltenwurfes  geradezu  umkehren,  so  daß  Synklinalkämme  und 
Antiklinalthäler  {/"  und  e  in  Fig.  154)  entstehen.     Ein   anderes 

Produkt  der  Zerstörung  sind 
die    Isoklinalkämme    and 
Isoklinalthäler    (c    und   d 
in  Fig.  154),  in  welchen  die 
Schichten    beiderseits     nach 
der  gleichen  Richtung  fallen. 
Die   genannten    Kämme 
und  Thäler  verlaufen  in  der 
Bichtung    der    Falten     und 
des  Gebirges    und    sind   da- 
her Längskämme  und 
Längsthäler.     Dagegen 
durchschneiden    die    Quer- 
thäler  und  Querkämme  — 
wie   Fig.  156    zeigt   —   die  Schichten  in  ihrer  Streichrichtung  und 
bilden  somit  mit  der  Hauptrichtung  des  Gebirges  mehr  oder  weniger 
rechte  Winkel. 

Neben  stehenden  Falten  kommen  auch  schiefe  und  liegende 
Falten  vor  (s.  Fig.  155).  In  letzterem  Falle  können  —  wie  z.  B. 
am  Glämisch  —  die  Schichten  vollkommen  horizontal  liegen,  und 
nur  durch  eingehende  Untersuchungen  ist  dann  die  Dislokation  nach- 
weisbar. Bei  größerer  Faltungsintensität  entstehen  die  sogen.  Iso- 
klinalfalten  (Fig.  154\  in  welchen  die  zusammengedrückten  Mulden 
und  Sättel  im  gleichmäßigen  Schichtenfalle  verschwinden.  Selbstver- 
ständlich ist  hier  auch  die  Längsgliederung  nur  auf  isoklinale  Kämme 
imd  Thäler  beschränkt.     Wahrscheinlich  der  Ausdruck  der  größten 


Fig.  156.     Längs-  und  Quergliederong 
der  Hohen  Taoren. 


Faltengebirge.  465 


Faltangsintensität  ist  die  Fächerstruktur  (Fig.  154),  die  der 
krystallinischen  Zone  der  Alpen  und  auch  anderer  Gebirge  eigen- 
tümlich ist.  Die  natürliche  Ordnung  erscheint  hier  gerade  umge- 
kelirt,  indem  die  Sattelkämme  Synklinalen  und  die  Muldenthäler 
antdklinalen  Bau  besitzen. 

Je  plastischer  eine  Schicht  ist,  desto  leichter  wird  sie  gefaltet 
Schiefer  zeigen  oft  die  merkwürdigsten  Windungen,  während  massige 
Sandsteine  und  Kalksteine  sich  spröde  verhalten,  wenn  nicht  eine 
mächtige  Faltungsintensität  auch  diesen  Widerstand  überwindet. 
Sonst  gilt  aber  hier  der  Grundsatz:  lieber  brechen,  als  biegen.  Je 
mehr  man  in  das  Studium  unserer  Alpen  eindringt,  um  so  mehr 
kommt  man  zur  Überzeugung,  daß  Falten  und  Brüche  in  den 
meisten  Fällen  vergesellschaftet 

auftreten.      Daraus   entstehen  j^  .  /^ ..  •      _  f 

die  verwickeltsten  Verhältnisse.  /"y"/    ' /^--'/^   /  /  ''V 

So    die   Schuppenstruktur,  //////  /        /  /' 

die  wir  an  Fig.  157  erläutern       .Ä5§fe^/  /^^?75»^>^  /L^ä^^. — 
wollen.    Es   sei   durch  Petre- 
fakten    festgesteUt,    daß    von    ""   Vg.  TsT^  srhuppLtmk^r. 
der   Schichtengruppe  abcd  a 

die  älteste,  d  die  jüngste  ist.  Ihre  wiederholte  Aufeinanderfolge 
sucht  man  dadurch  zu  erklären,  daß  in  der  Sattelbiegung  der  ur- 
sprünglichen Isoklinalfalten  Brüche  entstanden,  und  die  Falten  an 
den  Bruchflächen  [B)  hinauf  geschoben  wurden,  wobei  der  ganze 
Muldenschenkel  (zwischen  Sattel  und  Mulde)  durch  Auswalzung  ver- 
loren ging  oder  viel- 
mehr unkennbar  ge- 


macht  wurde.     Be-  Gjmat///V.oy/y^^ 
denken  wir,  daß  so  Silwr 

komplizierte  Vor-     ^«löSa.    Profil  durch  das  EiiBtianiathal  nach  Keilhatj. 
gänge  nurin  wenigen, 
von  der  Denudation 


übriggelassenen       «''««^1^^^^^^^^=^^^-^^^^^^ 
Bruchstücken  zur  Be-  SüVwn 

obachtung  gelangen,  '^^-  l^^^-    I>aMelbe  Profil  nao^  Kjebtjlf. 

und  daß  selbst  diese 

zum  größten  Teil  durch  das  Pflanzenkleid  oder  durch  Schnee- 
und  Eismassen  unseren  Blicken  entzogen  sind,  so  können  wir 
uns  eine  Vorstellung  machen  von  der  mühevollen  Arbeit  des 
Geologen,  der  aus  unzähligen  Einzelbeobachtungen  den  inneren  Bau- 
plan der  Gebirge  herzustellen  sucht,  und  es  darf  uns  nicht  Wunder 
nehmen,    daß   manches   geologische   Profil    mehr    ein   Phantasiege- 

SuPAH,  Physische  Erdkunde.    2.  Aufl.  30 


466  Morphologie  des  Landes. 


mälde,  als  ein  getreues  Abbild  der  Wirklichkeit  ist.  Namentlich 
muß  vor  unkritischer  Benutzung  älterer  Profile  gewarnt  werden, 
da  die  Erkenntnis  der  Faltungsphänomene  als  einer  allgemeinen 
Erscheinung  erst  aus  den  letzten  Dezennien  stammt,  und  man  früher 
nicht  die  Vorsicht  gebrauchte,  die  Profile  quer  zur  Längsachse 
der    Falten    aufzunehmen    (vgl.  Fig.  158  a  und  b). 

Theorie.^  Zweierlei  hat  die  Theorie  der  Faltengebirge  zu  er- 
klären: 1)  die  vielfach  beobachtete  außerordentliche  Mächtigkeit 
und  Grobkömigkeit  der  Sedimente  innerhalb  der  gefalteten  Zonen 
im  Vergleiche  zu  den  ungefalteten  Nachbargebieten,  2)  die  Ursache 
der  Faltung  selbst 

Um  das  erstere  zu  erklären,  entstand  in  Amerika  die  Theorie 
der  Geosynklinale.  Die  Geosynklinale  ist  eine  trogformige  Ver- 
tiefung des  Meeresbodens  in  der  Nähe  der  Küste,  die  unter  dem  Ge- 
wichte der  sich  anhäufenden  Kontinentalablagerungen  in  immer 
größere  Tiefen  sinkt.  Sie  ist  sozusagen  der  Mutterschoß  des 
Gebirges. 

Daß  die  Faltung,  welche  das  Gebirge  als  solches  schuf,  nur 
durch  eine  seitlich  wirkende  Kraft  zustande  kam,  wird  heute  all- 
gemein anerkannt.  Sicherlich  erlitt  dadurch  der  Umfang  der  Erde 
eine  Verminderung,  nur  müssen  wir  uns  dabei  stets  vor  Augen  halten, 
daß  auch  die  gewaltigsten  Hochgebirge  im  Vergleiche  zum  Erdkörper 
klein  erscheinen.^  Auf  einem  Kiesenglobus  von  2m  Durchmesser  wurde 
selbst  der  höchste  Berggipfel  der  Erde,  der  Gaurisankar,  sich  als 
eine  kaum  merkbare  Erhebung  von  1,8  mm  Höhe  darstellen.  Es  ist 
daher  erklärlich,  daß  der  Einfluß  der  Faltungen  auf  den  Erdumfang 
verhältnismäßig  geringfügig  ist.  Der  Zusammenschub  der  Schweizer 
Alpen  beträgt  nach  Heim  nur  76,3  km  (Breite  vor  der  Faltung  158,2, 
jetzige  Breite  82  km),  der  der  Ostalpen  nach  Kothplbtz  sogar  nur 
49,6  km.  Selbst  im  ersteren  Falle  wurde  der  Erdumfang  um  nicht 
ganz  0,3  Prozent  verkleinert,  d.  h.  der  frühere  Erdradius  von  6382 
auf  6370  km  verkürzt,  wodurch  eine  Senkung  der  Erdoberfläche 
gegen  den  Mittelpunkt  im  Betrage  von  12  km  eintrat 

Diese  Schrumpfungserscheinung  wird,  wie  auf  S.  276  dargethan 
wurde,  auf  die  Kontraktion  der  Erdrinde  infolge  allmählicher  Er- 
kaltung zurückgeführt.  Von  den  Gegnern  der  Kontraktionstheorie 
wurde  an  derselben  Stelle  auch  bereits  I^hek  genannt  Andere 
Theorien  sind  hier  nur  in  Kürze  zu  erwähnen.  NachMELLABDßEADE^ 
entstehen  die  Gebirge  durch  Ausdehnung  infolge  Erwärmung.  In 
den  mächtigen  Sedimentmassen  der  Geosynklinale  und  in  dem 
darunterliegenden  Eindenstücke  steigen  nämlich  die  Geoisothermen 
in  die  Höhe  (vgl.  S.  289),  und  da  eine  horizontale  Ausdehnung  durch 


Faltengebirge.  467 


die  der  Temperaturerhöhung  nicht  unterworfenen  Teile  der  Erd- 
kruste gehindert  wird,  so  muß  ein  Ausquetschen  der  unteren  Teile 
der  Geosynklinale  und  ein  Ausweichen  nach  oben  stattfinden.  Ebyer* 
erweiterte  diese  Thermaltheorie,  die  ihm  zur  Erklärung  der 
-Falten  nicht  zu  genügen  scheint,  dadurch,  daß  er  noch  die  Gleitung 
der  Schichten  als  wesentliches  Moment  hinzufügte.  Die  Gleitung 
setzt  eine  Neigung  der  Schichten  voraus,  und  diese  ist  schon  durch 
die  thermische  Emporwölbung  der  Sedimente  gegeben.  Dütton* 
fuhrt  die  Gebirgsbildung  auf  isostatische  oder  Gleichgewichtskräfte 
zurück.  In  einem  ungleichartigen  Körper,  wie  es  die  Erde  ist,  ist 
der  Gleichgewichtszustand,  die  Isostasie,  nur  dann  hergestellt,  wenn 
die  schwereren  Krustenteile  als  Depressionen,  die  leichteren  als  Er- 
hebungen auftreten.  Die  Denudation  stört  das  Gleichgewicht,  indem 
sie  die  Festländer  abträgt  und  die  Ozeane  ausfüllt.  Ein  Küsten- 
gebirge erzeugt  von  selbst  in  dem  anliegenden  Ozean  eine  Geosyn- 
klinale; die  Geosynklinale  sinkt  immer  tiefer,  die  Küste  steigt  immer 
höher,  und  daraus  entwickelt  sich  eine  Kraft,  welche  bestrebt  ist, 
die  Sedimente  der  Geosynklinale  horizontal  gegen  die  Küste  zu 
schieben. 

Diese  kurzen  Andeutungen  genügen  zur  Orientierung;  die  Auf- 
gabe der  Geographie,  die  äußere  Erscheinung  der  Gebirge  aus 
ihrem  inneren  Bau  zu  erklären,  wird  durch  den  Streit  der  Theorien 
kaum  berührt 

dnerprofil  ein&oher  Ealtengebirge.  Im  Querdurchschnitte  he* 
stehen  sämtliche  Faltengebirge  aus  einer  Aufeinanderfolge  von  Falten, 


stA. 


Fig.  159.     Profil  durch  den  westlichen  Jura  nach  P.  Choffat. 

zu  denen  sich  allerdings  auch  häufig  Zonen  gesellen,  in  denen 
Brüche  vorherrschen.^  Dieses  Moment  wollen  wir  vorläufig  außer 
Acht  lassen. 

Verlaufen  die  Falten  nur  im  sedimentären  Gestein,  so  nennen 
wir  das  Gebirge  ein  einfaches.  Das  bekannteste  Beispiel  dieser 
Kategorie  ist  der  Schweizer  Jura  (Fig.  159).  Jura-,  Kreide-  und 
Tertiärschichten  sind  in  stehende  oder  nordwärts  geneigte  Falten 
gelegt     Nach  Heim  beträgt  die  Zahl   der  Falten  etwa  160;  keine 

X  Darauf  gründet  v.  Bichthofen  seine  Einteilung  in  homöomorpbe 
oder  reine  Faltengebirge  und  heteromorphe  oder  Faltengebirge  mit  Bruch - 
Zone.  Wir  werden  die  entsprechenden  deutschen  Ausdrücke  gleich-  und  ungleich- 
f5rmig  in  einem  wesentlich  anderen  Sinne  gebrauchen. 

30* 


468  Morphologie  des  Landes. 


derselben  —  und  dies  scheint  ein  allgemein  giltiges  Gesetz  zu 
sein  —  erreicht  die  Länge  des  ganzen  Gebirges  (320  km),  sondern 
sie  streichen  nur  12  — 90  km  (eine  sogar  162  km)  weit  uud  tauchen 
dann  unter,  um  anderen  Platz  zu  machen.  Auf  dem  Wege  quer 
durch  das  Gebirge  durchschneidet  man  etwa  10 — 12  Falten,  die 
parallel  neben  einander  herziehen;  der  tektonische  Gegensatz  zwischen 
dem  südlichen  Gebirgslande  und  dem  nördlichen  Plateau,  die  sich 
geognostisch  in  nichts  unterscheiden,  kommt  in  Choffats  Protile 
trefflich  zum  Ausdrucke.  Aber  auch  innerhalb  der  Faltenzone  ent- 
hüllt es  uns  mancherlei  Ungleichförmigkeiten.  Vergleichen  wir  die 
zweite  und  dritte  Antiklinale,  Ton  Süden  an  gerechnet,  so  finden 
wir,  daß  bei  nahezu  gleicher  Schichtenneigung  die  Triasunterlage 
(weiß)  sehr  verschiedene  Seehöhen  einnimmt.  Wir  können  die  fal- 
tende Kraft  in  eine  vertikale  und  eine  horizontale  Komponente  zer- 
legen; von  der  ersteren  hängt  die  Hebungsintensität,  d.  h.  die 
Seehöhe, .  bi«  zu  der  eine  bestimmte  Tiefenzone  emporgepreßt  wurde, 
von  der  letzteren  die  Faltungsintensität  oder  der  Fallwinkel  der 
Schichten  ab.  In  unserem  Beispiele  ist  es  ohne  weiteres  klar,  daß 
bei  nahezu  gleicher  Faltungsintensität  die  Hebungsintensität  in  der 
zweiten  Antiklinale  bedeutend  größer  war,  als  in  der  dritten.  Die 
vertikale  Komponente  bestimmt  die  ursprüngliche  Höhe  einer 
Falte,  doch  ist  ein  strenger  Vergleich  nur  zwischen  Falten  der- 
selben Kategorie  —  stehenden,  schiefen,  geneigten  —  möglich.  Brüche 
und  Senkungen  können  die  ursprüngliche  Ordnung  stören,  und  die 
Denudation,  deren  Kraft  sich  nach  oben  steigert,  mildert  die  hypso- 
metrischen unterschiede,  aber  im  großen  und  ganzen  ist  die  Hebungs- 
intensität doch  der  maßgebende  Faktor  für  die  Höhenverhältnisse 
der  Faltengebirge.  Sie  war  in  den  Alpen  ungleich  größer  als  im 
Jura,  sie  nahm  im  Jura  selbst  im  Allgemeinen  nach  Nordwesten  ab  und 
bewirkte  in  derselben  Richtung  eine  Erniedrigung  der  Ketten.  Die 
Faltungsintensität  ist  in  anderer  Beziehung  wichtig.  Flache  Falten 
gehen  dem  Gebirge  einen  plateauartigen  Charakter,  aber  anderseits 
können  auch  stark  geneigte  oder  unsymmetrische  breite  Falten  die 
orographischen  Eigentümlichkeiten  der  Flachschichtung  hervorrufen. 
Werden  die  Falten  stark  zusammengepreßt,  so  unterliegen  sie  in 
ihren  oberen  Teilen  leichter  den  zerstörenden  Kräften,  Schichten 
von  verschiedener  Gesteinsbeschaflfenheit  werden  nahe  an  einander 
gerückt  und  die  ursprünglichen  Unebenheiten  werden  gesteigert 
durch  den  raschen  Wechsel  der  Denudationswirkungen.  Indes  unter- 
liegen solche  allgemeine  Regeln  natürlich  mannigfachen  Modifica- 
tionen;  der  Individualismus  der  Gebirge  kann  nicht  stark  genug 
betont  werden. 


Faltengebirge.  469 


Wir  kehren  zum  Schweizer  Jura  zurück.  Wir  sehen  hier  eine 
Aufeinanderfolge  von  Ketten,  die  zwar  an  Höhe  verschieden  sind, 
aber  nicht  so  sehr,  daß  eine  Zone  sich  scharf  von  den  andern  ab- 
heben würde,  weil  alle  Ketten  aus  denselben  Formationen  sich  auf- 
bauen. Das  sind  die  Eigenschaften  eines  gleichförmigen  Gebirges 
in   unserem  Sinne. 

Ungleichförmig  nennen  wir  ein  Gebirge,  wenn  es  aus  deut- 
lich unterscheidbaren  Streifen  von  verschiedener  Zusammensetzung 
besteht.  Dieser  zonale  Aufbau  ist  das  geographisch  wichtigste 
Moment,  denn  er  ist,  sofern  das  Gebirge  nicht  später  tiefgreifende 
Veränderungen  erlitten  hat,  mit  einem  großen  Wechsel  der  Szenerie 
verbunden.  Auch  einfache  Gebirge  können  ungleichförmig  sein. 
Man  betrachte  nur  beistehendes  Profil  des  Sulimangebirges,  das  sich 
zwischen  Indien  und  Afghanistan  erhebt  (Fig.  160).  Der  Gegensatz 
der  Hochgebirgszone  (Takht-i-Suliman  3370  m)  und  des  im  Osten 
vorgelagerten  Berglandes,  wo  nur  einige  Höhen  1500 — 1800  m  er- 
reichen, ist  so  auffallend,  daß  man  -  sich  weitere  Worte  ersparen 
kann.  Aber  auch  die  Ursache  dieses  Kontrastes  ist  ohne  weiteres  er- 
kennbar. Die  Tektonik  ist  ja  verhältnismäßig  einfach:  zwei  Antiklinalen 
A^  und  Ä^  schließen  eine  breite  Synklinale  (iS)ein.  Und  nun  vergleiche 
man  die  beiden  Antiklinalen ;  Ä^  würde  selbst  bei  vollständiger  Erhaltung 
(wie  die  punktierte  Linie  anzeigt)  kaum  ein  Drittel  so  hoch  sein,  als 
das  Gewölbe  der  Sulimanskette  {Ä^,  obwohl  hier  die  ganze  eocäne  Sedi- 
mentdecke durch  Denudation 
schon  entfernt  ist.  Mit  anderen 
Worten:  die  Hebungsinten- 
sität war  im  Osten  viel  geringer 
als  im  Westen.     Solche  Unter-     -^   ~       ^*     ^v-'nn-  a    ^")^      q 

schiede  kommenallerdingS  auch  p.^    ^^^       Querprofil    des    Suliman-Gebirges 

im  Jura  vor,  und  in  der  That  nach  La  Touche.«  a  Korallenkalke  der  Kreide- 

besteht    zwischen  gleich-     und  ^;^^o^>  *'  Belemnitensdiic^ten  der  Kreide- 

•  1  A        .  -n  fonnation;  c  mittlerea,  d  oberes  Eocan;  e  Si- 

ungleichförmigen    Faltenge-  walikschichten;  /'Alluvium. 

birgen  in  unserem  Sinne  nur 

ein  gradueller  Unterschied;  aber  dieser  ist  so  bedeutungsvoll,  be- 
herrscht so  sehr  die  ganze  geographische  Erscheinungsweise,  daß  wir 
mit  vollem  Eechte  darauf  eine  Eiassifikation  gründen  können. 

ftuerprofil  zusammengesetzter  Gebirge.  Die  Ungleichförmigkeit 
tritt  noch  prägnanter  in  zusammengesetzten  Gebirge  hervor, 
d.  h.  in  Gebirgen,  die  einerseits  aus  Zonen  alter  krystallinischer 
Gesteine,  andererseits  aus  Sedimentzonen  bestehen.  Auch  innerhalb 
der  letzteren  ist  eine  stufenartige  Anordnung  noch  dem  Alter  viel- 
fach bemerkbar. 


470  Morphologie  des  Landes. 


Begeben  wir  uns  in  die  Schweizer  Alpen  (Fig.  161),  Von  Norden 
nach  Süden  treten  immer  ältere  Gebilde  zutage,  und  wird  das  Ge- 
birge stufenweise  höher.  Die  innere  und  höchste  Zone  bilden 
krystallinische  Schiefer  und  Massengesteine,  und  jüngere  Sedimente 
haben  sich  nur  noch  in  den  Falt^nmulden  vor  der  Denudation 
gerettet.  In  den  daran  sich  schließenden  Partien  der  Sedimentzone 
ist  die  krystallinische  Unterlage  noch  stellenweise  sichtbar,  aber  die 
Hauptmasse  der  Gebirge  besteht  schon  aus  Trias-,  Jura-,  Kreide- 
und  Eocängesteinen.  Dann  verschwindet  die  krystallinische  Unter- 
lage gänzlich  unter  der  Sedimentdecke,  und  am  äußeren  Rande 
machen  auch  die  älteren  Schichtgesteine  der  miocänen  Molasse  Platz, 
die  nur  noch  in  der  Nähe  des  Gebirges  in  Falten  gelegt  ist.  Die 
Hebungsintensität  nimmt  also  von  der  krystallinischen  Zone  nach 
außen  ab  und  darauf  beruht  es,  daß  diese  noch  immer  die 
höchste  ist,  obwohl  sie  ihre  Sedimentdecke  bis  auf  wenige  Reste 
verloren  hat  Die  Faltungsintensität  erreicht  allerdings  auch  hier 
ihr  Maximum,  denn  Fächerstruktur  ist  nur  dieser  Zone  eigen;  da- 
neben kommen  aber  auch  ganz  flache  Antiklinalen  vor,  wie  im  Tessiner 
Gebirge,  und  am  Außenrande  der  Sedimentzone  wirkte  die  horizon- 
tale Komponente  noch  einmal  sehr  energisch,  wie  die  zusammen- 
gepressten,  steilen,  nach  außen  sich  neigenden  Falten  zeigen. 

Da  die  Alpen  einen  Bogen  beschreiben,  so  können  wir  die 
krystallinische  Zone  auch  als  die  innere,  die  Sedimentzone  als  die 
äußere  bezeichnen;  die  faltende  Kraft  wirkte  von  innen  nach  außen, 
d.  h.  von  Süden  nach  Norden,  bezw.  von  Osten  nach  Westen.  Wir 
nennen  diesen  Typus  den  asymmetrischen. 

Die  Ostalpen  ^  sind  im  Gegensatze  zu  den  schweizerischen 
symmetrisch  gebaut,  die  krystallinische  Zone  wird  hier  beiderseits 
von  Sedimentzonen  eingefasst,  und  in  den  letzteren  ist  ebenfalls  eine 


Speer \   Jbgytnburg !36ußamh/'     SeKK^t^ä^XT'      ;'.-n'v 


EüD  Jh-tiärfbrnuMtüm^llInbiaiefbrmaiimu  \aad9Simar7timiipn.    WklMmmSÜBBtiü     l^ÜfjatmOät^SiMi^k. 

.    Fig.  161.     Profil  durch  die  Schweizer  Alpen  nach  HsiM. 

Zonen  weise  Altersfolge  von  innen  nach  außen  bemerkbar:  erst  paläo- 
zoische, dann  mesozoische,  endlich  tertiäre  Gesteine.  Eine  völlige 
Symmetrie  ist  aber  nicht  vorhanden.  Westlich  der  Etsch  streichen 
die  Falten  ganz  abnorm  nach  Nordnordost  statt  nach  Ost  oder 
Ostnordost;  schon  hier  treten  große  Brüche  auf,  und  diese  gewinnen 
östlich  der  Etsch  immer  mehr  an  Bedeutung,  so  daß  die  südlichen 
Kalkalpen  in  manchen  Profilen  mehr  einem  Schollen-  als  einem  Falten- 


Falteng€biige.  471 


gebirge  gleichen.  Dazu  kommt  noch,  daß  hier  wiederholt  die  krystalli- 
nische  Unterlage  in  schmalen  Zonen  an  die  Oberfläche  tritt,  eine 
Erscheinung,  die  den  nördlichen  Kalkalpen  ganz  fremd  ist  Nur 
^wenn  beide  Kalkzonen  sich  völlig  entsprächen,  wäre  die  Annahme 
berechtigt,  daß  die  faltende  Kraft  von  der  Innenzone  nach  beiden 
Seiten  hin  die  Schichten  zusammengeschoben  habe.  Süss  hält 
daher  auch  für  die  Ostalpen  an  einem  einseitigen  Schübe  von  Süden 
nach  Norden  fest,  infolge  dessen  an  der  Außenseite  Faltung,  an 
der  Innenseite  Zerreißung  und  Einbruch  erfolgte. 

Wieder  anders  gebaut  sind  die  Alpen  zwischen  Frankreich  und 
Italien.^  Die  schmalen  Sedimentmulden  innerhalb  der  schweize- 
rischen krystallinischen  Zone  entfalten  sich  hier  zu  einem  breiten 
Gebirgsbande,  so  daß  wir  von  dem  italienischen  Innenrande  nach 
Westen  fortschreitend  vier  Zonen  durchqueren:  1)  die  krystallinische 
Zone  der  Cottischen  und  G-rajischen  Alpen,  2)  die  Kalkzone  des 
Bria^onnais,  3)  die  krystallinische  Zone  des  Montblanc  und  Mont 
Pelvoux,  4)  die  Kalkzone  des  Dauphin^  und  Savoyens.  Diesen  Typus 
nennen  wir  den  zonalen. 

Die  genannten  Unterarten  des  ungleichförmigen  Gebirgsbaues 
sind  weit  verbreitet.  Wir  müssen  uns  hier  nur  auf  je  ein  Beispiel 
beschranken.  Asynunetrisch  ist  der  Ural;  die  westliche  krystallinische 
Zone  trägt  die  Hauptwasserscheide,  breitet  sich  aber  nach  Osten 
noch  weit  in  das  Flachland  aus,  allmählich  in  niedere  Vorhöhen 
verlaufend;  die  Sedimentzone  verflacht  sich  nach  Westen.  Spuren 
ehemaliger  Symmetrie  scheinen  noch  vorhanden  zu  sein.  Symme- 
trischen Bau  besitzen  die  Pyrenäen;®  die  mittlere  Zone  besteht 
aus  paläozoischen  Gesteinen  mit  durchbrechenden  Granitkemen,  dann 
folgen  nach  beiden  Seiten  die  verschiedenen  mezoischen  Zonen,  end- 
lich das  Tertiär.  Die  äußeren  Falten  neigen  sich  nach  außen,  die 
nördlichen  nach  Norden,  die  südlichen  nach  Süden,  geradeso  wie  in 
den  Ostalpen.  Aber  weiter  geht  die  Symmetrie  auch  hier  nicht;  es 
sei  nur  erwähnt,  daß  die  südliche  Sedimentzone  viel  entwickelter 
ist  und  zu  größerer  Höhe  ansteigt,  als  die  nördliche;  steht  doch 
der  ihr  angehörige  Montperdu  nur  um  wenige  Meter  dem  Kulmi- 
nationspunkte des  ganzen  Gebirges,  dem  granitischen  Aneto,  nach. 
In  der  Sierra  de  Guara  am  äußersten  aragonischen  Eande  führen 
sehr  verwickelte  Strukturverhältnisse  noch  einmal  die  mesozoische 
ßeihe  zutage.  Nach  Westen  laufen  beide  Sedimentzonen  zusammen, 
und  die  paläozoische  Mittelzone  schrumpft  zu  einem  schmalen  Bande 
zusammen. 

Das  höchste  Gebirge  der  Erde,  den  Himalaja,^^  bezeichnet 
Ltdekker  als  ein  System  nach  Südwesten  geneigter  Isoklinalfalten, 


472  Morphologie  des  Landes. 


in  dem  stehende  Falten  und  Verwerfungen  nur  eine  untergeordnete 
Rolle  spielen.  Nach  Griesbagh  sind  Ton  Südwesten  nach  Nordosten 
folgende  Zonen  zu  unterscheiden:  1)  der  Yorhimalaja,  im  Pandschab 
900 — 1200  m  hohe  Ketten,  aus  tertiären  und  zwar  meist  jungtertiaren^ 
Sandsteinen  und  Konglomeraten  bestehend,  die  gegen  die  älteren 
Gesteine  mit  einer  nach  Nordost  einfallenden  Verwerfung  enden, 
2)  der  Niederhimalaja,  .eine  80 — 100  km  breite  und  selten  über 
4000  m  hohe  Zone  aus  paläozoischen  Sedimenten  mit  Durchbrüchen 
archäischer  und  metamorphischer  Gesteine.  Diese  Zone  verschmilzt 
orographisch  stellenweise  mit  der  3.  Zone,  in  anderen  Gegenden  ist 
aber  durch  große  Längsthäler  (Kaschmir,  Chandra)  eine  deutliche 
Scheidung  durchgeführt  3)  Die  Zone  der  großen  Gipfel  oder 
die  südkrystallinische  Zone,  eine  fortlaufende,  aber  orographisch 
nicht  geschlossene  Eeihe  von  Schneegipfeln  von  6 — 8000  m  Höhe. 
Hochthäler  in  4600 — 4900  m  Seehöhe  trennen  sie  von  4)  der  wasser- 
scheidenden Sedimentzone,  die  sich  aus  paläozoischen,  meso- 
zoischen und  sogar  tertiären  Ablagerungen  aufbaut  Im  Quellgebiete 
des  Ganges  erreicht  sie  eine  mittlere  Höhe  von  6000  m,  Pässe  in 
5000—5800  m  Höhe  führen  nach  Tibet  hinüber.  Nur  der  Sutley 
und  der  Zanskar  durchbrechen  diesen  geschlossenen  Gebirgszug. 
Damit  endet  der  Himalaja  im  gewöhnlichen  Sinne  des  Wortes,  und 
beginnt  das  tibetanische  Gebirge,  das  aber  z.  T.,  besonders  im  Nord- 
westen^ sich  enge  an  den  Himalaja  anschmiegt.  Es  folgt  auf  die 
wasserscheidende  Sedimentzone  die  hohe  krystallinische  Indus- 
zone, endlich  die  paläozoische  und  mesozoische  Sedimentzone 
des  Karakorum.  Diese  Skizze  dürfte  trotz  ihrer  Dürftigkeit  ge- 
nügen, nun  uns  eine  Vorstellung  von  einem  mehrfach  zonalen  Ge- 
birge zu  geben. 

Es  war  noch  vor  einem  Jahrzehnt  herrschende  Überzeugung, 
daß  die  großen  Faltungen  sich  zwar  langsam  vollzogen,  aber  doch 
auf  eine  bestimmte  Periode  sich  beschickten.  Die  Geschichte 
der  Alpen  schied  sich  klar  und  sauber  in  zwei  Hauptperioden:  in 
eine  lange  der  Sedimentablagerung  und  in  eine  verhältnismäßig  kurze 
der  Emporfaltung  gegen  das  Ende  der  Tertiärzeit  Immer  mehr  aber 
bricht  sich  die  Überzeugung  Bahn,  daß  diejenige  Erdstelle,  die  wir 
heute  Alpen  nennen,  wiederholt  der  Schauplatz  von  Gebirgsbildungen 
gewesen  ist;  und  betreffs  des  Himalaja  sprach  sich  Gbibsbach  in 
bestimmtester  Weise  dahin  aus,  daß  er  nicht  das  Erzeugnis  einer 
einzigen  Faltungsepoche,  sondern  periodisch  wiederkehrender  Dislo- 
kationen sei,   die  allerdings  am  Ende  der  Miocänzeit   ihre   höchste 


X  Die  sog.  Siwalikschichten. 


Faltengebirge. 


473 


Kraft  entfaltet  haben,  aber  auch  heute  noch  nicht  abgeschlossen  sind. 
Natürlich  gelingt  es  nur  detaillierten  Studien,  solche  Gebirgspalimp- 
seste  zu  enträtseln.  In  den  Alpen  erkannte  man  sehr  deutliche 
Spuren  einer  jungpaläpzoischen  und  Andeutungen  einer  kretacelschen 
Faltungsphase.  Die  Hauptlinien  der  heutigen  Alpen  stammen  aber 
unzweifelhaft  aus  der  Tertiärzeit,  und  gegenüber  dieser  letzten  Faltung 
Terhielten  sich  die  alten  Gebirgsreste  anscheinend  als  todte  ver- 
festigte Massen;  aber  auch  durch  ihren  passiven  Widerstand  mußten 
sie  die  Neugestaltung  beeinflussen.  Wie  die  Falten  stellenweise 
durch  Brüche  ersetzt  werden,  wurde  schon  oben  angedeutet;  neben 


O  Granwacke;   ZJÜT Untere  Trias  (Werfener  Schiefer,  Steinsalz.  Virgloria-Kalk);  Obere 

Trias;  H  Hallstätter  Kalk,  D  Dachstein-Kalk;  L  Lias,  J  Oberer  Jura. 

Fig.  162.     Profil  des  Dachstein-Gebii^s  nach  y.  Hochstbtteb. 


scharfen  Kämmen  erscheinen  in  den  Kalkalpen  ausgedehnte  Plateaus, 
wie  das  Dachsteingebirge  (Fig.  162),  bedingt  durch  die  flache 
Lagerung  mächtiger  Kalkschichten;  in  anderen  Gebirgen  gesellen 
sich  spätere  vulkanische  Ergüsse  hinzu,  zwar  als  ein  fremdes  Element, 
aber  doch  als  ein  solches,  das  mit  dem  Faltenbaue  zu  einer  oft 
untrennbaren  Einheit  verschmilzt  Das  treffende  Wort,  das  v.  Mojsi- 
sovics  auf  die  Alpen  anwandte:  „ein  gemeinsames  Dach  wölbe  sich 
zwar  über  dem  großen,  mit  uniformen  Schnörkeln  ausgestatteten  Bau, 
aber  die  einzelnen  Theile  seien  zu  verschiedenen  Zeiten,  von  ver- 
schiedenen Baumeistern  und  nach  abweichenden  Baustilen  ausge- 
führt worden^',  gilt  von  den  meisten  großen  Kettengebirgen. 

Längflerstreoknng.  In  Bezug  auf  ihre  Längserstreckung  kann 
man  die  Kettengebirge  in  geradlinige  jand  bogenförmige 
teilen;  und  es  muß  besonders  betont  werden,  daß  die  Bogenform 
durchaus  nicht  an  die  üngleichförmigkeit  gebunden  ist,  denn  es 
giebt  auch  gleichförmige  Bogengebirge,  wie  den  Schweizer  Jura,  und 
ungleichförmige  mit  geradlinigem  Verlaufe,  wie  die  Pyrenäen  oder 
den  Kaukasus.  Die  Bogenform  bietet  ein  schwieriges  Problem,  denn 
wenn  auch  aus  der  Annahme  eines  Horizontalschubes  sich  unmittel- 
bar ergiebt^  daß  die  Falten  und  Bergketten  senkrecht  zu  der  Richtung 
der  faltenden  Kraft  verlaufen,  so  entsteht  doch  die  Frage,  was 
diese  Kraft   zu   so  auffallenden  Drehungen  veranlaßt  haben  kann. 


474  Morphologie  des  Landes. 


Süss  dachte  an  einen  Widerstand  alter  Massen  an  der  Außen- 
seite der  Falten.  Für  das  Alpensystem  bildeten  nach  seiner  An- 
sicht das  Gneißmassiv  der  Serre  (bei  Dole,  südöstlich  von  Besanc^ODl 
der  Schwarzwald  und  das  große  böhmische  Massiv  stauende  Hinder- 
nisse; wo  solche  »fehlen,  entwickeln  sich  die  Falten  freier  und  regel- 
mäßiger. Besonders  klar  tritt  dies  am  Ostende  des  böhmischen 
Massivs  hervor,  indem  die  Alpenketten  sich  rutenförmig  teilen  und 
der  Karpatenbogen  weit  nach  Norden  vorrückt.  In  neuester  Zeit 
hat  Frech ^^  die  alten  Restgebirge  an  der  Innenseite  der  Falten, 
wie  er  solche  in  den  südlichen  Ealkalpen  fand,  für  die  Ablenkung 
des  Horizontalschubes  verantwortlich  gemacht 

Manchmal  vollzieht  sich  die  Umbiegung  in  geschlossener  Ketten- 
form, selbst  dann,  wenn  sie  nahezu  in  eine  Knickung  übergeht,  wie 
an  der  Südostecke  von  Siebenbürgen.  Die  hier  beginnenden  Transsil- 
vanischen Alpen  setzen  sich  dann  mit  abermaliger  scharfer  Um- 
biegung im  Balkan  fort.  Einem  auffallend  ähnlichen  Baue  begegnen 
wir  am  westlichen  Ausgange  des  Mittelmeeres:  das  marokkanische 
Elf  entspricht  dem  Balkan,  das  andalusische  Gebirge  den  Transsil- 
vanischen Alpen,  die  Bucht  von  Gibraltar  der  jungen  Tiefebene  der 
Walachei ;  aber  an  der  Umbiegungsstelle  ist  hier  ein  Teil  des  Gebirges 
in  die  Tiefe  gesunken  und  hat  damit  die  Straße  von  Gibraltar 
eröfihet. 

Bisher  haben  wir  nur  den  Fall  betrachtet,  wo  Veränderung  in 
der  Richtung  des  Horizontalschubes  auch  solche  in  der  Streich- 
richtung des  Gebirges  hervorrufen.  Wenn  aber  eine  Erdstelle  zu 
wiederholten  Malen  Faltung  erleidet,  so  kann  es  vorkommen,  daß 
sich  innerhalb  eines  und  desselben  Gebirges  zwei  Bichtungen  kreuzen. 
Das  Taurische  Gebirge  hat  nach  Listows  Untersuchungen^*  einen 
solchen  komplizierten  Bau,  aber  das  nordöstliche  System  bleibt  das 
formgebende  Element,  das  nordwestliche  kommt  nur  in  untergeord- 
neter Weise  zur  Geltung.  Eines  anderen  merkwürdigen  Beispiels 
möge  noch  gedacht  werden,  obwohl  es  kein  Kettengebirge  betrifft: 
es  ist  der  östliche  Teil  von  Schantung  und  das  Gebirge  von  Liau- 
tung  in  China.  Das  alte  krystallinische  Gebirge  strich  nach  Süd- 
südosten, wurde  aber  später  samt  den  jüngeren  Gebilden  in  ost- 
nordöstlich gerichtete  Falten  gelegt.  Nur  einzelne  Massen  widerstanden 
dem  zweiten  Zusammenschube,  wie  der  gewaltige  Zug  des  Hwang- 
schan,  der  die  ältere  Richtung  beibehalten  hat,  während  unmittelbar 
daneben  Ketten  dem  zweiten  System  folgen.  Daß  ältere  Falten 
und  jüngere  Brüche  verschiedene  Richtungen  einschlagen,  ist  keine 
seltene  Erscheinung,  aber  nur  in  umgeformten  Faltengebirgen,  wie 
wir  später  sehen  werden. 


Faltengebirge.  475 


Benehnngen  der  Faltengebirge  zn  einander.  Abgrenzung  und 
Sinteünng  derselben.  Wenn  sich  ein  Gebirge  isoliert  aus  der  Ebene 
erhebt,  so  kann  über  seine  geographische  Selbständigkeit  und  seine 
Grenzen  kein  Zweifel  sich  erheben.  Solche  Gebirge  gehören  aber 
meist  anderen  Kategorien  an;  von  den  echten  Faltengebirgen  unseres 
Festlandes  nimmt  nur  der  Ural  eine  solche  isolierte  Stellung  ein; 
selbst  die  Abgrenzung  des  Kaukasus,  die  auf  orographischen  Karten 
kleineren  Maßstabes  so  einfach  erscheint,  erfordert  im  Süden  schon 
Vertrautheit  mit  den  Einzelheiten  des  Gebirgsbaues.  Den  geraden 
Gegensatz  zum  Ural  bildet  das  westliche  Faltengebirge  der  Balkan- 
halbinsel. Im  Westen  ist  natürlich  das  Meer  die  Grenze,  im  Osten 
tritt  es  aber  ohne  Einschaltung  einer  Ebene  so  nahe  an  Gebirge 
von  anderer  Struktur  heran,  daß  auf  genaue,  allseitig  befriedigende 
Scheidung  überhaupt  verzichtet  werden  muß.  Schwierig  ist  auch 
die  Aufgabe  des  Geographen,  wenn  Faltengebirge  miteinander  ver- 
wachsen, und  dies  ist  innerhalb  der  Hochlandgürtel  beider  Welten 
sogar  die  Regel.  Der  Sprachgebrauch  bietet  einige  Anhaltspunkte, 
aber  keineswegs  sichere;  trotzdem  läßt  er  sich  nicht  einfach 
ignorieren,  soll  nicht  eine  heillose  Verwirrung  einreißen. 

Hier  nur  ein  paar  Beispiele. 

Die  Alpen  zeigen  uns  zwei  verschiedene  Arten  der  Verwachsung. 
Der  Schweizer  Jura  schmiegt  sich  an  seinem  Südwestende  so  enge 
an  die  Kalkalpen  an,  daß  er  geradezu  als  ein  Teil  derselben  er- 
scheint, und  erst  in  seinem'  weiteren  Verlaufe  gewinnt  er  Selb- 
ständigkeit Der  Apennin  und  Karst  sind  dagegen  orographisch 
einfache ,  Fortsetzungen  der  Alpen.  Im  ersteren  Falle  leitet  uns 
wenigstens  der  Richtungswechsel  und  die  Veränderung  in  der  geolo- 
gischen Zusammensetzung  bei  der  Grenzbestimmung,  obwohl  noch 
bis  zum  heutigen  Tage  darüber  gestritten  wird,  durch  welche  Thäler 
und  über  welchen  Paß  am  besten  die  Grenze  zu  ziehen  sei.^'  Bei 
der  Scheidung  zwischen  Alpen  und  Karst  lassen  uns  orographische 
wie  geologische  Karten  im  Stiche;  hier  müssen  wir  noch  tiefer  in 
den  Gebirgsbau  eindringen,  um  einige  Anhaltspunkte  zu  gewinnen. 
Wie  auch  viele  andere  Kettengebirge,  treten  die  Alpen  im  Osten 
rutenförmig  auseinander;*  der  Karst  ist  der  Südflügel,  die  Kar- 
paten sind  der  Nordflügel;  nur  ist  im  letzteren  Falle  die  Trennung 
auch  äußerlich  durch  aufgesetzte  Ebenen  vollzogen.  Aber  gerade 
dieses  Beispiel  lehrt  uns,  daß  die  Natur  manchmal  äußerlich  ge- 
trennt hat,  was  innerlich  zusammengehört;  und  wenn  es  auch  nie- 
mandem einfallt,  den  Karpaten  ihre  Selbständigkeit  zu  rauben,  so 
müssen  sie  sich  es  doch  gefallen  lassen,  als  ein  Glied  dem  alpinen 
System    eingereiht    zu    werden    (vgl.    S.  30).      Gebirgssysteme 


476 


Morphologie  des  Landes. 


repräsentieren  also  eine  höhere  Ordnung  als  Gebirge,  und  zu  einem 
solchen  System  fassen  wir  nicht  bloß  die  äußerlich  verbundenen 
Gebirge  zusammen,  sondern  auch  solche,  welche  entwicklungsgeschicht- 
lich zusammengehören,  auch  wenn  jugendliche  Oberäächengebüde 
diesen  Zusammenhang  verbergen. 

Am  Westende  des  zentralasiatischen  Hochlandes  verschlingen 
sich  Himalaja,  Karakorum,  Kuenlun,  die  Pamirerhebung,  der  Hindu- 
kusch,  der  Tianschan  zu  dem  gewaltigsten  Gebirgsknoten  der  Erde, 
von  dem  sie  fast  nach  allen  Himmelsrichtungen  ausstrahlen.  Das 
ist  Scharung,  d.  h.  Zusammendrängung  von  Faltenzügen,  die  dann 
auseinandertreten,   wie   bei   Alpen   und   Jura,   aber  zugleich   auch 

Endverwachsungy  wie 
zwischen  Alpen  und  Apenninen« 
indem  der  Übergang  aus  dem 
Himalaja  in  den  Hindukusch 
durch  Beugung  und  Verände- 
rung der  Streichrichtung  erfolgt. 
Eine   andere   Art   von    Scha- 


Sinisciies  System. 


rung,     die     von     der     bisher 

Fig.  163.     Dm  Zusammentreffen  des  dnischen    geschilderten    wesentiich     ver- 
Q.  des  Knenlun-Systems  nach  v.  Richthofen.    schieden,  ist  hat  V.  RlCHTHOFKN 

am  Ostende  des  Kuenlun  beob- 
achtet. Starr  behält  dieser  seine  Richtung  bei  und  zwingt  die  auf  ihn 
stoßenden  Falten  des  offenbar  jüngeren  sinischen  Systems  sich  ihm 
anzuschließen  (Fig.  163).  Ein  ganz  anderes  Verhalten  befolgen  die 
beiden  Kichtungssysteme  des  Atlas,  das  östliche  des  Kleinen  und  das 
nordöstliche  des  Großen  Atlas;  an  der  algerisch-tunesischen  Grenze, 
wo  sie  sich  begegnen,  werden  die  Falten  des  ersteren  von  denen  des 
letzteren  glatt  abgeschnitten.^* 

Wie  wir  einerseits  Gebirge  zu  Systemen  zusammenfassen,  so 
lösen  wir  sie  andererseits  in  Haupt-  und  Untergruppen  auf.  Soll 
eine  solche  Einteilung  über  das  Niveau  eines  schulm&ßigen  Not- 
behelfs hinausreichen,  so  muß  sie  die  inneren  Gegensätze  zum  Aus- 
drucke bringen.  Aber  nicht  minder  wichtig  ist  die  orographische 
Gliederung  durch  Tiefen linien;  beide  Gesichtspunkte  müssen  maß- 
gebend bleiben,  und  die  Entscheidung  wird  in  vielen  Fällen  nur 
durch  ein  Kompromiß  erfolgen  können,  v.  Mojsisovics  war  der 
erste,  diBr  den  tiefgreifenden  Unterschied  zwischen  der  Ost-  und 
Westhälfte  der  Alpen  erkannte  und  sie  durch  die  vom  Bodensee  zum 
Lago  Maggiore  sich  erstreckenden  Thallinien  schied.  Geographisch 
besonders  wichtig  ist  die  schon  erwähnte  Thatsache,  daß  nur  die 
Ostalpen  eine  südliche  Sedimentzone   besitzen.     Die   großen  Kalk- 


Faltengebirge.  477 


und  Colomitmassen,  welche  hauptsächlich  die  nördliche  Sediment- 
zone  zusammensetzen^  sind  in  den  Ostalpen  obertriassischen  Alters, 
während  sie  in  den  Westalpen  der  Jura-  und  Kreideformation 
angehören.  Hier  nehmen  auch  die  eocänen  Flyschschiefer  und 
Sandsteine  hervorragenden  Anteil  an  der  Gebirgsbildung.  indem  sie 
zonenartig  zwischen  den  sekundären  Gesteinen  auftreten,  während 
sie  in  den  Ostalpen  nur  auf  den  äußeren  Eand  beschränkt  sind;  das 
unter  dem  Namen  Nagelfluh  bekannte  neogene  Konglomerat  kommt 
nur  in  den  Westalpen  vor.^^ 

Ein  anderes  Beispiel  von  der  Ungleichartigkeit  innerhalb  eines 
und  desselben  Gebirges  bietet  der  Balkan.^®     Westlich  vom  Isker- 
durchbruche  liegt  die  krystallinische  Zone,  nur  von  einem  schmalen 
Kreidebande  am  Nordfuße  begleitet,   im  Norden,   die  Sedimentzone 
im  Süden.   Im  zentralen  Balkan,  etwa  vom  24^  0.  an,  ist  die  Stel- 
lung   eine  umgekehrte;   außerdem  sind  die  paläozoischen  Gesteine 
des  Westbalkans  versdiwunden,   und  unmittelbar  auf  die  krystalli- 
nische Zone   folgen  nach  Norden  schmale  Trias-  und  Jurabänder, 
endlich  in  reicher  Entwicklung  die  Kalke  und  Sandsteine  der  Kreide- 
formation (zum  Teil  auch  des  Eocän).     Je  weiter  vrir  nach  Osten 
fortschreiten,  desto  mehr  senkt  sich  die  krystallinische  Zone,  schon 
in    der  Gegend  von  Sliven   hat   die  Kreide   die  Wasserscheide   er- 
reicht, und  im  niedrigen  Ostbalkan  tiberschreitet  sie  dieselbe,  breitet 
sich  über  den  ganzen  Südabhang  aus  und  bedeckt  alle  älteren  Bil- 
dungen.   Zwischen  dem  zentralen  und  östlichen  Balkan  besteht  nur 
ein    beträchtlicher  Unterschied   in   der  Hebungsintensität,   zwischen 
dem  zentralen  und  westlichen  aber  ein  noch  tiefer  greifender,   der 
bis  in  frühe  Erdepochen  zurückreicht     Die  Grenze  zwischen  dem 
West-  und  Zentralbalkan  wird  jeder  in  das  Iskerthal  verlegen,  ob- 
wohl es  nicht  genau  mit  der  Veränderung  des  Baues  zusammenfällt; 
zwischen  dem  Zentral-  und  Ostbalkan  fehlt  eine  solche  ausgezeich- 
nete geographische  Linie,  doch  stimmen  wir  Theobald  Fischer  bei, 
wenn  er  den  Eisernen  Thor-Paß  nördlich  von  Sliven  als  schicklichste 
Grenze  bezeichnet. 

Beziehimgen  der  Kettengebirge  zum  ungefEilteten  Vorlande.  Es 
ist  eine  häufig  wiederkehrende  Erscheinung,  daß  der  eine  Fuß  eines 
Kettengebirges  tiefer  liegt,  als  der  andere.  Bogenförmige  Gebirge 
werden  in  der  Kegel  an  der  konkaven  Seite  von  Tiefebenen,  an  der 
konvexen  von  Hochflächen  begleitet,  selbst  dann,  wenn  an  der  Innen- 
seite keine  sichtbaren  Spuren  von  Einstürzen  vorhanden  sind.  Die 
einzelnen  Glieder  des  Alpensystemes  zeigen  hierin  eine  bemerkens- 
werte Übereinstimmung,  so  die  Alpen  selbst,  der  Jura,  die  Karpaten. 
Der  Atlas  und  das  andalusische  Gebirge  grenzen  an  der  Innenseite 


478  Morphologie  des  Landes. 


au  das  Meer  und  an  der  Außenseite  an  Land ;  der  Apennin  hat  das 
tiefere  Meer  an  seiner  konkaven,  das  flachere  an  seiner  konvexen  Seite. 
Auch  bei  geradlinigen  Gebirgen,  wie  bei  dem  Ural  und  den  Alleghanies, 
finden  wir  tieferes  Vorland  an  der  Seite,  wo  die  Hebungsintensität 
am  größten  war.  Aber  es  giebt  auch  Beispiele  vom  Gegenteile.  So 
begrenzen  den  Himalaja  an  seiner  Innenseite  Ebenen  von  4000  m  See- 
höhe, an  seiner  Außenseite  aber  ein  Tiefland,  das  selbst  am  Fuße  des 
Gebirges  nur  ein  paar  hundert  Meter  über  dem  Meeresspiegel  liegt: 
und  das  japanische  Gebirge  stürzt  an  seiner  konvexen  Seite  zu 
gewaltigen  Ozeantiefen  hinab,  während  es  sich  an  der  anderen  zur 
flach  schüsselformigen  Vertiefung  des  Japanischen  Meeres  senkt. 

Sehen  wir  von  den  beiden  letztgenannten  Fällen  vorläufig  ab, 
so  nehmen  wir  wahr,  daß  auch  die  geognostischen  und  tektonischen 
Beziehungen  zum  Hinterlande  andere  sind,  als  zum  Vorlande  (vgl. 
Fig,  159  und  161).  Dieselben  Schichten,  die  den  äußersten  Grebirgs- 
gürtel  aufbauen,  setzen  sich  mit  horizontaler  Lagerung  in  dem  flachen 
Hinterlande  fort;  allmählich  erstirbt  die  faltende  Kraft,  manchmal 
tauchen  noch  vereinzelte  Antiklinalen  auf,  wie  die  Parmas  im  Westen 
des  Urals.  An  der  Innenseite  dehnt  sich  junges,  fremdartiges  Schwemm- 
land aus,  der  eigentliche  Gebirgsfuß  liegt  in  der  Tiefe  verborgen. 
Solche  Gebirge  nennen  wir  einseitige  Bandfaltungen.  Möglich 
ist  es,  daß  die  Faltung  in  dem  Hinterlande  einiger  Gebirge  noch 
fortschreitet,  wie  dies  z.  B.  Gkiesbach  vom  afghanisch-turkestanischen 
Grenzgebirge  behauptet  hat. 


Fig.  164.    Profil  des  Kuruk-tag  bei  Kurla  (41ö40'N.,   86<>35'0.)  uflch  Boodaxo- 
WITSCH.     Q  =  Granit,  D  =  Devon,  d  =  Diabas.  J  =  Jura  und  Kreide,  q  =  Quartär. 

Im  Himalaja  scheint  der  Fall  einer  doppelten  Kandfaltung 
vorzuliegen.  Auf  der  tibetanischen  Seite  sehen  wir  die  sonst  horizontal 
gelagerten  jungtertiären  Schichten  am  Südrande  des  Hund6s-Plat^us 
aufgerichtet.^^  Anders  liegen  die  Verhältnisse  am  hindustanischen 
Fuße.^^  Hier  brechen  die  jugendlichen  Siwalikschichten,  die  den  Vor- 
himalaja  zusammensetzen,  schroflf  ab,  aber  in  ihrem  Gesteinscharakter 
stimmen  diese  Schichten  mit  dem  Alluvium  der  angrenzenden  Ganges- 
ebene so  sehr  überein^  daß  man  nicht  daran  zweifeln  kann,  daß  sie 
in  der  That  identische  Bildungen  sind.  Der  Siwalik  war  einst  hori- 
zontale Anschwemmung,  das  heutige  Schwemmland  wird  einst  viel- 


Umformung  der  Faltengebirge.  479 


leicht  Yorkette  sein.  Nur  der  Vorgang  ist  ein  anderer,  als  im  Norden 
oder  in  der  Schweiz.  Successive  erfolgten  die  Dislokationen  von 
Norden  nach  Süden;  ein  Bruch  bezeichnete  den  jedesmaligen  Gebirgs- 
fuß,  der  immer  weiter  nach  Süden  hinausrückte^  und  die  heutigen 
Formationsgrenzen  innerhalb  des  Vorhimalaja  waren  im  großen  und 
ganzen  auch  die  Grenzen  der  Ablagerung. 

Ist  ein  Gebirge  an  allen  Seiten  von  jüngeren  Schichten  um- 
geben, die  an  der  Faltung  keinen  Anteil  nehmen^  so  kann  man  es 
ein  durchgreifendes  Gebirge  nennen.  Ist  es  nicht  durch  Brüche 
begrenzt,  so  muß  man  annehmen,  daß  die  Eandfaltungen  nur  ober- 
flächlich verhüllt  sind.  Bei  dem  zentralasiatischen  Gebirge,  dessen 
Profil  wir  hier  als  Beispiel  vorführen  (Fig.  164),  bedecken  rezente 
Steppenablagerungen  den  Gebirgsfuß  im  Norden  und  Süden. 

Liitteratnrnachweise.     *  Le  Conte,  Theories  of  the  Origin  of  Moun- 
tains,   im   Joomal   of  Geology,    Chicago    1893.      Betre&    der  Mechanik  des 
Faltnngsprozesses  ist  Heim,  Mechanismus  der  Gebirgsbildung,  Basel  1878,  noch 
immer  das  klassische  Werk,  wenn  auch  z.  T.  schon  überholt    Über  Faltungs- 
experimente 8.  Willis,  The  Mechanics  of  Appalachian  Structure,  im  13.  Annual 
Rej>ort  of  U.  S.  Geological  Survey  1891—92.   —  "  Richtige  Vorstellungen  ver- 
mittelt  das   meisterhafte  Erdprofil  der  Zone  von  81  bis  65*^N.  B.  von  Likoo, 
München  1886.  —  '  Mellard  Bbabe,  The  origine  of  Mountain  Ranges,  London 
1886.  —  ^Reteb,  Ursachen  der  Deformationen  undGebirgsbildung;  geologische 
und    geographische    Experimente,   Leipzig  1892.    —    *  Dutton,  cit.  S.  278.    — 
*    La  Touche   in   den   Records  of  the  Geological   Survey  of  India,  1893.  — 
^  RoTBPLFrz,   Ein   Querschnitt   durch  die  östlichen  Alpen,   Stuttgart  1894.   — 
^  DisNEB,  Der  Gebirgsbau  der  Westalpen,  Wien  1891.   —  ^  de  Maboerie  und 
Schradeb,   Aper9u   de  la  structure  g^ologique  des  Pyren6es,   Paris  1892.    — 
^^  Grenauer  bekannt   ist  nur   der   nordwestliche^   britische  Teil;   vgl.  die  Ab- 
bandlungen von  Ltdekeeb  u.  Gbiesbach  in  d.  Memoirs  of  the  Indian  Geological 
Survey,  Bd.  22  (1888)  u.  23  (1891).  —  "  Feech,  Die  Tribulaungruppe,  in  der 
RiCHTHOFEN-Pestschrift,  Berlin  1893.  —  "  Listow,  in  d.  Iswestija  d.  Russischen 
Geographischen  Gesellschaft  1889,  S.  270.  —   "  Vgl.  Petebmanns  Mitteil.  1893, 
S.  93.  —  ^*  RoTHFLETz,  Das  Atlasgebirge  Algeriens,  in  Petebmanns  Mitteilungen 
1890.  —   '^  Die  Grundsätze  einer  wissenschaftlichen  Einteilung  erörtert  Böhm, 
Einteilung  der  Ostalpen,  Wien  1887.  —  "  Toula,  Reisen  u.  geologische  Unter- 
suchungen in  Bulgarien,  Wien  1890.  —  "  Middlemiss,  Physical  Geology  of  the 
Sub-Himalaya  of  Garhw&l  and  Kumaun;  in  d.  Memoirs  of  the  Geolog.  Survey 
of  India,  XXIV,  1890. 

Umformung  der  Faltengebirge. 

Umformung  durch  Bruch«  Brüche  haben  wir  schon  als  eine  ge- 
wöhnliche Begleiterscheinung  der  Faltung  kennen  gelernt,  ja  stellen- 
weise ersetzt  geradezu  die  eine  Dislokationsform  die  andere,  wie  im 
östlichen  Südtirol.  Hier  haben  wir  aber  nur  diejenigen  Fälle  ins 
Auge   zu   fassen,    wo   Brüche    einen    gefalteten   Gebirgskörper   er- 


480  Morphologie  des  Landes. 


greifen,   ihn   seiner   ursprünglichen   Gestalt   berauben,    endlich   ihn 
völlig  auflösen. 

Die  Innenseite  bogenförmiger  Kettengebirge  unterlag  häuii«r 
einer  weitgehenden  Zertrümmerung  und  Umgestaltung.  Ein  erstes 
Stadium  führt  uns  das  andalusische  Faltensystem  vor  Augen. ^ 
Eine  Scholle  der  inneren  Schieferzone  finden  wir  bei  Cartagena; 
weiter  südlich  treffen  wir  aber  auf  einen  wohlerhaltenen  Scbieferzng. 
der  sich  von  der  Sierra  de  los  Filabres  bis  in  die  Provinz  Malaga 
erstreckt  und  mit  dem  Serpentinstocke  von  MarbeUa  endet.  Noch 
hat  sie  ihren  ursprünglichen  hypsometrischen  Rang  nicht  eingebüßt, 
denn  die  Sierra  Nevada,  deren  einfachen  antiklinalen  Bau  y.  Dbascke 
anschaulich  geschildert  hat,  ist  noch  immer  die  Königin  der  iberischen 
Gebirge.  Im  Norden  wird  die  Schieferzone  von  einem  Gürtel  sekun- 
därer und  tertiärer  Gesteine  begleitet,  die  den  Gibraltarfels  und  die 
Gebirge  bis  zur  Guadalquivirebene  und  nördlich  von  Lorca  und 
Murcia  zusammensetzen. 

In  den  Karpaten  und  Apenninen  ist  dagegen  nur  noch  die 
Außenzone  vollständig  erhalten.  Die  Trümmer  der  Innenzone  ziehen 
in  Ungarn  in  der  Form  zahlreicher  kleinerer  und  größerer  Insehi 
aus  krystallinischem  Schiefergestein  und  Granit  von  Preßburg  bis 
Kaschau  (die  Hohe  Tatra  gehört  dazu)  und  tauchen  dann  wieder 
nach  einer  langen  Unterbrechung  als  zusammenhängende  Kette 
im  Südosten  auf.  Noch  größer  ist  die  Zerstückelung  der  apen- 
ninischen Innenzone,  wie  Süss  gezeigt  hat;  ihre  Überreste  finden 
wir  in  den  Apuanischen  Alpen,  auf  den  toskanischen  Insehi, 
in  der  Catena  metaUifera,  im  Circekap  und  auf  der  Insel  Zannone; 
und  nur  im  Süden  hat  sich  noch  ein  zusammenhängender  G^birgsrest 
in  dem  steil  gegen  Westen  abfallenden  calabrischen  Gebirge  erhalten. 
Während  in  den  Karpaten  die  Granitkette  der  Hohen  Tatra  noch  immer 
ihren  hypsometrischen  Vorrang  behauptet  hat,  ist  der  Kulminations- 
punkt in  den  Apenninen  bereits  in  die  Sedimentzone  gewandert. 

Solche  innere  Bruchzonen  mit  ihren  tiefgehenden  Spalten  waren 
oder  sind  noch  ein  bevorzugter  Schauplatz  vulkanischer  Erschei- 
nungen. Karpaten  und  Apenninen  bieten  dafür  lehrreiche  Belege, 
den  lehrreichsten  aber  wohl  Japan.*  Man  unterscheidet  hier  zwei 
Gebirgsbogen,  die  durch  tiefe  Depressionen  getr^int  sind.  Soweit  die 
Innenzone  am  Japanischen  Meere  noch  gut  erhalten  ist,  wie  im 
Berglande  von  Tschugoku  am  westlichen  Vorsprunge  Nippons,  ist 
vulkanisches  Gestein  nur  auf  den  marinen  Rand  beschränkt;  von  der 
Wakasabucht  aber  bis  zur  Tsugarustraße  ist  die  Innenzone  völlig 
aufgelöst,  und  nun  reiht  sich  Feuerberg  an  Feuerberg  zu  einem  der 
imposantesten  Vulkangürtel  der  Erde. 


Umformnng  der  Faltengebirge.  481 


Im  letzten  Stadium  vor  der  völligen  Auflösung  befindet  sich 
die  Sierra  Nevada  von  Californien,  jenes  mächtige  Kettengebirge, 
das  das  Sacramentothal  von  dem  Großen  Becken  des  amerikanischen 
Hochlandgürtels  scheidet  Eine  intensive  Faltung  erfolgte  zwischen 
der  Jura-  und  Kreidezeit;  gegen  Ende  der  Tertiärzeit  setzte  die 
^ebirgsbildende  Kraft  abermals  ein,  aber  diesmal  in  der  Form  von 
Brüchen  und  senkrechten  Verschiebungen.  Nur  betrafen  diese  neuen 
Veränderungen  nicht  das  ganze  Gebirge  in  gleicher  Weise.  Im 
Parallel  des  Monosees  (38  %  wo  Reybe^  ein  Profil  aufiiahm,  beginnt 
die  Bruchzone  erst  im  Osten  des  Granites  der  Hochsierra;  sie  löste 
das  Gebirge  von  dem  Hinterlande  ab  und  schuf  den  Gegensatz  zur 
Ebene.  2^4  Breitengrade  nördlicher,  im  Parallel  des  Honey  Lake, 
haben  aber  die  Brüche  die  Granitzone  selbst  ergriffen.  Ein  Profil 
Dellees*  zeigt  uns  hier  das  ganze  Gebirge  in  drei  Schollen  zer- 
spalten, die  nach  Osten  steil,  nach  Westen  allmählich  sich  abdachen. 
In  jeder  Scholle  folgen  von  Westen  nach  Osten  Karbon,  goldführende 
Schiefer,    Granit     Die    jetzige  Gestalt    ist    also    nicht    mehr    die 


Fig.  165.     Profil  des  Oebirgee  bei  Eureka,  Nevada,  nach  A.  Hagfe  in  Sfacher 

Überhöhung. 

i.  Cambrinm,  2,  Silur,  3.  Devon,  4.  Karbon,  5.  Eruptivgesteine. 

M.H  Mahogany    HiHs  2420  m,    S.M  Spanish  Mt.  2500  m,    P.M     Piospect  Mt. 

2790  m,  Sp  Spring  Mt.  2300  m,  C.P  County  Peak  2545  m,  B.P  Basalt  Peak 

2470  m. 


ursprüngliche,  aber  die  Kettenform  ist  trotzdem  gewahrt  geblieben. 
Solche  Faltengebirge  nennen  wir  gebrochene. 

Faltenzüge,  wie  die  Sierra  Nevada,  erfüllten  einst  das  ganze 
Große  Becken  innerhalb  der  Staaten  Nevada  und  Utah  bis  zum 
Wahsatch-Gebirge.  Hier  ist  aber  der  tertiäre,  bis  in  die  Gegenwart 
andauernde  Dislokationsprozeß  bis  zur  völligen  Auflösung  ge- 
diehen. Was  erhalten  blieb,  sind  eine  Reihe  von  Kammgebirgen, 
in  ihren  horizontalen  Dimensionen  etwa  dem  Thüringer  Walde  ver- 
gleichbar, aber  nicht  in  ihren  vertikalen,  da  einige  Gipfel  3000  m 
Seehöhe  erreichen  und  sogar  übersteigen.  Breite  Thalebenen  mit 
jugendlichen  Ausfüllungsmassen  umschließen  sie.  Vom  Lone  Peak 
im  Wahsatch-Gebirge  bis  zur  Westgrenze  Nevadas  wiederholt  sich 
im  407,.  Parallel  auf  eine  Länge  von  700  km  der  Wechsel  von 
Ebene  und  Gebirge  19  mal;  die  ersteren  haben,  abgesehen  von  der 
100  km  breiten  Großen  Wüste,  eine  durchschnittliche  Breite  von  19, 

Sdpav,  Phyaische  ErdlFaode.   %  AuB.  31 


482  Morphologie  des  Landes. 


die  letzteren  eine  solche  von  14  km.  Fig.  165  veranschaulicht  uns 
den  verwickelten  Bau  dieser  Trtimmergebirge  nach  neueren  Unter- 
suchungen.* Nicht  nur  durch  Randbrüche  wurden  sie  isoliert,  auch 
der  Gebirgskörper  selbst  ist  vielfach  zerspalten  und  ungeformt  Aber 
noch  sind  die  Züge  des  alten  Faltenbaues  erkennbar,  ja  es  gelingt 
sogar  noch  manchmal,  aus  den  heutigen  Bruchstücken  die  einstigen 
Faltenlinien  herzustellen. 

Solche  Gebirge,  wie  das  von  Eureka,  nennen  wir  Falten- 
schoUengebirge;  wo  sie  gesellig  auftreten,  bilden  sie  ein  Falten- 
schollenland.  Das  Große  Becken  vereinigt  diesen  Typus  mit  dem 
des  Tafelschollenlandes,  den  wir  bereits  im  südlichen  Oregon  kennen 
gelernt  haben. 

Außerordentlich  lehrreich  sind  die  tektonischen  Verhältnisse 
Griechenlands,  deren  Verständnis  uns  im  Laufe  der  letzten  Jahr- 
zehnte durch  die  Forschungen  der  österreichischen  Geologen®  und 
Philippsons^  erschlossen  wurde.  Der  Übergang  aus  dem  Falten- 
gebirge ins  FaltenschoUengebirge  ist  hier  deutlich  zu  verfolgen.  Das 
erstere  beherrscht  den  Westen;  Philippson  setzt  seine  Entstehung  in 
das  Oligocän  oder  an  die  Grenze  von  Oligocän  und  Miocän.  Das  Pliocan 
ist  ungefaltet,  aber  gebrochen  und  liegt  in  verschiedenen  Höhen,  die  im 
Peloponnes  im  allgemeinen  von  Norden  nach  Süden  abnehmen.  Das  be- 
weist, daß  auch  innerhalb  des  Faltengebirges  nach  der  horizontalen  Be- 
wegung eine  vertikale  eintrat.  Schon  im  mittleren  Griechenland  bilden 
die  nach  verschiedenen  Eichtungen  verlaufenden  Bruchlinien  ein  wahres 
Netzwerk,  in  Elis  ist  das  Faltenland  in  der  That  schon  in  Schollen 
aufgelöst,  aber  im  großen  und  ganzen  wird  das  peloponnesische 
Gebirge  doch  noch  durch  die  südöstliche  Streichrichtung  der  Falten 
beherrscht  In  Thessalien  und  Mittelgriechenland  stößt  mit  diesem 
System  ein,  wie  es  scheint,  etwas  älteres  östlich  streichendes  FaJten- 
system  zusammen,  und  dieses  befindet  sich  im  Stadium  völliger 
Auflösung.  Othrys,  Oeta,  Helikon,  Kithaeron,  Pames  erwecken 
gleichsam  noch  den  Schein  von  Faltengebirgen,  weil  die  Bruchlinien 
mit  dem  Streichen  der  Falten  parallel  verlaufen  —  wir  nennen  sie 
Längsschollen  — ,  aber  im  Pentelikon  und  Hymettos,  auf  Euböa 
und  im  östlichen  Thessalien  ist  auch  dieser  Schein  geschwunden. 
Im  thessalischen  Eüstengebirge,  das  sich  vom  Pelion  bis  zur  Kam- 
pania  von  Saloniki  fortsetzt,  ist  der  Typus  einer  Querscholle  auf  das 
schärfste  ausgeprägt;  die  Umrisse  des  Gebirges  werden  ausschließlich 
durch  Brüche  bestimmt,  welche  die  alten  Falten  unter  senkrechtem 
oder  spitzem  Winkel  schneiden.  Von  den  gewaltigen  Veränderungen, 
die  sich  hier  seit  der  letzten  Phase  der  Tertiärzeit  vollzogen  und 
—  wie  die  zahlreichen  tektonischen  Beben  lehren  —  noch  immer 


Umformung  der  Faltengebirge.  483 

keinen  Abschluß  gefunden  haben,  können  wir  uns  nur  eine  sehr 
mangelhafte  Vorstellung  machen.  Es  ist,  als  wenn  wir  quer  durch 
die  Schweizer  Alpen  einen  Streifen  von  etwa  20  km  Breite  heraus- 
schneiden würden  und  alles  andere  Gebirge  im  Westen  und  Osten  in 
die  Tiefe  versänke,  um  von  Wasser  oder  lockeren  Ablagerungen  be- 
deckt zu  werden. 

Umformung  durch  DeBtruktion.  Die  Höhe  eines  Faltengebirges 
ist  das  Ergebnis  verschiedener  Vorgänge,  der  Hebungsintensität 
einerseits,  nachfolgender  Senkungen  und  der  Denudation  anderer- 
seits. Aus  dem  Umstände,  daß  benachbarte  Gipifel  sich  annähernd 
in  gleicher  Höhe  halten,  dürfen  wir  schließen  —  und  es  ist  auch 
im  vorhinein  nicht  anders  zu  erwarten  — ,  daß  die  positiven  wie 
die  negativen  Kräfte  örtlich  nahezu  gleichmäßig  wirken.  Für  die 
Anordnung  der  Gipfelhöhen  innerhalb  eines  und  desselben  Gebirges 
ist  der  tektonische  Faktor  jedenfalls  in  erster  Linie  maßgebend.  In 
den  Alpen  ist  die  krystaUinische  Zone  fast  überall  höher,  als  die 
Kalkzone.  Die  Reihe  der  3000  m- Gipfel  beginnt  im  Westen  mit 
der  Argentara,  der  Pelvoux  eröffiaet  den  Reigen  der  4000  m- 
Gipfel,  der  bis  zum  Bernina  zieht  Bis  zum  Montblanc  (4810  m)  ist 
Zunahme,  dann  wieder  Abnahme  bemerkbar.  Jenseits  des  Bemina- 
Meridians  herrschen  wieder  die  3000  m- Gipfel,  sie  schließen  mit 
dem  Sonnblick  am  Ostende  der  Hohen  Tauem.  Nun  macht  sich 
bereits  die  ungarische  Senkung  geltend.  Die  nördlichen  Kalkalpen 
brechen  steil  im  Wiener  Becken  ab  und  übertreflfen  nicht  un- 
beträchtUch  die  krjstallinische  Zone,  die  allmählich  sich  senkend 
in  die  ungarische  Ebene  verläuft.  Der  östlichste  2000  m-Gipfel,  der 
Schneeberg,  gehört  dem  nördlichen  Kalkgürtel  an.  In  manchen  Ge- 
birgen, wie  im  Kaukasus  oder  in  den  Andes,  sind  die  höchsten 
Gipfel  aufgesetzte  Vulkankegel,  und  von  diesen  fremdartigen  Ge- 
bilden müssen  wir  absehen,  wenn  wir  von  den  Hebungsintensitäten 
verschiedener  Faltengebirge  eine  Vorstellung  gewinnen  wollen. 

Vergleichen  wir  aber  verschiedene  Gebirge  miteinander,  so 
müssen  wir  nicht  bloß  die  tektonischen  Vorgänge,  sondern  auch  die 
Denudation  als  klimatischen  Faktor  in  Rechnung  ziehen.  Penck 
hat  namentlich  auf  die  Bedeutung  der  Baumgrenze  aufmerksam  ge- 
macht, denn  mit  dem  Schwinden  der  Vegetationsdecke  ist  den  zer- 
störenden Kräften  Thür  und  Thor  geöffnet.  Man  kann  sehr  wohl 
annehmen,  daß  jedem  Klima  ein  bestimmtes  oberes  Denudations- 
niveau entspricht,  über  das  kein  Berg  hinauswachsen  kann.  Des- 
halb wäre  es  eine  ganz  irrige  Vorstellung,  wenn  wir  z.  B.  die  einstige 
Höhe  der  Zentralalpen  dadurch  ermitteln  wollten,  daß  wir  alle  Sedi- 
mente,  die   einst   auf  denselben  abgelagert  wurden,   über  sie  auf- 

31* 


484 


Morphologie  des  Landes. 


türmten.  Das  wäre  nur  dann  richtig,  wenn  das  Gebirge  mit  Einem 
Eucke  emporgehoben  worden  wäre,  und  auch  dann  nur  für  den 
Moment  der  Erhebung.  Nach  Pencks  Tabelle  sind  in  Fig.  166  drei 
Kurven  entworfen  worden,  aus  denen  man  den  Schluß  ziehen  darf, 
daß  Beziehungen  zwischen  Gipfelhöhe  und  Schnee-  und  Baumgrenze 
thatsächlich  bestehen.  Alle  diese  Kurven  senken  sich  in  höheren 
Breiten  und  erreichen  ihre  höchste  Höhe  zwischen  dem  20.  und 
40.  Parallel;  auch  die  äquatoriale  Depression  ist  tiberall  deutlich 
ausgeprägt.  Trotzdem  giebt  uns  die  Gipfelkurve  nur  eine  Vor- 
stellung, wie  etwa'  das  obere  Denudationsniveau  verläuft^  aber  keine 
Auskunft  über  dessen  absolute  Höhe.  Der  Einfluß  des  tektc»- 
nischen  Faktors  ist  entschieden  der  vorherrschende.  Daraus  erklärt 
es  sich,  daß  sich  auf  der  Südhalbkugel  kein  Himalaja  erhebt,  dat!' 
zwischen  50  und  70^  S.  nur  niedere  Berge  vorkommen,  während  der 
polare  Erebus  wieder  eine  Seehöhe  von  3780  ra  erreicht. 

yördliche  £reitc  SüdÜcha  Breite 


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Fig.  166.     Graphische  Darstellung  der  größten  Gipfelhohen  {aa\  obersten  Schnee- 
grenze (66)  und  obersten  Baumgrenze  (ce)  in  den  10^- Zonen. 

Neben  dem  tektonischen  Momente  spielt  aber  auch  noch  ein 
anderes  eine  hervorragende  Rolle:  das  Alter  der  Gebirge  oder 
mit  anderen  Worten:  die  Dauer  der  Zerstörung.  Man  bestimmt 
das  Alter  nach  dem  von  Elie  de  Beaumont  aufgestellten  Grundsatze, 
wonach  die  Dislokation  einer  Schicht  jünger  ist,  als  die  Schicht  selbst, 
und  älter,  als  die  nächste  ungestörte  Schicht 

Die  meisten  Kettengebirge  sind  allerdings  jung,  es  giebt  aber 
auch  einige  sehr  alte.  Der  Ural  und  das  Timangebirge  sind  meso- 
zoisch, die  Alleghanies  und  das  südchinesische  Gebirge  sind  sogar 
paläozoisch;  auch  die  Faltung  des  Kuenlun  und  Nanschan  in 
Zentralasien  und  des  Zuges  der  Drakensteen-,  Bokkeveld-,  Zwarte- 
und  Zuurberge  im  Kaplande,  die  die  große  Karru  im  Süden  ab- 
grenzen und  sich  durch  auffallende  Regelmäßigkeit  auszeichnen, 
reicht  weit  über  die  Tertiärzeit  zurück.  Die  Seehöhen  der  höchsten 
Gipfel  sind  allerdings  sehr  verschieden:  Ural  1700,  Alleghanies  2000, 
Kuenlun  6000  m.  Aber  dies  ist  nicht  das  Entscheidende,  sondern 
das  Verschwinden  aller  hervorragenden  Gipfel,  die  ermüdende  Gleich- 


Umformung  der  Faltengebirge. 


485 


tormigkeit  der  Kämme,  so  daß,  wenn  man  sich  die  Thäler  ausgefüllt 
denkt,  das  Gebirge  sich  in  ein  Flachland  verwandelt  Auf  Ketten- 
gebirge von  solcher  Gestaltung  beschränken  wir 
den    Namen  Rumpfgebirge. 

Wenn  man  nebenstehendes  Profil  der  Alleghanies 
mit  dem  der  Alpen  (Fig.  161,  S.  470)  vergleicht,  wird 
man  den  Unterschied  zwischen  alten  und  jungen 
Kettengebirgen  sofort  erkennen.  Auffallend  ist  zu- 
nächst, daß  im  Alleghanies-Profile  die  höchsten  Punkte 
den  Synklinalen,  also  den  ursprünglichen  Thälern  an- 
gehören; aber  dies  ist  nicht  das  Hauptmerkmal  der 
Rumpfgebirge,  da  es  auch  in  jungen  Faltengebirgen 
nicht  selten  wiederkehrt  Mehr  Gewicht  legen  wir 
darauf,  daß  der  Einfluß  der  Hebungsintensität  nicht 
durch  spätere  Senkungen,  sondern  ausschließlich  durch 
Abtragung  völlig  aufgehoben  wurde.  Sicher  nahm 
einst  die  Faltenhöhe  nach  Nordwesten  zu;  jetzt  sind 
alle  Unterschiede  ausgeglichen,  die  verschiedensten 
geologischen  Horizonte  sind  nahezu  in  das  gleiche 
Niveau  gebracht,  die  untersilurischen  Kalksteine  im 
Nordwesten  wie  Devon  und  Karbon  im  Südosten. 
Aber  wie  groß  auch  die  Umgestaltung  ist,  die  Form 
des  Kettengebirges  ist  noch  erhalten;  noch  immer 
bestimmt  die  Streichrichtung  der  Falten  die  der  Berg- 
züge, noch  immer  ist  das  Längsthal  das  Hauptelement 
der  Gliederung. 

Wir  müssen  uns  jetzt  nach  dem  Norden  begeben, 
um  noch  weitere  Fortschritte  des  Destruktionspro- 
zesses kennen  zu  lernen.  Die  Hudsonbai  wird  von 
einem  600  km  und  darüber  breiten  Bande  stark  dislo- 
zierter archäischer  Gesteine  umschlungen.®  Eine  Reihe 
großer  Seen:  der  Bären-,  Sklaven-,  Athabaska-,  Win- 
nipegsee  und  die  canadischen  Seen  bezeichnen  den 
Rand  des  Tafellandes,  das  aus  flach  gelagerten  paläo- 
zoischen Kalken  besteht  und  mit  jüngerer  Über- 
deckung bis  an  den  Fuß  des  Felsengebirges  sich  er- 
streckt. Einzelne  Reste  dieser  Kalkdecke  sind  auch 
auf  der  anderen  Seite,  am  Westgestade  der  Hudsonbai 
erhalten  —  die  dazwischen  liegende  archäische  Zone 
trägt  aber  keine  anderen  jüngeren  Ablagerungen,  außer 
hier  und  da  glazialen  Schutt  oder  Fluß-  und  Seenabsätze 
der  Gegenwart    Sorgfältigen  Untersuchungen  gelang  es,  die  Alters- 


(( 


486  Morphologie  des  Landes. 


folge  der  krystallinischen  Gesteine  dieser  Zone  festzustellen,  und 
damit  war  ein  Anhaltspunkt  zur  Entwirrung  der  LageningSTerhält- 
nisse  gewonnen.  Alle  Forscher  stimmen  darin  überein,  daß  wir  es 
hier  mit  den  Fundamenten  eines  alten  Faltengebirges  zu  thun  haben. 
Im  Lake  of  the  Woods  sah  Lawbon  den  Gürtel  der  Keewatingest^ine 
in  tausende  von  Inseln  und  Halbinseln  zersplittert,  aber  noch  lassen 
sich  hier  die  Antiklinalen  erkennen,  die  in  bogenförmigem  Verlaufe 
ihre  konvexe  Seite  nach  Norden  kehren.  Aber  statt  mächtiger  Ge- 
birge finden  wir  hier  ein  Flachland,  das  sich  von  allen  Seiten  zur 
Hudsonbai  neigt;  Süess  hat  es,  wie  schon  einmal  erwähnt  wurde,  mit 
der  Hohlseite  eines  flachen  Schildes  verglichen.  Wenn  wir  Flach- 
land sagten,  so  sind  wir  uns  dabei  freilich  bewußt,  das  Charakte- 
ristische dieses  Geländes  nur  sehr  unvollkommen  zum  Ausdrucke 
gebracht  zu  haben.  Die  Amerikaner  haben  jetzt  dafür  das  Wort 
„Peneplain"  erfunden,  das  wir  etwa  mit  „Fastebene"  übersetzen 
können.  Für  eine  Ebene  wechseln  Erhebungen  und  Vertiefungen 
zu  rasch,  für  ein  Berg-  oder  auch  nur  für  ein  Hügelland  sind  die 
Höhenunterschiede  zu  gering  (meist  nur  10 — 30  m),  för  ein  WeUen- 
land  ist  die  Gestaltung  zu  unregelmäßig.  Nicht  die  einstige  An- 
ordnung der  Schichtensättel  und  -mulden  ist  maßgebend  für  die 
heutige  Orographie,  sondern  einzig  und  allein  der  Härtegrad  der 
Gesteine;  Granite,  alte  Gneiße  u.  s.  w.  haben  der  Zerstörung  kraf- 
tiger widerstanden  und  bilden  Eücken  und  Bergchen,  abgerundet 
und  gescheuert  durch  das  Binneneis,  das  in  der  Glazialzeit  darüber 
hinwegschritten  war. 

Kein  Zweifel,  wir  stehen  auf  einem  Schauplatze  gewaltigster 
Zerstörung,  die  —  wie  die  flache  Lagerung  der  silurischen  Schichten 
beweist  —  schon  im  frühesten  Altertume  der  Erdgeschichte  sich 
vollzogen  haben  muß.  Aber  welcher  Art  waren  die  zerstörenden 
Kräfte? 

Hier  stehen  sich  zwei  Ansichten  schroff  gegenüber. 

Englische  Geologen,  in  Deutschland  besonders  v.  Bichthofen, 
sprachen  sich  auf  das  entschiedenste  dafür  aus,  daß  eine  solche 
totale  Umformung  von  Gebirgen  in  Flachländer  nur  durch  Abrasion 
durch  die  auf  sinkendem  Gestade  immer  weiter  landeinwärts  schrei- 
tende Brandung  bewirkt  werden  könne.  Wo  Meeresablagerungen 
horizontal  einer  abradierten  Fläche  aufruhen,  ist  für  diese  Hypo- 
these ein  positiver  Anhaltspunkt  gegeben;  auch  die  Annahme,  daß 
die  paläozoischen  Schichten  hüben  und  drüben  des  canadischen 
Flächfaltenlandes  einst  zusammenhingen,  hat  nichts  Unwahrschein- 
liches. Seine  Entwickelungsgeschichte  hätte  dann  folgende  Haupt- 
phasen  durchlaufen:    1)  Faltung,  Gebirgsbildung;   2)  Senkung,   Ab- 


Umformung  der  Faltengebirge.  487 


rasion,  transgredierende  Meeresablagerung;   3)  Hebung;  4)  Zerstörung 
der  marinen  Decke,  Bloßlegung  der  Abrasionsfläche. 

Wer  dagegen  der  Erosion  im  Vereine  mit  der  Denudation  die 
Macht  zutraut,  Gebirge  nahezu  einzuebnen,  kann  der  Abrasion 
allerdings  entbehren.  Diese  Ansicht,  über  die  wir  uns  schon  auf 
S.  383  ausgesprochen  haben,  vertreten  besonders  amerikanische 
GeologQp.  Wir  halten  diese  Angelegenheit  noch  für  zu  wenig  ge- 
klärty  und  wollen  daher  solche  aus  Faltengebirgen  hervorgegangene 
Flächen  ganz  allgemein  als  Destruktionsflächen  bezeichnen. 

Es  entsteht  aber  nun  die  Frage,  welche  Stellung  das  Rumpf- 
gebirge in  der  Entwicklungsreihe  einnimmt  Nach  der  Abrasions- 
theorie ist  es  eine  durch  Hebung  bewirkte  Wiederbelebung  eines 
erloschenen  Gebirges.  Würde  der  canadische  Schild  so  hoch  an- 
steigen, daß  das  fließende  Wasser  wieder  zu  kräftiger  Arbeit  an- 
geregt würde,  so  entstände  ein  Erosionsgebirge,  in  derselben  Weise 
wie  im  Tafellande,  nur  anders  in  seinen  Endformen.  Infolge  des 
Faltenbaues  sind  harte  und  weiche  Schichten  zonenweise  neben- 
einander gelagert,  und  indem  die  Erosion  in  den  letzteren  ihre 
Thäler  ausarbeitet,  während  die  ersteren  als  Berge  gleichsam  heraus- 
wachsen, entsteht  der  Schein,  als  wäre  die  Anordnung  der  Ketten 
und  Thäler  unmittelbar  durch  den  Faltenwurf  bedingt.  Damach 
könnte  man  Bumpfgebirge  als  Erosionsgebirge  in  unge- 
brochenen Destruktionsflächen  definieren. 

Aber  auch  die  Erosionstheoretiker  kamen  in  letzter  Zeit  zu 
derselben  Schlußfolgerung,  auch  sie  betrachten  das  Rumpfgebirge 
nicht  als  ein  Übergangsglied  zwischen  Faltengebirge  und  Destruk- 
tionsfläche. Sicherlich,  sagt  W.  M.  Davis®  von  den  AUeghanies  und 
den  Gebirgen  Neuenglands,  fügen  «ich  ihre  gleichförmigen  Erhebungen 
zu  einem  Peneplain  zusammen,  aber  ein  solches  konnte  durch  Denu- 
dation nicht  in  der  jetzigen  Seehöhe  entstehen;  das  ist  die  Ober- 
flächenform eines  fast  bis  zum  Meeresniveau  abgetragenen  Gebirges. 
Diesem  Schicksale  waren  die  ostamerikanischen  Gebirge  in  der  Kreide- 
zeit verfallen,  nur  die  White  Mountains  in  New  Hampshire  und  die 
Blue  Mountains  in  North  Carolina  mit  ihrer  Fortsetzung  im  Blue 
Ridge  von  Virginia  mochten  der  allgemeinen  Verflachung  einiger- 
massen  entgangen  sein.  In  ^  der  Tertiärzeit  trat  Hebung  ein,  und 
aus  der  Ebene  schuf  die  Erosion  ein  neues  Gebirge.  Man  sieht, 
die  Erosionstheorie  bedarf,  um  das  Problem  der  Rumpfgebirge  zu 
lösen,  eines  nicht  minder  komplizierten  Apparates  von  Niveau  Ver- 
änderungen, wie  die  Abrasionstheorie. 

ümgeBtaltung  durch  BeBtruktion  und  Bruch.  Die  meisten  Destruk- 
tionsflächen sind  aber  nicht  in  der  Form  von  Rumpf-  sondern  von 


488 


Morphologie  des  Landes. 


Eumpfscliollengebirgea  wieder  belebt  worden;  sie  haben  auch 
eine  Umgestaltung  durch  Brüche  erfahren,  und  diese  sind  es, 
die  ihre  heutigen  Umrisse  ebenso  bestimmen,  wie  die  der  Falten- 
Schollengebirge.  Als  Beispiel  möge  uns  zunächst  der  Thüringer 
Wald  dienen. lö 

Auf  der  Südseite  ist  der  Thüringer  Wald  fast  geradlinig  durch 
eine  nach  Nordwesten  verlaufende  Linie  abgeschnitten^  der  Nordrand  bil- 
det aber  einen  nach  Norden  geöfifneten  flachen  Bogen  von  Eisenach  bis 
Gera.  Dadurch  entsteht  eine  Zweiteilung  in  ein  breites  südöstliches 
Plateau  und  ein  schmales  nordwestliches  Eammgebirge.  Das  ersiere 
hängt  durch  den  Frankenwald  und  das  Vogtland  mit  dem  Fichtel- 
und  Erzgebirge  zusammen. 

Der  südöstliche  Teil  ist  ein  Schiefergebirge,  dessen  Baumaterial 
der  älteren  paläozoischen  Periode,   vom  Cambrium   bis   ins   untere 


LU  Archäische  Gesteine       d3  AUe  Sc/ue/är 

F^  HotUegendes      LIZ3  yorwieffend  Forpi^yr 

min]  Zeehsteui 
Flg.  168.     Geognostische  Skizze  von  Thüiiogen  nnd  Sachsen. 

Karbon,  entstammt  Im  Nordwesten  treten  die  archäischen  Gesteine,  die 
unter  den  Schiefern  des  Südostens  verborgen  liegen:  Gneiße,  krystalli- 
nische  Schiefer  und  Granite  zu  tage  und  bilden  Erhebungen  bis  circa 
600  m  Seehöhe,  dagegen  fehlen  die  paläozoischen  Formationen  vom 
Cambrium  bis  zum  Karbon,  und  kommt  das  Rotliegende,  das  im  Südost- 
Teile  nur  an  einer  Stelle  am  Südwestrande  gefunden  wurde,  zur 
mächtigen  Entwicklung.  Es  besteht  aus  Sandsteinen  und  Konglo- 
meraten einerseits,  aus  gewaltigen  Eruptivmassen,  besonders  Porphvr 
und  Melaphyr,  anderseits.  Verschiedene  Bausteine  setzen  also  den  Nord- 
westen und  Südosten  zusammen,  aber  darin  ist  der  orographische  Gegen- 
satz nicht  begründet,  denn  der  südösthche  Gesteinstypus  greift  auch 
noch  in  den  schmalen  Teil  bis  zur  Linie  Ilmenau-Schleusingen  über. 
Im  südöstlichen  Teile  enthüllt  sich  uns  der  Eest  eines  alten 
Gebirges.     Die   Schichten   sind   stark   gefaltet   und   streichen    nach 


Umformung  der  Faltengebirge.  489 

Nordosten,  wie  im  Erzgebirge;  aber  während  im  letzteren  Gebirgs- 
und  Faltenrichtung   übereinstimmen,   stehen   sie   im  Thüringer wald 
senkrecht  aufeinander.     Solch  ein  Zustand  läßt  sich  nur  durch  eine 
tektonische  Umformung  erklären.  Gehen  wir  im  Streichen  der  Schichten 
nach  Nordost  weiter,  so  stoßen  wir  am  Rande  des  Gebirges  auf  ein 
Zechsteinband,  und  kommen  dann  in  das  Trias-Flachland.  Glücklicher- 
weise haben  sich  aber  auch  noch  ein  paar  spärliche  Beste  dieser  jungem 
Formationen  auf  dem  Kamme  des  Thüringer  Waldes  erhalten;  dieser 
muß  also  einmal  mit  dem  Vorlande  in  gleichem  Niveau  gelegen  haben, 
und  die  jetzige  Gestaltung  muß  jedenfalls  erst  nach  der  Ablagerung 
des   Buntsandsteins   erfolgt  sein.     Um  ein  genaueres  Datum  zu  er- 
langen, müssen  wir  die  Verhältnisse  im  Vorlande  in  Betracht  ziehen,  wo 
sich  auf  der  herrschenden  Trias  noch  Spuren  jüngerer  mesozoischer 
Ablagerungen  finden,  die  ebenfalls  durch  Brüche  Deformationen  er- 
litten  haben.     Diese   tektonischen  Bewegungen   haben   sich   in   der 
Tertiärperiode  vollzogen.     Die  Geschichte  des  Thüringerwaldes  ist 
also  in  Kürze  folgende: 

1)  Entstehung  eines  großen,  Nordost  streichenden  Faltengebirges, 
dessen  krystallinische  Achsen  z.  T.  noch  im  Frankenwalde,  Erz- 
gebirge und  im  nordwestlichen  Thüringer  Walde  sichtbar  sind.  Die 
Faltung  erreichte  ihren  Höhepunkt  in  der  jüngeren  Steinkohlen- 
periode. 

2)  Denudation  in  der  Zeit  des  Rotliegenden.  Ihre  Produkte 
wurden  auf  dem  untergetauchten  krystallinischen  Gebirge  des  Nord- 
westwaldes abgelagert,  zu  gleicher  Zeit  erfolgten  in  diesem  ältesten 
Bruchgürtel  großartige  Eruptionen. 

3)  Das  ganze  Gebirge  senkt  unter  den  Meeresspiegel  und 
wird  abradiert  Im  Saalethale  sieht  man  die  steil  gefalteten 
Devon-  und  älteren  Karbonschichten  oben  geradlinig  abgeschnitten 
und  von  nahezu  horizontalem  Zechstein  überlagert.  Diese  marine 
Periode  dauert  von  der  Zechsteinepoche  durch  die  ganze  Trias-  und 
Jurazeit,  vielleicht  auch  noch  in  der  Kreidezeit 

4)  Wiedererstehung  des  Gebirges  in  der  Tertiärperiode,  aber  in 
ganz  neuer  Form  durch  nordwestlich  verlaufende  Brüche,  sei  es,  daß 
das  Gebirge  sich  hob  oder  das  Vorland  sich  senkte.  Auf  der  Südwest- 
seite trennen  die  Brüche  das  paläozoische  Gebirge  von  der  Trias, 
auf  der  Nordostseite  war  die  Bewegung  intensiver  und  die  Brüche 
verlaufen  in  der  Triaszone.  Zechstein,  Buntsandstein  und  Muschel- 
kalk fallen  flexurartig  vom  Gebirge  ab  und  gehen  dann  in  die  flache 
Lagerung  des  thüringischen  Vorlandes  über. 

5)  Denudationsperiode  der  Gegenwart  Zechstein  und  Trias  sind 
von  den  Höhen  des  Gebirges  abgeschwemmt  und  das  letztere  dadurch 


490  Morphologie  des  Landes. 


mindestens  um  1200  m  erniedrigt  worden.  Im  Südosten  wurde  die 
alte  Abrasionsfläche  entblößt,  im  Nordwesten  hat  die  Denudation  di^ 
härteren  Gesteine,  besonders  den  Porphyr,  aus  den  weicheren  heraus- 
präpariert und  dadurch  mannigfaltigere  Formen  geschaffen. 

Ähnliche  Schicksale  betrafen  das  Erzgebirge.  Zwei  große,  nord- 
östlich streichende  Antiklinalen,  das  eigentliche  Erzgebirge  im  Süden 
und  das  sächsische  Granulitgebirge  im  Norden,  schließen  ein  Mulden- 
thal ein,  in  dem  die  produktive  Steinkohlenformation  —  der  Reich- 
tum Sachsens  —  zur  Ablagerung  gelangte,  und  das  dann  in  der 
Periode  des  Rotliegenden  zugeschüttet  wurde.  Die  Tertiärzeit  rief 
auch  dies  Gebirge  wieder  in  das  Leben  zurück;  aber  doch  in  anderer 
Weise,  als  den  Thüringerwald.  Der  Bruch,  der  es  von  der  böhmi- 
schen SdioUe  trennt,  verläuft  im  Streichen  der  erloschenen  Falten, 
ist  also  ein  Längsbruch;  und  damit  war  vermutlich  eine  Hebung  im 
Süden  verbunden,  denn  im  Norden  taucht  das  Gebirge  anscheinend 
ohne  Bruch  unter  die  jüngere  Schichteofolge  unter.  So  entstand 
eine  schiefe  Fläche  mit  Steilabsturz  nach  Süden,  jedenfalls  ein  Ge- 
bilde, das  der  alten  Faltungsoberfläche  durchaus  widerspricht  Wohl 
ist  das  einstige  Muldenthal  wieder  zum  Vorscheine  gekommen,  aber 
nur  dadurch,  daß  das  Wasser  mit  der  Ausfullungsmasse  des  Rotliegen- 
den leichteres  Spiel  hatte,  als  mit  den  archäischen  Grenzgebieten. 

Vorkommen  der  Eumpfschollengebirge.  Die  nordöstUche  Falten- 
richtung,  die  wir  im  Erzgebirge  und  Thüringer  Walde  kennen  gelernt 
haben,  ist  noch  einer  Reihe  anderer  Rumpfschollen  gemeinsam-  So 
dem  Harz,  dem  niederrheinischen  Schiefergebirge,  dem  Schwarzwalde 
und  den  Vogesen,  dem  zentralfranzösischen  Plateau;  überall  fand 
die  Faltung  in  der  jüngeren  Steinkohlenzeit  statt  Süss  ÜBißt  sie  als 
Trümmer  eines  einst  zusammenhängenden  Faltengebirges  auf,  dem 
er  den  Namen  des  variscischen  gab,  während  es  von  anderen  als 
mitteldeutsche  Alpen  bezeichnet  wurde.  Schon  im  östlichen  Erz- 
gebirge vollzieht  sich  die  Schwenkung  in  die  Südostrichtung  der 
Sudeten.  Nordöstliche  Faltenrichtung  herrscht  auch  im  böhmischen 
Massiv,  mit  Ausnahme  des  nach  Nordwest  ziehenden  Böhmerwaldes, 
dessen  Beziehungen  zum  variscischen  System  noch  der  Aufklärung 
harren.  In  einer  anderen  Gruppe  westeuropäischer  RumpfschoUen 
im  südhchen  Irland,  südlichen  Wales,  Comwallis  und  in  der  Bretagne, 
biegen  sich  die  ebenfalls  jungkarbonen  Falten  aus  Ostnordost  über 
Ost  nach  Südost  um:  Süss  nennt  sie  das  armorikanische  Ge- 
birge und  stellt  dieses  den  Pyrenäen  zur  Seite,  wie  das  variscische  den 
Alpen.  Er  vermutet  auch  einen  Zusammenhang  mit  den  gleichalten 
Falten  der  iberischen  Scholle,  die  aus  der  Süd-  in  die  Ostrichtung 
übergehen.    Die  dritte  westeuropäische  Rumpfschollengruppe  endlich 


Umformung  der  Faltengebirge.  491 

umfaßt  das  nördliche  Irland  und  Wales^  Schottland  und  Skandi- 
navien; das  ist  Süss'  caledonisches  Gebirge,  das  beträchtlich 
älter  ist,  als  die  beiden  anderen,  denn  die  Faltung  vollzog  sich  hier 
schon  zwischen  Silur  und  Devon. 

Von  außereuropäischen  Vorkommnissen  sind  die  Massive  von 
Guayana  und  Brasilien,  Dekan,  die  Australalpen  besonders  hervor- 
zuheben. Vielleicht  ist  ganz  Afrika  von  der  Wüstentafel  bis  zur 
kapländischen  Faltenzone  als  eine  einzige  gewaltige  Eumpfscholle 
aufzufassen.  Schon  aus  diesen  Angaben,  die  nur  die  wichtigsten 
Schollen  berücksichtigen,  erhellt  die  geographische  Bedeutung  dieser 
Geländeform. 

Als  gemeinsamer  Charakterzug  aller  Rumpfschollengebirge  kann 
nur  ihre  Zusammensetzung  aus  archäischen  und  paläozoischen  Ge- 
steinsbildungen bezeichnet  werden.     Nur  diese  haben  an  der  Faltung 
teilgenommen,    alle   jüngeren   Formationen   liegen   flach   oder  nur 
durch  Verwerfungen  gestört  auf  den  alten  Destruktionsebenen.  Kommen 
sie  in  größerer  Ausdehnung  und  Mächtigkeit  vor,  so  müssen  wir  sie 
als  aufgesetzte  Tafelländer  ausscheiden;  und  gerade  hierin  zeigt 
es  sich  so  recht,  wie  vorteilhaft  es  ist,  tektonische  und"  orographische 
Begriffe  auseinanderzuhalten.     Das  brasilianische  Bergland  ^^  ist  un- 
zweifelhaft eine   geographische  Einheit,   für   die   die   orographische 
Bezeichnung   Massiv    wie    geschaffen   erscheint.     Tektonisch   haben 
wir  es  als  eine  Rumpfscholle  mit  aufgesetztem  Tafellande  zu  defi- 
nieren.    Rumpfschollengebirge  sind  nur  das  Küstengebirge  und  das 
wasserscheidende  Gebiet  zwischen  dem  Paranä   und  Tocantins,   die 
aus  Granit,  Gneiß  und  krystallinischen  Schiefern  bestehen,  und  die 
wahrscheinlich    silurischen    Sandsteingebirge   zu   beiden  Seiten   des 
S.  Francisco;  nur  diese  haben  eine  Faltung  erfahren.     Zwei  Drittel 
der  Rumpfscholle   ist   aber   durch   eine  Decke  von   horizontal  oder 
nahezu  horizontal  gelagerten  Sand-  und  Mergelgesteinen  devonischen, 
karbonischen  oder  mesozoischen  Alters  verhüllt,  und  nur  die  Thäler 
sind  zum  Teil  bis  auf  die  archäische  Unterlage  eingeschnitten.    Solche 
Vorkommnisse  sind  weit  verbreitet,  wenn  sie  auch  häufig  nur  unter- 
geordnet auftreten  und  dann  den  Charakter   des  Rumpfschollenge- 
birges nur  örtlich  verändern.    Ich  erinnere  z.  B.  an  die  silurischen 
Tafelreste  Skandinaviens,  an  das  nordböhmische  Kreidegebiet,  an  die 
jurassischen  Gausses  des  französischen  Zentralplateaus,  an  den  Alten 
Roten  Sandstein  Schottlands,  an  das  mesozoische  Gebirge  am  Ost- 
rande der  iberischen  Scholle,  in  dem  Duero  und  Tajo  entspringen, 
an  verschiedene  Vorkommnisse  im  Dekan,   vor  allem  an  die   große 
Trappplatte,  endlich  an  die  Karruformation  Südafrikas. 

Oroprapbie  der  Eumpfschollengebirge.    Man  kann  es  als  Regel 


492  Morphologie  des  Landes. 


aussprechen,  daß^  je  verwickelter  der  Umwandlungsprozeß  ist,  desto 
mannigfacher  die  daraus  hervorgehenden  Geländeformen  sind.  Für 
die  orographische  Erscheinungsweise  der  Rumpfschollengebirge  sind 
die  Anordnung  der  Verwerfungsspalten,  die  Unterschiede  in  der 
Widerstandsfähigkeit  der  Gesteine  und  die  Verteilung  der  Erosions- 
linien in  erster  Linie  bestimmend. 

Wie  bei  den  Faltenschollen,  giebt  es  auch  hier  Quer-  und 
Längsschollen.  Wird  aus  einer  alten  Destruktionsfläche  ein 
längeres  Stück  quer  zum  Streichen  der  Schichten  herausgeschnitten, 
so  entstehen  häufig  Kamm-  oder  Rückengebirge.  Den  Thüringer 
Wald  haben  wir  als  solchen  schon  kennen  gelernt;  die  Vogesen,  der 
Schwarzwald  sind  andere  naheliegende  Beispiele;  das  skandinavische 
Gebirge  dürfte  wenigstens  für  seinen  südlichen  und  mittleren  Teil 
hier  zu  nennen  sein ;  in  der  australischen  Kolonie  Victoria  streicbeii 
die  Falten  meridional,  während  der  wasserscheidende  Rücken 
auf  eine  Länge  von  beiläufig  500  km  äquatorial  verläuft  Die 
Herausbildung  eines  fortlaufenden  Kammes  oder  Scheitels  ist  hier 
ausschließlich  das  Werk  der  Erosion  seit  der  Zeit,  da  die  Scholle 
sich  —  relativ  oder  absolut  —  über  die  Umgebung  zu  erheben  be- 
gann; indem  die  Thalentwicklung  immer  tiefer  in  die  Scholle  ein- 
drang, wurde  die  Wasserscheide  immer  schmäler.  Für  die  Anord- 
nung der  Thäler  waren  unzweifelhaft  die  Abdachungsverhältnisse 
zunächst  maßgebend,  in  manchen  Fällen  aber  wohl  auch  das  Streichen 
der  Schichten,  wie  man  z.  B.  aus  dem  wechselnden  Verlaufe  der 
norwegischen  Fjorde  zu  erkennen  glaubt 

Auch  der  Harz  ist  eine  Querscholle,  aber  von  kleinem  Umfange. 
Hier  sind  die  Thäler  strahlenförmig  angeordnet,  daher  kam  es 
nicht  zur  Kamm-  oder  Rückenbildung,  und  so  tritt  der  Harz  als 
plateauartiges  Massiv  in  scharfen  Gegensatz  zum  benachbarten 
Thüringer  Walde. 

Als  Längsscholle  haben  wir  schon  das  Erzgebirge  genannt 
Vergleichen  wir  es  mit  dem  niederrheinischen  Schiefergebirge,  so 
finden  wir  darin  einen  gemeinsamen  Zug,  daß  beide  ihren  Haupt- 
längsbruch im  Süden  haben  und  daher  auch  nur  hier  sich  deutlich 
als  Gebirge  abheben,  während  sie  nach  Norden  allmählich  unter- 
tauchen. Diese  Einseitigkeit  kommt  aber  nur  bei  dem  Erzgebirge 
auch  orographisch  zum  Ausdrucke,  die  Kammlinie  liegt  am  südlichen 
Bruchrande,  Querthäler  gehen  nach  Norden  und  Süden  aus,  die 
ersteren  sind  lang,  die  letzteren  kurz.  Dagegen  ist  das  Schiefergebirge 
hydrographisch  unselbständig,  das  Rheinthal  schneidet  es  der  ganzen 
Länge   nach   entzwei,   und   dadurch  entstanden  Abdachungen  nach 


Umformung  der  Faltengebirge.  498 

Osten    und  Westen,   denen   die  Längsthäler  der  Mosel,  Ahr,  Lahn, 
Sieg  und  Ruhr  entsprechen. 

Der  Bau  des   schottischen  Hochlandes   erklärt   sich   aus   einer 

Kombination  von  Brüchen.     Die  Eandspalten,  die  die  Umrisse 

schufen,  sind  teils  Längs-,  teils  Querbrüche;  im  Moray  Firth  stoßen 

sie   unter   einem  Winkel  von  etwa  40^  zusammen.    Außerdem  wird 

das  Gebirge   selbst  von   zwei   Senkungsgräben    durchschnitten,   von 

dem  schmalen  Glen  More  mit  dem  caledonischen  Kanal  im  Norden 

lind  von  den  breiten  Lowlands  im  Süden.   Der  nördliche  Bruchrand 

(1er  letzteren,  der  geradlinig  vom  Stonehaven  nach  dem  Firth  of  Clyde 

verläuft,  ist  in  Fig.  169  {B)  deutlich  erkennbar.     So   löst   sich   die 

vScholle  in   drei   selbständige  Gruppen   auf,   von   denen  jede   einen 

eigentümlichen    orographischen    Charakter   besitzt     Das    nördliche 

Hochland  ist  eine  schmale  LängsschoUe^  die  Wasserscheide  ist  ganz 


Fig.  160.     Profil  des  mittelschottischen  Hochlandes,  nach  A.  GsiEiE." 

(Länge  auf  die  Hälfte  reduzierti  Höhe  wie  im  Originale.) 

7.  Altpaläozoische  Schiefer,   2,  Altpaläozoischer  Kalkstein,   3.   Granit,   4.  Alter  roter 

Sandstein  (Devon),  5.  Geschichtete  vulkanische  Gesteine  (Devon),  6,  Karbon. 

CK  Caledonischer  Kanal;  BN  Ben  Nevis  (1342  m);  BL  Ben  Lawers  (1214  m); 

B  Brachlinie  Stonehaven-Firth  of  Clyde;  OH  OchiU  Hills. 

nahe  an  die  Westküste  gerückt,  an  oder  nahe  an  die  Grenze  zwischen 
Gneiß  und  Schiefer,  ist  aher  kein  zusammenhängender  Kamm.  Im 
strikten  Gegensatze  zum  Faltenbaue,  der  nordöstlich  ziehende  Ketten 
verlangen  würde,  herrscht  ostwestliche  Parallelgliederung;  die  kurzen 
Bergzüge  sind  nur  durch  die  Erosion  herausgeschnitten  worden. 
Überschreiten  wir  das  caledonische  Thal,  so  treten  wir  in  einen  Gürtel, 
wo  Falten-  und  Kettenrichtung  nahezu  übereinstimmen,  aber  Fig. 
169  zeigt  uns,  daß  auch  hier  Denudation  und  Erosion  die  formbil- 
denden Elemente  waren,  indem  sie  Sattelbiegungen  in  Thäler  und 
Mulden  in  Berge  umschufen.  Begeben  wir  uns  weiter  nach  Osten, 
so  sehen  wir  die  Denudation  durch  das  Auftreten  granitischer  Ge- 
steine beeinflußt.  In  der  Nähe  des  Eruptivstockes  Macdui  teilen  sich 
die  Bergzüge  gabelförmig,  der  eine  nach  Nordosten,  der  andere  nach 
Osten,  und  schließen  das  Deethal  ein.  Solche  mehr  oder  minder 
umfangreiche  Eruptivmassen,  die  die  fortschreitende  Abtragung  aus 
der  Destruktionsfläche  herausschält,  tragen  allenthalben  dazu  bei, 
Rumpfgelände  mannigfaltiger  zu  gestalten.  Die  vier  Einzelberge, 
die  sich  als  weithin  sichtbare  Landmarken  über  das  Harzplateau 
erheben,   der   Brocken   (1142  m),   der   Ramberg  (575  m),   Auerberg 


494  Morphologie  des  Landes. 


(575  m)  und  Ravensberg  (660  m),  bestehen  aus  Granit,  bezw.  Por- 
phyr. Aber  auch  feste  Sedimentbänke  treten  scharf  aus  der  Um- 
gebung hervor,  so  die  langgestreckten,  quarzitischen  Acker-  und 
Bruchberge  im  Harz,  die  Höhenrücken  des  Taunusquarzites  im  sonst 
so  eintönigen  niederrheinischen  Schiefergebirge,  die  phantastischen 
Felsenmauern  aus  mitteldevonischen  Konglomeratbänken,  die  manche 
Gegenden  der  Ardennen  schmücken,  u.  s.  w.  —  die  Zahl  solcher 
Beispiele  ließe  sich  nach  Belieben  vermehren.  Wo  aber  das  Ge- 
steinsmaterial ziemlich  gleichmäßig  ist,  und  die  Thäler  weite  Zwischen- 
räume lassen,  hat  die  Destruktionsfläche  ihren  Charakter  noch  ge- 
wahrt. Wer  vermöchte,  wenn  er  über  die  Eifel  (Fig.  170)  wandert 
und  wenn  sein  Auge  nicht  geologisch  geschult  ist,  zu  erkennen,  daß 
er  auf  gefaltetem  Lande  steht?  Wie  im  zerschnittenen  Tafellande, 
so  enthüllt  sich  auch  hier  der  Gebirgscharakter  nicht  auf  der  Höhe, 


Fig.  170.     Profil  der  Eifel. 
b  nnterdeyonische  Graawacke,  e  Schiefer  and  Sandstein,  d  Kalk,  m  Buntsandstein. 

sondern  tief  unten  im  Thale.  Indes  so  sehr  auch  solche  Rnmpf- 
schoUenplateaus  den  flachgeschichteten  ähneln,  im  Einzelnen  gewahrt 
man  doch  wesentliche  Unterschiede.  Denn  eine  völlige  Gleichmäßig- 
keit ist  innerhalb  eines  Schichtenkomplexes  niemals  vorhanden,  und 
auf  einem  abgehobelten  Faltengebirge  sind  die  Härteunterschiede 
horizontal  neben  einander,  in  einem  Tafellande  vertikal  unter  einander 
gelagert 

GenetiBche  Einteilung  des  Faltenlandes. 
L  Urform:  Faltengebirge: 

1.  Gleichförmige, 

2.  Ungleichförmige. 

a)  Einfache, 

b)  Zusammengesetzte. 

ä)  Asymmetrische, 
ß)  Symmetrische, 
y)  Zonale. 
IL  Umformung  durch  Bruch: 

1.  Faltengebirge  mit  zerbrochener  Innenzone, 

2.  Gebrochene  Faltengebirge, 

3.  FaltenschoUengebirge. 


Umformung  der  Faltengebirge.  495 


a)  LängsschoUen, 

b)  Querschollen. 

III.  Umformung  durch  Destruktion: 

1.  Eumpfgebirge, 

2.  Destruktionsfläche. 

IV.  Umformung    durch    Bruch    und    Destruktion:     Eumpf- 

schoUengebirge: 

1.  Längsschollen, 

2.  Querschollen. 

Wir  können  auch  von  orographischen  Kategorien  ausgehen  und 
erhalten  dann: 

I.  Kettengebirge: 

1.  Faltengebirge, 

2.  Faltengebirge  mit  zerbrochener  Innenzone, 

3.  Gebrochene  Faltengebirge, 

4.  Eumpfgebirge. 

II.  Schollengebirge:  Kammgebirge,  Massive: 

1.  Faltenschollengebirge, 

2.  EumpfschoUengebirge. 

m.  Flachland:  Destruktionsflächen. 

Mehr  noch,  als  bei  unseren  Erörterungen  über  die  Oberflächen- 
formen flachgelagerter  Schichten,  fühlen  wir  hier  die  Unzulänglich- 
keit der  geologischen  Erkenntnis.  Es  ist  z.  B.  nicht  möglich,  die 
durchgreifenden  Gebirge  der  Sahara  oder  des  inneren  Australiens  — 
und  manche  derselben  sind  von  ansehnlichen  Dimensionen  —  mit 
Sicherheit  in  unserem  System  unterzubringen.  Gerade  deshalb  — 
und  wir  wollen  es  nochmals  betonen  —  muß  man  das  orographische 
und  das  genetische  System  auseinanderhalten,  wenigstens  ist  die  Zeit  zu 
einer  Verschmelzung  noch  nicht  gekommen.  Wir  haben  zwar  oben 
einige  orographische  Formen  mit  genetischen  identifiziert,  aber 
wir  sind  durchaus  nicht  sicher,  daß  wir  auch  nur  in  den  Haupt- 
typen Vollständigkeit  erzielt  haben.  Der  Eeisende,  der  unbekannte 
Gegenden  flüchtig  durcheilt,  wird  gut  daran  thun,  sich  nur  der 
orographischen  Terminologie  zu  bedienen;  die  äußere  Form  ist  dem 
geübten  Auge  leicht  erkennbar,  der  innere  Bau  erfordert  intensive 
Forschung.  Selbst  geologisch  gut  studierte  Gebiete  bieten  uns  noch 
manche  Probleme;  das  wichtigste  derselben  werden  wir  im  nächsten 
Kapitel  kennen  lernen. 

Litteraturnachweise.  *  Vgl.  Theob.  Fischeb,  Wissenschaftliche  Oro- 
graphie  der  Iberischen  Halbinsel ,  in  Petermanns  Mitteilungen  1894.  —  *  Nau- 
mann,  Bau  und  Entstehung  der  japanischen  Inseln,  Berlin  1885;   Geologische 


496  Morphologie  des  Landes. 


Karte  in  d.  Mitteil.  d.  Wiener  Geographischen  Gesellschaft,  1887.  Hajudi.. 
Die  japanischen  Inseln,  Berlin  1890.  —  '  Reteb,  im  IV.  Beilage-Bande  s.  Neuen 
Jahrbuch  f.  Mineralogie  etc.  1886,  S.  291.  —  *  Diller  im  Bulletin  of  the  U.  ">. 
Geological  Survey,  Nr.  33,  1886.  —  *  Hague,  Geology  of  Eureka  District,  im 
3.  Annual  Report  of  the  U.  S  Geological  Survey,  1881—82.  —  •  Im  40.  Bde. 
der  Denkschriften  der  Wiener  Akademie  der  Wissenschaften,  Math.-natunris». 
Klasse,  1880.  —  ^  Philippson,  Der  Peloponnes,  Berlin  1892.  —  *  Neuere  Ar- 
beiten über  dieses  Gebiet  von  Bell,  Lawson,  Low,  Dawsok  s.  in  den  Jahren 
berichten  d.  Geological  Survey  of  Canada.  —  '  Davis  im  Bulletin  of  th* 
Geological  Society  of  America,  1891,  Bd.  II,  S.  545.  —  "  Pröscholdt,  Der 
Thüringer  Wald,  Stuttgart  1891.  Regel,  Thüringen,  I.  Bd.,  Jena  1892.  - 
**  Derbt,  Physikalische  Geographie  und  Geologie  von  BrasRien,  in  d.  Mit- 
teilungen der  Geographischen  Gesellschaft  in  Jena,  1886.  —  *'  Gezkie,  Th^ 
Scenery  of  Scottland,  London  1887. 


Flexurgebirge. 

Faltengebirge  bestehen  aus  Antiklinalen  und  Synklinalen,  Flexur- 
gebirge  sind  einfache  Antiklinalen,  Flexurstufen  (s.  S.  457)  sind  halbe 
Antiklinalen. 

Geschlossene  Flexurgebirge.  Der  Typus  eines  geschlossenen 
Flexurgebirges,  d.  h.  eines  solchen  mit  erhaltener  Wölbung,  sind  die 
U in ta- Mountains,  die  quer  durch  das  Tafelland  des  Colorado  Tom 
Wahsatch-  gegen  das  Felsengebirge  hinüberstreichen.  Ihre  Länge 
beträgt  240  km,  die  Breite  50—60  km,  in  der  Mitte  steigen  sie  bis 
4200  m  über  den  Meeresspiegel,  2300  m  über  das  Tafelland  empor. 


Fig.  171.     Profil  des  Üinta-Gebirges  von  Powell. 
L  Archäisch,  2.  Uinta- Sandstein,  3.  Karbon,  4  u.  5.  Mesozoisch,  6,  Tertiär, 

V  Verwerfung. 

Es  ist  also  nach  allen  Dimensionen  ein  bedeutendes  Gebirge  und 
doch  von  wunderbar  einfachem  Baue.  Nur  an  der  Nordseite  tritt 
eine  Verwerfung  (F  in  Fig.  171)  störend  ein,  und  am  Südschenkel, 
östlich  vom  Green  River,  zeigt  sich  in  dreimaliger  flachwelliger 
Schichtenbiegung  ein  schwacher  Ansatz  von  Faltung.^  Der  tekto- 
nischen  Einfachheit  entspricht  die  orographische ;  Querthäler  laufen 
von  dem  Sattelkamme  nach  Norden  und  Süden  aus,  und  nur  dem 
gewundenen  Durchgangsthale  des  Green  River  verdankt  das  Gebirge 
eine  reichere  Gliederung.  Aber  auch  dieses  Thal  ist  ausschUeß- 
üch  Erosionswerk. 

Verwickelter  ist  der  Bau  des  Felsengebirges.     Wir  wählen 


J 


Flezurgebirge.  497 


zur  Erläuterung  ein  Profil  in  etwa  40°  B.  Wir  nähern  uns  dem 
Felsengebirge  von  Osten  und  erreichen  in  Boulder  eine  Seehöhe  von 
1609  m.  Hier  sehen  wir  die  sonst  flachgelagerten  Ereideschichten 
steil  emporsteigen;  ihre  Schichtenköpfe  bilden  parallele  Vorketten, 
▼oo  den  Amerikanern  plastisch  Hogbacks  (Schweinsrücken)  genannt 
Nun  folgt  die  breite  archäische  Coloradokette,  deren  höchster  Punkt 
hier,  der  Arapahoe  Peak,  4120  m  über  dem  Meere  liegt.  Im  Westen 
senkt  sich  die  Kette  zu  den  flachen  Depressionen  des  Parks,  die 
mit  Sedimenten  ausgefüllt  sind;  die  Thalböden  haben  hier  2200  bis 

Colorado 


^Z3  Are/idiseK  ^i^Paldoxoisc/L  cm  Mesomoisch.  \     Mkrtiar 

Fig.  1 72.     Geologisches  Profil  des  Felsengebirges,  nach  Haydrn  (Atlas  yon  Colorado). 

2500  m  Höhe.  Von  der  zweiten  archäischen  Kette,  der  Parkkette 
(Lone  Peak,  3440  m),  sehen  wir  in  unserem  Profile  nur  einen  schmalen 
Ausläufer.  Den  westlichen  Abschluß  macht  die  Biesenantiklinale  des 
White  Kiyer  Plateau  (höchster  Punkt  3679  m);  in  den  Grand  Hog- 
backs biegt  sich  der  paläo-  und  mesozoische  Schichtenmantel  in 
die  Tiefe  und  yerschwindet  unter  den  flachen  Tertiärschichten  des 
Green  River  Plateaus,  das  hier  etwa  2600  m  über  Meer  liegt 

Theorie.  Die  amerikanischen  Geologen,  bisher  nur  an  die 
regelmäßige  Faltenaufeinanderfolge  der  Alleghanies  gewöhnt,  standen 
hier  vor  einem  neuen  Probleme.  Die  einfachen  Schichtenbeugungen 
am  Rande,  die  große  Ausdehnung  der  krystallinischen  Zonen,  die 
gewaltigen  Gewölbe  —  das  alles  findet  in  den  echten  Faltengebirgen 
kein  Analogen.  Die  Ansichten  über  die  Entstehungsweise  dieses  Gebirge 
gehen  daher  ziemlich  weit  auseinander.  Zunächst  entsteht  die  Frage,  ob 
die  beiden  Ketten  des  Felsengebirges  einst  ebenso  von  Sedimenten 
überlagert  waren,  wie  jetzt  noch  das  White  River  Plateau;  und  wer 
dieser  Ansicht  huldigt,  wie  es  die  älteren  Erforscher,  Hayden  und 
Powell,  gethan  haben,  muß  zu  vertikalen  Dislokationen  seine  Zuflucht 
nehmen,  sei  es,  daß  man  im  Sinne  der  Amerikaner  die  Gebirge 
durch  einfache  Hebung  über  die  Umgebung  emporwachsen  läßt,  sei 
es,  daß  man  mit  Suess  die  Umgebung  sich  senkend  denkt,  während  die 
heutigen  Gebirge  keilförmig  stehen  bleiben.  Im  letzteren  Falle  wäre 
das  Flexurgebirge  genetisch  in  dieselbe  Kategorie  zu  stellen,  wie 
die  Flexurstufe  und  durch  Bruch  aus  Flachschichtung  hervorge- 
gangen.   Daß  dieser  Prozeß  sich  thatsächlich  im  Coloradogebiete  an 

SUPAH,  Physische  Erdkunde.   2.  Aufl.  32 


498  Morphologie  des  Liazides. 


yerschiedenen  Stellen  abspielte  (vergl.  S.  459),  hat  die  Verbreitong 
der  SuESSschen  Theorie  jedenfalls  begünstigt  Die  neueren  Unter- 
suchungen sind  aber  zu  wesentlich  anderen  Ergebnissen  gelangt. 
Namentlich  EImmons^  vertritt  die  Ansicht,  daß  die  archäischen  Massen 
der  Colorado-  und  Parkkette  und  des  Sawatch  uralte  Festlander  sind 
und  daß  die  Sedimente  nur  an  den  Rändern,  also  als  Uferbildungen 
abgelagert  und  dann  durch  seitlichen  Schub  in  Falten  gelegt  wurden. 
Nur  waren  diese  Falten  einseitig  ausgebildet,  mit  sanft  ansteigendem 
Ost-  und  steil  abfallendem  Westschenkel;  dies  erzeugte  Einbrüche 
mit  Senkung  des  Westflügels,  wodurch  eine  Art  Schuppenstruktur 
entstand.  Nach  dieser  Theorie,  die  zunächst  zur  Erklärung  der 
Lagerungsverhältnisse  in  der  Moskitokette  diente,  ist  also  das  Felsen- 
gebirge von  Colorado  nur  eine  Abart  von  Faltengebirgen;  und  in  derThat, 
Übergänge  aus  der  einen  in  die  andere  Form  sind  hier  nicht  selten. 
Wir  verweisen  auf  die  Erfahrungen  in  der  Moskitokette,  auf  den 
höchst  verwickelten  Bau  der  Elk  Mountains  mit  ihrer  schoneD. 
liegenden  Falte ;  auf  das  plötzliche  Auftreten  echter  Faltenzüge 
nördlich  vom  Wahsatchgebirge  bis  zur  Basalttafel  des  Snake  River. 
Ja  das  Felsengebirge  selbst  nimmt  schon  in  Montana  den  Typus 
eines  Faltengebirges  mit  antiklinalen  Kämmen  und  Synklinalen 
Thälem  an,  wie  Hayes  schon  1871  richtig  erkannt  und  PkatiE  erst 
jüngst  wieder  bestätigte  hat'  Auf  die  echten  Flexurgebirge  nach  dem 
Typus  der  üinta  Mountains  findet  die  EMMONSsche  Theorie  zwar 
keine  Anwendung,  indes  sind  auch  hier,  wie  wir  bereits  erwähnten, 
Andeutungen  von  Faltung  erkennbar.  Noch  ausgeprägter  ist  der 
Übergang  im  Libanon,  dessen  breite  und  flache  Antikünale  sich  im 
Süden  in  eine  Doppelfalte  auflöst.*  Erinnern  wir  uns  daran,  was 
auf  S.  468  über  die  beiden  Komponenten  der  faltenden  Kraft  gesagt 
wurde,  so  sind  unserer  Meinung  nach  die  Beziehungen  von  Flexur- 
und  Faltengebirgen  nicht  schwer  zu  deuten.  Erstere  entstehen  dann, 
wenn  die  vertikale  Komponente  fast  ausschließlich  in  Wirksamkeit  tritt 
Das  Wesen  j^ier  Kraft  bleibt  dabei  freilich  noch  ganz  im  Dunkeh. 
Aufgelöste  Flexurgebirge.  Natürlich  gilt  von  dem  Flexurgebirge 
dasselbe,  wie  von  allen  anderen:  sie  sind  Buinen.  Selbst  von  der 
Uintakette  ist  nach  Powells  Schätzung  eine  mehr  als  9000  m 
mächtige  Sedimentmasse  entfernt  worden,  aber  trotzdem  hat  dieses 
Hochgebirge  seinen  geschlossenen  Charakter  noch  bewahrt  Wechseln 
dagegen  Schichten  von  erheblich  verschiedener  Widerstandskraft,  so 
wird  das  Flexurgebirge  in  Landstufen  aufgelöst,  und  nur  in  der 
Anordnung  der  letzteren  ist  die  einstige  Gestalt  noch  wiederzuer- 
kennen. In  den  „Swells"  des  Colorado -Tafellandes,  einseitigen, 
flachen   Antiklinalen,    die    aus    einem   Sedimentmantel  und   einem 


Flexurgebirge.  499 


Granitkem  bestehen,  können  wir  verschiedene  Stadien  dieses  Denu- 
dationsprozesses studieren.*  Eine  der  merkwürdigsten  Gebirgsbil- 
dungen  sind  die  Black  Hills  von  Süd-Dakota,  eine  beulenförmige 
Auftreibung  der  Erdkruste  von  140  km  Länge  und  60  km  Breite. 
Im  Innern  sehen  wir  ein  altes  Gebirge  aus  Granit  und  krystallini- 
schen  Schiefem  entblößt,  von  dem  allseitig  Potsdam- Sandstein, 
Kohlenkalk,  Trias,  Jura  und  Kreide  abfallen,  um  dann  in  die  flache 
Lagerung  der  Prärien  überzugehen.  Kohlenkalk  und  gewisse  Granite, 
die  der  Denudation  den  größten  Widerstand  entgegensetzten,  bilden 
jetzt  die  höchsten  Erhebungen  (ca.  1000  m  über  der  Ebene),  während 
die  Zerstörung  der  triassischen  Gesteine  eine  ringförmige  Depression 


Fig.  173.     The  Weald  Dach  RamsXy. 

schuf,  der  die  Indianer  den  bezeichnenden  Namen  „die  Rennbahn" 
gegeben  haben.  Ein  bescheidenes  europäisches  Gegenstück  dazu  liefert 
der  wohlbekannte  Weald  im  Süden  des  Londoner  Beckens.  Die 
Mitte  nimmt  der  unterkretacelsche  Hastingssand  (a  in  Fig.  173),  ein 
niederes  Hügelland,  ein,  dann  folgen  die  Ebenen  des  wenig  wider- 
standsiähigen  Wealdenthons  {b),  dann  unterer  Grünsand  {c\  schwach 
hervortretende  Landstufen  bildend,  endlich  oberer  Kreidekalk  ((i), 
der  sich  als  North  und  South  Downs  steil  über  das  zerstörte  Ge- 
wölbe erhebt  Daß  die  Downs  echte  Denudationsstufen  sind,  unterliegt 
keinem  Zweifel,  aber  die  ursprüngliche  Ofihung  der  Antiklinale, 
wodurch  Schichten  von  wechselnden  Härtegraden  dem  Spiele  der 
Atmosphärilien  preisgegeben  wurden,  schrieb  Ramsat  der  Abrasion 
in  der  Eocänzeit  zu.  Man  glaubte  dieser  Hypothese  entbehren  zu 
können  und  mit  der  Denudation  auszureichen,  aber  merkwürdig  ist 
es  immerhin,  daß  die  festländische  Fortsetzung  des  Weald,  die 
Schwelle  von  Amiens,  noch  geschlossen  ist 

Litteraturn achweise.  ^  White,  Geology  and  Phjsiograpby  of  a  Portion 
of  Northwestern  Colorado,  im  IX.  Jahresber.  d.  U.  S.  Greological  ^urvey, 
1887—88.  —  "  Emmons,  Geology  and  Mining  Industrj  of  Leadville,  Washington 
1886;  Urographie  Movements  of  the  Bocky  Mountains  im  Bulletin  of  the 
Geological  Society  of  America,  1890.  —  ■  Peale  im  Bulletin  of  the  U.  S.  Geo- 
logical  Survey,  Nr.  110,  1893.  —  *  Blanckenhorn,  Die  Strukturllnien  Syriens, 
in  der  RiCHTHOFEK-Festschrift,  Berlin  1898.  —  ^  Dutton,  Mount  Taylor  and  the 
Zuni  Plateau,  im  6.  Annual  Report  of  the  U.  S.  Geological  Survey,  1885. 


32 " 


500  Morphologie  des  Landes. 


Vulkanische  Berge. 

Auf  S.  309  wurden  diejenigen  Bodenformen  genannt,  die  ans 
vulkanischen  Ausbrüchen  hervorgehen.  Von  den  negativen  sehen 
wir  hier  ab,  von  den  positiven  Formen  haben  wir  die  Tafel  schon 
im  Kapitel  über  die  Flachschichtung  besprochen;  es  bleibt  uns  ali^o 
nur  noch  die  Aufgabe  übrig,  vulkanische  Berge  und  Gebirge  in 
ihren  morphologischen  Eigenschaften  kennen  zu  lernen. 

Ihrem  Baue  nach  unterscheidet  man  geschichtete  oder  Strato- 
vulkane und  homogene  Vulkane.  Sind  sie  noch  thätig,  so  erleiden 
sie  schon  dadurch  mehr  oder  minder  durchgreifende  Veränderungen 
(vgl.  Fig.  77  auf  S.  304)  und  in  diesen  Beziehungen  unterscheiden 
sie  sich  von  allen  anderen  Bodenformen,  die  wir  —  wenigstens  im 
Vergleich  zu  unserer  .Kurzlebigkeit  —  als  etwas  gegebenes,  starres 
zu  betrachten  gewohnt  sind,  an  denen  nur  die  destruktiven  Kräfte 
arbeiten.  Ja  sogar  von  völligen  Neubildungen,  auch  auf  dem 
Lande,  meldet  uns  die  Geschichte.  375  v.  Chr.  ist  das  Geburtsjahr 
des  Vulkans  auf  der  griechischen  Halbinsel  Methana,  der  aber  nicht 
mehr  thätig  ist,  und  in  das  Jahr  286  v.  Chr.  verlegt  die  Tradition 
die  Entstehung  des  japanischen  Vulkans  Fusijama  (3769  m  hoch). 
Viel  jünger  ist  der  Monte  Nuovo  (139  m  hoch)  in  den  phlegräischen 
Feldern,  der  seit  seiner  Bildung  im  Jahre  1538  keinen  Ausbruch 
mehr  erlebte.  In  das  Jahr  1759  fällt  die  Entstehung  des  Vulkans 
Jorullo  in  Mexiko  (1309  m  hoch);  um  1793  entstand  der  Vulkan 
von  Izalco  in  San  Salvador,  der  eine  relative  Höhe  von  292  m  er- 
reicht. Einer  der  jüngsten^  vulkanischen  Berge  ist  der  von  Leon  in 
Nicaragua  (14.  November  1867),  der  etwas  über  60m  hoch,  und 
dessen  Krater  ebenso  tief  ist  Er  stellt  uns  also  die  einfachste 
Form  eines  vulkanischen  Berges,  die  einer  wallartigen  Umrahmung 
der  Ausbruchsstelle  dar. 

Stratovulkane.  Alle  Stratovulkane  sind  aufgesetzte  Boden- 
formen, und  über  der  heutigen  Erdoberfläche  durch  Aufschüttung 
entstanden.  Ihre  naturgemäße  Gestalt  ist  der  Kegel,  der  bei  manchen 
Vulkanen,  wie  beim  Cotopaxi  oder  beim  Pic  von  Orizaba  (Fig.  174), 
noch  in  wunderbarer  Reinheit  erhalten  ist  Aber  die  Erosion  in 
den  Zeiten  der  Ruhe  und  heftige  Eruptionen  (besonders  seitliche, 
die  einen  Teil  des  Kegels  zerstören)  verändern  meist  die  ursprüng- 
liche Gestalt,  wenn   auch    selten   bis   zur   völligen  Unkenntlichkeit, 


X  Bebqhaüs'  Geologischer  Atlas  (Blatt  3)  führt  noch  ein  paar  NeabUdungen 
aus  den  SO  er  Jahren  an,  über  die  uns  aber  sonst  nichts  bekannt  geworden  ist 


Vulkanische  Berge. 


501 


wie  beim  Pinchincha  in  Quito,  der  dem  Beschauer  jetzt  als  eine 
breite  Mauer  mit  vier  Gipfeln  erscheint  Da  die  schwereren  Aus- 
würflinge zunächst  derEruptionsöfliiung  niederfallen,  die  leichteren  aber 
weiter  getragen  werden,  so  nimmt  der  Böschungswinkel  der  Gehänge 
in  der  Kegel  von  oben  nach  unten  ab.  Bei  dem  Vulkan  von  Pico 
(Azoren)  beträgt  er  am  Fuß  3®,  weiter  oben  6 — 12^  und  in  der 
Nabe  des  2500  m  hohen  Gipfels  30—35^.  Am  flachsten  sind  die 
reinen  Tuflfkegel. 


Fig.  174.     Pik  von  Orizaba  (aus  dem  Wald  von  Jalappa  gesehen) 
nach  A.  von  Humboldt. 


Den  Gipfel  krönt  eine  trichterförmige  Einsenkung  von  kreis- 
ähnlicher oder  ovaler  Form:  der  Krater,  auf  dessen  Boden  sich 
die  Mündungen  des  Eruptionskanals  befinden,  die  aber  in  der  Zeit 
der  Ruhe  verstopft  sind.  Bestehen  die  Wände  des  Kraters  nur  aus 
lockerem  Material,  so  neigen  sie  sich  trichterförmig  flach  dem 
Innern  zu;  die  der  Felskrater  sind  dagegen  steil. ^  Der  Durchmesser 
ist  verschieden  und  steht  in  keinem  bestimmten  Verhältnisse  zur  Höhe 
des  Berges.  ^  Auch  der  Krater  ist  fortwährenden  Veränderungen  unter- 
worfen. Heftige  Eruptionen  können  ihn  zu  einem  großen  Zirkus 
mit  steilen,  immer  mehr  einstürzenden  Wänden  erweitem,  und  eine 
ähnliche  Form  kann,  auch  die  Erosion  in  langen  Buhepausen  er- 
zeugen. Mit  der  Erweiterung  des  Kraters  geht  aber  seine  Ver- 
flachung stets  Hand  in  Hand.  Auf  diese  Weise  entstanden  jene 
mächtigen  Kinggebirge,  die  große  Kesselthäler  einschließen.     Eines 


^  Stromboli,  670,  Ätna  ca.  700,  Rilauea  ca.  4700,  Tengger  auf  Java,  der 
größte  thätige  Krater,  gegen  4900  m. 


502  Morphologie  des  Landes. 


der  berühmtesten  Beispiele  eines  solchen  Eesselthales  ist  die  Caldera 
auf  Palma,  die  durch  eine  schmale  Schlucht  (Barranco)  entwassert 
wird. 

Von  größter  Bedeutung  für  den  Bau  eines  Vulkans  ist  es,  ob 
die  Eruptionsstellen  konstant  bleiben  oder  sich  yerschieben.  Vier 
Fälle  sind  möglich.  Benutzt  die  neue  Eruption  den  vorhandenen 
Kanal,  so  findet  sie  auf  dem  Boden  des  alten  Kraters  statt,  und  e> 
entstehen  innerhalb  desselben  einer  oder  mehrere  Auswurfskegel,  die 
ebenfalls  Krater  besitzen,  in  denen  sich  unter  gleichen  Umständen 
wieder  neue  Kegel  aufbauen  können.  Findet  aber  die  neue  Eruption 
auf  einer  Seite  des  alten  Kraters  statt,  so  wird  ein  Teil  demselben 
zerstört,  wie  beispielsweise  die  Somma  des  Vesuv  durch  den  Ausbruch 
von  79,  ^  Solche  Vulkane  erscheinen  dann  doppelgipfehg  (Fig.  75  u.  Tt; 
auf  S.  300  u.  301).     Häufig  suchen  sich  aber  die  vulkanischen  Ge- 


Fig.  175.     Neapolitanischer  Volkandistrikt. 

walten  an  den  Abhängen  des  Kegels  neue  Bahnen  und  bauen  hier 
seitliche  Eruptionskegel  auf,  die  mit  dem  alten  eine  vielgipfelige 
Bergmasse  bilden.  Der  Ätna  hat  mehrere  hundert  und  der  Ge- 
lungung auf  Java  mehr  als  tausend  solcher  Kegel.  Findet  aber  auf 
beschränktem  Terrain  jede  neue  Eruption  an  einer  anderen  Stelle 
statt,  so  kommt  es  zwar  zur  Bildung  von  vielen,  aber  nur  von 
kleinen  Kegeln.  Die  Phlegräischen  Felder  bei  Neapel  zählen  auf 
einer  Fläche  von  ca.  220  qkm  27  (Fig.  175)  und  der  Isthmus  von 
Auckland  auf  einer  ungefähr  doppelt  so  großen  Fläche  63  selb- 
ständige Ausbruchsstellen. 


X   Fbakco    und    Palmiebi   vertreten    die   Meinung,   daß   die  Südseite  der 
Somma  als  die  Wetterseite  von  jeher  niedrigerer  war. 


Vulkanische  Berge. 


503 


Die  Höhe  der  Vulkankegei  hängt  einerseits  von  ihrem  Alter, 
anderseits  von  der  Art  der  Eruptionen  ab.  Maßgebend  ist  aber 
nur  die  relative  Höhe ;  und  es  ist  dies  besonders  zu  berücksichtigen 
bei  den  zahlreichen  Andesvulkanen,  die  auf  einem  gewaltigen  6e- 
birgssockel  ruhen.  Als  höchster  Vulkan  gilt  die  Kliutschewskaja 
Sopka  auf  Kamtschatka,  4900  m,  die  also  noch  den  Montblanc  an 
Höhe  übertriflFL 

Bei  ruhiger,  gleichmäßiger  Thätigkeit  und  genügendem  Lava- 
ergusse  wächst  ein  Vulkan  kontinuierlich ;  wechseln  aber  Euhepausen, 
in  denen  die  Erosion  imgehindert  arbeitet,  mit  Perioden  heftiger 
Ausbrüche,  bei  denen  nicht  selten  der  ganze  obere  Teil  des  Berges  weg- 
geblasen wird,  so  variiert  die  Höhe  ziemlich  stark.  Der  Vesuv  war 
z.  B.  1832  1140  m  und  1855  1286  m  hoch  und  sank  am  Ende  dieses 
Jahres  auf  1235  m  herab,  erreichte  1867  eine  Höhe  von  1387  m 
und  maß  nach  1872  nur  mehr  1297  m. 

Umwandlung  duroh  Denudation.  Erloschene  Vulkane  sind 
fertige  Oberflächengebilde,   wie  andere  Berge,   und  nun  gelangt  die 


Fig.  ilß,     Durchschnitt  aus  dem  böhmischen  Mittelgebirge  nach  JoKiLY.     a  Basalt- 

strome,    b  Baaaltgang,    c  Taff-  und  Konglomerat,   d  Glanzkohle.  zeigt  den 

einstigen  Zusammenhang  an. 


Denudation  zur  Alleinherrschaft.  Der  Krater  verfällt  von  selbst  der 
Abtragung  durch  den  Wind;  Aschenkrater  verschwinden  völlig; 
Felskrater  erhalten  sich  lange,  doch  häuft  sich  am  inneren  Fuße 
ein  Schuttband  an,  das  die  schlotförmige  Kratergestalt  in  eine 
kesseiförmige  verwandelt.^ 

Das  fließende  Wasser  schaflFt  regelmäßige  Rinnen,  die  mit  zu- 
nehmender Breite  und  Tiefe  vom  Gipfel  bis  zum  Fuß  herabziehen 
und  durch  ebenso  regelmäßige  Rippen  getrennt  werden.  Den  Gunung 
Sumbing  auf  Java,  an  dem  die  radiale  Thalanordnung  besonders 
regelmäßig  entwickelt  ist,  hat  man  sehr  passend  mit  einem  halb- 
geöffneten Regenschirm  verglichen.  Sehr  anschaulich  schildert 
Dana*  die  beiden  hawaiischen  Inseln  Oahu  und  das  später  er- 
loschene Maui.  Jede  ist  das  vereinigte  Werk  zweier  Vulkane,  eines 
westlichen   und   eines  östlichen.     Ost-Maui   hat   durch   Denudation 


504  Morphologie  des  LandeB. 


noch  wenig  eingebüßt;  an  der  Windseite  hat  es  enge  Schluchten, 
an  der  Leeseite  aber  nur  seichte  Rinnen.  West-Maui  ist  schon 
tiefer  eingeschnitten,  aber  die  Eegelform  ist  dadurch  nur  wenig 
alteriert  worden.  Dagegen  existiert  von  dem  Kegel  Ost-Oahus  nur 
mehr  ein  Teil,  und  noch  mehr  reduziert  ist  West-Oahu,  so  daß  man 
über  die  Lage  der  Krater  nur  Vermutungen  anstellen  kann. 
Auch  Lavaströme  werden  zu  Erosionsgebirgen  zerschnitten;  so 
besteht  z.  B.  das  sogenannte  Böhmische  Mittelgebirge  nach  Jok£ly 
aus  wechselnden  Tuffschichten  und  Basaltlagen,  die  von  jüngeren 
Basalten  durchbrochen  wurden.  Diese  letzteren  erscheinen  als  iso- 
lierte Kegel  oder  als  langgestreckte  Bücken  mit  meist  auffällig 
scharfen  und  zackigen  Umrissen  (Fig.  176). 

Homogene  Vulkane.  Am  leichtesten  wird  natürlich  der  Aschen- 
kegel zerstört,  doch  ist  er  bei  einigen  Vulkanen,  die  seit  der  vor- 
geschichtlichen Zeit  ruhen,  wie  bei  den  Puys  der  Auvergne  oder 
bei  der  Bocca  Monfina  zwischen  Bom  und  Neapel  noch  erhalten. 
In  der  Mehrzahl  der  Fälle  bleiben  aber  nur  die  lavagefullten 
Schlote,  das  feste  Gezimmer  des  einstigen  Vulkans^  übrig.  Schon 
auf  S.  301  wurde  die  Vermutung  ausgesprochen,  daß  wenigsteu> 
manche  geschichtete  Vulkane  einen  Lavakem  bergen.  Eine  direkte 
Beobachtung  liegt  freilich  nur  von  Tahiti  vor.  Der  große  Vulkan- 
kegel im  nordwestlichen  Teile  dieser  Insel  ist  durch  radiale  Elrosion 
bis  zu  einer  Tiefe  von  600 — 1200  m  aufgeschlossen.  Während  in  den 
unteren  Thälem  die  Gehänge  aus  wenige  Meter  mächtigen  Lava- 
bänken in  Wechsellagerung  mit  Tuffen  und  Konglomeraten  sich  auf- 
bauen, nehmen  die  Lavabänke  thaJaufwärts  an  Mächtigkeit  zu,  und 
besteht  der  ganze  zentrale  Teil  aus  einer  homogenen,  ungeschicb- 
teten  Lavamasse.'  Wird  die  Aschen-  und  Schlackenhülle  beseitigt 
80  tritt  der  blanke  Kern  zutage  und  erweckt,  wenn  nicht  zufallig 
noch  Beste  der  geschichteten  Massen  vorhanden  sind,  den  Schein 
eines  ursprünglich  homogenen  Vulkanes,  eines  Lavakegels.  Zahl- 
reiche steile  Basaltkegel  dürften  als  solche  aufgedeckte  Formen 
zu  deuten  sein. 

Die  Denudation  beschränkt  sich  aber  nicht  bloß  auf  die  Zer- 
störung der  oberflächlichen  Vulkanbildungen,  sondern  kann,  indem  sie 
die  alte  Oberfläche  selbst  Schicht  für  Schicht  abträgt,  auch  die 
Wurzeln  der  Vulkane  bloßlegen.  Manche  Teile  des  Tafellandes 
von  Colorado  werden  von  „Necks"  geradezu  durchschwärmt.  Es 
sind  Lavakegel  oder  Kuppen  ohne  Lavaströme,  ohne  Aschenkegel, 
ohne  irgend  welche  lockere  Auswürflinge,  also  offenbar  aufgedeckte 
Ausfüllungsmassen  vulkanischer  Schlote;  und  von  der  Bichtigkeit 
dieser  Erklärung   kann   man  sich  nirgends  besser  überzeugen,  als 


Yulkanifiche  Berge. 


505 


gerade  hier,   wo  alle  Stadien  der  Ausschälung  dieser  einst  unter- 
irdischen Kerne  zu  beobachten  sind> 

Neben  solchen  Denudationsbildungen  giebt  es  aber  unzweifel- 
haft auch  ursprünglich  homogene  Vulkane^  die  aus  Lava- 
ernptionen  hervorgegangen  sind,  wenn  es  auch  nu)r  durch  eingehende 
Untersuchungen  des  inneren  Baues  gelingen  kann^  sie  von  den  denu- 
dierten  zu  scheiden.  Verhältnismäßig  leicht  lassen  sich^  wie  Reyeb 
gezeigt  hat,  homogene  Euppenberge  als  solche  erkennen.  Zähflüssiges 
und  dampfarmes  Magma  zerstäubt  nämlich  nicht,  sondern  staut  sich 
über  der  Ausbruchsstelle  zu  einem  stumpfen,  aber  steilen  Kegel  an, 
über    dem    sich    die   nachdrängende   glutflüssige  Masse    stromartig 


Fig.  177.     Profil  eines  homogenen  Vulkankegels  nach  Reyeb. 


ausbreitet  Bei  der  Erstarrung  sondert  sich  die  Lava  platten- 
förmig  ab,  in  der  Weise,  wie  es  Fig.  177  im  Durchschnitte  darstellt 
Eine,  an  allen  Seiten  des  Berges  deutliche  Zwiebelstruktur  zeigt  also 
wenigstens  an,  daß  er  nicht  das  Ende  oder  ein  Teil  eines  mächtigen 
Lavastromes  ist,  sondern  an  Ort  und  Stelle  aus  dem  Erdinnem 
hervorgequollen  ist  und  sich  zu  einer  Kuppe  geformt  hat,  in  derselben 
Weise,  wie  1866  in  Santorin  die  Inseln  Georgios  und  Aphroessa  ent- 
standen sind  (s.  S.  305).  Echte  Krater  fehlen  den  homogenen  Vul- 
kanen beider  Kategorien,  wenn  auch  kraterähnliche  Vertiefungen 
vorhanden  sind. 

In  der  fiegel  treten  die  homogenen  Vulkane  als  vereinzelte 
Kegel  oder  gesellig  in  der  Form  mehr  oder  minder  geschlossener 
Kuppengebirge, oder  als  umfangreichere  Gebirgsstöcke  (Massivs) 
auf.  Seltener  sind  die  vulkanischen  Kammgebirge,  die  wir  auf 
Labialeruptionen  zurückgeführt  haben.  Eines  der  ausgezeichnetsten 
Beispiele  ist  die  siebenbürgische  Hargita,  ein  1200  km  langer,  30  km 
breiter  und  1400 — 1800  m  hoher  Gebirgszug.  Den  Kamm  bildet 
Andesitlava,  die  Flanken  begleiten  aber  noch  vulkanische  Brec- 
cien,  Konglomerate  und  Tuffe.  — 


506  Morphologie  des  Landes. 


Greift  die  Denudation  noch  tiefer,  so  können  sogar  krypt«> 
vulkanische  Bildungen  zu  Tage  gefördert  werden.  Trachytische 
Lakkolithen,  die  in  der  Gestalt  unregelmäßiger  großer  Brode  oder 
Kuchen  weite  Hohlräume  des  Erdinnem  erfüllen,  kennt  man  bisher 
allein  im  westlichen  Hochlande   von  Nordamerika.     Fig.  178  stellt 

uns  einen  aus  der  Lakkolithengruppe 
■'_^\sedim^^,  der    Henry     Mountains   dar;     eine 

^L.*<i,     ^    ^  ^  weitläufige  Erläuterung  des  Profiles 

erscheint  uns  überflüssig,  da  die 
eigentümlichen  Verhältnisse,  unter 
denen  sie  vorkommen,  kein  geogra- 
phisches Interesse  bieten.  Süess  hat 
Fig.  178.   Mount  HUiers  in  den  Henry  die  Vermutung  ausgesprochen,  daß 

Mountains  (schwarz  Trachyt,  hell  Sedi-  ,  ,  ..  •     i_        r>        •. 

mentgestein).  *^^^    manche    europäische    Gramt- 

stöcke,  wie  in  den  Vogesen  und  im 

'Erzgebirge    oder    der  Drammengranit    im    Gebiete   von    Kristiania 

ursprünglich  kryptovulkanisch  waren,  imd  nannte  sie  Batholithen, 

Einteilung  der  volkaniachen  Bodenformen: 

I.  Urformen: 

1.  Kegel  (Kuppengebirge,  Massivs), 

a)  Geschichtete  Kegel, 

b)  (Ursprünglich)  homogene  Kegel; 

2.  Kammgebirge, 

3.  Tafehi. 

n.  Denudationsformen: 

1.  Kemmassen  geschichteter  Vulkane 
(sekundäre  homogene  Kegel), 

2.  Bloßgelegte  Gänge. 

3.  Lakkolithen  und  Batholithen. 

Es  erübrigt  nur  nochzu  bemerken,  daß  im  Gegensatze  zu  der  be- 
scheidenen EoUe,  die  der  Vulkanismus  in  der  Gegenwart  spielt,  die 
Anteilnahme  der  Eruptivmassen  an  der  Zusammensetzung  des  Ge- 
ländes einerseits  durch  die  großen  Tafeln,  anderseits  durch  die  De- 
nudationsformen eine  sehr  beträchtliche  ist  v.  TrLLO  ermittelte  das 
Areal  nur  der  jungem  Eruptivgesteine  mit  nahezu  4  MilL  qkm, 
d.  h.  4  Prozent  der  geologisch  bekannten  Landoberfläche. 

Litteraturnachweise.  *  Sapper,  Kratertypen  von  Mexico  u.  Guatemala^ 
in  Petebmanns  Mitteilungen  1894.  —  "  Dana  cit.  S.  322.  —  •  Daka,  A  dissected 
volcanic  Mountain,  im  American  Journal  of  Science  1886,  Bd,  XXXVÜ.  — 
*  DuTTON  cit.  S.  499. 


Gliederung  der  Gebirge.  507 


Gliederung  der  Gebirge. 

Alter  der  Thäler.  Die  heutige  Thalbildimg  begann  in  jedem  Ge- 
birge mit  dem  Zeitpunkte,  da  es  seine  gegenwärtige  Gestalt  erhalten 
hat  In  Schollengebirgen  leht  sicherlich  keine  Thallinie  aus  der 
Periode  der  ursprünglichen  Form  noch  fort,  wenn  sie  auch  hier  und  da 
eine  bruchstückweise  Wiederbelebung  erfahren  haben  mag.  Außer- 
ordentlich schwierig  ist  das  Alter  der  Thäler  in  Rumpfgebirgen  zu 
bestimmen,  solange  wir  über  deren  mannigfachen  Schicksale  nicht 
besser  aufgeklärt  sind;  ist  doch,  wie  wir  gesehen  haben,  in  Amerika 
die  Behauptung  aufgestellt  worden,  daß  die  heutigen  Alleghanies- 
thäler  nicht  über  die  Tertiärzeit  zurückreichen. 

Aus  dem  Satze,  den  wir  an  die  Spitze  dieses  Kapitels  gestellt 
haben,  darf  aber  nicht  abgeleitet  werden,  daß  erst  das  Gebirge  fertig 
dastand  und  dann  die  Thalbildung  begann.  Jede  Oberflächenform 
entwickelte  sich  allmählich,  und  die  Erosion  setzte  sofort  ein,  sobald 
sich  das  embryonale  Gebirge  über  den  Meeresspiegel  erhob.  Die 
Faltung  setzte  sich  in  unseren  Alpen  jedenfalls  fort,  als  Thäler 
schon  ausgegraben  waren;  und  da  uns  die  Geschichte  dieser  Gebirgs- 
bildung  mit  ihren  Störungen  nur  ganz  fragmentarisch  bekannt  ist, 
dürfen  wir  uns  nicht  wundem,  daß  so  manches  in  der  Gestalt  und 
Anordnung  der  Thäler  uns  unverständlich  bleibt 

Längs-  und  Querthaler.  Von  Längs-  und  Querthälem  im  rein 
orographischen  Sinne  kann  man  zwar  in  allen  Gebirgen  sprechen, 
die  nach  einer  bestimmten  Richtung  sich  erstrecken,  aber  nur  in 
Kettengebirgen  verbinden  sich  mit  jenen  orographischen  Begriffen 
auch  tektonische,  indem  die  Längsthäler  nicht  bloß  in  der  Streich- 
richtung des  Gebirges,  sondern  auch  in  der  der  Schichten  verlaufen  und 
die  Querthäler  die  letzteren  durchschneiden.  Ja,  das  Längsthal  hat 
auch  eine  genetische  Bedeutung,  wenn  auch  die  ursprünglichen, 
Synklinalen  Thäler  seltener  sind,  als  die  antiklinalen  und  isoklinalen, 
die  wir  als  Erosionsbildungen  längs  tektonischer  Linien  zu  be- 
trachten haben.  Einen  solchen,  wenn  auch  nur  indirekten,  Zusammen- 
hang mit  der  Faltung  beweisen  die  großen  Längsfurchen  vieler  Gebirge, 
durch  die  mehrere  Flüsse,  nur  durch  niedere  Wasserscheiden  ge- 
trennt, häufig  in  entgegengesetzter  Richtung  fließen.  In  den 
Alpen  sind  die  bedeutendsten  dieser  Längsforchen  folgende:  1)  die 
Linie  Martigny-Chur  (Rhonethal,  Furkapaß,  ürserenthal,  Oberalppaß, 
Rheinthal);  2)  die  Linie  Feldkirch- Wörgl  (Thäler  der  111  und  Alfens, 
Arlberg,  Thäler  der  Rosanna  und  des  Lin);  3)  die  Linie  Zell  am 
Ziller-Hieflau  (Gerlosthal  und  -paß,  Salzachthal,  Arlthal,  Sattel  '^n 


508  Morphologie  des  Landes. 


Wagrein,  Ennsthal);  4)  die  Mur-Mürzlinie;  5)  die  Linie  Fraozens- 
feste-Marburg  (Bienzthal,  Toblacher  Wasserscheide,  Dranthal).  In 
den  Karpaten  ist  neben  der  Waag-Hernadlinie  besonders  jene  breite 
Furche  bemerkenswert,  die  in  einem  140  km  langen  Bogen  Ton 
Nameszto  bis  Nagy-Säros  hinzieht  und  von  der  Arva,  dem  Dunajec,  dem 
Poprad  und  der  Tarcza  entwässert  wird.  Sie  fällt  mit  einem  Kreide- 
aufbruche und  mit  einem  der  bedeutendsten  Juraklippenzüge  zu- 
sammen. Die  größte  Längsfurche  (2200  km)  bilden  die  oberen 
Thäler  des  Indus  und  Brahmaputra. 

Der  Bau  dieser  Faltungsthäler  ist  verschieden.  Die  Gehänge 
der  echten  SynkUnalthäler  werden  beiderseits  von  Schichtenflächen 
gebildet,  sie  steigen  daher  sanft  an  und  sind  queUenreicL  Die  Ge- 
hänge der  Antiklinalthäler  werden  von  Schichtenköpfen  gebildet 
sie  sind  steiler,  meist  von  Verwitterungsterrassen  unterbrochen  und 
quellenarm.  Die  Isoklinalthäler  vereinigen  beide  Charaktere,  indem 
die  eine  Seite  Schichtenköpfe,  die  andere  Schichtenflächen  dem 
Thale  zukehrt  Sehr  oft  vereinigt  ein  Längsthal  mehrere  Formen 
in  sich,  wobei  der  Übergang  aus  der  einen  Form  in  die  andere 
durch  kurze  Querthalstrecken  vermittelt  wird. 

Neben  Faltungslinien  gaben  auch  Brüche  Veranlassung  zur 
Thalbildung.  Schöne  Beispiele  bietet  uns  das  südwestliche  Tirol, 
wo  die  sogenannte  Judikarienspalte  das  krystallinische  Ortler-Ada- 
mellogebirge  von  dem  östlichen  Kalkgebirge  trennt  Entlang  der- 
selben haben  sich  mehrere  Thäler  entwickelt:  Valbuona,  Val 
Rendena,  Val  Meledrio  und  das  Maraun-Ultenthal.  In  den  wasser- 
scheidenden Rücken,  die  Höhen  von  800—  2400  m  erreichen,  hängen 
beide  Gebirge  zusammen  —  ein  Beweis,  daß  jene  Thäler  nicht 
primäre  Spalten,  sondern  nur  Erosionserzeugnisse  entlang  einer 
Verwerfungsspalte  sind.  Grabenthäler,  die  im  Schollenlande  so  häufig 
sind  —  wir  erinnern  nur  an  die  oberrheinische  Ebene,  an  die  Rhone- 
Saöne-Furche,  an  das  californische  Thal,  an  das  syrische  Qhör  — 
sind  aus  Faltengebirgen  nicht  bekannt,  wohl  aber  sind  manche  große 
Thalbecken,  wie  das  Laibacher  in  den  Südalpen,  durch  Kesselein- 
stürze entstanden.  Ein  intercollines  Thal  ist  das  der  oberen  Maritza 
und  Aluta  in  Siebenbürgen,  das  auf  der  einen  Seite  von  dem 
Steilrande  der  Karpaten,  auf  der  anderen  von  dem  später  entstan- 
denen, vulkanischen  Hargitagebirge  begrenzt  wird,  und  wahrscheinlich 
auch  das  Kur-  und  Rionthal  im  Süden  des  Kaukasus. 

Die  Querthäler  gehören  vorherrschend  der  Gattung  der  Ab- 
dachungsthäler  an.  Man  erkennt  dies  daraus,  daß  die  Schichten 
ohne  sichtbare  Störung  von  einer  Thalseite  auf  die  andere  hinüber- 
streichen, und  manchmal  kann  man  auch  beobachten  —  wie  Escheb 


Gliederaog  der  Grebirge.  509 


in  der  Taminaschlucbt  —  daß  der  Fels  einen  fugenlosen  Thalboden 
bildet  In  manchen  Fällen  entsprechen  sich  aber  in  den  obersten 
Partien  der  Gehänge  die  Schichten  nicht  völlig.  Im  Engpasse  des 
Guldal  (südl.  von  Trondhjem)  streichen  nach  Kjebulf  die  Schichten 
an  der  Ostseite  in  N.  30®  0.  und  an  der  Westseite  in  N.  40®  0. 
bis  N.  50®  0.  Ob  diese  Anzeichen  gentigen,  um  daraus  auf  das  Vor- 
handensein einer  ursprünglichen  Spalte  zu  schließen,  ist  noch  frag- 
lich; Heim  nimmt  zur  Erklärung  ähnlicher  Abnormitäten  nachträg- 
liche Schichtenbewegungen  an,  und  zu  einem  gleichen  Ergebnisse 
gelangte  Lxbbkkeb  in  Bezug  auf  die  Himalajathäler. 

Im  allgemeinen  sind  die  Querthäler  steiler  und  enger,  als  die 
Längsthäler  und  gehen  nach  oben  in  kesselartige  Erweiterungen,  oft 
von  mehreren  Stunden  Breite,  über  (Circus,  cirque  de  n^v6),  die 
im  Hochgebirge  die  Fimmassen  aufnehmen.  Mit  den  wechselnden 
Formationen,  die  die  Querthäler  durchschneiden,  ändert  sich  auch 
Gefälle  und  Physiognomie.  Durchwandert  man  das  Salzach- 
thal  in  südlicher  Eichtung,  so  kommt  man  aus  der  engen,  steil- 
wandigen  Schlucht  zwischen  den  Kalkmassen  des  Tännengebirges 
und  der  Palfenspitze  in  die  Zone  der  Grauwackenschiefer,  in  der 
der  Fluß  eine  breite  Thalsohle  und  die  Verwitterung  sanfte  Gehänge 
geschaffen  hat  Dagegen  haben  jene  Thäler,  die  man  orographisch 
zu  den  Quer-  und  geologisch  zu  den  Längsthälem  zählt,  in  der 
Kegel  den  Charakter  der  letzteren.  Eine  solche  Zwitterbildung  ist 
das  Etschthal  südUch  von  Bozen,  das  zur  Bichtung  des  ganzen 
Gebirgssystems  senkrecht  steht,  aber  parallel  mit  den  Schichten 
streicht. 

Welche  Thalformen  in  einem  Kettengebirge  vorherrschen  und 
wie  sie  sich  verteilen,  hängt  zum  Teil  wenigstens  von  der  Zahl  der 
Ab  dachungen  ab.  Hat  das  Kettengebirge  nur  Querabdachungen,  d.  h, 
nur  ein  Gefälle  senkrecht  zum  Streichen  des  Gebirges  —  wie  der  Hima- 
laja— ,  so  müssen  sich  alle  Längsthäler  mit  Querthälem  verbinden,  um 
ihren  Flüssen  einen  Ausweg  zu  verschaffen.  Bricht  aber  das  Gebirge  an 
den  Enden  ab,  so  treten  zu  den  Querabdachungen  noch  solche  in 
der  Längsrichtung.  So  dachen  sich  die  Ostalpen  nicht  blos  nach 
Nord  und  Süd,  sondern  auch  nach  Osten  ab,  und  die  Thäler  der 
Drau  und  Save  können  ihren  longitudinalen  Charakter  durchaus 
beibehalten.  Das  Karstgebirge  der  Balkanhalbinsel  hat  nur  eine 
Quer-  und  zwei  Längsabdachungen.  Auch  sonst  herrscht  große 
Mannigfaltigkeit  in  der  GUederung  der  Kettengebirge.  Der  Tsinling- 
Schan  im  Süden  des  Hweiflußes,  ein  140  km  langer  und  ca.  3000  m 
hoher  Gebirgszug,  besitzt  nach  v.  Eichthofens  Schilderung  trotz 
vollkommener   geologischer   Parallelstruktur  kein  einziges   größeres 


510 


Morphologie  des  Landes. 


Längsthal,  und  wird  nur  durch  enge  und  wilde  Querthäler  gegliedert 
Die  Pyrenäen  haben  an  der  Nordseite  fast  nur  Querthäler,  am  Süd- 
abhange  aber  eine  bedeutende  Längs-  und  Querghederung;  in  den 
Alpen  halten  sich  beide  Thalformen  so  ziemlich  das  Gleichgewicht: 

im  Tianschan  herrscht  die  Längsgliede- 
rung entschieden  vor.  Nur  die  kurze 
südliche  Abdachung  sendet  einige  groBere 
Querflüsse  zum  Tarim,  während  auf  der 
Nordseite  die  drei  großen  Längsthäler  des 
Naryn,  Tschu  (mit  östlicher  Fortsetzung 
im  Tekesthal)  und  Ili  nach  Westen  ziehen. 
Die  Quergliederung  ist  entweder 
eine  fieder  förmige  mit  gleich-  oder 
wechselständigen  Thälem  (vgl.  Fig.  156, 
S.  464)  oder  eine  strahlenförmige.  In 
ihrer  reinsten  Form  finden  wir  die  strahlen- 
förmige Gliederung  in  den  Vulkanbergen, 
aber  auch  in  unregelmäßigen  Schollen-  ja  sogar  in  Kettengebirgen 
(8.  Fig.  179). 


Fig.  179.  Ötzthaler  Alpen  (strah 
lenformige  Gliederung). 


Fig.  180. 

Die   Längsgliederung    ist    entweder    eine    parallele    oder 
rostförmige.     Die  erstere  ist  an  die  Längsabdachungen  der  Ketten- 


Gliederung  der  Gkbirge.  511 


gebirge  gebunden  (die  Morawa-,  Vardar-  und  Strumathäler  der  Bal- 
Icanhalbinsel);  vorherrschend  ist  aber  die  rostförmige  Gliederung,  bei 
der  sich  in  verschiedenster  Weise  Längs-  und  Querthäler  zu 
einem  Furchennetze  verbinden,  das  das  Gebirge  nach  allen  Rich- 
tungen aufschließt.  Ein  ausgezeichnetes  Beispiel  dieser  ni^r  in 
Kettengebirgen  vorkommenden  Gliederungsart  bietet  uns  der  Schweizer 
Jura  (Fig.  180). 

WaBsersoheide.  Den  Abdachungen  eines  longitudinalen  Gebirges 
entsprechen  die  Wasserscheiden.  Sind  nur  Querabdachungen  vor- 
handen, so  giebt  es  auch  nur  eine  einfache  Hauptwasserscheide;  sie 
teilt  sich  gabelförmig,  wenn  noch  eine  Längsabdachung  hinzutritt 
In  den  Alpen  liegt  der  hydrographische  Knotenpunkt  in  der  Drei 
Herren-Spitze,  der  Nordarm  erweist  sich  aber  als  die  gerade  Fort- 
setzung der  einfachen  Hauptwasserscheide,  die  wir  von  da  bis  in  die 
Apenninen  hinein  verfolgen  können.  Liegt  die  Hauptwasserscheide 
in  oder  nahezu  in  der  Mitte  des  Gebirges,  so  verteilen  sich  die 
Thäler  symmetrisch  auf  beiden  Seiten,  doch  verläuft  auch  in  diesem 
Falle  die  wasserscheidende  Linie  nur  streckenweise  gerade.  Die 
Asymmetrie  der  Thalordnung  hängt,  wie  wir  schon  auf  S.398  be- 
tonten, in  vielen  Fällen  mit  der  Regenverteilung  zusammen,  doch 
dürfen  auch  die  Ausnahmen  nicht  übersehen  werden.  So  ist  in  den 
Pyrenäen  gerade  die  lange  Abdachung  (die  Südseite)  durch  Trocken- 
heit ausgezeichnet. 

Betrachten  wir  die  Hauptwasserscheide  in  ihrem  Verhältnisse 
zur  Höhe,  so  können  wir  normale  und  anomale  (durchgreifende 
nach  v.  Richthofen)  Wasserteiler  unterscheiden.  Der  normale  ist 
an  die  höchste-  Kette  gebunden,  und  er  ändert  diesen  Charakter 
auch  nicht,  wenn  hier  und  da  höhere  Gipfel  auf  einem  Nebenkamme 
sich  erheben.  Ist  letzteres  aber  die  Regel,  wie  im  Himalaja  oder  in 
den  Pamir,  dann  hat  die  Hauptwasserscheide  eine  anomale  Lage. 
Ja,  manches  Gebirge  wird  sogar  seiner  ganzen  Breite  nach  von  einem 
Querthale  durchbrochen;  es  hört  dann,  wenn  auch  nicht  in 
seinem  ganzen  Verlaufe,  so  doch  wenigstens  stellenweise 
auf,  eine  Wasserscheide  zu  bilden.  Damit  haben  wir  eines 
der  schwierigsten  Probleme  der  physischen  Geographie,  das  der 
Durchbruchs-,  oder,  wie  v.  Richthofen  sie  zu  nennen  vorzog, 
Durchgangsthäler  berührt. 

IhirchgangBtbäler.  In  den  Kettengebirgen  beobachten  wir  fol- 
gende drei  Kategorien: 

1)  Das  Quellgebiet  des  Durchgangsflusses  liegt  in  der  höchsten 
Kette  (normale  Wasserscheide),  und  es  werden  niederere  Ketten  durch- 
brochen,  wie   dies  in   den  Alpen   der  Fall  ist.     Hier  entsteht   die 


512  Morphologie  des  Landes. 


Frage,  warum  der  Fluß  seinen  Weg  nicht  durch  die  Längsthaler 
zwischen  den  Ketten  genommen  hat. 

2)  Das  Quellgebiet  liegt  in  einer  niedereren  Kette,  als  die  durch- 
brochenen sind.    Dies  ist  das  Problem  der  anomalen  Wasserscheide. 

ß)  Das  ganze  Gebirge  wird  durchbrochen;  so  z.  B.  der  Balkan 
Yom  Isker,  das  Banatagebirge  von  der  Donau,  die  TranssilvamscheD 
Alpen  von  der  Aluta,  das  catalonische  Gebirge  vom  Ebro,  die  Alle- 
ghanies  vom  Susquehanna  u.  s.  w. 

Die  Durchgangsthäler  sind  aber  keineswegs  auf  die  Ketten- 
gebirge beschränkt,  sondern  eine  ganz  allgemeine  Erscheinung. 
Weder  Flexur-  und  Schollengebirge,  noch  vulkanische  Bildungen 
und  Landstufen  sind  davon  frei,  ja  wir  finden  sie  sogar  im  Tieflande, 
wo  z.  B.  Oder  und  Weichsel  die  ganz  ansehnliche  Barriere  der 
baltischen  Seenplatte  durchschneiden. 

HiLBEB^  zählt  nicht  weniger  als  neun  Theorien  auf,  die  zur 
Erklärung  dieses  merkwürdigen  Phänomens  ersonnen  wurden.  Die 
einfachste  Lösung  bietet  wohl  die  Spaltentheorie,  die  einer  Zeit 
entstammt,  wo  man  überhaupt  in  allen  Thälem  nur  Spalten  sah,  die 
bei  der  Aufrichtung  der  Gebirge  entstanden  waren.  Noch  Pbschel 
sah  in  der  Thatsache,  daß  sich  manchen  Flüssen  in  unmittelbarer 
Nähe  ihrer  schmalen,  tiefen  Durchbruchsthäler  viel  bequemere  Wege 
darbieten,  einen  Beweis  für  die  Präexistenz  von  Thalspalten.  Der 
Green  Biver  verläßt  dreimal  flaches  Land,  um  sich  ebenso  viele 
Durchgänge  durch  das  üintagebirge  zu  erzwingen ;  und  sein  Neben- 
fluß, der  Yampa,  frißt  sich  dreimal  in  hartes  Gestein  ein,  obwohl 
er  es  sich  wenigstens  zweimal  durch  ganz  kurze  Umwege  hatte  er- 
sparen können.  Wenn  nun  auch  zugegeben  werden  mag,  daß  manch- 
mal Spalten  die  Flüsse  zu  abnormen  Bichtungsveränderungen  nötigten, 
so  tragen  doch  die  meisten  Durchgangsthäler  so  sehr  den  Charakter 
eines  rein  erosiven  Ursprunges  an  sich,  daß  man  zu  anderen  Er- 
klärungen greifen  muß. 

Positive  Anhaltspunkte  sind  dort  gegeben,  wo  hinter  einem 
allseitig  abschließenden  Eiegel  Seeablagerungen  sich  finden,  wie 
im  Egerthale  sowohl  oberhalb  des  Thonschieferrückens  zwischen  dem 
Kaiserwalde  und  Erzgebirge,  als  auch  oberhalb  des  Basaltstockes 
zwischen  Karlsbad  und  Kaaden.  Hier  sind  alte  Seebecken  durch 
spätere  Erosion  der  trennenden  Rücken  zu  einem  Thale  verbunden 
worden.  Aber  diese  Seentheorie  findet  auf  die  großen  Durch- 
gangsthäler keine  Anwendung,  am  wenigsten  auf  jene  schon  ge- 
nannten Fälle,  wo  ein  hypothetischer  See  nach  der  heutigen  Kon- 
figuration des  Bodens  unzweifelhaft  nach  einer  anderen  Seite  hätte  über- 
fließen müssen.    Es  ist  nur  zweierlei  möglich:  Entweder  ist  der  Fluß 


Grliedening  der  Gebirge.  613 


alter  oder  jünger  als  die  durchbrochene  Erhebung.  Die  letztere 
Annahme  erscheint  auf  den  ersten  Blick  als  allein  zulässig,  und  ihr 
tragt  LöwiiS  Begressionstheorie  Rechnung.  Wie  der  Name 
verrät,  beruht  diese  Theorie  auf  dem  Gesetze  der  rückläufigen 
Erosion;  sie  läßt  die  Thalbildung  am  niederschlagsreicheren  Außen- 
rande des  Gebirges  beginnen  und  allmählich  bis  zu  der  wasser- 
scheidenden Kette  Ja  über  dieselbe  hinaus  bis  an  den  entgegengesetzten 
Band  des  Gebirges  fortschreiten.  Namentlich  jene  Vorkommnisse, 
wo  ein  Längsthal  mit  mehr  oder  weniger  scharfer  Kniebiegung  in 
ein  Querthal  übergeht,  sollen  dadurch  erklärt  werden;  die  Längs- 
thäler  werden  als  die  älteren  Bildungen  betrachtet,  die  von  außen 
angezapft  wurden. 

Wenn  man  auch  die  Möglichkeit  eines  solchen  Vorganges  zu- 
geben muß,  so  schwebt  doch  ihre  Anwendung  in  speziellen  Fällen 
meist  in  der  Luft  Diesen  h3rpothetischen  Charakter  teilt  sie  übrigens 
mit  der  Antecedenztheorie,  die  zuerst  von  indischen  und  ameri- 
kanischen Geologen  ausgebildet  wurde,  in  Deutschland  besonders  in 
TiBTZE  einen  eifrigen  Vorkämpfer  fand  und  jetzt  jedenfalls  mehr 
Anerkennung  genießt,  als  irgend  eine  andere  Theorie.  Sie  geht  von 
der  Ansicht  aus,  daß  das  Gebirge  nicht  zuerst  fertig  dastand  und 
dann  erst  die  Erosion  begann,  sondern  daß  das  Wasser  gleichzeitig 
mit  der  Gebirgsfaltung  seine  thalbildende  Thätigkeit  zu  entfalten 
anfing.  Besonders  energische  Flüsse,  welche  vom  älteren  Hinterlande 
aasgingen,  konnten  das  anliegende  jüngere  Gebirge  während  dessen 
allmählichen  Erhebung  durchschneiden,  so  daß  Faltung  und  Durch- 
sägung gleichen  Schritt  hielten.  Penck  hat  in  jüngster  Zeit  diesen 
Vorgang  plausibel  zu  machen  gesucht,  indem  er  zwar  zugestand,  daß 
oberhalb  der  sich  hebenden  Schwelle  der  Fluß  eine  Stauung  erfahrt  und 
dadurch  zur  Ablagerung  seiner  Geschiebe  gezwungen  wird,  zugleich 
aber  scharf  betonte,  daß  am  unteren  Ende  der  Schwelle  das 
Gefälle  gesteigert  und  dadurch  die  Erosionskraft  vermehrt  wird.  Es 
kommt  nur  darauf  an,  daß  die  obere  Geschiebeanhäufung  nicht  über  den 
niedrigsten  Punkt  in  der  Umrahmung  des  oberen  Flußgebietes  hinaus- 
wächst, denn  sonst  würde  der  Fluß  nach  einer  anderen  Richtung  ab- 
gelenkt worden.  Noch  schärfer  drückt  sich  Löwii*  aus,  der  die  Ante- 
cedenztheorie nur  in  dem  Falle  gelten  läßt,  daß  der  Fluß  schon  früher 
ein  Thal  durchzog,  das  ihn  auch  während  der  Bodendeformation 
gefangen  halt  Das  sei  aber  nur  möglich,  wenn  der  Betrag  der  Schollen- 
hebung oder  Faltung  die  ursprüngliche  Thaltiefe  nicht  übersteige.^ 


^  Wir  haben  es  versucht,  die  Hauptstadien  der  Durchbmchsbilduug  nach 
der  modifizierten  Antecedenztheorie  in  Fig.  181  graphisch  vorzuführen.    I.  Vor- 
Supah,  Physische  Erdkunde.   2.  Aufl.  33 


514  Morphologie  des  Landes. 


Bisher  kennen  wir  nur  einen  einzigen  Fall,  wo  die  Äntecedenz- 
theorie  erwiesen  ist:  es  sind  die  südlichen  Vorketten  des  Himalaja» 
die  sich  aus  den  Ablagerungen  derselben  Flüsse  auf  bauen,  von  denen 
sie  jetzt  durchbrochen  werden.  Welche  wichtige  Aufschlüsse  sich 
aus  dem  Studium  der  Sedimente  ergeben,  haben  Föbstle'  for  den 
Bemer  Jura  und  Futterer*  für  die  Eamischen  Alpen  dargethan; 
und  letzterer  hat  uns  auch  den  Weg  gezeigt,  wie  positive  Anhalts- 
punkte für  die  Wahl  zwischen  der  ßegressions-  und  Autecedenz- 
theorie  zu  gewinnen  seien.  Es  sei  W  die  wasserscheidende  Kette, 
der  sich  später  die  Vorkette  F  angeschlossen  hat  Ein  von  W 
kommender  Fluß  durchbricht  F  und  gelangt  dadurch  in  die  Ebene. 
Ging  die  Erosion  von  F  aus  und  erreichte  durch  Begression  ir, 
so  müssen  in  der  Ebene  über  den  grobkörnigen  DenudationsprodukteD 
von  F  die  feineren  (weil  von  weiterher  stammenden)  Denudation!^ 
erzeugnisse  von  W  liegen.  Ging  aber  die  Erosion  von  W  aas  und 
überwand  die  Emporfaltung  von  F,  so  müssen  in  der  Ebene  die 
feinen  TT-Gesteine  von  den  gröberen  F- Gesteinen  bedeckt  werden. 
Das  letztere  trifft  in  den  Kamischen  Alpen  zu. 

Verwandt  mit  der  eben  erörterten  Theorie  ist  die  epi gene- 
tische insofern,  als  auch  sie  dem  Durchgangsflusse  ein  höheres 
Alter  zuschreibt,  als  dem  heutigen  Belief.  Den  einfachsten  Fall 
daß  das  durchbrochene  Gebirge  durch  Denudation  bloßgelegt  wird, 
haben  wir  schon  auf  S.  400  durch  die  Fig.  127  erläutert  Auf  einen 
ähnlichen  Vorgang  läuft  auch  die  Theorie  von  Jukes  hinaus.  Dieser 
machte  im  südlichen  Irland  die  Wahrnehmung,  daß  am  Knie  der 
sich  umbiegenden  Längsthäler  ein  von  der  Hauptwasserscheide 
kommender  Nebenfluß  einmündet,  dessen  Thal  die  obere  Fortsetzung 
des  Durchgangsthaies  ist.  Die  Betrachtung  der  Karte  lehrt  uns,  daß 
diese  Anordnung  außerordentlich  häufig  wiederkehrt.  So  empfangt 
z.  B.  die  Bhone  die  Drance,  der  Bhein  den  Oberhalbsteinerbach,  die 


Stadium  vor  der  Faltung,  AB  CD  Thalrand,  ab  cd  Thalweg.     II.  Stadium  der 
Deformation ,   Bildung  einer  Antiklinale  R  C  b'  c',  Gerollablagerang  oberhalb 

der  Falte    in    G'd!ef\    im    unteren  Falten- 

.        ^ p        D  Schenkel  V t  verstärkte  Erosion,  die  nach 

I  Pemcks  Annahme  bei  sehr  langsamer  Hebung 

-Q 5 c        'S  dieser     das    Gleichgewicht     halten    kann, 

j^       B'^^ ''"■ C       D*  so  daß  keine  Geröllablagerang  mehr  statt- 

^^  C  -^^^^^     ■^,_,_./'  D  findet,  wenn  auch  die  Hebung  fortschreitet. 

y^^^          ^      ff'  III.  Endstedium.  Der  Thalrand  A"B'  C  W 

A'      B!^ .«£11 — ül!  zeigt   die  Deformation  ,   während  der  alte 

^ „ ^,,  Thalweg  a"  h"  c*'  d"   (wenn   auch  natürlich 

^'        ^  nicht  genau  in  der  früheren  Lage)  wieder 

Fig.  181.    DurchbrucfashilduDg.  hergestellt  ist. 


Grliederung  der  Gebirge.  515 


Salzach  den  Groß-Arlbach  (Fig.  182),   die  Enns  den  Radmer-  und 
Erzbach,  die  Mur  den  Tragosbach,  die  Adda  die  Mera  und  den  Liro, 
die  Tiber  den  Anio,   der  Alt  den  Cibinfluß,   die  Moldau  den  Hain- 
bach u.  8.  w.     Man   kann    vom   morpholo- 
gischen Standpunkte  aus  das  ganze  Quer- 
thal   als    Haupt-   und   das   Längsthal   als 
Nebenthal   betrachten,  ohne   sich   um  den 
Sprachgebrauch  zu  kümmern^  der  überdies 
inkonsequent  verfährt,  indem  er  das  Durch- 
bruchsthal   bald    mit     dem    Namen     des 
Längsflusses     (z.    B.    Salzach),     bald     mit 
dem  des  Querflusses  (z.  6.  Eisack  unterhalb 
Brixen)    bezeichnet     Jükes   verband    mit 
dieser    Auffassung    auch    eine    genetische    pig.  182.    Thalsysteme  der 
Vorstellung.     Der   von    der   Hauptwasser-        Salzaoh  und  Saalaoh. 
scheide  kommende  Querfluß  begann  bereits    ^/t^^^S^L^  ^If 'pu^J: 

zu    fließen,   als  die  Längsthäler  noch  ausge-     tierten  Flächen  sind  alluviale 
füllt  waren,  und  gab  erst  Veranlassung  zur  Thalflächen. 

Trainierung  der  letzteren,  eilte  ihnen  aber 

in  seiner  Erosionsarbeit  immer  voraus,  so  daß  er  keine  Ablenkung 
erfahren  konnte.  Es  ist  selbstverständlich,  daß  diese  Theorie  nur 
auf  die  Durchgangsthaler  der  ersten  Kategorie  Anwendung  findet. 

Im  hohen  Grade  lehrreich  ist  die  Geschichte  des  Salzachthales. 
Das  Längsthal  besteht  aus  zwei  grundverschiedenen  Teilen  innerhalb 
einer  und  derselben  Gesteinszone.  Der  obere  ist  eine  breite,  schwach- 
geneigte Thalebene,  die  sich  nach  Norden  über  eine  unmerkhche, 
nur  15  m  hohe  Bodenschwelle  zum  Zeller  See  und  in  das  Saalach- 
thal fortsetzt  Aber  anstatt  diesen  bequemen  Weg  zu  wählen,  stürzt 
sich  die  Salzach  durch  die  Taxenbacher  Schlucht  nach  Osten  und 
wendet  sich  dann  bei  der  Mündung  des  Groß-Arlbaches  nach  Norden. 
Wähnbr^  hat  jüngst  diese  eigenartigen  Abfluß  Verhältnisse  untersucht 
und  ist  zu  folgenden  Ergebnissen  gelangt.  Es  bestanden  bis  über 
die  Eiszeit  hinaus  zwei  Thalsysteme,  das  der  Pongauer  Ache,  deren 
westlichster  Quellfluss  die  Gasteiner  Ache  war,  und  das  der  Pinzgauer 
Ache,  deren  östlichster  Quellfluß  die  Bauriser  Ache  war.  Die  Wasser- 
scheide durchschnitt  den  heutigen  Salzachlauf  bei  Taxenbach,  wo 
340  m  über  dem  jetzigen  Flußspiegel  Reste  eines  alten  Thalbodens 
sichtbar  sind.  Funde  von  krystallinischem  GeröUe  bei  Reichenhall, 
die  aus  dem  Glazialschotter  stammen,  beweisen  den  Zusammenhang 
des  jetzigen  Saalachlaufes  mit  dem  Quellgebiete  der  Salzach  in  den 
Hohen  Tauern;  viel  weiter  in  die  geologische  Vergangenheit  zurück 
datiert  das  Mönchsbergkonglomerat  bei  Salzburg,  das  sich  aus  Fluß- 

33* 


516  Morphologie  des  Landes. 


geröllen  der  Ponganer  Ache  zusammensetzt.  Den  Durchbruch  bei 
Taxenbach,  wodurch  die  Saalach  selbständig,  und  die  Pinzgauer  und 
Pongauer  Achen  zur  Salzach  verknüpft  wurden,  schreibt  Wahneb  der 
Verstopfung  der  Thalöffhung  am  Zeller  See  durch  mächtige  Eismassen 
zu.  Als  sichergestellt  erscheint  also,  daß  das  heutige  Durchgan^thal 
der  Salzach  ein  uraltes  Querthal  ist,  dessen  Wurzeln  nicht  am  Vene- 
diger, sondern  am  Ankogel  liegen.  Das  Problem  der  Umbiegung  aus 
dem  Längen-  ins  Querthal  ist  damit  allerdings  nur  an  die  Lücke  am 
Zeller  See  verlegt.    Wähnbk  löst  es  ganz  im  Sinne  von  Jukbs. 

Daß  diese  Theorie  auch  auf  die  zahlreichen  Durchgangsthäler 
in  den  Landstufen  Anwendung  findet,  erhellt  schon  aus  unseren  Er- 
örterungen auf  S.  456.  Auch  hier  hat  die  Denudation  die  Gelande- 
formen umgestaltet,  als  die  Thallinien  schon  gezogen  waren.  Ähn- 
lich in  ihrem  Endergebnisse,  aber  durchaus  verschieden  in  ihrem 
Entwicklungsgange  sind  jene  PäUe,  wo  nach  Festlegung  des  Durch- 
gangsthales  das  Hinterland  einsank.  So  erklärt  man  sich  jetzt 
die  merkwürdige  völlige  Zerschneidung  des  niederrheinischen  Schiefer- 
gebirges durch  den  Rhein,  die  Mosel  und  Lahn;  für  die  allmähliche 
Tieferlegung  dieser  Thäler  hat  man  unzweifelhafte  Belege  in  den 
Wahrzeichen  alter  Flußläufe  in  höheren  Niveaus.  Auch  die  auf- 
fallenden Durchbrüche  des  Green  und  Yampa  River,  von  denen 
schon  oben  die  Rede  war,  führt  Emmons  auf  Mnsenkungen  zurück: 
dieselben  horizontalen  Tertiärschichten,  die  das  Flachland  bilden, 
finden  sich  auch  auf  der  Höhe  des  Yampa  Peak,  und  man  darf  darans 
schließen,  daß  sie  einst  im  gleichen  Niveau  lagen. 

ThalwaBsencheiden.  Wie  einerseits  die  höchsten  Kämme  ohne 
Einfluß  auf  die  Verteilung  der  Gewässer  sein  können,  so  können 
anderseits  unmerkliche  Bodenanschwellungen  in  einer  Thalfurche  die 
wichtigsten  Wasserscheiden  bilden.  Wir  nennen  sie  Thalwasser- 
scheiden im  Gegensatze  zu  den  Kamm  Wasserscheiden.  Auch 
sie  sind  eine  weitverbreitete  Erscheinung,  die  im  Gebirge  zwar  be- 
sonders auffällig  hervortritt,  aber  auch  dem  Flachlande  nicht  fehlt 
In  den  großen  Thalzügen  des  ostdeutschen  Tieflandes  werden  sie 
jetzt  von  Kanälen  überschritten. 

Kammwasserscheiden  sind  die  Regel,  aber  manchmal  werden  sie 
sich  den  Thalwasserscheiden  ähnlich.  So  das  Pfitscher  Joch  (2224  m)  in 
den  Zillerthaler  Alpen,  das  zwischen  dem  Hochpfeiler  (3515  m)  und 
der  Hohen  Wand  (3286  m)  eingesenkt  ist,  und  das  Pfitscherthal  vom 
Zemmthale  trennt.  Im  Reschenscheideck  (Fig.  183)  erniedrigt  sich 
dagegen  die  Hauptwasserscheide  der  Alpen  zu  einer  ganz  flachen 
Bodenschwelle  (1493  m  ü.  M.),  von  der  der  Stillenbach  nach  Norden 
zum    Inn    und    die    Etsch    nach    Süden    fließt      Sie    wird   aber 


Gliederung  der  Grebii^. 


517 


durch  einen  FelsriegeL  gebildet,  während  der  Thalboden  zu  beiden 
Seiten  aufgeschüttet  ist;  denken  wir  uns  diese  Schuttmassen  entfernt^ 
so  erhalten  wir  ein  ähnliches  Bild,  wie  am  Pfitscherjoch.  Ein  noch 
bekannteres  Beispiel  einer  Thalwasserscheide  in  der  Querrichtung 
der  Alpen  ist  der  Brenner  (1362  m  ü.  M.).  In  Norwegen  fließt  aus 
dem  See  Lesjeskogen  (625  m  hoch)  nach  Nordwesten  die  Bauma, 
nach  Südosten  der  Lougen;  es  ist  dies  eines  der  großartigsten 
Doppelthäler  der  Erde,  an  beiden  Seiten  von  mehr  als  2000  m 
hohen  Gebirgsmassen  eingerahmt. 


^^\/N^.r.^ 


V/?//77/////////////MM^ — 


BOOOth 


R 


Flg.  183.  Profil  des  Reschenscheideck  nach  Philippson. 
:  Reschenscheideck.    Die  obere  Profillinie  schneidet  die  östliche  Thalwand  in  2  km 
Entüarnung  vom  Flusse. 


Häufiger  sind  die  Thalwasserscheiden  aber  in  den  Längsthäleru. 
Aus  dem  Drauthale  gelangt  man  ohne  merkliche  Steigung  über  das 
Toblacher  Feld  (1204m)   zur  Rienz  und  damit  in  das  Etschgebiet. 


f^^  &'pff. 


■1  ^-^,:^ 


Fig.  184.     Das  Kaisergebirge  im  nordostlichen  Tirol. 

Folgende  Straßen  führen   über  die   Thal  Wasserscheiden   des  Kaisergebirges  vom  Groß- 

Achen-  in  das  Innthal:  1.  Kössen— Walchsee— £bb8,  2.  St.  Johann— Ellmau — Soll — 

Wörgl  (das  Weissachthal  ist  zu  enge),  3.  Kitzbüchel — Kirchberg — Wörgl 

(Eisenbahn).  —  Höhen  in  Meter. 

Das  Thal  der  Wurzener  Save  setzt  sich  bei  Eatschach  (850  m)  flach 
und  mit  unverminderter  Breite  im  Seebach-Thale  fort,  das  zum 
Draugebiete  gehört;  und  gehen  wir  in  derselben  Richtung  nach 
Westen  weiter,  so  überschreiten  vdr  bei  Seifaitz  (810  m)  die  ebenso 
unmerkbare  Wasserseheide  zwischen  der  Drau  und  dem  Tagliamento. 


518  Morphologie  des  Landes. 


Solche  tiefe  Furchen,  die  entweder  durch  zwei  in  entgegengesetzter 
Richtung  fließende  oder  sogar  durch  mehrere  Flüsse  bewässert  werden. 
scheiden  die  Alpen  nicht  nur  in  zwei,  beziehungsweise  drei  Zonen, 
die  den  geologischen  nahezu  entsprechen,  sondern  lösen  auch  im 
Verein  mit  den  Durchgangsthälem  die  Zonen  stellenweise  in  mehrere, 
völlig  individualisierte  Gruppen  und  Bergstöcke  auf.  Solche  sind 
z.B.  die  Otzthaler Gruppe  in  der  krystallinischen  Zone  (s.  Fig.  179,S.5lOi 
und  die  zahlreichen  größeren  und  kleineren  Gruppen  und  Stöcke 
in  der  Kalkzone  zwischen  dem  Inn  und  der  Salzach  (Fig.  184,  8.517). 

Ursprüngliche  Thalwasserscheiden  darf  man  nur  in  Senkungs- 
thälern  vermuten;  eine  solche  ist  sicher  die  nur  24  m  hohe  im  cale- 
donischen  Graben  Nordschottlands  und  vielleicht  auch  die  zwischen 
dem  Orontes  und  der  Lita  (1158  m)  im  Libanon,  auf  der  sich  tiit^ 
Ruinen  von  Heliopolis  erheben.  Die  übrigen  Vorkonminisse  sind 
wohl  sekundäre  Bildungen,  wenn  wir  auch  betreflfs  der  E^tstehungs- 
weise  meist  nur  auf  Vermutungen  angewiesen  sind. 

Wo  von  einer  Thalwasserscheide  zwei  Flüsse  nach  gerade  entgegen- 
gesetzten Richtungen  sich  bewegen,  mögen  sie  durch  rückschreitende 
Erosion  den  trennenden  Rücken  abgetragen  haben,  und  daraus  ließe 
sich  ihr  besonders  häufiges  Vorkommen  in  tektonischen  Thälem,  wo 
wir  uns  die  Erosionsbedingungen  als  besonders  günstige  vorzusteUen 
haben,  erklären.  Arbeitet  ein  Fluß  rascher  als  der  andere,  so  kann 
es  vorkommen,  daß  der  erstere  dem  letzteren  einen  Teil  von  dessen 
Gebiete  entzieht.  Auf  diese  Weise  mußte  der  Oberengadiner  Inn, 
wie  Heim  aus  der  Höhe  der  Thalterrassen  nachwies,  sein  Sammel- 
gebiet an  die  rascher  fließende  Mera  abtreten. 

Eine  andere  Bewandtnis  hat  es  jedenfalls  mit  jenen  Thal  Wasser- 
scheiden, die  sich  zwischen  zwei  mehr  oder  weniger  senkrecht  auf- 
einander stehenden  Flußläufe  einschieben.  Sie  lassen  sich  nicht 
anders  deuten  wie  als  verlassene  Thalstücke.  Als  die  Salzach 
ihren  neuen  Weg  nach  Osten  einschlug,  blieb  ein  Teil  ihres  alten 
Thaies  trocken  und  bildet  nun  die  Thalwasserscheide  bei  Zell  a.  See 
(s.  Fig.  182,  S.  515).  Ähnlich  verhält  es  sich  mit  der  Wasserscheide  von 
Sargans,  über  die  einst  der  Rhein  zum  Wallen-  und  Züricher  See 
abfloß.  Thalwasserscheiden  stehen  sicherHch  mit  vielen  kleineren 
Durchbrüchen  in  ursächlicher  Beziehung.  Wir  verweisen  nur  auf 
das  Kärtchen  in  Fig.  184  (S.  51 7).  Was  konnte  ein  so  unansehnliches  Ge- 
rinne, wie  die  Weißach,  veranlaßt  haben,  zwischen  den  Stöcken  des 
Belvenberges  und  Vorderkaisers  zum  Inn  durchzubrechen,  während 
sie  sich  ohne  erhebliche  Schwierigkeiten  über  die  EUmauer  Schwelle 
hätte  nach  Westen  wenden  können?  Denken  wir  uns  aber  den  Osten 
durch  längere  Zeit  mit  Gletschermassen  verstopft,  so  wird  uns  diese 


GliederuDg  der  Gebirge.  519 


mit  den  heutigen  orographischen  Verhältnissen  unvereinbare  Thalanord- 
nung  verständlich.  Es  ist  unsere  feste  Überzeugung,  daß  die  Eis- 
zeit in  den  von  ihr  betroffenen  Gebirgen  zahlreiche  Stromverlegungen 
bewirkt  hat,  einerseits  durch  Gletscher  anderseits  durch  mächtige 
Geröllanhäufungen;  und  daß  die  überwiegende  Mehrzahl  der  Thal- 
wasserscheiden auf  derartige  Vorgänge  zurückzuführen  ist. 

AufschlieAung  der  Gebirge.  Am  aufgeschlossensten  von  den 
großen  Gebirgen  der  Erde  sind  diejenigen,  die  einen  rostförmigen 
Bau  besitzen,  am  geschlossensten  die  mit  einfacher  Quergliederung. 
Für  den  Verkehr  über  das  Gebirge  von  Ebene  zu  Ebene  sind  an- 
scheinend die  Durchgangsthäler  der  dritten  Kategorie  am  günstigsten, 
in  Wirklichkeit  sind  sie  aber  wegen  ihres  schluchtartigen  Charakters 
häufig  ohne  Bedeutung.  So  blieb  der  Balkan  trotz  des  Iskerdurch- 
bruchs  eine  Völker-  und  Staatenscheide,  und  bis  zur  Herstellung  des 
Kuntersweges  im  14.  Jahrhundert  zog  man  es  vor,  die  schauerlichen 
Engen  des  Eisackthales  auf  dem  östlichen  Berghöhen  oder  über  den 
Jaufenpaß  zu  umgehen.  Vorherrschende  Parallelgliederung  ist  un- 
günstig, weil  mehrmals  Kämme  zu  übersteigen  sind;  so  muß  die 
Rudolfsbahn  in  den  Ostalpen  dreimal  Wasserscheiden  übersetzen 
und  ist  natürlich  zu  Umwegen  gezwungen,  um  bequemere  Anstiege 
aufzusuchen.  Viel  bessere  Chancen  bietet  die  rostformige  Gliede- 
rung, wenn  die  Hauptwasserscheide  ein  Längsthal  kreuzt.  Die  Thal- 
wasserscheide wird  dadurch  zum  Wechselpasse.  Ein  solcher  ist  der 
bei  Gänsbrunnen  {ff  in  Fig.  180,  S.  510)  im  Schweizer  Jura,  der  das 
Dünnem(Aare)-Gebiet  mit  dem  der  Birs  verbindet;  man  ersieht  aber 
auch  aus  unserem  Kärtchen,  daß  solche  Verkehrsstraßen  weite  Um- 
wege zu  machen  gezwungen  sind.  Am  vorteilhaftesten  ist  es  jeden- 
falls, wenn  von  beiden  Seiten  des  Gebirges  korrespondierende  Durch- 
gangsthäler geradlinig  und  mit  nicht  zu  starkem  Gefälle  bis  zur 
Hauptwasserscheide  hinaufführen;  darauf  beruht  z.  B.  die  Bedeutung 
der  St  Gotthard- Straße.  Die  Brennerlinie  steht  dagegen  zurück, 
weil  man  hier  erst  das  Längsthal  des  Inn  zu  passieren  hat,  um  in  die 
bayerische  Ebene  zu  gelangen;  daher  schlug  man  im  Mittelalter,  um 
Westdeutschland  rascher  zu  erreichen,  von  Innsbruck  aus  lieber 
den  Weg  über  den  Seefelder  oder  den  Fernpaß  ein.  Günstig  ist 
auch  eine  anomale  Lage  der  Hauptwasserscheide,  am  unzuträg- 
lichsten aber  eine  Gliederung,  wo  man  zur  Hauptwasserscheide  durch 
kurze,  steile  Thäler  ansteigen  muß,  wie  im  Gebiete  der  Hohen 
Tauern.  Solche  Verhältnisse  sind  in  Gebirgen  aller  Art  sehr  häufig, 
und  wo  sie  die  Regel  bilden,  ist  das  Gebirge  in  Wahrheit  eine 
trennende  Schranke,  die  erst  die  Technik  unseres  Jahrhunderts  — 
und  auch  diese  nicht  immer  —  zu  überwinden  lernte. 


520  Morphologie  des  Landes. 


Unter  allen  Umständen  sucht  der  Verkehr  die  niedrigsten  Punkte 
der  wasserscheidenden  Kämme  und  Kücken  auf,  und  auf  diese  will 
V.  ßiGHTHOFBN  die  Bezeichnung  Pässe  beschränkt  wissen.  Indem 
wir  seine  Terminologie  anwenden,  unterscheiden  wir  Wallpässe,  die 
über  breite  Scheitelflächen  führen  —  wie  z.  B.  im  Skandinavischen 
Gebirge  — ,  und  Eammpässe  in  Eammgebirgen,  und  teilen  letztere 
wieder  ein  in  Sattel-,  Scharten-  und  Lückenpässe^  je  nachdem 
der  Kammeinschnitt  gerundet,  schneidig  oder  scharf  kerbenartig  ist 

Litteraturnachweise.  ^  Hilbeb,  Die  Bildung  der  DarehgangsthAler, 
in  Petbbmakns  Mitteilungen  1889  (mit  auafÜhrlichen  Litteraturangaben)^  — 
'  LöwL  in  den  Verhandlungen  der  Wiener  Greologischen  Reichsanstalt  1894, 
S.  472.  —  '  FöRSTLE,  The  Drainage  of  the  Bemese  Jura,  in  den  Proceedings 
of  the  Boston  Society  of  Natural  Historj,  1892.  —  *  Füttebeb,  Durchbraehs- 
thäler  in  den  Südalpen,  in  der  Zeitschrift  der  Berliner  Gesellschaft  für  Erd- 
kunde 1895.  —  ^  WXHinsB,  Geologische  Bilder  von  der  Salzach,  Wien  1894. 


Die  Flüsse. 

Einteilung.  Man  kann  die  Flüsse  nach  verschiedenen  Gesichts- 
punkten einteilen.  Geläufig  ist  die  Unterscheidung  von  Haupt- 
und  Nebenflüssen,  auf  die  wir  später  noch  zurückkommen  werden. 
Die  Hauptfiüsse  sind  entweder  marin  oder  kontinental,  je  nach- 
dem  sie  das  Meer  erreichen  oder  nicht  In  Bezug  auf  das  Ver- 
hältnis der  Flußrichtung  zur  Richtung  der  Wasserscheide  kann  man 
von  Quer-  und  Längsflüssen  sprechen.  Beispiele  von  Querflüssen, 
die  mehr  oder  weniger  senkrecht  zur  Wasserscheide  stehen,  sind  die 
sibirischen  Ströme  oder  die  Flüsse  von  Norddeutschland;  zur  zweiten 
Kategorie  gehören  z.  B.  Donau,  Po  und  Ganges,  die  nahezu  parallel 
mit  der  Wasserscheide  fließen. 

Wichtiger  ist  die  Einteilung  der  Flüsse  nach  der  Art  ihres 
Baues.  Wir  haben  auf  S.  378  von  einem  Ober-,  Mittel-  und  unter- 
laufe gesprochen  und  können  diejenigen  Flüsse  als  normale  be- 
zeichnen, bei  denen  diese  Abteilungen  deutlich  und  nur  je  einmal 
entwickelt  sind.  Solche  Flüsse  sind  aber  verhältnismäßig  selten,  und 
für  die  Praxis  eignet  sich  besser  jene  Einteilung,  die  Haase  vor- 
schlug.^ Er  unterscheidet  nur  Berg-  und  Flachlauf;  der  erstere 
ist  durch  hohe  Ufer  ausgezeichnet  und  kommt  daher  auch  im  zer- 
schnittenen Flachlande  vor  (z.  B.  Colorado);  anderseits  kann  man 
auch  da  von  Flachlauf  sprechen,  wo  nur  auf  einer  Seite  das  Gelände 
höher  ansteigt,  wie  auf  der  Donaustrecke  zwischen  Bulgarien  und 
der  Walachei. 

Damach  zerfallen  die  Flüsse  nur  in  zwei  Hauptgruppen:  gleich- 


Die  Fl&sse.  521 


artige  und  ungleichartige,  und  jede  Hauptgruppe  wieder  in 
zwei  Untergruppen.  Denn  ^eichartig  sind  sowohl  jene  Flüsse,  die 
nur  Flachlauf  besitzen,  wie  die  meisten  der  Niederungen,  wie 
auch  solche  ausschließlich  mit  Berglauf.  Zu  den  letzteren  gehören 
nicht  bloß  zahlreiche  Nebenflüsse,  sondern  auch  manche,  wenn  auch 
nur  kurze  Hauptflüsse,  nämlich  alle  diejenigen  Bäche,  die  sich  direkt 
in  das  Meer  stürzen,  und  deren  Schuttkegel  die  Wasseroberfläche 
noch  nicht  erreicht  hat  Ungleichartige  Flüsse  haben  Berg-  und 
Flachlauf,  und  es  sind  hier  zwei  Fälle  möglich,  die  auch  in  der 
Natur  reichlich  vertreten  sind:  Doppellauf  und  Wechsellauf. 
Bei  dem  ersteren  folgt  auf  den  Berg-  der  Flachlauf  —  solche  Flüsse 
haben  wir  oben  als  normale  bezeichnet  — ,  bei  dem  letzteren  wieder- 
holen sich  diese  Abschnitte  mehrmals,  wie  beim  Rhein  oder  bei  der 


Fig.  185.    Die  Hanptwassencheide  der  Erde,  nach  v.  TiLLO. 

Donau,  vor  allem  aber  bei  den  afrikanischen  Strömen,  die  sich 
durch  Wasserfälle  in  ihrem  Unterlaufe  auszeichnen.  Wechsellauf 
deutet  stets  darauf  hin,  daß  sich  der  betreffende  Fluß  aus  mehreren, 
ursprünglich  selbständigen  Gewässern  zusammensetzt  und  eine  kom- 
plizierte Entwicklung  durchgemacht  hat. 

Verteilimg  der  Flüsse.  Unter  den  zahlreichen  wasserscheiden- 
den Linien,  die  das  Land  netzartig  überspannen,  ist  eine,  die 
mit  alleiniger  Unterbrechung  in  der  Beringstraße  das  gesamte  Fest- 
land mit  Ausnahme  des  abseits  liegenden  Australien  in  zwei  Ab- 


522  Morphologie  des  Landes. 


dachungen  teilt:  eine  atlantische  und  eine  pazifisch  - indiscLe. 
V.  TiLLO*  nannte  sie  die  Hauptwasserscheide  der  Erde  {ABC 
BEFGUIK  in  Fig.  185).  Innerhalb  der  beiden  Abdachungen 
liegen  aber  auch  abflußlose  Gebiete,  die  auf  23,7  Prozent  der 
Festlandoberfläche  geschätzt  werden.  Weitaus  das  größte  ist  das 
asiatisch -europäische  Zentralgebiet,  das  mit  seinen  13  MilL  qkm 
Europa  fast  um  die  Hälfte  an  Ausdehnung  übertrifft  Afrika  hat 
zwei  solche  Hauptgebiete:  in  der  Sahara  und  Kalahari,  Australien  ist 
mehr  als  zur  Hälfte  abflußlos,  dagegen  ist  Amerika  arm  an  solchen 
trockenen  Binnenlandschaffcen,  und  darin  liegt  einer  der  gewichtig- 
sten Vorzüge  der  neuen  Welt  vor  der  alten,  ^  Aber  auch  zwischen 
die  marinen  Flüsse  schieben  sich,  teils  klimatisch,  teils  durch  den 
Bodenbau  bedingt,  kleine  Flächen  ohne  Abfluß  ein;  hat  uns  doch 
Eeilhack  kürzlich  ein  solches  auch  in  Deutschland  —  auf  der 
baltischen  Seenplatte  —  kennen  gelehrt* 

Betrachten  wir  jeden  Eontinent  für  sich,  so  gewahren  wir,  daß 
jeder  auch  in  der  Verteilung  des  fließenden  Wassers  seine  indivi- 
duellen Eigentümlichkeiten  besitzt  Jeden  Eontinent  durchziehen 
ein  oder  mehrere  Hauptwasserscheiden,  die  zum  Teil  mit  der  Haupt- 
wasserscheide der  Erde  zusammenfallen,  zum  Teil  sich  von  dieser 
abzweigen.  Europa  besitzt  nur  eine  einzige  Hauptwasserscheide, 
die  am  Ural  unter  61^3^  N.  beginnt,  den  Festlandsrumpf  in  süd- 
westlicher und  die  iberische  Halbinsel  in  südlicher  Richtung  durch- 
zieht und  hier  unter  36®  endet  Die  nordwestliche  Abdachung  ist 
die  ozeanische,  die  südöstliche  die  mediterran-kaspische.  In  Asien 
finden  wir,  entsprechend  der  östlichen  Rutenteilung  des  Hochland- 
gürtels, zwei  senkrecht  aufeinander  stehende  Hauptwasserscheiden: 
die  äquatoriale,  die  die  großen  abflußlosen  Gebiete  umschließt 
scheidet  den  indischen  und  arktischen  Bezirk;  die  meridionale 
grenzt  die  pazifischen  Systeme  gegen  Westen  ab.  Afrika  hat  zwei 
primäre  Wasserscheiden,  von  denen  die  eine  meridional  zwischen 
dem  Indischen  und  Atlantischen  Ozean  nach  Süden  zieht,  während 
die  andere  sich  unter  etwa  4®  S.  abzweigt  und,  wie  die  Verteilung 
der  Wadis  erkennen  läßt,  über  das  Zentralgebirge  der  Sahara 
nach  Nordwesten  zieht,  um  die  mediterrane  von  der  atlan- 
tischen Abdachung  zu  trennen.  In  Amerika  bildet  das  westliche 
Hochland  die  Scheide  zwischen  den  atlantisch -arktischen  und  den 
pazifischen  Strömen,   doch   wird  diese  anscheinend  einfache  Anord- 


><  Abflußlos  sind  von  Australien  51,9,  von  Afrika  32,9,  von  Asien  30,s, 
von  Europa  17,i,  von  Südamerika  6,6,  von  Nordamerika  4,4  Proz.  des  betreffen- 
den Festlandes. 


Die  Flüsse. 


523 


nang  durch  das  Auftreten  großer  Läugsströme  (Mackenzie,  Missis- 
sippiy  Paraguay -Parana)  etwas  komplizierter,  namentlich  in  Nord- 
amerika, wo  ein  Querduß  (Saskatchewan)  sich  zwischen  die  beiden 
großen  Längsströme  einschiebt  Ebenso  einseitig,  wie  in  Amerika 
ist  die  Flußverteilung  in  Australien,  wo  die  Hauptwasserscheide 
an  das  ostliche  Bergland  sich  knüpft;  aber  das  abflußlose  Gebiet 
ist  zentral,  wie  in  Asien,  nicht  exzentrisch  wie  in  Amerika. 

Aus  der  nachstehenden  Tabelle  (nach  Penck)  ersieht  man  die 
Ausdehnung   der  Abdachungsgebiete   des   Festlandes   (in   Millionen 


1 

'1    1 

l|    3,0 

'! 

•g 
10,0 

0,7 

OS 



10,7 

3,9 

^1 

^1 

Festland 

Atlantischer  Ozean      .     .     . 
Eismeer  (und  Hudsonbai)     . 
Mittelländisches  Meer      .    . 
Amerikanisches  Mittelmeer  . 

— 

2,0 
6,» 

5,0 

15,, 
0,. 

31,. 

18,« 
7,0 
6,. 

Atlantisches  Gebiet     .     .     . 

7,8       1      11,8     1      14,6 

— 

U,« 

15,0  |{   64,0 

Großer  Ozean 

Indischer  Ozean      .    .    .    . 

';     -           9,*    1     - 
il     —           7,9    1      5,0 

0,6 
3,2 

5,. 

1,0       16,0 
-         16,1 

Pazifisch-indisches  Gebiet    . 

1      -      1     11,3    i       5,0           3,7 

5,1  j  1,0 :;  32,. 

Marine  Flußgebiete     .    .    . 
Kontinentale  Flußgebiete 

,i     7,8     !    28,0    ,    19,0 
;     1,.    ;    12,0   .      9,. 

3,7 

4,0 

19,5 

0,0 

16,. 

1.» 

18,1 

96,1 
29,. 

Festland 

".       9,4 

1    41,» 

29,2 

7,. 

20,« 

126,0 

Quadratkilometern).  Das  Übergewicht  der  atlantischen  Abdachung 
tritt  mit  großer  Schärfe  hervor;  rechnet  man  noch  die  Inseln  dazu, 
so  erhalten  wir  für  das  atlantische  Gebiet  51,  für  das  pazifisch- 
indische 27,  für  die  abflußlosen  Binnengebiete  22  Proz.  Die  ent- 
sprechenden mittleren  Regenhöhen  sind  nach  Müeray*  96,  105 
und  31  cm.  Nur  die  abflußlosen  Gebiete  sind  also  klimatisch  bedingt, 
die  gewaltige  Ausdehnung  des  atlantischen  Flußgebietes  ist  aber 
ein  tektonisches  Phänomen. 

nuÜBvennischimg  und  Wasflerteilung.'^  Im  allgemeinen  spielen 
die  Hochgebirge  bei  der  Verteilung  der  Flüsse  nur  eine  untergeordnete 
KoUe.  Der  Himalaja  steht  ganz  und  die  Alpen  stehen  zum  größten 
Teü  außerhalb  der  Hauptwasserscheide,  und  selbst  in  den  Andes  ver- 
läuft sie  nicht  immer  auf  dem  höchsten  Kamme.  Ein  großer  Teil 
der  primären  Wasserscheiden  liegt  in  der  Ebene,  und  stellenweise 
(z.  B.  in  Rußland)  werden  sie  durch  so  sanfte  Bodenanschwellungen 
gebildet,  daß  diese  ohne  besondere  Schwierigkeiten  von  Verbindungs- 
kanälen überschritten  werden  können.     Ja  stellenweise  werden  zur 


524  Moq^hologie  des  Landes. 


Zeit  des  Hochwassers  solche  Kanäle  auf  natürlichem  Wege  herge- 
stellt, oder  Teile  verschiedener  Flußsysteme  treten  bei  völligem 
Fehlen  der  Wasserscheide  sogar  in  dauernde  Verbindung.  Man 
nennt  diesen  Vorgang  Gabelung  oder  Bifurcation;  doch  versteht 
man  unter  diesem  Namen  auch  eine  wesentlich  andere  Gruppe  von 
Erscheinungen,  nämlich  die  Teilung  eines  Flusses  in  zwei  oder 
mehrere  Arme,  die  Inseln  einschließen  oder  sich  nicht  wieder  ver- 
einigen, wie  in  den  Deltas.  Diese  unrichtige  Terminologie  giebt  zu 
manchen  Mißverständnissen  Veranlassung,  und  wir  thun  daher  am 
besten  daran,  wenn  wir  neue  Ausdrücke  einfuhren.  Treten  zwei 
Flußsysteme  während  ihres  Laufes  miteinander  in  Verbindung,  so 
nennen  wir  dies  eine  Flußverraischung;  wird  diese  Verbindung 
aber  an  den  Quellen  hergestellt,  indem  Seen  oder  Sümpfe  nach  ver- 
schiedenen Seiten  sich  entwässern,  so  nennen  wir  dies  mit  Bkkghaus 
eine  Wasserteilung.  Das  bekannteste  Beispiel  von  Flußver- 
mischung bietet  der  Orinoco,  der  einen  Arm  (Casiquiare)  zum  Rio- 
Negro,  einem  Nebenüusse  des  Amazonas,  entsendet  Im  kleinen 
wiederholt  sich  dieses  Phänomen  nördlich  vom  Teutoburger  Walde, 
wo  die  Else,  ein  Arm  der  Haase  (Emsgebiet),  sich  östlich  zur 
Werre  wendet;  doch  ist  es  fraglich,  ob  dieser  Zustand  nicht 
künstlich  hergestellt  wurde.  Häufiger  ist  die  Wasserteilung;  im 
Staate  Maine  ist  sie  nach  Ratzel  eine  gewöhnliche  Erscheinung. 
Bei  Hochwasser  verbindet  sich  das  Mississippisystem  in  der  Seen- 
region von  Minnesota  mit  dem  Red  River  und  Oberen  See,  und  der 
Petit  Lake  stellt  einen  Wasserweg  zwischen  dem  Michigansee  und 
Illinois  her.  Die  Rokitnosümpfe  haben  Abfluß  sowohl  zur  Weichsel, 
wie  zum  Dnjepr,  und  die  masurischen  Seen  im  Regierungsbezirke 
Gumbinnen  werden  zugleich  nach  Norden  in  den  Pregel  und  nach 
Süden  in  die  Weichsel  entwässert.  Selbst  Gebirgen  ist  dieses  Phä- 
nomen nicht  fremd,  aber  natürlich  nur  an  Thalwasserscheiden  ge- 
bunden. Den  Lesjeskogen-See  haben  wir  schon  auf  S.  517  erwähnt 
Der  kleine  See  Les  Dous  in  den  Pyrenäen  hat  seinen  Namen  von 
den  beiden  Abflüssen,  von  denen  der  eine  zur  Tet,  der  andere 
zum  Segre  (Ebro)  sich  wendet  Eine  periodische  Flußvermischung 
findet  auf  dem  Two  Ocean- Passe  im  Felsengebirge  (2468  m)  statt, 
indem  vom  Two  Ocean  Creek,  der  dem  Mississippisystem  angehört, 
bei  vollem  Wasserstande  schwache  Arme  zum  Pacifik  Creek  (Co- 
lumbiagebiet) ausgehen.  In  Kalkgebirgen  kommen  auch  unter- 
irdische Flußvermischungen  vor;  zwei  solche  Fälle  in  Frankreich 
wurden  von  Reclus  beschrieben,  ein  dritter  ist  die  von  Knop  nach- 
gewiesene Verbindung  zwischen  dem  Rhein  und  der  Donau,  von  der 
ein  Arm  unterirdisch  zur  Aachquelle  abfließt 


Die  Flüsse  525 


Bau  der  ilufsBysteine.  Flußsysteme  entstehen  durch  die  Ver- 
einigung mehrerer  Flüsse,  von  denen  einer  durch  den  Sprachgebrauch 
zum  sogenannten  Hauptflusse  gemacht  wurde,  nach  dem  das  ganze 
System  benannt  wird.  Diese  Benennungsweise  beruht  zwar  nicht  auf 
^wissenschaftlichen  Prinzipien,  ist  aber  trotzdem  unschädlich,  wenn 
man  sich  nur  der  Meinung  entschlägt,  daß  der  Hauptfluß  das  pri- 
märe und  die  Nebenflüsse  das  sekundäre  seien;  wenn  man  also  die 
üblichen  Flußnamen  lediglich  als  Verständigungsmittel  benutzt,  ohne 
genetische  Vorstellungen  damit  zu  verbinden.^  Diese  Forderung 
erscheint  um  so  gerechtfertigter,  als  viele  sogenannte  Hauptflüsse  in 
einem  Teile  ihres  Laufes  nur  Fortsetzungen  von  Nebenflüssen  sind, 
worauf  wir  bereits  an  einer  anderen  Stelle  (S«  514)  hingewiesen  haben. 
Solche  Verhältnisse  finden  wir  bei  der  Bhöne-Saöne,  bei  der  Elbe 
und  Moldau,  der  unteren  Weser  und  Aller,  dem  Amur  und  Sungari, 
dem  Hoangho-Hweiho  u.  s.  w. 

Außerordentlich  mannigfaltig  ist  der  Bau  der  Flußsysteme, 
von  <}enen  jedes  seine  individuellen  Züge  hat,  die  sich  nicht  in  ein 
allgemeines  Schema  einzwängen  lassen;  ja,  die  meisten  größeren 
Systeme  zeigen  in  verschiedenen  Teilen  verschiedene  Anordnung. 
Nur  einige  Grundformen  sollen  hier  besprochen  werden. 

Die  einfachsten  Systeme  bestehen  aus  einem  Haüptstrange,  an 
den  sich  rechts  und  links  Nebenflüsse  rechtwinkelig  oder  mit  ab- 
wärts gekrümmter  Mündung  wie  Äste  ansetzen.  Der  Po,  der  Ama- 
zonas, die  Moldau,  der  Oberrhein  und  die  untere  Donau  sind  so 
gebaut  Meist  sind  auch  in  diesem  Falle  die  Nebenflüsse  auf  beiden 
Seiten  nicht  gleichwertig,  und  zwischen  dem  symmetrischen  und 
einseitigen  Bau  lassen  sich  alle  möglichen  Übergänge  beobachten. 
Dem  Jenissei,  Tigris,  der  Theiß,  der  unteren  Garonne  u.  a.  sendet 
die  Gebirgsseite  begreiflicherweise  zahlreichere  und  größere  Neben- 
flüsse zu,  als  die  ebene  Seite.  Die  Rhone  empfängt  ihre  wichtigsten 
Nebenflüsse  von  den  Alpen,  wo  nicht  nur  der  Wasserreichtum  größer, 
sondern  auch  die  Wasserscheide  viel  weiter  vom  Thalwege  des  Haupt- 
stromes entfernt  ist,   wie  auf  der  westlichen  Seite,   wo  das  franzö- 


X  WisoTZKi*  suchte  ein  Prihzip  aufzustellen,  nach  dem  sich  die  Frage  nach 
dem  Hauptflusse  in  jedem  Falle  entscheiden  ließe;  ich  habe  bereits  im  Litteratur- 
berichte  zu  Petermanns  Mitteilungen  (1890,  Nr.  1450)  die  Schwierigkeiten,  die 
sich  daraus  ergeben,  dargelegt  Die  Frage  Iftßt  sich  auch  so  stellen,  wo  ist 
die  Hauptquelle  eines  Flusses?  und  wir  halten  es  noch  immer  für  das  ein- 
fachste und  sicherste  Verfahren,  diejenige  Quelle  dafür  zu  erklären,  die  in  der 
Luftlinie  am  weitesten  von  der  Mündung  entfernt  ist.  In  diesem  Sinne  ist  es  zu 
verstehen,  wenn  Baühann  für  sich  das  Verdienst  in  Anspruch  nimmt,  die 
eigentliche  Nilquelle  (Kagera)  entdeckt  zu  haben. 


526  Morphologie  des  Landes. 


sische  Massiv  mit  einem  Steilabfalle  abstürzt.  Der  Lauf  der  Aare 
und  oberen  Donau  bezeichnet  die  tiefste  Rinne  am  Fuße  des  Jura, 
wo  sich  die  den  Alpen  entstammenden  und  auf  der  voi^lagerten 
schiefen  Ebene  sich  bewegenden  Flüsse  sammeln  müssen,  um  in 
veränderter  Richtung  einen  Ausweg  zu  finden. 

Häufig  ist  der  Fall,  daß  zwei  oder  mehrere  nahezu  gleich  große 
Flüsse  radial  einander  zuströmen  und  erst  nach  ihrer  Vereinigung 
einen  deutlich  erkennbaren  Hauptstrang  bilden.  Dieser  Typus  tritt 
in  zahlreichen  Variationen  auf.  Am  einfachsten  ist  9er  Bau  der 
Loire  und  des  AUier,  des  Cauca-  und  Magdalenenstromes,  des  Parana- 
Paraguay,  Ganges-Gagra,  Murray-Darling,  die  selbst  wieder  nach 
demselben  Gesetze  gebaut  sind,  u.  a.  m.  Aus  der  Vereinigung  mehrerer 
Hauptarme  entstehen  der  Dnjepr,  die  untere  Seine  und  der  untere 
Ob;  auch  im  Mississippisystem  läßt  sich  außer  dem  Mississippi  und 
Missouri  auch  der  Ohio  als  Hauptarm  auffassen.  Li  kleinem  Maß- 
stabe, aber  mit  seltener  Schärfe  ist  diese  Bauart  in  der  Thaya  aus- 
gebildet, besonders  da  jeder  der  drei  Hauptarme  dieselbe  Bildnngs- 
weise,  wie  der  vereinigte  Fluß  zeigt.  Einen  etwas  komplizierteren 
Fall  bietet  das  Indussystem,  dessen  beide  Hauptarme  (Indus  und 
Sutlej)  mit  einem  dritten,  kleineren  sich  vereinigen.  Aus  zwei 
Längstiüssen,  die  einander  zuströmen^  entsteht  der  Querfluß  Dwina, 
imd  in  ähnlicher  Weise  verbinden  sich  Trent  imd  Ouse  zum  Humber. 

Die  großen  Veränderungen  der  Laufrichtung  lassen  sich  als  eine 
Vereinigung  verschiedener  Systeme  auffassen.  Der  Kongo  und  die 
Loire  sind  Beispiele  der  Verwandlung  eines  Längssystems  in  ein 
Quersystem  durch  einfache  Umbiegung.  Die  Loire  zeigt  anfänglich 
die  Tendenz,  dem  Pariser  Becken  zuzufließen,  wie  ja  auch  die 
übrigen  Flüsse,  die  dem  Rande  desselben  entspringen.  Die  Ablen- 
kung nach  Westen,  der  auch  die  Bäche  der  Sologne,  wie  die  größeren 
Flüsse  Ober,  Indre  und  Creuse-Vienne  folgen,  ist  schon  mioc&nen 
Alters;  hier  war  der  Abzugskanal  der  Gewässer  des  Seinebeckens. 
Das  Quersystem  der  Wolga  setzt  sich  nach  Norden  in  dem  der  Kama 
fort.  In  der  Petschora  vereinigen  sich  zwei  Quersysteme  (obere 
Petschora  und  Ischma  mit  der  unteren  Petschora)  mit  einem  Längs- 
systeme (Ussa  und  mittlere  Petschora),  in  der  Donau  zwei  Längs- 
systeme (obere  Donau  bis  Waitzen  und  Drau -Save- untere  Donau) 
mit  einem  Quersysteme.  Diese  Beispiele  erschöpfen  nicht  im  ent- 
ferntesten die  Zahl  der  verschiedenen  Fälle,  aber  sie  geben  uns  doch 
eine  Vorstellung  von  der  außerordentlichen  Mannigfaltigkeit  in  der 
Anordnung  der  Flußläufe  innerhalb  eines  hydrographischen  Gebietes, 

Oröfse  der  Flüsse.  Starke  Niederschläge  und  lange  Abdachungen 
sind  die  Bedingungen  für  die  Entwicklung  großer  Ströme.    Nicht  die 


Die  Flüsse.  527 

Länge  des  Flusses  ist  maßgebend  für  seine  Bedeutung,  sondern  die 
Größe  seines  Gebietes.  Der  Amazonas  ist  zwar  der  mächtigste  Strom 
der  Erde,  aber  an  Länge  wird  er  vom  Missouri-Mississippi  um  800, 
vom  Nil  um  1500,  ja  sogar  vom  Jangtsekiang  um  150  km  über- 
troffen. Die  Donau  ist  nur  doppelt  so  lang  als  der  Rhein,  aber  sie 
entwässert  ein  viermal  größeres  Areal;  und  die  Dwina  hat  einen 
kürzeren  Lauf,  als  der  Guadalquivir,  aber  trotzdem  ist  ihr  Gebiet 
sechsmal  größer. 

Zu  einer  Vorstellung  von  der  hydrographischen  Verschiedenheit 
der  Erdteile  gelangt  man,  wenn  man  berechnet,  wie  viele  Prozente 
des  Gesamtareals  auf  die  Gebiete  der  großen  Ströme  (als  Grenze 
haben  wir  ^/g  MiU.  qkm  angenommen)  entfallen: 

Südamerika  (4)x       ....  67 

Asien  (13) 44 

Afrika  (5) ca.  43 

Nordamerika  (6)  .         ...  36 

Europa  (3) 30 

Australien  (1) 9 

Südamerika  ist  also  vor  allem  das  Land  der  großen  Ströme,  wie  es 
der  Kontinent  der  Tiefebenen  ist  Die  beiden  kleinsten  Erdteile  nehmen 
in  obiger  Tabelle  begreiflicherweise  den  letzten  Platz  ein ;  bei  Australien 
wirkt  noch  die  Trockenheit  des  inneren  Landes  mit  Asien  besitzt 
zwar  die  größte  Anzahl  von  Strömen,  aber  nur  der  Ob  steht  den 
amerikanischen  würdig  zur  Seite;  hier  wirkt  die  große  Ausdehnung 
und  zentrale  Stellung  des  Hochlandes  der  Entwicklung  eines  Ama- 
zonas entgegen,  während  in  Südamerika  die  peripherische  Lage  der 
Andes  mit  der  Eegenverteilung  zusammenwirkt,  um  den  mächtigsten 
unter  den  Riesenströmen  der  Erde  zu  erzeugen. 

Verandenmgen  der  Flüsse.  Flüsse  und  Flußsysteme  sind  aber 
veränderlich.  Namentlich  dort,  wo  ein  schwach  geneigtes  und  daher 
beständig  sich  erhöhendes  Bett  in  lockerem  Material  liegt^  also  haupt- 
sächlich im  Unterlaufe  verändern  die  Flüsse  häufig  ihre  Sichtung; 
aber  wohl  keiner  ist  so  starken  Oszillationen  unterworfen,  wie  „Chinas 
Kummer**,  der  Hoangho.  Seine  älteste  und  zugleich  nördlichste 
Mündungsstelle  liegt  unter  89^/3^  B.,  seine  südlichste,  die  er  vom 
13.  Jahrhundert  bis  1852  benutzte,  unter  34°  B.  In  den  Jahren  1851 — 
53  wandte  er  sich  wieder  nach  Norden,  1887  aber  brach  er  abermals 


^  Die  eingeklammerte  Ziffer  giebt  die  Zahl  der  Hauptströme  mit  mehr 
als  Vi  Mill.  Q.-Kilometer  Flußgebiet.  Wir  dürfen  aber  nicht  verhehlen,  daß 
die  Zahlen  für  Längen  und  Gebiete  der  Flüsse  sehr  ungenau  sind.  Die  um- 
fangreichste Zusammenstellung  stammt  von  Klöden,^  aber  auch  sie  ist  wenig 
zaverll&Bsig. 


528  Morphologie  des  Landes. 


nach  Süden  durch,  doch  wurde  er  schon  1889  durch  Menschenhand 
gezwungen,  sein  früheres  Bett  wieder  aufzusuchen.  In  kleinerem  Maßstäbe 
sind  Veränderungen  im  Unterlaufe,  wo  die  Flüsse  nicht  durch  feste  Ufer 
eingedämmt  sind,  außerordentlich  häufig,  wie  z.  B.  Bunk^  bezüglich  des 
Rheindeltas  darthat;  aber  obwohl  die  Geschichtsquellen  hier  reichlich 
fließen,  gelang  es  ihm  doch  nicht,  alle  dunkeln  Punkte  aufzuklären.  Um- 
so schwieriger  ist  dies  in  Ländern,  deren  Geschichte  sich  mit  Sagen 
verwebt  Bis  in  die  neueste  Zeit  war  die  Ansicht  yerbreitet,  daß 
sich  der  Amu  noch  im  Mittelalter  in  den  Kaspisee  ergossen  habe,  und 
man  hoffte,  diese  wichtige  Wasserstraße  wieder  herstellen  zu  können. 
Erst  die  geologischen  Untersuchungen  und  Nivellements  der  Russen 
um  die  Mitte  der  achtziger  Jahre  haben  dieses  Märchen  zerstört.' 
Sicher  ist  nur,  daß  die  Mündung  des  Amu  einst  im  Saiy-Kamysch 
lag,  und  daß  von  hier  aus  eine  Wasserverbindung  mit  dem  Aralsee 
und  durch  den  Usboi  mit  dem  Kaspisee  stattfand;  doch  war  der 
Usboi  kein  eigentUcher  Flußarm,  sondern  nur  eine  zusammenhängende 
Seenkette  mit  schwacher  Wasserbewegung.  1878  füllte  sich  das 
Bett  zum  Sary-Kamysch  wieder,  aber  dieser  Zustand  war  nur  ein 
vorübergehender.  Auch  gegenüber  den  Nachrichten  von  einer  Ver- 
legung der  Indusmündung  infolge  eines  Erdbebens  im  Jahre  962 
ist  größte  Skepsis  geboten. 

Sicher  sind  die  Flüsse  nicht  bloß  im  Unterlaufe  von  Veränderungen 
betroflfen  worden.  Der  Bodensee  endigt  im  Westen  in  drei  Zipfel;  dem 
südlichsten  entströmt  jetzt  der  Rhein,  die  beiden  anderen  sind  alte  Aus- 
mündungstellen. Die  geologische  Untersuchung  ergab  die  Existenz 
eines  alten  Bheinlaufes  von  Radolfszell  über  Singen  und  Eamsen, 
also  im  jetzigen  Biberthale;  und  ebenso  konnte  nachgewiesen  werden, 
daß  der  Rhein  einige  Zeit  von  Schafihausen  direkt  durch  den  Klett- 
gau nach  Waldshut  floß.  Diese  Terraiufurche  benutzt  jetzt  die  Eisenbahn. 

Als  eine  allgemein  wirkende  Ursache  von  Laufveränderungen 
bezeichnete  der  berühmte  russische  Akademiker  v.  Baeb  die  Erd- 
rotation, welche  auf  der  nördhchen  Halbkugel  eine  Ablenkung  nach 
rechts  und  auf  der  südlichen  eine  solche  nach  links  zur  Folge  hat 
(vgl.  S.  17).  Soviel  auch  schon  darüber  geschrieben  worden  ist,^' 
so  ist  doch  die  Frage  noch  immer  nicht  zum  Abschlüsse  gebracht  und  es 
mag  bilUg  bezweifelt  werden,  ob  eine  Entscheidung  überhaupt  mög- 
lich ist  Niemand  leugnet  mehr  den  Einfluß  der  Erdrotation,  der 
sich  auch  nicht,  wie  v.  Baeä  meinte,  auf  meridionale  Flüsse  be- 
schränkt; aber  man  hält  ihn  vielfach  füt'  zu  geringfügig  im  Vergleiche 
zu  jenen  Momenten,  die  —  wie  Unebenheiten  und  Verschiedenheiten 
in  der  Härte  der  Unterlage  —  die  Geschwindigkeit  und  Richtung 
der  Bewegung  vorzugsweise  bedingen. 


Die  Flüsse.  529 


Die  Botation  drängt  die  schneller  bewegten  WasseriUden  nach 
rechts  (auf  unserer  Hemisphäre)  und  erhöht  hier  den  Wasserspiegel. 
Aber  diese  Abweichung  von  der  Horizontalen  erreicht  nur  ganz 
minimale  Werte;  selbst  bei  einer  ansehnlichen  Breite  von  1000  m 
und  einer  Geschwindigkeit  von  3  m  würde  sie  am  Pole  nur  44, 
unter  50**  Breite  nur  34,  im  20.  ParaUel  sogar  nur  15  mm  betragen. 
Auch  die  Länge  geologischer  Perioden  kann  die  Wirkung  der  Rota- 
tion nicht  steigern,  „denn  ebenso  lange'',  sagt  Zöppbitz,  „wirken  alle 
Unregelmäßigkeiten  und,  da  sich  das  Flußbett  durch  Erosion  und 
Sedimentfiihrung  beständig  ändert,  fortwährend  in  anderer,  völlig 
unübersehbarer  Weise."  Als  einen  Faktor  von  regionaler  Bedeutung 
hat  man  auch  den  Wind  erkannt,  und  Koppen  machte  be- 
sonders auf  die  Wichtigkeit  der  Sturmrichtung  zur  Zeit  des  Frtih- 
Ungshochwassers  aufmerksam.  ^^  Während  sich  der  Einfluß  der 
Rotation  mit  der  Geschwindigkeit  des  sich  bewegenden  Körpers 
steigert,  macht  sich  der  des  Windes  gerade  bei  schwach  fließenden 
Strömen  besonders  geltend,  indem  er  eine  Wasserversetzung  nach 
dem  luvseitig  gelegenen  Ufer  bewirkt,  namentlich  dann,  wenn  der 
Flußlauf  unter  einem  steilen  Winkel  von  der  vorherrschenden  Wind- 
richtung getroffen  wird.  So  vereinigen  sich  also  verschiedene  Fak- 
toren, um  die  Flüsse  nach  der  einen  oder  anderen  Seite  abzulenken ; 
bald  wirken  sie  im  gleichen  Sinne,  bald  arbeiten  sie  einander  ent- 
gegen, und  daraus  erklärt  sich  zur  Genüge  der  Widerstreit  der 
Meinungen. 

Daß  die  sibirischen  Flüsse  nach  Osten  drängen,  hat  noch  in 
neuerer  Zeit  Poliakow  bestätigt;  ob  dieses  Verhalten  den  West- 
winden zuzuschreiben  sei,  kann  noch  bezweifelt  werden,  denn  auch 
in  Südrußland  herrscht  diese  Windrichtung  vor,  ohne  die  Flüsse  an 
ihrem  westUchen  Fortschreiten  hindern  zu  können.  Die  östliche 
Ablenkung  des  Nüs  beobachtete  schon  Minutoli  und  erwähnte  Hoff, 
der  das  Vordringen  des  Sandes  aus  der  libyschen  Wüste  dafär  ver- 
antwortUch  macht.  Auch  auf  andere  Flüsse  wurde  das  BAEBsche 
„Gesetz"  angewendet  Dagegen  zeigen  die  norddeutschen  Flüsse  ein 
ganz  anderes  Verhalten,  und  der  Oberrhein  wurde  von  den  An- 
hängern, wie  von  den  Gegnern  Baers  als  Beweis  für  ihre  Ansichten 
angeführt.  Die  Donau  drängt  in  ihrem  meridionalen  Laufe  in  Ungarn 
stark  gegen  das  Westufer,  das  steile  Lößabstürze  bildet,  aber  auch 
in  den  östUch  gerichteten  Teilen  ihres  Laufes  zeigt  sie,  wo  sie  nicht 
durch  felsige  Ufer  eingeschlossen  ist,  das  Bestreben,  nach  rechts 
sich  zu  wenden;  Süss  vergleicht  sie  daher  mit  einer  zwischen  festen 
Punkten  aufgehängten  Kette.  Besonders  im  Unterlaufe  bilden  das 
walachische   Flach-   und   bulgarische   Steilufer   scharfe  Gegensätze, 

SüPAir,  Pbyvtecbe  Erdlcnnde.    2.  Aufl.  84 


580  Morphologie  des  Jjandes. 


und  eine  Reihe  blinder  Arme  zeigt  den  früher  nördlicheren  Lauf 
des  Flusses  an.  Für  die  Strecke  Galatz — Reni  nimmt  Pbtebs  die 
Stoßkraft  des  Pruth  als  Ursache  dieser  Erscheinung  in  Anspruch, 
und  dieselbe  Wirkung  läßt  sich  wohl  auch  den  von  den  Transsilva- 
nischen Alpen  kommenden  Flüssen  zuschreiben,  da  diese  bedeutend 
wasserreicher  und  kräftiger  sind,  als  die  bulgarischen.  In  ähnlicher 
Weise,  wie  die  Donau,  schreiten  auch  der  Ganges  und  die  DschamaDa 
nach  Süden  vor,  und  die  indischen  Geologen  schreiben  dies  den 
größeren  Sedimentmassen  der  Himalajaflüsse  zu,  wodurch  die  nord- 
liche Ebene  höher  aufgeschüttet  wurde  als  die  südliche. 

Auch  die  Flußsysteme  erleiden  Veränderungen.  Der  einfachste 
Fall  ist  der,  daß  durch  Erweiterung  des  Deltas  mehrere  selbständiiie 
Flüsse  zu  einem  System  verschmelzen.  So  verbanden  sich  Euphral 
und  Tigris  zum  Schat  el  Arab,  und  der  Aras,  der  im  Altertume  ic 
die  Bai  Kysylagatsch  mündete,  vereinigte  sich  mit  dem  Kur.  Der 
Seihan  und  Dschihan,  die  sich  in  den  Golf  von  Iskenderun  ei^eßec, 
haben  sich  seit  Xenophoks  Zeiten  dreimal  vereinigt  und  dreimal 
getrennt.  Durch  das  Fortschreiten  des  Donaudeltas  sank  der  Pruth 
zu  dem  Range  eines  Nebenflusses  herab.  Erst  in  verhältnismäßig: 
junger  Vergangenheit  vergrößerte  die  Rhone  ihr  Gebiet  durch  die 
Aufnahme  der  Durance,  die  in  der  Zeit  ihrer  Selbständigkeit  d^^ 
Geröllfeld  La  Crau  schuf  und  bei  Salon  mündete.  Eine  Laufrer- 
änderung  brachte  den  Sutlej  in  Abhängigkeit  vom  Indus;  die  Reste 
seines  ehemaligen  Laufes  sind  jetzt  unter  dem  Namen  Wahand  und 
Narra  bekannt.  Umgekehrt  wurde  sein  einstiger  Nebenfluß  Saraswati 
selbständig,  indem  ihn  die  nach  rückwärts  fortschreitende  Dschamuna 
eines  Teiles  seines  Quellgebietes  beraubte,  so  daß  er  jetzt  wegen 
Wasserarmut  in  der  Wüste  sich  verliert  Eine  ebenso  traurige  Sell»- 
ständigkeit  erlangten  die  einstigen  Nebenflüsse  des  Murray:  Avocii. 
Avon  und  Wimmera.  Wie  die  Sedimentablagerung  die  Gebiete  des 
Po  und  der  Etsch  trennte,  wurde  schon  auf  S.  380  berichtet-  Das 
große  Medianthal  der  norddeutschen  Ebene  weist  auf  eine,  einst 
wesentlich  andere  hydrographische  Anordnung  zurück;  die  Weichsel 
floß  über  das  Netzethal  in  die  Oder,  und  diese  setzte  sich  über  die 
Spree-  und  Havelniederung  in  der  unteren  Elbe  fort  Dieser  große 
Strom  löste  sich  erst  seit  der  Eröfihung  der  Durchgangsthäler  der 
Weichsel  und  Oder  durch  den  nördlichen  Landrücken  in  drei  Flüsse 
auf.  Im  Osten  löste  sich  der  Pregel  von  der  Memel  los,  die  nach 
Bebbndt  einst  das  Insterthal  benutzte  und  nur  bei  Hochwasser  auch 
einen  Seitenarm  in  d^  Kuiische  Hafi"  sendete. 

Durch    solche    Systemveränderungen    können    selbst    wichtige 
Wasserscheiden   Verschiebungen    erleiden.     Der   Oberrhein    und 


Die  Seen.  531 

Genfer  See  gehörten  einst  zum  Donaugebiete;  erst  als  das  Durch- 
gangsthal zwischen  Bingen  und  Bonn  entstand,  wurde  der  Bhein  in 
die    Nordsee   abgelenkt     Die   Breite   und   der  Geröllreichtum   des 
oberen  Minnesotathaies,  die  in  keinem  Verhältnisse  zur  gegenwärtigen 
Wassermenge  stehen,  legen  die  Vermutung  nahe,  daß  einst  der  Red 
River  dasselbe  benutzte  und  somit  der  Winnipegsee  zum  Mississippi- 
gebiete gehörte,  bis  die  negative  Niveauveränderung  der  Hudsonbai 
den   Nelson  zu  erhöhter  Thätigkeit  anregte.     Das  Quellgebiet  des 
Nelson  wurde  immer  weiter  nach  rückwärts  verlegt,   erreichte  end- 
lich   den   Winnipegsee    und    zwang   den   Red   River   zur   Umkehr. 
Sichere  Beweise  für  solche  Veränderungen  lassen  sich  allerdings  nur 
dort   erbringen,  wo  blinde  Thalstücke  noch  erhalten  sind,  wie  dies 
besonders  häufig  in  einigen  Kettengebirgen  (s.  S.  518)  der  Fall  ist, 
oder  wo  das  Material  der  Flußablagerungen  über  deren  Herkunft 
bestimmten  Aufschluß  giebt,  oder  wo  historische  Nachrichten  vor- 
liegen;  aber  vermuten  können  wir  wenigstens,  daß  besonders  dort, 
wo   die   Wasserscheiden  mannigfach  gekrümmte  Linien  bilden,  die 
hydrographischen  Grenzen  Wandlungen  erlitten  haben. 

Litteraturnachweise.  ^  Haase  in  Peterhanns  MitteiluDgen  1891, 
S.  49.  —  •  V.  TiLLO  in  Peteruanns  Mitteilungen  1887,  S.  101.  —  '  Keilhack 
in  Petbbmanns  Mitteilungen  1891,  S.  38.  —  ^  Mübray  im  Scottish  Geographica! 
Magazine  1887,  S.  65.  —  *  Haase,  Über  Bifurcationen,  in  Pbtermanns  Mit- 
teilungen 1889.  —  *  WißOTZKi,  Hauptfluß  und  Nebenfluß,  Stettin  1889.  — 
^  Klödbn  in  d.  Zeitschrift  d.  Berliner  Gesellschaft  für  Erdkunde  1885,  S.  397.  —  • 
*  Blink,  Der  Rhein  in  den  Niederlanden,  Stuttgart  1889.  —  •  Bericht  von 
KoNSCHiN  in  Peterhanns  Mitteilungen  1887,  S.  225  (bezw.  226).  Eine  Über- 
sicht der  russischen  Forschungen  giebt  v.  Eckert  im  Ausland,  1892,  S.  545. 
Bla.no  (im  Bulletin  de  la  Soci^t^  g^ographique  de  Paris,  1892,  S.  281)  suchte 
einen  Teil  der  alten  Sagen  noch  zu  retten.  —  *<*  B.  Neumann,  Studien  über 
den  Bau  der  Strombetten  und  das  BAEasche  Gesetz,  Königsberg  in  Pr.  1898 
^8.  hier  die  Litteratur).  —  "  Küppen  in  der  Meteorologischen  Zeitschrift  1890, 
S.  34  und  180. 


Die  Seen. 

BeokenformeiL  AUe  Hohlräume,  die  von  Seen  erfüllt  werden, 
lassen  sich  auf  zwei  Grandformen  zurückführen.  Entweder  ist  das 
Becken  in  den  Boden  eingesenkt  (Fig.  186);  oder  die  Vertiefung  ist 
gleichsam  nur  eine  scheinbare,  d.  h.  sie  entstand  durch  Aufschüttung 
eines  Dammes  oder  Walles  aus  fremdem  Material  auf  unveränderter 
Unterlage  (Fig.  187).  Die  erstere  Art  nennen  wir  Eintiefungs-,  die 
andere  Aufschüttungsbecken. 

Indem  wir  von  Damm  und  Wall  sprachen,  haben  wir  bereits 

34* 


682  Morphologie  des  Landes. 


die  beiden  Arten  ?on  Aufschüttung  genannt:  die  einseitige,  die 
einen  Fluß  zum  See  aufstaut  (Fig.  187)  oder  einen  Meeresteil  ab- 
schnürt^ und  die  allseitige,  wobei  durch  ungleichmäßige  An- 
häufung ?on  Gesteinsmaterial  Becken  entstehen.  Wir  erhalten  also 
zwei  Unterkategorien:  Damm-  uüd  Wallbecken. 

Außerordentlich  mannigfaltig  sind  die  Vorgänge,  die  zu  Damm- 
seen  Veranlassung  geben  können,  und  die  jetzt  so  beliebte  systema- 
tische Richtung  kann  sich  nicht  genug  daran  thun,  immer  wieder 
neue  Klassen  aufzustellen.  Hier  sollen  nur  einige  Beispiele  an- 
geführt werden,  die  uns  zugleich  zeigen,  daß  die  Seenbildung  auch 
in  der  Gegenwart  noch  fortschreitet    Nur  ephemere  Bildungen  sind 


Fig.  186.     Profil  eines  Eintieftinga-  Fig.  187.     Profil  eines  Aoisehnt- 

beokens.  tongsbeckens. 

die  Eis  Seen.  Der  Gurgler  Eissee  entstand  1717 — 18,  indem  der 
rasch  vorwärts  schreitende  Gurgler  Gletscher  den  Abfluß  des  Lang- 
thaler  Gletschers  abdämmte.  1846  durchbrach  er  die  Barriere  und 
war  1865  ganz  ausgetrocknet,  sammelte  sich  aber  später  wieder. 
Seine  Breite  betrug  nach  v.  Sonklar  632  m,  und  seine  Tiefe  bei 
vollem  Wasserstand  im  Frühjahre  am  unteren  Ende  95 — 126  m.  Noch 
kürzer  ist  die  Existenz  jener  Seen,  die  durch  Schnee-  und  Eis- 
lawinen gestaut  werden;  ein  solcher  See  von  210m  Breite  und  ca. 
60  m  Tiefe  bildete  sich  nach  Lyells  Bericht  im  Jahre  1818  im  Tal 
Bagne  (Drance).  Von  größerer  Dauerhaftigkeit  sind  jene  Dämme,  welche 
durch  Berg-  und  Felsstürze,  durch  die  Schuttkegel  der  Seitenbäche, 
durch  Endmoränen,  oder  durch  gewaltige  Schotterablagerungen  flu- 
viatilen  oder  glazialen  Ursprungs  gebildet  werden.  Der  Absturz 
von  zwei  Felshömem  der  Diablerets  im  Bemer  Oberlande  (1714  und 
1749)  erzeugte  die  drei  Seen  von  Derborence,  die  noch  heute  be- 
stehen. Einem  Bergsturze  verdankt  auch  der  Dorfersee  im  Kalser- 
thaJe  (Tauem)  seine  Entstehung.  Zwei  mächtige  Schuttkegel,  die 
sich  in  der  Mitte  des  Antholzer  Thaies  (Tauem)  vereinigen,  dämmen 
einen  See  ab,  der  ca.  1  km  lang  und  V»  ^^  l^^^i*  ^^  Einseitige 
Schuttkegel  lagern  dem  unteren  Ende  des  Heider-  und  Reschensees 
im  Etschthale  vor.  Im  Tauferer  Thale  in  Tirol  ergoß  der  Schwarzenbach 
infolge  heftiger  Regengüsse  und  rascher  Schneeschmelze  im  August 
1878  gewaltige  Schottermassen,  die  die  Thalsoble  bei  St  Martin  auf 
große  Strecken   unter  Wasser  setzten.    In  allen  diesen  Fällen  — 


Die  Seen.  588 

und  dies  ist  in  der  Gegenwart  der  gewöbnliche  Vorgang  —  führten 
mächtige  Ablagerungen  von  Seitenbächen,  die  von  dem  Hauptflnsse 
nicht  sogleich  fortgeschafft  werden  konnten,  zur  Seebildung  im  Haupt- 
thale.  Der  umgekehrte  Vorgang  erzeugte  den  berühmten  Achensee 
in  NordtiroL  Nach  Penoks  eingehenden  Untersuchungen  gehörte 
das  Achenthai  einst  zum  System  des  Innthales  und  wurde  durch 
die  diluviale  Schotterterrasse  des  Hauptflusses  abgedämmt.  Hinter 
ihr  bildete  sich  der  See,  der  nun  durch  die  veränderten  hypso- 
metrischen Verhältnisse  gezwungen  wurde,  nach  der  entgegen- 
gesetzten Seite,  nämlich  nach  Norden,  abzufließen.  Einen  analogen 
Fall  aus  der  Gegenwart,  freilich  nur  in  kleinem  Maßstabe,  lernte 
Penck  im  Saalachthaie  (Salzburger  Alpen)  kennen. 

Schon  die  Geschichte  des  Achensees  ftihrte  uns  über  die  geo- 
logische Gegenwart  hinaus  in  die  Diluvialperiode.  Dieser  gehören 
auch  jene  zahlreichen  Seen  an,  welche  Gh.  Mabtins  als  Moränenseen 
bezeichnet  hat.  Die  Seiten-  und  Endmoränen  der  einstigen  Gletscher 
erweisen  sich  als  außerordentlich  dauerhafte  Dämme,  die  schon  Jahr- 
tausende lang  dem  Drucke  des  Wassers,  wie  der  Erosion  Trotz  bieten. 
Von  diesen  Moränendammseen  sind  die  Moränenwallseen  zu 
unterscheiden,  die  in  unregelmäßig  angehäuften  Endmoränen  verteilt, 
also  allseitig  von  glazialem  Material  umgeben  sind.  Von  sonstigen 
Wallseen  nennen  wir  noch  besonders  die  häufigen  Kraterseen 
ruhender  oder  erloschener  Vulkane. 

An  den  Küsten  erzeugt  der  Aufschüttungsprozeß  die  Strand- 
seen, Mitteldinge  zwischen  Meeresbuchten  und  Binnenseen;  sie  sind 
je  nach  der  Breite  und  Anzahl  der  Kanäle,  die  in  das  Meer  führen, 
bald  den  einen,  bald  den  anderen  zuzuzählen  (vergL  S.  425).  Doch 
sind  nicht  alle  Strandseen  abgetrennte  Meeresteile;  sie  entstehen 
anch  (wie  zum  Teil  in  den  Landes  oder  nach  Hehl  an  der  brasi- 
lianischen Küste  zwischen  21  und  23^  S.)  durch  Ansammlung  von 
Flußwasser  hinter  den  Dünen,  und  ihr  Salzgehalt  rührt  dann  davon 
her,  daß  die  Düne  zeitweise  durchbrochen  wird  und  die  Flut  in  die 
Seen  eindringt  Ein  ungleichmäßiges  Fortschreiten  der  Deltabildung 
kann  ebenfalls  bewirken,  daß  Meeresreste  als  Seen  zurückbleiben, 
wie  beispielsweise  in  der  Umgebung  von  New  Orleans.  Mehrfach 
wurde  in  geschichtlicher  Zeit  die  Umwandlung  einer  Meeresbucht  in 
einen  Binnensee  durch  das  Delta  eines  seitlich  einmündenden  Flusses 
beobachtet  So  entstand  das  Loch  Ewe  in  Schottland,  der  See  Akiz 
an  der  kleinasiatischen  Küste  (der  latmische  Meerbusen  der  alten 
Geographie);  der  Hafen  von  Smyma  scheint  demselben  Schicksal 
entgegenzugehen. 

Die  Gruppe  der  Eintiefungsbecken,  die  meist  im  festen  Fels 


5S4  Morphologie  des  Landes. 


liegen^  umfaBt  genetisch  sehr  verschiedene  Gebilde.  Die  Eintiefimg 
kann  Yon  oben  oder  unten  bewirkt  worden  sein,  aber  die  Schwierig- 
keit einer  befriedigenden  Erklärung  liegt  darin,  daß  solche  Vorgänge 
nur  selten  und  in  unzureichender  Weise  zur  Beobachtung  gelangen. 
Daß  strudelndes  Wasser  selbst  im  harten  Gestein  tiefe  Becken  aus- 
höhlen kann  —  Gsmirz  nannte  diesen  Vorgang  Eversion  —  ist 
nicht  zu  bezweifeln,  aber  nach  ihren  horizontalen  Dimensionen  sind 
sie  geringfügig  gegenüber  den  mächtigen  Seen.  Man  schreibt  den 
Gletschern  die  Fähigkeit  zu,  Wannen  auszuhobeln;  Penck  beob- 
achtete auch  solche  auf  dem  verlassenen  Boden  des  unteren  Grindel- 
Waldgletschers,  aber  auch  das  waren  zwerghafte  Gebilde,  die  man 
nicht  ohne  weiteres  mit  den  Seen  in  Vergleich  setzen  darf.  Pum- 
PBLLY  sah  in  Zentralasien,  wo  keine  Spuren  einer  Eiszeit  vorhanden 
sind,  echte  mit  eckigen  Gesteinsfragmenten  erfüllte  Felsenbecken 
und  gründete  darauf  seine  Verwitterungstheorie,  zufolge  der  die 
Becken  durch  die  Zersetzung  weicherer  Schichten  und  spätere  Ent- 
fernung des  Verwitterungsschuttes  durch  den  Wind  oder  in  Glazial- 
gebieten durch  Gletscher  entstanden  (vergl.  S.  353).  Alle  diese  Er- 
klärungsversuche, welche  die  Felsbecken  auf  oberirdische  Kräfte, 
d.  h.  auf  Ausräumung  zurückführen,  erheben  sich  nicht  über  das 
Niveau  der  Möglichkeiten,  aber  als  solche  muß  man  sie  gelten  lassen. 
Von  unterirdischen  Vorgängen,  die  Eintiefungsbecken  zu  schaffen 
vermögen,  sind  Einstürze  über  Hohlräumen  und  vulkanische  Ex- 
plosionen zwar  auch  aus  der  Gegenwart  vielfach  bekannt,  aber  sie 
scheinen  verhältnismäßig  selten  zur  Seebildung  Veranlassung  zu 
geben.  Auf  Java  soll  nach  Junghuhns  Bericht  ein  See  durch  plötz- 
lichen Einsturz  entstanden  sein;  und  daß  die  Maarseen  aller  Wahr- 
scheinlichkeit nach  in  Explosionsbecken  liegen,  wurde  schon  auf 
S.  299  (u.  309)  erwähnt.  Als  eine  besonders  wichtige  Ursache  von  Ein- 
tiefungen betrachtet  man  die  Bodenbewegungen,  die  wir  aus 
tektonischen  Veränderungen  herzuleiten  gewohnt  sind.  Erdbeben 
sind  bekanntlich  häufig  von  merklichen  Niveauveränderungen  begleitet 
So  sank  westlich  von  New  Madrid  am  Mississippi  1811/12  ein  aus- 
gedehntes Stück  Land,  das  jetzt  mit  zahlreichen  Seen  und  Sümpfen 
bedeckt  ist;  an  der  Stelle  von  Gotachi  in  Ecuador  befindet  sich  seit 
dem  furchtbaren  Beben  von  1868  ebenfalls  ein  See.  In  Tennessee 
entstand  bei  dem  Beben  von  1811  der  Beelfoot  Lake,  indem  durch 
eine  Niveauveränderung  der  Abfluß  eines  Baches  gestaut  wurde. 
Solche  Stauungserscheinungen  bringt  man  auch  mit  dem  Fal- 
tungsprozesse in  Verbindung,  aber  da  bisher  nur  fertige  Faltungen 
der  Beobachtung  zugänglich  sind,  so  lassen  sich  ftir  jene  Annahme 
nur  indirekte  Beweise  beibringen. 


Die  Seen.  686 

Viele  Seen  enthalten  eine  marine  Fauna,  andere  sogenannte 
pelagische  Tierformen,  über  deren  Zugehörigkeit  zu  der  echten 
Meeresfauna  die  Ansichten  noch  geteilt  sind.  Man  schloß  daraus, 
daß  alle  diese  Seen,  die  man  Reliktenseen  nannte,  einst  mit  dem 
Meere  im  Zusammenhange  gestanden  haben.  Die  Bedeutung  dieses 
Beweismittels  hat  R.  Credneb^  gründlich  zerstört,  indem  er  zeigte, 
daß  häufige  Einwanderungen  aus  dem  Meere  in  das  Süßwasser 
stattfanden,  und  daß  viele  Wassertiere  sehr  wohl  imstande  sind, 
sich  veränderten  Lebensbedingungen  anzupassen.  Trotzdem  läßt 
Cbedkeb  den  Begriff  der  Reliktenseen  nicht  fallen,  ja  er  setzt  sie 
in  direkten  Gegensatz  zu  den  „Festlands-  oder  echten  Binnenseen",  d.  h. 
solchen,  die  „nachträglich  auf  bereits  festländischem  Boden  entstanden''^ 
nur  verlegt  er  die  Beweisführung  von  dem  biologischen  auf  das  geo- 
logische Gebiet.  Aber  damit  ist  die  ganze  Frage  verschoben.  Für  eine 
genetische  Einteilung  der  Seen  ist  es  gleichgiltig,  wo  die  Vertiefungen 
entstanden;  die  Hauptsache  ist,  wie  sie  entstanden.  In  der  Ge- 
schichte mancher  Seebecken  war  die  Senkung  unter  den  Meeres- 
spiegel nur  eine  Episode,  wie  Pengk  mit  Recht  in  Bezug  auf  die 
südschwedischen  Seen  hervorhob.  Selbst  wenn  von  einer  Eintiefung 
dargethan  würde,  daß  sie  ursprünglich  eine  Senke  des  Meeresbodens 
war  und  als  solche  bei  der  Hebung  ihre  Wasserfüllung  behielt,  wäh- 
rend die  Umgebung  trockenes  Land  wurde,  wäre  damit  über  die 
Natur  jener  Senke  noch  nichts  ausgesagt  In  einem  genetischen 
Seensystem  können  wir  daher  die  Reliktenseen  völlig  entbehren. 

Die  wichtigsten  Kategorien  dieses  Systems  fassen  wir  nochmals 
übersichtlich  zusammen: 

I.  Aufschüttungsbecken: 

1.  Dammbecken, 

2.  Wallbecken; 

IL  Eintiefungsbecken: 

1.  Ausräumungsbecken: 

a)  Evorsionsbecken, 

b)  Glaziale  Erosionsbecken, 

c)  Becken  der  äolischen  Ausräumung; 

2.  durch  unterirdische  Vorgänge  entstanden: 

a)  Einsturzbecken, 

b)  Explosionsbecken, 

c)  Tektonische  Becken: 

a)  Senkungsbecken, 
ß)  Faltungsbecken. 


536  Morphologie  des  Landes. 


DimenBionen  der  Seebeoken.  DepressioneiL  Die  Flache  sämt- 
licher Seen  schätzt  Penck  auf  27^  Mill.  qkm,  also  nur  auf  1,8  Proz. 
des  gesamten  Landareals.  Eine  völlig  isolierte  Stellung  nimmt  der 
Easpisee  mit  438  690  qkm  ein;  er  würde  in  Europa  nahezu  g&nz 
Schweden  bedecken.  In  weitem  Abstände  folgt  dann  der  Obere  See 
in  Nordamerika  mit  81  380  qkm,  dann  folgen  4  Seen  mit  60000  qkm 
(Victoria -Njansa,  Aral-,  Michigan-  und  Huronsee),  dann  nach  einer 
weiteren  Lücke  folgt  der  Tanganika  mit  35  130  qkm  und  erst  Ton 
da  an  läßt  sich  eine  ziemlich  zusammenhängende  Reihe  bis  hinunter 
zu  dem  kleinsten  Weiher  verfolgen.  Seen  mit  beträchtlichen  Wasser- 
standsschwankungen und  flachen  Ufern  sind  natürUch  großen  Areal- 
veränderungen unterworfen ;  so  erklären  sich  z.  B.  die  abweichenden 
Angaben  über  den  Tsadsee.  Eine  unendliche  Mannigfaltigkeit  herrsclit 
in  Bezug  auf  die  Umrissformen;  zwischen  runden  und  lang- 
gestreckten, geschlossenen  und  zerlappten  Seeflächen  giebt  es  alle 
möglichen  Übergänge. 

Viele  Seen  galten  als  unergründlich,  solange  man  sie  noch  nicht 
ergründet  hatte.  Soweit  die  Lotungen  reichen,  haben  nur  zwei  Seen 
Tiefen  von  1000  ni:  der  Baikalsee  1373  m  und  der  Easpisee  1098  m, 
von  unseren  Alpenseen  senkt  sich  der  tiefste,  der  Comosee,  nur  bis 
409  m  in  den  Boden  ein.  Nur  einige  flachen  Band-  und  Binnen- 
meere können  den  Seen  an  die  Seite  gestellt  werden. 

Trotzdem  reicht  der  Boden  zahlreicher  Seen  unter  den  Meeres- 
spiegel hinab.  Liegt  die  Oberfläche  über  dem  Meeresniveau,  so 
nennen  wir  solche  Einsenkungen  Kryptodepressionen.  Ihre 
Zahl  vermehrt  sich  fast  von  Tag  zu  Tag,  je  weiter  die  jetzt  in  er- 
freulichem Aufschwünge  begriffene  Seenforschung  fortschreitet  Der 
Baikal-,  Aral-,  Ladoga-  und  Onegasee,  viele  skandinavische  und 
britische  Seen,  einige  der  italienischen  Alpenseen,  die  canadischen 
Seen,  der  Lake  Champlain,  der  Große  Bärensee,  mehrere  Seen  in 
Chile  und  Neuseeland  mögen  hier  genannt  werden,  um  eine  Vor- 
stellung von  der  weiten  Verbreitung  dieses  Phänomens  zu  geben. 

Echte  Depressionen  sind  dagegen  jene,  in  denen  auch  die 
zu  Tage  Hegende  Fläche  unter  dem  Meeresspiegel  liegt.  Wir  haben 
hier  aber  streng  zwischen  Küsten-  und  Binnendepressionen  zu 
unterscheiden.  Die  ersteren  finden  sich  an  vielen  Flachküsten  hinter 
Dünen  und  Dämmen  und  sind  meist  vom  Menschen  erobertes  Land. 
An  der  Ost-  und  Nordsee  sind  sie  häufig;  fast  die  Hälfte  des  König- 
reiches der  Niederlande  (14757  qkm)  würde  von  der  See  dauernd 
überflutet  werden,  wenn  es  nicht  durch  Dämme  geschützt  wäre. 
Teile  der  toskanischen  Maremmen  und  bessarabischen  Küste  und  die 
Umgegend   von  Georgetown  in  Guayana   gehören   noch    zu   diesen 


Die  Seen.  537 

Depressionen,  die  wohl  selten  mehr  als  2  m  eingesenkt  sind.  Ja^  manche 
würden,    wie  Pekck  bemerkt,  überhaupt  nicht  als  Depressionen  er- 
scheinen, wenn  man  den  Nullpunkt  der  Höhenmessung  in  das  Niedrig- 
wasser verlegen  würde.   In  viel  größere  Tiefen  reichen  die  Binnen- 
depressionen.   In  Afrika  liegen  solche  im  Süden  des  Atlassystems  und 
des  miocänen  libyschen  Plateaus.   Eine  Bodenschwelle  von  52  m  Höhe 
trennt  das  Schott  el  Dscherid,  das  noch  17  m  über  der  See  liegt,  von  dem 
Golfe  vonGabes;  dann  folgen  gegen  Westen  die  Depressionen  der  Schotts 
Gharsa    ( — 20  m)   und   Melrir  ( — 31  m).     Soweit  könnte   das  Meer 
in  die  tunesisch-algerische  Wüste  hineingeleitet  werden:  ein  Projekt, 
das    die    französischen  Geographen  und  Techniker  einige  Zeit  leb- 
haft beschäftigt  hat.     Auch  das  zweite  saharische  Depressionsgebiet 
besteht   nur   aus   vereinzelten  Senkungen,   von  denen  die  Aradsch- 
Oase  ( —  75  m)  die  tiefste  ist.    Das  ägyptische  Fayum  hat  40,  die 
Salzebene  von  Asale  60  m  Tiefe.    Beträchtlich  tiefer  ( —  174  m)  liegt 
die  Oberfläche  des  Assalsees,  eines  abgetrennten  Golfes  des  Roten 
Meeres.    In  der  nordamerikanischen  Mohavewüste  senkt  sich  das  Tote 
Thal  (Death  Valley)  bis  33  und  das  Coahuillathal  sogar  bis  90  m 
unter   den   Seespiegel.     Erst   vor   wenigen   Jahren    entdeckte   man 
mitten  im  zentralasiatischen  Hochlande,  südlich  von  Turfan  (43^  N., 
90®  0.)  eine  Depression  von  ca.  90  m.  ^    Asien  besitzt  übrigens  das 
ausgedehnteste   und  das  tiefste  Senkungsfeld.    Das   ausgedehnteste 
ist  der  Easpisee  und  seine  nördliche  Umgebung  bis  zum  50.  Parallel 
(736000  qkm),   das   tiefste   ist   das   Ghör,  jenes   lange   und   breite 
Verwerfungsthal,  das  der  Jordan  durchfließt     Der  Meromsee  liegt 
noch  2  m  über  dem  Spiegel  des  Mittelländischen  Meeres,  der  Tiberias- 
see  aber  bereits  208  und  das  Tote  Meer  394  m  unter  demselben.  Dann 
steigt  der  Boden  im  Wadi  el  Araba  wieder  über  das  Meeresniveau. 
Zwischen   den   Binnen-    und   Kryptodepressionen   besteht,   wie 
R.  Credneb   treffend   bemerkte,   lediglich   ein   klimatischer   unter- 
schied.   Die  ersteren  sind  an  trockene  Gebiete  gebunden;  viele  der- 
selben waren  einst,   wie  man  noch  aus  alten  Wasserstandsmarken 
erkennt,  bis  zu  größeren  Höhen  mit  Wasser  gefüllt,  das  in  manchen 
fast  ganz  verschwunden  ist   Das  Birket  el  Kerun  im  Fayum  hat  sich 
sogar  in  der  kurzen  Zeit  von  1871  bis  85  aus  einer  versteckten  in 
eine   echte  Depression   verwandelt,   und   dasselbe   Schicksal   würde 
auch  andere  Kryptodepressionen   betreffen,  wenn   einmal  die  Ver- 
dunstung über  den  Zufluß  die  Oberhand  gewänne. 

Die  tiefsten  Einsenkungen  des  Festlandes  sind  der  Boden  des 
Kaspisees  1124  m,  der  Boden  des  Baikalsees  896  m,  der  des  Toten 
Meeres  793  m,  und  der  des  Gardasees  281  m  unter  dem  Meeres- 
spiegel. 


538  Morphologie  des  Landes. 

Die  vertikalen  und  horizontalen  Dimensionen  der  Seebecken 
stehen  in  keinem  genau  gesetzmäßigen  Verhältnisse  zu  einander.  Wohl 
sind  die  tiefen  Seen  auch  groß,  aber  nicht  alle  großen  sind  tief. 
Mnen  ziffermäßigen  Ausdruck  gewinnen  wir,  wenn  wir  berechnen, 
um  wie  viel  Mal  die  Quadratwurzel  der  Fläche  größer  ist  ak  die 
Maximaltiefe;  und  wenn  wir  die  nachstehende  Tabelle,  die  nur 
einige  Beispiele  enthält,  mustern,  so  finden  wir,  daß  gerade  viele 
kleine  Seen  einen  kleinen  Quotienten  aufweisen,  d.  h.  verhältnis- 
mäßig sehr  tief  sind. 

F  t  yFi  t 

Oberer  See 81 380  qkm  307  m  929 

Kaspisee 438  690     „  1 098  „  603 

Ladogasee 18 129     ,,  256  ,,  526 

Müritzsee 183     „  22  „  525 

Wettersee 1 964     „  126  „  352 

Baikalsee 34  932    „  1 373  „  136 

Großer  Plönersee 47     „  60  „  113 

Genfer  See 582     „  309  „  78 

Totes  Meer 914    „  394  „  77 

Höftsee 0,8  „  19  „  30 

Hallstätter  See 8,6  „  125  „  23 

Karsee 0,04„  21  „  9 

Wir  werden  die  Bedeutung  dieser  relativen  Tiefen  sogleicb 
kennen  lernen. 

Seengebiete.  Das  wichtigste  Moment  für  die  Beurteilung  der 
Entstehung  der  Seebecken  ist  derzeit  unstreitig  noch  ihre  geogra- 
phische Verbreitung.  Denn  wenn  Seen  auch  überall  vorkommen, 
so  treten  sie  doch  gesellig  nur  in  ganz  bestimmten  Gegenden  anf 
und  stellenweise  häufen  sie  sich  so  sehr,  daß  wir  geradezu  von  Seen- 
landschaften sprechen  können.  Nur  flüchtig  erwähnen  wir  gewisse 
Strandgebiete,  da  hier  die  Erklärung  der  Seen  keine  Schwierig- 
keiten verursacht.  Im  Binnenlande  fällt  uns  zunächst  der  außer- 
ordentliche Seenreichtum  der  eiszeitlichen  Gletschergebiete 
auf.  Im  nordeuropäischen  nimmt  die  Seenfläche  161000  qkm  oder 
nahezu  4  Proz.  des  Landes  ein,  am  meisten  in  Finland,  wo  sich 
der  Anteil  des  stehenden  Wassers  auf  fast  13  Proz.  des  Areals 
steigert  Die  Zahl  der  Seen  ist  überraschend,  schätzte  sie  doch 
Geinitz  nur  in  Mecklenburg  auf  650 !  In  Nordamerika  diesseits  des 
Felsengebirges  rückt  die  nordische  Seenzone  mit  den  Grenzen  des  alten 
Inlandeises  weiter  nach  Süden,  als  sonst  irgendwo.  Über  die  SeenfüUe 
Ganadas  ist  noch  zu  wenig  bekannt,  von  den  Vereinigten  Staaten  scheint 
Minnesota  mit  seinen  10000  Seen  ähnliche  Verhältnisse  aufzuweisen 


Die  Seen.  589 

wie  Finland.    Daß  die  Seenbildnog  mit  der  Eisbedecknng  in  ursäch- 
lichem Zusammenhange  stehen  muß^  kann  niemand  mehr  leugnen, 
aber  in  betreff  des  Wie  sind  die  Ansichten  noch  nicht  im  entfern- 
testen geklärt    Pence  machte  auf  den  Gegensatz  der  Zentral-  und 
Handbezirke   der  alten   Gletschergebiete  aufmerksam;    die   ersteren 
sind  die  „R^ii^dhöckerlandschaften",  wo  die  Erosion  vorherrschte,  wo 
abgeschliflfener  Fels  häufig  zu  Tage  tritt,  und  viele  echte  Felsenbecken, 
manchmal   parallel   angeordnet,   wie   in    Finland,   vorkommen;   die 
letzteren  sind  die  an  Seen  verhältnismäßig  ärmeren  Moränengebiete 
mit  ihren  Wall-  und  Dammbecken.   Allein  gerade  die  Felsenbecken 
sind  noch  immer  ein  Gegenstand  des  wissenschaftUchen  Streites,  be- 
sonders   die   großen   südschwedischen  Seen,   die   in   die  von  Gneiß 
umgebenen  weicheren  silurischen  Schichten  eingetieft  sind.  Die  Frage, 
ob  sie  durch  Gletschererosion  entstanden  sind,  muß  jedenfalls  noch 
als    eine   offene   bezeichnet   werden.     Anderseits   kam  Gbinitz*  bei 
seinen  eingehenden  Untersuchungen  des  mecklenburgischen  Randge- 
bietes des  alten  Inlandeises  zu  der  Überzeugung,  daß  hier  nicht  alle 
Seen  in  Moränenbecken  liegen,  sondern  daß  ganz  verschiedene  Ursachen, 
sogar  tektonische  hier  mitgespielt  haben,  wenn  er  auch  die  Eversion 
durch  die  Schmelzwässer  des  Eises  für  die  wichtigste  erklärte.   Aus 
der  Tabelle   auf  S.  538    ersehen   wir,   daß   die   größeren  Seen   der 
Glazialgebiete  verhältnismäßig  flach  sind;  daneben  giebt  es  aber  kleine 
Becken,  wie  den  Höftaee,  die  sich  in  Bezug  auf  relative  Tiefe  mit 
den  Gebirgsseen  messen  können,  und  auf  diese  könnte  die  Evorsions- 
theorie  wohl  Anwendung  finden.    Einen  Beweis  dafür,  daß  die  See- 
becken Ostholsteins  mit  der  Diluvialablagerung  gleichzeitig  entstan- 
den sind,  sieht  Ule^  mit  Eecht  darin,  daß  ihre  Gestaltung  immer  im 
Einklänge  steht  mit  der  Oberfiächenbeschaffenheit  der  nächsten  Um- 
gebung; und  es  wird   dies  noch  durch  die  Wahrnehmung  bestätigt, 
daß    der    glaziale   Geschiebelehm    gleichmäßig    Höhen    und    Tiefen 
überkleidet  und   an   den   Ufern   der   Seen  bis   zuip   Wasserspiegel 
herabsinkt 

Für  den  großen  Anteil,  den  die  Eiszeit  an  der  Seenbildung 
genommen  hat,  sprechen  übrigens  auch  die  Gebirgsseen.  Es 
sind  teils  Moränenseen,  teils  echte  Felsbecken,  die  hier  in  Betracht 
kommen,  und  die  wir  in  allen  Gebirgen  finden,  die  einst  ver- 
gletschert waren.  Wir  haben  hier  zwischen  Hoch-  und  Thal- 
seen  zu  unterscheiden;  nur  die  ersteren,  meist  kleine  Becken 
auf  den  Berghängen,  Pässen  und  in  den  Karen,  sind  ein  all- 
gemein verbreitetes  Phänomen.  An  relativer  Tiefe  übertreffen  sie, 
wie  uns  der  Karsee  in  unserer  Tabelle  auf  S.  538  zeigt,  viel- 
fach  die   großen   Seen.     Besonders   bedeutsam  ist  aber   die  That- 


540  Morphologie  des  Landes. 


Sache,  daß  sie  an  gewisse  Höhenzonen  gebunden  sind.  In  den  Ost- 
alpen zählte  Böhm*  2460  solcher  Hochseen;  abgesehen  von  den  224, 
deren  Seehöhe  nicht  zu  ermitteln  war,  liegen  in 

3000—2500  m  Höhe  389 

2500—2000  „       „  958 

2000—1500  „       „  494 

unter    1500  „      „  400. 

Die  Höhenzone  mit  reichlicherer  Entfaltung  des  Seenphänomens 
findet  sich  auch  in  anderen  Gebirgen,  und  es  ist  besonders  beachtens- 
wert, daß  sie  vom  Äquator  gegen  die  Pole,  wenn  auch  nicht  regel- 
mäßig, sich  senkt.  Sie  liegt  im  mittleren  Norwegen  in  1000 — löüO, 
in  der  spanischen  Sierra  Nevada  in  2900 — 3200,  im  Himalaja  in 
4 — 5000,  in  den  peruanischen  Anden  in  4300 — 4600m  Höhe;  dagegen 
in  den  höheren  südlichen  Breiten,  entsprechend  der  Senkung  der 
Schneelinie,  viel  tiefer:  in  Patagonien  unter  1000,  auf  Neuseeland 
in  600 — 1200  m  Seehöhe.  Daß  auch  hier  eine  ursächHche  Ver- 
knüpfung mit  der  Vergletscherung  vorliegt,  ist  schwer  abzuweisen. 
Die   Anhänger   der   Lehre    von    der   Gletschererosion    fuhren     die 


Seellsbcrg 


He  ere  >  ipi»  g  el 

Fig.  188.     Profil  durch  den  Umer  See  nach  Heim  (in  gleichem 
Verhältnisse  von  I^nge  und  Höhe). 

untere  Grenze  des  häufigen  Vorkommens  der  Hochseen  auf  die  letzte 
Phase  der  diluvialen  Vereisung  zurück,  während  die  obere  zum  Teil 
durch  die  gegenwärtige  Gletscherbedeckung,  zum  Teil  durch  die  Steil- 
heit der  Gehänge  bedingt  sein  soll. 

In  den  Alpen  folgt  auf  die  Hochseenzone  eine  seenanne,  dann 
die  Zone  der  großen  Thal-  und  Randseen,  die  sich  im  Norden 
vom  Lac  du  Bourget  bis  zum  Traunsee,  im  Süden  vom  Lago  d'Orta 
bis  zum  Gardasee  erstreckt  Die  inneren  Thalseen  zeichnen  sich  vor 
den  Randseen  durch  eine  3—4  mal  größere  relative  Tiefe  aus 
(vgl.  Hallstätter  und  Genfer  See  auf  S.  538),  doch  ist  sie  auch  bei 
den  Randseen  noch  immer  bedeutender,  als  bei  den  Seen  des  Flach- 
landes. Daß  jene  Seen  diluvialen  Alters  sind,  wird  jetzt  auch  von  den 
Gegnern  der  Glazialtheorie  zugestanden;  im  übrigen  stehen  sich 
aber    die  Meinungen    noch    schroff   gegenüber.    Die  bedeutendsten 


Die  Seen. 


541 


Schweizer  Geologen  erklären  sie  für  tektonische  Becken  und 
Heim  schreibt  sie  neuerdings^  einem  Rücksinken  des  ganzen  Alpen- 
gebirges nach  der  ersten  Eiszeit  zu,  wodurch  die  nach  den''  Ebenen 
sich  öffnenden  Thäler  ein  widersinniges  Gefälle  erhielten.  Die  so 
entstandenen  Seen  wurden  in  ihren  oberen  Teilen  mit  Glazialschotter 
ausgefüllt,  überdauerten  aber  wenigstens  in  ihren  unteren  Teilen 
die  folgenden  Eiszeiten,  die  sie  durch  Gletscherausfüllung  vor  Zu- 
schüttung schützten.  Man  beruft  sich  auf  die  Thatsache,  daß  diese 
Seen  mit  den  Thälem  auf  das  innigste  verknüpft  sind,  und  ferner, 
daß  ihr  Grund  nicht,  wie  man  früher  glaubte,  in  bedeutende  Tiefen 
hinabreicht,  sondern  eine  fast  ebene  Thalsohle  darstellt.  Besonders 
interessant  sind  in  dieser  Beziehung  die  Messungen  Heims  im  oberen 
Teile  des  Vierwaldstätter  Sees  (Urner  See,  Fig.  188),  wobei  sich 
folgende  Zahlen  ergaben: 


Entfernung 
vom  westlichen  Ufer 


m    65 
Tiefe:  m  203 


125 
204 


255 
205 


Mitte 


204 


Entfernung 
vom  östlichen  Ufer 


160 
197 


125  m 
102  m 


Zu  ähnlichen  Ergebnissen  gelangte  Simony  in  Bezug  auf  die  Seen 
des  SaLzkammergutes;  auch  er  betont  die  außerordentliche  Gleich- 
förmigkeit des  Bodens  selbst  kleiner  Seen.  Im  Gmundener  See 
fand  er  auf  eine  Länge  von  2000  m  und  in  400 — 900  m  Breite  nur 
Niveaudifferenzen  von  1 — 1^,  m.  Solch  ein  ebener  Boden  mit 
steilen  Seitenwänden  wird  nach  unseren  Erfahrungen  nur  von  fließendem 
Wasser  geschaffen;  er  muß  also  geneigter  Thalgrund  gewesen  sein^ 
ehe  sich  ruhende  Wasserschichten  über  ihn  ausbreiteten. 

In  Bezug  auf  die  Seen,  die  an  ihrem  Ausgange  nicht  von  jungen 
Bodenbewegungen  getroffen  wurden,  oder  die  —  wie  die  bayrischen 
Vorlandseen  —  in  ungestörte  Schichten  sich  einsenken,  stößt  die 
tektonische  Theorie  auf  Schwierigkeiten.  Eamsay  erblickte  auch  in 
den  großen  Alpenseen  Erzeugnisse  der  Gletschererosion,  aber  schwer 
vereinbar  ist  damit  ihre  geographische  Verteilung,  sowohl  in  den 
Alpen,  wo  sie  manchen  Betten  großer  Eisströme  fehlen,  wie  in  an- 
deren Gebirgen.  Wohl  sind  Schottland,  Norwegen,  die  Alpen  Neu- 
seelands reich  an  Thalseen,  aber  andere  Gebirge  mit  mächtiger  dilu- 
vialer Eisdecke,  wie  die  Pyrenäen,  der  Kaukasus,  der  Himalaja,  ent- 
behren dieses  Reizes.  Die  tektonische  Theorie  findet  dagegen  eine 
Erklärung  fQr  dieses  Verhalten  darin,  daß  seenbildende  Boden- 
bewegungen und  Vergletscherung  räumlich  und  zeitlich  nicht  zusammen- 
fielen. Sie  benötigt  also  der  diluvialen  Thalgletscher  lediglich  zur 
Konservierung  der  Seebecken.    Indes   bemerkt  Penck   mit  Recht, 


542  Morphologie  des  Landes. 


daß  eine  einzige  Theorie  nicht  für  alle  Thal-  und  ßandseen  passe. 
Man  sieht,  auch  in  dieser  Frage  ist  nur  ein  mäßiger  Fortschritt 
zu  verzeichnen. 

Mit  einem  höheren  Grade  von  Wahrscheinlichkeit  hönnen  vir 
im  syrisch-ostafrikanischen  Grahengehiete  von  tektonischen 
Seen  sprechen.  Dies  gilt  wenigstens  von  den  Seen  des  Jordanthaies, 
dem  Eudolfsee,  Tanganika,  Njassa  und  einigen  anderen,  während 
der  in  seinen  umrissen  ganz  davon  abweichende  und,  wie  es  scheint, 
flache  Victoria-See  nicht  in  einer  Grabenversenkung  liegt  Messungen 
liegen  nur  vom  Toten  Meere  vor,  es  ähnelt  nach  unserer  Angabe 
auf  Seite  538  in  seiner  relativen  Tiefe  den  alpinen  Randseen,  würde 
sie  aber  bei  weitem  übertreflfen,  wenn  wir  die  ehemalige  Höhe  des 
Wasserspiegels  der  Berechnung  zu  Grunde  legen  wurden. 

Ein  anderes  großes  Seengebiet,  das  mit  der  Eiszeit  in  keinerlei 
Verbindung  steht,  ist  das  aral-kaspische,  der  letzte  Überrest  eines 
ausgedehnten  Meeres,  das  sich  in  der  jüngeren  Tertiärzeit  bis  in 
das  Wiener  Becken  erstreckte  und  seitdem  stetig  zusammenschmolz 
und  noch  weiter  zusammenschmilzt  Aber  noch  in  der  Quartärzeit  hingen 
Kaspisee  und  Schwarzes  Meer  zusammen,  erst  später  trat  letztere? 
mit  dem  Mittelmeere  in  Verbindung.  Die  tiefe  Südhälfte  des  Kaspi- 
sees  erklärt  Andbtjssow^  für  ein  Senkungsbecken,  die  Nordhälfte 
und  die  übrigen  Becken  sind  ganz  flache  tellerförmige  Vertiefungen, 
wie  sie  in  Trockengebieten,  z.  B.  in  Zentralasien  oder  im  Innern 
Australiens,  so  häufig  sind.  Viele  davon  nehmen  keine  selbstän- 
digen Vertiefungen  ein,  sondern  bilden  sich  einfach  an  der  tiefeten 
Stelle  eines  weiten  Hohlraumes,  wie  solche  aus  der  Ablagerung  Ton 
Steppengebilden  hervorgehen,  durch  die  Ansammlung  des  fließenden 
Wassers.  Solch  ein  Mtindungssee  ist  der  Lob-nor  Zentralasiens, 
das  erweiterte  Ende  des  Tarimlaufes. 

Süß-  und  SalzwasBerseen.  Meeresteile,  die  sich  in  Binnenseen 
verwandeln,  haben  selbstverständlich  ursprünglich  salziges  Wasser; 
Seen,  die  nur  durch  meteorisches,  Grund-  und  Flußwasser  gefällt 
wurden,  haben  ursprünglich  süßes  Wasser,  vorausgesetzt,  daß  sie 
nicht  starke  Soolquellen  aufnehmen,  wie  die  ehemaligen  Seen  bei  Bs- 
leben.  Ob  der  ursprüngliche  Zustand  gewahrt  bleibt  oder  sich  ver- 
ändert, hängt  aber  ganz  davon  ab,  ob  der  See  Abfluß  hat  oder 
nicht.  Der  Abfluß  kann  ober-  oder  unterirdisch  sein  oder  beides 
zugleich,  wie  wahrscheinlich  beim  Königsee;  er  kann  permanent  sein 
oder  periodisch,  wie  beim  Tanganika.  Hört  er  auf,  oder  war  ursprüng- 
lich, wie  bei  den  Mündungsseen,  keiner  vorhanden,  so  häufen  sich 
die  von  den  Flüssen  herbeigeführten  Salze  im  See  an,  da  die  Ver- 
dunstung, die  den  Zufluß  paralysiert,  nur  Wasser  entfernt,  und  der 


Die  Seen.  543 


Säßwassersee  verwandelt  sich  in  einen  salzigen.  Umgekehrt  werden 
Salzwasserseen  ausgesüßt^  wenn  Abfluß  vorhanden  ist  Doch  giebt 
es  einige  Ausnahmen  von  dieser  Regel.  Der  Tsadsee  und  (nach 
Blanfobd)  ein  kleiner  See  bei  Dastarjan,  westlich  von  Schiras,  ent- 
halten trotz  ihrer  Abflußlosigkeit  Süßwasser.  Ersterer  hatte  zwar 
früher  und  hat  periodisch  vielleicht  jetzt  noch  einen  Abfluß  im  Bahr 
el  Ghasal,  der  sich  in  der  Wüste  verliert;  aber  immerhin  ist  seine 
Salzarmut  auffallend,  besonders,  da  in  der  Umgebung  salzführende  Ge- 
steine anstehen. 

Der  Salzgehalt  ist  nicht  nur  bei  verschiedenen  Seen  sehr  ver- 
schieden,^ sondern  wechselt  auch  innerhalb  eines  und  desselben 
Sees.  Er  beträgt  im  Kaspisee  bei  der  Wolgamündung  0,i6,  bei  Baku 
1.33,  am  Südende  der  Kaidakbai  5,6S  und  im  flachen  Golfe  Earabugas, 
der  nur  durch  eine  schmale  Oflfnimg  mit  dem  übrigen  See  in  Ver- 
bindung steht,  28,6  Proz.  v.  Baeb  hat  diese  enormen  Unterschiede 
darauf  zurückgeführt,  daß  der  See  noch  jetzt  ausgesüßt  werde,  und 
daß  sich  alles  Salz  im  Karabugas  anhäufe,  während  Peschel  den, 
im  allgemeinen  geringen,  Salzgehalt  des  Kaspi-  und  Aralsees  aus 
ihrer  einstigen  Verbindung  mit  dem  Ozean  zu  erklären  suchte  und 
auf  die  Ostsee  hinwies,  die  unter  gleichen  Verhältnissen  nahezu  aus- 
gesüßt wird. 

Nicht  bloß  der  Reichtum  an  Salzen,  sondern  auch  diese  selbst 
sind  in  verschiedenen  Seen  verschieden,  und  wechseln  in  ihren  Ver- 
hältniszahlen auch  in  einem  und  demselben  See,  wie  Abich  vom 
Kaspisee  nachwies.  Man  unterscheidet  in  dieser  Beziehung  Salz- 
seen im  engeren  Sinne,  Natron-  und  Boraxseen.  Bei  den  ersteren, 
die  auch  die  zahlreichsten  sind,  herrscht  meist  Kochsalz  vor;  da- 
neben findet  man  Chlormagnesium,  schwefelsaure  Magnesia  und 
schwefelsaures  Natron.  Im  Eltonsee  und  im  Toten  Meere  übertrifft, 
das  Chlormagnesium  alle  anderen  Salze.  Zu  den  Natronseen  ge- 
hören z.  B.  der  Wansee,  der  Güsgundag,  der  See  bei  Ägyptisch- 
Theben  und  kleine  Seen  bei  Szegedin  und  Debreczin.  Hauptbestand- 
teile sind  hier  Kochsalz,  kohlensaures  und  schwefelsaures  Natron, 
von  denen  meist  die  erste,  manchmal  aber  auch  die  zweite  Verbin- 

X  Nach  Roth  beträgt  der  Salzgehalt  in  Prozenten  (d.  h.  unter  100  Teilen 
Wasser): 


Natronsee  Palics  (zwischen  Szege- 
din und  Theresiopel)  ....  0,22 

Kuku  Nor 1,07 

Aralsee     .     - 1,08 

Wansee l,»i 


Großer  Salzsee,  Utah  (2  Mess.)  18,6o 

ünniasee  (3  Messungen)   .     .     .  21, 05 

Totes  Meer  (4  Messungen)    .     .  23,75 

Eltonsee  (3  Messungen)     .     .     .  27,oe 

Eoter  See  bei  Perekop  (2  Mess.)  32,87 


Bitterseen  des  Sueskanals (2  Mess.)    5,37       Qüsgundagamkl.Ararat(2Mess.)    36,8o 


544 


Morphologie  des  Landes. 


dung  vorherrscht.  In  Ungarn  kommt  nach  Petebs  der  Salzgehalt 
von  den  trachytischen  Gemengteilen  der  Tief landsablagerungen.  Sehr 
selten  sind  die  Boraxseen,  die  neben  Borax  stets  auch  Kochsalz 
enthalten.  Man  kennt  solche  nur  in  Zentralasien,  Persieo,  Califomien 
imd  Nevada. 

Erlöschen  der  Seen.  Die  Seen  gehören  zu  den  vergänglichsteu 
Reizen  einer  Landschaft.  Indem  sich  der  Abfluß  immer  tiefer  ein- 
schneidet,  droht   ihnen    allmähliche  Entleerung;    und   wenn    dieser 

Prozeß  auch  ein  langsamer  ist,  so  sind 
ihm  doch  sicher  schon  viele  Bergseeu 
zum  Opfer  gefallen.  Mit  unheimlicher 
Schnelligkeit,  die  so  manchen  zu  dem 
falschen  Schlüsse  einer  sichtlichen  Ver- 
schlechterung des  Klimas  verleitet  hat 
gehen  die  Seen  der  Trockengebiete, 
wo  die  Verdunstung  beträchtlich  die 
Niederschlagsmenge  übersteigt,^  an 
Abzehrung  zu  Grunde.  In  TurkestiiD 
und  im  angrenzenden  WestsibirieD 
lassen  sich  diese  Veränderungen  in 
der  geschichtlichen  Zeit  gut  ver- 
folgen. Das  Kärtchen  in  Fig.  189 
überhebt  uns  weiterer  Auseinander- 
setzungen, nur  darauf  möge  auf- 
merksam gemacht  werden,  wie  mit 
der  Abnahme  der  Seenfläche  die  Zahl 
der  Seen  zunimmt  Der  Balkaschsee 
stand  noch  in  geschichtlischer  Zeit  mit 
dem  Alakul  in  Verbindung;  jetzt  istdiese 
große  Wasserfläche  in  fünf  Seen  aufge- 
löst, von  denen  einer  schon  ausge- 
trocknet ist  Nach  Nikolskis  Beobachtung  sinkt  der  Spiegel  des 
Balkaschsees    in    15    Jahren    um    1  m,   was    einer   jährlichen  Ver- 


Fig.  189.  Veränderungen  des  Abysch- 
kansees  in  Westsibirien ,  nach  Jad- 
RINZEW.^  Die  punktierte  Seenfläche 
ist  seit  1813->24,  die  schraffierte  seit 
1850 — 60  ausgetrocknet;  schwarz  be- 
deutet die  Seenreste  i.  J.  1880. 


X  Folgende  Beobachtungen  stammen  aus  den  Jahren  1875 — 79: 


Stationen 
im  aral-kaspischen  Tiefland 

Astrachan 

Akmolinsk 

Nukus |1 

Petro-Alezandrowsk I 


Durchschnittliche  jährliche 


mm 


744 
1085 
1931 
2321 


mm 


156 

233 

71 

65 


Di«  Seen.  545 

dunstung  von  1,3  Mill.  cbm  entspricht,  die  Südhälfte  bildet  sich 
bereits  in  einen  Salzsumpf  um.'  Auch  die  großen  russischen  Seen 
haben  an  Umfang  verloren;  am  Onegasee  ist  ein  altes  Ufer  noch 
20  m  über  dem  gegenwärtigen  Spiegel  sichtbar.  Die  australischen 
Binnenseen  verdienen  nur  mehr  die  Bezeichnung  Moräste;  der  Lake 
Eyre  hat  nur  mehr  eine  Tiefe  von  0,8  bis  0,9  m.  Gewaltige  Ver- 
änderungen hat  auch  Nordamerika  seit  der  Eiszeit  erlebt.  Von  seinen 
beiden  Riesenseen  auf  dem  westlichen  Hochlande;  dem  Lahontan- 
und  dem  Bonneville-See  (vergl.  S.  184),  sind  nur  noch  spärliche  Beste 
vorhanden,  unten  denen  der  Salzsee  von  Utah  der  bedeutendste  ist; 
der  Winnipeg-  und  eine  Anzahl  kleinerer  Seen  traten  an  die  Stelle 
des  Agassiz-Sees,  und  auch  die  canadische  Gruppe  bildete  einst 
eine  einzige  Wasserfläche:  den  See  Algonquin. 

In  regenreichen  Gegenden  wird  die  Existenz  der  Seen  durch 
die  Zuflüsse  bedroht,  die  ihre  Geschiebelasten  im  stehenden  Wasser 
ablagern,  und  es  ist  leicht  erkläi*lich,  daß  in  Gebirgen  dieser 
Prozeß  sich  rascher  abspielt,  als  im  Flachlande.  Breite  alluviale 
Thalebenen  schließen  sich  an  das  obere  Ende  der  meisten  Alpen- 
seen an,  deren  einstige  Ausdehnung  verratend.  So  reichte  der 
(jienfer  See  bis  Bex,  der  Brienzer  bis  Meiringen,  der  Bodensee  bis 
BendeiTi,  der  Umersee  bis  Erstfeld,  der  Lago  maggiore  bis  Bellin- 
zona  u.  s.  w.  Seitwärts  mündende  Bäche  schneiden  durch  Deltas 
die  Seen  entzwei;  die  Lütschine  trennte  beispielsweise  den  Thuner 
vom  Brienzer  See,  die  Adda  den  Como-  vom  Mezzolasee,  die  Linth 
vielleicht  den  Züricher  vom  Wallensee.  Am  St.  Wolfgangsee  bei 
Isclil  oder  an  den  Engadiner  Seen  läßt  sich  dieser  Vorgang  gut 
beobachten. 

Wenn  man  aber,  wie  dies  häufig  geschehen  ist,  alle  größeren 
Thalebenen  flir  zugeschüttete  Seebecken  erklärt,  so  geht  man  zu 
weit.  Auch  die  seitliche  Erosion  schafft  Thalweitungen  und  damit 
geht  Hand  in  Hand  die  Auftragung  von  Alluvionen.  Doch  ist  in 
zahlreichen  Fällen  jene  Annahme  richtig.  Manche  Gebirgsseen  ver- 
schwanden erst  in  geschichtlicher  Zeit  völlig,  wie  1817  der  Novaledo- 
see  und  1818  der  Lago  morto  im  Valsugana,  oder  der  Kankersee 
in  Krain  seit  dem  18.  Jahrhundert.  Von  anderen  kennt  man  zwar 
nicht  das  Todesjahr,  aber  Sagen  des  Volkes  oder  Ortsnamen  haben 
ihr  Andenken  erhalten.  Aus  einem  Vergleiche  der  ANiCHschen  und 
HcEBEBschen  Karte  von  Tirol  und  der  neuen  Spezialkarte  ergiebt 
sich,  daß  in  diesem  Lande  innerhalb  eines  Jahrhunderts  118  Seen 
verschwunden  sind.  Kleine  Wasseransammlungen,  sumpfige  und 
moorige  Stellen,  saure  Wiesen  u.  s.  w.  sind  ziemlich  sichere  An- 
zeichen eines  erloschenen  Sees;    und   nicht   minder   zuverlässig   ist 

SuPAU,  PhvBische  Erdkunde.    2.  Aufl.  35 


546  Morphologie  des  Landes. 


ein  orograplüsches  Merkmal,  nämlich  die  rundliche  Gestalt  eine- 
Thalbeckens.  Die  größte  Thalfläche  innerhalb  der  Alpen,  die  nord- 
krainische  Ebene  (633  qkm),  war  in  vordiluvialer  Zeit  ein  See,  den 
die  Save  und  die  übrigen  alpinen  Zuflüsse  successive  von  Nordwesten 
nach  Südosten  mit  mächtigen  Kiesmassen  zuschütteten,  während  dit 
Karstflüsse  mit  einer  einzigen  Ausnahme  nur  Sand  und  Schlamiu 
herbeiführten.  Der  südliche  Teil  blieb  daher  noch  lange  See,  al- 
der  nördliche  schon  ausgefüllt  war;  Pfahlbauten  wurden  in  dem- 
selben gefunden,  und  noch  jetzt  i«t  er  eine  144  qkm  große  Moor- 
fläche (s.  Fig.  96  S.  358). 

Sumpf  und  Moor.  Bei  der  Umwandlung  der  Seen  in  Land 
spielen  neben  den  Flußsedimenten  und  den  atmosphänschen  Al>- 
lagerungen  auch  die  Pflanzen  eine  hervorragende  Bolle.  Ihrt- 
Thätigkeit  beschränkt  sich  aber  hauptsächlich  auf  jene  Seen,  b*^i 
denen  nur  die  oberste  Wasserschicht  durch  Zu-  und  Abfluß  bewegt 
wird,  und  deren  windgeschützte  Lage  eine  starke  Wellenbeweguns 
verhindert.  Nach  Senfts  Beobachtungen  schreitet  der  Ver- 
moorungsprozeß  entweder  von  oben  nach  unten,  oder  von  unten 
nach  oben  fort,  je  nachdem  der  Boden  reich  an  im  Wasser  löslicher 
Kieselsäure  und  kieselsaurem  Kali,  aber  arm  an  kohlensaurem  K;ilk 
ist;  oder  neben  etwas  Kieselsäure  eine  große  Menge  gelöster  Kalfc- 
salze  liefert.  Der  erste  Vorgang  wird  also  in  kalkarmen  Gegenden, 
der  zweite  hauptsächlich  im  Kalkgebirge  stattfinden. 

Im  ersteren  Falle  beginnt  die  Vermoorung  stets  am  Ufer,  und 
zwar  in  feuchten  Vertiefungen  oder  Löchern,  die  z.  B.  durch  das 
Ausroden  von  Baumwurzeln  entstehen.  Hier  siedeln  sich  zunächst 
gemeines  Borstengras  und  das  Sumpf-  und  Wassermoos  (Sphagnum 
an:  Gewächse,  welche  nicht  nur  die  Bodenfeuchtigkeit  festhalten, 
sondern  auch  den  atmosphärischen  Dampfgehalt  an  sich  ziehen,  und 
auf  diese  Weise  ihre  Unterlage,  wie  auch  deren  nächste  Umgebun^^ 
immer  mehr  versumpfen  und  so  sich  selbst  die  Bedingungen  zu 
immer  ausgebreiteterem  Wachstum  schaffen.  Namentlich  die  Wasser- 
moose, die  in  dichten  Filzlagem  beisammen  wachsen  und  in  ihren 
oberen  Teilen  noch  fortvegetieren  und  sich  vermehren,  wenn 
auch  die  unteren  schon  abgestorben  sind,  verbreiten  sich  außer- 
ordentlich rasch,  und  zwar  im  vorliegenden  Falle  nicht  bloß  land- 
einwärts, sondern  auch  seewärts,  indem  sie  den  Wasserspiegel  mit 
einer  immer. dicker  werdenden  Decke  zum  Teil  oder  ganz  über- 
ziehen. Konferven  und  andere  Algen,  Ried-  und  Wollgräser  oder 
die  Torfheide  siedeln  sich  hier  an  und  vergrößern  das  Gewicht  der 
Decke,  die  immer  tiefer  unter  den  Wasserspiegel  sinkt;  und  da 
immer  neue  Pflanzen  die   Überfläche  einnehmen,  so   kann    endlich 


Die  Seen.  547 


die  aus  vielen  Generationen  aufgebaute  Pflanzenschicht  den  Grund 
des  Sees  erreichen,  womit  der  Prozeß  der  Landbildung  abge- 
schlossen ist. 

Im  zweiten  Fall  wird  zunächst  die,  an  das  Ufer  grenzende 
seichte  und  schlammige  Zone  des  Seebodens  von  Algen  und  schwim- 
menden Wasserpflanzen,  dann  von  Schilfrohr,  Binsen,  Schein- 
und  Wassergräsem;  und  zuletzt,  wenn  sich  der  Boden  bereits  so- 
weit erhöht  hat,  daß  er  nur  mehr  periodisch  überschwemmt  wird, 
von  Bied-  und  Wollgräsern  eingenommen.  Da  diese  Ablagerungen 
wegen  ihrer  schlammigen  Beschaflfenheit  über  ihren  seewärts  ge- 
legenen Eand  hinausgepreßt  werden,  so  rückt  die  Landbildung  kon- 
zentrisch gegen  die  Mitte  des  Sees  vor  und  kann  ihn  endlich,  vor- 
ausgesetzt, daß  er  nicht  zu  tief  ist  oder  daß  Schotterablagerungen 
genügend  vorgearbeitet  haben,  völlig  in  eine  sumpfige  Grasflur  (Ried 
oder  Moos)  verwandeln. 

Unter  dem  Wasser,  das  den  Zutritt  der  Luft  verhindert,  ver- 
fallt die  vegetabilische  Masse  einem  langsamen  Verkohlungsprozesse, 
der  den  Torf  liefert.  Da  bei  hoher  Temperatur  die  Zersetzung 
der  abgestorbenen  Organismen  sehr  rasch  vor  sich  geht,  so  sind  im 
allgemeinen  die  Torfmoore  nur  auf  die  gemäßigte  und  kalte  Zone 
beschränkt,  und  kommen  im  tropischen  Erdgürtel  nur  dort  vor,  wo 
ähnliche  Bedingungen,  wie  in  unseren  Gegenden,  vorhanden  sind. 
Sümpfe  und  Moore  sind  aber  nicht  immer  das  letzte  Ent- 
wicklungsstadium eines  Sees.  Sümpfe  können  sich  überall  auf 
wasserundurchlässigem  Boden  mit  geringem  Gefälle  bilden;  sie  be- 
gleiten viele  Flachküsten  und  die  Ufer  großer  Flüsse,  besonders 
dann,  wenn  deren  Niveau  höher  liegt,  als  das  umliegende  Land; 
oder  sie  verdanken  ihre  Entstehung  dem  austretenden  Grund- 
wasser in  einer  Bodendepression,  wie  die  Moose  des  Münchener 
Beckens.  In  der  Regenzeit  verwandeln  sich  viele  Gebiete  der  tro- 
pischen Ebenen  in  Sumpf landschaften,  die  aber  bald  wieder  aus- 
trocknen, während  in  den  Gegenden  mit  gleichmäßigen  Niederschlägen 
viele  Sümpfe  permanent  sind. 

Moore  bilden  sich  auch  auf  trockenem  Grunde,  von  dem  das 
Wasser  abfließen  kann,  wie  beispielsweise  im  nordwesthchen  Deutsch- 
land. Man  nennt  sie  Hochmoore  im  Gegensatze  zum  Tiefmoor, 
das  häufig  an  die  Stelle  der  Seen  tritt  Haben  in  nassen  Jahren 
oder  bei  hohem  Grundwasserstande  die  Sphagnumarten  allein  oder 
im  Vereine  mit  anderen  torf  bildenden  Pflanzen  an  irgend  einer  Stelle 
festen  Fuß  gefaßt,  so  setzt  sich  der  Vermoorungsprozeß  in  der  schon 
oben  geschilderten  Weise  unaufhaltsam  fort,  und  einem  gewölbten 
Riesenschwamme   ähnlich  überzieht   das   Hochmoor  bald  Berg  und 

35* 


548  Morphologie  des  Landes. 


Thal  (Fig.  190).  Manchmal  zerreißt  seine,  durch  Gase  und  Wasser 
straff  gespannte  vertilzte  Decke  plötzlich,  und  gewaltige  Schlamm- 
ströme  stürzen  dann  hervor,  weithin  das  Land  verwüstend.  Nament- 
lich in  Irland  ist  dieses  Phänomen  nicht  selten;  der  Schlammstrom 
von  Kinalady  am  25.  Juni  1821  riß  Häuser  und  Wälder  mit  sich 
fort  und  bedeckte  eine  Fläche  von  mehr  als  13qkm. 


Fig.  190.     Profil  der  östlichen  Linie  des  Hunte- Ems-Kan als  (Oldenbnig) 

nach  Schacht.*" 

(Die  Zahlen  geben  die  Mächtigkeit  des  Untergmndes  und  des  Hochmoores.) 

Das  Wachstum  des  Torfes  hört  auf,  wenn  er  infolge  der  Ver- 
legung eines  Flußlaufes,  Eröffnung  eines  genügenden  Ahflusses  oder 
infolge  anderer  Veränderungen  völlig  austrocknet;  oder  wenn  um- 
gekehrt der  Wassergehalt  so  sehr  zunimmt,  daß  der  Boden  in  einen 
Morast  verwandelt  wird,  der  die  Fortexistenz  der  torfhildenden  Ge- 
wächse nicht  mehr  gestattet 

Litteraturnachweise.  *  R.  Credneb,  Die  Reliktenseen,  Gotha  1887 — SS 
(Ergftnznngshefte  86  u.  89  zu  Petsrmanns  Mitteilungen).  —  '  Petermax^s  Mit- 
teilungen 1894,  S.  200.  —  ^  Geinitz,  Über  die  Entstehung  der  mecklenburgischen 
Seen,  im  Archiv  des  Vereins  d.  Freunde  d.  Naturgeschichte  in  Mecklenbnig 
1885;  Die  Seen,  Moore  und  Flußläufe  Mecklenburgs,  Güstrow  1886.  —  ♦  Ule, 
Die  Tiefenverhältnisse  der  ostholsteinschen  Seen,  im  Jahrbuche  d.  preußischen 
geologischen  Landesanstalt  für  1890.  —  '  Böhm,  Die  Hochseen  der  Ostalpea 
in  den  Mitteilungen  der  Wiener  Geographischen  Gesell^haft  1886.  —  •  Hedc. 
Die  Entstehung  der  alpinen  Randseen,  in  der  Vierteljahrsschrift  der  natur- 
forschenden Gesellschaft  in  Zürich,  1894.  —  ^  Andbussow,  in  den  Iswestija  der 
Russischen  Geographischen  Gesellschaft,  1888,  S.  91.  —  ®  Jadrinzew  in  den 
Iswestija  der  Russischen  Geographischen  Gesellschaft  1886,  S.  53.  —  •  Mit- 
teilung Venjükows  in  d.  Comptes  rendus  d.  französ.  Akad.  d.  Wiss.  1886, 
S.  1045.  —  "  Schacht,  Moore  des  Herzogtums  Oldenburg,  in  Petermakits  Mit- 
teilungen 188S. 

Die  horizontale  Gliederung  des  Festlandes. 

Die  Halbinseln.  Wie  der  vertikale  Aufbau,  so  sind  auch  die  Umrisse 
der  Festländer  in  ihren  Hauptzügen  das  Produkt  einer  langen  Ent- 
wicklungsgeschichte. Strandverschiebungen  spielen  dabei  die  Haupt- 
rolle. In  zutreflFender  Weise  hat  man  die  Kontinente  mit  Organismen 
verglichen,  und  Halbinseln  und  küstennahe  Inseln  als  Glieder  be- 


Die  horizontale  Gliederung  des  Festlandes.  549 


zeichnet,  die  in  der  That  auch  wie  Arme  nach  benachbarten  Erd- 
räumen  hinül)ergreifen. 

Die  Halbinseln,  zu  deren  Betrachtung  wir  nun  übergehen,  sind 
sehr  ungleichmäßig  verteilt.  Ihr  Areal  beträgt  in  Prozenten,  der 
Gesamtfläche  des  Kontinentes  (ohne  die  Inseln): 


Nordkontinente 

Europa 29,7 

Asien 20,5 

Nord-  and  Zentralamerika      .     .  lO.s 


Südkontinente 

Australien       1,4 

Südamerika 0,4 

Afrika 0,0 


Die  Halbinselbildung  ist  also  vorwiegend  ein  den  nördlichen 
Festländern  eigentümliches  Phänomen,  und  von  diesen  ist  wieder 
Europa  am  meisten  gegliedert.  Es  besitzt  überdies  alle  Haupt- 
formen der  Halbinseln.  Die  mit  dem  Festlande  innig  verwachsene 
Bretagne,  eigentlich  nur  ein  scharf  markierter  Vorsprung  desselben, 
stellt  uns  das  kontinentale  Extrem ;  die  Krim  dagegen,  die  nur  durch 
den  1 1  km  breiten,  sandigen  Isthmus  von  Perekop  mit  dem  Festlande 
zusammenhängt,  das  insulare  Extrem  dar.  Übergänge  finden  wir  in 
der  Balkanhalbinsel,  die  sich  zwar  schon  deutlich  vom  Kontinent 
abgliedert,  aber  doch  nur  ganz  allmählich  aus  demselben  hervor- 
wächst; in  der  italienischen,  die  nur  mehr  mit  einem  schmalen  Ge- 
birgsstücke  an  das  Festland  gekettet  ist;  endlich  in  der  orographisch 
selbständigen  pyrenäischen  Halbinsel,  die  als  ein  fremdes  Anhängsel 
am  europäischen  Körper  erscheint.  Nur  ist  hier,  im  Gegensatze  zur 
Krim,  das  Verbindungsglied  eine  breite  Ebene. 

Schon  aus  dieser  kurzen  Betrachtung  ergiebt  sich,  daß  Halb- 
inseln auf  zweierlei  Weise  sich  bilden  können:  durch  Ab-  und  durch 
Angliederung;  die  erstere  geschieht  durch  eine  positive,  die  letz- 
tere durch  eine  negative  Niveauveränderung.  In  deü  abgegliederten 
Halbinseln  setzt  sich  stets  die  Geländeform  des  benach- 
barten Festlandsteiles  fort.  Die  beiden  unteren  Stufen  des 
Karstes  bilden  die  Halbinsel  Istrien,  und  dasselbe  Gebirgssystem 
zieht  durch  die  ganze  Westhälfte  der  Balkanhalbinsel  bis  in  den 
Peloponnes  fort  Ebenso  gehören  das  serbische  und  das  Banater- 
gebirge  geognostisch  und  orographisch  zusammen.  Zwei  Gebirgszüge 
aus  krystallinischem  Gestein  ziehen  aus  Armenien  in  die  kleinasi- 
atische Halbinsel  hinein,  endigen  am  Kysyl  Irmak  und  tauchen  im 
Westen  wieder  aus  der  tertiären  Ebene  auf.  Die  Gebirge,  die 
Hinterindien  in  südstidöstlicher  Richtung  durchziehen,  beginnen  nach 
V.  RiCHTHOFENS  Ansicht  auf  dem  Kontinent  schon  unter  32®  B. 
Das  granitisch -vulkanische  Gebirge  des  nördlichen  Teiles  der  cali- 
fomischen  Halbinsel  endigt   auf  dem  Festlandsnimpfe  erst  bei  Los 


550  Morphologie  des  Landes. 


Angeles.  Zu  gleichen  Ergebnissen  dürfte  wohl  auch  eine  genaue 
geologische  Untersuchung  der  Gebirge  von  Korea  und  Kamtschatka 
führen.  Auch  die  Apenninen  Italiens  sind  nur  ein  Ausläufer  des 
alpinen  Systems,  während  die  Poebene  erst  in  der  Quartarzeit  dem 
Meere  abgerungen  wurde.  Italien  gehört  also  nur  scheinbar  zu  den 
abgegliederten  Halbinseln  mit  breiter  Basis.  Noch  schmäler  als  der 
Apenninen-Jsthmus  ist  das  Verbindungsglied  zwischen  Neuschottland 
und  Neubrau nschweig.  Es  besteht  aus  Karbonschichten,  die  vom 
Festlande  auf  die  Halbinsel  hinüberstreichen;  und  es  unterhegt 
keinem  Zweifel,  daß  die  Gezeitenströmungen  wesentlich  znr  Zer- 
störung der  Landenge  beigetragen  haben  (vgl.  S.  423).  Wo  das 
Hinterland  flach  oder  hügelig  ist,  finden  wir  dieselbe  Geländeform 
auch  auf  den  abgegliederten  Halbinseln,  so  auf  der  jütischen  und 
wahrscheinlich  auch  in  Labrador  und  Arabien. 

Die  angegliederten  Halbinseln  sind  dagegen  geologisch 
und  orographisch  selbständige  Individuen,  und  dieser  Cha- 
rakterzug drückt  sich  auch  meist  in  den  geschichtUchen  Schicksalen 
ihrer  Bewohner  aus.  Eine  Tiefebene  von  jugendlichem  Alter  stellt 
die  Verbindung  mit  dem  kontinentalen  Bumpfe  her.  Der  Anschluß  der 
iberischen  Halbinsel  an  Frankreich  vollzog  sich  zugleich  mit  der  letzten 
Aufrichtung  der  Pyrenäen;  die  miocänen  Schichten,  die  die  südj&ran- 
zösische  Tiefebene  bedecken  und  an  der  Gebirgsfaltung  nicht  mehr 
teilgenonmien  haben,  sind  Süßwasserablagerungen.  In  gleicher  Weise 
gewann  Asien  das  altkrystallinische  Massiv  von  Dekan  bei  der  Aut- 
richtung des  Himalaja,  also  ebenfalls  in  der  Tertiärzeit,  und  seit- 
dem wurde  die  Verbindung  durch  die  Aufschüttung  von  Flußsedi- 
menten in  der  hindustanischen  Tiefebene  eine  immer  festere.  Erst 
in  der  Quartärzeit  schloß  sich  die  Krim  mit  ihrem  isolierten  Jaila- 
gebirge,  und  das  aus  altkrystallinischen  Gesteinen  bestehende  finnisch- 
skandinavische Plateau  an  das  Festland  an.  Der  Ladoga-  und 
Onegasee  sind  vielleicht  noch  Überreste  der  einst  die  Ostsee  mit 
dem  Weißen  Meere  verbindenden  Wasserstraße. 

Eine  Kombination  beider  Arten  ist  Florida.  Soweit  es  aus 
tertiärem  Kalk  besteht  (d.  h.  der  größte  Teil  der  Halbinsel),  ist  es 
eine  kontinentale  Fortsetzung.  Nach  allen  Seiten  hat  es  sich  aber 
durch  Ansatz  junger  Muschel-  und  Korallenkalke  vergrößert  nament- 
lich im  Süden,  jenem  eigentümlichen  Mitteldinge  von  Sumpf  und 
See,  das  nur  P/^ — 2  m  über  dem  Meeresspiegel  liegt  Bei  anderen 
abgegliederten  Hsdbinseln  sind  die  angegliederten  Stücke  orographisch 
noch  viel  schärfer  markiert  Die  Stiefelgestalt  Italiens  ist  das  Pro- 
dukt einer  solchen  Kombination.  An  zwei  Stellen  (im  Cratithal  und 
zwischen  den  Buchten  von  S.  Eufemia  und  Squillace)  wird  das  kir- 


Die  horizontale  Gliederung  des  Festlandes.  551 

^tallinische  Gebirge  der  Halbinsel  Calabrien  von  horizontal  gelagerten 
ileeresbildungen  tertiären  Alters,  die  von  Küste  zu  Küste  reichen, 
durchschnitten,  und  diesen  geologischen  Unterbrechungen  entsprechen 
auch    orographische  Depressionen.    Hier   wurden   also   zwei   Inseln 
angegliedert,  die  aber  mit  dem  Apenninensjstem  in  einem  inneren 
Zusammenhange  stehen  (vgl.  S.  480).    Dagegen  ist  der  Sporn  von 
Italien,  der  Mte.  Gargano,  ein  den  Apenninen  ganz  fremdes  Gebirgs- 
stück  und  von  jenen  auch  durch  eine  weite  Ebene  getrennt   Seine 
Landschneckenfauna  zeigt  nach  Kobelts  Untersuchungen  auch  jetzt 
noch  nicht  den  italienischen  Charakter.     Noch   schärfer  ausgeprägt 
sind  die  sekundären  Halbinselbildungen   der  Balkanhalbinsel.     Die 
mittlere    und    östliche    Landzunge    von    Chalkidike    sind    erst    in 
der  jungtertiären  Zeit  angewachsen,  während  die  westliche  eine  ab- 
gegliederte Halbinsel  ist    In  die  spätere  tertiäre  Periode  fällt  auch 
die  Angliederung  des  Peloponnes,   denn  zwischen  den  aus  Kreide- 
kalk    bestehenden    Bergen,     der    Geraneia    in    Megara    (1370  m) 
und  dem  Oneion  in  Morea  (582  m),  bilden  horizontal  gelagerte,  wenn 
auch    von    zahlreichen   Verwerfungen    durchsetzte   Tertiärschichten, 
die  mit  marinem  Pliocän  abschließen,  den  5900  m  breiten  Isthmus 
von  Korinth,  dessen  Maximalhöhe  nur  79  m  beträgt.    Malakka  war 
ebenfalls  eine  Insel,  wie  jetzt  noch  Sumatra,  dem  es  auch  in  seiner 
Gestalt  sehr  ähnlich  ist;  und  seine  Verwandlung  in  eine  Halbinsel 
hat  noch  nicht  seinen  faunistischen  Charakter  verwischen  können,  denn 
noch  jetzt   gleicht   seine  Tierwelt  der  der  Sundainseln,   nicht  der 
Hinterindiens. 

Inseln.  Im  Gegensatze  zu  den  großen  Landmasseu  oder  Konti- 
nenten nennt  man  die  kleinen  von  Meer  umgebenen  Landstücke 
Inseln.^  Diese  Definition  scheint  auf  den  ersten  Blick  allerdings 
der  nötigen  Schärfe  zu  entbehren,  in  der  That  reicht  sie  aber  aus, 
denn  zwischen  dem  kleinsten  Kontinent  mit  7,6  Mill.  qkm  (Austra- 
lien) und  der  größten  unzweifelhaften  Insel  mit  0,8  MiU.  qkm  (Neu- 
<Tuinea)  ist  doch  ein  gewaltiger  Unterschied.  Ein  Mittelglied  bildet 
allerdings  Grönland  mit  ca.  2,i  Mill.  qkm,  und  manche  mögen  es 
vorziehen,  dieses  Landstück  einen  kleinen  Kontinent  zu  nennen,  wie 
man  ja  auch  den  Kaspisee,  der  eine  ähnlich  isolierte  Stellung 
unter  den  Seen  einnimmt,  häufig  als  Meer  bezeichnet  Das  Areal 
aller  bekannten  Inseln  (Grönland  ausgenommen)  beträgt  ungefähr 
8,3  Mill.  qkm,  davon  kommen  57  Prozent  auf  die  23  Inseln  mit 
mehr  als  50000  qkm  und  nur  43  Prozent  auf  die  übrigen  ungezählten 


5<  Hier  werden  nur  die  Meeresinseln  berücksichtigt,  da  nur  diese  einen 
Gegensatz  zu  den  Kontinenten  bilden. 


552  Morphologie  des  Landes. 


Tausende  von  Eilanden,  die  zusammengenommen  nur  ^j^  des  europäi- 
schen Bußlands  bedecken  würden. 

Verhältnismäßig  selten  sind  vereinzelte  Inseln,  wie  St.  Helena 
(123  qkm),  Ascension  (88  qkm)  oder  Sala  y  Gomez  (4  qkm);  meist 
treten  sie  gesellig  auf.  Entweder  wird  eine  Hauptinsel  nur  toh 
einigen  Klippen  umgeben,  wie  Island,  oder  von  größeren  Eilander, 
wie  Madagaskar.  Zwei  Hauptinseln  enthalten  die  britische  und  die 
Spitzbergen -Gruppe.  Doppelinseln  sind  Neuseeland  und  Nowaja- 
Semlja.  Eine  reihenweise  Anordnung  zeigen  die  Antillen,  die 
Aleuten  u.'a.  Eine  anscheinend  unregelmäßige  Anhäufung  größerer 
und  kleinerer  Inseln,  die  aber  meist  nur  aus  mehreren  Beihen 
bestehen,  nennt  man  einen  Archipel.  Auch  hier  finden  wir  be- 
züglich der  Größe  wieder  dieselben  Unterschiede,  wie  bei  den 
einzelnen  Inseln.  Der  malaische  Archipel  hat  2,8  und  der  arktisch- 
amerikanische  1,8  Mill.  qkm;  auf  beide  zusammen  entfallen  als*' 
ca.  50  Prozent  des  gesamten  Inselareals.  Dagegen  sind  die 
180  Bermudainseln  (50  qkm)  nicht  einmal  so  groß,  wie  die  Republik 
San  Marino. 

Gtenetisohe  Einteilung.^  Wenn  wir  die  Erfahrungen  aus  der 
Gegenwart  zu  Grunde  legen,  so  können  wir  sagen,  daß  Inseln  auf 
zweierlei  Weise  entstehen  können:  durch  oberflächliche  AbtrennuiiL' 
von  der  Küste  oder  durch  Wachstum  vom  Meeresgrunde  aus.  Die 
weiteren  Untersuchungen  werden  ergeben,  daß  diese  beiden  Kate- 
gorien der  festländischen  oder  Kontinentalinseln  einerseits  und 
der  ursprünglichen  Inseln  anderseits  für  die  meisten  bisher  ge- 
nauer studierten  Vorkommnisse  ausreichen.  Daß  die  Konlinental- 
inseln  zu  den  GUedern  des  Festlandes  zu  zählen  sind,  bedarf  keiner 
weitläufigen  Erörterung,  dagegen  muß  nachdrücklich  betont  werdeu, 
daß  ursprüngliche  und  ozeanische  Inseln  nicht  identisch  sind,  wie 
ältere  Einteilungen  annahmen.  Es  giebt  ozeanische  Kontinental- 
inseln, wie  Neuseeland  oder  die  Fidschi -Inseln,  und  es  giebt  ur- 
sprüngliche Inseln  in  solcher  Festlandsnähe,  daß  man  sie  ebenso 
gut  als  parasitische  Zuthaten  zu  den  Kontinenten  auffassen  muß. 
wie  z.  B.  Vulkankegel,  die  auf  dem  Lande  selbst  entstehen. 

KontinentalinBeln,  geologischer  Beweis.  Einen  direkten  Beweis 
für  die  kontinentale  Herkunft  einer  Insel  haben  wir  nur  dann,  wenn 
ihre  Bildung  in  geschichtlicher  Zeit  sich  vollzog,  oder  bei  jenen 
amphibischen  Landstücken,  die,  wie  die  friesischen  Inseln  oder  der 
Mount  St.  Michael  in  der  Mounts-Bai  (Comwallis),  zur  Flutzeit 
Inseln  und  zur  Ebbezeit  Halbinseln  sind.  Solche  direkte  Beweise 
können  aber  natürlich  nur  selten  erbracht  werden;  doch  haben  wir 
einen  Ersatz  dafür  in  indirekten  Beweisen  zuverlässigster  Art.    Die 


Die  horizontale  Gliederung  des  Festlandes.  553 


zahlreichen  größeren  und  klemeren  Felseneilande,  die  viele  Steil- 
küsten umschwärmen,  verraten  sofort  ihre  kontinentale  Abkunft,  ehe 
man  sich  noch  davon  überzeugt  hat,  daß  auch  ihre  geologische  Be- 
schaflFenheit  genau  mit  der  der  Küste  übereinstimmt  Ein  Beispiel 
dafür  sind  die  dalmatinischen  Inseln,  die  aus  demselben  Ereide- 
kalk  (mit  untergeordneten  Tertiärbildungen)  bestehen,  wie  das  dalma- 
tinische Gebirge.  Von  Veglia  bis  Zuri  streichen  sie  nach  Nordwesten, 
d.  h.  parallel  mit  der  Eüste  und  dem  Streichen  der  Schichten. 
Südlich  von  Sebenico  liegt  noch  ein  Stück  vollständig  erhaltenes 
Küstenland,  und  genau  in  der  Richtung  desselben  liegt  weiter  nach 
Süden  die  Insel  Solta.  Dagegen  sind  die  süddalmatinischen  Inseln 
in  äquatorialer  Eichtung  gestreckt,  was  durch  eine  Wendung  im 
Streichen  der  Schichten  bedingt  ist,  wie  man  auf  der  Halbinsel 
Sabbioncello  gut  beobachten  kann.  Die  Cykladenreihenbis  Sikinos, 
Nies  und  Naxos  sind  geologisch  die  Fortsetzungen  von  Attika  und 
Enböa,  die  Spitzen  eines  untergesunkenen  Gebirges.  Nach  den 
Forschungsergebnissen  der  österreichischen  Geologen*  haben  wir  es 
nämlich  hier  mit  einer  bedeutenden  nachpliocänen  Niveauveränderung 
des  Landes  zu  thun,  der  das  Agäische  Meer  seine  Existenz  verdankt. 
Durch  denselben  Prozeß,  durch  den  Abgliederungshalbinseln  ent- 
stehen, werden  also  auch  an  den  Rändern  derselben  die  flachen 
Teile  unter  Wasser  gesetzt  oder  Einsenkungen  durch  die  Erosion 
des  Meeres  erweitert  und  vertieft  und  dadurch  die  Erhebungen  in 
Inseln  verwandelt.  Die  jütische  und  die  Balkan-Halbinsel,  Italien, 
Hinterindien  und  das  polare  Amerika  mit  Labrador  werden  von 
solchen  festländischen  Inseln  begleitet. 

Senkung  und  Meereserosion  sind  die  beiden  Vorgänge,  die 
bei  der  Entstehung  der  KontinentaUnseln  in  Betracht  kommen;  die 
letztere  wirkt  stets  mit,  aber  mit  Ausnahme  der  kleinen  Küsteninseln 
wohl  meist  nur  als  sekundärer  Faktor.  In  Meeren  mit  stärkerer 
Brandung  muß  die  Senkung  so  rasch  erfolgt  sein,  daß  die  Abrasion 
nicht  gleichen  Schritt  halten  konnte,  oder  es  müssen  die  ehemaligen 
Bindegüeder  tiefer  eingebrochen  sein,  als  die  Inselschollen.  Natürlich 
können  wir  auch  hier  Tafel-,  Rumpf-  und  Faltenschollen  unter- 
scheiden; die  letzteren  zeichnen  sich  durch  ihre  bogenförmige  An- 
ordnung aus,  wie  die  Antillen  und  die  großen  Inselbogen  an  der 
pazifischen  Westseite.  Manchmal  sind  von  dem  alten  Faltengebirge 
nur  mehr  einige  spärliche  Lappen  übrig  geblieben,  aber  Vulkane, 
die  sich  darauf  erheben,  verraten  noch  die  alte  Gestalt,  wie  in  den 
Ale  Uten,  Kurilen  und  Riukiu-Inseln.  Der  Unterschied  zwischen 
kontinentalen  und  ursprünglichen  Vulkaninseln  muß  strenge  aufrecht 
erhalten  werden. 


554 


Morphologie  des  Landes. 


BiologlBoher  Beweis.^  Neben  dem  geologischen  dürfen  wir  aber 
auch  den  biologischen  Beweis  nicht  außer  acht  lassen,  wie  e3 
leider  in  den  letzten  Jahren  in  Deutschland  Mode  geworden  ist 
Läßt  doch  die  Pflanzen-  und  Tierwelt  einer  Insel  bis  zu  einem 
gewissen  Grade  der  Sicherheit  auch  auf  die  Zeit  der  Abtrennung 
vom  Festlande  schließen.  Die  britischen  Inseln  haben  2.  B.  die 
Flora  und  Fauna  mit  Westeuropa  gemein,  und  wir  schließen  darau». 
daß  sie  noch  in  der  geologischen  Gegenwart  mit  dem  Kontinent 
verbunden  waren.  Denn  wenn  auch  die  Samen  mancher  PflanzeL 
und  manche  Vögel  über  die  zwar  schmale,  aber  unruhige  Meeres- 
straße von  Frankreich  nach  Britannien  gelangen  konnten,  so  hätte 
diese  doch  für  die  überwiegende  Mehrzahl  der  Organismen,  nament- 
lich für  die  Säugetiere  ein  unüberschreitbares  Hindernis  ge- 
bildet. Die  Annahme,  daß  der  Mensch  alle  Pflanzen  und  Tiere  ein- 
geführt habe,  die  nützlichen  wie  die  schädlichen,  ist  —  ganz  ab- 
gesehen von  ihrer  Unwahrscheinlichkeit  —  schon  deshalb  nicht 
stichhaltig,  weil  der  Reichtum  der  britischen  Fauna  in  der  historischen 
Zeit  abgenommen  hat;  ja  manche  Tierformen,  wie  der  Lowe,  das 
Rhinozeros,  das  Mammut  u.  s.  w.,  die  in  der  vorgeschichtlichen 
Periode  Britannien  bevölkerten,  sind  gänzlich  ausgestorben.  Bestätiirt 
wird  das  —  geologisch  gesprochen  —  jugendliche  Alter  der  Los- 
trennung durch  die  geringe  Tiefe  des  Meeres  und  durch  die  geo- 
gnostische  Identität  der  beiden  Ufer  der  Doverstraße ;  vielleicht  fieW 
die  letzten  Reste  der  Landbrücke  der  Meereserosion  zum  Oi)fer, 
wie  ja  auch  jetzt  noch  die  Straße  immer  mehr  erweitert  wird. 

Der  Landzusammenhang  wurde  aber  früher  aufgehoben,  ehe 
die  ganze  kontinentale  Lebewelt  in  Britannien  einwandern  konnte^ 
und  Irland  war  schon  eine  Insel,  als  die  Brücke  von  Dover  noch 
bestand.  5^  Auch  deutet  das  Vorhandensein  einiger  eigentümlichen 
Arten  auf  längere  Isolierung  hin.  Der  insulare  Endemismus  läßt 
sich  auf  verschiedene  Weise  erklären.  In  den  seltensten  Fällen  ist 
er  ursprünglich,  d.  h.  die  betrefifenden  Organismen  (wohl  nur  Pflanzen 


X  Anzahl  der  Arten  nach  Wallace: 


Festland 

England 

Irland 

Säugetiere 

Keptilien  und  Amphibien      .     . 

1 
Landvögel 

Phanerogamen  und  Farne      .     . 

ca.  90 
(Deutschland) 
22 
(Belgien) 

40 

13 

130 
1425 

22 

4 

110 
970 

Die  horizontale  Gliederung  des  Festlandes.  555 

und  niedere  Tiere)  waren  nur  auf  einen  kleinen  Verbreitungsbezirk 
beschränkt,  und  dieser  wurde  vom  Festland  abgetrennt.  Wahr- 
scheinlich ist  der  Reichtum  der  deutschen  Insel  Borkum  an  eigen- 
tümlichen Pflanzen  darauf  zurückzuführen.  Häufiger  ist  der  Fall, 
daß  organische  Formen  unter  günstigen  Bedingungen  auf  einer 
Insel  sich  erhielten,  während  sie  auf  dem  Festlande  überhaupt  oder 
wenigstens  in  dem  Mutterlande  im  Kampfe  ums  Dasein  zu  Grunde 
gingen.  In  den  meisten  Fällen  haben  sich  aber  die  eingewanderten 
Tiere  und  Pflanzen  den  neuen  Lebensbedingungen  allmählich  an- 
gepaßt Veränderte  Artenmerkmale  konnten  sich  befestigen,  weil 
eine  Vermischung  mit  der  Stammart  nicht  mehr  möglich  war.  Wie 
rasch  die  insulare  Abgeschlossenheit  unter  besonders  günstigen  Um- 
standen solche  Veränderungen  erzeugen  kann,  lehrt  uns  folgende 
Thatsache.  Auf  den  Keelingsinseln  wurden  durch  ein  gescheitertes 
britisches  Schiff  Eatten  eingeführt,  und  ihre  Nachkommen  unter- 
scheiden sich  von  den  englischen  Verwandten  bereits  dadurch,  daß 
sie  kleiner  und  heller  gefärbt  sind. 

Der  größere  oder  geringere  Reichtum  einer  Insel  an  eigentüm- 
lichen Arten  ist  also  l^is  zu  einem  gewissen  Grade  ein  Zeugnis  für 
ihr  relatives  Alter.     Berücksichtigen   wir   nur   den   Endemismus  in 
den  höheren  Tierklassen,  so  erhalten  wir  beispielsweise  nachstehende 
Reihenfolge:  Die  britischen  Inseln  mit  3  Vogelarten,  Hainan  mit 
einer  Säugetierart  und  20  Vogelarten,  Forme sa  mit  14  Säugetier- 
arten, 43  Vogelarten  und  sogar  einem  Vogelgeschlechte,  endlich  Ja- 
pan  mit  25  Landsäugetieren  (von  30),    aber   nur   11  Vögeln   (von 
165  dort  lebenden).     Alle  übrigen  Arten   stimmen   mit   denen    des 
benachbarten  Festlandes  überein,   und   auch    die  endemischen  sind 
mit  letzteren   verwandt.     Auf  derselben   relativen    Altersstufe,   wie 
Hainan,   stehen  die  Falklandinseln,    deren  eigentümliche  Arten: 
der  Fuchs,    einige    Singvögel   und   ca.  30  Gefäßpflanzen,    mit   den 
patagonischen  Arten  sehr  nahe  verwandt  sind.    Trotzdem  bezeichnet 
sie  Süss    als   „ein  dem   nahen  Festlande  völlig  fremdes,  gefaltetes 
Bruchstück  paläozoischer  Sedimente".    Wir  sehen,  es  kann  zwischen 
einer  Insel   und   einem  Kontinente   eine   zeitweise  Landverbindung 
bestehen,   ohne  daß  die  erstere   ein  Abkömmling  des  letzteren  zu 
sein  braucht. 

Einen  Fall  anderer  Art  lernen  wir  im  Gebiete  des  ostindischen 
Ozeans  kennen.  Ceylons  Säugetierfauna  ist  entschieden  vorder- 
indisch, und  weder  durch  eine  größere  Zahl  endemischer  Formen 
noch  durch  den  Mangel  hervorragender  Geschlechter  ausgezeichnet, 
aber  für  ihre  lange  Isolierung  spricht  die  Erhaltung  altertümlicher 
Typen,  deren  Verwandte  in  Hindustan  nicht  gefunden  werden,  wohl 


556  Morphologie  des  lindes. 


aber  in  den  benachbarten  Teilen  von  Dekan,  das  ja  erst  in  der 
Tertiärzeit  an  das  Festland  angegliedert  wurde.  Gregenüber  Dekan 
ist  Ceylon  also  eine  junge  Insel,  worauf  schon  die  Küstennähe  nnd 
noch  mehr  die  geringe  Tiefe  der  Palkstraße  hindeutet,  gegenüber 
dem  Festlande  aber  eine  alte  Insel.  Zu  jenen  altertümlichen  Typen 
gehört  das  Fischgeschlecht  Eutroplus,  dessen  Verwandte  nur  noch 
in  Syrien,  Afrika  und  Südamerika  vorkommen,  und  besonders  die 
Lemurengattung  Loris.  Wesentlich  anders  verhält  sich  Madagaskar 
mit  seinen  Inseltrabanten  zu  Afrika,  von  dem  es  ca.  400  km  ent- 
fernt und  durch  eine  Tiefsee  getrennt  ist.  Außer  sechs  Lemuren- 
geschlechtem  und  der  ihnen  verwandten  Familie  der  Aye-Aye  er- 
hielten sich  hier  noch  andere  seltsame  Tiergestalten,  wie  die  ende- 
mische Familie  der  Cryptoproctidae,  ein  Kollektivtypus  von  Katze 
und  Zibethkatze,  oder  die  flugunfälligen  Eiesenvögel  oder  die 
Riesenschildkröte  auf  der  Insel  Aldabra.  Die  Erhaltung  dieser 
interessanten  Faunareste  erklärt  sich  aus  der  Abwesenheit  der 
mächtigen  Feinde,  die  erst  nach  der  Abtrennung  Madagaskars 
Afrika  bevölkerten,  wie  der  echten  Affen,  der  meisten  Insekten- 
fresser und  Raubtiere,  aller  Huftiere  mit  Ausnahme  des  kosmo- 
politischen Schweines,  und  aller  Zahnarmen  und  Nager  mit  Aus- 
nahme der  ebenfalls  kosmopolitischen  Ratten  und  Mäuse.  Auch  die 
übrigen  madagassischen  Tierklassen  zeigen  bedeutende  Lücken,  und 
ebenso  bürgt  der  Reichtum  an  endemischen  Pflanzen  fiir  das  hohe 
Alter  der  ganzen  Inselgruppe. 

Aus  der  Verbreitung  der  Lemuren,  die  sich  außer  auf  Ceylon  und 
Madagaskar  noch  in  einigen  Teilen  Südasiens  und  in  Süd-  und 
Westafrika  finden,  schloß  man  einst  auf  die  Existenz  eines  Fest- 
landes, das  von  Afrika  bis  Indien  reichte,  und  das  man  Lemuria 
taufte.  Mit  Recht  wies  Wallace  von  seinem  tiergeographischen  Stand- 
punkte aus  diese  Hypothese  als  überflüssig  zurück,  da  sich  die  Lemuren 
ja  auch  als  Überreste  einer  weit  verbreiteten  Familie,  die  auch  im 
Eocän  Europas  und  Nordamerikas  nachgewiesen  wurde,  an  weit 
auseinander  liegenden  Punkten  erhalten  haben  konnten,  ohne  daÖ 
diese  jemals  unmittelbar  zusammenhingen.  Dagegen  haben  die 
geologischen  Untersuchungen  der  letzten  Jahrzehnte  den  einstigen 
Landzusammenhang  zwischen  Dekan  und  Südafrika,  der  sich  erst 
in  der  Tertiärzeit  völlig  löste,  so  wahrscheinlich  als  möglich  gemacht. 
Während  diese  beiden  Schollen  mit  der  alten  Welt  in  Verbindung 
traten,  blieb  das  madagassische  Zwischenstück  isoliert  und  auf 
einem  veralteten  faunistischen  Standpunkte  stehen. 

Einen  weiteren  Beleg  dafür,  daß  der  biologische  Beweis  der 
steten  Unterstützung  und  Berichtigung  durch  den  geologischen  be- 


Die  horizontale  Grliederung  des  Festlandee.  557 

darf,  liefert  der  ostindische  Archipel.  Die  berühmte  Wallace- 
Linie^  die  zwischen  Bali  und  Lombok,  durch  die  Makassarstraße 
und  Celebessee  verläuft,  trennt  zwei  verschiedene  Tierwelten;  hierher 
verlegte  Wallace  die  Grenze  zwischen  Asien  und  Australien.  Un- 
zweifelhaft ist  die  Fauna  der  drei  großen  Sundainseln  Sumatra, 
Borneo  und  Java,  die  durch  ein  unterseeisches  Plateau  von  nur 
50  m  mittlerer  Tiefe  an  Hinterindien  gekettet  sind,  ganz  asiatisch; 
und  wenn  auf  Java  mehrere  Säugetiere  fehlen,  die  auf  den  beiden 
anderen  Inseln  vorhanden  sind,  so  dürfen  wir  mit  Recht  schließen, 
daß  Java  sich  zuerst  losgelöst  hat.  Noch  früher  wurden  die  Philippinen, 
die  auch  außerhalb  der  200  Meter-Linie  liegen,  in  Inseln  verwandelt. 
Auch  hier  ist  nicht  etwa  ein  besonderer  Reichtum  an  endemischen 
Formen,  sondern  das  Fehlen  großer  Affen-,  Raubtier-  und  Huftier- 
geschlechter ein  Beweis  dafür.  Kleinere  Inseln  führen  nach  Formosa 
und  Celebes  hinüber,  und  auf  diesen  Straßen  fanden  spätere  Ein- 
wanderungen chinesischer  und  australischer  Vogeltypen  statt. 

.  Auf  den  östlichen  Inseln  mischen  sich  schon  indische  mit  austra- 
lischen Elementen,  und  die  letzteren  gewinnen  immer  mehr  Ober- 
hand, je  weiter  wir  uns  nach  Osten  wenden.  Besonders  merkwürdig 
ist  das  abenteuerlich  gestaltete  Celebes,  das  an  drei  Seiten  von 
tiefen  Meeresbecken  umgeben  ist,  und  noch  Überreste  einer  uralten 
Fauna  beherbergt  (eine  Affenart,  Cynopithecus  nigrescens,  den  wilden 
Stier  Anoa  depressicomis  und  die  Schweineart  Babirusa  alfurus, 
nebst  fünf  Vogelgeschlechtem),  deren  Verwandte  —  wie  wir  an- 
nehmen müssen  —  sonst  überall  ausgestorben  sind. 

Trotzdem  ist  kein  geologischer  Grund  vorhanden,  alle  Inseln 
östlich  von  der  WALLACE-Linie  Australien  zuzuweisen.  Ohne  Unter- 
brechung setzt  sich  der  sumatrisch-javanische  Bogen  über  die  Lom- 
bok-Straße  nach  den  kleinen  Sunda-Inseln  fort;  von  den  Südwest- 
Inseln  läßt  sich  ein  Vulkanbogen  bis  zu  den  Banda-Eilanden,  von 
den  Südostinseln  ein  zweiter  nach  den  südlichen  Molukken,  von 
West-Halmahera  und  Nord-Celebes  ein  dritter  und  vierter  nach 
Mindanao  verfolgen.  Dagegen  zeigen  Timor  und  Groß-Kei  schon 
eine  andere  Streichrichtung,  auch  ihr  geognostischer  Aufbau  weicht 
^on  dem  der  Sundainseln  ab  und  stimmt  in  einigen  wesentlichen 
Punkten  mit  dem  Australiens  überein.  Man  wird  daher  Maetin* 
zustimmen  dürfen,  wenn  er  erklärt,  daß  „im  Westen  von  Groß-Kei 
und  im  Nordwesten  von  Timor  eine  natürliche,  geognostisch  wohl- 
begründete Trennungslinie  zwischen  den  vom  asiatischen  und  austra- 
lischen Kontinent  abgegliederten  Inseln"  liege. 

Auch  in  anderer  Beziehung  ist  bei  der  biologischen  Beweisführung 
Vorsicht  geboten.    Neuguinea  und  Tasmanien  sind  unzweifelhaft 


558  Morphologie  des  Landes. 

australische  Kontinentalinseln  und  mit  diesem  Festlande  auch  doKh 
eine  Flachsee  verbunden.  Als  die  jüngere  Insel  erscheint  Tasmanien, 
aber  auch  hier  fehlen  einige  Beuteltiergeschlechter  und  zwei  sind 
endemisch.  «Ähnliche  Verhältnisse  finden  wir  auf  Neuguinea,  wo 
aber  auch  das  australische  Schnabeltier  fehlt  Dagegen  giebt  es  in 
seiner  Vogelwelt  zahlreiche  indische  Elemente,  ebenso  wie  unter 
seinen  Reptilien  und  Insekten,  aber  das  weist  noch  nicht  auf  eine 
Landverbindung  mit  dem  westlichen  Archipel  hin.  Die  Vögel 
und  Insekten  konnten  sich  in  diesem  inselreichen  Meer,  wo  sich  so  viele 
Ruhepunkte  ihnen  boten,  leicht  verbreiten;  und  von  den  Schlänget, 
die  auf  Neuguinea  hauptsächlich  indischen  Ursprungs  sind,  wissen 
wir,  daß  sie  auf  schwimmenden  Baumstämmen  und  auf  Schüfen  längere 
Seereisen  ausführen  können.  Dagegen  sind  die  Amphibien,  die 
mit  seltenen  Ausnahmen  allein  auf  den  Landweg  angewiesen  sind, 
insgesamt  australisch.  Im  arktischen  Meere  läßt  die  Tiergeogra- 
phie fast  ganz  im  Stiche.  Der  Eisbär  kommt  mit  dem  Treib- 
eise überall  hin,  die  Rentiere  unternehmen  weite  Wanderungen  ober 
gefrorene  Meeresstraßen,  und  auch  der  Polarfuchs,  obwohl  nicht  sc 
kühn,  kann  doch  gelegentlich  mit  Treibeis  auf  eine  fem  abhegende 
Insel  gelangen.  Ob  auch  der  gemeine  Fuchs,  der  in  Spitzbergen 
gefunden  wird,  und  die  überall  verbreiteten  Lemminge  ähnliche 
Reisen  ausführen,  ist  uns  nicht  bekannt  Dagegen  ist  das  fossile 
Vorkommen  von  Mammut  und  Rhinozeros  auf  den  Neusibirischen 
Inseln  und  der  Fund  eines  großen  Mammutzahnes  im  Innern  des 
Wrangellandes  ein  stichhaltiges  Zeugnis  für  den  einstigen  Land- 
zusammenhang. Um  die  Abstammung  des  nordamerikanischen 
Archipels  zu  erkennen,  bedarf  es  allerdings  keiner  weitläufigen  Be- 
weisführung; Nowaja-Semlja  ist  eine  Fortsetzung  des  Paechoi-Gebii^es:* 
dagegen  bleibt  die  Entwicklungsgeschichte  der  anderen  Inseln,  die  durch 
tiefe  Meere  vom  Festlande  geschieden  sind:  Spitzbergens,  König  Karl- 
Landes,  Franz  Josef-Landes,  selbst  Grönlands,  noch  in  Dunkel  gehüllt 
Nur  daß  sie  kontinentale  Inseln  sind,  erkennen  wir  daraus,  daß  sie 
alle  sedimentäre  Gesteine,  meist  von  hohem  Alter,  besitzen.  Die 
silurischen  Schichten  sind  noch  gefaltet,  die  devonischen  liegen  flach. 
Süss  hält  diese  Inseln  für  Reste  eines  alten  atlantischen  Festlandes. 
Sie  würden  somit  einer  Kategorie  angehören,  auf  die  wir  sogleich 
zu  sprechen  kommen. 

Restinseln.  Ein  doppelter  Inselbogen  begrenzt  die  ostaustralische 
Tiefsee:  Neu-Mecklenburg,  die  Salomon-Inseln  und  Neuen  Hebriden 
bilden  den  äußeren,  das  Hochgebirge  Neuguineas,  Neucaledonien 
und  Neuseeland  den  inneren  Bogen,  der  mit  dem  ostaustralischen 
Gebirge  nahezu  parallel  verläuft,  aber  im  Gegensatze  zu  diesem  ans 


Die  horizontale  Gliederung  des  Festlandes.  559 


jungen   Falten    besteht.     Die  Lücken   zwischen    diesen   drei   Insel- 
schollen sind  ungewöhnlich  groß  (1400  km),  von  dem  nächsten  Punkte 
der  australisch-tasmanischen  Masse  ist  Neucaledonien   1300,    Neu- 
seeland 1500  m  entfernt;  Meerestiefen  von  4000  m  liegen  zwischen 
ihnen    und  Australien.     Von   allen  Kontinentalinseln    der  Erde  ist 
Neuseeland   die    einsamste,  ihrer  Lage    nach   echt   ozeanisch.     Die 
Tier-  und  Piianzengeographie  lehrt  uns  aber  auch,  daß  sie  die  älteste 
Insel   ist     Während   australische   Beuteltiere   noch   nach   Neucale- 
donien gelangten,   erreichten   sie  Neuseeland   nicht  mehr.    Bis  zur 
Ankunft  der  Europäer  besaß  diese  Doppelinsel  nur  einige  fliegende 
Säugetiere  und  ein   einziges  Amphibium  (die  Froschart  Liopelma), 
das  mit  Arten  in  Südamerika  und  Europa  verwandt  ist.     Die  Ab- 
wesenheit aller  mächtigen  Tiergeschlechter  gestattete   hier,    wie  auf 
den  madagassischen  Inseln,   die  Erhaltung  großer  flügelloser  Vögel, 
die  außerdem  noch  auf  der  Chatam-,  Auckland-,  Lord  Howe-   und 
Norfolkinsel  vorkommen.  Das  sind  die  äußersten  nachweisbaren  Grenzen 
des  einstigen  neuseeländischen  Festlandes,  ob  es  nach  Süden  bis  zur 
Campbellinsel  reichte,  bleibt  nach  Filhols  Untersuchungen  zweifel- 
haft.   Bestand  jemals  eine  Verbindung  mit  Australien,    so   muß   sie 
sich   schon    in    der   Sekundärzeit    gelöst    haben.     Allerdings    ent- 
hält die  neuseeländische  Vogel-  und  Pflanzenwelt  eine  beträchthche 
Anzahl  australischer  Elemente,  aber  bezüglich  jener  erklärt  Wallace 
und  bezüglich  dieser  Engleb,  daß  sie   nicht   notwendig   auf  einen 
ehemaligen  Landzusammenhang  hinweisen.     Vielleicht  repräsentiert 
uns    also   Neuseeland   mit   seinen   Trabanten   eine  eigene  Art  fest- 
ländischer Inseln,  die  KiEOHHOFF®  im  Gegensatze  zu  den  Abgliede- 
rungsinseln  verschiedenen  Alters  als  Restinseln  bezeichnet  hat.  Die 
Namen  sind  deuthch  genug:  Abgliederungsinseln  sind  selbständig  ge- 
wordene Randgebiete  bestehender  Festlandsmassen,   Restinseln  sind 
Reste  untergegangener  Festländer. 

Seit  A.  Wichmanns  Untersuchung  der  Gesteine  der  Fidschi- 
inseln ^  ist  die  Frage  aufgetaucht,  ob  nicht  auch  einige  von  den 
hohen  polynesischen  Inseln,  denen  man  gewöhnlich  vulkanischen  Ur- 
sprung zuschreibt,  zu  den  Restinseln  zu  zählen  seien.  Sicher 
ist,  daß  Viti-Levu  neben  tertiären  Eruptivgesteinen  und  Tuffen 
alte  massige  Gesteine  und  krystallinische  Schiefer  besitzt.  Paläozoische 
und  mesozoische  Schichten  fehlen  ganz,  und  dies  deutet  auf  eine 
Festlandsperiode.  Auf  den  Palauinseln  werden  sowohl  am  Meeres- 
strande wie  in  Höhen  von  400  m  Blöcke  aus  Granit  und  Diabas 
angetroff^en;  und  es  ist  wahrscheinlich,  daß  sie  auch  anstehend  ge- 
funden werden.  Endlich  wird  von  den  weit  im  Osten  liegenden 
Marques as   gemeldet,   daß   sie   aus   Granit   und   Gneiß    bestehen. 


560  Morphologie  des  Landes. 


Diese  letzteren  Angaben  sind  allerdings  noch  nicht  zuverlässig  genug, 
um  als  Grundlage  einer  neuen  Theorie  über  den  Ursprung  der  hohen 
Inseln  in  der  Südsee  zu  dienen,  aber  jedenfalls  muß  die  Frage,  ob 
diese  Inseln  oder  wenigstens  ein  Teil  derselben  nicht  als  Reststüeke 
eines  untergetauchten  Kontinents  zu  betrachten  seien,  offen  gelassen 
werden.  Es  ist  jedenfalls  bemerkenswert,  daß  die  paläontologischen 
Untersuchungen  Zittels  die  Wahrscheinlichkeit  einer  alten  Land- 
verbindung  zwischen  Australien  und  Südamerika  sehr  nahe  legen. 

Litteraturnachweise.  *  Hahn,  Inselstudien,  Leipzig  1883.  AuBerordenc- 
lich  reich  an  Beobacbtungsmaterial,  die  Ergebnisse  in  Bezug  auf  die  Einteilong 
können  wir  jedoch  nicht  annehmen.  —  *  cit.  S.  496,  u.  6.  —  •  Wallace,  Island  Life, 
London  1880.  —  *  Martin,  Die  Kei-Inseln,  in  der  Tijdschrift  van  der  Neder- 
landsch  Aardrijskundig  Genootschap,  1890.  —  *  A.  Wichmann,  Zur  Geologie  von 
Nowaja-Semlja,  in  d.  Zeitschrift  d.  Deutschen  Geologischen  Gesellschaft  1886.  — 
•  Kirchhoff,  Das  genetische  Inselsystem,  in  der  Zeitschrift  far  wissenschaftlicbe 
Geographie,  Bd.  III,  1882.  —  '  A.  Wichmann,  Petrographie  des  Viti- Archipels, 
in  TscHERMAKS  mineralogischen  Mitteilungen,  Bd.  V,  1883. 

Ursprüngliche  Inseln. 

Alle  ursprünglichen  Inseln  sind  auf  dem  Meeresgrunde  ent- 
standen und  entweder  durch  eine  negative  Niveauveränderung  oder 
lediglich  durch  Anhäufung  an  die  Oberfläche  gelangt 

Hebungsinseln.  Wenn  wir  hören^  daß  in  unseren  Tagen  an  der 
esthnischen  Küste  zwischen  Dago  und  Worms  die  Klippeninsel  Harri- 
laid  auftauchte,  oder  daß  man  die  Golfstrominseln  an  der  Nordseite 
von  Nowaja-Semlja  1871  genau  an  der  Stelle  entdeckte,  wo  1594 
eine  Sandbank  von  33  m  Tiefe  gelotet  worden  war,  so  liegt  die  Annahme 
nahe,  daß  hier  eine  Hebung  stattgefunden  hat  In  anderen  Fällen 
muß  es  unentschieden  bleiben,  ob  Hebung  oder  Aufschüttung  der 
inselbildende  Vorgang  war,  wie  bei  der  Insel  Edmondstone  zwischen 
der  Mündung  des  Hugli  und  dem  Kanal  de  la  Baye  (Gangesdelta), 
die  nach  einem  Berichte  von  1819  innerhalb  von  fünf  Jahren  aus 
einer  Sandbank  zu  einem  Eilande  von  3  km  Länge  und  ca.  ^/^  km 
Breite  heranwuchs  und  eine  solche  Höhe  erreichte,  daß  sie  nur  noch 
von  den  höchsten  Sturmfluten  überspült  wurde.  Im  allgemeineo 
scheinen  reine  Hebungsinseln  außerhalb  des  Korallengürtels  selten 
zu  sein. 

Yulkaninseln.  Daß  vulkanische  Ausbrüche  auf  dem  Boden  des 
Meeres  häufig  sind  und  manchmal  auch  zur  Bildung  von  Inseln 
führen,  ist  schon  auf  S.  316  erwähnt  worden.  Aber  es  muß  in  jedem 
einzelnen  Falle  erst  entschieden  werden,  ob  eine  Vulkaninsel  wirküch 
als   eine  ursprüngliche  zu  betrachten  ist     So  besteht  auf  Santorin 


.=^ 


Ursprüngliche  Inseln.  561 


(s.  Fig.  78  S.  305)  der  Kern  von  Thera,  der  große  St  Eliasberg,  ans 
krystallinischen  Schiefem  nnd  Kalkstein,  nnd  erweist  sich  somit  als 
ein  echtes  Glied  der  kontinentalen  Inselgrappe  der  Cykladen.  Ebenso 
ist  Zannone,  eine  der  Pontinischen  Inseln,  nach  Dölter^  nur  ein 
durch  vulkanische  Neubildung  vergrößertes  Reststück  der  inneren 
apenninischen  Gebirgskette;  und  derselbe  Forscher  berichtet,  daß 
die  Vulkangruppe  der  Capverden  einst  den  Westrand  von  Afirika 
gebildet  habe,  da  sich,  mit  Ausnahme  der  westlichsten  Insel,  auch 
krystallinische  Schiefer  und  andere  Sedimentgesteine  an  ihrem  Baue 
beteiligen.*  Aber  selbst  dann,  wenn  eine  küstennahe  Insel  nur  aus 
vulkanischen  Massen  zusammengesetzt  ist,  kann  man  sich  über  ihre 
Vorgeschichte  täuschen,  wenn  man  nicht  alle  maßgebenden  Momente 
berücksichtigt.  Die  drei  Inseln  im  Guineagolfe  bestehen  aus  Eruptiv- 
gesteinen, wie  das  Kamerungebirge  an  der  Küste;  aber  im  Gegen- 
satze zu  S.  Thomfe  imd  der  Prinzeninsel  beherbergt  Fernando  Po 
zahlreiche  Säugetiere,  und  von  diesen,  wie  von  der  übrigen  Fauna 
ist  wahrscheinlich  keine  Art  endemisch.  Fernando  Po  ist  also  eine 
festländische  Insel  von  sehr  jugendlichem  Alter,  während  die  beiden 
anderen  ursprüngliche  Inseln  sind.  Schwierig  ist  die  Entscheidung 
bezüglich  der  Comoren,  wo  zwei  endemische  und  zwei  madagassische 
Landsäugetiere  gefunden  werden;  aber  Wallace  läßt  die  Frage 
oflfen,  ob  sie  nicht  auf  schwimmenden  Bäumen  hierher  gebracht 
wurden.  Dagegen  sind  die  Maskarenen,  die  weder  einheimische 
Landsäuger,  noch  Amphibien  besitzen,  sicherlich  Meeresgeburten. 
Die  größte  aller  ursprünglichen  Inseln  ist  Island.  Sie  besteht  aus- 
schließlich aus  Laven  und  Tuffen,  die  bis  in  die  Miocänzeit  zurück- 
reichen.^ Um  so  mehr  überrascht  ihre  Fauna,  die  auf  den  ersten 
Blick  an  die  Verhältnisse  von  Kontinentalinseln  gemahnt.  Aber  von  den 
drei  Säugetieren  können  der  Polarbär  und  der  arktische  Fuchs,  die  eine 
circumpolare  Verbreitung  besitzen,  auf  Treibeis  hierher  gelangt  sein, 
und  die  angeblich  endemische  Mausart  gehört  einer  kosmopolitischen 
Familie  an  und  wurde  vielleicht  durch  die  ersten  Kolonisten  ein- 
geführt. Von  den  Vögeln  sind  3  endemisch,  20  europäisch  und  2 
amerikanisch;  aber  auch  sie  deuten  nicht  mit  'Notwendigkeit  auf 
einen  einstigen  Landzusammenhang  hin,  denn  noch  jetzt  besuchen 
alljährlich  45  europäische  und  1  grönländische  Vogelart  die  Insel. 
Auch  daraus  ersehen  wir  wieder,  wie  der  biologische  und  der  geo- 
logische Beweis  immer  zusammenwirken  müssen,  um  uns  zu  einiger- 
maßen sicheren  Schlüssen  zu  fuhren. 

Koralleninseln.^  Zu  den  interessantesten  Erscheinungen  der  Erd- 
oberfläche gehören  die  Koralleninseln.  Die  riff bildenden  Korallen, 
diese  unermüdlichen  „Arbeiter  des  Meeres",  sind  gallertartige  Zellen, 

SuPAsr,  Physische  Erdkunde.    2.  Aufl.  36 


562  Morphologie  des  Landes. 


die  eine  kalkige  Substanz  ausscheiden.  Die  Vermehrung  geschieht 
durch  Enospung,  wobei  keine  vollständige  Trennung  der  Individuen 
eintritt,  so  daß  jede  Familie  mit  ihren  lebenden^  wie  mit  ihren 
abgestorbenen  Gliedern  einen  gemeinsamen  Stock  bildet  F^ter 
Meeresgrund,  ungetrübtes  Salzwasser,  genügende  Nahrungszufuhr 
durch  Wellenschlag  oder  Strömungen,  und  eine  Temperatur,  die 
selbst  im  Mittel  des  kältesten  Monats  nicht  unter  20^  sinkt,  sind 
die  unerläßlichen  Bedingungen  ihrer  Existenz.  Aus  dem  letzteren 
Grunde  sind  sie  einerseits  an  die  Tropenmeere  gebunden,  und  bleiben 
auch  hier  den  Gebieten  der  kalten  Meeresströme  fern  (s.  Karte  XVII). 
und  sind  anderseits  nur  auf  die  oberen  Schichten  des  Meeres  be< 
schränkt  Leider  ist  ihre  Tiefengrenze  nicht  genau  festgestellt  man 
hat  bis  zu  80  m  Tiefe  lebende  Korallen  gefunden,  aber  im  all- 
gemeinen dürfte  die  eigentliche  Biffzone  mit  üppigem  Wachstume 
nicht  tiefer  reichen,  als  30 — 40  m. 

Meistens  vereinigen  sich  in  einer  Kolonie  mehrere  Korallen- 
arten, von  denen  sich  die  einen,  entsprechend  ihren  besonderen 
Lebensbedürfnissen,  vorzugsweise  auf  die  unteren,  die  anderen  vor- 
zugsweise auf  die  oberen  Wasserschichten  beschränken.  In  dem 
Maße,  in  welchem  die  Ansiedler  sich  vermehren  und  die  Individuen 
an  der  Basis  oder  im  Innern  des  Baues  absterben,  wächst  dieser  iu 
die  Höhe  und  Breite.  Eine  Grenze  bildet  nur  das  Niveau  des 
Niedrigwassers;  aber  einige  Korallen,  die  sich  einer  zeitweisen  Be- 
sonnung ohne  ernste  Folgen  aussetzen  können,  wachsen  sogar 
darüber  hinaus,  etwa  bis  zu  einem  Drittel  der  Fluthöhe.  Zu  diesen 
gehören  besonders  die  Poriten,  das  widerstandsfähigste  aller  Polypen- 
geschlechter, das  sogar  im  getrübten  Wasser  noch  leben  kann. 
Die  Korallenstöcke  bilden  aber  nur  das  Skelett  des  Bififes;  auch 
andere  Meerestiere  nisten  sich  in  den  Zwischenräumen  desselben 
ein,  vor  allem  aber  ist  es  das  Meer,  das  dem  Baue  Festigkeit 
verleiht  Unablässig  zerbröckelt  es  die  Außenseiten  des  Biffes  und 
zerreibt  die  abgerissenen  Stücke  zu  Sand,  den  es  einerseits  in  den 
Fugen  des  Bauwerkes  ablagert,  anderseits  bei  heftigen  Stürmen  auf 
der  Oberfläche  desselben  aufwirft,  so  daß  der  Korallenfels  allmählich 
über  das  Niveau  des  Hochwassers  sich  erhöht  Wir  haben  dann 
zwei  Teile  zu  unterscheiden,  den  unterseeischen  oder  das  Riff,  und 
den  oberseeischen,  aufgeschütteten,  insularen  Teil.^ 


X  Die  Terminologie  ist  übrigens  schwankend.  Manche  verstehen  unter 
Korallenriffen  die  die  Rüsten  der  Kontinente  und  Inseln  umsSomenden 
Korallenbildungen,  und  unter  Korall eninse In  die  isolierten  Korallenbildongen 
auf  hoher  See. 


Ursprüngliche  Inseln. 


563 


Über  das  Wachstum  der  Korallen  lauten  die  Angaben  ver- 
schieden. Eine  sehr  interessante  Thatsache  hat  v.  Lehnebt  mitge- 
teilt^ Das  große  Bum-Bum-Eiff  an  der  Nordostküste  von  Bomeo,  das 
1875  ganz  nahe  der  Meeresfläche  lag,  erscheint  auf  den  Plänen  der 
Bum-Bum-lnseln,  die  Sir  Edwabd  Belcher 
im  Jahre  1843  aufnahm,  nicht  einmal  an- 
gedeutet; und  da  die  Möglichkeit  des  Über- 
sehens  wohl  ganz  ausgeschlossen  ist,  so  muß 
das  Rifif  damals  mindestens  6  m  tiefer  ge- 
wesen sein.  Das  ergiebt  eine  jährliche  Höhen- 
zunahme von  wenigstens  20  cm,  oder,  wenn 
man  die  Ausdehnung  des  ganzen  Korallen- 
feldes (193  qkm)  berücksichtigt,  eine  jährliche 
Vermehrung  der  Kalkmasse  um  ca.  39  MiU.   ^2l:iZT^Zot 

Kubikmeter.  Gruppe).  HöhenundTiefen 

In   Bezug    auf    die    geographische   Ver-  *  ^°  Metern, 

breitung    unterscheiden   wir  Saumriffe    und 

selbständige  Riffe.  Die  einfachste  Form  der  Saumrifife  — 
so  genannt,  weil  sie  Festländer  oder  Inseln  umsäumen  —  sind 
die  Küstenriffe,  die  sich  unmittelbar  an  das  Gestade  anschließen, 
mit  Ausnahme  jener  Stellen,  wo  die  Küste  zu  größeren  Tiefen 
abstürzt,    oder    wo    einmündende    Flüsse    oder    Strömungen    das 


Fig.  192.     Bolabola-Insel  (Gesellschafts-Grappe)  mit  einem  Teile  ihres  WaUriffes 

nach  Darwin. 


Meerwasser  trüben.  Der  Außenrand  des  Riffes  ist  meist  etwas  er- 
höht, weil  hier,  wo  die  Nahrungszufuhr  am  reichlichsten  ist,  die 
Korallen  kräftiger  gedeihen  und  rascher  wachsen.  Von  dem  Außen- 
rande gegen  das  Land  hin  vertieft  sich  das  Rifif  etwas  und  bildet 
einen  schmalen,  seichten  Kanal,  der  durch  das  von  den  Wogen 
hineingeschleuderte  Material  bald  ausgefüllt  werden  würde,  wenn 
nicht    eine    rückläufige    Strömung    aus    dem    Kanal    heraus    für 

36* 


564 


Morphologie  des  Landes. 


seine  Reinhaltung  sorgte.  Die  Breite  der  Riffe  schwankt  zwischen 
ca.  45  und  90  m;  ihre  hei  Ebhe  kaum  bedeckte  Oberfläche  ist  hart 
und  glatt;  Inselbildungen  sind  selten.  Sehr  beträchtlich  ist  die  Ent- 
fernung zwischen  der  Küste  und  den  Wallriffen, ^  die  die  zweite 
Art  der  Saumriffe  bilden.  Besonders  bekannt  ist  das  Riff,  das  die 
Nordostküste  Australiens  in  einer  Entfernung  Ton  30—50,  stellen- 
weise von  80 — 140  km  und  in  einer  Länge  von  ca.  1770  km  be- 
gleitet; die  Tiefe  des  Kanals  zwischen  Riff  und  Küste  betragt 
20 — 80  m,  und  steigert  sich  im  Süden  sogar  bis  110  m.  Meist  sind 
es  aber  einzelne  Inseln  oder  Inselgruppen  aus  sedimentären  oder  vulka- 
nischen Gesteinen,  die  von  Wallriffen  umgeben  werden  (Fig.  191). 
Die  Tiefe  des  Kanals  variiert  hier  von  ein  paar  bis  über  hundert 
Meter.  Sein  Boden  ist  mitKoraUensand  und -Schlamm  oder  mit  Riffen 
bedeckt.  Öfihungen  in  verschiedener  Anzahl,  oft  tief  genug,  um 
größeren  Schiffen  den  Eingang  zu  gestatten,  führen  aus  dem  Meere 
in  die  ruhige  Lagune,  die  dann  einen  natürlichen  Hafen  bildet. 
Der  Durchmesser  des  Riffes  schwankt  zwischen  5  und  47  km. 
Größere  und  kleinere  Inseln  bedecken  es,  aber  nur  selten  ist 
(wie  in  Fig.  192)  ein  beträchtlicher  Teil  des  Korallenbaues  in  Land 
verwandelt. 


ATOLL  OTDLA.  in  den  I^L/OIS  HALL  TN  SEEN 

MomAatob  l:U>OaOOO 
VO' 


Fig.  193.     Atoll  Otdia  (MarshalMnsel).     Tiefen  in  Metern. 

ungefähr  dasselbe  gilt  auch  von  den  langgestreckten  Atollen 
oder  den  selbständigen  Korallenbildungen  der  Tiefsee,  aus  der  sie 
sich  steil  erheben  (Fig.  193).  In  der  Regel  umschließen  sie  eine  Lagune, 
die  nur  bei  wenigen  kleinen  Atollen  fehlt,  d.  h.  wahrscheinlich  ausgefüllt 
ist.  Das  meist  von  mehreren  Ofinungen  unterbrochene  Riff  trägt  Inseln, 
die  an  der  Windseite  am  höchsten  sind;  nur  in  wenigen  Fällen 
(Fig.  194)  finden  wir  es  in  eine  vollständige  Ringinsel  verwandelt 


^  Andere  Benennungen  sind:  Barriere-,  Damm-  und  Kanalriffe. 


Ursprüngliche  Inseln. 


565 


Anch  aus  der  bald  seichten,  bald  bis  zu  90  m  tiefen  Lagune  steigen 
Inselchen  empor,  die  beispielsweise  in  den  nördlichen  Malediven  selbst 
wieder  kleine  Seen  klaren  Salzwassers  enthalten.  Fig.  195  stellt 
einen  Durchschnitt  durch  eine  Insel  dar.  ab  ist  eine  Terrasse  aus 
Korallenfels,  ungefähr  90  m  breit  und  nur  bei  Ebbe  trocken.  Darüber 
erhebt  sich  2 — 2^2  ua  hoch  und  gewöhnlich  250 — 360  m  breit  die 
aus  Korallensand  aufgeschüttete  Insel,  die  die  tropische  Lebensfiille 
mit  einer  dichten  Pflanzendecke  bekleidet  hat.     „Die  Unendlichkeit 


Fig.  194.     Pfingstinsel  (Paumotu-Gruppe)  naoh  Darwin. 


des  Ozeans,"  sagt  Dabwin,  „die  Wut  der  Wellen  im  scharfen  Gegen- 
satze zur  niedrigen  Erhebung  des  Landes  und  zur  Glätte  des  hell- 
grünen Wassers  innerhalb  der  Lagune  kann  man  sich  kaum  vorstellen, 
ohne  dies  alles  gesehen  zu  haben."  Aber  nicht  alle  Koralleninseln 
sind  flach,  manche  haben  durch  eine  negative  Niveauveränderung 
eine    beträchtliche  Höhe    erlangt     Daß    die  Existenz    der  niederen 


OxeaxL 


Lafimc 


Fig.  195.     Querschnitt  durch  ein  Atoll  nach  Dana. 


Inseln  beständig  gefährdet  ist,  und  daß  wohl  kein  Jahr  vergeht, 
ohne  daß  eine  oder  die  andere  verschwindet,  ist  verständlich; 
und  anderseits  leuchtet  es  ein,  daß  Sturmfluten  hierzu  völlig  aus- 
reichen und  daß  die  Annahme  einer  positiven  Bewegung  ganz  über- 
flüssig ist 

Theorie  der  Koralleninseln.  Wenn  man  aber  an  dieser  An- 
nahme hartnäckig  festhielt,  so  hat  dies  seinen  Grund  darin,  daß  sie 
eine  mächtige  Stütze  der  DAEWiNschen  Theorie  von  der  Entstehung 


566  Morphologie  des  Landes. 


der  Koralleninseln  bildete.  Dabwin  ging  von  der,  zu  seiner  Zeit 
auch  begründeten  Voraussetzung  aus,  daß  der  ozeanische  Steilabfall 
der  Atolle  und  Wallriffe  nur  von  Korallenmauern  gebildet  werden 
könne.  Man  gelangte  infolgedessen  zu  der  Vorstellung  von  einer 
bedeutenden  Mächtigkeit  der  Wallriffe  und  Atolle.  Für  die  ersteren 
suchte  man  in  einigen  Fällen  die  Mächtigkeit  zu  berechnen,^  und 
fand  Beträge  bis  zu  600,  ja  bis  zu  1000  m  und  darüber.  Bringt 
man  dieses  Resultat  in  Verbindung  mit  der  Thatsache,  daß  die 
Polypen  nur  bis  zu  einer  gewissen  Tiefe  leben  können,  so  kommen 
wir  notwendigerweise  zu  dem  Schlüsse,  daß  hier  eine  positive  Niveau- 
veränderung stattgefunden  hat,  daß  dieselbe  aber  so  langsam  war, 
daß  die  Fortfuhrung  des  Korallenbaues  bis  an  den  Meeresspiegel 
damit  gleichen  Schritt  halten  konnte.  Jedes  Atoll  begann  nach 
dieser  Theorie  seine  Laufbahn  als  Küstenriff  um  eine  Insel,  wie 
es  Fig.  197  im  Durchschnitte  darstellt.  Steigt  das  Meeresniveau  von 
w!m  auf  m"m"  oder  sinkt  der  Boden  um  denselben  Betrag,  so  er- 
höht sich  die  äußere  Korallenmauer  und  es  entsteht  zwischen  ihr 
und  dem  Gestade  ein  breiter  und  tiefer  KanaL  Dauern  diese  Vor- 
gänge fort,  so  verschwindet  endlich  die  zentrale  Insel  und  wird  von 
Korallen  tiberwuchert;  aber  das  Atoll  behält  die  ursprüngliche  Form 
des  Wallriffes  bei,  und  der  Kanal  schließt  sich  zu  einer  Lagune 
zusammen.  Jedes  Atoll  ist  also  der  Leichenstein  einer  begrabenen 
Insel. 

Was  bei  dieser  Theorie  zunächst  besticht,  ist  die  genetische 
Verknüpfung  der  verschiedenen  ßiffbildungen,  die  ja  in  der  That 
alle  möglichen  Übergänge  selbst  in  verhältnismäßig  kleinem  Saume 
aufweisen.  Im  Fidschi- Archipel®  repräsentiert  uns  Koro  das  erste 
Stadium,  das  eng  sich  anschmiegende  Küstenriff.  Ngau  ist  im 
Osten  von  einem  Küsten-,  im  Westen  von  einem  Wallriffe  begleitet 


^  Da  es  wichtig  ist,  die  Rechnungsmetbode  kennen  zu  leinen,   in  deren 
Resultaten  die  DARWiNsche  Theorie  eigentlich  ihre  Begründung  sucht,  so  möge 

hier  ein  Beispiel  von  Dana  folgen ; 

^^X  ^^ "^ ^f^       ^-  1^^>     i**     ^^^    ^®      ausge- 

zogenen   Linien    dem    der    Be- 
obachtungen   Zugänglichen ,    die 
punktierten  Linien  aber  dem  Hj- 
Fig.  196.     Mächtigkeit  der  Korallenriffe.  pothetiscben     entsprechen,    dient 

zur  Erläuterung.  Bekannt  ist 
nur  der  Böschungswinkel  (p  und  die  Entfernung  (/)  der  Küste  von  dem  Außen- 
rand des  Riffes;  angenommen  wird  1)  daß  (p  ^  q^\  und  2)  daß  die  Inselbdschung 
sich  als  eine  schiefe  Ebene  mit  gleichmäßigem  Gefälle  unter  dem  Meeres- 
spiegel fortsetze,  m  (Mächtigkeit  des  Riffes)  ist  dann  ^  ltg<p,  Ist  /  =  1  engl. 
Meile  (1609,3  m)  und  (p  ^  S^,  so  ist  m  =  226  m. 


Ursprüngliche  Inselo.  567 


Im  benachbarten  Nairai  tritt  das  Riff  schon  allseitig  von  der  Küste 
zurück.  In  den  Exploring  Isles  ist  der  nichtkorallinische  Kern 
schon  stark  zusammengeschmolzen^  in  Yangasa  Cluster  sehen  aus 
der  Lagune  nur  noch  ein  paar  Spitzen  heraus;  Bukatatanoa,  die 
ßinggolds  Isles  u.  a.  sind  endlich  reine  Atolle.  Auch  das  Neben- 
einander verschiedener  Entwicklungsstadien  ist  mit  der  DAswiNschen 
Theorie  sehr  wohl  verträglich,  man  hat  nur  eine  ungleichmäßige 
Senkung,  eine  Verbiegung  des  Meeresbodens,  oder  eine  gleichförmige 
Niveauveränderung  eines  in  seinen  Erhebungen  rasch  wechselnden 
Geländes  anzunehmen.  Indes  giebt  es  auch  ungeheuere  Flächen, 
wo  die  Atollform  fast  ausschließlich  herrscht.     Im  Indischen  Ozean 

1.  Stadima.  ^.Stadium.  3.StAdi]i]iL. 


Zäxtmrifr  aOD  WaBrUr  nm7  Atoll  UjU 

^■i  AmA  aas  aOndkardsdian,  G^gtaxv, 
BBU  KanMBänbüdjmym.  * 
mitt     yfetresspiegei . 


Fig.  197.     DARWiNsche  Riff-Theorie. 

bilden  die  Lakkadi ven,  Malediven  und  Tschagos  eine  meridionale 
Kette;  abseits  liegt  die  Saya  de  Malha-Bank.  In  der  Südsee  er- 
streckt sich  die  Atollzone  über  35  Breitengrade,  von  den  Carolinen 
über  die  Marshall-,  Gilbert-,  Ellice-,  Phönix-,  Tokelau-  und  Manihiki- 
gruppe  zur  Inselwolke  des  Paumotu.  Im  Süden  wie  im  Norden  be- 
grenzen sie  Gebiete  mit  vorherrschenden  Küstenriffen.  Auch  diese 
regionale  Anordnung  ist  der  DABwiNschen  Theorie  im  hohen  Grade 
günstig. 

Aber  gerade  im  pazifischen  Atollgürtel  begegnen  wir  auch  ge- 
hobenen Korallenfelsen,  also  sicheren  Beweisen  einer  negativen  neben 
angeblichen  Zeichen  einer  positiven  Niveauveränderung.  Mit  Aus- 
flüchten, wie  daß  diese  Hebungen  „lokal"  oder  daß  sie  „vulkanisch" 
seien,  ist  das  Problem  nicht  aus  der  Welt  geschafft.  Gerland^ 
sah  sich  jüngst  veranlaßt,  der  DARwmschen  Hypothese  eine  neue 
hinzuzufügen,  um  die  erstere  zu  stützen,  indem  er  den  unterseeischen 
Vulkanen,  auf  deren  Gipfeln  die  Atolle  nach  seiner  Ansicht  auf- 
ruhen, die  sonst  unbekannte  Fähigkeit  zuschreibt,  einzeln  auf-  und 
abzuschwanken. 

Von    den  Schwierigkeiten,   die    die  Hebungen  boten,    ging  die 


568  Morphologie  des  Landes. 


Opposition  gegen  Darwin  aus,  die  besonders  Sempeb,  Rbik,  Mureat 
und  GuppY  vertreten.  Die  Anhänger  der  DABWiNschen  Theorie  geben 
übrigens  selbst  zu,  daß  diese  auf  die  Riffbildungen  der  Flachsee 
keine  Anwendung  findet.  Auf  Bänken,  die  sich  in  tropischen  Meeren 
bis  zur  Biffzone  erheben,  siedeln  sich  Korallen  an,  überziehen  krusten- 
artig den  Boden,  wachsen  in  die  Höhe,  aber  an  den  Bändern  kraf- 
tiger, als  in  der  Mitte,  und  so  entstehen  atollartige  Bildungen,  ohne 
jemals  WallriflFe,  und  Wallriffe,  ohne  jemals  Küstenriffe  gewesen  zn 
sein.  Die  westindischen  Gewässer,  die  Umgebung  der  Philippinen, 
die  Javasee,  die  Gegenden  nördlich  von  Madagaskar  und  an  der 
Nordwestküste  Australiens  sind  Heimstätten  solcher  Krustenriffe, 
wie  sie  jüngst  Penck  getauft  hat. 

Warum  sollte  in  der  Tiefsee  nicht  ein  gleicher  Prozeß  sich 
vollziehen?  Am  15.  Oktober  1885  entstieg  der  Südsee  unter  20®29'^>- 
175^21^2' W.,  wo  18  Jahre  vorher  eine  Untiefe  gelotet  worden  war. 
die  vulkanische  Falkeninsel.®  Als  das  britische  Kriegsschiff  „Egeria- 
sie  1889  untersuchte,  hatte  sie  durch  die  Meereswogen  schon  be- 
trächtlich gelitten,  an  der  Windseite  war  eine  Abrasionsplatte  ent- 
standen, und  man  darf  vermuten,  daß  die  Zerstörung  immer  weiter 
fortschreitet.  Die  Insel  verwandelt  sich  in  eine  seichte  Bank,  und 
ist  einmal  die  vulkanische  Kraft  erloschen,  so  ist  ein  Nährboden  für 
Korallen  geschaffen.  Hat  doch  auf  Krakatau  schon  6  Jahre  nach 
dem  verheerenden  Ausbruche  eine  Korallenkolonie  wieder  Fuß  ge- 
faßt!^ Auch  nichtvulkanische  Bänke,  örtliche  Sedimentanhäufimgen, 
wie  man  meint,  hat  uns  die  Tiefseeforschung  der  letzten  Zeit  kennen 
gelehrt,  und  wir  haben  Beispiele  davon  schon  auf  S.  196  genannt. 
Auch  hier  wäre  in  einer  nicht  zu  fernen  Zukunft  die  Möglichkeit 
zur  Ansiedelung  von  Korallen  geboten. 

Was  hier  als  Möglichkeit  ins  Auge  geÜEißt  wurde,  hat  sich  in 
der  That  schon  ereignet  Die  364  m  hohe  Weihnachtsinsel  (Christ- 
mas Island)  südlich  von  Java  ist  ganz  mit  Korallenkalk  überkleidet, 
der  Körper  der  Insel  besteht  wahrscheinlich  aus  vulkanischem  Ge- 
stein, von  dem  allerdings  nur  ein  Bollstück  gefunden  wurde.  ^^  Im 
Salomons- Archipel,  dessen  Untersuchung  wir  Güppy  verdanken," 
ruht  Korallenkalk  entweder'  auf  Foraminiferen-Kalkstein  oder  direkt 
auf  dem  vulkanischen  Kern.  Die  westindische  Insel  Barbadoes 
baut  sich  nach  J  ukes- Brown  ^*  aus  drei  Etagen  auf:  die  unterste 
sind  Sandsteine  und  Thone,  ähnlich  dem  älteren  Tertiär  von  Trinidad; 
dann  folgt  verfestigter  Radolarien-  und  Foraminiferenschlamm  (pliocän 
oder  nachpliocän)  und  endlich  Korallenriffe.  Wir  müssen  uns  daran 
erinnern,  daß  Foraminiferenablagerungen  nur  in  der  Tiefsee  ent- 
stehen; die  Salomonen  und  Barbadoes  stiegen  also  aus  der  Tiefsee 


Ursprüngliche  Inseln.  569 


in  die  Höhe,  gelangten  endlich  in  die  Eorallenzone,  schließlich  an 
die  Oberfläche. 

Daran  kann  kein  Zweifel  sein:  Atolle  können  sich  auch  in  Ge- 
bieten ohne  jede  Niveauveränderung,  wie  in  solchen  mit  negativer 
Niveauveränderung  bilden.  Aber  damit  ist  die  DABwmsche  Theorie 
noch  immer  nicht  aus  ihrer  letzten  und  eigentlichen  Domäne  ver- 
drängt Es  handelt  sich  um  die  Erklärung  der  großen  Atollzonen 
und  der  Wallriffe. 

Der  Beweis  für  die  Senkung,  den  man  aus  der  Mächtigkeit  der 
Riffe  herleitet,  ist  indes  nicht  einwandfrei.  Allerdings  kommen  an 
Riffen  steile  Abstürze  vor  —  an  der  Masämarhu-Insel  (18^,49'  N. 
38^45*  0)  bis  zu  77^**  — ,  aber  gelegentlich  finden  sich  solche 
auch  bei  Vulkaneilanden.  Die  Mittelwerte,  die  Dietmch  **  berechnet 
hat,  zeigen  zwischen  vulkanischen  und  korallinischen  Inseln  keine 
sehr  erheblichen  Unterschiede,  um  so  größere  aber  zwischen  diesen 
beiden  Kategorien  und  den  KontinentaUnseln.  ^  Die  Behauptung,  daß 
alle  steü  abfallenden  unterseeischen  Partien  gewachsener  Korallen- 
fels sind,  ist  bis  auf  weiteres  nur  Behauptung.  Wir  betonen  aus- 
drücklich „gewachsener**  Fels,  denn  wohl  ist  davon  zu  unterscheiden 
der  Kalkfels,  der  aus  einem  Gemische  von  Korallentrümmem  und 
den  Zuthaten  anderer  kalkabsondemder  Meeresorganismen  besteht. 
An  überseeischen  Riffen  ließe  sich  wohl  die  Mächtigkeit  prüfen,  nur 
darf  man  diese  nicht  ausschließlich  nach  der  Seehöhe  beurteilen. 
Das  Santa  Anna- Atoll  im  Salomonsarchipel  ist  bis  140  m  gehoben, 
aber  die  korallinische  Kruste  kann  nach  der  Schätzung  Guppys 
nicht  viel  mächtiger  sein,  als  45  m.  Anderseits  können  aber,  wie 
Penck  treffend  hervorhob,  die  Beobachtungen  an  gehobenen  Inseln 
nicht  ohne  weiteres  auf  die  angeblich  sich  senkenden  angewendet 
werden.  Nur  Bohrungen  könnten  sicheren  Aufschluß  über  die  Mäch- 
tigkeit der  Korallenbildungen  geben,  aber  noch  immer  entbehrt  die 


^     Tiefe 
m 

Kontinental- 
inseln 

Vulkaninseln 

Koralleninseln 

0—  200 

2^55' 

10<»  53' 

17022'  (0-300  m) 

200—  500 

5  22 

13  40 

— 

500—1000 

6 

11   45 

11     3    (300— 1000  m) 

1000—1500 

6 

8  40 

11   32 

1500-2000 

6  14 

8  27 

13  21 

2000-2500 

5  29 

7   24 

10  39 

2500—3000 

5  20 

8     9 

11   36 

3000—3500 

5 

9     7 

10  22 

3500-4000 

2  46 

9  23 

8     2 

4000—4500 

2  19 

8  24 

7 

570  Morphologie  des  Landes. 


Wissenschaft  dieses  Beweismittels.  Nur  ein  paAr  Fälle  sind  uns 
bekannt  geworden.  In  der  Brandweinsbai  bei  Padang  auf  Sumatra 
wurde  das  Ktlstenriff  an  15  Stellen  durchbohrt,  als  man  mit  der 
Absicht  umging,  über  dasselbe  einen  Hafendamm  zu  legen.  An  der 
Küste  fällt  Andesit  unter  24^  in  das  Meer;  man  erwartete,  daß  da^ 
Biff  auf  diesem  Gestein  aufruhe  und  die  übliche  Berechnungsweise 
(vergl.  S.  566  Anm.)  ließ  in  340  m  Entfernung  eine  Mächtigkeit 
von  etwa  150  m  erwarten.  Dagegen  fand  man,  daß  es  selbst  mit 
seinem^  im  Schlamme  versunkenen  Fundamente  nirgends  über  15  m 
Tiefe  hinabreicht,  und  daß  der  Untergrund  nicht  durch  festes  Ge- 
stein, sondern  durch  weichen  vulkanischen  Schlamm  gebildet  wird.^ 
Auf  der  Insel  Oahu  in  der  Hawaii-Gruppe  hat  man  Korallenfels  in 
Tiefen  (251  und  319  m  im  James  Campbeils  Brunnen)  gefunden- ^^ 
wo  er  nach  unseren  Erfahrungen  nicht  entstanden  sein  konnte;  hier 
hat  jedenfalls  eine  Senkung  stattgefunden.  Aber  weiter  ist  dadurch 
nichts  dargethan,  als  daß  Korallenbildungen  auch  auf  Böden  mit 
positiver  Niveauveränderung  vorkommen  können. 

Während  Mubray  die  AtoUe  sich  selbständig  auf  imterseeisohen 
Erhebungen  entwickeln  läßt,  sieht  auch  er  in  den  WaUriflFen  Ab- 
kömmlinge von  Küstenriffen,  die  nach  auswärts  in  dem  Maße  fort- 
schreiten, als  sich  der  Meeresboden  durch  die  Anhäufung  zertrümmerten 
Korallenfelses  bis  zur  Eiffzone  erhöht.  Die  so  häufig  beträchtliche 
Tiefe  der  Lagune  führt  er  auf  die  chemische  und  mechanische  Erosion 
der  rückläufigen  Strömungen  zurück  —  entschieden  der  schwächste 
Punkt  seiner  Theorie,  da  die  Beobachtung  mehr  auf  allmähliche  Zu- 
schüttung, als  auf  Ausbaggerung  der  Lagunen  schließen  läßt  Aber 
auch  die  ÜABWiNsche  Theorie  erklärt  es  nicht  in  befriedigender 
Weise,  warum  die  Lagunen  der  Wallriffe  und  Atolle  mit  wenigen 
Ausnahmen  nicht  erheblich  über  die  untere  Grenze  des  Korallen- 
lebens hinabreichen,  während  an  der  Außenseite  das  Riff  oft  viele 
100  m  sich  in  die  Meerestiefe  senken  soll.  Pbnck  ninmit  an,  daß 
zu  der  Zeit,  als  das  Meeresniveau  etwa  90  m  tiefer  stand,  als  heute, 
eine  Ruhepause  eintrat,  die  das  vertikale  Wachstum  der  Korallen 
unterbrach,  aber  ihnen  gestattete,  sich  nach  innen  zu  auszubreiten. 

Auffallend  ist  auch  der  Mangel  des  Atlantischen  Ozeans  an 
Korallenbauten,  abgesehen  von  den  westindischen  Gtewässem.  Er 
hat  keine  WaUriffe  und  nur  ein  einziges  AtoU:  die  Bermudas.  Er 
ist  aber  überhaupt  arm  an  ursprünglichen  Inseln,  im  Gegensatze  zum 
Reichtum  der  Südsee  zwischen  Asien  und  dem  130.  Meridian  west- 
lich von  Greenwich.  Die  Kartenbilder  dieses  Gebietes  sind  freilich  nicht 
ganz  wahrheitsgetreu.  Mit  Ausschluß  der  kontinentalen  Inseln  und 
der  beiden  größten  ozeanischen  (Hawaii  und  Viti-Levu)   haben  alle 


Ursprüngliche  Inseln.  571 


die  unzähligen  pazifischen  Inseln,  sowohl  hohe  als  niedere,  zusammen 
nur  einen  Flächeninhalt  von  28000  qkm,  d.  h.  nur  soviel  wie  Böhmen, 
Da  sie  sich  auf  eine  Meeresfläche  von  wenigstens  37  Millionen  qkm 
verteilen,  so  kommt  durchschnittlich  auf  ca*  13000  qkm  Meer  1  qkm 
Laiidy  oder  —  um  dies  an  einem  Beispiele  klar  zu  machen  —  auf 
ein  Meer  von  der  Größe  Europas  ein  Land  von  der  Ausdehnung 
des  Großherzogtums  Hessen. 

Plora  und  Fauna. ^^  Entsteigt  eine  Insel  dem  Meere,  oder  wird 
die  Lebewelt  eines  abgegliederten  Festlandsstückes  durch  katastrophen- 
artige Ereignisse   vernichtet  —  wie  auf  den  flachen   Halligen  an 
der  schleswigschen  Küste  durch  wiederholte  Sturmfluten  — ,  so  kann 
eine  Besiedlung  nur  durch  Einwanderung  erfolgen,  und  Flora  und 
Fauna  müssen  daher  viel  dürftiger  ausgestattet  sein,  als  dort,  wo 
ein  Stamm  ansässiger  Organismen  in  das  insulare  Dasein  herüber- 
genommen wurde.   Auf  St.  Paul  im  Atlantischen  Ozean  fand  Daewin 
keine  Vegetation,  nur  zwei  Vögel,  wenig  Insekten,  aber  zahlreiche  Spinnen. 
Auf  Ascension  haben  sich  zwar  schon  einige  Pflanzen  angesiedelt, 
aber  die  Flora  ist  doch  noch  recht  ärmlich.     Von  den  Tieren  sind 
die    Säuger,    mit    Ansnahme    der    fliegenden    und    schwimmenden, 
und    die  Lurche    fast   völlig   von   den   ursprünglichen   Inseln    aus- 
geschlossen.    Ratten  und  Mäuse   sind  zwar  auf  den  Färöer,   den 
(Talapagosinseln  und  den  Andamanen  heimisch;  aber  da  sie  dem 
Menschen   überallhin   folgen,    dürfen    sie   wohl    eingeführt    worden 
sein.    Auf  den   letztgenannten   Inseln   wurde   auch   eine   Schweine- 
art gefunden,   aber  die  Andamanen   sind  wahrscheinlich  vom  Fest- 
lande  abgetrennt  worden,    da  die  südlichen  nach  Kükz  geologisch 
und   floristisch   ganz   mit   der  Küste  von   Arakan   übereinstimmen. 
Aus    ihrer    kontinentalen   Vergangenheit    stammt    wohl    auch    ihre 
Amphibienfauna.     Sonst   bewohnen    einheimische  Lurche   nur  noch 
einige  westpolynesischen  Inseln,. aber  alle  gehören  der  Baumfrosch- 
famiUe  der  Polypedatidae  an.   Dagegen  sind  Landvögel  allgemein  ver- 
breitet    Einige   sind  mit  großer  Flugkraft  ausgestattet  —  so  be- 
suchen alljährlich   170  nordamerikanische  Vögel  die  1100  km  ent- 
fernten Bermudas  — ;    andere   werden  durch  Stürme  weithin   ver- 
schlagen.   Dasselbe  widerfährt  in  noch  höherem  Grade  den  Insekten, 
die    überdies   noch    eine  Zeitlang   den  Wirkungen   des  Salzwassers 
widerstehen  können,  und  deren  Larven  und  Eier  auch  auf  schwimmen- 
den Pflanzen    weithin    transportiert   werden  können.     Eine  genaue 
Analyse  der  Käferfauna  von  Madeira  ergab,  daß  mit  wenigen  und 
gut  zu  erklärenden  Ausnahmen  nur  jene  europäischen  Käfer  fehlen, 
die  flügellos  sind  oder  eine  geringe  Flugkraft  besitzen.    Um  so  auf- 
fallender  ist  hier  (wie   auf  den  Kerguelen)  die  ungewöhnlich  große 


572  Morphologie  des  Landes. 


Zahl  flügelloser  Insekten.  Dabwin  hat  dies  durch  das  Prinzip  der 
natürlichen  Zuchtwahl  erklärt  Bei  jenen  Insekten,  die  die  Flügel 
nicht  unbedingt  brauchen^  trat  eine  Verkümmerung  dieses  Organs  ein, 
da  sie  für  den  Aufenthalt  auf  einer  stürmereichen  Insel  förderlich 
war.  Bei  den  anderen  mußte  aber  aus  demselben  Grunde  das  Or- 
gan sich  stärker  entwickeln,  und  in  der  That  haben  die  geflügelten  Arten 
auf  Madeira  meist  größere  Flügel,  als  ihre  europäischen  Verwandten. 

Im  Gegensatze  zu  den  Vögeln  und  Insekten  werden  Kriocbtiere 
und  Landschnecken  nur  zufälligerweise  über  die  See  verschleppt; 
aber  ihre  weite  Verbreitung  zeigt,  daß  diese  Zufälligkeiten  nicht 
aUzu  selten  eintreten.  Reptilien  findet  man  mit  Ausnahme  der 
Azoren,  Madeiras,  der  Canaren,  Färöer  und  der  Revillagigedo-Gnipi>e 
fast  überall.  Seltener  scheinen  Landschnecken  Seereisen  zu  unter- 
nehmen, weshalb  gerade  in  dieser  Tierklasse  der  insulare  Endemismus 
so  stark  ausgebildet  ist. 

Pflanzen  verfügen  über  verschiedene  Transportmittel.  Winde  und 
Vögel  scheinen  dabei  die  wichtigste  Rolle  zu  spielen.  Manche  Samen, 
die  mit  borstigen  oder  stacheligen  Fortsätzen  versehen  sind,  bleiben 
am  Gefieder,  andere  in  Verbindung  mit  erdigen  Teilchen  an  den  Fußen 
der  Vögel  haften.  Noch  bedeutungsvoller  flir  die  Ptianzenverbreitung 
erscheint  die  Eigentümlichkeit  dieser  Tiere,  manche  genosseneu 
Früchte  unverdaut  wieder  auszuscheiden,  da  die  Keimkraft  des 
Samens  dadurch  nicht  nur  nicht  zerstört,  sondern  sogar  erhöht  wird. 
Sporen  und  kleine  Samen,  die  oft  nur  Hunderttausendstel  eines 
Grammes  wiegen,  können  durch  die  Winde,  —  andere  Samen,  die 
durch  besonders  harte  Schalen  geschützt  sind  und  daher  auch  im 
Salzwasser  ihre  Lebensfähigkeit  bewahren,  durch  Meeresströmungen 
weithin  geführt  werden.  Die  Aquatorialströmung  brachte  die  ur- 
sprünglich amerikanische  Kokospalme  den  Inseln  der  Südsee  und 
verbreitete  sie  von  da  bis  nach  Madagaskar  und  zu  den  Seychellen. 
Im  übrigen  ist  aber  die  Flora  Polynesiens  ostindischer  Abkunft. 
also  wahrscheinlich  durch  die  äquatoriale  Gegenströmung  und  die 
rückläufigen  Passatströmungen  der  Luft  und  des  Meeres  verbreitet 
Madeira,  die  Canaren  und  Azoren  sind  durch  den  Passat  mit  Süd- 
europa verbunden,  und  von  da  stammt  auch  ihre  Pflanzenwelt.  Die 
meisten  Gewächse  der  Bermudas  sind  mit  dem  Floridastrome  aus 
Westindien  eingewandert  Eine  lokale  Strömung  von  der  Pananra- 
bai  zur  Nordostseite  der  Galapagosinseln  brachte  dorthin  zentral- 
amerikanische  Pflanzen.  Tristan  d'Acunha  liegt  dem  Kaplande  um 
das  Doppelte  näher  als  dem  südamerikanischen  Kontinent,  mit  dem 
es  aber  westliche  Winde  und  Strömungen  floristisch  auf  das  engste 
verknüpfen. 


UrsprUDgliche  Inseln.  573 


Im  allgemeinen  sind  aber  Pflanzenwanderungen  über  weite  oze- 
anische Strecken  doch  nur  zufällige  Ereignisse.  Sie  werden  um  so  öfter 
eintreten,  je  stürmischer  ein  Meer  ist,  wie  der  Reichtum  der  Azoren 
oder  der  Bermudas  im  Gegensatze  zu  der  Armut  der  Oalapagos 
(an  Pflanzen  wie  an  Vögeln)  lehrt.  Aber  selbst  die  am  besten  aus- 
gestattete Flora  einer  ursprünglichen  Insel  ist  ärmlich  im  Vergleiche 
mit  den  Floren  der  Kontinente  und  selbst  der  festländischen  Bruch- 
stücke. Der  Umstand,  daß  jene  Eilande  nur  auf  spärliche  Almosen  ange- 
wiesen sind,  bewirkt  einerseits,  daß  die  Geschlechter  meist  nur  durch 
wenige  Arten  vertreten  sind,  und  begünstigt  anderseits  den  Ende- 
mismus.  Letzterer  ist  freilich  auch  von  dem  Alter  der  Insel  ab- 
hängig, wie,  unter  übrigens  gleichen  Umständen,  auch  die  Anzahl 
der  Arten;  vorausgesetzt  natürlich,  daß  nicht  Katastrophen  ver- 
nichtend eingriffen,  wie  der  große  Ausbruch  von  1883  auf  Krakatau. 
Die  Azoren  und  Madeira  besitzen  —  wie  schon  oben  erwähnt  wurde 
—  eine  mediterrane  Flora.  Auf  jenen  kommen  durchschnittlich  20, 
auf  dieser  85  Gefäßpflanzen  auf  je  100  qkm;  auf  jenen  sind  8,s,  auf 
dieser  15,«  Prozent  endemisch,  und  die  eigentümlichen  Gewächse 
der  Azoren  sind  viel  näher  mit  den  europäischen  verwandt,  als  die 
Madeiras,  trotzdem  daß  die  ersteren  weiter  von  unserem  Erdteile 
entfernt  sind  als  die  letztgenannte  Insel.  Wir  müsse»  daraus 
schließen,  daß  Madeira  älter  ist  als  die  Azoren.  Die  Bermudas 
sind  ein  junges  Atoll,  und  ihre  organische  Welt  stimmt  fast  ganz 
mit  der  nordamerikanischen  überein.  St.  Helena,  die  Hawaii- 
Gruppe,  die  Galapagos  sind  Beispiele  alter  Vulkane.  Die  letzteren 
haben  fast  nur  eigentümliche  Tierarten;  noch  größer  ist  der 
Endemismus  der  Hawaii -Inseln,  die  sogar  zwei  eigenthümliche 
Familien  (aus  den  Klassen  der  Vögel  und  Landschnecken)  be- 
sitzen; am  überraschendsten  ist  aber  der  Reichtum  an  eigen- 
tümlichen Formen  auf  St  Helena,  obwohl  diese  Insel  sogar 
vom  Fürstentum  Liechtenstein  an  Ausdehnung  übertroflfen  wird.  Das 
europäische  Element  seiner  merkwürdigen  Käferfauna  weist  darauf 
liin,  daß  die  Einwanderung  zu  einer  Zeit  erfolgte^  als  die  Winde 
und  Meeresströmungen  wesentlich  anders  vertheilt  waren  als  jetzt; 
und  ein  ähnliches  Resultat  liefert  die  Analyse  der  Flora  in  Bezug 
auf  die  südamerikanischen  Bestandteile.  Man  muß  noch  hinzu- 
fugen, daß  man  die  ursprüngliche  Flora  und  Fauna  nicht  einmal 
ganz  kennt  Die  eingeführten  Ziegen  haben  den  Urwald  zerstört, 
und  infolgedessen  sind  auch  seine  einheimischen  Bewohner,  Vögel 
und  Insekten,  zum  großen  Teil  ausgestorben.  Dasselbe  Schicksal 
trifft  übrigens  jede  ozeanische  Insel,  sobald  der  Mensch  von  ihr 
Besitz   nimmt     Er    führt   Nutztiere   und   Nutzpflanzen   ein,   ihnen 


574  Morphologie  des  Liandes. 

folgen  auch  andere  Tiere  und  Unkräuter,  und  beide  verdrängen  di^ 
durch  den  langen  Inselfrieden  geschwächten  einheimischen  OrganismeiL 
So  haben  auf  den  Maskarenen  die  Zuckerpflanzungen  die  frühere 
Vegetation  fast  völlig  vernichtet,  so  beschränken  auf  Neuseeland  die 
siegreichen  englischen  Gräser  die  so  merkwürdige  alte  Flora  am 
immer  kleinere  Flächen,  so  wurde  sie  auf  Madeira  durch  den  Wein, 
das  Zuckerrohr  und  den  Pisang  bis  auf  650  m  Höhe,  und  anf  den 
Canaren  durch  den  Wein  und  die  Opuntien  bis  auf  1000  m  Höht- 
zurückgedrängt. 

Litteraturnach weise.  ^  Dölter,  Die  Vulkangruppe  der  PontiDi$cL<ri) 
Inseln,  im  XXXVI.  Bde.  d.  Denkschriften  der  Wiener  Akad.  d.  Wiss.  rMath.- 
naturwiss.  Klasse)  1875.  —  '  Dölter,  Die  Vulkane  der  Capvezden,  Gm 
1888.  —  '  KsiLBACK,  Beiträge  zur  Greologie  der  Insel  Island,  in  der  Zeitschrift 
der  Deutschen  geologischen  Gesellschaft,  1886.  ~  *  Dabwin,  Structore  ui 
Distribution  of  Coral  Reefis,  London  1842  (neueste  Ausgabe  in  the  CameU 
Series,  London  1890).  Dana,  Corals  and  Coral  Islands,  London  1S15. 
Murray,  On  the  Structure  and  Origin  of  the  Coral  Reefs;  im  X.  Bde.  dtfr 
Proceedings  of  the  Royal  Society  of  Edinburgh  1879—80.  Über  die  wdtew 
Litteratur  s.  Lakoenbeck,  Die  Theorien  über  die  Entstehung  der  Koralleninseln. 
Leipzig  1890.  —  '  v.  Lehnert,  Über  Landbildungen  im  Sundagebiet;  Deutsche 
Rundschau  für  Geographie,  1883,  Bd.  V.  —  *  S.  die  Karte  der  Fidschigruppc 
in  Petermanns  Mitteilungen  1882,  Taf.  8.  —  ^  Gerland  cit  S.  322.  —  -  S. 
Petbrhanns  Mitteilungen  1890,  S.  107.  —  •  Slutfer  in  der  Natuurkuodig 
Tijdschrift  voor  Nederlandsch-Indiß,  1889,  Bd.  XLIX,  S.  360.  (Das  wichtig? 
Profil  reproduzierte  ich  in  Petbrmanns  Mitteilungen  1891,  Litteratorbericht 
S.  46.)  —  "  Wharton,  Account  of  Christmas  Island;  in  den  Proceedings  of 
the  R.  Geographical  Society  of  London,  1888.  —  "  Guppy,  The  Salomon  Islandi, 
London  1887.  —  "  Jukes-Brown  in  Nature,  1889,  Bd.  XLI,  S.  55.  —  "  ^^. 
Nature  1887,  Bd.  XXXVI,  S.  413.  —  "  Dietrich,  cit  S.  207.  —  "  Vgl.  mem.T> 
Bericht  in  Petermanns  Mitteilungen  1889,  S.  200.  —  ^^  Wallace  cit  S.  560. 


Küstenformen. 

Hanpttypen.  Die  Küstenformen  hängen  in  erster  Linie  Ton  dem 
Baue  des  Hinterlandes  ab:  erst  in  zweiter  Linie  kommen  jene  Vor- 
gänge in  Betracht,  die  wir  in  Kürze  als  Kampf  zwischen  Land  und 
Meer  um  die  Herrschaft  bezeichnen  können.  Es  sind  dies  An- 
schwemmungen der  Flüsse,  Anschwemmung  und  Zerstörung  durch 
das  Meer,  endlich  Niveauveränderungen,  die  sich  den  Oberflächen- 
gewalten  bald  hemmend,  bald  fördernd  zur  Seite  stellen. 

Verfolgen  wir  die  Umrisse  des  Landes  in  ihren  Hauptzügen,  nnd 
beginnen  wir  mit  den  pazifischen  Gestaden. 

Die  Westküste  Amerikas  begleitet  ein  großes  Faltengebirge,  ihs 
mit  allen  seinen  Biegungen  den  Verlauf  der  Küstenlinie  bestimmt 
Solch  eine  Küste  nennen  wir  eine  konkordante.    Auf  der  asiatisch- 


Küstenformen.  575 


australischen  Seite  haben  wir  zunächst  zwischen  einer  Außen-  und 
einer  Innenküste  zu  unterscheiden.  Die  erstere  bilden  die  Insel- 
bogen von  den  Aleuten  bis  Neuseeland.  Auch  sie  ist  konkordant^ 
und  insofern  hat  Süss  Recht,  wenn  er  die  Konkordanz  kurzweg 
als  pazifischen  Typus  bezeichnet  Aber  die  kontinentale  Innenktiste 
läßt  verwickeitere  Verhältnisse  erkennen.  Am  Ochotskischen  und 
Japanischen  Meere  ist  sie  vorwiegend  konkordant,  dann  aber  tritt 
die  chinesische  Tiefebene  an  die  See  heran.  Wo  die  Umrisse  durch 
flachgelagerte  Schichten  gebildet  werden,  kann  natürlich  von  einer 
bestimmten  Streichrichtung  nicht  die  Rede  sein;  es  entsteht  eine 
neutrale  Küste.  Südlich  vom  Jangtse-Kiang  herrscht  wieder  Ge- 
birgsküste,  aber  die  Küstenhnie  läuft  nicht  mehr  parallel  dem  Ge- 
birge, sondern  schneidet  es  unter  einem  spitzen  Winkel,  so  daß  das 
Meer  abwechselnd  die  Ausläufer  der  Ketten  und  die  Längsthäler 
bespült  Das  ist  der  Charakter  des  dritten  Haupttypus:  der  dis- 
kordanten  Küste. 

Im  Bereiche  des  Indisch-Atlantischen  Ozeans  ist  die  Diskordanz 
vorherrschend;  Süss  bezeichnete  dies  als  atlantischen  Küstentypus. 
Die  große  Gebirgszone  der  alten  Welt  erreicht  das  indische  Gestade 
nur  in  Hinterindien  und  Iran,  gegen  den  Atlantischen  Ozean  streicht 
sie  senkrecht  aus.  Senkrecht  dazu  gestellt  sind  auch  die  alten 
Faltenzüge  der  europäischen  Westhälfte,  nur  im  nördlichen  Skandi- 
navien verläuft  die  Küste  nahezu  parallel  mit  dem  Streichen  der 
Schichten,  und  ebenso  im  nördlichen  Spanien,  soweit  das  Cantabrische 
Gebirge  reicht.  Vielleicht  kann  auch  die  Küste  Niederguineas  als 
konkordante  aufgefaßt  werden.  Denselben  Charakter  trägt  auch 
die  Küste  Brasiliens  zwischen  Rio  Janeiro  und  Pernambuco  und 
die  Neuschottlands.  In  Westindien  wiederholt  sich  die  Doppelküste 
Ostasiens  mit  einem  äußeren  konkordanten  Faltenrande.  Im  großen 
und  ganzen  werden  aber  die  Grenzen  des  Atlantischen  und  Indischen 
Ozeans  mehr  durch  Bruchlinien,  als  durch  Falten  bestimmt;  daher 
tritt  die  Bogenform  zurück  und  geradlinige  und  geknickte  Umrisse 
herrschen  vor.  Die  verschiedenen  Typen  lösen  sich  im  bunten 
Wechsel  ab,  im  schroffen  Gegensatze  zu  der  Einförmigkeit  der 
amerikanischen  Westküste.  Im  Mittelmeere  finden  wir  konkordante 
Küsten  in  größerer  Ausdehnung,  wie  die  zu  beiden  Seiten  der  Adria, 
das  pontische  Südgestade,  die  Atlasküste.  Die  phönizische  Küste 
liefert  uns,  wie  die  Westküste  Vorderindiens,  ein  anderes  Beispiel 
von  Konkordanz;  auch  hier  zieht  sich  entlang  der  Küste  ein  Ge- 
birge, aber  kein  Falten-,  sondern  im  ersteren  Falle  eine  Art  Flexur-, 
im  letzteren  entschieden  ein  Bruchgebirge. 

Im  arktischen  Gebiete  scheint  der  neutrale  Typus  vorzuherrschen. 


576  Morphologie  des  Landes. 


SetailformeiL  Wir  haben  auf  S.  416  nach  dem  Yertikalpro&le 
Steil-,  Flach-  und  Strandküsten  unterschieden.  Die  neutrale  Küste 
kann  in  allen  drei  Formen  auftreten,  und  damit  kombiniert  sich 
eine  große  Mannigfaltigkeit  in  den  hosizontalen  umrissen.  Sie  in 
ein  System  zu  bringen,  wäre  jetzt,  wo  noch  so  wenige  darauf  be- 
zügliche Vorarbeiten  vorhanden  sind,  ein  müßiges  Beginnen.  Wir 
können  allenfalls  zwei  Hauptkategorien  aufteilen:  die  glatten  and 
die  gebuchteten  Küsten.  Die  einfachste  Form  der  glatten  Küste 
ist  die  geradlinige,  wie  sie  uns  in  der  Flachküste  der  Landes 
und  in  der  Steil-  und  Strandküste  der  Normandie  entgegentritt  In 
flachen  Bogen,  guirlandenförmig,  umsäumt  dagegen  das  deutsche 
Flachland  die  Ostsee.  Glatte  Formen  deuten  immer  auf  An- 
schwemmung hin,  gebuchtete  wenigstens  häufig  auf  eine  marine 
Strandverschiebung.  Die  unregelmäßige  kleinbuchtige  Gestalt  die 
die  französische  Küste  nördlich  der  Gironde  annimmt,  ist  sicher 
darauf  zurückzuführen;  dafür  zeugen  schon  die  abgegliederten  Insebi 
OWron  und  R6.  Welche  Bewandtnis  es  dagegen  nut  der  Entstehung 
der  großbuchtigen  Neutralküsten  Patagoniens  und  Sibiriens  hat. 
ist  noch  unbekannt  Einen  Übergang  zwischen  glatten  und  gebuch- 
teten Formen  zeigt  uns  die  Boddenküste  Vorpommerns  und 
Mecklenburgs.  Die  Bodden  fallen  schon  auf  Karten  kleineren  Maß- 
stabes durch  ihre  abenteuerlich  zerlappten  Formen  auf;  sie  sind 
ohne  Zweifel  Eroberungen  des  Meeres,  aber  zum  Teil  noch  ivcht 
unvollständige,  und  in  diesem  Falle  entstehen  Doppelküsten.  S*^ 
bilden  die  Halbinsel  Darß  und  die  kaum  davon  getrennte  Insel  Zingst 
die  geradlinige  x\ußenküste,  hinter  der,  nur  durch  schmale  Zugänge 
erreichbar,  die  zerfetzte  Boddenküste  von  Barth  und  Ribnitz  liegt. 
Den  umgekehrten  Entwicklungsgang  nahm  die  Haffküste  Preußen?. 
Die  Haffe  sind  alte  Buchten,  die  durch  Nehrungen  abgeschlosseu 
wurden.  Aus  der  gebuchteten  Küste  entsteht  eine  geradlinige 
Doppelküste,  wenn,  wie  in  Preußen,  das  Haff  vom  Meere  aus  noch 
zu  erreichen  ist,  oder  eine  geradlinig  geschlossene  Küste,  wenn,  wie 
in  Hinterpommem,  die  Haffe  völlig  in  Strandseen  vorwandelt  sind. 
Doppelküsten  dieser  Art  gehören  zu  den  häufigsten  Erscheinungen. 
In  Oberitalien  heißen  die  abgesperrten  Buchten  Lagunen,  in  Süd- 
rußland Limane,  und  man  hat  den  Vorschlag  gemacht,  den  letzteren 
Namen  auf  alle  jene  Buchten  zu  übertragen,  die  im  Gegensatze  zu 
den  langgestreckten  Haffen  und  Lagunen  senkrecht  in  die  Küste 
einschneiden. 

Eine  andere  Form  der  neutralen  Doppelküste,  die  an  ein  be- 
wegtes Meer  mit  kräftigen  Gezeiten  gebunden  ist,  ist  die  Watten- 
küste.   An   der  Westseite  der  jütischen  Halbinsel  können  wir  den 


Küstenformen.  577 


Xjbergang  aus  der  gebuchteten  Doppelküste  verfolgen.  Dünen  be- 
gleiten sie  von  der  Nordspitze  bis  Blaavands  Huk,  einige  bodden- 
oder  limanartige  Buchten  werden  abgesperrt.  Von  Fanö  an  ist  die 
Dünenkette  zu  Inseln  zersplittert,  die  dahinter  liegenden  Buchten 
sind  geöfihet;  das  niedrige  Marschland,  das  einst  durch  die  Dünen- 
kette geschützt  war,  wird  zur  Flutzeit  überschwemmt  Zwischen 
Heverstrom  und  Wangeroog  fehlt  die  insulare  Außenküste,  und  die 
geschlitzten  Konturen  der  Festlandsküste  zeugen  von  der  Macht  der 
Nordseebrandung.  Dann  folgt  die  friesische  Doppelküste  bis  Texel, 
glatt  bogenförmig  an  der  Außen-,  mehrfach  gebuchtet  an  der 
Innenseite. 

Geradlinig  oder  bogenförmig  ist  auch  diekonkordante  Küste, 
zwar  wenig  gegliedert,  wie  die  cantabrische  Küste  oder  die 
Ostküste  Italiens  von  Pesaro  bis  Punta  della  Penna,  aber  doch 
nicht  so  glatt,  wie  neutrale  Küsten.  Kleine^  rundliche  Buchten  hat 
uns  Theobald  Fischer  an  der  algerischen  Küste  kennen  gelehrt^ 
kleine,  zackige  Einschnitte  finden  sich  häufig  an  der  japanischen. 
Ab  und  zu  dringt  das  Meer  tiefer  ein,  wo  ein  Einsturzbecken  den 
Verlauf  des  Litoralgebirges  unterbricht,  oder  schafft  ein  sediment- 
reicher Fluß  ein  vorspringendes  Deltaland.  Die  ursprüngliche  Ge- 
stalt kann  aber  erheblich  verändert  werden.  Die  Vo'rsprünge  werden 
durch  die  Brandung  zerstört,  die  Buchten  mit  Hufe  der  Küstenver- 
setznng  oder  durch  anwachsende  Deltas  ausgefüllt.  Flach-  und  Steil- 
küsten wechseln,  die  Küstenlinie  wird  geglättet,  oder  es  werden 
durch  landfest  gewordene  Felseninseln  neue  Buchten  gebildet,  wie 
die  herrliche  Bai  von  Kadzusa,  in  deren  Nähe  Japans  Hauptstadt 
liegt.  Das  ist  die  Form  der  Ausgleichs-,  oder  besser  gesagt,  der 
ausgeglichenen  Küste.  An  der  toskanischen  Küste  hat  sich  diese 
Umwandlung  zum  TeU  erst  im  Laufe  der  geschichtlichen  Zeit  voll- 
zogen. An  die  SteUe  der  großen  Buchten  von  Pisa  und  Grosseto 
trat  sumpfiges  Schwemmland,  und  der  Mte.  Argentario,  das  G-ebirge 
von  Piombino  und  die  Monti  dell'  UcceUina  führen  uns  die  verschiede- 
nen Stadien  im  Verlandungsprozesse  von  Inseln  vor  Augen.  Dieser 
Bachtenreichtum  könnte  an  einer  konkordanten  Küste  auffallen,  aber 
man  muß  beachten,  daß  die  italienische  Küste  an  der  Innenseite 
eines  Faltengebirges  liegt,  wo  große,  kesseiförmige  Einbrüche  nicht 
selten  sind.  Die  Golfe  von  Gaeta,  Neapel,  Salemo  und  Policastro 
sind  noch  erhalten,  obwohl  an  der  Ausgleichung  gearbeitet  wird. 
Auch  die  Westküste  Koreas  ist  viel  gegliederter,  als  die  Ostküste. 

Am  gegliedertsten  ist  aber  die  diskordante  Küste.  Berge, 
Thäler,  selbst  größere  Ebenen  treten  im  bunten  Wechsel  an  das 
Meer  heran,  und  in  demselben  Maße  wechselt  auch  das  Spiel  von 

SuPAN,  PhysiBChe  Erdkunde.    2.  Aufl.  37 


578  Morphologie  des  Landes. 


Zerstörung  und  Landbildung.  Im  allgemeinen  entsprechen  die 
Buchten  den  Hohlformen  des  Geländes  und  die  Vorsprünge  den 
abgeschnittenen  Gebirgen;  doch  werden  auch  durch  Einbrüche  große 
Buchten  gebildet  Den  höchsten  Grad  der  Gliederung  erreicht  die 
Küste  im  Umkreise  des  jugendlichen  Agäischen  Meeres,  wo  ostwest- 
lich streichende  Faltenztige  stückweise  in  die  Tiefe  sanken.  Aber 
auch  im  Bereiche  der  diskordanten  Küste  kann  Ausgleichung 
eintreten,  und  dann  können  glatte  Küsten  entstehen,  wie  es  die 
portugiesische  ist,  oder  die  Ostküste  Vorderindiens  oder  die  süd- 
amerikanische Küste  Tom  Kap  S.  ßoqtie  bis  zum  Orinoco,  wo  die 
Flußsedimente  mit  Hilfe  der  Küstenversetzung  in  merkwürdig  gleich- 
mäßiger Weise  angeschwemmt  werden. 

Thalbnohten.  .Unter  dieser  Bezeichnung  fassen  wir  vorläufig 
alle  thalartigen  Buchten  zusammen,  die  unter  einem  rechten  oder 
steilen  Winkel  in  das  Land  einschneiden,  sich  meist  auch  oberseeisch 
in  einem  Thale  fortsetzen,  und  in  der  Regel  gesellig  auftreten.  Sie 
sind  nicht  an  eine  von  den  drei  genannten  Hauptkategorien  ge- 
bunden, aber  ihre  kräftigste  Entwicklung  finden  sie  an  Gebirgs- 
küsten. 

Die  bekanntesten  Thalbuchten  sind  die  Fjorde.*  In  Verbindung 
mit    dichten   Schwärmen    von   Felseneilanden    bestimmen    sie    den 

Küstencharakter  auf  weite 
Strecken.  Die  Küstenentr 
Wicklung  erreichthierihren 
Höhepunkt,  ist  doch  z.  B. 
A         — -  die   wirkliche   Länge   der 

n^T'^^^^^l^^-^'      a       norwegischen  Küste  7  mal 
^fc       '^^BS^         und   die    der  Küste   Ton 

Fig.  198.     Sogne-Fjord  (Norwegen).  ^^ine  SOgar  13  mal  größer 

als  die  in  gerader  Linie  ge- 
messene. Ein  mehr  oder 
minder  scharf  ausgesprochener  ParaUelismus  in  der  Anordnung  der 
Einschnitte  und  Inseln  yerleiht  zwar  der  Fjordküste  eine  gewi^e 
Eintönigkeit,  im  einzelnen  aber  herrscht  große  Mannigfaltigkeit 
Den  extremsten  Typus  steUt  der  norwegische  Lyseflord  dar.  Er 
ist  bei  einer  Länge  von  41  km  nur  600 — 1900  m  breit,  und  seine 
Felswände  erheben  sich  senkrecht  oder  stellenweise  sogar  über- 
hängend bis  ca.  950  m  Höhe.  Dagegen  begrenzen  den  größten  Teil 
des  Kristiania-  und  den  südlichen  und  östiichen  Teü  des  Trondhjem- 
Qordes  sanft  ansteigende  Böschungen.  Die  Thalform  zeigt  in  drastischer 
Weise  der  187  km  lange  Sogne^ord  (Fig.  198),  ein  aus  einem  Haupt- 
und  mehreren  Nebenj^orden  bestehendes  System.    Die  Vereinigung 


-xi 


Küstenformen. 


579 


mehrerer  Fjorde  zeigt  auch  Fig.  199.  Im  TrondhjemQord  (Fig.  200) 
tritt  der  Parallelismus  der  Wände  schon  etwas  zurück,  und  noch 
mehr  im  Laxe^ord  (Fig.  201).  Aber  dasselbe  ist  ja  auch  bei  Thälem 
der  Fall,  die  sich  bald  verengen,  bald  erweitem.    Würde  das  Meer 


Fig.  199.     Fjorde  bei  Kristiansund 
(Norwegen). 


Fig.  200.     Trondhjem-Fjord 
(Norwegen). 


^y 


Fig.  201.     Laxe-Fjord  (nördl. 
Norwegen). 


Fig.  202.     Fiske-  und  Aniggok-Fjord 
(West-Grönland). 


bis  ZU  einer  Höhe  von  500  m  die  Nordalpen  überfluten,  so  würde 
die  keilförmige  Thalbucht  von  Salzburg  eine  ähnliche  Fjordgestalt 
annehmen,  wie  der  Laxefjord.  Es  kann  kein  Zweifei  sein,  daß  die 
Fjorde  untergetauchte  Thäler  sind.  Zwar  scheint  dagegen  zu 
sprechen,  daß  viele  Fjorde  sich  an  ihrem  Ausgange  in  mehrere  Arme 
teilen  (s.  Fig.  199  und  202),  allein  schon  HARTUNa  hat  diese  Eigen- 
tümlichkeit befriedigend  erklärt  Zwischen  den  1000  m  und  darüber 
hohen  Bergen  Norwegens  führen  tiefeingesenkte  flache  Pässe  (Eide) 
aus  einem  Thale  in  das  in  entgegengesetzter  Kichtung  verlaufende. 

37* 


580  Morphologie  des  Landes. 


Überstieg  der  Betrag  der  positiven  Niveauveränderuug  die  Seehobe 
der  Eide,  die  in  manchen  Fällen  nicht  einmal  100  m  beträgt,  sio 
mußten  mehrere  Thäler  zu  einem  einzigen  Fjordensystem  ver- 
schmelzen, dessen  Arme  Gebirgsinseln  einschließen.  Ein  ähnlicher 
Vorgang  ist  übrigens  schon  beobachtet  worden.  Auf  der  Insel 
Caviana  im  Mündungsgebiete  des  Amazonas  gab  es  zwei  entgegen- 
gesetzt laufende  Flüsse.  1850  drang  die  Flut  zum  erstenmal  in 
den  östlichen  Fluß  ein  und  überschritt  die  Wasserscheide.  Die^tr 
Vorgang  wiederholte  sich  öfter,  bis  endlich  die  Insel  durch  einen 
Meeresann  in  zwei  Teile  getrennt  war.  Auf  gebirgigem  Terrain 
entstehen  so  Fjordstraßen  mit  parallelen  Wänden,  wie  bei- 
spielsweise der  Matotschkin  Scharr  zwischen  der  Nord-  und  Süd- 
insel von  Nowaja-Semlja.  Fjorde,  Fjordstraßen,  Fjordinseln  sind  zu- 
sammengehörige Phänomene. 

Besonders  charakteristisch  sind  für  die  Fjorde  ihre  unterseeischen 
Formen.  Im  Querprofil  haben  sie  eine  trogförmige,  im  Längsproül 
eine  beckenförmige  Gestalt.  Der  Boden  des  SogneQordes  senkt 
sich  von  seinem  obern  Ende  unter  einem  Winkel  von  0^39'  bis  zu 
einer  Tiefe  von  1242  m  und  hebt  sich  dann  wieder  unter  einem 
Winkel  1^2'  bis  158  m  Tiefe.  Diese  Schwelle  fällt  bald  mit  dem 
unteren  Ende  des  Fjordes  zusammen,  bald  liegt  sie  oberhalb  im 
Fjorde  selbst,  bald  unterhalb  im  vorliegenden  Meere.  In  den 
meisten  Fällen  sind  aber  mehrere  Becken  vorhanden  und  in  ihrem 
gegenseitigen  Verhältnisse  zeigt  sich  eine  große  Mannigfaltigkeit.  Der 
Howe-Sund  in  Britisch  Columbia  zerfällt  in  zwei  nahezu  gleicli  grobe 
und  gleich  tiefe  Becken,  der  Hardanger  Fjord  in  Norwegen  in  5,  die 
ebenso  wie  die  Schwellen  nach  außen  zu  immer  seichter  werden, 
der  Loch  Hourn  in  Schottland  beginnt  mit  einer  Beihe  kleiner 
Becken  und  endet  mit  einem  großen.^  Die  Tiefen  unterschiede  sind 
manchmal  nicht  bedeutend,  aber  stets  ist  das  Vormeer  seichter  als 
die  Fjorde  (vgl.  Fig.  58,  S.  265).  Wenn  wir  oben  die  Fjorde  nach 
ihrer  überseeischen  Gestalt  als  untergetauchte  Thäler  bezeichnen 
konnten,  so  können  wir  sie  jetzt  auf  Grund  ihrer  unterseeischen  Formen 
als  untergetauchte  Thalseen  betrachten.  In  dieser  Schluß- 
folgerung werden  wir  unterstützt,  wenn  wir  wahrnehmen,  daß  das 
Thal,  welches  den  Fjord  überseeisch  fortsetzt,  noch  Seen  beherbergt, 
die  mit  ihrer  langgestreckten  Gestalt  und  ihren  steilen  Gehängen 
völlig  den  Fjorden  gleichen.  Manche  solcher  Fjordseen  sind  iu 
Schottland,  Norwegen  u.  s.  w.  vorhanden,  viele  freilich  sind  auch 
schon  verschüttet.    Auch  ins  offene  Meer  hinaus  können  wir  manch- 


^  Anm.  X  auf  S.  581. 


Küstenformen. 


581 


mal  den  Fjord  als  Rinne  verfolgen  und  selbst  diese  läßt  noch  eine 
Trennung  im  Becken  erkennen.  ^^ 

In  ihrer  strengsten  Form  ist  die  Fjordküste  auf  höhere  Breiten 
beschränkt  Die  atlantische  Seite  des  skandinavischen  Massivs,  West- 
Schottland  und  das  nordwestliche  Irland,  die  arktischen  Inseln, 
Grönland,  Neufundland  und  Labrador,  endlich  die  Westküste  Nord- 
amerikas von  Alaska  bis  zur  Juan  de  Fucastraße  sind  die  wichtig- 
sten Fjordbezirke  unserer  Halbkugel.  Auf  der  Stidhemisphäre  sind 
die  Westküsten  Patagoniens  und  der  neuseeländischen  Südinsel  und 
die  in  höheren  Breiten  gelegenen  Inseln  zu  nennen.  Der  Zusammenhang 
mit  der  diluvialen  Eisverbreitung,  den  zuei*st  Dana  erkannte,  liegt  auf 
der  Hand  und  bietet  auch  nichts  auffälliges,  wenn  wir  uns  ins 
Gedächtnis  zurückrufen,  daß  gerade  die  alten  Gletscliergebiete  außer- 
ordentlich reich  an  Seen  sind.  Nur  muß  man  dabei  zwei  Fragen 
auseinanderhalten:  1)  die  Entstehung  der  Beckenform;  in  dieser 
Beziehung  haben  die  verschiedenen  Theorien  über  die  Genesis  der 
Seebecken  auch  auf  die  Fjorde  Anwendung  gefunden;  2)  das  Unter- 
tauchen. Diese  letztere  Erscheinung  steht  zur  Eiszeit  in  keiner 
Beziehung,  sondern  ist  ein  Phänomen  von  allgemeiner  Verbreitung. 

Auch  die  Fjorde  sind  nicht  ein  völlig  abgeschlossener  Gestaltungs- 
kreis. Man  spricht  von  Fjorden  an  der  Küste  von  Maine  und  Neu- 
schottland und  sogar  an  den  Ufern  der  canadischen  Seen,  aber  die 
Beckenform  ist  hier  nur  schwach  ausgeprägt.  Das  mag  zum  Teil 
wohl  auf  spätere  Zuschüttung,  wofür  hier  auch  geschichtliche  Zeug- 


X           I 

Iowe-Sund 

u,     ^ 

G 

g 

mt 

1 

1 

'S 

o 

_aj__ 

km 

m 

m 

14,2 

287 

— 

21,7 

— 

174 

37,0 

282 

— 

46,T 

— 

123 

(49,7Ende) 

1      Hardanger-Fjord 

Loci 

I  «.    ^ 

II  km 

S  1  Becken 

il 

§ 

m 

o 
km 

1    50 

800 

— 

0,5 

60 

— 

545 

0,. 

,'    86 

669 

— 

3,1 

91,3 

— 

507 

8,. 

102,3 

564 

— 

4,* 

113,7 

— 

436 

5,5 

118,1 

506 

— 

7,. 

124,5 

— 

259 

7,« 

128,5 

884 

— 

18,0 

(166  Ende) 
174,3 

__ 

203 

20,7 
Ende 

g 

s 

1 

^ 

LJ„ 

m 

m 

18 

— 

— 

1 

49 

— 

— 

10 

35 

— 

— 

9 

49 

— 

— 

13 

183 

— 

— 

101 

— 

— 

5<  X  Z.  B.  die  Fortsetzung  des  Stör-  und  Sulefjords  in  Norwegen  6278**  ^ 
(s.  die  schöne  Karte  von  Sandleb  in  Petermanns  Mitteilungen  1890,  Taf.  16). 


582  Morphologie  des  Landes. 


nisse  vorliegen,  zurückzuführen  sein,  denn  nur  jene  Fjorde  erhalten 
sich  rein,  deren  Zuflüsse  sich  ihrer  Sedimente  in  einem  oberhalb 
gelegenen  See  entledigt  haben.  Aber  selbst  in  jenen  Teilen,  wo  da? 
Lot  auf  felsigen  Grund  stieß,  sind  die  Maine^orde  meist  flach;  auch 
ist  zum  Unterschiede  von  anderen  Fjordgebieten  die  Umgebung 
niederes  Hügelland,  dagegen  ist  der  Parallelismus  deutlich  entwickelt. 
Die  Ostseeküste  der  skandinavisch-finnischen  Rumpfscholle  zeigt  eine 
Art  der  Gliederung,  die  sich  wieder  einen  Schritt  weiter  von  den 
echten  Fjorden  entfernt  Sie  erscheint  wie  zerschlitzt;  zahllose  kleine, 
schmale  Einschnitte,  die  sogenannten  Fjärde,  dringen  mehr  oder 
weniger  tief  in  das  niedrig  gelegene  Küstenland  ein,  zum  Teil  mit 
beckenartigem,  zum  Teil  mit  einfach  abfallendem  Thalboden.  An  vielen 
Stellen  ist  der  äußere  Küstenrand  in  hunderte  von  kleinen  Felseninseln 
(Schären)  zersplittert,  aber  meist  in  regelloser  Weise,  nicht  in  paral- 
leler Anordnung,  wie  die  Fjordinseln.  An  den  Neutralküsten  0?t- 
jütlands  und  der  dänischen  Inseln  begegnen  wir  den  vielgestaltigen  För- 
den,^ bald  breiten,  bald  schmalen  Thalbuchten,  von  denen  die  ersteren 
sich  dadurch  auszeichnen,  daß  das  tiefe  Fahrwasser  bis  an  die  Spitze 
der  Bucht  reicht  Haas  erklärt  die  schleswig-holsteinischen  Förden 
für  Erosionsthäler  der  Interglazialzeit,  die  das  vordringende  Eis  der 
zweiten  Glazialzeit  erweitert  und  vertieft  hat* 

Bis  jetzt  haben  wir  uns  innerhalb  der  diluvialen  Binneneisgrenzen 
gehalten.  Außerhalb  derselben  liegen  die  teils  gewundenen,  t^ils 
keilförmigen  Thalbuchten  der  diskordanten  Küsten  des  südwestlichen 
Irlands,  Cornwallis,  der  Bretagne,  Galiciens  und  Südchinas,  die  v. 
RiCHTHOFEN  uutor  dem  galizischen  Namen  Rias  zusammenfaßte. 
Ihr  hauptsächlichster  Unterschied  von  den  Fjorden  besteht  darin, 
daß  ihr  Boden  in  der  Regel  allmählich,  ohne  Unterbrechung 
durch  beckenartige  Einsenkungen  in  das  Meer  verläuft  Auch  sie 
sind  Fortsetzungen  oberseeischer  Thäler,  aber  ihre  eigentliche  Aus- 
gestaltung und  Vertiefung  erklärte  Rütimeyer*  auf  Grund  seiner 
Studien  in  der  Bretagne  für  ein  Werk  der  Meereserosion.  Man  hat 
auch  auf  die  sechs  Keilbuchten  im  südwestlichen  Irland  (Kerry  und 
Cork)  hingewiesen,  die  genau  den  Karbonkalkmulden  entsprechen, 
während  der  widerstandsfähigere  devonische  Sandstein  die  dazwischen 
befindlichen  Halbinseln  bildet  Eine  gewisse  Ähnlichkeit  mit  Fluß- 
ästuarien läßt  allerdings  vermuten,  daß  bei  der  keilförmigen  Erwei- 
terung die  Flutwelle  mit  im  Spiele  ist,  aber  für  die  engen,  gewun- 
denen Rias,  wie  das  Odet  in  der  Bretagne,  reicht  diese  Erklärung 


X  In  Dftnemnrk  Fjorde  genannt     Manche  derselben  sind  aber  unzweifel- 
haft nichts  anderes  als  Bodden,  wie  z.  B.  der  AlbuenQord  auf  Laaland. 


KOstenformen.  583 


sicher  nicht  aus,  abgesehen  davon,  daß  an  der  diskordanten  Küste 
Istriens^  wie  an  der  konkordanten  Küste  Dalmatiens^  also  in  einem  fast 
gezeitenlosen  Meere,  der  Kiastjpus  in  der  schönsten  Weise  entwickelt 
ist.  So  ist  z.  B.  der  Canale  di  Lerne  12  km  lang  und  nur  Ys  ^^  breit, 
und  die  berühmte  Bocche  di  Cattaro  ähnelt  in  ihrer  Gestalt  dem 
EisQorde  auf  Spitzbergen  und  ist  am  Eingange  auch  unterseeisch 
durch  eine  kleine  Schwelle  abgeschlossen. 

Indem  wir  die  Thalbuchten  als  untergetauchte  Thalenden  auf- 
fassen, erblicken  wir  in  ihnen  ein  ebenso  wichtiges  Dokument  fiir 
positive  Niveauveränderungen,  wie  in  den  abgegliederten  Halb- 
inseln, in  den  Kontinentalinseln,  vielleicht  auch  in  den  .Wallriffen 
und  Atollanhäufungen.  Allerdings  finden  wir  gerade  in  dem  Bereiche 
der  Fjordküsten  auch  Anzeichen  einer  negativen  Niveauveränderung, 
aber  diese  hat  noch  nicht  einen  so  hohen  Betrag  erreicht,  um  den 
Effekt  der  älteren,  entgegengesetzten  Bewegung  auszulöschen. 

Vatürllohe  Seehäfen  und  MeereBstraasen.  Vom  verkehrsgeo- 
graphischen Standpunkte  aus  hat  v.  Bighthofen  die  konkordanten 
Küsten  treffend  als  Abschließungs-,  die  die  diskordanten  als  wahre 
Aufschließungsküsten  bezeichnet  Das  ist  ohne  weiteres  ver- 
ständlich, wenn  man  die  Verbindung  zwischen  der  Küste  und  dem 
Binnenlande  in  den  Vordergrund  stellt  Aber  es  gilt  auch,  wenigstens 
im  Großen  und  Ganzen,  in  betreff  des  natürlichen  Hafenreichtums 
der  Küsten,  wenn  auch  gerade  konkordante  Küsten  manchen  ausge- 
zeichneten Hafen  besitzen. 

Von  natürlichen  Häfen  fordert  man  einen  guten  Ankergrund 
von  etwa  10  bis  100  m  Tiefe  und  Schutz  vor  Wellenbewegung. 
Ihre  Zahl  ist  verhältnismäßig  nicht  sehr  groß,  so  daß  der  ausge- 
dehnte Verkehr  unserer  Tage  genötigt  ist,  auch  offene  Bheden  zu  be- 
nutzen oder  sie  in  künstliche  Häfen  umzugestalten.  Diese  letzteren 
fallen  natürlich  außerhalb  des  Bereiches  unserer  Betrachtung. 

Kbümmel^  unterscheidet  genetisch  drei  Hauptarten  von  Seehäfen, 
betont  aber,  daß  die  meisten  Häfen  mehrere  Typen  in  sich  vereinigen. 

Groß  ist  der  Formenkreis  der  Aufschüttungshäfen,  bei  denen 
die  Natur  durch  Anhäufung  von  Sedimenten,  vulkanischen  Auswürf- 
lingen oder  durch  korallinische  Riflbildung  einen  Wellenbrecher 
geschaffen  hat  Haffe  und  verwandte  Erscheinungen  der  Neutral- 
küsten bieten  gute  Hafenplätze,  wenn  der  Eingang  frei  gehalten  wird; 
an  ausgeglichenen  Küsten  giebt  das  Landfestwerden  vonlnseln  manchmal 
Veranlassung  zur  Buchtenbildung ;  durchbrochene  Kraterwälle  einsamer 
Vulkaninseln  (Fig.  203)  und  die  Lagunen  der  Wallriffe  und  Atolle  ge- 
währen Schutz  auch  mitten  im  Ozean.  Häufiger  und  vielgestaltiger  sind 
die  Einbruchsbäfen,  die  dadurch  entstehen,  daß  das  Meer  infolge 


584 


Morphologie  des  Landes. 


einer  positiven  Niveauveränderung  in  das  Land  einbricht  Alle  Rias- 
und Fjordhäfen  gehören  in  diese  Kategorie;  nur  muß  hinzugefägt 
werden,  daß  viele  Fjorde  wegen  zu  großer  Tiefe  keinen  Ankergnind 


Fig.  203  a. 


Fig.  203  b.     St.  Paul  im  indischen  Ozean. 

bieten,  so  daß  z.  B.  in  Norwegen  manche  Hafenplätze  auf  die  vor- 
gelagerten Fjordinseln  verlegt  sind.  Eüsteneilande  schützten  die  alt^n 
phönizischen  Häfen;  an  konkordanten  Küsten  öflFnen  sich  tief  einge- 
schnittene Buchten,  von  denen   manche  wohl  durch  Kesseleinbrüche 


Rüstenformen.  585 


entstanden  sind.  S.  Francisco,  Rio  de  Janeiro,  Sydney  verdanken  ihren 
Aufschwang  solch  natürlichen  Ofihungen  an  sonst  wenig  zugänglichen 
Küstenstrecken.  Einen  Einschnitt  in  der  Küste  verursacht  femer 
jede  Flußmündung,  und  jeder  größere  Fluß  ist  zugleich  eine  bequeme 
Verbindungsstrasse  nach  dem  Innern.  An  den  meisten  neutralen^  be- 
sonders an  Schwemmlandküsten  herrschen  in  der  That  die  Mün- 
dungshäfen vor.  Aber  trotzdem  besteht  oft  ein  seltsamer  Gegensatz 
zwischen  der  Größe  eines  Flusses  und  der  Bedeutung  seines  Mün- 
dungshafens, auch  dort,  wo  die  kulturellen  Verhältnisse  der  Hinter- 
länder nicht  sehr  verschieden  sind.  Das  erklärt  sich  daraus,  daß 
die  Barre,  die  die  Flußsedimente  vor  der  Mündung  aufschütten,  der 
SchiflFahrt  oft  ernstliche  Hindernisse  bereitet.  So  ist  z.  B.  der  ge- 
waltige Amazonenstrom  für  Dampfer  nur  auf  dem  Umwege  über  die 
gewundene  Wasserstrasse  des  Rio  Parä  erreichbar.  Besonders  tro- 
pische und  suptropische  Flüsse,  deren  Wasserstand  großen  Schwan- 
kungen unterliegt,  sind  in  der  Trockenzeit  nicht  fähig,  ihre  Barre  zu 
beseitigen;  und  solch  ein  Übelstand  zwang  dazu,  den  Mündungshafen 
des  Ganges,  Calcutta,  an  einen  Nebenarm  zu  verlegen,  der  hauptsäch- 
lich nur  vom  Gezeitenstrome  beherrscht  vdrd.  Weitaus  am  günstigsten 
liegen  die  Verhältnisse  bei  jenen  Flüssen,  deren  weite  Trichtermün- 
dungen durch  Ebbe  und  Flut  immer  oflfen  gehalten  werden.  Hamburg, 
London,  Amsterdam  sind  berühmte  Beispiele  solcher  Astuariumhäfen. 

Kufltenentwicklung  und  mittlerer  Küstenabstand.  Schon  seit 
langem  beschäftigen  sich  die  Geographen  mit  der  Frage:  aufweiche 
Weise  sich  ein  einfacher  mathematischer  Ausdruck  für  die  horizon- 
tale Gliederung  von  Länderräumen  finden  ließe. 

Die  älteste  Methode,  die  von  Heinrich  Bergbaus  (1830),  geht 
von  dem  Gedanken  aus,  daß  bei  gleicher  FJäche  diejenige  Figur  ge- 
gliederter ist,  die  den  großem  Umfang  (Küstenlänge)  hat,  bei  gleichem 
Umfange  aber  diejenige,  die  die  kleinere  Fläche  hat;  und  Bergbaus 
setzt  daher  die  horizontale  Gliederung,  die  er  Küstenentwicklung 

nennt,  =  ,,   ^ — .    Man  hat  dieser  Methode  vorgeworfen,  daß  sie  zwei 

unvergleichbare  Werte,  Fläche  und  Länge,  miteinander  vergleiche, 
aber  schon  Reüscble  hat  das  Unberechtigte  dieses  Vorwurfes  dar- 
gcthan,  der  nur  dann  am  Platze  wäre,  wenn  man  z.  B.  sagte:  der  Um- 
fang von  Europa  verhalte  sich  zur  Fläche  wie  1:288,  aber  durchaus 
nichts  Unlogisches  enthalte,  wenn  man  sich  so  ausdrücke:  auf  1  km 
Küste  kommen  288  qkm  Fläche.  Schwerer  Ydegt  der  Übelstand, 
daß  die  Zahlen  sich  nach  dem  zugrunde  gelegten  Maße  ändern, 
aber  er  kann  beseitigt  werden,  wenn  man  irgend  eine  Küsten- 
entwicklung,  z.  B.  die  mittlere   aller  5  Kontinente,  gleich    1  setzt 


586  Morphologie  des  Landes. 


und  alle  anderen  Zahlen  in  Teilen  dieser  Einheit  giebt^  Die 
späteren  Verbesserungsvorschläge  fußen  auf  dem  Grundsatze,  dafi 
Längen  nur  mit  Längen,  Flächen  nur  mit  Flächen  verglichen  werden 
dürfen.  Um  auf  diese  Weise  einen  passenden  Ausdruck  für  die 
Küstenentwicklung  zu  finden^  benutzte  man  die  Erfahrung,  daß 
unter  allen  Figuren  gleicher  Fläche  der  Kreis  bezw.  —  da  wir  uns 
auf  einer  Kugel  befinden  —  die  Kugelkalotte  die  denkbar  regel- 
mäßigste ist  und  daher  den  kleinsten  Umfang  besitzt  Je  mehr  der 
Umfang  eines  Erdteiles  oder  einer  Lisel  den  einer  inhaltgleichen 
Kalotte  tibertriflPt,  desto  größer  ist  die  Küstenentwicklung.  Man 
übersieht  aber  bei  dieser  Methode  die  für  unsere  Zwecke  sehr 
fatale  Eigenschaft  aller  Figuren^  daß  ihr  Umfang  viel  langsamer 
wächst  als  ihre  Fläche.  Nicht  nur^  daß  infolgedessen  die  Methode 
kleinen  Erdräumen  günstiger  ist  als  großen,  sie  fördert  auch  den 
oflfenbaren  Widersinn  zutage,  daß  die  Küstenentwicklung  Europa- 
Asiens  größer  ist  als  die  Europas  und  Asiens  für  sich  genommen, 
die  Amerikas  größer  als  die  Nord-  und  Südamerikas,  die  aller 
Kontinente  zusammen  größer,  als  die  jedes  einzelnen!  Noch  ein 
paar  andere  Methoden  kranken  an  diesem  Übelstande  und  werden 
dadurch  unfähig,  wirklich  vergleichbare  absolute  Werte  fiir  die 
Küstenentwicklung  oder  für  die  Zugänglichkeit  eines  Landes  zu 
Kefem. 

Einen  anderen  Weg  schlug  Rohbbach®  ein.  Er  zeichnet  in  die 
Erdteile  Linien  gleichen  Küstenabstandes  ein  und  berechnet  daraus 
mit  Hilfe  der  graphischen  Methode  ^^  den  mittleren  Ktisten- 
abstand.  In  nachstehender  Tabelle  sind  die  wichtigsten  Ergebnisse 
zusammengefaßt;  sie  bieten  uns  einen  bequemen,  zum  Teil  sogar  über- 
raschenden Kommentar  zur  Karte.  Namentlich  der  Prozentsatz  der 
küstennahen  Zone  (bis  600  km)  ist  ein  guter  Maßstab  für  den  Um- 
fang des  legitimen  Einflusses  des  Meeres  auf  das  Klima  der  Erdteile 
und  fiir  die  Bedeutung  mancher  orographischen  Hindemisse,  die 
diesen  Einfluß  abschwächen  oder  vernichten.  Aber  weder  die  Aus- 
dehnung der  küstennahen  Zone,  noch  der  mittlere  Küstenabstand 
sind  ohne  Karte  ohne  weiteres  verständlich.  Wenn  einerseits  Asien 
und  Afrika,  anderseits  Europa  und  Australien  nahezu  gleichviel 
Prozent  küstennahes  Land  haben,  so  wird  das  in  dem  ersteren  Falle 


X  So  ist  z.  B.  die  Küsten entwicklung  Europas  (e)  im  metrischen  Maß  28$ 
im  Meilenmaß  39 ;  stellen  wir  diese  Zahlen  aber  in  Vergleich  mit  der  mittlereo 
Küsteuentwicklung  des  gesamten  Festlandes  (/'=612  nach  metrischem,  82  nach 
Meilenmaß),  so  erhalten  wir  in  beiden  Fällen  e:f=  0,48. 

X  ^  Die  chorigraphische  Kurve  Rohrbachs  entspricht  die  hypsographiscben 
Kurve  Pencks  (vgl.  S.  36). 


Küstenformen. 


587 


nur  durch  die  Differenz  der  horizontalen  Gliederung ,  im  zweiten 
aber  trotz  dieser  Differenz  bewirkt;  im  ersten  Falle  ist  die  Küsten- 
entwicklung, im  zweiten  die  Fläche  ausschlaggebend.  In  dem  größeren 
mittleren  Eüstenabstande  Asiens  gegenüber  dem  Afrikas  kommt  aber 
doch  die  beträchtlich  größere  Ausdehnung  Asiens  zur  Geltung;  da- 
gegen haben  Europa  und  Australien  nahezu  gleichen  mittleren 
Küstenabstand,  obwohl  es  kaum  zwei  größere  Länderräume  giebt^ 
die  in  ihrer  Umrißgestaltung  so  grundverschieden  wären,  wie  diese. 
Für    die  Gliederung   allein   gewinnt  man  einen  exakten  Ausdruck, 


1 

Kastenabstand  in  km 

Mittlerer 
Küsten- 
abstand 

0—600 

600— 1200|l200-1800|l800-2400|  über  2400 

1 

Prozente 

in  km 

£uropa  .    .     . 

81,» 

15,6 

2,8 

— 

— 

340 

Afiien      .     .    .    | 

49,4 

24,9 

16,7 

8,7 

0,8 

780 

Europa- Asien  . 

55,1 

23,2 

14,4 

7,1 

0,2 

700 

Afrika    .    .     .    ' 

48,9 

35,8 

15,8 

— 

— 

670 

Australien  .     . 

82,0 

17,1 

— 

— 

1 

-    1 

350 

Nord-Amerika     i 

68,4 

26,4 

5,2 

— 

470 

Süd-Amerika  .    . 

1 

59,7 

31,5 

8,8 

— 

—     1 

550 

Alte  Welt  .    . 

52,9 

27,6 

14,8 

4,5 

0,2 



Neue  Welt     . 

64,2 

28,7 

7,1 

— 

wenn  man  die  Flächen  der  Halbinseln  mit  der  des  Rumpfes  in  Ver- 
gleich setzt;  es  ist  dabei  nur  schwierig  zu  bestimmen,  was  alles  als 
Halbinsel  zu  betrachten  sei,  und  an  welchen  Stellen  sie  abzutrennen 
seien.  Die  Anzahl  und  Größe  der  Glieder  ist  übrigens  für  die 
Küstenentwicklung  nicht  allein  maßgebend.  Afrika  und  Südamerika 
sind  beide  Rümpfe  ohne  Glieder;  da  aber  Südamerika  sich  sehr  stark 
verschmälert,  so  kommen  hier  auf  1  km  Küste  nur  698  qkm,  in 
Afrika  dagegen  1128.  Die  EnBENBüRGsche  Methode  fuhrt  aber  zu 
einem  ganz  entgegengesetzten  Resultate.  Ehrenburg^  unterscheidet 
drei  sphärische  Kreise:  1)  den  Außenkreis  (^)  oder  den  größten  Kreis, 
der  noch  alle  Glieder  des  betreffenden  Landraumes  umfaßt;  2)  den 
Innenkreis  (/)  oder  den  kleinsten  Kreis,  der  dem  Rumpfe  eingeschrieben 
werden  kann,  und  3)  den  inhaltgleichen  Kreis  (F),  und  setzt  die  Flächen 

dieser  Kreise  in  Beziehung  zueinander.     Der  Quotient  -y  ist  unter 

allen  möglichen  Kombinationen  offenbar  der  reinste  Ausdruck  der 
horizontalen  Gestaltung,  und  doch  ist  er  für  Afrika  größer  (5,e)  als 
für  Südamerika  (5,i).  Der  Grund  liegt  in  der  großen  Ausdehnung 
des  Golfs  von  Guinea,  den  Afrika  halbmondähnlich  umzieht;  dadurch 


588  Morphologie  des  Landes. 


wird  der  Außenkreis  sehr  groß  und  der  Innenkreis  sehr  klein.  An- 
gesichts solcher  entgegengesetzten  Ergehnisse  kann  mit  Recht  die 
Frage  aufgeworfen  werden,  ob  alle  diese  künstlichen  Methoden  der 
Geographie  wesentliche  Dienste  leisten.  Nur  Rohrbachs  Ausmessung 
der  Küstenentfernungszonen  und  bis  zu  einem  gewissen  Grade  aurl 
der  mittlere  Küstenabstand  bieten  uns  reale  Werte,  die  aber  auch 
nur  einseitige  Verhältnisse  zum  Ausdrucke  bringen.  Das  Kartenliild 
in  eine  Formel  zu  pressen,  ist  vergebliche  Mühe. 

Li tteraturnach weise.  *  Philippson  cit.  S.  426.  Weule,  Beitrag  zni 
Morphologie  der  Flachküsten,  in  der  Zeitschrift  für  wissenschaftliche  Geographie 
1891,  Bd.  VIII.  —  "  DiNSE,  Die  Fjordbildungen,  in  der  Zeitschrift  der  Berliner 
Gesellschaft  für  Erdkunde  1894.  —  '  Haas,  Studien  über  die  Entstehung  der 
Fjorden,  in  den  Mitteilungen  aus  d.  mineralogischen  Institut  d.  Univeraitat  Kiel. 
1888.  —  *  RüTiMEYER,  Die  Bretagne,  Basel  1883.  —  *  KbCmhel,  Die  Haupttjpen 
der  natürlichen  Seehäfen,  im  Globus,  1891,  Bd.  LX.  —  '  Rohbbach,  Über  mittiere 
Grenzabstände,  in  Petbrmanns  Mitteilungen  1890  (mit  vollständiger  Litteratur- 
angäbe  über  das  Thema  der  Küstenentwicklung  auf  S.  92).  —  '  Eheekvcbg. 
Studien  zur  Messung  der  horizontalen  Gliederung  von  Erdrfiumen,  Wüizborg 
1891  (mit  übersichtlicher  Angabe  sämtlicher  bisher  angewendeten  Formeln). 


Fünfter   Abschnitt. 

Die  geographische  Verbreitung  der  Pflanzen 

und  Tiere. 


Allgemeine  Bemerkungen  über  die  Verbreitung 
der  Pflanzen.^ 

Glücklicherweise  ist  der  Teil  des  Festlandes,  wo  das  Felsgerüste 
un verhüllt  zu  Tage  tritt  oder  eine  Eisdecke  trägt,  klein  im  Ver- 
gleiche zu  jenem,  der  mit  einem  Pfianzenkleide  geschmückt  ist  Hier 
>)eclingen  nicht  bloß  die  Terrainverhältnisse  und  Gewässer  die 
Physiognomie  der  Landschaft,  sondern  auch  die  Vegetation,  die  schon 
aus  diesem  Gesichtspunkte  das  geographische  Interesse  in  An- 
spruch nimmt,  in  noch  höherem  Grade  aber  deshalb,  weil  nicht 
nur  die  Existenz  der  Tiere,  sondern  auch  die  unsere  darauf  ge- 
gründet ist. 

Vegetation  und  Flora  sind  verschiedene  Begriffe.  Der  Reich- 
tum der  Vegetation  hängt  von  der  Anzahl  der  Individuen,  der  der 
Flora  von  der  Anzahl  der  Arten  ab.  Es  giebt  Gegenden,  wie  die 
Ebene  des  Amazonas,  wo  die  Dichtigkeit  der  Pflanzendecke  mit  der 
Fülle  der  Pflanzenformen  weiteifert;  aber  es  giebt  auch  Gegenden, 
wo  trotz  der  Ärmlichkeit  der  Vegetation  der  sammelnde  Botaniker 
eine  reiche  Ausbeute  findet  So  ist  es  in  den  vorderasiatischen 
Steppen,  wo  das  Doppelgeschlecht  Astragalus  und  Oxytropis  in  mehr 
als  tausend  Arten  auftritt.  Dagegen  ist  in  Neuseeland  die  Vege- 
tation üppiger  als  in  den  Mittelmeerländern,  aber  die  Flora  ist  hier 
ungleich  reicher. 

Abhängigkeit  vom  Boden.  Die  Pflanze  ist  zunächst  abhängig 
vom  Boden,  dem  sie  ihre  Nahrung  entnimmt  und  der  auch  ver- 
möge seiner  physikalischen  Eigenschaften,  wie  Dichtigkeit,  Wasser- 
durchlässigkeit und  Wärmekapazität,  einen  mächtigen,  wenn  auch 
manchmal  überschätzten  Einfluß  auf  die  Flora  ausübt,  die  man  in 
dieser  Beziehung  in  Kiesel-,   Kalk-   und  Salzpflanzen   zu   scheiden 


590  Die  geographische  Verbreitung  der  Pflanzen  und  Tiere. 

pflegt  Dieselben,  durch  eine  matte,  ins  Graue  spielende  FärbuDg 
ihrer  Vegetationsorgane  ausgezeichneten  Formen,  welche  die  Küsten 
der  Meere  bewohnen,  treten  auch  im  Innern  des  Landes  auf  den. 
salzgeschwängerten  Boden  der  Steppen  auf.  Die  immergrünen 
Bäume  und  Sträucher,  welche  den  hervorstechendsten  Charakterzag 
der  Mittelmeer-Flora  bilden,  kommen  nach  den  Beobachtungen  von 
Fuchs  in  Stidfrankreich,  Italien,  Griechenland,  Südrußland  und  im 
nördlichen  Kleinasien  ausschließlich  auf  dem  trockenen  und  wannten 
Kalkboden  vor,  während  weiter  südlich  die  Gesteinsbeschaffenheit 
der  Unterlage  ohne  Einfluß  bleibt  Auf  der  pyrenäiöchen  HalbinjJtf! 
ist  die  Steppe  streng  an  die  gipsführende  Formation  gebunden,  uml 
die  Grasfluren  der  argentinischen  Pampas  scheinen  durch  den  mit 
Sand,  salzigen  und  kalkigen  Bestandteilen  gemischten  Liehmboden 
bedingt  zu  sein.  Der  Einfluß  des  Bodens  zeigt  sich  namentlich  iL 
Gebirgen,  wo  die  Felsarten  rasch  wechseln.  In  der  Schweiz  findet 
man  einige  Pflanzen  (z.  B.  Androsace  lactea)  nur  auf  Kalk,  andere 
nur  auf  Sandstein,  wieder  andere,  wie  gewisse  Moose  und  Famt- 
des  Hochgebirges,  nur  auf  krystallinischem  Gestein.  Als  Beispiel 
absoluter  Anpassung  führt  Christ*  das  Alpen- Windröschen  (Ane- 
mone alpina)  an,  dessen  weiße  Form  nur  auf  Kalk  und  dessen  gelbe 
Form  nur  im  Thon-  und  Quarzgebirge  auftritt.  Wo  das  eine  Ge- 
stein allmählich  in  das  andere  übergeht,  da  finden  sich  auch  Farben- 
übergänge in  zahlreichen  Abstufungen.  Aber  schon  in  den  Vogesen 
hört  diese  strenge  Scheidung  auf,  und  ein  ähnliches  Verhalten  läßt 
sich  auch  bei  anderen  Pflanzen  beobachten.  Die  Lärche,  die  in  der 
westlichen  Schweiz  nur  das  krystallinische  Gebirge  bewohnt  und  auf 
Kalk  auch  bei  künstlicher  Anpflanzung  nicht  gut  gedeiht,  zeigt  sich  in 
Oberbayern  und  Salzburg,  noch  mehr  aber  in  den  Karpaten,  völlig  gleich- 
gültig gegen  die  Gesteinsbeschaff'enheit  ihres  Standortes.  Desgleichen 
kommt  die  Legföhre,  die  in  den  Alpen  ein  entschiedenes  Kalk- 
gewächs ist,  in  den  Karpaten  auf  jeder  Unterlage  vor.  Im  großen 
und  ganzen  tritt  also  die  Abhängigkeit  der  Vegetation  vom  Boden 
nur  in  klimatisch  gleichförmigen  Gebieten  scharf  hervor,  und  außer 
den  Salzpflanzen  dürfte  es  verhältnißmäßig  wenig  Gewächse  geben  die 
überall  an  eine  bestimmte  Gesteinsart  gebunden  sind.  Ob  aber  die  che- 
mischen oder  die  physikalischen  Eigenschaften  des  Bodens  vor  allem 
maßgebend  sind,  ist  eine  Streitfrage,  die,  wie  wir  sehen  werden,  bei  der 
Behandlung  des  Steppenproblems  eine  weittragende  Bedeutung  gewinnt 
Abhängigkeit  vom  Klima.  Licht,  Wärme  und  Feuchtigkeit 
bilden  die  Grundbedingungen  des  Pflanzenlebens.  Wir  werden  bei 
unsem  Betrachtungen  immer,  wieder  darauf  zurückkommen,  hier  be- 
schränken wir  uns  nur  auf  einige  allgemeine  Bemerkungen. 


Allgemeine  Bemerkungen  Über  die  Verbreitung  der  Pflanzen.  591 

Das    Wärmebedürfhis   verschiedener  Pflanzen   ist  verschieden, 
nicht  nur  in  Bezug  auf  die  Mitteltemperatur,  sondern  auch  in  bezug 
auf  die  Dauer   der   Zeit,    in    der   ein   gewisser,   die    Entwicklung 
des  Pflanzenlebens  ermöglichender  Wärmegrad  erreicht  werden  muß. 
Die  Birke  und  Lärche  können  z.  B.  weiter  gegen  den  Pol   und   in 
höhere  Regionen  vordringen,   als   die  Buche   und  Eiche,  denn   bei 
jenen  kann  die  Vegetationsperiode  nicht  unter  drei,  bei  diesen  nicht 
unter  fünf  Monate   herabsinken.     Aber    trotzdem   bilden   die  Iso- 
thermen keine  unübersteiglichen  Schranken,  insofern  Pflanzen  kälterer 
Gregenden    einen    gewissen    Wärmeüberschuß    sehr    wohl    ertragen 
können.    Empfindlicher  sind  die  Pflanzen   in  ihrem  Feuchtigkeits- 
bedürfhis,  daher  innerhalb  eines  Breitengrades  Gebiete  mit  Trocken- 
heit liebenden  Gewächsen  oft  sehr  scharf  gegen   solche   abgegrenzt 
sind,  die  von  Feuchtigkeit  liebenden  Pflanzen  bewohnt  werden.    Auf 
die  verschiedenste  Weise  suchen  sich  die  Pflanzen  gegen  trockenes 
Klima  zu  schützen   und   die  Verdunstung   der  Blattorgane   zu   ver- 
ringern.    Entweder  sind  die  Blätter,  wie  bei  den  Eukalyptusbäumen 
Australiens,   in  senkrechter  Stellung   eingesetzt  und   kehren   daher 
nicht  ihre  ganze  Fläche  der  Sonne   zu,   oder   sie   sind   verkleinert, 
oder  mit  Haaren  oder  Schuppen  bekleidet,  oder  fleischig  ausgebildet, 
oder  in  Domen  verwandelt;  ja  bei  einigen  Bäumen  und  Sträuchem, 
wie  bei  den  Casuarinen  und  dem  Besenstrauche  (Spartium),  ist  die 
Blattbildung  völlig  unterdrückt    Den    gleichen  Zweck   verfolgt   die 
Ausscheidung  von  Harz  oder   ätherischen  Ölen.     Aber  wenn   auch 
derartig  organisierte  Gewächse  in  trockenen  Gegenden   ihre  eigent- 
liche Heimat  gefunden  haben,  so  fehlen  sie  doch  auch  in  feuchten  Ge- 
bieten nicht  ganz.  Die  domigen  Astragalusarten  bilden  allerdings  den 
wesentlichsten  Bestandteil   der   Steppenflora   der  alten  Welt,   aber 
eine  Art  findet  sich  sogar  in  der  Nähe  von  Gletschern.     Die  Kakteen, 
die  in  den  regenarmen  Landstrichen  der  neuen  Welt  die   hervor- 
ragendste Rolle  spielen,  kommen  auch  in  den  feuchten  Urwäldem 
Südamerikas  vor,  und  ebensowenig  sind  die  kaktusähnlichen  Euphor- 
bien auf  die  trockenen  Teile  von  Asien  und  Afrika  beschränkt    Der 
Baumfam  und  die  Aloe,  die  beiden  größten  Gegensätze  in  Bezug 
auf  das  Feuchtigkeitsbedürfhis,  bewohnen  gemeinsam  den  indischen 
Teraiwald.    Nicht  immer  haben  also  äußere,  klimatische  Verhältnisse 
eine  eigenartige  Organisation  hervorgerufen,  sondern  diese  ist   zu- 
nächst durch  innere  Ursachen,  die  sich  allerdings  unserer  Beobachtung 
entziehen,  bedingt,  und  klimatische  Einflüsse   haben  nur  ihre  Aus- 
bildung gefördert 

HniDEBBAio)'  stellte  eingehende  Untersuchungen  über  den  Zu- 
sammenhang zwischen  dem  Klima  und  der  Lebensdauer  der  Pflanzen 


592  Die  geographische  Verbreitong  der  Pflanzen  und  Tiere. 

an.  Er  wies  nach,  daß  ein  gleichmäßiges  Klima  nicht  nur  langlebige 
Gewächse,  sondern  auch  die  Andauer  der  Vegetationsorgane  begünstigt 
Die  einjährigen  Pflanzen  treten  zurück  und  die  Zahl  der  H0I2- 
gewächse  nimmt  außerordentlich  zu;  ja  auf  den  Hawaiischen  Inseln 
und  auf  St.  Helena  sind  Familien,  die  sonst  nur  Kräuter  und  Stauden 
enthalten,  durch  Holzgewächse  vertreten.  Der  Äquatorialzone  fehlen 
einjährige  Pflanzen  ganz;  wenn  sie  aber  auch  in  tropischen  Gegen- 
den mit  langer  Trockenheit  verhältnismäßig  selten  sind,  so  er- 
klärt sich  dies  daraus,  daß  hier  der  Boden  von  Gewächsen  längerer 
Lebensdauer  zu  sehr  besetzt  ist,  um  eine  reichlichere  Entfaltung 
ephemerer  Existenzen  zu  gestatten.  In  unserem  Klima  ist  ihre  Zahl 
schon  beträchtlich  gewachsen,  dagegen  ist  sie  begreiflicherweise  gering 
in  Gegenden  mit  kurzer  Yegetationszeit,  also  in  Wüsten,  in  den 
alpinen  Regionen  und  im  polaren  Gürtel,^  wo  aber  im  Gegensatze 
zu  den  Tropen  die  langlebigen  Pflanzen  durch  Dauerorgane  unter 
der  Erde  oder  durch  kräftig  geschützte  oberirdische  Organe  aus- 
gezeichnet sind. 

Überall,  wo  die  klimatischen  Elemente  eine  ausgesprochene  jähr- 
liche Periode  zeigen,  verändert  sich  auch  das  Pflanzenkleid  mit  den 
Jahreszeiten.  Die  Winterkälte  der  mittleren  und  höheren  Breiten 
und  die  Trockenzeit  in  den  Gegenden  mit  streng  subtropischem  und 
tropischem  Regen  versenken  die  Vegetation  in  längeren  oder  kürzeren 
Schlaf.  Aus  den  Beobachtungen  über  ihr  allmähliches  Erwadien 
hat  sich  sogar  ein  eigener  Wissenszweig,  die  Phänologie,  entwickelt, 
die  besonders  H.  Hoffmann  große  Förderung  verdankt;  und  phäno- 
logische  Karten  bilden  eine  umso  erwünschtere  Ergänzung  unserer 
Klimakarten,  als  sie  manche  Unterschiede  enthüllen,  die  die  meteoro- 
logischen Mittelwerte  nicht  mit  gleicher  Schärfe  erkennen  lassen.* 
Manches  bleibt  freilich  noch  rätselhaft,  wie  das  Verhalten  des  Öl- 
baums, der  im  Mittelmeergebiete  seine  Knospen  schon  entfaltet»  wenn 
der  Winter  die  Blätter  am  meisten  bedroht,  oder  die  Erscheinung,  daß 
manche  Bäume  in  Venezuela  und  Brasilien  schon  vor  Beginn  der 
Regenzeit  ausschlagen. 

Pflanzenwandemngen  und  Pflanzenverbreitong.  Noch  ein  drittes 
Moment  muß  in  Betracht  gezogen  werden,  das  historische.  Die  Ver- 
breitung einer  Art  aus  der  Pflanzen-  wie  aus  der  Tierwelt  ist 
durch  Wanderung  von  einem  Entwicklungszentrum  aus  zu  erklären; 


X  Die  Zahl  der  einjährigen  Pflanzen  beträgt  in  der  Dauphin^  in 
200—600  m  600—1800  m  über  1800  m  Höhe 

60  33  6  Proz., 

femer  in  Paris  (49<^  B.)  45,  in  Kristiania  (59,o<*  B.)  30,  in  listad  (61,4*  B.)  26  Proz. 
der  Gesamtflora. 


...^-.^iiWUl   « 


Allgemeine  Bemerkungen  über  die  Verbreitung  der  Pflanzen.         593 

die  Verbreitungsmittel,  über  die  die  Pflanzen  verfügen,  wurden  schon 
auf  8.  572  angeführt.     Es  muß  hier  aber  auch  darauf  aufmerksam 
gemacht  werden,  daß  ebenso,  wie  jedes  Individuum,  auch  jede  Art 
zeitlich  beschränkt  ist,   wenn  auch  die  Lebensdauer  in  dem  einen 
wie  in  dem  anderen  Falle  innerhalb  weiter  Grenzen  variiert.     Am 
Simplon  bewohnt  eine  Glockenblume,  Campanula  excisa,  einen  wohl- 
abgerundeten Bezirk,  über  den  hinaus  sie  noch  nicht  vorgedrungen 
ist;    sie   befindet   sich   gleichsam  noch  im  Eindesalter,    das  an  die 
Wiege  gebunden  ist    Mit  jugendlicher  Vollkraft  erobert  dagegen  das 
canadische  Berufkraut  weite  Bezirke.   1655  wird  es  zuerst  als  Garten- 
pflanze im  botanischen  Garten  zu  Blois  erwähnt    1674  war  es  schon 
in  Südeuropa  heimisch,   aber  noch   1763  giebt  LiNNi:  als  Verbrei- 
tungsgebiet nur  Amerika  und  Südeuropa  an.    Seitdem  ist  es,  unter- 
stützt durch   die   Flugfähigkeit   seines   mit   einem  Fallschirm   ver- 
sehenen Samens,  nach  Norden  wie  nach  Osten  vorgedrungen,  und 
bat  sich  von  England  bis  zum  Altai  und  von  Sizilien  bis  Schweden 
ansässig  gemacht    Unzähüg  sind  die  Beispiele  von  Gewächsen,  die 
sich  auf  dem  Höhepunkt  ihrer  Entwicklung  befinden,  deren  Wande- 
rungen  aber   der   grauen  Vorzeit  angehören.     Einen   greisenhaften 
Zug  besitzen  jene  Pflanzen,  die  jetzt  nur  an  wenigen,  weit  vonein- 
ander  entfernten  Standorten   gefunden   werden;    so  die  Monotropa 
uniflora  und  Phryma  Leptostachya,   die    das  östliche  Nordamerika^ 
Japan   und  den  Himalaja,   letztere   auch   die  Gegenden  am  Amur 
und  westlich  von  Peking  bewohnen.    Diese  Verbreitungsart  läßt  sich 
nur  durch  die  Annahme  erklären,  daß  die  betreffenden  Pflanzen  an 
den  Zwischenstationen  ausgestorben  sind,  und  Engleb  faßt  sie  daher 
als  die  kümmerlichen  Reste  einer  einst  weit  verbreiteten  Tertiärflora 
auf.     Zu  demselben  Schlüsse  gelangen  wir  in  bezug  auf  das  Vor- 
kommen  nahe   verwandter,   aber  vikariierender  Arten  an  weit  ent- 
legenen Punkten.    Das  Geschlecht  Liquidambar  ist  jetzt  durch  je 
eine  Art  in  Kleinasien,  in  Japan  und  in  den  atlantischen  Staaten 
von  Nordamerika  vertreten,   aber  in  der  Miocänzeit  lebte  es  auch 
im  übrigen  Nordamerika,  in  Grönland,  in  Mitteleuropa  und  in  Ita- 
lien.   Zwei  andere  Geschlechter  tiefem  uns  Beispiele  eines  noch  fort- 
geschritteneren Verfalles.  Das  Genus  Sequoia  gliedert  sich  in  26  Arten, 
von  denen  aber  nur  noch  zwei,  S.  gigantea  (Wellingtonia  oder  Mam- 
muthaum,  die  größte  Conifere  der  Jetztzeit)  und  S.  sempervirens,  im 
pazifischen  Nordamerika  von  Califomien  bis  Oregon  leben,  während 
die  fossilen  Arten   im   ganzen   nördlichen  Waldgürtel   und   in   der 
arktischen   Zone   gefunden   werden.    Die   Blüteperiode   des  Gingko 
fallt  in  den  mittleren  Jura;  schon  im  Tertiär  zeigen  sich  deutliche 
Spuren   des   Niedergangs,   wenn   sich   auch   der  Verbreittmgsbezirk 

SupAir,  Ph3rBiBche  Erdkunde.    2.  Aofl.  38 


594  Die  geographische  Verbreitung  der  Pflanzen  und  Tiere. 

noch  über  den  ganzen  Norden  ausdehnte,  und  in  der  Gegenwart  i»t 
er  nur  auf  des  östliche  Asien  beschränkt 

Die  angeführten  Beispiele  belehren  uns  zugleich  über  die  ver- 
■schiedenen  Arten  des  Endemismus.  Endemische  Gewächse  sind 
sowohl  die  Glockenblume  am  Simplon,  wie  die  Sequoia  Califomiens: 
aber  im  ersteren  Falle  ist  die  Heimat  zugleich  das  Entwicklungs- 
zentrum, in  dem  letzteren  aber  nur  die  Zufluchtsstätte  der  letzten 
Vertreter  einer  untergehenden  Form. 

Schon  die  bisherigen  Erörterungen  konnten  uns  von  der  Richtig- 
keit zweier  wichtigen  Thatsachen  überzeugen:  erstens,  daß  die  Ent- 
wicklung der  jetzigen  Pflanzenwelt  noch  nicht  abgeschlossen  ist 
und  zweitens,  daß  diese  aufs  innigste  mit  den  Floren  der  früheren 
geologischen  Perioden  verknüpft  ist  Gerade  die  hervorstechendsten 
Eigentümlichkeiten  der  Florengebiete  lassen  sich  nicht  durch  das 
Klima  und  noch  weniger  durch  die  Bodenbeschaffenheit  erkläreiL 
Wir  können  den  gegenwärtig  bestehenden  Verhältnissen  keinen  stich- 
haltigen Grund  für  die  Thatsache  entnehmen,  daß  die  chinesischen 
und  japanischen  Eichen  und  Nadelhölzer  von  den  nordasiatischen 
verschieden  sind,  daß  in  den  Mittelmeerländern  die  Lippenblomen 
und  Cistrosengewächse,  oder  unter  den  alpinen  Kräutern  die  Primeln 
und  Gentianen  vorherrschen,  daß  an  der  Südspitze  Afrikas  plötzlich 
und  auf  einen  engen  Raum  beschränkt  eine  ganz  eigenartige,  reiche 
und  trotzdem  fast  nur  aus  endemischen  Arten  bestehende  Flora 
auftritt,  oder  daß  die  Floren  von  Ost-  und  Westaustralien  so  sehr 
differieren,  und  daß  der  Endemismus  des  letzteren  sogar  den  der 
festlandfemsten  Inselgruppe,  der  Hawaiischen,  übertrifft 

Wie  jetzt,  so  setzten  auch  in  der  Vorzeit  klimatische  Verschie- 
denheiten, Gebirge  und  Hochländer  und  endlich  das  Meer  den 
Pflanzenwanderungen  Schranken.  Aber  diese  Faktoren,  die  bei  der 
Verbreitung  der  Gewächse  die  wichtigste  Rolle  spielen,  haben  sich 
mehrfach  geändert  Namentlich  erlitten  in  den  mittleren  und  höheren 
Breiten  die  klimatischen  Verhältnisse  bei  dem  Übergänge  aus  der 
Tertiär-  in  die  Eiszeit  und  aus  dieser  in  die  Gegenwart  tiefein- 
schneidende Umgestaltungen;  und  nur  jene  Organismen,  die  Lebens- 
kraft genug  besaßen,  den  veränderten  Verhältnissen  sich  anzu- 
passen, konnten  ihren  Platz  behaupten.  Die  Variationsfahigkeit 
ist  also  eine  Grundbedingung  für  die  größere  Verbreitung  einer 
Pflanzenform. 

Die  Aufgabe  des  Botanikers  ist  es,  an  der  Hand  systematischer 
und  paläontologischer  Untersuchungen  dem  Entwicklungsgange  der 
Pflanzenwelt  nachzuspüren.  Unser  Ziel  ist  nicht  so  weit  gesteckt 
Einzelne  Formen  haben  für  uns  nur  dann  Bedeutung,  wenn  sie  die 


H 


Die  Hauptzonen  und  Hauptregionen  der  Vegetation.  595 

IPhysiognomie  der  Landschaft  in  charakteristischer  Weise  mitbestimmen, 
oder  wenn  sie  als  Mutzpflanzen  in  nähere  Beziehungen  zum  Menschen 
treten.  Unser  Hauptaugenmerk  richten  wir  vielmehr  auf  jene  großen 
FHanzengemeinschaften,  die  Gbisebach  Yegetationsformationen 
genannt  hat,  und  deren  Ausbildung  und  Verbreitung  zum  größten 
Teil  durch  das  gegenwärtige  Klima  bedingt  ist.  Nach  ihrer  syste- 
matischen Verwandtschaft  zerlegt  oder  vereinigt  der  Botaniker  diese 
Oemeinschaften  zu  Florenprovinzen  und  bildet  aus  den  Provinzen 
Florenreiche,  aus  den  Kelchen  Florengruppen,  aus  den  Gruppen 
Zonen.  ^  Die  Resultate  dieser  Arbeit,  in  Verbindung  und  verglichen 
mit  der  zoologischen.  Einteilung  des  Festlandes,  hieten  aber  das 
höchste  geographische  Interesse,  indem  sie  das  Gemälde  von  der 
Srdoberfläche  als  einer  allmählich  gewordenen  und  in  beständiger 
Umbildung  begriffenen  vervollständigen. 

Litteraturnachweise.  *  Hauptwerke  sind:  Grisebach,  Die  Vegetation 
der  Erde,  Leipzig  1872  (für  den  Geographen  noch  immer  unentbehrlich);  Enoler, 
Versuch  einer  Entwicklungsgeschichte  der  Pflanzenwelt,  Leipzig,  1879;  Dbude, 
Die  Floreureiche  der  Erde  (Gotha  1884)  und  Handbuch  der  Pflanzengeographie 
(Stattgart  1890),  Atlas  der  Pflanzenverbreitung,  Gotha  1887  (in  Berqhaüs'  Physi- 
kalischem Atlas).  —  •  Christ,  Pflanzenleben  der  Schweiz,  Zürich  1879.  —  •  Hilde- 
BRAMD,  Lebensdauer  u.  Vegetationsweise  der  Pflanzen,  in  Enolers  Botanischen 
Jahrbüchern,  Bd.  II.  —  *  Als  Beispiel  diene  Hoffmanns  phänologische  Karte 
von  Mitteleuropa,  in  Pstbbmanns  Mitteilungen  1881. 

Die  Hauptzonen  und  Hauptreglonen  der  Vegetation. 

(Siehe  ELarte  XVIIL) 

Den  drei  Temperaturzonen  entsprechen  die  drei  Vegetations- 
zonen^  die  tropische,  gemäßigte  und  polare. 

Tropische  Pflanzenzone.  Monokotyle  Laubbäume,  deren  einfaches 
Holzgerüst  eine  ausgebreitete,  riesige  Blattrosette  krönt,  und  unter 
diesen  wieder  die  Palmen,  sind  der  hervorstechendste  Charakterzug  der 
tropischen  Vegetation.  Als  die  äußersten  Grenzen  derselben  können 
wir  daher  die  Polargrenzen  der  Palmen  betrachten,  umsomehr  als 
diese  zum  Teil  wenigstens  mit  den  Jahresisothermen  von  20^  zusammen- 
fallen. Die  höchsten  nördlichen  Breiten,  die  die  Palmen  in  ihrer 
natürlichen  Verbreitung  erreichen,  sind  35®  in  Amerika  und  48,7® 
in  der  alten  Welt  (Nizza);  in  Südamerika  liegt  ihre  äußerste  Grenze 
in  38®,  in  Afrika  in  34®,  in  Australien  in  36®  B.  Weiter  vom 
Äquator  entfernen  sie  sich  auf  Neuseeland;  östlich  von  Neuseeland, 
auf  der  Pittinsel,  erreichen  sie  ihre  größte  Polhöhe  in  fast  45®  S. 


X  Drude,  dem  wir  sonst  folgen,  nennt  die  Zonen  Gruppen  und  die  Gruppen 
Untergruppen. 

88* 


596  Die  geographische  Verbreitung  der  PAansen  and  Tiere. 

Dagegen  bleiben  sie  den  Galapagosinseln  und  den  fjianden  Ascen- 
sion  und  St  Helena  fem,  aber  wohl  nicht  aus  klimatischen  Granden, 
während  die  schmale  und  lange  äquatoriale  Ausbuchtung  ihrer 
Polargrense  in  Südamerika  durch  die  gewaltige  Erhebung  der 
Andes  bedingt  ist 

Während  an  der  antarktischen  Grenze  yerschiedene  Palmen^ 
Kum  Teil  Ton  hochstämmigem  Wüchse,  auftreten  und  der  tropische 
Yegetationscharakter  ziemlich  rasch  abbricht,  gehören  die  nördlich- 
sten Palmen  ausschließlich  zur, Gruppe  der  Sabaleae,  und  zwar  in 
der  neuen  Welt  zum  Sabal*,  in  der  alten  Welt  zum  Chamaerops- 
Geschlechte.  Die  Giltigkeit  des  Hauptgesetzes,  daß  unter  sonst 
gleichen  Umständen  der  Florenreichtum  mit  wachsender  Breite  ab- 
nimmty  erwies  Drudb,  dem  wir  überhaupt  die  eingehendsten  Unter- 
suchungen über  die  Verbreitung  der  Palmen  verdanken,  auch  in 
Bezug  auf  diese  Pfianzenfamilie.  ^  Nur  das  höchste,  in  äquatorialer 
Richtung  verlaufende  Kettengebirge,  der  Himalaja,  bildet  eine  schrofie 
Grenze,  indem  südlich  davon  die  Palmen  sogleich  in  großer  Arten- 
zahl auftreten.  Am  üppigsten  entfaltet  sich  die  tropische  Vegetation 
in  der  Ebene  des  Amazonas  und  im  malaischen  Archipel,  also  unter 
dem  Äquator.  Wenn  Afrika  nicht  durch  eine  gleiche  PalmenfuUe 
ausgezeichnet  ist,  so  hat  man  dies  zum  Teil  wenigstens  der  bedeu- 
tenden Erhebung  über  dem  Meeresspiegel  zuzuschreiben,  denn  die 
Palmen  heben  vor  allem  warmfeuchtes  Tiefland  und  steigen  nur 
ausnahmsweise  iu  größere  Seehöhen  empor  (die  Wachspalme  in  den 
Andes  bis  3000  m).  Daraus  erklärt  es  sich  auch,  daß  in  Afrika 
die  Palmen  nur  in  der  Guinea-Niederung  einen  hervorragenden  An- 
teil an  der  Vegetation  nehmen. 

Die  einzige  einheimische  Palme  von  Südeuropa,  Chamaerops 
humilis,  ist  eine  Zwergform.  Der  Stamm  ist  meist  im  Boden  ver- 
steckt, und  nur  in  den  günstigsten  Fällen  erreicht  er  eine  Höhe  von 


X  Die  Artenzahl  beträgt: 

a)  in  Amerika: 

Prärien  3.  Südöstliche  Vereinsstaaten  6.  Mezicanischefi  Gebiet  SO. 
Westindien  40.  Südamerika  diesseit  vom  Äquator  90.  Amazotkas- 
ebene  180.  Tropische  Andes  70.  Brasilianisches  Gebiet  90.  Chile  2. 
Nördliche  Pampas  6. 

b)  im  westlichen  Teil  der  Osthemisphäre: 
Mittelmeerländer  1.    Sahara  und  Vorderasien  3.    Tropisches  Afrika^ 
Westküste  17,  Ostküste  11.    Madagaskar  10.     Südafrika  2. 

c)  im  östlichen  Teil  der  Osthemisphttre: 

Südclüua  11.  Vorderindien  50,  Hinterindien  70.  Malaischer  Archipel 
20(K  Australische  Nordküste  bis  zum  Wendekreise  19.  Australische 
Ostküste  6. 


Die  Hauptzonen  und  Hauptregionen  der  Vegetation.  597 

4 — 6  m.  Solche  Zwerge  finden  wir  aber  auch  gelegentlich  in  der 
Nähe  des  Äquators,  besonders  in  höheren  Regionen.  Die  meisten 
Palmen  sind  hier  aber  hochwüchsige  Bäume,  deren  schlanker  Stamm 
sich  bei  einigen  südamerikanischen  Arten  bis  zu  60  m  über  den  Boden 
erhebt^  oder  sie  sind  Schlinggewächse  (Rotangs).  Eine  Ausnahme  von 
der  gewöhnlichen  Palmform  bilden  die  afrikanischen  Dumpalmen, 
deren  Stamm  ein-  oder  mehrfach  gabelförmig  geteilt  ist  Die 
Blätter  sind  oft  von  erstaunlicher  Größe;  es  giebt  Fächer  von  37^  i» 
Durchmesser  und  Fieder  von  15  m  Länge,  Das  ganerandige,  steife 
Blatt  der  Manicaria  saccifera  besitzt  eine  Länge  von  9  und  eine 
Breite  von  1  ^2  ni.  Noch  deutlicher  zeigt  sich  die  tropische  Lebens- 
fülle in  den  Kletterpalmen,  die  besonders  in  Ostindien  heimisch  sind 
(die  Geschlechter  Calamus  und  Daemonorops),  und  deren  Hokstamm 
eine  Länge  von  370 — 550  m  erreicht  Wäre  ihr  Stamm  entsprechend 
dick,  um  aufrecht  stehen  zu  können,  so  würde  er  viele  Berge  an 
Höhe  übertreffen. 

Aber  nicht  bloß  ein  unvergleichlicher  Schmuck  der  Landschaft 
sind  die  Palmen,  sie  sind  auch  von  unberechenbarem  Nutzen.  Ganze 
Liänder  ernähren  sich  von  den  Früchten  der  Dattel-  und  Kokos- 
palme. Der  Stamm  der  Sagopalme  enthält  reichliches  Stärkemehl,  das 
unter  dem  Namen  Sago  in  den  Handel  kommt.  Die  Blattknospen  einiger 
Arten  werden  als  Gemüse  genossen,  oder  man  bereitet  aus  ihrem 
Safte  den  Palmenwein  und  durch  Zusatz  bitterer  Kräuter  und  Wur- 
zeln, die  die  Gärung  zurückhalten,  ein  bierartiges  Getränk  Gekocht 
und  zur  Verdunstung  gebracht,  liefert  dieser  Saft  guten  Zucker. 
Den  Assai,  ein  dem  Kaffee  oder  der  Schokolade  ähnliches  Getränk, 
liefert  die  Frucht  der  südamerikanischen  Euterpe  oleracea.  Die 
Betelnuß,  die  Frucht  der  Arecapalme,  ist  im  ganzen  südöstlichen 
Asien  ein  beliebtes  Genußmittel.  Das  Palmöl,  dessen  Bedeutung  für 
den  Welthandel  von  Jahr  zu  Jahr  steigt,  gewinnt  man  aus  dem 
Sameneiweiß  einiger  Palmen,  besonders  der  westafrikanischen  Ol- 
palmen.  Unendlich  mannigfaltig  ist  endlich  die  Verwendung  der 
Blätter  und  des  Holzes  zu  Flechtwerk,  Hüten,  Matten,  Gefäßen, 
Kästen  u.  s,  w. ;  und  wohl  keine  Pflanze  ist  mit  den  Sitten  und  Ge- 
wohnheiten der  Tropenbewohner  so  innig  verwachs^i,  als  die  Palme; 
ja  in  bezug  auf  die  Vielseitigkeit  des  Nutzens  kommt  ihr  keine 
andere  Pflanzenfamilie  der  Erde  gleich. 

Als  Nahrungspflanzen  sind  auch  die  Musaceen  von  außer^ 
ordentlicher  Bedeutung.  Ihre  saftreichen^  nicht  sehr  hohen  Stämme 
tragen  Blätter  von  außerordentlicher  Größe,  schöne  Blüten  und 
Fruchtbündel  von  1 — IY2  ^  Länge.  Die  Früchte  der  Bananen 
werden  als  frisches  Obst,  die  des  Pisangs  (Paradiesfeige)  meist  ge^ 


598  Die  geographische  Verbreitung  der  Pflanzen  und  Tiere. 

kocht  genossen.  Eine  beschränktere  Verbreitung  besitzt  der  Brot- 
baum, ursprünglich  nur  vom  Sundaarchipel  bis  zu  den  fernsten 
polynesischen  Inseln;  aber  gerade  flir  diese  pfianzenarmen  Eilande 
ist  er  das  wertvollste  Geschenk,  um  so  mehr,  als  er  keiner  Kultur 
bedarf,  und  drei  Bäume  ausreichen,  einen  Menschen  das  ganze  Jahr 
hindurch  zu  ernähren.  Fast  unabsehbar  ist  die  Zahl  der  übrigen 
Bäume  mit  eßbaren  Früchten.  Hier  sei  nur  noch  der  Bauyanen  ge- 
dacht, die  der  Hindu  als  das  Symbol  unerschöpflicher  Naturkraft  ver- 
ehrt. Aus  den  Zweigen  senken  sich  Luftwurzeln  herab,  die  wieder  za 
neuen  Stämmen  heranwachsen,  so  daß  „Krone  an  Krone  wie  über 
einer  gemeinsamen  Säidenhalle  sich  ausbreitet",  und  ein  einzige^ 
Individuum  einen  ganzen  Wald  erzeugen  kann.  Seltsam  erscheineL 
auch  dem  an  nordische  Formen  gewöhnten  Auge  die  Gestalten  des 
Pandanus  und  die  Mangrovebäume,  die  alle  tropischen  Flach- 
küsten, welche  nicht  zu  sehr  der  Brandung  ausgesetzt  sind,  um- 
säumen. Die  Luftwurzeln  der  letzteren  entspringen  aus  den  Früchteii, 
und  die  neuen  Stämme  lösen  sich  dann  von  dem  Mutterkörper  los. 
Am  meisten  fällt  uns  die  Wachstumskraft  der  Tropen  auf,  wenn 
vrir  innerhalb  einer  und  derselben  Familie  tropische  Vertreter  mit 
denen  höherer  Breiten  vergleichen.  Zur  Familie  unserer  Graser 
gehört  das  Bambusrohr,  das  am  Fuss  etwa  15  cm  dick  ist  und 
nach  oben  sich  zu  einer  Spitze  verjüngt.  Die  glänzend  -  glatten 
Stämme  vereinigen  sich  zu  dichten  Gruppen  von  20 — 30,  ja  sogar 
40  m  Höhe,  und  treten  somit  in  der  Physiognomie  der  südasiatischeD 
Landschaft  bedeutsam  hervor.  Seltener  ist  der  Bambus  in  Süd- 
amerika, und  in  Afrika  scheint  er  fast  ganz  zu  fehlen.  Unerschöpf- 
lich ist  seine  Verwendbarkeit  zu  Waffen,  Leitern,  Masten,  Kähnen. 
Brücken,  Matten,  Schränken,  Gefäßen,  Möbeln;  ja  ganze  Häuser 
werden  aus  diesem  ebenso  eleganten  als  leicht  zu  verarbeitenden 
Material  erbaut  Die  Familie  der  Liliengewächse  hat  einige  baum- 
artige Kepräsentanten,  wie  Yucca,  Aloe  und  den  berühmten 
Drachenbaum,  einen  der  Biesen  der  Pflanzenwelt.  Aus  der  Klasse 
der  Farne,  die  in  außerordentlichem  Formreichtum  und  enormer 
Artenzahl  die  feuchten  Urwälder  bewohnen,  ragt  besonders  der 
schöne,  6 — 10,  manchmal  15 — 18  m  hohe  Baumfarn  hervor.  Auch 
der  Ricinus  erlangt  baumartigen  Wuchs  und  eine  Höhe  von 
6 — 10  m.  Die  Familie  der  Arongewächse,  die  bei  uns  nur  in 
kleinen  Formen  vorkommt,  verliert  zwar  auch  in  den  Tropen  ihren 
krautartigen  Charakter  nicht,  aber  Stamm  und  Blätter  erlangen 
kolossale  Dimensionen.  Viele  Schling-  und  Schmarotzergewächse 
des  Urwaldes  gehören  ihr  an.  Ein  noch  größeres  Kontingent  zu 
den  epiphytischen  Pflanzen  stellen  die  Orchideen,  die  an  Mannig- 


Die  Hauptzonen  und  Hauptregionen  der  Vegetation.  599 

fs4,ltigkeit   und   Blütenschönheit   alle   anderen   Familien    übertreffen. 
A.'ber  die  prachtvollsten  Blumen  verschwinden  im  Dickicht  des  Ur- 
^valdes  oder  bilden  nur  einen  rasch  vergänglichen  Schmuck.     Die 
Üppigkeit  der  tropischen  Vegetation   äußert   sich   überhaupt  nicht 
in  der  Hervorbringung  von  entsprechend  großen  Blüten,  ja  gerade 
bei  den  gewaltigsten  Pflanzen  sind   die  Blüten  verhältnismäßig  un- 
scheinbar.    Auch   die   größten  Bäume  von   mehr   als    1 20  m  Höhe 
(Sequoia  gigantea  und  Eukalypten)  findet  man  nicht  in  der  Tropen- 
zone;  nur  in  Bezug  auf  den  Umfang  des  Stammes  kann  sich  der 
SLfrikanische   Affenbrotbaum   und    der   westindische    Wollbaum, 
dessen  Krone  tausend  Personen  Schatten  gewährt,    und  aus  dessen 
Stamm  Kanus  für  180  Personen  hergestellt  werden,  mit  den  Riesen 
Californiens  und  Australiens  messen.     Dagegen  entwickeln  sich  ein- 
zelne Pflanzenteile  in  großartigster  Weise.    Die  Kigelia  trägt  60  cm 
lange,  dicke  Früchte,  und  der  ebenfalls  afrikanische  Ensete-Pisang 
6  m  lange  Blätter.    Beiläufig  ebensolang  und  3 — 4  m  im  Durchmesser 
sind   die  Fächer  der  Palme  Corypha  umbraculifera  auf  Ceylon 
und  in  Malabar,  die  am  Schlüsse  ihres  Lebens  eine  Blütenrispe  von 
10  m  Höhe  treibt    Das  abgerundete  Blatt  der  Gunnera  gigantea, 
einer  Steinbrechart   in  Columbien,   hat  6— 8  m  im  Umfang.     Die 
kreisförmigen,    oben    hellgrünen,    unten    karminroten    Blätter    der 
Victoria  regia,  die  im  Durchmesser  1^2 — 2  m  groß  sind,  schwim- 
men ausgebreitet  auf  dem  Spiegel  des  Amazonas  und  seiner  Neben- 
flüsse, und  rechtfertigen  den  königlichen  Namen  dieser  herrlichsten 
aller  Wasserpflanzen.    Die  Eafflesia  Arnoldi  auf  Sumatra  genießt 
den  Buhm,   die  größte   aller  bekannten  Blüten   zu  besitzen,   denn 
diese  hat  einen  Durchmesser  von  nicht  weniger  als  1  m.    Die  Nüsse 
der  Palme  Lodoicea  Sechellarum   erreichen  einen  Durchmesser 
von   45 — 60  cm,   und  es  dauert  ein  volles  Jahrzehnt,   bis  sie  zur 
völligen  Reife  gelangen. 

GemäTsigte  Zone.  Wie  die  Palmen  stellenweise  über  die  Grenzen 
der  warmen  Zone  hinausdringen,  so  auch  andere  Tropengewächse, 
wenn  auch  zum  Teil  in  verkümmerter  Form.  Die  Bambusen  kommen 
in  ganz  China  vor,  aber  es  ist  fraglich,  ob  sie  nördlich  vom  Tsinling 
einheimisch  sind.  Arundarien,  die  sich  zum  Bambus  in  ähnlicher 
Weise  verhalten,  wie  die  Zwergpalmen  zur  Baumpalme,  bewohnen 
die  Kurilen  und  sind  in  den  Vereinigten  Staaten  bis  Illinois  ver- 
breitet Zwergartige  Lilienbäume  reichen  im  westlichen  Nordamerika 
bis  49*^  B.  und  im  östlichen  bis  zur Chesapeakebai  (27^B.).  Tropisches 
Gepräge  tragen  der  Tulpenbaum  und  Sassafraslorber,  die  sich  bis 
Canada,  der  Persimanbaujoa  und  eine  Magnolie,  die  sich  bis  New 
York,  und  der  Trompetenbaum,  der  sich  angeblich  bis  Illinois  findet. 


600  Die  geographische  Verbreitung  der  Pflanzen  und  Tiere. 

In  den  trockenen  Gebieten  Nordamerikas  dringen  die  AgaTen  zwar 
nur  bis  35^  B.  vor,  desto  weiter  aber  die  Kakteen,  die  man  noch 
jenseits  des  Missouri  in  49^  B.  antrifft  Aber  auch  sie  nehmen  nach 
Norden  rasch  an  Höhe  ab,  gerade  so  wie  die  Mimosenstraucher  der 
südlichen  Prärien. 

Viel  wichtiger,  als  vereinzelte  Vorposten  der  Tropenwelt,  sind 
die  immergrünen  dikotylen  Laubbäume,  die  den  südlichsten 
Gebieten  unserer  gemäßigten  Zone,  soweit  milde  Winter  herrschen, 
also  mit  Ausschluß  der  grossen  Bodenerhebungen,  ein  charakteristisches 
Gepräge  verleihen.  Im  Westen  der  alten  Welt  erreichen  sie  ihre 
höchste  Breite  bei  Görz  (46%  im  Osten  dringen  die  immergränen 
Eichen  nur  bis  36*^  vor,  werden  aber  in  Nippon  noch  bis  38®  B. 
angepflanzt.  In  Nordamerika  liegt  ihre  Polargrenze  im  Westen 
in  ca.  47^  B.  (Oregon),  in  Kentucky  in  3672  ^^^  ^°  ^^^  Ostküste 
in  37®  B.;  hier,  wie  in  der  östlichen  Hemisphäre  folgt  sie  also 
den  Winterisothermen.  Weiter  nach  Norden  reichen  die  immer- 
grünen Sträucher,  am  weitesten  an  der,  vom  Golf  ströme  bespülten 
atlantischen  Küste  Europas,  wo  z.  B.  die  Erica  cinerea  von  Portugal 
bis  zu  den  Färöer  und  bis  Bergen  in  Norwegen,  also  bis  zum  62. 
Parallel  sich  verbreitet  hat.  Nur  der  Buchsbaum,  der  in  West-  und 
Südeuropa,  in  China  und  Japan  ebenso,  wie  in  den  Steppen  und 
auf  den  Gebirgen  Hochasiens  vorkommt,  schlingt  ein  ununterbrochenes 
immergrünes  Band  um  die  alte  Welt 

Auf  der  Südhemisphäre  umfaßt  die  immergrüne  Zone,  begünstig 
durch  die  große  Gleichmäßigkeit  des  Klimas,  das  ganze  aussertro- 
pische  Festland.  Auf  unserer  Halbkugel  folgt  aber  darauf  der 
Gürtel  der  sommergrünen  Laubbäume,  der  im  westlichen  Eu* 
ropa  bis  60^,  im  östlichen  bis  ca.  56^,  im  mittleren  Sibirien  bis 
48—50°  und  in  Kamtschatka  wieder  bis  60®  B.  reicht  Für  den 
atlantischen  Teil  von  Nordamerika  wird  54®,  für  das  Binnenland 
ca.  47®  B.  als  Polargrenze  angegeben;  darüber  hinaus  dehnt  sich 
in  der  alten,  wie  in  der  neuen  Welt  die  Koniferenzone  bis  zur 
Waldgrenze  aus. 

Auf  ein  Moment  muß  besonders  aufmerksam  gemacht  werden. 
SchroflFe  Gegensätze  hat  die  Natur  auch  in  der  Anordnung  der 
Vegetation  insofern  vermieden,  als  gewisse  Hauptelemente  bei 
dem  Übergange  aus  der  einen  in  die  andere  Zone  allmäJblich 
teils  zu-,  teils  afbnehmen.  Im  Tropengürtel  herrschen  monokotyle 
und  immergrüne  dikotyle  Laubbäume.  Periodisch  belaubte  Bäume, 
wie  die  Sykomore,  und  Nadelhölzer,  wie  die  brasilianische  Araukarie, 
kommen  zwar  vor,  doch  im  allgemeinen  selten,  wenn  wir  von  den 
höheren  Gebirgen  absehen.     In   der   daran  sich  schliessenden  Sub- 


Die  Hauptzonen  und  Hauptregionen  der  Vegetation.  601 

tropenzone  finden  wir  nur  noch  einige  Ausläufer  monokotyler  Bäume; 
neben  den  immergrünen  Laubbäumen  aus  der  Klasse  der  Dikotyle- 
donen  spielen  die  sommergrünen  eine  ebenbürtige  Rolle;  und  auch 
die  Koniferen,  unter  denen  einige  dem  Norden  fremde  Formen,  wie 
Cypressen  und  Pinien,  sich  befinden,  treten  schon  bedeutsam  hervor. 
Dann  verschwinden  die  immergrünen  dikotylen  Bäume  und  nur 
solche  mit  periodischer  Belaubung,  gemischt  mit  Nadelhölzern,  bilden 
die  Wälder  der  mittleren  nördlichen  Breiten,  bis  endlich  in  den 
höheren  Breiten  die  Konifere  die  Oberherrschaft  erlangt.  Endlich 
endigt  auch  der  Nadelwald  und  die  polare  Vegetation  beginnt. 

Polare  Waldgrenzen.  Die  arktische  Waldgrenze  folgt  im 
allgemeinen  der  10®-  Isotherme  des  wärmsten  Monats;  jenseits  der- 
selben ist  die  Vegetationszeit  zu  kurz,  um  Baumleben  zu  gestatten, 
und  nur  in  geschützten  Flußthälern  dringt  der  Wald  noch  erheblich 
weiter  gegen  Norden  vor.  Im  Janathale  erreicht  er  z.  B.  70^55', 
und  im  Thale  der  Chatanga  im  Taimyrlande  seine  höchste  arktische 
Breite:  72^3®.  In  Alaska  fanden  Dall  und  Whympeb  am  Fort 
Jukon  (67®  10'  N.)  noch  einen  stattlichen  Wald,  und  bei  Nulato 
64*^  40'  N.)  noch  Bäume  von  90  cm  Durchmesser  und  30  m  Höhe. 
Die  kalten  Seewinde  flieht  der  Baum,  daher  die  Küstengegenden 
des  Beringmeeres  waldlos  sind,  und  an  der  sibirischen  Waldgrenze 
nach  den  Beobachtungen  Middbndokffs  die  Bäume  in  regelmäßiger 
Stufenfolge  kleiner  werden,  um  endlich  in  verkrüppelten  Zwergformen 
zu  enden.  Die  Eisströmungen,  die  von  Norden  und  Westen  durch  die 
Davis-  und  Hudsonstrasse  zum  Atlantischen  Ozean  abfließen,  drücken 
mit  der  Sommerwärme  auch  die  Waldgrenze  auf  Labrador  bis  gegen 
52^  B,  herab;  die  höchste  und  die  tiefste  Grenze  des  Baumlebens 
auf  unserer  Halbkugel  differieren  also  um  ca.  20  Breitengrade. 

Daß  die  Baumgrenze,  wenigstens  in  Sibirien,  einst  weiter  nach 
Norden  reichte,  bezeugen  die  Waldinseln  und  die  stehenden  Wurzeln 
großer  Bäume,  die  man  noch  in  der  Tundra  findet  Es  wäre  aber 
verkehrt,  wollte  man  daraus  auf  eine  dauernde  Verschlechterung  des 
Klimas  schließen.  Ohne  daß  die  mittlere  Jahres-Temperatur  sich  ändert, 
können  mehrere  aufeinander  folgende  ungünstige  Winter  mit  trockenen 
Nordwinden  die  Waldgrenze  rasch  zurückdrängen,  weil  hier  die  Be- 
dingungen der  Existenz  grösserer  Holzgewächse  eben  noch  knapp 
erfüllt  sind,  und  daher  auch  vorübergehende  Änderungen  sich 
fühlbar  machen.  Ein  noch  gefährlicherer  Feind  ist  der  Mensch,  der 
z.  B.  in  den  Thälem  Islands  die  einstigen  Birken  Waldungen  bis  auf 
eine  einzige  (bei  Hallormstradur)  vernichtet  hat  Nirgends  ist, 
wie  MiDDBNDOBF  treffend  bemerkt  hat,  der  Wald  so  sehr  sich  selbst 
Schutz^  als  an  seinen  äussersten  Grenzen;  jede  Blöße,  die  das  Beil 


602  Die  geographische  Verbreitung  der  Pflanzen  und  Tiere. 

oder  der  Sturm  geschaffen  hat,  gefährdet  hier  die  Umgebuug.  b^ 
Kärtchen  XVIII  zeigt  deutlich,  wie  die  polare  Tundra  zungenardg 
oder  in  vereinzelten  Flecken  schon  weit  in  das  Waldland  eingreift 

Die  südlichen  Kontinente  liegen  innerhalb  der  Waldgrenze.  Auf 
einigen  Inseln^  wie  auf  der  Falklandgruppe,  gestatten  die  häufigen 
Stürme  keinen  Baumwuchs  oder,  wie  auf  Tristan  da  Cunha,  nur  das  Auf- 
kommen von  Krummholz.  Die  Amsterdam-Insel  besitzt  einen  WaM 
von  Phylica  arborea,  völlig  übereinstimmend  mit  Tristan  d'Acunha, 
aber  schon  auf  St  Paul  sucht  man  vergebens  nach  einem  Holzgewächse, 
und  ebenso  auf  den  Kerguelen  und  der  Marioninsel.  Aber  hier  las^eL 
sich  nicht  die  Stürme  allein  daftir  verantworüich  machen,  denn  die 
Flora  dieser  Inseln  trägt  einen  entschieden  polaren  Charakter,  in- 
sofern die  Zahl  der  Moose  die  der  Phanerogamen  entschieden  über- 
trifft. Es  stimmt  dies  ganz  mit  der  abnorm  tiefen  Sommertemperatur 
dieser  Gegend  überein.  Ebenso  wie  in  Labrador,  greift  auch  hier 
die  polare  Flora  zungenartig  in  die  gemäßigte  Zone  ein,  nur  er- 
reicht sie  hier  den  38.  Parallel,  d.  h.  die  Breite  von  Calabrien!  Er- 
innern wir  uns  daran,  daß  in  Südamerika  bis  zu  ca.  55  ®  B.  immer- 
grüne Laubbäume  an  der  Zusammensetzung  der  Wälder  in  hervor- 
ragender Weise  sich  beteiligen,  und  daß  im  Osten  von  Neuseeland 
hochwüchsige  Palmen  noch  in  44  ®  B.  vorkommen,  so  werden  wir  zq 
unserem  Erstaunen  gewahr,  welche  Gegensätze  innerhalb  gleicher 
Breiten  die  anscheinend  so  einförmige,  fast  nur  von  Wasser  bedeckte? 
Südhemisphäre  in  sich  birgt. 

Polare  Fflanzenzone.  Außerhalb  des  südamerikanischen  Festlande^ 
fand  man  die  letzte  Staude  (aus  der  Familie  der  Doldenträger)  auf 
Süd-Georgien  (54^  B.),  das  letzte  Gras  auf  den  Südshetland-Inseln 
(60 — 63  ®B.),  weiter  im  Süden  aber  nur  Kryptogamen,  so  auf  der 
Insel  Cockburn  unter  64^  B.,  d.h.  im  Parallel  von  Trondhjem,  und 
neuerdings  (1895)  auch  in  der  Eis  wüste  des  Victorialandes  unter  72**  B. 

Wie  ganz  anders  gestalten  sich  die  Verhältnisse  im  arktischen 
Gürtel!  Am  ärmlichsten  ist  die  Flora  auf  den  nahezu  wagerechten 
Ebenen,  wo  das  sommerliche  Schmelzwasser  weder  abfließen  noch 
eindringen  kann,  und  die  Bodentemperatur  wegen  der  Nähe  des 
unterirdischen  Eises  sich  nicht  über  den  Gefrierpunkt  erhebt.  Das 
sind  die  Moostundren,  die  das  Festland  der  alten  Welt  jenseits  der 
Waldgrenze  umsäumen.  Wo  festes  Gestein  der  Oberfläche  nahe  liegt 
und  der  Boden  einigermaßen  trocken  ist,  wie  im  größten  Teil  des  polaren 
Nordamerikas,  entwickelt  sich  die  Flechtentundra,  die  mit  ihren 
Flechten,  Heidel-  und  Krähenbeeren  ein  reicheres  Tierleben  er- 
nährt. Die  Flußniederungen  schmücken  Wiesen  mit  Kräutern,  Weide- 
gestrüpp und  Gruppen   kleinerer  Holzgewächse;  und  auf  geneigtem 


Die  Haaptzonen  und  Hauptregionen  der  Vegetation.  603 

Boden   zaubert   der  monatelange  Sommertag  anmutige  Matten  mit 
frischem    Grün   und   prächtigen   Blumen     hervor,     denn    nur    auf- 
fällig   gefärbte   Blüten   können   die   wenigen  Insekten,   die  die  Be- 
fruchtung vermitteln,   herbeilocken.    Im   östlichen  Grönland  wurden 
die     Mitglieder    der    deutschen    Expedition    durch    große,     gleich- 
mäßig   grüne    Flächen,    die    bis    zu    einer   Höhe    von    300  m   an- 
steigen,  überrascht     Herden  von  Renntieren  und  Bisamstieren  be- 
lebten  dieselben,  und  an  manchen  Stellen  labte  sich  das  Auge  an 
dem    schönsten  Rasen  mit  Stauden  und  Erikensträuchern  oder  nie- 
derem   Birkengestrüpp.     In    den    höheren    Regionen    des    eisfreien 
Küstenlandes,  wo  kein  ozeanischer  Nebel  die  Sonne  verhüllt,  steigt 
Papaver  nudicaule  bis  1500  m,  viele  Blütenpflanzen  bis  1250  m  Höhe 
an,    und   ein  Vaccinium   trägt   noch   in    660m  Höhe  reife  Beeren. 
Selbst  auf  den  Nunatakken  des  Binneneises  (s.  S.  170)  fand  Jensen 
grüne,    wenn    auch    spärlich   bewachsene   Stellen;    in   beträchtlicher 
Entfernung    von    der    Küste    und    in    1250  m  Höhe    sammelte    er 
27   Phanerogamen,  und  am  Rande  des  Inlandeises  bei  Julianehaab 
empfing  ihn  eine  üppige  Vegetation  von  Gräsern  und  3 — 4  m  hohen 
Birken.   Von  den  386  Gefäßpflanzen,  die  Grönland  besitzt,  erreichen 
noch  88  den  83.  Parallel.    Auf  GrinnelUand  (82  «>B.)  liefert  eine  mit 
Stauden  gemischte  Moossteppe  noch  genügendes  Futter  fiir  die  Tiere, 
und   unter  82^  50'  wurden  sogar  noch  9  Blütenpflanzen  gesammelt. 
Am    ärmlichsten   dürfte  die  Vegetation  auf  Franz-Josef-Land  sein, 
denn  vergebens  sucht  man  hier  nach  einer  geschlossenen  Rasendecke, 
aber  dichte  Moospolster  sind  nicht  selten  und  Flechten   in  Menge 
vorhanden.     Solche  Kontraste  schafft  der  kontinentale  Sommer  der 
nördlichen  und  der  ozeanische  Sommer  der  südlichen  Polarzone. 

Fflanzenregionen.  Die  vertikale  Temperaturabnahme  bewirkt 
eine  ähnliche  Pflanzenanordnung  mit  wachsender  Höhe,  wie  mit 
wachsender  geographischer  Breite.  Es  ist  auf  das  Beiwort  „ähn- 
liche" besonders  Gewicht  zu  legen,  denn  nur  in  bezug  auf  den 
allgemeinen  Vegetationscharakter  entsprechen  die  einzelnen  Pflan- 
zenregionen den  Pflanzenzonen;  und  wenn  auch  in  vielen  alpinen 
Gebirgen  arktische  Formen  wiederkehren,  so  läßt  sich  das  —  wie 
später  gezeigt  werden  soll  —  nicht  durch  die  heutigen  Temperatur- 
verhältnisse erklären. 

Im  westlichen  Himalaja  reicht  der  echte  Tropen wald  nur  bis 
900  m  Höhe.  Dann  nimmt  er  den  Charakter  der  gemäßigten  Zone 
an,  wenn  auch  viele  tropische  Pflanzen  in  derselben  eingesprengt 
erscheinen,  denn  erst  in  2400  m  Höhe  verschwindet  die  mit  Chamae- 
rops  verwandte  Palme  Trachycarpus  Martiana,  also  nur  1260  m 
unter    der   Waldgrenze.     In    den   Andes    von   Columbia   liegt   die 


604 


Die  geographische  Verbreitung  der  Pflanzen  und  Tiere. 


Tropengrenze  in  1400  und  die  Grenze  der  gemäßigten  Begion  m 
3400  m  Höhe.  In  den  Pyrenäen  steigt  die  immergrOne  Vegetation 
nur  bis  400  m  an,  darauf  folgt  bis  1600  m  der  sommergrüne  Laub- 
wald und  von  1600 — 2400  m  Höhe  der  Nadelwald,  in  einen  Kni^- 
holzgürtel  auslaufend,  endlich  bis  zur  Schneegrenze  in  2750  m  Höhe 
die  alpine  Vegetation.  In  den  Schweizer  Alpen,  die  in  der  sommer 
grünen  Laubbaumzone  liegen,  unterscheidet  Christ  vier  Regionen. 
In  der  unteren,  die  auf  der  Nordseite  in  550,  im  Süden  und  Westen 
aber  in  700  m  Höhe  endet,  gedeihen  noch  Wein^  Obst  und  einige 
Gewächse  von  mediterranem  Typus.  Die  zweite  Begion ^  die  des 
Laubwaldes,  in  der  die  Buche  vorherrscht  und  die  Kastanie  auf  der 
Südseite  bis  900  m  ansteigt,  reicht  in  der  Nordschweiz  bis  135Um 
Höhe.  Dann  folgt  der  Gürtel  des  Nadelwaldes,  der  in  den  nörd- 
lichen und  Tessiner  Alpen  in  1800  m,  in  den  zentralen  aber  erst  in 
2100  m  Höhe  der  alpinen  Vegetation  den  Platz  räumt 


Breite 

1 

Tiefste  Waldgrenie 

Höchste  Waldgrenze 

Örtlichkeit 

Norwegen,  Westseite,  70*/«° 

m 

m 

Örtliehkeit 

74— 70°N.' 

260      — 

— 

69—65 

»                       n            6*7 

360  1    700 

Norwegen,  Ostseite,  ßT* 

64-60 
59-55 

Ural  64« 

555  llHO 

Stanowoigebiiige  60* 

Schottland  57" 

810  '  1220 

Felsengebirge  56* 

54-50 

Han  52'' 

1040  1  2200 

Sajanisches  Geb.  50« 

49—45 

Vogesen  48<» 

1300  |2600 

AlaUu  45« 

44—40 

(Dalmatien  44«J 

(970^1 

White  Mts.  44° 

1330    3600 

Pamir  40« 

39-35 

Pindue  39° 

1800 

3700 

Neu-Mexico  35« 

34—30 

Libanon,  Westseite,  34« 

1950 ' 

4600 

Tibet  ca.  30« 

29-25 

Himalaja-Bhutan  28« 

3250  I 

4040 

Geb.  am  Mekong  29» 

24—20 

— 

—    ' 

— 

— 

19—15 

Guatemala,  niederste  Grenze 

3500 

3850 

Pic  V.  Orizaba 

14—10 

Küstengeb.  v.  Venezuela  10« 

1500! 

3800 

Abessinien 

9—  5 

4—  0 

0-  40s. 

5—  9 
10—14 

S.  Nevada  de  S.  Marta 

1900 

3400 

Cordillere  v.  Bogota 

Pic  V.  Korintji,  Sumatra 

2500 

3500 

Ecuador,  Ostseite 





__ 



15-19 

— 

I 

2800 

Pic  de  Sorata  16« 

20—24 

— 

1 

— 

— 

25-29 

— 

'1 

— 

30—34 

— 

— 

— 

— 

35—39 

MtEgmont,  Neuseeland  39»/,« 

1070 ' 

— 

— 

40-44 

Südalpen,              „         42« 

1220 

1460 

Vulkan  Osomo  41« 

45-49 

— 

—    li    — 

— 

50-54 

FeuerUnd  54« 

450, 

— 

— 

Die  Hauptzonen  und  Hauptregionen  der  Vegetation.  605 

Von  besonderer  Wichtigkeit  ist  die  alpine  Waldgrenze,  über 
deren  Höhe  in  den  Gebirgen  der  Erde  wir  die  vorstehende  Tabelle 
zusammengestellt  haben.  Es  braucht  \vohl  nicht  betont  zu  werden, 
daß  in  denjenigen  Zonen,  wo  nur  eine  Messung  vorliegt,  die  Verteilung 
auf  eine  der  beiden  Kolumnen  im  Grunde  willkürlich  ist 

Im   allgemeinen   ist   die  Höhe  der  Waldgrenze  von  denselben 
Bedingungen   abhängig,   wie   die    der   Schneelinie.     Sie   sinkt   vom 
Äquator  gegen  die  Pole  in  immer  tieferes  Niveau,  aber  nur  unter 
sonst  gleichen  Verhältnissen,  denn  im  Bereiche  des  Seeklimas  liegt 
sie    überall  tiefer,  als  in  Gebieten  des  sommerwarmen  Landklimas. 
Daher  endigt  das  Baumleben  auf  der  südlichen  Halbkugel  in  ge- 
ringerer Höhe  als  auf  der  nördlichen  in  gleicher  Breite;  daher  steigt 
es  an  der  Ostseite  des  norwegischen  Gebirges  höher  an  als  an  der 
Westseite;  daher  erhebt  sich  die  Waldlinie  in  der  alten  Welt  von 
Westen  nach  Osten,  erreicht  in  Zentralasien  die  größte  Höhe,  um 
dann  wieder  an  der  pazifischen  Seite  herabzusinken,  und  beschreibt 
in   Nordamerika  eine  ähnliche  Kurve.     Über  4600  m  Höhe  (Tibet) 
ündet  man  nirgends  Bäume,  ebensowenig  wie  jenseits  von  72^2®  B- 
In   den  tropischen  Gebirgen  beschränkt  nicht  so  sehr  die  Tempe- 
ratur,   als   die   abnehmende   Feuchtigkeit    das   Baumleben;   daraus 
erklärt  es  sich,  daß  es  in  den  gletscherlosen  Bergen   von    Sumatra 
und  Bomeo  schon  in    einer  Höhe  erlischt,   in  der  es  im   wasser- 
reichen Himalaja  noch  fröhlich  gedeiht     Auf  Java  fällt  die  Wald- 
grenze   mit   der  Grenze   des   Püanzenlebens   überhaupt   zusammen, 
und  auch  in  den  chilenischen  Andes  nähert  sich  die  erstere  sehr  der 
Schneelinie;   doch  ist  hier  —  gleichsam  zum  Ersätze  fUr  die  Ein« 
schränkung   der   baumlosen  Pflanzenregion  —  die   alpine  Strauch- 
Vegetation  stark  entwickelt   Wenn  im  Feuerlande  Baum-  und  Sehnee- 
linie sich  wieder  weiter  von  einander  entfernen,  so  liegt  der  Grund 
nur  darin,  daß  hier  der  Wald  in  den  stürmischen  Höhen  nicht  ge- 
deihen kann. 

Wie  die  Schneelinie,  ist  auch  die  Waldgrenze  zum  großen  Teil 
von  lokalen  Verhältnissen,  von  der  Besonnung  und  dem  orographi- 
sehen  Charakter  des  Gebirges  abhängig.  Je  massenhafter  dieses 
gebaut  ist,  desto  mehr  wird  es  erwärmt,  und  desto  höher  dringt  die 
Baumvegetation  vor,  ohne  jedoch  immer  ihre  klimatische  Grenze  zu 
erreichen.  Ihre  geringe  Seehöhe  im  dalmatinischen  Gebirge  erzählt 
uns  von  der  unsinnigen  Zerstörungswut  des  Menschen.  Am  Grofi^ 
glockner  endet  sie  jetzt  in  1900  m  Höhe,  aber  noch  in  2152  m 
Höhe  entdeckte  Sxxlani)  einen  HolzstrunL  im  18.  Jahrhundert 
waren  am  Südrande  des  Bernina  in  2334  m  Höhe  noch  Bäume  zu 
sehen,  wo  jetzt  echte  Alpenpflanzen  wachsen;  und  einzelne  Wurzel- 


606  Die  geographische  Verbreitung  der  Pflanzen  und  Tiere. 

Stöcke  oder  alleinstehende  Tannen,  Lärchen  und  Arven  von  koheni 
Wüchse  jenseits  der  Waldgrenze  beweisen  uns,  daß  sich  der  Wald 
einst  bis  hierher  ausgedehnt  hat  Auch  von  dem  Zurückw^eichen  der 
alpinen  Waldgrenze  gilt,  was  oben  (S.  601)  von  der  polaren  Baum- 
linie gesagt  wurde.  In  anderen  Fällen  schließt  die  Bodenbeschaffec- 
heit  den  Wald  aus.  Am  Mauna  Loa  auf  Hawaii,  dessen  oberer  Teil 
ganz  von  Lavaströmen  bedeckt  ist,  verschwindet  schon  in  2140  m 
Höhe  alle  Vegetation;  dagegen  kommt  auf  dem  Mauna  Kea,  der 
aus  lockeren  Eruptionsprodukten  besteht,  der  Manatibaum  vereinzelt 
bis  3350  m  Höhe  vor. 

Wie  an  der  polaren  Waldgrenze  häufig  zwerghafte  Baumformen 
die  äußersten  Vorposten  bilden,  so  auch  in  vielen  Hochgebirgen.  In 
den  Karpaten  und  Sudeten  tritt  das  Krummholz  als  selbständige 
Formation  hervor.  Meist  vollzieht  sich  der  Übergang  zur  alpinen  Eegion 
allmählich,  nur  in  den  nordamerikanischen  Hochgebirgen  trennt  ein 
scharfer  Strich,  die  sogenannte  „Timber  line'^,  den  Hochwald  vom 
Knieholzgürtel.  Im  Colorado-Gebirge  z.  B.  endigt  der  Hochwald  in 
3350  m  Höhe,  und  dann  folgt  ein  aus  gleichen  Arten  bestehender 
Zwergwald  bis  8800  m  Höhe. 

Ausdauernde  Arten  mit  verkürzten  Stengelgebilden,  vorläufigen 
großen  Blüten  und  kleinen  Blättern  sind  für  die  alpine  Eegion 
charakterisch.  Kryptogamen  herrschen  vor,  wie  in  der  polaren 
Flora;  die  Phanerogamen  werden  durch  Sträucher,  Stauden  und 
Gräser  vertreten.  In  vielen  Punkten  ist  aber  die  alpine  Region 
mehr  begünstigt  als  die  arktische  Zone;  denn  wenn  auch  hier  die 
Sommersonne  nie  untergeht,  so  erwärmen  doch  ihre  schiefen  Strahlen 
den  Boden  nicht  so  intensiv,  wie  im  Hochgebirge,  trotzdem  daß  die 
mittlere  Lufttemperatur  der  höheren  Regionen  im  Sommer  geringer 
ist,  als  in  den  entsprechenden  höheren  Breiten.  Dafür  ist  aber  im  Ge- 
birge die  Vegetationszeit  (Monate  über  0®)  länger;  und  während 
derselben  taut  der  Boden  bis  zur  Tiefe  auf  und  gestattet  den 
Wurzeln  tiefer  einzudringen.  Der  Unterschied  in  der  Stärke  der  In- 
solation erklärt  es  nach  Christs  Ansicht,  daß  die  alpinen  Pflanzen 
in  bezug  auf  Masse  des  Stoffes,  Dicke  des  Stammes,  Zahl  und 
Stärke  der  Zweige  und  Laubteile  den  arktischen  so  sehr  über- 
legen sind. 

An  der  Schneegrenze  hört  zwar  die  zusammenhängende  Vege- 
tation auf,  aber  es  erlischt  nicht  alles  Pflanzenleben.  Etwa  500  m 
darüber  sammelte  Ball  am  Aletschgletscher  noch  40  Arten, 
und  am  Montblanc  fand  man  zwischen  3200  und  8400  m  noch  24 
Phanerogamen.  Die  höchsten  Blütenpflanzen  fand  v.  Schlagint- 
WEiT  auf  dem  Ibi-Gamin-Paß  in   6038  m  Höhe.     Auf   schneefreien 


Die  wiehtigsten  Vegetationsformationen  innerhalb  d.  Waldgrenzen.      607 

Felsen  siedeln  sich  Flechten  an,  und  auf  dem  Schnee  selbst  finden 
noch  Algen  ihre  bescheidenen  Lebensansprüche  erftillt.  Eine  Art 
derselben,  von  mikroskopischer  Größe,  ruft  die  bekannte  Erscheinung 
des   roten  Schnees  hervor. 


IMe  wichtigsten  Vegetationsformationen  innerhalb 
der  Waldgrenzen. 

(Siehe  Karte  XVIII.) 

Der  Wald  bedarf  während  der  Vegetationszeit  nicht  nur  eines 
gewissen  Wärmemaßes,  das  ihm  weder  die  polare  Zone,  noch  die 
alpine  Region  gewährt,  sondern  auch  der  Feuchtigkeit.  Das  Baum- 
leben bleibt  also  auch  den  regenarmen  Gebieten  innerhalb  der  Wald- 
grenzen fem  oder  zieht  sich  hier  auf  die  wohlbewässerten  Abhänge 
der  Gebirge  zurück. 

Nicht  überall  ist  aber  das  Feuchtigkeitsbedürfnis  des  Waldes 
(las  gleiche,  und  nicht  überall  wird  es  in  gleicher  Weise  befriedigt. 
In  der  warmen  Zone  geht  der  Verdunstungsprozeß  der  Blätter  viel 
rascher  vor  sich,  als  in  unseren  Breiten;  so  ist  zu  erklären,  daß 
z.  B.  —  wie  Bbandis  gezeigt  hat  —  in  Ostindien  kräftige  Wälder  nur 
dort  gedeihen,  wo  der  Eegen  eine  jährliche  Durchschnittshöhe  von 
mehr  als  100  cm,  und  Tropenwälder  nur  dort^  wo  er  eine  solche 
von  mehr  als  190  cm  erreicht,  während  die  nördliche  gemäßigte 
Zone  ein  einziges  Waldgebiet  ist,  obwohl  hier  die  mittlere  jährliche 
Xiederschlagshöhe  meist  nur  25 — 50,  ja  in  Ostsibirien  und  im  nörd- 
lichsten Teile  von  Amerika  weniger  als  25  cm  beträgt.  Noch  ein 
anderes  Moment  kommt  dazu,  das  uns  über  den  scheinbaren 
Widerspruch  in  der  Verbreitung  der  Wälder  diesseits  und  jenseits 
der  Wendekreise  aufzuklären  vermag,  und  auf  das  Woeikow 
schon  einmal  aufmerksam  gemacht  hat.  Es  ist  die  winterliche  Schnee- 
decke, welche  eine  bedeutende  Niederschlagshöhe  ersetzen  kann. 
Denn  das  Schneewasser  sickert  langsam  in  den  Boden  ein  und  er- 
nährt die  Vegetation  gerade  bei  ihrem  Erwachen  im  Frühling, 
während  die  stärksten  sommerlichen  Regengüsse  zum  größten  Teil 
oberflächlich  abfließen. 

Waldland  und  waldlose  Gebiete  sind  also  die  beiden  Haupt- 
typen der  Vegetation,  wobei  wir  jene  Gegenden,  wo  der  Mensch  den 
Wald  ausgerodet  hat,  natürlich  dem  ersteren  zurechnen.  Innerhalb 
dieser  beiden  Hauptformationen  giebt  es  eine  unerschöpfliche  Mannig- 
faltigkeit, und  beide  sind  auch  durch  langsame  Übergänge  mit  ein- 
ander verbunden.    Tropischer  Urwald  und  Wüste  sind  die  Endglieder 


608  Die  geographisehe  Verbreitung  der  Pflanzen  und  Tiere. 

der  Formationsreihe,  die  in  manchen  Gegenden  nahe  bei  eiBander 
liegen,  während  in  den  höheren  Breiten  der  Reichtum  und  die 
Armut  der  Vegetation  niemals  in  so  schroffen,  räumlich  benachbarten 
Gegensätzen  zum  Ausdrucke  gelangen. 

Tropenwald.  Der  tropische  Urwald  unterscheidet  sich  von 
den  Wäldern  der  gemäßigten  Zone  vor  allem  durch  den  gemischten 
Baumschlag.  Selten  gehören  zwei  benachbarte  Bäume  derselben 
Art  an.  Dikotyle  Bäume  mit  starrem,  inmiergrünem,  ungeteiltem 
Laub  oder  mit  einmal  gefiederten  Blättern  herrschen  vor;  dazu 
gesellen  sich  Monokotyledonen,  besonders  Palmen,  und  in  Mexico 
und  Zentralamerika  auch  Koniferen,  die  hier  ausnahmsw^se  bis  an 
das  Meer  hinabsteigen.  Die  durchschnittliche  Höhe  der  gemischten 
Bestände  beträgt  nur  20—30  m,  aber  einzelne  Bäme  ragen  darüber 
hinaus,  „einen  Wsdd  über  dem  Walde"  bildend.  Dieser  etagen- 
förmige  Aufbau  ist  charakteristisch  für  den  tropischen  Urwald. 
Am  Amazonas  mischen  sich  stammlose  Zwergpalmen,  3 — 4  m  und 
20 — 30  m  hohe  Palmen,  sowie  riesige  Laubbäume,  deren  Kronen 
bis  80  und  100  m  sich  erheben.  Das  Unterholz  ist  übrigens  in  ver- 
schiedenen Gegenden  verschieden;  im  ostindischen  Dschungel  besteht 
es  z.  B.  aus  Bambusen  und  Domgesträuchen.  Ebenso  bezeichnend 
für  den  tropischen  Urwald  sind  die  Lianen  und  Epiphjten,  die 
schon  in  den  subtropischen  Breiten  entschieden  zurücktreten  nnd 
weiter  gegen  Norden  hin  ganz  verschwinden.  Die  Lianen,  die  von 
Baum  zu  Baum  sich  schwingen  und  frei  von  den  Kronen  herab- 
hängen, sind  zum  Teil  Holzgewächse,  wie  die  Eotangpalmen  (S.  579); 
ihnen  verdankt  der  Urwald  hauptsächlich  seine  Unwegsamkeit.  Die 
Epiphyten  setzen  sich  auf  den  Bäumen  fest,  ohne  sie  zu  umranken. 
Farne,  Orchideen  und  Arongewächse,  in  Amerika  auch  die  Ananas- 
gewächse,  gehören  vorwiegend  zu  diesen  Pflanzen,  die  aber  nicht  in 
allen  Fällen  ein  Schmarotzerleben  führen,  sondern  häufig  durch 
Luftwurzeln  ihre  Nahrung  aus  dem  Boden  ziehen.  Der  unendliche 
Reichtum  an  Schattengewächsen  erklärt  sich  daraus ,  daß  im  tro- 
pischen Urwalde,  trotz  der  Überfülle  des  Laubwerkes  und  trotzdem 
daß  die  Blätter  vorherrschend  undurchscheinend  sind,  doch  ein  mildes 
gedämpftes  Licht  herrscht.  Auch  dadurch  unterscheidet  er  sich 
wesentlich  nicht  nur  von  unseren  finsteren  Nadelwäldern,  sondern 
auch  von  unseren  Laubwäldern.  Denn  im  Gegensatze  zu  diesen, 
deren  Laubdach  zwar  durchscheinend  und  weniger  dichte  aber  wegen 
der  großen  Anzahl  kleiner  Zweige  zusammenhängender  ist»  sind  die 
Bestandteile  des  Tropenwaldes  so  gebaut,  daß  überall  Zwiscbenräume 
den  Lichtwellen  in  den  Wald  einzudringen  gestatten. 

Sind  auch  gewisse  Charakterzüge  allen  tn^ischen  Urwäldern 


Die  wichtigsten  Vegetattonsformationen  innerhalb  d.  Waldgrenzen.     609 


gemeinsam,  so  finden  sich  doch  auch  sehr  bemerkbare  individuelle 
Eigenschaften,  die  sich  nicht  nur  aus  den  Eigentümlichkeiten  der 
verschiedenen  Florengebiete  erklären,  sondern  auch  innerhalb  eines 
aolchen  durch  lokale  Verhältnisse  bedingt  sind.  Der  Igapowald  im 
Überschwemmungsgebiete  des  Amazonas  zeichnet  sich  z.  B.  durch 
eine  Überfülle  von  Palmen,  durch  verhältnismäßig  niedrigen  Wuchs 
der  Laubbäume  und  geringe  Entwicklung  der  Lianen  und  Epiphyten 
aus.  Im  Etewald,  der  auch  auf  Thonboden  steht,  aber  nicht 
mehr  überschwemmt  wird,  herrschen  die  dikotylen  Bäume  mit 
lorbeerartigem  Blatt  entschieden  vor,  und  ihnen  gehören  auch  die 
höchsten  Individuen  an.  Im  Sandsteingebiete  des  Bio  Negro  endlich 
werden  die  Laubhölzer  kleiner,  Palmen  und  Lianen  seltener,  aber 
die  epiphytischen  Farren  und  Arongewächse  wuchern  in  üppigster 
Fülle.  Der  Teraiwald,  der  den  Südfuß  des  Himalaja  begleitet,  ist 
im  Osten  echter  Tropenwald,  aber  gegen  Westen,  also  in  derselben 
Richtung,  in  der  die  Regenmenge  abnimmt  und  das  Klima 
kontinentaler  wird,  verhören  sich  die  tropischen  Charakterzüge  und 
die  Bestände  werden  einförmiger.  Am  reinsten  ist  der  tropische 
Typus  in  jenen  Gegenden  ausgeprägt,  wo  sich  gleichmäßige  Wärme 
mit  großer  Feuchtigkeit  paart,  also  besonders  im  Äquatorialgürtel, 
wie  im  malaischen  Archipel  und  in  der  Amazonasniederung,  wo 
sich  der  Urwald  von  Paranahiba  bis  Zamora  in  einer  Länge  von 
mehr  als  4000  km  (gleich  der  Entfernung  von  der  Westspitze  der 
Bretagne  bis  zum  Aralsee!)  erstreckt.  In  AMka  haben  uns  erst 
die  Forschungsreisen  des  letzten  Jahrzehnts  über  die  große  Aus- 
dehnung des  Urwaldes  durch  das  Eongobecken  bis  an  das  östUche 
Seengebiet  unterrichtet,  wobei  es  freilich  noch  fragUch  erscheint,  ob 
er  eine  vöUig  zusammenhängende  Formation  bildet.  Nächst  der 
Äquatorialzone  sind  die  Windseiten  aller  tropischen  Gebirge  von 
Urwäldern  bedeckt,  so  die  Westghats,  die  Westseite  von  Hinterindien 
vom  Himalaja  bis  Malakka,  die  madagassische  Ostseite,  die  brasi- 
lianische Ostküste  bis  zur  Wasserscheide  gegen  den  St  Francisco 
und  Parana;  die  östliche  Abdachung  von  Zentralamerika  und  Mexico, 
jedoch  hier  mit  Ausnahme  von  Tabasko  nur  auf  die  Eegion  von 
1 000—2000  m  beschränkt,  während  auf  der  pazifischen  Seite  gerade 
nur  der  untere  Küstensaum  bis  650m  Höhe  Urwälder  trägt;  femer  die 
Windseiten  der  hohen  polynesischen  Inseln  u.  s.  w.  Wo  eine  aus- 
gesprochene Trockenzeit  eintritt,  nimmt  der  Tropenwald,  ohne  in 
seinen  Bestandteilen  sich  völUg  zu  ändern,  einen  anderen  Gesamt- 
charakter an;  die  unendliche  Fülle  der  Formen  macht  einer  größeren 
EinifBrmigkeit  Platz,  die  immergrünen  Gewächse  versehen  sich  mit 
Schutzvorrichtungen  gegen  den  Einfluß  der  Trockenheit,  periodisch 

SupjLX,  Pbyilacbe  Erdkunde.    2.  Aufl.  39 


/ 


610  Die  geographische  Verbreitung  der  Pflanzen  und  Tiere. 

belaubte  Dikotyledonen  gewinnen  die  HerrschafL  Diese  regen- 
grünen Wälder,  wie  sie  Dbüde  im  Gegensätze  zu  den  Regen- 
wäldern (Urwäldern)  genannt  hat,  übertreflFen  die  letzteren  wahr- 
scheinlich an  Ausdehnung,  vielleicht  auch  im  Reichtum  an  Nutz- 
hölzern. Aber  auch  in  periodisch  trockenen  Grebieten  yermag  die 
Bodenfeuchtigkeit  entlang  den  Ufern .  der  Flüsse  echte  Urwälder 
hervorzuzaubern.  Das  sind  die  Galeriewälder.  ,^n  ihrem  Innern"* 
—  schreibt  Schweinpübth  —  „gewahrt  man  Säulengänge,  ägyptischen 
Tempelhallen  ebenbürtig,  in  ewig  tiefen  Schatten  gehüllt  und  von 
aufeinander  gelegten  Laubdecken  oft  dreimal  überwölbt  Von  außen 
betrachtet,  erscheinen  sie  wie  eine  undurchdringliche  Wand  des 
dichtesten  Blattwerkes,  im  Innern  eröShen  sich  überall  Laubgänge 
unter  den  Säulenhallen,  voll  murmelnder  Quellen  und  Wasseradern.** 

Wir  sagten  eben,  die  Mannigfaltigkeit  sei  das  Merkmal  des 
Tropenwaldes,  aber  stellenweise  findet  man  auch  in  der  warmen 
Zone  ausgedehnte  Bestände  von  geselligen  Bäumen  derselben 
Art  Selbst  die  Palme  tritt  häufig  waldbildend  auf,  wie  die  Dum- 
und  Delebpalme  in  Afrika,  die  Ölpalmen  in  Verbindung  niit  Phoenix 
spinosa  an  der  westafiikanischen  Küste,  ein  paar  Mauritiaarten  im 
Gebiete  des  Orinoco  und  Amazonas,  die  Wachspalme  in  Gran  Chaco, 
die  Caranda-Palme  in  Paraguay,  die  Yatay-Palme  in  Uruguay  und 
verschiedene  Arten  im  malaischen  Archipel.  Andere  bekanntere 
Beispiele  sind  die  schon  mehrmals  genannten  Mangrovewälder,  die 
seltsamen  Tjemoro Wälder  in  den  Gebirgen  der  Sunda-Inseln,  die  ans 
Casuarinen  mit  blattlosen  Zweigen  bestehen,  die  Pisangw&lder  an 
der  Gambiamündung,  die  Tamarisken wälder  am  Blauen  Nil,  die 
schattenlosen  und  doch  oft  undurchdringlichen  Akazienwälder  in 
Südarabien  und  Afrika,  die  Araukarienwälder  von  Brasilien  u.  s.  w. 

Der  Wald  mittlerer  und  höherer  Breiten.  Nach  Süden  zu  ver- 
liert sich  der  tropische  Waldcharakter  allmählich.  Die  Eüstenwälder 
vom  brasilianischen  Staate  Sa.  Gatharina  bis  zur  Grenze  von  Uruguay 
unterscheiden  sich  von  den  tropischen  nur  durch  niedrigeren  Wuchs 
und  geringere  Mannigfaltigkeit;  und  ebenso  macht  sich  im  chilenischen 
Waldlande  zwischen  34  imd  44®  B.  gegen  Süden  zu  nur  eine  zu- 
nehmende Einförmigkeit  bemerkbar,  ohne  daß  das  dichte  Unterhok 
aus  bambusartigen  Gräsern  und  das  Gtewirr  von  Lianen  und  Epi- 
phyten  zurücktreten  und  den  Wald  'zugänglicher  machen  würden. 
Dagegen  ist  die  Baummischung  auf  Neuseeland  kaum  minder  groß, 
als  zwischen  den  Wendekreisen,  und  der  Nordinsel  fehlen  auch  die 
Lianen  und  Epiphyten  nicht  In  Australien  tragen  noch  die  ge- 
mischten Wälder  in  den  Creekthälem  von  Neu- Süd -Wales  ein  tropen- 
ähnliches Gepräge. 


Die  wichtigsten  Vegetationsfonnatiönen  innerhalb  d.  Waldgrenzen.     61 1 

Dem  echten  subtropischen  Walde  fehlen  zwar  die  Lianen  und 
Epiphyten,und  an  die  Stelle  derMoncotyledonen  treten  die  in  den  Tropen 
seltenen  Nadelhölzer,  aber  immergrüne  Laubbäume  geben  ihm  doch 
einen  von  den  Wäldern  höherer  Breiten  abweichenden  Charakter.  Indes 
sind  diese  Bäume  selten  zu  ganzen  Waldungen  vereinigt.  In  den 
JHfittelmeerländem  tritt  nur  die  immergrüne  Eiche  waldbildend  auf; 
in  Chile  jenseits  des  44.  Parallels  herrscht  die  periodisch  belaubte 
Cache  vor,  wird  aber  von  der  immergrünen  Buche  und  von  Koniferen 
begleitet;  auch  in  den  südlichen  atlantischen  Staaten  der  Union 
sind  nicht  die  immergrünen  Bäume  die  vorwiegenden  Waldbestand- 
teile,  sondern  überlassen  die  Herrschaft  der  langnadeligen  Kiefer. 
Im  chinesisch-japanischen  Subtropengebiete  giebt,  soweit  die  Kultur 
den  Wald  noch  nicht  verdrängt  hat,  der  Ahornbaum  der  Landschaft 
das  eigentümliche  Gepräge.  Einen  sonderbaren  Anblick  gewähren 
die  offenen,  schattenlosen  Eukalyptenwälder  Australiens,  deren  JBoden 
ein  zusammenhängender  Wiesenteppich  mit  schönen  Blumen  bedeckt 
Zur  Zeit  der  Dürre  erhält  sich  freilich  nur  in  den  Creekthälem 
eine  üppigere  Vegetation.  Auf  trockenem  Untergründe  haben  sich 
Akazien  und  Casuarinen  angesiedelt;  im  Norden  gesellen  sich  zu 
den  Eukalypten  indische  Holzgewächse,  und  hier  bietet  auch  der 
Grasboden  stellenweise  das  Bild  einer  echt  tropischen  Savane. 

Der  sommergrüne  Laub-  und  der  Nadelholzwald  ist  nur 
auf  die  nördliche  Halbkugel  beschränkt.  In  den  Laubwäldern  Ost^ 
asiens  und  der  östlichen  Vereinsstaaten  Nordamerikas  zeigt  die  größere 
Artenmischung  noch  einen  Anklang  an  tropische  Verhältnisse^  in 
Kuropa  herrschen  dagegen  reine  Bestände,  vorwiegend  von  Buchen^ 
Eichen  und  Birken.  Die  Buchenwälder,  die  einer  milden  Winter- 
temperatur bedürfen,  charakterisieren  das  westliche  und  mittlere,  die 
Eichenwälder  das  östliche  Europa. 

Die  statistischen  Untersuchungen  von  Asa  Gray  bestätigen  den 
großen  Gegensatz  der  Ost-  und  Westseiten  der  Kontinente,  ^  dessen 
Verständnis  sich  uns  später,  bei  der  Betrachtung  der  geschichtlichen 
Entwicklung  der  heutigen  Pflanzenwelt,  erschließen  wird.  Die  Zahl 
der  Laubbaumarten  ist  an  den  Ostseiten  fast  um  das  Doppelte 
größer  als  in  Europa,  und  nahezu  viermal  größer  als  im  westlichen 


Wftlder 

des  östlicben  Nord- Amerika  .  . 
des  pazifischen  „  .  . 
von  Japan  nnd  der  Mandschurei 
von  ganz  Europa 


Anzahl  der  Arten  von 


Laubholz 

Nadelholz 

130 

25 

34 

44 

123 

45 

68 

17 

39* 

612  Die  geographische  Veibreitong  der  Pflanien  und  Tiere. 

Nordamerika.  Ein  anderer  Gegensatz  besteht  zwischen  der  athm- 
tischen  und  pazifischen  Seite  der  beiden  Festländer.  An  der  letzteren 
erreichen  die  Nadelhölzer  ihre  höchste  Entwicklung,  und  im  westr 
liehen  Nordamerika  bilden  sie  sogar  56^4^0  &Uer  Waldbäume.  Tannen 
sind  am  häufigsten  und  meist  von  hohepi  Wüchse;  die  Douglastanne 
erreicht  60 — 80  m,  doch  übertrifft  sie  noch  der  Botholzbanm.  die 
Zuckerkiefer,  und  Tor  allem  die  bis  150  m  hohe  Sequoia  gigante«. 
Mit  Laubhölzem  gemischt,  bilden  die  Tannen  und  die  Oregonceder 
die  ausgedehntesten  Urwälder,  die  wenigstens  zum  Theil  noch  ihre 
Jungfräulichkeit  bewahrt  haben.  Sie  schließen  sich  unmittelbar  an 
den  nördlichen  Koniferengürtel  an,  an  dessen  Zusanunensetzung 
in  Amerika  yorzügUch  die  Weißtanne,  in  der  alten  Welt  aber  die 
Fichte  und  Kiefer  und  in  Ostsibirien  die  Lärche  Anteil  nehmeiL 
Eine  untergeordnete  Rolle  spielen  die  Laubbäume  (Pappeln,  Erlen, 
Weiden),  die  meist  nur  die  Ufer  der  Flüsse  begleiten;  nur  die  Birke 
kann  sich  in  der  alten  Welt  den  Nadelbäumen  ziemlich  ebenbürtig 
an  die  Seite  stellen,  und  dringt  auch  überall  bis  zur  Waldgrenze 
vor.  Elin  anderer  unterschied  zwischen  den  Wäldern  der  alten  und 
neuen  Welt,  und  zwar  im  Koniferen-  wie  im  Laubholzgürtel*  best^-ht 
darin,  daß  in  Amerika  das  Unterholz  und  Strauchwerk  einen 
höheren  Wuchs  und  eine  üppigere  Entwicklung  erreicht. 

Savane.  Unser  Kärtchen  zeigt  innerhalb  des  Tropengürtels 
neben  dem  Urwalde  die  Savane.  Die  letztere  ist  aber  nur  als  ein 
Kollektivbegriff  wechselnder  Formationen  aufzufassen,  und  es  er- 
scheint fragUch,  in  welcher  Ausdehnung  sie  als  ein  Erzeugnis  fi^i 
wirkender  Naturkräfte  zu  betrachten  oder  der  wüsten  Raubwirtschaft, 
die  die  Bodenkultur  niedrig  stehender  Völker  kennzeichnet,  zuza- 
schreiben  ist  Vielfach  yerbreitet  ist  die  Sitte,  die  bebauten  Felder 
nach  kurzer  Zeit  wieder  aufzugeben  und  durch  Vernichtung  tob 
Waldstrecken  neuen  Boden  zu  gewinnen,  während  die  yerlassene 
Pflanzung  sich  mit  Gras  und  Buschwerk  bedeckt  Nur  auf  diese 
Weise  erklärte  es  sich  Pechuel-Lgesche,  daß  in  Nieder- Guinea 
auf  einem  und  demselben  Boden,  unter  gleichartigen  klimatischen 
Verhältnissen  verschiedenartige  Pflanzenformationen  auftreten. 

In  Kürze  kann  man  die  Savane  als  Grasland  mit  eingestreuten 
Holzgewächsen  definieren. 

Das  Grasland  oder  die  Kampine  unterscheidet  sich  von  unseren 
Wiesen  dadurch,  daß  die  harten  und  steifen  Halmgräser  keinen  ge- 
schlossenen Rasen  bilden.  Aber  trotzdem  ist  das  Wachstum  h&ufig 
so  dicht,  daß  man  sich  künstlich  einen  Weg  bahnen  muß,  und  auf 
solche  Vorkommnisse  beschränken  einige  Forschungsreisende  den 
Ausdruck  Savane.     In  diesem  Falle  erreichen  die  Gräser  oft  die  an- 


Die  wichtigsten  Vegetationsformationeii  innerhalb  d.  Waldgrenzen.     618 

selmUcbe  Höbe  Yon  ein  par  bis  zu  5  oder  6  m  und  gleichen  dann 
in  der  Regenzeit,  von  weitem  geseben,  einem  wogenden  Getreidefelde. 
^Mjt  den  beben  miscben  sieb  aber  aucb  niedere  Formen,  und  gerade 
dort,  wo  die  letzteren  vorberrscben,  ist  die  Vegetation  eine  mannig- 
faltigere, indem  Gesträucbe  und  blübende  Stauden  sieb  beimiscben. 
So  ist  in  den  brasiUaniscben  Campos  die  H5be  des  Grases  keines- 
^v^egs  eine  beträcbtUcbe,  aber  Kakteen,  Agaven  und  bobe  und  niedrige 
Straucber  bringen  Abwecbslung  in  die  offene  Landscbaft,  die  in 
ihrem  Blütenscbmucke  einem  Garten  gleicbt.  In  der  Trockenzeit 
freilieb  bieten  die  Savanen  in  ibrer  gelblicb-braunen  Färbung  nirgends 
ein  freundUcbes  Bild. 

Neben  solcben  üppigeren  Eampinen,  die  zum  Teil  wobl  an 
die  Stelle  von  Waldland  getreten  sein  mögen,  giebt  es  aber  aucb 
ecbte  Steppen  mit  niedrigem,  büscbelförmigem  Graswucbs,  der 
überall  die  nackte  Erde  bervortreten  läßt.  Sie  sind  immer  ein 
Merkmal  minderwertigen  Bodens  oder  dürftiger  Bewässerung,  aber 
mannigfacbe  Übergänge  verknüpfen  sie  mit  den  Eampinen  der  ersten 
Kategorie^  so  daß  eine  Ausscbeidung  auf  den  Karten  docb  bäufig 
auf  Scbwierigkeiten  stößt.  Gebt  man  atif  der  bekannten  Karawanen- 
straße von  Bagamojo  auf  die  ostaMkaniscbe  Seenplatte,  so  kann 
man  alle  Abstufungen  tropiscber  Vegetation  kennen  lernen,  von  dem 
Waldlande  der  feucbten  Küste  bis  zur  wüstenartigen  Landscbaft  von 
Ugogo,  die  auf  weite  Strecken  nur  mit  Fori,  einem  dem  austraHscben 
Skrub  äbnlicben  Dorngebüscbe  bewacbsen  ist  Die  Scbilderungen 
der  Reisenden  werden  übrigens  bäufig  durcb  die  Unbestimmtheit 
der  botaniscben  Formationsbezeicbnungen  beeinträcbtigt.  Die  erste 
Bedingung  wäre^  sieb  über  einige  scbarf  umgrenzte  Begriffe  zu 
verständigen,  sollen  die  Vegetationsbilder  an  Klarbeit  gewinnen. 

Nicbt  immer  gesellt  sieb  zur  tropiscben  Kampine  der  Baum- 
wucbs;  entbehren  ibn  docb  die  Alangfluren  der  Sunda-Inseln,  und 
der  Campo  vero  von  Brasilien,  ebne  den  Savanencbarakter  einzu- 
büßen. Aber  das  sind  Ausnahmen.  Bald  erbeben  sich  vereinzelte 
Holzgewäcbse  aus  der  Grasfläche,  bald  schließen  sie  sich  zu  Busch- 
werk, Buschwald  oder  sogar  regengrünem  Hochwald  zusammen. 
Schon  daß  ihr  Vorkommen  an  kein  allgemeines  Gesetz  gebunden 
ist,  läßt  erkennen,  daß  menschliche  Eingriffe  mitbestimmend  gewirkt 
haben.  Während  z.  B.  die  Loangoküste  größtenteils  Savane  ist  und 
die  Wälder  erst  da  beginnen,  wo  das  Land  ansteigt,  ist  umgekehrt 
an  der  Kongomündung  die  Niederung  Wald  und  das  hügelige  Ge- 
lände Savane.  Die  flachen  Llanos  von  Venezuela  sind  auf  große 
Strecken  baumlos  oder  werden  nur  von  vereinzelten  Proteaceen- 
oder  Maipighiaceenbäumen   oder  von  Gruppen   von  Fächerpalmen 


£14  Die  geographische  Verbreitung  der  Pflanzen  und  Tiere. 

unterbrochen;  aber  dieser  Charakter  scheint  nicht  ursprünglich  zu 
sein,  denn  zwei  der  jüngsten  Reisenden,  Sachs  und  Jonas,  berichten, 
daß  seit  der  Verringerung  des  Viehstandes  die  Zahl  der  Bäume 
beträchtlich  zugenommen  habe.  Waldreicher  sind  die  Savanen  von 
Guayana,  und  das  hängt  offenbar  mit  der  bergigen  Beschaffenheit 
des  Geländes,  mit  dem  Wechsel  der  Bodenarten  und  der  Be- 
wässerung zusammen.  Die  südlichen  Campos  von  Brasilien  in  600  bis 
1300  m  Höhe  werden  durch  kleine,  aber  geselhge  Lilienbäume  b*»- 
lebt,  an  deren  Stelle  in  den  tiefer  gelegenen  nördlichen  Campos 
eine  ähnliche  Zwergform  aus  der  Familie  der  Ananasgewächse  tritt 
Daneben  kommen  auch  echte  Wälder  vor;  inselartig  zerstreut  sind 
die  Capoes,  in  denen  die  höchsten  Bäume  die  Mitte  einnehmen  und 
immer  kleinere  Bäume  in  regelmäßiger  Abstufung  nach  der  Peri- 
pherie zu  folgen;  und  an  den  Ufern  der  Flüsse  dehnen  sich  die 
periodisch  belaubten  Catingas  aus. 

In  außertropischen  Breiten  sind  natürlich  die  floristischen  Ele- 
mente andere,  aber  rein  physiognomisch  betrachtet,  findet  sich  die 
Savanenformation  wieder  im  caUfomischen  Parklande,  wo  Waldungen 
mit  offenen  Flächen  wechseln,  und  in  manchen  Gegenden  am  Amnr 
und  auf  Kamtschatka,  wo  der  Basenteppich  eine  außerordenthche 
Höhe  erreicht  und  Gebüsche  und  Bäume  die  Einförmigkeit  der  aus- 
gedehnten Grasfluren  mildem. 

Grassteppen.  Steigen  wir  abwärts  in  der  Reihenfolge  der 
Pflanzenformationen,  so  haben  wir  nach  der.Savane  die  Steppe  und 
endlich  die  Wüste  zu  nennen. 

Wenn  man  alle  baumarmen  Grasländer  als  Steppen  bezeichnet 
so  muß  man  sich  stets  bewußt  bleiben,  daß  man  damit  sowohl 
physiognomisch,  wie  wirtschaftlich,  wahrscheinlich  auch  genetisch 
sehr  verschiedene  Formationen  in  Einem  Begriffe  vereinigt.  Zum 
mindesten  müssen  stets  Gras-  und  Wüstensteppen  strenge  ausein- 
andergehalten werden.^ 

Auch  in  der  Grassteppe  bedeckt  der  Rasen  niemals  vöUig 
den  Boden;  die  Zwischenräume  nehmen  aromatische  oder  stachelige 
oder  wollige  Stauden  und  Kräuter  ein.  Die  Vegetation  in  der 
niederungarischen  Pußta  und  in  den  südrussischen  Steppen 
ist  üppig  und  kann  im  Blütenschmucke  des  Frühlings  sogar  reizend 
genannt  werden,  aber  schnell  ermüdet  der  Anblick  des  eintönigen 
Bildes  das  Auge,  das  nirgends  einen  Ruhepunkt  findet  Wohl  die 
größte  ununterbrochene  Grasebene  der  Erde  sind  die  Pampas  von 


X  Wir   haben   dieser  Forderung  auch   auf  dem  Kftrtchen  XV 111   durch 
dichtere  Strichelung  der  Grassteppenflftchen  Hechnung  zu  tragen  veraacht 


Die  wichtigsten  Vegetationsformationen  innerhalb  d.  Waldgrenze.     615 

Argentinien.  Das  harte  Pfriemengras  mischt  sich  hier  mit  zarteren 
und  nahrhaften  Gramineen;  in  den  Vertiefungen  wachsen  sie  ge- 
drängter, auf  den  Erhebungen  aber  in  zerstreuten,  dichten  Büscheln. 
Gebüsche  fehlen  und  Stauden  sind  selten.  Mannigfaltiger  sind  die 
nordamerikanischen  Prärien,  wo  das  Gramma-,  Büffel- und  Büschel- 
gras, das  eine  treffliche  Weide  bietet,  von  Kakteen,  Lilienbäumen 
und  geselligen  Stauden  begleitet  wird. 

Mit   Ausnahme    der  Pampas    entbehren    oder    entbehrten   die 
Grassteppen  auch  nicht  des  Baumwuchses.    Die  sogenannte  Baraba- 
steppe,    eine    große   Ebene   im    westlichen   Sibirien    zwischen    dem 
Irtisch  und  Ob,  besteht  aus  Mooren  mit  mannshohen  Stauden,  aber 
steppenartigem   Graswuchs    und    einzelnen   Waldinsehi.     Die   neue 
Karte  von  Tanfiljbw  ^  zeigt  uns  zahllose  kleine  und  größere  Wald- 
flecke   in   die   südrussische  Steppe   eingesprengt.     Daß   die  nieder- 
ungarische  Ebene  einst  reicher  bewaldet  war,  ist  eine  gut  beglaubigte 
Thatsache.     Die    östlichen   Prärien    haben    allerdings   weniger    als 
20  Proz.  Wald,   aber  der  Übergang  vom  Waldlande  der  östlichen 
Staaten  zum  baumlosen  Lande  am  Fuße  des  Felsengebirges  vollzieht 
sich  allmählich.'    Sicher  ist  es,  daß  hier  überall  die  Steppengewächse 
im  Kampfe  ums  Dasein  günstigere  Chancen  haben,  als  die  Bäume, 
aber   betreffs   der  Ursache    dieser  Erscheinung   sind  die  Ansichten 
geteilt     Die  einen  schreiben  sie  dem  trockenen  Klima,  die  anderen 
dem  Boden   zu.     Die  Klimahypothese,   deren  Hauptvertreter   einst 
Grisebach  war^   zählt  in  Kußland   und  Amerika  kaum   noch  An- 
hänger.' Daß  die  südrussische  Grassteppe  auf  das  Gebiet  der  Schwarzen 
Erde  beschränkt  ist,  erklärt  Tanfiljew  durch  den  Salzgehalt   des 
Bodens;  wo  dieser  durch  das  fließende  Wasser  ausgelaugt  ist,  wie 
in  den  Flußniederungen  und  auf  den  Wasserscheiden,  da  gedeiht 
auch  der  Wald.     In  den  forstlichen  Anpflanzungsversuchen  erblickt 
er  einen  experimentellen  Beweis  für  die  Richtigkeit  dieser  Ansicht, 
denn  wo  solche  Waldungen  abstarben,  erwies  sich  das  Grundwasser 
schon  in  geringer  Tiefe  als  salzhaltig.     Andere  russische  Forscher 
fuhren   die  Baumarmut   auf  die  Feinerdigkeit  des  Bodens  zurück, 
die   das   atmosphärische  Wasser   nicht   tief  genug  eindringen  läßt, 
und  dieselbe  Hypothese  wandte  Whitney  auf  die  nordamerikanischen 
Prärien  an.     Die  östliche  Hälfte  derselben  ist  fruchtbar,  genügend 
benetzt,   warum    sollte   hier   kein   Wald   gedeihen   können?     Diese 
Frage  beantwortet  Miller  Chbistt*  mit  dem  Hinweise  auf  die  großen 
Brände,  die  meist  von  Menschenhand  herrühren  und  im  Frühjahre 
imd  Herbste  oft  ungeheure  Flächen  heimsuchen.    Verbreitete  sich 
doch  ein  solcher  einst  von  49 — 53**  B.  und  von  98 — 108®  L.,  d.  h. 
über  ein  Areal,  nahezu  so  groß,  wie  das  Königreich  Preußen!    Wo 


616  Die  geographische  Verbreitung  der  Pflanzen  und  Tiere. 


der  Baumwuchs  vor  solchen  verheerenden  Einflüssen  geschützt  ist, 
wie  auf  den  Farmen,  findet  er  alle  Existenzbedingungen  erfoUt 

WüBtentteppen  und  Wüsten.  In  den  regenärmeren,  zum  größteo 
Teil  abflußlosen  Gegenden  kommen  Grassteppen  nur  dort  vor,  wo 
der  Boden  ohne  Salzgehalt  und  mit  etwas  Humus  bedeckt  ist  Aber 
sie  sind  hier  ungleich  dürftiger  und  gestatten  abseits  von  den 
Flüssen  nur  nomadische  Lebensweise.  Wo  der  nackte  Fels  zu  Tage 
tritt  oder  Sandmeere  sich  ausdehnen,  in  welchen  auch  die  geringe 
Feuchtigkeit,  die  ihnen  zu  teil  wird,  ungenützt  einsickert,  oder  wo 
der  Boden  von  Salzen  geschwängert  ist,  da  entfaltet  sich  der  Gras- 
wuchs noch  kümmerlicher  oder  fehlt  ganz,  und  blattlose  Dom- 
sträucher,  Saft-  und  Zwiebelgewächse  sind  die  einzigen  Repräsen- 
tanten der  Pflanzenwelt  Diese  Sand-  und  Salzsteppen  geben 
ganz  allmählich  in  Wüsten  über,  die  zwar  auch  nicht  völlig  vege- 
tationslos, aber  doch  im  allgemeinen  unbewohnbar  sind.  Die  Be- 
griffe Wüste  und  Wüstensteppe  auseinander  zu  halten,  ist  schvnerig, 
und  auch  der  Sprachgebrauch  trifft  nicht  immer  das  ßichtige.  Auch 
die  Wüste  enthält  stellenweise  Weidegründe,  die  von  den  Viehherden 
der  Nomaden  besucht  werden,  und  Oasen,  in  denen  selbst  eine  seß- 
hafte Bevölkerung  sich  ansiedeln  konnte.  Es  sind  dies  Stellen,  die 
entweder  von  Flüssen  oder  von  Grundwasser  benetzt  werden,  und  wo 
eine  thonige  Erdkrume  sich  bilden  konnte.  In  der  algerischen  Sahara 
haben  die  Franzosen  durch  Anlage  artesischer  Brunnen  manche 
Strecken  in  fruchtbare  Gefilde  verwandelt. 

Auch  aus  der  Wüstensteppe  ist  das  Baumleben  nicht  völlig  ver- 
bannt, wenn  auch  meist  nur  an  die  Flußufer  gebunden;  ja  selbst  in 
den  Thälem  des  ödesten  Teiles  der  Gobi  fand  man  Gruppen  von 
Ulmen  und  Pfirsichgebüsch;  in  den  Wadis  der  Sahara  wohnen  neben 
Gräsern,  Stauden  und  Sträuchem  auch  Bäume,  imd  vereinzelt  er- 
heben sich  solche  auch  aus  der  trostlosen  westau^alischen  Sandsteppe, 
die  GiLES  durchwandert  hat  Aber  ausgedehntere  Waldungen  kommen 
in  der  Steppe  nicht  vor,  mit  Ausnahme  der  großen  Kondensatoren 
der  atmosphärischen  Feuchtigkeit,  der  Gebirge;  und  auch  diese 
entbehren  zum  Teil  des  Waldschmuckes,  wie  z.  B.  die  peruanischen 
Andes  an  ihrer  Westabdachung  und  die  nordchilenischen  zwischen 
30  und  34^  S.  sogar  an  beiden  Seiten.  Am  Südabhange  des  Eiburs 
grenzt  in  ca.  2200  m  Höhe  die  alpine  Region  unmittelbar  an  die 
Steppe,  während  die  feuchtere  Nordseite  bis  2400  m  Höhe  mit  Wald 
bekleidet  ist  Einen  ähnlichen  Gegensatz  bilden  die  tibetanischen 
und  indischen  Gehänge  des  Himalaja.  An  der  Nordseite  des  Kau- 
kasus schiebt  sich  zwischen  Steppe  und  Wald  ein  Wiesengürtel  als 
vermittelndes  Zwischenglied  ein,  während  auf  der  den  Südwestwinden 


Die  wicbtigsten  Vegetationsformationen  innerhalb  d.  Waldgrenze.     617 

zugekehrten  Seite  die  Wälder  bis  zum  Fuße  hinabreichen.  Der  Tian- 
schan  trägt  Wälder  nur  in  der  Kegion  der  winterlichen  Schnee- 
wolken zwischen  1500  und  3000  m  Höhe;  auf  dem  Inschan  beginnt 
die  Bewaldung  ebenfalls  erst  in  1500  m  Höhe,  auf  dem  Alaschan 
sogar  erst  in  2400  m,  und  —  um  ein  Beispiel  aus  der  neuen  Welt 
hinzuzufügen  —  in  Colorado  in  2130  m  Höhe. 

Ein  zusammenhängender  Steppen-  und  Wüstengtirtel  durchzieht 
die   alte  Welt  vom  atlantischen  Gestade  bis  nahe  an  das  pazifische 
Weltmeer.     Die  gebirgsumschlossenen  Hochebenen  Asiens,  die  aral- 
kaspische  Niederung,  und  die  von  beständigen  Nordwinden  bestrichene 
Wüstentafel  sind  die  einzelnen  Glieder  dieser  Zone:    ungleich   zwar 
in  bezng  auf  die  einzelnen  Bestandteile  ihrer  Flora,  ungleich  auch  in 
bezug    auf  die  Bedingungen  ihrer  Wasserarmut,   aber  durch  diese 
und   durch  ihren  allgemeinen  Vegetationscharakter  zu  einer  geogra- 
phischen Einheit  verbunden.    Die  Sahara  gilt  als  das  Prototyp  der 
Wüste,   aber  völlig  pflanzenleer  ist  nur  der  bewegliche  Dünensand 
und   stellenweise   die   Serir,   wie   z.  B.  zwischen  Tuat  und  Tafilet 
Dagegen  trägt  selbst  die  Hammada  einige  Holzgewächse,  und  die  Dünen- 
thäJer  werden  von  Sträuchern  und  hochwüchsigen  Pfriemengräsern 
bewohnt    Die  sogenannte  Syrische  Wüste  ist  vorwiegend  Salzsteppe 
mit  Halophyten,  kümmerhchen  Tamarisken  und  etwas  Graswuchs.  Noch 
mehr  verdient  die  Arabische  Wüste,  vielleicht  mit  Ausnahme  der 
südöstlichen  Sandwüste  Dehna,  die  Bezeichnung  Steppe,  denn  selbst 
in  Nefud  trägt  der  Sandboden  nach  Blunts  Bericht  eine  verhältnis- 
mäßig  reiche   Vegetation,   die   einen   großen   Teil   des   Jahres   die 
Herden  der  Beduinen  ernähren   kann.     Vielleicht   noch   trostlosere 
Einöden,  als  manche  Teile  der  Sahara,  sind  diepersischenWüsten. 
Die  große  Salzwüste  ist  im  strengsten  Sinn  des  Wortes  pflanzenlos, 
nur   in   der   Nähe   des   Nordrandes   erbUckte   Buhse   einmal   einen 
einsamen  Halophyten;    und  eine  ähnliche  Schilderung  giebt  Bukoe 
von  der  Wüste  von  Kirman.   Viel  besser  sind  die  zentralasiatischen 
Hochebenen   ausgestattet,    obwohl   hier   die  Geographen  von  aus- 
gedehnten Wüsten    sprechen.     In   Nordamerika   entspricht   ihnen 
das   ebenfalls   von   hohen  Gebirgen   umrahmte  westliche  Hochland, 
dessen  Salzwüsten  gerade  so,  wie  in  der  alten  Welt,  von  zerstreuten 
Gänsefuß-  und  geselligen  Beifußgewächsen  bewohnt  werden,  stellen- 
weise  aber   auch   völhg  vegetationslos  sind.     Die  bizarren  Formen 
der  Kakteen  und  die  als  Nahrungsmittel  wertvollen  Agaveu,  deren 
große,  saftige  Blattrosette  auch  dem  dürrsten  Felsboden  entsprießt, 
geben  aber  den  trockenen  Gebieten  der  neuen  Welt  ein  eigenartiges 
Gepräge. 

Auf  den  südlichen  Festländern  greift  im  Windschatten  des 


618  Die  geographische  Verbreitiing  der  Pflanzen  und  Tiere. 

Passates  die  Steppen-  und  Wtistenvegetation  weit  in  die  Tropenzone 
hinein.  Am  weitesten  in  der  peruanisch-chilenischen  Küsten- 
landschaft,  die  vom  34.  bis  zum  4.^  S.  waldlos  ist.  In  der 
Kegenzeit  bekleidet  sie  sich  wohl  mit  blühenden  Stauden^  aber  die 
sommerliche  Dürre  überdauern  nur  vereinzelte  Gruppen  von  Saft- 
gewächsen und  niedrigem  Domgesträuch.  Das  hochgelegene  Ata- 
camaplateau  ist  auf  weite  Strecken  hin  völlig  vegetationslose  Salz- 
wüste.  Aber  in  einem  Punkte  unterscheidet  sich  die  peruanischt» 
Steppe  wesentlich  von  den  Steppen  der  gemäßigten  Zone:  durch  das 
allerdings  nur  zerstreute  Vorkommen  immergrüner  Bäume.  Jenseit> 
des  30.  Parallels  bessert  sich  die  Vegetation  zusehends,  und  reich- 
licher Graswuchs  schaflFt  ein  gutes  Weideland.  Auch  die  Hochflächen 
der  Cordilleren,  die  sogenannte  Punaregion,  nehmen  an  der  Steppen- 
natur Teil.  Die  südwestliche  Küste  von  Afrika  ist  ebenfalls  bis 
über  den  Wendekreis  hinaus  eine  traurige  Sand-  und  Steinwüste 
mit  niedrigem  graugrünem  Gebüsche  und  ärmlichem  Graswuchse,  und 
diese  Vegetationsformation  erstreckt  sich  mit  einigen  von  der  Bodon- 
beschaffenheit  abhängigen  günstigen  Variationen,  die  Viehzucht  g*^ 
statten,  über  das  hochgelegene  Damara-  und  Namaland  bis  znr  an^^ 
gedehnten  Sandsteppe  der  Kalahari.  Den  im  Verhältnisse  zum  Areal 
des  Festlandes  größten  Raum  nehmen  die  Steppen  und  Wüsten 
Australiens  ein,  denn  die  östliche  Randstellung  des  Hochlandei^ 
beraubt  die  inneren  und  westlichen  Landschaften  der  Wohlthat 
regelmäßiger  Befeuchtung.  Aber  so  öde  auch  diese  Gegenden  in  der 
Regel  sind,  so  rasch  belebt  sich  die  Vegetation,  wenn  einmal,  frei- 
lich oft  nach  jahrelanger  Dürre,  ein  wolkenbruchartiger  Regen  nieder- 
fällt Doch  unausgenützt  fließen  die  Wassermassen  ab,  und  die 
blumenreichen  Gras-  und  Kräuterfluren  verschwinden  wieder,  wie  ein 
Trugbild  der  Fata  Morgana.  Die  Eigentümlichkeit  Australiens  be- 
steht darin,  daß  der  periodische  Wechsel  des  Landschaftsbildes,  dem 
alle  Steppen  unterworfen  sind,  in  völlig  regellosen  Sprüngen  sich 
vollzieht.  Daher  auch  die  scheinbaren  Widersprüche  in  den  Be- 
richten der  Forschungsreisenden:  ein  Moment,  das  übrigens  auch 
hei  der  Beurteilung  der  übrigen  Steppen  und  Wüsten  in  Betracht 
gezogen  werden  muß  und  die  Unbestimmtheit  dieser  Begriffe  wesent- 
lich mit  verschuldet  hat.  Streng  genommen,  läßt  sich  die  Vegetation 
der  einzelnen  waldlosen  Gegenden  der  Erde  nur  während  der  Regen- 
zeit mit  einander  vergleichen;  aber  freilich  ist  diese  Periode  nur 
kurz  und  den  größten  Teil  des  Jahres  lastet  selbst  auf  den  begünstig- 
teren  Steppen  der  Fluch  der  Unfruchtbarkeit 

Butohland.     Auf  der  südlichen  Hemisphäre  tritt  manchmal   an 
die   Stelle  der  Steppe  das   Busc bland,    ohne   daß   sich   in  allen 


Die  wichtigsten  Vegetationsfbrmationen  innerhalb  d.  Waldgrenze.     619 

J^^ällen   bestiiuint  nachweisen  ließe,  au   welche  Bedingungen   es   im 
Gegensätze  zum  Graslande  geknüpft  ist.     Es  stehen  sich   übrigens 
diese    Vegetationsformationen    auch    nicht    unvermittelt    gegenüber. 
Schon  oben  wurde  darauf  aufmerksam  gemacht,  daß  Domsträucher 
einen    vorherrschenden   Bestandteil    mancher   Steppenfloren  bilden, 
und   im  östlichen  Südamerika  können  wir  beobachten,   wie  streng 
die   beiden  Formen  nach  der  Bodenbeschaffenheit  sich  scheiden.    So- 
weit Lehmboden  ist,   dehnen  sich   die  Pampas   aus;    dort  aber,  wo 
der    patagonische  Kiesboden  beginnt,  also  am  Rio  negro,  ändert 
sich  mit  einemmal  das  Pflanzenkleid,  das  nun  aus  niedrigem  Dom- 
gehüsch  mit  vereinzelten  Mimosen  und  magerem  Graswuchse  besteht; 
und  „nur  diejenigen  Stellen'-,  sagt  Lorbntz,  „die  durch  ihre  niedere 
Lage  besonders  fruchtbar   sind,   vielfache  Thäler   und  Vertiefungen 
zeigen  einen  eigentlichen  Rasen   und   eine  Vegetation,   die   an   die 
Pampas   erinnert".    Ahnlich   ist   die   Vegetation   westlich   von    den 
Pampas,  zwischen  dem  Meridian  von  Cordoba  und  den  Andes.    Dor- 
nige Sträucher,  besonders  der  Chanar   und   eine  Akazie,   bedecken 
weite  Flächen,  aber  der  Graswuchs  ist  nicht   ganz    ausgeschlossen, 
und  reiche  Fluren  wechseln  mit  ödem  Buschlande.   Auf  der  großen 
Kami  des  Kaplandes  beherrscht  zwar  der  mattgefärbte  Rhinozeros- 
busch die  Vegetation,  aber  im  August  kleidet   sich   die  Hochfläche 
auf  einige  Wochen  in  üppigstes,  blumenreiches  Grün  und  ist  dann 
ein  ausgezeichneter  Weideplatz.    Auf  der  oberen  Terrasse,  die  sich 
von  den  Roggeveld-  und  Nieuweveld-Bergen  bis  gegen  den  Oranje 
ausdehnt,  fehlt  aber  aller  Graswuchs,  und   der  Boden  ist  nur  mit 
niederem  Gestrüpp  von  Korbblütem,  dem  sich   einige  Saftgewächse 
zugesellen,  bedeckt.    Weiter  gegen  Norden  bilden  Domsträucher  aus 
dem  Akaziengeschlechte  undurchdringliche  Dickichte.  Am  reinsten  ist 
aber  die  Form  des  Buschlandes  im  australischen  Skrub   ausge- 
prägt    Verschlungene  Sträucher  mit  starrem,   immergrünem  Laube 
bedecken  in  dichten  Gemeinschaften,  nur  gelegentlich   von  Bäumen 
unterbrochen,  aber  mit  völligem  Ausschlüsse  von  Gräsern  und  Kräutern, 
ausgedehnte  Flächen  des  inneren  Australiens.    Kein  Monat  vergeht 
hier  ohne  Blüten,  aber  „jeder  Monat  sieht",  wie  Behr  sich  ausdrückt, 
„dasselbe  wüste  Gedränge  starrer,  saftloser  und  untereinander  größten- 
teils übereinstimmender  Formen".    Trotz   seiner  Üppigkeit  ist   der 
Skrub  die  eigentliche  australische  Wüste,  die  ebenso  die  Fortschritte 
der  Forschungsreisenden,   wie   der  Kultur  hemmt,   denn   mit   un- 
besiegbarer Zähigkeit  halten  diese  einförmigen  Dickichte  sogar  dem 
Feuer  Stand. 

Seltener  ist  die  Buschformation  auf  unserer  Halbkugel.  In  Texas 
und  im  nördlichen  Mexico  wird  sie  von  Mimosen,  zum  Teil  im  Ver- 


620 


Die  geographische  Verbreitung  der  Pflanzen  und  Tiere. 


eine  mit  Dornsträuchern  gebildet.  Ein  großer  Teil  von  VcM*deriiidien 
wird  von  dichtem,  oft  undurchdringlichem  Dschungelgebfiscli  be- 
deckt, in  dem  Bambusen  und  Domsträucher  vorherrschen.  Aber 
schon  hier  ist  es  fraglich,  ob  diese  Vegetationsform  klimatisch  be- 
dingt ist  oder  ob  sie  an  die  Stelle  früherer  Wälder  trat.  Da< 
letztere  ist  der  Fall  bei  der  Maquis,  der  pflanzenreichen.  immer- 
grünen Strauchformation  des  Mittelmeergebietes,  die  besonders  auf 
Corsica,  im  dalmatinischen  Archipel  und  an  der  Nordküste  des 
Ägäischen  Meeres  große  Flächen  einnimmt  Unter  ähnlichen  klima- 
tischen Verhältnissen,  die  die  Regenerierung  des  Waldes  erschweren, 
erscheint  sie  an  der  caUfomischen  Küste  bei  S.  Diego  and  in  den 
Berg-  und  Hügellandschaften  des  südlichen  Chinas  wieder,  während 
auf  Neuseeland  eigentümliche  Famfluren  die  Stelle  zerstörter  Wälder 
einnehmen.  Ebensowenig,  wie  die  Maquis,  sind  die  Heideland- 
schaften Europas  und  die  am  £ap  der  guten  Hofihung  durch 
Trockenheit  bedingt 

Ausdehnung^  der  Formationen.  Um  einen  Anhaltspunkt  in  der 
Frage,  wie  viele  Menschen  auf  der  Erde  wohnen  konnten,  zu  ge- 
winnen, hat  E.  G.  Ra VENSTEIN*  den  Flächeninhalt  von  drei  Yege- 
tationskategorien  ermittelt  Obwohl  sich  diese  Kategorien  nur  z.  T 
mit  unseren  Formationen  decken,  können  wir  uns  doch  nicht  ver- 
sagen, seine  Ergebnisse  mitzuteilen,  weil  bisher  noch  niemals  für  die 
ganze  Erde  eine  derartige  Arbeit  unternommen  worden  ist  Sein 
„fruchtbares^'  Land  umfaßt  das  ganze  Waldland,  die  Savanen  mit 
Ausnahme  der  brasilianischen  Campos  und  den  größten  Teil  der 
Grassteppen  —  merkwürdiger  Weise  die  südrussische  ausgenommen. 
Die  Polargebiete  sind  nicht  berücksichtigt 


|| Frachtbar   Steppen     Wüsten    Fruchtbar   Steppen     Wosten 
11  In  1000  qkm  >|  In  Prosenten 


Europa  .    .     . 

7  480 

1727 

— 

81,s 

18,8 

-. 

Asien     .     .    . 

24  034 

10  955 

3  108 

63,1 

28,7 

8,2 

Afrika    .    .    . 

14  918 

9  187 

5  765 

50,s 

30,. 

19,« 

Australasien    . 

8  022 

3  908 

1590 

85,1 

45,. 

18^ 

Nordamerika  . 

1    12  810 

3  639 

246 

76,1 

21,. 

1,* 

Südamerika     . 

1    10  950 

6  640 

117 

61,« 

37,5 

0,1 

Alte  Welt 

49  454 

25  722 

10  463 

57,7 

80,1 

12,1 

Neue  Welt     . 

23  760 

10  279 

363 

,       69,0 

80,0 

!,• 

Land      .    .     . 

73  214 

36  001 

10  826 

61,0 

30,. 

V 

Man   entnimmt   daraus,   daß   in   der   relativen   Verteilung   der 
Steppen  die  Kontinente  am  wenigsten  voneinander  abweichen.    Der 


Die  EntwicklungBgeschicIite  der  Florenreiche.  621 

HauptunterscUed  beruht  auf  der  Wtistenverteilung^  und  der  gewaltigen 
Ausdehnung  dieser  Formation  in  Afrika  und  Australien  ist  es  zu- 
zuschreiben, wenn  die  alte  Welt  relativ  viel  unfruchtbarer  erscheint, 
als   die  neue. 

Litteraturnachweise.  ^  Tanfiljew,  Die  Waldgrenzen  in  Südru£land 
(russisch  mit  deutschem  Resum^),  St  Petersburg  1894.  —  *  Vgl.  die  Karte  von 
Sasobmt  in  Peteruamms  Mitteilungen  1886,  Taf.  l2.  —  '  Krasnow,  Die  Gras- 
steppen der  nördlichen  Halbkugel  (russ.)»  Moskau  1894.  (Einen  ausführlichen 
Bericht  von  Woeixow  s.  Petermakms  Mitteilungen  1895,  Litteraturbericht  Nr.  36).  — 
*  Christy  in  den  Proceedings  of  the  R.  Geographica!  Society  of  London  1892, 
S.  78.  —  *  Ravehstein,  ebendaselbst  1891,  S.  27. 


Die  Entwicklungsgeschichte  der  Florenreiche. 

(Siehe  Karte  XIX.) 

Die  tropische  Florenzone.  Aus  ENaLEBs  Tabelle  der  dikotylen 
Angiospermen  gebt  bervor,  daß  von  den  3617  Gattungen,  die  in  der 
warmen  Zone  vorkommen,  93^2  Prozent  rein  oder  doch  vorherrschend 
tropisch  und  nur  6^2  Prozent  in  höheren  Breiten  heimisch  sind. 
Von  den  ersteren  überschreiten  nur  ca.  20  Prozent  die  Tropenzone 
und  ca.  73  Prozent  sind  nur  innerhalb  derselben  verbreitet  Die 
Statistik  bestätigt  also  die  Eigenart  und  den  Seichtum  der  tropi- 
schen Flora;  sie  liefert  aber  auch  den  Beweis,  daß  die  warmen 
Gegenden  der  alten  und  neuen  Welt,  trotz  der  Übereinstimmung 
der  klimatischen  Verhältnisse^  in  bezug  auf  die  Flora  bedeutend 
von  einander  abweichen.  Nur  12^/^  Prozent  der  dikotylen  Angio- 
spermen haben  beide  Hemisphären  gemeinsam,  während  40  auf  die 
westliche  und  über  47  Prozent  auf  die  östliche  Halbkugel  beschränkt 
sind.  Von  den  458  gemeinsamen  Gattungen  sind  nach  EJnglbb  180 
überall  verbreitet,  204  kommen  aber  nur  auf  den  Festländem  und 
abgetrennten  Inseln  vor,  und  wanderten  wahrscheinlich  zu  Lande, 
als  die  gemäßigte  Zone  noch  wärmer  war  und  Europa  tropische 
Formen  beherbergte.  17  Gattungen  finden  sich  auch  auf  den 
ozeanischen  Inseln,  und  es  ist  wahrscheinlich,  daß  sie  den  Seeweg 
benutzten,  während  bei  57  die  Verbreitungsart  sich  nicht  feststellen 
läßt  Wie  in  der  genannten  Pflanzengruppe,  so  tritt  auch  in  anderen 
der  Gegensatz  der  alten  und  neuen  Welt  unverkennbar  zu  Tage. 
So  hat  Amerika  keine  Palmengattung  mit  Afrika  und  Asien  gemein, 
und  auch  die  Unterfamilien  sind  meist  nur  auf  das  westliche  oder 
das  östliche  Festland  beschränkt. 

Es  bestehen  also  zwei  getrennte  tropische  Florengruppen« 
Innerhalb    der    südamerikanischen    war    die    Entwicklung    in   den 


622  Die  geographiscbe  Verbreitung  der  Pflanzen  nnd  TUxe, 

feuchten  östlichen  Hoch-  und  Tiefländern  eine  andere,  als  im 
trockenen  andinen  Westen,  ungleich  mannigfaltiger  ist  aber,  wie 
nicht  anders  zu  erwarten,  die  Gliederung  der  östlichen  Grup[>e. 
Afrika,  das  durch  ein  Meer  und  eine  Wüste  von  Asien  getrennt  ist, 
wird  durch  eine  verhältnismäßig  geringe  Zahl  von  Gattungen  und 
Arten  charakterisiert,  und  alle  Forscher  bestätigten  die  Armut  seiner 
Flora,  in  der  eine  Keihe  indischer  Pflanzenfanulien  fehlen.  Der 
Westen  und  Osten  treten  hier  in  einen  ähnlichen  G^ensatz  zu- 
einander, wie  der  Osten  und  Westen  in  Südamerika.  Demselben 
Kontraste  begegnen  wir  in  Asien,  wo  die  vorderindische  Flora  eine 
Mittelstellung  zwischen  der  afrikanischen  und  der  hinterindisch- 
malaischen  einnimmt.  Die  späte  Angliederung  Dekans  an  das 
Festland  hatte  zur  Folge,  daß  mehrere  Formen,  die  vom  Himalaja 
nach  Hinterindien  sich  verbreiteten,  in  Vorderindien  fehlen,  selbst 
an  der  feuchten  Westküste,  wo  doch  alle  natürlichen  Bedingungen 
ihrer  Existenz  erfüllt  wären. 

Von  Vorderindien  bis  zum  Paumotu- Archipel,  über  170  Längen- 
grade, stellt  der  Tropengürtel  in  bezug  auf  den  allgemeinen  Cha- 
rakter der  Flora  eine  Einheit  dar;  und  wenn  ihn  die  Pflanzengeo- 
graphen trotzdem  in  mehrere  Provinzen  zerlegen,  so  leitet  sie  dabei 
nur  die  Bücksicht  auf  den  Endemismus  der  einzelnen  Teile,  die 
durch  die  vorherrschende  Insularität  genügend  gerechtfertigt  ist 
Von  besonderer  Wichtigkeit  für  den  Geographen  ist  nur  die  That- 
sache,  daß  die  scharfe  tiergeographische  Grenze  zwischen  der  indi- 
schen und  australischen  Welt,  die  den  malaischen  Archipel  in  nahezu 
gleiche  Hälften  teilt  (S.  557),  floristisch  nicht  existiert '^  Es  erinnern 
daran  nur  einzelne  australische  Anklänge  auf  Neuguinea,  Timor 
und  den  Molukken,  aber  spätere  Pflanzen  Wanderungen  verwischten 
nicht  nur  den  ursprünglichen  Charakter  bis  zur  Torresstraße,  sondern 
verbreiteten  indische  Formen  auch  über  die  angrenzende  australische 
Küste  bis  nach  Neucaledonien  und  die  Fidschi-Inseln,  sogar  bis  aul 
die  Nordinsel  von  Neuseeland. 

Boreale  Zone.  Wenn  die  warme  Zone  vor  der  gemäBigt^^n 
durch  einen  ungleich  größeren  Pflanzenreichtum  ausgezeichnet  ist 
so  läßt  sich  dies  daraus  erklären,  daß  dort  seit  der  Zeit,  als  überall 
tropisches  Klima  herrschte,  die  Entwicklung  einen  ungestörten  Fortgang 
genommen  hat.  „Die  Araukarienwälder  Südbrasiliens",  sagt  PaTiACKY, 


^  Dbüde  hat  in  seiner  neuesten  Einteilung  aUerdings  auch  hierher  eine 
Reichsgrenze  verlegt ,  aber  unter  ausdrücklicher  Anerkennung  der  Thatsache, 
daß  die  Bedeutung  der  floristischen  Grenze  nicht  an  die  der  faunistiscbeD 
heranreiche.  Gerade  aus  diesem  Grunde  vermögen  wir  aber  auch  ein  melane- 
sisches  Florenreich  nicht  anzuerkennen. 


Die  Entwicklungsgeschichte  der  Florenreiche.  623 

,,siud  vielleicht  seit  der  paläozoischen  Zeit  an  derselben  Stelle.^  In 
den  höheren  Breiten  hat  sich  aber  nicht  nur  das  Klima  seit  der  Tertiär- 
zeit wesentlich  geändert,  indem  sich  die  Zonen  allmählich  in  der 
Richtung  gegen  den  Äquator  yerschoben,  sondern  das  große  Inter- 
mezzo der  Eiszeit  hat  die  tertiäre  Pflanzenwelt  auch  stellenweise 
vernichtet,  so  daß  die  davon  betroffenen  Länder  in  ihrer  Entwicklung 
wieder  von  vom  beginnen  mußten. 

Im  schroffsten  Gegensatze  zu  der  tropischen  Flora  hat  die  ark- 
tische einen  circumpolaren  Charakter.    Allerdings  finden  wir^  wenn 
wir  von  Europa  über  Asien  nach  Amerika  fortschreiten,  Unterschiede, 
aber  diese  sind  nicht  groß  genug,   um   darauf  eine  Einteilung   des 
arktischen  Gürtels  in  mehrere  Provinzen  zu  gründen.    Dazu  ist  vor 
allem    die    sporadische  Verbreitung   vieler   charakteristischer  Arten 
eine   zu  unregelmäßige.     Wanderungen   konnten   hier   entlang   den 
Küsten  aus  der  alten  in  die  neue  Welt  und  umgekehrt  ausgeführt 
werden,   und   mit    Eülfe   der   Meeresströmungen   konnten   sich    die 
Pflanzen  auch  leicht  über  die  Inseln  des  Eismeeres  verbreiten.     In 
dem   nordischen  Waldgürtel    machen   sich   zwar   schon   provinzielle 
Unterschiede  geltend,  aber  noch  umspannt  Ein  Beich  die  alte  imd 
nene  Welt    Weiter  im  Süden  löst  sich  auch  der  Keichsverband,  an 
die  Stelle  eines  Keiches  treten  vier. 

Wir  haben   zu  beachten,   welche  wechselnden  Schicksale  diese 
Länder  in  junger  geologischer  Vergangenheit  betroffen  haben.    So 
war  Mitteleuropa  nach  dem  Schwinden  der  Eisdecke  und  nachdem 
das  Elima  wieder  ein  gemäßigtes  geworden  war,  ein  pflanzenarmes 
Land,  das  den  einwandernden  Gewächsen  Saum  genug  zur  Ansied- 
lung  bot    Seine  Flora  ist  daher  eine  entlehnte,  und  es  ist  bezeich- 
nend, daß  das  deutsche  Tiefland   keine    endemische  Form   besitzt, 
während  die  atlantischen  Küstenländer,  wo  die  Eiszeit  nicht  so  ver- 
heerend gewirkt  hat»  29  eigentümliche  Pflanzen  aufweisen.   Andere  tief- 
greifende Veränderungen  haben  die  Steppengebiete  Asiens  erlitten. 
Die  aral-kaspische  Niederung  und  das  Hanhai  Zentralasiens  wurden 
von   der   einstigen   Wasserbedeckung  befreit,   und   auch   hier  ward 
Platz  für  neue  Ansiedlungen  geschaffen.     Aber  das  trockene  Elima 
gewährte  nur  einer  beschränkten  Anzahl  von  Pflanzen  die  nötigen 
Existenzbedingungen,   und  die  Einwanderer  mußten  sich  zum  Teil 
den  veränderten  Verhältnissen  anpassen,  um  sich  vor  dem  Unter- 
gange zu  bewahren.     Daher  einerseits  die  Armut  der  Steppenflora, 
anderseits  ihr  Reichtum  an  endemischen  Formen  trotz  ihrer  Jugend- 
lichkeit 

Es  giebt  aber  auch  Gebiete,    wo  die  floristische   Entwicklung 
seit  der  Tertiärzeit  nicht  so  ungehemmt  vor  sich  ging,  wie  in  der 


624  Die  geographiflcbe  Verbreitang  der  Pflanzen  and  Here. 

Tropenzone,  aber  auch  keine  völlige  Unterbrechung  erlitt,  wie  in  den 
von  glazialer  Eisbedeckung  heimgesuchten  Gegenden.  Solche  Grebiete 
sind  die  Mittelmeerländer,  China  und  Japan.  Hier  begegnen  wir 
einem  ausgeprägten  Endemismus.  Im  Mittelmeergebiete  zählt  Gbise- 
BAGH  2700  eigentümliche  Pflanzenarten,  von  denen  816  auf  Klein- 
asien und  Syrien  und  782  auf  die  iberische  Halbinsel  kommen.  Im 
Vergleiche  zum  Areal  sind  aber  Kreta,  Corsica^  Sicilien  und  Grriecheo- 
land  am  reichsten  ausgestattet.  Japan,  dessen  Flora  man  genauer 
kennt,  besitzt  sogar  44  endemische  Gattungen,  was  allerdings  zum 
Teil  auf  Kechnung  der  Insularität  kommt  Ein  zweiter  Charakter- 
zug dieser  Gebiete  besteht  in  der  Erhaltung  tropischer  Formen,  die 
aus  einer  Zeit  stammen^  als  das  Khma  noch  wärmer  war.  Im 
mediterranen  Bezirke  haben  nicht  nur  kräftige  Holzgewächae,  wie 
die  Zwergpalme,  der  Lorbeer,  die  Mjrte,  der  Öl-  und  Granatbanm. 
der  Feigen-  und  Storaxbaum  u.  a.  den  Klimawechsel  überdanert, 
sondern  auch  zartere  Gewächse,  wie  der  Jasmin  oder  der  Akanthns. 
Noch  zahlreicher  finden  sich  die  Beste  der  Tropenzeit  auf  den 
Azoren,  Madeira  und  den  Canaren  (z.  B.  der  bekannte  Drachen- 
baum, der  einer  auf  Südarabien,  Sokotra  und  Abessinien  beschrankten 
Species  am  nächsten  verwandt  ist),  denn  diese  Inseln  waren  dem 
Einflüsse  der  kontinentalen  Klimaänderungen  völlig  entrückt. 

In  Nordamerika  macht  sich  ein  starker  Gegensatz  zwischen  den 
atlantischen  und  pazifischen  Ländern  bemerkbar.  Die  größere  Hälfte 
der  califomischen  Arten  ist  endemisch;  auf  die  ausserordentliche 
Ji^ntwicklung  der  pazifischen  Koniferen  wurde  schon  an  einer  früheren 
Stelle  (S.  611)  aufmerksam  gemacht  Auch  von  den  Laubhölzem 
gehören  27  Arten  nur  dem  Osten,  13  nur  dem  Westen  an,  und  nur 
30  sind  beiden  Teilen  gemeinsam.  Schon  frühzeitige  klimatische 
Unterschiede  scheinen  auf  den  Entwicklungsgang  beider  üoröi 
eingewirkt  zu  haben,  und  dazu  kommt  noch,  daß  die  einstige  Wasser- 
bedeckung der  westlichen  Steppen  und  später  ihr  trockenes  Klima 
einen  Austausch  der  Pflanzen  verhindert  hat 

Dagegen  steht  die  Flora  der  Vereinigten  Staaten  in  innigen 
Beziehungen  zu  der  Ostasiens.  Wir  sehen  hier  ab  von  den  iden- 
tischen Arten  in  beiden  Gegenden,  die  außerdem  auch  im  arktischen 
Gebiete  leben  und  also  auch  unter  den  gegenwärtigen  Verhältnissen 
über  die  enge  Beringstraße  gewandert  sein  konnten.  Anders  ver- 
hält es  sich  mit  jenen  140  Species,  die  einerseits  im  östlichen  Asien 
oder  auch  auf  dem  Himalaja  und  anderseits  in  Nordamerika  und 
zum  Teil  sogar  nur  in  der  ösüichen  Hälfte  dieses  Kontinents  gefunden 
werden,  und  deren  Wärmebedürfrds  zu  groß  ist,  als  daß  sie  in  der 
Gegenwart    eine  Wanderung    über  die  Beringstraße   hätten   unter- 


Die  EDtwicklnngsgeschichte  cler  Florenreiohe.  625 

nehmen  können.  Ihre  Verbreitung  mußte  daher  Tor  der  Glazial* 
Periode  erfolgt  sein^  und  zu  einem  ähnlichen  Schlüsse  gelangen  wir 
in  bezog  auf  jene  (ca.  140)  ostasiatischen  Pflanzen,  deren  nächste 
Verwandten  Nordamerika  bewohnen,  und  zwar  ca.  110  Arten  nur 
das  östliche  und  7  nur  das  westliche  Gebiet  Enqlbb  nimmt  an, 
daß  ihre  Urformen  einst  weiter  im  Norden  lebten,  daß  ein  Aus- 
tausch über  die  Beringstraße  stattfand,  und  daß  sie  dann  in  der 
Urheimat  ausstarben,  während  in  den  jetzigen  Verbreitungsbezirken 
vikariierende  Arten  sich  ausbildeten. 

Die  neue  und  die  alte  Welt  berühren  sich  an  der  Beringenge 
und  gehen  nach  Süden  immer  weiter  auseinander.  Diese  geogra- 
phische Anordnung  spiegelt  sich  in  den  Floren  beider  Landfesten 
wieder.  Im  äussersten  Norden  eine  circumpolare  Provinz;  dann  ver- 
scliiedene  Provinzen,  aber  noch  ein  circumpolares  Reich;  dann  ver- 
schiedene Reiche,  die  aber  doch  unter  einander  und  mit  dem  nor- 
dischen Reiche  soviele  Beziehungen  zeigen,  daß  man  sie  zu  einer 
Einheit  höherer  Ordnung,  derborealenGruppe,  zusammenfassen  dar£ 
Innerhalb  der  tropischen  Zone  ist  der  Zug  gemeinsamer  Ent- 
wicklung schon  schwächer  ausgeprägt,  die  Gruppen  der  alten  und 
neuen  Welt  treten  in  schärferen  Gegensatz  zu  einander,  und  noch 
beträchtlich  schärfer  ist  dieser  Gegensatz  in  der  nun  folgenden 
austraten  Zone  entwickelt,  wo  ein  ausgeprägter  Endemismus  auf 
hohes  Alter  und  lange  IsoUerung  der  einzelnen  Florengebiete  hin- 
weist. Man  beachte  sehr,  daß  die  Florenzonen  durchaus  nicht 
gleichwertige  Einheiten  sind;  das  Band,  das  sie  umschUngt, 
lockert  sich  nach  Süden  zu  immer  mehr.  Nur  in  der  borealen  Welt 
fallen  die  Begriffe  Zone  und  Gruppe  zusammen. 

Australe  Zone.  Australien  besitzt  eine  eigentümliche  Flora, 
zu  deren  bekanntesten  Formen  die  Eukalypten,  Gasuarinen  oder 
Keulenbäume,  Grasbäume  u.  s.  w.  gehören.  Im  allgemeinen  kommen 
hier  425  endemische  Gattungen  von  Gefäßpflanzen  vor;  anderseits 
fehlen  24  FamiUen,  die  sich  über  beide  Hemisphären,  und  7,  die 
sich  nur  über  die  südhche  Hemisphäre  verbreiten.  Alle  diese  Um- 
stände weisen  darauf  hin,  daß  Austrahen  schon  sehr  frühzeitig  von 
dem  übrigen  Festlande  getrennt  war.  Der  Gesamtcharakter  der  Flora 
ist  auf  dem  ganzen  Kontinent  derselbe,  aber  in  den  Details  weichen 
die  einzelnen  geographischen  Provinzen  wesentUch  von  einander  ab. 
In  Nord-  und  OstaustraUen  beträgt  die  Gesamtzahl  der  endemischen 
Arten  über  40  Prozent;  unter  den  anderen  Arten  herrschen  die 
tropischen,  besonders  die  indischen  Gewächse  vor.  In  Victoria, 
Tasmanien  und  SüdaustraUen  ist  der  Endemismus  am  wenigsten 
ausgebildet,    und    die   Flora    steht    in  inniger  Beziehung   zu   der 

SuPAK,  PhysiBche  Erdkunde.    2.  Aufl.  40 


626  Die  geographische  Verbreitung  der  Pflanzen  und  Tiere. 

Neuseelands  und  der  südlichen  gemäßigten  Zone  überhaupt.  In  West- 
australien  endlich  sind  ^/^  aller  Pflanzen  eigentümlich.  Kein  kon- 
tinentales Land  von  gleicher  Ausdehnung  kann  sich  in  Bezug  aof 
endemische  Erzeugnisse  mit  diesem  Gebiete  messen,  ja  nicht  einmal 
eine  ozeanische  Insel  mit  Ausnahme  von  St  Helena.  fiS  muß  aber 
hervorgehoben  werden^  daß  in  Westaustralien  keine  Familie  vor- 
kommt, die  nicht  auch  im  übrigen  Australien  zu  finden  wäre;  da- 
gegen fehlen  zahlreiche  ostaustralische  Familien,  besonders  solche, 
die  auf  größere  Feuchtigkeit  Anspruch  machen,  während  die  übrigen 
z.  T.  reichlicher  entwickelt  sind.  Westaustralien  verhält  sich  alj^> 
zum  übrigen  Kontinent  wie  eine  Insel,  und  eine  solche  wsf  es  auch 
in  der  Kreide-  und  vielleicht  auch  noch  in  der  Tertiärperiode,  al»» 
zu  einer  Zeit,  als  Australien  mit  den  übrigen  Ländern  der  südlichen 
Halbkugel  und  mit  der  Tropenzone  Pflanzen  austauschte. 

Am  Kap  der  guten  Hoffnung  finden  wir  auf  beschränktem 
Areale  eine  merkwürdige  Pflanzenwelt,  die  ebenfalls  Zeichen  eines 
hohen  Alters  an  sich  trägt  Sträucher  aus  den  Familien  der  Eri- 
caceen,  Proteaceen,  Diosmeen,  Bruniaceen  u.  s.  w.  herrschen  vor, 
und  eine  Menge  von  Lilien-^  Orchideen-  und  Irisgewächsen  mit 
herrlichen  Blüten  lassen  dies  Ländchen  fast  als  einen  Ziergarten 
erscheinen.  Von  548  Gattungen  kommen  nur  256  auch  im  übrigen 
tropischen  Afrika  vor;  alle  anderen  sind  endemisch.  In  Südamerika 
wurde  das  junge  Gebiet  der  Pampas  und  Patagoniens  hauptsäch- 
lich von  Pflanzen  der  tropischen  Andes  und  Brasiliens  besiedelt 
dagegen  zeigt  das  chilenische  Waldgebiet  neben  stark  entwickeltem 
Endemismus  auch  Beziehungen  zu  den  Floren  von  Australien  und 
Neuseeland.    Nach  Engler  ist  die  Zahl  der  identischen  Arten: 

in  Neuseeland  und  Australien 92 

in  Neuseeland,  Australien,  auf  den  südlichen  Inseln  oder 

in  Südamerika 84 

nur  in  Neuseeland  und  auf  den  südlichen  Inseln  oder  in 

Südamerika 84 

Dazu  kommen  noch  27  verwandte  Arten  in  Australien,  Neuseeland 
und  Südamerika,  und  14,  die  nur  auf  die  beiden  letzteren  Gebiete 
beschränkt  sind.  Neuseeland  mit  seinen  kleinen  Inseltrabanten 
beherbergt  also  neben  seinen  eigentümlichen  Formen,  die  61,4  Prozent 
seiner  Flora  bilden,  noch  Formen  von  großer  Verbreitung  in  der 
antarktischen  Welt  Schon  früher  wurde  darauf  hingewiesen,  da£ 
der  Wald  der  Amsterdam-Insel  vollständig  übereinstimmt  noit 
dem  Krummholze  von  Tristan  da  Cunha,  und  die  Flora  dieser 
Insel  zeigt  wieder  Verwandtschaft  zu  der  australischen,  neuseelän- 
dischen und  südchilenischen,  ebenso  wie  die  der  Kerguelen  zu  den 


Die  EntwicklungBgeschicbte  der  Florenreiche.  627 

beiden  letztgenannten.  Nur  im  äußersten  Süden  kehren  also  Ver- 
hältnisse wieder^  die  wenigstens  einigermaßen  an  die  arktischen  er- 
innern. Ob  wir  von  einem  circumpolaren  antarktischen  Florenreiche 
sprechen  dürfen,  erscheint  uns  freilich  noch  fraglich;  zum  mindesten 
sind  die  provinziellen  Unterschiede  stärker,  als  im  nordischen  Reiche. 
und  es  kann  auch  gar  nicht  anders  sein ;  ein  Florenreich,  das  aus  weit 
von  einander  entlegenen  Inseln  besteht,  ist  anderen  Gesetzen  unter- 
worfen, als  ein  kontinentales. 

FloristlBohe  Einteilung^  des  Landet.  Wir  haben  bereits  ver- 
schiedene Einteilungen,  die  in  ihren  wesentlichen  Grundzügen  zwar 
übereinstimmen,  in  Einzelheiten  aber  sehr  von  einander  abweichen. 
Was  der  eine  als  Provinz  bezeichnet,  erhebt  der  andere  zu  dem 
Range  eines  Reiches,  und  muß  dann  wieder  eine  höhere  Einheit 
schaffen,  um  verwandtschaftliche  Beziehungen  zum  Ausdrucke  zu 
bringen.  Noch  mehr  Schwierigkeiten  verursachen  die  Grenzen. 
Scharfe  Florengrenzen  giebt  es  in  der  Natur  nur  dort,  wo  sie  mit 
einem  Hochgebirge  zusammentreffen,  sonst  tritt  überall  an  den 
Grenzen  Mischung  ein,  und  die  Linien  unserer  Karten  tragen  not>- 
wendiger  Weise  den  Stempel  der  Willkür  und  Unnatur.  Auf 
Karte  XIX  sind  einige  solcher  Mischgürtel  hervorgehoben.  Der 
Hauptsache  nach  folgen  wir  der  letzten  Einteilung  von  Drude  (1890) 
unsere  Bedenken  gegen  sein  Melanesisch- Neuseeländisches  Reich 
haben  wir  schon  oben  ausgesprochen: 

A.  Boreale  Zone  und  Gruppe. 

I.  Nordisches  Reich: 

1.  Arktische  Provinz, 

2.  Mitteleuropftische  Provinz, 

3.  Russische  Steppenprovinz, 

4.  Sibirische  Provinz, 

5.  Amnrprovinz, 

6.  Golumbische  Provinz, 

7.  Canadische  Provinz, 
n.  Mittelmeer-  und  Orient-Reich, 

III.  Innerasiatisches  Reich, 

IV.  Ostasiatisches  Reich, 

V.  Mittel-Nordamerikanisches  Reich. 

Wichtig  die  pazifische  Provinz. 

B.  Tropisehe  Zone« 

a.  Palaeotropische  Gruppe: 
VI.  Afrikanisches  Reich, 

yn.  Madagassisches  Reich, 
VIII.  Indisches  Reich. 

Wichtig  die  Provinzgrenze  an  der  Wallace-Linie. 

b.  Neotropische  Gruppe: 
IX.  Neotropisches  Reich. 

40* 


628  Die  geographische  Verhreitung  der  Pflanzen  und  Tiere. 

C«  lustrale  Zone« 

a.  Gruppe: 

X.  Australisches  Reich, 

Westaustralische  Provinz! 
XL  Kap-Reich. 

b.  Gruppe: 

XII.  Andines  Reich, 
XIII.  Antarktisches  Reich. 

In  bezug  auf  das  Alter  und  die  Entwicklung  der  Floren  lassen 
sich  unterscheiden: 

1)  Die  alten  Floren: 

a)  die  tropischen  Kontinentalfloren,  die  seit  der  Tertiärzeit 
sich  ungestört  entwickeln  konnten; 

b)  alte  Inselfloren,  zu  denen  wir  die  australische  und  Kap- 
flora zählen. 

2)  Mischfloren  in  Ländern,  deren  Klima  sich  seit  der  Tertär- 
zeit  allmählich  geändert  hat,  wo  aber  die  Entwicklung 
nicht  ganz  unterbrochen  wurde  {Mittelmeergebiet,  Ostasien, 
atlantische  Staaten  von  Nordamerika). 

3)  Junge  Floren  der  Länder,  welche  nach  der  Tertiärzeit 
mit  Eis  oder  Wasser  bedeckt  waren: 

a)  Floren,  welche  ganz  entlehnt  sind  (z.  B.  die   des  nord- 
deutschen Tieflandes); 

b)  Floren   mit   eigentümlicher  Entwicklung  (Steppenfloren^ 

Hochg^ebirg^flora.  Einer  kurzen  Auseinandersetzung  bedürfen 
noch  die  Floren  der  alpinen  Kegion.  Erhebt  sich  ein  Gebirge, 
so  wird  es  zunächst  von  Pflanzen  der  umgebenden  Niederung  l»e- 
siedelt;  es  entstehen,  den  veränderten  klimatischen  Verhältnissen 
entsprechend,  Varietäten,  oder  ältere  Varietäten  finden  im  Gebirgp  . 
besonders  günstige  Existenzbedingungen  und  können  sich,  wie  dip 
ersteren,  im  Laufe  der  Zeit  zu  Arten  befestigen.  Jede  Hochgebirgs- 
flora —  dies  ergiebt  die  theoretische  Betrachtung  —  muß  also  ans 
zahlreichen  endemischen  Elementen  bestehen,  die  aber  mit  der 
Flora  des  benachbarten  Tieflandes  eng  verwandt  sind.  So  verhält 
es  sich  in  der  That  auch  mit  der  Flora  Abessiniens,  des  Kameron- 
gebirges,  des  Kilimandscharo,  und  der  Gebirge  von  Australien,  Tas- 
manien und  Neuseeland. 

Eine  wesentlich  andere  Zusammensetzung  zeigt  die  aus  693 
Species  bestehende  alpine  Flora  unserer  Alpen.  Es  lassen  sich  in 
ihr  folgende  Elemente  unterscheiden:  1)  Pflanzen,  die  aus  den 
niederen  Gebirgsregionen  und  Ebenen  in  die  alpine,  ja  sogar  in  die 


Die  Entwicklungsgeschicbte  der  Florenreiche.  629 

Schneeregion  (2600 — 4200  m  Höhe)  hiDeinreichen;  2)  endemische 
Species,  im  Ganzen  130  oder  19  Prozent;  3)  Pflanzen,  die  erst  in 
den  alpinen  Regionen  anderer  Gebirge  und  im  hohen  Norden  wieder- 
kehren. */j  der  alpinen  Pflanzen  finden  wir  in  den  Karpaten,  über 
die  Hälfte  in  den  Pyrenäen,  ^4  ™  fernen  Altaigebirge,  ^/^  im 
Kaukasus,  einige  sogar  in  Nordamerika.  92  Alpenpflanzen  haben 
in  der  arktischen  Zone  eine  circumpolare  Verbreitung,  138  kommen 
nur  in  einzelnen  arktischen  Gebieten  mit  Einschluß  des  skandina- 
vischen Hochlandes  vor. 

Das  erste  Element  bedarf  keiner  weiteren  Erklärung.   Das  zweite 
muß    als  Überrest   der   alten  Hochgebirgsflora   aus   der  Tertiärzeit 
aufgefaßt  werden,  das  dritte  endlich  deutet  auf  Wanderungen  hin, 
die   zu  einer  Zeit  ausgefllhrt  wurden,   als  die  dazwischenliegenden 
Landstriche   eine   ähnUche   Flora    beherbergten   und   ein   ähnUches 
Klima  besaßen,  wie  jetzt  die  Hochgebirgsregionen.     Wir  begegnen 
also   auch  hier  wieder  den  Spuren  der  Eiszeit     Damals  drang  die 
arktische  Flora  von  Norden,  die  tertiäre  Hochgebirgsflora  der  Alpen 
von  Süden  nach  Mitteleuropa  vor  und  mischten  sich  hier  im  eis- 
freien Gürtel,  ja  konnten  sogar  mitten  im  Eise  auf  Moränen  sich 
ansiedeln,  wie  auch  jetzt  noch  die  Moränen  der  Mt  Elias-Gletscher 
in   Alaska  Sträucher   und   sogar  Bäume   tragen.^      Als   das   Klima 
wieder  wärmer   wurde,   drangen  von  allen  Seiten  andere  Pflanzen- 
elemente in  die  nordeuropäischen  Niederungen  vor,  und  die  Glazial- 
tfora  verschwand  endhch  aus  der  Ebene,  denn  sie  scheut  nichts  so 
sehr,  als  die  Konkurrenz  mit  Bäumen,  gesellig  wachsenden  Sträuchem 
und  rasenbildenden  Gräsern.     Daher  reicht  sie  noch  jetzt  in  Hoch- 
gebirgen an  jenen  Stellen,  wo  ihre  Feinde  nicht  fortkommen,  z.  B. 
in  den  Kiesbetten  der  Flüsse,  in  tiefere  Kegionen  herab;  so  sogar 
in  den  Mooren  und  Heiden   der   deutschen  Ebenen   hinterließ   sie 
noch   einige   Spuren.     Auch   im    deutschen  Mittelgebirge,  im  Jura, 
Schwarzwald   und   in    den  Vogesen,   im  Bayrischen  Wald,   in    den 
Sudeten  und  im  Harz  ist  sie  von  Wald  und  Wiese  noch  nicht  völlig 
verdrängt  worden;    aber  überall,  wo  die  Viehzucht  durch  Düngung 
des  Bodens  den  Graswuchs  befördert,  ist  sie  ebenso  im  Verschwinden 
'begrifi'en,  wie  in  den  Mooren,  wo  künstliche  Entwässerung  den  Boden 
für  neue  Pflanzenansiedelungen  vorbereitet    Nur  im  arktischen  Ge- 
biete einerseits,  in  den  Hochgebirgsregionen  anderseits  hat  sie  auf  dem 
vom  Eise  verlassenen  Boden  günstige  Lebensbedingungen  gefunden; 
aber  es  ist  nun  nicht  mehr  eine  rein  alpine  und  eine  rein  arktische, 
sondern   hüben   wie   drüben  eine  aus  beiden  Elementen  gemischte 
Flora.« 

Glazialpflanzeu,  d.  h.   solche,    deren  Austausch   in    der   Eiszeit 


630  Die  geog^aphlBche  Verbreitang  der  Pflanzen  nnd  Tiere. 


erfolgte,  bewohnen  alle  europäischen  Hochgebirge,  aber  je  weiter  wir 
nach  Süden  fortschreiten,  desto  seltener  werden  sie.  In  Griedien- 
land  ist  die  Hälfte  der  alpinen  Flora  endemisch,  46  Prozent  hat 
es  mit  den  benachbarten  Gebirgen  oder  mit  den  Alpen  gemeinsam, 
und  4  Prozent  sind  glazial.  Im  marokkanischen  Atlas  finden  sich 
nur  noch  sehr  wenige  filr  die  Alpen  und  Pyrenäen  charakteristische 
Pflanzen  und  nur  noch  eine  Glazialpflanze.  Die  Gebirge  des  tro- 
pischen Afrika  haben,  wie  bereits  bemerkt  wurde,  ihre  eigene  Flora. 

Glazialpflanzen  bewohnen  auch  die  zentralasiatischen  Oebirge. 
75  finden  sich  noch  auf  dem  Himalaja^  wovon  45  auch  in  den  sibi- 
rischen Gebirgen  und  im  arktischen  Gebiete,  und  27  auch  in  den 
mittleren  europäischen  Hochgebirgen  Yom  Kaukasus  bis  zu  den 
Pyrenäen  vorkommen.  Es  ist  aber  nicht  in  allen  diesen  Fällen  an- 
zunehmen, daß  das  dazwischen  liegende  Land  (und  dasselbe  gilt  auch 
von  Stideuropa)  mit  einer  arktischen  Flora  bedeckt  war.  Alpine 
Pflanzen  können  einerseits  auch  im  wärmeren  Elima  gedeihen,  wenn 
sie  nur  vor  starker  Konkurrenz  geschützt  sind,  und  anderseits 
konnten  sie  auch  über  nicht  allzu  weite  Zwischenräume  von  Gebirge 
zu  Gebirge  transportiert  werden,  ohne  die  Ebene  zu  berühren.  Da- 
raus erklärt  sich  das  zerstreute  Vorkommen  europäischer  Pflanzen- 
arten und  -Gattungen  auf  den  Höhen  von  Ceylon  und  auf  den  Vul- 
kankegeln von  Java;  und  noch  leichter  konnten  solche  Wanderungen 
auf  dem  fast  ununterbrochenen  meridionalen  Hochgebirgswalle  Ame- 
rikas ausgeführt  werden.  Auf  den  Rocky  Mountains  finden  sick 
Glazialpflanzen  in  größerer  Anzahl  nur  bis  37  ^  N.,  aber  es  kommen 
solche  auch  in  Mexico  vor,  und  auf  den  südamerikanischen  Andes 
gehören  einige  Gewächse  arktisch -alpinen  Gattungen,  wenn  auch 
anderen  Arten  an.  Eine  bemerkenswerte  Ausnahme  machen 
Gentiana  prostrata  an  der  Magellanstraße  und  Trisetum  subspicatuuL 
das  sich  bis  zu  den  arktischen  Inseln  verbreitet  hat  Das  sind  die 
einzigen  Fälle  von  Wanderungen  von  Glazialpflanzen  über  den  Äquator 
hinaus.  Im  östlichen  Nordamerika  sind  sie  nur  bis  zu  den  Weißen 
Bergen  in  New  Hampshire,  also  nur  bis  zum  44.  Parallel  vorgedrungen, 
aber  hier  machen  sie  noch  77  Prozent  der  alpinen  Flora  aus. 

Hoderne  Veränderungen.  Wir  haben  gesehen,  daß  die  gegen- 
wärtige Verteilung  der  Pflanzen  in  deren  Entwicklungsgeschichte 
begründet  ist.  Diese  ist  aber  noch  nicht  abgeschlossen,  und  auch 
die  Verbreitungsgrenzen  der  Arten  verschieben  sich  noch  fortwährend. 
Eine  der  merkwürdigsten  Veränderungen  ist  der  säkulare  Wald- 
wechsel, der  für  viele  Gegenden  Europas  und  Asiens  außer  allem 
Zweifel  gesetzt  ist.  In  Graubünden  dringt  die  Fichte  siegreich  gegen 
die  Lärche  vor,  und  hier,  wie  im  Jura,  ist  sie  auch  mit  Elrfolg  be- 


Die  Entwicklungsgeschichte  der  Florenreiche.  681 

starebt,  der  Buche  den  Platz  streitig  zu  machen.    Man  ist  der  An- 
siclity  daß  die  Buche  früher  in   gleicher  Weise   an   die  Stelle   von 
ICicben,  Föhren  und  Birken  getreten  ist,  denn  diese  Bäume  kommen 
jetzt  nur  mehr  vereinzelt  und  in  verkümmerten  Exemplaren  in  den 
Scliiw'eizer  Gebirgen   vor.     Für   die   dänischen  Inseln  ist  übrigens 
dieser  Vorgang  sichergestellt;  dort,  wo  jetzt  Buchenwälder  sich  aus- 
delinen,  war  der  Boden  einst  mit  Birken  in  Gemeinschaft  mit  Eichen 
und  Kiefern  bestanden.    In  Westpreußen  verdrängt  die  Baefer   die 
Kiche  und  Birke,  im  russischen  und  sibirischen  Nadelholzwalde  er- 
obert  die  Birke   (in  Eußland  im  Vereine   mit   der  Esche)   immer 
größere  Areale.    Die  Ursachen  dieser  Erscheinung  sind  noch  keines- 
^wegs  genügend  aufgeklärt,  doch  ist  jedenfalls  nicht  immer  ein  Klima- 
^wechsel  dabei  im  Spiele.    Manchen  dieser  Vorgänge  kann  man  mit 
Cblbist  als  eine  natürliche  Brachwirtschaffc  bezeichnen,  indem  der 
Boden,  jahrhundertelang  durch  gewisse  Päanzengattungen  ausgesogen, 
diesen  endlich  nicht  mehr  die  nötigen  Existenzmittel  gewähren  kann, 
wohl  aber  anderen  Gewächsen,  die  andere  Ansprüche  an  ihren  Stand- 
ort stellen. 

Die  auffallendsten  Veränderungen,  die  im  Laufe  der  historischen 
Zeit  in  der  Verbreitung  der  Pflanzen  stattgefunden  haben,  sind  aber 
direkt  oder  indirekt  ein  Werk  des  Menschen.  Die  Physiognomie 
alter  Kulturländer,  wie  Chinas,  der  hindustanischen  Ebene  und  des 
Mittelmeergebietes  hat  sich  gründlich  geändert,  aber  kaum  minder 
die  jüngerer  Kulturländer,  wie  des  übrigen  Europas,  Westindiens, 
der  östlichen  Staaten  Nordamerikas  u.  a.,  wo  die  kürzere  Dauer  des 
menschlichen  Einflusses  durch  die  Energie  der  Arbeit  aufgewogen 
wird.  Auch  viele  ozeanische  Inseln,  wie  Madeira,  die  Canaren,  St 
Helena,  die  Comoren,  Maskarenen  u.  a.  haben  seit  ihrer  Koloni- 
sation ein  völlig  neues  Pflanzenkleid  angezogen.  Fast  überall  be- 
gann die  Thätigkeit  des  Kulturmenschen  mit  der  Ausrodung  der 
Wälder,  an  deren  Stelle  aber  nicht  immer  Kulturland,  sondern  nur 
zu  häufig  auch  Einöden  traten.  In  Europa^  ist  nur  der  nord- 
russische Wald  noch  zum  größten  Teil  unberührt.  Im  Gouverne- 
ment Olonez  bedeckt  er  noch  80  und  im  Gouvernement  Wologda 
noch  92  Prozent  der  Gesamtfläche,  und  diese  Verhältniszahlen  dürften 
wahrscheinlich  auch  auf  das  sibirische  Waldgebiet  anwendbar  sein. 


><  Nach  Donheb  (ftir  Griechenland  nach  Chloeos)  beträgt  die  Waldfläche 
in  Prozenten  des  Gesamtareals: 

Großbritannien    3,3 

Belgien  .    .     ll,i 

Schweiz  .    .     19,4 

Schweden  .     29,s 

Dänemark .     .    4,o 

Griechenland  12,5 

Italien     .    .     22,. 

Österreich  .    80,5 

Niederlande    .    5,8 

Prankreich  .     15,8 

Deutschland     25,7 

Norwegen  .     31, i 

Spanien      .     .     9,o 

Rumänien    .     17,o 

Ungarn  .    .     26,t 

Rußland     .    89,9 

632  Die  geographische  Verbreitung  der  Pflanzen  und  Tiere. 


Eine  Vermischung  der  Floren  ist  die  unausbleibliche  Folge 
der  Allgegenwart  des  Menschen.    In  den  Mittelmeerländem  gedeihen 
jetzt   trefflich   die   amerikanischen  Kakteen  und  Agaven,   die  afri- 
kanische Aloe   und   die   australischen   Eukalypten;    namentlich   dit 
letzteren,  die  erst  1854  eingeführt  wurden  und  schon  jetzt  über  die 
meisten  Küstenstriche,   bei   deren  Entsumpfung   sie  ausgezeichnete 
Dienste  leisten,  sich  verbreiten.     Die  Savanen  von  Westindien  sind 
nicht  mehr  im  ursprünglichen  Zustande  erhalten,  seit  das  Guinea- 
und  Paragras  zur  Verbesserung  der  Weide  eingeführt  wurde-     Süd- 
europäische Gewächse  haben  sich  zwischen  die  Gräser  der  Pampas 
eingedrängt,   und   die   Artischokendistel,   deren   Samen    zuerst  \m 
das  Jahr  1769  in  den  Haaren  eines  Esels  aus  Spanien  hierher  ge- 
langte, bildet  bereits  auf  Flächen  von  mehreren  hundert  Quadrat- 
kilometern zusammenhängende,  undurchdringliche  Dickichte  von  mehr 
als  Manneshöhe.     Zahllose  fremde  Unkräuter  sind  mit  den  Eultur- 
gewächsen  nach  Nordamerika,  besonders  in  die  atlantischen  Staaten 
eingewandert:  der  gemeine  Natterkopf  hat  z.  B.  in  manchen  Gegen- 
den  von   Virginien    die    einheimische   Vegetation   völlig   verdrängt. 
Ahnliches  ist  in  Australien  der  Fall,  wo  in  der  Umgebung  von  Sydney 
schon  über  100  europäische  Pflanzenarten,  darunter  viele  schädhehe 
Unkräuter,    sich   ansässig   gemacht   haben.'     Wie  die  Kolonisation, 
haben   auch   die   Büege   stets   zur  Florenvermischung   beigetragen, 
und  der  rasch  pulsierende  Verkehr  der  Jetztzeit  beschleunigt  diesen 
Prozeß  außerordentlicL    Besonders  bemerkenswert  ist  die  Thatsache. 
daß  entlang  den  Eisenbahnlinien   neue  Gewächse  auftauchen,  nnd 
zwar  nicht  bloß  an  den  Ausladestationen,  sondern  merkwürdigerweise 
auch   da,   wo   die  Bahn  Kurven  beschreibt     Welche  Dimensionen 
diese  Pflanzenverschleppung   annimmt,   geht   schon   daraus   hervor, 
daß  auf  der  Strecke  Augsburg-Haspelmoor  gelegentiich  der  Getreide- 
transporte  1868 — 80  44  neue  Phanerogamen  in  die  Flora  eingeführt 
wurden.* 

'  Litteraturnachweise.  ^  Dbudb,  Die  hypothetischen  vegetationsloeeo 
Eiuödeu  im  temperierten  Klima  zur  Eiszeit;  in  Petebmanns  Mitteilungen  1889.— 
*  Peteb,  Ursprung  u.  Geschichte  der  Alpenflora;  in  der  Zeitschrift  d.  Deutdcheu 
und  Österr.  Alpen  Vereines  1885.  —  *  Ausführlich  haben  die  Verftuderangen,  dir 
der  Mensch  in  der  Flora  Chiles  und  Califomiens  bewirkte,  Phiuppi  u.  Semlct 
geschildert  (Prtebmanms  Mitteilungen  1886  u.  1888).  -—  *  Diese  Angaben  ver 
dankt  der  Verfasser  der  gütigen  Mitteilung  des  Hm.  Prof.  A.  Rikchhoff. 

Die  Nutzpflanzen.^ 

Ilngleicli  wichtiger  sind  die  Veränderungen,  die  der  Mensch 
durch  Züchtung  und  Veredlung  von  Pflanzen  bewirkt  hat,  die  ihm 


Die  Nutzpflanzen.  633 


zur  Nahrang  und  Bekleidung,  als  Genuß-  oder  Heilmittel  dienen. 
„Es  ist,"  sagt  ÜNGEB,*  ^eine  auf  keine  Weise  in  Abrede  zu  stellende 
Tliatsache,  daß  fast  keine  einzige  jener  Pflanzen,  deren  Teile  als 
Nahrung  verwendet  werden,  in  ihrem  ursprünglichen  Zustande  an- 
genehm und  wohlschmeckend  war.  Ihr  vielfaltiger  Anbau,  die  Ver- 
breitung auf  Teile  der  Erde,  die  ihrer  Ursprungsstätte  ferne  lagen, 
ihre  sorgsame  Pflege  und  die  der  Natur  abgelauschten  Operationen, 
wodurch  sie  selbst  Veränderungen  in  Größe  und  Beschaffenheit,  in 
Gewebe  und  chemischer  Konstitution  hervorbrachte,  haben  nach  und 
nach  eine  Anzucht  herbeigeführt,  die  von  der  ursprünglichen  Be- 
schaffenheit in  dem  Grade  abweichen  mußte,  als  die  Hand  des 
Menschen  über  sie  wachte.  Dir  danken  wir  es,  daß  das  Getreide, 
die  Knollengewächse  nahrhafter,  die  Gemüsearten  und  das  Obst 
wohlschmeckender  geworden  sind." 

Allerdings  ist  es  zxmächst  Aufgabe  der  Anthropogeographie,  sich 
mit  den  Kulturgewächsen  zu  beschäftigen,  aber  wir  können  uns  nicht 
versagen,  auf  eüiige  wichtige  Punkte  hinzuweisen,  welche  unsere  bis- 
herigen Auseinandersetzungen  ergänzen  sollen.  Zwei  bedeutungsvolle 
Gegensätze  treten  uns  da  vor  Augen:  der  Kontrast  zwischen 
den  Tropen  und  Polarländern,  der  aber  durch  allmähliche  Über- 
gänge ausgeglichen  wird,  und  der  Gegensatz  zwischen  der  alten 
und  neuen  Welt,  den  erst  die  neuzeitliche  Kulturentwicklung  der 
europäischen  Menschheit  verwischt  hat 

Cerealien.  Weitaus  die  wichtigsten  Nahrungspflanzen  sind  die 
Getreidearten,  deren  Anbau  die  Grundlage  jeder  höheren  Gesittung 
ist;  unter  diesen  sind  wieder  der  Reis  und  Mais,  der  Weizen,  der 
Roggen  und  die  Gerste  am  verbreitetsten  und  die  eigentUchen  Er- 
nährer der  ansässigen  Menschheit. 

Der  Reis,  dessen  Heimat  wahrscheinlich  Indien  ist^  der  sich 
aber  schon  im  hohen  Altertum  über  die  Kulturländer  Süd-  und  Ost- 
asiens verbreitet  hat,  ist  nach  Rein  für  wenigstens  ein  Drittel  des 
Menschengeschlechtes  die  vorwiegende  täghche  Speise.  Die  Araber 
brachten  ihn  nach  Vorderasien,  Europa  und  Afrika,  und  die  Eng- 
länder und  Portugiesen  nach  Anierika,  wo  er  namentlich  in  Süd- 
carolina imd  in  Brasilien  große  Bedeutung  erlangte.  Sein  großes 
Wärmebedürfois  beschränkt  ihn  auf  jene  Gegenden,  die  ihm  während 
seiner  halbjährigen  Entwicklungszeit  eine  Mitteltemperatur  von  wenig- 
stens 20®  C.  gewähren  können.  In  der  alten  Welt  erreicht  er  daher 
nur  stellenweise  den  45.  Nordparallel,  in  Amerika  aber  nur  den  38., 
und  auf  der  südlichen  Hemisphäre  übersclireitet  er  nur  selten  den 
Wendekreis.  Sein  außerordentliches  Feuchtigkeitsbedürfnis,  das  nur 
eine    schlechtere   Abart,   der   Bergreis,   nicht   teilt,   macht  überdies 


634  Die  geographische  Verbreitung  der  Pflanzen  und  Tiere. 

seine  Eultnr  nur  in  den  Niederungen  möglich^  wo  die  Felder  leicht 
bewässert  werden  •  können.  Weniger  empfindlich  ist  sein  ameri- 
kanischer Vertreter,  der  Mais,  die  einzige  Getreideart  der  neuen 
Welt,  die  sich  in  bezug  auf  Verbreitung  mit  den  Cerealien  der  Ost- 
feste messen  kann.  Bald  nach  der  Entdeckung  Amerikas  gelangte 
er  in  die  Mittelmeerländer,  nach  Ostasien  und  nach  Afirika,  wo  er 
das  einheimische  Sorghum  (Durrha  oder  Mohrenhirse)  fast  zu 
verdrängen  droht.  In  Europa  gedeiht  er  nur  südlich  von  50  •  B. 
und  nur  am  Ehein  noch  unter  dem  52.  Parallel,  während  er 
in  seiner  Heimat  sogar  noch  am  Red  River,  also  unter  55**  B. 
trotz  des  rauheren  Klimas  mit  bestem  Erfolge  angebaut  wird.  Dieser 
Vorzug  kann  Amerika  auch  nicht  durch  die  Kultur  geraubt  werden« 
denn  jener  nordische  Mais  besteht  aus  Abarten  mit  kürzerer  Vege- 
tationsdauer, die  eine  Verpflanzung  in  fremde  Erdteile  nicht  dulden. 
Neben  Reis  und  Mais  ist  noch  der  Weizen,  die  edelste  aller  Cere- 
alien, auf  die  wärmeren  Gegenden  beschränkt,  flieht  aber  anderseits 
auch  große  Hitze,  daher  er  in  den  Tropen  nur  im  Bereiche  des  See- 
klimas oder  in  größerer  Höhe  angebaut  wird.  Aus  Vorderasien 
stammend,  hat  er  sich  schon  in  vorgeschichtlicher  Zeit  über  die 
benachbarten  Länder  verbreitet,  und  in  der  Neuzeit  seinen  sieg- 
reichen Einzug  in  Amerika  gehalten,  wo  er  in  den  Vereinigten 
Staaten  von  1849 — 80  um  mehr  als  9  Längengrade  nach  Westen 
vorgerückt  ist  Im  Mackenziegebiete  reicht  sein  Anbau  bis  62  ®  B. 
(Fort  Simpson),  aber  im  Westen  nur  bis  50®  B.;  in  der  alten  Welt 
betritt  die  Polargrenze  des  Winterweizens  die  norwegische  West- 
küste unter  65®  B.  und  sinkt  in  Schweden  und  im  westlichen  Ruß- 
land auf  60,  und  am  Ural  auf  58  ®  B.  herab.  Auch  in  den  mittleren 
Breiten  der  Südhemisphäre  begegnen  wir  seiner  Kultur  überall,  in 
Victoria  und  Südaustralien,  im  Kaplande,  bei  Buenos  Aires,  besonders 
aber  in  Chile.  Weniger  Wärme  als  der  Weizen  beansprucht  der 
Roggen,  der  flir  das  nördliche  Europa  und  Asien  der  wichtigste 
Brotlieferant  ist;  und  am  weitesten  gegen  die  Pole  dringt  die  Gerste 
vor.  Nur  an  der  skandinavischen  Westküste  fällt  unter  dem  Ein- 
flüsse des  Golfstromes  die  Getreidegrenze  mit  der  Baumgrenze 
(70^  B,)^  zusammen,  dann  aber  entfernen  sich  beide  Linien  betracht- 
lich von  einander,  indem  die  erstere  am  bottnischen  Meerbusen  auf 
65®  sinkt,  von  da  bis  zum  Ural  zwischen  65  und  66^,  und  in  Sibi- 
rien zwischen  61  und  62®  liegt,  dann  entlang  dem  pazifischen  Grenz- 


te Neuere  Anbauversuche  von  Gerste  und  Roggen  am  lapplftndisclien 
Enare8ce  unter  69^  B.  haben  gute  Resultate  erzielt  (Petermanus  Mitteilungen 
1S88,  S.  188),  man  muß  aber  doch  noch  weitere  £r£EÜirangen  abwarten. 


Die  Nntzpflanzen. 


685 


gebirge  nach  Süden  zieht,  um  die  östliche  Küste^  deren  Sommer- 
temperatnr  durch  das  Auftauen  des  ochotskischen  Meereises  stark 
erniedrigt  wird,  erst  unter  50®  B.  zu  berühren  und  in  Kamtschatka 
wieder  bis  57®  anzusteigen.  Im  Gebiete  des  nordamerikanischen 
Kontinentalklimas  reicht  die  G^treidegrenze  bis  65®  B.^  denn  bei 
Fort  Norman  am  Mackenzie  gedeiht  die  Gerste  noch  iu  guten  Jahren. 
Der  Sommer  ist  hier  kühler  als  an  der  sibirischen  Getreidegrenze, 
aber  der  Boden,  dessen  felsige  Unterlage  bald  erreicht  wird,  taut 
bis  zu  größeren  Tiefen  auf  und  ist  daher  wärmer.     Von  Labrador 

Höhengrenze  des  Getreidebaues. 


Europa; 

Norwegen  .  .  . 
Schottland  .  .  . 
Sudeten  .... 
Vogesen  .... 
Schwarzwald  .    . 

Jura 

Westalpen  .  .  . 
Ostalpen  .  .  . 
Pyrenäen  .  .  . 
Apennin      .    .    . 

Ätna 

Sierra  Nevada 


ZentralMlen: 

Ostliches  Sigangebirge 

Altai 

Knenlnn 

Karakoroin      .    .    .    . 
Himaliga 


Amerikanlsehes  Hoehgebirsre: 

Felsengebirge       

Mexico 

Costa  Rica 

Columbia 

Quito 

Bolivia 

Peru 

Nardliches  ChUe      .... 
Mittleres  ChUe 


W.  840,  0.  540  m 

870 

950-1270 

910 
1140 
1200 
1100—2050 

950—1880 

N.  1625,  S.  1690 
1580 

N. 1170,  S.  1790 

N.  1880,  S.  2470 

1520—1620  m 

1040 

2960 

4100 

8600 


1520  m 

3050 

2600 

3000 

3480  (östliche  Kette) 

3900 

4270 

W.  3480,  0.  2600 

1700 


schließt  dieselbe  Ursache,  welche  die  Baumgrenze  so  weit  herab- 
drückty  auch  den  Getreidebau  südlich  yon  51  ^  B.  aus.  Aber  während 
sonst  überall  die  Kartoffel  sich  nicht  mehr  dem  Pole  nähert,  als  die 


636  Die  geographische  Verbreitang  der  Pflanzen  und  Tiere. 

Gerste^  kommt  sie  nach  Missionsberichten  noch  in  Hebron  an  der 
Ostküste  von  Labrador  (58®  B.)  vor.  Grönland  Kegt  jenseits  der 
Getreidegrenze,  die  Färöer  aber  noch  innerhalb  derselben,  nnd  wahr- 
scheinlich auch  Island,  wo  Gerste  im  ganzen  Mittelalter  gebaut 
wurde  und  auch  neue  Versuche  wieder  geglückt  sind. '  In  Südamerika 
werden  noch  bei  Punta  Arenas  Roggen  und  Gerste  gebaut;  and  doch 
ist  hier  der  Sommer  beständig  trüb  und  der  wärmste  Monat  hat 
nur  eine  Durchschnittstemperatur  von  10,7®.  Die  MagellanstraBe 
gleicht  hierin  den  Färöer,  steht  aber  weit  hinter  dem  getreideloses 
Nordsibirien  ^  zurück.  Aber  hier  ist  der  Boden  nur  oberflächlich 
aufgetaut  und  die  frühzeitig  eintretenden  Nachtfröste  gefährden  die 
Existenz  der  Cerealien. 

Daß  aber  unter  sonst  gleichen  Verhältnissen  doch  die  Sommer- 
wärme für  den  Getreidebau  entscheidend  ist,  beweisen  dessen  Höhen- 
grenzen, über  die  uns  vorstehender  Auszug  aus  der  Tabelle  von 
Bebghaüs*  Aufschluß  giebt  (S.  635). 

Norwegen  und  Schottland  zeigen  uns,  wie  das  trübe  Seeklima 
die  Getreidegrenze  in  derselben  Weise,  wie  die  Baum-  und  Schnee- 
grenze, herabdrückt.  Daher  steigt  auch  der  Cerealienbau  nirgends 
soweit  im  Gebirge  hinan,  als  im  kontinentalen  Klima  von  Asien 
und  in  der  regenlosen  Zone  der  Andes,  wo  er  4000  m  über- 
schreitet. Aus  demselben  Grunde  liegt  seine  Grenze  in  Armenien 
am  Wansee  und  Bingöl-Dagh  in  2100  m,  im  umwölkten  Kessel  des 
Goktscha  aber  nur  in  1800  m  Höhe.  In  den  Alpen  senkt  sich  die 
Grenzlinie  im  allgemeinen  in  östlicher  Richtung,  weil  die  von  Nacht- 
frösten freie  Zeit  im  Osten  kürzer  ist,,  als  im  Westen.  Auch  die 
Bauart  des  Gebirges  ist  von  einschneidendem  Einflüsse,  denn  davon 
hängt  unter  sonst  gleichen  Verhältnissen  die  Erwärmung  des  Bodens 
ab.  Die  klimatische  Begünstigung  der  rhätischen  Massenerhebung 
drückt  sich  deutlich  in  der  abnormen  Höhenlage  der  Getreidegrenze 
aus,  die  im  Oberengadin  290,  im  Oberhalbsteiner  Thale  200,  im 
Eheinwalder  180  und  im  Davoser  110  m  über  die  Getreidegrenze 
im  unteren  Rheinthale  ansteigt 

Andere  Kulturpflanzen.  Außer  den  Körnerfrüchten  geben  auch 
einige  Knollengewächse  Mehl,  aber  ihre  kulturgeschichtliche 
Bedeutung  ist  viel  geringer,  weil  sie  weniger  Pflege  bedürfen 
und  daher  nicht  im  gleichen  Maße,  wie  das  Getreide,  erziehend 
auf  den  Menschen  einwirken.    Nur  die  Kartoffel,  neben  dem  Mais 


y^  Temperatur  des  wärmsten  Monats  in  Beresow  (Westsibirien  64^  B.)  16,:* 
in  Turuchansk  (Mittelsibirien  66**  B.),  wo  die  Gerste  nicht  mehr  reift,  15,»*,  uud 
in  Werchojausk  (Ostsibirien  67V4*  B.)  14,4«. 


Die  Nutzpflanzen.  637 


das  vdchtigate  Geschenk  Amerikas,  hat  eine  Weltverbreitnng,  wenn 
sie  auch  nur  in  den  gemäßigten  und  kälteren  Zonen  als  das  ,,Brot 
der   Armen"    eine    große  Bedeutung    erlangt  hat     Wichtiger   sind 
noch    die   amerikanische  Maniokpflanze   und  Batate  und  die  in 
der  alten  Welt  heimischen  Arons-   und  Yamswurzeln,   die   sich 
z^war  über  beide  Hemisphären  verbreitet  haben,  aber  im  allgemeinen 
doch  nur  auf  die  Tropenzone  beschränkt  bleiben.    Ziemlich  mühelos 
ernähren  sie  hier  eine  träge  Bevölkerung,   der  die  Natur  überdies 
noch  eine  Menge  der  köstlichsten  Baumfrüchte  bietet    Schon  auf 
S.  597  f.  wurden  die  allerwichtigsten  genannt,  und  ein  längeres  Ver- 
zeichnis würde  den  Leser  njir  ermüden.    An  die  Zone  der  tropischen 
Xulturbäume  schließt  sich  jene  der  sogenannten  Südfrüchte  an  (im 
allgemeinen  zwischen  34  und  44^  Br.).    Etwas  weiter  polwärts  rückt 
der  W^eingürtel,   dessen  äußerste  Grenzen  im  nördlichen  Teile  der 
alten  Welt  in  53  und  28®  B.  liegen,   denn  zwischen  den  Wende- 
kreisen gedeiht  die  Rebe  nur  in  größeren  Höhen.    Noch  weiter  gegen 
Norden   gehen  die  Obstsorten  der  gemäßigten  Zone;   nach  Jessen 
reichen  Kirschen  und  Äpfel  in  Westeuropa  bis  65  ®,  in  Rußland  und 
Sibirien  aber  nur  bis  45®  und  im  nordwestlichen  Amerika  nur  bis 
50®  B.     Dann  folgt  der  Gürtel  der  Beerensträucher. 

Die  meisten  der  weit  verbreiteten  Fruchtbäume  sind  asiatischen 
Ursprungs.  Aber  auch  Amerika  besitzt  deren  eine  große  Zahl,  wie 
es  auch  seine  eigene  wilde  Rebe  hat;  einige  tropische  Gewächse, 
wie  die  Guayava  und  der  Zuckerapfel,  haben  sich  rasch  in  Asien 
heimisch  gemacht.  Doch  gab  auch  in  dieser  Beziehung  die  alte 
Welt  weit  mehr,  als  sie  empfing. 

Von  den  wichtigsten  Genußmitteln  lieferte  Afrika  den  Kaffee, 
Ostasien  den  Thee,  Amerika  den  Cacao  und  Tabak,  Kaffee  und 
Cacao  sind  auf  die  warme  Zone  beschränkt;  der  immergrüne  Thee- 
strauch  ist  zwar  keine  tropische  Pflanze,  überschreitet  aber  den 
40.  Parallel  nicht,  und  nur  der  Tabak  ist  größerer  Verbreitung  fähig. 
Das  Zuckerrohr,  dessen  drei  Arten  aus  dem  tropischen  Asien  stammen, 
gedeiht  in  Südeuropa  zwar  bis  zum  38.^  B.,  ist  aber  doch  als  ein 
echtes  Kind  der  warmen  Zone  zu  betrachten,  wofür  der  gemäßigte 
Erdgürtel  allerdings  einen,  aber  nicht  ebenbürtigen  Ersatz  in  der 
Runkelrübe  besitzt.  Fügen  wir  noch  hinzu,  daß  die  Gewürze,  die 
einst  die  Menschheit  zu  ebenso  kühnen  Unternehmungen  an- 
spornten, wie  Gold  und  Silber  oder  die  Pelztiere  des  Nordens,  nur 
den  Tropen  angehören;  daß  die  Baumwolle,  der  wichtigste  aller 
Pflanzenfaserstoffe,  ursprünglich  auch  tropisch  ist,  wenn  ihre  Kultur 
auch  nach  amtlichen  Erhebungen  in  den  Vereinigten  Staaten  bis 
zum    43.  Parallel    mit  Erfolg    ausgedehnt    werden   könnte;   —   so 


638 


Die  geographische  Verbreitang  der  Pflanzen  und  Tiere. 


wird  unsere  Vorstellung  von  der  überquellenden  Prodoktionskrafl 
der  Tropenwelt  einigermaßen  ergänzt  Allerdings  giebt  es  auch  hier 
traurige  Einöden^  aber  mitten  in  den  Sand-  und  Steinwüsten  der 
Sahara  liegen  inselgleich  die  Oasen,  wo  das  Wasser  in  großen,  der 
Verdunstung  entzogenen  Vorräten  sich  sammelt,  und  im  Schatten 
der  Dattelwälder  dichtgedrängt  tropische  und  subtropische  Kultur- 
gewächse  gedeihen.  Diese  ^  durch  Trockenheit  erzeugten  Einöden 
sind  von  ganz  anderer  Art,  als  jene  der  Polarzone,  wo  nur  Treib- 
holz einen  unzuverlässigen  Ersatz  für  den  Baumwuchs  gewährt,  wo 
einige  Beeren,  Flechten,  Algen  und  Pilze  die  einzigen  Nahrungs- 
mittel sind,  die  das  Pflanzenreich  bietet,  und  der  streifende  Mensch 
nur  auf  die  Tierwelt  angewiesen  ist,  die  ihm  Kleidung,  Nahrunii 
und  Thran  für  seine  Lampe  liefert,  welche  die  lange  Wintemacht 
kümmerlich  erhellt 

Die  ursprüngliche  Armut  der  neuen  Welt  an  Nutzpflanzen,  die 
um  so  mehr  auffallt,  als  Amerika  in  Bezug  auf  die  Gresamtzahl 
seiner  Pflanzen  im  Verhältnisse  zu  seiner  Größe  die  alte  Welt  viel- 
leicht übertrifit,  ist  in  unserer  Darstellung  schon  zur  Grenüge  hervor- 
getreten, trotzdem  daß  diese  nur  auf  das  allerwichtigste  Eücksicht 
nahm.  Noch  prägnanter  kommt  sie  in  folgender,  von  Höck^  zu- 
sammengestellten Tabelle  zum  Ausdrucke: 


Obstarten 

Getreidearten 

Knollen-  u.  Wurzelgewächse 

Hülsenfrüchte 

Gemüse 

Pflanzen,  die  erregende  Ge- 
tränke od. Narcotica  liefern 

Gewürzpflanzen    .... 

Arzneipflanzen      .... 

Technisch    verwertbare 
Pflanzen 

Öle  und  Fette  liefernde 

Pflanzen 

• 

Summe 


Davon  heimisch 
in  der 

Neuen 

Welt 


;     Mit  Berück- 
I  sichtigung  des 
;  Areals )(  verhält 

sich  die  neue 
Welt  zur  alten  = 

1 : 1,11 

5,Tt 
1,IT 

8,- 


0,74 
3,S9 
1,M 

5,1t 
l,»e 


2,- 


5<  Da  die  alte  Welt  der  Fläche  njich  sich  zur  neuen  Welt  wie  9 : 4  verhält, 
so  muß  man,  um  ganz  gerecht  zu  sein,  die  Beiträge  beider  Welten  auf  das  Reiche 


Die  Lebensbedingangen  der  Tierwelt  .  639 

Auf  der  östlichen  Halbkugel  ist  der  australische  Kontinent  sehr 
SLvm  an  einheimischen  Nutzpflanzen,  und  auch  Afrika  kann  den  Ver- 
gcleich  mit  Asien  nicht  aushalten.  Zieht  man  auf  einer  Karte  in 
Mlercators  Projektion  eine  gerade  Linie  von  Irland  bis  zu  den  Mo- 
luJkken^  so  häufen  sich  um  dieselbe^  wie  Ungeb  gezeigt  hat,  die 
meisten  und  wichtigsten  Nahrungspflanzen  an:  die  des  malaischen 
A^rchipels,  von  Vorder-  und  Hinterindien,  von  Persien  und  Armenien, 
des  Kaukasusgebietes  und  der  Krim,  von  Griechenland,  Italien  und 
^Mitteleuropa.  Eine  ebensolche,  nach  Nordwesten  gerichtete  bro- 
matorische^  Linie  wies  Ungeb  auch  in  Amerika  nach.  Um 
sie  gruppieren  sich  Brasilien,  Guayana,  Peru,  Ecuador,  Columbia, 
Zentralamerika,  Mexico  und  Westindien;  und  nur  die  atlantischen 
Vereinsstaaten,  die  ebenfalls  ein  ursprüngliches  Zentrum  von  Nahrungs- 
gewächsen sind,  liegen  abseits  von  jener  Linie. 

Litteratnrnachweise.  ^  Candolle,  Der  Ursprung  der  Kulturpflanzen. 
Leipzig  1884.  —  *  ühoer,  Botanische  Streifisüge  auf  dem  Gebiete  der  Kultur- 
geschichte; in  d.  Sitzungsberichten  d.  Wiener  Akademie  d.  Wissenschaften, 
Math.-naturwiss.  Klasse  1857.  Bd.  XXIII.  —  »  Vgl.  Nature  1885,  Bd.  XXXII. 
S.  116.  —  ^  Bbbghaus,  Höhentafel  von  100  bekannteren  Gebirgen,  in  Bebms 
Greographischem  Jahrbuch,  Bd.  I.  1866.  —  ^  Hock,  Die  nutzbaren  Pflanzen  und 
Tiere  Amerikas  und  der  alten  Welt,  Ijeipzig  1884. 

Die  Lebensbedingungen  der  Tierwelt 

Ebenso  intim,  wie  die  Beziehungen  des  Menschen  zur  Pflanzen- 
welt, ist  sein  Verhältnis  zu  den  Tieren,  von  denen  er  sich  einige 
zu  Hausgenossen  erzogen  hat,  während  er  andere  der  Nahrung  oder 
des  Pelzes  oder  einer  anderen  Beute  wegen  verfolgt  oder  als  gefähr- 
liche Feinde  bekämpft  Im  übrigen  erregt  aber  die  Faima  in 
geringerem  Grade,  als  die  Flora,  das  Interesse  des  Geographen,  denn 
selten  tritt  sie  im  Landschaftsbilde  bedeutungsvoll  hervor,  und  sie 
drängt  sich  nicht  unmittelbar,  wie  die  Vegetationsformen,  dem  Auge 
des  Beobachters  auf,  sondern  will  erst  gesucht  werden.  Dagegen  ist 
ein  anderes  Moment,  auf  das  wir  bei  unseren  Betrachtungen  über  den 
Ursprung  der  Inseln  schon  wiederholt  aufmerksam  gemacht  haben,  von 
hervorragender  geographischer  Wichtigkeit  Die  Veränderungen  der 
Erdoberfläche  spiegeln  sich  in  der  Verbreitxmg  einiger  Tierklassen, 


Areal  reduzieren.    Hock  thut  dies  in  der  Weise,  daß  er  die  altweltlichen  Arten 
mit  4,  die  neuweltlichen  mit  9  multipliziert.     Dann  findet  man  z.  B.,  dafi  die 
alte  Welt  zwar  absolut  mehr  Pflanzen,  die  erregende  Getränke  liefern,  erzeugte, 
als  Amerika,  relativ  aber  weniger  (6  x  9 :  10  x  4  »  1 : 0,7i). 
><  ßgiifia  =  Nahrung,  oqos  =  Grenze. 


640  Die  geographische  Verbreitung  der  Pflanzen  und  Tiere. 

vor  allem  der  Landsäuger,  getreuer  wieder,  als  in  der  Verteilung 
der  Pflanzen,  denen  sogar  die  meisten  flugfähigen  Tiere  in  Bezug 
auf  die  Verbreitungsmittel  nachstehen.  Es  wird  die  Au%abe  des 
nächsten  Abschnittes  sein^  auf  diesen  Punkt  näher  einzugehen,  wäh- 
rend wir  uns  in  diesem  nur  auf  eine  kurze  Besprechung  jener  geo- 
graphischen Momente  einlassen  wollen,  die  das  Tierleben  bedingen. 
Es  sind  dies  Tor  allem  die  Nahrung  und  die  Wärme. 

Beziehungen  zwischen  der  Tier-  und  Pflanzenwelt  Im  Gegen- 
satze zu  den  Pflanzen  sind  die  Tiere  hauptsächlich  auf  organische 
Nahrung  angewiesen  und  daher  durch  die  Pflanzenwelt  bedingt^  ent- 
weder direkt,  wie  die  Pflanzenfresser,  oder  indirekt,  wie  die  Fleisch- 
fresser. Es  gilt  dies  ebensowohl  für  die  Landtiere,  wie  für  die  Tiere 
der  hohen  See,  denn  auch  die  Oberfläche  des  Meeres  entbehrt  nicht 
des  Pflanzenlebens,  wenn  sich  dieses  auch  nur  auf  die  niedrigsten 
Formen,  auf  mikroskopische  Algen  beschränkt  Wenn  sich  in  den 
polaren  Breiten  die  Sonne  senkt,  so  tauchen  unzählige  Diatomeen- 
schwärme  an  der  Oberfläche  des  Meeres  auf,  das  sie  in  einen  dicken 
Schleim,  das  „Schwarzwasser"  der  Nordpolfahrer,  verwandela 
Ihnen  folgen,  wie  Th.  Fuchs  ^  gezeigt  hat,  die  Ruderschnecken  und 
kleine  Krebse,  diesen  wieder  zahlreiche  Fische,  und  diesen  endUcb 
die  Räuber  der  hohen  See,  die  Delphine  und  Walfische.  In  wärmeren 
Meeren  kommen  Diatomeen  hauptsächlich  nur  in  der  Nähe  von  Fluß- 
mündungen vor,  meist  werden  sie  aber  durch  Fadenalgen  und 
Schwingfäden  ersetzt,  die  im  Indischen  Ozean  in  so  großen  Mengen 
auftreten,  daß  das  Wasser  stellenweise  einen  sumpfigen  Geruch  annimmt 
Ja  manche  dieser  Algen  scheinen  sogar  des  Lichtes  entbehren  zu 
können,  denn  die  Plankton-Expedition  i.  J.  1889  fischte  solche  noch 
in  Tiefen  von  1000—2000  m  auf.» 

Es  ist  auch  klar,  daß  zwischen  den  Pflanzen  einerseits  und  den 
monophagen  Tieren  andererseits  ein  bestimmtes  Zahlenverhältnis  be- 
stehen muß,  denn  die  Nahrung  wird  nicht  völlig  in  Fleisch  ver- 
wandelt, sondern  zum  Teil  unverdaut  ausgeschieden,  zum  Teil  zur 
Erzeugung  von  tierischer  Wärme,  sowie  zur  Ausübung  der  tierischen 
Funktionen  verbraucht.  „Nehmen  wir  einmal  —  sagt  Sempeb'  — 
ganz  willkürlich  an,  es  sei  das  Verhältnis  zwischen  der  vom  Boden 
erzeugten  Pflanzenmenge  und  der  durch  Umsetzung  dieser  ermög- 
lichten Masse  von  Pflanzenfressern  wie  10: 1,  so  würden  in  dem  Tor- 
hin  angenommenen  Areal  von  1000  Einheiten  Pflanzen  nur  100  Ein- 
heiten (Individuen)  pflanzenfressender  Tiere  leben  können.  Das 
Maximum  von  Nahrung,  welche  damit  den  monophagen  Fleischfressern 
geboten  wäre,  würde  nur  noch  100  Einheiten  betragen.  Aber  bei 
der  Umsetzung  dieser  100  Einheiten  tierischer  Nahrung  in  die  Organe 


Die  Lebensbedingungen  der  Tierwelt  641 


der  Fleischfresser  würde  abermals  ein  sehr  bedeutender  Verlust  ent- 
stehen; organische  Substanz  würde  verbrannt,  das  Unverdauliche 
(Haare,  Hufe,  Homer)  würde  ausgestoßen  werden;  und  wenn  das 
Verhältnis  wieder  so  wäre,  daß  10  Einheiten  tierischer  Nahrung 
HUT  eine  Einheit  tierischen  Körpers  bilden  könnten,  so  würden  von 
dem  Maximum  von  Nahrung,  wie  es  durch  Pflanzenfresser  darge- 
boten wäre,  höchstens  10  Fleischfresser  wirklich  existieren  können." 
In  dem  angenommenen  Falle  ist  also  das  Verhältnis  der  Pflanzen 
zix  den  Pflanzen-  und  Fleischfressern  gleich  1000:100:10.  Da- 
mit stimmt  die  Thatsache  überein,  daß  unter  den  Wirbeltieren 
nur  die  Pflanzenfresser  in  großen  Herden  leben,  während  die  Kaub- 
tiere  seltener  sind  und  sich  meist  in  kleine  Familien  absondern. 
£2s  hängt  femer  damit  zusammen^  daß  die  Zahl  der  Pflanzenfresser 
mit  der  Üppigkeit  der  Vegetation  gegen  den  Äquator  zunimmt^  wenn 
auch  die  Entwicklung  der  tropischen  Fauna  mit  der  der  Pflanzen- 
welt nicht  gleichen  Schritt  hielt 

Es  leuchtet  auch  ein,  daß  streng  monophage  Tiere  von  ihrer 
Vmgebung  abhängiger,  als  die  Vielfresser,  sind  und  daher  auch  eine 
beschränktere  Verbreitungsfähigkeit  besitzen.  Einschneidende  Ver- 
änderungen in  der  Pflanzenwelt,  wie  solche  sich  in  der  geschichtliehen 
Zeit  auf  ozeanischen  Inseln  (s.  S.  573)  und  in  Kulturländern  voll- 
zogen, haben  stets  auch  faunistische  Änderungen  im  Gefolge,  wobei 
freilich  nicht  immer  der  Wechsel  der  Nahrung  das  entscheidende 
Moment  ist.  Denn  abgesehen  davon  sind  auch  die  Lebensgewohnheiten 
vieler  Tiere  an  bestimmte  Vegetationsformationen  gebunden.  Die 
Affen,  viele  Fledermäuse,  die  Hirsche,  die  Eichhörnchen,  die  meisten 
Raubvögel,  alle  Klettervögel,  die  meisten  Tauben  und  Hühner  u.  s.  w. 
leben  z.  B.  nur  im  Walde;  und  die  Vierfüßer  unter  denselben  können 
weite  baumlose  Landstriche  nicht  überschreiten.  Daß  das  russische 
Eichhörnchen  in  der  Krim  fehlt,  hat  daher  v.  Baeb  mit  Recht  als 
einen  Beweis  für  das  hohe  Alter  der  südrussischen  Steppen  ange- 
sehen. Für  andere  Tiere,  wie  für  das  Zebra,  das  Kamel,  die 
Giraff'e,  viele  Antilopenarten  u.  s.  w.  bilden  dagegen  die  W^älder  feste 
Schranken,  während  wieder  andere  Tiere  —  es  sei  hier  z.  B.  an 
den  Wolf  erinnert  —  den  Wald  ebenso,  wie  die  Steppe  durch- 
streifen. 

Färbung.  Noch  eine  andere  Beziehung  besteht  zwischen  vielen 
Tieren  und  ihrem  Wohnort  Es  gereicht  den  Tieren  zum  Schutz, 
wenn  sie  sich  durch  die  Färbung  möglichst  wenig  von  ihrer  Um- 
gebung abheben,  denn  dadurch  können  sie  sich  am  sichersten  der 
Aufmerksamkeit  ihrer  Feinde  entziehen.  Die  Tierfarbe  der  Polar- 
gegenden ist  daher  weiß,  die  der  Wüsten  isabellgelb,  die  der  Steppen 

SCPAK,  Physische  Erdkunde.    2.  Aufl.  41 


642  Die  geographische  Verbreitung  der  Pflanzen  und  Tiere. 

dunkelgelb;  auf  Felsen  lebende  Tiere  sind  grau  gefärbt;  in  gleicher 
Weise  sind  die  grünen  Vögel  und  Insekten  der  Tropenwälder  tz— 
schützt.  Selbst  die  gewaltigen  Raubtiere,  die  außer  dem  MenNi  h-u 
keinen  Gegner  zu  fürchten  haben,  tragen  die  Farbe  ihres  Wohnort»  -. 
denn  diese  macht  es  ihnen  möglich,  sich  unerkannt  dem  arglo-.  i. 
Opfer  zu  nahen.  Der  Löwe,  der  König  der  Steppe,  ist  gelb,  nvji 
der  Tiger  zeigt  sogar  die  Rohrstängel  der  Bambusdickichte  in 
den  schwarzen  Streifen  seines  Felles.  Diese  Erscheinungen  hat  ii.:.:. 
unter  dem  Namen  der  Anpassung  an  den  Wohnort  zusamii:^::- 
gefaßt 

Die   Schutz  färben  sind  also  geographisch  bedingt.      Das  i:± 
aber   nicht   von    den    anderen   Farben   der  Tiere.     Die    auffallen« l-- 
Menge   schön    gefilrbter  Tiere   in    den  Tropen,   besonders    aus  ihr; 
Klassen  der  Vögel  und  Insekten,  verleitete  zwar  ältere  Forscher  /.i 
der  Ansicht,  daß  die  Farbe  hauptsächlich  vom  Licht  abhänge,  al  • : 
die  DARWiNsche  Theorie  hat  auch  in  diesem  Punkte,  wie  in  so  viebii 
anderen,  zu  richtigeren  Anschauungen  geführt    Besonders  Wallac  i  ' 
machte  auf  eine  Reihe  von  Thatsachen  aufmerksam,  die  sich  mit  d  r 
älteren  Erklärung  nicht  vereinbaren  lassen,  und  seine  Autorität  wi/ti 
duröh    zwölfjährige  Beobachtungen   in    den  Äquatorialgegenden   l^»- 
stützt.     Er   giebt    zu,    daß    die    heiße   Zone   an  prächtig  gefarbt-u 
Tieren  absolut  reicher  ist  als  die  gemäßigte,  ob  aber  auch  reluti\. 
wagt  er  nicht  zu   entscheiden.     Denn  neben  jenen,   die  dem  Nonl- 
länder  am  meisten  auffallen,  giebt  es  dort  nicht  minder  zalilrei«:.» 
einfarbige    und    mattgefärbte  Tiere;    manche  Vögel,    wie    z.   B.   «li^ 
Drosseln,    die  Zaunkönige    oder  die  Falken,   erscheinen  unter  ihn 
senkrechten   Strahlen    der   Tropensonne    nicht    in    einem    bunten^L 
Kleide ,     als    in    unseren    Gegenden ;     ja    die    arktischen     Eiit^r. 
und    Taucher   sind    schöner   geschmückt,    als   ihre   tropischen  Vtr- 
wandten.     Zu  den  prächtigsten  Tieren  gehören  unstreitig  die  Goli- 
und  Silberftisanen,  obwohl  ihre  Heimat  außerhalb  der  Wendekrti^«-. 
im  nördlichen  China  und  in  der  Mongolei  liegt.     Anderseits  find»-! 
sich    dort,    wo    das    Licht    am    intensivsten   wirkt,    in    der   Saham, 
eine  Fauna  mit  der  einfachen  Farbe  des  Wüstensandes,  und  die  bun- 
testen Tiere  leben  im  Halbdunkel  des  tropischen  Ur^^aldes.     Damit 
entfällt    aber   auch   jeder   Zusammenhang   zwischen   physikaliscb^-Ji 
Verhältnissen  und  jenen  Farben,  die  Wallace  als  Trutzfarben,  gf- 
schlechtliche  und  tyi)ische  Farben  bezeichnet;  ihre  Erklärung  gehön 
ausschließlich  in  den  Kreis  der  zoologischen  Aufgaben. 

Abhängigkeit  der  Tiere  von  der  Temperatur.  Die  Abhängig'- 
keit  des  Tierlebens  von  der  Wärme  zeigt  sich  wie  bei  den  Pflanzen, 
in  einer  allmähhchen  Abnalime  gegen  die  Pole.    Die  untensteheoilf 


Die  Lebensbedingungen  der  Tierwelt  643 

Tabelle,^  die  sich  auf  die  Kataloge  von  Wallace  stützt,  giebt  uns 
von  dem  faunistisclien  Gegensatze  der  Tropen  und  höheren  Breiten 
eine  bessere  Vorstellung,  als  lange  Schilderungen  es  zu  thun  ver- 
möchten. Auch  auf  gleiche  Flächen  bezogen,  ist  der  Artenreich- 
tum der  Tropen  ungleich  größer,  als  in  der  gemäßigten  und  kalten 
Zone,  und  tritt  auch  in  einigen  Ordnungen,  die  in  unseren  Breiten 
grcit  bekannt  sind  (wie  z.  B.  in  denen  der  Singvögel,  Spechte  und 
Tauben),  mit  überraschender  Schärfe  zu  tage.  Aber  auch  hier  ist 
das  Problem  nicht  einfach  mit  dem  Hinweise  auf  die  gegenwärtigen 
Temperaturverhältnisse  zu  lösen.  Wir  wissen  nämlich,  daß  sich  in 
der  Tertiärzeit  die  jetzige  tropische  Fauna  zugleich  mit  tropischen 
PÜanzenformen  in  höhere  Breiten  erstreckte,  daß  Europa  damals 
von  Elefanten,  Nashörnern,  Flußpferden,  Affen  und  Halbafifen,  Beutel- 
tieren und  Zahnarmen  Säugetieren  (Edentaten)  bewohnt  war.  Die 
Kiszeit  unterbrach  hier  die  normale  Entwicklung,  die  in  der  warmen 
Zone,  wo  das  Klima  seit  den  früheren  geologischen  Perioden  sich 
nicht  wesentlich  geändert  hat,  ungestört  vor  sich  gehen  konnte. 
„Der  Kampf  ums  Dasein,"  sagt  Wallace,  „sofern  er  sich  gegen 
die  Xaturkräfte  richtete,  war  hier  stets  leicht;  Nahrung  gab  es  in 
Unmasse  und  in  ununterbrochener  Zufuhr;  Schutz  und  Obdach  waren 
stets  leicht  zu  haben;  die  Änderungen  der  physischen  Bedingungen, 
welche  nur  durch  kosmische  Gesetze  oder  geologische  Ereignisse 
veranlaßt  wurden,  waren  notwendigerweise  so  langsam,  daß  Variation 
und  Zuchtwahl  sich  ihnen  anbequemen  und  die  üppige  Fülle  von 
Organismen  in  einem  schönen,  hannonischen  Gleichgewicht  mit  jenen 
Bedingungen  erhalten  konnten." 

Noch  auf  einen  anderen  wichtigen  Punkt  muß  aufmerksam  ge- 
macht werden.  Die  Tiere  sind  in  viel  geringerem  Grade,  als  die 
Ptianzen,  von  der  mittleren  Wärme  abhängig;  und  dazu  kommt 
noch,  daß  viele  von  ihnen  in  der  ungünstigen  Jahreszeit  in  wärmere 
Distrikte  sich  zurückziehen  können.  Die  amerikanischen  Kolibris, 
echte  Tropenbewohner,  verbreiten  sich  in  einigen  Arten  an  der 
Westküste  bis  zum  61.°  N.,  in  Canada  bis  zum  57.°,  auf  der  süd- 
lichen Hemisphäre   bis   zum  Feuerlande,  wo  sie  selbst  im  Schnee- 


X        Klassen  Rein  tropische  ^°  *aniio^  Gemeinsame 

der  Landwirbeltiere  Familien  Farnüien  Familien 

Landsäugetiere     ....  37  5  82 

Vögel 61  11  .61 

Reptilien 28  4  27 

Amphibien       8  5 9 


Summa:      134  25  129 

41* 


G44  Die  geographische  Verbreitung  der  Pflanzen  und  Tiere. 

Sturme  beobachtet  wurden,  und  steigen  auf  dem  Chimborazo  bis  zur 
Schneelinie  (4900  m)  empor.  Die  Purpurschwalbe  verbreitet  sich 
nach  ToRELL  von  9^  S.  bis  67®  N.  Der  Tiger  und  Panther,  die 
wir  in  unserer  Vorstellung  stets  mit  einem  beißen  Klima  verbinden, 
streifen  bis  in  das  südliche  Sibirien;  ob  sie  sich  auch  dauernd  in 
Zentralasien  aufhalten,  ist  nicht  bekannt.  Die  Papageien  reichen 
im  neuseeländischen  Distrikte,  wo  auch  die  Palmen  ihre  größte  Pol- 
höhe erreichen  (s.  S.  595),  bis  zum  54.  Breitengrade  (Insel  Macquarie'i 
und  ein  Experiment  von  Büxton  belehrt  uns,  daß  sie  auch  in  den  eng- 
hschen  Wäldern  im  Freien  überwintern  und  sich  fortpflanzen  können, 
denn  selbst  bei  einer  Temperatur  von  — 7®  ging  kein  einziges  Exemplar 
zu  Grunde.  Es  unterliegt  also  keinem  Zweifel,  daß  einige  tropische 
Tiere  auch  kältere  Klimate  ertragen  können,  aber  in  der  Begel  nur 
dann,  wenn  sie  keinen  großen  Temperaturschwankungen 
ausgesetzt  sind.  Das  ist  eben  der  Charakterzug,  den  das  Seeklima  dt-r 
höheren  Breiten  mit  dem  Aquatorialklima  gemein  hat  (vgl  Karte  VIIl). 
Wir  verstehen  jetzt,  warum  tropische  Tiere  auf  der  südlichen  Halb- 
kugel sich  mehr  dem  Pole  nähern,  als  auf  der  nördhchen;  ander- 
seits kommen  wir  zur  Erkenntnis,  daß  z.  B.  die  Thatsache,  daß 
Westeuropa  keine  Papageien  beherbergt,  nicht  durch  die  Isothermen 
bedingt  ist,  sondern  offenbar  nur  mit  der  Entwicklungs-  und  Ter- 
breitungsgeschichte  dieser  Ordnung  zusammenhängt. 

Tropische  Tierwelt  Trotz  des  faunistischen  Reichtums  des 
heißen  Erdgürtels  wird  hier  die  Tierwelt  von  der  üppigen  Vegetations- 
fulle  doch  völlig  erdrückt  „Der  erste  Eindruck,  den  man  in  den 
Tropenwaldungen  empfängt,'*  sagt  Wallace,  „ist  der,  daß  fast  kein 
tierisches  Leben  zu  finden  ist  Man  will  das  Wild,  das  Geflügel, 
die  Insekten  sehen  und  späht  gar  oft  vergebens  nach  ihnen  aus,- 
Am  meisten  fallen  nicht  die  großen  Säugetiere,  sondern  die  Tag- 
schmetterlinge auf,  die  sich  durch  Arten-  und  Individuenzahl,  durch 
Größe  und  Farbenpracht  von  denen  der  gemäßigten  Zone  wesentlich 
unterscheiden.  Bei  Para  (an  der  Amazonasmündung)  allein  hat  man 
über  700  Arten  gesammelt^  während  England  nur  54  und  Deutsch- 
land nur  ca.  150  besitzt  Ebenso  setzt  die  Größe  mancher  Artenden 
Reisenden  in  Erstaunen,  denn  einige  Papilioniden  und  Morphiden 
messen  mit  ausgespannten  Flügeln  15 — 20  cm.  Von  den  übrigen 
Insekten ,  machen  sich  besonders  die  Ameisen  durch  ihre  Allgegen- 
wart und  Zerstörungswut  unangenehm  bemerkbar;  manche  dringen 
in  die  Häuser  ein  und  fressen  alles  Genießbare,  so  daß  man  die 
Möbel  auf  Klötze  oder  Steine  stellen  und  diese  in  wassergefiillte 
Behälter  setzen  muß,  um  sie  vor  der  Invasion  der  Ameisen  zu 
schützen.     Zahlreich,  groß  und  teilweise  brillant  gefärbt  sind  auch 


Die  LebensbedinguDgen  der  Tierwelt.  645 

die  übrigen  Insekten,  wie  die  Bienen,  Wespen,  Käfer,  und  von  den 
un geflügelten  Gliedertieren  hauptsächlich  die  Spinnen,  Skorpione 
nnd  Tausendfüßer.  Namentlich  von  den  letzteren  sieht  man  oft 
riesige  Exemplare;  aber  es  giebt  auch  Spinnen,  deren  Leib  5  cm 
lang  ist,  und  die  mit  ausgestreckten  Beinen  15  cm  messen.  Ihre 
G-espinste  sind  manchmal  so  stark  wie  Seide  und  können  selbst 
grrößeren  Tieren  gefährlich  werden;  hat  doch  Bates  beobachtet,  wie 
eine  Spinne  aus  dem  südamerikanischen  Geschlechte  Mygale  einen 
Vogel  tötete.  Die  Größe  der  Insekten  ist  unstreitig  geographisch 
bedingt,  nämlich  durch  die  reichliche  Nahrung  und  die  geringe 
Wärmeschwankung,  die  das  Wachstum  der  Larven  niemals  unter- 
bricht. 

Nach  den  Insekten  sind  die  Yögel  am  zahlreichsten  und,  wie 
jene,  durch  glänzende  Färbung  ausgezeichnet.  Außerordentlich  häufig 
begegnet  man  auch  den  Eidechsen,  die  sogar  in  die  Häuser  dringen, 
wälirend  die  Schlangen  glücklicherweise  nicht  in  so  großen  Mengen 
auftreten  und  nur  in  trockenen  Distrikten  sehr  lästig  werden.  Da- 
für zeugt  aber  die  Größe  mancher  Arten  aus  dieser  Klasse  von  der 
unerschöpflichen  Lebensfülle  der  Tropenwelt.  Ein  Schlinger  der 
alten  Welt  erreicht  eine  Länge  von  8  m,  aber  er  wird  weit  über- 
troifen  von  der  südamerikanischen  Anakonda,  die  12  m  mißt  und 
selbst  ausgewachsene  Einder  bewältigt  und  verzehrt  Zu  den  her- 
vorstechenden Charaktertypen  der  Tropenfauna  können  auch  die  all- 
gemein verbreiteten  Krokodile^  und  ihre  beiden  Verwandten,  der 
ostindische  Gavial  und  der  amerikanische  Alligator,  gerechnet  wer- 
den, obwohl  letzterer  auch  im  unteren  Mississippi  und  in  Texas 
heimisch  ist.  Von  den  Amphibien  sind  nur  die  Kröten  und  Frösche 
häufiger,  und  von  den  Landsäugem  sind  die  AfiFen  und  die  Flatter- 
tiere, die  zwischen  den  Wendekreisen  den  Höhepunkt  ihrer  Ent- 
wicklung erreichen,  als  tropische  Repräsentanten  zu  nennen,  denn 
die  zahlreichen  anderen  Familien  fallen  entweder  nicht  auf  oder 
sind  nur  auf  kleine  Bezirke  beschränkt.  Hinzuzufügen  wären  viel- 
leicht nur  noch  die  Edentaten,  insofern  diese  seltsamen  Überreste 
einer  alten  Fauna,  die  sich  nur  in  den  warmen  Ländern  noch  er- 
halten haben,  den  Zusammenhang  der  jetzigen  tropischen  Tierwelt 
mit  der  tertiären  uns  besonders  klar  vor  Augen  führen. 

Arktische  Tierwelt  Betrachten  wir  nun  das  Gegenstück  zu 
diesem  Tropenbilde,  die  arktische  Fauna.  Die  Familienzahl  der 
Landsäugetiere,  die  in  den  südlichen  Reichen  69  beträgt,  ist  hier 
auf  8   zusammengeschmolzen,   und  auch  diese  sind  nur  durch   ca. 


Im  Sinne  der  Systematik  von  A.  Günther. 


646  Die  geographische  Verbreitung  der  Pflanzen  und  Tiere. 

16  Arten  vertreten.  Der  König  der  Eiszone  ist  der  Polarbär,  der 
sich  an  Größe  und  Kraft  mit  den  tropischen  Katzen  mohl  messen 
kann;  der  Polarfuchs  und  Fjällfras  (irrtümlich  Vielfraß  genannt)  W- 
gleiten  ihn  durch  das  ganze  Gebiet.  Wölfe  werden  noch  stellen- 
weise in  arktischen  Gegenden  angetroffen,  wenn  sie  auch  nicht  zu 
den  eigentlichen  Polartieren  gehören,  wie  ein  anderer  Vertreter  der 
Familie  der  Canidae,  ein  wollahnlicher  Hund,  von  dem  der  Eskimo 
im  nordwestlichen  Grönland  völlig  abhängig  ist.  Die  arktischen 
Ausläufer  der  Wiederkäuer  sind  das  Rentier  und  der  Bisamochs, 
der  jetzt  nur  noch  in  Amerika  und  Grönland  vorkommt,  und  die 
Nagetierordnung  ist  durch  die  Polarhasen,  die  niedlichen  Lemminge  und 
die  kosmopolitischen  Mäuse  vertreten.  Aber  so  dürftig  auch  die  polare 
Säugetierfauna  ist,  so  entbehrt  doch,  soweit  man  die  Zone  kennt 
keine  Gegend  derselben  völlig.  Rentiere  trafen  Kane  und  HAYE^  im 
nordwestlichsten  Teil  von  Grönland,  Fälirten  dieses  Wiederkäuers 
fand  man  in  Franz- Josef-Land ;  der  nördlichste  Eisbär  wurde  tol 
der  österreichisch -ungarischen  Expedition  unter  81  Vj^'  B.  erleiT. 
Von  Landvögeln  verzeichnet  Torell^  nur  45  Arten,  während  die 
Wat-  und  Schwimmv()gel  durcli  114  Arten  vertreten  sind.  Getren 
den  Pol  hin  nimmt  die  Artenzahl  rascli  ab,  denn  während  z.  B.  die 
Sperlinge  südlich  vom  68.  Parallel  noch  in  20  Arten  vorkommen, 
werden  sie  nördlich  davon  auf  4  und  jenseits  des  74.®  B.  auf  2  Arten 
reduziert.  Die  meisten  Vögel  wandern  im  Winter  und  kehren  im 
Frühjahre  wieder  nach  dem  Norden  zurück,  um  hier  in  großen 
Gesellschaften  (sog.  „Vogelberge")  zu  brüten.  Selten  finden  sich 
Reptilien;  die  Insektenfauna  ist  besonders  nördlich  vom  73.  Pa- 
rallel sehr  ärmlich.  In  der  letzteren  herrschen  die  Zweiflügler, 
die  für  ihre  ersten  Entwicklungsstadien  nur  eine  kurze  Zeit  bedürfen, 
entschieden  vor;  Mttckenschwärme  hinderten  John  Ross'  Mannschaft 
unter  70^  B.  an  der  Arbeit;  sie  sind  in  vielen  polaren  Gegendon 
eine  wahre  Landplage.  Das  Tierleben  tritt  also  auch  hier  zurück, 
wie  in  den  Tropen,  freilich  aus  einem  ganz  anderen  Grunde  und 
in  ganz  anderer  Weise.  Kein  Laut  stört  die  feierliche  StiUe  der 
nordischen  Einöde,  aber  das  muntere  Tierleben  des  Meeres  zeiun 
uns,  daß  wir  auch  hier  noch  nicht  an  den  Grenzen  der  organischen 
Welt  angelangt  sind. 

Vertikale  Verteilung.  Die  Abnahme  der  Landtiere  gegen  die 
Pole  kehrt  selbstverständlich  auch  in  vertikaler  Richtung  im  Ge- 
birge wieder.  Nur  sind  die  Höhengrenzen  der  beweglichen  Tiere 
selten  so  genau  zu  fixieren,  wie  diejenigen  der  Pflanzen,  die  an  den 
Boden  gefesselt  sind;  und  es  ist  erklärlich,  daß  zeitraubende  syste- 
matische  Untersuchungen   in  dieser  Richtung  nur  selten  angestellt 


Die  Lebensbedingungen  der  Tierwelt.  647 

ArV^^rden.     Doch  lassen  sich  aus  den  vorhandenen  Beobachtungen  in 
verschiedenen  Teilen  der  Alpen  einige  Sätze  von  allgemeinerer  Be- 
deutung ableiten.     Hebe®  zeigte,  daß  im  Kanton  Glarus  die  verti- 
kiUe  Abnahme  der  Arten  in  der  Tierwelt  viel  rascher  erfolgt,  als  in 
tlor  Flora.    In  der  unteren  Region  (bis  800  m)  ist  die  Zahl  der  Tier- 
itr-ten   2^4  uial  größer  als  die  der  Pflanzenarten,  aber  in  bedeuten- 
deren Höhen   ist   das  Verhältnis  ein  umgekehrtes.     In  der  Region 
der  Alpensträucher   kommt   nur    1   Tierart   auf  l*/^  Pflanzenarten; 
dort,  wo  der  Schnee  schon  sporadisch  liegen  bleibt,  stellt  sich  das 
Verhältnis  wie  1 : 6  und  an  der  Grenze  des  organischen  Lebens  sogar 
-wie    1:25.     Die  Baumlinie   übt  auf  die  Verbreitung  der  Tiere  im 
Tiroler  Hochgebirge  einen  viel  geringeren  Einfluß  aus,  als  die  Grenze 
zwischen  der  Region  der  alpinen  Wiesen  (1700 — 2300  m)  und  der 
subnivalen  Region  (2300 — 2700  m);  der  faunistische  Gegensatz  dieser 
lieiden    Höhengürtel     ist     eines    der    auffallendsten    Resultate    der 
Untersuchungen  von  Helleb^.     Eine  Zusammenstellung  aus  dessen 
Verzeichnissen  ergiebt  nämlich,  daß  von  den  90  Hochgebirgsarten 
(und  Varietäten)    der  Weichtiere   in   der   alpinen  Region   noch  76, 
in    der   subnivalen    aber   nur   8    vorkommen;    ferner   daß   von   den 
785  Sclimetterlingen  680  in  der  alpinen  und  nur  98  in  der  subni- 
valen Region  leben;    endlich  daß  von  den   738  Käfern   730  in  der 
Wiesen-  und  nur   106  in  der  subnivalen  Region  gefunden  werden. 
Der  Zusammenhang  mit  der  Pflanzenwelt  tritt  hier  sehr  scharf  zu 
Tage,  wie  er  sich  auch  darin  zeigt,  daß  die  südlichen  Gehänge  von 
einer  reicheren  und  mannigfaltigeren  Fauna  bevölkert  werden,    als 
die  nördlichen,  und  daß  dort  die  Höhengrenzen  weiter  hinaufrücken. 
Die    obere    Schneeregion    (über    2700  m)    beherbergt    nur    wenige 
flügellose  Gliedertiere,    die   wohl   den    größten  Teil  des  Jahres  im 
Winterschlafe  zubringen.    Vielleicht  am  höchsten  steigt  der  W^eber- 
knecht  (Opilio  glacialis),  der  selbst  auf  der  obersten  Spitze  des  Piz 
Linard  (3480  m)  gefunden  wurde.  Wohl  dringen  auch  geflügelte  Tiere, 
wie  Schmetterlinge,  Käfer,  Fliegen  u.  a.,  entweder  freiwillig  bei  ihrem 
Ausschwärmen  oder  vom  Winde  erfaßt,  in  die  Fimwelt  vor,  aber  sie 
gehen  hier  in  der  Regel  bald  zu  Grunde.     Der  Sommer  sieht  hier 
auch  Gestalten  aus  der  höheren  Tierwelt,  aber  der  Winter  scheucht 
die  meisten  bis  in  den  Waldgürtel  hinab. 

Von  besonderer  Wichtigkeit  sind  die  den  Hochgebirgen  eigen- 
tümlichen Tiere,  die  wir  kurzweg  als  alpine  Tiere  bezeichnen 
wollen.  Sie  bewohnen  in  den  Ostalpen  die  Region  von  ca.  1200  bis 
2700  m  Höhe.  Ihre  verwandtschaftlichen  Beziehungen  zu  den  Tieren 
des  hohen  Nordens  oder  zu  denen  anderer  Hochgebirge  führen  uns 
wieder  in  die  Eiszeit  zurück,  die  in  gleicher  Weise  in  der  Fauna 


648  Die  geographische  Verbreitung  der  Pflanzen  und  Tiere. 

wie  in  der  Flora  einen  Austausch  zwischen  den  Organismen  de* 
arktischen  Gebietes  und  der  südlicheren  Gebirge,  sowie  zwischen 
einzelnen  Gebirgen  selbst  möglich  machte.  Die  alpine  Fauna  i^t 
ein  Überrest  einer  einst  auch  in  der  Ebene  verbreiteten  Tierwelt 
und  die  Betraclitungen,  die  wir  den  Glazialpflanzen  gewidmet  hab^L 
(S.  628),  gelten  im  allgemeinen  auch  hier. 

Nur  einige  w^enige  Beispiele  aus  der  Säugetierwelt  der  Alpen 
mögen  hier  angeführt  werden.'  Der  veränderliche  oder  Schneehase 
unseres  Hochgebirges  kehrt  im  Norden  der  alten  Welt  wieder;  seine 
Heimat  erstreckt  sich  hier  von  Irland  und  Schottland  über  Skandi- 
navien, Rußland  und  Sibirien  bis  Kamtschatka.  Das  alpine  Murmel- 
tier, das  in  den  Diluvialablagerungen  von  Mitteleuropa  fossil  ge- 
funden wird,  hat  nahe  Verwandte  in  Sibirien,  und  ebenso  findet 
die  Schneemaus  ihren  Vertreter  in  der  nordasiatischen  Wurzelmaus. 
Der  Steinbock,  der  freilich  jetzt  nur  noch  in  wenigen  Teilen  der 
Alpen  erhalten  ist,  ist  sehr  nahe  dem  pyrenäischen,  kaukasischen 
und  sibirischen  Steinbocke  verwandt,  mit  denen  er  in  Bezug  auf 
Lebensweise  vollkommen  übereinstimmt;  andere  Arten  dieser  Unter- 
gattung bewohnen  auch  die  Sierra  Nevada,  die  höchsten  Felsregionen 
von  Abessinien  und  die  Gebirgsgegenden  von  Mittelägypten,  Syrien 
und  der  Sinaihalbinsel.  Nicht  vergessen  dürfen  nvir  endlich  des 
elegantesten  unter  den  alpinen  Tieren,  der  Gemse,  die  in  allen 
höheren  Gebirgen  von  den  Pyrenäen  bis  zum  Kaukasus  vorkommt 
und  uns  den  Lehrsatz  von  der  Vermischung  verschiedener  Gebirgs- 
faunen  in  der  Eiszeit  noch  besser  illustriert,  als  der  Steinbock,  da 
genau  dieselbe  Art  in  all  den  genannten  Gebirgen  wiederkehrt 

Periodizität  im  Tierleben.  Die  Abhängigkeit  des  Tierlebens  vom 
Klima  zeigt  sich  auch,  ähnlich  wie  bei  den  Pflanzen,  in  seiner  jähr- 
lichen Periode.  In  den  höheren  Breiten,  wo  der  Gegensatz  zwischen 
der  kalten  und  warmen  Jahreszeit  schärfer  hervortritt,  ist  der  Winter 
auch  in  der  Tienvelt  die  tote  Saison.  Die  Mehrzahl  der  Vögel  ist 
in  wärmere  Gegenden  abgezogen,  viele  Säugetiere,  Insekten,  Mol- 
lusken u.  s.  Yi.  fallen  in  den  Winterschlaf,  zahlreiche  niedere  Tiere 
sterben  ab,  nachdem  sie  ihre  Eier,  die  im  nächsten  Frühjahre  sich 
entwickeln,  gelegt  haben.  Die  Ursache  der  winterlichen  Elrstarrung 
und  des  Wandems  mag  wohl  in  zahlreichen  Fällen  ebenso  der 
Mangel  an  Nahrung,  wie  die  Kälte  sein;  und  Nahrungssorgen  dürften 
wohl  hauptsächlich  die  nordischen  Tiere,  wie  den  Bisamochsen  und 
den  Lemming,  zwingen,  scharenweise  ihre  Heimat  zu  verlassen,  in 
die  sie  beim  Eintritte  der  milderen  Jahreszeit  wieder  zurückkehren. 
Dagegen  ist  der  zeitweilige  Kälteschlaf  einiger  tropischen  Tiere,  wie 
mancher  Schlangen  und  Eidechsen,  jedenfalls  nur  klimatisch  bedingt. 


Die  Lebensbedingungen  der  Tierwelt.  649 

ebenso   wie   die  Wanderungen  einiger  bengalischen  Affen  oder  der 
Elefanten  in  Tenasserim  oder  der  Rentiere,  die  in  der  heißen  Zeit 
in    die  höheren  Gebirgsregionen  sich  zurückziehen.     In  der  warmen 
Zone    beschränkt    die   gleichmäßigere   Temperatur   (mit   Ausnahme 
der   wenigen   oben   aufgezählter  Fälle)   das   Tierleben   ebensowenig 
vs^ie  das  Pflanzenleben,  wohl  aber  äußert  sich  der  Einfluß  der  Trocken- 
zeit in  ähnlicher  Weise,  wie  der  des  Winters  in  unseren  Gegenden. 
Daß  die  Einwirkung  auf  den  tierischen  Organismus  in  beiden  Fällen 
die   gleiche  ist,   beweist  schon  der  umstand,   daß  der  aus  fremden 
Ländern  zu  uns  gebrachte  Siebenschläfer,  der  in  seiner  Heimat  zur 
Zeit    der   trockenen  Hitze   sein  aktives  Leben  unterbricht,   in   der 
nordischen  Fremde  in  den  Winterschlaf  verfallt.   Aber  die  Beispiele 
einer  Einschränkung  der  Lebensthätigkeit  durch  die  jährliche  Eegen- 
periode  der  Tropen  sind  in  den  höheren  Tierklassen  doch  nur  selten, 
und  selbst  von  niederen  Tieren  findet  man  das  ganze  Jahr  hindurch 
Eier,    Larven    und    geschlechtsreife    Individuen    zu    gleicher   Zeit. 
Anderseits    hat    man  aber  auch  häufig   die    Beobachtung   gemacht, 
daß  die  Zahl  der  Larven  beim  Beginne  der  Regenzeit  sich  erheblich 
steigert,    und  man  weiß  auch,    daß  viele  tropische  Insekten  in  der 
trockenen  Periode  sterben.     In  den  Mittelmeerländem  verfallen  die 
Landschnecken  während  der  regenlosen  Sommerzeit  in  einen  Ruhe- 
zustand  und   unterbrechen  auch  ihr  Wachstum;   ja  in  der  Sahara 
führen  sie  ein  aktives  Leben  überhaupt  nur  in  der  Nacht  oder  am 
frühen  Morgen,  wenn  Tau  den  Boden  befeuchtet. 

Beziehimgen  der  Tiere  zu  einander.  Neben  der  Einwirkung  der 
toten  Natur  und  der  Pflanzenwelt  auf  das  Tierleben  ist  allerdings 
noch  ein  anderes  Moment  zu  beachten:  die  Beziehungen  der  einzelnen 
Tiere  zu  einander.  Hier  stehen  wir  aber  schon  knapp  an  der  Grenze 
des  rein  zoologischen  Forschungsgebietes,  die  wir  im  Interesse 
unserer  Wissenschaft  nicht  überschreiten  werden.  Zudem  sind  diese 
Beziehungen  so  komplizierter  Natur,  daß  es  schwer  fällt,  bei  ihrer 
Beurteilung  jeden  Irrtum  auszuschließen.  Wir  können  uns  an  einem 
geographisch  wichtigen  Beispiele  davon  überzeugen.  Der  Stich  der 
von  Südafrika  bis  Senaar  verbreiteten  Tsetsefliege  ist  nach  den 
Berichten  zahlreicher  Reisender  für  Ochsen,  Pferde,  Kamele  und 
Hunde  absolut  tötlich,  während  er  für  den  Menschen  und  alle  wilden 
Tiere  und  ebenso  für  die  Kälber,  solange  sie  saugen,  unschädlich  ist. 
Dieser  unscheinbare  Zweiflügler  schließt  demnach  aus  seinem  Ver- 
breitungsbezirke die  Viehzucht  aus.  Er  erscliwert  auch  in  liohem 
Grade  die  Fortschritte  der  Forschungsreisenden,  die  durch  ihn 
genötigt  sind,  die  unzuverlässigen  Eingebornen  als  Träger  zu  ver- 
wenden;   und   da   dies  außerdem   sehr  kostspielig  ist,   so  hat  man 


650  Die  geographische  Verbreitung  der  Pflanzen  und  Tiere. 


mehrfach  den  Versuch  gemacht,  indische  Elefanten  einzuführen 
und  als  Lasttiere  zu  verwenden.  Aber  der  Einfluß  der  Tseis^r- 
fliege  auf  unsere  Haustiere  ist  noch  keineswegs  sichergestellt;  schon 
Erskine  zog  ihn  in  Zweifel,  und  Mabno  faßt,  gestützt  auf  eine 
mehrjährige  Erfahrung,  seine  Ansicht  in  folgenden  Worten  Zii- 
sammen:  „Gewisse  Gegenden  Afrikas  bieten,  manche  das  ganze 
Jahr  hindurch,  andere  im  Charif  (Regenzeit),  den  nicht  einheimischen 
Haustieren  nicht  die  zum  Gedeihen  nötigen  klimatischen  Bedingungen. 
Sie  erliegen  dann  massenweise  seuchenähnlichen  Erscheinungen,  wäh- 
rend ihr  Untergang  von  den  Eingeborenen  der  Tsetse  oder  Surreta. 
unter  welchen  Namen  sie  aber  eine  größere  Artenzahl  Fliegen  ver- 
einen, zugeschrieben  wird,  welche  in  der  That  jedoch  nur  als  eiL. 
vielleicht  sogar  untergeordneter  Faktor  der  Erscheinung  angeseheij 
werden  muß."** 

Litteratur nachweise.  *  Th.  Fdchs,  Die  pelagische  Flora  und  Fauna, 
in  den  Verhandlungen  der  Wiener  Geologischen  Reichsanstalt  1882.  —  *  Berirh' 
von  K.  Brandt  in  den  Verhandlungen  der  Berliner  Gesellschaft  f.  Erdkunde.  1^>  ^ 
S  515.  —  '  Sempee,  Die  natürlichen  Existenzbedingungen  der  Tiere,  Leipzig 
1880.  —  *  Wallac'e,  Die  Tropenwelt,  Braunschweig  1879.  —  *  Torelu  l*h^T 
die  physikalische  Geographie  der  arktischen  Region,  in  Petermanns  Mitteilungen 
1861.  —  •  Historiscb-geographisch-statistisches  Gemälde  der  Schweiz,  Bd.  VII, 
1846.  —  ^  Heller,  Die  Verbreitung  der  Tierwelt  im  Tiroler  Hochgebirjre,  iL 
den  Sitzungsberichten  d.  Wiener  Akademie  d.  Wissenschaften,  Math.-naturvis*. 
Klasse,  Bd.  LXXXIII,  1.  Abteil.  (1881)  und  Bd.  LXXXVI,  1.  Abteil.  (1862*.  - 
*  Petermanns  Mitteilungen  1873,  Ö.  249. 

Die  Entwicklung*  der  Faunenreiche.  ^ 

(Vgl.  Tafel  XX.) 

Bei  allen  Versuchen,  die  Oberfläche  des  Landes  nach  faunistischen 
Eigentümlichkeiten  in  Reiche  und  Provinzen,  oder  wie  Wallace  sie 
nennt,  in  Regionen  und  ünterregionen  zu  zerlegen,  haben  die  Säuge- 
tiere .und  Vögel  in  erster  Linie  Berücksichtigung  gefunden.  Die>e 
Tierklassen  drängen  sich  zuerst  dem  Beobachter  auf  und  sind  daher 
auch  am  besten  gekannt.  Der  tiergeographische  Wert  der  Säuger 
beruht  aber  auch  darauf,  daß  sie  in  ihrer  Verbreitung  vielmehr  durch 
orographische  als  durch  klimatische  Schranken  gehindert  werden, 
sich  also  gerade  umgekehrt  verhalten  wie  die  Pflanzen.  Verände- 
rungen in  der  Verteilung  von  Wasser  und  Land  kommen  —  man 
mag  sagen,  was  man  will  —  in  der  Säugerfauna  am  besten  zum  Aus- 
drucke. Aber  nur  bis  zum  Anfange  der  Tertiärzeit  zurück,  d.  h.  bis  zu 
jener  Epoche,  deren  Schichten  die  ersten  unzweifelhaften  Überreste 
von  placentalen  Säugetieren  enthalten.  Will  man  früheren  Ver- 
änderungen nachspüren,  so  muß  man  sich  an  andere  Tierklassen  halten. 


Die  Entwicklung  der  Faunenreiche.  651 

und  nach  v.  Iheeing*  sind  die  Süßwasserbewohner  dazu  am  tang- 
lichsten. Es  ist  zu  erwarten,  daß  fortgesetzte  Studien  auf  dem 
Gebiete  det  Mikrofauna  wichtige  Beiträge  zur  Geschichte  der  Erd- 
oberfläche liefern  werden,  aber  zur  Stunde  ist  die  Verarbeitung  des 
massenhaften  Materials  von  diesem  Gesichtspunkte  aus  noch  nicht 
^o  weit  gediehen,  als  daß  wir  mehr  als  nur  gelegentlich  darauf 
zurückgreifen  könnten. 

Die  australische  Gruppe.  Das  Säugetier  erscheint  in  reichlicher 
Fülle  zum  ersten  Male  in  der  unteren  Triasformation;  das  wenige, 
was  die  mesozoischen  Systeme  uns  liefern,  besteht  nur  aus  Zähnen 
und  Knochenresten  von  Beuteltieren.  Mit  Beginn  der  Tertiärzeit 
treten  in  Europa  und  Nordamerika  schon  die  placentalen  Säuger 
auf,  die  Vorfahren  unserer  Eaub-  und  Huftiere,  die  Insektenfresser 
und  Halbaffen.  Die  Beutlerfauna  tritt  dieser  Schöpfung  gegenüber 
immer  mehr  zurück,  und  verschwindet  seit  dem  mittleren  Miocän 
völlig  von  dem  Boden  Europas  und  Nordamerikas. 

Wir  mußten  diese  Erinnerungen  wachrufen,  um  die  ganze  Eigen- 
art der  australischen  Säugetierfauna  klar  zu  machen.  Bis 
zur  Ankunft  des  Europäers,  also  bis  vor  100  Jahren,  hat  sie  ihr 
mesozoisches  Gepräge  fast  unverändert  bewahrt.  Das  Beuteltier  ist 
der  echt  australische  Typus;  von  den  sieben  Familien  desselben 
kommen  sechs  nur  in-  Australien  und  eine  nur  in  Amerika  vor; 
24  Gattungen  der  ersteren  sind  nur  auf  das  australische  Festland 
])eschränkt  und  nur  neun  verbreiten  sich  über  die  nördlichen  Inseln. 
'-'3  aller  australischen  Säugetiere  sind  Beutler,  und  da  unter  ihnen 
sowohl  Raubtiere  als  Insektenfresser  und  Nagetiere  vorkommen,  so 
«^rfüUen  sie  alle  jene  Aufgaben  im  Haushalte  der  Natur,  die  sonst 
i*il)erall  verschiedenen  Säugetierordnungen  zufallen.  Fast  noch  merk- 
würdiger ist  das  Schnabeltier,  das  nur  in  Australien  vorkommt. 
Obwohl  es  noch  nirgends  im  fossilen  Zustande  gefunden  wurde,  ist 
♦^s  jedenfalls  ein  Typus  von  sehr  hohem  Alter,  denn  es  nimmt  eine 
eigentümliche  Mittelstellung  zwischen  der  Vogel-  und  Säugetierklasse 
*än.  Wir  müssen  daraus  schließen,  daß  Australien  schon  im  frühesten 
Tertiär  den  Zusammenhang  mit  der  alten  Welt  verlor.  Von  den 
Placentalien,  die  hier  im  Laufe  der  Zeit  zur  alleinigen  Herrschaft 
gelangten,  verirrten  sich  außer  Fledermäusen,  die  an  Verbreitungs- 
tUhigkeit  nahezu  mit  den  Vögeln  wetteifern,  und  Ratten  und  Mäusen, 
die  sehr  wohl  mit  dem  Menschen  eingewandert  sein  können,  nur 
noch  zwei  nach  dem  abgeschiedenen  Australien.  Der  Dingo  ist 
nicht  ein  verwilderter  Haushund,  wie  man  früher  meinte,  sondern 
kommt  schon  in  den  diluvialen  Ablagerungen  mit  ausgestorbenen 
Beutlem  vor,  und  ebendaselbst  entdeckte  de  Vis  vor  wenigen  Jahren 


652  Die  geographische  Verbreitung  der  Pflanzen  iind  Tiere. 

auch  Zähne  einer  dem  südamerikanischen  Pekari  yerwandten  Schweins- 
art,  die  sich  aher  nicht  bis  in  die  Gegenwart  erhalten  hat' 

In  der  australischen  Vogelwelt  fehlen  auch  einige,  sonst  aUjje- 
mein  verbreitete  Familien,  wie  die  Finken,  Spechte,  Geier  und 
Fasanen,  und  andere,  die  in  Ostindien  besonders  reich  entwickelt 
sind.  Daflir  sind  manche  Familien  nur  auf  das  australische  S^iil 
beschränkt  oder  tiberschreiten  nur  in  wenigen  Arten  seine  Grenzen, 
wie  die  Paradiesvögel,  Honigsauger,  Leierschwänze,  StrauchvögeL 
Kakadus,  Grassittiche,  pinselzüngigen  Papageien,  Großfußhühner  und 
Casuare.  Besonders  charakteristisch  sind  die  Honigsauger,  die  durch 
das  ganze  Reich  verbreitet  sind.  Die  Papageien  und  Tauben  erreichec 
hier  den  Höhepunkt  ihrer  Entwicklung,  sowohl  in  Bezug  auf  ArteL- 
zahl,  wie  auch  auf  Schönheit  der  Formen  und  Farbenpracht  Nament- 
hch  ist  die  große  Menge  von  Tauben  ebenso  lehrreich,  wie  die  der 
Beuteltiere,  denn  beide  verdanken  ihre  ungestörte  Entwicklung  nci 
der  Abwesenheit  der  gefährlichen  Feinde  und  der  jüngeren  Lebewelt 
des  benachbarten  Festlandes. 

Im  malaischen  Archipel  verbreitet  sich  die  australische  FauLa 
bis  zu  der  schon  wiederholt  genannten  WALLACE-Linie,  aber  in  die 
Grenzbezirke  sind  schon  einige  indische  Säugetierfamilien  einge- 
drungen. Neuguinea  hat  nach  Pascoe  eine  Käferfauna  von  ent- 
schieden indischem  Ursprünge,  die  von  der  australischen  wesentlieli 
verschieden  ist.  Jene  Organismen  also,  die  sich  leichter,  namentlicli 
mit  Hilfe  der  Luftströmungen  verbreiten  können,  stammen  vom 
Westen,  und  diese  neuen  Einwanderungen  haben  die  ursprünglicbe 
Lebewelt  zum  Teil  verdrängt.  In  der  Vogelfauna,  die  sich  auf  Neu- 
guinea durch  eine  größere  Anzahl  von  prächtig  gefärbten  Arten.  al< 
irgendwo  anders,  auszeichnet,  überwiegt  das  australische,  d.  h.  da^ 
alte  Element  schon  bedeutend,  und  in  der  Säugetierfauna  herrsch: 
es  ausschießlich.  Diese  Abstufung  ist  außerordentlich  lehrreich: 
wir  sind  hier  Zeugen  eines  Prozesses,  der,  wie  wir  sehen  werden, 
in  Südamerika  schon  weiter  gediehen  ist  und  in  Afrika  zu  einer 
völligen  Umgestaltung  der  Tierwelt  geführt  hat 

In  Neuseeland  wie  im  übrigen  Polynesien  fehlen  Säugetiere 
gänzlich;  die  Vogelfauna  besitzt  mehr  australische  als  indische  Ele- 
mente, und  aus  diesem  Grunde  wies  Wallace  die  Südseeinseln  seinem 
australischen  Reiche  zu.  Die  niedere  Tierwelt  bewahrt  aber  Er- 
innerungen an  eine  längstvergangene  Zeit  Schon  lange  ist  es  auf- 
gefallen, daß  die  Amphibien,  Süßwasserfische  und  Insekten  Austra- 
liens in  so  innigen  Beziehungen  zu  denen  Südamerikas  stehen,  und 
in  jüngster  Zeit  hat  das  Studium  der  geographischen  Verbreitung 
der  Flußmuscheln  zu  überraschenden  Ergebnissen  geführt^  die,  wenn 


Die  Entwicklang  der  Faunenreiche.  653 

sie  auch  noch  keineswegs  gesichert  sind,  doch  eine  weite  Perspektive 
«^röflhen.  Die  Ansicht  v.  Ihebings^  ist  in  Kürze  folgende.  Süd- 
amerika, von  Nordamerika  vöUig  getrennt,  hestand  bis  zur  Oligocän- 
zeit  aus  zwei  von  einander  unabhängigen  Teilen,  von  denen  der  eine, 
Archiplata,  Chile,  Argentinien,  Uruguay  und  Südbrasilien,  der 
andere,  Archiguayana,  Venezuela  und  Guyana  umfaßte.  Archiplata 
waj  aber  selbst  nur  ein  Teil  eines  großen  Festlandes,  das  über  Neu- 
seeland uud  Polynesien  nach  Australien  reichte.  Dieser  Zusammen- 
hang muß  sich  aber  schon  in  der  mesozoischen  Periode  aufgelöst 
liaben.  Von  allen  Landgebieten  der  Erde  gewann  Polynesien  am 
frühesten  insulare  Selbständigkeit,  zu  einer  Zeit,  als  noch  nicht 
einmal  Beutler  die  Erde  bevölkerten;  und  dieser  Thatsache  geben 
wir  Ausdruck,  indem  wir  es  als  ein  eigenes  Faunenreich  in  die  austra- 
lische Gruppe  stellen.  Der  Charakterzug  dieses  Reiches  ist  freilich 
mehr  negativer  als  positiver  Art,  aber  das  ist  im  Grunde  genommen 
ja  auch  der  Charakter  der  austraUschen  Festlandsfauna. 

Südamerika.  Die  Trennung  Südamerikas  vom  nördlichen  Fest- 
lande wird  uns  durch  die  merkwürdige  Säugetierfauna  der  altter- 
tiären Santa  .Cruz-Schichten  von  Argentien  vollauf  bestätigt.  Sie 
besteht  aus  Beutlem  und  Zahnarmen;  von  den  noch  lebenden  placen- 
talen  Ordnungen  sind  nur  die  Nager,  die  unparzehigen  Huftiere  und 
die  breitnasigen  Affen  vertreten.  Gerade  das,  was  damals  den 
Faunen  der  nördlichen  Festländer  ihr  charakteristisches  Gepräge 
verlieh:  die  Halbaffen,  Fledermäuse,  Raubtiere,  Insektenfresser,  par- 
zehigen  Huftiere,  fehlt  in  den  Santa  Cruz-Schichten  völlig.  Genau 
dieselbe  Zusammensetzung  zeigt  die  Säugetierfauna  der  obermio- 
cänen  Patagonischen  Formation;  erst  im  Pliocän  vollzieht  sich  der 
Zusammenschluß  von  Nord-  und  Südamerika,  und  nun  beginnt  sofort 
die  faunistische  Vermischung.  Schon  in  der  Araukanischen  Forma- 
tion Südamerikas  erscheinen  nordische  Typen  und  in  den  vielleicht 
etwas  jüngeren  Equus-  und  Megalonyx-Schichten  Zentral-  und  Nord- 
amerikas treten  zum  ersten  Male  südliche  Einwanderer  auf.  In 
Zentralamerika  und  den  mexicanischen  Küstenländern  haben  sie 
den  Sieg  davongetragen,  so  daß  Wallace  diese  Länder  zum  süd- 
amerikanischen Reiche  rechnen  durfte. 

Anders  in  Südamerika  selbst.  Wie  durch  die  spanisch-portu- 
giesische Eroberung  dem  alten  Volkstum  nur  einige  neue  Elemente 
liinzugefugt  wurden ,  ohne  es  vernichten  zu  können ,  so  verhält 
es  sich  auch  im  Bereiche  der  Säugetierwelt  Noch  lebt  hier  die 
Beutelratte ;  und  wenn  die  Zahnarmen  auch  schon  im  Diluvium  den 
Höhepunkt  ihrer  Entwicklung  überschritten  haben,  so  sind  sie  doch 
immer  noch  in  ansehnlicher  Weise  durch  die  FamiUen  der  Ameisen- 


654  Die  geographische  Verbreitung  der  Pflanzen  und  Tiere. 

baren,  Faul-  und  Gürteltiere  vertreten.  Die  Affen  der  neuen  uihl 
der  alten  Welt  sind  noch  immer  streng  voneinander  geschieden, 
keine  einzige  Familie  ist  ihnen  gemeinsam.  Die  Nager  nehmen  zwar 
überall  mit  Ausnahme  von  Australien  in  Bezug  auf  Artenzahl  den 
ersten  Rang  unter  den  Landsäugern  ein,  aber  Südamerika  > 
hierin  doch  allen  anderen  Kontinenten  voraus.  Das  trifft  sogar  in 
der  kosmopolitischen  Familie  der  Satten  und  Mäuse  zu-  Die  Hnf- 
pfötler,  die  größte  Form  dieser  Ordnung,  die  BaumstachelschwtiLt 
und  Chinchillas  sind  ausschließlich  amerikanisch,  und  die  StraucL- 
ratten  und  Borstenferkel  kommen  sonst  nur  sporadisch  vor.  Dagegen 
sind  die  fremden  Typen  zu  keiner  hervorragenden  Bedeutung  gelauir. 
ausgenommen  die  Fledermäuse,  von  denen  die  Blattnasen  —  wo/.. 
der  berühmte  blutsaugende  Vampyr  gehört  —  sogar  nur  auf  Amehkä 
beschränkt  sind.  Am  auffallendsten  ist  das  Fehlen  der  großen  On''- 
nung  der  Insektenfresser,  denn  die  Familie  der  Borstenigel  komni: 
nur  in  Westindien  vor,  und  die  Spitzmaus  betritt  eben  erst  da< 
Reich  im  Norden.  Von  den  Dickhäutern  fehlen  die  Elefanten,  <Ia- 
gegen  hat  sich  der  Tapir,  ein  uralter  Typus,  der  nur  noch  im 
malaischen  Archipel  wiederkehrt,  hier  erhalten,  und  das  kosm«:»- 
politische  Schwein  w^ird  durch  die  schwanzlose  ünterfamilie  ihr 
Pekari  ersetzt.  Von  den  Wiederkäuern  ist  nur  noch  die  Hirscii- 
gattung  allgemein  verbreitet,  da  die  Antilopen  ebenso,  wie  die  Ein- 
hufer ausgestorben  sind;  und  die  Raubtiere  stehen  denen  der  allen 
Welt  nicht  nur  an  Artenreichtum,  sondern  auch  an  Größe  uu^ 
Kraft  nach.  Der  Jaguar  und  Puma  sind  nur  schwächliche  Vertreter 
des  asiatischen  Tigers  und  afrikanischen  Löwen. 

Unendlich  reich  ist  die  südamerikanische  Vogelwelt;  in  jed<^r 
Ordnung  der  Landvögel  mit  Ausnahme  der  Kurzflügler  übertrifft  der 
westKche  Südkontinent  an.  absoluter  Artenzahl  Afrika  und  Ostindien, 
und  nur  in  Bezug  auf  die  Papageien  und  Tauben  steht  er  Australiei. 
nach.  Im  brasilianischen  Schopf  huhn  besitzt  er  wahrscheinlich  d(  l 
letzten  lebenden  Repräsentanten  einer  ausgestorbenen  Ordnung.  Noch 
mannigfaltiger  ist  die  Insektenfauna  mit  einem  unerschöpfhchen 
Reichtum  an  schönen  Formen;  und  es  ist  bezeichnend,  daß  seilet 
in  dieser  Tierklasse,  die  doch  über  so  viele  Verbreitungsmittel  ver- 
fügt, der  Endemismus  stark  ausgeprägt  ist. 

Wie  in  der  Flora  Südamerikas,  so  finden  wir  auch  in  der  Fauna 
den  Gegensatz  zwischen  dem  trockenen  andinen  Westen  und  den. 
feuchten  Osten  wieder,  und  das  andine  Faunengebiet  erstreckt  sicL 
ebenfalls  über  die  außertropischen  Niederungen  des  Ostens.  Hier 
fehlen  die  Affen,  dagegen  besitzt  dieses  Gebiet  die  Chinchillas  mal 
die    wichtigen    Auchenien,    die    Vertreter    des    osthemisphärischeB 


Die  Entwicklung  der  Faunenreiche.  655 

Kamels,    zu   denen   die    einzigen  Haustiere   von  Südamerika  (Lama 
lind     Alpaka)    gehören.      Die   Insektenfauna    enthält   P]lemente    der 
nördlichen  gemäßigten  Zone,  die  wahrscheinlich  längs  der  Andes  ein- 
gt^wandert  sind.    Im  großen  und  ganzen  ist  aber  die  Tierwelt  in  Süd- 
amerika sehr  gleichförmig,  trotz  der  verschiedenen  Klimate  und  der 
großen  meridionalen  Ausdehnung.     Waren  also  w^irklich  einmal,  wie 
wir  oben  als  Ansicht  v.  Iherings  mitteilten,  Archiguayana  und  Archi- 
]>lata  einst  getrennt,  so  ist  jedenfalls    eine   weitgehende  Faunenver- 
mischung  eingetreten.     Nur    in   Westindien  hat   sich    möghcher- 
weise    der  Charakter  der   archiguayanischen  Fauna   noch    erhalten. 
Das   ist  allerdings  nicht  zu  beweisen,  da  wir  von  der  letzteren  keine 
fossilen  Überreste  besitzen.     Aber  merkwürdig  genug  ist  die  Fauna 
der  Großen  und  Kleinen  Antillen,  namentlich  die  Säugetierfauna.    So 
charakteristische  Typen  der  archiplatischen  Welt,   wie    die  Beutler, 
Zahnarmen  und  Breitnasen  fehlen  hier  völlig,  desgleichen   auch   die 
nordischen  Einwanderer,  die  Raub-  und  Huftiere.     Das  erklärt  sich 
vielleicht  daraus,  daß  die  Abtrennung  der  Antillen  früher  erfolgte,  als 
die  Vereinigung  der  beiden  hypothetischen  Hauptstücke  Südamerikas 
untereinander  und  mit  Nordamerika.     Ist  dies  richtig,  dann  ist  viel- 
leicht  auch  der  Borstenigel,   der  außer  in  Westindien  nur  noch  in 
Madagaskar  vorkommt,  als  ein  Überbleibsel   der   archiguayanischen 
Fauna  aufzufassen,  denn  auch  andere  Momente  weisen  auf  eine  alte 
Landverbindung  zwischen  Archiguayana  und  Afrika  hin.     v.  Ihering 
betrachtet  St  Helena  als  den  letzten  Pfeiler  der  atlantischen  Brücke. 
Afrika»     Daß  auf  der  südlichen  Halbkugel   die  Verteilung  von 
Wasser  und  Land  einst  eine  andere  war,  ist  geologisch  nur  für 
den   afrikanisch-indischen  Kontinent  erwiesen.     Wir  könnten  hoffen, 
hier  ähnlichen  faunistischen  Verhältnissen  zu  begegnen,  wie  in  Süd- 
amerika,  und    doch    sind    sie    gänzlich    verschiedener  Art.     Zudem 
wissen  wir  über  die  ältere  Säugetierfauna  Afrikas  so  gut  wie  nichts. 
Nur    die  Karruschichten   bergen  Reste    der   ältesten  Beutlerformen 
(Allotherien),  die  in  der  älteren  mesozoischen  Zeit  über  die  ganze 
Erde  verbreitet  gewesen  zu  sein  scheinen;  tertiäre  Säuger  sind  gänz- 
lich  unbekannt     Es  bleibt  also  nichts  übrig,  als  aus  der  heutigen 
Fauna  die  Vorgeschichte  Afrikas  zu  rekonstruieren. 

Wir  haben  dabei  zu  beachten,  daß  der  Landzusammenhang  mit 
Dekan  sich  spätestens  in  der  Tertiäri)eriode  gelöst  hat,  daß  aber  Afrika 
durch  die  Wüstentafel,  die  ja  —  wie  wir  schon  auf  S.  432  betont 
haben  —  einst  ein  günstiges  Klima  besaß,  mit  der  alten  Welt  in 
bequeme  Verbindung  trat  Wir  legen  weniger  Gewicht  auf  die  Land- 
brücken von  Gibraltar  und  zwischen  Sicilien  und  Tunis,  als  auf  den 
Zusammenschluß  im  Osten,  der  wahrscheinlich  erst  in  der  jüngsten 


656  Die  geographische  Verbreitung  der  Pflanzen  und  Tiere. 


Tertiärzeit  durch  den  Einbruch  des  Eoten  Meeres  gestört  wurde. 
Für  die  Zuwanderung  nordischer  und  orientalischer  Organismen 
lagen  also  hier  die  Verhältnisse  viel  günstiger,  als  in  Südamerika, 
und  in  der  That:  Flora  und  Fauna  Afrikas  zeigen  in  gleicher  Wei?e 
ein  durchaus  altweltliches  Gepräge.  Wir  wissen  nicht  einmal  ob 
jene  eigenartigen  afrikanischen  Familien,  wie  der  insektenfiressende 
Goldmull  und  der  hyänenähnliche  Erdwolf,  die  nur  in  Südafrika 
leben,  oder  der  Klippschliefer,  eine  Art  Mittelglied  zwischen  Nagern 
und  Dickhäutern,  oder  das  Erdferkel,  eine  Familie  der  Zahnarmen, 
das  nur  noch  das  südliche  und  östliche  Afrika  bewohnt^  —  ob  diese 
Tierformen,  sage  ich,  Reste  einer  altafrikanischen  Fauna  oder  Ab- 
kömmlinge von  Einwanderern  sind,  die  sich  nur  hier  erhalten  haben. 
Ist  doch  das  Erdferkel  auch  in  den  obermiocänen  Pikermischichten 
Griechenlands  gefunden  worden.  Die  einst  weite  Verbreitung  der 
GirajBFen  und  Flußpferde  über  die  alte  Welt  ist  sichergestellt;  auch 
diese  Familien,  die  sich  in  der  heutigen  Säugetierschöpfung  recht 
altmodisch  ausnehmen,  sind  jetzt  nur  auf  Afrika  beschränkt. 

Die  Einwanderung  erfolgte  etappenweise.  Als  Madagaskar 
(vgl.  S.  556)  sich  von  Afrika  trennte,  war  die  Säugetierwelt  noch  eine 
recht  ärmliche.  Halbaffen,  die  im  nordischen  Ek>cän  vorkommen,  bilden 
den  hervorragendsten  Bestandteil  der  madagassischen  Fauna ;  die  anderen 
Ordnungen,  die  fast  ausschließlich  auf  den  Landweg  angewiesen  sini 
sind  nur  durch  wenige  Familien  vertreten.  Erst  spätere  Einwande- 
rungen brachten  die  großen  Typen,  die  jetzt  in  Afrika  vorherrschen, 
aber  auf  Madagaskar  fehlen,  die  Affen,  die  Löwen,  Leoparden  and 
Hyänen,  die  Einhufer  (Zebra  und  Verwandte),  die  Elefant-en.  Nas- 
hörner und  Flußpferde,  die  Giraffen,  Gazellen  und  Büffel.  Dagegen 
vermissen  wir  die  Bären  und  Maulwürfe,  das  Kamel  (das  in  der 
Sahara  erst  vom  Menschen  eingeführt  wurde),  die  Hirsche,  Ziegen 
und  Schafe,  den  wilden  Ochsen  (Bos)  und  das  wüde  Schwein  (Susi: 
Tiergruppen,  die  in  der  alten  Welt  sonst  überall  verbreitet  sind, 
fehlen  hier  also  vollständig.  Die  Artenarmut,  die  die  afrikanische 
Flora  charakterisiert,  zeigt  sich  auch  in  der  im  Vergleiche  zum 
Areal  geringen  Artenzahl  der  Säugetiere  sowohl,  wie  der  YögeL 

Die  Florenprovinzen  kann  man  in  der  Tierverbreitung  recht 
gut  wiedererkennen.  Vier  Säugetier-,  eine  Vogel-,  acht  Reptilien- 
und  drei  Amphibienfamilien,  die  im  äquatorialen  Westen  vorkommen, 
fehlen  im  übrigen  tropischen  Afrika,  und  dieses  hat  wieder  sechs 
Säugetier-  und  drei  Vogelfamilien  vor  dem  Westen  voraus.  Den 
Urwald  Guineas  bewohnen  die  großen  menschenähnlichen  Affen,  der 
Gorilla  und  Scliimpanse,  und  diese,  sowie  das  Zwergmoschustier 
Hyomoschus  und  einige  Schlangen  weisen  auf  Ostindien  hin.     Zvei 


Die  fintwicklung  der  Faunenreiche.  657 

Schlangengattungen  zeigen  Beziehungen  zu  Südamerika,  wie  solche 
a.uch  im  Pflanzenreiche  unverkennbar  zu  Tage  treten. 

Der  tropische  Osten  und  Süden  zeichnet  sich  dagegen  durch 
eine  auffallende  Gleichförmigkeit  in  Vegetation  und  Tierwelt  aus; 
nur  das  abessinische  Hochland  und  die  Urwälder  von  Mozambique 
machen  davon  eine  Ausnahme.  Die  Savanen  sind  die  wahre 
Heimat  der  großen  Huftiere  und  das  ergiebigste  Jagdgebiet  des 
Löwen. 

Den  außertropischen  Süden  kennzeichnet  auch  faunistisch  ein 
stark  ausgeprägter  Endemismus,  sowohl  unter  den  Säugetieren,  wie 
Skuch  in  der  Insektenwelt  Es  ist  ein  Anklang  an  die  so  merk- 
würdige Kapüora. 

Indisches  Beich.  Wenn  wir  die  Abkömmlinge  der  höheren 
Tierklassen  der  europäischen  Tertiärzeit  am  vollständigsten  beisammen 
finden  wollen,  so  müssen  wir  nach  Ostindien  gehen.  Dieses  Tropen- 
reich besitzt  relativ  die  meisten  Säugetiere  und  Landvögel,  und  es 
unterliegt  keinem  Zweifel,  daß  es  diesen  Reichtum  seiner  dauernden 
Verbindung  mit  der  großen  asiatisch-europäischen  Festlandsmasse,  der 
Greburtsstätte  der  meisten  modernen  Tierformen,  verdankt.  In  seiner 
Säugetierfauna  dürfte  als  der  eigentümlichste  Charakterzug  die  be- 
deutende Menge  von  Raubtieren  anzusehen  sein;  denn  wenn  auch 
in  Afrika  nahezu  gleichviel  Arten  vorkommen,  wie  in  Ostindien,  so 
beträgt  doch  die  mittlere  Artendichtigkeit  (auf  die  Mill.  qkm  berechnet) 
hier  10  und  dort  nicht  ganz  4.  Seine  Vogelwelt  ist  in  allen  Ord- 
nungen mit  Ausnahme  der  hier  fehlenden  Kurzflügler  mai^nigfaltiger, 
als  die  afrikanische,  und  mit  Ausnahme  der  Spechte  und  Papageien 
übertrifft  sie  auch  die  südamerikanische.  Aber  nicht  alle  Teile 
Ostindiens  sind  in  gleicher  Weise  ausgezeichnet.  Allen  voran  steht 
das  hinterindische  Gebiet,  das  sich  bis  nach  Südcliina hinein  erstreckt; 
und  dies  kann  uns  nicht  überraschen,  wenn  wir  bedenken,  daß 
Südchina  ein  Teil  des  Festlandsrumpfes  und  Hinterindien  eine  abge- 
gliederte Halbinsel  ist.  Die  Fauna  des  Südabhanges  des  Himalaja 
bis  ca.  3000  m  Höhe,  wo  das  aussertropische  Reich  beginnt,  ge- 
hört ebenso,  wie  seine  Flora,  zum  hinterindischen  Gebiete,  während 
die  Tierwelt  der  hindustanischen  Ebene  und  der  angrenzenden  Pla- 
teaulandschaften von  Dekan,  ebenso  wie  die  Flora,  noch  vielfach  an 
Afrika  erinnert.  Manche  altertümliche  Züge  weist  die  Fauna  des 
südlichen  Dekan  und  Ceylons  auf;  Formen  kehren  hier  wieder, 
die  nur  noch  im  Himalaja  und  auf  den  malaischen  Inseln  gefunden 
werden,  und  besonders  die  Insekten  zeigen  verwandtschaftliche  Be- 
ziehungen zum  östlichen  Archipel.  Auf  diesem  letzteren  hat  endlich 
die  Isolierung  vom  Festlande  und  die  Auflösung  in  Inseln  der  Fauna 

SDPA17,  Physische  Erdkunde.    2.  Aufl.  42 


658  Die  geographische  Verbreitung  der  Pflanzen  und  Tiere. 

ein  eigentümliches  Gepräge  verliehen,  wovon  wir  bereits  zu  sprechen 
Gelegenheit  hatten. 

Die  mittleren  und  höheren  Breiten  der  HordhalbkngeL  In  Ost- 
asien und  im  Mittelmeergebiete  einschließlich  Vorderasiens  hat  sich 
zwar  das  Klima  seit  dem  Tertiär  beträchtlich  verändert,  aber  keine 
Eiszeit  in  unserem  nordischen  Sinne 'hat  die  Entwicklung  der  orgii- 
nischen  Welt  völlig  unterbrochen.  Einige  tropische  Formen  konnten 
sich  daher  in  der  Tier-  wie  in  der  Pflanzenwelt  erhalten.  Zu  den 
mediterranen  Ausläufern  der  warmen  Zone  gehören  eine  kleine 
AfFengattung,  Macacus,  welche  Nordafrika  und  den  Felsen  von  Gib- 
raltar bewohnt,  mehrere  Fledermausgeschlechter,  einige  Antiloj)en- 
gattungen,  darunter  die  Gazelle,  die  sich  von  Nordafrika  bis  Iran 
verbreitet,  das  Stachelschwein  in  Südeuropa  und  Palästina,  die  Zibeth- 
katze  (Genette),  die  in  Südeuropa,  Nordafrika  und  Palästina  gefunden 
wird,  und  mehrere  Raubtiere,  wie  die  Hyäne,  der  Löwe,  Leopard, 
Serval  und  Gepard,  die  Nordafrika  und  zum  Teil  auch  das 
mediterrane  Asien  durchstreifen.  Weniger  bekannt  sind  die  Vögel 
doch  weiß  man,  daß  sie  in  Palästina  und  Persien  einen  entschieden 
außertropischen  Charakter  tragen.  Im  ostasiatischen  Übei^ngs- 
gebiete  treffen  wir  neben  einer  osttibetanischen  Affenart,  die  ein 
dicker  Pelz  gegen  die  Kälte  ihrer  Heimat  schützt,  wieder  den  Macacus. 
der  bis  Japan  hinauf  geht,  die  Zibethkatze  und  das  Stachelschwein 
an,  femer  die  ostindische  Wiederkäuergattung  Nemorhedus  und  das 
ebenfalls  ostindische  Flughömchen.  Die  chinesisch-japanische  Vogel- 
fauna, für  die  die  Fasanen  charakteristisch  sind,  unterscheidet  sich 
von  der  mediterranen  durch  ihr  vorwiegend  tropisches  (ostindisches) 
Gepräge,  und  ebenso  sind  die  japanischen  ReptiUen  und  Käfer  stark 
mit  Elementen  der  warmen  Zone  gemischt  In  der  neuen  Welt  ist 
die  califo mische  Fauna  durch  einige  tropische  Elemente  ausge- 
zeichnet, wie  durch  die  Blattnasen  und  Hundskopf-Fledermause, 
durch  mehrere  südamerikanische  Vogelgattungen  und  eine  Python- 
schlange. 

Im  mittleren  und  westlichen  Europa  können  wir  an  der  Hand 
der  paläontologischen  Zeugnisse  die  allmähUche  Umgestaltung  des 
Klimas  genau  verfolgen.  In  der  jungmiocänen  Zeit  war  es  noch 
tropisch,  in  der  pliocänen  gUch  es  schon  dem  gegenwärtigen,  und 
doch  war  die  Tierwelt  viel  reicher,  als  heutzutage.  Viele  Gattungen 
haben  sich  seitdem  nach  Indien  und  Afrika  zurückgezogen.  Selbst 
die  vorglazialen  Schichten  enthalten  noch  Überreste  von  Elefanten, 
Gazellen  und  Antilopen.  Die  Eiszeit  hat  einen  großen  Teil  dieser 
Fauna  vernichtet  und  der  Einwanderung  nordischer  Arten,  vielleicht 
vom  nordöstlichen  Asien  her,  freies  Feld  geschaffen.     In  der  Aus- 


Die  Entwicklung  der  Faunenreiche.  659 

l>ildiing  verschiedener  Vegetationsformationen  innerhalb  der  borealen 
Gebiete  war  ebenfalls  ein  Anlaß  zur  Entwicklung  faunistischer  Pro- 
vinzen geboten.    So  werden  die  Steppen  und  Wüsten  des  mittleren 
-A^siens  durch  zahlreiche  Huftiere  charakterisiert,  von  denen  mehrere, 
>w-ie  das  Pferd,  das  zweibuckelige  Kamel,  der  Jak,  das  Moschustier 
xind  ein  paar  Antilopengattungen  hier  ihre  Heimat  haben,  während 
die  Nadelwaldzone  durch  Pelztiere,    Rentiere  und  andere  nordische 
formen  ausgezeichnet  ist    Gewaltig  sind  endlich  die  Veränderungen, 
die   der  Mensch  durch  Ausrottung,  Züchtung  und  durch  die  Um- 
j^cestaltung  der  Vegetation  hervorgerufen  hat.   Daß  er  mit  den  großen 
Dickhäutern,  dem  Mammut  und  dem  wollhaarigen  Rhinozeros,  sowie 
mit  mehreren  ausgestorbenen  Raubtieren,  wie  dem  Höhlenbären,  Höhlen- 
t.iger  (fälschlich  Höhlenlöwe  genannt),  Höhlenwolf  und  der  Höhlen- 
liyäne,  in  Europa  zusammenlebte,  ist  durch  mehrfache  Funde  sicher- 
gestellt; aber  ihr  völliger  Untergang  erfolgte  schon  zu  einer  Zeit,  von 
der  uns  keine  schriftliche  Nachricht  Kunde  giebt.    Viel  später  erlagen 
die  großen  Wiederkäuer,  die  noch  im  Nibelungenliede  genannt  werden: 
der  Wisent  (Bison),  der  Ur  oder  Auerochs,  der  Stammvater  unseres 
zahmen  Rindes,  und  der  Scheich  oder  Riesenhirsch.    Der  Bisonstier 
kommt  nur  noch  in  einem  Distrikte  des  Kaukasus  und  im  Bialo- 
witzer  Walde  (russisches  Gouvernement  Grodno),  .hier  aber  nur  im 
gehegten    Zustand    vor.     Der    Ur    lebte   in    Frankreich   noch    im 
5.  Jahrhundert  unserer  Zeitrechnung,  im  Harz  noch  im  7.,  in  Böhmen 
noch  im  14.  und   in   Polen   noch   im    16.   Jahrhundert;    die   Aus- 
rottung schritt  also  mit   der  Kultur   von  Westen  nach  Osten  fort 
Das  Rentier  bewohnte  einst   ganz    Mittel-  und  Westeuropa,  wurde 
aber   aus   Frankreich   schon    in    vorgeschichtlicher   Zeit   verdrängt, 
während  es  in  Deutschland  noch  zur  Zeit  Cäsars  lebte  und  in  Nord- 
schottland noch  im  12.  Jahrhundert  gejagt  wurde.     Jetzt  ist  es  in 
Skandinavien  über  den  60.  Parallel  zurückgedrängt,  in  Asien  geht 
aber  seine  Aquatorialgrenze  viel  tiefer  herab  und  erreicht  an  der 
Ostseite   der   alten   und   im  Westen   der  neuen  Welt  46^  B.     Das 
Elen,  das  noch  zur  Zeit  der  sächsischen  Kaiser  die  deutschen  Wälder 
bewohnte,  ist  daraus  verschwunden  und  kommt  mit  Ausnahme  einiger 
preußischen  Forste,   wo  es  gehegt  wird,  nur  noch  in  Skandinavien 
vor.    Die  Hasen,  Hirsche,  Rehe,  Wildschweine   und  Gemsen   ver- 
mindern sich  zusehends;    der  Steinbock,  früher  im  ganzen  Alpen- 
gebirge zu  Hause,  findet  sich  jetzt  nur  noch  am  Monterosa.     Not- 
wendig war  der  Vertilgungskrieg  gegen  die  Raubtiere,  von  denen 
der  Wolf,  Luchs  und  Bär  aus  Mittel-  und  Westeuropa  zum  größten 
Teil  verschwunden  sind.    Der  Löwe,  der  noch  zur  Zeit  der  Perser- 
kriege über  ganz  Griechenland   bis  nach  Thracien  sich  verbreitete, 

42* 


660  Die  geographische  Verbreitung  der  Pflanzen  und  Tiere. 

ist  jetzt  aus  Europa  gänzlich  verwiesen.  Im  dicht  bevölkerten  China 
finden  die  Raubtiere  selbstverständlich  auch  keinen  Platz  mehr.  In 
Nordasien  und  in  Nordamerika  vermindern  sich  die  Pelztiere  stetig, 
und  auch  der  nordamerikanische  Bison,  der  manchmal  in  Herden 
von  20000  Individuen  die  Prärien  durchstreifte,  hat  sich  schon  aus 
vielen  Gegenden  zurückgezogen. 

Von  größter  Wichtigkeit  ist  die  Thatsache,  daß  die  höheren 
Faunen  Nordamerikas  und  Eurasiens^  viel  weiter  von- 
einander abweichen,  als  ihre  Floren.  Ein  einheitliches  nor- 
disches Faunenreich  selbst  nur  in  der  Ausdehnung  des  Detoe- 
schen  Florenreiches,  ist  von  keinem  Tiergeographen  mit  Aus- 
nahme Heilpbins  anerkannt  worden.  In  ihren  Typen  sind  allerdin^ 
beide  Faunen  gemeinsamer  Abstammung,  ja  in  der  untereocänen 
Säugetierfauna  ist  überhaupt  kein  Gegensatz  bemerkbar.  Nord- 
amerika und  Eurasien  müssen  damals  in  enger  Landverbindong  mit- 
einander gestanden  haben.  Aber  schon  im  obem  Eocän  beginnt 
die  Differenzierung,  wenn  auch  in  der  Miocänzeit  gelegenüicla 
Einwanderungen  aus  der  alten  in  die  neue  Welt  stattgefunden  haben 
mögen. 

In  beiden  nördlichen  Reichen  werden  die  einzelnen  Ordnun^^n 
der  Landsäugetiere  durch  folgende  allgemein  verbreitete  Familien 
vertreten:  die  Flattertiere  durch  die  echten  Fledermäuse,  die  In- 
sektenfresser durch  die  Maulwürfe  und  Spitzmäuse,  die  Eaubtierf 
durch  die  Katzen  (deren  hervorragendster  Repräsentant  der  Lach* 
mit  verschiedenen  Arten  in  beiden  Hemisphären  ist),  die  Wölfe  und 
Füchse,  die  Wiesel  und  ihre  Verwandten  und  die  Bären;  die  Hnt- 
tiere  durch  die  Schweine,  Hirsche  und  hohlhörnigen  Wiederkäuer, 
die  Nagetiere  endlich  durch  die  Ratten  und  Mäuse,  Springmäuse, 
Biber,  Eichhörnchen  und  Hasen. 

Innerhalb  dieser  Familien  besteht  ein  auffallender  Gegensatz 
zwischen  Nordamerika  und  der  alten  Welt  in  Bezug  auf  die  liohl- 
h()migen  Wiederkäuer.  Nordamerika  besitzt  davon  nur  5,  die  alte 
Welt  aber  52  Arten,  also  mehr  als  irgend  ein  anderes  Reich  mit 
Ausnahme  des  tropischen  Afrikas.  32  Arten  entfallen  auf  das  Ga- 
zellen- und  Ziegengeschlecht,  von  denen  das  erstere  in  Nordamerika 
ganz  fehlt,  und  das  letztere  nur  durch  eine  einzige  Art  vertreten 
ist.  Es  unterliegt  keinem  Zweifel,  daß  die  größere  Ausdehnung  der 
Steppen  Eurasiens  die  ICntwicklung   dieser   Familien    hauptsächlich 


^  Europa  und  Asien  werden  jetzt  liäufig  als  Eurasien  zusammengefaßt:  ein 
Ausdruck,  den  Viele  abgeschmackt  finden,  der  aber,  weil  die  Gegner  nicbts 
besseres  vorschlagen,  alle  Aussicht  hat,  sicli  einzubürgern. 


Die  Entwicklung  der  Faunenreiche.  661 

förderte.  Sonst  ist  Eurasien  noch  durch  eine  bedeutend  größere 
Anzahl  von  Fledermäusen,  Maulwürfen,  Katzen,  Hirschen  und  Spring- 
mäusen ausgezeichet;  dafür  besitzt  Nordamerika  beträchtlich  mehr 
Spitzmäuse,  Canidae  und  Eichhörnchen. 

Dazu  kommen  noch  einige  charakteristische  Familien,  die  nur 
in  je  einem  der  beiden  Reiche  allgemeiner  verbreitet  sind.  So  in 
Nordamerika  die  Taschenratten  und  die  auch  in  Südamerika  vor- 
kommenden Waschbären  und  Baumstachelschweine.  Dagegen  fehlen 
hier  die  Hufeisennasen,  der  Igel,  die  Maulwurfsratten  und  der 
Siebenschläfer,  endlich  auch  die  Pferde  und  Kamele,  die  aber  noch 
in  den  jüngsten  Tertiärablagerungen  gefunden  werden.  Ja  es  ist 
sogar  wahrscheinlich,  daß  der  Kameltypus  in  der  neuen  Welt  seinen 
Ursprung  nahm. 

Es  sei  hier  nur  noch  erwähnt,  daß  wir  in  der  Klasse  der 
Landvögel  ähnlichen  Gegensätzen  begegnen.  Die  in  beiden  Reichen 
allgemeiner  verbreiteten  Familien  zählen  mit  Ausnahme  der  Schlüpfer 
und  Kukuke  in  der  alten  Welt  mehr  Arten,  als  in  der  neuen;  be- 
sonders auffallend  ist  dieser  Unterschied  in  der  Gruppe  der  Sänger, 
von  denen  Eurasien  126,  Nordamerika  aber  nur  10  Arten  besitzt, 
und  in  der  der  Lerchen,  wo  sich  das  Verhältnis  wie  23:1  stellt. 

Überblickt  man  den  Faunenbestand  in  den  zwei  höchsten  Klassen 
(mit  Ausschluß  der  Wat-  und  Schwimmvögel),^  so  erhält  man  als 
Kesultat,  daß  in  beiden  Reichen  die  gemeinsamen  Familien 
überwiegen,  während  die  gemeinsamen  Gattungen  erheb- 
lich zurücktreten,  und  dieß  ist  um  so  überraschender,  als  in  der 
Pflanzenwelt  Nordamerikas  und  Europas  die  gleichen  Gattungen  in  der 
Regel  nur  durch  verschiedene  Arten  vertreten  sind. 

Der  Widerspruch  zwischen  den  Ergebnissen  der  Pflanzen-  und 
Tiergeographie  löst  sich  zwar  nicht  ganz,  wird  aber  gemildert  durch 


X  Nach  den  Tabellen  von  Wallace: 

Familien  Gattungen 
Land-         Land-  Land-         Land- 
säuger        Vögel  Säuger         vögel 


1. 

Gemeinsame  Fauna     .     .    . 

17 

26 

27 

54 

2. 

Nur  in  Eurasien 

13 

13 

62 

123 

davon  a)  endemisch  .... 

— 

— 

34 

52 

b)  auch  in  den  Tropen 

der  alten  Welt    .     . 

13 

13 

28 

71 

3. 

Nur  in  Nordamerika   .     .     . 

6 

8 

34 

114 

davon  a)  endemisch  .... 

2 

1 

22 

46 

b)  auch  in  den  Tropen 

der  neuen  Welt  .    . 

4 

7 

12 

6a 

662  Die  geographische  Verbreitung  der  Pflanzen  and  Tiere, 

die  Beobachtung,  daß  in  beiden  Reichen  das  gemeinsame  Element 
gegenüber  dem  endemischen  und  tropischen  immer  mehr  in  diu 
Vordergrund  tritt,  je  mehr  wir  uns  dem  Pole  nähern.  Es  ist  aller- 
dings richtig,  daß  in  Canada  noch  einige  echt  amerikanische  Säag*^- 
tiere  bis  an  die  Ufer  der  Hudsonbai  und  bis  in  das  nördüchi* 
Labrador  vordringen,  und  daß  auch  südamerikanische  Vögel,  wie 
die  Stelzen,  der  Königswürger  und  der  Kolibri  diese  Gregenden  !••- 
suchen;  aber  man  darf  auf  diese  Thatsache  kein  allzugroßes  G*-- 
wicht  legen,  denn  sie  hängt  mit  der  Beweglichkeit  der  Tiere  im 
Gegensatze  zu  den  an  den  Boden  gefesselten  Pflanzen  zusammen, 
weshalb  die  Flora  unter  allen  Umständen  einen  gleichförmigeren 
Charakter  besitzt,  als  die  Fauna.  Um  so  beachtenswerter  ist  e> 
aber,  daß  von  den  streng  arktischen  Tieren  3  Säugetierge^chlechter 
(Fjällfras,  Lemming  und  Rentier)  und  2  Säugetierarten  (Eisbär  unil 
Polarfuchs),  3  Gattungen  Landvögel  und  6  Gattungen  Wasservöirel 
eine  circumpolare  Verbreitung  haben.  In  Torells  Kaüdog  der 
arktischen  Vögel  finden  sich  unter  159  Arten  69  (also  43  Prozent), 
die  in  Amerika  und  in  Europa  vorkommen.  Die  mitgeteilt<^n  Zalderi 
imponieren  allerdings  nicht  durch  ihre  Größe,  aber  man  muß  sie  in 
Vergleich  setzen  mit  der  Dürftigkeit  der  arktischen  Tierwelt,  um 
ihre  Bedeutung  würdigen  zu  lernen.  Für  die  Abtrennung  eines 
arktischen  Faunengebietes,  die  wir  schon  in  der  ersten  Auflagi- 
dieses  Werkes  lebhaft  empfohlen  hatten,  sind  in  der  Folge  auch 
Zoologen,  wie  Braueb*,  Reichenow*  und  Möbiüs®  eingetreten.  Die 
Südgrenze  ist  durch  die  Baumgrenze  gegeben;  hier  erfahren  die 
Lebensbedingungen  der  Tiere  eine  völlige  Veränderung,  und  in  der 
That  reichen  auch  nur  bis  hierher  die  Lemminge,  während  sich  d:4> 
Verbreitungsgebiet  des  Rens  noch  weit  in  die  Waldzone  hinein- 
erstreckt.  Aber  nicht  allein  in  der  Circumpolarität  der  meisten 
Tiere  liegt  die  Berechtigung  zur  Aufstellung  eines  arktischen  Reiches, 
sondern  auch  —  wie  Brauer  treffend  bemerkte  —  darin,  daß 
einerseits  die  Polartiere  zum  Charakter  des  Landes  gehören, 
anderseits  ihr  Charakter  sich  aus  dem  des  Landes  erklären  läßt 

Fannengmppen  und  -reiche.  Die  Einteilung  der  Erde  in  5 
„Faunenregionen*',  welche  Sclater  im  Jahre  1857  auf  Grund  der 
Vögelverbreitung  vorschlagen  hat,  wurde  von  Wallace  auch  für  die 
Verteilung  der  Säugetiere  als  durchaus  zutreffend  befunden  und  gelanjrte 
dadurch  zu  hohem  Ansehen.  Wallace  teilte  seine  „Regionen"  weiter 
in  „Subregionen",  anderseits  faßte  auch  er  schon  die  Regionen  nach 
ihren  verwandtschaftlichen  Beziehungen  in  Einheiten  höherer  Ord- 
nung zusammen.  Zittel  hat  diesen  Gedanken  noch  schärfer  aus- 
gesprochen und  kennt  nur  drei  Säugetierreiche.    Wir  nennen  sie,  um 


Die  Entwicklung  der  Faunenreiche.  663 

w^enigstens  eüie  gewisse  äußere  Gleichartigkeit  mit  der  von  uns  adop- 
tierten   Floreneinteilung  zu  erzielen,  Gruppen,    und  teilen  sie    in 
Reiche;  die  letzteren  können  wieder  in  Provinzen  aufgelöst  werden, 
wofür  sich  Anhaltspunkte  in  unsem  bisherigen  Ausführungen  ergeben. 
Die  heutige  Säugetierwelt  —  und  im  Großen  und  Ganzen  gilt 
dies  auch  von  den  übrigen  höheren   Tierklassen  —  geht  von  drei 
Zentren    aus:    der    Arktogäa,    der    nördlichen    Halbkugel,    Süd- 
amerika und  Australien.    Die  arktogäische  Fauna  verbreitet  sich 
nicht    nur    über    alle   Nordkontinente,    sondern   auch   über   Afrika. 
Diese  Wanderung  und  die  Unterbrechung  der  nordischen  Entwick- 
lung durch  die  Eiszeit  sind  die  beiden  großen  Ereignisse,   die  die 
tiergeographischen  Verhältnisse  der  Gegenwart,  wenigstens  soweit  es 
die  höheren  Formen  betrifft,  bedingen.     Wir  können  darnach   eine 
förmliche  Altersreihe  der  Faunenreiche  entwerfen: 

Gruppe  Arktogäa. 

1.  Diis  arktische  Reich     \    ^     ^  av  a 

2.  Das  altboreale  Reich    }  '  t? 

3.  Das  neuboreale  Reich  J 

4.  Das  indische  Reich  mit  den  Abkömmlingen  der  Tertiär- 
fauna ohne  starke  Beimischung  nordischer  Formen; 

5.  Das  afrikanische  Reich  südlich  der  Wüste,  mit  mangel- 
hafter arktogäischer  Tertiärfauna  und  einigen  sonst  aus- 
gestorbenen Formen; 

6.  Das  madagassische  Reich  mit  ärmlicher  arktogäischer  Zu- 
wandcnmg  und  alten  Typen. 

Südamerikanische  Gruppe. 

7.  Südamerikanisches  Reich,  eine  alte  Fauna  mit  spärlicher 
arktogäischer  Beimischung. 

Australische  Gruppe. 

8.  Australien  mit  einer  Säugetierfauna  von  wesentlich  meso- 
zoischem Charakter. 

9.  Polynesien  ohne  Säugetiere. 

Die  Differenzierung  von  Norden  nach  Süden,  die  die  Floren- 
verbreitung beherrscht,  finden  wir  auch  in  den  tiergeographischen 
Erscheinungen  wieder:  erst  ein  circumpolares  Reich,  dann  ver- 
schiedene Reiche,  aber  zu  derselben  Gruppe  gehörig;  endlich  ver- 
schiedene Gruppen.  Der  Endemismus  der  südhemisphärischen  Länder 
ist  doppelt  so  groß,  als  der  der  nordhemisphärischen;  altertümliche 
Tierformen,  die  als  Zeugen  einer  längstentschwundenen  Vergangen- 


664  Die  geographische  Verbreitung  der  Pflanzen  und  Tiere. 

heit  in  unsere  Zeit  hineinragen,  finden  wir  mit  wenigen  Aasnahmen 
nur  jenseits  des  Äquators.  So  die  Ordnungen  der  Schnabeltiere, 
Beutler  und  Zahnarmen,  die  breitnasigen  Affen  und  die  meisten 
Halbaffen,  den  Borstenigel,  den  GroldmuU,  den  Erdwolf,  das  Borsten- 
ferkel, das  Schopfhuhn,  die  merkwürdige  Hatteria  punctata  Neusee- 
lands, die  Eigentümlichkeiten  der  Eidechsen,  Krokodile  und  Vögel 
in  sich  vereinigt,  u.  s.  w.  Nur  auf  die  Südkontinente  beschränkt  sind  auc!i 
die  großen  Laufvögel,  die  im  Eocän  auch  Europa  und  in  der 
Miocänzeit  noch  Vorderindien  bewohnten,  und  deren  Vorkommen  anf 
eine  lange  Abwesenheit  großer  Raubtiere  deutet  In  Afirika  be- 
wohnt der  Strauß  nur  die  nördliche  Wüste,  wo  er  von  Feinden 
weniger  gefährdet  ist;  sein  nächster  Verwandter  ist  der  südameiika- 
nische  Nandu.  Australien  hat  den  Emu  und  gemeinsam  mit  den 
papuanischen  Inseln  die  Casuare,  und  Neuseeland  den  KiwL  Auf 
der  letzteren  Insel  wohnten  noch  zwei  andere  Familien  gigantischer 
Laufvögel,  von  denen  die  letzten  wohl  erst  vom  Menschen  ausge- 
rottet wurden.  Auch  die  Riesenvögel  Madagaskars  dürften  erst  in 
der  geologischen  Gegenwart  ausgestorben  sein. 

So  spiegeln  sich  in  der  organischen  Welt  die  beiden  großen 
geographischen  Gegensätze  wieder:  die  alte  und  neue  Welt  die 
Nord-  und  Südkontinente.  Und  überall  begegnen  wir  auch  hier 
im  positiven,  aber  mehr  noch  im  negativen  Sinne  den  Spuren  der 
Eiszeit,  und  nur  in  den  beglückteren  südlicheren  Ländern  finden 
wir  noch  Reste  einstiger  Tropenfülle. 

Litteraturnachweise.  *  Willace,  Die  geographische  Verbreitung  der 
Tiere,  Dresden  1876.  Heilpbik,  The  geographica!  and  geological  Distribution 
of  Animals,  New  York  1887.  Zittel,  Rückblick  über  die  geologische  Ent- 
wicklung, Herkunft  und  Verbreitung  der  Säugetiere;  in  den  Sitzungsberichten 
der  bayerischen  Akademie  der  Wissenschaften  1893.  Marshall,  Atlas  der 
Tierverbreitung,  Gotha  1887,  in  Bergbaus*  Physikalischem  Atlas.  —  *  Iheeik«. 
Die  alten  Beziehungen  zwischen  Neuseeland  und  Südamerika,  im  „Ausland'' 
1891;  Die  Paläo-Geographie  Südamerikas,  ebendaselbst  1893.  —  *  Jack  und 
ErHERiDQE,  cit  S.  298.  —  *  Brauer,  Die  arktische  Subregion,  in  den  Geo- 
logischen Jahrbüchern  1887.  —  *  Reichenow,  Die  Begrenzung  geographischer 
Regionen  vom  omithologischen  Standpunkt,  ebendas.  1887.  —  •  Möeius,  Die 
Tiergebiete  der  Erde,  Berlin  1891. 


Register. 


Die  Autorennamen  sind  gesperrt  gedruckt    *  bei  der  Seitenzahl  bedeutet,  daß  auf  der 
betreuenden  Seite  eine  Litteraturnotlz  sich  findet. 


Aachener  Quelle  868. 

Aachqnelle  524. 

Aare  526. 

Abaco,  Gezeiten  234. 

Abdachnngsthäler  4Q0. 

xVbdfimmnngsstofen  395. 

Abessinien,  Grewitter  189,  Morphologie 
314,  457,  Ambas  454,  Waldgrenze 
604,  Flora  628,  Fauna  657. 

Abfloß  der  Seen  542. 

Abflußlose  Gebiete  522,  523. 

Abgegliederte  Halbinseln  549. 

Abgliederungsinseln  559. 

Abieh  141,  543. 

Ablation  341. 

Ablenkung  horizontal  sich  bewegender 
Körper  17. 

Abplattung  der  Erde  5. 

AbraMon  341,  418,  486. 

Abrasionsterminante  420. 

Abschließnngsküsten  583. 

Abschmelzung  der  Gletscher  162. 

Absolute  Feuchtigkeit  116. 

Absolutes  spezif.  Gewicht  des  Meer- 
wassers 217. 

Absteigende  Quellen  864. 

Abukir,  See  v.,  426. 

Abweichung  der  Temperatur  86. 

Abyschkansee  544. 

Abyssische  Region  85. 

Achenflee  533. 

Ackerberge  494. 

Adamello,  Schneegrenze  149. 

Adda  515,  545. 

Aden,  Golf  v.,  314. 

..Adlergmnd*'  (Schiff)  248. 

Adobe  414. 

Adriatisches  Meer  191,  193,   200,  238. 

A^rophile,  Ballon  55. 


Afar  814. 

Äfften  645,  649,  654,  664. 

Affenbrotbaum  599. 

Afrika,  höchste  Breite  25,  Grenzen  28, 
Areal  30,  Oberfläche  32,  Höhe  36, 
39,  Temperatur  66,  67,  68,  70,  71, 
81,  Luftdruck  u.  Winde  106,  Regen 
128,  129,  135,  Regenwahrscheinlich- 
keit 131,  Klimaprovinzen  174,  Graben- 
gebiet 314ff.,  Vulkane  310,  311, 
314,  Erdbeben334,  Laterit352,  Deltas 
406,  Bodenarten  428,  429,  Mor- 
phologie 443,  491,  Flüsse  521, 
527,  Wasserscheiden  522,  Abfluß- 
lose Gebiete  522,  523,  Abdach- 
ungen 523,  Depressionen  537,  Seen 
542,  Halbinsehi  549,  Küsten  575,  Küs- 
tenabstand 587,  Küstenentwickelung 
587,  Fahnen  595,  596,  Urwald  609, 
Palmenwftlder  610,  Savanen  612,  613, 
Steppen  u.  Wüsten  617,  618,  Busch- 
land 620,  yegetationsformationen620, 
Flora  622,  Nahrungsgewächse  639, 
Verbindung    mit   Südamerika    655, 

..  Fauna  655  f.,  663. 

Ägäisches  Meer  193,  200,  813,  553, 
Küsten  558. 

Agassizsee  545. 

Agaven  600,  617,  632. 

Agh  Sibyr  320. 

Ägina  813. 

Agi-amer  Erdbeben  325,  328. 

Agulhasströmung  246. 

Ägypten  31,  Wüstenwinde  115. 

Ahorn  611. 

Ainthal,  Veränd.  d.  Aussichtsweite  296. 

Airy  235,  Formel  224. 

Akaba,  Golf  v.,  314. 

Akanthus  624. 


666 


Register 


Akazien  610,  611,  620. 

Akiz-See  533. 

Akmolinsk,  Verdunstung  u.  Kegen  544. 

Aktische  Region  85. 

Alakui  544. 

Alaschan,  Regen  124,  Waldgrenze  617. 

Alaska,  Vulkane  311,  Waldgrenze 
601. 

Alatau,  Waldgrenze  604. 

Albaner  Gebirge  313. 

Albanien,  Bora  113. 

Albano  367. 

Albert  Edward-See  315. 

Albert-See  315. 

AlbuenQord  582. 

Aldabra  556. 

Aletsehgletscher  153, 167,  Pflanzen  606. 

Alenten  553. 

Alexandrien,  Regen  127. 

Algen  546,  547. 

Algier,  Föhn  115,  Regen  136,  Küste 
577. 

Algonquinsee  545. 

Alibertberg,  Temperatur  59. 

AUeghanies  83,  Föhn  115,  Beziehung 
zum  Vorland  478,  Alter  u.  Höhe  484, 
Bau  485,  Geschichte  487,  Durch- 
gangsthftler  512. 

Aller  525. 

Allier  526. 

Alligator  645. 

Allothorien  655. 

Alluvium  20,  182,  183,  842,  428,  430, 
432. 

Aloe  591,  598,  632. 

Alpaka  655. 

Alpeinerferner  164. 

Alpen,  Schweremessungen  13,  Unter- 
schied zwischen  Sonnen-  und  Schat- 
tentemperatur 58,  Föhn  114,  Regen 
123, 124,  125, 138,  Hagel  141,  Schnee- 
grenze 149,  Gletscher  152ff.,  156, 
166,  angebliche  Klimaänderung  188, 
Vulkane  313,  Erdbeben  334,  höchste 
kalte  Quelle  367,  Klammen  387, 
Thalbildung  392,  Moränenlandschaf- 
ten 430,  Betrag  des  Zusammenschu- 
bes 466,  Bau  465,  468,  470  f.,  Fal- 
tungsperioden 473,  Richtung  474,  Ab- 
grenzung 475,  476,  Einteilung  476, 
Beziehung  zum  Vorland  477,  Gipfel- 
höhe 483,  Längsthäler  507,  Gliede- 
rung 511,  Durchgangsthäler  511  f., 
ThjJ Wasserscheiden  516  f.,  Verhältnis 
zur  europ.  Hauptwasserscheide  523, 
Seen  536,  540,  Flora  590,  628,  Vege- 
tationsgrenzen 604,  Getreidegrenze 
635,  Fauna  647,  (s.  weiter  Ostalpen, 
Schweiz). 

Alpensystem  32,  475. 


Alpen-Windröschen  590. 

Alpine  Flora  628. 

„       Gletscher  151,  166. 
„      Pflanzenregion  606. 
„      Tiere  647. 
„       Waldgrenze  605. 

Altai  635. 

Altdorf,  Temperatur  114. 

Alte  Floren  628. 

Altenigord,  Strandlinien  284. 

Altertum  der  Erde  19. 

Alte  Welt  s.  Ostfeste. 

Altstätten,  tägl.  Wärmeschwauknng  80. 

Alttertiär  20. 
,   Alvordthal  460. 
I   Altwasser  376. 
j   Aluta  (Alt)  508,  512,  515. 

Amazonas,  Gezeitengrenze  238,  Wa&^r- 
I  menge  373,  Mündungsform  403,  407. 
'       System  525,  Größe  527,    Barre  5H5. 

Amazonasebene,  Regen  128, 135,  Strand- 
verschiebung 293,  Bodenarten  430, 
Bau  448,  Vegetation  596,   608,    609. 

Ambas  454. 

Ameisen  644,  Humusbildung  346. 

Ameisenbär  653. 

Amerika,  höchste  Breite  25,  Zweiteilunji 
27,  Oberflächenformen  32,  Tempera- 
tur 66,  67,  73,  87,  Temperaturab- 
weichung 87,  Regen  Wahrscheinlich- 
keit 131,  Schneegrenze  148,  Tropen- 
gletscher 166,  Klimaprovinzen  175, 
Vulkane  311,  Erdbeben  335,  Deltas 
406,  Wasserscheiden  522,  Küste  574, 
575,  Küstenabstand  587,  Vegetations- 
formationen 620,  Flora  621,  625, 
Nahrungspflanzen  638,  639. 

Amerikanische  Cy klone  108. 

Amerikanisches  Mittelmeer  192,  Areal 
und  Tiefe  193,  Bodenrelief  200,  Ge- 
schichte 206,  Strömungen  243,  Fluß- 
gebiet 523. 

Amiens,  Schwelle  499. 

Ammoniakgehalt  der  Luft  42. 

Amphibien  643, 645,  Verbreitungsmittel 
558. 

Amsterdam-Insel,  Flora  602,  626. 

Amu  528. 

Amur  374,  408,  525. 

Amuri,  Erdbeben  337. 

Amurland,  Savanen  614. 

Amur-Liman- Strömung  247. 

Anakonda  645. 

Ananasgewächse  608. 

Ancylus  fluviatilis,  Schichten  d.  286. 

Andalusien,  Erdbeben  337. 

Andalusisches  Gebirge,  Vulkane  313. 
Bau  474,  477,  480. 

Andamanen  571. 

Andamanisches  Meer  192,  193. 


Register. 


667 


Andes,  Wärmeabnahme  56,  Schnee- 
grenze 148,  Gletscher  169,  höchste 
kalte  Quelle  367,  Hochflächen  445, 
Gipfel  483,  Wasserscheide  523,  See- 
zone 540,  Pflanzenregionen  603, 
Walderenze  604,  605,  waldloser  Teil 
616,  äpineFlora  630,  Getreidegren- 
zen 635,  636. 

.^desit  299. 

Androsace  lactea  590. 

Andrassow  542,  548*. 

Anemone  alplna  590. 

Aneroid  440. 

Angara  374. 

Angefügte  Ebenen  448,  449. 

Angegliederte  Halbinseln  549,  550. 

Angot  62*. 

Angra  Pequena,  Gezeiten  234. 

.\jiio  515. 

Ankogel,  schneefreies  Gebiet  145. 

S.  Anna- Atoll  569. 

Anoa  depressicomis  557. 

Anomale  Wasserscheide  511,  512. 

Anschwemmung  des  Meeres  423  fi^. 

Antarktische  Provinz  34. 

Antarktisches  Hochdruckgebiet  91,  93. 
„  Meer  s.  südl.  Eismeer. 

„  Plateau  197. 

„  Windgebiet  106,  107. 

Antarktische  Waldgrenze  602. 

Antecedenztheorie  513. 

Antholzer  See  532. 

Anticyklonen  94. 

Antiklinale  463. 

Antiklinalkamm  464. 

AntikUnalthal  464,  507,  508. 

Antilibanon,  Rarstphänomen  363. 

Antillen  32,  552,  553,  Vulkane  314, 
Fauna  655. 

Antillenströmung  243,  244. 

Antilopen  658,  659. 

S.  Antioco  426. 

Antipassat  101. 

Antipodeninsel  25. 

Antisana,  Temperatur  57,  lel.  Feuchtig- 
keit 118. 

S.  Anton,  Begen  125. 

Anziehungskraft  von  Sonne  u,  Mond  17. 

Äolische  Ablagerungen  410  ffi,  428,  430, 

..  432,  433. 

Äolische  Ausräumungsbecken  534,  535. 

Äolischer  Felsboden  427,  428,  432. 

Apenninen  30,  475,  476,  Vulkane  313. 
Erdbeben  334,  Bau  478,  480,  Ge- 
treidegrenze 635. 

Aphel  45. 

Aphroessa  305,  505. 

Appalachen  83. 

Apsidenlinie  46. 

Apuanische  Alpen  480. 


Äquatoriale  Gegenströme  246,  251. 

Äquatoriale  Pflanzenwelt  592- 

Äquatorialer  Regengürtel  128. 

Äquatoriales    Barometerminimum     91, 

..  102,  107. 

Äquatorialhalbmesser  5. 

Äquatorialklima  81,  82,  83. 

Äquatorialseite  der  Cjklonen  96. 

Äquatorialströmungen  242,  246,  251, 
257. 

Arabien  31,  550,  Winde  105,  116, 
Regen  127,  Vulkane  314,  Bau  443, 
Tafelberge  454,  Wüste  und  Steppe 
410,  617. 

Arabischer  Meerbusen  191. 

Aradsch-Oase  537. 

Arago  139. 

Aral-kaspisches  Tiefland,  tägl.  Wärme- 
schwankung 79,  Regen  126,  136, 
Klimaprovinz  174,  Bodenbewegungeii 
297,  Dünen  412,  Bau  448,  Seen  542, 
544,  Pflanzenwelt  617,  623. 

Aralsee  448,  536,  543. 

Aräometer  213. 

Axapahoe  Peak  497. 

Aras  530. 

Araukanische  Formation,  Fauna  653. 

Araukarien  600,  610,  622. 

Arbroath,  Riffreihe  420. 

Archäisches  Zeitalter  (Formations- 
gruppe) 19. 

Archiguayana  653. 

Archipel  552. 

Archiplata  653. 

Arcona  416. 

Ardennen  494. 

Arecapalme  597. 

Aretin  351. 

Argastoli,  Quelle  358. 

Argäus  313. 

S.  Argentario  426. 

Argentinische  Ebene  s.  Pampas. 

Argonnenwald  455. 

Arica,  Bucht  v.  29,  Erdbeben  197,  225. 

Arkansas,  Canon  388. 

Arktische  Inseln  558,  581. 

Arktische  Pflanzenzone  602,  623. 

Arktische  Provinz  34,  Niederschläge 
123,  Klima  175,  Küste  575. 

Arktischer  Archipel  von  Nordamerika 
552,  558. 

Arktisches  Hochdruckgebiet  91,  93. 

Arktisches  Meer  s.  nördl.  Eismeer. 

Arktische  Tierwelt  645,  662,  663. 

Arktische  Waldgrenze  601. 

Arktogäa  663. 

Arlberg,  Regen  Verteilung  125. 

Armenien  30,  Vulkane  313,  Getreide- 
grenzen 636. 

Armorikanisches  Gebirge  490. 


668 


Register. 


Arongewächse  598,  608. 

Aronswurzel  637. 

Artesische  Bronnen  365. 

Artischokendistel  682. 

Arondarien  599. 

Asa  Gray  611. 

Asale  587. 

Asar  430. 

Ascension  552,  tägl.  W&rmeschwan- 
kung  81,  Regen  132,  Flora  571,  596. 

Aschenkegel  809. 

Asien,  höchste  Breite  25,  Areal  SO,  Ober- 
flftchenform  30,  Höhe  36, 39,  Tempera- 
tur 68»  69, 70,  tägl.  Wärmeschwankung 
7«,  Luftdruck  und  Winde  103  f., 
107 ff..  Regen  125,  131,  180,  Glet- 
scher 167  f.,  Klimaprovinzen  174, 
Vulkane  310,  Erdbeben  334,  Boden- 
arten 428,  Abdachungsgebiete  523, 
Abflußlose  Gebiete  522,  523,  Wasser- 
scheiden 522,  Flüsse  527,  Halbinseln 
549,  Küste  574f.,  Küstenabstand  587, 
Palmen  596,  Grenze  der  immer- 
grünen Bäume  600,  sommergrüne 
Laubbäume  600,  Vegetationsforma- 
tionen 620,  Flora  622,  Getreidegrenze 
634,  Zentren  von  Nahrungspnanzen  ' 
639,  Fauna  657,  659,  660 tT,  663.  i 

Asowsches  Meer,  Eisbildung  268. 

Aspiration spsychrometer  54. 

Assai  597. 

Assalsee  537. 

Assmann  54. 

Astrachan,  Verdunstung  u.  Regen  126, 
544. 

Astragalus  591. 

Ästuarien  407. 

Astuariumshäfen  585. 

Asymmetrische  Faltengebirge  470,  494. 

Asymmetrische  Thäler  386. 

Atacama,  Regen  128,  Vegetation  618. 

Athabaskasee  485. 

Atlantischer  Küstentypus  575. 

Atlantischer  Ozean  25,  26,  Areal  27, 
193,  Tiefe  39,  193,  197,  Lufttem- 
peratur 65,  Windgeschwindigkeit  89, 
Luftdruck  und  Wind  102 ff.,  108, 
Regen  125,  127,  128,  130,  133, 
Bodenrelief  195,  198,  Bodenbedeck- 
ung 202 ff.,  Alter  206,  Sabsgehalt 
214,  Farbe  218,  Wellen  221,  222, 
Gezeiten  233 ff.,  239,  Strömungen 
242 ff.,  251,  Oberflächentemperatur 
252,  256,  257,  Tiefentemperatur  255, 
262  ff.,  267,  Zuganesdimensionen  264, 
Vulkane  310,  Flußgebiet  523,  Inseln 
570. 

Atlantischer  Torf  182. 

Atlantische  Welt  34. 

Atlas  30,    Regen  127,    Vulkane  313, 


Erdbeben    334,    Richtung  476,    Be- 
ziehung zum  Vorland  477 ,  Flora  630. 

Atmosphäre  s.  Luft 

Ätna  304,  307,  334,  502,  Erdbeben 
384,  Kraterweite  501,  G^treidegrenze 
635. 

Atoll  564. 

Aubry  457,  463*. 

Auchenien  654. 

Auckland,  Vulkane  502. 

Aucklandinsel  559. 

Auerberg  493. 

Auerochs  659. 

Aufgelöste  Flexurgebirge  498  f. 

Aufgesetzte  Ebenen  443,  449,  491. 

Aufschließungsküsten  583. 

Aufechüttungsbecken  531,   532  f.,  535. 

Aufschüttungsboden  428,  429,  432. 

Aufschüttungshäfen  583. 

Aufsteigende  Luftstrome  52. 

Aufsteigende  Quellen  365. 

Auftriebwasser  253  ff. 

Ausfüllungsdelta  404. 

AusfuUungsterrassen  390. 

Ausgeglichene  Küste  577,  578,  583. 

Ausräumungsbecken  534,  535. 

Anßenküste  575. 

Äußere  Zone  64,  im  Januar  68,  im 
Juli  70. 

Aussichtsweite,  Veränderungen  296. 

Australalpen  491,  492. 

Austral-asiatisches  Mittelmeer  192, 193, 
Areal  und  Tiefe  198,  Bodenrelief  200, 
Sabsgehalt  216,  Strömungen  241, 
Tiefentemperatur  267. 

Austräte  Florenzone  625  f.,  628. 

Australgolf  29. 

Australien,  höchste  Breite  25,  Grenzen 
27,  Oberflächenform  32,  Höbe  36, 
39,  Temperatur  66,  68,  70,  Wärme- 
Schwankung  79,  Luftdruck  u.  Winde 
105  f.,  Wüstenwinde  116,  Regen  12S. 
129,  135,  Hagel  141,  Klimaprovinzen 
174,  175,  NiveauveränderuDgen  290, 
291,  Flüsse  373,  527,  Bodenarten  428, 
429,  431,  Bau  443,  453,  495,  Ab- 
flußloses Gebiet  522,  523,  Wasser- 
scheiden u.  Abdachungen  528,  Binnen- 
seen 542,  545,  Halbinsebi  549,  Küste 
575,  Küfltenabstand  587,  Flora  594, 
622,  625,  626,  632,  Pabnen  595,  596, 
Eukaljptenwälder  611,  Steppen  u. 
Wüsten  616,  618,  Skrub  619,  Vege- 
tationsformationen  620,  Fauna  651, 
663. 

Australische  Flachsee  199. 

Australisches  Riff  564. 

Australmonsun  105. 

Auvergne  504. 

Avoca  530. 


Register. 


669 


Avon  530. 
Äye-Aye  656. 
Azoren  572,  573,  624. 

Babimsa  alfarus  557. 

Backerinsel,  Regen  132. 

Baden-Baden  368. 

Bad  land  erosiun  454. 

T.  Baer  528,  529,  543,  641. 

Baersches  Gresetz  529. 

Baffinbai  191. 

Bagdad,  Regen  127. 

Bagn^res'de-Luchon  368. 

Uagn&reö-di-Bigonre  368. 

Bahia,  Gezeiten  234. 

Bahr  el  Ghasal  543. 

Baikalsee  536,  537,  538. 

Baku,  Schlammsprudel  320,  321. 

Balkan   30,    Vulkane  313,    Bau    475, 

Einteilung  477,  DurchgaDgsthal  512, 

Völkerscheide  519. 
Balkanhalbinsel  549,  551,  553. 
Balkaschsee  544. 
Ball  606. 
Ballah,  Seen  28. 
Ballonfahrten  54  f. 
Baltische    Länder,    Temperaturabwei- 

chung  87. 
Baltische  Seenplatte  447,  522. 
Bambus  598,  599. 
Bananen  597. 
Banatergebirge  512. 
Bandainseln  557. 
Bandaisan  804,  308. 
Bsndlicht  49. 
Bandstruktur  der  Gletscher  158,   der 

Bergabhänge  349. 
Banyanen  598. 
Barabasteppe  615. 
Barbadoes  568. 
Barchane  412. 
BSren  656,  659,  660. 
Bärensee  485. 

Barentsee,  Tiefentemperatur  266. 
Bamanl,  Regenschwankungen  180. 
Barometerschwankungen  109. 
Barometrische  Höhenmessung  440. 
Barometrisches  Maximum  94. 
Barometrisches  Minimum  94. 
Barral-Bixio  55. 
Barranco  502. 
Barren  200,  403,  585. 
Barren  Valley  460. 
Barriereriff  564. 
Barth  79. 
BaiysphSre  7. 
Basalt  299,  319. 

Basel,  jfthrl.  Wärmeschwankung  83. 
Basische  Eruptivgesteine  299. 
Batate  637. 


Batavia,  tägl.  Wärmeschwankuug  81. 

Bates  645. 

Batholithen  506. 

Bätisches  Gebirge  s.  andalusisch.  Geb. 

Bauemgraben  359. 

Baumann  315,  322*,  525. 

Baumfam  591,  598. 

Baumgrenze  s.  Waldgrenze. 

Baumstachelschwein  654,  661. 

Baumwolle  637. 

Bayrische  Hochebene  Klima  112. 

Bayrischer  Wald  629. 

de  Beaumont  484. 

V.  Bebber  42*,  77*. 

Becker,  G.  H.,  13*. 

Beelfoot  Lake  534. 

Beerensträucher,  Zone  der,  637. 

Behr  619. 

Beifußgewächse  617. 

Bekaä  314. 

Belcher  563. 

Beleuchtungszonen  46. 

Belgien,  Wald  631. 

Belize,  tägl.  Wärmeschwankung  80. 

Bell  496*. 

Beil-Rock  417. 

Belutschistan,  Erdbeben  332. 

BeneS  «,  7*. 

Bengalen,    vertikale    Wärmeabnahme 

56,  57,  60,  Regen  126,  Erdbeben  337. 
Bengalen,  Meerbusen  v.  191. 
Benguela,  Gezeiten  234. 
Benguelastrom  246,  253. 
Ben  Nevis,  Temperaturabnahme  56. 
Benthos  203. 
Berendt  160,  530. 
Beresow,  Sommertemperatur  636. 
Berg  436. 

Bergfeuchtigkeit  354. 
Berg  haus,  Heinrich  585. 
Berghaus,    Herrn.,    206*,    278*,   500, 

524,  636,  639*. 
Bergklima  57  f.,  83. 
Bergkrankheit  42. 
Bergland  437. 
Berglauf  520. 
Bergreis  633. 
Bergschrund  160. 
Bergsturz  351. 

Bergunthai,  Erdpyramiden  351. 
Berg  wind  111. 
Beringmeer  192,    Areal  u.  Tiefe   193, 

Bodenrelief  199,  Eisbildung  268.. 
Beringetraße  25,  26,  198. 
Berlin,    Zahl    der  heiteren  Tage    121, 

Grundwasser   355,  Mächtigkeit    des 

Diluviums  447,  Seehöhe  447. 
Berliner  Verein  f.  Luftschiffahrt  54. 
Bermudas  552,  570,  Flora  und  Fauna 

571,  572,  573. 


i 


670 


Register. 


Bern,  tÄgl.  WärmcBchwankung  80. 
St.  Bernhard  59,  80. 
Bernina  483,  605. 
Berson  42,  55,  121. 
Besenstrauch  591. 
Beßarabische  Depressionen  536. 
Bessel   5,  6. 
Besteck  241. 
Bestrahlungsstfti'ke  48. 
Betelnuß  597. 
Beutelratten  653. 
Beuteltiere  651,  658,  664. 
Bevers  59,  80,  83. 
Bewölkung  121. 
V.  Bezold,  101*,  141*. 
Biafogletscher  168. 
Bialowiteer  Wald  659. 
Biber  660. 

Biermann  184,  190*. 
Bifurcation  524. 
Billwiller  112. 
Bimsstein  304. 
Binnendelta  403. 
Binnen depressionen  536. 
Binnenlanddünen  410,  412. 
Binnenmeere  191,  Salzgehalt  216,  Ge- 
zeiten 238. 
Binodale  Wellen  227. 
Binsen  547. 
Birke  591,  612. 
Birkeutuff  182. 
Birket  el  Kerun  537. 
Bisamochs  646,  648. 
Bischof  9. 
Biskra  121,  127. 
Bismarck- Archipel  811. 
Bison  659,  660. 
Bitterseen  28,  548. 
Blaas  401*. 
Black  Hills  499. 
Blanc  415*,  531*. 
Blanckenhorn  499*. 
Blanford  111,  116*,  190,  543. 
Blatt  (geologisch)  272,  275. 
Blattnasen  654,  658. 
BlauMs  155. 

Blauer  Schlick  201.  205. 
Blink  528,  531*. 
Block-Insel,  Gezeiten  234. 
Blocklava  803. 
Bludenz,  Eegen  125. 
Blue  Mountains  487. 
Blümcke  397,  401*. 
Blunt  617. 

Bly tt  181, 182, 186, 187,  190*,  281,  286. 
Blyttsche  Klimaperioden  185. 
Bocche  di  Cattaro  583. 
Bochomo  112. 
Bodden  576. 
Bodenarten  345,  427  ff. 


Bodeneis  74. 

Bodensee  528,  545. 

Bodmer  392,  401*. 

Bogendünen  412. 

Bogenförmige  AbrasionskQsten  420. 

Bogenförmige  Faltengebirge  473. 

Bogoslowa  317. 

Bogota  189,  604. 

V.  Boguslawski  206*,  244. 

V.  Böhm  479*,  540,  548*. 

Böhmen,  Kegeu  125. 

Böhmer  Wald  847,  490. 

Böhmisches  Massiv  474,  490,  491. 

Böhmisches  Mittelgebirge  313,  504. 

Boiumgletscher  170. 

Bokkeveld-Berge  484. 

Böigen,  Strandterrasse  419. 

Bolivia  83,  685. 

Bolsena,  Kratersee  313. 

Bomben  299. 

Boninströmung  247. 

Bonn,  Länge  des  Sekundenpendels  3. 

Bonneville-See  184,  296,  545. 

Bonvalot  810. 

Boothia  Felix,  Niederschlfige  142. 

Bora  113. 

Boraxseen  543,  544. 

Bore  238. 

Boreale  Flora  622,  625,  627. 

Boreale  Wurzelschicht  182. 

Borgen  234,  235*,  271. 

Borkum  117,  421,  555. 

Bornemann  322*. 

Bournemouth,  Erdpyramiden  351. 

Bomeo  557,  605. 

Börsch  211. 

Borstenferkel  654,  664. 

Borstengras  546. 

Borstenigel  654,  655,  664. 

Böschungen  auf  dem  Meeresboden  und 

Festland  194,  im  Gebirge  348  ff. 
Bosnien  394. 
Bourbon -Vulkan  303. 
Bourdaloue  296. 
Boussinesq  375,  381*. 
Bozen,  Erdpyramiden  851. 
Bracciano,  Kratersee  v.,  813. 
Brackebusch  155,  165*. 
Brackwasser  402. 

Brahmaputra  405,  Thal  508.  i 

Branco  299,  313,  322*,  454,  455. 
Brandis  607.  i 

Branjdt,  K.  650*. 

Brandung  223,  4^7.  l 

Brandweinsbai,  Korallenriffe  570. 
Brasilianisches  Sandsteinriff  421.  1 

Brasilien,  Gebirge  38,  448,  491,  Lato-  I 

rit  352,  Strandseen  538,  Küste  576. 

578,  Wald  609, 622,  Campos  613, 614.  j 
Brasilstrom  246. 


Register. 


671 


Hrauer  662,  664*. 

Brauner  Jura  20. 

Brauns  295. 

Bravais  284,  285. 

Breitenlohner  380. 

Brenner  517,  519. 

Breslau  77,  117. 

Brenta-AJpen,  Schneegrenze  149. 

Bretagne  490,  549,  582. 

St  Bridesbai  420. 

Brienzer  See  545. 

Bristenstock  349. 

Bristolkanal,  Flutgröße  238. 

Bn  tische  Inseln,  Bewölkung  121, 
Niveanverfinderungen  288,  Küsten 
417,  420,  422,  Seen  536,  Alter  und 
Fauna  554,  555,  Wald  631. 

Brito,  Hafen  v.,  28. 

Brocken  493. 

Bromatorische  Linien  639. 

Bromberg,  Seehöhe  447. 

Broms,  Strandlinie  285. 

Bronzitchondrite  16. 

Brotbaum  598. 

Brown  463*. 

Bruchberge  494. 

Bruchnetze  273. 

Bruchstufen  457,  462. 

Bruchzone  27,  208. 

Brückner  145,  146,  149*,  177,  181, 
190*,  211,  287,  297*,  298*. 

Brücknerache  Klimaperioden  186,  211, 

Bryson  369. 

V.  Buch  281,  314. 

Buchan  77*,   101,    110*,   219%  271*. 

Buche  591,  611. 

Bachsbaum  600. 

Bttchtenlfinder  446,  449. 

Budsak  376. 

Büffel  656. 

Büffelgras  615. 

Bugmündung  406. 

Buhse  617. 

Bakatatanoa  567. 

Bum-Bum-Riff  563. 

Bunge  617. 

Bansen  318,  369,  370. 

Buntsandstein  20. 

Burträsk,  Strandlinie  285. 

Burtscheid  367- 

Busch  613,  618. 

Buschelgras  615. 

Büßerschnee  155. 

Buxton  644. 

Buys-Ballot  72,  77*. 

Buys-Ballotsches  Gesetz  88. 

Cacao  687. 

Calabrien  480,  551,  Erdbeben  325,  333, 
334,  337. 


Calamus  597. 
Calcutta-Hafen  585. 
Caldera  306,  y.  Palma  502. 
Caledonisches  Gebirge  491. 
Caledonischer  Kanal  483,  518. 
Califomien,  Klima  175,  Erdbeben  330, 

Geysire    370,    Thal    508,    Seen  540, 

Halbinsel  549,  Vegetation  614,  620, 

Flora  624,  Fauna  658. 
Califomien,  Golf  v.,  193. 
Califomisch  -  mexicanische     Strömung 

246,  253. 
Caltabianco  387. 
Cambrische  Formation  19. 
Campanula  excisa  593. 
Campbellinsel  559. 
Campos  613,  614,  Regen  128. 
Canadische  Destruktionsfläche  4|5. 
Canadisches  Berufkraut  593. 
Canadische  Seen  485,  536,  545,  581. 
Canale  di  Leme  583. 
Canaren,  Wüstenwinde    116,  Vulkane 

312,  Flora  u.  Fauna  572,  574,  624,631. 
Candolle  639*. 
Canidae  661. 

Cannes,  unterseeische  Quelle  358. 
Canons  388,  451  f. 
Capoes  614. 
Caprotinenkalk  363. 
Capverdesche  Inseln  561,   Paasatstaub 

202. 
Caracas,  Erdbeben  325. 
Caraudapalme  610. 
Carolinen  567. 

Carpantaria-Golf,  Strömungen  241. 
Casa  inglese,  Wltrmeschwankung  82. 
Casiquiare  524. 
Castilien,  Plateaus  v.  445. 
Casuar  664. 

Casuarinen  591,  611,  625. 
Catalonisches  Gebirge  512. 
Catena  metallifera  480. 
S.  Catharina,  Gezeiten  234. 
S.  Catharina  (Prov.)  Wald  610. 
Catingas  614. 
Cauca  526. 

Gausses  363,  364,  491. 
Caviana  580. 
Cayenne,  Gezeiten  234. 
Celebes,  320,  557. 
Celebes-See,  Tiefentemperatur  267. 
Celsius  280. 
Cenoman  20. 
Cerealien  s.  Getreide. 
Cerro  Gordo,  Niveau  Veränderung  291. 
Ceylon,  vertikale  Wärmeabnahme   56, 

Regenzeit  135,  Fauna  555,  657,  Ge- 

birgsflora  630. 
Chalkidike  551. 
Challenger-Expedition  194,  207*. 


672 


Register. 


Ghamaerops  596. 

Champagne  455. 

Champlain-Hudsonthal,  Winde  112. 

Champlainperiode  390. 

Champlainsee  586. 

Chanar  620. 

Chargeh-Oase  184. 

Charleston,  Erdbeben  326,  329,  330, 337. 

Chataminsel  559. 

Chatangathal,  Waldgrenze  601. 

Chaudesaigues  367. 

Chavanne  40*. 

Chemische  Erosion  341. 

Chemische  Verwitterung  343. 

eher  526. 

ehester  293,  298*. 

Chile,  scheinbare  vertikale  Wärmezu- 
nahme 60,  Regen  129,  Schneegrenze 
148,  Niveau  Veränderungen  291,  Vul- 
kaue  311,  Erdbeben  335,  Seen  536. 
Waldland  610,  611,  Steppen  616, 
Flora  626,  Getreidegrenze  635. 

ChilternhQgel  456. 

China,  Gebirge  32,  Luftdruck  108,  Re- 
gen 126,  Klimaprovinz  174,  Löß 
414,  431,  445  f.,  452,  Bodenarten  429, 
Tiefland  446,  Küste  575,  582,  Wald 
611,  Maquis  620,  Flora  624,  631, 
Fauna  658,  660. 

Chiuchillafl  654. 

Chistoui  122*. 

Chloros  631. 

Choffat  468. 

Choisy  415*. 

Chorigraphische  Kurve  586. 

Christ  590,  595*,  604,  606,  631. 

Christmas  Island  568. 

St.  Christof,  Regen  125. 

St.  Christoph-Insel  314. 

Christy  615,  621*. 

Churfirsten  349. 

Cibinfluß  515. 

Cierzo  112. 

Circekap  480. 

Circumterraner  Ozean  26. 

Cirkus  509 

Cirque  de  n6ve  509. 

„Cirrus**,  Ballon  55. 

Cirrus  wölken  121. 

Cissa  293. 

Cistrosengewächse  594. 

Clarke  5,  6. 

Coahuillathal  537. 

Cockburninsel  602. 

Colorado,  Tafelland  33,  451,  454,  458, 
498,  504,  Regen  128,  Canon  388, 
Fluß  520,  Vegetation  606,  617. 

Coloradokette  497,  498. 

Columbia  (Fluß)  407,  Lavafeld  am  C. 
311,  443. 


Columbia  (Staat),  Cordillerev.32,  wärm- 
ster Monat  81,  Getreidegrenze  635. 

Comoren  561,  631. 

Comosee  536,  545. 

Conception,  Regen  129. 

Coneyinsel,  Land-  und  Seewinde  111. 

Connecticut  (Delta)  405. 

Conway  167,  168,  173*. 

Cook  293,  298*. 

Cooper  Creek  403. 

Copemikanisches  Weltsystem  1. 

Copiapo,  Regen  129. 

Cordilleren,  Schneegrenze  148,  Vulkane 
312. 

Cornwallis  490,  582. 

Coromandel,  Regenzeit  135. 

Corralgletscher  166. 

Corrasion  341. 

Corsica,  Flora  624. 

Corypha  umbraculifera  599. 

Coseguina  302. 

Costa  Rica,  Getreidegrenze  635. 

Cotidal  lines  233,  236. 

Cotopaxi  302,  303,  304,  500. 

Cotswold  Hills  456. 
I   Cottonsoil  415. 

Courbis  412,  415*. 

Cratithal  550. 

Credner,  H.  22*. 

Credner,  R.  227,  228*,  403,  4U7. 
408*,  535,  537,  548*. 

Creeka  373. 

Creuse-Vienne  526. 

Crkvice,  Regen  125. 

Croll  2,  6*,  186,  187,  190*. 

Cryptoproctidae  556. 

Cuddapahformation  22. 

Cuneo,  Aussichtsweite  296. 

Custozza,  Hügel  430. 

Cviii6  370*. 

Cykladen  553,  Vulkane  313. 

Cyklische  Periode  der  Polarlichter  51, 
des  Klimas  78,  185. 

Cykloide  219. 

Cyklonen  94,  97. 

Cynopithecus  nigrescens  557. 

Cypressen  601. 

Dachsteingebirge  473. 

Daciabank  196. 

Daemonorops  597. 

Dali  198,  247,  601. 

Dalmatien,  Bora  113,  Regen  125,  Ni- 
veauveränderungen 293,  unterseeische 
Quellen  358,  Küsten  417,  583,  Inseln 
553,  Waldgrenze  604,  605. 

Damaraland  618. 

Dammbecken  532,  535. 

Dämmerung,  47,  202. 

Dammriff  564. 


Register. 


673 


Dampfquellen  367. 

Dana  23*,  306,  322*,  508,  506*,  566, 
574*,  581. 

V.  Danckelman  131,  133*,  139,  141*, 
441*- 

Dänemark,  Wald  631. 

Danziger  Bucht  425. 

Darien,  Isthmus  v.  28. 

Darling  373,  526. 

Darß  576. 

Darwin,  Chr.  3,  6*,  294,  345,  353*, 
565,  566,  567,  568,  569,  570,  571, 
572,  574*,  642. 

Darwin,  G.  11,  13*. 

Dastarjan,  See  bei  543. 

Dattelpalme  597. 

Daubree  315,  322,  355,  367,  370*, 
390. 

Dauphine,  Flora  592. 

Davis,  W.  M.  487,  496*. 

Davison  346,  353*. 

DavoB,  Klima  58. 

DawBon  496*. 

Death  Valley  537. 

Debreczin,  Seen  bei,  543. 

Deflation  341,  409. 

Dehna  617. 

Dekan  32,  Regen  126,  Trappplateau 
307,  443,  491,  Massiv  491,  Halbinsel 
550,  Flora  622,  Fauna  657. 

Delaware,  Niveau  Veränderung  293. 

Delebpalme  610. 

Delta  403  ff. 

Deitaküsten  406. 

Demawend  303,  309,  312. 

Deniquil,  tägl.  Wärmeschwankung  79. 

Denudation  341,  346. 

Denudationsberge  462. 

Deuudationsgebiete  346. 

Denudationsniveau  342,  483,  484. 

Denudationsstufen  454,  462. 

Depressionen  536  f. 

Derborence,  Seen  v.,  532. 

Derby  496*. 

Dersch  116*. 

Destruktion  340. 

Destruktionsfläche  487,  495. 

Detrition  341. 

Deutschland ,  Temperaturabw  cichung 
87,  Weinbau  188,  Tiefebene  195, 
447 ,  innere  Niveauveränderuogen 
296,  Flüsse  529,  Küsten  576  f.,  582, 
Flora  623,  629,  Wald  631,  Schmetter- 
lingsfauna 644. 

Devon  20,  22. 

Dewdarokgletscher  157. 

Diagonale  Stromzerlegung  384. 

Diathermanität  der  Luft  43. 

Diatomeen  640. 

Diatomeenschlamm  204. 

Sopui,  PhjBiflche  Erdkunde.    3.  Aufl. 


Dichte  der  Erde  7. 

Dichte  des  Meerwassers  213,  260,  als 
Erzeugerin  von  Strömungen  241,  248. 

Dichtigkeitsfläche  210. 

Didica  317. 

S.  Diego,  Temperatur  70,  Regen  127. 

Diener  479*. 

Dietrich  196,  207*,  569. 

Dikotyle  Angiospermen  621. 

Diller  322,  481,  496*. 

Diluvialterrassen  390. 

Diluvium  20,  182,  183,  185. 

Dimensionen  der  Erde  5. 

Dingo  651. 

Dinklage  202,  207*,  254,  255*. 

Dinse  588*. 

Diskordante  Küste  575,  577,  583. 

Dislokationen  14,  272. 

Dislokationsbeben  331,  332,  336. 

Djorsten,  Niveauveränderung  287. 

Dnjepr  526. 

Dnjestr-Delta  404. 

Dobrudscha-Küste  425. 

Doering  291. 

Dofane  315. 

Dogger  20. 

DoKutschajew  415*. 

Dolinen  360  f.,  362,  363. 

Dollart  421. 

Dölter  292,  561,  574*. 

Domeyko  335. 

Dommesten,  Regen  125. 

Donau  520,  521,  Eisbedeckung  374, 
Abtragung  381,  Delta  406,  Durch- 
bruchsthäler '  512,  Verbindung  mit 
dem  Rhein  524,  System  525,  526, 
Größe  527,  Ablenkung  529,  Ver- 
änderung des  Gebietes  531. 

Donaubecken  444,  445. 

Donez,  Kohlengebiet  am,  442. 

Donner  681. 

Doppelinseln  552. 

Doppelküsten  576. 

Doppellauf  521. 

Doppelte  Randfaltung  478. 

Doppelthäler  517. 

Dorfersee  523. 

Domsträucher  608,  616,  619,  620. 
I   Douffhty  462*.. 
I   Douglastanne  612. 
;    Dove  71,  72,   86,  88*,  101,  179,  234, 
I       Windtheorie  91,  Drehungsgesetz  98. 

Downs  499. 

Drachenbaum  598,  624. 

Drakenberge  457. 

Drakensteenbeige  484. 

Drammengranit  506. 

Drance  514. 

Draperien  (Tropfstein)  357. 

V.  Dräsche  480. 

43 


674 


Register. 


Drauthal,  vertikale  Wärmezunahme  59. 

Drei  Herren-Spitze  511. 

Dribbles-conefi  306. 

Drude  595*,  596,  610,  622,  627,  632*. 

Dryaatuff  182. 

V.  Drygalflki  156,  219*,  286,  289, 
297*,  298*,  401*. 

Dschamuna  530. 

Dschihan  580. 

Dschungel  608. 

Dschungelgebüsch  620. 

Dubois  184,  190*. 

Dumpalme  597,  610. 

Düna,  Eisbedeckung  374. 

Dünen  410,  411  ff. 

Dünenwüste  410. 

Dunkelmeer  255. 

Dunstdruck  11 6,  Linien  gleichen  D.  117. 

Dünung  228. 

Duppauer  Gebirge  313. 

Durance  530. 

Durchbruchsthftler  511. 

Durchgangsmeere  192. 

Durchgangsthftler  511  ff. 

Durchgreuende  Gebirge  479. 

Durchgreifende  Wasserscheide  511. 

Durchlässiger  Boden  354. 

Durchschnittstemperaturen  der  Breiten- 
grade 71,  72,  der  Zonen  etc.  72. 

Durrha  634. 

Dutton  278*,  306,  322*,  387,  338, 
340*,  388,  401*,  463*,  467,  499*. 

Dwina  374,  526,  527. 

Dyas  20. 

£arthquakes  322. 

Ebbe  229,  238. 

Ebene  (Ebenheit)  436,  438,  449. 

Ebenmaß  von  Zerstörung  und  Fort- 
schaffung  428. 

Ebermajer  190*. 

Ebrodelta  403,  404. 

Ebrothal  512,  Winde  112. 

Echo  Cliflfe  459. 

V.  Eckert  531*. 

Ecuador,  Strandterrasse  419,  Wald- 
grenze 604. 

Edentaten  645,  653,  664. 

Edmondstone  560. 

Egerthal  512. 

Eginitis  337. 

Ehrenberg  202. 

Ehrenburg  587,  588*. 

Eiche  591,  594. 

Eide  579. 

Eichhörnchen  641,  660,  661. 

Eidechsen  645. 

Eiderdeita  405. 

Eifel,  Maare  299,  Vulkane  310,  815, 
Bau  494. 


Eiffelturm,  Temperatur  53,  Wind  90. 

Einbruchshäfen  583. 

Einfache  Faltengebirge  467,  494. 

Einfache  Verwitterung  343. 

Einseitig  Randfaltnng  478. 

Einsturzbeben  331,  336. 

Einsturzbecken  534,  535. 

Eintagstiden  239. 

Eintiefungsbecken  531,  533  ff.,  535. 

Eis  15. 

Eisack  515. 

Eisbär  558,  646,  662. 

Eisbedeckung  der  Flüsse  374. 

Eisberge  171,  269. 

Eisbildung  in  Süßwasserseen  259,  im 
Salzwasser  260,  269. 

Eisboden  427,  428,  432. 

Eisbrocken  269. 

Eisenbahnen,  Einfluß  auf  die  Pflanzen- 
verbreitung 623. 

Eisfelder  269. 

EisQord  583. 

Eishöhlen  357. 

Eismeerbecken  198. 

Eismeere  26. 

Eispressung  269. 

Eisschollen  269. 

Eisseen  532. 

Eiszeit  183 ff.,  Einfluß  auf  die  Ober- 
flächenformen 891,  519,  588,  auf  die 
Pflanzenverbreitung  623,  629,  auf 
die  Tierverbreitung  643,  647,  658. 

Eiszunge  150. 

Elbe  525,  Gezeitengrenze  238,  Eisbe- 
deckung 874,  Sedimentftlhnuig  380, 
Mündung  405,  406,  Veränderungen 
530. 

Eibsandsteingebirge  s.  Sächa.  Schweiz. 

Eibthal  389. 

Elburs-Gebirge  312,  398,  616. 

Elefanten  648,  650,  656,  658. 

Elen  659. 

Eifert  122*. 

Elis,  Bau  482. 

Elk  Mountains  498. 

Ellice-Insehi  567. 

Elm,  Bergschlipf  352. 

Else  524. 

Eltonsee  543. 

Eluvialboden  428,  429,  432. 

Eluvium  842. 

Emergenzwinkel  323. 

Emmons,  H.  292,  298*. 

Emmons,  S.  F.  498,  499*,  516. 

Ems  405. 

Emser  Quelle  368. 

Emu  664. 

Enaresee,  Getreidebau  634. 

Endemismus  554,  559. 

Endmoränen  162. 


Register. 


675 


Endogene  Phänomene  272. 

Endverwachsung  von  Faltengehirgen 
476. 

Enei^iequellen  14. 

Engadin,  vertikale  Wärmezunahme  59, 
Berg-  und  Thalwind  112,  Seen  545, 
Getreidebau  636. 

England ,  Temperaturveränderlichkeit 
84,  Temperaturabweichuug  87,  Winde 
103,  Eegen  123,  137,  Niveauver- 
änderung 290,  Mineralgehalt  der 
Quellen  366,  Abtragung  881,  Küsten 
422,  Trennung  vom  Kontinent  423, 
Tiefland  456,  Schmetterlingsfauna 
644. 

Engler  559,  593,  595*,  621,  625,  626. 

Enns  515. 

Ensete-Pisang  599. 

Eocän  20. 

Eogen  20. 

Epigenetische  Thäler  400,  514. 

Epiphyten  608. 

Epizentrum  des  £rdbebens  323. 

Epomeo  313. 

Equus-Schichten,  Fauna  653. 

Erdbahn  43,  45. 

Erdbeben  15,  322ff.,  Bexgstürze  351, 
Temperaturänderung  d.  Quellen  368. 

Erdbebenbrücken  328. 

Krdbebenfluten  225,  Berechnung  der 
Meerestiefe  197. 

Erdbebengebiete  334. 

Erdbebenherd  323,  337. 

Erdbebeninseln  328. 

Erdbebeninstrumente  324. 

Erdbebenperiode  325. 

Erdbebenstatistik  338. 

Erde,  Gestalt  3,  Dimensionen  5,  Teile 
7,  mittiere  Dichte  7,  Geschichte  19, 
Verhältnis  von  Wasser  u.  Land  23, 
24,  25. 

Erdenluft  41. 

Erdferkel  656. 

Erdinneres,  Temperatur  8,  Beschaffen- 
heit lOf.,  Gezeiten  17,  240,  339. 

Erdkrume  345. 

Erdkruste  12,  vertikaler  Aufbau  34, 
mittlere  Höhe  38. 

Erdkunde  s.  Geographie. 

Erdmagnetismus  51. 

Erdpyramiden  350. 

Erdrotation,  Ablenkung  17,  der  Winde 
88,  der  Flutwelle  236,  Erzeu^ng 
der  Meeresströmungen  247,  Ablen- 
kung der  Meeresströmungen  251, 264, 
Schwankungen  281,  Ablenkung  der 
Flüsse  528: 

Erdwolf  656,  664. 

Erebus  484. 

Erica  cinerea  600, 


Eriekanal,  Eisbedeckung  374. 

Esker  430. 

Erle  612. 

Erloschene  Vulkane  310,  503. 

Erosion  341,  377,  381. 

Erosionsbasis  384. 

Erosionsgebirge  453,  462,  504. 

Erosionsspuren  389. 

Erosionsterminante  383. 

Erskine  650. 

Eruption  der  Vulkane  306  ff,  309. 

Eruptionsperiode  303. 

Erythräischer  Graben  314. 

Erzbach  515. 

Erzgebirge,  Wärmeabnahme  56,  Tem- 
peraturveränderlichkeit 85,  Vulkane 
313,  Bau  u.  Geschichte  489,  490, 
492,  Granit  506. 

Escher  508. 

Essen,  Erdbeben  327. 

Esthland  396. 

Etage  (geologisch)  19. 

Etewald  609. 

Etheridge  298*. 

Etmal  241. 

Etsch  380,  530. 

Etschthal  509. 

S.  Eufemia-Golf  550. 

Eukalypten  591,  599,  611,  625,  632. 

Euphorbien  591. 

Euphrat  405,  530. 

Eurasien  660,  Fauna  661. 

Eurekagebirge  482. 

Euripus-Strömun^en  227. 

Europa,  höchste  Breite  25,  Grenzen  29, 
Areal  30,  Oberflächenform  30,  Höhen- 
stufen 36,  Mittiere  Höhe  39,  Tem- 
peratur 69,  Windgeschwindigkeit  89, 
Gradient  96,  Barometrische  Minima 
97,  98,  Luftdruck  u.  Winde  103, 
108f,  Bewölkung  121,  Regenwahr- 
scheinlichkeit 131,  Gewitter  139,  Ha- 
gel 141,  Gletscher  166,  169,  Regen- 
schwankungen 180,  Eiszeit  183,  Vul- 
kane 810,  312,  Erdbeben  334,  Dünen 
412,  Löß  414,  Bodenarten  428,  429, 
Wasserscheide  522,  Abflußloses  Ge- 
biet 522,523,  Abdachungsgebiete  523, 
Flüsse  527,  Halbinsebi  549,  Küste 
575,  Küstenentwicklung  585,  586, 
Küstenabstand  587,  Palmen  595,  596, 
Grenze  der  immergrünen  Gewächse 
u.  sommergrünen  Laubbäume  600, 
Wälder  611,  Heide  620,  Vegetations- 
formationen 620,  Fora  623,  631,  Ge- 
treidegrenzen 634,  Obst  637,  Zentren 
von  Nahrungpflanzen  639,  Tertiäre 
Fauna  643,  651,  Umgestaltung  der 
Fauna  658,  Jetzige  Fauna  660  f. 

Europäische  Gradmessung  5. 
43* 


676 


Register. 


Eustatische  Niveau  Veränderungen  280, 

281. 
Euterpe  oleracea  597. 
Eutroplus  556. 
Evorsionsbecken  584,  585. 
Ewiger  Schnee   150. 
Ewiger  Schneoberg  169. 
Exaration  841. 
Excessives  Landklima  82. 
Exogene  Wirkungen  340. 
Expansionsthorie  276. 
Exploring  Isles  567. 
Explosionsbccken  534,  535. 
Explosionsfluten  226. 
Exzentiizität  der  Erde  186. 

Fächerstruktur  465. 

Falb  338. 

Falkeninsel  317,  568. 

Falklandinseln  555,  602. 

Falklandstrom  246,  253,  255. 

Falten  463. 

Faltengebirge  463  ff.,  494,  495. 

Faltenland  275,  463,  494. 

Faltenschollengebirge  482,  494,  495. 

Faltenschollenland  482,  553. 

Faltung  der  Schichten  14,  272,  275. 

Faltungsbecken  535. 

Faltungsepochen  22. 

Faltungsintensität  468. 

Faradayhügel  196. 

Farben  der  Tiere  641. 

Farne  598,  608. 

Färöer  571,  572,  636. 

Färöer-Shetlands-Rinne  266. 

Fasanen  658. 

Fastebene  486. 

Faulhom  344,  347. 

Faultier  654. 

Faunenreiche  650  ff.,  662,  663. 

Faye  5. 

Fayum  538. 

Faziesgebiete  431  ff. 

Feigenbaum  624. 

Feinerdige  äolische  Ablagerungen  428, 
430,  433. 

Feldermethode  36. 

Fellach,  Temperatur  59. 

Felsboden  427,  428. 

Felsdolinen  360,  362,  363. 

Felsengebirge,  vertik.  Wärmeabuahme 
^6,  Föhn  115,  Gletscher  168,  Bau 
496  f.,  498,  Waldgrenze  604,  alpine 
Flora  680,  Getreidegrenze  635. 

Felsenmeere  347. 

Felssturz  351. 

Felsterrassen  390,  392. 

Ferdinandca  316. 

Fermanschacht  8.   . 

Fernando  Po  561. 


Fernpaß  519. 

Ferrel  91,  92,  93,  101*,  234,  23.5. 

Ferro,  Gezeiten  234. 

Festland  s.  Kontinente. 

Festländische  Inseln  552  ff. 

Feuchtigkeit  der  Luft  116. 

Feuerland,  Waldgrenze  604. 

FjäUfras  646,  662. 

Fjärde  582. 

Fichte  612. 

Fidschi-Inseln  552,  559,  566.  622. 

Fiederförmige  Gliederung  510. 

Filhol  559. 

Finnland    550,    Niveauverändemngcn 

286  ff.,  Moränenlandschaft  430,  S^^cd 

538,  539,  Fjärde  582. 
Finschhafen,  Regen  135. 
Finsteraarhom,  Schneegrenze  144,  146. 
Finsterwaldcr  62*,  164,   165*,  397, 

401*. 
Fjorde  578,  584. 
Fjordinseln  580. 
Fjordseen  580. 
Fjordstraßen  580. 
Firn  143. 
Fimeis  154. 
Fimgletscher  150,  166. 
Fimlinie  144. 
Fimsee  (Karakorum)  168. 
Fischer,  Hans   149*. 
Fischer,  Theobald   188,  420,  426% 

477,  495*,  577. 
Fisher,  0.  11,  12,  13*,  277,  466. 
Fitzroy  234. 
Fiumaren  372.  ' 
Flachbogen-Küste  576. 
Flächenbeben  330,  832,  336. 
Flächenberechnung  5. 
Flachküste  416,  421. 
Flachland  426,  442,  495. 
Flachlauf  520. 
Flachschichtung  442. 
Flachsee  196. 
Fladenlava  303. 
Fläming  447. 
Flammarion  118. 
Flarden  269. 
Flaschenreisen  241. 
Flattertiere  s.  Fledermäuse. 
Flechtentundra  602. 
Fledermäuse  645,  651,  654,  660,  661. 
Flevosee  421. 
Flexur  274,  275. 
Flexurgebirge  496  ff. 
Flezurstufe  457,  462. 
Floeberg  Beach,  Temperatur  69. 
Flora  589,  Einteilung  595,   627,  Alter 

und  Entwicklung  628. 
Florenz,  Regendichtigkeit  133. 
Florida  550. 


Begister. 


677 


Floridastrom  243  f. 

Flughömchen  658. 

Fiagsand  428,  432. 

Flugsand  wüste  410. 

FluBdunen  412. 

Flüsse  371,  520ff.,  jährliche  Periode 
und  Schwankungen  371,  Anschwem- 
mang  429,  Yerfinderangen  527. 

Flußeis  im  Eismeer  269. 

Flußpferd  656. 

Flußsedimente  378,  380. 

Flußspiegel  375. 

Flußsysteme  525,  Veränderungen  530. 

Flußufer,  Veränderungen  376. . 

Flußvermischung  524. 

Flut  229,  238. 

Flutbrandung  238. 

Flutgröße  (dföhe)  229,  232,  238. 

Flutlinien  (Flutstundenlinien)  233. 

Föhn  114. 

Fol  217,  219*. 

Forbes  157,  158. 

Forchhammer  212. 

Förde  582. 

Forel  164,  165*,  218,  227,  228*,  259, 
271*,  326. 

Forelsche  Farbenskala  218,  Erdbeben- 
skala 326,  336. 

Formation  (geologisch)  19. 

Förmerich  310. 

Formosa  555,  Vulkane  311. 

Förster  42*. 

Förstle  514,  520*. 

Forstlich -meteorologische    Beobach- 
tungen 189. 

Fort  Jukon,  Wald  601. 

Fort  Mohave,  Regen  128. 

Fortpflanzung  der  Erdbeben  329. 

Fortschreitende  Wellen  219. 

Fort  Yuma,  Temperatur  71,  Regen  128. 

Fouqu6  329,  337. 

Fourier  9. 

Fraas   188. 

S.  Francisco,  Hafen  585. 

Franco  502. 

Frankenwald  489. 

Frankreich,  Länge  eines  Meridiangrades 
4,  Fläche  6,  Regen  123,  Niveauver- 
änderungen  290,  296,  Maare  299, 
Vulkane  310,  315,  Tiefland  455, 
Zentralmassiv  490,  491,  Küste  576, 
Waldfläche  631. 

Franz- Josef-Gletscher  (Neuseeland)  169, 

Franz-Josef-Land  558,  Gletscher  157, 
171,  172,  Niveauveränderung  288, 
Vegetation  603,  Rentiere  646. 

Pranzius  381*. 

Frech  474,  479*. 

Freie  Strömungen  250,  251. 

Freie  Wellen  235. 


Fresdorf  13*. 

Freshfield  173*. 

Fricker  271*. 

Friedrich,  M.  149*. 

Friesische  Inseln  421  f ,  552. 

Friesische  Küste  576  f. 

Frische  Nehrung,  Dünen  412. 

Fritsch,  G.  188. 

Fritsch,  K.  v.  278*,  318. 

Fritz  48,  52*,  141*. 

Frosinone,  Vulkane  313. 

Fuchs  558,  660. 

Fuchs,  K.  310,  318,  322*,  340*. 

Fuchs,   Th.    28,    40*,    58,  345,    590, 

640,  650*. 
Fumarolen  309. 
Funchal,  Gezeiten  234. 
Fundybai,  Flut  238,  Zerstörung  423. 
Furkagletscher  159. 
Fusijama  500. 
Futterer  514,  520*. 

6rabelung  der  Flüsse  524. 

Gäbris,  tögl.  Wärmeschwankung  80. 

Gaeta,  Golf  v.  577. 

Galapagos-Insebi  571,  572,  573,  596. 

Galeriewälder  610. 

Galicia,  Rias  582. 

Ganges  372,  373,  520,  Gezeitengrenze 
238,  Abtragung  381,  Delta  405,  407, 
Ablenkung  530. 

Gangra  526. 

Gannett  438. 

Gänsbrunnen,  Paß  519. 

Gänsefußgewächse  617. 

Gardasee  537. 

Garonnc:  System  525. 

Gai'uas  128. 

Gastein  368,  388,  S92,  395. 

Gasteiner  Ache  515. 

Gault  20. 

Gaurisankar  35. 

Gaussah  Lout,  Länge  d.  Sekunden- 
pendels 3. 

Gavial  645. 

Gazelle  658,  660. 

Gazelle-Expedition  207*. 

G^ant,  Glacier  de,  156. 

Gebirge  436,  vertikale  Wärmeabnahme 
55,  58,  tägl.  Temperaturschwankung 
80,  jährl.  Temperaturschwankung  82, 
Temperaturveränderlichkeit85,Wind- 
stärke  90,  Regen  125,  Wetter-  und 
Klimascheiden  125,  jahreszeitliche 
Regenverteilung  138,  Gewitter  140, 
Hagel  141,  Schneedecke  142,  Ver- 
witterung u.  Denudation  346  ff.,  Ver- 
änderungen der  Höhe  468,  483  f, 
Einteilung  476,  Alter  484. 

Gebirgsfuß  436. 


678 


Register. 


Gebirgsknoten  476. 

Gebirgsland  436. 

Gebirgsschutt  428,  429,  432. 

Gebirgsseen  539. 

Gebirgssysteme  475. 

Gebrochene  Faltengebirge  481,  494,495. 

Gebuchtete  Küsten  576. 

de  Geer  285,  286,  287,  289,  296,  297*. 

Gefölle  874. 

Gefrierpunkt  v.  Süß-  u.  Salzwasser  260. 

Gegenständige  Thäler  385. 

Gegißter  Standort  241. 

Gehängeformen  348. 

Geikie,  Arch.,  496*. 

Geikie,  J.,  183,  190*. 

Geinitz  197,  207*,  534,  538,539,  648*, 

Gekröslava  303. 

Gelbes  Meer,  Farbe  218,  Strömung  247. 

Gemäßigter  Typus  d.  Süßwasserseen 
259. 

Gemäßigter  Wärmegürtel  76. 

Gemäßigte  Zone  74,  75,  Gletscher  167, 
Pflanzen  599,  Wälder  610. 

Gemischte  Niederschläge  142. 

Gemse  648,  659. 

G^neseefajil  396. 

Genetisches  System  d.  Morphologie  441. 

Genette  658. 

Genfer-See  531,  538,  545. 

Gentiana  prostrata  630. 

Gentianen  594. 

Geographie,  Entwicklung  2,  435,  Zwei- 
teilung 435. 

GeoYd  5,  207,  208,  209. 

Geoisothermen  9,  Veränderungen  290, 
296. 

Geologie  19. 

Geologische  Gegenwart  19. 

Geologische  Rlimapcrioden  182,  185. 

Geologische  Orgeln  361,  363. 

Georgetown ,  Temperaturveränderlich- 
keit 84,  Depression  536. 

Georgios- Vulkan  305,  505. 

Geosynklinale  466. 

Geothermische  Tiefeustufe  8. 

Gepard  658. 

Gepatschfemer  164. 

Geradlinige  Faltengebirge  473. 

Geradlinige  Küsten  576. 

Geraneia  551. 

Gerke  298*. 

Gerland  317,  822*,  567. 

Germesir  416. 

Geröllboden  345. 

Gerste  634. 

Geschichtete  Gesteine  12. 

Geschichtete  Vulkane  500,  506. 

Geschlossene  Flexurgebirge  496. 

Gestalt  der  Erde  3. 

GesteiushüIIe  7. 


Getreide  633  ff. 

Gewitter  139. 

Gewürze  637. 

Geysir  368  £F. 

Gezeiten  17,  228,  Einfluß  auf  d.  Grund- 
wasser 356,  auf  die  Deltas  407. 

Gezeitenströme  237,  240,  mechanische 
Wirkungen  417,  423,  424. 

Gezwungene  Strömungen  249,  251. 

Gezwungene  Wellen  235. 

Ghör  314,  508,  537,  Winde  112. 

Gibraltar  474,  480. 

Giens  426. 

Gießen,  Temperatur  58. 

Gilbert  190*,  285,  384,  426*. 

Gilbert-Inseln  567. 

Giles  616. 

Gingko  593. 

Gipfelformen  346. 

Girafie  656. 

Girard  290. 

Girardot  298*. 

Gironde  406,  425. 

Glaisher  54,  55. 

Glämisch  464. 

Glarus,  vertikale  Verbreitung  der  Tiere 
647. 

Glatte  Küsten  576. 

Glaukonitkömer  201. 

Glaziale  Erosionsbecken  534,  535. 

Glazialer  Felsboden  427,  428,  431. 

Glaziale  Übergangsgebicte  431. 

Glazialpflanzen  629. 

Glazialzeit  s.  Eiszeit 

Gleichartige  Flüsse  521. 

Gleichförmige  Faltengebirge  469,  494. 

Gleichmäßige  Niederschläge  137. 

Gleichmäßige  Vulkane  300. 

Glen  More  493. 

Glenquoich,  Regen  125. 

Gletscher  149  ff.,  Verschiedene  Begriffe 
151,  Verteilung  165,  Erosion  397, 
Seebildung  534. 

Gletscherbewegung  154,  162. 

Gletschereis  154. 

Gletschergarten  von  Luzem  160. 

Gletscherkom  154. 

Gletscherlawine  155. 

Gletschermilch  162. 

Gletschermühlen  160. 

Gletscherschutt  428,  430,  431. 

Gletscherspalten  160. 

Gletscherstruktur  158. 

Gletschertheorie  157. 

Gletscherthor  154. 

Gletschertisch  163. 

Gletschervor-  und  -rückgang  163,  178. 

Gletscherzunge  152. 

Gliederfemer  164. 
I   Gliedertiere  645,  647. 


Register. 


679 


Globigeiinenschlamm  208,  204. 

Gmundener  See  541. 

Gneiß  12. 

Gobi  446,  Vegetation  616. 

Goldgebiige,  Gletscher  169. 

GoldmoU  656,  664. 

Gol&trom  68,  243,  245,  251,  Salzgehalt 
215,  Temperatur  256,  257,  265. 

Golfstrom-Inseln  560. 

Gondwana  21. 

Goree,  Gezeiten  284. 

Gorilla  656. 

Gomergletscher  116. 

Gotachi,  See  584. 

St.  Gotthard-Tonnel  8,  -Straße  519. 

Graben  (geologisch)  273. 

Grabenthfiler  508. 

Gradient  89. 

Gradmessiingen  4. 

Grammagras  615. 

Granatbaum  624. 

Grand  Wash  458. 

Graner  Gebirge  818. 

Granu]  itgebirge  490. 

Grasbäume  625. 

Grassittiche  652. 

Grassteppe  614. 

Graubflnden,  Waldwechsel  630. 

Graupen  140. 

Green  River-Plateau  497. 

Green  River-Thal  496,  512,  516. 

Grenada-Insel  814. 

Griechenland,  Thäler  394,  Angebliche 
Klimaftndemng  187,  Erdbeben  334, 
Bau  des  Gebirges  482,  Flora  624, 
630,  Waldfiftche  631. 

Grindelwaldgletscher  167,  584. 

Grinnellland,Niveau  Veränderungen  289, 
Vegetation  603. 

Griesbach  297,  298*,  840*,  446,  462*, 
472    478    479*. 

Grisebach  74,  595*,  615,  624. 

Grissinger  258,  271*. 

Grönland,  Nordlichter  51,  Temperatur 
65,  70,  71,  Föhn  115,  Gletscher  154, 
156,  157,  170,  172,  Tertiäre  Flora 
185,  Angebliche  Klimaflndening  188, 
Niveauverftnderungen  289,  290,  295, 
Eisboden  427,  Areal  551,  Bau  558, 
f^orde  581,  Vegetation  603,  Flora 
636,  Fauna  646. 

Grönskfir,  NiveauverSnderung  287. 

Groß  55. 

Groß-Arlbach  515. 

Großbuchtige  Küsten  576. 

Großer  Bftrensee  536. 

Großes  Becken  von  Nordamerika  33, 
460,  481. 

Großer  Geysir  auf  Island  368. 

Großer  Ozean  s.  Pazifischer  Ozean. 


Großer  Plönersee  538. 

Großer  Salzsee  184,  548,  545. 

Großfußhühner  652. 

Großgerauer  Erdbeben  325,  881. 

Großglockner,  Schneegrenze  149,  Wald- 
grenze 605. 

Grosseto,  Alte  Bucht  v.,  577. 

Groß-Key  557. 

Grotten  s.  Höhlen. 

Grundmoräne  161,  353. 

Grundwasser  354  f 

Grüner  Sand  205. 

Grüner  Schlick  201,  205. 

Guadalquivir  872,  527. 

Guatemala,  Gebirge  32,  tägl.  Tem- 
peraturschwankung 80,  Hagel  141, 
Vulkane  312,  Waldgrenze  604. 

Guayana  Massiv  83,  491 ,  Küste  578, 
Savanen  614. 

Guavava  637. 

Gudbrandsdalen  182. 

Guineagolf  29,  191. 

Guineagras  632. 

Guineaströmung  242. 

Guldal  509. 

Gümbel  202,  320,  322*. 

Gunnera  gigantea  599. 

Gunung  Sumbing  503. 

Günther  Siegm.  6*,  11,  13*,  42*, 
228*,  317,  322*. 

Guppy  381,  568,  569,  574*. 

Gurgitello  867. 

Gurgler  Eissee  532. 

Gürteltier  654. 

Güsgundag  543. 

Güßfeld  155. 

Guyana  s.  Guayana. 

Uaacke  353. 
Haas  370*,  582,  588*. 
Haase  520,  531*. 
Häckel  203. 
Hadramaut  314. 
Hafen  583. 
Hafenzeit  229,  232. 
Haff  425,  576,  583. 
Hagel  140. 
Hagen  371,  381*. 
Hagenbach-Bischoff  154,  165*. 
Hague,  A.  496*. 
Hague,  J.  D.  132,  496*. 
Hahn  190*,  199,  290,  298*,  660*. 
Hainan,  Fauna  555. 
Hainbach  515. 
Haken  425. 
Halavats  462'. 
Halbaffen  656,  664. 
Halbinseln  548  ff. 

Halbmonatliche  Ungleichheit  der  Ge- 
zeiten 231. 


680 


Hegister. 


Halligen,  Faima  571. 

Hallö,  Niveauveränderung  287. 

Uallstätter  See  538. 

Ualmahera  557. 

Hamburg,  Seehöhe  447. 

Hammada  409,  429,  617. 

Hammer  156. 

Hammerfest,  Pendellänge  3. 

Hängegletecher  151,  153,  155,  156. 

Hanhai  30,  Bau  446,  Flora  623. 

Hann  42*,  52,  59,  62*,  71,  83,  85, 
87*,  96,  101*,  108,  110*,  114,  116*, 
122*,  370*. 

Hansen,  A.  M.  284,  285,  289,  297*. 

Hansen,  K.  426*. 

Harada  496*. 

Hardangar-Fjord  580,  581. 

Hargita  307,  313,  505. 

Harmattan  115. 

Harrilaid  560. 

Hartmann  426*. 

Härtung  579. 

Harz  317,  Wärmeabnahme  56,  Bau  490, 
492,  493,  494,  Waldgrenze  604, 
Glazialflora  629. 

Hasen  659,  660. 

Hatteria  punctata  664. 

Hatzfeldhafen,  Regen  135. 

Hauptflüsse  520,  525. 

Hauptwasserscheide  522. 

Hauptwindgebiete  109. 

Hauptwindscheide  d.  nördl.  Hemisphäre 
im  Winter  103,  im  Sommer  107. 

Havel  530. 

'  Hawaii  306,  Klima  175,  Fluthöhe  238, 
Erdbeben325,  Canons389,  Fauna573. 

Hayden  497. 

Hayes  498,  646. 

Hebert  115. 

Hebungen  280. 

Hebungsinseln  560. 

Hebungsintensität  468. 

Heer  647. 

Hegau  312. 

Heeyalja  313. 

Hehl  533. 

Heide  620. 

Heiderich  24,  36,  38,  39,  40*. 

Heidersee  532. 

Heilprin  660,  664*. 

Heim  149*,  156,  158,  162,  165*,  172, 
278*,  347,  349,  353*,  381,  390,  401*, 
466,  467,  479*,  509,  518,  541,  548*. 

Hekla  318. 

St.  Helena  552,  655,  vertik.  Wärme- 
abnahme 56,  Regen  132,  Fluthöhe 
238,  Organische  Welt  573,  596,  631. 

Helgoland  422,  447. 

Helikon  482. 

Heliopolis,  Wasserscheide  518. 


Heiland  156. 

Heller  647,  650*. 

Hellespont,  Niveauveränderung  291. 

Hellmann  202. 

Helmert  3,  5,  6*,  13,  14*,  208,  209, 
212,  219*,  286. 

Henkel  381*. 

Hennesj  12,  14*. 

Henxy  Mountains  506. 

Hergesell  271*,  286,  297*. 

Hermsburg,  Regen  125. 

Hemikerland,  Vulkane  313. 

Herzogenrather  Erdbeben  337. 

Hessisches  Bergland  461. 

Hettner  253,  255*. 

Hilber293,298*,  386,401*,  512,  520'. 

Hildebrand  591,  595*. 

Hildebrandsson  122*. 

Hill  124. 

Himalaja  30,  812,  476,  Schweremes- 
Bungen  13,  vertikale  Wärmeab- 
nahme 56,  Antipassat  101,  Schnee- 
grenze 148,  Gletscher  156, 167,  höchste 
kalte  Quelle  367,  Erdpfeiler  351,  Ero- 
sionsspuren  389,  Bau  471,  Beziehung 
zum  Vorland  478,  Gliederung  509, 
511,  Verhältnis  zur  Hauptwasser- 
scheide 523,  Seen  540,  541,  Palmen- 
grenze 596,  Pflanzenregionen  603, 
Waldgrenze  604,  Vegetation  616, 
Flora  680,  Gretreidegrenze  635,  Fauna 
657. 

Himmel,  Farbe  121. 

Himmelsluft  41. 

Hindukusch  30,  476. 

Hindustan,  Winde  113,  Maximalregion 
des  Regens  124,  Regen  Verteilung  126, 
Tiefenbohrung  444,  Flora  631,  Fauna 
657. 

Hinterindien  549,  553,  Gebirgssjsteni 
32,  549,  Latent  352,  Urwald  609, 
Fauna  657. 

Hirsche  659,  660,  661. 

Hispar^letscher  167. 

Hoangho  525,  527,  Abtragung  381. 

Hobart,  Deklination  51. 

Hoboken,  Länge  d.  Sekundenpendels  3. 

Hochgebirge  437,  438. 

Hochgebirgsflora  628. 

Hochland  438. 

Hochlandgürtel  der  alten  Welt  30, 
312,  der  neuen  Welt  32,  311. 

Hochland-Rlimaprovinzen,  Asien  174, 
Amerika  175. 

Hochmoor  547. 

Hochobir,  Temperatur  59. 

Hochschnee  143. 

Hochseen  539. 

V.  Hochstetter  197,  207*,  226. 

Hochthäler-Klima  83. 


Begister. 


681 


UochwaBser  des  Meeres  228. 

Hock  638,  689*. 

V.  Hoff  3,  6*,  387,  425,  529. 

Hoff  mann,  H.  58,  62*,  592,  595*. 

Höftsee  538,  589. 

Hogbacks  497. 

Hühenmessung  211,  438. 

Höhenstufen  der  Kontinente  36. 

Hohe  Tatra  480. 

Höhlen  356,  362,  364,  419. 

Huhlenbftr  659. 

Hohlenhy&ne  659. 

Höhlentiger  659. 

Höhlenwolf  659. 

V.  Höhnel  311,  315,  322*. 

Holdemeß,  Küstenzerstörung  419. 

Hohlhomige  Wiederkäuer  660. 

Hollow,  t^l.  Wärmescbwanknng  79. 

Holmes   370*. 

Holmström  297*. 

Holstein,   Seenplatte  447,    589,    Förde 

582. 
Holzberge  289. 

Homogene  Vulkane  500,  504  f,  506. 
Homoseisten  329. 
Hongkong,   vertikale  Wäi*meabnahmc 

56,  Regendichtigkeit  133. 
Honigsauger  652. 
Hopkins  10. 

Horizontaldislokationen  272,  275. 
Horizontalpendel  17,  328. 
Hörnes,  E.  329,  332,  340*. 
Homkees  164. 
Horst  273,  460. 
Howe-Snnd  580,  581. 
Haalalai  306. 

Hndiksyall,  Strandlinie  285. 
Hadson,  Eisbedeckung  374,  Delta  405. 
Hndsonbai  191,  192,  Areal  und  Tiefe 

193,  Bodenrelief  199. 
Hudaonprovinz,  Bau  33,  485,  Klima  175. 
Hudsoustraße,  Strömungen  240. 
Hudsonthal,  Winde  112. 
Hufeisennasen  661. 
Hnfpfötler  654. 
Hüll  184. 
Hnlt  190*. 
Hamber  526. 

V.  Humboldt  37,   39,   141,   244,  441. 
„Humboldt",  Ballon  54. 
Humboldt-Gletscher  171. 
Humusboden  345. 
Hnmussauere  Alkalien  344. 
Humussäuren  344. 
Hundts-Plateau  446,  478. 
Hundskopf-Fledermäuse  658. 
Hungerbrunnen  366. 
llungeisee  359. 
Huronsee  5  3. 
Hurricane  98. 


Hutton  337. 
Huyssen  13*. 
Hweiho  525. 
Hyäne  656,  658. 
Hvmettos  482. 
Hyomoschus  656. 
Hypsographische  Kurve  35,  36. 
Hypsometrie  438. 
Hypsometrisches  System  437. 

Jack  298*. 

Jadebusen  421. 

Jädem  416. 

Jadrinzew  544,  548*. 

Jagowalfall  396. 

Jaguar  654. 

Jahreszeiten  45,  Entstehung  43,  in  den 
Tropen  134. 

Jährliche  Periode  der  Polarlichter  51, 
der  Temperatur  80,  des  Regens  133  ff., 
des  Grundwasserstandes  355,  der 
Flüsse  370,  der  Pflanzenwelt  592, 
der  Tierwelt  648. 

Jährliche  Wärmeschwankung  81. 

Jailagebirge  30,  550. 

Jak  659. 

Jakobshavn,  Föhntage  115. 

Jakutsk,  Temperatur  69. 

Jamaica,  Karstphänomen  364. 

Janathal,  Temperatur  67,  Waldgrenze 
601. 

Jangtsekiang,  238,  381,  527. 

Janina-Polje  359. 

Jank6  404,  408*. 

Japan,  Föhn  115,  Regen  126,  135, 
Gletscher  168,  Maare  299,  Vulkane 
311,  Erdbeben  273,  324,  327,  328, 
330,  332,  335,  339,  Geysir  370, 
Gebirge  478,  480,  Fauna  555,  Wald 
611,  Flora  624,  Fauna  658. 

Japanisches  Meer  192,  193. 

Jasmin  624. 

Java,  relative  Feuchtigkeit  119,  Hagel 
141,  Vulkane  303,  Seebildung  534, 
Fauna  557,  Waldgrenze  605,  Ge- 
birgsflora  680. 

Javasee,  Salz^halt  216. 

Iberische  Halbinsel  549,  550,  Cyklonen 
109,  Wüstenwinde  116,  Regen  125, 
136,  Gewitter  140,  Hochland  490, 
491,  Küsten  575,  577,  Flora  624. 

Ibi-Gamin-Paß,  Pflanzen  606. 

Jeanette-Expedition  23. 

Jeff  Davis  Peak,  Firn  168. 

Jemen  314. 

Jena,  Aussichts weite  296. 

Jenissei  525,  Eisbedeckung  374. 

Jensen  603. 

Jerusalem,  Regen  127. 

Jessen  637. 


682 


Register. 


Igapowald  609. 

Igel  661. 

V.  Ihering  651,  653,  655,  664*. 

Ilithal  510. 

Immergrüne  Eicbe  611. 

Immergrüne  dikotjlc  Laubbäume  590, 
600. 

Immergrüne  Sträucber  590,  600. 

Indifferentes  Gleichgewicht  der  Atmo- 
sphäre 120. 

Indisch-afrikanische  Provinz  32. 

Indische  NW. -Provinzen,  vertikale 
Wärmeabnahme  56. 

Indischer  Ozean  25,  26,  Areal  27,  193, 
Tiefe  36,  39,  193,  197,  Lufttempera- 
tur 65,  Cyklonen  99,  Luftdruck  und 
Winde  102,  105,  Regen  126,  128, 
130, 131, 133,  Bodenrelief  197,  Boden- 
bedeckung 204,  Alter  206,  Salzgehalt 
215,  Wellen  221,  222,  Strömungen 
246,  251,  252,  Anftriebwasser  254, 
Oberflächentemperatur  256,  Tiefen- 
temperatur 262,  267,  Vulkane  310, 
Flußgebiet  523,  Korallenriffe  567. 

Indisches  Faunareich  657,  663. 

Indre  526. 

Indus  526,  Delta  406,  407,  Verände- 
rungen 528. 

Indusprovinz,  Klima  174. 

Industhal,  oberes,  508. 

Infraborealer  Torf  182. 

Inlandeis  151,  169,  £rosion  398. 

Inn  394. 

Innenküste  575. 

Innere  Zone  64,  im  Januar  68,  im 
Juli  70. 

Innthal,  Veränderungen  der  Schnee- 
decke 142,  Thalterrassen  518. 

Inschan,  Wald  617. 

Insekten  645,  646,  647,  654,  Verbrei- 
tungsmittel 571. 

Insektenfresser  654,  660. 

Insclabgeschlossene  Meere  192,  Salz- 
gehalt 217. 

Inseln  25,  420,  425,  551,  Landfest- 
werden 426. 

Instantane  Niveauveränderungen  272. 

Instcrthal  530. 

Interglazialzeiten  183,  184. 

Interkolline  Thäler  399,  400,  508. 

Interkontinentale  Ozeane  26. 

Intermittierende  Flüsse  372. 

Intermittierende  Vulkane  300. 

Innndationsbett  380. 

Immdationsterrassen  390. 

Joanna  Bogoslo wa  317. 

St.  John  126. 

John-Lavis  337. 

Jok61y  504. 

Jokohama  s.  Yokohama. 


Jonas  614. 

Jones  337. 

Jordan  79,  441. 

Jorullo  500. 

Jostedalsbrä,  Inlandeis  169. 

Jojeuse,  Regeumaximum  128. 

Iquique,  Erdbeben  197,  225. 

Iranisches  Hochland  30,  31,  Regen 
126,  136. 

Irische  See  193,  Grezeiten  237,  Strö- 
mungen 240. 

Irkutsk,  Temperatur  69. 

Irland,  Regen  137,  Gebirge  490,  491, 
Durchgangsthäler  514,  Thalbuchten 
581,  582. 

Isanomalen  72. 

Ischia  318,  Erdbeben  329,  331,  337. 

Ischma  526. 

Isker,  Durchgangsthal  512. 

Island  552,  Gletscher  171,  Tertiäre 
Flora  185,  Angebliche  Klimaftnde- 
run^  188,  Niveauveränderung  288. 
Vulkane  808,  818,  Schlammsprudel 
320,  Geysir  870,  Bau  und  Fauna 
561,  Wald  601,  Getreide  636. 

Isländisches  Plateau  198. 

Ismaila,  Länge  des  Sekundenpendels  3. 

Isobaren  88. 

Isobarenkarten  101. 

Isobasen  285. 

Isobathen  34. 

Isobathenkarten  194. 

Isohypsen  34. 

Isoklinalfalten  464. 

Isoklinalkamm  464. 

Isoklinalthal  464,  507,  508. 

Isoseisten  329. 

Isostatische  Theorie  278,  467. 

Isothermen  61,  Meeresisothermen  256. 

Issel  290,  298*. 

Istrien  549,  Niveauverändemngen  293, 
marine  Quellen  358,  Rias  583. 

Italien,  Fläche  6,  Temperatarabwei- 
chung 87,  Regen  138,  Vulkane  313, 
Erdbeben  324,  327,  333,  334,  Halb- 
insel 549,  550,  553,  Küsten  576,  577, 
Wald  631. 

Juba-Mündune  406. 

Judikarienspalte  508. 

Jukes  514,  515,  516. 

Jukes-Brown  568,  574*. 

Junge  Floren  628. 

Junghuhn  119,  534. 

Jun^rtiär  20. 

Jura  (Schweiz),  Bau  467,  477,  Ab- 
grenzung 475,  Gliederung  511,  514, 
Wald  Wechsel  630,  Getreidegrenze 
635. 

Juraformation  20,  22,  Verteilung  von 
Wasser  und  Land  206. 


Register. 


683 


Jotische  Halbinsel  550,  553,  576,  582. 
Ivrea,  Moränen  430. 
Izalko  301,  500. 

Kaagan,  Gletscher  158. 

Kadettenrinne  241. 

Kadzusa-Bai  577. 

Käfer  647. 

Kaffee  637. 

Kagera  525. 

Kahle  298*. 

Kaibab-Plateau  459. 

Kaidakbai  543. 

Kairo,  tägliche  Wärmeschwankung  79, 
Regen  127. 

Kaiserstahl,  £rdheben  331. 

Kakadu  652. 

Kakteen  591,  600,  617,  632. 

Kalahari  522,  Regen  129,  Klima  174, 
Vegetation  618. 

Kalanscho-Serir  410. 

Kalema  224. 

Kalkboden  346. 

Kalkowski  14*. 

Kalkpfianzen  589. 

Kalkreicbe  Quellen  367. 

Kalkschlamm  203. 

Kalmen^rtel  100. 

Kältepole  67. 

Kalte  QueUen  367. 

Kalter  Wall  245. 

Kalter  Wärmegürtel  76. 

Kalte  Schlammsprudel  320. 

Kältezentren  67. 

Kalte  Zone  74,  75  (s.  auch  arktische 
und  antarktische  Zone). 

Kama  526. 

Kamel  656,  659,  661. 

Kamerun,  Hochgebirgsflora  628. 

Kames  430. 

Kammgebirge  436,  492,  495,  505,  506. 

Kammpaß  520. 

Kammwasserscheide  516. 

Kampine  612. 

Kamtschatka,  Regen  126,  Gletscher 
168,  Klima  174,  Vulkane  311,  Ge- 
birge 550,  Savanen  614,  Getreide- 
grenze 635. 

Kanab-Plateau  459. 

Kanal,  Gezeiten  237,  Strömungen  240. 
Strandyerschiebung  292,  Küstenzer- 
störung 419. 

Kanal  der  Korallenriffe  564. 

Kanalriffe  564. 

Kanaltheorie  235. 

Kanarische  Inseln  s.  Canaren. 

Kane  646. 

Kankersee  545. 

Känozoisches  Zeitalter  (Formations- 
gruppe) 19,  20. 


Kant  2. 

Kap  Agulhas  25. 

Kapflora  626. 

Kapformation  21. 

Kap  Henry,  Gezeiten  234. 

Kap  Hoom  25. 

Kapillare  Wellen  221. 

Kapland,  Regen  129,  Klima  174,  Vege- 
tation 619,  620. 

Kap  St.  Martin,  unterseeische  Quelle 
358. 
„     Otway,  Küstenzerstörung  419. 
„     Palmas,  Gezeiten  234. 

Kappel,  Temperatur  59. 

Kap  Race,  Gezeiten  234. 

Kar  383. 

Karabugas  543. 

Kara-Dagh  313. 

Karagamgletscher  167. 

KarakaschthaJ,  tägl.  Wärmeschwankung 
79. 

Karakorum  30,  476,  tägliche  Wärme- 
schwankung 79,  Schneegrenze  148, 
Gletscher  167,  Bau  472,  Getreide- 
grenze 635. 

Karapiti  368. 

Karbon  20,  22. 

Karlsbader  Thermen  313,  367. 

Kamische  Alpen,  Durchgangsthäler  514. 

Kärnten,  vertikale  Temperaturabnahme 
56,  Wärmeumkehr  59,  Hagel  141. 

Karpaten  30,  Vulkane  313,  Beziehun- 
gen zu  den  Alpen  474,  475,  zum 
Vorland  477,  Bau  480,  Längsthäler 
508,  Krummholz  606. 

Karpinsky  462*. 

Karreeberge  453. 

Karren  362,  363. 

Karru  619. 

Karru^ormation  21,  491. 

Karsee  538,  539. 

Karst  356,  364,  475,  509. 

Karstens  27,  36,  39,  40*,  193. 

Karstphänomen  356  ff. 

Kartoffel  635,  636. 

Kasan,  tägl.  Wärmeschwankung  79. 

Kaschgarien,  lokale  Winde  111. 

Kaschmir,  Krdbeben  337. 

Kaskaden  396. 

Kaskadengebirge  311,  Schneegrenze 
148,  Gletscher  168. 

Kaspische  Depression  537. 

Kaspische  Scblammsprudel  320,  321. 

Kaspisee,  ehemalige  Ausdehnung  184, 
Seehöhe  448,  Dimensionen  536,  537, 
538,  Geschichte  542,  Salzgehalt  543. 

Katarakte  396. 

Katsch,  Erdbeben  327. 

Katzen  6G0,  661. 

Kaukasus  30,    Schweremessungen  13, 


684 


Register. 


vertik.  Wärmeabnahme  56,  Hagel 
141,  Gletscher  167,  Vulkane  312, 
Schlammspmdel  321,  Abgrenzung 
475,  Gipfel  483,  Seen  541,  Vege- 
tation 616. 

Kaymeni  305. 

Kayser  23*,  278*. 

Kea  306,  Waldgrenze  606. 

Keelingsinseln,  Katten  555. 

Kegelberge  436. 

Keilhack  522,  531*,  574*. 

Keilscholle  460,  462. 

Keller,  C.  358*. 

Keller,  Ph.  859,  370*. 

Kelter  424. 

Kenia  315. 

Kentern  237. 

Kerguelen,  Gletscher  169,  Strandter- 
rasse 419,  Flora  602,  626. 

Kerguelenströmung  252. 

Kerkamündung  406. 

V.  Kerner  149*. 

Kertsch,  Schlammsprudcl  321. 

Kesselbruch  274. 

Kesselthäler  501. 

Kettengebirge  437,  468,  495,  Alter  484. 

Keulenbäume  625. 

Keuper  20. 

Khamsin  115. 

Kiefer  612. 

Kiefemtuff  182. 

Kjerulf  283,  297*,  509. 

Kieselpflanzen  589. 

Kieselsäurereiche  Quellen  367,  368. 

Kiessling  207*. 

Kieswüste  409. 

Kigelia  599. 

Kikuchi  322*. 

Kilauea  11,  306,  307.  318,  501. 

St  Kilda,  Gezeiten  234. 

Kilimandscharo  815,  Gletscher  166. 
Flora  628. 

Kinalady,  Schlammstrom  548. 

Kirchhoff,  A.  559,  560*,  632*. 

Kirgisensteppe  448. 

Kirman  617. 

Kithäron  482. 

Kitzlochklamm  388. 

Kiwi  664. 

Klagenfiirt,  Temperatur  59. 

Klamm  383,  387. 

Klein  139,  141*. 

Kleinasien  30,  31,  Regen  126,  136, 
angebliche  Klimaänderung  187,  Vul- 
kane 313,  Halbinsel  549,  Flora  624. 

Kleinbuchtige  Küste  576. 

Kleine  Sunda-Inseln  557. 

Kiengel  149*. 

Kletterpalmen  597. 

Klima  173,  Schwankungen  175  ff.,  185, 


Tabelle  d.  35jähr.  Schwankungen  17 ^>, 

Änderungen  187. 
KlimaproWnzen  173,  187. 
Klimatische  Schneegrenze  146,  147. 
Klippen  420. 
Klippenbrandung  224. 
Klippschliefer  656. 
Kljutschewskaja  Sopka  318,  503. 
Klocke  155. 
Klöden  527,  531*. 
Klösterle,  Regen  125. 
Kluftwasser  356. 
Knipping  115. 
Knollengewächse  636. 
Knop  331,  524. 
Knoten  227. 
Kobelt  551. 
Koch  155. 

Kochthermometer,  Höhenmessung  440. 
V.  Koenen  296,  298*. 
Kohala-Kette  306. 
Kohlensäuregehalt  der  Luft  42. 
Kokospalme  572,  597. 
Kolibri  643,  662. 
Kombinierte  Halbinseln  550. 
Kompensationsströmungen  251. 
Komplizierte  Verwitterung  344. 
Kondensation,  Ursachen  119. 
Konferven  546. 

Kongo  373,  402,  526,  Gezeiten  234. 
Kongobecken  32. 

Koniferen  594,  611,  Zone  600,  612. 
König  Karl-Land  558. 
Königsberg,  Feuchtigkeit  117. 
Königsee  542. 
Königswürger  662. 
Konkordante    Küste    574,    577,    583, 

584. 
Konschin  531*. 
Konstantinopel,  Erdbeben  337. 
Kontinentalböschung  85,  36. 
Kontinentale  Ablagerungen  200,  205. 
Kontinentale  Flüsse  520,  528. 
Kontinentale  Maxima   u.  Minima  107. 
Kontinentale  NiYeauveränderungen280. 
Kontinentale  Zerstörung  16. 
Kontinentalinseln  552  ff.,  569. 
Kontinentaltafel  35,  36. 
I   Kontinente  25,  27  ff. 
Kontraktionstheorie  276,  466. 
Konvektionstheorie  96. 
Kopenhagen,  tägl.  Wärmeschwankang 

79. 
Koppen,  W.  76,  77*,  90,  110*,  122», 

130,  133*,  271*,  529,  531*. 
Korallen  561. 
Koralleninseln  561  ff.,  562,  569,  Theorie 

294,  565  ff. 
Korallenriffe  562,  Mächtigkeit  566. 
Korallenschlamm  u.  -Sand  205. 


Register. 


685 


Korea  Y    Gletscher    168,    Gebirge    550, 

Küste  575,  577. 
Korinth,  Isthmus  v.,  551. 
Korintji,  Pic  v.,  Waldgrenze  604. 
Koro  566. 

Körperinhalt  der  Erde  5. 
Kosmischer  Staub  16,  203. 
Koster,  Niveauverändenuig  287. 

Kotlaven  303. 

Koto  278*. 

Krafla  318. 

Krakatau  202,  304,  307,  308,  Explo- 
sionswelle 226,  Korallen  568. 

Kranabetter  Klamm  388. 

Krasnow  621*. 

Krat«r  301,  309,  501,  505. 

Kraterseen  533. 

Kraus  364,  370. 

Krebse  bei  d.  Humusbildung  346. 

Kreidefonnation  20. 

Kreidel  235,  236,  240*. 

Kremnitz,  trachytisches  Gebirge  313. 

Kremser  54,  84,  88*. 

Kreta,  Niveauveränderungen  292,  295, 
Flora  624. 

Kretace'ische  Formation  20,  22. 

Kriechtiere,  Verbreitungsmittel  572. 

Krim  549,  560,  Niveau  Veränderungen 
292,  Fauna  641. 

Kristiania,  Flora  592. 

Kristiania^ord  578. 

Kristianiathal  465. 

Kritische  Temperatur  11. 

Krokodil  645. 

Krümmel  26,  39,  40*,  206*,  214,  218, 
219*,  228*,  242,  243,  244,  246,  249, 
250,  252,  255*,  256,  264,  401*,  423, 
424,  426*,  583,  588*. 

Krummholzregion  606. 

Krastenriffe  568. 

Kiyptodepressionen  536,  587. 

Kryptovulkanische  Erdbeben  332. 

Kryptovulkanismus  299. 

Krystallinische  Schiefer  12. 

Kuenlun  30,  476,  vertikale  Temperatur- 
abnahme 56,  Höhe  u.  Alter  484,  Ge- 
treidegrenze 635. 

Kükenthal  245,  255*. 

Kuku  Nor  543. 

Kulm  20. 

Kuntze  244,  370. 

Kappenberg  437. 

Kuppengebii-ge  437,  505,  506. 

Kur  530. 

Kurilen  311,  553. 

Kurilenströmung  247. 

Karische  Nehrung,  Dünen  412. 

Kuro  Schio  68,  246,  257. 

Kurowski  145,  146,  149*. 

Karthal  508,  Föhn  115. 


Kuruk-tag  478,  479. 

Kurz  571. 

Küste  415,  574  ff.,  LÄnge  196. 

Küstenabstand  586. 

Küstendepressionen  536. 

Küstenentwicklung  585. 

Küstenformen  574  ff. 

Küstenkette  Amerikas,  Gletscher  168. 

Küstenriffe  563. 

Küstenströmungen    417,    424,   Einfluß 

auf  die  Deltas  407. 
Küstenversetzung  424. 
Küstenzone  431. 
Küstrin,  Seehöhe  447. 
Kuyper  426*. 
Kverve,  Strandlinien  283. 

Labialeruptionen  307,  308,  309. 

Labiles  Gleichgewicht  der  Atmosphäre 
120. 

Labrador  550,  Temperatur  71,  Fjorde 
581,  Waldgrenze  601. 

Labradorstrom  245,  253,  256. 

La  Grau  530. 

Ladogasee  536,  538,  550. 

Lady  Franklin-Bai,  Temperatur  67. 

Lago  maggiore  327,  545. 

Lago  morto  545. 

Jjagos,  Gezeiten  234. 

Lagrange,  Formel  197,  224,  235. 

Lagunen  576,  in  Oberitalien  425,  der 
Atolle  564,  570,  583. 

Lahnthal  516. 

Lahontansee  184,  545. 

Laibacher  Becken  508. 

Laibachfluß  358. 

Ijake  Eyre  545. 

I^ake  of  the  Woods  486. 

Lakkadiven  567. 

Lakkolithen  506. 

Lama  655. 

Lamark  3. 

de  Lamblardie  398. 

Land,  Areal  23,  Verteilung  24,  Höh(5u- 
stufen  36,  mittlere  Höhe  37,  38,  39, 
Volumen  36,  Thermisches  Verhalten 
63,  73,  tägl.  Temperaturschwankung 
78,  Windstärke  89,  Luftdruckvertei- 
lung 107,  Barometerschwankuug  1 10, 
Regen  124,  Regenwahrscheinlicnkeit 
131,  132,  ßegendichtigkeit  132,  jah- 
reszeitl.  Regen  Verteilung  134,  35jähr. 
Regenperiode  179,  Bodenarten  428, 
Abdachungsgebiete  523,  Vegetations- 
formationen 620,  Floreneinteilung 
627. 

Landeck,  Regen  125. 

Landes,  Dünen  412,  Etangs  533, 
Küste  576. 

Landhalbkugel  25. 


686 


Register. 


Landklima  63,  68,  72,  78,  82. 
Landlöß  414. 
Landsfiugetiere  643,  661. 
Landschnecken,  Verbreitungsmittel  572. 
Landschwelle  436. 
Landsenke  436,  443  ff.,  449. 
Landstufe  437,  454  ff.,  462,  498. 
I^ndwind  111,  119. 
Langen,  Regen  125. 
Langenbeck  271*,  574*. 
Langenbrücken,  Jura  455. 
Langeoog  422. 
Längsabdachung  509. 
Längsbeben  830. 
Lftngsflüsse  520. 
Längsgliederung  510. 
Längskämme  464. 
Längsschollen  482,  492,  494. 
Längsspalten   im   Gletscher    160,    bei 

Erdbeben  327. 
Längsthäler  464,  Bau  507. 
Languedoc,     Mistral     113,     Verände^ 

rangen  425. 
de  La  No6  401*,  457. 
Lapilli  299. 
Laplace  2,  233,  441. 
La  Plata,  Abtragung  381,    Delta  404, 

406,  Bai  407. 
de  Lapparent  16,  18*,  23*,  39,  40*, 

276,  278*. 
Lappland,  Meridiangrad  4. 
Lärche  590,  591,  612. 
Lasaulx  831,  337. 
Lascour  412. 
Lassen  Peak  311,  3:2. 
Laterit  352,  428,  429,  432. 
Latmischer  Golf  538. 
La  Touche  479*. 
Laufvögel  664. 
Lava  299,  302. 
Lavablöcke  299. 
Lavadecken.  443. 
Lavaeruptionen  305,  308. 
Lavaherd  298,  318. 
Lavakegel  504. 
Lawinen  150. 
Lawson  486,  496*. 
Laxe^ord  579. 
Le  Conte  479*. 
Legföhre  590. 

Lehmann,  Rieh.,  283,297*,  419,  426*. 
Lehmboden  345,  428,  429,  432. 
Lehmige  Zersetzung,  Gebiete  352. 
v.  Lehnert  563,  574*. 
Leierschwanz  652. 
Leipoldt  40*. 
Lemming  646,  648,  662. 
Lemström  49,  51,  52*. 
T^muren  556. 
Lemuria  556. 


liCna,  Eisbedeckung  374,  Delta   404. 

Lentz,  239,  240*. 

Lenz  353*. 

T^eon,  Vulkan  bei,  500. 

Leopard  656,  658. 

Lepsius  462*. 

Lerchen  661. 

I^s  Dous  524. 

Lesjeskogen  517,  524. 

Leste  115. 

Leuckerbad  368. 

Leveche  116. 

Levy  329. 

Leymerie  347. 
i   Lianen  608. 

Lias  20. 
;   Liautung,  Gebirgsbau  474. 
i   Libanon,  Regen  127,  Bau  498,  Wald- 
I       grenze  604. 

Libysche  Wüste,  tägl.  Wärmeschwau- 
kung  79,  Quelibildung  366. 
I   Liechtensteinklamm  387. 

Liegende  Falten  464. 

Ligurien,  Erdbeben  337. 

Lilienbäume  599. 

Lima,  Temperatur  71,  Gewitter  140. 

Liman  576. 

Ldmpopo  407. 

Lincoln-Höhen  456. 

Lincoln- Wolds  456. 

Lindenberggletscher  169. 

Lineare  Erdbeben  329,  330,  332,  336. 

Lingg  479*. 

Linhardt  298*. 

Linn^  593. 

Linth  379,  545. 

Liopelma  559. 

Liparische  Inseln  813,  317,  333,  367. 

Lippenblumen  594. 

Liquidambar  593. 

Liro  515. 

Lissaboner  Erdbeben  329,  334,  368. 

Listad,  Flora  592. 

Listow  474,  479*. 

Lithosphäre  7. 

Liverpool,  Tiefentemperatur  8,  Gezei- 
ten 240. 

Livland,  Karstphänomen  363. 

Livno-Polje  359. 

Llanos  448,  613. 

Loa  306,  818,  Waldgrenze  606. 

Loanda,  Regen  134. 

I^b-Nor  450,  542. 

Jjoch  Ewe  533. 

Loch  Houra  580,  581. 

Loch  Lochj,  Temperatur  254. 

Loch  Striven,  Temperatur  254. 

Lockerboden  428,  429. 

Tx)ckereraptioiien  809. 

Lodoieea  Sechellarum  599. 


Register. 


687 


Loew   188. 

Ix)ire  371,  526. 

lokale  Niveauverftnderungen  272. 

Lokale  Winde  110. 

Lok-Botan  820. 

Lokris,  Erdbeben  332. 

London  25. 

Londoner  Becken  456. 

Lone  Peak  497. 

Loomis  89,  98,  101*,  123,  133*. 

Lorber  624. 

Lord  Howe-Inseln  559. 

Lorentz  619. 

Y.  Lorenz  358. 

St  Lorenz-Golf  193,  240. 

St  Lorenzstrom,  Eisbedeckung  374. 

Loris  556. 

Loß  413  f.,  428,  430,  481,  433. 

Loßmfinncben  414. 

LoBmulden  445. 

r^ßschluchten  452. 

I^tablenkung  208. 

Low  496*. 

Lowe  642,  656,  657,  658,  659. 

Löwl  14*,  281,  282,  297*,  300,  394, 
395,  401*,  513,  520*. 

I^wlands  493. 

lioxodromen  26. 

Luebs  659,  660. 

Lückenpaß  520. 

Laeger  Grotte  357. 

Laft  41,  Abnahme  der  Temperatur 
53,  54. 

Luftdruck  41, 90,  Verteilung  im  Winter 
102,  im  Sommer  106,  Schwankungen 
109,  Verteilung  auf  der  Erde  121, 
35jfihr.  Periode  179,  Verhältnis  zu 
den  Bodenbeweeunsen  323,  339. 

Luftschiffahrten,  Ergebnisse  54. 

Luftzirkulation  90. 

Lngan,  tÄgl.  Wftrmeschwankung  81. 

Loneburger  Heide  447. 

Lütschine  545. 

Lnzon,  Schlammsprudel  320. 

Lydekker  471,  479*,  509. 

Lyell,  3,  6*,  386,  387,  532. 

Lyse^ord  578. 

Haare  299,  309,  534. 

MacacuB  658. 

Macalnba  820. 

Macdni  493. 

Mackenzie  523. 

Mackenziebecken,  Klima  70. 

Macquarie-Inseln  644. 

Madagaskar  32,  532,    Bodenarten  429, 

Fauna  556,  656,  663,  664,    Urwald 

609. 
Madeira,    Wästen winde    115,     Fauna 

571,  572,    Flora  573,  574,  624,  631. 


Maelstroro  241. 

Maer-Hall,  Humusbildung  346. 

Magdalenenstrom  526. 

Magma  277,  298,  299,  300,  Herkunft 
317. 

Magnetischer  Nordpol  48. 

Magnolien  599. 

Maine,  FluB Vermischung  524,  Küsten- 
länge  578,  Fjorde  581,  582. 

Mais  634. 

Makarow  219*. 

Malabar,  Regenzeit  135. 

Malade  ttagletscher  166. 

Malaischcr  Archipel,  jÄhrl.  Wänne- 
Bch wankung  81,  Regen  128,  Vul- 
kane 311,  Areal  552,  Entwicklungs- 
geschichte und  Fauna  557, 657,  Flora 
596,  Wald  609,  Floren-  und  Faunen- 
grenzen 557,  622,  652. 

Mahikka  135,  551. 

Malaspina-Gletscher  151. 

Maideninsel,  Regen  132. 

Malediven  567,  Erdbeben  327. 

Malfroy  370. 

Mallet  337,  338,  340*. 

Malm  20. 

Malöm,  Niveauverftnderung  287. 

Malpighiacecnbäume  613. 

Malta,  Regen  138. 

Mammut  659. 

Mammutbaum  593. 

Mammutliöhle  364. 

Mandschurei  32,  Wälder  611. 

Mangrovebäume  424,  598,  610. 

Manicaria  saccifera  597. 

Manihiki-Inseln  567. 

Manila,  Gezeiten  239. 

Maniokpflanze  637. 

Manytschniederung  29. 

Maquis  620. 

Maraunthal  508. 

Marbella,  Serpentinstock  480. 

Marble-Ganon-Platte  459. 

Marcano  353*. 

Marchgebiet,  Regen  125. 

de  Margerie  278*,  401*,  457,  479*. 

Marine  Ablagerungen  423,  428, 429, 431. 

Marine  Flüsse  520,  523. 
j   Marine  Maxima  und  Minima  107. 

Marine  Niveauveränderungen  280. 
'   Marioninsel  602. 
'   Maritzathal  508. 
I   Markham  23. 
'   Marlborough-Hügel  456. 
'  Marmarameer  200. 

Marmolata,  Schneegrenze  149. 
I   Marno  650. 
I   Marquesas  559. 
I   Marrobbio  227. 
I   Marschland  577. 


688 


Register. 


Marshall  664*. 

Marshall-lDseln  567. 

Martel  359,  364,  370*. 

Martin  298%  557,  560*. 

St.  Martin  (Tirol),  Seebildung  532. 

Martinique  314,  Gezeiten  234. 

Martins  533. 

Masamarhu-Insel  569. 

Ma8caret  238. 

Maskarenen,  Fauna  561,  Floren  Ver- 
änderungen 574,  631. 

Massen gebirge  437. 

Massengesteine  12. 

Massiv  437,  495,  505,  506. 

Mathematische  Zonen  74,  75. 

Matotschkinstraße  580. 

Maui  508. 

Mauwi,  Länge  des  Sekundeupendels  3. 

Maulwürfe  660,  661. 

Maulwurfsratten  661. 

Mauritiapalmen  610. 

Mäuse  646,  651,  654,  660. 

Maximalböschung  349. 

Maypures,  Stromschnellen  397. 

McGee  463*. 

Mechanische  Erosion  341. 

Mechanische  Verwitterung  343. 

Mecklenburger  Seenplatte  430,  447,  538, 
539. 

Meer,  Areal  23,  Verteilung  24,  25,  Ein- 
teilung 26,  Tiefenstufen  36,  Mittlere 
Tiefe  37,  38,  39,  Volumen  37,  ther- 
misches Verhalten  63,  73,  tägl.  Tem- 
peraturschwankung 78,  79,  Wind- 
stärke 89,  Luftdruckverteilung  107, 
Barometerschwankungen  110,  Regen 
130,  132,  133,  134,  179,  Gewitter  140, 
Gliederung  191,  Permanenz  d.  ozean. 
Becken  205,  Salzgehalt,  spezifisches 
Gewicht  u.  Dichte  212,  378,  absolutes 
spezif.  Gewicht  217,  Farbe  217,  Ge- 
zeiten 228,  Temperatur  255  ff.,  259  ff., 
Gefrierpunkt  u.Dichtigkeitsmaximum 
260,  Stickstoffgehalt  266,  Vulkane 
315  f.,  geologische  Arbeit  415  ff.,  Ab- 
lagerungen 423,  428,  429,  organisches 
Leben  640. 

Meereis  268,  Küstenzerstörung  417. 

Meeresboden  194,  196,  Bedeckung  200. 

Meeresleuchten  219. 

Meeresniveau  207,  Schwankungen  210. 

Meeresströmungen  240  ff.,  Salzgehalt 
215. 

Meerwasser  207  ff. 

Megaloyz-Schichten,  Fauna  653. 

Mehadia  368. 

Mekong- Gebiet,  Waldgrenze  604. 

Melbourne,  Sandsteinsäulen  351. 

Memel,  jährl.  Periode  371,  Delta  404, 
407,  Veränderungen  530. 


Mensalehsee  28,  426. 

Mera  515,  518. 

Meran,  Klima  58. 

Mercalli  331. 

Mer  de  Glace  152,  157. 

Mergelboden  345. 

Mergen,  Vulkane  811. 

Meridiangrad,  Länge  4. 

Meromsee  537. 

Meru  315. 

Mesas  454. 

Mesopotamien  105,  127. 

Mesozoisches  Zeitalter  (Format  ions- 
gmppe)  19,  20. 

M.esserschmidt  298*. 

Meteoriten  7. 

Methana,  Vulkan  313,  500. 

Mexico,  vertik.  Wärmeabnahme  56, 
Temperatur  67,  81,  84,  Gewitter  139, 
Vulkane  311,  312,  Bodenarten  429, 
Urwald  608,609,  MimosengebOsch  6 1 9, 
Flora  630,  Getreidegrenze  635,  Fauna 
653. 

Mexico,  Golf  von.  Regengebiet  127, 
Gezeiten  239. 

Meyer,  Hans  166,  173*. 

Meyer,  Hugo,  77*,  122*. 

Mezzolasee  545. 

Mfumbiro- Vulkane  315. 

St  Michel,  Bai  v.,  Fluthöhe  238. 

Michigansee,  239,  536. 

V.  Middendorff  113,  289,  601. 

Middlemiss  337,  479*. 

Midori,  Dislokation  273. 

Mikroseismiscbe  Beben  322. 

Milledgeville,  Thalbildung  386. 

Milne  337. 

Milo  313, 

Mimosensträucher  600,  619. 

MineraJboden  345. 

Mineralquellen  366  f. 

Minnesota,  Seen  524,  538. 

Minutoli  529. 

Miocän,  20,  185. 

Mischfloren  628. 

MiBförbung  des  Meeres  218. 

Mississippi  523,  Flußspiegel  375,  Fluß- 
bett 380,  Abtragung  381,  Delta  404, 
407,  Fluß  Vermischung  524,  System 
526,  Länge  527. 

Missouri  526,  Canon  388. 

Mistral  113. 

Mittelalter  der  Erde  19. 

Mitteldeutsche  Alpen  490. 

Mitteldeutsches  Erdbeben  329,  337. 

Mitteleuropa,  Temperaturverftnderlich- 
keit  84,  Bewölkung  122,  geologische 
Klimawechsel  186,  Tliermen  367, 
Diluvialterrassen  890,  Flora  623. 

Mittelgebirge  437,  438. 


Begister. 


689 


MitteUaaf  der  Flüsse  378. 

Hittelmeer,  (europäisches)  191,  Gliede- 
roDg  192,  Areal  u.  Tiefe  193,  Boden- 
relief 199,  Geschichte  206,  Salzge- 
halt 216,  Strömungen  241,  Tiefen- 
temperator  260,  Flußgehiet  523. 

MittelmeerlSnder,  Temperaturyerfinder- 
lichkeit  84,  Winde  105,  Klima  174, 
Niveau verftnderungen  291  f.,  Deltas 
406,  Küsten  575,  Wälder  611,  Maquis 
620,  Flora  624,  631,  632,  Fauna  658. 

Mittelmorfine  161. 

Mittelwasser  des  Meeres  207,  Schwan- 
kungen 279. 

Mittlere  Belenchtungszone  47. 

Möbius  662,  664*. 

Modena,  Föhn  115. 

Mofetten  810. 

Mogador,  Begen  127. 

Mohavewüste,  Winde  116. 

Mohn  70,  72,  77*,  95,  114,  140,  209, 
219*,  248,  264. 

Mohrenhirse  634. 

V.  Mojsisovics  473,  476. 

Mokuaweoweo  306. 

Moldau  515,  525. 

Möller  101*. 

Molnkken  557,  622. 

Monchsbergkonglomerat  515. 

MoDdphasen  230. 

Mondwelle  231,  232. 

Mongolei  353. 

Monokotyle  Laubbäume  595. 

Monotropa  uniflora  593. 

Monsan    105. 

Monsunregen  185. 

Montaigne  412. 

Montblanc,  relative  Feuchtigkeit  119, 
Gletscher  165,  Höhe  483. 

Monte  Amiata  313. 

.,  Argentario  577. 

,,   Cimino  313,  318. 

..   Gargano  551. 

Montenegro,  Klammen  387. 

Monte  nuovo  313,  500. 

de  Montessus  335,  340*. 

Monti  deir  Uccellina  577. 

Montsouris,  Taumessung  119. 

Moore  547  f. 

Moos  547. 

Moostundra  602. 

Moränen  161. 

MorSncnlandschaft  430. 

Moränenseen  533. 

Morawathal  '511. 

Morphologie  435. 

Morphologische  Provinzen  34. 

Moschustier  659. 

Mosel,  Wasserstand  371,  Thal  516. 

Moskau,  tägl.  Wärmeschwankung  79. 

Moskitokette  498. 

SuPAJi,'  Phyaiaohe  Erdkunde.    2.  Aufl. 


Mosselbai,  tägl.  Wärmeschwankung  81. 
Mount  Egmont,  Waldgrenze  604. 

„   Elias,  Gletscher  151,  168,  Vulkane 
311,  Moränenflora  629. 

„    St.  Michael  552. 

„   Owen  Stanley,  Bogen  124. 

„   Shasta  312,  Gletscher  168. 

„   Washington,   Wärmeabnahme  56. 

„   Yasowa  301. 
Mozambique,  Fauna  657. 
Mud  201. 

Mudlumps  321,  404. 
Mührv  118. 
Muir-Gletscher  168. 
Mulde  der  Falte  463. 
Muldenthäler  399,  400. 
Mulhacen  348. 

München,  Deklination  51,  Temperatur- 
veränderlichkeit 85,  Grundwasser  355. 
Münchener  Luftschi&hrten  54,  120. 
Mündungsfälle  395. 
Mündungsformen  der  Flüsse  403. 
Mündungshäfen  585. 
Mündungsseen  542. 
Muntz  344,  353*. 
Mur  515. 
Muren  351. 
Müritzsee  538. 
Murmeltier  648. 
Murray  (Fluß)  373,  407,  526. 
Murray  18*,  36,  39, 40*,  123, 133*,  193, 
196,  204,  207*,  254,  255*,  523,  531*, 
568,  570,  574*. 
Mursuk,  tägl.  Wärmeschwankung  79. 
Musaceen  597. 

Muschelbänke  iu  Norwegen  284. 
Muschelkalk  20. 
Muschketow  337,  340*. 
Mutationsgebiete  431. 
Mygale  645. 
Myrte  624. 

Nachtigal  79. 

Nadelholz  s.  Koniferen. 

Nagetiere  654,  660. 

Nairai  567. 

Namaland  618. 

Nandu  664. 

Nanga  Parbat-Gletscher  167. 

Nankou-Gebirge  457. 

Nanschan  484. 

Nansen  70,  77*,  170,  172. 

Naphtha  321. 

Narentadelta  405. 

Narowafall  896. 

Narra  530. 

Narynthal  510. 

Nashorn  643,  656. 

Nationalpark^  Greysire  370. 

Natronseen  543. 

Natterkopf  632. 

44 


690 


Register. 


Natürliche  BrQcken  859. 

Naturechacht  360,  361,  862,  368. 

Naumann  495*. 

Naumanngletscher  169. 

Neapel,  Senkungen  294,  Golf  577. 

Nebel  121. 

Nebenflüsse  520. 

Nebenmeere  192,  198,  Bodenrelief  199, 
Bodenbedeckung  208,  Salzgehalt  216. 

Necks  504. 

Nefud  412,  617. 

Negative  Niveauveränderungen  280. 

Nehring  184,   190*. 

Nehrung  425. 

Nekton  208. 

Nelson  531. 

Nemorhedus  658. 

Neocom  20. 

Neogen  20. 

Nerobäder  367. 

Neucaledonien  558,  559,  622. 

Neue  Hebriden  311,  558. 

Neu-England,  Gebirge  487. 

Neue  Welt  s.  Amerika. 

Neuffen,  Tiefentemperatur  8. 

Neufundland  581. 

Neufundlaudbank  199,  Nebel  121, 
Fischreichtum  255. 

Neuguinea,  Fauna  557,  558,  652, 
Flora  551,  622. 

Neumann,  B.  531*. 

Neumayer  116,  122*. 

Neumayr  22*,  206,  207*,  313,  331, 
353*. 

Neu-Mecklenburg  558. 

Neu-Mexico,  Waldgrenze  604. 

Neuschottland  550,  575,  581. 

Neuseeland  552,  558,  Föhn  115,  Regen 
129,  131,  Gletscher  169,  Klima  175, 
Niveauveränderungen  291,  295,  Vul- 
kane 311,  Schlammsprudel  320,  Gej- 
sire  370,  Seen  541,  Flora  und  Fauna 
559,  574,  622,  626,  628,  652,  Fjorde 
581,  Palmen  595,  Waldgrenze  604, 
Waldland  610,  Famfluren  620. 

Neusibirische  Inseln  558. 

Neusiedler  See  365. 

Neu-Süd-Wales,  Wald  610. 

Neutrale  Küste  575,  576. 

Neutrale  Zone  12. 

Neuzeit  der  Erde  19. 

Nevada,  Boraxseen  544. 

Nevados  112. 

Newa,  Eisbedeckung  374. 

New  Madrid,  Seebildung  584. 

New  Orleans,  Strandseen  533. 

New  Red  Sandstone  21. 

Newton,  J.  233. 

New  York,  Regendichtigkeit  188. 

Ngai  315. 

Ngau  566. 


Niagarafall  396. 

Njassasee  315,  542. 

Niedergebirge  437. 

Niederguinea,  Küste  575,  Savane  612. 

Niederlande,  Depression  536,  Wald  631. 

Niederlausitz  447. 

Niederungarische  Ebene  444 ,  449  f.,  61 5. 

NiederrheinLsches  Schiefergebirge  490, 
492,  494,  Durch^ngsthäler  516. 

Niederschläge  122  ff.,  sanitäre  Bedeu- 
tung 42,  jährl.  Periode  133,  35jälir. 
Periode  178,  179,  Salpetersäuregehair 
352,  Einfluß  auf  die  Thalbildung  39^. 

Niedrigwasser  des  Meeres  228. 

Niemeyer  116*. 

Nieuweveld-Berge  457. 

Nieve  penitente  155. 

Nigerbecken  32. 

Nigerdelta  407. 

Nikolski  544. 

Nil  372,  397,  527,  Delta  403,  404,  40^, 
406,  Ablenkung  529. 

Nilthal  389,  450. 

Nipptiden  231. 

Nischen  887,  in  den  Sunden  419. 

Nischne-Kolymsk,  Föhn  115. 

Nisyros  313. 

Niveaufläche  208. 

Niveauveränderungen  14,  16,  271, 
litorale  278  ff.,  binnenländische  296  f., 
Einfluß    auf  die    Deltabildung  4(»:. 

Nivellement  211,  439. 

Nordafrikanische  Strömung   244,  253. 

Nordamerika,  Grenzen  28,  Areal  30, 
Oberflächengestaltung  82,  33,  Höhe 
36,  39,  Temperatur  70,  Temperatur- 
schwankung im  wesäichen  Hoch- 
land 79,  Temperaturveränderlichkoit 
84,  85,  86,  barometr.  Minima  97,  9^, 
Luftdruck  und  Winde  102,  103,  104, 
107, 108,  Regen  127, 131, 137,  Schnee 
142,  Gletscher  168,  Eiszeit  lb3, 
Niveauverändemngen  289,  293,  296, 
Vulkane  311,  Diluvialterrasscn  390. 
Löß  414,  Bodenarten  427,  428.  430, 
Tafelländer  443,  westliche  Hoch- 
flächen 446,  abflußlose  Gebiete  522, 
523,  Abdachungen  523,  FIfisse  52T, 
Seen  588, 545,  Halbinseln  549,  Fjorde 
581,  Küstenabstand  587,  Palmen  595, 
596,  Grenze  der  immer-  n.  sommer* 
gränen  Bäume  600,  Wälder  611, 
Salzwüste  617,  Vegetationsformatio- 
nen 620,  Flora  624.  631,  632,  Ge- 
treidegrenze 685,  Obs^^renze  637, 
Fauna  651,  660,  661,  662. 

Nordatlantiscbe  Cyklone  im  Winter  103, 
im  Sommer  108. 

Nordatlantischer  Ozean,  Windceschwin- 
digkeit  89,  Gescbtnndigkext  der 
barometr.  Minima  98,  Stürme  98. 


Register. 


691 


Xdrdckilenische  KlimaproTinz  175. 

Xorddeutschland  84,  87,  137. 

Xordenskiöld  16,  18^  U2,  268,  271. 

Nord^ord,  Strandlinien  284. 

Xordkuntinente  27,  80. 

Nordkrainische  Ebene  546. 

Nr>rdliche  Halbkugel,  Wasser  und 
Land  23,  Durchschnittstemperatur 
72,  Dauer  des  Winterhalbjahres  45, 
Tageslänge  47,  Luftdruck  94,  Anti- 
cy klonen  und  Cyklonen  94,  Luft- 
druck und  Winde  im  Winter  102  ff., 
im  Sommer  107,  Barometerschwan- 
kung 110,  Bewölkung  121,  Begen 
123,  Gletscherareal  165,  Flußgebiet 
523,  Flora  625,  Fauna  663. 

Nordliche  Ealkalpen,  Schneegrenze  149. 

Nördliches  Eismeer  25,  Areal  27,  193, 
Tiefe  193,  Bodenrelief  198  f.,  Strö- 
mungen 245  f.,  Tiefen temperatur 
264  ff.,  Eisbildung  269  ff. 

Nordlicht  48  ff. 

Nordlichtbogen  49. 

Nordmeer  (europäisches),  Niveau  209  f. 

Nordost  -  Europa ,  Temperaturabwei- 
chung 87. 

Nordost-Monsun  106. 

Nordpazi£sche  Cyklone  im  Winter  104, 
im  Sommer  108. 

Nordpol,  unbekanntes  Gebiet  23. 

Nordpolares  Hochdruckgebiet  91. 

Nordsee,  Areal  und  Tiefe  103,  Boden- 
relief 199,  Salzgehalt  216,  Gezeiten 
236,  Strandverschiebung  292,  Dünen 
412. 

Nordstrand  422. 

Nordw^est-Monsun  105. 

Norfolkinsel  559. 

Normale  4. 

Normale  Wasserscheide  511. 

Normalhöhenpunkt  und  Normalnull  der 
preuß.  Landesaufiiahme  211. 

Normal-Isothermen  64. 

Normaltemperaturen  der  Breitengrade 
71,  77. 

Normalwerte  (meteorologische)  181. 

Normandie,  Thäler  398,  Küste  576. 

Norrköping,  Strandlinie  285. 

Norther  85. 

Norwegen,  vertik.  Temperaturabnahme 
56,  Wintertemperatur  69,  265,  Regen 
125,  Gletscher  156,  Torfmoore  181, 
Niveauveränderungen  282  ff.,  288, 
Küste  419,  Fjorde  492,  578,  581,  584, 
Seen  540,  541,  580,  Küstenlänge 
578,  alpine  Waldgrenze  604,  605, 
Wald  631,  Getreidegrenze  635,  636. 

Novaledosee  545. 

.Vowaja  Semlja  552,  558,  tägl.  Wärme- 
5chwankang81,  Eisberge  172,  Nivean- 
veränderung  288« 


Noworossisk,  Bora  113. 

Nukus,  Verdunstung  und  Regen  544. 

Nulato,  Wald  601. 

Nunatak  170,  Vegetation  603. 

Nutation  10. 

Nutzpflanzen  632  ff. 

Oahu  504,  570. 
Oasen  616,  638. 
Ob  526,  Eiftbedeckung  374. 
Oberbeck  92,  101*. 
Oberdeutsche  Hochebene  450. 
Oberer  See  536,  538. 
Oberfläche  der  Erde  5. 
Oberflächenformen  435  ff. 
Oberfiächenmoräne  161. 
Oberffuinea,  Wüstenwinde  115. 
Oberhalbsteiner  Thal  514,  636. 
Oberitalienische  Ebene  s.  Po-Ebene. 
Oberlauf  der  Flüsse  378. 
Oberrheinische  Ebene  399,  444,  445, 

458,  508,  Erdbeben  334. 
Obersulzbachfemer  1^4. 
Obir,  Temperatur  59. 
Obst  637. 
Ochotskisches   Meer   192,    Areal   und 

Tiefe  193,  Eis  268. 
Ochotskische  Strömung  247,  thermische, 

Bedeutung  68. 
Oder,  Veränderungen  530. 
Oderthal  512. 

Odessa,    tägl.  Wärmeschwankung  81. 
Odet  582. 
Oeta  482. 
Ofen  368. 

Offene  Mündungen  403. 
Offener  Ozean  193. 
Ogiven  159. 
Ohio  526. 

Oka,  Eisbedeckung  374. 
Öland,  Niveauveränderung  287. 
Ölbaum  592,  624. 
Oldham  23*,  462*. 
016ron  576. 
Oligocän  20. 
Olonez,  Wald  631. 
Ölpalme  597,  610. 
Onegasee  536,  545,  550. 
Oneion  551. 
Ooze  201. 

Opilio  glacialis  647. 
Oporto,  Gezeiten  234. 
Orbitalbewegnng  219. 
Orchideen  598,  608. 
Oregonceder  612. 
Organischer  Schlamm  201. 
Orinoco,  Delta  407. 
Orizaba,  Pik  v.,  500,  604. 
Orleans,  Prinz  Heinrich  y.,  311. 
Orlow  340*. 

Orographische  Schneegrenze  147. 
44* 


692 


Register. 


Orographisches  System  486. 

Orographische  Thftler  400. 

Orometrie  440  f. 

Ortler  Alpen,  Schneegrenze  149. 

Osman  Dagh  820. 

Osomo,  Waldgrenze  604. 

Ossabaw,  Gezeiten  284. 

Ostafrika,  Gräben  814,  Seen  542, 
Vegetation  613. 

Ostalpen,  vertik.  Temperaturabnahme 
56,  Schneegrenze  149,  Gletscherareal 
166,  Stoßlinien  838,  884,  Bau  470, 
Abdachungen  509,  Hochseen  540. 

Ostanglikanische  Höhen  456. 

Ostasien,  morphologische  Provinz  82, 
84,  Temperaturverftnderlichkeit  84, 
Winde  104,  109,  Winterklima  115, 
Eegen  186,  Schnee  142,  Deltas  406, 
Flora  625,  Fauna  658. 

Ostaustralien,  Niveauveränderung  290. 

Ostaustralische  Strömung  246. 

Ostchinesisches  Meer  192,  Areal  und 
Tiefe  198,  Bodenrelief  199,  Wellen 
222. 

Österreich,  Wald  631. 

Osteuropa  s.  Bußland. 

Osteuropäische  Klimaprovinz  174. 

Ostfeste  27,  Oberflächengestaltung  80, 
Temperatur  69,  78,  87,  Begenwahr- 
scheinlichkeit  181,  ELlimaprovinzen 
173,  Rttstenabstand  587,  Wüsten- 
gürtel 617,  Vegetationsformationen 
620,  Flora  621, 625,  Nahrungspflanzen 
688,  689. 

Ostgrönländische  Strömung  245,  253, 
266. 

Ostindien  185,  tägl.  Wärmeschwankung 
79,  Begen  126,  Maare  299,  Boden- 
arten 429,  Wald  607,  Fauna  657. 

Ostindisch-australische  Monsunprovinz, 
Klima  174. 

Ostindischer  Archipel  s.  malaischer  A. 

Ostküsten,  Temperatur  66,  68,  71, 
thermische  Anomalie  78,  74,  jährL 
Wärmeschwankung  82,  Temperatur- 
veränderlichkeit 85,  Temperatur- 
abweichunff  87,  Winde  102,  Begen- 
wahrscheinlichkeitl  32,  jahreszeitliche 
Begen  Verteilung  134,  139. 

Ostliche  Halbkugel,  Wasser  u.  Land  24. 

Ostsee  191,  192,  Areal  und  Tiefe  193, 
BodenreUef  199,  Niveauschwankun- 
gen 210,  Salzgehalt  216,  Flutgröße 
239,  Strömungen  241,  Eis  268,  an- 
gebliche Entleerung  286  f.,  Geschichte 
286,  Dünen  412. 

Ostsibirien,  Wärmeumkehr  59,  Tempe- 
ratur 67,  69,  70,  71,  82.  Temperatur- 
veränderlichkeit 84,  86,  Barometer- 
maxima  102,  104,  Begen  126,  Klima 
174,  Deltas  406. 


Oszillierende  Bodenbewegung  295. 

Othiys  482. 

ötzthaler    Alpen,    Schneegrenze    149, 

Form  487,  Gliederung  510,  518. 
Ouessant,  Gezeiten  234. 
Ouse  526. 
Ozjtropis  589. 
Ozean  s.  Meer. 
Ozeanische  Deltas  403. 
Ozeanische  Inseln  552. 

Pacific  Creek  524. 

Packeis  269,  270. 

Pahde  255*. 

Paläarktisches  Flachland  31. 

Palacky  622. 

Paläozoisches  Zeitalter  (FormatiouS' 
gruppe)  19. 

Palau- Archipel  559 

Palermo,  Verunreinigung  der  Lui^  42. 

Palics-See  543. 

Palkstraße  556. 

Palmarola,  Niveauveränderung  292. 

Palmen  595  ff. 

Palmenöl  597. 

Pahnenwein  597. 

Palmenzucker  597. 

Palmieri  302,  331,  337,  502. 

Pambuk-Kalassi,  Travertin  367. 

Pamir  30,  476,  tägliche  Wärmeschwau- 
kung  79,  Bau  448,  Gliederung  511, 
Waldgrenze  604. 

Pampas,  Klima  175,  Loß  414,  431, 
Vegetation  614,  619,  Flora  626,  632. 

Pampasformation  448. 

Panama-Isthmus  28. 

Pandanus  598. 

Pandschab,  Begen  135. 

Pantanelli  462*. 

Panther  644. 

Papageien  644,  652,  654,  657. 

Papaver  nudicaule  603. 

Pappel  612. 

Para,  Schmetterlingsfauna  644. 

Paradiesfeige  597. 

Paradiesvögel  652. 

Paragras  632. 

Paraguay,  Fluß  523,  526. 

Parahyba,  Grezeiten  284. 

Parallaktische  Ungleichheit  der  Ge- 
zeiten 282. 

Parallelgliederung  510. 

Parana  523,  526. 

Paris  222,  228*. 

Paris,  Flora  592. 

Parkkette  497,  498. 

Parks  497. 

Parmas  478. 

Pames  482. 

Paroxysmen  der  Vulkane  302. 

Parrv  23. 


698 


Pascoe  652. 

Paß  520. 

Passat   99,   im  Winter  105,    106,   im 

Sommer  107,  108. 
Passatschauer  182. 
Passatstaub  202. 
PSsse  (MisBiflsippi)  405. 
Pasterze  157,  164. 

Patagonien,  Niveanveränderungen  291, 
Seen  540,  Küstenform  576,  Vegetation 
619,  Flora  626. 
Patagonische  Flachsee  199. 

Patagonische  Formation,  Fauna  653. 

Pancnata,  Schneegrenze  148. 

St.  Paal-Insel  (Beringmeer),  Kegen  138. 

,,    (Atlantischer  Ozean)  571. 

,,    (Indischer  Ozean)  584. 

Panlsen  51,  52*. 

Pamnotu-Archipel  567. 

Payer  23,  49,  157. 

Paafischer  Küstentypus  575. 

Pazifischer  Ozean  25,  26,  Areal  27,  193, 
Tiefe  36,  39, 198, 196,  Lufttemperatur 
66,  67,  Cyklonen  99^  Luftdruck  und 
Winde  102,  105,  106,  108,  Regen 
126,  127,  128,  129,  Bodenrelief  196, 
200,  Bedenbedeckung  203 f.,  Salz- 
gehalt 215,  Wellen  222,  Gezeiten 
239,  Strömungen  246 f.,  251,  Ober- 
flSchentemperatur  252,  256,  257, 
Tiefentemperatur  262,  266,  Vulkane 
310,  311,  Flußgebiet  523. 

Pazifische  Welt  34. 

Pazifisch -indisches  Monsimgebiet  126. 

Peal  370*,  498,  499*. 

Peary  170. 

Pechuel-Lösche  612. 

Peiho,  Abtragung  381. 

Pekari  652,  654. 

Pelagische  Ablagerungen  200,  204. 

Pelagische  Fauna  535. 

Peloponnes,  Bau  482,  Halbinsel  551. 

Pelvoux  483. 

Pelztiere  659,  660. 

Penck  36,  39,  40*,  165,  278*,  286, 
297*,  342,  359,  381*,  383,  389,  890, 
397%  401*,  438,  483,  484,  513,  523, 
533,  534,  585,  536,  537,  539,  541, 
568,  569,  570. 

Pendelbeobachtnngen  3,  13. 

Peneplain  486. 

Pentelikon  482. 

Perekop-Isthmus  549. 

Perihel  45,  46. 

Periodische  Quellen  866. 

Periodische  Seen  359. 

Periodische  meteor.  Veränderungen  176. 

Periodische  tSgl.  Wärmeschwankung  78. 

Peripherische  Stoßlinien  333. 

Peripherische  Flachländer  446  ff.,  449. 

Permanenzgebiete  431. 


Permische  Formation  20. 

Perndter  122*. 

Perrey  389. 

Persien,  Bodenarten  429,  Boraxseen  544, 
Wüsten  617. 

Persimanbaum  599. 

Persischer  Golf  190,  198,  199. 

Peru,  Länge  des  Meridiangrades  4, 
Klima  71,  175,  Vulkane  811,  Vege- 
tation 616,  Getreidegrenze  635. 

Peruströmung  246,  253. 

Peschel  278*,  512,  543. 

Peter  682*. 

Petermann  245. 

Peters,  530,  544. 

Petersquelle  367. 

Petit  Lake  524. 

Petro-Alezandrowsk,  Verdunstung  und 
Regen  126,  544. 

Petropaulowsk,  Gezeiten  239,  240. 

Petschora  526. 

Peucker  441*. 

Pfaff  155,  417. 

Pfeiffer  298*. 

Pferd  659,  661. 

Pfitscher  Joch  516. 

Pflanzen,  Anteil  an  der  Zerstöning 
344,  an  der  Landbildung  424,  546, 
Verbreitungsmittel  572,  Abhängig- 
keit vom  Boden  589,  vom  Klima  590. 

Pflanzenleben  im  Meer  201. 

Pflanzenregionen  603  ff. 

Pfriemengras  615. 

Phänologie  592. 

Phalasama,  Strandverschiebung  292. 

Philippi  632*. 

Philippinen,  Vulkane  311,  Fauna  557. 

Philippson  382,  401*,  420,  424,  425, 
426*,  482,  496*. 

Phlegräische  Felder  318,  318,  502. 

Phönixinseln  565. 

Phönix  spinosa  610. 

Phönizische  Häfen  584. 

Phreatische  Wasserschicht  355. 

Phryma  Leptostachya  593. 

Phylica  arborea  396. 

Pic  du  Midi,  vertikale  Temperatur- 
abnahme 56. 

Pico,  Vulkan  von,  501. 

Pierre  du  Niton  211. 

Pikermischichten,  Fauna  656. 

Pikes  Peak,  Temperatur  57,  82. 

Pilar  360. 

Pillsbury  255*. 

Pinchincha  501. 

Pindufl,  Waldgrenze  604. 

Pinien  601. 

Pinselzüngige  Papageien  652. 

Pinzgauer  Ache  515. 

Piombino  577. 

Pisa,  alte  Bucht  v.,  577. 


694 


Register. 


Pisang  597,  610. 

Piflciarelli,  Thermen  367. 

Pittinsel  595. 

Piz  Linard  647. 

Planimeter  5. 

Planimetrische  Methode  36. 

Planina-Polje  359,  360. 

Plankton  203. 

Plateauklima  83. 

Plateaus  437,  yertik.  Wärmeabnahme  59. 

Platten  438. 

Pleistoseistes  Gebiet  328. 

Pliocän  20,  183,  185. 

Pliickensteingraiiit,  Gipfelform  347. 

Plutonistißche  Theorie  275. 

Pluvialperiode  184. 

Po  380,  520,  525,  530,  Abtragung  381, 

Delta  404,  405,  407. 
Po-Ebene  444,  446,  Klima  112,  Regen 

138,  Böschung  195. 
Polarbär  s.  Eisbfir. 
Polare  Beleuchtungszouen  47. 
Polare  Pflanzenzouen   602,  639. 
Polarer  Typus  der  Süßwasserseen  259. 
Polarer  Wärmegürtel  76. 
Polarfuchs  558,  646,  662. 
Polarhalbmesser  der  Erde  5. 
Polarhase  646. 

Polarisbai,  tägl.  Wfirmesch wankung  81. 
Polarklima    83,    tägliche   Teraperatur- 

schwankung  81 ,  Veränderlicbkeit  86. 
Polarländer,  Temperaturabweichung  87, 

Regen  137,  Gewitter  140,  Hagel  141, 

Gletscher  169,  Faziesgebiet  431. 
Polarlicht  48. 

Polarseite  der  Cyklonen  96. 
Polarströmungen  im  Atlant.  Ozean  245, 

im  Pazif.  Ozean  247. 
Polder  424. 
Poliakow  529. 
Policastro,  Golf  von,  577. 
Polje  359,  363. 
Polnischer  Hut  309. 
Polynesien  560,  567,  570,  653,  Klima 

175,  Flora  und  Fauna  572,  652,  663. 
Polynia  271. 
Polypedatidae  571. 
Pommerischer  Landrücken  430,  447. 
Pongauer  Ache  515. 
Pontinische  Inseln  313. 
Pontus  s.  Schwarzes  Meer. 
Pori  618. 
Poriteu  562. 
Pororoca  238. 
Portland  426. 

Port  Said,  Feuchtigkeit  124,  Regen  127. 
Positive  Niveauveränderungen  280,  292, 

583. 
Powell  497,  498. 

Pozzuoli,  Niveauveränderungen  292,295. 
Praia,  Regen  132. 


Pramberge  453. 

Prärieen  83,  vertik.  Wärmeabnahme 
60,  Löß  414,  Terrain  438,  443,  Ve-^- 
tation  615. 

Präzession  10. 

Precht  77*. 

Pregel  530. 

Prestwich  13*. 

Preußen,  Landrücken  430,  447. 

Primäres  Zeitalter  (Fonnationsgrupp«?) 
19. 

Primäre  Wellen  235. 

Primäre  Windströmun^en  250. 

Primärformation  Südamkas  21. 

Primeln  594. 

Prinz  Alfred-Gletscher  169. 

Prinzeninsel  561. 

Procida  313. 

Produktive  Steinkolilenformation  20. 

Profilmethode  36. 

Propylit  318. 
!   Pröscholdt  496*. 
j   Proteaceenbäume  613. 

Provence,  Mistral  113. 

Pruth  405,  530. 

P.rzewalski  79,  124,  126. 

Pteropodenschlamm  204. 

Ptolemäisches  Weltsystem  1. 

Puff  255*. 

Puia-Therme  370. 

Puma  654. 

Pumpelly  352,  353*,  534. 

Punaregion  618. 

Punta  Arenas,  Klima  u.  Getreidebau  1>H»^. 

Purpurschwalbe  644. 

Pußta  614. 

Puy  de  Cöme  310. 

Pyrenäen  30,  vertikale  Temperatiu-- 
abnähme  56,  Föhne  114,  Gletscher 
166,  Erdbeben  334,  Gipfelformeu  347. 
Erdpyramiden  351,  Bau  471,  Gliede- 
rung 510,  511,  Seen  541,  Vegetatioiis- 
regionen  604,  Getreidegrenze  635. 

Pyrenäische  Halbinsel  s.  Iberische  H. 

Pythonschlange  658. 

Quartäres  Zeitalter  (Formation)  19,  20. 

Quellen  364  ff.,  Temperatur  367,  Mi 
neralgehalt  366. 

Quelltümpel  365. 

Querabdachung  509. 

Querandinische  Stufe  291. 

Querbeben  330,  334. 

Querflüsse  520. 

QuergUederung  510. 

Querkämme  464. 

Querschollen  482,  492,  495. 

Querspalten  im  Gletscher  160. 

Querthäler  464,  507,  508  f. 

Quito,  Gewitter  138,  Vulkane  312,  Ge- 
treidegrenze 635. 


Register. 


695 


Radiale  Stoßlinien  333. 

Radialspalten  bei  Erdbeben  327. 

Radiolarienschlaram  204. 

Radmerbach  515. 

Rafflesia  Arnold!  599. 

Eamberg  493. 

Ramsay  456,  463*,  499,  541. 

Rasdfaltungen  478. 

Raudseen  540. 

Randspalten  der  Gletscher  160. 

Ratschacber  Wasserscheide  517. 

Hatten  651,  654,  660. 

Ratzel  147,  149*,  524. 

Raubtiere  654,  657,  659,  660. 

Raulie  Alb  s.  Schwäbische  Alb. 

Rauriser  Ache  515. 

Ravenna  426. 

Ravensberg  494. 

Ravenstein  620,  621*. 

Re  576. 

Reade,  Meilard  381,  466,  479*. 

V.  Rebeur-Paschwitz  17,  18*,  330, 

340*. 
Reclus  524. 
Red  River  531. 

„  (Nbfl.  d.  Mississippi)  405,  Canon  388. 
Reduktion  der  Temperatur  61. 
Reduziertes  spezif.  Gewicht  des  Meer- 
wassers 214. 

Regel  496*. 

Kfgelation  158. 

Kegelmäßige  Wärmeschichtung  259. 

Hegen  s.  Niederschläge. 

Kegendichtigkeit  132,  133. 

Regenerierte  Gletscher  155. 

Kegengebiete  der  Erde  138,  432. 

Regengrüne  W&lder  610. 

Regen  Wahrscheinlichkeit  129,  132. 

Regen  Wälder  610. 

Regenwürmer,  Humusbildung  345. 

Regionale  Niveauveränderungen  272. 

Regressionstheorie  513. 

Regur  415. 

Rehe  659. 

Keichelt  188,  190*. 

Reichenow  662,  664*. 

Reid  168,  173*. 

Reiderland  421. 

Reif  119. 

Rein  568,  633. 

Reis  633. 

Reiß  166,  305,  322*. 

Relaisbeben  336. 

Relative  Feuchtigkeit  118. 

Reliktenseen  535. 

S.  Remo,  unterseeische  Quelle  358. 

Renard  18*,  207*. 

Rentier  558,  646,  649,  659. 

Reptilien  572,  643,  646,  658. 

Resaca  227. 

Reschenseheideck  516. 


Reschensee  532. 

Restinseln  559. 

Reusch  419,  426*. 

ReuBchle  585. 

Reuß,  Abtragung  381,  Thal  392. 

Revillagigedo-Inseln  572. 

Reyer  278*,  322*,  335,  467,  479*,  481, 
496*,  505. 

Rhätische  Alpen,  Getreidegrenze  636. 

Rhein  521,  525,  Schwankungen  des 
Wasserstandes  371,  372,  Delta  404, 
405,  406,  407,  528,  Verbindung  mit 
der  Donau  524,  Größe  527,  Verän- 
derungen 528,  530  f.,  Ablenkung  529. 

Rheinfall  396,  397. 

Rheinisches  Erdbeben  (1828)  328,  (1846) 
325,  337. 

Rheinthal  516. 

Rhinozerosbusch  619. 

Rhone  525,  530,  Abtragung  381,  Delta 
404,  407. 

Rhönegletscher  163. 

Rhönethal  508. 
I    Rhyolith  299,  319. 
I    Rias  582,  584. 

I   Richter,  Ed.   145,   146,    149*,    165*, 
166,  173*,  190*,  258,  271*,  370*. 

V.  Richthofen  278*,  311,  318,  352, 
384,  400,  408,  413,  415,  427,  428, 
434,  437,  445,  446,  457,  462*,  463*, 
467,  476,  486,  509,  511,  520,  549, 
582,  583. 

Ricinus  598. 

Ried  547. 

Ried  (Tirol),  Muren  351. 

Riedgräser  546,  547. 

Riesenhirsch  659. 

Riesentöpfe  160,  in  Steilküsten  419. 

Rif  474. 

Rig^,  Temperatur  80,  83,  85,  Wasser- 
rinnen 387. 

Ringgolds  Isles  567. 

Rio  de  Janeiro,  Hafen  585. 

Rio  Grande  del  Norte,  Canon  388. 

Rio  Negro,  Gezeiten  234,  Waldland  609. 

Rionthal  508. 

Ritter,  A.  11. 

Riukiu-Inseln  311,  553. 

Rocca  Monfina  313,  504. 

Rocky  Mountains  s.  Felsengebirge. 

Rodmann  199,  207*. 

Roggen  634. 

Rohboden  345. 

Rohlfs  79,  410. 

Rohrbach  427,  428,  429,  586,  588*. 

Rokitnosümpfe  524. 

Rolland  413,  415*,  483,  462*. 

Rom,  Feuchtigkeit  und  Regen  124, 
Schnee  142. 

Romieux  298*. 

RomsdalsQord,  Strandlinien  284. 


696 


Register. 


Bosenlauigletscher  160. 

Rosiwal  822. 

Ro88  28,  71,  172,  197. 

Roßberg,  Bergsturz  851. 

Roßbreiten  128. 

Rostförmiffe  Gliederung  510,  511. 

Rotangpaünen  597,  608. 

Rotatorische   Erdbebenbewegung  824. 

Roter  Schlick  201,  205. 

Roter  Schnee  607. 

Roter  See  543. 

Roter  Thon  201,  204. 

Rotes  Meer  192,  Areal  u.  Tiefe  198, 
Bodenrelief  199,  Salzgehalt  216, 
Farbe  2t9,  Geologie  814. 

Roth,  J.  848,  344,  358*. 

Roth,  Santiago  448,  468*. 

Rotholzbaum  612. 

Rothpletz  276,  278*,  466,  479*. 

Rotliegendes  20. 

Rückengebirge  486,  492. 

Rückstau  879. 

Rudistenkalk  868. 

Rudolfsee  815,  542. 

Rudolph  202,  207*,  226,  271*,  816, 
885. 

Rüsen  416,  447. 

Riihlmann  440. 

Rumänien,  Wald  681. 

Rumpfgebirge  485,  487,  495. 

Rumpfschollengebirge  488,  495,  Vor- 
kommen 490  f.,  Urographie  491  f., 
Inseln  558. 

Rundhöckerlandschaften  589. 

Rung  110* 

Runkelrübe  687. 

Russell,  J.  C.  151,  165*,  173*,  190*, 
414,  415*,  460,  461,  468*. 

Russell,  Scott  197,  221. 

Rußland,  Temperaturver&nderlichkeit 
84,  86,  Temperaturabweichung  87, 
Regen  126,  187,  Gewitter  140.  Tem- 
peraturschwankuneen  179,  Eiszeit 
188,  Niveauverfinderungen  289,  292, 
Erdbeben  834,  moderne  Thalbildung 
886,  Deltas  406,  Bodenarten  429, 
Bau  u.  (Schichte  442,  448,  Haupt- 
wasserscheide 523,  Flüsse  529,  Rüsten 
576,  Wald  631. 

Rutenförmige  Teilung  d.  Gebirge  475. 

Rütimeyer  887,  401*,  582,  588*. 

Saalachthal  515,  Seebildung  538. 
Sabaleae  596. 
Sabalpalme  596. 

Sabine -Insel,  tfigliche  Wärmeschwan- 
kung 81. 
Sabioncello  558. 
Sacco  296,  298*. 
Sachalinische  Strömung  247. 
Sachs  614. 


Sächsische  Schweiz,  Gipfelformen  841» 
Thalbildung  889,  452,  Tafelberge  454» 
Fleznr  457. 

Sasopalme  597. 

Si£ama,  Schneegrenze  148. 

Sahara  81,  522,  Temperatur  70,  79. 
Luftdruck  u.  Winde  105,  108,  109, 
Regen  124,  127,  136,  Gewitter  140, 
Klima  174,  früheres  Klima  184,  433, 
Quellen  866,  Ablagerungen  410, 
Dünen  411,  412  f.,  Bodenarten  427, 
431,  482,  Oberflächenformen  432, 
Bau  442,  Gebirge  495,  Depressionen 
587,  Vegetation  616, 617,  Fauna  642, 
649,  664. 

Sijangebirge,  Waldgi-enze  604,  Ge- 
treidegrenze 685. 

Säkulare  Klimaperioden  181,  185. 
„         Niveauverändernngen  272. 

Säkularer  Waldwechsel  630. 

Säkulare  Verwitterung  352. 

Salamanca,  Regen  125. 

Saia  7  Gomez  552. 

Salemo,  Golf  v.,  577. 

Salomoninseln  558,  568. 

Salsen  320. 

Salzachthal  509,  515. 

Salzgehalt  des  Meerwassers  212,  des 
Flußwassers  213. 

Salzkammergut-Seen  541. 

Salzpflanzen  589. 

Salzseen  542  f. 

Salzsteppe  418,  Vegetation  616. 

Sambesi  407. 

Sambesi-Kalahari-Becken  32. 

Samländische  Küste  416. 

Samum  116. 

Sandbänke  200,  408,  in  Flüssen  379. 

Sandberg  in  Fessan  412. 

Sandboden  345. 

Sandinseln  in  Flüssen  879. 

Sandkegel  auf  Gletschern  163. 

Sandler  284,  297%  581. 

Sandsteppen  616. 

Sandwüsten  410,  428,  430. 

Sangay  301. 

Sansibar,  tägl.  Wärmeschwankung  81. 

Santa  Cruz-Schichten,  Fauna  653. 

Santiago  (Chile),  Temperatur  60. 

Santorin  805,  818,  560. 

Saone  525. 

Saonethal  508. 

Sapper  506*. 

Saraswati  530. 

Sara  urcu,  Gletscher  166. 

Sargans,  Wasserscheide  518. 

Sargassomeer  244,  Farbe  218. 

Sargent  621*. 

SaiY-ELamysch-See  528. 

Saskatchewan  523. 

Sassafraslorber  599. 


Register. 


697 


Sattel  der  Falten  468. 

Sattelpaß  520. 

Sättucongsdefizit  118. 

Saaerquellen  810. 

Saaerstoffgehalt  der  Luft  41. 

Saamriffe  568. 

Saure  Eruptivgesteine  299. 

Savane  612. 

Savanenwälder  618. 

Sawatch  498. 

Saya  de  Malha-Bank  567. 

Schacht  548^ 

Schafberg,  Wärmeabnahme  58. 

Schanghai,  Wintertemperatur  104. 

Schansi,  Karbonplatean  457. 

Schantang,  Gebirgsbau  474. 

Sehfiren  582. 

Schartenpaß  520. 

Schanmg  im  Flusse  879,  der  Gebirge 

476. 
Schat  el  Arab  580,  Delta  406. 
Schaukelbewegung  des  Bodens  294. 
ScheingrSser  547. 
Scheit^wert  77. 
Scheich  659. 

Schemnitz,  trachytisches  Gebirge  818. 
Schenck  21,  28*,  468*. 
Schichtquellen  865. 
Schichtungstafeln  448,  449. 
Schiefe  Falten  464. 
Schimpanse  656. 
Schiweljutsch  318. 
Schlackenkeeel  809. 
Schlackenwäle  309. 
Sehladebacher  Bohrloch  7,  8. 
Schlaggendorfer  Spitze,  Einsturz  851. 
V.  Schlagintweit,  H.  367,  606. 
Schlammsprudel  820,  865. 
Schlammströme  bei  Vulkanen  803,  bei 

Mooren  548. 
Schlammvulkane  820. 
Schlangen  645. 
Schlee  130,  138*. 
Schleppung  (geologisch)  274. 
Schleswig,  Dünen  412. 
Schuck  201. 
Schmalhausen  297*. 
Schmetterlinge  644. 
Schmick  226. 
Schmidt,  Adolf  8,  13*. 
Schmidt,  A.  887. 
Schmidt,  J.  889. 
Schmutzb&nder  der  Gletscher  168. 
Schnabeltiere  651,  664. 
Schnee  15,  Verbreitung  142. 
Schneeberg  (österr.  Alpen)  488. 
Schneeberge  (Südafrika)  457. 
Schneehase  648. 

Schneelinie  (Schneegrenze)  144,  Me- 
thoden 145,  Verteilung  147,  484,  in 
d.  Eiszeit  184. 


Schneemaus  648. 

Schollen  (geologisch)  278,  458. 

Schollenberge  462. 

Schollengebirge  495,  Thalbildung  507. 

SchoUenlftnder  275. 

Schollenlava  808. 

Schopfhuhn  654,  664. 

Schorfflechten  844. 

Schott  214,  216,  219*,  220,  221,  222, 
228,  241,  242,  247,  252. 

Schott- el-Dscherid  188,  587. 
„     Gharsa  582. 

Schottland,  Temperatnrabnahme  56, 
Regen  125,  Gewitter  140,  Eiszeit  188, 
Niveauveränderung  288,  Hochland 
491,  498,  Seen  541,  580,  Thalbuchten 

581,  Waldgrenze  604,  Getreidegrenze 
635,  686. 

Schott  Mebrir  537. 

Schrader  479*. 

Schratten  362. 

Schuhmacher  837. 

Schunk  164,  165*. 

Schuppenstruktur  465. 

Schuster  155. 

Schuttboden  345. 

Schütterlinien  382,  833. 

Schutthalden  350. 

Schuttkegel  350,  380,  in  Binnenseen 
403. 

Schutzfarben  der  Tiere  642. 

Schwäbische  Alb  (Jura),  vertik.  Wärme- 
abnahme 56,  Maare  299,  Erdbeben 
837,  Bau  454,  Glazialpflanze  629. 

Schwarze  173*. 

Schwarzerde  414. 

Schwarzes  Gebirge  318. 

Schwarzes  Meer  195,  Tiefe  200,  Niveau- 
schwankungen 210,  Salzgehalt  216, 
Name  219,  Strömungen  241,  Tiefen- 
temperatnr  261,  Niveauveränderung 
291. 

Schwarzwald  474,  490,  Glazialflora 
629,  Getreidegrenze  685. 

Schwarzwasser  640. 

Schweden,  Regen  125,  Niveauverände- 
rungen 285 ff.,  295,  Moränenland- 
schaft  480,   Seen   585,  539,  Fjärde 

582,  Wald  631. 
Schwein  660. 
Schweinfurth  610. 

Schweiz,  vertikale  Wärmeabnahme  56, 
Temperaturabweichung  87,  Föhntage 
115,  Hasel  141,  Gletocherareal  166, 
angebliche  Bodenver8chiebuneen297, 
Eitibeben  824,  881,  839,  Abhängig- 
keit der  Pflanze  vom  Boden  590, 
Pflanzenregionen  604,  säkularer 
Waldwechsel  630,  Waldfläche  631. 

Schwemmland-Dolinen  860,  362. 

Scirocco  115,  116. 


698 


Register. 


Sclater  662. 

Scottgebirge,  Caüon  388. 

Scrope  292,  302,  322*. 

Scylla  und  Charybdis  241. 

Sedimentgesteine  12. 

Seeaagen  365. 

V.  Seebach  837,  338. 

Seebär  227. 

Seebeben  385,  336. 

Seefelder  Paß  519. 

Seeland  157,  605. 

Seelöß  414. 

Seeklima  63,  68,  72,  78,  82,  83. 

Seen  5316*.,  35  jähr.  Wasserstands- 
perioden 178,  Tiefentemperatur  257, 
üferzerstörung  417,  Anschwemmung 
429. 

Seengebiete  538. 

Seentheorie  der  Durchgangstliäler  512. 

Seewind  111,  119. 

Seiche  227. 

Seifnitzer  Wasserscheide  517. 

Seihan  530. 

Seine  526. 

Seinebecken,  Regen  125. 

Seismographen  324. 

Seismometer  324. 

Seismoskope  324. 

Seitenmoräne  161. 

Sekiya  322*,  325. 

Sekundäre  Minima  98. 

Sekundäres  Zeitalter  (Formations- 
gruppe)  19. 

Sekundäre  Wellen  235. 

Sekundäre  Windströmungen  251. 

Sekundenpendel  3. 

Selkirk-Gebirge,  Gletsclior  1G9. 

Semler  632*. 

Semper  568,  640,  650*. 

Senft  353*,  546. 

Senkungen  289,  bei  Erdbeben  327. 

Senkungsbecken  274,  534,  535. 

Senkungsthäler  399,  400. 

Senon  20. 

Sequoia  593,  599,  612. 

Serena,  Regen  129. 

Serie  in  der  Geologie  19. 

Serir  409,  617. 

Sermerßuak  170. 

Serpentinen  376. 

Serra  da  Estrella,  Wärmeabnahme  56, 
Regen  125. 

Serre  474. 

Serval  658. 

Seter  282,  284. 

Shaw  79. 

Sheavwits-Plateau  459. 

Sibirien,  Temperaturabweichung  87, 
Anticyklone  104,  Regen  137,  Ge- 
witter 140,  Niveauveränderung  289, 
Bodenarten  429,  Tiefland  448,  Flüsse 


529,  Küste  576,  Waldgrenze  *;01, 
säkularer  Wald  Wechsel  631,  Gt- 
treidegrenze  634,  Obst  637. 

Sicilien,  Wüstenwinde  116,  Regen  13^. 
Flora  624,  Verbindung  mit  A&ika  (;.'^:>. 

Siebenbürgen  450,  453. 

Siebenschläfer  649,  661. 

Siedepunkt  440. 

Sieger  287,  297*. 

V.  Siemens  11,  13*,  92,  101* 

Sierra  de  Gredos,  Gletscher  166. 
„      de  los  Filabres  480. 
„      Nevada  (Califomien),  Gletsclier 

168,  Vulkane  311,  Bau  4SI. 
„      Nevada  (Spanien)  30,  Gletscher 
166,  Erdbeben  334,  Gipfelformeu 
348,  Bau  480,  Seenzone  540. 
„      Nevada    de    St.    Marta,    Wahi- 
grenze  604. 

Silleiner  Erdbeben  337. 

Sillthal,  mittl.  Böschung  195. 

Sils,  Temperatur  59. 

Silur-Formation  19,  22. 

Silvretta,  Schneegrenze  149. 

Simeto,  Thalbildung  387. 

Simferopol,  Föhn  115. 

Simony  352,  541. 

Simplon,  Glockenblume  593. 

Simultanbeben  335. 

Singvögel  661. 

Sinisches  Gebirgssystem,  Richtung  4 7t>. 

Sjögren  822*. 

Sjongheller  Grotte  419. 

Siwalikschichten  472,  478. 

Skagerak,  Tiefe  193,  Salzgehalt  2H>. 

Skandinavien  550,  Gebirge  32,  491, 492, 
520,  Winde  103,  Cyklone  109.  Be- 
wölkung 121,  Gletscher  169,  Eiszeir 
1 83,  Niveauveränderungen  282  ff.,  2:v). 
296,  Seen  536,  Küste  575. 

Skaptar  JökuU  303. 

Skerryvore,  Brandung  417. 

Sklavensee  485. 

Skuphos  340*. 

Sluiter  574*. 

Smith  322*. 

Smithsund,  Eismächtigkeit  270. 

Smyma,  Hafen  von,  533. 

Snake-River,  Lavafeld  am,  311,  443. 

Soffioni  367. 

SogneQord  578,  580,  Strandlinien  2>4. 

Sohncke  62*. 

Sokolöw  415*. 

Solare  Wirkungen  15. 

Solfatara  309,  313. 

Solfatarenthätigkeit  309. 

Solferino,  Moränen  430. 

Sologne  526. 

Solowezky -Inseln,  Strand  Veränderun- 
gen 288. 

SoTta  553. 


Register. 


699 


Sombrero,  Oszillationen  295. 
Somma  301,  502. 

Sommergewitter  140. 
Sommergrfine  Laubbäume,  Gürtel  der, 
6O0,  611. 

Sommerregen  134. 

Sondflord,  Strandlinien  284. 

Soiidmöre,  Strandlinien  284. 

V.   Sonklar  145,  441,  532. 

Sonnblick,  Wärmeabnahme  53,  57, 
Temperatur  57,  Niederschläge  143, 
Höhe  483. 

Sonne  381*. 

Sonne  43,  Hypothese  Biermanns  184, 
Hypothese  Dubois  185. 

Sonnenferne  45. 

Sonnenßecken  43,  Beziehungen  zu  den 
Polarlichtem  51,  zum  Klima  176. 

Sonnennähe  45. 

Sonnenwelle  231,  232. 

Sorata,  Waldgrenze  604. 

Sorghum  634. 

South  Cape  25. 

Soyka  355,  370*. 

Spanien,  Regen  125,  Flüsse  372,  Wald 
631. 

Spaltenbildung  im  Gletscher  160,  bei 
Erdbeben  327,  332. 

Spalten  theorie  d.  Durchgangsthäler512. 

Spaltquellen  365. 

Spartium  591. 

Spechte  652,  657. 

Spezifisches  Gewicht  d.  Meerwassers  213. 

Sphagnum  546. 

Sphäroid  3. 

Spinnen  645. 

Spitaler  71,  72,  77*. 

Spitzbergen  558,  Pendellänge  3,  Glet- 
scher 159,  169,  171,  Eisberge  172, 
Tertiärflora  185,  Niveauverände- 
rung 288. 

Spitzmaus  654,  660,  661.' 

Spratt  292. 

Spreethal  530. 

Springmaus  660,  661. 

Springtiden  231. 

Sprung  42*,  130,  133*. 

Sprunghöhe  d.  Verwerfungen  273. 

Sprungschicht  258. 

Squillace-Golf  550. 

Stabiles  Gleichgewicht  der  Atmosphäre 
120. 

Stachelschwein  658. 

Staffelbruch  273. 

Stalagmiten  357. 

Stalaktiten  357. 

Stanleyhafen,  Regendichtigkeit  133. 

Stanowoigebirge,  Waldgrenze  604. 

Stara  Apnenca  361. 

Staten  Island,  Gezeiten  234. 

Staubablagerungen  413. 


Steamboot  Geysir  370. 

Steenstrup  156,  290. 

Stefanoviß  374. 

Stehende  Falten  468. 

Stehende  Wellen  226. 

Steiermark,  Hagel  141. 

Steilküste  416,  417. 

Steinbock  648,  659. 

Steingebirge  460. 

Steinkohlenformation  20. 

Steinschtttt  345. 

Stelzen  662. 

Stenshufud,  Strandlinie  285. 

Steppen  614,  Ablagerungen  433. 

Steppenflora  623,  628. 

Steppen tiere  641. 

V.  Stern  eck  14*. 

Stevenson'sches  Gesetz  89. 

Stickstoffgehalt  der  Luft  41. 

Stiller  Ozean  s.  Pazifischer  Ozean. 

Stockholm,  Niveau  Veränderung  287. 

Storazbaum  624. 

Storjungfrun,  Niveauveränderung  28". 

Stoßformige  Erdbeben  323. 

Stoßlinien  332,  333. 

Stoßwelle  226. 

Strahlenförmige  Gliederung  510. 

Strahlenlicht  49. 

Strand  196,  415. 

Strand brandung  224. 

Stranddänen  410. 

Strandlinien  282,  Verschiebungen  27b  ff. 

Strandsaum  425. 

Strandseen  425,  533. 

Strandterrasse  418. 

Strandwall  425. 

Strato  Vulkane  500  ff. 

Strauchratten  654. 

Strauchvögel  652. 

Strauß  664. 

Strelbitzky  6. 

Strokr  370. 

Strom  371. 

Stromboli  313,  501. 

Stromfläche  210. 

Stromkabelung  255. 

Stromschnellen  396. 

Stromstrich  375 

Strom  Versetzung  241. 

Stromwechsel  237.     * 

Struktur  der  Gletscher  15ö. 

Strumathal  511. 

Stubbeukammer  418. 

Stübel  166,  305,  322*. 

Stuben,  Regen  125. 

Studer,  Th.  419,  426*. 

Stufe  (geologisch)  19. 

Stuhlmanu  311. 

Stürme  98. 

Sturmfluten  224. 

Sturt  116. 


700 


Register. 


Starzseen  222. 

Stuttgart,  Temperaturverfinderlichkeit 
85. 

Sabantarktische  Depreasionezone  91. 

Subarktische  Depressionszoiie  91. 

Subarktische  Wurzelschicht  182. 

Subatlantischer  Torf  182. 

SubboreaJe  Wurzelschicht  182. 

Subglazialer  Torf  182. 

Submarine  Deltas  405. 

„    Strömungen  268. 

,,   vulkanische  Ausbrüche  816. 

Subpolare  Depressionszonen  91,  im 
Winter  102,  im  Sommer  107,  108. 

Subtropische  Hochdruckzonen  91,  im 
Winter  102,  106,  im  Sommer  106, 107. 

Subtropischer  Regen  183,  186. 

Subtropischer  Wald  611. 

Subtropischer  Wärmegürtel  76. 

Subtropische  Trockeugebiete  128,  136. 

Südafrika,  Geologie  21,  Regen  129, 
Winde  107,  Tafelberge  458,Fauna657. 

Südamerika,  höchste  Breite  25,  Grenzen 
28,  Areal  30,  Oberfiächengestaltung 
32,  Höhe  36,  39,  Temperatur  68,  70, 
71,  Regen  127,  128,  131,  Hagel  UO, 
Schneegrenze  145,  Gletscher  166, 
Klimaprovinzen  175,  Vulkane  312, 
Erdbeben  327,  335,  339,  Dünen  412, 
Bodenarten  428, 429,  430,  Tiefebenen 
448,  abflußlose  Gebiete  522,  523, 
Abdachungen  523,  Flüsse  527,  Halb- 
inseln 549,  Rüstenabstand  und  -ent- 
wicklung  587,  Palmen  595,  596, 
immeigriine  Laubbäume  602,  Flora 

619,  621,  626,  Vegetationsformationen 

620,  Elntwicklungsgeschichte     653, 
Fauna  653  f.,  663. 

Sudan,  Hagel  141. 

Südchilenische  Rlimaprovinz  175. 

Südchinesisches  Gebirge  484. 

Südchinesisches  Meer,  Strömungen  246, 
247. 

Südd  eutschland ,  Temperaturabwei- 
chung 87,  35jähr.  Klimaschwankung 
180. 

Sudeten,  Krummholzregion  606,  Glazial- 
pflanzen 629,  Getreidegrenze  635. 

Südeuropa,  Regei^  136,  s.  weiter  Mittel- 
meerländer. 

Südfrüchte,  Zone  der,  637. 

Südgeorgien,  Schneegrenze  148,  Pflan- 
zen 602. 

Südkontinente  27,  Areal  30,  Fauna  664. 

Südliche  Halbkugel,  Wasser  und  Land 
23,  Temperatur  71,  72,  Temperatur- 
veränderlichkeit 84,  Schneegrenze 
142,  Dauer  des  Winterhalbjahres  45, 
Tageslänge  47,  Luftdruck  94,  Anti- 
cyUonen  u.  Ovklonen  95,  Luftdruck 
u.  Winde  106,  Barometerschwankung 


110,  Bewölkung  121,  Regen  123, 
Gletscherareal  165,  Flora  625,  Fauna 
663. 

Südliches  Eismeer  25,  Areal  27,  193, 
Eisberge  172,  Tiefe  193,  Bodenrelief 
197,  Bodenbedeckung  204,  Strömun- 
gen 252,  Tiefentemperatur  267. 

Südlicht  48,  jährliche  Periode  51. 

Südostinseln  557. 

Südpazifische  Plateaus  197. 

Südpol,  unbekanntes  Gebiet  23. 

Südrussische  Steppen  614.  615. 

Südsee  s.  Pazifischer  Ozean. 

Südseeprovinz  34. 

Südshetland-Inseln,  Pflanzen  602. 

Südtirol,  Maulbeerbaum  188. 

Südwest-Monsun  109. 

Sues,  Regen  127. 

Sues,  Golf  V.,  314. 

Sues-ilsthmus  28,  Verwitterung  345. 

Sueskanal  192. 

Süß  7,  22,  23*,  88,  84,  206,  276,278% 
280,  281,  284,  287,  289,  292,  294, 
295,  297*,  311,  313,  314,  315,  322*, 
460,  474,  480,  486,  490,  491,  497, 
506,  529,  555,  558,  575. 

Sukkusorische  Erdbebenbewegung  323. 

Suldenerfemer  165. 

Suliman-G^birge  469. 

Sulusee,  Tiefentemperatnr  267. 

Sumatra,  Regen  135,  Erdbeben  333, 
Fauna  557,  Waldgrenze  604,  605. 

Sümpfe  547. 

Sumpfmoos  546. 

Sundasee,  Bodenrelief  199. 

Sungari  525. 

Supan  39,  40*,  77*,  87*,  110*,  141*, 
340*,  401*. 

SupheUagletscher  170. 

Surreta  650. 

Susqnehanna,  Durchgangsthal  512. 

Süßwasserseen  542,  Tyen  259. 

Sutiey  530. 

Svartklubben,  Niveauveranderung  287. 

Swells  498. 

Sydney,  Flutkurve  (Aug.  1868)  225, 
Hafen  585. 

Sykomoren  600. 

Symmetrische  Faltengebirge  470,  494. 

Symons  207*. 

Synklinale  464. 

Synklinalkamm  464. 

Synklinalthal  399,  464,  507,  508. 

Synoptische  Witterungskarten  88. 

Syrien  31,  Regen  127,  136,  angebliche 
Klimaänderung  187,  Gräben  314, 344, 
Seen  542,  Küsten  579,  Flora  624. 

Syrische  Wüste  617. 

Syrten,  Flutgröße  289. 

System  in  der  Geologie  19. 

Szegedin,  Untergang  874,  Seen  543. 


Register. 


701 


Tabago  314. 

Tabak  637. 

Tafelbai,  Gezeiten  284. 

Tafelberge  437,  453. 

Tafelbrüche  273. 

Tafelgebirge  437. 

TafeUand  438,  442  f. 

TafelBcholle  460,  553. 

TafelBchollenberge  462. 

TafelBchollengebixge  462. 

TafelachollenUnd  461. 

Tftglicbe  Periode  der  Temperatur  78, 

der  Windstärke  89. 
Tfigliche  Regenmaxima  123. 

„    Ungleichheit  der  Grezeiten  232. 

,,    Wftrmeschwankung  78. 

T^Ui,  Fluthdhe  288,  Vulkan  504. 

Taimyrland,  Waldgrenze  601. 

Tait  208. 

TakuQord,  Gletscher  168. 

Talca,  Regen  129. 

Taman,  Schlammsprudel  321. 

Tamarisken  610. 

Taminaschlucht  509. 

Tanfiljew  615,  621*. 

Tanganikasee  315,  334,  536,  542. 

Tannen  612. 

Tapir  654. 

Taramelli  337,  340*. 

Tarawera  304,  307,  808,  309,  870. 

Tarimbecken  446,  450. 

Tamowitzer  Platte  447. 

Taschenratten  661. 

Tasmanien,  Fauna  557,  558,  Flora  628. 

Tatejama-Gletscher  168. 

Tau  119. 

Tauben  652,  654. 

Taube  Tiden  231. 

Taunusquarzit  494. 

Taurisches  Gebirge  474. 

Taurus  30,  Vulkane  313. 

Tausendfüßer  645. 

Taxenbach  515. 

Tehuantepec,  Landenge  28. 

Teifun  98,  99. 

Teilminima  98. 

Teisserenc  de  Bort  100,  101»,  121, 

122*. 
Tekesthal  510. 

Tektonische  Becken  534,  535. 
„  Landstufe  462. 
„  Thäler  400. 
„  Thalstufen  395. 
Teleki-Vulkan  311,  815. 
Temperatur,   vertikale  Verteilung  52, 

58,  horizontale  Verteilung  62,  tSgl. 

Periode   78,   jährliche   Periode   81, 

Veränderlichkeit  83,  Abweichung  86. 

35  jähr.  Periode  177,  178. 

Temperatur  des  Erdinnem  8. 


Temperaturzonen  74,  75. 

TenerifiBä,  Antipassat  101,  Feuchtig- 
keit 117. 

Tensger  501. 

Tepützer  Thermen  813,  868.: 

Teraiwald  609. 

Terekdelta  404. 

Tertiäres  Zeitalter  19,  22. 

Tetarata  370. 

Texas,  Mimosengebüsch  619. 

Thalbuchten  578. 

Thäler,  Bildung  881  ff.,  Einteilung  898, 
im  Flachlande  449  ff.,  Alter  507. 

Thalf&Ue  395. 

Thalgletscher  151,  153,  155,  156. 

Thalseen  589,  540. 

Thalstufen  890,  392. 

Thalterrassen  390,  in  Norwegen  283. 

Thal  Wasserscheiden  516. 

Thalweg  375. 

Thalwind  111. 

Thätige  Vulkane  310. 

Thaya  526. 

Theben  (Ägypten),  Seen  543. 

Thee  687. 

Theiß  525. 

Themse,  Abtragung  881,  Mündungs- 
form 406,  Thalbildüng  456. 

Theodolit  439. 

Thermaltheorie  467. 

Thermen  310,  327,  366,  367. 

Thermische  Anomalie  72. 

Thermischer  Äquator,  im  Jahresmittel 
67,  im  Januar  68,  im  Juli  70. 

Thessalisches  Küstengebirge  482. 

Thomas  307,  322*. 

St.  Thomas  (Thom6)-Insel,  tägl.  Wärme- 
schwankung 81,  Fauna  561. 

Thomson,  C.  Wyville,  207*,  268. 

Thomson,  William,  2,  10,  11,  13*. 

Thonboden  345. 

Thonerde  344. 

Thorodssen  171,  308,  322*. 

Thorshavn,  Regen  133. 

Thoulet  206*,  409. 

Thuner  See  545. 

Thüringer  Wald,  Klammen  887,  Bau 
488  f.,  492. 

Thurr  410. 

Tianschan  80,  476,  Gliederung  510, 
Wald  617. 

Tiber  515. 

Tiberiassee  537. 

Tibet  30,  vertik.  Wärmeabnahme  56, 
tägl.  Wärmeschwankung  79,  lokale 
Winde  111,  Regen  126,  Gletscher 
155,  höchste  kalte  Quelle  367,  Bau 
446,  Waldgrenze  604,  605. 

Tiden  229. 

Tiefland  438. 

Tiefenregion  35,  36. 


702 


Tiefenstufen  des  Meeres  86. 

Tieftnoore  547. 

Tiefsee  196. 

Tiefseethon  204. 

Tjemorowälder  610. 

Tiere,  im  Meere  201,  203,  Verbreitunjn- 
mittel  der  Landtiere  554,  571  f.,  Be- 
ziehnugen  zur  Pflanzenwelt  640,  Ab- 
hängigkeit von  d.  Temperatur  642, 
Periodizität  648,  Beziehungen  der 
Tiere  zu  einander  649. 

Tietze  312,  359,  513. 

Tiger  642,  644. 

Tigris  405,  525,  530. 

V.  Tillo  24,  38,  39,  40*,  72,  77*,  427, 
428,  429,  434*,  462*,  506,  522,  531*. 

Timangebirge  484. 

Timber  line  606. 

Timor  557,  622. 

Tipaza,  Küste  420. 

Tirol,  vertik.  Temperaturabnahme  56, 
Bergstürze  352,  Seenabnahme  545, 
vertik.  Verbreitung  der  Tiere  647. 

Tissandier  55. 

Tittel  426*. 

Tivoli,  Travertinablagerung  367. 

Toblacher  Wasserscheide  517. 

Tobolsk,  Seehohe  448. 

Tokelau-Inseln  567. 

Tokio,  Erdbeben  322,  325,  328,  385. 

V.  Toll  297*. 

Tongking,  Gezeiten  239. 

Torell,  644,  646.  650*,  662. 

Torf  547. 

Torfheide  546. 

Torfmoore  mit  Wurzelschichten   182  f. 

Torghat  419. 

Tornados  96. 

Toskana,  Inseln  480,  Marcmmen  536, 
Küste  577. 

Totes  Meer,  ehemalige  Ausdehnung 
184,  Höhe  537,  Dimensionen  538, 
Entstehung  542,  Salzgehalt  548. 

Totes  Thal  537. 

Toula  322*,  479*. 

Trabert  57,  62*. 

Trachycarpus  Martiana  603. 

Trachyt  299,  319. 

Tragosbach  515. 

Transgression  22. 

Transsilvanische  Alpen  474,  512. 

Transversale  Schütterlinien  833. 

Trapezunt,  Föhn  115. 

Traß  800. 

Trautschold  279,  297*. 

Travertin  367. 

Treibeis  269,  270,  mechanische  Wir- 
kungen 417. 

Treibholz  241,  379. 

Tremometer  323. 

Tremors  323. 


Trent  526. 

Trias-Formation  20. 

Trichterförmige  Buchten  407. 

Trier,  Feuchtigkeit  117. 

Triest,  Bora  113. 

Triftströmungen  221,  250. 

Trifttheorie  248,  251. 

Trigonometrische  Höhenmessong  439. 

Trinidad,  Pendellfinge  3,  Schlamin- 
sprudel  320. 

Trisetum  subspicatum  630. 

Tristan  da  Cunha  572,  Flora  602,  62t>. 

Trochoide  219. 

Trompetenbaum  599. 

Trondhjemfjord  578,  579. 

Tropengürtel  47,  Zusammensetzung  diT 
Luft  42,  Temperatur  65,  73,  jährl. 
Temperaturperiode  81,  Gewitter  139, 
Hagel  141,  Gletscher  168,  Flüsse 
372,  379,  Dünen  412,  Brandung  417, 
Vegetation  595,  608,  Flora  621, 
Nutzpflanzen  633,  687,  Fauna  642, 
643,  644. 

Tropenregen  133,  134. 

Tropfstein  857. 

Tropische  Beleuchtungszone  47. 
„  Cordilleren,  Klima  175. 

„  Florenzone  621,  625,  627. 

Tropischer  Typus  d.  Süßwasserseen  259. 

Tropischer  Urwald  608. 

Tropischer  Wärmegürtel  76. 

Tsadsee  536,  543. 

Tchagos  567. 

Tscharapundschi,  Regen  123,  126, 133. 

Tschemosjom  415. 

Tschernyschew  297*. 

Tschinschoscho,  tÄgl.  Wllnneschwaa- 
kung  81. 

Tschugoku,  Bergland  480. 

Tschuthai  510. 

Tsetsefliege  649,  650. 

Tsinlingschan  509. 

TuflF  300. 

Tuffkegel  309. 

Tulpenbaum  599. 

Tundren  602. 

Tunnels  (Karstthäler)  359. 

Turanisches  Tiefland  b.  aral-kasp.  T. 

Turfan,  Depression  bei,  537. 

Turmberg  447. 

Turon  20. 

Turuchansk,  Temperatur  636. 

Two  Ocean  Creek  524. 

Two  Ocean-Paß  524. 

Tyndall  156,  169. 

Überfallsquellen  865. 
Übei^aagsklima  82. 
Übexgußtafehi  448,  449. 
Überschwemmungen  874. 
Ufermorfiae  161. 


Register. 


703 


Uferwälle  404,  406. 

ügogo  613. 

Üinkaret-Plateau  459. 

Uintagebirge  496,  498. 

Ule  218,  219*,  539.  548*. 

Ultenthal  508. 

UmfaDg  der  Erde  5,  des  Äquators  5. 

Umgekehrte  Wärmesduchtang  259. 

Undulatorische  Erdbeben  323. 

Undurchlässiger  Boden  354. 

Unebenheiten  436. 

Ungarn,  Überschwemmung.  374,  Ebenen 

443.   Natronseen  544,  Wald  631. 
Unger  187,  633,  639*. 
Ungleichartige  Flüsse  521. 
Ungleichförmige     Faltengebirge     469, 

494. 
Uuinodale  Wellen  227. 
Unperiodische  tägliche  Wärmeschwan- 

kung  78. 
Unperiodische  Veränderungen  176. 
Unst,  Pendellänge,  3. 
Uuteraargletscher,  Abtragung  397. 
Unterirdisches  Wasser  353  AT 
Unteritalien,  Stoßlinien  333. 
Unterlauf  der  Flüsse  378. 
Unterloitsch,  Doline,  361. 
Uuterschäffler  Alpe,  Temperatur  59. 
Unterseeische  Eruptionen  316. 
Unterseeische  Moore   u.  Wälder  279, 

292,  293. 
Unterseeische  Thäler  294. 
Untiefen  402,  der  Flüsse  379. 
Upemivik,  Temperatur  57. 
Ur  659. 
Ural  31,    Bau  471,   475,    Beziehungen 

zum  Vorland  478,  Höhe  u.  Alter  484, 

Waldgrenze  604. 
Urmiasee  548. 
Ürnersee  540. 

Ursprüngliche  Ebenen  443,  449. 
„  Höhlen  864. 

„  Inseln  552,  560flF: 

„  Thäler  898,  400. 

Urzeit  der  Erde  19. 
üsboj  528. 
Ussa  526. 

Ustjansk,  Temperatur  69. 
Utklippan,  Niveauveränderung  287. 
Ütliberg,Temperaturveränderlichkeit85. 

Yaccinium  608. 

Val  Bagne,  See  532. 

Valbuona  508. 

Val  Meledrio  508. 

Valparaiso,  Temperatur  60,  Regen  129. 

Val  Rendena  508. 

Vampyr  654. 

Vancouver,  Niveauveränderung  289. 

Vardarthal  511. 

Varenius  250. 


Variscisches  Gebirge  490. 

Vegetation  589. 

Vegetationsformationen  595  ff. 

Vegetationszonen  595  ff. 

Veleta  348. 

Venediger,  Schneegrenze  149. 

Venezuela-Gebirge  32,  Waldgrenze  604. 

Venjukow  548*. 

Veränderlicher  Hase  648. 

Veränderlichkeit  der  Temperatur  83. 

Verbeck  322*. 

Verdoletsch,  ehemaliger  See  360. 

Verdunstung  116. 

Vereinigte  Staaten,  Windgeschwindig* 
keit  89,  Niveauveränderungen  293, 
säkulare  Verwitterung  353,  Rarst- 
phänomen 364,  Mündungsformen  an 
d.  atlant.  Küste  406,  Löß  414,  432; 
Bodenarten  429,  Rüstenebene  448; 
Flora  624,  Baumwolle  637. 

Verfärbung  des  Meeres  218. 

Verhältnis  von  Wasser  u.  Land  23,  24. 

Verlaten  Eiland  309. 

Vermoorungsprozeß  546. 

Vemagtgletscher  154,  157. 

Verschiebung  272. 
I   Verschwindende  Flüsse  358. 

Vertikaldislokationen  273,  275. 

Verwerfung  14,  273,  275. 

Verwerfungsquellen  365. 

Verwitterung  15,  340,  343  ff. 

Verwitterungserde  343. 

Verwitterungsterrassen  349. 

Verwitteruugsthäler  400. 

Vesuv  301,  313, 318,  502,  503,  Erdbeben 
334. 

Vico,  Rratersee  313. 

Victoria  (Australien)  Niveauverände- 
rung 291,  Gebirge  492. 

Victoria  (Hongkong),  Regen  133. 

Victoriafälle  396. 

Victorialand  602. 

Victoria  Njansa  536,  542. 

Victoria  regia  599. 

Vierwaldstätter  See,  541,  545. 

Vihorlat-Gutin-Gebirge  313. 

Villacher  Alpe,  Einsturz  351. 

Vindhyaformation  21. 

Vinga,  Niveauveränderung  287. 

Vintschgau,  Stufenbaa  395. 

Viiginien,  Florenveränderung  632. 

Virungo  311j  315. 

de  Vis  651. 

Vispthal,  Erdpyramiden  351,  moderne 
'Hialbildung  386. 

Viti  440. 

Viti-Levu  559. 

Vivara  313. 

Vögel  648,  645,  646,  652,  654,  657,  658, 
661,  662,  Verbreitungsmittel  571. 

Vogelberge  646. 


704 


Register 


Vogesen,  Gipfelformen  847,  Bau  490, 
Granit  506,  Waldgrenze  604,  Glaiial- 
pflanzen  629,  Getreidegrenze  685. 
Volmer  381. 

Vorderindien,    Geologie    21,    Regen- 
findening  190,  Latent  352,  Tiefebene 
444,  447,  Küste  575,  578,  Dschungel- 
gebOsch  620,  Flora  622. 
Vorgeschobene  Deltas  404. 
VorTand-Gletscher  151. 
Vrana-See  859. 
Vulcanello  317. 
Vulcano  813. 
Vulkan  299,  Einteilung  309,  geograph. 

Verbreitung  810,  480. 
Vulkanische  Ablagerungen  428,  429. 

Asche  299. 

Ausbrüche  15,  800  ff. 

Berge  u.  Gebirge  809,  500  ff. 

Erdbeben  331,  336. 

Explosionen  804. 

Gase  300. 

Gewitter  302. 

Inseln  816,  560  ff.,  569,  588. 

Meeresablagerungen  202,  205. 
Vulkanischer  Sand  299. 
Vulkanische  Tafeln  809,  506. 
Vulkanismus,  Theorie  276,  317. 
Vulkankegel  500,  506. 
Vulkanreihen  807. 
Vultur  313. 

Wachspalme  596,  610. 

Wacken  269. 

Wadi  el  Arba  587. 

Wadis  432,  in  der  Sahara  438. 

Wagner,  H.  6*,   7*,  23,  24,  27,  40*. 

Wahand  530. 

WÄhner  515,  516,  520*. 

Wahnschaffe  434*,  447,  468*. 

Wahre  Oberfläche  6. 

Wald  607,  680,  Einflußauf  d.  Klima  189, 
auf  d.  Wassermenge  d.  Flüsse  371. 

Waldgrenze  auf  d.  nördl.  Hemisphäre 
601,  auf  der  südlichen  602,  im  Ge- 
birge 483,  484,  604. 

Waldtiere  641. 

Wales,  Gebirge  490,  491. 

Wallace  554,  556,  557,  559,  560*, 
561,  642,  643,  644,  650,  652,  658, 
661,  662,  664*. 

Wallace-Linie  557,  622,  627,  652. 

Wallbecken  532,  535 

Wallensee  545. 

Wallpaß  520. 

Walhriffe  564. 

Walther,  Joh.,  278*,  341,  852,  409 
410,  415*,  431. 

Wangeroog  422. 

Wansee  543. 

Wärme  s.  Temperatur. 


Wärmedurchlässigkeit  der  Luft  43. 
Wärmegewitter  140. 
Wärmemenge  45. 
Wärmequellen  d.  Erde  42,   d.  oberen 

Luftschichten  52. 
Warme  Quellen  867. 

„      Schlammsprudel  320. 
Wärmeumkehr  58. 
Warme  Zone  74,  75. 
Wärmezonen  Koppens  76. 
Waschbär  661. 

Wasser,  Areal  28,  Verteilung  24. 
Wasserdampf  116,  bei  Vulluuieu  8CK), 

819. 
Wasserfölle  395. 
Wassergräser  547. 
Wasserhalbkugel  25. 
Wasserhülle  7. 
Wassermoos  546. 
Wasserscheiden  385,  im  Gebiige  511, 

Veränderungen  530. 
Wasserteilung  524. 
Watt  423,  424,  576. 
Weald,  Bau  499. 
Wealden  20. 
Weber,  Gebr.  223. 
Weberknecht  647. 
Wechselboden  428,  429. 
Wechsellauf  521. 
Wechselpaß  519. 
Wechselständige  Thäler  8S5. 
Weddell  23. 
Weichsel,    Eisbedeckung   374,    Delta 

406,     Durchgangsthal    512,    Verfto- 

derungen  530. 
Weichtiere  im  Tiroler  Hochgebiige64T. 
Weiden  612. 
Weihuachtsinsel  568. 
Weingürtel  637. 
Weißach  518. 

Weiße  Berge  s.  White  Mountains. 
Weißensee  (Elsaß),  Temperatur  258. 
Weißensee  (Kärnten),  Temperatur  258. 
Weißes  Meer,  Name  219. 
Weißtanne  612. 
Weizen  684. 
Wellenberg  220. 

Wellenbewegung  des  Meeres  15,  219  S. 
Wellenböschung  222. 
Wellenförmige  Erdbebenbewegung  323. 
Wellengeschwindigkeit  220  ff. 
Wellenhöhe  220  ff. 
Wellenlänge  219  ff. 
Wellenperiode  219  ff. 
Wellenthal  220. 
Wellentheorie  Airjs  235. 
Wellingtonia  593. 
Welsh  54,  55. 
Werchojansk,  Temperatur  55,  69.  71, 

636,  jährl.    WärmeschwankuDg  82, 

Schnee  137. 


Register. 


705 


Wernoje,  Erdbeben  327,  337. 

Werrathal  461. 

Weser  525,  Gezeitengrenze  238,  Mün- 
dung 405,  406. 

Westalpen,  Bau  471. 

Westaustralische  Flora  626. 

Westaustralisclie  Strömung  246. 

Westdeutsches  Erdbeben  337. 

Westeräs,  Temperatur  58. 

Westeuropa  31,  Temperatur  73,  Tem- 
peraturabweichung 87,  Klima  173. 

Westfeste  s.  Amerika. 

Westghats,  Urwald  609. 

Westindien,  Regen  128,  Klima  175, 
Küste  575,  Flora  631,  632,  Fauna 
«55. 

Westküsten,  Temperatur  66,  68,  71, 
thermische  Anomalien  73,  74,  jährl. 
Wärmeschwankung  82,  Temperatur- 
veränderlichkeit 85 ,  Temperatur- 
abweichung 87,  Winde  102,  Regen- 
wahrscheinlichkeit 132,  Jahreszeit!. 
Regenverteilung  134,  139. 

Westliche  Halbkugel,  Wassern.  Land  24. 

Westpreußen,  säkul.  Waldwechsel  631. 

Westsibirien ,  Temperaturveränderlich- 
keit 84,  85,  86,  Luftdruck  u.  Winde 
103,  108,  Regen  126,  Klima  174, 
Erdbeben  334,  Tiefebene  448,  Seen 
544. 

Wetterau  399. 

Wettersee  538. 

Wetterveränderlichkeit  98. 

Weule  588. 

Weyprecht  51,  269,  270,  271*. 

Wharton  574*. 

Whewell  233,  237. 

White  499*. 

White  Mountains  487,  Waldgrenze  604, 
Glazialpflanzen  630. 

White  River  Plateau  497. 

Whitney  615. 

Whymper  166,  601. 

Wichmann,  A.  559,  560*. 

Wickenburg,  tägl.  Wärmeschwankung 
79. 

Wiener  45,  52*. 

Wiener  Becken  458. 
„  Thermenlinie  313. 

Wies,  Erdbeben  328. 

Wiesbaden,  Therme  368. 

Wiesel  660. 

Wild  61,  74,  118. 

Wildbäche  881. 

Wildschwein  659. 

Willis  479*. 

Willkomm  126. 

Wimmera  530. 

Winde  15,  klimatische  Bedeutung  119, 
Erzeuger  der  Meeresströmungen  248, 
Einfluß  auf  d.  Zitterbewegungen  329. 

SuPAN,  Physische  Erdkunde.    2.  Aufl. 


auf  die  Deltas  407,  geologische 
Arbeit  408  ff.,  Einfluß  auf  die  Flüsse 
529. 

Winderosion  408. 

Windfläche  209. 
j   Windgeschwindigkeit  89. 
'   Windgesetze  88. 
I    Windstärke  89. 
I   Windstau  224,  421. 

Windströmungen,  System  250. 
I   Wind  Verteilung   im   Winter    102,    im 
I       Sommer  106. 

Windwellen  219  ff. 
I    Winnipegsee  485,  531,  545. 
I   W^intergewitter  140. 

Winterregen  134. 
'   Wirbelgewitter  140. 

Wirkliche  Schneegrenze  144. 

Wisent  659. 

Wisotzki  525,  531*. 
I   Wisperwind  112. 

Witungletscher  168. 
I    Woeikow  42*,   59,   69,   74,   80,   115, 
I        128,  189,  261,  271*,  371,  606. 
,    Wolf  646,  659,  660. 
I   W^olf,  R.  43. 
,    Wolf,  Th.  303,  312,  339,  419. 

St.  Wolfgangsee  545. 

Wolga  526,  Eisbedeckung  374. 

Wolken  121. 

Wollbaum  599. 

Wollgräser  546,  547. 

W^ollhaariges  Rhinozeros  659. 

Wologda,  Wald  631. 

Woodward  286,  297*. 

Wrangcll  115. 

Wrangellberg  311. 

Wrangelland  558. 

Wurzelmaus  648. 

Wüsten,  Gewitter  140,  Hagel  141,  Exo- 
gene Erscheinungen  408,  432  f.,  Dü- 
nen 412,  Pflanzen  616. 

Wüstengürtel  der  alten  Welt  31. 

Wüstentafel  31,  442,  Regen  127. 

Wüstenwinde  115. 

Wyandott-Höhle  364. 

Tampa  512,  516. 

Yamswurzel  637. 

Yangasa  Cluster  567. 

Yataypalme  610. 

Yokohama,  Erdbeben  325,  337. 

Yoldia  arctica,  Schichten  d.,  289. 

York-Wolds  456. 

Yoscmitefall  396. 

Yucca  598. 

Zahnarme  s.  Eden  taten. 
Zannone  480,  561. 
Zebra  656. 
Zechstein  20. 

45 


706  Register. 

Zeller  See  515,  Wasserscheide  518.  '   Ziegen  656,  660. 
Zenker  62,  63,  77*.  Ziemer  133*. 

Zentralafrikanischer  Graben  315.  Zingst  576. 

Zentralamerika  28,  wärmster  Monat  81,  I   Zirknitzer  See  359,  360. 

Regen  128,  Maare  299,  Vulkane  311,      Zittel  366,  560,  662,  664*. 

812,  Schlammsprudel  320,  £rdbeben      Zitterbewegungen  322. 

335,   Bodenarten  429,   Urwald    608,  '   Zonale  Faltengebiiige  471,  494. 

609,  Fauna  658.  Zöppritz  11,  13*,  248,  249,  255 •,  529. 

Zentralasien  30,  31,  Tfigl.  Temperatur       Zsigmondj  462*. 

Schwankung   79,    Winde    105,    108,  '  Zuckerapfel  637. 

109,  408,  Regen  126,  Gletscher  167,  i   Zuckerkiefer  612. 

Vulkane  310,  Wüsten  410,  617,  Bo-  '   Zuckerrohr  637. 

denarten  429,  431,  Felsbecken  534,  ,   Zuidersee  421. 

Seen    542,    544,    Getreidebau  635,  i   Zürich,  Temperaturverfinderlichkeit  85, 

636.  Temperatur  114. 

Zentrale  Erdbeben  329,  330,  336.  Züricher    See    545,    Tiefentemperatur 

Zeutraleruptionen  307,  308,  309.  259,  Erdbeben  327. 

Zentrales  Mittelmeer  206.  1  Zusammengesetzte  Faltengebirge   4B9. 

Zentrales  Tafelland  von  England  456.  I       494. 
Zerschnittenes  Flachland  453,  461.  Zuurberge  484. 

Zeugen  454.  i   Zwarteberge  484. 
Zeyegletscher  169.  Zweiflügler  646. 

Zibethkatze  658.  |   Zwergpalmen  596  f.,  624. 


Berichtignngeii  und  Zusätze. 

S.  3  Z.  14  y.  0.    Zu  Darwin  ist  der  Litteraturvermerk  *  hinzuzufügen. . 

S.  3.  Z.  17  V.  0.  Nach  „Gestalt  der  Erde"  ist  der  Litteraturvermerk*  hinzu- 
zufügen. 

S.  21  Z.  8  V.  u.    Statt  vorindisch  lies  vorderindisch. 

S.  23  Z.  19  V.  o.    Statt  Perrt  lies  Parry. 

S.  35,  193,  196.  Die  hier  genannte  größte  ozeanische  Tiefe  von  8515  m  (bei 
Japan)  hat  erst  durch  eine  Messung  des  englischen  Kriegsschiffes  „Pengoin** 
im  Sommer  1895  ihren  Rang  eingebüßt.  Unter  20<>  40'  S.  17ö«  10  W. 
(also  ebenfalls  im  Pazifischen  Ozean,  vergl.  S.  196)  wurde  bei  einer  Tiefe 
von  8960  m  der  Boden  noch  nicht  erreicht  Man  kann  also  rund 
9000  m  als  größte  bekannte  Meerestiefe  betrachten.  (Natura  v. 
3.  Okt.  1895  S.  550.  Auf  der  Karte  I  konnte  diese  Tiefe  noch  einge- 
tragen werden.) 

S.  84  Z.  9  V.  u.     Statt  Europisches  lies  Europäisches. 

S.  122  Z.  19  V.  u.     Statt  Mater  lies  Meyer. 

S.  123  Z.  12  V.  o.  Die  nachfolgenden  Niederschlagswerte  beziehen  sich  nicht 
auf  je  1  qkm,  sondern  auf  eine  Fläche  von  je  10  qm.  Sie  lassen  sich  an- 
mittelbar in  Regenhöhen  verwandeln,  z.  B.  21,2  cbm  =  212  cm. 

S.  183  Z.  19  V.  u.     Statt  Ööstlich  lies  östlich. 

S.  221  Z.  20  V.  o.    Zu  Schott  ist  der  Litteraturvermerk  ^  hinzuzufügen. 

S.  222  Z.  20  v.  o.     Zu  PAris  ist  der  Litteraturvermerk  '  hinzuzufügen. 

S.  231  Z.  9  V.  o.     Statt  umgehrte  lies  umgekehrte. 

S.  234  Z.  7  V.  u.    Statt  Gorr6  lies  Goree. 

S.  238  Z.  16  V.  u.     Nach  Flutbrandun^  ist  der  Punkt  zu  streichen. 

S.  305  Z.  8,  9,  11  u.  15  V.  o.     Statt  Kameni  lies  Kajmeni. 

S.  337  Z.  7  V.  u.     Statt  Middlemis  lies  Middlexiss. 

S.  397  Z.  8  V.  u.     Statt  wases  lies  was  es. 

S.  429  Z.  17  V.  u.     Nach  Südamerika  ist  Komma  zu  setzen. 

S.  445  Z.  5  V.  u.     Statt  unmittebar  lies  unmittelbar. 

S.  461  Z.  7  V.  o.     Statt  Böschung  lies  Böschungen. 

S.  498  Z.  21  V.  u.     Statt  bestätigte  lies  bestätigt 

S.  512  Z.  6  V.  0.     Statt  Bauatagebirge  lies  Banatergebirge. 

S.  542  Z.  4  V.  o.     Statt  hönnen  lies  können. 


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