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Full text of "Grundzüge und Chrestomathie der Papyruskunde [microform]"

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GRUNDZÜGE  UND 

CHRESTOMATHIE  DER 

PAPYRUS KUNDE 

VON 

L•  MITTEIS  UND  U^WILCKEN 


ERSTER  BAND:  HISTORISCHER  TEIL 
ERSTE  HÄLFTE:  GRUNDZÜGE 

VON 

ULRICH  AVILCKEN 


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DRUCK  UND  VERLAG  VON  B.G.TEUBNER  LEIPZIG- BERLIN  1912 


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ALLE  RECHTE,  EINSCHLIESSLICH  DES  ÜBERSETZÜNGSRECHTS  ,  VORBEHALTEN. 


Geröii^y 


VORWORT. 

Dem  von  mir  gearbeiteten  historischen  Teil  des  mit  Mitteis  gemein- 
sam herausgegebenen  Werkes  habe  ich  nur  wenige  Worte  vorauszu- 
schicken. Was  ich  hier  darbiete,  ist  ein  erster  Versuch,  die  bisherigen 
Ergebnisse  der  Papyrusforschung,  soweit  sie  nicht  in  das  Gebiet  der  Rechts- 
geschichte fallen,  zusammenzufassen,  um  das  Einarbeiten  in  diesen  neuen 
Wissenszweig  zu  erleichtern.  Es  gibt  bisher  so  wenige  Philologen  und 
Historiker,  die  sich  mit  diesem  Teile  der  antiken  Tradition  eingehender  be- 
schäftigt haben,  daß  bei  dem  beständigen  Anwachsen  des  Materials  ein 
gedeihlicher  Fortschritt  geradezu  abhängig  ist  von  der  Gewinnung  neuer 
Arbeitskräfte.  So  will  das  Buch  vor  allem  der  jungen  Disziplin  neue 
Jünger  werben I 

Da  die  Forschung  bisher  immer  nur  an  einzelnen,  oft  weit  vonein-, 
ander  liegenden  Punkten  eingesetzt  hat,  so  würde  ein  bloßes  Zusammen- 
stellen der  bisherigen  Forschungsresultate  nur  ein  StückΛverk  ergeben 
haben.  Ich  habe  daher  versucht,  in  großen  Zügen  ein  Bild  der  Entwick- 
lung zu  zeichnen  und  jene  Resultate  in  dieses  Bild  einzufügen.  So  mußte 
oft  auf  die  toten  Strecken  hingewiesen  werden,  die  von  der  Forschung 
noch  nicht  berührt  worden  sind.  Indem  das  Buch  somit  auch  auf  die  Pro- 
bleme hinweist,  die  mit  Hilfe  der  Papyri  noch  zu  bearbeiten  sind,  will  es 
zugleich  anregen  zu  neuen  Forschungen! 

Als  vor  noch  nicht  einem  Jahre  der  Druck  begann,  hatte  ich  nach 
mehrjährigen  Vorarbeiten  etwa  die  Hälfte  der  Grundzüge  geschrieben,  von 
der  Chrestomathie  aber  im  einzelnen  noch  kaum  etwas  ausgeführt.  Es 
war  ein  hartes  Jahr,  in  dem  ich  neben  den  akademischen  Pflichten  zu- 
gleich mit  dem  Druck  meine  Grundzüge  vollendete  und  die  Chrestomathie 
herstellte.  Daß  gewisse  Ungleichheiten  bei  dieser  Arbeitsweise  unvermeid- 
lich waren,  wird  eine  billige  Kritik  nicht  verkennen.  Einige  Versehen 
konnten  noch  in  den  „Nachträgen  und  Berichtigungen^',  auf  die  der  Leser 
nachdrücklich  hingewiesen  sei,  beseitigt  werden. 

Die  Grund/Ügo  und  die  Chrestomathie  wollen  miteinander  gelesen 
und  verarbeitet  werden.  Sie  ergänzen  sich  gegenseitig.  In  den  GrundzQgen 
sind  die  allgemeineren  historischen  Ergebnisse  der  Texte  zur  Darstellung 
gekommen,  während  die  Besprechung  der  Details,  eventuell  auch  der  sich 
an  sie  anschließenden  Kontroversen,  in  die  Einleitungen  oder  die  Fußnoten 
der  Chrestomathie  verwiesen  ist.     Diese  Einleitungen  verfolgen  den  Zweck, 


IV  Vorwort. 

dem  Fernerstellenden  durch  eine  möglichst  kurze  Skizzierung  dessen,  was 
mir  nach  meiner  Auffassung  des  Textes  als  wesentlich  und  besonders  lehr- 
reich erscheint,  das  Verständnis  der  Urkunden  zu  erleichtern.  Man  versäume 
nicht,  die  an  der  Spitze  der  Texte  aufgeführte  Literatur  heranzuziehen. 

In  der  Auswahl  der  Texte  für  die  Chrestomathie  fühlte  ich  mich  ge- 
bunden gegenüber  denjenigen  Urkunden,  die  ich  demnächst  in  den  „Ur- 
kunden der  Ptolemäerzeit"  (UPZ)  neu  herausgeben  werde.  Mit  Rücksicht 
auf  diese  vom  Preußischen  Kultusministerium  und  der  Berliner  Akademie 
unterstützte  Neuausgabe  der  älteren  (etwa  bis  zum  Erscheinen  der  Petrie 
Papyri  reichenden)  Editionen  habe  ich  in  dem  vorliegenden  Werk,  so  weit 
es  irgend  möglich  war,  von  der  Benutzung  der  für  jene  Sammlung  vor- 
bereiteten Texte  Abstand  genommen  und  ich  danke  Ludwig  Mitteis,  daß 
auch  er  in  seinem  juristischen  Teil  nach  Möglichkeit  auf  diese  meine 
Zwangslage  Rücksicht  genommen  hat. 

Die  schon  veröffentlichten  Textkorrekturen  sind,  soweit  sie  mir  be- 
kannt waren,  in  die  Texte  der  Chrestomathie  aufgenommen  worden.  Gewiß 
wird  mir  bei  der  Unübersichtlichkeit  der  kritischen  Literatur  manches 
entgangen  sein.  Für  freundliche  Nachweise  übersehener  Lesungen  oder 
Emendationen  werde  ich  im  Interesse  einer  eventuellen  Neuauflage  sehr 
dankbar  sein.  Die  Autoren  der  aufgenommenen  Korrekturen  und  die 
Publikationsstellen  sind  an  der  Spitze  der  Texte  namhaft  gemacht  worden. 
Von  einer  Wiederholung  des  Namens  zu  jeder  einzelnen  Korrektur  ist  ab- 
gesehen worden,  dagegen  sind  die  noch  unveröffentlichten  Korrekturen  durch 
Nennung  des  Autors  in  den  Fußnoten  als  neue  gekennzeichnet  worden. 

Hätte  ich  die  in  den  Paragraphen  der  „Einleitung"  behandelten  The- 
mata mit  allem  Detail  darstellen  wollen,  so  wäre  leicht  ein  eigener  kleiner 
Band  entstanden.  Ich  habe  mich  bemüht,  nur  das  Wesentliche  und  dies 
in  größter  Kürze  zu  geben. 

Zum  Schluß  spreche  ich  denjenigen,  die  mir  durch  Revision  von 
Originalen  oder  sonstige  Auskünfte  freundlichst  geholfen  haben,  meinen 
herzlichen  Dank  aus.  Vor  allem  habe  ich  W.  Schub art  zu  danken,  der 
unermüdlich  meine  zahlreichen  Anfragen  beantwortet  hat.  H.  J.  Bell  und 
Seymour  de  Ricci  danke  ich  vielmals  für  freundliche  Auskünfte  über 
Londoner  und  Pariser  Texte.  Besonderer  Dank  sei  Zereteli  dafür  gesagt, 
daß  er  uns  seine  Revisionen  von  Wiener  Papyri  (CPR)  für  unsere  Chresto- 
mathien freundlichst  überlassen  hat.  Auch  A.  S.  Hunt  und  L.  Wenger 
habe  ich  zu  danken,  die  mir  durch  Zustellung  von  Korrekturbogen  er- 
möglichten, einige  Texte,  die  jetzt  eben  erst  erschienen  sind,  in  die  Chresto- 
mathie aufzunehmen. 

Arosa,  den  16.  August  1911. 

ULRICH  WILCKEN. 


INHALTSVERZEICHNIS. 


Vorwort 

Inhaltsverzeichnis  . 


Seite    I  Seite 

in       Nachträge  und  Berichtigungen  .    .    .  VIU 

V   i    Erklärung  der  Klammern  und  Ziffern      X 


EINLEITUNG. 


§  1. 

δ«. 

§  *. 
§  6. 


Umfang   und   Aufgabe    der 

Papyruskunde 

Die  Funde  und  die  Fund- 
stätten     

Sammlungen  und  Editionen 
Liste  der  Editionen  .  .  . 
Die  Schreibmaterialien  .  . 
Die  Schrift 

1.  Die  Prinzipien  der  Schrift- 
entwicklung   

2.  Die  Buchstabenformen    . 

3.  Die  Abkürzungen     .    .    . 


XI 

XVI 

XXIII 

XXV 

XXVIII 

XXXIII 

XXXV 
XXXVII 
XXXIX 


1)  Die  Abbreviaturen  . 

2)  Die  Verschleifungen 

3)  Die  Kontraktionen  . 

4)  Die  Symbole  (Siglen) 

4.  Das  Zahlensystem    ,    . 

5.  Die  Lesezeichen    .    .    . 

6.  Anordnung  der  Schrift 

7.  Die  Kunst  des  Entziflerns 
Zur  Sprache  der  Papyri 
Zur  Chronologie    .    .    . 

Das  Geld 

Zur  Metrologie.    .    .    . 


XL 

XLn 

XLHI 

XLV 

XLV 

XLVI 

XLVII 

XLVm 

xLvm 

LIV 

LXI 

LXVII 


Kap.  I.     ALLGEMEINE  HISTORISCHE  GRUNDZÜGE. 


§  2. 
^  3. 
δ  4. 


Die  Ptolemäerzeit 2 

1.    Das  Regiment 2 

Die  Landeeverwaltung  ....  8 

Die  Griechenstädte 12 

Bevölkerung  und  Bevölkerunge- 
politik    19 

Die  römische  Periode  ....  28 

1.  Das  Regiment 28 

2.  Die  Landeeverwaltung  ....  34 

3.  Die  Griechenstädte                    .  48 


§  4.    Bevölkerung  und  Bevölkerunge- 
politik    63 

C.  Die  byzantinische  Periode   .  66 

§  1.    Das  Regiment 66 

§  2.    Diözese  und  Teilprovinzen    .    .  71 

§  3.    Gau  und  Stadt 76 

§  4.    Bevölkerung  und  BevÖlkerungs- 

politik .    .  84 

D.  Die  arabieche  Periode  88 


Kai•.  11.     RELIGION  UND  KULTUS. 


Die  Ptolemäerzeit 

1.    Religione-   und  Kirchenpoliti 


iHfhen  Kulte 


,,     1.      .\^  ,  ..'.  .:■■  :.i,       ...  riii'fi-ilifvp- 

tische  Kulte    . 
I  6.    OrientaliMche  Kuii' 
H.  Di*»  r^miNchc  Zeit  . 
C                  ιοπΜ-   und  Kircbenpolitik 
tnfit«'H 


'J2 

U6 

101 

r.\ 
112 
118 

118 


188 


§  2.    Römiecbe  Götter    .    .  116 

§8.    Die  griechischen  Kult«  il8 

§  4.    Sarapi« 122 

§  6.    ÄgjpÜtche    und    grilco-ägyp- 

tiiche  Kulte 

§6.    Orieotalitche  Kulte  (einurliHpß 

Hob  des  chriitlichen) 

C.  Die  bysantiniache  Zeit 
I  1.   Die  chriHtliche  Kirche 
I  9.    Die  heidnieohcn  Kult• 

D.  Die  Aral)iN(  ho  Zeit 


189 
131 
131 


VI 


Inhaltsverzeichnis. 


Kap.  ΠΙ.     DIE  ERZIEHUNG. 


Seite 


§  1.    Der  Elementar-Unterricht  ...   136   |    §  2.    Die  gymnasiale  Ausbildung  . 
Kap.  IV.    DIE  FINANZ-RESSORTS.     IHRE  ORGANE  UND  KASSEN. 


Seite 
138 


I.  Die  staatliche  Verwaltung     .  146 

A.  Die  Ptolemäerzeit 146 

§  1.    Die  Ressorts 146 

§  2.    Die  Beamten 147 

§  3.    Die  Kassen  und  Magazine  .  152 

B.  Die  römische  Zeit 153 

§  1.    Die  Ressorts 153 


§  2.    Die  Beamten 156 

§  3.    Die  Kassen  und  Magazine  .  160 

C.  Die  byzantinische  Zeit   .    .  161 

§  1.    Die  Ressorts 161 

§  2.    Die  Beamten 162 

§  3.    Die  Kassen  und  Magazine  .  164 

II.  Die  städtische  \^erwaltung  .  166 


Kap.  V.     DAS  STEUERWESEN. 


A.  D 
§  1. 
§  2. 


§  3 


B.  D 
§  1. 
§  2. 


ie  Ptolemäerzeit 169 

Die  Steuern 169 

Die  Steuerveranlagung     ...  173 

1 .  Die  Feststellung  der  Steuer- 
subjekte   173 

2.  Die  Feststellung  der  Steuer- 
objekte   .........  174 

a.  Die  άτΐογραφαί 175 

b.  Der  Kataster 176 

3.  Die  Steuerberechnung  .    .    .  179 
Die  Steuererhebung 179 

1.  Die  Regie 180 

2.  Die  Pacht 182 

ie  römische  Zeit 185 

Die  Steuern 186 

Die  Steuerveranlagung     ,    .    .  192 
1.  Die  Feststellung  der  Steuer- 
subjekte    192 

a.  Der  14jährige  Zensus  .    .  192 


b.  Die  έτίίκρίΰίξ 196 

2.  Die  Feststellung  der  Steuer- 
objekte   .........   202 

a.  Die  ά-πογραφού 202 

b.  Der  Kataster 205 

3.  Die  Steuerberechnung  .    .    .   208 
§  3.    Die  Steuererhebung 210 

1.  Die  direkte  Erhebung  .    .    .214 

2.  Die  Steuerpacht 218 

C.  Die  byzantinische  Zeit   .    .    .   219 

§  1.    Die  Steuern 220 

§  2.    Die  Steuerveranlagung     .    .    .   222 

a.  Subjektsdeklarationen  .    .    .225 

b.  Grundstücks deklarationen  .   226 
§  3.    Die  Steuererhebung 228 

D.  Die  arabische  Zeit 231 

§  1.    Die  Steuern 234 

§  2.    Die  Steuerveranlagung     .    .    .   236 
§  3.    Die  Steuererhebung 238 


Kap.  vi.     INDUSTRIE  UND  HANDEL. 


Die  Monopole 239 

Die  Industrie 258 


Der  Handel 262 


Kap.  Vn.     DIE  BODENWIRTSCHAFT. 


A.  Die  Ptolemäerzeit 270 

§  1.    Die  Verteilung  des  Bodens  .    .   270 

§  2.    Das  Königsland 272 

§  3.    Das  heilige  Land  ...   278 

§  4.    Das  Lehnsland 280 

§  5.    Das  Privatland    .......    284 

§  6.    Das  Gemeindeland 286 

B.  Die  römische  Zeit 287 

§  1.    Die  Verteilung  des  Bodens  .    .   287 
§  2.    Die  βααιλιχη  und  die  δτιμοοία  γη   288 


§  3.    Die  7ίρο60άον  γη 296 

§  4.    Die  ούαια-Λϊ]  γη       298 

§  5.    Τά  Ιερατίτιά  εδάφη 300 

§  6.    Die   ίδιωτιν,η   γη   und   die    ον- 

βίαι 302 

a.  Das    Kleruchen-    und    Ka- 
tökenland 303 

b.  Die  Ιδιό'/,τητος  und  die  ίω- 
νημ,ύνη  γη 306 

§  7.    Das  Gemeindeland 308 


Inhaltsverzeichnis. 


νπ 


C.  D 
§  1 
§  2 
§  3 


§  1. 


§  1. 
§2. 


1. 
§  2. 


I.  D 
A. 
B. 


ie  byzantinische  Zeit  .    . 

,    Die  Verteilung  des  Bodens  . 

Die  kaiserlichen  Ländereien 

.    Tempel-  und  Kirchenland    . 


Seite 

309 
309 
310 
313 


Seite 


§  4.    Das  Gemeindeland 314 

§  5.    Das     Privatland.      Grundherr- 
schaft und  Kolonat 314 

Zum  landwirtschaftlichen  Betrieb  .    .  326 


Kap.  Vm.     FRONARBEITEN  UND  LITURGIEN. 
Die  Fronden 330       §  2.    Die  Liturgien 339 

Kap.  IX.     DAS  VERPFLEGUNGSWESEN. 
Hof,  Beamtenschaft  und  Heer  .   366   |   §  3.    Rom  und  Konstantinopel  .    .    .   868 
Die  Gemeinden 363   j 

Kap.  X.     DAS  POST-  UND  TRANSPORTWESEN. 


Die  Posteinrichtungen    .    .    .    .372 
Transport-Requisitionen  für  Be- 
amte und  Truppen 374 


§  3.    Der  Korntransport        376 


Kap.  XI.     MILITÄR  UND  POLIZEI. 


λβ  Militär 381 

Die  Ptolemäerzeit 381 

Die  römische  Zeit 390 


C.  Die  byzantinische  Zeit    ....  404 
IL  Die  Polizei 411 


Kap.  XII.     AUS  DEM  VOLKSLEBEN 417 

INDICES     ....        423 


NACHTRÄGE  UND  BEEICHTIGUN6EN. 

p.  LVL    Noch  nicht  bestimmt  sind  Θεογέναιος  (BGU  713, 3)  und  Σεβαβτος  [Evöji- 

βεως  (BGU  741,  14). 
S.  2.   Zur  Literatur  ist  inzwischen  Martin,  Les  epistrateges  dans  TEgypte  greco- 

rom.  1911  hinzugekommen. 
S.  23.   Zu  der  Degenerierung  der  alexandrinischen  Makedonier  vgl.  jetzt  Lum- 

broso,  Arch.  V  400  (im  Anschluß  an  Liv.  38,  17). 
S.  28.    Zur  Literatur  vgl.  den  Nachtrag  zu  S.  2.    Das  soeben  erschienene  Werk 

von  P.  Jouguet,  La  vie  municipale  dans  FEgjpte  Romaine  1911,  habe  ich 

leider  füi•  mein  Buch  nicht  mehr  verwerten  können. 
S.  40  Z.  1  £f.   Nach  der  in  Kap.  VIII  gegebenen  Definition  sind  diese  Beamten 

nicht  Liturgen.    Vgl.  S.  342. 
S.  40  unten.    Auch  in  den  Dörfern  begegnen  αμ,φοοα.    Vgl.  204,  11. 
S.  41  unten.    Über  den  Vorschlag  der  liturgischen  Beamten  vgl.  die  genaueren 

Darlegungen  S.  348  f. 
S.  43.    In  Oxy.Vin  1114  (a.  237),  einer  Deklaration,  bezeichnet  sich  ein  decurio 

bereits  als  decurio  civitatis  Oxyrhynchitarum. 
S.  45.     Zur  Frage  der  Märtyrerakten  vgl.  jetzt  Oxy.  VIII  1089.    Wenn  ich  recht 

sehe,  haben  wir  hier  eine  Probe  der  in  den  Abh.  Sachs.  Ges.  1.  c.  von  mir 

behandelten  Rahmenerzählungen. 
S.  47  Anm.  3.    Vgl.  Note  zu  144,  5. 
S.  48  Z.  4  von  unten:  1.  26. 
S.  51.    Zur  Autonomie  von  Antinoopolis  vgl.  jetzt  auch  Oxy.  VIII  1119  (397) 

und  dazu  S.  345. 
S.  52.    Z.  6 — 4  unten  sind  zu  streichen.    Vgl.  die  Berichtigung  zu  26  S.  43. 
S.  55.    Zur  constitutio  Antonina  vgl.  jetzt  auch  Wilcken,  Arch.  V  426  ff. 
S.  57.    Die  τεΰοεραΥΜίείκοΰίδραχμοί  von  Hermopolis  sind  nach  S.  189  zweifelhaft. 
S.  61  unten.    Die  Separierung  ά6γ"Ελληνες  wird  auch  für  die  Ptolemäerzeit  an- 
zunehmen sein. 
S.  66.     Zur  Literatur  ist  inzwischen  hinzugekommen:  J.  Partsch,   GGA  1911, 

306  ff.  320  ff.  und  Nachr.  Gott.  Ges.  1911,  201  ff. 
S.  78.    Vgl.  zu  S.  43.  —  Anm.  4  1.  Exactori. 
S.  83.    Zur  Autopragie  vgl.  jetzt  auch  M.  Geizer,  Arch.  V  370  ff. 
S.  85.    Zu  der  Ausdehnung  des  römischen  Bürgerrechts  im  IV.  Jahrh.  vgl.  auch 

Mommsen,  Hist.  Schrift.  III  466  (Ostgoth.  Studien). 
S.  88.    Zur  Literatur  ist  inzwischen  H.  J.  Bell,  Lond.  IV  hinzugekommen. 
S.  89.    Nachträglich  sehe  ich,  daß  Karabacek,  Ergebnisse  aus  d.  Papyr.ER  (1889) 

S.  18  den  Fall  Alexandriens  ins  J.  643  setzt. 
S.  90  Z.  4.    Zur  Frage  der  Teilprovinzen  vgl.  S.  232. 
S.  91.    Der  Papyrus  Führ.PR  1090  stammt  vom  J.  996. 


Nachträge  und  Berichtigungen.  IX 

S.  106  Z.  If.:   Falls   nicht  Apotheose   eines  Menschen  vorliegt  wie   in  Osiran- 
tinoos. 
115  Z.  15  von  unten:  1.  CIL  III  75. 

115  unten.  Zur  Satumalienfeier  im  Heer  vgl.  v.  Premerstein,  KUo  III  S.  11  f., 
im  Anschluß  an  das  satumalicium  k(astrense)  in  Gen.  lat.  1. 
S.  116.    Zum  Kult  des  Jupiter  Capitolinus  vgl.  jetzt  meine  weiter   greifenden 

Ausführungen  im  Arch.  V  428  f. 
S.  123.    Zu  der  Einladung  zur  κλίνη  vgl.  S.  419  Anm.  2. 
-.  133.    Ein  christlicher  Presbyter  als  Schiedsrichter  jetzt  auch  bei  L.  Wenger, 

Sitz.  Bayr.  Akad.  1911  8.  Abh.  S.  15/6. 
S.  136.    Inzwischen  erschien:  Paulus  Beudel,  Qua  ratione  Graeci  liberos  docu- 
erint,  papjris  ostracis  tabulis  in  Aegypto  inventis  illustratur.    Diss.  Münst. 
1911. 
138.    Zur  Geschichte  der  Gymnasien  vgl.  jetzt  auch  meine  Ausführungen  im 

Arch.  V  410  fif. 
139  Anm.  5  1.:  Arch.  Π  560  η.  44. 
143  Ζ.  11.    Zu  dem  Ausdruck  „Liturgien"  vgl.  den  Hinweis  zu  S.  40  Z.  1  ff. 

154.  Zu  dem  Gegensatz  der  Ressorts  1)  διοίχηβις  und  τα  ιερατικά  vgl.  meine 
Einleitung  zu  341. 

155.  Außerhalb  Ägyptens  werden  schon  vor  Severus  in  der  Inschrift  betreffs 
des  saltus  Burunitanus  (3,  30)  Krongüter  als  agri  fiscales  bezeichnet  (Mitteis 
1.  c.  357),  freilich  nur  in  dem  nichtamtlichen  Teil. 

156.  Zum  Dioiketen  vgl.  auch  363. 

188.    Zur  annona  militaris  vgl.  die  korrektere  Darstellung  S.  359  f. 

188  Z.  6  von  unten  1.  επιμεριαμός. 

189  Anm.  4.  Auf  dem  fragmentierten  Straßburger  Ostrakon  204  ist  die  λαο- 
γραφία^  wenn  ich  recht  ergänzte,  sogar  schon  für  das  9.  Jahr  des  Augustus 
bezeugt. 

191.    Die  Frage,  ob  die  Abgaben  in  Lond.  III  S.  92  (274)  stadtisch  sind,  ist 

S.  323  richtiger  offen  gelassen. 
202.    Zur  Epikrisis  der  liömer  und  Alexandriner  vgl.  S.  401  f. 
206  Z.  18  und  21  1.  BGU  11  (239).    Z.  4  von  unten  1.  Brem.  73  (288). 
208  Z.  7  1.  Brem.  73  (238). 
216  Z.  25.    Die  ντ&Ηοτβη-οιαίρεαις  ist  Teb.  II  391,  nicht  39  (in  Bd.  Π  nicht 

abgedruckt). 
221.    Zu  κεφαλή  f—  caput)  vgl.  die  Einleitung  /,u  390. 
223  Z.  16  1   meine  (statt  seine)  Bemerkung'. 
226.   Soeben  hat  Jou^ict  zwei  Gnindstücksdi-klarationon  nus  dorn  Faijum  (auf 

297  bezüglich)  in  Thead.  54  und  55  berausgcgobcn. 
233   Z.  3  von  unten  1.  παγαρχίας. 
255.    Zu  der  Frag«  d«'S  Papyrusmonopols  vgl.  die  unten  8.  LXXIX  zitierte 

Arbeit  von  Zucker,  der  gleichfalle  in  der  Caldcrschon  Inechrift   ίηίτροηος 

χαρχηρΰς  hiTgestellt  hat    Im  übrigen  kann  ich  hier  auf  seine  Au.Hftthrungen 

nicht  eingehen.    Nur  ^'o^'rnüber  soiiier  Deutung  von  BGU  277  (8.  96)  ver- 

w<i«i.  ich  auf  S.  2.'»7    \n,,,    ;. 


χ  Nachträge  und  Berichtigungen.     Erklärung  der  Klammern  und  Ziffern. 

S.  262  Z.  1.    Für  Cair.  Cat.  67020,  14  schlägt  jetzt  J.  Partsch,  GGA  1911,  313 

Anm.  1  vor,  statt  qv  Kccd"^  υποτελείς  zu  lesen:  ουκ  ανΟ-νποτελεΐς. 
S.  282/3.     Zur  Vererbung  der  %ληροί  vgl.   die    weiter   führenden  Darlegungen 

S.  384  Anm.  2  und  S.  385  f. 
S.  322.    Für  die  Patrociniumsfrage  sind  von  großem  Wert  Oxy.  VIII  1126  und 

namentlich  1134  (V.  Jahrh.). 
S.  337   Z.  22  1.  χωματεργολάβοι. 
S.  390.    Zur  Geschichte  der  leg.  XXII  ist  bemerkenswert  der  in  BGU  IV  1108 

vom  J.  5  V.  Chr.  (aus  Alexandrien)  bezeugte  βτ^οίχιώττις  των  εκ  ττις  δευτέρας 

ΤίαΙ  είκοΰτης  λεγεώνος. 


Erklärung  der  Klammern  und  Ziffern. 

[     ]    bedeutet  Lücke  im  Original. 
[     ]     bedeutet  Tilgung  durch  den  Schreiber. 

<^    y     bedeutet  Hinzufügung  resp.  Veränderung  durch  den  Editor. 
^  y     bedeutet  Tilgung  durch  den  Editor. 
(      )     bedeutet  Auflösung  von  Abkürzungen. 
Fette  Ziffern  bedeuten  die  Nummern  der  Chrestomathie,  normale  und  aufrechte 
die  Seiten  der  Grundzüge,  normale  und  schrägstehende  die  der  Chrestomathie. 


EINLEITUNG. 

§  1.  UMFANG  UND  AUFGABE  DER  PAPYRUSKUNDE. 

Das  Objekt  der  „  Papyruskunde '^  oder  „Papyrologie",  in  die  unser 
Werk  einführen  will,  sind  die  griechisch  oder  lateinisch  geschrie- 
benen Papyrusurkunden.  Da  lateinische  Texte  dieser  Art  gegenüber 
der  Fülle  der  griechischen  nur  in  verschwindend  kleiner  Zahl  zutage  ge- 
kommen sind*),  pflegt  man  sie  stillschweigend  mit  einzuschließen,  wenn 
man  von  der  „griechischen  Papyruskunde"  (a  potiori)  redet. 

Hiemach  sind  ausgeschlossen  erstens  die  literarischen  Papyri  in 
griechischer  und  lateinischer  Sprache.^)  Sie  sind  nach  ihrem  Inhalt  der 
griechischen  oder  römischen  Literaturgeschichte  zuzuweisen.  Nur  die  Fragen 
der  äußern  Herstellung  dieser  Handschriften  (wie  Format,  Schrift  u.  ä.) 
illen  unter  den  Begriff  der  Papyruskunde  und  sind  nach  Maßgabe  der 
Ergebnisse  dieser  Disziplin  zu  behandeln. 

Ausgeschlossen  sind  zweitens  die  Papyrusurkunden,  die  in  einer  der 
orientalischen  Sprachen  geschrieben  sind.  Ihre  Entzifferung  und  Inter- 
pretation ist  Aufgabe  der  betreffenden  orieutalistischen  Disziplinen.  Die 
Ergebnisse  dieser  Arbeiten  sind  aber  auch  für  denjenigen,  der  die  grie- 
chischen und  lateinischen  Urkunden  behandelt,  sachlich  z.  T.  von  größter 
Bedeutung.  Das  gilt  namentlich  von  den  deraotischen,  koptischen  und 
'  '  II  Urkunden.  Ein  Zusammenarbeiten  der  Papyrusforscher  und  der 
ten  ist  nach  beiden  Seiten  hin  sehr  erwünscht.  In  den  „Grund- 
/iigen"  ist  auf  diese  orientalischen  Urkunden  Bezug  genommen  worden, 
•  iihrend  sie  von  der  (Chrestomathie  ausgeschlossen  sind.  Es  sind  folgende 
'«ruppen  zu  unterscheiden^): 

1)  VkI.  M.  Ihm,  Zeutralbl.  f.  Bibl.  XVI  (1899)  S.  811  tf. 

2)  f'ber  diese  Funde  orientieren:  C.  Haeberlin,  Griech.  Papjri  (Zentralbl.  f. 
I  4 weg.  XIV  (1897)  H.  Iff.,  202  ff.,  263  ff.,  837  ff.,  889 ff.,  478 ff.  Daran  ao- 
H  _  i:  W.  Crönert,  Arch.  I  104  ff.,  5ü2ff.;  II  337  ff  ;  Hla••,  Arch.  III  867  ff., 
473 ff.;  Ad.  Körte,  Arch.  IV  602 ff.  über  die  chrietlichon  Texte:  C.  Schmidt,  Arch. 
I  i-öff.,  639ff.,  II  «81  ff.    Über  die  lateinischen:  M.  Ihm  1.  c.  Vgl.  auch  8.  de  Ricci, 

tin    papyrologique    (Kev.   fit.  Grec.   1901  ff.)    und    Kenjon•    Berichte  (Qraeoo- 
•    »•'"•♦    im  Archacolog.  Report  (E^ypt  Explor.  Fund). 

I  berblick  über  die  Funde  solcher  orientulinchon  I*apyri  bieten  J.  Kara- 
i»..K.     I  ΜΠΓΓΓ    durch    die    Ausstollun«    Pap.    Erxherxoij    lUiner,    Wien    1894,    und 
Ad.  Erman  (und    F.  Krebs),    „Aus   den   l'upyrus  der  königlichen   Museen"   Berlin, 
i'tiiann,  1899  (liandbb.  d.  kgl.  Museen  zu  Horlin). 


XII  EinleituDg. 

1.  Ägyptische  Urkunden,  geschrieben  in  hieratischer  oder  demoti- 
scher  oder  koptischer  Schrift.  In  demotisch  er  Schrift  (d.  h.  in  der  in 
den  Kanzleien  entwickelten  Kursiv-  und  Kurzschrift)  liegt  für  die  ganze 
Ptolemäerzeit  und  bis  in  die  Kaiserzeit  hinein  eine  große  Fülle  der  wich- 
tigsten Paralleltexte  zu  den  griechischen  Papyri  vor>)  Es  fehlt  auch  nicht 
an  demotisch-griechischen  Bilinguen  ^)  sowie  an  griechischen  Übersetzungen 
demotischer  Texte.^)  In  koptischer  Schrift  (d.  h.  in  der  seit  dem  IL  Jahrh. 
n.  Chr.  allmählich  aufkommenden  Transkription  der  ägyptischen  Sprache 
mit  dem  griechischen  Alphabet  nebst  6  demotischen  Zusatzbuchstaben)*) 
liegt  gleichfalls  eine  große  Fülle  von  Urkunden  vor,  die  namentlich  für 
das  Studium  der  byzantinischen  und  arabischen  Zeit  von  größter  Bedeu- 
tung sind,  und  im  besonderen  auch  zu  den  griechischen  Papyri  dieser  Zeit 
wertvolle  Parallelen  bieten.^)  Auch  fehlt  es  nicht  an  griechisch-koptischen 
Bilinguen.  ^) 

2.  Papyrusurkunden  in  der  aramäischen  Sprache,  die  die  allgemeine 
Verkehrssprache  im  Perserreich   und  später  war.    Zu   den  wenigen  schon 


1)  Nacli  der  genialen  Entzifferung  durch  Heinrich  Brugsch  und  den  wert- 
vollen Studien  von  Eugene  Revillout  (vgl,  seine  Chrestomathie  demotique,  Nouvelle 
ehrest,  demotique,  seine  Revue  Egyptologique  u.  a.)  haben  in  neuester  Zeit  sich 
namentlich  F.  L.  Griffith  und  W.  Spiegelberg  um  die  demotischen  Urkunden  ver- 
dient gemacht.  Vgl.  im  besondern:  F.  L.  Griffith,  Catalogue  of  the  demotic  papyri 
in  the  John  Rylands  Library,  Manchester  1909;  W.  Spiegelberg,  Demotische  und 
griechische  Eigennamen  1901  (vgl.  meine  Anzeige  im  Arch.  Π  177 ff.);  Die  demotischen 
Papyrus  der  Straßburger  Bibliothek  1902  (vgl.  Arch.  II  142 ff.);  Demotische  Papyrus 
aus  den  kgl.  Museen  zu  Berlin  1902;  Demotische  Papyrus  von  der  Insel  Elephantine,  I 
1908  (vgl.  Arch.  V  200  ff.  und  216);  Die  demotischen  Papyrus  der  Musees  royaux  du 
cinquantenaire  1909,  —  Demnächst  wird  auch  Kurt  Sethe  als  Demotiker  auf  dem 
Plan  erscheinen. 

2)  Vor  allem  gibt  es  zahlreiche  griechische  Beischriften  auf  demotischen  Kon- 
trakten. 

3)  Vgl.  z.  B.  die  Neuausgabe  des  Leid.  P.  von  Griffith  und  mir  in  der  Zeitschr. 
f.  äg.  Spr.  45,  103  ff. 

4)  VgL  L.  Stern,  Xoptische  Grammatik  (1880)  S.  7ff.;  G.  Steindorff,  Kop- 
tische Grammatik,  2.  Aufl.  (1904)  S.  1  ff. 

5)  An  größeren  Publikationen  liegen  vor:  Ägyptische  Urkunden  aus  den  könig- 
lichen Museen  zu  Berlin,  herausgegeben  von  der  Generalverwaltung;  Koptische 
Urkunden.  —  Jacob  Krall,  Corp.  Pap.  Rain.  II.  Koptische  Texte.  I,  Band:  Rechts- 
urkunden. Vgl.  auch  Krall,  Koptische  Briefe  (Mitt.  P.  R.  V)  und  Führer  P.  R. 
S.  37  ff.  —  W.  E.  Crum,  Coptic  Manuscripts  brought  from  the  Fayum  by  W.  M.  Flin- 
ders  Petrie.  Lond.  1893.  Vgl.  auch  Crum,  Catalogue  general  des  antiquites  egyp- 
tiennes  du  Musee  du  Caire:  Coptic  Manuscripts,  Cairo  1902,  und  Coptic  Ostraca  from 
the  Egypt  Exploration  Fund,  the  Cairo  Museum  and  others.  Lond.  1902,  jetzt  auch  in 
Lond.  IV.  Eine  Gesamtausgabe  der  thebanischen  Kontrakte  wird  von  Crum  und  Stein- 
dorff vorbereitet.  —  Weitere  Literatur  bei  Steindorff  1.  c.  S.  232  ff.  und  in  den 
Bibliographien  des  Papyrusarchivs. 

6)  Die  ältesten  (IL  Jahrh.  n.  Chr.)  auf  Mumienetiketten:  Steindorff,  Z.  Aeg. 
Spr.  28,  49  ff.  —  Koptische  Unterschriften  unter  griechischen  Briefen  in  P.  Amh.  145  (53), 
BGU IV  1094  (a.  525).  Andrerseits  stehen  griechische  Protokolle  (Invocatio  und  Datum) 
vor  koptischen  Verträgen  (vgl.  z.  B.  L.  Stern,  Z.  Aeg.  Spr.  1884  S.  153). 


§  1.   Umfang  und  Aufgabe  der  Papyruskunde.  XIII 

früher  bekannten  Texten  sind  kürzlich  aus  Elephantine  größere  Mengen 
iaus  dem  Ende  des  Y.  Jahrh.  v.  Chr.  stammend)  hinzugekommen,  die  die 
wertvollsten  Aufschlüsse  über  eine  jüdische  Ansiedlung  in  Syene  und  Ele- 
phantine aus  jener  Zeit  gebracht  haben  und  für  die  Kritik  des  Alten 
Testaments  sowie  die  Geschichte  der  jüdischen  Diaspora  von  einschnei- 
dender Bedeutung  sind.^) 

3.  Hebräische  und  syrische  Papyrusurkunden,  die  freilich  nur  in 
.geringer  Zahl  gefunden  sind.-) 

4.  Persische  Papyri,  geschrieben  in  Pehlewischrift,  aus  dem  De- 
zennium 619 — 629,  in  dem  die  Sassaniden  über  Ägypten  herrschten  (vgl. 
unten  S.  lOV) 

δ.  Arabische  Papyri,  die  von  der  Eroberung  Ägyptens  (ca.  640)  an 
bis  ins  XI Y.  Jahrh.  reichend  in  großen  Massen  gefunden  worden  sind."*) 
Auch  zahlreiche  griechisch- arabische  Bilinguen  sind  zutage  gekommen. 

Während  also  die  griechischen  und  lateinischen  Papyri  literarischen 
Inhalts  und  die  sämtlichen  orientalischen  Papyri  von  der  Chrestomathie  aus- 
geschlossen Avurden,  sind  andrerseits  gelegentlich  solche  griechischen  und 
lateinischen  Urkunden,  die  gleichfalls  mit  Tinte  und  Kalamos,  aber  auf  an- 
dern Schreibstoffen  als  Papyrus  geschrieben  sind  und  mit  jenen  zusammen 
gefunden  waren,  mit  hineingezogen  worden,  denn  bei  der  Gleichartigkeit 
der  Inhalte  macht  es  für  die  wissenschaftliche  Yerwendung  nichts  aus, 
ob  die  Handschriften  auf  Papyrus  oder  aber  auf  Topfscherben  (Ostraka) 
oder  Kalksteinsplitteni,  auf  Holz  oder  Pergament  oder  Papier  geschrieben 
sind.  Auch  die  Handschriften  der  in  Ägypten  gefundenen  Wachstafeln  sind 
/..  T.  mit  berücksichtigt  worden.^)    Ygl.  die  Indices. 

Der  Ausdruck  „griechische  Papyruskunde"  ist  also  auch  nach  dieser 
Seite  hin   a  potiori    zu   verstehen.    Dagef^ren   bloilxMi    die   Iiiscliriftcii    trotz 

1)  Vgl.  A.  11.  oayce  and  A.  E.  Cowley,  Aiai.i.w.  i'..ir»ii  v...-^,.,cicu  »v  Αο.-»..ίί, 
Lond.  1906.  —  Ed.  Sachau,  Drei  aramäische  Papyrusurkunden  aus  Elephantine  (Abh. 
I'r.  Akad.  1907).  Nach  dieser  und  anderen  Eiuzeleditionen  erscheint  jetzt  die  Geeamt- 
ausifube:  Ed.  Sachau,  Aramilische  Papyrus  und  Ostraka  aus  einer  jüdischen  MiliUlr- 

'  nie  zu  Elephantine.     Altorientalischc  Sprachdenkmäler  des  ό.  Jahrh.  v.  Chr.    Leipz. 
•  he  l'Jll.     Vgl,  auch  W.  Staerk  in  l.ietzmanne  Kleineu  Texten  für  theol.  Vor- 
■  n^en  u.  Übungen  Nr.  22/3  und  32. 

2)  Vgl.  A.  Erman  1.  c.  S.  290  f 

8)  Vgl.  .1.  Karabacek,  Führ.  PR  S.  118.     A.  Erraan  1.  c.  S.  2U1. 

4)  Vgl  J.  Karabacek,  Führ.  "PK  S.  131  if.,  der  außerdem  durch  eine  Keihe  von 
Monographien  den  ernten  Grund  zur  Entzifferung  gelegt  hat.  Vgl.  die  überticht  bei 
IJecker,  Heid.  III  (l)  S.  2ff.  —  L.  Abel,  Urk.  a.  d.  kgl.  Museen  tu  Berlin,  Arab.  Urk.  I 
1  u.  2,  18'J6  u.  1900.  Vgl.  Karabacek,  Wien.  Z.  f.  Kunde  d.  Morg.  XI  (1897)  1  ff. 
Neuerdings  haben,  anch  für  die  griechische  PapyrnsforschuDg,  die  Arbeiten  von 
'  H.  Becker  außerordentlich  reichen  Ertrag  gebracht.  Vgl.  vor  allem  seine  Ausgabe 
*"  Pap.  Schott-Reinhardt  I  (Heid.  III  1),  Heid.  1906  und  dasu  „Arabische  Papyri 
vphroditofundcH"  (Z.  f.  Assyriologio  XX,  1900,  8.  68  ff),  auch  Z.  f.  Ass.  XXII  187  ff. 

rtind  neue  Editionen  von  Dr.  K.  W.  Uofmeier  xu  erwarten. 

'»)  Zu  dicfien  vernchiedonen  8chreibNtoffen  vgl.  unten  |  4. 


ΧΙΥ  Einleitung. 

ihrer  vielfach  sehr  engen  Beziehungen  zu  den  Papyri^)  der  Epigraphik 
vorbehalten,  nicht  nur  weil  diese  schon  eine  fest  begründete  Disziplin  ist, 
sondern  auch  weil  ein  prinzipieller  Unterschied  insofern  vorliegt,  als  die 
Inschriften  im  allgemeinen  Tatbestände  enthalten,  die  durch  die  Einmeiße- 
lung  verewigt  werden  sollen,  während  durch  die  Papyrusurkunden  in  der 
Regel  Bedürfnisse  der  jeweiligen  Gegenwart  befriedigt  werden.  Daß  es 
freilich  auch  Grenzgebiete  gibt,  in  denen  eine  sachliche  Trennung  schwer 
durchzuführen  ist,  soll  nicht  geleugnet  werden.  Auch  gibt  es  Probleme 
(wie  z.  B.  die  Schriftlehre,  die  Sprache,  die  Diplomatik),  bei  denen  ein 
Zusammenarbeiten  des  epigraphischen  und  des  papyrologischen  Materials 
absolut  notwendig  ist.  So  sind  denn  auch  einige  Inschriften,  die  für  die 
hier  zu  behandelnden  Fragen  sachlich  besonders  wichtig  erschienen,  in  die 
Chrestomathie  mit  aufgenommen  worden.    Vgl.  die  Indices. 

Schon  diese  mühselige  und  oft  mehr  nach  praktischen  als  nach  lo- 
gischen Gesichtspunkten  erfolgte  Begrenzung  des  Begriffes  der  „griechi- 
schen Papyruskunde"  zeigt,  daß  diese  keine  selbständige  Wissenschaft 
ist.  Ebenso  wie  die  ihr  am  nächsten  verwandte  Epigraphik,  deren  Be- 
gründer August  Boeckh  ihr  gleichfalls  den  Charakter  einer  „besonderen 
Wissenschaft"  abgesprochen  hat,  so  ist  auch  die  Papyruskunde  nichts  wei- 
ter als  eine  historische  Hilfsdisziplin,  die  allen  den  Wissenschaften, 
die  die  Geschichte  des  Altertums,  gleichviel  von  welchem  Gesichtspunkte 
aus,  zu  erforschen  suchen,  zu  dienen  hat.  Daß  die  Papyruskunde  immer- 
hin als  eine  eigene  „Disziplin"  konstituiert  und  herausgearbeitet  wird,  ist 
berechtigt  und  praktisch  wünschenswert,  denn  zum  vollen  Verständnis  der 
Papyri  gehört  eine  beträchtliche  Summe  von  Fertigkeiten  und  Kenntnissen, 
die  nur  an  diesem  Material  erlernt  werden  können  und  ihr  damit  ihr 
eigenes  Gepräge  geben.  Nichts  wäre  aber  verderblicher,  als  wenn  dieses 
neue  Material  zugunsten  einer  selbständigen  „Papyruswissenschaft"  isoliert 
würde.  Vielmehr  ist  die  Hauptaufgabe  der  Papyrusforschung 
darin  zu  sehen,  daß  sie  auf  der  soliden  Basis  eines  gemeinsamen 
Uuterbaues  die  neuen  Materialien  in  die  verschiedenen  histo- 
risch arbeitenden  Wissenschaften  hinüberleitet,  um  die  neuen 
Einzeltatsachenwieder  in  die  großenZusammenhänge  zu  bringen, 
aus  denen  sie  einst  hervorgegangen  sind. 

Die  Wissenschaften,  die  vornehmlich  durch  die  Papyruskunde  geför- 
dert werden  können,  sind  die  Philologie,  die  alte  Geschichte,  die  Rechts- 
geschichte und  die  Theologie.^) 

1)  Manche  InBchriften  sind  nichts  weiter  als  eine  Steinpublikation  von  Papyrus- 
Urkunden. 

2)  Über  den  Nutzen  der  Papyri  für  die  verschiedenen  Wissenschaften  handeln 
u.a.:  Wilcken,  Die  griech.  Papyrusurkunden,  Β erl.,  Reimer,  1897.  Derselbe,  Der 
heutige  Stand  der  Papyrusforschung  (N.  Jahrbb.  f.  d.  kl.  Alt.  1901  I  (VII)  S.  677  flF.— 
L.  Mitteis,  Aus  den  griech  Papyrusurkunden,  Lpz.,  Teub.,  1900.  —  Fei.  Staehelin, 


§  1.  Umfang  und  Aufgabe  der  Papyruskunde.  XV 

Für  die  Philologie  liegt  der  Hauptwert  in  der  außerordentlichen 
Erweiterung  unserer  Kenntnis  von  der  griechischen  Sprache  (vgl.  §  6). 
Nicht  Dur  die  hellenistische,  sondern  auch  die  bvzantinische  und  neugrie- 
chische  Linguistik  erhalten  wertvolle  neue  Materialien,  denn  die  bis  jetzt 
edierten  Urkunden  erstrecken  sich  über  einen  Zeitraum  von  etwa  1300  Jah- 
ren (311  V.  Chr.  bis  996  n.  Chr.V) 

Was  die  Papyri  für  den  Historiker  bedeuten,  habe  ich  im  I.  Bande 
α  zeigen  versucht.    Wir  haben   durch  diese  neuen  Urkunden   ein  archi- 
valisches  Material  bekommen,  wie  es  bisher  nur  der  mittelalterliche  und 
neuere  Historiker  besaß.    Es   sind  vor  aUem  Fragen  der   inneren  Politik 
und  der  Verwaltung,  sowie  kulturhistorische  und  wirtschaftsgeschichtliche 
Probleme,   die   durch   diese  Urkunden  gefördert  werden.    Beschränkt  wird 
der  Wert  der  Papyri  dadurch,  daß  sie  sich  fast  ausschließlich  auf  das  eine 
Land  Ägypten  beziehen.    Da  Ägypten  sowohl  in  der  Ptolemäerzeit  inner- 
halb der  hellenistischen  Welt,  z.  B.  gegenüber  dem  ganz  anders  gearteten 
"eleukidenreich,  wie  auch  nachher  in  der  Kaiserzeit   innerhalb  des  römi- 
.hen  Weltreichs  durchaus  eine  Sonderstellung  einnimmt,  so  muß  man  sich 
vor  voreiligen  Verallgemeinerungen  sehr  hüten.    Aber  durch  die  Vertiefung 
nserer  Kenntnisse  der  ägyptischen  Zustände  können  wir  bei  richtiger  Me- 
iiode  doch   auch   für   die   übrige   antike  Welt  viel  lernen,   indem  wir  zu 
ianz  neuen  Fragestellungen  gedrängt  werden  und  durch  eine  intensivere 
\'ergleichung  der  ägyptischen  und  außerägyptischen  Zustände  nach  beiden 
Seiten  hin  Licht  erhalten  können.    Vielleicht  das  Schönste  aber  an  diesen 
i.euen  Quellen  ist,  daß  sie  uns  durch  einen  Zeitraum  von  mehr  als  tausend 
Jahren  hindurch  das  wirkliche  Leben  im  Großen  und  Kleinen  mit  packen- 
lor  Deutlichkeit  vor  Augen  führen.    Vielleicht  niemand  ist  mit  so  leben- 
iger Anschauung  an  die  Erklärung  der  Urkunden  herangetreten  wieWila- 
iiowitz  in  seinen  Besprechungen  der  englischen  Editionen  in  den  Göttiuger 
ielehrten  Anzeigen  (1898  ff.).     Ihr  Studium  sei  jedem  aufs  wärmste  emp- 
»hlen.    Sie  zeigen  von  neuem,  daß  nur  der,  der  sich  ein  Gesamtbild  er- 
arbeitet hat,  die  hinzukommenden  Einzelzüge  zu  bewerten  vermag. 

Was  dem  Rechtshistoriker  die  Papyri  bedeuten,  ist  von  Mitteis  im 
11.  Bande  dargelegt  worden. 

Dem  Theologen  hat  die  Sprache  der  Papyri,  wie  namentlich  Deies- 

nianns   Arbeiten  gezeigt  haben,   für   die   Interpretation  des  Textes   des 

ri  Testamentes  wie  auch  der  Septuaginta  die  wichtigsten  Bcitrftge  ge- 

' ..  it  (vgl.  §  G).    Auch  ihr  luhAt  ist  für  die  Geschichte  des  Christentums 

ind  nicht  nur  d^s  ägyptisf}ii»n  von  Interesse.    Vgl.  unten  Kapitel  II. 


1  um  Uli•!• 


lut.ui  i.'"l.  —  Weil'  I•    liiiiiiitui   iii  ιίβο  Bibh'ographieii  und 
ispyruMurkundon-Ileferaten  im  Archiv. 

1)  Wenn  ich   recht  Heho,  int  die  loixt«  t.  Z.  bokaonte  arabUoh>gri6ohitcbe  Bi- 
Ungne  die  im  Führ.  PK  η    1090  vom  J.  090. 


XVI  Einleitung. 

Daß  endlich  auch  die  Geschichte  der  Medizin  nicht  ganz  leer  aus- 
geht, zeigt  das  Werk  von  Sudhoff.^) 

So  haben  diese  eigenartigen  neuen  Schätze  dazu  geführt,  daß  die  Fa- 
kultätsschranken gefallen  sind,  und  daß  alle  Wissenschaften,  die  das  grie- 
chisch-römische Altertum  behandeln  oder  streifen,  sich  zur  Hebung  dieser 
Schätze  vereinigt  haben. 

Die  Summe  der  Kenntnisse,  die  allen  Forschern,  gleichviel  von  welcher 
Wissenschaft  sie  kommen,  in  gleicher  Weise  unentbehrlich  sind,  möchte 
ich  als  „allgemeine"  oder  „theoretische'^  Papyruskunde  gegenüber- 
stellen der  „speziellen"  oder  „angewandten"  Papyruskunde,  die  von 
jener  gemeinsamen  Basis  aus  die  Hinüberleitung  und  Einarbeitung  in  die 
einzelnen  Wissenschaften  bezweckt.  Die  Hauptpunkte  der  allgemeinen  Pa- 
pyruskunde sollen  in  den  folgenden  Paragraphen  dieser  Einleitung  in  der 
hier  gebotenen  Kürze  zur  Darstellung  kommen.  Der  angewandten  dienen 
die  beiden  Teile  unseres  Werkes.  Freilich  wird  auch  die  Kenntnis  der  im 
I.  Bande  dargestellten  historischen  Grundlinien  auch  dem  Nichthistoriker 
unentbehrlich  sein,  wie  andrerseits  die  mancher  Probleme  des  Π.  Bandes 
dem  Historiker. 

§  2.   DIE  FUNDE  UND  DIE  FUNDSTÄTTEN. 

Nur  in  großen  Zügen  können  hier  die  verschiedenen  Phasen  der  Pa- 
pyrusfundgeschichte dargelegt  werden.^)  Zugleich  soUen  hier  für  die 
Hauptfundstellen  die  bisherigen  topographischen  Arbeiten  zusammenge- 
stellt werden. 

Durch  mehrere  Jahrhunderte  hindurch  ist  in  allen  antiken  Kultur- 
ländern der  Mittelmeerwelt  neben  den  andern  gebräuchlichen  Schreib- 
materialien der  in  Ägypten  fabrizierte  Papyrus  ein  weit  verbreiteter  Schreib- 
stoff  gewesen  (vgl.  §  4).  Von  diesen  Millionen  von  Papyri,  die  dort  be- 
schrieben worden  sein  müssen,  haben  sich  abgesehen  von  dem,  was  in 
Archiven  und  Bibliotheken  aus  alter  Zeit  herübergekommen  ist^),  nur  an 
zwei  Stellen  der  alten  Welt  Reste  wiedergefunden,  in  Herkulaneum  und 
in  Ägypten.  Es  müssen  an  beiden  Plätzen  besonders  günstige  Bedingungen 


1)  K.  Sudhoff,  Ärztliches  aus  griechischen  Papyrusurkunden.  Bausteine  zu 
einer  medizinischen  Kulturgeschichte  des  Hellenismus  (Stud.  z.  Gesch.  d.  Medizin, 
herausgeg.  von  d.  Puschmann- Stiftung  a.  d.  Univ.  Leipzig).    Ambr.  Barth  1909. 

2)  Vgl.Wilcken,  Die  griechischen  Papyrusurkunden  1897  S.  10—20.  Derselbe, 
Der  heutige  Stand  d.  Papyrusforsch.  (N.  Jahrbb.  1901)  S.  680  ff.  Genaueres  ist  in  den 
weiterhin  zitierten  Ausgrabungsberichten  zu  finden,  vor  allem  bei  Grenfell-Hunt, 
Fayum  Towns  S.  17  ff.  und  Archaeolog.  Report  1896/7  S.  Iff.  (Oxyrhynchos). 

3)  Die  so  erhaltenen  Papyrusurkunden  wie  die  Ravennatischen  Papyri,  die  Papst- 
urkunden, die  merowingischen  Urkunden  usw.  können  hier  nur  gestreift  werden, 
ebenso  die  auf  dieselbe  Weise  erhaltenen  literarischen  Papyrusbücher,  wie  der  Mai- 
länder (lateinische)  Josephus  usw.  Vgl.  die  Nachweise  bei  M.  Ihm,  Zentralbl.  f.  Bi- 
bliothekswesen XVI  (1899)  S.  351  ff. 


§  2.    Die  Funde  und  die  Fundstätten.  XVII 

für  die  Konservierung  des  zarten  Pflanzenpräparates  bestanden  haben.  Wenn 
man  in  einem  Hause  in  Herkulaneum,  das  im  J.  79  n.  Chr.  mit  Pompeii 
zusammen  vom  Vesuv  verschüttet  war,  seit  1752  über  1700  Papyrusrollen 
gefunden  hat,  so  darf  man  annehmen,  daß  eben  durch  dies  Naturereignis, 
im  besondeni  wohl  durch  die  Bildung  der  starken  Lavadecke,  die  der 
Konservierung  der  Texte  zuträglichen  Bedingungen  geschaffen  worden  sind. 
Da  diese  herkulanensisehen  Rollen  nur  literarische  Texte  enthalten,  so 
habe  ich  hier  nur  über  die  ägyptischen  Funde  zu  berichten. 

Xicht  alle  Teile  Ägyptens  sind  in  gleicher  Weise  befähigt,  den  Pa- 
pyrus zu  konservieren.  Die  Erfahrungen  der  Ausgrabungen  haben  uns  ge- 
lehrt, daß  die  Feuchtigkeit  der  größte  Feind  des  Papyrus  ist.    Wo  Grund- 

'  asser  ist,  wo  stärkere  Regen  fallen,  wo  die  Nilüberschwemmung  sich 
ausbreitet,  zerfällt  der  Papyrus.  Darum  haben  sich  im  Delta,  das  der 
iiegenzone  angehört  und  überdies  alljährlich  überschwemmt  wird,   Papyri 

l>enso wenig  gefunden  wie    im  Boden  Griechenlands,   Kleinasiens,  Italiens 

ind  sonst.  Wenn  sich  in  Mendes  (im  Delta)  in  einem  vom  Feuer  zerstör- 
ten Hause  halbverkohlte,  vom  Feuer  geschwärzte  Papyri  erhalten  haben  ^), 
'lie  in  ihrem  Äußern  den  gleichfalls  geschwärzten  herkulanensisehen  Rollen 

bneln,  so  scheint  daraus  zu  folgen,  daß  dieser  chemische  Prozeß  den 
i'rtanzeustoff  gegen   die  zerstörende  Einwirkung  des  feuchten  Klimas  im- 

lunisiert.  Hiernach  ist  die  Hoffnung,  wenigstens  geschwärzte  Papyri  noch 
•  inmal  in  Alexandrien  zu  finden,  vielleicht  nicht  ganz  aufzugeben. 

Das  eigentliche  Fundgebiet  für  Papyri  ist  hiernach  das  Land  südlich 

'»n  Kairo,    in   dem  Regengüsse  zur  Seltenheit   gehören.    Freilich  in  dem 

Ujährlich   überschΛvemmten   flachen  Niltal   können   nur   solche  Höhen   in 

'»♦?tracht  kommen,  die  von  der  Überschwemmung  und  auch  vom  Grund- 
wasser nicht  erreicht  werden.  Am  günstigsten  sind  im  allgemeinen  die 
^'erhältnisse  in  den  hoch  gelegenen  Wüstenrändern,  soweit  nicht  auch  hier 

rundwasser  vorhanden  ist.    Die  bisher  gemachten  Funde  lassen  sich  nach 

»Igenden  Perioden  gliedern. 

1.  Periode. 

Im  Jahre  1778  wurden   einem   europäischen  Kaufmann  etwa  50  Pe- 

vruerollen  angeboten,  von  denen  er  eine  kaufte.    Die  andern  verbrannten 

ii3  Araber  vor  seinen  Augen  und  ergötzten  sich  an  ihrem  Duft.*)    Jene 

iie  Holle,  die  in  den  Besitz  des  Kardinuls  Borgia  kam,  wurde  1788  von 

ikolaue  Schow  als  die  erste   knrsiv  geschriebene  Papyrusurkunde  ediert 

I'.  Schow).     Sie  stammte  aus  Πτολίμαΐς  νρμος  in  der  mittolägyptischen 

i'rovinz  rl-F^aijfiin.   Erst  nach  einiiren  De/innien  gelangten  neue  Funde  in 

ij    >gi.    iJ'ii     ill  902--Uo«),    vtn      .mw.     »ίΐΐΓΐιυΐι,    FeiUchrift    f"'-    "    μ..-..».•,.!  ι 
H8  ff. 

2)  Ähnliche•  hOrte  1788  Voloey  bei  DamietU. 

Mttt«lfWtlok«n:  OnindaOg•  I.  b 


XVIII  Einleitung. 

die  europäischen  Museen.  Alle  diese  Texte  wurden  von  Eingeborenen,  die 
sie  meist  zufällig  gefunden  hatten,  erworben,  sodaß  bei  der  Unzuver- 
lässigkeit  ihrer  Aussagen  die  Fundorte  meist  nur  durch  den  Inhalt  zu  er- 
schließen waren.  Die  Fundplätze  dieser  meist  in  den  zwanziger  und  drei- 
ßiger Jahren  des  XIX.  Jahrb.,  z.  T.  auch  später,  gemachten  Funde  sind 
(von  Ν  nach  S):  Letopolis,  an  der  Spitze  des  Delta  auf  dem  Westufer 
gelegen^);  das  Serapeum,  westlich  von  Memphis  auf  dem  Wüstenplateau, 
wo  eine  außerordentlich  interessante  Gruppe  von  zusammengehörigen  Texten 
in  einem  Kruge  gefunden  wurde,  sowie  Memphis  selbst,  vielleicht  auch 
Oxyrhynchos  in  Mittelägypten ^) ;  ferner  in  der  Thebais:  Panopolis 
(Achmim)  auf  dem  Ostufer  und  This  auf  dem  Westufer,  vor  allem  die 
Ruinen  von  Theben  auf  dem  Ost-  und  Westufer,  die  sehr  reiche  Funde 
ergaben,  Hermonthis  (Erment)  auf  dem  Westufer,  und  an  der  Südgrenze 
nördlich  des  ersten  Katarrakts  die  Insel  Elephantine  und  östlich  davon 
am  Ufer  Syene  (Assuan).  Die  meisten  dieser  Funde,  darunter  die  Haupt- 
masse der  memphitischen  und  die  thebanischen  Texte,  gehören  der  Ptole- 
mäerzeit  an  (und  zwar  vorwiegend  dem  IL  Jahrh.  v.  Chr.,  einzelne  schon 
dem  IIL  Jahrb.),  nur  wenige  der  römischen  Kaiserzeit  (wie  eine  gewisse 
Gruppe  memphitischer  Urkunden  u.  a.)  und  der  byzantinischen  Zeit  (so 
die  aus  Panopolis  und  This).  Der  Wunsch,  genauere  Aufschlüsse  auch 
über  die  Kaiserzeit  zu  erhalten,  wurde  erst  erfüllt  durch  die 

2.  Periode. 
Nachdem  in  den  Papyrusfunden  eine  längere  Pause  entstanden  war, 
setzten  mit  dem  Jahre  1877  die  großen  Faijumfunde  ein,  mit  denen  ein 
neuer  Aufschwung  der  Papyrusforschung  begann.  Viele  tausende  von  Texten 
kamen  damals  aus  dem  Boden  von  Ar  sin  ο  e,  der  Metropole  des  'Aqulvoi- 
της  νομός^)  hervor.  Ähnliche  Funde  wurden  gleichzeitig  in  Herakleo- 
polis  Magna  und  Hermopolis  Magna  gemacht,  die  erst  später  aus  den 
sogenannten  „Faijumfunden"  abgesondert  wurden.  Die  anfangs  von  J.  Kara- 
bacek  (Denkschr.  Wien.  Akad.  1882)  aufgestellte  Ansicht,  daß  die  arsinoi- 
tischen  Funde  die  Reste  eines  großen  Provinzialarchivs  darstellten,  erwies 
sich  als  unrichtig,   als   Adolf  Erman  und   Georg  Schweinfurth   1886   das 


1)  Von  dort  nur  P.  Leid.  R.    Vgl.  Wilcken,  Gr.  Papyrnsurkunden  1897  S.  43. 

2)  Wenigstens  behandelt  F.  Par.  62  die  Abgaben  dieses  Gaues.  Es  ist  aber  nicht 
eicher,  ob  er  dort  gefunden  ist. 

3)  Zur  Topographie  des  Faijum  vgl.  G.  Schweinfurth,  Reise  in  d.  Depressions- 
gebiet im  Umkreise  des  Faijum.  Z.  d.  Ges.  f.  Erdk.  XXI  (1886)  Nr.  2,  mit  vortreff- 
licher Karte.  Grenfell-Hunt-Hogarth,  Faijum  towns  and  their  papyri  1900  (mit 
wichtigen  neuen  Resultaten).  Die  Angaben  der  Papyri  über  das  Faijum  sind  zu- 
sammengestellt von  C.  Wessely,  Topographie  des  Faijum  in  griech.  Zeit.  Denkschr. 
Wien.  Akad.  1904.  Dies  ist  jetzt  überholt  durch  Grenfell-Hunt,  P.  Tebtynis  II 
App  II  1907.  Vgl.  auch  C.  Wessely,  Karanis  und  Soknopaiu  Nesos.  Denkschr.  Wien. 
Akad.  1902. 


§  2.    Die  Funde  und  die  Fundstätten.  XIX 

Ruinenfeld  (nördlich  der  heutigen  Provinzialhauptstadt  Mediiiet  el-Faijüm) 
_'enau  untersuchten.    Sie   stellten  fest,   daß    die  Faijümpapyri  daselbst  aus 
ien  verschiedensten  Stellen  des  weiten  Trümmerfeldes,  namentlich  aus  den 
Hügeln  hervorgezogen  wurden.^)    Diese  Hügel  erkannte  Schweinfurth  als 
die  antiken  Kehrichthaufen  der  Stadt  (χοπρίαί  oder  χοπρώνες\  auf  die  zur 
rewinnung    von    Raum    in    den    bewohnten    Teilen    neben    Tonscherben, 
schlacken,  Asche,  Kohlen,  Lumpen,  Stroh,  Viehmist,  Küchenabfällen  usw. 
uch  das  „alte  Papier^'  abgeworfen   zu  werden  pflegte.*)    Es  wurde  femer 
stgestellt,  daß  die  Papyri  von  den  Fellachen  gefunden  wurden,  wenn  sie 
ie  antiken   Stadtruinen  nach   der   Ssebbäch   genannten   Dungerde   durch- 
fühlten.^)   Die   Richtigkeit   aller  dieser  Beobachtungen    ist  später  durch 
die  systematischen  Papyrusgrabungen   (s.  unten)  vollauf  bestätigt  worden. 
Viitürlich  ist  damit  nicht  ausgeschlossen,  daß  gelegentlich  auch  in  Arsinoe 
iiie  und   da  ein   größerer  Fund   wohlbehaltener  Rollen   (etwa  in  Krügen) 
gemacht   sein  kann.    Aber   das  Charakteristische   dieser  seit  1877    in  den 
Kehrichthaufen   der    alten   Städte    gemachten  Funde   liegt   gegenüber   der 
ersten  Periode   doch  darin,   daß   hier  weggeworfene   alte  Akten    durch  die 
Ssebbachin   wiedergefunden    wurden.^)     So   entstammen    diese   Funde    den 
verschiedensten  Archiven,  Bibliotheken,  Bureaus,  Privathäusem  usw.  Neben 
•n  Hügeln   kommt  selbstverständlich  auch   das  Stadtgebiet  selbst  in  Be- 
acht,  das  freilich  in  vielen  Fällen  durch  das  Grundwasser  sich  als  nicht 
rtragreich  erwiesen  hat.^) 

Nachdem  durch  die  großen  Ankäufe  nach  Wien,  Berlin,  Paris,  London 
hin  die  Eingeborenen  den  materiellen  Wert  solcher  Funde  kennen  gelernt 
hatten,    wird   wenigstens   hie    und   da   bei    den    Ssebbächgrabungen   etwas 
sorgfältiger  auf  die  Konservierung  der  Papyri  geachtet  worden  sein,  und 
manche  Antikenhändler  (namentlich  im  Faijfim)   ließen   sich  von  der  Re- 
gierung die  Erlaubnis   zu   Papyrusgrabungen   geben.    So   nehmen    in    der 
nächsten  Zeit   die   Papyrusfunde   beständig  ihren   Fortgang.    Von    hervor- 
i^endem  Wert  waren  die  Resultate  der  von  1887  an  von  FaijOmer  Händ- 
*   niommenen  Grabungen  in   Σοχνοτιαίον  Nilöog   (Dimeh),  nördlich 
!.        t  el-Kurün  (=-  Mörissee).^)    In  diesem  von  der  Wüste  läncr^t  er- 

1)  Vgl.  Ad.  Erman,  Die  Herkunft  der  Faijümpapyri.    Hermee  21,  686  t! 

2)  Vgl.  G.  Schweinfurth,  Zur  Topographie  der  Ruinenetltte  dee  alten  r>cnet 
rokodilopolie-Areinoö).  Zeitechr.  d.  Gee.  f.  Krdk.  XXII  (1H87)  Nr.  1  (nebet  Znatten 
η  U.  Wilckem.    Vgl.  ferner  zur  Stadtgeechichte:  C.  Weeiely,  Die  Stadt  Anino« 

griechiecher  Zeit.    Sitz.-Ber    Wien.  Akad.  ph.  h.  Kl.  CXLV  (1902)  4.  Abb. 

8)  Im  Arch  II  HOdff.  zeigte  ich,  daß  diese  Sitte  schon  im  Altertum  beetanden 
V    Vgl.  unten  S.  827. 

l)  Grenfell-Hiint  fanden  in  OxyrhynchoH  Körbe  voll  wohlerhaltener  Akten,  die 
I     ir  iweckH  Bereinigung  eines  Hureaue  auf  die  Kehrichthanfen  geworfen  waren. 

.)  Vgl.  Wilcken,  Archiv  II  382. 

(>;  Einen  Plan  τοη  DimOh  hat  schon  l{.  LepMiuH  in  den  Deakmilem  aai  Ag.  u. 
>b.  publiziert  <I  62).  Die  AltertuniHforMchung  wilrd«*  t.  T.  eine  andere  Kntwicklung 
'!<>mnien  haben,   wenn  schon  damals    ιτ'     lirse  rapymseoh&ttt  gef^den  waren! 

b• 


XX  Einleitung. 

oberten  Gebiet  hatten  sich  in  den  Häusern  selbst  die  Papiere  ganz  so 
erhalten,  wie  die  Einwohner  sie  einst  um  300  n.  Chr.  (nach  Grenfell-Hunt) 
beim  Verlassen  des  Dorfes  hatten  liegen  lassen.  Daher  überragen  diese 
Dimeh  -  Papyri  hinsichtlich  der  Konservierung  weit  die  Funde  aus  den 
^ongiai.  Auch  an  verschiedenen  anderen  Stellen  des  Landes  sind  in 
dieser  Periode  Funde  durch  Eingeborene  gemacht  worden.  So  erwarb  die 
Bibliotheque  Nationale  1887  Papyri  aus  Panopolis  (Achmim),  und  Sayce 
kaufte  1894  in  Luxor  Texte  aus  der  großen  Oase  el-Chargeh.•^)  Leider 
kann  nach  den  Beobachtungen  von  Grenfell-Hunt  kein  Zweifel  sein,  daß 
ein  großer  Teil  der  durch  die  Eingeborenen  an's  Licht  gezogenen  Papyri 
durch  ihre  Unachtsamkeit  zerstört  worden  ist.^) 

3.  Periode. 
Eine  neue  Periode,  in  der  wir  noch  heute  stehen,  begann  damit,  daß 
die  Altertumsforscher  selbst  die  Ausgrabung  der  Papyri  in  die  Hand 
nahmen.  Eingeleitet  wurde  sie  durch  die  Grabungen  von  Flinders  Petrie 
in  Guröb  (am  Eingang  des  Faijtim)  im  Winter  1889/90^),  bei  denen  er 
garnicht  speziell  Papyri  zu  finden  beabsichtigt  hatte,  die  ihm  aber  doch 
den  Anlaß  gaben,  eine  neue  Methode  der  Papyrusgewinnung  zu  inaugurieren. 
Zwar  hatte  schon  Passalacqua  einige  griechische  Papyrusfragmente  aus 
einer  Mumienkartonage  losgelöst^),  aber  dieser  Vorgang  blieb  ohne  Konse- 
quenzen. Erst  Flinders  Petrie  hat  diese  wichtige  Fundquelle  für  alle 
Zeiten  erschlossen,  indem  er  beobachtete,  daß  zahlreiche  der  von  ihm  in 
Gurob  ausgegrabenen  Särge  aus  einer  Kartonage  bestanden,  die  durch 
Zusammenklebung  mehrerer  Schichten  von  Papyri  hergestellt  war.^)  Da- 
durch haben  mit  einem  Schlage  die  Nekropolen  eine  ganz  neue  Bedeutung 
für  die  Papyrusfunde  gewonnen.  Während  man  früher  nur  vereinzelt  in 
den  Särgen  Papyrusrollen  fand,  die  den  Toten  ins  Jenseits  mitgegeben 
waren  ^),  eröffnete  sich  jetzt,  da  die  Särge  selbst  eventuell  aus  beschriebenen 
Papyri  bestehen  können,  eine  ganz  neue  Perspektive.  Diese  Aussichten 
sind  auch  heute  noch,  trotz  der  reichen  Funde,  die  inzwischen  in  dieser 
Weise  gemacht  sind,  außerordentlich  große,  da  von  den  endlosen  Nekro- 
polen  am  Wüstenrande,  die  von  Cairo  südwärts  im  Osten  und  Westen  das 


1)  Zur  Topographie  dieser  Oase  vgl.  Wilcken,  Archiv  IV  478. 

2)  Vgl.  Fayoum-towns  S.  20 :  there  is  infortunately  little  doubt  that  quite  half  the 
papyri  discovered  hy  natives  in  the  Fayüm  since  1877  have  perished  altogeiher. 

3)  Schon  1888/9  hatte  er  einige  Papyri  in  der  Nekropole  von  Hawära  (Faijum) 
gefunden. 

4)  Letronne,    Lettre    ä    Mr.    Passalacqua    (Not.  et  Extraits  d.  Ms.  gr.  XVIII  (2) 
S.  410  ff. 

5)  Die  damals  von  ihm  zusammen  mit  Mahafiy  und  Sayce  aus  den  Kartonagen 
hervorgeholten  Papyri  sind  die  berühmten  Petrie  Papyri. 

6)  So  soll  der  Pariser  Alkman  gefunden  sein,  die  Ilias  Bankesiana,    auch  Ari- 
stoteles' ΆΟ^Ύΐνούων  TtoXiTSLcc  u.  a     Neuerdings  ward  so  der  Timotheos  gefunden. 


§  2.    Die  Funde  und  die  Fundstätten.  XXI 

Xiltal  begleiteD,  erst  ein  kleiner  Teil  durchforscht  ist,  nnd  da  andrerseits 
sieh  kürzlich  herausgestellt  hat,  daß  diese  Sitte  der  Pappfabrikation  aus 
Papyri  nicht  nur,  wie  man  zuerst  annahm,  im  III.  und  IL  Jahrh.  v.  Chr., 
sondern  auch  noch  in  der  Kaiserzeit,  erwiesenermaßen  einstweilen  bis 
Augustus,  bestanden  hat.^) 

Es  ist  das  \^erdienst  des  Egypt  Exploration  Fund,  daß  im  Winter  1895/6 
zum  erstenmal  systematische  Papyrusgrabungen  durch  europäische  Gelehrte 
ausgeführt  wurden,  und  damit  beginnt  die  neue  Periode.  In  seinem  Auf- 
trage gruben  damals  Hogarth,  Grenfell  und  Hunt  in  der  Nordost- 
ecke des  Faijiim,  in  Karanis  (Korn  Usim)  und  Bacchias  (Umm  el-'Atl) 
mit  bestem  Erfolg.  Epochemachend  aber  wurden  die  Funde,  die  Gren- 
fell und  Hunt  im  nächsten  Winter  (1896/7)  in  Oxyrhynchos  (Behnesa, 
westlich  vom  Bahr  Jüssuf)^)  machten,  wo  ganz  ungeheure  Massen  von  Texten 
gefunden  und  dank  dem  methodischen  Vorgehen  der  Leiter  für  die  Wissen- 
schaft gerettet  wurden.  Seit  jener  Zeit  haben  diese  beiden  unermüdlichen 
Forscher  bis  vor  kurzem  fast  in  jedem  Winter  in  Ägypten  gegraben  und 
haben  so  unter  allen  Suchenden  die  größten  Papyrusschätze  dem  Boden 
entlockt.  Abgesehen  von  den  zahlreichen  Kampagnen  in  Oxyrhynchos 
haben  sie  dazwischen  immer  wieder  an  den  Rändern  des  Faijüm  gegraben 
und  haben  dabei  immer  neue  feste  Punkte  für  die  Topographie  der  Land- 
schaft gewonnen.  So  entdeckten  sie  im  Winter  1898/9  die  Dörfer  Ενη- 
μερεία  (Kasr  el-banät),  Θεαδελφεία  (Harit),  Φιλωτερίζ  (Wadfa)  im 
NW  des  Faijüm.»)  So  gruben  sie  1.^99/1900  in  der  SW-Ecke  in  Τεβ- 
τννις  (Umm  el-baragiit),  wo  sie  das  Glück  hatten,  eine  Λveit  ausgedehnte 
Nekropole  von  mumisierten  Krokodilen  zu  finden,  die  mit  den  Aktenrollen 
des  benachbarten  Dorfes  ausstaffiert,  z.  T.  mit  langen  Papyrusrollen  um- 
wickelt waren.*)  Auch  1901/2  waren  sie  im  Faijüm,  siedelten  dann  aber 
nach  Hibeh  in  Mittelägypteii  über  (Ostufer  gegenüber  von  Fesn),  wo 
schon  Eingeborene  Funde  gemacht  hatten.  Die  Ausgrabungen  in  Hibeh 
haben  dann  1902/3  wieder  die  schönsten  Erfolge  gehabt.*) 

Diese  glänzenden  Ergebnisse  der  Engländer,  durch  die  die  Zweck- 
mäßigkeit dieser  Methode  erwiesen  war,  haben  auch  andere  ermuntert,  in 
derselben  Weise  nach  Papyri  zu  graben.  Von  den  Franzosen  haben 
P.  Jouguet  und  G.  Lefebvre  im  .1.  1901  im  SW  des  Faijftm  in  Gonin 
und   1902  in  Medinet  en-Nehas  (—  Μη«Γ(1ηΐ2ΐΊ  tfegraben  und  haben  wert- 


1)  Dam  zeiKton  die  Funde  aui  Abusir  el-MU&k  (Berlin} 

*l  Xur  Tüpof^rapbio  vgl.  die  AuHführunfien  yod  OrenfeU- ϋ>•.•ί  •• 
rh•••  iiiiiden.     Vgl.  auch  unti'ii  die  Kinlcitung  tu  474. 

S;  Vgl.  zu  dienen  und  den  folgenden  Auegrubungen  ihre  Hr^  ' 
Pap.  und  im  Archacolog.  Keport,  vor  allem  ihre  Kinloitung  xu  1' 

4;  Vgl.  die  I)ariit<llungen  in  P.  Tcbtyo.  I  und  II. 

h)  Vgl.  P.  Illheh  I. 


ΧΧΠ  Einleitung. 

volle  Texte  des  ΙΠ.  Jalirli.  v.  Chr.  aus  Mumienkartonagen  gewonnen.^)  Die- 
selben beiden  Gelehrten  haben  dann  1902/3  und  1903/4  im  mittelägypti- 
schen  Tehneh  (=  Τηνις)  erfolgreich  gegraben,  wo  vorher  bereits  Ein- 
geborene gearbeitet  hatten.^)  Später  hat  Lefebvre  im  oberägyptischen 
Kom  Esqäw  (=  Αφροδίτης  Λολις)  den  bedeutendsten  Fund  der  letzten 
Jahre  gemacht,  indem  er  (1905)  den  Menander  fand.  Von  den  großen 
ürkundenfunden,  die  vorher  (1901)  die  Eingeborenen  daselbst  gemacht 
hatten,  ist  ein  Teil  nach  London  verkauft  worden  ^),  während  die '  andern 
von  den  Barbaren  verbrannt  wurden.  Mit  dem  Menander  zusammen  ist 
eine  große  Zahl  vortrefflich  erhaltener  byzantinischer  Texte  gefunden  wor- 
den, zu  denen  1907  noch  neue  hinzugekommen  sind.^)  Dagegen  scheinen 
die  Ausgrabungen  des  Franzosen  Gayet  in  Antinoopolis  nicht  viele 
Papyri  gebracht  zu  haben.  ^) 

Auch  die  Italiener  haben  Papyrusgrabungen  veranstaltet.  So  hat  Ev. 
Breccia  in  Hermopolis  Magna  (Esmunen)  mit  Erfolg  gegraben.^) 

Von  deutscher  Seite  sind  Grabungen  bisher  nur  vom  Berliner  könig- 
lichen Museum  ausgeführt  worden.  Im  Winter  1898/9  habe  ich,  zusammen 
mit  H.  Schäfer,  im  Auftrage  des  Museums  in  Herakleopolis  Magna 
(Ehnäsje)  Papyri  ausgegraben.'^)  In  größerem  Maßstabe  wurden  die  Gra- 
bungen in  Angriff  genommen,  nachdem  der  preußische  Landtag  auf  fünf 
Jahre  hintereinander  die  Mittel  bewilligt  hatte.  0.  Rubensohn,  der  da- 
mit beauftragt  wurde,  hat  namentlich  an  zwei  Stellen  mit  großem  Erfolg 
gegraben.^)  In  Abusir  el-Mäläk,  dem  Wüstenhügel  vor  dem  Eingang 
zum  Faijum,  fand  er  jene  Papyrussärge,  die  sich  zu  unserer  Überraschung 
als  aus  alexandrinischen  Papyri  zusammengeklebt  ergaben.^)  In  Ele- 
phantine  fand  er  die  durch  ihr  hohes  Alter  und  ihre  vortreffliche 
Konservierung  ausgezeichneten  Akten,  die  er  dann  selbst  herausgegeben 
hat.^^)    Auf  die  aramäischen  und  demotischen  Urkunden,  die  er  dort  fand, 


.    1)  Vgl.  jetzt  P.  Lille  I,  wo  die  frühere  Literatur  verzeichnet  ist. 

2)  Daher  stammen  die  meisten  der  von  Th.  Reinach  edierten  Texte. 

3)  Vgl.  jetzt  Beils  Ausgabe  von  Lond.  IV. 

4)  Vgl.  Jean  Maspero,  Etüde  sur  les  papyrus  d'Aphrodite.  Bull,  de  l'Inst.  Fran9. 
d'Archeol.  Orient,  t.  VI  (1908)  S.  Iff.    Jetzt:  Cair.  Cat. 

5)  Vgl.  S.  de  Ricci,  Bull.  Papyrol.  I  S.  189. 

6)  Vgl.  seinen  Bericht  in  Rendic.  d.  Accad.  d.  Lincei  XII  12  (1903).  —  Zur  Topo- 
graphie von  Hei-mopolis  vgl.  Ev.  Breccia,  ^Ερμον  πόλις  ή  μεγάλη  im  Bull,  de  la  Soc. 
Archeol.  d'Alex.  Nr.  7  (1905)  S.  18  ff.  (mit  Plan  und  Photographien  und  einem  Ver- 
zeichnis der  hermopolitanischen  Papyri).  Vgl.  auch  P.  Viereck,  Die  Papyrusurkun- 
den von  Hermopolis.  Ein  Stadtbild  aus  römischer  Zeit.  Deutsche  Rundschau  1908, 
Oct.  S.  98  ff. 

7)  Vgl.  meinen  Bericht  im  Archiv  II  294 ff.  mit  Plan  von  H.  Schäfer. 

8)  Vgl.  z.  B.  seinen  Bericht  im  Bull.  Soc.  Archeol.  d'Alex.  Nr.  8  S.  20  ff.,  und  bei 
Jouguet,  Chron.  d.  pap.  II  p.  3  f. 

9)  Vgl.  W.  Schubart,  Archiv  V  35  ff. 
10)  P.  Eleph.  s.  unten  p.  XXVI. 


§  3.    Samminngen  und  Editionen.  XXIH 

ist  schon  p.  XII  hingewiesen  ΛνοΓάβη.  Sein  Nachfolger,  Dr.  Zucker,  hat 
die  Ausgrabungen  auf  Elephantine  mit  gutem  Erfolg  fortgesetzt.  Kürzlich 
waren  auch  P.  Viereck  und  W.  Schubart  im  Faijum  tätig.  Alle  deut- 
schen Grabungen  genossen  die  unschätzbare  Hilfe  Ludwig  Borchardts. 

Neben  diesen  methodischen  Ausgrabungen  der  Gelehrten  laufen  die 
Bemühungen  der  Eingeborenen  fort.  Wenn  auch  gelegentlich  wichtige 
Funde  durch  sie  in  den  Handel  kommen,  wie  neuerdings  wieder  die  Pa- 
pyri von  '^4πόλλωνος  πόλις  Έπτακωμία^),  so  ist  doch  für  die  Wissen- 
schaft zu  wünschen,  daß  ihre  Tätigkeit,  wenn  möglich,  auf  das  Aufspüren 
neuer  Plätze  beschränkt  werde,  während  die  Ausgrabung  selbst  nur  der 
Leitung  erfahrener  Forscher  anvertraut  werden  sollte. 

Welche  Schätze  der  Boden  Ägyptens  noch  jetzt  birgt,  wird  hoffent- 
lich die  Zukunft  enthüllen.  Manches  mögen  noch  die  κοπρίαι  der  Städte 
im  Niltal  liefern.  Aber  die  größeren  Hoffiiungen  sind  auf  die  Wüstenränder 
zu  setzen  mit  ihren  Nekropolen  und  ihren  versandeten  Siedlungen. 


§  3.   SAMMLUNGEN  UND  EDITIONEN. 

Die  Papyri,  die  in  Ägypten  gefunden  sind,  sind  heute  über  den  ganzen 
Erdkreis  verstreut.  Nachdem  noch  vor  kurzem  nur  Europa,  Afrika  und 
Amerika  Papyri  besaßen,  sind  durch  die  Verteilungen  von  Oxyrhynchos- 
Papyri  kürzlich  einige  Texte  auch  nach  Melbourne  in  Australien  gekom- 
men. *j  Die  größten  Sammlungen  befinden  sich  im  British  Museum  zu 
London  und  im  Queen's  College  zu  Oxford,  im  Louvre  zu  Paris,  in  der 
kaiserlichen  Hofbibliothek  zu  Wien  (Papyrus  Rainer),  in  der  Ägyptischen 
Abteilung  der  königlichen  Museen  zu  Berlin  und  im  Museum  zu  Kairo. 
Daran  schließt  sich  eine  Reihe  von  mittelgroßen  Sammlungen  an,  wie  die 
in  Leiden,  Turin,  Genf,  Dublin,  Straßburg,  Heidelberg,  Leipzig,  neben 
denen  eine  große,  beständig  wachsende  Zahl  kleinerer  Sammlungen  steht, 
wie  die  von  Hamburg,  Bremen,  Gießen,  München,  Würzburg,  Graz,  Basel 
u.  a.,  von  denen  Hamburg  und  München  bald  in  die  zweite  Klasse  einrücken 
zu  wollen  scheinen.  Wie  viele  Tausende  von  Papyri  bereits  in  Sammlungen 
:^  ii  sind,  läßt  sich  nicht  einmal  abschätzen.  Aber  auch  schon  die 
/  lenzählung  der  publizierten  Stücke  —  es  mögen  wohl  in  nicht  all- 

zufemer  Zeit  gegen  lOiKX)  werden  —  würde  eine  zeitraubende  Arbeit  er- 
fordern. Einer  späteren  Zeit  bleibt  es  vorbehalten,  die  gesamten  Schütze  in 
einem  Corpus  papyrorum  zusammenzufügen.  Wenn  auch  das  glänzende 
Beispiel  der  Berliner  Inschriften -(/orpora  zeigt,  daB  man  nicht  bis  zum 
Aufhören  der  Funde  warten  soll,  ho  ist  doch,  namentlich  in  Anbetracht  der 

ri  der  Thebaie,  ge^^nfiber  von  ΆνχαΙου  ηάΧίς.  Vgl.  Wiloken,  Archiv  IV  lea  AT. 
Κ    rrxMriann,  Klio  VII  S8iff.  und  P.  Oi••. 
2)  Vgl    P.  Oxy.  IV  8.  «βδί. 


XXrV  Einleitung. 

geringen  Zahl  der  Mitarbeiter,  der  ständig  wachsenden  Funde  und  der 
Tatsache,  daß  erst  ein  Teil  der  Museumsschätze  ediert  ist,  noch  nicht  die 
Zeit  für  unser  Corpus  gekommen.  Jetzt  ist  es  noch  die  wichtigste  Auf- 
gabe, die  Bestände  der  Sammlungen  in  Sonderpublikationen  zugänglich 
zu  machen  und  das  Edierte  für  die  verschiedenen  Wissenschaften  zu  ver- 
arbeiten. 

Um  einen  Überblick  über  die  große  Zahl  der  Einzeleditionen  zu  er- 
leichtern, ist  im  letzten  Dezennium  eine  Reihe  praktischer  Hilfsmittel  ge- 
schaffen worden.  Ein  sachlich  geordnetes  Verzeichnis  aller  publizierten 
Urkunden  gab  ich  unter  dem  Titel  General-Register  im  Archiv  I  Iff. 
und  548  ff.  heraus,  das  jetzt  in  zweiter  Auflage  erscheinen  zu  lassen  meine 
nächste  Aufgabe  ist.  Eine  Zusammenstellung  und  Besprechung  aller  Edi- 
tionen, von  den  ältesten  an,  bieten  P.  Viereck  in  Bursian's  Jahresberichten 
Bd.  98  (1898)  S.  135  ff,  Bd.  102  (1899)  S.  244  ff.  und  Bd.  131  (1907) 
S.  36 ff.;  Seymour  de  Ricci,  Bulletin  Papyrologique  in  Rev.  d.  Etud. 
grec.  XIV  S.  163  ff,  XV  S.  408  ff,  XVI  S.  105  ff.,  XVIII  S.  303  ff  und 
N.  Hohlwein,  La  papyrologie  grecque  im  Musee  Beige  VI — IX  (auch 
separat  erschienen).  Abgesehen  von  den  in  vielen  Zeitschriften  zerstreuten 
Rezensionen  und  den  Auszügen  für  Spezialfächer^)  erscheinen  ferner  seit 
einigen  Jahren  fortlaufende  Referate  über  die  neueren  Urkundenpublika- 
tionen, so  von  P.  Jouguet,  Chronique  des  Papyrus  (Revue  d.  Etud.  An- 
ciennes  V  Nr.  2  [1903]  und  VII  Nr.  2  [1905]);  F.  Kenyon,  Greco-Roman 
Egypt  (in  dem  von  Grifiith  herausgegebenen  jährlich  erscheinenden  Archaeo- 
logical  Report  des  Egypt  Exploration  Fund);  Wilcken,  Papyrus-Urkunden 
(im  Arch.  I — V).  Über  die  an  die  Editionen  sich  anschließenden  Arbeiten 
orientieren  ferner  meine  sachlich  geordneten  „Bibliograph ien^'  im  Archiv 
(I  545  ff.  II  160  ff.,  463  ff.  III  141  ff  IV  198  ff.).  Vgl.  auch  die  alphabetisch 
geordneten  bibliographischen  Notizen  bei  Wessely,  Stud.  Pal.  I  S.  17 ff., 
43  ff.,  122  ff.  Ein  Abdruck  aller  außerhalb  der  großen  Editionen  vereinzelt 
edierten  Papyrusurkunden  wird  von  Preisigke  vorbereitet  (Sammelbuch 
griechischer  Urkunden  aus  Ägypten). 

Um  die  Benutzung  der  in  unserm  Werk  angewendeten  Abkürzungen^) 
der  Editionstitel  zu  erleichtem,  habe  ich  die  Aufzählung  der  wichtigsten 
Papyruspublikationen  im  folgenden  nach  eben  diesen  Abkürzungen  in  al- 
phabetischer Reihenfolge  angeordnet.  Aus  der  großen  Menge  der  Be- 
sprechungen konnten  hier  nur  einige  wenige  aufgeführt  werden.  In  den 
aus  dem  Archiv  und  aus  Viereck  bei  Bursian  (s.  oben)  zitierten  Referaten 
sind  meist  Hinweisungen  auf  weitere  Bearbeitungen  zu  finden. 


1)  So  bericMet  Viereck  in  der  Byzantinischen  Zeitschrift  über  die  byzantini- 
schen Texte,  Mitteis  in  der  Zeitschr.  der  Savigny -  Stiftung  Rom.  Abt.  über  die  ju- 
ristischen.   Vgl.  auch  die  oben  p.  XI  zitierte  Schrift  von  Ihm. 

2)  Es  sind  die  im  Archiv  eingeführten  Abkürzungen.    Vgl.  Arch.  I  24  usw. 


§  3.    Sammlungen  und  Editionen.  XXV 

P.  Alex.  1)  =  Mahaffy,  Bull.  Cor.  H.  18,  145  (198).  2)  =  Botti,  Pap.  ptolem.  du 
Musee  d'Alex.  Bull,  de  la  Societe'  areheol.  d'Alex.  Nr.  2  (1899)  S.  Θ6  flF.  Vgl. 
Wilcken,  Archiv  I  172  ff.  Viereck  1907,  107.  ΛVeiterθ  Texte  aus  dem  alex. 
Museum  edierte  3)  Breccia,  Papiri  greci  del  Museo  di  Alessandria,  Bull,  de  la 
Soc.  arch.  d'Al.  Nr.  9  (1907)  S.  87  ff.  Vgl.  Wilcken,  Arch.  V  279  f. 

P.  Anib.  =  Grenfell  and  Hunt,  The  Amherst  Papyri  Part  I  (1900)  (theologische 
Texte,  darunter  der  Brief  I  126),  Part  II  (1901).  Vgl.  Wenger,  Archiv  U  4lff.; 
Wilcken  II  117  ff.;  Viereck  1907,  71  ff. 

P.  Aphrodite  =  C.H.Becker,  Arabische  Papyri  des  Aphroditofundes.  Z.  f.  Asayriol. 
XX  (1896)  S.  68ff.  Derselbe,  Der  Islam  Π  245 ff.  Darunter  auch  arabisch- grie- 
chische Bilinguen.  Vgl.  P.  Heid.  S.  Wilcken,  Archiv  IV  185 f.  —  H.  J.  Bell, 
The  Aphrodito  Papyri.  Jour.  Hell.  Stud.  28  (1908)  S.  97  ff.  Derselbe  edierte  im 
Archiv  V  189  einen  neuen  Text  dieser  Gruppe.  Eine  Gesamtpublikation  der  Lon- 
doner griechischen  Aphrodito-Papyri  bietet  jetzt  Lond.  IV. 

P.  Aphrod.  CairO  =  Jean  Maspero,  Etudes  sur  les  papyrus  d'Aphrodite.  Bull,  de 
rinst.  fr.  VII  1908.  Vgl.  Wilcken,  Arch.  V  283.  Die  Gesamtpublikation  ist  jetzt 
begonnen  in  Cair.  Cat. 

P,  Ashmol.  =  Mahaffy,  On  new  papyrus  fragments  from  the  Ashmolean- Museum 
at  Oxford.  Transact.  of  the  Roy.  Irish  Academy  31,  6  (1898)  S.  197  ff.  Vgl. 
Wilcken,  Arch.  I  165  ff. 

P.  Angonia  =  G.  Vitelli,  Tre  documenti  greco-egizi  (Ausonia Π 1907).  Vgl.AVilcken» 
Arch.  V  281. 

P.Basel•  Yg\.  E.  Rabel,  Eine  Hypothekarurkunde  aus  der  Zeit  Hadrians  1909  (vgl. 
Arch.  V  432). 

Berl.  Bibl.  =  G.  Parthey,  Frammenti  di  papiri  greci  asservati  nella  R.  bibl.  di 
ßerlino.  Memorie  d.  Ist.  d.  corresp.  areheol.  II  (1865)  S.  438  ff.  Vgl.  Wilcken, 
Hermes  22,  142  ff. 

BiiV  =  Ägypt.  Urkunden  aus  d.  kgl.  Museen  zu  Berlin,  herausg.  von  der  General- 
verwaltung. Griechische  Urkunden  I  1895.  II  1898.  III  1903.  Von  IV  sind  11  Hefte 
erschienen.  Zu  beachten  sind  die  „Berichtigungen  und  Nachträge**  am  Schluß 
der  Bände.  —  Außer  den  Referaten  im  Archiv  und  den  Nachweisen  bei  Viereck 
1907  S.  42 f.  vgl.  Mitteis,  Hermes  30,  564 ff.;  32,  629 ff. 

P.  Boissier  =  J.  Nicole,  Avill.  Flaccus  prefet  d'Eg.  et  Philon  d'Alex.  Rev.  de  phi- 
lol.  ΧΧΠ  18  ff  (=  I  18). 

P.  Bremeu.    Vgl.  Wilcken,  Archiv  IV  163 ff.  385 f.  V  246. 

P.  Brux.  =  F.  Mayence  et  Seymour  de  Ricci,  Pap.  Bruxellensis  I.  Mos^  Beige 
VIII  (1904)  S.  101  ff.  (vgl.  I  286). 

P.  Calro.  Vgl.  Grenfell-Hunt,  Greek  Papyri,  Catalogue  generale  d.  Antiqu.  igypt. 
du  Mus.  du  Caire,  Nr.  10001—10869,  1903.  Edition  einzelner  Texte:  Grenfell- 
Hunt,  Arch.  1  57  ff.  Π  79  ff.  (vgl.  11,  224,  804,  410). 

P.  Calro  Cat.  =  Jean  Maspero,  Pap.  grece  d^poque  byzantine,  Catalogue  gin^rale 
du  .Musee  du  Caire  Nr.  67001—67089.  Vgl.  Wilcken,  Arch.  V  442.  M.  OeUer, 
.\rch.  V  346  ff.     J.  PartBch,  GGA  1911,  806  ff.  und  Nachr.  Gott.  G.  1911,  201  ff. 

P.  Calro  Preis.  =  PreiHigke,  Griech.  Urkunden  d.  äg.  Museume  su  Kairo  1911. 

V.  (  attüoul  I  —  Grenfell,  Hunt,  P.  Meyer,  Arch.  111  65  ff.  (Tgl.  II  88,  872). 

P.  (  alUoui  II  -=  L.  Barry,  Bull,  de  l'Init.  frany.  d'Archdol.  Gr.  UI  1908.  Vgl. 
Wilcken.  Arch.  lU  548  ff.  und  1  854. 

I'.  <  hlc.  *  £.  J.  GoodBpeed,  Papyri  from  Karani•.  Stud  <n  ι  >'-'  philol.  III  Chi- 
cago 1900.    Vgl.  Viereck  1907,  106 f. 

I'.  <  Unh.  Philol.  I  —  K.  J.  Goodipeed,  Α  group  of  greek  ι.ηρνι.ι-  κτί«  Π  Philo! 
1  Nr.  2,  Chicago  1906,  S.  167  ff.    Vgl.  Wilcken,  Arch.  IV  174  f. 

<ompt.  K.  de  PArad.  ltN)r>  —  Seymour  d.    Τ  '  '       i    In  .  r  rt  IMl. 

bttr    1906  S.  160  ff.  (=-    I  27,  2»). 

CPIIerm.  —  ('.  Wi?i«»icly,  Corpua  pnpyroruin  llti 
und  Pap.  1  Heft  6,  1906.    Vgl.  Wilckeu,  A«.  i 


XXVI  Einleitung. 

CPR  =  C.  Wessely  (unter  Mitwirkung  von  L.  Mitteis),  Coi-p.  pap.  Raineri  I. 
Rechtsurkunden  Wien  1895.  Vgl.  A.  Hunt,  Gott.  Gel.  Anz.  1897,  456  flf.  Zereteli, 
Commentationes  Nikitinianae,  Petersb.  1901,  S.  63  ff.  (Neuausgabe  von  Nr.  23). 

P.  Elcph.  =  O.  Rubensohn,  Elephantine-Papyri  1907  (Sonderheft  von  BGIJ).  Vgl. 
Bouche-Leclercq,  Rev.  d.  Philol.  1908,  129  ff.  Crönert,  Lit.  Z.  Bl.  1908,  270f. 
Wilcken,  Arch.  V  200ff. 

P.  Fay.  =  Grenfell,  Hunt,  Hogarth,  Fayüm  towns  and  their  papyri  1900.  Vgl. 
Viereck  1907,  69  ff. 

P.  Flor.  I  =  G.  Vitelli,  Papiri  Fiorentini,  documenti  pubblici  e  privati  dell'  etä 
Romana  e  Bizantina  I  1906.  Vgl.  Wilcken,  Arch.  ΙΠ  529 ff.  IV  423 ff.  Mitteis, 
Z.  d.  Savig.  St.  Rom  26,  484  ff.  27,  220  ff.  342  ff.  Über  die  dieser  Gesamtausgabe 
vorangegangenen  Einzelpublikationen  Vitellis,  Comparettis  und  Breccias  vgl.  Vier- 
eck, Burs.  1906,  98ff.     Wilcken,  Arch.  III  304  ff. 

P.  Flor.  II  =  D.  Comparetti,  Papiri  Fiorentini,  papiri  letterari  ed  epistolari. 
1.  fasc.  1908,  2.  fasc.  1910.  Vgl.  Crönert,  Lit.  Z.  Bl.  1908.  Wilcken,  Arch. 
V  251,  437  f. 

P.  Oen,  =  J.  Nicole,  Les  papyrus  de  Geneve  I  1896  —  1906  (2.  Fasc.  und  Indices 
u.  Nachträge).  Vgl.  Wilcken,  Arch.  IIl368ff.  Viereck  1907,  92  ft\  Über  die 
früheren  Einzelpublikationen  Nicoles  Viereck,  Burs.  1899,  272 ff.  Außerdem  vgl. 
Nicole,  Arch.  III  225 ff.  und  Nicole,  Textes  grecs  inedits  de  la  collection  pap. 
de  Geneve  1908  (vgl.  Wilcken,  Arch.  V  433). 

P.  Gen.  lat.  1  =  Nicole  et  Morel,  Archives  militaires  du  P"*  siecle.  Texte  in^dit 
du  Pap.  iatin  de  Gen.  Nr.  1.  1900.  Vgl.  Mo mmsen,  Hermes  35,  443  ff.  v.  Premer- 
stein,  Klio  III,  1  ff.  Wilcken,  Arch.  I  545.  Viereck,  Burs.  1907,  94ff.  S.  auch 
Nicole,  Arch.  II  63  ff. 

P.  Giss.  =  Griech.  Papyri  im  Museum  d.  Oberhess.  Geschichtsvereins  zu  Gießen  I. 
1.  Heft  ed.  Kornemann  u.  Eger,  2.  Heft  ed.  P.  Meyer.  Vorhergehende  Einzel- 
editionen: Kornemann,  Klio  VII  278ff.  VIII  398 ff.  P.  Meyer,  Klio  VHI  427  ff. 
0.  Eger,  Arch.  V  132 ff. 

P.  Goodsp.  =  E.  J.  Goodspeed,  Greek  pap.  from  the  Cairo  Museum  together  with 
papyri  of  Rom.  Eg.  from  American  coUections.  Chicago  1902.  Vgl.  Wilcken, 
Arch.  III  113  ff.  Vitelli,  Rendic.  d.  R.  Accad.  d.  Lincei  1903,  433  ff.  Atene  e 
Roma  VII  86 f.    Viereck  1907  S.  106 f. 

P.  Graz.  Vgl.  Wilcken,  Der  Grazer  Papyrus,  Arch.  II  183 f.  C.  Wessely,  Die  Pa- 
pyri der  öffentl.  Sammlungen  in  Graz,  Stud.  Pal.  I  114  ff. 

P.  Grenf.  I  =  Grenfell,  An  Alexandrian  erotic  fragment  and  other  greek  papyri 
chiefly  ptolemaic.  1896.  Vgl•  Viereck  1899  S.  269f.  Wilcken,  Arch.  III  120  ff. 

P.  Grenf,  II  =  Grenfell  and  Hunt,  New  classical  fragments  and  other  greek  and 
Iatin  papyri  1897.    Vgl.  Viereck  1899,  270.    Wilcken,  Arch.  III  122 ff. 

P.  Hamburg  =  P.  Meyer,   Griech.  Papyrusurkunden  d.  Hamburger  Stadtbibliothek 

I  1  (1911). 

P.  Hawara  =  Flinders  Petrie,  Hawara,  Biahmu  and  Arsinoe  1899.  Neu  heraus- 
gegeben von  J.  G.  Milne,  Arch.  V  378  ff. 

P.  Ueid.  I  =  A.  Deissmann,  Die  Septuaginta-Papyri  und  andere  altchristl.  Texte 
1905.    Darin  ein  christlicher  Brief. 

P.  Heid.  III  =  C.  H.  Becker,  Papyri  Schott-Reinhardt  I  1906.  Mit  arabisch -grie- 
chischen Bilinguen.    Vgl.  oben  P7  Aphrodito.    Vgl.  Wilcken,  Arch.  III  551. 

P.  Hernais  =  Jahresberichte  des  k.  k.  Staatsgymnasiums  in  Hernais,  Bd.  XIII  and 
XVI,  mit  Publikationen  von  C.  Wessely. 

P.  Hibeh  I  =  Grenfell  and  Hunt,  The  Hibeh  Papyri  I  1906.  Vgl.  Schubart, 
Gott.  Gel.  Anz.  1907,  277  ff.    Wilcken,  Arch.  IV  179  ff. 

P.  Klein.  Form.  =  C.  Wessely,  Griech.  Papyrusurkunden  kleineren  Formats.  Stud. 
Pal.  I  Heft  3  u.  8.   Vgl.  de  Ricci,  Bull.  Papyr.  ΙΠ  344.  Wilcken,  Arch.  V  290  ff. 

P.  Leid.  =  C.  Leemans,   Papyri  graeci  musei  antiquarii  publ.  Lugd.  Bat.  I  1843. 

II  1885.    Vgl.  Viereck,  Burs.  1898,  151. 


§  3.    Sammlungen  und  Editionen.  XXVII 

P.  Leipz.  =  C.  Wessely,  Die  griech.  Papyri  Sachsens.  Ber.  Sachs.  Ges.  Wies.  1885, 
237  fiF. 

P.  Lille  =  P.  Jouguet  (avec  la  collaboration  de  Collart,  Lesquier,  Xoual),  Pa- 
pyrus Grecs  I  fasc.  1  et  2.  1907,  1908.  Vgl.  \Mereck,  Berl.  ph.  W.  1908  Sp.  290ff. 
Crönert,  Lit.  Z.  Bl.  1908.  Br.  Keil,  Bull.  Corr.  Hellen.  32,  188 flF.  (P.  de  Lille 
Nr.  1).    Wilcken,  Arch.  V  217  ff. 

P.  Lips.  =  L.  Mitteis  (mit  Beiträgen  von  U.  Wilcken),  Griech.  Urkunden  der  Pa- 
pyrussammlung zu  Leipzig  I  1906.  Vgl.  AVilcken,  Arch.  ΙΠ  558  ff.  IV  187  ff.  456  ff. 
Mitteis,  Z.  Savig.  St.  Rom.  27  (1906)  349 ff.  Über  die  dieser  Publikation  voran- 
gegangenen Einzeleditionen  von  Mitteis  und  mir  vgl.  Viereck  1907,  45  ff. 

P.  Lond.  I,  II,  III  =  F.  G.  Kenyon,  Greek  papyri  in  the  Brit.  Museum.  Catalogue 
with  texts  1  1893.  II  1898.  III  (mit  H.  J.  Bell)  1907.  Dazu  3  Atlanten.  Zu  I  vgl. 
Wilcken,  Gott.  Gel.  Anz.  1894,  716ff.  Zu  II  Viereck  1899,  266  ff.  Wilcken, 
Arch.  I  131  f.  III  232  ff.    Zu  ΙΠ  vgl.  Grenfell-Hunt-Wilcken,  Arch.  IV  526  ff. 

P.  Loud.  IV  =  H.  J.  Bell,  Greek  papyri  in  the  Brit.  Museum  (The  Aphrodito  Pa- 
pyri), with  an  appendix  of  coptic  papyri  ed.  by  W.  E.  Crum  1910.  Vgl.  Wilcken, 
Arch.  V  451  f.  und  unten  S.  231  ff. 

P.  Magd.  =  P.  Jouguet  et  G.  Lefebvre,  Papyrus  de  Magdola.  Bull.  Corresp. 
Hellen.  26  (1902)  S.  95  ff.,  27  (1903)  S.  174  ff.  Auch  in  Mdlanges  Nicole  S.  281  ff. 
Vgl.  Wilcken,  Arch.  II  390f.  III  308ff  IV  47 ff.  Mahaffy,  Arch.  IV  56 ff.  Th. 
Rein  ach,  Mel.  Nicole  S.  451  ff. 

ΜέΙ,  Nicole  =  M(§langes  Nicole.  Recueil  de  mέmoiΓe8  —  offerts  a  J.  Nicole,  1905. 
Hierin  mehrere  ürkundenpublikationen,  von  Comparetti,  Goodspeed,  Gradenwitz- 
Schubart-Vitelli,  Jouguet-Lefebvre,  Wessely. 

Μέΐ.  Rev.  =  E.  Revillout,  Melanges  sur  la  metrologie  etc.  deTancienne  Egypte  1895. 
Mit  zahlreichen  griechischen  Urkunden. 

Mitt,  PK  =  Mitteilungen  aus  d.  Sammlung  der  Pap.  Erzh.  Rain.  1887  ff.  I— VL 

P.  Miinch.  =  Pap.  der  Münchener  Sammlung.  Vgl.  die  Berichte  von  Wilcken, 
Arch.  I  468  ff.,  L.  Wenger,  Sitz.  Bayr.  Akad.  lyll,  8.  Abh. 

P.  Oxy.  I— VIII  =  Grenfell-Hunt,  The  Oxyrhynchos-Papyri  1 1898.  II 1899.  UI 1908, 

IV  1904  [V  enthält  nur  literarische  Stücke].  VI  1908.  Hunt  VII  1910.  VIII  1911. 
Zu  I  und  Π  vgl.  Viereck  1899  S.  271f.  1907  S.  68f.,  Wilcken,  Arch.  I  123  ff. 
Mitteis,    Arch.  I  178  ff.     Zu  III,  IV,  VI  vgl.  Wilcken,    Arch.  III  116  ff.    311  ff. 

V  267  ff.    Zur  Literatur  vgl.  auch  Arch.  IV  203. 

P.  Par.  =  Brunet  de  Presle,  Notices  et  extraits  des  manuscrits  grece  de  la  bi- 
bliotheque  imperiale  18  (2;  1865  (mit  einem  Tafclbande).  Vgl.  Viereck,  Bure. 
1898,  152 ff.  Witkowski,  Prodromus  grammaticae  pap.  graec.  aet.  Lagidarum, 
Krukau  1897. 

P.  Peteriib.  =»  E.  Mural t,  Catalogue  des  manucrits  grecs  de  la  bibl.  imp.  publ.  de 
Peterbourg  1864.  Über  die  Zusammengehöngkeit  der  Petersburger  Fragm.  mit 
denen  der  Berliner  Bibl.  vgl.  Wilcken,  Hermes  22,  142 ff.  —  Zwei  Briefe  an• 
der  ^^ammlung  Golenischef  publizierte  Zereteli,  Joorn.  f.  VolksaufU&rung  Bd.  ftS8 
8.  Iff.  (rassiech).    Vgl.  Viereck,  Burs.  1907,  104f. 

P.  Pelr.  I,  II,  III  —  J.  P.  Mahaffy,  The  Flindere  Potrie  Papyri  with  trantcrip- 
tione,  commentariee  etc.  Dublin.  I  1891.  II  1898.  J.P.  Mahaffy  and  J.  Q.  Snijlj 
III  1905  (  uuningham  Memoiree).  —  Zu  I,  II  vgl.  Wilcken,  Gott.  Gel.  Anx.  1896, 
130ff    Zu  III  vgl.  Viereck  1907,  79ff.    Wilcken,  Arch.  lllöllff. 

P.  Keal.  Ift.  Yeneto  —  G.  Ferrari,  Tre  papiri  inediti  groco-egiti  dell*  eti  biian- 
tina.  Atti  d.  R.  InsÜtuto  Veneto  LXVH  p.  2,  1907/8  8.  1186 ff  Vgl.  Wilcken, 
Arch.  V  288. 

P.  Rein.  —  Th.  Reinach,  Papynu  graot  et  dtfmotiqae•  1905.  Vgl.  Wiloken, 
Arch.  III  521  ff.    Viereck  1907,  88f. 

P.  Rev.  i.  Grcnfoll  (with  introductioii  by  Mahaffy),  ReTenot-Laws  of  Ptolemy 
IM.  ladelphu«   1896.     Vgl.  Wiloken,  D.  Lii  Z.  1897,  1015ff.    Viereck  1899, 

•JVuf. 


XXVIII  Einleitung. 

Ρ.  Sakkakiui  =  Ε.  Revillout,  Rev.  figyptologique  III  118 flf.  (Pap.  in  Athen). 

P.  Scbow  =  N.  Schow,  Charta  papyracea  graece  scripta  Mus.  Borgiani  Velitris. 
Romae  1788  (Pap.  ietzt  in  Neapel).    Vgl.  Viereck  1898,  142  f. 

P.  Scliniidt  =  W.  A.  Schmidt,  Forschungen  auf  d.  Gebiet  des  Alterturas.  I.  Die 
Papyrusurkunden  der  kgl.  Bibl.  zu  Berlin  1842.  Vgl.  C.  VVessely,  Jahresber. 
Hernais  XVI. 

Schub.  Taf.  =  W.  Schubart,  Pap.  graec.  Berolinenses  1911. 

P.  Straßb.  =  Fr.  Preisig ke,  Griech.  Papyrus  der  kais.  Universitäts-  und  Landes- 
bibliothek zu  Straßb.  i.  Eis.  I,  Heft  1  u.  2,  Straßb.  1906,  1907.  Vgl.  L.  Wenger, 
Gott.  Gel.  Anz.  1907,  313  ff.  W.  Schub art,  Lit.  Z.  Bl.  1908  Sp.  407f.  Wilcken, 
Arch.  V  251  ff.  —  Einzelne  Stücke  der  Sammlung  wurden  ediert  von:  H.  Bress- 
lau,  Ein  latein.  Empfehlungsbrief  (mit  Tafel),  Arch.  III  168  ff.  Fr.  Preisigke, 
Arch.  III  415  ff.  Wilcken,  Aus  der  Straßburger  Sammlung,  Arch.  IV  115  ff'. 
R.  Reitzenstein,   Zwei  religionsgeschichtliche  Fragen  1901   (vgl.  Arch.  II  4  ff.). 

Sind.  Pal.  =  C.  WesseJy,  Studien  z.  Paläographie  u.  Papyruskunde  I,  Heft  1 — 10. 
Mit  zahlreichen  Texteditionen  (darunter  P.  Klein.  Form,  und  CPHerm.). 

P.  Teb.  =  Grenfell-Hunt-Smyly,  The  Tebtunis  Papyri  I  1902.  Grenfell-Hunt 
(Goodspeed),  The  Tebtunis  Papyri  II  1907.  Zu  Teb.  I  vgl.  Viereck  1907,  74  ff. 
Zu  Teb.  II  vgl.  Schubart,  Gott  Gel.  Anz.  1908,  187ff.   Wilcken,  Arch.  V230ff. 

P.  Thead.  =  P.  Jouguet,  Papyrus  de  Theadelphie  1911.  Vgl.  auch  Seeck,  Rhein. 
Mus.  LXII  519  (Arch.  V  289  f.). 

Theb.  Bank  =  Wilcken,  Aktenstücke  aus  der  kgl.  Bank  zu  Theben  in  d.  Museen 
zu  Berlin,  London,  Paris.    Abh.  Pr.  Akad.  1886. 

P.  Tor.  =  A.  Peyron,  Papyri  graeci  R.  Taurinensis  Musei  Aegyptii.  I  1826.  II  1827. 

P.  Vat.  =  Angelo  Mai,  Classicorum  auctorum  e  Vaticanis  codicibus  editorum  IV,  V. 
Rom  1831 — 1833.  Vgl.  Bernard  Peyron,  Papiri  greci  del  Museo  Britannico  di 
Londra  e  della  Biblioteca  Vaticana.  Memorie  d.  R.  Acc.  d.  Seien,  di  Torino, 
Ser.  II,  3,  1851.    Vgl.  auch  Witkowski,  Prodromus  (unter  P.  Par.). 

Wess.  lat.  Taf.  =^  C.  Wessely,  Schrifttafeln  zur  älteren  lat.  Paläographie  Leipz. 
1898.     Vgl.  Wilcken,  Arch.  I  370  ff. 

Wess.  spec.  scr.  gr.  =  C.  Wessely,  Pap.  scipturae  graecae  specimina  isagogica. 
Leipz.  1900.     Vgl.  Viereck  1907,  58  f.     Wilcken,  Arch.  IV  408  ff. 

Wien.  Denk.  87  =  C.  Wessely,  Die  Pariser  Papyri  des  Fundes  von  el-Faijum. 
Denkschriften  d.  Wien.  Akad.  37  (1889).     2.  Abt.  97  ff. 

Wien.  Kais.  =  C.  Wessely,  Die  griech.  Papyri  d.  Kaiserl.  Sammlungen  Wiens. 
XI.  Jahresb.  K.  K.  Franz  Joseph-Gym,  1885. 

Wien.  Stud.  In  III,  1  ff'.  Wessely,  Der  Wiener  Pap.  26.  In  IV,  175  ff.  Wessely, 
Der  Wiener  Pap.  31.  In  V,  1  ff.  W.  v.  Hartel,  Ein  grfech.  Pap.  aus  d.  J.  487 
n.  Chr.  In  VIII,  175  ff.  Wessely,  Bericht  über  griech.  Pap.  in  Paris  u.  London. 
In  IX,  235  ff.  und  XII,  81  ff.     Wessely,  Griech.  Pap.  des  Brit.  Museum. 

Wilck.  Taf.  =  Wilcken,  Tafeln  z.  älteren  griech.  Paläographie.     Leipz.  1891. 

Witkowski,  Ep.  pr.  gr.  =  Witkowski,  Epistulae  privatae  graec.  quae  in  pap. 
Lagidarum  servantur.     2.  Aufl.  1911. 

P.  Zois  =  A.  Peyron,  Pap.  greco-egizi  di  Zoide  dell'  Imp.  R.  Museo  di  Vienna  1828. 
Neu  herausgegeben  von  Wessely  in  P.  Wien.  Kais. 

§  4.   DIE  SCHREIBMATERIALIEN.  1) 
Die  Kunst  der  Papyrusfabrikation  reicht  in  die  Anfänge  der  ägypti- 
sclien  Geschichte  hinauf:  das  Bild  der  zusammengerollten  und  verschnürten 


1)  G.  Seyffarth,  Über  das  Papier  der  Alten  nach  Plinius  und  der  Papyrus- 
ßtaude  im  botanischen  Garten  zu  Leipzig  (Serapeum  III  1842,  33  fl\).  V.  Gardt- 
hausen,  Griech.  Paläographie  1879,  29  ff.;  2.  Aufl.  (Das  Buchwesen  im  Altertum  u. 
im  byz.  Mittelalter)   1911.     Th.  Birt,  Das   antike  Buchwesen  in  seinem  Verhältnis 


§  4.    Die  Schreibmaterialien.  XXIX 

Papyrusrolle  gehört,  soweit  wir  wissen,  von  jeher  zu  dem  Bestände  der 
Hieroglyphen.  Die  Darstellung  des  technischen  Verfahrens,  die  Plinius 
h.  n.  XIII  §  68  ff.  für  eine  alexandrinische  Fabrik  gibt,  wird  durch  die  er- 
haltenen Originale  aufs  beste  bestätigt  und  illustriert. 

Das  Rohmaterial  lieferte  die  Papyrusstaude  (ή  πάπυρος^  η  βνβλος^ 
jünger  βίβλος)^  die  in  den  Sümpfen  und  Seen  Ägyptens^)  in  dichten 
Dickichten  (δρυμοί)^)  wucherte.  Zu  der  Frage,  ob  die  Herstellung  des 
Schreibstoffes  königliches  Monopol  gewesen  ist,  vgl.  unten  S.  255.')  Das 
Mark  des  dreikantigen  Stengels  wurde  mit  einem  spitzen  Instrument  in 
möglichst  dünne  Streifen  zerlegt,  von  denen  die  mittleren  die  besten 
waren,  die  der  holzigen  Schale  sich  nähernden  die  schlechteren.  Nachdem 
diese  Streifen  je  nach  ihrer  Qualität  für  die  verschiedenen  Papyrussorten 
geordnet  waren,  wurde  auf  der  mit  Nilwasser  angefeuchteten  Tabula  zu- 
nächst eine  Lage  von  Markstreifen  in  der  Richtung  auf  den  Arl)eiter  zu 
nebeneinander  ausgebreitet,  wobei  nur  so  viele  Streifen  verwendet  wurden, 
daß  die  Höhe  der  Lage  beträchtlich  länger  wurde  als  die  Breite.  Darauf 
wurde  eine  zweite  Lage  von  Streifen  oben  darauf  gelegt,  im  rechten 
"Winkel  zur  ersten,  die  nur  so  lang  waren  wie  die  Breite  der  unteren 
Lage.  Diese  beiden  Lagen  wurden  darauf  durch  Pressen  zu  einer  einheit- 
lichen Masse  zusammengefügt.  Ob  hierzu  auch  Kleister  zwischen  die  bei- 
den Lagen  gestrichen  war,  ist  strittig. '^)  Waren  die  so  gearbeiteten  ein- 
zelnen Seiten  (aekidsg^  paginae)  an  der  Sonne  getrocknet,  so  wurden  sie 
noch  in  der  Fabrik  zu  Rollen  aneinander  geklebt.  Die  Originale  zeigen, 
daß  immer  die  rechtshin  folgende  Seite  mit  ihrem  linken  Hände  (ca.  1  bis 
l{  cm)  unter  den  rechten  Rand  der  vorhergehenden  Seite  geklebt  wurde. 
Es  war  alte  Sitte,  in  den  Fabriken  immer  je  20  Seiten  zusammenzukleben, 
die  dann  als  „Stück"  (scapus)  in  den  Handel  gingen.'')  Der  Benutzer 
konnte  natürlich  je  nach  Bedarf  mehrere  scapi  zusammenkleben  oder  auch 
mit  dem  χαρτοτόμος  nach  Belieben  vom  Einzelnen  abschneiden,  soviel  er 


zur  Literatur  1882,  223  ii.  .Marquardt-Mau,  Das  Privatleben  der  Römer«  1886,  807 ff. 
Wilcken,  liecto  oder  Vereo?  Heiiuee  22,  487  ft".  Derselbe,  Kin  neuer  griechischer 
Koman,  Uermee  28,  166  ff.;  Hermee  41,  104  A.  1.  Vgl.  auch  Griechische  Oetraka  I 
18  Ä,  1.  E.  M.  Thompson,  Hundbook  of  greek  and  latin  palaeography  18U8,  27  ff. 
Fr.  Kenyon,  The  palaeography  of  greek  papyri  1»U9,  14  ff.  K.  Dziatzko,  Unter- 
luchungcn  über  ausgewählte  Kapitel  des  antiken  Buchwesens  190U.  W.  Schubart, 
Das  Buch  bei  den  Gric>ch«n  und  Romern  (Handbb.  der  kgl.  Museen  tu  Berlin)  1907. 
H.  Ibscher,  Beobachtungen  bei  der  Papyrusaufrollung  (Arch.  V  191  ff.). 

1)  .Namenilich  im  Uelta  (vgl.  Strabo  XVII  p.  mooC).  Tber  ein  Hiof  wont 
bei  Alexandrii-n  handelt  BOU  IV  1121.  Auch  im  Faijüm  wuchs  Tapyrut  (Teb.  I 
Vk'I    unten  S   255.  2)  Vgl.  Wilcken,  Arch.  V  28ü. 

8)  Soeben  hat  hierüber  eingehend  gehandelt  Fr.  Zucker,  Pbilologus  70  (K  '■ 
S   7'J  ff.    Vgl.  oben  ρ   IX, 

4)  Dagegen  namentlich  Dziat/»  >  äs  ff 

ft)  L.  Borchardt,  Z.  f    Ägypt.  Sprach.  HO.     Vgl.  Wilcken,   Hermes 

2H.  icef.    Vgl    aii.l.   H.  Ibsrhrr.  Arch.  V  19J 


XXX  Einleitung. 

wollte.  Die  von  Birt  angenommene  Abhängigkeit  des  Autors  vom  Fabrikat 
hat  nicht  existiert.^)  Ehe  aber  der  Papyrus  in  den  Handel  ging,  war  die 
Oberfläche  durch  Hämmern  und  durch  Reiben  und  Schaben  mit  Muscheln 
oder  Zähnen  aufs  sorgfältigste  geglättet  und  durch  Bestreichen  mit  einem 
feinen  Kleister  „satiniert^'  worden. 

Die  Originale  lassen  vielfach^)  noch  heute  erkennen,  daß  diese  Pro- 
zedur der  Glättung  nur  einer  von  beiden  Seiten  des  Papyrus  zuteil 
wurde,  und  zwar  derjenigen,  die  während  der  Fabrikation  die  obere  war,, 
die  also  aus  den  horizontalgelegten  Querstreifen  bestand.^)  Da  sich  mir 
außerdem  aus  den  Originalen  ergab,  daß  die  Schrift  des  einseitig  be- 
schriebenen Papyrus  in  der  Regel  auf  eben  dieser  Seite  mit  den  Hori- 
zontalstreifen steht*),  so  habe  ich  daraus  im  Hermes  22,  487  jff.  die  Regel 
abgeleitet,  daß  nur  diese  Horizontalseite  eigentlich  zum  Beschreiben  be- 
stimmt war  und  auch  in  der  Regel  zunächst  beschrieben  wurde,  während 
die  Rückseite  nur  nachträglich,  zur  Ausnützung  des  wertvollen  Materials^ 
zum  Schreiben  verwendet  worden  ist.^)  Wir  unterscheiden  danach  das 
Recto,  die  Seite  mit  den  horizontalen  Streifen  und  daher  den  horizontal 
verlaufenden  Fasern  (s.  Anm.  3),  und  andrerseits  das  Verso,  die  Seite 
mit  den  vertikalen  Fasern.  Es  ergibt  sich  daraus  die  wichtige  Regel,  daß 
in  beiderseitig  beschriebenen  Rollen  (όττίοϋ-όγραφοί)  der  Text  des  Recto 
der  ältere  ist.  Auch  für  den  Interpreten  der  Papyrustexte  ist  daher  eine 
Kenntnis  dieser  technischen  Verhältnisse  erforderlich.  Natürlich  liegt  hier 
kein  Naturgesetz  vor,  das  keine  Ausnahmen  duldete,  sondern  nur  eine 
Regel,  aber  eine  solche,  die  durch  die  Technik  der  Fabrikation  bedingt 
ist  und  daher  fast  ausnahmslos  beobachtet  wird.  So  können  schnell  hin- 
geworfene kurze  Notizen  oder  Brouillons  auch  wohl  einmal  auf  das  Verso 
geschrieben  werden,  wenn  auch  das  Recto  noch  leer  ist^),  aber  im  übrigen 
ist  die  Regel  mit  großer  Präzision  gehandhabt  worden,  wie  viele  Tausende 
von  Fällen  deutlich  zeigen."^)  Ob  die  Schrift  auf  dem  Recto  parallel  der 
Höhe   oder  der  Breite  steht,  also   ob  sie  mit  den  Fasern  oder  gegen  die 


1)  Vgl,  Wilcken,  Hermes  28,  165  ff. 

2)  Bei  besonders  feinen  Sorten  ist  allerdings  ein  Unterschied  in  der  Behandlung 
der  beiden  Seiten  kaum  zu  spüren. 

3)  Wenn  auch  die  Ränder  der  einzelnen  aneinandergelegten  Streifen  bei  gut 
gearbeiteten  Stücken  nicht  mehr  sichtbar  sind,  so  erkennt  man  doch  die  Richtung  der 
Streifen  an  gewissen  dunklen  Fasern,  die  das  Pflanzenmark  in  der  Richtung  des 
Schaftes  durchziehen. 

4)  H.  Ibscher,  Arch.  Υ  1.  c,  hat  bemerkt,  daß  die  Horizontalseite  technisch 
auch  geeigneter  war,  beim  Rollen  nach  innen  genommen  zu  werden. 

5)  Tatsächlich  sind  vom  Publikum  in  den  meisten  Fällen  die  beiden  Seiten 
benutzt  worden.  Motiviert  wird  es  z.  B.  in  einem  auf  dem  Verso  stehenden  Brief 
(Gen.  52,  1):  Χαρτίον  καΌ'αρόΐ'  μη  ενρών  ηρος  την  ώραν  εις  τούτον  ϊγροί'φα. 

6)  Vgl.  Hermes  41,  104  Α.  1. 

7)  Bestätigt  auch  durch  die  Erfahrungen  von  Ibscher,  Arch.  V  1.  c. 


§  4.    Die  Schreibmaterialien.  XXXI 

Fasern  läuft,  ist  eine  Frage,  die  mit  der  nach  Recto  und  Verso  garnichts 
zu  schaffen  hat.^)    Vgl.  p.  XL VII. 

Der  zum  Beschreiben  fertiggestellte  Papyrus  hieß  χάρτης  (carta).  Ein 
χαρτοπώλης  ist  ein  „Papierhändler^'.  Der  beschriebene  Papyrus  dagegen 
wurde  mit  βίβλος  und  seinen  Ableitungen  bezeichnet.^)  Die  Rolle  (volu- 
men)  wurde  gelegentlich  als  τενχος  bezeichnet,  was  von  dem  Namen  der 
die  Rollen  bergenden  capsa  übertragen  ist.^)  Im  Kanzleistil  zitiert  man 
in  der  Regel  nach  τόμοι  (Rollen)  und  -κολλήματα  (Seiten).*)  Wird  durch 
Zusammenkleben  verschiedener  Akten  im  Bureau  eine  RoUe  gebildet,  so 
nennt  man  dies  einen  {τόμος)  ονγκολλήΰιμος.  Zu  εΐρόμενον  vgl.  Wilcken, 
Arch.  IV  462  und  V  281  (s.  Bd.  Π  63). 

Wie  Plinius  1.  c.  lehrt,  wurden  sehr  verschiedene  Sorten  von  Papyri 
hergestellt,  die  sich  abgesehen  von  der  Feinheit  der  Technik  auch  durch 
•lie  verschiedene  Breite  der  einzelnen  pagina  unterschieden.^)  Auch  unter 
den  Originalen  treten  die  verschiedensten  Qualitäten  uns  entgegen. 

Da  der  Pergamentkodex,  der  in  den  ersten  Jahrhunderten  nach  Chr. 
allmählich  aufkam,  den  Papyrus  in  Ägypten  nur  als  Literaturträger  ver- 
drängte, so  braucht  hier  auf  das  Pergament  nicht  eingegangen  zu  werden. 
Wohl  aber  ist  da.s  Format  des  Codex ^)  in  der  jüngeren  Zeit  gelegentlich 
auch  auf  den  Papyrus  angewendet  worden,  und  außer  zu  literarischen 
Zwecken  ist  hin  und  wieder  ein  Papyruskodex  auch  zur  Aufnahme  von 
Akten  verwendet  worden.  Vgl.  z.B.  BGU  IV  1024—1027  (IV.  Jahrb. n.Chr.) 
und  Flor.  71  (dito). 

Dagegen  ist  der  Papyrus  in  Ägypten  schließlich  erlegen  der  Kon- 
kurrenz des  Hadernpapieres,  von  dem  seit  dem  IX.  Jahrhundert  zahl- 
rfiili^  TVnl.PTi  «liirch  die  ägyptischen  Funde   zutage  gekommen  sind.    Die 

1)  Vgl.  Hermes  22,  490  Anm.  Griech.  Oetraka  I  18,  1.  Vgl.  auch  die  Auefüh- 
ningen  von  Grenfell-Hunt  in  P.  Grenf.  II  S.  211  ff.  In  dieeem  Punkte  werden  immer 
wieder  Irrtümer  begangen.  Auch  Gardthausens  Behandlung  in  der  2.  Aufl.  S. βΟΓ. 
'eidet  wieder  durchweg  an  dieser  Unklarheit. 

2)  BipXot  steht,  wenn  es  nicht  die  Pflanze  bezeichnet,   in    1•  r  Kegel  fflr  das 
aturbuch.     Vgl.  V.  Par.  19,  2;   Oxy.  III  470,  24;   Teb.  II  43;  Uxy.  VI  886,  2.    Mit 

werden  allgemein  Akten,  Papiere  bezeichnet,  während  xb  ßtßXidiov  eine  Nach- 
!^'  von  libelluB  (Hingabe)  ist.     Erst  im  IV.  Jahrh.  u.  Chr.  vordr&ngt  das  ßtßUor 
uiiXiAiov.    Vgl.  hierzu  Wilcken,  Arch.  V  2G2  f.  und  441. 

8;  Über  τιϋχος  =«  Ilolb•  vgl.  Wilcken,  Hermes  44,  160 f.  Birt,  Die  Buoluolle  in 
I   Kunst  8  21.    8.  vor  allem  HGU  970,  4.    Andere  Schubart,  Dm  Buch  8.  lOS. 
1)  Κόλλημα  kann  hier  nur  die  Schriftkolomne  bedeuten,  nicht,  wie  unprOnglich, 
I  der  Fabrik  hergestellte  Einznlpagina. 

>)  PliniuH  unterscheidet  die  Augusta,  Liria,  hieratica,  amphitheatrica  (von  Fan- 
ue  verfeinert),  8aitica,  Tueneoticn,  emporetica.   Die  Aoguata  wird  die  frflhera  regia 
•  in      Im   ilbrii»*«n  vgl.  di<•  obigr  Lit^'ratur. 

der  obigen   Litrrutur  zum  Codei  a  ^    Gerhard,   Neu• 

:    ..    ΧΠ  U2ff^. 


XXXII  Einleitung. 

grundlegenden  Untersuchungen  von  Karabacek  und  Wiesner i)  haben 
uns  gelehrt,  daß  das  Hadernpapier  nicht,  wie  früher  angenommen  wurde, 
erst  im  XIII./XIV.  Jahrhundert  von  Deutschen  oder  Italienern  erfunden 
ist,  sondern  daß  schon  im  VIII.  Jahrhundert  in  Samarkand,  durch  Vermitt- 
lung chinesischer  Gefangner,  Hadernpapier  hergestellt  worden  ist,  dessen 
Fabrikation  sich  allmählich  nach  Westen  hin  ausdehnte,  bis  im  IX.  Jahr- 
hundert uns  die  ersten  Proben  auch  in  Ägypten  begegnen.  Dieses  Hadern- 
papier hat  dann  im  X.  Jahrhundert  den  Untergang  der  Jahrtausende  alten 
Papyrusfabrikation  herbeigeführt.  Dies  war  zugleich  der  Anlaß  für  die 
Überführung  des  Papyrus  und  seiner  Fabrikation  nach  Sizilien.  Diesen 
sizilischen  Papyrus  hat  dann  u.  a.  die  päpstliche  Kanzlei  bis  zum  XL  Jahr- 
hundert verwendet.^)  So  ist  in  Ägypten  die  Papyrusfabrikation  ungefähr 
zu  gleicher  Zeit  mit  der  griechischen  Sprache  erloschen. 

Neben  dem  Papyrus  sind  seit  alten  Zeiten  auch  die  verschiedensten 
anderen  Materialien  zum  Schreiben  benutzt  worden.  Hiervon  seien  an 
dieser  SteUe  besonders  hervorgehoben  die  Ostraka  und  die  Holz  tafeln. 
Für  die  ersteren  (Scherben  zerbrochener  Tongefäße)  verweise  ich  auf 
meine  „Griechischen  Ostraka  aus  Ägypten  und  Nubien"  1899.^)  An  Holz- 
tafeln sind  in  Ägypten  einmal  Wachstafeln  gefunden,  wie  sie  in  der  grie- 
chischen und  römischen  Welt  beliebt  waren,  ferner  Holztafeln,  auf  die 
direkt  mit  Tinte  und  Kalamos  geschrieben  ist.  Teils  sind  es  Schultafeln, 
teils  Urkunden,  die  inhaltlich  den  Papyri  ganz  parallel  stehen.^)  Eine 
ägyptische  Spezialität  sind  die  Mumienetiketten.  ^)  Zur  Publikation  von 
Erlassen  usw.  dienten  auch  geweißte  Holztafeln  (λευκώματα)^  die  öfter 
genannt  werden.^) 

Zum  Schluß  ein  Wort  über  Kalamos  und  Tinte,  mit  denen  nicht 
nur  auf  Papyrus,  Pergament  und  Papier,  sondern  auch  auf  Ostraka,  Kalk- 
steinsplitter, Holz^)  und  Leinwand  geschrieben  wurde.  Als  Schreibfeder 
diente  der  Kalamos,  ein  zugespitztes  Rohr,  das  in  älteren  Zeiten  unge- 
spalten benutzt  wurde.    Vor  dem  Gebrauch  erweichte  man  die  Spitze  im 

1)  Mitt.  Pap.  Rainer  II/III  S.  87  ff.  IV  S.  75  ff.  Vgl.  auch  Karabacek,  Führer 
P.  R.  p.  XVII  ff. 

2)  Vgl.  L.  Schmitz-Kallenberg,  Diplomatik  in  Meisters  Grundriß  der  Ge- 
schichtswissenschaft I  1  S.  199.  —  Aus  den  Papjrusdickichten  am  Anapo  wird  be- 
kanntlich noch  heute  für  die  Fremden  „Papyrus"  gearbeitet  (seit  Landolina  im 
XVIII.  Jahrb.).  Ist  der  Stoff  auch  derselbe  wie  der  alte,  so  ist  doch  die  Anordnung 
der  Schichten  eine  völlig  andere,  wie  ich  aus  einem  mir  gehörigen  Stück  ersehe. 

3)  Über  spätere  Arbeiten  wird  im  Archiv  IV  247  ff.  berichtet. 

4)  Vgl.  die  Bankquittungen  aus  Theben  in  Griech.  Ostraka  I  S.  65  und  die 
Rechtsurkunden  bei  de  Ricci  und  Girard.    Vgl.  die  Übersicht  im  Archiv  IV  250  ff. 

5)  Vgl.  unten  S.  422. 

6)  A.  Wilhelm,  Beiträge  zur  griech.  Inschriftenkunde  1909  S.  239 ff.  250 ff.  Vgl. 
dazu  S.  306  zu  Z.  9. 

7)  In  Holz  wurde  auch  geritzt.  In  die  Wachstafel  grub  man  die  Schrift  mit 
dem  Stilus. 


§  5.    Die  Schrift.  ΧΧΧΠΙ 

^Γonde,  um  sie  zur  Aufnahme  der  Flüssigkeit  tauglicher  zu  machen.   Erst 

während  der  griechisch-römischen  Periode  scheint  man  dazu  übergegangen 

zu  sein,  die  Rohrfeder  zu  spalten  (wie  unsere  Stahlfedern).   Erst  dadurch 

erhielt  der  Kalamos  die  Elastizität,  um  die  Schriftzüge  an-  und  abschwellen 

u  lassen.  Es  fehlt  noch  an  einer  Untersuchung  der   erhaltenen  Schriften 

nter  dem  Gesichtspunkt   der  Benutzung   des   gespaltenen   oder  ungespal- 

enen  Kalamos. 

Die  tiefschwarze  Tinte,  die  so  ausgezeichnet  durch  die  Jahrtausende 

sich   erhalten  hat,   ist   aus  Ruß,  Gummi  und  Wasser  hergestellt.    Erst  in 

byzantinischer  Zeit  begegnet  uns  gelegentlich  eine  mehr  bräunliche  Tinte, 

die  sich  weniger  gut  hält.   Diese  ist  vor  der  Berührung  mit  Feuchtigkeit 

u  hüt€n,  da  sie  leicht  verwischt.   Nur  selten  begegnen  Schriftstücke,  die 

lit  einer   roten  Tinte  geschrieben  sind.    Es  ist  noch  zu  untersuchen,  für 

eiche   Fälle    sie   Anwendung    fand.^)     Wollte    man   beschriebenes   Papier 

»chmals  zum  Schreiben  verwenden,  so  konnte  die  Tinte  leicht  mit  einem 

Schwamm    abgewaschen    werden.    Doch    blieben    gewöhnlich    noch    einige 

f'berreste   stehen.    Das   ist   sehr  viel   häufiger  geschehen   als  in  den  Edi- 

onen   angemerkt  worden   ist.    Wollte  man   etwa  zur  Fälschung  von  ür- 

unden   eine   völlige   Tilgung   einzelner  Worte  herbeiführen,    so  bediente 

lan  sich   dazu   besonderer  Salben.    Daher  wird  gelegentlich   die  Echtheit 

on  Aktenstücken  bezeugt  durch  Worte  Λνί^  χα&αρορ  ajtb  επιγραφής  xai 

λείφατοξ  (oder  χωρίς  άλείψατος  ο.  ä.).^) 

§  δ.   DIE  SCHRIFT. 

Da  die  Art  des  Schreibmaterials  nicht  ohne  Eintluß  auf  die  Anwen- 

ing  der  Schrift  ist,  ist  es  unsere  Aufgabe,  die  so  entstehenden  Nuancen 

^tzustellen.    In   diesem  Sinne  ist  es  berechtigt,  von  Papyrusschrift,  Per- 

inientschrift,  Steinschrift,  Bronzeschrift  usw.  zu  sprechen.   Aber  es  sollte 

ie  vergessen  werden,   daß   das   nur  Abwandlungen  einer   und   derselben 

•hrift  sind.    Es   hat   sehr  geschadet,   daß   man   sich  bemüht  hat,   Paläo• 

raphie  und  Epigraphik  als  zwei  gesonderte  Disziplinen  streng  voneinander 

I    scheiden.     Die    vergeblichen    Versuche,    eine   logische   Definition    für 

loseu  Gegensatz  zu  finden^),  zeigen  nur,  daß  künstlich  auseinandergerissen 

urde,  was  von  Natur  zusammimgehört.   Das  Ziel  der  Wissenschaft  kann 

ir  sein,  eine  einheitliche  Schriftlehre  zu  schatten    Ich  habe  schon 

ich.  I  374  erklärt,  daß  wir  reuig  zurückkehren  müssen  zu  unserm 

BerniirddeMontfaucon,  der  bereits  piiluographische  und  epi- 

,  L  Denkmäler  in   der  Forschung   vereinigt   hat.    Vereinzelt  ist  es 

1  auch  neuerdings  schon  geschehen,  aber  man  ist  noch  weit  davon  ent- 

I     '  Ι>ΑΓ  die  rote  Tinte  in  <i<*n  MiUt&rkan7.1eien  vgl    die  Kinloitung  lu  4M. 
I.  Wilcken,  Archiv  I  VIU 

!    fljn  vcrMchii'ilLMieii  ΥογηικΙιο  Ix'i  («ardllniuHcii,  (ir.  l'al&of^Aphi' 
(iruodaOe•  I.  C 


XXXIV  Einleitung. 

fernt  das  prinzipielle  Postulat  anzuerkennen  oder  gar  durchzuführen.  Ge- 
wiß ist  es  aus  praktischen  Gründen  begreiflich,  daß  eine  Arbeitsteilung 
erfolgt,  aber  dann  sollten  die  Papyrusforscher  und  die  Epigraphiker  nicht, 
wie  jetzt  meist,  nebeneinander  hergehen,  sondern  miteinander  arbeiten. 
Wissenschaftlich  viel  höher  stünde  es,  wenn  wir  Schriftgelehrte  bekämen, 
die  jene  verschiedenen  Schriften  nur  als  Spielarten  der  einheitlichen 
Schrift  behandelten.  In  dieser  kurzen  Einleitung  muß  ich  mich  auf  die 
Papyrusschrift  beschränken.  Aber  die  hinzukommenden  Jünger  der  Papy- 
rusforschung wollte  ich  doch  darauf  hinweisen,  wie  nötig  es  ist,  daß  sie 
die  epigraphischen  Denkmäler  —  abgesehen  von  der  Verwandtschaft  des 
sachlichen  Inhaltes  (vgl.  p.  XIV)  —  auch  für  die  Erforschung  der  Schrift 
heranziehen. 

Das  beste  Hilfsmittel  zur  Erlernung  der  Papyrusschrift  stellen 
natürlich  die  Originale  dar,  die  ja  jetzt  in  zahlreichen  Städten  zugänglich 
sind.  Wer  keine  Originale  zur  Verfügung  hat,  muß  zu  Reproduktionen 
greifen,  nur  soll  er  nicht  übersehen,  daß  auch  die  besten  Reproduktionen 
in  Einzelheiten  täuschen  können.  Mehrere  der  oben  in  §  3  genannten 
Ausgaben  enthalten  Facsimilia  einzelner  Texte.  ^)  An  besonderen  Tafel- 
werken nenne  ich:  Die  von  Deveria  gezeichneten  Planches  zu  den  P. 
Par.  —  U.  Wilcken,  Tafeln  zur  älteren  griech.  Paläographie  nach  Origi- 
nalen des  Berliner  Museums,  zum  akademischen  Gebrauch  und  zum  Selbst- 
unterricht 1891  (Giesecke  u.  Devrient),  20  Tafeln  mit  Einleitung  und  Lese- 
proben. —  Greek  Papyri  in  the  British  Museum,  Facsimiles,  printed 
by  Order  of  the  Trustees  1 1893,  II 1898,  III 1907.  —  In  demselben  Großfolio- 
Format  sind  die  Tafeln  der  Palaeographical  Society  und  ihrer  Fort- 
setzung. —  C.  Wessely,  Papyrorum  scripturae  graecae  specimina  isagogica 
1900  (Avenarius).  Autographie  von  Urkunden  aus  der  Zeit  des  Augustus 
und  Tiberius.  Vgl.  auch  Wesselys  Studien  zur  Paläographie  und  Papyrus- 
kunde. —  Soeben  erschien:  W.  Schubart,  Papyri  graecae  Berolinenses 
1911  (Bonn,  Marcus  u.  Weber),  Heft  2  der  von  Lietzmann  herausge-* 
gebenen  Tabulae  in  usum  scholarum.  50  Tafeln  mit  kurzen  Beschreibungen 
und  Leseproben.  Hier  ist  für  einen  billigen  Preis  eine  gute  Auswahl  von 
Texten  in  wohlgelungenen  Tafeln  vom  IV.  Jahrh.  v.  Chr.  bis  zum  VIII.  Jahrh. 
n.  Chr.  geboten. 

Für  die  lateinische  Papyrusschrift,  die  ich  hier  nur  nebenbei  streifen 
kann,  bieten  Arndt-Tangl,  Schrifttafeln  zur  Erlernung  der  lateinischen 
Paläographie,  3.  Aufl.  1903,  mehrere  Proben.  Spezieller  widmet  sich  der 
Papyrusschrift  C.  Wessely,  Schrifttafeln  zur  älteren  lateinischen  Paläo- 
graphie 1898.  20  Tafeln  in  Autographie.  Vgl.  dazu  meine  Besprechung 
im  Arch.  I  370  ff.    Photographische   Reproduktionen   lateinischer   Papyri 

1)  Besonders  wichtig  für  das  III.  Jahrb.  v.  Chr.  sind  die  zahlreichen  Tafeln  zu 
den  Petrie-Papyri. 


§  5.    Die  Schrift.  XXXV 

bieten  vielfach  auch  die  Editionen.  Vgl.  Gen.  lat.  1,  P.  Oxy.  an  mehreren 
Stellen,  Arch.  III  hinter  S.  338  zu  dem  Straßburger  Brief  (ed.  H.  Bresslau 
ebendort  S.  168)  usw. 

An  spezielleren  Arbeiten  über  die  Papyrusschrift  ^)  sind  zu  nennen: 
Wilcken,  Observationes  ad  historiam  Aegypti  provinciae  Romanae.  Altera 
pars:  Observationes  palaeographicae.  Diss.Berl.1885.  Vgl. auch  meine  Einlei- 
tung zu  den  oben  genannten  ,,Tafeln"  und  vor  allem  Arch.  1 354 ff.  —  Fr.  Blaß, 
Griechische  und  lateinische  Paläographie  in  Iw.  Müllers  Handbuch  I  (wo 
allerdings  die  ürkundenschrift  sehr  zurücktritt).  —  E.  M.  Thompson, 
Handbook  of  greek  and  latin  palaeography  1893.  —  Fr.  Kenyon,  The 
palaeography  of  greec  papyri,  with  twenty  facsimiles  and  a  table  of 
alphabets,  1899.  Vgl.  meine  Besprechung  im  Arch.  I  354  ff.  —  C.  Wes- 
sely,  Studien  zur  Paläographie  und  Papyruskunde.  —  Außerdem  haben  auch 
die  Editoren  oft  über  paläographische  Fragen  gehandelt,  wie  Mahaffy 
zu  den  Petrie- Papyri,  Grenfell-Hunt  zu  manchen  Texten  ihrer  zahl- 
reichen Editionen  u.  a.  Rühmend  sei  hier  besonders  auch  der  alte  Nico- 
laus  Schow  hervorgehoben,  der  der  ersten  Entzifferung  einer  cursiven 
Urkunde  (vgl.  oben  p.  XVU)  eine  eingehende  Adnotatio  palaeographica  nebst 
.  afein  angefügt  hat. 

Ich  übergehe  die  griechische  Tachygraphie,  wiewohl  mehrere  Ur- 
kunden solche  bieten,  da  eine  Entzifferung  bisher  noch  nicht  gelungen  ist. 
Wertvolle  Vorarbeiten  hierzu  sind  von  Gardthausen,  Wessely  u.  a.  in 
dem  von  Dewischeit  neu  begründeten  Archiv  für  Stenographie  und  an 
anderen  Stellen  publiziert.  Vgl.  z.  B.  Gardthausen,  Geschichte  der  grie- 
chischen Tachygraphie  im  Archiv  für  Stenographie  57.  Jahrg.  Besonders 
wichtig  sind  auch  die  von  Wessely  in  den  Wien.  Denk.  1895  edierten 
Skalen. 

1.  Die  Prinzipien  der  Schriftentwicklung.') 
Wir  unterscheiden  die  Unzialschrift,  die  die  Buchstaben  in  der  Regel 
unverbunden  nebeneinander  stellt,  und  die  Kursivschrift,  die  sie  möglichst 
miteinander  verbindet.  Die  Buchstaben  jener  sind  meist  nur  leichte  Um- 
wandlungen der  auf  den  gleichzeitigen  Steininschriften  üblichen  Formen, 
die  Buchstaben  dieser  sind  durch  die  Ligaturen  u.  a.  stärker  verändert. 
Die  Unziale  ist  vorwiegend  Buchschrift,  die  Kursive  vorwiegend  Urkunden- 
Schrift,  doch  gibt  es  auch  Klassikcrt(>xte  in  Kursive  —  das  sind  dann 
private  Abschriften  wie  Aristoteles'  !4&ηνα(ων  noXixiia  —  und  auch  einige 
^Tknnden  in  Unziale.') 

1)  Di«    &Itere   Literatur    endet   man    in   Oardthantent   Orieohitcher   Palio- 
-raphie  1879  and  Wattfnbach•  Anloitunf^  xur  f^riech.  Paliograpbie  8.  AuB.  1895. 

2)  Vgl.  meine  Obvcrvatione•  8.  86  ίΓ.  und  Arch.  I  861. 
'Λ)  Vgl.  die  Heiipiele  im  Arob.  1  866. 


XXXVI  Einleitung. 

Der  Anfänger  steht  betroffen  vor  der  Fülle  der  verschiedenartigsten 
Schriftarten;  der  Kenner  sieht  einen  gewissen  gleichartigen  Duktus  trotz 
aller  individueller  Verschiedenheiten  in  den  derselben  Periode  angehörigen 
Texten.  Wir  haben  gelernt,  nicht  nur  die  Schriftarten  der  ptolemäischen 
und  römischen,  byzantinischen  und  arabischen  Periode  auseinanderzuhalten, 
sondern  auch  noch  genauer  die  Jahrhunderte  zu  trennen.  Dies  gilt  von 
der  Kursive,  deren  Entwicklung  zu  erkennen  uns  durch  die  zahlreichen 
datierten  Urkunden  erleichtert  wird,  nicht  von  der  Unziale,  die  als  Kopier- 
schrift besonders  schwierig  zu  datieren  ist.^)  Jenen  gleichartigen  Duktus 
der  gleichzeitigen  Kursivschriften  möchte  ich  auch  heute  noch,  wie  in 
meiner  Dissertation,  auf  die  Einwirkung  der  allen  gemeinsamen  Schule 
zurückführen.  Hier  lernten  aUe  zunächst  dieselbe  Unziale  und  die  Anfänge 
der  Ligaturen.^)  Die  volle  Entwicklung  der  Kursive  brachte  erst  das  prak- 
tische Leben,  und  hier  herrschte  individuelle  Freiheit,  wenn  auch  in 
dieser  höheren  Entwicklung  der  Einfluß  einer  gewissen  Mode  nicht  zu 
verkennen  ist. 

Hiernach  kann  man  angesichts  der  ungeheuren  Mannigfaltigkeit  der 
kursiven  Schriften  nicht  daran  denken,  eine  einheitliche  Entwicklungs- 
reihe festzustellen,  sondern  Aufgabe  der  Wissenschaft  ist  es,  die  verschie- 
denen subjektiven  und  objektiven  Motive,  die  zu  der  Entwicklung  der 
verschiedenen  Schreibarten  geführt  haben,  aufzudecken,  die  vorhandenen 
Handschriften  hiernach  zu  klassifizieren  und  so  eine  Anzahl  verschiedener 
paralleler  Entwicklungsreihen  festzulegen.^)  Die  subjektiven  Prinzipien 
der  Schriftentwicklung  liegen  in  der  Person  des  Schreibers  selbst.  Sie 
sind  bedingt  durch  den  Grad  seiner  Bildung,  durch  das  Maß  seiner 
Schreibübung,  durch  seinen  Beruf.  Die  professionellen  Schreiber  müssen 
von  den  Gelegenheitsschreibern  geschieden  werden.  Aber  auch  eine  und 
dieselbe  Person  schreibt  verschieden,  je  nach  dem  Objekt  der  Schriftstücke 
und  nach  den  Umständen.  So  ist  die  Wichtigkeit  des  Textes,  das  Verhältnis 
des  Schreibers  zum  Adressaten  maßgebend  für  die  Sorgfalt,  die  er  auf- 
wendet. Ebenso  ist  entscheidend,  ob  eine  Reinschrift  oder  ein  Brouillon 
gemacht  wird,  auch  ob  Original  oder  Kopie  in  Frage  steht.  Je  nachdem 
sind  verschiedene  Tendenzen  zu  erkennen,  entweder  möglichst  schön  und 
deutlich  zu  schreiben  oder  nur  möglichst  schnell  und  bequem  die  Aufgabe 
zu  erledigen.  Wenn  man  so  die  fast  unübersehbare  Fülle  der  kursiven 
Schriftarten  nach  solchen  subjektiven  und  objektiven  Prinzipien  ordnet 
und  immer  nur  die  unter  gleichen  Verhältnissen  entstandenen  Schriftstücke 
miteinander  verbiudet,  wird  man  schließlich  zur  Erkenntnis  jener  paral- 
lelen Entwicklungsreihen  kommen.   Auch  dem  Anfänger  sei  es  empfohlen, 


1)  Vgl.  Arch.  I  364  f.  2)  Vgl.  unten  S.  13' 

3)  Hierfür  trat  icti  im  Archiv  I  361,  367  ein. 


§  5.    Die  Schrift.  XXXVII 

^jh    diese    Fragen    vorzulegen    und    zu    einer   Beurteilung    des    einzelnen 
^raekes  unter  diesen  Gesichtspunkten  zu  kommen. 

Bei  genaueren  Untersuchungen  wird  sich  wahrscheinlich  herausstellen, 
daß  es  innerhalb  der  ägyptischen  Kulturwelt  an  verschiedenen  Stellen 
gleichzeitig  verschiedene  Moden  gegeben  hat.  Im  einzelnen  konnte  schon 
beobachtet  werden,  daß  z.  B.  bestimmte  Kanzleien  ihre  eigenen  paläogra- 
phischen  Sonderheiten  haben,  nicht  nur  die  Kanzleien  der  Präfekten  von 
Ägypten,  aus  der  wir  kürzlich  ein  Original  kennen  lernten  (Schubart, 
Taf.  35)^),  aber  es  fehlt  noch  an  gründlicheren  Untersuchungen  unter 
diesem  Gesichtspunkt.  Vgl.  Arch.  V  185.  Andrerseits  ist  wieder  der  ägyp- 
tische Stil  als  Einheit  dem  außerägyptischen  gegenüberzustellen.  So  finden 
sich  z.  B.  in  den  kleinasiatischen  Papyri  Besonderheiten,  die  in  Ägypten 
nicht  nachweisbar  sind.  So  haben  wir  jetzt  zwei  Belege  für  ein  eigen- 
artiges δ  für  Myra  in  Lycien.    Vgl.  unten  S.  184. 

2.  Die  Buchstabenformen.') 

Das  Alphabet,  das  in  der  Papyrusschrift  allein  in  Anwendung  kommt, 
ist  das  milesische.  Was  die  Formen  betrifft,  so  führt  die  Benutzung  des 
Kalamos  leicht  zu  Abrundungen  der  Ecken,  an  denen  andrerseits  der 
Steinmetz,  gleichfalls  aus  technischen  Gründen,  länger  festhält.  Die  älte- 
sten Papyri,  aus  dem  Ende  des  IV.  Jahrb..  der  Timotheos,  der  Artemisia- 
papyrus  und  Eleph.  1,  zeigen  noch  ein  eckiges  E,  der  Timotheos  hat 
auch  noch  das  eckige  ^.  Vgl.  Schubart,  Taf.  1  und  2.  Eine  sehr  nütz- 
liche Vergleichung  des  gesamten  Alphabets  dieser  ältesten  Stücke  (mit 
vergrößerten  Reproduktionen  der  Buchstaben)  bietet  Alfred  Jacob,  Le 
trace  de  la  plus  ancienne  ecriture  onciale.^)  Es  kann  nur  empfohlen 
werden,  mit  derselben  genauen  Beobachtung  der  Kalamosführung  die  all- 
mählichen Wandlungen  der  Formen  durch  die  Jahrhunderte  zu  verfolgen. 

Die  einzelnen  Handschriften  bekommen,  je  nachdem  sie  die  runden 
Buchstaben  als  Kreise  oder  als  Ovale  zeichnen,  also  t0üC  oder  odOC, 
ihr  besonderes  Gepräge,  dies  um  so  mehr^  als  auch  die  anderen  Buch- 
etaben entsprechend  ihren  besonderen  Charakter  erhalten.  Dieser  Unter- 
schied hängt  meist  mit  einem  anderen,  dem  zwischen  Steilschrift  und 
Schrägschrift  zusammen.  Bei  der  Schrägschrift  (nach  rechts  geneigt)  wer- 
den die  Kreise  unwillkürlich  zu  Ovalen;  freilich  kann  man  auch  mit  Ab- 
sicht die  Ovale  in  Steilschritt  schreiben.  Die  herrschende  Ansicht,  daB 
diese  zwei  verschiedenen  Arten  chronologisch  getrennt  seien,  daB  man  in 

l>  Die  «ogenannte  Kaiierkuriive  itt  nicbii  weiter  all  die  Schrift  der  kalter- 
Vgl  Arcb.  I  87»  f.   Über  ihre  Beiiebuogen  tu  jener  Schrift  der  Kantlei 
vgl.  Arch.  V  486. 
*i)  /iiiniil  die  Formen  im  Typendruck  ichwer  wiedcniugeben  find,  bevonuge  ich 
hier  die  prinzipiellen  (teNichtipunkte. 

8)  Annuaire  de  Tßcole  pratiqiie  de•  baatet  dtudet  tooe  8.  6(Γ. 


XXXVIII  Einleitung. 

gewissen  Jahrhunderten  nur  Steilsclirift  (mit  Kreisen),  in  anderen  nur 
Schrägschrift  (mit  Ovalen)  geschrieben  habe,  halte  ich  nicht  für  zutref- 
fend. Im  Anschluß  an  Ceriani  habe  ich  im  Arch.  I  367  ff.  gezeigt,  daß 
auch  in  der  Unziale,  für  die  jene  Regel  besonders  aufgestellt  ist,  die 
kreisrunden  und  die  ovalen  Formen  durch  die  Jahrhunderte  hindurch 
nebeneinander  nachvreisbar  sind,  womit  nicht  geleugnet  werden  soll,  daß 
hie  und  da  bestimmte  Moderichtungen  die  eine  oder  andere  Art  bevor- 
zugt haben.  Für  die  Kursive  kann  das  Nebeneinander  der  beiden  Arten 
nicht  bestritten  werden.  Urkunden,  die  von  verschiedenen  Händen  ge- 
schrieben sind,  zeigen  oft  nebeneinander  Steilschrift  und  Schrägschrift. 
Vgl.  z.  B.  Schubart,  Taf.  37  a. 

Wichtiger  für  die  Formen  der  Buchstaben  als  diese  Unterschiede  ist 
die  Frage,  ob  sie  einzeln  nebeneinander  gestellt  (Unziale)  oder  mitein- 
ander verbunden  werden  (Kursive),  denn  in  letzterem  Falle  erleiden  die 
Formen  der  Buchstaben  eben  durch  die  Verbindungen  (Ligaturen)  z.  T. 
sehr  wesentliche  Veränderungen.  Auf  die  große  Bedeutung  der  Ligaturen 
für  die  Buchstabenformen  hat  namentlich  Gardthausen  in  seiner  Paläo- 
graphie  nachdrücklich  hingewiesen.  Wir  können  mittelbare  und  unmittel- 
bare Ligaturen  unterscheiden.  Unter  ersteren  verstehe  ich  diejenigen  Fälle, 
in  denen  die  beiden  Buchstaben  durch  einen  künstlich  eingefügten  (meist 
horizontalen)  Ligaturstrich  verbunden  werden.  Diese  Art  begegnet  m.  W. 
nur  in  der  Ptolemäerzeit  und  den  ersten  Anfängen  der  Kaiserzeit.  Klare 
Beispiele  bieten  z.  B.  die  Ptolemäertexte  bei  Schubart,  Taf.  6  ff.  (aus  dem 
IL  Jahrb.),  auch  noch  Taf.  14  aus  Augustus'  Zeit.  Bei  dieser  mittelbaren 
Ligatur  liegt  keine  Veranlassung  zu  einer  Veränderung  der  einzelnen  Buch- 
staben vor.  Wenn  dagegen  die  Buchstaben  unmittelbar  verbunden  werden, 
ohne  fremdes  Zwischenglied,  was  auch  schon  in  der  Ptolemäerzeit  und 
dann  durchweg  bis  in  die  jüngste  Zeit  geschieht,  so  führt  die  Ligatur 
z.  T.  zu  ganz  neuen  Formen. 

Das  wichtigste  Motiv  für  die  Umgestaltung  der  Buchstabenformen 
ist  das  Bestreben  des  Schreibers,  den  einzelnen  Buchstaben  in  einem 
Zuge,  ohne  Abheben  des  Kalamos  zu  schreiben.  Von  diesem  Punkte  aus 
lassen  sich  auch  die  scheinbar  merkwürdigsten  Formen  erklären,  wie 
manche  Arten  des  Epsilon,  die  nur  verschiedene  Lösungen  des  Problems 
sind,  wie  man  den  Mittelstrich  mit  der  Rundung  verbinden  kann,  z.  B. 
Ο  oder  G-,  ferner  das  einstrichige  α  statt  des  zwei-  oder  dreistrichigen  A, 
die  Spaltung  der  Hasten  usw.  Die  Beobachtung  dieses  Motivs,  die  sich  bei 
jedem  Buchstaben  durchführen  läßt,  ist  ein  außerordentlich  praktisches 
Hilfsmittel  zum  Verständnis  der  Buchstabenformen,  und  sie  sei  dem  Pa- 
pyrusleser ganz  besonders  empfohlen.  Es  ist  dasselbe  Motiv,  das  dann  in 
noch  weiterer  Ausdehnung  zu  der  Verbindung  mehrerer  Buchstaben  durch 
die  eben  besprochenen  Ligaturen  führt,  denn  auch  hier  liegt  nur  das  Be- 


§  δ.    Die  Schrift.  XXXIX 

streben  zugrunde,  den  Kalaraos  möglichst  lange  nicht  abzuheben.  Ich 
muß  mich  an  dieser  Stelle  auf  diese  kurzen  theoretischen  Andeutungen 
beschränken.  Ich  weiß  aus  Erfahrung  von  mir  und  meinen  Schülern,  daß 
ihre  Anwendung  das  Erlernen  der  Kursive  außerordentlich  erleichtert. 

Eine  nicht  organische,  sondern  von  außen  kommende  Λ"eränderung 
hat  die  griechische  Kursive  durch  die  Beeinflussung  des  lateinischen 
Alphabets  erfahren.  Das  ist  zu  derselben  Zeit  geschehen,  in  der  wir  auch 
sonst  den  Romanismus  in  Ägypten  vordringen  sehen  (s.  unten  S.  68), 
in  der  Periode,  die  mit  Diokletian  beginnt.^)  In  den  Texten  vom  IV.  Jahrh. 
an  ist  es  ganz  evident,  daß  einzelne  Buchstaben  von  den  lateinischen  be- 
einflußt worden  sind.  Natürlich  konnte  es  auch  schon  vorher  begegnen, 
daß  Römer,  die  sowohl  lateinisch  wie  griechisch  schrieben,  ihrer  griechi- 
schen Schrift  unwillkürlich  einen  lateinischen  Duktus  gaben.  Ein  treflen- 
des  Beispiel  hierfür  hat  Zereteliim  Arch.  I  336  ff.  (mit  Tafel  hinter  S.  378) 
vorgelegt.  ^) 

Die  Bedeutung  der  Kursive  für  die  allgemeine  Schriftlehre  geht  weit 
über  die  Bedürfnisse  der  Papyrusforschung  hinaus,  da,  wie  schon  Gardt- 
hausen  erkannt  hat,  die  mittelalterliche  Minuskel,  die  etwa  mit  dem 
IX.  Jahrh.  die  Unziale  als  Buchschrift  verdrängt,  nichts  weiter  ist  als  eine 
stilisierte  Kursive.  So  fällt  dem,  der  die  Kursive  verstanden  hat,  auch  die 
Minuskel  mit  leichter  Mühe  zu,  wenn  hier  natürlich  auch  noch  manche 
Besonderheiten  zu  lernen  sind.  Das  Erlernen  der  Papyrusschrift,  sowohl 
der  Unziale  wie  der  Kursive,  ist  aber  für  den  Philologen  um  so  wich- 
tiger geworden,  als  die  Papyrusfunde  von  Klassikertexten  aus  dem  Alter- 
tum gelehrt  haben,  daß  die  Textverderbnisse,  die  man  früher  dem  Mittel- 
alter zuschrieb,  meist  schon  aus  dem  Altertum  stammen.  Wer  also  Emen- 
dationen  paläographisch  begründen  will,  sollte  die  Schrift  des  Altertums 
kennen. 

3.  Die  Abkürzungen.') 
Die  größten  Schwierigkeiten  bieten  dem  Anfänger  die  zahlreichen 
Abkürzungen.  Auch  hier  kommt  es  vor  allem  darauf  au,  sich  die  ver- 
schiedenen Prinzipien,  die  dabei  maßgebend  gewesen  sind,  klar  zu  macheu, 
nicht  etwa  die  Schlußergebnisse  nach  Listen  sich  einzuprägen.  Nur  wer 
die  Prinzipien  kennt,  wird,  wo  er  vor  neuen  Formen  steht,  zur  richtigen 
Auflösung  kommen.     Ich  unterscheide    1)  die  Abbreviaturen,  2)  die  Ver- 

1)  Vgl.  Wilcken,  Arch.  1  860  und  878.  Wwtely,  Ut  Schrilttafeln  1.  c.  und 
Stud.  Pel.  I  p.  XXIII  eq. 

i)  Die  EinwenthinKen  νυη  Weiiely,  Stud.  Pal.  I  p.  LXXItq.  (Tgl.  auch  Oardt- 
haueon,  Byz.  Z.  190«  S.  232)  gegen  Zereteli  haben  mich  nicht  abeneugt.  Di•  Ur- 
kunde iii  τοπ  Zereteli  mit  dem  II.  Jahrh.  nicht  zu  frilh  angetettt.  Da•  t  in  dem 
griechiechen  Teil  ΐκΐ  hieriUr  logar  morkwOrdig  altertflmliob. 

3)  Vgl.  Arch.  I  867  f. 


XL  Einleitung. 

Schleifungen,  3)  die  Kontraktionen,   4)  die  Symbole  (Siglen).     Ich  muß 
mich  hier  auf  die  Hervorhebung  der  wichtigsten  Fälle  beschränken. 

1)  Die  Abbreviaturen. 

Abbreviaturen  —  oder  Abbreviationen,  auch  Suspensionen  —  neiinen 
wir  die  Kürzung  der  Worte  durch  Fortlassung  des  Endes.  In  diesen 
FäUen  kann  die  grammatische  Form  des  Wortes  nur  durch  den  Zusammen- 
hang gegeben  werden,  ja  sogar  die  Wahl  des  Wortes  —  ob  7toX(  )  z.  B. 
πόλ{εμοζ)  oder  πόλ{ΐξ)  bedeuten  soll  —  wird  nur  durch  ihn  bestimmt. 

Diese  Abbreviaturen  werden  entweder  ohne  Andeutung  oder  mit  An- 
deutung des  Wegfalls  des  Wortendes  geschrieben.  Der  erste  Fall  be- 
gegnet, soweit  ich  sehe,  nur  in  den  alten  Texten,  aus  dem  IIL  Jahrh.  v. 
Chr.  Vgl.  z.  B.  Petr.  III  S.  159:  ^Ο-τ?  ^-^Ad^iivalog),  Μακε  =  Μακε{οών) 
usw.  Diese  Art  scheint  später  abgekommen  zu  sein.^)  Praktisch  sind 
daher  wichtiger  die  Fälle  mit  Andeutungen  der  Abbreviatur.  Man  merke 
namentlich  die  folgenden: 

a)  Der  als  letzter  übrigbleibende  Buchstabe  wird  übergesetzt:  τ£λ%  τε^, 
Λαί^  usw.  Seltener  werden  in  älteren  Texten  zwei  Buchstaben  übergesetzt: 
r^'"•  (häufiger  in  byzantinischer  Zeit).^)  Gelegentlich  werden  zwei  nebftnein- 
ander  stehende  Worte  als  einheitliches  Objekt  der  Abkürzung  betrachtet,  und 
das  gilt  nicht  nur  für  diese  Art:  ω6^  =  ώς  τ(ης)  (BGrU  362  VI  7);  επυ^ 
—  επΙ  λ(όγον)]  ro''  =  το  κ(ατ'  ανδροί).  —  Selten  geschieht  es,  daß  der  Schrei- 
ber zu  einer  solchen  Abbreviatur  die  Endung  zur  Sicherheit  hinzufügt. 
Vgl.  Amh.  35, 55  (68)  vom  Jahre  132  v.  Chr.  (Taf.  10),  wo  in  einer  zwischen- 
geschobenen  Zeile  in  größter  Enge  βκων  geschrieben  ist  für  βα{ριλι)κων. 
Hier  ist  die  Endung  offenbar  hinzugefügt,  weil  eine  Zeile  vorher  dasselbe 
β  in  der  Bedeutung  βα{ΰίλέωξ)  steht.  Selbstverständlich  darf  man  dies 
nicht,   wie  es   geschehen  ist,    als   eine  Kontraktion  betrachten  (s.  unten), 

zumal  ja  nicht  βακων,  sondern  βκων  dasteht. 

Durch  die  Übersetzung  haben  manche  Buchstaben,  da  sie  zwischen 
den  Zeilen  stehend  möglichst  niedrig  werden  mußten,  ihre  Formen  ver- 
ändert. So  wird  das  Hakenalpha  l  entstanden  sein,  so  auch  das  LA  für  H.^) 
Diese  neuen  Formen  wurden  dann  aber  auch  auf  der  Zeile  verwendet. 
Das  Hakenalpha  geht  allmählich  in  eine  gewundene  Linie  ^  über  und  hat 
sich  so  bis  in  späte  Zeit  erhalten.  Über  die  Entwicklung  des  η  s.  Arch. 
1.  c.  Dahin  gehört  auch  der  Bogen  D,  der  in  der  Regel  =  π  ist  (die 
kursive  Form  η  umgewendet). 


1)  Erhalten  hat  sich  η  (ein  kursives  π)  =  7ΐ(ήχνς),   das  freilich  oft  durch  die 
Verbindung  mit  der  Zahl  als  Abkürzung  charakterisiert  ist:    ^  =  π{ήχνς)  cc. 

2)  Für  die  Abkürzungen  der  byzantinischen  Zeit  Tgl.  auch  die  Listen  bei  Gardt- 
hausen,  Gr.  Paläographie  S.  248  ff. 

3)  Vgl.  Arch.  I  362 f. 


§  δ.    Die  Schrift.  XLI 

b)  Der  als  letzter  übrigbleibende  Buchstabe  wird  unter  den  vorletzten 
gesetzt:  λ  =  λο{  ),  :τ  =  πο(   \  λ  =  Xl(  )  usw. 

c)  Der  als  letzter  übrigbleibende  Buchstabe  wird  durch  den  vor- 
letzten hindurchgezogen.  Dies  namentlich  bei  langen  schmalen  Buch- 
staben wie  ρ  und  i,  auch  v:  Π,  Γ.  Bei  Jota  wie  in  ψ  kann  nur  der 
Zusammenhang  entscheiden,  ob  ιπ{  )  oder  πι{  )  gemeint  ist.  So  erklärte 
sich  das  in  der  römischen  Zeit  oft  wie  ein  Kreuz  aussehende  Zeichen  für 
πνρον:  es  ist  in  den  älteren  Texten  erkennbar  als  )^,  d.  h.  ein  λ,  in  das 
ein  V  hineingesetzt  ist,  also:  ττν^ρον),  Abbreviatur  und  nicht  Symbol. 

d)  Der  als  letzter  übrigbleibende  Buchstabe  wird  lang  ausgezogen, 
ohne  daß  seine  Position  verändert  würde.  Dies  namentlich  bei  λ  und  τ, 
bei  denen  der  Querstrich  nach  rechts  hin  ausgezogen  wird.  Entsprechend 
wird  gelegentlich  das  Jota  lang  nach   oben    ausgezogen,    wie  diol  ^  öloC- 

e)  Ein  Buchstabe  aus  dem  weggelassenen  Wortende  wird  übergesetzt: 
αρχ^  =  άρχ(ίερα)τ(εν0ας).  In  diesem  Falle  soll  die  präteritale  Form  ge- 
kennzeichnet werden  (zum  Unterschied  von  άρχιερεύς).  Hierher  gehört 
x*^*  =  χ(άτ)οί(κοζ).  Auch  das  Arurenzeichen  ö^  konnte  nach  diesem  Prinzip 
der  Abbreviatur  erklärt  werden.  Wie  die  alten  Formen  der  Petrie  Papyri 
zeigen,  ist  es  nichts  als  a^  =  α(ρο)υ(ρα).  Die  späteren  Formen  wie  \-  er- 
klären sich  durch  die  Verbindung  von  ν  und  «.  Vgl.  Griech.  Ostraka  I  775. 
Nach  diesem  Prinzip  erklärte  ich  auch  das  von  0.  Eger  richtig  als  Katöken- 
land  gedeutete  Zeichen  ή'  =  γ{'η)  κ(ατοίκική)  (mit  abgeschliffenem  Kappa).M 
Insofern  liier  wieder  zwei  Wörter  als  eine  Gruppe  zusammengefaßt  eind, 
steht  dies  parallel  einer  Schreibung  wie  δψ  =  δη(μόόίος)  γ{εωργός)  ( Lond. 
II  S.  37). 

f)  Monogrammatische  Verschmelzung  des  letzten  und  vorletzten  ührit^ 
bleibenden    Buchstabens.     Vgl.  N€  =  μί(    ),  JE  =  πε{    ).     So    erklärt    sich 
auch  das  Zeichen  für  χεράμιον:  Κ. 

gj  Die  Abkürzung  wird  gekennzeichnet  durch  einen  horizontalen  oder 
schrägen  Strich:  γεί\  τε\  τ£κ  ' ;  manchmal  steht  ein  Häkchen  >  (ohne  χ 
zu  bedeuten),  später  gern  die  gewundene  Linie  5-  Erst  in  byzantinischer 
Zeit  wird  diese  Methode  mit  der  Übersetzung  verbunden:  «^5  —  άδ${1φός). 

Nach  diesem  Prinzip  erklärt  sich  das  Zeichen  für  den  Xeetee  V^  als 
ein  ξ  mit  dem  Strich:  i/,  ebenso  das  y  für  χ{εράτιον\  ein  kleines  Kappa 
mit  dem  Strich  rechts  unten  (später  einfach  ).  Das  häufige  l  ist  nicbts 
weiter  als  Hakenalpha  +  Strich  —  α{ύτός). 

Auch  hier  ist  es  eine  Seltenheit,  wenn  die  Endung  hinzugefügt  wird. 
Vielleicht  ist  so  aufzufassen  die  Schreibung  χων  in  BGU  835,  12  (^a.  216/7) 
für  χω(μώ)ν.  Hier  wäre  es  allerdings  auch  möglich,  τοπ  einer  Kontraktion 
zu  sprechen.    Vgl.  unten  p.  XI,I\' 

Γ)   Ar(h    V    18 If. 


XLII  Einleitung. 

h)  Zu  beachten  ist,  daß  gelegentlich  Zahlzeichen  für  verwandte  Be- 
griffe verwendet  werden.  So  ö^  =  (πρότερον).  Sie  stehen  auch  in  Kompositis 
wie  γκ  =  (Τρήκω(μία)  (III.  Jahrh.  ν.  Chr.). 

i)  Endlich  begegnen  Abkürzungen,  die  auf  den  Einfluß  der  lateini- 
schen Schrift  (s.  oben  p.  XXXIX)  zurückzuführen  sind.  Dahin  gehören  die 
literae  singulares  mit  einem  Punkt  wie  F  für  r{aCog).  Auch  sonst  ist 
die  Verwendung  des  Punktes,  der  sich  in  den  älteren  griechischen  Ab- 
kürzungen nicht  findet,  auf  das  lateinische  Vorbild  zurückzuführen.  Vgl. 
z.  B.  Lond.  Atlas  II  95:  Φλ'  =  Φλ(άονίος),  δεοποτικ'  =  οε6ποτι%{ών)  usw. 
Auch  die  Schreibung  der  Teile  eines  Kompositum^)  mit  einer  litera  sin- 
gularis  stammt  aus  dem  Lateinischen  wie  βφ  =  β{ενε)φ{ίκιάριος)  ent- 
sprechend BF,  oder  πΐϊ  =  π{ραί)Ή:(όσίτος)  usw.  Lateinisch  ist  auch  die 
Andeutung  des  Plurals  durch  die  Verdoppelung  des  letzten  Buchstabens, 
wie  in  Φλλ(^  =  Φλ(άονίθί).  Dies  ist  namentlich  in  den  jüngsten  Papyri 
wie  auch  in  der  Minuskel  sehr  geläufig.  Danach  finden  sich  auch  Weiter- 
bildungen dieses  Prinzips  wie  αρ^ρ'  =  αρονραυ,  καρρ  =  κάραβοι  (vgl.  BeU, 
Lond.  IV  ρ.  XLV);  ich  füge  v'^v'^  =  νο{}ΐί6ματα)  hinzu.    Vgl.  unten  257,4. 

2)  Die  Verschleifungen. 
In  ganz  flüchtiger  Kursive  werden  häufig  Wörter  wie  die  Kaiser- 
namen, die  Monatsnamen  und  manche  andere  derartig  verschliffen,  daß 
man  hinter  dem  deutlichen  Anfangsbuchstaben  oder  auch  zwischen 
dem  Anfangs-  und  Endbuchstaben  oft  nur  eine  Zickzack-  oder  Wellen- 
linie sieht.  Wiewohl  die  Zahl  der  gleichmäßigen  Erhebungen  dieser 
Wellenlinien  oft  geringer  ist  als  die  Zahl  der  zu  erwartenden  Buchstaben, 
dürfen  wir  m.  E.  mit  Sicherheit  annehmen,  daß  der  Schreiber  garnicht 
beabsichtigt  hat,  bestimmte  Buchstaben  wegzulassen.  Dadurch  unterscheidet 
sich  diese  Art  der  Verkürzung  prinzipiell  von  den  sogleich  zu  besprechen- 
den Kontraktionen,  mit  denen  sie  neuerdings  irrtümlich  zusammengeworfen 
sind  (s.  unten).  Ich  empfehle  daher,  sie  als  Verschleifungen  von  den 
Kontraktionen  zu  unterscheiden.  Beispiele  kann  man  überall  in  den  Ostraka, 
aber  auch  in  den  entsprechend  flüchtig  geschriebenen  Papyri^)  finden. 
Da  hier  meist  gar  nicht  zu  erkennen  ist,  Avelche  Buchstaben  in  der  Mitte 
geschrieben  sind  und  welche  nicht,  so  sind  die  Transkriptionen  der  Edi- 
toren bezüglich  der  Setzung  der  Klammern  oft  sehr  inkonsequent.  Das 
Richtigste  ist,  wie  Viereck  vorgeschlagen  hat  (Arch.  I  453),  in  diesen  FäUen 
überhaupt  keine  Klammern  zu  setzen,  sondern  das  Wort  voll  auszuschreiben, 


1)  Die  Zerlegung  der  Komposita  begegnet  auch  schon  vor  dem  lateinischen  Ein- 
fluß. Vgl.  das  eben  erwähnte  γν.^  =  Τριχωμία  aus  dem  III.  Jahrh.  v.  Chr.  Vgl.  auch 
Flor.  4,18  (206)  Yom  J.  245,  wo  ich  ^γΐ  =  7c(Q06)Yi{vovTccL•)  gelesen  habe. 

2)  Ein  Beispiel  für  viele:  Lond.  Atlas  Π  78.  Vgl.  außerdem  für  die  Ostraka 
Vierecks  Tafel  im  Arch.  I  450. 


§  δ.    Die  Schrift.  XLIII 

da,  wie  gesagt,  der  Schreiber  gar  nicht  die  Absicht  gehabt  hat,  bestimmte 
Buchstaben  auszulassen. 

3)  Die  Kontraktionen. 

Wir  kommen  zu  einem  sehr  strittigen  Problem.  Einigkeit  besteht 
darin,  daß  man  die  in  den  christlichen  Handschriften  von  Anfang  an  auf- 
tretenden Schreibungen  wie  0C  =  ^(εο)ς,  IC  =  Ί{ηβονς)^  TTNÄ  =  πν{£νμ)α 
usw.  als  Kontraktionen  bezeichnet  Das  Charakteristische  an  ihnen  ist, 
daß  die  Mitte  des  Wortes  ausgelassen,  und  ein  Horizontalstrich  darüber- 
gesetzt ist.  Derartige  Kontraktionen  finden  sich  nicht  nur  in  den  Bibel- 
handschriften, sondern  auch  in  den  Urkunden.  In  der  Abinnaeus- Kor- 
respondenz (Mitte  des  IV.  Jahrb.)  wird  meist  iv  d-ω,  iv  χω  geschrieben, 
aber  daneben  auch  iv  κνρύο  Ό-ίφ  (Lond.  II  S.  290  unten  Z.  2  und  sonst). 

Durch  das  Buch  von  Ludwig  Traube  über  die  Nomina  sacra  (1907)^), 
wie  er  mit  Thompson  diese  Bildungen  nennt,  ist  die  Frage  nach  ihrem 
Ursprung  ins  Rollen  gekommen.  Trotz  der  schon  jetzt  großen  Literatur*) 
ist  das  Problem  noch  nicht  gelöst.  Traubes  Versuch,  diese  Kontraktionen 
aus  gewissen  Gewohnheiten  der  hebräischen  Handschriften  abzuleiten,  hat 
mit  Recht  vielfachen  Widerspruch  hervorgerufen.  Ebensowenig  bin  ich 
aber  davon  überzeugt  worden,  daß  diese  Kontraktionen  einfach  aus  einem 
Gebrauch  der  profanen  griechischen  Inschriften,  Papyri  und  Ostraka  her- 
übergenommen seien.  Wohl  lassen  sich  mehrere  Beispiele  aus  den  In- 
schriften zusammenstellen,  in  denen  die  Mitte  eines  Wortes  ausgelassen  ist'), 
aber,  wenn  ich  recht  sehe,  steht  hier  niemals  ein  Querstrich  darüber. 
Dieser  gehört  jedoch  notwendig  zu  der  christlichen  Kontraktion.  Auch  in  den 
Papyri  kommt  es  nicht  selten  vor,  daß  ohne  Hinzufügungeines  Striches  in  der 
Mitte  etwas  ausgelassen  ist.  Ich  halte  mit  Kenyon  durchaus  daran  fest,  daß 
wir  solche  Fälle  als  Schreibfehler,  nicbt  als  beabsichtigte  Kontraktionen 
anzusehen  haben. ^)  In  liederlichen  vulgären  Handschriften  ist  diese  Auf- 
fassung selbstverständlich,  wie  z.  B.  in  Lond.  I  S.  38  ff.,  wo  zahlreiche  solche 
Auslassungen  vorliegen,  von  denen  sogar  manche  nachträglich  korrigiert  sind 
(durch  nachträgliche  Übersetzung  des  Ausgelassenen).  In  sorgfältigen  Hand- 
schriften darf  das  aber  nicht  anders  beurteilt  werden,  denn  solche  Aus- 
lassungen passieren  auch  den  besten  Schreibern,  ebensogut  wie  Diito* 
Lrr;ii)lii»in.     Vielleicht   liegt   eine    wirkliclit'   K<»iitraktion.   d.  h.    Auslaseung 

ij  1  L.  Truube,  Vorlegungen  uud  Abhaudluiiticu  ,βα.  ίτ.  nou;  i  ^1909): 

Zur  Pal  und  IlaudHcliriftoDkunde. 

2)  Ich  \.  Λ.  <  hier  nur  auf  Kruinbaoher,  Populäre  AafOltM  (1009)  8.  SlOff., 
und  die  vorn.  hl.  .i.  iion  AnHirhtm  von  WiUmowiti  u.a.  in  der  Byi.  Z.  XVII  e7tf. 
AridcH'M  wird  unten  ^.m    ι  i. 

H)  Vgl.  jetzt  Κ  Ν  a '  h  in  11  nie  Nchriftliche  Kontrakitun  auf  den  griechitchM 

Inichriften  (Eranoi  X  101  tf.). 

i,  \]un  i.f  /  η   ein  dttf2"  "'^^^^  Sieft{lt)ae  ir{«dertag«ben. 


XLIV  Einleitung. 

der  Wortmitte  mit  Querstrich  in  Eleph.  14,27(340)  vor  (a.  223/2  vor 
Chr.),  wenn  anders  meine  Vermutung,  daß  das  rjg  als  η^μέραής  zu  deuten 
ist  und  nicht  als  rι(μ,έρaL•g)  g,  zutreffend  ist.  Ebenso  könnte  man  vielleicht 
auch  das  oben  p.  XLI  erwähnte  κων  in  BGU  III  835, 12  (a.  216/7)  als 
Kontraktion  deuten.  Aber  beide  FäUe  sind  nicht  ganz  sicher.  Ich  be- 
tone übrigens,  daß  die  Gruppen  beide  am  Ende  der  Zeilen  stehen.  Aus 
dem  Anfang  oder  der  Mitte  der  Zeilen  sind  mir  solche  Schreibungen 
nicht  bekannt.  Sollten  diese  Fälle  als  Kontraktionen  aufzufassen  sein,  so 
würden  sie  mich  nur  um  so  mehr  in  der  Ansicht  bestärken,  daß  in  den 
zahlreichen  Fällen,  wo  eine  Wortmitte  ausgelassen  ist,  ohne  daß  ein  Strich 
hinzugefügt  wäre,  keine  Kontraktion,  sondern  ein  Schreibfehler  vorliegt. 
Damit  scheiden  sie  für  die  Erklärung  der  Nomina  sacra  aus.  Aber  auch 
jene  zwei  unsicheren  Fälle,  die  formell  allerdings  den  christlichen  Kon- 
traktionen ähneln  würden,  könnten  nicht  als  Vorstufen  zu  den  Nomina 
Sacra  angesehen  werden,  da  sie  eben  nur  am  Zeilenschluß  gebildet  und 
keine  normalen  Erscheinungen  sind.^)  Noch  weniger  sind  natürlich  die 
Verschleifungen  heranzuziehen,  aus  denen  Gunnar  Rudberg^)  die  No- 
mina Sacra  zu  erklären  versucht  hat,  denn  hier  ist,  wie  wir  sahen,  über- 
haupt keine  Auslassung  von  bestimmten  Buchstaben  beabsichtigt,  auch 
fehlt  der  Strich,  s) 

Wie  sind  dann  aber  die  Nomina  sacra  zu  erklären,  wenn  wir  aUe 
diese  Anknüpfungen  ablehnen?  Ich  möchte  sie  für  die  freie  Erfindung 
eines  Mannes  halten,  der  nach  äußeren  Formen  suchte,  um  in  den  Bibel- 
handschriften die  Namen  für  Gott,  Heiland  usw.  als  etwas  Heiliges  von 
der  sonstigen  Schrift  zu  separieren.  Er  griff  absichtlich  zu  einer  sonst 
nicht  gebräuchlichen^)  Abkürzungsform  (der  Kontraktion),  um  den  Leser 
auf  das  Singulare  des  Wortes  hinzuweisen,  und  er  fügte  einen  über  Wör- 
tern damals^)  gleichfalls  nicht  gebräuchlichen  Querstrich  hinzu,  um  das 
Singulare  noch  deutlicher  hervorzuheben.  Daß  der  Strich  nicht  die  Ab- 
kürzung als  solche,  sondern  das  Besondere,  hier  das  Heilige,  hervorheben 
soll,  zeigt  Lond.  II  S.  302,  25,  wo  der  Schreiber,  der  sonst  ΰ^ω  und  κω 
(=  ϋ'εω  und  κνρίω)  schreibt,  einmal  ό  d^sog  geschrieben  hat.  Mag  er  hier 
ein  Versehen   begangen   haben,  jedenfalls   hat    er  uns   dadurch  verraten, 

1)  Vgl.  jedoch  unten  Anm.  4. 

2)  Eranos  X  71.  Es  hat  der  fleißigen  Arbeit  geschadet,  daß  sie  nur  auf  Bücher 
zurückgeht,  nicht  auf  die  Anschauung  der  Originale. 

3)  Die  Ansicht  von  Börje  Knös,  Cod.  graec.  Upsaliensis  XV  S.  8  (vgl.  dazu  Rud- 
berg  1.  c.  90),  daß  der  Strich  der  Nomina  Sacra  sich  aus  der  Zickzacklinie  der  Ver- 
schleifungen durch  Stilisierung  entwickelt  habe,  ist  natürlich  abzulehnen. 

4)  Materiell  bekannt  konnte  sie  ihm  aus  solchen  Notkontraktionen  sein,  wie 
ich  sie  oben  hypothetisch  vorgelegt  habe. 

5)  Später,  in  jüngeren  byzantinischen  Texten  (daher  auch  in  koptischen),  steht 
dieser  Strich  bekanntlich  auch  über  Eigennamen,  um  sie  hervorzuheben.  In  älteren 
Zeiten  dient  er  nur  zur  Kennzeichnung  von  Zahlenbuchstaben  (vgl.  p.  XLVI). 


§  δ.    Die  Schrift.  XLV 

Λνα8  er  bei  dem  Strich  empfand.  Die  Nomina  sacra  sind  also  nicht 
aus  irgendwelchen  gebräuchlichen  profanen  Schreibmoden  or- 
ganisch entwickelt,  sondern  sie  sind  die  freie  Erfindung  eines 
Mannes,  der  gerade  absichtlich  das  Gebräuchliche  mied,  um  den 
Eindruck  der  Singularität  dieser  Worte  zu  sichern. 

4)  Die  Symbole  (Siglen).^) 
Symbole  sind  nicht  eigentlich  Kürzungen  der  Schrift,  sondern  ein 
symbolischer  Ersatz  für  die  Wiedergabe  der  Laute.  Die  Zahl  der  Sym- 
bole hat  sich  verringert,  nachdem  es  gelungen  ist,  die  Zeichen  für  die 
Arure,  Artabe  u.  a.  als  Abbreviaturen  zu  erkennen.  Symbole  sind  z.  B. 
L  =  τ^μίον^  l  =  ων.  Ferner  die  meisten  Zeichen  für  die  Münzeinheiten, 
wie  h  =  δραχμή  (in  der  Kursive  allmählich  stark  verändert  zu  <X,  y, 
dann  —  =  όβολός  (hier  ist  der  Strich,  der  den  Spieß  darstellt,  geradezu 
Hieroglyphe),  =  =  διωβέλίον^  Ρ  =  τριώβολον  und  die  Zusammensetzungen 
dieses  mit  den  vorhergehenden:  /?  =  τετρώβολον,  p  =  πεντώβολον,  auch 
c  für  den  halben  Chalkus.  Zu  den  Symbolen  können  wir  auch  zwei  Zei- 
chen stellen,  die  aus  dem  Demotischen  herübergenommen  sind:  L  =  έτος 
und  —7  =  μιμρόζ. 

4.  Das  Zahlensystem. 
Das    in    den  Urkunden   angewendete  Zahlensystem  ist  das  alte   mile- 

sische: 

α  =  1  t  =  10  ρ  =  100 

β  =  2  κ  -  20  6  =  200 

y  =  3  λ  =  30  τ  =  300 

d  =  4  μ  =  40  υ  =  400 

«  =  5  ι/  =  50  φ  =  δ00 

g  =  6  ξ  =  60  χ- 600 

ζ^Ί  0-70  ^-700 

1^  =  8  3Τ  =  80  ω- 800 

^-9  ς  =  90               T,C^-900 

Hier  etehen  Vau  (—  6)  und  Qoppa  (—  90)  noch  an  ihrem  alten  PlatE, 
während  das  Ssade  (ganz  spät  Sampi  genannt)  an  das  Ende  gestellt  ist» 
um  900  zu  bezeichnen.*) 

Die  Tausender  von  1000--9000  werden  durch  die  Ziflfern  1—9  mit 
•  inem  distinktiven  Häkchen  bezeichnet  (l4),  dessen  Anbringung  im  Laufe 

1,  ....*.  ...  -ηβ  eingefflhrte  Aufdruck  Sigle  empfiehlt  sich  daautoh  nicht,  daß 
ίτ  in  der  latciniMchen  Epij^raphik  Hpeziell  die  literae  singuUres  beteiobnci  Sjmbol 
iHt  hcMHer. 

2)  Zu  den  Formen,  die  natarlich  im  Laufe  der  Zeit  sich  verbinden  B. 

meine  Obiervatione•  p.  49  ff. 


XLVI  Einleitung. 

der  Zeit  natürlich  Veränderungen  durchgemaclit  hat.  Nur  in  dem  ältesten 
datierten  Papyrus,  Eleph.  1  (a.  311  v.  Chr.),  ist  1000  mit  Hilfe  des  Ssade 
folgendermaßen  geschrieben:  ΓΡ.  Hierzu  vgl.  Br.  Keil,  P.  Eleph.  S.  84, 
der  denselben  Gebrauch  auch  in  kleinasiatischen  Inschriften  nachwies.  Die 
Zehntausender  werden  durch  ein  M,  die  Abkürzung  für  μν^ιάξ  oder  μύριοι, 

et 

bezeichnet,  über   das   die    einfachen  Ziffern  gestellt  werden:    Μ  =  10000, 

Μ  ==  20  000  usw. 

Sehr  häufig  werden  die  Zahlen,  namentlich  die  Ordinalzahlen,  dadurch 
gekennzeichnet,  daß  ein  Querstrich  über  sie  gesetzt  wird,  aber  feste  Regel 
ist  es  nicht.  Jedenfalls  sollten  diese  Querstriche  in  den  Editionen  immer 
sorgfältig  mit  abgedruckt  werden  (vgl.  zu  232,  2),  denn  es  gibt  viele  Fälle, 
in  denen  der  Strich  die  richtige  Interpretation  an  die  Hand  gibt.^) 

Was  die  Brüche  betrifft,  so  hatte  Peyron  aus  Par.  66  (385)  geschlossen, 
daß  es  einen  Bruchstrich  gegeben  habe,  um  den  sich  Zähler  und  Nenner 
gruppierten.  Ich  habe  im  Hermes  19,  291  gezeigt,  daß  hier  vielmehr  der 
Strich  der  Gleichsetzung  gemeint  ist,  und  Addition  vorliegt.  Der  Begriff 
Zähler  und  Nenner  ist  den  Urkunden  überhaupt  fremd.  Man  schreibt 
y  =  i,  ^  =  i^)  usw.,  was  sprachlich  als  τρίτον  seil,  μέρος  aufzufassen  ist.^) 
Ein  besonderes  Wort  für  einen  Bruch  hat  der  Grieche  nur  in  δίμοιρον 
=  1,  und  dies  wird  mit  β  wiedergegeben.  Ein  besonderes  Symbol  existiert 
nur  für  γ  =  L  oder  später  abgerundet  ^.  Komplizierte  Brüche  können  nur 
durch  Addition  gebildet  werden,  z.  B.  ί  =  γ  +  i  +  i?  geschrieben  Ldt^' 
oder  zusammengezogen  J?^'.  Dagegen  in  mathematischen  Texten,  wie  auch 
Lond.  II  S.  259,  begegnen  Schreibungen  wie  ^o''  =  ψ^• 

Eine  Besonderheit  der  arabischen  Zeit  ist,  daß  hier  gelegentlich  in 
Rechnungen  ein  schräger  Doppelstrich  //  das  Fehlen  einer  Zahl  bezeichnet, 
also  gewissermaßen  für  Null  steht.     Vgl.  unten  Nr.  257. 

5.  Lesezeichen. 

Eigene  Interpunktionszeichen  wird  man  in  den  Urkunden  selten  finden. 
Am  verbreitetsten  ist  die  Paragraphos,  ein  Strich  am  linken  Rande  unter 
der  Zeile,  in  der  der  zu  bezeichnende  Sinnabschnitt  liegt.  Vgl.  z.  B. 
Schubart,  Tafel  7  a,  9b  usw.  Eine  Seltenheit  ist  der  Doppelpunkt  in 
Par.  49  (IL  Jahrh.  v.  Chr.). 

Dagegen  war  es  von  den  frühesten  Zeiten  an  eine  weitverbreitete 
Sitte,  Sätze  oder  Satzteile  oder  gar  Wörter  durch  größere  oder  kleinere 
Spatien   zu   trennen.     Auf   diese   in    den   Editionen  noch  viel    zu   wenig 

1)  Merkwürdig  ist  die  Sitte,  in  Datierungen  die  Jahreszahl  ohne  Strich,  die 
Tageszahl  mit  Strich  zu  schreiben  (vgl.  zahlreiche  Beispiele  in  den  Griech.  Ostraka). 

2)  Formell  bilden  sich  einige  Sonderheiten,  wie  d  =  |  (d.  h.  Delta  mit  Strich) 
oder  i/=f  (=^-f|).    Für  1  oft  die  kursive  Form  des  §:  ο  (ο')  oder  α  (<^). 

3)  Vgl.  Arch.  I  358. 


§  5.    Die  Schrift.  XLVII 

zum  Ausdruck  kommende  Interpunktion  möchte  ich  die  Papyrusleser  ganz 
besonders  aufmerksam  machen,  da  durch  sie  uns  oft  die  authentische 
Interpretation  des  Schreibers  an  die  Hand  gegeben  wird.^) 

Das  Trema,  ein  Doppelpunkt  über  ΐ  und  li,  findet  sich  wohl  kaum 
vor  dem  U.  Jahrh.  n.  Chr.  Später  wird  oft  ein  weitgehender,  gedanken- 
loser Gebrauch  davon  gemacht. 

Ein  Häkchen  zwischen  zwei  zusammenstoßenden  Konsonanten,  gleichen 
oder  auch  verschiedenen  —  wie  in  τα'/ μα,  άγ*γέλλω  — ,  begegnet  seit  dem 
Anfang  des  IIL  Jahrh.  n.  Chr.^) 

Korrekturen  werden  in  sehr  verschiedener  Weise  durchgeführt.  Das 
zu  tilgende  Wort  wird  durchgestrichen  oder  es  wird  mit  dem  Schwamm 
weggewischt  oder  es  wird  eingeklammert  oder  es  werden  auch  Punkte 
darüber  gesetzt.  Sehr  zu  beachten  ist,  daß  der  Korrektor  beim  Durch- 
streichen oft  sehr  liederlich  verfuhr,  indem  er  den  Strich  nicht  weit  genug 
führte,  vielleicht  auch  einmal  zu  weit.  Noch  auffallender  ist,  daß  nach- 
weisbar in  mehreren  Fällen,  wenn  der  Fehler  sogleich  bemerkt  wurde,  das 
richtige  Wort  hinter  das  falsche  geschrieben  wurde,  ohne  daß  das 
falsche  äußerlich  getilgt  wäre! 

6.  Anordnung  der  Schrift  auf  dem  Papyrus. 

Die  Zeilen  laufen  entweder  parallel  der  Breite  der  Pagina  oder 
ihrer  Höhe.^)  Im  ersteren  Falle  werden  bei  größeren  Schriftstücken  — 
wo  also  Rolle  oder  ßoUenteil  vorliegt  —  Kolumnen  gebildet,  für  deren 
Breite  es  bei  Urkunden  gar  keine  Regeln  gibt.  Im  anderen  Falle,  wo  also 
die  Schrift  parallel  der  Höhe  läuft  (transversa  charta),  werden  nicht  mehrere 
Kolumnen  gebildet,  sondern  die  Schrift  läuft  in  einer  einzigen  Kolumne, 
die  so  breit  ist  wie  die  Höhe,  so  weit,  wie  der  Text  es  erfordert.  Diese 
letztere  Anwendung  war  in  der  älteren  Ptolemäerzeit  besonders  beliebt 
bei  Briefen.  Zur  allgemeinen  Mode  für  große  Urkunden  wurde  sie  in 
der  byzantinischen  Zeit,  wo  oft  mehr  als  meterlange  Texte  in  dieser  An- 
ordnung geschrieben  wurden.  Vgl.  z.  B.  das  Testament  des  Abraham  in 
Lond.  1  S.  2:52  fif.*) 

Durch  Ausrücken  und  Einrücken  von  Zeilen,  durch  größere  Spatien 
u,  dgl  ist  in  sorgfaltigen  Texten  die  Übersichtlichkeit  gefordert.  Bei  der 
aus  praktischen  Gründen  für  unsere  Chrestomathien  gewähltrn  Dnickord- 
min^  tritt  da»  nicht  hervor. 

1)  Auf  die  Wichtigkeit  dieeer  Sitte  wiiH  ich  im  11»  rm.  <  n•:    1>*J  liin 

2)  Vgl.  hier/u  meine  Obecrvationo•  ρ    ttlff. 

8;  Da«  gcichioht    ganz  eo   auf   dem   Hi-cto  \\\>  1'•'^^     '  •    I    <  h- 

tung  der  Schrift  mit  dem  Prohlcm   de«  lU-cto   und    -  i.-*ht     .u     .  ..4:!«u 

bat,  wurde  »chon  oben  p.  XXX  n(|.  betont. 

4)  Daher  hind  die  groü*n  koptiachen  Urkunden  in  der  Regel  ao  geaehfiebea. 


XLVIII  Einleitung. 

7.  Die  Kunst  des  Entziffems. 

Bestimmte  Regeln,  die  den  Erfolg  des  Entzifferns  garantierten,  gibt 
es  nicht.  Das  Beste  und  Letzte  liegt  in  der  persönlichen  Veranlagung. 
Aber  einige  praktische  Ratschläge  möchte  ich  hier  mitteilen,  die  den  An- 
fänger fördern  können. 

Vor  allem  wähle  man  die  Schriftproben  in  chronologischer  Folge 
und  arbeite  sich  von  der  Ptolemäerzeit  bis  in  die  arabische  Zeit  hin  durch. 
Nur  dann  wird  man  zu  einem  klaren  Bild  von  der  Entwicklung  der  Schrift 
kommen.  Man  lege  sich  von  jeder  Urkunde,  die  man  durcharbeitet,  ein 
Alphabet  an,  indem  man  zunächst  aus  den  gut  erhaltenen  Partien  die 
sicheren  Formen  herausnimmt.  Dies  nützt  dann  für  die  schlecht  erhal- 
tenen Stellen.  Das  Nachzeichnen  mit  Bleistift  kann  von  allergrößtem 
Nutzen  sein,  wenn  man  dabei  genau  die  Kalamosführung  nachahmt.  Ich 
habe  schon  in  sehr  vielen  Fällen  schwierige  Wörter  gerade  während  des 
Nachzeichnens  entziffert,  wie  in  besonders  schwierigen  Fällen  ich  mir 
auch  heute  immer  noch  ein  Alphabet  anlege.  Grundsätzlich  soll  man 
jeden  Schreiber  aus  sich  selbst  erklären,  da  jede  Hand  ihre  besonderen 
Eigentümlichkeiten  hat.  Zur  Feststellung  des  Tatbestandes  an  schwierigen 
Stellen  benutze  man  eine  möglichst  scharfe  Lupe  und  außerdem  einen 
kleinen  Handspiegel  (etwa  aus  einem  Reisenecessaire).  Der  Spiegel,  auf 
den  ich  durch  die  besonderen  Arbeitsbedingungen  bei  der  Revision  von 
Aristoteles'  läd'yjvaCcov  Λολιτεία  im  British  Museum  geführt  wurde,  ist 
mir  seitdem  ein  unzertrennlicher,  sehr  wirksamer  Helfer  beim  Papyrus- 
lesen geworden.  Hält  man  ihn  dem  durch  das  Fenster  dringenden  Licht 
entgegen  —  ich  setze  mich  wenn  möglich  so,  daß  ich  das  Fenster  linker 
oder  rechter  Hand  habe  — ,  so  beleuchtet  man  die  Schrift  wie  mit  einer 
Laterne  von  der  sonst  dunklen  Seite.  Dadurch  fallen  die  sonst  durch  das 
einseitige  Licht  auf  der  rauhen  Oberseite  des  Papyrus  entstehenden 
Schatten  fort,  die  durch  die  Vorspiegelung  von  Linien  schon  unzählige 
falsche  Lesungen  herbeigeführt  haben.  Sind  nur  punktuelle  Überreste 
von  Buchstaben  vorhanden,  so  daß  Konjekturen  probiert  werden  müssen, 
so  akzeptiere  man  keine  Konjektur,  auch  wenn  sie  einem  noch  so  schön 
erscheint,  bei  der  nicht  auch  der  kleinste  Punkt  zur  Geltung  kommt. 
Am  ehesten  wird  solche  Schwierigkeiten  lösen,  wer  abgesehen  von  einer 
gründlichen  theoretischen  Einsicht  in  die  Entwicklung  der  Schrift  die 
weitesten  Kenntnisse  in  bezug  auf  die  Sprache  und  die  in  Frage  stehen- 
den sachlichen  Probleme  besitzt. 

§  6.    ZUR  SPRACHE  DER  PAPYRI. 
Es  kann  hier  nur  meine  Aufgabe  sein,   diejenigen,   die  in   den   grie- 
chischen Papyrus  Urkunden  arbeiten  woUen,  auf  solche  Gesichtspunkte  auf- 
merksam  zu   machen,   die   speziell  für   den  Interpreten   dieser  Urkunden- 


§  6.    Zur  Sprache  der  Papyri.  XUX 

spräche  von  praktischer  Bedeutung  sind,  und  sie  auf  die  wichtigsten  Hilfs- 
mittel hinzuweisen. 

Wir  haben  es  in  den  Papvrusurkunden  mit  der  Κοινή  genannten 
Weltsprache  zu  tun,  für  die  erst  Alexander  der  Große  die  Existenzbe- 
dingungen geschaffen  hat.  Wir  können  sie  durch  die  Papyri  von  ihren 
Anfängen  an,  vom  Ende  des  IV.  Jahrh.  v.  Chr.  verfolgen*)  bis  zum  Aus- 
sterben des  Griechischen  in  Ägypten  im  X.  Jahrh.  (s.  oben  p.  XV).  Wenn 
man  also  mit  manchen  Sprachforschem  das  Ende  der  Koivij  im  engeren 
Sinne  rund  um  500  u.  Chr.  ansetzt*),  so  führen  uns  die  Papyri  der  darüber 
hinausreichenden  Jahrhunderte  bereits  in  das  sogenannte  Mittelgriechische 
hinein,  an  das  sich  dann  das  Neugriechische  anschließt. 

Daß  in  dieser  langen  Periode  von  ca.  1300  Jahren  die  Sprache  die 
bedeutendsten  Umwandlungen  erfahren  hat,  versteht  sich  von  selbst.  Nicht 
nur  die  Formen  sind  allmählich  andere  geworden,  sondern  auch  der  Stil. 
Die  ungeheuren  Umwälzungen  in  dem  Geist  der  Zeiten  spiegeln  sich  nir- 
gends deutlicher  als  in  der  Sprache  wider.  Man  lege  nur  einmal,  um  ein 
krasses  Beispiel  zu  haben,  den  Revenue -Papyrus  des  Philadelphos  neben 
die  Verordnungen  der  Aphroditopapyri  aus  Justinianischer  Zeit  und  ver- 
gleiche die,  man  könnte  sagen,  archaische  Knappheit  der  ptolemäischen 
A^erordnungen  mit  dem  hohlen  Wortschwall  des  Byzantiners,  so  gewinnt 
man  aus  diesen  Extremen  eine  Vorstellung  davon,  wie  inzwischen  die  Men- 
schen und  ihre  Sprache,  wie  die  ganze  Welt  sich  geändert  haben  muß.  Diese 
migeheuren  Unterschiede  in  der  Sprache  sind  nicht  ausschließlich  auf  die 
fortschreitende  innere  Entwicklung  der  griechischen  Sprache  zurückzuführen, 
sondern  z.  T.  auch  durch  ein  von  außen  kommendes  Moment  gefördert 
worden,  nämlich  das  seit  Diokletian  immer  stärker  werdende  Eindringen 
lateinischer  Elemente  (vgl.  S.  5;J  f  85  f ).  Demgegenüber  treten  die  Ein- 
flüsse der  ägyptischen  Sprache  weit  zurück,  ebenso  auch  in  den  letzten 
Zeiten  die  des  Arabischen.  Der  Papyrusforscher  aber  muß,  ebenso  wie  er 
hinsichtlich  der  Schriftentwicklung  die  einzelnen  Jahrhunderte  nach  ihren 
Charakteristica  möglichst  auseinander  halten  soll,  sich  bemühen,  auch  klare 
A^orstellungen  von  dem,  was  in  der  Sprache  in  den  einzelnen  Perioden 
möglich  ist,  zu  gewinnen,  sonst  gerät  er  in  die  Gefahr,  die  Lücken  mit 
Wendungen  zu  füllen,  die  für  die  Zeit  der  beireffenden  Urkunde  unmög- 
lich sind. 

Aber  ebenso  wie  bei  der  Schrift,  K^n^K^  es  auch  bei  der  Sprache  nicht, 
duß  man  die  Zeiten  auseinander  hält,  sondern  auch  innerhalb  der  gleich /•μ 
tigen  Denkmäler  gibt  es  die  größten  Unterschiede.  Wae  ich  oben  p.  A\\\  1 
Ober  die  subjektiven  und  objektiven  Motire  getagt  habe,  die  eu 

1  Im  Artcmiiiapapyrui  (vgl.  einatweilen  BIam,  Philologu•  41,  746  ff.)  haben  wir 
•ogar  ein  Denkmal,  da«  Hprurlilich  Doch  vor  dem  Sieg  der  Kotrij  liegt. 

2,  V<fl.  WitkowHki,  Mrri.  ht  (•.  unten)  8.  1«!. 

Μ  ι  t  toi  ί     \S    I  I  .    k  ..  η      '.'   1-,  I  •     .•       I  d 


L  Einleitung. 

den  verschiedenen  gleichzeitigen  Handschriften  führen,  könnte  zum  größten 
Teil  hier  auf  das  Sprachenproblem  ohne  weiteres  angewendet  werden. 
Auch  hier  kommt  es  darauf  an,  die  Texte  zu  scheiden  nach  dem  Beruf 
und  dem  Bildungsgrad  der  Schreibenden,  andrerseits  wieder  innerhalb  der- 
selben subjektiven  Schichten  nach  der  Veranlassung  und  der  Stellung  des 
Subjekts  zum  Adressaten  usw.  Unter  den  subjektiven  Momenten  ist  hier 
von  noch  größerer  Bedeutung  als  bei  dem  Schriftproblem  die  Nationali- 
tät des  Schreibers.  Es  macht  viel  aus,  ob  man  einen  geborenen  Griechen 
reden  hört  oder  einen  Ägypter  oder  Juden  oder  Perser,  der  etwa  das  Grie- 
chische erst  erlernt  hat.  Gehört  Letzterer  einer  schon  seit  Generationen 
hellenisierten  Familie  an,  so  ist  der  Unterschied  schwächer,  aber  doch 
nicht  ganz  ohne  Bedeutung.  Besonders  wichtig  würde  es  sein,  die  Ein- 
sprachigen und  die  Zweisprachigen  zu  scheiden.  Der  Grieche,  der  auch 
Ägyptisch  gelernt  hat,  wird  leichter  einen  Ägyptizismus  anwenden.  Der 
Ägypter,  der  neben  seiner  Muttersprache  etwas  Griechisch  gelernt  hat, 
wird  dieses  am  stärksten  burbarisieren.  Für  die  römische  Zeit  und  nament- 
lich die  byzantinische  Zeit  sind  dieselben  Fragen  dann  auch  in  bezug  auf 
Griechen  und  Römer  zu  stellen.  Von  großer  Bedeutung  wäre  es  auch  zu 
erfahren,  ob  der  betreffende  Fremde  das  Griechisch  in  der  Schule  oder 
nur  im  alltäglichen  Umgang  gelernt  hat.  Gewiß  sind  alle  diese  Natio- 
nalitätsfragen, namentlich  in  der  Feinheit,  in  der  allein  sie  den  sprach- 
lichen Problemen  helfen  können,  meist  schwer  zu  beantworten^),  aber 
darum  kann  auf  das  Postulat  nicht  verzichtet  werden.  Ebenso  ist  natür- 
lich von  großer  Wichtigkeit,  daß  von  den  originalgriechischen  Urkunden 
die  Übersetzungen  aus  fremden  Sprachen  unterschieden  werden.  In 
manchen  Fällen  ist  die  Übersetzung  als  solche  ausdrücklich  hervorgehoben, 
wie  bei  gewissen  Übersetzungen  aus  dem  Demotischen  (s.  oben  p.  XII) 
oder  z.  B.  bei  dem  aus  dem  Lateinischen  übersetzten  Brief  des  Hadrian 
in  BGU  I  140;  in  anderen  Fällen  ist  eine  Übersetzung  aus  dem  Lateini- 
schen erschlossen  worden,  wie  kürzlich  von  J.  Partsch  für  die  Justinianischen 
Reskripte  in  Cair.  Cat.  67024  und  67025^),  und  ich  glaube,  daß  eine  syste- 
matische Prüfung  der  Urkunden  unter  diesem  Gesichtspunkt  noch  manche 
Übersetzung  zu  Tao^e  fördern  würde. 

Wenn  man  unter  Berücksichtigung  aller  dieser  Momente  die  Urkunden 
gruppiert,  so  wird  man  auch  hier  wie  bei  der  Schrift  zu  einer  Reihe  von 
parallelen  Entwicklungslinien  kommen.  Auf  der  einen  Seite  wird  die 
Sprache  der  Kanzleien  stehen,  für  die  charakteristisch  ist  eine  Beeinflussung 
durch  eine  Tradition,  und  zwar  werden  wieder  recht  verschiedene  Arten  sich 
ergeben,  wenn  man  die  verschiedenen  Kanzleien  trennt,  von  den  Kanzleien 
der  Könige  und  Kaiser  bis  zu  denen  der  Dorfschulzen  herab.    Ferner  sind 

1)  Vgl.  hierzu  unten  in  Kap.  I  die  Paragraphen  über  die  Bevölkerungsfragen. 

2)  Nachrichten  der  K.  Gesellsch.  d.  Wies,  zu  Göttingen  ph.  hist.  Kl.  1911,  201  ff. 


§  6.    Zur  Sprache  der  Papyri.  LI 

für  sich  zu  stellen,  weil  sie  wiederum  auf  einer  besonderen  Erziehung 
und  Tradition  beruhen,  die  Reden  der  Advokaten  und  die  Sentenzen  der 
Richter,  die  uns  in  den  Gerichtsprotokollen  erhalten  sind.^)  Diesen  und 
manchen  anderen  offiziellen  Akten  stehen  dann  gegenüber  die  Privatskrip- 
turen,  unter  denen  man  je  nach  dem  Beruf  und  der  sozialen  Stellung  der 
Schreiber  die  verschiedensten  Gruppen  zu  bilden  hat  In  diesen  privaten 
Akten  sowie  auch  in  den  Partei-  und  Zeugenaussagen  in  den  Gerichts- 
protokollen liegen  unsere  wichtigsten  Quellen  für  die  Erkenntnis  der  ge- 
sprochenen Umgangssprache. 

Auf  die  Notwendigkeit  der  Scheidung  der  verschiedenen  Spracharten 
ist  von  den  Philologen  natürlich  schon  längst  hingewiesen  worden'),  wenn 
sie  auch  praktisch  noch  nicht  überall  genügend  durchgeführt  worden  ist.') 
Aber  auch  der  Papyrusforscher  muß  sich  in  jedem  Einzelfall,  namentlich 
wenn  es  sich  um  Ergänzung  von  Lücken  handelt,  diese  Fragen  stellen, 
weil  sonst  leicht  ein  unmögliches  Mosaik  aus  heterogenen  Elementen  ent- 
stehen könnte.  Bei  exakteren  Untersuchungen  muß  auch  noch  darauf  ge- 
achtet werden,  ob  es  nicht  innerhalb  der  ägyptischen  Κοινή  auch  noch 
lokale  Unterschiede  gegeben  hat.  Die  Tatsache,  daß  die  ägyptische 
Sprache  in  diesem  langgestreckten  Flußtal,  wie  die  koptischen  Dialekte  des 
Sahidischen,  Achraimischen^  Faijumischen,  Memphitischen  und  Boheirischen 
uns  zeigen,  in  mehrere  Dialekte  zerfiel,  nötigt  uns  zu  dieser  Fragestellung. 
Einzelne  Beobachtungen  sind  nach  dieser  Richtung  auch  schon  gemacht 
worden,  aber  es  fehlt  noch  an  einer  systematischen  Durcharbeitung. 

Der  Editor  von  Papyrusurkunden  wird  oft  schwanken,  wie  weit  er  die 
orthographischen  Eigentümlichkeiten, namentlich  der  Vulgärsprache, 
dem  Leser  in  Fußnoten  erklären  soll.  Im  besonderen  bei  den  jüngeren 
Vulgärtexten,  die  von  solchen  Schreibungen  wimmeln,  würde  es  geschmack- 
los sein,  jede  einzelne  zu  erklären.  Wir  haben  ims  in  der  Chrestomathie, 
namentlich  in  den  späteren  Teilen,  meist  auf  solche  Fälle  beschrankt,  die 
nicht  auf  der  Oberfläche  liegen,  indem  wir  annahmen,  daß  der  Benutzer 
der  Chrestomathie  sich  in  diese  Orthographie  hineinleben  wird.  Wenn 
der  Editor  aber  auffallende  Formen  erklärt,  ist  es  wünschenswert,  daB  er 
äußerlich  die  Erklärung  von  Vulgärformen  scheidet  von  der  Korrektur 
fehlerhafter  Formen.  Freilich  kann  es  Fälle  geben,  in  denen  sein  Wiesen 
oder  gar  das  der  Wissenschaft  noch  picht  ausreicht  zu  entscheiden,  ob 
diese  oder  jepe  Form  als  Vulgärgriechisch  aufgefaßt  werden  kann.    Wie 

1)  unter  den  Advokatenreden  iit  bcHondere  fein  aoegtarbeilet  Oxj.  ΠΙ  4Ti  (vgl 
Arch.  IV  881). 

2)  Wohl  Äuent  von  Wilamowit«,  GQA  1901.  40ff.  Vgl.  auch  WUkowtki,  B•• 
riebt  S.  168 ff.     Thumb,  Arch.  ITI  444. 

8)  In  der  eben  emchienenen  2.  Aufl.  dar  Bpisiala«  pritatae  gfaeoa«  hal  Wit- 
kowiki  p.  XIII  hm-  crfreulioherweiio  die  Briefe  nach  dem  BUdonftgiade  der  Schreiber 
in  mehrere  Klamen  n*'U'\\t. 

d• 


LII  Einleitung. 

auch  sonst  schon  seit  einigen  Jahren  habe  ich  unten  in  der  Chrestomathie 
vor  die  Erklärung  der  Vulgarismen  das  Gleichheitszeichen  (=),  vor  die 
Verbesserung  von  Versehen  ein  1.  (=  lies)  gesetzt. 

Zum  Schluß  sei  auf  einige  Hilfsmittel  hingewiesen,  die  dem  Pa- 
pyrusforscher die  Behandlung  der  sprachlichen  Probleme  erleichtern  können. 

Orientierende  und  kritische  Berichte  über  die  modernen  Κοίνή -For- 
schungen bieten:  A.  Thumb,  Arch.II396ff.  (für  1896—1901)  und  III  443 ff. 
(für  1902—1904)  und  St.  Witkowski,  Bursians  Jahresber.  CXX  (1904  I) 
S.  153—256  (für  1898—1902).  Beide  Arbeiten  sind  jedem,  der  sich  orien- 
tieren vrill,  auis  beste  zu  empfehlen. 

In  lexikalischer  Hinsicht  sind  wir  noch  sehr  im  Rückstande.  Daß  Pape 
und  Passow^)  für  die  Papyrusurkunden  nicht  ausreichen,  wird  man  beim 
ersten  Versuch  erfahren.  Man  schlägt  am  besten  sogleich  in  Stephanus' 
Thesaurus  linguae  graecae  nach,  wird  freilich  auch  hier  oft  vergeblich 
suchen.  Für  die  byzantinischen  Urkunden  ist  Du  Gange,  Glossarium  ad 
>  scriptores  mediae  et  infimae  graecitatis  (1688,  Neudruck  1905)  unentbehr- 
lich. Nachdem  früher  schon  Kumanudis  Nachträge  zu  den  Lexika  ge- 
bracht hatte ^),  hat  neuerdings  H.  van  Herwerden  eine  neue  Nachlese 
gehalten,  bei  der  im  besonderen  auch  die  Papyri  berücksichtigt  sind: 
Lexicon  graecum  suppletorium  et  dialecticum  1902,  mit  Appendix  1904 
(vgl.  auch  Mel.  Nicole  S.  241  ff.),  soeben  in  2.  erweiterter  Auflage  erschienen. 
Vorwiegend  für  theologische  Interessen  geschrieben,  aber  auch  für  andere 
wertvoU  sind  die  von  Moulton  und  Milligan  verfaßten  Lexical  notes  from 
the  papyri  im  „Expositor^^  Viel  Lexikalisches,  das  gleichfalls  auch  für 
nichttheologische  Kreise  von  Interesse  ist,  findet  sich  auch  inDeissmanns 
Bibelstudien  (1895)  und  Neuen  Bibelstudien  (1897),  vgl.  auch  sein  „Licht 
vom  Osten"  (2.  Aufl.).  —  Vielleicht  nichts  würde  die  Arbeit  auf  unserem 
Gebiet  so  fördern,  wie  die  Herstellung  eines  vollständigen  Wörterverzeich- 
nisses zu  sämtlichen  Papyrus-Urkunden-Publikationen. 

An  größeren  Arbeiten  über  die  Papyrussprache  sind  folgende  zu  nennen: 
A.  Thumb,  Die  griechische  Sprache  im  Zeitalter  des  Hellenismus  1901. 
Vom  Standpunkt  des  Neugriechischen,  das  von  so  großer  Wichtigkeit  auch 
für  die  Erforschung  der  Papyrussprache  ist^),  geht  aus  Karl  Dieterich, 
Untersuchungen  zur  Geschichte  der  griechischen  Sprache  von  der  helle- 
nistischen Zeit  bis  zum  10.  Jahrb., n.  Chr.  (Byz.  Arch.  I)  1898.  Der  gram- 
matischen Behandlung  der  ptolemäischen  Urkunden  hat  sich  Edwin  May  s er 

1)  Eine  Neubearbeitung  des  Passow  unter  Berücksichtigung  der  Papyri  wird  von 
W.  Crönert  vorbereitet. 

2)  Συναγωγή  7.έξεων  άϋ-ηβαυρίΰτων  έν  τοις  ελληνικοΐς  λεξικοίς  1883.  Nachträge 
von  J.  Simon,  Zeitschr.  f.  Oestr.  Gym.  42  (1891),  481  ff.  Vgl.  L.  Bürchner  in  den 
Commentationes  Woelflinianae  (1891),  353  ff. 

3)  Für  diese  Beziehungen  ist  grundlegend:  G.  N.  Hatzidakis,  Einleitung  in  die 
Neugriechische  Grammatik  1892. 


§  6.    Zur  Sprache  der  Papyri.  Lm 

gewidmet,  der  zunächst  in  zwei  Programmen  den  Vokalisraus  und  Konso- 
nantismus behandelte^),  dann  aber  mit  einer  zusammenfassenden  Darstellung 
hervortrat:  Grammatik  der  griechischen  Papyri  aus  der  Ptolemäerzeit  mit 
Einschluß  der  gleichzeitigen  Ostraka  und  der  in  Ägypten  verfaßten  In- 
schriften. Laut-  und  Wortlehre.  1906.^)  Nach  dieser  vortrefflichen  Leistung 
darf  man  mit  den  besten  Erwartungen  seiner  Behandlung  der  Syntax  ent- 
gegensehen. Die  Bedeutung  der  Papyri  für  die  Erklärung  des  Neuen  Testa- 
ments^) zeigt  außer  den  schon  oben  genannten  Arbeiten  auch  Moulton, 
Α  grammar  of  New  Testament  Greek  I  1906.  Radermachers  soeben  er- 
schienene Grammatik  des  Neutestamentlichen  Griechisch  ist  mir  noch  nicht 
zur  Hand  gewesen. 

Einzelne  grammatische  Fragen  sind  von  folgenden  Autoren  gefordert 
worden:  Franz  Voelker,  Papyrorum  graecarum  syntaxis  specimen  (de  accu- 
sativo;  acced.  II  tract.  de  -v  et  -g  finali)  Bonn  1900.  Derselbe,  Syntax  der 
griechischen  Papyri.  I  Der  Artikel  (Beilage  z.  d.  Jahresber.  d.  Realgym. 
zu  Münster  i.  W.  1902).  W.  Crönert,  Memoria  graeca  Herculanensis  1903. 
W.  Kuhring,  De  praepositionum  graecarum  in  chartis  Aegyptiis  usu 
quaestiones  selectae,  Bonn  1906. 

Zu  der  Frage  der  Einwirkungen  des  Latein  vgl.  die  Sammlungen  von 
C.  Wessely,  Die  lateinischen  Elemente  in  der  Graecität  der  ägyptischen 
Papyrusurkunden  (Wien.  Stud.  1902  XXIV  S.  99  ff.*),  XXV  S.  40 ff).  Zu 
der  allgemeinen  Frage  der  Romanisierung  vgl.  L.  Hahn,  Rom  und  Roma- 
nismus im  griechisch-römischen  Osten.  Mit  besonderer  Berücksichtigung 
der  Sprache.     Bis  auf  die  Zeit  Hadrians.    1906. 

Die  Frage  des  Eindringens  ägyptischer  Elemente  in  die  griechische 
Sprache  ist  bisher  noch  nicht  erschöpfend  behandelt  worden.  Abgesehen 
von  einzelnen  herübergenommeneu  Wörtern  wie  άωίλιον^  vavßiov^  άνονχι^ 
ßäig^  ß&Qig  usw.^)  sind  es  besonders  die  ägyptischen  Eigennamen  und  die 
Monatsnamen,  die  in  den  Papyri  überall  begegnen.  Zu  den  Eigennamen 
vgl.  vor  allem  W.  Spiegel berg,  Ägyptische  und  griechische  Eigennamen 
aus  Mumienetiketten  d.  röm.  Kaiserzeit  1901.*')  Bezüglich  der  Betonung 
der  ägypti.schen   Wörter  habe  ich  auf  Grund  der  iicrvptisohcn   liftutgfsetze 


1)  Programmbeilai^e  für  das  llrilbronner  Oymnaeiuin  lr*i>ö  uuo  iTogrummbt-ilttge 
für  das  Karlegyninaeiuiii  Stuttgart  rjoo. 

2)  Vgl,  hierzu  R.  Herzog,  Korreepondonzblatt  f.  d.  höheren  Schul• 
berge  1U07  S.  81  ff.     A.  Thuiiih,  Arch.  IV  486  ü. 

8)  Vgl.  im  allgemeinen  Deienmanne  Licht  vom  Osten  S.  Aufl. 

4)  Vgl.  dazu  Wilcken,  Arch.  II  4βΓ,  f. 

6)  Manchen  it<'ht  ichon  in  dem  auch  heute  noch  nülxlichen  Buch  τοη  Stur•. 
ho  dialecio  Älacedonica  et  Alexaudrina  180».  Vgl  jrtzt  K.  Majier,  QnunmaUk 
S.  85  ff. 

β)  Vgl.  dazu   meine   Beoprechung  im   Arch    II  i  den  Antfllbnuiigtn  ton 

Crönert  über  dir  Kigennninen  Stud.  Pal.  I  S.  8ü— 48)  halt«  ich  viel••  fttr  irrig.  Ohne 
Kenntnii  den  Agypii  ' '  < •  '    iMne  Fragen  nicht  tu  behandeln. 


LIV  Einleitung. 

vorgeschlagen,  den  Akzent  immer  auf  die  lange  Stammsilbe  resp.  auf  den 
von  einer  Doppelkonsonanz  gefolgten  kurzen  Stammvokal  zu  setzen  %  also 
'^ροηρις  und  nicht  Άρόηρίξ^   Ψενοβάοης  und  nicht   Ψενόβαοτίξ. 

Für  die  Frage  der  Arabismen  haben  wir  erst  soeben  durch  Lond.  1λ^ 
ed.  Bell  eine  breitere  Grundlage  gewonnen.  Auch  aus  dem  Arabischen 
sind  Namen,  Titel  und  Appellativa  transkribiert  worden.  Eine  zusammen- 
fassende Sammlung  ist  noch  nicht  veranstaltet.  Von  besonderem  Interesse 
sind  für  diese  Fragen  die  Briefe  des  Κορρα  in  Lond.  IV  (VIII.  Jahrb.), 
da  sie  offenbar  als  Übersetzungen  arabischer  Originale  aufzufassen  sind. 
Vg].  meine  Einleitung  zu  Nr.  254. 

§  7.   ZUR  CHRONOLOGIE. 
Es  sollen  hier  solche  chronologischen  Tatsachen  und  Probleme  kurz 
dargestellt  werden,  deren  Kenntnis  der  Papyrusforscher  zur  Datierung  der 
Urkunden  nicht  entbehren  kann. 

1.  Der  Kalender. 

A.  Das  Jahr. 
In  der  Ptolemäerzeit  galten  zunächst  der  von  den  makedonischen 
Königen  neu  eingeführte  makedonische  Kalender  und  der  uralte  ägyp- 
tische nebeneinander.^)  Jener  rechnete  mit  einem  Mondjahr  von  354  Tagen, 
dieser  mit  einem  Sonnenjahr  von  365  Tagen.  Das  Mondjahr  bestand  aus 
12  Monaten  von  je  29  resp.  30  Tagen  (alternierend),  das  Sonnenjahr  aus 
12  Monaten  von  je  30  Tagen,  zu  denen  die  5  von  den  Griechen  soge- 
nannten έπαγόμεναι  hinzukamen.  Der  Neujahrstag  des  ägyptischen  Jahres, 
der  1.  Thoth,  mußte,  da  dies  Jahr  von  365  Tagen  hinter  dem  wahren 
Sonnenjahr  (oder  Siriusjahr)  um  ca.  ^  Tag  zurückblieb,  sich  alle  4  Jahre 
um  einen  Tag  verschieben^),  so  daß  das  ägyptische  Jahr  ein  Wandeljahr 
war.  Im  Jahr  238  v.  Chr.  haben  die  ägyptischen  Priester,  wie  das  Dekret 
von  Kanopos  gelehrt  hat  (Dittenberger,  Or.  Gr.  I  56),  einen  Versuch  ge- 
macht, dadurch,  daß  aUe  4  Jahre  1  Tag  eingeschaltet  werden  soUte,  das 
Wandeljahr  zu  einem  fixen  Jahr  zu  machen,  doch  ist  dieser  Versuch  prak- 


1)  Theb.  Bank  S.  35  f.  GGA  1894,  717  f.  Arch.  II  179  f.  Damit  soll  nicht  der 
musikalische  Akzent  der  Griechen  wiedergegeben  sein,  sondern  nur  die  Betonung  der 
Wörter,  mit  der  die  Ägypter  sie  wirklich  aussprachen,  und  die  die  Griechen  von  diesen 
allein  gehört  haben  können,  markiert  sein.  Man  könnte  statt  der  griechischen  Akzente 
auch  Kreuze  oder  sonst  etwas  setzen.  Aber  praktisch  empfiehlt  sich  für  den  Druck 
die  Verwendung  der  Akzente.  Dies  bemerke  ich  gegenüberWilamo  witz'  Einwendungen 
in  Sitz.  Pr.  Akad.  49  (1902)  S.  1095  Anm.  3,  deren  richtigen  Kern  ich  durchaus  nicht 
verkenne.  Die  allgemeine  Zustimmung  der  Ägyptologen  zeigt  wohl,  daß  mein  Vor- 
schlag einem  wirklichen  Bedürfnis  entsprach. 

2)  Ed.  Meyer,  Ägyptische  Chronologie  (Abh.  Pr.  Akad.  1904)  hat  gezeigt,  daß 
der  ägyptische  Kalender  im  J.  4241  v.  Chr.  konstituiert  worden  ist. 

3)  Über  die  Sothisperiode  von  365  χ  4  =  1460  Jahren  vgl.  Ed.  Meyer  1.  c. 


§  7.    Zur  Chronologie.  LV 

tisch  nicht  durchgeführt  worden.^)  Bei  Ausrechnung  der  Tjgesdaten 
der  ptolemäischen  Papyri  ist  daher  immer  erst  festzustellen, 
auf  welchen  Tag  unseres  Kalenders  der  1.  Thoth  des  betreffen- 
den Jahres  fiel.-) 

Von  Beginn  der  Ptolemäerzeit  an  bis  gegen  Ende  des  III.  Jahrh.  v.  Chr. 
sind  diese  beiden  so  völlig  verschiedenen  Kalender  inkongruent  nebeneinander 
in  Gültigkeit  gewesen.  Die  Doppeldaten  nach  makedonischem  und  äg\ηp- 
tischem  Jahre  aus  diesen  frühen  Zeiten  sind  zuletzt  von  Gren  feil -Hunt 
in  F.  Hib.  S.  336  f.  zusammengestellt  und  grundlegend  behandelt  worden.') 
Das  bis  jetzt  bekannte  Material  reicht  noch  nicht  aus,  den  Schaltmodus 
des  makedonischen  Kalenders  zu  erkennen.*) 

Ende  des  III.  Jahrh.  hat  dann  der  ägyptische  Kalender  über  den  ma- 
kedonischen den  Sieg  davongetragen,  indem  er  allein  wirklich  Gültigkeit 
bekam,  Avährend  der  makedonische  nur  dekorativ  hinzugefügt  wurde.  Nach- 
dem schon  J.  KralP)  gezeigt  hatte,  daß  ein  derartiger  Versuch  unter 
Philometor  gemacht  sei,  hat  Smyly*)  aus  reicherem  Material  erwiesen,  daß 
diese  Ausgleichung  mindestens  vom  24.  J.  des  Epiphanes  bis  zum  5.  J. 
des  Philometor  bestanden  hat.  Grenfell-Hunt  1.  c.  haben  es  dann  wahr- 
scheinlich gemacht,  daß  dieses  Arrangement  schon  zwischen  dem  4.  Jahre 
des  Philopator  und  dem  4.  Jahre  des  Epiphanes  getroffen  worden  ist. 
Der  Ausgleich  war  in  der  Weise  durchgeführt,  daß  der  1.  Thoth  dem 
1.  Dystros  entsprach,  der  1.  Phaophi  dem  1.  Xandikos  usw.  Man  rechnete 
also  kalendarisch  in  Wirklichkeit  nach  dem  ägyptischen  Wandeljahr  und 
stellte  rein  dekorativ  das  makedonische  Datum  an  die  Spitze,  imter  völliger 
Ignorierung  des  Wesens  des  makedonischen  Mondjahres.  Aber  dieser  Aus- 
gleich ist  nicht  von  Dauer  gewesen.  Vom  Ende  des  II.  Jahrh.  an  (min- 
destens seit  dem  53.  Jahre  des  Euergetes  II.)  finden  wir  vielmehr,  wie 
Strack  schon  früher  gezeigt  hatte  (Rhein.  Mus.  53,  399 ff.),  einen  anderen 
Ausgleich,  wonach  der  1.  Thoth  dem  1.  Dios  gleichgesetzt  war.')  Diee 
System  hat  sich  erhalten,  solange  überhaupt  noch  der  makedonische  Ka- 
lender mit  erwähnt  wurde,  d.  h.  bis  in  die  Kaiserzeit  hinein. 

So  fand  Augustus  das  ägyptische  Wandeljahr  als  das  allein  herr- 
schende vor.  Er  hat  das  Verdienst,  durchgeführt  zu  haben,  wae  einit 
die  Priester  geplant  hatten,  nämlich  die  Schaffung  eines  fixen  Jahres. 
Er  bestimmte  —  vielleicht  im  Jahre  2(\/i-)  v.  Chr.  — ,  daB  alle  4  Jahre 
ein  Schalttag  (ein  0.  Epagomenentag)  eingefügt  werde.  So  ist  der  Neu- 
jahrstag  des  üxen  Jahres  von  ihm  auf  den  29.  August  feetgelegt  worden, 

I     Vgl.  meine  Grioch.  Oetraka  I  788. 

2j  Tabellen  der  Neujahrttago  de»  Wandeljab'"-   »•ί•'*'•η  i.  i- .liohek  bei 

Pauly-Wi••.  i.  v.  Aera  und  Ungor.  J.  Mnllew  IL•  S.  HU 

3)  Dazn  vgl.  Jouguct  7m  LüId  4.  4     « ;..    •.ftinfell-Uaiii  1.  o.  8.  166. 

ft)  FefUcbria  für  O.  Ilirndireld  H.  118  ff  β)  Henaalbeoa  1906,  898 ff. 

7)  Vgl.  die  Tabelle  in  Hib.  S.  83«  f. 


LVI 


EinleituDg. 


während  dieser  in  den  Schaltjahren  auf  den  30.  August  fiel.  Schaltjahre  waren 
22,  18,  14,  10,  6,  2  v.  Chr.  und  3,  7,  11  usw.  n.  Chr.^)  Dies  ist  unsere 
Grundlage  für  die  Berechnung  der  Tagesdaten  der  Kaiserzeit.  Neben 
diesem  fixen  Jahr  ist  aber  im  praktischen  Leben  das  alte  Wandeljahr 
nicht  ganz  verschwunden.  Abgesehen  von  dem  Gebrauch  der  Astronomen 
hat  man  namentlich  in  national  -  ägyptischen  Kreisen,  besonders  in  den 
Dörfern  auch  weiterhin  noch  gelegentlich  nach  dem  Wandeljahr  gerechnet. 
Dies  wird  dann  in  der  Regel  gekennzeichnet  durch  Zusätze  wie  κατ*  αρ- 
XaCovg  ο.  ä.^) 

Die  augusteische  Ordnung  ist  bis  zur  arabischen  Eroberung  die 
herrschende  geblieben.  Die  Araber  brachten,  wie  einst  die  Makedonier,  ein 
Mondjahr  mit.  34  freie  Mondjahre  waren  gleich  33  Sonnenjahren.  So 
wurde  jetzt  wieder  gelegentlich  nebeneinander  nach  Mond-  und  Sonnen- 
jahren gerechnet  (s.  unten  p.  LXI).^) 

B.  Die  Monate. 
Zum  praktischen  Gebrauch  vereinige  ich  hier  zu  einer  Tabelle  die  ägyp- 
tischen und  die  makedonischen  Monatsnamen,  sowie  die  Ehrennamen,  die 
manche  Monate  zu  Ehren  römischer  Kaiser  erhalten  haben.^)  Ich  lege  den 
augusteischen  fixen  Kalender  zugrunde  und  rechne  in  der  letzten  Rubrik 
mit  einem  nicht  geschalteten  Jahre.  Über  die  verschiedenen  Formen  der 
ägyptischen  Namen  vgl.  meine  Griech.  Ostraka  I  809  ff.  Zur  Vorgeschichte 
dieser  Namen  vgl.  jetzt  Ed.  Meyer,  Nachträge  zur  ägyptischen  Chrono- 
logie (Abh.  Pr.  Akad.  1907). 


ΘώΟ• 


Αϋ'νρ 

XoiccK 

Tvßi 

Μεχίρ 

ΦαμενώΟ• 

Φαρμ^ονϋ^ι 

Παχών 

Παν  Vi 

Έπίφ 

Μεαορή 

αΐ  επαγόμενα^ 


ΆτίελΧαΙος 

Ανδναΐος 

Περίτίος 

^ύατρος 

!Ξΐανδι%6ς 

^Ιρτεμίοίος 

Jaiatos 

Πάνεμος 

Λώιος 

Γορηιαΐοζ 

'Τπερ§ερεταΐος 


Σεβαατός.  dann  Γερμανιν,ός^) 

Νέος  Σεβαστός,  dann  ^ομιτιανός 
Νερώνειος  {ΣεβαβτόςΥ),  άοΛίη  Αδριανός 


Γερμανίγ,ειος 
Σωτήριος 

Καιΰάρειος 


29.  Aug.— 27  Sept. 
28.  Sept.—  27.  Okt. 
28.  Okt.— 26.  Nov. 
27.  Nov.—  26.  Dez. 
27.  Dez.— 25.  Jan. 

26.  Jan.—  24.  Febr. 

25.  Febr.— 26.  März 

27.  März —25.  April 
26.April  — 25.  Mai 

26.  Mai  —  24.  Juni 
25.  Juni  —  24.  Juli 
25.  Juli  —  23.  Aug. 
24.  Aug.— 28.  Aug. 


Über  die  Bezeichnung  einzelner  Tage  als  Σεβαοχαί  vgl  jetzt  die  Aus- 
führungen von  F.  Blumenthal,  Arch.  V  336 ff. "^j 

1)  Vgl.  meine  Griech.  Ostraka  I  789.    Also  in   der  nachchristlichen  Zeit  fallen 
die  Schalttage  in  die  Jahre,  die,  durch  4  dividiert,  den  Rest  3  ergeben. 

2)  Ygl.  meine  Darlegungen  in  den  Griech.  Ostraka  I  791  ff. 

3)  Vgl.  J.  Karabacek,  Führ.  PR  S.  149 f. 

4)  Zu  letzteren  vgl.  meine  Griech.  Ostraka  I  809ff.  und  Preisigke,  Arch.  IV  106. 

5)  Γερμανι-Λος  geht  auf  Domitian.    Vgl.  Lond.  III  S.  90. 

6)  Vgl.  Preisigke  1.  c.  107. 

7)  Zu  dem  Tage  Ίονλία  Σεβαστή  vgl.  auch  Wilcken,  Sav.  Z.  1909,  504 ff. 


§  7.    Zur  Chronologie.  LVII 

2.  Die  Datierung  der  Urkunden. 
Bis  vor  20  Jahren  kannten  wir  für  die  Ptolemäerzeit  wie  die  Kaiserzeit 
nur  eine  Methode  der  Jahreszählung,  nämlich  die  Zählung  nach  den  Königs- 
jahren, derzufolge  das  erste  Neujahr  (1.  Thoth)  nach  dem  Regierungs- 
antritt als  Beginn  des  2.  Jahres  des  neuen  Königs  gerechnet  wurde.  Diese 
Regel  besteht  heute  nur  noch  für  die  Zeit  vom  IL  Jahrh.  oder  dem  Ende 
des  III.  Jahrh.  v.  Chr.  an.  Dagegen  für  die  Zeit  bis  auf  Philopator  haben 
wir  inzwischen  hinzugelernt,  daß  man  damals  neben  dem  Königsjahr  ein 
von  diesem  abweichendes  Finanzjahr  gehabt  hat.  Zuerst  ist  dies  von 
E.  Revillout,  Melanges  S.  350  aus  Petr.  I  28  (2)  erschlossen  worden, 
wenn  er  auch  noch  nicht  die  richtige  Lesung  hatte.  Diese  wurde  erst 
von  Smyly  (Hermathena  1899,  432)  mit  Hilfe  eines  Paralleltextes  fest- 
gestellt, und  diese  doppelte  Rechnungsart  ist  seitdem  mehrfach  bezeugt 
worden.  Vgl.  die  zusammenfassenden  kritischen  Darlegungen  von  Gren- 
fell-Hunt  in  Hib.  I  Appendix  II  (S.  359).  Es  handelt  sich  um  Datierungen 
wie:  stovg  la  ως  d'  al  πρόβοδοί  ετονς  iß.  Man  rechnete  also  damals 
nach  Regierungsjahren  und  nach  Finanzjahren,  die  verschiedene  Neujahrs- 
tage  hatten.^)  Das  Hauptproblem  ist,  welches  der  beiden  Jahre  mit  dem 
ägyptischen  Wandeljahr  zusammenfiel.  Grenfell-Hunt  1.  c.  schlössen  sich 
der  Ansicht  von  ReviUout,  Th.  Reinach  und  Smyly  an,  daß  das  Finanzjalir 
das  Wandeljahr  sei  (mit  der  Rechnung  des  ersten  1.  Thoth  als  Beginn  des 
2.  Jahres),  während  sie  die  Frage,  nach  welchem  Kalender  und  in  welcher 
Weise  das  Königsjahr  gerechnet  war,  als  noch  ungelöst  bezeichneten.  In 
der  Tat  sprechen  m.  E.  auch  allgemeine  Gesichtspunkte  dafür,  daß  man  zum 
Finanzjahr  das  ägyptische  Wandeljahr  gemacht  hat.-)  Aber  inzwischen  hat 
Smyly  (Hermathena  1906,  106 ff.)  wieder  eine  neue  Theorie  aufgestellt. 
Das  Problem  ist  noch  im  Fluß.  Die  Folge  ist,  daß  z.  Z.  die  Jahresdaten 
des  III.  Jahrh.  (bis  Philopator),  falls  nicht  Köuigsjahr  und  Finanzjahr 
nebeneinander  genannt  sind,  nicht  mit  völliger  Akkuratesse  bestimmt  wer- 
den können ''),  während  wir  für  die  darauf  folgenden  Zeiten  nur  mit  der 
einen  oben  gekennzeichneten  Rechnungsart  zu  tun  haben.    Wir   nennen 

1)  Ich  mache  darauf  aufmerkeam ,  daß  man  auch  in  der  Pharaonenieit  (im  be- 
»ondern  auch  in  der  26.  Dyn.)  sowohl  die  Zahlung  nach  Regierung^abren  (vom  Re- 
gierungeantritt an)  al8  auch  nach  dem  Wandeljuhr  (wobei  der  n&chste  1.  Thoth  ab 
lii'ginn  des  2.  Jahres  galt)  gerechnet  hat.  Vgl.  Ed.  Meyer,  AG  I•  S.  81  f.,  der  et 
nicht  für  undenkbar  hillt,  daß  beide  Jahreebezeichnungen  oft  nebeneinander  im  Ue- 
brauch  waren,  da  man  au8  di-m  Charakt<»r  der  Urkunden  wissen  konnte,  welche  ge- 
meint war.    Da«  ist  ein  ganz  ähnlicher  Zustand  wie  im  III.  Jahrhundert  v.  Chr. 

2)  Im  Arch.  V  220  wies  ich  darauf  hin,  daß  die  einzigartige  Datioriing  in  Lille 
1,  1:  {hovij  %ζ  yiuX  Al\y\vnriiov  d\  xh  αυτό  vielleicht  den  Oegensatz  des  KAnigiyahre• 
and  den  Finatizjahren  auMdriickt.  Ui  das  richtig,  so  muß  schon  der  Stellung  nach 
das  Fiimii/jiilir  dem  ,,ίι  η"  Jahr  entsprechen. 

.'J    <ίη  iifiill-Hunt  .iher  in  Γ.  Hib    frtr  jedes  Datum  »wei  Möglichkeiten 

offen  gelassen,  /    \i.  'IQI  (200^. 


LVin  Einleitung. 

dies  eine  Rechnungsjalir  der  Jüngern  Zeit  das  Königsjahr ^  wiewohl  es 
vielleicht  chronologisch  das  siegreich  aus  der  Konkurrenz  hervorgegangene 
Finanzjahr  ist. 

Voraussetzung  für  die  Praxis  aller  dieser  Berechnungen  ist,  daß  man 
weiß,  wann  die  Könige  zur  Regierung  gekommen  sind,  resp.  von  wann 
an  sie  ihre  Regierung  rechnen.  Hierfür  verweise  ich  auf  die  chronologi- 
schen Darlegungen  (nebst  Tabellen)  von  Strack,  Die  Dynastie  der  Pto- 
lemäer  1897  S.  149 ff.  Ygl.  auch  Bouche-Leclercq,  Hist.  d.  Lagides  I,  II 
und  Svoronos,  Die  Münzen  der  Ptolemäer  IV  (1908).  Zu  beachten  sind 
die  wichtigen  neuen  Aufschlüsse,  die  die  Elephantine-Papyri  für  die  Da- 
tierungen des  Ptolemaios  I.  gebracht  haben  (vgl.  Rubensohns  Edition 
S.  22  ff.),  ferner  die  Feststellung  der  Regierungsjahre  der  Kleopatra  Π 
(J.  1  =  J.  39  des  Euergetes  IL  =  132/1).    Vgl.  unten  S.  5. 

In  der  Ptolemäerzeit  hat  man  die  Akten  außerdem  noch  nach  den 
eponymen  Alexanderpriestern  von  Alexandrien  datiert,  zu  denen  in  der 
Thebais  auch  noch  die  eponymen  Priester  von  Ptolemais  hinzutraten.  Vgl. 
unten  S.  97  f  und  Nr.  103 — 107,  die  die  weitere  Entwicklung  dieser  Epo- 
nymen-Datierung  vor  Augen  führen 

In  der  Kaiserzeit  haben  die  neuen  Herren  in  derselben  Weise  weiter- 
datiert wie  ihre  letzten  Vorgänger:  das  mit  dem  l.Thoth  (29.resp. 30  Aug.) 
nach  der  Thronbesteigung  beginnende  ägyptische  fixe  Jahr  gilt  als  das 
2.  des  neuen  Kaisers.^)  Zu  beachten  ist,  daß  bei  Tiberius  Λvegen  der 
Kürze  der  Zwischenzeit  (Augustus  starb  am  19.  Aug.  des  J.  14)  erst  der 
1.  Thoth  des  nächsten  Jahres  (15)  als  2.  gezählt  wurde.  Ferner  ist  für 
die  Berechnungen  zu  beachten,  daß  seit  dem  Ende  des  IL  Jahrb.  nach  ge- 
meinsamen Regierungen  der  überlebende  Kaiser  die  Jahreszählung  des 
toten  Kaisers  fortsetzte.  So  zählte  Commodus  die  Jahre  des  Marcus  weiter 
und  Caracalla  die  des  Severus.^) 

Wie  ich  im  Hermes  30,  151  ff.  gezeigt  habe,  ist  im  Anfang  der  rö- 
mischen Okkupation  der  Versuch  gemacht  worden,  statt  der  ägyptischen 
Kaiserjahre  eine  Ära  nach  der  τίράτηοις  KaCoaQog  ^εον  vlov,  d.  h.  nach 
der  Eroberung  Alexandriens  (am  1.  August  30),  einzuführen,  deren  Jahre 
praktisch  den  am  1.  Thoth  beginnenden  Kaiserjahren  des  Augustus  gleich- 
gesetzt wurden.  Aber  auch  hier  hat  die  alte  ägyptische  Tradition  gesiegt. 
Diese  römische  Ära  läßt  sich  nur  bis  in  die  ersten  Jahre  des  Tiberius 
verfolgen.  ^) 


1)  Vgl.  meine  Griech.  Ostraka  I  786  f. 

2)  Vgl.  auch  Wessely,  Die  Daten  der  römischen  Kaiserzeit  (Mitt.  PR  II  1  ff.)• 

3)  Vgl.  außer  Hermes  1.  c.  auch  meine  Griech.  Ostraka  I  787  ff.,  auch  Arch.  V  450 
(wo  durch  einen  Lapsus  das  44.  statt  des  43.  Jahres  als  das  Todesjahr  des  Augustus 
bezeichnet  ist).  —  Daß  die  römische  Ära  auch  in  die  einheimischen  (demotischen) 
Akten  eingedrungen  war,  zeigt  Wess.  Spec.  Script,  gr.  6,  6. 


I 


§  7.    Zur  Chronologie.  LIX 

Die  ägyptischen  Königsjahre  sind  geblieben,  so  lange  Ägypten  in  dem 
römischen  Kaiser   seinen  Pharao  sehen  konnte.    Die  Beseitigung  der  Son- 
derstellung Ägyptens  durch  Diokletian  hat  u.  a.  die  Konsequenz  gehabt, 
daß  an  die  Stelle  der  Kaiserjahre   die  Datierung  nach   den  Reichskonsuln 
rat  (vgl.  unten  S.  67  f.).   Nach  den  Königsjahren  des  Diokletian  und  seiner 
litherrscher   ist   noch   in   alter  Weise   gerechnet   worden,  wenn   auch   da- 
eben  schon  die  Konsuln  genannt  wurden.    Aber  nach  Diokletians  Regie- 
iing  gibt  es  nur  noch    die  Konsuldatierung  wie  in  jedem   andern  Teile 
es  römischen  Reiches.^) 

Die  Sitte,  nach  den  Königsjahren  zu  datieren,  saß  aber  zu  tief  im 
^yptischen  Volke,  als  daß  es  dieser  Neuordnung  auf  die  Dauer  unbedingt 
gehorcht  hätte.  Einen  Nachklang  der  alten  Sitte  dürfen  wir  in  der  so- 
genannten diokletianischen  Ära  sehen -j,  die  früher  nur  für  die  jungem 
Zeiten  belegt,  jetzt  auch  für  das  V.  Jahrh.  bezeugt  ist,  und  nach  der  in 
'en  Κεφάλαια  der  Osterbriefe  des  Athanasius  schon  für  das  IV,  Jahrh. 
gerechnet  wird.^)  Diese  Ära  zählt  die  Kaiserjahre  des  Diokletian  als  des 
letzten  Kaisers,  nach  dem  offiziell  datiert  worden  ist,  weiter.  Ihre  Epoche 
-t  also  das  Jahr  284.  Vielleicht  ist  man  auf  diesen  Gedanken  dadurch 
gekommen,  daß  für  die  auf  ihn  folgenden  Kaiser  keine  amtlichen  Vor- 
lagen für  die  Berechnung  der  Kaiserjahre  existierten.  Diese  Ära  taucht 
zunächst  nur  sporadisch  und  nur  in  privaten  Texten  auf  (Grabschriften 
usw.).  Größere  Verbreitung  hatte  sie  seit  dem  VI.  Jahrh.*),  namentlich 
dann  in  der  arabischen  Zeit  (s.  unten  p.  LXI).  Die  heidnischen  Priester 
von  Philae  gebrauchten  sie  ebenso^)  wie  die  Christen,  die  sie  später  lieber 
als  Märtyrerära  bezeichneten. 

Die  seit  Diokletian  bestehende  Ordnung  wurde  modifiziert,  als  im 
J.  5i57  Justin ian  in  der  Novelle  47  verordnete,  daß  in  den  Akten  vor 
das  Konsuldatum  das  Kaiserjahr  gestellt  werden  solle.  Aber  dies  Kaiser- 
jahr, das  von  nun  an  auch  in  den  Papyri  begegnet,  ist  nicht  mehr  das 
alte  Kaiserjahr,  wie  es  in  Ägypten  bis  Diokletian  bestanden  hatte.  Es  ist 
Tielmehr  nach  Justinians  Verordnung  das  Regierungsjahr,  das  von  der 
Thronbesteigung  bis  zur  Wiederkehr  des  Thronbestoigungetagee  ge- 
rechnet wurde. 

Neben  den  Konsuldaten  ist  ein  Novum  der  byzantinischen  Zeit  die 
Datierung  nach  den  Jahren  des  fünfzehnjährigen  Indiktionszyklus. 
Über  die  Bedeutung  der  Indiktion  für  die  Steuerordnung  ist  unten  8.  222ίί, 
gehandelt  u..r,l..i,     Ebeudr»rt    ί^ί   imch  berichte*     <^'i^    ^vii«  Seeok  gesehen 

1)  Vgl.  Weeeoly,  Mitt.  I'R  V  li9ff. 

'Z)  VkI.  Fr.  Kahl,  Chronologie  de•  MittoUltom  und  der  Nouseii  1897  S.  186. 
8)  Vgl.  Ed.  Schwartz,  Nachr.  GöH.  Ow.  1»04,  Heft  i,  8.  83U.    Vgl.  datu  Arch. 
V  S98. 

4)  Vgl.  Arch.  IV  242  f.,  V  296.  6)  Vgl.  Arch.  1  406. 


LX  Einleitung. 

hat,  der  erste  Zyklus  nicht  312,  sondern  297  begonnen  hat.  Ich  füge 
hinzu,  daß  man  in  Ägypten  schon  früher  als  auswärts,  sicher  schon  im 
IV.  Jahrh.,  vielleicht  von  Anfang  an  diese  Indiktionsjahre  auch  zur  Da- 
tierung verwendet  hat.  Vgl.  meine  Ausführungen  im  Arch.  V  256.  Daß 
aber  dieser  Zyklus  von  Diokletian  nicht  zu  Datierungszwecken  bestimmt 
war,  geht  schon  daraus  hervor,  daß  man  in  diesem  Falle  mit  einer  ge- 
wissen Selbstverständlichkeit  auf  die  Numerierung  der  Zyklen  gekommen 
wäre.  Da  die  Zyklen  vielmehr  unnumeriert  sind,  nützen  uns  heute  die 
Angaben  der  Indiktionsjahre  praktisch  nichts  zur  Gewinnung  des  absoluten 
Datums,  faUs  nicht  eine  Kombination  mit  andern  Zeitangaben  möglich  ist. 

Zu  beachten  ist  für  die  Berechnung  der  Daten  vor  aUem  die  durch 
die  Papyri  festgestellte  Tatsache^),  daß  das  ägyptische  Indiktionsjahr  nicht 
wie  das  konstantinopolitauische,  das  für  das  sonstige  Reich  galt,  am  1.  Sep- 
tember, sondern  mit  wechselndem  Anfang  in  der  Mitte  des  Jahres  (meist 
im  Payni  oder  Epiph,  aber  auch  schon  Ende  Pachon)^)  begann.  Dies  Er- 
gebnis wurde  kürzlich  glänzend  bestätigt  durch  die  in  Konstantinopel  im 
J.  551  aufgesetzte  Urkunde  Cair.  Cat.  67032,  wo  es  Z.  29 f.  heißt:  επί 
^Ιοννίον  μηνός  rrjg  άρτίως  τεοοαρίακαιοεκάτης]  έτίίνεμήόεως^  κατ'  ΑίγνΛ- 
τίονζ  δε  7ίεντεκαίδ[εκάτης]:  in  Ägypten  hatte  eben  im  Juni  die  neue  In- 
diktion  schon  begonnen,  während  die  neue  konstantinopolitauische  erst  am 
1.  Sept.  anfing.  Da  nun  in  Ägypten  die  Epoche  wechselte,  so  pflegte  man 
bei  den  für  diese  in  Betracht  kommenden  Zeiten,  also  namentlich  vom 
Ende  Pachon  bis  Epiph,  durch  Zusatz  von  άρχγι  resp.  τελεί  hervorzuheben, 
ob  der  betreffende  Tag  in  den  Schluß  der  alten  oder  den  Anfang  der 
neuen  Indiktion  hineinfalle.^)  Schließlich  hat  man  diese  Zusätze,  die  also 
nicht  einen  bestimmten  Tag,  sondern  allgemein  Anfang  oder  Ende  einer 
Indiktion  bezeichnen,  auch  bei  etwas  entfernteren  Daten,  bis  in  den  Thoth 
und  Phaophi  hinein,  hinzugefügt.^)  Die  Annahme  mancher,  daß  man  ge- 
legentlich auch  in  Ägypten  nach  der  Constantinopolitana  gerechnet  habe, 
hat  noch  nicht  sicher  belegt  werden  können.^) 

So  sicher  der  wechselnde  Anfang  der  ägyptischen  Indiktion  steht, 
ist  doch  eine  evidente  Erklärung  hierfür  noch  nicht  gefunden  worden. 
Gegen  die  weitverbreitete  Annahme,  daß  dieser  Wechsel  mit  dem  wechseln- 
den Anfang  der  Nilüberschwemmung  zusammenhänge,  haben  Grenfell-Hunt 
(P.  Grenf.  II  S.  129)  eingewendet,  daß  der  Eintritt  der  Nilschwelle  tatsäch- 
lich nur  um  einige  Tage,  nicht  aber  um  viele  Wochen  differiert.  Diesem 
Einwand   steht  freilich,   wie   sie   auch  hervorhoben,    entgegen,    daß   nach 


1)  Wilcken,  Hermes  19,  293if.  und  21,277ff.,  wo  zu  den  Arbeiten  von  Wessely, 
V.  Hartel,  Krall  Stellung  genommen  ist. 

2)  Vgl.  Grenf.  II  78,  δ:  28.  Pachon  άρχτ]. 

3)  Vgl.  Wilcken,  Hermes  21,  279.        '        4)  Vgl.  Wilcken,  Hermes  21,  280 f. 
5)  Vgl.  Wilcken,  Hermes  21,  281  f 


§  8.    Das  Geld.  LXI 

Wesselj  (Mitt.  PR  I  27)  in  einem  Wiener  Fragment  geradezu  von  einer 
Xiliudiktion  —  Ινδικτίονος  Νείλου  —  die  Rede  ist.  Dies  Fragment  ist 
aber  jetzt  publiziert  als  P.  Klein.  Form.  1003  (V.  Jahrb.),  und  danach 
bezweifle  ich  Wesselys  Deutung.  Es  steht  da  nämlich  nach  Wessely:  ilvö I 
Νείλου  τϊ]ς  α  IvÖ  jj {ιτιτίονοξ)  ύ(π^ρ)  μί6θ•ο{ϋ).  Was  sollen  hier  die  beiden 
Indiktionen  unverbunden  nebeneinander?  Und  wie  auffällig,  daß  das  Wort 
Ινόιχτίονοζ  einmal  mit  1  Strich  /  und  dann  mit  2  Strichen  //  abgekürzt 
sein  soll.  Auch  hätte  man  Λνοΐιΐ  του  Νείλου  gesagt,  Λνβηη  der  Fluß  ge- 
meint wäre.  Dies  alles  spricht  dafür,  daß  vielmehr  zu  lesen  ist:  ]v  δ{ία) 
Νείλου  κτλ.,  wo  Νείλου  ein  Eigenname  ist.  Damit  verschwindet  die 
„Nilindiktion",  die  einst  so  viel  Aufsehen  gemacht  hat. 

In  der  zitierten  Novelle  47  erlaubt  Justiuian,  daß  auch  Stadt ären 
im  Datum  genannt  werden  dürften,  aber  nur  an  letzter  Stelle  hinter  dem 
Kaiserjahr,  den  Konsuln  und  der  Indiktion.  Solche  Stadtären  haben  wir 
in  Ägypten  bisher  nur  für  Oxyrhynchos  kennen  gelernt.  Es  gab  deren 
hier  zwei:  die  eine  datierte  von  324,  die  andere  von  355.  Vgl.  Grenfell- 
Hunt  zu  Oxy.  I  125.  Die  früheste  Datierung  nach  diesen  Aren  findet 
ich  zurzeit  in  Oxy.  I  93  vom  J.  362.  Regelmäßiger  begegnen  sie  erst  im 
\'I.  und  VII.  Jahrh.  Der  Justinianischen  Verordnungent  spricht  z.  B.  genau 
die  Datierung  von  Oxy.  I  126  vom  J.  572,  Λνο  im  Präskript  hinter  der 
Indiktion  die  Ären  stehen. 

Die  Kaiserjahre,  Λvie  Justinian  sie  wieder  eingeführt  hatte,  fanden 
mit  der  arabischen  Herrschaft  ihr  Ende,  ebenso  natürlich  die  Konsul- 
jahre, Λvährend  die  Zählung  nach  Indiktionen  unverändert  blieb.  Die 
Araber  zählten  ihre  Jahre  bekanntlich  nach  der  Hedschra  (vom  16.  Juli  622). 
Da  sie  aber  neben  ihrem  Mondjahr  für  die  Praxis  der  Steuererhebung  usw. 
das  ägyptische  Sonnenjahr  bestehen  ließen  (s.  oben  p.  LVI),  so  finden  sich 
Texte,  in  denen  der  Abstand  von  der  Hedschra  sowohl  nach  dem  Mond- 
wie  nach  dem  Sonnenjahr  berechnet  ist.  Vgl.  Karabacek,  Führ.  PR 
S.  149/50  und  unten  256.  In  den  griechischen  und  ägyptischen  Kreisen 
aber  griff  man  jetzt,  da  die  Indiktion  allein  zu  nichtssagend  war,  vielfach  zu 
der  schon  vorher  verbreiteten  Diokletianischen  Ära  (p.  LIX).  Gelegentlich 
wurde  auch  nebeneinander  nach  den  Jahren  Diokletians  und  den  Jahren 
der  „Sarazenen"  gerechnet.^)  In  den  jüngeren  griechischen  Texten  begegnen 
auch  Datierungen  nach  der  Hedschra  allein.    Vgl.  Bell,  Lond.  IV  p.  XLV. 

§  8.   DAS  GELD. 
Vom  Geld   und   Geldzahlon  wird  in  den  Papyri  eo  viel  geeproohen, 
laß  jeder  H<  arbciter  den  Wunsch  haben  wird,  sich  Ober  die  Tenohiedenen 


1)  Vgl.  WrHHriv,  1  ruiegomnna   ad  pap.  graeo.  novatu  iv^..t:vUouem   edendam 
U8S  p.  19. 


LXII  Einleitung. 

MüDzsysteme,  die  im  Laufe  dieser  mehr  als  tausend  Jahre  einander  gefolgt 
sind,  zu  orientieren  und  womöglich  jede  Summe,  die  ihm  begegnet,  glatt 
in  Mark  und  Pfennig  sich  umzurechnen.  Trotz  der  erfolgreichen  Arbeiten 
der  letzten  Dezennien  gehören  diese  Probleme  auch  heute  noch  zu  den 
schwierigsten.  Gerade  die  Papyri  haben  uns  gezeigt,  daß  die  Kursverhält- 
nisse beständig  wechselnde  waren.  Man  muß  bei  jeder  Summe  zunächst 
feststellen,  in  welchem  Jahrhundert  sie  gezahlt  wurde,  denn  je  nach  der 
Zeit  haben  sie  sehr  verschiedenen  Wert  gehabt.  Ich  will  hier  die  rein 
numismatischen  Fragen  bei  Seite  lassen,  für  die  die  Hauptquelle  natürlich 
die  Münzen  selbst  sind,  und  mehr  auf  die  Währungsfragen  hinweisen,  für 
die  die  Papyri  wichtige  neue  Aufschlüsse  gebracht  haben. 

Für  die  ägyptische  Numismatik  der  Ptolemäerzeit  nenne  ich  als 
die  wichtigsten  Arbeiten:  R.  Stuart  Poole,  Catalogue  of  Greek  Coins, 
The  Ptolemies  Kings  of  Egypt,  Lond.  1883.  Dies  für  seine  Zeit  treffliche 
Werk  ist  jetzt  überholt  durch  das  große,  das  gesamte  Münzwesen  der 
Lagiden  umfassende  Corpus  des  griechischen  Gelehrten  Svoronos,  dem 
es  weit  über  seine  Vorgänger  hinaus  gelungen  ist,  die  Münzen  auf  die 
einzelnen  Regierungen  zu  verteilen  und  so  eine  Chronologie  der  Ptolemäer- 
münzen  vorzulegen:  J.  N.  Svoronos,  Ta  νομίύματα  τον  κράτους  των 
Πτολεμαίων  (Βίβλίοϋ-ηκη  Μαραολη),  Ι — III  1904,  IV  (Deutsche  Übersetzung 
des  Ι.  Bandes,  Beiträge  von  F.  Hultsch,  K.  Regling  usw.)  1908. 

Mit  besonderer  Berücksichtigung  der  Währungsfragen  sind  die  Münz- 
verhältnisse der  Ptolemäerzeit  teils  von  ägyptologischer,  teils  von  helle- 
nistischer Seite  behandelt  worden.  Für  jene  nenne  ich  E.  Revillout, 
Lettres  ä  Mr.  Lenormant  sur  les  monnaies  Egyptiennes,  Revue  Egyptol. 
II  201  ff.,  auch  als  selbständige  Schrift  1895.  Derselbe,  Un  papyrus  bilingue 
du  temps  de  Philopator,  Proc.  Soc.  Bibl.  Arch.  XIV  1891,  60ff.  \Vesent- 
lich  anders  deutete  die  demotischen  Angaben  H.  Brugsch,  Die  Lösung 
der  altägyptischen  Münzfrage,  Z.  f  Äg.  Spr.  1889,  Iff.  u.  1892,  Iff.  Unter 
den  Hellenisten  ist  an  erster  SteUe  Grenfell  zu  nennen,  der  die  neuen 
Aufschlüsse  des  Revenue  -  Papyrus  in  einer  grundlegenden  Studie  im  Ap- 
pendix III  seiner  Revenue -Laws  1896  verarbeitete.  Hierauf  fußte  ich  in 
meiner  zusammenfassenden  Darstellung  in  den  Griech.  Ostraka  I  718  ff. 
Inzwischen  haben  die  weiteren  Papyruspublikationen  manches  neue  Ma- 
terial zu  diesen  Fragen  gebracht,  vor  aUem  die  Texte  in  P.  Tebtynis  I. 
Dies  verarbeiteten  Grenfell -Hunt  im  Appendix  II  des  genannten  Bandes. 
Zuletzt  sind  alle  diese  Fragen,  die  Münzfragen  wie  die  Währungsfragen, 
zusammenfassend  behandelt  worden  von  F.  Hultsch  in  seinem  postumen 
Aufsatz:  „Die  Gewichte  und  Werte  der  ptolemäischen  Münzen"  im  IV.  Bande 
des  Werkes  von  Svoronos. 

Zumal  im  einzelnen  die  in  Frage  stehenden  Probleme  noch  sehr  strittig 
sind,  beschränke  ich  mich  hier  auf  eine  ganz  kurze  Darlegung  der  wich- 


§  8.    Das  Geld.  LXni 

tigsten  Grundzüge^   um  in  die  Benutzung  der  angeführten  Spezialliteratur 
einzuführen. 

Bekanntlich  hat  Ptolemaios  I.  Ägypten  zum  erstenmal  eine  eigene 
Münze  gegeben.^)  Wenn  er  nach  vorübergehenden  Versuchen  mit  dem 
attischen  und  rhodischen  Fuß  schließlich  auf  den  phönikischeu  Fuß  ge- 
prägt hat,  woran  seine  Nachfolger  festhielten,  so  hängt  dies  wahrschein- 
lich mit  seinem  Bestreben  zusammen,  die  neue  griechische  Münze  mit  den 
Gewichten  der  seit  alten  Zeiten  hier  bestehenden  Kupferwährung  in  ein 
bequemes  Verhältnis  zu  bringen.^)  Geprägt  wurden  Gold,  Silber  und  Kupfer. 
In  den  Papyri  haben  wir  es  vor  allem  mit  Silber-  und  Kupferzahlungen 
zu  tun.  Zwischen  Silberdrachmen  und  Kupferdrachmen  bestand  zunächst 
das  normale  Verhältnis  von  120  :  1,  doch  ist  dies  im  Laufe  der  Zeit  stark 
verändert  worden.  Der  Obolos,  das  Sechstel  der  Silberdrachme,  der  also 
=  20  Kupferdrachmen  galt,  ist  nicht  in  Silber,  sondern  in  Kupfer 
(=  72,8  Gramm)  geprägt  worden,  ebenso  wie  seine  Unterabteilungen 
bis  zum  i  =  χαλκούς  (=  9,1  Gramm). ^)  Außerdem  wurden  Kupferdrach- 
men zu  3,64  Gramm  geprägt.*)  Man  kann  nicht  sagen,  wie  früher  mit 
Revillout  angenommen  wurde,  daß  im  ΙΠ.  Jahrh.  v.  Chr.  unter  den  ersten 
Herrschern  reine  Silberwährung  bestanden  habe,  denn  in  dieser  Zeit  gehen 
Silber-  und  Kupferzahlungen  durchaus  nebeneinander  her,  und  auch  sehr 
bedeutende  Summen  können  in  Kupfer  gezahlt  werden.^)  Die  Regierung 
hat  sich  offenbar  bemüht,  mit  Rücksicht  auf  die  altägyptische  Kupfer- 
währung das  Kupfergeld  als  wirkliches  Wertgeld  neben  dem  Silbergeld 
zu  erhalten.  Bei  Zahlungen  an  die  Regierung  (Steuern  usw.)  bestimmt 
diese,  ob  sie  in  Silber  oder  Kupfer  gezahlt  werden  sollen.  Der  νόμος 
τελωνιχός  ζ.  Β.  bestimmte  demgemäß,  ob  die  Steuerpacht  προς  άργνριον 
oder  προς  χαλκόν  vergeben  werden  solle.  Wer  im  ersteren  Falle  trotzdem 
Kupfer  zahlen  woUte,  mußte  ein  Agio  von  durchschnittlich  lO^o  zuzahlen. 
Im  andern  Falle,  bei  Verpachtungen  προς  χαλκόν,  wurde  die  Kupferzah- 
lung als  vollwertig  angenommen.  Dies  wichtige  Prinzip  ist  zuerst  von 
Grenfell  aus  dem  Revenue-Papyrus  erschlossen  >vorden,  im  besonderen  aus 
col.  60,  13—15:  πωλονμεν  τήν  ώνήν  (das  Olmonopol)  προς  χαλχόν  xal 
λημνόμι^^α  ίίς  τον  οτατηρα  όβολονς  κδ.  Das  bedeutet  mit  Grenfell  (S.  195), 
daß  in  diesem  Falle,  weil  die  Pacht  προς  χαλκόν  vergeben  ist,  24  Kupfer- 
obolen  als  vollwertiges  Äquivalent  (ohne  Agio)  für  4  Silberdrachnien  an- 
genommen  werden  sollen.    Andrerseits   wurden  Zahlungen   in  Kupfer  mit 


1)  über  die  Münzen  de«  Satrapen  ArynndoH  und  die  wahrtoheiDlioh  lur  Zeit  de• 
Kleomenee  von  NunkraÜN  geprilgten  ΜΠη/,οη  νμΙ.  Svorono•  IV  8.  1  ff. 

2)  Vgl.  Kd.  Mcyor,  HandwOriorh.  d.  StMUwi••.  V  S.  018  f. 

8)  Die•  (Sewicht  von  9,1  (tranim  ipielt  in  der  altAgypUtohen  Kapferreohnung 
ein»;  Ifolle.    Vgl.  Kd    Meyer  1.  r    907 

4;  Die•  nach  HulUch  1.  c.  S.  41  fl.  6)  Vgl.  Hnltooh  L  c  8.  67. 


LXIV  Einleitung. 

Agio  bezeiclmet  als  χα{λκον)  elg  κζ  c  ^),  d.  h.  es  wurden  statt  24  26^  Obolen 
für  den  Stater  (4  Silberdrachmen)  gerechnet.  Oder  man  sagte  χαλκοΌ  προς 
άργνρίον^  d.  h.  Kupfer,  wo  Silber  hätte  gezahlt  werden  sollen.^) 

Im  IL  Jahrh.  ist  die  wichtige  Änderung  eingetreten,  daß  die  Silber- 
zahlungen in  der  Praxis  immer  seltener  wurden  und  zuletzt  bis  auf  die 
Zahlungen  von  Strafgeldern  an  die  Regierung^)  ganz  verschwanden,  so 
daß  schließlich  fast  reine  Kupferwährung  herrschte.  Daß  dies  die  Praxis 
war,  zeigen  uns  die  öffentlichen  und  privaten  Dokumente  dieser  Zeit.  Gleich- 
wohl hat  die  Regierung  in  ihren  Erlassen  formell  an  dem  alten  Unter- 
schied von  Zahlungen  τίρος  άργνριον  und  Λρος  χαλκόν  auch  jetzt  festge- 
halten. Aber  der  im  Par.  62  erhaltene  νόμος  τελωνικός^  der  diese  Unter- 
schiede auch  beibehält,  zeigt  zugleich,  daß  es  jetzt  als  selbstverständlich  be- 
trachtet wurde*),  daß  man  statt  Silber  vielmehr  Kupfer  mit  Agio  zahlte,  denn 
er  sagt  5,  16:  των  δε  τίρος  άργνριον  ώνών  ηροοδιαγράψονοίν  άλ<^Χ}αγήν 
ώς  TTJg  μνας  l  =  [c].  Also  für  die  Λρος  άργνριον  verpachteten  Steuern 
soU  man  ein  Aufgeld  zahlen  von  10  Kupferdrachmen  und  2-^-  Obolen  für 
die  Silbermine  (100  Drachmen).  Sachlich  ist  dies  Agio  dasselbe^),  das  im 
III.  Jahrh.  mit  elg  κς  c  bezeichnet  war  (Agio  von  2|-  Obolen  auf  den 
Stater)  und  auch  noch  im  IL  Jahrb.,  wie  in  den  etwas  älteren  Zoispapyri, 
so  bezeichnet  werden  konnte.  Dem  ττρος  άργνριον  des  Textes  entspricht 
wenige  Zeilen  später  ein  Λρος  χαλκον  ίοόνομον.  So  nannte  man  jetzt  das 
vollwertige  Kupfer,  für  das  kein  Agio  nötig  war,  während  andrerseits  das 
Kupfer  mit  Agio  jetzt  %αλκος  ov  αλλαγή  genannt  zu  werden  pflegte  oder 
auch,  wie  früher,  χαλκός  τνρος  άργνριον. 

Wie  Grenfell-Hunt  aus  den  Tebtynis-Papyri  gezeigt  haben,  hat  dann 
am  Ende  des  IL  Jahrh.,  unter  der  Regierung  des  Soter  IL,  eine  starke 
Entwertung  der  Kupferdrachmen  stattgefunden.  Während  ursprünglich  120 
Kupfer drachmen  auf  1  Silberdrachme  gerechnet  waren,  schwankt  von 
Soter  IL  bis  zum  Ausgang  der  Ptolemäerzeit  das  Verhältnis  zwischen  375:1 
und  500  :L  6) 

Schwierige  Probleme  bieten  auch  die  Münz-  und  Währungs Verhält- 
nisse  der  Kaiserzeit.    Bezeichnend  für  die  Sonderstellung  Ägyptens  ist, 


1)  Ygl.  meine  Griech.  Ostr.  II  n.  331  und  dazu  I  720.  Ich  lese  jetzt  nach  dem 
Vorgang  Kenyons  κζ  c  (264),  nicht  κς  Υ  (26 1^).  Weitere  Beispiele  für  dieses  und  an- 
dere Agios  bei  Hultsch  1.  c.  S.  48  ff. 

2)  Vgl.  meine  Griech.  Ostraka  I  720  f 

3)  Vgl.  meine  Griech.  Ostraka  I  722  A.  1. 

4)  Vgl.  meine  Griech.  Ostraka  I  724.  Hultsch  S.  50  hat  die  Worte  in  diesem 
Punkte  nicht  scharf  genug  interpretiert. 

5)  Vgl.  Hultsch  S.  50. 

6)  In  diese  Zeit  sind  auch  die  beiden  Beispiele  zu  setzen,  die  ich  in  den  Griech. 
Ostraka  I  723  A.  2  für  die  Gleichungen  450  :  1  und  455  : 1  gegeben  hatte.  Das  Ostra- 
kon  II  n.  1496  ist  offenbar  in  das  2.  Jahr  des  Soter  zu  setzen. 


ι 


§  8.    Das  Geld.  LXV 

daß  das  Land  aucli  jetzt  seine  eigene  Münze,  in  Alexandrien,  behalten  hat.^) 
Daß  daneben  auch  der  Denar,  das  römische  Reichsgeld,  kursierte,  wurde 
auch  früher  schon  angenommen,  doch  waren  die  in  den  Urkunden  nicht 
zahlreich  vorliegenden  Fälle,  in  denen  der  Denar  ausdrücklich  genannt 
wird,  meist  beschränkt  auf  speziell  römische  Kreise  (Soldaten,  Beamte  usw.).^) 
In  viel  weiterem  Umfange  hat  Mommsen  ein  Kursieren  des  Denars  an- 
genommen, indem  er  die  These  aufstellte,  daß  der  Denar  auch  da  gemeint 
sei,  wo  von  άργνρίον  δραχμαί  gesprochen  werde.  Dies  hat  er  in  seinem 
grundlegenden  Aufsatz  .,Zum  ägyptischen  Münzwesen"  (Arch.  I  273 ff.)  be- 
gründet.*) Nach  dieser  These,  die  bisher  noch  nicht  widerlegt  worden  ist, 
würde  sich  die  Entwicklung  des  Münzwesens  in  der  Kaiserzeit  etwa  fol- 
gendermaßen darstellen. 

Augustus  fand  in  Ägypten  silberne  Tetradrachmen  vor  (die  Drachme  im 
Normalgewicht  von  3,57  Gramm)  und  Kupferdrachmen,  diese  in  der  starken 
Entwertung,  die  soeben  dargelegt  wurde.  Während  Kupferdrachmen  auch 
jetzt  weiter  geprägt  ΛvuΓden*),  sistierte  Augustus  die  Prägung  der  Silber- 
münzen, weil  er  —  nach  Mommsen  —  den  Reichsdenar,  der  mit  3,90  Gramm 
damals  jener  Silberdrachme  einigermaßen  entsprach,  mit  Legalkurs  in 
Ägypten  zirkulieren  ließ.  Er  verschleierte  aber  absichtlich  diese  Romani- 
sierung  und  ließ  den  Denar  vielmehr  als  αργυρίου  (eventuell  auch  Σε- 
βαότου)  δραχμή  bezeichnen.  So  kursierten  also  zur  Zeit  des  Augustus  an 
Silbergeld  nebeneinander  die  ptolemäischen  Silbertetradrachmen  imd  der 
römische  Silberdenar.  Die  Papyrusurkunden  haben  uns  gezeigt,  daß  das 
Πτολεμαικον  νόμιομα  noch  lange,  bis  zum  Ende  des  III.  Jahrb.,  im  Um- 
lauf gewesen  ist.^)  Für  die  (ungefähre)  Gleichwertigkeit  mit  dem  Denar 
spricht  der  Ausdruck:  αργυρίου  Σεβαοτοϋ  καΐ  Πτολεμαικοϋ  νομίόματος 
δραχμή.^) 

Tiberius  hat  dann  im  J.  19/20  die  wichtige  Reform  eingeführt,  daß 


1)  Über  die  kaieerlicbe  Prägung  in  Alexandrieu  vgl.  R.  Stuart  Poole,  Cata- 
logue  of  the  coius  of  Alexandria  and  the  nomes,  Lond.  1892.  Auch  die  sugenaunton 
GaumOnzen  sind  in  Alexandrien  geprägt  worden. 

2)  Vgl.  meine  Griech.  Ostraka  Γ  736  f.    Mommsen,  Arch.  1274  Α    i 

8)  Zugestimmt  hat  z.  B.  v.  Premerstein,  Kilo  111  9.  Vgl.  andrerHeiU  Huitech, 
Pauly-WiHe.  V  lß2i)ff.  AIh  eine  noch  nirht  endgültig  gelöste  Kontroverse  bezeichnet 
es  Rostowzew,  Pauly-WiKH.  VII  144. 

4)  Und  zwar  in  demeelben  geringen  Wert.  Auch  für  die  Kaisereeit  ist  durch 
Oxy  II  242  f.  und  Lond.  II  S.  233  dne  VerhiiltniM  460  :  1  und  600  :  1  bezeugt.  Vgl. 
Mommsen  1.  c.  278  A.  2.  Und  zwar  ϊηΙ  nach  Mommsen  diese  δραχμή  χαΧχοΐ^  ηρός  αρ- 
γύρων von  J^  (Oxy.  1.  c.)  zur  iJonarrochnung  in  Beziehung  gesetzt,  wie  ja  schon  das 
αργύρων  zeigt,  indem  der  Denar  als  Tetrudrachmon  »  1800  (resp.  bei  ^  «t  2000) 
Kupferdrachmen  genichnet  wurde.     S.  unten. 

Γι;  Vgl.  meine  (Jriech.  Oetruka  I  728.  Meine  Darlegungen,  in  denen  ioh'noch  die 
((ργνρίυν  (oder  Σ^(ίαατού)  δραχμι^  für  das  Billongeld  hielt,  sind  durchweg  nach  Momm- 
lens  Aufsatz  zu  korrigieren. 

β;  Vgl.  Mommsen  8.  S76  und  276  A.  1. 

Mut^t■ΛVllok•D:  OniniUOire  I.  0 


LXVI  Einleitung. 

er  zur  Prägung  von  Tetradrachmen,  wenn  auch  nicht  in  Silber,  so  doch 
in  Billon  überging.  Diese  Billontetradrachmen,  die  bestenfalls  zu  drei  Vier- 
teln aus  Kupfer  bestanden,  kamen  an  Gewicht  ungefähr  den  alten  Silber- 
tetradrachmen von  14,28  Gramm  gleich,  an  Silbergehalt  aber  entsprachen 
sie  dem  römischen  Denar  von  3,90  Gramm.  Von  nun  an  galt  daher  die 
ägyptische  Drachme  =  ^  Denar.  So  liefen  denn  jetzt  —  abgesehen  von 
den  ptolemäischen  Silberstücken  —  die  römischen  Denare  und  die  ägyp- 
tischen Billontetradrachmen  nebeneinander  her.  Die  Regierung  gab  aber 
jenem  einen  Vorzugskurs,  indem  der  Denar  28  resp.  29  Münzobolen  gleich- 
gesetzt wurde,  das  Billontetradrachmon  aber  nur  24.  So  ist  mit  Mommsen 
die  Umrechnung  von  Münzen  χαλκού  in  Münzen  άργνρίον  in  Lond.  I 
S.  170  ff.  zu  deuten.  In  den  χαλκού  sieht  er  hier  die  Billonmünzen,  in  den 
άργνρίον  die  Denare.  Und  hier  wird  ausdrücklich  gesagt,  daß  auf  das  άργν- 
ptov-Tetradrachmon  28  resp.  29  Obolen  gehen  (also  auf  die  Drachme  7  resp. 
7^),  während  das  ;^αλκo^>-Tetradrachmon  deren  24  hat  (also  die  Drachme 
6).  Dasselbe  besagt  das  metrologische  Fragment  Oxy.  I  9  Verso  (S.  77): 
&χί  χαλκεινη  όβολονς  ζ  . . .  έχει  δραχμή  όβολονς  iitxa  J.  Die  BiUondrachme 
wird  zu  6  Obolen,  die  andere  Drachme  (das  ist  die  Drachme  des  Denar- 
Tetradrachmons)  zu  7  Obolen  angesetzt.  Tatsächlich  haben  wir  in  den 
Papyrusurkunden  schon  vor  diesen  Aufschlüssen  Drachmen  zu  6  Obolen 
und  solche  zu  7  (resp.  7^)  Obolen  nachweisen  können,  nur  hatten  wir  sie 
anders  gedeutet.^)  So  klar  die  Grundgedanken  der  Mommsenschen  Theorie 
sind,  schwierig  bleibt  oft  im  Einzelfall  die  Anwendung.  Sicher  sind  wir 
nur,  wenn  die  Drachme  als  άργνρίον  ausdrücklich  bezeichnet  wird.  Dann 
liegt  Denarrechnung  vor.  Wenn  aber  nur  δραχμή  gesagt  ist,  entsteht  die 
Unsicherheit.  Meistens  wird  wohl  Billongeld  gemeint  sein,  aber  daß  auch 
Denare  gemeint  sein  können,  zeigt  die  lateinische  Soldrechnung  in  Gen. 
lat.  1,  wo  einfach  nach  Drachmen  gerechnet  ist  und  doch,  wie  Mommsen 
gezeigt  hat,  sicher  Drachmen  zu  7|-  gemeint  sind,  also  Denarrechnung  vor- 
liegt.^) Auch  bezeichnet  der  Metrologe  in  dem  obigen  Zitat  die  höhere 
Drachme  einfach  als  δραχμή.  Andrerseits  ist  die  Bezeichnung  des  Billon- 
geldes  als  χαλκού  (oder  χαλκίνη)  ganz  selten,  was  sich  daraus  erklärt,  daß 
hiermit  in  der  Regel  die  oben  erwähnten  Kupferdrachmen  bezeichnet  wer- 
den.^) Also  im  Einzelfalle  wird  man  oft  zu  einer  positiven  Entscheidung 
nicht  kommen  können  (Mommsen  S.  281f.). 

Die  Herrschaft  Diokletians  ist  auch  für  das  Münzwesen  Ägyptens 
von  tief  einschneidender  Bedeutung  gewesen,  indem  er  Alexandrien  das 
alte  Vorrecht  der  eigenen  Münze  genommen  hat.  Seit  dem  Epochenjahr 
297   (s.  unten  S.  68)  wurde  hier  kein  Provinzialgeld  mehr  geprägt,   son- 

1)  Vgl.  meine  Griech.  Ostraka  I  732.  2)  Mommsen  S.  277. 

3)  Ygl.  z.  B.  noch  Teb.  II  S.  341  (II.  Jahrh.},  wo  300  Kupferdrachmen  auf  1 
Silberdrachme  gerechnet  werden. 


§  9.    Zur  Metrologie.  LXVIl 

dem  nur  noch  Reichsmünze  mit  lateinischen  Stempeln.  Nach  den  mannig- 
fachen Münzreformen  des  Diokletian^)  hat  dann  Constantin  durch  die 
SchaflPung  des  Solidus  (=  }^  Pfund  Gold)  zu  24  Siliquae  eine  neue  dauer- 
hafte Basis  geschaffen.  Die  Papyri  haben  uns  aber  gezeigt,  daß  in  Ägypten 
sich  dieses  neue  System  erst  seit  dem  V.  Jahrh.  durchgesetzt  hat.  Bis 
dahin  hat  man  wie  vorher  in  der  Hauptsache^)  nach  Drachmen  gerechnet. 
Aber  diese  Drachmen  zeigen  jetzt  eine  ganz  ungeheure  Entwertung,  so 
daß  überhaupt  noch  selten  von  einzelnen  Drachmen,  vielmehr  meist  von 
Talenten  oder  Tausenden  von  Drachmen  gesprochen  wird.  C.  Wessely 
hat  kürzlich  in  einer  verdienstvollen  Studie  ein  reiches  Material  zusammen- 
gestellt, das  uns  zeigt,  in  wie  exorbitanter  Weise  seit  Diokletian  die  nach 
Talenten  und  Drachmen  berechneten  Preise  für  Lebensmittel,  Löhne  usw. 
gestiegen  sind.^)  Er  hat  weiter  gezeigt,  wie  dann  seit  der  Mitte  des 
IV.  Jahrh.  bei  dem  beständigen  Sinken  des  Drachmen  wertes  die  Drachmen 
(oder  wie  man  auch  sagt,  die  Denare)  nicht  zu  Talenten,  sondern  zu  Myri- 
aden zusammengefaßt  wurden.  Auch  im  VL  und  VII.  Jahrh.  begegnet 
noch  gelegentlich  die  Rechnung  nach  Myriaden,  jetzt  auch  κέρματος  μυ- 
ριάδες genannt,  mit  immer  sinkendem  Wert  gegenüber  dem  Goldsolidus, 
aber  sie  erscheinen  jetzt  seltener,  denn  seit  dem  V.  Jahrh.  hat  sich  nun 
die  Rechnung  nach  Solidi  (νομίαματα)  und  Siliquae  (κεράτια)  durchgesetzt. 
Zu  der  umstrittenen  Frage,  wie  die  etwa  seit  dem  VI.  Jahrh.  hinter  den 
Solidussummen  begegnenden  Wendungen  wie  παρά  κεράτια  δύο  ο.  ä.  zu 
deuten  sind,  vgl.  Kubitschek,  Wien.  Num.  Z.  XXIX  S.  166  ff.  Für  seine 
Auffassung,  wonach  das  παρά  die  Subtraktion  andeutet,  scheint  mir  die 
Rechnung  Cair.  Cat.  67056  zu  sprechen. 

Der  Solidus  mit  seinen  Keratien  ist  dann  auch  in  die  arabische 
Zeit  hinübergegangen.  Über  den  Unterschied  der  έχόμενα  und  der  άρ(^^μιa 
νομίσματα  dieser  Periode  vgl.  Bell,  Lond.  IV  S.  84  f. 

§  9.    ZUR  METROLOGIE. 

Die  Papyrusuikuiiden  enthalten  so  viele  Maßbestimmungen,  daß  zur 
Interpretation  der  Texte  eine  Orientierung  über  die  in  Ägypten  damals 
vorkommenden  Maße  unerläßlich  ist.  Ein  kurzer  Überblick  über  die 
wichtigsten  metrologischen  Tatsachen  ist  hier  um  so  nötiger,  als  durch 
die  neuen  Aufschlüsse  der  l^apyri  die  älteren  Darstellungen,  auch  die  ent- 
sprechenden Abschnitte  in  dem  grundlegenden  Handbuch  von  Fr.  Hultsch*). 
völlig  veraltet   sind.    Auf  Grund   der   neuen  Aufklärungen   durch   Papyri 

1     Vgl.  Si'cck,  VüU1τ^ζnu^ζ  d.  antiken  Welt  Π  2Ϊ6  ΙΓ. 

2>  Zu  dem  /uwief^i-n  tloH  M<'tallo^  nach  Gewicht  (Αύρηι,  ού/χιαι,  γ^ύμμαχά)  Tgl. 
Lip•.  62  (1H8)  und  dar.u  Mitt«•!"'  K'.nimi'titar.    V^l.  jrtzt  auch  Thoa<l,  a;» 

8)  Wewely,  Ein  Altn  im   ΙΜμΙο^ι-Ιομ  <Sit/..  Wim.   Aka.l.   liil  [1904],  6). 

4)  Griechiiche  und  r-i  -Ltrulogi»•,  *J.  Aull.   Ihsy 

β• 


LXVin  Einleitung. 

und  Ostraka  habe  ich  in  meinen  Griechischen  Ostraka  I  738  ff.  eine  Dar- 
stellung unseres  damaligen  Wissens  zu  geben  versucht.  Durch  das  inzwischen 
neu  hinzugekommene  Material  ist  einzelnes  hiervon  modifiziert  worden, 
während  anderes  seine  Bestätigung  gefunden  hat.  Auch  auf  diesem  Ge- 
biet gibt  es  noch  viele  schwierige,  ungelöste  Probleme. 

1.  Die  Hohlmaße. 
A.  Die  Trockenmaße. 

Das  Kornmaß  Ägyptens  ist  die  aus  Persien  stammende^)  άρτάβη. 
Während  wir  früher  auf  Grund  der  metrologischen  Literatur  für  die  Pto- 
lemäerzeit  mit  einer  Artabe  von  4-^  römischen  Modien  (=  39,39  Litern) 
und  für  die  Kaiserzeit  mit  einer  jüngeren  Artabe  von  3^  Modien  (=  29,18 
Litern)  rechneten^),  stehen  wir  jetzt  vor  einer  verwirrenden  Fülle  der  ver- 
schiedensten Artaben.  Die  Urkunden  haben  uns  gelehrt,  daß  es  gleich- 
zeitig mehrere  Artaben  mit  verschiedenem  Inhalt  gegeben  hat.  Wie  ich  in 
den  Griech.  Ostraka  I  741  gezeigt  habe,  war  „Artabe"  nur  eine  allgemeine 
Bezeichnung  für  ein  Trockenmaß,  das  an  der  Spitze  eines  Systems  stand. 
Die  konstante  Größe  war  nicht,  wie  wir  früher  annahmen,  die  Artabe, 
sondern  die  Choinix,  aus  deren  Multipla  sich  die  Artaben  zusammensetzten, 
deren  absolute  Größe  aber  leider  nicht  genau  feststeht.  Ich  war  bei  meinem 
Berechnungsversuch  1.  c.  747  nach  Hultsch  von  der  Annahme  ausgegangen, 
daß  die  Choinix  sich  nicht  allzuweit  von  einem  modernen  Liter  entfernt 
habe,  und  das  wird  wohl  auch  richtig  sein,  aber  die  exakte  Berechnung 
ist  noch  zweifelhaft.^) 

Für  die  Ptolemäerzeit  habe  ich  1.  c.  Artaben  von  40,  30,  29^),  26 
und  24  Choinikes  nachgewiesen.  Dazu  kam  inzwischen  aus  den  Tebtynis- 
texten  als  das  offizielle  Hauptkornmaß  eine  Artabe  von  36  Choinikes.  Λ^g\. 
Grenfell-Hunt,  P.  Teb.  I  S.  44,  die  dies  offizielle  Maß  mit  dem  δοχικον 
μ,ετρον^)  gleichsetzen,  das  sich  zu  dem  d^dftog-Maß  (dem  auf  dem  δρόμος 
der  Tempel  gebrauchten)  wie  6  :  7  verhielt. 

Für  die  Kaiserzeit  nennt  das  metrologische  Fragment  Oxy.  19  Verso  8 
eine  Artabe  von  40  Choinikes,  die  uns  inzwischen  in  Oxy.  VH  1044 
(II./III.  Jahrh.)  im  praktischen  Gebrauch  entgegengetreten  ist,  und  die 
nach  GrenfeU-Hunt  wahrscheinlich  auch  dort  vorliegt,  wo  die  seltene  Tei- 
lung in  ^  und  ^  begegnet  wie  in  Fay.  101  (s.  unten).  Außerdem  wies 
ich  1.  c.  aus  einem  Ostrakon  eine  Artabe  von  24  Choinikes  nach.  Zu  wei- 
teren Berechnungen  von  Artaben  zu  42  usw.  Choinikes  verweise  ich  auf 
Grenfell-Hunt,  Teb.  I  S.  232  f. 

1)  Vgl.  meine  Griech.  Ostraka  I  738  f.  2)  Griech.  Ostraka  I  740. 

3)  Vgl.  Hultsch,  Arch.  II  283  iF. 

4)  Diese,  damals  noch  unsicher,  inzwischen  bestätigt  durch  Hib.  85. 

5)  Vgl.  Par.  66,  26  (385). 


§  9.     Zur  Metrologie.  LXIX 

Abgesehen  von  solchen  Choinikes-Berechnungen  habe  ich  in  den  Gott. 
Gel.  Anz.  1894,  743  aus  Lond.  I  S.  192  fi.  für  das  IV.  Jahrh.  für  die  Ge- 
gend von  Hermonthis  (Thebais)  ein  Nebeneinander  von  drei  verschiedenen 
Maßen  nachgewiesen,  dem  ^'ηόανρίκον  μετρον^  dem  φοριχον  μετρον  (Pächter- 
maß) und  einem  nicht  benannten,  und  zwar  in  dem  Verhältnis:  Pächter- 
maß :  thesaurisch.  Maß  =9:7,  Ungenanntes  Maß  :  thesaurisch.  Maß  = 
25  :  24.^)  Hierzu  sind  wichtige  neue  Aufschlüsse  hinzugekommen  durch 
Lips.  97,  der  aus  derselben  Zeit  und  demselben  Lokal  stammt.  Hier  fan- 
den sich  nicht  nur  diese  drei  Maße  wieder  (das  Unbenannte  hier  als  το 
όημόόιον  bezeichnet),  sondern  außerdem  ein  μέτρου  μοδιών^  das  Mitteis 
als  die  sogenannte  jüngere  Artabe  von  S-J  Modien  erklärte.  Hierdurch 
wurde  zugleich  die  Annahme  von  Hultsch  (Fleckeis,  Jahrbb.  1.  c),  dem  ich 
gefolgt  war,  daß  die  thesaurische  Artabe  diese  ,Jüngere  Artabe"  gewesen 
sei,  als  irrig  erwiesen.  Ich  muß  hier  auf  die  ausführlichen  Darlegimgen 
von  Mitteis,  P.  Lips.  S.  250 ff.  verweisen. 

Andrerseits  ist  wichtiges  neues  Material  durch  Lond.  II  S.  257  ff. 
hinzugekommen,  eine  Anleitung  zum  Umrechnen  der  verschiedenen  Maß- 
systeme (I.  Jahrh.  n.  Chr.).  Hier  werden  nicht  weniger  als  6  Artabensorten 
unterschieden:  δρόμω^)^  γβλκώ^  άνηλωτικω^  Φιλίτίτΐον^  Γάλλου^  Έρμον. 
Ken  von  hat  in  seiner  Einleitung  dargelegt,  daß  hiervon  das  d^o'uog- Maß 
etwa  dem  φορικόν  der  Jüngern  Texte  entspricht,  das  χαλκω^)  dem  0-)^- 
αανρικω,  das  Maß  Έρμον  dem  Unbenannten  (jetzt  Οημόόων).  Weitere  wich- 
tige Ausführungen  haben  hierzu  Grenfell-Hunt,  Teb.  I  S.  232  f.  gebracht, 
indem  sie  versucht  haben,  den  Choinix- Inhalt  der  einzelnen  Artaben  zu 
berechnen. 

Bei  dieser  Fülle  der  Systeme  sind  die  Artabenangaben  unserer  Papyri 
für  uns  meist  unberechenbar,  falls  nicht  ausdrücklich  gesagt  ist,  welches 
System  gemeint  ist,  und  auch  dann  läßt  sich  der  Inhalt  nur  in  manchen 
Fällen  genau  berechnen. 

Die  Teile  der  Artabe  werden  teils  in  Brüchen,  teils  in  Choinikes-Summen 
au.sgedrückt,  doch  kommt  vielfach  eine  Kombination  von  beiden  Arten 
vor.  Als  Bmchteile  der  Artabe  begegnen  einerseits  4^,  i,  i  (nicht  weiter 
~  uHw.!)  andrerseits  {,  |,  ^*,,  ^^^,  ^  usw.*)  Wahrscheinlich  entsprechen  diesen 
Brüchen  konkrete  Einzelmaße.^)  Es  ist  für  den  Papyrusforscher  praktisch 
von  Wert,  sich  diese  Bruchreihe  |,  |,  ^^  usw.  als  charakteristisch  für  die 
Artabe  zu  merken,  im  Gegensatz  zu  der  Reihe  \f  |,  •|,  ^,,  ^  usw.,  die  für 

1)  Vgl.  Griech.  Oitraka  I  746  und  Hultech,  Fleckeie.  Jahrbb.  1806,  %,  S.  81  tf. 

2)  Meine  Beziehung  des  d^d^o^Maßes  auf  den  ^ρόμο;  der  Tempel  (Qr.  Ostraka 
1771)  iii  inKwiichcn  durch  die  TebtjDiiiexte  bcsUtigt  worden,  vgl.  (trenfell  -  Hunt, 
Teb.  I  8.  282. 

8)  lat  dicaes  nicht  —  gerade  wegen  dieser  Qleiohung  —  all  da•  broDiene  Normal- 
πίλβ,  da«  χαλ%ο{>ν  aufzufafaen?    Vgl.  unten  p.  LXX. 

4)  Vgl.  Griech.  Oairaka  I  740.  6)  Vgl  Oriech.  Oatraka  I  760. 


LXX  Einleitung. 

das  Flächenmaß,  die  Arure,  charakteristiscli  ist.  In  zahlreichen  Fällen, 
namentlich  bei  fragmentierten  Stücken,  ist  die  Kenntnis  dieser  Tatsachen 
ein  Avichtiges  Hilfsmittel  für  die  Interpretation. 

Daß  diese  Fülle  verschiedener  Maße  mit  demselben  Namen  Artabe 
im  praktischen  Verkehr  große  Unzuträglichkeiten  mit  sich  brachte,  ver- 
steht sich  von  selbst.  Mit  welchem  Maß  die  staatlichen  Lieferungen  zu 
messen  waren,  wurde  natürlich  —  genereU,  oder  eventuell  auch  noch  im 
Einzelfall  —  bekannt  gegeben.  Die  Regierung  scheint  überall  in  den  Städten 
und  Dörfern  des  Landes  bronzene  geaichte  Normalmaße  (χαΧχα)  aufgestellt 
zu  haben,  mit  denen  im  Einzelfall  das  Einzelmaß  vor  der  Messung  ver- 
glichen werden  mußte.  Darauf  führen  Wendungen  in  den  Nauklerosquitt- 
ungen  wie:  μετρώ  δοχικώί  τω  6νμβεβλημενωυ  nQbg  το  χαλκονν  καΐ  6κν- 
τάλψ  δικαίαι'^)^  wo  mit  der  ΰκντάλη  das  Abstreicheholz  gemeint  ist.^) 
Für  die  Allgemeinheit  dieser  Einrichtung  spricht  die  Verordnung  des  Euer- 
getes  IL  vom  J.  118,  in  der  für  die  Anwendung  falschen  Maßes  die  Todes- 
strafe verfügt  wird.  Da  heißt  es  (Teb.  I  5,  85):  μίξοΰο  με[τ]ροίς  [πα]ρά  τά 
εν6(^τα%'μ(ί}  εν  εκάύτωυ  νομώι  ά7ίοδεοει[γμε]να  χα(λκα)  κτλ.  Wie  vorsichtig 
die  Naukleroi  vorgingen,  zeigt  wohl  am  besten,  daß  sie  sich  vielfach  ihr 
eigenes  Maß  aus  Alexandrien  mitnahmen,  um  sich  mit  diesem  in  der  χώρα 
das  Korn  vermessen  zu  lassen.   Vgl.  meine  Note  zu  441,  20,  auch  443,  12. 

Noch  schlimmer  wirkte  die  Unsicherheit  im  privaten  Verkehr.  Ich 
habe  in  den  Griech.  Ostraka  I  770  Beispiele  dafür  vorgelegt,  daß  hier 
schließlich  nur  das  individuelle  Maß  galt.  In  den  Verträgen  wird  ange- 
geben, mit  welchem  konkreten  Einzelmaß  die  Lieferung  gemessen  werden 
soU.  Vielfach  wird  das  Maß  als  das  dem  einen  Kontrahenten  oder  einer 
sonstigen  Persönlichkeit  des  Ortes  gehörige  bezeichnet  oder  als  dasselbe 
Maß,  mit  dem  man  (bei  Darlehn)  die  Lieferung  empfangen  hat  ((ω  τΰαρεί^ 
ληφεν  oder  ΛαραλημπτίκόνΥ) ,   oder  als  das  Maß  des  Gottes  des  Dorfes.^) 

Seit  Justinians  Zeit  begegnet  mehrfach  ein  Getreidemaß,  das  als  καγ- 
κελλον  oder  καγκελλω  άρ(τάβη)  bezeichnet  wird.  Daß  dies  nichts  mit  dem 
lateinischen  canceUus  oder  canceUarius  zu  tun  hat,  sondern  das  persische 
Qanqalmaß  ist,  hat  Becker,  Heid.  III  1  S.  32  gezeigt. 

An  sonstigen  Trockenmaßen  nenne  ich  noch  das  μάτιον^  mit  dem 
z.  B.  Nüsse  u.  dgl.  gemessen  werden  (vgl.  Griech.  Ostraka  I  751  f.).  Palm- 
zweige werden  nach  Bündeln  (δεΰμαι)  gemessen  (Griech.  Ostraka  I  757)^ 
Spreu  nach  Wagenlasten  (άγωγαί  oder  γόμοί)  (1.  c.  754)  oder  Pfunden. 
Aber  auch  Getreide  kann,  abgesehen  von  den  Artaben,  nach  Esellasten  (ovoi) 


1)  Vgl.  z.  B.  Lille  21  ff.  (189).  2)  Vgl.  279  Note  5. 

3)  Meine  Deutung  des  letztern  Ausdrucks  in  Gr.  Ostraka  I  772  war  irrig. 

4)  Wie  hier  dem  Maß  im  Tempel  eine  besondere  normative  Bedeutung  zuerkannt 
wird,  so  bat  später  Justinian,  Nov.  128,  15  verfügt,  daß  die  echten  μέτρα  und  οταϋ'μά 
in  der  Kirche  jeder  Stadt  aufbewahrt  werden  sollen. 


:(*{ 


§  9.    Zur  Metrologie.  LXXI 

oder  Säcken  (όάκκοί)  gemessen  werden,  auf  die  in  der  Regel  3  Artaben 
Weizen  gerechnet  werden  (Griech.  Ostraka  I  754). 

B.  Flüssigkeitsmaße. 
Die  Papyri  haben  uns  gelehrt,  daß  es  auch  für  die  Flüssigkeiten 
gleichnamige  Maße  verschiedenen  Inhalts  gegeben  hat.  So  schreibt  der 
Revenue-Papyrus  den  μετρητής  οωδεκάχονς  für  OUieferungen  und  den  με- 
τρητής οκτάχονς  für  Weinlieferuugen  vor.  Ich  habe  hieraus  in  den  Griech. 
Ostraka  I  757  den  Schluß  gezogen,  daß  ähnlich  wie  bei  der  Artabenrech- 
nung  die  χοΓνιξ,  so  bei  der  Metretesrechnung  der  χους  (zu  12  Kotylen) 
die  konstante  Größe  ist.  Weiter  läßt  sich  jetzt  mit  Hilfe  von  Magd.  26 
kommen,  wo  in  Z,  3f.  nach  meiner  Revision  (Arch.  IV  53)  zu  lesen  ist: 
άποδόμενος  ημίν  οί'νον  κεράμια  ρκ»,  ων  ί^άχοα  μεν  ο/3,  πεντάχοα  οε  ro, 

εκαοτον  μετρψην  τον  ζ  χ  {=  εξάχονν)  {δραχμών)  ιδ.  Aus  den  letzten 
Worten  ergibt  sich  einmal,  daß  es  auch  einen  Metretes  zu  6  Chus  (als 
Weinmaß)  gegeben  hat.  Viel  wichtiger  ist  aber,  was  m.W.  bisher  nicht  her- 
vorgehoben wurde,  daß  der  Text  die  Gleichung  von  μετρητής  und  κεράμιον 
ergibt,  denn  daß  der  μετρητής  έζάχονς  hier  dasselbe  sein  muß  wie  das 
vorhergenannte  κεράμιον  έξάχονν,  kann  nicht  bezweifelt  werden.^)  Damit 
ist  die  vielbehandelte  Streitfrage  nach  dem  Umfang  des  κεράμων^  in  dem 
wir  früher  ein  besonderes  (Wein)maß  gesehen  haben-),  gelöst:  κεράμιον 
ist  nur  ein  anderer  Name  für  μετρητής.  Daß  es  Keramien  verschie- 
denen Inhalts  gab,  hatte  inzwischen  schon  Smyly  aus  Petr.  III  S.  196 f. 
gezeigt,  wo  Keramien  zu  5,  6,  7  und  8  Chus  auftreten.  Die  zu  5  und  6  be- 
gegnen auch  in  dem  P.  Magd.  26.  Wir  kennen  also  jetzt  μετρηταί  resp. 
κεράμια  zu  5, 6,  7, 8  und  12  Chus.  Die  Unsicherheit  im  Verkehr  muß  hier  eine 
ähnliche  wie  bei  den  Trockenmaßen  gewesen  sein.  Der  Revenue -Papyrus 
zeigt,  wie  die  Regierung  sich  sicherte,  der  Magd.  26,  wie  man  im  Privat- 
verkehr —  die  Angabe  geht  hier  offenbar  auf  den  Kaufvertrag  zurück  — 
durch  Angabe  der  Chus  sich  Sicherheit  verschaffte. 

Zu  den  sonstigen  Flüssigkeitsmaßen,  dem  κονρι  und  dem  δίχωρον^ 
τρίχωρον^)  usw.  sowie  dem  römischen  ξ^οτης  (sextarius),  den  διπλά  usw. 
verweise  ich  auf  die  Griech.  Ostraka  I  763  ff.  Von  Interesse  sind  die  eben- 
dort  S.  765  ff.  von  mir  nachgewiesenen  Flüssigkeitsmaße,  die  nach  auslän- 
dischen Städten  benannt  sind,   wie  das  Κολοφώνιον,  ΚιΊδιον^  Wdioi',  die 

1)  Die  Petenten  beschränken  eich  begreiflicbcrweiee  aaf  die  Angabe  de•  Preieet 
fiir  (iae  eine  Maß,  denn  damit  war  der  Preie  für  den  Chu•  fettgettellt,  und  daiier  der 
i'n  Im  auch  für  dag  and(>re  Maß  irnpli%iUi  gegeben.  Diet  seigt  recht  deutlich,  daß  der 
Chui  die  koiiHtante  iiröße  war. 

•J,  Vgl.  Oricrh.  Ontraka  I  7rtO  tF. 

3  Hi»?r7.u  MJnd  wohl  aucli  die  ύ^ιχΐχωρα  %\x  stellen,  die  mir  inzwischen  in  nn- 
odiertiin  Oetraka  begegneten.    Wahrschiilulich  iet  das  auf  8.  7ββ  meiner  ür.  Ostraka  1 

X  2 

l»(>fiprocheDe  ad^o  in  ud^n  zu  Andern 


LXXII  Einleitung. 

übrigens  erst  in  der  Kaiserzeit  und  meist  der  Jüngern  Periode  vorkommen.^) 
Inzwischen  fügte  ich  das  '^^^καλώί^^οί/  hinzu  (Arch.  V  297)  und  W.  Otto^) 
das  Σαΐτιον}) 

2.  Die  Flächenmaße. 

•  Das  Feldmaß  der  Ägypter  ist  die  Arure  («ρονρα,  „Ackerland"),  ein 
Quadrat,  dessen  Seite  100  ägyptische  Ellen  sind.  Mit  Zugrundelegung  der 
königlichen  Elle  von  0,525  m  beträgt  die  Arure  daher  2756  qm/)  Dieses 
Maß  ist  durch  alle  Jahrhunderte  unverändert  geblieben.  Als  Bruchteile 
sind  nachweisbar  |,  \,  |,  ^,  ^^,  i,  -jfg-,  ^^^^,  j^,  außerdem  -|.  Vgl.  Griech. 
Ostraka  I  775,  wo  auch  über  das  zweifelhafte  -^^  gesprochen  ist.  Während 
die  Felder  in  der  Regel  nach  Aruren  vermessen  werden,  hatte  man  für 
andere  Zwecke  den  7tfi%vg  οίκοπεδίχός,  den  Amadeo  Peyron  als  ein  Recht- 
eck bestimmt  hat,  dessen  Langseite  100  Ellen,  dessen  Schmalseite  1  EUe 
beträgt,  also  ^J^-  Arure.^)    Dies  ist  jetzt  glänzend  bestätigt  worden  durch 

das  metrologische  Fragment  Oxy.  IV  669,  9 f.:   [δ ]  .  g  <o>t- 

κοπεδικος  Ληχίς  £[%6C  έμβαδικονς  π'ή'\χ^£  Q,  d.  h.  der  οίκοτίεδίκος  τνηχυς  hat 
100  QuadrateUen. 

3.  Raummaße. 
Als  Kubikmaß,  nach  dem  die  bei  den  Erdarbeiten  fortzuschaffenden 
Erdmassen  berechnet  wurden,  begegnet  das  Naubion  (yavßiov),  das  in  der 
Ptolemäerzeit  =  2  königlichen  EUen  im  Kubik,  in  der  Kaiserzeit  =  3 
königlichen  Ellen  (=  1  Ινλον)  im  Kubik  war.  Vgl.  unten  S.  330,  334,  336. 
Das  άωίλιον  der  Ptolemäerzeit  fällt  mit  dem  vavßiov  zusammen. 

1)  Meine  Berechnungen  des  Inhaltes  des  Κολοφώνιον  sind  mir  zweifelhaft   ge- 
worden.   Das  Kvidiov  berechnet  Wessely  auf  5  letxrat  (Sitz.  Wien.  Atad.  149,5,  S.  28). 

2)  Aeg.  Z.  41,  91  f  3)  Vgl.  Thumb,  Arch.  III  448. 

4)  Griech.  Ostraka  I  775. 

5)  Vgl.  Griech.  Ostraka  I  779. 


KAPITEL  Ι. 

ALLGEMEINE  HISTORTSCHE  GRUNDZÜGE. 

Mit  Alexander  dem  Großen  beginnt  diejenige  Periode  der  alten  Ge- 
schichte, die  durch  die  Papyrusurkunden  neues  Licht  erhält.  Von  der 
Zeit  des  Ptolemaios,  des  „Satrapen"^),  bis  in  die  Zeit  der  Chalifen,  von  der 
Begründung  des  Hellenismus  in  Ägypten  bis  zur  letzten  Verdrängung  der 
griechischen  Sprache  durch  das  Arabische  und  Koptische,  über  einen  Zeit- 
raum von  etwa  1300  Jahren^)  erstreckt  sich  dieses  innerhalb  der  antiken 
Tradition  ganz  einzig  dastehende  archivalische  Material.  Es  kann  uns 
helfen,  manche  Fragen  jenes  gewaltigen  hellenistischen  Kulturproblems, 
wie  es  einst  der  jugendliche  J.  G.  Droysen  als  Tagewerk  seines  Lebens  in 
kühnen  Strichen  entworfen  hatte  ^),  tiefer  zu  erforschen,  nicht  minder  die 
wirtschaftliche  und  rechtsgeschichtliche  Entwicklung,  die  ihm  ferner  lag. 
Die  einzelnen  Seiten  des  antiken  Lebens,  die  durch  die  Papyri  Licht  er- 
halten, sollen  in  den  folgenden  Kapiteln  dieses  Bandes  sowie  in  dem  IL 
von  Mitteis  gearbeiteten  rechtsgeschichtlichen  Bande  zur  Darstellung  kommen, 
soweit  die  bisherige  Durcharbeitung  des  riesigen  Stoßes,  mit  dessen  Be- 
wältigung wir  erst  im  Anfang  stehen,  es  gestattet.  Hier  aber  im  L  Kapitel 
soll  versucht  werden,  die  allgemeinen  historischen  Grundzüge,  die  die  ge- 
meinsame Voraussetzung  für  jene  Einzeluntersuchungen  bieten,  in  der  hier 
gebotenen  Kürze  zu  zeichnen.  Im  besonderen  sollen  hier  die  Regierunge- 
Systeme,  die  allgemeinen  Züge  der  Verwaltung  von  Stadt  und  Land, 
andrerseits  das  Verhältnis  der  Regierungen  zu  den  verschiedenen  Natio- 
nalitäten und  dieser  untereinander  skizziert  werden.  Die  äußere  Geschichte 
dee  Landes,  die  von  den  bisher  edierten  Papyri  nur  sporadisch   berührt 


1)  Die  älteste  genau  datierte  Urkunde  stammt  vom  Jahre  811  (Eleph.  1). 

2)  Die  letzten  Anwendungen  dcH  Griechischen  fallen  in  da«  X.  Jahrhnnderl 

8)  Vorwort  z.  (ieKch.  d.  HcllenismuH  (1886):  „die  VencbmelzuDg  der  Religionen 
und  Kulte,  die  TheokraHie  und  Tbeosophie,  seinen  Unglauben   und  Aberglauben  bis 
7,1•.,  iMt/t^n  V'T-rhwinden  dee  hollcnistiHcben  Hoidentumi  ~  die  Umformung  der  all- 
•   ;.  I  ^r  und  der  Hpexicllen  Wi^eenirbaften,  der  sittlichen  Verhältnisse  und 

licfi  \  •MK>:i\<Mkciirg  bis  zum  Siege  der  OHÜieheu  lieaktion  im  SaRsanidenrcich  und  im 
MubiiininednniMmus  — ,  endlich  den  weitläufligen  Verlauf  der  lange  nachwirkenden 
Literatur  und  Kunst  bie  zu  den  letzten  byzantinischen  Nachklangen  ihrer  großen  Vor- 
zeit und  dem  vollendeten  Triumph  des  Ostens  Ober  die  Heimat  des  Hcllenismu•/' 

Mltteli-Wllokcn:  Otundiue•  L  1 


2  Kapitel  Ι.     Allgemeine  historische  Grundzüge, 

wird^    soll  hier  nur  soweit  gestreift  werden,    als   es  zum  Verständnis  der 
inneren  Geschichte  nötig  ist. 

Die  Geschichte  Ägyptens,  die  in  erster  Reihe,  wenn  auch  nicht  aus- 
schließlich, durch  die  Papyri  befruchtet  wird,  gliedert  sich  in  dieser  Zeit 
in  vier  Abschnitte:  die  griechische  Periode  oder  Ptolem'aerzeit,  von 
Alexander  bis  auf  Octavian  (30  v.  Chr.),  die  römische  Zeit,  von  dort  bis 
auf  Diokletian  (284),  die  byzantinische,  von  Diokletian  bis  zum  Ein- 
bruch der  Araber  (639)  und  endlich  die  arabische  Zeit.  Da  unser  Haupt- 
ziel ist,  die  historische  Entwicklung  zu  erkennen,  so  soll  hier  wie  im 
folgenden  diese  Gliederung  auch  für  meine  Darstellung  maßgebend  sein. 

A.  DIE  PTOLEMÄERZEIT. 

Zur  hellenistischen  Geschichte:  J.  G.  Droysen,  Geschichte  des  Hellenis- 
mus I — III,  1877  f.  —  B.  Niese,  Geschichte  der  griechischen  und  makedonischen 
Staaten  seit  der  Schlacht  von  Chaeronea  I — III,  1893  f.  —  A.  Holm,  Griechische  Ge- 
schichte IV,  1894.  —  J.  Karst,  Geschichte  des  hellenistischen  Zeitalters  I,  11^  1901  f. 
—  J.  Beloch,  Griechische  Geschichte  III,  1904.  —  J.  P.  Mahaffy,  Greek  life  and 
thought  (323— 146  B.C.).  2.  Aufl.  1896.  —  P.  Wendland,  Die  hellenistisch-römische 
Kultur  (Handb.  z.  Neuen  Testament).    1907. 

Zur  Ptolemäergeschichte:  J.  G.  Droysen,  de  Lagidarum  Regno  Ptolemaeo 
VI  Philometore  rege  1831  (Kleine  Schriften  z.  Alt.  Gesch.  II  351  ff.,  dazu  Anmerkungen 
von  mir  432  ff.).  —  Von  Letronne  vgl.  außer  zahlreichen  in  den  Oeuvres  choisies  zu- 
sammengestellten Arbeiten  namentlich  den  Recueil  des  insciptions  grecq.  et  lat.  de 
rilgypte.  2  Bände  mit  Atlas.  1842.  —  Franz  im  GIG  III  S.  281  ff.  —  S.  Sharpe, 
Geschichte  Egyptens,  deutsch  v.  Jolowicz,  mit  Anmerkungen  von  A.  v.  Gutschmid 
(2.  Aufl.).  1862.  —  G.  Lumbroso,  Recherches  sur  Teconomie  polit.  de  l'Egypte  sous 
les  Lagides.  1870.  Derselbe,  L'Egitto  dei  Greci  e  dei  ßomani.  2.  Aufl.  1895  (mit 
Bibliographie  über  die  Egittologia  greco-romana  von  1868  — 1895!)  — 
F.  Robiou,  Memoire  sur  l'economie  polit.,  Tadministration  et  la  legislation  de 
l'Egypte  au  temps  des  Lagides.  1875.  —  Ed.  Meyer,  Geschichte  des  alten  Ägyptens 
(in  Onckens  Allg.  Gesch).  1887.  —  J.  P.  Mahaffy,  The  Empire  of  the  Ptolemies. 
1895.  —  M.  L.  Strack,  Die  Dynastie  der  Ptolemäer.  1897.  —  Ev.  Breccia,  Π 
diritto  dinastico  nelle  monarchie  dei  successori  d'Ales.  Magno  (Stud.  d.  Storia  Antica). 
1903.  —  A.  Bouche-Leclercq,  Histoire  des  Lagides  I— IV,  1903  ff.  —  Svoronos, 
Die  Münzen  der  Ptolemäer  (Τά  νομίσμκτα  τον  χράτονς  των  Πτολεμαίων)  IV.  Band. 
1908.  —  Außerdem  vgl.  die  Kommentare  zu  den  einschlägigen  Papyruseditionen,  im 
besonderen  die  von  A.  Peyron  zu  den  Turiner  Pap.,  Grenfell  zum  Rev.  Pap., 
W^ilcken  zu  den  Theb.  Bankakt.  und  den  Griech.  Ostraka  (I),  Grenfell-Hunt  zu 
Teb.  I,  Hib.  etc. 

§  1.  DAS  REGIMENT. 
Die  Yon  Alexander  dem  Großen  im  Jahre  332  in  Ägypten  begründete 
Herrschaft  war  eine  absolute  Monarchie  entsprechend  der  schon  damals 
in  ihm  keimenden  Idee  einer  Weltherrschaft  wie  auch  der  historischen 
Tradition  des  Landes.  Wiewohl  für  die  Ptolemäer  die  Weltherrschafts- 
gedanken fortfielen,  haben  sie  doch  den  Charakter  der  absoluten  Monarchie 
auch  für  ihre  Herrschaft  in  Anspruch  genommen  —  ebenso  wie  die 
anderen  Diadochen,  die  auf  orientalischem  Boden  Reiche  begründeten,  also 


Α.  Die  Ptolemäerzeit.     §  1.    Das  Regiment.  3 

offenbar  auch  unter  dem  Einfluß  jener  einheimischen  Tradition.^)  War  diese 
absolutistische  Auffassung  den  Eingeborenen  gegenüber  selbstverständlich, 
so  war  sie  für  die  Makedonier  und  Griechen  etwas  Neues  und  ist  ihnen 
gegenüber  auch  erst  allmählich  in  größerer  Strenge  und  wohl  niemals  in 
so  konsequenter  Weise  wie  gegenüber  den  Ägyptern  durchgeführt  worden. 
So  ist  der  Reichskult  der  regierenden  Könige  als  Götter,  dieser  letzte 
Ausdruck  des  Absolutismus,  in  den  Formen  griechischen  Kultes  erst 
unter  dem  zweiten  Ptolemäer  eingeführt  worden  und  gilt  erst  seit  dem 
dritten  als  selbstverständlich,  während  für  die  Ägypter  die  makedonischen 
Könige  von  vornherein  ebenso  gut  wie  früher  die  Pharaonen  Gegenstand 
göttlicher  Verehrung  waren  (vgl.  Kap.  Π).  Andrerseits  hat  sich  in  der 
ptolemäischen  Militärmonarchie  wie  ein  Residuum  aus  den  Zeiten  des 
patriarchalischen  Königtums  der  Makedonier  die  Mitwirkung  der  make- 
donischen Heeresversammlung  bei  der  Regelung  der  Thronfolge,  die  auf 
makedonischem  Erbrecht  beruhte-),  nicht  nur  in  der  Theorie  erhalten, 
wie  die  Vorgänge  nach  dem  Tode  des  Philopator  zeigen  (vgl.  Polyb.  XV  26  ff.). 
Im  übrigen  hat  sich  in  Ägypten  der  Absolutismus  noch  schärfer  als  in 
anderen  heilenistischen  Reichen  entwickeln  können,  weil,  von  ganz  wenigen 
Ausnahmen  abgesehen  (s.  unten  S.  12),  autonome  Stadtgemeinden  ihm 
nicht  gegenübergestanden  haben. 

Als  absoluter  Herrscher  war  der  König  ursprünglich  alleiniger  Eigen- 
tümer von  Grund  und  Boden  (vgl.  Kap.  VII),  sowie  Herr  über  Tod  und 
Leben  seiner  Untertanen.  Seine  Kabinettsordres  (προϋτάγματα),  von  denen 
uns  die  Papyri  einige  erhalten  haben  ^),  hatten  Gesetzeskraft,  und  niemandem 
war  er  Verantwortung  schuldig.  Wie  sehr  die  bekannte  Charakteristik 
des  Absolutismus  bei  Suidas  s.  v.  βαόιλεία'  „τα  δημόόια  τ7}ς  βαΰιλίίας 
χτίσματα'-'*)  für  die  Ptolemäerherrschaft  paßt,  haben  uns  die  Papyri  gelehrt. 
Der  Begriff  δημόόίος  ist  den  ptolemäischen  Urkunden,  im  Gegensatz  zu 
denen  der  Kaiserzeit,  überhaupt  fremd''):  sie  kennen  nur  βαΰιλιτίαΐ  τράπεξαι^ 
nicht  όημόΰιαί^  nur  το  βαοιλικόν  (als  Reichskasse),  nicht  το  όημύόιον^ 
nur  ßaoULxoi  γεωργοί^  nicht  δημύόιοί  usw.  Es  fehlt  überhaupt  der 
Begriff  des  Staates  oder  des  Staatlichen:  Vctat  c'est  moi  gilt  auch  hier. 
Die  nächsten  Kapitel  werden  zeigen,  wie  auf  aDen  Gebieten  des  Lebens, 


1)  Vgl.  Wilcken,  Hellenen  und  Barbaren  (N.  Jahrb.  f.  d.  Klae•.  Alt.  ΙΟΟβ),  8.4β8ί. 
Kine  frf'iorr;  AiiffafiHiing  bestand  bezeichnenderweise  nur  im  8tanimland  Makedonien. 
Vgl.  J.  Ik'loch,  Griech.  Geech.  111  377. 

2)  Vgl.  B«'loch,  Griech.  Giech.  III  877  ff.  Breccia,  il  diritto  dinaati« 
8)  Vgl.  z.  B.  Teb.  6;  7;  124,  28«.  Petr.  U  8  (1);  8  (8)  Veno  utw. 
4)  Vgl.  K&fHt,  Monarchie  8.  68  ff. 

6)  Eine  Auenahnn•  in  einem  leider  nicht  klaren  Zutammenbang  in  Petr.  111,  7.  U 
SoDflt  kann  ότ,μόαιος  natürlich  vorkommen  in  besug  auf  Kinrichiungon  griecbiioher 
Stftdie,  so  in  der  IiiHrhritt  an     I'tolemai•  bei  PUamaon,   Ptolemai«  in  Oberlgypten, 
8.  86. 

l• 


4  Kapitel  Ι.     Allgemeine  historische  Grundzüge. 

und  nicht  am  wenigsten  dem  wirtBchaftlichen,   dieser  Absolutismus  stark 
einschneidend  gewirkt  hat. 

Das  Ziel  der  ptolemäischen  Regierung  Ägyptens  war^  möglichst  große 
Schätze  aus  dem  Lande  herauszu wirtschaften  ^),  um  durch  diese,  mit  starker 
Armee  und  Flotte,  eine  möglichst  große  Rolle  in  der•  internatio- 
nalen Mittelmeerpolitik  spielen  zu  können.  Wer  sich  Alexandrien 
zur  Residenz  erwählt,  zeigt  schon  dadurch,  daß  seine  Politik  eine  über- 
seeische ist.  Die  weite  Ausdehnung  der  Reichsgrenzen  über  Ägypten 
hinaus,  wie  sie  unter  der  kräftigen  Regierung  der  ersten  Ptolemäer  er- 
reicht wurde,  zeigt,  in  welchem  Umfange  sie  damals,  im  Wettstreit  mit 
den  seleukidischen  Rivalen,  die  Vorherrschaft  im  östlichen  Mittelmeer- 
becken erkämpft  hatten.  Zu  Koelesyrien,  Kypros  und  Kyrene,  die  schon 
Ptolemaios  I  gewonnen  hatte,  sind  unter  den  beiden  nächsten  Herrschern 
noch  bedeutende  Erwerbungen  an  der  kleinasiatischen  Südküste  (nament- 
lich in  Lykien,  Karien)  und  Westseite  (lonien,  Lesbos)  sowie  in  Thrakien 
und  am  Hellespont  und  auf  den  Kykladen  hinzugekommen,  abgesehen 
von  den  ephemeren  Eroberungen,  die  Euergetes  I  im  Ααοδίκειοξ  ττόλεμος 
gemacht  hat.^)  Um  eine  Vorstellung  von  dem  Umfange  des  ptolemäischen 
Gesamtreiches  zu  bekommen,  muß  man  noch  hinzunehmen,  daß  seit  Phila- 
delphos  auch  die  Südgrenze  über  den  ersten  Katarrakt  hinaus  nach  Nubien 
hinein  vorgeschoben^),  und  außerdem  zur  Hebung  des  Südosthandels  zahl- 
reiche Kolonien  und  Stationen  an  der  afrikanischen  Küste  bis  hin  zum 
Kap  Guardafui  angelegt  waren  (vgl.  Kap.  VI).  Wir  sollen  es  bei  der 
Verarbeitung  der  Papyri  nie  aus  dem  Auge  verlieren,  daß  innerhalb  dieses 
gewaltigen  Reiches  Ägypten  für  die  Ptolemäer  nur  die  Hauptquelle  ihrer 
Einnahmen  war,  während  ihre  politischen  Interessen  außerhalb  lagen. 
Der  strenge  Fiskalismus,  der  uns  in  den  Papyri  überall  entgegentritt, 
erklärt  sich  aus  der  Rolle,  die  Ägypten  als  Mittel  zum  Zweck  spielte. 
Diese  auswärtigen  Beziehungen  der  Ptolemäer  werden  in  den  Papyri  bis- 
her leider  nur  selten  berührt.  Am  wertvollsten  ist  der  Kriegsbericht  aus 
dem  in.  Syrischen  Kriege  in  Petr.  ΙΠ  n.  144  (1).  Von  der  Verwaltung 
kleinasiatischer  und  thrakischer  Besitzungen  handelt  Teb.  8  vom  Jahre  201 
(2).  Auf  jene  ostafrikanischen  Besitzungen  weisen  die  gelegentlichen  Er- 
wähnungen der  Elefantenjagden  hin,  im  besonderen  Petr.  II  40a. 


1)  Vgl.  Mommsen  RG  Υ  560:  „Wenn  es  der  Zweck  des  Staates  ist,  den  mög- 
lichst großen  Betrag  aus  dem  Gebiet  herauszuwirtschaften,  so  sind  in  der  alten  Welt 
die  Lagiden  die  Meister  der  Staatskunst  schlechthin  gewesen." 

2)  Ygl.  namentlich  Beloch,  Die  auswärtigen  Beziehungen  der  Ptolemäer  in 
Griech.  Gesch.  III  (2)  248  £F.  (vgl.  Arch.  II  229  ff.)• 

3)  Noch  zur  Zeit  Philometors  I  werden  Städte  in  der  „Triakontaschoinos"  an- 
gelegt (Dittenberger  Gr.  Gr.  111).  Vgl.  auch  die  Inschrift  in  der  Aeg.  Z.  1910,  die 
die  älteste  Erwähnung  der  ^ωδεχάαχοινυς  bringt.  Später  ging  durch  das  Erstarken  des 
äthiopischen  Reiches  die  Grenze  zurück  bis  zum  ersten  Katarrakt. 


Α.  Die  Ptolemäerzeit.     §  1.    Das  Regiment,  5 

Mit  Ptolemaios  lY  Philopator  beginnt  die  Reihe  der  Könige,  unter 
denen  die  Macht  nach  außen  und  innen  zurückging.  Wie  jene  auswärtigen 
Besitzungen  nach  und  nach  verloren  gingen,  so  wurde  das  griechische 
Regiment  im  Innern  geschwächt  durch  das  seit  Philopator  zu  beobachtende 
Erstarken  des  ägyptischen  Xationalismus,  das  zu  immer  erneuten  natio- 
nalen Aufständen  führte  (s.  unten  §  4),  nicht  minder  aber  auch  durch  die 
seit  Philometor  ausbrechenden  dynastischen  Streitigkeiten,  die  gelegentlich 
—  wie  bei  dem  Kampfe  zwischen  Euergetes  II  und  seiner  Schwester 
Kleopatra  II  —  das  ganze  Land  in  zwei  feindliche  Lager  trennten.  Gerade 
auf  die  Kämpfe  zwischen  diesen  beiden  Geschwistern  werfen  mehrere 
Papyrusurkunden  neues  Licht.  So  haben  sie  uns  gelehrt,  daß  Kleopatra  II 
im  39.  Jahre  ihres  Bruders  (132/1)  als  θεά  Φίλομήτωρ  Σώτειρα  ihr  1.  Regie- 
rungsjahr zu  zählen  begann.*)  Je  nachdem  die  Urkunden  nach  diesen  Jahren 
der  Kleopatra  oder  nach  denen  des  Euergetes  datiert  sind,  haben  wir  es 
mit  Anhängern  der  einen  oder  anderen  Partei  zu  tun.  Von  den  damals 
in  der  Thebais  geführten  Kämpfen  handeln  namentlich  mehrere  der  von 
Revülout  in  den  „Melanges"  herausgegebenen  Papyri,  die  ich  iu  den 
„Urkunden  der  Ptolemäerzeit"  neu  edieren  und  kommentieren  werde.  Hier 
genüge  als  Beispiel  P.  Louvre  10594  (10).  Vgl.  auch  Theb.  Akt.  VIII 
(=  Melanges  338)  und  XI,  auch  BGU  993  (in  Kap.  II). 

Außer  diesen  inneren  Gründen  hat  zum  Niedergang  der  ptolemäischen 
Macht  die  durch  das  Erstarken  Roms  geänderte  Weltlage  geführt.  Seit- 
dem Rom  in  Betätigung  der  schon  seit  Philadelphos  (273)  bestehenden 
freundschaftlichen  Beziehungen  gegenüber  den  Ajigriffen  Antiochos  des 
Großen  und  Philipps  von  Makedonien  seine  schützende  Hand  über  den 
unmündigen  Epiphanes  gehalten  hatte,  ist  der  römische  Einfluß  auf  die 
Geschicke  der  Dynastie  und  des  Landes  langsam  aber  beständig  gewachsen. 
Das  Einzige,  was  die  Papyri  bisher  zur  Geschichte  dieser  römischen  Be- 
ziehungen beigesteuert  haben,  ist  der  Bericht  über  die  Vorbereitungen 
zum  Empfange  eines  römischen  Senators  im  Faijum  vom  Jahre  112  v.  Chr., 
der  trotz  si*iner  Kürze  Bände  spricht.     Vgl.  Teb.  33  (3). 

Das  absolutistische  Prinzip  tritt  uns  nun  in  der  Regierung  vor  allem 
in  der  völligen  Zentralisation  aller  Regierungsgewalt  in  der  Person  des 
Königs  entgegen.  Der  König  war  in  allen  Ressorts,  in  der  Finanz-, 
Militär-  und  Provinzialverwaltung,  im  Kultus  wie  in  der  Justiz  die  höchste 
Instanz,  der  die  letzte  Entscheidung  zustand.  Die  von  ihm  erlaesenen 
νόμοι  Howie  seine  διαγράμματα  und  :ΐροθτάγματα  n»gierten  das  Land.  Zur 
Bewältigung  dieser  gewaltigen  Aufgaben  stand  ihm  ein  bis  ins  Feinste 
gegliedertes  Heer  von  „königlichen"*)  Beamten  zur  Verfügung.     Die  ttg- 

1      ,^..  ,......,   ., .,..^.    w    ,..,.>ful.  1904  8.  Mf     Wn.k.m,    \rch    TV024 

L'j  Vgl.  z.  13.  0Ϊ  XU  (iitodinä  η^αγμαηυόμΛψα  in  Lt*id 


6  Kapitel  Ι.     Allgemeine  historische  Grundzüge. 

liehen  Eingänge  an  Aktenstücken,  die  der  Erledigung  bedurften,  an  Be- 
richten und  Anfragen  der  Beamten  sowie  an  Bittschriften  und  Klage- 
schriften der  Untertanen  müssen  ganz  ungeheure  gewesen  sein,  znmal  die 
Vorschrift,  daß  die  an  den  König  zu  richtenden  Episteln  auf  dringende 
Fälle  zu  beschränken  und  möglichst  kurz  zu  fassen  seien  (BGÜ  III  1011 
II  5  ff.),  oft  genug  außer  Acht  gelassen  wurde.  Ihre  Erledigung  sowie 
die  Audienzen,  die  in  Alexandrien  in  der  Königsburg  ^)  wie  auch  auf  den 
gelegentlichen  Reisen  im  Lande  ^)  erteilt  wurden,  stellten  an  den  Herrscher, 
der  seine  Pflichten  ernst  nahm,  die  höchsten  Anforderungen,  und  in  diesem 
Sinne  kann  Mommsens  Yergleichung  des  ptolemäischen  Regiments  mit 
dem  fridericianischen  als  zutreffend  bezeichnet  werden.^)  AUe  Regierungs- 
geschäfte, die  der  König  von  früh  bis  spät  erledigte,  wurden  täglich  genau 
gebucht  in  den  königlichen  Ephemeriden,  die  die  Ptolemäer  wie  andere 
Diadochen  nach  dem  Muster  Alexanders  des  Großen  führen  ließen.*)  Die 
Eingaben  wurden  teils  durch  Subskriptionen  (νπογραφαό\  teils  durch  be- 
sondere Briefe  (έτηβτολαϊ)  erledigt.^)  Hierzu  hatte  der  König  seine  Kanzlei, 
an  deren  Spitze  der  έττιοτολογράφος  stand,  der  begreiflicherweise  eine 
sehr  einflußreiche  Persönlichkeit  war.^)  Im  IL  Jahrh.  ist  er  der  Klasse 
der  ΰυγγενεΐξ  zugewiesen  worden  (vgl.  Dittenberger  Or.  Gr.  139,  P.  Leid. 
G — H,  GIG  III  4717).  Daß  in  dem  Brief  des  Timoxenos  aus  dem  III.  Jahrh. 
(Witkowski  n.  25)  dieser  Titel  fehlt,  ist  natürlich  kein  Beweis  dafür,  daß 
der  dort  gemeinte  έΛΐ,οτολογράφο£  Lysis  nicht  dieser  hohe  königliche 
Beamte  wäre.  Von  dem  ετΐίΰτολογράφοζ  wird  unterschieden  der  ντζομ,νη- 
ματογράφοζ^  bisher  nur  vom  IL  Jahrh.  an  bezeugt,  wie  jener  ein  ΰνγγενής. 
Ebensowenig  wie  der  Epistolograph  beschränkt  er  sich  etwa  auf  die  „geist- 
lichen^^ Angelegenheiten,  sondern  hat  z.  B.  auch  mit  der  Domanialverwal- 
tung  zu  tun  (Teb.  I  Gib  34  usw.).  Derselbe  v7toμ.vημaτoγράφog  (^μφνκλης) 
ist  für  die  Thebais  und  für  das  Faijüm  tätig  ("vgl.  Arch.  I  61  mit  Teb.  1.  c), 
also  für  das  ganze  Land  kompetent.  Nach  welchem  Gesichtspunkt  unter 
diese  beiden  Kabinettschefs  die  Geschäfte  verteilt  waren,  ist  noch  eine 
offene  Frage,  deren  genauere  Untersuchung  erwünscht  wäre.  Erschwert 
wird   das  Problem    dadurch,    daß    es    auch  Beamte    mit    denselben  Titeln 


1)  Ygl.  den  χρημκΐίοτίτιος  τΐυλών  bei  Pol.  15,  31,  2. 

2)  Vgl.  die  Serapeumstexte. 

3)  Rom.  Gesch.  Υ  559.  Ygl.  andererseits  die  berechtigten  Einschränkungen  von 
Pöhlmann,  Grundriß  d.  griech.  Gesch.'  265. 

4)  Wildken^' Τποιινημ,αησμ,οί  (Philolog.  53, 110  ff.).  Die  Hauptstelle  ist  Ps.  Aristeas 
§  298  f.  ed.  Wendland. 

5)  Ygl.  im  allgemeinen  Fr.  Preisigke,  Griech,  Papyrus  -  Urkunden  und  Bareau- 
dienst  im  griechisch-römischen  Ägypten  (Archiv  f.  Post  und  Telegraphie  Nr.  12  u.  13 
vom  Jahre  1904). 

6)  Aber  kein  „Kultusminister",  wie  Letronne  annahm,  der  ihn  mit  dem  Alexander- 
priester kombinierte.  Ygl.  hiergegen  Wilcken,  Die  Obeliskeninschrift  von  Philae 
(Hermes  22,  1  ff.).     Auch  Stracks  Auffassung  (Arch.  II  557)  kann  ich  nicht  zustimmen. 


Α.  Die  Ptolemäerzeit.     §  1.    Das  Regiment.  7 

außerhalb  der  königlichen  Kanzlei  gegeben  zu  haben  scheint.  Vgl.  Teb. 
112,  87,  wo  eine  Kumulierung  beider  Amter  in  einer  Hand  vorliegt. 
Die  dem  König  vor  der  Absendung  vorgelegten  Briefe  bedurften  seiner 
eigenhändigen  Unterschrift,  die  in  der  im  Altertum  üblichen  Weise  ^) 
erfolgte,  daß  er  eine  Grußformel  darunterschrieb.  So  ist  uns  in  Leid.  G.,  6 
in  άβιη'Έρρωοΰ^ε  wahrscheinlich  ein  Autogramm  des  Ptolemaios  Alexandros 
erhalten.  Für  die  Beförderung  der  Korrespondenzen  des  Königs  sowie 
auch  der  Beamten  war  ein  aus  der  persischen  Verwaltung  übernommener 
Reichspostdienst  eingerichtet,  über  den  uns  Hib.  110  Verso  aufklärt.  A^gl. 
Kap.  X. 

Von  den  Hofchargen,  die  den  König  umgaben*),  hoben  sich  die 
Reichsbeamten  scharf  ab.  Mit  schlichten  Titeln,  die  der  Vorstellung  von 
der  privat  wirtschaftlichen  Verwaltung  des  Landes  durch  den  König  als 
den  Herrn  entsprechen,  wie  δίοίχητής,  οικονόμος  usw.,  treten  sie  uns  ent- 
gegen. Erst  durch  die  Flinders-Petrie-Papyri  und  die  weiteren  Funde  aus 
dem  lU.  Jahrhundert  haben  wir  gelernt,  daß  damals  die  aus  jüngeren 
Urkunden  und  Autoren  uns  geläufigen  Zuweisungen  dieser  Beamten  an 
bestimmte  Hof-Rangklassen  noch  nicht  bestanden  haben.*)  Wie  eine  Aus- 
nahme erscheint  es  uns  jetzt,  wenn  in  der  Mitte  des  III.  Jahrhunderts 
ein  διοικητής  auch  als  άρχίόύ^μάτοφνλα^,  bezeichnet  wird*);  doch  wird  hier 
eine  Λvirkliche  Kumulierung  des  Hofamtes  mit  dem  Amt  des  Finanz- 
chefs vorliegen.^)  Erst  Epiphanes  ist  es  gewesen,  der,  wohl  um  nach 
der  Revolutionszeit  die  Getreuen  fester  an  sich  zu  schließen,  das  billige 
Mittel  der  Zuweisung  seiner  Beamten  an  die  Hof-Rangklassen  der  όνγγε- 
νεΐς  und  ομότιμοι  τοΙς  övyysvtöLV^  der  άρχιοωματοφνλαχες,  der  «ρώτο^ 
φίλοι  und  φίλοι  und  der  διάδοχοι  eingeführt  hat.^)  Wahrscheinlich  hat 
es  diese  Titel  als  Bezeichnung  für  Hofbeamte  auch  schon  vorher  ge- 
geben. Die  Neuerung  des  Epiphanes  wird  nur  darin  bestehen,  daß  er  die 
Reichsbeamten  durch  Verleihung  jener  Hoftitel  ehrte.*^) 

Die  verschiedenen  Ressortchefs  unterstanden  direkt  dem  König.  Die 
Vermutung,  daß  es  zwischen  ihnen  und  dem  König  einen  Vezir  nach 
Art   der   persischen  Chiliarchen   mit  dem  Titel  eines  έπΙ  των  .τραγμάτων 


1)  Vgl.  Ο.  Bruns,  Die  üntorecbriften  in  den  rOmieohen  Reohtforkonden  (Abh. 
Prfuß.  Akad.  9.  Milrz  1876). 

2)  Vgl.  Lumbroeo,  Ilecherche•  189  flf.    Bouch^Leoleroq  III  101  ff. 

8)  Zueret  beobachtet  von  Mahaffy,  genauer  nftohgewieMD  and  gewflrdigt  von 
Strack,  Rh.  Mui.  66,  161  ff.     Vgl.  Willrich,  K'-    -    Mu.r 

A)  Vgl.  Grenf.  II  U  (b);  Petr.  III  S.  iri 

Γ})  Daher  heißt  er  auch  άρχίάωμίίχοφνίαί,  u.  ,.χκιωμαχ^ίΐ'Α»  ν.•       1'-    ii 

kam  auch  joik?  Bezeichnung  tpftier  iitulftr  vor. 

6)  Vgl.  Strack  1.  c. 

7)  Vgl.  zu  Uioter  noch  offBoen  Fragt  El  _  >"•  tV 


8  Kapitel  Ι.    Allgemeine  historische  Grundzüge. 

gegeben  habe^),  ist  nicht  zu  erweisen  und  ist  abzulehnen.^)  Die  Tätig- 
keiten der  verschiedenen  Ressorts  sowie  ihre  Organe  werden  in  den  folgen- 
den Kapiteln  sowie  im  IL  Bande  zur  Darstellung  kommen. 

§  2.    DIE  LANDESYERWALTUNG. 

Wie  Alexander  der  Große  haben  auch  die  Ptolemäer  die  Einteilung 
des  Landes  in  Ober-  und  Unterägypten  beibehalten,  und  zwar  mit  der- 
selben Grenzlinie,  die  im  Neuen  Reich  festgelegt  war.^)  Sowohl  die  beiden 
Gaulisten  des  Rev.  Pap.  31  und  60  ff.  (vgl.  Griech.  Ostraka  I  424)  aus 
dem  III.  Jahrhundert  wie  das  Zeugnis  des  Agatharchides  aus  dem  IL  Jahr- 
hundert*) zeigen,  daß  diese  Grenzlinie  mit  der  Südgrenze  des  Herraopolites 
zusammenfiel.^)  Das  gesamte  Land  südlich  vom  Hermopolites  wurde  mit 
dem  Namen  Θηβαΐς  bezeichnet,  während  es  für  den  nördlichen  Teil 
Ägyptens  einen  ähnlich  zusammenfassenden  Namen  nicht  gegeben  hat. 
Die  früher  herrschende  Annahme,  daß  es  schon  in  der  Ptolemäerzeit  eine 
Dreiteilung  des  Landes  gegeben  habe,  ist  durch  die  Papyri  widerlegt 
worden.^) 

Sowohl  Ober-'^)  wie  Unterägypten  waren  aus  Gauen  (νομοί)  zusammen- 
gesetzt, die  nach  der  Unterbrechung  des  Neuen  Reiches  wieder  seit  der 
Sa'itenzeit  wie  einst  schon  im  Alten  und  Mittleren  Reich  Verwaltungsein- 
heiten darstellten.^)  Die  Abgrenzung  der  Gaue  und  ihre  Zahl  hat  sich 
während  der  Ptolemäerzeit  ebenso  wie  vorher  und  nachher  mehrfach  ge- 
ändert, indem  gelegentlich  ein  Gau  in  zwei  gespalten  wurde,  oder  auch 
mehrere  zu  einem  Verwaltungsbezirk  zusammengelegt  wurden.^)  Staats- 
rechtlich   stand    das    in    Gaue    geteilte  Land    (χώρα),    auch  Αίγυπτος    im 


1)  Vgl.  Beloch,  Griech.  Gesch.  ΙΠ  391  f. 

2)  Bei  der  großen  Fülle  des  Materials  ist  man  hier  wohl  berechtigt,  a  silentio 
zu  schließen.  Positiv  ist  dagegen  z.  B.  auf  Teb.  5,  248  hinzuweisen,  wo  mit  τονς  έηϊ 
τνραγμάτων  τεταγμένους  ganz  allgemein  die  Beamten  bezeichnet  werden. 

3)  Vgl.  G.  Steindorff,  Die  ägyptischen  Gaue  und  ihre  politische  Entwicklung 
(Abh.  Sachs.  Ges.  d.  Wiss.  1909)  863  ff.  Im  Alten  und  Mittleren  Reich  beschränkte 
sich  Unterägypten  auf  das  Delta. 

4)  Geogr.  Graec.  min.  ed.  C.  Müller  I  S.  122  §  22. 

5)  Was  es  bedeutet,  daß  Oxyrhynchos,  das  nördlich  vom  Hermopolites  liegt,  in 
den  Texten  des  I.  Jahrh.  v.  Chr.  (Oxy.  II  236)  vde  auch  später  als  zur  Θηβαΐς  ge- 
hörig bezeichnet  wird,  ist  noch  nicht  aufgeklärt.  Es  muß  hier  eine  andere  Bedeutung 
von  Θηβαΐς  vorliegen. 

6)  Vgl.  Wilcken,  Griech.  Ostr.  I  423  ff. 

7)  Mit  Unrecht  ist  daraus,  daß  der  Rev.  P.  nicht  die  einzelnen  Gaue  der  Thebais 
nennt,  gefolgert  worden,  daß  die  Thebais  bis  auf  Epiphanes  ein  ungeteilter  Ver- 
waltungsbezirk gewesen  sei.     Vgl.  jetzt  Eleph.  17,  15;  18,  4  und  dazu  Archiv  V215. 

8)  So  nach  Steindorff  1.  c,  der  gezeigt  hat,  daß  im  Neuen  Reich  statt  der  Gaue 
die  Städte  die  Organe  der  Verwaltung  bildeten  —  ähnlich  wie  es  jetzt  für  die  byzan- 
tinische Zeit  vom  IV.  Jahrh.  an  nachgewiesen  ist.     S.  unien  Abschnitt  C  §  3. 

9)  Vgl.  z.B.  Bouche-Leclercq  III  127;    G.  A.  Gerhard,  Philolog.  63,  521  ff. 


Α.  Die  Ptolemäerzeit.     §  2.    Die  Landesverwaltung.  9 

engeren  Sinne  genannt^),  im  Gegensatz  zu  Alexandrien  als  der  πόλις  χατ 
ί^οχην.  Außer  Alexandrien  waren  auch  die  Griechenstädte  Naukratis  und 
Ptolemais  von  der  Kompetenz  des  Gaubeamten  eximiert  (s.  unten  S.  12). 
Jeder  Gau  hatte  seine  Metropole,  die,  wie  das  religiöse  Zentrum  (s.  Kap.  U), 
so  auch  der  Sitz  der  Gauverwaltung  war.  Diese  Metropolen  hatten  keinerlei 
Autonomie,  kannten  weder  βονλή  noch  δήμος,  und  waren  staatsrechtlich 
nichts  anderes  als  große  Dörfer  (κώμαιΥ)  Daß  ihre  Namen  vielfach  mit 
aoUg  zusammengesetzt  sind,  hat  keine  rechtliche  Bedeutung:  diese  Namen 
sind  meist  Übersetzungen  der  ägyptischen  Namen,  die  den  Ort  als  „Stadt" 
des  und  des  Gottes  bezeichnen.  Auch  daß  die  Metropole  gelegentlich 
von  den  Dörflern  des  betreffenden  Gaues  als  πόλις  bezeichnet  wird'),  ändert 
nichts  an  ihrem  rechtlichen  Charakter.  Außer  der  Metropole  bildeten  den 
Gau  die  meist  zahlreichen  Dörfer  (κώμαί)  mit  ihren  Dorffluren,  deren 
Verwaltung  den  zentralen  Gaubehörden  in  der  Metropole  unterstand. 

Der  Gau  war  in  der  Regel  in  einen  südlichen  und  einen  nördlichen 
Teil  gegliedert,  die  meist  wohl  durch  einen  von  West  nach  Ost  gehenden 
Hauptkanal  als  ίίνω  und  κάτω  geschieden  waren.  Zerfielen  diese  beiden 
Hälften  wieder  wie  oft  in  mehrere  Unterbezirke  {τόποι  ^  τοπορχίαί)^  so 
führten  die  von  Süd  nach  Nord  sich  gegenüberliegenden  Toparchien 
denselben  Namen  und  wurden  nur  durch  die  Hinzufügung  von  ανω  bzw. 
χάτω  von  einander  unterschieden.  Vielleicht  gibt  die  alte  Hieroglyphe 
für  „Gau*^  -fttif  ^^s  ^i^^  eines  in  Toparchien  eingeteilten  Gaues.*)  Inner- 
halb der  Toparchien  lagen  dann  die  einzelnen  χώμαι.  Eine  Besonder- 
heit des  Faijüm  ist  es,  daß  diese  Landschaft  —  die  λίμνη  oder  dann  der 
^ίρόινοίτης  νομός  genannt  —  abgesehen  von  diesen  Toparchien  in  drei 
μερίδες  zerfiel,  die  schon  seit  dem  ΠΙ.  Jahrh.  y.  Chr.  mit  den  feetstehen- 
den  Namen  Ήραχλείδον^  Πολεμωνος  und  Θεμίοτον  μερίς  benannt  wurden.*) 

Dieser  Gliederung  des  Landes  entsprach  die  Gliederung  des  Ver- 
waltungsapparates. Zwar  die  Teilung  der  gesamten  χώρα  in  Ober- 
und  Unterägypten  hat  —  abgesehen  von  der  vorübergehenden  Einrichtung 
Alexanders  des  Großen*)  —  nicht  zur  Schaffung  von  Oberbeamten  für  die 


1)  Vgl.  Wilcken,  Archiv  IV  392. 

2)  So  ichon  Kuhn,  Stadt.  VerfuuKun^'  II   6»:; 
3;  Vgl.  Arch.  IV  8'Jl. 

4)  Vgl.  Wilcken,  Obecrvat.  ad  hist.  Aeg.  prov.  \Umx.  p.  2ß.  Griech.  Oftr.  I  498. 
Ale  Beiepiel  vgl.  BGU  II  662—667. 

6)  Zu  ihnT  örtlichen  Abgrenzung  vgl.  jetzt  Grenfell-H mit,  Tcb.  II  8.  849 ff.  neb•! 
plate  III:  'HQaxUldov  im  Nordm  nnd  Onten,  θ§μίαχον  im  ^VΓ^t«•n  und  Ποϋφ/ηψος  im 
Süden.  —  Von  dienen  drei  groürn  fitQidti  lind  »u  •cboidcn  die  μ4(*ίΟ*ς,  in  die  die 
νομαρχίαι  de•  Faijum  /.erfieli'n.     Vgl.   I'«tr.  III  I  2»  (2),  8. 

6)  Alexander  hatte  die  Zivilvcrwaltang  de•  Land••  uot<  Nomaroben^  g•- 

«iellt  (Arrian.  Anub.  III,  6,  2),   deren  Amtagebieie  wahnohi  .«r-  md  Unter- 

Ägypten  ent«prachon.  Nach  dem  baldigen  Uflcktriit  de•  einen  halt•  der  andere  die 
ganze  χώρα  übernommen. 


IQ  Kapitel  I.     Allgemeine  historische  Grundzüge. 

beiden  Landeshälften  geführt.  Die  frühere  aprioristische  Annahme,  daß 
die  mit  dem  Titel  έπιοτράτηγοί  aus  späterer  Zeit  bekannten  Oberbeamten 
der  Landesteile  von  Anfang  an  bestanden  hätten,  ist  durch  die  Flinders- 
Petrie-Papyri  und  die  weiteren  Texte  des  IIL  Jahrhunderts  als  irrig  er- 
wiesen worden.^)  Vielmehr  ist  ein  solcher  Sonderbeamter  erst  seit 
dem  IL  Jahrhundert  v.  Chr.  nachweisbar,  und  auch  nur  für  die 
Thebais.^)  Es  scheint,  daß  die  großen  Revolutionen  in  der  Thebais 
unter  Epiphanes  (s.  unten  S.  21)  den  Anlaß  gegeben  haben,  nach  der  Be- 
ruhigung und  Wiedergewinnung  des  Landes  ein  besonderes  militärisches 
Kommando  für  die  von  der  Hauptstadt  weit  entfernte  Thebais  zu  schaffen. 
Dies  würde  erklären,  weshalb  nicht  auch  für  Unterägypten  ein  Parallel- 
kommando geschaffen  worden  ist.  Es  ist  möglich,  daß  zunächst  nur  für 
einzelne  Fälle  ein  solcher  Kommandant  geschickt  wurde,  und  erst  allmäh- 
lich die  „Epistrategie"  der  Thebais  als  ein  kontinuierliches  Amt  einge- 
richtet worden  ist.  Die  beiden  Titel  επιότράτηγος  und  ότρατηγος  της 
Θηβαΐδος,  die  von  Hause  aus  wohl  etwas  Verschiedenes  bedeuten,  erscheinen 
bald  einzeln,  bald  kombiniert.  Daß  dann  der  Epistratege  auch  zivile  Funk- 
tionen erhielt,  so  im  besonderen  auch  in  der  Rechtsprechung  (vgl.  Band  Π), 
entspricht  der  allgemeinen  Entwicklung  und  findet  in  der  Umbildung  der 
Gau-Strategie  seine  Parallele. 

An  der  Spitze  der  Gaue^)  fanden  die  Griechen  ägyptische  Beamte 
vor,  deren  Titel  sie  mit  νομάρχης  wiedergaben.^)  Alexander  der  Große, 
der  schon  in  Ägypten  anfing,  die  Eingeborenen  heranzuziehen,  was  er 
dann  in  Asien  noch  energischer  durchführte,  hat  diese  Nomarchen  der 
einzelnen  Gaue,  im  besonderen  in  ihrer  Kompetenz  für  die  Steuerein- 
treibung ihres  Gaues  bestehen  lassen.^)  So  begegnen  sie  in  der  Zeit 
Alexanders  in  Ps.  Aristot.  Oeconom.  Π  33.  Diese  Nomarchen  haben  auch 
die  Ptolemäer  beibehalten,  doch  ist  ihre  Bedeutung  für  die  ptolemäische 
Zeit  noch  recht  dunkel,  und  eine  neue  Untersuchung  dieses  Problems 
wäre  sehr  erwünscht.  Grenfell  und  Hunt  wollen  den  Titel  nicht  von 
ψομός  (Gau)  ableiten,  sondern  von  νομός  =  νομή  =  distribution  (of  crops).^) 
Dann  würden  sie  also  von  den  Nomarchen  Alexanders  völlig  zu  scheiden 


1)  Zuerst  bemerkt  von  E.  ßevillout,  Proceed.  Soc.  Bibl.  Arch.  1892  S.  130,  Wilcken, 
OGA  1895  S.  145. 

2)  Für  die  Epistrategen  vgl.  jetzt  die  wertvolle  Studie  von  Victor  Martin, 
L'Epistratege  dans  l'Egypte  Greco-Romaine,  deren  Drucklegung  bevorsteht. 

3)  Vgl.  Bouche-Leclercq  ΙΠ  126  ff. 

4)  Vgl.  flerodot  II  177.     Diod.  I  73.     Ps.  Aristot.  Oeconom.  II  25. 

5)  Arrian,  Anab.  ΙΠ  5,  4.  Diese  Gaunomarchen  sind  natürlich  zu  scheiden  von 
jenen  zwei  von  Alexander  über  Ober-  und  Unterägypten  gesetzten  ägyptischen  Be- 
amten, die  Arrian  (^offenbar  inoffiziell)  gleichfalls  als  νομάρχαι  bezeichnet  (s.  oben 
S.  9,  Anm.  6).  Zu  letzterem  Terminus  vgl.  etwa  Arrian,  Anab.  V  8,  3;  18,  2.  Vgl. 
auch  Herod.  III  90  f.,  wo  die  Satrapien  als  Steuerdistrikte  νομοί  genannt  werden. 

6)  Rev.  Pap.  S.  133.     Teb.  I  S.  213. 


Α.  Die  Ptolemäerzeit.     §  2.    Die  Landesverwaltung.  11 

sein.  Ich  möchte  eher  glauhen,  daß  die  ptolemäischen  νομάρχαι  von  Hause 
aus  dieselben  sind  wie  die  Alexanders,  daß  aber  entsprechend  der  ver- 
änderten Eingeborenenpolitik  der  Ptolemäer  (s.  unten  S.  19  f.)  ihre  Stellung 
modifiziert  worden  ist,  erstens  dadurch,  daß  diese  Posten  nicht  aus- 
schließlich den  Ägyptern  überlassen,  sondern  auch  Griechen  überwiesen 
wurden*),  und  vor  allem  dadurch,  daß  ihnen  makedonisch -griechische 
οτρατηγοί  als  Befehlshaber  der  im  Gau  stationierten  Truppen  vorgesetzt 
wurden.  Eine  Abweichung  des  ursprünglichen  Sinnes  des  νομαρχίας  tritt 
uns  auch  darin  entgegen,  daß  in  größeren  Gauen  mehr  als  ein  νομάρχης 
vorhanden  war.  Belegt  ist  dies  für  das  Faijüm,  das  ja  auch  sonst  manche 
Eigentümlichkeiten  (wie  die  drei  μερίβεξ)  zeigt.  Hier  sind  für  das  ΠΙ.  Jahrh. 
nicht  weniger  als  sieben  νομαρχίαι  bezeugt,  die  ihrerseits  wieder  in  μερίδες 
geteilt  sind.-)  Aber  das  sind  offenbar  Ausnahmen,  die  durch  die  beson- 
deren Verhältnisse  des  Gaues  bedingt  waren.  Jene  οτρατηγοί,  die  von  Hause 
aus  ganz  gewiß  rein  militärische  Funktionen  hatten,  sind  nun  schon  früh 
auch  zu  zivilen  Aufgaben  herangezogen  worden.  Nicht  erst  im  Π.  Jahrh. 
V.  Chr.^),  sondern  schon  in  der  Mitte  des  lU.  Jahrh.  treten  uns  Belege 
entgegen.*)  So  spielen  sie  im  Gerichtswesen  eine  RoUe,  insofern  z.  B. 
nach  den  Magdola-Pap.  usw.  έντεύξει,ς  bei  ihnen  eingereicht  wurden  (s.  Band  Π 
Kap.  I).  Vgl.  auch  Hibeh  92  und  93.  Mit  rein  zivilen  Dingen  (Tempel- 
angelegenheiten) hat  der  Stratege  auch  in  Hibeh  72,  14  (a.  241)  zu  tun. 
Im  Laufe  der  Jahrhunderte  haben  sich  diese  Strategen  dann  immer  mehr 
/u  zivilen  Gauchefs  entwickelt.  In  dieser  Zeit  ist  dann  die  Nomarchie 
gelegentlich  mit  der  Strategie  praktisch  kombiniert  worden,  vgl.  z.  B. 
Tur.  1,  1,  14,  was  früher  zu  der  irrigen  Annahme  der  Identität  der  beiden 
Amter  geführt  hat.^) 

Unter  dem  Strategen  als  Haupt  der  Gauverwaltung  steht  als  seine 
rechte  Hand  der  ßaöiXtxbg  γραμματεύς^  ein  Titel,  der  nichts  als  eine 
Übersetzung  eines  uralten  ägyptischen  Titels  ist.  Seine  Kompetenzen  auf 
<len  verschiedenen  Verwaltungsgebieten,  die  in  den  nächsten  Kapiteln 
hervortreten  werden,  erstrecken  sich  wie  die  des  Strategen  auf  den 
ganzen  Gau. 

Unter  diesen  Gaubeamten  rangieren  dann  die  Beamten  der  ?er8chie- 
<lenen  Bezirke.  So  hat  jede  Toparchie  (s.  oben)  ihren  τοπάρχης  und  ihren 
τοπογραμματενς,  jedes  Dorf  seinen  κωμαρχης  und   χωιιο)  θ((ΐιαατεύς.     Die 


1)  Unter  den  7  Nomarchien,  die  wir  im  III.  Jahrh.  v.  Lhr 
heißen  nur  zwei  nach  einem  Ägypter  {kxoanig  und'SlQos).  Vgl.  Hmi. 

2)  8.  Torige  Anmerkung. 

a)  So  H.  Maepero,  Lee  finanoe•,  der  darin  irrtOmlich  cii,  atlichen  Unier- 

•cbicd  zwischen  dem  III.  and  II.  Jahrh.  sah. 

4)  Wilcken  bei  J.  0.  Droysen,  Kloin.  Schrift.  U  4»7. 

6)  Dagegen  «chon  J.  0.  DrojNon,  detien  Aniicht  betUtigt  wurde  durch  die 
Pelr.   Piip      V',*]    WnrV..n  Iwi  Drojion,   Klein    Sehr    II  487. 


12  Kapitel  Ι.     Allgemeine  historische  Grundzüge. 

Bedeutung  und  das  Verhältnis  des  Toparchen  und  Komarclien  einerseits 
und  der  τοΛογραμματεΐς  und  κωμογραμματεΐς  andererseits  zueinander 
scheint  im  Laufe  der  Jahrhunderte  sich  verändert  zu  haben.  Während 
im  III.  Jahrh.  jene,  sind  es  vom  IL  Jahrh.  an  diese,  die  in  der  Verwaltung 
eine  größere  Rolle  gespielt  zu  haben  scheinen.^)  Bezüglich  der  Ernennung 
und  Anstellung  dieser  Behörden  sind  wir  genauer  nur  über  den  κωμ,ο- 
γραμματενς  orientiert.  Nach  Teb.  10  vom  J.  119  v.  Chr.  wird  er  vom 
διοικητής^  dem  höchsten  Finanzchef  (vgl.  Kap.  IV)  ernannt,  ist  also  ein 
staatlicher  Beamter.  Die  Ernennung  erfolgt  in  diesem  Falle,  nachdem 
der  Kandidat  gewisse  Versprechungen  gemacht  hat.  Vgl.  auch  Teb.  9 
und  11.  über  den  έΛίοτάτης  της  κώμης  (wie  auch  τοϋ  νομοϋ)  vgl.  Kap.  XL 
Über  die  Gehaltsfrage  liegen  zurzeit  nur  dürftige  Andeutungen  vor. 
Falls  P.  Lille  3  wirklich  die  Korrespondenzen  eines  βαύίλικος  γραμματεύς 
enthält,  so  hat  dieser  Beamte  ein  monatliches  όψώνυον  bekommen  (III  40  ff.), 
doch  ist  die  Prämisse  nicht  ganz  sicher.  Ob  Teb.  29,  13  f.  einen  Hinweis 
auf  das  dem  κωμογραμματενς  vom  Staat  ausgesetzte  Gehalt  (ντίοκείμενον) 
enthält,  ist  zweifelhaft.^) 

§  3.    DIE  GRIECHENSTÄDTE. 

Eximiert  von  dieser  Gauverfassung  waren  die  Griechenstädte,  deren 
es  in  der  Ptolemäerzeit  nur  drei  gegeben  hat,  Naukratis,  Alexandrien  und 
Ptolemais. 

Die  älteste  griechische  Ansiedlung  in  Ägypten  —  abgesehen  von 
Μίληΰίων  τείχος  —  ist  Naukratis^),  das  in  der  Mitte  des  VII.  Jahrh. 
zur  Zeit  des  Psammetich  I  von  Milesiern  am  kanobischen  Nilarm*)  be- 
gründet und  dann  von  Amasis  zum  einzigen  Emporium  der  in  Ägypten 
handeltreibenden  Griechen  gemacht  worden  ist.^)  An  diesem  Ausbau  der 
Stadt  unter  Amasis  beteiligten  sich  äolische,  ionische  und  dorische  Städte, 
aus  dem  Mutterlande  nur  Ägina.*^)  Über  die  Verfassung  der  Stadt  liegen 
sehr  dürftige  Nachrichten  vor.     Hermeias  bei  Athenaios  IV  p.  149 D  be- 

1)  Vgl,  M.  Engers,  de  aegyptiarum  κωμών  administratione  qualis  fuerit  aetate 
Lagidarum,  Groningen  1909,  S.  16  IF. ,  der  die  Zeiten  genauer  scheidet  als  Hohlwein, 
Tadministration  des  villages  egyptiens  ä  l'epoque  greco  -  romain  (Musee  Beige  X, 
1906,  S.  38  £F.). 

2)  Zu  dieser  Deutung  von  νΛοκείμενον  vgl.  Martin,  L'Epistratege. 

3)  Vgl.  Naukratis  by  Flinders  Petrie,  P.  Gardner  and  Griffith  I  (1886),  II  (1888). 
Wilcken,  Griech.  Ostraka  I  433.  Preisigke,  Stadt.  Beamtenwesen,  S.  1  f .  Bouche- 
Leclercq,  Eist.  d.  Lag.  III  144  f.  Prinz,  Funde  aus  Naukratis  (Klio  VII.  Beiheft  1908). 
Schubart,  Klio  X  55. 

4)  Die  Ruinen  entdeckte  Flinders  Petrie  1884/5  bei  Nebireh. 

5)  Prinz  1.  c.  1  ff.,  109  ff.  Daß  auch  eine  Übersiedlung  aller  in  Ägypten  woh- 
nenden Griechen  damals  durchgeführt  sei  (Prinz),  scheint  mir  nicht  erwiesen  zu  sein. 
Schon  die  Hellenomemphiten  sprechen  dagegen. 

6)  Vgl.  Herodot  II  178. 


Α.  Die  Ptolemäerzeit.     §  3.    Die  Griechenstädte.  13 

zeugt  ein  τίρντανεΐον  und  die  (ionische)  Behörde  der  τιμουχοί.  Da  die 
Autonomie  durch  das  für  Alexanders  Zeit  bezeugte  Münzrecht  feststeht^), 
so  ist  eine  βουλή  anzunehmen,  wenn  auch  kein  direktes  Zeugnis  vorliegt.*) 
Eine  Einteilung  der  Bürger  in  φνλαί  und  δήμοι  wird  nicht  belegt,  ist 
aber  auch  nicht  zu  supponieren  ^),  da  die  Gründung  vor  die  Demenordnung 
des  Kleisthenes  fäUt,  die  erst  das  Muster  für  andere  Städte  abgegeben 
hat.*)  Von  einer  späteren  Einführung  in  Naukratis  wissen  wir  aber 
nichts.^) 

Die  Papyri  haben  bisher  wenig  Aufklärung  über  Naukratis  gebracht.•) 
Eine  sehr  wichtige  Bestimmung  aus  dem  Recht  der  Stadt  Naukratis  ent- 
hält ein  Text  der  Kaiserzeit  (P.  Compt.  Rend.  1905  [27]),  die  sicher  auch 
auf  die  Ptolemäerzeit,  ja  auf  die  Anfänge  der  Stadt  zu  beziehen  ist: 
danach  haben  die  Naukratiten  keine  έπιγαμία  mit  den  Ägyptern  gehabt.^ 
Diese  Bestimmung  ist  begreiflich  für  eine  Stadt,  die  zu  einer  Zeit  ge- 
gründet wurde,  da  der  Gegensatz  τοη  "^Ελληνες  und  βάρβαροι  in  voller 
Kraft  war.  Da  sie  nach  jenem  Papyrus  auch  noch  in  der  Kaiserzeit  be- 
stand, so  wird  die  Bevölkerung  von  Naukratis  ihre  Rasse  besonders  rein 
erhalten  haben.  Jedenfalls  wird  der  Ansicht  Mahaffys,  daß  Naukratis  in 
der  Ptolemäerzeit  α  mere  egyptian  town  gewesen  sei,  hierdurch  der  Boden 
entzogen.  ®) 

Für  die  Verfassung  ist  die  durch  Rev.  P.  60:  kv  τωι  Σαίτψ  όνν  Nav- 
χράτει  gegebene  Bestätigung  wichtig,  daß  die  Stadt  außerhalb  der  Gau- 
verwaltung stand. 

Lumbroso  (Recherches  222)  hat  vermutet,  daß  P.  Par.  60»»*•  (30)  mit 
der  Erwähnung  der  τιμονχοί  und  eines  'Ελλήνων  sich  auf  Naukratis  be- 
ziehe (wegen  Hermeias  1.  c.).^)  Ich  glaube  eine  andere  Deutung  vor- 
schlagen zu  soUen  (s.  den  Kommentar). 

Nachdem  Naukratis  schon  im  V.  Jahrb.  von  der  Höhe  der  Handele- 
bedeutung, die  es  im  VI.  Jahrh.  gehabt  hatte,  heruntergekommen  war,  ist 
es  durch  die  Gründung  von  Alexandrien  natürlich  ganz  geschwächt  worden. 


1;  Head,  Nnmiemat.  Chionicle  VI,  8.  Ser.  Θ.  11,  und  in  NftukraÜi  I  ββί. 
2)  Das  TtQvtavtlov  bei  Hermeias  wilre  an  sich  noch  kein  eioherer  Beleg.    Vgl. 
Mommsen,  RG  V  567  Anm.  1.     Prinz  1.  c.  116. 

8)  Wie  z.  Π.  Schubart,  Arch.  V  84  Anm.  3  tut. 

4)  Vgl.  Perdrizet,  Le  fraffraent  de  Satyro•  (Eer.  d.  Äud.  anc.  XII,  1910,  «21). 

5)  Auch  Dittonbcr^er,  Or.  Qr.  I  120  nötigt  nicht  tn  der  Annahme. 

β;  Die  InHchrift  bei  DittenberKO'•    "-  *  •     '  "'•     .•--.:....  ---•  Ver^n^omv) 

ist  leider  nicht  eindeutig. 

7)  Den   γαμιχός   νόμος    τοη  NauKrnuH    «twhi  V  •  V- 
Arch.  ΠΙ  66«. 

8)  Kinpire  of  the  Ptolemie•  8.  81.     Dagegen  ecüuu   wu.  ι  λ 
Ι  488  Anm.  1. 

9)  AU  sicher  tiebt  et  Print  1.  o.  116  an,  wilhre» 
beetreitet. 


14  Kapitel  Ι.     Allgemeine  historische  Grundzüge. 

Alexandrien^)  wurde  von  Alexander  dem  Großen  während  seines 
ägyptischen  Aufenthaltes  (332/1)  im  Anschluß  an  das  Fischerdorf  Rhakotis, 
zwischen  der  Insel  Pharos  und  dem  Mareotischen  See  gegründet.'^)  Mit 
dem  Scharfblick  des  Genies  hatte  er  hier  den  Platz  gefunden,  der  zum 
Emporium  des  künftigen  Welthandels  prädestiniert  war.^)  Dagegen  konnte 
er  nicht  vorhersehen,  daß  Alexandrien  auch  Mittelpunkt  der  Weltkultur 
werden  würde.  Dies  ist  es  erst  dadurch  geworden,  daß  es  nach  dem 
Scheitern  von  Alexanders  Weltherrschaftsplänen  die  Residenz  der  Dynastie 
eines  kleineren  Reiches  wurde,  die  alles  daran  setzte,  nun  durch  Schaffung 
glänzender  Institute  wie  des  Museums  und  der  Bibliotheken  die  ersten 
geistigen  Kapazitäten  an  ihre  Residenz  zu  fesseln.  Leider  haben  bisher 
die  Papyri,  da  sie  Alexandrien  nur  selten  nennen,  für  die  materielle  und 
geistige  Entwicklung  Alexandriens  nur  wenige  neue  Aufschlüsse  gebracht, 
wenn  sie  auch  im  allgemeinen  die  Bedeutung  der  Stadt  für  das  Land  und 
auch  ihre  Bevölkerungsverhältnisse  klarer  hervortreten  lassen.  Auch  die 
viel  umstrittene  Frage  der  Verfassung  der  Stadt  ist  nach  wie  vor  noch 
sehr  dunkel. 

Zur  Beurteilung  dieser  letzteren  Frage  wird  vor  allem  davon  auszu- 
gehen sein,  daß  Alexandrien  durch  Ptolemaios  I  zur  königlichen  Residenz 
seines  Gesamtreiches  gemacht  worden  ist.^)  Es  war  also  eine  Königsstadt, 
mit  imposanten  Palastanlagen  und  starker  königlicher  Garnison.  Diese 
Residenz  war  —  mindestens  seit  Philopator,  vielleicht  aber  auch  vorher  — 
dem  Befehl  eines  königlichen  Stadthauptmanns  anvertraut,  der  zunächst 
wohl  nur  im  Falle  der  Abwesenheit  des  Königs  eintrat,  allmählich  aber 
eine  dauernde  Institution  wurde. ^)  Die  überraschende  Analogie  mit  dem 
kaiserlichen  praefectus  urbi  bestärkt  mich  darin,  in  ihm  weniger  den 
Stadtkommandanten  als  den  Polizeimeister  zu  sehen.  Dieser  alexandri- 
nische  Beamte  hieß  anfangs  ό  επΙ  της  Λολεως^)  —  wie  auch  in  kyp ri- 
echen Städten  unter  der  Ptolemäerherrschaft  ^)  — ,  während  er  gegen  Ende 
der  Ptolemäerzeit  als  οτρατηγος  rfjg  πόλεως  erscheint^)  und  als  solcher 
auch  in  die  Kaiserzeit  hinübergegangen  ist. 

Wenn   auch   das  \^orhandensein   eines  solchen   ότρατηγος  της  πόλεως 


1)  Vgl.  Preisigke  1.  c.  4  ff.     Bouche-Leclercq  ΠΙ  147  ff.     Schubart,  Klio  X  55  ff. 

2)  Vgl.  Puchstein,  Pauly-Wissowa  I  1376  ff. 

3)  Da  Alexandrien  -westlich  vom  westlichsten  Nilarm  liegt,  ist  es  nicht  durch 
die  vom  Nil  ausgeführten  Schlammassen  gefährdet,  da  die  Meeresströmung  hier  von 
West  nach  Ost  geht. 

4)  Aus  Alexanders  Zeit  erfahren  wir  nur,  daß  nach  dem  ersten  Aufbau  der 
Stadt  das  έμηόριον  von  Kanopos  nach  Alexandrien  verlegt  werden  sollte.  Vgl.  Ps. 
Aristot.  Oecon.  Π  33. 

5)  Vgl.  Schubart,  Klio  X  68,  der  auf  Polyb.  V  39,  3  hinweist. 

6)  Vgl.  außer  Polyb.  1.  c.  N^routsos-Bey,  Alexandrie,  Inschr.  n.  10. 

7)  Vgl.  Schubart  1.  c. 

8)  Dittenberger,  Or.  Gr.  Π  743  (Ι.  Jahrh.  ν.  Chr.).    Vgl.  auch  Strack,  Arch.  III 135. 


Α.  Die  Ptolemäerzeit.     §  3.    Die  Giiechenstädte.  15 

keineswegs  eine  durch  eine  βονλή  in  die  Erscheinung  tretende  Autonomie 
der  Stadt  unmöglich  macht ^),  so  ist  doch  nicht  zu  verkennen,  daß  der 
Gesamtcharakter  der  Stadt  als  königlicher  Residenz  in  Λ^erbindung  mit 
der  Tatsache,  daß  bisher  auch  nicht  die  leiseste  Spur  einer  alexandrini- 
schen  ßoidij  für  diese  Zeit  nachgewiesen  werden  konnte*),  die  Annahme 
einer  solchen  zurzeit  erschwert.  Immerhin  wird  man  gut  tun  —  zumal 
im  Hinblick  auf  die  Überraschung,  die  wir  kürzlich  in  bezug  auf  die 
βονλή  von  Ptolemais  erlebten!  —  vorsichtshalber  die  Frage  als  eine  offene*) 
zu  betrachten,  bis  endlich  einmal  ein  ganz  entscheidendes  Zeugnis  —  nach 
der  einen  oder  anderen  Seite  —  zutage  kommt.  Die  Wahrscheinlichkeit 
spricht  heute  allerdings  gegen  die  βονλή. 

Klarer  sehen  wir  über  die  Organisation  der  Bürgerschaft.*)  Von  den 
Bürgern  sind  einerseits  die  Μακεδόνες  zu  trennen  als  solche,  die  eine  den 
Bürgern  übergeordnete  Stellung  einnahmen,  andererseits  die  nicht  zu  den 
Bürgern  gehörenden  Griechen  soΛvie  Perser^)  und  andere  Ausländer,  vor 
allem  die  Juden,  und  endlich  die  Ägypter.  In  der  nationalistischen  Über- 
arbeitung des  Töpferorakels  heißt  es  von  Alexandrien:  ^4ντη  π[ό]λίς  ^v 
r(cvτoτρόφog^  [εί]£  ην  [κ]ατοίκεί0ϋ•η  πάν  γένος  ανδρών.  Vgl.  Wilcken, 
Hermes  40,  548.  Alexandrien  ist  tatsächlich  und  zwar  von  vornherein 
keine  reine  Griechenstadt  gewesen.  Die  Mischung,  wie  sie  sich  bis  zum 
II.  Jahrh.  entwickelt  hatte,  charakterisiert  Polybius  bei  Strabo  XVII  p.  797. 

Die  Bürger  der  Stadt  zerfielen  in  zwei  Klassen,  in  diejenige,  die  in  die 
Phylen  und  Demen  eingeschrieben  waren,  und  solche,  die  außerhalb  dieser 
N'erbände  standen,  doch  aber  voUe  ^^^λεξανδρείς  waren.  Die  ersteren  wurden 
!i  der  Ptolemäerzeit,  falls  sie  nicht,  wie  namentlich  auswärts,  !Αλεζ,ανδρεΐ$ 
j<-nannt  wurden,  durch  das  bloße  Demotikon  (auch  ohne  Hinweis  auf  die 
!  *hyle)  gekennzeichnet,  die  letzteren  hießen  '.^λε^ανδρείς.  Die  Töchter  der 
ersteren  —  Frauen  wurden  nicht  in  die  Demenordnung  aufgenommen  — 
wurden  άβταί^  die  Töchter  der  letzteren  '^λεξανδρ(δες  genannt.  So 
-.Imbart,  Arch.  V  104  ff. 

Die  Phylen-  und   Demenordnung  Alexandriens'),  die  wahrscheinlich 

1)  Vgl.  Wilcken,  Arch.  III  836;  Schubart  1.  c.  68,  Anm.  8  und  4. 

2)  Die  Schriftetellor  widersprechen  eich:  Dio  Gase.  61,  17.  vita  Severi  17.  Die 
'ntrtcheidun^  muß  durch  neue  Quellen  kommen. 

8)  So  Wilcken,  Arch.  III  336;  Schubart  1.  c.  60  ff.  Gegen  die  ßovXi^  Mommien, 
iouch^-Leclercq  u.A.  (Literatur  bei  letzterem  III  164). 

4)  Vgl.  zum  folgenden  den  gnmdlej^enden  AufHatz  von  Schuhart,   Arch.  V  81  ff. 

6)  Zu  der  merkwürdigen  Sondemtellung  der  alexandrininchen  Jliifum  xfi<i  {η»γορής 

üch  dei  a/cuyiuov  ilpai  vgl.  jetzt  Lewald,  Zur  IVrHonulexekuiion  im  Recht  der 
.1   11)10. 

βι  Vgl,  LurabroHO,  Ricerche  Alcwandrine  (Meniorio  d.  H.  Acc*<i.  d.  Soiente  dl 
iorino  8er.  II,  27,  1873);  Wilcken,  Oött.  flel.  Anz.  1Mü6,  135 ff.,  188.  141  f.  KenyoB, 
\rch.  II  70  ff.  Breccia,  Bullet,  de  la  Soc.  anhdol  d'Alex.  X  (1U08)  169 ff.  Schubwi, 
\rch.  V  81  ff.  A.  Wilhelm,  Beitrilgc  z.  griech.  Ini»chr  i""•*  ""•  •'"•^IriKet,  Κβτ.  d. 
Uid.  anc.  XII  (1910)  217  ff.  (lo  fragmont  de  Hatyroh 


IQ  Kapitel  I.     Allgemeine  historische  Grundzüge. 

so  alt  ist  wie  die  Konstituierung  der  Stadt  selbst,  hat  die  Kleisthenische 
Ordnung  Athens  zum  Vorbilde.  Sie  hat  im  Laufe  der  Zeit  mehrere  Ver- 
änderungen durchgemacht.  So  hat  nach  dem  Fragment  des  Satyros  (FHG 
in  164)  Philopator  aus  besonderer  Verehrung  für  den  Dionysos  die  Rang- 
ordnung der  Phylen  geändert,  indem  er  die  dionysische  an  die  Spitze 
stellte.^)  Auf  eine  Erweiterung  des  Kreises  der  Demenbürger  unter  Euer- 
getes  I  läßt  wohl  die  im  Faijum  (Petr.  P.)  oft  begegnende  Klasse  der  των 
οϋΛω  έτίηγμένων  slg  δημον  (τον  δείνα)  schließen,  also  von  Personen,  die 
schon  vorgemerkt  sind  für  den  Eintritt  in  einen  bestimmten  δήμος j  aber 
noch  nicht  eingeführt  sind.^)  Da  die  alexandrinische  Ordnung  in  einem 
festen  Verhältnis  zu  der  von  Ptolemais  steht  —  jedes  Demotikon  kommt 
nur  einmal  vor,  entweder  in  Alexandrien  oder  in  Ptolemais  — ,  so  muß 
auch  schon  die  Begründung  von  Ptolemais  eine  Etappe  in  der  Entwick- 
lung der  alexandrinischen  Ordnung  bedeutet  haben.  ^)  Zusammenhängende 
Nachrichten  über  diese  Einrichtungen  liegen  urkundlich*)  nur  in  Pap. 
Hib.  28  (25)  vor,  von  dem  leider  nicht  feststeht,  auf  welche  Stadt  er 
sich  bezieht.  FaUs  er  Alexandrien  behandelt,  so  hat  diese  Stadt  5  Phylen 
zu  je  12  Demen  zu  je  12  Phratrien  gehabt.  Die  5  Phylen  würden  dann 
den  5  Stadtquartieren  entsprechen,  die  nach  den  Buchstaben  ΑΒΓ/1Ε 
benannt  wurden.^) 

Alexandrien  war  als  Residenz  auch  Zentrale  der  Reichsverwaltung, 
der  Sitz  der  höchsten  Reichsbeamten.  Die  von  Strabo  XVII  p.  797  auf- 
gezählten Beamten,  die  auch  schon  zur  Königszeit  πατά  πόλυν  amtierten, 
der  Exeget,  der  Archidikastes,  der  Hypomnematograph  und  der  Nacht- 
stratege, sind  wohl  meist  königliche  Beamte;  städtisch  ist  wohl  der  Ex- 
eget.^) Zu  den  städtischen  Beamten  gehörte  auch  der  Gymnasiarch  und 
der  Kosmet  (vgl.  Kap.  III). 

Das  zur  Stadt  gehörige  Landgebiet  —  die  %ώρα  των  Άλεξανδρεων  — 
bildete  einen  Gau  mit  der  Metropole  Έρμου  Λολις  η  Μικρά  (Damanhur). 
Über  die  αρχαία  γη  in  dieser  χώρα  vgl.  Kap.  VII. 

Die  einzige  jtoXig^  die  die  Ptolemäer  in  Ägypten  gegründet  haben, 
ist  Ptolemais  in  der  Thebais.'^)  Die  neueren  Aufschlüsse  über  diese 
Gründung  Ptolemaios'  I,   die  den  Mittelpunkt  des  Griechentums  in  Ober- 

1)  Ygl.  Schubart  u.  Perdrizet  11.  cc. 

2)  Vgl.  Wilcken,  GGA  1.  c.     Schubart  1.  c.  90.  3)  Schubart  1.  c. 

4)  In  der  Literatur  vgl.  die  Schrift  des  Satyros  (FHG  ΙΙΓ  164). 

5)  Über  diese  Stadtquartiere  berichtet  Ps.  Kallisthenes  I  32,  Philo  in  Flaccum  §  8 
Mang.  Π  525.  Vgl.  Dittenberger,  Or.  Gr.  II  705,  auch  P.  Teb.  II  316  (in  Kap.  ΠΙ). 
Vgl.  Lumbroso,  L'Egitto^  169. 

6)  Vgl.  Bouche-Leclercq  III  154  ff.     Schubart,  Arch.  V  57  Anm.  1. 

7)  Hierüber  vgl.  jetzt  die  das  ganze  Material  zusammenfassende  und  verarbeitende 
Studie  von  Gerhard  Plaumann,  Ptolemais  in  Oberägypten,  ein  Beitrag  zur  Geschichte 
des  Hellenismus  in  Ägypten  (Leipz.  Histor.  Abh.  herausg.  v.  Brandenburg,  Seeliger, 
Wilcken,  Heft  XVHI,  1910). 


Α.  Die  Ptolemäerzeit.     §  3.    Die  Griechenstädte.  17 

ägypten  darstellte,  verdanken  wir  vor  allem  den  Inschriften,  weniger 
den  Papyri.  Auch  für  Ptolemais  wurde  früher  von  manchen  die  Existenz 
einer  βουλή  geleugnet,  bis  die  wichtige  Inschriftenpublikation  von  Pierre 
Jouguet  jeden  Zweifel  an  ihr  benahm.^)  Damit  liegen  uns  mehrere 
Yolksdekrete  von  Ptolemais  aus  der  ersten  Hälfte  des  III.  Jahrh.  v.  Chr. 
vor,  in  denen  wir  βουλή  und  δήμος  an  der  Arbeit  sehen.  Ob  der  von 
Schubart-)  zuerst  richtig  als  Dekret  von  Ptolemais  gedeutete  P.  Faj.  22 
in  die  ptolemäische  oder  die  römische  Zeit  gehört,  ist  leider  nicht  mit 
Sicherheit  zu  erweisen.  Jedenfalls  besteht  kein  Grund,  anzunehmen,  daß 
die  Stadt  in  der  späteren  Ptolemäerzeit  ihre  Autonomie  verloren  habe. 
Der  Rat  von  Ptolemais  wurde  nach  jenen  Inschriften  geleitet  von  sechs 
IVytanen,  von  denen  einer  zur  Zeit  den  Vorsitz  führte  (άρχιπ-ρυται/ΐί?), 
einer  vielleicht  der  γραμματεύς  της  /ίουλη^  war^),  so  daß  es  also  fünf 
πρυτάνεις  im  engeren  Sinne  gab. 

Die  Bürger  von  Ptolemais  waren  in  Phylen  und  Demen  geordnet  wie 
die  alexandrinischen  Demenbürger.  Ob  es  daneben  (wie  in  Alexandrien) 
auch  eine  Klasse  von  Bürgern  gegeben,  die  nicht  in  den  Demen  waren 
und  Πτολεμαιεΐς  im  engeren  Sinne  hießen,  läßt  sich  noch  nicht  sicher 
entscheiden.*)  Daß  die  Phylenordnung  von  Ptolemais,  die  gewiß  sogleich 
bei  der  Gründung  der  Stadt  eingeführt  wurde,  im  Zusammenhang  mit  der 
schon  bestehenden  alexandrinischen  Ordnung  eingerichtet  wurde,  ist  schon 
oben  gesagt:  die  bloße  Nennung  des  Demotikons  genügte,  um  anzuzeigen, 
•b  der  Träger  ein  alexandrinischer  oder  ein  ptolemäensischer  Bürger  war. 
Neben  den  Bürgern  hat  es  auch  hier  Nichtbürger  gegeben,  im  besonderen 
auch  Ägypter,  wie  ja  die  neue  Stadt  sich  an  die  ägyptische  Ortschaft 
Psoi  anschloß  (wie  Alexandrien  an  Rhakotis).^)  Aber  das  Griechentum 
hat  sich  hier,  wie  ein  Text  der  Claudischen  Zeit  zeigt  (Lond.  III  S.  71  ff.), 
sehr  viel  reiner  erhalten  als  in  der  Weltstadt  Alexandrien,  so  daß  es  nach 
dieser  Richtung  viel  mehr  mit  dem  durch  sein  Epigamie- Verbot  geschützten 
Xaukratis  zusammenzustellen  ist.  Es  würde  zu  der  Eingeborenenpolitik 
ties  Soter  (s.  unten  S.  19  f.)  nicht  sclilecht  passen,  wenn  er  in  Ptolemais 
geradezu  ein  Epigamie- Verbot  eingeführt  hätte.  Ist  das  nicht  geschehen, 
so  nötigt  der  Tatbestand  jenes  P.  Lond.  zu  der  Annahme,  daß  die  Griechen 
von  Ptolemais  durch  gesellschaftliche  Boykottierung  der  Eingeborenen  sich 
selbst  geholfen  haben. 

Wenn    aber  auch  Ptolemais  staatsrechtlich  durchaus  eine  autonome 
:ιόλις  war,  so  hat  doch  seine  Zugehörigkeit  zu  einer  absoluten  Monarchie 


1)  Vgl.  Jouguet,  Bull.  Corr.  hoU.  XXI  (1897)  8.  184  ff.  mit  reichem  Kommentar 
-  Diitinbergcr  Or.  Or.  I  47  —  49).      Dazu   kommt   noch    die    Inechrift  bei   Stnusk, 

Arrh    II  r,8U  n.  8  (—  Ditt.  Or    Cr    Π  728).     Vgl.  daKU  PUumann  L  o.  4  ff. 

2)  Arch.  V  78  Anm.  Μ  8)  IMaumann  8.  18. 
4)  PUumann  8.  20  ff.  6)  PUuuiiinn  8.  8. 

MltltU-Wllokeo:  (>niDd«ng•  I  ' 


18  Kapitel  Ι.     Allgemeine  historische  Grundzüge. 

in  der  Praxis  notwendig  diese  Autonomie  durchkreuzen  müssen.  So 
zeigen  uns  die  Yolksdekrete,  wie  die  freien  Bürger  der  Stadt  tatsächlicli 
yor  allem  um  die  Gunst  des  Königs  buhlten.^)  Ein  anderer  Text,  nach 
dem  der  höchste  königliche  Beamte  der  Thebais,  der  Epistratege,  zugleich 
als  άρχυΛρντοίπς  von  Ptolemais  bezeichnet  wird,  zeigt,  auf  welchen  Um- 
wegen gelegentlich  Kontrolle  über  die  Stadt  ausgeübt  wurde.^)  Das  Münz- 
recht ist  zudem  der  Stadt  nicht  konzediert  worden.^) 

Andere  griechische  πόλεις  als  diese  drei  hat  es  im  ptolemäischen 
Ägypten  nicht  gegeben.*)  Wohl  mögen  sich  die  Grriechen  in  den  sonstigen 
Städten  und  Dörfern  auch  irgendwie  organisiert  haben ^),  aber  eine  staats- 
rechtlich schärfer  zu  fassende  Organisation,  ein  πολίτευμα  innerhalb  der 
Gesamtstadt,  läßt  sich  nach  unser m  bisherigen  Wissen  nur  in  Memphis 
wahrscheinlich  machen.  In  Lond.  I  S.  49  aus  dem  III.  Jahrh.  v.  Chr. 
begegnet  ein  Έλληνομεμφίτης^  der  ev  των  Έλληνίωυ  wohnt.  Dies  erklärte 
ich  in  den  Gott.  Gel.  Anz.  1894,  725  durch  Hinweis  auf  die  Notiz  des 
Stephanus  Byz.  s.  v.  ^Ελληνικός ^  die  er  aus  Aristagoras  von  Milet  ent- 
nommen hat  (FHG  II  98  n.  5):  ^Ελληνικον  καΙ  Καρυκον  τόποι  εν  Μέμφιδι^ 
αφ'  ων  ΈλληνομεμφΙταο  καΐ  ΚαρικομεμφΙται  ώς  ^ριοταγόρας.  Es  sind 
offenbar  die  hellenischen  und  karischen  Söldner  des  Psammetich,  die 
Amasis  nach  Herod.  II  154  später  in  Memphis  angesiedelt  hat.  Wenn 
man  die  weitere  Notiz  des  Stephanus  s.  v.  Καρικόν^  wonach  die  Karer 
έπιγαμίας  προζ  Μεμφίτας  τΐοιηοάμενοι,  ΚαρομεμφΙται  genannt  wurden, 
auch  auf  die  ΈλληνομεμφΙτοα  anwenden  darf,  so  haben  auch  diese  έηιγαμία 
mit  den  MemjJhiten  gehabt  und  sich  mit  ihnen  vermischt.  Der  einzige 
HeRenomemphit,  den  wir  aus  jenem  Lond.  kennen  lernen,  hat  einen  rein 
ägyptischen  Namen,  wie  auch  seine  Nachbarn.  Trotz  dieser  Rassen- 
mischung haben  diese  HeUenomemphiten  dort  ein  „hellenisches"  Quartier 
gebildet  und  sich  um  ein  'Ελλήνων  geschart  (P.  Lond.)  Ob  das  πολί- 
τευμα in  der  memphitischen  Inschrift  Dittenberger  Or.  Gr.  II  737  eben  die 
Organisation  dieser  HeUenomemphiten  ist,  wie  Schubart  vermutet  hat, 
(Klio  X  63  Anm.  2),  ist  mir  sehr  zweifelhaft.  Ygl.  Schürer,  Gesch.  d.  Jüd. 
Volkes  IIP  S.  39,  der  sich  auf  Ziebarth,  Berl.  ph.  Woch.  1906,  363  beruft.«) 


1)  Vgl.  Ditt.  Or.  Gr.  47  und  49. 

2)  Vgl.  Plaumann  S.  29,  auch  28. 

3)  Svoronos,  Die  Münzen  der  Ptolemäer  IV  S.  60  f. 

4)  Die  frühere  Annahme  (Lumbroso,  Rech.  59,  Mitteis  Reichsrecht  41),  daß  auch 
Hermop olis-Magna  und  Lykopolis  Griechenstädte  in  diesem  Sinne  gewesen  seien,  ist 
nicht  zu  halten. 

5)  Vgl.  Schubart,  Klio  X  62  ff. 

6)  Die  Schwierigkeit,  die  in  ή  ηόλις  der  letzten  Zeile  liegt,  wird  auch  durch 
Schubarts  Hypothese  nicht  gehoben,  denn  die  HeUenomemphiten  zusammen  mit 
den  Idumäern  machen  nicht  die  τίόΐις  aus.  Wo  bleiben  die  Phönizier,  die  Karomem- 
phiten,  vor  allem  die  Ägypter?  Daß  πολίτευμα  hier  ohne  Bezeichnung  des  Volkes 
steht,    ist  nur  yerständlich,    wenn  es  eben  das   Λολίτενμα  der  Ίδονμκΐοι  ist.     Man 


Α.  Die  Ptolemäerzeit.     §  4.    Bevölkerung  und  Bevölkerungspolitik.  19 

Dagegen  werde  ich  unten  darlegen,  was  für  die  Hypothese  angeführt 
werden  könnte,  daß  jener  Par.  60^"  (30),  den  Lumbroso  auf  Naukratis 
bezogen  hat,  vielleicht  auf  diese  hellenische  Organisation  von  Memphis  zu 
beziehen  ist.     Ist  es  richtig,  so  haben  sie  τφονχοί  an  ihrer  Spitze  gehabt. 

§  4.    BEVÖLKERUNG  UND  BEVÖLKERUNGSPOLITIK. 

Es  war  ein  buntes,  mit  der  Zeit  immer  bunter  werdendes  Völker- 
gemisch ^),  das  unter  der  ptolemäischen  Herrschaft  in  Ägypten  wohnte. 
Außer  den  Makedonien!  waren  Griechen  aus  den  verschiedensten  Teilen 
der  griechischen  Welt  —  auch  aus  dem  Westen  —  dorthin  gekommen, 
teils  um  Solddienste  bei  diesen  reichen  und  gutzahlenden  Fürsten  zu 
nehmen,  teils  um  drüben  in  der  neuen  Welt  als  Kaufleute  oder  Gewerbe- 
treibende ihr  Glück  zu  suchen,  und  neben  diesen  Griechen  finden  wir  dort 
auch  Thraker  und  lUyrier,  Kreter,  Kleinasiaten  wie  Lykier  und  Karer 
und  Galater,  ferner  Perser  und  Semiten  verschiedenster  Stämme,  nament- 
lich Juden,  und  gegen  Ende  dieser  Periode  auch  Römer.*)  Sie  alle 
standen  als  Eindringlinge  gegenüber  den  Eingeborenen,  den  Ägyptern, 
der  Hauptmasse  der  Bevölkerung.^)  Die  innere  Geschichte  des  Landes 
ist  wesentlich  bedingt  durch  die  Frage,  in  welchem  Verhältnis  die  Ange- 
hörigen dieser  so  verschiedenartigen  Völker  mit  einander  gelebt  haben, 
und  welche  Politik  die  Regierung  ihnen  gegenüber  durchgeführt  hat. 
Von  besonderer  Bedeutung  ist  diese  Frage  für  die  Griechen,  Ägypter  und 
Juden  geworden.     Betrachten  wir  zunächst  die  Griechen  und  Ägypter. 

Während  Alexander  der  Große  im  Verfolg  seiner  keimenden  Welt- 
herrschaftspläne auch  das  ägyptische  Volk  mit  zur  \^erwaltung  des  Landes 
heranzog  und  zwei  Ägypter  an  die  Spitze  der  Zivilverwaltuug  von  Ober- 
und  Unterägypten  stellte  (s.  S.  9  Anm.  6)*,  hat  Ptolemaios  I,  wiewohl  er 
eich  in  der  Religionspolitik  durchaus  der  Toleranz  Alexanders  anschloß*), 
doch  im  Staatsleben  eine  Scheidewand  zwischen  den  Makedonien!  und 
Griechen  und  andrerseits  den  Ägyptern  errichtet*),  indem  er  die  höheren 


unterscheidet  dae  «οΧίτινμα  der  Idumäer  von  den  όηό  τής  ηόΧιως  Ίβονμαΐοι  wie  die 
kXt^avOQtit  von  den  Griechen  an*  ^ΙΧίξανίίρ^Ιας. 

1)  Vgl.  Wilcken,  Die  griech.  Papyrueurkund•"  ι>^'•7    S  :n  fT     Ρ   Mejer«  Heer- 
weteo,  S.  7  ff. 

2)  Schon  geit  der  zweiten  HUlfle  des  II.  Jahii..  ,. »...,  i.c  Kaafleute 

in  Alexandrien  nachweiHbar.     Vgl.  V.  P&r\an,  Die  Nationalitnt  der  KauMeut«  im  röm. 
Kaiserreich  ΙϋΟΟ,  8.  17  f. 

S)  Di«;  (icuamtbevöikening  jener  Zeit  ist  dorrbscbniiUich  etwa  auf  sieben  Millionen 
Menschen  anzusitzen.     Vgl.  Griech.  Ostraka  I  489  f.  zu  Diod.  I  86,  β. 

4>  Nach    ')«ro    Übergang    Aber    den    Kuphrat    bat   er  dann   auch  die  Sairapien 
an  I  I    —    ganz  zu  Nchweigrn  von  der  unglflckseligen  Verse hmeUungs- 

pül  i  /ten  Jahre. 

6;  H.  unt4!n  Kiip    II. 

β)  Dero  cntHprii  ht  auch  seine  straffe  Kircbenpolitik.     Vgl.  Kap.  IL 

8• 


20  Kapitel  Ι.     Allgemeine  historiBche  Grundzüge. 

Beamtenstellen  ausschließlicli  den  ersteren  vorbehielt.^)  Die  Makedonier 
und  in  zweiter  Reihe  die  Griechen,  die  damals  noch  in  einem  Kontrast 
standen,  der  erst  allmählich  sich  gemildert  hat^),  sollten  allein  die  Herren 
im  Lande  sein,  die  Ägypter  aber  die  Untertanen.  Unter  den  ersten  kräf- 
tigen Herrschern  ist  diese  selbstbewußte  makedonische  Eingeborenenpolitik 
aufrecht  erhalten  worden.  Es  war  nicht  eine  Schwäche  der  Politik,  son- 
dern ein  praktisches  Erfordernis,  daß  man  in  der  Sprachenfrage  den 
Ägyptern  entgegenkam.  War  auch  die  griechische  Sprache  die  offizielle 
Landessprache,  so  mußten  doch  die  Erlasse,  die  im  Interesse  des  Fiskus 
auch  von  den  Stockägyptern  gelesen  werden  sollten,  doppelsprachig  publi- 
ziert werden.  Vgl.  Rev.  P.  9  (in  Kap.  V).  Entgegengekommen  ist  man 
auch  auf  dem  Gebiete  des  Gerichtswesens,  insofern  man  für  gewisse  Fälle 
die  einheimischen  Gesetze  (die  χωρικοί  νόμοι)  und  die  einheimischen 
Volksrichter  {λαοκρίται)  in  Geltung  ließ.  Vgl.  Band  II,  Kap.  I.  Auch  durften 
sie  ihre  Verträge  unter  gewissen  Kautelen  demotisch  abfassen.  Aber  die 
späteren  Regierungen  sind  weit  darüber  hinausgegangen.  Da  sehen  wir 
die  Ägypter  aus  den  unteren  Stellen  allmählich  auch  in  höhere  hin- 
aufrücken und  überhaupt  eine  bedeutende  Rolle  im  Staatsleben  spielen. 
Die  verlockende  Aufgabe,  das  weitschichtige  Material,  das  die  Papyri  für 
dieses  Problem  —  eines  der  wichtigsten  der  inneren  Geschichte!  — 
bieten,  erschöpfend  zu  verarbeiten,  ist  bisher  noch  nicht  in  Angriff  ge- 
nommen worden.^) 

Das  Erwachen  der  nationalistischen  Bewegung  der  Ägypter  führt 
Polybios  (V  107),  der  gewiß  gut  darüber  orientiert  war,  auf  die  Tatsache 
zurück,  daß  Ptolemaios  IV  Philopator  zum  Kampf  gegen  Antiochos  ΠΙ 
20000  Ägypter  als  Phalangiten  ausgebildet  und  in  sein  Heer  eingestellt 
hatte.  So  betrachteten  sie  sich  als  die  Sieger  von  Raphia  (217),  wollten 
nicht  mehr  gehorchen  wie  früher  und  sehnten  sich  nach  einem  ηγεμών, 
einem  nationalen  König.  So  kam  es  denn  bald  zu  Revolten  (schon  von 
ca.  216  an)*)  und  zu  offenem,  auf  beiden  Seiten  oft  grausam  geführtem 
Kampf  mit  der  Regierung.  Je  schwächlicher  die  Regierung  des  Philopator 
wurde,  je  mehr  Zugeständnisse  er  machte^),  desto  gefährlicher  wurde  die 


1)  Eine  umfassende  Untersuchung  darüber  liegt  noch  nicht  vor,  so  daß  die 
Grenze,  bis  zu  der  die  Ägypter  schon  im  ΙΠ.  Jahrh.  vordringen,  noch  nicht  feststeht. 
Ein  Ägypter  als  οικονόμος  in  Lille  3  ΠΙ  50,  ein  βαβιλίν,ός  γραμματεύς  in  Lille  3  III 
52  usw. 

2)  Im  Jahre  163  v.  Chr.  schreibt  ein  Makedonier  des  Serapeums:  ηαρά  το  "Ελληνα  με 
είναι  (Ρ.  Vat.  Β  13).  Andererseits  hoben  sich  in  Alexandrien  noch  zu  Augustus'  Zeit 
die  Makedonier  deutlich  von  den  Griechen  ab.     S.  oben  S.  15. 

3)  Andeutungen  in  meinen  Vorträgen  „Die  griech.  Papyrusurkunden"  (1897) 
S.  31  f.,  „Hellenen  und  Barbaren"  (N  .Jahrb.  l  d.  Klass.  Alt.  ΧΥΠ,  1906,  466  fiF.). 
P.  Meyer,  Heerwesen  58  ff. 

4)  Vgl.  Bouche-Leclercq  I  315  ff. 

5)  Vgl.  unten  Kap.  II  über  die  dreisprachigen  Texte  aus  seiner  Zeit. 


Α.  Die  Ptolemäerzeit.     §  4.    Bevölkerung  und  ßevölkeningspolitik.  21 

Bewegung,  die  denn  auch  mit  voller  Kraft  in  die  Regierung  des  unmün- 
digen Epiphanes  hinüberging.  So  war  der  größte  Teil  der  Regierung  dieses 
Königs  mit  Kämpfen  um  die  Existenz  des  Reiches  ausgefüllt,  ganz  abge- 
sehen von  den  Gefahren,  die  von  außen  es  bedrohten.^)  Erst  im  8.  Jahre 
des  Epiphanes  konnte  Lykopolis  im  Busirites  (im  Delta),  der  Hauptsitz 
der  unterägyptischen  Aufrührer,  die  unter  Führung  einheimischer  δννάόται 
standen,  erobert  werden. ^j  Aber  auch  später  ist  im  Norden  noch  gegen 
die  nationalistische  Bewegung  gekämpft  worden.')  Noch  entschiedener 
war  der  Erfolg  der  Insurgenten  im  Süden.*)  Nach  der  Bauinschrift  von 
Edfu  konnte  wegen  der  Unruhen  vom  16.  Jahre  des  Philopator  (207/6) 
bis  zum  19.  Jahre  des  Epiphanes  (186)  nicht  an  dem  Tempel  gebaut 
werden.^)  Eugene  ReviUout  verdanken  wir  die  einigen  demotischen  Ver- 
tragsdatierungen entnommene  Entdeckung,  daß  in  diese  Zeit  die  Herr- 
schaft zweier  einlieimischer  Pharaonen  fäUt,  die  zusammen  etwa  18  Jahre 
in  der  Thebais  regiert  haben.^)  Daß  die  SchaflFung  der  Epistrategie  für 
die  Thebais  eine  Folge  dieser  Erschütterung  des  Reichsbestandes  war, 
ist  schon  oben  S.  10  gesagt  worden;  dasselbe  gilt  auch  von  der  Aus- 
dehnung der  Hofrangklassen  auf  die  höchsten  Beamten  (s.  oben  S.  7), 
wodurch  die  treugebliebenen  makedonisch -griechischen  Schützer  des 
Thrones  noch  fester  an  die  Dynastie  gebunden  werden  sollten.  Auf  der 
anderen  Seite  aber  kam  der  König  auch  den  Ägyptern  entgegen,  indem 
er  nach  dem  Siege  im  9.  Jahre  den  Aufrührern,  die  in  ihre  ίδια  zurück- 
kehrten, Amnestie  gewährte  (Rosett.  19)  und  vor  allem  nach  ägyptischem 
Ritus  sich  in  Memphis  als  ägyptischer  König  krönen  ließ  (Rosctt.)J) 
Damit  kapitulierte  der  Sieger  vor  dem  Besiegten.  Den  Dank  der  ägyp- 
tischen Priesterschaft  für  diese  schwächliche  Politik  lesen  wir  in  der 
Inschrift  von  Rosette.  Aber  die  nationalistische  Partei  war  noch  nicht 
befriedigt.  Schon  unter  Philometors  und  Euergetes*  II  Samtherrschaft 
(169 — 164)  hören  wir  von  neuen  Unruhen.  So  erregte  ein  ^iovvou>g 
6  καλούμενος  Πετο0οράπίς  im  Norden  eine  Revolte  (Diod.  31,  loa.)  Auf 
diese  haben  wohl   mit  Recht  Grenfell-Hunt  die  Erwähnung  eines  agyp- 


1)  8.  oben  .>.  i>. 

2)  Inschrift  von  Rosette  (Dittenberger  Or.  Gr.  90),  2«  ff.    Polyb.  2«,  7,  1. 
8)  Vgl.  Polyb.  22,  7,  3  ff.  (zum  J.  186/4). 

4)  Ein  HinweiH  auf  die  Revolution  im  Süden  enth&lt  F.  Tut.  1,  5,  27  ff.  VgU 
dAZQ  J.  Krall,  Studien  zur  acg.  Geech.  II,  8.  41. 

6)  Vgl.  Dilmichen,  Aeg.  ZeitHch.  1870,  S.  8  ff.  Vgl  da«u  auch  F.  Meyer,  Heer- 
wesen 69. 

6)  Vgl.  R«viUout,  Compt.  R.  de  rAccad.  d.  Inst  1872,  266  ff.;  Bar.  Bgypi  IV, 
166  ff.  etc.     Von  H.  Hrngtch  beat&tigt. 

7)  Die  Art,  wie  die  Priester  in  der  Rosettana  46  τοη  den  vo|uC^fi*Mi  r^  ststf«- 
IfiV'fi  χής  (iaadtlag  sprechen,  scheint  mir  daruuf  hinzudeuten,  daS  Kpiphanes  nicht 
der  erste  wur,  der  die  Ägyptische  KrOnung  auf  sich  nahm.  Unter  den  Früheren  k&me 
wohl   nar  Philopator  in  Betracht    Vgl.  Wilcken  bei  J.  Q.  Orojeen,  Kl.  Sehr.  II  440. 


22  Kapitel  Ι.     Allgemeine  historische  Grundzüge. 

tisclien  Aufstandes  in  P.  Amh.  30  (9)  bezogen.  Die  Nachwirkungen 
dieser  Unruhen  treten  uns  noch  für  die  nächsten  Jahre  in  den  Serapeums- 
texten  entgegen,  wonach  der  Makedonier  Ptolemaios  unter  dem  Haß  der 
Ägypter  zu  leiden  hat,  weil  er  ein  „Hellene"  ist.^)  Von  Unruhen  (άμίξίαι) 
sprechen  auch  manche  Texte  aus  den  nächsten  Dezennien^)  der  Regierung 
des  Euergetes  Π,  doch  handelt  es  sich  hier  vielfach  um  die  oben  S.  5  be- 
handelten dynastischen  Kämpfe,  die  die  Bevölkerung  Ägyptens  zwangen, 
für  die  eine  oder  andere  Partei  sich  zu  erklären.  Es  ist  möglich,  daß 
die  Ägypter  gerade  dadurch,  daß  die  miteinander  streitenden  Könige  sich 
um  ihre  Unterstützung  bemühen  mußten,  gegen  Ende  des  Jahrhunderts 
erreichten,  daß  auch  höhere  Stellen  mit  Ägyptern  besetzt  wurden.  So 
finden  wir  einen  Ilaög  als  ονγγεν^ς  καΐ  ΰτρατηγος  της  Θηβαΐδος^)  im 
J.  130/29  und  einen  Φοαμ^οϋς  als  βνγγενής  καΐ  έταύτράτηγος  καΐ  6τρα- 
τηγος  Tijg  Θηβαΐδος  unter  Ptolemaios  Soter  Π.^)  Im  letzten  Jahrhundert 
V.  Chr.  ist  dann  noch  einmal  ein  großer  Aufstand  in  der  Thebais  ge- 
wesen, dessen  Niederwerfung  mit  der  Zerstörung  Thebens  im  Jahre  88 
endete.^)  Auf  diese  Wirren  bezieht  sich  der  Brief  des  Piaton  (12).  Daß 
in  diesen  unruhigen  Zeiten  gelegentlich  auch  ägyptische  Nachbarstädte 
gegeneinander  Krieg  geführt  haben,  zeigt  ein  merkwürdiger  Kairener 
Text  (11)  vom  Jahre  123. 

Diese  nationalistische  Bewegung,  die  wir  von  Philopators  Zeiten  an 
verfolgen  können,  ist  die  natürliche  Reaktion  des  Orients  gegen  den 
griechischen  Herrn,  wie  sie  auch  im  Seleukidenreich  schon  früher  und 
z.  T.  mit  noch  größerem  Erfolg  —  wie  in  der  Begründung  des  Parther- 
staates —  zutage  getreten  war.  Der  Haß  der  Nationalisten  gegen  die 
griechische  Fremdherrschaft  tritt  uns  auch  in  der  Überarbeitung  ent- 
gegen, der  die  altägyptische  „Verteidigung  des  Töpfers  vor  dem  König 
Amenophis"  wohl  in  ptolemäischer  Zeit  unterworfen  wurde.  Da  wird 
geweissagt,  daß  die  Stadt  am  Meere,  d.  h,  Alexandrien  (wie  Reitzenstein 
zuerst  erkannte)  ein  Trockenplatz  für  die  Netze  der  Fischer  sein  werde, 
während  die  Götter  Alexandriens  nach  Memphis  übersiedeln  würden.^) 
Die  allmählich  wieder  wachsende  Kraft  des  Orients  hat  sich  aber  nicht 
nur  in  jenen  gewaltsamen  Auflehnungen  gezeigt.  Viel  nachhaltiger  und 
für  die  Kulturgeschichte  bedeutender  waren  die  mehr  und  mehr  sich  be- 


1)  Ygl.  meinen  Kommentar  zu  P.  Vat  B.  in  den  „Urkunden  der  Pfcolemäerzeit". 
S.  auch  den  Gegensatz  von  'Έίλτινες  und  Ägyptern  in  Amh.  40. 

2)  Ygl.  z.  B.  Grenfell-Hunt  in  Teb.  I  S.  46. 

3;  Strack,  Dyn.  d.  Ptol.,  S.  257  n.  109.    Vgl.  Theb.  Bank.  8,  korrig.  von  Revillout, 
Melang.  343  und  unten  Nr.  10. 

4)  Vgl    z.  B.  Strack  n.  140,  26,  wo  die  Könige  ihn  als  αδελφός  begrüßen.     Vgl. 
auch  Tur.  5—7  und  Lond.  II,  S.  13/14. 

5)  Pausan.  I  9,  3. 

6)  Vgl.  Wilcken,  Zur  ägyptischen  Prophetie  (Hermes  40,  544  ff.,  557). 


Α.  Die  Ptolemäerzeit,     §  4.    Bevölkerung  und  Bevölkerungspolitik.  23 

merkbar  machenden  Beeinflussungen  des  griechischen  Wesens  durch  das 
Orientalische.  Der  Hellenisierung,  die  schließlich  nir^iends  sehr  tief  ge- 
gangen ist,  tritt  allmählich  die  Orientalisierung  gegenüber  und  bewirkt, 
daß  die  Griechen  hier  im  Zusammenleben  mit  den  Orientalen  und  auch 
unter  dem  Einfluß  des  südlicheren  Klimas  manche  fremden  Sitten  und 
Anschauungen  übernahmen.^)  Wir  sahen  oben  S.  13 f.,  daß  die  Griechen 
in  Naukratis  und  Ptolemais  sich  in  Rasse  und  Kultur  ziemlich  rein 
gehalten  haben,  während  in  der  Weltstadt  Alexandrien  die  Verlockung 
zur  Mischung  viel  eher  gegeben  war.  So  erzählt  Polybios,  daß  schon 
etwa  um  200  die  Makedonier  von  Alexandrien  so  verweichlicht  waren, 
daß  sie  mit  den  Makedoniern  der  Heimat  den  \^ergleich  nicht  mehr  aus- 
hielten. Vor  allem  war  die  Verlockung  im  Lande  groß,  wo  die  Griechen 
nun  durch  viele  Generationen  hindurch  in  Städten  und  Dörfern  mit  den 
Ägyptern  zusammen  wohnten.  So  ist  es  trotz  der  oben  geschilderten 
nationalen  Gegensätze  mindestens  vom  IL  Jahrh.  an^)  doch  vielfach  zu 
einer  Mischung  des  Blutes  und  zu  einer  gräko-ägyptischen  Misch- 
rasse gekommen,  die  sich  von  jenen  reinen  Hellenen  in  den  Griechen- 
städten und  meist  wohl  auch  von  den  Honoratiorenfamilien  in  den  Metro- 
polen mehr  und  mehr  abhebt.  Äußerlich  tritt  diese  Mischung  uns  am 
deutlichsten  in  der  Nomenklatur  entgegen:  Griechen,  namentlich  wohl 
solche  zunächst,  die  ägyptische  Frauen  geheiratet  hatten,  geben  ihren 
Kindern  ägyptische  Namen  oder  fügen  dem  griechischen  Namen  einen 
ägyptischen  hinzu  (Doppelnamen  mit  ό  καΐ  ο.  ä.).  Da  in  den  Urkunden 
aber  nicht  notwendig  der  ganze  Doppelname  zu  stehen  braucht,  sondern 
willkürlich  auch  der  griechische  oder  der  ägyptische  allein  gesetzt  wird, 
80  ist  es  sehr  gefährlich,  aus  dem  Namen  Rückschlüsse  auf 
die  Nationalität  zu  machen.  Für  die  Benutzung  der  Urkunden,  min- 
destens vom  U.  Jahrhundert  an,  ist  es  sehr  wichtig,  sich  dies  immer 
gegenwärtig  zu  halten.^)  Ein  Beispiel  für  viele:  in  Teb.  I  247  (ca.  112 
V.  Chr.)  folgen  in  einer  Liste  mit  der  Überschrift:  'Ελλήνων  γ£ωργ[&ν 
echt  ägyptische  Namen  wie  '^ρμινόις  Άρμινοιος  (auch  der  Vater  I), 
Άρφαήόίς  Πετοοίριος,  '/Ιρμάχορος  Θοτορταίον  usw.  Daß  bei  dieser  Völker- 
mischung und  Kulturmiöchung  die  Eingeborenen  und  nicht  die  Griechen 
gewonnen  haben,  ist  für  Ägypten  gerade  so  wie  für  die  anderen  Reiche 
selbstverständlich,  denn  die  Griechen  hatten  die  höhere  Kultur  zu  geben, 
und  so  hat  dieser  Mischuugsprozeß  zweifellos  auch  zuni  Niedergang  des 
Griechentums  in  Ägypten  beigetragen. 

L'nter  den  sehr  verschiedenen  Stämmen  angebörigen  Semiten,  die  sur 

1    Vgl.  Wilcken,  Hellenen  u.  Barbaren  1.  c.  467  Γ 

1'    i:iii   intereeaantei  Beiipiel  fflr  die  Mitte  den  III.  Jahrh.  bietet  die  Intobrift, 
di«  L.  til.vro  in  den  Annale•  de  llnititut  1U08,  8.  «31  ff  ediert«.    8.  onieo. 
3)  Vgl.  hienu  %.  B.  Otto,  Prieeter  und  Tempel  I  «  Aniu.  1 


24  Kapitel  Ι.     Allgemeine  historische  Grundzüge. 

Ptolemäerzeit  teils  als  Söldner  teils  in  friedlichen  Berufen  in  Ägypten 
siedelten^),  nehmen  die  Juden  unser  besonderes  Interesse  in  Anspruch. 
Dank  den  epochemachenden  aramäischen  Papyri  von  Elephantine ^)  können 
wir  eine  jüdische  Niederlassung  in  Elephantine  mit  dem  Kult  des  Jahn 
etwa  seit  dem  VI.  Jahrhundert  bis  ins  Ende  des  V.  Jahrhundert  verfolgen, 
wodurch  die  Angaben  des  Jeremias  42  ff.  und  des  Ps.  Aristeas  §  13  (Wendl.) 
neues  Licht  bekomn^en.^)  Weitere  Scharen  von  Juden  sind  unter  den 
Ptolemäern  nach  Ägypten  gekommen  und  haben  sich  teils  in  Alexandrien, 
teils  im  Lande  angesiedelt,  und  zwar  ist  diese  jüdische  Diaspora  schon 
seit  dem  III.  Jahrhundert  nachweisbar.*)  Die  größte  Anziehung  scheint 
die  Welthandelsstadt  Alexandrien  auf  sie  ausgeübt  zu  haben,  wo  sie  nach 
Philos  Angabe  (in  Flaccum  §  8)  einen  starken  Prozentsatz  der  Gesamt- 
bevölkerung ausmachten.  Sie  wohnten  hier  im  Ghetto,  was  allein  schon 
gegen  die  Behauptung  jüdischer  Quellen  spricht,  daß  die  Juden  als  solche 
hier  das  alexandrinische  Bürgerrecht  gehabt  hätten.^)  Tatsächlich  ist 
ihnen  hier  mit  manchen  anderen  Privilegien  eine  eigene  Organisation 
ihrer  Gemeinde  gewährt  worden,  also  ein  ΛολΙτενμα  (vgl.  P.  Aristeas  §  310 
Wendl.),  aber  nicht  die  Λολιτεία^)^  also  entsprechend  der  von  Strabo  ge- 
geschilderten Ordnung  in  Kyrene,  wo  sie  auch  eine  eigene  Klasse  der 
Bewohner  bilden,  aber  nicht  zu  den  ΛολΙται  gehören.'^)  Die  Ausbreitung 
der  Juden  über  die  Städte  und  Dörfer  der  χώρα  haben  wir  erst  durch 
die  Papyri,  Ostraka  und  Inschriften  genauer  kennen  gelernt.^)  Es  treten 
uns  nicht  nur  zahlreiche  einzelne  Juden  entgegen,  sondern  auch  jüdische 
Gemeinden  und  Synagogen  (τίροβενχαί).  Vgl.  Dittenberger  129  (54), 
P.  Magd.  35  (56),  Teb.  I  86,  18.  ΊονδαΙοι  und  'Έλληνες  werden  unter- 
schieden im  Dorf  Ψεννρΐξ  in  Petr.  I  S.  43  (55).    Ihren  kultischen  Mittel- 


1)  Ygl.  die  Belege  bei  Schürer,  Gesch.  d.  Jüd.  Volkes  IIP  38  ff.  Bezeugt  sind 
Phönizier  (vgl.  das  Τνρίων  στρατόπεάον  in  Memphis  bei  Herod.  II  112),  Syrer  (Σύρων 
χώμ,η  im  Faijum  vgl.  Teb.  II  S.  402,  im  Oxyrhynchites  vgl.  Oxy.  II  270,  22  u.  sonst,  im 
Heliopolites  vgl.  Hamb.  2,  6,  im  Menelai'tes  vgl.  BGU  1123,  2  und  der  Άλεξ,ανδρεων 
χώρα  BGU  1132,  10),  Samaritaner  {Σαμάρεια  im  Faijum  Teb.  II  S.  401),  Idumäer  (über 
ihr  τιολιτενμα  in  Memphis  s.  oben  S.  18),  Araber  (vgl.  auch  Magd.  15). 

2)  Vgl.  Sachau,  Drei  aramäische  Papyrusurkunden  aus  Elephantine  (Abh.  Berl. 
Akad.  1907).  Sayce  und  Cowley,  Aramaic  Papyri  discovered  at  Assuan.  1906.  Literatur 
bei  Schürer  III*  25  ff. 

3)  Vgl.  Schürer  1.  c.  31  ff. 

4)  Das  gesamte  Material,  geographisch  und  chronologisch  geordnet,  ist  von 
Schürer  1.  c.  40  ff.  zusammengestellt.  Vgl.  auch  Bludau,  Juden  und  Judenverfolgungen 
im  alten  Alexandrien  1906. 

5)  Vgl.  Willrich,  Klio  1Π  406. 

6)  Vgl.  zuletzt  Wilcken,  Zum  alexandrinischen  Antisemitismus  (Abh.  Sachs.  Ges. 
1909)  S.  787.  Die  Einwendungen  von  Schürer  III*  S.  718  scheinen  mir  nicht  stich- 
haltig zu  sein. 

7)  Joseph.  Ant.  XIV  7,  2.  Vgl.  auch  die  άρχοντες  und  das  τιολιτενμα  der  Juden 
im  Kyrenäischen  Berenike  in  GIG  ΙΠ  5361  (bei  Schürer,  Gesch.  IIP  S.  79). 

8)  Vgl.  die  Belege  bei  Schürer  1.  c.  40  ff. 


Α.  Die  Ptolemäerzeit.     §  4.    Bevölkerung  und  Bevölkerungspolitik.  25 

punkt  fand  die  ägyptische  Diaspora  erst  im  IL  Jahrb.,  als  Philometor  dem 
Hohenpriester  Onias  erlaubte,  in  Leontopolis  (im  Hebopolitiscben  Gau) 
einen  Tempel  zn  bauen.^)  Diese  ägyptischen  Juden  treten  uns  in  den  ver- 
schiedensten Berufen  entgegen,  als  Domanialpächter  und  Steuerpächter, 
als  Grundbesitzer  und  Privatpächter,  als  Tagelöhner,  als  Handeltreibende.*) 
Über  militärische  Ansiedelungen  von  Juden  vgl.  Willrich,  Arch.  I  48  ff.^ 

Schon  aus  dem  Gesagten  ergibt  sich,  daß  die  Regierung  nicht  nur 
auf  religiösem  Gebiet  auch  den  Juden  gegenüber  die  vollste  Toleranz  übte 
(vgl.  Kap.  U),  sondern  auch  geneigt  war,  diesen  stets  loyalen  Untertanen*) 
manche  Privilegien  zu  erteilen.  Die  dynastischen  Streitigkeiten  des 
H./I.  Jahrhunderts  haben  daim  wie  den  Ägyptern,  so  auch  den  Juden 
Gelegenheit  gegeben,  sich  noch  weitere  Vorteile  zu  erringen.  Bekannt 
ist,  daß  Kleopatra  ΠΙ  in  dem  Kampf  gegen  ihren  Sohn  Ptolemaios 
Soter  U  zwei  jüdische  Generale,  XeXxCccg  und  kvaviag^  die  Sohne  jenes 
*Ονίας^  an  der  Spitze  ihrer  Truppen  hatte.  ^)  Eine  Inschrift  des  Berliner 
Museums  enthält  eine  Ehrung  eines  Sohnes  dieses  Χελχίας.^)  Als  freilich 
Soter  Π  siegreich  heimkehrte,  hatten  die  Juden  die  Feindschaft  der 
Alexandriner,  die  auf  seiner  Seite  gestanden  hatten,  zu  erleiden.  Als  dann 
der  ptolemäische  Thron  wankte,  haben  die  Juden  sich  ihre  Stellung 
durch  Anschluß  an  Gabinius,  dann  an  Cäsar,  endlich  an  Octavianus  gewahrt. 

Schon  früh  haben  die  Juden  sich  bemüht,  hellenische  Kultur  anzu- 
nehmen, soweit  ihnen  das  bei  ihrem  Festhalten  am  jüdische  Gesetz  mög- 
lich war.  Im  Kern  blieben  sie  echte  Juden,  ihr  Hellenismus  ist  nicht 
tief  gedrungen.  Aber  das  Griechisch  als  herrschende  Landessprache  haben 
sie  doch  so  gründlich  übernommen,  daß  sich  schon  bald  eine  Übersetzung 
ihrer  heiligen  Schriften  ins  Griechische  als  notwendig  herausstellte.  So 
ist  die  Septuaginta  hier  nach  und  nach  —  wohl  schon  vom  lU.  Jahrh. 
an  bis  ins  U.  Jahrh.  —  entstanden.^)  Griechische  Eigennamen,  die  z.  T. 
Übersetzungen  ihrer  jüdischen  Namen  sind,  lassen  sich  schon  fiirs  lU.  Jahr- 
himdert  nachweisen**),  und  werden  dann  immer  häufiger. 

1)  Vgl.  H.  Willrich,  Juden  und  Griechen  vor  der  makkab.  Erhebung  (1896), 
8.  126  ff. 

2)  Vgl.  die  Belege  bei  Wilcken,  Zum  alex.  Antitiemitismue  1.  c.  788  f. 

8)  Schüror  1.  c.  Bcheint  mir  in  der  Annahme  von  militäriicher  Verwendung  der 
Juden  vielfach  zu  weit  au  gehen.     Der  Zusatz  τής  έηιγορής  beweift  de  nicht. 

4;  Ihre  LoyalitUt  tritt  auch  in  den  Weihungen  (mlQ  ßuedimg  entgegen,  die  von 
ihrem  Standpunkt  aue  ein  dentlichei  Entgegenkommen  gegen  die  hellenieche  An- 
•cbaanng  bedeuten. 

6)  Joteph.  Ant.  XIII  §  286,  der  lieh  auf  Strabo  bernft 

β)  Willrich,  Aich.  I  48  ff.  Strack,  Arch.  Π  664  η.  86  mit  Beinftchs  Bigimangtn. 
Eine  XtXniov  γή  in  BOU  IV  1129,  16. 

7)  Hin  Hpracbgobrauch  der  grioohiech»  Pipjn  bat  an«  gelehrt,  daÜ  die  SprOeh• 
de«  Jeiu«  Hirach  erst  nach  116  ▼.  Chr.  flbenelrt  worden  eind.  Vgl.  WUckea,  Aroh, 
in  821  und  da%u  IV  206. 

8)  Vgl.  z.  B.  üib.  I  96.    Petr.  ΙΠ  11  g  «to. 


26  Kapitel  Ι.     Allgemeine  historische  Grundzüge. 

Trotz  dieser  kulturellen  Annäherungen  hat  doch  auch  hier  wie  überall 
in  der  Diaspora  eine  Abneigung  zwischen  Hellenen  und  Juden  bestanden, 
die  sich  mehr  und  mehr  zur  Feindschaft  auswuchs.  Der  Hauptgrund 
ist  wohl  die  einzigartige  Religion  der  Juden  und  ihre  daraus  resultierende 
Exklusivität  und  Verachtung  der  Andersgläubigen,  wie  sie  sich  nebst 
eifriger  Propaganda  namentlich  seit  der  makkabäischen  Bewegung  ent- 
wickelt hat.^)  Außerdem  mag  es  auch  im  wirtschaftlichen  und  sozialen 
Leben  bei  der  großen  Ausbreitung  und  der  Betriebsamkeit  der  von  der 
Regierung  geförderten  Juden  zu  Reibungen  gekommen  sein.  Die  Papyri 
berichten  uns  gelegentlich  von  Streitigkeiten  zwischen  Griechen  und 
Juden  —  vgl.  Grenf.  I  43  (57),  Magd.  35  (56),  Hib.  96  —  doch  kommen 
ganz  ähnliche  Dinge  auch  zwischen  allen  anderen  Teilen  der  Bevölkerung 
vor.  Es  ist  zu  betonen,  daß  es  zu  einem  praktischen  Antisemitismus  des 
Straßenkampfes  in  der  Ptolemäerzeit  noch  nicht  gekommen  ist.  2)  Die 
antisemitische  Stimmung  dieser  Zeit  können  wir  nur  erschließen  aus  der 
Existenz  einer  antisemitischen  Literatur  und  ihrer  Beantwortung  durch 
eine  jüdische  Apologetik.^) 

Auf  das  religiöse  und  geistige  Leben  der  Bevölkerung  wird  in  Kap.  Π, 
ΠΙ  und  XII,  auf  seine  wirtschaftlichen  Betätigungen  namentlich  in  Kap.  VI 
und  VII  eingegangen  werden.  Hier  soll  nur  noch  auf  einen  allgemeinen 
Grundsatz  der  inneren  Politik  der  Ptolemäer  hingewiesen  werden,  der  für 
das  ganze  Leben  der  Bevölkerung  von  größter  Bedeutung  ist  und  zugleich 
die  Stellung  der  Regierung  zu  ihr  aufs  hellste  beleuchtet,  das  ist  das 
Prinzip  der  Idia.'^)  Der  Grundsatz,  daß  der  Untertan  nur  in  der 
Gemeinde,  der  er  angehört,  nur  in  der  IdCa  (origo),  seine  Untertanpflichten 
(im  Steuerzahlen  und  sonstigen  Leistungen)  ausüben  kann,  während  er 
überall  anderswo  nur  ξένος  ist^)  —  ein  Grundsatz,  der  an  sich  auch  den 
freien  Gemeinden  Griechenlands  nicht  fremd  war  — ,  hat  in  diesem  Lande 
des  Absolutismus  zu  der  Konsequenz  geführt,  daß  der  Untertan  gehalten 
war,  in  der  Regel  seine  Ιδία  nicht  zu  verlassen  (άναχωρεΐν,  έτά  ίένης 
είναι).  Wir  kannten  schon  aus  Ps,  Aristeas  §  109  fi^.  (Wendl.)  eine  Ver- 
fügung des  Philadelphos,  wonach  die  Leute  aus  der  χώρα  in  Alexandrien 


1)  Zu  den  Motiven  des  Antisemitismus  vgl.  Wilcken,  Z.  alexandr.  Antisemitismus 
1.  c.  S.  784  ff. 

2)  Daß  jene  Kämpfe  nach  der  Rückkehr  des  Soter  II  rein  politischer  Natur 
waren,  hat  Willrich,  Hermes  39,  244  ff.  gezeigt. 

3)  Felix  Stähelin,  Der  Antisemitismus  des  Altertums  (Wiss.  Beilage  zum  Progr. 
des  Gymnasiums  Winterthur  1905).     Ygl.  auch  Bludau  1.  c. 

4)  Vgl.  P.  Meyer,  Klio  I  424 f.;  Zulueta,  de  patrociniis  vicorum  41;  Rostowzew, 
Kolonat  74  f.  Wie  Steindorff  mir  mitteilt,  begegnet  die  Vorstellung,  daß  der  Landmann 
nicht  ohne  weiteres  sein  Dorf  verlassen  darf,  schon  in  dem  Bauer -Papyrus  aus  dem 
Mittleren  Reich. 

5)  Vgl.  Tor.  8,  13:  των  τίαρετΐίδτιμονντων  Άαϊ  \yici]TOLV,ovvTwv  i[v  τ\αντοίΐ[β] 
ξένων. 


Α.  Die  Ptolemäerzeit.     §  4.    Bevölkerung  und  Bevölkerungspolitik.  9? 

sich  nicht  länger  als  20  Tage  aufhalten  durften  (παρεπίδημεΐν).  Hierin 
tritt  uns,  wie  die  Anziehungskraft  der  Großstadt  auf  die  Gaubewohner, 
so  die  Beschränkung  der  Bewegungsfreiheit  der  letzteren  entgegen.  In 
derselben  Richtung  liegt  die  Mitteilung  der  Rosettana  (Ditt.,  Or.  Gr.  90) 
19  f.:  προόετα^εν  Öh  καΐ  τονς  χατατίορενομενονς  εκ  τε  τ&ν  μαχίμων  χαΐ 
των  ίίλλων  των  αλλότρια  φρονηΰάντων  εν  τοίζ  κατά  την  ταραχήν  καιροΐς 
κατελ^όνταξ  μένειν  έχΐ  των  Ιδίων  κτήοεων.  Hier  werden  die  auf- 
rührerischen Ägypter  von  Epiphanes  begnadigt  unter  der  Bedingung,  daß 
sie  in  ihre  ιδία  zurückkehren.  Ebenso  beziehen  sich  in  Tor.  8,  27  die 
Worte  εΙς  τάς  Ιδίας  αντών  μετοικιόΟ-ηναι  wohl  auf  eine  Maßregel,  die  im 
J.  40  des  Euergetes  II,  nach  Beendigung  des  Kampfes  mit  Kleopatra  II, 
verfügt  war.  Vgl.  ferner  den  Erlaß  des  Euergetes  II  in  Teb.  5,  6  ff.,  in 
dem  —  gleichfalls  nach  Beendigung  innerer  Kämpfe  —  die  άνακεχωρψ 
κότες  amnestiert  und  aufgefordert  werden,  zurückzukehren  in  ihre  Heimat. 
Endlich  nennt  sich  in  Amh.  50,  5  vom  J.  106  v.  Chr.  ein  Kontrahent  in 
Krokodilopolis  (Thebais)  των  επανηκό(ν^των  εκ  τοϋ  παραγγέλματος.^) 
Auch  hier  muß  es  sich  um  einen  allgemeinen  Erlaß  handeln,  denn  durch 
diesen  Ausdruck  werden  ,,die  auf  Grund  des  Erlasses  Zurückgekehrten" 
wie  eine  eigene  Klasse  der  Bevölkerung  charakterisiert.  Es  liegen  also 
aus  der  Ptolemäerzeit  mehrere  Belege  dafür  vor,  daß  nach  inneren  Un- 
ruhen die  Regierung  für  die  Rückkehr  der  Aufrührer  in  ihre  ιδία  sorgte. 
Jene  Verfügung  des  Philadelphos  zeigt  aber,  daß  auch  dauernd,  auch  in 
ruhigen  Zeiten,  die  Regierung  einen  Druck  darauf  ausübte,  daß  die  Gau- 
bewohner in  ihrer  ιδία,  bei  ihrer  Arbeit  seien.  Eine  Weiterbildung  dieser 
Regierungsbestrebungen  werden  wir  unten  für  die  Kaiserzeit  kennen  lernen. 
Während  dieses  Prinzip  von  der  Ιδία  sich  auf  die  gesamte  Bevölkerung 
bezieht,  haben  diejenigen  Klassen,  die  in  königlichen  Betrieben  arbeiteten, 
wie  die  βαβίλικοί  γεωργοί  auf  den  königlichen  Domänen  und  die  υποτε- 
λείς in  den  Monopolwerkstätten,  noch  strengeren  Beschränkungen  der  Frei- 
zügigkeit unterstanden,  wie  unten  in  Kap.  VI  und  VII  darzulegen  ist. 
In  diesen  Einrichtungen  tritt  uns  die  Macht  des  Absolutismus  kraß  ent- 
gegen. Aber  wenn  so  die  Freien  in  ihrer  persönlichen  Freiheit  beschränkt 
wurden,  so  steht  dem  die  andere  wichtige  Tatsache  gegenfiber,  daß  die 
Unfreien,  die  Sklaven,  in  diesem  Lande  gar  keine  Rolle  gespielt  haben. 
Weder  in  der  Landwirtschaft  noch  in  der  Industrie,  weder  in  den  großen 
noch  in  den  kleinen  Betrieben  sind  sie  von  irgendwelcher  Bedeutung 
gegenüber  der  freien  Arbeit  gewesen.')    Die  Sklaven,  die  in  unseren  Ur- 

1)  VkI.  hierzu  Wilckeo,  Arcb.  U  lS8f. 

*i)  V^l.  iiifinen  Nachwri*  in  Orioch.  Oitr    i  mni  ii.     im. 
menen  Mat<Tialioii  Hiulerii  nichtii  »u  dioNcm  Kr^elmi«.    Von  I 
unt«r  (liegen  da«  (icNot/.  illx^r  die  SkUvonatoucr  (ilib.  *J  ' 
proÄCüMj  (Lille  2^}. 


23  Kapitel  Ι.     Allgemeine  historische  Grundzüge. 

künden  begegnen,  sind  in  der  Regel  Haussklaven,  und  unter  ihnen  nehmen 
die  Sklavinnen  als  Konkubinen  des  Hausherrn  die  angesehenere  Stellung 
ein.  Das  Land  Ägypten  mit  seinen  7  Millionen  war  eben  so  reich  an 
billigen,  bedürfnislosen,  freien  Arbeitern,  daß  hier  das  Bedürfnis  nach 
Sklavenarbeit  nicht  vorlag.  So  bestätigt  Ägypten  die  allgemeine  Regel^ 
daß  im  Altertum  intensivere  Sklaven  Wirtschaft  nur  dort  aufgekommen  ist, 
wo  die  einheimischen  Arbeitskräfte  nicht  ausreichten.^) 


ß.  DIE  EÖMI8CHE  PEEIODE. 

C.  E.  V arges,  de  statu  Aegypti  provinciae  Romanae  I.  et  II.  p.  Chr.  n.  saec, 
Gott.  1842.  —  Franz,  CIGr.  ΠΙ  S.  308iF.  -  S.  Sharpe,  Gesch.  Egyptens,  deutsch 
von  Jolowicz,  mit  Anmerk.  von  A.  v.  Gutschmid  (2.  Aufl.)  1862.  —  E.  Kuhn,  Die 
städt.  und  bürgerl.  Verfassung  des  röm.  Reiches  II  (1865)  S.  80  iF.  454  ff.  —  J.  Mar- 
quardt,  Röm.  Staatsverwaltung  I  (2.  Aufl.  1881)  S.  438fi^.  —  Wilcken,  Observationes 
ad  historiam  Aegypti  prov.  Rom.,  Diss.  1885.  —  Th.  Mommsen,  Röm.  Geschichte 
Υ  (1885)  S.  553 ff.  —  E.  Herzog,  Geschichte  und  System  der  röm.  Staatsverfassung 
II  (1887)  S.  648 ff.  —  A.  Simaika,  Essai  sur  la  province  romaine  d'Egypte  depuis 
la  conquete  jusqu'ä  Diocletien,  Paris  1892.  —  J.  G.  Milne,  Α  history  of  Egypt  under 
Roman  rule,  London  1898.  —  0.  Hirschfeld,  Die  kaiserlichen  Yerwaltungsbeamten 
bis  auf  Diocletian,  1905. 

§  1.  DAS  REGIMENT. 
Mit  der  Eroberung  Alexandriens  am  1.  August  30  v.  Chr.  fiel  das 
Lagidenreich  dem  siegreichen  Oktavian  zu.  Ägypten  ward  nun  aus  einem 
zuletzt  freilich  nur  noch  nominell  selbständigen  Staate  zu  einer  Provinz^) 
des  römischen  Weltreiches,  aber  einer  Provinz  mit  ganz  eigenartiger 
Organisation.  Da  Oktavian  das  Land  durch  Eroberung  gewonnen  hatte, 
hat  er  es  von  vornherein,  wiewohl  er  es  nach  seinen  Worten  dem  Im- 
perium des  römischen  Volkes  hinzufügte  (s.  Anm.  2),  ausschließlich  in 
seine  Verwaltung  genommen  als  Nachfolger  der  Lagiden,  und  wenn  auch 
bei  den  grundlegenden  Auseinandersetzungen  mit  dem  Senat  im  Jahre  27 
V.  Chr.  nach  Dio  53,  5,  3  Ägypten  mit  zur  Diskussion  gestellt  wurde,  so 
war  diese  Formalität  um  so  bedeutungsloser,  als  Ägypten  nicht  zu  den 
Ländern    gehörte,    die    ihm    als    Triumvir    einst    vom    Volk    überwiesen 


1)  Ygl.  Ed.  Meyer,  Die  Sklaverei  im  Altertum  1898. 

2)  Vgl.  Mommsen  RG  V  554,  3  (anders  vorher  Staatsrecht  II»  1004).  Herzog  II 650. 
P.  Meyer,  Festschr.  f  0.  Hirchfeld  S.  136.  Für  mich  ist  außer  den  dort  angeführten 
Zeugnissen  auch  bestimmend,  daß  die  Hauptsteuern  des  Landes  an  den  Fiskus  gingen, 
dieser  aber  mit  0.  Hirschfeld  als  Eigentum  des  populus  Romanus  aufzufassen  ist  (s. 
Kap.  lY).  Der  bekannte  Ausspruch  des  Philo  (in  Flaccum  §  19,  Π  540  Mang.)  το  μά- 
yiotov  αντον  των  τίτημάτων  darf  nicht  zu  wörtlich  genommen  werden,  auch  bei  Tac. 
bist.  1,  11  ist  nicht  zu  übersehen,  daß  es  heißt:  provinciam  —  domui  retinere. 
Innerhalb  der  ,, Provinz"  heben  sich  vielmehr  die  „Landgüter"  des  Kaisers  deutlich 
ab  (Kap.  ΥΠ).  Ygl.  auch  Augustus,  Mon.  Ancyr.  5,  24:  Aegyptum  imperio  populi 
Romani  adieci.     CIL  YI  701,  702:  Aegypto  in  potestatem  populi  Romani  redacta. 


Β.  Die  römische  Periode.     §  1.    Das  Regiment.  29 

waren. ^)  Die  durch  die  wirtschaftliche  und  strategische  Bedeutung  Ägyptens 
verursachte  Gefährlichkeit  des  Landes,  die  den  großen  Cäsar  abgehalten  hatte, 
es  zur  Provinz  zu  machen-),  bewog  den  Oktavian,  nicht  nur  wie  in  den 
anderen  prokuratorischen  Provinzen  jegliche  Mitwirkung  des  Senates  aus- 
zuschließen, sondern  hier  —  und  nur  hier  allein  —  sogar  den  Senatoren 
zu  verbieten,  den  ägyptischen  Boden  ohne  besondere  kaiserliche  Erlaubnis 
zu  betreten.^)  So  wurde  die  Dyarchie  für  Ägypten  vöüig  außer  Kraft 
gesetzt.  Das  ägyptische  Volk  aber  hat,  unbeirrt  durch  staatsrechtliche 
Finessen,  den  Oktavian,  nachdem  es  sich  dem  Sieger  ergeben  hatte,  von 
vornherein  als  neuen  Landesherrn,  als  Pharao  anerkannt,  dem  dieselben 
göttlichen  und  weltlichen  Ehren*)  wie  allen  Yorgängern  zustanden  (vgl. 
Kap.  Π).  Oktavian  hat  diese  Ehren  und  diese  Anschauungen  sich  gern 
gefallen  lassen,  was  ihn  nicht  hinderte,  die  Ägypter  als  dediticii  schlecht 
genug  zu  behandeln  (s.  unten  S.  56  f.). 

Die  Grenzen  der  Provinz  sind  unter  Augustus  nach  Süden  hin  vor- 
geschoben worden.  Nachdem  die  Besitzungen,  die  die  Ptolemäer  südlich 
vom  ersten  Katarrakt  gehabt  hatten  (s.  oben  S.  4)  längst  an  die  Äthiopen 
zurückgefallen  waren,  hat  im  ersten  Jahre  der  neuen  Herrschaft  C.  Cor- 
nelius Gallus,  der  erste  Statthalter,  der  Freund  des  Oktavian  und  der 
Musen,  von  Philae  aus  (nach  seinen  Worten)  den  römischen  Einfluß  nach 
Süden  hin  geltend  gemacht.  Vgl.  die  Gallus -Inschrift.^)  Nach  einigen 
Jahren  ist  dann  nach  siegreichen  Kämpfen  gegen  die  angreifende  Kandake 
die  Grenze  bis  nach  Hiera  Sykaminos  (Makarraka)  vorgeschoben  worden.•) 
Vgl.  die  Kandake -Inschrift  (4r).  Dieses  auch  in  offiziellen  Akten  ζίωδε- 
χάδχοίνος  genannte  Grenzgebiet')  ist  zwar  dem  Strategen  des  Gaues 
von  Elephantine  mit  unterstellt  worden  (vgl.  Dittenberger,  Or.  Gr.  I  210), 
spielt  aber  insofern  eine  besondere  RoUe,  als  es  nach  älteren  Dekreten, 
die  von  manchen  Kaisern  wiederholt  wurden,  als  Eigentum  der  Isis  von 
Philae  betrachtet  wurde.®)    Das  Land  wurde  militärisch  besetzt  und  durch 


1)  Die  Ordnung  des  Landes  vom  J.  30,  die  Dio  61,  17  erzählt,  ist  durch  die 
Verbandlungen  des  Jahres  27  nicht  geändert  worden. 

2)  Suet.  Div.  lul.  36,     Mommsen,  KG  III•  491. 

8)  Tac.  annal.  II  69;  bist.  1,  11.     Dio  61,  17.     Vgl.  Arrian,  Anab.  III  δ,  7. 
4)  Vgl.  z.  B.  die  Königsiitulatoren  in  Lepsius,  Eönigsbucb  der  alten  Ägypter  Π 
Tai.  61  ff. 

6)  Lyons  und  Borchardt,  Eine  trilingue  Inschrift  von  Philae  (8iti.-Ber.  Berl. 
Akftd.  XX,  1890,  499  ff.;.     Dittenberger,  Ur.  ür.  II  664.     CIL  ΠΙ  14147». 

β)  Vgl.  Mommjen,  HG  V  698  ft. 

7)  Gegen  Sethos  Ansicht,  daß  die  Dodekaecboinoe  dauernd  auf  da•  Katarrak^en• 
gebiet  beschränkt  geweien  sei  (Unters,  zur  Getch.  Äg.  Π  3.  1901)  vgl  Wiloken,  Arch. 
Π  176  ff.  Vgl.  auch  Hethe,  Äg.  Z.  41,  68  ff.  Meine  Ausführungen  werden  jettt  be- 
itätigt durch  eine  neue  Inschrift  au•  Mah&rraka  in  Äg.  Z.  1910  (ed.  Sohobart). 

8)  Vgl.  Wilcken,  Herme•  S8,  696f.  ΓΗη  7u«iimmongeh0rigkeit  τοη  Philae  und 
der  Dodekiischoiiio•  tritt  auch  in  den  \'  <  voQ  ol  άηό  ΦύΑν  %λΪ  Jnit- 
ηααχοίνον  rntK'i'gi'n.     Vgl.  hierxu  jetzt  1•                        .  Axch.  V  Heft  I. 


30  Kapitel  Ι.     Allgemeine  historische  Grundzüge. 

Standlager  gesichert,  wovon  manche  griechische  und  lateinische  Inschriften 
und  Ostraka  —  Papyri  sind  bisher  hier  noch  nicht  gefunden  worden  — 
Zeugnis  ablegen.^)  Bis  in  die  Mitte  des  III.  Jahrh.  reichen  diese  Doku- 
mente. Dann  brechen  auch  hier  die  Barbaren  über  die  Reichsgrenzen  vor^ 
die  Blemyer,  die  bis  in  die  Thebais  hinein,  bis  Ptolemais,  vorstürmten 
und  von  Probus  nur  mit  Mühe  und  nur  für  kurze  Zeit  zurückgeworfen 
werden  konnten.^)  Vorher  hatten  die  Blemyer  wie  es  scheint  im  Bunde 
gestanden  mit  den  Palmjrenern,  die  von  Norden  her  ihre  Herrschaft 
über  das  Land  ausdehnten.  Auch  der  Usurpator  Firmus  (272/3)  stand 
mit  den  Blemyern  in  Beziehung  (vit.  Firm.  9).  Während  von  diesen 
Blemyern  die  Papyri  dieser  Zeit  bisher  keine  Nachrichten  bringen,  sind 
manche  Texte  gefunden  worden,  die  durch  die  Datierung  nach  der 
Herrschaft  des  VabaUath  auf  dieses  palmyrenische  Intermezzo  hinweisen. 
Vgl.  z.  B.  5.  So  war  durch  diese  Einfälle  der  Blemyer  dem  Verzicht 
Diokletians  auf  die  Dodekaschoinos  vorgearbeitet. 

Das  Regiment  des  neuen  Landesherrn  war  seinem  Grundgedanken 
nach  ebenso  absolut  wie  das  seiner  Vorgänger,  der  Lagiden.  So  datierte 
man  auch  nach  wie  vor  nach  den  Königsjahren  des  jeweiligen  Herrschers, 
und  zwar  nicht  etwa  nur  die  ägyptischen  Dokumente,  sondern  auch  offi- 
zielle Regierungsakten,  denn  der  Versuch,  eine  alexandrinische  Eroberungs- 
ära einzuführen,  scheiterte  an  der  Macht  der  Gewohnheit.^)  In  der  Praxis 
aber  trat  der  Absolutismus  in  mancher  Hinsicht  nicht  so  schroff  wie 
vorher  in  die  Erscheinung,  zumal  der  neue  König  nicht  selbst  in  Ägypten 
regierte  und  somit  die  königliche  Residenz  und  Hofhaltung  —  auch  die 
oben  S.  7  besprochenen  Hofrangklassen  —  verschwanden.  Auch  in  der 
Bodenfrage  war  das  ursprüngliche  ptolemäische  Prinzip,  daß  der  König 
allein  Eigentümer  des  ganzen  Bodens  sei,  nicht  mehr  in  Geltung.  War 
es  schon  in  der  späteren  Ptolemäerzeit  durchbrochen  worden,  daß  das 
Land  entweder  βαόιλίκή  oder  έν  άφεόει,  sei,  so  haben  die  Kaiser  die 
weitere  Entwicklung  des  Pj  ivatgrundbesitzes  direkt  befördert  (s.  Kap.  VII). 
Die  oben  betonte  Tatsache,  daß  trotz  des  faktisch  königlichen  Regimentes 
Ägypten  ein  Teil  des  imperium  populi  Romani  war,  tritt  uns  äußerlich, 
aber  doch  vielsagend  darin  entgegen,  daß  das  Wort  δημόόίος  (=  staat- 
lich, publicus),  das  die  Lagiden  für  die  Bezeichnung  öffentlicher  Einrich- 
tungen   perhorresziert   hatten   (s.  oben  S.  3),   sogleich   mit    dem    Beginn 


1)  Vgl.  Wilcken,  Griech.  Ostr.  II  n.  1128—1146  und  dazu  I  705 if.  Mommsen, 
RG  V  594  f. 

2)  Yit.  Probi  17.  Zosim.  1,  71,  1.  Vgl.  zu  den  Blemyern:  E.  Revillout,  Memoire 
sur  les  Blemys,  1874.  K.  Sethe,  Pauly-Wissowa  Π1  566  ff.  M.  Geizer,  Stud.  z.  byz. 
Verwaltung  Äg.  11  ff.  Plaumann,  Ptolemais  in  Oberägypten  67.  Vgl.  auch  Krall, 
Wien.  Denk.  Ak.  46  (1898),  der  dies  Vordringen  der  Blemyer  mit  dem  Zurücktreten 
des  Reiches  von  Meroe  und  dem  Erstarken  des  Reiches  von  Axum  zusammenbringt. 

3)  Wilcken,  Hermes  30,  151  ff. 


Β.  Die  römische  Periode.     §  1.    Das  Regiment.  31 

der  Römerherrscliaft  sich  vordrängt.  Man  darf  daraus  doch  wohl  ent- 
nehmen, daß  durch  die  Zugehörigkeit  zum  Reiche  der  Begriff  des  Staates 
nunmehr  auch  in  diesem  Lande,  dem  er  von  jeher  fremd  gewesen  war, 
VVurzebi  schlug.  So  wird  το  βαόιλικόν  (Königskasse)  jetzt  verdrängt 
durch  το  δημόόίον  (Fiskus),  die  βαόιλιχοί  τραπεζΐταί,  die  gelegentlich 
noch  vorkommen  (vgl.  Kap.  IV),  durch  die  δημόόιοί  τρα:ίεζίχαι^)  Die 
βαόιλιχή  γη  bezeichnet  im  prägnanten  Sinne  nur  noch  einen  gewissen 
Teil  des  öffentlichen  Landes,  während  ihr  der  ganz  neu  geprägte  Ter- 
minus δημοόία  γη  für  einen  anderen  Teil  gegenübertritt  (s.  Kap.  VII). 
Andererseits  hat  sich  die  ägyptische  Anschauung,  in  dem  Herrscher  den 
ßaoUsvg  zu  sehen,  niemals  verdrängen  lassen  und  kommt  gelegentlich 
auch  in  griechischen  Texten  zum  Ausdruck.  Je  mehr  sich  der  augustische 
Prinzipat  in  eine  Militärmonarchie  verwandelte,  desto  allgemeiner  tritt 
dann  auch  diese  ägyptische  Anschauung  wieder  hervor.  In  Diokletians 
Ordnung  liegt  diese  Entwicklung  vollendet  vor  uns. 

Das  Ziel  der  cäsarischen  Regierung  Ägyptens  war  dasselbe  wie  das 
der  lagidischen  ^),  nämlich  möglichst  große  Schätze  aus  dem  Lande  heraus- 
zuwirtschaften,  um  außerhalb  Ägyptens  liegende  Bedürfnisse  zu  decken. 
Seit  der  Fremdherrschaft  hat  das  arme  ägyptische  Volk  immer  nur  fnr 
andere  Leute  gearbeitet.  Die  Überschüsse  aus  der  ägyptischen  Verwaltung 
waren  eine  Hauptquelle  für  die  Befriedigung  der  zahlreichen  Aufgaben,  die 
Augustus  auf  den  fiscus  übernommen  hatte,  und  die  er  ohne  den  Besitz 
Ägyptens  überhaupt  nicht  hätte  übernehmen  können.  Bei  der  Neuord- 
nung der  Heichsfinauzen  hat  Ägypten  daher  eine  sehr  große  Rolle  gespielt. 
Im  besonderen  hat  nur  das  ägyptische  Korn  es  ihm  ermöglicht,  die  stadt- 
römische cura  annonae  zu  übernehmen  (vgl.  Kap.  IX). 

Zur  Regierung  des  Landes  bestellte  Oktavian  einen  Statthalter*^)  mit 
dem  Titel  praefectus  Alexandreae  et  Aegypti*)  oder  (meist)  praefectus 
Aegypti  —  επαρχοζ  Αίγύπτον.  Titular  ist  nur  έπαρχος^  appellativ  nennt 
man  ihn  meist  ηγεμών.  Der  Präfekt,  der  dem  Ritteretande  entnommen 
wurde  und,  wie  auch  der  Titel  bezeugt,  nichts  andeies  als  der  Stellvertreter 
d»8  Kaisers  war,  wurde  daher  —  wie  alle  entsprechenden  Beamten  auch 
außerhalb  Ägyptens  —  vom  Kaiser  ernannt  und  abgesetzt,  natürlich  ohne 
daß  der  Kaiser  an  irgendwelche  Normen  der  Anitsdauer  gehalten  war. 
Vor  Eintreffen  des  Nachfolgers  durfte  der  Präfekt  die  Provinz  nicht  Ter- 
lassen  (Ulpian,  Dig.  1,  17,  1).  Im  Falle  plötzlich  eintretender  Vakans 
(z.  B.  durch  Todesfall)  wurde  ein  Vizepriifekt  (διαδεχόμ^ί^ς  n]v  {^γεμο- 
νίαν)  Tom  Kaiser  ernannt,  meist  aus  der  Zahl  der  andcmi  hnhcn  Reichs- 


1)   Der   einheitliche   Titel   (fatfilix&ff   χραμμοττ«^•«   bleibt   nmtürlich    unvertndsri 
beeiehcn. 

S)  Siehe  oben  S.  4.  8)  Vgl.  O.  HirMbfeld  KV  845  ff. 

4)  8o  in  flcr  (iallniilniirhHfl 


32  Kapitel  Ι.     Allgemeine  historische  Grundzüge. 

beamten  Ägyptens.^)  Die  Präfektur  war  anfangs  das  höchste  Amt  der 
Ritterkarriere  und  ist  auch  später  nicht  unter  die  zweite  Stelle  gesunken.^) 
Wiewohl  diesem  „Vizekönig"  vom  Volk  gelegentlich  königliche  Ehren 
erwiesen  wurden*),  so  war  er  doch  nur  loco  regum  (Tac.  hist.  1, 11),  und 
es  wurde  streng  daran  festgehalten,  daß  die  höchsten  königlichen  Ehren 
dem  Kaiser  reserviert  wurden.*)  Anfangs  ohne  Rangtitel  auftretend, 
werden  die  Statthalter  seit  Nero  als  κράτιατοι  (=  viri  egregii)  bezeichnet, 
seit  der  Mitte  des  IL  Jahrh.  als  λαμτί^όταχου  (=  viri  clarissimi),  wiewohl 
diese  Bezeichnung  den  hier  ausgeschlossenen  Senatoren  zukam;  allmählich 
verdrängt  dann  der  λα^Λροτοίτο^  den  κράηοτος  und  wird  im  III.  Jahrh. 
der  herrschende  Titel,  während  daneben  am  Ende  des  IL  Jahrh.  ver- 
einzelt ό  διασημότατος  (=  vir  perfectissimus)  begegnet.^)  über  die  Per- 
sönlichkeiten der  Präfekten  haben  die  Papyri  neben  den  Inschriften  reiche 
Aufschlüsse  gebracht.  Die  beste  Zusammenstellung  der  bisher  bekannt 
gewordenen  Statthalter  bietet  L.  Canterelli.  ^) 

Der  Präfekt,  dem  unter  Augustus  durch  Volksbeschluß  ein  imperium 
ad  similitudinem  proconsulis  übertragen  war'^),  war  nach  dem  alten  römi- 
schen Grundsatz  sowohl  in  der  militärischen  wie  in  der  zivilen  Verwal- 
tung die  Spitze.  Beschränkt  war  sein  Imperium  dadurch,  daß  er  gewisse 
letzte  Entscheidungen  dem  Kaiser  vorzubehalten  hatte.  ^)  Der  Ausschluß 
der  Senatoren  ergab  die  Konsequenz,  daß  hier  ein  Ritter  das  Provinzial- 
heer  kommandierte  (vgl.  Kap.  XI).  Als  Zivilbeamten  unterstand  ihm  so- 
wohl die  Verwaltung  wie  die  Jurisdiktion. 

Eine  wichtige  Änderung  führte  Augustus  ein,  indem  er  zur  Erleich- 
terung und  besseren  Durchführung  der  ungeheuer  großen  Aufgaben  der 
Verwaltung  und  Jurisdiktion  auch  hier  die  Konventsordnung  nach  dem 
Muster  der  anderen  Provinzen  schuf.  In  jedem  Jahre  sollte  der  Präfekt 
Konvent  abhalten,  nicht  nur  zur  Erledigung  der  vor  den  Konvent  ge- 
brachten Prozesse^),  sondern  auch,  wie  schon  die  griechische  Bezeichnung 


1)  Vgl.  A.  Stein,  Arch.  IV  148  ff.  und  P.  Meyer,  KHo  VII  122  ff.,  144. 

2)  Hirschfeld  1.  c.  347.  3)  Vgl.  BGU  Π  362  VII  17  ff. 

4)  Vgl.  die  Katastrophe  des  Cornelius  Gallus  und  dazu  Wilcken,  Äg.  Z.  35, 1  ff. 
(Zur  trilinguen  Inschrift  von  Philae).  Immerhin  wurde  auch  auf  die  Präfekten  er- 
streckt, daß  die  Könige  während  der  Nilschwelle  nicht  auf  dem  Nil  fahren  durften 
(Plin.  h.  n.  5  §  57,  vgl.  Arch.  IV  417).  Vgl.  auch  Seneca,  nat.  quaest.  IV  2  §  7  und 
dazu  Arch.  ΙΠ  326. 

5)  Oxy.  237  VI  34.  Vgl.  Preisigke,  Stadt.  Beamte  S.  29.  P.  Meyer  bei  0.  Hirsch- 
feld, Die  Rangtitel  der  röm.  Kaiserzeit  (Sitz.  Berl.  Akad.  1901)  S.  584  Anm.  3.  Jetzt 
auch  A.  Stein  im  Arch.  V  Heft  3. 

6)  La  Serie  dei  prefetti  di  Egitto  (R.  Accad.  d.  Lincei  1906).  I.  da  Ottaviano 
Augusto  a  Diocleziano.     Eine  Fortsetzung  ist  in  Vorbereitung. 

7)  Ulpian,  Dig.  1,  17,  1. 

8)  Vgl.  Edikt  des  Ti.  Jul.  Alexander  Z.  64. 

9)  Über  diese  an  sich  und  auch  in  den  Urkunden  am  meisten  hervortretende 
juristische  Bedeutung  des  Konvents  vgl.  Band  Π,  Kap.  Π. 


Β.  Die  römische  Periode.     §  1.    Das  Regiment.  33 

όιαλογιόμός  bestätigt,  zur  „Abrechnung"  mit  den  Verwaltungsbehörden, 
also  zur  Kontrolle  der  Administration*),  und  zwar  war  der  Präfekt  der 
einzige  Beamte  im  Lande,  der  zum  conventum  agerCy  διαλογίζεϋ^αι^  d.  h. 
zur  Leitung  der  Konventsgeschäfte  qualifiziert  war.")  War  der  Kaiser  ein- 
mal im  Lande,  so  konnte  er  natürlich  auch  selbst  statt  seines  Stellver- 
treters den  Konvent  leiten.')  Um  die  jährliche  Durchführung  des  Kon- 
vents zu  erleichtern,  hat  Augustus  die  Konventsstädte  so  ausgesucht,  daß 
keine  weiten  Reisen  von  dem  gewöhnlichen  Amtssitz  Alexandrien  aus  nötig 
waren:  es  waren  in  der  Regel  Alexandrien,  Pelusium  und  Memphis  (ge- 
legentlich Arsinoe  statt  Memphis)^),  die  zugleich  als  die  Hauptfestungen 
des  Delta  —  sie  bilden  ein  Festungsdreieck  —  sich  hierzu  besonders 
empfahlen.^)  Dem  entsprechend  teilte  Augustus  die  Provinz  in  drei  Kon- 
ventssprengel in  der  Weise,  daß  Alexandrien  Konventsstadt  für  die  west- 
lichen Deltagaue,  Pelusium  für  die  östlichen  und  Memphis  für  das  ganze 
übrige  Land  war.*)  Über  die  Beziehungen  dieser  Konventssprengel  zu 
der  sonstigen  administrativen  Gliederung  des  Landes  vgl.  unten  S  35. 
Falls  meine  im  Arch.  IV  415  ff.  aufgestellten  Berechnungen  sich  bestätigen, 
waren  die  normalen  Konventszeiten  so  geordnet,  daß  der  Präfekt  etwa  im 
Januar  nach  Pelusium  fuhr,  im  Februar/März  oder  auch  noch  April  in 
Memphis  war  und  dann  nach  Alexandrien  zurückkehrte,  wo  im  Juni/Juli 
(Epiph)  —  also  während  des  Steigens  des  Nils,  wo  er  den  Nil  nicht  be- 
fahren durfte*^)  —  der  alexandrinische  Konvent  abgehalten  wurde.  Falls 
der  Präfekt  noch  besondere  Inspektionsreisen  durch  das  Land,  bis  zur 
Thebais  hin  zu  machen  wünschte,  was  meist  wohl  bald  nach  Über- 
nahme des  Amtes  oder  auch  sonst  geschah,  scheint  er  diese  Reisen  vom 
raemphitischen  Konvent  aus,  also  im  Frühling,  angetreten  zu  haben.®) 
Über  die  feierlichen  Empfänge,  die  bei  solchen  ίπιδημίαι,  des  Präfekten 
in  den  Städten  vorbereitet  wurden,  berichtet  z.  B.  Lond.  111  S.  112  ff., 
auch  BGU  U  362,  VU. 

Aus  dem  Zeremoniell,  mit  dem  der  Vizekönig  sich  umgab,  ist  uns 
durch  die  Papyri  im  besonderen  die  Sitte  des  Empfanges  der  Morgen- 
visite  (όύπαόμός)  bekannt  geworden.  Vgl.  BGU  I  347,  3  (in  Kap.  II); 
Oxy.  III  471,  67  ff 

Über  die  Formen  seiner  Edikte  und  seiner  8on.stigi»u  Verfügungen 
und  Entscheidungen  vgl.  Band  IL 


1)  Vgl.  Wilckcn,  Arcb.  IV  8Ci>.  8)  Vgl.  Wücken,  Arch.  IV  40». 

8)  Vgl.  z.B.  Oxy.  IV  706,   II  87  ff.,   wo   SepUmiu•  Sevem•   und  CAracAÜA   im 
J.  202  Konvent  abhalten. 

4)  Vgl.  Wilcken,  Arch.  IV  874  ff.  6)  Vgl.  Axoh.  IV  400  ff. 

β)  Vgl.  Oxv.  IV  70U  T)  8.  oben  8.  »t  Aum.  4 

H)  Vgl.  Arch    IV  418  fr.    Zn  der  Liite  ftaf  8.41»  Hig•  Ich  ab  iltettet  BeUpifl 
hiotu  CIL  ΙΠ  14147•,  wonarh  dor  Präfekt  im  J.  89  am  28.  April  io  Syont  war. 
Mllttlt-Wlloken:  OntadiOw    i  ' 


34  Kapitel  Ι.     Allgemeine  historische  Grundzüge. 

Während  es  für  die  Ptolemäerzeit  immer  noch  eine  offene  Frage 
ist,  ob  außer  dem  König  aucli  die  Beamten  Tagebücher  geführt  haben^ 
steht  es  für  die  Kaiserzeit  fest,  daß  vom  Präfekten  an  alle  Beamten 
solche  νΛομνηματιόμ^οΙ  genannten  Amtsjournale  zu  führen  gehalten  waren. ^) 
Den  besten  Einblick  in  die  Anlage  dieser  Tagebücher  gewährt  uns  der 
im  Original  erhaltene  υπομνηματιομός  eines  oberägyptischen  Strategen 
in  Par.  69  (41).  Er  zeigt  zugleich,  daß  diese  Aufzeichnungen,  ehe  sie 
in  die  Akten  eingereiht  wurden,  öffentlich  ausgehängt  wurden,  wie  sie 
auch  später  zugänglich  waren.  Vgl.  den  Kommentar.  Daraus  erklärt  sich, 
daß  bei  den  Prozessen  so  häufig  Abschriften  aus  solchen  νττομνηματίΰμοί 
vorgelegt  wurden. 

Zur  Bewältigung  der  ungeheuren  Arbeitslast^)  waren  dem  Präfekten 
eine  Reihe  anderer  Reichsbeamter  unterstellt,  die  gleichfalls  dem  Ritter- 
stande entnommen  wurden,  so  der  Juridicus  (δίχαίοδότης)  für  die 
Rechtsprechung  (vgl.  Band  II)  und  der  Idiologus,  neben  dem  später 
der  δίΟίκψης  und  der  έπίτροτΐος  των  ονοιακών  und  der  καϋ-ολίχός  hinzu- 
treten, für  die  Finanzgeschäfte  (vgl.  Kap.  TV).  ^)  Alle  diese  Beamten  haben 
ihren  Amtssitz  in  Alexandrien,  das  nach  wie  vor  das  Zentrum  der  ge- 
samten Verwaltung  war. 

§  2.    DIE  LANDESVERV7ALTÜNG. 

Die  staatsrechtliche  Anschauung,  daß  Alexandrien  (als  TtoXig)  außer- 
halb Ägyptens  (als  χώρα)  liegt,  tritt  mit  unübertrefflicher  Deutlichkeit 
namentlich  in  römischen  Texten  entgegen,  in  denen  die  Stadt  bezeichnet 
wird  als  Alexandria  ad  Aegyptum.  So  z.  B.  in  der  4.  Holztafel  von  Kairo 
(in  Kap.  V).  So  auch  in  Oxy.  I  35,9:  iv  '^λεξ]ανδρείθί  tf]  tcqoc:  Αίγνπτφ^ 
einem  Text,  der  Übersetzung  aus  dem  Lateinischen  ist  (vgl.  Arch.  IV  253). 
Im  Gegensatz  dazu  heißt  es  in  der  3.  Holztafel  von  Kairo:  actum  Aeg(ypto) 
nomo  Arsinoite  metropoli  (s.  unten  S.  39).  Vgl.  auch  praef.  Alexandreae 
et  Aegypti  in  der  Gallus  -  Inschrift.  Darum  habe  ich  den  ηγεμών 
αμφοτέρων  in  Oxy.  39,  6  als  Präfekt  von  Alexandrien  und  Ägypten  ge- 
deutet (Griech.  Ostr.  I  426),  was  die  Zustimmung  von  Canterelli  gefunden 
hat  (Studi  Storici  I,  1908,  284  ff.)  Dieselbe  Vorstellung  liegt  auch  in 
Oxy.  IV  727,  11  vor,  wo  Römer  in  Alexandrien  erklären,  nicht  nach 
Ägypten  fahren  zu  können  (Wilcken,  Arch.  IV  392). 


1)  Ygl.  Wilcken,  'Ττίομνηματίομοί  (Philolog.  53,  80  ff.)• 

2)  Vgl.  Philo  in  Flaccum  §  16  charakterisiert  die  Präfekten  als  ov  διγ,άζονταξ 
μόνον,  άλλα  %al  λογιβμονς  των  τιροοόάων  ν,αϊ  δαβμών  λαμβάνοντας,  ων  η  έ^έταβις  τον 
πλείονα  τον  ένιαντον  χρόνον  άνήλιαν,εν.     Vgl.  Hirschfeld,  ΚΥ  349. 

3)  Über  den  procurator  Neaspoleos  et  mausolei  Alexandriae,  der  außer  den 
hiermit  angedeuteten  städtischen  Funktionen  auch  für  das  ganze  Land  eine  all- 
gemeine Bedeutung  für  die  Getreideverwaltung  gehabt  hat,  s.  unten  Kap.  IX.  Im 
übrigen  vgl.  zu  den  Beamten  0.  Hirschfeld,  KV  350  ff. 


Β.  Die  römische  Periode.     §  2.    Die  LandesverwaltuDg.  35 

Während  die  Ptolemäerzeit  nur  eine  Teilung  dieser  χώρα  in  Ober- 
nnd  Unterägypten  kennt  (s.  oben  S.  8),  begegnet  in  der  Kaiserzeit  eine 
Dreiteilung,  indem  von  dem  früheren  Unterägypten  die  sieben  südlichsten 
Gaue  mitsamt  dem  Arsinoites  als  eigener  Landesteil  den  Gauen  des  Delta 
gegenübergestellt  wurden.  Strittig  ist  die  Frage,  wann  diese  Neuerung 
geschaffen  ist.  Ich  hatte  früher  aus  dem  Edikt  des  Ti.  lul.  Alexander 
Z.  47  (nach  dem  Franzschen  Text)  gefolgert,  daß  damals  (a.  68)  diese  Drei- 
teilung noch  nicht  bestanden  habe^);  Grenfell-Hunt  schlössen  dann  aus 
Oxy.  IV  709,  den  sie  um  50  n.  Chr.  ansetzten*),  daß  die  Dreiteilung  schon 
damals  durchgeführt  gewesen  sei.  Vgl.  auch  Teb.  II  302,  25,  wodurch  die 
Abtrennung  der  7  Gaue  mindestens  für  71/2  bezeugt  ist.  Kürzlich  hat 
nun  V.  Martin^)  mit  Benutzung  der  auf  v.  Bissing  zurückgehenden  neuen 
Dittenbergerschen  Ausgabe  des  Edikts  des  Alexander  gezeigt,  daß  in  Z.  47 
die  7  Gaue  genannt  gewesen  sein  können"*)  und  hieran  anknüpfend  die 
Hypothese  aufgestellt,  daß  schon  Augustus  die  Dreiteilung  eingeführt  habe. 
Wenn  die  Frage  zu  völliger  Evidenz  auch  erst  durch  neues  Material  ge- 
bracht werden  kann,  ist  doch  schon  jetzt  diese  Möglichkeit  zuzugeben, 
ja  es  läßt  sich  manches  für  die  Wahrscheinlichkeit  anführen.^)  Für  die 
Motivierung  der  Neuerung  möchte  ich  auf  die  oben  S.  33  behandelten 
drei  Konventssprengel  hinweisen,  die  freilich  mit  diesen  drei  Verwaltungs- 
bezirken nicht  übereinstimmen,  aber  doch  schon  eine  Lostrennung  der 
südlichen  Gaue  des  früheren  Unterägyptens  mindestens  bis  Memphis  hin 
zur  Folge  hatten.  Wenn  wirklich  schon  Augustus,  wie  ich  vermutete,  die 
Konventssprengel  so  festsetzte,  wie  sie  in  Cxy.  IV  709  auftreten,  so  konnte 
es  nahe  liegen,  diese  7  Gaue,  die  mit  der  Thebais  zugleich  Memphis  als 
Konventsstadt  zugewiesen  waren,  auch  als  selbsiändigen  Verwaltungsbezirk 
einzurichten,  und  so  könnte  die  Konventsordnung  der  Anlaß  zu  dieser 
Einrichtung  gewesen  sein.  An  sich  wäre  es  auch  möglich,  daß  die  Orga- 
nisation dieser  7  Gaue  vorangegangen  wäre,  aber  für  die  andere  Auffassung 
spricht  vielleicht,  daß  die  Wahl  der  drei  Städte  sich  unabhängig  hiervon 
durch  praktische  Gründe  erklären  ließ  (Arch.  IV  400 f.),  die  Wahl  von 
Memphis  aber  dann  die  Loslösung  jener  7  Gaue  zur  Folge  hatte.    Schreibt 


I     Vgl.  OfttrAkal  426:  o^x  Μ  τήν  θηβαίδα  μόν[ον  oijdl  Μ  tohg  ηόρ^ω  90μ9hς 
τ  /  -    /<  r,,>  χώρας  κτλ. 

.'    Mir  Hchicn   die  Schrift  auch  mit  einem  Ani»tz  nach  68  Tereinbar  su  aein, 
vgl.  Arch.  III  812. 

8)  In  der  /u  erwartenden  Schrift  L'Epistratöge  eio.     8.  oben  8.  10  Anm.  t. 
4)  Die  Grüße  der  Lücke  erlaubt  au  ergftnten:  o^  Μ  την  θηβαίδα  μόψη[9  oid* 
in)  το  ν  ς  ζ  νομο^ί  ού]δϊ  inX  τονς  ηόρρω  ψομο^ς  χής  κάτω  χώρας  (Martin).     Pur  die 
H  epricht.  daß  ή  %άτω  χώρα  nach  Strah»  XVII  p.  788  •ρβ»ίο11  da*  Delta  b•- 
.    auch   p.  »02   Sai•  als  μητράηοΧις  r/Jf  κοτω  χώρας  von   ihm   genannt  wird 
(Martin).     Weniger  enUcheidend  iit  an  sich  Oxj.  IV  709,8  (12). 
6)  Vgl.  Martin  1   - 

8• 


36  Kapitel  Ι.     Allgemeine  historische  Grundzüge. 

man  die  Dreiteilung  des  Landes  Augustus  zu,  so  hindert  m.  E.  auch  nichts 
mehr,  in  Teb.  II  302,  26  das  41.  Jahr,  das  doch  nur  das  des  Augustus 
sein  kann  (a.  11/2)  mit  dem  γενόμενος  έκιΰτράτηγος  των  Έ%τά  νομών  καΐ 
Ι^ρουνοΐτον  in  Ζ.  25  zu  verbinden. 

Eine  Veränderung  ist  erst  eingetreten,  als  Hadrian  den  Antinoi'tes 
schuf  (s.  unten  S.  49)  und  ihn  den  7  Gauen  zuzählte,  ohne  doch  den  Titel 
Έτΐτά  νομοί  καΐ  Άροίνοΐτηζ  zu  yerändern.  Martin  vermutet,  daß  damals 
der  Letopolites,  der  vorher  zur  Heptanomia  gehört  habe,  zur  Κάτω  χώρα 
(=  Delta)  geschlagen  sei,  um  eine  Veränderung  des  einmal  eingebürgerten 
Namens  unnötig  zu  machen.  Dieser  Punkt  bedarf  wohl  noch  weiterer 
Aufklärung. 

Innerhalb  der  neuen  drei  Landesteile  Θηβαίς,  'Επτά  νομοί'^)  καΐ  'Aq- 
όίνοΐτης  und  η  Κάτω  χώρα  oder  το  ^έλτα^)  blieb  die  alte  Gaueinteilung 
bestehen,  nur  daß  auch  jetzt  wie  früher  gelegentliche  Veränderungen 
(durch  Zusammenlegung  von  Gauen  o.  ä.)  vorgenommen,  wurden.^)  Auch 
jetzt  zerfielen,  wie  es  oben  S.  9  für  die  Ptolemäerzeit  dargelegt  wurde, 
die  νομοί  in  τοπαρχίαι^  und  der  Gau  umfaßte  das  Gebiet  der  μητρόπολις 
und  der  κώμαι. 

In  der  Verwaltung  des  Landes  sind  in  der  Kaiserzeit  mehrere 
wichtige  Veränderungen  durchgeführt  worden.  Während  die  Ptolemäerzeit 
nur  in  der  Thebais  einen  Epistrategen,  und  zwar  als  vorwiegend  militä- 
rischen Beamten  gekannt  hatte  (s.  oben  S.  10),  hat  Augustus  jedem 
Landesteil  —  sagen  wir  also  mit  Martin,  jedem  der  drei  Landesteile  — 
einen  Epistrategen  vorgesetzt*)  und  zwar  als  reinen  Zivilbeamten.  Die 
Epistrategen  der  Kaiserzeit  stehen  mit  dem  Militär  in  keinem  Konnex.^) 
Der  älteste  uns  bekannte  Epistratege  der  Römerzeit  (17/6  v.  Chr.)  trägt 
einen  griechischen  Namen,  Πτολεμαίος  Ήραχλείδον.  Möglicherweise  ist 
er  noch  aus  der  ptolemäischen  Verwaltung  übernommen.^)  AUe  späteren 
Epistrategen  —  auch  schon  der  vom  J.  4  v.  Chr.  '^)  —  sind  Römer  und  zwar 
römische  Ritter,  denn  Augustus  hat  das  Amt  umgewandelt  in  eine  Pro- 
kuratur.^)     In  den  griechischen  Texten  tritt  dies  gelegentlich  darin  ent- 


1)  Die  Bezeichnung  Έτΐτανομία  kommt  nach  Martins  Beobachtung  erst  seit  dem 
in.  Jahrh.  vor. 

2)  Der  letztere  Ausdruck  z.B.  in  der  Ehreninschrift  Dittenberger,  Or.  Gr.  Π  709,  6. 

3)  Vgl.  z.  B.  Kuhn  II  487  f.  Wilcken,  Arch.  IV  164  f.  Kornemann,  Klio  VII  282  f. 
So  nennt  jetzt  BGU  IV  1130,  8  'Τ'^ηλή  eine  κώμη  des  Αυτιοπολίτης  zur  Zeit  des 
Augustus,  während  Claud.  Ptol.  4,  5  §  64   es  als  Metropole  des  'Τιρηλίτης  bezeichnet. 

4)  Vgl.  Strabo  XVII  p.  798:  κατά  oh  την  χώραν  ύηιοτρατήγονς  τινάς  —  άποάεί- 
ξ,αντεζ.    Mit  Recht  bemerkt  Martin,  daß  τίνας  besser  zu  3  als  zu  2  Epistrategen  paßt. 

5)  Daß  BGU  372  II  (19)  nicht  auf  militärische,  sondern  auf  polizeiliche  Befug- 
nisse geht,  führe  ich  im  Kommentar  aus. 

6)  Letronne,  Rec.  d.  Inscr.  II  S.  141.  7)  Inscr.  Graec.  ad  r.  Rom.  pert.  I  1109. 
8)  Vgl.  Wilcken,   Griech.  Ostr.  I  427,  499.     Mommsen  wollte  dagegen  die  Pro- 

kuratur  von  der  Epistrategie  trennen. 


Β.  Die  römische  Periode.     §  2.    Die  Landesverwaltung.  37 

gegen,  daß  der  Epistratege,  wenn  auch  niclit  im  Titel,  als  έ:χίτροποζ  be- 
zeichnet wird.*)  Lateinisch  heißt  er  titular  procurator  ad  epistrategiam 
oder  epistrategiae.  Als  römischer  Ritter  heißt  er  (seit  dem  IL  Jahrh.) 
χράτιδτος  (=  vir  egregius).  Für  die  Thebais  und  die  Heptanomia  sind 
uns  zahlreiche  Epistrategen  bekannt.^)  In  die  Κάτω  χώρα  gehört  wahr- 
scheinlich der  in  BGU  IV  1138,4  genannte,  aus  der  Zeit  des  Augustus.^) 
Der  Epistratege  tritt  uns  teils  als  Delegatar  des  Präfekten  im  Gerichts- 
wesen mehrfach  entgegen  (vgl.  Band  II),  teils  als  Verwaltungsbeamter.  Im 
besonderen  bat  er  in  den  zwei  ersten  Jabrhunderten  gewisse  liturgische 
Beamte  zu  erlosen  und  einzusetzen  (vgl.  Kap.  VIII).  Wieweit  er  an  der 
Finanz  Verwaltung  beteiligt  war,  ist  nach  dem  jetzigen  Material  noch  nicht 
ganz  klar.  Wie  Martin  erkannt  hat,  sind  die  υποκείμενα  rfj  επιότρα- 
τηγύα*)  nicht  ihm  zur  Kontrolle  unterstellte  Steuern,  sondern  die  Erträg- 
nisse gewisser  Steuern,  die  dem  Epistrategen  als  Emolumente  überwiesen 
waren,  wie  andere  Steuerträge  dem  βαοίλικοξ  γραμματεύς  imd  dem 
χωμογραμματενς  zugewiesen  waren.  ^)  Die  Epistrategen  werden  regel- 
mäßig auf  dem  Konvent  erschienen  sein,  um  Rechnung  zu  legen  über  die 
Verwaltung  ihrer  Epistrategie,  abgesehen  von  ihrer  Verwendung  in  der 
Jurisdiktion.  Außerdem  unternahmen  sie  oft  Amtsreisen  durch  ihren 
Bezirk. 

Von  diesem  römischen  Ritter  ist  durch  eine  weite  Kluft  getrennt•) 
der  ότρατηγός  des  einzelnen  Gaues,  wenn  er  auch  unter  den  Lokalbeamten 
der  vornehmste  ist.  Wie  dem  Epistrategen,  so  sind  auch  dem  Strategen 
von  Augustus  alle  militärischen  Funktionen  genommen  —  falls  er  am 
Ausgang  der  Ptolemäerzeit  solche  noch  gehabt  hatte.  Sie  sind  jetzt 
reine  Zivilbeamte.  Während  die  Epistrategen  als  Prokuratoren  gewiß 
vom  Kaiser  ernannt  wurden,  hat  die  Strategen  der  Präfekt  ernannt.^ 
Ob  die  Strategie  eine  Liturgie  gewesen  ist  oder  nicht,  ist  eine  Frage,  die 
zurzeit   mit  Sicherheit    kaum    zu    lösen    ist.®)     Die   meisten  der  uns  be- 

1)  VgL  BGÜ  168,  4,  wo  ein  Epistratege  als  έπιτρόηαν  μ[4γί]ατ8  angeredet  wird. 
Zu  diesem  schon  Ostraka  I  427  angeführten  Belep  kam  inzwischen  hinzu  Lips.  8S,  10 
und  Oxy.  VI  899,  26,  verglichen  mit  BGU  II  648.  14.     Vgl.  jetzt  Martin. 

2)  Vgl.  die  Zusammenstellungen  bei  Martin. 

8)  Zu  Lucceiue  Ofellianus  in  CIG  4701  und  BGÜ  FV  1046,  HIB  Tgl.  Arch.  ΙΠ 608. 
Sollte  der  Widerspruch  sich  dadurch  lösen,  daü  der  Letopolitee,  der  bei  Ptol.  lum 
Delta  gehört,  nachher  zur  Hei>tanomia  geschlagen  war,  wie  Martin  (s.  oben)  et  fBr  die 
Zeit  bis  auf  Hadrian  vermutet?  Im  IV.  Jahrh.  gehörte  jedenfalls  der  Letopolitee  lu 
Arcadia,  der  Nachfolgerin  der  Heptanomia  (a.  unten  S.  78). 

4;  Fay   42a  11.    Wessoly,   Karanis  S.  78.    Lond.  II  8.71.    BGU  1»»,  14;  887,10. 

6;  Für  jenen  vgl.  Par.  17,  22,  für  diesen  BGU  199.  7  η  tT  nr.r»  ιλ  90J.  Lond. 
Π  8.  71.     Wessely,  Karanis  8.  78. 

6)  Richtig  betont  von  Gradenwite,  Arch    "     τ" 

7)  Kdikt  des  Jul.  Alexander  Z.  86. 

8)  Aus  der  in  der  vorigen  Anmerkung  ziti'rion  ^^telle  des  KtuKi«  loigt  ce  jmirii- 
falls  nicht  notwendig.     Vgl.  Wilcken,  Hermes  27,  187  ff. 


38  Kapitel  Ι.     Allgemeine  hietorische  Grundzüge. 

kannten  Strategen  der  Kaiserzeit  füliren  griechisclie  oder  ägyptisclie  Namen, 
werden  also  Griechen  oder  Gräco-Ägypter  gewesen  sein  (nicht  Ägypter); 
einzelne  begegnen  aber  auch  mit  römischen  Gentilnamen.  •^)  Der  Stratege 
stand  an  der  Spitze  der  gesamten  Gauverwaltung.  Ygl.  das  Tagebuch 
der  Strategen  P.  Par.  69  (41).  Besonders  deutlich  tritt  uns  seine  Tätig- 
keit in  der  Finanz-  und  speziell  der  Steuerverwaltung  entgegen.  Er 
scheint  auf  diesem  Gebiet  jetzt  noch  weitergehende  Kompetenzen  als 
vorher  in  der  Ptolemäerzeit  gehabt  zu  haben.  Er  haftete  dem  Fiskus 
mit  seinem  Vermögen^)  und  hatte  einen  Bürgen  zu  stellen.  Vgl.  den 
Amtseid  Oxy.  I  82.  Bemerkenswerb  ist,  daß  der  Stratege  in  vielen 
Fällen,  namentlich  in  Fragen  der  Finanzen,  direkt  mit  dem  Präfekten 
verkehrte,  nicht  etwa  durch  Vermittelung  des  Epistrategen.  Letzteres 
wird  nur  auf  den  Gebieten  geschehen  sein,  die  speziell  den  Epistrategen 
unterstellt  waren.  Wir  haben  eine  Reihe  von  Schriftstücken,  in  denen 
sich  der  Präfekt  direkt  an  die  Strategen  wendet  und  umgekehrt. 

Unter  den  Strategen  standen  die  Nomarchen  (vgl.  oben  S.  10),  die 
namentlich  an  der  Steuererhebung  beteiligt  waren.    Vgl.  Kap.  V. 

Die  rechte  Hand  des  Strategen  war  auch  jetzt  wie  in  der  Ptolemäer- 
zeit der  βα<3ίλί%0£  γραμματενζ^  der  unter  Umständen  den  Strategen  als 
sein  διαδεχάμενοξ  zu  vertreten  hatte.  In  solchen  Fällen  —  wie  gewiß 
auch  in  entsprechenden  anderen  Vertretungen  —  kam  es  vor,  daß  jemand 
als  διαδεχόμενος  καΐ  τα  %atä  την  οτρατηγίαν  an  sich  selbst  als  βαβιλικος 
γραμματεύς  amtliche  Briefe  zu  schreiben  hatte.  Solche  liegen  uns  vor  in 
den  Straßbürger  Akten  aus  dem  Gau  Nesyt,  die  ich  im  Arch.  IV  122  ff. 
herausgegeben  habe  (vgl.  52).  Über  die  Betätigung  der  βα^ιλοκοί  γραμ- 
ματείς in  der  Finanz  Verwaltung  vgl.  unten  Kap.  V.  Auch  für  sie  waren 
die  Einkünfte  gewisser  Steuern  als  νΛοηείμενα  reserviert.^) 

Ein  staatlicher  Beamter  ist  auch  der  γραμματεύς  μητροπόλεως,  der 
zwischen  dem  ΰτρατηγός  und  den  städtischen  Beamten  steht.*)  Ihm  ent- 
spricht in  den  Dörfern  der  gleichfalls  staatliche  κωμογραμματενς. 

Mit  den  Metropolen  der  Gaue  sind  wichtige  Veränderungen  in  der 
Kaiserzeit  vorgegangen.  Wir  müssen  scheiden  zwischen  der  Zeit  vor  202 
und  nach  202  n.  Chr.  In  der  ersten  Periode  sind  die  Metropolen  wie  in 
der  Ptolemäerzeit  ohne  Autonomie  geblieben,  staatsrechtlich  betrachtet 
Dörfer,  deren  Besonderheit  darin  lag,  daß  sie  das  Zentrum  der  Gau- 
verwaltung (μψρότίολις)  darstellten.     Hier  war  der  normale  Amtssitz  des 


1)  Vgl.  Wilcken,  Hermes  27,  292.  Die  TJntersucliung  müßte  jetzt  von  neuem 
geführt  werden.  Entscheidend  sind  nur  die^Gentilnamen.  Römische  Cognomina  be- 
weisen nichts. 

2)  Vgl.  Edikt  des  Jul.  Alexander  §  3,  wo  der  οτρατηγόζ  zu  den  τΐροςωφειληκότες 
τω  δημοβίω  λόγω  gehört. 

3)  S.'  oben  S.  37  Anm.  5.  4)  Vgl.  Preisigke,  Stadt.  Beamte  S.  10. 


Β.  Die  römische  Periode.     §  2.    Die  Landesverwaltung.  39 

ϋτρατηγός  und  des  βαοίλικος  γραμματεύς,  hier  war  die  δημοοία  βιβλιο- 
-Ο-ήχη^)  und  die  βιβλωΌ-ήκη  εγκτήόεων  (Band  Π  Kap.  4),  hier  die  Haupt- 
regierungskasse des  Gaues  (Kap.  IV)  usw.  So  fehlte  es  in  Ägypten  an 
den  autonomen  Gemeinden,  zu  deren  Repräsentation  in  anderen  Provinzen 
ein  Provinziallandtag  geschaffen  war.') 

Die  staatsrechtliche  Auffassung,  daß  die  χώρα  aus  Gauen  besteht 
und  die  Städte  wie  Arsiuoe,  Hermopolis  usw.  nichts  anderes  als  die 
μητροπόλεις  dieser  Gaue  sind,  finde  ich  besonders  klar  in  den  lateinischen 
Urkunden  ausgedrückt.  So  heißt  es  auf  der  2.  Holztafel,  die  de  Ricci  in 
der  Nouv.  Rev.  Histor.  XXX  480  herausgab:  Actum  Aeg(ypto)  nomo 
Arsinoite  metropoli.  Damit  fi.ndet  endlich  auch  BGU  .-^26  Π  10  ^Αραινο- 
είττ]  μητροπόλει  seine  Erklärung,  zumal  dies  in  der  griechischen  Über- 
setzung eines  lateinischen  Textes  steht  (s.  die  früheren  Deutungen  in 
Teb.  Π  S.  370).  Darum  fragt  auch  Kaiser  Traian,  als  er  dem  ägyptischen 
Arzt  des  Plinius  das  Bürgerrecht  geben  will,  nicht  aus  welcher  Stadt 
(oder  Dorf)  er  stammt,  sondern  ex  quo  nomo  sit,  worauf  Plinius  (ep.  10) 
antwortet:  νομον  Μεμφίτου.  Auch  wenn  der  Ägypter  in  einer  der  Metro- 
polen wohnt,  stammt  er  darum  doch  aus  dem  Gau,  denn  die  Metropolen 
sind  eben  keine  „Städte". 

Eine  wesentliche  Veränderung  tritt  uns  in  der  Organisation  der 
städtischen  Beamten  entgegen,  die  auf  Augustus  zurückzuführen  sein 
wird.'j  Wir  finden  in  der  Kaiserzeit  in  allen  Metropolen  der  Gaue  eine 
gleichmäßig  organisierte  Beamtenschaft,  die  als  άρχοντες  oder  auch  als 
το  xoLvbv  των  αρχόντων  zusammengefaßt  wird.  Vgl.  Oxy.  I  54  (34). 
Die  einzelnen  Beamten,  die  hierzu  gehören,  sind  nach  einer  festen  Riuig- 
ordnung  gegliedert,  die  in  den  Urkunden,  sobald  mehrere  Ämter  neben- 
einander zu  nennen  sind,  in  der  Regel  streng  beobachtet  wird.  Nach 
Preisigke  1.  c.  21  hat  folgende  Rangordnung  bestanden:  1.  γνμναϋίαρχος^ 
2.  εξηγητής,  3.  χοόμητής,  4.  άρχιερεύς,  5.  άγορανόμος^  G.  ίύ^νιαρχι?^ 
(Platz  nicht  ganz  sicher),  7.  νπομνηματογράφος.  In  exakt  geschriebenen 
Urkunden  werden,  wo  mehrere  dieser  Beamten  neben  einander  zu  neuneu 
sind,  diese  in  absteigendem  Range  aufgezählt,  dagegen  werden  die  Amts- 
titel  der  einzelnen  Personen  govöhnlich  in  aufsteigender  Reihenfolge  ge- 
nannt. *j  Nach  Niederlegung  der  Ämter  wird  d<'r  Titel  in  prfttenUler 
Form  weitergefülirt,  wie  γνμναόιαρχήόας^  έ^ηγητενόας  uaw.,  was  der 
Ptolemäerzeit  ebenso  wie  die  gesamte  Rangordnung  fremd  gewesen  war. 

1)  Dies  erat  τοη  den  ROmem  geeohaflene  Archiv  diente  der  Anfbewahmng  der 
■taatlichen  Gauakien.  Vgl.  die  Beispiele  bei  Preiiigke,  GiroweMn  8.  S83.  Vgl  a.>n 
Kommentar  zu  Par.  00  (41). 

2)  Vgl.  Mommecn,  RG  V  668. 

8)  Vgl.  Ktitn  folgenden  Prcisigku,  StAdtiiohe«  Beamten weMn  im  rOm.  Ägypten, 
(Dil•.  Hall.  190a),  der  zuentt  diuM«^  ϋίηκ<>  riobtig  erkannt  bat 
4)  Vgl.  Preiiigke  8.  33 


40  Kai>itel  Ι.     Allgemeine  historische  Grundzüge. 

Alle  diese  Beamten,  die  sämtlicli  Liturgen  sind  —  aucli  dies  ist  eine  wichtige 
Änderung  gegenüber  der  Ptolemäerzeit  (vgl.  Kap.  VIII)  — ,  bilden  als  άρ- 
χοντες ein  kollegiales  verantwortliches  Kollegium  (xolvov),  das  die  städti- 
schen Geschäfte  zu  leiten  hat.^)  Davon  abgesehen  hat  jeder  einzelne  seine 
besonderen  Befugnisse,  so  der  γνμναΰίαρχος  und  κοομψής  für  das  Gym- 
nasial- und  Ephebenwesen  (Kap.  III),  der  ενϋ^ηνιάρχης  für  das  Verpflegungs- 
wesen (Kap.  IX).  Diese  Archonten,  die  die  Honoratioren  der  Metropolen 
darstellten,  hatten  wohl  in  der  Kegel  gymnasiale  Bildung  und  gehörten 
also  zu  den  „oi  ajtb  γνμναοίον"  (vgl.  Kap.  III).  Außer  diesen  Archonten 
gab  es  noch  weitere  städtische  Beamte,  wie  den  Schatzmeister  (ταμίας)^ 
die  außerhalb  jenes  κοινόν  standen,  und  deren  Titel  nach  Ablauf  des 
Amtsjahres  nicht  fortgeführt  wurde.  ^) 

Da  in  Teb.  II  397,  18  ff.  für  das  Jahr  198  ein  άρχιτίρντανυξ  bezeugt 
wird,  wie  es  scheint  für  Arsinoe,  und  der  Exeget  der  Stadt  damals  zu- 
gleich dies  Amt  bekleidet,  so  muß  es  dort  ein  PrytanenkoUegium  gegeben 
haben.  Ein  bloßer  Titel  τίρντάνεις,  etwa  gleichlautend  mit  άρχοντες^ 
kann  es  schon  deshalb  nicht  gewesen  sein,  weil  dann  zu  erwarten  wäre, 
daß  nicht  der  Exeget,  sondern  der  Gymnasiarch  den  Vorsitz  geführt 
hätte.  Genaueres  ist  uns  über  diese  Prytanen  von  Metropolen  vor  202 
noch  nicht  bekannt. 

Die  Bürger  der  Metropolen  hießen  μητροΛολΙταί  und  hatten  als  solche 
manche  Vorrechte  vor  den  in  der  Metropole  nur  Domizilierenden,  den 
κατοίκονντες  und  den  τίαρεπιδημονντεζ^  und  vor  den  Dörflern.  So  hatten 
sie  z.  B.  hinsichtlich  der  Kopfsteuer  Erleichterungen  (vgl.  Kap.  V).  Die 
stimmfähige  Gemeinde  machte  den  δήμος  der  Stadt  aus  und  konnte  als 
solche  zusammen  mit  den  Archonten  z.  B.  Ehrendekrete  beschließen.  Vgl. 
Oxy.  III  473  (33)  (Oxyrhynchos  IL  Jahrb.).  Dieser  Text  zeigt  zugleich, 
daß  unter  den  παρεπιδημοϋντεξ  (consistentes)  die  Römer  und  Alexandriner 
an  solchen  Ehrenbeschlüssen  teilnehmen  konnten. 

Die  Städte  waren  meist  in  α;χφο(ϊ«  genannte  Straßenquartiere  ^)  ge- 
teilt, die  unter  άμψοδάρχαι  und  άμφοδογραμματείς  standen.  Die  Ampho- 
darchen  hatten  z.  B.  die  Bevölkerungslisten  zu  führen  (vgl.  Lond.  II  S.  49  ff., 
Stud.  Pal.  I  S.  58  ff.  vgl.  [61]),  die  άμφοδογραμματείς  waren  bei  der  Ver- 
teilung der  Liturgie  beteiligt  (vgl.  BGU  IV  1062,  Oxy.  I  81).  Sind  die 
Namen  der  αμφοδα  nach  Bauwerken  oder  Zünften  oder  Nationalitäten  usw. 
gegeben,  wie  in  Arsinoe  u.  a.,  so  sind  sie  für  die  innere  Geschichte  der 
Städte  und  für  die  Anschauung,  die  wir  uns  von  ihnen  zu  machen  haben, 


1)  Preisigke  1.  c.  8  ff. 

2)  Preisigke  c.  12  nennt  sie  Beamte  zweiter  Ordnung. 

3)  "Ααφοδον  steht  hier  in  dem  Sinne  wie  in  dem  Bericht  des  Chron.  paschal.  über 
Hadrians  Bauten  in  Jerusalem:  έμ^έριοεν  την  ηόΐιν  εις  hma  αμφοδα  ν,αϊ  ^τηβεν  άν- 
ϋ'ρώπονς  άμψοάάρχας  και.  ετιάΰτω  άηένειμ,εν  αμ,φοδον,  ■κτλ. 


Β.  Die  römische  Periode.     §  2.    Die  Landesverwaltung.  41 

von  hohem  Interesse.^)  In  Memphis  dagegen  wurden  die  αμφοδα  nume- 
riert.*) Es  ist  natürlich  überhaupt  mit  manchen  lokalen  Verschiedenheiten 
in  den  Städten  zu  rechnen. 

Einen  vollständigen  Umschwung  in  der  Geschichte  der  Metropolen 
hat  Septimius  Severus  herbeigeführt,  indem  er  im  Jahre  202  zugleich  mit 
Alexandrien  (s.  unten  S.  45)  auch  ihnen  einen  Rat  {βονλή)  verlieh.  Es 
ist  das  wohl  die  wichtigste  Änderung,  die  die  Organisation  Ägyptens 
in  dieser  Periode  erfahren  hat,  denn  damit  war  der  Grund  gelegt  zu 
einer  wenn  auch  durch  die  fortbestehende  Gauordnung  beschränkten 
Selbstverwaltung  der  Städte.  Es  ist  bezeichnend  für  unsere  literarische 
Tradition,  daß  sie  nur  die  Einsetzung  der  βουλή  für  Alexandrien  im 
Jahre  202,  nicht  aber  die  der  Metropolen  erwähnt.  Erst  die  Papyri  haben 
uns  Kunde  von  dieser  einschneidenden  Maßregel  gebracht.^)  Wenn  bis- 
her auch  nur  für  einzelne  Metropolen  die  βονλτι]  direkt  nachgewiesen  ist, 
80  kann  doch  z.  B.  nach  Oxy.  I  58,  13  nicht  bezweifelt  werden,  daß  ihnen 
allen  eine  solche  gegeben  worden  ist.  Meine  in  den  Observat.  ad  hist. 
Rom.  S.  14  aufgestellte  Vennutung,  daß  dies  im  Jahre  202  geschehen 
sei,  ist  durch  das  inzwischen  hinzugekommene  Material  nicht  erschüttert 
worden.*)  Es  ist  wohl  kaum  zu  bezweifeln,  daß  Severus  sich  zu  dieser 
Maßregel  verstanden  hat,  um  einen  Teil  der  staatlichen  Aufgaben  auf 
die  Schultern  der  Ratsherren  abzuwälzen.^)  Es  ist  der  städtische 
Reichtum,  der  jetzt  in  noch  ganz  anderer  Weise  als  vorher  vom  Staate 
herangezogen  wird,  indem  die  finanzielle  Verantwortung  für  wichtige 
Verwaltungszweige  den  reichen  Städtern  zugeschoben  wird,  eine  Maß- 
regel, die  schließlich  hier  wie  anderwärts  zur  Verarmung  der  Städte 
geführt  hat.  Welche  große  Bedeutung  für  das  ganze  Land  diese 
Änderung  der  Kommunalordnung  gehabt  hat,  konnte  erst  nach  uud 
nach  genauer  erkannt  werden^)  und  bedarf  auch  noch  weiterer  Unter- 
suchungen. Zu  der  Bedeutung  dieser  Maßregel  für  die  Begründung 
der  Bistümer  in  Ägypten  vgl.  Kap  IL  Einstweilen  läßt  sich  erkennen, 
daß  die  Vermögensverwaltung  der  Stadt  von  dem  xoivov  der  &Q%ovtBg 
nunmehr  an  die  βονλή  übergeht'),  daß  die  städtischen  liturgischen  Be- 
amten jetzt  von  der  βουλή  erwählt  werden®),  und  auch  manche  staatliche 
Beamte,  namentlich  solche,  welche  in  der  Steuerverwaltung  eine  Rolle 
spielen,  wie  die  Dekapro ten,  die  Nomarchen,  die  Praktoren  uew.,  der  Staate- 
regierung  von    der   βουλή   präsentiert   werden,   wodurch  sie  die  Verant- 

1)  Vgl.  die  topographische  Literatur  oben  in  der  Einleitung  |  S. 

S)  Wilcken,  Arcb.  II  472. 

8)  Vgl.  Wilcken,  Griech.  (Jitruka  I  480,  wo  die  ältere  Literatur  terieichnet  iet 

4)  Vgl.  Griech    Ostraka  I  481  Anm.  I.  6)  Vgl.  Wilcken,  HermM  10,  446  ff. 

β)  V^l  7  \\.  Hoftowzow,  GGA,  1009,  616  ff.,  anch  seine  Studien  t.  Kolonat 

7  '  1.  c.  ΙΛΓ  und  unten  Kap.  IV. 

8  1  .    1.  c.  18  ff. 


42  Kapitel  Ι.     Allgemeine  historische  Grundzüge. 

wortung  überualim.^)  Vgl.  z.B.  κίνδννω  εκάστης  βονλης  in  Oxy.  158,  13; 
CPHerm.  97,  8.  Wie  dadurch  die  Haftung  für  die  Eingänge  der  Steuern 
auf  die  Kommunen  abgewälzt  wird,  so  ist  auch  die  Tempel  Verwaltung  nun- 
mehr eine  städtische  geworden,  indem  die  Tempelfinanzen  von  Kuratoren 
(επψελψοίί),  die  vom  Rat  gewählt  sind,  verwaltet  werden.  Vgl.  Kap.  II, 
im  besonderen  den  Kommentar  zu  BGU  362.  Wichtige  Einblicke  in  die 
mannigfachen  Geschäfte  der  βονλή  gewähren  die  in  CPHerm.  edierten 
Urkunden.    Vgl.  38—40. 

In  allen  diesen  Tätigkeiten  wird  der  Rat  vom  Strategen  als  dem 
ersten  Regierungsbeamten  des  Gaues  beaufsichtigt.  Er  gibt  die  Befehle 
des  Präfekten  weiter  an  die  βουλη^)  und  überwacht  ihre  Ausführung, 
und  zwar  nicht  nur  in  staatlichen,  sondern  auch  in  städtischen  Angelegen- 
heiten.^) Diese  scheinbar  autonomen  Gemeinden  waren  also  durchaus 
nicht  von  der  Gauverwaltung  eximiert,  sondern  vielmehr  ihr  unterstellt. 
Ich  trage  daher  Bedenken,  Ausdrücke  vrie  „Einführung  der  Dekurionats- 
ordnung"  oder  „Munizipalisierung  Agjptens^^,  wie  jetzt  üblich  geworden  ist, 
schon  auf  die  Ordnung  des  Severus  von  202  anzuwenden.  Was  hier  in 
die  Gau  Verwaltung  eingefügt  ist,  ist  die  griechische  βουλή.  Vor  einer 
Munizipalordnung  im  eigentlichen  Sinne  möchte  ich  erst  für  das  IV.  Jahrh. 
sprechen,  wo  die  Gauverwaltung  aufgehoben  wird.     S.  unten. 

Neben  der  βουλή  bleiben  nach  wie  vor  die  άρχοντες  bestehen,  doch 
sind,  wie  oben  gesagt  worden,  manche  ihrer  Befugnisse  an  den  Rat 
übergegangen.  Zu  diesen  άρχοντες  gehörten  auch  die  τζρυτάνείς^),  ein 
Kollegium,  dessen  Zahl  wir  nicht  kennen,  von  denen  jetzt  immer  je  einer 
im  Turnus  das  Präsidium  im  Rat  hatte  (als  εναρχος  τίρύτανις).  Dieser 
zurzeit  amtierende  Prytan  gilt  als  der  Vertreter  des  Rates  (ή  βουλή  diä 
τοϋ  δεινός).  Über  die  Zahl,  den  Wahlmodus  und  den  Zensus  der  Rats- 
herrn sind  wir  noch  nicht  unterrichtet.^)  Einen  Einblick  in  die  Ge- 
schäftsordnung der  βουλή  bieten  uns  die  erhaltenen  Ratsprotokolle.  Vgl. 
für  Herakleopolis  BGU  925  (37),  für  Hermopolis  die  von  Wessely  edierten 
Stücke  in  CPHerm.  aus  der  Mitte  des  III.  Jahrh.    Vgl.  38—40. 

Zugleich  mit  der  Schaffung  des  Rates  wird  auch  die  Bürgerschaft 
der  Metropole  einer  neuen  Organisation  unterworfen  worden  sein.  Der 
δήμος  neben  άρχοντες  und  βουλή  begegnet  zwar  auch  schon  vor  202 
(s.  oben  S.  40),  wie  nach  202,  und  es  wäre  möglich,  daß  dieser  δήμος 
auch  damals  schon  in  Phylen  gegliedert  gewesen  wäre.  Aber  nachweisen 
können  wir  die  Phylen  erst  nach   der  Neuordnung  von  202;    das   älteste 


1)  Preisigke  1.  c.  20  ff.  2)  Vgl.  z.  B.  Oxj.  58.  3)  Preisigke  1.  c.  22. 

4)  Vgl.  Wilcken,  Arch.  IV  118  f.  —  Daß  in  den  Metropolen  (wie  auch  in  Alexan- 
drien)  schon  vor  202  Prytanen  gewesen  sind,  zeigt  für  Arsinoe  Teb.  II  397.  S.  oben 
S.  40. 

5)  Preisigke  1.  c.  S.  50. 


Β.  Die  römische  Periode.     §  3.    Die  Griechenstadte.  43 

Beispiel  ist  z.  Z.  Oxj.  ΥΠ  1030  (36).  Diese  Metropolphylen,  die  keine 
Namen  führen,  sondern  numeriert  werden,  dienen  als  Unterlage  für  die 
Verteilung  der  öffentlichen  Lasten.^) 

Alles  in  allem  hat  die  Einführung  der  ßovlij  im  J.  202  nicht  etwa 
die  Wirkung  gehabt,  die  Metropolen  den  Griechenstädten  gleichzustellen. 
Sie  wurden  weder  griechische  πόλεις^  noch  römische  civitates  (s.  oben 
S.  42 ),  sondern  sie  blieben  μητροπόλεις  ihrer  Gaue.  Daher  sind  auch  den 
Metropoliten  durchaus  nicht  ohne  weiteres  die  Wohltaten  der  Constitutio 
Antonina  zugute  gekommen  (s.  unten  S.  57). 

Was  endlich  die  Dorfverwaltung  betrifft,  so  erscheint  als  eine 
Neuerung  gegenüber  der  Ptolemäerzeit^),  daß  in  der  Kaiserzeit  die  πρεό- 
βντεροι  τήζ  κώμης  als  eine  allgemeine  dörfische  Behörde  auftreten.  Diese 
Presbyter,  die  liturgische  Beamte  sind,  vertreten  eventuell  den  κωμογραμ- 
ματενς.  Vgl.  BGU  G,  BGU  15.  Die  Dorfgemeinden  sind  öfters  mit  ol  cbro 
της  χώμης  bezeichnet,  d.  h.  die  Gemeinde  derer,  die  im  Dorfe  ihre  Origo 
haben.^)  Diese  Dorfgemeinde  hatte  u.  a.  das  Recht,  Beschlüsse  zu  fassen 
zur  Ehrung  verdienter  Personen.*)  Sie  hatte  auch  auf  gemeinsamen  Be- 
schluß Vorschläge  zu  machen  für  die  Liturgen,  für  die  dann  auch  die 
Gesamtheit  der  Dorfbewohner  die  Bürgschaft  übernahm.  Vgl.  BGU  235 
und  Flor.  2.^) 

§  3.    DIE  GRIECHENSTÄDTE. 

Wenden  wir  uns  von  der  Gauverwaltung  wieder  zu  den  Griechen- 
städten, so  hat  sich  in  der  Kaiserzeit  die  Zahl  dieser  Λολεις  um  eine  ge- 
mehrt, indem  zu  Alexandrien,  Naukratis  und  Ptolemais  die  Neugründung 
Hadrians,  Antinoopolis,  hinzukam. 

Leider  ist  die  Zahl  der  Papyri,  die  uns  über  Alexandnuu  und 
seine  Geschichte  Aufschlüsse  geben,  bisher  noch  gering.  Aus  den  in  der 
Einleitung  §  2  behandelten  Gründen  sind  hier  Papyrusfunde  an  Ort  und 
SteUe  auch  kaum  zu  erwarten.     Glücklicherweise  hat  sich  kürzlich   uüt.  r 


1)  Wilcken,  Griech.  Oatr.  I  431  f. 

2)  Die  Anflicht  Rostowzcwd  (Arch.  III  214  f.),  daß  die  ηρΜβνη^οι  χής  ηάμης  die 
Nachfolger  seien  der  nQBößvttgoi  των  γβωργών  der  Piolem&eneit,  hat  eine  innere  Wahr- 
•cheinli(-hk(5it  für  eich.  Der  oben  hervorgehobene  Unterschied,  dafi  die  Pietbjter  der 
Kainerzcit  dag  ganze  Dorf  vertreten,  während  die  der  Ptolemaeneit  nur  die  QenoMen- 
■chaft  der  άημόαιοι,  γίωργοί,  wOre  aU  Entwioklangtergebnii  anfgefaßt  hiermit  nicht 
unvereinbar.  Aber  da•  Problem  bat  noch  viele  dunkle  Seiten,  die  noch  eingtheader 
rnt«;riiuchung  bedürfen. 

8;  Nicht  die  Dorf behörden :  Hohlwein  1.  c.  187  ff.  Vgl.  dagegen  Wilcken,  Aroh. 
III  529,  651.    Mir  snetimmond  Zulueta,  de  patroctniii  vicorum  S.  64. 

4)  Vgl.  Dittenborger  Or.  (Ir.  II  βββ,  ein  Khrendekret  an  oi  άπ6  ηάμ^ς  Bev«t(- 
(>•ωβ  und  der  χοηογραμμαηΐς  und  %ωμογ(/αμματ9ί9  d••  GMief  (L^topoUte•)  BQ  Ehren  d•• 
Prftfekten  (auM  NeroH  Zeit),  abgefaßt  in  den  Formen  eine•  ψ^ψίύμα, 

:,)  Vgl    Wilcken,  Oriech.  Oit.  I  508  f. 


44  Kapitel  Ι.    Allgemeine  hietorisclie  Grundzüge. 

den  in  Abusir-el-Mäläk  ausgegrabenen  Papyri  eine  größere  Zahl  als  alexan- 
drinische  Urkunden  (aus  der  Zeit  des  Augustus)  herausgestellt,  die  von 
Schubart  im  IV.  Bande  der  BGÜ  herausgegeben  werden.^)  Andererseits 
befindet  sich  unter  den  sonstigen  in  Ägypten  gefundenen  Papyri  doch 
eine  nicht  unbeträchtliche  Zahl  von  Texten,  die  entweder  alexandrinische 
Verhältnisse  berühren  —  so  vor  allem  die  „Martyrien"  (s.  unten  S.  45)  — 
oder  aber  in  Alexandrien  selbst  geschrieben  und  dann  in  die  χώ^α  ge- 
sendet und  so  der  Vernichtung  entgangen  sind,  oder  endlich  auch  Ab- 
schriften von  solchen  (wie  die  abschriftlich  verbreiteten  Edikte  und  sonstigen 
Akten  alexandrinischer  Behörden).^)  Zu  den  alexandrinischen  Originalen 
gehören  u.  a.  zahlreiche  Privatbriefe,  die  vielfach  an  der  Erwähnung  des 
Proskynema  vor  dem  großen  Sarapis  kenntlich  sind  (vgl.  Kap.  II).  Eine 
genauere  Eruierung  ^)  und  Zusammenstellung  der  aus  Alexandrien  stammen- 
den Urkunden  wäre  sehr  erwünscht. 

Alexandrien  hatte  durch  die  römische  Eroberung  an  seinem  Prestige 
stark  gelitten,  hörte  es  doch  auf,  die  Residenz  eines  Königreiches  zu  sein, 
um  der  Amtssitz  eines  römischen  Ritters  zu  werden.  Für  das  Aufgeben 
der  glänzenden  Hofhaltung  mit  ihrem  reichen  Hofstaat  war  die  Haus- 
haltung der  Präfekten  im  alexandrinischen  Prätorium*)  ein  schwacher 
Ersatz.  Die  Alexandriner  haben  es  nie  verwunden,  daß  ihre  Stadt  nun 
den  zweiten  Rang  einnahm  hinter  der  Stadt  am  Tiber,  die  in  ihren  Augen 
ein  Parvenü  blieb.  Sie  rächten  sich,  indem  sie  ihrer  Spottlust  gegen  den 
Kaiser  und  seine  Stellvertreter  freien  Lauf  ließen,  und  oft  sind  sie  von 
einer  im  StiUen  kontinuierlichen  Fronde  zu  offener  Revolte  übergegangen.^) 

Durch  die  Papyri  haben  wir  von  einer  eigenartigen  alexandrinischen 
Literatur  Kunde  gewonnen,  die  der  Verherrlichung  des  alexandi-inischen 
Bürgerstolzes  vor  dem  Cäsarenthrone  diente.  Erhalten  sind  uns  daraus 
einige  Erzählungen  von  Kriminalprozessen,  in  denen  Vertreter  der  alexan- 
drinischen Bürgerschaft  vom  Kaiser  zum  Tode  verurteilt  worden  sind. 
Nach  Analogie  der  christlichen  Märtyrer- Akten  nennt  man  sie  jetzt  heid- 
nische oder  alexandrinische  Martyrien.  Wenn  diese  Erzählungen  auch 
Literatur  sind,  so  gehen  sie  doch  auf  die  amtlichen  kaiserlichen  Protokolle 
zurück   und   gewähren  uns  so,  nach  Abzug  dessen,   was  durch  die  Über- 


1)  Vgl.  dazu  Schubart,  Arch.  V  S.  35  fif.,  und  Pieuß.  Jahrbücher  1909,  498  fF.  (Neues 
aus  dem  alten  Alexandrien). 

2)  Das  Original  eines  Statthalterbriefes  bietet  ein  von  Zucker  herausgegebener 
Berliner  Papyrus  (Sitz.  Ber.  Akad.  1910  S.  710). 

3)  Vgl.  z.  B.  Arch.  IV  391  f. 

4)  Vgl.  Oxy.  III  471,  110;  BGU  288,  14,  wo  ich  am  Original  Λρα<ι>τωρ/[ω  her- 
stellte. In  beiden  Fällen  ist  das  alexandrinische  praetorium  gemeint.  Außerdem 
gab  es  praetoria  auch  in  den  Metropolen  für  die  Besuche  der  Regierungsbehörden, 
belegt  für  Antinoopolis,     Vgl.  Arch.  IV  121. 

5)  Vgl.  Mommsen,  EG  V  581  fP. 


Β,  Die  römische  Periode.     §  3.    Die  Griechenstädte.  45 

arbeitungen  hinzugekommen  ist,  einen  Einblick  in  die  Vorgänge  selbst. 
Ursprünglich  verfaßt  sind  sie  wohl  von  Mitgliedern  der  Gesandtschaften, 
also  von  Genossen  der  Märtyrer;  nach  und  nach  sind  sie  dann  —  ähnlich 
wie  die  christlichen  Martyrien  —  überarbeitet  worden  mit  der  Tendenz, 
den  Freimut  der  Märtyrer  noch  mehr  zu  steigern.  Drei  solcher  Kriminal- 
prozesse sind  uns  so  bekannt  geworden:  der  erste  wurde  vor  Kaiser 
Claudius  in  Rom  geführt  und  endete  mit  der  Hinrichtung  des  alexan- 
drinischen  Gymnasiarchen  Isidoros  und  seines  Genossen  Lampon;  der  zweite 
spielte  sich  vor  dem  Tribunal  des  Hadrian  ab,  vielleicht  auch  in  Rom, 
und  führte  zum  Tode  des  alexandrinischen  Vertreters  Antoninus;  der  dritte 
wurde  vor  Commodus  in  Rom  geführt  und  endete  mit  der  Hinrichtung 
des  alexandrinischen  Gymnasiarchen  Appianos.  In  den  beiden  ersten  Fällen 
hatten  die  Streitigkeiten  zwischen  den  Alexandrinern  und  Juden  den  Anlaß 
zum  Prozeß  gegeben.  Im  dritten  Falle,  der  keinen  Hinweis  auf  diese 
antisemitische  Bewegung  enthält,  dasselbe  anzunehmen,  ist  keineswegs  ge- 
boten, denn  nicht  als  Antisemitenführer,  sondern  als  Vertreter  der  griechi- 
schen Opposition  gegen  die  römische  Gewaltherrschaft  haben  diese  Männer 
in  Alexandrien  ihren  Märtyrerruhm  gewonnen.  Zur  Begründung  meiner 
Auffassung  von  diesen  Märtyrer- Akten  muß  ich  hier  auf  meine  Abhandlung 
„Zum  alexandrinischen  Antisemitismus"  (Abb.  Sachs.  Ges.  d.  Wiss.  ΧΧΛΤΙ, 
1909,  783  ff.)  verweisen,  wo  auch  die  ausgebreitete  Literatur  hierzu  ver- 
zeichnet ist.  Als  Proben  gebe  ich  unten  nur  die  Akten  aus  Claudius' 
(14)  und  aus  Commodus'  Zeit  (20),  während  ich  für  die  sehr  verstümmelten 
Hadrianischen  Akten  auf  jene  Abhandlung  verweise. 

Während  für  die  Ptolemäerzeit  die  Frage,  ob  Alexandrien  eine  βουλή 
gehabt  habe,  eine  offene  ist  (s.  oben  S.  14),  steht  es  für  die  Kaiserzeit 
fest,  daß  es  von  der  römischen  Eroberung  an  hier  keine  βουλή  gegeben 
hat,  bis  Septimius  Severus  sie  im  Jahre  202  begründete.^)  S.  oben  S.  41. 
Gleichwohl  ist  auch  in  der  Periode  von  30  v.  Chr.  bis  202  n.  Chr.  die 
Bürgerschaft  Alexandriens  in  Phylen  und  Demen  organisiert  geblieben.*) 
Doch  ist  auch  in  der  Kaiserzeit  wie  schon  vorher  diese  Ordnung  nicht 
immer  dieselbe  gewesen.  So  ist  zu  Beginn  der  Regierung  des  Kaisers 
ifero')  eine  durchgreifende  Änderung  durchgeführt  worden,  die  uns  nicht 
nur  in  den  neuen  Namen  entgegentritt,  sondern  namentlich  auch  darin, 
daß  es  von  jetzt  ab  üblich  war,  dem  Demennamen  den  Phylennamen  vor- 
anzustellen. Man  sagt  jetzt  z.  B.  Σωοίχόόμως  6  xal  }ίλ^((ίίύς  und  weist 
dabei    mit    Σωόιχόόμως   auf  die   Phyb»,    mit  yU&auvg   auf  den   Demos 

i;  Vgl.  Dio  Cm•.  61,   . 

8)  Vgl.  (lio  Literatur  bien&u  ubeit  έ».  ib  Anm.  β. 

8)  Vgl  Wilckon,  Arch.  V  18»  ff.  Zuitimniend  Birt,  Rh.  Μα•.  1»10,  der  die 
Neuerung  im  hctouderen  Auf  Seneca  xurackfflhreu  will.     Vgl.  auch  Schubart,  Aich. 

V  U4  fT, 


46  Kapitel  Ι.     Allgemeine  historische  Grundzüge. 

hin.^)  Das  alexandrinische  Bürgerreclit  wurde  von  der  römisclien  Regierung 
als  das  vornehmste  in  Ägypten  dadurch  anerkannt,  daß  nur  dieses  als  Vor- 
stufe zum  Erwerb  des  römischen  Bürgerrechts  qualifiziert  erachtet  wurde.^) 
Immerhin  rückte  jetzt  das  alexandrinische  Bürgerrecht,  das  in  der  Ptole- 
mäerzeit  an  erster  Stelle  gestanden  hatte,  gegenüber  dem  römischen  natür- 
lich an  die  zweite  Stelle.  Zur  Erwerbung  des  alexandrinischen  Bürger- 
rechtes waren  vor  allem  die  Griechen  im  Lande  qualifiziert.'^)  Den 
Ägyptern  wurde  es  nur  ganz  ausnahmsweise  verliehen.^)  Über  die  Zu- 
sammensetzung der  alexandrinischen  Bevölkerung  zur  Zeit  des  Augustu» 
haben  die  Papyri  aus  Abusir-el-Mäläk  sehr  interessante  Aufschlüsse  ge- 
bracht.^) Zu  den  schon  oben  S.  15  hiernach  mitgeteilten  verschiedenen 
Bevölkerungsschichten  kommen  jetzt  noch  die  Römer  hinzu.  Neben 
römischen  Vollbürgern  begegnen  auch  kaiserliche  Freigelassene,  auch 
romanisierte  Griechen.^)  Auf  die  sozialen  Unterschiede  sowie  die  wirt- 
schaftliche Lage  der  verschiedenen  Bevölkerungsklassen  werfen  diese  Papyri 
heUe  Streiflichter.') 

Über  die  von  Strabo  XYII  p.  797  ^ατά  tcoXlv  aufgezählten  Beamten, 
den  Exegetes,  Archidikastes,  Hypomnematographos  und  den  Nachtstrategen 
ist  schon  oben  S.  16  gesagt  worden,  daß  sie  durchaus  nicht  alle  „städtiscV^ 
sind.  Man  sollte  denken,  daß  wie  in  den  Metropolen  auch  in  Alexandrien 
jetzt  der  Gymnasiarch  die  erste  Stellung  unter  den  städtischen  Beamten 
eingenommen  hätte ^),  dem  dann  der  Exeget  folgte,  dann  der  Kosmet  usw. 
in  der  oben  angegebenen  Reihenfolge.  Auch  diese  alexandrinischen  Ämter 
werden  ja  wie  in  den  Metropolen  nach  Beendigung  der  Amtszeit  in  prä- 
teritaler  Form  als  Titel  weitergeführt;  auch  dies  könnte  dafür  sprechen, 
daß  die  städtische  Beamtenschaft  von  Alexandrien  bei  Beginn  der  Römer- 
zeit dieselbe  wichtige  Umwandlung  und  so  auch  die  Rangordnung  erfahren 
hätte  wie  die  der  Metropolen.  Doch  ist  die  Frage  nach  den  Urkunden 
schwer   zu    beantworten,    da   der   Gymnasiarch    bisher    seltener   erscheint. 


1)  Dieser  Sprachgebrauch  konnte  erst  durch  den  neuen  Lond.  ΙΠ  S.  156  ff.  von 
Kenyon  dargelegt  werden  (vgl.  Arch.  Π  70  ff.),  denn  hier  steht  S.  161,  5  (ρνίης  της 
αντης  καΙ  δήμου,  -womit  das  vorhergehende  Σεβάβτιος  6  καϊ  ^Ηράκλειος  wiederholt 
sein  soll. 

2)  Vgl.  Plin.  et  Trai.  epist.  5—7  und  10. 

3)  Als  Beispiel  vgl.  etwa  den  έσχ^κώς  kλεξav^Qέωv  τίοΧιχείαν  in  Lond.  Π 
S.  48,  60  ff. 

4)  Traian.  epist.  7:  civitatem  Alexandrinam  secundum  institutiones  (so  nach  der 
Bodleian  copy  bei  Hardy  statt  institutionem)  principum  non  temere  dare  proposui  etc. 

5)  Ygl.  Schubart  11.  cc. 

6)  Ygl.  Schubart,  Arch.  Υ  115  f.  Die  Personen,  die  sich  als  Kaicagog  bezeichnen, 
können  aber  nicht  Freigelassene  sein  (Schub.),  sondern  müssen  kaiserliche  Sklaven  sein. 

7)  Ygl.  Schubart,  Preuß.  Jahrbb.  1.  c. 

8)  Ygl.  z.  B.  das  Auftreten  der  alexandrinischen  Gymnasiarchen  als  Gesandten 
vor  dem  Kaiser  in  den  „Martyrien"  (S.  45),  z.  B.  Oxy.  33  III,  wo  übrigens  das  ατροφεΐον 
und  die  φαικάσια  (weiße  Schuhe)  als  seine  Amtsabzeichen  angegeben  werden. 


Β.  Die  römische  Periode.     §  3.    Die  Griechenstädte.  47 

Viel  mehr  tritt  in  ihnen  der  Exeget  hervor.  Gelegentlich  erscheint  dieser 
auch  hier;  wie  in  Arsinoe  (s.  oben  S.  40),  als  der  Vorsitzende  der  Prytaneu. 
Vgl.  Oxy.  lU  477  (132/3)  und  Teb.  II  317  (176/5),  wo  sich  Personen 
an  den  £^ηγτ}Τϊ}  xal  τοΙς  Καιόαρείοις  xal  τοΙς  άλλοις  πρντάνεοι  wenden. 
Nach  Teb.  Π  397  (s.  oben  S.  40)  wird  man  annehmen,  daß  auch  hier 
der  Exeget  zugleich  den  Vorsitz  im  Prytanenkollegium  führte.  Über  die 
Rangstellung  gegenüber  dem  Gymnasiarchen  folgt  daraus  ebensowenig 
etwas,  wie  in  jenem  Beispiel  aus  Arsinoe,  das  uns  zugleich  zeigt,  daß 
TtQvxavBig  nicht  etwa  bloß  Titel  für  die  städtischen  Beamten  (ίίρχοντες) 
ist*),  sondern  ein  spezielles  Prytanenkollegium.  Zu  diesem  gehört«  einst 
auch  der  γενόμενος  πρυτανικός  αρχών  in  Oxy.  592  (122/3).-)  Die  anderen 
beiden  Texte  zeigen  aber,  daß  auch  die  Καιόάρειοι  zu  diesen  alexandri- 
nischen  Prytanen  gehören.  Die  Ansicht,  daß  dies  Bürger  aus  der  Phyle 
Καιοάρειος  seien ^),  ist  kaum  haltbar,  zumal  nachdem  in  Teb.  II  317  ein 
zweites  Beispiel,  das  50  Jahre  jünger  ist,  zu  Tage  kam,  vielmehr  werden 
die  Καιΰάρειοι  die  kaiserlichen  Freigelassenen  sein.^)  Aus  der  Art,  wie 
aus  dem  Gesamtkollegium  die  Καιΰάρειοι  hervorgehoben  werden,  folgt, 
daß  diese  kaiserlichen  Freigelassenen  darin  eine  hervorragende  Rolle  ge- 
spielt haben  müssen.  Vielleicht  sind  sie  von  der  kaiserlichen  Regierung 
zur  Kontrolle  den  Alexandrinern  aufoktroyiert  worden.^)  Doch  bedarf  die 
Deutung  dieser  Καιαάρειοι  noch  weiterer  Aufklärung. 

In  derselben  Richtung  liegt,  daß  auch  der  ptolemäiscbe  ότρατηγος 
tfig  πόλεως  (s.  oben  S.  14)  in  der  Kaiserzeit  beibehalten  wurde.*) 

Für  die  Zeiten  nach  202,  in  denen  Alexandrieu  eine  βονλή  hatte, 
liegt  z.  Z.  nur  ein  geringes  Urkundenmaterial  vor.^ 

Auf  die  Geschichte  von  Naukratis  ist  ein  unerwartetes  Schlaglicht 
gefallen  durch  die  Mitteilung  des  antinoi'tischen  Ratsprotokolls  (27),  daß 
Hadrians  Neugründung  Antinoopolis  die  νόμοι  von  Naukratis  übernommen 
habe  (s.  unten  S.  51).  Wenn  so  bei  der  Gründung  der  neuen  autonomen 
Gemeinde  Naukratis  z.  T.  als  Vorbild  gedient  hat,  so  darf  man  wohl  mit 
großer  Wahrscheinlichkeit  folgern,  daß  Naukratis  zu  Hadrians  Zeit  sich 
seine  alte  Autonomie  bewahrt  hatte.  Aus  demselben  Protokoll  geht  her- 
vor, daß  die  Griechen  von  Naukratis  auch  zu  Hadrians  Zeit  noch  daran 
festhielten,  kein  connubium  {έπιγαμία)  mit  den  Ägyptern  zu  haben. 

1)  Vgl.  P.  Meyer,  Berl.  ph.  Woch.  1904,  496  (nach  vor  der  Edition  νου  T.l.  TT  Ν 
Vgl.  auch  Jouguet,  Chronique  des  Papyrus  2  (lUOf>)  48  f.  (dito). 

2)  Vgl.  auch  da«  νηόμνημα  τιρντάνίων  in  BOU  IV  1084,   16. 

i)  Jougnet  1.  c.  Otto,  PrieHi<'r  und  Tmipol  I  lf)6,  der  an  weobielnde  Prytaaien 
(wie  in  Athen)  zu  denken  ncheint. 

4)  So  Ρ  Meyer  1.  c.  fJnnfoll-Hunt  eu  Teb.  U  β17.  Schubart,  Aroh.  V  94  Anm.  S. 
Zur  Bedeutung  von  KatoUQUoi  vgl.  0.  Hincbfeld  KV  479. 

6)  Vgl.  auch  Sclnibart  I.  c. 

β)  Vgl.  Orierh.  Oxtraka  I  624,  wo  im  übrigen  maochei  veraltet  iat 

T)  Ein  ßovXtvrij^  nQtoßvruxog  von  dort  jetet  in  Giü.  »4,S. 


48  Kapitel  Ι.     Allgemeine  historische  Gruadzüge, 

Für  die  Bedeutung  von  Ptolemais  am  Beginn  der  Kaiserzeit  haben 
wir  das  Zeugnis  des  Strabo  XVII  p.  813:  έπειτα  Πτολεμαΐκη  πόλΐξ^ 
μεγίότη  των  εν  rfj  Θηβαΐδυ  καΐ  ονκ  έλάττων  Μέμφεως,  εχονΰα  καΐ 
ΰνΰτημα  Λολιτυκον  έν  τω  Έλληνικώ  τρόπω.  Im  III.  Jahrh.  hat  die  Stadt 
dann  durch  die  Blemyereinfälle  stark  gelitten.^)  Ihr  Name  Πτολεμαΐζ  r} 
^Ερμείον,  den  sie  jetzt  bei  Schriftstellern  und  auch  in  Urkunden  (vgl. 
Oxy.  II  268)  führt,  ist  noch  nicht  erklärt.^) 

Viel  umstritten  ist  die  Frage,  ob  Ptolemais  von  Augustus  bis  auf 
202  eine  βουλή  gehabt  hat  oder  nicht.^)  Tatsächlich  ist  ein  zwingender 
Beweis  für  die  Existenz  einer  βουλή  in  dieser  Zeit  bisher  nicht  erbracht 
worden.  Auf  der  anderen  Seite  fehlt  es  aber  eben  so  sehr  an  einem  Be- 
weis dafür,  daß  die  βουλής  die  für  die  ältere  Ptolemäerzeit  strikt  erwiesen 
ist  (s.  oben  S.  17),  jemals  abgeschafft  worden  wäre.  So  lange  hierfür  kein 
Beweis  erbracht  ist,  wird  man  in  Strabos  Wort  von  dem  όύοτημα  πολί- 
τικον  κτλ.  um  so  mehr  einen  Hinweis  auf  eine  von  der  Verfassung  der 
anderen  Metropolen  verschiedene  Autonomie  (mit  βουλή)  sehen  dürfen, 
als  auch  für  Naukratis  jetzt  der  Fortbestand  der  alten  βουλή  wahrschein- 
lich gemacht  ist  (s.  oben).  Aber  gelöst  ist  das  Problem  noch  nicht. 
Unter  dieser  Voraussetzung  würde  auch  das  Prytanenkollegium  der  Stadt 
seine  alte  Bedeutung  behalten  haben.  Erwähnt  wird  ein  άρχιπρύτανις  in 
einer  Inschrift^),  ferner  die  πρυτάνεις  in  Lond.  ΠΙ  S.  71,  13,  dessen  Be- 
ziehung zu  Ptolemais  ich  im  Arch.  IV  534  ff.  nachgewiesen  habe.  Hier 
wird  ein  Stück  Land  in  der  Dorfüur  von  Κροκοδίλων  πόλΐξ^  das  damals 
zum  ΘινίτΎΐξ  gehörte^),  bezeichnet  als  gehörig  αρχόντων  πόλεως  δίά  των 
προιτάνεων.  Danach  standen  hier  also  die  Prytanen  an  der  Spitze  der 
städtischen  Beamten,  die  auch  hier  wie  damals  in  den  Metropolen  als 
άρχοντες  zusammengefaßt  wurden. 

Daß  Ptolemais  eine  Gaumetropole  war,  und  zwar  die  des  Θινίτηξ^ 
bezeugt  Claud.  Ptol.  IV  5  §  QQ.  Gegen  die  Annahme  der  Autonomie  be- 
sagt das  natürlich  nichts,  denn  auch  Antinoopolis,  das  sicher  die  voUe 
Autonomie  besaß,  wird  von  demselben  Schriftsteller  als  die  μητρόπολις 
des  !4ντινοΐτηζ  bezeichnet  (§  61).  Auch  die  Rolle,  die  der  ατρατηγος 
Θινίτου  in  dem  Würzburger  Papyrus  spielt  (27),  spricht  nicht  dagegen. 
Ob  Ptolemais  schon  in  der  Ptolemäerzeit  Metropole  war,  wissen  wir  nicht. 
Jedenfalls  muß  hiernach  Ptolemais,  gleichviel  ob  es  eine  βουλή  hatte  oder 
nicht,    Sitz    der   Gauverwaltung   gewesen   sein.     Aus    der   Zeit   nach   202 


1)  S.  oben  S.  30.     Plaumann,  Ptolemais  S.  69. 

2)  Vgl.  Plaumann  1.  c.  81.  3)  Vgl.  Planman  1.  c.  70  fiF. 

4)  Vgl.  Plaumann    S.   77.      Die    Erwähnung    der    Prytanen   ist   natürlich    kein 
Argument  für  die  βουλή.     Vgl.  Arsinoe  und  Alexandrien. 

5)  Wilcken,  Arch.  IV  537.     Plaumanns  Ansicht  (S.  88),  daß  das  Dorf  vielleicht 
zum  Nachbargau  ^ίφροδιτοηολίττις  gehören  könnte,  ist  nicht  genügend  begründet. 


Β.  Die  römische  Periode.     §  3.    Die  Griechenstädte.  49 

werden  mehrere  βουλενταί  von  Ptolemais  genannt,  namentlich  in  den 
Steinbrüchen  von  Gertassi.^) 

Die  Bürgerschaft  von  Ptolemais  ist  auch  in  der  Kaiserzeit  wie  vor- 
her in  Phylen  und  Demen  gegliedert  gewesen.  Die  Inschrift  bei  Ditten- 
berger  Or.  Gr.  II  703  (a.  147)  zeigt,  daß  die  oben  S.  45  besprochenen 
Neuerungen  des  Nero  sich  auf  Ptolemais  nicht  erstreckt  haben:  auch  im 
II.  Jahrh.  noch  nennt  man  hier  nur  das  Demotikon.  Sie  zeigt  zugleich 
die  Kompatibilität  des  ptolemäischen  und  alexandrinischen  Bürgerrechts. 
Für  die  Bevölkerungsverhältnisse  in  der  Stadt  hat  uns  P.  Lond.  III  S.  71  ff. 
unerwartet  reiche  Aufschlüsse  gebracht.  Vergleichen  wir  diese  Namens- 
listen mit  denen  der  gewöhnlichen  Metropolen,  so  sehen  wir  mit  Staunen, 
wie  rein  sich  hier  die  griechischen  Namen  und  gewiß  nicht  nur  die  Namen, 
sondern  auch  die  griechischen  Bürger  in  ihrer  Rasse  gehalten  haben.*) 
Noch  zu  Claudius'  Zeit,  aus  der  dieser  Text  stammt,  wird  das  Andenken 
an  die  großen  Männer  aus  den  Anfangen  der  hellenistischen  Zeit  geehrt, 
indem  man  die  SiJhne  Σέλευκος^  Ανοίμαχος^  Κάοΰανδρος^  ^ίντϊπατρος  — 
um  von  Αλέξανδρος  und  Πτολεμαίος  zu  schweigen  —  benannte.  Daneben 
treten  Namen  aus  der  alten  Dynastie  hervor  —  ^ρόινόη^  Βερενίχη^  Κλεο- 
πάτρα — ,  auch  solche,  die  auf  die  griechischen  Kulte  der  Stadt  hinweisen, 
wie  Σαμόϋ•ρακος^  und  vor  aUem  Σωτηρ^  der  häufigste  unter  allen  Namen 
der  Stadt.  Gewiß  fehlt  es  nicht  an  einzelnen  Mischungen  mit  ägyptischen 
Elementen,  aber  sie  treten  damals  doch  noch  sehr  stark  zurück.  So  hat 
sich,  gestützt  auf  die  griechische  Verfassung,  in  diesem  τέμενος  ^Ελλήνων 
die  Bürgerschaft  als  die  griechische  Aristokratie  der  Thebais  lange  er- 
halten. 

Die  Gründung  von  Antinoopolis  ist  bekanntlich  durch  den  Zufall 
herbeigeführt  worden,  daß  der  Geliebte  *des  Hadrian,  Antinoos,  in  Mittel- 
ägypten während  der  Nilfahrt  des  Kaisers  seinen  Tod  fand.  Zum  Andenken 
an  ihn  gründete  der  Kaiser  daselbst  auf  dem  Ostufer  eine  Stadt,  ^ίντινόου 
7ίό?.ις^),  etwa  gegenüber  von  Hermopolis,  an  einer  SteUe,  wo  der  Gott 
Besis  verehrt  wurde."^)  Die  Ruinen,  die  zur  Zeit  der  Napoleonischen 
Expedition  noch  manche  der  griechischen  Bauten  mit  zahlreichen  aufrecht- 
stehenden  Säulen  aufwiesen,  liegen  bei  dem  heutigen  Schach  Ab&de.^)    Die 

1)  VkI.  Phiumann  I.  c.  78  f. 

2)  Vgl.  Wilcken,  Arch.  IV  686  ff. 

8)  So  oder  Uvrivoov  in  den  Urkundea  Die  von  den  Modernen  meift  gebiAUohte 
FOrm  Antino!^  lut  bequemer,  aber  unzuläeeig.     Artinofi  ist  keine  Parftllele. 

4)  Daher  in  Antinoopolii  so  viele  Namen,  die  von  dieeem  Qott  »bgelfit^t  «ind, 
wie  Βηαοΰς,  Βηααρΐων^  Βηαάμμων^  Βηύάς  (Hypokoryitikon) ,  ΒηαανχΙνοος  ητΐ.  \ϋ\ 
V.  ΚίοΓ    71,  64  ΗΓ. 

6)  Wer  die   D<;Nrri{)tion  de  Tl^gypte  nicht  ror  Hand  bat,  kann  auch  aui  der 
kleinen  Nachbildung  bri  .Milno,    Hiit.  68  sehen,   wieviel  SchOnet  dort  ingninde  g•• 
t     Liitrutur  vgl.  bei  P.  Mejer,  He«rweeen  8.  ISO  und  W.Weber,  ünter- 
I.  z.  (i<M<h.  doH  Kniter•  Uftdrian  (1907)  Ι4β«  909. 

MUI«lfl.Wllokot>     («rt.i.<l«i((n  l  4 


50  Kapitel  Ι.    Allgemeine  historische  Grundzüge. 

Gründung  fällt  in  den  Herbst  130.^)  Die  Anlage  der  Stadt,  die  eine 
Grieclienstadt  sein  sollte,  erfolgte  nach  dem  Muster  der  hellenistischen 
Städte  —  im  besonderen  wohl  Alexandriens.  ^)  Es  war  ein  System  von 
geraden,  sich  rechtwinklig  schneidenden  Straßen,  wie  sich  noch  aus  den 
Papyri  rekonstruieren  läßt,  die  uns  die  πλυνϋ'εΐα,  die  Häusercarres  von 
Antinoopolis,  vor  Augen  führen.  So  wird  in  den  Kaufverträgen  aus  dieser 
Stadt  die  Lage  der  Häuser  nach  folgendem  Schema  angegeben:  εν  τω 
d  γρά(μματί)  πλιν^{ειω)  ζ  rrjg  ^ντινόον  (Lond.  ΠΙ  S.  158,  12),  d.  h.  im 
Buchstaben  Delta,  im  siebenten  Carre.^)  Nach  alexandrinischem  Muster 
zerfiel  also  die  Stadt  in  Quartiere,  die  nach  den  Buchstaben  benannt 
wurden.  Ob  auch  hier  fünf  waren  oder  noch  mehr,  läßt  sich  noch  nicht 
sagen.  Der  Hafen  der  Stadt  wird  in  Lond.  ΠΙ  S.  164,  17  erwähnt.  Wie 
sehr  Hadrian  bemüht  war,  die  neue  Gründung  zu  einem  wichtigen  Handels- 
platz zu  machen,  zeigt  seine  Anlage  des  neuen  Karawanen weges  von 
Antinoopolis  nach  Berenike  am  Roten  Meer.^) 

Für  die  Frage,  woher  Hadrian  die  Ansiedler  für  diese  !4ντινοέων 
Νέων  'Ελλήνων  %όλις  genommen  hat,  hatten  wir  bisher  nur  die  Beob- 
achtung von  P.  Meyer,  daß  seit  den  40er  Jahren  des  Π.  Jahrh.  in  den 
Urkunden  eine  größere  Anzahl  von  Veteranen  der  Auxilien  und  Flotten 
(Griechen  oder  Graecoägypter)  begegnet,  die  als  !4ντινοεΙξ  bezeichnet 
werden,  also  bei  ihrer  Entlassung  in  die  Bürgerlisten  von  Antinoopolis 
eingeschrieben  sein  werden.^)  Während  dieser  Modus  uns  wohl  mehr  das 
allmähliche  Anwachsen  der  Bevölkerung  veranschaulicht,  gibt  uns  jetzt 
ein  Würzburger  Papyrus  (26)  zum  erstenmal  einen  Hinweis  auf  die  Quellen, 
'aus  denen  Hadrian  bei  der  Gründung  selbst  geschöpft  hat.  Danach  sind 
u.  a.  Bürger  von  Ptolemais  in  Oberägypten  ausgelost  worden,  um  Anti- 
noopolis zu  kolonisieren.  Nach  den  obigen  Ausführungen  über  die  Rein- 
heit der  griechischen  Rasse  von  Ptolemais  begreift  man,  daß  Hadrian, 
wenn  er  in  seinem  Philhellenismus  eine  Stadt  von  „Neuhellenen"  gründen 
wollte,  gerade  von  dort  den  Grundstock  der  Kolonisten  geholt  hat.  Aber 
er  war  auch  auf  Zuzug  aus  anderen  Orten  angewiesen,  wollte  er  nicht 
Ptolemais  entvölkern,  und  so  werden  bei  der  damaligen  starken  Mischung 


1)  Weber  1.  c.  247. 

2)  Diese  gehen  ihrerseits  wieder  auf  das  Vorbild  der  vom  Milesier  Hippodamos 
erbauten  Piräusstadt  zurück. 

3)  Andere  Beispiele  Lond.  ΙΠ  S.  159,  12;  163,  12  ff.  Straßb.  34,  9.  In  manchen 
Fällen  ist  auch  ein  Hinweis  auf  Nord  oder  Süd  hinzugefügt.  —  Die. Häuser  Alexan- 
driens  werden  gleichfalls  nach  dem  Buchstaben,  aber  nicht  nach  ηΐιν&εΐκ  bestimmt. 
Vgl.  BGU  1115,  16  ff.,  1116,  8. 

4)  Dittenberger,  Or.  Gr.  II  701. 

5)  Heerwesen,  S.  129.  Die  uns  bekannten  antino'itischen  Veteranen  sind  meist 
Grundbesitzer  im  Faijum.  Stammt  von  dort  auch  der  kleine  Text  Lond.  II  S.  117 
(oben),  der  von  εδαφών  'κατακληρονχηϋ'έντων  Άντινοενβι  handelt?  Vgl.  hierzu  auch 
unten  Kap.  VII. 


Β.  Die  römische  Periode.     §  3.    Die  Griechenstadte.  51 

der  Griechen  und  Ägypter  auch  manche  Graecoägypter  dorthin  gezogen 
sein,  denn  reine  Griechen  waren  außerhalb  von  Ptolemais  und  Naukratis 
selten.^)  Aus  der  Rücksicht  auf  solche  Graecoägypter,  die  z.  T.  wohl 
Bchon  mit  Frauen  und  Kindern  übersiedelten,  begreift  man  die  aus  P. 
Compt  Rend.  (27)  uns  bekannt  gewordene  Verfügung  Hadrians,  daß  die 
Antinoiten  connubium  (επιγαμ(α)  mit  den  Ägyptern  haben  sollten.  Nur 
so  versteht  man,  daß  dies  als  ein  ίίαίρετον  bezeichnet  wird  (vgl.  den 
Kommentar).  Meine  Annahme,  daß  hiernach  die  Kinder  eines  Griechen 
und  einer  Ägypterin  das  Bürgerrecht  (als  Άντινοεϊξ)  haben  sollten*),  wird 
jetzt  durch  P.  Lond.  III  S.  161,  4  ff.  gestützt:  hier  sind  die  Kinder  eines 
Vollbürgers  und  einer  Ägypterin  (aus  einem  Dorf  des  Hermopolites) 
Bürger  der  Stadt. 

Neben  den  Μντινοεις  wohnten  auch  hier  (wie  in  Alexandrien)  reine 
Ägypter  und  Graecoägypter,  die  nicht  das  Bürgerrecht  besaßen.  Vgl. 
z.  B.  in  Lond.  lU  S.  163  die  verschiedenen  Priester  ägyptischer  Kulte: 
keiner  von  ihnen  wird  als  }4ντίνοενς  bezeichnet. 

Antinoopolis  war  von  vornherein  eine  Stadt  mit  Autonomie.  Die 
βονλή  ist  schon  vor  202  mehrfach  bezeugt^),  und  hat  sicher  von  Anfang 
;in  bestanden,  über  den  Geschäftsgang  belehren  uns  die  Ratsprotokolle 
Compt.  Rend.  (27)  und  P.  Straßb.  graec.  1168  (Arch.  IV  115  ff.).  Als 
Präsident  funktionierte  der  jeweilige  {εναρχος)  Prytan  (hier  πρι^τανιχός 
Lienannt).  Nach  CIGr.  III  4705,  wo  zu  verbinden  ist  πρυτανεύοντος  τον 
deiva  —  φνλης  !4%^ΐ]ναΐδθξ^  war  dieser  Prytan,  der  hier  eponym  auftritt, 
iinirier  der  Vertreter  einer  Phyle.*)  Es  wird  also  so  viele  Prytanen  wie 
l'iivlen  gegeben  haben.  Diese  Prytanen  gehörten  wahrscheinlich  mit  zu 
dem  Kollegium  der  άρχοντες,  das  auch  hier  (wie  in  den  Metropolen)  die 
•  itischen  Beemten  (Gymnasiarchen,  Exegeten  usw.)  umfaßt  haben  wird. 
-Nucii  Flor.  71,  675  ist  es  nicht  unwahrscheinlich,  daß  es  hier  auch  τι- 
μονχοί  gegeben  hat,  wie  in  Naukratis  (s.  oben  S.  13).  Dies  erinnert  an 
die  wichtige  Mitteilung  von  27,  daß  die  Antinoiten  die  νόμοι  von  Nau- 
kratis hatten.  Freilich  ist  es  umstritten,  ob  damit  das  Stadtrecbt  gemeint 
iHt,  (hiH  Grundrecht  der  Verfassung,  oder  nur  das  Privatrerht,  wofür  Per- 
drizet  eintritt.*)  Auf  jeden  Fall  sind  die  νόμοι  von  Naukratie  nicht  eamt 
ind  sonders  auf  Antinoopolis  Übertragen  worden,  wie  ja  schon  in  dem 
|,'at«y»r'.tokoll  «*l}»Ht  die  VerloDuHMj  (]or  ^'y^r^n-'f^  -T^    \n>inahnie  gegenüber 

1;  V'ioUeiclit  lie^t  ein  Fall  νυιι  '/Λΐ/Λΐμ  mum  UfUi  L}ko}>uliUi  TOr  ia  (S8). 

2)  Arch.  III  660.     Khpnio  auch  Mitt••!».  H.  Priviitr    ♦'?>  Am«.  5. 

8)  Vgl    t  B.  DittenberKer  Or.  Gr.  II  τ  '•  .  Compi  Read.  (11)  «to. 

4i  Auch  wenn  in  Oxy.  III  477;  Teb.  i  «  Kaiea^tui  di•  Phylm- 

Αηκ'••}.•.η^'οη  letn  Hollton  (Jouguet,  Otto).  wQrdc  dio  Ordnung  in  AleiaadriM  doch 
•  .1  •      ,tu|i-r<•    •>•Μΐ•      .)•  i.i.    it.     \ i-tinoopolii    itt   t.   Z.   nur    »in    PrvLAn    di*r    Verlralar 

..♦ιυ)  XLM    *••   ^ 


52  Kapitel  Ι.    Allgemeine  historische  Grundzüge. 

Naukratis  gekennzeichnet  wird.  Auch  sonst  ist  die  Verfassung  keineswegs 
ganz  übereinstimmend,  da  Naukratis  keine  Phylen  hat. 

Die  Gliederung  der  Bürgerschaft  in  Phylen  und  Demen  ist  vielmehr 
nach  dem  Muster  von  Alexandrien  eingeführt  worden.  Das  beweist  die 
Formel  wie  Άδριάνυοξ  δ  και  Καπίτωλιενς,^)  die  durchaus  der  von  Kaiser 
Nero  in  Alexandrien  eingeführten  entspricht,  während  sie  in  Ptolemais 
sich  nicht  findet.  Die  Namen  der  Phylen  —  10  sind  bekannt  —  und 
Demen  sind  von  Hadrian  selbst  ersonnen,  denn  nach  den  schönen  Aus- 
führungen von  Wilhelm  Weber ^)  spiegeln  sich  die  persönlichen  Anschau- 
ungen des  Kaisers  in  ihnen  wieder.  Ygl.  die  Liste  bei  Kenyon,  Arch. 
Π  71  und  Lond.  III  S.  155  ff.,  dazu  BGU  1022,  Hamb.  15.  Wie  Lond.  III 
S.  161,  4  ff.  zeigt,  waren  die  unmündigen  Söhne  von  Phylenbürgern  zwar 
ΙΛντινοΒίξ^  aber  noch  nicht  aufgenommen  in  die  Phyle  (des  Vaters).  Vgl. 
auch  die  άφήλικες  ΆντινοεΙζ  ebenda  S.  165,  6  BGU  168,  3.  Die  Bürger- 
innen hießen   'AvxLvoiösg. 

Daß  diese  Bürger  einer  autonomen  Gemeinde  namentlich  in  Steuer- 
und  Liturgiefragen  privilegiert  waren,  versteht  sich  von  selbst.  Vgl. 
P.  Würzburg  (26),  BGU  IV  1022  (29).  Nach  P.  Compt.  Rend.  (28)  haben 
auch  die  Väter  von  τιαίδεξ  !ΛντυνοΐτικοΙ  Privilegien  genossen.  Das  dürften 
Väter  von  solchen  Söhnen  sein,  die  als  Kolonisten  sich  an  der  Be- 
siedlung von  Antinoopolis  beteiligt  haben.     Vgl.  den  Kommentar. 

Trotz  aller  Autonomie  ist  Antinoopolis  doch  zugleich  μητρότΐολις  des 
ΆντινοΐτΎΐς  geworden,  den  Hadrian  wohl  vom  Hermopolites  abzweigte. 
Vgl.  Claud.  Ptol.  IV  5  §  61.^)  Wie  das  praktisch  durchgeführt  wurde, 
wüßten  wir  gern.  Der  Stratege  wird  in  der  Metropole  gewohnt  haben, 
aber  seine  Kompetenz  wird  nur  außerhalb  des  Stadtgebietes  gegolten 
haben  (so  auch  Kuhn  II  505).  In  städtischen  Angelegenheiten  war  die 
Stadt  gewiß  von  der  Kompetenz  des  Strategen  eximiert.  So  nennt, 
wie  schon  Letronne  hervorhob,  die  städtische  Weihinschrift  GIG.  III 
4705  zur  Datierung  den  Präfekten,  den  Epistrategen  und  den  Prytanen, 
aber  nicht  den  Strategen  (wie  z.  B.  Dittenberger  Or.  Gr.  II  659  aus 
Dendera,  661  dito,  663  dito,  675  aus  Ombos,  702  aus  der  Oase,  708  aus 
Xois  usw.).  Daß  gleichwohl  auch  bei  Beschwerden  von  Antinoiten  der 
Präfekt  die  kommissarischen  Erhebungen  dem  Strategen  überwies,  zeigt 
P.  Würzb.  (26). 

Über  die  Kulte  von  Antinoopolis  vgl.  Kap.  II,  über  die  Agone 
Kap.  III. 

Von  weiteren  Griechenstädten   ist  auch  in   der  Kaiserzeit  nichts   be- 


1)  Auch  lateinisch,  vgl.   Cair.   Holzt.   (Nouv.  Rev.  Hist.  XXX  480:   L.    Val(erio) 
Lucretiano  Matidio  q(ui)  e(t)  Plotinio  Antinoensio). 

2)  Kaiser  Hadrian  S.  249.     Ygl.  Arch.  IV  550,  552. 

3)  Der  Gau  Άντινοΐτης  wird  erwähnt  in  P.  Straßb.  40,  9  (a.  569). 


Β.  Die  römische  Periode.     §  4.    Bevölkerung  und  Bevölkerungspolitik.  53 

kannt.  ^)  Zum  Schluß  sei  hier  darauf  hingewiesen,  daß  die  uralte  Agypter- 
stadt  Heliopolis  irgend  wann  neu  besiedelt  zu  sein  scheint.  Diese 
bisher  nicht  hervorgehobene  Tatsache  ergibt  sich  aus  Lond.  U  S.  209  (31) 
156  n.  Chr.  und  Oxy.  IV  719  (193  n.  Chr.).  In  dem  älteren  Text  be- 
gegnet ein:  14νονβίων  Άνονβίωνοξ  Μεμφίτηξ  άπο  γνμνα6ίο(ν)  vibg  azioC- 
χον  ' Ηλίου  πόλίν  (1.  πόλεως),  in  dem  jüngeren  ein  δίδυμος  ΙίπολλωνΙον 
μητρός  'Ελένης  άπ[οΓ\χον  Ήλίον  πόλεως.  Der  letztere  ist  Bürger  und 
zwar  „Kolonist"  von  Heliopolis,  wenn  er  aueli  ein  Grundstück  im  Oxy- 
rhynchites  kauft,  der  andere  ist  Bürger  von  Memphis,  kann  daher  nicht 
selbst  „Kolonist'*  von  Heliopolis  sein,  ist  aber  der  Sohn  eines  solchen. 
Zumal  letzteres  auch  in  der  fremden  Stadt  besonders  hervorgehoben 
wird,  werden  diese  άποικοι  Ήλίον  πόλεως  eine  irgendwie  privilegierte 
Klasse  gebildet  haben.  Da  der  Memphit  sich  außerdem  als  άπο  γνμνα- 
όίον  bezeichnet  (vgl.  Kap.  III),  so  werden  diese  Kolonisten  wohl  — 
mindestens  z.  T.  —  den  Griechen  angehört  haben.  Der  für  Memphis 
typische  Name  14νονβίων  spricht  in  dieser  Zeit  nicht  dagegen.  Wann 
diese  Kolonisierung  vor  sich  gegangen  ist,  darüber  fehlt  es  z.  Z.  an  jeder 
Andeutung. 

§  4.   BEVÖLKERUNG  UND  BEVÖLKERUNGSPOLITIK. 

Die  römische  Herrschaft  hat  in  der  Bevölkerungsfrage  mehrere  wich- 
tige Änderungen  herbeigeführt.  Dahin  gehört  die  steigende  Bedeutung 
des  römischen  Elementes,  ferner  die  Herabdrückung  der  Ägypter  zu  De- 
diticiem  und  der  Ausbruch  der  Judenkämpfe. 

Es  versteht  sich  von  selbst,  daß  von  nun  an  die  römischen  Bürger 
in  Ägypten  die  Rolle  spielten,  die  unter  den  Ptolemäern  den  Makedonien! 
und  Griechen  zugefallen  war.  Sie  waren  jetzt  die  Vertreter  des  herrschen- 
den Volkes,  während  die  Makedonier,  soweit  diese  überhaupt  noch  als 
eigene  Klasse  {Μακεδόνες)  nachweisbar  sind'),  und  die  Griechen  jetzt  als 
Provinzialen  an  die  zweite  Stelle  zurücktraten.  Die  Kluft  zwischen  den 
Römern  und  der  Gesamtl^evölkerung  des  Landes  tritt  uns  u.  a.  darin  ent- 
gegen, daß  nur  die  civitas  Alexandrina  zum  eventuellen  Erwerb  der  civitas 
Roniana  qualifizierte  (s.  oben  S.  46).  Trotzdem  ist  bekanntlieh  kein  Ver- 
such gemacht  worden,  etwa  die  Sprache  der  Herren,  das  Latein,  zur  offi- 
ziellen Amtssprache  zu  machen.  Das  war  das  Ergebnis  der  hellenietischen 
Jahrhunderte,  daß  die  griechische  Sprache  wie  selbstverständlich  die  Amts- 
sprache im   Lande  blieb.')     Auch    die   höchsten    römischen  Beamten   des 

1)  Za  HermopoliR  Magna  and  LykopoUs  •.  oben  8.  18  Anm.  4. 

2)  So  im  Anfeni<  in  Alexandrien.  Vgl.  Schubart  Arch.  V  ttl  Sie  wrnnn  Oiild 
'lerachwunden  sein. 

8)  Mommfen  EO  V  668.  L.  Hahn,  Rom  und  Roroanismui  im  griech.  rOm.  Oiten 
l»oe,  110  fr. 


54  Kapitel  Ι.     Allgemeine  historische  Grundzüge. 

Landes,  auch  der  Präfekt,  haben  in  dieser  Periode  ihre  Amtsjournale 
(νπομνηματιόμοί)  griechisch  führen  lassen.^)  Die  statthalterlichen  Edikte 
wurden  griechisch  publiziert.  Auch  die  noch  erhaltenen  kaiserlichen 
Reskripte,  die  an  Personen  in  Ägypten  gerichtet  waren,  sind  griechisch 
geschrieben.  Zwar  Hadrians  Brief  an  den  Präfekten  Rammius  (BGU  140) 
war  im  Original  lateinisch  geschrieben,  aber  ausgehängt  wurde  eine  grie- 
chische Übersetzung  —  vielleicht  neben  dem  lateinischen  Wortlaut,  weil 
die  Publikation  im  Legionslager  erfolgte.  Denn  im  allgemeineren,  wenn 
auch  nicht  ausschließlichen  amtlichen  und  privaten  Gebrauch  ist  das 
Latein  nur  im  Heere  gewesen.  Die  meisten  der  wenigen  uns  erhaltenen 
lateinischen  Papyri  sind  Militärakten.  Vgl.  BGü  II  610,  696,  IV  1083; 
Fay.  105;  Oxy.  IV  735;  Gen.  lat.  1;  Wess.  lat.  Taf.  8,  9.  Auch  die  latei- 
nischen Briefe  (Grenf.  II  109;  Oxy.  I  32;  Straßb.  36;  Wess.  lat.  Taf  1) 
und  Rechnungen  (Oxy.  IV  737;  Gen.  lat.  4;  Wess.  lat.  Taf.  11)  gehören 
z.  T.  militärischen  Kreisen  an.^)  Doch  zeigen  zahlreiche  griechische  Ur- 
kunden von  Soldaten  (und  nicht  nur  von  Auxiliaren),  z.  B.  auch  die  Ostraka 
aus  dem  Militärlager  von  Pselkis  (Griech.  Ostr.  I  S.  705  ff.),  daß  auch  in 
diesen  Kreisen  sehr  viel  Griechisch  gesprochen  wurde,  was  sich  aus  den 
Aushebungsverhältnissen  erklärt  (vgl.  Kap.  XI).  Andererseits  zeigen  Stücke 
wie  Oxy.  IV  720,  Oxy.  VI  894^),  daß  das  Latein  zwischen  römischen 
Beamten  und  römischen  Bürgern  in  Gebrauch  war,  selbst  wenn  diese 
Römer  nur  griechisch  subskribieren  konnten.  Doch  ist  dies  vielleicht  nur 
auf  solche  Fälle  beschränkt  gewesen,  in  denen  es  sich  um  speziell  römische 
Einrichtungen  handelte.  Bei  welchen  Gelegenheiten  die  römischen  Be- 
amten sich  sonst  noch  des  Latein  bedienten,  illustrieren  die  lateinischen 
Inschriften  Ägyptens  (CIL  III).  Die  Sprachenfrage  bedarf  noch  dringend 
einer  eingehenderen  Untersuchung.*) 

Den  Kern  der  römischen  Bevölkerung  bildet  die  römische  Beamten- 
schaft und  das  Heer.  Außerdem  haben  sich  manche  Römer  als  Kauf- 
leute, Bankiers,  Gewerbetreibende,  Grundbesitzer  usw.  in  Ägypten  nieder- 
gelassen, vor  allem  wohl  in  Alexandrien^)',  aber  auch  im  Lande.  Daß 
man  in  Oxyrhynchos  schon  zu  Claudius'  Zeit  mit  römischen  Bewohnern 
rechnet,  zeigt  die  formelhafte  Erklärung  des  Hausbesitzers  Oxy.  II  255 
vgl.    Oxy.  III  480    (a.  132):     μψ{ε)     eitClevov    μψ{ε)    'Ρωμ{αΙον)    μήτ^ε) 


1)  Vgl.  Arch.  I  4. 

2)  Abzusehen  ist  hier  von  den  außerhalb  Ägyptens  geschriebenen  lateinischen 
Papyri  wie  P.  Brit.  Mus.  CCXXIX  (aus  Seleucia  in  Pieria)  und  Grenf  II 108  (geschrieben 
ad  Pulvinos). 

3)  Vgl.  auch  die  Cairener  Holztafeln  in  Nouv.  Rev.  Hist.  XXX  477  if. 

4)  Zu  dem  allmählichen  Eindringen  lateinischer  Lehnwörter  in  das  Griechische 
vgl.  Wessely,  Wien.  Stud.  24  (1902)  und  dazu  Wilcken,  Arch.  Π  465,  Thumb,  Arch. 
III  447,  außerdem  Hahn  1.  c. 

5)  Beispiele  aus  Augustus'  Zeit  bei  Schubart  1.  c. 


Β.  Die  römische  Periode.     §  4.    Bevölkerung  und  Bevölkerungspolitik.  55 

^λε^ανδ(ρεα)  ^^r(s)  Αΐγν{7ίτιον)  μήτ(ε)  a^€Xsv(d-£QOv)  κτλ.  In  derselben 
Stadt  begegnen  uns  im  2.  Jahrh.  die  daselbst  domizilierenden  Römer  als 
Teilnehmer  an  einem  Gemeindebeschluß  von  άρχοντες  und  δήμος  (Oxy. 
III  473  33).  Wahrscheinlich  waren  diese  consistentes  (τναρεμίδημοϋντες)  in 
einem  Conventus  civium  Romanorum  organisiert.^)  Daß  auch  in  der 
fernen  Thebais  sich  Römer  aufhielten,  ganz  abgesehen  vom  Heere,  zeigt 
BGÜ  III  747  (35),  wonach  die  Römer,  die  im  Koptitischen  Gau  in  der 
Steuerverwaltung  liturgische  Stellen  bekleideten,  dem  Strategen  daselbst 
nicht  parieren  woUten. 

Nicht  alle  Personen,  die  eine  römische  Nomenklatur  zeigen,  sind  von 
Hause  aus  römische  Bürger  gewesen.  Gerade  hier  sind  gewiß  viele  Frei- 
gelassene unter  ihnen,  die  durch  die  Freilassung  in  die  gens  ihres  Patro- 
nus  eingetreten  sind.  Auch  manche  Latini  mögen  darunter  sein.  Außer- 
dem haben  viele  Provinzialen  dank  dem  Militärdienst  das  Bürgerrecht  er- 
worben, die  Legionare  schon  bei  Eintritt  in  die  Legion,  die  Auxiliaren 
und  Flottenmannschaften  nach  Absolvierung  des  Dienstes  als  veterani 
(vgl  Kap.  XI).  Diese  aus  der  griechischen  resp.  graeco-ägyptischen  Schicht 
hervorgegangenen  Bürger  erkennt  man  meist  leicht  an  ihren  früheren 
griechischen  oder  ägyptischen  Namen,  den  sie  nunmehr  als  Cognomen 
führen.  Außerhalb  der  Armee  wird  in  Ägypten  das  römische  Bürgerrecht 
nicht  aUzu  häufig  verliehen  worden  sein,  schon  wegen  jener  Bestimmung 
über  das  alexandrinische  Bürgerrecht  als  Vorstufe,  und  überhaupt  ist  in 
Ägypten  die  Civität  immer  nur  personal,  niemals  an  Gemeinden  verliehen 
worden.  ^ 

Darum  wird  für  Ägypten  die  Constitutio  Antonina  vom  J.  212 
einen  viel  größeren  Einschnitt  bedeutet  haben  als  für  manche  andere 
Provinz,  in  der  die  Ausbreitung  der  Civität  sukzessive  eine  größere  Aus- 
dehnung, und  nicht  nur  durch  personale  Verleihung,  gewonnen  hatte. 
In  den  ägyptischen  Urkunden  tritt  uns  die  Größe  des  Umschwunges  deut- 
lich entgegen.  Statt  der  im  ganzen  doch  spärlichen  Zahl  von  römischen 
Bürgern  aus  der  Zeit  vor  212  finden  wir  jetzt  eine  Unmenge  von  Αύρή- 
λιοί^  die  durch  ihre  griechischen  und  ägyptischen  Cognouiina  sich  als 
Neubürger  nach  jener  Konstitution  präsentieren.*)  Freilich  verzichtete 
man  schon  bald  darauf,  regelmäßig  das  römische  Pränomen  und  Nomen 
zu  gebrauchen*),  was  für  uns  um  so  bedauerlicher  iet,  als  ja  nicht  alle 
Bewohner  des  Landes  durch  jenen  Akt  der  römisoben  Civität  teilhaftjg 
geworden  waren,  so  daß  die  Untersuchung  über  das  Maß  der  Anebreitong 
der  Civität  dadurch  für  uns  sehr  erschwert  wurde. 

1)  Vgl  hierzu  Komemann  Pauly-Wi••.  IV  1179  ff. 
S)  Vgl.  Mitt«i8,  lUichirecht  148  f. 

8)  Ein  Buedrürklicher  Hinwei•  »uf  die  Konititution  findet  lieh  t.  B.  in  BQU  II 
666  (a.  SIA):  Αΰρν]λίος  ZdBtfifMff  n^b  μ^¥  χής  ^lag  dm^iäg  Ζββι^β  AtOpiSov. 
4)  Vgl.  Γ.  Meyor,  Heerweien  187. 


56  Kapitel  Ι.     Allgemeine  historische  Grundzüge. 

Daß  die  Worte  Ulpians  (Dig.  1, 5,  17):  in  orbe  Romano  qui  sunt 
ex  constitutione  imperatoris  Antonini  cives  Romani  efFecti  sunt  ein  unvoll- 
ständiges Bild  von  dem  Erlaß  geben  ^),  ist  längst  erkannt  worden,  da  z.  B. 
aus  den  Militärdiplomen  des  3.  Jahrb.  hervorging,  daß  die  alten  Kate- 
gorien von  Bürgern  und  Nicbtbürgern  (latiniscben  und  peregrinischen 
Rechts)  durchaus  nicht  verschwunden  waren.  So  war  es  ein  viel  behan- 
deltes Problem,  welche  Kategorien  von  Caracalla  ausgeschlossen  worden 
seien.  ^)  Daß  die  Annahme  Mommsens  1.  c,  „bloß  die  Bürger  von  Alexan- 
dria, nicht  aber  die  Ägypter  überhaupt"  hätten  das  Bürgerrecht  empfangen, 
den  Kreis  der  Empfänger  zu  eng  zog,  ließ  sich  nach  dem  Anwachsen  des 
Papyrusmaterials  erkennen.^)  P.  Meyer  hat  dann  aus  den  Papyri  das 
Resultat  gewonnen,  daß  die  kopfsteuerpflichtige  Bevölkerung  (die  λαογρα- 
φονμενοί)  von  der  Civität  ausgeschlossen  geblieben  seien.*)  Diese  These 
ist  jetzt  im  wesentlichen  bestätigt  worden  durch  die  glückliche  Auf- 
findung des  Wortlautes  der  Constitutio,  den.P.  Meyer  als  Giss.  40  vor 
kurzem  herausgegeben  hat.  Die  entscheidenden  Worte  des  Ediktes  lauten 
nach  Meyers  Ausgabe:  δίδωμυ  τοί[ς  ο^υνάτίαΐβίν  ξενοις  τοις  κατά  τ~\ην 
ουκονμένην  Ίί\ολιτ\εία,ν  ^Ρωμαίων,  [μ^ενοντος  {τίαντος  γένονξ  τΐολιτενμ^ά- 
των,  χ(ορ[Ις]  των  [δεδίείτικίων.^)  Hierdurch  wird  Mommsens  Auffassung, 
daß  diese  Verleihung  nur  eine  personelle  war,  „ohne  daß  dadurch  die  in 
den  einzelnen  Nichtbürgergemeinden  bestehende  Ordnung  geändert  ward" 
(Staatsr.  III  699),  bestätigt.^)  Vor  allem  aber  füUt  sich  jetzt  die  lange 
empfundene  Lücke  unseres  Wissens  in  authentischer  Weise  durch  die 
Ausnahmeklausel:  χωρΐ£  των  [δεο^είτι.κόων.  Unter  den  verschiedenen 
Klassen  von  dediticii  können  hier  mit  Meyer  nur  die  peregrini  dediticii 
gemeint  sein'^),  von  denen  Gaius  (Inst.  1,  14)  sagt:  vocantur  autem  pere- 
grini dediticii  hi,  qui  [quondam  adver sus  populum  Romanum  armis  sus- 
ceptis  pugnaverunt,  deinde  victi  se  dediderunt. 

Hiemach  ist  es  jetzt  eine  wichtige  Aufgabe  festzustellen,  wer  in 
Ägypten    zu    diesen   dediticii    gehört   hat.     Ihr  Hauptkennzeichen  ist  die 


1)  Ebenso  Dio  Cass.  77,  9,  4  ff.  Vit.  Sev.  1,  2.  Augustin.  de  civ.  Dei  5, 17.  Justin. 
Nov.  78,  5. 

2)  Vgl.  Mommsen,  Hermes  16,  474  ff.  (=  Histor.  Sehr.  II  418  f.).  Mitteis,  Reichs- 
recht 159  ff. 

3)  Vgl.  Wilcken,  Hermes  23,  294  ff. 

4)  Heerwesen  136  ff. 

δ)  Die  Ergänzungen  sind  von  Meyer,  bis  auf  ξένους  τοις  κατά  rj^v,  das  ich  ihm 
vorschlug.  Da  vor  öwaTtccoiv  der  Artikel  steht,  so  ist  es  adjektivisch  gebraucht.  Das 
Substantiv  kann  nur  ξένους  (peregrini)  sein,  wenn  dieser  Begriff  auch  in  der  unvoll- 
ständigen Wiedergabe  Ulpians  fehlt. 

6)  Ob  freilich  Meyers  Ergänzung  [μ^ένοντος  [παντός  γένους  Λολιτ8νμ]άτων  wört- 
lich zu  halten  ist,  ist  sehr  fraglich.     Den  Sinn  dürfte  er  richtig  erfaßt  haben. 

7)  Auch  dies  spricht  dafür,  daß  der  Begriff  ξένος  =  peregrinus  vorhergegangen 
sein  muß. 


Β.  Die  römische  Periode.     §  4.    Bevölkerung  und  Bevölkerungspolitik.  57 

Kopfsteuei-pflichtigkeit  ^),  und  insofern  hatte  P.  Meyer  scbon  vorher  richtig 
gesagt,  daß  die  λαογραφονμενοί  von  der  Constitutio  ausgeschlossen  ge- 
wesen seien,  während  die  von  der  επίκριοίς  (vgl.  Kap.  V)  als  den  privile- 
gierten Klassen  angehörig  anerkannten  Personen  (die  έπιχεχριμένοι)  die 
civitas  Romana  erhalten  hätten.^)  Zu  diesen  von  der  Kopfsteuer  freien 
Klassen  gehören  aber^)  zunächst  alle  Inhaber  des  alexandrin ischen  Bürger- 
rechts, und  ebenso  auch  die  des  Bürgerrechts  von  Ptolemais,  Xaukratis 
und  Antin  oopolis.*)  Das  entspricht  der  anderen  Charakteristik  des  dedi- 
ticius,  daß  er  nullius  certae  civitatis  civis  est.^)  Die  Metropolen  waren, 
wie  wir  oben  sahen,  nicht  civitates,  daher  zahlten  auch  die  Metropolen- 
bewohner Kopfsteuer.  Aber  die  Honoratiorenfamilien,  die  die  Amter  be- 
kleideten, die  ot  αΛο  γυμνασίου  genannten  (s.  Kap.  III)  —  also  die  Bürger 
hellenischer  Bildung^)  —  zahlten  ein  geringeres  Kopfgeld,  wie  z.  B. 
die  μητροτίολίται  δωδεκάδραχμοι  in  Oxyrhjnchos,  die  τεούερακαίείχοόί- 
δραχμοί  in  Hermopolis  (s.  Kap.  V),  und  an  dieser  Kopfsteuerpflichtig- 
keit  hat  die  Einführung  der  Ratsordnung  vom  J.  202  nichts  geändert. 
Vgl.  Lond.  UI  S.  127/8  vom  J.  261.  Trotzdem  sind  diese  Honoratioren- 
familien mit  beschränkter  Kopfsteuer  nicht  zu  den  dediticii  gezählt 
worden.'^  Sie  begegnen  nach  212  durchweg  als  ^νρήλιοί  (vgl.  z.  B. 
den  eben  zitierten  Lond.  P.).  So  gehören  denn  auch  die  diesen  Familien 
entstammenden  Beamten  nicht  zu  den  dediticii.®)  Femer  sind  frei 
von  der  Kopfsteuer  die  κάτοι,κοί,  d.  h.  die  Besitzer  von  Katökenland, 
die  als  Nachfolger  der  Lehnsleute  der  ptolemäischen  Zeit  eine  besondere 
privilegierte  Stellung  einnahmen  (vgl.  Kap.  VII).  Ob  es  bestimmte  Be- 
dingungen gegeben  hat,  die  zum  Erwerb  des  Katökenlandes  qualifizierten, 
ist  noch  nicht  festgestellt  worden.  Man  sollte  es  denken,  da  der  Besitz 
des  Katökenlandes  wichtige  Rechte  gab.  Wohl  kamen  auch  Personen 
mit  ägyptischen  Namen  unter  den  Katöken  vor^),  aber  eine  Katökenliste 
wie  Lond.  II  S.  143,  62  ff.,  in  der  vorwiegend  griechisclie  Namen  erscheinen^ 
unter  ihnen  viele  Honoratioren  der  Stadt  ^°),  oder  eine  Liste  von  Katöken 
und  Katökensöhnen  wie  Lond.  U  S.  46  ff.  legen  doch  den  Gedanken  nahe, 
daß  zum   mindesten  zu  Beginn   der  Kaiserzeit,  als  der  Begriff  dediticius 


1)  Vgl.  Meyer  P.  Giee.  Π  8.  81.  f)  Heerweeen  8.  148. 

8)  Vgl.  Wilcken,  Griech.  Oetr.  I  240.    P.  Meyer  1.  c. 

4)  Filr  AntinoopoliH  wird  ei  ausdrücklich  besengt  dnrch  P.  Compt  Kend.  (88)• 

6)  Ulpian,  Kegul.  20, 14. 

6)  In  dieeer  Zeit  der  VOlkermiechung  gilt  ertt  recht,  was  tchon  bokratee 
(Panegyr.  61)  gesagt  hat,  daß  Hrlleno  int,  wer  die  helleniiche  naldtvatg  hat 

7)  Oxj.  III  478,  22  iipricht  nicht  notwendig  dagegen.  Die  Verpflichtong, 
12  Drachmen  zti  zahlen,  mußte  notwendig  di*  ομολόγου  Χαογοαφίας  feftgeetelU  werden. 
Damm  konnt<*n  κίο  durch  Phrileg  doch  eximiert  sein  von  dem  Stande  der  όμόΧογο^ 
(■■  dediticii,  n.  unten). 

8)  Vgl   Meyer,  Heerwesen  S.  14S.  9)  Meyer,  HeerweMB  8.  104. 
10)  Vgl.  dagegen  die  vorhergehende  Liste  von  βημόβιοί  ytmQyoL 


53  Kapitel  Ι.    Allgemeine  historiache  Gmndzüge. 

eingeführt  wurde,  die  Katöken  vorwiegend  griechische  Elemente  um- 
faßten. Da  dann  in  den  weiteren  Jahrhunderten  bis  zur  Constitutio  An- 
tonina die  Mischung  der  griechischen  und  ägyptischen  Namen  weitere 
Fortschritte  machte,  so  erklärt  sich,  daß  nach  212  aus  den  Kreisen  der 
Metropoliten  und  der  Katöken  auch  viele  Träger  ägyptischer  Namen  als 
JvqtjXlol  erscheinen.^)  Wenn  Oktavian  auch  sicherlich  nicht  die  Rassen- 
angehörigkeit,  sondern  die  rechtliche  Stellung  der  Personen  für  die  Schei- 
dung in  Dediticier  und  Nichtdediticier  zugrunde  gelegt  hat,  so  läuft  doch 
die  Exemtion  der  Bürger  griechischer  Städte,  der  Honoratioren  der  Metro- 
polen und  der  Katöken  faktisch  auf  eine  Privilegierung  der  helle- 
nischen Bestandteile  der  Bevölkerung  hinaus^),  während  die  ΑίγνΛχιοι 
als  dediticii  nunmehr  eine  staatsrechtlich  getrennte  Klasse  bildeten.^) 
Eine  Ausnahme  machte  nur  ein  Teil  der  ägyptischen  Priesterschaft,  inso- 
fern diejenigen  Priester,  die  sich  innerhalb  des  von  der  Regierung  kon- 
zedierten Numerus  hielten,  im  Anschluß  an  die  ptolemäischen  Einrich- 
tungen von  der  Kopfsteuer  befreit  wurden  (Kap.  II).  So  haben  die 
Ägypter,  die  unter  den  späteren  Ptolemäern  immer  angesehener  und  ein- 
flußreicher geworden  waren,  durch  den  mißglückten  Widerstand  gegen 
Oktavian  einen  tiefen  Sturz  getan.  Sie  wurden  wieder  zurückgeworfen  in 
die  niedrige  Stellung,  die  sie  unter  den  ersten  Ptolemäern  eingenommen 
hatten.  Zwar  hatten  sie  auch  damals  schon  eine  kopfsteuerartige  Auflage 
zahlen  niüssen,  aber  abgesehen  davon,  daß  die  von  Augustus  eingeführte 
Kopfsteuer  (λαογραφία)  neu  und  wahrscheinlich  strenger  organisiert  wurde 
(Kap.  V),  waren  die  Ägypter  jetzt  als  peregrini  dediticii  als  die  Paria- 
klasse gebrandmarkt.*)  So  hat  denn  auch  aus  ihren  Reihen  während  der 
Römerherrschaft  nicht  eine  einzige  Persönlichkeit  im  öffentlichen  Leben 
eine  größere  RoUe  gespielt,  wie  es  doch  in  der  späteren  Ptolemäerzeit 
vorgekommen  war  (oben  S.  22),  In  der  Sprachenfrage  kam  ihnen  die 
Regierung  auch  jetzt  insofern   entgegen,  als   sie  ihnen  auch  weithin  ge- 


1)  Zumal  seit  P.  Meyers  Zusammenstellungen  (Heerwesen  S.  137  ff.)  sehr  viel 
neues  Material  hinzugekommen  ist,  muß  die  Aurelier- Frage  von  neuem  untersucht 
werden. 

2)  So  auch  Jouguet,  Rev.  de  Philol.  XXXIY  (1910),  56. 

3)  Vgl.  Wileken  bei  Rostowzew,  Stud.  z.  Gesch.  des  Kolonats  S.  223,  408. 
Natürlich  gehören  auch  die  nichtprivilegierten  Fremden  dazu,  wie  die  Juden,  die  ja 
auch  Kopfsteuer  zahlen, 

4)  Jetzt  verstehen  wir  noch  besser  die  Korrespondenz  zwischen  Plinius  und 
Traian  über  den  Ägypter  Harpocrates.  Daß  Aegyptius  eine  staatsrechtliche  Klasse 
bezeichnet,  bestätigen  Plinius'  Worte  ep.  6:  quoniam  esset  Aegyptius.  Ego  autem 
qui  inter  Aegyptios  ceterosque  peregrinos  nihil  interesse  credebam  . . .  etc.  Und  in 
ep.  7  fragt  Traian,  ex  quo  nomo  sit,  denn  der  Ägypter  gehört  zum  Gau,  nicht  zu 
einer  Stadt  (vgl.  oben  S.  39).  Ygl.  auch  Jos.  c.  Apion.  2,4:  μόνοις  ΛΙγνπτίοις  οί 
ntvQLoi  vvv  ^Ρωοαϊοι  της  οίκον^ιέντις  μεταλαμ,βάνείν  tjGtlvosovv  ηοΐιτείας  άτνειρήτιαοΐν. 
Vgl.  2,6. 


Β.  Die  römische  Periode.     §  4.    Bevölkerung"  und  Bevölkerungspolitik.  59 

stattete,  Verträge  demotisch  abzufassen  (Band  Π).  Vgl.  Spiegelbergs  Aus- 
gabe der  demotiscben  Papyri  von  Berlin  (S.  22  S.)  und  von  Straßburg. 
Dagegen  liegt  aus  der  Römerzeit  kein  Beispiel  dafür  vor  —  wie  Spiegel- 
berg mir  bestätigt  — ,  daß  etwa  Regierungserlasse  zweisprachig  publiziert 
wären  wie  einst  in  Philadelpbos'  Zeit.^j  Dies  Fehlen  wird  kein  Zufall 
gewesen  sein.  Es  entspricht  einerseits  dem  strengeren  Zuge  der  römischen 
Regierung,  andrerseits  hatte  die  griechische  Sprache  inzwischen  offenbar 
auch  unter  den  gewöhnlichen  Ägyptern  solche  Fortschritte  gemacht,  daß 
das  öffentliche  Interesse  eine  Rücksichtnahme  auf  das  einheimische  Idiom 
nicht  mehr  erforderte. 

Während  der  lateinische  Ausdruck  dediticius  sich  in  unsem  Urkunden 
außerhalb  des  Edikts  des  Caracalla  begreiflicherweise  nicht  findet,  glaube 
ich  ein  griechisches  Äquivalent  dafür  in  dem  Worte  ομόλογος  wahrschein- 
lich gemacht  zu  haben.^)  Diese  ομόλογοι,^  die  bis  vor  kurzem  nur  aus 
Cod.  Theod.  11,  24,  6  bekannt  waren,  tauchten  dann  auch  in  den  Papyri 
auf  und  sind  auf  sehr  verschiedene  Weise  gedeutet  worden.^)  Nun  läßt 
sich  aber  aus  Lond.  11  S.  38  (63)  erweisen,  daß  die  ομόλογοι  hier  im 
Gegensatz  zu  den  νπερετΗς^  d.  h.  den  Kopfsteuerfreien,  über  60  Jahre 
Alten,  die  Kopfsteuerpflichtigen  sind,  also  die  kopfsteuerpflichtigen  Männer 
vom  14. — 60.  Jahre  (die  λαογραφονμενοί).  Vgl.  auch  BGU  560  (64). 
Dieser  Zusammenhang  zwischen  den  ομόλογοι  und  der  λαογραφία  tritt 
auch  in  dem  Ausdruck  ή  ομόλογος  λαογραφία  entgegen.  Vgl.  Oxy.  III 
478,  23  und  Stud.  Pal.  I  S.  71,  459  (61).  Dieses  Zusammenfallen  der 
ομόλογοι  mit  den  λαογραφονμενοί  führte  mich,  da  die  letzteren  anderer- 
seits wieder  mit  den  dediticii  zusammenfallen,  auf  die  sachliche  Gleich- 
setzung der  ομόλογοι  mit  den  dediticii.  Daraus  ergab  sich  dann  eine 
Identifizierung  der  beiden  Begriffe,  da  sich  von  dieser  Voraussetzung  aus 
eine  glaubhafte  Etymologie  von  ομόλογοι  gewinnen  ließ,  denn  da  6μολο- 
γείν  „sich  ergeben"  (auch  nach  bewaffnetem  Widerstand)  heißen  kann*), 
so  kann  auch  ομόλογος  denjenigen  bezeichnen,  der  sich  ergibt,  d.  h.  den 
defliticius  im  Sinne  des  Gaius.  Natürlich  ist  das  zunächst  eine  Hypothese, 
die  weiterer  Prüfung  bedarf.  Die  Richtigkeit  einstweilen  vorausgesetzt, 
80  sind  die  bμόλoγoι  (=  doditicii)  die  gesamte  kopfsteuerpflichtige  Be- 
völkeniiig  Ägyptens,  einschließlich  der  Frauen  und  Kinder.  In  diesem 
weitesten   Sinne   ist  das  Wort   angewendet   in    Stud.  Pal.  I  S.  64,  142  f., 


1)  Der  bieroglyphiüche  Text  der  dreieprachigen  OaUae-Inechrift  iet  PrieHter• 
Inichrift,  Der  Ben'  hluß  in  Ditt.  Gr.  Or.  ββΟ,  auch  eine  hieroglyphische  Khrcninechrift 
zu  iftKen,  iHt  Ho8cblii(5  drr  Dorfleute  von  Bueirie,  nicht  de•  Prftfekton,  wie  Letronne 
annahm. 

2)  Bei  liootow/.ew,  Kol.  8.  2ί0— 2M.     Vgl.  auch  S.  407  f. 

a)  Vgl.  den  Üherblick  bei  Zulueta,  de  patrociniie  virorum  (in  Oxford  Studie•  in 
•ocial  and  legal  bietory  ed.   Vinogradoff  I  1U09)  S.  61  ff. 

l;  Herodot  VII  172.     Thuk.  I  lül,  8;  108,  4.     IV  69,  4. 


QQ  Kapitel  I.     Allgemeine  historische  Grundzüge. 

wo  es  in  einer  Liste  der  άφήλικες  viol  λαογραφυνμενων  heißt:  Tcal  τω 
(τίρώτω)  (ετει)  Ονεόπαόίανοϋ  άχο  ξε(νηο)  κατ[εί6ελ0'όντες  ο.  ä.]^)  6νν  τοΙς 
Λατράΰί  εν  ^μολ(όγοΐξ)  άνείλ(ημμένοή  κτλ.  Hier  werden  die  unter 
14  Jahre  alten,  also  noch  nicht  Kopfsteuer  zahlenden  Söhne,  die  mit 
ihren  Vätern  aus  der  Fremde  heimgekehrt  waren ^),  doch  schon  unter  die 
ομόλογοι  aufgenommen.  Dagegen  bezeichnet  o^dAo/ot  in  Lond.  II  S.  38 
im  engeren  Sinne  die  dediticii  von  14 — 60  Jahren,  die  Kopfsteuer  zahlen. 
Zu  BGU  560  (64)  vgl.  den  Kommentar.  Eine  noch  prägnantere  Bedeutung 
scheint  in  Lond.  II  S.  226  ff.  vorzuliegen,  wo  als  ομόλογοι  nur  die  im 
eigenen  Dorf  Anwesenden  bezeichnet  werden  im  Gegensatz  zu  den  von  aus- 
wärts gekommenen  Arbeitern,  die  zu  vorübergehenden  Arbeiten  in  dies 
Dorf  kommandiert  worden  sind.     Vgl.  auch  BGU  II  618. 

Bestätigt  sich  meine  Hypothese,  so  haben  wir  also  vom  I.  bis  zum 
III.  Jahrh.  folgende  Zeugnisse  für  die  dediticii  (ομόλογοι)  in  Ägypten; 
Griech.  Ostr.  Π  η.  412—415  für  J.  62/3;  Lond.  Π  S.  38ff3)  für  J.  94/5; 
Lond.  II  S.  226  ff.  für  133/4;  BGU  560  fürs  IL  Jahrb.;  BGU  618  für  213/4. 

Der  Widerstand  der  Ägypter  gegen  Oktavian  hat  sich  bereits  im 
1.  Jahre  der  neuen  Herrschaft  in  Aufständen  fortgesetzt.  Nach  Strabo 
XVII  p.  819  hat  der  erste  Statthalter  Cornelius  GaUus  das  aufrührerische 
Heroonpolis  erobert  und  einen  Aufstand  in  der  Thebais,  der  „wegen  der 
Steuern"  ausgebrochen  war,  niedergeworfen.  Vgl.  hierzu  die  Gallus-Inschrift. 
Die  unsichere  Lage  zur  Zeit  des  Tiberius  beleuchtet  das  Edikt  des  Flaccus 
in  P.  Boissier  (13).  Auch  später  ist  es  gelegentlich  zu  Unruhen  unter 
den  Ägyptern  gekommen,  doch  sind  sie  meist  nicht  von  größerer  Bedeu- 
tung gewesen  und  haben  offenbar  vom  römischen  Heer  leicht  niederge- 
drückt werden  können.  Diese  Unruhen  waren  z.  T.  die  Wirkungen  der 
wirtschaftlichen  Lage,  indem  die  Ägypter,  um  dem  ständig  wachsenden 
Druck  der  Liturgien  und  Steuern  zu  entgehen,  vielfach  ihre  idCa  verließen 
(άναχωρεΐν)  und  so  ein  gefährliches  Proletariat  επί  ξένης  bildeten.  Zu 
einem  ernsteren  Aufstand  scheint  es  etwa  im  Jahre  153  gekommen  zu 
sein.  Auf  ihn  bezieht  sich  das  Edikt  des  M.  Sempronius  Liberalis  vom 
Jahre  154,  das  uns  in  BGU  II  372  (19)  erhalten  ist.  Größeren  Umfang 
nahm  der  Aufstand  der  Bukolen  an,  der  im  Jahre  172  ausbrach,  zu  einer 
Niederlage  der  römischen  Truppen  führte  und  erst  durch  den  aus  Syrien 
geschickten  Avidius  Cassius  niedergeworfen  werden  konnte.  Von  beson- 
derem Interesse  ist,  daß  nach  Dio  Cass.  71,  4  ein  Priester  es  war,  der 
die  Führung  des  Aufstandes   übernahm.     Dadurch  ist   der  nationale  Cha- 


1)  So  schlug  ich  bei  Rostowzew  1.  c.  vor  statt  άτιο  ξέ(νων),  woraus  Wessely  ge- 
folgert hatte,  daß  die  Ortsabwesenden  die  δμ,όλογον  seien. 

2)  Daß  die  Väter  mit  den  Söhnen  in  die  Fremde  gingen,  liegt  auch  in  P.  Cair. 
Cat.  67002  I  19  vor  {έπϊ  ξένης  ΰνν  τέκνοις). 

3)  Vgl.  auch  S.  41,  137  und  42,  191. 


Β.  Die  römische  Periode.     §  4.    Bevölkerung  und  Bevölkerungspolitik.  61 

rakter  dieses  Aufstandes  gesichert.  Von  dem  Aufstandsgebiet  τ«  Βουχόλια 
handelt  der  Brief  BGU  II  625  (21)  aus  dem  III.  Jahrhundert.  Meine 
Vermutung^),  daß  die  Militärurkunden  P.  Mel.  Nie.  S.  58 ff.  sich  viel- 
leicht auf  den  Aufstand  von  172  beziehen  könnten,  ist  durch  die  von 
A.  Stein  im  Arch.  IV  165  erwiesene  Datierung  vom  Jahre  203  beseitigt. 
Ob  es  sich  um  neue  Unruhen  in  den  Bukolia  vom  Jahre  203  handelt, 
bleibt  zweifelhaft.  Landflüchtige  Ägypter  aus  der  χώρα  wai*en  ferner  auch 
beteiligt  bei  dem  großen  alexandrinischen  Aufstande  des  Jahres  215,  der 
von  Caracalla  selbst  im  Blut  erstickt  wurde.  Wir  besitzen  jetzt  in  Giss. 
40  II  15  ff.  (22)  Auszüge  aus  dem  Tagesbefehl  des  Kaisers,  in  dem  er 
nach  Beendigung  der  Revolte  die  Austreibung  der  in  Alexandrien  nicht 
ortsansässigen  Ägypter  anordnete,  ein  Text,  der  auch  durch  die  Charakte- 
risierung der  „wahren  Ägypter"  von  höchstem  Interesse  ist. 

Die  Mischung  der  ägyptischen  und  der  griechischen  Rasse,  die  schon 
unter  den  Ptolemäern  sehr  bedeutend  gewesen  war  (s.  oben  S.  23),  hat  in 
der  Kaiserzeit  immer  Aveitere  Fortschritte  gemacht.  Die  Mischung  der 
Namen  in  den  unteren  griechischen  Schichten,  die  nicht  zu  den  privi- 
legierten Klassen  (den  έπίκεκριμενοι)  gehörten  und  den  ägyptischen  Kreisen 
wird  eine  immer  allgemeinere,  so  daß  Rückschlüsse  aus  der  Nomenklatur 
auf  die  Rasse  für  diese  Kreise  überhaupt  nicht  mehr  möglich  sind.  Ja, 
auch  in  jenen  höheren  griechischen  Kreisen  kommen  ägyptische  Namen 
vor,  wenn  auch  im  großen  und  ganzen  ein  Unterschied  in  den  Nomen- 
klaturen nicht  zu  verkennen  ist.  Vgl.  die  oben  S.  57  angeführten  Bei- 
spiele. WoUte  jemand  seinen  Namen,  der  in  die  Bevölkerungslisten  einge- 
tragen war,  später  ändern,  so  bedurfte  er  dazu  natürlich  einer  behörd- 
lichen Erlaubnis.  Ein  Straßburger  Papyrus  vom  Jahre  194  (52)  führt 
uns  einen  FaU  vor,  wo  ein  Marm  griechischen  Namens  vom  Idiologos  die 
Erlaubnis  erbittet  und  erhält,  für  die  ägyptischen  Namen  von  Vater  und 
Mutter  griechische  Äquivalente  einzuführen.  Dieser  der  gräko-ägyptischen 
Mischbevölkerung  angehörige  Mann  schämt  sich  offenbar  seiner  ägyptischen 
Elteriinamen  und  will  nun  wenigstens  äußerlich  den  Anschluß  au  die 
'^EXii^vtg  erreichen.  Seine  Rechtsstellung  hat  sich  zwar  durch  die  Ände- 
rung der  Nomenklatur  nicht  geändert;  er  war  und  blieb  ein  Dörfler  eeinee 
Gaues. 

Nachdem  die  ΑΙγνπτιοι  (im  oben  definierten  Sinne)  von  Oktavian  zu 
dediticii  gemacht  waren,  schlosecn  sich  die  hiervon  eximierten  Klassen 
als  "Ελληνις  zusammen.  Es  scheint  sogar,  daß  es  eine  wie  auch  immer 
beHchaffcnc  OrganiHation  dieser  „Hellenen^'  gegeben  hat  Dies  darf  aus 
der  vielbosprochenen  alexandrinischen  Inschrift  Dittenberger  Or.  Chr.  II  709 
gefolgert  werden,  in  der  zar  Ehrung  des  berülimten  Rhetors  P.  Aelius 

1  II    r.r,2f. 


ß2  Kapitel  I.     Allgemeine  historische  Grundzüge. 

Aristides  außer  Alexandrien  die  "Ελληνες  des  Delta  und  der  Thebais, 
aus  der  Heptanomia  aber  Hermopolis  Magna  und  der  Rat  von  Antino- 
opolis  sich  vereinigen.  Bemerkenswert  ist  auch,  daß  in  einer  Census- 
eingabe  aus  dem  Dorf  Samaria  für  das  Jahr  131/2  ein  Πτολεμαίος 
sich  των  iv  ^ροί(νοΐττ])  ά[ν]ορών  ^Ελλήνων"  nennt  (Teb.  II  566).^) 
Wollte  er  sich  dadurch  von  der  wahrscheinlich  stark  semitischen  Bevölke- 
rung des  Dorfes  abheben?^)  Immerhin  enthält  auch  dieser  Ausdruck  einen 
Hinweis  auf  einen  Zusammenschluß  der  Hellenen  des  Gaues.  Diese 
''Έλληνες  also  sind  es,  wenn  die  obigen  Ausführungen  zutreffend  sind,  die 
durch  die  Constitutio  Antonina  das  römische  Bürgerrecht  erhalten  haben. 
Es  sei  hervorgehoben,  daß  im  Edikt  Z.  19  der  Kaiser  von  den  Hellenen 
gesprochen  hat,  doch  ist  von  dieser  Zeile  nichts  weiter  erhalten  als  τ]ώι/ 
Έλλή[νων.  Äußerlich  sind  sie  nunmehr  als  Römer  kenntlich  durch  ihre 
veränderte  Nomenklatur  —  falls  sie  nicht  gelegentlich  auf  die  Hervor- 
hebung verzichten.  Dagegen  werden  sie  m.  W.  niemals  als  'Ρωμαίοι,  be- 
zeichnet, wie  sie  auch  keine  Tribus  führen.  Vgl.  hierzu  die  Bemerkungen 
zu  BGU  747  (35).  Sie  behalten  neben  der  civitas  Romana  ihre  alte 
Gemeindeangehörigkeit  und  heißen  daher  nach  wie  vor  ^λεξανδρεΐς^ 
^ντινοείς  etc.,  resp.  των  ά%ο  γνμναοίον  τεοοαρακαιειτιοΰίδραχμοι  u.  dgl. 
über  die  rechtlichen  Wirkungen  der  constitutio  Antonina  vgl.  Mitteis  im 
IL  Bande.  Über  das  von  Caracalla  angegebene  Motiv,  er  habe  die 
peregrini  dem  römischen  Staatskult  zuführen  wollen,  vgl.  Kap.  IL 

Unter  den  sonstigen  Bestandteilen  der  Bevölkerung  verdienen  auch 
für  die  Kaiserzeit  die  Juden  eine  besondere  Betrachtung.  Die  Ausbrei- 
tung der  Juden  in  Stadt  und  Land,  die  schon  in  der  Ptolemäerzeit  eine 
bedeutende  gewesen  war  (s.  oben  S.  24),  wird  in  der  Kaiserzeit  eher  zu- 
als  abgenommen  haben.  Philo  schätzt  die  ägyptische  Judenschaft  seiner 
Zeit  auf  etwa  1  Million.^)  Die  Papyri  bieten  auch  für  diese  Zeit  wieder 
mehrere  wertvolle  Nachrichten.*)  Für  eine  starke  Verbreitung  der  Juden 
in  der  Thebais  spricht  die  Tatsache,  daß  die  „thebäischen'^  Juden  in 
Arsinoe  ihre  eigene  προοενχή  sowie  ein  Bethaus  (ενχείον)  hatten.  VgL 
Lond.  III  S.  183,  57.  Ein  jüdisches  Ghetto  in  Oxyrhynchos  bezeugt 
für  das  J.  85  Oxy.  Π  335,  wo  ein  von  einem  Juden  gekauftes  Haus  ^Tt 
άμφόδον  Ίονδα{ί)κ(ον)  liegt.^)  Für  das  Vertrauen,  daß  sie  bei  der  Regie- 
rung genossen,  zeugt,  daß  in  der  Sitologenliste  BGU  715  (a.  101/2)  sich 
mehrere  Juden  befinden. 


1)  Der  Text  ist  nur  im  Auszug  mitgeteilt. 

2)  Vgl.  die  'lovdaloi  und  "EXlrivsg  in  Psenyris  in  55. 

3)  Philo  in  Flaccum  §  6. 

4)  Vgl.  die  Zusammenstellung  der  urkundlichen  Belege  bei  Schürer,  Gesch.  IE* 
S.  46  £F. 

5)  Vgl.  hierzu  Wilcken,  Zum  alexandrinischen  Antisemitismus  (Abh.  Sachs.  Ges. 
Wiss.  1909  S.  788). 


Β.  Die  römische  Periode.     §  4.    Bevölkerung  und  Bevölkerungspolitik.         63 

Das  Hauptzentrum  der  Judenschaft  war  aber  auch  jetzt  Alexandrien. 
Das  alte  Ghetto  faßte  sie  nicht  mehr,  wenn  der  Begriff  sachlich  auch  be- 
stehen blieb.  Von  den  fünf  Stadtbezirken  nannte  man  zwei  die  jüdischen, 
weil  meistens  Juden  darin  wohnten;  aber  auch  in  den  anderen  wohnten 
sie  zerstreut.^) 

Daß  trotz  der  gegenteiligen  Versicherungen  des  Josephus  auch  noch 
zu  Augustus'  Zeit  die  alexandrinischen  Juden  nicht  das  alexandrinische 
Bürgerrecht  besaßen  (s.  oben  S.  24),  wird  jetzt  auch  durch  zwei  der  neuen 
alexandrinischen  Urkunden  bestätigt.  Vgl.  BGU  IV^  1140  (58),  wo  scharf 
geschieden  wird  zwischen  dem  ^λεξανδρενς  (dem  Bürger)  und  dem 
Ιουδαίος  των  άπ  !4λεΐΕ,ανδρε{ίας)^  dem  Juden,  der  zu  den  Bewohnern  der 
Stadt  gehört.  Nach  derselben  Richtung  weist  το  των  ^Ιουδαίων  άρχεΐον 
in  BGU  IV  1151,  7.  Dies  bestätigt  einerseits,  daß  die  Juden  dort  ein 
eigenes  πολίτευμα  bildeten,  zeigt  aber  andererseits,  daß  sie  eben  keine 
ηολίται  der  Stadt  waren:  für  diese  war  das  πολιτιχον  άρχεΐον  (BGU  IV 
1131,  14.  22). 

Dagegen  glaube  ich  demselben  Papyrus  eine  Bestätigung  für  die 
Behauptung  des  Josephus^)  entnehmen  zu  dürfen,  daß  die  alexandrinischen 
Juden  (besser  wohl,  manche  derselben)  sich  hätten  Μακεδόνες  nennen 
dürfen,  denn  der  Θεόδωρος^  der  nach  BGU  1151,  7  ein  Testament  διά 
τοϋ  των  Ιουδαίων  αρχείου  gemacht  hat,  ist  ein  Bruder  des  Μεξανδρος^ 
der  nach  BGU  IV  1132,  3  als  Μακεδών  bezeichnet  wird.  Indem  ieh 
annehme,  daß  nur  Juden  das  jüdische  Notariat  benutzten,  ergibt  sich 
mit  Wahrscheinlichkeit,  daß  der  Θεόδωρος  ein  Jude  war  (der  Name 
paßt  dazu  vorzüglich)  und  wie  sein  Bruder  Μακεδών  genannt  wurde. 
Daß  wirklich  alle  Juden,  wie  Josephus  meint,  so  geheißen  hätten, 
kann  billig  bezweifelt  werden,  aber  daß  mehrere  von  ihnen  oder  viele 
Μακεδόνες  hießen,  wird  die  tatsächliche  Unterlage  für  seine  Mit- 
teilung sein.  Zur  Beurteilung  ist  daran  zu  erinnern,  daß  die  Μαχεδόνες 
nach  Schubarts  Darlegungen  außerhalb  der  alexandrinischen  Bürger  stan- 
den.') Also  das  alexandrinische  Bürgerrecht  der  Juden  kann  nicht  aus 
dieser  neuen  Nachricht  abgeleitet  werden.  Natürlich  waren  die  Juden 
kopfsteuerpflichtig,  so  weit  sie  nicht  in  eine  der  privilegierten  Klassen 
aufgerückt  waren.     Vgl.  BGU  IV  1068  (02),  8. 

Die  durch  religiöse*)  und  wirtschaftliche  Momente  begründete  Span- 
nung zwischen  Juden  und  Hellenen,  die  schon  die  Ptolemäerzeit  hindurch 
bestanden    hatte  (s.  oben   S.  26),    enthid   sich    nun    in    der    Kaisenr.oit    in 

1)  Philo  in  Flaccnm  §  8. 

2)  Bell.  lud.  11  18,  7.     Vgl.  c.  Apion,  II  4.  8t  Ann     >    in  i. 

4)  Der  rclif^öte  Gegeniatc  tritt  jetzt  α.  ».  darin  herror,  dafi  die  Juden  ron  den 
Ori  /iell  al•  άνόαιοι  beteichnet  werden.     Vgl.  Wilcken,  Zum  alexandriniRchen 

AnL  aiH  8.  786  f. 


ß4  Kapitel  I.    Allgemeine  historische  Grundzüge. 

blutigen  Straßenkämpfen,  die  bald  von  den  Hellenen,  bald  von  den  Juden 
in  fanatischem  Hasse  herbeigeführt  wurden.  Der  Grund  für  diese  neue 
Erscheinung  dürfte  in  der  erst  jetzt  auftretenden  politischen  Spannung  zu 
suchen  sein,  die  dadurch  entstehen  mußte,  daß  im  Gegensatz  zu  den 
oppositionslustigen  Alexandrinern  die  Juden  die  loyalsten  Untertanen  der 
neuen  römischen  Herren  waren.  Dazu  kam,  daß  die  Juden,  gestützt  auf 
ihr  gutes  Verhältnis  zur  Regierung  neue  Privilegien,  im  besonderen  auch 
das  alexandrinische  Bürgerrecht  zu  erringen  suchten.  Außerdem  scheint 
auch  die  wachsende  geschäftliche  Konkurrenz  die  Gegensätze  verschärft 
zu  haben.  Zum  erstenmal  in  der  ganzen  Literatur  finden  wir  jetzt  eine 
Andeutung,  daß  der  Vorwurf  des  Wuchers  gegen  die  Juden  erhoben 
wurde.  In  BGU  IV  1079  (00)  vom  Jahre  41  warnt  ein  Kaufmann  einen 
anderen  vor  den  jüdischen  Geldverleihern  mit  den  Worten:  „Hüte  dich 
vor  den  Juden."  ^) 

So  brach  denn  unter  Gaius  aus  Anlaß  des  provozierenden  Auftretens 
des  jüdischen  Königs  Agrippa  jene  furchtbare  Judenverfolgung  aus,  über  die 
wir  die  notwendig  einseitigen,  aber  unschätzbaren  Berichte  des  Philo  (in 
seinen  Schriften  in  Flaccum  und  legatio  ad  Gaium)  besitzen.  Die  weitere 
Entwicklung  dieser  Kämpfe  kann  hier  nicht  dargestellt  werden^),  nur  was 
die  Papyri  beisteuern,  soll  kurz  hervorgehoben  werden.  So  fällt  der 
oben  erwähnte  Brief  in  die  Zeit  dieser  Kämpfe  hinein.  Aus  Claudius' 
Regierung  aber  haben  wir  das  erste  jener  oben  S.  44  charakterisierten 
Martyrien,  nach  dem  der  alexandrinische  Gymnasiarch  Isidoros,  der  den 
jüdischen  König  Agrippa  —  wie  ich  glaube  Agrippa  II  —  vor  dem 
Kaiser  verklagte,  zum  Tode  verurteilt  wurde.     Vgl.  14. 

Die  Eroberung  Jerusalems  durch  Titus  im  Jahre  70  rief  in  Alexan- 
drien  einen  jüdischen  Aufstand  hervor,  der  durch  das  römische  Heer 
niedergeworfen  wurde.  Die  Folge  war,  daß  der  Oniastempel  in  Leontopolis 
auf  Befehl  des  Kaisers  geschlossen  wurde.^)  Eine  andere  Wirkung  des 
Falles  von  Jerusalem,  die  Umwandlung  des  dem  Jehova  gezahlten  δίοραχμον 
in  eine  Abgabe  an  den  Jupiter  Capitolinus,  können  wir  in  P.  Stud.  Pal.  I 
S.  71  (61)  verfolgen,  der  sehr  wertvolle  Angaben  über  dieses  Ίονδαϊκον 
τελεόμα  (aus  dem  Jahre  72/3)  bringt. 

Der  Haß  der  Juden  gegen  die  römische  Regierung,  der  nach  der 
Eroberung  Jerusalems  an  die  Stelle  der  früheren  Loyalität  trat,  führte 
im  Jahre  115,  als  Kaiser  Trajau  im  fernen  Osten  stand,  und  die  ägypti- 
schen Garnisonen  z.  T.  dorthin  disloziert  waren,  zu  dem  gefährlichen  Auf- 


1)  Mißtrauen  gegen  die  Aussage  eines  Juden  tritt  in  Fay.  123    (a.  100)    hervor. 

2)  Vgl.  Literaturübersiclit  und  Darstellung  in  Schürers  Geschichte  des  jüdischen 
Volkes. 

8)  Jos.  bell.  VII  §  409  ff.     Nachkommen  der  alten  Onias-Kolonie  aus  dem  J.  59 
n.  Chr.  begegnen  jetzt  in  Hamb.  2. 


Β.  Die  römische  Periode.     §  4.    Bevölkerung  und  Bevölkerungspolitik.  65 

stand  der  ägyptischen  und  der  mit  ihnen  bald  verbündeten  kyrenäischen 
Jiidenschafty  der  erst  nach  Entsendung  des  Marcius  Turbo  zu  Beginn  der 
Regierung  des  Hadrian  völlig  niedergeworfen  werden  konnte.^)  Aus  diesem 
Kriege,  in  dem  Griechen  und  Ägypter  zusammen  gegen  die  Juden  kämpften, 
haben  wir  soeben  manche  Einzelheiten  kennen  gelernt  durch  einige  Papyri 
aus  dem  oberägyptisehen  Heptakomia.  Vgl.  Brem.  40  (16),  Giss.  24  (15), 
27  (17)  und  41  (18).  Sie  zeigen  uns  u.  a.,  in  welche  verzweifelte  Situa- 
tion die  Feinde  der  Juden  im  Binnenlande  kamen,  ehe  die  römischen 
Truppen  eingi'iffen. 

An  diesen  Krieg  schloß  sich  in  Alexandrien  noch  ein  Aufruhr  an, 
der  zu  neuen  Gewaltsamkeiten  zwischen  Hellenen  und  Juden  führte.  Aus 
diesem  Anlaß  kam  es  zu  jenem  Kriminalprozeß  vor  Kaiser  Hadrian,  der 
in  dem  Antoninus-Martyrium  behandelt  wird.*)  Hierbei  waren  sowohl  die 
Juden  wie  die  Alexandriner  durch  Abgesandte  vertreten.  Der  Text  ent- 
hält auch  manche  Hinweise  auf  den  voraufgegangenen  Krieg. 

Auch  der  letzte  große  Judenkrieg,  der  132  in  Judaea  ausbrach,  scheint 
in  Ägypten  ein  Nachspiel  gehabt  zu  haben.  BGU  889,  22  f.  weist  auf 
einen  Ίονδ(αϊκος)  τάραχος  im  Jahre  136/7  hin.') 

Daß  das  dritte  Martyrium,  aus  der  Zeit  des  Commodus,  nicht  not- 
wendig neue  Judenkämpfe  voraussetzt,  wurde  schon  oben  S.  45  hervor- 
gehoben. Daß  aber  der  Haß  zwischen  Hellenen  und  Juden  auch  weiter- 
hin noch  fortbestand,  dafür  zeugt  die  Tatsache,  daß  man  in  Oxyrhynchos 
noch  im  Jahre  202  das  Siegesfest  zur  Erinnerung  au  den  im  Anfang 
der  Regierung  des  Hadrian  errungenen  Sieg  über  die  Juden  als  Jahresfest 
feierte.    Vgl.  Oxy.  IV  705,  34  (in  Kap.  ΠΙ). 

Zum  Schluß  hebe  ich  hervor,  daß  auch  in  dieser  römischen  Periode 
die  Regierung  an  dem  Prinzip  der  ιόΥα  festgehalten  hat.  Vgl,  oben  S.  26. 
Ja,  sie  ist  noch  schärfer  als  in  der  Ptolemäerzeit  der  Bevölkerung  einge- 
prägt worden,  denn  abgesehen  von  gelegentlichen  Ermahnungen  zur  Heim- 
kehr, die  durch  Aufstände  hervorgerufen  wurden,  hat  die  Regierung  jetzt 
regelmäßig  alle  14  Jahre  anläßlich  des  Census*)  eine  genereile  Aufforde- 
rung zur  Rückkehr  in  die  idCa  und  Aufnahme  der  Arbeiten  an  die  Be- 
völkerung erlassen.  Vgl.  unten  meine  Kommentare  zu  BGU  372  (19)  und 
Lond.  IH  S.  125  (in  Kap.  V).  Abgesehen  von  dieser  die  Gesamtbevölkerung 
bindenden  Beschränkung  waren  auch  jetzt  wieder  die  in  kaiserlichen 
DienHten  Arbeitenden,  im  besonderen  die  kaiserlichen  Donianialpächtt'r  für 
die  Zeit  von  der  Au8.saat  bJM  /nr  Ernte,  eidlirli  vfM-pili.l>tot,  bei  der  Arbeit 
zu  bleiben.     Vgl.  Kap.  \ 

1)  Vgl.  Wilcken,  Zum  alexandriniichen  Antiiieniititinui  S.  79S  ff. 

2)  K*  liefen  zwei  Κβ«»•ιιβίοη«η  vor,  Par.  und  Β^ίΐ'  η  η  Vgl.  den  Text  bei 
Wilcken,  Zum  slcxan(lnniiich(*n  AntiMcmitiimils  8.  808  tf 

8)  V^l.  Wilcken  1    c.  79». 

4;  Zueret  hervorgehoben  von  RoftowMW,  Kolonat  201»  IT. 

MUl«l*-Wtlckeii:  Orun'lüUiC^   I  ^ 


QQ  Kapitel  Ι.     Allgemeine  historieche  Gmndzüge. 

C.  DIE  BYZANTINISCHE  PERIODE. 

Eine  unerschöpfliche  Fundgrube  für  die  Geschichte  dieser  Zeit,  im  besonderen 
auch  für  die  Erklärung  unserer  Urkunden  sind  immer  noch  die  Kommentare  von 
Jac.  Gothofredus  zum  Cod.  Theodosianus.  Unter  den  älteren  Darstellungen  ist 
namentlich  Gibbons  umfassendes  Werk  von  bleibendem  Wert.  Von  neueren  nenne 
ich:  Jak.  Burckhardt,  Die  Zeit  Constantins  des  Großen  (1863),  2.  Aufl.  1880.  — 
Franz,  CIGIII  S.  312fF.  (1853).  —  Sharpe,  Geschichte  Egyptens,  deutsch  von  Jolowicz, 
mit  Anmerkungen  von  A.  v.  Gutschmid  (2.  Aufl.)  1862.  —  E.  Kuhn,  Die  städt.  und 
bürgerl.  Verfassung  d.  röm.  Reiches  I/II,  1864/65.  —  M.  A.  v.  Bethmann-Hollweg, 
Der  römische  Civilprozeß  III,  1866.  —  H.  Schiller,  Geschichte  d.  röm.  Kaiserzeit  II, 
1887.  —  Th.  Mommsen,  Abriß  d.  röm.  Staatsrechts  1893  S.  347 ff.  —  0.  Seeck,  Ge- 
schichte des  Unterganges  der  alten  Welt,  1897 ff.  Vgl.  vor  allem  seine  lehrreichen 
Artikel  bei  Pauly-Wissowa  etc.  —  J.  G.  Milne,  Α  history  of  Egypt  under  Roman 
rule,  1898.  —  Die  Papyrusurkunden  sind  zum  ersten  Mal  gründlich  für  die  Geschichte 
dieser  Zeit  verwertet  worden  von  Matth.  Geiz  er,  Studien  zur  byzantinischen  Ver- 
waltung Ägyptens  (Leipz.  histor.  Abhandlungen,  hgb.  von  Brandenburg,  Seeliger, 
Wilcken,  Heft  XIII),  1909.  Vgl.  von  demselben,  „Altes  und  Neues  aus  der  byzan- 
tinisch-ägyptischen Verwaltungsmisere,  vornehmlich  im  Zeitalter  Justinians"  im  Arch.V 
Heft  3. 

§  1.  DAS  REGIMENT. 
Wenn  wir  mit  Diokletian  eine  neue  Periode  beginnen  lassen,  so  ist 
das  nicht  so  selbstverständlich  wie  bei  Alexander  dem  Großen  und  Augustus. 
Nicht  Weniges  von  dem,  was  uns  in  dem  Lebenswerk  des  Diokletian  auf 
den  ersten  Blick  als  etwas  Neues  erscheint,  läßt  sich  auch  schon  in  der 
vorhergehenden  Zeit  der  Agonie  des  Prinzipats  nachweisen.  Vor  allem 
können,  um  von  Früheren  abzusehen,  Septimius  Severus  und  dann  Aure-. 
lianus  als  seine  Vorläufer  bezeichnet  werden.  Das  III.  Jahrh.  ist  nicht 
nur  eine  Zeit  des  Verfalles,  sondern  es  treten  in  ihm  auch  schon  neue 
Gedanken  und  neue  Erscheinungen  auf,  die  von  Diokletian  zielbewußt 
vereinigt  und  gesteigert  mitgeholfen  haben,  eine  nochmalige  Regeneration 
des  Reiches  zu  ermöglichen.  Es  ist  hier  nicht  der  Ort  zu  begründen, 
weshalb  ich  Mommsens  Ausspruch  über  Diokletians  Staatsordnung  „Neu 
ist  darin  so  zu  sagen  aUes"^)  ebenso  für  zu  weitgehend  halte  wie  andrer- 
seits Eduard  Meyers  Ausspruch,  daß  „die  Neuschöpfung,  welche  Aurelian. 
und  Probus  begonnen,  Diokletian  und  Konstantin  auf  den  Trümmern  aus- 
geführt haben,  dem  Altertum  und  dem  Prinzipat  bereits  ungefähr  ebenso 
fernsteht  wie  das  Reich  Karls  des  Großen".^)  Jedenfalls  wird  es  nützlich 
sein,  die  neuen  Aufschlüsse  der  Papyrusurkunden  zusammen  mit  der  son- 
stigen Tradition  in  der  Richtung  zu  verarbeiten,  daß  wir  neben  dem 
absolut  Neuen  auch  die  Momente  der  kontinuierlichen  Entwicklung 
schärfer  zu  fassen  suchen.  Manche  solcher  Momente  haben  schon  jetzt 
die  Papyrusurkunden  klarer  zur  Anschauung  gebracht.^) 


1)  Abriß  d.  röm.  Staatsrechts  S.  351. 

2)  Die  wirtschaftliche  Entwicklung  d.  Altertums  1895  S.  51. 

3)  Vgl.  z.  B.  die  Entwicklung  des  Städtewesens  in  Ägypten  im  IV.  Jahrb.,   die 


C.  Die  byzantinische  Periode.     §  1.    Das  Regiment.  67 

Auf  der  anderen  Seite  sind  manche  von  Diokletians  Reformen  erst 
von  Späteren,  namentlich  von  Konstantin  dem  Großen,  vollendet  worden. 
Aber  die  Grundgedanken  treten  doch  schon  bei  ihm  hervor.  Die  neue 
R^ichsorganisation,  wie  er  sie  hinterlassen  hat,  steht  als  eine  so  ge- 
schlossene Einheit  vor  uns,  daß  der  Historiker  berechtigt  ist,  hier  einen 
Einschnitt  zu  machen.  Wenn  ich  die  mit  ihm  beginnende  Periode  die 
„byzantinische"  nenne,  wiewohl  Byzanz  ja  erst  seit  Konstantin  eine  Rolle 
spielt,  so  wird  dieser  bewußte  Anachronismus  durch  das  Bedürfuis  eines 
praktischen  Ausdruckes  wohl  entschuldigt.^) 

Bis  vor  kurzem  besaßen  wir  aus  dieser  byzantinischen  Zeit,  abgesehen 
von  einzelnen  Ausnahmen,  nur  private  Papyrusurkunden,  meist  Verträge, 
Briefe,  Rechnungen  u.  dgl.  Erst  die  letzten  Jahre  haben  uns  bedeutendere 
Papyrusmengen  gebracht,  die  uns  auch  in  die  öffentlichen  Angelegen- 
heiten, im  besonderen  auch  in  die  Verwaltung  des  Landes  tiefere  Ein- 
blicke gewähren.  Dahin  gehören,  von  Einzelpublikationen  abgesehen, 
namentlich  die  Leipziger  und  Florentiner  Papyri,  manche  Oxyrhynchos- 
ürkunden,  Stud.  Pal.  111  u.  VlII,  und  vor  allem  die  kürzlich  von  Jean 
Maspero  herausgegebenen,  auf  Justinians  Zeit  helle  Lichter  werfenden 
Aphrodito-Papyri  des  Cairener  Museums.*)  Damit  sind  unsere  Forschungen 
auf  eine  neue  Basis  gestellt. 

Das  Kaisertum  als  eine  absolute  Monarchie,  wie  es  Diokletian  — 
nach  früheren  vorübergehenden  Prätensionen  eines  Domitian,  Septimius 
Severus,  Aurelian  —  dauernd  im  Reiche  stabiliert  hat^j,  ist  für  Ägypten 
nichts  Neues  gewesen,  vielmehr  ist  damit  die  ägyptische  Ordnung  —  ein- 
schließlich der  Eliminierung  des  Senates  —  mutatis  mutandis  auf  das 
Reich  übertragen  worden.  Dominus  und  deus  sind  von  jeher  von  den 
Ägyptern  als  berechtigte  Charakteristika  ihrer  Könige  anerkannt  worden. 
Nur  sagte  man  jetzt,  da  das  Wort  κνρίος  schon  zu  abgegriffen  war,  statt 
dessen  lieber  δεότΐύτης*)^  und  wenn  auch  der  deus  bald  vor  dem  Christen- 
gott zurücktreten  mußte,  so  blieb  doch  ϋ-ειότατος  u.  ä.  die  übliche  Be- 
zeichnung für  den  christlichen  Kaiser. 

Andererseits  fand  eine  Ausgleichung  Ägyptens  mit  dem  sonstigen 
Reiche  mit  dem  Ergebnis  statt,  daß  unter  Aufhebung  der  bisherigen  Sonder- 
stellung des  Landps  RfMchspinriclitnngen  auf  Ägypten  übertragen  wurden. 


auf  die  Ordnung  doe  Septimiue  Sevcrue  vom  Jahre  SOS  sorflckgeht  (*.  unten  S.  77ff.), 
oder  die  Auihildung  de«  Kolonatee,  deHscn  Vorgtufen  Roftowsew  bit  in  die  PtolemAeiw 
zeit  vi^rfülgt  hat  (Kap.  VII). 

1)  Vgl.  a     •     *     '     '    ' 

2)  Vgl.  1  on  L^berblick  Aber  die  Teile  der  byiantiniechen  Zeit 

bietet  mein  „üeneral  i; 
8)  Vgl,  vor  allrni 
4)  über  da«  allm  mUriagen  de•  άίβηότης  vgl.  meine  BemerkoBgon  im 


Arch.  rV  260 


6• 


68  Kapitel  Ι.    Allgemeine  historische  Grundzüge. 

So  wurde  jetzt  die  Datierung  der  Akten  nach  den  Reichskonsuln  ein- 
geführt, und  es  schwand  die  uralte  Datierung  nach  dem  ägyptischen 
Königsjahr.  Diokletian  (nebst  Mitregenten)  ist  der  letzte  Kaiser  gewesen, 
nach  dessen  Regierungsjahren  in  Ägypten  gerechnet  worden  ist,  bis  dann 
Justinian  (a.  537)  wieder  ein  Kaiserjahr  —  aber  nicht  mehr  das  ägyp- 
tische —  in  die  Datierung  einführte.^)  So  hatte  Ägypten  nach  Diokletian 
nicht  mehr  wie  bisher  seinen  eigenen  König.  Dieselbe  Nivellierung  tritt 
aber  auch  darin  hervor,  daß  Diokletian  nach  der  Eroberung  Alexandriens 
(a.  297)^)  die  griechische  Sondermünze  Alexandriens  aufhob  und  nunmehr 
die  lateinischen  Stempel  auch  hier  arbeiten  ließ.^)  In  beiden  Maßregeln 
liegt  ein  gutes  Stück  Romanismus,  der  auch  sonst  von  nun  an  von  der 
Regierung  gegenüber  dem  Hellenismus  befördert  wurde.  Schrift"^)  und 
Sprache   unserer  Urkunden  legen  ein  deutliches  Zeugnis  dafür  ab. 

Unverändert  wurde  auch  in  diese  Periode  das  Regierungsprinzip 
hinübergenommen,  daß  Ägypten  in  erster  Reihe  für  den  Staatssäckel,  im 
besonderen  auch  für  die  Ernährung  der  Reichshauptstadt  zu  arbeiten  habe. 
Der  einzige  Unterschied  war  nur  der,  daß  die  ägyptischen  KornschijBPe 
bald  nach  Konstantinopel  statt  nach  Rom  fuhren.     Ygl.  Kap.  IX  und  X. 

Dank  der  geschützten  Lage  des  Niltales  ist  auch  in  dieser  Periode 
die  äußere  Geschichte  des  Landes  im  Vergleich  zu  mancher  anderen 
Provinz  eine  verhältnismäßig  ruhige  gewesen.  Nur  im  Süden  ist  die 
Thebais  Jahrhunderte  hindurch  den  Raubzügen  der  Blemyer  und  Nobaden 
(Nubier)  ausgesetzt  gewesen.  Es  wurde  schon  oben  S.  30  darauf  hin- 
gewiesen^), daß  Diokletian  (es  war  wohl  297)  die  Dodekaschoinos  geräumt 
hat,  so  daß  nunmehr  die  Insel  Philä,  südlich  von  den  Katarrakten,  die 
Südgrenze  des  Reiches  bildete.  Wie  Prokop  (b.  Pers.  I  19)  erzählt,  über- 
ließ er  dies  relativ  unfruchtbare  Land  den  Nobaden  zur  Besiedelung, 
damit  sie  die  Blemyer  im  Schach  hielten.'^)  Der  Friede  der  Thebais  wurde 
außerdem  durch  jährliche  Tributzahlungen  an  Blemyer  und  Nobaden  er- 
kauft und  sollte  ferner  durch  den  gemeinsamen  Isiskult  auf  Philä  ge- 
sichert werden  (vgl.  Kap.  II).  Doch  in  diesen  Zugeständnissen  trat  die 
Schwäche  des  Reiches  zu  deutlich  zutage,  als  daß  sie  den  erwünschten 
Frieden  hätten  bringen  können.  Im  Gegenteil  sehen  wir  später  die  Blemyer 
und  Nobaden  miteinander  vereint  immer  wieder  gegen  das  Kulturland 
vordringen.     Es  war  zugleich  ein  Kampf  der  Heiden  gegen  das  Christen- 


1)  Vgl.  Genaueres  in  der  Einleitung  §  7. 

2)  Zur  Datierung  der  Eroberung  vgl.  Seeck,  Unterg.  I  450/1, 

3)  Vgl.  Einleitung  §  8.  4)  Vgl.  Einleitung  §  5. 

5)  Dort  auch  die  Literatur  über  die  Β lemy erfrage.  Für  die  byzantinische  Zeit 
vgl.  auch  noch  Leipoldt,  Schenute  v.  Atripe  S.  24  usw.  und  Äg.  Z.  40,  126  ff. 

6)  Über  die  innerafrikanischen  Vorgänge,  die  hierbei  mit  eine  Rolle  spielten 
(Verschwinden  des  Reiches  von  Meroe  und  Ausdehnung  des  axumitischen)  vgl.  Krall 
I.e.  S.  11. 


C.  Die  byzantinische  Periode.     §  1.    Das  Regiment.  69 

tum.  Vor  ihren  unmenschlichen  Grausamkeiten  zitterte  die  Bevölkerung 
der  Thebais^),  für  die  die  Blemyer  die  βάρβαροι  κατ  εξοχήν  waren.  \^gl. 
Cair.  Cat.  67004,  9:  βαρβάροΐξ  ^r(o)t  Βλέμνβι  in  Übereinstimmung  mit 
Oljmpiodor  FHG  IV  66,  der  ja  auch  ein  Thebaner  war.  Noch  anschau- 
licher als  in  den  bekannten  literarischen  Quellen*)  treten  uns  diese 
fürchterlichen  Zustände  der  Thebais  jetzt  in  einigen  Papyri  entgegen. 
Aus  der  Zeit  Theodosius'  II.  haben  wir  den  Hilferuf  eines  Bischofs  von 
Syene  gegen  die  räuberischen  Angriffe  der  Blemyer  und  Nobaden  in  P. 
Leid.  Ζ  (6).  Dazu  kommen  jetzt  aus  der  Zeit  Justinians  (aus  den  fünf- 
ziger Jahren  des  VI.  Jahrh.)  P.  Cair.  Cat.  67009  und  67004.  In  der 
ersteren  Bittschrift  erzählen  die  Bürger  von  Antaiopolis  (Qau  el  Kebir), 
daß  zur  Zeit  ihrer  Voreltern  die  Blemyer  ihre  Stadt  derartig  verwüstet 
hätten^  daß  sie  noch  heute  wirtschaftlich  damiederliege.  Während  sie 
damals  stattliche  kaiserliche  und  öffentliche  Bäder  gehabt  hätte,  habe  sie 
jetzt  nur  ein  Privatbad  für  die  armen  Leute.';  Hiernach  sind  die  Blemyer 
bei  diesem  Einbruch  —  leider  läßt  der  Ausdruck  των  πάλαι  ημών  γονέων 
keine  genauere  Datierung  zu  —  sogar  bis  Antaiopolis  vorgedrungen,  also 
noch  ein  gutes  Stück  nördlich  über  Ptolemais  hinaus,  das  fürs  ΠΙ.  Jahrh.  uns 
als  nördlichster  Punkt  des  Vordringens  der  Barbaren  genannt  wird  (s.  oben 
S.  30).*;  Bekanntlich  hat  dann  Justinian,  wie  Procop  (beU.  Persic.  I  19) 
erzählt,  durch  Narses,  den  damaligen  dux  der  Thebais^)  —  wohl  in  den 
dreißiger  Jahren  des  VI.  Jahrh.®)  —  den  heidnischen  Kult  auf  Philä  be- 
seitigen lassen  (vgl.  Kap.  II).  Daß  trotzdem  auch  hinterher  die  Blemyer 
zunächst  noch  eine  Gefahr  blieben,  zeigt  jene  zweite  Bittschrift  (67004) 
ans  dem  Anfang  der  fünfziger  Jahre  des  VI.  Jahrh.,  in  der  die  Ratsherren 
von  Omboi  (dem  heutigen  Kom-Ombo)  sich  über  einen  bösen  Mann  be- 
schweren, der  mit  Hilfe  der  Blemyer,  wie  es  scheint,  arg  in  ihrer  Stadt 
gehaust  hatte.')     Über  die  in  dem  Papyrus  berührten  religiösen  Fragen 

1)  Vgl.  den  Bericht  eines  Zeitgenossen  aus  dem  lY.  Jahrh.  bei  Leipoldt,  Schenate 
von  Atripe  S.  24. 

2;  Vgl.  Wilcken,  Archiv  I  896  ff.  und  Sethes  Daistellung  in  Pauljr-Wieeowa  Ul 
606  ff.     Es  ist  vor  allem  Priscus  Panites  in  FHG  IV  100  und  Prokop  1.  c. 

8)  Z.  17ff. :  διόάατιομΒν  —  ώ[ς  τ]ών  άΧίτηρ{ίων)  ΒΧίμνων  βαρβά{ίων  Μ  νών  ndlat 
ημών  γονίων  Λαρπληφότων  (korrig.  aus  ηαραλαβ\ όντων])  [την  ί^μίχ^ραν  itoU]v  «οΐ 
^ίορ^ϊ-ηπαντων  δανώς^  ούχέτι  άπΰ  των  χρόνων  έ%Ην[ω]ν  ή  ά^ί^λία  ηόΐις  χτΧ. 

4)  Über  Ρβοίβ,  (1.  h.  Ptolemais,  hinaus  sind  sie  auch  nach  den  Berichten  de• 
Schennte  vorgedrungen  (Krall,  Denk.  Wien.  Akad.  46  1.  c.  S.  12).  Vgl.  auch  die  bei 
Geizer  1.  c.  S.  11  aus  Palladius,  hiit.  Laus.  p.  96«  4  (Butl)  sitierte  Nachricht  Ober 
PanopoliM. 

6)  των  imlvfi  ατρατιωτών  άρχων.  Dieter  NatMi  war  ein  Laodnnann  de•  be- 
rühmten NarNe«. 

6)  .1.  Maipcro,  Tht'odoro  de  Philao  in  liev.  de  Phiit.  d.  Religionii  (Annale•  du 
Mu»<)(!  Guiniei)  1909,  S.  4  (S.A.)  setzt  die«  Ereignis  um  68ft. 

7;  Die  Schilderungen  erinnern  an  den  an•  Leipoldt  oben  Anm.  1  titierieii  Bericht 
Auch  die  Jungfraucuschandung  fehlt  nicht  S  '  t^  Vgl.  auch  mein  Papym^ieferat 
Aber  dies«•  Irkundcn  im  Arch.  V,  Heft  8. 


70  Kapitel  Ι.     Allgemeine  historische  Grundzüge. 

Vgl.  Kap.  IL  Im  allgemeinen  scheint  aber  doch  der  Kriegszug  des  Narses 
den  Grund  für  friedlichere  Zustände  an  der  Südgrenze  gelegt  zu  haben, 
um  so  mehr  als  dann  das  Christentum  bei  diesen  Barbaren  eingeführt 
wurde  (s.  Kap.  II).  Für  die  kulturellen  Verhältnisse  bei  den  Blemyern 
sind  von  Interesse  einige  auf  Gazellenleder  geschriebene  Urkunden  blemy- 
scher  Herkunft,  die  wohl  dem  VI.  Jahrb.  angehören.  Drei  davon  wurden 
zuerst  von  Baillet  veröffentlicht  (vgl.  7),  drei  gehören  dem  Berliner 
Museum:  BGU  III  795,  796,  797.  Ein  interessantes  Problem  ist  uns 
noch  der  ζίΰόβκορος  γραμματεύς  ed'vov^g)  Βλεμμεον  άτίο  'ϋομερ'κίω\ν  in 
BGU  ΠΙ  972,  1  (VI./VII.  Jahrb.)  jaus  Latopolis  (Esneh).  Ein  Dokument 
aus  diesen  jahrhundertelangen  Kämpfen  mit  den  Blemyern  ist  das  auf 
einem  Berliner  Papyrus  erhaltene  Epos,  das  den  Blemyersieg  eines  Ger- 
manos  feiert  (aus  dem  Anfang  des  V.  Jahrb.).  Vgl.  Berl.  Klassikertexte 
V  (1)  S.  108  ff.  Auch  der  Panegyricus  auf  den  Johannes  dux  Thebaidis 
(aus  justinianischer  Zeit),  ebendort  S.  11 7  ff.,  weist  in  Z.  82  auf  die  Blemyer 
hin.  Vgl.  zu  letzterem  Gedicht  jetzt  J.  Maspero,  Byz.  Z.  XIX  (un  pap. 
litteraire  ά^ϋφροδίτης  κώμης). 

Die  Südgrenze  war  aber  nicht  der  einzige  von  Barbaren  bedrohte 
Punkt.  Auch  libysche  Stämme  berannten  gelegentlich  von  Westen  her 
das  Kulturland.  Von  Einfällen  der  libyschen  ΜαβτΙταί  und  Γωνιώται^), 
wie  es  scheint  in  das  Faijüm^),  berichtet  BGU  III  935  (III./IV.  Jahrb.). 
Vgl.  Arch.  II  386. 

Von  viel  größerer  Bedeutung  war  aber  der  Einbruch  der  Sassaniden 
im  Anfang  des  VII.  Jahrb.  —  ein  Vorspiel  der  arabischen  Eroberung  — , 
durch  den  die  ganze  Schwäche  der  damaligen  byzantinischen  Herrschaft 
aufgedeckt  wurde.  Im  Jahre  619^)  floh  der  Augustalis  Niketas  mit  dem 
Patriarchen  Johannes  dem  Barmherzigen  vor  den  Truppen  des  Chosrau  II. 
die  Ägypten  eroberten,  um  sich  etwa  10  Jahre  hindurch  hier  zu  be- 
haupten. Zeugen  dieser  persischen  Okkupation  sind  die  zahlreichen  in 
Pehlewi  geschriebenen  Lederurkunden  (jetzt  in  Wien  und  Berlin),  die  in 
Ägypten  und  zwar  in  Mittelägypten,  nebst  persischen  Münzen  aus  der 
Zeit  dieses  Königs  gefunden  worden  sind.*)  Griechische  Papyri  haben 
bisher  keine  Aufschlüsse  über  dies  Dezennium  der  Fremdherrschaft  ge- 
bracht.    Ein  denkwürdiges  Zeugnis  für  die  besondere  Stellung,  die  jener 


1)  Ygl.  Claud.  Ptol.  IV  5,  24  (7,  31). 

2)  Vgl.  Άρβινοΐτου  in  Z.  1.  Gefunden  ist  der  Text  in  Herakleopolis.  Die  Zer- 
störung des  Originals  hindert  leider  die  Revision  des  nur  flüchtig  von  mir  kopierten 
Textes, 

3)  Dies  schon  früher  von  H.  Geizer  angenommene  Datum  wird  jetzt  gegenüber 
den  Ansätzen  auf  617  (v.  Gutschmid)  oder  615—618  (Karabacek)  durch  griechische 
Papyrusurkunden  gestützt,  die  noch  im  J.  618  nach  Heraklius  datiert  sind.  Vgl. 
Matth.  Geizer,  Stud.  z.  byz.  Verw.  Äg.  S.  31. 

4)  Vgl.  J.  Karabacek,  Führ.  PR  S.  13  f.  (mit  Tafel)  und  113. 


C.  Die  byzantinische  Periode.     §  2.    Diözese  und  Teilprovinzen.  71 

Niketas  vor  dem  Einfall  der  Perser  eingenommen  hatte,  ist  ein  von 
GrenfeU  edierter  Papyrus  aus  Apollinopolis  Magna  (Edfü)^),  in  welchem 
der  Verkäufer  nicht  nur  bei  den  Kaisern,  sondern,  was  ganz  einzig  da- 
steht, auch  hei  dem  Niketas  schwört.*) 

Wie  es  gekommen  ist,  daß  die  so  fest  gefügte  Monarchie  Diokletians 
und  Konstantins  schließlich  so  schmählich  enden  mußte,  ist  namentlich 
aus  den  wirtschaftlichen  Veränderungen  zu  verstehen,  die  unten  in  dem 
Abschnitt  über  die  Steuern  (Kap.  V)  und  die  Boden  Wirtschaft  (Kap.  VII) 
darzulegen  sind.  Wie  die  Arbeit  von  Matthias  Geizer  zuerst  gezeigt 
hat,  ist  es  vor  allem  die  seit  dem  IV.  Jahrh.  zu  beobachtende  Bildung 
der  großen  Graudherrschaften  gewesen,  die  zu  einer  A'^erschiebung  der 
Fundamente  des  Diokletianischen  Baues  geführt  hat.  Mehr  und  mehr 
sind  diese  Großgrundbesitzer  —  später  vielfach  als  Pagarchen  —  zu  selbst- 
herrlichen Adligen  geworden,  denen  gegenüber  die  kaiserliche  Autorität 
ohnmächtig  war.  Die  neuen  Urkunden  aus  Aphrodito  aus  Justinianischer 
Zeit  zeigen  uns  diese  Entwicklung  in  voUer  Blüte.  So  waren  in  Ägypten 
Zustände  eingetreten,  wie  sie  aus  ganz  ähnlichen  Gründen  einst  im 
III.  Jahrtausend,  zwischen  dem  Alten  und  dem  Mittleren  Reich,  zur  Auf- 
lösung der  Reichsregierung  geführt  hatten,  als  die  großgrundbesitzenden 
Gaufürsten  —  entsprechend  den  Pagarchen  der  Justinianischen  Zeit  —  die 
Herren  im  Lande  waren. ^)  Der  scharfe  Riß,  der  durch  den  feindlichen 
Gegensatz  der  Bekenntnisse  durch  die  ganze  Bevölkerung  hindurchging, 
hat  außerdem  dazu  beigetragen,  daß  die  monophysitischen  Kopten  schließ- 
lich die  Araber  als  ihre  Retter  aufnahmen. 

§  2.  DIÖZESE  UND  TEILPRO VlxNZEN.*) 
Innerhalb  der  neuen  Reichshälften,  der  partes  Orientis  und  partes 
Occidentis,  die  Diokletian  unter  Wahrung  der  Reichseinheit  unter  sich 
und  seinen  Mitkaiser  Maximian  verteilte,  ist  eine  völlig  neue  Beamten- 
hierarchie geschaffen  worden,  deren  Glieder  sämtlich  nur  als  Gehilfen 
des  souveränen  Kaisers  galten.^)  Als  Reichsminister  traten  jetzt  die  prae- 
fecti  praetorio  an  die  Spitze,  und  nachdem  Konstantin  sie  zu  rein  zivilen 
Reichskanzlern   gemacht    hatte,   traten    ihnen   die    magistri    müitum   als 

1;  Jonm.  of  Philol.  XXII  S.  S7S  (8.  Jan.  618). 

2)  Vgl.  hierzu  Matth.  GeUer  I.e.  81.  Die  periönlidi.•  M;i.  ht  trliuiiK'  «1»•«  .Nik.hih 
tritt  darin  um  so  stärker  hervor,  als  der  Augoetali•  duüiulM  in  <1••γ  ThobuiN  uftizicU 
nicht«  mehr  zu  tagen  hatte.    8.  unten  S.  76 ff. 

-Λ)  Vgl.  Ed.  Meyer,  Oetch.  d.  Altert.  I  (S),  t.  Anfl.,  s.  2 in  ΙΓ 

4)  Vgl.  hierzu  jetr.t  Tor  allem  M.  QehMtr  I.  o. ,  wo  «iiM  ^•>ιιαυ<*η*  I>otAil  xu 
finden  iat. 

6)  Vgl.  7.U  der  Neuordnung  Bethmaon• Hollweg  1.  c.  Momasen  l.  c  !<  h  kann 
hier  nur  Λμ»  /um  Vent&ndni•  der  Urkunden  allemotwendigetan  Hauptpunkte  herv«tr 
heben. 


72  Kapitel  Ι.     Allgemeine  historisclie  Grundzüge. 

Reichsfeldherrn  an  die  Seite.  Das  gesamte  Reichsgebiet  ward  in  12  Diö- 
zesen geteilt  —  5  im  Osten,  7  (darunter  Italien  1)  im  Westen  — ,  von 
denen  mehrere  zusammen  einem  praefectus  unterstellt  und  von  diesem 
resp.  seinen  vicarii  verwaltet  wurden.  So  standen  unter  dem  praefectus 
praetorio  per  Orientem  zunächst  die  Diözesen  Oriens,  Asiana,  Pontica, 
Thraciae.  Die  Diözesen  wiederum  umfaßten  mehrere  der  alten  Provinzen. 
So  gehörte  Ägypten  neben  Palästina,  Cilicien,  Cypern,  Mesopotamien  usw. 
zur  dioecesis  Orientis  und  unterstand  daher  dem  in  Antiochia^)  resi- 
dierenden praefectus  praetorio  per  Orientem.  Es  war  ein  Grundgedanke 
der  Diokletianischen  Ordnung,  daß  die  Sprengel  der  Provinzialvorsteher 
verkleinert  werden  sollten.^)  Wie  er  durch  die  Samtherrschaft  und  das 
Adoptionssystem  die  Dauer  der  neuen  Dynastie  sichern  woUte,  so  sollten 
die  Usurpationen,  die  das  Reich  durch  Dezennien  hin  erschüttert  hatten, 
dadurch  ferngehalten  werden,  daß  die  Provinzen  zerstückelt  und  außer- 
dem die  militärischen  und  die  zivilen  Kompetenzen  von  einander  getrennt 
wurden. 

So  ist  Ägypten  nach  der  Eroberung  Alexandriens  im  Jahre  297  ^)  in 
3  Teilprozinzen  zerschlagen  worden,  als  deren  Namen  das  Veroneser  Ver- 
zeichnis nennt:  Thebais,  Aegyptus  Jovia,  Aegyptus  Herculia. 
Während  Mommsen^)  in  Aegyptus  Jovia  und  Herculia  (so  genannt  nach 
den  göttlichen  Beinamen  des  Diokletian  und  Maximian)  das  westliche 
und  das  östliche  Unterägypten  sah,  haben  Collinet  und  Jouguet  in  dem 
von  ihnen  im  Arch.  111  340  edierten  Cairener  Papyrus  eine  Bestätigung 
der  Ansicht  JuUians  gefunden,  wonach  die  drei  neuen  Provinzen  Aegyptus 
Jovia,  Herculia  und  Thebais  räumlich  vielmehr  den  drei  alten  Epistrate- 
gien  Delta,  Heptanomia  und  Thebais  —  in  der  Hauptsache  —  entsprachen. 
Nach  diesem  Text  sitzt  der  praeses  Aeg.  Herculiae  (a.  322)  in  Arsinoe, 
also  in  der  Heptanomia,  zu  Gericht.  Inzwischen  ist  bestätigend  hinzu- 
gekommen Oxy.  "VI  89611  29  (a.  316),  wonach  der  Präses  von  Herculia 
auch  in  Oxyrhynchos,  also  wiederum  in  der  alten  Heptanomia,  kompetent 
war.  Für  die  Auffassung  von  Collinet -Jouguet  spricht  ferner,  daß  nach 
P.  Straßb.  42  (in  Kap.  V)  noch  im  Jahre  310  ein  cens(itor)  Hept(a- 
nomiae)  begegnet.  Der  alte  Name  konnte  aber  nur  noch  angewendet 
werden,  wenn  er  einem  der  damals  gültigen  Provinzialgebiete  entsprach.^) 


1)  Auf  Antiochia  nimmt  Bezug  ein  in  Kap.  XI  zu  edierender  P.  Lips. 

2)  Dieselbe  Tendenz  tritt  schon  bei  Septimus  Severus  hervor.  Vgl.  auch  die  auf 
Einschränkung  der  Macht  der  Gardepräfekten  und  Statthalter  abzielenden  Reform- 
vorschläge, die  Dio  Cassius  52  dem  Maecenas  in  den  Mund  legt. 

3)  Eutrop.  brev.  9,  23  sagt  von  diesem  Zeitpunkt:  ea  tamen  occasione  ordinavit 
provide  multa  et  disposuit,  quae  ad  nostram  aetatem  manent. 

4)  In  seiner  grundlegenden  Arbeit  über  das  Verzeichnis  Abh.  Berl.  Akad.  1862, 
489  fif.  (=  Histor.  Schrift.  Π  561  tf.). 

5)  Vgl.  Wilcken,  Arch.  V  265.     Siehe  jetzt  auch  M.  Geizer  1.  c.  4. 


C.  Die  byzantinische  Periode.     §  2.    Diözese  und  Teilprovinzen.  73 

Auch  das  Verschwinden  der  Epistrategen  seit  297  paßt  für  jene  Annahme.^) 
Insofern  freilich  war  die  alte  Heptanomia  verändert  worden,  als  der  süd- 
lichste Teil,  der  Hermopolites  und  Antinoites,  zur  Thebais  geschlagen 
waren.  Da  andererseits  der  Letopoiites,  den  Claud.  Ptolemaeus  zum  Delta 
rechnet,  später  als  Teil  Arkadiens  erscheint,  besteht  die  Möglichkeit,  daß 
er  schon  damals  zur  Herculia  gefügt  ist.^)  So  treten  an  die  Stelle  der 
drei  Epistrategien  die  drei  Teilprovinzen. 

Indem  Diokletian  aus  den  angegebenen  politischen  Gründen  mit  dem 
altrömischen  Grundsatz  der  Einheit  des  militärischen  und  zivilen  Kom- 
mandos brach,  gab  er  das  Militär  einem  dux,  dagegen  Jurisdiktion  und 
Zivilverwaltung  dem  in  Alexandrien  residierenden  praefectus  Aegypti  (θπαρ- 
χος)^),  dem  die  gleichfalls  rein  zivilen  praesides  (ηγεμόνες)  der  Thebais"*) 
und  Herculia  unterstellt  waren,  während  die  Jovia  sein  Immediatgebiet 
gewesen  zu  sein  scheint.^)  Alle  diese  Beamten  hatten  den  R^uig  von 
V.  perfectissimi  (οίαΰημότατοι).^)  Die  weitergehende  Kompetenz  des  prae- 
fectus gegenüber  den  praesides  tritt  uns  in  den  Urkunden  darin  entgegen, 
daß  auch  aus  ihren  Sprengein  Bittschriften  an  ihn  direkt,  mit  Umgehung 
der  praesides  gerichtet  werden  konnten,  wie  er  auch  Anordnungen  in 
jenen  Teilprovinzen  traf.  Vgl.  Oxy.  I  7111,  Amh.  82  und  83,  Flor.  36,  Oxy. 
I  67,  VI  895.  Gleichwohl  Avird  Konvent  über  ganz  Ägypten  von  ihm  nicht 
mehr  abgehalten.  Darin  u.  a.  tritt  uns  die  größere  Selbständigkeit  der 
neuen  Teilprovinzen  gegenüber  den  früheren  Epistrategien  entgegen,  daß 
unter  Fortfall  des  Konvents  die  bisherigen  Konventsgeschäfte,  also  Kon- 
trolle der  Verwaltung  und  Erledigung  der  Prozesse,  von  den  einzelnen 
Statthaltern  in  ihren  Teilprovinzen  erledigt  werden,  was  übrigens  für  die 
Bevölkerung,  im  besonderen  der  Thebais,  große  Erleichterungen  brachte.^) 

Diese  ursprüngliche  Provinzialordnung  hat  im  Laufe  der  Jahrhunderte 
manche  Veränderungen  erfahren,  sowohl  hinsichtlich  der  örtlichen  Teilung 
des  Landes  als  auch  der  Beamtenkompetenzen.  Auf  der  einen  Seite  sehen 
wir  das  Bestreben,  die  Teilprovinzen  immer  weiter  zu  zerstückeln,  auf  der 
anderen  Seite  drängen  die  Verhältnisse  wieder  zu  einer  Vereinigung  der 
militürischen  und  zivilen  Gewalten  in  einer  Hand. 


1)  Die  letzte   mir  bekannte  Erwähnung  von   έηΐύχραντιγίαι    ist   die    in   Oxy.    I 
Ä8  und  Amh.  137  vom  J.  288. 

2)  Falle  ee  nicht  Hchon  im  II.  Jahrb.  geschehen  war.    Vgl.  die  Vermutoog  oben 
S.  87  Anm.  8. 

3)  Titular  iüt   nur  ίπαρχος,  doch  wird  er  in  der  Anrede  »Qoh  ή^ιμών  iriMiniint, 
also  wie  vor  Diokletian.     Vgl.  Wilcken,  Arch.  IV  2ίβ. 

4)  Die  Praiiden   heißen  titular  nur  ή/»μών,  nie  ίηαρχος.    Eine  Lille  ....  ,..^- 
■ides  der  Thobaii  gab  Mitteie,  M61  Nicole  867  ff.,  dazu  Wilcken,  Arch.  IV  ηβί. 

6)  Letzt4;reH  nach  Μ  (Jctzer  1.  c.  4/ß. 

β)  Über  die  Krb/Uiiing  xu  daritiimi  •.  unten  8.  74 

7)  Vgl.  Wilcken,   Arch.  IV  420  ff.   und   Mitt«!•  in  Hd    II      1•.,    .Iumi    u     ι      i  i 
belieben.     Vgl.  C.  Juit.  I  67  (a.  4eu)  und  Γ.  Cair.  in  Arch.  I  J.•    ti 


74  Kapitel  Ι.     Allgemeine  historische  Grundzüge. 

Die  nächste  Änderung  bestand  in  der  Schaffung  der  neuen  Teil- 
provinz Augustamnica  im  J.  341^),  die  nach  dem  Augustus  amnis  be- 
nannt die  Osthälfte  von  Aeg.  Jovia  und  die  Herculia  umfaßte^  bald  jedoch 
z.  T.  eine  andere  Umgrenzung  erfuhr.^)  Der  praeses  der  Augustamnica 
(v.  perf.)  wird  in  C.  Theod.  12,  1,  34  und  Oxy.  I  87  fürs  Jahr  342  bezeugt. 
Vgl.  auch  Amh.  142,  3.  Vor  Abfassung  der  Not.  dignitatum  (or.  1 ,  127) 
ist  dann  dieser  praeses  durch  einen  corrector  ersetzt  worden. 

Während  noch  380  der  praef.  Aeg.  mit  diesem  Titel  erscheint  (Cod. 
Theod.  12,  1,  80),  begegnet  er  382  als  praef.  Augustalis.  Diese  Ände- 
rung könnte  also  auch  schon  381  fallen.  Da  etwa  zur  selben  Zeit  Ägypten, 
das  bis  dahin  zur  Diözese  des  Oriens  gehört  hatte,  als  eigene  Αίγνπτίακη 
δίοίκηοις  nachweisbar  ist^)  —  übrigens  einschließlich  von  Libyen,  das  ich 
hier  außer  Betracht  lasse  — ,  so  wird  die  Erhöhung  des  Präfekten  zum 
Augustalis,  wie  schon  Mommsen  vermutete  (Abb.  Ak.  1.  c.  476),  mit  dieser 
Begründung  der  selbständigen  Diözese  zusammenfallen.  Nachdem  der 
praef.  Aeg.  schon  in  der  Mitte  des  Jahrhunderts  zum  v.  clarissimus  (λαμ- 
τνρότατος)  avanciert  war*),  erhielt  der  Augustalis  jetzt  den  hohen  Rang 
eines  τΐερίβλετετος  (ν.  spectabilis),  und  wurde  unter  den  comes  Orientis^), 
aber  über  die  vicarii  des  praef.  praet.  gestellt  (Not.  dignit.  or.  1,  28  ff.). 

Wenige  Jahre  danach,  in  der  Mitte  der  achtziger  Jahre,  wurde  die 
alte  Heptanomia  (resp.  Herculia)^)  wiederhergestellt  unter  dem  Namen 
Arcadia  (nach  Kaiser  Arcadius  genannt).'^)  Nun  bestand  die  Diözese 
aus  Ägyptus,  Augustamnica,  Arcadia,  Thebais,  abgesehen  von  Libyen. 
Diesen  Zustand  repräsentiert  der  Laterculus  Polemii  Silvii  (10,  7),  ebenso 
die  Not.  dignitatum  (Anfang  des  V.  Jahrb.),  die  unter  dem  Augustalis 
fünf  praesides  nennt,  von  Libya  superior  und  inferior,  Thebais,  Aegyptus^), 
Arcadia,  ferner  der  corrector  von  Augustamnica  (or.  1,  80  ff.).  Das  Heeres- 
kommando,  das   anfangs   in   ganz   Ägypten  und  Libyen   ein   dux   gehabt 


1)  Das  Datum  entnahm  Ed.  Schwartz  dem  Kephalaion  des  Osterbriefes  von  341 
(Gott.  Nachr.   1905,  354). 

2)  Über  diese  Frage  M.  Geizer  1.  c.  6/7  (vgl.  Ammian.  22,  16,  1  £F.). 

3)  Vgl.  C.  Theod.  12,  1,  97  vom  8.  März  383. 

4)  Auch  die  praesides  waren  clarissimi  geworden.  Vgl.  P.  Flor.  95,  8.  Lips.  34, 12. 
Vgl.  auch  Mitteis,  Mel.  Nicole  368. 

5)  Es  verschwindet  der  comes  Orientis,  Aegypti  et  Mesopotamiae,  der  vorher 
gelegentlich  zwischen  dem  praef.  pr.  Orientis  und  dem  praef.  Aeg.  begegnet.  Vgl. 
Dessau,  Inscr.  Lat.  I  1231,  1237  (aus  den  vierziger  Jahren). 

6)  Vom  Kynopolites  bis  zum  Letopolites. 

7)  Später  begegnet  mehrfach  die  eigenartige  Form  Χρκάδων,  sowohl  bei  Schrift- 
stellern (vgl.  Pietschmann,  Pauly-Wiss.  II  1137)  wie  auch  in  den  Papyri  (vgl.  BGÜ 
306,4;  750,  1;  836,  1  usw.). 

8)  Nach  M.  Geizer  S.  8  wäre  dieser  praeses  Aeg,  dieselbe  Person  wie  der  Augu- 
stalis. Aber  wenn  die  Notitia  unter  den  40  praesides  auch  den  praes.  Aeg.  aufzählt, 
wird  sie  doch  wohl  ein  eigenes  Amt  ins  Auge  gefaßt  haben.  Anders  ist  es  nach- 
her zu  Hierokles'  Zeit. 


C.  Die  byzantinische  Periode.     §  2.    Diözese  und  Teilprovinzen.  75 

hatte^),  war  jetzt  geteilt  zwischen  dem  comes  Aegypti  (or.  1,36)^),  d.h. 
von  ganz  Ägypten  mit  Ausschluß  der  Thebais,  und  dem  dux  Thebaidos 
und  dem  dux  Libyarum  (or.  1,  40,  41). 

Prinzipiell  von  größerer  Bedeutung  als  die  bisher  erwähnten  Ver- 
änderungen sind  die  unter  Theodosius  II  in  der  Thebais  durchgeführten 
Neuerungen.  Hier  führte  die  beständige  Bedrohung  der  Provinz  durch 
die  Blemyer  zu  der  Wiedervereinigung  der  militärischen  und  zivilen  Kom- 
petenzen in  einer  Hand,  also  zum  Aufgeben  des  einen  Grundpfeilers  der 
Diokletianischen  Ordnung.  Wie  Leid.  Ζ  (6)  zeigt,  ist  damals  (zwischen 
425 — 450)  die  Thebais  in  eine  superior  und  inferior  geteilt  worden.  Zu- 
gleich ist  der  comes  et  dux  limitis  Thebaici  v.  spect.  mit  militärischer 
und  ziviler  Gewalt  über  die  ganze  Provinz  gestellt  worden,  während  in 
der  unteren  Thebais  ein  ziviler  praeses  unter  ihm  gebot  (letzteres  so 
wegen  Hierokles).^)  Andererseits  führten  die  inneren  Wirren  in  Alexan- 
drien  gelegentlich  dazu,  daß  dem  zivilen  Augustalis  auch  militärisches 
Kommando  übertragen  wurde,  aber  doch  nur  vorübergehend.  Vgl.  z.  B. 
Cod.  Just.  2,  7,  13  (a.  468)  und  1,  57,  1  (a.  469),  die  adressiert  sind  duci 
Aegyptiaci  limitis  et  praefecto  Augustali.*)  Jene  Teilung  der  Thebais 
erwähnt  der  Synekdemos  des  Hierokles  (vor  535  geschrieben),  der  die 
untere  Thebais  (unter  einem  praeses)  von  Hermopolis  bis  Panopolis,  die 
obere  (unter  dem  dux)  von  Ptolemais  bis  Omboi  begrenzt.  Aegyptus 
stellt  er  unter  den  Augustalis,  also  als  Immediatgebiet,  die  Augustamnica 
aber  ist  inzwischen  gleichfalls  geteilt  worden,  I.  unter  einem  corrector, 
U.  unter  einem  praeses.  Kurz  danach  (a.  535)  finden  wir  dann  auch 
Aegyptus  in  zwei  Teile  geteilt.^) 

Drei  Jahre  darauf  erfolgte  die  durchgreifende  Neuordnung  Ägyptens 
durch  das  XTIT.  Edikt  Justinians  (a.  538).®)  Während  bis  dahin  die 
ägyptische  Diözese  unter  der  Leitung  des  Augustalis  dem  praef.  praet. 
Orientis  als  Einheit  unterstellt  gewesen  war,  wurde  jetzt  die  Diözese  in 
eine  Iteihe  selbständiger  Provinzen  aufgelöst,  von  denen  jede  direkt  dem 
praef.  praet.  Orientis  unterstand.^)  Während  hiermit  der  Diokletianiscbe 
Gedanke  der  Zerstückelung  der  alten  Provinzen  auf  die  Spitze  getrieben 
war,  hat  Justinian  andererseits,  unter  dem  Drucke  äußerer  und   innerer 

1)  Dcesau,  Inscr.  lat.  I  701  (Zeit  Konetantin•) :  v.  p.  dnx  Aeg.  et  Theb.  utrs- 
rumqae  Libb.  Hier  eteht  Aegyptue  als  gemeineamer  Qmndbegriff  von  Jovia  und 
Hercalia. 

t)  Ck)me•  ist  er  mindesten•  teit  891  (Cod.  Theod,  16, 10. 11),  vorher  war  er  dux 
Aeg.  (Cod.  Tbeod.  11,  80,  43  vom  J.  884). 

8)  Die•  von  M.  Qelzer  1.  c.  10  ff.  nachgewiesen. 

1;  Weitereit  bei  M.  Oelzer  1.  c.  17  ff. 

6)  Nov.  lu•!.  8  noiitia  86/86.     OeUer  8.  Sl. 

6)  Die^e•  von  SchOll- Kroll  vertretene  Datum  (fiaU  654  Zeohariae  r.  L.)  ifi  foa 
M.  (leUer  1.  c.  28  ff.  aU  evident  richtig  erwiesen  worden. 

7)  Vgl.  zum  folgenden  M.  OoUer  1.  c.  18  ff. 


76  Kapitel  Ι.     Allgemeine  historische  Grundzüge. 

Wirren,  mit  dem  Diokletianisclien  Grundgedanken  der  Trennung  von 
Militär-  und  Zivilkompetenzen  nunmehr  vollständig  gebrochen,  nachdem 
schon  im  Y.  Jahrh.,  wie  wir  sahen,  Ausnahmen,  teils  dauernde  (in  der 
Thebais),  teils  ephemere  (in  Alexandrien)  sich  als  nötig  erwiesen  hatten. 
So  erhalten  jetzt  dauernd  der  Augustalis  von  Alexandrien  und  Aegyptus 
(I  und  II),  der  Statthalter  von  Augustamnica  (I  und  II),  der  von  Arcadia 
und  der  dux  der  Thebais  (I  und  II)  (ebenso  der  dux  von  Libyen)  Militär- 
und  Zivil gewalt.  ^)  Sie  unterstehen  alle  direkt  dem  praef.  praet.  Orientis, 
und  haben  alle  denselben  Rang  eines  spectabilis.  Für  den  Augustalis  von 
Alexandrien  und  den  dux  der  Thebais,  der  nun  auch  Augustalis  heißt ^), 
gibt  das  XIII.  Edikt  ausreichende  Auskunft,  während  die  Bestimmungen 
über  Augustamnica  und  Arcadia  daselbst  verstümmelt  sind.  Daß  für  sie 
aber  analoge  Bestimmungen  getroffen  sind,  ist  aus  anderen  Quellen  mit 
Recht  erschlossen  worden.^)  Diese  Justinianische  Ordnung  scheint  bis 
zum  ArabereinfaU  geblieben  zu  sein.^)  Sie  liegt  zugrunde  in  der  de- 
scriptio  orbis  Romani  von  Georgius  Cyprius  aus  der  Zeit  des  Phokas 
(ed.  H.  Geizer,  S.  35  ff.). 

§  3.     GAU  UND  STADT. 

Innerhalb  der  neuen  Teilprovinzen  blieb  in  bezug  auf  die  Verwaltung 
der  Städte  sowie  der  Gaue  und  ihrer  Dörfer  zunächst  alles  beim  Alten. 
Unter  Diokletian  sind,  soweit  wir  sehen  können,  keine  Änderungen  ein- 
getreten. Aber  wenige  Jahre  danach  hat  sich  eine  tiefgreifende  Wandlung 
vollzogen.  Während  bis  dahin  das  Gebiet  des  Gaues  in  Toparchien  zer- 
fiel (s.  oben  S.  9),  finden  wir  seit  dem  J.  310^)  statt  dessen  eine  Gau- 
teilung in  mehrere  nach  Nummern  benannte  πάγοι  =  pagi,  und  da  die 
Beispiele  hierfür  sowohl  aus  der  Herculia  (z.  B.  Straßb.  42,  3)  wie  aus  der 
Thebais  vorliegen  (Flor.  31,  8,  CPR  233,  7  usw.),  so  ist  sie  durch  das 
ganze  Land  eingeführt  worden.  Da  die  letzte  zurzeit  bekannte  Erwähnung 
einer  Toparchie  ins  Jahr  307  fäUt  (Grenf.  II  78,  2),  so  wird  die  Pagus- 
ordnung    zwischen   307   und   310    eingeführt    sein.*^)     Lateinisch   wie    der 

1)  Unter  ihnen  stehen  wie  vorher  rein  zivile  praesides.  Ob  der  dux  die  obere 
Thebais  als  sein  Immediatgebiet  (ohne  praeses)  hatte,  wie  M.  Geizer  S.  16/7  trotz  des 
XIII.  Edikts  c.  23  annimmt,  ist  mir  deswegen  zweifelhaft,  weil  seine  Hauptresidenz 
Antinoopolis  gewesen  zu  sein  scheint.     S.  unten. 

2)  Nach  dem  XIII.  Edikt  hätte  er  nur  den  Rang  (ημή)  eines  solchen  (c.  23). 
Aber  nach  den  Aphroditopapyri  (Cairo  Cat.  67001  ff.)  hat  er  auch  den  Titel  geführt. 

3)  Vgl.  M.  Geizer  1.  c.  28  ff. 

4)  Zu  der  Frage,  ob  vorher  ein  Versuch  gemacht  sei,  wieder  eine  Gesamt- 
diözese zu  schaffen,  vgl.  Geizer  S.  29  und  32. 

5)  Dies  zurzeit  älteste  Vorkommen  findet  sich  in  Straßb.  42,  3  (in  Kap.  V). 

6)  Vgl.  M.  Geizer,  Studien  S.  57.  Daß  der  pagus  der  Nachfolger  der  Toparchie 
gewesen  sei,  vermutete  ich  schon  im  Hermes  27,  299,  nur  irrte  ich,  wenn  ich  den 
pagus  mit  der  Pagarchie  gleichsetzte.  Die  Gloss.  erklären  übrigens  τΐάγος  u.  a.  mit 
τοτΐαρχία. 


C.  Die  byzantinische  Periode.     §  3.    Gau  und  Stadt.  77 

Name  dieser  neuen  Gauteile  ist  auch  der  Titel  ihrer  Λ"orsteher:  sie  heißen 
n-oca:t06Ltog  πάγον. 

Eine  andere  große  Veränderung,  die  wir  beobachten  können,  ist  die 
Aufhebung  der  Strategien)  Der  Titel  örparr^yog  begegnet  noch  323 
(Oxy.  60),  326  (Amh.  138),  ja  auch  noch  357  (Oxj.  m)  und  362  (Oxy. 
VII  1057),  um  dann  zu  verschwinden.  Aber  schon  aus  dem  J.  322  liegt 
die  Gleichung  ότρατηγοξ  ijroL  έξάκτωρ  Έρμο7ΐολίτ[ον]  vor  (Arch.  III  348), 
ebenso  auch  noch  aus  dem  J.  369/70  ϋτρατηγος  ητοί  εξάκτωρ  ^Οάόεως  Με- 
γάλης (Leipziger  Ineditum  Ιην.  362  [in  43]).  Hier  wird  der  ότρατηγός^  der 
früher  das  Haupt  der  Steuerverwaltung  des  Gaues  gewesen  war,  gleich- 
gesetzt dem  jetzt  neu  geschafienen  exactor,  der  von  nun  an  der  Chef  der 
Steuererhebung  ist  (vgl.  Kap.  V)  und  in  anderen  Texten  kurzweg  έξάχτωρ 
heißt.  Man  wird  M.  Geizer  zustimmen  dürfen,  der  hieraus  den  Schluß 
gezogen  hat,  daß  am  Anfang  des  Jahrhunderts,  mindestens  a.  322  (S.  62) 
oder  vielleicht  schon  zugleich  mit  der  Einführung  der  Pagusordnung 
(S.  52)  der  Stratege  als  Steuerchef  dem  neuen  Exaktor  gewichen  ist, 
während  andere  Kompetenzen  des  Strategen  auf  andere  Organe  über- 
gegangen sind.-)  Auffällig  bleibt  es  immerhin,  daß  der  Titel  Στρατηγός 
trotzdem,  auch  ohne  die  Gleichsetzung  mit  ε^άχτωρ,  noch  Dezennien  hin- 
durch, wenn  auch  selten,  begegnet. 

Auf  der  anderen  Seite  ist  es  sehr  verlockend,  die  neue  Pagusordnung 
und  die  Abschaffung  der  Strategie  innerlich  zu  verbinden.  Die  pagi 
kennen  wir  aus  dem  Westen,  um  von  anderen  hier  nicht  zutreffenden  Be- 
deutungen abzusehen,  als  Teile  des  städtischen  Territoriums.*)  Ebenso 
führt  aber  auch  die  Art,  wie  hier  die  Strategie  beseitigt  wird,  auf  die 
Vorstellung,  daß  der  frühere  Gau  zum  Stadtgebiet  geworden  ist.  Die 
Kurien  der  Metropolen,  die  im  IlL  Jahrb.,  wie  wir  sahen  (S.  42),  selbst 
in  städtischen  Angelegenheiten  unter  der  Kontrolle  des  Strategen  standen, 
sind  jetzt  von  ihr  befreit  —  freilich  um  nun  in  anderer  Weise  ein- 
geschränkt zu  werden  (s.  unten).  Sie  wählen  selbst  aus  ihrer  Mitte  den 
exactor,  der  dann  zwischen  ihnen  und  dem  praeses  vermittelt*)  Diese 
Änderung  ist  darin  begründet,  daß  eben  der  frühere  Gau  zum  städti- 
schen Territorium  geworden  ist,  wodurch  der  Stratege  notwendig 
hinausgedrängt  werden  mußte.  M.  Geizer,  der  dies  zum  erstenmal  klar 
ausgesprochen  hat,  hat  auf  S.  62  schon  auf  die  neue  Terminologie  hin- 
gewiesen, wie  sie  z.  B.  in  Lips.  64,  45  vorliegt:  tf^g  χόλίως  xal  τών  κωμΛν 
τής  ενορίας  της  υμετέρας  usw.  Der  frühere  Gau  ist  jetit  die  hogia^ 
das  Territorium  der  Stadt.    Staatsrechtlich  gibt  es  also  keine  νομοί 

1)  iMß  Hie  iMi  1\.  Jabrh.  »ofherte,  seigta  ich  im  Herme•  27,  S97  ff.  gegttnflber 
WcMfK'lvH  Annuhnic,  daß  ite  bii  in•  VII.  Jahrh.  fortboatatidon  habe. 

2)  Cber  die  (ierichUbarkcit  de•  KunalpriUidenteQ  •.  unten  S.  81. 

8)  Vgl.  Marquardt,  Rom.  SUaUvenaaltung  !•  18.  4)  Gelier  1.  c.  6i. 


78  Kapitel  Ι.    Allgemeine  historische  Grundzüge. 

mehr,  sondern  nur  noch  ηόλεΐζ  einschließlich  ihrer  bvoqCcci.^) 
Trotzdem  hat  sich  das  Wort  νομός,  meist  als  geographische  Bezeichnung, 
noch  viel  länger  als  der  βτρατηγός  in  den  Urkunden  erhalten,  bis  in  die 
arabische  Zeit  hinein.  Wenn  in  CPR  19  vom  J.  330  im  Präskript  ge- 
schrieben ist:  προΛολιτενομένω  ^Ερμον  πόλεως  καΐ  νομούς  so  ist  zwar  die 
Anwendung  des  Wortes  νομός  nicht  korrekt,  aber  die  neue  Verfassung 
tritt  uns  in  dem  Zusatz  καΐ  νομον  doch  deutlich  entgegen,  denn  im 
in.  Jahrh.  war  die  Kurie  nur  Kurie  der  Metropole  gewesen.  Wenn  statt 
νομός  später  gelegentlich  χώρα  gesagt  wird  (z.  B.  im  XIII.  Edikt  Justi- 
nians)^),  was  dann  ins  Arabische  als  küra  übergegangen^)  ist,  so  ist  damit 
ganz  korrekt  das  frühere  Gaugebiet  als  die  χώρα  der  πόλις  bezeichnet,  in 
dem  Sinne  wie  man  früher  ganz  Ägypten  die  χώρα  der  πόλίς  Alexandrien 
genannt  hatte.  Zur  Bestätigung  des  obigen  Ergebnisses  möchte  ich  noch 
auf  eine  weitere  terminologische  Beobachtung  hinweisen.  Der  Exakter, 
dessen  Kompetenz  außer  der  Stadt  auch  den  ganzen  (früheren)  Gau,  also 
das  ganze  Territorium  umfaßte,  heißt  bald  έξ,άκτωρ  Έρμο7ίολίτ[ον'}  (Arch. 
III  348)^),  bald  exactor  civitatis  (Arch.  III  341,  11).^)  Der  letztere  Aus- 
druck ist  von  um  so  größerer  Bedeutung,  als  er  in  der  lateinischen  Sen- 
tenz eines  Präses  begegnet,  also  gewiß  die  offizielle  Auffassung  ausdrückt. 
Für  die  römische  Regierung  bestand  also  auch  Ägypten  jetzt 
aus  civitates  (einschließlich  ihrer  Territorien).^)  Nicht  ohne  Interesse 
ist  es  auch,  daß  —  wenn  ich  nicht  irre  —  die  Bezeichnung  der  Gaustädte 
als  μητροπόλεις  jetzt  in  den  Urkunden  schwindet."^)  Ich  fand  sie  noch 
für  die  Jahre  302/3  (Lips.  84),  303  (Lips.  18,  18),  was  selb  verständlich  ist, 
aber  auch  noch  320  (Lips.  19),  was  ein  Nachzügler  sein  kann.  Spätere 
Belege  habe  ich  nicht  zur  Hand.  Das  ist  gewiß  kein  ZufaU.  Die  Städte 
sind  eben  nicht  mehr  μητρόπολις  τον  νομον^  sondern  sie  sind  civitates, 
d.  h.  πόλεις,  wie  auch  in  Arch.  III  341  der  exactor  civitatis  übersetzt  wird 
εξακτω^)  της  πόλεως.  Gleichbedeutend  hiermit  ist  πολιτεία^  was  früher 
m.  W.  nie  auf  ägyptische  Städte  angewendet  wird,  jetzt  aber  öfter  be- 
gegnet. Vgl.  Flor.  95,  9  usw.  (a.  375),  Lips.  Q2  I  6  usw.  (a.  384),  BGU  I 
304,  3  (um  640).  Der  letzte  FaU  ist  besonders  instruktiv,  da  er  zeigt, 
daß  die  πολιτεία  den  alten  Gau  (als  Territorium)  mit  umfaßt:  παγάρχ{(ρ) 
τον  βορρ{ινον)  βκέλονς  ταύτης  της  πολ(ι)τ(είας). 

Wir  stehen  hier  vor  einer  der  folgenschwersten  Umwälzungen,  die 

1)  So  auch  bei  den  späteren  Autoren  wie  Hierokles  usw.     Vgl.  Geizer  1.  c.  62  f. 

2)  Vgl.  auch  Bell,  Jour.  Hell.  Stud.  28,  106.  3)  P.  Heid.  III  (1)  S.  22. 

4)  Exectori  Hermopolitu  auch  in  einem  Leipziger  Ineditum. 

5)  So  erklärt  es  sich,  daß  später  gelegentlich  Gaunamen  auf  Städte  übertragen 
werden,  wie  Sethro'ites  für  Heracleopolis  parva  (Delta)  und  Arsinoites  für  Arsinoe 
(schon  von  Kuhn  II  502  angemerkt). 

6)  Vgl.  auch  curator  civitatis  in  Lips.  40  II  8. 

7)  Ich  sehe  hier  ab  von  dem  kirchlichen  Metropolbegriff. 


C.  Die  byzantinische  Periode.     §  3.    Gau  und  Stadt.  79 

die  Verwaltung  Ägyptens  je  erfahren  hat:  die  Gaue  sind  durch  die  Stadt- 
territorien ersetzt.^)  Erst  für  diese  Neuordnung  möchte  ich  jetzt  den 
Ausdruck  „Dekurionatsverfassung"  oder  „Munizipalisierung  Ägyptens^'  an- 
wenden, die  in  letzter  Zeit  häufig  von  der  Reform  des  Septimus  Severus 
gebraucht  sind.  Es  ist  die  Frage  weiter  zu  prüfen,  ob  nicht  zu  Beginn 
des  IV.  Jahrb.,  zur  Zeit  des  Maximin,  durch  einen  einheitlichen  Akt*)  die 
römische  Munizipalordnung  in  Ägypten  eingeführt  ist.  Diese  Hypo- 
these würde  am  besten,  wie  mir  scheint,  die  Tatbestände  erklären.  Vor 
allem  würde  die  Einführung  der  pagi  mit  ihren  praepositi  mit  einem 
Schlage  klar.^)  Auch  der  Romanismus,  der  uns  vom  IV.  Jahrh.  an,  im 
besonderen  auch  im  Titelwesen  der  städtischen  Verwaltung  entgegentritt, 
würde  sich  hiernach  von  selbst  verstehen.*)  Im  Gegensatz  hierzu  würden 
wir  in  der  Neuordnung  des  Severus  vom  J.  202  die  Einführung  einer 
partiellen  griechischen  Kommunalordnung*)  erkennen,  der  allerdings 
durch  das  Fortbestehen  der  Gauordnung  von  vornherein  eine  Entfaltung 
abgeschnitten  war.  Auf  diese  griechische  Periode  folgt  nun  von  Maxi  min 
an  (307/10)  die  der  römischen  Munizipalisierung. 

In  der  Zusammensetzung  der  Kurien  {ßovXaC)  der  Civitates  ist 
eine  Veränderung  gegenüber  dem  III.  Jahrh.  bisher  nicht  nachgewiesen 
worden.  Es  ist  nur  ein  terminologischer  Unterschied,  daß  man  jetzt  die 
Ratsherrn  außer  βονλενταί  auch  τνολίτενόμενοι  nennt,  was  dem  all- 
gemeinen späteren  Sprachgebrauch  entspricht  (vgl.  Du  Cange  s.  v.).  Ge- 
legentlich kommen  in  derselben  Urkunde  beide  Ausdrücke  vor.  Während 
aber  der  Titel  βονλενταί  sich  bis  zuletzt  daneben  hält*),  ist  der  alte  Titel 
des  Vorsitzenden  πρντανις^  wenn  ich  recht  sehe,  allmählich  verdrängt 
durch  den  neuen  Titel  προτΐολίτενόμ,ενος  (oder  auch  πρόεδρος).  So  be- 
gegnet πρντανις  ζ.  Β.  noch  a.  316  (Oxy.  103),  a.  323  (Oxy.  60),  a.  338 
(Oxy.  VI  892,5),  andererseits  προπολιτενόμενος  schon  330  (CPR  19,  1).") 
Von  besonderem  Interesse  aber  ist  das  Nebeneinander  des  alten  und  neuen 
Titels  in  Lond.  II  S.  273,  1  (44).  Zu  den  πρόεδροι  vgl.  BGÜ  1027,  Flor. 
71,  521  usw.,  Lond.  UI  S.  129.    Vgl.  auch  Bd.  II  S.  30  Anm.  2. 

Über  die  Rolle,  die  der  δήμος  jetzt  spielte,  liegen  bisher  nur  spora- 
dische Zeugnisse  vor.  Ein  amüsantes  Bild  einer  turbulenten  Volkever- 
sammlnng  aus  Oxyrhynchos  vom  Anfang  des  IV.  Jahrb.  bietet  uns  Oxy. 


1;  Nar!  .ff  (Abb.  Sachs.  Ge•.  Wi••.  1909,  8.  88βΓ.)  ift  im  neuen  Reich 

etwa»  ganz  oingotroten.    Die  damal•  aufgegebene  Qauordnnng  haben  eni 

die  SaU«n  wieder  ein^efilhrt. 

2)  Vgl.  Geher  S.  62.  8)  8.  oben  8.  77.  ^ 

4)  Kinxeln«;•  ichon  richtig  (neben  Irrigem)  bei  Kuhn  II  606  If. 

6)  So  habe  ich  «io  bei  meiner  enien  Mitteilung  charakteriiiertt  Uermee  tO,  446. 

6)  Vgl.  t.  H.  aui  juitinianifcher  Zeit  die   ßovltvxal  von  Omboi  in  Cair.  Oat. 
67004,  S. 

7)  Vgl.  Lip•.  87,  8  vom  J.  889. 


gQ  Kapitel  I.     Allgemeine  historische  Grundziige. 

41  (45).  Die  städtische  Bevölkerung  der  neuen  Civitates  erscheint  nach 
wie  vor  (s.  oben)  in  Phylen  gegliedert.  Überall,  wo  diese  Phylen  bisher 
begegnen,  dienen  sie  als  Grundlage  für  die  Verteilung  der  Liturgien.  Vgl. 
Oxy.  86,  11  (46)  (a.  338);  Lips.  65  (a.  390);  Flor.  39  (a.  396)  (in  X).  In 
dem  Leipziger  Ineditum  Inv.  362  (in  43)  vom  J.  369/70  macht  ein  φνλαρχος 
den  Personalvorschlag. 

Die  städtische  Beamtenschaft  scheint  sich  im  IV.  Jahrb.  wesent- 
lich verändert  zu  haben.  Von  den  oben  S.  39  aufgezählten  Beamten,  die 
in  fester  Rangordnung  das  xoivov  των  αρχόντων  bildeten,  sind  jetzt  die 
meisten  allmählich  verschwunden.  So  sind  die  γνμναΰίαρχοί  und  κοΰμη- 
ταί  zugleich  mit  dem  Gymnasium  durchs  Christentum  beseitigt  woi'den 
(Kap.  III),  wie  die  städtischen  αρχιερείς  durch  die  christliche  Hierarchie 
verdrängt  worden  sind.  Auch  άγορανόμοι^  έ^ηγηταό^  ενΰ-ηνιάρχαί  dürften 
in  den  jüngeren  Texten  kaum  begegnen.  Doch  wann  diese  Ämter  ab- 
geschafft sind  und  wie  sie  durch  andere  ersetzt  worden  sind,  dazu  fehlt 
es  bisher  an  jeglicher  Vorarbeit,  wie  wir  sie  für  die  vordiokletianische 
Zeit  Preisigke  verdanken.  Hier  sei  nur  auf  zwei  wichtige  neue  Ämter 
hingewiesen,  die  auch  außerhalb  Ägyptens  für  die  Städte  dieser  Zeit 
charakteristisch  sind,  das  ist  der  curator  civitatis  und  der  defensor 
civitatis. 

Der  erstere^),  λογίβτης  genannt,  ist  nicht  mehr  wie  in  früheren  Jahr- 
hunderten ein  außerordentlicher  vom  Kaiser  entsendeter  Zentralbeamter, 
sondern  ein  ständiger  Munizipalbeamter,  der  vom  Rat  erwählt,  der  kaiser- 
lichen Bestätigung  unterlag  und  als  „der  vom  Kaiser  bestätigte  Bürger- 
meister"^) zunächst  die  erste  Stelle  unter  den  städtischen  Beamten  ein- 
nahm, bis  er  von  dem  defensor  an  die  zweite  Stelle  gedrängt  wurde.  ^) 
So  weit  ich  sehe  —  auch  hierfür  fehlt  es  an  einer  Durcharbeitung  des 
gesamten  Materials  —  begegnet  er  in  den  Papyri  zuerst  a.  288  in  BGU 
m  928.  Weitere  Beispiele  sind  Oxy.  VI  895  vom  J.  305  (47),  Flor.  36,  32 
vom  J.  312,  Oxy.  VI  896  (48)  vom  J.  316,  Oxy.  VI  892  (49)  vom  J.  338  usw. 
Die  beiden  Beispiele  aus  diokletianischer  Zeit  zeigen  also,  daß  der  Curator 
auch  schon  vor  der  Einführung  der  Munizipalordnung  in  den  griechischen 
Metropolen  amtiert  hat.  Seine  Kompetenzen  erstrecken  sich  auf  die  ver- 
schiedenartigsten Zweige  der  Verwaltung,  und  zwar  auf  den  ganzen  Gau 
resp.  auf  die  ganze  Civitas  (einschließlich  ihrer  δνορ/^α),  wie  er  auch  in 
Lips.  40  II  8  ff.  als  curator  civitatis  bezeichnet  wird. 

Neben  diesen  curator  trat  der  defensor  civitatis  oder  plebis,  der 


1)  Zum  curator  vgl.  Kuhn  I  36  fip.    Preisigke,  Stadt.  Beamt.  62,  2.    Seeck,  Pauly- 
Wissowa  IV  1809fiF. 

2)  Mommsen,  R.  Staatsr.  11^  1087. 

3)  Seeck  1.  c. 


C.  Die  byzantinische  Periode.     §  3.    Gau  und  Stadt.  81 

εκδικος^),  der  zum  Schutz  der  humiliores  gegen  die  potentiores ^)  für  die 
niedere  Gerichtsbarkeit  eingesetzt  allmählich  zum  angesehensten  Muni- 
zipalbeamten avancierte.  Während  man  früher  aus  C.  Theod.  1,  29,  1 
schloß,  daß  dies  Amt  überhaupt  erst  im  J.  364  geschaffen  sei,  hat  kürz- 
lich Oxy.  VI  901  gezeigt,  daß  dies  nur  für  Illyricum  gilt,  denn  nach 
diesem  Papyrus  bestand  das  Amt  in  Ägypten  mindestens  schon  im  J.  336.^) 
Weitere  Belege  für  dieses  Amt  sind  z.  B.  Oxy.  VI  902  (a.  465);  für  das 
Faijüm  BGU  836,  7  (Justinian.  Zeit),  401,  7  (a.  618:  τω  περιβλεπτω  χό- 
μετι  xai  λογιωτάτω  έκδίχω  κτλ.);  für  Antaiopolis  Cair.  Cat.  67087  (Justi- 
nian. Zeit);  für  Antinoopolis  67058  IV  1  (Justinian.  Zeit).  Neben  diesem 
defensor  hat  es  wie  außerhalb  Ägyptens  auch  hier  eine  gewisse  Gerichts- 
barkeit der  Munizipalmagistrate  gegeben,  insofern  der  Kurialpräsident  — 
hierin  der  Nachfolger  des  verschwundenen  Strategen  —  vom  praeses  de- 
legiert werden  konnte.  Vgl.  CPR  19  (a.  330)  und  Oxy.  67  (a.  338,  also 
sicher  neben  dem  defensor),  wo  der  προπολιτενόμενοξ  vom  praeses  als 
διχαότής  erbeten  und  bewilligt  wird. 

Während  die  Metropolen  des  ΙΠ.  Jahrh.  sich  trotz  ihrer  βουλή  wegen 
ihrer  Stellung  zum  Gaustrategen  von  den  autonomen  Griechenstädten 
scharf  abhoben,  ist  es  fraglich,  ob  die  seit  dem  Anfang  des  IV.  Jahrh. 
unter  Aufhebung  der  Gauordnung  organisierten  Civitates  sich  von  jenen 
Griechenstädten  noch  wesentlich  unterschieden  haben.  Die  Beseitigung 
der  Gaue  wird  zu  einer  Nivellierung  geführt  haben.  Da  es  jetzt  keine 
Strategen  mehr  gab,  werden  Städte  wie  Ptolemais  und  Antinoopolis  nun 
auch  den  Θινίτης  und  ^νηνοΐτης  mit  verwaltet  haben,  d.  h.  auch  sie 
werden  zu  civitates  geworden  sein.  Doch  das  sind  Hypothesen,  die  nur 
zur  Untersuchung  des  bisher  noch  nicht  behandelten  Problems  anregen 
sollen.  Für  eine  gewisse  Nivellierung  scheint  mir  z.  B.  zu  sprechen,  daß 
auch  für  Antinoopolis  ein  defensor  nachweisbar  ist  (s.  oben).  Auf  der 
anderen  Seite  bleibt  zu  untersuchen,  ob  diese  Griechenstädte  nicht  bezüglich 
ihrer  inneren  städtischen  Organisation  ihre  Sonderheiten  behalten  haben.  Für 
Alexandrien  verweise  ich  auf  die  wertvollen  Nachrichten  in  C.  Theod.  12, 
1,  189—192  vom  J.  436  (darunter  über  die  quinque  primates  ordinis  Ale- 
xandrini, sowie  den  auch  jetzt  noch  weiter  bestehenden  'ύπομνηματο- 
γράφος).*)  Vgl.  Franz,  GIG  III  S.  324,  auch  M.  Gelzer,  Studien  8.  18 
(über  die  Demen).     Eine   wesentliche  Änderung  bedeutete  dann  die  Ein- 

1)  BeibmaDn-Hollweg  ΠΙ  107  ff.  Seeck,  Paalj-Wiw.  IV  9860  ff.  Mittoif,  lUiob•• 
recht  167  f.    Sav.  Z.  1909,  401.     Vgl.  auch  Bd.  II  8.  81. 

2)  Oxy.  VI  902,  10:  in{»)l  tolyvp  ol  Mutoi  ίηβψοι^ύαν  ip  ταΐς  noUuttp  n9h{g] 
χψ  ßo^tutv  όρίξαί  τοΐς  άδι%ονμίνοις.  Natarlich  entreckt  tioh  loine  Kompetenx  auf 
<Im  ganz«!  alte  Qaugebiet.     Vgl.  Oxy.  901. 

8j  Vgl    hierzu  Mittele,  Sav.  Z.  1.  c.  and  Bd.  Π  S.  81. 

4)  Vgl.  auch  den  Kaiierbrief  ad  teoatoree  civiUtU  Alexandrinae  von  887  (Cod« 
Theod.  10,  10,  19). 

Mlttvti-Wllokeo:  Orandstf•  I.  ^ 


g2  Kapitel  I.    Allgemeine  historische  Grundzüge, 

Setzung  des  vindex  in  Alexandrien  durch  Anastasius,  durch  die  die  Steuer- 
erhebung dort  von  der  Kurie  auf  diesen  meistbietenden  Pächter  überging.^) 
Über  Naukratis,  das  wohl  kaum  noch  eine  Rolle  spielte,  hören  wir  nur 
einmal  von  dem  Fortbestand  seiner  βονλη  (Gen.  10,  9).  Dagegen  nehmen 
Antinoopolis^)  und  Ptolemais  auch  bis  in  die  späten  Zeiten  eine 
hervorragende  Stellung  ein.  Nacb  der  Teilung  der  Thebais  ist  Ptolemais 
die  Hauptstadt  der  oberen,  Antinoopolis  die  der  unteren  gewesen.  Die 
letztere  Stadt  scheint  unter  Justini  an  der  Hauptsitz  des  dux  Thebaidis 
geworden  zu  sein.  Die  neuen  Cairener  Papyri  (Cai),  die  zum  größten 
Teil  dorther  stammen,  zeigen,  daß  er  hier  sein  Tribunal  hatte,  vor  das 
sogar  die  Ratsherrn  von  Omboi  aus  der  oberen  Thebais  kamen.  ^)  Georgios 
Kyprios  nennt  die  beiden  Städte  ausdrücklich  die  μητροπόλεις  der 
beiden  Thebaides.^)  So  begegnet  dies  Wort  μητρόπολις,  das  im  IV.  Jahrb., 
wie  wir  sahen,  in  seiner  alten  Beziehung  zum  νομός  schwinden  mußte, 
hier  in  der  neuen  Bedeutung  als  Provinzialhauptstadt.  Für  die  Geschichte 
des  Hellenismus  ist  es  aber  von  eigenem  Interesse,  daß  gerade  diese  beiden 
Griechenstädte,  die  Gründungen  des  Soter  und  Hadrian,  schießlich  die 
Provinzialhauptstädte  der  Thebais  geworden  sind. 

Es  wurde  schon  oben  S.  71  darauf  hingewiesen,  daß  die  Einrich- 
tungen der  Diokletianisch -Konstantinischen  Monarchie  durch  die  wirt- 
schaftliche Entwicklung  des  Landes  allmählich  völlig  umgestaltet  worden 
sind.  Das  gilt  im  besonderen  auch  von  der  eben  charakterisierten  Muni- 
zipalordnung des  IV.  Jahrh.^)  Während  ursprünglich  der  ganze  alte  Gau 
als  Territorium  der  civitas  —  im  besonderen  z.  B.  in  der  Steuererhebung  — 
der  Kurie  unterstand  und  daher  sich  aus  den  pagi  des  Stadtgebietes  zu- 
sammensetzte, sind  nach  und  nach  immer  größere  Strecken  dieses  Terri- 
toriums von  der  Kurial Verwaltung  eximiert  worden.  Die  ersten,  die  dies 
erreichten,  waren  die  großen  Grundherren.  Es  wird  im  VII.  Kapitel  zu 
behandeln  sein,  wie  diese,  nach  langjährigem  Kampf  mit  der  Regierung 
um  die  Patroziniumsfrage,  endlich  im  J.  415  den  Sieg  davontrugen,  indem 
ihre  früheren  Klienten  ihnen  als  den  possessores  und  domini  als  Hörige 
überwiesen  wurden,  deren  Steuern  sie  nun  selbst  zu  erheben  hatten. 
Indem  so  die  Grundherrschaften  mit  ihren  Hörigen  (Personen  und  Dör- 
fern), die  meist  durch  den  ganzen  Gau  zerstreut  gewesen  sein  werden,  der 
Kurialverwaltung  (Exactor)  entzogen  wurden,  wurde  in  die  Pagusordnung 


1)  Zur  politischen  "Würdigung   dieser    einschneidenden  Maßregel    s.   M.  Geizer, 
Studien  98  und  Arch.  V  Heft  3. 

2)  Eine  Besonderheit  seiner  Verfassung  sind  auch  jetzt  noch  die  τιμονχου,  wenn 
wirklich  in  Flor.  71,  675  τιμονχου  als  Titel  zu  fassen  ist. 

3)  Vgl.  z.  B.  Cat.  67004,  14  und  dazu  J.  Maspero,  Bull,  de  l'Inst.  fran9.  d'arch. 
or.  VII  62  f ,  auch  mein  Referat  im  Arch.  V  Heft  3. 

4)  So  wie  Oxyrhynchos  die  μητροΛολις  von  Arcadia  war  usw. 

5)  Vgl.  zum  folgenden  die  grundlegenden  Ausführungen  von  M.  Geizer,  Studien  1.  c. 


C.  Die  byzantinische  Periode.     §  3.    Gau  und  Stadt.  •  83 

Bresche  gelegt,  die  auf  der  Einteilung  des  ganzen  Stadtgebietes  in  pagi 
beruhte.  So  ist  es  kein  Zufall,  daß  seit  dem  Anfang  des  V.  Jahrh. 
praepositi  pagorum  nicht  mehr  begegnen.^)  Dagegen  spielen  in  den 
Texten  vom  VI.  Jahrh.  an  eine  große  Rolle  die  παγάρχαι^  über  deren  Be- 
deutung erst  die  neueren  Funde  die  richtigen  Aufschlüsse  gebracht  haben.*) 
Ihr  Ursprung  und  ihr  Name  ist  gleichwohl  noch  dunkel.  Daß  diese 
großen  mächtigen  Herren,  die  nur  vom  Kaiser  abgesetzt  werden  konnten, 
mit  den  kleinen  praepositi  pagorum  der  früheren  Zeit  nichts  zu  schaffen 
haben,  ist  heute  außer  allem  Zweifel.  Vielleicht  ist  ihr  Name^)  damit 
zu  erklären,  daß  dies  neue  Amt  —  wohl  schon  im  V.  Jahrh.  —  geschaffen 
worden  war,  um  denjenigen  Teil  des  Gaues,  der  nach  Exemtion  der  von 
der  Pagusordnung  befreiten  Grundherrschaften  noch  vom  alten  Pagus- 
land*)  übriggeblieben  war,  in  einer  Hand  verwalten  zu  lassen.  Jedenfalls 
bedeutet  die  Schaffung  der  Pagarchie  eine  Zentralisierung  der  Steuer- 
erhebung in  diesem  Pagusland,  xmd  damit  andererseits  zugleich  eine  neue 
starke  Einschränkung  der  Kompetenz  der  Kurien.  Aber  nicht  das  ganze 
alte  Pagusland  ist  dem  Pagarchen  überwiesen  worden.  Einzelne  Dörfer 
sind  durch  das  Privileg  der  Autopragie  von  der  Gewalt  des  Pagarchen 
eximiert  worden,  indem  sie  formell  unter  der  Kurie  (νπο  rijv  πολιτίχήν 
ra^Lv)  stehen  blieben.  Diese  Autopragie  ist  z.  B.  dem  Dorfe  Aphrodito 
vom  Kaiser  Leo  (457 — 474)  verliehen  worden.^)  Vgl.  Kap.  V.  So  standen 
innerhalb  des  alten  Gaues  jetzt  nebeneinander  die  autoprakten  Grund- 
herren mit  ihren  Hörigen,  die  autoprakten  Dörfer  (formell  unter  der  Kurie) 
und  die  den  Pagarchen  unterstellten  Dörfer  (die  παγαρχονμεναί). 

Von  der  Macht  und  dem  Reichtum  solcher  Pagarchen,  die  meist 
selbst  zu  den  größten  Grundbesitzern  gehörten,  gaben  uns  schon  die  Oxy- 
rhynchostexte  des  VI.  Jahrb.,  die  von  den  Apionen  handeln,  eine  Vor- 
stellung.*) Von  ihren  Übergriffen  und  ihrer  Verachtung  aller  Autoritäten, 
der  kaiserlichen  wie  der  dukalen,  legen  die  Cairener  Papyri  jetzt  Zeugnis 
ab.  Sie  waren  um  so  gefährlicher,  als  sie  jetzt  vielfach  zugleich  als 
ατρατηλάταί  auch  militärisches  Kommando  hatten.')  Wiewohl  sie  vor 
allem    die   Steuererhebung   auf    dem   Lande    zu  leiten  hatten,   heißen   sie 

1)  Der  letzte,  der  zurzeit  bekannt  iet,  ist  vom  J.  411.    Vgl.  Oelzer  S.  96. 

2)  Vgl.  außer  Geizer  1.  c.  die  wertvollen  Materialien  bei  Bell,  Journ.  Hell.  Stud. 
28.  100  ff. 

8)  Er  kommt  nur  in  Ägypten  vor. 

4)  Die  Oliederung  dee  Landes  in  numerierte  pagi  fiel  ragleich  mit  den  prae> 
potiti  pagorum  fort. 

6)  DaruuN  möchte  ich  ecbließcn,  daß  auch  die  Pagarohie  lohon  im  V.  Jahrh. 
geschaffen  int.  Die  Verleihung  der  Auiopra^e  an  DOrfer  letit  lie  vorHU•.  Der  Hin- 
weii  auf  die  8  Pa^urchen  in  Cair.  Cat.  07002  II  18  paßt  su  dieser  Annahme. 

ß)  Geizer  S.  H8  il  Vgl.  Oxy.  I  180  ff.,  namontlich  18β  und  188.  Diaetr  Apion 
hat  Mine  privaten  8t«aererheber,  Schiffer,  Bankier•,  seine  eigene  Poet  uiw. 

7)  Geizer  8.  »7. 

β• 


34  Kapitel  Ι.     Allgemeine  historische  Grundzüge. 

durchweg  Pagarchen  der  , betreffenden  ,,Stadt^',  in  der  sie  residieren.^) 
Manche  dieser  Pagarchen  herrschten  zugleich  über  mehrere  Städte,  wäh- 
rend es  andererseits  auch  vorkommt,  daß  mehrere  Pagarchen  nebenein- 
ander in  einer  Stadt  residieren.^)  Ohne  Zweifel  hat  das  Pagarchenamt 
von  seiner  Begründung  an  bis  zu  der  Araberherrschaft  hin  eine  beständige 
Steigerung  erfahren. 

Auch  in  der  Dorfverwaltung  sind  manche  Änderungen  in  unserer 
Periode  eingetreten.  Wohl  finden  wir  im  IV.  Jahrh.  noch  die  beiden 
κωμάρχαί,  aber  daneben  auch  neue  Titel,  wie  den  έφορος,  der  in  Goodsp.  12 
(a.  340)  vor  ihnen  aufgeführt  wird,  ferner  den  quadrarius,  der  ebendort 
und  in  dem  gleichzeitigen  BGU  21  hinter  ihnen  genannt  wird.  Wenn  ich 
recht  sehe,  fehlt  jetzt  der  κωμογραμματενς,  der  früher  der  wichtigste  Be- 
amte im  Dorf  gewesen  war.  Wer  seine  Funktionen  übernommen  hat,  ist 
noch  zu  untersuchen.  Πρεοβντεροί  finden  sich  noch  im  Vll.  Jahrh.  Vgl. 
Lond.  I  S.  222  (8).  Vom  V.  Jahrh.  an  treten  uns  die  πρωτοκωμήταί^)  als 
eine  Behörde  entgegen,  die  im  besonderen  in  der  Steuerverwaltung  tätig 
ist.*)  In  Cair.  Cat.  67001  (a.  514)  bilden  diese  Protokometen  zusammen 
mit  den  ύνντελεόταί  und  κτήτορες  eine  κοινότης.  In  Oxy.  I  133,  7  ff. 
(a.  550)  ist  das  κοινον  των  Λρωτοκωμητών  vertreten  durch  die  κωμάρχαί^ 
deren  es  damals  mehr  als  sieben  gibt.  Ein  häufiger  Beamtentitel  dieser 
Zeit  ist  auch  der  βοηΰ'ος  κώμης.^)  Für  die  Entwicklung  der  Dorfverwal- 
tung in  byzantinischer  Zeit  liegt  ein  reiches  Material  vor,  das  der  Ver- 
arbeitung harrt. 


§  4.  BEVÖLKERUNG  UND  BEVÖLKERUNGSPOLITIK. 

Auch  für  die  Bevölkerungsfrage  besitzen  wir  in  den  Papyri  ein  wert- 
volles Quellenmaterial,  doch  fehlt  es  bisher  an  jeglichem  Versuch  einer 
Verwertung.  Ich  beschränke  mich  daher  auf  eine  Skizzierung  einiger 
Probleme. 

Das  römische  Bürgerrecht  und  das  römische  Wesen  hat  seit  Dio- 
kletian wie  anderwärts  so  auch  in  Ägypten  große  Fortschritte  gemacht. 
Unsere  Papyri  könnten,  wenn  sie  systematisch  verarbeitet  würden,  wohl 
genauere  Aufschlüsse  über  die  Art  und  das  Tempo  der  Ausbreitung  bringen. 
Im  VI.  Jahrh.  nennen  sich  Kopten  der  niedrigsten  Schichten,  Feldhüter 
und  Hirten,  die  nicht  einmal  zu  dem  κοι,νόν  des  Dorfes  gehören,  Ανρήλυοι, 


1)  Ygl.  Bell  1.  c.  und  dazu  Wilcken,  Arch.  Υ  297. 

2)  Vgl.  Geizer  S.  97  f. 

3)  Sie    begegnen    schon    im  Anfang    des  V.  Jahrh.   in    der   hist.   Lausiaca    des 
Palladius. 

4)  In  anderer  Verwendung  z.  B.  in  Lond.  III  S.  251  (n.  1073). 

5)  Vgl.  außer  den  P.  Cair.  Cat.  die  Indices  von  Wess.  Klein.  Form. 


C.  Die  byzantinische  Periode.     §  4.    Bevölkerung  und  Bevölkerungspolitik.      85 

Vgl.  Cair.  Cat.  67001.  Man  müßte  nun  die  Etappen  herausarbeiten,  die 
dahin  führten.  Geht  man  von  der  Ausschließung  der  dediticii  durch 
CaracaUa  aus,  so  könnte  man  darauf  hinweisen,  daß  durch  die  Munizipal- 
ordnung, wie  wir  sie  oben  für  den  Anfang  des  IV.  Jahrh.  annahmen,  die 
früheren  Metropolen  zu  vollwertigen  πόλεις  (civitates)  geworden  waren, 
daß  also  ihre  πολΐταί  nicht  mehr  als  dediticii  gelten  konnten,  um  so  mehr 
als  die  frühere  λαογραφία  (jedenfalls  in  dieser  Form)  jetzt  verschwand 
(Kap.  V).  So  blieben  hiemach  nur  noch  die  Dörfler  als  disqualifiziert 
zum  römischen  Bürgerrecht.  Und  hier  auf  dem  Lande  werden  in  der  Tat 
auch  noch  nichtrömische  Αίγνπτιοι  geblieben  sein.  Dies  wird  für  die 
Zeit  Theodosius'  II  m.  E.  bezeugt  durch  die  oft  zitierten  Worte  des  Isi- 
doros  von  Pelusium,  der  als  Pelusiot  doch  wohl  in  ägyptischen  Dingen 
Bescheid  wissen  mußte  (epist.  I  489):  Αιγυπτίους  μεν  δι  άπήνειαν  νόμος 
είργει  ccQxijg.  Darin  kann  ich  Μ.  Geizer  (Stud.  34/δ)  nicht  zustimmen, 
wenn  er  annimmt,  daß  hiermit  in  Ägypten  ansässige  römische  Bürger  ge- 
meint seien,  denn  die  sind  von  den  Magistraturen  nicht  ausgeschlossen 
gewesen.  Vielmehr  meint  Isidoros  offenbar  die  eingeborenen  Ägypter,  die 
Kopten,  und  wenn  er  von  diesen  sagt,  das  Gesetz  schließe  sie  von  den 
Magistraturen  aus,  so  dürfen  wir  daraus  entnehmen,  daß  es  auch  damals 
noch  wie  nach  Caracallas  Edikt  eine  staatsrechtliche  Klasse  von  ^^ίγύπτωι 
gab  —  wenn  auch  freilich  inzwischen  vielleicht  durch  die  Munizipal- 
ordnung etwas  zusammengeschmolzen  — ,  die  das  römische  Bürgerrecht, 
das  die  Vorbedingung  für  die  höheren  Magistraturen  war,  noch  nicht  be- 
saß. Dazu  paßt  nicht  schlecht,  daß  noch  in  einer  Konstitution  vom 
J.  415  von  den  homologi  coloni  gesprochen  wird  (s.  oben  S.  59).  Fak- 
tisch wird  die  Zahl  der  nichtrömischen  Ägypter  durch  fortgesetzte  Bürger- 
rechtserteilungen durch  die  Kaiser  immer  kleiner  geworden  sein;  man 
denke  nur  an  die  massenhaft  auftretenden  Φλάονιοι.  und  endlich  ist  der 
Begriff  des  dediticius,  dessen  Voraussetzung,  wie  wir  vermuteten,  schon 
seit  dem  IV.  Jahrh.  z.  T.  fortgefallen  \varen,  schließlich  ganz  obsolet  ge- 
worden. .Justinian  erklärte  im  J.  530  die  dediticia  condicio  als  ein 
vanum  nomen,  das  ganz  zu  beseitigen  sei.^)  Mögen  diese  Andeutungen 
bei  einer  gründlichen  Untersuchung  geprüft  werden. 

Entsprechend  dem  stärkeren  Vordringen  des  Homanismus,  das  wir  schon 
oben  S.  79  anläßlich  der  Munizipalordnung  hervorhoben,  hat  sich  in  unserer 
Periode  auch  der  Gebrauch  des  Latein,  das  vorher  über  die  Armeekreise 
kaum  hinausreichte,  erweitert.  Ja  das  Latein  ist  jetzt  die  offizielle  Amts- 
Hprache  der  höheren  Stellen  geworden  —  oder  es  ist  doch  wenigstens  der 
Versuch  dazu  gemacht  worden.  Daß  die  an  »In  lux  gerichteten  Eaiser- 
reskripte,    Leid.    Ζ   (β)    und    die    Maßmannschen    Urkunden    (Mommsen, 

worauf  mich  MitUiN  hiiiwie•. 


8ß  Kapitel  I.     Allgemeine  historische  Grundzüge. 

Stobbes  Jahrb.  VI  398 ff.),  lateinisch  geschrieben  sind,  beweist  noch  nichts^), 
zumal  Hadrian  an  den  Präfekten  Rammius  ja  auch  lateinisch  geschrieben 
hatte  (BGU  140);  auch  steht  ihnen  das  griechische  Schreiben  des  Dio- 
kletian und  seiner  Genossen  in  Oxy.  VI  889  gegenüber.  Aber  entscheidend 
ist,  daß  im  Gegensatz  zur  vorhergehenden  Periode  die  Amtsjournale  der 
höheren  Beamten,  wie  der  praesides  und  des  iuridicus,  jetzt  lateinisch 
redigiert  wurden.  Die  vor  Gericht  gesprochenen  Worte  wurden  in  der 
Sprache,  in  der  sie  geredet  waren,  sei  es  griechisch  oder  lateinisch,  pro- 
tokolliert, aber  die  Darstellung  des  Protokollführers  (Datum,  Überschrift, 
Nennung  der  Redner  usw.)  wurde  lateinisch  gegeben.^)  Wenn  ich  nicht  irre, 
ist  unter  Diokletian -Konstantin  sogar  der  Versuch  gemacht  Avorden,  den 
Richter  auch  im  Verkehr  mit  griechisch  Redenden  lateinisch  sprechen  zu 
lassen  oder  mindestens  die  Sentenz  lateinisch  verkünden  zu  lassen,  wäh- 
rend dies  später  wieder  aufgegeben  ist  zugunsten  der  griechischen  Sprache 
auch  des  Richters.  Für  diese  Annahme  einer  ursprünglich  schärferen  Be- 
tonung der  lateinischen  Amtssprache  verweise  ich  auf  den  im  Arch.  III  340 
edierten  Text  vom  J.  322,  in  dem  die  Sentenz^)  des  Richters  lateinisch 
protokolliert  ist  (es  folgt  eine  έρμηνεόα),  und  ähnlich  liegt  es  in  Lips.  44  I 
und  Wessely,  Lat.  Taf.  14,  aus  derselben  frühen  Zeit.  Vgl.  dagegen  Lips. 
33, 38,  Arch.  I  298  ff.  aus  späterer  Zeit,  wo  der  Richter  nach  griechischem 
Interlokut  auch  die  Sentenz  griechisch  gibt.^)  Im  Verkehr  außerhalb  des 
Gerichtes  ist  eine  Abnahme  des  Griechischen  kaum  zu  spüren,  so  daß  wir 
dieselben  griechischen  Urkundenarten  wie  aus  der  früheren  Periode  haben. 
Sollte  dies  Ergebnis  sich  nicht  durch  weiteres  Material  als  irrig  er- 
weisen, so  könnte  man  wohl  von  einer  im  wesentlichen  gelungenen  helle- 
nistischen Abwehr  des  romanistischen  Vorstoßes  sprechen,  denn  das  Ent- 
scheidende ist,  welche  Sprache  im  mündlichen  oder  schriftlichen  Verkehr 
herrscht,  nicht,  welcher  Sprache  sich  der  Redakteur  des  Protokolls  be- 
dient. Immerhin  ist  ein  gewisses  Vordringen  des  Latein  nicht  za  ver- 
kennen; abgesehen  von  der  lateinischen  Redaktion  jener  Journale  wäre 
auch  auf  die  häufigen  lateinischen  Datierungen  von  Urkunden,  lateinische 
Subskriptionen  u.  dgl.  hinzuweisen. 


1)  Vgl,  auch  den  an  den  praeses  von  Phönicien  von  Ägypten  aus  gerichteten 
lateinischen  Empfehlungsbrief  in  Arch.  IE  (168)  ed.  Bresslau. 

2)  In  Lond.  III  S.  128  f.  (aus  früher  Zeit)  sind  die  Lücken  m.  E.  für  die  lateini- 
schen Titel  des  praeses  freigelassen.  Auch  der  durchstrichene  Buchstabe  vor  den 
Parteireden  scheint  mir  eher  ein  lateinischer  zu  sein  (s?)  als  ein  griechisches  7t. 

3)  Da  der  Richter  hier  außer  der  Sentenz  nichts  gesagt  hat,  bleibt  die  Frage, 
ob  er  vorher  im  Interlokut  griechisch  oder  lateinisch  sprechen  würde,  unbeantwortet. 
Ebenso  in  den  2  fragmentierten  anderen  Beispielen.  Aber  Lond.  III  S.  128f.  spricht 
für  den  Gebrauch  des  Griechischen.  Vgl.  dagegen  C.  Theod.  8, 15, 1,  wo  Kaiser  Kon- 
stantin mit  einer  griechischen  Partei  sich  lateinisch  unterhält. 

4)  Wie  auch  Julian  in  C.  Theod.  11,  39,  5. 


C.  Die  byzantinische  Periode.     §  4.    Bevölkerung  und  Bevölkerungspolitik.      87 

Ein  anderes  Problem  ist  die  Entwicklung  der  Hellenen  und  der 
Ägypter  und  ihr  Verhältnis  zueinander.  Das  Aufhören  der  gymnasialen 
Erziehung  im  lY.  Jahrh.  (LLL  Kap.)  kann  kaum  ohne  Wirkung  auf  die 
Entwicklung  der  Rasse  gewesen  sein:  es  muß  die  fortschreitende  Orienta- 
lisierung  befördert  haben.  Untersuchungen  über  die  graeco- ägyptische 
\^ölkermischung  werden  für  diese  Zeit  vielleicht  noch  schwieriger  zu 
führen  sein  als  für  die  frühere  Periode,  je  weiter  das  Christentum  sich 
ausdehnt,  denn  die  neuen  christlichen  Namen  nehmen  uns  jede  Möglich- 
keit, diese  Fragen  zu  behandeln.  Auf  der  anderen  Seite  lehrt  die  Kirchen- 
geschichte, daß  zwischen  Hellenen  und  Ägyptern  durch  das  Christentum 
eine  tiefe  Feindschaft  entstanden  ist,  zuerst  weil  die  Hellenen  (die  „Heiden'^) 
sich  lange  gegen  die  neue  Religion  sträubten,  nachher,  weil  Hellenen  und 
Ägypter  verschiedene  Bekenntnisse  hatten,  jene  als  Anhänger  der  ortho- 
doxen melchitischen  Kirche,  diese  als  Monophysiten.  Ob  in  unseren  Papyri 
Anspielungen  auf  diese  Gegensätze  zu  finden  sind,  ist  noch  zu  unter- 
suchen. Auch  von  den  inneren  Unruhen  und  Kämpfen,  von  denen  die 
literarische  Tradition  berichtet,  sind  bisher  keine  Spuren  in  den  Papyri 
bemerkt  worden.  Leider  fehlen  in  den  Papyri  bis  jetzt  auch  alle  Nach- 
richten über  das  Verhältnis  der  Hellenen  zu  den  Juden  in  der  byzan- 
tinischen Zeit. 

Aussichtsvoller  ist  es,  das  Erstarken  des  Ägyptertums  gegenüber 
dem  Hellenentum,  das  Vordringen  der  ägyptischen  Sprache,  das  Sinken 
der  griechischen  Kultur  zu  untersuchen.  Freilich  wird  man  hierfür  bei 
der  griechischen  Tradition  nicht  stehen  bleiben  dürfen,  sondern  wird  die 
koptische  Literatur,  die  getragen  von  der  koptischen  Kirche  sich  mächtig 
entwickelt,  heranziehen  müssen.  So  sicher  es  ist,  daß  durch  die  National- 
kirche und  die  neue  Nationallitteratur  das  Kopten  tum  erstarkte,  so  be- 
greiflich ist  es,  daß  das  Griechentum  niedergehen  mußte,  eingekeilt 
zwischen  diesem  ihm  feindlichen  —  und  im  Mönchstum  geradezu  bildungs- 
feindlichen —  Koptentum  und  andererseits  dem  Neurömertum,  von  dem 
es  als  höchste  nationale  Kulturleistung  die  Zirkusspiele  der  Grünen  und 
Bhiuen  übernahm.  Für  den,  der  den  Niedergang  einer  Kultur  aus  der 
Sprache  und  den  Gedanken  öffentlicher  und  privater  Akten  ablesen  kann, 
sind  die  Papyri  eine  kulturhistorische  Quelle  ersten  Ranges.  Anderer- 
eeite  wäre  es  wertvoU,  durch  Nebeneinanderhalten  der  griechischen 
und  koptiHchen  Tradition  die  allmUliliche  Verengerung  des  grieohiechen 
Spra<;hgel)i<te8  zu  eruieren.  Für  das  Anwachsen  des  koptischen  Sprach- 
^«•bietcH  mödito  ich  auf  die  Tatsache  hinweisen,  daß  jetzt  wieder,  wie 
zu  Ik'ginn  der  Ptolemäerzeit,  Begierungserlasse  iweisprachig 
jMi,,iiziert  wurden,  griechisch  und  koptisch.  Hierfttr  gibt  ein  Beispiel 
Cair.  i.'at.  67031,  Iß,  wo  der  Erlaß  eines  dux  über  Sportein  mit  den 
Worten   Hchliißt:    xal   tfl  ίπιχω^ίφ  μ«θίρμ<ΐ7ν>ί[υ]θ'ΐ}ναί  6ΜίΧ[έ\χτφ  χτλ. 


33  Kapitel  Ι.     Allgemeine  historische  Gnindzüge. 

Es  war  dies  offenbar  wieder  eine  Notwendigkeit  geworden,  da  in  weiten 
Kreisen  der  Ägypter  die  griechisclien  Erlasse  nicht  verstanden  wurden. 
„Die  griechische  Sprache  war  den  Kopten,  und  zwar  selbst  den  Kleri- 
kern im  allgemeinen  nicht  geläufig'^,  versichert  Leipoldt  schon  für 
Schenutes  Zeit,  um  400.^)  Kein  Wunder,  daß  etwa  200  Jahre  später  der 
Bischof  Abraham  von  Hermonthis  sein  Testament,  das  wir  in  Lond.  I 
S.  232  ff.  griechisch  lesen,  zunächst  koptisch  diktiert  hatte  (Z.  12): 
έπαγόρενβα  μίν  (so  trenne  ich;  1.  νπηγόρενοα)  rf}  των  ΑΙγνπτίων 
φωνΐ]  f  Έλληνίκοΐς  öh  καΐ  ρήμαόίν  ejtera^a  γραφηναί.  Vgl.  Ζ.  68ff.^) 
Auch  die  gegenseitige  Beeinflussung  der  Sprachen  ist  charakteristisch  für 
diese  Periode.  Wieviel  griechisches  Sprachgut  ins  Koptische  übergegangen 
ist,  wissen  die  Koptologen.  Sehr  viel  geringer  sind  die  koptischen  Spuren 
in  unseren  griechischen  Texten,  aber  sie  fehlen  auch  nicht  ganz.  Im  be- 
sonderen treten  sie  in  dem  fürchterlichen  Vulgär  griechisch  uns  entgegen, 
das  dann  zu  den  südlichen  Nachbarn,  den  Blemyern  und  Nubiern  ge- 
wandert ist.  Vgl.  z.  B.  die  Inschrift  im  Arch.  1  417.  Viel  stärker  ist 
die  Beeinflussung  des  Griechischen  durch  das  Latein  in  dieser  Zeit. 


D.  DIE  ARABISCHE  PERIODE. 

J.  Karabacek,  Die  Theodor  Grafschen  Funde  in  Ägypten  1883;  Ders.,  Ergeb- 
nisse aus  den  Papyrus  Erzherzog  Rainer  1889;  Ders.,  Führer  PR  1894  S.  133  fiP.  — 
C.  H.  Becker,  Beiträge  zur  Geschichte  Ägyptens;  Ders.,  Papyri  Schott -Reinhardt  I 
(P.  Heid.  in,  1)  1906;  Ders.,  Arab.  Papyri  des  Aphroditofundes,  Z.  f.  Assyr.  20,  68  £f. 
1906  und  Papyrusstudien  I  ebend.  22,  137  ff.  1908.  Ders.,  Grundlinien  d.  wirtschaftl. 
Entwicklung  Ägyptens  in  den  ersten  Jahrhunderten  des  Islam,  Klio  9,  Heft  2,  1908.  — 
H.  J.  Bell,  The  Aphrodite  Papyri,  Jour.  Hell.  Stud.  28,  97ff.  1908.»)  —  Stanley 
Lane-Poole,  Α  history  of  Egypt  in  the  Middle  Ages  1901.  —  J.  Wellhausen, 
Das  arabische  Reich  und  sein  Sturz,  1902. 

Die  Grundlage  für  die  Erforschung  der  arabischen  Periode  müssen 
selbstverständlich  die  arabischen  Quellen  bilden,  außer  den  Autoren  auch 
die  massenhaft  erhaltenen,  aber  erst  zum  kleinsten  Teil  publizierten  ara- 
bischen Papyri.*)  Gegenüber  diesen  und  den  gleichfalls  sehr  zahlreich 
erhaltenen  koptischen  Papyri^)  treten  die  griechischen  Urkunden  dieser 
Periode  (bis  Ende  des  X.  Jahrh.)  numerisch  sehr  zurück.^)     Erst  kürzlich 


1)  Schenute  von  Atripe  S.  26. 

2)  Über  die  koptischen  Schreibereien  dieses  Abraham  vgl.  Crum,  Copt.  Ostraka. 

3)  Ygl.  meine  Referate  über  Beckers  und  Beils  Arbeiten  im  Arch.  III  551  f. 
IV  185,  258,  V  297  f. 

4)  Vgl.  über  die  letzteren  Einleitung  §  1. 

5)  Vgl.  Einleitung  §  1. 

6)  Vgl.  das  Generalregister.  Besonders  zahlreich  sind  die  Urkunden  der  arabi- 
schen Zeit  in  Wess.  Stud.  Pal.  III  u.  VIII  (klein.  Form.).  Weiteres  findet  man  in  BGU, 
in  Wien.  Denk.  37  usw. 


D.  Die  arabische  Periode.  89 

sind  durch  die  Funde  von  Aphrodito  (Köm  Esqäw)  auch  aus  dieser  Zeit 
größere  Mengen  zusammenhängender  Gruppen  (Anfang  des  YIII.  Jahrh.) 
zutage  gekommen,  die  zum  größten  Teil  nach  London,  z.  T.  nach  Heidel- 
berg, Straßburg  usw.  gebracht  sind.  Vgl.  den  Bericht  Beils  1.  c.  Da  die 
Ausgabe  der  Londoner  Stücke  (als  Lond.  IV),  von  denen  nach  Beils 
Mitteilungen  die  wichtigsten  Aufschlüsse  zu  erwarten  sind,  jeden  Tag  er- 
seheinen kann,  beschränke  ich  mich  hier  auf  eine  in  den  allgemeinsten 
Umrissen  gehaltene  Skizze,  in  der  Hoffnung,  beim  Druck  späterer  Kapitel 
diese  Edition  bereits  verwenden  zu  können. 

Zur  Zeit,  da  die  Sassaniden  über  Ägypten  herrschten  (s.  oben  S.  70), 
war  Muhammed  aufgestanden  und  hatte  im  Islam  einen  gewaltigen  neuen 
Faktor  der  Weltgeschichte  geschaffen.  Es  dauerte  nicht  lange,  daß  den 
mit  diesem  Islam  unaufhaltsam  vorrückenden  Arabern  auch  Ägypten  zu- 
fiel, dessen  ganze  Schwäche  schon  bei  der  persischen  Katastrophe  zutage 
getreten  war.  Als  im  J.  639  Amru  ihn  el-'Asi  die  ägyptische  Grenze 
überschritt,  schlössen  sich  die  monophysitischen  Kopten  aus  Haß  gegen 
Byzanz  den  Muslimen  als  ihren  Befreiern  an.  Das  kaiserliche  Heer  wurde 
geschlagen  und  Alexandrien  mußte,  als  die  byzantinischen  Schiffe  aus- 
blieben, nach  langwieriger  Belagerung  kapitulieren  (641).  Aus  dieser  Er- 
oberungszeit stammt  Lond.  I  S.  222  (8)  ^)  vom  J.  639/40.  Vgl.  auch 
BGÜ  304  vom  J.  647/8. 

So  war  Ägypten  eine  Provinz  des  großen  Khalifenreiches  geworden. 
Den  neuen  Herrn,  der  zuerst  von  Medina,  dann  von  Damaskus  und  dann 
von  Bagdad  aus  das  Land  regierte,  nennen  unsere  Texte,  mit  Transkrip- 
tion seines  arabischen  Titels:  '^μιραλμονμνόν  (Fürsten  der  Gläubigen).*) 
Wie  einst  der  römische  Kaiser  seinen  Präfekten,  so  setzte  der  Khalif  seinen 
Statthalter  an  die  Spitze  der  Provinz.  Die  griechischen  Texte  nennen  ihn 
όύμβονλος  —  wie  Theophanes  den  Khalifen  den  πρωτοόνμβονλος  nennt.•) 
Vgl.  z.  B.  Stud.  Pal.  VIU  u.  1082:  ΆβδελαζΙζ  6νμβονλ{. .),  der  von  685 
bis  705  Statthalter  war;  Heid.  III  (1)  5  ff.  passim.  Residenz  des  Statt- 
halters wurde  nicht  Alexandrien,  sondern  Fustat  (το  Φοόοατον  in  den 
Papyri),  das  Amru  gegenüber  von  Memphis  bei  dem  römischen  Lager 
von  Babylon  begründet  hatte;  aus  ihm  ist  später  Kairo  erwachsen. 
So  war  Ägypten  jetzt  wieder  ein  einheitliches  Verwaltungegebiet  wie  einst 
als  Diözese,  and  es  ist  bemerkenswert,  daß  parallel  mit  Αίγνχτος  auch 
!4φριχή  und  ^yivaroXrj  (—  Oriens)  als  Teile  des  Khalifenreiches  beseichnet 
werden.    Vgl.  Bell  1.  c.  S    11.').     Die  Verwaltung  des  Landes  wurde  zum 

1)  Andere  Texte  (!<•γ  ΥλΜ  li«-^rn  in  Wien,  noch  onpubliiiert  Vgl.  die  Be- 
■cbrcibnngen  im  Führer  ΓΚ  S.  137  ff. 

2)  V^I.  Lond.  I  8.  280  (24),  Stud.  Pal.  VIII  n.  108«.  HRuBg  in  den  Londoner 
Texten  (IJdl). 

3;  Wellhaoicn  I.  c.  86  Anm.  2. 


90  Kapitel  Ι.     Allgemeine  historische  Grundzüge. 

großen  Teil  von  den  Byzantinern  übernommen.  Die  alten  Namen  der 
Teilprovinzen  begegnen  zunächst  auch  jetzt  noch.  So  zitiert  Bell  aus 
einem  Londoner  Papyrus  (VIII.  Jahrh.)  die  Erwähnung  von  Arcadia, 
Thebais  und  το  λίμιτον.^)  Doch  läßt  Becker  die  Frage  offen,  ob  das 
nicht  nur  noch  geographische  Bezeichnungen  waren.  ^)  Für  diese  Annahme 
scheint  zu  sprechen,  daß  der  Statthalter  ohne  Vermittlung  von  praesides 
oder  dgl.  direkt  mit  dem  Dorf  Aphrodito  verkehrt.  Andererseits  nennt 
BGÜ  III  750  einen  dux  von  Arcadia,  und  ein  Rainer-Papyrus  vom  J.  699 
einen  dux  von  Arcadia  und  Thebais.  Nach  Bell  S.  114  begegnet  im  An- 
fang des  VIII.  Jahrh.  auch  noch  der  Augustalis  von  Alexandrien.  Über 
die  Bedeutung  dieser  Titel  sind  weitere  Aufschlüsse  abzuwarten.  Dagegen 
sehen  wir  schon  jetzt,  daß  die  Pagarchen  unverändert  in  die  neue  Zeit 
hinübergegangen  sind.  Die  Pagarchien  scheinen  in  den  Londoner  Texten 
nach  BeUs  Mitteilungen  (S.  100  ff.)  eine  große  Rolle  zu  spielen.  Der 
Ausdruck  νομ,ός,  der  auch  jetzt  noch  vorkommt,  kann  nur  noch  geo- 
graphische Bedeutung  haben,  da  er  seinen  staatsrechtlichen  Begriff  ja  schon 
Jahrhunderte  vorher  eingebüßt  hatte.  ^)  An  die  Pagarchendynastie  der 
byzantinischen  Zeit  (vgl.  die  Apionen  bei  Geizer  1.  c.)  erinnert  der  Apa 
Kyros  mit  seinen  Söhnen  Christophoros  und  Theodorakios,  die  gleichfalls 
wie  der  Vater  dies  Amt  bekleiden/) 

Die  Araber  treten  nunmehr  als  das  Herrenvolk  im  Lande  auf,  so  wie 
früher  die  Makedonier  und  dann  die  Römer.  Die  Muslimen  sind  steuer- 
frei, während  die  Ungläubigen  Tribut  zu  zahlen  haben,  im  besonderen 
auch  die  Kopfsteuer  (vgl.  Kap.  V).  Dies  hat  mit  der  Zeit  dem  Islam 
immer  neue  Anhänger  aus  den  Reihen  der  Kopten  zugeführt.  Als  hier- 
durch die  Belastung  der  übriggebliebenen  Ungläubigen  eine  unerträgliche 
wurde,  sah  sich  die  Regierung  (im  VIII.  Jahrh.)  genötigt,  eine  Steuer- 
reform einzuführen.  Die  schweren  Kämpfe  mit  den  Kopten,  die  im  Ver- 
folg dieser  Neuerungen  ausbrachen,  endeten  erst  im  IX.  Jahrh.  mit  der 
völligen  Niederwerfung  der  Kopten,  worauf  dann  die  Verschmelzung  der 
Kopten  mit  den  Arabern  einsetzte.^)  Aus  der  Zeit  vor  jenen  Kämpfen 
bringen  die  Londoner  Papyri  nach  Beils  Mitteilungen  viele  Nachrichten 
über  die  immer  stärker  werdende  Landflucht  (die  φυγάδες),  in  der  er  und 
Becker  die  Vorboten  der  späteren  Erhebungen  sehen.  ^)  Zu  dieser  Land- 
flucht vgl.  auch  Lond.  I  S.  230  (24). 

Um  den  weiteren  Niedergang   des   Griechentums,    der  schon   in  der 


1)  Tb  λίμιτον  ist  nicht  neu.     Vgl.  τον  Θηβαϊχον  λιμίτου  in  Leid.  Ζ  (6). 

2)  Ζ.  f.  Assyr.  22,  141. 

a)  Hierin  sind  Beils  Ausführungen  1.  c.  von  Geizer  überholt  worden,  ebenso  be- 
treffs der  Pagarchen. 

4)  Vgl.  Führer  PR  n.  550  ff.  und  BGU  304,  320. 

5)  Vgl.  Becker,  Klio  1.  c.  S.  9  (SA).  6)  Becker,  Z.  f.  Assyr.  22,  139. 


D.  Die  arabische  Periode.  91 

byzantinisclien  Zeit  in  vollem  Gange  war  (s.  S.  87),  zu  untersuchen,  haben 
wir  in  den  griechischen,  arabischen  und  koptischen  Urkundenmassen  der 
arabischen  Zeit  eine  Quelle  ersten  Ranges.  Wir  werden  zu  Zeugen,  wie 
die  griechische  Sprache  allmählich  verdrängt  wird,  wie  in  den  Kanzleien 
zunächst  die  arabische  neben  sie  tritt,  wie  dann  die  griechisch-arabischen 
Bilinguen  durch  die  arabisch -griechischen  ersetzt  werden,  bis  schließlich 
das  Arabische  allein  herrscht.^)  Und  ebenso  sehen  wir  auch  im  privaten 
Gebrauch  das  Griechische  mehr  und  mehr  durch  das  Arabische  und  das 
Koptische  verdrängt  Λverden.  Die  letzte  unter  den  bekannt  gegebenen  Ur- 
kunden, die  noch  griechische  Schriftzeichen  trägt,  ist,  wenn  ich  recht  sehe, 
der  Wiener  Text  im  Führ.  PR  n.  1090  —  eine  arabisch -griechische  Bi- 
lingue  auf  Papier.  Wenn  auch  die  Kopten  vorgearbeitet  hatten,  gilt 
doch  auch  hier  das  Wort  Mommseus,  der  den  Islam  den  Henker  des 
Hellenismus  genannt  hat. 


1)  Vgl.  Becker,  Heid.  lU  (1)  S.  28fif. 


KAPITEL  Π. 

EELIGION  UND  KULTUS. 

A.  PTOLEMÄEEZEIT. 

Grundlegend  Walter  Otto,  Priester  und  Tempel  im  hellenistiechen  Ägypten 
I  1905.  II  1908  und  dazu  die  wichtige  Besprechung  von  M.  Rostowzew,  Gott. 
Gel.  Anz.  1909  Nr.  8  S.  603  ff.  Fr.  Cumont,  Die  orientalischen  Religionen  im  röm. 
Heidentum  1910.  Außerdem  vgl.  die  oben  S.  2  zur  Ptolemäergeschichte  aufgezählten 
Werke.  Zu  ihnen  kommt  soeben  hinzu  Wilamowitz,  Staat  und  Gesellschaft  der 
Griechen  (in  der  „Kultur  der  Gegenwart").   Speziellere  Arbeiten  werden  unten  genannt. 

§  1.    RELIGIONS-  UND  KIRCHENPOLITIK  DES  STAATES. 

Die  der  griechischen  Religion  eigene  Toleranz  fand  in  dem  Weltreich 
Alexanders  des  Großen,  das  Völker  der  verschiedensten  Religionen  um- 
faßte, einen  gesteigerten  Ausdruck.  Wie  Alexander  allerorten  den  Göttern 
der  von  ihm  Besiegten  gehuldigt  hat,  so  hat  er  auch  in  Ägypten  dem 
Apis  geopfert^),  was  auf  das  ägyptische  Volk  um  so  mehr  befreiend 
wirken  mußte  ^),  als  die  persische  Regierung  nach  den  großen  nationalen 
Aufständen  ihre  ursprüngliche  Toleranz  aufgegeben  und  die  religiösen 
Gefühle  der  Ägypter  —  wie  durch  die  Tötung  des  Apisstieres  durch 
König  Ochos  —  aufs  tiefste  verletzt  hatte.  An  diesem  Prinzip  der  reli- 
giösen Toleranz  haben  auch  die  Ptolemäer  nicht  gerüttelt,  und  sie  ist 
allen  hier  gepflegten  Religionen,  auch  der  jüdischen,  gegenüber  geübt 
worden.  Im  besonderen  aber  ist  der  ägyptische  Kultus  unter  ihrer  Herr- 
schaft nicht  nur  staatlich  anerkannt  gewesen,  sondern  auch  durch  könig- 
liche Stiftungen  und  Geschenke  sowie  durch  persönliche  Teilnahme  der 
Könige  gefördert  worden.  Es  entsprach  dies  nicht  nur  den  allgemeinen 
hellenistischen  Anschauungen,  sondern  es  war  auch  das  beste  Mittel,  die 
„gottesfürchtigen^^  Ägypter  der  neuen  Herrschaft  zu  nähern. 

Außer  den  griechischen  Nachrichten^)  sind  hierfür  die  ägyptischen 
Denkmäler  Zeugnisse,  die  jetzt  von  Kurt  Sethe  in  den  „Hieroglyphischen 


1)  Arrian  Anab.  ΠΙ  1,  4.    Ebendort  über  den  von  Alexander  angeordneten  Kult 
der  Isis  in  Alexandria. 

2)  Nur  bei  dieser  religiösen  Toleranz  konnte  hier  die  Sage  entstehen,  daß  Alexander 
der  Sohn  des  Nektanebo  II  sei  (Ps.  Kallisthenes). 

3)  Vgl.  namentlich  Dittenberger,  Or.  Gr.  I. 


Α.  Ptolemäerzeit.     §  1.    Religions-  und  Kirchenpolitik  des  Staates.  93 

Urkimden  der  griechisch  -  römischen  Zeit'^  zusammengestellt  werden.  ^) 
Unter  ihnen  ragen  z.  B.  hervor  die  Satrapenstele  (Sethe  II  Uff.)?  i^ach 
der  Ptolemaios  Lagu  als  Satrap  im  Jahre  311  der  Göttin  Buto  ein  Stück 
Land  zurückgab,  das  einst  Xerxes  konfisziert  hatte  ^),  femer  die  Stele  von 
Pithom  (Sethe  II  81  ff.)  und  die  Mendesstele  (Sßthe  II  28  ff.)  aus  der  Zeit 
des  Philadelphos,  die  für  sein  Verhalten  gegenüber  dem  ägyptischen  Kultus 
äußerst  wichtige,  freilich,  wie  allein  schon  der  Revenue -Papyrus  zeigt, 
sehr  einseitige  Aufschlüsse  geben.  Nur  durch  das  Zusammenarbeiten  der 
griechischen  und  ägyptischen  Nachrichten  läßt  sich  ein  richtiges  Bild  ge- 
winnen. Als  dann  seit  Philopator,  wie  wir  sahen  (S.  20),  die  nationalen 
Unruhen  begannen,  ist  die  Fürsorge  der  Könige  für  die  ägyptischen  Götter 
nur  noch  gesteigert  worden,  um  die  Ruhe  im  Lande  zu  sichern.  Von  den 
heute  noch  aufrechtstehenden  Tempeln  Ägyptens  stammen  bekanntlich  die 
meisten  —  wie  die  von  Dendera,  Der  el-Medine,  Edfu,  Kom-Ombo, 
Philae  —  aus  der  Ptolemäerzeit,  und  vieles  daran  ist  auf  königliche  Muni- 
fizenz  zurückzuführen. 

Das  Hauptproblem  der  Religionspolitik  war  aber  nicht  eine  einseitige 
Förderung  der  ägyptischen  Religion,  sondern  der  friedliche  Ausgleich 
zwischen  dieser  und  der  griechischen  Religion  des  herrschenden  Volkes. 
Diesem  Zweck  diente  einmal  die  von  der  Regierung  beförderte  Gleich- 
setzung von  griechischen  Göttern  mit  ägyptischen,  die  schließlich  zu  einer 
völligen  Theokrasie  führte  (s.  unten  S.  107 f.),  ferner  die  Einführung  der 
nach  griechischer  Art  apotheosierten  Könige  als  övvvaoi  dsoi  in  den 
ägyptischen  Kultus  (s.  unten  S.  107).  Endlich  hat  auch  die  Einführung 
des  Sarapis  und  seine  Gleichsetzung  mit  dem  Osiris-Apis  derselben  Politik 
der  Versöhnung  und  Ausgleichung  gedient  (s.  unten  S.  101),  und  zwar  mit 
so  durchschlagendem  Erfolg,  daß  man  hierauf  hin  mit  Recht  von  dem 
„politischen  Genie*^  des  Ptolemaios  gesprochen  hat.*) 

Von  dieser  schon  für  die  ersten  Ptolemäer  nachweisbaren  Religions- 
politik ist  aber  zu  trennen  die  Kirchenpolitik.*)  So  sehr  der  Staat 
auch  in  seiner  Toleranz  dem  ägyptischen  Volke  seine  Religion  erhalten 
wollte,  und  so  viel  er  auch  finanziell  für  die  Pflege  des  ägyptischen 
Kultus  durch  Gesch<*nke  und  Stiftungen  getan  hat,  so  hat  er  andererseits 
mit  allen  Mitteln  verhindert,  daß  die  ägyptische  Priesterschaft  wie  einst 
in  der  Pharaonenzeit  einen  Staat  im  Staate  bilde. '^)    Wie  es  sich  von  den 

1)  Bis  jetzt  enichioncn  2  Hofte  (bei  Hinriche  1904),  von  Alexander  bie  Bnergete•  L 
VoIUtandige  duuUtcbo  übereetzungen  sollen  folgen. 

2)  Vgl.  hierzu  meine  AuefOhrangen  in  der  Ägypt.  Z«itachrift  85  (18U7)  85  f.,  die 
jetzt  durch  P.  Libbcy  beetiltigt  worden  Hind.  Vgl.  Aroh.  V  380.  Die  alte  irrige 
Deutung  jetzt  noch  bei  Λ    Krman,  Äg.  Keligion,  2.  Aufl.  (1909),  296  wiederholt 

8)  Cumont  1  c.  04.  4)  über  den  Begriff  der  Kirche  •.  unten  8.  110. 

5)  Ich  Kchließe  mich  hier  und  im  folgenden  in  der  WOrdigong  der  Kirchen- 
Politik  den  zutreffenden  Auifahrungen  von  Kottowiew  (QOA  1909,  686  ff.)  gegenflber 
Otto  II  285  ff.  un. 


94  Kapitel  Π.     Keligion  und  Kultus, 

griechischen  Priestern  von  selbst  verstand,  so  haben  die  Ptolemäer  auch 
die  ägyptischen  Priester  direkt  unter  die  staatliche  Autorität  gestellt. 
Der  Gott  galt  zwar  als  Eigentümer  des  Tempels  und  der  Tempelschätze, 
aber  sein  Vertreter  auf  Erden  war  nicht  die  Priesterschaft,  sondern  der 
König,  der,  bald  selbst  Gott,  die  letzte  Entscheidung  in  allen  Tempel- 
angelegenheiten hatte  und  die  oberste  Spitze  der  gesamten  Tempelverwal- 
tung darstellte.^)  Das  Tempelland  war  zwar  nominell  dem  Gotte  heilig 
(Ιερά)^  aber  rechtlich  gehörte  es  ebenso  wie  die  γή  χληρονχίκη  und 
Ιδιόκτητος  zur  εν  άφεΰεί  γη^  ά.  h.  auch  ihm  gegenüber  wurde  die 
Prätension  festgehalten,  daß  der  König  ein  Obereigentum  daran  hatte 
(s.  unten  Kap.  VII).  Es  war  daher  ebenso  wie  jedes  andere  Land  steuer- 
pflichtig und  unterstand  der  staatlichen  Bodenverwaltung.  Vgl.  Teb.  6. 
Nur  die  dem  Gotte  als  Geschenk  überwiesenen  Ländereien  (γη  άνιερωμενη) 
genossen  mindestens  seit  dem  großen  Regierungserlaß  von  118  vor  Chr. 
Steuerprivileg  und  wurden  von  den  Priestern  selbst  verwaltet  (Teb.  5, 
61  [65]).  Ebenso  unterstand  die  gewerbliche  Tätigkeit  in  den  Tempeln 
der  staatlichen  Kontrolle  und  erlitt  mehrfach  Eingriffe  seitens  des  Staates 
(s.  unten).  Die  Priester  selbst  aber  erhielten  ihr  Amt  vom  König.  Vgl. 
unten  S.  Ulf.  Diese  zwar  mit  manchen  Privilegien  wie  der  Freiheit  von  der 
Kopfsteuer  (Petr.  III  S.  174  [66])  ausgestatteten,  aber  vom  König  durchaus 
abhängigen  Priester  durften  ihm  wohl  göttliche  Ehren  erweisen,  aber  die 
Apotheose  des  Königs  und  der  Mitglieder  des  königlichen  Hauses  erfolgte 
auf  Befehl  des  Königs,  im  ägyptischen  wie  im  griechischen  Kult  (s.  unten 
S.  99),  wie  es  auch  der  König  war,  auf  dessen  Befehl  die  heiligen  Tiere 
(nach  Prüfung  durch  die  Sachverständigen)  inthronisiert  wurden  (vgl. 
Mendesstele,  Sethe  II  S.  47, ff.),  der  ferner  auch  das  für  die  Tempel  so 
wichtige  Asylrecht  verlieh  (vgl.  zu  Teb.  5,  83  [65]).  Gute  Beispiele 
dafür,  wie  die  Könige  die  Tempelangelegenheiten  ordneten,  bieten  z.  B. 
Teb.  6  und  Teb.  5,  50—84  (65). 

Diese  auf  die  unbedingte  Souveränität  des  Staates  abzielende  Kirchen- 
politik ist  nicht  zu  allen  Zeiten  mit  gleicher  Strenge  in  der  Praxis  durch- 
geführt worden.  Unter  der  starken  Herrschaft  der  ersten  Ptolemäer  tritt 
sie  uns  am  deutlichsten  entgegen.  Derselbe  Philadelphos,  der  nach  der 
Pithomstele  den  ägyptischen  Kultus  so  reich  unterstützt  hat,  und  nach 
der  Mendesstele  auch  persönlich  lokalen  Kulten  so  viel  Interesse  bewiesen 
hat,  hat  andererseits  gegen  die  Priesterschaft  einen  schweren  Schlag  ge- 
führt, indem  er  die  Erhebung  der  früher  den  ägyptischen  Göttern,  nun- 


1)  Die  früher  weit  verbreitete  Ansiclit  Letronnes,  daß  in  der  Ptolemäerzeit  der 
έηιβτολογράφος  eine  besondere  Oberbehörde  für  die  ägyptischen  Tempel,  sozusagen 
Kultusminister  gewesen  sei,  habe  ich  im  Hermes  22,  1  £F.  durch  richtige  Ergänzung 
der  Obeliskeninschrift  von  Philä,  als  irrig  erwiesen.  Zustimmend  Otto  I  55  f.  Vgl. 
auch  oben  S.  6. 


Α.  Ptolemäerzeit.     §  1.    Religions-  und  Kirchenpolitik  des  Staates.  95 

mehr  der  ^Αρβίνάη  Φιλάδελφος  geweihten  ajrd^uotpa- Steuer  (ein  Sechstel 
vom  Ertrag  der  Wein-  und  Nutzgärten)  von  den  Priestern  auf  den  Staat 
übertrug  (vgl.  Kap.  V).  Und  wenn  auch  in  anderen  Abschnitten  des 
Revenue -Papyrus,  die  vielleicht  schon  auf  Soter  zurückgehen,  bei  der 
Konstituierung  des  Olmonopols  und  des  Othonionmonopols  den  Tempeln 
Privilegien  im  Vergleich  zu  den  Privaten  eingeräumt  wurden,  so  hat 
Rostowzew^)  doch  richtig  erkannt,  daß  hinter  dieser  scheinbaren  Privile- 
gierung in  Wirklichkeit  die  Vernichtung  von  älteren  Tempelmonopolen 
steckte  (vgl.  Kap.  VI),  so  daß  man  von  einer  absichtlichen  Beeinträchtigung 
der  wirtschaftlichen  Bedeutung  der  Priesterschaften  zugunsten  des  Fiskus 
sprechen  muß.  Daß  auch  der  dritte  Ptolemäer,  Euergetes  I,  der  Priester- 
schaft gegenüber  die  staatlichen  Interessen  kräftig  gewahrt  hat,  scheint 
mir  aus  dem  Dekret  von  Kanopos^)  hervorzugehen,  wenn  man  nur  die 
Begründung  dieses  Priesterbeschlusses  mit  dem  des  Dekretes  von  Rosette 
aus  der  Zeit  des  Epiphanes^)  vergleicht.  Während  in  letzterem  eine  Fülle 
von  Wohltaten  aufgezählt  werden,  die  bei  Lichte  besehen  eine  starke  Be- 
einträchtigung des  Fiskus  und  eine  Schwächung  der  staatlichen  Autorität 
bedeuten*),  wird  dort  nicht  ein  einziger  Verzicht  auf  ein  königliches 
Recht  namhaft  gemacht:  außer  den  großen  Siegen  des  Königs  und  seiner 
Liberalität  anläßlich  einer  mangelnden  Nilschwelle  wird  dort  nur  ganz 
allgemein  auf  Wohltaten  hingewiesen,  die  der  König  dem  ägyptischen 
Kult,  im  besonderen  dem  Apis  und  Mnevis  erwiesen  hat,  sowie  auf  die 
Rückführung  der  von  den  Persem  geraubten  Götterbilder. '^)  Dieser  ge- 
waltige Unterschied  erklärt  sich  dadurch,  daß  zwischen  den  beiden 
Dekreten  die  unheilvolle  Regierung  des  Philopator  liegt,  von  der,  wie  wir 
oben  S.  20  sahen,  der  Umschwung  in  der  Eingeborenenpolitik  der  Regie- 
rung und  damit  auch  der  Beginn  der  ägyptischen  Revolutionen  datiert, 
unter  deren  Fortgang  dann  die  Regierung  des  Epiphanes  zu  leiden  hatte. 
Der  Wechsel  der  Zeiten  tritt  uns  auch  darin  entgegen,  daß  gegenüber  der 
schlichten  rein  griechischen  Datierung  des  Dekrets  von  Kanopos  sich  in 
dem  von  Rosette  bekanntlich  eine  griechische  Übersetzung  des  ägyptischen 
Einganges  findet.  Auch  dies  können  wir  heute  schon  auf  die  Regierung 
des  Philopator  zurückführen:  ein  Münchner  Papyrus  (109),  zu  dem  küns- 
lich  eine  Cairener  Inschrift  bestätigend  hinzukam,  zeigt  uns,  daB  schon 
unter  Philopator  in  trilinguen  Texten  der  griechische  eine  Übersetzung 
der  ägyptischen  Königstitulaturen  bot.    So  sehen  wir  seit  Philopator  ent- 

1)  QOA  1909,  681  Γ 

ί)  Dittenberger,  Or.  ih.  I  n.  66.  »;  UittenburKer,  Or.  Or.  1  n.  υο. 

4)  8o  X.  ß.  Her  VVr/icht  auf  den  jährlichen  %ατά%Χονς  der  Trieiter  lur  Cour 
am  KOnigehofe.     '  n  S.  110. 

b)  iVeiiich   ί  μ  Fhiladelphot  dem  Tempel  von  Mendet  Stooercrleicht«• 

Hingen  verschafft  (MendeMtele),  aber  doeh  eben  nur  einem  ipeiieUen,  von  ihm  be- 
vor/.u(^tcn  Tfmvcl.  nicht  den  geeami«n  Tempeln  de•  Landet. 


96  Kapitel  IL    Religion  und  Kultus. 

sprechend  der  allmäliliclieii  Erstarkung  des  Nationalismus  die  kirchen- 
politische  Stellung  des  Staates  schwächlicher  werden.  Daß  der  ägyptische 
Klerus  die  zahlreichen  nationalen  Aufstände  geschürt  hat,  ist  nicht  direkt 
zu  beweisen,  aber  sehr  wahrscheinlich.  Diese  Entwicklung  tritt  uns  auch 
darin  entgegen,  daß  die  Regierung  in  späteren  Zeiten,  wie  es  scheint,  mit 
der  Verleihung  der  Asylie  an  ägyptische  Tempel  immer  freigebiger  wurde. 
Euergetes  II  bestätigte  zwar  im  J.  118  nur  die  bestehenden  Asylien  (Teb. 
5,  83),  und  aus  dem  Bericht  des  Finanzministers  aus  der  Zeit  des  Ptole- 
maios  Alexandros  erfahren  wir,  daß  nur  ενια  των  έτησήμων  (ιερών)  die 
Asylie  besaßen,  wie  Memphis,  Busiris  usw.  (Dittenberger,  Or.  Gr.  II  761). 
Aber  im  I.  Jahrh.  γ.  Chr.  haben  dann  auch  kleinere  Dorftempel  dieses 
Recht  erhalten,  durch  dessen  Verleihung  auf  staatliche  Hoheitsrechte  ver- 
zichtet wird.  Vgl.  die  Inschrift  von  Euhemeria  bei  Dittenberger,  Or.  Gr. 
II 736  (vgl.  Milne,  Cat.  Cairo,  Greek  inscr.  33037)  und  die  von  Theadelphia  (70). 

§  2.    DIE  GRIECHISCHEN  KULTE. 

Wie  einst  die  Siedler  von  Naukratis  sich  um  die  Tempel  ihrer  heimi- 
schen Götter  scharten^),  so  werden  auch  die  Griechen,  die  mit  und  nach 
Alexander  nach  Ägypten  kamen  und  sich  hier  niederließen,  zuerst  den 
Kult  ihrer  alten  Götter  gepflegt  haben.  In  erster  Reihe  werden  wir 
solche  rein  griechischen  Kulte  in  den  Griechenstädten  (Alexandrien  und 
Ptolemais),  dann  aber  auch  in  den  Gaumetropolen  zu  vermuten  haben.  ^) 
Im  besonderen  ließen  die  neuen  griechischen  Herrscher  es  sich  angelegen 
sein,  sowohl  dem  griechischen  Auslande  als  den  Griechen  im  Inlande 
gegenüber,  durch  Stiftung  von  Tempeln,  durch  Beteiligung  an  ausländi- 
schen und  Einführung  von  inländischen  Agonen,  als  Pfleger  der  griechi- 
schen Götter  zu  erscheinen.  Diese  Richtung  des  Königshauses  tritt  uns 
in  der  Stellung  der  Hofdichter,  wie  Theokrit  und  Kallimachos,  gegenüber 
der  ägyptischen  Religion  deutlich  entgegen.^)  Wie  diese  ersten  Ptolemäer 
da,  wo  sie  von  der  Rücksicht  auf  den  ägyptischen  Klerus  frei  waren,  als 
Männer  griechischer  Religion  auftraten,  zeigt  z.  B.,  wie  Otto  II  266  mit 
Recht  hervorgehoben  hat,  die  im  fernen  Adulis  gesetzte  Siegesinschrift 
des  Euergetes  I,  in  der  er  sich  als  άτίόγονος  τά  μεν  άπο  τίατρος  ^Ηρακλέους 
τοϋ  z/tog,  τά  δε  άπο  μητρός  ^iovvöov  τον  ^log  bezeichnet.*)  Wenn  wir 
gleichwohl  so  selten  rein  griechischen  Tempeln  und  Kulten  der  alten 
Götter  begegnen^),  so  liegt  das  in  der  unten  zu  besprechenden  Tatsache, 


1)  Herodot  II  178. 

2)  In  Ptolemais  waren  die  ägyptischen  Kulte  vielleiclit  (?)  extra  muros  verwiesen. 
Vgl.  meine  Bemerkung  bei  Plaumann,  Ptolemais  58. 

3)  Vgl.  Otto  I  δ,  1;  II  265  ff.  4)  Dittenberger,  Or.  Gr.  I  54. 

5)  Eine  Zusammenstellung  der  sicher  griechischen  Tempel  und  Kulte  ist  auch 
nach  Ottos  Buch  noch  zu  wünschen,  da  er  in  seinem  Götterindex  (II  S.  377  ff.)   eine 


Α.  Ptolemäerzeit.     §  2.    Die  griechischen  Kulte.  97 

daß  die  ägyptischen  Götter  schon  früh  mit  griechischen  Göttern  identifi- 
ziert worden  sind,  so  daß  bei  bloßer  Nennung  der  griechischen  Namen 
die  Entscheidung  über  ihren  Charakter  sehr  schwierig  ist. 

Zu  den  alten  Göttern^)  sind  aber  auch  neue  hinzugekommen.  So  haben 
die  Gründer  der  beiden  neuen  Griechenstädte  nach  griechischer  Sitte 
göttliche  Verehrung  erhalten.  In  Alexandrien  ist  so  Alexander  der  Große 
mit  dem  Gottesnamen  ^Jks^avdgog  göttlich  verehrt  worden*),  und  dieser 
Kult  hat  dadurch  für  das  ganze  Land  eine  besondere  Bedeutung  erhalten, 
daß  diesem  Gotte  ein  jährlich  wechselnder  eponymer  Priester  vom  König 
eingesetzt  wurde,  nach  dem  die  offiziellen  Akten,  Verträge  usw.  datiert 
wurden.  Vgl.  z.  B.  103  bis  107.  Die  Ansichten  über  den  Zeitpunkt,  in 
dem  dieser  eponyme  Alexanderpriester  eingesetzt  Λvorden  ist,  gehen  aus- 
einander. Während  Kornemami  und  Karst  im  Anschluß  an  Ps.  Kallisthenes 
lU  33  ihn  in  die  Zeit  des  Soter  verlegten,  versetzten  ihn  andere  (auch 
ichj  unter  Philadelphos.  Eine  ausführliche  Darlegung  der  verwickelten 
Frage  bietet  Otto  I  138  ff.,  der  seinerseits  zu  zeigen  sucht,  daß  der 
Alexanderpriester  erst  im  J.  274  eingesetzt  sei.  Kürzlich  ist  das  Problem 
dadurch  in  ein  neues  Stadium  getreten,  daß  aus  den  letzten  Jahren  des 
Soter  sowie  den  ersten  Jahren  des  Philadelphos  Texte  bekannt  geworden 
sind,  die  bereits  nach  einem  eponymen  alexandrinischen  Priester  datiert 
sind,  freilich  ohne  daß  der  Gott  genannt  würde.  So  beginnt  Eleph.  2 
(a.  285/4):  Βαόίλενοντος  Πτολεμαίου  (ετει)  μ  μηνός  Γορπιαίον  ίφ'  ιερέως 
Μενελάου  του  Ααάγου.  Danach  ist  Ρ.  Hib.  84  a  von  Rubensohn  verbessert 
worden.»)  Vgl.  auch  Eleph.  3  und  4  (a.  284/3)  und  Hib.  97.  Gegenüber 
der  zunächst  nur  auf  die  Hibeh  -  Papyri  gestützten  Ansicht  von  Grenfell 
und  Hunt,  daß  der  ungenannte  Gott  Alexander  sei,  konnte  ich  noch  auf 
die  Möglichkeit  hinweisen,  daß  nach  Arrian  Anab.  VII  23,  7  vielleicht 
Hephaistion  gemeint  sei.*)  Nachdem  aber  Eleph.  1  bekannt  geworden  ist, 
der  vom  J.  311  stammt  und  den  Priester  noch  nicht  kennt,  fällt  diese 
Möglichkeit  fort.^)  Auch  der  von  Otto  II  31i)  gewählte  Ausweg,  daß 
Sarapis  gemeint  sei,  scheint  mir  nicht  gangbar.     So  dürfen  wir  es  heute 

Scheidung  nicht  vorgenommen  hat,  auch  Neues  hinzugekommen  ist.  Auf  S.  δ  f.  be- 
Kchrilnkt  er  eich  auf  die  negative  Seite,  die  er  mit  Rocht  betont.  Filr  gricchieche 
(iötter  halte  ich  z.  B.  in  Dittenberger  Or.  Gr.  I  18  "Α^τΛμ,ις  Σωτήρα,  63  UmoUmp 
'ηάτης  usw.,  66  Ζβνβ  ΌΧνμηιο«  und  Ztvff  Σννωμόβιος,  83  JημητηQ  und  Köqii  und 
Ji%uioovvr\  u.  a.  Charaktcrietiech  filr  die  hellonietieche  Zeit  int  bekanntlich  dan  Her- 
vortreten der  Ύνχί]  Cvgl.  E.  Ilohdo,  Griech.  Itoman  27«  (f..  S..  finden  wir  auch  in 
Alexandrien  ein  ΤνχαΙον,  aber  aurh  im  Lande. 

1)  Bemerkenewert  iit,   daß  in  einem   im  III.  Jahrh.  ..  ....     wahnchcinlich  von 

einem  Griechen  goH<:hriebenen  Briefe  die  Wendung  [θ]«ώ*  ηΐίΐβτη  χάρις  vorkommt 
(Petr.  III  8.  163) 

2)  Ζα  dem  Fohlen  doM  »§6ς  vor  Άλίξαρόρος,  eben  weil  dieaer  QoUeniamo  ist, 
vgl.  meine  Boniorkting  in  GiiA   1HU6,  141  Anm.  1. 

t)  Vgl    I'.  Kloi.h    S.   »Ί.  4)  Arch.  IV  184.  6)  Arch.  V  20«. 

miielt-wi!  ιο.ίχιιβο  I  7 


98  Kapitel  IL     Religion  und  Kultus. 

als  wahrscheinlicli  bezeiclinen,  daß  der  Alexanderkult  schon  von  Soter 
eingerichtet  worden  ist,  und  zwar  zwischen  311  und  289/8.^)  Daß  in 
dem  oben  angeführten  Beispiel  Menelaos,  der  Bruder  des  Soter,  selbst  das 
Priestertum  bekleidet,  zeigt,  welch  hohe  Bedeutung  ihm  beigemessen  wurde. 
Ein  Verzeichnis  der  bekannten  Alexanderpriester  bietet  Otto  I  175,  II  322, 
zu  dem  inzwischen  schon  wieder  Neues  hinzugekommen  ist  (vgl.  Arch. 
V  229,  aus  den  demotischen  Cairener  Papyri).^) 

Auch  im  oberägyptischen  Ptolemais  ist  der  Stadtgründer  als  Stadt- 
ijott  verehrt  worden.  Auch  hier  hat  es  wie  in  Alexandrien  einen  offiziellen 
Staatskult  dieses  Stadtgründers  gegeben,  der  aber  nur  für  die  Thebais, 
nicht  wie  der  Alexanders  für  das  ganze  Land  galt.  Dieser  Kult  des 
Ptolemaios  Soter  ist  zuerst  nachweisbar  unter  Philopator  (215/4).  Es  ist 
wahrscheinlich,  daß  er  auch  damals  erst  geschaiBPen  ist.  So  Plaumann, 
Ptolemais  S.  51  (gegenüber  Otto  I  160).  Diese  Annahme  wird  um  so  be- 
greiflicher, wenn  man  zugleich  mit  Plaumann  1.  c.  annimmt,  daß  es  schon 
vor  diesem  staatlichen  Kult,  wohl  von  Soters  Zeit  an,  hier  einen  städti- 
schen Kult  des  ^£bg  Σωτήρ  (NB.  ohne  Πτολεμαίος)  gegeben  hat,  für 
dessen  Weiterbestand  in  der  Ptolemäerzeit  er  auf  die  philensische  Inschrift 
bei  Lepsius  XII  gr.  207  verweisen  kann.  Zum  Kult  von  Ptolemais  vgl. 
außer  Otto  auch  Plaumann,  Ptolemais  S.  39  ff. 

Wichtiger  noch  als  diese  Kulte  der  Stadtgötter  war  nun  aber  der 
hellenistische  Herrscherkult,  der  uns  in  den  Urkunden  viel  häufiger 
als  der  Kult  der  alten  Griechengötter  entgegentritt.  Es  kann  an  dieser 
Stelle  nicht  die  Entwicklung  der  Ideen  dargestellt  werden,  die  schließlich 
zu  diesem  Herrscherkult,  einer  typischen  Erscheinung  der  hellenistischen 
Welt,  geführt  haben ^);  nur  die  Formen,  die  dieser  Kult  in  Ägypten,  z.T. 
abweichend  von  anderen  Gebieten  des  Hellenismus  angenommen  hat,  sollen 
hier  kurz  skizziert  werden.  Nur  das  eine  sei  hervorgehoben,  daß,  wenn 
auch  auf  griechischem  Boden  sich  Vorläufer  nachweisen  lassen,  und 
griechische  Religion  und  Philosophie  auf  dies  in  Alexander  erreichte 
Ziel  hingelenkt  haben,  es  doch  kein  Zufall  sein  wird,  daß  das  einzige 
hellenistische  Königreich,  das  diese  Apotheose  nicht  kennt,  auch  das  ein- 
zige ist,  das  nicht  auf  orientalischem  Boden  oder  in  orientalischer  Nach- 
barschaft  sich  entwickelt  hat,  nämlich  Makedonien.     Gleichwohl  ist  der 


1)  Vgl.  Rubensohns  Ausführungen  zu  Eleph.  2  und  3.  S.  jetzt  Wilamowitz^ 
Staat  und  Gesellschaft  S.   159. 

2)  Der  Annahme,  daß  der  hg^v?  Alexanders  mit  dem  alexandrinischen  έξ,τιγητηζ 
identisch  sei  (vgl.  Otto  I  154  ff.),  wird  mit  Recht  von  manchen  widersprochen. 

3)  Die  Ansichten  darüber  gehen  noch  vielfach  auseinander.  Vgl.  außer  Otto 
(passim)  Kornemann,  Klio  I  51fiF.;  Karst,  Gesch.  d.  Hell.  Z.  Π  374  ff.;  Beloch,  Griech. 
Gesch.  III;  Wilamowitz,  Griech.  Religion  (Jahrb.  d.  Freien  D.  Höchst.  1904);  Staat  u> 
Gesellsch.  151  ff. 


Α.  Ptolemäerzeit.     §  '2.    Die  griechischen  Kulte.  99 

hier  zu  behandelnde  Herrscherkult,  was  früher  oft  verkannt  wurde,  durch- 
aus den  griechischen  Kulten  anzureihen  und  scharf  zu  scheiden  von 
der  göttlichen  Verehrung,  die  die  Könige  außerdem  im  ägyptischen  Kult 
genossen  haben  (s.  unten). 

Sehen  wir  von  Alexander  ab,  so  ist  ein  Herrscherkult  in  Ägypten 
zuerst  geschaffen  worden,  als  Philadelphos  seinen  283/2  verstorbenen  Vater 
zum  d-ebg  Σωτηρ  erhob.  Der  Kultbeiname  Σωτήρ  wurde  gewählt,  weil 
er  dem  Ptolemaios  I  schon  bei  Lebzeiten  als  Ehrentitel  beigelegt  war 
(308  von  den  Nesioten,  später  von  den  Rhodiern).  In  diesem  ^)  wie  in 
allen  weiteren  Fällen  ist  es  der  König,  der  die  Apotheosierung  befiehlt, 
nicht  etwa  die  Priesterschaft,  geschweige  denn  die  ägyptische,  wie  manche 
früher  glaubten.  Als  dann  auch  die  Mutter  Βερενίκη  starb,  erhielten 
beide  Eltern  zusammen  als  dsol  Σωτηρεg  einen  gemeinsamen  Kult. 
Femer  machte  derselbe  Ptolemaios  Π  seine  Schwester  und  Gemahlin 
Arsinoe  Π,  die  schon  seit  der  Geschwisterhochzeit  den  Ehrenbeinamen 
ΦιλάΟελφοξ  geführt  hatte  ^),  nach  ihrem  im  J.  270  erfolgten  Tode  zur 
Göttin  als  %•εα  Φιλάδελφος.^)  Während  also  bis  dahin  nur  Verstorbene 
apotheosiert  worden  waren,  tat  Ptolemaios  Π  nunmehr  den  letzten  ent- 
scheidenden Schritt,  indem  er  zu  seiner  eigenen  Vergötterung  überging: 
er  schuf  den  Kult  der  ^εοϊ  !4οελφοί^  deren  Gegenstand  er  selbst  und  seine 
tote  Schwester  waren.*)  Damit  war  die  Königsapotheose  auf  ihrem  Höhe- 
punkt angelangt.  Von  nun  an  wurde  es  Sitte,  daß  jeder  neue  König  sich 
und  seine  Gemahlin  einige  Zeit  nach  der  Thronbesteigung  —  später  oder 
früher  —  im  gemeinsamen  Kult  apotheosierte.  So  folgten  den  0-£ot  ^Αδελ- 
φοί die  %-εοϊ  Ενεργέται^  die  d-εοϊ  Φιλοττάχορες^  die  d-εοΐ  ^Επιφανείς  usw. 
Alle  diese  Namen  sind  als  Kultbeinamen  aufzufassen^),  und  abgesehen 
von  den  Neubildungen,  die  die  familiären  Beziehungen  hervorheben,  wie 
'Αδελφοί^  Φιλοπάτορες  usw.,  sind  es  meist  Kultnamen,  die  in  der  griechi- 
schen Religion,  im  besonderen  im  Heroenkult  schon  geläufig  waren,  wie 
Σωτήρ  ^  Ευεργέτης^  *  Επιφανής.  Es  ist  gegenüber  den  früher  weit  ver- 
breiteten gegenteiligen  Ansichten*)  durchaus  daran  festzuhalten,  daß  diese 
Gottesvorstellungen    absolut   griechisch    sind   und  mit  den  ägyptischen 


1)  Belege  bei  Otto  I  148. 

2)  Dae  hat  Dittenberger  gezeigt  in  Or.  Gr.  I  S.  648.  Vgl.  dazu  meine  Be- 
merkungen im  Arch.  III  ai8. 

3)  ΦtXά^^X(f)Oi  ist  erst  im  Π.  Jahrh.  auf  Ptolemaios  II  übertragen  worden.  Vgl. 
Wilcken,  Pauly-WiHHOwa  h.  v.  *AQaiv6r\  II  8p.  1284  und  Gott.  G.  A.  1896,  168. 

4)  Früher  wurde  dieser  Kult  öfter  mit  dorn  der  Φιλάδίλφος  verwechselt.  VgL 
dagegen  Wilcken,  Pauly-Wiss.  II  8p.  1286.     Jetzt  Otto  I  847  f. 

6)  Wilcken,  UGA  1896,  164  Anm.  1.  Vgl.  dagegen  s.  B.  die  AnffaMung  von 
Strack,  Djn.  d.  IHol.  129  ff.,  gegen  dessen  Abschnitt  Ober  ,Jlamen  und  Beinamen" 
(106  ff.)  überhaupt  viel  einzuwenden  ist. 

6)  Auch  bei  A.  Krmnn,  Ägypt.  lieligion,  iv  Aufl  ,  229  liegt  noch  ein  Nachklang 
daran  vor. 


IQQ  Kapitel  II.     Religion  und  Kultus. 

gar  nichts  zu  tun  habend)  Gerade  die  hieroglypliischen  Wiedergaben 
dieser  Gottesnamen  zeigen  aufs  deutlichste,  daß  sie  nur  Übersetzungen 
aus  dem  Griechischen  sind,  denn  in  den  vorptolemäischen  Texten  gibt  es 
für  derartige  Namen  innerhalb  der  Königstitulaturen  schlechterdings  kein 
Beispiel.  ^) 

Diese  so  geschaffenen  Götterpaare  sind  nun  dadurch  im  ganzen  Lande 
zur  Geltung  gekommen,  daß  sie  als  övvvaoi  ΰ'εοί  dem  Kult  der  wichtig- 
sten Götter  —  auch  der  ägyptischen  Hauptgötter  (s.  unten)  —  angegliedert 
worden  sind^),  und  zwar  zunächst  nur  von  den  d'sol  ΆΟ^ελφοί  an.  Wes- 
halb die  d'Bol  Σωτήρες  erst  unter  Philopator  in  diese  övvvaot  einrückten, 
ist  noch  immer  nicht  ganz  aufgeklärt.  So  sind  diese  Ptolemäergötter 
als  övvvaoi  %'εοί  auch  dem  Stadtgott  '^λε^ανδρος  von  Alexandrien  an- 
gegliedert worden,  und  da  dessen  Jahrespriester,  wie  wir  sahen,  eponym 
war,  so  begegnet  auch  die  immer  länger  werdende  Reihe  der  Ptolemäer- 
götter in  den  Präskripten  der  Akten.  Zur  Illustrierung  dieser  Ausfüh- 
rungen lasse  ich  unten  einige  Beispiele  von  solchen  Präskripten  folgen 
(103  bis  107).^) 

Es  entspricht  der  oben  gekennzeichneten  Kirchenpolitik,  daß,  wäh- 
rend die  Regierung  anfangs  mit  der  Verleihung  der  Asylie  an  ägyptische 
Tempel  sparsam  war  (s.  S.  96),  die  Altäre  des  Königs  von  vornherein  und 
überall  Asylierecht  gehabt  zu  haben  scheinen.  Vgl.  Spiegelberg,  Dem. 
Pap.  von  Cairo  30698  (S.  118)  aus  der  Zeit  des  Euergetes  I:  „ich  gebe 
es  Dir  außerhalb  des  Altars  des  Königs  und  der  Schutzstätte  (=  Asyl)". 
Endlich  ist  noch  hinzuzufügen,  daß  einzelne  Königinnen  noch  eine 
besondere  eponyme  Priesterin  in  Alexandrien  bekommen  haben,  die 
gleichfalls  in  den  Aktpräskripten  mit  genannt  wird,  wie  die  κανηφόρος 
^ΑρουνοΎΐς  Φιλαδέλψον  (seit  267/6  belegt),  die  ά^λοψόρος  Βερενίκης  Ενερ- 
γέτυδος  (seit  211/0  belegt),  die  Ιέρεια  Ιέρΰίνόης  Φίλοπάτορος  (seit  199/8 
belegt),  denen  im  IL  Jahrh.  sich  noch  einige  weitere  anschließen.  Zu 
diesen  wie  zu  den  entsprechenden  Kulten  in  Ptolemais  vgl.  Otto  I  157  ff., 
185  ff.,  195  ff.,  Plaumann,  Ptolemais  39  ff. 

Daneben   sind  manche  Königinnen   im  Privatkult   mit  griechischen 
Göttern,   wie   Αφροδίτη j   geglichen  worden.     Dahin   gehört   die  berühmte 


1)  Selbstverständlich  können  sie  daher  auch  nicht  von  den  ägyptischen  Priestern 
verliehen  sein.  Stracks  Bemerkung,  Dyn.  d.  Ptol.  128,  1,  beruht  auf  Mißverständnis 
meiner  Worte. 

2)  Sie  treten  als  sechster  Name  hinter  die  bekannten  5  Königsnamen  des  Pharao, 
und  das  ist  völlig  unägyptisch. 

3)  Vgl.  Wilcken,  Hermes  22,  7  iF. 

4)  Für  diese  Aktpräskripte,  die  uns  sowohl  griechisch  wie  demotisch  vorliegen 
und  die  manche  schwierige  Probleme  bieten,  verweise  ich  namentlich  auf  Lepsius, 
Abh.  Berl.  Akad.  1852;  Otto,  Priester  u.  Temp.  I  137  £F.;  Laqueur,  Quaestiones  epigr. 
et  papyrolog.  sei.  (1904),  31  iF.;  Plaumann,  Ptolemais  in  Oberäg.  (1910),  39  fiF. 


Α.  Ptolemäerzeit.     §  3.    Sarapis.  101 

Stiftung  des  KaUikrates  aui*  dem  Vorgebirge  Zephyrion.  ^)  Vgl.  auch  das 
bescheidenere  τέμενος  in  Petr.  III  n.  1  II  und  das  ίερον  der  Συρία  d-ebg 
und  ΆφροΟίτη  Βερενίκη  in  Magd.  2  (101).  Privatkult  wurde  auch  in 
den  griechischen  Kultvereinen  getrieben,  deren  Spuren  für  diese  Zeit 
bisher  nicht  allzu  zahlreich  sind.*) 

§  3.     SARAPIS. 

Dem  Sarapis  wird  hier  ein  besonderer  Platz  angewiesen,  da  er, 
zwischen  den  griechischen  und  den  ägyptischen  Göttern  stehend,  eine  ganz 
eigene  Rolle  in  der  Religiousgeschichte  dieser  Zeit  gespielt  hat.^)  Ich  habe 
schon  oben  S.  93  meine  Ansicht  über  den  Sarapis  kurz  angedeutet,  indem 
ich  sagte,  daß  die  Einführung  des  Sarapis  und  seine  Gleichsetzung  mit 
Osiris-Apis  im  Verfolg  der  ptolemäischen  Religionspolitik  durchgeführt 
ist,  zu  dem  Zweck,  Griechen  und  Ägypter  einander  auf  religiösem  Gebiet 
nahe  zu  bringen.  Es  ist  hier  um  so  weniger  meine  Absicht,  von  dem 
sehr  verwickelten  und  nach  meiner  Ansicht  im  letzten  Punkte  noch  un- 
gelösten Sarapis-Problem  eine  ausführlichere  Darstellung  zu  geben,  als  ich 
in  den  .^Urkunden  der  Ptolemäerzeit^'  in  kurzem  eine  solche  bieten  werde. 
Doch  darf  eine  kurze  Skizzierung  der  Frage  deswegen  hier  nicht  unter- 
lassen werden. 

Während  die  Tempellegende  (bei  Tacitus  und  Plutarch)  von  einer 
Einführung  des  Gottes  aus  Sinope  spricht,  wurde  von  manchen  seit 
ChampoUion  Σαράτης  vom  ägyptischen  Osiris-Apis,  dem  zum  Osiris  ge- 
wordenen toten  Apis  von  Memphis,  abgeleitet,  und  der  Gott  daher  für 
einen  rein  ägyptischen  gehalten,  während  wieder  andere  neuerdings  an- 
nahmen, daß  der  Sarapis  aus  diesem  Osiris-Apis  heraus  zu  einem  helleni- 
stischen Gotte  entwickelt  worden  sei.  Diesen  beiden  Hypothesen  gegen- 
über habe  ich  nachgewiesen,  daß  der  Name  Σαράπις  nicht  aus  Όόυράπίς 
abgeleitet  werden  kann,  sondern  ein  selbständiger,  und  da  er  in  Ägypten 
unbekannt  ist,  u  η  ägyptischer  Gottesname  ist.*)  Damit  wird  nicht  nur 
der  ersten,  sondern  auch  der  zweiten  Hypothese  der  Boden  entzogen, 
denn  für  jenen  „hellenistischen"  Sarapis  kann  der  Name  niclit  frei  er- 
funden sein.  Hiernach  halte  ich  für  erwiesen,  daß  —  entsprechend  dem 
Grundgedanken  der  Legende  —  der  Sarapis  von  Ptolemaios  I  aus  dem 
Ausland  eingeführt  ist.  Hier  ist  er  dann  von  vornherein  im  Kult  mit 
ilirii  Osiris-Apis  verschmolzen  worden,  um  den  Zwecken  der  königlichen 

1;  Vgl.  l'uuIy-WiHiowa  II  Sp.  1S81  und  1286. 

2)  Vgl.  Otto  1  166.     Im  allgemeinen  Kant  II  280. 

8;  Auch  wenn  er,  wM  bii  jetzt  nicht  erwiefen  iiit,  lu  den  orientaliichen  OAttrrn 
gehören  lollte,  so  wflrde  "r  nun  1i*t/ti.rnmUrande  hier  eine  SondenieUuog  beantpruchen 
dfirfen. 


102  Kapitel  II.     Religion  und  Kultus. 

Religionspolitik  dienen  zu  können.  So  nennen  bilingue  Texte  den  Gott 
im  griechischen  Teil  Σαράπις^  im  ägyptischen  Osiris-Apis.^)  Woher  der 
Sarapis  gekommen  ist^  ist  noch  nicht  aufgeklärt;  der  Versuch,  ihn  vom 
babylonischen  sar-apsi  (Ea)  abzuleiten,  hat  mich  nicht  überzeugt.") 

Der  Hauptmittelpunkt  für  den  neuen  Kult  wurde  das  Serapeum  zu 
Alexandrien.  Der  Synkretismus  tritt  uns  hier  darin  deutlich  entgegen, 
daß  einerseits  das  Kultbild  von  der  Meisterhand  des  Bryaxis  einen  grie- 
chischen Gott  darstellte,  andererseits  ein  Apisstier  hier  verehrt  wurde. ^) 
Außerdem  war  von  besonderer  Heiligkeit  das  von  Mariette  entdeckte 
Serapeum  am  Wüstenrande  westlich  von  Memphis,  wo  seit  alten  Zeiten 
die  heiligen  Apisstiere  als  Osiris-Apis  bestattet  wurden.*)  Hier  schloß 
sich  nun  an  das  alte  Heiligtum  ein  Tempel  des  neuen  Gottes  an.  Aus 
diesem  μέγα  Σαρατΐΐεΐον^  wie  das  manche  einzelne  Kapellen  und  Tempel 
umschließende  Gesamtheiligtum  genannt  wurde,  sind  uns  die  schönen 
„Serapeumspapyri"  erhalten  (IL  Jahrh.  vor  Chr.),  die  uns  einen  so  tiefen 
Einblick  in  das  Leben  und  Treiben  in  diesem  Heiligtum  gewähren.  Da 
ich  übers  Jahr  eine  neue  Gesamtausgabe  und  Erklärung  dieser  Texte  in 
den  „Urkunden  der  Ptolemäerzeit"  herausgebe,  beschränke  ich  mich  darauf, 
hier  nur  eine  Probe  in  Lond.  I  S.  30  (97)  vorzulegen.  Aus  demselben 
Grunde  sei  aus  den  reichen  Nachrichten  über  den  Kult  im  Sarapeum  nur 
eine  Eigentümlichkeit  hier  erwähnt,  die  ebenso  wie  das  Sarapisproblem 
verschieden  aufgefaßt  wird,  nämlich  die  κάτοχου^  jene  Sarapisverehrer,  die 
während  der  κατοχή  den  Tempelbezirk  nicht  verlassen  durften.  Man  hat 
in  ihnen  lange  Zeit  „Eingeschlossene",  „Klausner"  gesehen,  und  Wein- 
garten hat  daher  die  christlichen  Mönche  auf  sie  zurückführen  wollen.^) 
Auf   den   richtigen  Weg   hat  schon  Letronne  geführt,  indem  er  sie  als 


1)  Vgl.  auch  Arch.  IV  207/8  und  247.  Otto  II  268,  5  hat  mich  mißverstanden.  — 
Wohl  noch  aus  der  Zeit  vor  Einführung  des  Sarapis  stammt  der  „Fluch  der  Arte- 
misia"  (Wessely,  Kais.  Samml.  S.  4  ff.),  den  ich  in  den  „Urkunden  der  Ptolemäerzeit" 
neu  herausgeben  werde.     Vgl.  Arch.  V  229. 

2)  So  Lehmann-Haupt  seit  längerer  Zeit,  jetzt  wieder  bei  Koscher  s.  v.  Sarapis. 

3)  Vgl,  Bottis  Fund  der  Apisstatue  (zwar  aus  hadrianischer  Zeit).  Auch  die 
Erzählung  bei  Dio  Cass.  51, 16,  5  setzt  m.  E.  für  Alexandrien  den  Apiskult  voraus.  — 
Auch  in  Priene  war  der  Sarapiskult  mit  der  Verehrung  des  Apis  verknüpft.  Vgl. 
Hiller  v.  Gärtringen,  Inschr.  von  Priene  195  und  dazu  meine  Bemerkungen  im  Arch. 
IV  207/8.  Vgl.  auch  die  Darstellung  eines  Sarapeums  aus  Italien  bei  Erman,  Ägypt. 
Religion"^  S.  288.     Sonst  selten. 

4)  Macrobius  sat.  1,  7,  14  sagt:  nuUum  Aegypti  oppidum  intra  muros  suos  aut 
Saturni  aut  Sarapis  fanum  recepit.  Wenn  seine  Begründung  mit  den  blutigen  Opfern 
auch  verkehrt  ist,  da  die  Ägypter  solche  seit  alten  Zeiten  kannten,  so  ist  doch  jene 
topographische  Beobachtung  zu  prüfen.  Für  Memphis  war  das  extra  muros  durch 
die  Apisgräber  gegeben.  In  Alexandrien  liegt  das  Serapeum  in  der  Rhakotis.  Ist 
die  Beobachtung  des  Macrobius  richtig,  so  wird  sie  durch  den  Charakter  des  Osiris- 
Apis  zu  erklären  sein. 

5)  Die  „Zelle"  scheint  unausrottbar  zu  sein.  Auch  Lehmann  -  Haupt  1.  c.  362 
bringt  sie  wieder. 


Α    Ptolemäerzeit.     §  4.    Ägyptische  und  gräco-ägyptische  Kulte.  103 

,,vom  Gott  Besessene"  deutete,  und  neuerdings  ist  diese  Ansicht  wieder 
von  Preuschen^)  verfochten  worden.  Wie  ich  auch  sonst  in  der  Deutung 
der  Serapeumstexte  ihm  vielfach  nicht  folgen  kann,  so  hat  er  auch  das 
innere  Wesen  der  κατοχή  m.  E.  noch  nicht  richtig  erklärt.  Vorläufig 
muß  ich  mich  auf  diese  Andeutungen  und  die  Bemerkungen  zu  97  be- 
schränken. Auch  über  die  δίδνμαι^  die  im  Dienst  des  Serapeums  (und 
zwar  des  Osiris-Apis)  standen,  behalte  ich  mir  vor,  in  den  „Urkunden  der 
Ptolemärzeit"  zu  handeln.^) 

Auch  außerhalb  von  Alexandrien  und  Memphis  hat  der  neue  Kult 
sich  bald  im  ganzen  Lande  verbreitet.  Bemerkenswert  ist,  wie  der  Ι^ίράπις 
den  OöiQig  mehr  und  mehr  verdrängt  hat,  an  dessen  Stelle  er  schon  früh 
neben  Isis  trat.^)  Mit  Isis  vereint  hat  er  dann  auch  seinen  Siegeszug 
durch  die  Welt  angetreten.**) 

§  4.     ÄGYPTISCHE  UND  GRÄCO-ÄGYPTISCHE  KULTE. 

Die  Religion  der  Ägypter  ist  mit  den  Formen  und  Gedanken,  die  sie 
seit  der  Saitenzeit  entwickelt  hatte,  in  die  Periode  der  griechischen  Herr- 
schaft eingetreten.^)  Die  Lektüre  von  Herodots  DarsteUung  der  ägypti- 
schen Religion,  die  namentlich  durch  ihre  lebendige  Beobachtung  von  den 
Kultsitten  seiner  Zeit  eine  wertvolle  Ergänzung  zu  den  nationalen  Tradi- 
tionen bietet,  ist  als  Einleitung  für  das  Studium  der  Papyri  sehr  zu 
empfehlen,  um  so  mehr  als  der  von  Herodot  geschilderte  Zustand  sich 
bis  zum  Beginn  der  Ptolemäerzeit  kaum  geändert  hat,  so  daß  gerade 
durch  eine  Vergleichung  mit  Herodot  uns  die  Neuerungen  der  hellenisti- 
stischen  Zeit  recht  deutlich  ins  Auge  springen. 

Bekanntlich  bildeten  damals  die  Gaue,  wie  für  die  Verwaltung,  so 
auch  für  die  Religion,  Einheiten,  denn  jeder  Gau  hatte  seinen  eigenen 
Sondergott,  der  in  dem  Hauptheiligtum  der  Metropole  als  Hauptgott  (oft 
neben  anderen)  verehrt  wurde.     Steindorff  hat  zwar  kürzlich  darauf  hin- 


1;  Monchtum  uiui  Sarapiskult,  2.  AuH.,  (Üeiien   liiuj.      \  gi    Arch.  iil    \\Λ      Ihm 
Hchließt  eich  auch  Otto  I  UUtf.  in  diesem  Punkte  un,  ebenso  auch  Sudhoff,  Ai/tli(  lu»e 
h.  Papjrusurkunden  ä.  222.    Ge^en  diese  Auffassung  wendet  sich  neuerdings 
in,     \ίζ\.  unten  zu  Nr.  07. 
2;  Vgl.  i)iU>  I  116  ff. 

3)  Cumonts  Aneirbt  (1.  c.  8.  02),   daß   durch   die  Einfahmng   de•  Sarapis  der 
iskult  erneunrt  mm,  ist  nicht  ganz  zutreffend.     Aber  vom  Otirii-Apia  aus  war 

'       :  <lie  Brücke  zum  Οη'χτϊη  ^'CHchlagen. 

4)  über  die  schon  fnih••  .\uH)»n>itung  in  der  griechiichen  Welt  vgl  jeisi  A.  Rusch, 
De  8arapide  et  leide  in  (iroecia  (Miltis.     Borl.  Dies.  1906. 

6)  Vgl.  Ad.  Krmau,  ÄgyptiHrhe  Religion,  2.  Aufl.,  8.  186  ff.  und  915  ff.;  auch 
Rd.  Meyer,  Gesch.  d  Altert.  I'  ifür  di••  alten  Zeiten)  und  Oeech.  Ägypten•  (bei  Onokea). 
Von  älteren  Arbeitim  hab<>n  namentlich  die  von  Letronne  (•ο  im  ReoneU  d.  inaeript  eto.) 
ti  h  immer  ihren  groUen  Wert.  Auch  K.  Kuhn,  Stftdt  u.  bOrgerL  VerflM•.  de•  rOm. 
i-'     hni  II  (1806),  466  ff.  int  für  uniiere  Studien  natxlich. 


IQ^  Kapitel  II.     Religion  und  Kultus. 

gewiesen,  daß  in  älteren  Zeiten  dieser  Sondergott  nicht  als  der  des  Gaues, 
sondern  der  der  Stadt  bezeiclinet  wird^),  aber  jedenfalls  für  die  jüngeren 
Zeiten  gilt,  daß  der  Stadtgott  auch  Gaugott  ist.  Klar  tritt  diese  Vor- 
stellung bei  Herodot  II  42  entgegen:  „0(?ot  μίν  dij  ζίώς  Θηβαιέος  ΐδρνν- 
ται  ίρον  η  νομον  τον  Θηβαίου  είοΐ  und  oöol  dl  τον  Μενδητος  εκτηνταν 
ϊερον  r)  νομον  τον  Μενόηοίον  εΐύί^  und  in  einem  Papyrus  aus  dem  An- 
fang des  III.  Jabrli.  n.  Chr.  wird  bei  το]ν  τον  νομον  ^εόν  geschworen^), 
womit  der  Herakles  des  Herakleopolites  gemeint  ist.  Dieselbe  Vorstellung 
lag  auch  vor,  wenn  Ptolemaios  II  das  Faijum,  den  Κροκοδίλοπολίτης, 
zum  ^Αροινοΐτηξ  machte,  während  die  Metropole  zunächst  nach  wie  yor 
Κροκοδίλων  τίόλΐξ  hieß:  Arsinoe  war  damit  zur  Gaugöttin  erhoben.^) 
Außer  diesem  Zentraltempel  des  Gaues  gab  es  in  der  Metropole,  wofür 
die  Papyri  zahlreiche  Belege  bringen,  auch  noch  andere  Tempel.  Anderer- 
seits hatten  aber  auch  die  Dörfer  ihre  eigenen  Tempel,  je  nach  der  Größe 
des  Dorfes  in  verschiedener  Zahl.  Man  lese  z.  B.  den  Index  von  Teb.  I 
S.  615,  wo  mehrere  solcher  Dorfgötter  (z.  T.  direkt  als  ^εος  της  κώμης 
bezeichnet)  aufgezählt  werden.  Abgesehen  von  den  direkten  Nachrichten 
der  Papyri  über  die  Götter  kann  durch  methodische  Forschung,  die  frei- 
lich ägyptologischer  Kenntnisse  nicht  ganz  wird  entraten  können,  aus 
den  Personennamen  noch  viel  wichtiges  Material  für  die  Religion  gehoben 
werden.*)  Da  die  Ägypter  wie  die  Griechen  ihre  Kinder  gern  nach  den 
Ortsheiligen  nannten,  so  spiegeln  sich,  wie  ich  im  Archiv  schon  öfter 
hervorhob,  nicht  nur  die  Götterwelt  im  allgemeinen,  sondern  im  besonderen 
die  Lokalkulte  in  den  Eigennamen  der  einzelnen  Gemeinden  wieder.  Wird 
eine  neue  Papyrusfundstelle  bekannt,  so  faUen  uns  sogleich  die  neuen 
Namen  der  Bewohner  auf,  die  dann  vielfach  eben  auf  die  lokalen  Gott- 
heiten zurückzuführen  sind  —  wie  wir  es  kürzlich  auch  wieder  bei 
Heptakomia  erlebt  haben.  Ja,  ein  guter  Kenner  kann  eventuell  aus  den 
Personennamen,  wenn  sie  in  genügender  Zahl  vorliegen,  die  Herkunft  eines 
Textes  erschließen.  Wie  sich  so  Aufschlüsse  über  die  einzelnen  Götter 
gewinnen  lassen,  so  auch  über  die  Verbreitung  der  Kulte  im  Lande. 
Diese  sehr  wichtige  Frage  kann  um  so  eher  mit  Aussicht  auf  Erfolg  in 
Angriff  genommen  werden,  als  wir  es  mit  einer  Bevölkerung  zu  tun 
haben,  die  normaler  Weise  an  die  Ιδία  gebunden  war.  So  sind  die  vielen 
Tausende  von  Personennamen^),  die  uns  die  Papyri  beschert  haben,  ein 
Schatz  für  den  Religionsforscher,   der  aber  noch  zu  heben  ist.     Wird  er 

1)  Die  äg.  Gaue  in  Abh.  Sachs.  G.  Wiss.  1909,  881. 

2)  Stud.  Pal.  I  S.  28,  26. 

3)  Freilich  in  der  Form,  daß  sie  nicht  den  alten  Suchos  verdrängte,  sondern 
neben  ihn  trat.  Ygl.  Petr.  III  126  S.  315  und  dazu  meine  Bemerkungen  bei  J.  G. 
Droysen,  Klein.  Schrift.  II  4.S5. 

4)  Vgl.  Spiegelberg,  Arch.  I  339. 

5)  Selbstverständlich  auch  die  nach  Göttern  genannten  Ortsnamen. 


Α.  Ptolemäerzeit.     §  4.    Ägyptische  und  gräco-ägyptische  Kulte.  105 

gehoben,  und  werden  überhaupt  die  Urkunden  für  die  Religionsgeschichte 
Ägyptens  systematisch  durchgearbeitet,  wozu  bisher  nur  Ansätze  vorliegen, 
so  läßt  sich  für  Ägypten  eine  topographisch  geordnete  Übersicht  über 
die  Tempel,  Götter  und  Kulte  gewinnen  wie  für  kein  anderes  Land  der 
alten  Welt.  Die  topographische  Basis  wird  aber  um  so  notwendiger  sein, 
als  nur  dann  die  landschaftlichen  Unterschiede,  die  auch  schon  Herodot 
betont,  hervortreten  werden.^) 

Als  besonders  charakteristisch  für  diese  Zeit  darf  die  seit  der  saiti- 
schen Periode  immer  mehr  zunehmende  Bedeutung  des  Tierkultes  be- 
zeichnet werden.^)  Wie  schon  zu  Herodots  Zeiten  (vgl.  II  46,10.  65 ff.) 
wurden  nicht  nur  einzelne  besonders  gezeichnete  Exemplare  als  heilig 
verehrt^),  sondern  alle  Vertreter  der  Gattung  galten  in  dem  betreffenden 
Gau  als  heilig.  Daher  stammen  die  vielfach  aufgedeckten  Massengräber 
von  Katzen,  Ibissen,  Falken  usw.,  daher  auch  die  Krokodil -Nekropolen 
im  Faijüm,  denen  Grenfell  und  Hunt  glücklich  die  Tebtynis-Papyri  ent- 
nommen haben.  Λ^οη  solchen  Krokodilgräbern  handelt  eine  auch  sonst 
für  den  Tierkult  interessante  Inschrift,  die  Lefebvre  küi-zlich  ediert  hat  (70). 
Während  sonst  die  Verehrung  der  einzehien  Tiere  sich  auf  bestimmte 
Gaue  zu  beschränken  pflegte,  waren  die  schon  seit  dem  alten  Reiche 
heiligen  Stiere  von  Memphis  und  Heliopolis,  der  Apis  und  der  Mnevis, 
durch  das  ganze  Land  Gegenstand  der  Verehrung."*)  So  tritt  auch  die 
Fürsorge  der  Könige  für  diese  beiden  heiligen  Tiere  in  unsern  Urkunden 
besonders  deutlich  hervor.  Vgl.  für  Ptolemaios  I  (als  Satrapen)  Diod.  I  84,  8; 
für  Euergetes  I  das  Dekret  von  Kanopos  Z.  9;  für  Epiphanes  das  Dekret 
von  Rosette  Z.  31;  für  Euergetes  U  Teb.  5,  77  f.  (65).  Weiteres  Material 
zu  dem  Kult  dieser  Tiere  bieten  die  memphitischen  Papyri,  die  ich  in 
den  „Urkunden  der  Ptolemäerzeit"  neu  behandeln  werde.  Erst  wenn  sie 
gestorben  und  feierlich  bestattet  waren,  galten  diese  heiligen  Tiere  als 
mit  Osiris  vereinigt  —  Όόοράπις  und  Όΰορομνενις^)  —  und  so  als  Götter, 
während  sie  vorher  nur  Ιερά  ζώα  gewesen  Λvaren.  S.  unten  Nr.  85.  Die 
gelegentlich  geäußerte  Ansicht,  daß  nur  diese  beiden  Tiere  zu  Osiris  ge- 
worden*), ist  nicht  zutreffend:  nicht  nur  der  heilige  Stier  τοη  Hermon• 
this,  Βονχις,  wird  zum  Όβορβοϋχίς''),  sondern  auch  der  heilige  Ibis,  wie 
aus  dem  Namen  Σενοόορφιβις  zu  folgern  ist  (Tor.  I  ö,  8  usw.),  auch  das 
Krokodil  Σονχος^  wie  der  Name  Παυόορόονχος  ergibt,  den  ich  in  einem 
iinedierten  Louvrepapyrus  kopierte.^)    Umgekehrt  darf  man  sohließen,  daB, 

1;  V^l    I{o^ti>w/..  w,  (i.tt  ()9,  βΟβ.  2)  Vgl.  Ad.  Erman  I.e.  197  f. 

Aui  di«•  Epiphanio  tieM  ntuigcn  Exemplare•  (vgl.  Herodot  III  27)  weist  die  in 
18Ö4,  136  f.  ?oo  mir  behandelte  Petefucbof-Intchrift  bin  (Πιτ^βοΟχον  9t6v  μ4' 
yui•  τόν  ix'  αύτοδ  φανίντα). 

4)  Vgl.  Herodot  lU  27  f.  i:    1      i 

β;  Vgl.  K.  Kcvillout,  Rev.  Kg.   VI  144  l   ,..  ll..v     \r  (     1   .  ..' tf 

H)  Im  allgemeinen  Tgl.  auch  Diod.  I  *Jl 


106  Kapitel  Π,     Religion  und  Kultus. 

WO  ein  Gottesname  mit  Όΰορ-  zusammengesetzt  ist,  es  sicli  um  ein  kon- 
sekriertes  heiliges  Tier  handelt,  denn  zu  Osiris  kann  nur  werden,  wer  auf 
Erden  gelebt  hat  —  wie  die  Menschen.  So  führt  der  aus  Manethos  be- 
kannte und  viel  gemißhandelte  Name  Όοαροηφος  (Jos.  c.  Ap.  I  26  §  238) 
auf  ein  heiliges  Tier  Σήφ.  ^)  Für  den  Tierkult  vgl.  z.  B.  den  Index  zu 
Teb.  I  S.  615f.;  da  bezieht  sich  auf  den  Ibiskult  das  Ιβυοταφεΐον,  die 
Ιβίων  τροφοίί^  auf  den  Falkenkult  die  ίερακεΐα^  auf  den  Widderkult  ^)  der 
κρυοτάφος,  auf  den  Krokodilkult  das  κροκοοει,λοταφεΐον  usw.  Zu  letzterem 
vgl.  auch  Teb.  57  (69).  Daß  nicht  erst  zu  Strabos  Zeit  die  Fütterung 
der  heiligen  Krokodile  im  Faijum  ein  Hauptvergnügen  für  die  Fremden 
war,  zeigt  Teb.  33  (3),  wonach  auch  dem  reisenden  Senator  L.  Memmius 
im  J.  112  V.  Chr.  das  Schauspiel  geboten  werden  sollte.  Der  gelegent- 
liche Streit  der  Nachbargaue  um  der  heiligen  Tiere  willen  ist  namentlich 
durch  Juvenals  XV.  Satire  bekannt  geworden.^) 

Charakteristisch  für  die  ägyptische  Religion  dieser  Spätzeit  ist  ferner 
die  göttliche  Verehrung  von  berühmten  Männern  des  ägyptischen 
Altertums.  Daß  Ίμov^'ηgJ  der  als  Sohn  des  Ptah  verehrt  wurde,  ur- 
sprünglich der  Baumeister  des  Königs  Doser  gewesen  ist,  hat  uns  Sethe 
gelehrt.*)  Neben  ihm  wird  in  dem  von  Ptolemaios  IV  erbauten  kleinen 
Tempel  von  Der  el-Medine  (auf  dem  Westufer  Thebens)  der  weise 
Amenhotep  göttlich  verehrt,  der  einst  der  Baumeister  Amenhotep  ΠΙ  ge- 
wesen war.^)  Ihm,  „dessen  Sprüche  nicht  vergehen",  sind  im  III.  Jahrh. 
V.  Chr.  griechische  Weisheitssprüche  zugeschrieben  worden,  die  uns  ein 
thebanisches  Ostrakon  erhalten  hat.^)  Andererseits  wurde  er  als  Heilgott 
dort  neben  ^Α6κλΎΐ%ιός  (=  Imuthes)  und  der  'ΤγΙεια  verehrt.')  Auch  der 
im  Faijum  verehrte  Gott  Πετεόοϋχος  dürfte  ursprünglich  eine  menschliche 
Gestalt  der  Vergangenheit  gewesen  sein.^)  Und  wenn  wir  in  dem  Namen 
Φραμηνυς^),  wie  ich  vermute,  keinen  Geringeren  als  den  „Pharao  Menis'^, 
den  ersten  König  der  I.  Manethonischen  Dynastie  sehen  dürfen,  so  können 
wir  auch  für  die  Ptolemäerzeit  seinen  Kult  für  das  Faijum  annehmen, 
wie  ich  ihn  für  die  Kaiserzeit  im  Arch.  IV  244  nachgewiesen  habe  (hier 


1)  Derselbe  steckt  auch  in  dem  Dorfnamen  Κερκεσήφις.  Zu  diesen  Bildungen 
vgl.  lg.  Z.  1883,  162. 

2)  Hiefür  vgl.  vor  allem  die  Mendesstele  (Sethe  II  28 if.). 

3)  Ygl.  weiteres  bei  Kuhn,  Bürgerl.  u.  städt.  Verfassung  II  470  f. 

4)  Untersuch,  z.  Gesch.  Äg.  II  4.     Vgl.  Arch.  II  467. 

6)  Vgl.  Sethe  in  Aegjptiaca,  Festschr.  f.  G.  Ebers  (1897)  106  ff. 

6)  Wilckenin  Aegyptiaca,  Festschr.  f.  G.  Ebers,  S.  142  ff. 

7)  Vgl.  die  Graffiti  von  Der  el-bahri  bei  C.  R.  Peers,  Journ.  Hell.  St.  XIX  (1899) 
13  ff.  Ein  Proskjnema  τταρά  τω  τινρίω  ^εω  Άσ^ληταω  καϊ  Άμενώ^•7]  καΐ  'Τγιεία.  Vgl. 
auch  Milne,  Cat.  Gen.  Cairo  (Greek  Inscr.)  n.  9304  S.  37/8. 

8)  Vgl.  meinen  Aufsatz  in  Äg.  Z.  1884,  136  ff.  über  den  Labyrintherbauer 
Petesuchos. 

9)  Teb.  I  24,  92.    84,  23,  26  usw. 


Α.  Ptolemäerzeit.     §  4.    Ägyptische  und  gräco-ägyptische  Kulte.  107 

Πραμηνίς).  Dieser  steht  parallel  dem  Kult  des  Πραμαρρηζ^  d.  h.  des 
Pharao  Amenemhet  ΙΠ  (XII.  Dynastie)^),  dessen  Kult  nach  der  Hawara- 
stele  mit  Suchos  verbunden  erscheint.-) 

Aber  auch  ihre  lebenden  Griechenkönige  haben  die  Ägypter  in  alter 
Weise  göttlich  verehrt,  und  haben  die  Priester  mit  denselben  altheiligen 
Königstitulaturen  und  -namen  bedacht  wie  die  der  früheren  Dynastien.*) 
Die  Dekrete  von  Kanopos  und  Rosette  sind  voU  von  solchen  den  Königen 
erwiesenen  göttlichen  Ehren.  Die  Göttlichkeit  des  Königs  tritt  uns  auch 
in  dem  Eid  beim  König  entgegen  (ορχος  βαοιλιχός),  der  im  öffentlichen 
Leben  eine  große  Rolle  gespielt  hat.  Vgl.  z.  B.  Petr.  II  46  (HO).  Grie- 
chische Übersetzungen  jener  ägyptischen  Königstitulaturen  begegnen  uns 
zuerst  unter  Philopator  auf  einem  Münchner  Papyrus  (109),  was  wohl  als 
ein  Zeichen  des  beginnenden  Einflusses  der  Ägypter  auf  die  Hegierung 
aufgefaßt  werden  darf  \'gl.  oben  S.  9Γ).  Mit  dieser  neuen  Richtung 
wird  es  auch  zusammenhängen,  wenn  wirklich,  wie  ich  vermutete,  Philo- 
pator zuerst  die  Königskrönung  nach  ägyptischem  Ritus  eingeführt  hat. 
Vgl.  S.  21. 

Während  aUe  bisher  besprochenen  Erscheinungen  rein  ägyptische 
sind,  treten  daneben  nun  synkretistische  auf,  die  für  die  hellenistische 
Zeit  charakteristisch  sind.  Dahin  gehört  einmal  die  schon  oben  erwähnte 
Tatsache,  daß  die  nach  griechischem  Kult  apotheosierten  Könige  und 
Königinnen,  also  die  ^εοΐ  Αδελφοί^  Ενεργέταυ  usw.,  als  όννναοι  ^εοί  dem 
Kult  der  ägyptischen  Hauptgötter  angeschlossen  wurden*),  so  dem  Άμον- 
ραόον^ήρ  von  Theben,  der  ^löig  von  Philä  usw.  Diese  Ehrung  des 
Königshauses  konnte  von  den  ägyptischen  Priestern  beschlossen  werden.*) 
So  haben  im  Dekret  von  Kanopos  die  Priester  bestimmt,  nicht  (wie 
manche  herausgelesen  haben),  daß  die  Könige  zu  d-εοΐ  Εύεργεται  werden 
sollten,  sondern,  daß  der  Kult  der  (bereits  bestehenden)  ^aoV  Εύεργε- 
ται allen  Tempeln  angegliedert  werde  (Z.  22  f ).  So  sind  also  griechische 
Götter  den  ägyptischen  an  die  Seite  getreten. 

Noch  entscheidender  aber  für  die  synkretistische  Entwicklung  hat  es 
gewirkt,  daß  der  schon  vor  Herodots  Zeit*)  im  Fluß  befindliche  Prozeß 
der  Gieichsetzung  der  alten  Griechengötter  mit  den  ägyptischen 

1;  Vgl    RubeiiHohn,  Äg.  Z.  42  (1906),  111  ff.  und  dazu  Wilcken,  Arch.  IV  Jll  f. 

2)  Hierdurch  crklüro  ich  jetzt  die  Nachricht  HerodoU  II  ÜB,  dafi  die  anteren 
Räume  des  Labyhnthe  (de•  Totentempel•  dea  Marröe)  mit  Krokodilmumien  aneefdUt 
gewesen  leien. 

8)  Vgl.  etwa  Lppiiine,  KOnigabucb;  Sethe,  Hierogl  Urkunden  der  grieoh.  Zeit  I.  Q. 

4)  Vgl.  Wilcken.  Herme•  SS,  7  ff. 

b)  Andererieit«  int  π•  nach  der  Mendee^tele  der  KOnig,  der  befahl,  daft  da• 
Bild  «einer  Hchweitei  in  allen  (ftgyptieohen)  Tempeln  aofgeetellt  werde.  Vgl.  Seihe, 
Hierogl.  Urk.  II  41. 

6)  Vgl.  li  60  und  paedm.    E•  iat  «chon  flkr  Hekataio•*  Zeil  antonehmen. 


IQQ  Kapitel  IL     Religion  und  Kultus. 

immer  weitere  Fortschritte  gemacht  hat.  Während  z.  B.  Herodot  II  50 
die  Hera  und  Hestia  noch  zu  den  Göttern  rechnet,  die  die  Ägypter  nicht 
kannten,  finden  wir  sie  im  IL  Jahrh.  v.  Chr.  mit  Katarraktengöttinnen  ge- 
glichen: "Ηραί  τψ  καί  Σάτει  Tcal  Έοτίαι  τψ  κκΐ  'Avovxsl^)j  wofür  man 
einige  Dezennien  später  —  mit  fortschreitender  Agyptisierung  —  Σάτει 
τψ  καΐ  'Ήραι  καΐ  ^Ανονκει  τψ  και  Έοτίαι  sagt.^)  Wenn  man  sieht,  wie 
hier  Hera  und  Hestia  diesen  ursprünglich  nubischen  Gottheiten  gleich- 
gesetzt sind,  mit  denen  auch  nicht  die  geringste  Verwandtschaft  sie  ver- 
band, so  kommt  man  auf  die  Vorstellung,  daß  diese  Identifizierungen 
staatlicherseits  systematisch  betrieben  oder  doch  gefördert  worden  sind.^) 
Es  würde  dies  ganz  in  der  Richtung  der  Religionspolitik  liegen,  die  zur 
Einführung  des  Sarapis  und  seiner  Gleichsetzung  mit  dem  Osiris-Apis  ge- 
führt hat.  Jedenfalls  mußte  diese  religiöse  Ausgleichung  die  Annäherung 
der  beiden  Völker  befördern.  ,  Freilich  haben  die  Griechen  bei  dieser 
Mischung  den  kürzeren  ziehen  müssen,  denn  sie  sind  dadurch  mehr  und 
mehr  dem  ägyptischen  Kult  zugeführt  worden.  Wenn  z.B.  in  dem  Tempel 
Yon  Kom-Ombo  angeschrieben  stand:  Άροήρει  ϋ^εώο  μεγάλωι  Άτίόλλωνι^), 
so  war,  wenn  auch  die  hier  betenden  Griechen  zunächst  noch  an  ihren 
Apollo  dachten,  der  Kult  hier  doch  ein  absolut  ägyptischer,  und  ebenso 
in  aUen  ähnlichen  Fällen.  ^)  Während  es  zunächst  Sitte  war,  wie  in  den 
angeführten  Beispielen,  die  beiden  gleichgesetzten  Gottheiten  —  meist  mit 
ό  και  verbunden  —  in  einem  Doppelnamen  zu  nennen,  wurde  oft  genug 
auch  nur  einer  von  ihnen  genannt,  und  darum  ist  es,  wie  oben  S.  96f. 
ausgeführt  wurde,  oft  so  schwer,  von  einem  einzelnen  griechischen  Götter- 
namen zu  sagen,  ob  er  wirklich  zu  einem  griechischen  oder  aber  zu 
einem  ägyptischen  Kult  in  Beziehung  steht.  Die  Beispiele  für  diese 
gräco-ägyptische  Göttermischung  sind  derartig  über  unser  Papyrusmaterial 
hin  zerstreut,  daß  ich  hier  auf  die  Vorführung  spezieller  Belege  verzichte; 
unsere  Chrestomathie  bietet  FäUe  genug. 

Fragen  wir  nach  dem  inneren  Verhältnis  des  Gläubigen  zur  Gottheit, 
so  liegen  uns  aus  der  römischen  Zeit  einige  eigenartige  fetischistische 
Züge  vor,  die  gewiß  auch  für  die  Ptolemäerzeit  gelten,  die  ich  aber  doch 
erst  im  römischen  Abschnitt  besprechen  möchte  (s.  S.  I24f.).  Im  übrigen 
haben  die  Menschen  auch  hier  in  der  Hauptsache  zwei  Dinge  von  der 
Gottheit  zu  erlangen  gesucht,  Gesundheit  resp.  Heilung  von  Krankheiten 
und  Auskunft  über  die  Zukunft.  Die  Götter,  die  im  Volk  Ansehen  haben 
woUten,  mußten  mehr  und  mehr  Heilgötter  und  Orakelgötter  werden. 
Wo  die  besten  Kuren  gemacht  wurden  und  die  sichersten  Orakel  gegeben 


1)  Dittenberger,  Or.  Gr.  I  111.  2)  Dittenberger  1.  c.  130. 

3)  So  vermutete  ich  bei  Besprechung  der  Stele  von  Assuan   (Wochenschr.  f.  kl. 
Phil.  1888  S.  9  S.  Α.). 

4)  Dittenberger,  Or.  Gr.  I  114.  5)  So  richtig  Otto  I  6. 


Α.  Ptolemäerzeit.     §  4.    Ägyptische  und  gräco-ägyptische  Kulte.  109 

wurden,  dorthin  vor  allem  wendeten  sich  die  Wallfahrer.  Wie  schon 
in  alten  Zeiten  in  den  ägyptischen  Tempeln  wirkliche  Heilkunde  und 
öder  Zauberschwindel  nebeneinander  getrieben  wurden,  so  wird  es  auch 
jetzt  gewesen  sein.  Von  einer  glücklichen  Heilung  durch  den  Gott 
Soknopaios  spricht  Amh.  35  (68),  vom  Aufenthalt  in  einem  Isistempel 
des  Faijüm  zu  Kurz\vecken  spricht  Teb.  44  (118).^)  Auch  der  weise 
Amenhotep  war  zum  Heilgott  geworden  (s.  S.  106  Anm.  7).  Von  den  Ge- 
beten an  die  Götter  um  Gesundheit  der  Augehörigen  zeugen  viele  Brief- 
eingänge: „Wenn  Du  gesund  bist,  εϊη  αν  ώg  εγώ  zolg  d^eotg  ευχόμενος 
διατελώ'''  ο.  ä.  Vgl.  Witkowski,  Ep.  priv.  11.  12.  26.  Vgl.  auch  χάρις 
τοις  θ•£οΓ^,  εί  νγαίνείς,  ebenda  13.  Ahnlich  14  {9•εώί).  Die  προΰχννημα- 
Formel  begegnet  erst  in  der  Kaiserzeit.  Andererseits  handeln  von  Träumen, 
durch  die  die  Gottheit  den  Inkubanten  eventuell  Weisungen  für  die  Zu- 
kunft gibt,  einige  der  Serapeum- Papyri,  deren  Besprechung  ich  mir  für 
die  „Urkunden  der  Ptolemäerzeit"  vorbehalten  muß.-)  Vgl.  außerdem 
Goodsp.  3  (50).  Ein  reicheres  Material  für  Orakelanfragen  liegt  uns  — 
>vohl  nur  zufällig  —  erst  für  die  Kaiserzeit  vor  (s.  unten  S.  125). 

Auf  die  religiösen  Feste  nehmen  die  Papyri  vielfach  Bezug.  Ab- 
gesehen von  den  Urkunden  mache  ich  auf  die  hierfür  sehr  interessanten 
Angaben  in  dem  saitischen  Kalender  (Hib.  27)  aufmerksam. 

Neben  dem  offiziellen  Kult  ägyptischer  Götter  hat  es  auch  privaten 
Kult  gegeben.  Für  ihn  scheint  mir  Dekret  von  Rosette  Z.  52 — 53  von 
besonderer  Wichtigkeit  zu  sein.  Auch  ägyptische  Kultvereine  treten 
uns  entgegen.^)  Bei  dem  starken  Synkretismus  der  jüngeren  Zeit  kann 
es  oft  strittig  sein,  ob  wir  einen  ägyptischen  oder  einen  griechiechen 
Verein  vor  uns  haben. 

Über  die  Stellung  der  Regierung  zu  den  ägyptischen  Tempeln  ist 
echon  oben  S.  93  ff.  gesprochen  worden.  Es  erübrigt  noch,  auf  die  Orj^m 
nisation  der  Tempel  und  der  Priesterschaft  kurz  hinzuweisen.*)  Die 
ägyptischen  Tempel  —  abgesehen  von  den  Privatheiligtümern  —  zerfielen 
offiziell  in  Tempel  erster,  zweiter  und  dritter  Ordnung,  was  schon  aus  älterer 
Zeit  herübergenommen  sein  mag.*^)  Ein  Verzeichnis  der  „kleineren"  Tempel 
des  Dorfes  Kerkeosiris  bietet  Teb.  88  (67).  Wie  diese  Tempel,  so  war 
iiiu'.li    iluft   m'siirnfc   Priesterschaft   nach   einheitlichem   System   organisiert. 

1)  Im  aügcmoinen  vgl.  jetzt  SudhotT,  Är/.tli<  lir^  uih  ^rii''ch.  Papyrnturkunden 
1001»,  213  ff. 

2)  Vgl.  Sudhof!  1.  c.  Koitzenetoin•  AuifühninK•  π  in  „I L'Uenift  MytteridDraligJon^ 
7ß  beruhen  z.  T.  auf  irriguii  LtrHungen. 

3)  Otto  I  125  ff.  Vgl.  jetzt  die  wichtigen  Statuten  von  KoltgenoMenfohaften, 
die  Spiegelberg  aus  den  dem*•  »''-  »»■^•  • --  von  Cairo  heraoagegebtn  hat  (Cai 
Ούη^τΛ]  i\.  Ant.  ßgypt.  IWH). 

4)  Vgl.  die  auefilhrlicheii  iMru-giingrii   vnn   Otto  I  17  ff.     Daitt  Rottowtew  L  C 
r>)  Dekr.  v.  KanopoH  Ζ  60  ff,  RoMtte  Z.  64,  Teb.  I  8.  eiAf.    Otto  I  18  ff. 


IIQ  Kapitel  II.     Religion  und  Kultus. 

Gleicliwolil  gab  es  damals,  wie  wir  oben  S.  94  sahen,  keine  andere  dauernde 
einheitliche  Leitung  als  die  von  dem  König,  der  auch  in  ihrer  Religion 
selbst  Gott  war,  in  Anspruch  genommene.  Freilich  wurde  es  den  Prie- 
stern erlaubt,  in  Priesterversammlungen,  die  von  den  sämtlichen  Tempeln 
des  Landes  beschickt  wurden,  zusammenzutreten^),  aber  die  Kompetenzen 
dieser  Versammlungen  waren  sehr  beschränkte  —  in  den  uns  bekannten 
FäUen  handelt  es  sich  nur  um  neue  Ehren  für  das  Königshaus^)  — ,  und 
diese  Versammlungen  unterstanden  selbstverständlich  der  Kontrolle  der 
Regierung.  Es  ist  mir  daher  auch  zweifelhaft,  ob  die  bisherige  Auffassung, 
die  in  diesen  Synoden  nur  die  Ausübung  eines  wichtigen  Korporationsrechtes 
sieht  ^),  in  dieser  Allgemeinheit  zutreffend  ist.  Ich  möchte  dem  gegenüber 
zur  Prüfung  die  These  aufstellen,  daß  diese  Priesterversammlungen  ur- 
sprünglich gerade  von  der  Regierung  gefördert  worden  sind,  um  die 
Priester  ihre  Königstreue  dokumentieren  zu  lassen  und  damit  ihre  Ab- 
hängigkeit vom  Staat  zu  befestigen.  Auch  in  dem  jährlichen  κατά^λονς 
sig  ^λεζάνδρείοίν^)  möchte  ich  in  erster  Reihe  einen  Zwang  zur  Teil- 
nahme der  Vertreter  der  Priesterschaft  an  der  Königsgeburtstagsfeier 
sehen. ^)  Es  war  eine  Schwächung  der  königlichen  Position,  wenn  Epi- 
phanes  hierauf  verzichtete.  So  sind  denn  auch  damals  die  Priester  aus 
Anlaß  der  ägyptischen  Königskrönung  zusammengekommen,  in  der  der 
Sieg  des  Nationalismus  hervortritt.  Ahnlich  mögen  auch  bei  den  späteren 
Königskrönungen  solche  „Synoden"  stattgefunden  haben,  aber  der  Schwer- 
punkt ihrer  Beschlüsse  liegt  schon  im  Dekret  von  Rosette  —  und  damit 
erklären  sich  die  oben  S.  95  hervorgehobenen  Unterschiede  vom  Dekret 
von  Kanopos  —  in  der  Aufzählung  und  Festnagelung  der  zahlreichen 
Privilegien  und  Erleichterungen,  die  sie  beim  König  durchgedrückt  hatten. 
Diese  Priestersynoden  sind  neben  anderen  Argumenten  neuerdings 
für  die  Berechtigung,  von  einer  ägyptischen  Kirche  im  strengen  Sinne 
des  Wortes  zu  sprechen,  verwendet  worden.^)  Zu  den  schon  von  anderer 
Seite  erhobenen  Einwendungen  und  Beschränkungen^)  kommt  für  mich 
noch  dazu,  daß  die  Götter  Ägyptens  keine  Einheit  bilden^),  daß  es  über- 
haupt keine  einheitliche  Lehre  gibt^),  die  wie  in  den  anderen  Religions- 


1)  Vgl.  vor  allem  die  beiden  Dekrete  von  Kanopos  und  Rosette, 

2)  Die  Ordnung  des  Kalenders  im  Dekret  von  Kanopos  soll  auch  nur  der  besseren 
Durchführung  solcher  Ehren  dienen. 

3)  So  neuerdings  namentlich  Otto  I  72  ff.    II  283.  4)  Rosette  16/7. 

5)  So  Lepsius,  zustimmend  Wilcken,  Hermes  23,  602.  Dagegen  Otto  I  73  will 
auch  hierin  in  erster  Reihe  ein  Recht  zur  Beratung  gemeinsamer  Angelegenheiten 
sehen.     Für  letzteres  finde  ich  überhaupt  kein  Beispiel. 

6)  Otto  II  281  ff. 

7)  Schubart,  Lit.  Zentr.  1909,  Sp.  68ff.;  Rostowzew,  GGA  1909,  603  und  nament- 
lich 635  f. 

8)  Vgl.  Arch.  V  250. 

9)  Vgl.  die  zutreffende  Charakteristik  von  Cumont  1.  c.  104. 


Α.  Ptolemäerzeit.     §  4.    Ägyptische  und  graco-ägyptische  Kulte.  Hl 

genossenschaften,  auf  die  wir  den  ursprünglich  christlichen  Begriff  der 
Kirche  übertragen,  wie  im  Parsismus,  Judentum,  Islam  in  autoritativer 
Weise  kodifiziert  wäre.  Immerhin  können  wir  vergleichsweise  auch 
von  einer  ägyptischen  Kirche,  vom  Klerus  usw.  sprechen,  zumal  in  der 
einheitlichen  Organisation  der  Priester  schaffe  —  z.  B.  im  Gegensatz  zu  den 
Verhältnissen  im  kirchenfreien  Griechenland  —  entschieden  Ansätze  vor- 
liegen. 

Die  Priesterschaften  der  einzelnen  Tempel^),  und  zwar  die  eigent- 
lichen isQslg^  waren  in  Phylen  gegliedert,  zunächst  in  je  vier,  seit  dem 
Dekret  von  Kanopos  in  je  fünf,  jede  unter  einem  Phylarchen.  Diese  vier 
resp.  fünf  Phylen  verrichteten  abwechselnd  im  Laufe  des  Jahres  die  kul- 
tischen Handlungen,  so  daß  auch  die  Emolumente,  Sportein  usw.,  die  mit 
den  Kulthandlungen  verbunden  waren,  abwechselnd  den  Phylen  resp.  ihren 
Priestern  zufielen.  Jede  Phyle  hatte  einen  jährlich  wechselnden  Ausschuß 
von  je  fünf  βονλενταΐ  Ιερείς  an  ihrer  Spitze.^)  Unter  den  Phylenpriestern 
gab  es  verschiedene  Klassen,  wie  z.  B.  die  beiden  oft  genannten  Dekrete 
aufeählen:  ol  αρχιερείς  xai  προφήται  xal  ol  ε^ς  το  αδντον  εΐόπορενόμενοί 
προς  τον  ΰτολιόμ,ον  των  d-εών  χαΐ  πτεροφόραί  χαΐ  ίερογραμματείς  χαΐ  οί 
αλλοί  ιερείς  πάντες  χτλ.  An  der  Spitze  des  Tempels  stand  der  έπιοτάτης 
τον  Ιερον,  der  nach  manchen  identisch  ist  mit  dem  άρχιερενς^)^  nach 
anderen,  denen  auch  ich  mich  anschließe,  von  ihm  verschieden  ist.*) 
Während  Otto  (I  41)  dem  Par.  35  (und  37)  ein  Argument  für  die  Iden- 
tität entnimmt,  werde  ich  in  den  „Urkunden  der  Ptolemäerzeit"  genauer 
begründen,  daß  gerade  diese  Texte  einen  strikten  Beweis  für  die  Ver^ 
echiedenheit  ergeben,  wenn  man  sie,  die  auf  jeden  Fall  emendations- 
bedürftig  sind,  richtig  emendiert:  in  Par.  35,  23  ist  έπιΰτρεψαντος  Öh 
\πά]λιν  ζ^τον  ΐ4μώ6ιος  μετά)  *Αριμον^ον  τον  παρά  τον  έπιΰτάτον  not- 
wendig herzustellen,  und  da  !4μω6ις  vorher  als  ό  παρά  τον  άρχιερεως 
(Ζ.  12)  bezeichnet  ist,  so  liegt  die  Verschiedenheit  der  beiden  Amter  hier 
deutlich  zutage.  Vgl.  auch  Teb.  5,  62  (65).  —  Ebenso  dissentieren  die 
Ansichten  über  die  Einsetzung  des  επιΰτάτης.  Die  Annahme  Ottos  (1239), 
daß  die  Priester  von  der  Regierung  das  Recht  erhalten  hätten,  ihren  ixi- 
ότάτης  selbst  zu  erwählen,  wird  von  Rostowzew  1.  c.  611  ff.  entschieden 
bestritten.  Er  stellt  die  Epistaten  als  vom  Staat  eingesetzte  liturgieohe 
Halbbeamte  den  anderen  Priestern  als  Inhabern  von  gewinnbringenden 
Priesterstellen  scharf  entgegen.  In  diesen  lebensläoglichen  Epistaten,  deren 
Amt  sich  faktisch  oft  innerhalb  derselben  Familie  vererbte,  sieht  er  noch 
einen  liest   des   alten  Feudalismus,   mit  dem  erst  die  rÖmisohe  Regierung 

1)  Filr  all«   Κίπ/••11ι••ιΙ•Μί   ν«•Γ\\ί•ι>ι»•   idi   uuf  <»t!.•    i    'j:.  !l 
»)  Otto  I  37  ff.  .:    So  •/..  U.  ntlo.  an.  !     i;    .f    λ    .u 

4)  \ff\.  Bouch^-Ledercq  III  197  Aom.  S  I  Μ  •  r.  I  t  .  hr  fflr  0.  HirechfeM 
8.  leo  Anm.  1. 


2;[2  Kapitel  IL     Religion  und  Kultus. 

aufgeräumt  hat.  Jene  gewinnbringenden  Priesterstellen  aber  sind  nach 
Rostowzew  vom  Staat  auf  dem  Wege  des  Verkaufes  resp.  des  Verpachtens 
auf  unbegrenzte  Zeit  vergeben  worden  —  vgl.  den  grundlegenden  Pap. 
Eleph.  14  (in  Kap.  VII)  — ,  die  Inhaber  der  nicht  gewinnbringenden  Stellen 
sind  es  dagegen,  die  das  όννταξος  genannte  Gehalt  vom  Staat  erhielten.  Diese 
von  Rostowzew  bisher  nur  kurz  skizzierten  neuen  Gedanken,  deren  all- 
gemeine Grundzüge  mir  das  Richtige  zu  treffen  scheinen,  verdienen  im 
einzelnen  gründlich  nachgeprüft  zu  werden. 

Auf  die  mit  dem  Totenkult  betrauten  Priester,  wie  die  χοαχνταί 
und  Λαραβχίΰται  usw.^),  soll  hier  nur  kurz  hingewiesen  sein,  da  ich  die 
reichen  Quellen,  die  uns  über  sie  vorliegen,  in  den  „Urkunden  der  Ptole- 
mäerzeit"  neu  herausgeben  und  besprechen  werde.  ^) 

§  5.     ORIENTALISCHE  KULTE. 

Auf  die  große  Verbreitung  der  Juden  im  ptolemäischen  Ägypten  und 
damit  auch  der  jüdischen  Religion  ist  schon  oben  S.  24  f.  hingewiesen 
worden.  Die  Stellung  der  Regierung  ist  auch  diesem  Kult  gegenüber 
stets  eine  absolut  tolerante  gewesen,  während  in  gewissen  Teilen  der 
griechischen  Bevölkerung  sich  schon  damals  eine  antisemitische  Stimmung 
gelegentlich  geltend  gemacht  hat.^)  So  waren,  wie  wir  oben  sahen,  die 
Synagogen  (τί^οβενχαί)  der  Juden  schon  seit  dem  III.  Jahrh.  durchs  ganze 
Land  zerstreut,  und  seit  dem  IL  Jahrh.  erhob  sich  mit  königlicher  Ge- 
nehmigung in  Leontopolis  im  Delta  der  Zentraltempel  dieser  ägyptischen 
Diaspora.  Die  uns  erhaltenen  Weihinschriften  von  Juden  sind  religions- 
geschichtlich z.  T.  von  hohem  Interesse.  Vgl.  Wilamowitz  (Sitzungsb.  Berl. 
Akad.  1902  S.  1094)  über  den  d-eog  υψίοτος.^)  Bemerkenswert  ist,  daß 
die  Juden,  wenn  sie  auch  den  Herrscherkult  selbstverständlich  ablehnen 
mußten,  doch,  um  ihre  Loyalität  auszudrücken,  sich  soweit  heUenisierten, 
daß  sie  die  Weihungen  an  ihren  Gott  ντΐΐρ  ßa6 ίλεως  vollzogen. 

An  orientalischen  Kulten  finden  wir  ferner  den  der  ^βτάρτη^  die 
übrigens  schon  seit  dem  neuen  Reich  als  Tochter  des  Ptah  von  Memphis 
unter  die  ägyptischen  Götter  aufgenommen  war.^)  Von  dem  ihr  ge- 
weihten ^ΰταρτιεΐον,  das  zu  dem  großen  Σαραταεΐον  gehört,  handeln  die 
Sarapeumspapyri  (ÜPZ.).  Aber  auch  manche  andere  fremde  Kulte 
mögen  durch  die  aus  der  Fremde  stammenden  Soldaten   oder  auch  durch 


1)  Vgl.  Otto  1  98  ff. 

2)  Zum  Totenkult  dieser  Zeit  vgl.  jetzt  Th.  Schreiber,  Expedition  Ernst  Sieglin, 
Ausgrabungen  in  Alexandria  I  1908. 

3)  Vgl.  Wilcken,  Zum  alexandrinischen  Antisemitismus  (Abh.  Sachs.  Ges.  1909, 
784  f.). 

4)  Vgl.  jetzt  den  nicht  jüdischen  d'sbg  "'TrpLCTos  Σωτηρ  aus  Milet    (Dittenberger, 
Or.  Gr.  Π  755,  756). 

5)  Vgl.  Otto  I  171. 


Β.  Römische  Zeit.     §  1.    Religions-  und  Kirchenpolitik  des  Staates.  113 

ausländische  Frauen  griechisch-makedonischer  Männer  nach  Ägypten  ver- 
pflanzt worden  sein.  Ein  Beispiel  für  einen  solchen  Privatkult  der  Σνρία 
^£0ς  bietet  uns  Magd.  2  (101).  Der  Adoniskult  wird  in  Petr.  UI  S.  32,  19 
erwähnt  (ΙΠ.  Jahrh.  v.  Chr.). 

B.  RÖMISCHE  ZEIT. 

Außer  Otto8  Werk  und  den  kritischen  Bemerkungen  von  Hostowzew,  GGA  1909, 
ferner  Cumont  1.  c,  vgl.  die  oben  S.  28  für  die  römische  Zeit  aufgeführte  historische 
Literatur,  im  besonderen  auch  Milne,  Hist.  of  Eg.  u.  Rom.  Rule  128 ff.  Vgl.  auch 
Wessely,  Karanis  S.  5G  ff.  F.  Blumen thal,  Der  ägyptische  Kaiserkult  (Archiv  V 
Heft  3). 

§  1.     RELIGIONS-  UND  KIRCHENPOLITIK  DES  STAATES. 

Die  Religionspolitik  der  römischen  Regierung  in  Ägypten  befolgt 
im  allgemeinen  dieselben  Tendenzen  wie  vorher  die  der  Ptolemäer.  Auch 
sie  erstrebt  den  religiösen  Frieden  zwischen  den  verschiedenen  im  Niltal 
gepflegten  Kulten,  auch  sie  kommt  ihnen  daher  mit  völliger  Toleranz 
entgegen,  soweit  sie  nicht  direkt  den  Ansprüchen  der  römischen  Staats- 
religion entgegentreten.  Das  letztere  trat  einmal  bei  den  Juden  hervor 
indem  sie  wie  früher  den  Ptolemäerkult,  so  jetzt  den  Kaiserkult  ablehnten. 
Aber  nur  Kaiser  Gaius  hat  ihnen  gegenüber  auf  dieser  Forderung  be- 
standen und  hat  gewaltsam  seine  Statuen  in  ihren  Synagogen  aufstellen 
lassen,  was  zu  schweren  Kämpfen  in  Alexandrien  führte  (s.  oben  S.  G4). 
Dagegen  ist  diese  Beorderung  des  Kaiserkultes  später  strikt  aufrecht  er- 
halten worden  gegenüber  den  Christen,  und  wie  im  ganzen  Reich,  so 
führte  auch  in  Ägypten  die  Religionspolitik  zu  Christenverfolgungen, 
deren  Spuren  uns  auch  in  den  Papyri  noch  entgegentreten  (s.  unten). 
Hiervon  abgesehen  ist  im  besonderen  auch  der  ägyptischen  Religion  gegen- 
über größte  Toleranz  geübt  worden.  Wohl  haben  einzelne  Kaiser  ge- 
legentlich ihre  persönlichen  Antipathien  wie  andere  ihre  Sympathien 
gegenüber  dem  ägyptischen  Kultus  gezeigt^),  wohl  haben  Kaiser  wie 
Augustus  und  Tiberius  den  ägyptischen  Kult  von  Rom  aoegesohloeeen'), 
aber  in  Ägypten  selbst  hat  die  Regierung  stets  an  ihrem  toleranten  Stand- 
punkt festgehalten.  Wir  hören  nichts  von  irgend  welchen  Beschränkungen 
des  ägyptischen   oder  auch  des  griechischen  Kultus.')     Auch  betreffii  der 

1 )  Vgl.  die  Weigenmg  OktAvians  (β.  80),  in  Alexandrien  den  Apia  tu  beraohto, 
wi•  r>r,  wie  wir  jetzt  wiiten,  mit  dem  Kult  de•  τοη  ihm  hooh?erehrten  Sarapia 

in   .  ^  itand  (Dio  Cm•.  61,  16,  6). 

%)  Vgl.  WitNowa.  lUsMg'ion  u.  Kulta•  der  B6mer  190S  8.  S96.    Cumont  1.  c,  99  ff. 

S)  Die  frOhore,  jetst  von  0.  Tb.  SohoU  wieder  Tertoidigte  Aiuiohl,  daft  nach 
Vit.  Marci  28,  Η  Kaiiier  Murcu•  da•  niedere  Volk  von  Pelu^ium  vom  SarapUknll  an•• 
geicblosNen  habe,  hertilit  auf  irriger  Interpretation.  Vgl.  m«ln•  Au^fDbrangen  in 
Kilo  IX  181  ff.     Scbulx'  ikmerkung  ebenda  8.  161  indert  niobte  an  der  Saobe.    Darob 

Milltia-Wnokrti     OrtinilXliia   I  6 


11/^  Kapitel  Π.     Religion  und  Kultus. 

Einführung  des  römischen  Kultus  wurde  mit  großer  Zurückhaltung  vor- 
gegangen, so  daß  wir  überhaupt  kaum  sichere  Spuren  davon  nachweisen 
können  (s.  unten  S.  115),  wenn  wir  absehen  von  dem  römischen  Kaiser- 
kult, der  nach  seiner  historischen  Entstehung  und  seinen  Formen  viel- 
mehr dem  hellenistischen  Kult  zuzuschreiben  ist  (s.  unten  S.  117  ff.). 

Wie  bei  den  ersten  Ptolemäern,  so  steht  aber  auch  bei  den  Kaisern 
die  Religionspolitik  in  einem  Gegensatz  zur  KirchenpolitikJ)  Unter 
der  immer  schwächlicher  werdenden  Regierung  der  letzten  Ptolemäer  — 
für  deren  Zeit  uns  bisher  nur  wenige  Urkunden  bekannt  geworden  sind  — 
werden  die  Priesterschaften  wahrscheinlich  immer  reicher  und  mächtiger 
geworden  sein.  Dieser  Entwicklung  hat  Augustus,  wie  Rostowzew  zuerst 
erkannt  hat,  Einhalt  geboten  und  hat  mit  noch  strengeren  Mitteln  als  die 
ersten  Ptolemäer  die  absolute  Autorität  des  Staates  gegenüber  der  Priester- 
schaft stabiliert.  Einzelne  Fälle  von  Säkularisierung  von  Tempelgebieten 
durch  Augustus,  die  uns  neuerdings  bekannt  geworden  sind  (vgl.  Oxy. 
IV  721,  Teb.  II  302  in  Kap.  VII),  lassen  vermuten,  daß  vieUeicht  iu 
weiterem  Umfang  solche  Konfiskationen  von  ίερά  γη  damals  vorgenommen 
sind  (s.  unten  Kap.  VII),  und  wenn  auch  nach  Teb.  302  den  Priestern 
das  hier  konfiszierte  Land  in  Pacht  zurückgegeben  wird,  so  zeigt  doch 
gerade  dies  Beispiel,  wie  energisch  die  Eingriffe  des  Augustus  waren, 
denn  dies  Land  erhielten  die  Priester  zum  Ersatz  dafür,  daß  er  ihre 
dvvTa^Lg  eingezogen  hatte!  Auch  sonst  sehen  wir  die  fiskalischen 
Interessen  gegenüber  den  Priestern  in  einseitiger  Weise  zur  Geltung 
gebracht.  Auch  die  Einschränkung^)  des  Asylrechtes  der  ägyptischen 
Tempel  (s.  oben  S.  96)  hat  diesen  eine  schwere  rechtliche  und  wirt- 
schaftliche Einbuße  gebracht.  Die  römische  Faust  tritt  uns  im  be- 
sonderen aber  auch  in  der  strengen  staatlichen  Verwaltung  der  Tempel 
entgegen:  es  wird  die  gesamte  Tempelverwaltung  —  in  einem  uns  noch 
unbekannten  Zeitpunkt  —  zentralisiert  und  einem  άρχίερενς  Αλεξαν- 
δρείας καΐ  ΑΙγνπτον  πάοης  übergeben,  dessen  Stelle  bezeichnender- 
weise mit  der  eines  römischen  Prokurators,  des  Idiologos,  kombiniert 
wird  (s.  unten  S.  126 f.).  Aber  auch  die  innere  Organisation  der  Priester- 
schaften erleidet  Veränderungen,  die  auf  eine  Schwächung  ihrer  Stellung 
hinauslaufen,  so  die  Einführung  der  liturgischen  Kollegien  der  πρεοβν- 
χεροι^  die  vielfach  an   die  Stelle   der  früheren  feudalen  Epistaten  treten. 


meine  Übersetzung  „fernhalten"  für  summovere  sollte  nur  auf  die  Dauer  der  Wirkung 
hingewiesen  werden  (vgl.  S.  133).  Es  ändert  sich  an  meiner  Argumentation  nichts, 
wenn  ich  übersetze:  „Marcus  entfernte  den  Sarapiskult  von  der  pelusischen  Gemein- 
heit."    Darin  tritt  andererseits  der  einmalige  Eingriff  des  Kaisers  schärfer  hervor. 

1)  Ich  folge  hier  wieder  den  Ausführungen  von  Rostowzew  1.  c.  638  ff.  gegen- 
über Otto. 

2)  Zuerst  betont  von  Rostowzew,  GGA  1909,  640,  Kolonat  S.  217.     Material  bei 
Preisigke,  Straßb.  Pap.  I  S.  164  ff. 


Β.  Römisclie  Zeit.     §  2.    Römische  Götter.  115 

eo  vor  allem  die  Verpflichtung  der  Priester,  auch  an  den  Liturgien  mit- 
zutragen (s.  unten  Nr.  84).  Als  dann  seit  202  die  Kurienverfassung  ein- 
geführt war  (s.  oben  S.  41),  sind  auch  die  Tempel  der  Verwaltung  der 
städtischen  Kurien  unterstellt  worden,  so  daß  von  der  früheren  Sonder- 
stellung der  Tempel  kaum  noch  etwas  übrig  geblieben  ist.  So  endet 
diese  Periode  mit  der  völligen  Unterwerfung  der  ägyptischen  Kirche 
unter  den  Staat  und  der  Gleichstellung  der  Priester  mit  der  sonstigen 
Bevölkerung. 


§  2.    RÖMISCHE  GÖTTER. 

Irgend  welche  sicheren  Nachweise  für  einen  in  Ägypten  ausge- 
übten römischen  Kultus  liegen  uns  nicht  vor.  Man  kann  ja  wohl  ver- 
muten, daß  es  für  die  cives  Romani,  die  als  Beamte  und  Offiziere  und 
Soldaten  oder  auch  als  Kaufleute  nach  Ägypten  kamen,  dort  römischen 
Kult  gegeben  hat  resp.  daß  sie  solchen  ausgeübt  haben,  aber  sichere 
Spuren  liegen  bisher  kaum  vor.  Otto  (I  9, 5)  zitiert  als  Belege  für  römi- 
schen Kultus  CIL  III  22  (Jupiter,  Hercules,  Victoria),  79  (Mercurius), 
6605  (Dii  Manes).  Der  erste  Fall,  in  dem  die  Götter  Diokletians  und 
Maximians  gemeint  sind,  fällt  außerhalb  unserer  Periode.  In  dem  zweiten 
Fall  liegt  eine  militärische  Weihung  deo  magno  Mercurio  aus  Dakke  vor 
(a.  109);  da  aber  in  Dakke,  wie  die  griechischen  Weihinschriften  zeigen, 
der  Lokalgott  Παντνοϋψίς  verehrt  wurde,  der  im  Griechischen  mit  Έρμης 
wiedergegeben  wird,  so  ist  gar  kein  Zweifel,  daß  auch  der  Mercurius 
niemand  anders  ist.  Von  römischem  Kultus  kann  hier  also  nicht  ge- 
sprochen werden.  Wir  lernen  vielmehr,  daß  auch  die  Römer  ebenso  wie 
die  Griechen  ihre  heimischen  Götter  gelegentlich  den  ägyptischen  Göttern 
glichen.  Auch  bei  ihnen  finden  wir  Doppelnamen  wie  in  CIL  76  (aus 
den  Steinbrüchen  zwischen  Philä  und  Syene,  Anfang  des  ΙΠ.  Jahrb.),  wo 
die  Weihung  I(ovi)  O(ptimo)  M(aximo)  Hammoni  Chnubidi  lautet,  wäh- 
rend mit  lunonis  reginae  die  Satis  (=  '^Hqo)  gemeint  ist,  wenn  sie  auch 
nicht  besonders  genannt  ist.  Der  Zusatz  quorum  sab  tutela  hie  mons  est 
zeigt,  daß  die  Verehrung  den  ägyptischen  Göttern  galt  (Otto  I  6).  So 
bleiben  uns  für  unsere  Zeit  nur  die  in  größerer  Zahl  vorkommenden 
Grabschriften  mit  Die  ManibusI  Ob  diese  Weihung  damals  noch  viel 
mehr  als  eine  Formel  gewesen  ist,  lasse  ich  dahingestellt  Ich  fttge  sa 
jenen  Beispielen  hinzu  die  Weihung  des  Cornelius  Gailus  ans  dem  Anfang 
der  lir)merzeit:  diefisj  patrieis.  Da  haben  wir  die  römisohen  Götter  — 
aber  daneben  steht:  et  Nil[o  adiutjori!  Damit  beginnt  schon  die  Linie, 
die  zum  lOM  Hammon  Chnubis  fQhrt. 

Wir  hören  femer,  daß  im  Hauhp  oines  L.  Bellienas  GemeUas  die 
Saturnalien  gefeiert  wurden  (P.  Fi»  -8,  um  100  n.  Chr.),  aber  ob 


11^  Kapitel  Π.     Religion  und  Kultns. 

dies  Fest  noch  religiöse  Bedeutung  für  ihn  hatte,  ist  sehr  zweifelhaft.^) 
Von  irgend  einem  römischen  Kultus  hören  wir  bisher,  wie  gesagt,  nichts.^) 
Der  einzige  Kultus  eines  römischen  Gottes,  über  den  wir  genauere  Nach- 
richten erhalten,  ist  der  des  Jupiter  Capitolinus  in  Arsinoe  im  J.  215 
(BGÜ  362  [96]),  womit  das  Καπιτόλειον  in  Oxyrhynchos  zu  vergleichen 
ist  (Oxy.  I  43  Verso  4,  3).  Aber  der  arsinoitische  Kultus  ist  gräco -ägyp- 
tisch. Otto  (I  10)  hat  hieraus  geschlossen,  daß  dieser  Gott  von  den 
Ägyptern  in  ihr  Pantheon  aufgenommen  sei.  Ich  möchte  eher  glauben, 
daß  gerade  dieser  Gott  —  man  denke  an  die  Rolle,  die  er  in  Jerusalem 
seit  Vespasian  spielt!  —  von  der  Regierung  eingeführt  ist  resp.  dem 
Wunsche  der  Regierung  gemäß  von  den  Kommunen.  Doch  wird 
von  vornherein  auf  den  römischen  Kult  verzichtet,  und  der  hellenistische, 
damals  stark  ägyptisierte  Kult  zediert  worden  sein.  Jedenfalls  ist  aus- 
geschlossen, daß  hier  wie  in  den  obigen  Fällen  eine  griechische  oder 
ägyptische  Gottheit  unter  diesem  Namen  verehrt  wäre.  Eine  bestimmte 
lokale  Individualität  wurde  (so  auch  Otto  1.  c.  Anm.  2)  niemals  mit  fremden 
Göttern  geglichen:  ^ϋ-ηνα  ist  Neit,  aber  nicht  ^ϋ-ηνα  Πολιάς.  Für  den 
römischen  Charakter  des  Gottes  ist  bezeichnend,  daß  hier  neben  den 
ägyptischen  Festen  nicht  nur  die  römischen  Kaiserfeste  in  großer  Zahl, 
sondern  auch  das  römische  Neujahr  und  der  Geburtstag  der  Göttin  Roma 
gefeiert  wurden  (vgl.  96),  welch  letztere  in  rein  ägyptischen  Tempeln 
kaum  gefeiert  sein  dürften.  Sollte  sich  Wilamowitz'  Vermutung  bestätigen, 
daß  diese  Kapitole  erst  eine  Folge  der  Constitutio  Antonina  gewesen  sind 
(GGA  1898,  677),  so  müßten  wir  um  so  mehr  daran  festhalten,  daß  hier 
ein  römischer  Gott  installiert  wurde,  der  nun  gerade  den  alten  und  neuen 
römischen  Bürgern  gelten  sollte.  Wie  dem  auch  sei,  der  Grundgedanke 
von  Wilamowitz,  daß  die  constitutio  Antonina  mit  dem  römischen  Bürger- 
recht auch  römische  Götter  gebracht  habe,  berührt  sich  eng  mit  der  offi- 
ziellen Begründung,  die  Caracalla  in  seinem  Einführungsedikt  gegeben  hat. 
Wir  lesen  sie  jetzt  in  Giss.  40  I,  wo  der  Kaiser  sagt  (Z.  4ff.):  Τοιγαρονν 
νομίξω[ν  ο]ντω  μείγαλοτΐρεττώς'?  καΐ?  εν6εβ?]ώς  dv[va\öd'aL•  τγι  μεγαλεί[ό]- 
τητί  (maiestati)  αυτών  (seil,  der  vorher  genannten  ϋ'εοί)  το  txavbv  %0ί\ε1ν^ 
εΐ  τους  ^ενονς^  oö^axtg  εάν  ν[Ή:]εί6ελϋ'[ω6]ίν  εΙς  τους  έμονς  άν[ΰ'ρ]ώπονς^ 

[εΙς τώ]ν  &εών  (3ννεΛενέγ\χοι\μι^  δίδωμν  κτλ.     Er  glaubt  also 

der  maiestas  der  römischen  Staatsgötter  —  denn  an  diese  kann  hier  nur 
gedacht  werden  —  am  besten  zu  dienen,  wenn  er  auch  die  Peregrinen 
ihrem  Kult  zuführt,  eine  Motivierung,  die  gerade  bei  diesem  Kaiser 
überrascht,  der,  selbst  als  Φιλοοάρατας  bezeichnet  (worauf  mich  W.  Weber 
hinwies)   zuerst   den   Sarapis    und    die   Isis   innerhalb   des   Pomerium   auf- 

1)  Ygl.  Wilamowitz,  GGA  1901,  44  Anm.  1. 

2)  Was  der  δημιουργός  9•εάς  'Ρώμ,ης  in  BGU  937,  8  (IE  Jahrh.)  bedeutet,  ist  noch 
völlig  dnnkel. 


Β.  Römische  Zeit.     §  2.    Römische  Götter.  117 

genommen  hat.  Es  wäre  ein  für  den  Synkretismus  dieser  Zeit  sehr  inter- 
essanter Zug,  wenn  er  andererseits  den  Kult  des  Jupiter  Capitolinus  in 
Ägypten  eingeführt  hätte. 

Größere  Bedeutung  als  die  alten  römischen  Götter  hat  jedenfalls  der 
Kaiserkult  gehabt.  Freilich  ob  er  geradezu  „das  eigentliche  Hauptstück" 
der  damaligen  Religion  gewesen  ist^),  möchte  ich  wenigstens  für  die  grie- 
chische und  ägyptische  Bevölkerung,  also  den  größten  Teil  der  Gesamt- 
bevölkerung des  Landes,  nach  unseren  Urkunden  bezweifeln.  Man  schwört 
wohl  jetzt  beim  Kaiser  oder  später  beim  Genius  des  Kaisers  wie  früher 
bei  den  Ptolemäern  —  und  das  Λvar  vorgeschrieben  — ,  man  ruft  beim 
Abschluß  von  Heiratsverträgen  die  Julia  Augusta  an  oder  später  das 
kinderreiche  Ehepaar  Marcus  und  Faustina  ^,  aber  in  allen  großen  Nöten 
des  Lebens  wendet  man  sich  nach  wie  vor  an  die  alten  Ortsheiligen  oder 
wallfahrtet  zu  den  großen  heimischen  Göttern.  Die  Sprüche  des  Sansuös, 
die  ich  unten  als  Nr.  116  mitteile,  geben  uns,  glaube  ich,  ein  ganz  zutreffen- 
des Bild,  und  sie  wissen  nichts  vom  Kaiserkult.  Die  intimeren  Korrespon- 
denzen der  Bevölkerung  sind  voll  von  persönlichen  Beziehungen  zu  den 
Ortsheiligen,  aber  ich  besinne  mich  nicht,  solche  zu  den  Kaisergöttem 
gelesen  zu  haben.  Mögen  diese  Andeutungen  eine  genauere  Untersuchung 
hervorrufen,  die  mir  zurzeit  nicht  möglich  ist.  Die  Frage  ist  wichtig, 
auch  für  manche  der  von  Deißmann  in  „Licht  vom  Osten"  behandelten 
Probleme. 

Der  Kult  der  vergötterten  Kaiser  war  auch  in  Ägypten  wie  sonst 
in  den  östlichen  Provinzen  nicht  ein  römischer,  sondern  ein  hellenistischer. 
Er  ist  daher  im  folgenden  Abschnitt  zu  behandeln.  Die  offizielle  römische 
Auffassimg  des  Kaiserkultes,  wonach  nur  die  vom  Senat  konsekrierten 
Kaiser  als  divi  verehrt  wurden,  tritt  uns  in  den  Datierungen  der  Urkunden 
na<'h  Kaiserjahren  entgegen.  Hier  werden  nur  die  toten  Kaiser,  und  zwar 
auch  nur  die  vom  Senat  konsekrierten,  als  dsog  bezeichnet,  womit 
bekanntlich  der  Grieche  das  in  seiner  Nuance  ihm  nicht  verstundliche 
divus  wiedergibt.  Für  die  Behandlung  der  Urkunden  ergibt  sich  daraus 
z.  B.  die  wichtige  praktische  Begel,  daß  Texte,  die  nach  einem  ^tb$  .... 
datiert  sind,  niemals  Origiiialschriften,  sondern  nur  Abschriften  aas  der 
Zeit  nach  dem  Tode  des  betreffenden  Kaisers  sind. 


I;    Otto  II   JT'.i    W«ihI«•'        ■       '■    ^'      I'   ;    ;     \     •    V,  i.ri.   »1.  «rri.               f      !i 

Hocbitift•    1904,   aii   am  li     ι         :  Aber    \\                 t/ 

t>*'\\int   hat   iin    un•  ttul    du                              i'upyri    κ- 

fξeΛa^ζi,   (laß   dvr   1  in«  Volk                             ;i"  ((J(iA 

2}  Wilcken.  ihuu*.  v•^»^•  '''    >"09,  604  11.,      1  uu» 

Pftrallele    «ti    dmi  r   .Itilin   Anj,njn(n   fnnH    irh    in     Γ m 
iioeben   τοπ  Hpii'^elbcr^,   Ag.  Z.  46     > 
Frol)««hr.    (!«•  „vor  llatbor•*  ree|).  ..τ«  i 


128  Kapitel  IL     Religion  und  Kultus. 

§  3.    DIE  GRIECHISCHEN  KULTE. 

Vom  griechisclien  Kult  wissen  wir  für  die  Kaiserzeit  noch  weniger 
als  für  die  Ptolemäerzeit.  Die  Pflege  durch  das  Herrscherhaus  (s.  oben 
S.  96)  kam  in  Fortfall,  die  Ägyptisierung  des  griechischen  Kultus  wird 
immer  größere  Fortschritte  gemacht  haben,  die  Identifizierung  der  Griechen- 
götter mit  den  ägyptischen  wird  nahezu  eine  vollständige  geworden  sein. 
Höchstens  in  den  Griechenstädten,  Alexandria  —  das  freilich  kaum  noch 
eine  Griechenstadt  genannt  werden  konnte  — ,  eher  vielleicht  in  Naukratis, 
Ptolemais  und  dem  neuen  Antinoopolis,  wird  man  noch  irgend  welchen 
griechischen  Kult  zu  erwarten  haben.  ^)  Aber  selbst  hier  ist  den  griechi- 
schen Namen  gegenüber  Vorsicht  geboten.  Sind  doch  z.  B.  der  Έρμης 
und  die  'Αφροδίτη,  die  in  Lond.  ΠΙ  S.  163,  5  für  Antinoopolis  (a.  212) 
belegt  werden,  sicher  ägyptische  Götter,  da  als  ihr  Priester  ein  παβτο- 
ψόρος  genannt  wird.  ^)  Höchstens  die  öfter  begegnenden  Dioskuren  möchte 
ich  wohl  für  griechische  Götter  halten,  aber  nur  aus  dem  Grunde,  weil 
ich  kein  ägyptisches  Götterpaar  kenne,  dem  sie  gleichgesetzt  sein  könnten.^) 
So  mag  man  die  Orakelfrage  an  die  Dioskuren  in  Fay.  138  (9e5)  dem 
griechischen  Kult  zuweisen,  und  auch  was  in  Giss.  20  (94)  über  ein  Orakel 
der  Dioskuren  und  im  besonderen  über  ein  Privatheiligtum  derselben  gesagt 
wird,  wird  dorthin  gehören.  Freilich  unterscheidet  sich  die  Orakelfrage 
in  nichts  von  den  ägyptischen  (s.  unten),  und  der  Mann,  der  in  BGU 
248,  13  bei  den  Dioskuren  schwört,  will  das  Suchosfest  feiern  (Z.  27  f.). 
Bei  diesem  völligen  Synkretismus  werden  Unterschiede  kaum  noch 
empfunden  sein.  Auch  den  Zevg  KauLog  in  BGU  III  827  werden  wir  zu 
den  griechischen  Göttern  zählen  dürfen.^) 

Erhalten  haben  sich  aber  die  griechischen  Stadtgötter  von  Alexandrien 
und  Ptolemais.  Daß  der  Alexanderkult  in  der  Kaiserzeit  fortbestanden 
hat,  wird  mit  Recht  allgemein  angenommen.  Bei  der  großen  Verehrung, 
die  Augustus  schon  im  Jahre  30  v.  Chr.  wie  auch  später  dem  Alexander 
bewies^)  und  bei  der  —  namentlich  mit  der  severischen  Dynastie  —  sich 


1)  In  Alexandrien  gehört  dahin  außer  dem  Alexanderkult  z.  B.  der  Musenkult 
des  MovCBLov.  Das  Amt  des  vom  Kaiser  ernannten  Ibqbv?  des  Museums  wurde  von 
hohen  Würdenträgern,  meist  dem  άρχιδιν,αβτης,  bekleidet.  Ob  regelmäßig,  wie  Otto 
I  166  ff.  annimmt,  wird  von  Hirschfeld,  KV  362  Anm.  3  bezweifelt.  Eine  andere  Kom- 
bination ist  allerdings  nicht  bekannt. 

2)  Auch  der  griechisch  klingende  ανίν,ψος  Έρμης  in  Giss.  24,  4  (15)  ist  kein 
anderer  als  der  ägyptische  Thot,  der  Gaugott  des  Hermopolites. 

3)  Vgl.  schon  Herodot  II  50,  5. 

4)  Wenn  wirklich  der  in  diesem  Text  genannte  Ort  Pelusion  nicht  die  berühmte 
Grenzstadt  des  Delta,  sondern  ein  Dorf  des  Faijum  ist  (Arch.  I  555),  so  können  wir 
hier  verfolgen,  wie  bei  der  Besiedlung  des  Dorfes  mit  dem  Namen  auch  der  heimische 
Kult  gewandert  ist. 

5)  Suet.  Aug.  18;  Dio  Cass.  51,  16,  5. 


Β.  Römische  Zeit.     §  3.    Die  griechischen  Kulte.  119 

immer  melir  steigernden  Vorliebe  römischer  Kaiser  für  Alexander^)  ist 
dies  ebenso  selbstverständlich  wie  die  Aufhebung  des  früher  mit  ihm  ver- 
bundenen Ptolemäerkultus.  Das  mausoleum  Alexandri  wurde  einem  römi- 
schen Prokurator  unterstellt,  der  auch  procurator  Neaspoleos  war.^)  Über 
den  Kult  des  Alexander  fehlt  es  jedoch  an  genaueren  Nachrichten.')  Einen 
ιερεύς  wird  er  nach  wie  vor  gehabt  haben,  aber  dieser  war  nicht  mehr 
eponym.  Denn  daß  er,  etwa  an  erster  Stelle,  unter  den  eponymen  alexan- 
drinischen  ίερείς  gewesen  wäre,  die  bisher  nur  in  herakleopolitischen  Ur- 
kunden des  III.  Jahrb.  auftreten,  ist  mehr  als  unwahrscheinlich  (s.  unten 
S.  121).  Ob  der  Kult  überhaupt  noch  staatlich  wai*  oder  nur  städtisch, 
wissen  wir  nicht.  Die  Aufhebung  der  Eponymie  könnte  für  letzteres 
sprechen.*) 

In  Ptolemais  hat  natürlich  der  Staatskult  der  Ptolemäer,  und  damit 
die  für  die  Tbebais  eponymen  Priestertümer,  mit  der  römischen  Okkupa- 
tion aufgehört.  Dagegen  hat  die  römische  Regierung  geduldet  den  Fort- 
bestand des  städtischen  Kultus  des  Stadtgottes  Σωτήρ  (β.  oben  S.  98),  da 
der  Ptolemaios-Name  hiermit  nicht  verknüpft  war.^)  So  nennt  Lond.  ΙΠ 
S.  80,  115  und  118  (a.  47)  Grundstücke,  die  geschenkt  sind  (άνίερωμέναί) 
τώι  με{γί6τωι)  d-aöL  Σωτηρι,  (Plaumann  S.  51).  Den  Versuch  W.  Ottos 
(Hermes  45,  44^  ff.),  diesen  ptolemäensischen  Kult  für  einen  Augustus- 
Soter-Kult  zu  erklären  und  ihn  gar  für  den  Ausgangspunkt  eines  ägypti- 
schen Augustus-Soter- Kultus  zu  nehmen,  halte  ich  für  verfehlt.  Der 
philensische  Kult  des  Αυτοκράτωρ  ΚαΙααρ  Σεβαύτος  Σωτήρ  χαΐ  Ευεργέ- 
της (Otto  S.  449)  darf  keinesfalls  als  Beleg  verwertet  werden:  das  ist 
eben  ein  Soter-Euergetes-Kult.  Auch  zeigt  dieser  Kultname  gerade,  was 
dem  ptolemäensischen  Gott  bei  Ottos  Annahme  fehlt,  nämlich  die  Nennung 
des  Kaisernamens.  Vgl.  gegen  Ottos  Ansicht  jetzt  auch  F.  Blumenthal  im 
Arch.  V  Heft  3. 

Der  Kaiserkult  hat  sich  in  Ägypten  im  Verhältnis  zu  den  anderen 
Provinzen  eigenartig  entwickelt.  Während  früher  mit  einem  staatlichen 
Kaiserkult  auch  in  Ägypten  gerechnet  wurde  (vgl.  Otto  passim),  bat 
Blumenthal  1.  c.  soeben  gezeigt,  daß  sich  bisher  nur  ein  städtisoher 
Kairterkult  nachweisen  läßt.  Die  ΣεβαοτεΙκ,  ΚιαόαρεΙα  usw.  (vgL  die 
Übersicht  bei  Blumenthal)  sind  städtische  Tempel,  deren  άρχαρείζ  städtisohe 
Beamte  sind,  die  unter  den  anderen  Άρχοντες  ihren  festen  Rangplatz  haben 


1)  \\i\.   WiTinT  llotlinanu,   ι  •..  t    \1.•\;ιιρ1«>γ     Λ    i.i    -m   ^-n.  .h 
u.  röm.  Altertum    L»Mpz.  \\'u\.  Μ  Τ'! 

2)  CIL  VHI  m'j:{4.    XIII  IHüh.    V^'l.  Kup.  1  \  ■>     Vgl.  Otto  I  1Ö4  tl 
4)  Vgl.  hiuniu  F.  Blumenthal,  Arch.  V   II•   ' 

6)  Wie  tolerant  flhri^rriN  di«;  iiumer  in  .  >eigt  die  Tat- 

sache, cU0  man  einen  Kl(;o|>atrakult  auch  jct/i  \r.  llft. 


X20  Kapitel  Π.     Religion  und  Kultus. 

(vgl.  Preisigke,  Stadt.  Beamte).  Daß  der  Kult  ein  hellenistischer  war, 
ist  schon  oben  hervorgehoben  worden. 

Der  Kult  der  späteren  Kaiser  hat  sich  in  der  Regel  an  die  dem 
Augustus  zu  Ehren  —  offenbar  in  großer  Zahl  —  errichteten  Σεβαότεΐα 
und  KaiuaQBla  angeschlossen,  wo  sie  als  6ννναοι  dsoC  verehrt  wurden. 
Einzelnen  sind  aber  auch  aus  besonderen  Veranlassungen  Sondertempel 
errichtet  worden,  in  die  dann  die  Nachfolger  auch  wieder  als  övvvaoi 
d'coC  aufgenommeu  wurden.  Vgl.  die  Liste  bei  Blumen thal,  der  Beispiele 
für  Claudius,  Nero(?),  Plotina,  Hadrian,  Antoninus  Pius  und  Faustina 
aufzählt.  Vgl.  z.B.  Amh.  124  (in  Kap.  III).  Am  meisten  Tempel  scheint 
Hadrian  gehabt  zu  haben,  für  den  solche  bis  jetzt  in  Alexandrien,  Mem- 
phis, Arsinoe  und  Hermopolis  nachweisbar  sind.  Vgl.  auch  den  μεριόμος 
jidQiavalov  von  Hermopolis,  den  Blumenthal  als  städtische  Abgabe  für 
den  Bau  eines  ΆδριανεΙον  vom  J.  131/2  erklärt  hat  (in  P.  Lips.  93 — 96). 

In  diesem  kommunalen  Kaiserkult  wurde  der  lebende  Kaiser  nicht 
als  O-fo'g  bezeichnet.  Die  Priester  heißen  ά^χιερείξ  LäÖQLavov  o.  ä.,  und 
ihre  in  den  Tempeln  aufgestellten  Statuen  heißen  nicht  αγάλματα^  sondern 
ανδριάντες.  Vgl.  Blumenthal  1.  c.  Vgl.  z.  B.  BGU  362  (96).  Dagegen 
kommt  in  privaten  Urkunden  die  Bezeichnung  des  lebenden  Kaisers  als 
^'εός  vor,  aber  sichere  Belege  sind  auch  hierfür  nur  für  die  Übergangszeit  des 
Augustus  gefunden  worden.  Vgl.  Arch.  II  430  n.  3,  BGU  IV  1137  (112). 
Über  die  divi  in  der  Datierung  der  Urkunden  s.  oben  S.  117. 

Nur  in  der  Form  der  Gleichsetzung  mit  einem  Gott  hat  auch  die 
offizielle  Auffassung  eine  Vergötterung  des  lebenden  Kaisers  zugelassen, 
aber  bezeichnenderweise  findet  sich  dies  nur  bei  Augustus,  und  zwar  ist 
er  nicht  als  Σωτήρ  —  wie  Otto  glaubte  (s.  oben)  — ,  sondern  als  Ζενς 
ΈλενΟ-ερως  Σεβαΰτόζ  (wie  es  scheint,  durch  das  ganze  Land)  verehrt 
worden.  Vgl.  für  Theben  Arch.  II  431  n.  8  (Weihinschrift),  für  Dendera 
Dittenberger,  Or.  Gr.  659  (dito),  für  das  Faijum  CPR  224  (111,  im  Eid), 
für  Oxyrhynchos  P.  Oxy.  II  240  und  253  (im  Eid,  hier  als  göttlicher 
Vater  des  Tiberius).  Vgl.  ferner  das  aus  Ägypten  stammende  Gedicht 
auf  die  Schlacht  von  Actium  (Kenyon,  Rev.  de  philol.  29,  1895,  S.  177  ff.), 
auch  das  Epigramm  von  Philä  bei  Kaibel  978.  Ich  betone,  daß  dieser 
Kultname  Ζευς  Έλεν^^έριος  Σεβαοτός  bei  Lebzeiten  angeschlossen  wird 
an  die  römische  Nomenklatur,  nämlich  Imp.  Caesar  divi  filius,  während 
nach  seinem  Tode  der  Gott  nur  mit  diesem  Kultnamen  erscheint  (Oxy. 
240,  253).  Aus  ersterem  sowie  daraus,  daß  dieser  Kultname  in  die  Eides- 
formel eingeführt  ist,  schließe  ich,  daß  dieser  Kult  von  der  römischen 
Regierung,  d.  h.  von  Augustus  anerkannt  wenn  nicht  geschaffen  worden 
ist.  Da  in  BGU  II  543  vom  J.  27  v.  Chr.  (10.  Jan.)  noch  bei  Caesar 
Imperator  divi  filius  geschworen  wird,  so  ist  dieser  Kult  wohl  erst  nach 
der  Erlangung  der  Augustuswürde  geschaffen  worden,   wie   denn   auch  in 


Β.  Römische  Zeit.     §  3.    Die  griechischen  Kulte.  121 

den  offiziellen  Akten  er  immer  Ζενς  ^ΕλενΟ^ίριος  Σεβαατός  heißt.  Sollte 
er  aber  schon  im  J.  30  geschaffen  sein,  so  würde  der  Kultname  später 
durch  Hinzutreten  des  Σεβαοτός  umgestaltet  worden  sein.  Aber  BGU  543 
spricht  mehr  für  die  erstere  Annahme.  Über  die  Benennung  Neros  als 
kya^bs  δαίμων  vgl.  zu  Oxy.  VU  1021  (113). 

Ob  die  eponymeu  alexandrinischeu  Ug^i^y  die  bisher  nur  in  hera- 
kleopolitischen  Urkunden  des  III.  Jahrh.  begegnen,  dem  Kaiserkult  zuzu- 
schreiben sind,  ist  noch  ganz  dunkel.  Vgl.  CPR  64  (108).  Ebenso  ist  es 
noch  umstritten,  ob  der  neue  άρχιερενς  ^ίλεξανδρείας  xal  Αίγνπτον  πάύηζ 
(s.  unten  S.  12G)  auch  als  oberste  Spitze  des  Kaiserkultes  aufgefaßt  werden 
darf.^)  Ich  glaube,  daß  die  gesamten  Kulte,  auch  der  Kaiserkult,  ihm 
unterstellt  waren.  Aber  schon  diese  Verbindung  mit  den  griechischen  und 
ägyptischen  Kulten  zeigt  seine  Verschiedenheit  von  den  anderen  provin- 
zialen  Kaiserpriestern.  Daß  die  vergötterten  Kaiser  an  Stelle  der  früheren 
Ptolemäergötter  als  övvvaoL  ^εοί  dem  Kult  der  Lokalgötter  angeschlossen 
sind,  wird  allgemein  angenommen^),  doch  ist  zu  bemerken,  daß  sie  nicht 
wie  einst  die  %•εοΙ  ΐ4.%•ελφο\  xal  d-eoi  Ενεργετία  κτλ.  einzeln  namhaft  ge- 
macht werden,  sondern  höchstens  in  dem  gelegentlich  gemachten  Zusatz 
xal  ol  övvvaoL  ^'εoί  verstanden  werden  können.  Ob  sie  durchweg  (wie 
in  der  Ptolemäerzeit)  angeschlossen  sind,  bedarf  noch  weiterer  Auf- 
klärung. 

Außer  den  Kaisern  ist  noch  ein  neuer  Gott  dem  griechischen  Kult 
die.ser  Zeit  hinzugefügt  worden,  das  ist  Antinoos,  der  Liebling  des 
Hadrian,  den  dieser  nach  seinem  plötzlichen  Tode  im  J.  130  zum  Gott 
erhob,  und  dem  zu  Ehren  er  Antinoopolis  gründete  (s.  Kap.  1  S.  49). 
Von  diesem  griechischen  Gotte,  der  z.  B.  in  Dittenberger,  Gr.  Gr.  II  700 
als  yitrcCvoog  ^Επιφανής  erscheint,  ist  zu  trennen  der  Όόιραντινοος^  der 
ausschließlich  dem  ägyptischen  Kult  angehört  (s.  unten  S.  1*J3).*)  Doch 
ist,  wenigstens  außerhalb  Ägyptens,  dieser  Unterschied  auch  wieder  ver- 
wischt worden;  vgl.  GIG  III  6007.  Unter  den  zahlreichen  Kombinationen, 
in  denen  Antinoos  (in  Eigennamen)  auftritt,  ist  von  besonderem  Interesse 
das  häufige  Βηααντίνοος^  denn  Bes  war  vorher  an  dieser  SteUe  der  Haopt- 
gott  gewesen.  Vgl.  S.  49.  Ein  Antinoos-Fest  erwähnt  Teb.  II  592  (aus 
Tebtynie  im  Faijöml). 

Abgesehen  von  dem  offiziellen  Kult  der  Ίοιπί)«•!  ist  gruTlnsrluT  Kult 
auch  in  Vereinen  gepflegt  worden,  sowohl  in  H|>eziellen  Kultven»iuen 
wie    auch    in    anderen    Vereinen,     die    zu    andi'ren    Zwecken    gegrflndet 


1)  Dafür:    Mommten,   ΙΙίΐ  V  r>f>8,  fteU;    Wil  «^   -^.  •'  ι  "       Urandi•, 

Fauly-Wi«•.  II  Sp.  474;  P.  Meyer,  FegUchr.  für  ο  i  i'T  il  l'a^'.-«u:  Otto 
I  hH;  71. 

Ϊ)  Vgl.  Otto  I   II            8)  Vgl,  meine  Bemerk »u. μ,  i.  it..    \ich.  IV  66t. 


122  Kapitel  Π.     Religion  und  Kultus. 

waren.  ^)  Eine  von  kaiserlichen  Sklaven  begründete  övvoöog  Σεβαβτή 
bezeugt  uns  BGÜ  1137  (112).  Für  den  Privatkult,  der  in  privaten  Kapellen 
gepflegt  wurde,  ist  schon  oben  in  Giss.  20  (94)  ein  Beispiel  namhaft  ge- 
macht worden. 

§  4.     SARAPIS. 

Die  grundlegenden  Fragen  sind  schon  oben  S.  101  behandelt.  Daß 
Sarapis  und  Isis  in  der  Kaiserzeit  neben  Mithras,  Kybele  und  der  dea 
Syria  zu  den  großen  orientalischen  Göttern  gehörten,  die  die  Götter  der 
römischen  Religion  in  Westeuropa  schließlich  siegreich  verdrängten,  liegt 
außerhalb  des  Rahmens  unseres  Buches,  und  doch  sollen  wir  hieran  denken, 
wenn  wir  in  unsem  Urkunden  vom  Sarapis  lesen,  wie  überhaupt  der 
religiöse  Zustand  Ägyptens  nur  dann  bis  in  die  Tiefe  verstanden  werden 
kann,  wenn  man  ihn  im  Zusammenhang  mit  dem  des  ganzen  Weltreiches 
auffaßt.^)  Jener  Sarapis,  der  die  Welt  erobert  hat  und  daher  zu  den 
stärksten  Widersachern  des  Christentums  gehört  hat,  ist  natürlich  der 
alexandrinische  Gott  gewesen.  Über  die  in  seinem  Kult  beschäftigten 
Priester  liegt  ein  ziemlich  reichliches  Material  vor^),  doch  scheint  mir 
bei  der  Deutung  noch  nicht  genügend  berücksichtigt  zu  sein,  daß  wir  es 
doch  auch  bei  dem  alexandrinischen  Kult  ebenso  wie  beim  memphitischen 
mit  einem  doppelten  Gotte,  einem  hellenistischen  und  einem  ägyptischen, 
also  auch  mit  einem  doppelten  Kultpersonal  zu  tun  haben.  So  gehörte 
jedenfalls  der  νεωκόρος  τον  μεγάλου  Σαράπιδος^  dessen  Stelle  von  den 
höchsten  alexandrinischen  Würdenträgem  bekleidet  wird,  zum  griechischen 
Kult,  ebenso  der  ίερόφωνος^  während  die  Pastophoren,  Stolisten  usw. 
zum  Kult  des  ägyptischen  Gottes  gehören.*)  Doch  das  bedarf  —  ebenso 
wie  für   die  ausländischen  Sarapiskulte  —  noch  genauer  Nacharbeitung. 

Die  Papyrusnachrichten  über  den  alexandrinischen  Sarapis  sind  bisher 
noch  ebenso  wenig  gesammelt  und  bearbeitet  wie  die  über  den  inländi- 
schen Sarapisdienst.  Wir  gewinnen  durchaus  den  Eindruck,  daß  wie  fürs 
Ausland,  so  auch  für  die  Ägypter  dieser  Zeit  der  Sarapis  der  Hauptgott 
des  Landes  geworden  war.  Manche  Frommen  reisten  nach  Alexandrien, 
um  dort  den  Sarapis  anzubeten.  Vgl.  Teb.  II  416  (98).  Die  aus  Alexan- 
drien ins  Land  geschickten  Briefe  sind,  was  bisher  noch  nicht  beachtet 
wurde,  meist  daran  kenntlich,  daß  der  Schreiber  versichert,  bei  dem  Herrn 
Sarapis   seine   Fürbitte  [τίροοκννημαΥ)   für   den  Adressaten  verrichtet   zu 

1)  Vgl.  Otto  I  165  ff. 

2)  Vgl.  außer  Cumont  1.  c.  namentlich  Wissowa,  Religion  und  Kultus  der  Römer; 
Wilamowitz,  Greschichte  der  griechischen  Religion  (Jahrb.  d.  Freien  Deutsch.  Hoch- 
stifts 1904). 

3)  Vgl.  Otto  I  113  ff. 

4)  Bei  Otto  1.  c,  auch  S.  16,  ist  diese  Scheidung  nicht  klar  durchgeführt. 

5)  Die  ίτροοκννημα- Formel,  die  erst  in  der  Kaiserzeit  auftritt,  stammt  nach 
Spiegelberg  aus  dem  altägyptischen  Briefstil  (vgl.  Arch.  IV  258). 


Β.  Römische  Zeit.    §  4.  Sarapis.    §  δ.  Ägyptische  und  gräco- ägyptische  Kulte.      123 

haben ^)  —  häufig  mit  dem  Zusatz:  y.a^'  εχάοτην  ίιμεραν.  Letzteres  ist 
typisch  für  die  ägyptische  Frömmigkeit  überhaupt:  der  ganze  Kultus  war 
hier  darauf  eingerichtet,  daß  der  Gläubige  täglich  im  Tempel  beten  konnte.  *) 
Von  der  besonderen  Fürsorge  des  Kaisers  Caracalla  für  den  alexandrinischen 
Sarapis  zeugt  sein  Erlaß  vom  J.  215  (Giss.  40  II  [22]).  Sehr  bemerkens- 
wert sind  zwei  Briefe  eines  früheren  άρχιερενς  des  Hadrianeion  von  Ar- 
sinoe  (a.  199?)  an  seine  Frau  und  seine  Tochter,  in  denen  er  ihnen  droht, 
daß,  faUs  sie  den  von  ihm  beabsichtigten  Freilassungen  Schwierigkeiten 
entgegenstellten,  er  gewisse  ihnen  sonst  zufiillende  Güter  dem  Sarapis  von 
Alexandrien  vermachen  werde  (Teb.  II  407).  —  Auch  im  Lande  waren 
inzwischen  überall  Serapeen  begründet.  Der  Redner  Aristides  spricht  von 
42  Serapeen.^)  Eine  Einladung  zur  κλίνη  des  Herrn  Sarapis  enthält 
Oxy.  110  (99). 

§  δ.     ÄGYPTISCHE  UND  GRÄCO -ÄGYPTISCHE  KULTE. 

Was  oben  S.  103  ff.  zur  Charakteristik  der  ägyptischen  Religion  der 
Ptoleraäerzeit  angeführt  wurde,  gilt  in  den  großen  Zügen  auch  für  die 
Kaiserzeit.  Wurde  dort  Herodot  empfohlen,  so  ist  hier  vor  allem  auf  die 
ausgezeichnete  Darstellung  Strabos  im  XVII.  Buch  hinzuweisen.  Die  Ver- 
gleichung  der  beiden  Autoren  zeigt,  daß  der  Tierkult  jetzt  eine  womög- 
lich noch  größere  Ausbreitung  und  Bedeutung  hatte."*)  Λ'Όη  großem  Inter- 
esse sind  die  Urkunden,  die  von  den  Byssoslieferungen  für  den  toten  Apis  und 
>rnevis  handeln.  Vgl.  Gen.  36  (85),  Teb.  II  313  (86).  Auch  der  Kult  der 
apotheosierten  Könige  oder  Männer  aus  der  ägyptischen  Vergangenheit 
währte  fort,  so  der  des  „Pharao  Menis"  (s.  oben  S.  106). 

Als  neuer  Gott  ist  in  das  ägyptische  Pantheon  ^OöiQavxivoog  auf- 
genommen worden  (s.  oben  S.  121),  d.h.  der  zum  Osiris  gewordene  Antinoos. 
Da  er  bei  dem  nach  ihm  dann  benannten  Antinoopolis  seinen  Tod  ge- 
funden hatte,  so  haben  die  Ägypter  ihn  in  dieser  Form  —  nicht  als 
yivTLvoog  —  zum  Hauptgott  der  Stadt  gemacht.'^)    Vgl.  den  Schwor  beim 


1)  TgL  i.  B.  BGU  886  (100),  846.  Direkt  bestätig  wird  die  Annahme  der 
alexandriniechen  Herkunft  z.  B.  in  BGU  886,  601,  623,  848.  In  anderen  F&Uen  wie 
BOU  276,  832,  833,  384,  440,  626  usw.  ist  eie  wabxgcbeinlich. 

2)  Vgl.  Cumont  1.  c.  S.  118,  der  z.  T.  gerade  au•  dieser  Eh'gentflmlichkeit  det 
ägyptischen  (jottesdionstes  seinen  tiefen  Eindruck  auf  die  rOmitcbe  Welt  ableitet. 

8)  Vgl.  dan  Ver/ßichnis  der  Oberlieferten  bei  0.  Parthey  in  eeiner  Ausgabe  tod 
Plutarch,  de  iHid.  et  Osir.  (1860)  8.  216  f.  und  Otto  II  888. 

4)  Vgl.  Ad.  PJrniun,  Äg.  Religion'  240.  Zum  Tierkult  Tgl.  auch  Plutarch,  de 
Isid.  et  Osir.  72  ff. 

6)  Vgl.  Arch.  IV  ύΓ)2.  Die  Schreibung  ΌαιρανχΙψοος  teigi,  dafi  da•  lange  Jola 
τοπ  'ΟαΓρις  sich  hier  daroh  den  Qegeoton  gehalten  hat,  weil  eif  vor  ainer  unbetonten 
Silbu  fitoht.  Vgl.  dagegen  die  enttonten  Formen  Χ)ύθγ-Αιη9^  Χ)€θ9βοϋχίς  usw.,  wo 
«H»  vor  niner  betonten  Silbe  xu  009  geworden  iit  Wir  haben  aleo  Oiirantinooi  ra 
sprechen,  mit  einem  Oegenton  auf  dem  enten  i. 


;[24  Kapitel  II.     Religion  und  Kultus. 

Genius  des  Kaisers  und  beim  Όοιραντίνοος  in  der  antinoitischen  Urkunde 
Straßb.  34,  18,  wo  Osirantinoos  die  Stelle  des  πατρώος  d-sog  einnimmt. 
Vgl.  meine  Bemerkung  zu  114.  Vgl.  auch  Lond.  III  S.  163,  20:  παοτο- 
φόρος  Όύειραντινόου  ^εον  μεγίότον.  Der  Pincio-Obelisk  ist  diesem  Osiris- 
Antinoos  gewidmet.^) 

Als  neue  Götter  sind  ferner  an  Stelle  der  Ptolemäer  die  römischen 
Kaiser  getreten.  Der  ägyptische  Kult  der  Cäsaren  läßt  sich  schon  un- 
mittelbar vom  Beginn  der  römischen  Herrschaft  an  verfolgen,  am  frühesten 
in  den  einheimischen  Texten.^)  Ebenso  wie  vorher  die  Ptolemäer  wurden 
jetzt  die  Kaiser  an  den  Tempelwänden  als  Pharaonen  dargestellt  und  mit 
göttlichen  Titeln  geehrt.^,)  Einen  griechischen  Beleg  für  den  ägyptischen 
Kaiserkult  bietet  z.  B.  der  άρχίπροφτ^της  των  κυρίων  Αυτοκρατόρων  Σε- 
βαύτών  in  Teb.  II  313  (86). 

Daß  die  Gleichsetzung  der  griechischen  mit  den  ägyptischen  Göttern 
in  der  Kaiserzeit  zu  einem  vollständigen  Synkretismus  führte,  ist  schon 
oben  S.  118  gesagt  worden.  Wenn  bei  dieser  Mischung  im  Kult  im  all- 
gemeinen das  ägyptische  Element  sich  als  das  stärkere  erwiesen  hat*),  so 
konnte  doch  nicht  ausbleiben,  daß  auch  von  der  griechischen  Seite  aus 
Beeinflussungen  stattfanden.  Dafür  dürften  die  in  griechischer  Kunst  ge- 
arbeiteten kleinen  Terrakottastatuetten  von  ägyptischen  Göttern  sprechen, 
die  in  den  Ruinen  der  Wohnhäuser  aus  römischer  Zeit  zu  Tausenden  ge- 
funden worden  sind.^) 

Fragen  wir,  welche  der  verschiedenartigen  Götter  das  religiöse  Be- 
dürfnis der  Massen  am  besten  befriedigt  haben,  so  sind  es,  wie  schon 
oben  S.  117  ausgeführt  wurde,  sicher  nicht  die  Kaisergötter  gewesen  — 
weder  die  des  griechischen  noch  die  des  ägyptischen  Kultus  — ,  sondern 
die  ägyptischen  und  gräco-ägyptischen  Ortsheiligen  und  der  große  Sarapis 
in  Alexandrien.  Die  heimischen  Götter  soll  man  vor  allem  verehren  und 
Isis  und  Sarapis  —  so  sagen  die  Sprüche  des  Sansnös,  die  bisher  für 
diese  Frage  wohl  noch  kaum  herangezogen  sind  (CIGr  III  5041  [116]). 
Indem  er  Wallfahrten  zu  aUen  Tempeln  anempfiehlt,  berührt  er  sich  mit 
dem  Briefe  Lond.  III  S.  206  (117),  der  für  diese  Fragen  gleichfalls  von 
hohem  Interesse  ist. 

Ein  charakteristischer  Zug  der  ägyptischen  Religion  —  vielleicht  ein 
Residuum  des  alten  Fetischismus  —  ist  die  Vorstellung,  daß  die  Gottheit, 


1)  Vgl.  Ad.  Erman,  Mitt.  Rom.  Inst.  IX  (1896)  S.  118. 

2)  Vgl.  Otto  Π  278;    Blumenthal  1.  c. 

3)  Vgl.  etwa  Lepsius,  Königsbucli  der  Ägypter  und  seine  „Denkmäler". 

4)  Die  Annahme  von  Leipoldt,  Schenute  von  Atripe  1903,  daß  in  der  Kaiserzeit 
die  ägyptische  Rehgion  völlig  hellenisiert  worden  sei,  halte  ich  nicht  für  richtig. 

5)  Vgl.  Ad.  Erman,  Äg.  Religion^  238  ff.  Die  Terrakotten,  die  ich  mit  H.  Schäfer 
in  Herakleopolis  fand,  lagen  alle  in  den  Wohnhäusern.  Th.  Schreiber  rechnet  mit 
der  Herkunft  aus  Gräbern. 


Β.  Römische  Zeit.     §  δ.    Äg)*pti8che  und  graco-ägyptische  Kulte.  125 

wenn  sie  nach  richtigem  Ritus  gebeten  wird,  auch  verpflichtet  ist,  das 
Gebet  zu  erhören,  so  daß  der  Gläubige,  wenn  die  Gottheit  sich  ihm  ver- 
sagt, sich  berechtigt  fühlt,  sich  zu  revanchieren.  Porphyrius  wundert 
sich  darüber,  daß  die  Ägypter  in  ihren  Gebeten  den  Göttern  bisweilen 
drohen^),  und  Plutarch,  de  Iside  et  Osir.  73  erzählt,  daß  die  Priester  in 
gewissen  Fällen  Drohungen  gegen  die  heiligen  Tiere  ausstoßen,  eventuell 
sie  töten.  ^)  Diese  Klassikernachrichten  können  Λvir  jetzt  durch  mehrere 
briefliche  Äußerungen  illustrieren.  Vgl.  vor  allem  Oxy.  VII  1065  (1*20); 
auch  Atene  e  Roma  VII  124,  11:  οντ\'  ί\λον6άμηι/  |ου]τθ  προοεχννηόα 
d-eovg  φοβούμενη  ύον  το  μετέωρου.  Dieselbe  Eudaimonis  schreibt  Ρ. 
Brem.  10:  töd^L  δε  οτι  ου  μέλλω  ^'εω  όχολάζειν^  εΐ  μη  πρόχερον  άηαρτίοω 
τον  νΐόν  μον. 

Im  übrigen  wirken  die  Götter  auch  jetzt  vor  allem  als  Heilgötter 
und  Orakelgötter.  Für  die  Heilgötter  vgl.  z.  B.  Oxy.  VI  935  (119).  Be- 
zeichnend ist,  daß  auch  der  neue  Osirantinoos  nach  Aussage  des  Pincio- 
obelisken durch  Tempelschlaf  heilte.^)  Hierhin  gehört  auch  der  Brauch, 
sich  durch  Amulette,  Zaubertexte,  die  eng  zusammengekniflft  und  mit 
einem  roten  Faden  zusammengeschnürt  um  den  Hals  getragen  wurden, 
gegen  Krankheiten  usw.  zu  schützen.  Vgl.  BGU  956  und  dazu  meine  Aus- 
führungen im  Arch.  I  420  ff.  Der  Zauberglaube  ist  von  jeher  ein  wich- 
tiges Charakteristikum  der  ägyptischen  Volksreligion  gewesen  (vgl.  Ad.  Er- 
man,  Äg.  Rel.-  167  ff.).  Auf  die  großen  Zauberlehrbücher,  die  uns  auch 
auf  Papyrus  überliefert  sind,  kann  hier  nur  kurz  hingewiesen  werden. 
Eine  neue  Gesamtausgabe  der  Zaubertexte  wird  unter  Wünschs  Leitung 
vorbereitet.  Sie  leiten  zugleich  hinüber  zum  Orakelwesen.*)  Hierfür  sind 
sehr  interessant  mehrere  Orakelfragen,  die  z.  T.  in  den  Tempeln  gefunden 
sind. δ)  Vgl.  BGU  229,  230;  Fay.  137  (121);  Oxy.  VI  923;  Lond.  HI 
1267  (d)  von  GrenfeU-Hunt  gelesen  im  Arch.  IV  559;  Wess.,  Spec.  Taf.  12 
n.  26  (122).  Diese  Texte,  die  in  den  bekannten  BleitUfelchen  aus  Dodona 
ihre  Parallelen  haben^j,  zeigen  uns  so  recht  deutlich,  wie  abhängig  sich 
die  Gläubigen  von  ihren  Ortsheiligen  fühlten,  so  daß  sie  oft  um  die 
nebensächlichsten  Dinge  die  Entscheidung  des  Gottes  einholten.  Andere 
Papyri    wieder    bestätigen    uns,    daß    das    Horoskopstellen    in    dieser 


1;  V^l.  l'urph.  Kpist.  ad  Aneb.  29.     Vgl.  Cumont  1    r    m 

2)  Kd,  Meyer,  (»»iechichte  Äjfyptene  (Oncken)  lu  virwoiit  liarauf,  daß  ühnlioher 
Hraach  bei  Negeretilmmen  vielfach  vorkommt. 

8)  Vjfl.  Ad.  Krman,  Mitt.  Köm.  Init.  XI  (ΙβΟΟ)  S.  118 

4;  \\i\.  auch  di»•  Anweiiung,  Omina  su  orlmlton,  in  Oxy.  VI  886. 

Γ»)  Vgl  Ammian.  Marcell.  19,  12,  8  (über  da•  nonoorakel  von  Abjdofi:  chartulM 
•eil  :  tuu«  contin<?ntL••  c|uae  continebantur,  poit  lUta  quoqae  retponsa  int^rdum 

roih  III  fano. 

li,  DitUnbergor,  8yll  Π  778  ff  und  riiuly-WiMOwa  V  1262.  Vgl.  aaoh  Wiegmod, 
Auegrab,  in  Milct  «Sitz.  Berl.  Ak.  lli(>«,  lif.«  . 


126  Kapitel  Π.     Religion  und  Kultus. 

Zeit  beliebt  war.  Vgl.  Lond.  I  S.  127  ff.  und  Griffith,  Äg.  Z.  38,  71  ff. 
(vgl.  Wilcken,  Arcb.  II  175);  Oxy.  II  235  (dazu  Nickiin,  Class.  Rev.  XVI 
119 ff.);  Par.  19,  19  bis.  usw.  Trotz  aller  dieser  Mittel,  die  dem  Glauben 
und  Aberglauben  entgegenkamen,  sind,  wie  wir  aus  anderen  Quellen  wissen, 
mindestens  seit  dem  IL  Jahrb.  weite  Kreise  des  ägyptischen  Volkes  dem 
heimischen  Kult  untreu  geworden  und  sind  zum  Christentum  übergetreten. 
S.  unten  §  6. 

Über  die  Kulthandlungen  bieten  uns  die  Papyri  manche  wertvolle 
Auskünfte.  So  enthalten  die  Rechnungen  über  Einnahmen  und  Ausgaben 
der  Tempel  Mitteilungen  über  die  in  den  Tempeln  gefeierten  Feste.  Daß 
im  Jupiter  Capitolinus-Tempel  manche  ägyptischen  Feste  gefeiert  wurden, 
wurde  schon  oben  hervorgehoben  (vgl.  96).  Ausführlichere  Nachrichten 
haben  wir  sonst  namentlich  für  den  Soknopaios- Tempel  in  Soknopaiu- 
Nesos.  Vgl.  die  Abrechnungen  BGU  337  +  1  (92);  149  (93)  und  die 
Mitteilungen  Wesselys  aus  dem  unedierten  Rainer -Pap.  171  in  „Karanis" 
S.  74  ff.,  im  besonderen  den  daraus  aufgestellten  Festkalender  S.  76.  Ein- 
zelne Götterfeste  werden  auch  in  Briefen  wie  BGU  248  und  sonst  er- 
wähnt. Auf  die  Volksfeste,  zu  denen  manche  dieser  religiösen  Feste 
Anlaß  gaben,  soU  im  XII.  Kap.  (über  das  Volksleben)  eingegangen  werden. 
Die  angeführten  .Tempelrechnungen  enthalten  zugleich  manche  Angaben 
über  die  in  den  Tempeln  vollzogenen  Opferhandlungen.  Andere  Texte 
handeln  speziell  von  den  blutigen  Opfern,  im  besonderen  von  der  Unter- 
suchung und  Versiegelung  der  Opferstiere  durch  die  μο6χο6φ^αγι6ταί^  in 
voller  Bestätigung  der  Nachrichten  des  Herodot  II  38.  Durch  BGU 
250  (87)  erfahren  wir,  daß  der  Idiologos  (s.  unten)  im  Jahre  122/3  die 
Neuerung  getroffen  hat,  daß  der  μο^χοοφ^αγι^ττις  dem  opfernden  Priester 
eine  schriftliche  Bescheinigung  der  Reinheit  des  Opferstieres  auszustellen 
hatte. •^)  Solche  Bescheinigungen  sind  uns  erhalten,  und  sie  sind,  wie  nach 
jenem  Text  zu  erwarten  ist,  alle  jünger  als  122/3.  Vgl.  Gen.  32;  Straßb. 
graec.  1105  (89);  Grenf.  II  64.  Für  die  Versiegelung  war  eine  Abgabe 
an  den  Staat  zu  entrichten  (vgl.  BGU  356  [88]).  Im  übrigen  hatten  die 
Priester  für  die  ihrem  Tempel  gespendeten  Opferstiere  ein  δεκάτη  zu 
zahlen  (vgl.  Teb.  II  307),  während  die  Spender  (nach  Grenfell-Hunts  Deu- 
tung) ein  τέλος  μόΰχον  zu  zahlen  hatten.  Vgl.  Lond.  II  S.  82;  BGU  383, 
463,  718;  Fay.  244.  Über  sonstige  Opferspenden  {κατ  ενοεβείαν)  vgl. 
V^essely,  Karanis  S.  71ff. 

Auf  die  großen  Veränderungen,  die  das  Kaiserregiment  für  die  Ver- 
waltung des  gesamten  Tempelwesens  gebracht  hat,  ist  schon  oben  S.  114 
kurz  hingewiesen  worden.  Wenn  auch  der  neue  άρχίερενς  Αλεξανδρείας 
καΐ  ΑΙγνπτον   πάύης^)  nicht  nur  den  ägyptischen  Kult,   sondern  wie  ich 


1)  Vgl.  Wilcken  bei  Otto  I  63,  1.  2)  CIL  III  5900. 


Β.  Römische  Zeit.     §  5.    Ägyptische  und  gräco-ägyptische  Kulte.  127 

glaube  (s.  S.  121),  den  gesamten,  auch  den  Kaiserkult  und  den  griechischen 
Kult  zentralisieren  sollte,  tritt  uns  in  den  Urkunden  doch  bisher  nur  die 
Wirkung  auf  den  ägyptischen  Kult  entgegen,  weswegen  ich  ihn  an  dieser 
Stelle  bespreche.  Wann  diese  Stelle  des  άρχιερενς  geschaffen  ist,  ist  nicht 
überliefert.  Daß  sie  [schon  aus  dem  Anfang  der  Römerzeit  stammte,  ist 
nicht  ausgeschlossen.  Mindestens  seit  Hadrianischer  Zeit  ist  diese  Stelle 
kombiniert  gewesen  mit  der  des  Idiologos.^)  In  BGU  250  (87)  amtiert 
im  J.  122/3  der  Idiologos  genau  so,  wie  man  es  vom  άρχίερενς  erwarten 
sollte.  Es  ist  daher  mit  Wahrscheinlichkeit  anzunehmen,  daß  die  beiden 
Ämter  damals  schon  kombiniert  gewesen  sind.^)  Es  entspricht  dem  Ver- 
hältnis des  Procurator  usiacus  zum  Idiologos,  daß  ersterer  gelegentlich  als 
sein  ihm  untergebener  Stellvertreter,  als  διαδεχόμενος  την  άρχιερωόννην  er- 
scheint. Vgl.  ζ.  Β.  BGU  362  ρ.  δ,  10  (96),  Ρ.  Achmira  (81),  CIG  UI 5009  (^73). 
Der  Idiologos  sowohl  wie  der  Procurator  usiacus  haben  nicht  etwa  nur  die 
Finanzverwaltung  der  Tempel,  sondern  auch  die  geistlichen  Angelegenheiten 
zu  leiten.  So  gehen  dem  Idiologos  als  άρχιερενς  Berichte  über  das  Ver- 
halten der  Priester  gegenüber  ihren  kultischen  Pflichten  zu  (P.  Rain,  bei 
Hartel,  Gr.  Pap.  S.  70  [72J),  so  leitet  der  Idiologos  eine  Untersuchung 
betreffs  eines  Priesters,  der  die  Vorschriften  über  Rasur  und  leinene  Klei- 
dung nicht  beachtet  haben  soll  (vgl.  BGU  16  [114•]),  und  entfernt  Hinder- 
nisse für  die  Ausübung  des  Götterdienstes')  (ίνα  μηκέτι  cd  των  %•εών 
^ρηόκεΐαι  εμποδίζονται).  Ahnlich  befiehlt  ein  Erlaß  des  διαδεχόμενος 
την  άρχιερωόννην  in  Talmis  (Nubien),  im  Interesse  der  ^^ρη6xιa  die 
Schweine  aus  dem  Tempel  zu  treiben  (CIG  III  5069  [73J). 

Die  Priestersynoden,  wie  die  Ptolemäerzeit  sie  kannte  (s.  oben  S.  1 1 0), 
sind  für  die  Kaiserzeit  nicht  belegt  und  Averden  geschwunden  sein.  *Επι- 
ότάται  als  Vorsteher  der  Tempel  wird  es  auch  jetzt  noch  gegeben  haben, 
denn  die  έπιοτατιχόν  genannte  Abgabe  kommt  auch  jetzt  noch  vor  (vgl. 
z.  B.  Lond.  II  S.  114;  BGU  337,  2  [92];  Teb.  II  306),  aber  ob  sie  noch 
dieselbe  Stellung  hatten  wie  in  der  Ptolemäerzeit,  wissen  wir  nicht. 
Charakteristisch  für  die  Römerzeit  ist  vielmehr,  daß  ein  liturgisches  Kol- 
legium von  ηρεαβύτεροι  oder  'ίιγονμενοι  an  der  Spitze  der  einzelnen 
Tempel  stand.  Diese  jährlich  wechselnden  Kollegien  bedeuteten  der  Regie- 
rung gegenüber  natürlich  viel  weniger  als  früher  die  mächtigen  ίπιότάται}) 
Wie  früher  werden  auch  jetzt  die  gewinnbringenden  Prieeteretellen  von 

1)  Diese  VereiniguDg  habe  ich  nftcbgewieten  im  Hernie•  JJSSL  eOO  ff.   Vgl.  auch 
h.  Oitr.  I  048  f.    Sie  iit  epater  durch  viele  neue  Texte  beetftÜgi  worden.    Vgl. 

,  u:  Otto  I  68  ff. 

2)  So  Otto  I  62  gegenüber  P.  Meyer,  der  die  Vereinigung  ent  ftr  Serero•'  Zeit 
annimmt.  Vgl.  auch  Otto,  Arch.  V  181.  —  Nach  W.  Weber;  Untertuch.  i.  Qeech.  d. 
Κ  IM  Hadrian  114  w&re  die  Vereinigung  eben  damAli  (122)  erfolgt  Die  HjpoUieM 
iHt  anregend,  aber  son&cbit  doch  gans  uneicher. 

8)  Vgl.  Weteelj,  Karani•  8.  66.  4)  Vgl.  Roitowiew,  QOA  1909,  616. 


;[28  Kapitel  Π.     Religion  und  Kultus. 

der  Regierung,  und  zwar  vom  Idiologos,  verkauft  resp.  auf  unbegrenzte 
Zeit  verpachtet.^  Vgl.  Teb.  294  (78),  295,  296  (79),  297;  P.  Achmim  (81); 
Gen.  7  (80).  Kleinere  Heiligtümer  werden  wohl  auch  jetzt  als  Ganzes 
veräußert.  Vgl.  die  Verpachtung  eines  βωμός  in  BGU  916.  Andererseits 
besteht  auch  jetzt  das  System  der  öwra^sig  fort.  Vgl.  P.  Petersburg  7  + 
Berl.  Bibl.  5  (82),  BGU  707,  P.  Hawara  188  in  Arch.  V  Heft.  3.  —  Die  Prüfung 
auf  Qualifikation  zum  Priester  bestand  in  einer  Ahnenprobe  und  einer 
Untersuchung  auf  körperliche  Mängel  (οημεΐα).  War  sie  bestanden,  so 
wurde,  wiederum  vom  Idiologos-ß:^;|<t£p£i;g,  die  Erlaubnis  zur  Beschnei- 
dung gegeben,  ohne  die  ein  Priestertum  nicht  übernommen  werden 
konnte.  Vgl.  BGU  82,  347  (76);  Straßb.  graec.  60  (77);  Teb.  Π  291, 
292  (74),  293  (75),  314.  Nicole,  Textes  gr.  ined.  (1909)  Nr.  IV.  Für 
die  Aufnahme  unter  die  Priester  wurde  wie  früher  das  τελεοτικόν^  so 
jetzt  das  εΐβχριτικόν  an  den  Staat  gezahlt.^)  Vgl.  Lond.  II  S.  113  (vgl. 
Arch.  III  238 f.);  Teb.  II  294,  20  (78).  Nur  die  von  der  Regierung 
für  jeden  Tempel  festgesetzte  Zahl  von  Priestern  genoß  die  Privilegien, 
wie  die  Freiheit  von  der  Kopfsteuer;  die  überzähligen  (die  ύπεραιροντες^ 
vgl.  BGU  1,  15  [92])  waren  kopfsteuerpflichtig.  Die  Regierung  führte 
daher  genaueste  Kontrolle  über  den  Bestand  der  Priesterschaften,  und  in 
jedem  Jahre  mußten  die  Listen  der  Priester  (γραφή  Ιερέων)  wie  auch  die 
Listen  des  Tempelinventars  (das  scheint  mir  hier  der  prägnante  Sinn  von 
χειριύμόξ  zu  sein)  an  die  Regierung  eingereicht  werden.  Solche  meist  mit 
einander  verbundenen  Listen  sind  z.  B.:  Teb.  298  (90),  600  (über  Pastophoren, 
nicht  ίερείζ)',  BGU  590  +  162  (91),  258,  338,  387,  406,  488,  590,  627, 
1023;  Lond.  II  S.  112/3;  S.  114  oben  (102).  Zur  Prüfuug  der  Tempel- 
inventare  wurden  vom  l^i\o\ogos-άρ%ιερεvg  besondere  έξεταβταί  ins  Land 
geschickt.  Der  Brief  Teb.  II  315  (71)  zeigt  uns,  wie  sehr  diese  Prüfer 
gefürchtet  wurden,  und  mit  wie  brutaler  Gewalt  die  römische  Regierung 
eventuell  den  Priestern  gegenübertrat. 

Eine  wesentliche  Veränderung  in  den  Formen  der  Verwaltung  der 
Tempel  muß  im  III.  Jahrh.  eingetreten  sein,  als  den  neu  begründeten  Kurien 
der  Metropolen  auch  die  Tempelverwaltung  aufgehalst  wurde.  Die  Kurien 
erwählten  nun  Kuratoren  (έπιμεληταί)^  denen  die  Kontrolle  und  Abrech- 
nung über  die  Finanzen  der  Tempel  als  haftpflichtigen  Liturgen  zugewiesen 
wurde.  So  erkläre  ich  den  ετΐίμελητης  des  Jupiter- Capitolinus -Tempels, 
dessen  Abrechnungen  wir  in  96  lesen.  Parallel  steht  der  βουλευτής  έ%ι- 
μ(ελψης)  ίερον  Έρμείου  Μέμφεως  in  einem  Theadelphia  -  Papyrus  bei 
Seeck,  Rhein.  Mus.  62,  520,  vgl.  Wilcken,  Arch.  V  289  f.  Vgl.  auch  den 
Inspektionsbericht  zweier  Buleuten  an  die  βουλή  über  gewisse  dem  Sera- 

1)  Darauf  zielt  auch  das  κατά  προκήρνξιν  παραλαβών  bei  Wessely,  Karanis  S.  64 
(aus  R.  107). 

2)  Vgl.  ßostowzew,  GGA,  613  Anm.  1. 


Β.  Römische  Zeit.     §  6.    Orientalische  Kulte.  129 

peum  von  Hermopolis  gehörige  Grundstücke  in  CPHerm  7  ΙΙ/ΙΠ  (vgl. 
Wilcken,  Arch.  III  541/2).  So  erscheint  schließlich  auch  die  Tempel- 
verwaltung  als  ein  Teil  der  städtischen  Verwaltung.  \)  Eine  genauere 
Untersuchung  über  diesen  wichtigen  Vorgang  ist  dringend  erwünscht. 
Schon  vorher  aber  hatten  die  Priester  mehr  und  mehr  von  ihrer  alten 
privilegierten  Stellung  eingebüßt.  Das  Edikt  des  Lusius  Geta  (Ditten- 
berger,  Or.  Gr.  II  664)  zeigt,  daß  gelegentlich  auch  Priester  zwangsweise  zur 
Bebauung  königlicher  Domänen  herangezogen  waren,  was  hier  nun  freilich 
verboten  wird.  Nach  BGU  176  (83)  waren  die  Piester  von  λόγιμα  Ιερά 
zu  Hadrians  Zeit  frei  von  Fronarbeiten  an  den  Dämmen,  trotzdem  werden 
ihre  Sklaven  gelegentlich  doch  dazu  herangezogen.  Wichtig  ist,  daß  nach 
BGU  194  (84)  die  Priester  jetzt  prinzipiell  liturgiepflichtig  waren,  nur 
hatte  in  diesem  FaUe  die  Dorfgemeinde  auf  Grund  eines  Abkommens  mit  den 
Priestern  diesen  kürzlich  die  Liturgie  abgenommen.  Wie  der  von  Wessely, 
Karanis  S.  66  zitierte  Fall,  in  dem  ein  Priester,  zur  Liturgie  herangezogen, 
sich  darüber  beschwert,  aufzufassen  ist,  kann  erst  beurteilt  werden,  wenn 
der  Text  vorliegt. 

§  6.  ORIENTALISCHE  KULTE. 
Der  Kult  orientalischer  Gottheiten  hat  sich  in  der  Kaiserzeit,  im  be- 
sonderen wohl  gefördert  durch  die  römischen  Truppen^),  wahrscheinlich 
noch  mehr  als  in  der  Ptolemäerzeit  ausgebreitet  —  entsprechend  der  all- 
gemeinen Entwicklung  im  Reiche.  Aber  die  Papyri  bieten  bisher  nur 
geringe  Spuren.  Über  den  Mithraskult,  der  auch  hier  sicher  zur  Bedeutung 
gekommen  ist,  schweigen  die  Papyrusurkunden  bisher  ganz,  dafür  hat 
aber  aus  einem  Pariser  Zauberpapyrus  dieser  Zeit  Albrecht  Dieterichs 
Kunst  eine  Mithrasliturgie  herausgeschält  (1.  c).  Für  den  Fortbestand  der 
Jüdischen  Religion  bürgt  die  große  Bedeutung,  die  die  Juden  in  Alexan- 
drien,  aber  auch  im  Lande  gehabt  haben  (vgl.  S.  62).  Der  Zentraltempel 
von  Leontopolis  wurde  zwar  von  der  römischen  Regierung  nach  den  Un- 
ruhen, die  nach  der  Zerstörung  Jerusalems  auch  in  Ägypten  ausbrachen, 
geschlossen.  Daß  auch  die  jüdischen  Vorstellungen  nicht  ganz  unberührt 
vom  Ägyptertum  blieben,  zeigt  die  Inschrift  im  Archiv  V  163  (vom  J.  29 
vor  Chr.),  die  d'suc  μεγάλω  μεγάλφ  νφίότφ  geweiht  ist:  da  ist  der 
jüdische  dfog  vilfiörog  (s.  oben  S.  112)  nach  ägyptischer  Weise  μέγας  μέγας 
genannt.  —  Von  orientalischen  Göttern  läßt  sich  sonst  noch  die  babylo- 
iiiNflie  Nanä  als  NuvaCu  narhwciHen,  die  in  Aloxandrien')  einen  Νοραίοψ 
L?i?niinnten  Tempel  hatt<•,  in  (l«*ni  HJch  ein  staatliches  Archiv  ba&nd  (Oxy. 
»4  Verso).*)    Auch  der  Kult  di<'s»»r  (löttin.  di«•  übrigens  als  "//pr «μις  Νανά 

l)  Vgl,  die  BemerkanffCTi  mn  W,.Hf,,w/.w.  «ί«;  \ 

2;  Vgl.  Cunioot  bei  Di•  Mlitur^i.    i.H»ä,  ött.     Auch  Otto  I  170. 

;;     Arrli.   I    121.  ι  ι     limn.l  Π   Κλι•.  IV. 


130  Kapitel  Π.     Religion  und  Kultus. 

auch  im  Piräus  verehrt  worden  ist^),  ist  in  der  Provinz  der  Ägyptisierung 

verfaUen.     Vgl.  die  lötg  NavaCcc  in  Lond.  II  S.  114  (102). 

Gleichfalls    recht    dürftig    sind    bisher   für    unsern    Zeitabschnitt    die 

Nachrichten  über 

die  christliche  Religion. 

Das  Wenige,  was  über  die  Ausbreitung  des  Christentums  in  Ägypten 
während  der  ersten  drei  Jahrhunderte  bekannt  ist,  hat  kürzlich  Ad.  Har- 
nack  zusammengestellt.^)  Wenn  man  bedenkt,  daß  schon  in  der  severi- 
schen  Zeit  die  alexandrinische  Katechetenschule  —  ein  Gegenstück  zum 
heidnischen  Museion ^)  —  blühte,  und  daß  Clemens  und  dann  Origenes 
dort  wirkten  und  den  Hellenismus  der  christlichen  Lehre  nutzbar  machten*), 
und  wenn  man  andererseits  hört,  daß  schon  eine  große  Zahl  von  Christen 
durch  das  ganze  Land  von  der  severischen  Verfolgung  betroffen  wurde 
(Eusebius  h.  e.  VI  If.),  und  daß  der  damalige  alexandrinische  Bischof 
Demetrios  anfing,  Bistümer  im  Lande  zu  errichten^),  so  ist  es  verwunder- 
lich, daß  unter  den  vielen  Tausenden  von  Urkunden  dieser  drei  Jahr- 
hunderte kaum  irgend  welche  Spuren  des  Christentums  uns  entgegentreten. 
Das  älteste,  das  wir  haben,  sind  die  libelli  aus  der  decianischen  Christen- 
verfolgung vom  Jahre  250,  die  uns  für  einige  Orte  im  Faijum  und  für 
Oxyrhynchos  das  Vorgehen  der  Regierung  veranschaulichen.  Yg[.  BGU  287 
(124)  und  P.  Bull.  Soc.  arch.  d'  Alex.  9  (125).  Außerdem  haben  wir  noch  einen 
christlichen  Brief,  der,  wie  Hamack  gesehen  hat,  durch  die  Erwähnung 
des  alexandrinischen  Bischofs  Maximus  zwischen  264/282  datiert  wird, 
der  zwar  in  Rom  geschrieben  ist,  aber  auch  auf  die  ägyptischen  Ge- 
meinden ein  Licht  wirft  (Amh.  I  3a  [126]).  Das  ist  aUes,  was  mit  Sicher- 
heit in  die  vordiokletianische  Zeit  gehört.  Übrigens  ist  es  ja  möglich, 
daß  man  bei  immer  wiederholten  Prüfungen  in  den  schon  publizierten 
Urkunden  hier  oder  da  noch  christliche  Anspielungen  finden  mag.^)  Aber 
angesichts  jener  Tatsachen  bleibt  die  Dürftigkeit  der  Spuren  sehr  auf- 
fallend.    Nun  könnte  man  darauf  hinweisen,  daß  das  Christentum  sich  zu- 


1)  CIA  III  131.     Vgl.  dazu  Robert-Preller  I  333  Anm.  1. 

2)  „Die  Mission  und  Ausbreitung  des  Christentums  in  den  ersten  drei  Jahr- 
hunderten". 

3)  In  Anbetracht  des  weiten  Lehrplanes  der  christlichen  Schule  (auch  Gram- 
matik, Geometrie,  Arithmetik,  Philosophie  usw.)  ist  es  doch  sehr  wahrscheinlich,  daß 
gerade  der  bewußte  Gegensatz  zum  Museion  auf  die  Entwicklung  der  Schule  ein- 
gewirkt hat. 

4)  Vgl.  P.  Wendland,  Christentum  und  Hellenismus  (N.  Jahrbb.  für  das  klass. 
Altertum  1902). 

5)  Hierzu  verweise  ich  auf  die  feine  Bemerkung  von  Ed.  Schwartz  (Gott.  Nachr. 
1905,  182 f.),  der  diese  erste  Einsetzung  von  Bischöfen  im  Lande  mit  der  (durch  die 
Papyri  erwiesenen)  Tatsache  kombiniert,  daß  im  Jahre  202  die  Metropolen  Stadtrecht 
erhielten. 

6)  Vgl.  z.  B.  meine  allerdings  sehr  unsichere  Hypothese  betreffs  Teb.  II  334 
(ca.  200/1)  im  Arch.  V  238. 


C.  Die  byzantinische  Zeit.     §  1.    Die  christliche  Kirche.  131 

nächst  vielfach  gerade  in  den  national -ägyptischen  Kreisen  ausgebreitet 
haben  mag,  die  nicht  griechisch  schreiben  konnten,  die  ihre  nationale 
Sprache  redeten,  nnd  sicher  hat  die  oberägyptische  Kirche,  deren  Ent- 
stehung Leipoldt  ^)  schon  der  zweiten  Hälfte  des  II.  Jahrb.  zuweist,  schon 
im  III.  Jahrb.  begonnen,  die  christlichen  Schriften,  von  denen  wir  anderer- 
seits aus  dieser  Zeit  auch  Reste  von  griechischen  Papyrushandschriften 
besitzen,  in  koptischer  Schrift  und  Sprache  zu  verbreiten.  Aber  die  Vor- 
stellung, als  ob  das  Christentum  auch  nur  im  Lande  —  um  von  Alexan- 
drien  zu  schweigen  —  auf  diese  „Kopten"  beschränkt  gewesen  wäre,, 
würde  sicher  in  die  Irre  gehen.  Daß  die  Heiden  auch  von  den  Kopten 
"Ελληνες  genannt  wurden,  entspricht  nur  der  allgemeinen  Terminologie, 
und  daraus  darf  nicht  auf  eine  Scheidung  der  Religionen  nach  den  Rassen 
geschlossen  werden.^)  Hiernach  möchte  ich  es  doch  nur  für  einen  Zufall 
halten,  daß  nicht  schon  mehr  christliche  Dokumente  unter  den  Papyrus- 
urkunden zutage  gekommen  sind.  Jeder  Tag  kann  uns  das  Vermißte 
bringen.  Wie  wertvolle  Aufschlüsse  aber  auch  die  heidnischen  Urkunden 
der  ersten  drei  Jahrhunderte  für  das  Verständnis  des  Neuen  Testaments 
bei  methodischer  Verwertung  bringen  können,  haben  die  Forschungen 
Adolf  Deißraanns  gezeigt.  Sowohl  die  Interpretation  der  Worte  als  auch 
das  Verständnis  der  Umwelt  der  jungen  Religion  und  der  Kreise,  in  die 
sie  eindrang,  hat  wesentliche  Förderung  durch  ihn  erfahren.') 

C.  DIE  BYZANTINISCHE  ZEIT. 

§  1.  DIE  CHRISTLICHE  KIRCHE. 
Am  Beginn  unserer  Periode  steht  die  diokletianische  Christenverfol- 
gung. Ihrer  Zeit  mag  der  vielbesprochene  Brief  des  Psenosiris  in  Grenf. 
U  73  (127)  angehören,  der  uns  Kunde  gibt  von  der  Ausbreitung  des 
Christentums  in  der  thebanischen  Oase.  Wenige  Jahre  danach  folgte  der 
Umschwung  in  der  Kirchenpolitik,  der  erst  zur  staatlichen  Duldung  und 
dann  allmählich  zur  Herrschaft  des  Christentums  geführt  hat.  Die  Papyri 
bieten  ein  reiches  Material  aus  den  Zeiten,  in  denen  Christentum  mul 
Heidentum  bis  zum  Untergang  des  letzteren  gekämpft  haben,  aber  es 
fehlt  bisher  an  einer  umfassenden  Bearbeitung  deeeelben  unter  diesem 
weltgeschichtlich  so  wichtigen  Geeich tsponkt.^)  So  maß  ich  mich 
auf  einige  willkürlich  herausgegriffene  Proben  beflohränken. 

1)  .,8chenui<.  von  Atripe»*  ΙβΟβ  S.  «8. 

2)  Die•  bemcrku  ich  geffenflber  Leipoldt  1.  o. 

Zur  Terminologie  vgl.  z.B.  A.  Kichhom,  Βάρβαρος  quid  lignificAvcrii  (DiM.  Ltp•.  1904), 
Η  60,  <ier  auf  Kukulft«  Untenucbusg  in  der  FeeUcbrift  f.  Qonipen  8. 369 ff.  ftrwtist 

8)  Vgl.  jetzt  dM  auch  die  firtthertD  Fortohungen  lusammtntehUeeeBdt  Werk 
„Licht  vom  Oiten",  S.  Aufl.  1909. 

4)  Kineo  trst^n  kleinen   \  er«ueb  machte  ich  im  Arch.  I  89«  ff.  (..HeidiiifobM 
und  Cbriitlicbe•  ans  Ägypten'*). 

9• 


1^2  Kapitel  IL     Religioa  und  Kultus. 

Der  Geist  der  christliclien  Religion  tritt  uns  vor  allem  in  den  pri- 
vaten und  auch  amtlichen  Briefen  entgegen.  Einige  derselben  sind  schon 
von  Deißmann  gewürdigt  worden.^)  Im  besonderen  sei  für  das  IV.  Jahrh. 
auf  die  Korrespondenz  des  Abinnäus  hingewiesen  (teils  in  Lond.  II,  teils 
in  P.  Gen.  ediert).  Vgl.  z.  B.  den  Brief  des  christlichen  Dorfpriesters  von 
Hermopolis  in  Lond.  II  S.  299  (129).  Ich  füge  hinzu  den  Brief  Lond.  III 
S.  242  (130),  der  wahrscheinlich  an  einen  Bischof  gerichtet  ist.  Aus  dem 
VI./ VII.  Jahrh.  stammen  die  Briefe  Grenf.  I  91  und  93,  die  gleichfalls  an 
einen  Bischof  geschrieben  sind.  Vgl.  auch  die  an  einen  Bischof  gerichtete 
Bittschrift  von  Mönchen  Cairo  Cat.  67021.  Genaueren  Studiums  bedarf  noch 
der  christliche  Bettelbrief  Gen.  14,  in  dem  sich  u.  a.  ein  Bibelzitat  findet 
(o  γαρ  ελεών  [Λ]τ[ω]χ[ον]^  ώς  ί'οτε^  ϋ'εω  δανείζει).^)  Der  Glaube,  daß 
Gott  von  Krankheiten  heilen  kann,  tritt  in  dem  Briefe  Oxy.  VI  939  (128) 
klar  hervor. 

Wie  die  Christen  diesen  Glauben  mit  den  Heiden  gemeinsam  haben, 
so  treten  uns  auch  sonst  gemeinsame  Züge  entgegen,  im  besonderen  auch 
solche,  die  aUer  Wahrscheinlichkeit  nach  direkt  vom  Heidentum  über- 
nommen sind,  um  das  Volk  für  den  neuen  Glauben  zu  gewinnen.^)  Die 
starke  Ausbreitung  der  Märtyrer-  und  Heiligen  Verehrung,  die  einen  Ersatz 
für  den  alten  Polytheismus  bot*),  die  Beibehaltung  der  Mumisierung  der 
Leichen  und  heidnischer  Begräbnissitten ^)  u.  a.  lassen  sich  auch  durch  die 
Papyri  illustrieren.^)  Sicher  aus  dem  heidnischen  Gedankenkreis  über- 
nommen sind  die  Amulette  und  die  Orakelfragen.  Ein  christliches 
Amulett,  das  sich  formell  an  die  heidnischen  eng  anschließt,  nur  daß  das 
„Vaterunser"  die  Zauberworte  ersetzt,  liegt  vor  in  BGU  954  (133)'),  und 
daß  auch  die  Sitte,  die  Gottheit  um  die  kleinsten  Kleinigkeiten  des  All- 
tagslebens zu  befragen,  ins  Christentum  übergegangen  war,  bestätigt  Oxy. 
VI  925  (132). 

Auch  für  die  Organisation  der  christlichen  Kirchen,  für  die  Amts- 
führung der  έτζίβκοτΐοί^  ττρεοβντερον^  άρχίδιάκονοι  und  διάκονοι  usw.  sowie 
auch   für   die   Eremiten  und   die   Klöster   und   ihre  Mönche  und  Nonnen 


1)  Licht  vom  Osten^  S.  151  ff. 

2)  Paroem.  20,  17:  δανείζει  &εώ  6  ελεών  Λτωχόν.  Vgl.  hierzu  Wilcken,  Arch. 
ΠΙ  384/5. 

3)  Ygl.  über  solche  religiösen  Ausgleichungen  z.  B.  V.  Schnitze ,  Geschichte  des 
Untergangs  des  griech.-röm.  Heidentums  II  S.  346  ff. 

4)  Yerse  auf  das  Martyrium  des  heiligen  Senäs  (Ισό'ψηφα  έγν.ώμ,ια)  stehen  in 
Cair.  Cat.  67024  Verso  (VI.  Jahrh.). 

5)  Vgl.  Leipoldt,  Schenute  von  Atripe  30  f. 

6)  Vgl.  z.  B.  das  Testament  des  Bischofs  Abraham  (um  600)  "in  Lond.  I 
S.  234,  56  ff. 

7)  Vgl.  jetzt  das  gnostische  Amulett  Oxy.  VI,  924,  auch  Berlin.  Klasserstexte  VI 
S.  129  ff.  Unter  den  christlichen  Gebeten  ebendort  hat  Reitzenstein  soeben  das  eine 
(S.  112,  43  ff.)  als  ein  Stück  aus  dem  heidnischen  Poimandres  erwiesen  (Gott.  Nachr. 
1910,  324  ff.). 


C.  Die  byzantinische  Zeit.     §  2.    Die  heidnischen  Kulte.  133 

bieten  die  Papyri  viele  Nachrichten,  doch  harren  auch  diese  noch  ihrer 
Zusammenstellung  und  Bearbeitung.^)  Das  älteste  uns  erhaltene  Beispiel 
einer  episcopalis  audientia  bietet  Lips.  43  (vgl.  Bd.  Π  S.  32).  Vgl.  auch 
den  aus  dem  VI./VII.  Jahrh.  stammenden  Brief  BGU  103  (134).  Für  die 
Bedeutung  des  in  einer  christlichen  Kirche  geschworenen  Eides  —  des  Nach- 
folgers des  im  Tempel  geschworenen  heidnischen  Eides  —  spricht  Stud.  Pal.  III 
n.  343  (vgl.  ]  10  A).  Daß  in  Gegenwart  christlicher  Presbyter  Rechtsgeschäfte 
abgeschlossen  werden,  zeigt  CPR  19,  7/8.  Ebenso  wird  auch  Gen.  68,  11 
zu  deuten  sein.  Als  ein  Organ,  das  über  die  Sittlichkeit  in  der  Ge- 
meinde wacht,  erscheinen  die  Presbyter  in  Grenf.  I  53  (131).  Eine  Bitt- 
schrift von  Eremiten  aus  justinianischer  Zeit  enthält  Cair.  Cat.  67003,  die 
eines  Mönches  aus  einem  Kloster  Cair.  Cat.  67007.  Ein  Kircheninventar 
bietet  Grenf.  II  111  (135).  Über  die  Bewirtschaftung  der  kirchlichen 
Liegenschaften  vgl.  unten  Kap.  VII. 

Nachdem  auf  dem  Konzil  zu  Chalkedon  451  die  Lehre  von  den  zwei 
Naturen  Christi  proklamiert  war,  haben  die  Kopten  in  leidenschaftlichem 
Festhalten  an  ihrer  Auffassung  von  der  einen  göttlichen  Natur  Christi 
als  ,,Monophysiten"  heftige  Kämpfe  gegen  die  der  chalkedoni sehen  Lehre 
anhängenden  byzantinisch-griechischen  Kreise  als  die  „Melchiten"  geführt. 
Aus  den  Papyrusurkunden  sind  bisher  keine  Spuren  dieses  Kampfes  ans 
Licht  gezogen  worden. 

§  2.  DIE  HEIDNISCHEN  KULTE. 
Spuren  des  unterliegenden  Heidentums  lassen  sich  durch  das  IV.  Jahrh. 
hindurch  bis  in  das  VI.  Jahrh.  hinein  verfolgen.  Wenn  auch  die  Zer- 
trümmerung des  großen  Sarapis  von  Alexandrien  im  J.  391  durch  den 
fanatischen  Theophilos,  die  um  so  mehr  einen  ungeheuren  Eindruck  machte 
als  sie  ungestraft  blieb,  das  Signal  zu  weiteren  Zerstörungen  der  heid- 
nischen Tempel  gab  ^),  so  fanden  doch  auch  noch  die  Fanatiker  des 
V.  Jahrh.  —  wie  Schenute  von  Atripe  —  Gelegenheit  genug,  Tempel  za 
zerstören  und  zu  plündern.*)  Wenn  auch  in  Atripe  selbst  kein  Kult 
mehr  ausgeübt  wurde,  so  sind  doch  in  anderen  Fällen  damals  noch  die 
Tempelzerstörer  von  dem  geschädigten  Klerus  in  Antinoopolis  und  Hermo- 
poli»  verklagt  worden.^)  Hiernach  ist  nicht  verwunderlich,  daß  eine  Reise- 
beschreibung  eines  Heiden  aus  der  Zeit  des  Konstantins  den  blühenden 
heidnischen  Kult  .Ägyptens  zu  rühmen  weiß.*)  Wie  sich  gelegentlich 
heidnische  und  christliche  Vorstellungen  mischten,  dafür  gibt  einen  inter- 

1  Namentlich  auch  in  den  von  Wetiely  in  titud.  l'ul.  1  Med  Λ  und  8  heimu•• 
^^ίζ*Λ>Ηη*'η  Papyri  „kleinen  Format•^  steckt  tiel  Material.    Vgl.  die  Indicet. 

'Zj  Vgl.  V.  Hcbulixe,  Qeech.  d.  Unterg.  d.  grieob.-rOni.  Heideniumi  1  :t61. 

8)  Vgl.  Leipoldt,  Sohenute  τ.  Atripe  178  ff.  4)  Vgl.  Leipoldt  1.  c  178. 

6)  Oeogr.  Uraec.  Min.  II  p.  6S0  (neue  Ausgabe  von  LumbroNo  Η  \cc  Λ  lancei 
1808).    Vgl.  Mommsen,  RG  Υ  686. 


134  Kapitel  II.     Religion  und  Kultus. 

essanten  Beleg  der  Pap.  Edmonstone  vom  J.  355  (Oxy.  IV  S.  '202),  in  dem  die 
Freilasserin  erklärt  άφναέναι  νμάς  iXevd'SQOvg  —  νπο  γην  %al  ovQavov 
κατ  ενσεβειαν  τ[ον  ϋήανελετίμονος  d-εον.  Da  spuken  in  einer  abgeblaßten 
Formel  die  alten  Götter  Γη  und  OvQavog  (vgl.  νπο  Jia  Γην  "Ηλιον  Oxy. 
I  48;  49)  neben  dem  ,,allbarmberzigen^^  Christengott.  ^)  Daß  selbst  in 
Städten  wie  Oxyrbyncbos,  die  um  400  voll  von  Kirchen  und  Klöstern 
waren,  sich  doch  noch  Freunde  des  Heidentums  hielten,  die  sich  in  heim- 
lichen Konventikeln  zusammenfanden,  zeigen  uns  die  παγανικαΐ  όυντέλειαυ 
in  BGU  936  (123)  vom  J.  426. 

Über  das  V.  Jahrh.  hinaus  hat  sich  das  Heidentum  unter  offizieller 
Duldung  auf  der  Insel  Philä  erhalten.  Hier  war  es,  wie  oben  S.  68  dar- 
gelegt wurde,  eine  politische  Notwendigkeit,  mit  Rücksicht  auf  die  Blemyer 
und  Nobaden  den  Kult  der  wundertätigen  Mutter  Isis  auch  weiter  zu  ge- 
statten.^) Dieser  äußere  Zwang  tritt  uns  jetzt  um  so  deutlicher  entgegen, 
als  wir  aus  Leid.  Ζ  (6)  gelernt  haben,  daß  zu  Zeiten  Theodosius'  II  be- 
reits christliche  Kirchen  auf  Philä  neben  dem  Isistempel  bestanden  haben.^) 
Erst  als  unter  Justinian  Narses  die  Blemyer  zurücktrieb,  wurde  der  Isis- 
kult aufgehoben,  die  Priester  gefangen  genommen  und  die  Götterbilder 
nach  Byzanz  geschickt.^)  Zum  Glück  wurde  der  schöne  Tempel  nicht 
zerstört,  sondern  wurde  später  durch  den  Bischof  Theodoros^)  in  eine 
christliche  Kirche  umgewandelt,  worüber  uns  die  Inschrift  CIG  lY  8646 
berichtet.  Zerstört  wird  er  erst  jetzt  durch  die  Stauwerke  von  Assuän. 
Nach  der  Aufhebung  des  Isisdienstes  ist  dann  auch  zu  diesen  Barbaren 
das  Christentum  gekommen.^)  Noch  immer  aber  gab  es  in  der  Thebais 
unter  der  griechisch -ägyptischen  Bevölkerung  einzelne,  die  dem  Heiden- 
tum anhingen.  Davon  berichtet  —  aus  den  50er  Jahren  des  VI.  Jahrh.  — 
Cair.  Cat.  67004,  die  oben  S.  82  erwähnte  Bittschrift  der  Ratsherrn  von 
Omboi.  Leider  ist  der  Text  als  Ganzes  noch  zu  unklar,  um  hier  auf- 
genommen zu  werden.  Aber  es  läßt  sich  erkennen,  daß  ein  dem  Heiden- 
tum ergebener  Mann'^)  damals  den  Versuch  machte,  den  Blemyern.  die 
sich    gerade    dem    Christentum    zuwendeten^),    ihre    heidnischen    Tempel 


1)  Vgl.  Wilcken,  Arch.  I  404,  1.     Etwa  in  diese  Zeit  setzt  Mommsen,  RG  V 
585,  2  den  auf  Hadrians  Namen  gefälschten  Brief  in  der  vit.  Saturnini  8. 

2)  Vgl.  Priscus  Panites  in  PHG  IV  100  über  den  lOOjährigen  Frieden  aus  Mar- 
eians  Zeit,  und  Prokop,  de  bello  Pers.  I  19.     S.  dazu  Wilcken,  Arch.  I  396  ff.  405  f. 

3)  Vgl.  Wilcken,  Arch.  I  398  ff. 

4)  Prokop,  de  bello  Persico  I  19,  37.     Vgl.  oben  S.  69. 

5)  Vgl.  J.  Maspero,  Theodore  de  Philae  in  Rev.  des  FHist.  d.  Religions  (Annales 
du  Musee  Gaimet)  1909. 

6)  Vgl.  Krall,  Wien.  Denk,  46  (Beitr.  zur  Gesch.  der  Blemyer  u.  Nubier). 

7)  Z.  7f. :  ουκ  ώκνηοεν  —  το  μεμνημίνον  [.  .]  χρίβτιαηχον  ά9•ε[τ]ή6αι  ΰέβας  ν.οίϊ 
^'ρηβχος  καΐ  δαίμοβι  -aal  ξ,οάνοις  άφϊερώΰαι  οΐή^κονς. 

8)  Nach  Krall  1.  c.  S.  7  waren  die  Bega,  die  Nachkommen  der  Blemyer,  noch  in 
arabischer  Zeit  Heiden.     Die  Nubier  dagegen  waren  Christen  geworden. 


D.  Die  arabische  Zeit.  135 

wieder  herzustellen,  um  sie  dann  zu  Raubzügen  gegen  Omboi  zu  verleiten. 
Vgl.  Z.  9:  σκάνδαλα  πoLηa[άμ£vo]g  έγ  τω  αν[το\ν  τα  ίερά  τοΐζ  βαρβάροις 
ί'ΐτί  (=  ^TOt)  Βλέμνοι  OiaxaLvCöaod^ai ,  μθθ'  υ  χαίπερ  εκείνοι  τον  άΐδίον 
έΐΐίγινώόκειν  ϋ'εον  νπεοτρέφοντο  κτλ.*)  Dies  ist  zurzeit  wohl  das  Spä- 
teste, das  wir  vom  Heidentum  in  Ägypten  erfahren. 


D.  DIE  AMBISCHE  ZEIT. 

Mit  der  arabischen  Herrschaft  brach  für  die  monophysitischen  Kopten 
eine  Zeit  der  Freiheit  an.  Was  ihnen  Byzanz  verweigert  hatte,  gewährte 
ihnen  der  Khalif,  die  völlige  Glaubensfreiheit.  Damit  fand  auch  der  vorher 
mit  so  großer  Erbitterung  geführte  Streit  der  Monophysiten  und  der 
Melchiten  sein  Ende.  So  hat  die  christliche  Kirche  unter  der  Herrschaft 
des  kläm  sich  ungestört  weiter  entwickeln  können,  und  sie  besteht  noch 
heute.  Wir  besitzen  aus  dieser  Periode  zahlreiche  griechische  Papyri, 
die  sich  mit  christlichen  und  im  besonderen  kirchlichen  Verhältnissen 
beschäftigen  (vgl.  namentlich  Stud.  Pal.  HI  u.  VHI;  Deok.  Wien.  Akad.  37), 
doch  haben  sie  imter  diesem  Gesichtspunkt  bisher  noch  keine  Bearbeitung 
gefunden.  Auf  die  Umwandlung  des  christlichen  Eides,  in  dem  nun  die 
Ι4μίράτε£  statt  der  Kaiser  eintreten,  ist  unten  zu  Nr.  114  hingewiesen. 
Spärlich  dagegen  sind  bisher  die  griechischen  Papyri,  die  Hinweise  auf 
die  Religion  der  Muhammedaner  enthalten.  Hervorgehoben  sei  hier  die 
griechische  Wiedergabe  der  sogenannten  Basmala,  des  islamischen  Glaubens- 
bekenntnisses, die  sich  in  den  älteren  Zeiten  der  arabischen  Herrschaft 
(seit  dem  Chalifen  Abd-el-Malik,  Ende  des  VU.  Jahrh.)  auf  den  von  den 
Byzantinern  übernommenen  sogenannten  „Protokollen"^)  neben  dem  Ara- 
bischen findet.  Diese  griechische  Übersetzung  lautet:  *Ev  ονόματι  τοϋ 
^εον  τον  ελεήμονος  καΐ  φιλάνθρωπου.  Ουκ  εότιν  d'sbg  εί  /ιή  ό  9'εος 
μόνος.     Μαάμετ  απόστολος  θ£οΰ.') 

1 1  Vgl.  hierzu  mein  Ileferat  in  Arch.  V  Heft  8. 

•2)  Vgl.  Karabacek,  Führ.  PR  S.  17  ff. 

8)  Vgl.  C.  Η  Becker,  Das  Lateinische  in  den  arabischen  PapyrusprotokoUen 
<Ά.  f.  Ansyr.  22,  166  ff).  Zu  der  Streitfrage,  ob  es  auch  eine  lateinische  Logende  auf 
diesen  Protokolhm  gibt,  wie  Karabacek  jetzt  annimmt,  vgl.  auch  Bell,  Arch.  V  148  ff. 
und  Wilcken,  Arch.  IV  'J68  f.  Da  die  Uasmala  nur  ein  Teil  des  Stempels  ist,  durch 
den  die  I'apyruMrollen  aU  amtliches  Fabrikat  bexeugt  wurden,  konnte  sie  ohne  Anstoü 
ζ  Β.  auch  vor  dem  chriHtlichen  Osterbrief  stehen,  den  Schmidt  und  Sohubart 
in  den  Berl.  KlaNvikertcxten  VI  herausgegeben  haben. 


KAPITEL  ΠΙ. 

DIE  ERZIEHUNG. 

Für  die  kulturgeschiclitlicli  so  wichtige  Frage,  in  welcher  Weise  das 
Erziehungswesen  in  Ägypten  geregelt  worden  ist,  sind  die  Papyri  in 
größerem  Zusammenhange  bisher  noch  nicht  ausgenutzt  worden.  Die 
folgende  Skizze  möge  zu  einer  gründlicheren  Behandlung  anregen. 

§  1.    DER  ELEMENTAR-UNTERRICHT. 

Ich  gehe  kurz  über  die  Frage  der  Erziehung  der  ägyptischen  Be- 
völkerung hinweg,  zu  deren  Beantwortung  in  erster  Reihe  die  einheimische 
Tradition  herangezogen  werden  müßte.  ^)  Unter  den  griechischen  Papyri 
interessiert  nach  dieser  Richtung  P.  Teb.  Π  291  (137)  vom  J.  162  n.  Chr., 
der  uns  zeigt,  daß  die  Anwärter  auf  Priesterstellen  ein  Examen  darüber 
ablegten,  daß  sie  die  ιερατικά  καΐ  Αίγνπτυα  γράμματα  verstünden.  Das 
bestätigt  den  Bericht  des  Diodor  I  81,  1.  Der  Unterricht  wurde  nach 
Diodor  durch  die  Priester  ihren  Söhnen  gegeben  —  wohl  eher  in  Tempel- 
schulen, wie  in  alten  Zeiten,  als  privatim.  Für  die  Laien  wird  es  öffent- 
liche Elementarschulen  kaum  gegeben  haben.  In  den  besser  situierten 
Kreisen  wurden  Hauslehrer  gehalten,  wofür  P.  Lond.  I  S.  48  (136)  ein  Bei- 
spiel für  die  ptolemäische  Zeit  gibt. 

Auch  der  griechische  Elementarunterricht  wird  in  Privat- 
schulen oder  von  Hauslehrern  erteilt  worden  sein,  wenigstens  liegen  Zeug- 
nisse für  öffentliche  Elementarschulen  m.  W.  nicht  vor.  ^)  Eine  Privat- 
Bchule  ist  z.  B.  jenes  δοδαόκαλεΐον  des  Tothes,  das  in  den  Papieren  der 
δίδνμαι,  des  Sarapeums  (IL  Jahrb.  vor  Chr.)   eine  RoUe  spielt.^)     Privat- 


1)  Für  die  Pharaonenzeit  vgl.  Ad.  Erman,  Ägypten  und  ägypt.  Leben  I  444  ff. 
Über  ägyptisclie  Schulbücher  vgl.  Krall,  Mitt.  P.  Rain.  IV  126  ff. 

2)  Über  die  Besonderheiten  der  Prinzenerziehung,  auf  die  Autoren  und  Inschriften 
gelegentlich  hinweisen,  haben  die  Papyri  noch  nichts  gebracht.  Zur  Sache  vgl.  Lum- 
broso,  Recherches  207  ff.;  Beloch,  Griech.  Gesch.  III  (1)  389;  Dittenberger ,  Or.  Gr. 
I  247  (ούντροφοξ),  auch  148  und  256  (τροφενς).  Zu  letzterem  Perdrizet,  Ann  d.  Serv. 
d.  Ant.  1908,  243  ff. 

3)  Hierüber  demnächst  in  meinen  „Urkunden  der  Ptolemäerzeit". 


§  1.    Der  Elementar-Uuterricht.  137 

lehrer  setzt  auch  der  Brief  Oxy.  VI  930  (138)  voraus.^)     Alexandrinische 
ÖLÖaöTiaXeLU  erwähnt  Oxy.  III  471,  113. 

Über  die  Lehrmethode  im  Elementarunterricht  werden  wir  durch  die 
zahlreichen  Schulbücher  aufgeklärt,  die  uns  teils  auf  Papyrus,  teils  auf 
Holztafeln  (vielfach  Wachstafehi),  teils  auf  Ostraka  erhalten  sind.^)     Der 
Unterricht  begann  mit  dem  Erlernen  der  Ünziale,   wobei  in  methodischer 
Weise    von  den  einzelnen  Buchstaben    zu  Buchstabenkombinationen    und 
schließlich  zu  Niederschriften  von  Texten  nach  Diktat  oder  Vorlage   vor- 
geschritten wurde.    Als  Texte  wurden  außer  den  Klassikern  gern  —  ganz 
wie  bei  den  alten  Ägyptern  (vgl.  Erman  1.  c.)  —  auch  moralische  Gnomen 
genommen  (vgl.  Crusius  1.  c).     Vgl.   auch   die   soeben    von    Zereteli  1.  c. 
edierten  Proben.     Nach  der  ünziale  wurde  auch  die  Kursive  geübt,  doch 
zeigen    uns    unsere    Urkunden,    im   besonderen    manche    autographe  Sub- 
skriptionen, daß  viele  über  die  ünziale  nicht  hinausgekommen  sind.    Auf 
die  reinen  Schreib-  und  Leseübungen  folgten  dann  auch  grammatische  und 
stilistische  Übungen.  —  In  ähnlich  methodischer  Weise  wurde  auch  die 
Tachygraphie  dem,  der  sie  erlernen  wollte,  von  Privatlehrern  beigebracht. 
Vgl.  C.  Wessely,   Denkschr.  Wien.  Akad.  44  (1895).     Einen    Lehrvertrag 
mit  einem  Tachygraphielehrer  (οημείογράφος)  enthält  Oxy.  IV  724  (140). 
Da  der   Schulbesuch,   der  übrigens   beiden   Geschlechtern   ofienstand, 
nicht    obligatorisch    war^j,    so    begegnen    in    den    Urkunden    massenhaft 
Analphabeten,    für    die    mit    der   bekannten    Stellvertreterklausel    (εγρείψα 
νπερ  αντον  γράμματα  μη  είδότος  ο.  ä.)  andere  schreiben.    Es  sollte  einmal 
aus  unserm  reichen  Material  nach  Zeitabschnitten  das  Verhältnis  der  An- 
alphabeten zu  den  Schreibkundigen  untersucht  werden,  im  besonderen,  bis 
in  welche  Kreise  hinauf  Analphabeten  vorkommen.*) 

1;  In  nicht  ungünstiger  Stellung  muß  der  γραμματοάιόάϋηαλος  Πβτβνβςρώτη;  ge- 
wesen sein,  der  im  Jahre  108  n.Chr.  der  Leto  eine  Mauer  ^x  τοϋ  ΙάΙον  baute:  Milne, 
Greek  inecript.  (Cat.  G^n.  von  Cairo)  S.  30/1.  —  Zwei  alexandrinische  Vollbürger,  die 
die  γράμματα  als  ihren  Beruf  (τέχνη)  bezeichnen,  in  Teb.  II  316,  16  (148). 

2)  Die  wichtigsten  Publikationen  sind:  C.  Wessely,  Stud.  Pal.  I  p.  XLIl  sqq.  -— 
Jouguet-Lefebvre,  Bull.  Corr.  Hell.  28  (1904),  201  flf.  —  0.  Crusius,  Philolog.  64 
(1906;,  142  ff.  ~  Jouguet  et  Perdrizet,  Le  papyrus  Bouriant  n.  1  (Stud.  Pal. 
I  Heft  5).  —  E.  J.  Goodspeed,  Μέΐ.  Nicole  8. 182  n.  7  und  8.  —  J.  G.  Milne,  Jour. 
Hell.  Stud.  28  (190»),  121  ff.  —  F.  G.  Kenyon,  Jour.  Hell.  Stud.  29  (1909),  29  ff.  — 
G.  Zereteli,  M^langes  Chatelain  (1910).  Kino  hObsche  Auswahl  bietet  jettt  Zie- 
barth,  Aus  der  antiken  Schule  (Lietsmanos  Kleine  Texte  1910).  —  Vgl  aufierdem 
hierzu  E.  Zicbarth,  Au•  dem  griechiachen  Schulwefen  (1009)  8. 106ff.  F.  E.  Sonnen- 
bürg,  Aus  dem  antiken  Schulleben.  Dae  humanist.  Gymnasium  1909  7  8. 197  ff. 
Brinkmann,  Kh.  Mnt.  66  (1910)  149  ff. 

Λ)  tlbnr  Schulzwang  anderw&rta  Tgl.  E.  Ziebartb,  Am  dem  griech.  Sohulwaeen 
1909  8.  84  ff. 

4)  Voraussetzung  fflr  da«  Gelingen  einer  •eichen  Untennohong  wlktt  allerding•, 
daß  in  den  Editionen  die  Verschiedenheit  der  H&nde  genauer,  als  •§  bithtr  vieUmoh 

gCMchehcn  ist,  festgeMUdlt  wflrde. 


138  Kapitel  III.     Die  Erziehung. 

Als  nach  Diokletian  das  Latein  eine  größere  Rolle  zu  spielen  anfing 
(s.  oben  S.  85),  mußte  auch  zum  Erlernen  dieser  Sprache  Gelegenheit 
gegeben  werden.  Uns  sind  noch  einige  Proben  von  Schülerarbeiten  er- 
balten, in  denen  griechischen  Wörtern  die  entsprechenden  lateinischen 
Vokabeln  (in  griechischen  Buchstaben  geschrieben)  gegenübergestellt  sind. 
Vgl.  P. Par.  4^^«  (Taf.  18);  Lond.  II  S.  322f.  Vgl.  auch  die  lateinischen  Babrius- 
übersetzungen  in  Amh.  II  26.  Über  ein  merkwürdiges  „lateinisch-griechisch- 
koptisches Gesprächsbuch"  aus  dem  V.  Jahrb.,  das  kürzlich  vom  Berliner 
Museum  erworben  wurde,  berichtet  W.  Schubart  in  den  „Amtlichen  Be- 
richten aus  den  kgl.  Kunstsammlungen'^  XXXI  (1909)  S.  47ff. 

§  2.  DIE  GYMNASIALE  AUSBILDUNG. 
Die  Hauptpflegestätte  der  Jugenderziehung  war  wie  außerhalb  in  der 
Griechenwelt  so  auch  für  die  ägyptischen  Griechen  das  Gymnasium.  Ein- 
zelne Gymnasien  lassen  sich  durch  das  ganze  Land  verstreut  nachweisen, 
bis  hin  zum  fernen  Elephantine  am  Katarrakt.^)  Durch  die  Weißbrodt- 
sche  Inschrift  (Arch.  V  Heft  3)  erfahren  wir,  daß  sich  im  IL  Jahrb.  v.  Chr. 
in  Omboi  (wenig  nördlich  von  Elephantine)  ein  Gymnasium  befand,  das 
—  vielleicht  schon  im  III.  Jahrb.  v.  Chr.  —  von  einem  πρώτος  φίλος  ge- 
stiftet war.  Wir  dürfen  wohl  mit  Sicherheit  annehmen,  daß  jede  Stadt, 
nicht  nur  die  Griechenstädte,  sondern  auch  die  Metropolen  der  Gaue, 
ihr  eigenes  Gymnasium  besessen  hat.^)  Wie  auswärts  wird  auch 
hier  neben  der  gymnastischen  Ausbildung  der  höhere  geistige  Unter- 
richt (in  [Musik,  Rhetorik  und  dgl.)  gepflegt  sein.  Für  letzteres  liegen 
bis  jetzt  keine  direkten  Belege  vor,  was  ein  Zufall  sein  kann,  der  bei  der 
Geringfügigkeit  der  bisherigen  Nachrichten  über  das  ägyptische  Gym- 
nasium nicht  verwunderlich  wäre.  So  ist  es  nur  die  körperliche  Aus- 
bildung, die  uns  bis  jetzt  für  die  Gymnasien  hier  bezeugt  wird.  Mit 
Recht  haben  Herodot  (II  91)  und  Diodor  (I  81,  7)  hervorgehoben,  daß 
die  griechische  Gymnastik  den  Ägyptern  (wie  überhaupt  den  Orientalen) 
fremd  war.  Wenn  auch  gelegentlich  in  der  Pharaonenzeit  gymnastische 
Spiele  bezeugt  werden^),  so  ist  doch  die  zielbewußte  sportliche  Ausbildung 
und  die  Hochschätzung  des  agonistischen  Sieges  einer  der  markantesten 
Züge  der  griechischen  Kultur  im  Gegensatz  zur  orientalischen.  Die  neue 
Zeit,  die  Alexander  der  Große  für  Ägypten  inaugurierte,  wurde  vielleicht 
durch  nichts  so  sinnfällig  gekennzeichnet,  wie  durch  den  gymnischen  und 


1)  Vgl.  Par.  69  (41)  aus  dem  III.  Jahrh.  n.  Chr. 

2)  Vgl.  den  Ausdruck  τον  μεγάλου  γνμναΰίου  in  BGU  III  760  (150),  der  es  wahr- 
scheinlich macht,  daß  es  in  Arsinoe  mindestens  noch  ein  anderes  Gymnasium  gegeben 
hat  (wie  in  Milet). 

3)  Vgl.  A.  Erman,  Ägypten  u.  äg.  Leben  I  335.  Wiedemann,  Herodots  zweites 
Buch  S.  370. 


§  •>.    Die  gymnasiale  Ausbildung.  139 

musischen  Agon,  den  er  in  Memphis  nach  dem  Apisopfer  aufführen  ließ.^) 
Auch  dies  kann  man  als  eine  symbolische  Handlung  auffassen  —  wie 
den  Brand  von  Persepolis.  So  sind  die  durch  das  ganze  Land  verteilten 
Gymnasien  mit  ihrem  geistigen  und  körperlichen  Unterricht  die  Brenn- 
punkte des  Hellenismus  geworden. 

Mit  dem  Gymnasium  ist  auch  das  Institut  der  Ephebie  nach  Ägypten 
gekommen.  *)  Während  dieses  für  die  Ptolemäerzeit  durch  einige  Inschriften 
kürzlich  beleuchtet  worden  ist^),  verdanken  wir  genauere  Nachrichten  über 
die  Kaiserzeit  den  Papyri.  Aber  auch  sie  lassen  uns  noch  über  viele 
Fragen  im  Dunkeln. 

Aus  der  Ptolemäerzeit  haben  wir  zwei  Dedikationsinschriften  von 
Vereinen  früherer  Epheben,  die  uns  eine  Gliederung  der  Jahrgänge  in 
αϊοίοείξ  zeigen  und  zugleich  beweisen,  daß  diese  Vereine  über  Vermögen 
verfügten.*)  Daß  die  Weihungen  dieser  Vereine  dem  Gaugott  Σονχοζ 
^sbg  μέγαζ  μέγας  gelten,  gibt  zu  denken.  Andere  Inschriften  nennen 
οννεφηβοί.^)  An  der  Spitze  der  Gymnasien  und  damit  auch  der  Ephebeu 
standen  die  γνμναόίαρχοι^  die  in  ptolemäischen  Inschriften  und  Papyri 
genannt  werden,  doch  nur  selten,  und  dann  meist  als  Inhaber  hoher  staat- 
licher Funktionen^),  ohne  Beziehung  zu  ihrer  gymnasialen  Stellung.  Ein 
Hinweis  auf  ihre  Tätigkeit  im  Gymnasium  findet  sich  inschriftlich  in  einer 
Weihung  des  γνμ[να6ίαρχοζ]  xai  οΓ  έκ  τον  γνμνα[6(ον],'')  Daß  mit  ol 
έχ  τον  γνμναΰίον  die  Genossenschaft  der  zurzeit  dem  Gymnasium  An- 
gehörenden gemeint  ist,  zeigt  die  Weißbrodtsche  Inschrift,  nach  der  sie 
unter  diesem  Titel  mit  dem  König  selbständig  korrespondierten.*)  Daß 
die  Gymnasiarchie  damals  ein  Jahresamt  war,  darf  aus  der  Inschrift  bei 
Rubensohn,  Arch.  V  161  n.  7  gefolgert  werden.^)  Aber  der  eigentliche 
Leiter  der  Epheben  war,  ebenso  wie  in  Athen,  der  χοομητης^^),  der  erst 

1>  Arrian,  Anabasis  Ol  1,4. 

-2)  Vgl.  jetzt  P.  Jouguet,  Rev.  de  Philolog.  34  (11)10)  S.  48  flf.,  dessen  Arbeit  mir 
erst  nach  dem  Entwurf  dieses  Kapitels  zuging.  Ich  freue  mich,  in  den  Hauptpunkten 
mit  ihm  übereinzustimmen. 

8)  Die  Existenz  der  Ephebie  war  schon  zu  entnehmen  Dio  Casp  Τ  *'  *  •νο- 
nach  Antonius  und  Kleopatra  ihre  Söhne  ig  έφ-ήβους  έΰύγραψαν. 

4)  Dittenberger,  Or.  Gr.  I  176  (141)  und  178  (142).  Zu  αΓρβσι^  vgl.  ioiutui,  i. riech. 
Vereinewesen  S.  164,  der  einen  αίρβαιάρχης  einer  Ärztevereinigung  aue  Rom  sitiert. 
Vgl.  auch  Archiv  11  Λ58,  n.  36  (Kamak),  wo  ί[ψηβΒνχό\τ»ς  nur  ergänzt  ist,  aber  wegen 
'Κρμΐ^  7/ρα(χλβΓ]  mit  WahrHcheinlichkeit. 

6;  Vgl.  Dittenberger,  Or.  Gr.  I  188,  189.     Strack,  Archiv  II  600  n.  4. 

6)  Vgl  Fr.  Preisigke,  Siildt.  Ueamtenwesen  S.  68  ff.,  der  am  gnludlichsten  über 
die  Gjmnaeiarchio  gehandelt  hat. 

7)  Vgl.  Strack,  Arch  II  64M  n.  86.  Vgl.  dasa  die  Weihnng  aus  Kiiion  (Cjpem) 
bei  Strack,  Dyn.  der  I'tol.  S   2» 4  η   46  {ol  anh  γνμναύίι^Ό]), 

Η)  Vgl.  zu  dem  Ausdruck  Ziebarth,  Aas  dem  griech.  Sohalweten  8.  70. 

9)  γνμνααιαρχήαας  τό  n(^  {hog).  Stiftong  einer  SooneDohr,  wohl  für  ein  Gym- 
nasium, aus  drm  II. /I.  Jahrb.  τ.  Chr. 

10)  Zu  dieHfT  Deutung  des  Kosmeten  Tgl.  Wilcken,  Arch.  V  t87. 


I^Q  Kapitel  III.     Die  Erziehung. 

kürzlich  durch  eine  Inschrift  auch  für  die  Ptolemäerzeit  belegt  worden 
ist  (Zeit  des  Ptolemaios  X  Soter  II,  aus  dem  Faijüm).^;  Der  Dedikant 
heißt  hier:  ^πο]λλών[ο]ος  ^ρτεμ[ίοώρο]ν  [ό  civ]Yy6vr}g  καΐ  τιοομψηξ  \καί 
γ]νμνα6ίαρχος.  Da  es  unwahrscheinlich  ist,  daß  jemand  zugleich  Kosmet 
und  Gymnasiarch  ist,  wird  man  wie  auch  in  anderen  ptolemäischen  Texten 
hier  einen  cursus  honorum  zu  erkennen  haben,  in  dem  der  κοομψής 
wahrscheinlich  dem  γνμναΰίαρχος  zeitlich  vorangeht. 

Ob  die  Ephebie  in  der  Ptolemäerzeit,  wie  ursprünglich  in  Athen  und 
auch  außerhalb,  zur  Vorbereitung  für  den  militärischen  Dienst  eingeführt 
worden  ist,  läßt  sich  aus  dem  bisherigen  Material  schwer  beantworten. 
Ob  die  Gymnasien  überhaupt  staatliche  Institute  gewesen  sind,  ist  sehr 
zu  bezweifeln.  Das  einzige,  von  dem  wir  aus  der  Ptolemäerzeit  Genaueres 
hören,  das  von  Omboi,  ist  durch  private  Stiftung  entstanden.  Im  IL  Jahrh. 
V.  Chr.  kommen  einmal  oi  εκ  τον  οημείον  νεανίσκου  vor,  die  einem  mili- 
rischen  Verbände  angehören.^)  Da  andererseits  νεανίόκοι  auch  zu  den 
εκ  τον  γνμναΰίον  in  Omboi  gehören,  wie  auch  außerhalb  Ägyptens  die 
νεανίύκοι  eine  besondere  Gruppe  im  Gymnasium  bilden  (vgl.  Ziebarth 
1.  c.  76),  so  scheint  hier  eine  Verbindung  zwischen  Gymnasium  und  Armee 
vorzuliegen  ^).  Vor  allem  dürfte  feststehen,  daß  normalerweise  nur  die  'Έλ- 
ληνες^  als  die,  denen  das  Gymnasium  offenstand,  zum  Heeresdienst  als 
qualifiziert  galten,  nicht  die  kopfsteuerpflichtigen  Ägypter.  Also  faktisch 
haben  die  Gymnasien  als  Vorbereitungsstätte  für  die  Armee  gedient.  Vgl. 
Wilamowitz,  GGA  1900,  54  ff. 

Ein  reicheres  Material  liegt  für  die  Kaiser  zeit  vor.  Für  die  Orga- 
nisation der  Ephebie  sind  vor  allem  wichtig  ein  Auszug  aus  der  γραφή 
Λαίδων  (Flor.  57  [143]),  Anmeldungen  zur  Ephebie  (Oxy.  III  477  [144], 
Flor.  79  [145],  vgl.  auch  Oxy.  II  257  [147],  BGU  IV  1084  [14G])  und  die 
Ephebeneide  (Teb.  II  316  [148]).  Wie  in  Athen  der  ursprüngliche  Zwang 
zum  Epheben dienst,  der  bei  Organisation  dieses  Instituts  nach  der 
Schlacht  bei  Chaironea  einst  eingeführt  war^),  schon  in  der  nächsten  Gene- 
ration aufgegeben  war^),  so  ist  selbstverständlich  auch  hier  von  Zwang 
keine  Rede.  Dagegen  ist  der  bei  jener  Begründung  aufgestellte  Grund- 
satz, daß  freie  und  legitime  Geburt  der  Knaben  Voraussetzung  für  die 
Aufnahme  ist,  auch  jetzt  noch  in  Kraft.  Außerdem  scheint  hier  Vor- 
bedingung zu  sein,  daß   auch  der  Vater  einst  Ephebe  gewesen   ist.     Ob 


1)  Lefebvre,  Annales  du  Service  d.  Antiq.  1908,  S.  239  f. 

2)  P.  Amh.  II  39  +  Grenf.  I  30.     Vgl.  Witkowski  Ep.  priv.  Nr.  48.     Dazu  Ziebarth, 
Aus  dem  griech.  Schulwesen  S.  76. 

3)  Vgl.  auch  die  politische  Rolle  als  Friedensunterhändler,  die  nach  11,  50  die 
vsccviöyioL•  von  Krokodilopolis  in  Kriegszeiten  spielten. 

4)  Dies  Datum  verdanken  v^rir  Wilamowitz,  Aristoteles  und  Athen  I  194. 

5)  Vgl.  Thalheim,  Pauly-Wissowa  V  2738. 


§  2.    Die  gymnasiale  Ausbildung.  141 

freilich  wirklich  jede  Erweiterung  des  bestehenden  Kreises  von  Familien 
ganz  ausgeschlossen  war,  ist  eine  Frage,  zu  deren  Beantwortung  hesser 
weiteres  Material  abgewartet  wird.^)  Über  die  sonstigen  Kautelen,  die 
bei  der  Meldung  zum  Epheben  verlangt  wurden,  orientiert  am  besten 
Flor.  57  (143). 

Schwierig  ist  zurzeit  auch  die  Frage,  welches  Alter  zum  Eintritt  in 
die  Ephebie  berechtigte.  Der  Ausdruck  ώ^  ώραν  έχοντα  in  Flor.  79  erweckt 
die  Vorstellung,  daß  es  eine  bestimmte  Altersgrenze  gegeben  habe.  In  der 
Tat  läßt  sich  auch  in  mehreren  Fällen  übereinstimmend  zeigen,  daß  der 
Eintritt  in  die  Ephebenschaft  in  demselben  Jahre  erfolgte,  nämlich  dem 
vierzehnten.  In  Flor.  57,  18  (143)  ist  Heron  14  Jahre  17  Tage  alt,  als 
er  zur  Aufnahme  unter  die  Epheben  in  die  Akten  genommen  wird.  Nach 
BGU  1084  (146)  ist  ein  Theon,  der  im  J.  136  1  Jahr  alt  gewesen,  also  135 
geboren  war,  im  Jahre  149  unter  die  Epheben  aufgenommen:  das  letztere 
Datum  (9.  September  149)  ist  sein  χιόνος  εφηβείας.  Er  war  damals  also 
14  Jahre  alt.  Damit  ist  vereinbar,  daß  in  Oxy.  II  257  (147)  ein  jetzt 
13 jähriger  für  die  bevorstehende  Prüfung  των  προοβαινόντων  εις  τους 
άπο  γνμνααίον  angemeldet  wird.  Mit  diesem  Ergebnis  stimmt  nun  aber 
schlecht,  daß  nach  Teb.  II  316  (148)  auch  schon  2-  und  6jährige  (resp. 
3-  und  7jährige)  als  έφηβενκότες  bezeichnet  werden.  An  einen  wirklichen 
Dienst  kann  in  diesen  Jahren  natürlich  nicht  gedacht  werden.  Man  könnte 
höchstens  eine  vorläufige  Anmeldung  durch  die  Eltern  oder  Einschreibung 
durch  die  Behörden  denken.  Aber  wie  man  sie  dann  als  ^φηβενχότες  be- 
zeichnen konnte,  ist  noch  eine  ungelöste  Schwierigkeit.  Nur  so  viel  sieht 
man  auf  alle  Fälle  hieraus,  daß  die  Wendung  εφηβενχότες  το  χ.  Ιτος  nicht 
heißen  kann  „die  das  x-te  Jahr  hindurch  Epheben  gewesen  sind",  sondern 
„die  es  in  diesem  Jahre  geworden  sind".  Statt  des  allerdings  üblicheren 
TO  hog  begegnet  auch  τω  χ.  ετει  (vgl.  145)  \md  auch  iv  τω  χ.  ετει^  wenn  die 
Inschrift  bei  Strack,  Arch.  II  553  richtig  ergänzt  ist.  Der  natürlichen 
Annahme,  daß  damit  das  Jahr  bezeichnet  ist,  in  dem  der  praktische  Dienst 
als  Ephebe  begonnen  hat,  steht,  wie  gesagt,  Teb.  316  gegenüber,  ein  Di- 
lemma, aus  dem  auch  Jouguet,  der  1.  c.  diese  Fragen  gründlich  untersucht 
und  geklärt  hat,  keinen  Ausweg  gefunden  hat.  Trotzdem  dürfen  wir  es 
zurzeit  mit  Jouguet  als  wahrscheinlich  bezeichnen,  daß  das  14.  Jahr  nor- 
malerweise das  Jahr  des  Eintritts  in  die  Ephebie  war.  Der  junge  Hellene 
trat  also  in  demselben  Jahre  in  dae  Gymnasium  ein,  in  dem  der  Ägypter 
und  die  ihm  Gleichstehendon  kopfsteuerptlichtig  wurden.  Jenen  öffnete 
sich    damit    die   Möglichkeit   der  Teihiahme   am   politischen  Leben,   sum 


1)  E•  tcheint,  daß  der  alezandriicho  Jude  in  BGU  IV  1140  (M)   sich   oder 
«einem  Vater  gymnAtiale  Bildang   smohreibt.    Aber  der  Text  ist  noch  nicht  Tcr- 

etändlich. 


142  Kapitel  III.     Die  Erziehung. 

mindesten  in  ihrer  Kommune,  dieser  lernte  den  Druck  eines  Staates  er- 
tragen, für  den  er  nur  ein  dediticius  war. 

Offen  ist  auch  noch  die  Frage,  wie  lange  der  Ephebendienst  für  den 
Einzelnen  gedauert  hat.  Aus  dem  oben  angeführten  Grunde  ist  έφηβενκώς 
το  χ.  έτος  nicht  ein  Zeugnis  für  einjährigen  Dienst.  In  Teb.  Π  316  (148)  hat 
ein  έφηβενκώς  von  19  Jahren  schon  einen  festen  Beruf,  gehört  also  sicher 
nur  noch  zu  den  einstigen  Epheben.  Ob  der  Dienst  aber  "2  oder  3  Jahre 
dauerte,  wissen  wir  nicht. 

Strittig  ist  die  Frage,  wer  die  εί'οκρι,οίς,  die  Aufnahme  des  Epheben, 
vollzogen  hat.  Jouguet  (1.  c.  S.  52)  vertritt  die  Ansicht,  daß  es  der  Exeget 
getan  habe,  und  stützt  sie  namentlich  auf  die  Eingabe  Oxy.  477  (144),  die 
an  den  Exegeten  (als  Vorsitzenden  der  Prytanen)  von  Alexandrien  ge- 
richtet ist.  Aber  dieser  Text  beweist  nicht,  daß  der  Exeget  auch  die 
εΐοκρίΰι,ς  vollzogen  hat.  Es  handelt  sich  hier  nur  um  die  ersten  vor- 
bereitenden Schritte  seitens  des  Vaters,  der  zuerst  nur  durch  den  Exegeten 
in  amtlichen  Kontakt  mit  den  hierfür  kompetenten  Lokalbehörden  kommen 
will  (vgl.  Kommentar).  Ich  gehe  vielmehr  aus  von  Flor.  57  (143),  wo  es 
klipp  und  klar  gesagt  ist,  daß  die  εϊβκριοις  durch  den  Präfekten  vollzogen 
werden  soll  (Z.  73  f.).  Wir  kommen  erst  zur  Klarheit,  wenn  wir  scharf 
trennen  zwischen  der  εϊΰκρίοίς,  der  Aufnahme,  die  der  Präfekt  vollzieht, 
und  der  έπίκριοις,  die  nach  Flor.  57,  74  der  Exeget  von  Alexandrien  voll- 
zieht. So  klärt  sich,  weshalb  in  Oxy.  477  der  Vater,  wenn  er  auch  die 
εΐοκριοίς  als  Endziel  bezeichnet,  sich  doch  zunächst  (für  die  bevorstehende 
επίκρίοις)  an  den  Exegeten  wendet.  In  beiden  Texten  stehen  übrigens 
alexandrinische  Bürger,  die  in  der  χώρα  wohnen,  in  Frage.  Wie  die  Nicht- 
alexandriner  der  χώρα  behandelt  wurden,  darüber  fehlt  es  noch  an  hin- 
reichendem Material.  In  Flor.  79  (145)  ist  der  Titel  in  Z.  1  leider  unsicher 
überliefert.  Man  kann  zwischen  dem  Strategen  und  dem  Exegeten  des 
Hermopolites  schwanken.  Jedenfalls  ist  diese  Eingabe  an  einen  Gau- 
beamten gerichtet.  Aber  sie  bezeichnet  nicht  notwendig  dasselbe  Stadium 
des  Vorgehens  wie  Oxy.  477.  Auch  der  Alexandriner  in  diesem  letzteren 
Text  wiU  nachher  mit  den  .Lokalbeamten  verhandeln.  So  findet  denn  die 
Frage,  ob  auch  die  Metropoliten  vom  Präfekten  in  die  Epheben  auf- 
genommen wurden,  bisher  noch  keine  urkundliche  Beantwortung. 

Was  die  Organisation  der  Epheben  betrifft,  so  scheinen  die  ptole- 
mäischen  αίρεΰεις  verschwunden  zu  sein.  Es  begegnet  jetzt  eine  Gliede- 
rung in  6νμμορίαι^  die  numeriert  und  nach  ihrem  Obmann  (όνμμοριάρχης) 
benannt  werden  (Teb.  II  316  [148]).  Vielleicht  eine  Unterabteilung  ist 
das  πλάγων  in  BGU  1084  (146).  i) 


1)  Ähnlich   sind   die   βνβτρύμματα  (Rotten,   schon  bei  Polybius)   als  Abteilungen 
der  Epheben  in  Athen  erst  seit  Hadrian  nachweisbar. 


§  2.    Die  gymnasiale  Ausbildung.  143 

Die  alten  Jahrgänge  von  Epheben  bildeten  auch  jetzt  wie  in  der 
Ptolemäerzeit  Vereine,  die  eTentuell  Weihungen  darbrachten.^)  Wie  eng 
die  früheren  Epheben  nach  Beendigung  der  Ephebenzeit  mit  ihren  Sym- 
morien    in    Zusammenhang    blieben,    zeigen    die    Ephebeneide    (Teb.  316 

Als  Vorsteher  der  Epheben  finden  wir  auch  in  der  Kaiserzeit  die 
Gvmnasiarchen  und  Kosmeten,  die  beide  jetzt  zu  den  regelmäßigen 
städtischen  Beamten  der  Metropolen  gehören.*)  Damit  steht  für  diese 
Zeit  jedenfalls  fest,  daß  die  Gymnasien  städtisch,  uicht  staatlich  waren  — 
was  wir  auch  für  die  Ptolemäerzeit  als  wahrscheinlich  annahmen.  Beide 
Ämter  sind  jetzt  Liturgien,  die  nur  die  Reichen  bekleiden  können.*) 
Unter  Trajan  befahl  der  Präfekt  Rutilius  Lupus,  daß  die  Unkosten  der 
Gymuasiarchie  veiTingert  würden  (Amh.  70  [149]).  Daß  auch  die  Kosmetie 
unter  Umständen  bankerott  machen  konnte,  zeigt  CPR  20.  Während  in 
den  ersten  beiden  Jahrhunderten  gelegentlich  monatlicher  Wechsel  in  der 
Amtsführung  zwischen  zwei  Gymnasiarchen  nachweisbar  ist*),  finden  wir 
im  ni.  Jahrb.  Πη  Hermopolisj  den  W^echsel  von  mehreren  Gymnasiarchen 
innerhalb  eines  Monats.  Vgl.  die  Berichte  der  kXaioxvxai  an  die  βονλή 
in  CPHerm.  57—65  (vgl.  151).  In  CPHerm.  53,  14  (39)  wird  von  den 
jedem  Gymnasiarchen  zufallenden  3  Tagen  gesprochen.  Λ^οη  der  Geschäfts- 
führung der  Gymnasiarchen  handeln  ferner  z.  B.  BGU  III  760  (150)  und 
Lond.  in  S.  104/5.  Die  Ehrung  eines  Gymnasiarchen  ist  Gegenstand  von 
Oxy.  III  473  (83). 

Die  Nachrichten  über  die  Tätigkeit  der  Epheben  sind,  wie  oben  be- 
merkt, sehr  dürftig  und  ganz  einseitig.  Wir  erfahren  nur  von  der  gym- 
nastischen Ausbildung  und  im  besonderen  von  ihren  Wettkämpfen.*) 
Eine  Stiftung  von  Siegespreisen  für  Epheben  bietet  Oxy.  IV  705  (153).*) 
Einen  Befehl  des  Logisten  an  die  Epheben  vom  Jahre  324  zum  Wett- 
kampf enthält  Oxy.  I  42  (154). 

1  \•,'1.  Dittenberger,  Or.  <.r.  11  t.ti,^.  l Hklar  bleibt  leider  die  Erw&hnuiig 
•1er  έφηβ»νχόης  in  Oxy.  IV  711. 

2)  νμΐ.  Fr.  Preisigke,  Stadt.  Beamt  S  Γ)4  ff.  Zum  nani?verhnltnie  der  beiden 
vj(l.  Amh.  124  (152). 

8)  AU  munüg  patrimonii  konnten  en  ..„.  λ  .  ι.ί..,.;.^:.^.^ Vgl  l'rcitigke, 

Stiult.  Beamt,  6H  f.  Dagegen  int  die  Annahme,  daß  in  Amh.  64,  β  /νμναφιορχ^^  die 
(iymnaiiarchin  bezeichne,  mit  Recht  von  Braunstein,  Die  poUtiiche  Tätigkeit  der 
antiken  Frau  iLeipz.  Di••.),  bestritten  worden,  der  vielmehr  αρχή  hintudenkl 

4)  Vgl.  IK;U  III  7Ö0  (UO),  Lond.  111  8.  181,  17. 

f>)  Kin  Ί»ρυνίχης  άη6  4φηβ9ίας  in  BGU  IV  1098. 

6)  Ich  /-weifli•  jetzt,  ob  der  Titel  Μ  τΛν  9ημμάχωψ,  den  ©m  uymnaiiarch  m 
AntinoopoIJM  führt,  einen  Hinwei«  darauf  eoth&li,  dafi  diewnr  Be«mto  die  8i«gMkxiiii• 
7M  verti  il(i>  hiitte.  Vgl.  CIG  III  4706  —  Inicr.  flr.  ad  rat  Rom.  pMÜn.  I  n.  1148. 
Letzt«  π•  liciß«n  auch  hier  βτίφαψοι.  Vgl.  Lond.  III  8.  168,  f  1.  Ist  Μ  etipp^m  ge- 
nannte Abteihingen  der  Epheben  fo  denken,  wie  sie  PoUnd,  Geeoh.Qr.Vereinaw.  158 

aUN    Tlifiriii.ii    iTwIlliflt  ? 


144  Kapitel  III.     Die  Erziehung. 

Durch  die  gymnasiale  Bildung  erhob  sich  der  Grieche  nicht  nur 
kulturell  über  den  Orientalen,  sondern  sie  galt  auch  als  Vorbedingung 
für  die  Beteiligung  am  politischen  Leben  der  Kommune.  Uns  begegnet 
in  der  Kaiserzeit  als  ein  fester  terminus  technicus  ol  ajcb  γνμναοίον.  Mit 
Recht  hat  Wilamowitz  (GGA  1900,  55)  die  von  Grenfell-Hunt  aus  Oxy. 
II  257  (147)  gezogene  Bedeutung  als  descended  from  gymnasiarchs  ab- 
gelehnt. Er  bezeichnet  aber  nicht  nur  die  jungen  Leute,  die  „dem  Gym- 
nasium angehören  oder  anzugehören  berechtigt  sind^'  (1.  c),  sondern  auch 
die  Alteren,  die  das  Gymnasium  in  der  Jugend  besucht  haben  (vgl. 
Amh.  75).  Ja,  er  ist  zu  einer  Klassenbezeichnung  geworden,  durch  die 
alle  diejenigen,  die  die  gymnasiale  Bildung  haben,  mit  samt  ihrer  Familie 
zusammengefaßt  werden,  so  daß,  wie  in  Amh.  75,  auch  Frauen  als  άπο 
γνμναοίον  bezeichnet  werden  können.  Diese  „oC  ajtb  γνμναοίον^'  waren 
die  Honoratioren  der  Städte,  aus  deren  Reihen  die  städtischen  Beamten 
hervorgingen.  Vgl.  Preisigke,  Stadt.  Beamt.  S.  7;  Ziebarth,  Aus  d.  griech. 
Schulwesen  S.  140  f.;  Jouguet  1.  c.  46  f. 

Im  Anschluß  an  das  Gymnasium  sei  auf  einige  Urkunden  hingewiesen 
durch  die  uns  das  Treiben  der  berufsmäßigen  AUerweltsathleten  im  IL 
und  III.  Jahrh.  veranschaulicht  wird.  So  vor  aUem  das  Boxerdiplom  Lond. 
III  S.  215  ff.  (156)  und  die  verwandten  Akten  BGU  IV  1073  und  1074.  i) 
Wie  die  städtischen  Kassen  durch  die  an  die  Wettsieger  gezahlten  Pen- 
sionen belastet  wurden,  zeigen  die  Anträge  der  Athleten  in  CPHerm  54 
bis  56,  69,  70,  113  sowie  die  entsprechenden  Zahlungsanweisungen  des 
Rates  in  CPHerm.  78  und  94. 2)  Ygl.  157.  Von  Kleiderlieferungen  der 
Stadt  Hermopolis  für  den  ludus  monomachorum  von  Alexandrien  handelt 
Lips.  57  (a.  261).  Vgl.  Arch.  III  566.  Ein  Reskript  des  Kaisers  Gallienus, 
in  dem  er  dem  Angehörigen  einer  berühmten  Athletenfamilie  Immunitäten 
erteilt,  steht  in  CPHerm  119  Verso  (158).  Vgl.  dagegen  das  einschrän- 
kende Edikt  des  Diokletian  und  Genossen  in  P.  Lips.  44. 

Die  letzte  Erwähnung  der  Epheben  ist  zurzeit  die  in  jenem  Tages- 
befehl des  Logisten  vom  J.  324.^)  Auch  die  Gymnasiarchen  haben  dies 
IV.  Jahrh.  nicht  überlebt  (Preisigke  1.  c.  67).  Die  Pferdewettrennen,  die 
für  Byzanz  charakteristisch  sind  und  auch  in  Alexandrien  und  Ägypten 
weite  Verbreitung   fanden^),   scheinen   sich   mit   dem   Christentum   besser 


1)  Wilcken-Viereck,  Arch.  IV  563  f.  Viereck,  Klio  8,  413  £F.  Vgl.  auch  die  nccv- 
τίρατιαβταί  in  Oxy.  λ^ϊί  1050. 

2)  Vgl.  hierzu  mein  Referat  Arch.  III  540  ff. 

3)  Ungefähr  zu  der  Zeit,  wo  jener  Logist  den  Befehl  an  die  Epheben  gab,  trat 
der  heilige  Pachomius  auf,  der  öeinen  Mönchen  das  Salben  und  Baden  des  ganzen 
Körpers  verbot!  Vgl.  Gibbon  VI  c.  37.  Das  war  direkt  gegen  das  griechische  Gym- 
nasium gerichtet. 

4)  Oxy.  I  145,  Lond.  III  S.  277,  18.  Vgl.  M.  Geizer,  Studien  S.  18  f.  Vgl.  auch 
Oxy.  I  152.    VI  922. 


§  2.    Die  gymnasiale  Ausbildung.  145 

vertragen  zu  haben  als  die  Wettkämpfe  der  nackten  Ephebenleiber. 
Theodosius'  Aufhebung  der  Olympischen  Spiele  (394)  trennt  zwei  ver- 
schiedene Welten. 

Mit  den  Gymnasien  schwindet  die  für  die  Hellenen  bis  dahin  charak- 
teristische Erziehung.  Es  fällt  damit  zugleich  eine  starke  Schutzwehr 
gegen  die  immer  stärker  werdende  Orientalisierung.  Sie  werden  selbst 
mehr  und  mehr  zu  βάρβαροι  in  Rasse  und  Kultur.  Das  zeigen  uns  auch 
unsere  Urkunden.  Denn  wenn  diese  auch,  wie  bemerkt,  uns  keine  direkten 
Nachrichten  über  den  geistigen  Unterricht  der  Gymnasien  bieten,  so  sind 
sie  alle  insgesamt  betrachtet  doch  ein  unschätzbares  Material,  um  das  Er- 
gebnis jenes  Unterrichtes,  die  gymnasiale  Bildung  wie  auch  die  Bildung  der 
anderen  Klassen  zu  studieren.  In  den  Wandlungen  des  Stiles  tritt  uns 
die  innere  Umwandlung  der  Zeiten  deutlich  entgegen.  Die  Gesamtheit 
der  Urkunden,  neben  unsern  sonstigen  Hilfsmitteln,  für  eine  Geschichte 
der  Bildung  in  Ägypten,  der  allgemeinen  Volksbildung  wie  auch  der  ge- 
lehrten Berufe^),  von  Alexander  dem  Großen  bis  in  die  arabische  Zeit  hin 
zu  verarbeiten,  ist  eine  große  und  lohnende  Aufgabe,  wobei  wir  nur  zu 
bedauern  haben,  daß  sich  die  Urkunden  fast  ganz  auf  die  χώρα  be- 
schränken. Über  die  Großtaten  der  Ptolemäer  für  die  He])ung  der  Wissen- 
schaften, über  die  Gründung  des  Museums  und  der  Bibliotheken  von 
Alexandrien  haben  sie  uns  bisher  nichts  Neues  gelehrt.  Neben  den  Ur- 
kunden werden  aber  die  literarischen  Papyri,  die  durch  ganz  Ägypten 
hin  bis  in  die  kleinsten  Dörfer  gefunden  werden,  eine  wichtige  Quelle 
für  jenes  Problem  sein,  insofern  sich  in  diesen  Funden  der  Geschmack 
der  Zeiten  und  die  Ausbreitung  der  griechischen  Bildung  wiederspiegelt, 
abgesehen  davon,  daß  gelegentlich  auch  dichterische  Provinzialprodukte 
uns  darunter  bekannt  wurden,  wie  z.  B.  die  panegyrischen  Gedichte  in 
den  Berliner  Kla.ssikertexten  V  S.  107  ff.  und  die  Keimereien  in  den  Aphro- 
ditopapyri*  (Cat.  Cairo).  Daß  so  viele  literarische  Funde  bis  tief  ins  Land 
hinein  gemacht  werden  konnten*),  verdanken  wir  sicher  in  erster  Reihe 
der  VVirkiintr  Mos  LTiophischen  Gymnasiums. 

ii  i  ιιΐ•'Γ  tiMi-cri   iMTuten   sind  es  namentlich  ili»•  J^ln^tι•Iι    ^ule  Anwült«-     '-'-r  - - 
oder  Rechtäifclehrto ,   νομιχοίι   und   die  Ärzte,  deren  Treiben  die  Papyri 
Für  ji'iie  virw<-iH«!  ich  auf  Bd.  II,  für  diese  sind  di<    *■  '       '  t-  π  V    •  ■    i 

SudhofF,   Ar/.tlichfH  auH   ^^riecbiechen   Papyrusurkm  '  ^:      ;  mii  -  η 

ifodtellt  und  beleuchtet  worden. 

2)  AU  Heiepiel  einer  literariichen  Bibliothek  gebe  ich  hier  den  Text  de•  eo- 
Kenannten  ZQndeUcben  KatalogM  (1Γ>6). 


Mlttola-Wllrkoi.      I  .r<ir..l/ u^r    | 


10 


KAPITEL  IV. 

DIE  FINANZ-RESSOETS.   IHRE  ORGANE  UND 

KASSEN. 

I.  DIE  STAATLICHE  VEKWALTUNG. 
A.  DIE  PTOLEMÄEEZEIT. 

G.  Lumbroso,  Recherches  sur  reconomie  polit.  de  TEgypte  sous  les  Lagides. 
1870.  339  ff.  —  Robiou,  Memoire  sur  Teconomie  politique,  radministration  etc.  de 
l'Egypte  au  temps  des  Lagides.  1885.  —  Wilcken,  Griechische  Ostraka  I  492  ff.  — 
J.  Beloch,  Griechische  Geschichte  III  333 ff.  394.  —  P.  M.  Meyer,  ^ιοίηψίς  und  ί'διος 
λόγος,  Festschr.  f.  0.  Hirschfeld  1903,  131  ff.  Archiv  III  86  f.  —  H.  Maspero,  Les 
finances  de  l'Egypte  sous  les  Lagides.  1905.  —  Bouche-Leclercq,  Histoire  des  La- 
gides III,  381  ff.  —  Fr.  Preisigke,  Girowesen  im  griechischen  Ägypten.  1910. 

§  1.    DIE  EESSORTS. 

Α  priori  ist  mit  der  Mögliclikeit;  ja  der  Walirsclieinliclikeit  zu  rechneii, 
daß  die  Finanzverwaltung  der  pharaonischen  Zeiten,  im  besonderen  viel- 
leicht die  der  unmittelbar  vorhergehenden  Perserzeit,  auf  die  Gestaltung 
der  ptolemäischen  Finanz  Verwaltung  von  Einfluß  gewesen  ist.  •^)  Doch  ist 
das  Finanzwesen  der  früheren  Zeiten  noch  zu  wenig  erforscht,  um  sichere 
Rückschlüsse  nach  dieser  Richtung  zu  gestatten.  Die  Sonderung  des 
Griechischen  und  des  Ägyptischen  in  der  Verwaltung  ist  noch  ein  Haupt- 
problem. 

Die  altägyptische  Naturalwirtschaft  war  schon  in  der  Perserzeit  durch 
die  persische  Reichsmünze  und  das  Tributsystem  des  Darius  eingeschränkt 
wordeu.  Unter  den  Ptolemäern,  die  dem  Lande  zum  ersten  Mal  eine 
eigene  Münze  gegeben  haben  ^),  hat  die  Geldwirtschaft  immer  weitere 
Fortschritte  gemacht.^)  Einnahmen  und  Ausgaben  des  Staates  bestanden 
teils  in  Geld,  teils  in  Naturalien.  Gleichwohl  standen  die  höchsten 
Finanzämter  über  beiden  Ressorts,  und  erst  bei  den  niedrigeren  Amtern 
fand  die  Spezialisierung  für  Geld  oder  Naturalien  statt. 


1)  Dies  wird  stark  betont  von  H.  Maspero  1.  c.  172  ff. 

2)  Vgl.  oben  Einleitung  §  8.  3)  Wilcken,  Gr.  Ostraka  I  665  ff. 


Ι.  Die  staatliche  Tenvaltung.     Α.  Die  Ptolemäerzeit.     §  2.    Die  Beamten.       147 

Die  gesamten  Einnahmen  und  Ausgaben  wurden  in  einer  einheit- 
lichen Zentralkasse  verrechnet,  die,  entsprechend  dem  absolutistischen 
Charakter  der  Regierung^),  als  die  „Königskasse'',  το  βαΰίλικόν,  bezeichnet 
wurde. ^)     Die  Verwaltung  dieser  Kasse  hieß  η  διοίχηόίς.^) 

Von  diesem  .βαβίλιχόν  ist  ein  tdiog  Xoyog  τον  βαδιλεως,  eine  „Privat- 
kasse des  Königs",  als  besonderes  Ressort  abgetrennt  worden.*)  Wann  diese 
konstituiert  worden  ist,  ist  noch  unbekannt.  Der  z.  Z.  älteste  Beleg  ist 
aus  dem  Jahre  162.^)  Daher  läßt  sich  auch  noch  nichts  Bestimmtes  sagen 
über  das  Verhältnis  dieses  tÖLog  Xoyog  zu  den  für  die  königlichen  Kinder 
reservierten  Einkünften,  die  zuerst  unter  Ptolemaios  V.  erscheinen  (της 
εν  προοόδωί  τών  τέκνων  τον  βαόιλέωξΥ)  und  vielleicht  mit  der  später 
begegnenden  κεχωριομενη  xgoaodog  zusammenhängen."^)  Alle  diese  Ein- 
richtungen können  schon  sehr  viel  älter  sein  als  sie  uns  bezeugt  werden, 
vielleicht  schon  von  vornherein  vorgesehen  sein.®)  Vielleicht  sind  sie  gar 
aus  der  Pharaonenzeit  übernommen.  Jedenfalls  zeigt  die  Abtrennung  des 
tdiog  Xoyogy  daß  das  ßaöihxov  trotz  seines  Namens  den  Charakter  einer 
staatlichen  Kasse  hatte  resp.  bekam.  ^)  Über  die  Einnahmequellen  des 
tdiog  Xoyog  sind  namentlich  BGU  III  992  (162)  und  Amh.  31  (161)  An- 
deutungen zu  entnehmen:  hier  wird  ein  πρόοτιμον  (für  Okkupation  von 
königlichem  Ödland),  dort  der  Ertrag  von  Vererbpachtung  von  konfisziertem 
Land  an  dieses  Ressort  abgeführt.  Wahrscheinlich  gilt  schon  von  der 
ptolemäischen  Kasse,  was  Strabo  XIII  p.  797  von  der  römischen  sagt 
f<    ii.iten  S.  154). 

§  2.    DIE  BEAMTEN. 

An  der  Spitze  der  gesamten  Finanzverwaltung  (άωίχηόίς)  stand,  wie 
in  allen  Ressorts,  der  König  selbst,  dem  überall  die  letzte  Entscheidung 
zustand,  and  der  durch  seine  Gesetze  und  Kabinettsorders  neue  Grundlagen 
schuf ^^ 


1)  Vgl.  oben  8.  8. 

2)  Ebenso  z.  B.  auch  im  Seleuki<lenreicb,  wo  da»  ßaaiAixiiv  ^Ίοΐ«ΊιΓ:»11»  OeI»l  und 
Naturalien  umfaßte.     Vgl.  Dittenberger,  Gr.  Or.  1  2SU,  106. 

8)  Vgl,  den  Titel  ό  ίηΐ  τής  διοι%ήαβως  8.  148. 

4)  Vgl.  Wilcken,  Ostraka  1  ßSl.    P.  Meyer  1.  c.    Preieigke,  Giroweien  190 ff. 

6)  mV  m  092  (Ιβ2)    -     Weitere  liolege  Theb.  Bank  1,S1  (a.  ISl^O):   /.  I.  τσθ 
βαύιΧίως.    Amh.  31,1  (1β1).     Γ.  Gronf.  Ι  Ιβ,Ι.    Dittenberger,  Gr.  Or.  I  188  (168),  18•. 

β)  Ρ.  Petr.  HI  97  8.  «87. 

7)  Vgl.  (Jrcnfcll-Hant,  Teb.  I  8  669.    Bouob^Lecleroq   ΙΠ  190.  880.     Γ   Morer. 
J^oi%ηaιg  182,  4;  Arch.  III  87.     Jetrt  Tgl.  RottowMW,  Kolonat  44  ff 

8)  Die  ηρόϋοΛοι  de«  Μοβτΐι-θβθ•  hst  nach   Τ »•'>').. r  τ  λ>>  α  acbuu  i  Π 
deiner  Gemahlin  zugewiesen. 

9)  8.  jeixt  auch  Hottowtew,  Kolonat  68  f. 
10)  Wilcken,  Gr.  Oflrftka  I  49t. 

10• 


148  Kapitel  IV.     Die  Finanz-Ressorts.     Ihre  Organe  und  Kassen. 

Sein  Hauptvertreter  ist  der  große  Finanzchef  in  Alexandrien,  der 
δίοι,κητής^)  oder  ό  έτΐΐ  της  δίοίκήΰεως  hieß. 

Während  dieser  für  die  gesamte  οωίκηοις,  auch  der  auswärtigen  Be- 
sitzungen^), kompetent  war,  stand  unter  ihm  speziell  als  Chef  jenes  L'diog 
λόγος  ein  Spezialbeamter,  der  δ  jfQog  τω  IdCco  λόγω  hieß.^)  Dies  ist 
unseres  Wissens  der  einzige  Spezialbeamte  dieses  Ressorts.  Im  übrigen 
sind  die  im  folgenden  genannten  Beamten  der  ÖLoCrnquig  auch  für  den 
lÖLog  λόγος  tätig  (vgl.  Amh.  31,  BGÜ  III  992). 

Dem  Dioiketes  stand  zur  Erledigung  seiner  ungeheuren  Arbeitslast*) 
eine  große  Zahl  von  Unterbeamten  zur  Verfügung.  Die  neuerdings  viel 
behandelte  Streitfrage,  ob  es  unter  ihm  Provinzialchefs  in  der  χώρα  ge- 
geben hat,  die  gleichfalls  διοίχηταί  hießen,  ist  zu  einer  evidenten  Lösung 
noch  nicht  geführt  worden.^)  Ein  bisher  nicht  beachtetes  Argument,  das 
für  diese  Annahme  spricht,  ist  P.  Lond.  I  S.  41  Z.  99  zu  entnehmen: 
danach  erhält  der  οωικητής  seinen  Brief  an  demselben  Tage  wie  die  drei 
memphitischen  Beamten,  also  in  Memphis.^)  Hierzu  stimmt  P.  Teb.  72 
462:  τον  εΐόδοΰ-εντος  εν  Μέμφει  τώυ  διοικητήί.'^)  Auch  daß  jener  mem~ 
phitische  und  andere  δίοικηταύ  in  der  geringen  Rangstufe  των  φύλων  be- 
gegnen^), während  z.  B.  der  ihnen  untergebene  Idios-Logos-Beamte  in  der 
obigen  Inschrift  ein  όυγγενής  ist,  spricht  für  jene  Annahme.  Daß  Unter- 
beamte denselben  Titel  führen  wie  der  Oberbeamte,  begegnet  auch  beim 
έγλογίότής  und  den  ihm  unterstellten  έγλογίόταί^),  ebenso  auch  bei  den 
οικονόμου  (vgl.  unten  S.  151).  Somit  möchte  ich  es  zum  mindesten  als 
wahrscheinlich  betrachten,  daß  es  νγονΪΏζίοΙ-διοίκψαί  in  der  χώρα  ge- 
geben hat,  denen  immer  mehrere  Gaue  unterstellt  waren. 

Α  priori  ist  wahrscheinlich,  daß  in  der  Finanzverwaltung  im  Laufe 
der  drei  ptolemäischen  Jahrhunderte  manche  Änderungen  eingeführt  worden 
sind.  Einzelnes  läßt  sich  auch  heute  schon  erkennen.  Aber  der  A^ersuch 
H.  Masperos,  grundlegende  Unterschiede  zwischen  dem  III.  und  II.  Jahrh. 


1)  Cicero  pro  Rabirio  10,  28.  Vgl.  Dio  Cass.  42,  36,  1.  Die  z.  Z.  vollständigste 
Liste  der  άιοιν,ηταά  bei  H.  Maspero  1.  c.  245. 

2)  Dittenberger,  Or.  Grr.  I  59.     Vgl.  auch  die  Ausführungen  zu  Nr.  2. 

3)  Vgl.  das  Material  bei  P.  Meyer,  Festschr.  f.  0.  Hirschfeld  132. 

4)  Nach  dem  Posttagebuch  P.  Hib.  110  .(in  Kap.  X)  erhielt  er  allein  fast  ebenso 
viele  Postpakete  wie  der  König. 

5)  Für  diese  Annahme:  Mahafly,  P.  Petr.  Π  S.  9;  Grenfell,  P.  Rev.  S.  123; 
Wilcken,  Gr.  Ostraka  I  493;  Strack,  Arch.  Π  559;  Beloch  III  394.  Dagegen:  P.  Meyer, 
Heerwesen  54;  H.  Maspero  1.  c.  238  fif.;  Bouche-Leclercq  ΠΙ  381  f.  Unentschieden: 
Grenfell-Hunt  Teb.  I  S.  33  f. 

6)  Hierüber  werde  ich  genauer  in  meinen  „Urkunden  der  Ptolemäerzeit"  handeln. 

7)  Bouche-Leclercq  muß  dagegen  annehmen,  daß  der  νποόιοίκητής  damit  ge- 
meint ist. 

8)  Vgl.  Strack  1.  c. 

9)  P.  Rev.  37,  12  und  18,  9.     Über  diesen  Beamten  vgl.  Kap.  V. 


Ι.  Die  staatliche  Verwaltung.     Α.  Die  Ptolemäerzeit.     §  2.    Die  Beamten.       149 

nachzuweisen,  bedarf  sehr  der  Korrektur.  Während  er  großes  Gewicht 
auf  die  Einsetzung  des  επιμελητής  im  IL  Jahrh.  legt,  ist  dieser  Beamte 
schon  für  das  III.  Jahrh.  bezeugt  (s.  unten).  Nach  unserem  bisherigen 
Material  ist  der  einzige  Unterschied  in  der  Beamtenhierarchie  der,  daß  die 
νποδίΟίκηταί  und  die  έπΙ  των  προόόδων  für  das  III.  Jahrh.  noch  nicht 
bezeugt  sind,  und  daß  die  Stellung  des  οΙκονόμος  im  III.  Jahrh.  eine 
größere  ist  als  vom  II.  Jahrh.  an.^)  Aber  durch  neues  Material  kann  sich 
manches  verschieben.  Ich  muß  mich  hier  auf  eine  Charakterisierung  der 
einzelnen  Beamten  beschränken.  Die  historische  Entwicklung  läßt  sich 
z.  Z.  noch  nicht  klar  erkennen. 

Seit  dem  IL  Jahrh.  finden  wir  νΛοδίοιχηταί,  deren  Amtsbezirk 
jedenfalls  mehrere  Gaue  umfaßte.  Der  aus  den  Serapeumstexten  bekaunte 
νΛοοιοίχητής  Sarapion,  der  der  Rangklasse  των  διαδόχων  angehörte,  am- 
tierte in  Memphis,  machte  aber  auch  Amtsreisen  in  den  Arsinoites  und 
εΙς  τονς  ανω  τόπους  (Leid.  D  etc.).  Genauer  läßt  sich  z.  Z.  ihr  Bezirk 
noch  nicht  abgrenzen.^)  Der  Έρ^ιώναξ  in  de!"  Thebais  (Grenf.  II  23  [159]) 
gehört  zu  den  ομότιμοι  roig  όνγγενεΰι. 

Gleichfalls  erst  seit  dem  IL  Jahrh.  begegnet  der  έπΙ  των  προύόδων,^) 
Während  die  νποδιοικηταί  ein  größeres  Gebiet  unter  sich  hatten,  be- 
schränkt sich  seine  Kompetenz  auf  einen  einzelnen  Gau.*)  Daß  er  unter 
dem  υποδιοικητής  rangiert,  wird  auch  durch  P.  Grenf.  II  23  (159)  be- 
stätigt. Sein  Amt  ist  häufig  von  dem  ihm  übergeordneten  ότραχηγος  des 
Gaues  gleichzeitig  geführt  worden.^)  Abgesehen  von  den  allgemeinen 
Aufgaben  der  διοίκηόις  arbeitet  er  auch  für  den  ίδιος  λόγος  (Amh.  31. 
BGÜ  III  992)  und  die  κεχωρίόμενη  πρόΰοδος  (Teb.  64  b  17).  Er  verfügt 
über  spezielle  Unterbeamte  (οί  παρά  τον  έπΙ  των  προβόδων:  Teb.  Ι  64  b  17). 

Einen  noch  engeren  Amtsbezirk  scheint  der  ^πιμελητής^)  gehabt 
zu  haben.     Wenitrstens  im  II.  Jahrh.   begegnet   ein   iπιμελητής  τών  κάτω 


Zur  Veranschaulichung  diene  folgende  Tabelle: 

111.  Jahrh.  II./L  Jahrh. 

i,,„-jr'r"i  der  χώρα(?) 


Jioi%r]xaL  der  %ω^α(^) 
'Τηοδίοικηταΐ 
Έηϊ  τών  ηροαόόων 
*Εχιμβληταί  *£%ιμ*λητο» 

ΟΙχονόμοι  ΟΙχορόμοί  άογυρίκώψ 

Άιηιγραφ§ίς  Οιηονόμοι  β»ηχών 

'Αντιγραφείς. 
Mafperoi  Vermutungeii  8.  tOi  tind  unaicher.     Dorion  (PMr.  63)  iat  gttniobi 
Beamter  de•  SaTtee.    Den  'Ερμώναξ  bat  er  abertehon. 

8)  Vgl.  Maepero  208.  Ul.    Booob^LocUrcq  III  387. 

4)  Vgl.  DiUenberger,  Or.  Gr.  I  194,4  (toO  ΠίρΙ  Θήβ09)\  Π9,6  (»βύ  '.ίνο"   '  '  • 
Γ  Tor.  Ι  1,  8  (τοΟ  ψομοϋ). 

b)  Vgl.  ζ.  υ.  die  lodicea  ton  Teb.  Ι  mit  tablreicbeo  Beifpieleo. 
β)  Houchi-Leclerci  III  891. 


150  Kapitel  ΙΥ.     Die  Finanz-Ressorts.     Ihre  Organe  und  Kassen. 

τΟΛων  τοϋ  Σαίτον  (Ρ.  Par.  63  VII),  wonach,  der  Sai'tische  Gau  damals 
zwei  solcher  Beamten  gehabt  hat.  Wie  oben  bemerkt,  ist  der  Epimeletes 
schon  für  das  III.  Jahrh.  bezeugt  und  nicht  nur  für  das  Ende  desselben.^) 
In  P.  Petr.  II  20  II  3  (166)  wird  er  unmittelbar  nach  dem  οωικψής  ge- 
nannt, wobei  hier  vielleicht  nicht  an  den  großen  alexandrinischen  Chef  zu 
denken  ist.^)  Andererseits  erscheint  er  nach  diesem  Text  als  dem  οίκο- 
νόμοξ  übergeordnet.^)  Der  Epimeletes  wird  innerhalb  seines  Bezirkes 
nach  allen  Richtungen  die  Interessen  der  οιοίκηοις  wahrgenommen  haben. 
Die  Annahme  von  Bouche-Leclercq  (III  391,  1),  daß  es  verschiedene  sjcl- 
μ,εληταί  mit  verschiedenen  Spezialkommissionen  gegeben  habe,  beruht  auf 
einer  irrigen  Deutung  von  P.  Zois  I  15  und  II  15.-*)  Im  III.  Jahrh.  hat 
der  εταμελητης  u.  a.  die  Steuerdeklarationen  entgegengenommen  (P.  Lond. 
I  S.  50,  vgl.  auch  Arch.  II  S.  82/4  und  dazu  Kap.  V).  Nach  P.  LiUe  19,  6 
(vgl.  auch  23  [189])  war  er  bei  der  Getreideverwaltung  tätig  (wie  in 
P.  Petr  Π  20).  Im  IL  Jahrh.  stand  der  επιμελητής  unter  dem  ντίοδιοι- 
κητής,  wie  namentlich  aus  den  Serapeumstexten  hervorgeht,  in  denen  der 
Letztere  oft  gebeten  wird,  den  Epimeletes  zur  Lieferung  des  Öles  an  die 
Zwillinge  zu  nötigen.^)  Also  ist  in  P.  Par.  63  YII  20  (τοις  äXXocg  sitL- 
μεληταΐς  καΐ  νποοωικηταΐς)  die  Rangordnung  nicht  eingehalten.  Auch 
dem  ijtl  των  τΐροΰόδων  scheint  er  untergeordnet  zu  sein,  da  dieser  offenbar 
höheren  Rangstufen  angehört,  und  auch  einen  ganzen  Gau  unter  sich  hat. 
Andererseits  steht  der  Epimeletes  auch  hier  über  dem  Oikonomos  (Teb. 
6,  14).  Wie  er  in  den  Zoispapyri  den  Garten  versteigert^),  so  verpachtet 
er  in  den  TebtyDis-Papyri  oft  Domanialland  an  die  βαοιλίκοί  γεωργοί,'^) 
Nach  Teb.  17  (165)  reist  er  gelegentlich  auf  die  Dörfer  und  kontrolliert. 
Vgl.  auch  Petr.  II  32  (1),  eine  Klageschrift  an  den  Epimeletes  von  einem, 
der  in  einem  königlichen  Betriebe  arbeitet. 

Wir  kommen  endlich  zum  οικονόμος.^)  Im  III.  Jahrh.  spielt  dieser 
Beamte  offenbar  eine  größere  Rolle  als  im  IL  Wie  die  vorhergenannten 
Beamten  hat  er  damals  noch  in  gleicher  Weise  mit  der  Geld-  wie  mit  der 
Naturalverwaltung  zu  tun.    Vgl.  Petr.  II  20  (166).^)    Sein  Amtsbezirk  ist 


1)  So  Grenfell-Hunt,  Teb.  I  S.  62,  die  Editoren  zu  P.  Lille  4,  9.  Dagegen  Wilcken, 
Arch.  V  226.  Nach  Ps.  Arist.  Oecon.  II  35  wird  zu  Alexanders  des  Großen  Zeit  ein 
επιμελητής  über  den  ΆΟ^ριβίτης  gesetzt. 

2)  Hierzu  neigen  auch  Grenfell-Hunt  Teb.  I  S.  34, 

3)  So  richtig  Bouche-Leclercq  III  391,  1. 

4)  Schon  in  den  Gr.  Ostraka  I  517,  2  habe  ich  gezeigt,  daß  Ttgog  την  ^γληιρίν  της 
νιτρί-κής  mit  7tρa^■έvτωv,  nicht  mit  επιμελητής  zu  verbinden  ist. 

5)  Z.  B.  Leid.  D  18. 

6)  Ich  kehre  zu  meiner  früheren  Annahme  zurück  (Theb.  Bank  S.  26,2),  daß  auch 
Theodoros  ein  επιμελητής  war. 

7)  Vgl    Teb.  61  (b)  22,  36,  45.     Teb.  72,  354.     Teb.  214. 

8)  Vgl.  Maspero  186  ff.     Bouche'-Leclercq  388  f. 

9)  Wilcken,  Gr.  Ostraka  I  653. 


Ι.  Die  staatliche  Verwaltung.     Α.  Die  Ptolemäerzeit.     §  2.    Die  Beamten.       151 

der  Gau.  Auch  der  große  ΐ4ρ6ίνοΐτης  untersteht  damals  einem  einzigen 
οικονόμος.^)  Neben  ihm  funktioniert  ständig  ein  άντίγραφενς  (vgl. 
Rev.  P.).  Wie  der  Revenue-Papyrus  lehrt,  hat  der  Oikonomos  u.  a.  die 
Aufgabe,  die  Steuern  zu  verpachtfen  und  die  Steuerpächter  aufs  genaueste 
zu  kontrollieren  und  mit  ihnen  Abrechnung  zu  halten  (^Laλoγίζε6^^aL).  -) 
Andererseits  sorgt  er  für  den  Korntransport  aus  dem  Gau  nach  Aleiandrien 
(καταγωγή).^)  Er  vergibt  die  öffentlichen  Arbeiten  seines  Gaues.*)  Er 
erscheint  überhaupt  als  der  ständige  Hauptvertreter  der  Finanzverwaltung 
des  Einzelgaues. ^)  In  LiUe  4,  29  wird  er  vor  dem  βαΰιλικος  γραμματεύς 
genannt.  Neben  diesem  οικονόμος  des  Gaues  gibt  es  aber  auch  einen 
οικονόμος  της  ^Ηρακλείδον  μερίδος  im  Arsinoites  (Petr.  II  181.  1),  ja  sogar 
in  Dörfern  begegnet  ein  eigener  οΙκονόμος  (Hibeh  107  und  108,  vgl.  aus 
späterer  Zeit  Grenf.  II  37,  G  (169).  Vgl  Preisigke,  Klio  VII  262.  Das 
werden  Unterbeamte  des  Gauökonomen  sein,  die  denselben  Titel  wie  er 
führen  (vgl.  oben  zum  διοικητής  S.  148). 

Dagegen  ist  im  Laufe  des  IL  Jahrh.  die  Spaltung  in  einen  οικονόμος 
των  άργνρικών  und  einen  οικονόμος  των  ΰιτικών  vollzogen  worden. 
Während  sonst  jeder  dieser  einen  ganzen  Gau  zu  verwalten  hat^),  hat  im 
!4ρ6ινοΐτης  jede  der  3  μερίδες  ihren  eigenen  οικονόμος  των  άργνρικών 
und  όιτικών  erhalten. ')  Ob  es  daneben  auch  solche  für  den  ganzen  ^Aqöi- 
νοΐτης  μ  ab,  wie  im  lU.  Jahrb.,  wissen  wir  nicht.  Mit  dieser  Spezialisierung 
der  Geschäfte  ist  auch  seine  Stellung  gegenüber  den  Verwaltungsbeamten 
gesunken:  der  Papyrus  Louvre  10632  (167)  zeigt  deutlich,  daß  jetzt  der 
βαοιλικος  γραμματεύς  über  dem  Oikonomen  stund.  Wenn  in  Dittenberger, 
Or.  Gr.  I  188  (163)  und  189  aus  dem  I.  Jahrh.  v.  Chr.  der  Chef  des  Mios 
λόγος f  ein  όνγγενής,  zugleich  als  οΙκονόμος  του  βαοιλεως  bezeichnet  wird, 
βο  ist  dieser  οΙκονόμος  τον  βαοιλίως  mit  jenen  gewöhnlichen  Finanz- 
beamten der  Gaue  nicht  zu  identifizieren. 

Abgesehen  von  diesen  speziellen  Finanzbeamten  sind  die  sämtlichen 
oben  S.  10  ff.  aufgezählten  Verwaltungsbeamten  der  Gaue  gleichfalls  für  die 
Aufgaben  der  Finanzverwaltuug  tätig  gewesen,  also  die  ότρατηγοί  und 
νομάρχαι^  die  βαόιλικοί  γραμματείς  und  τοπογραμματείς  und  χωμογραμμα- 
τείς^  die  τοπάρχαι  und  κωμάρχαι.^)  Die  Texte  dieses  und  der  nächsten 
Kapitl    /r »-  •    |f,.;.. ;,.!,.   ί.-,ν  die  Betätigung  dieser  Gaubeamten  auf  dem 

1    Vgl.  Petr.  II  Dies  übereieht  Boaohtf-Leoleicq  1.  c.    Vgl.   aacb  e/u. 

τ«ι•  ü^qX  θι/ιβας  in  I'    •  •>.  ",,  1  und  unten  167. 

5)  Wilckin,  Or.  Oftraka  I  617.     Vgl    Kap.  V 

8)  Vgl.  Veit.  II  V    '"     uich  I  (Ιββ).         4)  IVir    III  il\      \  μ\.   Kuj..  \  III. 

6)  Bi'in  Vorhalt  ίΛίμ$Χητ^ς^  der  ihm  »il.crKronlmt  int,  itt  noch  recht 
dunkel. 

Ä^   Vtrl.    Γ.  Tor.  6—7:  nffbg  H)»  θΙ%ΟΨθμΙαΐ    τώι•   ί{*γν{}ΐ%α>%•   rof    ΙίαΟχ\ΰχην 

DitUnbw^r,  Or.  Or.  I  177,  179  (ΙβΗ  . 
;   MMpero  186  f.  JOS  ff.    Enger•,  do  Aegyptiarum  %ωμώ%•  adminiulrationo  cto. 


152  Kapitel  IV.    Die  Finanz-Ressorts.    Ihre  Organe  und  Kassen. 

finanziellen  Gebiet.  Als  die  wichtigsten  unter  ihnen  treten  der  ΰτρατηγός^ 
der  νομάρχης,  .der  βαΰίλίκος  γραμματεύς  und  der  κωμογραμματενς  hervor. 
Eine  gesonderte  Darstellung  der  Kompetenzen  der  einzelnen  Beamten 
würde  hier  zu  weit  führen. 


§  3.    DIE  KASSEN  UND  MAGAZINE. 

Von  der  zentralen  Reichshauptkasse,  die  in  Alexandrien  gewesen  sein 
muß,  ist  bisher  keine  Nachricht  erhalten.  Dagegen  kennen  wir  durch 
viele  Zeugnisse  die  Regierungskassen  der  χώρα^  aC  βαόιλικαΐ  τράτΐεξαί.^) 
Sie  waren  die  Zahlstellen  für  die  sämtlichen  Einnahmen  und  Ausgaben 
des  Staates,  soweit  sie  in  Geld  erfolgten.  Jeder  Gau  hatte  seine  Re- 
gierungshauptkasse in  seiner  Metropole.  Diese  galt  als  die  Kasse  des 
Gaues. ^)  Aber  auch  die  Dörfer  hatten  ihre  βαΰιλικαΐ  τράτίεζαί^),  gewisser- 
maßen Filialen  der  Kasse  der  Hauptstadt.*)  Die  Staatskassen  führten  für 
das  Ressort  des  ίδιος  λόγος  ein  gesondertes  Konto.  ^)  Über  das  Lokal 
dieser  Institute  liegen  keine  genaueren  Nachrichten  vor.  Nach  P.  Hibeh 
106  ff.  waren  Trapeziten  im  III.  Jahrh.  im  λογεντηρίον  tätig.  Nach 
P.  Eleph.  10  (182),  der  τραπεζιτών  των  εν  τοις  ΙεροΙς  erwähnt,  scheinen 
sich  —  mindestens  teilweise  —  königliche  τράπεξαι,  innerhalb  der  ge- 
heiligten Tempelbezirke  befunden  zu  haben. 

An  der  Spitze  der  Kassen  standen  Beamte  mit  dem  Titel  τραπεζίτης. 
Über  den  Trapeziten  der  einzelnen  Institute  standen  Vorgesetzte,  die  für 
ein  größeres  Gebiet  kompetent  waren.  So  ein  τρα(πεζίτης)  της  Θη{βαΐδος)  ^) ; 
vgl.  auch  den  τραπεζίτης  Κωίτον  in  Ρ.  Hib.  66  Verso. 

Diese  Trapeziten  waren  Beamte,  nicht  Pächter,  wie  manche  aus 
P.  Rev.  73 ff.  (181)  schließen."^)  Dieser  Text  besagt  vielmehr,  daß  es 
außer  den  βαοίλίκαΐ  τράπεζαι,  die  ausschließlich  den  Staatsinteressen 
dienten,  noch  andere  τράπεζαι  gab,  die  vom  König  an  Privatleute  ver- 
pachtet wurden  und  wahrscheinlich  als  Banken  den  Interessen  des  Publi- 
kums dienten.^)  Diese  werden  in  dem  Text  nur  als  τράτιεζαι,  nicht  ßa6L- 
λικαΐ  τράπεζαί,  bezeichnet. 

Der  sehr  umständliche  und  gewissenhafte  Geschäftsgang  bei  den 
Regierungskassen  wird  durch  mehrere  der  unten  abgedruckten  Texte  ver- 


1)  Vgl.  hierzu  Wilcken,  Aktenstücke  d.  Kgl.  Bank  zu  Theben  (Abh.  Beil.  Akad. 
1886)  und  Griech.  Ostraka  I  630  ff.     Jetzt  Preisigke,  Girowesen. 

2)  Vgl.  P.  Hibeh  110  Vers.  II  86:  τραπεζίτης  Έρμ,οπολίτ[ον]. 

3)  Vgl.  Wilcken,  Gott.  G.  A.  1895,  155  f.  Bestätigt  durch  Rev.  Pap.  75,  1:  [al 
iv  τους]  nolaeiv  τ)  κώμα/-?  τράτιεζαι  §α6ΐλι%αί  (181).  Vgl.  jetzt  auch  Ρ.  Eleph.  15  (Bank  in 
Arsinoe  bei  Edfu:   Wilcken,  Arch.  V  S.  214/5).     Vgl.  Fr.  Preisigke,  Girowesen  S.  8. 

4)  Wilcken,  Gr.  Ostraka  I  633.  5)  Amh.  31  (161)  BGÜ  III  992  (162). 
6)  Vgl.  Theb.  Bank.  S.  28.                        7)  So  J.  Beloch,  Gr.  Gesch.  III  (1)  313. 

8)  Vgl.  Wilcken,  Gr.  Ostraka  I  634 ff.  Zugestimmt  haben  Grenfell-Hunt,  Oxy. 
III  248.     Otto,  Priest,  u.  Temp.  II  110.     P.  M.  Meyer,  Berl.  ph.  Woch.  1904  Sp.  1060. 


Ι.  Die  staatliche  Verwaltung.    Β.  Die  römische  Zeit.     §  1.    Die  Ressorts.       153 

anschaulicht.  ^)  Sowohl  bei  den  Einzahlungen  wie  bei  den  Auszahlungen 
bedurfte  es  ausführlicher  Anweisungen  (διαγραφαί)  von  Seiten  der  kom- 
petenten Finanzbeamten  resp.  der  Steuer  ρ  ächter  und  ferner  der  Mit- 
wirkung von  Kontrollbeamten,  ehe  auch  nur  eine  Drachme  verausgabt 
oder  eingenommen  wurde.  ^)  Über  die  Buchführung  der  Trapeziten  (in 
den  εφημερίδες)  vgl.  Gr.  Ostraka  I  640  f. 

Was  die  τράπεζαα  für  den  Geldverkehr,  waren  die  9^η6ανροΙ  für  die 
Naturalleistungen.^)  Die  Zentrale  in  Alexandrien  hieß  auch  für  das 
Naturaldepartement  το  βαόιλιχόν.^)  Gerauere  Nachrichten  haben  wir  nur 
über  die  Magazine  der  χώρα,  die  nicht  nur  in  den  Metropolen,  sondern 
auch  in  den  Dörfern  sich  befanden.  Über  ihre  Anlage  läßt  sich  dem 
mathematischen  Papyrus  von  Achmim  sowie  P.  Lond.  II  S.  186  (192) 
einiges  entnehmen.^) 

Wie  der  Trapezit  zur  Kasse,  so  stand  der  ΰίχολόγος  zum  Thesauros.•) 
Die  Sitologeu  sind  die  Beamten,  die  die  Naturalien  in  den  Thesauros  auf- 
nehmen resp.  aus  dem  Thesauros  abliefern.')  Über  die  Behandlung  des 
Korns  im  Thesauros,  und  über  den  Transport  von  der  Tenne  zum  Thesauros 
und  vom  Thesauros  zum  Ladungsplatz  vgl.  Rostowzew,  Arch.  III  204  flf. 
und  unten  Kap.  X.  Über  die  Privatdeposita  in  den  Thesauren  und  über 
das  Girowesen  der  Thesauren  hat  jetzt  eingehend  Fr.  Preisigke  gehandelt 
(Girowesen). 

B.  DIE  RÖMISCHE  ZEIT. 

0.  Hirse hfeld,  Die  kais.  Verwaltungsbeamten  bis  auf  Diocletian  1906.  —  Th. 
Mommsen,  Köm,  Staatsrecht  II'992flf.  —  M.  Rostowzew,  Fiskus  (Dizionario  epi- 
graf.  di  Antich.  Rom.  III  90 sq.  1898).  —  Derselbe,  Die  kaiserliche  Patrimonialver- 
waltuDg  in  Ägypten  iPhilologus  57).  —  Derselbe,  Geschichte  d.  Staatepacht  (1902) 
8.  469if.  —  ü.  Wilcken,  Griech.  Ostraka  aus  Äg.  und  Nubien  (1899)  1641  ff.  — 
P.  M.  Meyer,  Jioi%r\Gii  und  Ίδιοζ  λόγος  (Festschrift  f.  0.  Hirschfeld  1908,  181  ff) 
und  Archiv  ΠΙ  86ff.  —  W.  Otto,  Priester  und  Tempel  im  hellenistischen  Ägypten 
I,  Π  (1906,  1908).  —  L.  Mitteis,  Rom.  Privatrecht  I  (1908)  847ff.  —  F.  Preisigke, 
Girowesen  im  griech.  Ägypten  1910.  —  M.  Rostowzew,  Studien  z.  Geechichte  d. 
römischen  Kolonates  1910. 

§  1.    DIE  RESSORTS. 
Durch  die  Neuordnung  des  Augustus  wurden  die  Einnahmen  Ägyp- 
tens, die  bis  dahin  das   ßaötXixov   gefüllt  hatten,  in   den  Fiskus  über- 


1)  Vgl.  außer  Amh.  81  (161),  BGU  092  (162)  auch  die  Theb.  Bankakten  und 
iVw  Zoispapyri. 

2)  Vgl.  Wilcken,  Gr.  Ostraka  I  688  ff. 

8)  Vgl.  Wilcken,  Gr.  Ostraka  I  640  ff.     Preisigke,  Girowesen  40  ff. 
4)  Vgl.  z.  H.  Lille  28  (18tf)  und  die  Paralleltexte. 
6)  Wilcken,  Gr.  Ostraka  I  660  f. 

6)  Gab  es  auch  „ThcsauruHbeaniU*'',  die  Aber  den  Sitologen  standen?  Vgl. 
V  Kleph  10,4:  nagit  χών  ηρός  χοίς  {Ο  Γ^.  Oder  sind  diu  die  SitologtB? 
KIhhho:  Hibeh  I  117,  2:  6  ηρ^ς  folg  »v,'»•  •  Knhw  Spetielle 
beamt«  nennt  Par.  66  II  96. 

7)  Wilcken.  Gr.  Ostraka  I  668(1 


154  Kapitel  IV.     Die  Finanz-Ressorts.     Ihre  Organe  und  Kassen. 

geführt.  Wiewohl  dieser  Fiskus  mit  Hirschfeld  (KV  Iff.)  juristisch  als 
Eigentum  des  populus  Romanus  aufzufassen  ist,  stand  er  doch  ausschließ- 
lich dem  Princeps  zur  Deckung  der  von  ihm  übernommenen  Aufgaben 
zur  Verfügung  und  war  praktisch  daher  eine  kaiserliche  Kasse.  An  die 
Stelle  der  früheren  Bezeichnung  το  βαύιλικον  trat  jetzt  ό  φίοκος  oder  ro 
δημόόίον^)  oder  το  ταμιείον,  später  το  ίερώτατον  ταμιείον,  woneben  auch 
noch  andere  Umschreibungen  begegnen.^)  Die  Verwaltung  des  Fiskus 
hieß  ebenso  wie  früher  die  des  βαύιλικον:  ή  διοίηηΰίζ. 

Gleichfalls  aus  der  ptolemäischen  Verwaltung  übernommen  wurde 
das  Ressort  des  löiog  λόγοζ,  und  zwar  mit  demselben  griechischen  Namen 
(lateinisch  transkribiert  idius  logus  o.  ä.).^)  Nach  Strabo  XVII  p.  797 
war  der  Leiter  dieses  Ressorts  των  άδεΰπότων  καΙ  των  εΙς  Καίοαρα 
πίπτ,ειν  οφειλόντων  εξεταστής,  womit  freilich  der  Inhalt  nicht  erschöpft 
ist.  Abweichend  von  andern  Provinzen  sind  also  in  Ägypten  die  bona 
vacantia  von  vornherein  dein  Kaiser  zugefallen.  Wie  weit  der  Kreis  των 
εΐξ  Καίοαρα  πίπτειν  οφειλόντων  zu  fassen  ist,  darüber  gehen  die  Ansichten 
auseinander.^) 

Neben  diesen  Idiog  loyog  tritt  nun  als  eine  völlig  neue  Schöpfung 
der  Kaiserzeit  das  Patrimonium.  Wie  die  ovöiaL,  die  einzelnen  Laad- 
güter,  deren  Einkünfte  in  die  Patrimonialkasse  flössen,  an  den  Kaiser  ge- 
kommen sind,  kann  erst  im  VII.  Kapitel  dargelegt  werden.  Der  Ausdruck 
0  ovöiaxbg  λόγος,  der  dieses  Ressort  bezeichnet,  ist  nachweisbar  z.  Z. 
erst  seit  dem  IL  Jahrh.^)  Nach  Rostowzews  Vermutung  (Kolonat  131) 
würde  er  als  eigenes  Ressort  etwa  unter  den  Flaviern  gebildet  sein. 
AUe  diese  Ausdrücke  ovöCm^  ovötaxog  λόγος ,  τα  ονοίακά  sind,  wie  die 
Sache  selbst,  eine  Neuerung  der  Kaiserzeit 5  sie  begegnen  niemals  in  pto- 
lemäischen Texten. 

Für  die  Frage,  wie  der  YÖLog  λόγος  und  der  ονβιακός  λόγος,  die 
sicher  von  einander  zu  trennen  sind,  sich  zueinander  verhalten,  ist  maß- 
gebend die  Tatsache,  daß  der  Leiter  jenes  der  Vorgesetzte  des  Leiters 
dieses  ist  (s.  unten). 

Eine  besondere  Schwierigkeit  liegt  darin,  daß  die  ovöCai  mehrfach 
als   zum  ταμιείον^   zum  Fiskus  gehörig,   als   ταμιακαΐ  bezeichnet   werden. 

1)  Ygl.  oben  S.  30  f.,  wo  darauf  hingewiesen  wurde,  daß  hierin  zum  ersten  Male 
in  Ägypten  der  Staatsgedanke  zum  Ausdruck  kommt. 

2)  Vgl.  Wilcken  1.  c;  P.  Meyer  1.  c.  In  Amh.  77  wechselt  0  φίβν,οξ  und  0  κν- 
Qiayiog  λόγος. 

3)  Vgl.  P.  Meyer  1.  c.  148. 

4)  Am  weitesten  faßt  ihn  wohl  P.  Meyer,  ^ιοίκηαις  S.  149.  Ob  auch  die  dem 
Kaiser  freiwillig,  testamentarisch  vermachten  Erbschaften  dem  i'aiog  λόγος  zufielen 
(Meyer),  ist  mir  zweifelhaft.  Strabo  spricht  jedenfalls  nur  von  τύητΕίν  όφείλοντα, 
und  die  dem  Kaiser  vermachten  ovölccl  gingen  wie  die  bei  Lebzeiten  geschenkten  in 
das  Patrimonium. 

o)  BGU  277  II  10;  599,  14 f.;  976,  13. 


Ι.  Die  staatliche  Verwaltung.     Β.  Die  römische  Zeit.     §  1.    Die  Ressorts.       155 

Während  0.  Hirschfeld  hieraus  den  Schluß  zog,  daß  einige  ovöCaL  zum 
Fiskus  gezogen  seien  ^),  erklärte  Mitteis  diese  Erscheinung  durch  die  An- 
nahme einer  schΛvankenden  Terminologie.^)  Rostowzew  andererseits  meinte, 
daß  im  II.  Jahrh.  zwischen  Fiskus  und  Patrimonium  kein  scharfer  Unter- 
schied mehr  bestanden  habe.^)  Wenn  man  aber  die  von  den  genannten 
Gelehrten  behandelten  Papyri  chronologisch  noch  genauer  fixiert,  so 
ergibt  sich,  daß  die  Bezeichnung  der  Patrimonialgüter  als  fiskaler  erst 
seit  Septimius  Severus  begegnet:  BGU  II  475,  1  (a.  198/9)*);  BGÜ  I  106 
(174)  (a.l99);  BGU  156  (175)  (a.201);  Lond.  II  S.  161/2  (177)  (a.  270/5).*) 
Vorausgesetzt,  daß  hier  kein  Zufall  vorliegt,  und  daß  auch  künftig  keine 
Beispiele,  die  vor  Septimius  Severus  fallen,  bekannt  werden,  liegt  es  nahe, 
hier  nicht  an  ein  Schwanken  des  Ausdruckes,  sondern  an  eine  Neuord- 
nung der  Dinge  zu  denken,  und  man  wird  a  priori  geneigt  sein,  diese 
Neuordnung  mit  den  sonstigen  Änderungen,  die  Septimus  Severus  in  der 
Finanzverwaltung  des  Reiches  durchgeführt  hat  (vgl.  die  res  privata)*), 
in  Verbindung  zu  bringen.^)  Daß  man  in  der  Verwaltung  auch  weiterhin 
die  ονόιακά  als  eine  Besonderheit  behandelte,  die  man  nach  wie  vor  der 
Dioikesis  gegenübersteUte  (vgl.  Teb.  Π  339,  10;  BGU  I  84,  5),  würde 
noch  nicht  gegen  die  Hypothese  sprechen,  daß  Severus  die  Patrimonial- 
güter, die  allmählich  mehr  und  mehr  den  Charakter  von  Krongütem  be- 
kommen hatten,  zum  Fiskus  geschlagen  hätte.  Es  fragt  sich  nur,  ob  man 
aus  jenem  Tatbestand  nicht  vielmehr  umgekehrt  den  Schluß  ziehen  soll, 
daß  schon  Severus,  der  ja  in  so  manchem  ein  Vorgänger  des  Diokletian 
gewesen  ist,  den  Fiskus  überhaupt  als  Kaiserkasse  behandelt  hat.  Doch 
solche  Hypothesen  können  hier  nicht  verfolgt  werden.  Es  genüge  fest- 
zustellen, daß  in  Ägypten  nach  unserm  jetzigen  Material  von  Severus  an 
(Ho  ]*atrimonialirüter  als  fiskale  bezeichnet  werden. 


1)  KV  866  Anm.  2. 

2)  Rom.  Privatr.  I  357. 
n)  Kolonat  180. 

In  der  Edition  habe  ich  nur  II.  Jahrh.  angegeben.  Mir  ist  jetzt  die  Bereoh- 
iiuii-  .i.H  7.  Jahres  auf  198/9  auch  pamoirraphisch  wnhr-'<i'f<"i'>her  als  die  auf  Ιββ/7, 
die  iMun  sonst  wühlen  müßte. 

ö)  Ander«  liegt  os  /.  B.  in  HGÜ  II  462,  wo  der  lukua  den  Qrundbetits  fon 
Leuten,  die  als  Sitologen  Fiekalechuldner  geworden  waren,  konfiexiert  hat  In  diesem 
Falle  war  ein  Anheimfallen  an  den  oveianbg  λόγος  natürlich  ausgetchlouen,  und 
«larum  Hpricht  dien  Hi-ispiol  nun  der  Zeit  des  Piui  natiirlich  nieht  gegen  die  oben 
bezeichnete  chronologische  Oren/.o.  Km  ist  mir  hiemach  fraglich,  ob  man,  wie  Ros- 
i/>wzew  (Kolonat  120 fl.)  tut,  jedes  Grundstück.  .Iuh  mit  «hr  Formel  nQOfQov  roö  ί•Ι- 
t'og  zitiert  wird,  für  ein  Patrimonialgut  halt« 

6)  0.  liirechfeld,  KV  18.    Vgl.  auch  Miti.  ih,  n    i.M.ar.  868f 

7)  Einp  Andeutung  schon  bei  Rottowzew,  Kolonat  8.  182.  Noch  nftliar  kommen 
ObiK»  lu,  wie  ich  nachträglich  sehe,  die  Ausführungen  von  P.  Me.rer,  'HC. 
Ander«!  freilich  urteilt  dieser  sp&ter  im  Arch.  III  H8. 


156  Kapitel  IV.     Die  Finanz-Bessorts.     Ihre  Organe  und  Kassen. 

§  2.    DIE  BEAMTEN. 

Die  höchste  Instanz  in  allen  Finanzfragen  war,  wie  vorher  der  ßa- 
öUevgj  so  jetzt  der  Kaiser.^)  Als  sein  regulärer  Stellvertreter  war  der 
praefectus  Aegypti  der  oberste  Leiter  der  gesamten  Finanzverwaltung 
im  Lande.^)  Er  spielte  also  jetzt  die  Rolle  in  Ägypten,  die  vorher  dem 
ptolemäischen  διοικητής  zugefallen  war.^)  Daher  ist  denn  auch  dieser 
Titel  als  Bezeichnung  des  obersten  Finanzchefs  jetzt  geschwunden.  Aber 
unter  den  Prokuratoren,  die  den  Präfekten  als  Untergebene  in  der  Fiskal- 
verwaltung zu  unterstützen  hatten  —  unter  ihnen  ragen  die  jetzt  zu  Pro- 
kuratoren umgebildeten  und  auch  sonst  umgestalteten  Epistrategen  hervor 
(vgl.  oben  S.  36 f.)  • — ,  begegnet  auch  jetzt  ein  hoher  Finanzbeamter  dieses 
Namens:  ό  διοικητής^  δ  κράτιύτος  διοικητής.^)  So  lange  für  ihn 
nur  Belege  vom  IL  Jahrh.  an  vorliegen^),  was  ZufaU  sein  kann,  läßt  sich 
über  einen  Zusammenhang  mit  dem  ptolemäischen  διοίκητΎΐξ  nichts  Be- 
stimmtes sagen. ^)  Ebenso  wird  die  Frage,  ob  er  identisch  ist  mit  dem 
inschriftlich  bezeugten  επίτροπος  —  ετΐΐ  δωίκήοεως  [Αλεξανδρείας]  =proc. — 
ad  dioecesim  Älexandreae'^),  besser  noch  offen  gelassen.  Die  Annahme,  daß 
der  Dioiketes  im  Π.  Jahrh.  noch  niedrigen  Ranges  gewesen  sei  (Avan- 
cement vom  οτρατηγός),  beruht  auf  irrtümlicher  Deutung  von  P.  Oxy. 
III  513  (183).^)  Vielmehr  ist  eine  Veränderung  der  Rangstufe  vom  IL 
zum  IIL  Jahrh.  nicht  zu  erkennen.  Wie  hoch  sein  Rang  war,  zeigt,  daß 
er  gelegentlich  der  Vertreter  des  Juridicus  war,  wie  auch  der  Juridicus 
gelegentlich  ihn  vertreten  hat.  Sie  müssen  danach  gleich  hohen  Rang 
gehabt  haben. ^)  Schon  hieraus  folgt,  daß  es  nur  einen  Beamten  dieser 
Art  gab,  und  daß  er  in  Alexandrien  seinen  regulären  Amtssitz  hatte,  wie 
die  anderen,  die  für  ganz  Agyten  kompetent  waren. 

Wie  wir  oben  für  die  Ptolemäerzeit  für  die  χώρα  Dioiketen  niederen 
Ranges  annahmen,  so  sind  auch  für  die  Kaiserzeit  untergeordnete  δίΟίκη- 


1)  Wilcken,  Gr.  Ostraka  I  496  ff. 

2)  Vgl.  Wilcken,  Gr.  Ostraka  I  498;  0.  Hirschfeld,  KV  349. 

3)  Ygl.  Rostowzew,  Staatspacht  460,  wo  ich  nur  insofern  mißverstanden  bin, 
als  auch  ich  Ostraka  I  498  .in  dem  Präfekten  den  Oberverwalter  der  Finanzen  ge- 
sehen habe. 

4)  Ygl.  P.  Meyer,  ^ιοίκψις  146;  0.  Hirschfeld,  KV  3o8£f.  Daß  sein  Titel  (wie 
in  der  Ptolemäerzeit)  ihn  als  den  Verwalter  der  άωίκηδις  bezeichnen  soll,  geht  z.  B. 
aus  Flor.  89,  1/2  hervor:  οίέ]πων  τά  μέρη  της  διοικήοεως  (für  den  διαάεχόμενος). 

5)  Julianus  a.  141:  Gatt.  Verso  I  1;  Vonasius  Facundus  a.  162:  Oxy.  VII  1032; 
Vestidius  Rufinus  a.  182/3:  P.  Straßb.  Arch.  IV  124  Anm.  1,  Oxy.  III  513,  29  (183); 
Suillius  Saturninus  a.  194:  P.  Straßb.  Arch.  IV  124  Anm.  1;  Flavius  Studiosus  a.  200: 
Oxy.  VI  899;  Calventius  Adiutor  a.  210:  Flor.  6;  Septimius  Arrianus  a.  221:  Oxy.  I  61; 
Velleius  Maximus  Mitte  des  ΙΠ.  Jahrh.:  BGU  8  Π  (170). 

6)  Dies  zur  Einschränkung  von  Gr.  Ostraka  I  498.     Vgl.  0.  Hirschfeld,  KV  359. 

7)  0.  Hirschfeld,  KV  359. 

8)  Vgl.  hierzu  Wilcken,  Arch.  IV  124,  1. 

9)  Wilcken,  Arch.  IV  453. 


Ι.  Die  staatliche  Verwaltung.     Β.  Die  römische  Zeit.     §  2.    Die  Beamten.      157 

TccC  im  Lande  bezeugt ^  zwar  bisher  nur  für  den  Anfang  der  Kaiser- 
zeit. ^)  Nach  Grenfell-Huut  zu  P.  Teb.  II  408  standen  diese  im  Range 
unter  dem  τοπάρχης.  Sie  waren  also  sehr  viel  unbedeutender  als  jene 
Dioiketen  der  Ptolemäerzeit. 

Als  ein  neuer  Fiskalbeamter  tritt  später  der  xad-oXixog  hinzu.  Wäh- 
rend man  früher  annahm,  daß  dieser  Beamte  erst  mit  Diokletian  erscheine, 
ist  er  jetzt  nach  Lond.  UI  S.  110  schon  für  die  Mitte  des  ΙΠ.  Jahrh. 
bezeugt  worden.  Wie  ich  im  Arch.  IV  539  zeigte,  begegnet  dieselbe 
Person  in  derselben  Stellung  auch  in  Oxy.  I  78  vom  J.  246.    Wenn  sich 

die  Vermutung  P.  Meyers  bestätigt,  daß  der  διαύημότατος  Claudius  Ju[ ] 

in  Giss.  48  (171)  der  xad^olixog  sei,  so  würde  es  nahe  liegen,  die  Schaffung 
dieses  neuen  Beamten  wiederum  mit  den  Finanzreorganisationen  des 
Severus  in  Verbindung  zu  bringen.  Doch  ist  neues  Material  für  diese 
Frage  abzuwarten. 

An  der  Spitze  des  iÖLog  λόγος  stand  ein  römischer  Prokurator,  der 
(wie  der  Leiter  aus  der  Ptolemäerzeit)  ό  :ΐρος  τω  Ιδίω  λόγω  hieß, 
oder  mit  Bezeichnung  seines  Ranges  ό  χράηότος  προς  τω  Ιδίω  λόγω  oder 
Ιπίτροηοξ  Ιδιον  λόγον.^)  Daneben  wird  er  auch  selbst  ϊδιος  λόγος  oder 
idiologus  genannt.^)  Er  hat  die  Leitung  und  Verwaltung  seines  Ressorts, 
hat  aber  nach  Strabo  1.  c.  auch  die  Untersuchung  darüber,  was  seinem 
Ressort  zufällt  (εξεταστής)  und  hat  daher  innerhalb  seiner  Ressortinter- 
essen Jurisdiktion.*)  Er  hatte  sein  Bureau  natürlich  in  Alexandrien 
λΐηά  wohl  auch  ein  Hilfspersonal  im  Lande,  aber  weitere  Spezialbeamte 
dieses  Ressorts  sind  jetzt  ebenso  wenig  bekannt  wie  aus  der  Ptolemäer- 
zeit. Seine  Kompetenz  erstreckte  sich  auf  das  ganze  Land,  denn  für  jeden 
Gau  war  eine  eigene  Abteilung  in  seinem  Bureau  gebildet.  Jeder  Gau 
hatte  daselbst  seinen  Gauschreiber  (o  γράφων  τόν  νοαόν),  der  auch  kurz 
Ιδιος  λόγος  genannt  wurde  (wie  in  Amh.  69  [190]).  Vgl.  P.  Fay.  23  (a),  3: 
γενόμ{ενος)  γρ(αμαατενς)  νομών  τίνων  Ιδιον  λόγον^  Lips.  121  (173); 
Ρ.  Ausonia  2  (vgl  Arch.  V  281);   Amh.  69,  3  (190).     Vgl.  auch  Teb.  U 

294,  2  (78):  τω  προς  τω  [ των]  Ιδίων  λόγων.^)     Wie  der  Idiologos 

selbstverständlich  dem  Präfekten  unterstand,  so  hatte  er  andererseits  die 
Oberaufsicht  ιϋπτ  (\ou  Leiter  des   ί^ιtrίττloninm  fs.  unten). 


1)  Vgl.  <>Λ>  ii  J.•!  1<  I  II  408.  409.  Ilostowsew,  SUaUpaoht  8.  461  nennt  sie 
dfther  die  let/.ieu  Auttlilutcr  der  ptolemäiscben  Finani?erwaltung. 

2)  Zu  dieeen  und  andern  Formen  vgl.  P.  Meyer,  Dioikeeis  148.  Eine  Liite  der 
Idiologol  ίζ'\\)ί  Otto  I  178  ff. 

8)  Namentlich  in  nicht  amtlichen  Texten.  So  beißt  er  bei  Strabo  1.  o.  to  and 
in  privaten  Wcihinechriflen.  In  P.  Catt.  I  col.  VI  l  könnte  in  der  ÜberBchrtfl 
Kflrznng  Torlicifon.  Aber  auch  in  der  amtlichen  Eingabe  bei  Hartel,  Qr.  Pap.  S.  70 
(72)  kommt  die  liozeichnung  vor:  »j}  τοβ  ISioUyov  n[al]  [ά9χ]ί•ρ4ως  ^MV^a(0). 

4)  Vgl.  Wilcken,  Arch.  IV  S94,  408;  Mitteit  im  II    Hände 

6)  Sind  damit  die  tSioi  lo/o»  der  Einselgaue  gemeintt 


258  Kapitel  IV.     Die  Finanz-Ressorts.     Ihre  Organe  und  Kassen. 

Die  Verwaltung  der  ονΰνακά  hat  manclie  Wandlungen  durchgemacht. 
Aus  der  früheren  Kaiserzeit  begegnen  uns  als  Vorsteher  der  einzelnen 
oveiai  (Güter)  die  προεοτώτες,  die  offenbar  die  Nachfolger  der  ptolemä- 
ischen  υΐροεοτηκότες  der  έν  δωρεά  yfj  sind  (Kap.  VII).  Vgl.  Wessely, 
Spec.  scr.  gr.  11,  21  (176);  BGu'lI  650  (in  Kap.  VII).  Doch  wird  auf 
die  Verwaltung  der  einzelnen  Güter  besser  in  Kap  VII  eingegangen.  Seit- 
dem dann  die  Verwaltung  zu  einem  eigenen  Ressort  als  ovöiaxbg  Xoyog 
zusammengeschlossen  war  (S.  154),  unterstand  dieser  dem  procurator 
nsiacus,  επίτροτΐος  των  ον6ια%ών  oder  ονΰοών  ο.  ä.,  der  bis  jetzt  nicht 
vor  dem  IL  Jahrh.  bezeugt  ist.^)  Daß  es  nur  einen  einzigen  Beamten 
dieses  Titels  für  das  ganze  Land  gegeben  hat^),  wird  jetzt  durch  P.  Giss. 
40  II  (22)  entschieden.  Vereinzelt  begegnen  kaiserliche  Freigelassene  mit 
diesem  Titel  (in  lateinischen  Inschriften)^),  während  die  in  den  Papyri 
Genannten  meist  κράποτοί  sind,  römische  Ritter.*)  Dieser  procurator 
usiacus  ist  unterstellt  dem  Idiologos.^)  Dies  geht  klar  aus  den  Texten 
hervor,  in  denen  er  als  der  διαδεχόμενος  την  άρχιερωΰννην ,  d.  h.  als 
Stellvertreter  des  mit  dem  Idiologos  kombinirten  άρχίερενς  von  Ägypten 
auftritt.    Vgl.  S.  127.«) 

Unter  dem  procurator  usiacus  standen  die  ετατηρηταΐ  ονοιακών  εδα- 
φών^ von  denen  immer  je  einer  für  ein  einzelnes  Dorf  funktionierte.  Vgl. 
Fay.  23;  BGU  II  619;  Gen.  38.^)  Diese  werden,  wie  auch  sonst  die 
Beamten  mit  dem  Titel  έπίτηρηταί,  Kontrollbeamte  gewesen  sein.  Im  III. 
Jahrh.  finden  wir  an  der  Spitze  der  einzelnen  Güter  προνοψαί  (Lond.  Π 
S.  161  [177]),  auch  φροντιβταί  (Oxy.  I  58).  Als  Subalternbeamte  standen 
dem  proc.  usiacus  die  μαχαιροψόροι  ονόιακοί  zur  Verfügung,  die  eventuell 
Verhaftungen  vornahmen  (Amh.  77,  20 ff.).  Der  procurator  hatte  für  sein 
Ressort  eine  eigene  Rechnungskammer:  ro  λογιοτήρίον  τον  έΛίτρόπον  των 
ονοίών  (Amh.  77,  22). 

Im  Dienste  des  kaiserlichen  Hausgutes  standen  auch  die  Καίΰαρος 
οΙκονόμοί.     Strabo  XVII  ρ.  797    sagt   nach   Aufzählung   der  hohen  rö- 


1)  Wilcken,  Gr.  Ostraka  I  393.  0.  Hirschfeld,  KV  356 f,  der  damit  rechnet,  daß 
diese  Behörde  unter  Hadrian  eingesetzt  sei. 

2)  So  schon  Wilcken,  Gr.  Ostraka  1393;  Mitteis,  R.  Privatr.  I  357.  Dagegen 
nahm  P.  Meyer,  z/iotxrjöts  S.  156  für  jeden  Gau  einen  solchen  Beamten  an. 

3)  P.  Meyer,  ^ιοίκηΰις  S.  156. 

4)  Vgl.  P.  Meyer  1.  c.  Dazu  kommt  Ulpius  Heraclides  a.  174/5:  Teb.  II  317. 
Schon  dies  spricht  gegen  Meyers  Annahme,  daß  sie  erst  seit  Severus  römische  Ritter 
gewesen  seien  (Arch.  III  88).    Vgl.  auch  BGU  III  891. 

5)  Wilcken,  Hermes  23,  597 ff.;  0.  Hirschfeld,  KV  357;  Mitteis,  R.  Privatr.  I  358. 

6)  Gegen  die  Annahme  P.  Meyers,  daß  dies  erst  seit  Severus  gelte,  vgl.  Mitteis, 
R.  Privatr.  I  358. 

7)  Die  Annahme  von  P.  Meyer,  ^ιοίκ-ηοις  155,  daß  die  έΛίτηρηταί  nur  beim 
Kleinbesitz  vorkämen,  wird  durch  die  neuen  Lesungen  von  Gen.  38  widerlegt.  Vgl. 
den  Kommentar. 


Ι.  Die  staatliche  Verwaltung.     Β.  Die  römische  Zeit.     §  2.    Die  Beamten.      159 

mischen  Beamten:  παρέπονται  δε  τοντοΐζ  απελεύθεροι  Καίύαρος  xccl  οίκο- 
νόμοι,  μείξω  καΐ  ελάττω  πεπιοτενμένοι  πράγματα.  Diese  Καίύαρος  οικο- 
νόμοι sind  offenbar  die  direkten  Nachfolger  der  οΙκονόμοι  τον  βαΰιλεω^ 
der  Ptolemäerzeit  (vgl.  S.  151).  Wir  kennen  einen  Seeundus  in  diesem 
Amte  vom  J."  123  (Teb.  II  296  [79]),  einen  Metiochos  vom  J.  197 
(P.  Achmim  [81])  und  einen  Saturninus  vom  J.  201  (BGU  15G  [175]).  Ihr 
Amtssitz  ist  Alexandrien  (in  den  ersten  beiden  Fällen  sicher  nachweisbar). 
Nach  ihren  Namen  dürften  sie  kaiserliche  Sklaven  sein.  Trotzdem  ist 
Καίόαρος  οΙκονόμος  nicht  als  Καίύαροζ  (δονλος)  οΙκονόμος  zu  deuten, 
wie  jetzt  Teb.  II  296  zeigt.i)     A'icarii  begegnen  in  BGU  102,  1;  Oxy.  735. 

Außer  diesen  speziellen  Finanzbeamten  sind,  wie  es  oben  S.  151  für 
die  Ptolemäerzeit  gesagt  wurde,  so  auch  in  der  Kaiserzeit  die  sämtlichen 
im  I.  Kapitel  behandelten  Verwaltungsbeamten  der  Gaue  auch  für  die 
Finanzverwaltung  tätig  gewesen.  Das  gilt  vom  Epistrategen,  der,  wenn 
auch  nur  dürftige  Spuren  dieser  Tätigkeit  vorliegen,  doch  wohl  gerade  als 
Finanzbeamter  den  Titel  eines  procurator  bekommen  hat  (S.  156).*)  In 
viel  höherem  Maße  ist  es  nachweisbar  vom  Strategen  und  dem  könig- 
lichen Schreiber.  Daß  der  Stratege  jetzt  das  Haupt  der  Steuerverwaltung 
des  Gaues,  im  besondern  der  Steuererhebung  ist,  ist  eine  Avichtige  Neuerung 
der  Kaiserzeit. ^)  Vgl.  Rostowzew,  Staatspacht  461  ff.  Aber  auch  die 
Beamten  der  νομαρχίαι,  der  τόποί^  der  κώμαι^  unter  letzteren  vor  allem 
der  χωμογραμματενς^  arbeiten  auf  diesem  Gebiete.  Zu  betonen  ist,  daß 
in  der  Mitwirkung  dieser  Beamten  irgend  eine  Spezialisierung  nach  den 
obigen  Ressorts  nicht  stattgefunden  hat.^)  Sie  arbeiten  ebenso  für  den 
Idiologos  und  das  Patrimonium,  wie  für  den  Fiskus.  Vgl.  für  den  Idio- 
logos  z.  B.  Lond.  Π1  S.  123  (172)  und  72,  ferner  P.  Cair.  Preisigke  9. 

Nachdem  auch  früher  schon  die  städtischen  άρχοντες  zu  den  staat- 
lichen Finanzgeschäften  herangezogen  waren  (vgl.  z.  B.  Amh.  109,  6  ff.), 
fand  doch  eine  noch  ganz  anders  gesteigerte  Ausnutzung  der  städtischen 
Organisation  für  diese  Zwecke  statt,  nachdem  die  Metropolen  das  Stadt- 
recht im  J.  202  erhalten  hatten.  Wichtige  Aufgaben  der  kaiserlichen 
Finanzverwaltung  wurden  jetzt  den  llatsherren  und  Beamten  der  Städte 
zugeschoben.  Dieser  wichtige  Prozeß  bedarf  noch  eindringenden  Studiums. 
Hier  sei   nur  auf  die  Bedeutung  der  δεχαπρωτοι  für   die  Steuererhebung 


i)  luciitig  H«  rion   vi»rmT  gi'tteulet  VOn  Oradenwit/,   .'\rrii.   II  104. 

2>  Djo  Aririnhme  von  Boftowtew,  Staattpacht  460 f.«  daß  t*r  «uMohliceiioh 
Tat'  r    geweten    sei«    tcheint    mir    tu    eng    tu    sein.     Vgl.   die  gaiu 

all^•  Ue,   die  er  Aber  die  richtige  Steuenreranlagnng  Dach  Oxy.  III  488 

aoMübte 

8  \k iieMr  T&Ugkeit  s.  U.  Par.  βυ  (41)  ond  BGU  747  (Sft). 

4;  Vgl.  P.  Mejer,  Jioimitig  8   146;  Preitigke,  Qiroweten  60  und  188  ff. 


160  Kapitel  IV.     Die  Finanz-Eessorts.    Ihre  Organe  und  Kassen, 

hingewiesen    (Kap.  V).     Trotzdem    bleibt    aucb   jetzt    im    III.   Jahrb.    der 
Stratege  die  Spitze  der  Steuerverwaltung  des  Gaues.  ^) 

Wie  alle  diese  Beamten  und  Körperschaften  sich  bei  der  Steuer- 
verwaltung, bei  den  Monopolen,  bei  der  Bodenverwaltung  usw.  betätigt 
haben,  wird  in  den  nächsten  Kapiteln  zu  behandeln  sein. 

§  3.    DIE  KASSEN  UND  MAGAZINE. 

Die  Einrichtung  der  βαουλικαΐ  τράπεξαι,  wie  sie  oben  S.  152  für  die 
Ptolemäerzeit  geschildert  sind,  haben  die  Kaiser  unverändert  übernommen.^) 
Nach  0.  Hirschfeld,  KV  72  sind  sie  sogar  Vorbild  für  die  auch  in  andern 
Provinzen  errichteten  mensae  geworden.  Nach  wie  vor  waren  sie  die 
Regierungshauptkassen  für  alle  Einnahmen  und  Ausgaben  des  Staates. 
Man  nannte  sie  jetzt  δημόΰιαί  τραΛεζαί;  dagegen  die  an  ihnen  ange- 
stellten Beamten  hießen  gelegentlich  (aber  selten)  auch  jetzt  noch  βαύιλι- 
κοί  τρατίεξίται.^)  Filialen  in  den  Dörfern  (vgl.  S.  152)  scheint  es  in  der 
Kaiserzeit  nicht  gegeben  zu  haben.  Vgl.  Preisigke,  Girowesen  S.  14. 
Diese  δημόΘίαι  τράτΐεζαι  dienten  der  gesamten  Finanz  Verwaltung,  dem 
Fiskus  wie  dem  Ydiog  λόγος  und  dem  Patrimonium.  Es  gibt  keine  be- 
sonderen Kassen  für  die  einzelnen  Ressorts.  Wohl  aber  hat  man,  wie  in 
der  Ptolemäerzeit,  so  auch  in  den  δημόόίαί  τράπεζαυ  besondere  Conti  für 
sie  gehabt.  Analog  ist  aufzufassen  τήν  —  τή^  νομαρχ(ί)ας  τράπεζαν  in 
Teb.  II  350:  das  bedeutet  nur  eine  Buchung  auf  das  Konto  des  Nomarchen 
(vgl.  GrenfeU-Hunt  zu  der  Stelle  und  Preisigke,  Girowesen  16).  Wenn  in 
Lond.  II  S.  118,  19  την  έπΙ  τοντοΐξ  (für  φόροξ  προβάτων)  τράπεζαν  im 
Gegensatz  steht  zu  την  δημοοίαν  τράπεξαν  (in  Ζ.  17),  so  ist  mit  Preisigke 
(Girowesen  15)  unter  der  ersteren  τράπεζα  eine  Bank  zu  verstehen,  keine 
Staatskasse.  Zum  Geschäftsgang  an  den  Regierungskassen  vgl.  Wilcken, 
Gr.  Ostraka  I  S.  647  f. 

Durch  Oxy.  lU  513  (183)  ist  erwiesen,  daß  auch  in  der  Kaiser- 
zeit wie  in  der  Ptolemäerzeit  neben  den  Staatskassen  Banken  (τράπεξαι) 
für  die  geschäftlichen  Interessen  des  Publikums  bestanden  haben,  die  vom 
Staat  verpachtet  wurden.  Das  Pachtangebot  auf  eine  solche  τράπεζα  er- 
wähnt 0x3^191,11.^)  Wie  zu  diesen  von  Privaten  gepachteten  Pacht- 
banken die  ΙδίωτίχαΙ  τράπεζαι,  sich  verhalten,  ob  sie  identisch  sind,  ist 
durch  ein  bestimmtes  Zeugnis  noch  nicht  festgestellt  worden.  Über  die 
Rechtsgeschäfte,    die  diese  Banken  vermittelten,  vgl.  Bd.  IL     Diese  Bank- 


1)  Wilcken,  Griecb.  Ostr.  I  627,   Vgl.  z.  B.  BGU  lY  1062,  16  verglichen  mit  BGU 
ΠΙ  747  (35);  Par.  69  (41). 

2)  Vgl.  Wilcken,  Gr.  Ostraka  I  645 ff.;  Preisigke,  Girowesen  12  ff. 

3)  Vgl.  BGU  121  (184);   Oxy.  VI  916  (185),  wo  δτιμ(ο6ίοις)  und  ßaadiiyiog)  ab- 
wechseln. 

4)  Vgl.  Wilcken,  Arch.  V  212  Anm.  4. 


Ι.  Die  staatliche  "Verwaltung.     C.  Die  byzantinische  Zeit.     §  1.    Die  Ressorts.       161 

Urkunden   zeigen,   welchen   gewaltigen  Aufschwung   die   Bankgeschäfte   in 
der  Kaiserzeit  im  Gegensatz  zur  Ptolemäerieit   genommen  haben. 

Auch  die  Magazinverwaltung  ist  ziemlich  unverändert  aus  der 
Ptolemäerzeit  übernommen  worden.^)  Die  Thesaurosanlagen  in  Alexan- 
drien,  die  jetzt,  wo  der  Transport  nach  Rom  hinzukam,  noch  großartiger 
geworden  sein  müssen,  wurden  unter  die  Verwaltung  des  procurafor 
yeaspoleos  gestellt.^)  Vgl.  unten  Kap.  IX.  Als  eine  besondere  Abteilung, 
in  die  die  Einnahmen  von  den  Tempelbesitzungen  flössen,  erscheint  der 
^ηόανρος  ύρών.  Λ'^gl.  Wilcken,  Gr.  Ostraka  I  656  und  W.  Otto,  Priest, 
u.  Temp.  Π  104.  Über  die  äußere  Anlage  eines  (nicht  staatlichen)  The- 
sauros  unterrichtet  uns  Lond.  II  S.  186  (192).  Im  übrigen  standen  die 
^ηόανροί^  die  durch  das  ganze  Land,  in  Städten  und  Dörfern,  verteilt  waren, 
auch  jetzt  unter  der  Verwaltung  der  nunmehr  liturgischen  Sitologen.  Sie 
nahmen  Getreide  in  die  Thesauren  auf,  wie  sie  auch  Getreide  aus  den 
Thesauren  ablieferten,  standen  also  parallel  den  Ti*apeziten.^)  Den  βοηϋ-ος 
ύιτολόγων  erwähnt  Ρ.  Grenf.  II  63,  1  (vgl.  Arch.  III  124).  Über  die  Ge- 
schäftsführung der  Sitologen  geben  uns  zahlreiche  Texte  Aufschlüsse.*) 
Vgl.  z.  B.  190,  191.    Auf  den  Korntransport  wird  in  Kap.  X  eingegangen. 


C.  DIE  BYZANTINISCHE  ZEIT. 

Franz,  CIG  III  p.  322 sq.  —  Burckhardt,  Die  Zeit  Constantine  des  Großen.  — 
V.  Bethmann-Hollweg,  Der  röm.  Zivilprozeß  III  1866.  —  H.  Schiller,  Gesch.  d. 
röm.  Kaiserzeit  11  68  ff.  —  Mommsen,  Abriß  d.  röm.  Staatsrechts.  1893.  —  0.  Hirsch- 
feld, Kais.  Verwaltungsbeamte.  1905.  —  0.  Seeck,  Geschichte  d.  Untergangs  d.  alt. 
Welt.  Derselbe,  Pauly-Wissowa  IV  Sp.  664  flf.  671  ff.  u.  sonst.  —  M.  Geizer,  Studien 
z.  byz.  Verwaltung  Ägyptens.  1909  und  Archiv  V  346 fF.  —  Preisigke,  Girowesen.  1910. 


§  1.  DIE  RESSORTS. 
Wiewohl  im  Verfolg  der  diokletianisch  -  konstantinischen  Reformen 
(vgl.  S.  66 ff.)  alle  öffentlichen  Einnahmen  dem  allein  souveränen  Kaiser 
gehörten,  wurden  doch  in  der  VerΛvaltung  zwei  Hauptressorts  nebenein- 
ander gestellt,  die  freilich  mehr  nach  praktischen  als  nach  juristischen 
Gesichtspunkten  getrennt  waren,  und  deren  Grenzen  je  nach  der  Willkür 
des  Herrschers  verschoben  wurden:  die  sncrae  largitiones  und  die  res  prir 
ratar,  die  ungefähr  dem  fiscus  und  der  von  Soptimius  Severus  im  Reiche 
ein^'efnhrten  π*8  privat»  (vgl.  S.  155)  der  vorhergehenden  Periode  entsprachen. 

1)  Vgl.  Wilcken,  Gr.  ÜHtraka  I  6ßr>  ff  ;  PreiHigke,  fliroweien. 

2)  Vgl.  Ο   Hirechfeia,  KV  .'{(ΗΙΓ;  Wilcken,  Arch.  IV  186. 
8)  Vgl.  Wilcken,  Gr.  Ontraka  I  658  ff. 

4)  Vgl.  Wilcken,   Gr.  Ontnika   I  661  ff     Preinigke   «u   P.  Strafib.  4Λ  and  jettt 
saifOhrlich  im  Girowoien.     Iloitowzcw,  Arch.  III  SIS  ff. 

MIltelH-WlIokiin:  OrundiO«•  I  ^^ 


162  Kapitel  IV.    Die  Finanz-Ressorts.    Ihre  Organe  und  Kassen. 

Das  Ressort  der  sacrae  largitiofies ,  so  genannt,  weil  der  Kaiser  aus 
ihm  die  außerordentlichen  Gnadengeschenke  an  die  Soldaten  und  Beamten 
bestritt  („Gnadenkasse^'),  wurde  aus  den  verschiedensten  Steuern  und 
Zöllen  und  den  Erträgen  von  Bergwerken,  Monopolen  und  kaiserlichen 
Fabriken  gespeist.^)  Dem  Ressort  der  res  privatae  wurden  vorwiegend, 
Avenn  auch  nicht  vollständig  und  auch  nicht  ausschließlich,  die  Erträge 
der  kaiserlichen  Domänen  („Domanialkasse^^)  sowie  der  durch  Konfiskation 
oder  sonst  an  den  Kaiser  gefallenen  Güter  zugeführt.^)  Von  diesem  hat 
später  Kaiser  Anastasius  (491 — 518)  das  sacrum  Patrimonium  als  beson- 
deres Domänenressort  abgezweigt.^) 

Wie  es  ein  eigenes  Ressort  „fiscus"  jetzt  nicht  mehr  gibt,  so  ist  auch 
το  (ϊερώτατον)  ταμιεΐον  jetzt  nicht  mehr  Bezeichnung  eines  bestimmten 
Ressorts.  Es  kann  sowohl  auf  die  Largitionen  wie  auf  die  res  privata 
angewendet  werden.    Vgl.  M.  Geizer,  Studien  S.  41  ff. 

§  2.   DIE  BEAMTEN. 

An  die  Spitze  dieser  neuen  Ressorts  wurden  zwei  hohe  Hofbeamte 
gestellt.  Der  oberste  Leiter  der  Largitionen  hieß  anfangs  rationalis,  dann, 
als  unter  Constantin  auch  der  Oberleiter  der  res  privata  diesen  Titel  be- 
kam, zur  Unterscheidung  rationalis  summae  rei,  und  nach  340  comes 
sacrarum  largitionum.  Anfangs  nur  vir  perfedissimus,  war  er  nun  illustris. 
Der  Obervorsteher  der  res  privata  hieß  anfangs  magister  privatae,  unter 
Constantin  rationalis  privatae  und  nach  340  comes  rerum  privatarum, 
gleichfalls  zunächst  v.  perfectissimus,  dann  illustris.^) 

Unter  diesen  Oberleitern,  je  einem  in  jeder  Reichshälfte,  arbeitete 
in  den  Provinzen  eine  große  Zahl  von  Unterbeamten,  über  die  die  No- 
titia  dignitatum  nach  dem  Stande  ihrer  Zeit  mehr  oder  weniger  voll- 
ständig Auskunft  gibt.^)  Für  Ägypten  nennt  sie  für  die  Largitionen  außer 
einem  comes  commerciorum  per  Orientem  et  Aegyptum^)  den  comes  et  ra- 
tionalis summarum  Aegypti?)  Auch  dieser  hat,  wie  sein  Chef,  den  comes- 
Titel  erst  später  erhalten.  Anfangs  hieß  er  v,  perf.  rationalis  Aegypti 
(CIL  III  17).  Vgl.  ü  διαΰημότατος  καθ-ολικός  (CIG  III  4892,  aus  Dio- 
kletians Zeit),  nachher  λαμπρότατος  (CIG  III  4807).^)  Ob  alle  καθολικοί, 
die   in   den  Urkunden    dieser   Periode   begegnen,    mit   dem  Vorsteher   der 


1)  Vgl.  Seeck,  Pauly-Wiss.  IV  611  ff. 

2)  Seeck  1.  c.  665  ff. 

3)  Seeck  1.  c.  676.    Vgl.  Hirschfeld,  KV  47  Anm.  4. 

4)  Bethmann-Hollweg  1.  c;  Hirschfeld,  KV  36 f.;  Seeck  1.  c. 

5)  Vgl.  Or.  13  und  14;  Oc.  11  und  12. 

6)  Ägypten  war  seit  382  eine  eigene  Diözese.     Siehe  oben  S.  74. 

7)  Ein  λαμπρότατος  'ΛΟμ{'ης)  τιαϋ'ολί'κ/    aus   späterer  byzantinischer  Zeit  in  Wien. 
Denk.  37,  5  [207]  Nr.  64. 

8)  Vgl.  Insc.  gr.  ad  res  Rom.  pert.  I  1211,  1215,  1220. 


1.  Die  staatliche  Verwaltung.     C.  Die  byzantinische  Zeit.     §  2.   Die  Beamten.       163 

Largitionalia  identisch  sirid^),  ob  nicht  vielmehr  auch  mit  einem  ratio- 
nalis  rei  privatae  zu  rechnen  ist,  wie  er  durch  Not.  dign.  Oc.  XII  für  die 
Teile  des  Westens  und  durch  die  sehr  unvollständige  Darlegung  in  Or. 
XrV  mit  dem  allgemeinen  rationales  rerum  privatarum  auch  für  den  Osten 
bezeugt  ist^),  bedarf  noch  weiterer  Untersuchungen.^)  VgL  unten  zu  P. 
Lond.  U  S.  287  (179).  Außerdem  kennen  wir  für  den  Anfang  des  IV.  Jahr- 
hunderts den  magister  rei  privatae})  Vgl.  zu  BGÜ  927  (178).  Die  Papyri 
nennen  aber  auch  einen  έπίτροτνος  της  πριονάτης.  Vgl.  Wessely,  Wien. 
Stud.  1902,  145.  Zu  diesem  Zeugnis  tritt  jetzt  der  επίτροπος  [π]ριονάτϊΐς 
Αίγνπτον  aus  dem  Anfang  des  IV.  Jahrh.  in  P.  Lips.  luv.  508  (vgl. 
Bd.  U,  196)  hinzu,  der  offenbar  für  ganz  Ägypten  kompetent  ist.  Ist  er  der 
Vorgänger  des  magister  rei  privatae?  Nach  0.  Hirschfeld,  KV  359/60 
wäre  der  κα^ολιχός  der  byzantinischen  Zeit  aus  dem  διοικητής  der  vor- 
liergehenden  Periode  hervorgegangen.  Nachdem  wir  inzwischen  einen 
χα^ολιχός  auch  für  Ägypten  schon  fürs  Jahr  246,  vielleicht  schon  für 
202/3  kennen  gelernt  haben  (s.  oben  S.  157),  ist  zu  untersuchen,  ob  nicht 
vielmehr  in  diesem  der  Vorgänger  zu  sehen  ist.  Der  Magister  rei  pri- 
vatae Aegypti  tritt  an  die  SteUe  des  nun  verschwindenden  Idiologos.'^) 
Vielleicht  wird  nach  obiger  Vermutung  zunächst  der  proc.  rei  priv.  als 
Nachfolger  anzunehmen  sein,  der  titular  einen  noch  genaueren  Anechloß 
an  den  procurator  des  Ιδιος  λόγος  ergeben  würde. 

Die  termini  τα  ovöiaxa^  ovöCai,  ονόιαχος  λόγος  für  das  Patrimonium, 
das  jetzt,  ohne  eigenes  Ressort  zu  sein,  zur  res  privata  gehörte,  ver- 
schwinden jetzt  allmählich.^)  An  die  Stelle  des  Titels  procurator  usiacus 
(8.  oben  S.  158)  tritt  jetzt  der  διαόημ,ότοτος  επίτροπος  δεσποτικών  κτή- 
σεων (Ρ.  Lond.  II  S.  287  [179])^).  Andererseits  dringt  der  lateinische 
ierminus  patrimonimn  auch  ins  Griechische  ein.  Vgl.  Oxy.VI  900,  5  (a.  322): 
πραιπόόιτος  πατριμωνζι}αλίων^)  δεκάτου  πάγον.  Als  Anastasius  um  509 
das  Patrimonium  von  den  res  privatae  abzweigte,  stellte  er  es  unter  einen 
ωιηβ8   sacri  patrimonii   (κόμης   τής   ιδικής   κτήσεως),^)     Falls    ονσιη^    in 


1)  So  Ρ.  Meyer,  ^ιοίχηας  S.  147  und  0.  Hirschfeld,  KV  868.  —  Belege:  Lond.  Π 
S.  287.  III  S.  240;  Oxy.  I  41;  BGU  21  ΠΙ  10;  Mol.  Nie.  8.  187  ff.;  Flor.  64,  β.  Siehe 
aiioh  vorige  Anmerkung. 

2)  Vgl.  auch  BcthinaDn-HoIlweg  III  78,  86. 

8j  Vgl.  Wilcken  im  Addend ''^•   Μ   ^?Ημγ,  .ι......  ι.  (vor  8.  1). 

4)  CIL  III  18. 
h)  So  Himchfeld,  KV  368. 

β)  (Jvetaxii  γή  noch  in  CPR  19,6  vom  J.  880;  vgl.  jetst  ftuoli  F.  Cair.  Preitigke  4 
vom  J.  820. 

7)  So  nach  Hoftowsew  Himchfcld,  KV  868,  8.  Gelxer  1.  c.  68  Tergleioht  ihn  dem 
procurator  poMcnfiontim  noMtrnrum  in  Cod.  Theod.  XVI  10,  18  und  I  H2,  7. 

8)  Vgl.  dif!  palrimouiaUh  futuli  (■■  Dom&neo)  in  den  Kon«titutionen,  a.  B.  Cod. 
lutt.  XI  62  u.  Nonnt. 

0)  Cod.  Jaiit.  I  84;  Lyd.  de  mag.  II  27.    Vgl.  Seeck  1.  o.  676 

I  I  ' 


164  Kapitel  IV.     Die  Finanz-Ressorts.    Ihre  Organe  und  Kassen. 

Lond.  ΠΙ  S.  249  (1083,  1)   richtig  gelesen  ist,  dürfte  dies  hiermit  zu  er- 
klären sein.    Vgl.  auch  ovöCa   in  dem  Erlaß  des  Anastasius  selbst  1.  c. 

Außer  diesen  speziellen  Finanzbeamten  dienten  die  gesamten  oben 
aufgeführten  Verwaltungsbehörden,  von  den  praefecti  praetorio  bis  zu  den 
praesides  und  den  städtischen  und  dörfischen  Behörden  auch  den  Zwecken 
der  Finanzverwaltung. 


§  3.    KASSEN  UND  MAGAZINE. 

Die  Zentralkasse  für  den  comes  largitionum  war  das  sacrum  aerarium, 
für  den  comes  rt'rum  privatarum  das  privatum  aerarium.  Daneben  stand 
als  dritte  Zentralkasse  die  arca^  die  ein  jeder  der  vier  praefecti  praetorio 
zu  verwalten  hatte,  in  die  speziell  die  für  die  Besoldung  der  Truppen 
und  Beamten  bestimmten  Abgaben  (annona)  flössen.  Unter  diesen  Zentral- 
kassen standen  die  Diözesan-  und  Provinzialkassen. 

Wie  in  Ägypten  das  Kassenwesen  dieser  Zeit  geregelt  war,  darüber 
haben  wir  erst  neuerdings  einige  Aufschlüsse  bekommen.^) 

Die  Einrichtung  der  δημόοίΚί  τράτίεζαι,  wie  sie  in  der  vorhergehenden 
Periode  bestand,  hat  sich  bis  mindestens  in  die  Mitte  des  IV.  Jahrh.  ge- 
halten.^) Vgl.  P.  Amh.  140  (a.  349),  wo  eine  amtliche  Zahlung  εΐζ  την 
δημοοίαν  τράτΐεζαν  erfolgt.^)  Ein  späteres  Beispiel  für  das  Vorkommen 
von  δημοοία  τράτνεζα  =  „Regierungskasse"  ist  mir  nicht  erinnerlich^),  doch 
habe  ich  nicht  hieraufhin  das  gesamte  Material  durcharbeiten  können. 
Die  τράτνεξαί  resp.  τραπεζΐταί,  die  auch  später  noch  begegnen,  werden 
Banken  resp.  Bankiers  im  Sinne  der  vorhergehenden  Periode  sein.  Eine 
neue  Erscheinung,  die  mit  der  Entwicklung  der  Grundherrschaften  zu- 
sammenhängt, ist  es,  daß  die  großen  Grundherrn  sich  ihre  eignen  Privat- 
banken halten  (τράτΰεζαί^  τραπεξιταν),  ähnlich  wie  sie  auch  ihre  eigene 
Post  u.  a.  führen.^)  Das  sind  also  Privatbanken,  die  mit  den  Regierungs- 
kassen nichts  zu  tun  haben. 

In  den  achtziger  Jahren^)  des  IV.  Jahrh.  stoßen  wir  nun  auf  die 
χρν6ώναι  (Ρ.  Lips.  61  [187],  62  [188],  63;  Flor.  95)^)  oder  χρνΰώνες 
(Lips.  102  I  7;  ebenso  im  Ed.  Just.  XI).     Dem  Namen  nach  könnte  man 


1)  Vgl.  jetzt  M.  Geizer,  Studien  36 ff.  und  Arch.  Υ  346 ff. 

2)  Wohl  aus   diokletianischer  Zeit  stammt   die  Erwähnung  των   τον  νομον   δτ]- 
ιιοΰίων   χρημάτων   τραπεζιτών  in  BGÜ  II  620  (186)   und  Ρ.  Class.  Philol.  Ι  174  η.  Χ. 

3)  Vgl.  jetzt  auch  Ρ.  Cair.  Preisigke  33  (a.  339):  r^  της  επαρχίας  τραπέζι^. 

4)  So  auch  Μ.  Geizer,  Studien  S.  61. 

5)  Vgl.  die  Banken  der  Apionen  in  Oxyrhynchos,  z.  B.  Oxy.  I  136  (a.  583):  τον 
λαμ,Λρότατον  τραπεζίτ-ην  τον  ένδοξου  οί'-κου. 

6)  In  einem  Würzburger  Papyrus  begegnet  schon  im  J.  335  ein  χρναώνης,  aber, 
da  es  Fragment  ist,  ist  sein  Charakter  nicht  ganz  klar. 

7)  Auch  in  Oxy.  I  126,  13  (180)  vom  J.  572  ist  χρνσώνη  zu  verbinden  (Geizer). 
Jetzt  bieten  die  P.  Cairo  Cat.  (67033  ff)  zahlreiche  neue  Belege  für  das  VI.  Jahrh. 


Ι.  Die  staatliche  Verwaltung.  C.  Die  byzantinische  Zeit.  §3.  Kassen  nnd  Magazine.     165 

sie  für  private  Geldwechsler  halten.^)  Aber  sie  treten  11.  cc.  ohne  Zweifel  als 
staatliche  Funktionäre  auf.-)  Entscheidend  für  ihren  amtlichen  Charakter 
ist  P.  Oxy.  126,  13  (180),  wonach  die  κανονικά  zu  zahlen  waren  τω  κατά 
καιρόν  έ^νικώ  χρνοώντ]^  also  dem  jeweiligen  ΡτοΥΪηζΪΆΐ-χρνοώνης^  wie 
die  άρκαρικά  dem  jeweiligen  άρκάριζκαρι^ος.  Zumal  die  δημόοΐαι  τρά- 
πεζαι  Ende  des  IV.  Jahrh.  nicht  mehr  zu  begegnen  scheinen,  werden 
wir  daher  die  χρνϋώναι  wohl  für  den  Ersatz  für  die  vorher 
eingegangenen  δημόΰιοι  τραπεζίται  halten  dürfen.*)  Sie  sind  also 
nicht  Bankiers,  sondern  Regierungskassen-Beamte,  und  zwar  stehen 
sie  der  Regierungs-Provinzialkasse  vor,  denn  wie  in  P.  Oxy.  126 
von  dem  jeweiligen  εϋ-νικος  χρνόώνης  die  Rede  ist,  so  heißen  sie  in  P. 
Lips.  61 — 63  und  Flor.  95  χρνοώνης  επαρχείας  Θηβαΐδος.  Also  für  die 
damals  noch  ungeteilte  Thebais  gab  es  ein  χρνοώνης-ΒιιτβΆη,  und  zwar 
in  Antinoopolis,  der  damaligen  Hauptstadt  der  Thebais  (S.  S2).  Ebenso 
werden  die  anderen  Teilprovinzen  auch  ihren  χρνόώνης  in  ihrer  Haupt- 
stadt gehabt  haben.  Für  das  Ansehen  des  Amtes  des  χρνΰώνης  spricht, 
daß  es  11.  cc.  von  einem  πολιτευόμενος,  also  einem  Curialeu  von  Anti- 
noopolis bekleidet  wird.  Wie  die  Papyri  zeigen,  steht  er  unter  dem  Be- 
fehl und  der  Kontrolle  des  betreffenden  Teilstatthalters. 

Für  die  Beziehungen  dieser  Provinzialkassen  zu  der  Reichszentralkasse 
ist  m.  E.  von  großer  Bedeutung  die  Bemerkung  in  P.  Lips.  62,  14  (188): 
άπεύτάληόαν  εις  τονς  θείους  ϋ^ηΰανρονς  (vgl.  Ζ.  29  30).  Solche  kaiserlichen 
&η6ανροί^  an  die  die  empfangenen  Geldsteuern  abgeliefert  wurden,  sind 
die  Filialkassen  der  Zentralkasse  des  comes  sacrarum  largitionum,  die  mit 
dem  Namen  thesauri  in  den  Hauptplätzen  der  Diözese  jede  unter  einem 
praepositus  thesaurorum  eingerichtet  waren,  unter  der  Oberleitung  einee 
comes  thesaurorum  (oder  largitionum)  für  die  gesamte  Diözese.*)  So  hat 
auch  Ägypten  (seit  382  Diözese)  seinen  eigenen  comes  thesaurorum  oder 
largitionum  damals  gehabt.^)  Nach  Analogie  der  in  Not.  dign.  Oc  11,  21  ff. 
genauer  mitgeteilten  Einrichtungen  des  Westens  könnte  man  erwarten, 
daß  es  auch  in  Ägypten  mehrere  pracpositi  thesaurorum,  also  auch  ver- 
schiedene Uiesauri  an  verschiedenen  Plätzen  der  Diözese  gegeben  hätte. 
Aber  aus  Ed.  Just.  XI  2  Ende  (τω  τε  πραιποαίτφ  τών  ^εί(ον  ήμΑν  ^- 
όανρών)  scheint  mir  zu  folgen,  daß  es  in  Ägypten  nur  einen  prae- 
positus gegeben  hat,  und  P.  Lips.  62  (188)  bestätigt  dies.  Also  gab  ea 
für  Ägypten  nur  eine  Zentralkasse  (d^tiavQoC),  natürlich  in  Alexandrien. 
Diese    Sonderheit    erklärt    sich,    glaube    ich,    aus    der    geographischen 

1    Wio  ei  ζ    Π.  der  άρ/νροχράπ);  in  Ox\        !  1 1  ;a.  680)  in  Alexandrion  ifi 

2,  So  Hchon  MittciH  su  V.  Lip•.  69  8.  lUüf 

8)  So  jfitzt  anrh  M.  Gohvr,  StudtPn  R.  β1. 

4j  ν'μΙ.  Hccck  1.  c.  657;  M.  Gel  ^. 

U)  Vgl.  Not.  dign.  Or.  18,  5:  c•  iium  per  omBM  dioeoetai. 


166  Kapitel  IV.     Die  Finanz-Ressoi-ts.     Ihre  Organe  und  Kassen. 

Eigentümlichkeit  des  langgestreckten  schmalen  Niltals.  Während  z.  B.  in 
der  Diözese  Italien  (vgl.  Not.  dign.  Oc.  11,  26  K)  die  verschiedenen  The- 
sauren, deren  Aufgabe  es  war,  die  eingegangenen  Gelder  an  die  Zentral- 
kasse des  Westreiches  zu  schicken  (Cod.  Just.  X  23,  1),  derartig  gelegen 
waren,  daß  von  jedem  Punkt  aus  direkt  der  Transport  nach  der  Zentral- 
kasse vorgenommen  werden  konnte^),  hätten  in  Ägypten  die  Sendungen 
von  weiter  südlich  gelegenen  Thesauren  aus  doch  aUe  über  Alexandrien 
geführt  werden  müssen.  So  wurde  hier  nur  das  eine  Thesaurusamt  in 
Alexandrien  errichtet,  dafür  aber  in  den  Teilprovinzen  zur  Erleichterung 
der  Sendungen  aus  den  ferneren  Gebieten  jene  Provinzialkassen  unter  den 
χρνΰώναι  geschaffen.  Vielleicht  erklärt  sich  so,  daß  χρνβώναι  nur  für 
Ägypten  bezeugt  werden.^) 

Wie  die  Geldsteuern  an  den  χρνόώνης  der  Teilprovinz  gezahlt  wur- 
den, so  die  an  die  arca  des  praef.  praetorio  abzuführenden  Abgaben 
(άρκαρίχα)  an  den  arcarius.    Vgl.  hierzu  P.  Oxy.  I  126  (180). 

Auch  für  die  Magazinverwaltung  der  byzantinischen  Zeit  sind  die 
Papyri  noch  genauer  durchzuarbeiten.^)  Auch  hier  begegnen  einstweilen, 
ähnlich  wie  beim  Kassenwesen,  die  alten  Einrichtungen  der  vorhergehen- 
den Periode.  So  werden  όιτολόγοί  in  Amh.  140  für  349  und  in  Amh.  139 
für  350  bezeugt.  Ja,  der  Titel  begegnet  noch  in  Flor.  78,  2,  den  Vi- 
teUi,  allerdings  mit  einem  Fragezeichen,  dem  V./VI.  Jahrh.  zuweist.  Auch 
der  Name  ^'ηöavρόg  für  das  Naturalm  agazin  begegnet  z.  B.  in  Lips.  84 
(Diokletians  Zeit),  Straßb.  45,  7  (a.  312),  Lips.  97  XX  6,  XXIII  9.  Wie 
lange  sich  diese  alten  Einrichtungen  und  Namen  erhalten  haben,  ist  noch 
zu  untersuchen.  Allmählich  wird  die  Bezeichnung  d-ηοανρός  für  den 
Speicher  durch  ορρών  =  horreum  verdrängt,  so  schon  in  Flor.  75,  18  vom 
J.  380,  in  jüngeren  Zeiten  ganz  allgemein  (vgl.  z.  B.  Wessely,  Klein.  Form. 
S.  272). 


IL  DIE  STÄDTISCHE  VERWALTUM. 

Zum  Schluß  soll  kurz  auf  die  entsprechenden  Einrichtungen  in  den 
Städten  hingewiesen  werden.  Die  städtische  Finanzverwaltung  ruhte  in 
der  Hand  jener  städtischen  Beamten,  die  wir  im  I.  Kapitel  durch  den 
Wechsel  der  Jahrhunderte  hindurch  verfolgt  haben.  An  dieser  Stelle  sollen 
nur  diejenigen  Chargen  und  Einrichtungen  hervorgehoben  werden,  denen 
jene    sich    zur    Durchführung    der    städtischen    Finanzwirtschaft    bedient 


1)  Aquileia,  Mediolanum,  Roma,  Augusta  A'^indelica. 

2)  So  außer  den  Papyri  im  Ed.  Just.  XI.     Dagegen  fehlt  ein  Hinweis  auf  diese 
Zwischen  stelle  im  Cod.  Just.  X  23,  1. 

3)  Vgl.  jetzt  M.  Geizer,  Studien  S.  59  f. 


π.  Die  städtische  Verwaltung.  167 

habend)  Nach  Maßgabe  der  zurzeit  Yorbandeneu  Quellen  sind  wir  fast 
ganz  auf  die  römische  und  byzantinische  Zeit  angewiesen.^) 

Nachdem  vorher  die  städtische  Fiuauzverwaltung  in  der  Hand  der 
άρχοντες  gelegen  hatte,  ging  sie  nach  Erteilung  des  Stadtrechtes  (a.  202) 
auf  die  βονλή  über.  Der  Vorsitzende  des  Rates,  der  Prytan,  wird  in  Oxy. 
I  δδ  (196)  geradezu  als  der  διέτίον  τα  πολιτικά  bezeichnet,  wozu  man 
wohl  mit  Preisigke  (S.  16  Anm.  4)  χρήματα  hinzuzudenken  hat.  An  der 
Spitze  der  städtischen  Kassen  Verwaltung  stand  der  dem  auswärtigen 
Quaestor  entsprechende  ταμίας,  genannt  ταμίας  των  πολιτικών  χρημάτων 
(Oxy.  Ι  δδ  [196])  oder  auch  spezieller  τα^ΐί'ο;^  πολιτικών  λημμάτων  (BGÜ 
TT  Τ  934).  Unter  diesem  ταμίας  stand  die  Stadtkasse,  die  πολιτική  τράπεζα 
(Oxy.  I  84  [197]),  die  für  die  Stadt  dieselben  Dienste  leistete  wie  die 
βαόιλική  resp.  Οημοοία  τράπεζα  (die  sich  neben  ihr  in  jeder  Stadt  befand) 
für  den  Staat.  Daneben  wird  auch  der  Ausdruck  ό  πολιτικός  ?>όγος  oder 
ό  T^s  πόλεως  λόγος  ■  konkret  auf  die  Stadtkasse  angewendet.  Vgl.  Oxy.  I 
δ4,  1δ  [34]),  δδ,  7  [196])  usw.^)  Die  städtischen  Gelder  heißen  πολιτικά 
χρήματα  (Oxy.  I  5δ  [196]).'*)  Die  Beamten  dieser  Stadtkassen  werden 
zum  Unterschied  von  den  staatlichen  und  privaten  Trapeziten  als  die  πο- 
λιτικοί τραπεζΐται  bezeichnet.  Vgl.  Straßb.  28  vom  J.  30δ.  Wenn  in  Oxy. 
84,  8  f.  (197)  vom  J.  316  der  Trapezit  heißt  δημοβίων  λτι^μΐ^μάτων  τραπε- 
ζίτης Ό^(νρνγχίτοιή  πολιτικής  τραπέζης^  so  ist  hier  δημόοίος  nicht  mehr 
in  der  alten  prägnanten  Bedeutung  wie  früher  gebraucht.  Vgl.  den  Kom- 
mentar. Hierzu  paßt  es,  daß  in  noch  späterer  Zeit  ό  δημόόιος  λόγος  ge- 
radezu die  Stadtkasse  (vgl.  Straßb.  47 — δ1  aas  dem  VI.  Jahrh.)  oder 
andererseits  auch  die  Dorfkasse  (in  den  P.  Cairo  Cat.)*^)  bezeichnet,  ein 
Sprachgebrauch,  der  der  älteren  Zeit  völlig  fremd  ist. 

Über  den  Geschäftsgang  werden  wir  namentlich  durch  einige  Liqui- 
dationsgesuche (αΐτήοεις)  unterrichtet.  Vgl.  die  zahlreichen  an  den  Rat 
von  Hermopolis  gerichteten  Gesuche  dieser  Art  in  CPHerm.  aus  dem 
III.  Jahr.,  z.  B.  86  (195).  Auf  Grund  dieser  Gesuche  erfolgte  dann  die 
Anweisung  des  Rates  an  den  ταμίας.  Vgl.  auch  Oxv.  I  55  (196)  und 
84  (197). 

Zar  Kontrolle  der  Tätigkeit  dieses  ταμίας  und  überhaupt  der  stSdii- 
Hchfii   Finanzen  gab  es  eine  eigene  Behörde  in  dem  „Prüfer^*,   dem  die- 


l;  Ui.iiitii•  K•  II•!    I  i'ih  Mii.   ileamte   S.  16if.    Zur  VergleiobuDg  mit  den 

aniiwärtigen    Kinrirhtungen  B.   Liebonam,    8Uldt«verwaUung   im    rOmitchen 

Kaifcrreiche,  1900,  828  ff. 

2)  Zu  dem  ptolernftifoben  οΙκονόμος  τών  «ίι  S.  18  Λ 

3)  Vgl.  Preiiigke  1.  c.  16. 

4)  ί)ηβ  Hi#  Btadt  mit  diesen  Geldern  Darlelü 
23,  7 :  /'^  anh  τοΰ  «oXirixoO  χρ*|ματο(  (III 

Γ•  -r,  Studien  8.  04 


168  Kapitel  IV.    Die  Finanz-Ressorts.    Ihre  Organe  und  Kassen. 

ταΰτηξ})  Schon  aus  Trajanischer  Zeit  haben  wir  einen  langen  Bericht  an 
diesen  Beamten  über  die  Verwaltung  der  städtischen  Wasserleitung  von 
Arsinoe,  deren  Einnahmen  und  Ausgaben  ihm  zur  Kontrolle  vorgelegt 
wurden  (Lond.  ΙΠ  S.  181  f.  [193]).  Aus  dem  III.  Jahrh.  liegen  Abrech- 
nungen {διαλογυΰμόζ)  des  έξεταΰτής  mit  dem  ταμίας  vor.  Vgl.  CPHerm. 
98.  99.  Von  diesem  εξεταοτής,  der  offenbar  ein  ständiger  Beamter  war, 
sind  zu  trennen  gewisse  έ^ετάοείς^  die  gelegentlich  im  Auftrage  des 
Rates  einzelnen  Personen  im  Interesse  des  städtischen  Haushaltes  als 
munus  übertragen  wurden.    Vgl.   CPHerm.  101. 

Die  Stadt  hatte  ihre  eigene  Rechnungskammer  {πολιτίκον  λογίοτήρίον)^ 
in  die  z.  B.  die  Quittungen  über  die  von  der  Stadt  ausgezahlten  Summen 
von  den  Empfängern  eingereicht  wurden.    Vgl.  CPHerm.  94  (194). 

Auf  die  Frage  der  städtischen  Abgaben  wird  in  Kap.  V,  auf  die 
städtische  Bodenwirtschaft  in  Kap.  VII  eingegangen  werden. 


DIE  ARABISCHE  ZEIT. 

Über  die  Einrichtungen  der  arabischen  Zeit  werde  ich  erst  in  Kap.  V 
handeln,  da  der  grundlegende  IV.  Band  des  Londoner  Katalogs  soeben  erst 
erschienen  ist. 


1)  Auch  außerhalb  Ägyptens  bekannt.     Vgl.  Liebenam  1.  c.  293. 


KAPITEL  V. 

DAS  STEUERWESEN. 

A.  DIE  PTOLEMÄEBZEIT. 

Zur  Literatur  vgl.  oben  S.  2.  J.  G.  Droysen,  De  Lagidarum  regno  etc.  (Kl.  Sehr. 
II  391  ff.).  —  Franz,  CIG  ms.  297  ff.  —  G.  Lumbroso,  Recherches  sur  Toconomie  poli- 
tique  etc.  1870.  —  F.  Robiou,  Memoire  sur  T^con.  polit.  etc.  1875.  —  J.  G.  Droysen, 
Geschichte  des  Hellenismus  Π,  III.  Derselbe,  Zum  Finanzwesen  der  Ptolemäer  (Kl. 
Sehr.  II  275 ff.).  —  Wilcken,  Griech.  Ostraka  1899.  —  M.  Rostowzew,  Woch.  f. 
Kl.  Philol.  1900  Sp.  115  ff.  Derselbe,  Gesch.  d.  Staatspacht  in  d.  röm.  Kaiserzeit  1902. 
—  J.  Bei  och,  Griech.  Geschickte  III  1904.  —  H.  Maspero,  Lee  finances  de  l'Egypte 
80U8  les  Lagides  1905.  —  C.  Wachsmuth,  Wirtschaftl.  Zustände  in  Ägjpten  wäh- 
rend d.  griech.  Periode  (Hildebrands  Jahrbb.  f.  Nationalök.  u.  Stat.  3.  F.  XIX,  LXXIV, 
771ff.).  —  Bouche-Leclercq,  Hist.  d.  Lagides  III.  —  W.  Otto,  Priester  und  Tempel 
1908.  —  K.  Riezler,  Über  Finanzen  und  Monopole  iui  alten  Griechenland  1904.  — 
M.  Rostowzew,  Studien  z.  Geschichte  des  röm.  Kolonates  1910. 

§  1.    DIE  STEUERN. 

Unter  den  regelmäßigen  Ausgaben  des  ptolemäischen  Staates  stehen 
obenan  die  für  Heer  und  Flotte,  die  die  Weltmachtstellung  des  Reiches 
zu  begründen  und  dann  zu  schirmen  hatten  (vgl.  Kap.  XI),  sowie  für  die 
Beamtenhierarchie,  die  das  Reich  verwaltete.  Daran  schließen  sich  die  Aus- 
gaben für  die  glänzende  Hofhaltung^)  an,  für  Götter  und  Priester  (vgl. 
Kap.  II),  für  die  Landesmelioration  und  innere  Kolonisation,  für  Kulturauf- 
gaben (wie  das  alexandrinische  Museum  und  die  Bibliotheken)  u.  a.*) 

Zur  Deckung  dieser  Ausgaben  sind  die  Besitzungen  der  Ptolemäer  — 
und  unter  den  ersten  Königen  waren  es  sehr  beträchtliche')  —  sämtlich 
herangezogen  worden*),  aber  Ägypten  war  ihr  kostbarster  und  ergiebigster 
Besitz.  FiXr  die  Finanz  Wirtschaft  Ägyptens  haben  die  Papyri  und  Ostraka 
Ulis  ciii   reiches,  kaum  zu   überblickendes   Alvf<  Mnuiterial*)   gebracht,  aber 

1;  Vgl    Lumbroio,  Rech.  8. 189tf.  2}  Vgl.  Lumbroio,  Reoh.  8.  S76ff. 

8)  Vgl.  oben  S.  4. 

4)  Zu  den  Steuern  in  den  übeneeitoben  BetitxuDgen  (Thrakien  und  KleinMitn) 
vgl.  P.  Teb.  Η  (2;  und  Dittcnberger,  Or.  Or.  I  66. 

b)  Zu  dem  in  den  „HHtraka'*  τοη  mir  KuiiAmmeiigettellteD  Material  (bis  1899) 
i«t  seitdem  Hchr  viel  neue•  hiiixugekommen.  Vgl.  die  Indisei  der  Editionen  leit  1899, 
namentlich  die  lehrreichen  Kommentare  von  Grenfell  und  Hunt  tu  Teb.  I  etc.  Neuere 
ZutamiiienHtr'lhini;«'!!  bei  Maiipero  I.  c.  und  nouchtf-Loolercq  1.  c. 


J70  Kapitel  V.     Das  Steuerwesen. 

diese  Akten  bringen  nur  Einzelheiten,  die  sich  z.  T.  nur  schwer  zu  einem 
Gesamtbilde  vereinigen  lassen.  Zumal  es  für  Ägypten  an  literarischen 
Gesamtdarstellungen  aus  alter  Zeit  fehlt,  ist  von  hohem  Interesse  der 
Überblick,  der  uns  über  die  Einnahmen  (πρόόοδοί)  des  benachbarten 
Seleukidenreiches  aus  der  Feder  eines  Zeitgenossen  (III.  Jahrh.  ν  Chr.) 
freilich  nur  in  einer  schlechten  Epitome  in  Ps.  Aristotelis  Oeconomica  Π 
1, 4  (1345  b  28  ff.)  erhalten  ist.^)  Der  Verfasser  unterscheidet  sechs  Arten  von 
Einkünften:  1.  Die  vom  Grund  und  Boden  (γη),  d.  h.  Domanialgefälle 
{έκφόρων)  und  Grundsteuer  {δεκάτη).'^)  2.  Die  Revenuen  von  Boden- 
schätzen (Minen  etc.).^)  3.  Die  Seezölle.  4.  Die  Landzölle  und  Markt- 
gefälle, δ.  Die  Einkünfte  von  der  Viehzucht  und  zwar  (wie  beim  Boden) 
sowohl  durch  Verpachtung  der  königlichen  Herden  {βπίκαρτΐία)  wie  durch 
Vermögenssteuer  von  privatem  Viehbesitz  (δεκάτη).  6.  Andere  Einnahmen, 
wie  Kopfsteuer  (έτίνκεφάλαιον)  und  Gewerbesteuer  (χείρωνά^ιον).  Diese 
Einkünfte  lassen  sich  sämtlich  auch  für  Ägypten  belegen,  nur  kennen 
wir  hier  noch  viel  mehr  Arten,  wie  ja  auch  die  Epitome  nur  die  wich- 
tigsten hervorhebt.  Zumal  ihr  Einteilungsprinzip  kein  wissenschaftliches, 
sondern  ein  praktisches  ist  (nach  der  Höhe  des  Ertrages,  vgl.  κρατίοτη 
für  die  erste  Klasse),  seien  unter  Fortlassung  der  Domanialgefälle,  die  in 
Kap.  VII  behandelt  werden,  und  der  Monopole,  die  in  Kap.  VI  für  sich  dar- 
zustellen sind,  hier  einige  der  wichtigeren  der  in  Ägypten  damals  er- 
hobenen Steuern  nach  der  üblichen  Scheidung  in  direkte  und  indirekte 
Steuern  namhaft  gemacht.*) 

Zu  den  direkten  Steuern  gehört  zunächst  die  Grundsteuer,  durch  die 
damals  wie  in  römischer  Zeit  nicht  eigentlich  der  Grund  und  Boden,  sondern 
der  Ernteertrag  besteuert  wurde.  Wie  die  Domänen  den  Privatbesitz  weit 
überstiegen,  der  nur  allmählich  und  in  geringem  Umfange  sich  entwickelte 
(Kap.  VII),  so  haben  auch  die  Domanialgefälle  im  Staatshaushalt  eine  viel 
größere  Rolle  gespielt  als  die  Grundsteuer  —  wie  auch  bei  Ps.  Aristoteles  das 
έκφόρων  vor  der  δεκάτη  genannt  ist.     Es   scheint   nicht  eine  einheitliche 


1)  Die  Begründung  meiner  jetzigen  Auffassung,  die  von  dem  früher  (auch  dem 
in  den  Ostraka  von  mir)  Gebotenen  z.  T.  abweicht,  muß  ich  mir  für  einen  anderen 
Ort  vorbehalten.  Einzelnes  davon  habe  ich  schon  bei  Rostowzew,  Kolonat  S.  242  kurz 
mitgeteilt. 

2)  So  erkläre  ich  ην  οϊ  μεν  έκφόριον  οϊ  δε  δετιάτην  τΐροΰαγορενονοιν ,  sprachlich 
gestützt  auf  έτίίτιεφάλαιόν  τε  ticcI  χειρωνά^ων  τιροβαγορενομένη^  wo  derselbe  Fehler 
des  Epitomators  vorliegt,  indem  ich  daran•  festhalte,  daß  έκφόρων  nur  den  Pachtzins 
bedeutet.  Rostowzew,  Staatsp.  356,  363  faßte  beides  {έν,ψόριον  und  δεκάτη)  als  Pacht, 
Riezler,  Finanzen  S.  11  beides  als  Grundsteuer  (wie  auch  ich  früher). 

3)  So  sind  ohne  Zweifel  mit  Boeckh  τα.  iv  r^  %ώρα  ί'δια  zu  verstehen. 

4)  Eine  Gruppierung  des  ganzen  Materials  nach  modernen  national  -  ökono- 
mischen Prinzipien  habe  ich  mit  Unterstützung  L.  Elsters  in  den  Ostraka  I  405  fif. 
versucht.  Im  einzelnen  habe  ich  heute  manches  daran  zu  ändern,  da  wir  über  manche 
Steuern  neue  Aufschlüsse  inzwischen  bekommen  haben. 


Α.  Die  Ptolemäerzeit.     §  1.    Die  Steuern.  171 

GiTindsteiier  gegeben  zu  haben,  sondern  mehrere  kleinere  Steuern  (vgl. 
Ostraka  I  456)  unter  besonderen  Xamen,  wie  die  άρταβιεία^  das  έπαρον- 
QLov^),  ferner  Zuschläge  wie  die  επιγραφή.^)  Die  beiden  ersten  Namen 
weisen  auf  den  Modus  der  Berechnung  hin,  denn  in  Ägypten  war  die 
Grundsteuer  nicht  wie  im  Seleukidenreich  eine  Quotensteuer  (dort  δετίάτη)^), 
sondern  eine  Quantensteuer:  es  wurde  pro  Anire  entsprechend  der  Er- 
tragsfähigkeit des  Bodens  ein  fester  Satz  auferlegt,  was  nur  bei  genauer 
Katastrierung  des  Bodens  möglich  war.^)  Die  Urkunden  haben  femer  ge- 
zeigt, daß  für  Grundstücke,  die  Weizen  oder  Gerste,  femer  Kroton,  Sesam 
oder  Knekos  trugen,  in  natura,  für  die,  die  Wein,  Palmen,  Oliven  oder 
Obst  tmgen,  in  Geld  gezahlt  wurde.  ^)  Die  Geldzahlung  gilt  auch  für  die 
meisten  anderen  Steuern,  entsprechend  der  damaligen  Bedeutung  der  Geld- 
wii-tschaft  (vgl.  Ostraka  I  (■)64if.).  Wir  haben  ferner  aus  P.  Lond.  I  S.  49 
(221)  und  namentlich  Arch.  II  82 ff.  (224)  eine  Gebäudesteuer  zu  er- 
schließen, die  nach  dem  Nutzungswert-  berechnet  wurde.  Vgl.  andrerseits 
die  είκοοτή  in  Petr.  II  11  (2)  (223),  die  von  οΐχόπεδα  erhoben  wurde.  Die 
für  die  Ptolemäerzeit  überlieferten  Gewerbesteuern,  wie  das  τέλος  der 
Rauhstoff- Arbeiter  (xcc66o:cotoC)  ^)  j  der  Färber'),  der  Lederarbeiter*), 
der  Fährleute^),  der  Goldschmiede^^),  werden  (wie  die  χειρωνάξια  der 
Kaiserzeit)  als  gewerbliche  Lizenzsteuer  aufzufassen  sein"),  neben  der  es 
eine  gewerbliche  Ertragssteuer  wie  die  in  der  Perserzeit  hier  eingeführte 
δεκάτη  (Ps.  Aristot.  Oec.  II  25,  2)  auch  jetzt  gegeben  haben  wird.  *')  An 
Vermögenssteuern  kennen  wir  außer  der  Viehsteuer  (vgl.  das  τελο^: 
των  πετεινών  in  Gr.  Ostraka  U  n.  1523)  jetzt  auch  die  Sklavensteuer 
(Hibeh  29  (259)).  Ebenso  ist  jetzt  auch  eine  (nur  von  Männern  erhobene) 
Kopfsteuer,  die  ich  in  den  Ostraka  I  245  vor  Augustus  nicht  sicher 
nachweisen  konnte,  für  die  Ptolemäerzeit,  und  zwar  unter  der  Bezeichnung 

1)  Zum  inuQOvQiov  vgl.  z.  B.  Hibeh  112.  In  Ostraka  I  194  ff.  habe  ich  irrtümlich 
mehrere  Abgaben  zur  Grundsteuer  gezählt,  die  wir  heute,  namentlich  nach  P.  Tel».  I, 
nicht  dazü  zählen  (vgl.  besonders  Greni'elUHunt  zu  Teb.  I  S.  88  ff.),  eo  auch  Domanial- 
gef&lle. 

2)  Vgl.  Teb.  I  S.  39. 

8)  Die  früher  ans  Orosiue  gefolgerte  Ansicht,  die  ägyptische  Gnindeteuer  dieser 
Zeit  fei  eine  ηίμητη  gewesen,  hat  schon  Lumbroso,  Rech.  94,  widerlegt  Vgl  Ostraka 
I  198.  Dies  hat  0.  Seeck  übersehen,  der  nicht  nur  in  seinem  Aufsatz  über  „die  Ent* 
stebuDg  des  Indiktionenzyklus**  (1894)  und  „die  Schatzangsordnung  Diokletians**  (1895), 
sondern  auch  noch  im  II.  Bande  der  „Geschichte  des  Untergangs  der  alten  Welt** 
(1901)  mit  dem  Füni^l  operiert. 

4)  Vgl.  Griech.  Ostraka  I  206  ff.  ß)  Vgl.  Griech.  Ostraka  I  8. 199 ff. 

β)  Vgl.  Griech   (ostraka  I  «24. 

<'h.  Ostriika  II  n.  ir,t•.  g)  Qrieoh.  Ostraka  I  898. 

'  h.  OHtraka  I  H'.il.  lU)  Oriech.  Ostraka  I  408. 

n>  iS.  Otto,  IVioHt4>r  und  T4*iii|m>1  I  801.    All  Steoer  „fAr  die  Ausflbong**  des  Ge- 
werbes habe  aurh  ir-h  es  in  Ontraka  I  8tl  gedeutet 

12)  Vgl.  auch  Strab•»  .\\ ΊΊ  7m7    v(.n  den  alten  /tj9  t§  «« 

μ/roftf.   //({ '  otrntQ  xa)   ai   πς*ΟΛ»Λο»   αννίγΟΨϊο  χω  (u 


172  Kapitel  V.     Das  Steuerwesen. 

6ύνταξις  bezeugt.  Vgl.  Teb.  I  103  (288),  auch  Petr.  III  S.  174  (66). 
Auch  damals  wird  sie  wie  später  im  wesentlichen  auf  der  ägyptischen 
Bevölkerung  (λαός)  gelegen  haben.  Die  Μακεδόνες  und  "Ελληνες  waren 
natürlich  davon  frei. 

Zu  diesen  Hauptsteuern  kommt  eine  große  Zahl  von  Zwangs- 
beiträgen zu  staatlichen  Einrichtungen,  wie  z.  B.  für  die  jährliche  Land- 
vermessung (νπερ  γεωμετρίας)'^),  für  Kanäle,  für  die  Gendarmerie  u.  a. 
Vielleicht  noch  drückender  war  die  Verpflichtung,  für  die  Verpflegung  des 
reisenden  Hofes,  der  reisenden  Beamten  und  vor  allem  der  Truppen  zu 
sorgen.  ^) 

Unter  den  indirekten  Steuern  seien  hier  die  Verkehrssteuern 
hervorgehoben,  unter  denen  das  έγκύκλων,  eine  10  resp.  5prozentige 
Stempelsteuer  sehr  häufig  begegnet.^)  Von  besonderer  Bedeutung  aber 
waren  die  Zölle.^)  Ein-  und  Ausfuhrzölle  wurden  an  den  Grenzen 
des  Landes  erhoben,  sowohl  am  Mittelländischen  Meer  (vor  allem  in 
Alexandrien^),  Pelusium)  wie  in  den  Häfen  am  Roten  Meer^),  ebenso  an 
der  Südgrenze.  Im  Interesse  der  Monopole  wurden  hier  eventuell  Schutz- 
zölle erhoben,  wie  der  hohe  Zoll  auf  fremde  Öle  in  Alexandrien  und 
Pelusium  (Rev.-P.  52,  4fi^.;  vgl.  Kap.  VI).  Binnenzölle  wurden  an  der  Grenze 
von  Ober-  und  Unterägypten  bei  der  Hermopolitischen  φυλακή  erhoben 
(Agatharchides,  Geogr.  Graec.  Min.  I  S.  122).  Daß  auch  schon  in  der 
Ptolemäerzeit  wie  nachher  in  der  Kaiserzeit  (Griech.  Ostraka  I  276  ff.) 
sogar  eventuell  für  das  Passieren  der  Gaugrenzen  kleine  Zölle  für  Waren- 
ausfuhr zu  zahlen  waren,  zeigt  jetzt  P.  Hibeh  80  (290).  Zum  Torzoll 
(άιατϋύλι,ον)  vgl.  P.  Teb.  8  (2)  (für  Lykien). 

Zu  diesen  Staatssteuern  kamen  endlich  noch  die  Tempelabgaben 
hinzu.  Vgl.  Otto,  Priester  und  Tempel  I  340  ff.  Unter  ihnen  ist  uns  die 
άτΐόμοίρα  durch  Rev.-P.  27  ff.  am  genauesten  bekannt  geworden.  Vgl.  Nr. 
249.  Die  δϋδραχμία  τον  Σονχον  ist  erst  jetzt  durch  Teb.  II  281  (289) 
aufgeklärt  worden  (als  lOprozentige  Kaufsteuer  zahlbar  an  den  Gaugott 
des  Faijüm). 

Über  die  Höhe  der  jährlichen  Geldeinkünfte  aus  Ägypten  sind  uns 
für  Ptolemaios  II  Philadelphos  durch  Hieronymus  14  800  Talente  Silbers 


1)  Vgl.  Kenyon,  Class.  Rev.  14,  171. 

2)  Auf  diese  Verpflegungslasten  wird  in  Kap.  IX  eingegangen  werden, 

3)  Griech.  Ostraka  I  182  flP.  Vgl.  jetzt  Grenfell-Hunt  zu  Teb.  II  350,  auch  Prei- 
sigke,  Girowesen  565.     Vgl.  Bd.  II  S.  78. 

4)  Vgl.  Griech.  Ostraka  I  276 ff.;  Bouche-Leclercq  ΙΠ  320 ff. 

5)  ÜBer  alexandrinische  Zölle  handelt  Teb.  I  5,  22  ff'.  (260). 

6)  Die  τετάρτη  von  Αενκη  -κώμη  gehört  nicht  in  die  Ptolemäerzeit,  sondern  in 
die  Kaisefzeit  und  ist  wahrscheinlich  von  den  Nabatäern  erhoben  worden.  Vgl. 
Wilcken,  Archiv  III  195  ff.  Zustimmend  Bouche-Leclercq  III  322,  anders  Rostowzew, 
Archiv  IV  307  und  0.  Hirschfeld,  KV  80/1. 


Α.  Die  Ptolemäerzeit.     §  2.    Die  Steuerveranlagung.  173 

und  für  Ptolemaios  Auletes  durch  Cicero  12  500  Talente  Silbers  über- 
liefert.^) In  diesen  Zahlen  tritt  uns  der  wirtschaftliche  Niedergang  der 
späteren  Zeit  entgegen,  dem  erst  Augustus  eine  Ende  gemacht  hat. 


§  2.    DIE  STEUERVERANLAGUNG. 
Voraussetzung  für  die  Berechnung  der  Steuern  war  die  Feststellung 
der  im  Reiche  vorhandenen  Steuersubjekte  und  Steuerobjekte. 

1.  Die  Feststellung  der  Steuersubjekte.') 
Schon  seit  dem  Mittleren  Reich  ist  die  Feststellung  der  Bevölkerung 
als  Grundlage  für  die  Heranziehung  zu  den  finanziellen  und  persönlichen 
Lasten  nachweisbar.^)  Die  neuerdings  von  Borchardt  aufgestellte  Hypo- 
these, daß  schon  damals  wie  in  der  Kaiserzeit  alle  14  Jahre  solche  Fest- 
stellungen stattgefunden  hätten*),  hat  sich  jedoch  nicht  bewahrt.  Nach 
Herodot  II  177  (vgl.  Diod.  I  77,  5)  hat  später  Amasis  angeordnet,  daß  jeder 
Ägypter  alljährlich  den  Behörden  sein  Einkommen  persönlich  anzeige,  was 
auch  zu  einer  Aufzeichnung  der  Steuerzahler  führen  mußte.*)  Daß  in  der 
Ptolemäerzeit  die  Bevölkerung  festgestellt  wurde,  war  schon  aus  Diod. 
XVU  52,  6  zu  ersehen,  wonach  oi  τάς  άναγραφάς  έχοντες  των  χατοίχονν- 
των  ihm  300000  Freie  für  Alexandrien  angegeben  hatten.^)  Die  Papyri 
zeigen  jetzt,  daß  damals  die  Hausvorstände  zur  schriftlichen  Anzeige  (απο- 
γραφή) ihrer  selbst  und  ihrer  Hausgenossen  verpflichtet  waren.  Vgl. 
P.  Alex.  (198).  Wahrscheinlich  ist  auch  P.  LiDe  27  (199)  eine  solche 
απογραφή.  Da  in  Nr.  198  die  Subjektsdeklaration  mit  der  notwendig  jähr 
lieh  zu  erneuernden  απογραφή  des  wechselnden  Kornbesitzes  (s.  unten 
S.  175)  auf  einem  und  demselben  Blatte  verbunden  ist,  so  ist  mit  großer 
Wahrscheinlichkeit  anzunehmen,  daß  auch  diese  Personalangaben  alljähr- 


1)  Vgl.  Griech.  Ostraka  I  412  ff.  Umstritten  ist  noch  die  Deutnog  der  Angabe 
dee  Diodor  17,  62,  6.  V^jl.  (J.straka  S  414.  Inzwischen  hat  Wachemutb  1.  c.  80S  in 
diesen  (>000  Talenten  speziell  die  Einnahmen  des  tdtog  λόγος  sehen  wollen,  wae  mir 
durch  Diodor  nicht  indiziert  zu  sein  echoint. 

2)  Vgl.  Uriech.  Ostraka  I  435 ff.  Levieon,  Die  Beurkundung  des  Ziviletandee  im 
Altertum,  Bonn.  Diss.  1898.     Bouchd-Leclercq  III  289  tT. 

3;  Daß  die  Beweise  aus  dem  Alten  Reich  fehlen,  hält  K.  Mejer,  OAI*  (S)  S.  ISO 
mit  Recht  (vgl.  8.149)  für  Zufall.  Vgl.  auch  S.  261.  Zu  den  ZähUitten  an•  Kahun 
Tgl.  Orifiith,  The  Petrie  Papyri,  hieratie  papyri  from  Kabun  189S  8. 19 ff. 

4)  Vgl  Borchardt  bei  H.  Schilfer,  £in  Brucbitück  altägypÜMher  Annalen  V>>• 
B«'rl.  Akad.  1902)  8.  9  Anm.  1. 

b)  Wahrscheinlich  war  auch  damals,  ähnlich  wie  in  F.  Alai.  (IM),  die  An- 
gabe de•  Kinkommcns  verbunden  mit  der  Aunkunit  ftber  die  Ρβηοηβη  de•  Haua- 
•tande•. 

β)  Vgl.  hierzu  Gr.  Ottraka  I  487.  Da•  άψογοαφάς  darf  nicht  mit  Bonoh^LecIeroq 
ΠΙ  291  all  terme  impropre  pour  άηογψαφάς  genommen  werden:  die  άΜτ/^βφβί  sind 
die  Listen,  die  auf  (trund  der  άττογραφαί  aofjgeelellt  werden. 


274  Kapitel  V.     Das  Steuerwesen. 

lieh  zu  erneuern  waren. ^)  Zumal  bei  der  damaligen  knappen  Form  der 
απογραφή  war  diese  Belästigung  keine  allzu  große.  Diese  ptolemäische 
Einrichtung  ist  also  wahrscheinlich  eine  direkte  Weiterführung  der  vor- 
gefundenen ägyptischen  Ordnung.  Unter  dieser  Voraussetzung  findet  die 
Tatsache,  daß  aus  der  Ptolemäerzeit  keine  Geburts-  oder  Todesanzeigen 
bekannt  sind,  ihre  Erklärung:  diese  waren  bei  jährlichen  Subjektsdekla- 
rationen überflüssig.  ^) 

Auf  Grund  dieser  Selbstdeklarationen  der  Untertanen,  die  gewiß  auch 
einer  amtlichen  Nachprüfung  unterlagen,  konnten  die  verschiedenen  Be- 
völkerungslisten, wie  die  Regierung  sie  für  verschiedene  Zwecke  brauchte, 
aufgestellt  werden.^)  Speziell  die  Aufzeichnung  der  kopfsteuerpflichtigen 
ägyptischen  Bevölkerung  (vgl.  oben  S.  172)  scheint  man  als  λαογραφία  be- 
zeichnet zu  haben.  Vgl.  P.  Teb.  103  (288)  und  dazu  Teb.  121  IV  60  f. 
Hin  und  wider  werden  auch  Volkszählungen  vorgenommen  worden 
sein.  ^) 

2.    Die  Feststellung  der  Steuerobjekte.^) 

Die  schwierige  Aufgabe,  die  Objekte  für  die  zahlreichen  Steuern  fest- 
zustellen, haben  die  Ptolemäer  dadurch  zu  lösen  gesucht,  daß  sie  Selbst- 
deklaration der  Steuerzahler  und  amtliche  Nachforschung  und  Feststellung 
miteinander  verbanden.  Dies  Prinzip  tritt  klar  hervor  in  den  einzigen 
uns  erhaltenen  Steuereinführungsordres  —  den  προβτάγματα,  durch  die 
Ptolemaios  II  Philadelphos  die  Veranlagung  zu  der  von  ihm  neu  organi- 
sierten αττοαοιροί  einleitete:  von  den  Beamten  und  den  betreffenden  Grund- 
besitzern werden  parallele  απόγραφαν  eingefordert.  Vgl.  Rev.-P.  36 — 37 
(249).  Handelt  es  sich  hier  um  eine  Ausnahmebestimmung  aus  Anlaß 
der  Umwandlung  einer  erst  jetzt  in  staatliche  Verwaltung  übergehenden 
Abgabe,  so  haben  doch  dieselben  beiden  Faktoren  ebenso  auch  für  die 
reguläre  Steuerveranlagung  nebeneinander  gewirkt.  Für  die  Immobilien 
stand  den  άπογραφαί  der  Hausbesitzer  der  amtliche  Kataster  gegenüber, 
der  andrerseits  für  die  Berechnung  der  Grundsteuer  für  sich  genügte  und 
ohne  Deklarationen  evident  gehalten  wurde  (s.  unten),  während  für  die 
Mobilien  die  άπογραφαί  eventuell  durch  amtliche  Nachforschung  (Aus- 
zählung oder  dgl.)  kontrolliert  wurden. 

1)  Vgl.  Gr.  Ostraka  I  437.  Zustimmend  H.  Maspero  1.  c.  221,  Bouche-Leclercq  1.  c, 
AVachsmuth  1.  c.  778. 

2)  Vgl.  auch  Bouche-Leclercq  III  292. 

3)  Vgl.  die  ävuyQcicpui  hei  Diodor.  Oben  S.  173  Anm.  6.  Listen  λ^οη  Haus- 
ständen, die  auf  die  ά%ογραφοίί  zurückgehen,  vgl.  in  Petr.  III  S.  175/6,  S.  177  (nach  den 
olyiica  geordnet).  Eine  Summierung  ist  erhalten  in  Petr.  III  S.  174  (66).  Eine  Zählung 
nach  den  Gewerben  in  Petr.  III  S.  173. 

4)  Außer  den  oben  genannten  300  000  Freien  von  Alexandrien  nennt  Diodor  an 
anderer  Stelle  (I  36,  6)  7  Millionen  Einwohner  fürs  ganze  Land  für  seine  Zeit.  Zu 
dieser  Zahl  vgl.  meine  Gr.  Ostraka  I  489  f.  und  dazu  Wachsmuth  1.  c.  779  f. 

δ)  Vgl.  Gr.  Ostraka  I  456  fF. 


Α.  Die  Ptolemäerzeit.     §  2.    Die  Steuerveranlagung.  175 

a.   Die  άπογραψαί. 

Es  ist  bisher  nicht  bemerkt  worden,  daß,  ähnlich  wie  wir  es  für  die 
Kaiserzeit  durch  das  Edikt  des  Mettius  Rufus  gelernt  haben  (s.  unten), 
so  auch  in  der  Ptolemäerzeit  bezüglich  der  Periodizität  der  Deklarationen 
zwischen  denen  für  Immobilien  und  für  Mobilien  ein  Unterschied  be- 
standen hat. 

Immobiliendeklarationen  liegen  vor  (sämtlich  aus  dem  III.  Jahrb. 
V.  Chr.)  in  Lond.  I  S.  49  (221),  Petr.  ΙΠ  S.  200  (222).  Vgl.  auch  P.  Cairo 
in  Arch.II  82ff.  (224)  und  Petr.  II  11  (2)  (223).  Nur  die  beiden  ersten 
sind  άΛογραφαί^  gerichtet  an  den  επιμελητής  resp.  ßaöikixbg  γραμματεύς. 
Die  unter  224  vereinigteu  Stücke  sind  nicht  άπογραφαι\  sondern  Anzeigen 
an  den  επιμελητής  über  άπογραφαί,  die  bereits  an  den  οίχονόμος  und 
βαόίλίχος  γραμματεύς  vollzogen  sind.  Der  Brief  Nr.  223  erΛvähnt  eine 
απογραφή  eines  οίκόπεδον  an  das  τελώνιον  (s.  Kommentar).  Die  Tat- 
sache, daß  diese  άπογραφαί  alle  an  Finanzbehörden  gerichtet  sind,  erhebt 
es  über  jeden  Zweifel,  daß  sie  zu  Zwecken  der  Steuerveranlagung  ein- 
gereicht sind.  Vgl.  im  besonderen  in  der  Meldung  an  den  Epimeleteu: 
"ίνα  τάΙ\ωμαι\  τα  χαϋ'ήκοντα  τέλη  τούτων  (224).  In  allen  Fällen  handelt 
es  sich  um  Gebäude.  In  dem  allein  vollständig  erhaltenen  P.  Lond.  werden 
die  Maße  der  Gebäude  und  ihre  Orientierung  nach  den  Nachbarn  ange- 
geben, außerdem  wird  wie  auch  in  den  P.  Cairo  der  Wert  taxiert.  Über 
Grundbesitz  ist  aus  dieser  Periode  keine  Deklaration  bekannt 
(s.  unten  S.  177). 

Der  Hinweis  auf  ein  πρόΰταγμα  in  den  beiden  άπογραφαί^)  macht  es 
mir  jetzt  (nach  Kenntnis  des  Edikts  des  Mettius  Rufus)  so  gut  wie  sicher, 
daß  diese  Immobiliendeklarationen  nicht,  wie  wir  annahmen*),  alljährlich 
einzureichen  waren,  sondern  von  Zeit  zu  Zeit  durch  besondere  königliche 
Verfügung  angeordnet  wurden.  Ob  es  dafür  regelmäßige  Perioden  gegeben 
hat*),  oder  je  nach  Bedarf  die  Deklarationen  verlangt  wurden,  was  wohl 
wahrscheinlicher  ist,  läßt  sich  nicht  mit  Sicherheit  sagen. 

Mobiliendeklarationen  liegen  vor  über  Getreidevorrate  yin  V.  \W\. 
[198],  angeschlossen  an  die  Hubjektsdeklaration,  sowie  in  einem  kleinen 
Fragment  des  Alexandrinischen  Museums  [241]),  über  Viehbeeitz  (Hib.  33 
1243]  und  Petr.  m  S.  201  [242]),  über  verschiedene  Utensüien  (Petr.  II 
Intr.  S.  33  [244]),  alle  aus  dorn  III.  Jahrh.  v.  Chr.  Die  Adreeeaten  sind 
iKir  in  Hib.  33  genannt:  /.ονόμος   und   in   der  Paraileleingabe   der 


1)    {*ΛΛ   ΜΊ1Ι•  ! 

Petr.  III  8.  200,   <l 

:■♦ 

neiiot 

i)  <■ 

14  Jahn• 

Vuob  noch  Boueh• 
lurch  da«  η^ό' 
•  η  der  Kaieer/• 

in  «91  ff. 

••»chloeMD:   ftudi  diu  alle 

176  Kapitel  V.     Das  Steuerwesen. 

τοπογραμμ,ατενς.  Daß  diese  άπογραφαί  alljährlicli  eingereicht  werden 
mußten,  liegt  in  der  Sache.  Darum  ist  auch  hier  kein  Hinweis  auf  ein 
τνρόοταγμα.  Wahrscheinlich  sind  alle  derartigen  Eingaben  amtlich  nach- 
geprüft worden,  doch  liegt  für  diese  Zeit  kein  direktes  Zeugnis  dafür  vor. 

Alljährlich  wie  diese  άπογραφαί  waren  auch  die  durch  das  Grund- 
gesetz über  die  άτΐόμοίρα  vorgeschriebenen  Abschätzungen  (όνντψήοεις) 
der  Ernte  von  αμπελώνες  und  τύαράδειβοι^  denn  diese  Ernten  waren  variable 
Mobilien.  Daß  solche  Abschätzungen  (anders  als  bei  der  Grundsteuer)  ver- 
langt wurden,  hängt  mit  dem  Quotencharakter  der  αΛομοιρα  zusammen. 
Vgl.  Petr.  II  21,  1  (250)  und  30  (e). 

Eine  besondere  Gruppe  bilden  endlich  die  Zolldeklarationen  {άπο- 
γραφαί),  die  in  dem  betreffenden  νόμος  τελωνικός  zum  Vorzeigen  auf  der 
Zollstation  vorgeschrieben  wurden.  Vgl.  Rev.-P.  52,  13  ff.  Vgl.  auch  aus 
der  Kaiserzeit  Oxy.  I  36  (273). 

b.  Der  Kataster. 
Wie  das  Deklarationssystem  haben  die  Ptolemäer  auch  den  Kataster 
von  ihren  Vorgängern  übernommen.  Was  Herodot  II  109  von  Sesostris 
erzählt^),  gilt  im  wesentlichen  auch  für  die  griechische  —  und  römische  — 
Zeit  (vgl.  Gr.  Ostraka  I  175,  480  ff.).  Es  waren  eben  dieselben  Natur- 
erscheinungen, die  Nilüberschwemmung  mit  ihren  für  die  Grenzen  der 
Grundstücke  und  nicht  minder  für  ihren  Kulturwert  so  wichtigen  Konse- 
quenzen, die  einer  sorgsamen  Regierung  zu  allen  Zeiten  dieselben  Auf- 
gaben stellten.  Schon  aus  dem  dürftigen  Material,  wie  es  früher  vorlag, 
konnten  wir  ersehen,  daß  im  besonderen  die  Dorfschreiber  einen  Kataster 
führten,  aus  dem  sie  auf  amtliche  Nachfrage  Maße,  Lage  und  Wert  jedes 
Grundstückes  (μέτρα ^  γευτνίαι^  alCaC)  angeben  konnten.^)  Auch  die  von 
Herodot  gekennzeichnete  Evidenthaltung  des  Katasters  durch  Lokalinspek- 
tionen (έτνίοκεψείς)  ließ  sich  schon  früher  erkennen.^)  Aber  einen  tieferen 
Einblick  in  die  Anlage  dieser  Kataster  haben  uns  doch  erst  die  für  die 
innere  Geschichte  Ägyptens  überhaupt  grundlegenden  Tebtynispapyri  des 
I.  Bandes  (1902)  und  der  ausgezeichnete  Kommentar  von  Grenfell-Hunt 
gebracht.  Auf  diese  in  erster  Reihe  muß  hingewiesen  werden,  wer  in  diese 
sehr  verwickelten  Fragen  eindringen  will.  Hier  muß  ich  mich  auf  wenige 
Worte  und  wenige  Proben  beschränken.     Die  Tebtynispapyri  haben  nicht 


1)  Εί  άέ  τίνος  τον  κλί^ρου  ο  ποταμός  τι  ηαρέλοηο,  έλϋ'ών  αν  τνρος  αντον  έοήμαινε 
το  γεγενημένον '  6  dh  ^τΐεμπε  τονς  έτΐΐο'Λειρομένονς  καΐ  άναμετρήβοντας  ο6ω  έλάοβων 
6  χώρος  γέγονε^  οκως  τον  λοίΛον  κατά  λόγον  της  τεταγμένης  άποφορής  τεΧέοι.  Vgl. 
Diod.  Ι  81,  2,  auch  Strabo  ΧΥΙΙ  ρ.  787:  ανάγκη  άη  άναμετρεΐα&αι  πάλιν  και  πάλιν. 

2)  Vgl.  namentlich  Theb.  Bank  IV  2,  13  ff.  und  dazu  meinen  Kommentar  in  den 
Abh.  Pr.  Akad.  1886  S.  46,  ferner  S.  34 f.  den  Hinweis  auf  Tor.  I  4,  6 ff.,  auch  Ostraka 
I  485  f. 

3)  Vgl.  Gr.  Ostraka  I  175 f.  und  485 ff. 


Α.  Die  Ptolemäerzeit.     §  2.   Die  Steuerveranlagung.  177 

nur  neue  Belege  für  die  Handhabung  des  Katasters  durch  die  Beamten 
gebracht  —  vgl.  Teb.  14,  Teb.  30  (233)  — ,  sie  haben  uns  vor  allem  um- 
fangreiche Bruchstücke  von  Vermessungsurkunden  und  Listen  verschie- 
denster Art  beschert,  die,  wenn  auch  keines  von  ihnen  selbst  als  Kataster- 
original anzusprechen  ist,  doch  z.  T.  auf  die  Kataster  direkt  zurückgehen 
und  uns  dadurch  einen  Einblick  in  diese  gewähren.  Es  sind  die  Urkunden 
aus  faijümischen  Dörfern  (Ende  des  Π.  Jahrb.  v.  Chr.),  die  die  Heraus- 
geber unter  dem  Gesarattitel  „The  land  surve/'  (Teb.  60—88)  zusammen- 
gestellt und  im  Appendix  I  (S.  538  ff.)  erklärt  haben.  Es  sind  Berichte 
vom  Dorfschreiber  (z.  T.  auch  von  anderen  Beamten),  wie  sie  alljährlich 
auf  Grund  des  Katasters  für  die  Zwecke  der  Feststellung  der  Steuern  resp. 
Pachtsummen  an  die  Vorgesetzten  einzureichen  waren.  Eine  Gruppierung 
der  verschiedenen  Akten  geben  die  Herausgeber  auf  S.  538.  Da  sind 
Listen  der  Besitzer  von  Tempel-  und  Lehnsland  (vgl.  Nr.  62,  63,  65), 
Saatenberichte  über  Königsland  (vgl.  Nr.  66 — 70),  Berichte  über  unkulti- 
viertes Königsland  (Nr.  74 — 75),  detaillierte  Berichte  über  den  gesamten 
Boden  des  Dorfes  (Nr.  61,  64)  usw.  Von  der  geographischen  Anordnung 
der  geometrisch  vennessenen  Einzelparzellen  im  Kataster  erhalten  wir  die 
beste  Vorstellung  durch  die  Auszüge  Nr.  84 — 87  (231).  In  mehreren 
dieser  Urkunden  wie  auch  in  Nr.  78,  81,  82  (232),  83  tritt  uns  die  ixl- 
οχεψίς  greifbar  entgegen. 

Der  Kataster  umfaßte  also  das  gesamte  Land  (xcäv  έδαφος) f  das 
Königsland,  eben.so  wie  das  Tempel-  und  Lehne-  und  Privatland.  Er  ent- 
hielt genaueste  Angaben  über  den  Umfang  der  Einzelparzellen,  über  die 
Namen  der  Besitzer,  auf  deren  Namen  sie  eingeschrieben  waren  {άναγρά- 
(fB6^aL)y  über  die  Zugehörigkeit  zur  yfi  βαόίλίχή^  t'^P^f)  χληρονχιχιΐ  oder 
ιδιόκτητος  (vgl.  Kap.  VU),  über  den  Kulturzustand,  ob  es  besät  war 
(όπύριμος)  und  mit  welcher  Fruchtsorte,  oder  ob  es  unbesät  und  ohne 
Ertrag  war  (υπόλογος),  und  aus  welchem  Grunde  (ob  άλμνρις  oder 
χίρόος  etc.).  Im  ersteren  Falle  war  femer  der  Ertrag  in  Artaben  pro 
Arure  gebucht,  gleichviel  ob  es  sich  um  Pachtzins  (bei  der  Domäne)  oder 
Grundsteuer  handelte,  so  daß  auch  die  a^icc  jeder  Parzelle  —  im  Falle  von 
Verpachtungen  u.  dgl.  —  festgestellt  werden  konnte.  Wie  diese  VerhÄli- 
nisse  alljährlich  namentlich  durch  die  Nilüberschwemmang  einer  Ver- 
änderung unterlagen,  so  mußten  auch  die  Eintragungen  des  Katastera 
alljährlich  einer  Revision  unterworfen  werden.  Hierzu  dienten  die  ami- 
lichen Lokalinspektionen.  Während  in  den  obigen  Urkunden  auf  diese 
Ιπίόχίψης  bfiHtäiidig  hingewieeen  wird,  findet  sich  nicht  ein  einsigee  Mal 
ein  Hinweis  auf  eine  απογραφή.  Es  ift  daher  wohl  kein  Zufall,  da6 
uns,  wie  ich  oben  betonte,  aus  piolem&iacher  Zeit  keine  Qnuidstfloka> 
deklaration  erhalten  ist  Man  aohoiDt  alao  —  wenigetens  nach  dem  bis 
jetzt  vorlir>g(>nden  Material  —  den  Kataater  lediglich  dnrch  die  amtlichen 

Μ 1 1 1  •  ο !  Oniadeflff•  I.  ^^ 


178  Kapitel  V.     Das  Steuerwesen. 

Lokalinspektionen  und  Nachmessungen  evident  gehalten  zu  haben,  und 
die  Nachrichten  aus  römischer  Zeit  bestätigen  diese  Vermutung  (s.  unten). 
An  sich  wäre  mit  diesem  System  durchaus  vereinbar,  daß  wie  in 
der  Kaiserzeit  auch  jetzt  άπογραφαί  über  die  von  der  Überschwemmung 
verursachten  Veränderungen  der  normalen  Ertragsfähigkeit  (wie  durch 
άβροχία^  έμβροχία  etc.)  an  die  Steuerbehörden  eingereicht  wären,  die 
dann  als  Material  für  die  εΛίόκεψις  benutzt  wären  (vgl.  unten),  aber 
bisher  sind  für  die  Ptolemäerzeit  keine  Spuren  von  solchen  ά^τογραφα^ 
gefunden  worden.  Mit  dieser  ά7toγρaφή-¥rage  hat  es  nichts  zu  tun,  wenn 
gelegentlich  von  Interessenten  —  aber  freiwillig,  nicht  auf  Grund  eines 
πρόΰταγμα  —  Anzeigen  von  eingetretenen  Besitzveränderungen  zwecks 
Umschreibung  des  Namens  gemacht  wurden.  Vgl.  P.  Teb.  30  (233)  und  31. 
Diese  Anzeigen  sind  nur  durch  den  Schlendrian  bei  den  unteren  Behörden 
veranlaßt  worden  und  richten  sich  zunächst  auch  nur  an  die  Syntaxis- 
behörde  der  Katöken. 

Neben  dem  Grundstückskataster  wird  es  auch  damals,  wie  nachher  in 
der  Kaiserzeit,  einen  Gebäudekataster  gegeben  haben.  Die  oben  be- 
sprochenen άτίογραφαί  über  Gebäude  (s.  S.  175)  sind  durchaus  so  gehalten, 
daß  sie  gelegentlichen  Revisionen  des  Gebäudekatasters  gedient  haben 
können,  und  eine  andere  Verwendung  ist  für  die  Ptolemäerzeit  nicht 
erweislich.  , 

Selbstverständlich  ist  nicht  nur  das  Areal  der  Dörfer,  sondern  auch 
das  der  Städte  katastriert  worden.  Für  den  städtischen  Gebäudekataster 
der  Stadt  Memphis  ist  denn  auch  Lond.  I  S.  49  (221)  bestimmt,  während 
die  Eingaben  der  Cairener  Papyri  (224)  Häuser  in  Dörfern  betreffen.  Für 
Arsinoe  vgl.  Teb.  86. 

Wir  dürfen  ferner  mit  Sicherheit  annehmen,  daß  entsprechend  dem 
stark  zentralisierten  System  der  ganzen  Administration  auch  die  verschie- 
denen Dorfkataster  eines  Gaues  mit  dem  der  Metropole  zusammen  in  der 
Gauhauptstadt  zu  einem  einheitlichen  Gaukataster  vereinigt  worden  sind. 
Ja,  es  ist  sogar  zu  vermuten,  daß  man  in  Alexandrien  die  Gaukataster 
ganz  Ägyptens  zur  Verfügung  hatte.  Gegen  die  erstere  Annahme  könnte 
angeführt  werden,  daß  von  den  Beamten  der  Metropole  häufig  Auskünfte 
aus  dem  Dorf  kataster  von  den  Dorfschreibern  eingefordert  wurden.  Vgl.  oben 
S.  176.  Aber  zugunsten  der  Annahme  spricht  wiederum  die  Tatsache,  daß 
in  Teb.  30  (233)  der  βαβιλικοξ  γραμματεύς^  also  der  in  der  Metropole  resi- 
dierende Gaubeamte,  gebeten  wird,  bei  sich  (πάρα  öol)  eine  Umschreibung 
im  Kataster  vorzunehmen.^)  Jene  Anfragen  an  die  Dorfschreiber  sind 
also  vielleicht  so  zu  deuten,  daß  dadurch  eine  gegenseitige  Kontrolle  des 


1)  Vgl.  H.  Lewald,  Beiträge  zur  Kenntnis  d.  röm.-ägyptischen  Grundbuchrechts 
1909  S.  82  Anm.  6. 


Α.  Die  Ptolemäerzeit.     §  3.    Die  Steuererhebung.  179 

speziellen  Dorfkatasters  und   des   allgemeinen  Gaukatasters  erzielt  werden 
sollte.     Doch  wären  auch  noch  andere  Motive  denkbar. 

3.  Die  Steuerberechnung. ^) 
Auch  heute  sind  die  Nachrichten  über  die  Steuerberechnung  noch 
sehr  dürftig.  Die  vorbereitenden  Arbeiten,  die  Einforderung  und  Prüfung 
der  Deklarationen,  die  Evidenthaltung  des  Katasters,  die  Anfertigung  der 
verschiedensten  Listen  (s.  oben  S.  177),  das  alles  wurde,  wie  wir  sahen, 
im  Lande  geleistet,  und  von  allen  Schriftstücken  gingen  Exemplare  nach 
Alexandrien.  Hier,  unter  den  Augen  des  Königs,  der  —  wahrscheinlich 
ohne  festes  Budget  wirtschaftend^)  —  selbstverständlich  allein  das  Recht 
der  Steuerauflage  hatte,  fand  wie  die  Abrechnung  über  das  verflossene 
Jahr  so  auch  die  Neuberechnung  für  das  neue  Jahr  statt.  Sein 
Finanzminister,  der  Dioiketes,  wurde  hierbei  in  erster  Reihe  unterstützt 
von  dem  gleichfalls  in  Alexandrien  residierenden  Ober-Rechnungsrat,  dem 
(χλογιότής,  der  ihm  unter  den  übrigen  Beamten  im  Range  vielleicht  am 
nächsten  stand'),  und  der  seinerseits  für  jeden  Gau  einen  gleichfalls 
εκλογίότής  genannten  Beamten  unter  sich  hatte.*)  Nach  den  neueren 
Aufschlüssen  über  die  Kaiserzeit  (s.  unten)  ist  es  wahrscheinlich,  daß 
auch  schon  die  ptolemäischen  Gau-Eklogisten  in  Alexandrien  ihr  Bureau 
gehabt  haben,  während  ihre  Untergebenen  (γραμματείς  etc.)  in  den 
λογιστήρια  der  Gaue  arbeiteten.  Wie  man  in  Alexandrien  gerechnet  hat, 
darüber  liegen  uns  keine  Akten  vor.  Das  Ergebnis  war  für  die  Kom- 
lieferungen  die  όιτιχή  διαγραφή,  die  allgemeine  Einforderungs- An  Weisung, 
die  dann  ins  Land  hinausging  und  hier  die  Grundlage  für  die  Ablieferung 
der  ΰιτικά  bildete. '  Vgl.  Teb.  I  61  (b)  37  und  72,  448  {έπΙ  6\  r^g  ηραγ- 
ματεν^είόης  οιτιχής  διαγραφής  έπΙ  Ειρηναίου  τ[ον]  έγλογι6τον^).)  Ent- 
sprechend sind  wohl  auch  für  die  Berechnung  der  Geldsteuern  auf  Grund  der 
vom  Lande  eingegangenen  Akten  die  Grundlagen  im  Bureau  des  Eklo- 
gisten  geschaffen  worden. 

§  3.    DIE  STEUERERHEBUNG. 
W  ;•    dl.'  Steuern   nur   vom   König   verfügt  worden   konnten,  und   die 
Steuerviianla^ung   auf  königlichen  Verordnungen    beruhte,   so    war  auch 
die  Steuererhebung  in   ihren  Gbiindzügen   wie  in  ihrer  variablen  Anwen- 
dung auf  das  einzelne  Jahr  durch    die    königliche  G^esetxgebang   {νόμοι) 

1;  V^rl.  (ir.  Oetraka  I  4'.»*2ff. 
S)  Vgl.  Qr.  Ostraka  I  496. 

8)  Vgl.  Rev.  P.  87, 11  (249).    Vgl.  Rontowitew,  StaaUpiu-lii  S  .^89. 
ii  Vgl.  xnm  Kklogiiten  Qr.  Ostraka  I  4USir 

Λ)  Vgl    hierzu  I{oHtowr.ew,  Archir  Ili  SOS.    Mir  acheiiil  »wv..  .u  Teb.  t9,  18  dm- 
YQUffi'i  in  diesem  Hinne  Toreuliogen. 

11• 


IQQ  Kapitel  V.    Das  Steuerwesen. 

und  durcli  königliche  Kabinetsordres  (διαγράμματα,  τίροότάγματα,  öloq- 
ϋ'ώματα)  bis  in  die  kleinsten  Einzelheiten  geregelt.^)  Uns  liegen  einige 
außerordentlich  wertvolle  Reste  dieser  Steuergesetzgebung  vor,  besonders 
im  Revenue-Papyrus  (ΙΠ.  Jahrb.)  ^)  und  in  dem  P.  Par.  62  (IL  Jahrb.). 
Hier  soll  nur  der  erste  allgemeine  Teil  des  Revenue-Papyrus,  zu  dem  ich 
wichtigere  neue  Lesungen  mitzuteilen  habe,  abgedruckt  werden  (258)^); 
eine  Neuausgabe  des  Paris.  62  bleibt  den  UPZ  vorbehalten.  Während  wir 
früher  annahmen,  daß  alle  Steuern  auf  Grund  solcher  Verordnungen 
verpachtet  gewesen  seien*),  hat  Rostowzew  erkannt,  daß  die  6υτιχά,  die 
in  Getreide  zu  zahlenden  Steuern,  ohne  Pacht,  direkt  eingegangen  sind, 
in  denselben  Formen,  wie  die  εκφόρια  der  Domanialpächter.^)  Wir  haben 
somit  auch  schon  für  die  Ptolemäerzeit  zwischen  Regie  und  Pacht  zu 
scheiden. 

1.   Die  Regie. 

Daß  die  εκφόρια  der  Domanialpächter  direkt,  ohne  Vermittlung  von 
Erhebungspächtern,  an  die  Thesauren  geliefert  wurden,  geht  im  besonderen 
aus  den  Tebtynis-Papyri  klar  hervor  (s.  unten  Kap.  VII).  Ähnliches  Mate- 
rial fehlt  uns  für  die  Erhebung  der  Grundsteuern.  Gleichwohl  ist  es  sehr 
wahrscheinlich,  daß  die  verschiedenen  Grundsteuern,  die  auf  dem  Privat- 
boden lasteten  (s.  oben  S.  171),  in  derselben  Weise  an  die  Thesauren  ab- 
geführt worden  sind.  Rostowzew  hat  kürzlich  vorsichtig  die  Möglichkeit, 
ja  die  Wahrscheinlichkeit  zugegeben,  daß  einige  dieser  Grundsteuern  durch 
Pächter  erhoben  seien  und  hat  auf  Teb.  58  (287)  zum  Beleg  hingewiesen.^) 
Es  ist  aber  nicht  sicher,  daß  es  sich  hier  um  Steuerpacht  handelt;  es 
wird  eher  von  einem  Unternehmergeschäft  die  Rede  sein  (s.  den  Kom- 
mentar). So  können  wir  nur  sagen,  daß  es  z.  Z.  keinen  sicheren  Beweis 
für  die  Verpachtung  von  όιτικά  gibt.  '^)  Die  Sitologenquittungen  auf  Ostraka 
nennen  nicht,  wie  ich  angenommen  hatte,  den  Namen  des  Steuerpächters, 
sondern  den  des  Zahlers,  d.  h.  des  Landpächters  oder  aber  des  Grundbesitzers. 
Das  zeigt  jetzt  für  die  Landpacht  das  Cairener  Ostrakon  n.  9522  (261),  in 
dem  zum  ersten  Mal  ausdrücklich  das  εκφόριον  an  dieser  Stelle  genannt 
wird.^)     Dann  ist  es  aber  auch  so    gut  wie    sicher,    daß    in    den    anderen 


1)  Vgl.  Gr.  Ostraka  I  513  ff,     Ein    τίρόοταγμοί    über    alexandrinische    Zölle    z.  B. 
in  P.  Teb.  I  5,  22  ff.  (260).     Ein  δωρΰ-ωμα  in  Rev.  P.  57  f.  und  59  f. 

2)  Fürs  III.  Jahrh.  vgl.  auch  P.  Hibeh  29  (259). 

3)  Vgl.  aucb  für  die  άχόμοιρα  Nr.  249. 

4)  So  auch  ich  in  den  Gr.  Ostraka  I. 

5)  Wochenschrift  f.  klass.  Philol.  1900   Sp.  124f;    Archiv  ΠΙ  206 f.     Zugestimmt 
haben  ihm  inzwischen  auch  Wachsmuth  1.  c.  und  Bouche-Leclercq  ΠΙ  341  f.  und  359  ff. 

6)  Archiv  III  207. 

7)  Daß  mein  Ostrakon  (II)  n.  1255  kein  Beweis  ist,  wie  ich  angenommen  hatte, 
hat  Rostowzew,  Woch.  1.  c.  gezeigt. 

8)  Vgl.  Wilcken,  Zum  alexandrinischen  Antisemitismus.  Abh.  Sachs.  Gesch.  d.W. 
1909  S.  788,  3. 


Α.  Die  Ptolemäerzeit.     §  3.    Die  Steuererhebung.  181 

FälleD^  in  denen  eine  der  Grundsteuern  genannt  wird,  wie  die  επιγραφή 
(vgl.  Beispiele  in  Gr.  Ostraka  I  194),  der  Quittungsempfänger  gleichfalls 
nicht  der  Steuerpächter  ist,  sondern  der  Zahler,  also  hier  der  Grund- 
besitzer.^) Diese  Sitologenquittungen  der  letzten  Art  scheinen  mir  z.  Z. 
die  sichersten  Belege  für  das  Fehlen  der  Pacht  hei  den  όιτιχά  zu  sein. 

Nach  Analogie  der  έκφόρια  dürfen  wir  vermuten'),  daß  auf  der  Dorf- 
tenne, wohin  zunächst  die  gesamte  Ernte  zu  bringen  war,  nach  dem 
Dreschen  die  Grundsteuern  für  den  König  abgesondert  und  dann  in  den  — 
wohl  meist  benachbarten  —  Dorfthesaurus  transportiert  wurden.  Die  Ab- 
sonderung für  den  König  wird  auf  Grund  der  Spezialisierungen  der  όιτίχή 
διαγραφή  (s.  oben  S.  179),  in  der  für  jeden  Kontribuenten  der  zu  liefernde 
Betrag  genau  verzeichnet  war,  wahrscheinlich  durch  den  χωμογραμματεύζ 
erfolgt  sein.  Vgl.  Teb.  29,  12  ff.  Der  ganze  Akt  vollzog  sich  unter  der 
Aufsicht  der  königlichen  Beamtenschaft,  im  besonderen  der  Erntewächter 
(  γενηματοφνλακες). 

Im  Dorfthesaurus  wurde  dann  das  als  Grundsteuer  gelieferte  Korn 
vom  Sitologen  —  damals  je  einem  für  jeden  Thesaurus  —  in  Empfang 
genommen.  Da  diese  Beamten  nicht  schon  in  früheren  Momenten  in  die 
Erhebung  eingreifen,  sondern  erst  bei  der  Ablieferung  in  den  Thesaurus 
durch  die  Grundbesitzer  das  Getreide  übernehmen,  so  möchte  ich  nach 
wie  vor  die  Sitologen  nicht  als  „Steuererheber"  bezeichnen^),  sondern  als 
Thesaurusbeamte,  die  den  Trapeziten  parallel  stehen.*)  Im  Thesaurus 
fand  dann  die  amtliche  Reinigung  des  Getreides  statt,  wofür  Natural- 
gebühren  berechnet  wurden.  Vgl.  P.  Alex.  1  (198)  und  Teb.  92. ^)  Hier 
wurde  jede  Lieferung  mit  den  amtlich  geaichten  Maßen  nachgemessen, 
und  zwar  außer  von  den  Sitologen  auch  von  den  αντιγραφείς^  die  ihnen 
vom  königlichen  Schreiber  als  Kontrolleure  an  die  Seite  gesteUt  waren. 
Vgl.  Nr.  189.  Daß  beide  aber  gelegentlich  gemeinsame  Betrügereien 
machten  zum  Schaden  der  Steuerzahler  und  grtißere  Maße  benutzten, 
zeigt  der  Erlaß  des  Euergetes  II  in  Teb.  5,  85  ff.  Gemeinsam  vom  Sito- 
logen und  άντιγραφενς  wurden  dann  auch  die  Quittungen  ausgestellt. 
Vgl.  Amh.  59.  60.^)  Doch  haben  die  Sitologen  auch  allein  quittiert.  Vgl. 
Rein.  40  und  viele  Ostraka. 

Soweit  das  Korn  nicht  im  Lande  verbraucht  wurde,  wurde  <  s  dann  au  d«Mi 
König  nach  Alexandrien  in  die  großen  Getreidespoichfr  (ro  jii.riu.t/.oi'\  l:»•- 
Mchickt.    Lagen  die  Thesauren  nicht  an  einer  Wasserstraßt•,  m.  iil).>nuilnu.Mi 

1)  Dieien  Schluß  habe  ich  in  den  Abb.  Sftohi.  Q«ioh.  d.W.  noch  ni< 
8)  Vgl.  bierxu  die  klaren  Darlegungen  von  Rottowiew,  Arch.  XU  SOiflf. 
8)  So  Kottowzew,  Woch.  f.  kl.  Ph.  1.  c.  und  Monit. 
4)  Znitimmend  HoucboLecl('rc(|  III  878  i1 
6)  Vgl.  Roetowzew,  Arch.  III  209. 

6)  ICoHtowzew,  Arch.  111  20β  hesieht  in  den  doppelt  unieneioblieleB  Otiraka- 
Cjuittungen  die  zweite  UnterMchrift  auf  den  άνηγγΛφφύ$. 


132  Kapitel  V.     Das  Steuerwesen. 

die  Transportgesellschaften  der  όνηλάταί  oder  κτηνοτρόφοι  gegen  ein  φόρε- 
τρον  den  Transport  über  Land  bis  zum  nächsten  Hafen.  ^)  Von  hier  aus 
fand  dann  die  εξαγωγή  resp.  καταγωγή  τον  οίτον  statt.  Zum  Getreide- 
transport vgl.  Kap.  X. 

2.   Die  Pacht. 

Wie  die  ptolemäischen  Thesauren  in  ihrer  Anlage  durchaus  denen 
der  Pharaonenzeit  gleichen^),  so  wird  auch  das  ganze  im  vorigen  Abschnitt 
skizzierte  direkte  Erhebungssystem  wahrscheinlich  von  der  Vorzeit  über- 
nommen sein^),  und  die  Ptolem'aer  werden  vor  der  Frage  gestanden  haben, 
ob  sie  auch  die  anderen  Steuern  in  ähnlicher  Weise  wie  bisher  einziehen 
sollten.  Nach  Arrian,  Anab.  III  5,  4  scheint  Alexander  der  Große  in  dem 
Erhebungssystem,  das  er  vorfand,  nichts  geändert  zu  haben:  die  Nomarchen 
sollten  nach  wie  vor  in  ihren  Gauen  die  Steuern  erheben,  nur  daß  sie 
sie  dann  an  Kleomenes  von  Naukratis,  den  er  zum  Finanzchef  über  ganz 
Ägypten  setzte,  abzuliefern  hatten.  Erst  die  Ptolemäer  sind  es  gewesen, 
die  nach  griechischem  Muster^)  das  Steuerpachtsystem  einführten.  Das 
wird  gewiß  damit  zusammenhängen,  daß  sie  durch  Schaffung  einer 
eigenen  Landesmünze  der  Geld  Wirtschaft  die  Tore  öffneten.^)  Zwar 
haben  sie  nicht  ausschließlich  die  Geldsteuern  (diese  allerdings  sämtlich), 
sondern  z.  B.  auch  die  in  natura  (Wein)  zu  liefernde  άπόμοιρα  dem  neuen 
Pachtsystem  unterworfen.  Dies  wird  darauf  zurückzuführen  sein,  daß  diese 
Steuer  eine  Quotensteuer  war,  die  daher  —  ebenso  wie  die  sizilische 
decuma  der  lex  Hieronica  —  für  eine  Behandlung  durch  Pächter  quali- 
fiziert war.^)  Dagegen  ist  es  begreiflich,  daß  sie  für  die  ύιτικά,  deren 
fixer  Betrag  pro  Kopf  genau  berechnet  war,  das  vorgefundene  direkte 
Erhebungssystem  bestehen  ließen.  Soweit  wir  z.  Z.  sehen  können,  sind 
alle  Steuern  mit  Ausnahme  der  Getreide-Grundsteuern  der  Pacht  unter- 
worfen worden. 

Wie  auch  andere  griechische  Einrichtungen,  die  damals  nach  Ägypten 
verpflanzt  wurden,  in  der  Luft  des  Absolutismus  sich  verändert  haben '^), 
so  auch  die  von  der  %όλις  entnommene  Steuerpacht.  Zwar  war  und  blieb 
auch  im  Ptolemäerreich  die  Steuerpacht  normaler  Weise  ein  freies  Ge- 
schäft, das  der  Pachtlustige  mit  dem  Staat  abschloß,  aber  dadurch,  daß 
der  Pächter  während  seiner  gesamten  Geschäftsführung  unter  beständiger 


1)  Vgl.  Fay.  18b.     Petr.  II  39  g. 

2)  Vgl.  Gr.  Ostraka  I  650  f. 

3)  Genauere  Untersuchungen  hierüber  von  ägyptologischer  Seite  sind  mir  nicht 
bekannt,  λ' gl  Ad.  Ermans  Ausspruch  (Gr.  Ostraka  I  513,  3):  „Über  Steuereinziehung 
im  alten  Ägypten  wissen  wir  nur,  daß  sie  von  Soldaten  ausgeübt  wird." 

4)  Vgl.  Gr.  Ostraka  I  513. 

5)  Vgl.  Einleitung  §  8. 

6)  Vgl.  Rostowzew,  Woch.  f.  kl.  Ph.  1.  c. 

7)  Vgl.  Wilcken,  Hellenen  und  Barbaren,  N.  Jahrbb.  f.  d.  Kl.  Alt.  1906  I468ff. 


Α.  Die  Ptolemäerzeit.     §  3.    Die  Steuererhebung.  183 

Kontrolle  des  königlichen  Beamtenapparates  funktionierte,  sind  diese  ptole- 
mäisclien  Steuerpächter  doch  etwas  wesentlich  anderes  als  die  freien  Ge- 
schäftsleute der  griechischen  πόλις  geworden.^)  Zwar  ist  durch  meine 
Herstellung  der  10.  Kolumne  des  Revenue  -  Papyrus  (s.  Nr.  258)  die 
weitestgehende  Nachricht  über  die  Unselbständigkeit  des  Pächters  be- 
seitigt worden,  aber  eine  gründliche  Kontrollier ung  durch  die  königlichen 
Beamten  bleibt  auch  so  bestehen.  Aus  dieser  starken  Beteiligung  der 
Beamtenschaft  gewinnt  man  den  Eindruck,  daß  die  griechische  Pacht  nur 
mit  Mühe  in  das  vorhandene  Erhebungssvstem  eingefügt  worden  ist.  Es 
liegt  bei  der  ptolemäischen  Pacht  geradezu  eine  gewisse  Vermischung 
beider  Systeme  vor. 

Über  die  sehr  verwickelten  Fragen  der  Organisation  der  ptolemäischen 
Steuerpacht  muß  ich  mich  hier  auf  die  wichtigsten  Punkte  beschränken, 
die  zur  Einführung  in  die  Texte  unerläßlich  erscheinen.^) 

Alljährlich  wurden  die  Steuerpachten  von  der  Regierung  ausgebot^n. 
Die  Pachtbedingungen,  die  in  ihren  Grundzügen  gesetzlich  festgelegt  waren, 
wurden  in  ihren  Einzelheiten  auf  Grund  der  vorhergegangenen  Steuer- 
veranlagungsarbeiten festgesetzt.  Die  von  einer  Auktionskommission  unter 
Leitung  des  οικονόμος  vorgenommene  Versteigerung  vollzog  sich  in  ganz 
ähnlichen  Formen  wie  die  Versteigerung  von  Domanialland  (s.  unten 
Kap.  VU).  Außer  den  zitierten  Reglements  bietet  hierfür  P.  Louvre  10632 
(167)  für  einen  praktischen  Einzelfall  interessante  Angaben.  Das  Haupt- 
ziel der  Regierung  war,  Pächter^)  zu  finden,  die  ihr  absolute  Sicherheit 
für  die  Erfüllung  des  Pachtgeschäftes  boten.  Conditio  sine  qua  non  für 
den  Zuschlag  war  daher  die  Stellung  von  ausreichenden  Bürgen*)  und, 
wie  es  scheint,  auch  Afterbürgen.^)  Außerdem  wurde  in  der  Regel  die 
Kapital  kraft  des  Pächters  dadurch  vervielfältigt,  daß  er  eine  Pachtgesell- 
schaft  (χοίνωνία)  bildete.^)  Sowohl  die  Namen  der  Gesellschafter  (xot- 
νώνες)  wie  der  Bürgen  mußten  in  einer  ^()αφι{  der  Behörde  eingereicht 
werden:  wer  nicht  in  der  γραφή  stand,  durfte  sich  nicht  beteiligen.    Die- 

1)  Auf  diese  VeränderuDg  habe  ich  zwar  auch  in  den  „Oetraka"  hingewiesen 
(Vgl.  z.  B.  S.616),  aber  mit  Hecht  hat  Rostowzew  (Woch.  f  kl.  Ph.  1.  c  und  StMii- 
pacht  a»8ff.)  eie  noch  viel  stärker  unterstrichen  und  hat  den  Geguniatii  loh&rfer 
herausgearbeitet. 

2)  Vgl.  im  allgemeinen  meine  Griech.  Oetraka  I  618  ff.  und  Rottowaew,  Staatii• 
pacht  886  ff. 

8)  Die  Aneicht  Steiners  (Beitrag  s.  Interpretation  d.  Stenergeeeteet  τοη  Ptolemaioi 
Philadclphos,  Diss.  Heid.  1910  S.  22ff.),  daß  6  βίοίχών  r^tr  Ar^  nicht  der  P&chier, 
■on(l(;rn  mnn  Vertreter  sei,  halte  ich  fQr  irrig.  Die  Idontitllt  le^gt  deutlich  t.  B. 
Rev.  42,8:  wenn  man  den  Pftohter  ruft,  kann  nicht  normaler  Weite  der  Vertreter 
kommen.  Da•  Oetets  liebt  es,  mit  Sjnonymen  xu  wechseln;  vgl.  84, 11  und  18 { 
19,8  und  18. 

4)  Vgl.  auch  die  BOrgscbaftserkULning  Petr.II  46  (110). 

b)  Vgl.  ÜT.  Ostraka  I  654. 

0)  Wilcken,  Ostntka  Τ  Γ•.1&ΙΓ     RosIowmw,  Wochenschr.  ISO.     Rteinn 


134  Kapitel  V.     Das  Steuerwesen. 

qualifiziert  zur  Pacht  waren  die  sämtlichen  königlichen  Beamten,  andrer- 
seits die  Sklaven.  Daß  diese  Gesellschafter  auch  an  gewissen  Aufgaben 
der  Geschäftsführung  teilnahmen,  ist  jetzt  nach  dem  neuen  Wortlaut  von 
Rev.  10  unbestreitbar.^) 

Da  durch  den  genau  ausgerechneten  Regierungsanschlag  dem  Pächter 
die  Hände  gebunden  waren  und  normaler  Weise  die  Möglichkeit  eines 
lukrativen  Geschäfts  nur  in  besonders  günstigen  Jahren  (durch  das  επι- 
γενημα)  gegeben  war,  so  zahlte  die  Regierung  dem  Pächter,  der  die 
Pachtbedingungen  erfüllt  hatte,  Tantiemen  (ρψώνυον),  worin  die  gegen- 
über dem  griechischen  Steuerpächter  veränderte  Stellung  des  ptole- 
mäischen  τελώνης  besonders  deutlich  hervortritt.^)  Im  III.  Jahrh.  ge- 
nügten 5  Prozent,  im  IL  Jahrh.  wurden  10  Prozent  gegeben^),  woraus 
wohl  zu  schließen  ist,  daß  es  allmählich  schwieriger  wurde,  Pächter  zu 
finden.  Die  Schwierigkeiten  in  Nr.  167  sind  speziell  durch  die  Revolution 
herbeigeführt.  Beispiele  für  Zwangspacht  liegen  für  die  Ptolemäerzeit 
bisher  nicht  vor*),  doch  wird  man  im  Notfalle  bei  der  Steuerpacht 
ebensowenig  davor  zurückgeschreckt  sein  wie  bei  der  Domanialpacht 
(s.  unten  Kap.  VII). 

Nach  Übernahme  der  Pachtgeschäfte  wurde,  wie  wir  jetzt  aus  Rev.-P.  9 
lernen  (s.  Nr.  258),  der  betrejffende  νόμος  τελωνικός  10  Tage  hindurch 
im  τελώνων  öffentlich  ausgehängt,  und  zwar  nicht  nur  in  griechischer, 
sondern  auch  in  demotischer  Sprache  und  Schrift.  Zu  dieser  Zweisprachig- 
keit vgl.  oben  S.  20. 

Dem  Pächter  war  dauernd  für  die  Zeit  seiner  Tätigkeit  ein  άντίγρα- 
φενς  als  staatlicher  Kontrolleur  vom  Oikonomos  an  die  Seite  gestellt. 

Zur  Ausübung  der  übernommenen  Pflichten  stand  dem  Pächter  ein 
ausgedehntes  Personal  zur  Verfügung  in  den  Aufsehern  (εφοδοί),  Erhebern 
(λογενταί).  Dienern  (νπηρεταί)  und  Quittungsbewahrern  (ΰνμβολοφνλακες\ 
deren  Zahl  der  Oikonomos  und  sein  άντυγραφενς^  zusammen  mit  dem 
Pächter  festzusetzen  hatte,  und  deren  μίοΟ'ός,  zahlbar  aus  den  λογενματα, 
von  der  Regierung  bestimmt  war  (Rev.P.  12  f.). 

Wie  wir  jetzt  aus  Rev.-P.  10  lernen,  stand  dieses  Personal  unter  der 
Aufsicht  (φυλακή)  des  Pächters  und  seiner  Gesellschafter,  die  in^  beson- 
deren darüber  zu  wachen  hatten,  daß  jenes  Personal  nichts  ohne  Wissen 
und    Kontrolle    des    ¥'έο1α.Ϊ6τ-άντίγραφενς   täten.     Nach    Rev.-P.  11    stand 


1)  Früher  schon  angenommen  von  Rostowzew,  Wochenschr.  120.  Vgl.  auch 
Steiner  S.  19. 

2)  Vgl.  Rostowzew  1.  c. 

3)  Vgl.  Gr.  Ostraka  I  534.  Zustimmend  Rostowzew,  Wochenschr.  118.  Die  ab- 
weichende Deutung  von  Steiner  S.  28  ff.  hat  mich  nicht  überzeugt. 

4)  Max  Weber  in  seinem  ausgezeichneten  Artikel:  Agrargeschichte  (Staatshand- 
wörterb.  3.  Aufl.  1909)  S.  130  nimmt  den  Zwang  als  regelmäßige  Erscheinung  schon 
gegen  Ende  der  Ptolemäerzeit  an.     Mir  ist  kein  Beleg  erinnerlich. 


Β.  Die  römische  Zeit.  185 

diesem  Personal  das  Recht  der  Steuereintreibung  (τνράόϋειν)  zu  (ebenso 
wie  dem  Pächter  selbst,  vgl.  15,  10  ff.),  doch  mußten  sie  über  jede 
πράξις^)  dem  άντιγραφενς  berichten,  widrigenfalls  sie  das  Fünfzigfache 
des  nicht  Gemeldeten  an  die  königliche  Kasse  zu  zahleu  hatten.  Der- 
selben hohen  Strafe  verfiel  andrerseits  der  άίηιγραφενς,  wenn  er  über 
einen  ihm  angezeigten  Steuereingang  nicht  an  den  Oikonomos  und  seinen 
άντιγραφενς  berichtet  hatte  (Rev.-P.  11). 

Aus  dem  neuen  Text  von  R«v.-P.  10  ergibt  sich  femer,  daß  dem 
Pächter  und  seinen  Gesellschaftern  auch  das  Recht  der  έξεταόις  [της 
yivo\uivr,g  προόόδον  της  ώνης  zustand,  doch  fehlen  die  näheren  Bestim- 
mungen; jedenfalls  werden  sie  auch  dies  unter  Kontrolle  des  άντιγραφενς 
ausgeübt  haben. 

Die  erhobenen  Summen  wurden  alle  Monate  an  die  königliche  Kasse 
abgeführt  (Rev.-P.  34).  Wenn,  wie  beim  έγχνχλων^  die  Zahlung  direkt 
an  die  Kasse  erfolgte,  so  mußte  die  dazu  nötige  Anweisung  des  Pächters 
vom  άντιγραφεύς  unterzeichnet  sein.  Von  Quittungen,  die  die  Steuerpächter 
an  die  Kontribuenten  ausstellten,  liegen  uns  auf  Papyrus  und  Ostraka 
zahlreiche  Beispiele  vor. 

Über  die  monatlichen  Abrechnungen  {οιαλογι6μοί\  sowie  über  die 
Schlußabrechnung  nach  Ablauf  des  Pachtjahres,  die  der  Oikonomos  und 
sein  άντιγραψενς  mit  dem  Pächter  vorzunehmen  hatten,  gibt  das  Reglement 
des  III.  Jahrb.  sehr  detaillierte  Bestimmungen  (vgl.  Rev.-Pap.  16  ff.). 

Sobald  es  sich  um  Steuerrückstände  und  andrerseits  um  Strafgelder 
handelte  oder  um  irgend  eine  Störung  der  regulären  Erhebung  der 
Pächter,  wurde  die  Pacht  sozusagen  suspendiert,  und  es  trat  wieder  die 
Regie  hervor,  insofern  dann  der  Oikonomos  den  Betrag  zu  erheben  hatte.') 
Für  solche  Fälle  gab  es  aber  auch  noch  einen  Spezialbeamten  in  dem 
πράκτωρ,  der  auch  außerhalb  des  Steuergebietes  Zwangseintreibungen  vor- 
zunehmen hatte.  ^) 


B.  DIE  RÖMISCHE  ZEIT. 

V arges,  De  statu  Aegypti  prov.  Romanao  I  et  II  p.  Chr.  n.  taeoulU  184S.  — 
Franz,  CIG  III  818 ff.  —  Milne,  Α  hiHtory  ot  K^ypt  ander  Roman  rule  18M,  — 
VVilcken,  Griechische  OHtraka  IHüU.  —  Routow/ew,  Wocheniobr.  fflr  klaaa.  Phil. 
1900  Sp  116  ff.  Derselbe,  OeHcl».  der  Staatspacht  in  der  röm.  Kaiierteit  1«(».  Vgl 
auch  den  Kolonat  1910.  -  O.  Hirechfcld,  Die  kaiserl.  Verwaliungtbeaniteii  1906.  — 
Otto,  Priester  und  Tempel  1008. 


1)  Zu  der  MtrittiK<'n  FriiK•'.  «'•'  ^«r  i'Ächter  (resp.  sein  i'ersonaO  »ttcb  das  Kecbt 
der  Pfändung  ^thvLhi  habe.  vgl.  Petr  III  8« (f.)  8.6Tff.  (Mt). 

2)  Vgl.  Gr.  Ostraka  I  Mi 2  f. 

3)  Vgl.  Gr.  Ostraka  I  r.e4ff.    Vgl.  aoeerdem  i.  B.  8tad.  Pal.  I  8. 1/1.    Fay.  U. 


136  Kapitel  V.     Das  Steuerwesen. 

§  1.     DIE  STEUERN. 

Nach  der  Eroberung  Ägyptens  durch  die  Römer  ist  der  aus  dem 
Lande  herauszu wirtschaftende  Betrag  noch  gesteigert  worden,  denn  wenn 
auch  an  die  Stelle  des  glänzenden  Hofes  mit  all  seinem  Luxus  und  dem 
großen  Hofstaate  die  dem  gegenüber  schlichten  Ansprüche  des  Vizekönigs, 
des  Präfekten,  traten,  so  kam  doch  als  ein  gewaltiger  neuer  Posten,  der 
in  den  Augen  der  Cäsaren  sogar  den  Hauptzweck  der  Römerherrschaft 
am  Nil  darstellte,  die  Verpflegung  Roms  mit  ägyptischem  Korn  hinzu. 
Nach  Josephus  b.  Jud.  II  §  386  ist  Rom  durch  4  Monate  des  Jahres  von 
ägyptischem  Getreide  ernährt  worden,  und  nach  der  Epitome  des  Aurelius 
Victor  c.  1  waren  es  20  Millionen  Modien  (ca.  1740000  Hektoliter)  Getreide, 
die  unter  Augustus  alljährlich  für  die  städtische  cura  annonae  vom  Nil  an 
den  Tiber  expediert  wurden  (vgl.  Kap.  IX).  Das  bedeutet  auf  alle  FäUe 
selbst  gegenüber  den  glänzenden  Zeiten  des  Philadelphos  eine  sehr  be- 
deutende Steigerung  der  staatlichen  Inanspruchnahme  der  Bodenproduk- 
tion ^),  auch  wenn  wir  mit  Mommsen  annehmen,  daß  ein  Teil  jener 
20  Millionen  aus  den  Domanialgef allen  genommen  ist.^)  Daß  eine  der- 
artige Ausfuhr  überhaupt  möglich  war,  ist  auf  die  gründlichen  Meliorations- 
arbeiten zurückzuführen,  durch  die  Augustus  das  unter  den  letzten  Pto- 
lemäern  ganz  heruntergekommene  Land  zunächst  wieder  einer  Periode 
wirtschaftlicher  Blüte  zugeführt  hat  (vgl.  Kap.  VIII).  Ob  sonst  noch  der 
Ausgabeetat  gesteigert  worden  ist,  ob  im  besonderen  die  Verpflegung  der 
sehr  starken  römischen  Besatzung  des  Landes  (vgl.  Kap.  XI)  kostspieliger 
gewesen  ist  als  die  Unterhaltung  von  Heer  und  Flotte  in  der  Ptolemäer- 
zeit,  ist  schwer  zu  berechnen.  Das  wesentlichste  Novum  war  jedenfalls 
der  Beitrag  für  die  cura  annonae. 

Betrachten  wir  dem  gegenüber  die  Einnahmen  der  römischen  Periode, 
so  ist  in  dem  System  der  Besteuerung  des  Landes  keine  prinzipielle  Ver- 
änderung zu  erkennen:  Augustus  hat  das  vorgefundene  ptolemäische  System 
im  ganzen  und,  wie  es  scheint,  sogar  im  einzelnen  beibehalten.  Neue- 
rungen sind,  wie  unten  zu  zeigen  ist,  in  der  Veranlagung  und  in  der 
Erhebung  zu  erkennen,  aber  das  Abgabensystem  selbst  zeigt  wohl 
Weiterbildungen  aber  keine  prinzipiellen  Veränderungen.  Neu  geregelt 
worden  ist,  aber  auch  erst  allmählich,  die  Verpflegung  der  Garnisonen 
(Kap.  IX).  Im  übrigen  ist  es  gefährlich,  durch  Schlüsse  a  silentio  Ab- 
gaben, für  die  uns  aus  ptolemäischer  Zeit  noch  keine  Belege  vorliegen, 
ohne  entscheidende  innere  Gründe  für  römische  Neuerungen  zu  erklären. 
Die  Kopfsteuer,  die  ich  in  den  Ostraka  als  Neuerung  des  Augustus  nahm. 


1)  Vgl.  Gr.  Ostraka  I  420  f.  Die  iVg  Millionen  Artaben,  die  Hieronymus  für 
die  gesamten  Natural  ertrage  Ägyptens  für  diese  Zeit  nennt,  ergeben  selbst  zu 
4Υ2  Modii  gerechnet,  nur  ca.  ey^  Millionen  Modii. 

2)  Mommsen,  Rom.  Gesch.  V  560. 


Β.  Die  römische  Zeit.     §  1.    Die  Steuern.  187 

ist  inzwisclien,  wenn  auch  unter  anderem  Namen  (όύιηαξις,  s.  oben)  und 
wohl  auch  in  anderer  Ordnung,  auch  für  die  Ptolemäerzeit  belegt  worden; 
die  λαογραφία-Α})§Ά\>θ  bleibt  freilich  auch  jetzt  ein  Novum  der  römischen 
Herrschaft.  Alles  in  aUem  macht  für  die  Steuerordnung,  gegenüber  den 
tiefgreifenden  Änderungen  der  Diokletianisch -Constantinischen  Reformen, 
die  Periode  von  Alexander  bis  auf  Diokletian  einen  im  Prinzip  ziemlich 
einheitlichen  Eindruck:  es  ist  das  hellenistische  System.^) 

Bei  der  großen  FüUe  des  Materials  können  hier,  wie  oben  für  die 
Ptolemäerzeit,  nur  einige  der  wichtigeren  Abgaben  hervorgehoben  werden.-) 
Vorweg  sei  auf  die  römischen  Steuern  hingewiesen,  die  nur  auf  den 
riimischen  Bürgern  in  der  Bevölkerung  Ägyptens  lasteten:  die  schon  aus 
der  Republik  stammende  Freilassungssteuer  (vicesima  libertatium  =  εΙχο6τη 
έλενϋ^ερίών)  und  die  von  Augustus  unter  vielen  Kämpfen  durchgedrückte 
Erbschaftssteuer  (vicesima  hereditatium  =  είχοΰτη  των  χληρονομί&ν).^) 
Eine  größere  Bedeutung  im  Staatshaushalt  konnte  ihnen  erst  nach  der 
constitutio  Antonina  von  212  zukommen  (Arch.  V  430).  Auch  das  von 
den  Juden  zu  zahlende '/ου^αϊκόν  τέλεόμα  ist  erst  von  der  römischen  Regie- 
rung (Vespasianj  eingeführt  worden.*) 

An  den  Grundsteuern  hat  sich  gegenüber  der  Ptolemäerzeit  nichts 
Wesentliches  geändert;  sie  bleiben  Taxationssteuern,  und  auch  in  der  Ver- 
teilung von  Natural-  und  Geldsteuern  (je  nach  den  Fruchtsorten)  ist  keine 
Änderung  eingetreten.  Im  allgemeinen  wird  die  Grundsteuer  jetzt  einen  viel 
größeren  Posten  im  Staatshaushalt  repräsentiert  haben  als  früher,  ent- 
sprechend dem  größeren  Umfang  des  Grundbesitzes.  Vgl.  Kap.  VII.  Auch 
jetzt  treten  unter  ihnen  die  άρταβιεία'')  und  das  έπαρούριον^)  hervor."^)  Be- 
merkenswert ist,  daß  trotz  der  Korntransporte  nach  Rom  der  Satz  dieser 
Abgaben  nicht  erhöht  worden  zu  sein  scheint.  Die  άρταβιεία  jedenfalls 
lu.ttpM    uu.].    iiHch   wie   vor  ungefähr  zwischen    1 — 2  Artulieii    pro   Arure 

1)  Vgl.  oben  S.  170  über  das  Seleukidenroich. 

2)  Das  bis  189'J  bekannte  Material  habe  ich  venucht,  in  meinen  Ostnka  I  lu- 
•ammenzuetellcn.  Auch  für  diese  Periode  ist  inzwischen  viel  Neues  hinzugekommen. 
Vtfl.  die  Indicee  der  jüngeren  Publikationen. 

8)  Über  beide  vgl.  0.  Hirschfeld,  KV  106  ff.  und  96  ff.  Für  Ägypten  vgl.  meine 
<  »f'traka  1  826  f.  und  Arch.  V  430. 

4)  Vgl.  P.  Rain,  in  Stud.  Pal.  I  S.  71  f.  (β1) 

6)  Vgl.  z.  a  Amh.  86,  9;  Lond.  III  S.  71  ff., 
nannt  wird;  Lond.  III  S.  107,  15. 

r,,  Vgl.  Ostraka  I  193. 

1)    Die   Annahme   IloMtowzeww,    Puuly  \' 
speziell  die  f»rundet«uer  bezeichnet  μγΙ,  halt«•  itli  l 
nur  von  ότ,μόοιοι  /ίωρ/ο/  geMprochcn     Λ1»ο  Hind  e» 
zins.    Vgl.  jetzt  Ilostowzow,  Kolonut  'Π  Anm.  '-»,  w«.  rr  mit   i 
die  χα^ήιιορχα   aU   die   Htiiii.ÜL'.•!.   .^"t.•!!.-!!!   in.   Cru" uniit '   /' 
faßt.     Kin   allgenioincr  An 
γντ]αια  Λημόαια    (trenf•''  '' 


j^gg  Kapitel  V.    Das  Steuerweeen. 

(Saatland),  d.h.  eine  Artabe  mit  Zuschlag.^)  Das  notwendige  Plus  ist 
also  nicht  durch  Erhöhung  der  Sätze  der  Grundtaxen  erreicht  worden, 
sondern  einmal  durch  die  Vergrößerung  des  Fruchtlandes,  die  die  Weis- 
heit des  Augustus  durch  die  oben  erwähnten  Meliorationen  herbeiführte. 
Dann  aber  scheinen  jetzt  die  ^^Zuschläge"  erweitert  zu  sein,  denn  außer 
den  schon  oben  S.  171  genannten,  wie  die  επιγραφή^),  finden  sich 
jetzt  noch  neue.  Zu  den  Zuschlägen  zur  Grundsteuer  gehört  namentlich 
die  annona  müitaris,  die  aber  (als  άννωνα)  nicht  vor  dem  Ende  des 
IL  Jahrh.  n.  Chr.  bis  jetzt  erscheint,  bald  in  natura,  bald  in  Geld 
(annona  adaerata)  gezahlt.^)  Bis  dahin  scheint  das  aus  der  Ptolemäer- 
zeit  bekannte  System  des  Zwangsankaufes  von  ΰνναγοραοτικος  βΐτος 
(frumentum  emptum)  für  die  Verpflegung  der  Garnisonen  ausgereicht  zu 
haben.  Diese  Zwangsankäufe  sind  wohl  unter  den  öfter  genannten  επί- 
βολαί  und  Βΐΐιμεριόμοί  zu  verstehen.*)  Wenn  diese  Zwangsankäufe  in 
der  Römerzeit,  wie  es  scheint,  eine  größere  Rolle  gespielt  haben  als  in 
der  Ptolemäerzeit,  so  liegt  das  wohl  daran,  daß  das  Grundsteuergetreide, 
das  in  der  Ptolemäerzeit  namentlich  der  Verpflegung  von  Heer  und  Be- 
amten diente,  jetzt  in  der  Hauptsache  nach  Rom  abgeführt  wurde.  So 
können  wir  die  Wirkung  der  annona  urbis  in  unseren  Urkunden  weniger 
direkt  an  der  Behandlung  der  Grundsteuer  selbst  als  an  ihren  Kon- 
sequenzen, der  Steigerung  der  Zwangskäufe  und  dann  der  Einführung  der 
Zuschlagssteuer  v%eQ  άννώνηξ  beobachten.  Genauer  soll  auf  die  annona 
erst  im  IX.  Kapitel  eingegangen  werden. 

Über  die  Gebäudesteuer  sind  wir  bis  jetzt  noch  schlecht  unter- 
richtet.^)    Ziemlich  unsicher  bleibt  noch  die  Deutung  von  P.  Straß.  31. 

Für  das  χεiQωvάl•,LOv  (die  gewerbliche  Lizenzsteuer,  s.  oben 
S.  171)  liegt  für  die  römische  Zeit  ein  reicheres  Material  vor.^)  Besonders 
lehrreich  sind  BGU  9  (293),  das  jetzt  durch  BGÜ  1087  ergänzt  wird 
(vgl  dazu  Arch.  V  273  ff.),  Teb.  II  287  (251)  (vgl.  Arch.  V  233  f.),  Stud. 
PaL  I  S.  70/1.  Dadurch  wird  das  Ergebnis  der  „Ostraka"  bestätigt,  daß 
die  Angehörigen  derselben  Zunft  dieselbe  Summe  zu  zahlen  hatten,  die 
verschiedenen  Gewerbe  aber  in  sehr  verschiedener  Höhe  besteuert  waren. '^) 


1)  Vgl.  Rostowzew,  Pauly-Wiss.  VII  160,  der  namentlich  den  wichtigen  P.  Brux. 
1  (236)  verwertet.     Vgl.  auch  Lond.  III  S.  71  ff. 

2)  In  römischer  Zeit:  CPR  I  188,  14;  Fay.  81,  10  (ergänzt). 

3)  Vgl.  Gr.  Ostraka  I  155  ff. 

4)  Vgl.  Rostowzew  1.  c.  Doch  mögen  namentlich  έτΐΐ,βολοά  wohl  auch  andere 
Naturalzuschläge  umfassen.  Vgl.  BGU  515,  7:  τά  νπερ  λογίας  [έ7ΐ]ιβλΎΐϋ•έντα.  Zu  έτα- 
βολή  vgl.  auch  Grenfell-Hunt  zu  Teb.  II  346,  7.  Zu  έτΐΐμερισψός  im  militärischen 
Sinne  vgl.  auch  Preisigke  zu  Straßb.  10,  21. 

5)  Zu  dem  ivoUiov  in  Ostraka  I  192  vgl.  jetzt  die  neue  Deutung  von  Rostow- 
zew, Kolonat  S.  140,  2. 

6)  Vgl.  Gr.  Ostraka  I  321  ff. 

7)  Vgl.  jetzt  die  Übersicht  im  Arch.  V  274. 


β.  Die  römische  Zeit.     §  1.    Die  Steuern.  139 

Für  die  gewerblichen  Ertragssteuern  bedürfen  wir  noch  weiterer  Auf- 
klärungen. ^) 

Von  den  anderen  Hauptsteuern  wird  namentlich  die  Kopfsteuer 
für  die  Römerzeit  gründlicher  aufgehellt  (vgl.  oben  S.  171  f.).*)  Es  steht  jetzt 
fest,  daß  nur  die  Männer  ihr  unterlagen  uud  zwar  vom  14.— 60.  Lebens- 
jahre.^) Hatten  schon  die  Ostraka  gezeigt,  daß  die  Kopfsteuer  (jetzt 
λαογραφία^)  oder  gelegentlich  auch  έπιχεφάλαιον  genannt)  verschiedener 
kleinerer  Ortschaften,  wie  Syenes  und  der  thebanischen  Quartiere,  in  ver- 
schiedener Höhe  normiert  war^),  so  haben  inzwischen  die  Papyri  gelehrt, 
tlaß  sogar  innerhalb  einer  und  derselben  Metropole  die  verschiedenen 
Schichten  der  Bevölkerung  in  verschiedener  Höhe  besteuert  waren.  So 
zahlten  nach  P.  Lond.  II  S.  54ff.  in  Ar  sin  ο  e  die  einen  (die  Ägvpter) 
40  Drachmen^),  die  anderen  (die  privilegierten  Metropoliten)  nur 
20  Drachmen,  während  die  Vollgriechen  und  χάτοικοι  usw.  natürlich  ganz 
frei  waren  {άτελεΐξ)."')  In  Oxyrhynchos  dagegen  war  es  Vorrecht  der 
Metropoliten,  nur  12  Drachmen  Kopfsteuer  zu  zahlen.®)  Für  Hermo- 
polis  habe  ich  im  Arch.  IV  546  aus  Lond.  ΠΙ  127/8  geschlossen,  daß 
liier  die  Privilegierten,  sogar  die  άπο  γνμναοίου^  24  Drachmen  gezahlt 
hätten.  Vgl.  κδ^  in  Z.  6.  So  auch  oben  S.  57.  Aber  durch  Amh.  75  ist  mir 
diese  Deutung  inzwischen  zweifelhaft  geworden,  wo  sich  an  entsprechender 
Stelle  tag,  aber  auch  ιδ'ς  und  ög  findet.  Diese  Gruppen  sind  einstweilen 
noch  rätselhaft.  Über  die  Epikrisis,  die  die  Privilegierten  gegenüber  den 
/Μογραφούμενοί  feststellte,  vgl.  unten.  Zur  Kopfsteuerpflicht  der  „über- 
zähligen" Priester  vgl.  oben  S.  128. 

Auch  die  Rubrik  der  Zwangsbeiträge  zu  staatlichen  Einrichtungen 
blieb  wie  in   der  Ptolemäerzeit   bestehen   (s.  oben  S.  172).^)     Auch  jetzt 


1)  Vgl.  einstweileu  Otto,  Priester  I  302  f. 

2)  Vgl.  Gr.  Oetraka  I  2;}0  ff. 

8)  Vgl.  Kenyon,  Lond.  II  S.  17  ff.;  Wilcken,  Arch.  ΠΙ  282  f.  und  667. 

4)  Das  älteste  Beispiel  für  diese  neue  Kopfsteuer  war  bisher  Gr.  Ostraka  II 
n.  367  vom  18.  Jahre  des  Augustus  (=  18/17  v.  Chr.).  Noch  ein  Jahr  älter  iei  ein 
Straßburger  Ostrakon  (208),  das  nach  meiner  vor  einigen  Jahren  genommenen  Kopie 
die  λαογραφία  für  das  12.  Juhr  des  Augustus  bezeugt.  Für  die  Frage,  wann  die 
λαο/ραφίο- Kopfsteuer  eingeführt  ist,  vgl.  auch  Urenfell-Uunt  tu  Oxy.  IV  711. 

5)  Gr.  Oetraka  I  234  ff. 

r>)  In  Lond.  II  S.  oß,  40  und  δβ,  67  wteht  μ^  nicht  für  μ*τοί,  wie  Kenjon  und 

W*  «Hely  iStud.  Pal.  I  8.  G8)  annehmen,   Hondern  für  den  τΛΟβιιραηοψτάΛ^αχμύς.     Vgl. 

i,  9,   wo  dieeelbe  Sigle  für  χίαααραχονταόραχμιαίαψ  iteht     Wenn  in  66,  40  nur 

als  Sohn  eines  40-Drachmenmannes  hczoirhnet  wird,   werden  die  andern  vio\ 

^αογραφονμ^νων  Söhne  von  L'O-Drachmenmännem  eein. 

7)  Vgl.  Arch.  I  18U.  Vgl.  auch  Arch.  III  666.  Vgl.  aoBerdem  den  (a««<k- 
Λραχμος),  den  Wettely  (Epikrisis  28)  in  HGU  118  II  9  fcfUtellto.  Dafi  die  »ino^i• 
»^ραχμοί  von  ArtinoS  den  δωόίχάόραχμο^  von  Oxyrhjncbot  onitprechen,  yermuteie  ich 
III  Arch.  V  428. 

8)  Vgl.  Grenf«ll-Hunt  tu  P.  Oiy.  II  267. 

9)  Vgl.  die  Cbenicht  in  Ostraka  I  409. 


190  Kapitel  V.     Das  Steuerwesen. 

spielte  die  Verpflichtung,  die  durchreisenden  Beamten  und  Truppen  zu 
verpflegen,  eine  große  Rolle.  Vgl.  hierüber  Kap.  IX.  Auch  die  ύτέφα- 
voi  sind  aus  der  Ptolemäerzeit  in  die  Kaiserzeit  hinübergegangen. 

Ebenso  sind  die  indirekten  Steuern  von  der  römischen  Regierung 
übernommen  und  wohl  auch  noch  weiter  ausgebildet  worden.  So  finden 
wir  das  έγτινχλιον  wieder,  jetzt  im  besonderen  den  Nomarchen  unterstellt. 
Vgl.  z.  B.  Teb.  Π  350  (mit  Kommentar)  und  Lond.  III  S.  69  (294). 

Bei  dem  großen  Aufschwung,  den  der  Handel  Ägyptens  nach  dem 
Darniederliegen  unter  den  letzten  Ptolemäern  durch  die  Fürsorge  der 
römischen  Regierung  wieder  nahm,  werden  die  Zolleinnahmen  sehr 
gesteigert  worden  sein.  Dies  bezeugt  für  den  indischen  und  trogodyti- 
schen  Handel  ausdrücklich  Strabo  XVII  p.  798.  Ob  die  Römer  neue  Ein- 
richtungen in  der  Handhabung  der  ZöUe  getroffen  haben,  ist  zurzeit 
schwer  zu  sagen  und  folgt  nicht  notwendig  daraus,  daß  Einzelnes  uns 
erst  für  die  Römerzeit  überliefert  ist.  Vielmehr  sehen  diese  Einrichtungen 
meist  so  aus,  als  ob  sie  aus  der  Ptolemäerzeit  übernommen  sind.  So 
läßt  sich  der  τΐαραλήτΐτης  της  ^ΕρνΟ'ρας  ΰ'αλάοόης^  der  oberägyptische 
Kontrollbeamte  für  die  in  den  ägyptischen  Häfen  des  Roten  Meeres  zu 
erhebenden  Zölle ^),  zwar  nur  für  die  Kaiserzeit  nachweisen^),  aber  der 
Titel  Λαραλήτντης  legt  die  Vermutung  nahe,  daß  das  vectigal  maris  Rubri^), 
das  nach  Plinius  h.  n.  VI  §  84  als  Einheit  verpachtet  wurde,  auch  schon 
in  der  Ptolemäerzeit  ein  einheitlich  verwalteter  Zoll  gewesen  ist.*)  So 
wird  das  Zollgesetz  über  arabische  Waren  in  Oxy.  I  36  (273),  das  wahr- 
scheinlich eben  dieses  vectigal  maris  Rubri  betrifft^),  in  seinen  Grund- 
zügen gewiß  auf  die  Ptolemäerzeit  zurückgehen.^) 

Neben  den  Ein-  und  Ausfuhrzöllen  an  den  Grenzen  der  Provinz 
blieben  auch  die  Transitzölle  im  Innern  bestehen.  Die  Zollstation  bei  der 
hermopolitischen  φυλακής  an  der  Grenze  der  Thebais,  bestätigt  Strabo 
XVII  p.  813  auch  für  die  Kaiserzeit.  Vgl.  ferner  seine  Mitteilung  über 
die  Zollstation  in  Σχεδία^  oberhalb  von  Alexandrien,  XVII  p.  800. 

Ein  reicheres  Material  liegt  für  die  Gauzölle  vor,  die  für  Ein-  und 
Ausfuhr  von  Waren  von  einem  Gau  in  den  anderen  beim  Verlassen  des 
Ausgangspunktes  oder  bei  der  Ankunft  am  Bestimmungsort  zu  zahlen 
waren.  Da  nach  P.  Hibeh  80  (s.  oben  S.  172)  gegenseitige  Verrechnung 
zwischen  den  beiden  Punkten  stattfinden  konnte,  so  sind  diese  ZöUe  als 
staatliche  ProvinzialzöUe  aufzufassen,  nicht  als  Lokalzölle.  Hierhin  gehört 
die  πεντηκοστή  Περί  &(7]ßag)  in  Ostraka  II  n.  1569,  die  Λεντηκοοτή 
Έρμων&(ίτον)    in    Ostraka  II    n.  801    (292)    und    806,    die    πεντηκοοτη 


1)  Vgl.  Dittenberger,  Or.  Gr.  I  n.  202.  2)  Vgl.  Wilcken,  Arch.  ΠΙ  196  f. 

3)  Über  die  τετάρτη  von  Leuke  Kome  s.  oben  S.  172  Anm.  6. 

4)  So  Rostowzew,  Arch.  IV  309/10.  5)  So  Rostowzew,  Arch.  IV  310  f. 
6)  Vgl.  Wilcken,  Arch.  III  195. 


Β.  Die  römische  Zeit.     §  1.    Die  Steuern.  191 

λί{μΒνοζ)  Σοήνης  in  Ostraka  II  n.  43  (291)  und  150.^)  Während  es  sicli 
im  letzten  Falle  um  Transport  auf  dem  Nil  zu  handeln  scheint,  liegen 
Landzölle  wie  in  den  beiden  ersten  Fällen,  so  auch  in  den  zahlreichen 
Quittungen^)  aus  verschiedenen  Dörfern  des  Faijüm  vor,  in  denen  be- 
scheinigt wird,  daß  bei  Einfuhr  oder  Ausfuhr  von  Waren  beim  Tor 
des  betreffenden  Dorfes  eine  (έχατοότη)  xal  (χεντηκοντή)  gezahlt  sei 
oder  für  den  λίμγ^ν  Μεμφεως.  Daneben  werden  auch  Gebühren  für 
die  die  Karawane  beschützende  Wiistenwacht  (έρημοφνλαχία)  quittiert.') 
Die  Dörfer  (wie  Bacchias,  Karanis,  Soknopaiu  Nesos,  Dionysias,  Phila- 
delphia) liegen,  wie  ich  betonen  möchte,  sämtlich  an  den  Rändern  des 
Faijüm,  an  der  Gaugrenze.  Über  sie  geht  der  Verkehr  nach  den  Oasen 
vgl.  Grenf.  II  50 b)  wie  andererseits  nach  Memphis.  Besonders  lehr- 
reich für  den  Betrieb  an  diesen  Toren  sind  die  hierüber  geführten  Ein- 
gangsjournale wie  P.  Lond.  III  S.  41  ff.  und  namentlich  S.  44  ff.  Vgl.  auch 
P.  Amh.  77  (277). 

Neben  den  Staatssteuern  stehen  auch  jetzt  die  Tempel  abgaben. 
Der  Fortbestand  der  άττόμοιρα  (s.  oben  S.  172)  ist  auch  für  die  Kaiserzeit 
belegt,  doch  ist  ihr  Charakter  für  diese  Zeit  noch  sehr  dunkel.*)  Auch 
die  διδραχμία  τον  Σονχον  (vgl.  S.  172)  ist  durch  BGU  748  für  die 
römische  Zeit  belegt. 

Dazu  kommen  endlich  die  Kommunalsteuern.  Während  wir  für 
die  Städte  der  Ptolemäerzeit  keine  genaueren  Nachrichten  hierüber  be- 
sitzen, liegen  uns  für  die  Römerzeit  einige  Belege  vor,  und  zwar  so- 
wohl für  die  Zeit  vor  als  nach  der  Einführung  der  βουλή  (von  202). 
Mit  städtischen  Oktroi- Abgaben  beschäftigt  sich  P.  Lond.  Ill  S.  92 
<L  Jahrb.).  Über  Gebühren  für  Benutzung  der  städtischen  Wasser- 
leitung von  Arsinoe  berichtet  Lond.  III  S.  182  ff.  (193)  aus  trajanischer 
Zeit.  Die  Stände  auf  dem  Markt  von  Hermopolis  waren  nach  CPHerm. 
102  Γ296)  verpachtet.  Ob  die  auf  die  Häuser  der  Stadt  mit  je  60  Drachmen 
HMinrüirte  Abgabe   in    Γ'ΡΤΤρΓηι.  101    als   Kommunalabgabe  zu  fassen  ist. 


1)  Vgl.  dazu  Oatraka  I  276  ff.  Roetowzewe  Aneicht,  daß  der  Zoll  τοη  Syene 
und  auch  der  von  Memphis  Reichezölle  seien  (vgl.  Wochenechr.  f.  kl.  Phil.  t900  8. 116), 

fidem  die  Zollbezirke  Ägypteue  nach  ihren  Hauptstädten  benannt  leien,  ist  mir  nicht 
wahrscheinlich. 

2)  Mit  Unrecht  leugnet  Preieigke  zu  F.  Straßb.  12  den  Qnittnngucharakter  und 
ill  in  den  Dokumenten  Aueweise  sehen.    Vielmehr  liegt  die  </  π  Τη^Χώνψα^^ 

mch  wenn  die  Summe  nicht  genannt  wird.     Sie  wird  übrigen  nt  in  F.  Lond. 

Ill  8.  «7. 

3)  Wilcken,  Ostraka  I  864  ff.}  Wessely,  Karanis  86  ff.  Vgl.  die  Obttuoht  in 
Arch.  I  9,  ferner  Fay.  67— 7e(a;;  Amh.  116.  117;  Ups.  81.  8t;  Lond.  III  8.  86 ff.  iLa. 
Äk  Ttii-t.ii•!  einer  Qegenquittung  vgl.  Fay.  74. 

Γ  Ostraka  I  169.     Vgl.  Lond.  II  1S8  oben  9;    BQU  916,  1;    Fay.  41.    Vgl. 
iiw,  I  ...iiter  I  868  f.;  Rostowzcw,  GGA  1909,  6Mff.     Vgl.  jettt  Teb.  U  848,  69  (mit 
Kommentar),  auch  P.  Hawura  808, 18  (Arch.  V  869). 


192        -  Kapitel  V.     Das  Steuerwesen. 

ist  nicht  sicher,  aber  wahrscheinlich.  Nach  den  Ausführungen  von  Blumen- 
thal im  Arch.  V  333  ist  auch  der  μεριομος  Αδριάνειου^  eine  Umlage  für 
einen  Hadriantempel,  als  städtische  Abgabe  zu  fassen.  Auf  städtische 
Abgaben   im  allgemeinen  weist  auch  Oxy.  VI  890  (280)   hin. 

§  2.  DIE  STEUERVERANLAGUNG. 
1.  Die  Feststellung  der  Steuersubjekte.^) 
Für  die  Kaiserzeit  liegt  ein  sehr  viel  reicheres  Material  als  für  die 
Ptolemäerzeit  vor  (s.  oben  S.  173 ff.),  das  uns  mehrere  wesentliche  Neue- 
rungen der  römischen  Regierung  vor  Augen  führt.  Neu  ist  der  14 jäh- 
rige Turnus,  der  die  Einführung  von  Geburts-  und  Todesanzeigen  herbei- 
geführt hat,  neu  ist  auch  die  έπίκριόις. 

a.  Der  14jährige  Zensus. 
Zu  Beginn  der  Kaiserzeit  scheint  noch  die  alte  ptolemäische  Ein- 
richtung der  alljährlichen  Selbstdeklaration  der  Personen  fortbestanden 
zu  haben.  Wenigstens  legen  Grenf.  I  45  und  46  (200)  vom  Jahre  19 
und  18  vor  Chr.  diesen  Schluß  nahe.  Bald  danach  wird  dann 
der  14jährige  Zensus  eingeführt  worden  sein.  Da  durch  die  späteren 
Zensuseingaben  das  8.  Jahr  des  Nero  =  61/2  als  Zensusjahr  völlig  ge- 
sichert ist  (s.  unten),  so  ergeben  sich  rückwärts  gerechnet  die  Jahre  10/9 
V.  Chr.,  5/6  n.  Chr.,  19/20,  33/4,  47/8  und  61/2  selbst  als  diejenigen  Jahre, 
die  eventuell  für  die  Einführung  des  14jährigen  Zyklus  in  Betracht 
kommen.  Nun  besitzen  wir  in  Oxy.  II  254,  wahrscheinlich  vom  J.  20 
n.  Chr.,  und  255  (201)  vom  J.  48  Eingaben,  die  nach  den  scharfsinnigen 
Darlegungen  von  Grenfell-Hunt  (Oxy.  II  S.  207  ff.)  mit  großer  Wahrschein- 
lichkeit auf  den  Zensus  von  19/20  resp.  47/8  zu  beziehen  sind.  Damit 
ist  dann  erwiesen,  daß  die  14jährige  Zensusperiode  mindestens  im  6.  Jahre 
des  Tiberius  (19/20)  schon  bestanden  hat.  Man  wird  aber  den  beiden 
Forschern  auch  darin  zustimmen,  daß  alle  Wahrscheinlichkeit  dafür  spricht, 
daß  schon  Augustus  diesen  Zensus  eingeführt  hat,  daß  dieser  Zensus  also 
im  J.  10/9  V.  Chr.  oder  5/6  n.  Chr.  geschaffen  worden  ist.  Für  diese  An- 
nahme spricht,  daß  die  λαογραφία^  die  neue  Kopfsteuer,  deren  Zusammen- 
hang mit  dem  Zensus  feststeht  (s.  unten),  bereits  unter  Augustus  nach- 
weisbar ist  —  freilich  schon  für  19/8  v.  Chr.  (vgl.  oben  S.  189)  also  in 
der  Zeit,    die   wir   durch   Grenf.  I  45  und  46  (200)   für   den    14jährigen 


1)  Wilcken,  Arsinoitische  Steuerprofessionen  usw.  (Sitz.-Ber.  Pr.  Akad.  1883 
S.  897 ff.);  Ders.,  Hermes  28,  240  ff.;  Ders.,  Gr.  Ostraka  I  438  ff.;  Kenyon,  Class.  Rev. 
VIT  (1893)  S.  110;  P.  Viereck,  Philologus  LH  219  iF.;  W.  Levison,  Die  Beurkundung 
des  Zivilstandes  im  Altertum  1898;  Grenfell-Hunt  in  Oxy.  Π  S.  207 ff.;  Wessely,  Stud. 
Pal.  I  26  ff.  Vgl.  jetzt  aucli  i^ger,  Zum  ägyptischen  Grundbuchwesen  in  römischer 
Zeit  (1909)  S.  18  und  180  ff.  und  P.  Meyers  Kommentar  zu  Giss.  43. 


Β.  Die  römische  Zeit.     §  2.    Die  Steuerveranlagung.  193 

Zyklus  für  ausgeschlossen  halten.  Ferner  ist  auch  die  Epikrisis  (s.  unten) 
bereits  für  11/2  n.  Chr.  durch  Oxj.  II  288  bezeugt,  und  auch  dies 
führt  zu  der  Annahme,  daß  der  Zensus  damals  schon  bestanden  hat. 
Noch  genauer  läßt  sich  zurzeit  das  Datum  der  Einführung  der  14 jäh- 
rigen Zensusperiode  wohl  nicht  berechnen.  Diese  für  manche  Probleme 
wichtige  Frage  wird  hoffentlich  durch  neues  Material  noch  einmal  klar 
beantwortet  werden.  Jene  beiden  Eingaben  vom  J.  20  und  48  —  Oxy. 
II  254  und  255  (201),  zu  denen  noch  das  nicht  genauer  datierbare  Frag- 
ment 256  hinzukommt  —  sind  nun  von  allen  früheren  Deklarationen 
durchaus  verschieden,  weichen  aber  auch  von  den  späteren  Eingaben,  wie 
sie  vom  J.  61/2  an  vorliegen,  wesentlich  ab.  So  begegnet  hier  noch  nicht 
der  terminus  κατ  olxCav  απογραφή.  Auch  bezeichnen  sie  sich  als  γραφαί. 
Vgl.  Oxy.  255  (201 ).  So  ist  die  Zeit  von  Augustus  bis  Nero  eine  Zeit 
des  Überganges.  Vom  8.  Jahre  des  Nero  (61/2)  bis  in  die  Mitte  des 
III.  Jahrh.  liegen  uns  zahlreiche  Beispiele  von  den  Zensuseingaben  vor, 
die  alle  14  Jahre  unter  dem  Namen  κατ  οΐκίαν  άπογραφαί^)  einzureichen 
waren. 2)  Die  belegten  Zensusjahre  sind:  61/2,  75/6,  89/90,  103/4,  117/8, 
131/2,  145/6,  159/60,  173/4,  187/8,  201/2,  215/6,  229/30,  243/4,  257/8. 

Daß  diese  xar'  οΐκίαν  άπογραφαί  vor  allem  den  Zwecken  der  Steuer- 
veranlagung dienten,  geht  schon  aus  dem  14jährigen  Zyklus  hervor,  denn 
mit  Rücksicht  auf  den  Beginn  der  Kopfsteuerptlichtigkeit  mit  dem 
14.  Lebensjahre  ist  dieser  Zyklus  gewählt  worden.^j  Zweck  dieses  Zensus 
war,  die  gesamte  Bevölkerung  Ägyptens,  und  zwar  einen  jeden  nach  seiner 
Heimat  (Cd ία)  festzustellen.  Darum  wurden,  Λvie  wir  kürzlich  durch  das 
Edikt  des  Vibius  Maximus  vom  Jahre  104  gelernt  haben  (vgl.  202),  vor 
einem  solchen  Zensus  die  Untertanen  durch  Edikt  aufgefordert,  daß  jeder  in 
seine  Heimat  gehe,  um  dort  die  Deklaration  vorzunehmen*)  —  ganz  ähnlich 
wie  es  Lukas,  Evang.  2,  Iff.  für  Judäa  erzählt.  Diese  Aufforderung  ist,  wie 
Rostowzew  erkannt  hat,  bei  jedem  Zensus  wiederholt  worden.  Vgl.  meine  Ein- 
leitung zum  Edikt  des  Vibius  Maximus  (202).    Diesem  Edikt,  das  zur  Rück- 


1)  Der  Zensus  oder  die  Volksaufzeichnimg  heißt  λαογραφία.  Vgl.  s.  B.  Oxy.  IV 
714,  23  und  sonst.  Daß  xar'  olxlav  άηογραφι^  die  einzelne  Eingabe  bexeiohnen  kann, 
zeigt  z.  B.  Straßb.  graec.  60  (77)  I  18.  Es  kann  <tlw.r  uuch  den  gesamten  Zeaias  be- 
zeichnen, vgl.  llein.  49,  2  (207). 

2)  Vgl.  BGU  I  68—66,  67—60,  DO,  95,  y.  ,  ii.  -120,  H2,  128,  126—182,  137, 
138,  164,  [168],  182,  *224,  226,  2U8,  802,  II  410,  480,  447,  624,  687,  677,  III  706,  777, 
883,  IV  1069;  Grenf.  II  66;  Lond.  II  8.  02;  Lond.  III  S.  24—82;  Oxy.  II  8.  208.  ΠΙ 
480;  Amh.  74;  Flor.  4,  6,  102;  liein.  46,  49;  Teb.  II  821,  822;  Mdl.  Nioole  8.  667)); 
Htad.  Tal    I  S.  27—32;    Giss.  48,  44;    Harab.  7. 

8)  DieHe  Annahmt*,  die  irh  ichon  in  den  8its.-Ber.  1.  c.  S.  901  und  im  UMine• 
28,  24H  f.  aufstellte,  ist  inzwisrhon  durch  den  direkten  Hinwei•  auf  die  Kopfiieuer  in 
den  meni|)iiitiK<;hcn  Deklarationen  bestätigt  worden.     Vgl.  20ft. 

4)  OrtMabweHonde  wurden  eventuell  all  ip  άναχω^ήβι  τοη  den  Angehörigen 
namhaft  gemacht.     V^I.  unten  S.  196. 

MllUit-WIloktn:  <ir>n.<l«Utf..   I  18 


194  Kapitel  V.    Das  Steuerwesen. 

kehr  auffordert,  scheint,  wenigstens  in  manchen  Fällen,  ein  anderes  Edikt, 
das  den  Zensus  im  allgemeinen  anordnete,  vorangegangen  zu  sein  (vgl. 
ebendort). 

Diese  ediktale  Aufforderung  zur  Rückkehr  in  die  idCa  wird  um  so 
verständlicher,  wenn  wir  nachweisen  können,  daß  nicht  nur  schriftliche 
άτίογραφαί  eingereicht  wurden,  sondern  daß  die  ganze  Bevölkerung  zwecks 
Aufaahme  des  Signalements  sich  persönlich  bei  dieser  Gelegenheit  zu 
stellen  hatte.  Dieses  bisher  nicht  hervorgehobene,  aber  sehr  wichtige 
Moment  möchte  ich  aus  P.  Lond.  II  S.  55  =  Stud.  Pal.  I  S.  ^2  schließen, 
wo  es  z.  B.  Z.  39  heißt:  καί  άπο  ά\7ίαο]α6τάτ{ων)  ϋοτερον  £ixo(viöd'tv- 
των)  κτλ.  Daß  es  sich  hier  nicht  etwa  um  Epikrisis,  sondern  um  die 
κατ'  οϋκίαν  απογραφή  handelt,  steht  u.  a.  durch  Z.  31  völlig  fest.  Also 
sind  hier  Kinder  genannt,  die  bei  dieser  Gelegenheit  nicht  vorgeführt 
werden  konnten  und  daher  erst  später  (im  nächsten  Jahr)  mit  ihrem 
Signalement  aufgeschrieben  worden  sind.  Zu  είκονιΰμόζ  in  diesem  Sinne 
vgl.  jetzt  Oxy.  VII  1022.  Die  persönliche  Stellung  spielt  also  beim  Zensus 
dieselbe  Rolle  wie  bei  der  Epikrisis  (s.  unten).  Darum  mußten  —  nach 
der  Lukaslegende  —  auch  Joseph  nnd  Maria  nach  Bethlehem  gehen. 

Die  erhaltenen  Deklarationen  zeigen  für  die  verschiedenen  Gaue 
manche  lokale  Abweichungen.  Allen  gemeinsam  ist,  daß  überall  die 
Hausbesitzer  sich  und  ihren  Hausstand  zu  nennen  hatten  —  mit  An- 
gabe des  Berufes,  des  Personalstandes  {λαογραφονμενοζ^  ετακεκριμένος  ο.  ä.) 
und  des  Alters  — ,  wobei  auch  das  Haus  zu  bezeichnen  war,  so  daß  diese 
κατ  οίκίαν  άτίογραφαί  zugleich  eine  Feststellung  aller  Wohnhäuser  er- 
gaben.^) Im  besonderen  war  festzustellen,  in  welchem  Quartier  {αμ,φοδον) 
der  Deklarant  eingeschrieben  war  {άναγράφεύΟ'αι).  Die  Mieter  wurden 
verschieden  behandelt.  Im  Arsinoites,  Herakleopolites,  Oxyrhynchites  de- 
klarierten die  Hausbesitzer  auch  ihre  Mieter,  dagegen  in  Memphis  voll- 
zogen die  Mieter  selbst,  freilich  in  Gegenwart  ihrer  Wirte,  die  für  ihre 
Kopfsteuer  zu  bürgen  hatten,  die  Deklaration  (vgl.  205).  Ebenso  haben 
wir  jetzt  auch  aus  dem  ^τίολλωνοτνολίτης  Έπτακωμίας  eine  selbständige 
Eingabe  eines  Mieters  (Giss.  43).  Im  Herakleopolites  und  in  Antinoo- 
polis  wurden  die  Erklärungen  normalerweise  im  Periodenjahr  selbst  ein- 
gereicht (209,  207),  während  in  den  anderen  genannten  Gauen  die 
Eingaben  nicht  früher  als  im  Jahre  danach  regelmäßig  gemacht  wurden. 
Von  den  memphitischen  Eingaben  sind  zwei  aus  dem  Zensusjahr  (BGÜ 
777,  Lond.  III  S.  26/7),  zwei  aus  dem  folgenden  Jahr  (BGÜ  833  [205], 
Lond.  III  S.  29).  Die  Deklarationen  gingen  an  die  Finanzbehörden  des 
Gaues,  den   Strategen  und  den  königlichen   Schreiber,  außerdem  in  den 


1)  Vgl.  Eger  1.  c.  S.  180  f.     Daß  die  Häuser  nach  den  αμφοδα  zusammengezählt 
•wurden,  zeigt  z.  B.  CPHerm.  101. 


Β.  Die  römisclie  Zeit.     §  2.    Die  Steuerveranlagung.  195 

Metropolen  an  die  beiden  Stadtschreiber  und  den  Amphodarchen  und  den 
λαογράφος  des  Ampbodon  (Teb.  II  321),  in  den  Dörfern  an  den.  Dorf- 
schreiber und  den  λαογράφος  des  Dorfes  (vgl.  204).  Dagegen  in  der 
griechischen  τΐόλις  Antinoopolis  wurden  die  Eingaben  an  eine  städtische 
Kommission  von  gewählten  Vertretern  des  betreffenden  Stadtteiles  ge- 
richtet (vgl.  Rein.  49  [207]). 

Die  Richtigkeit  der  Angaben  wurde  außerhalb  des  Faijüm  durch  den 
schriftlichen  Kaisereid  der  Deklaranten  geschützt,  überall  aber  durch  die 
imtliche  Nachprüfung  (έξεταόις)  der  Ortsbehörden  gesichert,  wie  einzelne 
Subskriptionen  zeigen.  ^) 

Die  eingereichten  Exemplare  wurden  in  den  betreffenden  Bureaus  zu 
langen  RoUen  aneinandergeklebt  (6vγκoλλtΊϋίμ4lc)y  wie  die  Photographien 
in  den  Sitzungsber.  Pr.  Akad.  1883  1.  c.  zeigen.  Außerdem  wurden  Listen 
und  Auszüge  verschiedenster  Art  hergestellt.^)  Im  besonderen  wurden  die 
Zensuseingaben  von  den  Behörden  der  einzelnen  άμφοδα  verarbeitet, 
"^olche  Amphodarchenarbeiten,  in  denen  neben  Epikrisisakten  und  an- 
derem vor  allem  auch  die  Zensuseingaben  verwertet  sind,  liegen  uns  für 
αμφοδα  von  Arsinoe  aus  Vespasianischer  Zeit  in  Lond.  n.  260  und  261 
und  einem  Rainer-Papyrus  vor.  Vgl.  Stud.  Pal.  I  S.  58  ff.  Wohl  von  den 
Behörden  aus  gingen  Exemplare  auch  an  das  der  Verwaltung,  im  be- 
sonderen auch  der  Steuerverwaltung  dienende  Gauarchiv,  die  Οημοϋία  /3t- 
.ίλίο^ήχη  oder  βίβλίοϋΊίκη  των  δημοόίων  λόγων^),  wo  gleichfalls  wieder 
ονγχολλήόιμα  und  Auszüge  hergestellt  wurden.  Diese  Akten  des  Archivs 
wurden  auf  Wunsch  auch  Interessenten  zur  Anfertigung  von  Abschriften 
zur  Verfügung  gesteUt.  Vgl.  Stud.  Pal.  I  S.  28  (209),  Lond.  U  S.  63/4 
(208),  vgl.  auch  BGU  545  und  Straßb.  gr.  60  (77),  13,  wo  von  αντί- 
γραφα χατ  οΐκίαν  απογραφών  gesagt  wird:  επεοχεμμενα  (χ  τ\::  ί.τΐ  τόπων 
βιβλιοθήκης. 

Zur  Evidenthaltung  dieser  Bevölkerungslisten  ergab  es  sich  bei  der 
(jiröße  des  Zyklus  als  erforderlich,  daß  die  Zugänge  und  Abgänge  durch 
Geburt  und  Tod  (oder  auch  Flucht  oder  dgl.)  schon  während  der  Periode 
zur  Anzeige  gebracht  wurden,  was  in  der  Ptolemäer/eit  bei  der  jähr- 
lichen Wiederholung  der  Namensnennung  nicht  nötig  gewesen  war.  Die 
Geburtsanzeigen,  die  von  griechischen  und  griechiech-agyptischen  Eltern 
eingereicht  sind  (υπομνήματα  επιγεννήόεωςΥ),  zeigen,  daß  die  Kinder  oft  erst 
nehrere  Jahre  nach  der  Geburt  angezeigt  wurden.  Dasselbe  ergeben  die 
ynarfal  ^πιγεγεννημενοιν  in  Stud.  Pal.  I  S.  67,  77  etc.  Wenn  wirklich  nur 
Kiiiben  angemeldet  wurden,  wie  in  den  bisher  vorliegenden  Proben,  so 
liiiii^^t  dae   wohl   mit  der   Befreiung  der  Frauen   von  der  Kopfsteuer  au- 

1)  Vgl  Gr.  Ottraka  I    ivi  J)  \«l  Or.  Ottraka  I  478  ff. 

8)  Vgl  oben  S.  89.     V^l.  hieriftu  aacb  noch  Eger  1.  o.  8.  18  ff. 
4)  liGU  I  28,  110.  111;  Kay.  S8;  Gen.  8S  (ül);  Teb.  II  «M. 

18• 


I^Q  Kapitel  V.     Das  Steuerweeen. 

sammen.^)  Die  Frage,  ob  diese  Anzeigen  freiwillig  oder  auf  Grund  von 
Verfügungen  eingereicht  wurden,  harrt  noch  einer  evidenten  Lösung. 
Wesentlich  anders  als  diese  griechisch -ägyptischen  Geburtsanzeigen  sind 
die  Meldungen  römischer  Eltern  über  die  Geburt  von  Knaben  und 
Mädchen  zu  beurteilen,  von  denen  wir  kürzlich  auf  Holztafeln  und  Papyrus 
in  lateinischer  Sprache  Proben  erhalten  haben.  ^)  Vgl.  Cair.  Holztafel  (212) 
und  Oxy.  Λ^Ι  894  (213).  Auf  solche  Anzeigen  bezieht  sich  das  Reskript 
Gordians  in  Teb.  Π  285. 

Die  Todesanzeigen^)  sind  sicher  freiwillige  Meldungen  der  Hinter- 
bliebenen, deren  Interesse  in  der  Bitte,  den  Toten  betreffs  Kopf-  und  Ge- 
werbesteuer aus  den  Listen  zu  streichen,  klar  zum  Ausdruck  kommt 
(τίερίγραφηναι  τίερί  της  λαογραφίας  καΐ  χείρωνα^ίον:  Oxy.  Ι  173).*)  Aus 
dem  εως  Μεχείρ  in  Stud.  Pal.  Ι  S.  70,  394  etc.  folgt,  daß  diejenigen,  die  in 
der  ersten  Hälfte  des  Jahres  gestorben  waren,  die  Gewerbesteuer  (und  so 
auch  die  Kopfsteuer)  nur  zur  Hälfte  zahlten.  So  begreift  man  die  Prä- 
zision und  Eile,  mit  der  die  Hinterbliebenen  die  Todesfälle  anmeldeten. 
In  diesem  finanziellen  Interesse  der  Angehörigen  liegt  aber  auch  be- 
gründet, daß  die  Regierung  sich  eine  eingehende  Prüfung  dieser  Mel- 
dung durch  die  Ortsbehörden  vorbehielt.  Vgl.  BGU  IV  1068  (62);  Fay. 
30  (214).  Eine  Totenliste  enthält  ein  P.  Hawara  (unnumbered).  Vgl. 
Milne,  Arch.  V  395  f.  Vgl.  auch  die  Totenlisten  in  Lond.  II  S.  39  ff.,  wo 
der  Ausdruck  βξ  υπομνήματος  eben  auf  solche  Todesanzeigen  hinweist. 

FormeU  ähnlich  den  Todesanzeigen  und  auch  aus  ähnlichem  Interesse 
entsprungen  sind  die  Meldungen,  daß  ein  Angehöriger  „in  die  Fremde 
gegangen"  sei  (άνεχώρηβεν  εις  την  ξ,ενην),  was  oft  genug  durch  den 
Druck  der  Liturgien  oder  überhaupt  durch  wirtschaftliche  Not  oder  auch 
durch  Unruhen  herbeigeführt  wurde.  Vgl.  Oxy.  II  251 — 253  (215). 
Die  Pointe  liegt  hier  in  der  Mitteilung,  daß  der  Entwichene  keinen 
πόρος  hinterlassen  habe,  durch  den  etwa,  so  dürfen  wir  wohl  supponieren, 
einer  seiner  Angehörigen  zur  Steuerzahlung  oder  zur  Übernahme  einer 
Liturgie  statt  seiner  verpflichtet  werden  könnte. 

b.  Die  έπίκρίύίς^) 
Auf  Grund  der  in  der  Anmerkung  genannten  Arbeiten  unterscheiden 


1)  Irrig  war  meine  Annahme  in  Ostraka  I  453,  daß  diese  Anzeigen  für  die 
Militärbehörden  gemacht  seien.     Vgl.  Grenfell-Hunt  zu  Fay.  28. 

2)  Vgl.  Girard,  Nouv.  Rev.  Hist.  30,  494  flf.;  Wilcken,  Archiv  IV  252  fi.  und 
Grenfell-Hunt  zu  Oxy.  VI  894. 

3)  Vgl.  BGU  I  17,  79,  254,  III  773,  IV  1068;  Lond.  II  S.  66—68;  Anz.  Wien. 
Akad.  31,  7;  Mitt.PR  V  12/3;  Oxy.  I  79R.,  173,  II  262,  VII  1030  (36);  Fay.  29,  30; 
Teb.  II  300,  301.     Vgl.  auch  Levison  1.  c. 

4)  Vgl.  Gr.  Ostraka  I  454  ff.  Vgl.  auch  die  Meldung  des  Todes  eines  γί^διος 
an  den  έγΧήμ.'ητωρ  γερ{δίακον)  in  Oxy.  II  262. 

5)  Kenyon,  P.  Lond.  II  S.  42  ff.  (zu  Nr.  260,  261)  1898;    Grenfell-Hunt,  P.  Oxy. 


Β.  Die  römische  Zeit.     §  2.    Die  Steuerveranlagnog.  197 

wir  heute  eine  militärische  und  eine  nichtmilitärische  Epikrisis.  Da  anfangs 
zufällig  vorwiegend  Proben  der  ersteren  Art  bekannt  wurden,  rechneten 
die  älteren  Arbeiten  nur  mit  einer  militärischen  Epikrisis.^)  Erst  Kenyon 
konnte  auf  Grund  seiner  Publikation  von  P.  Lond.  n.  260,  261  (Π  S.  42ff.)  das 
Vorhandensein  einer  andersartigen  Epikrisis  feststellen,  und  Grenfell-Hunt 
haben  dann  auf  Grund  der  Oxyrhynchostexte  (vgl.  Oxy.  II  S.  217  ff.)  die 
beiden  Arten  noch  schärfer  geschieden.  Über  die  militärische  wird  unten 
in  Kap.  XI  gehandelt  werden.  Hier  ist  die  andere  Epikrisis  darzustellen, 
da  sie  ergänzend  zu  dem  durch  die  κατ*  οΐκίαν  άπογραφαύ  der  Regierung 
gelieferten  Material  hinzutritt,  und  das  Ergebnis  der  Epikrisis  für  die 
Besteuerung  des  Individuums  von  großer  Wichtigkeit  war.  Beide  Arten 
von  έτηκρίοεις  sind  nur  für  die  römische  Periode  bezeugt.  Den  ältesten 
Beleg  für  die  nichtmilitärische  ijtCxQLöLg  bringt  Oxy.  II  288  (11/2  n.  Chr.). 
Bei  dem  engen  Zusammenhang  zwischen  der  Epikrisis  und  dem  Zensus 
ist  es  wahrscheinlich,  daß  sie  zugleich  mit  diesem  eingeführt  worden 
ist.  Die  Frage  nach  der  Bedeutung  der  nichtmilitärischen  oder,  wie 
ich  sie  nennen  möchte  (Arch. V237),  der  fiskalischen. Epikrisis  und 
namentlich  nach  ihrem  Verhältnis  zu  der  militärischen  ist  heute  noch 
kontrovers.  Für  ihr  Verständnis  erscheinen  folgende  Punkte  als  besonders 
wichtig. 

Während  die  militärische  Epikrisis  stets  durch  den  Präfekten  oder 
seinen  militärischen  Stellvertreter,  in  der  Regel  in  Alexandri^n,  vorge- 
nommen wurde,  fand  die  nichtmilitärische  in  der  Heimat  des  Epikrisis- 
pflichtigen  statt  und  wurde  in  den  Gauen  unter  Oberaufsicht  des  Strategen 
nnd  seiner  UntersteUten  (vgl.  Oxy.  Π  257,  12  ff.,  IV  714;  Teb.  U  298,  20) 
von  lokalen  Epikrisiskommissionen   {ίπιχριταί  oder  ähnl.)  vorgenommen. 

Während  der  militärischen  Epikrisis  nur  Erwachsene  unterworfen 
waren,  wurden  zur  nichtmilitärischen  ausschließlich  die  gezogen,  die  das 
kopfsteuerpflichtige  Alter  (14—60)  entweder  noch  nicht  erreicht  {άφή- 
Χιχες)  oder  es  überschritten  hatten  {νπερετεΙξ)%  denn  diese  Epikrisis,  die 
Freie  und  Sklaven  in  gleicher  Weise  betraf,  war  eine  Prüfung  der 
Voraussetzungen,    die   eine   volle   oder  partielle  Befreiung  von 


Π  8.  217  ff.  (zu  Nr.  267,  258);  III  S.  168/4  (zn  Nr.  478);  P.  M.  Meyer,  Dm  Heerweten 
der  Ptolemaer  und  Körner  in  Äj^ypten  1900  8.  109  ff.,  229  ff.;  C.  Wewely,  Epikn«•. 
8itz.-Ber.  Wien.  Akad.  phil.-hiet.  Kl.  142,9  (1900);  P.M.Meyer,  Berl  phil.  Woch. 
1901  8p.  242  ff.;  W.  Schubarf,  Archiv  f.  Pap.  II  löfiff.;  J.  Leequier,  Le  r«cruteineiii 
de  Tarm^e  Ilom.  d'^^ypte,  Revue  de  Phil.  28  (1904)  8.  22  (SeparaUbd.);  C.  WeMely, 
Stud.  Pttl.  I  S.  58  ff.  (l'J06);  P.  Joujfuet,  Chronique  d.  Papyru•  II  (Ret.  d.  fitud.  Anc. 
VII  1906)  S.  60  (Sep-Abd.);  Wilcken,  Arch.  f.  Pap.  III  604  f.  666  ff.  V  287. 

1)  Vgl.  MomnjHcn,  CIL  III  Suppl.  p.  2007;  Wilckeo,  Herme•  28,  260. 

2)  Die  erhaltenen  KpikriHiieingaben  botreffen  alle  atpifiUntq.  Die  Epikriiii  der 
*3Τίρίτ•Γί  findet  «ich  z.  B.  in  Stud.  I*al.  1  8.  74,  660  ff.  erwähnt.  Daoach  bedurfte  ee 
einer  heHonderen  Enticheidung  darüber,  ob  die  überjahrigwi  in  die  tfxjxtu^ifitfvM 
eintreten  sollten. 


198  Kapitel  V,    Das  Steuerwesen. 

der  Kopfsteuer^)  gewährten  oder  allgemeiner  gesagt,  eine  Prüfung 
des  Personalstandes.  Da  die  Kopfsteuer  nur  auf  den  Männern  lastete, 
waren  die  Frauen  der  Epikrisis  nicht  unterworfen.^)  Eine  Ausnahme 
machen  die  Jüdinnen,  da  das  τελεομα  ^Ιουδαίων  auch  die  Frauen  traf.^) 
Hier  war  also  auch  für  die  Frauen  festzustellen,  wenn  sie  z.  B.  νπερετεΐς 
wurden.     Vgl.  Stud.  Pal.  I  S.  71  (61). 

Der  Personalstand  der  άφήλίχες  wurde  praktisch  in  der  Weise  fest- 
gestellt, daß  ihre  Eltern  resp.  ihre  Herren,  wenn  der  Befehl  zur  έπίτίριύΐξ 
an  sie  ergangen  war,  über  ihren  eigenen  Personalstand  vor  den  Be- 
hörden Zeugnis  ablegten,  denn  die  Söhne  und  Sklaven  wurden  hinsicht- 
lich der  Kopfsteuer  ebenso  behandelt  wie  ihre  Eltern  resp.  Herren.*) 
Waren  diese  steuerfrei,  so  galt  es  auch  von  den  Söhnen  resp.  Sklaven. 
Die  Behörden  begnügten  sich  aber  doch  nicht  mit  diesem  Nachweis  betreffs 
der  Eltern  oder  Herren  allein,  vielmehr  mußten  die  der  Epikrisis  zu  unter- 
werfenden persönlich  der  Behörde  vorgeführt  werden,  denn  es  werden  die- 
jenigen als  die  Epikrisis  nicht  bestanden  habend  (ανεπίχριτοΐ)  bezeichnet, 
die  sich  nicht  persönlich  gestellt  hatten  {άπαράβτατοι),  wiewohl  sie  dazu 
qualifiziert  waren.^)  Vgl.  Oxj.  11257,23  (147):  εμ\  δε  [i]v  άνεπίκρίτοις 
χετάχ^αι  τω  /ht)  ένδημεΐν.  Vgl.  auch  Stud.  Pal.  I  S.  74,  545  (=^  Lond.  II 
n.  260,  38):  !Λνεπίκρίτοι  γενάμε{νοι)  τω  (τίρώτω)  (ετει)  δια  το  είναι  [Ι]|ωι 
ορίων  Αίγντίτον^  worauf  drei  άτίαράβτατου  aufgezählt  werden,  die  damals  in 
Italien  waren,  und  ein  άπαράΰτατος^  der  in  Indien  war.  Wohl  aus  Anlaß 
dieser  persönlichen  Vorstellung  überreichten  nun  die  Eltern  resp.  Herren 
der  Behörde  Eingaben  (υπομνήματα^  in  denen  sie  die  von  der  Regierung 
verlangten  Auskünfte  schriftlich  niederlegten  und  zum  Schluß  durch  einen 
Kaisereid  ihre  Aussage  bekräftigten.  Die  scheinbare  Mannigfaltigkeit  in 
der  Anlage  dieser  υπομνήματα  vereinfacht  sich  nun,  was  bisher  nicht  ge- 
nügend beachtet  wurde,  bedeutend,  wenn  wir  sie  nach  ihrer  Herkunft 
ordnen,  denn  auch  hierfür,  ähnlich  wie  für  die  Zensuseingaben,  lassen  sich 
für  die  verschiedenen  Gaue  ganz  verschiedene  Formulare  nachweisen.  Es 
liegen  uns  zurzeit  folgende  Eingaben  dieser  Art  vor: 

1)  S.  oben  S.  189. 

2)  Wenn  in  Amh.  99, 1  eine  ^Ερμιόνη  als  di'  έπικρίΰεως  Μία  η  %al  'Έρμίόνη  be- 
zeichnet wird,  so  wird  man  mit  den  Editoren  daran  festhalten  dürfen,  daß  sie  nicht 
selbst  Objekt  der  Epikrisis  gewesen  war.  Die  Ergänzung  ΘερμονΟ'αρίου  έπ[ΐ'>ι{εχρι- 
μέντΐ£)7]  in  Stud.  Pal.  I  S.  69,  364  ist  unrichtig. 

3)  Vgl.  oben  S.  187. 

4)  In  bezug  auf  die  Sklaven  hat  dies  schon  Schubart  (Archiv  II  156)  gesagt. 
Vgl.  auch  Grenfell-Hunt  zu  Oxy.  IV  714;  Wessely,  Stud.  Pal.  I  59.  Vgl.  auch  die 
Ostraka  über  Ιουδαίων  τέλεομα  (2ί)5). 

5)  Gelegentlich  wurden  γνωατήρες  beigebracht,  also  Personen,  die  die  Identität 
der  Persönlichkeit  bezeugten.  Vgl.  Fay.  27,  32,  wo  P.  Meyer  γνωρίζω  mit  Recht  ver- 
mutet. Wahrscheinlich  ist  vorher  in  26  γνωβτήρες  geschrieben  statt  .  ωνηρε6{  ). 
Dagegen  ist  es  mit  Unrecht  angenommen  worden  in  Grenf.  II  49,  15,  wo  vielmehr 
6εΰ'η{μείωμαί)  zu  lesen  ist. 


ι 


Β.  Die  römische  Zeit.     §  2.    Die  Stenerveranlagung.  199 

Aus  Oxyrhynchos:  Oxy.  258  (216),  478  (218),  714,  1028;  Lips.  Inv. 
561  (217).     A^gl.  andererseits  Oxy.  257  (147). 

Aus  Arsinoe:  BGÜ  109,  324  (219),  971;  Gen.  18,  19;  Fay.  27;  Grenf. 
II  49;  Teb.  II  320;  Hawara  401. 

Aus  Hermopolis:  Amh.  75. 

1)  Für  Oxyrhynclios  ist  charakteristisch,  daß  hier  in  dem  die  Epi- 
krisis  der  Dreizehnjährigen  anordnenden  Befehl  speziell  die  Frage  zur 
„Prüfung'^  gestellt  wird,  ob  die  Eltern  Metropoliten  mit  der  (geringen) 
Kopfsteuer  von  12  Drachmen  seien:  ει  εξ  αμφοτέρων  γονέων  μψροπολν- 
τών  δωδεκαδράχμων  εΐοίν.  Dementsprechend  macht  die  Beantwortung 
dieser  Frage  den  Hauptinhalt  der  oxyrhynchitischen  Eingaben  aus.  Der 
Vater  versichert  es  für  sich,  und  da  die  Mutter  ja  überhaupt  keine  Kopf- 
steuer bezahlen  kann,  muß  der  entsprechende  Nachweis  für  ihren  Vater 
gebracht  werden.  Wenn  in  P.  Lips.  (217)  und  Oxy.  VII  1028  der  Sohn 
resp.  Sklave  selbst  schon  als  δωδεχάδραχμοξ  bezeichnet  wird,  so  liegt  dies 
daran,  daß  er  hier  inzwischen  schon  14  Jahre  alt  geworden  ist.  —  Die 
Eingabe  Oxy.  257  (147)  nimmt  gegenüber  den  anderen,  wie  mir  scheint, 
ein  Sonderstellung  ein.  Lesquier  l.  c.  26  (S.  A.)  Anm.  6  nimmt  zwar  an, 
mit  Hinweis  auf  Schubart  1.  c.  157,  daß  hier  των  προόβαινόντων  eig  τούζ 
άπο  γνμναόίον  nur  ime  fa^on  differente  d'indiquer  Tage  de  Tenfant  sei 
(«=  εΐξ  τρίοχαιδεκαετείς).  Er  hat  aber  übersehen,  daß  auch  die  Auskünfte 
der  Eltern  hier  ganz  andere  sind.  Es  wird  nämlich  der  Nachweis  ge- 
bracht, daß  die  Vorfahren  der  Familie,  väterlicherseits  und  mütterlicher- 
seits, Gymnasiarchen  gewesen  sind.  Also  handelt  es  sich  hier  speziell  um 
eine  Epikrisis  für  diejenigen,  die  unter  die  Epheben  aufgenommen  (ειόχρί- 
νεο^-αι)  werden  sollen.  Vgl.  oben  S.  141  ff.  Darum  habe  ich  diesen  Text 
oben  im  ΙΠ.  Kapitel  abgedruckt. 

2)  Ganz  andere  sehen  die  Eingaben  aus  Arsinoe  aus.  Auch  hier 
gab  es  unter  den  Metropoliten  eine  privilegierte  Klasse^),  deren  Kopfsteuer 
hier  aber  anders  normiert  war  als  in  Oxyrhynchos,  nämlich  auf  20  Drachmen 
(statt  40).  Vgl.  oben  S.  189.  Jedoch  die  Regierung  stellte  hier  nicht 
zpeziell  die  Frage  zur  Prüfung,  ob  die  Eltern  etwa  μιμρο:τολΐτ(α  sixo- 
οίδραχμοι  seien,  und  daher  berührt  auch  die  Meldung  der  Eltern  nicht 
diesen  Punkt.  Hier  erklären  vielmehr  die  Eltern,  gemäß  dem  erlassenen 
Befehl  ihre  dixuia  vorzulegen  —  und  zwar  aus  den  oben  angegebenen 
Gründen  ihre  öfxcuu,  nicht  die  der  έχίχρίνόμίνοι.  Es  folgt  dann  die 
Konstatierung,  daß  sie  für  den  jeweiligen  Zensus  für  das  und  das  βμφο- 
dov  ihre  Deklarationen  ordnungsmäßig  gemacht  hatten.  Falls  der  Sohn 
(resp.  Sklave)  etwa  bei  dem  letzten  Zensns  schon  gelebt  hat,  so  wird  es 


1)  Daß  nicht  alle  Metropoliten  privilegiert  waren,  lelgt  t.  B.  BGU  116  (lOt),  wo 
der  anh  τής  μηχροΐίόΐίως  doch  Χαογραφούμ^ψος  Ist.    Vgl.  snoh  Lond.  II  8.  64  niw. 


200  Kapitel  V.    Das  Steuerwesen. 

besonders  hervorgehoben,  daß  er  damals  auch  schon  mit  genannt  worden 
sei  (ΰννατΐογράφεο&αί).  Auch  wird  unter  Umständen  erwähnt,  daß  der 
Sohn  schon  durch  eine  Geburtsanzeige  angemeldet  worden  sei.^)  Das 
übliche  υπέταξα  μου  τα  δίκαια  läßt  darauf  schließen,  daß  Abschriften 
der  Dokumente  folgten;  es  ist  uns  aber  diese  Beilage  bei  keiner  der  Fai- 
jümer  Urkunden  erhalten.  Doch  da  in  Amh.  75  für  Hermopolis  ein  Bei- 
spiel vorliegt,  wird  es  wohl  auch  im  Faijiim  so  Sitte  gewesen  sein.  Sonst 
müßte  man  annehmen,  daß  schon  der  Hinweis  auf  die  früheren  ajto- 
γραφαί  eben  dies  ντίοτάύοευν  sei,  was  mir  abet•  nicht  wahrscheinlich  ist. 
Auch  spricht  BGU  324  (219)  dagegen,  wo  οννπαρεϋ-έμην  dem  νπεταξα 
parallel  steht.     Vgl.  den  Kommentar. 

3)  Von  der  einzigen  hermopolitischen  Eingabe  Amh.  75  I,  aus 
der  Zeit  des  Marcus  und  Verus,  ist  so  wenig  erhalten,  daß  wir  nicht 
wissen  können,  welche  Formalien  hier  üblich  waren.  Dafür  sind  uns  hier 
die  Beilagen  erhalten,  d.  h.  Auszüge  von  einer  großen  Zahl  von  Zensus- 
und  Epikrisiseingaben  bis  in  die  Zeit  des  Nero  hinein,  in  denen  die  Vor- 
fahren bis  in  die  augusteische  Zeit  zu  verfolgen  sind.  Da  hier  nun  meist 
der  Zusatz  ajtb  γ(νμνα6ίον)  zu  den  Namen  gefügt  ist,  so  könnte  man 
schon  hiernach  vermuten,  daß  diese  Eingabe  Oxy.  257  (147)  parallel  steht 
(s.  oben).  Diese  Annahme  wird  noch  durch  Folgendes  befestigt.  In  einem 
noch  unedierten  Straßburger  Papyrus,  den  ich  einsehen  durfte,  handelt  der 
6τρατηγος  Έρμοπολίτον  von  der  Epikrisis  der  oC  άπο  rfjg  μητροπόλεως 
εΙς  τους  τεοόαρεβκαιδεκαετεΐς  προΰβαίνοντες  άφήλίκες  und,  wenn  ich  den 
verstümmelten  Text  recht  verstand,  der  άπο  τάγματος  τον  γνμναοίον^ 
wobei  als  Zweck  des  έπικρίνεα^αι  angegeben  wird  die  Feststellung,  εΐ  βξ 
αμφοτέρων  γονέω[ν  το  μητροπο^λιτικον  γένος  ΰώξονοί,  οί  ο'  έκ  τον  γνμ- 
[vaöCov^  ει]  απ'  ει^ΰτου  τον  τάγματος  ειοι.  Wenn  ich  auch  zur  Erklärung 
dieses  Begriffes  τάγμα  nichts  beibringen  kann,  so  irre  ich  wohl  nicht  in 
der  Annahme,  daß  hier  zwei  Gruppen  unter  den  Privilegierten  geschieden 
werden,  die  Metropoliten  und  die  vom  Gymnasium.^)  Dies  bestärkt  mich 
in  der  oben  geäußerten  Ansicht,  daß  Oxy.  257  (147)  als  die  άπο  γνμνα- 
ΰίον  behandelnd  von  den  anderen  oxyrhynchitischen  Eingaben  zu  trennen 
ist,  und  ebenso  wird  man  wohl  auch  Amh.  75  dieser  Gruppe  zuweisen 
dürfen.  Was  über  die  Epikrisis  der  Metropoliten  gesagt  wird,  fällt  im 
Grundgedanken  mit  dem  zusammen,  was  für  Oxyrhynchos  und  Arsinoe 
festgestellt  werden  konnte,  aber  es  liegt  doch  wieder  eine  andere  Formel 
vor.     Der  Begriff  δωδεκάδραχμος  fehlt  auch  hier  wie  in  Arsinoe. 

So  finden  wir,  wie  bei  den  Zensuseingaben,   auch  bei  den  Epikrisis- 


1)  Vgl.  Gen.  19,  12.     Dagegen  ist  dies  mit  Unrecht  von  Wessely  in  BGU  109, 17 
ergänzt  worden. 

2)  Daß  man  normalerweise  mit  14  Jahren  in  die  Epheben  eintrat,  wurde  oben 
S.  141  auseinandergesetzt. 


Β.  Die  römische  Zeit.     §  2.    Die  Steuerveranlagung.  201 

eingaben  lokale  Λ^6Γ5θ1ιίβ(1βη1ιβΐίβη.  Neben  den  allgemeinen  gleichen  Ver- 
ordnungen stand  der  durch  die  Jahrhunderte  traditionell  festgehaltene 
Usus  der  einzelne  Gaue  —  ähnlich  wie  z.  B.  die  Steuererhebung  κατά  τε 
τον  της  ώνης  γνώμονα  καΐ  την  τον  vouov  οννή&είαν  ausgeübt  wurde 
(BGÜ  IV  1062,  14  [276]). 

Auch  die  Epikrisisakten  lagen  wie  die  Zensuseingaben  in  der  δη- 
μούία  βιβλιο&ήκη.  In  Oxyrhynchos  bildeten  die  beiden  βίβλωφύλαχες 
die  Epikrisisbehörde,  resp.  mit  dem  Strategen  u.  a.  zusammen  die  Epi- 
krisiskommission.  Vgl.  Oxj.  III  478,  714.  i)  Natürlich  hatten  auch  diese 
Akten  Publizität.  Die  Interessenten  konnten  Abschriften  aus  ihnen  ent- 
nehmen. Vgl.  BGÜ  II  562  (220).  Wie  diese  Epikrisisakten  von  den 
Amphodonbehörden  zur  Aufstellung  der  Bevölkerungslisten  verarbeitet 
wurden,  zeigen  die  schon  oben  erwähnten  wichtigen  Dokumente  in  Stud. 
Pal.  I  S.  72ff. 

Ein  abschließendes  Urteil  über  diese  Epikrisis  ist  heute  noch  nicht 
möglich.  Nur  dies  darf  wohl  schon  jetzt  als  gesichert  gelten,  daß  sie 
den  Zweck  hatte,  festzustellen,  welche  Personen  von  der  Kopfsteuerpflicht 
ganz  oder  partiell  befreit  waren.  Wohl  kann  man  sagen,  daß  die 
Epikrisis,  die  m.  E.  in  jedem  Jahre  für  die  nunmehr  13  Jahre  alt  Ge- 
wordenen angeordnet  wurde  ^),  für  die  Evidenthaltung  der  Bevolkerungs- 
listen  ergänzend  zu  dem  nur  alle  14  Jahre  stattfindenden  Zensus,  der  die 
Grundlage  für  jene  bildete,  hinzutrat.  Aber  es  scheint  mir  wichtig,  als 
Unterschied  festzustellen,  daß  der  Zensus  zu  einer  Untersuchung  der 
Kopfsteuerpflicht  nicht  führte.  In  den  Zensuseingaben  werden  nur  die 
Resultate  der  Epikrisis  neben  anderem  —  wie  z.  B.  auch  dem  Häuser- 
besitz —  angegeben.  Wer  die  Epil^risis  mit  Erfolg  bestanden  hat,  durfte 
sich  in  der  nächsten  Zensuseingabe  als  επίχεκριμενος  bezeichnen.  Die 
Feststellung  dieses  Rechtes  erfolgte  aber  ausschließlich  durch  den  Epi- 
krisisakt. 

Wer  sich   έπικεκριμενος  nennen  durfte,  gehörte  nun  zu  den  privile- 
gierten Klassen.     So  stehen  sich  die  έπικεκριμένοί  und  die  λαογραψονμε 
voi   (soweit  sie   voll  besteuert  waren)   oder   wie   wir  jetzt    sa^^en    dürfen, 
die    dediticii    schroff  gegenüber.')      Zu    fl<  η    ^πιχεκριμίνοι    goliiirrn.    wie 

1)  In  Oxy.  1028  eind  mit  den  beiden  früh•  nn  (i\  iiuiiiHiurrhoM  \it'll«'icht  die  fiifiiio- 
ffvlantg  gemeint.  "Vffl.  714.  —  Im  Faijuiu  IiuImh  wir  kmi  Η(•ίΗΐ•Μ•1  IMr  ilie  .Mit- 
wirktin^,'  der  βιβλιοφνλαχ^ς.  Hier  Tertehen  gewöhnlich  «m  <••!.  r  /wn  früluTi•  (Jym- 
nuMian  hftn  (\a»  Amt  dee  ίηιχριχιΊς. 

2i  I)if!  Iierrschendo  An«ioht,  daß  in  den  Zeniaijaln•-!)  kmir  Kj.ikriHin  etatt^»««- 
fundcn  liuhr;,  int  nicht  richtig.  Vgl.  Oxy.  478,  81,  wo  βίηυ  KitikritfiH  tiir  da«  7  Juhr 
des  Trajan  (ZenMUMJahr)  gf'nannt  wird.  Die  Begründoog  lifgt  in  der  obigrn  l'ntor• 
•cheidung  der  beiden  Maßregeln.  Sie  waren  lo  tenchiedcn,  daß  ni<^hi  •  in/tiNohoa 
ift,  warum  im  /(^nituijabr  die  DreUehoj&hrigen  flbergangen  wtrden  i< 

3;  Der  QegeniaU  tritt  beeonden  icbaK  •nigtgeii  in  den  ΙβΗη«..^ ..^ ..  Worten 
Lond.  II  S.  61,  lS4ff.,  wo  einer  an•  der  Liste  der  vlol  1αο/ρ«φον|ΐ^τ•ν  in  die  Litte 


202  Kapitel  V.     Das  Steuerwesen. 

wir  oben  sahen,  abgesehen  von  den  Römern,  die  Bürger  der  griechi- 
schen Städte,  die  privilegierten  Metropoliten  (δωδεκάδραχμοί  in  Oxy- 
rhynchos,  είκοοίδραχμοι  in  Arsinoe),  im  besonderen  die  άπο  γνμναοίου 
und  die  Katöken.^)  Wir  können  daher  auch  sagen,  daß  durch  die  Epi- 
krisis  in  erster  Reihe  die  hellenische  Kulturschicht  der  Bevölkerung 
von  der  ägyptischen  abgesondert  wurde.  Ähnlich  auch  schon  Kenyon  zu 
Lond.  II  n.  260. 

Wenn  wir  auch  aus  den  angeführten  Gründen  diese  fiskale  Epikrisis 
von  der  militärischen  scheiden,  so  besteht  doch  ein  gewisser  innerer  Zu- 
sammenhang insofern,  als  eben  nur  die  έτηκεκρψένοί  zum  Heeresdienst 
qualifiziert  waren  (vgl.  Kap.  XI).  Also  können  wir  annehmen,  daß  auch  die 
Akten  der  fiskalen  Epikrisis  für  die  Aushebungsarbeiten  von  Wert  ge- 
wesen sind.  Trotzdem  dürfen  wir  der  obigen  Epikrisis  keine  unmittel- 
baren militärischen  Zwecke  zuschreiben.  Sie  ist  nur  eine  Voraussetzung 
für  die  Rekrutierung.  Die  eventuelle  Verwendbarkeit  für  die  Aushebungen 
trat  ja  auch  erst  mehrere  Jahre  nach  der  Prüfung  der  13jährigen  ein, 
während  die  Steuerbefreiung  sogleich  vom  14.  Jahre  an  akut  wurde,  und 
nur  diese  galt  es  festzustellen.^) 

2.  Die  Feststellung  der  Steuerobjekte. ^) 
a.  Die  αΛογραφαί. 
Durch  das  Edikt  des  Mettius  Rufus  (Oxy.  II  237  VIII)  haben  wir 
gelernt,  die  Immobilien-  und  die  Mobiliendeklarationen  noch  schärfer  von- 
einander zu  trennen.  Während  wir  früher  auch  von  den  Immobilien- 
deklarationen wie  von  den  anderen  annahmen,  daß  sie  alljährlich  ein- 
gereicht seien,  wissen  wir  jetzt,  wie  schon  Grenfell-Hunt  in  ihrem 
grundlegenden  Kommentar  darlegten,  daß  die  an  die  βίβλίοϋ'ήκη  έγκτψ 
οεων  eingereichten  General- άπογραφαί  nur  je  nach  Bedarf,  wenn  Unord- 
nungen in  der  βίβλιοΰ^ήκη  eingerissen  waren,  vom  Präfekten  angeordnet 
wurden.  Es  ist  ferner  im  Anschluß  an  das  Edikt  jetzt  mit  Recht  in 
Zweifel   gezogen  worden,   ob   diese   an   die   ßißλίo^'ήκη  έγκτήΰεων  gerich- 


der  νίοϊ  κατοίκων  versetzt  wird  έτνί-τώ  τον  τούτον  πατέρα  άπο  λαογραφίας  χεχωρίαϋ'αί 
δια  το  έπι-ΛΕΥ-ρίβΟ-αι  τω  α  (hsi)  Ονεα[πα6ΐ]ανον  νπό  των  προν,ΐχιριβμένων.  Das  fol- 
gende ist  vielleicht  zu  lesen:  [βξ,Ί  άπ]αραατάτων  γραφής. 

1)  Ρ.  Meyer  nimmt  an,  daß  die  κ<%τοικοί.  im  1.  Jahre  des  Nero  (54/3),  die  άπο 
γυμναΰίον  im  7.  Jahre  desselben  Kaisers  (60/1)  zur  Epikrisis  zugelassen  seien.  Vgl. 
Heerwesen  S.  230  ff.  Das  bedarf  noch  weiterer  Prüfungen.  Dagegen  Schubart  1.  c. 
Sachlich  ist  es  mir  höchst  unwahrscheinlich,  daß  z.  B.  die  άπο  γυμνασίου,  diese 
hellenische  Schicht,  nicht  von  vornherein  zur  Epikrisis  herangezogen  sein  sollte,  so- 
bald überhaupt  die  έπίκρυβις  eingeführt  wurde. 

2)  Vgl.  die  klaren  Ausführungen  von  Lesquier  1.  c. 

3)  Vgl.  H.  Lewald,  Beiträge  z.  Kenntnis  des  röm.-ägypt.  Grundbuchrechts  1909 ; 
0.  Eger,  Zum  ägyptischen  Grundbuchwesen  in  röm.  Zeit  1909;  Fr.  Preißigke,  Giro- 
wesen im  griechischen  Ägypten  1910. 


Β.  Die  römische  Zeit.     §  2.    Die  Steuerveranlagung.  203 

teten  ά:ΐογραφαί  überhaupt  zu  Zwecken  der  Steuerveranlagung  eingefordert 
sind,  wie  denn  die  neuere  Forschung  zu  ganz  anderen  Ansichten  über 
die  Bedeutung  dieser  βι,βλιο9^ήχη  gegenüber  den  vor  Auffindung  des  Ediktes 
liegenden  Arbeiten  gekommen  ist.^)  Ein  direkter  Zusammenhang  zwischen 
den  an  die  βίβλίοΰ-ηχη  εγκτήοεων  gerichteten  άπογραφαί  und  den  Auf- 
gaben der  Steuerbehörden,  im  besonderen  eine  Verwendung  jener  άπο- 
γραφαί für  die  Steuerveranlagung  und  Erhebung,  läßt  sich  in  der  Tat 
nicht  erweisen,  wenn  man  es  auch  für  wahrscheinlich  halten  mag,  daß 
das  reiche  dort  aufgespeicherte  Material  eventuell  auch  den  Steuerbehörden 
zur  Verfügung  gestanden  hat.*)  Aus  diesen  Gründen  glaubten  wir  den 
jetzigen  Stand  der  Forschung  am  klarsten  zum  Ausdruck  zu  bringen, 
wenn  wir  die  an  die  βιβλιο^ψ.ΐ]  έγκτϊΐόεων  und  die  an  die  Steuerbehörden 
(ύτραττιγός  usw.)  gerichteten  άπογραφαί  völlig  voneinander  trennten.  Die 
ersteren  behandelt  Mitteis  im  Π.  Bande  in  einem  eigenen,  jener  /3t/3Xio- 
^Ί\7ίΐ]  gewidmeten  Kapitel  (IV),  während  ich  mich  hier  auf  die  zweite 
Gruppe  beschränke,  deren  Verwendung  für  die  Steuerzwecke  nicht  zweifel- 
haft ist. 

Es  ist  kürzlich  die  Frage  aufgeworfen  worden,  ob  nicht  eventuell 
Außer  den  an  die  βίβλιοϋ^ήκη  έγχτήοεων  gerichteten  General -βΛο;^ραφα^ 
auch  solche  an  die  Steuerbehörden  (Strategen  usw.)  von  Zeit  zu  Zeit  ein- 
gefordert worden  seien.  ^)  Aber  ganz  sichere  Zeugnisse  liegen  zurzeit 
nicht  vor*),  und  P.  Brux.  (236)  spricht  m.  E.  direkt  dagegen  (s.  unten). 

So  kann  ich  hier  nur  eine  Gruppe  von  Immobilieneingaben  namhaft 
machen,  die  sicher  an  die  Steuerbehörden  gingen,  das  sind  die  Grund- 
8tück8-ß^;o}'()a<3pa^,  die  auf  die  Wirkungen  der  Nilüberschwem- 
mung Bezug  nehmen.^)  Wir  besitzen  bis  jetzt  die  folgenden  an  die 
Strategen,  königlichen  Schreiber  und  Dorfschreiber  gerichteten  άπογραφαί: 
für  162/3:  BGU  198,  Fay.  33,  Grenf.  II  56  (226);  für  194/6:  BGÜ  973; 
für  201/2:  BGÜ  139  (225),  Hamb.  11;  für  203/4:  BGU  108  (227);  für  207/8: 
Teb.  II  324,  alle  aus  dem  Faijüm.  Die  Grundbesitzer,  die  diese  Anzeigen 
gemacht  haben*),  berufen  sich  auf  den  Befehl  des  Präfekten;  nur  in 
Hamb.  11  ist  statt  dessen  der  procurator  usiacus  genannt.  Der  Schwer- 
punkt dieser  Anzeigen  liegt  in  d^r  Mitteilung,  daß  ihre  Acker  in  diesem 

1)  Vgl.  die  in  der  vorigen  Anmorkun;^'  7.iti*rten  Arbeiten. 

2)  Vgl.  Lewald  8.  88;  Eger  8.  100  und  196  ff.  H)  Eger  191  iW 

4)  Eger  1.  c.  verweist  auf  BOU  108  dtl)  und  Oxy.  I  78  aU  „sehr  uiiHii  h<>ro  Be- 
lege*\     8ie  iiind  in  der  Tat  nicht  durchHcblagund. 

6)  Zu<*rHt  richtig  gedeutet  nach  den  Lchrrn  dce  Edikt«  de•  MettiuH  Kufus  von 
Orenfell-Hunt  in  ihrem  Kommentar  zu  dieeem  Edikt.  Vgl.  jetzt  auch  Lewald  1.  c.; 
Eger  188  ff.;  Preiwigk«,  Giroweten  870;  P.  Meyer  zu  Hamb.  11. 

β)  8ie  zeigen  an,  auch  wenn  sie  den  Acker  verpachtet  haben.  Brui.  1  (2Se) 
zeigt,  daß  bei  kaiiierlichem  Domanialland  die  Λημόαιοι  γίω^γοί  die  Anieige  tu  er- 
•tatten  hatten.  Bei  den  letzteren  ma0  Anzeigcptiicht  beat^nden  haben.  Fttr  die 
Privatbeiitzer  gebot  eii  ihr  Intereaie,  doch  berufen  auch  nie  lioh  auf  den  ««Befehle 


204  Kapitel  V.     Das  Steuerwesen. 

Jahre  οίβροχοί  geblieben  seien,  d.  h.  daß  sie  von  der  Überschwemmung  nicht 
oder  nicht  genügend  (προς  το  πλείβτον)  erreicht  worden  seien.  ^)  Auf 
solche  «/3ρο;^/^ί^- An  zeigen  wird  z.  B.  in  dem  P.  Brux.  1  (236)  mehrfach  hin- 
gewiesen. Nun  haben  wir  aber  soeben  durch  P.  Hamb.  12  (235)  gelernt,  daß 
auch  über  diejenigen  Grundstücke  entsprechende  άπογραφαί  eingereicht 
wurden,  von  denen  nach  der  Überschwemmung  das  Wasser  nicht  zurück- 
trat, so  daß  gleichfalls  die  Ernte  verhindert  wurde.  Hier  heißt  das  Land 
έφ  νδωρ,  sonst  auch  xad•'  vöccrog  oder  δμβροχος  oder  κατάβροχος.^} 
Dazu  kommt  nach  meiner  neuen  Deutung  von  BGÜ  108  (227)  eine  An- 
zeige von  versandetem  Lande  (^άμμόχωοτος).  Wir  dürfen  daher  wohl 
annehmen,  daß  solche  απόγραφαν  in  allen  den  Fällen  eingereicht  wurden, 
in, denen•  überhaupt  die  Wirkungen  der  Überschwemmung  die 
Tragfähigkeit  des  Bodens  irgendwie  ungünstig  beeinflußten,, 
wahrscheinlich  z.  B.  auch  bei  τΐοταμοφόρψος^)  Der  Zweck  dieser  άπο- 
γραφαύ  war  in  allen  Fällen  derselbe,  eine  κονφοτελεια  oder  womöglich 
ατέλεια  zu  erhalten,  gleichviel  ob  es  sich  um  die  Grundsteuer  (bei  Pri- 
vatland) oder  um  Pachtzins  (bei  Domanialland)  handelte.  So  wird  denn 
auch  in  BGÜ  139  (225)  und  Teb.  324  ausdrücklich  auf  den  normalen 
Steuersatz  hingewiesen.  So  lange  wir  nur  die  aß ροχία- Anzeigen  kannten^ 
wurde  meist  angenommen,  daß  eine  behördliche  Aufforderung  zu  solchen 
Anzeigen  nur  in  solchen  Jahren  erfolgt  sei,  in  denen  Ägypten  eine 
mangelhafte  Nilüberschwemmung  gehabt  habe.  Nach  diesen  neuen  Auf- 
schlüssen wird  man  wohl  annehmen  müssen,  daß  diese  Aufforderungen  in 
jedem  Jahre  erfolgten,  denn  jede  Überschwemmung  bringt  für  einzeLae 
Stellen,  je  nach  ihrer  Lage  oder  speziellen  Beschaffenheit,  Wirkungen 
hervor,  die  die  Steuerfähigkeit  des  Bodens  beeinträchtigen,  sei  es,  daß  sie 
αβροχοί  oder  εμβροχοι  oder  άμμόχωοτοι  ο.  ä.  werden.  In  Hamb.  12  wird 
ein  Stück  Land  behandelt,  das  10  Jahre  hindurch  als  εφ'  νδωρ  festgestellt 
wird.  Nun  wird  hier  zwar  die  απογραφή  nur  einmal  erwähnt,  aber  für 
das  laufende  Jahr,  und  so  liegt  es  nahe,  anzunehmen,  daß  im  Notfalle 
eine  Anzeige  auch  in  den  früheren  Jahren  erstattet  worden  ist.  Ebensa 
wie  hier  ein  tieferliegendes  Gebiet  immer  wieder  angezeigt  und  immer 
wieder  (durch  die  επίσκεψις)  als  εφ'  νδωρ  konstatiert  wird,  so  wird  das- 
selbe auch  für  die  άβροχία  von  höherliegenden  Feldern  anzunehmen  sein. 
Wie  die  Subskriptionen  der  erhaltenen  άπογραφαί  zeigen,  wurden  sie 
beim  Strategen  und  beim  königlichen  Schreiber  einregistriert.    Außerdem 


1)  Vgl.  meine  Gr.  Ostraka  I  211  f.;    Arch.  IV  177.     Die  entgegenstehende  An- 
sicht von  Ruggiero  ist  nicht  zu  halten.    Vgl.  jetzt  auch  P.  Meyer,  P.  Hamb.  S.  43  A.  1. 

2)  Vgl,  Wilcken,  Ostraka  I  151 ;  P.  Meyer,  P.  Hamb.  S.  52.    Aber  υφαμμος  (ver- 
sandet) kann  nicht  synonym  sein. 

3)  Vgl.  Arch.  V  255,  wo  ich  auf  Amh.  85,  15  hinwies:    έαν  δέ  τι,  αβροχος  γένη- 
ται  η  καΐ  ποταμ,οφόρητος  η  νφαμμ,ος  η  ■λατεξνομένη  γένηται  κτλ. 


Β.  Die  römische  Zeit.     §  2.    Die  Steuerveranlagung.  205 

erhielt  der  Dorfschreiber  ein  Duplikat  zur  εξέταΟίς.  Der  Dorfschreiber 
hatte  also  die  Aufgabe,  die  Richtigkeit  der  Angaben  zu  prüfen,  offenbar 
an  der  Hand  seines  Katasters.     Vgl.  unten. 

Nach  unserer  jetzigen  Auffassung  von  diesen  Einrichtungen  müssen 
wir  sagen,  daß  sie  sich  im  Grundgedanken  wenig  unterscheiden  von  dem, 
was  Herodot  II  109  von  Sesostris  erzählt.  Vgl.  Griech.  Ostraka  I  175 
und  Arch.  Υ  255. 

Viel  einfacher  zu  beurteilen  sind  die  Mobiliendeklarationen.  Wir 
haben  solche  über  Viehbesitz,  und  zwar  über  Kamele^)  und  über  Schafe 
und  Ziegen ^j,  andererseits  über  Schiffe.*)  Die  Veränderlichkeit  des  Be- 
sitzes erfordert  hier,  woran  die  Texte  auch  keinen  Zweifel  lassen,  alljähr- 
liche Wiederholung  der  Anzeige.  Es  sind  richtige  Steuei-professionen, 
die  an  die  ordentlichen  Steuerbeamten  des  Gaues,  an  den  Strategen  und 
an  den  königlichen  Schreiber  eingereicht  werden.*)  Nur  Nr.  248  ist  an  den 
Epistrategen  adressiert  (vgl.  den  Kommentar).  Die  Angaben  werden  in 
die  Bücher  der  betreffenden  Beamten  einregistriert,  wie  die  Deklarationen 
zeigen,  doch  auch  hier  wird  von  amtlicher  Kontrolle  nicht  abgesehen: 
das   deklarierte  Vieh  wird  durch  einen  liturgischen  Beamten   nachgezählt 

Da  von  den  Subjektsdeklarationon  bezeugt  ist,  daß  sie  in  die  βιβλιο- 
Ο'ήκη  δημοοίων  λόγων  Aufnahme  fanden  (s.  oben  S.  195),  so  wird  man 
auch  für  die  Objektsdeklarationen  wohl  dasselbe  annehmen  dürfen. 

b.  Der  Kataster.^) 
Den  oben  S.  176  ff.  charakterisierten  Kataster  der  Ptoleniäer  hal)en  die 
Kaiser  nicht  nur  für  Ägypten  übernommen,  sondern  haben  ihn  wahr- 
scheinlich auch  für  die  Katastrierung  anderer  Provinzen  als  Vorbild  be- 
nutzt.'^) Was  oben  über  den  Kataster  gesagt  wurde,  gilt  dalier  auch  für 
die  Kaiserzeit.     Irgendeine  prinzipielle  Änderung   ist  nicht  zu  erkennen. 


1)  BGU  I  51,  62,  8«,  192,  266  (245),  862—366,  867,  868  (246),  II  421,  629,  III  762, 
862,  869;  Grenf.  II  46,  46a;  Lond.  II  S.  72—76.    Vgl.  auch  Weseoly,  Karani•  S.  88ff. 

2)  BGÜ  I  183;  Hartel,  Gr.  P.  74;  Oxy.  I  74,  II  246,  246  (247);  Amh.  78;  Oxy. 
VI  962.     Vgl.  auch  üxy.  II  244,  297. 

8)  Grenf.  I  49  (248). 

4)  In  der  Straßburger  Sammlung  sah  ich  unter  gr.  178  eine  ά)το/9αφι|  Aber 
Esel  (μη  ίργαζομ^ο{νς)  μι^^οϋ,  aW  §1ς  Idiav  XQtiocv)  vom  Jahre  119/SO,  die  an  die 
betreffenden  Steuerp9chter  {ίξ§ιΙηφότ§ς  reip.  nachher  ηλ{ωψης)  tCa(pv^)  όψων)  gerichtet 
iit.     Vgl.  hierzu  OHtrtika  I  477. 

C)  Vgl.  hionu  im  besonderen  Lond.  II  8.  77/8. 

6)  Vgl.  /.um  rOmifchen  KatMter  Lewald  S.  74  ff.,  der  tum  erstenmal  die  Schei- 
dung dof  Kataiiten  von  den  διαβτρώματα  der  βίβίαο&ηηη  ίγην^β9Φψ  klar  hingeeiellt 
hat.  Ein  Hauptuntenchied  iit  der,  dafi  der  Kataater  den  gesamten  Gruiui  und  Boden 
umfafit,  den  /^ifontlichen  wie  den  privaten,  während  die  ßißUodi^fi  ίγητ^9Φ9  nur 
den  privaten  iicliundolt. 

7)  Vgl.  Marquardt,  Rom.  Staatsverwaltong  Π  194  f. 


206  Kapitel  V.     Das  Steuerwesen. 

Die  geometrische  Vermessung  des  Bodens  im  Kataster  erhellt  am  besten 
aus  P.  Lond.  II  S.  129  ff.  (234).  Sehr  wertvoU  ist  auch  P.  Brux.  1  (236), 
in  dem,  wenn  es  auch  kein  Katasterfragment  ist,  doch  der  Kataster 
mit  verarbeitet  ist  (vgl.  meinen  Kommentar).  Besonders  bemerkenswert 
ist,  daß  hier  ein  Hinweis  auf  άτίογραφαί  sich  nur  bei  Berechnung  der 
αβροχοξ  γη  findet,  und  zwar  regelmäßig.  Das  sind  die  oben  S.  203  f.  be- 
sprochenen άπογραφαί  betreffs  άβροχία  usw.  ^)  Ich  sehe  hierin  eine  Be- 
stätigung für  die  ebendort  ausgesprochene  Ansicht,  daß  außerdem  keine 
άπογραφαί  an  die  Katasterbehörden  gerichtet  worden  sind.^)  Nur  über 
Veränderungen,  die  zur  Überweisung  der  Steuerpflicht  auf  eine  andere 
Person  als  den  bisherigen  Steuerzahler  führten  (wie  z.  B.  durch  Verpach- 
tung usw.),  scheinen  den  Katasterbeamten  Anzeigen  erstattet  zu  sein, 
aber  nicht  in  Form  von  άπογραφαί,  wie  die  an  die  βίβλωϋ-ηκη  έγκτήοεων 
gerichteten.  Vgl.  BGU  II  457  (252),  wo  solche  Anzeigen  als  έπενεχ%'εΐ6αι 
οίκονομίαί  bezeichnet  werden.  Eine  Beschwerde  an  den  Epistrategen  über 
eine  unrichtige  Katastereintragung  ist  P.  Oxy.  III  488. 

Wie  in  der  Ptolemäerzeit  geben  auch  jetzt  die  κωμoγρaμμaτεΐg  auf 
Verlangen  Auskunft  aus  ihrem  Dorfkataster.  Vgl.  BGU  5  und  11  (238), 
BGU  619,  auch  den  Florentiner  Papyrus  aus  Heptakomia  (in  Kap.  VII). 

Daß  es  neben  dem  Bodenkataster  auch  einen  Gebäudekataster  gab, 
zeigen  BGU  5  und  11  (238),  auch  Straßb.  31,  16  f. 3) 

Der  von  den  γραμματείς  μητροπόλεως  geführte  städtische  Kataster 
wird  bezeugt  z.  B.  durch  P.  Lips.  Inv.  266  (=  Archiv  V  245)  und  P. 
Giss.  4  ff.*)  Auch  für  die  Kaiserzeit  gilt,  daß  wir  wahrscheinlich  einen 
Gaukataster  in  den  Metropolen  und  einen  Zentralkataster  in  Alexandrien 
anzunehmen  haben.  Der  Gaukataster  wird  auch  in  der  ßLßλLO^"ήκη  δημο- 
αίων  λόγων  gelegen  haben,  wo  auch  die  άπαίτήοίμα  lagen. 

Wie  in  der  Ptolemäerzeit  ist  auch  jetzt  der  Kataster  evident  gehalten 
durch  jährliche  έπίοκέψεος^),  d.  h.  durch  Lokalinspektion.  Unsere  Haupt- 
urkunden hierfür  sind:  Brux.  1  (236);  Lond.  II  S.  129  ff  (234);  Teb.  Π  343; 
BGU  II  563—566;  Oxy.  VI  918;  BGU  IV  1091,  24;  Hamb.  12  (235); 
Lips.  105  (237);  Brem.  73  (239).  Wie  weit  diese  jährliche  Nachprüfung  aus- 
gedehnt wurde,  ist  ein  Problem,  das  noch  nicht  ganz  geklärt  ist.  Daß  der  ge- 
samte Boden  in  jedem  Jahre  nachgemessen  und  nachgeprüft  wäre,  ist  kaum  zu 
glauben.  Es  scheint  denn  auch,  als  wenn  nur  diejenigen  Felder  der  έπίοκε-ψις 


1)  Vgl.  Lewald  S.  81,  1;  Eger  S.  187. 

2)  Daß  die  an  die  βίβλιο^-ητιη  έγκτησεων  gerichteten  generellen  άπογραφαί  von 
der  Katasterfrage  völlig  zu  trennen  sind,  haben  Lewald  und  Eger  gezeigt. 

3)  Vgl.  Lewald  S.  82. 

4)  Vgl.   Λερϊ    7ραμμ«τείαν    πόλεως    resp.   μητροπόλεως,    parallel  τνερί  κωμογραμ- 
ματείαν. 

5)  Vgl.  Wilcken,  Gr.  Ostraka  I  174  ff.;  Arch.  I  151  f.;  Eger  1.  c.  186  ff.;  Lewald 
1.  c.  80  ff.;  Rostowzew,  Kolonat  158,  189;  P.  Meyer  zu  Hamb.  12. 


Β.  Die  romische  Zeit.     §  2.    Die  Steuerveranlagung.  207 

unterworfen  wären,  bei  denen  im  laufenden  Jahre  irgendeine  Veränderung 
cremeldet  war,  die  auch  eine  Änderung  des  Steuersatzes  (resp.  des  Pacht- 
zinses bei  öffentlichem  Lande)  herbeiführen  mußte.  So  geht  aus  Lips. 
105  (237)  hervor,  daß  der  Dorfschreiber  doch  nur  bestimmte  Felder  zur 
Β^ίοκεφις  anmeldete  (μεταδιδόναι).  Wenn  ich  die  Schlußworte  dieses 
Leipziger  Papyrus:  rag  γάρ  λοιπ(άς)  εΙς  πλήρωοιν  των  z/r  και  προς  των 
—  ΰημαν^ειόών  νπ  αντον  βεβρεγμέν{ων)  παρειχεν  μη  μεταδονς  (seil,  εις 
έτΐίόκεφίν^  vgl.  Ζ.  23/4)  ώ^  όμολόγονς  ονόας  recht  verstehe,  so  hat  hier 
der  Dorfschreiber  diejenigen  Felder,  die  ganz  normal  von  der  Nilschwoll.' 
bewässert  waren,  zur  επίακει^ις  nicht  eingereicht,  weil  es  gar  nicht  in  Zwiiioi 
gezogen  war  {6μολόγονς),  ob  sie  βεβρεγμέναι  seien  *),  d.  h.  mit  anderen  Worten, 
weil  für  diese  die  Besitzer  resp.  Staatspächter  keine  άπογραφαΐ  betreffs 
άβροχία  eingereicht  hatten.  Also  auf  diese  άπογραφαι  hin,  deren  Angaben 
in  bezug  auf  Umfang,  Kulturwert,  Besitz  usw.  der  Dorfschreiber  zunächst 
nach  dem  Kataster  auf  ihre  Richtigkeit  hin  zu  prtlfen  hatte  (das  wird 
die  έ^εταΰις  sein,  s.  oben  S.  205),  wurden  die  bezeichneten  Felder  vom 
Dorischreiber  zur  έπίόκεφις  eingereicht,  damit  die  Lokaliospektion  nun- 
mehr die  Angabe  betreffs  der  άβροχία  resp.  des  ίφ*  ΰ^ωρ  ίΐναι  usw. 
•!  prüfe.  Wenn  es  also  in  Hamb.  12,  11  (235)  heißt,  daß  vom  fUnften  bis 
..cnten  Jahre  keine  επίόκεφις  stattfand,  so  wird  eben  in  diesen  Jahren  keioe 
Anzeige  erfolgt  sein,  daß  das  Land  έφ*  νδωρ  sei.  Zu  demselben  Ergebnis 
führt  auch  meine  Deutung  von  P.  Brux.  1  (236).  Daß  die  ^πίοχεψις  sich 
aber  nicht  nur  auf  diejenigen  Veränderungen  erstreckte,  die  durch  die 
Niischwelle  hervorgerufen  waren,  zeigt  z.  B.  BGU  II  563 — 56(»,  nach  denen 
iie  Ιπί<5κεφις  sich  mit  solchen  Feldern  beschäftigte,  auf  denen  man  Tom 
K'-rnerbau  zur  Palmenpflanzung  übergegangen  war.  Wir  wissen  ja,  daß 
dieser  Kulturwechsel  der  staatlichen  Kontrolle  unterlag  und  daß  auch  er 
eine  Änderung  der  Besteuerung  zur  Folge  hatte.  Und  so  mag  ee  noch 
manche  andere  Veranlassungen  zur  επίααψις  gegeben  haben.  Nach  dem 
ι :  i.  ..:,^p^  Material  dürfen  wir  vielleicht  sagen:  die  Episkepsis  hatte 
in  Jahre  alle  diejenigen  Veränderungen,  sei  es  in  der 
Krtragsfähigkeity  sei  es  in  der  Kulturart  des  Bodens,  nachprfl- 
fend  festzustellen,  die  irgendwelche  finanziellen  Konseqnenzen 
für  die  Κο^ί^ηιιΐίΓ  hatte.  Im  besonderen  diente  sie  der  Evidenthaltunfc 
1••Μ   Kataet4*rs 

Durch    Ilaiub.   12    (--l•'»  aü     -   <  ι  •  !      hiii/u^ebrnt,    daü    diene 

K|)if«k«'|)si»,  wenn  auch  in•  iti  lütuitr,  »»<>  tio*  ii  οΠ«'Γ,  unter  iler  Leitung 
kit!~«r  li'lier  Proknrntoren,  deren  Bang  bisher  nicht  genauer  zu   lu.stimimn 

„'••HtiiKi•  Duraus  ist  wohl  zu  entnehmen,   daß  die  $πί&ΜΛψίς 

ue  Angaben  der  άχογραφ9ίί  nachprOfen  sollte,  sondern 

1;  ληάΛη  MitUis  in  teiaer  Ausgabe  aad  Zolneta,  De  patroeia.  vioonua  ß.  M. 


208  Kapitel  V.     Das  Steuerwesen. 

daß  auch  diejenigen  Beamten,  die  mit  der  Katasterführung  betraut  waren, 
im  besonderen  die  Dorfschreiber,  auf  diesem  Wege  durch  die  kaiserliche 
Regierung  kontrolliert  werden  sollten.^)  Hierzu  stimmt  es,  daß  auch  nach 
Lips.  105  (237)  nicht  der  Dorfschreiber  es  war,  der  die  έτίίβκεψίς  ausführte. 
Er  lieferte  nur  die  Unterlagen.  Vgl.  auch  meine  Interpretation  von 
Brux.  1  (236).  Interessante  Details  über  die  Durchführung  der  επιόκε^Ι^ΐξ 
bietet  der  hier  zum  erstenmal  edierte  P.  Brem.  73  (239).  Danach  wurden 
hierzu  ενΰχήμονες  aus  anderen  Gauen  erwählt  —  wohl  weil  sie  nicht 
persönlich  interessiert  waren.  ^) 

3.  Die  Steuerberechnung. 

Auch  für  die  Kaiserzeit  fehlt  es  an  genügendem  Material  für  das 
Verständnis  der  Veranlagungsarbeiten,  doch  läßt  sich  immerhin  etwas 
mehr  als  für  die  Ptolemäerzeit  erkennen.  So  ist  es  von  Wert  zu  wissen, 
daß  alljährlich  der  Kaiser  seinem  Präfekten  den  aus  Ägypten  herauszu- 
wirtschaftenden Gesamtbetrag  vorschrieb,  wie  man  aus  den  köstlichen 
Worten  des  Tiberius  bei  Dio  Cass.  57,  10,  5^)  zum  mindesten  für  seine 
Zeit  folgern  darf.  Diese  Ordre  aus  Rom  muß  den  Ausgangspunkt  für  die 
Steuerberechnung  des  Einzeljahres  gebildet  haben.  Freilich  steht  diese 
Nachricht  bis  jetzt  ganz  isoliert. 

Die  Leitung  dieser  Arbeiten  stand,  wie  früher  beim  Dioiketes,  so 
jetzt  beim  Präfekten.  Wie  die  Abrechnung  und  Prüfung  der  eingegan- 
genen Abgaben  (vgl.  Philo  ad  Flac.  16),  so  unterstand  ihm  auch  die  Be- 
rechnung der  im  laufenden  Jahre  zu  erhebenden.  Vgl.  z.  B.  Edikt  des 
Jul.  Alexander  (Dittenberger,  Or.  Gr.  II  669):  χωρίς  τον  κρεΐναί  τον  επαρ- 
χον  und  sonst.*) 

Die  έκλογίΰταί  als  die  spezielle  Rechnungsbehörde  sind  auch  in  die 
Kaiserzeit  hinübergegangen^),  doch  können  wir  einen  Obereklogisten  in 
Alexandrien  mit  dem  Titel  έκλογίότής^  wie  in  der  Ptolemäerzeit,  bis  jetzt 
nicht  nachweisen.  Der  im  Edikt  des  Vergilius  Capito  Z.  35  genannte  Ba- 
ύιλείδης    6   Καίοαρος   άπελενϋ'ερος    steht    offenbar   an   dieser   SteUe,   aber 


1)  Vgl.  P.  Meyer,  P.  Hamb.  I  S.  49. 

2)  Yg].  auch  P.  Brem.  49  (unediert):  ^  kTCoXXmvios  ατρατηγός  ΆτίολΧωνοΛολίτου 
^Έπταχωμίας  ζΐίδνμ,ωΐτ  καϊ  "Ηρα'κλείωι  ^  έτ^ΰ-αέτίταις  τον  αντου  νο\ιον  τοις  ^  φιΧτάτοις 
χοάρειν.     ^  ^ν&εΧκόμενος   Λερϊ   την   εί'βΛρα^ιν   τον    ^  ΰιτικον   y,ccl   τα   αΧΧα  μετέωρα   της 

ϋτρατη-^γίας  ντίερ  τον  μη  γ,αταρτίΰΟ'ηναι  νμ&ς  έπεΰ-^τάΧη  £  .  .  [ εϋ]οχημονες  τα. 

Der  Papyrus  bricht  ab. 

3)  ΛίμιΧίω  yovv  'Ρηκτω  χρήματα  ττοτε  αντίο  ηΧείω  τΰαρά  το  τεταγμένον  έκ 
της  Αίγνπτον  ης  ηρχέ  τίέμιραντί  άντεηέβτείΧεν  οτι  κείρεβϋ'αί  μον  τα  τΐρόβατα^  αΧΧ'  ουκ 
αηο^)ρε6%•αι  βονΧομαι.     Vgl.  Gr.  Ostraka  Ι  497  f. 

4)  Vgl.  namentlich  auch  Z.  35fiF.:  das  άττοΧνείν  resp.  κατακρίνειν  betreffs  Steuer- 
zahlung im  Falle  von  Fiskalschulden  entscheidet  der  Präfekt  auf  dem  alljährlichen 
Konvent. 

5)  Vgl.  Gr.  Ostraka  I  499  ff. 


Β.  Die  römische  Zeit.     §  2.    Die  Steuerveranlagung.  209 

olme  jenen  Titel. ^)  Über  die  weitere  Entwicklung  dieses  Amtes,  das 
also  unter  Claudius  von  einem  Freigelassenen  verwaltet  wurde,  ist  m.  W. 
nichts  bekannt. 

Unter  diesem  Vertreter  der  römischen  Regierung  standen  nun  die 
έκλογίόταί  der  einzelnen  Gaue^),  die,  wie  wir  jetzt  nach  Amh.  69,  4  (190) 
annehmen  müssen,  damals  in  Alexandrien  amtierten.^)  In  den  λογίϋτήρια 
im  Lande  müssen  also  die  Unterbeamten  der  Gau-Eklogisten  (γραμματείς^ 
βοηΰΌί  usw.)  gesessen  haben.*)  Diese  Gau-Eklogisten  werden  in  Alexan- 
drien unter  Oberleitung  jenes  römischen  Beamten  die  Veranlagung  für 
ihren  speziellen  Gau  ausgearbeitet  haben,  wie  sie  auch  die  Abrechnung 
über  die  eingegangenen  Steuern  aufzustellen  hatten/) 

Über  die  Methoden  der  Berechnung  läßt  sich  dem  Edikt  des  Jul. 
Alexander  einiges  entnehmen.  Danach  war  vielfach  der  Schlendrian  ein- 
gerissen, daß  die  Beamten  nach  Vergleichung  mit  früheren  Jahren 
(κατά  övvo^tv)  und  nicht  nach  Maßgabe  der  Überschwemmung  des  lau- 
fenden Jahres  die  Staatsforderungen  {άπαίτήοεις)  berechneten.^)  Diese 
άνάβααις  Νείλου  wurde  von  der  Regierung  —  wie  schon  seit  den  Zeiten 
der  ersten  Dynastien  —  durch  die  über  das  ganze  Land  verteilten  Nilo- 
meter  festgestellt.  Wie  Strabos  Beschreibung  des  Nilometers  von  Ele- 
phantine  durch  die  neueren  Forschungen  glänzend  bestätigt  ist^),  so  hat 
er  auch  einen  klaren  Einblick  in  den  Zusammenhang  dieser  Einrichtung 
mit  der  Steuerberechnung.  Vgl.  XVII  p.  817:  ai  γάρ  μείξονς  άναβάόεις 
μείζονς  χαΐ  τάζ  προοόόονς  ντίαγορενονοιν.  Im  übrigen  bildeten  die  von 
<len  Städten  und  Dörfern  eingesandten  Akten,  die  mannigfachen  Listen 
und  Auszüge,  die  auf  Grund  des  Katasters,  der  Deklarationen,  im  beson- 
deren auch  der  Anzeigen  der  άβροχία  usw.  und  der  die  Wirkuugen  dieser 
avaßaaig  fe.ststellenden  επίακεψις  aufgestellt  waren  (vgl.  oben  S.  20Gf.),  die 
Grundlage  für  die  Berechnung.  Andrerseits  rügt  es  der  Präfekt,  daß  die 
Eklogistcn  oft  die  Steuerforderungen  eigenmächtig,  ohne  Entscheidung  des 
TV:;r..Lt,..,    oilw'.lif^.yi    niii   ibr»•  Tasohon   zu   füllen.®) 


1)  Dittenberger,  Or.  Qr.  ü  ββδ.  Leider  ist  die  entscheidende  Stelle  hinter 
uTit'/.tv^fQov  verderbt.  Aach  wenn  Dittcnbergers  Vorschlag  τα  ^|  ixaatov  richtig  ist, 
wird  man  trot/.dem  du  folgende  xal  του  ίχΧογιατάς  mit  προς  verbinden  können. 

2)  Vgl.  Oxy.  I  67,  9;   QiM.  48  (171). 

3)  Ich  eehu  darin  ήηο  Restätigung  meiner  Deutung  des  Edikte  des  Capito  in 
Gr.  Ostraka  I  502,  wo  i  ruierte:  ηρός  ΒααύΛίόην — %αϊ  χονς  έιιΧογιβχάς  η»μηίτω' 
ouvy  n&mlich  nach  AI• 

4)  Vgl.  Ρ.  Petemb.  14  a.  Neben  den  Xoytari^Qut  der  διαίχηύΐς  gab  ee  Ιογιατι]ρίΛ 
il«••*  proc.  ueiacui.     Vgl.  Amh.  77  (277). 

6)  In  Teb.  II  287,  7  (tTtl)  echlägt  ein  Qaa-Eklogiit  in  teioen  Büchern  Ober  die 
Kingängo  der  letzten  20  Jahre  nach. 

β)  Dittenberger,  ür.  Or.  II  βββ,  66  ff. 

7)  L.  Uorchardt,  Nilmeeicr  und  Nilitandimarkon  ι  Am 

8)  Z.  62  ff 


210  Kapitel  V.    Das  Steuerwesea. 

Eine  neue  römische  Einrichtung  scheint  der  Posten  des  έ^εταΰτης  zu 
sein,  der  sowohl  die  Abrechnungen  über  die  erhobenen  als  auch  die  Be- 
rechnungen der  einzufordernden  Steuern  nachkontrollierte.  Vgl.  BGU  1062, 
19  (276)  und  Teb.  II  287  (251). 

Das  Ergebnis  der  Berechnungen  wurde  in  γνώμονες  genannten  Tarifen^) 
—  und  zwar  besonderen  für  die  einzelnen  Steuern  —  festgelegt.  Vgl. 
den  γνωμών  für  χειρωνάξίον  in  Teb.  II  287  (251),  Stud.  Pal.  I  70.  Nach 
dem  γνωμών  ist  der  Auszug  über  gewisse  Zölle  von  Koptos  gemacht,  der 
in  Dittenberger,  Or.  Gr.  II  674  vorliegt.  2)  Nach  BGU  IV  1062,  14  (276) 
findet  die  Erhebung  der  Steuer  κατά  τε  τον  της  ώνης  γνώμονα  καΐ  την 
τον  νομον  οννήϋ-είαν  statt  (vgl.  Teb.  II  287,  5). 

Abgesehen  von  diesen  allgemeinen  Tarifen  wurden  für  die  Praxis  der 
Erhebung  die  Einforderungslisten  (άτίαιτήοίμαΥ)  ausgearbeitet,  die 
genau  für  jeden  Steuerzahler  {κατ'  άνδρα)  die  auf  ihn  entfallenden 
Summen  festsetzten.  Diese  letzten  Arbeiten  mögen  wohl  erst  im  Gau 
vollzogen  sein.  Solche  άπαίτήοιμα^  die  übrigens  ebenso  auch  für  die  εκ- 
φόρια  der  Domanialpächter  ausgearbeitet  wurden,  liegen  vor  in  BGU  175, 
299,  598,  659,  CPR  I  33.  Ein  άτΐαιτήΰίμον  für  das  Ίονδαΐκον  τέλεύμα^ 
in  Stud.  Pal.  I  S.  71  (61).  Vgl.  auch  BGU  259,  457  (252).  Die  letztere 
Urkunde  ist  ein  πρ06γραφον,  in  dem  ein  Dorfschreiber  dem  πράκτωρ 
eine  nachträglich  eingetretene  Veränderung  zu  dem  άτίαίττ^ουμον  mitteilt. 
Nach  BGU  175  waren  solche  Listen  in  der  βφλίοϋ'ήκη  δημοοίων  λόγων 
deponiert.  Nach  BGU  659  wurden  sie  auch  öffentlich  ausgehängt.  In 
BGU  1047  II  9  erteilt  ein  Dorf  schi  eiber  Auskunft  über  ein  Grundstück 
auf  Grund  des  άτιαιτ'ήοιμον  της  κώμης.  Außerdem  wurden  άπαίτηοίμα 
angelegt,  in  denen  die  spezifizierten  Gesamtbeträge  für  die  einzelnen  Dörfer 
aufgeführt  waren.  Vgl.  BGU  20;  Faj.  208.  Vgl.  auch  GrenfeU-Hunt  zu 
Fay.  40. 

Einen  Einblick  in  die  rechnerischen  Operationen,  durch  die  die  Aus- 
rechnung der  von  dem  einzelnen  Steuerzahler  zu  zahlenden  Summen  aus- 
geführt wurde,  gibt  uns  P.  Brit.  Mus.  372,  ediert  in  Teb.  II  S.  339. 

§  3.  DIE  STEUERERHEBUNG/) 
Auch  die  Steuererhebung  unterstand  der  gesetzlichen  Reglung  durch 
den  Kaiser  resp.  seinen  Stellvertreter,  den  praefecus  Aegypti.  Sicher  hat 
es  auch  in  der  Kaiserzeit  eben  solche  Regulative  für  die  Erhebung  der 
Steuern  gegeben,  wie  wir  sie  für  die  Ptolemäerzeit  im  Revenue-Papyrus, 
Hib.  29  und  Par.  62  besitzen  (s.  oben  S.  180).     Das  einzige  kleine  Frag- 


1)  In  Ostraka  I  347,  2  wies  ich  auf  die  Erklärung  des  Lex.  rhet.  p.  233,  28  hin, 

2)  Vgl.  auch  Lond.  II  S.  39  und  40;  BGU  III  733,  5. 

3)  Vgl.  Gr.  Ostraka  I  511  f.  und  619;  Rostowzew,  Archiv  III  203,  213. 

4)  Wilcken,  Gr.  Ostraka  I  570  ff. 


Β.  Die  römische  Zeit.     §  3.    Die  Steuererhebung.  211 

ment,  das  uns  aus  der  Kaiserzeit  davon  erhalten  ist,  ist  Oxy.  I  36  (273), 
und  dies  zeigt  formell  eine  sehr  starke  Anlehnung  an  den  Tenor  der 
ptolemäischen  Parallelen.  Es  ist  gewiß  vieles  derart,  soweit  es  möglich 
war,  herübergenommen  worden  aus  der  früheren  Zeit.  Abgesehen  von 
diesen  grundlegenden  Regulativen  sind  auch  durch  die  Edikte  der  Kaiser 
resp.  der  Präfekten  über  einzelne  Punkte  der  Steuererhebung  Verfügungen 
getroffen  worden.  Die  lehrreichsten  Beispiele  hierfür  sind  das  Edikt  des 
Cn.  Vergilius  Capito  vom  J.  49  und  das  des  Ti.  Julius  Alexander  vom 
J.  68  n.  Chr. Μ  Ebenso  wie  diese  Edikte^),  so  sind  sicher  auch  jene  all- 
gemeinen Regulative  publiziert  worden,  wie  wir  es  oben  für  die  Ptole- 
mäerzeit  festgestellt  haben.  ^)  In  Ägypten  hat  also,  dank  der  Tüchtigkeit 
der  vorhergehenden  Herrschaft,  von  Anfang  an  bestanden,  was  im  römi- 
schen Reich  im  allgemeinen  erst  von  Nero  als  etwas  Neues  eingeführt 
worden  ist,  eben  die  Publizität  der  Steuergesetze.*)  Vielleicht  ist  auch 
hier  wieder  Ägypten  'das  Muster  für  das  übrige  Reich  geworden. 

Waren  die  Formen  der  gesetzlichen  Regelung  im  Grunde  dieselben  ge- 
blieben, so  haben  sich  im  Beginn  der  Kaiserzeit  hinsichtlich  des  Modus  der 
Steuererhebung  allmählich  wichtige  Veränderungen  vollzogen.  Das  schließ- 
liche Ergebnis  ist  eine  in  weiterem  Umfange  vorgeschrittene  Verdrängung  der 
Steuerpacht  durch  die  direkte  Erhebung  durch  liturgische  Beamte.  Wäh- 
rend wir  für  die  Ptolemäerzeit  die  Regie  im  wesentlichen  nur  für  die  Grund- 
steuer nachweisen  konnten  (s.  oben  S.  180),  haben  die  Urkunden  uns  für 
die  Kaiserzeit  gelehrt,  daß  die  Pacht  sich  in  der  Hauptsache  nur  für  die 
„indirekten"  Steuern  erhalten  hat,  wie  im  besonderen  die  ZöUe  und  die 
Verkehrssteuem,  während  die  „direkten"  Steuern,  wie  die  Vermögens- 
steuern, die  Einkommensteuern,  die  Zwangsbeiträge,  zum  großen  Teil  —  nicht 
durchweg  —  die  gewerblichen  Lizenzsteuern,  dem  direkten  System  unter- 
worfen wurden.  Vgl.  meine  Tabellen  in  den  Griech.  Ostraka  I  575  flf. 
tlber  die  Motive  und  die  historische  Entwicklung,  die  zu  diesem  Ergebnis 
führten,  können  zurzeit  nur  Hypothesen  aufgestellt  werden.  Rostowzew 
will,  wenn  ich  ihn  recht  verstehe,  den  Anlaß  zu  der  Veränderung  vor 
allem  in  dem  Pächtermangel  sehen,  den  er  für  den  Ausgang  der  Ptole- 
mäerzi'it  annimmt,  und  der  für  das  I.  Jiihrh.  n.  Chr.  uns  mehrfach  bezeugt 
wird.    So  habe  man  neben  der  Steuerpacht  etwas  anderes  schaffen  müssen. 

1;  Dittenberger,  Or.  Gr.  II  ββ6  und  069. 

2)  Cber  den  Modus  der  Publikation  siehe  su  Nr.  12.     Vgl.  auch  BGU  840,  84. 

3)  Stellen  wie  Teh.  II  2K7,  10  (2Γ>1)  setsen  s.  B.  die  Bekanntechaft  des  Publi- 
kaniH  mit  den  γνώμονίς  der  einzelnen  Steuern  Toraos.  Oxy.  86  (278)  ist  an  »ich  noch 
kein  direkter  Beleg  fflr  die  Publizität.  Aber  lie  ist  Λτ  mich  unEweifelhaft.  Die 
Publikation  eines  Zolltarifit  auf  Befehl  des  Prilfekten  Mettius  Hufus  bietet  die  In- 
lohrift  von  KoptoN  bei  Dittenberger«  Or.  Or.  II  674  (vgl.  Inscr.  gr.  ud  r.  Korn.  I  11Θ.Η). 

4)  Vgl.  Tacitus  unnal.  18,  60:  ergo  edixit  princeps,  ut  leges  cuius<iue  puMioi, 
occultac  ad  id  teinpus,  proscriberentur,  und  dasu  Griech.  (Jstraka  I  674. 

14• 


2]  2  Kapitel  V.     Das  Steuerwesen. 

Er  malt  sich  den  Hergang  so  aus,  daß  „in  der  letzten  Zeit  der  Ptolemäer 
die  Funktionen  des  Oikonomos  teilweise  oder  ganz  an  die  mit  ähnlichen 
Befugnissen  schon  früher  ausgestatteten  Praktoren  übergehen,  diese  als 
Pachtgesellschaften  oder  -koUegien  organisiert  werden  und  als  Ersatz  für 
die  fehlenden  Pächter  eintreten".^)  Ich  habe  mich  von  der  Richtigkeit 
dieser  Ansicht  nicht  überzeugen  können.  Abgesehen  davon,  daß  der 
Pächtermangel  vom  Ausgang  der  Ptolemäerzeit  lediglich  vermutet  ist  — 
vielleicht  mit  Recht,  aber  wir  haben  keine  Nachrichten  — ,  so  scheint 
mir  vor  allem  dies  gegen  Rostowzew  zu  sprechen,  daß  in  den  Fällen  aus 
dem  I.  Jahrh.  n.  Chr.,  in  denen  Pächtermangel  bezeugt  ist,  die  Regie- 
rung gar  nicht  daran  denkt,  die  Pacht  aufzuheben  und  die  Prak- 
torie  einzuführen,  wiewohl  diese  damals  schon  bestand,  sondern  vielmehr 
die  Zwangspacht  durchführt  oder  aber  so  vernünftig  ist,  statt  dessen  die 
Pachtbedinguügen  zu  erleichtern  (Oxy.  I  44  [275]).  Der  Zwangspächter 
ist  aber  genau  so  gut  ein  τελώνης  wie  der  freiwillige  Pächter,  und  es 
führt  von  ihm  ebensowenig  eine  Brücke  zum  Praktor  wie  von  jenem. 
Pächter  und  Praktoren  stehen  denn  auch  als  etwas  völlig  Verschiedenes 
nebeneinander. 

Ich  glaube,  wir  werden  gut  tun,  die  Entstehung  der  Praktorie  im 
Zusammenhang  mit  der  Entstehung  der  liturgischen  Amter  der  Kaiser- 
zeit überhaupt  zu  betrachten,  über  die  im  YIIL  Kapitel  gehandelt  werden 
soll.  Andrerseits  möchte  ich,  wie  ich  schon  in  den  Griech.  Ostraka  I  573 
vorschlug,  diesen  ägyptischen  Systemwechsel  in  der  Steuererhebung  nicht 
isolieren,  sondern  im  Zusammenhang  mit  den  Vorgängen  im  Reich  zu 
verstehen  suchen.  Es  ist  doch  ein  sehr  bemerkenswertes  ZusammentreJffen, 
daß  der  oben  charakterisierte  System  Wechsel,  den  ich  1.  c.  aus  den  Ur- 
kunden feststellen  konnte,  im  wesentlichen  —  mutatis  mutandis  —  über- 
einstimmt mit  dem,  was  Mommsen  (R.  Staatsr.  IP  1017)  aus  Tacitus  und 
den  Inschriften  für  das  gesamte  Reich  herausgeholt  hat:  „Die  Hebung 
selbst  wird  in  der  frühesten  Epoche  des  Prinzipats  noch  wie 
unter  der  Republik  durch  die  Generalpächtergesellschaften  be- 
schafft; aber  schon  in  der  zweiten  Hälfte  der  Regierung  des 
Tiberius  hat  deren  Vermittelung  so  gut  wie  aufgehört.  Mehr 
und  mehr  scheint  sie  in  die  Hände  der  Gemeinden  selbst  übergegangen, 
zum  Teil  auch  von  Leuten  aus  dem  kaiserlichen  Gesinde  wenn  nicht  ge- 
radezu beschafft,  so  doch  in  den  einzelnen  Gemeinden  beaufsichtigt  worden 
zu  sein.  Bei  den  übrigen  Steuern,  der  alten  Abgabe  von  den 
Freilassungen,  der  von  den  Auktionen,  der  wichtigen  Erb- 
schaftssteuer, den  sämtlichen  Zöllen  (portoria)  wurde  die  mittel- 
bare Hebung  und  die  öffentliche  Lizitation  bei  der  Erbschafts- 


1)  Wochenschr.  f.  klass.  Phil.  1.  c.  122.     Vgl.  Staatspacht  464  ff. 


Β.  Die  römische  Zeit.     §  3.    Die  Steuererhebung.  213 

Steuer  nachweislich  bis  auf  Traianus,  bei  den  Zöllen  auch 
später  noch  beibehalten"  usw.  Vgl.  namentlich  auch  S.  1017  A.  1.^) 
Schon  in  den  Ostraka  I  585  konnte  ich  darauf  hinweisen,  daß  unter 
Augustus  die  (liturgischen)  Praktoren  noch  nicht  bezeugt  sind,  und  daß 
der  Systemwechsel  sich  nach  den  Urkunden  vielleicht  gerade  für  den 
Ausgang  des  Tiberius  annehmen  ließ  (S.  586).  Den  letzteren  Punht  kann 
ich  heute  sicherer  behaupten,  als  es  mir  mit  dem  damaligen  Material 
möglieh  war.  Das  noch  unpublizierte  Ostrakon  Cairo  9577  bezeugt,  daß 
die  staatliche  Badsteiier  (το  βαλανικόν)^  die  zu  den  von  Augustus  neu 
eingeführten  Steuern  zu  gehören  scheint,  für  die  wir  bisher  eine  Verpach- 
tung überhaupt  nicht  nachweisen  konnten^),  im  ersten  Jahre  des  Tiberius 
noch  verpachtet  gewesen  ist^),  und  ein  unpubliziertes  Leidener  Ostrakon*) 
bestätigt  diese  Auskunft.  Andrerseits  konnte  ich  einem  anderen  un- 
publizierten  Leidener  Ostrakon  entnehmen,  daß  im  15.  Jahre  des  Tiberius 
dieselbe  Badsteuer  (βαλανήον)  von  einem  πράκτωρ  erhoben  wurde  (F  1901/1, 
271  in  77  G).  Wenn  auch  das  letztere  Stück  nach  Hermonthis  und  die 
beiden  anderen  nach  Theben  gehören,  wird  man  mit  Wahrscheinlichkeit  aus 
diesem  Tatbestand  schließen  können,  daß  für  das  βαλανιχόν  der  System- 
wechsel zwischen  dem  1.  und  15.  Jahre  des  Tiberius  eingetreten  ist,  wenn 
auch  lokale  Unterschiede  nicht  ganz  ausgeschlossen  sind.  Sicher  ist  nach 
den  Urkunden,  daß  nicht  etwa  gleichzeitig  für  alle  in  Betracht  kommenden 
Steuern  die  Praktorie  eingeführt  ist.  So  bleibt  z.  B.  für  die  Schweine- 
steuer (x'txr/),  für  die  wir  inzwischen  zugelernt  haben,  daß  sie  später  von 
Praktoren  erhoben  wurde  (vgl.  Oxy.  IV  733  vom  J.  147,  Teb.  II  353  [269]), 
doch  bestehen,  daß  sie  in  Theben  im  19.  Jahre  des  Tiberius  noch  ver- 
pachtet war  (Ostr.  II  n.  1031),  also  4  Jahre  nachdem  (in  Hermonthis) 
die  Badsteuer  schon  den  Praktoren  übergeben  war.  Aber  nach  Obigem 
dürfen  wir  sagen,  daß  unter  Tiberius  die  Wandlung  begonnen  hat,  und 
darin  sehe  ich  die  Berechtigung,  das  ägyptische  Problem  mit  den  Nach- 


1)  Zustimmend  auch  0.  Hirscbfeld,  KV  467.  Vgl.  such  Marquardt,  Staatsver- 
waltuDK  II  S.  312  ff. 

2)  Kostowzew,  Staaiepacht  466,  war  geneigt,  dies  zu  yerallgemeinem  nnd  an- 
zune}iincn,  daß  die  direkte  Erhebung  durch  Praktoren  bei  den  neuen  Steuern  sueitt 
ein^cfilhrt  worden  sei,  wobei  er  besonders  an  die  Laographie  dachte. 

8)  Den  Text  la»  ich  folgendermaßen:  *  kanläg  τιλώνης  βαλανιδιών)  *Π»ηχνούβί 
llattovg.  'Κχω  {mh(f  * βαλα(νί%οΰ)  {β(/αχμάς)  f>'  <"! —ο•••  ^  'Γ•'ίρ(»/«ί•  HVitfapo^  2>|9οτ• 
βτοΟ  *ΧοΙαχ  ί»  (16.  De«.  14). 

4)  Ρ  1901/1,  166  in  77  D.  Hier  heißen  (ΐι«>  hriuM)t>r  Ααχίβί  χαί  Λ$0^ώτης  τρίώ- 
(vat)  βαΧα(νίΐιοϋ).  Die  Sabtkripiion  lautet:  "Εγραί^^^α)  Πηίμ9ψΑη9  χίΧ(Ανης\  alto  ein 
Hoziuii.    H'ui  quittieren  gleichfall•  Aber  ti  Drachmen  für  xbp  Φ^(ον)  (Ifove)  β.    Nach 

diesen  ncuon  Texten  wird  man  das  ßa  hinter  dem  Erhebemamen  in  Ostraka  Π 
η.  136M,  i;)70  (aus  Angntius*  Zeit)  nicht  mehr  ßaluvtvg  auflösen  (Ostr.  I  166,  68A). 
8ie  sind  jedenfalls  tiUtrm.  Dasselbe  gilt  wahncheinlioh  von  Ostr.  II  n.  1S68  (rem 
6.  Jahre  des  Tiberius). 


214  Kapitel  V.     Das  Steuerwesen. 

richten  über  das  Reich  zu  verknüpfen.  Nun  hat  im  Reich  nach  Momm- 
sens  Darlegung  die  Tendenz  bestanden,  die  Steuererhebung  auf  die  Ge- 
meinden abzuwälzen  —  natürlich  um  diesen  die  Haftung  für  die  Steuern 
zuzuschieben.  Das  ließ  sich  direkt  auf  Ägypten  nicht  übertragen,  weil 
es  hier  an  entsprechenden  Kommunen  —  abgesehen  von  den  bekannten 
wenigen  Ausnahmen  —  gefehlt  hat.  Aber  die  Schaffung  der  liturgischen 
Beamtenschaft  ist  jener  Tendenz  entgegenkommen,  insofern,  wie  wir  in 
Kap.  VIII  sehen  werden,  für  diese  die  gesamte  Einwohnerschaft  der  Ge- 
meinde die  Bürgschaft  übernahm.  Das  konnte  man  den  Gemeinden  zu- 
muten, weil  es  sich  um  Personen  handelte,  die  sie  selbst  vorgeschlagen, 
hatten.  Vgl.  vorläufig  BGU  235,  13,  wo  es  bei  der  Einreichung  von  Li- 
turgen  heißt:  γνώμτ]  καΐ  κίνδνν[^ω1^ν  (1.  κίνδννω)  των  άτίο  της  κώμης  των 
καΐ  ενγνομε[νο\νς  (1.  έγγνωμένων).  So  war  auf  diesem  Umwege  erreicht, 
daß  der  Gesamt-jrdpog  der  Gemeindebewohner  (der  ol  άπο  .  .)  dem  Staate 
für  die  Eintreibung  der  den  Praktoren  überwiesenen  Steuern  bürgte,  wäh- 
rend für  den  τελώνης  nur  die  von  ihm  präsentierten  Bürgen  eintraten. 
Andrerseits  ist  daran  zu  erinnern,  daß,  wie  im  VII.  Kapitel  im  Anschluß 
an  Rostowzews  Forschungen  darzulegen  sein  wird,  die  Beförderung  der 
Bildung  von  Grundbesitz  in  der  Kaiserzeit  gerade  auch  auf  den  Wunsch 
zurückzuführen  ist,  eine  mit  ihrem  Grundbesitz  haftende  Bevölkerung  zu 
haben,  aus  der  Liturgen  genommen  werden  konnten.  Septimius  Severus 
hat  dann  eine  noch  straffere  Heranziehung  der  Gemeinden  ermöglicht, 
indem  er  den  Städten  eine  βονλή  gab  (vgl.  S.  41  f.).  Damit  wurden  die 
Erhebungsarbeiten  z.  T.  auf  den  Rat  abgewälzt,  und  die  Haftung  im  be- 
sonderen den  reichen  Ratsfamilien  zugeschoben.^)  Den  Abschluß  brachte 
dann  das  IV.  Jahrhundert  mit  der  Munizipalordnung  (vgl.  S.  76 ff.),  wodurch 
es  nun  auch  in  Ägypten  ermöglicht  war,  die  Steuererhebung  ganz  den  Ge- 
meinden zu  übertragen.  Das  alte  Pacbtsystem  aber  ist  neben  der  direkten 
Erhebung  nur  für  die  indirekten  Steuern  bestehen  geblieben,  d.  h.  für 
diejenigen,  für  die  eine  genaue  vorherige  Berechnung  der  auf  die  Kontri- 
buenten entfallenden  Summe  nicht  möglich  war.  —  Auch  diese  meine 
Auffassung  ist  nur  eine  Hypothese,  die  ich  zur  weiteren  Prüfung  vorlege. 

1.  Die  direkte  Erhebung. 
Die  Oberaufsicht  über  die  Erhebung  der  gesamten  Steuern  innerhalb 
des  Gaues  stand  dem  Strategen  zu,  der  mit  seinem  Vermögen  haftete.^) 
Besonders  deutlich  wird  diese  Seite  seiner  Aufgaben  hervorgehoben  in 
der  als  Nr.  35  abgedruckten  Eingabe  des  Strategen  des  Koptites,  wonach, 
der  Stratege  jeden  Monat  sich  die  Praktoren  kommen  läßt  und  mit  ihnen 


1)  Vgl.  Gr.  Ostraka  I  431,  628  f. 

2)  Vgl.  Oxy.  IV  708,    wonach    er    im    besonderen    für    die    Reinheit    des    nach 
Alexandrien  gesandten  Getreides  haftete:  τονς — βίτολόγονς  τιρα^ον  τω  οώ  γ,υνδννφ. 


Β,  Die  römische  Zeit.     §  3.    Die  Steuererhebung.  215 

eine  διάκριοίς  abhält  (Z.  19  ff.).  Dasselbe  bezeugt  das  Tagebuch  des 
Strategen  in  Par.  69  (41).  Irrig  war  meine  aus  den  υποκείμενα  ετΰίότρα- 
τήγω^  βαβιλικω  γραμματεΐ,  χωμογραμματεΐ  usw.  gezogene  Schlußfolgerung, 
daß  die  Erhebung  der  unter  diesen  Rubriken  genannten  Steuern  speziell 
diesen  Beamten  zur  Kontrolle  unterstellt  gewesen  wäre.^)  Wie  schon 
oben  S.  37  erwähnt  wurde,  hat  Victor  Martin  gezeigt,  daß  hiermit  viel- 
mehr auf  Emolumente  dieser  Beamten  hingewiesen  wird.^)  Dagegen  bleibt 
bestehen,  daß  gewisse  Steuern  dem  Nomarchen  unterstellt  waren.  Man 
spricht  daher  von  νομαρχικά  άόχολήματα.^)  Nach  Teb.  Π  289  (271) 
sind  auch  die  Toparchen  bei  der  Steuererhebung  verwendet.  Als  eine 
neue  KontroUbehörde,  die  die  Ptolemäerzeit  nicht  gekannt  hat,  treten 
jetzt  die  „Aufpasser",  die  επιτηρηται\  auf,  die  sowohl  die  Organe  der 
direkten  wie  der  indirekten  Erhebung  zu  kontrollieren  hatten,  aber  auch 
selbst  in  die  Erhebung  der  ihnen  überwiesenen  Steuern  mit  eingriffen 
und  auch  selbst  erhoben.*)  Bei  der  Steuerpacht  treten  sie  an  die 
Stelle  der  ptolemäischen  αντιγραφείς ,  die  jetzt  verschwunden  sind.') 
Ebenso  haben  aber  auch  die  neugeschaffenen  Praktoren  ihre  Epitereten 
bekommen.  Wir  finden  dieselbe  Kontrollbehörde  auch  in  anderen  Ge- 
bieten, wie  der  Patrimonialverwaltung  (Fay.  23;  BGU  619:  επίτήρηόις 
ονόίαχής  μΐο^ώοεωξ).  Aus  letzterem  Text  hatte  ich  schon  in  Ostraka  I  600 
erschlossen,  daß  auch  die  Epitereten  liturgische  Beamte  gewesen  seien. 
Das  wird  jetzt  voU  bestätigt  durch  BGU  IV  1062  (276).  Und  das  war 
die  Hauptsache:  sie  mußten  dem  Staat  mit  ihrem  Vermögen  haften. 

Das  Hauptpersonal  der  direkten  Erhebung  stellten  nunmehr  die  Prak- 
toren dar,  die  dem  Namen  nach  zu  schließen,  offenbar  an  die  Praktoren 
der  Ptolemäerzeit  anschlössen,  aber  doch  zu  einer  völlig  neuen  Behörde 
ausgebildet  waren.  Nicht  nur  durch  die  Liturgie  sind  sie  von  jenen  ge- 
schieden, sondern  auch  dadurch,  daß  sie  die  regulären  Erheber  der  Steuern 
selbst  sind,  während  die  ptolemäischen  Praktoren  nur  für  Rückstande 
eingetreten  waren.  Die  Texte  unterscheiden  die  πράκτορες  όιτιχώρ  fUr 
die  Naturalsteuern  und  die  πράκτορες  άργνρικών  für  die  Geldeteuem. 
Vgl.  BGU  IV  1046  (265).  Die  Zahlung  der  Naturalsteuern,  im  beson- 
deren    der  Qrundsteueni    in   natuni,   vollzog   sich  jetzt   im  allgemeinen  in 


1)  Gr.  Ostraka  I  696  tf.  8)  L'epistrat^^  dan•  ΙΚ'κ.νι  ι     <•ι        i:  >>, 

8)  Vgl.  die  Machweite  in  den  Qr.  Oitraka  I  697.  Auch  Vurttn  wini  hierüber 
bandeln. 

i)  Gr.  Ottraka  I  699  f. 

&)  Vgl.  lloMtowMw,  WocheiiMhr.  1.  o.  IIS;  StMUpaoht  4M.  Mit  den  gleich- 
fall•  verschwundenen  Oikonon<eo  find  lie  def wagen  nicht  au  Tergleichen,  weil  diese 
doch  nicht  nur  den  einzelnen  Steuern  voxgetetil  waren.  Die  Oikonomen  lind  sach- 
lich eher  durch  die  Strategen  jetit  ewtit  worden,  wie  Itostowsew  an  anderer  Stelle 
(SUatspacht  S.  461)  mit  R^ht  sagt  BeMnders  klar  tritt  dies  in  Otj.  44  («7ft) 
hervor. 


216  Kapitel  V.     Das  Steuerwesen. 

denselben  Formen  wie  in  der  Ptolemäerzeit  (s.  oben  S.  181).^)  Auch  jetzt 
brachten  die  Kontribuenten  ihre  gesamte  Ernte  zunächst  auf  die  Tonne 
des  Dorfes,  und  hier  leiteten  dann  eben  die  πράκτορες  ύιτυκών  die  Aus- 
scheidung der  Steuern,  wobei  sie  sich  auf  die  άπαηήοίμα  stützten.^)  Das 
τΐρόογραφον  BGU  457  (252)  zeigt,  daß  sie  nicht  etwa  nur  Rückstände 
eintrieben.^)  Für  letztere  Geschäfte  kommen  im  besonderen  die  άπαιτψαί 
in  Betracht.*)  Von  der  Dorftenne  wurden  die  Steuern  dann  durch  die 
Praktoren'')  in  den  ^'Ύΐοανρόξ  gebracht,  wo  die  οιτολόγου  sie  gegen  Quit- 
tung^) in  Empfang  nahmen.  S.  oben  S.  181.  Über  den  weiteren  Trans- 
port vgl.  Kap.  X.  Der  Geschäftsgang  ist  also  im  wesentlichen  derselbe 
wie  in  der  Ptolemäerzeit,  neu  ist  nur  die  Abf orderung  des  Getreides  durch 
die  πράκτορες  resp.  άπαίτηταί.  Andrerseits  wurden  die  Geldsteuern  durch 
die  Praktoren  von  den  Kontribuenten  erhoben^)  und  an  die  Regierungs- 
kasse abgeliefert.  Jeden  Monat  mußten  die  Praktoren  dem  Strategen  be- 
richten über  das,  was  für  die  einzelnen  Steuern  bei  ihnen  eingezahlt  war. 
Vgl.  z.B.  BGU  25  (270),  41,  42,  199R,  II  392,  639,  652,  653  usw.«) 
Von  der  Einsendung  von  Berichten  der  Praktoren  nach  Alexandrien  han- 
delt Lips.  121  (173).  Zum  Einsenden  der  Akten  {βιβλία)  zum  Einregi- 
strieren (καταχωρίξείν)  vgl.  auch  Lond.  II  S.  118/9  (263). 

Daß  die  Praktoren  mit  ihrem  πόρος  hafteten,  versteht  sich  nach 
dem  oben  Gesagten  von  selbst.  Es  wird  ausdrücklich  bezeugt  durch  Teb 
II  288  (266);  vgl.  auch  Lond.  II  S.  160/1  (267).  Da  in  der  Regel  meh- 
rere Praktoren  für  eine  und  dieselbe  Steuer  der  Gemeinde  eingesetzt 
wurden,  so  haben  sie  sich  gelegentlich  ihre  Geschäfte  vertragsmäßig  unter- 
einander verteilt.  Hierfür  ist  sehr  lehrreich  Teb.  II  39  (im  11.  Bande), 
eine  dtßt^f^tg-Urkunde  von  vier  πράκτορες  λαογραφίας  κώμης  Τεβτννεως. 
Andrerseits  kam  es  vor,  daß  Praktoren  sich  einen  Vikar  bestellten,  indem 
sie  eine  andere  Person  zur  Geschäftsführung  bevollmächtigten.^)  VgL 
Lond.  II  S.  118/9  (263),  auch  Fay.  35  (264).  Die  Ausübung  ihres  Pfän- 
dungsrechtes tritt  uns  in  BGU  II  515  (268)  entgegen.  ^^)    Von  Übergriffen 


1)  Vgl.  Rostowzew,  Arch.  III  212  ff.;  Pauly-Wiss.  VII  161  ff. 

2)  Quittungen  der  ηρά-Λτορες  οιτιν,ών  an  die  Kontribuenten  sind  z.  B.  BGU  223^ 
II  414;   Lond.  II  S.  101,  102. 

3)  Rückstände  liegen  z.  B.  vor  in  Teb.  II  336,  578. 

4)  Vgl.  Gr.  Ostraka  I  609  f. 

5)  Vgl.  z.B.  BGÜ  II  414,  3  f.,  wo  zu  ergänzen  ist:  riv  καί.  \}ΐετρή6ομ,ε\ν  εις  τσ 
δημόΰίον.     Hier  liegt  adaeratio  vor. 

6)  Beispiele  solcher  Quittungen  im  Arch.  I  S.  8.  Gegen  die  Auffassung  von 
Preisigke  (Girowesen)  wendet  sich  mit  Recht  Rostowzew,  Kolonat  S.  404. 

7)  Zu  den  Praktoren- Quittungen  vgl.  z.  B.  Arch.  I  8  f.  Dazu  kamen  weitere  Bei- 
spiele in  den  späteren  Publikationen  (vgl.  die  neue  Ausgabe  des  General-Registers) 
und  zahlreiche  andere  auf  Ostraka.  Über  die  ^ί.^yρo:1/)εv-Formel  vgl.  Arch.  I  140  f. 
Ein  Beispiel  für  viele  sei  Teb.  II  353  (269). 

8)  Vgl.  Gr.  Ostraka  I  622.  9)  Gr.  Ostraka  I  606.  10)  Gr.  Ostraka  I  620. 


ι 


Β.  Die  römische  Zeit.     §  3.    Die  Steuererhebung.  217 

der  Praktoren  handeln  die  Eingaben  Oxy.  II  284,  285.  Für  die  Stellung 
der  Praktoren  ist  von  Interesse  ihre  Charakterisierung  als  έ:ηχώρίοι  πράκ- 
τορες im  Gegensatz  zu  den  Römern  und  Alexandrinern  des  Gaues  in 
BGÜ  m  747  (35). 

Aber  auch  abgesehen  von  diesen  besonderen  Erhebungsbeamten  sind 
einzelne  Behörden  zur  Steuererhebung  herangezogen  worden.  Das  gilt 
einmal  von  den  πρεσβύτεροι  της  κώμης ^  den  liturgischen  Vertretern  der 
Dorfgemeinde.^)  Besonders  deutlich  tritt  dies  in  Lond.  II  S.  117/S  (272) 
hervor.  Andrerseits  hat  man  den  Priesterschaften  z.  T.  die  Erhebung 
von  Tempelsteuern  überlassen.^)  Außerdem  ist  ihnen  z.  B.  die  Erhebung 
der  gewerblichen  Lizenzsteuern  für  diejenigen  Handwerker,  die  für  ihre 
Tempel  arbeiteten,  übertragen  worden.^) 

Daß  die  Einführung  der  βονλή  im  J.  202  auch  in  der  Steuererhebung 
Wandlungen  gebracht  hat,  wurde  schon  oben  S.  214  betont.  Wie  weit 
diese  Neuerung  gewirkt  hat,  ist  bisher  noch  nicht  eingehend  untersucht 
worden.  Einstweilen  sehen  wir  nur  gewisse  Einzelerscheinungen,  die  ΛνΐΓ 
als  Symptome  der  wahrscheinlich  sehr  bedeutenden  Veränderungen  zu 
betrachten  haben.  So  hören  wir  einmal,  daß  der  Rat  von  jetzt  an  die 
Nomarchen,  über  deren  Bedeutung  in  der  Steuerhebung  oben  S.  215  ge- 
sprochen wurde,  erwählte  und  dementsprechend  für  diese  Nomarchen 
haftete.*)  Doch  noch  durchgreifender  muß  ein  anderes  Faktum  gewirkt 
haben,  die  Einführung  der  όεχάπροιτοί.  Kürzlich  sind  zwar  δεχάπρωτοί 
in  einem  Papyrus  erschienen,  den  der  Editor  ins  Jahr  197/8  (mit  Frage- 
zeichen) gesetzt  hat  (Lond.  III  S.  62  ff.).  Nach  allem,  was  wir  sonst  über 
die  δεχάπρωτοί  im  römischen  Reiche  wissen,  können  wir  diese  Datierung 
mit  Sicherheit  zurückweisen:  die  δεκάπρωτον  setzen  eine  βονλή  voraus. 
Darum  ist  das  0.  Jahr  der  Urkunde  auf  Severus  Alexander  (226/7)  zu 
beziehen.  Strittig  ist  die  Frage,  ob  die  δεχάπρωτοί^  wie  die  decemprimi, 
Buleuten  sein  mußten.*)  Die  Frage  wird  vielfach  im  negativen  Sinne  für 
entschieden  erachtet  durch  Fay.  85,  wo  erst  drei  Buleuten  und  dann  ein 
γνμ{ναϋ(αρχος)  als  Dekaproten  aufgezählt  werden.  Wenn  man  auf  die 
Genauigkeit  in  der  Wiedergabe  der  Titel  in  solchen  Quittungen  rechnen 
könnti*,  wäre  die  Sache  damit  allerdings  erledigt.  Aber  Parallelurkimden 
zeigen,  mit  welcher  Sorglosigkeit  die  Titel  bebandelt  wurden.    Ich  drucke 

1)  Gr.  Oütraka  I  618  ff.  2)  Gr.  Ottraka  I  016  f 

8)  So  nach  Otto,  Priester  und  Tempel  I  »04ϋ.,  fflr  detten  AofraMong  auch 
V.  Martin  eintritt.  Damit  ziehe  ich  meine  Deutung  von  BGU  887  asw.  (Ottraka 
I  ßiü;  zurack.      VkI.  Kap.  VI. 

4)  Vgl.  B(}t'  I  8  und  daxu  Oiitraka  I  β«6. 

h)  Dafür  nach  Wnddington   Wilckon,  Ottraka  I  620  f.;  0.  Set^;..  :...     1   llTff. 
Dagc^'en    nach    Mcnudier    Hrandii,  Pauly-Wittowa  IV  2418(    Chapot,    La   province 
llonmino   proconeul.   (rAei<•  1U04,  27-      "    ■  igke,  8tÄdt.  Beami•    8    *M      i»     ...-.» 
Statitiipncht  H.  417. 


218  Kapitel  V.     Das  Steuerwesen. 

als  Beleg  BGU  II  579  (279)  ab,  wo  nach  meiner  Revision  ein  Dekaprot 
sich  in  der  Subskription  als  βουλεοττίς  bezeichnet,  der  im  Kopfstück  gar- 
nicht  so  genannt  wird.  Hiernach  halte  ich  es  nicht  für  unmöglich,  daß  in 
Fay.  85  das  βονλενταί  an  die  falsche  Stelle  geraten  ist.  Ja,  die  Annahme 
wird  um  so  wahrscheinlicher,  wenn  man  sieht,  wie  in  Flor.  7  von  demselben 
Kollegium  der  Heräs  sich  in  der  Subskription  einfach  als  γυμνασίαρχος 
bezeichnet,  während  er  nach  Fay.  85  schon  ein  Jahr  vorher  Buleut  war!  Die 
Dekaproten  wurden  vom  Rat  der  Staatsregierung  für  die  Zwecke  der 
Steuererhebung  präsentiert^),  und  der  Rat  übernahm  daher  für  sie  die 
Haftung.  Das  Amt  war  ein  liturgisches,  und  zwar  gehörte  es  zu  den 
munera  patrimonii,  da  der  Beamte  mit  seinem  eigenen  Vermögen  für  die 
ihm  übertragenen  Steuern  einstand.  Dies  geht  im  besonderen  aus  Oxy. 
I  62  (278)  hervor.  Die  Steuerhebung  im  Gau  wurde  jetzt  in  der  Weise 
reguliert,  daß  immer  zwei  Dekaproten  je  eine  Toparchie  als  Erhebungs- 
distrikt erhielten.^)  Da  es  in  manchen  Gauen  mehr  als  fünf  Toparchien 
gab,  so  muß  es  auch  trotz  des  Namens  tatsächlich  mehr  als  zehn  Deka- 
proten gegeben  haben.  Es  erklärt  sich  diese  Diskrepanz  dadurch,  daß 
die  Toparchieeinteilung  schon  bestand,  als  die  neue  Behörde  mit  dem 
schon  feststehenden  Titel  aus  dem  Reich  eingeführt  wurde.  Trotz  der 
Einführung  der  οεκάτνρωτοι  funktionierte  der  ganze  alte  Erhebungsapparat 
weiter,  die  Praktoren,  Epitereten,  auch  die  Pächter  usw.  Das  Verhältnis 
dieser  zu  den  Dekaproten  bedarf  noch  weiterer  Aufhellung.  Wenn  die 
Dekaproten  auch  vom  Rat  gestellt  wurden,  waren  sie  doch  Staatsbeamte, 
die  mit  dem  Strategen,  der  auch  jetzt  das  Haupt  der  Steuerverwaltung 
blieb,  direkt  verkehrten.  Vgl.  BGU  7,  wonach  sie  dem  Strategen  über 
die  dem  Fiskus  verschuldeten  Pächter  Bericht  erstatteten.  Auch  bezüg- 
lich der  Rolle,  die  im  allgemeinen  jetzt  der  Rat  in  der  Steuerverwaltung 
gespielt  hat,  bedürfen  wir  noch  dringend  der  Aufklärung.  Einen  eigen- 
artigen Bericht  des  Prytanen  an  den  Strategen  enthält  Oxy.  VI  890  (280). 

2.  Die  Steuerpacht. ^) 
Über  die  Einschränkung  des  Pachtsystems  ist  schon  oben  S.  211  ff.  ge- 
sprochen. Für  die  Kaiserzeit  liegt  uns  für  die  Steuerpacht  bisher  ein 
sehr  viel  geringeres  Material  vor  als  für  die  Ptolemäer.  Auf  den  kleinen 
Fetzen  eines  νόμος  τελωνι%όξ  in  Oxy.  36  (27B)  wurde  schon  hingewiesen. 
Für  den  Modus  der  Verpachtung  ist  der  lehrreichste  Text  Oxy.  44  (275). 
Dagegen  fällt  Grenf.  II  41  nach  meinen  Ausführungen  im  Arch.  V  281  ff.  als 


1)  Preisigke,  Stadt.  Beamt.  23  f. 

2)  Vgl.  die  Monatsberichte  und  Quittungen  der  Dekaproten:  BGU  II  552—557, 
579  (279);  III  743,  744,  1089,  1090;  Flor.  7,  26;  Lips.  83;  Fay.  85;  Lond.  III  S.  52; 
Tab.  II  368. 

3)  Gr.  Ostraka  I  587  ff.;  Rostowzew,  Staatspacht. 


C.  Die  byzantinische  Zeit.     §  1.    Die  Steuern.  219 

Beispiel  eines  Steuerpachtangebotes  jetzt  fort.  Von  der  Bürgenstellung  für 
einen  Steuerpächter,  für  die  ich  in  den  Ostraka  I  590  noch  keinen  Beleg 
bringen  konnte,  handelt  jetzt  Teb.  II  329.  Daß  die  Kontrolle  der  Steuer- 
pächter statt  vom  άντιγραφεύζ  vom  επιτηρητής  ausgeübt  wurde,  wurde 
gleichfalls  schon  gesagt.  Amh.  77  (277)  freilich  zeigt  uns,  daß  gelegent- 
lich diese  έπιτηρηταύ  selbst  sich  grober  Veruntreuungen  schuldig  machten.^) 
In  die  Tätigkeit  der  Steuerpächter  gewinnen  wir  durch  die  zahlreichen 
Steuerquittungen  auf  Papyri^)  und  Ostraka  einen  Einblick. 


C.  DIE  BYZANTINISCHE  ZEIT. 

Zur  Literatur  vgl.  oben  S.  66.  Besonders  hervorzuheben  sind  hier:  0.  Seeck, 
Die  Entstehung  des  Indiktionenzyklus  (Deutsch.  Z.  f  Geschichtswiss.  XII  1894,  279  flf.). 
Derselbe,  Die  Schatzungsordnung  Diokletians  (Z.  f.  Sozial-  u.  Wirtschaftsgesch.  1895, 
275  flf.).  Vgl.  außerdem  seine  einschlägigen  Artikel  bei  Pauly-Wissowa  wie  Capitatio, 
Delegatio  u.  a.     M.  Geizer,  Studien  1.  c.  und  Arch.  V  346  f. 

Die  Erforschung  der  neuen  Steuerordnung  in  ihrer  Entwicklung 
von  Diokletian  bis  zu  den  Arabern  ist  ein  schwieriges  und  in  vielen 
Punkten  noch  der  Aufklärung  bedürftiges  Problem.  Nur  ungern  setze 
ich  die  folgende  dürftige  Skizze  hierher,  aber  Etwas  ist  immerhin  mehr 
als  Nichts,  und  vielleicht  ist  sie  dem  Anfänger  für  das  Einarbeiten  in 
diesen  spröden  Stoff  nützlich.  Ich  werde  namentlich  solche  Punkte  her- 
vorheben, zu  deren  Klärung  die  Papyri  bereits  herangezogen  worden 
sind.  Eine  erschöpfende  Verwertung  der  byzantinischen  Papyri  steht  noch 
aus.  Ich  setze  im  folgenden  voraus,  was  ich  oben  S.  66  f.  in  den  „All- 
gemeinen historischen  Grundzügen"  über  diese  Periode  vorgetragen  habe. 
Im  besonderen  wird  man  sich  bei  jeder  Frage  zu  vergegenwärtigen  haben, 
daß  in  dieser  langen  Periode  von  etwa  iV.V  Jahrhunderten  Λvie  die  gesamte 
Ordnung  Ägyptens,  so  im  besonderen  auch  die  für  die  Steuerverwaltung 
maßgebenden  Elemente  sehr  wesentliche  Wandlungen  durchgemacht  haben. 
Als  besonders  markante  Erscheinungen  hebe  ich  aus  den  obigen  Dar- 
legungen hervor  die  Einführung  der  Munizipalordnung  zu  Beginn  des 
IV.  Jahrhunderts  (S.  77ff.),  das  Aufgeben  der  Pagusordnung  im  Anfang 
des  V.  Jahrhunderts  (S.  83 j,  das  Hervortreten  der  Pagarchen,  die  Eximie- 
rqng  der  autoprakten  Grundherren  und  der  autoprakten  Dörfer  und  die 
Zurückdrängung  der  Kurien  vom  V.Jahrhundert  an  (S.  83f.)  —  Erschei- 
nungen, die  z.  T.  durch  die  wirtschaftlichen  Wandlungen,  anter  denen  die 
Entwicklung  der  großen  (irundherrschafteu  und  die  Vollendung  des  Eolo- 
nates  obenan  stehen,  begründet  sind.  Neben  diesen  innerlichen  Momenten 
sind  die  beständigen  Wandlungen  in  der  Organisation  der  Teüprovinzen 

1;  Von  den  Übergriffen  von  τίΧώναι  handelt  BGU  840. 

S)  Zu  den  im  Arch.  1 0  aufges&hlten  f5ge  ich  noch  hintu  Ozy.  IV  788;  Teb.  II  367. 


220  Kapitel  Υ.     Das  Steuerwesen. 

(vgl.  S.  71  f.)  von  Einfluß  auf  die  äußeren  Formen  der  Stererverwaltung^ 
gewesen.  Zur  Interpretation  jedes  einzelnen  Papyrus  sind  alle  diese  Mo- 
mente zu  berücksichtigen. 

§  1.    DIE  STEUERN.!) 

Die  neue  auf  eine  Steigerung  der  Einnahmen  abzielende  Steuerord- 
nung, die  Diokletian  im  Reich  einführte  und  die  von  seinen  Nachfolgern 
weiter  ausgebildet  wurde,  tritt  uns  in  den  Papyri  äußerlich  zunächst  in 
der  völlig  veränderten  Terminologie  entgegen.  Wir  suchen  in  den  Texten 
dieser  Zeit  vergeblich  nach  der  άρταβιεία  und  dem  έπαρονρίον^  nach  dem 
χειρωνάζιον^  nach  der  λαογραφία  usw.  Abgesehen  von  der  εμβολής  die 
wie  ihren  Namen,  so  auch  ihren  Inhalt  bewahrt  hat  —  freilich  mit  der 
Änderung,  daß  sie  bald  nach  Konstantinopel  statt  nach  Rom  abgeführt 
wurde  (Kap.  IX)  — ,  haben  die  Steuern  wohl  meist  neue  Namen  bekommen,, 
sind  aber  auch  ihrem  Wesen  nach  z.  T.  umgestaltet  worden. 

Die  Grrundsteuer  wird  nicht  mehr  als  eine  Besteuerung  des  Ernte- 
ertrages, sondern  als  eine  solche  des  Grund  und  Bodens  selbst  aufgefaßt. 
Zu  ihrer  Einführung  hatte  Diokletian  den  Boden  des  Reiches  in  gleich- 
wertige Steuerstufen  einteilen  lassen,  die  —  in  den  verschiedenen  Pro- 
vinzen verschieden  benannt,  als  iuga,  capita,  millenae,  centuriae  usw.  — 
mit  dem  gleichen  Steuersatz  belegt  wurden.  Für  die  iuga  Syriens  hat 
uns  das  syrisch-römische  Rechtsbuch ^)  den  Aufschluß  gegeben,  daß  hier 
5  iugera  Weinland  =  20  iugera  Saatland  erster  Klasse  =  40  iugera  Saat- 
land zweiter  Klasse  =  60  iugera  Saatland  dritter  Klasse  =  225  Oliven- 
stämmen erster  Klasse  =  450  Olivenstämmeu  zweiter  Klasse  galten.^) 
Für  Ägypten  ist  durch  Cod.  Theod.  VII  6,  3  (a.  377)  die  Einteilung  in 
terrena  iuga  bezeugt.  Danach  wird  die  Grundsteuer  hier  iugatio  genannt 
worden  sein.  Weder  für  iugum  noch  für  iugatio  haben  die  Papyri  bisher, 
soweit  ich  sehe,  eine  griechische  Transkription  oder  Übersetzung  gebracht. 
Seeck  hat  zwar  in  dem  von  Wessely,  Neue  griechische  Zauberpapyri 
(Wien,  Denk.  XLIl)  S.  9  Anm.  2  mitgeteilten  Pap.  Rainer  1579,  5  das 
Wort  Ιον{γων)  in  eine  Lücke  eingefügt,  aber  es  ist  mir  sehr  zweifelhaft,, 
ob  das  richtig  ist.^)  Diese  iugatio  wurde  überall  nur  von  den  possessores 
{%τΎΐτορεξ)  des  ländlichen  Grundbesitzes  erhoben.  Einen  Bericht  von  Sito- 
logen  über  Grundsteuerzahlungen  von  κτΎΐτορες  aus  Theadelphia  (a.  312) 
enthält  P.  Straßb.  45.      Er  scheidet  zwischen  den  Städtern  (Λολΐται)  und 


1)  Vgl.  auch  Marquardt,  Rom.  Staatsverw.  II  ^  224  ff. 

2)  Bruns-Sachau,  Syr.-röm.  Rechtsbuch  aus  dem  V.  Jahrh.  1880  §  121. 

3)  Hierdurch  wurde  Savignys  Annahme  von  idealen  Steuerhufen  widerlegt. 
Vgl.  Marquardt  1.  c.  Seeck,  Schatzungsordnung  1.  c.  276  ff. 

4)  Wessely:  ^χομεν — vtceq  τρίτης  Ινδίν.{τίωνος)  γ,ανόνος  zca  .  .  άχνρον  λίτρας  κτλ. 
Seeck  (Entsteh,  d.  Indikt.  290,  und  danach  bei  Pauly-Wissowa  III  1519)  vermutet  κοτ 
ιονγ{ων). 


C.  Die  byzantinische  Zeit.     §  1.    Die  Steuern.  221 

den  Dörflern  (κωμηταί).  Als  Zuschlag  zur  Grundsteuer  wurde  auch  jetzt  die 
annona  aufgefaßt  (zu  dieser  vgl.  Kap.  IX).  Die  Frage,  wie  diese  von  den 
anderen  Provinzen  her  bekannten  Gruudzüge  auf  Ägypten  angewendet 
worden  sind,  bedarf  dringend  einer  eingehenden  Untersuchung. 

Die  Gewerbesteuer^)  —  chrysargyrum ,  coUatio  lustralis  o.  ä.  ge- 
nannt —  wurde  jetzt  den  zu  Korporationen  zwangsweise  zusammenge- 
schlossenen Zünften  auferlegt,  die  die  Repartiening  unter  die  Mitglieder 
vorzunehmen  hatten.  Diese  in  Geld  zu  zahlende  Steuer  wurde  in  4 — öjäh- 
rigen  Zwischem-äumen,  nach  Seecks  Darlegungen  im  Anschluß  an  die 
Feier  des  Regierungsantritts  der  Kaiser  und  ihrer  quinquennalia  usw.,  aus- 
geschrieben.-) Von  dieser  Steuer  handelt  Lips.  64,  29  ff.  (281)  unter  dem 
Namen  ro  πραγμ,ατεντικον  χρνοάργυρον. 

Während  die  Grundsteuer  auf  den  prossessores  des  ländlichen  Grund- 
besitzes und  die  Gewerbesteuer  auf  den  Korporationen  der  in  die  matricula 
negotiatorum  Eingetragenen  lastete,  traf  die  capitatio  humana  (oder  pleheia) 
die  niedere  ländliche  Bevölkerung.  Nach  Seecks  Annahme  ist  die  Capitatio 
in  Ägypten  nie  eingeführt  worden,  weil  in  der  oben  zitierten  Stelle  im 
Cod.  Theod.  VII,  6,  3  nur  von  den  iuga,  und  nicht  auch  den  capita  Ägyp- 
tens gesprochen  wird,  doch  läßt  er  die  Frage  oÖen,  ob  nicht  au  ihrer 
Stelle  eine  andere  Art  der  Kopfsteuer  in  Ägypten  bestanden  habe,  und 
erklärt  BGU  21  II  3,  wo  eine  Repartition  auf  125.J  ανόρίς  vorliegt,  dahin, 
daß  hier,  wo  es  sich  um  kommunale  Dorfubgaben  handle,  nach  capita 
gerechnet  werde  (nach  dem  Satze  1  Mann  =  2  Frauen).  Vgl.  die 
Schatzungsordnung  S.  295.^) 

Jene  Worte  im  Cod.  Theod.  besagen  vielliMchi  nur,  daß  in  Ägypten 
die  Lieferung  der  vestes  auf  den  iuga  lastete,  ohne  daß  die  Existenz 
von  capita  damit  ausgeschlossen  wäre.  Doch  bleibe  das  dahingestellt. 
Jedenfalls  glaube  auch  ich,  daß  die  frühere  λαογραφία  durch  irgend 
eine  andere  Kopfsteuer  ersetzt  worden  ist.  Wir  haben  soeben  aus 
Lood.  IV  gelernt,  daß  in  arabischer  Zeit  die  Kopfsteuer  u.  a.  als  διά- 
γραφον  bezeichnet  wurde  (vgl.  unten).  Nun  gfibt  es  in  P.  Klein,  Form, 
eine  ganze  Reihe  von  όιάγραφον-  oder  (ϊι«}^ρ«φίί- Quittungen,  die  Wessely 
ins  VI.  oder  VI./VII.  J.  gesetzt  hat  (vgl.  647,  050  tf.).  Schon  Bell,  Lond.  IV 
S.  169  hat  die  Identität  der  byzantinischen  und  der  arabischen  Steuer  er- 
kannt. Damit  ist  dann  aber  auch  die  byzantinische  Kopfsteuer  erwiesen. 
Die  Quittung  R  Klein.  Form.  369,  in  der  νπϊρ  xfai^r.^  Λ-ηοιΙ)  gezahlt 
wird,  ist  leider  zu  fragmentarisch. 

Wir  besitzen  nun  einige  sehr  instruktive  Texte,  in  denen  die  Steuern, 


1)  Vgl.  Marquardt  1.  c.  28ß  fi.    Seeck,  Pauly-Wiisown 
t)  Pauly-WiMHowa  1.  c.  871  f. 

8)  Qelaier,  Studien  8.  68  Anm.  1  Mist  „Steuereinheit« .  •  iij.ita  <  in.     Die 

Frage  bedarf  noch  weiterer  Kl&rung.    Vgl.  die  Bemerkungeu  »u  Uoodep.  18  (iM). 


222  Kapitel  V.     Das  Steuerwesen. 

die  Personen  oder  auch  Gemeinden  zu  zahlen  haben,  nach  ihrer  Verwen- 
dung, resp.  nach  den  Ressorts,  an  die  sie  abgeführt  wurden,  zusammen- 
gefaßt und  charakterisier 0  sind.  So  scheidet  P.  Oxy.  126  (180)  vom  J.  572 
bezüglich  eines  im  Privatbesitz  befindlichen  Grundstückes  die  gesamte 
Steuerlast  in  die  έμβολη  (für  Konstantinopel)  und  die  χρνοίκά,  und  letztere 
wiederum  in  die  κανονίκά^)^  d.  h.  die  an  das  Ressort  der  Largitionalia  ab- 
zuführenden Steuern^),  und  die  άρκαρικά^  d.  h.  die  für  die  arca  des  prae- 
fectus  praetorio  bestimmten  Steuern  (annona).^)  Vgl.  oben  S.  161  ff.  Noch 
wertvoller  sind  die  detaillierten  Jahresrechnungen,  die  wir  in  Cair.  Cat. 
67057  für  die  Stadt  Antaiopolis  und  in  Cair.  Cat.  67054,  67056,  67058 
für  das  Dorf  Aphrodito  besitzen.  Zu  ersteren  vgl.  Geizer,  Arch.  V  346  ff., 
zu  letzteren  meine  Bemerkungen  ebendort  S.  446  f.  Die  Stadtrechnung, 
deren  enge  Beziehungen  zum  XIII.  Edikt  Justinians  Geizer  nachgewiesen 
hat,  unterscheidet  1)  die  εμβολή  (61674  Artaben),  2)  die  annona  (über 
6072  Solidi),  3)  die  κανονικά  (über  3707  Solidi).  Zu  diesen  regulären 
Ausgaben  kommen  4)  die  für  οννήΰ-είοα^  d.  h.  für  die  „üblichen  Ge- 
schenke" an  Beamte  und  Soldaten  (vgl.  Geizer  S.  353  ff.)*),  endlich  5)  die 
für  die  τίαγαρχία.  Dieselben  Arten  finden  sich  auch  in  den  Dorfrechnungen 
von  Aphrodito,  nur  daß  sie  hier  nicht  so  übersichtlich  gruppiert  sind. 
Bemerkenswert  ist  aber,  daß  in  67054  die  ύννή^-ειαι  ausdrücklich  zu  den 
extraordinaria  gezählt  werden:  γνώόΐξ  των  ^^,τρ[α\ορ\βι\ναρ{ίων)  καΐ  έτε- 
ρ(ων)  βΙνΙνηΟΊον. 

Andere  Texte  dieser  Kairener  Edition  enthalten  Hinweise  auf  die 
Kommunalsteuern,  die  hier  als  άοτικά  (für  Antaiopolis)  oder  κωμητικά 
(für  Aphrodito)  bezeichnet  werden.  Vgl.  die  Steuerquittungen  Cair.  Cat. 
67045—047  und  den  Brief  67060  (297)  und  dazu  Geizer,  Arch.  V  362£ 

§  2.  DIE  STEUERVERANLAGUNG. 
Schon  für  die  römische  Periode  haben  wir  oben  S.  208  aus  dem  Bon- 
mot des  Tiberius  bei  Dio  57,  10,  5  den  Schluß  gezogen,  daß  der  Kaiser 
dem  Statthalter  die  aus  Ägypten  herauszu wirtschaftende  Summe  vorschrieb. 
Irgendwelche  genaueren  Angaben  liegen  aber  für  jene  Periode  nicht  vor, 
so  daß  wir  auch  nicht  wissen,  ob  dieser  Modus  immer  eingehalten  worden 
ist.  Gelegentlich  war  eine  besondere  „Ansage"  —  indictio  — .  erfolgt,  wenn 
außerordentliche  Zuschläge  erhoben  werden  sollten.^)  Von  Diokletian  an 
bildete  die  jährliche  „Ansage"  der  regulären  Steuern,   im  besonderen  der 


1)  Weitere  Belege  z.  B.  bei  Wessely,  Klein.  Form.  S.  262. 

2)  Über  die  einzelnen  Steuern,  die  an  die  Kasse  des  comes  sacrarum  largitiouum 
gingen,  vgl.  Seeck,  Pauly-Wissowa  IV  671  if. 

3)  Vgl.  in  Oxy.  I  71  II  6  vom  J.  303:    αανονικονς  δη  λέγω  φόρους  καΙ  ΰτρατιω- 
τι-ΛΟίς  ενϋ-ενίας  (letzteres  =  annona). 

4)  Vgl.  Cair.  Cat.  67040  (283). 

5)  Vgl.  Seeck,  Pauly-Wissowa  HE  1515. 


ι 


C.  Die  byzantinische  Zeit.     §  2.    Die  Steuerveranlagung.  223 

Grundsteuern  nebst  annona,  den  Ausgangspunkt  der  gesamten  Veran- 
lagungsarbeiten. Bekanntlich  sind  15  solcher  Indiktionsjahre  zu  einem 
Zyklus  zusammengefügt  worden.  Bis  vor  kurzem  wurde  auf  das  Zeugnis 
des  Chronicon  Paschale  hin  allgemein  angenommen,  daß  Konstantin  diesen 
Zyklus  im  Jahre  312  eingeführt  habe.  Seeck  ist  jedoch  in  seiner  Schrift 
über  die  Entstehung  des  Indiktionszyklus  zu  dem  Schluß  gekommen,  daß 
schon  vorher  ein  Zyklus  bestanden  haben  müsse,  der  also  im  J.  297  von 
Diokletian  eingeführt  sei.  ^)  Diese  Ansicht,  die  sich  schon  dadurch  empfahl, 
daß  dem  Diokletian  gerade  für  297,  nach  der  Eroberung  Alexandriens, 
grundlegende  Neuerungen  zugeschrieben  werden  (Eutrop.  9,  23),  ist  nach- 
träglich glänzend  durch  die  Papyrus  bestätigt  worden,  die  uns  wirk- 
lich schon  vor  312  Indiktionsjahre  nennen.  Vgl.  den  P.  Cairo  10520  (in- 
zwischen ediert  in  P.  LiUe  I  S.  108)  und  dazu  meine  Ausführungen  im 
Arch.  II  135  f.  Ferner  hat  Seeck  selbst  seine  These  durch  den  Hinweis 
auf  die  Erwähnung  der  Indiktionen  in  P.  Lips.  84  (vom  J.  303)  über 
allen  Zweifel  erhoben.^)  Vgl.  auch  seine  Bemerkung  zu  P.  Straßb.  9  im 
Arch.  V  256,  wonach  dieser  Text  wahrscheinlich  ins  Jahr  307  gehört.  Ist 
das  richtig,  so  zeigt  er,  daß  man  in  Ägypten  schon  von  vornherein  ge- 
legentlich diese  Indiktionsjahre  zur  Datierung  verwendet  hat.  Über  den 
Indiktionenzyklus  als  Datierungsmittel  vgl.  die  Einleitung  §  7.  Eben- 
dort  auch  über  den  Anfang  des  Indiktionsjahres,  der  in  Ägypten  nicht 
wie  sonst  im  Reich  auf  den  1.  September,  sondern  mit  wechselndem  Datum 
in  den  Sommer  fiel. 

Seeck  hat  weiter  1.  c.  die  These  aufgestellt,  daß  der  15  jährige  Zyklus  durch 
Zusammenlegung  von  3  fünfjährigen  Zensusperioden  entstanden  sei,  indem 
er  Zeugnisse  dafür  vorlegt,  daß  mehrfach  auch  für  die  6.  und  11.  Indik- 
tion  Zensusarbeiten  nachzuweisen  seien.  Diese  auf  alle  Fälle  sehr  an- 
regende These  bedarf  noch  weiterer  Prüfung.  Die  unten  besprochenen 
Zensuseingaben  von  298  und  303  würden  hiermit  gut  zu  vereinigen  sein, 
dagegen  macht  die  an  den  Zensitor  gerichtete  Subjektsdeklaration  von  310 
Schwierigkeiten.  Hier  ist  bei  der  Dürftigkeit  des  Materials  z.  Z.  noch 
vieles  dunkel.  Der  Grundgedanke,  daß  bei  der  Konstituierung  des 
15jährigeii  Zyklus  das  alte  Lustrum  eine  Rolle  gespielt  habe,  ist,  zumal 
die  Regierung  auch  schon  vorher  in  der  Verwaltung  gern  mit  der 

operierte'),  an  eich  so  wahrscheinlich,   daß  wir  gar  nicht  nötig 

1  Ist  die  Notiz  de•  Chronicou  Patcbale  vielleicht  dahin  zu  ventehen,  daß  das 
Jahr  '{12  der  Anfang  der  Coniianiiniechen  Indiktion  sei?  Jedenfall•  iei  eaohlioh 
nicht«  gegen  seine  Worte  einzuwenden,  wenn  man  dae  Κωνύταψπνιαψών  betont. 

2)  Khein    Mu«.  eS,  492. 

8)  Außer  der  ecbon  oft  berrorgebobenen  xipra»xia  im  Kdikt  de•  Jul.  Alexander 
(I)itt.  0.  O.  Π  669,  49)  Tgl.  jetzt  auch  die  im  Kdikt  de•  Mettiu«  Kufus  (Oxy.  II  2S7 
Vlil  41).  Man  könnte  auch  auf  die  tinooatxia  für  die  HacberreTision  in  Teb.  II  287,  7 
(261)  binweieen. 


224  Kapitel  V.     Das  Steuerwesen. 

haben,  mit  Seeck  außerdem  eine  Umbildung  des  14jährigen  Zyklus  der 
κατ'  olxCav  άττογραφαί  zu  mutmaßen.^)  Ich  halte  diese  letztere  Hypothese 
für  unannehmbar.^) 

In  jedem  Jahre  setzte  also  der  Kaiser  den  Steuerbetrag,  im  beson- 
deren für  die  Embole  und  die  Annona,  für  das  ganze  Reich  fest  und  be- 
auftragte (delegare)  die  praefecti  praetorio  mit  der  Erhebung.  Diese 
kaiserliche  Steuerausschreibung  hieß  danach  delegatio.^)  In  den  Papyri 
wird  das  teils  mit  ή  dsCa  δηληγατίων'^)  wiedergegeben  (vgl.  BGU  lY  836, 
Cair.  Cat.  67054,  13),  teils  mit  ή  dsia  δίατνπωαίς.^)  Nun  begann  das  Ge- 
schäft der  Repartition,  das  die  verschiedensten  Instanzen  durchlief,  bis 
die  Steuersumme  des  einzelnen  Steuerzahlers  berechnet  war.  Zunächst 
repartierten  die  praefecti  praetorio  die  kaiserliche  Delegation  auf  die  Pro- 
vinzen und  beauftragten  die  Statthalter  mit  der  weiteren  Durchführung. 
Das  sind  die  μερικαΐ  διατντίώΰεΐζ  der  Nov.  Just.  128,  1,  auch  delegationes 
schlechthin  genannt.  Vgl.  Lips.  64,  10  (281),  wo  ausdrücklich  gesagt  ist, 
daß  die  delegatio  von  den  praefecti  praetorio  ausgegangen  ist.^)  Diese 
delegatio  kann  natürlich  nicht  als  %•εία  (d.  h.  kaiserliche)  bezeichnet  werden. 
Wenn  in  BGU  III  836,  3  rfig  κατατίεμφϋ'είοης  %'είας  δηληγατίονος  gesagt 
ist,  so  liegt  hier  die  Vorstellung  vor,  daß  die  kaiserliche  Delegation  es 
ist,  die  durch  die  vermittelnden  Instanzen  herabgeleitet  wird.  Der  Statt- 
halter repartierte  nun  den  auf  seine  Provinz  entfallenden  Teil  auf  die 
einzelnen  civitates  (πόλεις),  d.  h.  auf  die  Kurien,  deren  Aufgabe  es  war, 
nun  die  weiteren  Repartierungen  vorzunehmen.  Auch  diese  Anweisung  des 
Statthalters  heißt  delegatio,  resp.  δίατντΐωοις.  In  diesem  Sinne  steht  letz- 
teres Wort  in  Lips.  63,  5,  wo  von  der  durch  den  früheren  praeses"^)  ge- 
machten διατνυΐωοις  die  Rede  ist.  So  sind  auch  in  Ägypten,  nach  Ein- 
führung der  Munizipalordnung  (zwischen  307  —  310),  die  Steuern  auf  die 
<iivitates  gelegt  worden,  denen  nun  die  weitere  Repartierung  oblag.  Die 
Kurien  aber  hafteten  jetzt  für  den  Eingang  der  Summen.  So  wird  in  den 
Urkunden  auch  mehrfach  hervorgehoben,  daß  die  Steuern  gezahlt  werden 


1)  Seeck  stimmt  zu  Wessely,  Stud,  Pal.  I  33. 

2)  Hier  sei  nur  darauf  hingewiesen,  daß  gegen  den  Zusammenhang  der  beiden 
Einrichtungen  allein  schon  die  Tatsache  spricht,  daß  die  Indiktion  297  begann,  wäh- 
rend die  κατ'  οίν,ίαν  άτΐογραφή,  wenn  sie  noch  bestanden  hätte,  ins  Jahr  299  ge- 
fallen wäre. 

3)  Vgl.  Seeck,  Pauly-Wissowa  IV  2431. 

4)  Vgl.  Suidas  s.  v.  δτιληγατίων:  %ατά  "^Ρωμαίους  ή  έκταγη  τον  ατοηομτΐείον  ν,αϊ 
Ύ]  άννονών  μετα'Λομίδή. 

5)  In  Deutsch  Lit.  Ζ.  1901,  2398  schlug  ich  vor,  in  Fay.  Ostr.  23  (a.  29S)  aus 
Είολνονϋ'είας  δί(α)  Τντρωαεωξ  vielmehr  d-siccg  διατντΐώαεωζ  abzulösen.  Fraglich  ist  nur, 
was  vorhergeht.     Vielleicht  εΙς  λόγον? 

6)  Der  Plural,  der  auch  sonst  üblich  ist,  weist  darauf  hin,  daß  die  beiden  Prä- 
fekten  in  partibus  Orientis  zusammengefaßt  werden. 

7)  Vgl.  Arch.  IV  227. 


C.  Die  byzantinische  Zeit.     §  3.    Die  Steuerveranlagung.  225 

νπερ  της  πολιτείας.  Vgl.  ζ.  Β.  Flor.  96,  Lips.  62  (188)  usw.  Hierauf 
wurden  die  vom  Lande  (kvogCa)  zu  zahlenden  Steuern  auf  die  pagi  repar- 
tiert, und  hier  waren  es  dann  die  praepositi  pagorum,  die  die  weitere 
Repartierung  auf  die  einzelnen  Dörfer  übernahmen.^)  In  den  Dörfern 
selbst  endlich  fand  dann  die  Repartierung  auf  die  einzelnen  Kontribuenten 
durch  die  Dorfoehörden  statt,  so  wie  es  in  der  Stadt  die  städtischen  Be- 
hörden taten.  Von  der  Repartierung  {μερίζειν)  in  Dörfern  handelt  z.  B. 
BGU  21  (vgl.  oben  S.  221),  Goodsp.  12  (253).  Auch  die  Dorfbehörden 
waren  verantwortlich.^)  Nach  diesem  System  waren  es  also  die  Städte 
und  Dörfer,  die  die  Steuern  zahlten.  So  haben  wir  denn  auch  Quittungen, 
die  der  „Dorfgemeinde"  {pl  από  κώμης)  ausgestellt  sind.  Vgl.  Cair.  Cat. 
67033  ff.  (282). 

Bei  dieser  Skizze  sind  vorwiegend  die  Verhältnisse  des  IV.  Jahrh. 
zugrunde  gelegt.  Vom  V.  Jahrh.  an  sind,  wie  oben  erwähnt  wurde,  wesent- 
liche Änderungen  in  Ägypten  eingetreten,  die  auch  auf  diese  Repartitions- 
arbeiten  von  Einfluß  sein  mußten,  so  vor  aUem  das  Hervortreten  der  Pa- 
garchen und  das  allmähliche  Zurücktreten  der  Kurien.     S.  oben  S.  83. 

Es  erübrigt  noch  zu  untersuchen,  welche  Hilfsmittel  die  Behörden 
hatten,  um  die  Repartierung  auf  die  einzelnen  Kontribuenten  vorzunehmen. 
Auch  in  dieser  Periode  finden  wir  das  System  der  Selbstdeklarationen 
vertreten,  aber  gerade  in  den  uns  erhaltenen  άπογραφαί  tritt  uns  der 
große  Unterschied  gegenüber  der  vorhergehenden  Periode  besonders  deut- 
lich entgegen.  Im  übrigen  kennen  wir  bisher  derartige  άπογραφαί  nur 
aus  der  Übergangszeit  vor  Konstantin.  Es  sind  daher  einstweilen  nur 
Einzelheiten,  die  sich  feststellen  lassen. 

a.  Subjektsdeklarationen. 
Es  liegt  bisher  eine  einzige  Subjektsdeklaration  vor,  in  F.  Straßb.  42 
(210)  vom  J.  310,  aus  Theadelphia  im  Faijüm.  Sie  ist  völlig  anders  geartet 
als  die  früheren  κατ  οίκίαν  άπογραφαί^  deren  letztes  erhaltenes  Beispiel  den 
Zensus  von  2bT/S  betrifft.  Diese  sind  wahrscheinlich  von  Diokletian  im 
Zusammenhang  mit  seiner  neuen  Zensusordnung  abgeschafft  worden.  Wie 
diese  Subjektedeklaration,  die  an  einen  Zensitor  gerichtet  ist,  sich  zu  dem 
Diokletianischen  Zensus  verhält,  ist  z.  Z.  völlig  dunkel.  Sie  ist  2  Jahre 
vor  dem  Beginn  eines  neuen  Indiktionszyklue  (312)  eingereicht,  und  fallt, 
wenn  man  mit  Seeek  fünfjährige  Zensusperioden  annimmt  (s.  oben  S.  223), 
mitten  in  eine  solche  hinein  (307 — 312).  So  können  wir  einetweileo,  hie 
weiteres  Material  vorliegt,  nur  die  Verschiedenheiten  dieses  Unicnm  gegen- 
über den  früheren  Subjektserklärongen  konitatiereu.  Besondeni  hervoi^ 
gehoben  sei,  daß  nur  männliche  Personen  aofgezählt  werden  —  der  Dekl»- 

1)  Vffl.  Oelzer,  Studien  8.  60  f.  S)  Vgl.  Oelier,  Aroh.  V  876. 


226  Kapitel  V.     Das  Steuerwesen. 

rant  mit  Sohn,  Brüdern  und  Verwandten  — ,  und  daß  jeder  als  νΛοτελής 
bezeichnet  wird,  auch  ein  Zwölfjähriger,  wie  auch  zum  Schluß  diese  υπο- 
τελείς zusammenaddiert  werden.  Diese  festzustellen  ist  also  offenbar  der 
Hauptzweck  dieser  άπογραφαι.  Wahrscheinlich  ist  der  Deklarant  der 
Hausvorstand,  der  die  bei  ihm  wohnenden  Verwandten  anzeigt.  Aus  den 
Worten  μηδενός  μου  οννοικοϋντος  εκ  τΐολλον  χρόνον  darf  wohl  ge- 
schlossen werden,  daß  eine  derartige  απογραφή  seit  längerer  Zeit  nicht 
eingefordert  war.  Neu  ist  ferner,  daß  die  Eingabe  an  einen  Zensitor 
gerichtet  ist.  Diese  Behörde  ist  erst  durch  die  Diokletianische  Reform 
für  Ägypten  eingeführt  worden  (s.  unten). 

b.  Grundstücks-Deklarationen.^) 
Etwas   reicher  ist  unser  Material  für  die  Grundstücks-Deklarationen. 
Mir  ist  z.  Z.  Folgendes  bekannt: 

1.  Vom  Jahre  298:  Flor.  32  (228),  eine  απογραφή  an  den  Zensitor 
Julius  Alexander,  auf  Befehl  der  Kaiser.  Die  Paginazahl  „175"  zeigt,  daß 
die  beiden  Texte  aus  einem  größeren  οννκολλήΰψον  stammen,  daß  also 
wohl  eine  allgemeine  Deklarationspflicht  bestanden  hat. 

2.  Vom  Jahre  303:  P.  Mel.  Nicole  S.  187  ff.  (229),  Reste  von  mehreren 
«Λοτ^ραφαί,',  die  an  die  άναμετρηταύ  der  betreffenden  Toparchie  gerichtet 
sind.  Außer  dem  Befehl  der  Kaiser  wird  auch  eine  Verordnung  des  κα- 
ϋΌλίκος  (Οναλεριος  ΕννεΙος)  erwähnt. 

3.  Wahrscheinlich  aus  demselben  Jahre  303  stammt  ein  unedierter 
P.  Rylands  (früher  im  Besitz  des  Lord  Crawford),  der,  wie  Hunt  mir  mit- 
teilte, eine  απογραφή  ist  wie  Flor.  32.  Dieser  ist  nicht  an  die  άναμε- 
τρψαί^  sondern  an  den  censitor  Septimius  Sabinus  gerichtet.  Vgl.  Gren- 
fell-Hunts  Einleitung  zu  Amh.  83. 

Auf  denselben  Zensus  dieses  Sabinus  bezieht  sich  die  Beschwerde 
Amh.  83  (230),  die,  an  den  Präfekten  Claudius  Culcianus  gerichtet,  zwischen 
303  und  306  (vgl.  Oxy.  VIE  1104)  faUen  muß.  Die  Urkunde  erwähnt 
(ebenso  wie  auch  der  P.  Rylands)  die  iuratores,  die  von  den  Zensierten 
den  Eid  abzunehmen  hatten.^) 

Endlich  wird  dieser  selbe  Zensus  des  Sabinus  auch  noch  in  zwei 
späteren  Urkunden  erwähnt,  in  BGÜ  IV  1049  vom  J.  342  und  BGU  ΙΠ 
917  vom  J.  348.     Vgl.  hierzu  meine  Bemerkungen  im  Arch.  Ύ  265. 

Zunächst  ist  zu  konstatieren,  daß  die  genannten  άπογραφαι  ein  völliges 
Novum  gegenüber  der  römischen  Periode  darstellen.  Diese  kannte  über- 
haupt keine  an  die  Steuerbehörden  eingereichten  Grundstücksdeklarationen, 
abgesehen  von  jenen  Anzeigen  der  άβροχία^  έμβροχία  usw.,  die  mit  unseren 


1)  Vgl.  Wilcken,  Arch.  V  265.     H.  Lewald  1.  c.  14.     Eger  1.  c.  207. 

2)  Vgl.  Mommsen,  Staatsr.  IP  S.  349. 


C.  Die  byzantinische  Zeit.     §  2.    Die  Steuerveranlagung.  227 

Texten  nichts  zu  schaffen  haben.  Vgl.  S.  203.  Diese  byzantinischen  απΌ- 
γραφαί  geben  an,  wieviel  Grundbesitz  {ιδίωτιγ,η)  der  Deklarant  hat,  wo 
er  liegt,  und  was  für  Land  es  ist  (έόπαρμειτη).  Außerdem  wird  auch  an- 
gegeben, wieviel  der  Deklarant  von  der  kaiserlichen  Domäne  (βαΰιλίχή) 
übernommen  hat.  Da  es  sich  in  den  vorliegenden  Fällen  um  kleine  Par- 
zellen der  βαύίλική  handelt,  die  in  demselben  Rayon  (κοίτη)  wie  die  vor- 
hergenannte Ιδιωτίχη  liegen,  so  vermute  ich,  daß  es  sich  hier  überall  um 
επιβολκί  handelt,  die  durch  Zwangserbpacht  den  proximi  possessores  zu- 
geschlagen sind.^)  So  wird  man  in  den  Deklarationen  von  303  (229) 
das  avsxrriöd'aL  auf  die  ίδυωτιχή  und  das  <f><y<%Xiyx£Vat]  xal  παρείΧη- 
φίναι  auf  die  βαοίλική  zu  beziehen  haben. 

Daß  derartige  Grundstücks-Deklarationen  an  die  Zensusbeamten  ein- 
gereicht werden,  ist  also  etwas  völlig  Neues.  ^)  Wir  sehen  darin  die  Wir- 
kimgen  der  neuen  von  Diokletian  geschaffenen  Zensusordnung.  Das  neue 
auf  den  iuga  und  capita  beruhende  Steuersystem  (s.  oben  S.  220)  verlangte 
eine  Neuvermessung  des  Reiches,  wie  das  Lydus  de  mag.  1,  4  kurz  und 
klar  ausgesprochen  hat:  άνεμετρήοατο  την  ί}πεί,ρον  καΐ  τοΐς  φόροις  έβά- 
ρννεν.  Nach  Seecks  Vermutung  (s.  oben)  sind  nun  nicht  nur  alle  15  Jahre, 
sondern  alle  5  Jahre  Zensusrevisionen  vorgenommen  worden.  Die  obigen 
άπογραφαί  von  298  und  303  sind  geeignet,  diese  These  zu  stützen,  wenn 
man  nur  annimmt,  was  auch  durch  andere  Belege  bei  Seeck  wahrschein- 
lich ist,  daß  die  Zensusarbeiten  erst  in  dem  Jahr  nach  dem  Zensusjahr  zu 
Ende  geführt  wurden.  Daß  Flor.  32  sich  auf  den  Zensus  von  297,  also 
auf  das  überhaupt  erste  Indiktionsjahr  bezieht,  ist  selbstverständlich.  Den 
Zensus  des  Sabinus  aber,  der  in  Texten  vom  Jahre  303  an  erwähnt  wird, 
werden  wir  hiernach  auf  das  Zensusjahr  302  zu  beziehen  haben,  also  das 
erste  Jahr  des  zweiten  Quinquenniums  dieser  ersten  Indiktionsperiode. 
Die  oben  hervorgehobene  Inkongruenz  der  Subjekts-Deklaration  von  310, 
die  dadurch  an  Bedeutung  gewinnt,  daß  auch  sie  an  einen  Zensitor  ge- 
richtet ist,  wird  dadurch  zu  erklären  sein,  daß  diese  Deklaration  eben  mit 
der  άναμέτρηόίς  nichts  zu  tun  hat.  Ihre  tiefere  Bedeutung  bedarf  noch 
der  Aufklärung. 

Verlockend  ist  es,  als  weitere  Stütze  für  Seecks  Annahme  auch  P.  Cair. 
Preisigke  Η  (240)  heranzuziehen,  einen  Bericht  über  άναμέτρΐ](5ΐζ^  der 
nach  Seeck  Η  Datierung  in  322  zu  setzen  ist  und  so  mit  dem  Anfang  eines 
neuen  Lustrum  im  J.  322')  in  Beziehung  gesetzt  werden  könnte.  Vgl. 
dagegen  aber  die  Bedenken  in  der  Einleitung  /u  dieser  Nummer. 

1)  Vgl.  Roatowzew,  Kolonat  106  und  Kap.  Vll. 

2)  Auf  di«•  Einführunif  dieser  Deklarationen  kann  <1  \  t/>  ι  .  i  i.  i  ,,/,,Κ.,^  x?j 
//χη^'ββων  keinen  KinHiiu  ausgeübt  haben,  da  diese  in  «in• m  l,i!p/i;^<  r  ruj>\riis  uun 
dem  J.  »07  noch  tatig  erscheint     Vgl.  Bd.  II  Nr.  1»β. 

8)  Diese  Lustrcn  beginnen  immer  »"•♦  Ί'•"  Ϊ'Ίιγ.μι  «Uc  eine  S  «»«l-t  τ  »n  -l-r  «Iritun 
Stelle  haben. 


228  Kapitel  V.    Das  Steuerwesen. 

Auch  die  Censitores  mit  ihren  Juratores  sind  für  Ägypten  eine  völlig 
neue  Erscheinung.  In  P.  Straßb.  42  (210)  steht  ein  Zensitor  an  der  Spitze 
der  Heptanomia,  d.  h.  der  Provinz  Herculia.  Zumal  sein  Amt  nicht 
ständig  ist,  sondern  er  eben  nur  zum  Zensus  in  die  Provinz  geschickt 
wird^)  (vgl.  Straßb.  42,  6:  τω  χαταττεμφΟ^ενη  ϋηνοίτορι) ,  ist  der  Zensitor 
von  310  in  bezug  auf  Seecks  These  besonders  bemerkenswert.  Die  ava- 
μετρηταύ  werden  unter  dem  Zensitor  stehen.  P.  Rylands  zusammengehalten 
mit  P.  Mel.  Nicole  machen  es  wahrscheinlich,  daß  immer  gleichlautende 
άπογραφαύ  an  den  Zensitor  der  Provinz  und  an  die  speziellen  άναμετρηταί 
der  betreffenden  Landschaft  eingereicht  wurden. 

Über  den  Kataster  der  byzantinischen  Zeit  und  seine  Evidenthaltung 
haben  die  Papyri  bisher  noch  keine  Aufklärungen  gebracht.  Von  jähr- 
lichen έπιοχέ'φεΐξ  ist  mir  aus  dieser  Zeit  nichts  bekannt,  wie  das  Wort 
έττίοκεψίς  aus  der  Amtssprache  zu  schwinden  scheint.  Vielleicht  hielt 
man  sie  jetzt  nicht  für  nötig,  weil  alle  fünf  Jahre  eine  Revision  stattfand. 
Aber  wie  dabei  die  jährlichen  Wirkungen  der  Nilschwelle  Berücksichtigung 
fanden,  ist  noch  nicht  klar.  Außerordentliche  Inspektionen,  die  gelegent- 
lich zum  Zweck  der  Steuererleichterung  die  Steuerzahler  (Provinz  oder 
Stadt)  erbaten,  wurden  von  den  peraequatores  (έ^ίύωταί)  resp.  den  inspec- 
tores  (έτΐόπταί)  ausgeführt.^)  Von  den  letzteren  hat  Geizer  eine  Spur  ent- 
deckt in  Cair.  Cat.  67057  I  21,  wo  die  Stadt  Antaiopolis  für  εποψία  zu 
zahlen  hat,  d.  h.  für  Honorar  für  den  επόπτης.^) 

§  3.  DIE  STEUERERHEBUNG. 
Auch  nach  der  Teilung  Ägyptens  in  Provinzen  blieb  dem  praefectus 
Aegypti,  dem  späteren  Augustalis,  wie  überhaupt  für  die  Steuerverwal- 
tuug,  so  auch  im  besonderen  für  die  Erhebung  die  oberste  Kontrolle,  bis 
auch  die  Teilprovinzen  Augustales  erhielten.  Aber  das  Erhebungsgeschäft 
selbst  wurde  den  praesides  der  Teilprovinzen  zugewiesen.*)  Hiervon  ab- 
gesehen, scheint  unter  Diokletian  die  Steuererhebung  keine  wesentlichen 
Veränderungen  erfahren  zu  haben.  Wie  wir  oben  S.  76  darlegten,  fällt 
die  Beseitigung  der  alten  Gauordnung  zwischen  307,  wo  zum  letztenmal 
in  unserem  jetzigen  Material  eine  Toparchie  erwähnt  wird  (Grenf  II,  78,  2) 
und  310,  wo  zum  erstenmal  die  pagi  erscheinen  (Straßb.  42  [*-210]).  Bis 
dahin  wird  auch  der  Stratege  nach  wie  vor  das  Haupt  der  Steuererhebung 
im  Gau  geblieben  sein,  und  der  Rat  wird  in  derselben  Weise  wie  seit 
202  auf  diesem  Gebiet  tätig  gewesen  sein.     So  finden  wir  denn  auch  die 


1)  Vgl.  Seeck,  Schatzungsordnung  S.  320  f. 

2)  Vgl.  Seeck,  Schatzungsordnung  S.  323  fif.  3)  Geizer,  Arch.  V  353. 

4)  Cod.  Just.  I  37,  1  (an  den  Augustalis,  a  386):  Omnia  tributa  per  Aegyptiacam 
dioecesim  cura  et  Providentia  claritatis  tuae  a  moderatoribus  provinciarum  exigi 
iubemus. 


C.  Die  byzantinische  Zeit.     §  3.    Die  Steuererhebung.  229 

Dekaproten  noch  im  J.  289  (Amb.137,24),  298  (Fay.  Ostr.  23),  303  (Lips. 
84  II  2  iisw ),  303—05  (Amh.  83,  4  [240]).  Erst  nach  Einführung  der 
Munizipalordnung  (zwischen  307 — 310)  wurde  die  Steuererhebung  von 
den  praesides  den  civitates  übertragen,  d.  h.  den  Kurien.  Der  Chef  der 
Steuererhebung  innerhalb  der  civitas  (d.  h.  des  alten  Nomos)  war  der 
Exakt  ο  r,  auf  den  schon  oben  S.  77  als  den  Nachfolger  des  Strategen 
für  die  Erhebung  hingewiesen  wurde.  Dieser  exactor  civitatis^),  wie  er 
im  Arch.  III  341  heißt,  ein  Amt,  um  das  sogar  der  Kurialpräsident  sich 
bewirbt  (Loud.  II  S.  273  [44]),  war  offenbar  der  höchste  Beamte  auf 
diesem  Gebiet  innerhalb  der  civitas.  Dieser  Londoner  Text  lehrt  uns  zu- 
gleich, daß  damals,  Mitte  des  IV.  Jahrb.,  diese  exactores  vom  Kaiser  er- 
nannt wurden.  Seeck,  der  1.  c.  1544  dies  richtig  beobachtet  hat,  hat 
weiter  die*  Ansicht  aufgestellt,  daß  gegen  Ende  des  IV.  Jahrh.  statt  des 
einen  mehrere  Exaktoren  in  einer  civitas  gewesen  seien,  die  daher  von 
niedrigerem  Range  als  jener  Einzige  nunmehr  von  der  Kurie  gewählt 
seien  (Cod.  Theod.  XII  6,  20  vom  J.  386).  Ich  glaube,  daß  er  recht 
hat,  wenn  auch  seine  Belege  (Lips.  62  und  98)  anders  zu  deuten  sind. 
Hierin  schließe  ich  mich  vielmehr  Geizer  an,  der  1.  c.  53  zeigt,  daß  es 
sich  hier  um  niedere,  unter  dem  νποδίκτης  stehende  exactores  handelt,  die 
eher  den  πράκτορες  zu  vergleichen  sind.  Trotzdem  spricht  für  Seecks 
Annahme,  abgesehen  von  dem,  was  er  für  außerägyptische  Gebiete  anführt, 
die  Tatsache,  daß  die  Ernennung  durch  den  Kaiser  durch  die  Wahl  der 
Kurie  ersetzt  worden  ist.  Auch  wenden  sich  in  einem  Leipziger  Ineditum 
vom  Ende  des  IV.  Jahrh.  zwei  Exaktoren  von  Apollinopolis  Parva  direkt 
an  den  Präses,  was  für  jenes  untergeordnete  Erhebungspersonal  kaum 
passen  würde.  ^)  Es  scheint  also  gegen  Ende  des  IV.  Jahrh.  gelegentlich 
mehr  als  ein  Exaktor  an  der  Spitze  der  Erhebung  gestanden  zu  haben  (von 
der  Kurie  erwählt).  Dagegen  halte  ich  Seecks  Ansicht,  daß  die  Exaktoren 
nur  für  die  Rückstände  (der  Geld.steuern)  dagewesen  seien,  für  irrig. 
In  der  Tat  hat  der  Exaktor  vielfach  —  auch  in  noch  unpublizierten 
Leipziger  Papyri  —  mit  Rückständen  zu  schaffen,  aber  allein  schon 
Lips.  64,  9 ff.  (281)  zeigt,  daß  ihm  auch  die  Eintreibung  der  Steuern 
der  gegenwärtigen  Indiktion  zustand.  Seecks  Interpretation  dieser  Ur- 
kunde 1.  c.  1543  ist  nicht  zutreffend.  Vielmehr  nehme  ich  mit  Gelser  an, 
daß  der  Exaktor  überhaupt  die  Leitung  der  Erhebung  in  einer  ciTitas 
hatt«•.     Dafür  kann  jetzt  auch  auf  den  in  der  Einleitung  zu  Nr.  43  teil• 

1)  Zam  Kxaktor  vgl.  Seeck,  Paalj-Wiisowa  VI  1648  fr.  und  Gelter,  Stadien  60  ff. 

'J  IIii;riiarh  ist  zu  flberlegen,  ob  nicht  auch  in  BGU  IV  1087  (Schreiben  das 
priiftifM  an  ^iüntoQtg  und  ^goiSifOi)  an  ein  ^ItMch/.oitiget  Nebeneinander  von  Exakteren 
zu  dcnkrn  iet,  Mtatt  der  bei  Qelzer  8iud.  68  von  mir  vorKe-chlugencn  Deutung.  DaC 
hier  an  die  hohen  neanit«'n  dieeei  Titel•  zu  denken  ist,  zoiKt  ihre  Nennung  vor  den 
nQOtd{tot.  Sollte  <ler  IMural  itQoiSgoig  ein  durch  den  vorhergehenden  Plural  vemr- 
aachter  Scbrcibfuhler  dieser  Kopie  »ein? 


230  Kapitel  V.     Das  Steuerwesen. 

weise  mitgeteilten  Leipziger  Papyrus  hingewiesen  werden^  wonach  der 
Exaktor  dem  Phylarchen  Befehl  gab,  Vorschläge  für  νποδέκται,  zu  machen. 
Aus  dieser  hohen  und  allgemeinen  Stellung  erklärt  sich  auch,  daß  er  nie- 
mals als  exactor  einer  einzelnen  Steuer  bezeichnet  wird. 

Dagegen  werden  diese  ντίοδεκταί,  deren  Unterordnung  unter  den 
Exaktor  dieser  Leipziger  Text  klar  bezeugt,  regelmäßig  als  Erheber  einer 
bestimmten  Steuer  bezeichnet.^)  Vgl.  z.B.  den  νποδεκτης  χρνοοϋ  ηρώνων 
in  Lips.  62  (188).  In  der  Regel  erheben  diese  νποδεκται  Geld  (daher 
χρνονποδέκταί),  doch  ist  dies  wohl  nicht  so  ausnahmslos,  wie  Geizer  an- 
nimmt. Wenigstens  aus  späterer  Zeit  liegen  in  P.  Klein.  Form,  mehrere 
Texte  vor,  die  von  einem  Αεόνηος  νποδέκτης  Έρμου  πόλεως  handeln, 
der  durch  einen  οίτομέτρης  vertreten  wird  und  Getreide  erhebt.  Vgl.  den 
Index  S.  283. 

Aber  im  allgemeinen  bleibt  die  von  Geizer  aufgestellte  Regel  be- 
stehen, daß  die  Erhebung  der  Naturalien  den  έπιμεληταί  (procuratores) 
zustand.^)  Das  waren  Kurialen,  denen  die  Erhebung  als  munus  patrimonii 
auferlegt  war.     Vgl.  für  die  Zugehörigkeit  zur  Kurie  Lond.  III   S.  128  f. 

Als  Erhebungsbeamte  begegnen  uns  ferner  noch  die  άπαιτηταί  und 
noch  mehrere  geringere  Chargen,  die  namentlich  als  ünterpersonal  des 
νποδεκτης  aufzufassen  sind,  wie  die  oben  besprochenen  (geringeren)  exac- 
tores,  die  πράκτορες  u.  a.     Vgl.  Geizer  1.  c. 

AUe  diese  verschiedenen  Beamten  unterstehen  dem  exactor  civitatis, 
der  sich  zur  Steuererhebung  auf  dem  Lande  im  besonderen  der  ihm  unter- 
stellten praepositi  pagorum  bedient.^)  Eine  außerordentliche  Behörde, 
die  nur  in  besonderen  FäUen  in  die  Provinz  zur  Steuereintreibung  ge- 
schickt wurde,  waren  die  έξπελλενταί,  die  auch  mehrfach  in  den  Papyri 
begegnen.    Vgl.  Geizer,  Arch.  V  354. 

Überall  handelt  es  sich  hier  um  um  direkte  Erhebung  (Regie).  Einen 
Beleg  für  Steuerpacht  haben  uns  die  byzantinischen  Papyri  bisher  nicht 
gebracht,  wiewohl  sie  sicher  auch  weiterhin  (bei  indirekten  Steuern)  vor- 
gekommen ist.     Vgl.  Geizer  S.  45. 

Diese  Ordnung,  wie  sie  uns  durch  die  Texte  des  IV.  Jahrh.  er- 
schlossen ist,  hat  seit  dem  V.  Jahrhundert  Modifikationen  erfahren  durch 
die  Schaffung  der  Pagarchie  und  die  Exemtion  der  autoprakten  Grund- 
herren einerseits  und  einzelner  autoprakter  Dörfer  andrerseits.  Leider 
haben  wir  bisher  nur  sehr  wenige  Texte,  die  dem  V.  Jahrh.  angehören. 
Aber  die  Papyri  des  VI.  Jahrh.,  namentlich  die  Aphroditopapyri,  haben 
uns  über  die  Pagarchie  und  das  Wesen  der  Autopragie  Aufklärung  ge- 
bracht. Die  Autopragie,  d.  h.  das  Recht,  die  Steuern  selbst,  ohne  Ver- 
mittlung   der    staatlichen    Steuererheber,     an    die    Provinzialkasse    abzu- 

1)  Vgl.  Seeck  1.  c.  1543.     Geizer  1.  c.  42  iF.  2)  Geizer  1.  c.  42  ff. 

3)  Geizer  1.  c.  57. 


ι 


D.  Die  arabische  Zeit.  231 

führen  ^),  ist  wie  den  großen  Grundherren,  denen  dadurch  die  Steuererhebung 
von  ihren  Kolonen  zufiel  (vgl.  Kap.  ΥΠ),  so  auch  Dörfern  verliehen  worden, 
die  dadurch  zu  αντόπρακτοι  wurden.  Für  Aphrodito  haben  wir  soeben 
durch  Cair.  Cat.  67019  gelernt,  daß  es  Kaiser  Leo  (457 — 474)  gewesen 
ist,  der  dem  Dorf  dies  Privileg  verliehen  hat.  Hier  wurden  daher  die 
Staatssteuern  von  den  Dorfbehörden,  den  πρωτοκωμψαί,  erhoben  und  an 
die  Provinzialkasse  abgeliefert.  Aus  Cair.  Cat.  67060  (297)  haben  wir 
aber  erfahren,  daß  die  Kommunalsteuem  des  Dorfes  nach  wie  vor  vom 
Pagarchen  erhoben  wurden.  —  Die  Pagarchen  andrerseits  haben  die  Steuer- 
erhebung der  ihnen  zugewiesenen  Gebiete  (τταγαρχονμεναί  χώμαι)  in  der 
Hand.  Geizer,  Studien  S.  97  hat  schon  gezeigt,  daß  gegen  Ende  der 
byzantinischen  Zeit  die  Pagarchen,  diese  mächtigen  Grundherren,  immer 
mehr  an  Gewalt  sich  anmaßten,  so  daß  schließlich  selbst  die  kaiserliche 
Macht  ihnen  gegenüber  versagte.  Vgl.  oben  S.  83.  Wie  richtig  dieses 
Bild  gezeichnet  war,  beweisen  jetzt  die  neuen  Nachrichten  in  Lond.  IV 
über  die  arabische  Zeit  (s.  unten).  Wiewohl  die  Kurien  durch  die  Pa- 
garchen gewiß  mehr  und  mehr  eingeengt  worden  sind,  haben  sie  doch,  so- 
weit wir  wissen,  die  Steuererhebung  in  ihren  Bezirken  bis  zur  Araber- 
herrschaft überall  behalten.  Nur  in  Alexandrien  hat  Kaiser  Anastasius 
(491 — 518)  der  Kurie  die  Steuererhebung  genommen  und  hat  sie  dem 
Meistbietenden  als  Vindex  übertragen.^) 

D.  DIE  ARA.BISCHE  ZEIT. 

Lit.:  Zu  der  oben  S.  88  gegebenen  Literatur  kommt  Lond.  IV  mit  der  Einleitung 
und  den  Kommentaren  von  H.  J.  Bell  hinzu. 

Soeben  ist  der  Lond.  IV  mit  seinen  großen  neuen  Schätzen  für  die 
Khalifenzeit  erschienen.^)  Nach  dem,  was  ich  bisher  davon  kennen  lernen 
konnte,  scheint  mir  die  kleine  Skizze,  die  ich  oben  S.  88  ff.  von  dieser 
Zeit  zu  entwerfen  versuchte,  in  den  Grundzügen  nicht  verändert  zu  werden, 
aber  die  magere  Zeichnung  ließe  sich  jetzt  mit  frischen  Farben  ausmalen. 
Ich  muß  mich  hier  um  so  mehr  auf  die  Hervorhebung  der  wichtigsten 
Grundzüge  der  Steuerordnung  beschränken,  als  eine  genauere  Durcharbei- 
tung des  voluminösen  Bandes  mir  bisher  nicht  möglich  war. 

Die  Finanzverwaltung  zeigt  nach  den  aus  den  ersten  Jahren  des 
\ΊΙΙ.  Jahrb.  stammenden  Texten  des  Lond.  IV  eine  straffe  Zentralisation» 
wie  Ägypten  sie  seit  der  römischen  Herrschaft  oder  noch  eher  seit  der 
Ptolemäerzeit  nicht  mehr  gehabt  hatte.  Schon  die  Dreiteilung  des  Landes 
durch  Augustus  hatte  im  Vergleich  zur  Ptolemäerzeit  eine  größere  Ar- 
beitsteilung gebracht,  und  die  von  Diokletian  geschaffene  irnd  dann  immer 

1)  Vgl.  Wilckeo,  Arch.  V  t83  f.    Geber  ebenda  188  f.  und  870  ff.,  auch  Stud.  89. 

ΐί    V^l.  Geizer,  Arch.  V  8ββ  f. 

.'i;  \  χ1.  mein  liettitat  im  Arch.  V  4i0  f. 


232  Kapitel  V.     Das  Steuerwesen. 

mehr  gesteigerte  Teilung  Ägyptens  in  Teilprovinzen  hatte  mehr  und  mehr 
zu  getrennten  Verwaltungen  geführt.  Jetzt  dagegen  sehen  wir  die  sämt- 
lichen Pagarchien  in  gleicher  Weise  in  direktem  geschäftlichem  Verkehr 
mit  dem  einen  Statthalter  (Sultan)  in  Fustät  (Βαβνλών)  stehen,  gleichviel 
in  welchem  Teile  Ägyptens  sie  liegen.^)  Es  gibt  keine  Instanz,  die  etwa 
zwischen  dem  Pagarchen  von  Aphrodito  in  der  Thebais  und  dem  Statt- 
halter zu  vermitteln  hätte,  es  gibt  auch  keine  Regierungskasse  und  kein 
Staatsmagazin  mehr  in  Antinoopolis,  in  die  etwa  wie  früher  die  Ober- 
ägypter ihre  Steuern  ablieferten,  sondern  alle  zahlen  und  liefern  gleich- 
mäßig nach  Fustät.  Daher  kann  ich  auch  Bell  (p.  XIX)  nicht  zustimmen, 
der,  wie  ich  schon  oben  S.  90  sagte,  aus  der  Erwähnung  von  Αρκαδία^ 
Θηβαΐς  und  λίμιτον  in  Lond.  IV  1332,  1333  und  aus  gewissen  Titeln  von 
duces,  auf  die  ich  z.  T.  auch  schon  1.  c.  hinwies^),  folgert,  daß  diese  Ge- 
biete jetzt  wirklich  noch  Verwaltungsbezirke  gewesen  seien.  Freilich,  das 
λίμιτον  (das  nubische  Grenzgebiet)  hält  auch  er  nur  für  einen  Teil  des 
früheren  Θηβαϊκον  λίμιτον  und  nicht  für  eine  Eparchie,  aber  dies  zeigt 
doch  nur,  daß  auch  die  beiden  anderen  Namen  in  jener  Urkunde  nur  geo- 
graphisch verstanden  sein  woUen,  wie  schon  Becker  angenommen  hat  (vgl. 
oben  S.  90).  Wie  jene  Titel  der  duces  zu  deuten  sind,  steht  noch  dahin, 
aber  die  obigen  Tatsachen  scheinen  mir  deutlich  dafür  zu  sprechen,  daß 
es  Teilprovinzen  oder  gar  selbständige  Provinzen  (im  Sinne  der  letzten 
Byzantinerzeit,  vgl.  oben  S.  75  f.)  jetzt  nicht  gegeben  haben  kann.  Da- 
gegen finden  wir  gelegentlich  wieder  die  alte  Scheidung  der  ανω  und 
κάτω  χώρα^  also  von  Ober-  und  Unterägypten.  Vgl.  Lond.  IV  1379,  7; 
1447,  137  ff.  (Bell  p.  XXI).  Aber  auch  dies  bedeutet  nicht  eine  wirkliche 
Trennung  der  Verwaltung. 

Von  größter  Bedeutung  ist  nun,  daß,  wie  BeU  aus  Lond.  IV  er- 
schlossen hat,  die  Kurien  nicht  mehr  existieren  —  eine  für  die  Ge- 
schichte des  Hellenismus  fundamentale  Tatsache!  — ,  und  daß  auch  die 
Autopragie  geschwunden  ist.  Übrig  geblieben  ist  also  von  den  drei 
für  die  Steuerverwaltung  der  späteren  byzantinischen  Zeit  maßgebenden 
Elementen  innerhalb  der  alten  Gaue  nur  die  Pagarchie.  Mit  anderen 
Worten,  die  Pagarchie  hat  die  anderen  beiden  verschluckt  —  ein  Ergeb- 
nis, das  nach  der  von  Geizer  (Studien  S.  97  ff.)  gezeichneten  Entwicklung 
nicht  verwundern  kann.  So  fehlt  also  jetzt  in  Ägypten  der  Begriff  der 
civitas,    wie   er    seit   dem   Anfang    des   IV.  Jahrh.    bestanden  hatte.     Die 

1)  Die  Geschäftserleichterung,  die  die  diokletianische  Schaffung  der  Praesidien 
gebracht  hatte,  fiel  also  fort.  Es  war  wieder  ähnlich  wie  vorher  zur  Zeit  der  Kon- 
ventsordnung,  als  die  Behörden  von  Mittel-  und  Oberägypten  alljährlich  zum  Konvent 
nach  Memphis  zu  reisen  hatten.  Auch  in  den  Briefen  an  Basilius  (Lond.  lY)  wird 
oft  mit  seinem  persönlichen  Erscheinen  in  Fustät  gerechnet. 

2)  Er  verweist  noch  auf  den  dux  kQTtccdiag  xal  Θηβαΐάος  in  Wien.  Stud.  24,  127, 
Grenf.  Π  100,  6. 


Ι 


D.  Die  arabische  Zeit.  233 

alten  Gaue  erfahren  zum  zweitenmal  eine  vollständige  Umwandlung:  sie 
werden  zu  Pagarchien,  nachdem  sie  vorher  civitates  geworden  waren. 
Texte  wie  Lond.  IV  1460  und  1461  führen  uns  vor  Augen,  wie  Ägypten 
nunmehr  ganz  aus  Pagarchien  besteht.  Auch  1332  bezeugt  dasselbe,  wo 
für  die  durch  ganz  Ägypten  zerstreuten  φυγάδες  festgestellt  werden  soU, 
από  ποίον  χωρίον  xai  ev  ποίφ  τόπω  και  hv  ποία  παγαρχία  προόεφενγεν. 
Damit  gewinnen  wir  zugleich  die  Gliederung  der  Pagarchien  in  τόποι  und 
der  τόποι  in  χωρία  (Dörfer).  Die  Hauptstädte  der  Pagarchien  heißen  in 
der  Regel  πόλεις^  wiewohl  sie  es  im  griechischen  Sinne  nicht  mehr  sind 
(vgl.  z.  B.  Lond.  IV  1460,  1461).  Doch  *Αφροδίτώ,  das  in  der  byzantini- 
schen Zeit  zur  κώμη  geworden  und  der  civitas  Antaiopolis  attribuiert 
gewesen  war,  heißt  jetzt,  wiewohl  es  von  Antaiopolis  wieder  abgelöst 
ist^)  und  das  Haupt  einer  neuen  Pagarchie  (wohl  im  Umfang  des  alten 
'^φροοίτοπολίτης)  geworden  ist,  nach  wie  vor  κώμη^  nur  im  Munde  der 
Araber  medina  (Stadt).  Dies  Festhalten  am  alten  Sprachgebrauch  ist  da- 
durch verständlich,  daß  diese  Pagarchie-Hauptstädte  rechtlich  eben  keine 
πόλεις  mehr  waren.  Besonders  erwähnt  sei,  daß  auch  die  alte  Griechen- 
stadt Antinoopolis  jetzt  das  Haupt  einer  Pagarchie  ist  (1461,  36).  Die 
Nivellierung  ist  also  jetzt  eine  vöDige.  Nur  Alexandrien  hat  noch  seinen 
„Augustalis",  der  freilich  von  dem  früheren  Augustalis  wesentlich  ver- 
schieden ist.  Nach  1392,  13  Avird  die  Butter  für  die  Flottensoldaten  an 
ihn  geschickt,  und  er  hat  den  Empfang  zu  quittieren.  Nach  Becker  1.  c. 
ist  er  etwa  der  'ämil,  der  Chef  der  Zivil  Verwaltung  der  Stadt. 

Der  Pagarch  Basilius  von  Aphrodito,  an  den  die  Statthalterbriefe  in 
Lond.  IV  gerichtet  sind,  heißt  in  den  koptischen  Texten  (Crum)  und  auch 
gelegentlich  in  griechischen,  die  von  den  Untertanen  herstammen,  πάγαρ- 
χος.^)  Der  Statthalter  aber  nennt  ihn  durchweg^)  δίοικητΊ)ς  κώμης  ^Αφρο- 
διτώ  und  sein  Amtsgebiet  διοίκηόις.*)  Wir  besaßen  schon  in  Grenf.  I  63 
ein  Beispiel  für  diesen  Titel  aus  später  byzantinischer  Zeit,  in  dem  schon 
Geizer  (Studien  S.  98)  den  Ausdruck  der  gesteigerten  Macht  des  Pa- 
garchen fand.  Dieser  Dioiket  hatte  ia  Fustät  seinen  ständigen  Vertreter, 
der  in  1360,5  ό  \ώ]ν  iv  τω  Φοοόάτω  ίκ  προΰώπω  <sov  heißt,  und  (mit  Bell) 
wohl  identisch  mit  dem  άποκριόίάριος  ist.  Der  Text  zeigt,  daß  bei  Zahlungs- 
ausfällen  der  Statthalter  sich  zunächst  an  ihn  hielt.     Mit  dieser  Einrieb- 


1)  Dafflr  ipricht  deutlich  Lond.  IV  1461,  16,  wonach  Leute  aus  Aphrodito  ge- 
flüchtet lind  »Kg  tijv)  ηαγαρχ{ίαν)  kvralov  {nal)  /ίηόλλωνος.  AafTallend  bleibt,  daß 
Aphrodito  auch  jetzt  wie  in  der  byzuntiuiichen  Zeit  aeti%a  kvralov  sahlt  (1410,  439), 
also  Kommunaldteuern  für  Antaiopolie     Vgl.  hieizu  Bell.  p.  VII. 

2)  Vgl.   Hell,  Jour.   Hell.  Stud.  28,  100. 

8)  Nur  in  der  Itundnotiz  in  18Γ>0,  1  wird  er  all  ηάγαρχος  beteiohnei  In  1866,  6 
(264)  umichreibt  der  Statthalter  ihn  ali  top  ί7^κ9ΐμ9νορ  τής  ηάγαρχίος.  Vgl.  daau 
IV  Klein,  Form.  S60. 

4)  Die»e•  heißt  andreneitf  auch  χώ^κχ,  arabiiob  küra. 


234  Kapitel  V.     Das  Steuerwesen. 

tung  ist  vielleictit  in  gewisse  Parallele  zu  stellen,  daß  früher  jeder  Gau 
seinen  εκλογίότης  in  Alexandrien  hatte  (vgl.  S.  209)  und  seinen  γράφων 
τον  νομόν  beim  Idiologos  in  Alexandrien  (vgl.  173).  Auch  der  λογογρά- 
φος^  der  in  1401,  12  hinter  dem  άποτίριβιάριοξ  genannt  wird,  wird  ein 
Vertreter  des  Pagarchen  in  Fustät  seiu.^)  Das  ist  vielleicht  der  Nach- 
folger der  λογογράφοί,  die  einst  die  Kurien  in  Alexandrien  beim  Prä- 
fekten  zu  unterhalten  hatten.     Vgl.  Amh.  82. 

Verändert  treten  uns  auch  die  Kassen-  und  Magazinverhältnisse  ent- 
gegen. Wie  schon  erwähnt  wurde,  zahlte  man  jetzt  z.  B.  aus  Aphrodito 
die  Steuern  nicht  mehr  nach  Antinoopolis,  sondern  direkt  nach  Fustät. 
Die  Provinzialkasse  daselbst  heißt  jetzt  ή  οακέλλα  (von  saccus).^)  Diese 
stand  unter  der  Leitung  des  Finanzministers.  Vgl.  z.  B.  Lond.  IV  1412, 12: 
€i(g  την)  ΰακε^λλαν)  έ%ϊ  ^4βδερα(μάν)  νί{ον)  Όγεεύρ^  der  als  Finanzminister 
für  diese  Zeit  bekannt  ist.  Das  Hauptstaatsmagazin  sind  τά  ορρια  Baßv- 
λώνος.  Natürlich  gibt  es  auch  δρρυα  in  den  Städten  und  Dörfern.  Wie 
Bell  p.  XIX  bemerkt,  ist  der  χρνοώνης  (s.  oben  S.  164)  jetzt  geschwunden.^) 

AUes  in  aUem  habe  ich  den  Eindruck,  daß  die  Verwaltung  im  Ver- 
gleich zu  den  früheren  Zeiten  durch  diese  konsequente  Zentralisation 
außerordentlich  vereinfacht  ist.  Freilich  in  Fustät  muß  ein  ungeheures 
Schreiberheer  gewesen  sein,  um  diese  Korrespondenz  des  Statthalters  mit 
den  Pagarchen  und  sogar  mit  den  einzelnen  Dörfern  des  Landes  (s.  unten) 
zu  ermöglichen.  Ob  dieses  System  gut  funktioniert  hat,  ist  eine  andere 
Frage.  Becker  (P.  Heid.  III  S.  37)  hat  darauf  aufmerksam  gemacht,  daß 
in  den  Heidelberger  Papyri  5  und  6  (256)  in  der  8.  Indiktion  die  Steuer- 
ansage für  die  6.  erfolgt.  Auch  die  Korrespondenz  des  Statthalters  mit 
Basilius  spricht  beständig  von   Unordnungen  in  der  Steuerzahlung. 

§  1.    DIE  STEUERN. 

Das  Steuersystem,  wie  es  uns  in  den  griechischen  Texten  der  arabi- 
schen Zeit  entgegentritt,  ist  in  allem  Wesentlichen  das  uns  aus  der  byzan- 
tinischen Zeit  bekannte.  Wir  finden  dieselben  Steuern  und  dieselben 
griechischen  Bezeichnungen  für  sie  wie  früher.  Neu  ist  nur  die  Ver- 
teilung auf  die  Bevölkerung.  In  der  älteren  Zeit  des  Khalifats,  aus  der 
die  Hauptmassen  unserer  griechischen  Texte  stammen,  sind  die  Muslimen 
nicht  nur  frei  von  der  Kopfsteuer  —  das  galt  auch  von  den  früheren 
Eroberern,   den  Mazedoniern  und  HeUenen  wie  den  Römern  — ,  sondern 


1)  Darum  wird  auch  in  dem  dritten  Posten  λ{ό)γ{ω)  υμετέρας  (und  nicht  ημετέ- 
ρας) υπουργίας  zu  halten  sein.  Es  ist  hier  offenbar  das  ganze  Bureau  des  Pagarchen 
in  Fustät  aufgezählt. 

2)  Du  Gange  verweist  auf  Hesychius :  οπού  το  χρυβίον  τίϋ•εται.  Vgl.  ebenda 
auch  den  σααελλάρίος. 

S)  Der  χρυσώνης  in  dem  koptischen  Text  1637  scheint  ein  Geldwechsler  zu  sein. 
Das  Wort  hat  also  dieselbe  Geschichte  wie  vorher  τραπεζίτης. 


D.  Die  arabische  Zeit.     §  1.    Die  Steuern.  235 

auch  von  der  Grundsteuer,  was  später  geändert  wurde.  ^)  Für  die  Frage, 
wie  die  griechischen  Bezeichnungen  für  die  Steuern  den  arabischen  ent- 
sprochen haben,  verweise  ich  auf  Becker,  P.  Heid.  III  S.  37  ff.  und  Bell, 
Lond.  Ιλ^  S.  167  ff. 

Die  gesamten  Steuern-)  werden  in  unsem  Urkunden  geschieden  in  die 
δημόόια^  die  ordentlichen  Steuern,  und  die  έ^τραόρδυνα  —  eine  Termino- 
logie, die  uns  auch  in  den  Texten  der  byzantinischen  Zeit  (z.  B.  in  Cair. 
Cat.  67054)  entgegentritt.  Vgl.  oben  S.  222.  Die  δημόοια  wurden  wieder 
geschieden  in  die  Geldsteuem  {χρνϋιχά  δημόοια)  und  die  Naturalsteuern 
{έμβολτίι).  Auch  diese  Termini  wurden  oben  aus  Oxy.  126  (180)  für  die 
byzantinische  Zeit  festgestellt.  Dagegen  fehlen  jetzt  die  ebendort  er- 
wähnten Unterarten  der  χρυϋιχά^  die  κανονικά  und  άρκαρικά.  Zu  den 
χρνοΐκά  gehören  die  Grundsteuer  {δημόοια  yi]g  oder  δημόϋια  im  prägnanten 
Sinne)  und  die  Kopfsteuer  (το  διάγραφον)^  zu  denen  die  δαπάναι  hinzu- 
treten. Über  die  Gewerbesteuer,  die  parallel  der  Grundsteuer  zu  stehen 
scheint,  liegen  bisher  nur  wenige  Nachrichten  vor.  Vgl.  Bell  zu  Lond.  IV 
1419,  1215.  Dagegen  haben  wir  namentlich  in  den  Äccounts  and  recjisfers 
von  Lond.  IV  sowie  auch  in  P.  Klein,  Form,  für  die  Grundsteuer  und  die 
Kopfsteuer  ein  reiches  Material. 

Diese  Grundsteuer  wurde  durchweg  entsprechend  der  Zuweisung  zu 
den  χρνόικά  in  Geld  gezahlt,  woraus  sich  die  besondere  staatliche  Für- 
sorge für  den  Verkauf  des  Getreides  der  Produzenten  erklärt.^)  Selbstver- 
ständlich hing  der  Steuersatz  von  der  Qualität  des  Bodens  ab,  doch  an 
Stelle  der  zahlreichen  feineren  terminologischen  Unterschiede  der  frühereu 
Zeiten  scheinen  hier  nur  die  Gegensätze  καθαρά  und  χέροοζ  zu  be- 
gegnen. Außerdem  kam  natürlich  die  Art  der  Bewirtschaftung  in  Be- 
tracht. Vgl.  z.  B.  Lond.  IV  1339,  7:  iv  άμπελω  καΐ  έν  όπορίμω  yi^g. 
Über  die  Steuersätze  (z.  B.  1  Solidus  für  4  Aruren),  vgl.  Bell  S.  170.  Wer 
kein  Land  zu  versteuern  hat,  heißt  ατελής  und  hat  nicht  nur  Kopfsteuer, 
sondern  auffallenderweise  auch  die  Naturalsteuer  (εμβολή)  zu  zahlen.  Er 
mußte  also  dies  Getreide  kaufen. 

Die  Kopfsteuer  bekam  einen  neuen  Inhali,  insofern  der  Zahlende 
vertragsmäßig  ein  Schutzgenosee  der  Muslimen  wurde,  wofür  er  den  Ge- 
setzen des  Islam  sich  zu  unterwerfen  gelobte.  Nur  Christen  und  Juden 
(später  auch  Perser),  die  heilige  Schriften  hatten,  wurden  zu  diesem  Schutz- 
verhältnis zugelassen.^)  Frauen,  Kinder,  Sklaven  und  Wahnsinnige  waren 
frei.^)     Ans  dieser  Beschränkung  auf  die  Männer  erklärt  sich  der  (neue) 


1)  Vgl.  Bell,  Lond.  IV  8.  167. 

5)  Vgl.  Bell  1.  e.  p.  XXV  ff.  und  166  ff.     Becker,  P.  Hoid.  ΠΙ. 
8)  Vgl.  bierxu  Becker,  P.  Heid.  ΠΙ  8.  ftl  ff. 

i)  Vgl.  die  interoMMiten  Aatfahmngta  τοη  Ksrsbscek,  Fflbr.PR  S.  176  f. 

6)  Oenaoeree  bei  Karsbaoek  1.  c. 


236  Kapitel  V.     Das  Steuerwesen. 

Ausdruck  ανδρισμός  in  Lond.  IV.  Vgl.  Index  S.  599.  Im  übrigen  wendete 
man  den  aus  der  byzantinischen  Zeit  (s.  oben  S.  221)  übernommenen 
Ausdruck  δίάγραφον  an.^)  Welche  RoUe  das  κεφαλ(  )  für  die  Be- 
rechnung der  Kopfsteuer  spielt,  ist  mir  auch  nach  BeUs  Darlegungen 
S.  171  noch  nicht  klar  geworden.  Er  bildet  das  sonst  unbekannte  Wort 
κεφαλίομός.  SoUte  hier  nicht  der  byzantinische  Begriff  caput,  capitatio 
vorliegen?  Vgl.  oben  S.  221  ein  Beispiel  für  νπερ  κεφαλής  aus  byzan- 
tinischer Zeit  (und  zu  Rein.  57  in  Kap.  VIII).  Die  Hauptschwierigkeit 
liegt  hier  in  der  Inkongruenz  der  Zahlen  in  Texten  wie  Lond.  1426. 

Über  die  jetzt  nach  Fustät  abgeführte  εμβολή  ist  Kap.  IX  zu  ver- 
gleichen. 

Unter  den  Extraordinaria  begegnet  in  Lond.  IV  1357  (298)  die  be- 
rüchtigte „Luftsteuer^^  (αερικά)  des  Justinian. 

Neben  allen  diesen  Steuern  spielen  auch  in  dieser  Zeit  die  persön- 
lichen Zwangsleistungen  (άγγαρεΐαι  usw.)  eine  große  RoUe,  worüber  Kap.VIII 
zu  vergleichen  ist. 

§  2.  DIE  STEUERVERANLAGUNG. 
Nach  Beils  Darlegungen  ist  der  Modus  der  gewesen,  daß  der  Statt- 
halter für  die  einzelnen  Pagarchien  die  Gesamtsummen  für  δημόύια  und 
εμβολή  ausschrieb,  worauf  nun  die  Pagarchen  die  Verteilung  der  Gesamt- 
summe auf  die  einzelnen  Steuern  (Grundsteuer,  Kopfsteuer  usw.)  vorzu- 
nehmen hatten.  Die  vom  Statthalter  in  die  Pagarchien  geschickten  έντάγια 
(s.  unten)  nennen  in  der  Tat  nur  die  Summen  für  die  όημόόια  und  εμβολής 
ohne  jede  Spezialisierung.  Auf  diese  Weise  ist  es  eben  möglich  gewesen, 
die  alten  byzantinischen  Steuern  beizubehalten.  Dem  Brief,  in  dem  der 
Statthalter  dem  Pagarchen  das  Ergebnis  der  Steuerveranlagung  mitteilte, 
legte  er  die  Spezialanweisungen  an  die  einzelnen  Ortschaften  bei,  für  deren 
Weiterbeforderung  und  Ausführung  also  der  Pagarch  zu  sorgen  hatte. 
So  heißt  es  z.  B.  in  einem  Brief  an  den  Pagarchen  Lond.  1335,  7:  καΐ  τα 
τούτων  έντάγια  7ίθί[ή6αντες\  τοίξ  των  χωρίων  (Dörfer)  έχέμ'ψαμέν  ΰοι 
ίν^'έμΐ^ενοϊ]  εις  αυτά  κτλ.  Von  den  hier  mitgesandten  έντάγια  ist  uns 
eines  in  Lond.  1407  erhalten.  Es  liegen  uns  solche  Steueransagen  des 
Statthalters  an  Ortschaften  (mit  der  Formel  ελαχεν  νμίν)  in  Ρ.  Heid.  III 
η.  5  und  6  (256)  wie  in  den  ebendort  S.  108  ff.  edierten  Straßburger 
Papyri  a — m  in  arabischer  und  griechischer  Sprache  vor.  Während  in 
diesen  Texten  ^i^ftoöto;  und  εμβολή  angekündigt  werden,  gebrauchen  andere 
Anweisungen   auf   andere  Abgaben    oder    Zwangsleistungen   Formeln    wie 

1)  Dies  SiajQoccpov  ist  nur  eine  jüngere  Form  für  öiayQacpri,  wie  jetzt  κατά^ρα- 
φον  üblicli  wird  neben  καταγραφή.  In  der  letzten  byzantinischen  Zeit  gingen  beide 
Formen  nebeneinander,  wie  Bell  S.  169  gezeigt  hat.  Daß  die  διαγραφή  in  den  byzan- 
tinisch-arabischen Texten  nicht  allgemein  „Zahlung",  sondern  eine  bestimmte  Steuer 
bedeutete,  hatte  ich  schon  in  den  Gr.  Ostraka  I  107  Anm.  1  betont. 


D.  Die  arabische  Zeit.     §  2.    Die  Steuerveranlagung.  ^37 

παράύχετε^    πεμ-ψατε    κτλ.     Vgl.    ζ.   Β.   Lond.   IV   1407 — 1410    und    dazu 
Becker,  Z.  f.  Assyr.  20,  84  ff.,  auch  BeU,  Arch.  V  189  ff. 

Die  Repartition  der  Gesamtsumme  der  Pagarchie  auf  die  Ortschaften 
und  weiter  auf  die  einzebien  Kontribuenten  fand  in  den  einzelnen  Ort- 
schaften statt  und  zwar  unter  Oberleitung  des  Pagarchen.  Über  diese 
Repartitionsarbeiten  gibt  interessante  Aufschlüsse  Lond.  IV  1356  (254), 
der  speziell  von  dem  μοιραβαάς  der  ll•,τQaόQ^Lva  und  άγγαρεΐαι  handelt. 
Danach  hatten  die  Dorf  behörden ,  die  μείζονες  und  πρωτεύοντες  y  ver- 
trauenswürdige Männer  für  die  Repartition  auszuwählen  (^έπιλέγεύ^αι). 
Wenn  ich  nicht  irre,  handelt  dieser  Text  speziell  von  der  Repartierung 
auf  die  Dörfer  (vgl.  meinen  Kommentar).  Daß  aber  dieselben  επιλεχΰ-εν- 
τες  auch  die  Repartierung  auf  die  Kontribuenten  vornahmen,  zeigen  die 
in  großen  Papyrus-Codices  uns  erhaltenen  μεριβμοί^  die  für  die  einzelnen 
Dörfer  angelegt  waren  (Lond.  1419  ff.).  Als  Beispiel  gebe  ich  das  Kopf- 
stück von  Lond.  1420:  -|-  Σνν  ^(εω)  μερί6μ6{ς)  χρνοίκών  δημο(όίων) 
(Πέντε)  [Πε]δί(άδων)  ανατολικής^)  κώμη(ς)  ^φρ[ο]ο{ίτώ)  1(ν)δ(ικτίονος) 
γ  γενάμε{νος)  μ{ηνϊ)  Π(α)ν{νι)  κδ  ί{ν)6{ικτίονος)  ε^ >  δ(ιά)  Θεοδώρου  (και) 
Φοιβ{άμμωνος)  Βίκτ(ορος)  άπ'ο  !AyCov  Πινον(τίωνος)  ^πιλεχ&(έντων).  !4%ο 
δημο^οίων)  γης  άρ{β)^{μια)  νο{μΐ6μάτια)  ρξξ  β/^  άπο  διαγράφον  6ν{ομάτων) 
Ci£  άρ{ί)^{μια)  νο{μΐ6μάτιθί)  6λ.  Πένεται)  τα  6φείλ{οντα)  avv6^{f^vai) 
{καϊ)  κ{ατα)βλ{Ύΐ)&ί](ναι)  εί{ις)  τ(ό)  ταβλίον  νο{μι<5μάτια)  τ^χζ  β/.  (^ΚαΙ) 
λόγω  έμβολ['η{ς)]  δ  1(ν)δ{ικτίονος)^)  οί(τον)  άρτ{άβαι)  ρμα.  Nun  folgt 
mit  der  Ul)erschrift  διδόμε{να)  (d.  h.  was  gegeben  \verden  soll),  die 
Spezialisierung  für  die  einzelnen  Personen.  Es  sind  also  die  von  1356 
bekannten  έπιλεχϋ-εντες  ^  die  in  dieser  Weise  den  μεριομός  hergestellt 
haben.  Das  Ergebnis  für  den  einzelnen  Kontribuenten  wurde  diesem  durch 
die  Behörden  in  έντάγια  mit  der  Formel  ελαχεν  öol  mitgeteilt.  Mehr- 
fach ist  es  der  Pagarch,  der  diese  Mitteilung  macht.  Solche  ίντάγια 
liegen  z.  B.  vor  in  P.  Klein.  Form.  260,  1180,  1183,  1184  usw.  Vgl. 
übrigens  Bell  p.  XXVII  Anm.  5.  Wie  P.  Lips.  103  (257)  zeigt,  hatten  die 
einzelnen  Kontribuenten  καταγραφαΐ  των  ΰνντελονμένων  unter  Eid  einzu- 
reichen, d,  h.  Listen  der  von  ihnen  zu  zahlenden  Steuern.  Etwas  Ahnliches 
kennen  wir  aus  früheren  Perioden  nicht.*)  Nach  dem  koptischen  Pnpvrue 
Führ.  PR  577  hat  es  auch  Objektsdeklarationen  gegeben. 

VorauMsetzung  für  diese  Repartitionsarl)eiten  war,  daß  auch  damals 
wie  früher  Bevölkerungslisten  und  Kataster  geführt  wurden.  Aus  der 
arabischen  Literatur   ist  bekannt,  daß  der  Eroberer  Ägyptens  Aniru  ibn 

1)  Zu  (iiexcn  Dorfnamen  rg\.  Bell,  Lond.  IV  p.  XIV. 

2)  Aach  hier  findet  die  IU*partition  2  Jahre  nach  dem  Steueijahr  statt  wie  in 
'i<-m  oben  S.  284  erwähnten  Fall. 

8)  Die  ίμβοΐή  wird  fOr  da»  letzte  Jahr  frexahlt. 

4)  Hän^t  dae  mit  dem  zu«ammcn,  wa•  eine  alte  Chronik  bei  Becker,  Beitrige 
Π  91  erzühlt:  „wenn  eie  nicht  einbekannt4*n,  wa«  fie  besahlon  wollten**? 


238  Kapitel  V.     Das  Steuerwesen. 

el-'Asi  eine  Volkszählung  veranstaltete,  die  abgesehen  von  Alexandrien 
über  6  Millionen  Kopten  ergab,  ohne  die  Greise,  Weiber  und  Knaben. 
Diese  Zählungsweise  zeigt,  daß  sie  für  die  Kopfsteuerrechnung  durch- 
geführt war.  Eine  zweite  Volkszählung  ist  im  VIII.  Jahrh.  veranstaltet 
worden.  Diese  ergab:  mehr  als  10000  Dörfer  (das  kleinste  mit  nicht 
weniger  als  500  Pflügen)  und  5  Millionen  kopfsteuerpflichtiger  Kopten.^) 
Während  also  richtige  Volkszählungen  nur  ganz  selten  gemacht  wurden, 
müssen  Bevölkerungslisten  für  die  Zwecke  der  Steuerveranlagung  natür- 
lich beständig  geführt  und  evident  gehalten  sein.  Derartige  Listen  setzt 
z.  B.  Lond.  IV  1338  (255)  voraus.  Ebenso  werden  auch  Kataster  ge- 
führt und  evident  gehalten  worden  sein,  worauf  derselbe  Papyrus  an- 
spielt. Zu  einer  völligen  Neuvermessung  des  gesamten  Bodens  ist  es  erst 
im  J.  724/5  gekommen.^) 

§  3.  DIE  STEUERERHEBUNG. 
Der  Grundgedanke  scheint  —  soweit  ich  mir  nach  meiner  noch  ge- 
ringen Kenntnis  ein  Urteil  erlauben  kann  —  der  gewesen  zu  sein,  daß 
die  Pagarchen  dem  Statthalter  mit  ihrem  Vermögen  und  ihrem  Leben 
(ψυχή)  für  den  Steuereingang  ihrer  Pagarchie  hafteten.  Unter  den  Briefen 
des  Qorrä  an  Basilius  sind  mehrere,  die  ihn  z.  T.  unter  Androhung  der 
letzten  Konsequenzen,  z.  T.  auch  mit  milden  Vorstellungen  der  Pflichten 
eines  getreuen  Dieners  zur  Ablieferung  der  fälligen  Steuern  ermahnen. 
Als  besonders  lehrreich  erschienen  mir  Lond.  IV  1338  (255),  1339,  1349 
(284),  1380  (285),  1394.  Diese  Briefe,  in  denen  uns  islamische  Welt- 
anschauung in  griechischer  Sprache  entgegentritt,  sind  von  eigenem  Reiz. 
Häufig  wird  der  Pagarch  aufgefordert,  die  Beträge  selbst  zu  überbringen. 
Im  übrigen  hat  er,  wie  oben  erwähnt,  in  Fustät  einen  gleichfalls  mit 
seiner  Person  haftenden  Stellvertreter.  Die  Steuern  aus  den  einzelnen 
Dörfern  werden  also  zunächst  an  den  Pagarchen  gezahlt  sein,  der  dann 
die  Ablieferung  nach  Fustät  auszuführen  hatte.  Die  Erhebung  erfolgte 
auf  Grund  der  Repartition  —  άτίο  μερίομον,  wie  es  in  den  Quittungen 
so  häufig  heißt.  Vgl.  P.  Klein.  Form.  740  (286).  Ein  großes  noch  un- 
verarbeitetes Material  an  Steuerquittungen  liegt  in  P.  Klein.  Form.  vor. 
In  Lond.  IV  begegnet  von  dem  alten  Erheberpersonal  nur  der  νποδεκτης. 
Daß  der  Exaktor  und  die  επψελψαί  verschwunden  sind,  erklärt  sich  durch 
die  Beseitigung  der  Kurien.  An  die  Stelle  der  früheren  Quadrimenstruen 
ist  jetzt  nach  Beils  Darlegung  die  Zahlung  in  zwei  halbjährlichen  κατα- 
βολαί  getreten. 


1)  Diese  Angaben  nach  Karabacek  im  Führ.PR  S.  152.    Gegen  die  überlieferten 
Zahlen  hat  Bedenken  Becker,  Beiträge  II  S.  116. 

2)  Dies  nach  Karabacek,  Führ.PR  n.  597.     Vgl.  Becker,  Beiträge  II  107  ff. 


KAPITEL  VI. 

INDUSTRIE  UISD  K\NDEL. 

Das  reiche  Material,  das  die  Papyri  für  die  Erforschung  von  In- 
dustrie und  Handel  Ägyptens  bieten,  ist  bisher  in  zusammenfassender 
Weise  noch  nicht  verarbeitet  worden.  Nur  einzelne  Fragen  haben  schon 
eine  gründlichere  Behandlung  gefunden.  Das  gilt  namentlich  von  den 
Monopolen,  über  die  ich  daher  hier  an  erster  Stelle  berichten  will.  Im 
übrigen  muß  ich  mich  darauf  beschränken,  auf  die  Probleme  hinzuweisen, 
die  wir  durch  gründliche  Verarbeitung  des  gesamten  Materials  fördern  zu 
können  hoffen  dürfen. 

§  1.    DIE  MONOPOLE. 

Grundlegend  ist  Grenfells  Kommentar  zum  Rev.  P.  1896  (s.  auch  Mahaffye 
Einleitung).  Vgl.  femer:  Wilcken,  Deutsche  Literaturzeit.  1897,  1016 ff.  Griech. 
Ostraka  I  266 ff.  (όθοί'/ηρα),  634ff.  (Bankmonopol).  —  Rostowzew,  Woch.  klass.  Philol. 
1900,  llöff.  Geschichte  d.  Staatspacht  (1902)  342,  411  f.  Gott.  Gel.  Anz.  1909,  630ff.  — 
C.  Wachsmuth,  Jahrbb.  f.  Nationalök.  u.  Stat.,  3.  Folge,  XIX,  800 ff.  —  Otto,  Priest, 
u.  Tempel  I  292 ff.  300 ff.;  II  287  u.  ö.  —  II.  Maspero,  Les  finauc.  de  l'^g.  soue  lee 
Lagidee  (1906)  COff.  —  Bouch^-Leclercq,  Eist.  d.  Lagides  III  237 ff. 

Neben  den  Steuern  und  ZöUen  haben  die  Monopole,  wie  wir  erst 
seit  kurzem  gelernt  haben,  im  Haushalt  der  Ptolemäer  und  Kaiser  eine 
wichtige  Rolle  gespielt. 

Das  Wort  „Monopol**  begegnet  zum  ersten  Male  bei  Aristoteles  in 
jener  Steile  der  Politik,  die  für  die  Monopole  der  griechischen  nolsig 
grundlegend  ist  (I  4,  6  p.  1259a  20 ff.):  "Eon  δ\  ωοπερ  (ΐπομεν^  χα^όλον 
το  τίί/οΓΓοι/  χρηματίοτίίίόν^  ίάν  τις  Οννψαι  μονοΛωλίαν  αντω  χαταόχίνάζειν, 
Jib  χαϊ  τ&ν  πόΐεων  iviac  τούτον  ποιοννταί  τ6ν  πόρον^  Βταν  άχορώό^ 
χρημάτο^ν^  μονοηωλίαν  γαρ  τ&ν  ώνίων  ποιοναιν.  Danach  haben  die 
griechischen  Staaten  sich  nur  im  Falle  der  wirtschaftlichen  Not  und  also 
vorübergehend  dieses  Eingriffes  in  die  freie  Konkurrenz  bedient,  und  femer 
handelt  es  sich  bei  ihnen  nur  um  ein  Verkaufsmonopol,  was  ja  auch  der 
Name  benagt.  Zu  dicsor  ariHtf)t<diHchen  Aussage  stimmen  im  großen  und 
ganzen   die    wenigen   PYille,   die    uns    von    griechiiohen  Staatamonopolen, 


240  Kapitel  VI.     Industrie  und  Handel. 

namentlich    durch  Ps.  Aristoteles'   Oeconomica    und   Inschriften    bekannt 
geworden  sind.^) 

Während  die  Polis  trotz  ihrer  „ökonomischen  Tyrannis"  (Jak.  Burck- 
hardt)  bei  diesen  Formen  des  Monopols  im  allgemeinen  stehen  blieb,  hat 
der  Absolutismus  des  hellenistisch- ägyptischen  Königtums  das  Staats- 
monopol wesentlich  umgestaltet:  statt  des  vorübergehenden  Monopols  dort 
finden  wir  hier  dauernde,  die  durch  Jahrhunderte  zu  verfolgen  sind,  und 
neben  dem  bloßen  Verkaufsmonopol  dort  finden  wir  hier  auch  Produk- 
tions- und  Yerkaufsmonopole,  und  während  dort  die  Monopole  von  der 
Bürgerschaft  für  die  πόλις,  d.  h.  wieder  die  Bürgerschaft  beschlossen 
wurden,  wurden  sie  hier  von  den  omnipotenten  Herrschern  ganz  aus- 
schließlich im  Interesse  ihres  βαβιλί'/.όν^  ihres  Fiskus  dekretiert,  wobei 
die  Rücksicht  auf  die  privaten  Interessen  nur  so  weit  galt,  als  es  im 
Interesse  des  Königs  lag,  'wirtschaftlich  kräftige  Steuerzahler  als  Unter- 
tanen zu  haben.  Wie  weit  auf  diese  Entwicklung  etwa  Monopole  der 
vorgriechischen  Zeit  Ägyptens  mit  eingewirkt  haben,  kann  ich  nicht 
sagen,  da  diese  Fragen  von  ägyptologischer  Seite  m.  W.  noch  nicht  ge- 
klärt worden  sind. 

Trotz  der  wertvollen  neuen  Aufschlüsse  der  letzten  Zeit  sind  wir 
doch  noch  weit  davon  entfernt,  eine  gesicherte  Einteilung  der  ägyptischen 
Monopole  geben  zu  können.  In  vielen  FäUen  ist  es  überhaupt  noch 
strittig,  ob  Monopol  oder  nur  Beteiligung  des  Königs  am  Betriebe  (in 
königlichen  Manufakturen  oder  sonstwie)  vorliegt,  und  bei  den  sicheren 
Monopolen  wieder  scheinen  die  Betriebsformen  sehr  verschiedene  gewesen 
zu  sein.  Wenn  irgendwo,  so  ist  für  diese  Frage  eine  Erweiterung  unseres 
Materials,  freilich  auch  eine  immer  noch  fortschreitende  Vertiefung  in  das 
schon  vorhandene  dringend  nötig.  So  soU  hier  zunächst  nur  der  histo- 
rische Verlauf  unserer  Forschuugen  dargestellt  werden. 

Die  Grundlage  verdanken  wir  Grenfells  Ausgabe  des  Revenue-Papyrus 
(1896).  Hier  steht  von  KoL  38 — 72  eine  Verordnung  des  Königs  Ptole- 
maios  II  Philadelphos  betreffend  das  Olmonopol,  aus  seinem  27.  Jahre 
(=  259/8).^)  Der  Text  ist  so  umfangreich,  daß  ich  unten  nur  den  Haupt- 
teil vorgelegt  habe  (299).  Das  Studium  von  GrenfeUs  Kommentar  bleibt 
so  wie  so  die  unerläßliche  Vorbedingung  für  jeden,  der  sich  in  diese  Fragen 
hineinarbeiten  will.    Indem  ich  für  den  Gedankengang  dieses  Aktenstückes 


1)  Vgl.  hierzu  K.  Riezler,  Über  Finanzen  und  Monopole  im  alten  Griechenland 
(1907)  50 ff.  Seine  Ausführungen  sind  wirtschaftsgeschichtlich  sehr  anregend,  wenn 
auch  seiner  Interpretation  der  Oeconomica  nicht  in  allen  Punkten  zugestimmt  werden 
kann. 

2)  Es  liegt  uns  hier  die  Gestalt  der  Verordnungen  vor,  die  nach  Revision  derer 
vom  26.  Jahre  für  das  27.  erlassen  sind.  Die  Grundzüge  sind  viel  älter,  stammen 
wohl  schon  von  Ptolemaios  I  Soter  (vgl.  Deutsche  Lit.-Z.  1897,  1017).  Bestätigend 
tritt  jetzt  P.  Hib.  43  vom  Jahre  261  hinzu. 


§  1.    Die  Monopole.  241 

auf  299  verweise,  beschränke  ich  micli  hier  darauf,  die  Grundzüge  der 
Organisation  dieses  Monopols  im  allgemeinen  zu  charakterisieren. 

Das  01m onopol  tritt  uns  als  ein  Produktions-  und  Verkaufsmonopol 
entgegen.  Als  Produktionsmonopol  ist  es  insofern  kein  „vollständiges", 
als  zwar  die  Privatkonkurrenz  ausgeschlossen  ist  (Col.  49),  aber  den  Tem- 
peln wenigstens  die  Produktion  des  Sesamöles,  soweit  sie  dessen  zum 
Verbrauch  bedürfen,  natürlich  unter  strengster  Kontrolle  und  mit  der 
Maximalgrenze  einer  zweimonatlichen  Betriebszeit  gestattet  ist  (Col.  50, 
20  ff.).  Dies  Tempelprivileg  ist  historisch  wahrscheinlich  so  zu  erklären, 
daß  vor  der  griechischen  Herrschaft  die  Olproduktion  in  den  Händen  der 
Priesterschaft  konzentriert  gewesen  war,  so  daß  in  Wahrheit  eine  Be- 
schränkung der  priesterlichen  Produktion  zugunsten  des  Fiskus  vorliegt.^) 
Als  Verkaufsmonopol  ist  es  aber  ein  vollständiges,  da  auch  den  Priestern 
jeglicher  Verkauf  untersagt  ist  (Col.  51,  24  ff.). 

Das  Produktionsmonopol  umfaßt  das  Sesamöl,  das  Krotonöl  (ägyp- 
tisch xIxl)j  ferner  das  Knekosöl  (Safloröl),  Kürbisöl  und  Leinsam  öl 
(=  Lampenöl).  Eine  Olivenkultur  hat  es  zwar  schon  damals  —  wenig- 
stens hie  und  da  —  in  Ägypten  gegeben,  wie  uns  jetzt  P.  Hib.  49  (vom 
J.257)  gezeigt  hat,  aber  diese  Oliven  scheinen  nicht  zu  Ol  verarbeitet  worden 
zu  sein.-)  Sonst  hätte  der  König  damals  jedenfalls  auch  das  Olivenöl  in 
sein  Monopol  einbezogen.^)  Der  Anbau  jener  Pflanzen,  die  Monopolöl 
ergaben,  stand  unter  strenger  Kontrolle  des  Königs.  Auf  Grund  der 
amtlichen  Feststellung  des  Olkonsums  in  Alexandrien  und  im  Lande  wurde 
genau  berechnet,  wieviel  Aruren  in  jedem  Gau  mit  den  einzelnen  Öl- 
früchten zu  bestellen  seien.  Danach  erfolgte  in  jedem  Jahre  beim  Aus- 
schreiben der  Monopolpacht*)  eine  tabellarische  Übersicht  über  den  01- 
fruchtanbau  in  den  Gauen  des  Landes,  wobei  zugleich  verfügt  wurde, 
wieviel  davon  nach  Alexandrien,  das  natürlich  vom  Lande  verpflegt  werden 
mußte ^),  zu  liefern  sei  (60,  18 — 72).  Wie  nun  innerhalb  des  Gaues  diese 
Verpflichtung  zum  Ölfruchtanbau  auf  die  einzelnen  Ländereien  verteilt  wurde, 
darül>er  haben  wir  keine  genaueren  Nachrichten.^)  Das  steht  aber  fest,  daß 
auch    die   königliche   Domäne    dazu   herangezogen   wurde ^)  —  möglicher- 

1)  So  rtoetowzew,  GGA  1909,  681. 

'ji  Zu  Auffuetue'  Zeit  wurde  Olivenöl  im  Faijilm,  aber  nur  hier,  und  data  (Ibel- 
riecbcndeK  produziert,  während  die  Oliven  bei  Alexaiidrirn  nicht  su  öl  Tenurbeitel 
wurden  (Straho  XVII  p.  809). 

3)  Als  ipäUr  die  Olivenkultur  zugenommen  haiU  ,  ..:ige  Anmerkung),  haben 
die  Kaiser  weiiigstens  die  Fabrikation  de•  OlivenOU  nicht  dem  Monopol  unterworfen. 
S.  unten  8.  260. 

4)  Vgl.  ηροηηι^νχ^ίΐαών  in  67,9. 
6)  Vgl.  Kap.  IX. 

(i)  Niich  Tob.  6,  198 fr.  kamen  hierfOr  in  Botnu'hi  die  %λη90Όχtni|  (γή),  die  U^d 
und    ij  ("(λλη. 
*      7 1  Vgl.  P.  Tairo  in  Arch.  II  81  (804).    Vom  Zwange  handelt  auch  P.  Athmolean, 

.M  1 1 1  c  I  ■  -  W  1 1  <  k  π  I•    (>ran4«0e•  I.  16 


242  Kapitel  VI.     Industrie  und  Handel. 

weise  in  sehr  großem  Umfange.  Die  Gewinnung  der  Rohprodukte,  die 
die  γεωργοί  ausschließlich  an  den  König  verkaufen  durften,  und  zwar 
zu  den  vom  König  festgesetzten  Preisen,  sowohl  die  Aussaat  wie  die 
Ernte,  stand  unter  ständiger  Kontrolle  der  königlichen  Beamten  und 
des  Monopolpächters.  Dasselbe  gilt  von  dem  zweiten  Akt,  der  Olpro- 
duktion  in  den  königlichen  Ergasterien,  die  vom  Oikonomos  einzurichten 
waren.  Hier  hat  das  Interesse  des  Monopols  zu  der  als  Parallele  zur  Ent- 
wicklung des  Kolonats  sehr  interessanten  Erscheinung  geführt,  daß  die 
Ölarbeiter  {βλαιονργοί),  wiewohl  sie  freie  Männer  waren,  die  auf  Akkord 
arbeiteten  (κάτεργον,  Col.  45),  in  ihrer  Freizügigkeit  beschränkt  wurden: 
die  einmal  für  den  Gau  angesetzten  Arbeiter  durften  ihn  unter  Androhung 
schwerer  Strafen  nicht  verlassen  (Col.  44).^)  Den  Schlußakt  bildet  der 
Verkauf  des  produzierten  Öles,  der  in  der  Weise  gehandhabt  wurde,  daß 
der  Verschleiß  durch  das  ganze  Land  in  Städten  und  Dörfern  an  Klein- 
händler (κάτΐηλοί^  έλαίοττώλαυ^  έξειληφότες  την  δίά^εβιν  etc.)  auf  dem  Wege 
der  Pacht  vergeben  wurde,  die  den  Erlös  an  den  Oikonomos  abzuliefern 
hatten  (Col.  47,  10  ff.).  Vgl.  S.  349.  Zu  welchem  Preise  im  Kleinhandel  die 
verschiedenen  Olsorten  zu  verkaufen  waren,  wurde  in  jedem  Jahre  vom 
König  festgesetzt  (Kol.  40,  8  ff.).  Welcher  Art  die  Bedingungen  waren, 
unter  denen  diese  κάπηλοι  den  Verkauf  übernahmen,  darüber  bietet  der 
Revenue-Papyrus  nichts.  Eine  Vermutung  hierzu  vgl.  in  Grenfells  Kom- 
mentar S.  197,  wonach  z.  B.  beim  Verkauf  des  Sesamöles  zu  48  Drachmen 
die  Kleinhändler  einen  legalen  Profit  von  6  Drachmen  gehabt  hätten.  In 
der  Praxis  haben  sie  oft  unerlaubten  Vorteil  sich  verschafft,  indem  sie  vom 
Publikum  höhere  Preise  als  die  staatlich  vorgeschriebenen  erhoben.  Vgl. 
hierzu  Petr.n38(b)  (300)  und  Lille  3  III  55  ff.  (301).  Von  der  monat- 
lichen 6vvTah,ig^  die  die  έλαυοκάπηλοι  vom  Staat  nach  Petr.  III  86  S.  219 
erhielten,  berichtet  der  Revenue-Papyrus  (in  dem  uns  vorliegenden  Zu- 
stand) nichts  —  was  prinzipiell  für  manche  andere  Streitfrage  von  In- 
teresse ist!  Ob  der  König  außer  dem  von  ihm  normierten  Verkaufspreise 
auch  noch  eine  besondere  Ölsteuer  {^λαϊκιίι)  von  den  Konsumenten  erhoben 
hat^),  oder  ob  der  Gewinn  des  Königs  aUein  durch  den  Verkaufspreis 
herauskam,  ist  eine  der  vielen  Fragen,  die  vor  allem  durch  die  Zerrissen- 
heit des  Rev.-P.  noch  dunkel  sind.^)  Falls,  wie  ich  glauben  möchte, 
die  erstere  Alternative  die  richtige  ist,  so  dürften  die  Bestimmungen 
in  Rev.  P.  56,  14  —  16  auf  diese  Ölsteuer  zu  beziehen  sein,  zumal  Gren- 
feUs  Deutung    dieser   Worte    auf   die   Einfuhrzölle    (s.    unten)    vor    aUem 


der  wahrsclieinlicli  königliches  Land  betrifft.     Vgl.  Wilcken,   Arch.  I  165  ff.,  Wachs- 
muth  1.  c.  789. 

1)  Vgl.  hierzu  Rostowzew,  Zur  Gesch.  d.  Kolonats  66  und  unten  S.  3έ8. 

2)  Vgl.  die  aU-Ari  Griech.  Ostr.  I  143  f. 

3)  Vgl.  Wachsmuth  1.  c.  801;  Rostowzew,  Staatsp.  411.  * 


§  1.    Die  Monopole.  243 

dem  Bedenken  unterliegt,  daß  diese  Einfuhrzölle  nur  in  den  Einfuhr- 
häfen erhoben  wurden  (Col.  52).  Dasselbe  Bedenken  spricht  gegen  Gren- 
fell-Hunts  DeutuDg  der  έξείληφότες  την  οίά^•εύί[ν  καί  το  τ]έλος  τον 
ελαίου  (von  Kerkeosiris)  in  Teb.  Ι  38,  10  (303),  wonach  sie  in  dem  τέλος 
wieder  den  Einfuhrzoll  sehen  müssen,  denn  das  von  den  γεωργού  erhobene 
τελοζ  von  den  Rohprodukten  ist  schon  durch  τέλος  τον  έλαίον  aus- 
geschlossen. Mir  scheint  es  geradezu  nötig,  außer  diesen  beiden  von  Gren- 
fell-Hunt  erwogenen  τέλη  hier  an  ein  drittes  τέλος  zu  denken,  und  das 
kann  dann  kein  anderes  sein  als  jenes  der  cdiTiri  entsprechende,  die  01- 
steuer.  Dieser  Text  aus  Tebtynis  lehrt  uns  dann  in  seiner  Nebeneinander- 
stellung von  διά^εόις  (Verkauf)  und  τέλος ^  daß  die  Ölsteuer  nicht  auf 
den  Kaufpreis  geschlagen  war,  sondern  extra  erhoben  wurde.  Wir  lernen 
femer  aus  ihm,  daß  die  Erhebung  der  Ölsteuer  in  den  Dörfern  zugleich 
mit  dem  Ölverschleiß  von  den  έλοαοχάπηλοι  übernommen  wurde  —  wenig- 
stens am  Ende  des  IL  Jahrhunderts  v.  Chr.  — ,  eine  Einrichtung,  die  nur 
als  praktisch  bezeichnet  werden  kann.  Der  Rev.-P.  ergibt  hierüber  nichts 
Direktes.  Die  Worte  56,  14  ff.  sind  wohl  damit  vereinbar,  unter  der  Vor- 
aussetzung, daß  die  χάπηλοί  oder  wer  sonst  damals  diese  Steuer  erhob, 
die  T£>log- Einnahmen  immer  direkt  an  den  Monopolpächter  abführten. 
Aber  ich  verkenne  nicht,  daß  diese  Erklärung  noch  sehr  ungenügend  be- 
gründet ist. 

Damit  das  Monopol  dem  König  den  gewünschten  Ertrag  bringe,  war 
aber  nicht  nur  die  einheimische^),  sondern  auch  die  ausländische  Konku- 
renz  fernzuhalten.  So  war  denn  die  Einfuhr  ausländischer  Ole  verboten 
resp.  durch  Schutzzölle  erschwert.  Einführung  fremder  Öle  ins  Land  zum 
Verkauf  wurde  durch  Konfiskation  der  Ware  und  hohes  Strafgeld  ver- 
hindert, Einführung  zum  Gebrauch  war  gegen  Zahlung  eines  Zolles,  der 
25%  iles  Wertes  des  besten  einheimischen  Öles  betrug  (12  Drachmen  pro 
Metretes)  gestattet  (Col.  52).  Die  Bestimmungen  über  die  Einfuhr  nach 
Alexandrien  in  Kol.  50,  7ff.  sind  leider  unvollständig  erhalten.  Da  voraus- 
zusehen war,  daß  diese  gesetzlichen  Bestimmungen  in  der  Praxis  um- 
gangen würden,  war  den  Monopolpächtern  und  ihrem  Personal  das  Recht 
gegeben,  im  Falle,  daß  sie  Schmuggel  ausländischer  Öle  oder  geheime 
Privatproduktion  vermuteten,  Haussuchungen  vorzunehmen  (Col.  55,  17  ff.). 
Durch  andere  Papyri  erfahren  wir  denn  auch,  daß  in  der  Tat  oft  ge- 
schmuggelt worden  ist.     Vgl.  Hib.  59  (302),  Teb.  I  38  (303),  39. 

Die  Durchführung  der  Monopolgesetze  lastete,  abgesehen  von  den 
königlichen  Beamten,   vor  allem  auf  den  Monopolpächtem  (ό  τήι/  iXai- 

1  >  Außer  dem  tcbon  oben  erw&hnten  Auiichluß  der  privaten  Produktion  nnd 
(lor  l'>(!Hchrilnkung  der  prieetcriichen  iit  bemerkenswert  der  Kampf  gegen  die  Surro- 
gat«• (Λ0,  1  i  ff.) 


244  Kapitel  VI.     Industrie  und  Handel. 

κήν'^)  έχων  ο.  ä.),  die  bei  den  sämtlichen  Prozeduren,  von  der  Gewin- 
nung der  Rohprodukte  bis  zum  Ölverkauf,  unter  ständiger  amtlicher  Kon- 
trolle, an  der  Seite  eines  vom  Oikonomos  gegebenen  άντίγραφενς^  nach 
den  im  Gesetz  vorgeschriebenen  Bestimmungen  zu  fungieren  hatten.  Es 
ist  eine  der  schwierigsten  Fragen,  wie  die  Übernahme  dieser  Monopol- 
pacht überhaupt  Pachtlustige  anlocken  konnte,  da  alle  wesentlichen  Fak- 
toren der  Rechnung  —  Umfang  der  zu  besäenden  Aruren,  Preise  der  Roh- 
produkte, Höhe  des  τέλος  von  der  Artabe,  Höhe  des  Verkaufspreises  etc.  — 
vom  Gesetz  festgelegt  waren  und  daher  der  Spekulation  keinen  Raum 
gaben.^)  Wenn  die  obige  Vermutung,  daß  es  außer  dem  Olverschleiß  eine 
Olsteuer  gegeben  hat,  richtig  ist,  so  wird  das  Problem  vielleicht  von  hier 
aus  verständlicher  werden.  Der  sogenannte  Monopolpächter,  der  übrigens 
die  Pacht  für  einen  ganzen  Gau  übernimmt  (o  άγοράοας  τον  νομόν\  wäre 
dann  formell  in  erster  Reihe  der  Steuerpächter  dieses  τέλος^),  und  erst  so, 
glaube  ich,  verstehen  wir  den  Satz  (Rev.-P.  56,  14f.):  οΓ  δε  πριάμ^ενοι  την 
ών^ν  εγγνονξ  καταοτήοονοί  των  έφειχοοτών^  der  eine  genaue  Parallele 
zu  den  Bestimmungen  über  den  Steuerpächter  in  Rev.-P.  34,  2  ff.  wie 
auch  Par.  Q2  I  13 ff.  bietet:  wir  begreifen,  daß  er  für  diese  Konsumsteuer 
dem  König  ein  Pauschale  bieten  konnte*),  und  haben  nach  Analogie 
jener  Stellen  (namentlich  Par.  Q2  I  13  ff.  verglichen  mit  V  3  ff.)  zu  folgern, 
daß  er,  auch  wenn  er  nur  sein  Pachtangebot  richtig  ablieferte,  schon  ein 
όφώνιον  von  5%  (im  IL  Jahrh.  wahrscheinlich  von  lO^o?  s.  oben  S.  184) 
vom  König  erhielt.  Für  seine  besonderen  Dienste  aber,  die  er,  abweichend 
von  den  gewöhnlichen  Steuerpächtern,  für  die  Durchführung  des  Monopols 
zu  leisten  hatte,  bekam  er  außerdem  die  im  Rev.-P.  aufgeführten  Emolu- 
mente,  wie  seinen  Anteil  am  κάτεργον  (Kol.  45,  6)  usw.,  abgesehen  davon, 
daß  die   sehr  beträchtlichen  Entschädigungen,   die   er  im   Falle   des  Fehl- 

1)  Manche  gebrauchen  dafür  die  Form  έλοίϊρά,  die,  soweit  ich  sehe,  nur  auf 
Ostraka  II  n.  1157  zurückcreht.  IViewohl  graphisch  hier  allerdings  λ  wahrscheinlicher 
als  V  ist,  spricht  doch  wohl  der  Zusammenhang  dafür,  daß  vielmehr  zu  lesen  ist:  hcagcc. 
Andernfalls  müßte  man  zum  mindesten  έλαιηρά  gebrauchen. 

2)  Vgl.  die  Ausführungen  von  Grenfell  S.  127  f. 

3)  Die  oben  erwähnten  έξείλτιφότες  το  τέλος  in  den  Dörfern  dürften  die  After- 
pächter dieser  Steuerpächter  gewesen  sein.  Daß  bei  der  Abfassung  ihrer  Verträge  der 
Ökonom  (resp.  sein  Untergebener)  mit  dem  Steuerpächter  zusammen  operierten  (Rev.-P. 
47,  lOff.),  entspricht  der  Bestimmung  in  Par.  62  III  17 ff.  über  die  άποπράματα. 

4)  Dies  wäre  noch  verständlicher,  wenn  die  Steuer  von  dem  tatsächlichen  Konsum 
erhoben  wurde,  und  nicht  von  dem  nach  Art  der  Salzkonskription  pro  Kopf  vor- 
geschriebenen Minimalkonsum,  den  ich  in  den  Griech.  Ostraka  I  144  für  das  Salz- 
monopol angenommen  habe,  und  der  wohl  auch  für  das  Ölmonopol  anzunehmen  ist 
(Rostowzew,  Staatsp.  411,  der  aber,  wenn  ich  ihn  recht  verstehe,  neben  dem  Zwangs- 
verkauf keine  Abgabe  anerkennt).  Während  ich  aber  1.  c.  es  noch  für  unwahrschein- 
lich hielt,  daß  der  tatsächliche  Konsum  für  die  Steuer  ermittelt  sei,  glaube  ich  jetzt, 
gestützt  auf  die  έξ,ειΧτιφότες  την  διά&ΒΟΐν  v.ca  το  τέλος,  daß  diese  τιάττηλοι  eben  darum 
auch  das  τέλος  pachteten,  weil  sie  den  realen  Konsum  zur  Berechnung  dieses  τέλος 
feststellen  konnten.     Der  Minimalkonsum  dagegen  galt  für  den  Verkauf. 


§  1.    Die  Monopole.  245 

trittes    anderer    erhielt,    event.    ein    nicht    unbeträchtliches    Plus    ergeben 
mußten. 

Derselbe  Revenue-Papyms  brachte  uns  noch  über  zwei  andere  Mono- 
pole Nachrichten,  wenn  auch  nur  sehr  fragmentarische,  über  das  Bank- 
m onopol,  das  ich  schon  zu  Xr.  181  behandelt  habe,  und  das  Otho- 
nionmonopol.  Das  Bankmonopol  ist  in  der  Ptolemäerzeit  ein  voll- 
ständiges Monopol,  da  wir  nur  vom  König  verpachtete  Banken,  nicht 
Tempel-  oder  Privatbanken  kennen.  Dagegen  ist  die  Situation  beim  Otho- 
nionmonopol  komplizierter.  Daß  hier  zunächst  überhaupt  Monopolisierung 
vorliegt,  habe  ich  in  den  Griech.  Ostr.  I  267  ff.  aus  den  Fragmenten  des 
Rev.-P.  87 — 107  nachgewiesen.^)  Aus  diesem  Text  ergibt  sich,  daß  der 
Flachsbau  vom  König  ebenso  kontrolliert  wird  wie  der  Olpflanzenbau, 
daß  der  König  ebenso  wie  beim  Öl  den  Bedarf  an  Stoffen  fesststellt  (96,  1), 
daß  der  König  die  Preise-)  der  Stoffe  und  ihrer  Verarbeitungen  zu  Klei- 
dern, Kissen,  Handtüchern  (s.  unten)  usw.  bestimmt,  wobei  zu  bemerken 
ist,  daß  ebenso  wie  Linnen  auch  Werg  und  Wolle  (nebst  Fabrikation)  be- 
handelt werden  (103),  endlich  daß  auch  hier  der  auswärtigen  Konkurrenz 
mit  Einfuhrverboten  (91  ff.)  und  Zöllen  (107?)  begegnet  wird.  Hiernach 
ist  zu  vermuten,  daß  der  Verkauf  der  od-ovia  (im  weitesten  Sinne)  wie 
beim  Öl  ausschließlich  dem  König  zugestanden  hat,  wenn  wir  auch  direkte 
Zeugnisse  dafür  kaum  haben.  Vgl.  das  Straßburger  Ostrakon  in  308. 
Was  aber  die  Produktion  betrifft,  so  konnte  man  schon  aus  der  Roset- 
tana erschließen,  daß  die  Tempel  an  der  Othonionfabrikation  beteiligt 
waren  und  dafür  dem  König  bestimmte  Lieferungen  in  Stoffen  (eventuell 
adaeratio)  zu  leisten  hatten^),  was  eine  ähnliche  privilegierte  Stellung  der 
Tempel  wie  beim  Ölmonopol  ergab.  Inzwischen  haben  wir  aber  durch 
Teb.  δ,  2H7ff.  (307)  neue  Nachrichten  über  die  Tempelindustrie  bekommen, 
die  freilich   leider  nicht   ganz   eindeutig   sind.     Indem   ich  zum  einzelnen 

1;  Danach  Maspero  S.  76ff.  Nach  nochmaliger  Revision  des  Originale  habe  ich 
zu  meinen  Auefühningen  in  den  Ostraka  1.  c.  noch  folgendes  hinzuzufügen:  87,  6 
Qr,vut,  aleo  α7ία]ρήναι  oder  %αταα7ΐα]ρήναι  Xivov  χτλ.  —  87,  11  νιηρα  χατα  iit 
otwa  HO  zu  ergänzen:  καΐ  tirt  av  diu  τανχα  ή  6^o]vir\{tä  %αχα\^Χα^ίιι.  Vgl.  40,  7.  — 
yu,  2  1.  *Kav  de  τις  [(Ιααγ\άγηι^  in  δ  ΣΒ\βΒννντ{ον  τη  ρ]  iMi^alaoalav  (?gl. 
Wilcken,  Melangen  Nicole  S.  690).  —  94,  4  1.  χΒΐρωμά•κτρ[ων  μ]•τα  statt  χ»ρωμ« 
χατ\.  . .]  TU.    Also  Handtücher  iχnQόμu%τiιa).  —  97,  8  1.  ο•\%κμναΙον  statt  \v  αμναιον. 

—  103,  l  wohl  %Qo]it^fvoi,  in  8  wohl  χαί  τ  Ιών  άλλων  γί•ν[ών.  —  106,  8  nicht  [ijc^«»»! 
das  (  müßte  in  der  vorhergehenden  Zeile  stehen,  und  dies  iHt  unwahrscheinlich.  Daher 
wohl  eher  ίριώψ  (au•  Wolle),  ebenso  dann  auch  in   107,  4.    Vgl.  Potr.  II  SS  (1)  «0. 

—  107,  8  Τίμ[ής. 

2)  Vgl  'auch  Uli.    i 

8)  Vgl.  Griech  (»hm  .1  ,i  I  J•  .•  u  DjLt«nl»erger,  Or.  Ur.  1  yo,  17  und  21M.  Ich  be- 
ziehe jetzt  den  ersten  •  .1..1.I.  nl  .  ,.  η  Krlaü  von  '^  der  obligaten  Mynsoelierorungen  — 
nnd  zwar  dauernd?  vgl.  onr. /.n  im    mf  den  HegierungxH!  /.weiten  auf  da« 

KrönungsfcHt  im  9.  Jahr.    Im.    .>i.  li. h  /.  »gen,  wie  schwer  »1 Iirhtung  auf  den 

Priestern  laMtete.    Vgl.  jeUt  auch  Teb.  6,  6Sff.  und  Elepb.  86,  ii. 


246  Kapitel  VI.    Industrie  und  Handel. 

auf  die  Einleitung  zu  307  verweise,  bemerke  icli  hier  nur  so  viel: 
Rostowzew^)  hat  wohl  mit  Recht  angenommen,  daß  in  der  vorgriechischen 
Zeit  die  Othonionfabrikation  in  den  Tempeln  längst  eingebürgert  war  und 
hier  in  hoher  Blüte  gestanden  hat^),  für  die  griechische  Zeit  aber  geht 
er  zu  weit,  wenn  er  sagt  (S.  632):  „Das  Monopol  des  Verkaufs  hat  also 
der  Staat,  die  Fabrikation  betrieben  die  Tempel".  Er  selbst  hat  vorher 
mit  Recht  die  υποτελείς  des  P.  Teb.  als  staatliche  bezeichnet,  wie  ich  tat- 
sächlich nur  staatliche  ντίοτελείς  kenne  (s.  unten);  also  hat  es  neben 
der  Tempelfabrikation  auch  eine  königliche  Fabrikation  ge- 
geben —  vgl.  den  Ausdruck  όΰ-ονίων  βαΰιλικών  im  Straßburger  Ostra- 
kon  — ,  selbst  wenn  die  königlichen  Webereien  sämtlich  in  den  Tempeln 
plaziert  gewesen  sein  sollten,  was  aber  nicht  mit  Sicherheit  aus  jenem 
P.  Teb.  erschlossen  werden  kann.  Andrerseits  bestätigt  übrigens  der  P.  Teb., 
was  auch  alle  andern  Quellen  ergeben,  daß  den  Tempeln  speziell  die  Fabri- 
kation der  feinsten  Stoffe,  der  ßvööiva,  vorbehalten  war,  eben  weil  sie 
wohl  seit  alter  Zeit  diese  Kunst  gepflegt  hatten.  Vgl.  außer  der  schon 
zitierten  Rosettana  auch  P.  Eleph.  26  und  27.  Hiervon  hatten  sie  einen 
Teil  an  den  König  zu  liefern  (ονντελεΐν)  für  die  Erlaubnis,  Bjssos  fabri- 
zieren zu  dürfen,  im  übrigen  hatten  sie  ihr  Fabrikat  im  Tempel,  im  be- 
sonderen für  die  Bekleidung  der  Götterstatuen  zu  verwenden.  Jeglicher 
Verkauf  war  ihnen  verboten.  Soweit  liegen  die  Dinge  hier  also  im  Grunde 
doch  ganz  ähnlich  wie  beim  Ölmonopol. 

Nur  ein  neues  Moment  kommt,  wie  mir  scheint,  hinzu:  der  König 
erlaubte  auch  Privaten,  offenbar  solchen,  die  technisch  in  diesem  schwie- 
rigen Gewerbe  besonders  geschult  waren,  Stoffe  zu  weben,  natürlich  unter 
der  Verpflichtung,  daß  sie  sie  nur  an  den  König  verkauften  und  zu  den 
Produktionspreisen,  die  er  bestimmte.  Diese  Privaten  standen  also  durch- 
aus im  Dienste  des  Monopols  und  gehörten  zu  den  υποτελείς  ^  unter- 
schieden sich  aber  von  den  sonstigen  Monopolarbeitern  dadurch,  daß  sie 
nicht  wie  diese  Löhne  {μιοΰ-οί)  erhielten,  sondern  ihre  Fabrikate  an  den 
König  verkauften  (für  τψαί).  Die  λινυφαντεΐα^  in  denen  sie  arbeiteten,  wer- 
den ihr  Privatbesitz  gewesen  sein,  denn  in  Teb.  5,  238  müssen  diese  beson- 
ders gegen  die  Praktoren  geschützt  werden.  Diese  Annahme  eines  solchen  im 
Dienst  des  Monopols  stehenden  Privatbetriebes^)  stützt  sich  außer  auf 
Teb.  5,  238  (307)  auf  Hib.  67  (306)  und  68,  in  deren  Interpretation  ich 
den  Herausgebern  nicht  folgen  kann,  und  P.  Magd.  36  (305).  Offen  ist  aber 
noch  die  Frage,  ob  es  neben  diesen  im  Privatbesitz  geführten  λινυφαντεΐα 
überhaupt  noch  königliche  εργαότήρία  ■■ —  nach  Analogie   der  königlichen 


1)  GGA  1909,  632  ff. 

2)  Auch  Bouche-Leclercq,  Hist.  d.  Lag.  III  269   spricht  von  einem  ancien  mono- 
pole  des  temples. 

3)  Vgl.  auch  Bouche-Leclercq,  H.  d.  Lag.  III  270. 


§  1.    Die  Monopole.  247 

έλαιονργΐα  —  gegeben  hat,  oder  ob  etwa  die  ganze  Othonionfabrikation, 
soweit  sie  nicht  von  den  Priestern  betrieben  wurde,  sich  in  eben  diesen 
λιννφαντεΐα  vollzogen  hat.  Ein  direkter  Beleg  für  solche  königlichen 
εργαΰτήρια  liegt  bisher  nicht  vor,  was  freilich  Zufall  sein  kann.  Auf  alle 
Fälle  lernen  wir  in  diesen  im  Privatbesitz  befindliphen  λιννφαντεΐα  eine 
wichtige  Betriebsform  des  Monopols  kennen,  die  eventuell  auch  bei  an- 
deren Monopolen  Anwendung  gefunden  haben  kann. 

Das  Olmonopol  und  das  Othonionmonopol  sind  die  einzigen,  von  deren 
Organisation  wir  Genaueres  wissen.  Schon  in  älteren  Arbeiten  wurden 
außerdem  mehrere  Betriebe  als  Monopole  aufgefaßt,  so  namentlich  die- 
jenigen, deren  Monopolisierung  aus  dem  Obereigentum  des  Königs  an 
Grund  und  Boden  abgeleitet  werden  konnte,  also  die  „natürlichen"  Mo- 
nopole, wie  das  Bergwerksmonopol,  das  Salzmonopol,  das  Natron-  und 
das  Alaunmonopol.  Durch  die  neueren  Papyrusfunde  sind  noch  eine 
ganze  Reihe  weiterer,  nicht  natürlicher  Monopole  bekannt  geworden,  doch 
ist  es  in  manchen  Fällen,  die  als  Monopole  angesprochen  sind,  noch 
zweifelhaft,  ob  nicht  nur  eine  königliche  Manufaktur  vorliegt,  die  neben 
einer  privaten  Industrie  bestanden  hat,  und  auch  wo  das  Monopol  fest- 
steht, ist  es  meist  sehr  zweifelhaft,  in  welcher  Weise  es  organisiert  war. 
Grenfell-Hunt  und  andere  (wie  Maspero,  Bouche-Leclercq  u.  a.)  haben  mit 
Recht  betont,  daß  es  sehr  verschiedene  Arten  von  Monopolbetrieben  ge- 
geben hat,  wie  ja  auch  schon  zwischen  Öl-  und  Othonionmonopol  manche 
Divergenzen  bestehen.  Auch  ist  abgesehen  von  den  gleichzeitig  bezeugten 
Verschiedenheiten  damit  zu  rechnen,  daß  im  Laufe  der  Jahrhunderte 
die  bestehenden  Organisationen  sich  geändert  haben.  Im  besonderen 
drängt  sich  die  Frage  auf,  ob  nicht  die  Römer,  die  die  zahlreichen 
Monopole  vorfanden,  entsprechend  den  veränderten  Verhältnissen  sogleich 
oder  später  die  Einrichtungen  geändert  haben.  Leider  liegen  uns  aus  der 
Kaiserzeii  bis  jetzt  gar  keine  detaillierten  Nachrichten  in  der  Weise  des 
Revenue-Papyrus  über  dies  Gebiet  vor.  Doch  läßt  sich  hie  und  da  er- 
kennen, daß  der  Betrieb  von  den  Römern  abgeändert  >vorden  ist. 

Die  Frage  nach  der  Ausdehnung  der  königlichen  Μ  onopol  Wirtschaft 
ist  neuerdings  namentlich  durch  einige  Stellen  in  Teb.  5  ins  Rollen  ge- 
kommen*), in  denen  eine  ganze  Reihe  von  Betrieben  als  in  gleicher 
Weise  in  gewissen  Hinsichten  privilegiert  aufgezählt  werden,  unter  denen 
flieh  einige  befinden,  die  als  monopolisiert  uds  bekannt  sind,  wie  das 
Gewerbe  der  iXaiovQyoC  und  xixiovQyoi  und  auch  der  λίνχ^φοι^  ßvatSovgyoC 
und  ίρίονφάντΜ  (vgL  aach  ηόχνφοί  und  τawφάvta^).  Alle  diese  werden 
mehrfach   als  νποηλβίς  bezeichnet  oder  auch  allgemeiner  za  den  IxiX«- 


1)  Vgl.   Ζ    t&ef.,  wo  tAv  hnouXop  Hol  rd^  ζ^&ΧΧων  τΑν>  έηίη9ηΙίγμ49»ψ  wa 
«mendieren  ί•1,   170 ff.  '2 10 ff.  «•ϊ«ίΓ    s.iftfT,  ^i-jf 


248  Kapitel  VI.    Industrie  und  Handel. 

Λλεγμένοί  ταϊς  προΰόδοίς  (als  solche,  die  „mit  den  königlicheD  Einnahmen 
verflochten  sind")  gezählt.  Nur  die  ßvööövQyoC  werden  einmal  (in  Z.  245) 
in  Gegensatz  zu  den  ντΐοτελεΐς  gestellt,  offenbar  weil  sie  nach  obigem 
nicht  direkt  im  königlichen,  sondern  im  Tempeldienst  standen.  Die  Her- 
ausgeber haben  aus  diesem  Tatbestand  den  Schluß  gezogen,  daß  auch  die 
anderen  hier  genannten  Gewerbe  alle  monopolosiert  gewesen  sein  müßten, 
das  wären  also  die  νοφορβοί  und  χηνοβοΰκοί,  die  μελιοοονργοί  und  ζντο- 
ποιοί.  Hiergegen  hat  Jul.  Beloch  (Griech.  Gesch.  ΠΙ  (1)  339,  2)  allge- 
meine Bedenken  erhoben,  und  Bouche-Leclercq  (Hist.  d.  Lag.  III  247)  hat 
mit  Recht  gesagt,  daß  die  χηνοβοοκοί  (und  entsprechend  auch  die  νοφορβοί) 
viel  eher  als  Pächter  der  königlichen  Gänseherden  auf  den  Domänen  auf- 
zufassen sind,  neben  denen  es  auch  priesterliche  und  private  Gänsezüchter 
gegeben  haben  wird.  Ich  betone,  daß  in  demselben  Text  (Teb.  5  auch 
die  βαοιλίκοί  γεωργοί^  die  königlichen  Domanialpächter,  zwar  nicht  zu 
den  υποτελείς^  wohl  aber  zu  den  έτνίτίεΛλεγμενοι  xalg  τίρούόδοΐξ  ge- 
zählt werden,  und  ihnen  stehen  (nach  Bouche-Leclercq)  die  {βαύιλικοϊ) 
χηνοβοοκοί  und  νοφορβοί  parallel.  Es  stehen  hier  also  königliche  Pächter 
und  Monopolisierte  durcheinander,  und  wir  können  daher  aus  diesem  Text 
allein  nicht  entnehmen,  ob  die  μΒλΐ66ονργοί  und  ζντοΛοιοί  der  ersten  oder 
der  zweiten  Klasse  angehören.  Ob  das  merkwürdige  Wort  υποτελής^) ^ 
das  in  Gegensatz  zu  den  βαΰιλικοί  γεωργοί  gestellt  wird^),  ausschließlich 
auf  das  Monopol  hinweist,  ist  auch  nicht  so  sicher,  wie  angenommen 
wird.  So  möchte  ich  die  Frage  aufwerfen,  ob  nicht  auch  die  Steuer- 
pächter, die  wir  doch  sicher  auch  zu  den  επιπεπλεγμένοι  ταΐς  προόόδοίς  zu 
zählen  haben,  ebenso  wie  die  Pächter  im  Monopolbetriebe  zu  den  υπο- 
τελείς gehören.^)  Es  bleibt  also  nichts  übrig,  als  auf  induktivem  Wege 
bei  jedem  einzelnen  Betriebe  zu  untersuchen,  ob  Indizien  für  die  Annahme 
eines  Monopols  vorliegen  oder  nicht.  Für  das  Verständnis  der  königlichen 
Großindustrie  ist  es  aber  ebenso  wichtig,  festzustellen,  ob  auch  außerhalb 
der  verschiedenartigen  Formen  des  Monopols  sich  königliche  Manufakturen 
oder  Betriebe  nachweisen  lassen,  die  in  Konkurrenz  mit  den  entsprechen- 
den priesterlichen  oder  privaten  Betrieben  geführt  worden  sind.  Diese  in 
gleicher  Weise  zu  beachten,  ist  um  so  wichtiger,  als  es  in  der  Praxis 
Übergangsformen  gegeben  haben  wird,  die  sich  mit  jenen  modernen 
termini    technici   nicht    ohne   weiteres   decken.      Ohne   Vollständigkeit   zu 


1)  Wie  die  Ausschließung  der  βνσβονργοί  (s.  oben)  zeigt,  scheint  es  speziell  die 
in  königlichen  Diensten  stehenden  zu  bezeichnen. 

2)  Sowohl  die  βαβιλι^ίοΐ  γεωργοί  wie  die  υτίοτελεΐς  sind  έτνι,τίεπλεγμένοί  τοΰ^ 
Λροοόδοίς. 

3)  In  Teb.  40,  24  wird  ein  έξείληφώς  την  ξυτηράν  -nccl  νηρικην  Κερτιεοβίρεως  als 
υποτελής  bezeichnet,  und  dieser  scheint  eher  ein  Pächter  der  betreffenden  Steuern  als. 
des  Monopolbetriebes  zu  sein.  Vgl.  auch  Par.  63,  97:  τονζ  υποτελείς  τψ  τε  ΙχΟ-ντιρ&ι 
-Kccl  ζντηρ&ί  καΐ  ταΐς  aAial•^  ώνοίΐς.     Die  Fißcherei  ist  wahrscheinlich  nicht  MonopoL 


§  1.    Die  Monopole.  249 

beabsichtigen,  will  ich  hier  in  alphabetischer  Folge  nach  griechischen 
Stichwörtern  solche  Betriebe  aufzählen,  für  die  königliche  Monopole  resp. 
Beteiligung  des  Königs  von  der  Forschung  erwiesen  oder  vermutet  oder 
auch  irrig  behauptet  worden  sind.  Bei  der  Fülle  des  Materials  kann  unten 
von  den  Texten  nur  eine  engere  Auswahl  gegeben  werden. 

"Λλς. 
Wilcken,  Griech.  Ostr.  I  141  ff.  Rostowzew,  Staatsp.  411.  Otto,  Priester 
u.  Tempel  II  53.  Maspero,  Les  financ.  de  l'Eg.  90.  Bouche-Leclercq,  Hist. 
d.  Lag.  ΠΙ  329.  Vollständiges  Monopol.  Verschleiß  durch  άλοπώλαι.  Viel- 
leicht (nach  Art  der  Salzkonskription)  Zwangsverkauf  eines  berechneten 
Minimum.^)  Außerdem  Konsumsteuer  (aXLXTJ\  von  der  Zahlung  der  τιμή 
άλοζ  zu  trennen.  Für  die  verschiedene  Höhe  des  Konsums  vgl.  jetzt  außer 
den  früheren  Zeugnissen  Petr.  III  S.  264  ff. 

^Αναβολικό. 

Rostowzew,  Woch.  klass.  Phil.  1900,  115  erklärt  dies  als  zusammen- 
fassenden Xamen  für  monopolisierte  ägyptische  Produkte,  im  besonderen 
die  zur  Ausfuhr  bestimmten.  Die  αναβολικά  Βίληφότες  im  Edikt  des  Jul. 
Alexander  Z.  21  faßt  er  danach  als  Monopolpächter.  Vgl.  vit.  Aurel.  45. 
Ob  der  Name  αναβολικά  sie  als  Hauptexportgegenstände  bezeichnet 
i  Rostowzew),  ist  mir  zweifelhaft,  denn  verfrachten  (zu  Schiff)  heißt  έμβάλ- 
λειν^  nicht  άναβάλλειν.  Zur  Sache  vgl.  jetzt  den  Cairener  P.  Thead.  Inv. 
N'r.  15:  ά:ζοδ8κταί  λίνου  τον  Ιερον  αναβολικού  und  dazu  meine  Bemerkung 
Ar..].    TV  185. 

'Αρώματα. 

Rostowzew,  Arch.  IV  313  f.  Monopolisierung  der  Gewürze  (αρωμα- 
τική): Preisbestimmung  für  Myrrhen  durch  den  König  in  Teb.  35  (309). 
Monopol  der  Salbenfabrikation  und  des  Verkaufes,  belegt  noch  für  die 
Kaiserzeit  durch  P.  Fay.  93  (317).  Über  die  Tonstempel  mit  άρωματιχί^ς 
vgl.  Rostowzew  1.  c.  —  Liste  verschiedener  Parfüms:  Petr.  II  34b  (—  III 

BaXavBiit. 

Otto  Lei  292  II  53  nimmt  staatliches  Bädermonopol  an,  mit  Privileg 
für  die  Tempel. 

Grenfell-Hunty  Teb.  II  S.  49  nehmen  nach  einem  unpublizierten  Pa- 
pyrus, in  dem  ein  Pachtangebot  auf  βαφιχή  gemacht  wird,  Monopolisierung 
,i,.r  T";;r-i...r..;  ftn.     Dagegen  8|••ί'•1ιί   ni.lii,   daß  es  βαφιΐς  gibt,    «li«*   >^//»/i 


1)  Für  den  Zwang  verweift  Rottowsew  treffend  aof  Makk.  I  10,  19:   άηοΐύω^ 
άηό  χΛν  φόρων  nal  χής  ^^Ι^ή9  ^οϋ  άΧός. 


250  Kapitel  VI.     Industrie  und  Handel. 

va^Lov  zahlen  (1.  c).  Mir  kommt  vielmehr  die  Vermutung,  daß  das  %£t- 
ρωνάξων^  das  ja  für  die  Ausübung  des  Gewerbes  gezahlt  wird  (vgl. 
S.  171)  —  entsprechend  etwa  den  Othonionlieferungen  der  Tempel  —  die 
Abgabe  ist,  für  deren  Zahlung  sonst  monopolisierte  Betriebe  auch  Privaten 
freigestellt  wurden.  Jedenfalls  können  wir  schon  jetzt  unter  den  χειρω- 
i/a|tov- Pflichtigen  Gewerben  mehrere  bezeichnen,  die  sicher  monopolisiert 
waren.    Vgl.  z.  B.  die  Liste  in  Arch.  V  274. 

Kenyon  Lond.  Π  S.  183/4  (315)  erklärte  die  γναφνκή  für  Monopol- 
betrieb. Mein  Widerspruch  (Arch.  I  156),  dem  Kenyon,  Class.  Rev.  14, 
171  zustimmte,  wurde  mit  Recht  auf  Grund  einer  Parallelurkunde  von 
Grenfell-Hunt,  P.  Fay.  S.  150,  zurückgewiesen.  Vgl.  auch  Teb.  Π  S.  48. 
Anders  Otto  I  308,  1,  der  darin  (wie  ich  früher)  die  Gewerbesteuer  sehen 
will.  Daß  die  Walkerei  schon  im  III.  Jahrb.  v.  Chr.  monopolisiert  war, 
zeigte  ich  inzwischen  im  Arch.  III  516  an  Petr.  II  18  (1),  vgl.  ΠΙ  32  (c). 
Hier  ist  der  Ausdruck  υποτελής  auf  aUe  FäUe  für  das  Monopol  beweisend, 
da  es  sich  ja  um  einen  Arbeiter  (γναφενς),  nicht  um  einen  Pächter  handelt 
(s.  oben  S.  248). 

Αέρματα, 

In  Petr.  II  32  (1),  5  (=  III  S.  78)  wird  ein  ßaöiXixbv  ταμίείον^)  δερ- 
[μά]των  (Wyse)  erwähnt,  in  dem  βυρόοδεψαο  (resp.  οκντεΐς)  arbeiten. 
Vgl.  Ostr.  I  294,  354.     Also  zum  mindesten  königlicha  Manufaktur. 

'Έλαιον, 

Zum  ptolemäischen  Olmonopol  vgl.  oben  S.  241  ff.  Schwieriger  ist  die 
Frage,  wie  es  in  der  Kaiserzeit  organisiert  war.  GrenfeU-Hunt,  Amb.  II 
S.  115,  folgerten  daraus,  daß  in  der  Kaiserzeit  sich  Ölmühlen  im  Privat- 
besitz befinden  wie  in  Fay.  95,  96  (313)  und  Amh.  93  (314),  daß  ein 
wirkliches  Olmonopol  nicht  mehr  bestanden  habe.  In  diesen  von  ihnen 
angezogenen  Fällen  handelt  es  sich  aber  um  Oliven-  und  Rettigöl,  dessen 
Produktion  auch  in  der  Ptolemäerzeit  nicht  monopolisiert  war.  Vgl. 
Arch.  I  553,  auch  Otto  I  295,  1,  wogegen  in  anderen  FäUen  von  privaten 
Ölmühlen  sich  dieser  Nachweis  nicht  erbringen  läßt.  Otto  1.  c.  läßt  daher 
die  Frage,  ob  das  Olmonopol  in  der  Kaiserzeit  bestand,  unentschieden. 
Rostowzew  (GGA  1909,  632•)  scheidet  zwischen  Produktion  und  Verkauf. 
Der  Verkauf  sei  Staatsmonopol  geblieben,  die  Produktion  aber  sei  aUen 
freigestellt.  Ersteres  ist  gewiß  richtig.  Die  zweite  Frage  ist  noch  ein 
Problem.     Die   große    Zahl   der   privaten    έλαιονργΐα   (vgl.   Otto  1.  c.)   be- 

1)  P.  Meyer,  ^ωίκηβις  (Festschr.  0.  Hirschf.)  S.  131  faßte  dies  irrig  als  Staats- 
kasse, da  er  die  Lesung  δερ[μά]των  noch  nicht  kannte.  Ταμ,ΐΗον  kommt  in  der  Ptole- 
mäerzeit in  dieser  Bedeutung  nicht  vor. 


§  1.    Die  Monopole.  251 

weist  das  nocli  nicht,  da,  wenn  ich  nicht  irre,  noch  in  keinem  Falle  sicher 
ist,  daß  eine  der  Monopolsorten  darin  verarbeitet  wurde.  Die  Olpressen- 
steuer  (τέλος  ϋ-νίών)  beweist  es  ebensowenig,  denn  die  wird  auch  von 
nicht  monopolisierten  Ölbetrieben  erhoben  (Amh.  93  [314]:  Raphanos). 
Diese  Frage  lasse  ich  also  noch  offen.  —  Für  das  Verkaufsmonopol  vgl. 
Amh.  92  (311).  Ölmühlen  in  der  kaiserlichen  ovöCa  vgl.  in  Wess.  Spec. 
11,  20/1  (176)  und  Lond.  II  S.  193/4  (312). 

"Ερια.  ^ 

Die  Wollweberei   war  nach   Rev.   P.  103,  2   köuigliches   Monopol  in 

demselben  Sinne  wie  die  όϋ-ονιηρά^  unter  der  sie  mit  behandelt  wird.   Vgl. 

auch  106,  3  und  107,  4,  wo  statt  ί]ερέων  wahrscheinlich  Βρεών  zu  lesen  ist. 

Vgl.  oben  S.  245  Anm.  1.    Daher  begegnen  in  Teb.  5,  239  die  εριονφάνταυ 

unter  den  υποτελείς.     Vgl.  auch  die  πόκ<^ν}φοι  in  Teb.  5,  170  f.  und  dazu 

Teb.  116,  22:    ερίων  %ό{κοι)  β.     Über    die    Tuchfabriken    der    berühmten 

Kleopatra  vgl.  Orosius  VI  19,  20,  denen  ein  römischer  Senator  A.  Ovinius 

vorgestanden    hat.      Der   Ausdruck    εριηρά    begegnet    in    P.    Cairo    10449 

(Arch.  I  552). 

Ζντος. 

Ob  es  ein  Biermonopol  gegeben  hat,  wird  von  manchen  bezweifelt, 
wie  von  Bouche-Leclercq  III  1^48/9,  Otto  II  287,  1.  Maspero  85  nennt 
es  ein  monopole  iictif.  ^)  Ich  habe  der  Ansicht  von  GrenfeU-Hunt,  daß 
die  Bierbrauerei  und  der  Bierverkauf  monopolisiert  gewesen  seien  (Teb.  I 
S.  48  f.)  im  Arch.  III  520  zugestimmt,  weil  auch  die  ξυτο:ΐοιοί  ebenso 
wie  die  ελαωχάπηλοι  vom  König  eine  οννταϊ,ις  bezogen  (Petr.  III  87 
S.  220  ff.).  Aus  Teb.  5,  173  allein  würde  ich  es  nach  den  obigen  Bemer- 
kungen über  υποτελής  nicht  mehr  folgern,  auch  nicht  aus  Par.  63,  97. 
Aus  dem  Hev.  P.  Frag.  6  (a)  13  und  (h)3,  wo  von  Bier  gesprochen  wird, 
läßt  sich  nichts  folgern,  da  nicht  einmal  feststeht,  ob  von  ζυτοπ[ώλαί  oder 
von  ξντοπ[οιοί  die  Rede  ist.  Für  den  Betrieb  der  Ptolemäerzeit  ist  das 
Wichtigste  Grenf  II  39  (310),  wonach  ζυτοττοιοί  einen  monatlichen  φόρος 
zahlten.  Ich  sehe  jetzt  in  diesem  φόρος  ein  Anologon  zu  dem  φόρος^  der 
in  der  Kaiserzeit  öfter  für  Monopolbetriebe  gezahlt  wird,  d.  h.  den  Pacht- 
zins. Diese  ζντοποιοί  haben  also  die  Bierbrauerei  vom  König  gepachtet. 
Eb  ist  dies  eben  eine  andere  Organisation  des  Monopols  als  Beim  Ol-  und 
Othonionmonopol.  Für  die  Deutung  der  ξντηρά  gibt  es  leider  immer 
noch  mehrere  .Nlöglichkeiten.  Ob  das  Biermonopol  in  der  Kaiserzeit  noch 
bestanden  hat,  kann  angesichts  von  BUU  IV  1126  zweifelhaft  erscheinen, 
wn  i.jne  AlexfirMlriniTin  ein  ζντοπωλίον  besitzt  ΠνΙ  7ντ»  r^i])  (a.  9  v.Chr.). 


1 ,  Auch  M.  Weber,  AgrargeMbiohte  (H.  d.  StaftUw.  8.  Anfl.)  8.  184  toheint  kein 
>  π'<ι»>1  ansonehmen. 


252  Kapitel  VI.     Industrie  und  Handel. 

Nach  Lond.  ΙΠ  S.  182  war  a.  113  in  Arsinoe  ein  ξντοΛωλεΙον  Σαραπεόου. 
Wichtig  ist,  daß  nach  einer  Inschrift^)  ein  kaiserlicher  Freigelassener 
im  Menelaites  für  einen  Tempel  ein  ζντοπωλείον  stiftet  und  die  Regie- 
rung um  Steuerfreiheit  für  dieses  bittet.  Zu  bemerken  ist,  daß  er  nicht 
erst  um  die  Erlaubnis  bittet,  die  Bier  Verkaufsstelle  einrichten  zu  dürfen, 
sondern  nur  um  Steuerfreiheit  für  die  Stiftung.  Freilich  könnte  vielleicht 
eingewendet  werden,  daß  die  Tempel  so  wie  so  das  Privileg  hatten,  trotz 
des  Monopols  Bier  zu  verkaufen.  So  ist  BGÜ  IV  1126  vielleicht  noch 
entscheidender  als   diese  Inschrift.     Zur  Frage   vgl.  auch  Teb.  II  S.  335. 

In  den  Ostr.  I  137  ff.  nahm  ich  wohl  ausgedehnte  Fischereirechte  des 
Königs,  aber  nicht  Monopol  an.  Inzwischen  sind  GrenfeU-Hunt  in  Teb.  I 
S.  49  für  das  Monopol  eingetreten^),  während  Bouche-Leclercq  III  247 
meint,  das  theoretisch  bestehende  Monopol  sei  hier  in  eine  Steuer  (die  χε- 
τάρτη  αλιέων)  umgewandelt.  In  Ρ.  Hamb.  6  (320)  hat  jedoch  P.  Meyer 
eine  Stütze  für  meine  Ansicht  gefunden. 

Μβλισσουργία. 

Wenn  ich  auch  aus  der  Erwähnung  der  μελίΰόονργοί  in  Teb.  5,  157  ff. 
u.  173  nach  obigem  nicht  folgere  (wie  Grenfell-Hunt),  daß  die  Imkerei 
monopolisiert  war,  so  folgt  doch  aus  ihrer  Erwähnung  an  jener  Stelle 
mindestens,  daß  der  König  an  diesem  Betriebe  stark  beteiligt  war.  So 
auch  Bouche-Leclercq  III  247.  Die  Frage,  ob  Monopol  bestanden  hat, 
wird  wohl  auch  durch  den  εγλημτίτωρ  oder  τελώνης  μέλιτος  καΐ  κηρον 
in  Lond.  III  S.  106  noch  nicht  entschieden. 

Μέταλλα. 

Ein  Bergwerksmonopol  und  auch  Steinbruchsmonopol  ist  für  die 
Ptolemäerzeit  sicher  anzunehmen,  während  in  der  Kaiserzeit  mindestens 
theoretisch  auch  Privatbesitz  möglich  war.  Hierüber  zuletzt  K.  Fitzler, 
Steinbrüche  und  Bergwerke  S.  56  f.  und  110  ff. 

Νίτρον, 

Natrongewinnung  und  -verkauf  war  sicher  (parallel  dem  Salz)  mono- 
polisiert.    Vgl.   Wilcken,    Gr.    Ostr.  I   264 f.      Bouche-Leclercq   III    240. 


1)  Vgl.   de  Ricci,   Arch.  II  565  n.  121   (Ergänzungen    bis   auf  Z.  6    irrig)    und 
Lefebvre,  Bull.  Corr.  Hell.  26,  451.    Das   Petitum  ist  m.  E.   so   zu  ergänzen:   Βονλό- 

μενος  δΐ  προοκτ/σαι  [ καΙ?    ξ]υτοπολΐον  in'  ενεργεαίαι   τον    [Ιερον,    άξίώ 

έ7ίΐχ]ωρ7ΐ^'ήνοα  καΐ  τοντο  είναι  ατελές.  Aus  dem  letzten  καΐ  folgt,  daß  die  vorher 
genannten  εργαστήρια  schon  steuerfrei  waren.  Also  ergänze  ich  Z.  5:  έργαϋτηρια 
[ατελή  οντά  έ'τι]  άτνό  των  ^νπροΰ&εν  χρόνων. 

2)  Par.  63,  97  ist  zwar  nicht  beweiskräftig,  denn  die  νταοτελεΐς  ίχΟ-νηρά  könnten 
auch  Steuerpächter  sein.    Vgl.  oben  248. 


§  1.    Die  Monopole.  253 

Maspero  89.  Genauere  Nachricliteii  über  die  Organisation  fehlen  für  die 
älteren  Zeiten.  Für  das  IV.  Jahrh.  n.  Chr.  wirft  Lond.  Π  S.  285  (322) 
interessante  Lichter  auf  den  Natron-Schmuggel. 

Βύλα. 

Nach  Teb.  5,  205  war  durch  königliche  Λροότάγαατα  das  Holzfällen 
sogar  auf  eigenem  Boden  untersagt,  oder  war  wahrscheinlich  von  der 
königlichen  Erlaubnis  abhängig  gemacht.  Also  auch  da,  wo  Privatbesitz 
allmählich  entstand,  behielt  der  König  sich  doch  die  Bestimmung  über  die 
Baumbestände  vor.  Während  Maspero  S.  91  geneigt  ist,  von  emem  Holz- 
monopol zu  sprechen,  sieht  Bouche-Leclercq  HI  241  darin  nur  einen 
Schutz  des  Baumbestandes.  Handelt  es  sich  in  P.  Teb.  nur  um  eine  Ein- 
holung der  Erlaubnis  zum  Fällen,  so  liegt  kein  Monopol  vor.  Ich  erinnere 
daran,  daß  schon  in  der  Pharaonenzeit,  im  Neuen  Reiche,  ohne  Erlaubnis 
des  Veziers  kein  Baum  gefällt  werden  durfte.^)  Über  den  besonderen 
Schutz  der  Perseabäume  vgl.  meine  Ausführungen  im  Arch.  I  127  zu 
Oxy.  I  53.  —  Über  die  ζνλίχη  in  den  auswärtigen  Besitzungen  vgl. 
Teb.  8  (2). 

Ό^όνια, 

S.  oben  S.  245  f  Für  die  Kaiserzeit  vgl.  Ostraka  I  267  ff.  und  das 
unten  S.  259  über  die  Byssosfabrikation  der  Tempel  Gesagte. 

οίνος. 

Sowohl  Maspero  S.  80 ff.  wie  auch  Jouguet  zu  P.  Lille  4, 15  (S.  45)  ent- 
nehmen dem  Rev.P.  24 — 35  ein  Weinmonopol.  Dieser  Abschnitt  handelt  viel- 
mehr ausschließlich  von  der  άπόμοιρα^  der  Sechstelabgabe  an  die  Göttin  Phila- 
delphos  (vgl.  249).  Die  strenge  Kontrolle  der  Weinproduktion  hat  mit  einem 
Monopol  nichts  zu  schaffen.*)  W^enn  der  König  diese  scharf  kontrolliert, 
ganz  anders  als  den  Getreidebau,  so  liegt  das  nach  meiner  Ansicht  daran, 
daß  dort  die  Steuer  eine  Quote  ist,  hier  ein  fixes  Quantum.  Wo  Quoten 
vorliegen,  hat  der  König  ein  ganz  anderes  Interesse  an  der  höchst  möglichen 
Ernte.  Damit  hängt  auch,  wie  wir  oben  sahen,  zusammen,  daß  die  Er- 
hebung der  Weinabgabe  verpachtet  ist,  die  der  όίτιχά  nicht. 

mM>ot. 
FQr  die  Kaiserzeit  wird   das  Monopol  der  Ziegelfabrikation  und  des 
Ziegelyerkaufs  belegt  durch  Fay.  36  (310). 

1)  Vgl  Breatted,  Ancient  Ilecord•  of  Egypt  II  §  607  (atii  dem  Gnbe  de• 
Reohmert,  Aber  die  Pflichten  de•  Vexiert):  ,,It  ie  he  (der  Vetier)  who  diipaichet  to 
CQt  down  ireet  accordin^^  to  the  deoeiion  in  ihe  king'i-houie "  Vgl.  Teb.  6,  S05: 
{άηολϋαα»)  χα)  το^ς  ηικοφότας  χώρ  ίΟων  |ν1α  ηαρά  <τά>  ^χ<»>ι/μ•να  %099τάγμαΜα. 

%)  Dagegen  erkl&rte  ich  mich  schon  Deutache  Lit.  Z.  1897,  8p.  1018  und  kfirt- 
lirh  im   Arrh    V  124. 


254  Kapitel  VI.     Industrie  und  Handel. 

Πλοία, 

Die  Schiffahrt  auf  dem  Fluß  war  nicht  monopolisiert,  aber  der  König 
war  als  Besitzer  vieler  Schiffe,  im  besonderen  Transportschiffe,  stark  be- 
teiligt an  diesem  Erwerb.  Vgl.  Rostowzew,  Arch.  V  298,  der  auf  Teb. 
5,  99  und  Petr.  III  1 07  (auch  Hib.  39,  4)  hinweist.  Daß  auch  Königinnen 
Schiffsbesitzerinnen  waren  und  damit  Geschäfte  machten,  zeigte  ich  Arch. 
V  22Q  aus  P.  Lille  22  und  23.  Von  der  Verpachtung  eines  νανλον  für 
königliche  Schiffe  oder  Fähren  handelt  auch  Theb.  Bankakt.  12,  die  ich 
in  den  „Urkunden  der  Ptolemäerzeit"  neu  behandeln  werde.  —  Im  An- 
schluß hieran  sei  auf  die  Inschrift  aus  Myra  (Lycien)  bei  Dittenberger, 
Or.  Gr.  II  572  (U/III.  J.)  verwiesen,  die,  Λvenn  ich  recht  sehe,  uns  ein 
städtisches  Fähr-Monopol  vor  Augen  führt.  Der  Text  erinnert  in  manchen 
Wendungen  an  den  Rev.  Papyrus. 

Πορφύρα, 

Die  τΐορφνρίκή  wird  durch  Teb.  8  (2)  für  Lycien  bezeugt.  Ob  Mono- 
pol vorliegt,  läßt  sich  dem  Text  nicht  entnehmen.  Vgl.  Bouche-Leclercq 
III  270. 

Σίλφιον, 

In  dem  ptolemäischen  Nebenlande  Cyrenaica  war  das  Silphion,  der 
wichtigste  Exportartikel,  monopolisiert,  wie  ich  mit  Beloch,  Griech,  Gesch. 
III  (1)  340  annehme  (anders  Bouche-Leclercq  III  244).  Zu  den  von  Beloch 
angeführten  Belegen  ist  hinzuzufügen  Aristoteles  Fragm.  (Rose)  528,  wo- 
nach die  Kyrenäer  dem  Battos  das  Silphion  als  έξ,αίρετον  überwiesen.  Das 
soU  doch  wohl  eine  historische  Erklärung  des  königlichen  Monopols  sein. 
So  zeigt  uns  die  berühmte  Arkesilasschale  die  persönliche  Fürsorge  des 
Königs  für  sein  Monopol. 

Στν:ΐΐ^τιον, 

Die  Verarbeitung  des  groben  Hanfs  oder  Wergs  fiel  nach  Rev.  P. 
103,  2  (οτνπτΐεΐνων)  unter  die  Verwaltung  des  Othonionmonopols  und 
war  mit  diesem  monopolisiert.  Ptolemäos  III  schenkte  den  Rhodiern  nach 
dem  großen  Erdbeben  u.  a.  οτνππίον  τρίοχίλια  (seil,  τάλαντα)^  οΘ-ονίων 
Cörovg  (vgl.  Rev.  F.i)  τριοχιλίονς  (Polyb.  V  89,  3,  vgl.  Bouche-Leclercq 
III  268,  3).  Daß  die  stuppa  noch  in  der  Kaiserzeit  monopolisiert  war, 
sagt  vit.  Aurelian.  45. 

Στνπτηρία, 

Daß  die  Alaungewinnung  monopolisiert  war,  ist  nach  Analogie  von 
Salz,  Natron  usw.  zu  vermuten'),  und  wird  für  die  Kaiserzeit  durch 
BGÜ  697  (321)  bestätigt.    Vgl.  Rostowzew,  Woch.  Klass.  Phil.  1900,  115. 


1)  Nicht  entscheidend,  aber  doch  bemerkenswert  ist,   daß  Amasis  nach  Delphi 
χίλια  οτνπττιρίης  τάλαντα  schenkte  (Herod.  Π  180). 


§  1.    Die  Monopole.  255 

Τρά:ΐΒζα, 

Über  das  Bankmonopol  s.  zu   181. 

'Ταλος. 

Für  das  Glasmonopol,  das  nach.  vit.  Aurelian.  45  anzunehmen  ist, 
haben  die  Papyri  noch  nichts  gebracht. 

"^Τοφορβοί. 

Daß  die  Schweinezucht  nach  Teb.  5,  171  nicht  notwendig  als  Monopol 
aufzufassen  ist,  wurde  schon  oben  S.  248  ausgeführt.  Aber  das  lehrt  die 
Stelle  mindestens,  daß  auf  den  königlichen  Domänen  die  Schweinezucht 
wohl  im  großen  Stil  betrieben  wurde.  Über  den  Schweinezüchter  in 
BGÜ  92  vgl.  Kap.  IX. 

Χάρται. 

Für  Papyrusfabrikation  und  -verkauf  wird  von  den  meisten  Forschern 
Monopolisierung  angenommen,  so  von  Lumbroso,  Recherch.  S.  99,  Ros- 
towzew,  Woch.  klass.  Phil.  1900,  115,  Bouche  -  Leclercq  III  267.  Vgl. 
auch  Dziatzko,  Untersuchungen  z.  ant.  Buchwesen  (1900)  S.  98  ff.  (mit 
Zeugnissen  auch  für  die  byzantinische  Zeit).^)  Vgl.  vit.  Aurelian.  45. 
Bestätigend  kommt  Teb.  II  308  (319)  hinzu.  2)  Dieser  Text  legt  zugleich 
nahe,  daß  die  Priester  auch  bei  diesem  Monopol,  Λvie  bei  dem  Ol-  und 
Othonionmonopol,  ein  Privileg  hatten.  Vielleicht  findet  dadurch  die  charta 
hieratica,  die  nach  Plinius  ursprünglich  die  beste  war,  ihre  Erklärung. 
Ebenso  begreifen  wir  vom  Monopol  aus  besser  die  Nachricht,  daß  der 
Präfekt  C.  Cornelius  Gallus  eine  neue  Papyrussorte  eingeführt  habe  (Sue- 
ton,  Reliqu.  ed.  Reifferscheid  S.  132,  vgl.  Isid.  orig.  II  10),  die  Comeliana. 
BGU  IV  1121  zeigt,  daß  das  Rohmaterial  (Papyrusdickichte)  auch  in 
Privatbesitz  war,  aber  die  in  diesem  Vertrage  festgesetzten  Arbeiten 
beziehen  sich  nur  auf  die  Pflege  des  Dickichts,  nicht  etwa  auf  Papyrus- 
fabrikation. Der  Kleinverkauf  erfolgte  durch  χαρτοπώλαι^  wie  der  des  Öls 
durch  die  ίλαιοπώλαι.  Nach  Teb.  I  112,62  soll  zwar  Papyrus  direkt  vom 
XUQtoTcoiog  gekauft  sein,  was  mir  sachlich  bedenklich  ist.  Aber  auch  die 
Abkürzung  χαρχοπο{ι&ι)  ist  auffällig:  ich  vermute,  daß  χαρτοπό{λψ) 
(—  χαρτοπώλψ)  zu  ergänzen  ist.  Was  die  χαρτηρά  ist,  ist  noch  dunkeL 
Vgl.  Petr.  111  S  293  (Quittung  von  πραγματινόμίνοι,  τήν  χαρτηράν^  leider 
verstümmelt),  Teb.  140  (τβλώνψ  χαρτηράς)^  für  die  Kaiserzeit  BGÜ  277 
II  11   (für  den  ονόιαχος  λόγος  erhoben,   vgl.  hierzu  S.  257).     Vielleicht 

1  Dagegen  rechnet  M.  Weber,  Agru-geichichte  S.  186  mit  der  Monopoliiierung 
der  Papyrufverarbeitung  durch  die  alexandriniechen  Papjroih&ndler. 

2)  Daß  ei  auch  PapjruMflmpfo  gab,  die  in  privatem  Beiits  waren,  ipricht  nicht 
gegen  die  Monopoliiierung  der  Papyruifabrikation.  Vgl.  BQU  IV  llSl  (Verpachtung 
eine•  ^'^^  "f ?-•• 


256  Kapitel  VI.     Industrie  und  Handel. 

ist  mit  χαρτηρά  (seil,  ώνή)  direkt  das  Papyrusmonopol  bezeiclinet.  Soeben 
hat  Calder  in  Kilo  X  236  eine  kleinasiatische  Inschrift  publiziert,  in  der  ein 
kaiserlicher  Freigelassener  den  Titel  führt:  επίτροπος  χαρτηράς  (so,  nicht 
χάρτη[ς  ίε]ρας^  wie  Calder  liest)  Αλεξανδρείας.  Also  ein  Prokurator  an 
der  Spitze  des  Monopols! 

XrivoßouTiCa. 

Wie  oben  S.  248  bemerkt,  folgt  aus  Teb.  5,  171  nicht  das  Monopol. 
Wohl  aber  wird  auf  den  königlichen  Domänen  die  Gänsezucht  eine  große 
RoUe  gespielt  haben.     Vgl.  Petr.  II  10  (1). 

Aus  Lond.  III  S.  108  (318)  ergibt  sich,  daß  die  Juwelierarbeit  mono- 
polisiert war.  Vgl.  meine  Einleitung.  Wenn  in  BGU  IV  1127  (a.  18  y.  Chr.) 
ein  Privatmann  einem  andern  ein  έργαοτηρίδιον  χρνοοχονν  verkauft,  so 
kann  diese  Werkstatt  den  oben  S.  246  besprochenen  λιννφαντεΐα  parallel 
stehen. 

Die  Liste  zeigt  also,  daß  zurzeit  noch  große  Unsicherheit  über  die 
Frage  herrscht,  welche  Betriebe  vom  König  vollständig  monopolisiert 
waren,  und  an  welchen  er  nur  in  Konkurrenz  mit  anderen  beteiligt  war. 
Auf  jeden  Fall  tritt  uns  aber  auch  jetzt  schon  entgegen,  daß  der  König 
der  größte  Großindustrielle  und  Großkaufmann  des  Landes  war. 
Lassen  wir  die  landwirtschaftlichen  Betriebe  wie  Schweinezucht  und  Gänse- 
zucht hier  beiseite,  so  sind  es  die  allerverschiedensten  Produkte,  an  deren 
Produktion  und  Verkauf  der  König  auf  die  eine  oder  andere  Weise  be- 
teiligt war.  Es  sind  einmal  die  notwendigsten  Nahrungs-  und  Genußmittel 
des  Volkes,  wie  das  Salz,  das  Ol,  das  von  anderem  abgesehen  im  Haus- 
halt die  Rolle  unserer  Butter  spielte,  der  Honig,  der  unsern  Zucker  ver- 
trat, ferner  Fische,  das  wichtigste  Nahrungsmittel  des  kleinen  Mannes, 
und  Bier.  Dazu  kamen  notwendige  Gebrauchsgegenstände,  die  gleichfaüs 
für  einen  Massenkonsum  zu  liefern  waren,  wie  die  leinenen  und  wollenen 
Gewebe  sowie  ihre  Verarbeitungen  zu  Kissen,  Decken,  Handtüchern  usw. 
und  ihre  Behandlung  durch  Färberei  und  Walkerei,  ferner  der  Papyrus 
als  Schreibmaterial,  die  Ziegel  zum  Bauen  und  das  Natron  zum  Waschen 
(statt  Seife).  Endlich  aber  auch  Luxusgegenstände,  die  nur  für  die  höheren 
Klassen  in  erster  Reihe  in  Betracht  kamen,  wie  die  Goldschmiedearbeiten, 
die  Parfüms  und  Salben,  auch  das  Silphion,  das  u.  a.  als  feines  Gemüse 
beliebt  war. 

Ein  Problem  ist  noch  die  Frage,  wie  die  Monopolwirtschaft  sich  im 
Laufe  der  Zeit  entwickelt  hat.  Unser  Material  ist  noch  zu  zufällig  und 
lückenhaft,  um  dies  schon  jetzt  erkennen  zu  können.  Schlüsse  a  silentio 
sind  gefährlich.    Wenn  z.  B.  das  Ziegeleimonopol  uns  erst  aus  der  Kaiser- 


§  1.    Die  Monopole.  257 

zeit  überliefert  ist,  so  folgt  daraus  noch  nicht,  daß  die  Ptolemäer  es 
nicht  schon  gehabt  hätten.  So  wage  ich  nicht  zu  sagen,  ob  in  der  Kaiser- 
zeit eine  Steigerung  des  Monopolsystems  eingetreten  ist.^)  Ich  habe  bis 
jetzt  eher  den  Eindruck,  daß  in  der  Kaiserzeit  die  Privatbetriebe  sich  aus- 
gedehnt haben,  aber  vielleicht  täusche  ich  mich.  Jedenfalls  wissen  wir 
heute  nach  den  neuen  Aufschlüssen,  daß  die  Monopole  der  byzantinischen 
Zeit  nicht  etwas  Neues  waren  ^),  sondern  nur  eine  Weiterbildung  von 
schon  seit  langem  Besteheudem.  Was  wir  für  diese  Zeit  über  die  Be- 
schränkung der  persönlichen  Freiheit  derer,  die  in  den  kaiserlichen  Fabriken 
arbeiteten,  hören  ^),  hat  z.  T.  schon  seine  Vorläufer  in  der  älteren  Zeit, 
wie  z.  B.  der  Beschränkung  der  Freizügigkeit  der  königlichen  Ölarbeiter, 
aber  andrerseits  ist  die  byzantinische  Periode  noch  rigoroser  verfahren,  ent- 
sprechend der  allgemeinen  Richtung  dieser  Zeit,  wie  sie  uns  auch  in  der  Aus- 
bildung der  Zwangszünfte  und  des  Kolonates  entgegentritt.  Wenn  die  kaiser- 
lichen Betriebe  damals  unter  Leitung  von  Prokuratoren  stehen,  wie  den 
procuratores  gynaeceoruiri,  baphiorum,  linyphiorum  usw.*),  so  erinnere 
ich  an  den  S.  266  erwähnten  επίτροποξ  xccQxriQag  14λε^ανδρείας  als  ihren 
Vorgänger  aus  der  früheren  Periode. 

Was  endlich  die  Organisation  der  Monopole  betriflPt,  so  sind  uns  ver- 
schiedene Arten  entgegengetreten.  Schon  zwischen  der  Organisation  des 
Ölmonopols  und  des  Othonionmonopols  ließen  sich  Abweichungen  fest- 
stellen. Wiederum  anders  war  die  Behandlung  des  Biermonopols,  wo  uns 
die  Verpachtung  gegen  eine  Pauschalsumme  an  die  Produzenten  {φόρος) 
entgegentrat.  Dies  ist  die  Form,  die  für  die  Kaiserzeit  in  mehreren  Fällen 
nachweisbar  ist,  vgl.  Lond.  III  S.  108  (318)  für  die  χρνοοχοϊχή^  Fay.  36 
(316)  für  die  nlivd-oTtouay  Fay.  93  (317)  für  die  αρωματική  έργαόία. 
Doch  reicht  unser  Material  nicht  aus,  um  zu  sagen,  daß  dies  eine  Neue- 
rung der  Kaiserzeit  sei.  Es  ist  nicht  ausgeschlossen,  daß  dieselbe  Einrich- 
tung bei  diesen  Betrieben  (ebenso  wie  beim  Biermonopol)  schon  in  der 
Ptolemäerzeit  bestanden  hat.  Eine  Neuerung  war  dagegen,  daß  die  άντι- 
γραφίΐ^  der  Ptolemäerzeit  jetzt  durch  die  έπιτηρψαί  ersetzt  waren,  wie 
bei  der  »Steuerpacht.  Vgl.  zu  316.  Wenn  andrerseits  der  Klein  verkauf 
in  der  Kaiserzeit  verpachtet  ist  (vgl.  Amh.  92  [311]  für  den  Ölverkauf, 
Fay.  36  [316]  für  die  πλιν^οπωλιχή,  Fay.  93  [317]  für  die  μνροπωΐιχή, 
vgl.  aach  den  φόρος   für   die   χαρτηρά  in  BGU  "211  II   1(>Ίν'•\   so   haben 


1)  Die•  nimmt  Max  Web«'r,  Aj^arifOHch.  S.  180,  an. 

2)  Vgl.  Jak.  Burckhardt,  Zeit  Konetantine  1H58  S.  450. 
8)  Vgl.  z.  B.  H.  »chiller,  U.  Kaisereeit  II  Hl. 

4)  Vgl.  H.  SchillcT  1.  c.  76. 

6)  Vgl.  hierzu  GrenfcU-Hunt  in  Teb.  II  S.  181,  die  die  Pertonen  diese•  Papyma 
τ  1'  h  Annl  /in  von  IKiU  10  all  ίηιτηφηχαϊ  τίΧωψιηών  erklären.  Jedenfall•  sind  ee 
K•  f  r  t.  /iihlnr,  londeni  Pertonen  au«  der  betfeffenden  Verwaltung,  seien  lie  nun 
l'aclit»T  θ(1«'Γ  Kpitercten. 

MltUlt-Wtlek«o:  Onindiag•  I.  Π 


258  Kapitel  VI.    Industrie  und  Handel. 

wir  eine  Verpachtung  an  die  κάτιηλοί  für  das  Olmonopol  auch  schon  für 
die  Ptolemäerzeit  kennen  gelernt  (s.  oben  S.  242). 

§  2.    DIE  INDUSTRIE. 

Außer  den  auf  S.  239  genannten  Arbeiten  vgl.  V arges,  de  statu  Aeg.  prov. 
Kom.  1842,  73  £F.  —  H.  Blüm  η  er,  Die  gewerbliche  Tätigkeit  der  Völker  des  klass. 
Altertums  1869  S.  6ff.  —  Lumbroso,  Recherches  S.  100  If.  —  Wilcken,  Griech. 
Ostraka  I  321  ff.  (über  χειρωνάξιον) ,  681  ff.  (Sklaverei  und  freie  Arbeit).  —  Max 
Weber,  Agrargeschichte  im  Handwörterb.  d.  Ötaatswiss.  3.  Aufl.  S.  126  ff. 

Wie  schon  oben  bemerkt  wurde,  sollen  hier  und  in  dem  folgenden 
Paragraphen  nur  die  Probleme  kurz  skizziert  werden,  um  zu  der  noch 
fehlenden  Durcharbeitung  des  Materials  anzuregen. 

Im  vorigen  Paragraphen  hat  sich  uns  der  König  als  der  erste  Groß- 
industrielle des  Landes  herausgestellt.  Nächst  ihm  haben  die  Tempel 
die  erste  Rolle  in  der  Industrie  gespielt.^)  Sie  scheinen  das,  was  sie  zum 
Unterhalt  ihrer  Priesterschaften  brauchten,  nach  Möglichkeit  selbst  produ- 
ziert zu  haben,  wobei  wir  uns  erinnern  mögen,  daß  sie  auch  Land- 
besitzer waren  und  die  landwirtschaftlichen  Produkte  selbst  erzeugten. 
Man  kann  daher  bis  zu  einem  gewissen  Grade,  wie  von  einer  Oikenwirt- 
schaft  des  Königs,  so  auch  von  einer  Oikenwirtschaft  der  Tempel  sprechen. 
Ob  und  wie  weit  sie  sich  über  die  eigenen  Konsum-  und  Kult-Bedürfnisse 
hinaus  zwecks  Gewinnerzielung  an  der  Industrie  beteiligt  haben,  ist  noch 
eine  strittige  Frage  ^),  doch  spricht  auch  außer  den  Darlehensgeschäften 
noch  manches  für  die  Annahme  einer  solchen  Beteiligung.  Von  allge- 
meiner Bedeutung  hierfür  ist  die  Stelle  in  Teb.  6,25  (332),  wo  unter 
den  Einnahmequellen  der  Priester  auch  auf  die  άπο  εμποριών  καΐ  εργα- 
σιών (Handel  und  Gewerbe)  hingewiesen  wird.  Wahrscheinlich  war  die 
industrielle  Betätigung  in  noch  höherem  Maße  in  der  vorgriechischen 
Zeit  entwickelt,  wenigstens  läßt  sich  in  den  beiden  Branchen,  über  die 
uns  ausführliche  Nachrichten  vorliegen,  der  Ol-  und  der  Othonionindu- 
strie,  erkennen,  daß  die  ersten  Ptolemäer  die  Tempelbetriebe  zugunsten 
der  königlichen  eingeschränkt  haben.  Nach  Rev.  P.  50,  20  ff.  (299) 
durften  die  Tempel  Sesamöl  nur  noch  für  ihren  eigenen  Bedarf  produ- 
zieren, während  ihnen  der  Verkauf,  der  offenbar  vorher  freigestanden 
hatte,  verboten  wurde.  In  dieser  Beschränkung  läßt  sich  die  Olfabrikation 
der  Tempel  auch  noch  für  die  Kaiserzeit  belegen.  So  zahlt  noch  im 
III.  Jahrh.  n.  Chr.  der  Tempel  des  Soknopaios  die  Mörsersteuer  (τέλος 
ϋ'νίών)  für  eine  Ölmühle  (έλαίονργίον)  nach  BGU  337,  11  (92)  und 
Lond.  II  S.  71.^)  Ebenso  ist,  wie  schon  oben  ausgeführt  wurde,  mit 
Rostowzew  anzunehmen,  daß   die  Othonion-Produktion   der  Tempel  durch 


1)  Vgl.  Otto,  Priester  u.  Tempel  I  291  ff. 

2)  Vgl.  Weber  1.  c.  134.  3)  Vgl.  Otto  1.  c.  295. 


§  2.    Die  Industrie.  259 

das  königliche  Monopol  eingeschränkt  worden  ist.  Sie  durften  nur  noch 
die  feinen  Byssosstoffe  herstellen^  und.  zwar  zum  Verbrauch  in  den  Tem- 
peln (zur  Bekleidung  der  Götterstatuen  usw.)  und  zu  den  vorgeschriebenen 
Lieferungen  an  den  König.^)  Auch  hierfür  war  ihnen  der  Handel  ver- 
boten. Auch  diese  Industrie  läßt  sich  noch  in  der  Kaiserzeit  nachweisen: 
die  Lieferung  der  Byssosstoffe  durch  die  Tempel  für  die  Einwicklung  des 
Apis  und  Mnevis  (Nr.  85,  86)  setzt  sie  voraus.^  Ferner  zeigen  Texte 
wie  BGU  337  (92)  und  P.  Rain.  8  (Karanis  S.  71),  daß  der  Soknopaios- 
Tempel  Walker  (Monopol!),  Einpökler,  Gemüsehändler  usw.  in  seinen 
speziellen  Diensten  hatte.  Von  den  Walkern  läßt  sich  aus  Lond.  II  S.  184 
(315)  zeigen,  daß  sie  Pächter  des  Tempels  waren.  Dasselbe  gilt  vielleicht 
von  den  andern.  So  versteht  man,  daß  der  Tempel  als  der  eigentliche 
Betriebsinhaber  die  von  diesen  erhobenen  Gewerbesteuern  an  den  Staat 
einzahlte.^)  Wenn  man  auch  bei  dem  Walker  und  Einpökler  a  priori 
nicht  notwendig  an  eine  über  die  Deckung  des  Tempelbedarfs  hinaus- 
gehende Tätigkeit  zu  denken  hat,  so  kann  man  sich  den  vom  Tempel 
verpachteten  Gemüsehandel  doch  kaum  anders  vorstellen,  als  zum  Zweck 
der  Gewinnerzielung  betrieben.  Dasselbe  gilt  von  den  oben  S.  252  er- 
wähnten ξντοπωλεΐα  der  Tempel.  Dazu  kommt,  was  Otto  I.e.  über  Maler, 
Bildhauer,  Steinhauer  usw.,  die  im  Dienst  der  Tempel  standen,  zusammen- 
gestellt hat  (S.  312  f.).*)  Andrerseits  wurde  das  Korn  des  Tempels  in 
eigenen  Tempel-Mühlen  vermählen  (vgl.  Lond.  II  S.  191  [323]),  und  das 
Mehl  in  eigenen  Bäckereien  gebacken  (vgl.  Dittenberger,  Or.  Gr.  I  177: 
άρτοκόπων).^)  Als  später  die  Tempel  verschwanden  und  statt  ihrer  die 
christlichen  Kirchen  und  Klöster  sich  im  Laude  erhoben,  haben  diese  die 
Pflege  gewerblicher  Einrichtungen  von  ihnen  übernommen.^) 

Wie  für  den  königlichen  und  Tempelhaushalt  wird  man  auch  für  die 
Latifundien  der  großen  Grundherren  oiken wirtschaftliche  Zustände  anzu- 
nehmen haben,  ganz  besonders  für  die  Grundherren  der  späteren  byzan- 
tinischen Zeit  wie  die  Pagarchen,  zumal  fUr  jene  Periode  sowieso  im 
allgemeinen  eine  Rückkehr  zu  naturalwirtschaftlichen  Wirtschaftsformen 
charakteristisch  ist.  Im  Haushalt  der  oben  S.  83  erwähnten  Apiouen, 
die  sich  ihre  eigenen  Posten  und  Banken  hielten,  wird  ganz  gewiß  Oiken- 
wirtschafb  bestanden  haben. 

1;  Vgl.  Teb.  6.  246/7  (807). 

L')  Dagef^eri  kauft  der  Boknopaioitempel  die  cur  Bekleidong  der  Statuen  nötigen 
Byssoutoif«!  nach  BOU  1,  8  (02). 

8)  Vgl.  hierzu  außer  Otto  L  c.  und  Maz  Weber  1.  c.  184  meine  Bemerkungen  lu 
dem  Londoner  Text 

4)  Vgl.  jetzt  auch  Oxy.  VII  10t9  Aber  die  1$ρογλ^φο^,  von  denen  der  eine  doh 
nennt  l»Qoγλvφoς  'Oatifftog  O-tot  μ«/^0τον.  • 

δ)  Anch  die  verwandte  Stiftung,  die  ich  in  168  aus  Aeg.  '/  '"  '7  erwAhnle, 
nennt  da»  agronontov  (icN  Tenipelf. 

6)  Vgl    Otto  1   c.  l'99f.     WeUr  1   c    188  f. 

17* 


260  Kapitel  VI.     Industrie  und  Handel. 

Sehen  wir  von  allen  diesen  Großbetrieben  ab^  so  kann  bei  den 
Millionen  von  privaten  Kleinbetrieben,  zumal  bei  dem  Aufschwung  der 
Geld  Wirtschaft  in  hellenistischer  Zeit,  von  einer  Oiken  Wirtschaft  im  Sinne 
von  Rodbertus- Bücher  nicht  die  Rede  sein.  Ich  verweise  hierfür  auf 
meine  Darlegungen  in  den  Ostraka  I  697.^)  Ich  stützte  mich  dort  auf  eine 
Liste  von  verschiedenen  Berufsarten,  die  über  6  Seiten  einnimmt  und 
heute  noch  verlängert  werden  könnte.^)  Sie  zeigt  eine  außerordentlich 
weitgehende  Arbeitsteilung,  eine  Fülle  der  verschiedensten  gewerblichen 
Berufe,  die  alle  darauf  rechnen,  außerhalb  des  eigenen  Hauses  Absatz  zu 
finden.  Daß  der  Absatz  vielfach  auch  außerhalb  der  Stadt  und  des  Gaues, 
ja  des  Landes  gesucht  wurde,  wird  im  nächsten  Paragraphen  zu  be- 
sprechen sein.  Diese  Liste  erweist  andrerseits,  daß  die  Sklavenarbeit 
in  der  ägyptischen  Industrie  keine  Rolle  gespielt  hat.  Am  meisten  Sklaven 
werden  in  Alexandrien  tätig  gewesen  sein,  worüber  bisher  in  den  Papyri 
nur  einzelne  Andeutungen  vorliegen.  In  der  χώρα  aber  finden  wir  wohl 
hin  und  wieder  auch  gelernte  Arbeitssklaven  (s.  unten);  meist  aber  sind 
sie  Haussklaven  zu  persönlichen  Diensten  der  vornehmeren  Familien^), 
namentlich  der  griechischen  und  römischen,  und  eine  besondere  Rolle 
spielen  unter  ihnen  die  Sklavinnen  als  Konkubinen  des  Hausherrn.*)  Ent- 
scheidend für  das  Sklavenproblem  ist  aber,  daß  auch  die  Großbetriebe 
des  Königs  und  der  Tempel  durchaus  mit  freien  Arbeitskräften  wirt- 
schaften. Man  braucht  nur  den  Revenue-Papyrus  zu  lesen,  um  dies  zu 
sehen. 

Die  Handwerker,  die  uns  in  den  Papyri  entgegentreten,  sind  wohl 
aUe  nur  kleine  Handwerker.  Über  die  größeren  und  großen  industriellen 
Anlagen  Alexandriens  haben  sie  uns  bisher  noch  keine  Auskünfte  ge- 
bracht. Wir  können  diese  Handwerker  in  solche  scheiden,  die  Besitzer 
von  Werkstätten  sind  (εργαοτήρίο)^  und  solche,  die  keine  Werkstätten 
haben,  sondern  um  Lohn  (w-töO-dg)  bei  anderen  arbeiten.  Ein  klares  Bei- 
spiel für  letztere  bietet  Lond.  III  S.  131  (325).  Jene  εργα<3τηρία  werden 
wir  mit  Max  Weber  richtiger  als  Arbeits  Werkstätten  denn  als  Fabriken  be- 
zeichnen. Kürzlich  brachte  uns  Teb.  II  342  (IL  Jahrh.  n.  Chr.)  eine  inter- 
essante Beschreibung  einer  Töpferwerkstatt  (κεραμεΐον)  mit  allem  Zu- 
behör, und  BGU  IV  1117  (Bd.  II  107)  detaillierte  Angaben  über  eine 
Bäckerei  (^έργαύτήριον  κλίβάνίον)  in  Alexandrien  vom  J.  13  v.  Chr. 


1)  Bücher,  Zur  griechischen  Wirtschaftsgeschichte  (Festgaben  für  Albert  Schäffle 
1901)  S.  196  hat  es  leider  abgelehnt,  Ägypten  und  die  Papyrusforschung  in  die  Kon- 
troverse einzubeziehen. 

2)  Inzwischen  ist  z.  B.  hinzugekommen  ein  Verzeichnis  von  Berufsarten  aus  dem 
III.  Jahrh.  v.  Chr.  in  P.  Petr.  III  S.  173  und  ein  Verzeichnis  von  Zünften  aus  dem 
VII.  Jahrh.  n.  Chr.  in  Lond.  III  S.  277  u.  a. 

3)  Auffallend  groß  ist  z.  B.  die  Zahl  in  Lille  27  (199),  vgl.  auch  Flor.  4  (206). 

4)  Vgl.  Griech.  Ostraka  I  681  ff.     Zustimmend  M.  Weber  1.  c.  135  f. 


§  2.    Die  Industrie.  261 

Für  die  Frage,  wie  das  Handwerk  erlernt  wurde,  sind  die  uns  er- 
haltenen Lehrlingsverträge  und  Lehrverträge  von  großem  Interessen) 
Söhne  (oder  Verwandte)  werden  zur  Erlernung  der  Weberei  in  Oxj.  II  275 
(324),  IV  725  und  Teb.  Π  385  in  die  Lehre  gegeben;  von  Sklaven  han- 
deln die  folgenden  Texte:  Oxy.  IV  724  (140)  zur  Erlernung  der  Tachy- 
graphie,  Grenf.  II  59  'und  Rain.  134  (Wessely,  Karanis  S.  32)  zur  Er- 
lernung der  Weberei  (im  letzteren  Falle  ist  es  eine  Sklavin);  in  BGU 
1021  wird  ein  Sklave  einem  κτενίοτής  übergeben,  und  in  BGU  1125  soU 
ein  Sklave  musikalisch  (Flötenspiel  usw.)  ausgebildet  werden.  Von  diesen 
οίδαοκαλικαί  sind  zu  trennen  (vgl.  Arch.  V  241)  jene  παραμονή -JJrkun- 
den,  durch  die  eine  antichretische  Dienstknechtschaft  festgesetzt  >vird, 
über  die  kürzlich  H.  Lewald,  Zur  Personalexekution  (1910)  gehandelt  hat. 
Dies  παραμένειν  ist  aber  auch  gelegentlich  ein  Dienen  im  Gewerbe,  wie 
in  Teb.  384  ein  εργάζεόϋ-αι  κατά  την  γερδίακήν  τεχνην^  und  in  BGU  1124, 
wo  ein  solches  A-^erhältnis  gelöst  wird,  ist  außerdem  auch  eine  Lehre 
(έκδιδάοκείν)  vereinbart  gewesen.     Vgl.  Lewald  S.  18. 

Über  die  Vereine,  in  denen  sich  schon  in  der  Ptolemäerzeit  die 
Vertreter  desselben  Handwerks  innerhalb  des  Gaues  zusammenschlössen, 
habe  ich  in  den  Ostraka  I  331  f.  gehandelt.  Material  bot  Par.  5  (IL  Jahrh. 
V.  Chr.),  wonach  z.  B.  die  όκντεΐς  des  Pathyrites  und  die  ταριχενταί  des 
Koptites  ihre  gesonderten  Begräbnisplätze  hatten.  Auch  konnte  ich  auf 
die  nach  den  Gewerken  benannten  Straßen  von  Arsinoe  hinweisen,  wie 
die  Leinweberstraße,  Salzhändlerstraße  usw.  Vgl.  femer  Strack,  Arch.  II 
544  f.,  Otto,  Priest,  und  Tempel  I  130  f.  Außer  den  bekannten  Arbeiten 
von  Ziebarth  und  Poland  vgl.  jetzt  über  ägyptische  Handwerkervereine 
auch  G.  Plaumann,  Ptolemais  in  Oberägypten  (1!>10)  S.  104  fi*.  Auch  in 
Ägypten  sind  später  in  der  Kaiserzeit  wie  im  Reiche  diese  freien  Vereine 
zu  Zwangsverbänden  umgestaltet  worden.*)  Aus  der  byzantinischen  Zeit 
haben  wir  in  den  Papyri  manche  Belege  dafür.  So  haben  uns  z.  B.  die 
Oxyrhynchospapyri  des  IV.  Jahrh.  mit  manchen  κοινά  von  Handwerkern, 
unter  Leitung  ihrer  monatlich  wechselnden  Vorsitzenden  {μηνί^ρχοι),  be- 
kannt gemacht.  Vgl.  das  κοινον  τών  τεκτόνων  in  Oxy.  53,  das  der  όιδη- 
ροχαλκεων  in  Oxy.  84  (197),  das  der  χαλκοκολληται\  ζν^^οπώλαι,  έλαω- 
πώ)Μΐ  und  μελιόόουργοί  in  Oxy.  85.  Aus  noch  späterer  Zeit  bieten  die 
P.  Klein.  Form,  mehrere  an  die  Zünfte  (έργαϋίαι)  ausgestellte  Quittungen, 
über  die  ich  im  Arch.  V  296  gehandelt  habe.  Besonders  klar  aber  kommt 
die  Gebundenheit  und  zugleich  die  Erblichkeit  des  Standes  in  Cair.  Cat. 
6702^)  ^nuB  instinianisrhnr  Zoit)  zum  Ausdruck,  wo  Handwerker  folsn^ndor- 

1  '         :        .'.  :       .  .         '         '       ,         Γ  ,  :  ,  s^fi     jei/.t     ,11»• 

«x.iktiMi  }  riieurkundeD 

(1911)  16'J  ίΓ,  du;  nur  erst  wiihreiul  der  Koriuktui 
2)  Vgl.  Komemann,  Pauly-Wi••.  IV  442  ff. 


262  Kapitel  VI.    Industrie  und  Handel. 

maßen  charakterisiert  werden  (Z.  14):  oy  %cc%^  υποτελείς  [τν]γχάνονβίν, 
άλλα  μόνον  χειρότεχνοί  τνγχάνονοιν  —  —  γναφείς  καΐ  χαλκεΐς  %αΙ  τέ- 
κτονες  καΐ  πακτοποωΐ  καΐ  ovöhv  άλλο  αντοΐς  έΰτιν  εργόχειρον  άτίο 
γονέων  καΐ  προγόνων  εΐ  μη  το  της  τοιαύτης  τέχνης  το  k7tCκτημa.  Vgl. 
hierzu  Μ.  Geizer,  Arch.  V  374. 

Einige  Zeilen  später  heißt  es  in  demselben  Text,  der  praeses  möge 
diese  Leute  freigeben,  denn  es  sei  nützlich  dem  δημόΰίος  λόγος ^  ίνα  καΐ 
εκαβτος  τα  τη[ς\  τέχνης  εντόπια  λειτουργήματα  έκτελέοας  καιρού  καλούν- 
τος έπΙ  τα   όυνήΰ^η   γεώργι[α]  επι[ ],   δειται   γαρ   ή   αύτη   γεωργία 

της  £|  εκάοτου  αυτών  ουνελ[ε]ύ6εως.  Es  wird  also  als  selbstverständlich 
betrachtet,  daß  diese  Handwerker,  die  selbst  kein  Land  besitzen  (als  nicht 
υποτελείς^  sich  als  Tagelöhner  Yerdingen^),  wenn  die  Landwirtschaft  Ar- 
beitskräfte nötig  hat,  so  zur  Zeit  der  Aussaat  (^βπόρος)^  auf  die  nachher 
besonders  hingewiesen  wird.  Diese  Berührung  von  Landwirtschaft  und 
Handwerk  ist  nicht  ein  Kuriosum  jener  Zeit,  sondern  eine  Eigentümlich- 
keit Ägyptens,  die  in  der  Natur  des  Landes  begründet  und  daher  wahr- 
scheinlich uralt  ist.  Die  Nilüberschwemmung  bringt  es  mit  sich,  daß  in 
diesem  gesegneten  Lande  die  landwirtschaftlichen  Arbeiten  sich  auf  be- 
stimmte verhältnismäßig  kleine  Zeiträume  beschränken,  in  der  Haupt- 
sache auf  die  Aussaat  und  die  Ernte.  Dazwischen  liegen  Monate,  in 
denen  der  Fellach  sein  Land  nicht  zu  bearbeiten  braucht  und  zu  anderem 
Muße  hat.  Wie  nun  in  dem  Cairener  Text  Handwerker  sich  für  die  Aus- 
saat verdingen,  so  scheint  es  andrerseits  eine  ganz  verbreitete  Erscheinung 
gewesen  zu  sein,  daß  die  Landleute  in  jenen  Monaten  der  Ruhe  ein  Hand- 
werk ausübten^),  resp.  daß  Handwerker  nebenbei  ein  Stückchen  Acker 
hatten,  da  er  nur  vorübergehender  Pflege  bedurfte.  Als  Beispiel  nenne 
ich  aus  den  Bevölkerungslisteu  in  Lond.  II  S.  37,  25  einen  οικοδόμος  και 
γεωργός  oder  ebendort  S.  32,  147  einen  δη(μόοιος)  γ{εωργος)  καΐ  ταρι- 
χ{ευτής).  Ich  glaube,  daß  die  Papyri  uns  viele  Beispiele  bringen  würden, 
wenn  wir  sie  daraufhin  prüften.  So  sind  in  diesem  Lande  die  agrarischen 
und  die  industriellen  Interessen  eng  verbunden  gewesen. 


§  3.    DER  HANDEL. 

Außer  der  Literatur  auf  S.  239  und  258  vgl.  Yarges  1.  c.  76  ff.  —  Lumbroso, 
Recherches  S.  138  ff.  Derselbe,  L'Egitto^  S.  117  ff.  —  J.  Beloch,  Griech.  Geschichte 
III  S.  279  ff.  —  Mommsen,  Rom.  Geschichte  Υ  574  ff.  596  ff.  —  Chwostow,  For- 
schungen zur  Geschichte  der  Handelsbeziehungen  zur  Zeit  der  hellenistischen  Monar- 
chien und  des  römischen  Kaiserreiches.  I.  Geschichte  des  Osthandels  im  griechisch- 
römischen Ägypten.  Kasan  1907  (russisch).  —  Rostowzew,  Zur  Geschichte  des 
Ost-  und  Südhandels  im  ptolemäisch-römischen  Ägypten  (Arch.  lY  298  ff.).  —  Vasile 
Pärvan,  Die  Nationalität  der  Kaufleute  im  römischen  Kaiserreich.  Diss.  Bresl.  1909 
(vgl.  besonders  S.  17  ff.  und  99  ff.). 


1)  Ygl.  Geizer  1.  c.  2)  Ygl.  schon  Lumbroso,  Recherches  S.  100. 


§  3.    Der  Handel.  263 

Industrie  und  Handel  sind  in  Ägypten  unlöslich  miteinander  ver- 
knüpft^ denn  wenn  sich  auch  ein  reiner  Transithandel,  für  den  Ägypten 
nur  die  Durchgangsstation  war,  entwickelt  hat,  so  sind  doch  die  Haupt- 
objekte des  ägyptischen  Handels  die  von  der  Industrie  im  Lande  her- 
gestellten Produkte,  mochten  die  Rohstoffe  von  Ägypten  selbst  oder  vom 
Auslande  geliefert  sein.  Die  „Handelspolitik"  der  ägyptischen  Regierungen 
berührt  daher  die  Industrie  ebenso  wie  den  Handel.  Der  gewaltige  Auf- 
schwung, den  der  ägyptische  Handel  seit  der  griechischen  Herrschaft  im 
Gegensatz  zu  der  vorhergehenden  Periode  genommen  hat,  ist  in  erster 
Reihe  natürlich  auf  Alexander  den  Großen  zurückzuführen.  Hatte  er  doch 
nicht  nur  im  allgemeinen  den  Schwerpunkt  des  griechischen  Handels  vom 
Mutterlande  nach  dem  Osten  verschoben,  sondern  auch  im  besonderen 
durch  die  Gründung  Alexandriens  mit  seinen  vortrefflichen  Häfen*)  dem 
ägyptischen  Handel  den  Mittelpunkt  gegeben,  der  durch  das  ganze  Alter- 
tum hindurch  für  die  Stellung  Ägyptens  im  Welthandel  bestimmend  ge- 
worden ist.  Es  kann  hier  nicht  des  näheren  ausgeführt  werden,  wie 
dann  die  Großmachtpolitik  der  Ptolemäer  in  erster  Linie  durch  die  Inter- 
essen der  Handelspolitik  geleitet  worden  ist,  wie  die  Kämpfe  mit  den 
rivalisierenden  Mächten,  im  besonderen  den  Seleukiden,  darauf  ausgingen, 
vor  allem  die  Gebiete,  in  die  die  Karawanenstraßen  des  asiatischen  Han- 
dels nach  Westen  hin  ausstrahlten,  in  ihre  Gewalt  zu  bekommen,  was 
dann  zur  Eroberung  des  südlichen  Syrien  und  zahlreicher  Küstengebiete 
in  Kleinasien  sowie  zur  Anknüpfung  von  Beziehungen  bis  zum  Schwarzen 
Meere  hin  (Sinope)  zur  Folge  hatte.  ^)  Auch  kann  hier  nur  angedeutet 
werden,  wie  sie  andrerseits  auch  nach  Gewinnung  jener  Gebiete  doch 
vor  allem  Ägypten,  das  wirtschaftliche  Zentrum  ihrer  Macht,  in  den 
Mittelpunkt  des  Welthandels  zu  rücken  sich  mit  Erfolg  bemüht  haben. 

Im  besonderen  ist  für  die  weitere  Entwicklung  von  Bedeutung  ge- 
worden, was  die  ersten  Ptolemäer  —  den  Bahnen  der  größten  Pharaonen 
der  alten  Zeit  folgend  —  für  die  Förderung  des  binuenländischen  Handels 
mit  dem  Sudan  sowie  vor  allem  für  die  Wiedererschließung  der  einstigen 
Beziehungen  zur  Somaliküste  —  des  alten  Landes  Punt  —  getan  haben. 
Wohl  sind  die  Stationen,  die  sie  an  der  ostafrikanischen  Küste  bis  über 
die  Straße  von  Bab  el-Mandeb  hinaus  nach  und  nach  angelegt  haben,  in 
erster  Reibe  errichtet  worden,  um  von  hier  aus  die  Elefanten  zu  jagen, 
die  sie  für  ihn»  Heere  lirauchten  *) ,  aber  daß  hierbei  auch  Handels- 
beziehungen —  zunächst  gewiß  unbedeutender  Art  —  angeknüpft  wurden, 
daß    der   Ausbau    di«    l!iif»'ns    von    Mvos   Hormos    und    der    Station    von 

1)  Vgl.  oben  S.  i:  Aiiiji.  ;;  'j    \  k•    Π»•ΙογΗ  1.  c.  Roiiowxew  1.  c. 

8)  Über  die  KlofunttnijuKdiMi  hüben  /u  «Irn  vur/il^licheo  Naohricbten  de•  Strabo 
ti.  ü.  hinzu  die  Papyri  uns  wertvolle  neue  Auftchlütec  gebnoht.  Vgl.  Roiiowtew  L  o. 
und  Kup.  XI. 


264  Kapitel  VI.    Industrie  und  Handel, 

Berenike  Trogodytike  am  Roten  Meere  sowie  die  Vollendung  des  Kanals, 
der  den  Nil  mit  den  Bitterseen  und  damit  Alexandrien  mit  dem  Roten 
Meer  verband,  sowie  vor  allem  der  Ausbau  der  Karawanenstraße  von 
Koptos  nach  jenem  Berenike  durch  Philadelphos  auch  zur  Anbahnung 
eines  wirtschaftlichen  Verkehrs  mit  jenen  ostafrikanischen  Gebieten  und 
dem  gegenüberliegenden  Arabien  geführt  haben,  ist  zum  mindesten  sehr 
wahrscheinlich.^)  Aber  darin  hat  Rostowzew  gewiß  recht,  wenn  er  an- 
nimmt, daß,  nachdem  die  Elefantenjagden  aus  militärischen  Gründen  etwa 
unter  Epiphanes  aufgehört  hatten,  jene  Stationen  und  Verkehrseinrich- 
tungen weiter  aufrechterhalten  und  ganz  in  den  Dienst  des  Handels  und 
der  Ausbeutung  der  Bergwerke  gestellt  wurden.^)  Zu  den  Nachrichten 
der  Autoren  über  den  afrikanischen  und  arabisch-indischen  Handel  haben 
die  Urkunden  bisher  weniges  beigesteuert.  Von  Interesse  ist  die  In- 
schrift eines  άπεοταλμενος  νπο  Παώτος  (vgl.  oben  S.  22)  τον  ονγγενοϋς 
καΐ  οτραττ^γον  της  Θηβαΐδος  έτίΐ  την  οννα[γω]γην  της  7ίολντ[ε^λονς  λι- 
^είας  καί  έτά  των  τΐλών  καΐ  παρεπόμενος  την  άΰφάλευαν  To[rg]  κατακομί- 
ζονόί  ajtb  τον  κατά  Κόπτον  o^ot'[g]  τα  λιβανωτυκά  φορτία  καΐ  τάλλα 
^εvL•<^κyά  vom  J.  130  ν.  Chr.^)  Mit  ijtl  των  τΐλών  ist  offenbar  auf  die 
Fahrten  der  Handelsflotten  nach  dem  Süden,  die  den  Weihrauch  usw. 
heimbrachten,  hingewiesen.*)  Von  einem  solchen  υτλοϋς  eines  Handels- 
schiffes nach  der  ^ρωματοφόρος  zum  Einhandeln  von  αρώματα  handelt 
ein  noch  unveröffentlichter  Papyrus,  den  ich  in  den  „Urkunden  der 
Ptolemäerzeit"  bald  herauszugeben  gedenke,  der  nach  meinen  bisherigen 
Beobachtungen  mindestens  dem  IL,  wenn  nicht  dem  Ende  des  ΙΠ.  Jahrh. 
V.  Chr.  angehört.  Für  die  Handelsbeziehungen  mit  Indien  zeugt  die 
von  Dittenberger ,  Or.  Gr.  I  12  in  der  Anmerkung  zitierte  Inschrift, 
in  der  ich  als  Namen  des  Dedikanten  Σόφων  ^Ινδός  hergestellt  habe.^) 
Wie  in  der  ersteren  Inschrift  der  Stratege  der  Thebais  auch  als  Be- 
schützer der  Küsten  des  Roten  Meeres  erscheint,  so  kommt  diese  Aus- 
dehnung des  Kommandos   in  Inschriften  vom  J.  91  und  Q2  v.  Chr.  auch 


1)  Ich  bedaure,  die  oben  zitierte  russische  Schrift  von  Chwostow,  die  nach 
Rostowzews  Bericht  1.  c.  über  die  Entstehung  und  Entwicklung  dieses  Süd-  und  Ost- 
handels eingehend  gehandelt  hat,  nicht  lesen  zu  können.  Es  ist  sehr  erfreulich,  daß 
Chwostow  die  Absicht  hat,  die  Weiterführung  seiner  Studien  z.T.  in  deutscher  Sprache 
vorzulegen.  Gerade  mit  Rücksicht  auf  diese  bald  zu  erwartenden  Forschungen  be- 
schränke ich  mich  hier  auf  die  notwendigsten  Umrisse. 

2)  1.  c.  S.  304  ff. 

3)  Dittenberger,  Or.  Gr.  I  132.  Vgl.  hierzu  Rostowzew  1.  c.  und  z.  T.  abweichend 
K.  Fitzler,  Steinbrüche  und  Bergwerke  S.  48  ff. 

4)  Fitzlers  Deutung  auf  die  Fahrt  auf  dem  Nil  von  Koptos  aus  ist  mir  nicht 
wahrscheinlich.  Ob  ihm  eine  Kriegsflotte  zur  Verfügung  stand,  wie  Rostowzew  an- 
nimmt, lasse  ich  dahingestellt. 

5)  Vgl.  Arch.  III  320  und  dazu  E.  Hnltzsch,  Journ.  of  the  Royal  Asiatic  Society 
1904  S.  402  (auch  Hermes  39,  307  ff.). 


§  3.    Der  Handel.  265 

titular  zum  Ausdruck.^)  So  sehen  wir  in  diesen  Zeiten  die  Regierung 
um  so  kräftiger  eintreten  für  die  Hebung  des  Südosthandels,  als  ihnen 
durch  den  Verlust  Syriens  usw.  sowie  das  Erstarken  des  Nabatäischen 
Reiches  andere  wichtige  Handelsgebiete  verloren  gegangen  waren.  Nach- 
dem dann  unter  der  allgemeinen  Schwäche  der  Regierung  am  Ausgang 
der  Ptolemäerzeit  wahrscheinlich  auch  dieser  Südosthandel  gelitten  hatte, 
führte  die  kräftige  Regierung  des  Augustus  einen  großen  Aufschwung 
dieses  Handels  herbei.  Nach  Strabos  Zeugnis  fuhren  zu  seiner  Zeit  jähr- 
lich 120  Schiffe  von  Myos  Hormos  nach  Indien,  während  früher  unter 
den  Ptolemäern  —  das  wird  auf  die  letzte  Zeit  zu  beschränken  sein  — 
überhaupt  nur  wenige  den  Mut  zur  Ausfahrt  gehabt  hätten  (Π  p.  118).*) 
Es  kann  hier  nur  angedeutet  werden,  wie  die  lebhaften  Handelsinteressen 
der  Römer  auch  ihre  auswärtige  Politik  hier  im  Südosten  geleitet  haben, 
wie  der  mißglückte  arabische  Feldzug  des  Aelius  Gallus,  die  Nieder- 
werfung von  Adana,  die  Umwandlung  des  nabatäischen  Reiches  zur  pro- 
vincia  Arabia  durch  Trajan  auf  diese  Motive  zurückzuführen  sind.^)  Ein 
Zeugnis  des  blühenden  Südost-Handels  in  römischer  Zeit  ist  uns  der  Zoll- 
tarif Oxy.  36  (273).  Doch  die  dürftigen  Spuren  in  den  Urkunden*)  ver- 
schwinden gegenüber  dem  lebensvollen  Bilde,  das  uns  aus  der  Zeit  des 
Vespasian  ein  ägyptischer  Kaufmann  in  dem  anonymen  Periplus  maris 
Erythraei  hinterlassen  hat.  Über  den  späteren  Niedergang  dieser  Handels- 
beziehungen und  ihre  politischen  Gründe  hat  Chwostow  1.  c.  ebenso  wie 
über  ihr  Entstehen  und  Aufblühen  eingehend  gehandelt.  Dagegen  fehlt 
es  noch  an  einer  zusammenfassenden  Erforschung  des  Nord-  und  West- 
handels Ägyptens.  Wie  weitschauend  auch  hier  die  Politik  der  Ptolemäer 
war,  zeigt  am  markantesten  vielleicht  die  Tatsache,  daß  nach  der  Besiegung 
des  Pyrrbos  Philadelphos  sogleich  mit  Rom  freundschaftliche  Beziehungen 
angeknüpft  hat. 

Gerade  im  Hinblick  auf  diese  weitgreifende  Handelspolitik  der  Ptole- 
mäer hat  J.  G.  Droysen  von  einem  „Merkantilsystem"  der  Lagiden  von 
großartigstem  Umfang  gesprochen.^)  Auch  nach  dem,  was  wir  inzwischen 
durch  die  Urkunden  hinzugelernt  haben,  können  wir  dies  Wort  gelten 
lassen '),   wenn  wir  es  nur  richtig  einschränken.     Von  einem   einseitigen 

Dittenberger,  Or.  Gr.  I  190  {inl  τής  Ίνάιχής  %αϊ  *Effv&Qag  &αλάαβης)  und  186. 
<  μι    lloetowzew  1.  c. 

2)  Vgl.  auch  XVII  p.  798. 

3)  Vgl.  MommBen  1.  c.  Uostowzew  1.  c.  Kin  betonderet  Inieretee  hierfür  be• 
/ciigio  auch  Hadrian,  indem  er  Antinoopolis  durch  einen  neuen  Karawanenweg  mit 
Itorenike  verband.     Vgl.  Dittenberger,  Or.  Gr.  II  701  und  P.  Meyer  lu  Hamb.  7. 

4)  Unter  den  Bewohnern  Antinoi^s,  die  im  1.  Jahre  de•  Vefpaeian  lieh  lur  Epi• 
kriiiiH  nicht  iitellcn  konnton,  war  einer,  der  damal•  in  Indien  weilte,  drei,  die  in 
Italien  waren:  Lond.  II  8.  48. 

i,)  IlelleniHniUM  III  8.  60. 

0)  Auch  .Max  Weber  hat  neuerding•  die  hellenietiechen  Herreoher  aU  „Merkan- 


266  Kapitel  VI.     Industrie  und  Handel 

Merkantilismus  —  im  Sinne  etwa  des  ,,Colbertismus"  —  kann  natürlich 
in  einem  Lande  wie  Ägypten,  das  durch  die  Natur  als  Ackerbauland  prä- 
destiniert ist,  nicht  die  Rede  sein.  So  haben  denn  auch  die  Ptolemäer 
für  die  Steigerung  der  Kornproduktion  durch  Urbarmachung  von  Öd- 
land, durch  Landesmelioration  und  innere  Kolonisation  Außerordentliches 
geleistet.  Man  denke  nur  an  das  Faijum  zur  Zeit  des  Philadelphos  (Petr. 
Pap.).  Aber  sie  haben  auch  zielbewußt  und  erfolgreich  danach  gestrebt, 
Ägypten  in  die  erste  Reihe  der  Industrie-  und  Handelsstaaten  einzureihen, 
und  zwar  haben  sie  als  richtige  Merkantilisten  vor  allem  den  Export  be- 
fördert und  den  Import  auf  das  Notwendige,  im  besondern  auf  die  von 
der  Industrie  zu  verarbeitenden  Rohstoffe  beschränkt.  Freilich  wenn  man 
sieht,  wie  die  wichtigsten  Industrie-  und  Handelszweige  von  ihnen  mono- 
polisiert worden  sind,  wird  man  geneigt  sein,  ihren  Merkantilismus  als 
einen  fiskalischen  zu  bezeichnen.  Wie  daneben  der  private  Handel  hat 
bestehen  und  blühen  können,  entzieht  sich  einstweilen  noch  unserer 
Kenntnis.  Für  eine  solche  Mischung  von  agrarischen  und  merkantilisti- 
schen  Tendenzen  dürfen  wir  vielleicht  —  mutatis  mutandis  —  auf  Friedrich 
den  Großen  als  Parallele  hinweisen,  der  einerseits  —  ähnlich  wie  Phila- 
delphos im  Faijum  —  die  Oder-  und  Warthebrüche  meliorisierte ,  viele 
Dutzende  von  Dörfern  begründete  und  Tausende  von  Kolonisten  ansiedelte, 
andrerseits  aber  ein  Anhänger  des  Merkantilismus  war  und  gleichfalls 
Monopole  (Tabak,  Kaffee,  Salz)  und  Manufakturen  begründete. 

Wenden  wir  uns  zunächst  zum  internationalen  Handel,  so  ist, 
wie  schon  bemerkt,  der  Export  bedeutender  gewesen  als  der  Import.  Im 
besonderen  gilt  das  von  Alexandrien,  dem  μέγιβτον  έμτίόριον  της  οικου- 
μένης zur  Zeit  des  Augustus^),  in  dessen  Binnenhafen  am  Mareotischen 
See  —  also  von  Ägypten  aus  —  mehr  importiert  wurde  als  in  den  Häfen 
am  Mittelländischen  Meer  (Strabo  XYII  p.  793).  So  sei  die  Ausfuhr 
Alexandriens,  sagt  Strabo,  größer  als  die  Einfuhr,  wie  man  auch  sehen 
könne,  wenn  man  die  Schiffe,  die  von  Alexandrien  nach  Dikaiarchia 
(Puteoli)  gingen,  mit  denen,  die  den  umgekehrten  Kurs  nehmen,  auf  ihre 
Verfrachtung  vergleiche  (Strabo  1.  c).  Relativ  bedeutender  wird  die  Ein- 
fuhr in  den  Häfen  des  Roten  Meeres  gewesen  sein.  Im  allgemeinen  aber 
wird  wenig  importiert  worden  sein,  was  im  Lande  selbst  konsumiert 
werden  soUte,  da  das  Land  reich  an  aUem  war,  was  die  Masse  der  Be- 
völkerung an  Notwendigem  brauchte.  Es  werden  mehr  Luxusartikel  für 
die  höheren  Stände  gewesen  sein.  So  erfahren  wir  aus  dem  Revenue- 
Papyrus,  daß  die  feinen  syrischen  Öle  ein  beliebter  Importartikel  waren,  doch 
wurde  ihre  Einfuhr,  im  Interesse  des  königlichen  Olmonopols,  mit  einem 


tilisten"  mit  den  Temtorialherren  des  17.  /18.  Jahrhunderts  verglichen  (Agrargeschichte 
S.  128). 

1)  Strabo  XVII  p.  798. 


§  3.    Der  Handel.  267 

hohen  Schutzzoll  belegt.  Λ^gl.  oben  S.  243.  Viel  bedeutender  war  jeden- 
falls der  Import  von  Rohstoffen,  die  im  Lande  ihre  Verarbeitung  fanden 
und  dann  —  zum  größten  Teil  —  wieder  ausgeführt  wurden.  Das  gilt 
z.  B.  von  den  αρώματα,  die  am  Roten  Meer  eingeführt  wurden,  dann  im 
Lande  zu  Salben  verarbeitet  wurden  (im  kaiserlichen  Monopol),  um  nach 
dem  Westen  exportiert  zu  werden.  Der  Export  beruhte  aber  nicht  nur 
auf  dieser  Verarbeitung  ausländischer  Rohstoffe,  sondern  vor  allem  auch 
auf  der  der  einheimischen.  Hier  ist  einmal  das  ägyptische  Korn  zu  nennen, 
dessen  Handel  in  der  Hauptsache  in  der  Hand  des  Königs  war,  während 
der  private  Kornhandel  gewissen  Beschränkungen  durch  Prohibitivmaß- 
regeln  unterlagt),  und  zwar  läßt  sich  dies  durch  den  ganzen  Verlauf  der 
Geschichte  verfolgen.  Noch  für  Justinians  Zeit  bezeugt  es  sein  XIU.  Edikt 
c.  5,  und  auch  noch  in  arabischer  Zeit  stand  der  Kornhandel  ganz  unter 
staatlicher  Kontrolle.^)  Dem  steht  parallel,  daß  die  sonstigen  Haupt- 
exportartikel, sowohl  die  aus  einheimischen,  wie  die  aus  auswärtigen  Roh- 
stoffen, vom  König  monopolisiert  waren  resp.  in  königlichen  Manufakturen 
hergestellt  wurden  —  wie  Leinwand,  Glas,  Papyrus,  Salben  usw.  Wenn 
auch  der  Hauptexport  gewiß  von  Alexandrien  ausging,  so  bezeugt  uns 
doch  der  erwähnte  Periplus  mar.  Erythr.  auch  einen  Export  von  ägyp- 
tischen Fabrikaten  nach  dem  Südosten  von  den  Häfen  des  Roten  Meeres 
aus,  wobei  freilich  diese  Waren  vielfach  nur  als  Tauschobjekte  gedient 
haben  werden.  Wir  erfahren,  daß  die  ägyptischen  Ergasterien  dabei  z.  T. 
Rücksicht  nahmen  auf  den  Geschmack  dieser  fremden  Völker,  und  so 
gingen  neben  den  einheimischen  χιτώνες  ΐ4ρ6ινοιτΐ7ΐοί  usw.  auch  Ιμάτια  βαρ- 
βαρικά hinaus.')  Gegenüber  diesem  ungeheuren  Umsatz  mit  Waren,  die 
in  Ägjrpten  hergestellt  wurden,  wird  der  reine  Transithandel  zurück- 
getreten sein.*) 

Es  ist  bemerkenswert,  daß  an  diesem  ägyptischen  Welthandel  sich 
schon  früh  römische  und  italische  Kaufleute  beteiligt  haben,  was  uns 
zugleich  ein  Beweis  dafür  ist,  daß  trotz  der  Einschränkungen  durch  die 
Monopole  der  private  Handel  in  Ägypten  doch  lukrativ  gewesen  sein 
muß.  Schon  für  das  II.  Jahrh.  v.  Chr.  lassen  sich  Niederlassungen  von 
römischen  Kaufleuten  in  Alexandrien  nachweisen.^)  Doch  scheint  ihr 
EinHuß  auch  in  römischer  Zeit  kein  sehr  großer  gewesen  zu  sein.  In 
der  Hauptsache  blieb  der  Handel  doch  in  der  Hand  der  Griechen,  und 
Yor  allem  der  Alexandriner.*) 


1)  Vgl.  hiersQ  Boftowiew,  Pmuly-WiM    VI!  187  f. 
«)  Vgl.  C.  H.  B«sker,  P.  Hciil.  III  S.  ftl  ff 

8)  Vgl.  Blflmner  1.  c.  8.  8.     Die   im   Peripl.  Mar.  Erythr.  8   enrihaten   χηΛ99ς 
.Vptfiroirixo(  begegnen  auch  in  den  Papyri.    Vgl.  z,  B.  Hawmra  S08  (Aroh.  V  S89). 
4)  Vgl.  Koftowsew,  Arch.  IV  999,  abweichend  von  Chwottow. 
f>i  Vgl    Panan  1  c    17  f  β)  Vgl.  PHrvtn  8.  99. 


Kapitel  VI.    Industrie  und  Handel. 

Neben  dem  internationalen  Handel  haben  wir  den  Handel  in  Ägypten 
selbst  ins  Auge  zu  fassen.  Es  ist  begreiflich,  daß  unsere  Papyri  für  diesen 
mehr  ergeben  als  für  jenen.  In  der  Hauptsache  ist  es  der  rein  lokale 
Handel  in  den  Städten  und  Dörfern,  aber  auch  der  von  Gau  zu  Gau,  der 
uns  in  den  Papyri  entgegentritt.  Die  Texte  unterscheiden  zwischen  den 
εμτνοροι^  den  Großhändlern,  und  den  κάπηλοί,  den  Kleinhändlern.^)  Viel- 
fach treten  sie  uns  in  Komposita  entgegen,  die  ihre  spezielle  Branche 
bezeichnen,  wie  οίτεμτίοροί,  οίνεμττοροί,  χοίρεμτίοροί  usw.  und  andrerseits 
die  zahllosen  Zusammensetzungen  mit  πώλαι  oder  πραται.  Pärvan  1.  c. 
101  ff.  hat  kürzlich  eine  Gruppierung  der  in  den  Urkunden  erwähnten 
Händler  für  die  einzelnen  Städte  gegeben,  für  Arsinoe,  Oxyrhynchos, 
Hermopolis  usw.  Darin  steckt  ein  reiches  Material,  das  zur  weiteren 
Verarbeitung  anlockt.^)  Zur  Beurteilung  ist  zu  beachten,  daß  diese  ver- 
schiedenen τίάτίηλοί  durchaus  nicht  alle  als  selbständige  Händler  aufzu- 
fassen sind,  sondern  vielfach  nur  als  Verschleißer  im  Dienst  des  Mono- 
pols. So  wissen  wir  es  z.  B.  sicher  von  den  άλοπωλαι^  έλαωΛώλαί,  und 
müssen  daher  auch  bei  den  Parallelen  immer  diese  Frage  stellen.  Wir 
stoßen  immer  wieder  auf  dieselbe  Schwierigkeit,  daß  wir  über  den  Um- 
fang —  und  die  Art  —  der  königlichen  Monopole  noch  nicht  genügend 
unterrichtet  sind.  Uns  fehlt  eben  noch  der  Revenue-Papyrus  der  Kaiser- 
zeit —  und  auch  ein  vollständiges  Exemplar  für  die  Ptolemäerzeit. 

Eine  solche  Zusammenstellung  der  verschiedenen  Händler,  zu  der 
Pärvan  durch  sein  spezielles  Thema  angeregt  wurde,  ist  natürlich  nur  ein 
erster  Schritt  zur  Erforschung  des  ägyptischen  Warenhandels.  Es  be- 
darf einer  durchgreifenden  Untersuchung  der  sämtlichen  Urkunden  auf 
alle  Fragen  hin,  die  mit  dem  Handel  zusammenhängen.  Ich  beschließe 
meine  Skizze  durch  den  Hinweis  auf  einige  Gruppen  von  Texten,  die  sich 
vielleicht  als  besonders  ergiebig  erweisen  werden.  Für  die  Warenkunde 
werden  zunächst  die  Rechnungen  und  Wirtschaftsbücher  heranzu- 
ziehen sein,  die  uns  zeigen,  was  in  den  verschiedenen  Haushalten  gekauft 
wurde  und  zu  welchen  Preisen^),  femer  die  mancherlei  Listen  und  Ver- 
zeichnisse, wie  die  lehrreichen  Kleiderverzeichnisse  in  Teb.  II  405,  Oxy. 
VI  921.  Ergiebig  werden  hierfür  auch  die  Briefe  sein,  die  ja  so  häufig 
Aufträo^e  zum  Ankauf  von  Gegenständen  enthalten.  Besonders  lehrreich 
ist  ζ.  Β.  Giss.  47  (326),  der  uns  einen  Einblick  in  die  Bazare  von  Koptos 
gewährt.     Für   die  Frage   nach    dem  Umsatz    innerhalb    des  Landes  von 


1)  Im  Rev.  Pap.  16  werden  außerdem  für  Alexandrien  noch  die  TcaXivTtQatovvtsg, 
die  Zwischenhändler,  unterschieden. 

2)  Eine  Bearbeitung  des  Handels  in  Ägypten  hat  ein  Schüler  von  mir  in  An- 
griff genommen. 

3)  Meine  Zusammenstellungen  im  Arch.  I  22  f.  werden  durch  die  Neuausgabe 
des  General-Registers  bald  ergänzt  werden. 


§  3.    Der  Handel.  269 

Gau  zu  Gau  sind  die  oben  S.  172, 190  erwähnten  Urkunden  über  die  Gau- 
zölle zu  verwerten.  Ein  reiches  Material  haben  wir  schon  jetzt  für  das 
Faijüm,  das  uns  ermöglicht  festzustellen,  welche  Produkte  aus  dem  FaijCim 
exportiert  und  welche  importiert  wurden.^)  Ebenso  sind  auch  die  Zoll- 
tarife zu  verwerten,  wie  z.  B.  Lond.  III  S.  190/1,  wo  u.  a.  Baumwolle  er- 
scheint, vgl.  auch  ebendort  S.  91/2.  Doch  durch  Beschränkung  auf  ein- 
zelne Gruppen  von  Urkunden  wird  man  nicht  zum  Ziel  kommen.  Es 
bedarf  eben  der  Verarbeitung  des  gesamten  Materials;  erst  dann  wird 
man  die  zerstreuten  Notizen  zusammenfinden,  die  uns  helfen  können, 
allmählich  in  das  Verständnis  der  historischen  Entwicklung  des  ägyp- 
tischen Handels  einzudringen.  Man  wird  u.  a.  auch  manche  versprengte 
Nachrichten  finden,  die  uns  einen  Einblick  in  die  Handelsbeziehungen 
zwischen  dem  Niltal  und  den  administrativ  zu  Ägypten  gehörigen  Oasen 
der  libyschen  Wüste  ermöglichen. 


1)  Vgl.  Wessely,  Karanis  S.  36  ff.     Auch  Wilcken,  Arch.  IV  532. 


KAPITEL  VII. 

DIE  BODENWIRTSCHAFT. 

A.  DIE  PTOLEMlEEZEIT. 

G.  Lumbroso,  Recherses  s.  l'econ.  pol.  de  l'Eg.  (1870),  89  ff.  —  Robiou, 
Memoire  s.  Tecon.  pol.  etc.  (1876),  65  ff.  —  Grenfell  und  Hunt,  P.  Tebtyn.  I  S.  538  ff. 
(the  land  of  Kerkeosiris  and  its  liolders).  —  M.  Rostowzew,  Gesch.  d.  Staatspacht 
(1902),  482  ff.  —  St.  Waszynski,  Die  Bodenpacht,  agrargesch.  Papyrusstud.  (1905). 
—  G.  Gentilli,  Dagli  antichi  contratti  d'affitto  (Studi  italiani  di  filolog.  class.  XIII 
(1905),  269  ff.  —  H.  Maspero,  Les  finances  de  l'Eg.  s.  1.  Lagid.  (1905).  —  Bouche- 
Leclercq,  Hist.  d.  Lag.III178ff.  —  W.  Otto,  Priesteru.TempelI.il.  —  M.Weber, 
Agrargeschichte  des  Altertums  (Handwört.  d.  Staats w.  3.  Aufl.)  I  52  ff.  —  M.  Ros- 
towzew s.  V.  frumentum  in  Pauly-Wiss.  VII.  Vor  allem  jetzt  grundlegend  seine 
Studien  z.  Geschichte  des  röm.  Kolonats  (I.  Supplementband  d.  Papyrus- Archivs)  (1910). 

§  1.  DIE  VERTEILUNG  DES  BODENS. 
Während  man  früher  ohne  Skrupel  anzunehmen  pflegte,  daß  der 
Boden  Ägyptens  in  hellenistischer  Zeit  teils  dem  König,  teils  den  Tempeln, 
teils  den  Soldaten  und  Privaten  zu  eigen  gehört  habe^),  ist  die  Frage  der 
Bodenverteilung  durch  die  neueren  Papyrusfunde  zu  einer  anderen  Lösung 
geführt  worden.  Auch  für  diese  Frage  ist  der  erste  Tebtynisband  epoche- 
machend geworden:  die  entscheidenden  Gesichtspunkte  sind  erst  durch  ihn 
zur  Diskussion  gestellt  worden.  Gleichwohl  liegen  die  neuen  Aufschlüsse,  die 
er  uns  bietet,  nicht  auf  der  Hand,  zumal  die  entscheidenden  Stellen  durch 
ihre  Kürze  nicht  ganz  eindeutig  sind,  und  so  herrscht  auch  nach  dieser 
Edition  noch  große  Meinungsverschiedenheit,  namentlich  über  die  Kardinal- 
frage, ob  es  ein  privates  Eigentum  am  Boden  damals  gegeben  habe.  Wäh- 
rend H.  Maspero  letzteres  leugnete  und  erklärte,  daß  der  König  alleiniger 
Eigentümer  des  gesamten  Grund  und  Bodens  gewesen  sei,  traten  andere 
für  das  Privateigentum  ein,  wie  Waszynski  1.  c.  51  ff.,  W.  Otto  1.  c.  II  106 
Anm.  1  und  343,  M.Weber  1.  c.  S.  90  und  138. 2)  Auch  ich  habe  mich 
früher  Masperos  Behauptung   gegenüber  zurückgehalten^),   bin  aber  jetzt 


1)  Diese  Vorstellung  ging  namentlich  auf  Herodot  II  168  und  Diod.  I  73  zurück, 
die  das  Land  unter  König,  Priester  und  μάχιμοι  verteilen.  Vgl.  hierzu  Waszynski  1.  c.  55. 

2)  Bouche-Leclercq  III  178  fF.  cf.  191,  2  schied  zwischen  Theorie  und  Praxis. 

3)  Vgl.  Arch.  IV  226. 


Α.  Die  Ptolemäerzeit.     §  1.    Die  Verwaltung  des  Bodens.  271 

von  der  Richtigkeit  seines  Standpunktes  überzeugt  worden,  nachdem  Ros- 
towzew  in  seinen  bahnbrechenden  „Studien  zur  Geschichte  des  röm.  Kolo- 
nats"  die  innere  Begründung  dafür  gebracht  hat.  Ich  stimme  in  der  fol- 
genden Skizze  in  allen  wesentlichen  Punkten  mit  Rostowzew  überein.  Die 
Hauptfrage  ist  die,  welche  Bedeutung  und  welchen  Umfang  der  Begriff 
η  ev  άφεόει  γη  hat.  Die  z.  Z.  älteste,  vor  den  Tebtynispapyri  isolierte 
Erwähnung  ist  die  in  Par.  63,  177  (vom  J.  164  v.  Chr.):  καΐ  τά  των  τι)ν 
έν  άφέβει,  χαΐ  xi]v  hQa\y  γ\εωργούντω[ν]  καί  την  λοιπην  παόαν  (seil. 
κτήνη).  Vorher  ist  das  Vieh  der  Kleruchen  und  der  Beamten,  die  Land 
erworben  haben,  genannt.  Wir  können  heute  sagen,  daß  man  aus 
dieser  eigenartigen,  der  aufgeregten  Art  des  Schreibers  entsprechenden, 
unvollständigen  Einteilung  des  Gesamtbodens  den  wahren  Sachverhalt 
unmöglich  ableiten  konnte,  zumal  das  Kleruchenland  und  die  Uqu 
hier  neben  την  έν  άψέοει  gestellt  sind.^)  Und  doch  gehören  beide 
nach  den  Tebtynistexten  zu  der  έν  άφέοει.  Vgl.  Teb.  63, 2:  Ιεράς  καΐ 
χληρονχίκης  καΐ  της  άλλης  [τη]ς  έν  άφεόει,  wo  die  Ιερά  und  die  κληρον- 
χικη  als  Hauptbestandteile  der  έν  άφεόει  an  die  Spitze  gestellt  sind.*) 
Vgl.  ähnlich  Teb.  5,  36  f.,  89  f.,  200 f.;  85,  2  f.  Noch  detaillierter  ist  Teb. 
δ,  110:  τους  dl  τήν  ίοιόκτητον  καί  τ[ήν  Ιεράν  χαΐ  τήν  χληρονχικη]ν  καΐ 
την  αλλην  την  έν  άφεόει.  Mit  Maspero  und  Rostowzew  folgere  ich  hier- 
aus, daß  auch  die  Ιδιόκτητος  γη  zu  der  έν  άφεόει  gehört.')  Daß  ή  έν 
άφεόει  einen  weiten  Begriff  darstellen  muß,  geht  aus  Teb.  27,  54  f.  hervor, 
wo  sie  allein  der  βαόιλική  gegenübergestellt  ist:  μη^ένα  των  γεωργούντων 
την  βαόιλικην  καΐ  την  έν  άφεόει  [γην].  Mit  den  genannten  beiden 
Forschern  kommen  wir  somit  zu  dem  Schlußergebnis,  daß  der  gesamte 
Boden  Ägyptens  in  zwei  große  Rubriken  zerfällt,  die  βαόιλική 
γη,  die  in  direkter  Bewirtschaftung  der  Krone  steht,  und  die 
έν  άφεόει  γη,  die  von  der  Krone  anderen  zur  Bewirtschaftung 
„überlassen"*)  ist,  ohne  daß  dadurch  das  Eigentumsrecht  des 
Königs  beeinträchtigt  wird.  Zu  dieser  έν  άφεόει  gehören  aber 
die  Ιερά,  die  κληρονχική  und  die  Ιδιόκτητος  γη  (nebst  einigen 
weiteren  Spielarten).  Von  dieser  neuen  Erkenntnis  aus,  die  wohl- 
gemerkt nur  für  die  Ptolemäerzeit  gilt,  soll  im  folgenden  kurz  skizziert 


1)  Otto  1.  c.  II  ö-i,  2   Miut/.t  iiiKMi  jetzt  πυιιι  nirrjiuf  seinen  Widerspruch  gegen 
die  Subsumierung  der  Iiqu  unter  die  iv  όφίαη. 

2)  Otto  ].  c  ist  genöti|{t  •  tzrn  „das  andere  Land,  uftmlioh  die  iv  άφ{ύ»ί 
γή^\  wa•  zum  mincIcHtcn  sehr  ,  ri   iet 

»)  8υ  mich  Kngers,  d»  aig.  x<  Dagegen  BoDcbö-Leclercq  III  191,  S 

betweifuit,  <laß  auch  dir  Ιόιόχτητο^,  iehen  tei. 

4)  Nur  (\u!ff  Drutung  scheint  um  f'vm  —  frei  geben,    aus  teinem 

Besitz  horeus  üherhishcn).     An  8t«u«rpri  tcn  —  befreien)  ist  hier  tohon 

deswegen  nicht  xu  denken,   weil  diene  itodunkht  keine  Bleoerfireibeit  gehabt 

haben. 


272  Kapitel  VIT.     Die  Bodenwirtschaft. 

werden,  wie  diese  verschiedenen  Bodenarten  gebildet  wurden,  und  welche 
verschiedenen  Wirtschaftsformen  sich  auf  ihnen  entwickelt  haben.  Ich 
muß  mich  in  diesem  Zusammenhang  auf  die  Hervorhebung  der  wich- 
tigsten Grundlinien  beschränken.  Eine  Darstellung,  die  alle  Erscheinungen 
der  Boden  Wirtschaft  umfaßte,  ist  an  dieser  Stelle  ganz  ausgeschlossen. 
Doch  soll  hier  nicht  versäumt  Averden,  diejenigen  Erscheinungen  dieser 
früheren  Jahrhunderte  besonders  hervorzuheben ,  die  von  den  neueren 
Forschungen  als  Vorstufen  zu  dem  späteren  byzantinischen  Kolonat  er- 
kannt worden  sind.  Wer  in  diese  schwierigen  Fragen  tiefer  eindringen 
wiU,  sei  auf  die  Ausführungen  von  Grenfell-Hunt  im  Appendix  I  von 
Teb.  I  sowie  vor  aUem  auf  das  Buch  von  Rostowzew  verwiesen. 

§  2.    DAS  KÖNIGSLAND. 

Wenn  auch  nach  der  obigen  Rechtsanschauung  der  gesamte  Boden 
Ägyptens  königliches  Eigentum  ist,  wird  doch  nur  ein  bestimmter  Teil 
desselben  als  βαοίλίκη  γη  bezeichnet,  nämlich  der,  dessen  Bewirtschaftung 
die  königliche  Regierung  selbst  in  der  Hand  behält,  während  sie  für 
jenes  „überlassene"  Land  den  Inhabern,  den  Priestern,  Kleruchen,  Pri- 
vaten usw.  zugleich  die  Bewirtschaftung,  wenn  auch  unter  königlicher 
Kontrolle,  überläßt.  Diese  βαοιλίκη  γη  oder  sagen  wir  „Domäne",  die 
die  Ptolemäer  wie  die  gesamte  Bodenhoheit  von  den  persischen  Pharaonen 
übernommen  haben,  hat  beständig  wechselnden  Umfang  gehabt,  da  jene 
„Überlassungen"  dauernd  Veränderungen  unterlagen.  Zudem  erweiterten 
die  —  natürlich  im  Interesse  des  Fiskus  —  planvoll  durchgeführten  Landes- 
meliorationen, durch  die  die  Ptolemäer  sich  große  Verdienste  um  Ägypten 
erworben  haben,  den  Umfang  des  Kulturlandes.  Die  Urbarmachung  neuer 
Gebiete  wurde  freilich  in  erster  Reihe  den  Inhabern  jener  „überlassenen" 
Ländereien  überwiesen,  vor  allem  den  Kleruchen  und  den  „Privatbesitzern", 
und  gerade  diese  Schaffung  von  Neuland  war  das  treibende  Motiv  für 
jene  „Überlassungen".  Aber  z.  T.  vollzogen  sich  solche  Urbarmachungen 
auch  auf  dem  Boden  der  βαουλικη  γη  selbst.  So  werden  während  der 
Ptolemäerzeit  wie  die  Grenzen  so  die  Umfange  der  βαΰίλίχη  γη  und  der 
kv  άφέβει  γη  in  beständigem  Flusse  gewesen  sein.  Genauere  Nachrichten 
über  das  Verhältnis  der  beiden  zu  einander  haben  wir  nur  für  ein  ein- 
zelnes Dorf,  für  Kerkeosiris  im  Faijum.  Ums  Jahr  120  v.  Chr.  gehörten 
hier  von  4700  Aruren  ca.  2427  Aruren  zur  βασιλική  γη^)  —  ein  Verhältnis, 
das  wir,  namentlich  außerhalb  des  Faijums,  selbstverständlich  nicht  ver- 
allgemeinern dürfen. 

Die  königlichen  Besitzungen,  die  durch  das  ganze  Land  zerstreut 
waren,  waren  nicht  wie  im  Seleukidenreich  mit  seinen  städtischen  Organi- 


1)  Vgl.  hierzu  Grenfell-Hunt,  Teb.  I  S.  538  ff. 


Α.  Die  Ptolemäerzeit.     §  2.    Das  Königsland.  273 

sationen  exterritorial,  sondern  waren  im  Kataster  den  Metropolen  und 
Dörfern  des  Landes  zugeschrieben.  Wo  irgend  ßaöilLxr)  γί]  begegnet, 
gehört  sie  zu  dem  έδαφος  einer  Stadt  oder  eines  Dorfes.  Vgl.  z.  B.  Teb. 
I  60,  wo  das  παν  έδαφος  von  Kerkeosiris,  wie  bemerkt,  mit  4700  Aruren 
angegeben  wird,  von  denen  2427  γ  ^^  ^  βασιλική  γη  sind. 

In  obigem  ist  schon  angedeutet,  daß  die  Qualität  des  Bodens  der 
springende  Punkt  für  die  Wahl  der  Betriebs  formen  ist.  Diese  Qualität  wird 
für  die  einzelne  Parzelle  vor  allem  durch  das  Maß  bestimmt,  in  dem  sie 
von  der  Überschwemmung  berührt  wird,  und  da  hiervon  die  Einnahme 
des  βαόιλίχον  abhängt,  sei  es  als  Rente  oder  Abgabe,  wird  in  den  Ka- 
tastern und  Landvermessungsurkunden  aufs  genaueste  die  Qualität  jeder 
Parzelle  angegeben.  Wie  wir  oben  S.  177  sahen,  dienen  die  jährlichen 
επιοχέφεις  der  Feststellung  dieser  Bodenqualitäten.  Das  der  Überschwem- 
mung zugängliche  Land  wird,  solange  es  (in  normaler  Weise)  über- 
schwemmt ist^),  als  βεβρεγμενη^  wenn  es  im  Einzelfall  nicht  von  ihr 
erreicht  wird,  als  αβροχος  bezeichnet.^)  Das  Land,  das  nach  der  Über- 
schwemmungszeit noch  lange  (für  die  Bebauung  zu  lange)  unter  Wasser 
steht,  heißt  xad-*  ύδατος  oder  εμβροχος.  Andrerseits  heißt  das  Land,  das 
seiner  Lage  nach  der  Überschwemmung  nicht  zugänglich  ist,  χερόος 
fmit  verschiedenen  Abstufungen),  woneben  auch  das  mit  einer  Salz- 
kruste bedeckte  Land  tritt  (βλμη>,  άλμνρίς).^)  Soweit  es  durch  künstliche 
Bewässerung  fruchtbar  gemacht  werden  kann,  ist  es  έπάντλητος  y^.'*)  Es 
ist  derselbe  Gegensatz  der  beiden  Hauptklassen,  der  heute  unter  dem 
Namen  der  Rai-  und  der  Scharäki-Felder  (der  künstlich  bewässerten)  die 
Landwirtschaft  dort  beherrscht.  Steuertechnisch  heißt  das  kultivierbare  Land 
yrj  iv  άρεττί^),  das  nicht  kultivierbare,  das  bei  der  Berechnung  der  Einnahmen 
„abzuziehen"  ist,  das  νπόλογον.^)  Das  Hauptziel  der  ptolemäischen  wie 
jeder  ägyptischen  Landwirtschaft  war,  nicht  nur  aus  der  γη  iv  άρετί]  den 
höchst  möglichen  Ertrag  herauszuwirtschaften ,  sondern  auch  aus  dem 
νπόλογον  —  unter  Gewährung  besonderer  Erleichterungen  usw.  —  allmäh- 
lich Gewinn  zu  ziehen.  Das  Bestreben,  die  erste  Klasse  durch  Verminde- 
rung der  zweiten  zu  vergrößern,  hat,  wie  im  allgemeinen  zu  dem  groß- 
artigen Kanal-  und  Deichsystem,  so  im  besonderen  im  IIL  Jabrh.  y.  Chr. 
unter  der  tatkräftigen  Regierung  der  ersten  Ptolemäer  zu  den  großen 
WasHerbauten  behufs  Trockenlegung  des  Faijüm  geführt,  in  die  wir  durch 
die  Petrie- Papyri   einen   Einblick   gewinnen^)  —  wie  dasselbe  Bestreben 

1)  Vgl.  die  EinleitunK  zu  841.  S)  Za  ά^ροχος  vgl.  oben  S.  904. 

8)  Vgl.  oben  S.  204. 

4)  Vgl.  Hev.  P.  24,  8,  wo  {ηαντΧήτ(^ον  γ')ής  su  emendieren  tein  wird. 

6)  Vgl.  Hontowzew,  Kolonat  S.  47. 

β)  Dienen  wichtigen  HegrilF  hftben  erat  die  Tebiynittexte  tnfgeklftrt.  Vgl.  Qren- 
felUHunt  I  8.  640. 

7)  Vgl.  oben  8.  966  und  Genauere•  in  Kap.  VIII. 

MUl«li-Wllek«Bt  Oraod«0r'  I  19 


274  Kapitel  VII.     Die  Bodenwirtschaft. 

heute  zum  Nutzen  der  Landesfinanzen,  aber  zum  Kummer  der  Altertums- 
wissenschaft die  Stauwerke  von  Assuän  geschafi'en  hat. 

Da  der  König,  wie  bemerkt,  das  vTtöXoyov-hana  gern  εν  άφέοει  über- 
ließ, dürfen  wir  annehmen,  daß  in  seiner  βαοίλυκη  γη  das  normalerweise 
der  Überschwemmung  zugängliche  Land,  die  γη  εν  άρετΤι^  den  Haupt- 
posten dargestellt  hat.  Dieses  gute  Fruchtland  der  Domäne  wurde  nicht 
etwa  in  eigener  Regie  mit  Sklavenherden  bewirtschaftet,  wie  denn  die 
Sklaverei  in  Ägypten  in  der  Landwirtschaft  überhaupt  keine  Rolle  ge- 
spielt hat^),  sondern  es  wurde  in  Parzellen  verpachtet.  Die  Pächter  sind 
die  überall  in  unsern  Texten  begegnenden  βαόίλίκοί  γεωργοί,  die  den 
verschiedensten  Kreisen  der  Bevölkerung  angehören^),  aber  als  Domanial- 
pächter  eine  eigene  Klasse,  einen  eigenen  Stand  (γένος,  Teb.  5,  209)  bilden. 
Diese  Verpachtung  vollzog  sich  in  den  üblichen  Formen  der  Staatspachten: 
die  Regierung  verkündete  ihr  Ausschreiben^),  die  Pachtlustigen  machten 
ihre  schriftlichen  Angebote  {ντΐοΰτάβεΐζ),  und  die  Regierung  gab  dann 
den  für  sie  vorteilhaftesten  Angeboten  den  Zuschlag.^)  Während  wir  von 
verwandten  Vorgängen  (Verpachtung  von  Steuern,  \^ererbpachtung  von 
Land)  urkundliche  Belege  in  Pachtausschreiben  und  Pachtangeboten  haben, 
fehlen  uns  solche  für  die  Verpachtung  an  die  ßaöiXixol  γεωργοί.  Wir 
kennen  daher  nicht  genauer  die  Bedingungen,  unter  denen  die  Zuschläge 
erfolgten.  Doch  aus  den  gelegentlichen  Erwähnungen  solcher  Pachten, 
im  besonderen  auch  solcher  'υτιοοτάόεΐξ  hat  Rostowzew  mit  Recht  ge- 
schlossen, daß  diese  Pachten  nicht  auf  eine  bestimmte  (etwa  gar  kurze) 
Frist  gingen,  sondern  unbefristet  waren  und  bis  zur  nächsten  allgemeinen 
Verpachtung  (βιαμίο^'ωοις)  liefen,  die  dann  einzutreten  pflegte,  wenn  die 
Regierung  die  Bedingungen  ändern  wollte.^)  Einen  sicheren  Beweis  für 
die  lange  Dauer  solcher  Pachtverhältnisse  bietet  Teb.  61  (b)  194  ff.  (=72, 
110  ff.):  [τηζ  εν  τώι  κγ  (ετευ)  (=159/8)  ccjto  των  άπολεΐΛον]6ών  παρά  tag 
νπ\οοτά6εΐξ\  [τον  ιβ  τον  και  α  (axovg)  (=  170/69):  da  handelt  es  sich  um 
Grundstücke,  die  im  Jahre  159/8  in  ihrer  Bewirtschaftung  zurückblieben 
hinter  den  Pachtangeboten  des  Jahres  170/69.  Also  war  hier  im  Jahre 
170/69  eine  διααίαΟ'ωύις  erfolgt  (beachte  den  Plural  άπολειπονβωνΐ), 
deren  Bedingungen  noch  159/8,  also  11  Jahre  später,  in  Gültigkeit  waren.^) 


1)  Vgl.  hierüber  meine  Ausführungen  in  den  Griech.  Ostraka  I  681  ff. 

2)  Auch  Priester,  Militär  und  Beamte  finden  sich  unter  ihnen. 

3)  Über  das  Verhältnis  des  Weizens,  der  in  erster  Reihe  auf  der  Domäne  ge- 
laut wurde,  zu  den  anderen  Fruchtarten  (Gerste,  Spelt  usw.)  vgl.  Grenfell-Hunt,  Teb.  I 
S.  560  ff.  Über  die  Berechnung  der  ^κςρόρια  und  über  die  Frage  der  Bonitätsklassen 
vgl.  Rostowzew,  Kolonat  S.  33. 

4)  Die  Rolle  des  ν.ωμομ,ΐοΟ'ωτ'ηζ,  der  bisher  nur  einmal  (Teb.  183)  begegnet,  ist 
noch  dunkel  (probably  the  official  in  charge  of  μια&ώαεις  of  ßcc6.  γη  GH). 

5)  Rostowzew,  Kolonat  S.  50  f. 

6)  Vgl.  hierzu  Rostowzew  1.  c.  48  und  51  Anm.  2. 


Α.  Die  Ptolemäerzeit.     §  2.    Das  Königsland.  275 

Zugleich  dürfen  wir  den  Worten  entnehmen,  daß,  wie  auch  sonst  in  ähn- 
lichen Verhältnissen,  ein  eigener  Λ^ertrag  zwischen  Regierung  und  Pächtern 
nicht  aufgesetzt  wurde,  sondern  das  Angebot  durch  υπογραφή  der  Regie- 
rung den  Charakter  eines  bindenden  Vertrages  erhielt.^)  Dies  vertrags- 
mäßige Abkommen  nannte  man  daher  nicht  ανγγραφή,  sondern  ύννάλλαξις. 

Für  das  Fehlen  solcher  νποοτάόεις  werden  wir  einigermaßen  dadurch 
entschädigt,  daß  uns  wenigstens  zwei  jener  χειρογραφίαι  erhalten  sind, 
eine  griechisch  (Teb.  I  210  [327])  und  eine  demotisch ^),  die  die  könig- 
lichen Pächter  zwecks  Empfanges  des  Saatkomdarlehens  in  jedem  Jahre 
vor  den  Lokalbehörden  auszustellen  hatten.^)  In  diesen  in  Form  eines 
όρκος  βαΰιλιχος  gegebenen  Versprechen,  die  ja  nicht  mit  jenen  νπούτάόεΐξ 
zu  verwechseln  sind,  verpflichten  sich  die  Pächter,  von  der  Aussaat  bis 
zur  Ernte  resp.  zur  Zahlung  der  Rente,  ständig  am  Orte  zu  bleiben*), 
unter  den  Augen  der  königlichen  Beamten,  ohne  Inanspruchnahme  eines 
Asyls  oder  einer  weltlichen  Protektion,  und  die  übernommenen  εχφόρια 
in  vorgeschriebener  Weise  zu  liefern.  Dieser  Text  (s.  Nr.  327)  ist 
von  fundamentaler  Bedeutung  für  die  Vorgeschichte  des  Kolo- 
nats:  er  zeigt  uns  die  königlichen  Pächter,  wenigstens  während 
der  Saatkampagne,  an  die  Scholle  gebunden!  Wie  die  Πανούργοι 
im  Monopolbetrieb  den  Gau  nicht  verlassen  durften,  so  waren  die  Doma- 
nialpächter  während  der  Arbeitszeit  an  ihr  Dorf  gefesselt.  Diese  be- 
schworene Bindung  der  königlichen  Pächter  geht  noch  weit  hinaus  über 
die  allgemeine  Bindung  der  χώρα-Bewohner  an  ihre  löCa  (vgl.  oben  S.  26  f ). 

Die  zu  einem  Dorf  gehörigen  βαύιλικοί  γεωργοί^  die  praktisch  die 
übernommenen  Verpflichtungen  vielfach  auf  dem  Wege  der  Afterpacht  er- 
ledigten (vgl.  Teb.  42  [328]),  bildeten  eine  Einheit,  gewissermaßen 
eine  Korporation  oder  Verein,  der  dem  Staat  gegenüber  unter  gegenseitiger 
Haftung  die  Verantwortung  für  die  richtige  Bebauung  der  gesaraten  zum 
Dorf  gehörigen  βαοιλιχή  γΐ}  trug.'*)  Sie  haben  daher  eine  gemeinsame 
Organisation:  πρεββντεροι  stehen  an  ihrer  Spitze,  auch  ihr  γραμματεύς 
und  ihr  υπηρέτης  wird  genannt  (Beispiele  in  unten  abgedruckten  Texten).•) 
Nur  ein  Fall  ist  bisher  bekannt,  in  dorn  diese  Pächter  in  Οεχαταρχίαι  ge- 

1^  ...  .......  UoHtowzcw,  Kolonat  S.  Γ>8  Anm.  1.     Formell  vergleic'•'  τ  -i•"?   '-il•' 

reiche  Pachtangebote  der  Kaiserzoit  mit  υπογραφή  (ζ.  Β.  BGU  227). 

2)  Vgl.  lievillout,  MolangcH  B.  MGf.  Revilloutt  GeHamtaufTatBuiig  uv»  ii'xi«^ 
wird  dun  h  den  Tebt^rnietext  nachträglich  glilnzend  bettiUigt. 

8)  Kin  Ilioweiii  darauf  aiu  h  in  Teb.  tiü,  &8f.,  wo  υηϊρ  mv  mit  βχ/ρμοττα  lu 
verbinden  iiti.     Vgl.  meine  Bemerkung  bot  Hoftowzew,  Kolonat  8.  6U  Anm.  1. 

4)  AndreneiU  verordneten  königliche  Erlaete,  lie  in  ihrer  Tätigkeit  nicht  •υ 
•iOreu.  Vgl.  I'.  Kein.  19,  18:  ov%  ttt  μι  ηρός  χήί  γ»ωργΙαί  ]p/v»#^o»  «ορά  tu  »«ρΐ 
'ίΐμών  τών  /«ωργών  dtä  ηΧ»ίόνων  ηροαχίταγμίνα. 

b)  Vgl.  hier/u  außer  Koitow/.ow  auch  Zulueta. ,  de  patrocinii«  vicorum. 

6)  Vgl.  auch  Orenf.  II  87,  4  (109):  die  »ρ#0^^τ#ρο»  γ(ωργοΙ  unter  den  tclt  ßattltna 

η  in  '/uuTH'oiitvtn. 

18• 


276  Kapitel  VII.     Die  Bodenwirtschaft. 

gliedert  erscheinen  (Arch.  II 81  [304]):  danach  arbeiteten  sie  hier  in  Gruppen 
von  10  Männern,  die  unter  einem  δεκατάρχης  standen  —  wie  die  Stein- 
hauer. Es  ist  dies,  wie  bekannt,  eine  altägyptische  Einrichtung.  Da  es 
sich  in  jenem  einzigen  FaU  um  den  Bau  von  Ölpflanzen  handelt,  bleibt 
noch  abzuwarten,  ob  diese  Einrichtung  vielleicht  nur  da,  wo  solche 
Monopolinteressen  vorlagen,  durchgeführt  war. 

Unterlagen  diese  königlichen  Pächter  auf  der  einen  Seite  einer 
dauernden  Kontrolle^)  und  z.  T.  einer  Beschränkung  der  persönlichen 
Freiheit,  wie  aus  jenen  Eiden  sich  ergibt,  so  genossen  sie  andrerseits 
ebenso  wie  die  Monopolarbeiter  mannigfache  Privilegien,  die  wir  nament- 
lich aus  Teb.  5,  155  ff.  kennen  gelernt  haben ^),  denn  sie  gehörten  zwar 
nicht  zu  den  ντΐοτελεΐς^  wohl  aber  wie  die  υποτελείς  zu  den  έπιτίετίλεγμένοι 
ταΐζ  TtQoöodoig  (vgl.  oben  S.  248).  Der  Fiskus  hatte  ein  Interesse  au  ihrem 
wirtschaftlichen  Wohlergehen.  Unter  normalen  Verhältnissen  muß  ihre 
Lage  finanziell  nicht  schlecht  gewesen  sein,  da  nach  Ablieferung  des  εκ- 
φόριον  und  der  sonstigen  Staatsansprüche  der  Rest,  das  έταγενημα^  ihnen 
verblieb^),  und  so  begreifen  wir,  daß  aus  den  verschiedensten  Kreisen  sich 
Pachtlustige  fanden,  auch  Übergebote  vorkamen.  Aber  durch  besondere 
Anlässe,  wie  mangelhafte  Überschwemmungen  (wobei  freilich  Nachlaß  ge- 
währt wurde),  Revolutionen  und  andere  gewaltsame  Störungen  konnte 
ihre  Lage  eine  sehr  prekäre  werden.^)  So  liegen  aus  dem  Ende  des 
IL  Jahrhunderts  mehrere  Fälle  dafür  vor,  daß  sie  in  Asyle  oder  Nachbar- 
dörfer flüchteten  (άναχωρεΐν).^)  Auch  der  Passus  in  der  χειρογραφία^  in 
dem  sie  gelobten,  kein  Asyl  aufzusuchen  und  keine  Protektion,  spricht 
dafür,  daß  mit  Notlagen  zu  rechnen  war.^) 

Die  Regierung  hat  in  solchen  durch  innere  Unruhen  usw.  geschaffenen 
Krisen  zu  verschiedenen  Hilfsmitteln  gegriffen,  um  auf  alle  Fälle  die 
Bebauung  der  königlichen  Domäne  durchzuführen.  Wo  in  Einzelfällen 
gewisse  königliche  Acker  so  heruntergekommen  waren,  daß  sie  das  alte 
εκφόριον   nicht   tragen   konnten^),   da  verpachtete   sie  diese  „£|   a^iag"^), 


1)  Im  besonderen  durck  die  „Erntewächter",  die  γενηματοφνλαιιες.  Vgl.  Teb. 
27  (331). 

2)  Vgl.  Rostowzew,  Kolonat  S.  71.     Vgl.  auch  Bd.  II  S.  llfF. 

3)  Die  Ablieferung  geschah  ebenso  wie  bei  der  Grundsteuer  auf  der  Dorftenne. 
Vgl.  oben  S.  181.     Über  die  hierbei  tätigen  γενημίχτοφυλακες  vgl.  zu  331. 

4)  Über  verschiedene  Zwischenfälle  aus  dem  Leben  königlicher  Pächter  be- 
richten z.  B.  Teb.  45,  50,  (329),  53,  Rein.  18,  19,  Lille  8. 

5)  Vgl.  Teb.  26  (330),  41,  61  (b),  351  £F.  (=  72,  349  ff.).  Vgl.  dazu  Rostowzew, 
Kolonat  S.  74.  Der  letzte  Fall  zeigt,  auf  welchem  Wege  die  Regierung  neue  Bauern 
bekam. 

6)  Wahrscheinlich  ist  dieser  Passus  erst  durch  schlechte  Erfahrungen  hineinge- 
bracht worden. 

7)  Vgl.  Teb.  61  (b),  31:  κεχεραώο&αί  έν  τψ  άμειξίοα  (=  Revolution). 

8)  Gegensatz  zu  der  theoretischen  Bonitätsklasse  (Rostowzew,  Kolonat  S.  33). 


Α.  Die  Ptolemäerzeit.     §  2.    Das  Königsland.  277 

nach  dem  Werte,  d.  h.  zu  bedeutend  herabgesetztem  Pachtzins  (statt  durch- 
schnittlich über  4  Artaben  durchschnittlich  1  Artabe)^),  und  zwar  wurde 
diese  Pacht  meist  für  die  ersten  10  Jahre  zu  einem  ganz  geringen,  für 
die  spätere  Zeit  zu  einem  etwas  höheren  Zins  vergeben,  hatte  also  em- 
phyteutischen  Charakter.^) 

Fand  der  König  aber  auch  unter  diesen  leichten  Bedingungen  keine 
Pächter,  so  hielt  er  sich  kraft  seiner  allgemeinen  Omnipotenz  für  berech- 
tigt, Leute  einfach  zur  Bearbeitung  gegen  herabgesetzten  Pachtzins  zu 
zwingen.  Hiervon  handelt  der  Par.  68.^)  Gegenüber  der  früheren  Annahme, 
daß  dieser  Papyrus  alljährliche  Fronden  betreffe*),  habe  ich  in  den  Griech. 
Ostraka  I  702  die  Ansicht  aufgestellt,  daß  es  sich  vielmehr  um  eine  außer- 
ordentliche Zwangsverpachtung  von  βαόιλίχή  γη  handle.  Diese  Auf- 
fassung ist  inzwischen  durch  die  Tebtynistexte  bestätigt,  aber  auch  noch 
genauer  präzisiert  worden.^)  Wie  Rostowzew  (Kolonat  S.  53 ff.)  gesehen 
hat,  entspricht  die  γεωργία  in  Par.  63  dem  in  Teb.  6,  31  (332),  61  (b) 
19 — 110,  72,  1 — 70  usw.  behandelten  βιάξεαϋ-αί  ävav  βνναλλάξεων.  Nach 
diesen  Tebty  η  istexten  zwang  die  Regierung  im  Falle  des  Pächtermangels 
Leute  zur  Zwangspacht  (εκ  διαιρεόεως)  gegen  ein  herabgesetztes  εκφορών^ 
ohne  eine  όννάλλαξις  mit  ihnen  zu  schließen.  So  soUen  auch  im  Par.  die 
wirtschaftlich  Kräftigen  (δννατονντες)  zur  Pacht  von  βαοίλικη  γη  ge- 
zwungen werden  gegen  ein  ελαόΰον  κεφάλαιον^')  auf  Grund  eines  könig- 
lichen πρόόταγμα  (und  daher  ohne  Vertrag),  außerdem  soU  die  gesamte 
Bevölkerung  ihr  Vieh  zur  Bewirtschaftung  der  Domäne  in  diesem  Aus- 
nahmefall zur  Verfügung  stellen.  Also  auf  administrativem  Wege  wird 
das  zu  bebauende  Land  zwangsweise  zugewiesen  (επ:ιγράφείν  γήν)  —  eine 
Einrichtung,  die  als  Vorbote  der  späteren  römischen  επιβολή  betrachtet 
werden  kann.  Vgl.  Rostowzew,  Kolonat  S.  58.  Wie  ich  schon  in  den 
Ostraka  1.  c.  hervorhob,  wird  der  Fall  des  Par.  63  (vom  Jahre  164)  als 
ein  ganz  ungewöhnlicher  Ausnahmefall  bezeichnet,  der  durch  eine  besondere 
Katastrophe  ( καταφϋ-ορά  Ζ.  126)  herbeigeführt  ist. '')  Wenn  nach  den 
jüngeren  Tebtynistexten  diese  Maßregel  nicht  mehr  als  eine  so  ganz  un- 


1)  Diese    Maßregel    bat   zuerst   lioetowzew    erklärt.     Vgl.   Arch.  V   299  f.   und 
Kolonat  8.  80  f.     Vgl.  z.  B.  Teb.  61  (b),  21  flF. 

2)  So  Itoetowxew,  Kolonat  S.  81. 

8)  Vgl.   den   Text  von   Mahaffy  in  Petr.  III  S.  18  π  lunulto 

ich  mir  für  die  L'PZ  vor. 

4)  Lumhrono,  Ilech.  S.  89  ff. 

ft)  <»renf<;ll-Hiint   Teb.  I    8.  211    haben    ihr   freilich    widersprochen 
An  hi(;r(lurrh  die  Leute  nur  gezwungen  seien,  io  help  in  t) 

i'ii  nie),  wird  dem  Text  nicht  gerecht.     Daß  ich  1.  c.  angenoü 

die  ganze  BefOlkemng  verpflichtet  werde,  beruht  auf  einem  MißTerstiindnis 
Wort«. 

β)  xffpaXuiov  fflr  die  Summe  des  ί%φ6ρίον  %.  Β.  auch  in  Teb.  61  (b),  20. 

7)  Kinc  genaue  Interpretation  werde  ich  in  den  UPZ  bringen. 


278  Kapitel  VII.     Die  Bodenwirtschaft. 

gewöhnliche  erscheint,  so  ist  vielleicht  damit  zu  rechnen,  daß  sie  eben 
mit  der  Zeit  häufiger  geworden  ist;  vielleicht  erklärt  es  sich  aber  auch 
dadurch,  daß  in  diesen  jüngeren  Texten  es  sich  wohl  mehr  um  Anwen- 
dung der  Zwangspacht  auf  kleinere  Gebiete  handelt,  während  das  πρό6- 
ταγμα   des  Par.  63   sich  auf  das  ganze  Land  erstreckt   zu   haben   scheint. 

Über  die  Vererbpachtung  königlichen  Landes  soll  unten  unter  „Pri- 
vatland" gesprochen  werden. 

Abgezweigt  von  der  βαοίλίκη  γη  ist  die  γη  έν  προοόδω  των  τέκνων 
τον  βαβ ίλεως  (Petr.  III  S.  237)  und  andrerseits  die  κεχωρίομένη  TCQOöoöog 
(Tab.  I  S.  569),  auf  die  beide  schon  oben  S.  147  hingewiesen  wurde.  Diese 
Begriffe  bedürfen  noch  weiterer  Aufklärung.  Vgl.  einstweilen  Rostowzew, 
Kolonat  S.  44  f. 

§  3.    DAS  HEILIGE  LAND. 

So  reichlich  unsere  Quellen  für  die  βαβιλίκη  γΐ]  fließen,  so  dürftig 
sind  sie  bis  jetzt  für  die  ϊερα  γη.  Die  Folge  ist,  daß  die  wichtigsten 
Fragen  hier  noch  kontrovers  sind.^) 

Was  zunächst  den  Umfang  der  Tempelländer  betrifft,  so  verweise  ich 
auf  die  sorgfältigen  Untersuchungen  von  Otto  (Priest,  u.  Temp.  I  262  ff.), 
der  zeigt,  daß  sie  in  hellenistischer  Zeit,  wenn  auch  sehr  beträchtlich,  so 
doch  nicht  annähernd  so  bedeutend  gewesen  sind,  wie  z.  B.  Diodor  meint, 
der  ihnen  bekanntlich  ein  Drittel  des  Landes  zuweist.  Auch  diese  ίερά  γη 
wird,  wie  die  βαοίλυκή  γη,  die  an  βαοιλικοί  γεωργοί  vergeben  wurde,  in 
der  Regel  γη  έν  άρετη  gewesen  sein. 

Daß  die  Verwaltung  des  Tempellandes  in  den  Händen  der  könig- 
lichen Regierung  lag,  ist  scbon  seit  langem  erkannt  worden,  zuerst  wohl 
von  Eug.  Revillout.^)  Doch  erschien  dies  früher  mehr  als  etwas  Merk- 
würdiges, da  man  annahm,  daß  die  Tempel  die  Eigentümer  der  ιερά  γη 
seien.  Jetzt  wird  jene  königliche  Verwaltung  uns  verständlicher,  nach- 
dem wir  durch  die  Tebtynispapyri,  wie  schon  oben  S.  271  ausgeführt 
wurde,  gelernt  haben,  daß  auch  die  Ιερά  γη  zu  der  έν  άφέβει  γη  gezählt 
wurde.  ^)  Also  bestand  jedenfalls  in  der  staatsrechtlichen  Theorie  die 
Vorstellung,  daß  das  Tempelland  in  letzter  Instanz  Eigentum  des  Königs 
war.  Aber  der  König  hatte  dies  Land  „überlassen"  —  und  zwar  dem 
Gotte,  denn  das  sagen  die  Texte,  soweit  sie  sich  überhaupt  hierzu  äußern, 
ganz  deutlich,  daß  das  Land  dem  Gotte  gehört,  nicht  etwa  den  Tempeln 
oder  den  Priestern.^)     Vgl.   z.  B.   Amh.  35   (68),  Teb    63,  1-31  (333). 

1)  Vgl.  Rostowzews  Rezension  von  Ottos  Buch  über  die  Priester  und  Tempel  in 
GGA  1909,  621  iF. 

2)  Nouv.  Chrestom.  dem.  1878  S.  149.  Vgl.  auch  meine  Bemerkung  Arch.  I  145. 
Dann  wurde  der  Gedanke  konsequent  durchgeführt  von  Otto. 

3)  Otto  leugnet  dies.     S.  oben  S.  271  Anm.  1  und  2. 

4)  Von  der  hga  γη  ist  zu  scheiden  die  ί^ρί-ντί,κή  γη  (Teb.  5,  236  [307]):  das  ist 
Land,  das  die  Priester  bewirtschaften.     Vgl.  Kostowzew,  Kolonat  S.  77. 


Α.  Die  Ptolemäerzeit.     §  3.    Das  heilige  Land.  279 

Der  Gott  aber,  der  eines  irdischen  Verwalters  bedurfte,  konnte  ihn  nicht 
in  den  ihm  dienenden  Priestern,  sondern  nur  in  dem  König  finden,  der 
selbst  Gott^),  dazu  nach  der  Vorstellung  der  εν  άφεΰει  γή  der  eigentliche 
Eigentümer  war. 

Wie  diese  Theorie  in  der  Praxis  durchgeführt  wurde,  darüber  liegt 
bisher,  wie  gesagt,  noch  wenig  Material  vor,  und  das  Wenige  ist  nicht 
ohne  Widersprüche.  Man  wird  auch  damit  zu  rechnen  haben,  daß  jene 
staatsrechtliche  Theorie  je  nach  dem  Wandel  der  Kirchenpolitik  in  den 
drei  Jahrhunderten  der  Ptolemäerherrschaft  (s.  Kap.  II)  in  verschiedener 
Weise  zur  Anwendung  kam.  Doch  an  dem  Obersatz  ist  nicht  zu  zweifeln, 
daß  die  Verwaltung  der  Ιερά  γη  in  den  Händen  der  Regierung  lag.  Wie 
wir  durch  Theb.  Bank.  II  erfahren,  daß  die  königlichen  Beamten  es  waren, 
die  z.  B.  einen  Asklepiostempel  verauktionierten,  in  denselben  Formen,  in 
denen  sie  eventuell  Stücke  der  Domäne  vergaben,  so  haben  sie  vor  allem 
die  regelmäßige  Bewirtschaftung  der  Ιερά  γη  geleitet,  und  offenbar  nach 
denselben  Grundsätzen  und  in  denselben  Formen,  die  wir  bei  der  ßaöt- 
λιχη  γη  kennen  gelernt  haben.  So  ist  auch  die  Ιερά  γη  parzelliert  und 
an  γεωργοί  in  Parzellen  verpachtet  worden*),  vermutlich  in  denselben 
Formen  wie  die  βαοίλικη  γη.  Daß  auch  auf  dem  Tempellande  dieselben 
Notstände  dieselben  Maßregeln  hervorgerufen  haben,  wie  wir  sie  auf  dem 
Königslande  kennen  gelernt  haben,  dafür  spricht  Teb.  6  (332),  der  uns 
zeigt,  daß  auch  hier  das  βιάξεοϋ-αί  ανεν  ονναλλάξεων  nicht  unbekannt 
war,  und  selbstverständlich  war  es  der  Staat,  und  nicht  der  Tempel,  der 
diesen  Zwang  zur  kontraktlosen  Pacht  ausübte.  In  der  Regel  wurden  die 
έχφόρια  an  die  königlichen  ϋ-ηΰανροί  abgeliefert,  wie  auch  in  den  amt- 
lichen Listen  die  Eingänge  von  Tempelland  mitten  zwischen  den  Ein- 
gängen von  Königsland  stehen  (vgl.  Grenfell  Hunt  zu  Teb.  93),  aber  was 
der  Staat  mit  diesen  έκφόρια  des  Tempellandes  angefangen  hat,  diese 
„Frage  von  kapitaler  Bedeutung"*)  ist  leider  noch  dunkel. 

Von  dieser  ιερά  γη  ist  zu  scheiden  die  άνιερωμενη  γη^  das  dem 
Gott  von  irgendjemand  aus  besonderem  Anlaß  geweihte  Land.*)  Nach 
Rostowzews  Vermutung  dürfte  auch  die  δωρεαία  γη  auf  den  thebanischen 
Holztafeln*)  dazu  gehören.•)  Dies  Land  wird  zwar  nirgends  direkt  der 
iv  άφεόει  zugewiesen;  da  es  aber  nur  γή  βαόιλιχη  oder  έν  άφεαει  gibt, 
kann  es  nur  der  letzteren  zugeteilt  werden.     In  der  Praxis  wurde  es  aber 

Ϊ,  1 ...»   i.r.l.roi  III   l'Jl,  Itoitoweew,  GGA  190»,  628. 

2)  MatperOf  Les  financßii  8.  17,  und  (wohl  danach)  Enfi^'re,  de  aeg.  κωμών  adm.  p.  18 
operieren  mit  It^oX  γίωργοί  Kine  faliche  moderne  Bildung?,  denn  die  PAchier  sind 
nicht  wie  die  γή  „heilig  dem  dotte".  Ob  nie  »ndrerieits  direkt  alt  ^crtfflixol  γΒωργοΙ 
bexeichoet  lind,  wie  manche  annehmen,  achoint  mir  noch  nicht  licher  erwieien,  wftra 
Aber  gf^wifi  mOglich.     Vgl.  unten  tut  Tenninologii*  der  röm.  Zeit. 

8)  RoHtowzew,  (KiA  1909,  628.  4)  Vgl.  Kottowxew,  UGA  1909,  628. 

6)  Vgl.  meine  üriech.  Oftraka  I  66—67.  6)  UGA  1909,  624. 


280  Kapitel  VII.     Die  Bodenwirtschaft. 

vom  Staat  freier  behandelt  als  die  Ιερά  γη.  Wenn  in  Teb.  5,  57 — 61  (65) 
Abgabenfreiheit  und  eigene  Verwaltung  durch  die  Priester  selbst  (nicht 
die  königlichen  Beamten)  verfügt  wird,  so  ist  nacb  Preisigkes  Deutung 
der  Gesamturkunde  mit  der  Möglichkeit  zu  rechnen,  daß  diese  Erleichte- 
rungen erst  jetzt  gewährt  worden  sind.    Vgl.  meine  Einleitung  zu  Nr.  65. 

§  4.    DAS  LEHNSLAND. 

Unter  den  BegriJÖF  Lehnsland  dürfen  wir  zwei  Landarten  —  so  ver- 
schieden sie  auch  untereinander  sind  —  subsumieren:  die  ^ληρονχική  γη 
und  die  εν  δωρεά,  von  denen  die  erstere  im  Staatshaushalt  die  bei  weitem 
bedeutsamere  Rolle  spielt. 

Die  κληρονχίκη  γη^)  gehört,  wie  oben  S.  271  dargelegt  wurde,  zur 
έν  άφεόει,  γη.  Der  begründende  Vorgang  des  „Überlassens"  liegt  hier 
viel  klarer  vor  uns  als  bei  der  Ιεγά  γη.,  denn  dort  waren  die  άφέβεις  ζ.  Τ. 
gewiß  schon  in  der  Pharaonenzeit  vollzogen  und  waren  von  den  Ptole- 
mäern  dann  nur  bestätigt  worden,  während  die  „Überlassungen"  des  Kle- 
ruchenlandes  sich  nach  den  Urkunden  der  Ptolemäerzeit  vor  unsern  Augen 
abspielen  und  zwar  von  der  ersten  Hälfte  des  IIL  Jahrb.  bis  mindestens 
zum  Ausgang  des  IL  Jahrh.  Der  Ansicht  von  Mahaffy,  der  anfangs  aus 
den  Petrie  Papyri  geschlossen  hatte,  daß  die  Ansiedlung  der  κληρονχου 
im  Faijtim  sich  auf  die  Zeit  des  Philadelphos  beschränke,  hatte  ich  schon 
in  der  Deutsch.  Literaturz.  1896  Sp.  1389  widersprochen,  und  meine  An- 
nahme einer  sukzessiven  Wiederholung  der  darin  angedeuteten  Belehnung 
auch  durch  die  folgenden  Generationen  hindurch  ist  inzwischen  nament- 
lich durch  die  Tebtynispapyri  bestätigt  worden.  Vgl.  z,  B.  die  Tabelle  der 
Kleruchien  von  Kerkeosiris  von  Philopator  bis  Euergetes  II  in  Teb.  I  S.  545 
und  GrenfeU-Hunt  S.  549. 

Während  wir  früher  nur  Soldaten  als  Kleruchen  kannten,  haben  die 
Tebtynispapyri  gezeigt,  daß  jedenfalls  im  IL  Jahrh.  außer  ihnen  auch  ge- 
wisse Zivilbeamte  Klerosinhaber  werden  konnten.  In  Kerkeosiris  begegnen 
als  solche  die  χερόεφίτίΛΟί,  die  έρημ^οφύλακες,  die  φυλακΐται  und  εφόδου^ 
die  aber  wohl  sämtlich  zur  Polizei  im  weiteren  Sinne  gezählt  werden, 
können^)  und  daher  doch  in  engen  Beziehungen  zum  Militär  stehen.  Da 
die  reinen  Zivilbeamten  in  Stadt  und  Dorf  m.  W.  als  κληρονχοί  nicht  be- 
zeugt sind,  wird  man  die  Kleruchie  daher  doch  im  wesentlichen  als  eine 
für  das  Militär  geschaffene  Einrichtung  betrachten  müssen.  Gegenüber 
der  anfangs  weitverbreiteten  Ansicht  von  Mahaffy,  daß  die  Kleruchen  der 
Petrie  Papyri  Veteranen  oder  Militärpensionäre  seien,  konnte  ich  in  den 
Gott.  Gel.  Anz.  1895,  1 32  f.  aus   den  Petrie  Papyri    selbst   den   Beweis   er- 


1)  Vgl.  die  gnindlegenden  Ausführungen  von  Grenfell-Hunt  in  P.  Teb.  I  S.  545  flF. 

2)  Vgl.  Teb.  I  S.  550. 


ι 


Α.  Die  Ptolemäerzeit.     §  4.    Das  Lehnsland.  281 

bringen,  daß  sie  vielmehr  aktive  Soldaten  sind,  und  auch  dies  ist  durch 
die  späteren  Funde,  im  besondern  die  Tebtynispapyri.  bestätigt  worden.-^) 
Wir  können  somit  sagen,  daß  die  Verpflichtung  militärischen  (resp.  poli- 
zeilichen) Dienstes  auf  dem  Besitz  eines  Kleros  lastete.  Die  Hauptrolle 
unter  den  Inhabern  der  κληρονχικη  γη  spielten  also  diese  Soldaten,  für 
die  außer  dem  Ausdruck  κληρονχος  mindestens  seit  dem  IL  Jahrh.  die 
Bezeiclinung  κάτοικος  gern  gewählt  wird.  Solange  das  ptolemäische  Heer 
sich  nur  aus  "Ελληνες  (im  weiten  Sinne  jener  Zeit)  rekrutierte,  waren  die 
Kleruchen  und  Katöken  also  vorwiegend  Hellenen.^)  Nachdem  aber  auch 
nationale  Elemente  in  das  Heer  aufgenommen  Avaren,  gab  es  auch  ägyp- 
tische Inhaber  von  Kleruchenland  (meist  mit  geringen  Kleroi  von  5,  7  oder 
10  Aruren).  Vereinzelt  k.imen  solche  πεντάρονροι,  μάχιμοι  schon  im 
III.  Jahrh.  vor  (Teb.  I  S.  36).  Wenn  sich  in  den  Tebtynistexten  des 
IL  Jahrh.  ägyptische  Namen  auch  in  die  κάτοικοι  (im  engem  Sinne)  ein- 
schleichen, so  ist  das  nur  ein  neues  Zeichen  für  das  damalige  Vordringen 
des  ägyptischen  Elementes  (vgL  oben  S.  23).  Außer  diesen  „Griechen" 
des  Heeres  sind  übrigens  auch  Kriegsgefangene  zu  Kleruchen  gemacht 
worden.    Vgl.  Petr.  Π  29  (b)  (334). 

Die  Ansiedlung  der  aktiven  Territorialarmee,  die  wie  auch  in  anderen 
hellenistischen  Reichen  wohl  in  orientalischen,  hier  ägyptischen  Einrich- 
tungen ihr  Vorbild  hatte  ^),  bezweckte  einmal,  die  eingewanderten  Fremden 
im  Lande  heimisch  zu  machen  und  sie  mit  den  Interessen  des  Landes  zu 
verknüpfen.*)  Andrerseits  verfolgte  der  König,  abgesehen  von  der  Siche- 
rung des  Landes,  dabei  gewiß  auch  das  bodenpolitische  Ziel,  mit  Hilfe 
der  in  der  Armee  aufgespeicherten  Kräfte  in  B'riedenszeiten  die  Meliora- 
tion des  Landes  zu  fördern,  denn,  wie  namentlich  die  Tebtynispapyri  ge- 
lehrt haben,  war  es  in  der  Regel  nur  unfruchtbares  Land  (ντΐόλογον^  im 
besondern  χίροος),  das  diesen  Soldaten  überlassen  wurde ^),  und  zwar  mit 
der  Verpflichtung,  es  zu  kultivieren.^)  So  haben  die  Ptolemäer,  wenn  sie 
auch,  abweichend  von  den  Seleukiden,  vom  Städtebau  mit  einer  Ausnahme 
absahen,  doch  durch  diese  Ansiedlung  der  „griechischen"  Armee  wie  auch 
durch  Schaffung  Yon  Erbpachtstellen  usw.  (s.  unten)  Anspruch  darauf, 
als  Leiter  einer  zielbewußten  inneren  Kolonisation  betrachtet  zu  werden.'') 
Freilich  ließ  Hich  dies  System  nicht  in  gleicher  Stärke  überall  im  Lande 
durchführen.  Das  Faijüni  mit  seinem  bedeutenden  durch  die  Könige  plan- 
voll geschaffenen  Neuland  war  offenbar  die  Musterprovinz  dieser  inneren 

1)  Vgl.  Teb.  I  8.  647. 

2)  Vgl.  Teb.  I  8.  546.  8)  Vgl.  HiTodot  il  UiS.     Dioti.  1  78. 

1)  Vgl.  meinen  HinweiN  in  QOA  1896,  188  auf  Diod.  I  78,  7  (von  den  μάχιμοι 
'Ut  alten  Zeit  Mprechend):  iv*  ot  %ΐ90νν»ύοιηΒς  »ύνούβχβηοι  xf}  χώρα  βίά  xiiP  »Χηρον- 
χίαν  ΰνχΒς  τίροΐϊνμως  ίηιόέχωνχία  %χΙ.     S.  jctst  Rottowxew,  Kolonat  S.  tf. 

r>)  Vgl.  Tel».  I  S.  664.  β)  VgL  Rottowtow,  Kolonat  S.  7. 

7;  Vgl    Wilcken,  Hellenen  und  Barbaren  (N.  Jabrbb.  XVII  (luoe)  8.  466). 


282  Kapitel  ΥΙΙ.     Die  Bodenwirtschaft. 

Kolonisation.  Wenn  auch  die  national- griechischen  Gesichtspunkte,  die 
bei  den  ersten  Ptolemäern  gewiß  nicht  gefehlt  haben,  schließlich  durch 
die  dem  ägyptischen  Nationalismus  nachgebende  schwächere  Politik  der 
späteren  Herrscher  nicht  zu  dauernder  Wirkung  gekommen  sind,  so  sind 
doch  die  auf  Melioration  des  Landes  ausgehenden  wirtschaftlichen  Ziele 
in  großem  Umfange  erreicht  worden,  bis  freilich  auch  diese  unter  der 
heillosen  Wirtschaft  der  letzten  Ptolemäer  keine  Berücksichtigung  mehr 
finden  konnten,  so  daß  der  junge  Octavian  hier  vor  neuen  Aufgaben  stand. 
Das  Besitzrecht  der  Kleruchen  am  κλήρος  hat  im  Laufe  der  Jahr- 
hunderte starken  Wandlungen  unterlegen.  Wir  können  vom  IIL  Jahrh. 
an  bis  in  die  Kaiserzeit  die  Umwandlung  des  prekären  Lehnsgutes  in 
volles  Eigentum  in  verschiedenen  Etappen  verfolgen.^)  Im  IIL  Jahrh. 
trat  zunächst  das  Eigentumsrecht  des  Königs  an  dem  überlassenen  κλήρος 
auf  das  deutlichste  darin  zutage,  daß  unter  Umständen  der  Kleros  vom 
König  „zurückgenommen"^)  wurde  {άναλαμβάνευν).  In  Hib.  81  und  Lille  14 
(335)  ist  der  Tod  der  Kleruchen  der  Anlaß.  Dagegen  wird  nach  Petr.  III 
104  — 106  (334)  in  so  vielen  Fällen  der  Kleros  bei  Lebzeiten  eingezogen, 
daß  ich  darin  das  Symptom  einer  bestimmten  Bodenpolitik  sehen  möchte 
(vgl.  meine  Einleitung).  Irrig  war  die  Annahme  P.  Meyers  (Heerwesen 
S.  42),  daß  seit  Euergetes  I  die  Kleruchen  Eigentümer  ihres  Kleros  ge- 
wesen seien;  der  ΐδιος  κλήρος  in  Petr.  II  29  (a)  bezeichnet  nur  den  eigenen 
Kleros  im  Gegensatz  zu  dem  eines  anderen,  den  man  als  Pächter  bebaut 
(vgl.  Z.  13).  —  Die  nächste  Etappe  ist  uns  kürzlich  durch  Lille  4  (336) 
erschlossen  worden  (vom  J.  218/7):  hier  tritt  an  die  Stelle  der  „Zurück- 
nahme" des  Kleros  im  Todesfalle  nur  eine  Beschlagnahme  durch  den  Staat 
(κατοχή),  die  nur  so  lange  aufrecht  erhalten  wird,  bis  der  Nachweis  ge- 
führt ist,  daß  ein  Sohn  da  ist,  der  den  Kleros  übernehmen  kann.  Die  Be- 
dingung, daß  ein  Sohn  vorhanden  sei,  erklärt  sich  aus  der  auf  dem  Kleros 
lastenden  Verpflichtung  zum  militärischen  Dienst.  Im  übrigen  herrscht 
jetzt  schon  die  Vorstellung,  daß  der  Kleros  dem  Inhaber  „und  seinen  Nach- 
kommen'^ gehört  (υπάρχειν).  Wie  νπάρχειν  ζ.  Β.  auch  vom  Pachtver- 
hältnis gesagt  wird  (vgl.  329,  4),  so  ist  auch  hier  kein  Eigentum  damit 
bezeichnet:  das  Eigentumsrecht  des  Königs  tritt  auch  jetzt  in  der  κατοχή 
deutlich  hervor  .  —  Im  IL  Jahrh.  wird  sich  die  Vorstellung,  daß  der  Kleros 
vom  Vater  auf  den  Sohn  übergeht,  im  Laufe  der  Generationen  immer 
mehr  befestigt  haben,  aber  daß  der  Kleros  auch  rechtlich  jetzt  ein  Erb- 
gut geworden  wäre,  läßt  sich  nicht  erweisen.    Die  Worte  μένειν  και  τον- 


1)  Vgl.  Jouguet-Lesquier  zu  Lille  4.  Wilcken,  Arch.  V  222  f.  Rostowzew, 
Kolonat  S.  11  f. 

2)  So  nach  der  feinen  Deutung  Rostowzews  in  den  Stud.  z.  Kol. ,  der  wohl  zu- 
erst darauf  hinwies,  daß  in  diesem  „zurücknehmen"  (wir  sagten  früher  konfiszieren) 
das  Obereigentum  des  Königs  deutlich  hervortritt. 


Α.  Die  Ptolemäerzeit.     §  4.    Das  Lehnsland.  283 

Toig  καΙ  έγγόνοις  in  dem  für  die  Kleruchenfrage  so  wichtigen,  leider 
noch  schwer  verständlichen  P.  Teb.  I  124,  25  und  33  (ca.  118)  zeigen  nicht 
notwendig  eine  Weiterentwicklung  über  die  aus  Lille  4  zitierten  Worte 
hinaus,  und  es  ist  wichtig,  daß  auch  in  den  Testamenten  des  II.  Jahrh. 
sich  ebensowenig  eine  \^ererbung  des  χληρος  findet  wie  in  denen  des 
III.  Jahrh. ^)  Auch  das  κατεχειν  κληρον  findet  sich  im  IL  Jahrh.  mehr- 
fach wieder^),  wenn  auch  aus  anderen  Anlässen  als  in  Lille  4.  —  Über  die 
Entwicklung  im  letzten  Jahrhundert  v.  Chr.  fehlt  es  uns  an  Nachrichten. 
So  ist  die  Umwandlung  des  Kleruchenlandes  in  volles  privates  Eigentum 
für  uns  erst  in  der  Kaiserzeit  nachweisbar  (s.  unten),  sehr  wahrscheinlich 
aber  auch  damals  erst  durchgeführt  —  natürlich  nur  soweit  das  bei  römi- 
schem Provinzialboden  überhaupt  möglich  war.  Der  ptoleraäische  κλή- 
ρος blieb  also  ev  άφέϋει^  soweit  wir  ihn  verfolgen  können. 

Als  finanzielle  Verpflichtung  des  Kleruchen  ist  bekannt,  daß  er  bei 
verschiedenen  Anlässen  dem  König  die  (Jr t'^ar ο g- Abgaben  zu  zahlen  hatte 
(in  Geld  oder  natura),  wie  z.  B.  bei  der  Aufnahme  unter  die  Kleruchen  und 
wieder  beim  Aufrücken  in  eine  höhere  Klasse  (z.  B.  die  Katöken).  Ge- 
naueres bei  Grenfell-Hunt  in  Teb.  I  S.  223.»)  Rostowzew  (Kolonat  S.  7) 
hat  den  Kranz  für  die  Aufnahme  als  „Kaufgeld"  charakterisiert.  Ich  halte 
diesen  Ausdruck  nicht  für  glücklich,  da  sonst  nichts  hier  auf  ein  Kauf- 
verhältnis hinweist.*)  Dazu  hebt  der  Xame  dieses  Kranzes,  ό  τη^  τιροϋ- 
λήμφεως  ότέφανος^  gar  nicht  den  Empfang  des  κλήρος,  sondern  die  Auf- 
nahme der  Person  unter  die  Kleruchen  hervor.  Mir  scheint  in  dieser  in 
der  Idee  freiwilligen,  in  der  Praxis  obligatorischen  Spende  (vgl.  Ostraka 
1.  c.)  das  eigenartige  Verhältnis  zwischen  dem  Lehnsmann  und  seinem 
Lehnsherrn  einen  passenden  Ausdruck  zu  finden.^)  Wurde  der  (ίτεφανος 
nicht  gezahlt,  so  wurde  der  κλήρος  eventuell  anderen  übertragen,  die  ihn 
zahlten  (Teb.  I  S.  224).  Auch  sonst  hatten  die  Kleruchen  manche  Ab- 
gaben zu  leisten,  vor  allem  eine  Grundsteuer  von  ^ — 2  Artaben,  also  die 
άρταβιεία.^)  Im  ganzen  waren  sie  aber  bezüglich  der  Abgaben  privi- 
legiert, wie  sie  z.  B.  für  die,  άπόμοιρα  nur  /^,  statt  γ  zu  zahlen  hatten, 
fall«  sie  ihre  Kulturpflicht  erfüllten.'^)     Sah  ein  Kleruch  sich  nicht  mehr 

1)  Nach  Rostowzew,  Kolonat  Sil  2)  Ygl  Teb.  I  S.  926.  666. 

8)  Hierdurch  <;rhalten  erst  ihre  richtige  Helcuchtung  die  in  den  Oetraka  be- 
gegnenden afi(favtn   τών  ιιΧηρονχων  uew.     \^ζ\.  Griech.  Oetraku  I  296  if. 

4)  Auch  Krbpacht  (von  der  M.  Weber,  Agrarf^.  S.  182  spricht)  liegt  hier  nicht 
Tor.  In  der  Kulturpflicht,  die  tioHtowxew  mit  Hecht  hervorhob,  liegt  ja  freilich  ein 
empbjteutiHcbeii  Moment,  aber  daß  hier  die  überlaeeung  des  Landes  irgend  wie  in 
Formen  eine«  cmphyteutiecben  Kaufe•  eich  vollzogen  hätte,  dafür  kamt  ich  keinen 
Beleg  finden. 

6)  Das  tchließt  nicht  aus,  daß  gelegentlich  auch  andere  Klaeaan  den  ατέφαψος 
sahlen,  wie  die  ßaatUnol  γεωργοί.     Vgl.  Tob.  I  S.  224. 

6)  Vgl.  Teb.  I  B.  666. 

7)  Zu  dieser  Deutung  von  Rev.  P.  24,  β  f.  vgl.  Roitowiew,  Kolonat  8.  8. 


284  Kapitel  VII.    Die  Bodenwirtschaft. 

in  der  Lage,  die  finanziellen  oder  persönlichen  Pflichten  (Militärdienst!), 
die  mit  dem  Besitz  verbunden  waren,  zu  leisten,  so  konnte  er  durch  eine 
Zession,  natürlich  unter  staatlicher  Autorisation,  den  Kleros  einem  anderen 
zuweisen  {τίαραχωρείν)     Vgl.  Teb.  124,  30 ff.,  30  (233);  31;  239. 

Die  Bewirtschaftung  wird  wohl  meist,  ganz  oder  zum  Teil,  durch 
Verpachtung  erfolgt  sein.  Hiervon  handeln  z.  B.  Petr.  III  104  (334),  Petr. 
Π  38  (a),  Magd.  1,  Petr.  II  2  (1)  (337).  In  der  Frage  des  Fruchtwahl 
wird  der  Kleruch  viel  freier  dagestanden  haben  als  der  βασιλικός  γεωργός^ 
der  nach  genauen  Vorschriften  (vor  allem  Weizen)  zu  bauen  hatte.  Von 
ihrer  Wein-  und  Gartenwirtschaft  handelt  der  Rev.  P.  1.  c.  Der  normale 
Charakter  des  κλήρος  ist  aber  der  des  Saatlandes.  ^) 

Wie  neben  der  ιερά  γη  die  άνιερωμενη  oder  δωρεαία  γη^  so  steht 
neben  der  κληρουχική  die  εν  δωρεά  γη^  denn  auch  diese  ist  als  Lehns- 
land aufzufassen,  freilich  als  Lehnsland  ganz  anderer  Art.^)  Während 
das  Kleruchenland  in  der  Regel  vom  unfruchtbaren  Land  ausgeschieden 
wurde,  umfaßte  dieses  ganze  Dörfer,  also  sicherlich  auch  viel  gutes  Saat- 
land. Jenes  war  mit  manchen  Abgaben  belastet,  dies  war  in  der  Regel 
steuerfrei  (Rev.  P.  43,  11).  Jenes  wurde  Soldaten,  dieses  hohen  Würden- 
trägern oder  Günstlingen  des  Königs  übertragen.  Andrerseits  hat  die  έν 
δωρεά  γη  es  gemeinsam  mit  der  κληρονχική^  daß  auch  bei  ihr  der  König 
trotz  seiner  „Schenkung"  das  Eigentum  am  Boden  behält,  so  daß  wir 
auch  sie  zu  der  iv  άφέαει  zu  zählen  haben.  Dies  hat  namentlich  Rostow- 
zews  tiefdringende  Interpretation  von  Magd.  28  (338)  gezeigt.  Vgl.  auch 
Lille  19,  Teb.  72,  440  ff. 

§  5.  DAS  PRIVATLAND. 
Die  Entstehung  und  Entwicklung  des  Privatlandes  in  ptolemäischer 
Zeit  ist  heute  noch  das  schwierigste  Problem  der  Agrargeschichte  dieser 
Periode.  Wir  wissen,  daß  es  damals  eine  Ιδιόκτητος  γη  (Teb.  5, 111)  ge- 
geben hat,  deren  Inhaber  ίδιοκτημονες  hießen  (Teb.  124,  32  und  38)^);  wir 
dürfen  auch  annehmen,  wie  schon  oben  S.  271  ausgeführt  wurde,  daß  diese 
ιδιόκτητος  γη  zur  εν  άφέόει  gehört  hat,  innerhalb  deren  sie  nicht  nur 
von  der  Ιερά^  sondern  auch  von  der  κληρονχικη  unterschieden  wurde,  daß 
es  also  nur  ein  Privatbesitz  war,  während  das  Eigentum  dem  König 
zustand.  Wir  kennen  auch  eine  große  Zahl  von  Grundbesitzern,  ohne 
freilich  sagen  zu  können,  ob  sie  zu  den  ίδιοκτημονες  gehören.    Aber  wir 


1)  Rostowzew,  Kolonat  17  unter  Hinweis  auf  Petr.  III  26,  5  f. 

2)  Vgl.  ßostowze^,  Stud.  z.  Kol.  S.  42  f.  78. 

3)  In  dem  Dorfe  Kerkeosiris  im  Faijum,  über  dessen  Bodenverhältnisse  uns  die 
Tebtynistexte  aufklären,  gab  es  nach  Akten  aus  der  Zeit  um  120  v.  Chr.  damals 
überhaupt  keine  ίδιόν,τψος  (vgl.  Teb.  I  S.  538  £F.),  eine  Tatsache,  die  nicht  einmal 
für  das  Faijum  zu  verallgemeinern  ist,  aber  für  die  Geschichte  des  Faijum  von  hohem 
Interesse  ist. 


Α.  Die  Ptolemäerzeit.     §  5.    Das  Privatland.  285 

haben  niclit  einen  einzigen  Beleg  dafür,  wie  diese  Ιδιόκτητος  entstanden  ist. 
Andrerseits  haben  wir  durch  Rostowzews  Studien,  der  zum  erstenmal  diese 
Frage  energisch  angefaßt  hat,  die  Entstehung  verschiedener  Arten  von 
Privatbesitz  kennen  gelernt,  ohne  daß  wir  im  Einzelfall  mit  Sicherheit 
sagen  können,  daß  es  ιδιόκτητος  γη  ist,  die  da  entsteht.  Unter  diesen 
Verhältnissen  beschränke  ich  mich  darauf,  diese  verschiedenen  Arten  von 
Privatbesitz  kurz  hier  zu  skizzieren. 

1.  Rostowzew^)  hat  es  wahrscheinlich  gemacht,  daß  ein  Privatbesitz 
sich  zunächst  nur  am  Haus-,  Wein-  und  Gartenland  entwickelt  hat.  Diese 
Besitzungen  und  nur  sie  heißen  κτήματα.  Als  κτήματα  sind  die  im  Lande 
schon  von  früher  her  vorhandenen  Besitzungen  derartigen  Landes  von  den 
Ptolemäem  anerkannt  (innerhalb  der  sv  άφέόει  γη).  Wie  ein  solcher  Be- 
sitz (κτήμα)  entstehen  kann,  zeigt  Teb.  5,  93ff.  (339):  hier  ist  unfrucht- 
bares Land  (aus  dem  Königsland)  zur  Bepflanzung  (καταφντενείν)  unter 
besonderen  Erleichterungen  der  Zahlungen  an  den  Staat  (erst  Atelie,  dann 
Kuphotelie,  dann  reguläre  Besteuerung)  von  Privaten  für  alle  Zeit  über- 
nommen worden.  Wie  in  solchen  Fällen  vorgegangen  wird,  in  denen 
eigenmächtig,  ohne  Vereinbarung  mit  der  Regierung  eine  Okkupation  der- 
artigen Landes  stattfindet,  zeigt  Amh.  31  (161). 

2.  Auf  Saatland  (das  niemals  χτήμα  wird),  wie  auch  auf  Wein-  und 
Gartenland,  kann,  wenn  es  sich  nicht  um  unfruchtbaren  Boden  handelt, 
Privatbesitz  durch  eine  Erbpacht  entstehen,  deren  Normen  uns  durch  den 
grundlegenden  P.  Eleph.  14  (340)  bekannt  gegeben  werden.  Vgl.  femer 
BGU  III  992  (162),  Theb.  Bankakt.  III  und  IV,  auch  die  Zoispapyri. 
Charakteristisch  ist  die  Vergebung  durch  Auktion,  die  Zahlung  eines  Erb- 
standsgeldes  (τιμ'ή)  in  4  jährlichen  Raten  und  die  Verpflichtung  zur  Zahlung 
von  έκφόρια  (resp.  Geld-qpopot  bei  Wein-  und  Gartenland).  Diese  Erb- 
pacht ist  wohl  die  sogenannte  μίΰ^ωόΐζ  eig  Λατρνκά  (vgl.  Teb.  5, 12). 

3.  Emphyteutischer  Besitz  bildet  sich  endlich  auch  durch  die  oben 
S.  276  f.  behandelte  μία^ωοις  ίξ  άξιας. 

Trotz  mancher  formaler  Unterschiede  in  den  hier  aiigefülirteu  Einzel- 
fällen*) wird  man  doch  so  viel  schon  heute  sagen  dürfen,  daß  es  vor 
allem  die  Erbpacht  (in  verschiedenen  Spielarten)  gewesen  ist,  die  in  der 
Ptolemäer/eit  zur  Bildung  von  Privatbesitz  geführt  hat.  Wenn  der  Be- 
sitzer auch  über  sein  Land  frei  verfügen  kann  durch  Verkaut,  Zession, 
N'erpfändung  usw.'),  und  wenn  aaoh  der  Besitz  vom  Vater  auf  den  Sohn 

1;  Kolonat  8.  14  ff. 

L>)  Rovtowsew  betont  stark,  da0  mOgliohenreite  in  den  vertohiedenen  Teilen 
λ'.'  iif  diesem  Qt^biet  vertohiedene  Formen  beitanden  haben. 

1.  lioitowzew  1.  c.  Iif. 


286  Kapitel  VIT.     Die  Bodenwirtschaft. 

übergehen  kann  (αρυνραί-Λρογονικαί  wie  in  Tor.  4,  2  f.)  ^),  so  ist  man 
doch  über  privaten  Besitz  in  der  Ptolemäerzeit  —  nach  unserm  jetzigen 
Wissen  —  nicht  hinausgekommen.  Höchstens  in  den  von  der  χώρα  exi- 
mierten  drei  Griechenstädten  scheinen  z.  T.  andere  Verhältnisse  gewesen 
zu  sein.  Für  die  ΜεΙανδρεων  χώρα  (und  den  Μενελαΐτης)  darf  man  die 
Nachricht  des  Edikts  des  Jul.  Alexander^)  Z.  59  f.  betreffs  der  mangelnden 
Bodenvermessung  sicher  auch  auf  die  Ptolemäerzeit  beziehen^  da  dies  zu 
den  εξ,  aiCbvog  ^/^κο^ιο«;  gezählt  wird.  Nur  soll  man  die  in  jenen  Worten 
angedeutete  Grundsteuerfreiheit  nicht  auf  die  ganze  Άλ .  χώρα  beziehen^  wie 
es  bisher  meist  geschah^),  sondern  beachten,  daß  diese  Aussage  nur  von 
der  αρχαία  γη  gilt/)  Was  freilich  diese  αρχαία  γη  ist,  wird  uns  nicht  ge- 
sagt. Sollte  der  Ausdruck  vielleicht  zurückgehen  auf  die  Zeit  der  Besiedlung 
Alexandriens  (vgl.  εξ,  αΙώνος)  und  die  damals  den  Kolonisten  gegebenen 
αρχαίοι  κλήροι  im  Sinne  von  Aristot.  Polit.  VI  4  p.  1319a  10?^)  Es  wäre 
möglich,  daß  diese  αρχαίοι  κλήροι  anders  als  die  gewöhnlichen  κλήροι 
Privateigentum  waren  und  daher  ατέλεια  hatten.  Andrerseits  ist  lehr- 
reich, daß  nach  Teb.  5,  98  f.  der  König  die  Ι4λεξανδρέων  χώρα  bezüglich 
der  Neubildung  von  κτήματα  (s.  oben)  zwar  begünstigt  vor  der  χώρα-^  aber 
doch  ebenso  durch  königlichen  Erlaß  reguliert  wie  das  übrige  Land. 

§  6.  DAS  GEMEINDELAND. 
Die  Frage  nach  dem  Gemeindeland  in  ptolemäischer  Zeit  kann  ich 
z.  Z.  nur  als  Problem  hinstellen.  Im  größern  Zusammenhang  ist  sie  noch 
nicht  bearbeitet  worden,  und  Papyri  und  Inschriften  sind  daraufhin  noch 
nicht  befragt  worden.  Daß  die  Griechenstädte  —  Alexandrien,  Naukratis, 
Ptolemais  —  ein  Gemeindeland  gehabt  haben,  und  daß  dieses  von  den  bisher 
behandelten  für  die  χώρα  geltenden  Normen  z.  T.  eximiert  gewesen  sein 
mag,  ist  a  priori  wahrscheinlich.  Für  Alexandrien  darf  die  eben  be- 
sprochene !4λεξανδρέων  χώρα  natürlich  nicht  als  Gemeindeland  aufgefaßt 
werden,  vielmehr  ist  diese  ein  Gau.  Vgl.  Claud.  Ptolem.  IV  5  §  46,  auch.  Plin. 
h.  n.  V  49.  Daß  im  Stadtgebiet  von  Alexandrien  zum  mindesten  gewisse 
(öffentliche?)  Gebäude  bis  ins  IV.  Jahrh.  hinein  Freiheit  von  der  Staats- 
grundsteuer genossen  haben,  geht  aus  den  nicht  ganz  eindeutigen  Worten 
bei  Ammianus  Marcellinus  22,  11,  6  hervor. 


1)  Es  begegnet  auch  schon  in  der  Ptolemäerzeit  der  Ausdruck  γΕονχος^  worunter 
wir  nach  obigem  nur  den  Landinhaber  für  diese  Zeit  verstehen  können.  Vgl.  die 
Inschrift  in  Arch.  V  162  n.  8:  ol  ccTtb  της  ΛόΧεως  γεονχοι  (Π.  Jahrh.  ν.  Chr.). 

2)  Dittenberger,  Or.  Gr.  II  669. 

3)  Vgl.  auch  Bouche-Leclercq  III  154,  1. 

4)  So  Wilcken  bei  Hunt  zu  Oxj.  VII  1045,  3.  Der  weitere  Text  des  Ediktes 
zeigt,  daß  zu  der  αρχαία  auch  τΐροαγενήματα  hinzugekommen  waren,  die  auch  privi- 
legiert waren. 

5)  Vgl.  hierzu  etwa  Ed.  Meyer  AG  II  S.  300  f.  und  Dittenberger,  Syll.  II  933. 
In  obigem  Sinne  äußerte  ich  mich  schon  bei  Plaumann,  Ptolemais  S.  87,  2. 


Β.  Die  römische  Zeit.     §  1.    Die  Verteilung  des  Bodens.  287 

Die  Sonderberechnung  des  Umfangs  der  κώμη  in  den  Dorfakten  von 
Kerkeosiris  bedeutet  nur,  daß  das  Areal,  auf  dem  das  Dorf  steht,  als  ein  wirt- 
schaftlich besonders  verwendeter  und  insofern  einheitlicher  Posten  in  der  Be- 
rechnung des  Gesamtareals  gezählt  wurde.  Vgl.  Grenfell-Hunt  Teb.  I  S.  540. 
Als  Gemeindeland  ist  es  darum  nicht  zu  fassen:  die  einzelnen  Hausgrund- 
stücke  auf  diesem  Areal  werden  ja  auch  im  Privatbesitz  der  einzelnen 
Dorfbewohner  gewesen  sein. 

Das  Problem  des  Gemeindelandes  bedarf  dringend  einer  eingehenden 
Spezialuntersuchun  g. 

B.  DIE  EÖMISCHE  ZEIT. 

Von  der  oben  S.  270  angeführten  Literatur  kommt  für  diese  Zeit  in  Betracht 
Waszyi'iski,  Rostowzew,  Staatsp.  und  vor  allem  Stud.  zum  Kolonat,  auch  Otto. 
Vgl.  ferner:  Mommsen,  Rom.  Gesch.  V  572  ff.  —  0.  Hirschfeld,  KV  352  ff. 
P.  Meyer,  Jioixr\'iig  und  ίδιος  Xoyog  (Festschr.  f.  0.  Hir.>chfel(l  131  ff.)  —  0.  Seeck, 
Colonatus  bei  Pauly-Wiss.  IV  Sp.  492  ff.  —  Mitteis,  Rom.  Privatr.  I  354  ff.  — 
0.  Eger,  Zum  äg.  Grundbuchwesen  in  röm.  Zeit  (1909),  30  ff.  —  Preisigke,  Giro- 
wesen. 

§  1.    DIE  VERTEILUNG  DES  BODENS. 

Als  Octavian  Ägypten  eroberte,  ist  ihm  als  dem  Sieger  zunächst  der 
gesamte  Boden,  sowohl  die  βαϋιλίκή  γη  wie  die  εν  άφεΰει  γη  zugefallen, 
aber  er  hat,  wie  wir  S.  28  sahen,  Ägypten  dem  imperium  populi  Komani 
eingefügt,  und  dies  ist  auf  die  Bodenwirtschaft  nicht  ohne  Einfluß  ge- 
blieben. Es  lassen  sich  für  die  frühe  Kaiserzeit  wichtige  Änderungen 
gegenüber  der  Ptolemäerzeit  erkennen. 

An  die  Spitze  möchte  ich  die  Tatsache  stellen,  daß  der  Ausdruck  iv 
άφεόεί  γη  trotz  des  Reichtums  unsrer  Quellen  sich  bisher  für  die  Kaiser- 
zeit nicht  hat  nachweisen  lassen.^)  Und  das  wird  kein  Zufall  sein:  die 
römische  Regierung  hat  nicht  nur  in  viel  weiterem  Umfange  als  die  ptole- 
mäische  die  Bildung  von  Privatbesitz  gestattet  und  gefördert,  sondern  hat 
diesem  Privatbesitz  den  Charaktsr  des  Privateigentums  gewährt,  natürlich 
„in  dem  Sinn,  wie  das  Provinzialrecht  überhaupt  ein  solches  kennt'^*)  Für 
dieses  Privateigentum,  für  das,  eben  als  Provinzialboden,  Grundsteuer  an 
d(*n  Fiskus,  d.  h.  deo  populus  Romanus  (s.  oben  S.  154)  zu  zahlen  war, 
gilt  die  Bezeichnung  ίόιωτίχή  yij,  die  in  der  Ptolemäerzeit  m.  W.  noch 
nicht  begegnet.^)  Zu  dieser  ίΟιωτιχή  yf)  gehören  jetzt  aber  auch  das  Kle• 
riifhon-  und   KRtiikonlimd,   die  also  beide  im  Gegensatz  zur  Ptolemäerzeit 

1     iMiiik••!   \Ht  iiorii  '  der  ίναφίΐμένη  γή  (Tcb.  II  82ft). 

2i  AIko  nicht  quiriti  AuffasKung  MummeonH  (RG  V  &7S,  vgl    Köm. 

t  i.it  r  II  8.  Atiil.  1004  Auni.  2>  i«t  durch  die  neuen  Forichungcn  uur  in  hellere• 
In.;    ^'eMftxt  wordi-n. 

:\    y.H  tiogo^noi  rä  ιβιωτίκά  im  Tit«l  der  Ch  ri  in  Tor.  18  (neben  ßactUna 

iiiiil  π("κ.οΛιχά  .  wo  tiN  aber  uicht  in  besug  auf  I  -raucht  ist. 


288  Kapitel  VII.    Die  Boden  Wirtschaft. 

sich  zu  vollem  Privateigentum  entwickelt  haben.  Über  weitere  Arten  der 
Ιοίωηκή  s.  unten  in  §  6.  Ahnlicb  wie  das  Privatland  scheint  auch  das 
Gemeindeland  in  der  römischen  Zeit  sich  mehr  entwickelt  zu  haben.  Im 
besonderen  dürfte  die  Einführung  der  Kommunalordnung  im  Jahre  202 
dies  befördert  haben. 

Weniger  klar  ist  die  rechtliche  Lage  der  ιερά  γη^  die  durch  den 
Wegfall  des  Begriffes  εν  άφέόει  γη  nicht  an  Selbständigkeit  gewonnen 
hat,  sondern  mindestens  ebenso  wie  in  der  Ptolemäerzeit,  wenn  nicht  noch 
mehr,  sich  in  Abhängigkeit  von  der  Staatsregierung  befindet. 

Aber  auch  auf  dem  Gebiete  der  βαΰίλικη  γη  finden  wir  große  Ver- 
änderungen. Zwar  gibt  es  auch  weiter  eine  βαόιλικη  γη^  und  sie  ist 
durch  umfassende  Konfiskationen  von  Kleruchen-  und  Götterland  erweitert 
worden  (s.  unten);  nach  andrer  Seite  aber  muß  der  Begriff  irgendwie  ein- 
geschränkt worden  sein,  denn  wir  finden  neben  ihr  und  von  ihr  unter- 
schieden die  δημοοία  γη,  dem  Namen  nach  also  ager  publicus.  Ferner 
hat  sich  aus  dem  privaten  Großgrundbesitz  von  Römern  und  Griechen, 
der  bald  (noch  im  I.  Jahrh.)  zum  größten  Teil  in  kaiserlichen  Besitz  über- 
ging, die  ονόιακη  γη  gebildet,  die  als  Patrimonialboden  der  βαύιλικη  und 
δημοόία  gegenübertritt.  Endlich  finden  wir  als  kaiserlichen  Boden  auch 
noch  die  τίροβόδον  γη,  deren  Bedeutung  noch  sehr  dunkel  ist. 

So  zeigt  in  der  Kaiserzeit  der  öffentliche  Boden  viel  mehr  Varietäten 
als  in  der  Ptolemäerzeit,  während  auf  der  anderen  Seite  die  früheren  Spiel- 
arten der  iv  άφεοεί  γη  —  abgesehen  von  der  ιερά  γη  —  unter  dem  neuen 
einheitlichen  Oberbegriff  der  Ιδιωτική  γη  sich  einander  nähern. 

§  2.    DIE  ΒΑΣΙΛΙΚΗ  UND  DIE  ΔΗΜΟΣΙΑ  ΓΗ. 

Ich  behandle  hier  diese  beiden  Bodenklassen,  wiewohl  wir  jetzt  wissen, 
daß  sie  staatsrechtlich  zu  trennen  sind,  zusammen  in  einem  Abschnitt, 
weil  ihre  Bewirtschaftung  völlig  gleich  gewesen  zu  sein  scheint.  Die  Frage, 
ob  beide  identisch  oder  verschieden  sind,  ist  in  den  letzten  Jahren  z.  T. 
von  denselben  Forschern  bald  so  bald  anders  beantwortet  worden.  Völlig 
gesichert  ist  uns  jetzt  die  Trennung  durch  einen  Gießener  und  einen 
Leipziger  Papyrus  (vgl.  351),  nach  denen  in  einem  Erlaß  Hadrians  την 
βαΰίλίκήν  καΐ  την  δημοΰίαν  καΐ  ονΰιακήν  γην  unterschieden  wird,  sowie 
durch  Oxy.  VI  899,  22  (361),  wo  gleichfalls  γην  βαβιλυκην  τε  και  δημοΰίαν 
getrennt  wird  (vgl.  auch  BGU  285).-^)  Nun  hat  man  trotzdem  eine  ün- 
genauigkeit  in  der  Terminologie  angenommen,  weil  dasselbe  Land  in  Teb. 
390,  12  als  βαΰιλική  ίερεντική  γη  und  in  Teb.  311,  15  als  δημοβία  ίερεν- 
τική   bezeichnet   wurde.  ^)     Aber    in   Wirklichkeit   redet  311,  15   nur  von 


1)  Vgl.  Kornemann,  KHo  YIII  406.     Wilcken,  Arch.  V  248  f. 

2)  Vgl.  hierzu  Grenfell-Hunt  zu  Teb.  302,  8. 


Β.  Die  römische  Zeit.     §  2.    Die  ßccödi-nrj  und  die  δημοαία  γη.  289 

δημοόίων  Ιερεντίχών  εδαφών^  und  da  nach  Teb.  373,  5 f.  zu  den  δημόόια 
έΟάφη  auch  die  βαοίλίχή  γη  gehört^),  so  scheint  mir  daraus  zu  folgen, 
daß  οημόδία  εδάφη  allerdings  eine  allgemeine  Bezeichnung  des  öffentlichen 
Landes  überhaupt  ist  —  wahrscheinlich  ganz  allgemein  im  Gegensatz  zu  den 
ιδιωτικά^)  — ,  daß  wir  aber  nach  obigem  δημοοία  γη  als  einen  prägnanten 
Ausdruck  für  einen  Teil  der  δημόόια  εδάφη  und  zwar  einen  von  der  ßaöt- 
λιχη  γη  verschiedenen  halten  dürfen.  Soweit  ich  sehe,  schwinden  hiermit 
alle  Schwierigkeiten,  die  diese  terminologischen  Fragen  uns  boten.  ^) 

Die  βαοιλίκή  γη  der  Kaiser  kann  nichts  anderes  sein  als  was  sie  in 
der  Ptolemäerzeit  gewesen  war,  die  alte  Domäne,  die  jetzt  die  Kaiser  über- 
nommen haben.*)  Wenn  man  auf  der  anderen  Seite  aus  dem  neuen,  erst 
jetzt  auftretenden  und  erst  jetzt  möglichen^)  Namen  δημοοία  γη  wird 
schließen  müssen,  daß  sich  dieser  ager  publicus  erst  in  der  Kaiserzeit  ge- 
bildet hat^),  so  ist  dabei  zu  beachten,  daß  die  βαβιλική  nicht  etwa  eine 
geschlossene  Größe  darstellt,  sondern  auch  jetzt  noch  erweiterungsfähig 
war.  ^)  Ja,  durch  Rostowzew  ist  es  sehr  wahrscheinlich  gemacht,  daß 
Augustus  in  großem  Umfange  Konfiskationen  von  Tempelland  und  Lehns- 
land vorgenommen  hat,  die  der  βαΰιλιχή  γη  zuflössen.  Nun  sind  aber, 
wie  wir  unten  sehen  werden,  manche  Konfiskationen  von  Kleruchenland 
vorgenommen  worden,  um  ovöcai  zu  bilden;  es  sind  also  nicht  alle  der- 
artigen Konfiskationen  der  βαόιλιχη  γη  zugewiesen.  Damit  gewinnen  wir 
eine  Möglichkeit,  die  Entstehung  der  δημοοία  γη  zu  begreifen:  sie  wird 
gleichfalls  auf  solche  Konfiskationen  zurückzuführen  sein.  Ich  wüßte  nicht, 
welch  anderes  Land  sonst  dafür  in  Anspruch  genommen  werden  könnte. 
In  der  Tat  lassen  sich  auch  für  die  δημοσία  einzelne  Fälle  von  Entstehung 
aus  Kleruchenland  nachweisen.  Vgl.  Oxy.  VII  1031,  11  ff.  Nach  welchem 
Gesichtspunkt  diese  Zuweisungen  zu  der  einen  oder  anderen  Landart  er- 
folgt sind,  entzieht  sich  noch  unserer  Kenntnis. 

Hinsichtlich  der  Verwaltung  stand  die  βαόίλιχή^  wie  Oxy.  IV  271  (369) 
zeigt,  unter  dem  Idiologos  —  oder  zum  mindesten,  Λvie  man  wird  ein- 
.sch ranken  müssen,  die  βαόίλίχή,  soweit  sie  aus  solchen  Konfiskationen 
bestand*),   denn   andrerseits  wird  die   βαοιλίχη  γη   auch  zum  Bereich  der 


1)  Vgl.  Lond.  III  S.  71,  δ,  wo  zu  den  in*  ήηίίρο{ν)  ^^α]φών  gehören  βαδά{ί' 
ηής)  ζχ^Β  %αϊ  if[Q]as  %αϊ  Ιδιωτικής  (seil.  γής). 

8)  8ο  im  Bremer  Pap.  14  (Zeit  Hadrians):  {)ηολ6γον  δημοαίωρ  %αϊ^  Ιβιωτίχώψ 
{datpStv. 

8)  Vgl.  Rostowzew,  Kolonat  S.  181  Anm.  1.  So  erklärt  eich  auch  das  βημάβια 
idatpti  in  Lond.  II  S.  164,  4:  hier  schließt  en  auch  die  άρατιχα  idatpr\  mit  ein. 

4)  Vgl.  Griech    OHtraka  I  644,  2.  6)  Vgl.  oben  S.  »0. 

H)  So  jetzt  P.  Meyor  bei  Kornemann,  Klio  VIII  406. 

7)  Vgl.  Wilcken,  Arch.  V  249  unter  Hinwoii  auf  Teb.  II  808  (868)  und  Oxj.  IV 

Η    l).i    |,;iiit  zu  der  Straboniicben  Beiohreiboog  diese•  Beamten.    S.  oben  8.  164. 

Mltt«le.Wllek«n:  OniodeOff•  I.  19 


290  Kapitel  VIl.     Die  Bodenwirtschaft. 

δίοίκηβίς  gezählt.^)  Die  δημούία  γη  scheint  ganz  zur  dioCxrjöig  zu  ge- 
hören; irgendwelche  Beziehungen  zwischen  ihr  und  dem  Idiologos  sind 
nicht  bekannt. 

Für  die  Bewirtschaftung  der  βαβίλική  und  ΟΎΐμοβία  γη  waren  natür- 
lich ebenso  wie  in  der  Ptolemäerzeit  die  Unterschiede  der  Qualität  des 
Bodens  und  damit  der  Steuerkraft  maßgebend.  S.  oben  S.  273.^)  Das  gute 
Saatland,  die  γη  έν  αρετβ,  oder  wie  man  jetzt  sagt,  die  ενάρετος  γη^) 
wurde  wie  damals  an  Pächter  in  Parzellen  vergeben.  Die  der  βαβιλυκη  γη 
hießen  wie  in  der  Ptolemäerzeit  βαβίλικοί  γεωργοί^  doch  kommt  dieser 
Ausdruck  nur  vereinzelt  vor  und  meist  nur  in  der  früheren  Kaiserzeit*), 
nach  Wessely  (Karanis  S.  6  ff.)  freilich  auch  noch  im  J.  218.  Aber  schon 
unter  Augustus  begegnet  der  weitverbreitete  Sprachgebrauch,  daß  nicht 
nur  die  Pächter  der  δημοοία  γη^  sondern  auch  die  der  βαβιλικη  (wie  auch 
der  ιερά  und  Λροβόδον  und  ονοιακη  γη)  als  δημόονοι,  γεωργού  bezeichnet 
werden.  ^) 

Diese  οημό6ίθί  γεωργοί  —  ich  fasse  sie  in  diesem  weiteren  Sinne, 
denn  wir  kennen  keine  Unterschiede  zwischen  den  Pächtern  dieser  ver- 
schiedenen öffentlichen  Ländereien  —  übernehmen  nun  diese  Pachten,  wie 
es  scheint,  in  denselben  Formen  wie  in  der  Ptolemäerzeit.^)  Die  Regie- 
rung machte  von  Zeit  zu  Zeit  eine  allgemeine  διαμί6%^ω6ΐζ  (vgl,  Teb. 
II  376,  15  [350]).  Daß  die  διαμίβ^ωβίζ  der  normale  Akt  der  Vergebung 
ist  (und  daher  mit  der  unten  zu  besprechenden  δίαιρεοος  nicht  gleichzu- 
setzen ist),  zeigt  auch  das  Edikt  des  Jul.  Alexander  Z.  14.  Dazu  wurden  Pacht- 
angebote'^)  von  den  Pachtlustigen  gemacht  und  die  Regierung  erteilte  den 
Zuschlag.  Über  die  sehr  fein  abgestuften  Höhen  der  dem  Staate  zu  liefern- 
den έκφόρια  vgl.  z.  B.  den  neuen  Florentiner  Pap.  (341).  Die  Pachten 
waren  unbefristet,  sie  liefen  bis  zur  nächsten  διαμίΰ^^ωΰΐξ^  doch  konnten 
sie  während  der  Pachtzeit  gebrochen  werden  durch  Übergebot  eines  anderen. 
Angebote  zu  den  normalen  Verpachtungen  liegen  uns  bis  jetzt  nicht  vor. 
Die  erhaltenen  repräsentieren  alle  irgendwelche  Spezialfälle.  Pachterneue- 
rungs-Angebote  mit  besonderen  Bedingungen,  die  der  (geringeren)  Qualität 


1)  Vgl.  341. 

2)  Zum  Unterschied  von  βεβρεγμένη,  αβροχος,  έτΐηντλημ^ένη  vgl.  ζ.  Β.  Lips.  105 
(237)  und  oben  S.  273. 

3)  Vgl.  Flor.  50,  4  mit  Vitellis  Note.  Wenn  es  hier  übrigens  heißt  έν  dvöl  %οί- 
ταις  -κατά  το  αίρονν  της  τε  ίναρέτον  γ,αϊ  χύρβον^  so  sieht  das  so  aus,  als  wenn  die 
eine  κοιττ]  die  ενάρετος,  die  andere  die  χέρβος  umfaßt  habe. 

4)  Lond.  III  S.  130  (1218,  4)  vom  Jahre  39,  Lond.  II  S.  168,  4  vom  Jahre  40/1, 
Oxy.  II  368  =  Wess.  Stud.  Pal.  I  116  vom  Jahre  43/4. 

5)  Vgl.  z.  B.  Lond.  II  S.  97  (344)  und  Gen.  42.  Andrerseits  vgl.  die  Unter- 
scheidungen in  Lond.  II  S.  21  ff. 

6)  Vgl.  zum  folgenden  Rostowzew,  Kolonat  S.  155  ff. 

7)  Ein  allgemeines  Pachtausschreiben  der  Regierung  ist  nicht  erhalten.  Aber 
eine  Aufforderung  für  einen  speziellen  Fall  enthält  BGU  656  (342). 


» 

ι 


Β.  Die  römische  Zeit.     §  2.    Die  βαβιλιιιη  und  die  δημοΰία  γή.  291 

des  Bodens  entspringen,  sind  Teb.  II  325  und  374  (349).  Wieder  beson- 
dere Eigentümlichkeiten  zeigen  die  Angebote  auf  Pacht  von  Uferland 
(αιγιαλός),  die  auf  kurze  Fristen  laufen,  denn  das  ist  nicht  γή  hv  άρετΤ], 
vgl.  BGU  640,  831;  CPR  32,  239.  Lond.  II  S.  192/3  (353).  Die  Verhält- 
nisse dieser  Üferlands-Pächter  von  Soknopaiu  Nesos  werden  uns  illustriert 
durch  Lond.  ΙΠ  S.  134  (355),  Gen.  16  (354)  und  Catt.  U.  Ein  Pachtüber- 
gebot auf  unfruchtbares  Land  {νπόλογον)  ist  Lond.  ΠΙ  S.  143  vgl.  auch 
Oxy.  III  279  (348)  und  500,  Gentilli  1.  Endlich  bilden  eine  eigene 
Gruppe  die  auf  einen  Erlaß  des  Hadrian  sich  berufenden  Pachtangebote 
aus  ApoUinopolis  Heptakomia,  in  denen  die  bisherigen  Pächter  für  her- 
untergekommenes Land  eine  beträchtliche  Ermäßigung  κατ'  ά^,ίαν  ver- 
langen. Diese  von  Kornemann  zuerst  in  der  Klio  VIII  edierten  Texte, 
zu  denen  ich  aus  der  Leipziger  und  Bremer  Sammlung  je  ein  Beispiel 
hinzufügte^),  sind  jetzt  von  Kornemann  in  P.  Giss.  4 — 7  neu  herausgegeben 
(351,  352). 

Sehen  wir  von  allen  diesen  Sonderfällen  ab,  so  haben  wir  uns  die 
Lage  der  normalen  δημόόνοι  γεωργοί  wahrscheinlich  ebenso  vorzustellen 
wie  die  der  entsprechenden  βαοίλικοί  γεωργού  der  Ptolemäerzeit,  wie  sie 
andrerseits  ja  auch  für  die  Sonderfälle  Parallelen  bietet.  Auch  in  der  Kaiser- 
/eit  erhielt  der  δημόόιος  γεωργός  die  Aussaat  nur  dann,  wenn  er  in  einem 
όρκος  βαόιλικός  versprach,  seine  Pflichten  zu  erfüllen.^)  Leider  ist  uns 
für  die  römische  Zeit  von  dem  Wortlaut  eines  solchen  όρκος  nur  ein  Frag- 
ment (BGU  85  [345]),  außerdem  nur  ein  Auszug  davon  erhalten  (Lond.  II 
S.  97  (344).*)  Daraus,  daß  hier  die  wichtige  Klausel  betreflfs  der  έμφά- 
νεια  des  γεωργός  (s.  oben  S.  21b)  fehlt,  darf  m.  E.  daher  nicht  geschlossen 
werden,  daß  die  Staatspächter  der  Kaiserzeit  während  der  Saatzeit  etwa 
nicht  an  den  Ort  ihrer  Tätigkeit  gebunden  gewesen  wären.  Alles  spricht 
dafür,  daß  Augustus  auf  diese  Bestimmung  nicht  verzichtet  liat.  Dagegen 
wird  das  Fehlen  des  Hinweises  auf  die  Asyle  darin  begründet  sein,  daß 
die  römische  Regierung  diese  eingeschränkt  hat.  Vgl.  oben  S.  114.  Ebenso- 
wenig können  wir  direkt  belegen,  daß  das  Korrelat  für  diese  Gebunden- 
heit, die  Beechützung  des  Pächters  durch  die  Krone,  wie  wir  es  oben 
8.  276  für  die  Ptolemäerzeit  nachweisen  konnten,  während  der  römischen 
Zeit   in  Geltung  gewesen   ist.     Es   fehlt  uns  eben  für  diese  Periode  ein 


1)  Arch.  V  246  ff.    Dazu  Roetowzew  ebenda  20tf  f. 

S)  Mit  δΟ  7φ  waren  diese  βηί^ματα  zurückzuzahlen  nach  Wien.  Pap.  81  an•  der 
Zeit  des  Auguitue. 

.  8)  In  der  ähnlichen  Licforungianweifung  Ozj.  VII  1024  (a.  129)  wird  auf  die 
%%i9oyQatpia  nicht  hingowieiten.  Daß  fie  weiter  beitand,  zeigen  die  Saatquittungon 
de•  II.  Jtthrhundert«.  Hier  wird  keine  ήμιοΐ/α  verlangt,  tondem  αϊ  fifai.  Nach  der 
Kommunalordnung  des  III.  Jahrh.  beeorgon  sUldtifche  KommiMare  die  άψοΛοβ^ς  entg- 
μάτων.  Vgl.  Ozj.  VII  1081  (848)  und  Flor.  21,  dagegen  geht  Hamb.  19  (a.  226)  an 
den  Strategen. 

19• 


292  Kapitel  VIL     Die  Bodenwirtschaft. 

dem  Teb.  5  entsprechendes  Dokument.  Doch  wird  man  wohl  mit  dem 
Fortbestand  dieser  Privilegien  rechnen  dürfen,  zumal  sie  ja  in  letzter  In- 
stanz nur  im  Interesse  des  βαοιλικόν  gewährt  waren. 

Die  Bewirtschaftung  wurde,  wie  einst,  z.  T.  durch  αυτουργία^  ζ.  Τ. 
durch  Afterpacht  durchgeführt.^)  Andrerseits  schlössen  sich,  wie  auch 
schon  in  der  Ptolemäerzeit,  oft  mehrere  zu  einer  Pachtgesellschaft  zu- 
sammen (0  δείνα  καΐ  οί  μέτοχοι)^  wie  bei  der  Steuerpacht.  Ein  Gesell- 
schaftsvertrag mit  einem  κοινωνός  liegt  in  Amh.  94  (347)  und  P.  Gentilli  3 
vor.  Wie  in  der  Ptolemäerzeit  hafteten  aber  nicht  nur  diese  Gesellschafter 
εξ,  αλληλεγγύης^  sondern  die  Gesamtheit  der  δημόοιοί  γεωργοί  eines  Dorfes 
haftete  als  solche  dem  Staat  (vgl.  z.  B.  BGU  85  I  12  [345]).  Diese  war  daher 
ebenso  wie  in  der  Ptolemäerzeit  wie  eine  Korporation  organisiert  (s.  S.  275) 
und  hatte  ihre  besonderen  Beamten,  wie  die  τΐρεΰβντεροί  und  den  γραμ- 
ματεύς των  γεωργών.  Vgl.  ζ.  Β.  Lips.  106,  13  f.  (vgl.  Arch.  III  568,  IV  484). 
Andrerseits  sind  ot  άπο  της  κώμης^)  nicht  mit  der  Gesamtheit  der  γεωργοί 
zu  identifizieren.^)  Möglich  ist,  daß  praktisch  einmal  beides  zusammenfiel. 
Aber  in  den  meisten  Dörfern  werden  auch  noch  andere  als  solche  γεωργοί  ge- 
wesen sein.  Gegen  jene  Auffassung  spricht  z.  B.  Lond.  Π  S.  168,  wo  των 
άτΐο  της  κώμης  (zugehörig  zu  der  Bevölkerung  des  Dorfes)  voransteht  und 
dann  folgt:  βαόίλίκον  γεωργούς  womit  man  noch  vergleiche  Lond.  II  S.  186, 
wo  των  ajtb  κώμης  voransteht  und  Πέροον  της  έτζιγονης  folgt.  Vor  allem 
lese  man  die  Bevölkerungslisten  in  Lond.  II  S.  21 — 37,  die  sich  auf  Dörfer 
des  Faijum  beziehen:  wenn  auch  die  γεωργοί  überwiegen,  so  gibt  es  doch 
auch  daneben  zahlreiche  Handwerker  (namentlich  viele  Weber),  Arbeiter 
{έργάταί)  und  Leute  mit  anderen  Gewerben.  Und  sie  alle  zusammen  sind 
ol  άπο  κώμης.  Mit  der  Organisation  der  γεωργοί  ist  neuerdings  durch 
Zulueta  1.  c.  auch  der  Begriff  der  δμόλογοϋ  in  Verbindung  gebracht  worden. 
Doch  das  fällt  mit  der  oben  S.  59  vorgeschlagenen  Deutung  des  Wortes. 

Abgesehen  von  der  bisher  behandelten  normalen  Verpachtung  von 
vollwertigem  resp.  minderwertigem  Staatsland  ist  es  nun  aber  auch  in  der 
Kaiserzeit  wie  in  der  ptolemäischen  Periode  vorgekommen,  daß  der  Staat 
zu  Zwangsmitteln  gegriffen  hat,  um  seine  Domäne  bewirtschaftet  zu 
bekommen.  Solche  einseitig  administrativen  Verfügungen  konnten  sowohl 
ganze  Gemeinden  als  auch  einzelne  Personen  treffen.  Damit  stehen  wir 
vor  Erscheinungen,  die  Zulueta  und  Rostowzew  mit  Recht  mit  jener  επι- 
βολή zusammengebracht  haben,  die  nach  der  Tradition  auf  Aurelian  resp. 
Konstantin  zurückgeführt  wird.  In  Ägypten  finden  wir  sie  in  ihren  An- 
fängen schon  in  der  Ptolemäerzeit  (vgl.  S.  277),  in  starker  Ausbildung  im 
IL/III.  Jahrhundert. 

1)  Vgl.  z.  B.  Teb.  II  376  (350),  Flor.  20  (359),  BGU  237,  526,  661,  Oxy.  IV  730, 
810,  Lond.  II  S.  189/90  (356). 

2)  Vgl.  S.  43.  3)  Wie  z.  B.  Zulueta  tut,  de  patrocin.  yic. 


Β.  Die  römische  Zeit.     §  2.    Die  βαΰιλική  und  die  δημοόία  γη.  293 

Eine  derartige  Belastung  einer  Gemeinde  ist  uns  am  anschaulichsten 
für  das  Dorf  Soknopaiu  Nesos  überliefert.  Ich  beziehe  auf  diesen  Fall 
die  folgenden  Urkunden  i):  Lond.  Π  S.  189/90  (356)  vom  J.  149  n.  Chr., 
Lond.  II  S.  90  (357)  vom  J.  150,  Lond.  ΠΙ  S.  134/δ  (355)  vom  J.  187/8 
und  Lond.  II  S.  159/60  (358)  vom  J.  214/5.  Nach  Lond.  III  S.  134  (355) 
war  dem  Dorfe  Soknopaiu  Nesos  ein  Stück  der  Domäne  des  Nachbar- 
dorfes Bacchias  „zugeteilt"  worden  {βπιμεριο^εΐύα)  und  es  wurden  έκφόρια 
dafür  von  Soknopaiu  Nesos  aus  an  die  Regierung  gezahlt.  Dieses  exc- 
μερίξειν  erinnert  uns  sogleich  au  das  μερίζειν  des  Par.  63  und  die  κατά 
μέρος  γεωργοί  des  Teb.  I  aus  der  Ptolemäerzeit,  d.  h.  an  die  Zwangspacht 
ανεν  όνναλλά^εων  (s.  oben  S.  277).  Jedenfalls  war  auch  dies  ein  rein  ad- 
ministrativer Akt,  durch  den  die  Gemeinde  von  S.  N.  verpflichtet  wurde, 
ein  Stück  von  Bacchias  zu  bewirtschaften.  Nun  läßt  sich  weiter  aus 
Lond.  II  S.  189/90  (356)  entnehmen,  daß  es  die  ganze  Gemeinde  von 
S.  N.  war  (oi  άπο  της  χώμης),  die  die  Verpachtung  dieses  Landes  an  die 
einzelnen  Gemeindemitglieder  übernahm.  Der  Staat  hat  also  offenbar  der 
Gemeinde  dies  Land  zugewiesen  mit  der  Verpflichtung,  die  verlangten 
εχφόρια  zu  beschaffen.  Ob  man  das  als  eine  Generalpacht  des  Dorfes 
auffassen  soU,  lasse  ich  dahingestellt.  Jedenfalls  erscheinen  in  dem  letzt- 
genannten Papyrus  die  Pächter  der  Parzellen  als  Pächter  der  Dorfgemeinde 
und  sie  vergeben  eventuell  wie  hier  die  Arbeit  wieder  an  Unterpächter. 
Die  Gemeinde  haftete  sicherlich  der  Regierung  für  den  Eingang  der  εχ- 
φόρια.  Das  drückt  sich  auch  in  der  Quittung  der  Sitologen  von  Bacchias 
aus.  Vgl.  meine  Einleitung  zu  Lond.  II  S.  90  (357).  In  welcher  Weise 
nun  die  Gemeinde  ihre  Mitglieder  zur  Pacht  dieser  Bacchiasflur  heranzog, 
dürfen  wir  wohl  Flor.  20  (359)  entnehmen,  wenn  dieser  auch  von  zwei 
anderen  Dörfern  (Theadelphia  und  Polydeukia)  handelt,  denn  wenn  ich 
nicht  irre,  liegt  dort  derselbe  Fall  eines  έπιμεριομός  zugrunde.  Dort 
wird  nun  die  allgemeine  Vergebung  der  Parzellen  als  eine  Οιαίρεόις  be- 
zeichn»*t,  und  der  Einzelne  erhält  seine  Parzelle  durchs  Los.  Auch  diese 
Οιαίρεαις  ist  uns  schon  aus  der  Ptolemäerzeit  für  die  Zwangs  Verpach- 
tung bekannt.  Sie  ist,  wenn  ich  recht  sehe,  nicht  identisch  mit  der 
διαμίο^ωόις^)^  sondern  vielmehr  ihr  Gegenstück  für  die  ίπιμεριόμοί  (vgl. 
di••  Einleitung). 

Eine  interessante  Folgeerscheinung  dieser  Zwangszuweisungen  lernen 
wir  nun  durch  Lond.  II  S.  159/60  (368)  kennen,  den  ich  gleichfalls  mit 
diesem  I'roblem  der  Bacchiasflur  verbinden  möchte.  Daß  der  Text  von 
einer  administrativen  „Versetzung"  {μετά&ΒΟίζ)  von  Bauern  handelt,  war 
schon    früher   erkannt,    aber   man    irrte,    wenn    man   annahm,    dafi   hier 

1)  Durch   die  Zuiammenfatitung  dieiier  Texte  läßt  lieh  Ober  da•  von  Zulueta 
und  Iloiiowxcw  Oeboteoe  noch  hinauMkomnien. 
2;  Vgl.  ItoMtowzew,  Kolonat  8.  162. 


294  Kapitel  VII.     Die  Bodenwirtschaft. 

Bauern  \^on  Bacchias  nach  Soknopaiu  Nesos  versetzt  wären.  Wie  ich 
in  der  Einleitung  zu  diesem  Text  zeige,  spricht  er  vielmehr  von  den 
Pächtern  von  Soknopaiu  Nesos,  die  jene  Bacchiasflur  bearbeitet  haben 
und  nunmehr  von  der  Regierung  zurückversetzt  werden.  Wir  begreifen 
nach  dem,  was  oben  S.  26  f.  über  die  Bedeutung  des  Prinzips  der  idia  ge- 
sagt wurde,  daß  die  Regierung  aufpaßte,  daß  die  Bauern,  die  in  einem 
fremden  Dorf  (zwangsweise)  gearbeitet  hatten,  nach  getaner  Arbeit  wieder 
in  ihre  ίάία  abgeschoben  wurden.  So  möchte  ich  diese  „Versetzung^^  von 
Pächtern  als  eine  Folgeerscheinung  des  έτΐψεριομός  auffassen.  Jedenfalls 
tritt  uns  hierin  die  prekäre  Lage,  ja  geradezu  die  tatsächliche  Unfreiheit 
der  Staatspächter  besonders  kraß  entgegen. 

Nun  steht  der  FaU  Soknopaiu  Nesos -Bacchias,  den  wir  einstweilen 
von  146  an  bis  ins  IIL  Jahrh.  hinein  verfolgen  können,  durchaus  nicht 
vereinzelt  da.  Auf  ein  ähnliches  A^erhältnis  zwischen  Theadelphia-Poly- 
deukia  (Flor.  20)  wurde  schon  hingewiesen.  Aber  es  gibt  noch  sehr  viel 
mehr  Fälle,  denn  offenbar  liegt  überall  derselbe  έταμερι,όμός  zugrunde, 
wo  in  den  Akten  eines  Dorfes  die  Arbeit  als  durch  die  Bewohner  eines 
andern  Dorfes  (dtä  των  άπο  .  .  .),  d.  h.  genauer  durch  die  Gemeinde  eines 
andern  Dorfes  geleistet  bezeichnet  wird.  Und  dafür  gibt  es  viele  Beispiele. 
So  findet  sich  in  einem  άτίαιτιίιοιμον  von  Soknopaiu-Nesos  vom  J.  215  nach 
Aufzählung  der  eigenen  Dorfbewohner  die  Bemerkung:  καΧ  dta  των  άπο 
ΦίλοΛάτορος  (CPR  33,  24).  Hier  ist  also  ein  Stück  des  Domaniallandes 
von  S.  N.  an  die  Gemeinde  von  Philopator  durch  έταμεριΰμός  überwiesen 
worden  —  übrigens  zur  selben  Zeit,  wo  die  Gemeinde  von  S.  N.  die  Bac- 
chiasflur mit  zu  bestellen  hatte!  Diese  Tatsache  zeigt^  daß  wir  das  Motiv 
für  die  Zwangszuweisungen  nicht  in  dem  Verfall  einzelner  Dörfer  zu  sehen 
haben ^),  denn  sonst  müßte  nach  dem  letztgenannten  Text  Soknopaiu  Nesos 
damals  verfallen  gewesen  sein,  während  es  doch  gleichzeitig  seine  Arbeiter 
nach  Bacchias  entsendete.  Diese  Reziprozität  finden  wir  ebenso  auch  bei 
Theadelphia  und  Polydeukia.  Während  nach  Flor.  20  (359)  vom  J.  127 
ein  Mann  von  Theadelphia  als  δημόοιοξ  γεωργός  (und  zwar  infolge  von 
Βτίΐμεριομός)  in  Polydeukia  eine  Parzelle  gepachtet  hat,  finden  wir  in 
Fay.  86  (a)  10  vom  J.  161 — 169  Bauern  von  Theadelphia  in  Polydeukia 
arbeitend.  Nach  Fay.  86  (IL  Jahrh.)  arbeiten  Bauern  von  Theadelphia 
in  Euhemeria  (Z.  6),  Bauern  von  Theadelphia  und  Philagris  in  Polydeukia 
(Z.  10  und  12),  Bauern  von  Theadelphia  in  Autodike  usw.^)  Der  Zu- 
sammenhang mit  dem  επιμερισμός  tritt  besonders  klar  in  Fay.  34  entgegen. 
Hier  übernimmt  ein  Mann  von  Philagris  von  den    βοηϋΌΐ  γεωργών  κώμν^ς 


1)  So  Zulueta,  S.  71. 

2)  Jetzt  verstellen  wir  auch  P.  Gen.  81,  19,    wo    so    und    so    viele  Aruren    von 

Bacchias    δια   των    άπο  JC[ (statt  άΛοι[κων])    bearbeitet  werden,    dagegen   der 

Rest  δια  των  άηό  της  χώμης  (d.  h.  von  Bacchias). 


Β.  Die  römische  Zeit.     §  2.    Die  βαβίλιχή  und  die  άημοαία  γη.  295 

Πολνόενκείας  die  Erhebung  gewisser  Abgaben  für  των  ^Λυμε^ί6%'ει- 
6 ων  νμεΐν  Πολνδευκείαξ  διά  των  ά%ο  Φιλαγρίδοξ  έν  Πάλη  (άρουρών). 
Das  verstehe  ich  nur,  wenn  man  ημείν  statt  νμεΙν  liest:  es  sind  Aruren 
von  Poljdeukia,  die  durch  die  Bauern  von  Philagris  zu  bearbeiten  sind, 
und  hier  haben  wir  ausdrücklich  den  Zusatz  επιμερι6%'είύών\  Ebenso 
arbeiten  nach  BGÜ  III  835  Bauern  von  Karanis  in  Κερκ{ε6ονχα\  in  Πτο- 
λ^εααΐς)^  in  2Γτρ(.  .  .  .),  in  Ιερά  Σεονήρον,  während  nach  BGU  201  wieder 
die  Bauern  von  Philopator  in  Karanis  arbeiten.  Der  erstere  Text  lehrt 
zugleich,  daß  die  Sitologen  des  Dorfes,  dem  der  έπίαεριόμός  aufgebürdet 
ist,  die  Aussaat  zu  liefern  haben.  Vgl.  ferner  Lond.  II  S.  22Q  ff.  und  dazu 
meine  Bemerkungen  bei  Rostowzew,  Kolonat  S.  222.  Es  muß  einmal  das 
gesamte  Material  auf  diese  wichtige  Frage  hin  untersucht  werden.  Hier 
mögen  die  angeführten  Beispiele  genügen.  Sie  zeigen  uns,  welch  großen 
Umfang  das  System  des  επιμεριομόζ  in  der  Kaiserzeit  gehabt  hat. .  Zur 
Zeit  der  Saat  und  Ernte  müssen  nach  diesen  Texten  im  Faijüm  die  Be- 
wohner der  Dörfer  bunt  durcheinander  gewürfelt  gewesen  sein.  Welche 
Zwecke  die  Regierung  hiermit  verfolgt  hat,  ob  rein  wirtschaftliche  oder 
auch  z.  T.  politische,  lasse  ich  dahingestellt.  Jedenfalls  zeigt  uns  wenn 
irgend  etwas  dieses  System,  als  dessen  Folgeerscheinung  wir  oben  auch 
die  „Versetzung"  resp.  „Rückversetzung"  der  Bauern  in  die  Ιδία  erkannten, 
auf  das  deutlichste,  in  welcher  faktischen  Unfreiheit  sich  die  ägyptische 
Landbevölkerung    auch  schon   vor  dem   offiziellen  Kolonat   befunden  hat. 

Ahnlich  wie  hier  ganzen  Dörfern  benachbarter  Domanialboden  zwangs- 
weise auferlegt  wurde,  so  ist  andrerseits  auch  einzelnen  Personen  oder 
besser  ihren  Besitzungen  eine  Zwangspacht  aufoktroyiert  worden,  und 
zwar  geschieht  es  in  der  Regel  in  der  Form  der  Zwangserbpacht. 

Die  Papyri  zeigen  uns,  daß  dies  in  römischer  Zeit  sehr  viel  häufiger 
vorgekommen  ist  als  ähnliches  in  der  Ptolemäerzeit  (s.  oben  S.  277).  Es 
Λvurde  jetzt  offenbar  als  Recht  der  Regierung  angesehen,  namentlich  gut 
situierten  Grundbesitzern  die  Zwangspacht  benachbarter  Stücke  der  Do- 
mäne aufzulegen.  Damit  stehen  wir  vor  der  römischen  επιβολή  (s.  unten). 
Unsere  Hauptzeugnisse  sind  BGU  648  (360)  und  Oxy.  VI899  (361).  Das 
letzte  Stück  zeigt  uns,  daß  derselbe  Ti.  Julius  Alexander,  der  in  seinem 
Edikt  prinzipiell  gegen  allen  Zwang  bei  μι6&ώ<5ει<$  ovöiaxaC  vorging 
(Z.  10 ff.),  in  demselben  Jahre  angeordnet  hat,  daß  Frauen^)  zur  γεωργία 
(d.  h.  von  Staateland,  β.  unten)  nicht  gezwungen  werden  sollen,  daß  er  also 
die  Belastung  der  Männer  für  gestattet  hielt.  Durch  dieses  und  spätere 
Edikte  ist  die  Institution  gesetzlich  geregelt  worden.  Also  ist  eine  weitere 
Ausdehnung  ciieKes  Zwanges  im  Vergleich  zu  der  Ptolemäerzeit  zu  beob- 


1)  Zu  der  Frage,  ob  die  Frauen  Oberhaupt  oder  nur  die  kinderlosen  Frauen 
frni  tL(.r»n    vgl.  untou  8.  8tl. 


296  Kapitel  VII.     Die  Bodenwirtschaft. 

achten.  Außer  den  Frauen  waren  auch  die  Priester  von  der  γεωργία  im 
obigen  Sinne  befreit.^)  Einen  besonderen  Fall  personeller  Befreiung  bietet 
Amh.  65  (vgl.  Rostowzew,  Kolonat  S.  202).  Im  übrigen  lastete  die  Zwangs- 
pacht auf  den  Grundstücken,  denn  es  wird  mehrfach  hervorgehoben,  daß 
dies  oder  jenes  Stück  Land  frei  sei  άπο  γεωργίας  βαοΐλίκης  καί  ούοίακης^) 
και  TtavTog  είδους.  So  (mit  dem  wichtigen  γεωργίας  ^  dessen  Fehlen  in 
älteren  Beispielen  zu  den  verschiedensten  Hypothesen  Anlaß  gegeben  hatte) 
in  Oxj  ΠΙ  506,  37;  577;  633.  Diese  Formel  findet  sich  bisher,  abgesehen 
von  einem  Hausgrundstück  in  der  Metropole  (Oxy.  HI  577)  nur  bei  Ka- 
tökenland,  denn  auch  Oxy.  718,  das  man  bisher  als  Ausnahme  anführte^), 
handelt    gleichfalls    von    Katökenland.     Nach  Analogie   von  Oxy.  270,  23 

und  Oxy.  VH  1044,  10    ergänze  ich  nämlich   in  Z.  6:    [εκ  τον o]v 

6vv  τω  ^λεξ,άν[ορον  (seil,  κλήρω)^  wie  auch  zu  τον  ein  κλήρον  hinzuzu- 
denken ist.  Daß  das  Land  nachher  als  Ιδιωτική  bezeichnet  wird  (11), 
spricht  nicht  dagegen,  daß  es  Katökenland  ist.  Vgl.  unten  S.  303.  — 
Endlich  wird  auch  in  vielen  Fällen  an  Zwangserbpacht  zu  denken  sein, 
wo  ein  Besitzer  von  Ιδιωτική  ο.  ä.  nebenbei  auch  eine  angrenzende  Par- 
zelle von  δημοοία  bebaut.^) 

Diese  starke  Entwicklung  der  Zwangspacht  in  römischer  Zeit  ist  mit 
Rostowzew  als  Korrelat  zu  der  Entwicklung  des  Privateigentums  zu  be- 
trachten. Die  Regierung  fördert,  wie  wir  sehen  werden,  die  letztere,  be- 
lastet aber  zugleich  die  Schultern  der  neuen  Privateigentümer,  indem  sie 
ihnen  die  Bewirtschaftung  von  Parzellen  der  Staatsdomäne  aufzwingt. 

Über  die  Staatsländereien,  die  durch  Käufe  verschiedener  Art  in  pri- 
vate Hände  übergehen  und  zu  Ιδιωτική  werden,  wird  unten  beim  Privat- 
land zu  sprechen  sein.  Hier  sei  nur  auf  die  αΛρατα  hingewiesen,  die,  so- 
lange sie  ατίρατα  sind,  Staatseigentum  sind.  Gegenüber  Preisigke,  der  sie 
als  „unverkäufliche"  erklärt  hatte,  hat  Rostowzew,  Stud.  z.  Kol.  S.  149  ff.  dar- 
auf hingewiesen,  daß  in  Oxy.  513  ein  Verkauf  aus  den  απρατα  vorliegt, 
wodurch  jene  Deutung  unwahrscheinlich  wird.  Was  freilich  die  „unver- 
kauften" Grundstücke  sind,  bedarf  auch  nach  Rostowzews  Darlegungen 
noch  weiterer  Aufklärung.  Von  der  Verpachtung  von  ατζρατα  handelt 
z.  B.  BGU  109,  von  einer  Schätzungskommission  für  απρατα  BGU  18  (398). 

§  3.    DIE  ΠΡΟΣΟΔΟΤ  ΓΗ. 
Die    προΰόδον   oder    auch    προ^όδων^)    γή,    die    sehr   häufig   in   den 
Texten  der  römischen  Zeit  begegnet  —  der  Ptolemäerzeit  ist  sie  fremd  — , 


1)  Ygl.  Dittenberger  Or.  Gr.  II  664.     Vgl.  Rostowzew,    Kolonat  S.  195,    der  ev. 
auch  an  Befreiung  von  persönlicher  Zwangsleistung  denkt. 

2)  Vgl.  Rostowzew,  Kolonat  S.  200.  3)  Vgl.  die  Übersicht  bei  Eger  1.  c.  35,  6. 

4)  Vgl.  Rostowzew,  Kolonat  S.  201,  der  als  Beispiel  auf  Flor  50  verweist. 

5)  In    P.    Chic.   45    ausgeschrieben.      Vgl.    den    Ausdruck    ηροΰοδιτίά    εδάφη    in 
Oxy.  VI  896. 


Β.  Die  römische  Zeit.     §  3.    Die  Ttgoöodov  γή.  297 

ist  sicher  Staatsland.  In  der  Bewirtschaftung  steht  sie  der  γη  βαΰίλική 
und  οημοόία  durchaus  parallel.  Sie  wird  wie  diese  von  Staatspächtern 
bearbeitet,  die  bald  als  τΐροόοοικοί  γεωργοί^),  bald  als  οημόοΐοί  γεωργοί^) 
bezeichnet  werden.  Wie  die  Saatquittungen  zeigen,  haben  auch  die  Pächter 
der  Λροόόοον  γη  Yor  Empfang  der  απερματα  den  Eid  zu  leisten.  Vgl. 
BGÜ  105  (340). 

Über  die  Entstehung  und  Bedeutung  dieser  προΰόδον  γη  sind  wir 
auch  heute  noch  im  Dunkeln.  Ich  habe  früher  die  Vermutung  aufge- 
stellt, die  von  Mitteis  weiter  begründet  und  dann  allgemein  angenommen 
worden  ist,  daß  diese  γή  den  mit  einer  πρόβοδος  belasteten  γενηματο- 
γραφονμενα  gleichzusetzen  sei.^)  Wie  RostoAvzew  (Kolonat  S.  135  ff.)  ge- 
zeigt hat,  war  hierbei  auf  alle  FäUe  irrig  die  Vorstellung,  daß  die  πρόϋ- 
oöog  erst  nach  erfolgtem  Verkauf  des  Grundstückes  aufgelegt  sei.  Das 
steht  zwar  in  P.  Lond.  II  S.  116,  den  ich  damals  interpretierte,  aber  damit 
hatte  der  betreffende  Beamte  eben  einen  Fehler  begangen,  wie  der  Text 
sagt.  Vielmehr  ist  nach  Rostowzews  Darlegungen  nicht  zu  bezweifeln, 
daß  die  πρόοοδος  unmittelbar  nach  der  Beschlagnahme  auferlegt  Avurde, 
wie  er  meint,  um  die  Zinsen  des  geschuldeten  Kapitals  zu  ersetzen.  Er  hat 
weiter  gezeigt,  daß  die  beschlagnahmten  Güter  einstweilen  in  der  Bewirt- 
schaftung der  alten  Besitzer  blieben,  die  die  πρόοοδος  (nebst  den  δημόοια) 
an  die  liturgischen  επιτηρηταΐ  γενηματογραφον μένων  υπαρχόντων  zahlten,  bis 
entweder  nach  Rückzahlung  der  Schulden  die  Beschlagnahme  aufgehoben 
wurde,  oder  der  Staat  zum  Verkauf  schritt.  Vgl.  hierzu  meine  Einleitung 
zu  BGÜ  579  (363),  auch  291  (364).  Vgl.  auch  Lond.  II  S.  116,  Lips.  76, 
BGÜ  619  usw.  Ob  man  das  γενηματογραφείν  ^  wie  Rostowzew  tut  (und 
auch  ich  früher),  als  „konfiszieren"  fassen  darf,  ist  mir  zweifelhaft.  Vom 
Staat  beansprucht  wurden  doch  nur,  wie  das  Wort  sagt,  die  γενήματκγ 
die  Ernte,  der  Ertrag  (so  auch  Rostowzew  S.  138).  Eine  Konfiskation 
(άναλαμβάνειν)  des  Bodens  trat,  glaube  ich,  erst  ein,  wenn  der  Staat  zum 
\  erkauf  schritt.  Vgl.  meine  Einleitung  zu  BGÜ  291  (364).  Wir  werden 
daher  be>8er  nur  von  einer  Beschlagnahme  des,  Ertrages  sprechen, 
die  der  Staat  zu  dem  Zweck  ausübte,  um  sowohl  die  Steuern  als  auch 
jene  πρόύοδος  zu  erhalten. 

Rostowzew  hat  nun  mit  allem  Vorbehalt  für  »iie  lOrklärung  der  προσ- 
όδου γή  zwei  Möglichkeiten  hingestellt,  «'inniul  daß  sie  die  ptolemäische 
χεχωριόμένη  χρόόοόος  sei  (β.  oben  S.  278),  andrerseits  daß  sie  doch  jenen 
γενηματογραφοιψενα^  d.  h.  jetzt  den  beschlagnahmten  und  noch  nicht 
verkauften  Ländereien  gleichzusetzen  sei.  Für  di«»  Beurteilung  der 
ersteren    Hypothese   werden    wir    weitere    Materialien    abwarten    müssen. 


1)  Vgl.  Gfii    42,  10:  \δημο6ίω]ν  ual  ο{ιβ»αηώψ  %αϊ  nQOCO^iUibV  {γ(ωργ]ώ¥. 
S)  Kbendort  Z.  19.  8)  Arch.  I  148.     Mitieii,  Z.  Sav.  1901,  167. 


298  Kapitel  VII.     Die  Bodenwirtschaft. 

Gegen  die  zweite  möchte  ich  schon  jetzt  Bedenken  äußern.  Sie  würde 
uns  nötigen,  wenn  ich  ihn  recht  verstehe,  die  alten  Besitzer  der  γενη- 
ματογραφονμενα  mit  den  τερο&οοίκοί  γεωργοί  resp.  den  δημόΰιον  γεωργοί 
von  προΰόδον  γη  gleichzusetzen,  und  dafür  bieten 'die  Texte  keinen  An- 
halt. Auch  stehen  jene  und  diese,  wie  mir  scheint,  dem  Staat  gegenüber 
in  ganz  verschiedenem  Verhältnis,  namentlich  wenn  meine  obige  genauere 
Scheidung  zwischen  den  γενήματα  und  dem  Boden  zutreffend  ist.  Der 
Grund  und  Boden  dieser  γενηματογραφονμενα  υπάρχοντα  ist  m.  E. 
nicht  Staatsboden,  so  wie  es  die  τΐροβόδον  γη  ist.  In  dem  Straßburger 
Papyrus,  den  ich  in  der  Einleitung  zu  BGU  599  (363)  herangezogen 
habe,  ist  nur  davon  die  Rede,  daß  nach  der  Schuldenzahlung  die  γενη- 
ματογραφία  oder  die  πρόΰοδοί  aufgehoben  werden  sollen,  nicht  aber  daß 
der  Boden  den  Besitzern  wieder  zurückgegeben  wird.  Den  haben  sie 
offenbar  nie  verloren.  Aber  ich  weiß  z.  Z.  auch  keinen  Gegenvorschlag 
für  die  τΐροΰόδον  γη  zu  machen.     Non  liquet. 

§  4.  DIE  ΟΤΣΙΑΚΗ  ΓΗ.^) 
Die  ονβιακη  γη^  der  Patrimonialbesitz  des  Kaisers,  hat  sich  zusammen- 
gesetzt aus  ovöCai^)^  die  sich  im  Anfang  der  Kaiserzeit  im  Besitz  des  Kaisers 
oder  des  kaiserlichen  Hauses  befanden  oder  auch  in  dem  hervorragender 
Römer  oder  Alexandriner,  letztere  soweit  sie  (durch  Erbschaft  oder  Konfis- 
kation oder  dgl.)  in  den  Besitz  des  Kaisers  übergegangen  waren.  Über  die 
Entstehung  der  ονβίαν  können  wir  nur  Vermutungen  aufstellen.  Es 
scheint,  daß  die  γη  εν  δωρεά,  die  in  der  Kaiserzeit  nicht  mehr  begegnet, 
von  Augustus  eingezogen  und  —  mindestens  z.  T.  —  wiederum  zu  Schen- 
kungen, wie  dann  auch  von  seinen  nächsten  Nachfolgern,  verwendet 
worden  ist.  Daß  auch  konfisziertes  Kleruchenland  zur  Bildung  von  ovöCai 
verwendet  wurde,  zeigen  Texte  wie  CPR  243  (367).  Andrerseits  mögen 
Güter  auch  käuflich  erworben  worden  sein,  wozu  natürlich  die  Per- 
sonen des  Senatoren-  und  hohen  Ritterstandes  einer  besonderen  Erlaub- 
nis des  Kaisers  bedurften  (vgl.  S.  29).  Manche  dieser  ovuCai  genannten 
Güter  sind  in  privaten  Händen  geblieben  (s.  unten  S.  302),  die  meisten 
sind  im  Laufe  des  I.  Jahrh.  in  kaiserlichen  Besitz  übergegangen.  Vgl. 
Rostowzew,  Kolonat  S.  120  ff.,  bei  dem  die  z.  Z.  vollständigste  Liste  der 
kaiserlichen  und  nichtkaiserlichen  ovöCai  sich  findet.^)  Nachdem  schon 
Claudius  Veränderungen  in  der  Organisation  eingeführt  hatte  (Benennung 


1)  Vgl.  Wilcken,  Griecli.  Ostr.  I  392.  0.  Hirschfeld,  KY  355  f.  und  Klio  Π 
46  ff.     P.  Meyer,  ^ιοίκηοις  155  ff.     Jetzt  vor  allem  Rostowzew,  Kolonat  S.  119  ff. 

2)  In  der  Ptolemäerzeit  begegnet  das  Wort  ovölcc  nur  einmal  in  Teb.  6,  23  (332). 

3)  Zwei  neue  οναίαυ  bringt  Hamb.  3.  Hinzufügen  möchte  ich  noch  einen  Hin- 
weis auf  die  ονΰία  ohov  KccieuQog  in  Lips.  96,  3  aus  hadrianischer  Zeit  (vgl.  Blumen- 
thal, Arch.  V  334). 


Β.  Die  römische  Zeit.     §  4.    Die  ονδια-κη  γη.  299 

der  ονόίαι  als  die  des  regierenden  Kaisers),  haben  nach  einer  Vermutung 
Rostowzews  S.  131  die  Flavier  wohl  die  definitive  Ordnung  dieser  Ver- 
hältnisse geschaffen.  Ich  bemerke,  daß  die  ovoCac  Τίτου  die  letzten  sind, 
deren  Neuschaffung  wir  z.  Z.  kennen.  Vielleicht  ist  auch  schon  damals 
das  besondere  Ressort  des  ovöiaxog  λόγος  gebildet  worden,  doch  läßt  es  sich 
nicht  vor  dem  II.  Jahrh.  nachweisen.^)  Irgendeine  gemeinsame  Verwaltung  muß 
ja  eingerichtet  worden  sein,  nachdem  einmal  mehrere  ovöCat  an  den  Kaiser 
gefallen  waren,  die  man  als  kaiserlichen  Privatbesitz  nicht  der  Fiskalver- 
waltung zuweisen  wollte.  Unter  Claudius  und  Nero  finden  sich  noch  die 
προεΰτώτες^)  an  der  Spitze  der  einzelnen  ovöCat^  die  offenbar  die  direkten 
Fortsetzer  der  προεοτηχότες  der  δωρεαί  der  Ptolemäerzeit  sind.*)  Man 
hat  eben  zunächst  die  alte  Gutsverwaltung  beibehalten.  Vom  IL  Jahrh. 
an  sind  kaiserliche  έπίτηρηταί  für  die  Patrimonialbesitzungen  in  den  ein- 
zelnen Dörfern  belegt,  also  liturgische  Beamte,  die  mit  ihrem  Vermögen 
dem  Kaiser  hafteten.*)  Im  ΙΠ.  Jahrh.  treten  uns  in  der  Patrimonial Verwal- 
tung kaiserliche  προνοηταί  und  φροντίΰταί  entgegen,  die  nunmehr  von 
den  Städten  bestellt  werden.  Vgl.  Oxy.  58  (378)  und  dazu  Rostowzew 
S.  132.  Es  scheint,  daß  die  Heroninos-Korrespondenz  dieser  Verwaltung 
augehört.  Vgl.  Comparetti,  P.  Flor.  IL  Über  das  Problem,  daß  seit  Sep- 
timius  Severus  die  Patrimonialgüter  als  fiskale  bezeichnet  werden,  ist  oben 
S.  154  f.  gehandelt  worden.     Vgl  auch  Nr.  174—177. 

Die  einzelne  ovöCa  war  nicht  notwendig  ein  geographisch  zusammen- 
hängendes Gebiet,  sondern  konnte  aus  Besitzteilen,  die  an  verschiedenen 
Orten  lagen,  zusammengesetzt  sein.  Eine  Einheit  bildete  sie  nur  dadurch, 
daß  sie  in  dem  Vermögen  (daher  ovo  ία)  einer  und  derselben  Person  war^) 
und  eine  einheitliche  Verwaltung  hatte.  Die  kaiserlichen  ovöiai^  die  in 
dem  ovöiaxog  λόγοξ  zusammengefaßt  wurden,  waren  daher  überall  im 
Lande  mitten  zwischen  die  sonstigen  öffentlichen  und  privaten  Besitzungen 
eingestreut.  Zu  den  ονόιαχά  gehörten  übrigens  auch  weite  Strecken 
Weideland.  Vgl.  P.  Straßb.  im  Arch.  IV  142  f.  und  BGU  II  478,  479  (Be- 
richte  von  έπ^τηρηταΐ  νομών).    Vgl.  auch  P.  Gatt.  II  und  Lond.  ΙΠ  S.  134/5 


Die  Bewirtschaftung  dieser  ovöiat  zeigt  gegenüber  der  der  vorher 
behandelten  öffentlichen  Ländereien  Eigentümlichkeiten.  Zwar  finden  wir 
auch  auf  ihnen  δημόσιοι  γεωργοί^  die  auch  spezieller  ovtsiaxol  γδωργοί^) 


1)  Vgl.  oben  S.  168. 

2)  BGU  650  (8βδ).    WeM.  Spec.  Taf.  11,  20/1  (176). 

»)  Vgl.  Wilcken,  Arcb.  V  226.    Roetowzew,  Kolonat  8.  127  f. 

4)  BGU  619,  21.     Fay.  28.     Gea  88  (860).     Ilottowsew,  Kolonat  S.  181  ff.  191  f. 

fj)  Vgl.  Rofiowzew,  Kolonat  8.  124.    Vgl.  BGU  708  und  dasn  RoRtowsew  S.  126. 

6)  Vgl.  z.  B.  Lond.  II  8.  80,  Z.  68,  68  usw.  Hier  und  auf  den  naobiten  Seiten 
/iililrciche  Beiipielt*.  Da0  tie  ihre  eigene  Organisation  hatten,  leigt  Lond.  II  S.  80,60: 
γ(/uμuaτ{ti>ς)  γ§ω{ργών)  ούβί{α%Λ9). 


300  Kapitel  VIL     Die  Bodenwirtschaft. 

genannt  werden,  die  offenbar  genau  ebenso  zu  beurteilen  sind  wie  die 
δημόοιοί  γεωργοί  auf  der  βαΰίλίκή^  δημοβία  und  προύόδον  γη.^)  Aber 
außerdem  gibt  es  ονοίακοί  μι6%^ωταΡ\  während  es  οημόβιοι  oder  /3a^t- 
Xixoi  μι6&ωταύ  nicht  gibt.  Wir  werden  mit  Rostowzew  S.  189  annehmen 
dürfen,  daß  die  ovöiaxol  γεωργοί  das  gute  Land  (die  ενάρετος)  in  unbe- 
fristeter Pacht  bestellt  haben,  während  diese  singulären  μυο^ωταί^  die  Zeit- 
pächter waren  (BGU  1047  III  12)  3)  und  Bürgen  zu  stellen  hatten  (BGÜ 
599  [363]),  das  minderwertige  Land  erhielten.  Freilich  fehlt  es  hierfür 
noch  an  direkten  Zeugnissen.  Die  eigentliche  Bewirtschaftung  scheinen 
weniger  diese  μιο&ωταί  (die  Großpächter)  als  ihre  υπομιοΰ-ωταό  geführt 
zu  haben.  Nach  BGÜ  1047  haben  diese  Unterpächter  direkt  vom  Staat 
gepachtet  und  stehen  ihren  μιόϋ^ωταί  offenbar  sehr  selbständig  gegen- 
über.^) Auch  diese  Verpachtung  an  die  μίόΰ-ωταί  resp.  νπομιο^^ωταί  hieß 
Οίαμίΰ0•ω6ίς.^)  Da  wo  es  νπομιύΟ'ωταί  gab,  werden  die  μι6%•ωταί  mehr 
die  Rolle  von  Gefällpächtern  gespielt  haben.  ^)  —  Auch  diese  ovöiaxij  γη 
konnte  anderen  zwangsweise  aufgelegt  werden.  Vgl.  z.  B.  CPR  6,  16  (κα- 
ϋ'αράς  από  τε  ονοίακης  καΐ  βαοιλικης  γης)  und  oben  S.  296. 

§  δ.    ΤΑ  ΙΕΡΑΤΙΚΑ  ΕΔΑΦΗ.  ^) 

Während  in  der  Ptolemäerzeit  die  ιερά  γη  als  zugehörig  zur  έν 
άφεόεο  γη  wenigstens  formell  neben  der  κληρονριχυκη  und  Ιδιόκτητος  stand, 
ist  sie  in  der  römischen  Zeit,  wo  jener  Oberbegriff  verloren  ging,  von 
jenen  Gruppen  des  Privatbesitzes  weiter  abgerückt  und  eher  dem  öffent- 
lichen Lande  noch  mehr  genähert  worden.  Der  Staat  hat  nicht  nur  die 
Verwaltung  durchaus  in  seiner  Hand,  er  säkularisiert  auch,  wo  er  will. 
Zwei  Beispiele  von  Konfiskationen  aus  Augustus'  Zeit,  die  uns  in  Oxy. 
IV  721  (369)  und  Teb.  II  302  (368)  erhalten  sind,  lassen  vermuten,  daß 
Augustus  den  gegen  Ende  der  Ptolemäerzeit  immer  mehr  angeschwollenen 
Tempelbesitz  aus  politischen  wie  aus  wirtschaftlichen  Gründen  vielleicht 
beträchtlich  verringert  hat.^)  Die  angeführten  Beispiele  zeigen,  daß  diese 
konfiszierten  Tempelländer  zur  βαΰυλυκη  γη  gezogen  wurden,  weshalb  sie 
dem  Idiologos  unterstanden  (vgl.  S.  289). 

Von  der  ιερά  γη  ist  auch  jetzt  zu  unterscheiden  die  άνιερωμένη^ 
die    bisher   nur   für  Ptolemais  in  Oberägypten  belegt  ist.^)     Von  beiden 


1)  Vgl  z.  B.  Gen.  42, 16  oben  S.  297  Anm.  1.       2)  Vgl.  Rostowzew,  Kolonat  S.  181. 

3)  Dieser  Text  bedarf  noch  weiterer  Prüfung.  Ich  verweise  auf  die  gründliche 
Behandlung  durch  Rostowzew  1.  c.  und  füge  nach  nochmaliger  Revision  nur  hinzu, 
daß  Schubarts  Lesungen  η8\ηΐΎΐζω]'κ06ΐ  (III  13)  und  έξ,Β\τά6αι  (III  1δ)  die  richtigen  sind. 

4)  Vgl.  CGR  243  (367). 

5)  Vgl.  BGU  1047  II  14.     BGU  475.  6)  Vgl.  Rostowzew,  S.  190. 

7)  Vgl   W.  Otto,  Priester  u.  Tempel  II  91  ff.     Rostowzew,  GGA  1909,  626  ff. 

8)  Zuerst  erkannt  von  Rostowzew,  GGA  1909  1.  c. 

9)  Lond.  m  S.  80,  115  und  118.     Vgl.  hierzu  Plaumann,  Ptolemais  88  f. 


ι 


Β.  Die  römische  Zeit.     §  δ.    τα  Ιερατιχά  εδάφη.  301 

wiederum  ist  zu  trennen  die  ιερεντικη  γη^  d.h.  „Priesterland",  das  den 
Priestern  vom  Staat  zur  Bewirtschaftung  überwiesen  ist.  Eine  besondere 
Gruppe  hiervon  bildet  die  ßaöikixi]  ιερεντικη  γη  von  Tebtynis  (Teb.  II 
390,  12),  d.  i.  jenes  von  Augustus  konfiszierte  Tempelland,  das  er  der 
Priesterschaft  desselben  Tempels  als  Entgelt  für  die  wegfallende  όννταξις 
in  Pacht  für  aUe  Zeit  gegeben  hatte  (Teb.  302  [368]).  Diese  Bezeich- 
nung zeigt  ganz  deutlich,  daß  der  Staat  trotz  jener  Vergebung  sich 
nach  wie  vor  als  Obereigentümer  betrachtete.  Daß  der  Ausdruck  δημόόια 
ίερεντικά  εδάφη  in  Teb.  311,  1δ  nur  eine  allgemeine  Bezeichnung  für  das- 
selbe Verhältnis  ist,  wurde  schon  oben  S.  289  auseinander  gesetzt.  Mit 
ιερατικά  εδάφη  scheint  ganz  allgemein  alles  in  der  Tempel  Verwaltung  ver- 
einigte Land  zusammengefaßt  zu  werden.^)  So  wird  in  Teb.  II  302,31 
hiermit  auf  jene  ιερεντικη  hingewiesen,  und  auch  die  Ιερά  γη  hat  sicher 
dazu  gehört.  Von  τά  ιερατικά  εδάφη  möchte  ich  andrerseits  trennen 
den  Ausdruck  τά  ιερατικά,  der  ζ.  Β.  in  dem  neuen  Florentinus  (341)  das 
Tempelressort  im  Gegensatz  zur  διοίκηβις  bezeichnet.  Nach  diesem  Text 
steuert  für  die  ιερατικά-,  1.  μεαιοϋ•(ωμένη)  ^  wahrscheinlich  verpachtete 
Ιερά  γη^  2.  ΊερακονΙτις  (seil,  γί])  das  zu  einer  Falkenkapelle  gehörige 
Land  und  3.  noch  eine  andere,  mir  unklare  Bodenart  (vgl.  Kommentar). 
So  sind  διοίκηόις  und  Ιερατικά  zwei  getrennte  Ressorts,  aber  auch 
die  Ιερατικά  stehen  ebenso  wie  das  andere  in  staatlicher  Verwaltung. 
Derselbe  Gegensatz  der  Ressorts  begegnet  durchweg  auch  in  Lond.  I 
S.  142  ff.,  in  dem  es  sich  wiederum  um  die  Einkünfte  von  διοίκηϋις  und 
ϊερα{τικά)  handelt.  Vgl.  meine  Einleitung  zu  341.  Dieser  Trennung  in 
der  Buchführung  entspricht  es,  daß  es  in  dem  %'η6ανρόξ  in  der  Kaiser- 
zeit ein  besonderes  Ressort  für  die  Einkünfte  der  Tempel  gibt,  den  -9^- 
ϋανροξ  ιερών  (vgl.  oben  S.  161).  Alle  diese  Einrichtungen  lassen  doch 
wohl  darauf  schließen,  daß  die  Einkünfte  der  Ιερατικά  für  die  Unterhaltung 
der  Tempel  bestimmt  waren. 

Im  übrigen  wurde  das  Tempelland  in  der  Verwaltung  ganz  ähnlich 
wie  die  βααιλιχή  und  δημοόία  γη  usw.  behandelt.  Das  gute  Saatlaud 
wurde  un  Pächter  vergeben,  die  nicht  nur  ebenso  wie  die  jener  Staats- 
ländereien  δημόοιοι  γεωργοί  hießen^),  sondern  auch  genau  so  gestellt  waren. 
Auch  sie  erhielten  «Iah  Saatkorn  nur  nach  Ableistung  des  schriftlichen 
Kaisereidee  (vgl.  Lond.  11  S.  i>7  |344])*),  wie  auch  die  Regierung  das 
T(>mpelland  gleichzeitig  mit  dem  Staatsland  zur  Pacht  ausbot  (BGU  II  656 
[342|).  Das  minderwertige  Land  wird  wahrscheinlich  in  ähnlichen  Formen 
wir•    }^r'^"^    ^tjuitslund    nutzbar    gemacht   worden    Roin  *'     Wmn    auch   die 

1;  Vgl.  Lond    II  S    164,  1. 

•2)  Vgl.  z.  B.  Lond,  II  8.  2ί4,  78.     Teb.  II  486  3)  Vgl    au.  I,   iu,l     jo. 

4)  Auch  Vonrljparhtuiig  von  Tempelland  (μ•μί6&ωμίρα  ίίς  naxQma)  iflt  mir  aut 
eiBem  unediorien  Papyrus  bükunut 


302  Kapitel  VII.    Die  Bodenwirtschaft. 

Priester  persönlich,  wie  wir  S.  296  sahen,  zur  Zwangspacht  nicht  heran- 
gezogen werden  sollten,  so  wird  man  doch  wahrscheinlich  dem  Tempel- 
land wie  jedem  anderen  nicht  staatlichen  Lande  eventuell  zwangsweise 
Pacht  von  Staatsland  auferlegt  haben.  Vielleicht  ist  sogar  jene  Über- 
lassung der  βοίΰίλική  an  die  Priester  von  Tebtynis  so  zu  deuten,  da  der 
Ausdruck  μερίζειν  dafür  gebraucht  wird  (vgl.  368). 

Als  nach  der  Einführung  der  Kommunalordnung  202  die  Städte  die 
Verwaltung  der  Tempel  übernahmen  (s.  oben  S.  128),  unterstanden  auch  die 
Tempelgüter  der  städtischen  Verwaltung.  Vgl.  CPHerm.  7  II/III,  wo  eine 
Besitzung  des  Serapeums  von  Hermopolis  durch  eine  städtische  Kommis- 
sion inspiziert  wird.  Rostowzew  (Kolonat  132  Anm.  2  und  189  Anm.  1) 
nimmt  zwar  an,  daß  es  sich  hier  um  eine  kaiserliche  ov&Ca  handle,  wohl 
weil  in  7  II  13  ein  φροντίοτηξ  Trjg  ovöCag  genannt  wird.  Vergleicht  man 
aber  damit  CPHerm.  28,  9,  wo  der  entsprechende  έπακολονϋ'ών ,  der  Be- 
gleiter jener  Kommission,  als  τοϋ  Μέλανος  φροντιοτής  bezeichnet  wird, 
so  muß  man  es  anders  auffassen.  Denn  dieser  Μέλας  ist  offenbar  der- 
selbe, der  in  7  II  13  als  μοόθ'ωτ'ής  jener  Besitzung  des  Serapeums  be- 
zeichnet wird.  Es  ergibt  sich  also,  daß  diese  Besitzung  als  Ganzes  ver- 
pachtet war  an  einen  Großpächter  (μL6^'ωτήg)J  der  einen  φροντίΰτης  unter 
sich  hatte.  Wir  lernen  weiter,  daß  diese  Besitzung  des  Tempels  als  ovöia 
bezeichnet  wurde.  Es  ist  wohl  das  erste  Beispiel  einer  ovo  Ca  aus  der 
Tempelverwaltung,  aber  es  liegt  kein  Grund  vor,  weshalb  nicht  auch 
Tempel  ebensogut  wie  Städte  und  Personen  eine  ovöia  haben  sollten. 
Der  μιαΰ^ωτής  paßt  dazu  ebenso  wie  der  φροντιοτής. 

§  6.  DIE  ΙΔΙί^ΤΙΚΗ  ΓΗ  UND  DIE  ΟΤΣΙΑΙ. 
Daß  der  Privatbesitz  sich  in  der  Kaiserzeit  stark  entwickelt  hat  und 
dazu,  im  Sinne  des  Provinzialrechts,  zu  Privateigentum  geworden  ist, 
wurde  schon  oben  S.  287  erwähnt.  Ebenso  wurde  schon  auf  S.  298  darauf 
hingewiesen,  daß  und  wie  sich  zu  Beginn  der  Kaiserzeit  größere  Guts- 
wirtschaften, ονΰίαι^  gebildet  haben,  die  freilich  bald  zum  größten  Teil 
in  kaiserlichen  Besitz  übergegangen  sind,  zum  kleineren  aber  in  der  Hand 
der  Privaten  geblieben  sind.  Zu  letzteren  gehört  z.  B.  die  ovöCa  des 
M.  Antonius  PaUas  in  einem  Text  vom  J.  121  (Lond.  III  S.  139  [370]). 
Weniger  besagt  es,  wenn  die  oveCa  einer  Norbana  Clara  im  J.  65/6  noch 
als  Privatbesitz  erscheint,  denn  die  meisten  ούβίαυ  sind  gerade  erst  in 
Neronischer  Zeit  kaiserlich  geworden  (Lond.  ΙΠ  S.  121).  Zweifelhaft  ist 
Lips.  113.  Jedenfalls  haben  sich  private  ονΰίαι  durch  die  ganze  Römer- 
zeit hindurch  erhalten  oder  haben  sich  auch  noch  von  neuem  gebildet. 
Wenn  diese  ovöCat^  wie  es  scheint,  nicht  zur  Ιδιωτική  γη  gezählt  worden 
sind,  so  zeigt  dies,  daß  sie  vielleicht  wegen  besonderer  Stellung  in  der 
Besteuerungsfrage  und  wegen  ihrer  eigenartigen  Betriebsformen  (s.  oben) 


Β.  Die  römische  Zeit.     §  6.    Die  ίάΐΛατιχη  γη  und  die  ονΰίαι.  303 

auch  rechtlich  eine  Sonderstellung  gegenüber  dem  Staat  eingenommen 
haben.  Auch  in  sozialer  Hinsicht  standen  diese  Inhaber  von  ovöCai  natür- 
lich ganz  anders  da  als  die  jedenfalls  im  Verhältnis  zu  ihnen  kleinen 
Parzellenbesitzer.  Sie  wohnten  als  reiche  Leute  nicht  auf  dem  Lande, 
sondern  in  den  Städten,  womöglich  in  Alexandrien. 

Alle  übrigen  privaten  Besitzungen,  aus  welchem  Rechtstitel  sie  auch 
entstanden  sein  mögen,  sind,  wie  es  scheint,  unter  dem  Namen  der  ιδιωτική 
γη  zusammengefaßt  worden.  Das  geht  jetzt  zum  erstenmal  klar  aus  dem 
neuen  Florentiner  Papyrus  (341)  hervor,  in  dem  die  folgenden  Spielarten 
unter  dem  Begriff  der  Ιδιωτική  (γή)  vereinigt  werden:  die  βαΰιλική  iv  τάί,ει 
Ιδιοκτήτου  αναγραφομένη j  die  ιδιόκτητος^  die  ä  er,  die  ad  Λθλ(  ),  die 
κατοι(κική)  und  die  εωνηίμενη).  Sie  alle  werden  unterschieden  als  ιδιω- 
τική von  der  βαΰιλική^  und  diese  beiden  zusammen  werden  wieder  den 
Tempelländereien  gegenübergestellt.  Allen  Spielarten  der  Ιδιωτική  ist  ge- 
meinsam, daß  sie  dem  Staat  natürlich  nicht  εκφόρια^  sondern  Grundsteuern 
zahlen.     Betrachten  wir  die  Hauptarten  genauer. 

a.  Das  Kleruchen-  und  Katökenland.^) 
Von  dem  am  Ende  der  Ptolemäerzeit  offenbar  sehr  weit  durch  ganz 
Ägypten  ausgedehnten  Kleruchenlande  (s.  oben  S.  280 ff.)  scheint  Augustus, 
da  er  die  mit  dem  Kleruchiebesitz  bis  dahin  verbundene  Funktion  des 
militärischen  Dienstes  nicht  mehr  in  Anspruch  nahm,  in  weitem  Umfange 
konfisziert  zu  haben'),  woraus  sich  erklärt,  daß  sich  so  häufig  auf  den 
Staatsländereien,  auf  der  /3α<ί^λικ)ί,  der  δημοόία  und  der  ονόιακή  Grund- 
stücke finden,  die  als  έκ  κλήρου  τον  δεΙνος  bezeichnet  werden^),  ebenso 
aber  auch  auf  den  Privatländereien,  die  wiederum  durch  Kauf  usw. 
aus  dem  Staatslande  ausgeschieden  sind.*)  Der  Rest,  der  in  der  Hand 
der  alten  Besitzer  bliel)  —  natürlich  unter  Ablösung  des  militärischen 
Dienstes  — ,  wurde  als  ihr  Privateigentum  vom  Staat  anerkannt.  Letzteres 
war  schon  früher  aus  Lond.  11  S.  224,  82  ff.  erschlossen  worden,  wo  χατοι- 


1)  Ρ.  Meyer,  Philolog.  56, 193  ff.  Heerwesen,  103  ff.  Waszytski,  Bodenpacht  79  ff. 
(J.  £gcr,  Aeg.  Grundbucbweeen  34  ff.  Roetowzew,  Kolonat  S.  88  ff.  Vgl.  auch  Bd.  Π 
S.  111. 

2)  Direkter  Beleg  in  Oxy.  IV  721  («βΟι. 

8)  Weiterer  Aufklilrung  bedarf  nach  Oxy  11  270,  26:  χαχοιχιηής  ηαϊ  ώνημέψης 
tlg  χατοιχιαν  (und  zwar  i%  χοϋ  dtlvog  xjlifpov).     Vgl.  lioetowzew,  Kolonat  S.  00. 

4)  Die  Namen  der  nXtiQoi  uind  durch  die  Jahrhunderte  konstant.  Die  Personen, 
nach  denen  sie  heißen,  meiet  gut  griechische  Namen,  sind  wahrscheinlich  diejenigen, 
die  Besitzer  der  xktiQoi  waren,  als  Augustus  die  Neuordnung  durchführte.  Diese 
Namen  haft^iten  nicht  nur  an  den  Kleroi,  die  damals  konfisziert  wurden  (das  kennen 
wir  auch  sonst,  wenn  auch  in  anderen  Formen,  wie  nffaxigow  toO  ^ffvo;),  sondern 
auch  an  den  nicht  konfiszierten,  die  »Iso  weiter  ihre  Besitzer  wechselten.  Anch  bei 
i>r  alte  Name  konstant.  Das  Iftfit  auf  eine  durchgreifende  Reorganisation 
■sesens  anter  Angostus  schließen. 


304  Kapitel  ΥΠ.     Die  Boden wirtechaft. 

KLXoi  κλήροι  unter  den  Ιδιωτικά  εδάφη  aufgezählt  werden^),  deren  Inhaber 
teils  Alexandriner,  teils  εντόπιοι  sind.^)  Jetzt  wird  es  durch  den  neuen 
Florentiner  Text  bestätigt  (s.  oben).  Diesem  entsprechend  beginnt  in 
einem  unpublizierten  Berliner  Papyrus  (P.  1420)  ein  άπαιτήοιμον  κατ 
άνδρα  0ιτ[ι]κών  [κα]τοίκων  (a.  6  des  Gordian)  mit  der  Überschrift:  [/lioi- 
ϋη\6εως  ιδιωτικής  γης  κτλ.^) 

Zur  Terminologie  bemerke  ich,  daß  nach  meinen  bisherigen  Beob- 
achtungen der  Ausdruck  κλήρος  κατοικικός  und  γη  κατοικική  sich  korrekt 
nur  auf  Ackerland  bezieht,  wie  γη  prägnant  nur  dies  bezeichnet.  Hiernacb 
glaube  ich  den  Ausdruck  εν  κατοικική  τάξει  e  ι  klären  zu  können,  der  sich 
z.  B.  BGU  2X2,  11  und  17;  379,  12;  Lond.  II  S.  182,  7  findet:  überall  sind 
ελαιώνες  genannt,  die  eben  Gartenland  {μαράδειοος)  und  nicht  γη  sind. 
Beweisend  ist  z.  B.  der  Wechsel  der  Ausdrücke  in  BGU  282. 

Nebenbei  sei  bemerkt,  daß  die  Einteilung  des  Bodens  in  numerierte 
κληρονχίαι,  wie  sie  uns  durch  die  Saatquittungen  und  andere  Texte  für 
das  Faijum  bezeugt  ist,  mit  den  κλήροι  κατοικικοί  gar  nichts  zu  schaffen 
hat.  Die  Ansicht  von  Otto,  Priest,  u.  Temp.  II  97,  daß  diese  κληρονχίαι 
nur  auf  Staatsboden  zu  finden  seien,  ist  nach  Grenfell-Hunt  zu  Teb.  II 
S.  169  zu  eng.    Vgl.  auch  Rostowzew,  Kolonat  S.  112  Anm.  1. 

So  hat  es  auch  in  der  Kaiserzeit  κληροϋχοι  und  κάτοικοι  gegeben^) 
—  wie  sie  sich  unterschieden,  ist  noch  nicht  aufgeklärt  — ,  aber  freilich 
waren  sie  etwas  vöUig  anderes  als  in  der  Ptolemäerzeit :  nicht  mehr  mili- 
tärische Lehnsleute,  sondern  unmilitärische  Grundbesitzer  von  Katöken- 
land.  So  können  auch  Frauen  κάτοικοι  genannt  werden,  wenn  sie  der- 
artiges Land  besitzen.  Die  Privilegien,  die  die  Katöken  haben,  haften, 
wie  P.  Meyer  zuerst  betonte,  am  Boden  —  so  die  Freiheit  von  der  Kopf- 
steuer, die  durch  επίκριόις  festzustellen  war  (vgl.  S.  202).  Daß  das 
Katökenland^)  (mindestens  in  der  Regel)  von  der  Zwangsstaatspacht  frei 
war,  wurde  schon  oben  S.  296  erwähnt.  Die  Grundsteuer,  die  die  Katöken 
für  Saatland  zu  zahlen  hatten,  war  die  άρταβιεία^  eine  Artabe  pro  Arure, 
was  in  Brux.  1  (236)  geradezu  als  „die  Katökenartabe"  bezeichnet  wird. 
Da  dies  offenbar  feststand,  so  ist  in  dem  neuen  Florentiner  Text  (341) 
beim  Katökenland  die  Höhe  der  Abgabe  gar  nicht  angegeben. 


1)  So  Waszynski  1,  c.  81.  P.  Meyer  hat  ursprünglich  auch  Privateigentum 
angenommen,  hat  die  Ansicht  aber  in  Jioiv.jiöig  S.  145  aufgegeben. 

2)  So  richtig  Schubai-t,  Arch.  II  158. 

3)  Hierzu  stimmt  es,  daß  das  Katökenland  in  der  βιβλιοϋ"ήκη  έγζτηβεων  gebucht 
wird,  wenn  auch  in  einer  besonderen  Abteilung  {ν,ατοίλοχιβμοί).  Vgl.  Eger  S.  37. 
Preisigke,  Girowesen  S.  496  ff.     Mitteis,  Bd.  II  111. 

4)  Ein  Beispiel  für  viele:  Teb.  II  366  (371),  wo  beide  von  einander  geschieden 
werden.     Weitere  Belege  bei  Rostowzew  S.  89. 

5)  Über  die  von  Eger  entdeckte  Abkürzung  |-|-  für  yfi  κατοικί-κη  vgl,  auch  meine 
Bemerkung  im  Arch.  V  184  f. 


Β.  Die  römische  Zeit.     §  6.    Die  Ιδιωτι-κτ]  γη  und  die  ovöicci.  305 

Neuvergebungen  von  κληροί  sind  für  die  Kaiserzeit  nicht  bezeugt^), 
was  auch  wohl  kein  Zufall  ist,  da  die  κλήροι  ja  keine  Lehnsgüter  mehr 
sind.^)  Nur  auf  eine  Gelegenheit  möchte  ich  hinweisen,  bei  der  vielleicht 
κληροί  vom  Staat  assigniert  worden  sind:  das  ist  die  Gründung  von  Anti- 
noopolis  durch  Hadrian  (s.  oben  S.  49).  In  diesem  Zusammenhang  er- 
innere ich  an  Lond.  II  S.  117  (III.  J.):  λημμάτων  κωμών  ξ  (ετονς)  ναν- 
ßCov  εδαφών  κατακληρονχηϋ-έντων  ΐ4ντινοενβι  αι  δηλω^^είοαι  προ6τε%^εΐ6^αι 
νπο  Αυρηλίον  Σαραπάμμωνος.  Leider  ist  das  Fragment  zu  unvollständig, 
um  uns  sichere  Aufklärung  zu  geben.  Sicher  ist  nur,  daß  hier  von  Grund- 
stücken die  Rede  ist,  die  den  Antinoiten  assigniert  sind.  Aber  schon  die 
Frage,  ob  diese  in  Antinoopolis  lagen  oder  auswärts,  läßt  sich  schwer 
beantworten.  Die  Erwähnung  der  κώμαι  spricht  eher  gegen  die  erstere 
Annahme.     Über  die  Soldatenansiedlungen  vgl.  Kap.  XL 

An  dieser  Stelle  sei  auf  eine  Hypothese  von  Seeck  (Pauly-Wiss.  IV 
496)  hingewiesen,  der  nach  einigen  Papyri  des  ausgehenden  ΠΙ.  und 
IV.  Jahrb.,  die  αλλόφυλοι  erwähnen,  vermutete,  daß  damit  barbarische  An- 
siedler (inquilini,  Liten)  gemeint  seien.  Er  beruft  sich  auf  BGU  34  II,  8,  11; 
411,  419  (373),  Gen.  13.  Diese  Hypothese  ist  abzulehnen,  da  diese  άλλό- 
φνλοι  vielmehr  diejenigen  sind,  die  in  einem  fremden  Gau  wohnen.  Vgl. 
meine  Einleitung  zu  419  (373). 

An  die  Stelle  des  οτέφανος^  in  dem  wir  das  patriarchalische  Ver- 
hältnis zwischen  Lehnsherrn  und  Lehnsleuten  ausgedrückt  fanden  (s.  S.  283), 
tritt  in  der  Römerzeit  entsprechend  der  Aufhebung  des  Lehnsverhältnisses 
eine  Steuer  (resp.  Gebühr),  das  τέλος  καταλοχιομών^  das,  ähnlich  wie  einst 
der  ϋτέφανος^  beim  Übergang  eines  κλήρος  aus  einer  Hand  in  die  andere 
an  den  Staat  zu  zahlen  war.  Dieser  κατκλοχιόμός  weist,  wie  Wilamowitz 
betont  hat  (GGA  ls98,  679  vgl.  Arch.  I  126),  auf  den  ursprünglich  niili- 
täri.schen  Charakter  der  Katöken  hin,  und  da  dieser  nur  in  der  Ptole- 
mäerzeit  bestanden  hat,  muß  das  Wort  aus  jener  Zeit  übernommen  sein. 
Tatsächlich  kommt  das  Wort  schon  im  III.  Jalirh.  v.  Chr.  vor,  in  Petr.  III  i)7 
VII  24  (S.  230):  φνλακιτών  καΐ  έφόδοιν  τών  iv  καταλοχιΰμώι.^)  Dabei  ist 
daran  zu  denken,  daß  die  Phylakiten  militärisch  organisiert  waren.  Der 
Grundbegrifif  des  χαταλοχίζειν  verlangt,  daß  nicht  das  Grundstück,  sondern 
die  Person  des  Erwerbers  Gegenstand  des  καταλοχίόμό^'  ist,  wie  ich  es 
oben  auch  für  die  ptolemäische  πρόόληψις  ))etoute.  Anläßlich  solcher 
χαταλοχιομοζ  reep.  der   Umschreibungen    (μετεπίγραφαί)    in    den  χαταλο- 

1)  Εκ«Γ  i,  c.  S,  86,  1  hillt  »••  für  niÖKlich,  daÜ  in  Τ.Ί)    II  :t:»7    »72^  .in.•  Mtiiat 
liehe  Verleihung  vorliege.     Abf>r  άναηομίααα&αι   muß   uuf  »in  ,,/.urii(  ki'rhalt«'n"    liiii- 
weiien.  —  Zu  der  ώνημ^η  tig  naxo^nlap  in  Oxy.  II  270  vgl.  S.  :i():j   /\nm.  ». 

2)  Natflrlich  fUlli  auch  da«  άναΧαμβάνβιν  fort.     Vgl.  Kgcr  1.  i.  se. 
8)  Auch  im  Seleukideoreicb :  Diiicnbergor  Or.  Or.  I  129,  46. 

Mltl«i*-Wilok«»t  Onmd••«•  I  tO 


306  Kapitel  VII.    Die  Bodenwirtschaft. 

χυόμοί- Akten  wurde  jenes  re'Aog  gezahlt.^)  Über  die  Λ^erbucllung  des 
Katökenlandes  in  diesen  καταλοχιΰμοί -Akten,  für  die  eine  eigene  Behörde 
in  den  άβχολονμενοι  τους  χαταλοχιομονξ  ο.  ä.  bestand,  sowie  in  der  βιβλιΟ' 
ϋ"ήκη  έγκτήοεων  vgl.  Band  II  S.  111.  Die  Sonderstellung  der  κάτοικοί 
unter  der  übrigen  Bevölkerung,  die  sieb  in  der  Ausbildung  der  Standes- 
bezeichnung κάτοικοι  (vgl.  viog^  ^^νγάτηρ  κατοίκου  usw.)^)  zeigt,  tritt  uns 
u.  a.  auch  darin  entgegen,  daß  es  ein  eigenes  κατοικικον  λογιόττιριον  gab 
(CPR  1,  11).^)  Eine  Katökenliste  wie  Lond.  II  S.  144  zeigt  uns,  daß  die 
Honoratioren  zu  ihnen  gehörten. 

Die  Bewirtschaftung  der  Katökenländer  beleuchten  die  zahlreichen 
Verträge,  namentlich  die  Pachtverträge,  die  sich  auf  derartiges  Land  be- 
ziehen.    Vgl.  die  Liste  bei  Waszynski  1.  c.  S.  169  ff. 

b.  Die  ιδιόκτητος  und  die  έωνημενη  γη. 
Während  die  Ιδιόκτητος  in  den  ptolemäischen  Texten  nur  einmal 
unter  diesem  Namen  begegnete  (s.  oben  S.  284) ,  wird  sie  in  den  Papyri 
der  römischen  Zeit  recht  häufig  so  genannt.*)  Auch  hierfür  bietet  der  neue 
Florentiner  Text  (341)  wertvolle  neue  Aufschlüsse.  Einmal  zeigt  er,  daß 
Ιδιόκτητος  und  Ιδιωτική  nicht  identisch  sind,  sondern  erstere  eine  Abart 
der  zweiten  ist.  Ferner  zeigt  er  uns,  daß  von  der  reinen  ιδιόκτητος  zu 
unterscheiden  ist  eine  βαβιλική  εν  τά^ει  ιδιοκτήτου  άναγρα(φομενη).  Letz- 
teres muß  Königsland  sein,  das  im  Dorfkataster  von  Naboö  εν  τάξει  Ιδιο- 
κτήτου geführt  wird  (άναγράφεΰ^-αι),  was  wohl  darauf  schließen  läßt,  daß 
der  hier  in  Frage  stehende  Besitz  durch  Übergang  aus  der  /^αίϊίλί.κιί  ent- 
standen ist.  Für  die  Erklärung  ist  davon  auszugehen,  daß  die  Landart 
unter  dem  Oberbegriff  Ιδιωτική  aufgeführt  wird.  In  dem  βαύιλική  kann 
also  nur  ein  Hinweis  auf  eine  Oberhoheit  stecken;  tatsächlich  gehört  das 
Land  zum  Privatland.  Als  Parallele  möchte  ich  die  oben  S.  301  behan- 
delte βαύιλική  ίερευτική  γη  anführen.  Das  war  Land,  das  die  Priester 
(statt  der  ούνταξις)  vom  Staat  in  ewige  Pacht  erhalten  hatten,  für  das 
also  der  Staat  sich,  wie  in  /^ί^ίί^λίκ?^'  ausgedrückt  wurde,  das  Obereigen- 
tum vorbehielt.  So  möchte  ich  auch  hier  das  /3cί^^λ^κ'^j  fassen,  wenn  auch 
im  übrigen  ein  anderes  Rechtsverhältnis  vorliegen  mag.  Ob  hier  an  Erb- 
pacht zu  denken  ist,  lasse  ich  dahingestellt.  Vielleicht  liegt  auch  hier 
eine  ganz  besondere  Veranlassung  vor  wie  bei  jener  βαοιλική  ίερευτική 
γη.     Bemerkenswert   ist,    daß   diese  Landart  etwas   höher  besteuert   wird 


1)  Zu  dieser  Abgabe  siehe  jetzt  Grenfell-Hunt  zu  Teb.  II  357  (372). 

2)  Vgl.  z.  B.  BGÜ  II  562  (220),  wo  außerdem  die  Worte  stehen  Z.  19:  φavhv 
■ημεΐν  αώζειν  τα.  tcqos  τονς  ν,ατοί'κονς  δίτιαια.  Vgl.  auch  Lond.  Π  S.  49,  77  ff.  (Liste  der 
νΙών  τιατοί-Λων). 

3)  Vgl.  Eger  1.  c.  40,  8. 

4)  Vgl.  Rostowzew,  Kolonat  S.  93  ff. 


Β.  Die  römische  Zeit.     §  6.    Die  Ιδιωτίχη  γη  und  die  ovöiai.  307 

(mit  \\  ^g  Artaben)  als  die  reine  Ιδιόκτητος^  die  hier  mit  1^  Artaben  (die 
άρταβιεία  mit  Zuschlag)  verzeichnet  ist.  Der  Ausdruck  iv  τά^ευ  Ιδιοκτή- 
του kehrt  vielleicht  in  Lond.  III  S.  69  (294)  wieder,  doch  trägt  dies  zur 
Erklärung  des  obigen  Passus  nichts  bei,  denn  hier  ist  er  nur  desvregen 
gebraucht,  weil  es  sich  um  Olivenland  handelt  (s.  S.  304). 

Wir  sahen  oben  S.  285,  daß  in  der  Ptolemäerzeit  es  namentlich  die 
Erbpacht  war,  die  zur  Bildung  der  ιδιόκτητος  (als  iv  άφεόει  γη)  geführt  hat. 
Rostowzew  hat  gezeigt,  daß  in  der  Kaiserzeit  die  Erbpacht  mehr  zurück- 
tritt, wahrscheinlich,  weil  jetzt  eben  ein  wirkliches  Privateigentum  (im 
Sinne  des  Provinzialrechtes)  sich  Bahn  gebrochen  hat.  Ein  direkter  Beleg 
für  Erbpacht  liegt  nicht  vor,  wenn  wir  von  der  oben  S.  295  f.  behandelten 
Zwangspacht  absehen.  P.  Amh.  68  (374) ,  der  von  Mitteis  als  Beispiel 
für  Erbpacht  erklärt  war,  findet  durch  Rostowzew  eine  andere  Deutung. 
Nach  Rostowzew  unterscheiden  wir  namentlich  zwei  verschiedene  Arten 
von  Verkäufen  von  Staatsland  in  der  Kaiserzeit:  1)  Verkäufe  unfrucht- 
baren Landes  mit  emphyteutischer  Verpflichtung  unter  mehrjähriger 
Ateliefrist  und  Zahlung  eines  von  der  Regierung  festgesetzten  Kauf- 
preises (seit  dem  Edikt  des  Vestinus  20  Drachmen  pro  Arure),  also  ohne 
Auktion,  und  der  jährlichen  άρταβιεία  für  die  Zukunft  (also  nicht  εκφο- 
ρών, nicht  Erbpacht!).  Dahin  gehört  Oxy.  IV  721  (369),  Amh.  68  (374), 
Lond.  III  S.  110  (375).  Das  Wein-  und  Gartenland  wird  nicht  anders 
behandelt,  und  hier  tritt  die  Kontinuität  mit  den  ptolemäischen  Einrich- 
tungen deutlich  hervor,  vgl.  BGU  563,  776,  917,  Oxy.  VI!  1032  und  dazu 
Rostowzew,  Kolonat  S.  103  ff.  Für  dieses  verkaufte  Land  gibt  Amh.  68  den 
terminus  technicus  έωνημενη,  und  diese  έωνημενη  zählt  der  neue  Floren- 
tiner Text  zur  ιδιωτική.  2)  Verkäufe  von  konfiszierten  Ländereien,  mit 
Auktion,  also  unter  Zahlung  eines  schwankenden  Preises.  Vgl.  BGU  462 
(376),  650;  Amh.  97;  Oxy.  III  513  (183);  CPR  104;  BGU  156  (175); 
CPR  1.  Diese  Verkäufe  sind  von  der  der  έωνημενη  streng  zu  scheiden, 
nicht  nur  wegen  der  verschiedenen  Formen,  sondern  auch  wegen  des  ver- 
schiedenen Objektes:  es  handelt  sich  hier  um  fruchtbares  Ackerland. 
Daß  auch  dieses  Land,  das  nach  der  zweiten  Art  verkauft  wird,  zur 
Ιδιωτική  gehört,  reep.  zur  Ιδιωτική  wieder  zurückkehrt  —  es  handelt  sich 
ja  meist  um  Objekte,  die  früher  schon  im  Privatbesitz  gewesen  waren  — , 
ini  uU'Mt  zu  bezweifeln.  Aber  ob  wir  es,  im  Gegensatz  zu  der  έωνημενη^ 
speziell  der  Ιδιόκτητος  gleichsetzen  sollen,  wage  ich  nicht  zu  entscheiden. 
Dafür  könnte  sprechen,  daß  der  Florentinus  die  έωίη^μή'η  und  die  Ιδιόκτη- 
τος trennt.  Auch  ist  die  Ιδιόκτητος  wohl  in  der  Regel  fruchtbares  Land. 
Zurzeit  sind  wir,  wie  mir  scheint,  noch  nicht  in  der  Lage,  die  Entstehung 
des  offenbar  in  großem  Umfang  vorhandenen  (όώχττ;το^- Landes  der  Kaiser- 
zeit zu  erklären.  Möglich  ist  ja,  daß  noch  im  L  Jahrh.  v.Chr.  sich  viel 
ίδιήκτι,τος    γΫι   auf  die  oben  S.  2h6  geschilderte  Weise   gebihlet   hat   und 

«0• 


308  Kapitel  VII.     Die  Bodenwirtschaft. 

daß  dies  dann  in  der  Kaiserzeit  als  ιδιωτική  anerkannt  worden  ist.  Mög- 
lich ist  aucli,  daß  aus  der  βαόίλική  durch  Kauf  sich  manche  Ιδιόκτητος  γη 
gebildet  hat.  Dagegen  würden  die  oben  behandelten  Verkäufe  der  zweiten 
Klasse,  wenn  sie  ιδιόκτητος  ergeben,  nur  in  den  Fällen  die  Neubildung 
von  solchem  Lande  beweisen,  in  denen  das  Kaufobjekt  nicht  schon  vor 
der  Konfiskation  Ιδιόκτητος  gewesen  ist. 

Zum  Schluß  ist  noch  darauf  hinzuweisen,  daß  auch  in  der  römischen 
Periode  die  oben  S.  286  besprochenen  Sonderrechte  der  αρχαία  γη  in  der 
ϋλεξανδρεων  χώρα  fortbestanden  haben:  Ti.  Julius  Alexander  garantiert  sie 
von  neuem  gegenüber  manchen  Befürchtungen  der  Alexandriner  (Edikt 
Z.  59  f.).  Ebenso  werden  Begünstigungen,  wie  sie  für  diese  χώρα  betreffs 
des  emphyteutischen  Kaufes  von  Staatsland  von  Euergetes  II  gewährt 
waren  (Teb.  5,  98  f.),  wohl  weiter  bestanden  haben.  Von  Grundstücken 
(υπάρχοντα)  in  der  ^λεξανδρεων  χώρα^  die  zum  großen  Teil  in  Händen 
von  Römern  und  Römerinnen  sich  befinden,  handelt  Oxy.  VII  1045,  leider 
so  fragmentiert,  daß  er  kein  klares  Resultat  ergibt. 

§  7.    DAS  GEMEINDELAND. 

Für  die  Ptolemäerzeit  habe  ich  oben  S.  286  das  Problem  des  Ge- 
meindelandes nur  hypothetisch  behandeln  köunen.  Besser  sind  wir  für 
die  römische  Zeit  unterrichtet,  wiewohl  auch  hier  das  Material  noch 
dürftig  ist,  und  ein  zusammenhängendes  Bild  noch  lange  nicht  gewonnen 
werden  kann. 

Für  Alexandrien  darf  die  eben  erwähnte  ^λεξανδρέων  χώρα,  wie  schon 
S.  286  begründet  wurde,  nicht  als  Gemeindeland  der  Stadt  betrachtet  werden. 
Dagegen  belehrt  uns  Fay.  87,  daß  zu  dem  οϊκος^  dem  Gemeindehaushalt  der 
Stadt  Alexandrien,  einige  Grundstücke  bei  Euhemereia  im  Faijum  gehörten 
(im  J.  155),  die  aus  dem  Besitz  eines  Philosophen  Julius  Asklepiades,  wahr- 
scheinlich durch  Vermächtnis,  jenem  οίκος  zugefallen  waren.  ^)  Die  ΛΟλις 
ließ  diese  Besitzungen  durch  έτίΐτηρηταί  verwalten  und  verwendete  die 
Erträgnisse  für  städtische  Bedürfnisse. 

Reicher  fließen  jetzt  die  Nachrichten  für  die  Zeit  nach  der  Einfüh- 
rung der  Kommunalordnung  vom  J.  202.  Fay.  88  (III.  Jahrh.)  bietet  ein 
ähnliches  Beispiel  wie  Fay.  87  für  Landbesitz  des  οίκος  πόλεως^  hier  von 
Arsinoe.^)     Mehr    bieten   die   Nachrichten   aus   Hermopolis.     Hier   liegen 


1)  Vgl.  Preisigke,  Stadt.  Beamtenw.  S.  16. 

2)  Der  Text  ist  aber  wohl  verderbt,  wenn  er  fortfährt:  ohov  τίόλεως  βαϋιλίσϋης 
ΠτοΙεμαίον  Νέον  Jtovvaov.  Daß  das  the  Queen  of  Ptolemy  N.  Ώ.  heißen  könne, 
glaube  ich  nicht.  Ich  vermute,  daß  ßccadLaarig  (unter  dem  Einfluß  des  vorhergehen- 
den Femininums)  verschrieben  ist  für  βασιλέως.  Vgl.  die  μίσ^-ωταϊ  oi'yio[v]  [(τΐρότερον)] 
βασιλέως  Πτολεμαίου  κτλ.  in  einem  Genfer  Papyrus,  Arch.  III  226.  Also  es  handelt 
sich  um  Besitzungen,  die  einst  aus  dem  Besitz  des  Königs  Auletes  in  den  von  Arsinoe 
übergegangen  waren. 


C.  Die  byzantinische  Zeit.     §  1.    Die  Verteilung  des  Bodens.  309 

uns  mehrere  Papyri  vor  (aus  der  Zeit  des  Gallienus),  die  uns  niclit  nur 
die  Existenz  von  Gemeindeland  bezeugen,  sondern  auch  tiefere  Einblicke 
in  die  Bewirtschaftung  gewähren.  So  liegen  uns  mehrere  Pachtangebote 
auf  Gemeindeland  an  den  Rat  vor  (vgl.  CPHerm.  71  ^),  119  R  Π,  V,  Yll  [377], 
VIII),  ferner  auch  ein  Kaufangebot  auf  städtische  Hausgrundstücke,  (vgl. 
CPHerm.  119  IV). 

Ein  Streiflicht  auf  den  Gemeindebesitz  der  Dörfer  wirft  Oxy.  IV 
705  ΠΙ  (407)  vom  J.  202,  der  von  einer  Stiftung  handelt  zwecks  An- 
kaufes eines  χωρίον  durch  finanziell  überlastete  Dörfer  des  Oxyrhynchites. 
Von  der  Verpachtung  einer  Weide  durch  die  πρεοβντεροι,  also  doch  wohl 
einer  Gemeindeweide,  handelt  Lond.  III  S.  141  (vom  J.  140).  Wahrschein- 
lich würden  unsere  Papyri  noch  weitere  Nachrichten  ergeben,  wenn  diese 
Frage  des  Gemeindebesitzes  einmal  im  Zusammenhang  behandelt  würde. 
Auch  die  Inschriften,  namentlich  die  Gemeinde -Weihinschriften,  sollten 
hieraufhin  durchgearbeitet  werden. 


C.  DIE  BYZANTINISCHE  ZEIT. 

Außer  den  oben  S.  287  zitierten  Arbeiten  von  Seeck  vgl.  Matth.  Geizer, 
ötud.  z.  byz.  Verwaltung  Ägyptens  (Leipz.  Hist.  Abhandl.  XIII 1909),  Fr.  de  Zulueta, 
de  patrociniia  vicorum  (Oxford  Studies  in  social  and  legal  history  ed.  P.  Vinogradoff 
1909),  Boetowzew,  Studien  zur  Geschichte  des  römischen  Kolonates  1910. 

§  1.    DIE  VERTEILUNG  DES  BODENS. 

Für  die  Fragen  der  ägyptischen  Boden  Wirtschaft,  wie  ich  sie  oben  für  die 
ptolemäische  und  römische  Zeit  behandelt  habe,  sind  die  Papyri  für  die  byzan- 
tinische Periode  in  ihrer  Gesamtheit  noch  nicht  durchgearbeitet  worden. 
Aach  ich  mußte  jetzt  von  der  Erzielung  einer  Vollständigkeit  des  Materials 
absehen.*)  Hoflfentlich  regt  gerade  die  Lückenhaftigkeit  der  folgenden 
Skizze  zu  weiterem  Arbeiten  auf  diesem  Gebiet  an  und  auch  zur  Publi- 
kation der  auf  die  Landfragen  bezüglichen  byzantinischen  Papyri,  die  viel- 
leicht noch  in  manchen  Sammhingen  als  weniger  akut  vorläufig  zurück- 
gestellt sind.  Die  Arbeiten  von  Kostowzew  und  M.  Geizer  haben  gezeigt, 
daß  auch  in  dieser  Periode  agrarische  Fragen  von  größter  allgemeiner 
hietoriscber  Bedeutung  die  Entwicklung  des  Landes  beherrscht  haben. 

Über  die  kaiserlichen  Ländereien  und  ihre  Bewirtschaftung  sagen  uns 
die  bisher  publizierten  Texte  außerordentlich  wenig.  Für  das  IV.  und 
den  Anfang  des  V.  Jahrhundert  erhalten  wir  noch  manche  Nachrichten, 
nachher  verHieg(>n  sie  fast  ganz.  Statt  dessen  treten  immer  starker  die 
TMv  .Hr.i..li.r»i*.ii   hervor,  die  sich  z.T.  auf  ihrem  Boden  gebildet  haben. 

1;  VkI.   VVilckrn,  Arch.  II!  bii. 

t)  Am  moiHitiD  boten  mir  P.  Flor.,  Lip•..  Klein.  Form. 


310  Kapitel  VII.    Die  Bodenwirtschaft. 

Für  diese  liegt  uns  denn  auch  ein  reiclieres  Material  vor,  und  auf  ihnen 
spielt  sich  in  dieser  Zeit  ein  Vorgang  ab,  der  zu  den  wichtigsten  Pro- 
blemen dieser  Zeit  gehört,  die  allmähliche  Vollendung  des  Kolonats.  Im 
Zusammenhang  mit  den  anderweitigen,  namentlich  den  juristischen  Quellen, 
lassen  uns  die  Papyri  die  Entstehung  und  weitere  Entwicklung  der 
großen  Grundherrschaften  erkennen,  auf  deren  Boden  der  Kolonat  seine 
letzte  Phase  erlebt  hat.  Diese  Latifundien  haben  einen  solchen  Umfang 
gehabt  und  ihre  Besitzer  eine  solche  Fülle  von  Reichtum  und  Macht 
besessen,  daß  schließlich  sie  die  eigentlichen  Herren  im  Lande  gewesen 
sind.  Es  ist  kaum  ein  Zufall,  daß  wir  von  den  kaiserlichen  Domänen  in 
den  späteren  Jahrhunderten  so  wenig  hören.  Es  hat  den  Anschein,  als 
wenn  der  kaiserliche  Besitz  mehr  und  mehr  zusammengeschrumpft  ist, 
so  daß,  abgesehen  von  den  freien  Gemeinden,  Ägypten  im  wesentlichen 
aus  den  Latifundien  des  grundherrlichen  Adels  bestand,  als  die  Araber 
einbrachen. 

§  2.    DIE  KAISERLICHEN  LÄNDEREIEN. 

Ich  steUe  zunächst  zusammen,  was  mir  in  den  byzantinischen  Papyri 
an  Erwähnungen  von  kaiserlichen  Ländereien  aufgefallen  ist,  wobei  ich 
wie  gesagt  auf  Vollständigkeit  keinen  Anspruch  erheben  kann. 

Im  Anfang  des  IV.  Jahrh.  sind  noch  keine  Veränderungen  gegenüber 
der  vorhergehenden  Periode  bemerkbar.  In  den  Zensuseingaben  von  303 
(229)  fanden  wir  βαΰΐλίκή  neben  der  Ιδιωτίκτ}  γη  deklariert.  Flor.  64, 
der  dem  frühen  IV.  Jahrh.  angehört,  unterscheidet  wie  früher  βα6(ιλίκφ 
und  ονο(ίακή)  —  δημοβία  kommt  in  diesem  Fragment  nicht  vor  — ,  andrer- 
seits IsQa  und  Ιδι{ωτικΎΐ).  Auch  in  Stud.  Pal.  X  Nr.  221  (IV.  Jahrh.)  wird 
βαΰίλικτ]  und  ιδιωτική  unterschieden.  Etwas  jünger,  etwa  der  Mitte  des 
IV.  Jahrh.  angehörend,  ist  der  große  Papyruskodex  Flor.  71,  der  sehr 
wertvolle  Aufschlüsse  über  die  Verteilung  des  Grundbesitzes  im  Hermo- 
polites  gibt.  Es  ist  von  p.  V — XXIII  ein  Verzeichnis  von  Personen,  die 
in  der  Stadt  Hermopolis  im  Quartier  „Kastell  West"  wohnen  und  in 
einem  der  ^ra^ot  des  Gaues  Grundbesitz  haben.  Wenn  meine  Vermutung 
über  Z.  143/4  richtig  ist  (vgl.  unten  S.  322),  so  bietet  der  Text  kein  voll- 
ständiges Verzeichnis  allen  Grundbesitzes  der  Hermopolitaner,  sondern  ist 
ein  Auszug,  der  zu  einem  bestimmten  Zweck  (etwa  Steuerhebung)  ge- 
macht ist.  Bei  vielen  der  Grundbesitzer  wird  außer  ihrer  Ιδιωτική  auch 
δημ{ο6ία  γη)  notiert.  Einzelne  haben  auch  städtisches  Gemeindeland  in 
Bewirtschaftung,  worüber  nachher  zu  reden  ist.  Da  diese  Leute  in  der 
Stadt  wohnen,  werden  sie  die  δημούία  in  Afterpacht  gegeben  haben,  wie 
die  Ιδιωτική  in  Pacht.  ^)  Ebenso  steht  es  mit  den  ϋντινοϊτικά  ονόματα, 
die  —  gleichfalls  in  alphabetischer  Ordnung  —  von  p.  XXIV  an  aufgezählt 

1)  Vgl.  Geizer  1.  c.  64. 


C.  Die  byzantinische  Zeit.     §  2.    Die  Kaiserlichen  Ländereien.  311 

werden.  Ob  das  Bürger  von  Antinoopolis  sind,  die  in  Antinoopolis  wohnen, 
aber  in  dem  benachbarten  —  nur  durch  den  Nil  von  ihnen  getrennten  — 
Hermopolites  Grundbesitz  haben  ^),  oder  ob  diese  Grundstücke  im  Anti- 
noites  selbst  liegen  (dafür  könnten  die  Überschriften  von  p.  Π  und  IV 
sprechen),  bedarf  weiterer  Prüfung.  Es  ist  bemerkenswert,  daß  in  diesem 
großen  Kodex,  in  dem  uns  über  zwei  größere  Rubriken  von  Giiindbesitzem 
Listen  vorliegen,  nur  δημοΰία  vorkommt,  nicht  βαβιλίκή.')  Ebenso  be- 
richtet Lips.  101  (IV.  Jahrh.)  über  δη{μ,ο6ία)  neben  Ιοίω{τίκ'}ι  γη),  des- 
gleichen jetzt  auch  Cair.  Preisigke  46  und  47  (IV.  Jahrh.). 

Spätere  Erwähnungen  von  ßaöLlixii  oder  δγιμοβία  γη  als 
die  oben  erwähnten  aus  dem  IV.  Jahrh.  habe  ich  bisher  über- 
haupt nicht  finden  können. 

Die  kaiserlichen  Patrimonialgüter ,  die,  wie  wir  oben  S.  155  an- 
nahmen, seit  Septimius  Severus  als  Fiskalgüter  galten,  begegnen  uns 
auch  in  der  byzantinischen  Zeit.  Der  Titel  πραίπόόιτος  πατρυμωνζ^,^α- 
λίων  δεκάτου  πάγον  in  Oxy.  VI  900,  5  (437)  (s.  oben  S.  ItiS)  läßt  darauf 
schließen,  daß  diese  fundi  patrimoniales  der  einzelnen  pagi  als  Einheit  je 
einem  praepositus  unterstellt  waren.  Mit  dem  alten  Namen  ονόί^ιαχη)  be- 
gegnet das  Patrimonialland  femer  in  dem  oben  erwähnten  Flor.  64,  97/8 
(Anfang  IV.  Jahrh.;. »)  Wenn  in  CPR  19  (a.  330)  eine  Hermopolitin  über 
42  Aruren  ονοιακης  γης  υποτελούς*)  verkauft,  so  wird  man  mit  Mitteis ^) 
anzunehmen  haben,  daß  sie  dies  Land  in  Erbpacht  hatte  (s.  aber  unten  S.  320 f.). 
Vgl.  jetzt  auch  P.  Cair.  Preisigke  4  (379)  vom  J.  320.  Unter  dem  Namen 
ταμιακοί  ουόίαι^  der  nach  Severus  auch  schon  in  der  vorhergehenden 
Periode  begegnet  (vgl.  S.  155),  treten  diese  Güter  jetzt  öfter  auf.*)  Vgl. 
Oxy.  I  58  (378)  vom  J.  288,  der  zugleich  über  die  Verwaltung  Auf- 
schlüsse gibt,  und  Lips.  101,21  (IV.  J.):  ουοία  ταμιακή  {πρότερον)  ^Αμμω- 
νίου κτλ.  Da  hier  deutlich  Konfiskation  einer  privaten  ούόία  vorliegt,  so 
erklärt  sich  wohl  hieraus,  daß  das  zu  dieser  ox)6Ca  gehörige  Land  als 
/όίω(τίκτί)  bezeichnet  wird.  Schwer  zu  entscheiden  ist,  ob  die  Ονλπια'ί^ 
und  Πλατωνική  ούόία^  die  in  Flor.  71,  747  ff.  (IV.  Jahrh.)  genannt  werden, 
als  kaiserliche  oder  als  private  Güter  zu  betrachten  sind.  Die  adjek- 
tivische  Bezeichnung   der   ovoCa   könnte    für   erstere  Annahme    sprechen. 

1)  Der  JtoQO^tog  in  661  hat  nur  δημοοία  yfj. 

2)  Geacbrieben  i§t  zwar  nur  δημ,  aber  das  muß  hier  zu  δημ^οϋίας  γής)  ergäuxt 
-werden.  An  die  δημόαια  ίδάφη^  die  auch  die  ßaadfuij  einschließen  (β.  oben  8.  989), 
kann  h'w  •;dacht  werden. 

8)  '  "(ien  all  ίβη^αρμίνη)  und  χ69{ύος). 

4)  DiotfC  42  Aruren  umechlotien  towohl  Saatland  wie  χίρσος  und  άβηορος, 

b)  Im  Kommentar  zu  dieier  Stelle  8.  68  und  Eq)acht  S.  86. 

6)  Ich  bemerke  dazn,  daß  dieser  terminuB  iochnicue  fleh  fthnUch  auch  in  den 
jnriKÜMchen  Quellen  unterer  Periode  findet.  Vgl.  Cod.  Just.  XI  69,  9  (au•  der  Zeil 
Κ:ιΐΜ«•Γ  Zenof):  fandoa  tamiaci  iuri•  in  provinoiit  posito•  neo  non  poMeatione•  Qona- 
iici   Halius. 


312  Kapitel  VII.     Die  Bodenwirtschaft. 

Doch  andere  Gesichtspunkte  machen  die  zweite  wahrscheinlicher  (s.  unten 
S.  316).  Ebenso  bedarf  noch  weiterer  Untersuchung,  ob  unter  den  für 
die  späteren  Jahrhunderte  bezeugten  ovuCai  sich  noch  kaiserliche  befinden. 
Ich  glaube,  daß  sie  aUe  private  sind,  und  wenn  das  richtig  ist,  können 
wir  die  kaiserlichen  ovoCai  unter  diesem  Titel  nicht  über  das  IV.  Jahrh. 
hinaus  verfolgen. 

Dagegen  treffen  wir  in  Lond.  II  S.  287  (179)  δεοποτικαΐ  κτήβεις 
(a.  350)  unter  einem  διαϋημότατος  επίτροπος^  die  ich  nicht  ohne  weiteres 
mit  den  kaiserlichen  ovöCai  gleichsetzen  möchte.  Da  diese  jetzt  als  τα- 
μιακαί  gelten,  so  könnten  jene  δεοΛοτικαΙ  κτήοείς  vielleicht  speziell  dem 
Patrimonium  zugewiesen  sein,  wenn  dieses  auch  vor  Anastasius  kein 
eigenes  Ressort  gebildet  hat  (s.  oben  S.  163).  Doch  bleibt  dies  noch 
zweifelhaft.  ^) 

Wir  kommen  also  —  nach  dem  bisher  vorgelegten  Material  —  zu 
dem  Ergebnis,  daß  die  alten  Landkategorien  der  βαΰιλική^  δημο6ία  und 
ούόίακή  sich  über  das  IV.  Jahrh.  hinaus  nicht  nachweisen  lassen.^)  Dies 
Resultat  könnte  nun  ein  zufälliges  sein,  insofern  ich  manches  übersehen 
haben  könnte,  oder  auch  neue  Materialien  ein  anderes  Bild  ergeben  könnten. 
Aber  letzteres  ist  kaum  zu  erwarten,  denn  es  lassen  sich  innere  Gründe 
dafür  anführen,  daß  das  kaiserliche  Land  tatsächlich  zusammengeschrumpft 
ist.^)  Es  ist  unten  in  dem  Abschnitt  über  das  Privatland  darzustellen, 
wie  vom  IV.  Jahrh.  an  sich  immer  größere  private  Latifundien  bilden 
und  zwar  zum  größten  Teil  auf  Kosten  des  kaiserlichen  Landes.  Die 
Regierung  hat,  um  die  Bewirtschaftung  namentlich  der  unfruchtbar  ge- 
vrordenen  Teile  der  kaiserlichen  Domäne  zu  sichern,  mit  verschiedenen 
Mitteln,  die  alle  an  die  Praxis  der  früheren  Jahrhunderte  anknüpfen,  und 
unter  denen  namentlich  die  έπυβολη  hervorragt,  nach  und  nach  immer 
mehr  Domanialland  dem  Privatland  aufgebürdet  resp.  überlassen  und 
damit  eben  selbst  das  Anwachsen  des  privaten  Grundbesitzes  auf  Kosten 
der  Domäne  gefördert.  Schon  Rostowzew  hat  für  mehrere  der  oben  an- 
geführten Erwähnungen  der  δημοοία^  βαΰίλίκή  und  ονοίακη  γη  im  IV.  Jahrh. 
die  richtige  Deutung  aufgestellt,  daß  es  sich  um  Land  handle,  das  durch 
die   έτίίβολή   dem  Privatbesitz   zugeschlagen   worden    sei.     Diese  Deutung 


1)  Ein  Patrimonialgut  ist  wahrscheinlich  auch  das  Gut,  über  dessen  Verwaltung 
uns  soeben  Oxy.  VIII  1134  vom  J.  421  interessante  Aufschlüsse  bringt.  Der  Verwalter 
heißt  ÖLoi-xwv  τα,  αράγματα  τήξ  ϋ-ειοτάτης  οίν,ίας.  Vgl.  zu  Oxy.  136  (383).  Ich  ver- 
danke Hunts  Freundlichkeit  die  Kenntnis  dieses  Textes  aus  dem  Korrekturbogen. 

2)  Die  TtQOGOdov  γη  ist  mir  in  dieser  Zeit  überhaupt  nicht  begegnet. 

3)  Zur  Bewirtschaftung  bemerke  ich  nur  negativ,  daß  ich  den  Ausdruck  δημό- 
ϋίος  γεωργός,  der  früher  fast  in  jeder  Urkunde,  die  von  der  Landwirtschaft  handelt^ 
begegnete,  in  byzantinischen  Texten  bisher  nicht  gefunden  habe.  Vielleicht  sind  die 
in  Flor.  54  (a.  314)  aufgezählten  Landleute  Domänenpächter  (so  Vitelli,  auch  Geizer),, 
aber  sie  werden  nicht  so  genannt. 


C.  Die  byzantinische  Zeit.     §  3.    Tempel-  und  Kirchenland.  313 

gilt  wahrscheinlich  sogar  für  die  meisten  der  oben  angeführten  Beispiele. 
Fast  überall  wird  man  finden,  daß  es  sich  um  Parzellen  kaiserlichen 
Landes  handelt,  die  die  Besitzer  von  ίοιωτίκή  mit  übernommen  haben. 
Das  gilt  von  den  Zensuseingaben  (229)  ebenso  wie  von  den  großen  Land- 
verzeichnissen in  Flor.  64,  71,  Lips.  101  usw.,  auch  Cair.  Preis.  46.  47,  Stud. 
Pal.  X  221,  CPR  19,  so  daß  nur  die  patrimonialia  in  Oxy.  VI  900  und  die 
daöTtoTLXccl  χτηόείς  in  Lond.  II  S.  287  als  Zeugen  größeren  kaiserlichen  Be- 
sitzes (322  und  350)  übrig  bleiben.^)  So  spiegelt  sich  in  diesen  Urkunden 
ein  außerordentlich  wichtiger  Umschwung  in  den  agrarischen  Verhält- 
nissen Ägyptens  wider. 

§  3.    TEMPEL-  UND  KIRCHENLAND. 

Mit  dem  alten  Namen  Ιερά  γη  begegnet  das  Tempelland  in  Flor.  64, 
43  R  43  und  Verso  91,  95,  96  (Anfang  IV.  Jahrb.).  Im  übrigen  fäUt  in 
dieses  Jahrh.  die  Konfiskation  des  heidnischen  Tempellandes  und  die  Be- 
gründung des  christlichen  Kirchenlandes.  Weshalb  auf  Philae  das  Heiden- 
tum und  damit  sicher  auch  Tempelbesitz  sich  länger  gehalten  hat,  ist 
oben  S.  134  dargelegt  worden. 

Für  den  Grundbesitz  von  Kirchen  und  Klöstern  und  seine  Bewirt- 
schaftung bieten  unsere  byzantinischen  Papyri  ein  reiches  Material,  doch 
fehlt  es  bisher  noch  an  jeglicher  Vorarbeit,  die  den  Versuch  gemacht 
hätte,  es  zu  sammeln  und  zu  verarbeiten.  Ein  einigermaßen  vollständiges 
Bild  könnte  zwar  nur  gewonnen  werden,  wenn  neben  der  griechischen 
Literatur  auch  die  gerade  für  kirchliche  Fragen  so  überaus  reiche 
koptische  Literatur  (auch  Papyri  und  Ostraka)  herangezogen  würde, 
aber  auch  schon  eine  auf  die  griechischen  Quellen  sich  beschränkende 
Darstellung  der  Kirchen  und  Klöster  Ägyptens  und  der  von  ihnen  be- 
triebenen Landwirtschaft  würde  ein  wichtiger  Beitrag  für  die  Agrar- 
geschichte  dieses  Jahrhunderts  sein. 

Angesichts  der  Fülle  des  Materials  will  ich  hier  nicht  zufällige 
Einzelheiten,  die  mir  auffielen,  herauspfiücken.  Nur  ein  Punkt  sei  als 
Beispiel  hervorgehoben,  nämlich  daß  die  aus  den  juristischen  Quellen 
bekannte  kirchliche  Erbpacht  (Emphyteuse)*)  auch  durch  die  Papyri  be- 
legt wird.  Wir  besitzen  vom  Jahre  ()16  einen  schön  erha  tenen  Vertrag, 
durch  den  das  Kloster  des  Abba  Patois  (bei  Edfü)  Fruchtland  und  uu- 
frochtbares  Land  gegen  ein  πάχτον  (pactum)  vererbpachtet.  Vgl.  Lond.  II 
S.  324  ff.  Wenn  ('.  H.  Muller  in  seiner  Behandlung  dieser  Urkunde  her- 
vorhob (Arch.  I  440),  daß  dies  eine  der  ältesten  derartigen  Erbpachte- 
urkunden sei,  so  können  wir  jetzt  ähnliche  Fälle  von  kirchlicher  Eniphy- 
touse  auch   schon  fUr  das  V./VL  Jahrh.  in  den  Papyri  nachweisen.     Vgl. 

1;  Daxu  kommt  jetU  Oxy    VIII  1184  von  4SI.     Siebe  S.  81S  Anm.  1. 
2,    V'ifl.   Put'htii.   InMtitutioiu'ii'MI   S.  241. 


314  Kapitel  VII.     Die  Bodenwirtscbaft. 

P.  Klein.  Form.  47;  272;  314,  wozu  wegen  des  ττάκτον  vielleicht  auch  271 
zu  stellen  ist.  Ich  erinnere  daran,  daß  wir  oben  S.  301  Anm.  4  die  Erbpacht 
auch  als  Wirtschaftsform  der  heidnischen  Tempel  nachweisen  konnten. 

§  4.    DAS  GEMEINDELAND. 

Das  Gemeindeland  von  Stadt  und  Dorf,  das  in  den  juristischen 
Quellen  dieser  Zeit  oft  behandelt  wird,  begegnet  auch  in  den  Papyri, 
doch  gibt  es  hierfür  noch  keine  Vorarbeit.  Ich  habe  mir  städtischen 
Grundbesitz  notiert  in  Flor.  71,  127,  137,  474  unter  dem  Namen  ovöia^) 
πολιτικής  und  in  Lips.  101,  II  11  ονΰία  Έρμοτΐολίτικη.  In  Flor.  71  heißt 
es  z.  B.  Z.  137:  καΐ  νπ(ερ)  ον6{ίαξ)  Λολιτικγΐζ  ζ'  πάγου  ίο(ίωτικγις)  {άρον- 
ρας)  λ  ϊς  λβ.  Das  soll,  denke  ich,  bedeuten,  daß  die  betreffende  Person 
dieses  im  6.  Pagus  gelegene  Grundstück  bewirtschaftet  zugunsten  der 
städtischen  ovöCa^  d.  h.  doch  wohl  als  Pächter.  Da  die  Einzelgrundstücke 
in  verschiedenen  pagi  liegen,  so  lernen  wir,  daß  auch  die  städtische  ovöCa 
ebenso  wie  die  kaiserliche  (s.  oben  S.  299)  aus  territorial  nicht  zusammen- 
hängenden Parzellen  bestand,  die  durch  die  Einheit  des  Besitzes  (hier  der 
πόλις)  wie  auch  durch  eine  besondere  Verwaltung  als  ovöCa  zusammen- 
gefaßt wurden.  Das  auffallende  Ιδ(ίωτίκή)  ist  wohl  in  erster  Reihe  als 
Gegensatz  zu  gepachteter  δημούία  aufzufassen;  in  diesem  Sinne  konnte, 
wie  es  scheint,  auch  städtisches  Land  als  Ιοοωτίκη  bezeichnet  werden.^) 
Die  ovaCa  Έρμοπολίτική  in  Lips.  101,  II  11  hat  vorher  einem  Βη6ας  ge- 
hört und  mag  etwa  durch  Vermächtnis  an  die  Stadt  gefallen  sein  (vgl. 
oben  S.  308).     Auch  hier  heißt  das  Land  Ιδιωτική. 

Auch  einige  Beispiele  von  dörfischem  Gemeindeland  habe  ich  mir 
aus  dem  IV.  Jahrh.  notiert.  In  CPR  41  (a.  305)  pachtet  einer  9  Aruren 
von  dem  κοί-νόι/  της  κώμης.  Aus  dem  Ende  des  Jahrhunderts  stammen 
Gen.  6ß  (381),  69  und  70  (380),  in  denen  es  sich  gleichfalls  um  Pacht 
von  dörfischem  Gemeindeland  handelt,  und  zwar  sind  es  nach  meiner 
Deutung  unfruchtbare  Ländereien  (άπορα) ^  die  hier  verpachtet  werden. 
Auch  die  Entwicklung  und  Bewirtschaftung  des  Gemeindelandes  dieser 
Zeit  sollte  einmal  unter  Heranziehung  des  gesamten  Materials  bearbeitet 
werden. 

§  5.    DAS  PRIVATLAND. 

Grundherrschaft  und  Kolonat.^) 
Das  wichtigste  agrarhistorische  Problem  dieser  Zeit  ist  die  Entstehung 
der  großen  Latifundien,  die  zu  der  Vollendung  des  Kolonats  geführt  hat. 
Betrachten  wir  zunächst  die  Angaben  der  Papyri  über  den  Privatbesitz. 

1)  Ovöia  für  städtischen  Besitz  begegnet  auch  schon  im  III.  Jahrh.  Ygl.  CPHerm. 
119  Recto  y  24. 

2)  Vgl.  die  Einleitung  zu  341. 

3)  Seeck,  Colonatus  in  Pauly-Wissowa  IV  483  ff.  Waszynski,  Die  Bodenpacht 
1905.     M.  Geizer,  Studien.     Zulueta,  de  patrocin.  vicorum.     Rostowzew,  Kolonat. 


C.  Die  byzantinische  Zeit.     §  5.    Das  Privatland.  315 

In  der  vorigen  Periode  fanden  wir  unter  dem  Oberbegriff  Ιδιωτίχη  γη 
sehr  verscliiedene  Landarten,  deren  Namen  z.  T.  auf  die  verschiedene  Ent- 
stehung hinwiesen,  vor  allem  die  ιδιόκτητος^  ν.ατοίχίχη,  έωιτημενη  γη.  Hier- 
von habe  ich  in  den  byzantinischen  Texten  ιδιόκτητος  und  εωνημενη  nicht 
wiedergefunden.  In  Cair.  Preisigke  46,  7  steht  zwar  neben  ιδί^ωτική)  und 
Ιδιω(τική)  einmal  ιδι^,  aber  auch  dies  ist  (mit  dem  Editor)  jedenfalls 
ίόίθ(τικη)  aufzulösen.  Ebenso  ist  in  Flor.  71  ιδι^  und  id^j  das  manchmal 
neben  ιδ  und  ιδιω'^  steht,  sicher  Ιδι,{ωτί)κ(ή)  zu  lesen,  nicht  Ιδί{ό)χ(τη- 
τος).  Dagegen  findet  sich  Katökenland  noch  im  IV.  Jahrhundert.  Waszynski 
(1.  c.  81  Anm.  5)  führte  als  letztes  ihm  bekanntes  Beispiel  eines  κλήρος 
κατοικιχός  den  in  BGÜ  94  erwähnten  vom  J.  289  an.  Etwas  weiter 
führt  uns  jetzt  Lips.  6,  wo  im  J.  306  γη  χατοικικη  verkauft  wird.  Daß 
der  Katökenbegriff  damals  noch  lebendig  ist,  zeigt  die  Bezeichnung  des 
Maßes  als  τω  τί]^  κατοικίας  δικαίω  οχοινίω.  Noch  weiter  kommen  wir 
durch  CPR  10  (a.  321/2).  Hier  werden  7  Aruren  εκ  τον  Ζένωνος  κλήρου 
ίδι(ωτι)κ(ής)  verkauft.  Da  diese  Wendung  εκ  τον  .  .  .  κλήρον^  wie  wir 
oben  S.  303  sahen,  sowohl  bei  Staatsland,  als  auch  bei  (nicht  katökischem) 
Privatland  vorkommt,  was  sich  aus  der  Entstehung  durch  Konfiskation 
erklärt,  so  könnte  man  hier  schwanken,  zumal  das  Land  als  ιδιωτική  be- 
zeichnet ist,  ob  es  sich  um  Katökenland  handelt.  Der  Zweifel  wird  aber 
beseitigt  durch  Z.  5,  wo  das  Land  als  κατοικικών  άρονρών  charakteri- 
siert wird.  Hiernach  werden  wir  auch  die  zahlreichen  mit  ix  τον  .  .  . 
χλήρον  bezeichneten  Ländereien  in  Flor.  64  (Anfang  des  IV.  Jahrb.),  auch 
das  Land  <^έχ  τον}  Μαχάτον  χλήρον  in  CPR  247  vom  J.  345  für  Ka- 
tökenland halten  müssen.  Über  das  IV.  Jahrh.  hinaus  habe  ich  keine  Bei- 
spiele gefunden.  Wohl  aber  findet  sich  jetzt  und  auch  noch  viel  später 
(aber  auch  schon  vorher)  der  Ausdruck  κλήρος  zur  Bezeichnung  eines 
Grundstückes,  ohne  daß  damit  Katökenland  gemeint  wäre.  So  stehen 
z.  B.  in  Lips.  97  IV,  XXIV,  XXVII  Listen  von  κλήροι^  wie  κλήρος  Πλήνιος 
*ίΙρίωνος  usw  ,  in  denen  nicht  die  Namen  von  alten  Kleruchen  sondern  die 
Namen  der  damaligen  Besitzer  hinzugefügt  sind.  Darum  begegnen  hier 
auch  Feminina,  wie  Ύχάτε{ως)^  Τβηονν(  ).  In  diesem  Sinne  hat  sich 
dae  Wort  bis  ins  VIL  Jahrh.  und  vielleicht  noch  länger  erbalten.  So 
z.  B.  in  P.  Klein.  Form.  GH  (Vn.  Jahrb.),  wo  von  den  δημόΰια  τον  ^μον 
χλήρον  gesprochen  wird.*)  Hiernach  komme  ich  zu  dem  Ergebnis,  daß 
ich  fiber  das  IV.  Jahrh.  hinaos  kein  Katökenland  nachweisen  kann.^) 

1)  Vgl.  weitere  Beifpiele  in  P.  IQ.  Form.  S.  S64,  wo  allerding•  auch  nianch«> 
%Χηρο{νόιιοι)  unter  die  xXfiQot  f^eraten  sind. 

2)  In  LipM  90,  18  (IV.  Jahrh.  ι  begonnen  χωμοκατ^ων  Τ9μ*ψ%ν9ίί9ως.  Auch  in 
einem  Münchenor  Fragment  las  ich  ηωμητώψ  ual  ηωμοηατοίηων.  Mit  tlen  KatOken 
im  alten  Sinne  hat  da•  kaum  etwa•  su  tun.  Sollte  lo  dem  Manohener  iStilck  nicht 
der  UntefMi  hiod  der  civee  und  der  incolae  de•  Dorfe•  gemeint  sein?  Da•  w&ien  abo 
die  άχό  notfirii  und  die  natomotpxtg  iv  rj)  %ώμ^. 


316  Kapitel  VII.     Die  Bodenwirtschaft. 

Die  Belege  für  ιδιωτική  γη  sind  außerordentlich  zahlreich.  Nament- 
lich Flor.  71  gibt  uns,  wie  schon  oben  erwähnt  wurde,  einen  vorzüglichen 
Einblick  in  den  Landbesitz  der  Bürger  von  Hermopolis  und  Antinoopolis. 
Die  erste  Liste,  von  Hermopolis  Kastell  West,  ist  von  Α  bis  ii  erhalten. 
In  alphabetischer  Folge  stehen  hier  die  Landbesitzer  hintereinander,  gleich- 
viel ob  sie  wenig  oder  viel  besitzen,  wobei  die  Parzellen  nach  den  pagi 
charakterisiert  sind.  Neben  Besitzern  von  winzigen  Parzellen  stehen  andere, 
die  in  einer  großen  Zahl  von  pagi  bedeutende  Besitzungen  haben.  Als 
Beispiel  verweise  ich  anf  den  Πινοντίων  Όλυμπωδώρον  in  Ζ.  408,  der  in 
7  verschiedenen  pagi  ca.  1024  Aruren  besitzt,  zu  denen  ihm  über  77  Aruren 
δημούΐας  γης  durch  επιβολή  hinzugeschlagen  sind  (s.  oben  S.  312). 

Neben  dieser  ίοίωτικη  γη  stehen  nun  Λvie  in  der  vorhergehenden 
Periode  die  privaten  ovöCai  (vgl.  oben  S.  302  ff.).  Daß  diese  „Güter"  etwas 
anderes  sind,  als  eine  bloße  Addition  von  vielen  zerstreuten  Parzellen, 
zeigt  so  recht  das  soeben  aus  Flor.  71  angeführte  Beispiel.  Diese  1024  Aruren 
des  Pinution,  die  in  7  verschiedenen  pagi  liegen,  machen  zusammen  doch 
noch  keine  ovöCa  aus,  sondern  sind  nichts  anderes  als  einzelne  Teile  von 
Ιδιωτική  γη.  Es  fehlt  hier  offenbar  die  einheitliche  und  eigenartige  Guts- 
verwaltung. Andrerseits  nennt  derselbe  Text  eine  ΟνλΛίανή  ovo  Ca  Κορκο- 
δίλων  (Ζ.  747,  751)  und  eine  ονΰία  Πλατωνική  (749),  von  der  ich  schon 
oben  S.  311f.  sagte,  daß  sie  wahrscheinlich  nicht  als  kaiserliche,  sondern 
als  private  ovötai  aufzufassen  sind.  Hierfür  spricht,  wie  es  scheint,  die 
Tatsache,  daß  die  einzelnen  Grundstücke,  deren  Pächter  aufgezählt  werden^), 
als  ιδιωτική  bezeichnet  sind.  Auch  sie  liegen  in  verschiedenen  pagi.  Die 
privaten  ovöCai  der  byzantinischen  Zeit  sind  bisher  noch  nicht  zusammen- 
gestellt worden.  Ich  kann  hier  nur  einzelne  Beispiele  bringen,  die  mir 
auffielen.  P.  Straßb.  28  (vom  J.  305)  nennt  eine  ονΰία  ^λντΐίον  (mit 
Viehzucht).  Nach  Stud.  Pal.  I  S  33  (vom  J.  328)  ist  Ανρηλία  Δημήτρια 
ή  και  αμμωνία  Besitzerin  einer  ονΰία,  denn  der  Pachtzins  soll  ihr  zuge- 
messen werden  μέτρω  τω  της  ονΰΐας.  Das  ist  insofern  von  besonderem 
Interesse,  als  dies  dieselbe  Frau  ist,  die  im  J.  330  CPß  19  eingereicht 
hat  (s.  unten).  Aus  dem  Jahre  338  stammt  die  große  Abrechnung 
über  einen  Gutsbetrieb  in  Lips.  97.  Hier  ist  es  freilich  nicht  ganz  leicht 
zu  sagen,  was  für  ein  Gut  wir  vor  uns  haben.  Der  Editor  hält  Privat- 
besitz für  ausgeschlossen,  weil  die  Urkunde  adressiert  sei  an  zwei  άπο 
επιτρόπων,  was  nur  bei  einer  öffentlichen  Prokuratur  möglich  sei,  während 
der  private  Verwalter  φροντιστής  heiße.  Domäne  sei  es  jedenfalls.  Er 
schwankt  nur  zwischen  Patrimonial-  und  Tempeldomäne  (S.  246).  Aber 
jener  Titel  άπο  επιτρόπων  kann  auf  die  Verwaltung  dieses  Gutes  über- 
haupt nicht  bezogen  werden,  denn  es  bedeutet  doch  nur,  daß  der  Inhaber 


1)  Es  sind  immer  große  Pacbtungen:  116,  über  160  und  über  100  Aruren. 


C.  Die  byzantinische  Zeit.     §  5.    Das  Privatland.  317 

früher  επίτροπος  gewesen  ist  (ex  procura tore).  Ich  halte  den  Leontios 
der  Adresse  und  den  neben  ihm  Genannten  für  die  Gutsbesitzer,  denen 
von  ihren  Sekretären  (βοηϋ'ών)  für  ein  QuadrimeDstruum  Rechnung  gelegt 
wird.^)  Darin  bestärkt  mich  V  12:  τ]ών  εργ[α]ξομενων  εν  rfi  ovöCa.  Mir 
scheint  es  die  natürlichste  Erklärung  zu  sein,  daß  diese  Sekretäre  damit 
von  den  Arbeitern  sprechen,  die  „auf  dem  Gut"  arbeiten.^)  Es  steht  das 
ganz  parallel  dem  μετρώ  τω  ττ^ς  ovöCag  in  dem  oben  zitierten  Text.  Ist 
meine  Deutung  richtig,  so  gewinnen  wir  durch  diesen  Leipziger  Papyrus 
einen  tiefen  Einblick  in  die  Wirtschaft  eines  großen  Privatgutes  in  der  Nähe 
von  Hermonthis  (in  der  Thebais).  Demselben  IV.  Jahrh.  gehört  BGU 
I  34  an,  der  gleichfalls  Abrechnungen  einer  größeren  Gutswirtschaft  bringt. 
Hier  kommt  zwar  der  Ausdruck  ovöCa  nicht  vor,  aber  die  HauptroUe 
spielt  die  γεοϋχος  in  Hermopolis,  und  in  ihr  dürfen  wir  gewiß  die  Guts- 
herrin sehen.  Von  einer  großen  ovöCa  im  Hermopolites  handelt  ferner 
Lond.  ΙΠ  S.  128/9  aus  dem  IV.  Jahrh.  Überspringen  wir  das  V.  Jahrb., 
aus  dem  wir  bisher  ja  überhaupt  erst  sehr  wenige  Texte  besitzen,  so 
haben  wir  für  das  VI.  und  VII.  Jahrh.  eine  Fülle  von  Beispielen  von  pri- 
vaten ovöCtti.  Ich  verweise  einerseits  auf  den  Index  von  P.  Klein.  Form. 
S.  272,  wo  eine  große  Zahl  von  ονόίαι  dieser  jungen  Zeit  zusammen- 
gestellt sind.  Daß  sie  alle  private  resp.  kirchliche,  aber  nicht  staatliche 
Gutsherrschaften  sind,  kann  kaum  bezweifelt  werden.  Für  die  Verwaltung 
lernen  wir  u.  a.  die  Titel  des  προνοητής  ovöiag^  den  wir  schon  aus  früheren 
Zeiten  kennen,  und  den  νποδεκτης  ονύίας.  Vgl.  zu  diesen  Titeln  die  Ein- 
leitung zu  Oxy.  136  (383).  Den  großartigsten  Gutsbetrieb  lernen  wir 
in  den  Papyri  der  berühmten  Apionen  kennen,  der  großen  Pagarchen  in 
Oxyrhynchos  im  VI.  und  VII.  Jahrhundert.  Die  Haupttexte  sind  Oxy. 
I  130,  133,  134,  135  (384),  136  (383),  137,  138,  Lond.  III  S.  279  ff.  Vgl. 
hierzu  die  Ausführungen  von  Geizer,  Studien  S.  83  ff.  Hier  blicken  wir 
in  die  Wirtschaft  eines  großen  οίχος  hinein,  der,  gestützt  auf  die  Arbeit 
der  hörigen  Kolonen,  uns  ein  Musterbeispiel  wirtschaftlicher  Autarkie 
zeigt.  Auf  den  Gütern  der  großen  Pagarchen  in  der  Thebais,  die  uns  in 
Cair.  Cat.  für  da«  VI.  Jahrh.  bezeugt  werden ,  wird  es  nicht  anders  her- 
gegangen sein. 

Vergleichen  wir,  wus  di«•  Pajjvn  uns  über  die  ovoiai  vom  l\  lalirh. 
an  lehren,  mit  dem,  was  sie  für  die  vorhergehende  Zeit  bringtii,  ^(»  .χί»- 
winnen  wir  den  Eindruck  eines  Anwachsene  dieser  Güter,  und  wir  köniMn 
auch  innerhalb  der  byzantinischen  Zeit  eine  Zunahme  ihrer  Bedeutung 
erkennen.  Freilich  könnte  dieser  Eindruck  vielleicht  durch  Zufälligkeiti*n 
der  Tradition  befördert  »ein.    Auch  ermöglichen  uns  die  Urkunden,  allein 


1)  Zu  den  Loiiunf^eii  der  Adrette  vgl.  Arcb.  ΙΠ  668. 

2)  Anden  der  Kditor  8.  146 


318  Kapitel  VII.     Die  Bodenwirtschaft. 

betrachtet,  niclit,  die  tieferen  Gründe  für  diese  Ersclieinung  zu  erkennen. 
Hierzu  verhilft  uns  erst  die  literarische  Tradition,  unter  der  für  diese  Zeit 
die  juristischen  Quellen,  im  besonderen  die  ungeheuren  Schätze  des  Cod. 
Theodosianus  und  Justinianus,  in  erster  Reihe  stehen.  Ihnen  gegenüber 
fällt  den  Urkunden  nur  die,  allerdings  auch  sehr  wichtige,  Aufgabe  zu, 
die  allgemeinen  Normen  durch  Einzelbeispiele  praktischer  Anwendung 
—  oder  Nichtanwendung  —  zu  illustrieren,  das  Verhältnis  von  Theorie 
und  Praxis  zu  prüfen  und  so  den  wirklichen  historischen  Verlauf  mit  auf- 
decken zu  helfen.  Außerdem  ist  natürlich  die  gleichzeitige  Entwicklung 
in  den  anderen  Provinzen  des  Reiches  ein  wichtiger  Maßstab  für  die  Be- 
urteilung der  ägyptischen  Vorgänge,  und  für  diese  Zeit  um  so  mehr,  als 
die  ursprünglichen  Sonderheiten  der  einzelnen  Provinzen,  die  gerade  in 
Ägypten  in  den  früheren  Zeiten  stark  hervortraten,  jetzt  mehr  und  mehr 
nivelliert  sind.  In  diesem  großen  Zusammenhang,  in  dem  Probleme,  wie 
die  Bildung  der  Latifundien  und  die  Entstehung  des  Kolonates,  allein  ge- 
fördert werden  können,  sind  diese  Fragen  namentlich  in  dem  grund- 
legenden Werk  Rostowzews  behandelt  worden.  Auf  dieses  sowie  die 
anderen  oben  S.  309  zitierten  Arbeiten,  namentlich  auch  M.  Geizers  Studien, 
muß  hier  verwiesen  werden,  wer  genauer  diese  schwierigen  Probleme 
kennen  lernen  will.  Ich  kann  mich  an  dieser  Stelle  nur  auf  eine  kurze 
Zusammenfassung  der  gewonnenen  Hauptergebnisse  beschränken,  die  für 
das  Verständnis  der  Urkunden  von  besonderer  Wichtigkeit  sind. 

Das  starke  Anwachsen  der  großen  Latifundien  und  der  auf  ihnen 
entwickelten  Grundhen-schaften  ist  einerseits  auf  Kosten  der  kaiser- 
lichen Domäne,  andrerseits  auf  Kosten  des  kleinen  ländlichen  Grund- 
besitzes erfolgt. 

Der  erstere  Vorgang  ist  auf  die  Unfähigkeit  der  Regierung,  für  die 
Domäne,  insbesondere  für  die  unfruchtbaren  Teile  derselben,  die  nötigen 
Arbeitskräfte  zu  finden,  zurückzuführen.  Das  Ziel  der  Domänenpolitik 
war  zu  allen  Zeiten  dasselbe  gewesen,  nämlich  die  Domäne  in  möglichst 
weitem  Umfange  zu  meliorisieren  und  ertragsfähig  zu  machen.  Nur  die 
Mittel  sind  zu  verschiedenen  Zeiten  verschiedene  gewesen.  In  der  Ptole- 
mäerzeit,  wo  noch  der  Begriff  des  Obereigentums  am  gesamten  Boden 
lebendig  war,  waren  weite  Strecken  in  verschiedenen  Formen  an  Private 
überlassen  worden  (fV  άφεόει),  als  Lehnsland  —  in  κλήροι  sowohl  wie 
in  großen  δωρεαί  —  oder  durch  Vererbpachtung,  im  besonderen  auch 
zur  καταφντενοίς  von  Wein-  und  Gartenland.  Für  die  eigentliche  Do- 
mäne aber  (βαΰιλίκή  γτ})  hatte  der  König,  wenn  die  normale  Verpachtung 
nicht  zum  Ziel  führte,  zunächst  selten,  nach  besonderen  wirtschaftlichen 
Katastrophen,  dann  häufiger  zur  Zwangspacht  gegriffen.  In  der  Kaiser- 
zeit war  dann  der  Rechtssatz  des  allgemeinen  Obereigentums  des  Königs 
aufgegeben  worden,  und  war  das  frühere  Lehnsland,  soweit  es  nicht  vom 


C.  Die  byzantinische  Zeit.     §  ö.    Das  Privatland.  319 

Staat  konfisziert  wurde,  sowie  das  früher  vererbpachtete  Land  als  Ιδιωτική 
(im  Sinne  des  römischen  Provinzialrechtes)  aus  dem  öffentlichen  Lande 
definitiv  ausgeschieden  worden  —  ersteres  mit  gewissen  Sonderrechten 
als  γή  τίατοίκική.  Die  Schwierigkeit,  die  nötigen  Pächter  zu  finden  — 
die  auf  die  Aussaugungen  der  Bevölkerung  durch  die  gesteigerte  Besteue- 
rung und  vor  allem  den  oft  vernichtend  wirkenden  Liturgiendruck  zurück- 
zuführen ist  —  hatte  in  dieser  Zeit  zu  den  verschiedensten  Formen  der 
Vergebung  von  Domanialland  an  Private  —  zum  Teil  in  Weiterbildung 
ptolemäischer  Einrichtungen  —  geführt.  Wir  haben  oben  den  emphy- 
teutischen  Verkauf  von  unfruchtbarem  Domanialland  (έωνημενη)  kennen 
gelernt  —  der  vielleicht,  wenn  meine  Interpretation  von  Lond.  Ul  S.  110 
(375)  zutreffend  ist,  im  III.  Jahrh.  auch  zwangsweise  ausgeübt  Λvurde  — , 
ebenso  die  Versteigerung  von  (meist  konfisziertem)  fruchtbarem  L.jnde, 
das  vielleicht  zur  γή  ιδιόκτητος  wurde,  während  eine  Vererbpachtung 
sich  in  besonderen  Fällen  wie  bei  der  βαΰίλικη  Ιερεντική  γή  nachweisen 
ließ.  Besonders  stark  aber  war  jetzt  der  Zwang  zur  Bebauung  von  (un- 
fruchtbarem) Domanialland  entwickelt.  \Vir  unterschieden  einmal  die  Auf- 
bürdung solchen  Bodens  an  benachbarte  Dorfgemeinden  {βτίΐμεριαμόξ)  und 
andrerseits  die  erzwungene  Vererbpachtung  an  die  proximi  quique  posses- 
sores.  Im  IV.  Jahrhundert  nun  war  durch  den  immer  stärker  werdenden 
allgemeinen  ökonomischen  Niedergang,  durch  das  neue  Steuersystem,  durch 
den  immer  unerträglicher  werdenden  Liturgiendruck,  durch  tlie  Ausnutzung 
der  Decurionen,  d.  h.  des  städtischen  Kapitals  und  die  natürliche  Rück- 
wirkung auch  auf  die  anderen  Stände  die  Aufgabe,  freiwillige  zahlungs- 
fähige Pächter  zu  finden,  immer  mehr  erschwert  worden.  Ein  neues 
Mittel  ist  —  soweit  ich  sehe  —  jetzt  nicht  erfunden  worden.  Die  Regie- 
rung brauchte  nur  in  das  Arsenal  der  früheren  Periode  hineinzugreifen, 
um  genügend  Waffen  zu  finden,  aber  sie  mußte  sie  entsprechend  der 
Steigerung  der  Notlage  noch  viel  konsequenter  anwenden,  als  es  früher 
geschehen  war.  Und  so  sind  denn  weite  Strecken  der  kaiserlichen  Do- 
mäne durch  Erbpacht  oder  emphjteutischen  Kauf  (mit  dreijähriger  Atelie, 
wie  früher)  in  privaten  Besitz  übergegangen.*)  Vor  allem  aber  ist  die 
Zwangspacht  von  kaiserlichen  Ödländern  an  die  proximi  quique  posses- 
sores  jetzt  geradezu  zu  einem  festen  System  entwickelt  worden,  das  uns 
in  den  juristischen  Quellen  als  επιβολή  (iunctio)  entgegentritt.•)  Nach 
dieser  Tradition  hat  man  früher  angenommen,  daß  dieses  System  auf  eine 
Verfügung  des  Aurelian  oder  in  einer  späteren  Entwicklung  auf  eine 
Bolchü  des  Konstantin  zurückgehe  (Cod.  Just.  XI  59,  1).  Die  Papyri  haben 
uns  jetzt   für  Ägypten  Vorläufer   schon   in   der  Ptolemäerzeit   und   eine 

1)  Vgl.  Rosiowsew,  Kolonat  8.  898. 

2)  Vgl.  außer  den  oben  sitierten  Arbeiten  anch  Seeok,  Panly-Wiitowa  VI  80  ff. 
Mitieif,  Erbpacht  8.  64  f. 


320  Kapitel  VII.     Die  Bodenwirtschaft. 

ziemlich  starke  Entwicklung  bereits  in  den  drei  ersten  Jahrhunderten  n.  Chr. 
kennen  gelehrt,  so  daß  Rostowzew  geneigt  ist,  die  spätere  allgemeine  Aus- 
bildung eben  auf  das  Vorbild  Ägyptens  zurückzuführen.^)  Der  Aus- 
druck έΛίβολη^)  kommt  zwar  in  den  Papyri  der  früheren  Zeit  nicht 
vor^)  —  übrigens  bisher  auch  nicht  in  denen  der  späteren  Periode  — , 
aber  wenn  ich  nicht  irre,  ist  das  Verbum  έπιβάλλειν  in  Oxy.  VI  899,  24 
(361)  in  diesem  technischen  Sinne  aufzufassen.^)  In  der  byzantinischen 
Periode  scheint  nun  dieses  Mittel  in  größtem  Maßstabe  angewendet 
worden  zu  sein.  Es  wurde  schon  oben  S.  310  f.  darauf  hingewiesen, 
wie  zahlreiche  FäUe  von  Kombination  von  Privatland  mit  Domanialbesitz 
sich  nachweisen  lassen.  In  diesem  Zusammenhange  wird  mir  meine  Deu- 
tung der  Zensuseingabe  von  298  (229)  noch  bestärkt,  wonach  das  άνε- 
KTTJöd^aL  auf  die  Ιδίωηκ'ή  und  das  εχειν  καΐ  %αρειληφέναι  auf  die  /3oi(?t- 
λικιίι  zu  beziehen  war.  Vor  aUem  studiere  man  aber  das  große  Landbuch 
von  Herrn opolis  (Flor.  71),  um  zu  sehen,  in  welchem  Umfange  die  i%L- 
βολή  durchgeführt  worden  ist.  Während  es  hier  durchweg  δημοοία  yfj 
ist,  die  zugeschlagen  worden  ist,  haben  wir  in  CPR  19  und  Cair.  Preisigke 
4  (379)  Belege  für  den  Besitz  von  kaiserlicher  ονοίακη  γη.  Da  diese 
Urkunden  nicht  bloß  wie  die  Liste  nackte  ziffernmäßige  Angaben  geben, 
sondern  motivierte  Klagschriften  sind,  so  bieten  sie  uns  genauere  Auf- 
schlüsse über  solche  έ%ιβολαί.  In  dem  Cairener  Text  vom  J.  320  tritt 
das  erbpachtliche  Verhältnis  in  den  Worten  άπο  (ϊί^αίϊο;^'^^  τον  Λατρος 
έλ^ονύαν  εΐξ  έμε  deutlich  hervor,  womit  BGU  648  (360)  und  Oxy.  VI 
899  (361)  aus  der  vorhergehenden  Periode  zu  vergleichen  sind.  Im 
übrigen  scheint  der  Besitzer  auf  dies  Stück  Domanialland ,  in  dessen 
Melioration  er  und  vielleicht  auch  schon  der  Vater  viel  Geld  gesteckt 
hat,  viel  Wert  zu  legen,  denn  er  will  seinen  Besitz  gegen  eventuelle  An- 
sprüche anderer  vor  dem  Praeses  verteidigen.  In  diesem  Falle  läßt  sich 
wohl  nicht  mit  Sicherheit  ausmachen,  ob  es  sich  um  freiwillige  oder  er- 
zwungene Erbpacht  handelt.  Ich  finde  kein  Argument,  das  die  zweite 
Annahme  absolut  notwendig  machte.  Anders  ist  die  Situation  in  CPR  19, 
dessen  Beziehung  zur  έπυβολή  von  Rostowzew,  Kolonat  S.  198  f.,  aufge- 
deckt worden  ist.  Hier  handelt  es  sich  um  42  ^  Aruren  ονβιακης  γηξ, 
die  zum  guten  Teil  unfruchtbares  Land  sind,  und  die  die  Besitzerin  ζΐψ 
μητρία  daher  gern  loswerden  möchte.    Sie  sucht  sie  zu  verkaufen  an  eine 


1)  Kolonat  S.  393.  ' 

2)  So  z.  B.  in  Nov.  Just.  128,  166  (τΐερϊ  άπορων  έτίΐβολης)^  168  {ηερϊ  έταβολών). 

3)  Geizer,  Studien  S.  7δ,  vorsichtiger  Zulueta  S.  70,  nehmen  an,  daß  die  in  den 
Pachtverträgen  der  früheren  Zeit  öfter  begegnende  επιβολή  eben  diese  Zwangserbpacht 
sei.  Daß  hiermit  vielmehr  Steuerzuschläge  gemeint  sind,  zeigt  u.  a.  Lips.  6,  11,  wo 
an  der  entsprechenden  Stelle  άννωνι-Λών  επιβολών  steht.     Vgl.  oben  S.  188. 

4)  Ebenso  wie  in  Cair.  Cat.  67006,  3  aus  dem  VI.  Jahrh.  (vgl.  Rostowzew,  Kolonat 
S.  201  Anm.  1). 


C.  Die  byzantinische  Zeit.     §  5.   Das  Privatland.  321 

gewisse  Evg^  zusammen  mit  über  12  Aruren  von  ihrem  Privatland,  die 
gleichfalls  unfruchtbares  Land  darstellen.  Unter  den  Einwendungen  der 
Käuferin,  die  von  dem  unvorteilhaften  Geschäft  wieder  zurücktreten  möchte, 
findet  sich  nun  auch  der  Hinweis  auf  άλλα  υπάρχοντα  der  A^erkäuferin 
(Z.  17).  Rostowzew  S.  199  hat  hierzu  schon  bemerkt:  „sie  scheint  also 
die  Sache  so  aufzufassen,  daß  die  yij  ονοιακή  dem  ganzen  Besitze  der 
A^erkäuferin  aufgebürdet  worden  ist",  und  findet  hierin  mit  Recht  einen 
Beweis  für  den  Charakter  jener  ονοιακή  γη  als  επιβολή.  Ich  möchte  dies 
noch  dahin  präzisieren,  daß  die  Käuferin  offenbar  Anstoß  genommen  hat 
an  dem  Verhältnis  von  ca.  42  Aruren  επιβολή  zu  ca.  12  Aruren  Privat- 
land. Prüft  man  das  Landbuch  von  Hermopolis  (Flor.  71),  so  sieht  mau, 
daß  die  επιβολής  wie  auch  allgemein  angenommen  wird,  nur  einen  kleinen 
Prozentsatz  des  Privatlandes  darstellt.  Recht  oft  beträgt  sie  gerade  10  Pro- 
zent, aber  noch  häufiger  etwas  weniger,  manchmal  auch  mehr  (z.  B. 
25  Prozent),  aber  niemals,  soweit  ich  verfolgt  habe,  über  100  Prozent.^) 
Hiemach  stehen  die  ca.  42  Aruren  ονΰίακή  γη  als  επιβολή  in  der  Tat  in 
einem  ganz  verkehrten  Verhältnis  zu  den  ca.  12  Aruren  Privatland,  und 
man  begreift  den  Hinweis  auf  άλλα  υπάρχοντα^  die  nämlich  durch  die 
42  Aruren  mitbelastet  sind.  Der  ganze  Fall  wird  uns  aber  jetzt  noch 
verständlicher,  nachdem  ich  oben  S.  316  gezeigt  habe,  daß  die  Verkäuferin 
Demetria  Besitzerin  einer  großen  Gutsherrschaft  (ovöia)  war.^)  Daß  auch 
diese  επιβολή  schon  von  den  Eltern  ererbt  war,  wie  im  Cairener  Text, 
dürfen  wir  der  Einwendung  der  Käuferin  πιπράοκονβάν  μου  τα  των  γο- 
viow  entnehmen  (Ζ.  IDj.  Die  Tatsache,  daß  hier  eine  Frau  die  επιβολή 
hat,  und  zwar  ohne  irgendwie  dagegen  zu  remonstrieren,  erklärt  Mitteis 
daraus,  daß  diese  Frau  nicht  kinderlos  Λvar^),  unter  Hinweis  auf  BGU 
II  G48  (360).  Unsere  Texte  sind  in  diesem  Punkt  nicht  ganz  ohne  Wider- 
spruch. In  BGU  648  könnten  die  Worte  επεϊ  καΐ  ατεκνόζ  είμι  και  ούδ^ 
^μαυτήι  άπαρκείν  δνναμαι  nur  ihre  materielle  Notlage  ausmalen.  Wo  sie 
von  ihrem  Recht  spricht,  sagt  sie  ganz  klar:  εις  -ijv  γυνή  ovo  α  ovx 
οφείλω  χα&ελχεο&αι.  Andrerseits  verlangt  sie  aber,  daß  die  strittige 
γεωργία  auf  die  τεχνα  ihrer  Base  abgewälzt  werde.  Dieses  bisher  nicht 
hervorgehobene  Moment  spricht  für  Mitteis'  Auffassung,  wenigstens  für 
die  damalige  Zeit.  In  BGU  UI  899  (361)  sagt  ApoUonarion  zwar  einmal 
μή  ενοχλεϊύ^αί  με  γυναίκα  ονόαν  ανανδρον  καΐ  άβοή&ητον  (44),  aber 
nach  den  Edikten  (Ζ.  25)  ist  befohlen  γνναϊχας  ταντιι  rf)  χρεία  μή  χαθΑ- 

I  Wenn  in  Flor.  71,  72  42  Arnren  δημοαίας  88  Aruren  Ιδιωχί*ής  entsprechen, 
HM  '  «int  mir  Hich(*r,  daß  in  der  Lflcke  vor  Χη  ein  ρ  %\i  org&nten  ist,  alio  188. 
I>aiiii  i.iil>cn  wir  wi«Mler  ca.  10  Prozent. 

2)  Damit  modiHiieren  tich  die  angefahrten  Worte  Rottowtewi,  insofern  diese 
intßoXifi  nicht  „dorn  ganzen  Besits**  der  Demetria  ingeschlaf^n  war.  Sie  wird  noch 
sehr  viel  mehr  imßoXr)  f^ehnbt  haben,  übrigens  sieht  ja  uuch  nur  £ΧΧα,  nicht  τά 
irlla  da.  3)  Krbpachi  S.  86. 

MUt«l«*Wllok«ni  ürundsOgo  I  81 


322  Kapitel  VII.     Die  Bodenwirtschaft. 

χεοϋ-αι,  (vgl.  18,  und  26  άνδράοι  μόνοις  und  28).  Da  diese  Edikte  und 
Entscheidungen  von  Julius  Alexander  bis  in  die  Zeit  des  Pius  reichen, 
so  möchte  ich  die  Vermutung  aufstellen,  daß  bis  dahin  die  Frauen  über- 
haupt von  der  εταβολή  frei  waren,  während  in  der  severischen  Zeit  dies 
Vorrecht  auf  die  kinderlosen  Frauen  beschränkt  war.  Möglich  ist,  wenn 
auch  nicht  direkt  bezeugt,  daß  dann  im  IV.  Jahrb.,  wie  Rostowzew 
S.  198  annimmt,  auch  dieses  Vorrecht  geschwunden  war.  —  Zum 
Schluß  noch  eine  Bemerkung  über  den  Rechtsstreit  von  CPR  19.  Zu 
meiner  Überraschung  fand  ich  in  Flor.  71,  143/4  eine  Notiz,  die  sich 
wahrscheinlich  auf  dasselbe  Privatland  wie  das  in  CPR  19  bezieht:  ^η- 
μητρία  —  Öl'  Evrog  ύ\  πάγου  ίό(ίωτικης)  (άρονρας)  iß  6η.  Danach  hat 
eine  ^ημψρία  im  8.  Pagus  12^  γ  Aruren  Privatland,  die  sie  an  eine 
Evg  verpachtet  hat.  Sollten  das  nicht  die  Frauen  des  Wiener  Papyrus 
sein?  Leider  steht  die  Zeit  des  Flor.  71  nicht  genau  fest,  Vitelli  hat  ihn 
etwa  in  die  Mitte  des  IV.  Jahrh.  gesetzt.  Ist  er,  wie  wahrscheinlich, 
jünger  als  CPR  19,  so  wäre  etwa  zu  schließen,  daß  aus  jenem  Kauf 
nichts  geworden  ist,  Demetria  mit  ihrer  ονοίακη  γη  sitzen  geblieben  ist 
und  jenes  Privatland  —  die  12^  γ  dürften  dieselben  Landstücke  sein  wie 
in  CPR  die  12^  ^^  ^  —  schließlich  an  Evg  verpachtet  hat.  Ist  der  Flor,  71 
älter,  so  wäre  Evg  vorher  Pächterin  des  Landes  gewesen,  über  deren  Kauf 
sie  dann  verhandelt  hätte.  Aber  die  erstere  Annahme  ist  auch  wohl  paläo- 
graphisch  wahrscheinlicher.  Für  den  Flor.  71  ergibt  sich  dann  aber,  da 
hier  nur  2  kleine  Parzellen  der  Demetria  aufgeführt  werden,  daß  er  nur 
einen  Auszug  des  vollständigen  Grundbesitzverzeichnisses  von  Hermopolis 
darstellt. 

Während  sich  so  das  Anwachsen  des  Privatbesitzes  auf  Kosten  der 
Domäne,  im  besonderen  durch  das  Mittel  der  επιβολή  durch  die  Papyri 
illustrieren  läßt,  haben  sie  uns  bisher  über  die  Erweiterung  der  Lati- 
fundien auf  Kosten  des  kleinen  ländlichen  Grundbesitzes  —  soweit  ich 
sehe  —  kein  Material  gebracht.  Ich  weise  daher  nur  kurz  auf  diesen 
Punkt  hin,  wiewohl  er  für  die  agrarische  Entwicklung  von  großer  Be- 
deutung gewesen  ist.  Ich  beschränke  mich  auf  die  Hervorhebung  eines 
wichtigen  Ereignisses,  das  u.  a.  in  der  angegebenen  Richtung  gewirkt  hat, 
das  ist  die  Patrociniumsbewegung,  über  die  kürzlich  gleichzeitig  und 
unabhängig  voneinander  Geizer  (Stud.  72  ff.)  und  Zulueta  (de  pat.  vic.)  ein- 
gehend gehandelt  haben.  Im  Anschluß  an  Cod.  Theod.  XI  24  (vgl.  Cod. 
Just.  XI  54)  haben  sie  gezeigt,  daß  die  wirtschaftliche  Notlage  der  ägyp- 
tischen possessores  im  IV.  Jahrh.  diese  vielfach  dazu  getrieben  hat,  aus 
Furcht  vor  den  Steuererhebern  sich  freiwillig  als  Klienten  einem  Mäch- 
tigen als  ihrem  patronus  in  die  Arme  zu  werfen.  Die  Kaiser  haben,  wie 
die  im  Cod.  Theod.  erhaltenen  Gesetze  zeigen,  von  360  an  mit  immer  ge- 
steigerten Strafen  gegen  diese  Untergrabung  der  staatlichen  Ordnung  an- 


C.  Die  byzantinische  Zeit.     §  5.    Das  Privatland.  323 

gekämpft^  haben  aber  schließlich  im  J.  415  vor  jenen  Mächtigen  kapitu- 
liert, indem  sie  zwar  den  Patronat  aufhoben  (freilich  ohne  dauernde 
Wirkung),  die  in  Schutz  genommenen  Ländereien  aber  nunmehr  den 
früheren  Patronen  als  possessiones  überwiesen  und  ihnen  zugleich  ihre 
früheren  Klienten  als  hörige  Kolonen  unterstellten.*)  Das  ist  also  ein 
Akt,  der  auf  die  Eutwicklung  der  Latifundien  grundlegend  eingewirkt 
haben  muß.  Die  Papyri  tragen  wohl  in  ihrer  Gesamtheit  zum  besseren 
Verständnis  dieses  historisch  ungeheuer  interessanten  Vorganges  bei,  aber 
sie  bringen  keine  entscheidenden  Aufklärungen.  So  hat  schon  Geizer 
S.  82 f.  auf  einige  Texte  hingewiesen,  die  zeigen,  wie  im  IV.  Jahrb.  das 
Faustrecht  der  Reichen  die  Kleinen  bedrückte  und  auch  gelegentlich  von 
Haus  und  Hof  jagte,  ohne  daß  diese  bei  der  Regierung  genügenden  Schutz 
fanden^)  —  Vorgänge,  durch  die  der  Gedanke  nahegelegt  werden  konnte, 
sich  einen  starken  Patronus  zu  wählen.  Es  hängt  ferner  gewiß  mit  der 
Bedeutung  des  Patrociniums  in  jenen  Zeiten  zusammen,  daß  das  Wort 
πάτρων  in  den  Briefen  an  hochstehende  Männer  in  den  Papyri  aus  der  Mitte 
des  IV.  Jahrb.  recht  oft  begegnet.  Die  meisten  Fälle  bietet  die  Korrespon- 
denz des  Abinnäus,  des  praefectus  castrorum  von  Dionysias,  der  oft  so  titu- 
liert wird.  Vgl.  den  Index  zu  Lond.  II,  ferner  Gen.  53,  54,  56.  Außerdem 
vgl.  Lond.  III  S.  242,  Lips.  110,  17.  Aber  wie  auch  schon  Geizer  S.  82  be- 
tonte, der  nur  auf  Lond.  II  hinwies,  sieht  es  nur  wie  eine  ehrende  Titulatur 
wie  δεοπότης  oder  κύριος  aus.  Das  in  jenen  juristischen  Quellen  ge- 
zeichnete Rechtsverhältnis  dürfte  hier  kaum  vorliegen.  Immerhin  wäre  es 
in  einigen  FäUen  vielleicht  nicht  ausgeschlossen,  wie  in  Gen.  53,  wo  sich 
der  Briefschreiber  als  öbg  ÖovXog  und  ϋ^ρεπτός  bezeichnet,  womit  wohl 
der  Klient  gemeint  sein  könnte.*)  Wie  dem  auch  sei,  jedenfalls  spiegelt 
sich  in  diesem  damals  aufkommenden  Sprachgebrauch  jene  Patrociniums- 
bewegung  wider. 

Ein  anderes  möchte  ich  zu  Geizers  Ausführungen  hinzufügen.  Als 
Patrone,  bei  denen  man  Schutz  suchte,  nennen  die  Rechtsbücher  einerseits 
die  christlichen  Kirchen,  andrerseits  die  Mächtigen  dieser  Welt,  bis  zu 
den  duces  hinauf.  Es  sind  das  mutatis  mutandis  dieselben  Instanzen,  die 
auch  schon  in  der  Ptolemäerzeit  den  sich  bedrückt  Fühlenden  ZuHucht 
gewährt  haben,  und  gegen  deren  Beechützung  auch  damals  sich  die  Re- 
giening  gewendet  hatte.  So  zwang  sie  die  königlichen  Domanialpiichtery 
wie  wir  oben  S.  275  sahen,  wenn  sie  die  Aussaat  vom  Staat  haben  wollten, 
sich  in  einem  schriftlichen  Eid  zu  verpflichten,  daß  sie  sich  fernhalten 
würden  „von  Tempeln,  Altären,  Hainen  und  jeglicher  Protektion"  {οχ^πης 
TfiUii.A.     Dsis    i'iifsi»ric'ht    dcni    Patronat    dt r    gleichfaUfl   wieder    mit  Asyl- 

S)  Amh.  142  (ntch  841),  Qoodip.  \h    a    :;•  J 
8)  ηάχ^ωνι  la«  ich  aaf  dem  Veno. 

tl• 


324  Kapitel  VII.     Die  Bodenwirtschaft. 

recht  ausgestatteten  christlichen  Kirchen  und  dem  Patronat  der  Mächtigen 
im  IV.  Jahrhundert.  Gewiß  ist  die  Situation  im  einzelnen  jetzt  eine  an- 
dere, aber  der  Grundzug  beider  Erscheinungen  ist  doch  derselbe.  Hier 
wie  dort  ist  es  die  Kirche  und  die  Mächtigen,  die  —  nicht  ohne  eigenen 
Vorteil  —  in  bewußter  Durchbrechung  der  staatlichen  Ordnung  den 
Yon  der  Regierung  Bedrückten  Zuflucht  gewähren.  Bei  dem  Mangel  an 
Nachrichten  aus  dem  I.  Jahrh.  v.  Chr.  wissen  wir  nicht,  wie  sich  diese 
Dinge  über  die  durch  die  Tebtynistexte  erhellte  Periode  hinaus  in  der 
Ptolemäerzeit  entwickelt  haben.  Die  römische  Regierung  hat  fest  zuge- 
griffen, indem  sie  das  Asylrecht  der  Tempel  beschränkte.  In  der  byzan- 
tinischen Zeit  aber  erhält  die  christliche  Kirche  das  Asylrecht,  und  neben 
ihr  entwickeln  sich  in  den  großen  Grundbesitzern  und  den  hohen  Beamten 
Elemente,  die  wieder  bereit  sind,  den  Kampf  mit  dem  jetzt  in  weiter 
Ferne  residierenden  Kaiser  aufzunehmen. 

So  haben  wir  das  Entstehen  und  Wachsen  größerer  Latifundien  einer- 
seits aus  der  Domäne,  andrerseits  aus  ländlichem  Kleinbesitz  heraus  ver- 
folgen können.  Eine  Folgeerscheinung  hiervon  ist  die  gesetzliche  Bin- 
dung des  Kolonen  an  seine  Scholle.  Die  Regierung  hatte  jene 
Zuweisungen  aus  der  Domäne  vorgenommen,  weil  sie  selbst  sich  außer- 
stande sah,  die  Bewirtschaftung  mit  Erfolg  durchzuführen.  Wenn  sie  sie 
den  großen  Grundbesitzern  übertrug,  mußte  sie  alles  tun,  um  Störungen 
ihres  Betriebes  durch  Arbeitermangel  nach  Möglichkeit  auszuschließen. 
Die  größte  Gefahr  für  die  Kontinuität  der  Arbeit  lag  nun  in  der  Land- 
flucht der  Pächter.  Es  ist  dies,  wie  wir  sahen,  keine  neue  Erscheinung 
des  IV.  Jahrh.  Schon  aus  der  Ptolemäerzeit  sind  uns  Fälle  bekannt,  in 
denen  nicht  nur  in  Zeiten  der  Revolution,  sondern  mitten  im  äußeren 
Frieden  die  Bauern  eines  Dorfes  in  Nachbardörfer  oder  Tempel  flohen, 
um  den  staatlichen  Forderungen  zu  entgehen.  Vgl.  Teb,  26  (330),  41 
und  oben  S.  276.  In  den  Texten  der  Kaiserzeit  tritt  uns  das  traurige 
Phänomen  der  άναχώργι6ΐζ  noch  viel  deutlicher  entgegen.^)  Hier  ist  die 
Flucht  aus  der  Heimat  (idCa)  y  in  der  man  Steuern  und  Liturgien  zu 
tragen  hatte,  der  letzte  Trost  der  ausgesogenen  Massen  geworden.  Wenn 
man  in  den  Bittschriften  an  die  Behörden  zum  Schluß  darum  bat,  das 
Verbleiben  in  der  Heimat  zu  ermöglichen,  so  lag  darin  ein  Hinweis  auf 
die  eventuelle  άναχώρηύις.^)  Aus  dem  IL  Jahrh.  berichtet  uns  —  wenn 
ich  wieder  von  Zeiten  der  Unruhen  wie  in  BGU  II  372  (19)  absehe^)  — , 

1)  Vgl.  Wilcken,  Ein  dunkles  Blatt  aus  der  inneren  Geschichte  Ägyptens  (Fest- 
schrift f.  0.  Hirschfeld  S.  129 f.). 

2)  Vgl.  Rostowzew,  Kolonat  S.  205,  der  auf  Flor.  91,  17  ff.,  Fay.  296,  Lond.  III 
S.  134,  18  f.  hinweist. 

3)  Ich  stelle  auch  für  sich,  daß  während  der  großen  Pest  unter  Marcus  die 
Leute  in  Massen  aus  ihren  Dörfern  flohen.  Vgl.  BGU  III  902  und  903  und  dazu 
meine  Ausführungen  in  der  Festschr.  f.  Hirschfeld  1.  c.  (s.  Anm.  1). 


C.  Die  byzantinische  Zeit.     §  5.    Das  Privatland.  325 

BGU  II  475  von  der  Verödung  von  Ländereien,  weil  die  Pächter  z.  T. 
geflohen  waren  (a.  198/9).  In  den  Anfang  des  IIL  Jahrh.  fiel  die  Flucht 
der  δημόόίΟί  γεωργοί  von  Soknopaiu  Nesos,  über  die  uns  Gen.  16  (354) 
berichtet.  Zu  BGU  I  159  (408)  (a.  216)  vgl.  Kap.  VIII.  Wir  dürfen  an- 
nehmen, daß  diese  Zustände  im  Laufe  des  IV.  Jahrh.  unter  dem  Druck 
der  neuen  Steuerordnung  sich  nur  noch  verschlimmert  haben,  wenn  auch 
die  Papyri  noch  nicht  viele  Belege  gebracht  haben.  Auf  Flor.  36  (a.  312) 
hat  schon  Rostowzew  (Kolonat  S.  206)  hingewiesen,  wonach  das  Dorf 
Theadelphia  damals  πανέρημος  war,  und  mit  der  Flucht  des  Sitologen 
gerechnet  wird.^)  Noch  drastischer  ist  BGU  III  909  (382)  vom  J.  359, 
der  bisher  mißverstanden  worden  ist.  Nach  meiner  Deutunor  hat  im  Jahre 
vorher  die  ganze  Dorfbevölkerung  von  Philadelphia  —  mit  geringen  Aus- 
nahmen —  die  Flucht  ergriffen  (vgl.  meinen  Kommentar).  Unter  diesen 
traurigen  Verhältnissen  mußte  es  für  die  Regierung,  die  die  Grundbesitzer 
leistungsfähig  machen  woUte,  die  Hauptsache  sein,  eben  diese  Landflucht 
zu  unterbinden.  Sie  versuchte  es,  nicht  etwa,  indem  sie  —  was  aUein 
hätte  helfen  können  —  die  inneren  Voraussetzungen  für  jene  Erscheinung, 
die  Aussaugung  der  Bevölkerung  beseitigte,  sondern  indem  sie  mit  Polizei- 
vorschriften die  Bindung  des  Bauern  an  seine  SchoUe  anbefahl.  Bekannt- 
lich hat  dieser  Prozeß  sich  im  ganzen  Reich  vollzogen,  wenn  auch  in 
den  verschiedeneu  Provinzen  in  sehr  verschiedenem  Tempo ^),  und  so  ist, 
indem  die  Regierung  andrerseits  ebenso  aus  fiskalischen  Gründen  die  Ge- 
werbetreibenden zwangsweise  in  Zünften  zusammenschloß,  dieser  entsetz- 
liche byzantinische  Polizeistaat  entstanden,  in  dem  für  bürgerliche  Frei- 
heit kein  Platz  war.  In  Ägypten  brauchte  die  Regierung,  um  die  Ko- 
lonen  zu  binden,  nur  an  das  Prinzip  der  Ιδία  anzuknüpfen,  das,  wie  wir 
sahen ,  schon  seit  der  Ptolemäerzeit  —  oder  vielmehr  seit  der  alten 
Pharaonenzeit  —  bestand.  Sie  brauchte  nur  gesetzlich  definitiv  zu  fixieren^ 
was  früher  schon  auf  administrativem  Wege,  wie  wir  sahen,  von  Zeit  zu 
Zeit  eingeschärft  worden  war,  eben  die  Bindung  an  die  Ιδία.  Diese  ge- 
setzliche Regelung  ist  in  Ägypten  zugleich  mit  der  Ordnung  der  Patro- 
ciniunisfrage  im  J.  415  erfolgt'),  und  insofern  spielt  auch  diese  in  der 
Geschichte  dee  ägyptischen  Kolonats  eine  große  RoUe,  wenn  sie  auch 
nicht  selbst  das  letzte  Motiv  gewesen  ist.  Damit  wurden  die  Pächter  ihrem 
früheren  Patronue  als  ihrem  Grundherrn  als  an  die  Scholle  gebundene 
Hörige  überwiesen,  wofür  dieser  nun  dem  Staat  gegenüber  die  Haftung 
für  die  Steuern  und  Liturgien  seiner  ('oloni  übernahm.^)  So  arbeiteten 
nun    auf  den  großen  Gfit«>rfi  der  Grundherren  {γίοϋχοι)   diese  adecripticii 


1)  Von  P&ci.i.ii.wi.  .lu.i... ..  <.i'K  iU  (42)  Tom  Juhro  3li. 

2)  Vgl.  HoitowKew,  Kolonat  S.  890.    8e<>ck,  ColonUui  bei  Panly-Wii•. 
8)  Vgl.  biena  Qelzer  1.  o. 

4)  über  die  BachtMteUoog  der  Ooloneo  vgl.  Seeck  und  Qelier  11.  oo. 


326  Kapitel  VII.     Die  Bodenwirtschaft. 

(εναπόγραφοίΥ) ,  während  andrerseits  in  den  von  den  Grundherrschaften 
freien  Dörfern  —  den  metrocomiae  oder  vici  publici  des  Gesetzes  —  selb- 
ständige Bauern  auch  weiterhin  saßen. 

Bei  dem  Mangel  an  Papyri  aus  dem  V.  Jahrh.  können  wir  leider 
die  nächsten  Wirkungen  dieses  Umschwunges  nicht  verfolgen.  Im  VI.  Jahr- 
hundert aber  treten  uns  diese  έναπόγραφοι  namentlich  auf  den  Gütern 
der  Apionen  von  Oxyrhynchos  vor  Augen.  Am  anschaulichsten  ist  Oxy.  I 
135  (384)  vom  J.  579,  eine  Bürgschafts  Urkunde  für  einen  ενατΐόγραφος^ 
in  der  die  Gebundenheit  eines  solchen  Hörigen  vortrejßflich  zum  Ausdruck 
kommt.  Eine  Parallele  ist  Oxy.  VI  996  (in  description  mitgeteilt).  Von 
Hörigen  handeln  ferner  Oxy.  I  130,  136  (383),  137,  Lond.  III  S.  279—281). 


ZUM  LANDWIRTSCHAFTLICHEN  BETRIEB. 

Nachdem  im  Vorstehenden  vorwiegend  das  Verhältnis  des  Staates  zur 
Bodenwirtschaft  und  die  rechtlichen  Formen  dieser  Wirtschaft  behandelt 
sind,  während  der  eigentliche  Betrieb  nur  gelegentlich  gestreift  wurde, 
soll  zum  Schluß  wenigstens  mit  einigen  Worten  darauf  hingewiesen  werden, 
daß  die  Papyri  ein  unendlich  reiches  Material  gerade  zur  Erforschung 
dieses  landwirtschaftlichen  Betriebes  in  Ägypten  bieten.  Ich  möchte  um 
so  mehr  darauf  hinweisen,  als  in  den  Editionen  und  auch  in  manchen 
Untersuchungen^)  zwar  Einzelfragen  dieses  Problems  schon  behandelt  sind, 
eine  gründliche  Verarbeitung  des  gesamten  Materials  aber  noch  aussteht. 
Es  würde  gute  Resultate  ergeben,  wenn  ein  Papyrusforscher  sich  mit  einem 
akademischen  und  doch  praktischen  Land  Wirtschaftler  zu  diesem  Zweck  zu- 
sammentäte. Bei  der  großen  Bedeutung  der  Landwirtschaft  für  das  ägyptische 
Leben  sind  die  auf  dieses  Thema  bezüglichen  Angaben  fast  durch  die  ge- 
samten Publikationen  zerstreut.  Einzelne  Gruppen  von  Urkunden  lassen 
sich  aber  doch  herausheben,  die  ganz  besonders  ergiebig  sind.  Ich  nenne  an 
erster  SteUe  die  Bodenpachtverträge,  die  oft  die  detailliertesten  Angaben 
über  den  vom  Pächter  auszuübenden  Betrieb  enthalten  (vgl.  Waszynski 
und  GentiUi  11.  cc).  Noch  ergiebiger  sind  die  Wirtschaftsbücher,  die  uns 
von  einigen  Gutsverwaltungen  erhalten  sind.  Hier  können  wir  in  einem 
Falle  durch  Monate  hindurch  Tag  für  Tag  verfolgen,  welche  Arbeiten 
ausgeführt  wurden.^)     Ferner  bieten  ein  reiches  Detail  gewisse  Korrespon- 

1)  Adscripticius  erklärt  Seeck,  Pauly-Wiss.  IV  498  mit  censibus,  nicht  glebae 
adscriptus. 

2)  Außer  den  Darstellungen  von  Varges,  Lumbroso,  Robiou,  Bouche-Leclercq  (III) 
nenne  ich  z.B.Waszjxiski,  Die  Bodenpacht ;  Gentilli,  Studi  italiani  di  filologia  classica  XIII ; 
Wessely,  Karanis;  Rostowzew,  Pauly-Wissowa  VII  s.  v.  frumentum.  Speziellere  Arbeiten 
werden  oben  genannt. 

3)  Vgl.  Lond.  I  S.  166  flF.,  das  große  Wirtschaftsbuch  aus  dem  Hermopolites,  auf 
dessen  Rückseite  Aristoteles'  Ά9•ηναίων  τίολιτεία  steht.     Vgl.  auch  Lips.  97. 


Zum  landwirtschaftlichen  Betrieb.  327 

denzen^  deren  Gegenstand  wieder  die  Gutsverwaltung  bildet.  Icli  denke 
namentlich  an  die  Korrespondenz  des  Heroniuos,  die  uns  Comparetti  jetzt 
sammelt  (Flor.  11),  auch  die  des  Bellienus  (in  Fay.  110 ff.)  u.a.  Wie  weit 
zerstreut  das  Material  ist,  wird  auch  der  Benutzer  unserer  Chrestomathie 
erfahren,  die  in  beiden  Bänden  viel  Wertvolles  zu  diesem  Thema  enthält. 
Wer  auf  diesem  Gebiet  arbeiten  will,  soll  rückwärts  und  vorwärts  schauen, 
in  die  alte  Pharaonenzeit  wie  in  die  Gegenwart,  denn  die  physischen  Be- 
dingungen für  den  landwirtschaftlichen  Betrieb  sind  durch  alle  diese  Jahr- 
tausende dieselben  geblieben,  und  gerade  auf  diesem  Gebiet  haben  sich 
die  Formen  und  die  Mittel  der  menschlichen  Arbeit  mit  einer  erstaun- 
lichen Zähigkeit  z.  T.  unverändert  erhalten.  Man  soU  also  die  altägyp- 
tischen Nachrichten  und  vor  aUem  die  schönen  Darstellungen  landwirt- 
schaftlichen Lebens  aus  den  alten  Gräbern  ebenso  zur  Erkläruugr  heran- 
ziehen,  wie  andrerseits  den  Betrieb  der  heutigen  Fellachen. 

Zunächst  gilt  es,  die  Fruchtsorten  festzustellen,  die  damals  kultiviert 
wurden  und  auch  das  Verhältnis,  in  dem  sie  quantitativ  zueinander  standen. 
Die  hervorragende  Bedeutung  des  Weizenbaues  tritt  z.  B.  durch  P.  Petrie 
III  n.  75  (S.  205)  aus  Euergetes'  I  Zeit  hervor,  wonach  damals  im  Faijöm 
134315^  Aruren  mit  Weizen  und  nur  26260  Aruren  mit  Gerste  besät 
waren.  ^)  Es  gilt  weiter,  die  schwierige  Frage  des  Fruchtwechsels  aufzu- 
klären. Hierfür  ist  von  Bedeutung,  das  Verhältnis  des  Saatlandes  zur 
Brache  festzustellen,  die  nach  unsern  Texten  meist  als  mit  Futterkräutern 
bestellt  erscheint.*)  Die  Papyri  haben  weiter  schon  interessante  Auf- 
schlüsse über  die  Frage  der  Düngung  wie  der  Bewässerung  der  Acker 
gebracht.  Bezüglich  der  Düngung  ergab  sich  aus  dem  oben  genannten 
Wirtschaftsbuch  aus  dem  Hermopolites  (1.  Jahrh.  n.  Chr.),  daß  schon  da- 
mals (wahrscheinlich  auch  schon  früher)  ebenso  wie  heute  aus  den  Schutt- 
hügeln verfallener  Ansiedlungen  die  Ssebbacherde  losgehackt,  durchgesiebt 
und  als  Dung  (κόπρος)  auf  dem  Rücken  der  Esel  auf  die  Äcker  gebracht 
wurde.'*)  Die  Erwähnung  der  Taubenhäuser  (περιοτερώνεζ)*)  spricht  da- 
für, daß  außerdem  schon  damals  wie  heute  der  Taubenmist  als  Dung  ver- 
wertet wurde.  Bezüglich  der  Bewässerung  aber  haben  wir  in  den  Papyri 
abgisehen  von  der  Kanalisierung  (Kap.  VlII)  dieselben  Arten  künstlicher 
Ηί• Wässerung  wiedergefunden,  die  dem  lieisenden  noch  heute  in  Ägypten 
auffallen.     So  begegnet  uns  die  Sakje,  deren  knarrende  Eäder  von  einem 


1     VV.it.r»•  Il.lr^r••  »Mi  RoitowMW,  Panly-Wieeow•  VII  185. 

L'  Vgl.  meine  AueiüUriiogen  im  Arob.  I  167  ff.,  wo  ich  άνάηανμη  als  Brache 
erklärt«•. 

'Λ)  Vgl.  meine  Dftrlegangen  im  Arch.  II  808  ff. 

4)  Vgl.  meine  Griecb.  Oitimk»  I  879.  Dafi  auch  damal•  schon  wie  heute  die 
Tauben  in  den  Krügen  nifieten,  ana  denen  dio  Taubenhäuser  lOMmmengobaut  waren, 
hat  inzwiHchen  Teb.  84,  I  9  gexeigt 


328  Kapitel  VII.     Die  Bodenwirtschaft. 

Ochsen  in  Bewegung  gesetzt,  werden^),  ebenso  wie  die  κοχλίας  genannte 
Archimedische  Schraube^),  die  auch  heute  noch  im  Delta  weiterlebt.  Beim 
άντλεΐν  aber  werden  wir  an   die  Schädufs  (Zieheimer)  zu  denken  haben. 

Wie  der  Körnerbau  von  den  Vorarbeiten  zur  Saat^)  bis  zur  Ernte 
erforscht  werden  kann,  so  liegt  ebenso  auch  für  den  Anbau  der  Ölfrüchte, 
der  Hülsenfrüchte,  des  Gemüses,  namentlich  aber  für  den  Weinbau  ein 
reiches  Material  vor.  Ebenso  sind  die  Baumpflanzungen,  im  besondern 
die  Dattelpalme*)  zu  behandeln.  Auch  für  die  Gartenkultur  mehrt  sich 
unser  Material.^)  Andrerseits  ist  Weidewirtschaft  und  Viehzucht  zu  be- 
handeln. 

Es  würde  nicht  nur  für  die  Erkenntnis  des  bodenwirtschaftlichen 
Betriebes,  sondern  auch  für  die  Interpretation  mancher  Urkunde  von 
großem  Nutzen  sein,  wenn  die  einzelnen  Betriebsoperationen  mit  ihren 
urkundlich  überlieferten  Monats-  oder  Tagesdaten  zu  einer  chronologischen 
Jahrestabelle  geordnet  würden,  denn  damit  würde  uns  eventuell  manche 
Urkunde,  in  der  auf  diese  Operationen  ohne  Datum  hingewiesen  wird, 
verständlicher  werden.  Nur  müßte  in  jedem  Einzelfall  berücksichtigt 
werden,  aus  welchem  Landesteil  das  Zeugnis  stammt.  Denn  da  in  Ober- 
ägypten die  Überschwemmung  bekanntlich  um  mehrere  Wochen  früher 
beginnt  als  im  Delta,  fallen  auch  die  landwirtschaftlichen  Arbeiten  in 
Ober-,  Mittel-  und  Unterägypten  in  verschiedene  Zeiten.  Hätten  wir 
also  drei  solche  agrarischen  Jahrestabellen  für  diese  drei  Landesteile,  so 
könnten  wir  künftig  vielleicht  bei  Urkunden,  deren  Herkunft  unbekannt 
ist,  wenn  sie  landwirtschaftliche  Fragen  berühren,  bestimmen,  ob  sie  aus 
Ober-,  Mittel-  oder  Unterägypten  stammen,  und  auch  manche  anderen 
Konsequenzen  würden  sich  ergeben. 


1)  Vgl.  Arcli.  I  131,  III  116,  IV  201,  554.  Die  einzelnen  Bestandteile  einer  Sakje 
werden  in  Lond.  III  S.  185  aufgezählt. 

2)  Vgl.  Varges,  de  stat.  Aeg.  S.  71.  Jetzt  genannt  in  Lond.  III  S.  183,  186,  187 
(vgl.  Arch.  IV  554). 

3)  Vgl.  auch  H.  Schäfer,  Altägyptische  Pflüge,  Joche  und  andere  landwirtschaft- 
liche Geräte  (Annual  of  the  Brit.  School  of  Athens  X  1903/4  S.  127  ff.)• 

4)  Vgl.  meine  Griech.  Ostraka  I  310  ff.  Von  verschiedenen  Bäumen  handelt 
z.  B.  Teb.  Π  343  IV  (vgl.  Arch.  V  239),  auch  Lond.  III  S.  186. 

5)  Vgl.  die  interessanten  Pachturkunden  über  alexandrinische  Gärten  in  BGU 
IV  1118  ff.  Besonders  hervorgehoben  sei,  daß  uns  in  BGU  1120,  7  auch  χη-ποτάφια 
begegnen,  wozu  ich  auf  Th.  Schreiber,  Die  Nekropole  von  Köm-esch-Schukäfa  S.  217 
verweise.  Vgl.  auch  Marie  Gothein,  Der  Griechische  Garten  (Mitt.  Athen.  Inst.  34, 
1909,  S.  135). 


KAPITEL  νΠΙ. 

FRONAEBEITEN  UND  LITURGIEN. 

Lit.:  Eine  systematische  Bearbeitung  dieser  Fragen  wird  von  Friedrich  Oertel 
vorbereitet. 

Die  Steuern,  über  die  im  V.  Kapitel  gehandelt  worden  ist,  stellen 
nur  einen  Teil,  und  vielleicht  noch  nicht  einmal  den  drückendsten  Teil 
der  Leistungen  dar,  zu  denen  der  Untertan  dem  Staat  gegenüber  ver- 
pflichtet war.  Es  gab  daneben  noch  sehr  bedeutende  und  in  das  Privat, 
leben  tief  eingreifende  Leistungen,  die  sein  Vermögen  oder  auch  seine 
Person  oder  beide  zugleich  belasteten,  die  z.  T.  in  der  allgemeinen  Ge- 
bundenheit des  Untertanen  gegenüber  dem  absoluten  Herrscher  ihre  Be- 
gründung hatten.  Manche  von  ihnen  sind  sicher  aus  der  Pharaonenzeit  in 
die  griechische  Periode  hinübergegaogen,  anderes,  worin  wir  Umwandlungen 
griechischer  Einrichtungen  erkennen,  hat  sich  erst  jetzt  entwickelt.  Ein- 
zelnes davon  ist  uns  schon  im  V.  Kapitel  entgegengetreten  anläßlich  der 
Erwähnung  der  Zwangspachten  auf  dem  Gebiet  der  Steuererhebung, 
anderes  im  VL  Kapitel,  wo  von  der  Gebundenheit  der  Monopolarbeiter 
gesprochen  wurde,  wieder  and(?res  im  VIT.  Kapitel,  in  dem  vom  Zwang 
zur  Bebauung  der  königlichen  Domäne  in  verschiedenen  Formen  von 
Zwangserbpacht  u.  dgl.,  im  besonderen  auch  der  späteren  επιβολή  zu  han- 
deln war.  Eine  andere  schon  im  Steuerkapitel  berührte  Bürde,  die  seit 
den  ältesten  Zeiten  in  Ägypten  (wie  überhaupt  im  Orient)  nachweisbar 
ist,  ist  die  Verpflichtung  zur  Verpflegung  des  reisenden  Hofes  und  der 
Beamten  sowie  die  Verpflegung  der  Truppen.  Hierüber  >vird  im  IX.  Kapitel 
zu  handeln  sein,  und  im  X.  Kapitel  werden  die  Verpflichtungen  zu  Spann- 
dieuHten  und  verwandten  Leistungen  (angariae)  eine  Hauptrolle  spielen. 
Auch  die  Verpflichtung  zum  Heeresdienst  (Kap.  XI)  kann  z.  T.  anter  diesem 
(iesichtspunkt  betrachtet  werden.  Wenn  wir  von  alledem  absehen,  so 
bleiben  immer  noch  eine  ganze  lieihe  von  Lasten  übrig,  die  etwa  unter 
den  Namen  Fronden  uud  Liturgien  subsumiert  worden  können.  Von  ihnen 
Holl  hier  die  Rede  sein.  Ich  befchr&nke  mich  dabei  zur  Einführung  in 
die  Urkunden  auf  eine  kurze  Darlegung  und  sehe  von  einer  syitemati- 
schen   Behandlung   ah,   da   eine   lolchc,   wie   oben    bemerkt   wurde,   von 


330  Kapitel  VIII.     Fronarbeiten  und  Liturgien. 

meinem  Schüler  Friedrich  Oertel  baldigst  zu  erwarten  ist.  Einzelne  seiner 
Ergebnisse  habe  ich  schon  im  folgenden  benutzen  können.  Zur  Termino- 
logie bemerke  ich,  daß  ich  hier  das  Wort  Liturgie,  mit  dem  (namentlich 
in  den  ptolemäischen  Texten)  die  verschiedenartigsten  persönlichen  Dienste 
im  öffentlichen  Interesse,  auch  manche  der  oben  erwähnten  wie  z.  B.  der 
Dienst  im  Heere  u.  a.,  bezeichnet  werden,  speziell  in  dem  prägnanten 
Sinne  der  Amtsliturgie  fasse,  in  dem  es  uns  in  der  Kaiserzeit  besonders 
häufig  entgegentritt.  So  gefaßt  bildet  das  Wort  einen  klaren  Gegensatz 
zu  denjenigen  körperlichen  Zwangsleistungen,  die  wir  als  Fronden  zu  be- 
zeichnen pflegen. 

§  1.  DIE  FRONDEN. 
So  lange  es  einen  ägyptischen  Staat  gibt^),  hat  die  Regierung  es 
stets  für  selbstverständlich  gehalten,  daß  das  Volk  für  die  durch  die  Nil- 
überschwemmung alljährlich  notwendig  gemachten  Damm-  und  Kanal- 
arbeiten Frondienste  leistet.  So  können  wir  denn  auch  von  der  frühen 
Ptolemäerzeit  an  die  Damm-  und  Kanal-Fronden  in  unseren  Papyri 
nachweisen.^)  Ein  instruktives  Beispiel  für  reine  Fronarbeit  bietet,  wie  ich 
schon  in  den  Ostraka  I  337  f  hervorhob^),  Par.  66  (385)  aus  dem  III.  Jahrh. 
V.  Chr.,  eine  Abrechnung  über  die  geleisteten  und  noch  zu  leistenden  έργα  an 
den  Regierungsdämmen  usw.  im  Περί  Θήβας  τόποζ.  Hier  ist  kein  Zweifel, 
daß  es  sich  um  die  normalen  durch  die  Überschwemmung  verursachten 
Arbeiten  handelt.  Sie  fallen  in  die  Zeit  vom  Payni  bis  Mesore,  d.  h.  damals 
etwa  August — Oktober.  Die  fronpflichtigen  ύώματα  des  Topos  haben  im 
Jahr  je  30  Naubien  abzuarbeiten*).  Ein  Naubion  ist  ein  Raummaß,  das  da- 
mals 2  königliche  Ellen  im  Kubik  umfaßte.^)  Besonders  lehrreich  ist, 
daß  diese  Liste  uns  auch  diejenigen  unter  diesen  οώματα  aufführt,  die  aus 


1)  Die  außerordentlich  frühe  Bildung  des  ägyptischen  Einheitsstaates  ist  wahr- 
scheinlich eben  durch  die  Notwendigkeit  der  einheitlichen  Regelung  der  Überschwem- 
mung gefördert  worden.  Zu  den  ältesten  Tatsachen,  die  die  ägyptische  Chronik 
(Stein  von  Palermo)  verzeichnet,  gehören  die  jährlichen  Nilhöhen.  Sie  liegen  schon 
aus  der  Zeit  vor  der  Einigung  durch  Menis  vor.  Ygl.  H.  Schäfer,  Ein  Bruchstück 
altägyptischer  Annalen  (Abh.  Pr.  Akad.  1902). 

2)  Vgl.  Lumbroso,  Recherches  S.  281  ff.;  Wilcken,  Griech.  Ostraka  I  333  ff.  (auch 
180  f.  und  259  ff.);  Wessely,  Karanis  S.  7ff.;  Houche-Leclercq  III  311  ff.;  K.  Fitzler, 
Steinbrüche  und  Bergwerke  S.  73  ff.    Eingehend  wird  Friedr.  Oertel  darüber  handeln. 

3)  Irrig  war  nur  die  Deutung  der  λειτουργία  in  Z.  13.  Vgl.  hierzu  jetzt  meine 
neue  Ergänzung. 

4)  Dem  Einzelnen  wurde  seine  άπεργαβία  quittiert.  Wir  haben  solche  Quit- 
tungen auf  Ostraka.     Ygl.  Griech.  Ostraka  I  S.  261. 

5)  Als  Raummaß  zur  Berechnung  von  Erdarbeiten  deutete  ich  es  in  Ostraka 
I  262.  Die  genauere  Berechnung  auf  2  königliche  Ellen  Kubik  gaben  Jouguet-Lesquier 
zu  Lille  1.  Damit  ist  zugleich  erwiesen,  daß,  wie  ich  l.  c.  angenommen  hatte,  das 
Naubion  an  Größe  identisch  ist  mit  dem  Aoilion,  das  Smyly,  Petr.  III  S.  339  ff.,  gleich- 
falls auf  2  königliche  Ellen  Kubik  berechnet  hat.  Über  die  Vergrößerung  des  Nau- 
bionmaßes  in  römischer  Zeit  s.  unten  S.  334. 


§  1.   Die  Fronden.  331 

irgendwelchen  Gründen  damals  an  dieser  Arbeit  teilzunehmen  verhindert 
waren.  Als  Arbeiter  werden  in  Z.  71  für  die  noch  restierende  Arbeit  be- 
sonders hervorgehoben  die  γεωργοί.  Man  wird  dabei  an  die  privaten 
Pächter  ebenso  gut  denken  können  wie  an  die  Domanialpächter.  Ver- 
pflichtet waren  auch  sie  zu  je  30  Naubien  Fronarbeit.  Hiermit  ist  nicht 
zu  verwechseln  die  Verpflichtung^  die  die  Pächter  gegenüber  ihrem  Ver- 
pächter in  den  Verträgen  eingehen,  für  die  auf  der  ParzeDe  nötigen  Damm- 
arbeiten zu  sorgen  —  vgl.  Teb.  105,  26  (a.  103):  κεχωματιόμ,ενην  und 
106,  21  (a.  101):  τους  xad^if\xovTag  χωματιομονς  — ,  schon  weil  die  für 
die  Parzelle  nötigen  χωαατιομοί  sich  unmöglich  immer  mit  den  30  Nau- 
bien  decken  können.  Die  auf  Privatland  an  ΙΟιωτιχά  χώματα  (s.  unten) 
ausgeführten  Arbeiten  waren  natürlich  nicht  Fronarbeit,  standen  aber 
gleichfalls  unter  staatlicher  Kontrolle,  was  durch  das  allgemeine  Interesse 
an  der  Instandhaltung  auch  dieser  Dämme  sachlich  begründet  war. 

Daß  die  persönliche  Arbeit  dieses  munus  sordidum  der  Dammfronde 
nur  dem  unterworfenen  Volke  der  Ägypter  oblag,  daß  die  Makedonier 
und  Griechen  und  überhaupt  die  privilegierten  Klassen  hiervon  frei  waren, 
versteht  sich  von  selbst.  Der  Parisinus  weist  ausdrücklich  darauf  hin, 
indem  er  von  einer  der  Personen,  die  nicht  mitarbeiteten,  sagt:  iv  xolg 
"Ε?.λη6ίν.  Trotzdem  hat  die  Regierung  auf  die  finanzielle  Mitwirkung 
iieser  privilegierten  Klassen  nicht  verzichten  woUen:  sie  hat  ihnen  zum 
Ersatz  eine  besondere  Steuer,  die  Naubion -Abgabe,  auferlegt.  Es  ist  zu 
vermuten,  daß  diese  Steuer  auch  damals,  wie  sicher  in  der  Kaiserzeit  (s. 
unten),  pro  Arure  berechnet  war.  Vgl.  meine  Griech.  Ostraka  I  259  Ö*. 
Für  die  Kaiserzeit  ist  der  Ausdruck  νπερ  νανβίον  κατοίκων  und  εναφε- 
η'ων  bezeugt  (s.  unten).  Für  die  Ptolemäerzeit  vgl.  z.  B.  Teb.  I  76,  wo 
ein  Kleruch  (hier  ein  μάχιμος)  die  vavßiov-Ahgahe  schuldet.  Andrerseits 
finden  wir  in  zahlreichen  Petr.  Papyri  des  III.  Jahrh.  ein  χωματικόν  als 
Abgabe  der  griechischen  Kleruchen,  das  Smyly  auf  durchschnittlich  1  Obol 
f  lir  1  Arure  berechnet  hat  (Petr.  III  S.  273).  Diese  Abgabe  lastet  also 
'  r  auf  dem  Grundbesitz  (hier  dem  κλήρος).  Nach  Hib.  112  (a.  260) 
•  II  aber  auch  ägyptische  Grundbesitzer  (neben  dem  έΛαρονριον)  ein 
χωμίζτιχόν.  Vgl.  auch  Griech.  Ostraka  II  n.  1021  (III.  Jahrh.)  aus  Theben, 
wo  der  Zahler  gleichfalls  ein  Ägypter  ist.  Über  das  Verhältnis  dieses 
χωματίκόν  zu  der  Naubion-Steuer  fehlt  es  noch  an  eutschoidendoü  Vm,•],. 
richten 

Während    uns    im   Par.  66   die   normale   Betätigung   der  Fronpfiicht 
/ir  Zeit   der  Überschwemmung  entgegentritt,   wird  die  Regierung  aui*  i 
ι••πι  «luH  Volk  auch  dann  zur  Fronarbeit  herangezogen  luibrn,  wenn  pKi 
lieh  etwa  durch  einen  Dammbrnch  oder  ähnliche  Unglücksfälle  das  um- 
iif.:<'nd('   r^and    in   Gefahr   kam.     In    solchen    Fällen    trat   vielleicht    noch 
,i..  itijiiu.r  Imtvot,  düß  dio  Interessen  des  ν-Ή•«»^  ntni  ,|er  Regierung  Hand 


332  Kapitel  VIII.     Fronarbeiten  und  Liturgien. 

in  Hand  gingen,  und  auch  in  diesen  Fällen  wird  ebensowenig  wie  bei 
jenen  30  Naubien  ein  Werklobn  gezahlt  sein.  Ein  solcher  Fall  liegt, 
wenn  ich  nicht  irre,  in  dem  leider  sehr  fragmentarischen  Papyrus  BGU 
1003  (386)  vor.  Hier  ist  deutlich  gesagt,  daß  Privatbesitzungen  (κτή- 
ματα) in  Gefahr  kommen,  und  dennoch  überläßt  die  Regierung  die  Hilfe 
nicht  etwa  den  Interessenten,  sondern  organisiert  von  staatswegen  eine 
Hilfsexpedition. 

Anders  war  die  Situation,  sobald  es  sich  um  Meliorationsarbeiten 
handelte,  die  der  Domäne  neues  Fruchtland  zuführen  sollten.^)  Es  ist 
schon  oben  darauf  hingewiesen  worden,  wieviel  nach  dieser  Richtung 
von  den  Ptolemäern  geleistet  worden  ist,  wie  namentlich  die  ersten 
Könige  dieser  Dynastie  durch  zielbewußte  Meliorationsarbeiten  im  Faijüm 
viel  Neuland  der  Wüste  abgerungen  haben  und  zahlreiche  neue  Dörfer, 
namentlich  an  den  Rändern  der  sich  dehnenden  Oase  haben  entstehen 
lassen.  Vergleicht  man  die  Ortsnamen  des  Faijüm^)  mit  denen  anderer 
uns  genauer  bekannter  Gaue,  wie  des  Oxyrhynchites,  so  tritt  uns  die  be- 
sonders starke  Intensität  der  griechischen  Kolonisation  im  Faijüm,  die 
jene  Melioration  zur  Voraussetzung  hatte,  auf  das  deutlichste  entgegen.^) 
Einen  Einblick  in  diese  großartigen  Meliorationsarbeiten  des  III.  Jahrh. 
V.  Chr.  gewähren  uns  namentlich  die  Petrie  Papyri.  An  der  Spitze  dieser 
wie  überhaupt  der  öffentlichen  Arbeiten  des  Gaues  stand  damals  ein  Chef- 
ingenieur, ein  staatlicher  αρχιτέκτων,  der  gelegentlich  als  der  αρχιτέκτων 
των  έν  των  νομών  έργων  bezeichnet  wird.  Vgl.  Petr.  II  15  (2).  Wahr- 
scheinlich ist  dieses  Amt  später  eingegangen,  als  die  Meliorationsarbeiten 
aufhörten.  Zwei  von  diesen  Beamten  sind  uns  durch  die  Petrie  Papyri 
näher  bekannt  geworden,  Kleon  und  Theodoros.*)  Bei  diesen  Melio- 
rationsarbeiten tritt  uns  nun  begreiflicherweise  ein  ganz  anderer  Modus 
entgegen  als  bei  den  normalen  Damm-  und  Kanalarbeiten:  hier  wird  die 
Arbeit  von  der  Regierung  an  Unternehmer  (εργολάβοι)  vergeben,  die  den 


1)  An  sich  wäre  nicht  unmöghch,  daß  die  Unterschiede  zwischen  Par.  66  und 
den  Faijumer  Urkunden  auf  lokale  Verschiedenheiten  in  der  Behandlung  der  Fronde 
zurückzuführen  wären,  wie  für  die  Kaiserzeit  sich  in  der  Tat  Unterschiede,  allerdings 
anderer  Art,  nachweisen  lassen  (s.  unten).  Ich  möchte  aber  doch  den  Unterschied 
zwischen  den  normalen  Überschwemmungsarbeiten  und  den  Meliorationsarbeiten  für 
das  Entscheidende  halten,  wiewohl  zuzugeben  ist,  daß  die  Grenzlinie  zwischen  beiden 
z.  T.  eine  fließende  sein  konnte.  Wir  werden  für  diese  Zeit  wohl  daran  festhalten 
dürfen,  daß,  wo  Lohnarbeit  vorliegt,  keine  Fronde  gemeint  ist.  Vgl.  freilich  unten 
S.  338  über  die  arabische  Periode. 

2)  Teb.  II  S.  365  ff. 

3)  Manche  der  Dörfer  mit  griechischen  Namen  sind  nur  als  Neubesiedelungen 
altägyptischer  Dörfer  aufzufassen.  Aber  viele  sind  erst  auf  dem  Neuland  geschaffen 
worden.  Über  die  Besiedelung  des  Faijüm  vgl.  namentlich  die  Einleitung  von  Gren- 
fell-Hunt  zu  P.  Fay. 

4)  Vgl.  Bouche-Leclercq,  L'inge'nieur  Cleon  (Rev.  £t.  Gr.  XXI  1908,  121  ff.),  wo 
die  ältere  Literatur  zu  finden  ist.    Vgl.  jetzt  K.  Fitzler,  Steinbrüche  u.  Bergwerke  1.  c. 


§  1.    Die  Fronden.  333 

von  der  Regierung  kontraktlich  mit  ihnen  ausgemachten  Werklohn  an 
die  Arbeiter  (οώαατα)  zu  zahlen  hatten.  Bei  Erdarbeiten  wird  der  Lohn 
nach  Xaubien  resp,  Aoilien  berechnet,  und  zwar  beträgt  der  Durchschnitts- 
lohn eine  silberne  Tetradrachme  (οτατήρ)  für  60  Naubien.^)  Hier  liegt 
also  Lohnarbeit  vor.  Freilich  ist  wohl  nicht  zu  bezweifeln,  daß,  wenn 
einmal  keine  Arbeiter  zu  diesem  Preise  sich  freiwillig  der  Regierung 
stellten,  diese  sicher  auch  hier  zum  Zwang  gegriffen  haben  wird.-)  uns 
sind  eine  Reihe  von  Urkunden  über  solche  Vergebung  von  Arbeiten  an 
Unternehmer  erhalten  (Petr.  III  42  F  und  43  [2]),  von  denen  unten  ein 
Beispiel  in  387  gegeben  wird.  Von  Meliorationsarbeiten  handelt  auch 
P.  Lille  1.  Da  soll  ein  Grundstück  von  10000  Aruren  Flächeninhalt  mit 
einem  Kanalnetz  durchzogen  werden.  Es  handelt  sich  um  unfruchtbar 
gewordenes  Land^),  ohne  Zweifel  zur  Domäne  gehörig,  das  durch  diese 
Kanalarbeiten  kulturfähig  gemacht  Λverden  soll.  Der  Papyrus  enthält  eine 
vorläufige  Berechnung  der  Unkosten,  unter  Beifügung  einer  Planskizze. 
Hier  scheint  die  Arbeit  nicht  an  einen  Unternehmer  vergeben  zu  werden, 
sondern  die  Absicht  zu  bestehen,  sie  auf  die  (βαύίλικοί)  γεωργοί  der  ein- 
zelnen Parzellen  zugleich  mit  der  Verpachtung  dieser  zu  übertragen.*) 
Auch  hier  wird  ein  Werklohn  (für  50 — 70  Naubien  eine  Tetradrachme) 
festgesetzt. 

Es  scheint,  daß  die  großen  Aufgaben,  die  die  Regierung  sich  im 
Faijfim  gestellt  hatte,  sich  nicht  immer  mit  den  hier  charakterisierten 
Methoden  durchführen  ließen.  Jedenfalls  sind  Spuren  dafür,  daß  sie  auch 
Flottenmannschaften  zu  diesen  Arbeiten  abkommandiert  hat.^) 

Diesen  letzteren  Modus  hat  auch  Oktavian  angewendet,  als  er  das 
durch  die  Mißwirtschaft  der  letzten  Ptolemäer  heruntergekommene  Land 
übernahm.  Suet.  Aug.  18  berichtet:  Aegyptum  in  provinciae  formam  re- 
dactam  ut  feraciorera  habilioremque  annonae  urbicae  redderet,  fossas 
omnis,  in  quas  Nilus  exaestuat,  oblimatas  longa  vetustiite  militari  opere 
detersit.  Die  Verwendung  des  Militärs  zu  öffentlichen  Arbeiten  war  schon 
in  der  Republik  eingeführt  worden'),  und  Augustus  ist  nicht  der  einzige 

Vgl.  Griech.  Oetraka  I  201.  Inzwischen  sind  auch  Siitze  von  40 — 76  Aoilien 
»M  naiint  ^««worden.     Das  Tionauere  bei  Oertel. 

L'i  I)aü  die  \i^:gΊi'τ\mfξ  die  Arbeiter  dem  Unternehmer  stellte,  siebt  nicht  aus- 
dnicklu-li  in  den  Ui)tcrnphinorurkun<len.  Für  die  Annahme  spricht  aber,  worauf  Oertel 
v<;rw»  ist,  die  Analo^fio  der  Stellunj^  der  iXaiovQyoi,  die  die  Olmonopolpächter  von 
der  KeKiorunj^  zuiffiwieHcn  bekommen  (Kap.  VI). 

8;  Wegen  der  προϋπάρχοντα  χόίμαχα  wohl  um  ager  derelictus.  Vgl.  Boatowsew, 
Kolonat  S.  lO  Anm. 

4)  Vgl.  li.  Keil,  Bull.  Corr.  Hell.  82,  188  ff.;  Wilckcn,  Arch.  V  218  ff. 

6)  So  erkli'irt  Onrtel,  abweichend  von  Kitzler  41  ff.  das  Vorkommen  der  ηΧηρά' 
μαχα  und  der  Trierarchon,  wie  auch  Γ.  Meyer,  Heerwesen  ü,  66  A.  220  ck  gefaßt  hatte. 
Vgl.  namentlich  auch  Petr.  Π  16  (1),  wo  ψαϋται  genannt  werden. 

ii)  Vgl.  Marquardt,  8taaUverw.  Η  668 


334  Kapitel  VIII.     Fronarbeiten  und  Liturgien. 

geblieben,  der  das  Heer  auch  für  Meliorationsarbeiten  in  Ägypten  ver- 
wendet hat.  So  wird  von  Probus  erzählt  (vit.  Probi  9,  3):  exstant  apud 
Aegyptum  eins  opera,  quae  per  milites  struxit  in  plurimis  civitatibus.  In 
Nilo  autem  tarn  multa  fecit,  ut  vectigal  frumentarium  solus  adiuverit. 
Pontes,  templa,  porticus,  basilicas  labore  militum  struxit,  ora  fluminum 
multa  patefecit,  paludes  pleraque  siccavit  atque  in  bis  segetes  agrosque 
constituit. 

Für  die  normalen  Damm-  und  Kanalarbeiten,  wie  sie  durch  die  Über- 
schwemmungen nötig  gemacht  werden,  hat  aber  auch  die  römische  Regie- 
rung die  Fronarbeit  der  Fellachen  in  Anspruch  genommen.^)  Aus  der 
Thebais  haben  wir  eine  Reihe  von  Quittungen  über  die  Ableistung  von 
Naubien:  Griech.  Ostraka  II  n.  1034  (a.  42),  1399  (a.  68),  1043—1047 
(a.  76),  1410  und  1411  (a.  85),  1567  (a.  105).  Die  meisten  von  ihnen 
quittieren  über  kleinere  Summen  von  Naubien,  bis  zu  15.  Ich  bemerke 
hierzu,  daß  Grenfell-Hunt  gezeigt  haben,  daß  das  Naubion  in  der  römi- 
schen und  byzantinischen  Zeit  größer  war  als  in  der  ptolemäischen,  näm- 
lich der  Kubus  von  3  königlichen  Ellen  (=  1  ξύλον).  Vgl.  ihre  Bemerkungen 
zu  Oxy.  IV  669  und  VII  1053  (auch  Giss.  42)  und  meine  Notiz  zu  dem 
^νλομετρονντος  in  BGU  12  (389).  Wenn  man  annimmt,  daß  auch  da- 
mals noch  ein  bestimmtes  Quantum  von  Naubien  den  Fronpflichtigen  pro 
Jahr  auferlegt  war,  wie  in  Par.  66,  so  muß  man  jene  Quittungen  auf 
Teilleistungen  beziehen.  Ich  bemerke,  daß  es  sich  in  Ostraka  II  n.  1410 
und  1411  um  dasselbe  χώμα  Κερ^αμεων)  handelt,  das  nach  Par.  6Q,  55 
durch  die  allgemeinen  Fronarbeiten  in  Ordnung  gehalten  wurde. 

Klarer  sehen  wir  die  Fronde  im  Faijum.  Hier  begegnet  uns  jetzt,  und 
zwar  zeitlich  z.  T.  zusammenfallend  mit  jener  Naubionrechnung  der  Thebais, 
ein  neuer  Modus,  nämlich  die  Auflage  nach  der  Arbeitszeit:  5  Tage  sind 
pro  Kopf  jährlich  auferlegt.  Das  ist  die  πενΰ-ήμερος  genannte  Fronde, 
die  Kenyon  zuerst  aus  Londoner  Texten  konstatiert  hat^),  und  die  seit- 
dem sich  in  zahlreichen  weiteren  Urkunden  —  die  übrigens  aUe  aus  dem 
Faijum  stammen  —  wiedergefunden  hat.^)  Es  ist  uns  vor  allem  eine 
große  Zahl  von  Quittungen  erhalten,  in  denen  die  Abarbeitung  der 
5  Tage  quittiert  wird  (vgl.  unten  Anm.  2).     Als  Beispiel  drucke  ich   den 

1)  In  einem  Edikt  des  Mamertinus  vom  J.  134  (Fay.  21)  werden  die  Fron- 
arbeiten in  klarer  Weise  zu  den  Steuerzahlungen  in  Parallele  gestellt.  Er  ordnet 
hier  an,  daß  für  alle  öffentlichen  Leistungen  περί  -πάντων  όπωβονν  διθομύνων  ύ]  λογι- 
ζομένων εις  το  άημόΰΐον  εί'τ'  έν  γένεοιν  εΐτ'  έν  άργνρίω  εϊτ'  έν  σωματικαΐς  εργα- 
σία Lg  κτλ.  nicht  nur  Quittungen,  sondern  auch  Gegen quittungen  ausgestellt  werden 
sollen  {τονς  τε  δίάόντας  xat  τονς  λαμβάνοντας). 

2)  Catalogue  of  additions  to  the  department  of  Mss,  1888 — 1894. 

3)  Vgl.  Griech.  Ostraka  I  338  ff.  Dazu  kommen  die  späteren  Publikationen  wie 
BGU  IV  1075—1077,  Straßb.  16—18,  Straßb.  gr.  137  (Arch.  IV  144),  Goodsp.  25,  Lond, 
ΠΙ  S.  59  ff.,  Teb.  II  371,  641—674,  Wessely,  Karanis  S.  7  ff.  Die  älteren  Publikationen 
in  Arch.  I  S.  10  und  549  und  Ostraka  1.  c. 


§  1.    Die  Fronden.  335 

noch  unpublizierten  P.  München  20  (388)  ab.  Wie  ich  im  Arch.  I  479 
und  III  123  gezeigt  habe,  war  es  der  Saatinspektor,  der  καταΰπορενς^ 
der  diese  Quittungen  ausgestellt  hat.  Darin  tritt  uns  recht  deutlich 
entgegen,  daß  diese  Damm-  und  Kanalarbeiten  vor  allem  im  Interesse  der 
Landwirtschaft  ausgeführt  werden,  und  so  erklärt  sich  auch,  daß  diese 
TcaraöTtoQslg  gelegentlich  die  Stelle  von  χωματεπιμελψαί  einnahmen.  Vgl. 
B<jU  12  (389).  Dieselben  Beamten  haben  auch  die  großen  Listen 
über  die  Ableistung  der  πεν&ήμερος  zusammengestellt,  die  uns  in  der 
ältesten  Papyrusurkundenpublikation,  der  Charta  Borgiana  vom  J.  192/3 
erhalten  sind  (gleichfalls  aus  dem  Faijüm).^)  Einzelne  FäUe,  in  denen 
über  2  oder  4  oder  andererseits  über  7  Tage  quittiert  wird,  zeigen  uns, 
daß  die  Regierung  in  denjenigen  Fällen,  wo  sie  mit  den  5  Tagen  nicht 
auskam,  noch  eine  Überarbeit  verlangte.^)  In  Teb.  II  662  (description) 
wird  sogar  eine  volle  zweite  πεν&7ίμερος  verlangt:  την  κελ(ενο)ϋ•(εΐ6αν)  β 
πεν^(ήμερον)  (a.  170).  In  diesen  Fällen  ist  regelmäßig  auf  einen  beson- 
deren „Befehl"  hingewiesen,  am  ausführlichsten  in  Straßb.  gr.  137  (Arch. 
IV  144):  άκολ^ονϋ-ως)  τω  γενο{μένω)  μεριβμώ  νπο  τ(ον)  βα6ιλ{ικον) 
γρα(μματέως)  κατά  τα  κελεν6θ•(εντα).  Also  der  königliche  Schreiber  war 
es,  der  diese  Extrarepartition  vornahm.  Ob  solche  Zuschläge  nötig  waren, 
wurde  wohl  durch  die  Inspektionsreisen  von  Beamten  und  Technikern 
während  der  Überschwemmungszeit  festgestellt.  Auf  solche  εττιοκεψεις  be- 
ziehe ich  jetzt  BGU  12  (389),  der  bisher  mit  der  in  Kap.  V  behandelten 
έπίόκεψις  irrig  in  Beziehung  gesetzt  wurde.  Wiewohl  diese  πενθ^ήμερος 
kopfsteuerartig  auf  die  Fronpflichtigen  in  gleicher  Höhe  gelegt  war  (eben- 
so sicherlich  auch  die  Zuschläge),  scheint  doch  das  Dorf  als  solches 
für  die  Ausführung  der  (etwa  nach  Maßgabe  seiner  Kopfzahl  ihm  zu- 
gewiesenen) Arbeiten  verantwortlich  gewesen  zu  sein.  Dies  möchte  ich 
aus  der  Art  schließen,  in  der  in  jenen  Quittungen  das  Dorf  des  Arbeiters 
genannt  ist,  denn  ich  glaube,  daß  dieser  Genitiv  nicht  mit  dem  vorher- 
gehenden Namen  des  Kanals  oder  Dammes,  sondern  mit  εϊργαοτοα  zu  ver- 
binden ist:  er  hat  gearbeitet  für  das  Dorf.**) 

Für  den  Betrieb  der  πενί^ήμερος  haben  wir  «lurch  BGU  III  969^ 
(a.  142)  neue  Aufschlüsse  bekommen.  In  diesem  Protokoll  eines  Prozesses 
heißt  es  Z.  20:  xa[ij  γάρ  έμετρήοαμεν  πλίοτα  νπ}ρ  τής  **  πεν^[η]με'ρον. 
Ex(^syi  γάρ  [ο]νχ  είχεν  ^vovg  **έχεΙνος^  ί^μείς  έδώκαμεν  τά  μετρήΐ^ματα. 


1)  Zu  dem  Auezug,  den  ich  in  Gr.  Oetraka  I  88U  f.  gegeben  habe,  ist  jetzt  fol- 
g(*ndoi  nachzutragen:  I  2  1.  Τ»ητύνΒΦς  statt  ΤΒηΧνν§ω{ς) {?).  —  I  8  1.  Α/  statt  Χα 
(Viereck,  Burn.  JahrcHb.  18Ü8,  8.  142.)  —  VII  2  und  IX  U  1.  Φολ^ιμβως  statt  Φογήμιως 
(Teb.  II  S.  408).  Zu  den  Unterschriften  der  naraanoQttg  (nicht  ίηιτηρηχαϊ  nccxasno^äg) 
vgl,  Arch.  III  128. 

2)  I)i<'M  die  richtige  Deutung  von  Qronfell-Hunt,  P.  Fay.  8.  206,  vgl.  auch  Frei- 
sigko  zu  Straßb.  IH.     Moiiic  Hndonkon  Arch.  IV  146  ziehe  ich  inrflek. 

8)  Vgl.  Arch.  IV  148. 


336  Kapitel  VIII.     Fronarbeiten  und  Liturgien. 

EdOg  d'  iörlv  τον  έχοντα  idiovg  olLvovg  τούτοις  άπεργάοεοΟ'αι^  εΐ  δε  μ?) 
i%oi^  7ΐενϋ•ήμερον  μετρΐν  εΙς  το  δημόΰιον.  Also  die  Arbeit  wird  mit  Eseln 
geleistet,  d.  h.  die  Erdmassen  werden  (in  Körben)  auf  Eseln  transportiert. 
So  liefert  nach  Oxj.  IV  729,  9  der  Verpächter  dem  Pächter  die  Esel  für 
die  von  ihm  übernommenen  Dammarbeiten.  Vgl.  auch  unten  zu  Rein. 
57  (390).  Es  ist  also,  von  anderem  abgesehen,  schon  aus  diesem  Grunde 
nicht  zutreffend,  wenn  Br.  Keil  1.  c.  Naubien  mit  „Fuhren"  wieder- 
gibt. Was  die  in  dem  Papyrus  erwähnte  Ablösung  der  πενϋ^ήμερος  durch 
Getreidelieferungen  betrifft,  so  ist  diese,  wie  Oertel  gesehen  hat,  auf  die 
Stellung  von  Eseln  zu  den  Fronarbeiten  (es  handelt  sich  um  einen  δη- 
μόΰίθ£  όνηλάτης)^  nicht,  wie  ich  im  Arch.  II  386  annahm,  auf  die  Fron- 
arbeit selbst  zu  beziehen. 

Endlich  sei  noch  auf  die  merkwürdige  Parallele  hingewiesen,  die  zu 
dieser  ägyptischen  τΐενϋ-ήμερος  die  Verpflichtung  zu  nicht  mehr  als  fünf 
Tagen  Frondienst  in  der  spanischen  Colonia  Julia  Genetiva  (c.  XCVIII) 
bietet.^)  Will  man  in  dieser  Übereinstimmung  überhaupt  mehr  als  einen 
Zufall  sehen,  so  ist  nicht  zu  vergessen,  daß  uns  die  ägyptische  πεν^^ή- 
μερος  bisher  nicht  für  die  Ptolemäerzeit,  sondern  nur  für  die  römische 
Kaiserzeit  bezeugt  ist.  Zumal  diese  τνεν^'ήμερος  mit  dem  uns  bekannten 
Fronsysystem  der  Ptolemäerzeit  im  formalen  Widerspruch  steht,  ist  es 
zurzeit  das  Wahrscheinlichere  anzunehmen,  daß  das  System  der  πενΟ-ψ 
μεροξ  erst  von  der  römischen  Regierung  eingeführt  ist.^)  Aber  unmög- 
lich ist  es  natürlich  nicht,  daß  es  aus  der  Ptolemäerzeit  stammt. 

Abgesehen  von  diesen  Fronarbeiten^)  finden  wir,  wie  in  der  Ptole- 
mäerzeit, auch  jetzt  Abgaben,  die  sich  auf  die  Damm-  und  Kanalarbeiten 
beziehen.  Einmal  besteht  auch  jetzt  noch  die  Naub ionsteuer.  Wie 
schon  oben  bemerkt  wurde,  begegnet  diese  Steuer  jetzt  geradezu  unter 
der  Bezeichnung  vavßiov  κατοίκων.^)  Auch  die  anderen  in  den  Ostraka  I 
2ß2  f.  von  mir  herangezogenen  Beispiele  beziehen  sich  auf  Katöken- 
grundstücke.  Hieraus  habe  ich  ebendort  den  Schluß  gezogen,  daß  diese 
Naubionsteuer  die  Ablösung  der  privilegierten  Klassen  von  der  Fronarbeit 


1)  Hierauf  wies  ich  im  Arch.  IV  145  hin 

2)  Dies  bemerke  ich  gegenüber  Rostowzew,  Kolonat  S.  314,  Anm.  2,  dessen  Grund- 
gedanke (Ursprung  der  Fronden  im  hellenistischen  Osten)  hierdurch  nicht  notwendig 
tangiert  wird.  Auch  M.  Weber,  Agrargesch.  rechnet  mit  der  7ίενΟ"ημ,ερος  schon  für 
die  Ptolemäerzeit,  ebenso  Br.  Keil  1.  c. 

3)  Vgl.  auch  das  vom  Dorfschreiber  eingereichte  κατ'  αί'^ρα  των  όΐφ^ιλόντων 
iqyaoaöQ-ai  τα.  χωματι-Λο,  ^γα  %τλ.  in  BGU  618  (a.  213/4).  Hier  arbeiten  von  der  ein- 
heimischen Dorfbevölkerung  —  αηο  μ^ν  6μολ{όγου)  λ<χογρ(αφία9)  oder  vielleicht  besser 
όμολ{όγων)  λαογ{(χφονμένων)^  vgl.  meine  Ausführungen  bei  Rostowzew,  Kolonat  S.  221  — 
4  Männer,  von  fremden  Arbeitern,  die  auf  Befehl  der  Regierung  zeitweilig  zur  Land- 
arbeit hierher  abkommandiert  waren,  über  60.  Liegt  in  letzterem  Falle  έΛψερυαμός 
vor?     Vgl.  S.  294. 

4)  BGU  662,  Lond.  II  S.  122/3,  Teb.  II  352  und  öfter. 


§  1.    Die  Fronden.  337 

darsteUt.i)  Durch  P.  Brit.  Mus.  372  (Teb.  II  S.  339  ff.)  haben  wir 
inzwischen  gelernt,  daß  das  νανβων  κατοίκων  100  Kupferdrachmen  pro 
Arure  betrug  (vgl.  z.  B.  auch  Lond.  II  S.  122/3).  Derselbe  Text,  der  in 
einem  Schulexempel  zeigt,  wie  man  das  Naubion  und  seine  Zuschläge  zu 
berechnen  hat  (vgl.  Arch.  V  243),  hat  uns  zugleich  mit  dem  ναύβίον  ίνα- 
φεαύον  zu  150  Kupferdrachmen  pro  Arure  bekannt  gemacht  (vgl.  die  Be- 
merkungen der  Editoren),  womit  nach  Grenfell-Hunt  (zu  Teb.  II  352)  die 
Besteuerung  der  γη  εναφειμενη  gemeint  sein  mag.  Jedenfalls  können  wir 
daran  festhalten,  daß  die  Naubionsteuer  eine  Ablösung  der  Privilegierten-) 
oder  besser  der  Inhaber  von  privilegiertem  Laude  (es  zahlen  auch  Frauen 
Naubion,  Lips.  93  ff.)  bedeutet. 

Außerdem  finden  wir  ein  χωμαηκόν^  das  kopfsteuerartig  für  alle 
Zahlungspflichtigen  auf  6  Drachmen  4  Obolen  normiert  ist.  Vgl.  Griech. 
Ostraka  I  333  ff.  Diese  Abgabe  hat  also  nur  den  Namen  mit  dem  χω- 
ματικόν  der  Ptolemäerzeit  gemeinsam,  denn  damals  war  die  Abgabe  pro 
Arure  berechnet  (s.  oben  S.  331).  Wie  sich  diese  Steuer  zu  der  Fron- 
I)rticht  verhält,  ist  noch  nicht  geklärt. 

Für  die  Kontrolle,  die  der  Staat  auch  über  die  Instandhaltung  der 
Ιδιωτικά  χώματα  ausübte,  ist  Oxy.  II  290  (a.  83/4)  aus  Oxyrhynchos  von 
großem  Interesse. 

Auf  Unternehmerarbeiten  habe  ich  keinen  anderen  Hinweis  aus 
der  römischen  Zeit  gefunden  als  die  Erwähnung  von  χωματεγρολάβοι  in 
Fay.  214  (a.  37  n.  Chr.).     Der  Text  ist  nur  in  dcscription  mitgeteilt. 

Für  die  byzantinische  Zeit  habe  ich  in  den  Ostraka  I  335  auf  Cod. 
Theod.  XV  3,  5  (a.  412)  =  Cod.  Just.  X  25,  2  hingewiesen»):  per  Bithy- 
uiam  ceterasque  provincias  possessores  et  reparationi  publici  aggeris  et 
ceteris  eiusmodi  muneribus  pro  iugorum  numero  vel  capitum,  quae  pos- 
sidere  noscuntur,  adstringi  cogantur.  Also  eine  Belastung  der  possessores 
nach  Maßgabe  ihrer  iuga  oder  capita.  Wenn  ich  nicht  irre,  bietet  uns 
der  bisher  mißverstandene  P.  Rein.  57  (390)  ein  Beispiel  für  die  Auflage 
von  Dammarbeiten  —  freilich  vielleicht  nicht  staatlicher  —  nach  capita. 

Von  Zahlungen  für  Naubien  handelt  Gen.  65  (IV.  Jahrb.),  der  frei- 

1  Anders  liegt  der  Fall  in  Ostraka  II  n.  1222  aus  der  Tbebais  (römische  Zeit): 
Ji(nQv/o<i  μητροη{όλ(ως)  6νό{ματος)  Όραήτος  ααααώ{ματος)  (so  deute  ich  jetat  da• 
iluaoui)  ναυβίων  μη  (nicht  μη)  άπ^ργαβ^έντων  τω  α  (?Tfi)  Λλι^ρη?.  Hier  han<lolt  es  sich 
nicht  um  die  Naubionabf^abe  eines  Privilegierten,  sondern  um  die  nachträgliche  Lei- 
stung eines  Fronpflichtigen,  der  geine  Arbeit  nicht  zur  rechten  Zeit  aufgeführt  hatte. 

2)  Daß  die  Priester  frei  waren  von  den  Fronarbeiten,  zum  mindesten  die  der 
λόγιμα  Uqu,  geht  aus  BülJ  170  (88)  hervor.  Sie  beanspruchen  hier  auch  da«  Hecht, 
daß  ihre  Sklaven  {-xuldit)  nicht  zu  den  Dammarbeiten  gezwungen  worden  dürfen. 

3;  Vgl.  hierzu  auch  Zulueta,  De  patrocin.  vicorum  S.  AO,  der  anläßlich  der  logo- 

graphi  chomatum  in  C.  Theod.  XI  2t,  β,  7   hierauf  zu  sprechen  kommt.     Dieser  Titel 

ist  in  den  i'apyri  noch  nicht  belegt.    Wohl  aber  begegnen  uns  in  byzantinischer  Zeit 

die  ιωματ%χίΙχται.    Vgl.  Lond.  III  8.  224  ϊί.  (Arch.  IV  667)  und  Oxy.  VII  1068  Ver»o  1. 

MUUls.WIlokSB:  ΟπιηάλΟνη  I.  Μ 


338  Kapitel  VIII.     Fronarbeiten  und  Liturgien 

licli,  da  er  außer  der  Überschrift  εχϋ-εΰις  (=  εκ^εόις)  νανβίων  nur  Namen 
enthält,  nicht  eindeutig  ist.  Klarer  ist  Oxy.  VII  1053  (VL/VIL  Jahrh.), 
der  von  Dammarbeiten  auf  dem  Gut  (κτήμα)  eines  der  im  VIl.  Kapitel 
behandelten  Großgrundbesitzer,  wahrscheinlich  der  Apionen  (Hunt),  handelt. 
Nach  dem  Satze  1  Solidus  für  50  Naubien  werden  hier  von  den  Bewohnern 
der  dem  Grundherrn  gehörigen  Dörfer  Zahlungen  εΙς  γεονχικον  λόγον  ge- 
macht (vgl.  Oxy.  I  136,  27  [383]).  Der  χωματειιείκτης^  der  die  Zahlungen 
entgegennimmt  (Verso  1),  wird  daher  in  privaten  Diensten  des  Grundherrn 
stehen.  So  sehen  wir  auch  auf  diesem  Gebiet  wieder  schließlich  die 
Grundherrn  an  die  Stelle  der  Regierung  treten.  ,  Vgl.  auch  die  Einleitung 
zu  391. 

Andere  Fronarbeiten,  die  auf  dem  gesamten  ägyptischen  Volke  ge- 
lastet hätten,  lassen  sich  außer  denen  an  Dämmen  und  Kanälen  zurzeit 
mit  Sicherheit  nicht  nachweisen.  Wir  nahmen  bisher  auf  Grund  von 
Hib.  78  an,  daß  in  der  Ptolemäerzeit  auch  in  den  Bergwerken  Fronarbeiter 
verwendet  seien.^)  Oertel  wird  aber  zeigen,  daß  diese  Annahme  irrig  war. 
Sein  Argument,  daß  die  in  diesem  Brief  genannten  Männer  Griechen  und 
der  in  Petr.  II  47,  37  Genannte  sogar  ein  Soldat  ist,  scheint  mir  durch- 
schlagend zu  sein.  Nach  seiner  Ansicht  handelt  es  sich  hier  nur  um 
Abkommandierungen  zu  Sicherheitsdiensten  in  den  Bergwerken.  Wohl 
aber  zeigen  Flor.  3  (391)  vom  J.  301  und  der  etwas  jüngere  P.  Rain.  290^), 
daß  im  Anfang  der  byzantinischen  Zeit  die  Dörfer  zwangsweise  Arbeiter 
für  die  Bergwerke  zu  stellen  hatten.^)  Formell  werden  diese  έργάταί  zwar 
ebenso  wie  die  Liturgen  vorgeschlagen,  aber  sachlich  werden  wir  diese 
έργάταυ  nach  der  obigen  Terminologie  doch  eher  für  Fronarbeiter  zu 
halten  haben. 

Dieses  selbe  Prinzip,  daß  den  Gemeinden,  den  Dörfern  für  öffentliche 
Arbeiten  zwangsweise  die  Stellung  von  Arbeitern  auferlegt  wird,  hat  dann 
auch  in  der  arabischen  Periode  eine  wichtige  RoUe  im  Staatshaushalt 
gespielt.  Wir  finden  hier  einmal  die  reine,  nicht  remunerierte  Fronarbeit, 
und  zwar  ebenso  wie  seit  alter  Zeit  bei  Dammarbeiten.  Vgl.  BeU, 
Lond.  IV  p.  XXXII.*)  Andrerseits  aber  finden  wir  erzwungene  Arbeiten 
gegen  Lohn,  und  dieses  System  scheint  besonders  weite  Verbreitung  ge- 
funden zu  haben.  Für  die  verschiedensten  öffentlichen  Aufgaben  wurden 
den  Dörfern  Menschen  oder  aber  ein  Geldäquivalent  {άπαργυρίόμός)  ab- 
verlangt. Von  allgemeinerem  Interesse  ist,  daß  die  Aphrodito- Papyri 
häufig  von  dem  Bau  der  Moscheen  (μαογιδα)  von  Jerusalem  und  Damaskus 


1)  Vgl.  zuletzt  Fitzler  1.  c.  38  ff.  ' 

2)  Wessely,  Patrolog.  Orient.  lY  fasc.  2  S.  132.     Ygl.  Wilcken,  Arch.  V  278. 

3)  A'^gl.  zuletzt  Fitzler  1.  c.  121  if. 

4)  Vgl.  auch  meine  Ostraka  I  335  Anm.  2. 


§  2.    Die  Liturgien.  339 

sprechen,  zu  denen  gleichfalls  ägyptische  Arbeiter  gestellt  werden  mußten.  ^) 
Bekannt  ist,  daß  noch  im  XIX.  Jahrh.  der  Mahmudije-Kanal  und  der  Suez- 
Kanal  mit  Hilfe  von  remunerierten  Fronarbeitern  gearbeitet  worden  sind. 
Erst  in  unserer  Zeit  ist  die  Fronarbeit  abgeschaflFt  worden. 

§  2.  DIE  LITURGIEN.  2) 
Der  Begriff  der  Liturgie  ist  meist  im  Anschluß  an  die  Terminologie 
der  ptolemäischen  Urkunden  (s.  S.  330)  so  weit  gefaßt  worden,  daß  man 
glaubte,  auch  schon  für  die  Ptoleraäerzeit  von  liturgischen  Beamten  und 
Halbbeamten  sprechen  zu  können.^)  Dieser  Usus  hat  dazu  geführt,  daß 
der  tatsächlich  in  diesem  Punkte  vorhandene  Unterschied  zwischen  der 
ptolemäischen  und  der  römischen  Zeit  nicht  zur  klaren  Erkenntnis  ge- 
kommen ist.  Gehen  wir  vielmehr  von  dem  für  die  Kaiserzeit  feststehenden 
prägnanten  Begriff  der  Liturgie  als  der  nicht  nur  gelegentlich,  sondern 
gesetzmäßig  erzwungenen  Amtsführung^)  aus  und  stellen  wir  die  Frage, 
ob  diese  auch  für  die  Ptolemäerzeit  nachweisbar  ist,  so  tritt  uns  der 
Gegensatz  der  Perioden  und  damit  zugleich  die  historische  Entwicklung 
deutlich  entgegen.  Oertels  unter  diesem  Gesichtspunkt  geführte  Unter- 
suchung der  gesamten  ptolemäischen  Beamtenschaft  hat  zu  dem  Ergebnis 
geführt,  daß  diese  durchweg  aus  Berufsbeamten  bestanden  hat,  die  nor- 
malerweise ihr  Amt  auf  Grund  von  freiwilliger  BeΛverbung,  nicht  von 
Zwangsvorschlägen  der  Regierungsbehörden  übernommen  hatten.  Wir 
kennen  zurzeit  nur  einen  sicheren  Beleg  dafür,  daß  auch  damals  schon 
einmal  auf  Grund  einer  amtlich  eingereichten  γρο(^:ή  der  durch  ihren 
Grundbesitz  und  sonst  qualifizierten  Männer  ein  Amt  zwangsweise  über- 
tragen worden  ist  (έτΐί,ΰπαο&ηνία)^  das  ist  die  Ernennung  der  γενηματο- 
φνλαχες  in  Teb.  27  (331)  vom  J.  113  v.Chr.  Schon  Engers^)  hat  die 
Ähnlichkeit  mit  der  römischen  Liturgie  treffend  hervorgehoben,  aber  er 
irrte,  wenn  er  diesen  Fall  für  die  Lagidenzeit  verallgemeinerte.  Der  Text 
zeigt  an  sich  —  ganz  abgesehen  von  der  sonstigen  Tradition  —  deutlich. 

Vgl.  Lond.  IV  Index  8.  682,  634     Zur   Sache   vgl.  C.  H.  Becker,    Z.  Aeeyr. 

2)  Vgl.  Preisigke,  8iädt.  Beamt.  S.  7ff.;  Hoblwein,  Liturgies  dans  T^gypte 
Romaine  (Mue.  Belg.  XII  hu  ff)  1908;   Martin,  Lee  epistraU'ges  S.  111  ff. 

Ä^  So  Max  Weber,  Rostowzew  u.  a.  Meine  Zustimmung  zu  den  „Grundzügen" 
'l'-r  '  '.vechen  Aneicht  über  den  4ηιοτάτης  oben  S.  111/2   bezieht  sich  auf  die 

M•  hl  lung  zwischen  diesem  und  dem  Inhaber  gewinnbringender  Priesteretelien» 

nicht  auf  (iie  ('baruktcrietik   jenes  als  ,,Iiturgi8cben  Halbbeumten.*' 

4)  Daneben  kommt  auch  jetzt  noch  λατονψγία  in  der  allgemeinen  Bedeutung 
von  „Dienet,  Dienstleistung''  vor.  Vgl.  z.  B.  Teb.  8U2,  80  (868):  ίχηίοϋνης  xat  tAv 
θ^ών  XtttovQylag  xal  vnr\Qieiug.  So  erkl&ro  ich  auch  BGU  IV^  1169,  28:  ^ηί\βχναΧί\χα%. 
η  XtUxovif'/riXi-v  iv  τοΙς  x^  ατρατηγία  %τΧ.  (vgl.  Arch.  V  481).  Andere  der  Editor  in 
(Ι<'Γ  Fußnote.    Hier  st(;ht  als  Synonymum  ύηααχοΧί{β9αι  daneben,  wie  vorher  ν«ν)ρΐφ/κ. 

6)  De  Aegyptiarum  χωμών  adniinistrutione  p.  48. 


340  Kapitel  VIII.     Fronarbeiten  und  Liturgien. 

daß  es  sich  um  einen  Ausnahmefall  handelt:  der  Dioiket  weist  auf  Un- 
ordnungen und  Unredlichkeiten  hin,  die  bei  der  γενημάτων  φυλακή  vor- 
gekommen seien  (Z.  35ff.),  und  begründet  damit  die  von  ihm  getroffene 
Maßregel.  Besonderes  Gewicht  möchte  ich  darauf  legen,  daß  er  auf  die 
Zwangseinsetzung  der  γενηματοφνλακες  mit  den  Worten  κατά  τον  νπο- 
δείκννμενον  τρότΐον  hinweist  (23),  wonach  dieser  Modus  damals  sicher 
neu  und  ungewöhnlich  war.  Der  entscheidende  Unterschied  gegenüber 
der  Kaiserzeit  liegt  also  darin,  daß  hier  ausnahmsweise  im  Notfalle  zum 
Zwang  gegriffen  wird^),  während  dort  der  Zwang  zum  System  gemacht  ist. 
Wann  dieses  System  innerhalb  der  römischen  Periode  geschaffen 
worden  ist,  läßt  sich  zurzeit  bei  der  Lückenhaftigkeit  unseres  Materials 
mit  voller  Sicherheit  nicht  sagen.  Nach  Oertels  Sammlungen  ist  zurzeit 
die  älteste  Erwähnung  in  den  Papyri  die  in  BGU  III  908  vom  J.  101/2. 
Oertel  hat  eine  Reihe  von  Gesichtspunkten  zusammengebracht,  die  ihm 
dafür  zu  sprechen  scheinen,  daß  die  Liturgie  (im  engeren  Sinne)  erst  kurz 
vor  diesem  ersten  Zeugnis,  etwa  rund  um  100,  also  unter  Trajan  ein- 
geführt worden  sei.  Eine  genauere  Würdigung  dieser  Argumente  würde 
den  Rahmen  dieser  Skizze  weit  überschreiten.  Die  Frage  nach  der  Ein- 
führung der  Liturgie  scheint  mir  —  wie  auch  Oertel  —  auch  gegenüber 
diesen  Momenten  noch  eine  offene  zu  sein.  Ich  neige  aber  doch  der 
Annahme  eines  früheren  Zeitpunktes  zu,  wenn  ich  auch  zugeben  muß, 
daß  ich  einen  strikten  Beweis  nicht  beibringen  kann.  Einen  vor  Trajan 
liegenden  Beleg  bieten  zunächst  die  bekannten  Worte  des  Edikts  des 
Julius  Alexander  vom  J.  68  betreffs  der  Befreiung  der  svysvslg  ^λεξ,ανδρείς 
von  den  χωρικαΐ  λειτουργία^  (Diti  Or.  Gr.  II  669, 32f.),  wenn  man,  wie 
bisher  geschehen  ist,  λειτουργίαυ  hier  als  Amtsliturgien  faßt.  Dann 
setzen  sie  notwendig  voraus,  daß  die  Nichtprivilegierten  zu  diesen  Ämtern 
gezwungen  werden  konnten  {αγεβ^-αι).  Aber  ein  strikter  Beweis  läßt  sich 
für  diese  Deutung  ebensowenig  erbringen,  wie  für  die  von  Oertel  hier 
bevorzugte  Auffassung  von  λειτονργίαι  als  Zwangsarbeiten  oder  Fronden. 
Sprachlich  ist  eben  beides  möglich.  Es  ist  mir  jedoch  wenig  wahrscheinlich, 
daß  etwa  die,  wie  wir  oben  S.  213  sahen,  von  Tiberius  eingeführten 
Regiebeamten  der  Steuererhebung  zunächst  als  normale  Berufsbeamte 
nach  ptolemäischer  Weise  eingesetzt  und  erst  später  zu  Liturgen  gemacht 
wären,  da  innere  Gründe  mir  dafür  zu  sprechen  scheinen,  daß  sie  von 
vornherein  Liturgen  gewesen  sind.  Diese  inneren  Gründe  sprechen  m.  E. 
auch  gegen  die  andere  durch  den  völligen  Mangel  an  Urkunden  aus  dem 
Ausgang  der  Lagidenzeit  an  sich  gegebene  Möglichkeit,  daß  dies  Zwangs- 
beamtentum als  normale  Einrichtung  etwa  schon   damals   geschaffen  sei. 


1)  Wie  bei  der  exzeptionellen  Zwangspacht  in  Par.  63   oder  in  römischer  Zeit 
bei  den  Zwangssteuerpachten. 


§  2.    Die  Liturgien.  341 

Rostowzew  hat  zwar  gemeint,  daß  in  dem  Edikt  des  Oktavian  BGü  628 
Λ^ΘΓ80  II  20  (462)  „die  Pacht  direkt  als  Leiturgie  bezeichnet"  werde  ^),  aber 
dies  trifft  nicht  zu,  denn  der  Text  faßt  nur  die  Zwangspacht  ins  Auge, 
und  überdies  darf  dies  Edikt,  das  für  die  Veteranen  Oktavians  ganz  im 
allgemeinen  gegeben  ist,  überhaupt  nicht  speziell  auf  die  ägyptischen  Ver- 
hältnisse angewendet  λυ erden,  da  dies  Edikt  älter  ist  als  die  Eroberung 
Ägyptens  (vgl.  meinen  Kommentar).  Die  inneren  Gründe,  die  mir  für  die 
Annahme  sprechen,  daß  die  unter  Tiberius  eingeführten  (resp.  durch 
Umwandlung  der  alten  gleichnamigen  Beamten  neu  konstituierten)  Prak- 
toren  von  vornherein  Liturgen  gewesen  sind,  habe  ich  schon  oben  S.  212  ff. 
berührt.  Es  handelte  sich  bei  der  Anpassung  der  auch  im  Reich  damals 
eingeführten  Regie  an  die  ägyptischen  Verhältnisse  darum,  ein  Äquivalent 
für  die  Übertragung  der  Steuererhebung  auf  die  Kommunen  zu  finden. 
Die  neuen  Regiebeamten  aUein  würden,  auch  wenn  sie  wie  alle  übrigen 
Beamten  —  auch  der  Ptolemäerzeit  —  mit  ihrem  Vermögen  hafteten, 
keinen  Ersatz  gegeben  haben.  Ein  solcher  würde  aber  durch  die  gleich- 
zeitige Liturgisierung  dieser  Amter  bis  zu  einem  gewissen  Grade  erreicht 
worden  sein,  indem  erstens  durch  Einführung  des  Zwanges  erzielt  wurde, 
daß  jene  Stellen  immer  aus  den  Reihen  der  Wohlhabenden,  der  ενποροί^ 
besetzt  Λvurden,  zweitens  aber  die  betreffende  Gemeinde  die  Haftung  für 
sie  übernahm,  indem  in  den  Dörfern,  wie  für  das  IL  Jahrb.  feststeht,  die 
ol  άπο  χγΐζ  κώμης^  in  den  Metropolen  das  xolvov  των  αρχόντων  (bis  202) 
für  sie  bürgten.  Es  ist  immer  die  Gemeinde,  die  den  Vorschlag  macht 
und  die  Bürgschaft  übernimmt,  und  insofern  kann  man  sagen,  daß  durch 
das  Mittel  der  Liturgie  auch  in  Ägypten  die  Lasten  —  wie  die  Steuer- 
erhebung —  den  Gemeinden  auferlegt  wurden,  wie  ich  es  oben  auch  für 
die  Fronarbeiten  angenommen  habe.  Nach  dieser  Hypothese  würde  also 
die  Schaffung  der  Regiebeamten  und  die  Einführung  der  Liturgie  inner- 
lich zusammengehören.  Es  wäre  hiernach  nicht  unwahrscheinlich,  daß 
diese  Liturgie  gerade  aus  den  veränderten  Bedürfnissen  der  Steuererhebung 
heraus  für  Ägypten  ins  Leben  gerufen,  daß  also  zunächst  die  Beamten 
der  Steuererhebung  liturgisiert  und  dann  das  System  auch  auf  andere 
nach  und  nach  angewendet  wäre.  Der  letztere  Prozeß  ist  sicher  anzu- 
nehmen, wenn  wir  auch  nach  dem  bisherigen  Material  ihn  nur  in  ein- 
zrlnon  F'älh'n  beoba(;hten  können.  Ich  stelle  diese  Hypothese  mit  aller 
zur  DiskussioD.  Hoffentlich  bringt  weiteres  Material  eine  ovi 
«1.  ni.    l^ntscheidung  nach  der  einen  oder  anderen  Seite. 

i'isher  ist  wohl  allgemein  angenommen  worden,  daß  auch  die  städti- 
srluii  ι'ρχοντες  Liturgen  gewesen  seien.  Im  besonderen  hat  Preisigke 
(StiL<lt    l>*amtenw.  S.  14ff.)   XeixovQyCa   und   αρχή   gleichgesetzt.     Das   ist 

1,  Staatepacht  466. 


342  Kapitel  VIII.     Fronarbeiten  und  Liturgien. 

aber  nicht  richtig,  wie  Oertel  mit  Recht  betont  hat.^)  Der  prinzipielle 
Unterschied  von  ccQ%ifi  und  λειτουργία,  d.  h.  von  honores  und  niunera,  der 
vor  allem  darin  liegt,  daß  nur  die  Bekleidung  einer  άρχγι  mit  einer  Würde 
verbunden  war^),  hat  wie  außerhalb  im  Reiche^),  bo  auch  für  Ägypten 
durchaus  gegolten.  So  erteilt  Kaiser  Gallienus  in  CPHerm.  119  V  3,  15.(158) 
einem  Hermopolitaner  Immunität  von  άργων  καΐ  λειτουργιών ,  und  auch 
Kaiser  Hadrian  hat  nach  Oxy.  VIII  1119  (397)  den  Antino'iten  Privilegien 
betreffs  άρχαί  und  λειτονργίαι  gegeben.  Aber  wenn  man  auch  prinzipiell 
an  diesem  Unterschied  festgehalten  hat,  tatsächlich  hat  eine  Annäherung 
der  beiden  Begriffe  stattgefunden,  indem  schon  recht  früh,  wie  wir  sehen 
werden,  der  Zwang  auch  bei  den  άρχαί  begonnen  hat,  und  damit  erklären 
sich  auch  die  Einzelfälle,  die  Preisigke  zu  jener  Gleichsetzung  geführt 
hatten.*) 

Betrachten  wir  zunächst  die  reinen  Liturgien.  Während  die  Fron- 
arbeiten, wie  wir  sahen,  auf  den  ägyptischen  FeUachen,  also  der  im 
Durchschnitt  ärmeren  Bevölkerungsschicht  lasteten,  kamen  für  die  Litur- 
gien nur  die  wohlhabenderen  und  reichen  Kreise  in  Betracht.  Mit  ihrem 
Vermögen  hafteten,  wie  schon  in  der  Ptolemäerzeit,  so  auch  in  der  Kaiser- 
zeit die  Beamten  überhaupt,  aber  für  die  Liturgien  wurde  die  finanzielle 
Leistungsfähigkeit  der  für  die  Heranziehung  in  Betracht  kommenden 
Kreise  ad  hoc  amtlich  festgestellt,  und  wurden  die  einen  genügenden 
Λορος  Besitzenden  in  Listen  (γραφαί)  zusammengestellt,  damit  sie  für 
die  amtlichen  Vorschläge  die  Grundlage  bildeten.  Diese  Feststellung  des 
τΰόρος  und  die  besonderen  Formen  seiner  Berechnung  sind  durchaus  ein 
Novum  für  die  Kaiserzeit^),  und  das  Fehlen  dieser  Institution  in  der 
Ptolemäerzeit  ist  eine  sichere  Bestätigung  dafür,  daß  ihr  die  Amtsliturgie 
fremd  war.  Πόρος^)  bezeichnet  hier  wie  gewöhnlich  nicht  das  Vermögen, 
sondern  das  Einkommen,  und  zwar  Avurde  für  die  Liturgien  das  Ein- 
kommen aus  Grundbesitz  in  Geld  abgeschätzt.  Wie  ich  in  den  Griech. 
Ostraka  I  507  gezeigt  habe,  wurden  jrd^og- Klassen  von  Hunderten  von 
Drachmen  geschaffen,  denen  nach  amtlicher  Taxation  die  einzelnen  Personen 
zugewiesen  wurden.     Als  Vermögensobjekt,  das  der  Regierung  die  nötige 

1)  Im  einzelnen  hat  Martin,  Les  epistrateges  S.  117  f.  richtig  erkannt,  daß  die 
Gymnasiarchen,  Exegeten  usw.  nicht  vom  Epistrategen  ausgelost  werden,  aber  auch 
er  hält  sie  mit  Preisigke  für  Liturgen  (S.  118  Anm.  4). 

2)  Vgl.  z.  B.  Liebenam,  Städtewesen  S.  419. 

3)  Zahlreiche  inschriftliche  Belege  sind  z.  B.  von  Liebenam  1.  c.  S.  281  fF.  zu- 
sammengestellt worden. 

4)  Hiernach  sind  auch  meine  Worte  auf  S.  40  und  143  zu  modifizieren. 

5)  Max  Weber,  Agrargesch.  S.  130  rechnet  damit  schon  für  die  Ptolemäerzeit. 
Selbst  in  Teb.  27  (331)  —  s.  oben  S.  339  —  fehlen  diese  Formen  der  Λορο?- Be- 
rechnung. 

6)  Über  den  ttoqos  vgl.  meine  Griech.  Ostraka  I  506  ff. 


§  2.    Die  Liturgien.  343 

Sicherheit  bot,  galt,  wie  gesagt,  der  Grundbesitz.^)  Wie  wir  oben  mit 
Rostowzew  annahmen,  ist  in  der  Kaiserzeit  die  Bildung  von  privatem 
Grundbesitz  eben  deswegen  von  der  Regierung  gefördert  worden,  damit 
sie  eine  möglichst  breite  Schicht  zur  Verfügung  habe,  die  durch  ihren 
Grundbesitz  zur  Übernalime  von  Liturgien  qualifiziert  sei.  Daß  für  die 
Abschätzung  des  Einkommens  der  Grundbesitz,  sowohl  die  οΐκότιεδα  wie 
die  ccQovQca  die  Unterlage  bildeten,  zeigen  besonders  P.  Bibl.  Nat.  Suppl. 
gr.  910  (392)  und  Fay.  23a. 

AVer  einen  solchen  %OQog  besaß,  wurde  ein  εύπορος  genannt'), 
wer  ihn  nicht  besaß,  war  ein  άπονος.  Diese  Deutung  von  άπορος 
scheint  mir  namentlich  aus  Lond.  lU  S.  131  (325)  hervorzugehen,  wo  ein 
um  Lohn  arbeitender  Weber,  der  also  offenbar  kein  eigenes  έργαότήρίον 
hat,  sich  als  άπορος  gegen  den  Vorschlag  zur  πρεΰβντερεία  τΎΐς  κώμης 
wehrt.  ^)  Die  Stelle  zeigt  zugleich,  daß  die  αποροί  nicht  etwa  ganz  be- 
sitzlos sind,  denn  der  Weber  verdient  sich  ja  seinen  μΐ6ϋ•ός  und  lebt 
davon,  sondern  daß  sie  nur  den  zur  Liturgie  qualifizierenden,  den  auf 
Grundbesitz  basierten  ζόρος  nicht  in  genügendem  Maße  haben.  Nach 
diesem  Gesichtspunkt  hat  die  Regierung  nun  Listen  der  εύποροι  und 
Listen  der  άποροι*)  geführt.  Jene  waren  die  Grundlage  zum  Vorschlag 
für  die  Liturgien,  diese  für  die  Heranziehung  der  άποροι  zu  denjenigen 
Steuern,  die  sie  als  Ersatz  für  die  Freiheit  von  den  Liturgien  zu  zahlen 
hatten.  ^) 

In  den  Vorschlägen  wird  aber  nicht  nur  hervorgehoben,  daß  der  Be- 
treffende ein  ενπορος^  sondern  auch,  daß  er  έπιτήΟειος  ist.  Damit  mag 
bei  den  munera  personalia  auf  die  persönliche  Tauglichkeit  zur  Übernahme 
des  Amtes  hingewiesen  sein,  aber  zugleich  liegt  darin  wohl  auch  ein  Hin- 
weis auf  die  besondere  Qualifikation  zu  dem  speziell  in  Frage  stehenden 


1)  Damm  wechselt  ηόρος  in  übertragenem  Sinne  gelegentlich  mit  τά  νηάρ- 
χοντα  (vgl.  Ostnika  1.  c),  womit  prilgnant  Grundbesitz  bezeichnet  wird  (z.  H.  in  γενη- 
ματαγραφονμενα  ντιάρχοντα  und  sonst).  Vgl.  BGU  11,  7  (230),  wo  deutlich  Liegen- 
schaften damit  gemeint  sind.  In  Oxy.  VII  1044,  9  wird  mit  άγορα{αάαης)  τόν  ττόρον 
deutlich  auf  den  Torher  behandelten  Grundbesitz  hingewiesen.  Vgl.  auch  Oxy.  LI  262 
(2Ιδ),  253. 

2)  In  BGU  l'J4,  β  (84)  geschiebt  ein  Vorschlag  ^x  r^;  τών  εναχημόνων  γραφής. 
Der  Begriff  Βύαχήμων  dockt  eich  nicht  mit  e^;ropoff,  aber  sie  kreuzen  sich.  Die  An- 
nahme von  Hohlwein  1,  c.  92,  daß  die  »νΰχιμιονες  speziell  für  die  Dörfer  in  Betracht 
kommen,  i»t  irrig.  Sie  begegnen  ebenso  in  den  Metropolen.  Vgl.  z.  B.  BGU  48,  12. 
KIm  iiHo  imV'  i-t,  daß  die  γραφαΐ  τών  1%  τον  γνμνααίον  in  Oxy.  II  267  (147)  ftlr  die 
I,itii)/i.;nrH(  iiliige  der  Städte  dienten. 

:5  An:h.  IV  646.  NachtrUglich  sah  ich,  daß  auch  schon  llostowsew,  Woch.  f. 
kli  »    l'hilol.  1900,  117  diese  Deutung  von  άχορος  vorgeschlagen  hat. 

l     Lond.  III  S.  127:   άντίγραφον  γραφής  όχόρων  xti. 

>/  V^gl.  den  μ$ριαμ6ς  oder  ίηιμερίΰμός  άχόρων  in  Fay  58,  64,  BGÜ  881,  wo 
gleichfalln  {ni  ηεριαμοΐ))  statt  (ηι{%εφαΙαίοχή  herzustellen  ist,  Oitraka  II  n.  618  (vgL 
da/u    I{<Mtiiw/<'.v   ]    (■         Πηη«]ι(•ιι    iwiint    BGU  881,9  noch   (Mik*  .\birabe   q  ι•ΙΓ  ^  ώπόρωι*. 


344  Kapitel  VIII.     Fronarbeiten  und  Liturgien. 

Amt,  insofern  manche  durch  Privileg  befreit  waren  (s.  unten)  und  auch 
der  Liturgiepflichtige  nicht  überall  zu  Liturgien  herangezogen  werden 
durfte.^)  Jedenfalls  bestand  der  Grundsatz,  daß  der  sonst  Qualifizierte 
nur  da,  wo  seine  origo  {Ιδία)  war  —  dies  wird  besonders  stark  in 
BGU  15  I  (393)  betont  —  und  wo  er  incola^)  war  und  auch  da,  wo  er 
ohne  Domizil  Grundbesitz  hatte  (γεονχών),  zur  Liturgie  herangezogen 
werden  durfte. 

Es  gab  auch  noch  andere  Einschränkungen  der  Liturgiepflicht,  die 
bei  den  Vorschlägen  zu  berücksichtigen  waren.  Was  zunächst  das  Alter 
betrifft,  so  erfahren  wir  aus  Flor.  57  in  Übereinstimmung  mit  den  Rechts- 
quellen, daß  mit  dem  70.  Jahre  die  Liturgiepflicht  zu  den  munera  personalia 
erlosch,^)  Der  Petent  hat  hier  nicht  weniger  als  6  Reskripte  von  Severus 
und  Caracalla  beigefügt,  die  sich  mit  dieser  Befreiung  der  70jährigen  be- 
schäftigen.*) Über  den  Beginn  der  Liturgiepflicht  mit  erreichter  bürger- 
licher Volljährigkeit^)  bieten  die  Papyri  ähnliche  allgemeine  Bestimmungen 
nicht. ^)  Von  der  Stellung  der  Frauen  zur  Liturgiepflicht  handelt  Teb.  II  327 
(394:).  Abgesehen  von  diesen  allgemeinen  Bestimmungen  waren,  wie  na- 
mentlich die  Rechtsbücher  lehren,  gewisse  Stände  und  Berufe  durch  Privileg 
von  den  Liturgien  befreit.*^)  Dahin  gehören  z.  B.  die  Ärzte,  über  deren 
Freiheit  Oxy.  I  40  und  Fay.  106  (395)  handeln.  Ebenso  die  siegreichen 
Athleten,  vgl.  Lips.  66,  20  (dazu  Mitteis,  Arch.  II  263),  auch  CPHerm.  119 
V  3  (158).  Auch  die  Veteranen  genossen  Erleichterungen.  So  beruft  sich 
in  BGU  I  180  (396)  ein  Veteran  auf  das  Vorrecht,  daß  sie  5  Jahre  lang 
nach  der  missio  nicht  zu  Liturgien  herangezogen  werden  dürften.  Die 
statthalterliche  Entscheidung  über  die  άληονργηοία  gewisser  νΛηρετονντεζ 
in  Oxy.  62  Recto  ist  noch  nicht  verständlich.  Zu  betonen  ist,  daß  nach 
BGU  194  (84)  vom  J.  177  die  Priester  damals  prinzipiell  nicht  frei  von 


1)  In  Amh.  82  (IV.  J.)  bezeichnet  sich  einer  als  άvε7CL•τήάειoς,  erstens  weil  er 
nicht  schreiben  kann,  zweitens  weil  er  nicht  Ratsherr  ist,  was  damals  für  dies  Amt 
notwendig  war. 

2)  Aus  der  Exemtion  der  im  Lande  domizilierenden  (κοίτοίχοϋντες)  Alexandriner 
durch  das  Edikt  des  Jul.  Alexander  vom  J.  68  (nach  meiner  obigen  Auffassung  S.  340) 
ergibt  sich,  daß  in  Ägypten  schon  damals  die  incolae  liturgiepflichtig  waren,  während 
sie  außerhalb  im  Reich  z.T.  erst  später  herangezogen  sind.  Vgl.  Liebenam,  Städte- 
verw.  S.  420. 

3)  Über  die  genaueren  Bestimmungen  hierzu  vgl  E.  Kuhn,  Stadt,  u.  bürgerl. 
Verf.  I  70. 

4)  Vgl.  Arch.  IV  435  S.  In  Flor.  57,  13/4  scheint  das  Reskript  zwischen  den 
munera  civilia  (^οΐιηχοΰς  λειτουργίαΐξ)  und  m.  patrimonii  {^tgog  μάνας  [r]a[s]  ονοίας 
διαφέρονσί)  zu  unterscheiden.     Vgl.  Kuhn  1.  c. 

5)  Vgl.  Kuhn  1.  c.  Zu  munera  patrimonii  konnten  auch  Minderjährige  heran- 
gezogen werden. 

6)  In  den  erhaltenen  Vorschlagslisten  begegnen  Leute  bis  zu  20  Jahren  herab. 
Vgl.  z.  B.  die  Liste  aus  Panopolis  bei  0.  Hiischfeld,  Sitz.  Pr.  Akad.  1892  S.  818. 

7)  Vgl.  E.  Kuhn  1.  c. 


§  2.    Die  Liturgien.  345 

Liturgien  waren.  Vgl.  oben  S.  129.  L•t  der  Widersprucli  des  dort  zitierten 
P.  Rain.  135  (Wessely,  Karanis  S.  66)  dadurch  zu  erklären,  daß  der 
Priester,  der  sich  über  den  Zwang  zur  Sitologie  beklagt,  zu  einem  λόγι- 
μον  Uqov  gehörte?  Andrerseits  konnten  einzelne  Persönlichkeiten  von 
den  Kaisern  durch  Personalprivileg  von  Liturgien  entbunden  werden.  Ein 
Beispiel  besitzen  wir  in  dem  schon  oben  erwähnten  Brief  des  Kaisers 
GaUieuus  in  CPHerm.  119  V  3  (158). 

Eine  besondere  Stellung  haben  in  Ägypten  endlich  die  Bürger  der 
Griechenstädte  eingenommen. 

Für  Antinoopolis  hatten  wir  schon  in  BGÜ  IV  1022  (29)  ein  klares 
Zeugnis  (Z.  6 f.):  Ovx  αγνοείτε^  ανδρεζ  κράτίοτοι^  ort  παβών  [λει]τονρ- 
γίώ[ν\  άφείϋ-ημεν  των  άλλαχον  [κατ]«  διάτα^ίν  Ο-εον  ^Αδριανού  κτλ. 
Besonders  Λvichtig  ist,  daß  hier  die  Petenten  auf  Grund  dieser  hadrianischen 
\^erfügung  die  Befreiung  verlangen,  wiewohl  sie  an  dem  Orte,  an  dem  der 
Dorfschreiber  sie  vorgeschlagen  hatte,  grundansässig  waren  (Z.  12  h'd-a 
γεον[χον]μεν).  Soeben  haben  wir  durch  Oxy.  VIII  1119  (397)  noch  ge- 
nauere Auskunft  über  diesen  Erlaß  des  Hadrian  bekommen.  Danach 
soUten  die  Antinoiten  nur  bei  sich  αρχευν  und  λειτονργείν^  dagegen  von 
των  ζιαρ'  άλλοίς  άρχων  τε  χαΐ  λειτουργιών  frei  sein  (Ζ.  16).  Von  dem 
Wortlaut  dieses  Erlasses  soAvie  den  hier  gleichfalls  erwähnten  Bestätigungen 
durch  spätere  Kaiser  sind  in  jenem  fragmentierten  Würzburger  Papyrus 
einige  Spuren  erhalten,  von  dem  ich  in  Nr.  26  zwei  andere  Beilagen  mit- 
geteilt habe.  Ich  erwähne  vorläufig  nur,  daß  hier,  wohl  entsprechend  dem 
Gegenstand  der  Bittschrift,  in  dem  vorgelegten  Auszug  (ftfO•'  έτερα)  nur 
vom  λειτονργεΐν^  nicht  auch  vom  αρχειν  die  Rede  ist.  Die  Tatsache  aber, 
daß  hier  diese  Auszüge  betreffs  des  Liturgieprivilegs  mitgeteilt  sind, 
macht  es  wahrscheinlich,  daß  auch  die  in  26  mitgeteilten  Briefe  des  Pe- 
tronius  Mamertinus  und  des  Statilius  Maximus  sich  auf  Belästigungen 
durch  unberechtigte  Auflegung  von  Liturgien  beziehen.  Hieraus  würde 
sich  ergeben,  daß  nicht  nur  die  Antinoiten,  sondern  auch  z.  B.  die  im 
Thinitischen  Gau  zurückgebliebenen  Angehörigen  der  zur  Besiedlung  von 
Antinoopolis  ausgelosten  Ptolemäenser  Privilegien  bezüglich  der  Liturgien 
genossen  haben.  Dies  wird  bestätigt  durch  28,  wonach  Väter  von  aoti- 
noitißchen  Söhnen  außerhalb  ihrer  ίδία^  aucli  da  wo  sie  Grundbesitz 
hatten,  liturgit?nfrci  waren.  So  steht  für  die  Antinoiten  völlig  fest,  daß 
auch  diejenigen  von  ihnen,  die  auswärts  Grundbesitz  hatten,  dort  nicht 
zu  Liturgien  herangezogen  werden  durften.  Dem  gegenüber  ist  es  auffallend, 
daß  der  l*etcnt  von  Flor.  57,  ein  Alexandriner,  der  im  Hermopolites  viel 
Grundbesitz  hat,  sich  gar  nicht  darüber  beMchwert,  daß  er  sein  Leben 
lang  viele  Liturgien  bekleidet  hat,  sondern  nur  darüber,  daß  er  trotz  seiner 
70  Jahre  und  trotz  seines  Augenleidens  noch  joi/t  herangezogen  wird. 
Inli    wlt'H    im    Arcli.  IV  4!»!)    auf  diese    Schwif^riLfkril    hin    un<I    deutt^ie    die 


346  Kapitel  VIII.     Fronarbeiten  und  Liturgien. 

Möglichkeit  an,  daß  Jul.  Alexander  (s.  oben  S.  340)  mit  den  dia  φιλερ- 
γίαν  κατοικονντας  nicht  die  Grundbesitzer  {γεονχοννταξ)^  sondern  im  all- 
gemeinen solche,  die  zu  geschäftlichen  Zwecken  im  Lande  domizilierten 
(κατοικονντας),  gemeint  habe.  Die  Widersprüche  dieser  Texte  werden 
damit  freilich  beseitigt,  aber  es  bliebe  bestehen,  daß  die  alexandrinischen 
γεονχοί  der  χώρα  sich  schlechter  gestanden  haben  als  die  antino'itischen.^) 
Wer  das  für  unmöglich  hält,  muß  eine  andere  Lösung  suchen.  Der  Aus- 
weg, daß  zur  Zeit  des  Flor.  57  (a.  223/5)  die  Privilegien  der  Alexandriner 
etwa  schon  abgeschwächt  gewesen  seien  (Rostowzew,  Kol.  199),  wird  jetzt 
durch  Oxy.  VIII  1119  (397),  wonach  die  entsprechenden  Privilegien  der 
Antino'iten  noch  im  J.  254  in  voller  Kraft  bestanden,  unwahrscheinlich, 
oder  aber  er  führt  zu  demselben  Ergebnis,  daß  die  Antino'iten  sich  we- 
nigstens damals  besser  gestanden  haben  als  die  Alexandriner.  Dieser 
Punkt  bedarf  jedenfalls  noch  weiterer  Aufklärung. 

Alle  diese  verschiedenen  Maßnahmen  und  Privilegien  waren  von  den- 
jenigen Instanzen  zu  berücksichtigen,  die  die  Vorschläge  zu  machen  hatten. 
Schon  aus  BGÜ  1022  (29)  ging  hervor,  daß  ein  Dorfschreiber,  der  un- 
berechtigterweise einen  Antino'iten  zur  Liturgie  eingereicht  hatte,  nicht 
nur  andere  Namen  zu  nennen  hatte,  sondern  auch  bestraft  werden  sollte 
(Z.  24:  λόγον  αντον  ντΐοόχεΐν  των  τετολμημενων).  Noch  genauere  Aus- 
kunft darüber  gibt  jetzt  Oxy.  VIII  1119  (397). 

Wenden  wir  uns  nun  zu  der  Einsetzung  der  Liturgen,  so  müssen  wir 
die  Zeiten  vor  und  nach  der  Verleihung  der  Kommunalordnung  vom  J.  202 
auseinander  halten,  denn  die  Schaffung  der  βονλή  hat  auch  für  diese  Fragen 
wichtige  Änderungen  zur  Folge  gehabt. 

Für  die  Metropolen  haben  Λvir  für  die  erstere  Periode  ein  sehr  ge- 
ringes Material.  Der  Haupttext  ist  Oxy.  54  (34)  vom  J.  201.  Danach 
sind  die  hier  genannten  έπιμεληταί  für  die  Renovierung  der  Hadrians- 
thermen  —  also  sfadtische  Beamte  —  auf  Beschluß  (γνώμγι)  des  κοινον 
των  αρχόντων  von  dem  γραμματεύς  της  πόλεως  eingereicht  worden 
(είοδοΰ-εντων).  Daß  das  κοίνόν  auch  die  Haftung  für  diese  έπιμεληταί 
übernimmt,  ist  nach  Analogie  der  dörfischen  Urkunden  sicher  anzunehmen. 
Daß  es  hier  nicht  wie  in  jenen  dörfischen  Eingaben  hervorgehoben  ist 
(κίνδννω  κτλ.),  erklärt  sich  aus  dem  verschiedenen  Charakter  der  Urkun- 
den. An  wen  der  Stadtschreiber  die  εϊοδοοις  gemacht  hat,  ist  gleichfalls 
nicht  gesagt,  doch  ist  m.  E.  nicht  zu  bezweifeln,  daß  es  nur  der  Stratege 
gewesen  sein  kann.  Das  zeigt  auch  BGU  18  (398)  vom  J.  169,  der  gleich- 
falls von  dem  Vorschlag  von  Metropoliten  handelt.  Hier  steht  jedoch  nicht 
ein  städtisches,   sondern  ein   staatliches  Amt  in  Frage.     Die  Eingabe   ist 


1)  Das  bleibt  bestellen,  auch  wenn  man  mit  Oertel  in  den  λείτουργίαι  des  Edikts 
die  Fronden  sieht.   Vgl.  Flor.  57  und  die  antino'itischen  Texte. 


§  2.    Die  Liturgien.  347 

auch  hier  von  dem  γραμματεύς  της  μητροπόλεως  gemacht,  und  zwar  an  den 
Strategen.  Eines  vorhergehenden  Beschlusses  des  κοινον  των  αρχόντων 
geschieht  hier  nicht  Erwähnung.  Häugt  das  mit  dem  nichtstädtischen 
Charakter  der  Liturgie  zusammen?  Eingabe  der  Namen  an  den  Strategen 
setzt  auch  Amh.  64,  11  ff.  (a.  107  n.  Chr.)  voraus,  der  von  städtischen 
έπιμελψαΐ  βαλαν εΐον  handelt.  Vgl.  hierzu  jetzt  Martin,  Les  epistrateges 
S.  118.  Dieser  Text  klärt  zugleich  über  den  weiteren  Geschäftsgang  auf. 
Hier  haben  sich  die  neuernannten  έπιμεληταί  beim  Präfekten  beschwert, 
sie  seien  untauglich  (ίίϋ-ετοί)  für  dies  Amt.  Daraufhin  fordert  der  Präfekt 
den  Strategen  auf,  ihm  andere  Namen  einzuschicken:  ε[ί\  ovv  α&ετοί  εΐ- 
<ytr,  πεμ[}1}εις\  μοι  ετέρων  έπιτηρΊμών  (wohl  επιμελητών?)  ονόματα.  Aus 
dem  Wortlaut  geht  nicht  sicher  hervor,  ob  der  Präfekt  eine  Auswahl 
trifft  aus  mehreren  ihm  präsentierten  Namen  (etwa  durchs  Los),  oder  ob 
er  nur  die  Ernennung  der  ihm  vorgeschlagenen  Personen  vollzieht.  Für 
Ersteres  spricht  wohl  die  Analogie  von  28,  10.  Ich  bemerke  hierzu,  daß 
in  BGU  18  (3i)8)  —  hier  handelt  es  sich  um  ein  Staatsamt  —  der  Stra- 
tege die  Namen  überhaupt  nicht  weiter  zu  geben,  sondern  direkt  die  ihm 
Vorgeschlagenen  anzustellen  scheint.  Daß  für  staatliche  Liturgien,  die 
an  Metropoliten  vergeben  wurden,  der  Epistratege  der  Leiter  der  Ver- 
waltung war,  zeigt  Teb.  II  328  (a.  191/2),  wo  ein  zur  διεραόις  δημούίον 
τίνρον  von  den  γραμματείς  της  πόλεως  Vorgeschlagener  von  dem  Epi- 
strategen  ausgelost  ist  (κληρω^-είς).  Wahrscheinlich  hängt  es  von  der 
Art  der  Amter  ab,  ob  eine  Erlösung  stattfindet  oder  nicht.  Das  bedarf 
noch  weiterer  Aufklärung. 

Besser  sind  wir  über  die  Dörfer  orientiert.  Hier  war  es  die  Dorf- 
gemeinde —  ol  άπο  της  κώμης  — ,  die  im  Falle  einer  Vakanz  mehrere 
Personen  auswählte,  für  die  sie  zugleich  im  Falle  der  Ernennung  die 
Bürgschaft  übernahm.^)  So  in  BGU  235  (399),  während  andere  Eingaben 
diesen  der  εΐαδοβις  voraufgehenden  Akt  nicht  erwähnen.  So  BGU  91, 
Gen.  37  (400).  Die  Namen  der  Vorgeschlagenen  wurden  darauf  durch 
den  selbst  liturgischen*)  κωμογραμματενς  dem  Strategen  mitgeteilt,  damit 
dieser  sie  zur  Auslosung^)  an  den  Epistrategen*)  einsende.  Vgl.  z.  B. 
Oen.  37  (400),  BGU  235  (399).  Der  Epistratege  zog  dann  das  Los  und 
vollzog  die  Einsetzung  (κατάοταοις)  des  Erlösten  in  einem  Brief  (offen- 
bar an  den  Stratci/euX  der  dann  an  drni  betreffenden  Ort  publiziert  wurde. 

\f  Vgl.  (iriech    Ontruka  1   .'»ÜH.     Don  i   '     dion   «laraiit    Imi,   daU  uuoh  ui 

i\rn\  bei  O.  Hirechfeld,  Hitz.  I*r.  Akad.  .311    ι    .'•  :  '  <  liorton  T«ixt  von  Γαηοροΐίβ  der 

'•iriK'indcTonicblag  erwähnt  wird;  [Κωμογ^αμμαχίυ^  Υ^*'ψν\  ^^^  ^'^  ^^i^  αώμης  [άνα- 
t)tt)u)An•?  τώ  ένέα}ΐώχί  f  (hu)  Φαώφι.  • 

2)  Die•  xeigt  jetzt  Straßb   67. 

3)  Zu  diesem  ηίμηην  tlg  χλήρον  vgl.  Oitrftka  I  608  und  802. 

4)  über  die  Bedtfutung  de«  Kpiitntegen  fOr  die  Liturgien  ygl.  jetit  Martin, 
I  '     <  ti-itraUigee  8.  111  ff. 


348  Kapitel  VIII.     Fronarbeiten  und  Liturgien. 

Diesen  Geschäftsgang  zeigt  uns  BGU  IV  1046  (265).  —  Nach  Oxy.  81 
(a.  244/5)  wird  anzunehmen  sein,  daß  auch  schon  im  I.  und  IL  Jahrh. 
die  Liturgen  bei  Übernahme  des  Amtes  einen  Amtseid  zu  leisten  hatten, 
und  zwar  dem  Strategen.^) 

Seit  202  tritt  nun  die  βονλή  in  Tätigkeit.  Welchen  Umschwung  dies 
für  die  städtische  Verwaltung,  aber  auch  für  manche  staatliche  Aufgaben 
(wie  die  Steuererhebung)  zur  Folge  hatte,  ist  oben  S.  41  f.  hervorgehoben 
worden.  Auch  die  Wirkungen  auf  das  Liturgiewesen  sind  dort  schon  kurz 
berühi-t  worden.  Dadurch,  daß  nunmehr  die  Wahl  der  städtischen  Be- 
amten^), aber  auch  mancher  staatlicher  Beamten,  wie  der  Nomarchen  und 
Dekaproten,  auf  den  Rat  überging,  erreichte  die  Regierung  eine  noch 
größere  Sicherheit  ihrer  Anforderungen,  da  nunmehr  der  ganze  Rat  als 
solcher  für  die  erwählten  Liturgen  die  Haftung  übernahm.  Vgl.  CPHerm. 
97,  8  ff.,  wo  der  Prytan  als  Vertreter  der  βουλή  schreibt:  έλόμβνοί  τους 
νΛογεγ  ραμμένου  ξ  —  λείτουργΎΐοοντ\ας  κ]ίνούνω  εαυτών  καί  άπάΰης  της 
κρατίΐοίχης  ημών  βουλής.  Also  der  Prytan  an  erster  SteUe  und  die  ganze 
βουλή  haften.  Vgl.  auch  BGU  8  II  5,  wo  das  Vermögen  des  Prytan en 
beschlagnahmt  wird,  der  die  verschuldeten  νομάρχαι  gewählt  hat,  unter 
Hinweis  darauf,  daß  schon  frühere  procuratores  befohlen  hätten  έκπραξαι 
κ[ατ^ά  τον  ο^ΰτον  τρ07ΐο[ν  τών  έγ]γύων  τα  υπάρχοντα.  Also  der  Prytan 
ist  als  Bürge  aufgefaßt.  Über  den  Modus  der  Wahl  in  der  βουλή  liegen 
uns  zusammenhängende  Nachrichten  nicht  vor.  Die  vollzogene  Wahl 
wurde  dem  betreffenden  Liturgen  durch  den  Prytanen  mitgeteilt.  Vgl.  BGU 
Π  362  V  (96). 

Neben  diesen  Wahlen  des  Rates  finden  wir  in  den  Metropolen  aber 
auch  jetzt  noch  avaöoösig^  zwar  seltener  durch  die  γραμματείς  πό- 
λεως^), als  durch  die  άμφοδογραμματεΐς^)  Dieser  Wechsel  hängt  mit 
der  neuen  (wahrscheinlich  202  eingeführten)  Organisation  der  Metropol- 
bürger in  Phylen  zusammen  Vgl.  oben  S.  42  f.  Schon  Preisigke,  Stadt. 
Beamt.  S.  18  Anm.  5  hat  auf  einen  innern  Zusammenhang  zwischen  den 
Phylen  und  den  Amphoden  hingewiesen.^)    Jetzt  hat  uns  Oxy.  VIII  1116 

1)  Die  Annahme  Martins,  Les  epistrateges  S.  122,  daß  der  Eid  im  I./IL  Jahrh.  dem 
Epistrategen  geleistet  sein  müsse,  ist  nicht  zwingend,  da  der  Epistratege  auch  noch 
im  ΠΙ.  Jahrh.  an  der  Spitze  der  Liturgie  Verwaltung  steht,  wenn  auch  die  Auslosung 
wegfallt.     S.  unten. 

2)  Charakteristisch  für  die  Zeit  vom  ΙΠ.  Jahrh.  an  ist  die  immer  stärkere  Ent- 
wicklung der  auch  schon  vorher  vorhandenen  ίτίΐμ,ύΐΗα  (cura).  Zahlreiche  Texte  in 
CPHerm.,  Oxy.  I  usw.  zeigen  uns,  in  welchem  Umfange  die  städtische  Verwaltung 
wie  im  besondern  das  Bauwesen  sich  der  vom  E,at  gewählten  έπ^ιελητοά  bediente. 
Auch  in  der  Tempelverwaltung,  die  jetzt  den  Städten  zufällt,  begegnen  uns  nun 
diese  έΛίμεληταί,  wie  in  BGU  362  (96)  und  dem  auf  S.  128  zitierten  P.  Thead.  Inv.  15. 
Vgl.  jetzt  auch  P.  Straßb.  72. 

3)  Vgl.  Lips.  57,  7   (Arch.  III  566). 

4)  Hierauf  wies  Oertel  hin. 

5)  Seine  historische  Begründung  ist  freilich  abzulehnen. 


§  2.    Die  Liturgien.  349 

(403)  gezeigt^  daß  in  der  Tat  Phyle  und  Amphodon  zusammenfallen^  na- 
türlich so,  daß  die  Phyle  die  Menschen,  das  Amphodon  den  Stadtteil  um- 
faßt. Diese  Phjlen  hatten  in  einem  festen  Turnus  die  Liturgen  zu  stellen. 
Zu  der  περίοδος  der  Phylen  vgl.  die  Bemerkungen  zu  Oxy.  VIII  1119  (397). 
Wie  wahrscheinlich  auch  der  Rat  bei  seinen  Wahlen  an  diesen  Turnus  ge- 
bunden war,  so  war  dieser  die  Grundlage  für  die  Vorschläge  der  άμφοΟο- 
γραμματείς.  Von  solchen  avadoöSLg  dieser  Beamten  handeln  z.  B.  Oxy.  81 
(a.  244  δ),  wo  Z.  7  jedenfalls  άμφοδογρααματεως  herzustellen  ist^),  BGU  IV 
1062  (276),  Oxy.  VUI  1119  (397).  In  aUen  drei  FäUen  handelt  es  sich  um 
Steuererhebungsbeamte,  teils  um  πράκτορες,  teils  um  einen  επιτηρητής 
ώνης  κτλ.  Über  die  weitere  Behandlung  dieser  άναδόαεις  und  ihr  Ver- 
hältnis zu  der  Tätigkeit  des  Rates  besteht  noch  große  Unsicherheit.  Wir 
erfahren  nicht,  an  wen  diese  άναδόόεις  gerichtet  wurden.  Wenn  ich  die 
klareren  Nachrichten  des  IV.  Jahrh.  hier  heranziehen  darf,  so  möchte  ich 
vermuten,  daß  sie  an  den  Strategen  gingen  und  nicht  an  den  Rat.  Dafür 
spricht  wohl  auch  die  Rolle,  die  der  Stratege  des  Oxyrhynchites  in  Oxy. 
1119  spielt.  Dieser  Text  zeigt  zugleich,  daß  der  Epistratege  auch  damals 
noch  an  der  Spitze  der  Liturgieverwaltung  stand. 

Deutlicher  sind  die  Verhältnisse  in  den  Dörfern.  Auch  hier  sind 
nach  202  —  und  wahrscheinlich  von  202  an  —  einige  Veränderungen 
gegenüber  der  früheren  Periode  zu  erkennen.  Einmal  wurden  die  άνα- 
δόόεις  nicht  mehr  vom  κωμογραμματενς,  sondern  von  den  jetzt  selbst 
liturgischen  κωμάρχαι  des  Dorfes  gemacht.^)  Andrerseits  zeigt  uns  Flor.  2 
(401)  vom  J.  2^ly,  daß  die  Erlösung  durch  den  Epistrategen  in  Wegfall 
kam.^j  Ein  Unikum  ist  bisher  Lond.  ΙΪΙ  S.  114/5  aus  der  Zeit  des  Su- 
batianus  Aquila  (von  202  an),  wonach  der  Vorschlag  des  κωμάρχης  zur 
Auslosung  an  den  Präfekten  geschickt  wurde.  Daß  der  Epistratege  für 
die  dörfischen  Liturgien  ganz  außer  Tätigkeit  gesetzt  sei,  ist  nach  Oxy. 
VllI  1119  (für  die  Metropolen)  nicht  wahrscheinlich. 

Femer  zeigt  uns  Flor.  2,  daß  der  Staat  immer  mehr  Bürgschaften 
für  die  Liturgen  verlangte.  Während  im  U.  Jahrh.  nur  die  cives  (ol  άπο 
τήί  κώμης)  die  Garantie  übernahmen,  werden  jetzt  auch  die  incolae  neben 
ihnen  als  Bürgen  genannt,  und  wie  Oertel  mit  Recht  betont,  tritt  dieselbe 
Richtung  auch  in  der  erst  jetzt  hin  und  wieder  hier  auftretenden  Formel 
έγγνώμε^α  ilg  παράόταόιν  entgegen,  womit  die  Komarchen  auch  die  Ge- 
steilungspHicht  übernehmen. 

Die  Rechtsquellen  unterscheiden  bekanntlich  nach  dem  Gesichtspunkt 
der  finanziellen  Belastung  die  munera  personalia  und  munera  patriinonii 
und   munera  mixta.     Für   diese   Fragen   sowie  für  die  Amtsführung  der 

1)  So  auch  Oertel. 

2)  Auch  dies  orkannto  Oertel. 

β)  Vgl.  Wilckon,  Arch.  III  62ii  f. 


350  Kapitel  VIU.     Fronarbeiten  und  Liturgien. 

Liturgen  verweise  ich  auf  die  systematische  Verarbeitung  des  gesamten 
Materials  durch  Oertel.  Hier  sei  nur  noch  erwähnt,  daß,  wie  schon  oben 
S.  216  für  die  Praktoren  festgestellt  wurde,  die  Liturgen  die  Möglichkeit 
hatten,  ihre  Amtsführung  vertragsmäßig  an  Vikare  zu  übertragen.  Außer 
den  schon  dort  für  die  Praktoren  erwähnten  Beispielen  (263,  264)  sei 
hier  nur  noch  auf  BGU  1062  (276)  als  ein  sehr  instruktives  Exempel  für 
έΛίτηρηταί  hingewiesen. 

Ehe  wir  zur  byzantinischen  Zeit  übergehen,  ist  noch  auf  die  allmäh- 
liche Ausdehnung  des  Zwanges  auf  die  städtischen  άρχαί  hinzuweisen. 
Vgl.  oben  S.  341  f.  Das  älteste  Beispiel  dafür,  daß  auch  auf  die  Übernahme 
einer  αρχή  und  zwar  der  Gymnasiarchie  ein  Zwang  ausgeübt  wurde,  kann 
man  in  Amh.  70  (149)  finden,  insofern  hier  eine  Einschränkung  der  Un- 
kosten der  Gymnasiarchie  verfügt  wird,  damit  die  in  dies  Amt  Einge- 
setzten es  προϋ'νμότε^ον  ausüben.  Dies  läßt  vermuten,  daß  schon  damals, 
um  115  n.  Chr.,  dies  wegen  seiner  hohen  Würde  sonst  viel  begehrte  Amt 
gelegentlich  zwangsweise  aufoktroyiert  wurde.  Einen  weiteren  Beleg  möchte 
ich  der  oben  besprochenen  Verfügung  Hadrians  betreffs  der  Antino'iten 
in  Oxy.  VIII  1119  (397)  entnehmen,  wonach  es  diesen  als  besondere» 
Privileg  verliehen  wurde,  nicht  außerhalb  ihrer  Stadt  aQiaC  und  Xixovq- 
γίαι  zu  übernehmen.  Also  konnten  die  Nichtprivilegierten  damals 
außerhalb  ihrer  ίδια,  wo  sie  incolae  oder  Grundbesitzer  waren,  zu 
den  άρχαί  ebenso  wie  zu  den  λείτονργίαΰ  herangezogen  werden.  Einen 
weiteren  Hinweis  auf  die  Oktroyierung  der  άρχαί  kann  man  ferner 
Oxy.  473  (33)  aus  der  Zeit  des  Pius  entnehmen,  insofern  der  hier  ge- 
ehrte Gymnasiarch  besonders  gelobt  wird,  daß  er  sich  freiwillig  zu  diesem 
Amt  gestellt  habe  (Z.  3:  Λαραδονς  fctfvrovj  sig  εκονουον  γνμν[α6^ίαρχίαν). 
Das  Hauptstück  aber,  das  auch  wohl  vor  allem  daran  schuld  ist,  daß  der 
Unterschied  zwischen  αρχή  und  λειτουργία  verdunkelt  wurde  ^),  ist  CPR  20 
(402)  vom  J.  250,  der  von  einem  auf  die  Übernahme  der  κοομητεία  aus- 
geübten Zwange  handelt.  Freilich  nennt  der  Text  selbst  ganz  korrekt  dies 
Amt  zweimal  αρχή  (Ζ.  13  und  18).  Wenn  man  nach  diesen  Beispielen 
auch  von  einer  gewissen  Annäherung  der  άρχαί  an  die  λειτονργίαι  reden 
kann,  so  ist  doch  zu  betonen,  daß  man,  wie  Oxy.  VIII  1119  zeigt,  auch 
noch  in  der  Mitte  des  III.  Jahrb.  zwischen  beiden  Begriffen  prinzipiell 
scharf  geschieden  hat.  Und  vor  allem:  die  für  die  Liturgien  charak- 
teristische Form  des  Vorschlags  und  der  Ernennung  der  Liturgen  {ανά- 
öoöig  auf  Grund  von  γραφαί  etc.)  ist  auf  die  άρχαί  niemals  übertragen 
worden,  wie  gleichfalls  aus  CPR  20  zu  entnehmen  ist.  Es  entspricht 
dieses  Ergebnis  durchaus  dem   Standpunkt  der  Rechtsquellen.     So    sagt, 

1)  Vgl.  Preisigke,  Stadt.  Beamt.  S.  14.  Er  beruft  sich  außer  auf  CPR  20  auch 
auf  Oxy.  I  71  I  17.  Die  hier  genannte  α^χη  ist  aber  nicht  die  έτΐίμ,έλεκχ  άννόονης  von 
Ζ.  15,  sondern  die  άρχιερωβύνη  von  Z.  2.     GIG  4707  ist  irrelevant. 


§  2.    Die  Liturgien.  351 

um  ein  Beispiel  für  viele  zu  geben,  Ulpian  (Dig.  50,  4,  3,  15):  praeses 
provinciae  provideat  munera  et  honores  in  civitatibus  aequaliter  per  vices 
secundum  aetates  et  dignitates,  ut  gradus  munerum  honorumque  ^C^l^iJ^ 
antiquitus  statuti  sunt,  iniungi  etc.  Also  gleichmäßiger  Zwang  zu  munera 
und  honores  bei  formeller  Scheidung  beider  Begriffe. 

Die  byzantinische  Zeit  hat  für  die  Behandlung  der  Liturgien  kaum 
wesentliche  Änderungen  gegenüber  dem  III.  Jahrb.  gebracht.  Wohl  muten 
uns  die  Texte,  die  von  ihm  handeln,  z.  T.  andersartig  an,  aber  das  liegt 
nur  daran,  daß  jetzt  die  neue  Verwaltung  funktioniert  mit  allen  ihren 
neuen  Begriffen  und  Titeln.  Vgl.  oben  S.  66  ff.  Was  etwa  neu  auf  dem 
Gebiete  der  Liturgien  erscheint,  ist  nur  eine  Wirkung  dieses  neuen  Hinter- 
grundes. 

Die  Wahl  der  städtischen  liturgischen  Beamten  steht  nach  wie  vor 
dem  Rate  zu,  aber  die  vollzogene  Wahl  wird  jetzt  durch  den  Prytanen 
dem  Kurator  (λογίότής)  gemeldet,  und  dieser  teilt  sie  dem  Gewählten 
unter  Ermahnungen  mit.  Vergleicht  man  diesen  Geschäftsgang,  wie  er 
uns  in  Oxy.  VI  892  (a.  338)  entgegentritt,  mit  BGÜ  362  V  (96),  wo  der 
Rat  selbst  durch  den  Prytanen  dem  Gewählten  die  Wahl  mitteilt  und  ihn 
ermahnt,  so  tritt  uns  hier  doch  eine  durch  das  Eingreifen  des  Kurators 
eingetretene  Verschiebung  in  der  Stellung  des  Rates  entgegen.  Außer  den 
städtischen  Liturgen  sind  auch  in  dieser  Zeit  wie  schon  im  III.  Jahrb. 
manche  der  staatlichen  Liturgen  vom  Rat  gewählt  worden,  wie  z.  B.  der 
επιμελητής  κρίσης  in  Lond.  III  S.  129  und  die  im  Dienste  der  annona 
stehenden  δίαΟόται,  in  Giss.  54.  Es  scheint,  daß  immer  mehr  Amter 
den  Dekurionen  zur  Wahl  zugewiesen  worden  sind,  um  die  Haftpflicht 
der  ßovXy  noch  zu  steigern.  In  besonderen  Einzelfällen  erteilte  die 
Regierung  den  Kurien  durch  den  Strategen  den  Befehl,  Beamte  zu  er- 
wählen. So  geschah  es  im  J.  288,  als  Unordnungen  und  Verschwendung 
in  der  Verwaltung  der  kaiserlichen  Patrimonialgüter  eingerissen  Λvaren, 
daß  die  Kurien  der  Heptonomia  durch  den  Strategen  aufgefordert  wurden, 
für  jede  ονόία  einen  vertrauenswürdigen  φροντιατή^  zu  erwühlen,  natür- 
lich χινδννω  εχάοτης  ßovXrjs  (Oxy.  I  58  [378 1).  Derselbe  Geschäftsgang 
liegt  in  Oxy.  60  (43)  vor,  wo  der  Präses  durch  den  Strategen,  d.  h.  den 
Exaktor,  den  Hat  von  Oxyrhynchos  auffordert,  einen  Mann  für  den  Trans- 
port von  3000  Pfund  Fleisch  für  die  Truppen  in  Nikopolis  zu  erwählen. 

Über  den  Wahlniodus  erhalten  wir  auch  für  diese  Periode  keine  ge- 
nauen Details.  Vielleicht  darf  man  aus  Amh.  82,  6  f.:  ^v  rf)  χρατίότ^ 
βυνλη  —  [t]ii/^S  απόντα  εΐλαντο  Hchließen,  daß  die  vorliegende  Wahl 
nicht  von  der  gesamten  Kurie,  sondern  von  einem  Ausschuß  vollzogen 
war.'j    Auch  in  P.  Cair.  Preis.  13,8  und  14,7  scheint  ein  Ausschuß  des 

1 ,  FOr  die  AnDabmo  Preiiigket  (8t&dt.  Beamt  8.  10,  dafi  im  III.  Jahrb.  ein  An•- 


352  Kapitel  VIII.     Fronarbeiten  und  Liturgien. 

Rates  gemeint  zu  sein,  wenn  der  Wortlaut  auch  noch  nicht  feststeht. 
Wir  hören  femer,  daß  ehenso  wie  im  III.  Jahrh.^)  der  Prytan  resp. 
Λρόεδρος  es  war,  der  die  Kandidaten  nominierte  (όνομάξει,ν).  Vgl. 
Lond.  III  S.  129,  6  und  14^),  auch  Giss.  54  (420).  In  letzterem  Falle  hat 
ein  designierter  Prohedros  (μελλοττρόεδρος)  die  6νομαΰία  vollzogen.  Es 
ist  sehr  zu  bedauern,  daß  hier  in  Z.  7  das  entscheidende  Wort,  das  uns 
über  die  weitere  Behandlung  der  όνομαβία  Aufschluß  geben  würde,  kor- 
rumpiert ist.  Es  steht  da:  εΐ  με[ν]  έμαθες ^  otl  έκηρονοΟ-η  η  όνομαΰία 
6ον.  Die  όνομαοία  ist  schon  vollzogen;  sohald  nun  das  έκηρονο^η  ein- 
getreten ist,  soll  der  Gewählte  sein  Amt  schleunigst  antreten.  Der  Heraus- 
geber schwankt  zwischen  εκρονΰϋ•η^  έκηρνχϋ-η^  εκνρώΰ^η^  έκηρώϋ-η.  Mir 
will  έκνρώ^'η  am  besten  gefallen.  Dann  würde  die  Wahl  durch  die  Kurie 
als  die  Gültigmachung,  Bestätigung  der  Nomination  durch  den  πρόεδρος 
aufgefaßt  sein.     Aber  sicher  ist  das  nicht. 

Die  Frage  des  Appellationsrechtes  im  Falle  ungerechter  Vorschläge 
wird,  wenn  ich  nicht  irre,  in  Amh.  82  (Anfang  des  IV.  Jahrh.)  berührt; 
leider  ist  auch  dieser  Text  an  der  wichtigsten  Stelle  verstümmelt.  Hier 
beschwert  sich  beim  praefectus  Aegypti  ein  Mann,  der  von  der  Kurie  in 
seiner  Abwesenheit  zum  Logographen  gewählt  worden  war,  wiewohl  er 
aus  den  schon  oben  S.  344  Anm.  1  mitgeteilten  Gründen  nach  seiner  An- 
sicht untauglich  (άνεπιχΎΐδείΟζ)  hierzu  war.  Als  er  nach  seiner  Rückkehr 
von  der  Wahl  hörte,  ovo  ε  έκκλη[1Ί  B\lGh.st.]^'ηv  τω  καΐ  τάς  ημέρας  τάς 
νενομιβμένας^   δεΙ  γαρ    τΐαρα  [τδ]ν   [ca.  14  Buchst.   λ8γ]ε[ί]ν^)   τα   άληϋ-η^ 

παρεληλνϋ-εναι^   αλλ'    έταοτάλματι   χρηόάμενος    [ένετνχον ττ}   κρα]- 

τίΰττ]  βονλγι  κτλ.  Hier  erfahren  wir,  daß  es  eine  gesetzlich  festgelegte 
Frist  für  den  im  Anfang  gemeinten  Reklamationsweg  gab.  Weil  diese 
Frist  abgelaufen  war,  hat  er  sich  dann  in  einem  Schreiben  an  den  Rat 
gewendet.  Aber  welches  war  der  erste  Weg?  An  έκκληβια,  was  weite 
Konsequenzen  hätte,  kann  schon  wegen  des  Fehlens  des  Artikels  nicht 
gedacht  werden.  Mir  schwebt  εκκλητος^  womit  der  Begrijff  der  Berufung 
—  Appellation  —  verbunden  sein  kann,  vor,  aber   ich   wage   keine   be- 


schuß  gewählt  habe,  bleiben  nur  die  nicht  ganz  klaren  Worte  in  BGU  144  II  1: 
γιρέϋ'η  vTtb  [τ]ών  έπϊ  τον  άπο  της  αντής  βουλής.  BGÜ  362  V  fällt  mit  der  irrigen 
Ergänzung  άρχοντες  βονλή[ς  fort, 

1)  Vgl.  CPR  20  bei  der  Wahl  einer  άρχη. 

2)  Hier  kommt  der  Gedanke,  daß  nur  ein  Ratsherr  zum  επιμελητής  κρι&ής  quali- 
fiziert ist,  zum  klaren  Ausdruck:  ό  γ^ίρ  μη  βονλενων  τοιαντην  λιτονργίαν  νφίΰ\τα]6%•αι 
ον  δνναταυ  (Ζ.  16). 

3)  Ich  ergänze  Z£y]s[/]v.    Die  Herausgeber,  die  τταρά  [το]ν  [καιρόν ] 

£[i]v  lasen,  nahmen  an,  daß  mit  dieser  Parenthese  auf  die  Einhaltung  der  Frist  hin- 
gewiesen werde.  Ich  glaube  vielmehr,  daß  wir  hier  denselben  trivialen  Gemeinplatz 
vor  uns  haben,  wie  in  Straßb.  41,  18:  δεΙ  γαρ  τα  άληϋ'ή  λέγειν,  wo  gleichfalls  die 
Notwendigkeit  dieser  Versicherung  gerade  an  dieser  Stelle  nicht  einzusehen  ist. 


§  2.    Die  Liturgien.  353 

stimmte  Ergänzung.^)  In  der  Sache  glaube  ich  aber  nicht  zu  fehlen,  denn 
ein  AppeUationsrecht,  für  dessen  Ausübung  eine  bestimmte  Frist  gegeben 
war,  ist  aus  den  juristischen  Quellen  bekannt.  Ich  zitiere  z.  B.  Ulpian 
(Dig.  50,  δ,  1  pr.):  quare  et  qui  liberorum  incolumium  iure  a  muneribus 
civilibus  sibi  vindicant  excusationem,  appellationem  interponere  debent: 
et  qui  tempora  praefinita  in  ordine  eiusmodi  appellationum  peragendo 
non  servaverint,  merito  praescriptione  repelluntur.  Hierdurch  scheint  mir 
die  SteUe  in  Amh.  82  ihre  Erklärung  zu  finden. 

Wie  im  ΙΠ.  Jahrb.,  so  stehen  auch  jetzt  neben  der  Wahl  durch  die 
Kurien  die  Vorschläge  der  Amphodon-  resp.  Phylenbeamten.  Während  wir 
aber  für  das  III.  Jahrb.  nur  mutmaßen  konnten,  an  wen  diese  Eingaben 
gerichtet  waren  (s.  oben  S.  349),  ist  uns  für  diese  Zeit  der  Adressat  ge- 
nannt. In  Oxy.VlII  1116  (403)  schlägt  der  ϋνύτάτης  (d.  h.  „der  Empfehler'^ 
eines  Amphodon  dem  Kurator  eine  Person  für  eine  Liturgie  am  Augustus- 
tempel  von  Alexandrien  vor.  Der  Vorschlag  geschieht  τω  Ιδίω  μον  κιν- 
όννω.  Der  Kurator  spielt  auch  in  Oxy.  I  86  (46)  in  einer  ähnlichen  Sache 
die  entscheidende  RoUe  —  es  handelt  sich  um  die  Stellung  eines  Matrosen 
durch  die  Stadt  — ,  indem  der  Kurator  von  dem  betreffenden  κυβερνήτης 
gebeten  wird,  den  lässigen  ύνοτάτης  zur  Stellung  des  ναύτης  zu  zwingen. 
In  einem  andern  Falle  tritt  uns  der  ΰτρατηγος  ήτοι  έ^άκτωρ  als  derjenige 
entgegen,  der  den  Phylenbeamten  —  hier  den  φνλαρχοξ  —  zum  Vor- 
schlag eines  νποδίκτης  auffordert.  So  in  dem  P.  Lips.  Inv.  362,  dessen 
Anfang  ich  in  der  Einleitung  zu  Nr.  43  mitgeteilt  habe.  Endlich  haben 
wir  in  Lips.  65  (404),  66  (und  mehreren  anderen  Parallelen,  die  in  der 
ersten  Ausgabe  z.  T.  mitgeteilt  waren)  vom  Jahre  390  Belege  für  Vor- 
schläge des  γνωότήρ  einer  Phyle,  die  an  den  ννκτοΰτράτηγος  gerichtet 
-ind.  Hier  handelt  es  sich  um  Liturgen,  die  in  dem  Bureau  des  ννχτο- 
ιτράτηγος  selbst  arbeiten  sollen,  und  daraus  erklärt  sich,  daß  die  Mit- 
i'-ilung  an  ihn  geht.  Sehr  bemerkenswert  ist,  daß  in  manchen  der  Par- 
lUeltexte  ein  Ersatzmann  vorgeschlagen  wird  für  einen,  der  bezeichnet  wird 
ils  μη  ευρεθέντος  μετά  τον  κλτ\ρον.  Das  kann  doch  wohl  nur  heißen, 
Iriß  der  Betreffende,  als  er  gehört  hatte,  daß  er  ausgelost  sei, 
i^  Weite  gesucht  hatte,  so  daß  er  nicht  zu  finden  war.  Es  ist  die 
inzige  Nachricht,  so  weit  ich  sehe,  die  uns  zu  der  Annahme  zwingt, 
laß  im  IV.  Jahrh.  Erlösungen  stattfanden.  Eh  ist  dies  um  so  über- 
ruechendor,  al»  wir  im  111.  Jahrh.  kein  Beispiel  mehr  für  diesen  Gebrauch 
nachweisen  konnten.  Wann  eine  solche  Losung  eintrat,  auf  welche  Fälle 
sie  beschränkt  war,  läßt  sich  zurzeit  nicht  sagen. 

Wir   heben    soeben    durch  Oxy.  Vlil  1119(897)  vom  .1.  l^)l    einen 

Milleicht  ohUl  ίχ%Χτι[τον  .  19Όνή\9^τ\ν.    Kh  w&ro  6i%i\v  hinsusudoukoii 

"fKjr  /u  H('hreil>6n. 

Mtttola.Wtlekcn:  OraadeOg•  L  98 


354  Kapitel  VIII.     Fronarbeiten  und  Liturgien. 

Fall  kennen  gelernt,  in  dem  ein  άμφοδογραμματενς^  der  ungesetzliclie 
Vorschläge  gemacht  hatte,  selbst  die  betreifenden  Liturgien  übernahm.^) 
Einen  ähnlichen  Fall  glaube  ich  in  Flor.  39  (405)  vom  J.  396  nach- 
weisen zu  können,  indem  ich  in  Z.  6  κα[τ'  αγνοιαν]  ergänze  Vgl.  die 
Einleitung. 

Was  endlich  die  in  den  Dörfern  gemachten  Vorschläge  betrifft,  so 
zeigen  sie,  abgesehen  von  dem  neuen  Beamtenpersonal,  keine  wesentlichen 
Veränderungen  gegenüber  denen  des  ΙΠ.  Jahrb.,  nur  daß  die  Garantien, 
die  der  Staat  verlangt,  inzwischen  noch  größer  geworden  sind.  In  den 
uns  erhaltenen  άναδόοεις  sind  die  Vorschläge  teils  wie  vorher  von  den 
Xomarchen  oder  auch  von  den  Komarchen  zusammen  mit  andern  Beamten 
(Cair.  Preis.  18.  19),  teils  von  dem  γνωοτηρ  της  κώμης  (Lond.  III  S.  227) 
gemacht.  Gerichtet  sind  sie  nunmehr  an  den  praepositus  pagi  —  vgl. 
Amh.  139  (406),  Lond.  III  S.  227,  Cair.  Preis.  18, 19  —  oder  an  Spezial- 
beamte,  wie  die  χωματετϋείκται,  wenn  es  sich  um  deren  ünterpersonal 
(νδροφνλακες)  handelt.^)  Vgl.  Lond.  ΠΙ  S.  224 — 227.  Die  παράΰταΰις- 
Formel,  die  in  der  Mitte  des  IIL  Jahrh.  sich  erst  in  den  Anfängen  zeigte, 
ist  jetzt  weiter  ausgebildet  und  steht  regelmäßig.  Aber  auch  hiermit  ist 
der  Staat  noch  nicht  zufrieden.  Er  verlangt  jetzt  außer  aUen  diesen 
Garantien  noch  die  Stellung  eines  besonderen  Bürgen  durch  den  Li- 
turgen.  Hierdurch  erklären  sich  die  meisten  der  uns  erhaltenen  Ge- 
stellungsbürgschaften (παραοτάόείς)^  in  denen  der  Bürge  im  besonderen 
für  die  μονή  καΐ  έμφάνεια  des  Liturgen  einsteht.^)  So  haben  wir  kürzlich 
in  Cair.  Preis.  20  (IV.  Jahrh.)  eine  «^(^^^^(ίφτ)  λιτονργών  kennen  gelernt, 
in  der  immer  neben  dem  Liturgen  sein  έγγνητης  genannt  ist. 

Fragen  wir  zum  Schluß,  wie  das  Liturgiesystem  gewirkt  hat,  so 
müssen  wir  es  als  den  Totengräber  des  bürgerlichen  Wohlstandes  be- 
zeichnen. Wenn  ich  oben  bei  Besprechung  der  Bodenwirtschaft  zu 
zeigen  hatte,  wie  der  Fiskalismus  auf  diesem  Gebiete  zahlreiche  Existenzen 
vernichtet  hat,  wie  die  Flucht  der  Landbevölkerung  aus  der  Heimat  in 
erschreckendem  Maße  durch  die  Jahrhunderte  zugenommen  hat  und  auch 
noch  fortbestand,  als  man  sie  als  Coloni  gesetzlich  an  die  SchoUe  fesselte, 
so  bieten  unsere  Urkunden  zusammen  mit  den  Angaben  der  RechtsqueUen 
fast  noch  mehr  Zeugnisse  dafür,  wie  die  wohlhabenden  Kreise,  die  für 
die  Liturgien  und  die  oktroyierten  άρχαί  in  Betracht  kamen,  wirtschaft- 
lich ruiniert  und  gleichfalls  oft  zur  Flucht  von  der  Heimat  gezwungen 
wurden.  Ich  möchte  konstatieren,  daß  wir  ähnliche  Erscheinungen  aus 
der  Ptolemäerzeit,    der   nach   Obigem    der  Amtszwang    fremd   war,    nicht 


1)  Vgl.  auch  meine  Einleitung  zu  CPR  20  (402). 

2)  Vgl.  den  Vorscblag  an  den  νν>ιτο6τράτηγος  in  Lips.  65  oben  S.  353. 

3)  Vgl.  meine  Besprecliung  von  Wengers  Papyrusforschungen  in  der  Deutsch. 
Lit.-Z.  1902  Sp.  1141  f.;  Mitteis  zu  Lips.  45;  Preisigke  zu  Straßb.  46. 


§  2.    Die  Liturgien.  355 

kennen.  Wohl  haben  wir  auch  für  jene  Zeit  Zeugnisse  für  die  Flucht 
der  Bauern  kennen  gelernt^),  aber  von  einer  Flucht  der  Beamten  hören 
wir  nichts.^)  Aus  dem  I.  Jahrh.  n.  Chr.  sind  noch  keine  Belege  für  den 
Druck  der  Liturgien  bekannt,  da  ja  für  diese  Zeit,  wie  oben  bemerkt  wurde, 
überhaupt  noch  keine  direkten  Erwähnungen  von  Liturgien  vorliegen. 
Möglich,  daß  damals  noch  keine  Liturgien  bestanden.  Gab  es  solche,  wie 
ich  eher  glauben  möchte,  so  war  vielleicht  zu  Anfang  der  Druck  noch 
nicht  so  schwer  wie  später,  zumal  im  L  Jahrh.  die  wirtschaftlichen  Zu- 
stände im  allgemeinen  noch  glücklichere  gewesen  zu  sein  scheinen.  Vom 
IL  Jahrh.  an  tritt  uns  dann  fast  überall,  wo  ausführlicher  von  Liturgien 
gesprochen  wird,  das  βάρος  των  λειτουργιών,  die  durch  sie  hervorgerufene 
άό&ενεια  (die  wirtschaftliche  Erschöpfung),  die  Sehnsucht  nach  άνάχτηόις 
(Erholung)  und  άνάπανμα,  und  daher  die  Gefahr  des  μη  έπιμενειν  εν  ττι 
Ιδία  und  schließlich  die  Flucht,  die  ψνγγι  oder  άναχώρηΰίς  und  das 
aXäöd-at  έτά  ξένης  entgegen.  Um  eine  Vorstellung  von  diesem  Elend  zu 
bekommen,  lese  man  etwa  die  folgenden  Texte,  die  ich  in  chronologischer 
Folge,  so  weit  möglich,  aufzähle:  Fay.  106  (394),  BGU  372,  δ  ff.  (19), 
Flor.  91,  Teb.  327  (394),  Gen.  37  (400),  Oxy.  IV  705  III  (407),  BGU  159 
(408),  CPR  20  (402).  Für  die  byzantinische  Zeit,  für  die  die  Rechts- 
quellen mit  ihrem  reichen  Material  über  die  Flucht  der  Dekurionen  die 
Urkunden  überbieten,  lese  man  die  oben  erwähnten  GesteUungsbürg- 
schaften  mit  ihrer  stereotypen  Garantie  für  das  „Bleiben  und  Sichzeigen" 
der  Liturgen,  in  der  sich  die  Angst  der  Regierung  vor  der  Flucht  ihrer 
Liturgen  wiederspiegelt,  und  die  ergreifende  Eingabe  jener  Martha,  die 
ihre  Schwester  auslösen  möchte,  die  ihr  durch  Liturgien  verarmter  Vater 
für  einen  Solidus  hatte  verpfänden  müssen  (Cair.  Cat.  67023  vom  J.  569).*) 
Wenn  irgend  etwas,  so  ist  dies  Liturgiewesen  daran  schuld,  daß  wir  in 
unsem  Urkunden  schließlich  fast  nur  von  ganz  großen  Grundbesitzern 
oder  aber  von  verarmtem  Proletariat  hören. 


1)  Vgl.  8.  276. 

2)  Der  τοηογραμμχηενς,  der  nach  Lille  8,  78  ff.  geflohen  war,  war  als  Domauial- 
[..'iihter  verechttldet. 

8)  Z.  14:  Λ[ρ]ό  τοϋ  τόν  ίαντο[ϋ]  βίον  άΛθλΗτ[ον]ργήαα[ι]1     Vgl    Arch.  V  U6. 


KAPITEL  IX. 

DAS  YEßPFLEGÜNGSWESEN. 

§  1,  HOF,  BEAMTENSCHAFT  UND  HEER. 

Es  soll  hier  nicht  auf  die  Fragen  der  Besoldung  der  einzelnen  Be- 
hörden und  Truppenteile  eingegangen  werden^  sondern  die  allgemeinen  Maß- 
regeln zur  Beschaffung  der  öffentlichen  Natural  Verpflegungen  sollen  hier 
kurz  dargelegt  werden. 

Für  die  Ptolemäerzeit  kommt  zunächst  der  König  und  der  Hof  in 
Frage.  Es  war  eine  altägyptische  Einrichtung,  daß,  wenn  der  König  oder 
der  Hof  durch  das  Land  reisten,  die  einzelnen  Ortschaften  für  die  Ver- 
pflegung zu  sorgen  hatten.^)  Mehrere  Texte  zeigen  uns,  daß  diese  Ver- 
pflichtung auch  in  die  Ptolemäerzeit  mit  übernommen  wurde.  Aus  dem 
in.  Jahrhundert  stammt  Petr.  Π  39  (e),  wo  3,  18  und  8,  24  unter  ver- 
schiedenen Abgaben  von  Kleruchen  auch  ein  ατεφανος  für  eine  Λαρονοία 
erwähnt  wird^),  und  zwar  wird  dieser  sogenannte  ΰτεφανος  in  Weizen  ge- 
liefert. Wie  den  Dörfern  aus  Anlaß  der  königlichen  τΐαρονβία  Extraabgaben 
an  Weizen  auferlegt  wurden,  zeigt  Teb.  I  48  (409)  aus  dem  Ende  des 
IL  Jahrhunderts.  Von  der  Λαρονοία  einer  ßaöCliuua  handelt  das  Ostrakon 
Brit.  Mus.  25751  (Griech.  Ostraka  II  n.  1481)  aus  dem  IL  Jahrhundert. 

Ebenso  hatte  das  Land  aber  auch  den  Beamten,  im  besondern  den  hohen 
Staatsbeamten  aus  Alexandrien,  wenn  sie  auf  Reisen  waren,  Verpflegung  zu 
liefern,  und  darüber  haben  wir  bessere  Nachrichten  als  über  die  reguläre  Ver- 
pflegung der  Beamten.  Wir  haben  drei  Texte  aus  dem  III.  Jahrb.,  die  sich 
auf  die  τίαρονΰία  desselben  Dioiketen  Χρνΰιτίπος  beziehen.  Der  früheste 
(P.  Cairo  10250:  Arch.  II  80  [410])  zeigt,  daß  das  Getreide  für  die  Brote 
durch  Zwangskäufe  zusammengebracht  wurde  {βυνηγοραύμένοζ  άρτος), 
während  der  etwas  jüngere  Grenf.  II  14  b  [411]  von  den  ξένια  (Gänsen, 
Tauben  usw.)  handelt,  die  offenbar  nicht  bezahlt,  sondern  als  außerordent- 
liche Abgabe  requiriert  wurden.  Vgl.  auch  Petr.  III  S.  152.  Für  das 
IL  Jahrhundert  haben  die  Tebtjnistexte  mehrere  Belege  für  solche  Liefe- 


1)  Vgl.  Ad.  Erman,  Ägypten  und  ägyptisches  Leben  I  162  f. 

2)  Vgl.  meine  Griech.  Ostraka  I  275,  wo  ich  άλλου   (seil,  ατεφάνον)  tcccqovöiccs 
hergestellt  habe. 


§  1.    Hof,  Beamtenschaft  und  Heer.  357 

rungen  für  die  TtagovöCa  oder  κοίτη  von  Beamten  gebracht.  Vgl.  Teb.  I 
121,  95  ff.  (wo  auch  ein  ύνμπόόιον  erwähnt  wirdj,  122  (Abrechnung  für 
eine  τιοίτΎΐ  über  Wein,  Vögel,  Ol,  Gerste,  Linsen,  Heu,  Brote,  Kohl,  Kne- 
kosöl),  179,  180,  253.  Vgl.  auch  182,  wo  eine  πQoφγιτov  παρονΰύα  er- 
wähnt wird. 

Daß  es  bei  diesem  Naturalsystem  im  Lande  des  Bakschisch  leicht  zu 
Übergriffen  der  Beamten  kam,  läßt  sich  denken.  So  enthält  Petr.  II  10 
(1)  flu.  Jahrhundert)  eine  bewegliche  Klage  der  königlichen  Gänsezüchter 
(vgl.  oben  S.  256)  gegen  einen  Oikonomos,  der  eig  τα  \ivui  zuviel  Gänse 
von  ihnen  verlaugt  hatte.  Aus  dem  Ende  des  III.  Jahrhunderts  hat  uns 
der  Obelisk  von  Philae  eine  Klage  der  Isispriester  erhalten,  in  der  sie 
sich  darüber  beschweren,  daß  die  durchreisenden  Beamten  und  Truppen 
sie  zwingen,  παρονοίας  αντοίς  noula^ai^  so  daß  der  Tempel  wirtschaft- 
lich geschädigt  werde.  ^)  Das  Verbot  des  Euergetes  U  in  Teb.  5,  178  ff. 
bezieht  sich  z.  T.  auf  die  Unsitte,  daß  die  Beamten  anläßlich  der  Über- 
nahme oder  der  Erneuerung  ihres  Amtes  der  Landbevölkerung  Natural- 
lieferungen  auferlegten. 

Endlich  zeigt  uns  Teb.  33  (3),  daß  auch  vornehme  Reisende,  wie  der 
römische  Senator,  die  als  Gäste  des  Königs  betrachtet  wurden,  gleich- 
falls ^aVta  (Brote  usw.)  von  der  Bevölkerung  zu  empfangen  hatten. 

Bezüglich  der  Verpflegung  der  Truppen  haben  die  Papyri  gezeigt, 
daß  sie  außer  dem  Solde  in  Geld  (όφώνιον)  Nat Urallieferungen  erhielten, 
die  aber  schon  im  IL  Jahrhundert  zum  größten  Teil  adäriert  waren.  ^) 
Die  von  der  Regieruug  berechneten  Geldäquivalente,  die  natürlich  sehr 
geringe  Preise  zugrunde  legten,  nannte  man  όυτώνια,,  was  auf  die  Be- 
stimmung zum  Getreideankauf  hinweist.  Wir  haben  nun  einige  Texte,  die 
die  Vermutung  nahelegen,  daß  die  Ankäufe  für  die  Truppen  zwangsweise 
erfolgten.')  So  wird  der  άγοραβτόξ  (seil.  6ΐτοξ\  d.  h.  das  von  der  Regie- 
rung gekaufte  Getreide  (frumentum  emptum  der  Römer)  gelegentlich  par- 
allel dem  έκφόριον  als  Leistung  an  den  Staat  erwähnt.  Vgl.  Petr.  III 
100  (b).  Es  war  also  pflichtmäßig  zu  liefern  wie  die  Bodenrente.  Ich 
glaube,  daß  auch  der  Gegensatz  von  φοριχός  und  άγοραοτός  (όΐτος)  in 
Petr.  II  20  II  nichts  anderes  besagt.*)  Zum  άγοραότοζ  vgl.  auch  noch 
Petr.  II  48,  7  und  16;  30  (a)  (τυν  άγοραοτυν  ov  ή  τιμή  άντιΟιαγέγραπ- 
rr  /    .    Petr.  III  113,  5.      Wiihrend    hier   überall    eine    Beziehung   auf   das 

\,  Vgl.  Wikken.  Hermoe  22,  iff.;  Dittenberger,  Or.  Gr.  I  189. 

2)  Vgl.  meine  Bemerkungen  zu  Theb.  Bank.  V  und  Qriech.  Oitrak»  I  669  IT. 
Die  Ilaupttexie,  Lond.  I  8.  87  ff.,  Theb.  Bank.  V— VII  und  die  entapreoh enden  Texte 
au•  KenlloutN  M('lange8  werde  ich  in  den  UPZ  neu  behandeln. 

»)  Vgl.  Hoetowzew,  Fauly-Wiee.  VII  166. 

1;  Andorn  BonchC'-I^clerc«!  III  »76,  auch  Roitoinew,  Arcb.  III  Sil,  der  spUter 

bei  Pauly-Wiimowa  1.  '•     !•  •  -^  »■♦   •  •  Deutung  von  άγο^α^χάς  (-'  ^"ί *'>m  emptum) 

gegeben  hat. 


358  Kapitel  IX.     Das  Verpflegungswesen. 

Militär  nicht  angedeutet  ist^),  handelt  Amk  29  (um  250  v.  Chr.)  sicher 
Yon  der  Truppenverpflegung  ^),  und  hier  findet  sich  das  Wort  βνναγορά- 
ζειν  für  die  Zwangsankäufe  der  Regierung,  das  uns  in  410,  6  begegnete 
und  in  Texten  der  späteren  Zeit  sehr  häufig  ist  (s.  unten).  In  Amh.  29, 15 
wird  durch  königlichen  Erlaß  das  unbefugte  Aufkaufen  verboten  {μηδέ 
όυναγοραζέτωΰαν  μήτε  α[ντοΙ  μήτε  οι]  ντΐηρεταί  αντών  Λαρενρεοεί  μηδε- 
μ[ίαι).  So  kamen  also  auch  bei  der  Heeresverwaltung  ebenso  wie  bei 
den  Zivilbeamten  (s.  oben)  Übergriffe  vor.  Vgl.  auch  die  oben  erwähnte 
Inschrift  des  Obelisken  von  Philä,  die  sich  gegen  das  Militär  ebenso  wie 
gegen  die  Beamten  richtet. 

In  der  Kaiserzeit  bestand  natürlich  in  den  seltenen  FäUen,  daß  ein 
Kaiser  Ägypten  bereiste,  die  alte  Verpflichtung  der  Bevölkerung,  den 
Pharao  zu  verpflegen,  weiter  fort.  Einen  historisch- interessanten  urkund- 
lichen Beleg  dafür  bietet  ein  noch  unveröffentlichtes  Ostrakon  der  Straß- 
burger Sammlung  (412),  das  ich  vor  einigen  Jahren  kopierte.  Es  handelt 
sich  hier  um  die  Vorbereitungen  zum  Besuch  des  Kaisers  Hadrian  in 
Theben  (a.  130).  Der  Text  zeigt,  daß  speziell  aus  Anlaß  dieses  bevor- 
stehenden Besuches  liturgische  Beamte  für  die  Erhebung  der  für  die 
Verproviantierung  nötigen  Naturalien  (hier  der  Gerste)  eingesetzt  waren. 
Die  „Lieferung"  für  den  kaiserlichen  Reisenden  wird  hier  (wie  in  415) 
mit  dem  ter minus  technicus  παροχή  bezeichnet,  was  zur  Erklärung  der 
parochi  in  Horaz'  Satir.  1,  5,  46  beiträgt.  Historisch  vielleicht  von  noch 
größerem  Interesse  ist  ein  gleichfalls  noch  unpubliziertes  Ostrakon  des 
Louvre  (413),  das  ich  leider  nur  unvollständig  transkribierte,  das  von 
dem  aus  Tacitus,  annal.  II  59  uns  vertrauten  Besuch  des  Prinzen  Grer- 
manicus  in  Theben  handelt.  Soweit  ich  den  Text  verstehe,  handelt  er 
von  einer  Zahlung  für  Weizen  —  εΙς  Λαρονβίαν  Γερμανικού  Καίύαροξ 
vom  25.  Januar  19  η.  Chr.  (vgl.  meinen  Kommentar). 

Schwerer  als  diese  seltenen  Besuche  von  Kaisern  und  Mitgliedern  der 
kaiserlichen  Familie  mußten  die  Reisen  der  Präfekten  auf  dem  Lande 
lasten^),  da  diese  ja  häufig  Inspektionsreisen  durch  ihre  Provinz  machten*), 
abgesehen  von  den  alljährlichen  Reisen  in  die  Konventsstädte,  die  andrer- 
seits große  Einnahmen  durch   den  Konvent  hatten.^)     Das  früheste  Bei- 


1)  An  sich  wäre  möglich,  daß  auch  das  für  die  Verpflegung  der  reisenden  Be- 
amten wie  in  Arch.  II  80  (410)  für  den  Dioiketen  aufgekaufte  Getreide  mit  darunter 
fiele.  Nur  scheint  in  jenen  Texten  der  ayogaötos  eine  regelmäßige  Abgabe  zu  sein, 
während  diese  nur  außerordentlicherweise  ad  hoc  erhoben  wurden. 

2)  Vgl.  Wilcken,  Arch.  II  118. 

3)  In  den  anderen  Provinzen  war  es  nicht  anders.  Vgl.  die  Verordnungen  in 
Dig.  1,  66,  6,  3,  die  zugleich  zeigen,  daß  die  Statthalter  bezüglich  der  xenia  gern 
über  die  Stränge  schlugen. 

4)  Vgl.  zu  diesen  Reisen  meine  Ausführungen  im  Arch.  IV  415  fiP. 

5)  Arch.  IV  403. 


§  1.    Hof,  Beamtenschaft  und  Heer.  359 

spiel  bietet  z.  Z.  das  Ostrakon  Brit.  Mas.  16467  (=  Gr.  Ostraka  Π  η.  1372) 
aus  Theben,  das  eine  παρονόία  des  bekannten  Präfekten  Flaccus  vom 
J.  33  n.  Chr.  betrifft  (414).  Hier  wird  wie  in  dem  Germanicus-Text  von 
dem  Kontribuenten  Geld  gezahlt  für  Weizen.  Reichere  Aufschlüsse  bietet 
jetzt  Lond.  ΙΠ  S.  112  ff.  (415)  aus  der  Zeit  des  Pius,  eine  Vorschlags- 
liste für  die  Liturgen,  die  für  den  Besuch  des  Statthalters  Valerius 
Proculus  für  die  Beschaffung  des  nötigen  Proviants  zu  sorgen  hatten.  — 
Die  neue  Beamtenschaft,  die  uns  seit  Diokletian  entgegentritt,  wird  hin- 
sichtlich der  Verpflegung  dieselben  Anrechte  gehabt  haben  wie  die  der 
älteren  Zeit.  Als  Beispiel  verweise  ich  auf  Lond.  III  S.  240  (IV.  Jahr- 
hundert), wo  über  die  Ausgaben  anläßlich  eines  Besuches  (επιδημία)  des 
y.ad-oXixog  und  ferner  des  έπαρχος^  also  des  Präfekten  aus  Alexandrien 
abgerechnet  wird. 

Für  die  Verpflegung  des  Heeres  haben  wir  für  die  römische  und 
byzantinische  Zeit  ein  reicheres  Material  als  für  die  Ptolemäerzeit.  Die 
Grundzüge  der  Entwicklung,  die  hier  zu  beobachten  ist,  habe  ich  schon 
oben  S.  188  anläßlich  des  Steuersystems  kurz  dargelegt.  Wir  finden  hier 
einmal  das  ptolemäische  System  der  Zwangsankäufe,  das  bis  ins  Ende  des 
II.  Jahrhunderts  zu  verfolgen  ist,  und  andrerseits  eine  spezielle  Abgabe 
für  die  Verpflegung  des  Heeres,  die  etwa  aus  denselben  Zeiten  unter 
dem  Namen  der  annona  militaris^)  begegnet. 

Bezüglich  der  Zwangskäufe  läßt  sich  folgender  Geschäftsgang  fest- 
stellen.-) Der  Präfekt  Ägyptens  bestimmte,  welche  Getreidequanten  für 
die  einzelnen  Truppenteile  zwangsweise  zusammengekauft  werden  sollten, 
z.  B.  20000  Artaben  Gerste  im  Hermopolites  für  die  ala  Heracliana  in 
Koptos  (BGÜ  807).  Gerade  dieser  Text  zeigt  (vgl.  Z.  10  und  18),  daß 
solche  Summen  nicht  alljährlich,  sondern  wohl  je  nach  Bedarf  ausge- 
schrieben wurden.  Die  Gaubeamten  (πραγματιτίοί)  repartierten  nun  weiter 
die  auf  den  Gau  entfallende  Summe  auf  die  einzelnen  Dörfer  (έπίμεριομός), 
und  hier  war  es  Sache  der  πρεοβντεροι  της  κώμης^  das  Getreide  von  den 
Kontribuenten  zu  beschaffen.  Fast  in  allen  Urkunden  sehen  wir  diese 
Presbyter  selbst  das  Getreide  den  dazu  abkommandierten  Soldaten  ab- 
liefern, im  Faijüm  (Grenf.  I  48)  wie  im  Hermopolites.  Doch  einmal  finden 
wir  im  Faijüm  Liturgen  (ενόχήμονες  xal  παραλήμπται  ονναγοραότίχή^ 
xρL^•ilg)f  die  ihrerseits  das  Getreide  von  den  Presbytern  sich  liefern  lassen, 
und  zwar  haben  sie  diese  Liturgie  für  eine  ganze  μερίς  des  Faijüm 
(BGU  II  38 Ij.  Diese  Urkunde  ist  schwer  zu  vereinbaren  mit  Qrenf.  I  48. 
Da  sie  einen  Hinweis  auf  Militärlieferungen  nicht  enthält,  ist  zu  fragen, 
ob  diese  Lieferungen  nicht  vielleicht  anderen  Zwecken  dienten.')     Aufgabe 

I    Vgl.  Roitowzow,  Paulj-WiMOwa  VII  166  ff.  9)  Wiloken,  Arch.  I  177. 

Nicht  miliiäriiche  Verweodang  liegt  wohl  auch  in  Tob.  II  369  Tor,  wo  eioe 
i  .  L  .     νναγοραοτικΰς  χνρός  an  dio  Sttologen  ftbliefert  (u.  148). 


360  Kapitel  IX.    Das  Verpflegungswesen. 

der  Militärverwaltung  war  es  endlich,  nach  Empfang  des  Getreides  den  Preis, 
den  wahrscheinlich  von  vornherein  der  Präfekt  bestimmte,  zu  zahlen.  Die 
Auszahlung  des  Kaufpreises  (rtftij)  an  die  Presbyter,  der  gewiß  sehr  niedrig 
bemessen  war,  erfolgte  entweder  durch  den  abkommandierten  Soldaten  direkt 
wie  in  Grenf.  I  48  (Faijum)  oder  durch  besondere  liturgische  Spezialbeamte 
in  der  Metropole,  die  den  Betrag  aus  der  Regierungshauptkasse  zu  ent- 
nehmen hatten  (so  in  Herraopolis).  Ob  und  wie  im  letzteren  Falle  die 
Militärverwaltung  und  die  Regierungskasse  sich  miteinander  verrechnet 
haben,  erfahren  wir  nicht.  Es  ist  noch  zu  untersuchen,  ob  nicht  in  den 
Fällen,  wo  das  Geld  von  der  Regierungskasse  entnommen  wurde,  hierzu 
die  Zahlungen  der  adärierten  annona  verwendet  wurden,  so  daß  die  beiden 
Systeme  in  Zusammenhang  miteinander  stehen  würden  (s.  unten).  Die 
gesamte  Geschäftsführung  innerhalb  des  Gaues  vollzog  sich  unter  der 
Kontrolle  des  Strategen,  an  den  daher  auch  mehrere  dieser  Texte  ge- 
richtet sind.  Die  eben  verwendeten  Urkunden  scheiden  sich  formell  in 
folgende  Gruppen: 

1.  Der  abkommandierte  Soldat  quittiert  den  Presbytern  den  Empfang 
des  Getreides  und  konstatiert,  den  Preis  gezahlt  zu  haben  (Faijum) :  Grenf. 
I  48  (416). 

2.  Der  abkommandierte  Soldat  meldet  dem  Strategen  den  Empfang 
des  Getreides  von  den  Presbytern  des  Dorfes  (Hermopolites):  BGU  807. 
Amh.  107  (417),  108,  vgl.  173—178. 

3.  Die  Presbyter  quittieren  den  Liturgen  den  Empfang  des  Preises 
(Hermopolites):  BGU  III  842. 

4.  Die  Presbyter  berichten  dem  Strategen  über  den  Empfang  des 
Preises  von  jenen  Liturgen  (Hermopolites):  Amh.  109  (418). 

Die  z.  Z.  bekannten  Zeugnisse  für  solche  Zwangskäufe  stammen  alle 
aus  dem  Ende  des  IL  Jahrhunderts.  Es  ist  möglich,  daß  man  im  IL  Jahr- 
hundert dieses  System  aufgegeben  hat.  Zumal  aber  aus  der  byzantini- 
schen Zeit  für  andere  Reichsteile  wieder  Belege  für  solche  Ankäufe  vor- 
liegen^), wäre  es  denkbar,  daß  auch  über  das  IL  Jahrhundert  hinaus 
noch  gelegentlich  Anwendung  von  diesem  System  gemacht  wäre.  Jeden- 
falls schließt  dies  System  nicht  die  gleichzeitige  Erhebung  der  schon 
oben  erwähnten  annona  militaris  aus,  denn  die  ältesten  Beispiele  dieser 
Abgabe  stammen  oder  können  doch  stammen  aus  derselben  Zeit,  wie  die 
obigen  Dokumente.^)  Zwar  nennen  die  betreffenden  Ostraka  nicht  den 
Kaiser,  auf  den  das  Datum  sich  bezieht,  aber  manche  können  ebensogut 
auf  Marcus -Commodus  wie  auf  Severus-Caracalla  bezogen  werden.  So 
könnten  z.  B.  Griech.  Ostraka  II  n.  273  und  698  aus  Commodus'  Zeit  stammen 


1)  Vgl   Kostowzew  1.  c. 

2)  Vgl.  meine  Griech.  Ostraka  I  155  ff. 


§  1.    Hof,  Beamtenschaft  und  Heer.  361 

und  würden  dann  gleichaltrig  mit  den  obigen  Ankaufs- Urkunden  sein.^) 
So  rechnet  auch  Rostowzew  1.  c.  gewiß  mit  Recht  mit  der  Annahme,  daß 
auch  schon  früher  unentgeltliche  Auflagen  in  den  einzelnen  Landesteilen 
zur  Verpflegung  der  in  ihnen  stationierten  Trappen  erhoben  seien,  zu 
denen  mehr  zur  Ergänzung  jene  Ankäufe  hinzugekommen  seien.  Nach 
unserem  jetzigen  Material,  das  aber  durch  seine  Zufälligkeit  einen  irrigen 
Eindruck  machen  kann,  ist  die  Abgabe  unter  dem  Namen  άννώνα  erst 
seit  dem  Ende  des  IL  Jahrhunderts  in  jenen  Ostraka  nachweisbar.  -)  Diese 
annona  militaris,  die  wir  nach  unseren  sonstigen  Nachrichten  als  einen 
Zuschlag  zur  Grundsteuer  zu  fassen  haben,  wird  in  diesen  Texten  nicht 
immer  in  natura  geliefert^),  sondern  oft  als  adärierte  annona  in  Geld.  Dabei 
wird  dann  meist  angegeben,  statt  welcher  Naturalien  das  Geld  gezahlt 
wird.  So  für  Gerste  (679,  698),  für  Wein  und  Datteln  (1264).  Über  die- 
selben Zahlungen  —  mit  derselben  Formel  νπίρ  τιμής  —  quittieren  noch 
mehrere  andere  Ostraka,  die  freilich  das  Wort  άννώνα  nicht  enthalten, 
aber,  wie  ich  schon  in  den  Ostraka  I  S.  272  und  312  vermutete,  doch 
vielleicht  auf  die  annona  zu  beziehen  sind.  Vgl.  die  Belege  D.  cc.  (für 
Wein  und  Datteln).  Ist  dies  richtig,  so  würde  Ostrakon  II  n.  502  uns 
eine  adärierte  Annona -Zahlung  sogar  schon  für  das  Jahr  109  bringen.*) 
Aber  es  bleibt  dies  zunächst  lediglich  eine  Vermutung.  Wenn  wir  nun 
bedenken,  daß  diese  Gelder  natürlich  an  die  Regierungskasse  abgeführt 
wurden^),  und  aus  der  Kasse  wieder,  wie  wir  oben  sahen,  die  Gelder  für 
den  Ankauf  der  Gerste  usw.  entnommen  wurden,  so  drängt  sich  doch  die 
Vermutung  auf,  daß  diese  Geldzahlungen  für  Gerste,  Wein  usw.  erhoben 
worden  sind,  damit  eben  jene  Natural-Ankäufe  davon  bezahlt  würden,  und 
weiter,  daß  die  adaeratio  eben  von  denjenigen  verlangt  wurde,  die  die 
Naturalien  selbst  zu  liefern  nicht  in  der  Lage  waren.  Sollte  sich  diese 
Hypothese  bewähren,  so  würde  damit  die  annona  und  jene  Ankäufe  in 
eine  innere  Verbindung  miteinander  treten. 

Die  Einführung  der  Kommuualordnung  im  J.  202  ist  auch  für  die 
Beschaflfung  der  annona  nutzbar  gemacht  worden,  indem  nunmehr  den 
Kurien  dafür  die  Verantwortung  auferlegt  wurde.  Zahlreiche  Belege  hier- 
für liegen  erst  für  das  IV.  Jahrhundert  vor,  aber  daß  es  auch  schon  im 
IIL  Jahrhundert  so  war,  und  zwar  schon  vor  Diokletian,  zeigt  jetzt  Oxj. 
VIII  111  δ,  wo  bereite  für  das  6.  Jahr  des  Probus  (280/1)  έπψεληταί  für 


1)  Fftll•  Ostrakon  II  n.  662  auf  die  annona  zo  beziehen  iit  (i.  unten),  to  iit 
hier  ein  eindeuiif^ee  Datum  für  dio  annona:  a.  29  -■  188/9. 

2)  Vgl.  Gr.  OHtruka  II  n.  27S  (Klepliantine),  674,  679,  689,  698,  1016,  1019,  1264 
(vgl.  Corrigonda),  U7U  (Theljen). 

ü)  So  in  n.  1016,  lOlU,  1479  (Weieen  oder  Wein). 
4)  Dagegen  haben  n.  1Γ)74— 1676  einen  anderen  Charakter. 
6)  Auidrflcklich  wird  dies  herrorgehobcn  z.  Ώ    im  OHtrakon  II  n.  662,  da«  mit 
1264  verwandt  ist,  wo  ttg  άνψ&9{αψ)  getagt  i^< 


362  Kapitel  IX.     Das  Verpflegungswesen. 

die  annona  bezeugt  werden.  Solche  εταμεληταί  sind  aber  Ratsherren,  die 
als  Liturgen  für  den  betreffenden  Auftrag  haften,  und  hinter  denen 
außerdem  noch  die  Haftung  ihrer  βουλή  steht.  In  diesem  Falle  haben 
die  έπψεληταί  des  oxyrhynchitischen  Gaues  die  annona  (άρτος)  nach 
Panopolis  gebracht  und  verteilt.  Quittiert  wird  es  ihnen  von  einem  Be- 
amten, der  STti  διαδόσεως  άννώνης  heißt.  ^)  Aus  Diokletianischer  Zeit  (a.  295) 
stammen  dann  die  umfangreichen  Spreuabrechnungen  in  Oxy.  I  43  Recto, 
wonach  man  die  Spreu  (αχνρον)  direkt  an  die  dazu  beauftragten  Sol- 
daten (optiones,  tesserarii  usw.)  ablieferte,  die  ihrerseits  die  Quittungen 
ausstellten.  ^) 

Im  IV.  Jahrhundert  finden  wir  dann  meist  zwischen  den  έτημελψαί 
und  den  Soldaten  die  δLaδότaL  (die  Verteiler,  erogatores)^),  die  natürlich 
auch  Liturgen  waren.  Letzteres  wird  namentlich  durch  Rein.  56  (419) 
und  Giss.  54  (420)  bestätigt.*)  Die  έταμεληταί  hatten  also,  nachdem  sie 
die  annona  von  den  einzelnen  Kontribuenten  erhoben  und  zusammen- 
gebracht hatten  (vgl.  Goodsp.  11  [421])^),  sie  an  die  δυαδόταυ  abzuliefern. 
Diese  steUten  ihnen  Quittung  aus  —  vgl.  BGU  IV  1025  (422),  Lond.  III 
S.  228  —  und  empfingen  von  ihnen  Gegenquittung  {αντάποχα)  —  vgl. 
BGU  III  974  (423).  Ähnlich  ist  der  Geschäftsgang  auch  bei  der  Be- 
schaffung und  Verteilung  der  für  die  Soldaten  bestimmten  Kleider,  die 
gleichfalls  zur  annona  im  weitesten  Sinne  gerechnet  wurden.^)  Auch  hier 
haben  wir  εΛίμεληταΧ  (iöd'fjrog  ότρατίωτίκής)  —  vgl.  Lips.  45,  46,  58 — 60. 
Der  Horion  in  Lips.  58  ist  möglicherweise  als  δίαδότης  aufzufassen,  doch 
bleibt  es  unsicher,  ζίυαδόται  lassen  sich  in  der  Annona -Verwaltung  noch 
bis  ins  VI./ VII.  Jahrhundert  nachweisen.  Vgl.  Grenf.  II  95.  Wie  schwer 
aber  diese  gesamte  Verpflichtung  auf  den  Kurien  lastete,  das  zeigt  uns 
anschaulich  BGU  IV  1027  (424),  wo  der  praeses  Thebaidis  die  Verant- 
wortlichkeit der  Kurie  in  den  schärfsten  Worten  betont. 

In  den  zitierten  Urkunden  des  IV.  Jahrhunderts  handelt  es  sich  noch 
überall  um  Naturallieferungen,  doch  kommen  auch  damals  —  wie  ja  auch 
in    der   vorhergehenden  Periode  (s.  S.  361)  —    daneben  Adärationen   vor 


1)  Es  liegt  nahe,  ihn  dem  dtadotri?  der  späteren  Zeit  gleichzustellen. 

2)  Diese  optiones  usw.  übernahmen  dann  die  Verteilung  an  die  einzelnen  Sol- 
daten, die  wiederum  jenen  den  Empfang  zu  quittieren  hatten.  Mehrere  solcher  Sol- 
datenquittungen über  annona  sind  uns  aus  dem  Anfang  des  111.  Jahrh.  unter  den 
Ostraka  aus  Pselkis  in  der  Dodekaschoinos  erhalten.  Vgl.  meine  Griech.  Ostraka  II 
n.  1129  ff.  und  dazu  I  705  ff. 

3)  Vgl.  Mitteis,  P.  Lips.  S.  286  f.,  Sav.  Z.  1907,  385.     M.  Geizer,  Stud.  S.  50. 

4)  Auch  Oxy.  I  60  (43)  handelt  von  der  Wahl  eines  διαδόττις  durch  die  βονλη^ 
wie  Geizer  1.  c.  51  mit  Recht  bemerkt.  Er  soll  3000  Pfund  Fleisch  für  die  Truppen 
nach  Nikopolis  bringen  (bei  Alexandrien). 

5)  Vgl.  auch  Flor.  31. 

6)  Vgl.  hierzu  Mitteis  zu  Lips.  45, 


§  2.    Die  Gemeinden.  363 

(έξ,αργνριομ,οί).^)  So  ζ.  Β.  in  Lips.  63  (a.  388),  der  von  der  Verpflegung 
nicht  einer  gamisonierenden,  sondern  einer  in  das  Feld  ziehenden  Truppe 
handelt.^)  Später  hat  die  Adäration  immer  mehr  um  sich  gegriffen.  In 
den  oben  S.  222  aus  justinianischer  Zeit  zitierten  Urkunden  —  Oxy.  126 
(180)  und  in  den  Aphroditopapyri  —  wird  die  Annona  von  den  Kontri- 
buenten durchweg  in  Geld  gezahlt.  Vgl.  auch  Grenf.  Π  9δ,  Ρ.  Klein.  Form. 
95,  999,  1277.  Darum  treten  hier  auch  die  νποδέκται  oder  χρνΰνποδεκται 
auf,  nicht  die  εταμελψαΐ^  die  die  Naturalien  beschafft  hatten  (vgl.  oben 
S.  230).  Zu  der  annona  in  den  Cairener  Papyri  vgl.  M.  Geizer,  Arch.  V 
352  ff.  Einen  interessanten  Einblick  in  die  anarchischen  Zustände  der 
justinianischen  Zeit  gewährt  uns  BGÜ  836  (471),  wonach  die  buccellarii  des 
vornehmen  patricius  die  kaiserlichen  Truppen  verhinderten,  die  durch  dele- 
gatio  ihnen  zugesprochenen  annonae  und  capita  (Futterrationen)  zu  requi- 
rieren. 

Für  die  Fragen  der  Verpflegung  von  Heer  und  Beamtenschaft  in  der 
arabischen  Zeit  ist  uns  soeben  durch  Lond.  IV  ein  reiches  Material  be- 
schert worden.  Ich  kann  z.  Z.  nur  auf  die  Einleitung  von  Bell  verweisen. 
Einige  Beziehungen  zur  Verpflegung  des  Heeres  (wie  der  ρόγα  der  Λ/ω- 
αγαρΐται)  finden  sich  schon  in  den  im  V.  Kapitel  abgedruckten  Texten  aus 
diesem  Londoner  Bande  (284,  298). 

§  2.  DIE  GEMEINDEN. 
Aus  der  Ptolemäerzeit  haben  wir  nur  wenige  Nachrichten  darüber, 
was  für  Maßregeln  der  Staat  ergriffen  hat,  um  für  eine  regelmäßige  Er- 
nährung der  Bevölkerung  zu  sorgen.  Angesichts  der  wechselnden  Nil- 
schwellen und  der  daher  wechselnden  Ernten  konnte  der  Staat  diese 
Lebensfrage  nicht  dem  Ermessen  der  Einzelnen  überlassen.  Was  wir  über 
die  Einrichtung  und  Verbreitung  der  über  das  ganze  Land  verteilten  The- 
sauren erfahren  (vgl.  S.  153),  bestätigt  nur,  daß  im  allgemeinen  das  alte, 
aus  der  Pharaonenzeit  her  bestehende  Magazinsystem  auch  von  den  Ptole- 
mäem  weitergeführt  wurde,  wonach  in  den  guten  Jahren  die  Überschüsse 
magaziniert  wurden,  um  in  den  Jahren  der  Teuerung  verwendet  zu  werden. 
Daß  bei  mangelhafter  Nilschwelle  den  davon  betroffenen  .\ckern  Steuer- 
erleichterungen gewährt  wurden,  ist  schon  im  V.  Kapitel  besprochen  worden. 
Brach  aber  allgemeine  Hungersnot  aus,  so  genügten  nicht  die  Nachlässe, 
Hondeni  es  bedurfte  positiver  Unterstützung.  Zunächst  wird  man  dann 
die  Staatsmagazine  geöffnet  haben,  aber  unter  Umständen  haben  auch 
deren  Vorräte  nicht  gereicht.     So  wird  Euer^etcs  I  im  Dokrot  von  Kano- 

1)  Die  iM'ld/.ttliliingon   wonlrn   «itinli   den   ν:τ<κΜχτη<  rniori.n  -    '»/x- 

της    χ^ναοϋ    τιρώνων    in    Lii)«.   81   Vurho  0,    <1•ί•    Ιογον    ndruuroi•  rir  rld 

empfUngt.     Vgl.  hier/.u  Kap.  XI. 

♦i;  Vgl.  WUcken,  Arch.  III  666,  IV  226,  477  und  Kap.  XI. 


364  Kapitel  IX.     Das  Verpflegungswesen. 

pos  deswegen  gerühmt,  daß  er  einmal  bei  schwerer  Hungersnot  aus  Syrien, 
Phönizien,  Cypern  und  anderen  Orten  zu  hohen  Preisen  Getreide  auf- 
kaufen ließ  und  so  das  ägyptische  Volk  rettete.^)  Andrerseits  hören  wir, 
daß  die  letzte  Kleopatra  zur  Zeit  einer  Teuerung  in  Alexandrien  Getreide- 
verteilungen vorgenommen  hat.^)  Wenn  sie  die  Juden  hiervon  ausschloß, 
wie  Apion  erzählt  hat,  so  werden  diese  Frumentationen  auf  die  alexan- 
drinischen  Bürger  beschränkt  gewesen  sein,  zu  denen  ja  jene  nicht  gehörten 
(s.  oben  S.  24,  63).  Das  wird  dieselbe  Hungersnot  von  43/2  gewesen  sein, 
während  deren  im  perithebischen  Gau  der  reiche  Καλλίμαχος  die  verhungerte 
Bevölkerung  aus  eigenen  Mitteln  rettete.^)  Daß  er  nicht  kraft  seines 
Amtes  (έπΙ  των  τίροοόδων  usw.)  als  Vertreter  der  Regierung,  sondern 
durch  Aufopferung  eigenen  Vermögens*)  die  Not  linderte,  beleuchtet  den 
Unterschied  der  Zeiten  gegenüber  dem  energischen  Eingriff  des  Euergetes  I 
zugunsten  der  χώρα. 

Sehen  wir  von  solchen  außergewöhnlichen  Zwischenfällen  ab,  so  sind 
für  die  Ptolemäerzeit  dauernde  Einrichtungen  für  die  Volksemährung  nur 
für  Alexandrien,  wenigstens  andeutungsweise,  bekannt.  Unter  den  alexan- 
drinischen  Beamten  schreibt  Strabo  XVH  p.  797  dem  Exegeten^)  die  Stcl- 
μελευα  των  vfj  τίόλει  χρηΰίμων  zu,  worin  man  mit  Recht  die  Fürsorge 
für  die  Verpflegung  der  Hauptstadt  sieht,  und  da  er  sagt,  daß  diese  Amter 
schon  unter  den  Königen  bestanden  hätten,  so  wird  man  auch  schon  dem 
ptolemäischen  Exegeten  diese  Kompetenz  zuschreiben  dürfen,  wenn  er  sie 
auch  wahrscheinlich  nicht  von  vornherein  gehabt  hat.^)  Diese  επιμέλεια 
ist  damit  jedenfalls  für  die  Ptolemäerzeit  bezeugt.  Daß  ein  eigenes 
Amt  für  die  Versorgung  Alexandriens  geschaffen  wurde,  erklärt  sich  dar- 
aus, daß  je  mehr  diese  Stadt  sich  zu  der  Riesenstadt  entwickelte,  sie  not- 
weudig  auf  die  Heranschaffung  der  Lebensmittel  von  auswärts  angewiesen 
war.  Auch  in  dieser  Hinsicht  war  sie  die  τΐόλυς,  die  sich  von  Ägypten 
als  ihrer  χώρα  ernähren  ließ.  Ein  klares  Beispiel  hierfür  liegt  uns  im 
Rev.  P.  vor,  in  dem  der  König  vorschreibt,  wieviele  Aruren  jeder  Gau  mit 
Ölfrüchten  zu  bestellen  hat  ώύτε  εΙς  την  έν  ^λε^,ανδρείαι  διά^'εύιν.'^)  So 
muß  jeder  Gau  dazu  beitragen,  daß  Alexandrien  das  nötige  Ol  bekommt. 


1)  Dittenberger,  Or.  Gr.  I  56,  17:  ^Βτατίεμ.ι^άμενοι  εις  την  χώραν  τιμών  μειζόνων.^ 
Die  Kornpreise  waren  natürlich  in  diesen  anderen  Teilen  seines  Reiches  eben  wegen, 
der  ägyptischen  Teuerung  gestiegen. 

2)  Josephus  c.  Apion.  II  60. 

3)  Dittenberger,  Or.  Gr.  I  194.     Vgl.  Dittenbergers  Kommentar  S.  276. 

4)  Z.  20 :  τον  γαρ  εαντοΰ  βίον  6λθ6χ[ερ']ώς  άν[έ]ΰ•8το  τοις  χρήοΟ'αί  βονλομένοις  κτλ. 
δ)  Vgl.  oben  S.  16. 

6)  Der  Exeget  als  solcher  hat,  worauf  schon  sein  Titel  hinweist,  von  Haus  au» 
andere  Befugnisse.  Kraft  dieser  hat  er  auch  die  τΐορφνρα  und  die  τιάτριοι  τιμκί^  von 
denen  Strabo  1.  c.  spricht.  Es  liegt  also  Kumulierung  verschiedener  Kompetenzen 
vor.     Vgl.  meine  Griech.  Ostraka  I  657. 

7)  Vgl.  Rev.  P.  60,  18  ff.,  auch  53,  17  ff.  (299). 


§  2.    Die  Gemeinden.  365 

freilich  gegen  Bezahlung.  Wir  dürfen  mutmaßen,  daß  dies  nur  ein  ein- 
zelnes Beispiel  aus  einem  ganzen  System  ist. 

Reicher  sind  die  Aufschlüsse  über  die  römische  Zeit.  Ich  sehe 
einstweilen  von  der  annoua  civica  ab  und  fasse  nur  Ägypten  selbst 
ios  Auge.  Das  schon  erwähnte  Magazinsystem  bildete  natürlich  auch 
jetzt  die  Grundlage.  Als  Germanicus  im  J.  19  nach  Ägypten  kam,  wo 
damals  eine  Teuerung  herrschte,  öffnete  er  die  kaiserlichen  Magazine 
Alexandriens  und  verteilte  das  Getreide  zu  niedrigen  Preisen.^)  Auch  er 
hat  offenbar  dies  billige  Getreide  wie  einst  Kleopatra  nur  an  die  alexan- 
drinischen  Bürger  abgegeben,  denn  die  Juden  schloß  er  davon  aus.*)  Auch 
für  Antoninus  Pius  sind  solche  außerordentlichen  Getreideverteilungen  für 
Alexandrien  bezeugt,  und  zwar  für  sein  20.  Jahr.  ^)  Für  die  Mitte  des 
III.  Jahrh.  werden  uns  ständige  frumentationes  (όι,τηρεοία)  für  Alexan- 
drien durch  den  Brief  des  Dionysios  bei  Eusebius,  bist.  eccl.  VII  21,  9 
(ed.  Schwartz)  bezeugt.  Anfangs  für  die  40 — 70jährigen  bestimmt,  wur- 
den sie  im  J.  261  auf  die  14 — 80jährigen  ausgedehnt.^)  Aus  demselben 
Jahre  261  stammt  Lond.  UI  S.  127/8  (425),  wonach  die  Kaiser  Macrianus 
und  Quietus  damals  ein  ΰιτηρεόίον  auch  für  die  χώρα  gewährt  haben. 

Andere  Quellen  berichten  von  ständigen  Kommuualbeamten,  die  für 
die  Verpflegung  Alexandriens  und  —  was  wir  für  die  Ptolemüerzeit  nicht 
nachweisen  können  —  auch  der  Metropolen  zu  sorgen  hatten.  Auf  Strabos 
Zeugnis  betreffs  des  Exegeten,  dem  die  έπψελεία  των  τι}  πόλει  χρησίμων 
oblag,  wurde  schon  hingewiesen.^)  Seit  dem  IL  Jahrhundert  liegen  uns 
Zeugnisse  für  Beamte  der  εν^ηνία^)  vor.  Dieser  Ausdruck,  der  schon  in 
der  Rosettana  vorkommt^),  kann  zwar  speziell  die  annona  urbica  be- 
zeichnen (s.  unten),  wie  auch  die  annona  militaris,  aber  wie  ich  schon 
in  den  Griech.  Ostraka  I  657  f.  betonte ,  weisen  die  kommunalen  Titel 
h  έπί  rfig  svdTivCccg  und  ενϋ-ηνιάρχης  auf  die  kommunale  „Wohlfahrt" 
hin.®)     Für  Alexandrien   ist  von  besonderer  Wichtigkeit  der  Titel  ό   Μ 

1)  Tacitus,  ann.  II  69:  levavitque  apertis  horreis  pretia  fruffiim.  Sueton,  Tibe- 
riiiH  02,  —  Unter  Trajan  ist  es  vorgekommen,  daß  Ägypten  zur  Zeit  einer  Hungers- 
not vom  Kaieer  mit  auslündiechem  Korn  versorgt  wurde.  Darüber  jubelt  Flinius  im 
Fanegyricue  30  f. 

2)  JüBephuB  c.  Apion.  II  68. 

8)  Vgl.  Catalogue  of  coine  of  iint.  Muh.,  AleMuulria  Inti.  p.  89  nr.  1007. 

4)  Vgl.  Mommacn,  HG  V  671  Anm.  2;  Wilcken,  Arch.  IV  640.  Andere  Roiiow- 
«ew,  Paoly-Wie«.  VII  187. 

b)  Kr  iit  yiellcicht  d»e  Vorbild  für  den  praef.  anncoae  von  Rom  geworden. 
Vgl.  Hirxohfeld,  Untersuch.  8. 148,  dagegen  ist  es  ihm  sweifelhail  in  KV  S86  Anm.  1, 
weil  der  Kxeget  auch  andere  Befagnisse  gehabt  hat.  Aber  die  Organisation  der  ixt- 
μ4Χ»ία  könnte  dämm  doch  das  Vorbild  Rein. 

ß)  Unsere  Texte  schwanken  swiichen  ίνξ^ηνια,  tv^tvui^  »vl^tvtta.  Unsere  Lexik» 
unterscheiden  β^&ηψία  und  »4>4yivtut.    Also  bliebe  eine  Unsicherheit  nur  bei  9v9tvut. 

7)  Dittenbergor,  Or.  Gr.  I  90,  18. 

H)  8o  jetei  auch  Ausfeld,  Philologus  68,  494.  Kuthcninrchen  sind  in  diesem  Sinno 
liurh  au0r*rhalb  AgjpU'ns  bo/,i>u>ft      V^l.  ()»»)>1«•>    l'unK   U.  -    Τ  28S0. 


366  Kapitel  IX.     Das  Verpflegungswesen. 

της  £ν&[η]νίας  τον  Β  γράμματος  (vom  J.  158),  weil  wir  hieraus  folgern 
dürfen,  daß  jeder  der  fünf  Stadtteile  seinen  eigenen  Wolilfahrtsbeamten 
gehabt  hat.^)  Gleichwohl  ist  in  den  Papyri  das  Quartier  niemals  hinzu- 
gefügt. In  diesen  Fällen  bleibt  die  Frage  einstweilen  offen,  ob  es  einen 
επΙ  της  ενϋ-ηνίας  gegeben  hat,  der  über  den  5  Spezialbeamten  der  Quar- 
tiere stand.  Alexandrinische  Beamte  nennt  BGU  II  578,  9  (a.  189):  γενα- 
μενφ  άγορανόμω  καΐ  έτά  της  ενϋ-ηνίας  κτλ.^),  Flor.  57,  75  (143)*):  των 
χεκοΰμητενκότων  [καΐ]  επί  της  εν%'ηνΙας,  [ϊ\ερέως  καΐ  έ[^ηγ]ητ[οϋ],  vielleicht 
auch  Gen.  43,  7:  εν%'ηνίαρχγι6αντος  της  λαμπρότατης  πόλεως  των  [ϋλεξαν- 
άρεω]ν.'^)  In  dem  ersten  FaU  ist  es  zweifelhaft,  ob  die  Agoranomie  und 
das  Euthenia-Amt  gleichzeitig  geführt  sind.  War  es  so,  so  müßte  das 
letztere  Amt  —  wegen  der  Stellung  —  das  höhere  im  Range  sein.^)  So 
begreiflich  eine  Kombination  der  Agoranomie  mit  diesem  Wohlfahrtsamt 
ist,  so  darf  jedenfalls  aus  diesem  unsicheren  Beispiel  nicht  auf  eine  stän- 
dige Verknüpfung  der  beiden  geschlossen  werden^),  denn  schon  der  Flor. 
zeigt,  daß  das  Amt  mit  dem  Exegetenamt  kombiniert  sein  konnte.  Diesen 
FaU  könnte  man,  vorausgesetzt,  daß  έπΙ  της  εν%'ηνίας  sich  auf  die  ganze 
Stadt  bezieht,  als  eine  Illustration  zu  Strabos  Worten  auffassen. 

Eutheniarchen  sind  uns  ferner  für  mehrere  Metropolen  bezeugt.    So  für: 

Arsinoe:  Teb.  II  397  (a.  198),  nach  Z.  18  zugleich  mit  dem  Exegeten- 
amt bekleidet.  Vgl.  außerdem  den  Ausdruck  Λτρο^τα^/^α  εν%•ηνίας  in  Ζ.  14 
und  28  (in  bezug  auf  eine  andere  Person).  —  BGU  II  579,  8  (279) 
(a.  263),  nicht  ganz  sicher,  ob  auf  Arsinoe  bezüglich. 

Hermopolis:  Mitt.  PR  IV  S.  58  (a.  2QQ)  ενΰ-ηνίαρχηοαντος.  CPHerm.  7 
(III.  Jahrb.),  wo  ein  διάδοχος  της  προόταοίας  (s.  Teb.  II  397)  της  εν^η- 
νιαργ[ία\ς  erbeten  wird. 

'Oxyrhynchos:  Oxy.  VI  908  (426)  (a.  199).  Hier  wird  das  Amt  zu- 
gleich mit  der  Gymnasiarchie  bekleidet. 

Schon  aus  diesen  Beispielen,  deren  Zusammenstellung  auf  Vollstän- 
digkeit keinen  Anspruch  macht,  werden  wir  schließen  dürfen,  daß  in  aUen 
Metropolen  des  Landes  solche  Wohlfahrtsbeamten  gewesen  sind. 

Unter  den  für  Alexandrien  und  die  Metropolen  aufgeführten  Bei- 
spielen sind  nur  zwei,  die  einen  Hinweis  auf  die  Pflicht  dieser  Beamten 
enthalten.  In  dem  fragmentarischen  CPHerm.  7  scheint  das  ονντ]ίμ[ή6]α- 
ΰ^αι    τα    κτήνη  (7α.  13)   zu  den  Aufgaben  des  Eutheniarchen   zu   gehören^ 


1)  Dittenberger,  Or.  Gr.  Π  705. 

2)  Für  alexandrinisch  halte  ich  ihn,  weil  er  aQxidiv.aöTris  usw.  ist. 

3)  Der  ist  Epikrisisbeamter  des  Β  γράμμα,  gehört  daher  auch  nach  Alexandrien. 

4)  Ygl.  Wilcken,  Arch.  III  396,     Daß  hier  die  Form  ενϋ-Ύΐνιαρχηΰας  steht,   statt 
γενόμενο?  inl  της  ευ&ηνίας,  könnte  vielleicht  gegen  die  Ergänzung  sprechen. 

5)  So  Grenfell-Hunt,  Teb.  II  S.  264  gegenüber  Preisigke,  Stadt.  Beamt.  S.  31. 

6)  So  Ausfeld  1.  c.     Dagegen  Wilcken,  Arch.  IV^  232. 


§  2.    Die  Gemeinden.  3ß7 

also  Abschätzung  des  Viehes.^)  IQarer  ist  Oxy.  908  (426),  wonach  das 
Mahlen  und  Brotbacken  unter  ihrer  Kontrolle  stand.  Dieser  Text  gibt 
zugleich  die  volle  Bestätigung,  daß  die  Eutheniarchen  nicht  etwa  für  die 
annona  urbica  zu  sorgen  hatten. 

Eine  Hauptaufgabe  wird  gewesen  sein,  für  die  ausreichende  Be- 
schickung der  Märkte  mit  Nahrungsmitteln  zu  sorgen.  Für  die  Ver- 
pflegung Alexandriens  ist  das  Edikt  Caracallas  vom  J.  215  von  Interesse- 
(Giss.4011  16ff.  [22]),  wonach  u.a.  die  χοίρεμποροί  und  die  ναϋται  ποτάμιου 
ausgenommen  werden  von  den  Ägyptern,  die  der  Kaiser  aus  der  Stadt  hinaus- 
weist. Die  Schweinehändler  also  und  die  Flußschiffer  gehören  zu  denen,  die 
die  Stadt  nicht  entbehren  kann.^)  Wir  besitzen  einige  Kaisereide  von 
Schweinezüchtern  aus  dem  Delta,  in  denen  sie  erklären,  soundsoviele 
Schweine  vorrätig  zu  haben  und  bereit  zu  sein,  sie  auf  den  Markt  von 
Alexandrien  resp.  von  Ψενβελλεΐχις  zu  treiben.  Die  Texte  zeigen  zu- 
gleich, daß  der  Stratege  des  Gaues  die  Oberaufsicht  über  diese  Dinge  hat,, 
also  die  staatliche  Behörde,  nicht  die  städtische.  Vgl.  BGÜ  I  92  (427),. 
II  649  (428)  und  III  730. 

Dies  sind  einige  Einzelheiten,  die  uns  zeigen,  daß  auch  in  der  Kaiser- 
zeit wie  in  der  Ptolemäerzeit  der  Grundsatz  bestand  und  bestehen  mußte, 
daß  Alexandrien  mit  Hilfe  der  χώρα  zu  ernähren  war.  Wenn  ich  nicht 
irre,  ist  dieser  Satz  auch  im  Edikt  des  Julius  Alexander  (Dittenberger,. 
Or.  Gr.  II  069,  4)  ausgesprochen  in  den  Worten:  τον  τήν  Αϋγνπτον  έν 
ενόταχ^εία  διάγουβαν  εν^-νμως  νπηρετείν  τψ  τε  εν%^Ύΐνία  καί  τΐμ  μεγί- 
6τψ  των  ννν  καιρών  ευδαιμονία.  Man  pflegt  zwar  diese  εν^^νία  auf  die 
annona  civica  zu  beziehen  (so  Hirschfeld,  KV  234  Anm.  1),  aber  schon  nach 
dem  Grundgedanken  dieses  Prooemium  scheint  mir  die  Deutung  auf  die 
ενΰ^ινία  von  Alexandrien  passender  zu  sein.  Geradezu  gefordert  wird  sie 
durch  die  folgenden  Worte  in  Z.  46,  die  m.  E.  direkt  auf  jene  Stelle  im 
Prooemium  hinweisen:  ovx  άγνοώι  d'  οτι  noXXijv  πρόνοιαν  ποιείο^-ε  xal 
τον  τήν  Αίγνπτον  έν  ενόταϋ-εία  δΐ'άίγειν]  (so  ergänze  ich  statt  δια[μεν€ΐν] 

eben  nach  jenen  Worten),  έξ  'ής  [ ]  χορηγίας  έχετε  χτλ.    Wie 

dies  auch  zu  ergänzen  ist,  jedenfalls  wird  hier  auf  die  wirtschaftliche  Ab- 
hängigkeit der  Alexandriner  von  der  χώρα  hingewiesen,  und  darum  wird 
in  jener  Parallelstelle  die  εν&ηνία  eben  die  Alexandriens  sein. 

Zu  Beginn  der  byzantinischen  Zeit  hat  dieser  Gedanke  eine  noch 
viel  schärfere  Formulierung  gefunden,  indem  Diokletian  im  J.  302  ver- 
ordnete, daß  von  dem   bisher   für  Rom  bestimiuteu   Stcuerkorn  fortan  ein 

1)  In  Z,  19  inöcht••  icli  rri^.Mi/.v.u:  ή  χι'γΛιτο«.•  \Ί(ί]τι  ι  .tih'»s•  d  itov,  iV^i•  iti^  rit-rrt- 
[μηβηται  τα  κη)ντ].  Ihis  wirtt  l'uninkn  .1- m  Ilrruklttiumuu  entgegen,  der  ^:«'rn 
■ein  Amt  niederlegen  möchte. 

2)  Da«  sind  die  Leute  aas  der  χώρα,  ...«   ,..>   χόλις  nOtig  hat,  wie  Vibin««  Muxi 
mui  lagt  (202,  S8). 


368  Kapitel  IX.     Das  Verpflegungswesen. 

Teil  der  Stadt  Alexandrien  geliefert  werden  solle.  Vgl.  Chron.  Paschal. 
p.  514.  Procop.  hist.  arc.  26.  S.  Gothofredus  zu  C.  Theod.  14,  26,  2  (a.436). 
Das  ist  das  τρόψίμον  Alexandriens,  von  dem  im  XIII.  Edikt  Justinians 
ausführlicher  gehandelt  wird.  Unter  demselben  Namen  begegnet  es  auch 
in  P.  Klein.  Form.  32-^,1208,1344  (VI.— Υ  IL  Jahrhundert) ,  wie  ich  im 
Arch.  V  294 f.  gezeigt  habe.  Von  diesem  τρόφιμον  ist  zu  trennen,  daß 
Konstantin  der  alexandrinischen  Kirche  ein  οίτηρέόίον  stiftete  εις  dia.- 
τροφην  των  Λτωχών  (Sokrates,  hist.  eccl.  2,  17). 

Im  übrigen  bieten  die  Papyri  auch  für  die  byzantinische  Zeit  Bei- 
spiele dafür,  daß  wie  bisher  die  Lieferanten  für  eine  genügende  Be- 
schickung der  Märkte  verpflichtet  wurden.  Wir  haben  eine  Gestellungs- 
bürgschaft für  einen  liturgischen  καρπώνης  vom  J.  305/6  in  Lond.  III 
S.  115/6  (429),  der  sich  verpflichtet  hat,  im  Dienste  der  Stadt  Hermopolis 
immer  die  nötigen  Früchte  heranzuschaffen,  und  ebenso  haben  wir  eine 
eidliche  Erklärung  eines  Eierhändlers  vom  J.  327,  der  sich  verpflichtet, 
die  Eier  nur  auf  dem  Markt  von  Oxyrhynchos  zu  verkaufen,  nicht  im 
geheimen  (Oxy.  I  83  [430]).  An  die  Stelle  des  Strategen  ist  hier  der 
Kurator,  der  λογιΰτής,  getreten.  Endlich  bieten  Straßb.  46 — 51  vom 
J.  566  entsprechende  Bürgschaften  für  Schweinemetzger  und  Wursthändler. 
Hier  ist  es  die  städtische  Marktverwaltung  (ή  δγιμοΰία  αγοράς  vertreten 
durch  den  άρχινΛηρετης),  die  die  Bürgschaft  entgegennimmt. 

Die  Eutheniarchen  begegnen  noch  zu  Beginn  der  byzantinischen  Zeit 
(vgl.  Lips.  4,  9  vom  J.  293),  scheinen  dann  aber  ebenso  wie  die  anderen 
städtischen  Beamten  der  alten  Zeit  verschwunden  zu  sein. 

§  3.  ROM  UND  KONSTANTINOPEL. 
Wie  schon  oben  S.  186  hervorgehoben  wurde,  ist  die  tiefgreifendste 
Änderung,  die  Augustus  an  dem  ägyptischen  Steuersystem  vorgenommen 
hat,  die  Heranziehung  dieses  Landes  zur  Verpflegung  Roms.  Ebendort 
sind  auch  schon  die  Zeugnisse  des  Aurelius  Victor  und  des  Josephus  über 
den  Umfang  der  für  Rom  bestimmten  Ausfuhr  angeführt  werden.  ^)  Auch 
wenn  ein  Teil  der  20  Millionen  Modii,  die  Victor  für  Augustus'  Zeit 
nennt,  nach  Mommsens'  Annahme  aus  den  Domanialgefällen  genommen 
wurde,  so  lastete  doch  diese  Verpflichtung  für  die  hauptstädtische  annona 
wie  ein  schwerer  Druck  auf  dem  Lande,  und  wenn  schon  in  ptolemäischer 
Zeit  der  Kornhandel  zugunsten  des  großgrundbesitzenden  Königs  einge- 
engt gewesen  war,  so  ist  er  jetzt  unter  noch  viel  strengere  Kontrolle  ge- 
stellt worden,  da  nunmehr  die  voUe  Lieferung  der  annona  civica  die  erste 
Pflicht  des  Landes  war,  vor  deren  Erfüllung  überhaupt  kein  Kornhandel 
gestattet  wurde.     Über   die    zu  diesem  Zweck   durchgeführten  Prohibitiv- 

1)  Vgl.  zu  der  Deutung  dieser  Nachrichten  auch  0.  Hirschfeld,  KV  234  und 
Rostowzew,  Pauly-Wiss.  VII  136  f. 


§  3.    Rom  und  Konstantinopel.  369 

maßregeln  der  römischen  und  später  der  byzantinischen  Regierung  vgl. 
Rostowzew,  Paulv-Wiss.  VIl  137.  Die  Papyrusurkunden,  die  diese  annona 
berühren,  betreffen  meist  den  Transport  des  Getreides.  Da  die  Trans- 
porteinrichtungen im  nächsten  Kapitel  dargestellt  werden  sollen,  be- 
schränke ich  mich  hier  auf  die  allgemeinen  Maßregeln,  die  für  die  Ver- 
waltung der  annona  getroffen  worden  sind.  Auch  in  der  Chrestomathie 
ergänzen  sich  die  beiden  Kapitel  gegenseitig. 

Da  aus  dem  ganzen  Lande  das  für  Rom  bestimmte  Getreide  zunächst 
nach  Alexandrien  geschafft  und  dort  vor  der  Abfahrt  gelagert  werden 
mußte,  so  war  die  erste  Aufgabe,  für  besondere  Speicheranlagen  daselbst 
zu  sorgen.  Diese  sind  errichtet  worden  in  dem  am  Meer  gelegenen  Nea- 
polis  genannten  Stadtteil,  und  wurden  einem  schon  oben  S.  161  erwähnten 
kaiserlichen  procurator  unterstellt,  der  nach  den  Inschriften^)  mit  vollem 
Titel  procurator  Neaspoleos  et  Mausolei,  in  den  Papyri  bis  jetzt  nur  i%L- 
rgoTtog  της  Asag  πόλεως  heißt.  ^)  Aus  CIL  X  3847  kennen  wir  außer- 
dem einen  procurator  Augustorum  ad  Mercurium  Alexandreae  (aus  der 
Zeit  des  Marcus  und  Verus),  der  gleichfalls  großen  Speicheranlagen  vor- 
stand, die  sich  nach  Ausfeld  1.  c.  im  Südosten  der  Stadt  befanden.  Die 
älteste  Erwähnung  dieser  beiden  Anlagen  findet  sich  z.  Z.  in  P.  Gen.  lat.  I 
aus  Domitians  Zeit,  nach  dem  Legionssoldaten  zur  Hilfeleistung  abkom- 
mandiert wurden  ad  frumemtum  Neapoli(m)  und  ad  frumentum  Mercuri[i]}) 
Der  procurator  der  Neapolis  wird  zuerst  in  Lond.  III  S.  125  vom  J.  104 
erwähnt."*)  Hier,  wo  eine  έπιοτολή  περί  των  μέτρων  von  ihm  erwähnt  wird 
tritt  wie  auch  sonst  in  den  Papyri  seine  Stellung  in  der  Getreideverwal- 
tung hervor,  doch  mag  er  auch  noch  andere  Funktionen  gehabt  haben.  ^) 
Die  nächste  Erwähnung  bringen  Grenf.  II  46  (a)  (431)  vom  J.  139  und 
Oxy.  IV  708  (432)  vom  J.  188,  falls  meine  Annahme  zutrifft,  daß  der 
Lusius  Sparsus  und  der  Antonius  Aelianus  procuratores  Neaspoleos  sind 
(vgl.  die  Kommentare).  Für  194  nennt  Straßb.  gr.  31  (Arch.  IV  122)  einen 
Sallustius  Macrinianus,  für  248  BGU  II  26  (170)  einen  Magnius  Rufi- 
nianus.  Die  ihm  unterstellte  Verwaltung  wird  öfter  als  χί^ρt<y/iόff  (τής 
Νέας  πόλεως)  bezeichnet.®)  Der  Ausdruck  bedeutet  zwar  allgemein  die 
Verwaltung,  aber  er  scheint  prägnant  ein  terminus  technicus  gerade  für 
diese  Getreideverwaltung  von  Neapolis    zu    sein.     Über   seine  Geschüfts- 

1)  Vgl.  CIL  YIII  8984,  XIII  1808,  beide  aue  der  Zeit  de•  Antoninui  Pia•. 

2)  Vgl.  Auifelil,  Neapolis  nnd  Brucheion  in  Alexandrien,  im  Philolog.  (58,  4SI  ff. 
(vgl.  hierzu  Wilcken,  An  h.  IV  2«2  f.).    HirHchfeld,  KV  8ß4  f.    Wilckcn,  Arch.  IV  126. 

8)  Vgl.  MommKcn,  Herme•  86,  446  («  Uietor.  Schriften  III  120),  v.  Premerstein, 
Klio  III  1  ff   und   unten  Kap.  XI. 

4)  V  t  ichon  in  Oxy.  176  (•.  8.  879)  oder  gar  448. 

6)  feld,  KV  864. 

6)  Vgl.  li(;i;  Η  II  27  ff.  (170),  Oxy.  IV  708  (482),  auch  in  dem  Wiener  Papyru• 
vom  J.  281,  den  v.  Prememtein  8.  16  nach  WeNiiely  zitiert:  Aitfif^Xios  Βηααρίων  ' Κρ- 
μίίον  %αϊ  οί  [ahv  αύτφ  . . . .]  χ^ιριαμοϋ  Niag  ηόΐίως. 

Mltt«ltWllok«n:  QmadMüf  Ι.  34 


370  Kapitel  IX.    Das  Yerpflegungswesen. 

führung  geben  Grenf.  II  46  (a)  (431)  und  Oxy.  IV  708  (432)  genauere 
Aufschlüsse,  falls  ich  sie  mit  Recht  auf  ihn  beziehe.  Er  hat  hiernach 
die  Übergabe  (Λαράδούΐξ)  und  die  Wägung  (ξνγοοταοία)  zu  überwachen 
und  im  besondern  die  Qualität  des  eingesandten  Getreides  zu  prüfen. 
Vgl.  meine  Einleitung  zu  Oxy.  IV  708  (432). 

Es  ist  oben  von  der  ενϋ-ηνία^)  der  Kommunen  gesprochen  worden. 
Konkret  und  zwar  im  Sinne  der  stadtsrömischen  annona  civica,  steht 
εν%•ηνία^  wenn  ich  recht  sehe,  in  BGU  81,  einer  Abrechnung  eines  βυτο- 
τΐαραλιίμτΐτης  vom  J.  189.  Hier  möchte  ich  das  zweimalige  sig  εκπεψίν 
ενϋ"ην(ας  erklären  als  εΙς  €κ7tε<(μ.yφίv  εν^Ύΐνίαξ.^) 

Der  übliche  Ausdruck  für  das  Steuerkorn,  das  für  Rom  bestimmt 
war,  ist  εμβολή.  Für  die  jüngeren  Zeiten  steht  dieser  terminus  techni- 
cus  völlig  fest,  wiewohl  auch  hier  natürlich  gelegentlich  die  eigentliche 
Bedeutung  „Aufladen,  Ladung"  vorkommen  kann.^)  Da  wir  zunächst 
nicht  wissen,  seit  wann  er  sich  gebildet  hat,  so  ist  bei  den  älteren  Texten 
immer  vorsichtig  zu  untersuchen,  ob  εμβολή  schon  in  seiner  prägnanten 
Bedeutung  gemeint  ist.  So  wäre  es  von  größter  Wichtigkeit,  wenn  in 
BGU  IV  1142  vom  J.  25/4  v.  Chr.  έμβολήν  in  Z.  8  als  annona  aufgefaßt 
werden  dürfte.  Aber  hier  ist  völlig  sicher,  daß  es  nur  das  Aufladen  be- 
zeichnet: TtQog  έμβολήν  εις  το  —  πλοΐον.  Als  ältestes  Beispiel  für  den 
terminus  technicus  habe  ich  in  den  Griech.  Ostraka  I  364  f.  BGU  15  II 
genannt,  vom  J.  197.  Aber  auch  hier  ist  diese  Bedeutung  nicht  über 
jeden  Zweifel  erhaben. 

Die  byzantinische  Zeit  brachte  zunächst  die  Änderung,  daß,  wie 
schon  oben  erwähnt  wurde,  ein  Teil  der  annona  civica  als  τρόφψον  in 
Alexandrien  zurückblieb.  Nachdem  dann  im  J.  330  Konstantinopel  Resi- 
denz geworden  war,  wurde  verfügt,  daß  Ägypten  von  nun  an  seine  annona 
nach  Neu-Rom  am  Bosporus  zu  führen  habe,  während  Afrika  die  Ver- 
pflegung von  Alt-Rom  oblag.*)  In  Afrika  ist  zwar  schon  vor  dieser  Neu- 
ordnung, im  J.  315,  ein  eigener  praefectus  annonae  Africae  mit  dem  Sitz 
in  Karthago  nachweisbar;  für  Ägypten  aber  wird  der  entsprechende  prae- 


1)  Rostowzew,  Pauly-Wiss.  VII  134  verweist  auf  die  Bedeutung  der  ΕνΟ'ηνία  auf 
den  alexandrinischen  Münzen  (Coins  of  the  Brit.  Mus.,  Alexandria  Introd.  p.  77  ff.). 

2)  Der  Text  unterscheidet  den  χειρισμός  Ονροον  und  den  χειριαμ,ος  "Ηρωνος. 
Das  mögen  Unterbeamte  des  proc.  Neaspoleos  sei,  die  beim  χειριαμος  Νέα?  ■πόλεως  an- 
gestellt waren,  wie  jene  Männer  in  dem  Wiener  Papyrus,  der  S.  369  Anm.  6  zitiert 
ist.     Ist  in  Amh.  137,  21  vielleicht  των  ttj  ενϋ'ηνίία  ντιηρετούντων  zu  lesen? 

3)  So  in  Amh.  137  (a.  288/9),  wo  in  5  έμ]βολην  τίοιηααμένων  doch  für  έμβάλλε- 
uQoci  steht.  Vgl.  auch  Z.  17:  τονς  ry  έμβολτ)  τον  οίτον  νΛηρετοννΙτας.  Damit  ist 
garnicht  gesagt,  daß  der  Papyrus  nicht  von  der  annona  civica  handelte.  Ebenso  ist 
CPHerm.  6  (Gallienus)  zu  beurteilen:  [την]  του  οείτον  έμ[β]ο[λην  7ΐοιεΐ6](^0'')€α  (vgl. 
Einleitung  zu  443).     Vgl.  auch  Rein.  57,  7  (390). 

4)  Vgl.  Hirschfeld,  Philologus  29  (1870)  S.  85  ff.,  der  im  besonderen  auf  den 
reichen  Kommentar  von  Gothofredus  zu  C.  Theod.  14,  26,  1  verweist. 


§  3.    Rom  nnd  Konstantinopel.  371 

fectus  annonae  Alexandriae  erst  für  das  Jahr  349  bezeugt  (C.  Theod.  12, 
6,  3).^)  Das  ist  der  Beamte,  der  als  άννωνεπαρχος  in  Flor.  75,  20  (433) 
vom  J.  380  erscheint^),  und  dadurch  ist  gesichert,  daß  der  in  dieser  Ur- 
kunde genannte  ötrog  ^λεξ,ανδρείας  nicht  etwa  das  für  Alexandrien  be- 
stimmte τρόφιμον^  sondern  das  über  Alexandrien  nach  Konstantinopel  zu 
führende  Getreide  ist.  In  Goodsp.  14  vom  J.  343  wird  an  der  entsprechen- 
den Stelle  kein  Beamter  uamhaft  gemacht.  Der  Flor.  75  sowie  ein  un- 
veröffentlichter Münchner  Pap.  60  (434)  vom  J.  390  zeigen  uns,  daß  ähn- 
lich wie  bei  der  aunona  militaris  (s.  oben  S.  362)  so  auch  hier  Kurialen 
als  έπιμελψαΐ  βίτον  ^ίλεξανδρείας  in  den  einzelnen  civitates  die  Ein- 
treibung des  für  Konstantinopel  bestimmten  Getreides  zu  übernehmen 
hatten.  Diese  Epimeleten,  die  natürlich  Liturgen  waren  und  daher  mit 
ihrem  Vermögen  hafteten,  überwiesen  das  Getreide  an  die  Naukleroi,  die 
dann  auf  den  Namen  der  Epimeleten  die  Quittung  vom  praef.  annonae  in 
Alexandrien  ausstellen  zu  lassen  hatten.     Unter  den  wenigen  Texten  des 

V.  Jahrhunderts  beschäftigt  sich  mit  der  έμβολη  namentlich  der  von  Hartel, 
Wien.  Stud.  5  edierte  Papyrus  vom  J.  487.  Vgl.  hierzu  M.  Geizer,  Studien 
S.  91.     Reiche  Aufschlüsse  über  die  Verwaltung  dieser  aioCa  εμβολή  im 

VI.  Jahrh.  bietet  das  XIII.  Edikt  Justinians  vom  J.  538,  das  jetzt  andrer- 
seits durch  die  Aphroditopapyri  wertvoUe  Parallelen  erhält.  Unter  den 
letzteren  gibt  besonders  klare  Nachrichten  über  die  εμβολή  von  Aphro- 
dito  Cair.  Cat.  67030.  Vgl.  zur  εμβολή  in  den  Cairener  Papyri  M.  Geizer, 
Arch.  V  348  f.  und  spezieU  zu  67030  S.  375  f. 

Die  Kornsendungen  nach  Konstantinopel  haben  erst  durch  die  ara- 
bische Herrschaft  ihr  Ende  gefunden,  aber  die  εμβολή  hat  darum  nicht 
aufgehört  (vgl.  S.  235  f ).  Wie  man  auch  sonst  an  dem  Detail  der  byzan- 
tinischen Steuerordnung  möglichst  festhielt,  so  hat  man  auch  an  der 
ίμβολή  festgehalten  und  bezeichnete  damit  die  Naturallieferungen ,  im 
Gegensatz  zu  den  χρνόίχά.  Abgesehen  von  der  δαπάνη,  den  Naturalien, 
die  den  Beamten  geliefert  wurden,  die  auch  zur  εμβολή  zählte,  umfaßte 
die  εμβολή  vor  aUem  die  Komsendungen,  die  nach  Fustät,  resp.  εΙς  τά 
δρρ^α  Βαβνλώνος  zu  liefern  waren.')  So  hatten  die  Ägypter  auch  jetzt 
wieder  Fremde  zu  ernähren,  aber  diese  Fremden  wohnten  in  ihrem  eigenen 
Lande. 

1)  Der  afrikaniHch»•  praofectuH  wurde  dem  praef.  praet.  Italiae  untewtellt,  der 
alezandriniecbe  d<*ni  praef.  urbi  von  Konstantinopel. 

2)  Die  Notitia  diKnitatum  erwilhnt  diesen  Hosmten  nicht,  wührend  lie  den  prae• 
fectus  von  Karthago  nennt  (Ücc.  Π  <41;.     Vgl.  da/u  Hir«thfelci  1.  c.  8.  «7. 

8)  Vgl.  Dell•  Kinlcitung  χα  Lond.  IV,  wo  ein  reiche•  Material  hiena  geboten  ist. 


«4< 


KAPITEL  Χ. 

DAS  POST-  UND  TßANSPOETWESEK 

Lit.:  Marquardt,  Staatsverwaltung  Ρ  S.  558  ff.  —  Liebenam,  Städteverwal- 
tung im  röm.  Kaiserreich  S.  88  ff.  —  0.  Hirschfeld  KV  190  ff.  —  Friedländer, 
Darstellungen  aus  d.  Sittengeschichte  Roms«  (1910)  S.  19 ff.  —  0.  Seeck,  Pauly-Wiss. 
IV  1846  ff.  (cursus  publicus),  vgl.  I  2184.  —  Rostowzew,  Kornerhebung  und  -trans- 
port  im  griech.-röm.  Ägypten  (Arch.  III  201  ff.),  Angariae  (Klio  VI  249  ff.).  — 
Preisigke,  Die  ptolemäische  Staatspost  (Klio  VII  241  ff.). 

§  1.  DIE  POSTEINRICHTÜNGEN. 
Die  Ähnlichkeit  der  durch  die  Griechen  uns  beschriebenen  persischen 
Reichspost  ^)  mit  der  von  Augustus  begründeten  römischen  Reichspost  ist 
verschieden  beurteilt  worden.  Während  Seeck  1.  c.  annahm,  daß  der  be- 
lesene Augustus  durch  den  Bericht  des  Herodot  zu  seiner  Schöpfung  an- 
geregt worden  sei,  zeigte  Rostowzew  (Klio  1.  c),  daß  vielmehr  auch  hier 
—  wie  in  so  vielem  —  die  hellenistischen  Reiche  die  Brücke  zwischen  dem 
Orient  und  Rom  gebildet  haben,  indem  er  auf  den  Fortbestand  des  ur- 
sprünglich an  den  persischen  Posteinrichtungen  haftenden  Begriffes  αγγα- 
ρεία^) im  hellenistischen  Gebiet  hinwies.  Während  aber  für  das  Reich 
des  Antigonos  die  Reorganisation  der  persischen  Post  durch  Diod.  19, 
57,  δ  bezeugt  war,  gab  es  für  das  Lagidenreich  hierfür  keinen  direkten 
Beleg.  Jetzt  haben  wir  einen  solchen  in  Hib.  110  Verso  (435)  erhalten. 
Es  ist  ein  Fragment  aus  einem  Amtsjournal,  das  in  einer  mittelägyp- 
tischen Poststation  um  das  Jahr  255  v.  Chr.  geführt  worden  ist.  Wie 
Preisigke  1.  c.  in  seiner  grundlegenden  Interpretation  des  Textes  gezeigt 
hat,  liegt  hier  eine  reitende  Sehne  11  post  vor,  die  ausschließlich  dem 
amtlichen  Verkehr  des  Königs  und  der  Zentralstellen  wie  im  besondern 
des  Finanzministers  mit  den  Behörden  im  Lande  diente.  Bleibt  auch  im 
einzelnen  bei  der  Kürze  der  Aufzeichnnugen  manches  dunkel,  so  ist  doch 
in   ihren   Grundzügen    diese  Einrichtung    von   Preisigke    klar   festgestellt 


1)  Herodot  8,  98.     Xenophon,  Kyropädie  8,  6,  17. 

2)  Das  Wort  α^^αρο?  (Bote),  das  die  Griechen  von  den  Persern  übernahmen, 
wird  jetzt  von  assyriologischer  Seite  aus  dem  Babylonischen  erklärt.  Vgl.  Fries, 
Klio  III  169  f.  IV 117  ff.  Ist  das  richtig,  so  geht  die  persische  Post  wie  so  viele 
andere  Kulturelemente  auf  Babylon  zurück. 


§  1.    Die  Posteinrichtungen.  373 

worden.  Die  Pferde  zu  diesem  Postdienst  mußten  wahrscheinlich  von  den 
Adjazenten  der  Kursstrecken,  im  besonderen  von  den  Kleruchen  gestellt 
werden.  Die  Vermutung  von  Preisigke,  daß  die  umstrittene  Abgabe  avLX- 
πίας^)  von  denjenigen  gezahlt  worden  ist,  die  der  Schnellpost  keine  Pferde 
stellen   konnten  oder  wollten,   dürfte  die  wahre  Lösung  des  Rätsels  sein. 

Für  die  Frage  der  Anlage  der  Poststrecken  wäre  es  von  Bedeutung, 
wenn  meine  Vermutung  sich  bestätigte,  daß  der  mittelägyptische  Stadt- 
name Ίππώνων^  der  durch  die  Hibeh-Papyri  schon  für  das  III.  Jahrh.  v.  Chr. 
bezeugt  wird,  nichts  anderes  als  eine  Station  für  die  Schnellpost  bedeutet. 
Ich  stütze  mich  auf  Xenophons  eben  zitierte  Beschreibung  der  persischen 
Post,  der  die  Stationen  als  ϊππώναξ  (eigentlich  die  Pferdeställe)  bezeichnet. 
Es  ist  mir  sehr  wahrscheinlich,  daß,  wenn  die  Stadt  geradezu  Ίππώνων 
genannt  wurde,  hier  eine  besonders  wichtige  Poststation  gewesen  ist. 
Damit  hätten  wir  die  Schnellpost  auch  auf  dem  rechten  Ufer,  während 
die  von  flib.  1 10  Verse  nach  Preisigkes  Darlegung  auf  dem  linken  Ufer  läuft. 
SoUte  Ίππώνων  =  Hibeh  sein,  was  nicht  unmöglich  ist  (vgl.  GrenfeU- 
Hunt,  Hib.  S.  10),  so  würde  die  Auffindung  dieses  Posttagebuchs  gerade 
hier  von  besonderem  Interesse  sein. 

Neben  dieser  SchneUpost  gab  es  für  die  nichtdringlichen  Briefschaften 
der  Behörden  die  gewöhnliche  Landpost  der  zu  Fuß  wandernden  βνβλια- 
φόροί^  die  innerhalb  jedes  Gaues  organisiert  waren.  Vgl.  Oxy.  IV  710 
(436).  Sehr  auffallend  ist,  daß  hier  neben  den  βνβλίαφόροι  ein  θ(αμη- 
λίτης  genannt  wird,  da  die  Verwendung  der  Kamele  in  der  Ptolemäerzeit 
sonst  nur  noch  an  einer,  nicht  ganz  sicheren  Stelle  zu  belegen  ist.^) 

Beide  Einrichtungen  dienten  ausschließlich  wie  die  persische  Post 
den  staatlichen  Interessen.  Für  die  Interpretation  unserer  Urkunden  ist 
es  wichtig,  sich  klar  zu  machen,  daß  die  Privaten  zur  Beförderung  ihrer 
Briefschaften  und  Akten  durchaus  auf  private  Hilfe  angewiesen  waren. 
Oft  genug  wird  in  den  uns  erhaltenen  Briefen  das  Thema  behandelt,  daß 
Briefe  eben  nur  geschickt  werden  können,  wenn  sich  gerade  eine  Gelegen- 
heit dazu  findet.  Das  Fehlen  einer  allgemeinen  Post  hatte  auch  zur  Folge, 
daß  die  Behörden  im  Verkehr  mit  der  Bevölkerung  den  Interessenten 
vielfach  auch  die  Bestellung  amtlicher  Bescheide  u.  dgL  überließen.  Das 
ist  bei  Behandlung  von  Akten  schon  öfter  hervorgehoben  worden.  Für 
die  Ptolemäerzeit  tritt  es  uns  besonders  lebhaft  in  den  Serapeumspapyri 
entgegen,  die  ich  in  den  UPZ  neu  behandeln  werde. 

Für  die  römische  Zeit  liegen  bisher  keine  Belege  für  den  Fort- 
bestand der  ägyptischen  SchneUpost  vor.')     Gleichwohl  ist  es  sehr  wahr- 


1)  Belegt  für  daa  III.  Jahrb.:  Peir.  II  89  (e),  III  8. 159  und  876,  für  da«  II  Jahrb.: 
Teb.  I  99,  66. 

2)  Teb.  I  26*2  (deicription):  ]  .  ^ης  ηαμι^λων'ή,  Tom  J.  96/4  oder  62/1. 
8)  Vgl.  auch  P.  Meyer,  F.  Hamb.  8.  81. 


374  Kapitel  Χ.     Das  Post-  und  Transportwesen 

scheinlich,  daß  sie  in  irgendeiner  Form  weiterbestanden  hat.  Die  Tat- 
sache, daß  der  einzige  uns  erhaltene  Originalbrief  eines  Präfekten  auf 
dem  Verso  keine  Adresse  trägt,  zeigt  auf  alle  Fälle,  daß  für  die  Beförde- 
rung der  statthalterlichen  Schreiben  besondere  Posteinrichtungen  bestan- 
den haben.  ^)  Freilich  beweist  dies  noch  nichts  für  eine  Schnellpost.  Die 
βνβλιαφόροί  sind  für  die  römische  Zeit  ebensowenig  bezeugt.  Vielleicht 
sind  die  έπιβτολαφόροι  an  ihre  Stelle  getreten.  Einen  solchen  fand  ich 
in  P.  Petersb.  1  (III.  Jahrh.  n.  Chr.)  erwähnt. 

Die  byzantinische  Zeit  brachte  eine  durchgreifende  Reorganisation 
des  Postwesens  ^),  die  sich  auch  in  den  Papyri  widerspiegelt.  Von  den 
beiden  Abteilungen  der  neuen  Post,  dem  schwerfälligen  cursus  clabularis 
und  der  SchneUpost,  dem  cursus  velox,  begegnet  die  letztere  als  o|vg 
δρόμος  mehrfach  in  den  Papyri.  Vgl.  Oxy.  VI  900  (437)  vom  J.  322 
und  Flor.  39  (405).  Der  letztere  Text  zeigt,  daß  jetzt  γραμματηφόροι  bei 
der  SchneUpost  angestellt  waren.  Während  die  Reichspost  in  späterer 
Zeit  mehr  und  mehr  herunterkam,  und  Justinian  die  Pferdepost  in  eine 
Eselpost  umwandelte,  zeigen  uns  die  Papyri  der  späteren  Zeit,  wie  die 
großen  Grundherrn  sich  nun  selbst  ihren  eigenen  o^vg  δρόμος  hielten. 
Besonders  lehrreich  sind  die  beiden  Verträge  Oxy.  140  (438)  (a.  550) 
und  138  (a.  610)  Vgl.  auch  154  (VII.  Jahrhundert).  Γραμματηφόροι  der 
späteren  Zeit,  die  z.  T.  wohl  auch  in  Diensten  von  Privaten  stehen,  be- 
gegnen z.  B.  in  Amh.  156,  Grenf.  I  66,  II  93,  Oxy.  156,  Lond.  III  S.  251 
(n.  1073).  Außerdem  kennt  die  spätere  byzantinische  Zeit  Briefboten  mit 
dem  Titel  σύμμαχος.  Vgl.  hierzu  KraU,  Mitt.  PR  III  61  und  Wessely, 
Wien.  Denk.  37  [195].  Er  zitiert  das  Breviarium  Liberati  Diaconi  c.  XXIII: 
per  portitores  literarum  velocissimos  pedestres,  quos  Aegyptii  symmachos 
vocant.     Weitere  Beispiele  in  P.  Klein.  Form.  Index  S.  280. 

§  2.  TRANSPORT-REQUISITIONEN  FÜR  BEAMTE  UND  TRUPPEN. 

In  ptolemäischer  Zeit  galt  der  Grundsatz,  daß  die  Bevölkerung  für 
die  Transporte  der  reisenden  Beamten  wie  der  marschierenden  Truppen 
ihre  Zugtiere  und  sonstigen  Transportmittel,  wie  z.  B.  Schiffe,  zur  Ver- 
fügung stellen  mußten.  Dieses  Requirieren  nannte  man  άγγαρενειν^  was 
ursprünglich  speziell  das  Requirieren  für  die  Post  bedeutete.^)  Ob  diese 
άγγραρεΐαι  damals  vöUig  unentgeltlich  zu  leisten  waren,  oder  ob  irgend- 
welche Entschädigungen  gezahlt  wurden,  ist  noch  nicht  klar  zu  sehen/) 
Die  Hauptzeugnisse  sind  Teb.  5,  178 ff.:  Προότετάχαοί  δε  μηδέ  τους  6τρα- 


1)  Vgl.  Wilcken,  Arch.  Υ  437.  2)  Vgl.  Seeck  1.  c. 

3)  Über  die  Herkunft  des  Wortes  s.  oben  S.  372  Anm.  2. 

4)  Anders  ist  das  Verhältnis  in  Petr.  II  25:  da  erhält  ein  berufsmäßiger  Fuhr- 
herr {ηνίοχος),  der  ηνίοχοι  und  Ιτΐτίοτιόμοι  unter  sich  hat,  von  der  Regierung  Bezahlung 
(in  Naturalien). 


ι 


§  2.    Transport-Requisitionen  für  Beamte  und  Truppen.  375 

{τηγονς)  καΐ  tovg  αλλονς  τονς  JtQog  ταΐς  πραγματείαΐξ  ελκειν  ttvag  των 
κατοίκονντων  έν  τψ  χώρα  εΙς  λειτουργίας  idCag  μηδέ  κτήνη  αντών 
έγγαρενείν^)  επί  τι  των  Ιδίων  κτλ.  und  Ζ.  252  ff.:  Προύτετάχα^ι  δε 
μηδενα  έγγαρενειν  τιλοΐα"^)  κατά  μηδεμίαν  πaρεvρεύLζvy  εΙς  τάς  Ιδίας 
χρείας.  Da  hier  diese  Angarien  nur  für  private  Zwecke  verboten  werden 
—  offenbar  lagen  Übergriffe  nach  dieser  Seite  vor  — ,  so  folgt  daraus 
der  Obersatz,  daß  sie  zu  nicht  privaten  Zwecken  erlaubt  waren. 

Für  die  römische  Zeit  war  bisher  für  diese  Fragen  unsere  Haupt- 
quelle  das  Edikt  des  Cn.  Vergilius  Capito  vom  Dezember  48  n.  Chr.^) 
Hier  wird  den  durchreisenden  Truppen  u.  a.  verboten:  μηδέν  λαμβάνειν 
(Verpflegung  u.  dgl.)  μΎιδh  άγγαρεύειν  εΐ  μη  τίνες  έμά  διπλώματα  εχονΰιν. 
Ahnlich  wie  die  Erlaubnis  zur  Benutzung  der  Reichspost  durch  diplo- 
mata  gewährt  wurde*),  so  erteilten  hiernach  statthalterliche  diplomata 
den  marschierenden  Truppen  die  Erlaubnis,  von  der  Bevölkerung  sich 
aufnehmen  zu  lassen^)  und  Transportmittel  zu  requirieren.  Mit  hohen 
Strafen  wird  das  Übertreten  dieses  Edikts  belegt.^)  Kürzlich  haben  wir 
durch  Lond.  III  S.  107  (439)  ein  Edikt  des  L.  Aemilius  Rectus  vom  J.  42 
kennen  gelernt,  das  schon  6  Jahre  vor  Capito  sich  gegen  dieselben  Miß- 
stände richtet.  Auch  hier  wird  das  statthalterliche  δίπλωμα  als  Voraus- 
setzung für  solche  Forderungen  bezeichnet;  der  Text  zeigt  aber,  daß  die 
Leistungen  der  Bevölkerung  auch  an  die  Inhaber  der  diplomata  nicht 
unentgeltlich  waren. '^)  Die  kaiserlichen  Güter  waren  natürlich  frei  von 
diesen  drückenden  Lasten.  Einen  Einzelbeleg  dafür  bietet  ein  Bronze- 
täfelchen  des  Berliner  Museums  (P.  10592)  wohl  aus  dem  IL  Jahrb.,  das 


1)  VgL  Wilcken,  Arch.  ΠΙ  325  (statt  έΛαρετίΙν). 

2)  Vom  Schiffsverkehr  für  Pereonen-  und  Frachttransport  im  Faijiim  handelt 
Petr.  III  107  (S.  254  fl.).  Bemerkenswert  ist,  daß  diese  προσαγωγίδες  teils  Privat- 
leuten, teils  dem  König  gehörten.     Vgl.  Smyly  S.  262. 

8)  Dittenberger,  Or.  Gr.  II  665.  Zum  Capito  vgl.  jetzt  die  Inschrift  bei  Wiegand, 
Sechst,  vorläufiger  Bericht  über  Ausgrabungen  in  Milet  und  Didyma  (Abh.  Pr.  Akad. 
1908)  S.  12.  Wiegand  ergänzt:  Γναίος  Ονεργίλι[ος  Γναίον  ν16ς  ΚαηΙτων]  Αίγνπτου  χαϊ 
χής  Άαίας  ίηΙτΙρ]οπος.  Aber  proc.  Aegypti  titular  ist  bedenklich,  auch  müßte  rt)ff 
vor  AlyvTixov  stehen.  Ich  vermute:  Oi^tQyiXtloi  Καπίτων  ίτιαρχος  τι)ς]  *Αΐγνπχον  xai 
rfjg  Άΰίας  (ηίτροηος.     Das  wilre  als  Wiedergabe  des  lateinieclwni  Titels  zu  fuHsen. 

4)  Vgl.  Plin.  ep.  46,  46,  120. 

6)  Nur  das  Anrecht  auf  Quartier  haben  die  Diplominhabtir,  wie  der  Text  weiter- 
hin sagt,  an  vTto%ny,tva  aber  uollen  sie  nur  empfangen,  wm  der  Prilfckt  Maximus 
festgetetzt  hatte.  Über  diese  νποχίΙμίνα  als  Emolumente  vgl.  V.  Martin,  Les  epistra- 
t^ge•  S.  148. 

6)  Der  nächste  AbHchnitt  richtet  sich  gegen  die  oxinai^  die  Protektionen.  Vgl. 
40  ϋ%»ηαστικοϋ  und  48  τής  αχέ{ηης,  wie  ich  statt  α%ί['^(ως  vorschlage.  Zu  ϋχίηάζην 
Tgl.  die  Note  zn  66,  60.     Fflr  die  römische  Zeit  vgl.  auch  BGU  28,  10. 

7)  Wie  die  Abgaben  νπίρ  δ^ηΧωμαχος  δνων,  ιηηην  usw.  zu  deuten  find,  ist 
immer  noch  nicht  ganz  klar.     Zuletzt  hat  hierüber  P.  Meyer  zu  Hamb.  9  gehandelt. 


376  Kapitel  Χ.     Das  Post-  und  Transportwesen. 

die  Inschrift  trägt:   ^γρείτΐτανίανης  καΐ  'ΡοντνλλιανΎΐξ  ovöCag   τον  κνρίον 
Αντοκράτοροζ  άτελην  καΐ  άνενγάρεντον.^) 

Aus  byzantinischer  Zeit  haben  uns  die  Papyri  ähnliche  Nachrichten 
nicht  gebracht,  doch  ist  die  Fortdauer  der  Angarieverpflichtung  durch 
andere  Zeugnisse  bekannt  genug. ^)  Andrerseits  hören  wir  jetzt  von  einer 
Geldabgabe  für  die  Maultiere  (βονρδωνες)  durch  Lips.  87  (IV.  Jahrhun- 
dert).^) An  und  für  sich  kann  man  zwar  schwanken,  ob  diese  Abgabe 
nicht  für  den  cursus  publicus  erhoben  wurde.  Aber  die  Verbindung  mit 
der  Abgabe  πρυμιπίλον  spricht  doch  wohl  dafür,  daß  auch  diese  Maul- 
tiersteuer für  die  Soldaten  gezahlt  wurde.  Dies  bestätigt  ein  unediertes 
Leidener  Ostrakon  des  IV.  Jahrhunderts,  in  dem  gleichzeitig  νπίρ  κί^νώι/üg 
ίγ  ίνδικτ(ίωνοο)  βονρδόν(ων)  τεριμιπύλον  νανλον  κα1.νπ{βρ)  νανλον  τει- 
ρώνων  quittiert  wird,  ebenso  ein  unedierter  Leipziger  Papyrus,  der  auch 
χρνΰον  βο[νρ^οόνω[ν]  καΐ  δείρόνων  (tirones)  nebeneinander  nennt. 

§  3.    DER  KORNTRANSPORT. 

Unter  den  mannigfachen  Transporten  von  Staatsgütern,  die  die  Ur- 
kunden erwähnen^) ,  tritt  der  Korntransport  entsprechend  seiner  ganz 
speziellen  Bedeutung  für  das  fiskalische  Interesse  besonders  stark  hervor. 
Die  für  ihn  getroffenen  staatlichen  Einrichtungen  verlangen  daher  eine 
besondere  Hervorhebung,  doch  kann  ich  mich  auf  eine  kurze  Skizze  be- 
schränken, da  sie  kürzlich  von  Rostowzew  eingehend  darlegt  worden  sind.^) 

Daß  das  Korn  der  sämtlichen  Felder  Ägyptens,  auch  das  der  Do- 
mänen, von  der  Tenne  in  das  nächste  Staatsmagazin  (^-ηύανρός)  gebracht 
wurde,  ist  schon  oben  S.  181  dargelegt  worden.  Soweit  es  nicht  hier 
verbraucht  oder  gelagert  werden  sollte,  mußte  es  von  hier  an  seinen 
definitiven  Bestimmungsort  transportiert  werden,  d.  h.  für  die  Ptolemäer- 
zeit  vor  aUem  nach  Alexandrien,  wo  es  in  die  großen  Reichsspeicher  (το 
βαύιλικόν)  übergeführt  wurde,  oder  auch  zu  speziellen  Zwecken  an  andere 
Orte,  wie  zur  Elefantenstation  nach  Memphis.^)  Lagen  die  Thesauren 
nicht  schon  selbst  am  Wasser,  so  wurde  das  Korn  zunächst  über  Land 
an  den  nächsten  Hafenplatz  gebracht,  um  auf  Schiffe  verladen  zu  werden, 
denn  wegen   seiner   größeren  Billigkeit  wurde   der  Wasserweg  prinzipiell 

1)  Ygl.  Zeitsch.  f.  Ägypt.  Sprache  1890,  59  ,  Wilcken  ,  Gr.  Ostraka  I  392  und 
jetzt  Rostowzew,  Kolonat  S.  128  Anm.  1.     Der  Text  bietet  arfZ^r,  nicht  ατελή. 

2)  Vgl.  Seeck,  Pauly-Wiss.  I  2185.     Rostowzew,  Klio  VI  249  fif. 

3)  '  ΤΛοδέ-Άττις  χρνΰον  βονρδώνων  ticcl  πρίμιτύλον. 

4)  Vgl.  ζ.  Β.  die  Requisition  von  Kamelen  für  den  Steintransport  aus  den  Stein- 
brüchen: Lond.  II  S.  75  (a.  163),  BGU  III  762  (a.  163),  ferner  für  militärische  Zwecke 
BGÜ  266  (245),  Comparetti  in  Mel.  Nicole  57  ff.  Zu  dem  Modus  der  Beschaffung 
Tgl.  K.  Fitzler,  Steinbrüche  u.  Bergwerke  (1910)  S.  142  ff. 

5)  Arch.  III  209  ff.     Vgl.  auch  Klio  VI  253  ff.  und  Pauly-Wiss.  VII  169  f. 

6)  Petr.  II  20  IV.  —  Von  einem  beschleunigten  Korntransport  zu  Schiff  in  der 
Thebais  handelt  Grenf.  II  23  (159). 


§  3.    Der  Komtransport.  377 

bevorzugt.^)  Ygl  Teb.  92  (IL  Jahrb.  v.  Chr.),  wo  der  Transport  öl  υπο- 
ζυγίων ausdrücklich  damit  begründet  wird,  daß  Kerkeosiris  μηο'  έπϊ  του 
Μεγάλου  ποταμού^)  μηο'  έπ  άλλου  πλωτού  liegt.  Für  den  Landtransport 
mußten  die  Eselbesitzer  dem  Staat  Esel  zur  Verfügung  stellen,  während 
diejenigen,  die  keine  Esel  hatten,  dafür  eine  Entschädigung  an  den  Staat 
zu  zahlen  hatten.^)  Die  Eselbesitzer  {όνηλάται  oder  κτηνοτρόφου)  waren, 
damit  der  Staat  eine  größere  Garantie  habe,  als  Korporation  oder  Gilden 
organisiert,  die  —  ähnlich  wie  die  Οημόΰιοι  γεωργοί  —  einen  γραμματεύς 
κτηνοτρόφων  an  der  Spitze  hatten.  Vgl.  Fay.  18  (b)  (440),  wonach  ihnen 
ein  φόρετρον  vom  Staat  (in  Getreide)  gezahlt  wurde.  Vgl.  auch  Petr.  II 25  (i). 
Bis  zum  Hafenplatz  scheinen  die  Sitologen  der  Dorfthesauren  den 
Transport  geleitet  zu  haben,  denn  erst  hier  übergeben  sie  das  Korn  den 
ναύκληροί^  die  nun  den  Wassertransport  besorgten.'*)  Nauklerosquittungen 
aus  dem  111.  Jahrhundert  sind  Hib.  98  (441),  Petr.  Π  48,  Lille  21—24 
fl89).  Nach  Petr.  II  20  IV  werden  wir  diese  ναύχληροί  mit  Rostowzew*) 
für  Unternehmer  halten  dürfen,  die  die  einzelnen  Frachten  vom  Staat 
übernahmen.  Der  Text  spricht  von  einer  εργολαβία^  die  offenbar  auf  sie 
zu  beziehen  ist,  wenn  das  Wort  ναύκληρος  hier  auch  nicht  genannt  wird.*) 
^'αύχληρος  darf  hier  nicht  als  „Reeder"  gefaßt  werden,  denn  sie  sind 
durchaus  nicht  immer  die  Schiffseigentümer,  sondern  fahren  oft  mit  fremden 
Schiffen,  die  sie  teils  von  Privaten,  teils  vom  König  oder  der  Königin 
(wie  in  P.Lille)  mieten'),  oder  auch  mit  Staatsschiff'en,  die  sie  geliefert 
bekommen.  Bei  ihrer  Abfahrt  von  Alexandrien  erhielten  sie  von  der 
Regierung  Begleitbriefe  (έπιοτολαί) ,  auf  die  hin  von  den  betreffenden 
Sitologen  ihnen  das  Getreide  ausgeliefert  wurde.  Erlitten  sie  vor  dem 
Bestimmungsort  Havarie,  so  daß  sie  an  der  Weiterfahrt  verhindert  waren, 
so  konnte  ibnen  aus  den  Speichern  des  Gaues,  bis  zu  dem  sie  gekommen 
waren,  das  betreffende  Quantum  auf  jene  έπιοτολαί  hin  mit  behördlicher 
Erlaubnis  geliefert  werden.     Vgl.  Magd.  37+11  (442). 


1)  In  Petr.  II  20  II  (Ιββ)  wird  der  Landtransport  für  100  Artaben  um  6  Drachmen 
teurer  angesetzt  als  der  Wassertransport. 

2)  Der  in  das  Faijum  einmündende  Nilarm  (Bahr  JüseAf).  Meine  Vermutung 
in  Arcb.  III  210  Anm.  2  war  irrig. 

8)  Analog  ist  das  ä.  886  erwähnte  μίτ^Βΐψ  für  die  9Τ«<^μ«ρος.  Im  übrigen  vgl. 
Ilostowzew  Klio  VI  264. 

4)  Dieser  Geschäftsgang  scheint  mir  aus  den  NaukleroiquittuDgen  tu  folgen. 
Vgl.  die  Einleitung  zu  Lille  28  (442). 

6)  Außer  den  obigen  Zitaten  vgl.  auch  seine  Bemerkungen  im  Arch.  V  298. 

β)  Ob  Bostowzew  auch  in  dem  dort  genannten  'AvxtxXfn  ττ^Οί  τ^)  i^aytoy^  »o4> 
oixov  mit  Hecht  einftn  Naukloros  sif'ht,  iüt  mir  zwoifclhuft.  Der  Tiiol  sieht  mehr 
nach  einem  Beamt4*n  aus,  dor  die  Ausfuhr  zu  kontrollieren  hatte.  In  Col.  I  ist  seinem 
Titel  roO  iv  x&t  *AQaivoixr\i  βαοιλιηαϋ  βίτον  hinzugefügt,  was  zu  jener  Annahme 
nicht  pausen  wOrde,  da  in  IV   10  von  ήί^γολαβη-Λοτίς  die  R<'de  ist. 

Ί,  K«    JH  I   eine  Ausnahme,   wenn  einmal  ein  Schiff  von  der  Regierung 

/wdii^Hweide  ;  t   wird.     Vgl.  den  Protest  dagegen  in  Petr.  Π  20  IV. 


378  Kapitel  Χ.     Das  Post-  und  Transportwesen. 

In  der  Kaiserzeit  sind  die  Grundzüge  dieser  Organisation  dieselben 
geblieben,  nur  verändert  sicti  allmählicli  entsprechend  den  allgemeinen 
Verhältnissen  die  Stellung  der  Transportgilden  und  der  Naukleroi,  und 
vor  allem  kommt  als  eine  neue  Aufgabe  der  Transport  nach  Rom  resp. 
Konstantinopel  hinzu.     Das  Material  ist  für  die  Kaiserzeit  viel  reicher. 

Der  Landtransport^)  von  den  Thesauren  zum  nächsten  Hafen  wurde 
jetzt  nicht  nur  mit  Eseln,  sondern  auch  mit  Kamelen  bewerkstelligt,  die 
in  größeren  Mengen  überhaupt  erst  seit  Beginn  der  Kaiserzeit  als  Trans- 
porttiere in  Ägypten  verwendet  zu  sein  scheinen.^)  Ygl.  Lond.  II  n.  295 
S.  100,  die  Quittung  eines  καμηλοτρόφος^  der  von  den  Thesauren  zu  den 
Häfen  Gerste  gebracht  hat.  Vgl.  auch  BGU  607.  Die  Organisation  der 
von  den  Dörfern  zu  stellenden  Eseltrupps  wird  außer  von  den  Papyri 
auch  von  Ostraka  aus  dem  Faijum  beleuchtet.  Vgl.  die  Ostraka  aus  Phila- 
delphia, die  Jouguet  herausgab^),  und  die  aus  Sedment,  die  in  meinen 
Gr.  Ostraka  II  n.  1091 — 1125  ediert  sind,  sowie  die  Ausführungen  hier- 
über von  Rostowzew,  Arch.  III  223  gegenüber  Preisigke,  Arch.  III  44  ff. 
Vgl.  auch  P.  Meyer  zu  Hamb.  17.  Die  Texte  zeigen,  daß  auch  in  ent- 
ferntere Gaue  Esel  für  diese  Korntransporte  zu  stellen  waren.  Sehr  lehr- 
reiche Abrechnungen  über  den  Landtransport  bietet  BGU  III  802  (a.  42).*) 
Auch  Hamb.  17  ist  von  Wichtigkeit,  zumal  er  zeigt,  daß  die  Naukleroi 
auch  über  den  Landtransport  abrechneten.  Vgl.  Meyers  Kommentar.^) 
Entsprechend  der  allgemeinen  Entwicklung  ist  auch  die  όνηλααίκ  allmäh- 
lich zu  einer  Liturgie  geworden.  Belege  liegen  erst  aus  dem  Ende  des 
IL  Jahrhunderts  und  dem  IIL  Jahrhundert  vor.  Vgl.  BGU  15  II  (a.  197), 
wo  die  Liturgie  mit  Wahrscheinlichkeit  anzunehmen  ist,  und  Flor.  2  VIII 
(a.  265).  Vielleicht  ist  auch,  worauf  Ortel  hinwies,  bei  der  Liturgie  der 
καταγωγ^ι  τον  οίτον  in  BGU  IV  1022,  16  (29)  (a.  196)  an  die  ονηλαΰία  zu 
denken.  Die  beiden  anderen  Texte  zeigen  zugleich,  daß  damals  die  ονη- 
λάταν  verpflichtet  waren,  je  3  Esel  dem  Staat  zu  stellen  (rj  τριονία  όνη- 
λαβία).  ^) 

Der  Wassertransport  bis  Alexandrien  lag  nach  wie  vor  in  der  Hand 
der  νανκληροί.     Den  Betrieb   illustrieren   uns  Quittungen  der  Steuerleute 


1)  Vgl.  Rostowzew,  Arch.  III  218  S. 

2)  Über  die  sporadischen  Ausnahmen  in  der  Ptolemäerzeit  vgl.  oben  S.  373.  Ob 
die  häufigere  Verwendung  des  Kamels  auf  die  arabische  Expedition  des  Gallus  zurück- 
zuführen ist? 

3)  Bull,  de  linst.  Fran9.  d'Arch.  Orient.  II  1902. 

4)  Vgl.  Rostowzew,  Arch.  III  218. 

5)  Zu  den  von  ihm  angeführten  Texten  ist  noch  Lond.  II  S.  100/1  hinzuzufügen, 
wo  nach  meinen  Lesungen  (Arch.  III  237)  ein  άγορα(νομη6(χς)  ßovX(8VTr}g)  .[...]  den 
όρμοφύλατιες  bescheinigt:  Κατήξατε.  Das  Stück  ist  wichtig  für  die  durch  die  Kom- 
munalordnung herbeigeführten  Änderungen  der  Verwaltung.  Die  wichtige  Stelle  hinter 
βονλ{εντής)  sollte  noch  geprüft  werden. 

6)  Vgl.  Rostowzew,  Klio  VI  253. 


ι 


§  3.    Der  Komtaransport.  379 

wie  Lond.  Π  S.  99  (443)  und  Oxy.  Π  276.  Wenn  in  letzterer  Urkunde 
der  in  Z.  16  genannte  Marius  Vindex  der  procura tor  Neaspoleos  ist^),  so 
würde  jetzt  dieser  Beamte  die  Anweisungen  an  die  Lokalbehörden  betreffs 
des  den  κυβερνιέται  zu  liefernden  Getreides  durcb  επιότολή  ergehen  lassen. 
Vgl.  443  zu  άπόοτολος.  Der  Amtseid  in  Lond.  II  S.  2bQ/l  aus  der  Zeit  des 
Pius  ist  wohl  der  eines  νανκληρος  oder  κυβερνήτης.  Dafür,  daß  die  Nauklerie 
zur  Liturgie  geworden  wäre^),  kann  ich  einen  entscheidenden  Beleg  nicht 
finden.  Wohl  aber  ist  ihre  Organisation  allmählich  die  einer  Zwangsinnung 
geworden,  doch  ist  auch  dies  nicht  vor  Ende  des  III.  Jahrhunderts  geschehen.^) 
Wertvolle  Angaben  über  die  Stellung  der  ναύκληροι,  in  hadrianischer  Zeit 
bietet  Giss.  11  (444).  Dagegen  sind  die  „Fahrtbegleiter",  die  έπίπλοοι^ 
die  in  der  früheren  Zeit  vielfach  aus  den  Soldaten  entnommen  wurden, 
wie  in  Lond.  II  S.  99  (443)  vom  J.  15  n.  Chr.  und  Oxy.  II  276  vom  J.  77, 
später  Liturgen  geworden.  Dies  geht  aus  Lond.  U  S.  173/4  vom  J.  185 
deutlich  hervor.^)  Diese  έπίπλοοι  hatten  von  der  Befrachtung  der  Schiffe 
an  bis  zur  vollzogenen  Wägung  (ξυγοΰταοία)  in  Alexandrien  die  Ladung 
zu  beaufsichtigen.  Vgl.  Lond.  II  S.  256/7  und  Grenf.  II  46  (a)  (431).  ' 
Den  letzten  Akt  stellt  nun  der  Seetransport  von  Alexandrien  nach 
Rom  dar.^)  Auch  dieser  ist  an  ναύκληροί  vergeben,  die  im  Gegensatz 
zu  jenen  navicularii  Niliaci  die  navicularii  marini  oder  Alexandrini  stoli 
genannt  werden.  Über  diese  haben  die  Papyri  bisher  geringes  Material 
gebracht.  Diese  alexandrinischen  Kornschiffe,  die,  zu  einer  Flotte  ver- 
einigt, nach  Italien  zu  fahren  pflegten^),  bildeten  die  classis  Alexandrina ^) 
oder  den  ΐ4λεΙανορίνος  ΰτόλος.^)  Auf  diese  glaube  ich  einen  Hinweis  in 
Lond.  III  S.  125,  16  zu  finden  in  dem  επιτρόπου  κλαοόικοϋ  (a.  104).  Diese 
Vermutung,  die  ich  schon  in  Arch.  IV  544  vortrug,  gewinnt  mir  dadurch 
noch  an  Wahrscheinlichkeit,  daß  wenige  Zeilen  vorher  von  einem  Brief  an 
den  procurator  Neaspoleos  die  Rede  ist.  Hiernach  würde  es  also  in 
Alexandrien  einen  eigenen  kaiserlichen  Beamten  mit  dem  Titel  procurator 
classicus  für  die  Verwaltung  dieser  Transportfiotte  gegeben  haben.  Sonst 
kann  ich  aus  dieser  Periode  nur  noch  auf  den  Brief  BGU  27  (445)  hin- 
weisen, den  ein  beim  Korn  trän  sport  beschäftigter  Mann  aus  dem  Faijüm 
in  Rom    geschrieden   hat  (II./III.  Jahrb.).     Auch   auf  den  ältesten  christ- 

1;  Ich  vermui•  i•.  i.  tu.  ίηιτ[ρόπον  ti)g  Niag  %6λ»ως.  Der  £inwand  der  Edi- 
toren ge^eo  έπίτ[ρ07ίον,  daß  dann  χρατίϋτον  zu  erwarten  w&xe,  trifiFt  für  dieie  frühe 
Zeit  (a.  77)  nicht  zu 

2)  Ko  fioHiow/.ow,  Arch.  111  228.  8)  H.  Schiller,  Rum.  Kaiiers.  II  80  f. 

4)  Wilcken,  Arch.  III  llfi      Vgl.  auch  Roitowxew,  Arch.  III  2S1  Anm.  8. 

6)  Vgl.  Marquardt.  Privatleben  d.  Humer*  404  ff. 
β)  Vgl.  Senera,  epiiit.  77,  1. 

7)  Kicbigcr,  Pauly-Wiie.  III  2G41  identifiziert  lie  irrig  mit  der  olaMia  Augoata 
Alezandrina,  d<'r  KricKiiHotte. 

8)  Vgl.  CIG.  6889  und  6978  au•  Puteoli  und  dasu  Mommien  RG  V  677. 


380  Kapitel  Χ.     Das  Post-  und  Transportwesen. 

liehen  Brief,  gleichfalls  aus  Rom  (126),  sei  nochmals  hingewiesen,  da  er 
u.  a.  auch  von  dem  Korntrausport  zu  sprechen  scheint. 

In  der  byzantinischen  Zeit  treten  uns  die  navicularii  als  eine  ge- 
schlossene erbliche  Korporation  entgegen,  deren  Bestand  durch  Verleihung 
von  Privilegien  und  Immunitäten  aufrecht  zu  erhalten  gesucht  wurde.  ^) 
Aus  den  Papyri  wüßte  ich  für  ihre  veränderte  Stellung  nur  das  eine 
Moment  anzuführen,  daß  der  Staat  jetzt  auch  für  die  νανκληροί  Bürg- 
schaften verlangt,  was  aus  der  früheren  Zeit  nicht  belegt  ist.  Solche  Bürg- 
schaftsurkunden sind  P.  Goodsp.  14  (a.  343)  und  der  neue  Münchener  Pa- 
pyrus 60  (434)  vom  J.  390.  Quittungen  von  νανκληροι  oder  νανκληροκν- 
βερνψαι  sind  Ρ.  Cair.  Preis.  34  vom  J.  315,  P.  Stud.  Pal.  I  S.  34  vom 
J.  343,  Flor.  75  (433)  vom  J.  380.  Eine  Liste  von  Kornschiffen  (lusoriae 
und  TtXola)  aus  dem  IV./V.  Jahrh.  bietet  Oxy.  VII  1048.  Auf  die  ΰιτο- 
πομπία  in  Cair.  Cat.  67030  (VI.  Jahrh.)  ist  schon  oben  S.  371  hingewiesen 
worden. 

Auch  jetzt  bildeten  die  Schiffe,  die  seit  330  nach  Konstantinopel 
fuhren,  einen  eigenen  Alexandrinus  stolus.  Vgl.  Cod.  Theod.  XIII  5,  7 
(a.  334),  wonach  die  navicularii  dieses  stolus  4^0  vom  Getreide  und  1  Soli- 
dus  für  1000  modii  erhielten.  Es  ist  verlockend,  hiermit  in  Parallele  zu 
stellen,  daß  die  navicularii  Niliaci  nach  Goodsp.  14  (vgl.  auch  Flor.  75) 
κούμουλα  (das  könnten  die  Prozente  vom  Korn  sein)  und  zweitens  einen 
Denar  pro  Modius  erhielten.  Einen  direkten  Hinweis  auf  den  Seetrans- 
port dieser  Zeit  bietet  Oxy.  I  87  (446),  der  von  einem  νανκληρος  %αλατ- 
τίον  νανκληρίον  handelt  (a.  342).  Für  die  justinianische  Zeit  sind  auch 
hierfür  wieder  die  detaillierten  Angaben  des  ΧΙΠ.  Edikts  des  Justinian 
grundlegend. 


1)  Vgl.  außer  Schiller  1.  c.  R.  de  Ruggiero,  BoUettino  dell'  Instituto  di  Diritto 
Romano  XX  48  ff.  (1908),  der  ausgehend  von  Lond.  ΙΠ  S.  163  f.  ausführlich  über  die 
Stellung  der  navicularii  auf  Grund  der  reichen  juristischen  Literatur  gehandelt  hat. 


KAPITEL  XI. 

MILITÄR  UND  POLIZEI. 

I.  DAS  MILITÄR. 
A.  DIE  PTOLEMÄERZEIT. 

Lit.:  J.  G.  Droysen,  De  Lagidarum  regno  etc.  (Klein.  Schrift.  II  375  flf.).  — 
Franz,  CIG  III  p.  287  ff.  —  Lumbroso,  Recherchef?  sur  Teconomie  poL  de  l'Egypte 
etc.  S  224 ff.  Derselbe,  L'Egitto  dei  Greci  e  dei  Romani-  (1895)S.  80ff.  —  Wilcken, 
Theb.  Bank.  (Abb.  Preuß.  Akad.  1886)  S  49  ff.  —  J.  P.  Mahaffy  in  der  Einleitung 
zu  den  Petrie- Papyri.  Vgl.  Wilcken,  GGA  1895,  1:^2  ff.  —  P.Meyer,  Das  Heerwesen 
der  Ptolemäer  und  Römer  in  Ägypten  1900.  —  W.  Schubart,  Quaestiones  de  rebus 
militaribus  quales  fuerint  in  regno  Lagidarum  1900.  Derselbe,  Arch.  Π  147  ff. 
(Kritik  über  P.  Meyers  Heerwesen).  Vgl.  auch  Arch.  V  106 ff.  —  Grenfell-Hunt  in 
zahlreichen  Editionen,  im  besondem  Teb.  I  545ff.  —  Bouch^-Leclercq,  Hist.  d. 
Lagides  IV  Iff.  —  Th.  Rein  ach  in  der  Einleitung  zu  den  P.  Rein.  S.  20  ff.  -— 
J.  Leequier,  Note  sur  une  inscription  d'Ashmounein  (Rev.  d.  PhiloL  XXXII  1908 
S.  215  ff.). 

Trotz  der  reichen  neuen  Materialien,  die  die  letzten  zwanzig  Jahre 
gebracht  haben,  birgt  die  Geschichte  des  ptolemäischen  Heerwesens  noch 
heute  eine  Fülle  umstrittener  Probleme.  Hätten  wir  mehr  von  Polybios, 
würden  wir  auch  in  diesem  Punkte  weiter  sein.  Die  Urkunden  machen 
uns  zwar  mit  zahlreichen  Personen  des  Militärstandes  bekannt,  doch  hören 
wir  meist  nur  von  ihrem  Landbesitz  oder  ihren  Steuern  oder  den  All- 
täglichkeiten ihres  Privatlebens,  während  militärische  Dokumente,  die  uns 
in  die  Organisation  des  Heerwesens  einen  Einblick  gewährten,  äußerst 
selten  sind.  Die  Proben,  die  ich  von  letzteren  für  die  Chrestomathie  aus- 
gesucht habe,  sind  um  so  geringer  an  Zahl,  als  manche  dieser  militäri- 
schen Dokumente  zu  denjenigen  Texten  gehören,  deren  Neubearbeitung 
ich  mir  für  die  „Urkunden  der  Ptolemäerzeit"  vorbehalten  muß.*)  Eine 
zusammenfassende  Bearbeitung  des  Themas  von  J.  Leequier,  von  der  wir 
nach   seinen  Vorarbeiten   das   Beete  erwarten   dürfen,  ist  vollendet,  aber 

1)  Dazu  ^(jliöron  einige  dor  wichtigit«n,  wie  Lond.  I  S.  88  ff.  (Aber  die  Indlenit- 
Mtellung  de•  Apollonioi)«  der  auch  nur  im  Zufammenhang  mit  den  gotamten  Sera- 
penmttexten  roll  gewürdigt  werden  kann,  und  mehrere  d»T  ihebaniiichen  Akten,  wie 
Ilieb.  Rank  V— VII  und  einige  der  von  Kevillout  in  den  Melange•  heraiiigeftk>eii«a 
StQcke. 


382  Kapitel  XI.     Militär  und  Polizei. 

leider  noch  nicht  herausgegeben.^^)    Nur  ungern  behandle  ich  daher  jetzt 
den  Stoff,  doch  darf  wenigstens  ein  kurzer  Überblick  hier  nicht  fehlen. 

Das  Heer  der  Lagiden,  das  Fundament  ihrer  Militärmonarchie,  hat 
sich  wie  alle  Diadochenheere  aus  der  Armee  Alexanders  des  Großen  heraus 
entwickelt.  Hatte  er  zuletzt  damit  begonnen,  seine  Verschmelzungspolitik 
gerade  im  Heere  praktisch  durchzuführen,  so  haben  seine  Generale  nach 
seinem  Tode  diese  Politik  verworfen,  wie  in  den  Beschlüssen  von  Babylon 
deutlich  hervortrat.  Wir  haben  oben  bei  Betrachtung  der  Grundzüge  der 
Verwaltung  sowie  der  Kirchenpolitik  ^)  feststellen  können,  daß  die  drei 
ersten  Ptolemäer  eine  deutliche  Scheidewand  zwischen  den  Makedoniern 
und  Hellenen  einerseits  und  den  Ägyptern  als  den  Untertanen  andrerseits 
aufgerichtet  haben.  Dieser  makedonisch -hellenische  Standpunkt  ist  auch 
im  Heerwesen  von  ihnen  durchgeführt  worden.  Wohl  sind  ausnahmsweise 
im  Ernstfalle  auch  Ägypter  in  das  Heer  eingestellt  worden,  wie  Ptole- 
maios  I.  bei  Gaza  (312)  auch  Ägypter  in  seinem  Heere  hatte  ^),  auch  be- 
gegnen schon  unter  Philadelphos  und  Euergetes  L  gelegentlich  ägyptische 
μάχίμ,οί^),  aber  im  Prinzip  herrschte  durchaus  der  Grundsatz,  daß  die 
Ägypter  zwar  als  Ruderer  auf  der  Flotte,  aber  nicht  im  Heere  dienen 
sollten.  Das  Heer  bestand  normalerweise  aus  den  Μακεδόνες^  die  nicht 
nur  die  Gardetruppen,  sondern  überhaupt  die  Kerntruppen  bildeten,  und 
aus  den  buntgemischten  Mchtägyptern,  unter  denen  die  Hellenen,  aus  den 
verschiedensten  Plätzen  des  Mutterlandes  wie  der  Kolonialländer,  neben  Per- 
sern, Mysem,  Pisidern,  Lykiern,  Thrakiern  usw.  den  Grundstock  bildeten. 
Nachdem  dann  Philopator  im  J.  217  20000  Ägypter,  nach  makedonischer 
Art  gerüstet,  zum  Kampf  bei  Raphia  herangezogen  hatte  ^),  setzte  gerade 
auf  dies  Ereignis  hin  die  oben  S.  20ff.  geschilderte  nationalistische  Be- 
wegung ein,  deren  Druck  die  Regierungen  des  IL  Jahrh.  immer  mehr 
nachgaben.  Auch  auf  dem  militärischen  Gebiet  tritt  uns  dies  deutlich 
entgegen.    Zwar  stehen  auch  jetzt  noch  alle  Nichtägypter,  ganz  allgemein 


1)  Les  institutions  militaires  des  Lagides.  Eine  Pariser  Doktorthese.  Einstweilen 
ist  die  vorsichtige  zusammenfassende  Darstellung  von  Bouche-Leclercq  zur  Einführung 
zu  empfehlen.  Wer  tiefer  eindringen  will,  muß  vor  allem  Grenf eil- Hunt  1.  c.  mit  den 
Urkunden  stadieren.  P,  Meyers  Buch,  das  trotz  großer  Verdienste  speziell  für  die 
Ptolemäerzeit  doch  viele  Irrtümer  brachte,  ist  nur  zusammen  mit  Schuharts  Kritik 
zu  benutzen.  Was  P.  Meyer  damals  fehlte,  die  Vertrautheit  mit  den  Originalen,  be- 
sitzt er  jetzt,  wie  seine  ausgezeichneten  Publikationen  der  letzten  Jahre  zeigen,  in 
hohem  Maße. 

2)  Vgl.  S.  19  und  93  ff. 

3)  Diod.  19,80,4:  Λίγνητίων  dh  τελή^Ός  το  μ,hv  κομίξον  βέλτ}  χαϊ  την  αλλην  τιαρα- 
ακενήν^  το  ah  ■καϋ'ωτζλίβμένον  καΐ  προς  μάχην  χρηΰίμον. 

4)  Hib.  41  (a.  261),  44  (a.  253),  70  (b)  (a.  228),  Grenf.  II  14  (a),  22  f.,  wo  übrigens 
μίο&ωτών  nicht  richtig  gelesen  ist.  Ihre  Verwendung  ist  hier  nicht  eine  speziell 
militärische. 

5)  Polyb.  V  65. 


ι 


ι 


ι 


Ι.  Das  Militär.     Α.  Die  Ptolemäerzeit.  383 

als  OL  οτρατενόμενον  "Ελληνες^)  bezeichnet,  den  Ägyptern  gegenüber,  aber 
abgesehen  davon,  daß  inzwischen  auch  viel  ägyptisches  Blut  in  die  so- 
genannten ^^hellenischen"  Kreise  eingedrungen  war-j,  spielten  jetzt  die 
ägyptischen  μάχιμον  ^)  eine  ganz  andere  Rolle  als  im  ΠΙ.  Jahrh.  —  gab  es 
doch  sogar  eine  ägyptische  ,,Gardfc"  in  Alexandrien!*)  — ,  auch  begegnen  am 
Ende  des  Jahrhunderts  Ägypter  in  der  hohen  militärischen  Stellung  eines 
Epistrategen  oder  Strategen  der  Thebais.^)  Für  die  weitere  Entwicklung 
ist  es  lehrreich,  die  beiden  großen  Soldateninschriften  aus  Herrn opolis 
miteinander  zu  vergleichen,  von  denen  die  ältere^)  aus  dem  Π.  Jahrb., 
die  jüngere  aus  dem  I.  Jahrh.  (80 — 69)  stammt.*^)  Jene  bringt  fast  durch- 
weg griechische  Namen ^),  diese  ein  buntes  Gemisch  von  Namen  der  ver- 
schiedensten Völker,  unter  denen  namentlich  Ägypter  und  Semiten  hervor- 
ragen. So  spiegelt  sich  die  allgemeine  Entwicklung  der  Bevölkerungs- 
geschichte  Ägyptens  gerade  in  der  Geschichte  des  Lagidenheeres  deut- 
lich wider. 

Das  Heer  der  Ptolemäer  war  ein  stehendes  Heer,  das  im  Kriegsfall 
eventuell  durch  neu  hinzugeworbene  Söldner,  die  von  den  auf  die  großen 
Söldnermärkte  ausgesandten  ξενολόγοί  geworben  waren,  verstärkt  wurde  ^), 
in  Friedenszeiten  aber  über  das  ganze  Land  hin  verteilt  warJ^)  Große 
Kommandos  lagen  wohl  in  den  meisten  Städten,  vor  allem  in  Alexandrien, 
wo  die  Μακεδόνες  später  beim  Niedergang  des  Königtums  oft  die  Rolle 
der  Prätorianer  von  Rom  spielten. ^^)  In  manchen  der  Gaumetropolen  werden 
uns  Kastelle,  φρούρια^  genannt,  die  unter  φρονραρχοί  standen  (z  B.  in 
Hermopolis  in  der  altern  der  oben  genannten  Inschriften).  In  andern 
IMätzen  waren  feste  Standlager,  νπαίϋ-ρα,  errichtet,  aus  denen  gelegentlich 

1)  So  in  Teb.  5,  168.  Jetzt  sind  auch  die  Maxedovss  mit  eingeschlossen  ebenso 
wie  die  Perser,  Lykier  usw. 

2)  Vgl.  S.  23. 

'0)  Charakteristisch  für  das  allmähliche  Verschwimmen  der  früheren  Gegensätze 
iHt,  (laß  in  Teb.  I  l^d^EXXriVsg  μάχιμοι  neben  Alyvnxioi  μ.  und  &XXoi  μ.  genannt  werden. 
Vgl.  Grenfell-Hunt  S.  552. 

4)  Die  iniXtxtoi  im  Par.  63,  21  (a.  164). 

6)  8.  oben  S.  22.  Für  die  militärische  Rolle  des  Πα&ς  vgl.  z.  B.  Nr.  10.  Ein 
unpublizierter  Text  spricht  von  dem  atgatonedov  dieses  selben  Παώς. 

d)  Vgl.  Lesquier  1.  c. 

7j  V^'l.  Milne,  Greek  Inscripiions  (Cat.  G^n^rale  du  Mus.  du  Caire)  S.  26  und 
'lazu  P.  Moyer,  Heerwesen  8.  96ff. 

8)  Dies  Moment  zusammen  mit  den  schon  von  Lesquier  betonten  Namen  Jq^- 
των  und  Κομανός  spricht  mir  dafür,  daß  die  Inschrift  um  Dezennien  älter  ist  als 
LcHquier  annimmt,  der  sie  in  das  Ende  des  II.  Jahrh.  setzen  will.  Die  Schrift  scheint 
mir  zu  dem  früheren  Ansatz  zu  passen. 

9)  Vgl.  den  außerordentlich  wertvollen  Bericht  von  Poljbios  V  64  ff.  über  die 
Vorbereitungen  zur  Schlacht  von  Kaphia. 

10)  Über  die  auHwilrtigcn  Kommandos  vgl.  P.  Mejer,  Heerwesen  8.  16  ff. 

11)  Daß  diese  Menitdoptg  dann  gelegentlich  die  Rechte  der  alten  makedonischen 
HeerefTersainiiilfisg  aoiflbien,  wurde  ichon  oben  8.  8  erwähn! 


384  Kapitel  XI.     Militär  und  Polizei. 

Truppen  in  die  Nachbarschaft  detachiert  wurden.  Vgl.  Grenf.  I  42  (447). 
Das  eigentliche  Charakteristikum  aber  der  ptolemäischen  Heeresorganisation 
ist,  daß  ein  großer  Teil  der  Armee  als  κληρονχοί  in  den  Gauen  angesie- 
delt war.  Über  diese  κληρονχική  γη  ist  schon  oben  S.  280  ff.  eingehen- 
der gehandelt  worden.  Daselbst  ist  auch  schon  betont  worden,  daß  diese 
κληρονχοΰ  nicht  etwa  Veteranen  oder  Pensionäre,  sondern  aktive  Soldaten 
waren,  die  jeden  Augenblick  im  Kriegsfall  auch  wieder  zu  Felde  ziehen 
konnten.^)  Wiewohl  der  Besitz  dieses  Lehnslandes,  wie  wir  sahen,  ein  prekärer 
war,  und  der  König  jederzeit  den  κλήρος  zurücknehmen  konnte,  ist  er 
doch  in  der  Regel  —  zum  mindesten  seit  dem  Ende  des  III.  Jahrh.  — 
dem  Sohn  des  verstorbenen  Kleruchen  zugefallen,  und  da  die  militärische 
Dienstpflicht  auf  dem  κλήρος  lastete,  so  war  damit  gewissermaßen  ein 
erblicher  Kriegerstand  gegeben,  der  mit  jeder  neuen  Generation  (ίίτηγονη) 
dem  König  neue  Rekruten  lieferte.^)  Die  von  Mehreren  vertretene  An- 
sicht, daß  der  Zusatz  rfjg  ^ταγονηξ^  der  in  unsern  Urkunden  so  häufig 
erscheint,  eben  denjenigen  bezeichnet,  der  zu  dieser  hinzugeborenen 
Generation  gehört,  die  nach  dem  Tode  des  Vaters  den  κλήρος  übernehmen 
wird^),  hat  daher  vieles  für  sich,  wenn  auch  neuerdings  mehrfach  Ein- 
spruch erhoben  ist.^)  In  einer  solchen  kurzen  Einführung  muß  ich  mich 
doppelt  hüten,  Probleme,  die  noch  schweben,  als  gelöst  zu  behandeln,  und 
so  wiU  ich  ausdrücklich  anerkennen,  daß  die  Frage,  was  της  έπιγονης  be- 
deutet, nach  unserm  jetzigen  Wissen  nur  eine  hypothetische  Lösung  zu- 
läßt. Aber  ein  Argument  möchte  ich  doch  hervorheben,  das  mir  stark 
für  jene  Ansicht  zu  sprechen  scheint,  das  ist  die  Tatsache,  daß  bei  den 
Hunderten  von  Kleruchen,  die  wir  kennen,  m.  W.  nicht  ein  einziges  mal 
der  Zusatz  της  ετΐίγονης  gemacht  ist.  Das  sieht  doch  aus,  als  wenn  die 
beiden  Begriffe  sich  ausschließen  —  wie  bei  jener  Deutung  angenommen 
wird.^)     Doch   mag  man  in   den  Männern  της  ^^r^j^ovi^g   den  Nachwuchs 


1)  Zu  den  Argumenten,  die  ich  schon  in  GGA  1895,  132 f.  hervorhob,  ist  in- 
zwischen z.B.  noch  Folgendes  hinzugekommen.  In  Petr.  III  S.  19,  3  begegnet  ein 
Άγριαν  (ίκατοντάρονρος)  τ[ών  ο]Ϊ!7ζω  νπο  ιπτΐάρχην.  Da  ist  also  eine  Gruppe  von 
Kleruchen,  die  noch  unter  das  Kommando  eines  Hipparchen  kommen  soll!  Deren 
Dienstzeit  ist  also  sicher  noch  nicht  abgelaufen.  Vgl.  auch  die  zustimmenden  Aus- 
führungen von  Schubart  in  seiner  Dissertation  und  Grenfell-Hunt  in  Teb.  I  S.  547. 

2)  Darum  vermachen  die  Kleruchen  des  ΙΠ./ΙΙ.  Jahrh.  ihrem  Sohne  ihr  Pferd 
und  ihre  Waffen  (Petr.  P.).  Daß  sie  den  -κλήρος  damals  nicht  vermachen  durften, 
wurde  oben  S.  283  angenommen.  Eine  Ausnahme  für  das  III.  Jahrh.  gab  es  schon 
in  Petr.  I  18  [1],  II  6.     Vgl.  jetzt  für  das  Ende  des  IL  Jahrh.  S.  385/6. 

3)  Vgl.  jetzt  Grenfell-Hunt,  Teb.  I  S.  557.  Auch  mir  ist  diese  Deutung  die  wahr- 
scheinlichste (vgl.  z.  B.  Deutsch.  Lit.  Z.  1896,  1389,  Arch.  III  522). 

4)  Vgl.  namentlich  Schubart,  Arch.  V  108  Anm.  1.  Er  sieht  darin  eine  Klasse 
von  Neumakedonen,  von  später  zuwandernden  Makedonen.  Aber  wie  könnte  man  diese 
έπίγονή  nennen?    Darin  liegt  doch  der  Begriff  des  Nachwuchses. 

5)  Grenfell-Hunt  1.  c.  verweisen  auf  Teb.  105,  52  ff.,  wo  ein  Μαχεάών  των  ν,ατοί- 
■κων  Ιηηύων  5  Mav.s8ov£g  της  έΛίγονής  gegenübergestellt  wird. 


ι 


Ι.  Das  Militär.     Α.  Die  Ptolemäerzeit.  385 

der  κληρονχοί  sehen  oder  nicht,  das  kann  nicht  bezweifelt  werden,  daß  die 
Söhne  der  Kleruchen  mit  dem  κλήρος  auch  die  militärische  Dienstpflicht 
übernahmen,  und  so  eine  beständige  Rekrutierung  aus  dem  Nachwuchs 
stattfand.  Das  sind  offenbar  die  Einrichtungen,  an  die  die  treffliche  Quelle 
des  Trogus  Pompeius  gedacht  hat,  wenn  sie  nach  ihrem  Bericht  über  die 
Lagerkinder  im  Heere  Alexanders,  die  Epigonoi^),  hinzufügt  (nach  Justinus 
XII  4,  7):  Quae  consuetudo  in  sticcessoribiis  quoque  Alexandri  mansit.') 
Es  ist  also  diese  Einrichtung  Alexanders  des  Großen,  an  die  die  Lagiden 
offenbar  angeknüpft  haben.  ^) 

Es  ist  oben  auch  schon  erwähnt  worden,  daß  mindestens  seit  dem 
II.  Jahrh.  die  militärischen  Inhaber  von  κλήροι  meist  κάτοικοι  genannt 
wurden.  GrenfeU-Hunt,  die  in  Teb.  I  ein  außerordentlich  wertvolles  Ma- 
terial für  die  Katökenfragen  mit  trefflichem  Kommentar  vorgelegt  haben, 
haben  S.  557  die  sehr  ansprechende  Vermutung  geäußert,  daß  die  oben 
S.  280  erwähnte  Tatsache,  daß  im  IL  Jahrh.  auch  andere  als  Soldaten 
Inhaber  von  κλήροι  wurden,  es  nahe  gelegt  habe,  für  die  Soldaten 
einen  sie  unterscheidenden  Titel  zu  gebrauchen.  Diese  Texte  haben  uns 
auch  gezeigt,  wie  man  aus  den  niedern  Klassen  der  κληρονχοί  (Polizisten) 
zu  den  κάτοικοι  avancieren  konnte.  Ein  lehrreiches  Beispiel  dafür  ist 
Teb.  32  (448). 

Bezüglich  der  Entwicklung  des  Besitzrechtes  der  κάτοικοι  an  diesen 
κλήροι  in  der  jüngeren  Ptolemäerzeit  werden  wir  jetzt  hinaus  über  das,  was 
ich  S.  282/3  (vgl.  384  Anm.  2)  mitteilen  konnte,  durch  einen  Berliner  Papyrus 
aus  Abusir  el-mäläq  gefordert,  den  Schubart  demnächst  als  BGU  IV  1188 
edieren  wird,  und  dessen  Transkription  er  mir  soeben  freundlichst  zur  Ver- 
fügung gestellt  hat.  Der  Text  (aus  dem  I.  Jahrh.  v.  Chr.)  ist  eine  Parallele 
zu  dem  1.  c.  von  mir  zitierten  Teb.  I  124  (ca.  118  v.  Chr.).  Er  behandelt 
die  liechte  der  κάτοικοι  Ιππείς  des  herakleopolitischen  Gaues  so  wie  jener 
die  des  !4ρϋΐνοΐτης.^)  Das  neue  Prostagma  verfügt  zunächst  (I  12  ff.): 
μενειν  ί'  αντοίς  ονς  κατεόχγ^Ικαϋι  κλήρους  καΐ  τοίς^  ^νγόνοις  6νν  τοΙς 
όταϋ'μοίς  κτλ.,  was  Teb.  124,  25  ff.  entspricht,  abgesehen  von  dem  Zusatz 
über  die  όταϋ-μοί  (s.  unten).  Dann  aber  folgen  nach  einer  Lücke  die 
wichtigen  Worte  (II  16  ff.):  έάν  όέ  τίνες  έξ  αντ&ν  τελεντήόωόι  άδιά^ετοι^ 
ερχεό^αι  τους  κλήρους  τούτων  εις  τους  εγγίότα  γένους  καθότι  καΐ  hti) 
(=«  έπΙ)  των  ^Αρόινοειτών  έοτιν.  Also  wenn  die  Besitzer  von  κλήροι  ohne 
Testament  gestorben  sind,  so  sollen  die  κλήροι^  so  verfügt  jetzt  der  König, 

1)  Wir  kennen  am  den  Serapeumtpapyri  inlyovot  in  Memphis,  die  ein  be- 
stimmtet Regiment  bilden.     Die  Mind  von  den  η)^  ίηίγορής  natürlich  tu  trennen. 

S)  Hierauf  hat  schon  Lumbroso,  L'Kgitto  K4  ff.  hingewiesen.  Vgl.  auch  τ.  Premer- 
stein,  Klio  ΙΠ  8.  80. 

»)  Ähnlich  war  androraeits  auch  die  Dehandlung  der  μάχιμοι  in  der  Phar»- 
onenxeit. 

4)  In  Teb,  I  1S4.  S  wird  vielleicht  auch  natoinot.  Ιηη»ΐς  hcnustellen  sein. 
Μ  1 1 1 Γ  i  •  w  1 1 '  k  '  η    Oraadeae•  I.  tb 


386  Kapitel  XI.     Militär  und  Polizei. 

auf  die  nächsten  Verwandten  übergehen.  Das  setzt  voraus,  daß  schon  da- 
mals die  κλήροι  von  den  Inhabern  durch  Testament  vererbt  werden  durften, 
läßt  aber  vermuten,  daß  in  den  Fällen,  wo  dies  nicht  geschehen  war,  die 
κλήροι  (wie  früher)  zunächst  wieder  an  den  König  zurückfielen.  Hierauf 
verzichtet  nun  der  König  durch  diese  generelle  Regelung  für  die  Zukunft. 
Daß  auch  jetzt  noch  das  Prinzip  weiter  bestand,  daß  der  Besitz  des  κλήρος 
zum  Kriegsdienst  verpflichtete,  und  daß  damit  eo  ipso  der  Begriff  der 
εγγιΰτα  γενονς  seine  praktische  Begrenzung  fand,  möchte  ich  als  wahr- 
scheinlich annehmen. 

Diese  militärischen  Ansiedler  erhielten  aber  nicht  nur  κλήροι^  also 
Grundstücke  zum  landwirtschaftlichen  Betrieb,  sondern  auch  Quartiere 
zum  Wohnen  (οταΟ'μοί),  und  zwar  ebenso  in  den  Dörfern  (Petr.  III  14,  21) 
wie  in  den  Städten.^)  Dies  bedeutete  für  die  ägyptische  Bevölkerung 
eine  außerordentlich  drückende  Last  ^),  denn  während  der  König  die 
κλήροι  aus  seinem  eigenen  Lande  ausschied,  mußten  die  Quartiere  von 
der  Bevölkerung  gratis  geliefert  werden.  Ganz  abgesehen  von  den  vorüber- 
gehenden Einquartierungen  von  durchreisenden  Beamten  und  Truppen, 
auf  die  schon  in  Kap.  IX  nebenbei  hingewiesen  wurde,  mußte  die  Be- 
völkerung also  auch  den  Kleruchen  resp.  später  den  Katöken  dauernd 
Quartier  gewähren,  was  einem  völligen  Verzicht  auf  die  betreffenden  Bau- 
lichkeiten gleichkam.  Formell  scheint  es  so  behandelt  zu  sein,  daß  die 
Hausbesitzer  das  Quartier  dem  König  überließen,  und  dieser  sie  durch  die 
ΰτα&μοδόται  an  die  Soldaten  verteilen  ließ,  denn  die  Kleruchen  sagen  in 
ihren  Testamenten  schon  des  III.  Jahrb.,  daß  sie  den  örad'^bg  εκ  τον 
βαΰιλικον  haben ^),  und  in  einem  Erlaß  des  Philadelphos  steht  der  Satz: 
oi  γαρ  [0τα^'μ]οί  ε[ι6ι]  βασιλικοί.  Diese  wichtigen  Akten  (Petr.  ΠΙ  20) 
soUen  unten,  soweit  der  Text  schon  einigermaßen  sicher  hergestellt  ist, 
als  Nr.  450  mitgeteilt  werden.  Im  Kommentar  wird  auch  auf  das  Ver- 
hältnis zu  Teb.  5,  168  ff.  eingegangen.•*) 

Trotz  dieser  Auffassung  ol  οτα^^μοί  είβι  βαόιλικοό  haben  schon  die 
Kleruchen  des  III.  Jahrh.  ihre  οταΟ'μοί  testamentarisch  vermacht.  Vgl. 
Petr.  III  6  (a)  32;  12,  9;  14,  21.  Die  σταθμοί  und  die  κλήροι  sind  also 
damals  noch  verschieden  behandelt  worden,  während  allmählich  ein  Aus- 
gleich stattfand.  Vgl.  das  övv  rolg  ΰτα^'μοίς  oben  in  dem  neuen  Berliner 
Text.    Wenn  der  Besitz  am  ΰτcc^•μόg  eher  erblich  geworden  ist  als  der  am 

1)  Der  Kleruch,  der  einen  solchen  βταΟ'μος  innehatte,  hieß  βτα,Ο-μ,ονχος.  Daß 
diese  Ansicht  von  Schubart  die  richtige  ist,  zeigt  der  im  Arch.  V  Anm.  1  von  ihm 
zitierte  Papyrus. 

2)  Die  Notlage  der  Bevölkerung,  aber  auch  ihre  Findigkeit  wird  uns  in  Petr. 
II  12  (449)  illustriert. 

3)  Petr.  III  6  (a)  32;  12,  9. 

4)  Hier  handelt  es  sich  nicht  um  Kleruchen,  sondern  nur  um  vorübergehende 
Einquartierungen. 


Ι.  Das  Militär.     Α.  Die  Ptolemäerzeit.  387 

κλήρος,  so  steht  das  parallel  der  allgemein en  Entwicklung  des  Eigentums, 
das  sich,  wie  Rostowzew  gezeigt  hat,  zuerst  am  Hause  und  erst  später 
am  Ackerland  entwickelt  hat  (s.  oben  S.  285). 

Es  ist  bisher  nur  von  den  in  Ägypten  stationierten  Truppen  ge- 
sprochen worden.  Über  die  Kommandos  in  den  auswärtigen  Besitzungen 
der  Ptolemäer^)  bringen  die  Papyri  nur  geringe  Andeutungen.  Abgesehen 
von  dem  Bericht  über  den  Krieg  Euergetes  I.  (1)  hören  wir  nur  von 
militärischen  Maßregeln  zum  Zweck  der  Elefantenjagden  an  der  afrika- 
nischen Küste  {8.  oben  S.  263  f.).  Über  die  dorthin  entsendeten  κυνηγοί 
bieten  uns  Eleph.  28  (451)  und  Petr.  II  40  (a)  (452)  interessante  Auf- 
schlüsse. Vgl.  auch  meine  Ergänzung  von  Par.  66,  13 ff.  (385)  und  Petr. 
III  S.  291  f.  Wenn  Rostowzew  (Arch.  IV  304)  diese  κνιτηγοό  als  Liturgen 
erklärt,  so  hängt  das  wieder  mit  seiner  terminologischen  Fassung  des 
Liturgiebegriffes  zusammen.  Nach  der  oben  in  Kap.  VIII  befolgten  Ter- 
minologie haben  diese  Jäger  mit  Liturgen  nichts  zu  schaffen.*)  Wenn  jetzt 
in  Par.  66  1.  c.  geradezu  von  ihrer  λειτουργία  die  Rede  ist,  so  bedeutet 
das  wie  auch  sonst  in  dieser  Zeit  eben  ihre  militärischen  Dienstleistungen. 
Aber  es  ist  ein  niederer  Dienst,  wie  der  Matrosendienst  auf  der  Flotte, 
und  darum  werden  Ägypter,  nicht  Griechen,  dazu  ausgehoben,  während 
Griechen  nur  ihre  Offiziere  sind.  Die  ägyptische  Nationalität  geht  aus 
dem  Petrie-Papyrus  deutlich  hervor,  auch  der  Parisinus  paßt  dazu:  es  sind 
Leute,  auf  denen  die  Dammfronden  liegen.  Das  Oberkommando  führte 
an  der  afrikanischen  Küste  ein  οτρατηγός.^)  Außerdem  sind  hier  tätig 
gewesen  die  ηγεμόνες  των  ε^ω  τάξεων,  womit  ganz  allgemein  die  Offiziere 
der  auswärtigen  Abteilungen  bezeichnet  sind.  Die  Auffassung  von  J.  Les- 
quier,  es  seien  officiers  placcs  hors  rang,  „ά  la  suitef^*')  läßt  sich  nicht 
halten.  Schon  die  Stellung  von  των  läßt  diese  Deutung  nicht  zu.*)  Im  übrigen 
weisen  die  Zeugnisse  z.  T.  auf  ihren  auswärtigen  Dienst  direkt  hin.  So 
ist  die  Weihinschrift  bei  Dittenberger,  Or.  Gr.  I  69  von  einem  ^ιγεμων 
των  ίξω  τάξεων  gesetzt,  der  von  einer  Expedition  an  der  afrikanischen 
Küste  zurückkehrt:  <}ωϋ•εΙς  ix  μεγάλων  κίνδυνων,  ^κπλεύόας  Ικ  της  *Ερυ- 
ι^ράς  ^αλάόόης,  und  der  ηγεμών  εξω  τάξεω[ν]  in  Theb.  Bank.  IX  10 
unterschreibt  für  einen  „Dolmetscher  der  Trogodyten",  der  offenbar  zu 
Meinem  Kommando  gehört. 

WaR  onfllich  die  Organisation  der  ptoiemäiechen  Armee  betrifft,  so 

1,    vgl.  i'.  Meyer,  ll.'.iwoHcn  S.  16 ff. 

2)  Hierzu  vgl.  Fr.  Ocrtil  in  der  bevorstehenden  Arbeit  Aber  Liturgien. 

8)  Vgl.  zu  den  Γ«•γ  iten  wie  flberhaapt  zu   der  Entwicklung  dicMor  Kx• 

peditionen  die  klaren  Λ  ^ou  von  Roitowsew,  Arch.  IV  301  if.  und  V  IHi. 

4)  Rev.  d.  I'hilolog.  1.  ϋ.  'iU4.  Die  obige  Deutung  vertreten  i.  B.  P.  Meyer,  Heer- 
weeen  8.  16;   Dittenberger,  Or.  Or.  I  S.  ISS. 

b)  Wae  Leequier  meint,  wflrde  etwa  Ηω  τής  τάΙ§ως  reep.  χώψ  τα|«ων  heiflen 
können. 

S6• 


388  Kapitel  XI.    Militär  und  Polizei. 

scheint  innerhalb  Ägyptens  die  Gaueinteilung  von  grundlegender  Bedeu- 
tung gewesen  zu  sein,  insofern  die  Truppen  nach  Gauen  gegliedert  waren. 
Nach  dieser  Richtung  wies  z.  B.  schon  P.  Rein.  7,  3:  Κέφαλος  Jiovvulov 
των  εν  τω  ι  Έρμοπολίτηι  μοβϋ-οφόρων  und  ebendort  Ζ.  5:  Ανοίκράτον 
τον  ΧαρΙνον  Ιτίτίάρχον  τον  αντον  ν1^ο]μον  κατοίκων  Ιππέων.  Vgl.  auch 
Petr.  III  S.  23,  15:  6ννταγμ\α  των  Έρμοπολιτών.  Ganz  klar  tritt  dieser 
Grundgedanke  jetzt  in  den  oben  zitierten  Worten  des  neuen  Berliner 
Textes  hervor  (BGU  1188),  in  dem  den  κάτοικοι  Ιππείς  des  Herakleo- 
polites  Privilegien  erteilt  werden  κα%•ότι  και  έπϊ  των  !Λρ6ΐνοειτών  έύτιν. 
Also  eine  so  wichtige  Frage,  wie  die  Kleros-Frage,  war  nicht  einheitlich 
für  ganz  Ägypten  geregelt,  sondern  verschieden  für  verschiedene  Gaue. 
Auch  Teb.  124  zeigt  uns  jetzt  im  Lichte  des  neuen  Textes,  daß  die  hier 
behandelten  Privilegien  speziell  nur  der  arsino'itischen  Truppe  verliehen 
waren.  Mit  dieser  lokalen  Gliederung  hängt  dann  auch  wohl  zusammen, 
daß  über  jeden  Gau  ein  ύτρατηγός  gesetzt  war,  der  von  Hause  aus  jeden- 
falls das  Kommando  über  die  Gautruppen  gehabt  haben  wird,  wenn  er 
auch  allmählich  mehr  und  mehr  zivile  Funktionen  erhalten  hat  (s.  oben 
S.  11).  Rein  militärisch  blieb  die  Funktion  des  ατρατηγος  επί  την  ϋ-ψ 
ραν  των  ελεφάντων  (s.  oben). 

Die  Armee  bestand  aus  ιππείς  und  πεζοί.  Die  Reiter  waren  in  ιπ- 
παρχίαι  gegliedert  unter  l;r;r«^;^cit ^),  die  wieder  in  Ιλαι  unter  Ιλάρχαι  zer- 
fielen. Vgl.  auch  die  έπιλάρχαι.  In  den  wichtigen  Abrechnungen  in  Petr  III 
S.  279  ff.  werden  die  εκατοντάρονροι  ιππείς  und  die  εβδομηκοντάρονροι 
ιππείς  unterschieden.^)  Die  ιππείς  mit  100  Aruren  (seil,  vom  Klerosland) 
sind  hier  in  5  Hipparchien  gegliedert,  die  mit  1  —  5  numeriert  sind, 
z.  B.  Θραξ  της  (τετάρτης)  Ιπ(παρχίας).  Dagegen  die  Ιππείς  mit  70  Aruren 
zerfallen  in  4  Hipparchien,  die  nach  Völkerschaften  benannt  werden:  al 
των  Θρακών^  Μνοών,  Θεόοαλών  und  Περβών  ίππαρχίαι.  Wir  werden  an- 
nehmen dürfen,  daß  ursprünglich  in  letzteren  Abteilungen  wirklich  An- 
gehörige dieser  vier  berühmten  Reitervölker  zusammengestellt  waren.  All- 
mählich fanden  auch  Leute  anderer  Herkunft  Aufnahme,  ohne  daß  der 
einmal  geschaffene  Name  der  Truppe  sich  veränderte.  So  gehört  z.  B. 
in  Petr.  III  S.  286  ein  Ήρακλεώτης  zur  Hipparchie  der  Thessaler  und  ein 
Pergamener  zu  der  der  Thraker.  Vgl.  hierzu  außer  Smyly  auch  Schubart, 
Arch.  V  S.  106  f.  und  Klio  X  65.  Im  IL  Jahrh.  begegnen  auch  τριακον- 
τάρονροι  ιππείς^  die  aber  eine  einheimische  Truppe  (μάχιμοι)  waren.  Für 
weitere  Details  verweise  ich  auf  Smyly  1.  c.  und  Bouche-Leclercq  IV  46  ff.  — 


1)  Der  Titel  Ιπτΐάρχης  έη  ανδρών,  über  dessen  Bedeutung  viel  gehandelt  worden 
ist,  bezeichnet  jedenfalls,  wie  man  auch  έ-π'  ανδρών  deuten  will,  einen  aktiven  Offizier. 
Vgl.  z.  B.  Grenf.  I  21,  3,  wo  Dryton,  der  diesen  Titel  führt,  sagt:  ίηπον,  έφ'  ου  βτρα- 
τενομοα. 

2)  Vgl.  weiteres  bei  Smyly  S.  288. 


Ι.  Das  Militär.     Α.  Die  Ptolenjäerzeit.  389 

Die  hifanterie  zerfiel  in  Abteilungen  von  1000,  500,  100  und  50  Mann, 
die  unter  χιλίαρχοί^  πενταχοόίαρχοί,  έκατόνταρχοί  χυλάπεντηκόνταρχοί  standen. 
Von  den  aus  den  Schriftstellern  bekannten  Abteilungen  ist  ferner  der  λόχος  ^) 
und  die  όημεία^)  in  Papyri  nachweisbar.  Lesquier  hat  aus  der  Inschrift 
von  Ashmunen  gefolgert,  daß  200  Mann  eine  taktische  Einheit  gebildet 
haben,  die  einen  κήρυξη  einen  όημειοφόρος  und  einen  ουραγός  hatte.  Als 
Kommandeur  betrachtet  er  den  in  den  Petrie-Papyri  des  III.  Jahrh.  in  dem 
formelhaften  των  τον  δεΐνος  ohne  Charge  genannten  Offizier,  den  er  dem 
γεμών  der  Reinach -Papyri  aus  dem  IL  Jahrh.  gleichsetzt,  und  rechnet 
mit  der  Möglichkeit,  daß  diese  Einheit  das  ούνταγμα  der  Texte  des 
III.  Jahrb.,  die  ηγεμονία  jener  jungem  Texte  sei.  Eine  genauere  Dar- 
legung seiner  Thesen  sowie  überhaupt  der  Gliederung  der  Armee  dürfen 
wir  von  seinem  bevorstehenden  Buch  erwarten.  Ich  habe  mich  hier  auf 
die  allgemeinsten  Linien  beschränkt. 

Neben  den  Offizieren  begegnen  uns  in  den  Urkunden  die  Intendantur- 
beamten (γραμματείς),  die  mit  den  Listenführuugen  und  im  besondem  der 
\uszahlung   des  Soldes   betraut   waren.     Über   die  Soldverhältnisse  ^)  han- 
in  namentlich  Lond.  I  S.  38if.   und   Theb.  Bank.  V — VII,   auch    manche 
L-r  von  ReviUout  in  den  Melanges   herausgegebenen  Stücke,    für  die  ich 
uf  die  „Urkunden  der  Ptolemäerzeit"  verweise.     Eine  besondere  Organi- 
ition  zeigen   die  Katöken  in  ihren  Syntaxis- Beamten,    die   die  Geschäfte 
»izüglich    der  Aufnahme  von  Katöken  u.  dgl.   zu   besorgen   hatten.     Vgl. 
B.  LiUe  4  (336),  Teb.  30  (233),  32  (448). 

In  bezug  auf  die  Flotte  der  Ptolemäer*)  haben  die  Papyri  bisher  nur 
•  hr  geringfügige  Nachrichten  gebracht.  Über  die  Aktion  der  'Flotte  im 
IIL  syrischen  Kriege  berichtet  Nr.  1.  Die  Fahrten  der  Elefantentransport- 
hiife  (έλεφαντηγοί)  erwähnt,  wie  schon  gesagt,  Petr.  II  40  (a)  (452). 
Auf  eine  Flottenstation  bei  Ptolemais,  von  der  aus  gelegentlich  Fahrten 
nach  dem  Süden  unternommen  wurden,  weist  die  von  Plaumann,  Ptole- 
mais S.  33  behandelte  In.schrift  von  Philae  hin.  Das  Werben  der  Matrosen 
(νανται)  berührt  Par.  66  II  20  (385),  ebenso  auch  die  viel  besprochene 
Stelle  in  der  liosettana  betreffs  der  6νλληι}^ις  τών  slg  ty)v  ναυτείαν^  wo- 
nach die  ägyptischen  Tempel  erst  von  Epiphanes  von  der  Last  befreit 
wurden,  von  ihren  Leuten  welche  zum  Matrosendienst  zu  stellen.^)  Von 
Soldzahlungen  an  die  μιό^οφόροι  πληρώμα\τος  und  die  igitai  der  Flotte 
auf  dem  Koten  Meer  handelt  <ias  Fragment  Grenf.  I  i>  (vgl.  Kostowzew,  Arch. 
IV  1(04  I.  Auf  eine  gelegentliche  Abkommandierung  von  Flottensoldaten 
(πλιίρωμα)  zu  den  Arbeiten  in  den  Steinbrüchen  ist  oben  S.  333  hingewiesen. 

i)  Vgl.  den  Titel  έηίίοχαγός  und  λοχαγός,  euch  %ατ€ίλοχίαμός 
'J)  Zu  der  αημ§1α  im  Refpmentder  fniyopotyon  Memphi•  vf^l.  Lond  l  ^s.  HHt\  {VV/.} 
8)  Vgl.  Üouchd-Leclercq  IV  ftl  f.  4)  Vgl.  Bouchd-Lerlerc»!  IV  02  ff. 

Λ,  V«!.  Dittenberger,  Cr  Τ        ΐΛΐΓ 


390  Kapitel  XI.     Militär  und  Polizei. 

B.  RÖMISCHE  ZEIT. 

Lit.:  Mommsen  im  CIL  III;  Die  Konskriptionsordnung  der  röm.  Kaiserzeit, 
Hermes  19,  Iff.  und  210  ff.  (==  Histor.  Schrift.  III  20fiF.);  Ägyptische  Legionare,  Hermes 
35,  443  flf.  (=  Histor.  Schrift.  III  118 fif.);  Ephem.  epigraph.  VII  456 ff.  usw.  —  Milne,  Hist. 
of  EgypteV,  Roman  Rule  S.  169 ff.  —  P.  Meyer,  Das  Heerwesen  d.  Ptolemäer  und 
Römer  in  Ägypten  1900;  Arch.  IIl67ff.  —  Nicole  et  Morel,  Archives  militaires 
du  I.  Siecle  1900  (Gen.  lat.  1).  —  Wilcken,  Ein  neuer  Brief  Hadrians,  Hermes  37, 
84 ff.  —  A.  V.  Premerstein,  Die  Buchführung  einer  ägyptischen  Legionsabteilung, 
Klio  III  Iff.  —  J.  Lesquier,  Le  recrutement  de  Tarmee  Romaine  d'Egypte,  Rev.  de 
Philol.  28,  5  ff.  —  A.  v.  Domaszewski,  Die  Rangordnung  des  röm.  Heeres  1908. 

Wie  die  Provinz  Ägypten  innerhalb  des  Reiclies  eine  einzigartige 
SondersteUung  einnimmt,  so  weist  im  besonderen  auch  das  römische  Heer 
Ägyptens  einige  singulare  Erscheinungen  auf,  die  in  der  Politik  des 
Augustus  oder  auch  in  der  heUenistischen  Vorgeschichte  des  Landes  ihre 
Erklärung  finden.  Diese  Sonderheiten  haben  um  so  mehr  Anspruch  auf 
aUgemeines  Interesse,  als  manche  von  ihnen  in  späteren  Zeiten  von  hier 
aus  auch  in  andere  Teile  des  Reiches  übergegangen  sind.  Von  den  z.  T. 
sehr  verwickelten  Problemen  dieser  ägyptischen  Arniee  kann  hier  nur  in 
aller  Kürze  gehandelt  werden.  Es  sollen  im  besonderen  solche  hervor- 
gehoben werden,  zu  deren  Verständnis  die  Papyri  Beiträge  geliefert  haben. 

Zur  Orientierung  schicke  ich  eine  Übersicht  über  den  Bestand  des 
ägyptischen  Heeres  voraus.^)  Nach  Strabo  XVH  p.  797  standen  zu  Augustus' 
Zeit  3  Legionen  (τάγματα)  im  Lande,  von  denen  eine  in  Alexandrien  sta- 
tioniert war,  ferner  9  Auxiliarkohorten  (οτΐεΐραι)^  von  denen  3  in  Alexan- 
drien, 3  in  Syene  lagen,  und  außerdem  3  Alen  ([ππαρχίαί\  gleichfalls  an 
den  passenden  Orten  verteilt.  Von  den  3  Legionen  der  augusteischen  Zeit 
kennen  wir  die  erst  nach  der  Varusschlacht  gebildete  legio  ΧΧΠ.,  später 
Deiotariana  genannt,  die  von  vornherein  in  Alexandrien  stationiert  war^), 
ferner  die  EL  Cyrenaica,  die  nach  CIL  ΠΙ  S.  6627  in  Oberägypten  lag.^) 
Welche  die  dritte  war,  die  nach  Strabo  XVII  p.  807  in  Babylon,  gegen- 
über von  Memphis,  lag,  wissen  wir  nicht.  Da  wir  jetzt  annehmen  dürfen, 
daß  Augustus  Ägypten  in  die  3  Epistrategien  geteilt  hat^),  ist  es  nicht 
unwahrscheinlich,  daß  auch  für  die  Verteilung  des  Heeres  diese  Drei- 
teilung maßgebend  gewesen  ist^),  wobei  nur  anzunehmen  ist,  daß  Alexan- 
drien für  das  Delta  eintrat.  Hiernach  würden  wir  wohl  die  3  Kohorten, 
die  weder  in  Alexandrien  noch  in  Syene  lagen,  in  der  Heptanomia  zu 
suchen    haben.     Entsprechend    wäre   auch    die  Verteilung    der    3    Alen.^) 


1)  Vgl.  Mommsen,  CIL  ΙΙΓ  SuppL  p.  1210 sq.;  P.  Meyer,  Heerwesen  151. 

2)  Schon  für  15  n.  Chr.  bezeugt  Lond.  II  S.  99  (443)  einen  Soldaten  dieser  Legion. 

3)  Vgl.  P.  Meyer  S.  158.  4)  Vgl.  oben  S.  35. 

5)  Vgl,  Martin,  Les  epistrateges  S.  92. 

6)  In  der  τΐαρεμ,βολη  (castra)  bei  Babylon  lag  a.  59   die  ala  Vocontiorum  nach 
P.  Hamb.  2. 


Ι.  Das  Militär.     Β.  Die  römische  Zeit.  391 

Nach  Tacitus,  annal.  4,  5  standen  unter  Tiberius  im  Jahre  23  nur  noch 
2  Legionen  bei  Ägypten;  das  sind  die  XX.ll.  und  ΠΙ.  Cyrenaica,  die,  min- 
destens seit  Gaius  (a.  38)^),  in  einem  gemeinsamen  Lager  bei  Alexan- 
drien  vereinigt  waren,  von  denen  aber  manche  Detachements  bei  der 
χώρα  standen.^)  Eine  Änderung  trat  erst  unter  Traian  ein,  der  die  legio 
II.  Traiana  fortis  in  Ägypten  stationierte.  Der  älteste  Beleg  für  diese 
(CIL  III  79)  stammt  vom  Jahre  109.  Während  mau  früher  a  priori  an- 
nahm, daß  diese  neue  Legion  zum  Ersatz  der  alten  geschickt  worden 
sei,  über  deren  Schicksale  verschiedene  Ansichten  geäußert  wurden,  hat 
uns  der  wichtige  Papyrus  BGU  140^)  in  der  neuen  Herstellung  des  Textes, 
die  ich  im  Hermes  37,  84 ff.  veröfientlichte,  vielmehr  gelehrt,  daß  noch  im 
Jahre  119  die  XXII.  Deiotariana  und  die  HI.  Cyrenaica  ihr  gemeinsames 
Standquartier  in  x\lexandrien  hatten,  daß  also  mindestens  von  109  an  bis 
119  Ägypten  Λvieder  3  Legionen  gehabt  hat.*)  Der  Papyrus  besagt  näm- 
lich, daß  der  Brief  Hadrians  an  den  Statthalter  Rammius  am  4.  August  119 
ausgehängt  worden  sei  iv  τη]  παρεμβολ{ί])  xri[<s\  χειμ(ί(5ίοί\ς  λεγιώνος  τρί- 
της] Κν[ρ]ηναικ'ης  κ[αϊ]  λεγιώνο(<ς)  [β]  χ\αϊ  εΙκο]6τ\Ύί]ς  ζίψοτεριανί]ς^ 
Sehr  bald  hiemach  ist  dann  die  HL  Cyrenaica  in  die  neue  Provinz  Arabien 
nach  Bostra  transloziert  worden,  während  die  XXII.  später  in  noch  nicht 
sicher  aufgeklärter  Weise  ihr  Ende  gefunden  hat.^)  Von  da  an  hatte 
Ägypten  also  nur  eine  Legion,  die  IL  Traiana,  in  Alexandrien. 

Zu  den  größten  Eigentümlichkeiten  der  ägyptischen  Armee,  deren 
Chef  der  praefectus  Aegypti  war,  gehört  es,  daß  die  einzelnen  Legionen 
nicht,  wie  alle  außerägyptischen,  unter  senatorischen  Legaten  standen, 
da  Augustus  ja  für  Ägypten  die  Verwendung  von  Senatoren  prinzipiell 
ausgeschlossen  hatte.•)  So  finden  wir  hier  an  der  Spitze  der  Legionen 
praefecti  legionis,  die  aus  dem  Primipilat  hervorgegangen  waren,  also  von 
der  Pike  an  gedient  hatten  und  den  Rang  der  ducenarii  inne  hatten. 
Unter  diesem  Legionspräfekten  stand  der  praefectus  castrorum,  der  zur 
Zeit  der  Vereinigung  der  beiden  Legionen  in  einem  Lager  auch  unter 
dem  Titel  praefectus  exercitus  qui  est  in  Aegypto  erscheint  (CIL  III  6809), 
woraus  zu  folgern  ist,  daß  auch  die  Auxiliarlager  ihm  unterstellt  waren. 
Später,  als  nur  die  eine  leg.  IL  Traiana  in  Ägypten  stand,  hatte  diese 
unter  ihrem  praef.  legionis  wieder  ihren  praef.  castrorum,  während  die 
AiiviliiMi   ihn'i!  eigenen  pmof.  castroruni  liatton.'^) 

Ϊ,  Vgl.  Mummsen  zu  CiL  111  t)so.<    nuh  Tbilo  iu  Flftcc.  IS). 
l)  Vgl.  P.  Meyer  8.  168 
8)  Der  Text  in  Bd.  II  Kap.  XII. 

4)  Abgeteben  von  der  Abkommandierung  der  U.  Traiana  sum  Partberkheg.  Vgl. 
Wilcken,  Abb.  Sftch«.  Qeeell.  XXVII  (1009)  8.  797  ff. 

6)  Vgl.  P.  Mejer,  Heerweien  8.  164  f. 
β)  Vgl.  oben  8.  29. 

7)  Ich  folge  in  dieser  Darlegung  τ.  Domaitewiki,   Rangordnung  d.  rOm.  Heere• 


392  Kapitel  XL     Militär  und  Polizei. 

Neben  dem  Landheer  steht  die  in  Alexandrien  stationierte  classis 
Augusta  Alexandrina  ^) ,  unter  dem  Kommando  eines  natürlich  dem  prae- 
feptus  Aegjpti  unterstellten  praefectus.  Unter  dessen  Kommando^)  stand 
auch  die  aus  der  Ptolemäerzeit  bekannte  Einrichtung  der  Potamophylakia, 
die  bis  nach  Syene  hin  ihre  Stationen  hatte.^) 

Während  neben  diesen  Truppen  des  Reichsheeres  von  ständigen  Pro- 
vinzialmilizen  (in  dem  Sinne  von  Mommsen,  Hermes  22,  547  if.  =  Histor. 
Schriften  III  145  ff.)  keine  Spur  in  Ägypten  zu  finden  ist,  haben  wir  kürz- 
lich durch  den  Bremer  Papyrus  40  (16)  ein  Beispiel  dafür  kennen  ge- 
lernt, daß  in  Zeiten  der  Not  die  Gaue  zu  einer  organisierten  Selbsthilfe 
griffen.  Die  Worte:  Μία  rjv  ελπίς  καΐ  λοίττη  προοδοκία  η  των  άπο  τον 
νομον  ημών  άΰ'ρώων  κωμ[7]]τών  [προ]ς  τους  avoöCovg  ^Io[ydaC]ovg  [. .]  .  μη 
zeigen,  daß  in  der  Not  des  Judenkrieges  die  vereinigten  Dorfleute  des  Gaues 
sich  zu  einer  Art  Landsturm  zusammen  getan  hatten,  der  den  Juden  ge- 
schlossen in  einer  Schlacht  im  Gau  entgegentrat.  Nach  Mommsens  Dar- 
legungen 1.  c.  S.  556  (resp.  154),  die  mir  erst  jetzt  den  richtigen  Ge- 
sichtspunkt gegeben  haben,  glaube  ich  diese  außerordentliche  Selbsthilfe 
der  Gaue  in  Parallele  setzen  zu  dürfen  zu  der  in  der  lex  coloniae  luliae 
Genetivae  5,  2  vorgesehenen  Selbsthilfe  der  Munizipien.  Interessant  ist, 
daß  auch  hier  vrieder/  wie  das  Emil  Kuhn  zuerst  für  mehrere  Beziehungen 
gezeigt  hat  (Stadt,  u.  bürgl,  Verf.  II  454  ff.),  der  Gau  als  das  Gegenstück 
zum  Munizipium  erscheint.  Von  hier  aus  verstehen  wir  nun  auch  besser, 
daß  nach  Giss.  21  (17)  der  sonst  rein  zivile  Stratege  an  einer  Schlacht 
dieses  Judenkrieges  teilgenommen  hat.  In  diesem  Zusammenhange  drängt 
sich  jetzt  die  Frage  auf,  ob  der  Stratege  nur  persönlich  an  jener  Schlacht 
im  Norden  —  sagen  wir  kurz,  bei  Memphis  —  teilgenommen  hat,  oder 
ob  er  etwa  einen  Teil  seines  Gauaufgebots  ebendorthin  hat  führen  müssen. 
In  beiden  FäUen  geht  seine  Verwendung  über  die  des  Duovir  in  jener 
lex  hinaus. 

Die  Papyri  führen  uns  nicht  nur  zahlreiche  Offiziere  und  Soldaten 
der  Reichsarmee  in  den  verschiedensten  Betätigungen  vor*),  sondern  ent- 
halten z.  T.  auch  amtliche  Aufzeichnungen,  die  uns  die  inneren  Organisa- 
sationen   in    den  Truppenkörpern    veranschaulichen.     Für    die  Legionen 


S.  120  f.,  der  die  Zeugnisse  z.  T.  anders  interpretiert  als  Mommsen.  So  sah  Mommsen 
in  dem  praef.  exercitus,  qui  est  in  Aegypto  (CIL  IIl  6809)  den  Kommandanten  der 
beiden  Legionen. 

1)  Mit  ihr  darf,  wie  schon  oben  S.  379  betont  wurde,  ja  nicht  verwechselt  wer- 
den die  classis  Alexandrina  genannte  Getreidetransport-Flotte. 

2)  CIL  II  1970:  praef.  classis  Alexandrin(ae)  et  potamophylaciae. 

3)  Vgl.  Wilcken,  Griech.  Ostraka  I  282 ff.  Die  Ostraka  bringen  Quittungen  über 
Zahlungen  νπερ  τεοταμοφνλαηίάων  ο.  ä.  Vgl.  weitere  Literatur  bei  v.  Premerstein,  Klio 
III  16. 

4)  Vgl.  die  Zusammenstellungen  von  Milne  und  P.  Meyer  11.  cc. 


Ι.  Das  Militär.     Β.  Die  römische  Zeit.  393 

ist  von  besonderer  Bedeutung  der  von  Nicole  und  Morel  herausgegebene 
Pap.  Gen.  lat.  1  aus  der  Zeit  des  Domitian,  der  sehr  wertvolle  Mit- 
teilungen über  die  Sold-  und  Kassenverhältnisse,  über  die  Abkomman- 
dierungen der  Legionare,  über  die  Dienstleistungen  usw.  enthält  (s.  unten).^) 
Die  Zusammensetzung  einer  vexillatio  aus  Soldaten  der  ΙΠ.  Cyr.  und 
XXII.  Deiot.  führt  uns  ein  lateinischer  Wiener  Papyrus  vor  Augen,  den 
Wessely  in  den  Schrifttafeln  zur  älteren  lateinischen  Paläographie  n.  8 
herausgegeben  hat.^)  Bemerkenswert  ist,  daß  hier  die  aus  der  Literatur 
bekannte  Totenmarke,  das  Θ  vor  dem  Namen  der  Verstorbenen,  angewendet 
ist.^)  Für  die  Organisation  der  Auxilien  aber  ist  von  grundlegender  Be- 
deutung BGU  II  696,  ein  sogenanntes  Pridianum  einer  in  der  Thebais 
stationierten  Auxiliarkohorte  vom  J.  156  n.  Chr.^)  Hier  sei  nur  als  beson- 
ders bedeutsam  für  die  Entwicklung  des  Verhältnisses  zwischen  Legionen 
md  Auxilien  hervorgehoben,  daß  nach  dieser  Urkunde  damals  Versetzungen 
aus  der  Legion  in  die  Kohorte  vorkamen,  ohne  daß  diese,  wie  es  scheint, 
als  Degradierung  aufgefaßt  wurden.  Der  Dienst  in  den  Legionen  und  in 
den  Auxilien  stand  also  nicht  mehr  in  solchem  Gegensatz  wie  zu  Anfang. 
Diese  NiveUierung  hängt  offenbar  mit  der  Entwicklung  der  Rekrutierungs- 
normen zusammen. 

Für  die  Rekrutierungsfragen  haben  uns,  abgesehen  von  einigen 
grundlegenden  Inschriften^)  auch  die  Papyri  wertvolles  neues  Material 
gebracht.^)  Die  durchaus  römisch- italische  Politik  des  Augustus  hat  be- 
kanntlich auf  militärischem  Gebiet  zu  der  Ordnung  geführt,  daß  in  dem 
von  ihm  geschaffenen  stehenden  Heere  die  Legionen  ausschließlich  aus 
römischen  Bürgern  bestehen  sollten,  während  die  Peregrinen,  die  in  den 
Auxilien  dienten,  durch  römische  Offiziere  und  Unteroffiziere  gleichfalls 
dem  römischen  Wesen  möglichst  nahegeführt  werden  sollten.')  Das  erstere 
Prinzip  hat  bei  der  Unmöglichkeit,  die  Legionen  allein  aus  cives  Romani 
/u  rekrutieren,  zu  der  Praxis  geführt,  daß  die  für  die  Legionen  ausgeho- 
benen Peregrinen  mit  dem  Eintritt  in  das  Heer  das  römische  Bürgerrecht 


1)  Vgl.  vor  allem  den  ausgezeichneten  Kommentar  von  Premeretein  1.  c. 

2)  Vgl.  dazu  Premeretein  1.  c.  S.  4.  Dae  Datum  ist  nicht  vor  108  (Wees.),  son- 
dern nach  obigem  vor  119  anzusetzen. 

8)  Vgl.  dazu  Marauardt,  Staateverw.  II'  460  Anni.  7.  Sehr  wahrscheinlich  ist 
mit  Wessely  auch  die  Überschrift  UUUt8  hierauf  zu  beziehen:  die  mit  dem  Thcta. 

4)  Ich  verweise  auf  den  Kommentar  von  Mommten,  £phem.  epigraph.  VII  466  ff. 

6)  Vgl.  namentlich  CIL  III  6627  für  Augustus'  ndcr  TihrriuB'  Zoit.  «580  lilr  da» 
II.  Jahrh.  (—  Dessau  2488,  2804). 

6)  (Grundlegend  sind  die  Ausführungen  von  Mommsen  zu  den  oben  genannten 
InschrifU^'n  (vgl.  im  besonderen  Ephem.  epigr.  V  Iftüff.),  sowie  seine  Arbeit  über  die 
KoniikriptionHordnung  der  rOmifchen  Kaiieneit,  Hermes  19,  4  ff.  Vgl.  auch  die  oben 
/.iticrtr  S•  hrif>  von  Lefqoier.  Im  allgemeinen  anch  Liebenam  s.  v.  dileotus  in  Paalj- 
Wiss.  V. 

7)  \y  Domaeieweki,  Rangordnung  S.  199  ff. 


394  Kapitel  XI.     Militär  und  Polizei. 

erhielten.  Für  Ägypten  ist  durch  CIL  III  6627  (aus  Koptos)  erwiesen, 
daß  schon  zur  Zeit  des  Augustus  oder  Tiberius  die  ägyptischen  Legionen 
sich  im  wesentlichen  ans  dem  Orient  rekrutierten:  die  Soldaten  dieser  In- 
schrift stammen  zu  507o  aus  Galatien,  zu  2b%  aus  Ägypten,  zu  97o  aus 
Syrien,  zu  je  27o  aus  Bithynien,  Cypern  und  Cyrenaica,  während  nur 
9%  aus  dem  Westen  stammen  (Italien,  GaUien,  Afrika).^)  Diese  vorwiegend 
orientalische  Rekrutierung  gehört  aber,  wie  Mommsen  betonte  (Hermes 
1.  c.  S.  6),  nicht  zu  den  vielen  Besonderheiten  des  ägyptischen  Militärwesens, 
sondern  gilt  ähnlich  für  die  orientalischen  Legionen  überhaupt,  im  be- 
sondern die  syrischen. 

Im  zweiten  Jahrhundert  treten  uns  dann  die  Wirkungen  der  in- 
zwischen seit  Hadrian  allgemeinen  lokalen  Konskription  auch  in  Ägypten 
entgegen.  Die  in  CIL  III  6580  genannten  Soldaten,  die  168  ausgehoben 
waren,  stammen  zu  65  7o  aus  Ägypten  selbst,  während  die  Galater  fehlen.^) 
Die  Frage,  welche  Kreise  der  Bewohner  Ägyptens  zum  Heeresdienst  quali- 
fiziert waren,  hat,  abgesehen  von  den  Inschriften,  namentlich  durch  die 
Papyri  eine  präzisere  Antwort  erhalten.  Wie  schon  oben  S.  166  ff.,  insbe- 
sondere 202,  auseinandergesetzt  wurde,  waren  es  die  εΛίκδκρψενοί^  also 
vorwiegend  die  hellenischen  Kreise  im  weiten  Sinne  des  Wortes  (S.  58), 
während  die  λαογραφονμενοι^  oder  wie  wir  jetzt  sagen  können,  die  dedi- 
ticii  (S.  56  ff.),  die  reinen  Ägypter,  disqualifiziert  waren.^)  Der  Unterschied 
zwischen  den  Legionen  und  den  Auxilien  hat  sich  mehr  und  mehr  aus- 
geglichen, insofern  immer  mehr  Römer  auch  in  die  Auxilien  eintraten 
(s.  453),  und  nach  der  Constitutio  Antonina  wird  der  Besitz  der  römischen 
Zivität  die  Regel  gewesen  sein. 

Eine  besondere  Rubrik  unter  den  aus  Ägypten  gebürtigen  Legionaren 
bilden  diejenigen,  die  als  ihre  Origo  die  Castra  angeben.  Während  in  der 
älteren  der  beiden  Inschriften  unter  36  Legionaren  nur  2  solche  „Lager- 
kinder" sind,  befinden  sich  in  der  Jüngern  unter  37  nicht  weniger  als  20. 
Das  sind  solche,  die  vom  römischen  Vater  mit  peregrinen  Frauen  in 
illegitimer  Soldatenehe  (s.  unten)  im  Lager,  resp.  den  canabae  des  Lagers 
gezeugt  worden  sind  und  beim  Eintritt  in  das  Heer  die  civitas  erhalten 
und  in  die  tribus  PoUia  aufgenommen  sind.•*)  Hier  stehen  wir  vor  einer 
speziell  ägyptischen  Institution,  denn  in  andern  Provinzen  (namentlich 
Afrika)  lassen  sich  solche  Lagerkinder  erst  seit  Traian  nachweisen.  Nach 
dem,  was  oben  S.  385  über  die  επίγονοι  Alexanders  und  über  die  έταγονή 


1)  Vgl.  Mommsen  11.  cc.  und  Lesquier  S.  6. 

2)  Vgl.  Mommsen,  Lesquier  11.  cc.  3)  Vgl.  P.  Meyer,  Heerwesen  S.  126. 
4)  Zuerst  aufgeklärt  durch  Mommsen,  Ephem.  epigr.  V  155 iT.   (s.  auch  CIL  IE 

p.  1212,  Hermes  19, 10).  Vgl.  außerdem  Lesquier  S.  14  und  v.  Premerstein,  Klio  III  31 
(mit  weiterer  Literatur).  —  Der  Soldatenbrief  BGU  III  814  ist  von  einem  solchen 
Lagerkind  geschrieben.    Vgl.  Z.  21/2. 


Ι.  Das  Militär.     Β.  Die  römische  Zeit.  395 

der  Lagiden  gesagt  ist,  ist  es  wohl  niclit  zweifelhaft,  daß  eine  kontinuier- 
liche Entwicklung  vorliegt.^)  Von  Ägypten  aus  ist  dies  System  dann 
auch  in  die  andern  Reichsteile  eingeführt  worden. 

Auch  in  die  Kreise  der  Offiziere  und  Unteroffiziere  sind  nach  und 
nach  Provinzialen  eingedrungen.^) 

Über  die  Formen  der  Aufnahme  in  das  Heer  haben  die  Papyri  wert- 
volle Aufschlüsse  gebracht.  Hier  haben  wir  uns  jetzt  mit  der  militäri- 
schen Epikrisis  zu  beschäftigen,  deren  Unterschiede  von  der  fiskalischen 
ich  schon  oben  S.  197  festzustellen  versuchte.  Mit  έπ:ίκρί6ις  (probatio) 
wird  die  vom  praefectus  Aegypti  resp.  dessen  Organen  vollzogene  Prüfung 
oder  Untersuchimg  bezeichnet,  auf  Grund  deren  erstens  Rekruten  in  das 
Heer  aufgenommen,  zweitens  Untaugliche  zurückgewiesen,  drittens  Ver- 
setzungen von  einem  Truppenteil  in  einen  andern  vorgenommen  wurden.^) 
Über  die  Epikrisis  der  Veteranen  wird  weiter  unten  zu  handeln  sein. 
Alle  diese  Akte  können  wir  durch  Papyri  belegen.  Von  der  Epikrisis, 
die  zur  Aufnahme  von  Rekruten  geführt  hat,  handelt  der  wertvolle  latei- 
nische Papyrus  Oxy.  VH  1022  (453)  vom  J.  103.  Der  praefectus  Aegypti 
überweist  hier  6  Rekruten,  die  er  nach  Untersuchung  ausgehoben  hat, 
dem  Präfekten  der  cohors  III  Ituraeorum  zur  Aufnahme  in  die  numeri. 
In  BGU  143  (454)  vom  J.  159  wird  einem  Rekruten  durch  den  praefec- 
tus classis  Alexandrinae  die  Aufnahme  bescheinigt.  Andrerseits  ist  Oxy. 
I  39  (456)  vom  J.  52  eine  Bescheinigung  dafür,  daß  ein  Mann  sich  durch 
die  Epikrisis  als  durch  ein  Augenleiden  untauglich  zum  Heeresdienst  er- 
wiesen hat.  Endlich  zeigt  BGU  142  (455)  vom  J.  159,  daß  auch  zwecks 
Überführung  eines  Soldaten  in  einen  andern  Truppenteil  eine  solche 
Untersuchung  (επίκριόΐς)  nötig  war.  Diese  Epikriseis  fanden  wohl  meist 
in  Alexandrien  oder  auch  auf  dem  betre£Fenden  Konvent  statt. 

Das  oben  erwähnte  Pridianum  der  Auxiliarkohorte,  in  dem  diese 
Maßregeln  z.  T.  auch  erwähnt  werden,  unterscheidet  die  tirones  voluntarii 
und  die  facti  ex  paganis,  also  die  sich  freiwillig  gemeldet  haben,  und  die 
aus  den  „Zivilisten"  ausgehoben  worden  sind.**)  Die  Tirouen  von  453 
dürften  den  ersteren  zuzuweisen  sein. 

Über  den  militärischen  Dienet  in  Kriegszeiten  melden  unsere  Pa- 


1)  So  schon  Mommten,  Hermes  P)  io  Ähnlich  dann  Meyer,  Lesquier,  v.  Premer- 
■tein  Q«w. 

2)  Gegenüber  r.  Domaizeweki,  «.•  i  ...  ^uiner  „Rangordnung**  annahm,  daß  im 
beeondem  Septimiun  Severue  hieriür  epochal  sei,  vgl.  Dessau,  Hermes  46,  Iff.,  der  viel- 
mehr für  eine  allmähliche  Entwicklung  eintritt. 

8)  Daß  alle  diese  Handlungen  dem  praef.  Aogjpti  tustanden,  xeigt  auch  da• 
Pridianum  BGU  696. 

4)  Von  tollen  Übergriffen  eines  Doripreibytert,  der,  abgesehen  τοη  anderen 
•Schikanen,   auch  njagden**   veranstaltet  {τ»ιρώνας  ηυνηγήβαι),   um  sie  dann 

gegen  Lösegeld  \\  ./.ugeben,  berichtet  Lond.  II  S.  173/4  vom  Jahre  186. 


396  Kapitel  XI.     Militär  und  Polizei. 

pyri  nur  wenig.  Da  Bericlite  über  auswärtige  Kriege  nicht  vorliegen, 
kommen  nur  die  oben  S.  60 f.  behandelten  Aufstände  in  Betracht,  unter 
denen  freilich  der  Judenkrieg  unter  Traian  und  der  Kampf  gegen  die 
Bukolen^)  größern  Umfang  angenommen  haben.  Der  von  Comparetti 
herausgegebene  Papyrus  Mel.  Nicole  S.  58  ff.  vom  J.  203  behandelt  z.  T. 
die  Vorbereitungen  zu  einer  Expedition  (πορεία),  über  deren  Zweck  noch 
nichts  Sicheres  festgestellt  werden  konnte  (vgl.  oben  S.  61).  Der  Pa- 
pyrus ist  ein  Bruchstück  aus  dem  liber  litterarum  missarum^)  des  Kom- 
mandanten, der  diese  Expedition  führen  soll.  Er  scheint  in  dem  großen 
Lager  von  Babylon  stationiert  zu  sein.  Die  Briefe  behandeln  meist  die 
Requisition  von  Kamelen,  die  gegen  Vergütungen  von  den  verschiedensten 
Gaustrategen  gestellt  werden  sollen.  Zur  Entgegennahme  der  Tiere  sind 
verschiedene  principales,  wie  ein  Λρινκιτίάλιοξ^  οηύκονπλίκυάριος,  βημεαφό- 
Qog^  όρδονατος  in  die  Gaue  entsendet. 

Reicher  sind  die  Auskünfte  der  Papyri  über  die  Verwendung  der 
Soldaten  in  Friedenszeiten,  die  ja  für  Ägypten  die  normalen  waren.  Vor 
allem  ist  auf  P.  Gen.  lat.  1  aus  Domitians  Zeit  hinzuweisen^),  der  die 
verschiedensten  Abkommandierungen  —  nach  Premersteins  Deutung  aus 
dem  alexandrinischen  Lager  von  Nikopolis*)  —  aufzählt.  Da  werden 
mehrfach  Soldaten  monatelang  abkommandiert  ad  frumentum  Neapoli(jn) 
oder  Mercuriy  d.  h.  zu  Dienstleistungen  bei  den  Getreidespeichern,  die 
dem  proc.  Neaspoleos  oder  ad  Mercurium  unterstellt  waren  (s.  oben 
S.  369).  Ich  erinnere  daran,  daß  wir  oben  S.  379  Soldaten  auch  als  enC- 
πλοοί^  d.  h.  als  militärische  Begleiter  der  Korntransportschiffe  kennen  ge- 
lernt haben,  und  dies  erinnert  wieder  an  die  Notiz  dieses  lateinischen 
Papyrus:  exit  cum  potamofulacide  (s.  oben  S.  392),  wonach  also  auch  Le- 
gionssoldaten zum  Dienst  auf  diesen  Plußwachtschiffen  abkommandiert 
wurden.  Irgendwelche  Aufsichtsdienste  sind  wohl  gemeint,  wenn  es  in 
jenem  Legionstagebuch  weiter  heißt:  exit  ad  moneta,  also  zur  kaiserlichen 
Münze  in  Alexandrien,  oder  exit  ad  chartam  confici[endam,  zur  kaiserlichen 
Papyrusfabrikation.  Freilich  in  dem  letzteren  Falle  legt  das  conficiendam 
vielleicht  doch  den  Gedanken  an  irgendwelche  Dienstleistung  bei  der  Fa- 
brikation selbst  nahe.  Jedenfalls  sind  körperliche  Arbeiten  gemeint  mit 
der  Notiz  exit  ad  hormos  confodiendos.    Premerstein  hat  diese   Grabungs- 


1)  Über  militärische  Abkommandierungen  in  die  Bukolia  vgl.  Nr.  21  aus  dem 
Anfang  des  III.  Jahrb.    Eigenartig  ist  hier  der  Modus  des  Auslesens  (κληρουν). 

2)  Vgl.  Wilcken,  Arch.  I  372. 

3)  Vgl.  außer  den  Editoren  die  Kommentare  von  Mommsen  und  v.  Premerstein 
11.  CO.,  auch  H.  Blümner,  N.  Jahrbb.  f.  klass.  Alt.  V  432  ff. ;  Cagnat,  Journal  d.  Savants 
1900,  375  ff. 

4)  Mommsen  dachte  an  eine  vexillatio,  etwa  in  Arsinoe.  Für  Premersteins  Deu- 
tung spricht  mir  vor  allem  die  Abkommandierung  in  die  chora.  So  kann  man  nur 
in  Alexandrien  sprechen. 


Ι.  Das  Militär.     Β.  Die  römische  Zeit.  397 

arbeiten  schon  richtig  auf  Alexandrien  bezogen.  Ich  mache  noch  darauf 
aufmerksam,  daß  der  Plural  hormos  sich  dadurch  erklärt,  daß  Alexandrien, 
ganz  abgesehen  von  dem  Hafen  auf  der  Binnenseite,  zwei  δρ/iot  am  Mittel- 
meer hatte.  Diese  sind  in  Teb.  5,  25  (260)  gemeint  mit  den  Worten  έπΙ 
των  κατ  Μεξάνδρειαν  ορ[ιιωι/].  Daß  die  Truppen  Ägyptens  auch  sonst 
zu  Kanal-  und  Dammarbeiten  verwendet  wurden,  ist  schon  oben  S.  333 
behandelt  worden.  Von  dem  Ausbau  der  Straßen  von  Koptos  nach  Berenike 
und  Myoshormos  durch  Legionssoldaten  handelt  die  schon  oft  zitierte  In- 
schrift CIL  III  6627.  Über  weitere  Dienstleistungen  (Wachtdienste  usw.) 
handelt  ein  anderer  Teil  jenes  Genfer  Militärpapyrus,  wofür  ich  auf 
Premersteins  eingehenden  Kommentar  verweise.  Auf  die  gelegentliche 
Verwendung  von  Soldaten  bei  der  Steuereintreibung  ist  schon  in  Kap.  V 
hingewiesen  worden.  Auf  ihre  polizeilichen  Verwendungen  wird  im  nächsten 
Abschnitt  einzugehen  sein. 

Für  die  Fragen  der  Soldzahlung  und  der  Behandlung  der  Sparein- 
lagen (deposita)  der  Soldaten  hat  derselbe  Genfer  Papyrus  wertvolle 
Nachrichten  gebracht.  Vgl.  die  Kommentare  von  Mommsen  und  v.  Premer- 
stein.  Siehe  außerdem  namentlich  die  Ostraka  von  Pselkis  (Gr.  Ostr.  Π 
η.  1128  ff.). 

Über  das  außerdienstliche  Privatleben  der  Soldaten  bringen  die 
Papyri  die  verschiedenartigsten  Nachrichten.^)  Von  entscheidender  Bedeu- 
tung für  die  Gestaltung  ihres  Privatlebens  war  die  von  Augustus,  wie 
H.  Erman  gesehen  hat,  nicht  durch  Gesetz,  sondern  durch  Mandat  ein- 
geführte Ordnung,  daß  den  Soldaten  im  Dienst  ein  iustum  matrinionium 
zu  führen  nicht  erlaubt  war.  Die  Papyri  zeigen  in  einem  reichen  Ma- 
terial, wie  diese  Verordnung  in  Ägypten  in  der  Praxis  milde  gehand- 
habt wurde.    Hierüber  vgl.  Bd.  II  Kap.  XII. 

A.  V.  Premerstein  *)  hat  aus  der  Erwähnung  eines  condudor  in  jenem 
lateinischen  Genfer  Papyrus  scharfsinnig  erschlossen,  daß  in  Ägypten 
schon  in  domitianischer  Zeit  die  Legionsterritorien  (prata  legionis)  an 
aktive  Soldaten  verpachtet  wurden,  was  Bormann  aus  Inschriften  aus  der 
severischen  Zeit  für  die  Rhein-  und  Donaugegend  nachgewiesen  hatte. 
Diimit  war  den  Soldaten  eine  Gelegenheit  gegeben,  für  ihre  Familien,  die 
sie  trotz  jenes  Eheverbotes  tatsächlich  begründeten,  über  den  Sold  hinaus 
etwas  zu  verdienen.  Es  ist  aber  ein  Mißverständnis,  wenn  v.  Premerstein 
L  c.  abgesehen  von  diesen  Landpächtern  der  aktiven  Linientruppen  von 
einem  „national -ägyptischen  erblichen  Soldatengrundbesitzerstand  der  Ka- 
töken^'  redet.  Es  ist  schon  oben  S.  304  betont  worden,  daß  die  Katöken 
als  solche   in  der  Kaiserzeit  im   Gegensatz  zu  denen  der  Ptolemäerzeit 


l;  Vgi.  einstweilen  die  ZunaniinenftaUungen  de•  Materiell  bei  P.Meyer  uiui  Mil 
t)  Klio  inte  ff. 


398  Kapitel  XL     Militär  und  Polizei. 

—  trotz  der  καταλοχιύμοί  —  mit  dem  Militär  iiiclits  zu  schaffen  liaben.^) 
So  wird  man  eher  in  den  von  Premerstein  nachgewiesenen  Landpächtern 
der  Armee  die  Vorboten  der  castellani  des  III.  Jahrh.  zu  sehen  haben, 
die  freilich  auch  wieder  neue  Züge  zeigen.  Vgl.  zu  diesen  auch  Mommsen^ 
Histor.  Sehr.  III  210  f. 

Nach  vollendeter  Dienstzeit,  d.  h.  normalerweise  für  den  Legionär 
nach  20  Jahren,  für  den  Auxiliarsoldaten  nach  25  Jahren,  für  den  Flotten- 
soldaten nach  26  Jahren,  wurde  die  honesta  missio  erteilt,  faUs  nicht 
schon  vorher  aus  besonderen  Gründen  eine  missio  causaria  oder  ignominiosa 
erfolgt  war.^)  Wir  haben  kürzlich  eine  Entlassungsurkunde  kennen  ge- 
lernt in  der  Cairener  Holztafel  n.  29811  (457)  vom  J.  122.^)  Es  ist  eine 
einseitig  beschriebene  Wachstafel,  auf  der  der  Präfekt  Ägyptens  einem 
Reiter  der  ala  Vocontiorum  bescheinigt,  daß  er  ihm  die  honesta  missio 
gegeben  habe.  M.  W.  ist  dies  überhaupt  die  einzige  Entlassungsurkunde, 
die  wir  besitzen,  denn  die  sogenannten  Militärdiplome,  die  von  den  Mo- 
dernen gelegentlich  Entlassungsurkunden  genannt  werden*),  verdienen 
diesen  Namen  nicht,  da  sie  die  Entlassung,  wenn  sie  sie  überhaupt  er- 
wähnen, als  schon  vorher  vollzogen  bezeichnen  (dimissis).  ^)  So  hat  es 
denn  auch  der  Interpretation  unserer  Wachstafel  geschadet,  daß  die 
Herausgeber  sie  als  Militärdiplom  betrachteten^),  und  Girard  kam  so  zu 
der  irrigen  Meinung,  daß  unser  Reiter  zu  den  Veteranen  χωρίς  χαλκών 
gehöre  (s.  unten).  Vielmehr  ist  die  Wachstafel  nichts  weiter  als  eine 
reine  Missionsurkunde'),  während  die  Militärdiplome  —  abgesehen  von 
den  zwei  erwähnten  Ausnahmen  —  lediglich  die  nach  der  Missio  ver- 
liehenen Privilegien  betreffen.  Ob  die  Missio  überhaupt  jemals  anders  als 
auf  Holz  bescheinigt  worden  ist,  wissen  wir  nicht.  Hiernach  erklärt  sich 
auch,  daß  unsere  Urkunde  vom  Präfekten  und  nicht  vom  Kaiser  aus- 
gestellt  ist.     Der  Kaiser   gibt   die  Privilegien,   aber  der   Statthalter  voll- 


1)  P.  Meyer  spricht  zwar  im  Heerwesen  S.  39,  136  von  xarotxot  ιη-ηείς  εκατοντά- 
ρουροί  der  römischen  Zeit,  aber  wenn  ich  recht  sehe,  beruht  das  nur  auf  seiner  irrigen 
Ergänzung  [ιπ;]π[α]ρ[;^ίο;5]  in  Grenf.  Π  42,  3,  wofür  ich  π;[ί]ρ[^  μεν  hergestellt  habe 
(Arch.  III  122). 

2)  Vgl.  Dig.  49,  16,  13,  3. 

3)  Vgl  S.  de  ßicci  et  Girard,  Nouv.  Rev.  Histor.  de  droit  fran9.  et  ätrang.  XXX 
ö.  478  und  486  ff. 

4)  Um  ein  Beispiel  aus  jüngster  Zeit  zu  geben,  nenne  ich  Dessau,  Hermes  45,  2. 
Gegen  diese  Terminologie  schon  Marquardt,  Staatsverw.  Π^  (herausgeg.  von  Dessau) 
S.  565  f. 

5)  Die  einzigen  Ausnamen  bilden  Diplom  IV  und  V,  die  zugleich  das  Eigen- 
tümliche haben,  daß  der  Kaiser  die  missio  vollzieht:  honestam  missionem  et  civi- 
tatem  dedit.    Vgl.  hierzu  Marquardt  1.  c. 

6)  Auch  ich  in  der  Besprechung  im  Arch.  IV  252. 

7)  So  richtig  Gradenwitz  in  Bruns,  Fontes  iur.  Rom.  7.  Aufl.  S.  277,  der  freilich 
Girard  zustimmt,  qui  missionis  sine  acribus  exemplum  esse  vidit. 


ι 


Ι.  Das  Militär.     Β.  Die  römische  Zeit.  399 

zieht,  wenn  auch  natürlich  auf  sein  Mandat,  die  Entlassung.^)  Darum 
heißt  es  in  CIL  ΙΠ  1078:  ni(issi)  h(onesta)  m(issione)  per  Julium  Bassum 
leg(atum)  Aug(usti)  pr(o)  pr(aetore),  ebenso  in  1172.-) 

Durch  die  Entlassung  wurden  die  Soldaten  zu  Veteranen.  Nun 
winkten  ihnen  die  praemia  militiae.  Nun  wurde  ihnen,  faUs  sie  vorher 
eine  Quasiehe  geführt  hatten,  das  Konnubium  mit  der  betreffenden  Frau 
gewährt:  an  die  Stelle  des  uxorem  habere  trat  das  uxorem  ducere.  Andrer- 
seits wurde  ihnen  jetzt,  soweit  sie  nicht  schon  römische  Bürger  waren, 
die  civitas  Romana  verliehen.  Bekanntlich  wurden  die  für  die  einzelnen  Korps 
erlassenen  Konstitutionen,  die  diese  Privilegien  erteilten,  auf  Bronzetafeln 
in  Rom  publiziert,  von  denen  die  einzelnen  Veteranen  auf  ihren  Namen  aus- 
gestellte Abschriften  erhielten.  Über  die  in  großer  Zahl  uns  erhaltenen, 
gleichfalls  in  Bronze  ausgestellten  Einzelurkunden,  die  sogenannten  Militär- 
diplome, vgl.  Mommsen,  CIL  lU  S.  843  ff.  Suppl.  S.  2006  ff.,  2212  ff.  Bekannt 
ist  auch,  daß  abgesehen  von  einigen  Diplomen  für  Soldaten  der  leg.  I  und  II 
adiutrix,  die  aus  Flottensoldaten  bestanden,  wir  Diplome  für  Legionare  nicht 
besitzen.  In  bezug  auf  diese  Urkunden  sind  nun  neue  Fragen  angeregt 
worden  durch  eine  gewisse  Klasse  von  Papyri,  die  uns  z.  T.  Auszüge  aus 
den  Militärdiplomen  und  damit  zum  erstenmal  griechische  Verarbeitungen 
eines  Teiles  dieser  Urkunden  bringen.  Es  sind  das  BGU  113  (458)  und 
265  (459),  die  zusammen  mit  BGU  780  und  847  (460)  und  1033  unter 
den  Epikrisisurkunden  eine  ganz  eigenartige  Stellung  einnehmen  und  da- 
her erst  hier  zum  Schluß  zur  Sprache  kommen  sollen.  Sie  beziehen  sich, 
soweit  sie  Veteranen  betreffen,  nur  auf  solche,  die  bei  den  Auxilien  und 
der  Flotte  gedient  haben.  Das  Neue,  das  uns  diese  Papyri  über  die 
Militärdiplome  hinaus  gelehrt  haben,  ist  die  bisher  unbekannte  Gruppe 
der  ονετρανοί  χωρίς  χαλκών.  Mommsen,  der  1.  c.  bereits  BGU  113  und 
265  verwerten  konnte,  bezieht  das  Fehlen  der  Beurkundung  in  Bronze 
nicht  nur  auf  die  den  Veteranen  eingehändigten  Exemplare,  sondern  auch 
auf  die  Konstitutionen  (S.  2008)  und  glaubt,  in  den  Veteranen  χωρίς 
χαλκών  iuris  deterioris  missi  im  Gegensatz  zu  den  optimo  iure  missi  sehen 
zu  Bellen  (S.  2006).  Er  streicht  in  BGU  113,  5  xal  stsqoi  ονετρανοί 
und  kommt  so  zu  dem  Ergebnis,  daß  die  χωρίς  χαλχ&ν  allein,  ohne  ihre 
Kinder  die  Zivität  erhalten  hätten,  und  vermutet,  daß,  ehe  seit  Pius  diese 
Beschränkung  allgeroeiD  wurde,  die  Verweigerung  der  Bronzebeurkundimg 
etwa  bei  missio  causaria  eingetreten  sei.') 

\f..;.w.  TT  -^- 11  ■•M.  von  BGU  265  (459)   tiihrt    /n   einer  andern  Auf- 

1)  Wieder  mit  jenen  zwei  Autnahmen. 

2)  Vgl.  Mommfen  CIL  Ul  Suppl.  p.  9'm. ,.  ....u.« 

(ZiUt  dfT  beiden  Inichrifien)  per  legatam 

3)  Daß  die  auf  HoU  auageferUgte  MiiKiuDHurKunde  467  <  t  niobU 
ZQ  ton  hat,  wurde  tcbon  oben  bemerkt. 


400  Kapitel  XI.     Militär  und  Polizei. 

fassung.  Der  Text  unterscheidet  jetzt  drei  Gruppen,  niclit  zwei,  wie 
Mommsen  annahm:  erstens  diejenigen  Veteranen,  die  mit  ihren  Kindern, 
zweitens  diejenigen,  die  allein  das  Bürgerrecht  erhalten  haben.  Beide  er- 
schienen offenbar  mit  ihren  Bronzetafeln  vor  dem  Präfekten,  denn  als 
dritte  Gruppe  werden  im  Gegensatz  zu  ihnen  genannt  ol  χωρίς  χαλκών 
ol  vyv  [και  αΰτοΙ  ε7ΐί]τνχόντ£ς  μόνοί  της  ^Ρωμαίων  πολιτείας})  Sachlich 
fallen  diese  also  mit  der  zweiten  Gruppe  zusammen,  nur  daß  sie  keine 
Bronzetafeln  haben  und  auch  erst  jetzt  —  wenn  meine  Lesung  ot  vyv 
richtig  ist  —  das  Bürgerrecht  erhalten  haben.  Diese  beiden  Momente 
zusammengenommen  führen  zu  der  Annahme,  daß  mit  den  Worten  ol 
χωρίς  χαλκών  nur  ein  vorübergehender  Zustand  dieser  neuen  Veteranen 
bezeichnet  wird:  es  sind  einfach  diejenigen  Veteranen,  die  erst 
vor  kurzem  entlassen,  noch  nicht  in  den  Besitz  der  ihnen  zu- 
stehenden Bronzetafeln  gelangt  sind.  Somit  bilden  die  χωρίς  χαλ- 
κών überhaupt  keine  rechtlich  gesonderte  Gruppe.  Daß  in  diesen  Epi- 
krisisurkunden  —  und  nur  hier!  —  dieser  vorübergehende  Zustand  er- 
wähnt wird,  erklärt  sich  daraus,  daß  es  für  die  Epikrisisbehörde  von  Be- 
deutung war,  ob  unter  den  vorzulegenden  ^^κοίί-ώματο;  die  Bronzetafeln 
sich  befanden  oder  nicht.  Wer  solche  noch  nicht  beibringen  konnte, 
mußte  seine  Ansprüche  auf  andere  Weise  begründen.  Meine  Interpretation 
von  463  zeigt  an  dem  Beispiel  eines  Legionars,  der  ja  als  solcher  prin- 
zipiell keine  Bronzetafel  erhielt  (s.  oben),  daß  in  solchen  Fällen  zu  eid- 
lichen Aussagen  vor  Zeugen  gegriffen  wurde.  Wenn  sowohl  in  458  wie 
in  459  die  χωρίς  χαλκών  immer  solche  sind,  die  μόνον  das  Bürgerrecht 
erhalten  hatten,  so  erklärt  sich  dies  aus  der  Tatsache,  daß  eben  damals, 
in  den  vierziger  Jahren,  als  diese  Leute  erst  entlassen  wurden,  diese  Be- 
schränkung auf  die  Väter  allein  Regel  wurde.^)  Eine  Gruppe  geringeren 
Rechts  ist  mit  jenen  Worten  um  so  weniger  konstatiert,  als  ja  auch  unter 
denjenigen  Veteranen,  die  mit  Bronzetafeln  vor  dem  Präfekten  erschienen, 
sich  solche  patres  solitarii  befanden. 

Diese  Epikrisisurkunden  zeigen  uns  nun,  daß  die  Veteranen  auch 
nach  ihrer  Entlassung  noch  einer  dauernden  Kontrolle  seitens  der  Militär- 
behörden unterstanden.  P.  Meyer  (Heerwesen  S.  128)  hat  aus  unsern 
Texten  geschlossen,  daß  die  Veteranen  der  Auxilien  und  Flotten,  und  nur 
sie,  eine  Territorialarmee  gebildet  hätten  in  der  Weise  des  von  Meyer 
angenommenen  £jr^rci;^^a  der  Ptolemäer.  Das  halte  ich  nicht  für  richtig. 
In  Zeiten  großer  Katastrophen  wie  im  Jahre  6  n.  Chr.  hat  man  ja  auch 
Veteranen  wieder  einberufen.    Aber  das  sind  Ausnahmen,  ebenso  wie  die 


1)  BGU  113  (458)  unterscheidet  dieselben  Gruppen,  nur  werden  sie  hier  in  der 
Reihenfolge  1,  3,  2  genannt.  Dies  allein  zeigt  schon,  daß  die  dritte  Gruppe  nicht 
geringeren  Rechtes  sein  wird  als  die  zweite. 

2)  Vgl.  Mommsen  CIL  Suppl.  S.  2015. 


Ι.  Das  Militär.     Β.  Die  römische  Zeit.  401 

damalige  Einstellung  von  Freigelassenen.  Wegen  solcher  ungewöhnlichen 
Vorgänge  werden  wir  nicht  von  einer  Territorialarmee  der  Veteranen 
sprechen  können.  Meyer  glaubte  einen  Beleg  zu  haben  in  dem  vvvsl 
οτρατενομενφ  ον[ετρανω  ^Αντίνο]εΙ  in  BGÜ  256,  23  f.  Aber  die  Prüfung 
des  Originals  hat  mir  ergeben,  daß  ^Αντιν6]εΐ  völlig  ausgeschlossen  ist.^) 
So  schwebt  auch  das  ον\ετρανω  in  der  Luft.*)  Trotzdem  standen  die 
Veteranen  nach  ihrer  Entlassung  unter  der  Kontrolle  der  Präfekten,  die 
nach  wie  vor  Akten  über  sie  führten.  Unsere  Texte  zeigen,  daß,  wenn 
Veteranen  sich  z.  B.  außerhalb  ihrer  Ιδία  im  Lande  auf  einige  Zeit  auf- 
halten wollten  {προζ  καιρόν  τΐαρετηδημείν) ,  sie  sich  vor  dem  Präfekten 
zu  einer  Epikrisis  stellen  mußten,  um  den  nötigen  Erlaubnisschein  zu  er- 
halten. Zu  diesem  Zweck  mußten  sie  ihre  Militärpapiere  {διχαίώματά) 
mitbringen,  die  dann  auf  ihren  Namen  im  Epikrisisbureau  bei  dem  dazu 
ernannten  Offizier  deponiert  wurden.  Vgl.  auch  Oxy.  VII  1023.  Doch  gab 
es  auch  andere  Anlässe  für  die  Veteranen,  sich  der  Militärbehörde  wieder 
zur  Epikrisis  zu  stellen,  als  die  παρεπιδημίαι^  wie  BGU  1033  zeigt;  lei- 
der ist  der  Text  so  verstümmelt,  daß  der  Gegenstand  der  Verhandlung 
nicht  ganz  klar  ist.^)  Jedenfalls  wurden  die  Veteranen  in  dem  τόμοξ 
έπιχρίόεων  des  Präfekten  Ägyptens  geführt,  imd  nur  wenn  sie  diese  Kon- 
trolle passiert  hatten,  konnten  sie  in  ihren  Niederlassungen  die  den  Ve- 
teranen gewährten  Privilegien  genießen.  Das  letztere  war  schon  nach 
BGU  113  usw.  zu  vermuten,  tritt  uns  aber  besonders  deutlich  in  dem  la- 
teinischen Diptychon  463  entgegen,  wenn  anders  ich  es  richtig  gedeutet 
habe.  Dieser  Text  gibt  uns  zugleich  über  die  entsprechende  Epikrisis  der 
Legions-Veteranen  Aufschlüsse. 

Soweit  die  Veteranen  in  Betracht  kommen,  würden  wir  kein  Be- 
denken tragen,  diese  vor  dem  Präfekten  vollzogene  Epikrisis  zu  den  oben 
S.  395  besprochenen  rein  militärischen  επιχρίοεις  zu  zählen.  Nun  erscheinen 
aber  neben  den  Veteranen  während  des  hierfür  ausgesetzten  Zeitraums  von 
durchschnittlich  einem  Vierteljahr  auch  noch  Römer  und  Alexandriner 
und  Freigelassene  und  Sklaven.  Dadurch  wird  das  Problem  sehr  kom- 
pliziert. Die  Nennung  der  Sklaven  schließt  allein  schon  aus,  daß  es  sich 
für  sie  um  militärische  Zwecke  handelt.  Die  Freigelassenen  und  Sklaven  sind 
offenbar  die  der  Kömer  und  Alexandriner.  Daß  auch  die  beiden  Letzteren 
der  fiskalischen  Epikrisis  unterworfen  wurden,  habe  ich  oben  S.  202  er- 
wähnt, aber  absiclitlich  habe  ich  dort  die  Frage,  in  welchen  Formen  ihre 
Fpikrisis  sich  vollzog,  für  diesen  Platz  aufgespart,  da  diese  Frage  mit  jenen 
N'etonineuurkuuden  venjuickt  ist.  Entscheidend  ist  Stud.  Pal.  I  S.  ()Hy69, 
die    vom    Amphodarchen    aufgesetzte    γραφή    'Ρωμαίων   xal   Ι4λ(1ανδρ^ων 

1)  Die  Spur  vor  n  pnBt  nicht  xu  o.     Daxmuf  folgt  übrigen•  ά{(ι.>. 

2)  Die  ala  vrt'  Mica  beweiit  nicht•  für  Meyers  The••. 

»,  Vff]    dir  Κ  im  Arch.  lll  604. 


402  Kapitel  XI.     Militär  und  Polizei. 

für  das  5.  Jahr  des  Vespasian  (Arsinoe).  Danach  ist  die  Epikrisis  der 
dort  wohnenden  Römer  und  Alexandriner  sowie  ihrer  Sklaven  νπο  Πον- 
riTLov  vollzogen  worden.  Sieht  man  mit  Cantarelli  (Prefetti  I  S.  32)  in 
diesem  Römer  den  Präfekten,  so  ergibt  sich,  daß  die  im  Lande  wohnen- 
den Römer  und  Alexandriner  (mitsamt  ihren  Freigelassenen  und  Sklaven) 
nicht  von  den  lokalen  Epikrisiskommissionen,  sondern  vom  Präfekten, 
also  in  Alexandrien  oder  auch  in  der  Konventstadt  „geprüft"  wurden. 
Von  dieser  Basis  aus  erkläre  ich  auch  Catt.  I  Col.  III  11 — 22^),  wo  ein 
Römer,  der  Auxiliarveteran  ist,  den  Präfekten  bittet,  seine  mit  einer  Rö- 
merin während  der  Dienstzeit  in  illegitimer  Ehe  gezeugten  Söhne  der 
Epikrisis  zu  unterziehen.  Nach  meiner  Ergänzung  Έ[πικ^ι%•~\Ύ\\ρον]ται  in 
Z.  19  sagt  der  Präfekt  dies  zu,  weil  die  Mutter  eine  römische  Bürgerin 
sei.^)  Dies  entspricht  der  auch  sonst  bei  der  fiskalischen  Epikrisis  ge- 
stellten Forderung,  daß  Vater  und  Mutter  (resp.  deren  Vater)  zu  den 
έπικεκριμενοί  gehören.  Wenn  der  Präfekt  hinzufügt,  der  Petent  wolle  die 
Söhne  durch  die  Epikrisis  als  legitime  hinterlassen^),  so  ist  dies  wichtig 
für  die  Wirkung  der  Epikrisis.^)  Nach  Stud.  Pal.  I  S.  68/9  ist  es  also 
nicht  überraschend,  in  unsern  Urkunden  Römer  und  Alexandriner  mit 
ihren  Freigelassenen  und  Sklaven  vor  dem  Präfekten  zur  Epikrisis  er- 
scheinen zu  sehen.  Auffallender  ist  schon,  daß  sie  ihre  δικαιώματα^  die 
ja  auch  bei  der  fiskalischen  Epikrisis  verlangt  werden,  bei  dem  vom  Prä- 
fekten dazu  ernannten  Offizier  abgeben.  Trotzdem  und  wiewohl  sie  in 
dem  τόμος  έτνικρίΰεων  des  Präfekten  zusammen  mit  den  Veteranen  ge- 
führt werden,  wird  man  schon  wegen  der  Sklaven  daran  festhalten  müssen, 
daß  diese  ihre  Epikrisis  nicht  militärischen  Zwecken,  sondern  der  Fest- 
stellung ihres  Personalstandes  diente.  Was  uns  am  meisten  auffäUt,  das 
Nebeneinander  der  Veteranen  und  der  zivilistischen  Römer  und  Alexan- 
driner,   das   läßt   sich   praktisch    zur  Not   verstehen,    wenn   man   bedenkt 


1)  Vgl.  den  Text  in  Bd.  TT  Kap.  XII. 

2)  Dies  zeigt,  daß  es  sich  nicht  um  die  militärische  Epikrisis  handelt,  denn  ins 
Heer  hätten  die  Söhne  Aufnahme  gefunden  (als  ex  castris),  auch  wenn  die  Mutter 
eine  Peregrinin  war. 

3)  Έ|  έτΐίΐ-κρίοεως  νο'Ιμίμ.ουζ.  Mitteis  machte  mich  nachträglich  darauf  aufmerk- 
sam, daß  auch  schon  Crönert,  Stud.  Pal.  I  S.  107  so  ergänzt  hat,  der  freilich  statt 
έ\πιν,ρίΟ']ή[οο]νται  in  19  ergänzt  [έτιεϊ  έξ]ή[ρΎΐ]νται,  und  außerdem  zu  νομ^ίμονς  irrig 
χλτιρονόμονς  hinzudenkt. 

4)  Die  Söhne,  die  schon  römische  Namen  tragen,  haben  offenbar  schon  nach 
der  Missio  des  Vaters  die  Zivität  bekommen,  wie  auch  dem  Vater  das  Konnubium 
mit  der  Mutter  gewährt  sein  wird.  Trotzdem,  so  scheint  es  nach  dem  Text,  wurde 
die  Legitimität  der  Söhne  doch  erst  durch  den  Vollzug  der  Epikrisi«,  die  ja  auf  eine 
Prüfung  der  Papiere  hinauslief,  ganz  sichergestellt.  —  Ein  ähnlicher  Fall  wie  in  Catt. 
liegt  vielleicht  in  BGÜ  1032,  3  ff.  vor,  doch  ist  hier  noch  manches  dunkel.  Eine  er- 
neute Prüfung  des  Originals  gab  mir  hier  in  1/2  die  neue  Lesung:  δίλτ[ον  7ΐ]ρο- 
φ[ε]σσίωνος  i[7i]l  αφραγείάων.  Damit  ist  zu  vergleichen  die  tabula  alhi  professionum 
in  212. 


Ι.  Das  Militär.     Β.  Die  römische  Zeit.  403 

(laß  immer  ein  größerer  Zeitraum  —  in  der  Regel,  wie  es  scheint,  ein 
Vierteljahr,  vielleicht  die  Konventsmonate  —  für  die  Epikrisisarbeiten  des 
Präfekten  bestimmt  war,  während  dessen  die  verschiedenen  Interessenten 
ihre  Papiere  vorlegen  konnten.  Auf  eine  innere  Verwandtschaft  aller  Fälle 
braucht  hieraus  noch  nicht  geschlossen  zu  werden.  Ich  verkenne  nicht, 
daß  diese  Deutung  noch  manche  innere  Schwierigkeit  in  sich  schließt. 
Möge  neues  Material  sie  klären.^) 

Bekanntlich  war  das  Ziel  der  Soldaten,  als  Veteranen  vom  Kaiser 
die  Altersversorgung  zu  erhalten,  und  in  der  Regel  wurden  die  Veteranen 
zu  diesem  Zweck  als  Landbesitzer  angesiedelt.^)  Die  Papyri  haben  uns 
mit  einer  großen  Zahl  von  Veteranen  bekannt  gemacht,  die  Landbesitzer 
(γεονχονντες)  sind,  doch  ist  nicht  oft  zu  ersehen,  auf  welchem  Wege  sie 
in  den  Besitz  gekommen  sind.  Vielfach  handelt  es  sich  um  Landbesitz, 
der  schon  vor  ihrem  Dienst  ihnen  oder  ihrer  Familie  gehört  hatte;  mehr- 
fach hören  wir  auch,  daß  sie  z.  T.  während  des  Dienstes  das  Land  käuf- 
lich erworben  haben.  ^)  Kürzlich  haben  wir  aber  auch  Nachrichten  über 
Ansiedlung  von  Veteranen  durch  die  Kaiser  bekommen.  Ein  von  Haussoullier 
herausgegebener  Pariser  Papyrus  (461)  spricht  von  größeren  Veteranen- 
ansiedlungen  im  Faijüm  durch  die  Kaiser  Severus  und  CaracaUa,  und 
zwar  nennt  ein  Veteran  hier  die  Ansiedlung  κολων^α.  Weitere  Anwen- 
dungen dieses  Begriffes  begegnen  in  Oxy.  III  653,  BGU  II  587  und  Giss.60, 
den  P.  Meyer  demnächst  herausgeben  wird.  Auf  die  beiden  letzteren  Fälle 
weist  inzwischen  Kornemann,  Klio  XI  390  hin.  Ich  habe  schon  im  Arch. 
V433f.  betont,  daß  diese  „Kolonien"  in  Ägypten  natürlich  nicht  das 
Recht  einer  Kolonie  gehabt  haben  können,  wenn  auch  der  Veteran  diese 
Ansiedlung,  die  zum  Dorf  Kerkesucha  im  Faijüm  gehört,  κολωνία  nennt. 
Soeben  hat  Komemann  1.  c.  darauf  hingewiesen,  daß  ähnlich  wie  diese 
ägyptischen  coloniae  auch  die  entsprechenden  in  den  gallo-römischen  civi- 
tates  der  Autonomie  entbehrt  haben  und  innerhalb  der  civitas  verbleiben, 
wie  die  ägyptischen  im  Gau. 

Wie  Paul  Meyer  zuerst  hervorgehoben  hat,  begegnen  im  11.  Jahrh. 
mehrere  Veteranen,  die  als  *^ντινο£ΐς  bezeichnet  werden.*)  Er  hat  daraus 
den  Schluß  gezogen,  daß  Hadrian  die  Veteranen  in  die  Bürgerlisten  von 


1)  I)ie  Möglichkeit,  in  den  'Ρωμαίοι  in  BQU  118,  β  etwa  diejenigen  Veteranen 
/u  geben,  die  »chon  als  römiiche  Bürger  in  die  Legionen  und  Auxilien  eingetreten 
Nind,  wird,  wie  mir  scheint,  durch  BGU  1033,  2  auigeechloieen,  wo  die  'AXtiavdQttg 
daneben  fiteben,  wiewobl  die  Verbindung  ο'ύηρα\νοϊ  'Ρωμαίοι  dafür  sprechen  würde. 
Nach  Analogie  der  andern  Texte  ist  eher  anzunebmen,  daß  hinter  ο{>ηρα\νοί  ein  καϊ 
aueget'allen  ist. 

2)  AuguMtuR  hatte  anfangt  Geld  gezahlt    Vgl.  Marquardt,  Staatsw.  Ρ  S.  129. 
8)  Vgl.  z.  B.  IKUJ  4β•2  (87β). 

4)  Vgl.  HtM^rwcHi'n  H.  129.  Einzelne  leiner  Beiipiele  beruhen  freilich  nur  auf 
Erg&nzung     In  BGU  118  (45H)  igt  sie  irrig,  ebenio  in  BQÜ  t6e,  28  f.  (i.  oben  S.  401). 

2β• 


404  Kapitel  XI.     Militär  und  Polizei. 

Antinoopolis  eingeschrieben  und  so  zur  Besiedlung  seiner  neuen  Stadt 
verwendet  habe.  Vgl.  hierzu  die  modifizierenden  Bemerkungen  oben  S.  50. 
Von  sonstigen  Privilegien  der  Veteranen  ist  z.  T.  schon  früher  die 
Rede  gewesen.  Vgl.  oben  S.  344  über  die  fünfjährige  Pause  nach  der 
Missio  bezüglich  der  Liturgien.  Aber  von  grundlegender  Bedeutung  für 
die  Verleihung  von  Immunitäten  an  die  Veteranen  sind  zwei  Edikte^  die 
uns  urkundlich  erhalten  sind.  Das  eine,  BGU  628  (462),  ist  von  Oktavian 
während  seiner  Triumviratszeit  gegeben.  Das  andre  Edikt,  das  von  Domi- 
tian  stammt,  ist  uns  auf  einem  hölzernen  Diptychon  neben  andern  Ur- 
kunden teilweise  erhalten  (463).  Wenn  ich  den  Text  richtig  deute,  sind 
diese  Urkunden  des  Diptychon  anläßlich  einer  Veteranen-Epikrisis  zusam- 
mengestellt und  aufgezeichnet  worden. 


0.  DIE  BYZANTINISCHE  ZEIT. 

Lit.:  E.  Kuhn,  Stadt,  u.  bürg.  Yerf.  I  134 fF.  —  Marquardt,  Staatsv.  IP609ff. 
—  H.  Schiller,  Geschichte  d.  röm.  Kaiserzeit  II  (1887)  86 ff.  —  Mommsen,  Das 
römische  Militärwesen  seit  Diokletian  (Hermes  24  [1889],  195  ff.  =  Hist.  Schrift.  III 
206 ff.  —  0.  Seeck,  Geschichte  d.  Untergangs  II  (1901)  3 ff. 

Für  das  byzantinische  Heerwesen  sind  die  Papyri,  wiewohl  sie  eine 
FüUe  von  Material  hierfür  bieten,  noch  nicht  systematisch  durchgearbeitet 
worden.  Abgesehen  von  den  Fragen  des  Oberkommandos,  im  besondern 
der  duces,  die  schon  von  M.  Geizer  mit  behandelt  sind,  und  die  auch 
schon  im  I.  Kapitel  (S.  73  ff.)  zur  Darstellung  kamen,  fehlt  es  an  allen  Vor- 
arbeiten.^) Da  ich  von  einer  durchgreifenden  Bearbeitung  des  gesamten 
Materials  z.  Z.  Abstand  nehmen  mußte,  beschränke  ich  mich  darauf,  einige 
Proben  herauszugreifen,  die  das  neue  System  zu  beleuchten  geeignet  sind. 
Die  Grundlage  hat  auch  für  dieses  Problem  wiederum  Mommsen  gelegt,  in 
dem  oben  zitierten  Hermesaufsatz.  Auch  für  diesen  Teil  der  neuen  Ordnung 
gilt  es,  daß  das  Neue  z.  T.  nur  das  Endergebnis  der  früheren  Entwicklung, 
namentlich  des  ΠΙ.  Jahrh.  ist. 

Während  nach  der  augustischen  Ordnung  die  Truppen,  von  den  Prä- 
torianern  abgesehen,  sämtlich  Grenztruppen  waren,  so  daß  im  Falle  von 
größeren  Kriegen  die  Korps  von  verschiedenen  Grenzen  zusammengezogen 
werden  mußten,  beruht  das  neue  System  darauf,  daß  aus  der  Garde  eine 
bewegliche  Feldarmee  geschaffen  ist,  die  neben  die  Grenztruppen  oder 
dem  Range  nach  über  diese  gestellt  ist.  Jene  sind  die  palatini  und  co- 
mitatenses,  diese  die  riparienses  oder  limitanei.  Grenztruppen,  die  von 
der  Grenze  in  die  erste  Truppenklasse  versetzt  wurden,  wurden  als  pseudo- 
comitatenses  bezeichnet.    Nach  Mommsen   S.  209    ist    diese  Entwicklung 

1)  Einzelne  Fragen  sind  von  M.  Geizer  im  Arch.  V  346  ff.  im  Anschluß  an  die 
Aphroditopapyri  behandelt  worden. 


Ι.  Das  Militär.     C.  Die  byzantinische  Zeit.  405 

erst  unter  Konstantin  dem  Großen  vollendet  worden.  Die  in  Ägypten 
stationierten  Truppen  sind  nach  diesem  System  als  Grenztruppen  zu  be- 
trachten. Die  Papyri  bieten  einige  Beispiele  dafür,  daß  Truppenteile  oder 
auch  einzelne  Rekruten  von  Ägypten  zur  Feldarmee  abkommandiert  wur- 
den.    So   handelt  Lips.  63   (a.  388)   von  der  Entsendung  eines  Truppen- 

eiles,  der  von  der  Thebais  aus  über  die  kyren'aische  Pentapolis  nach 
Afrika  entsendet  war.^)    Lips.  34  und  35")  (frühestens  375  n.  Chr.)  setzen 

oraus,  daß  die  von  der  Stadt  Hermopolis  gestellten  Rekruten  (s.  unten) 
-ich  beim  kaiserlichen  Heere  im  syrischen  Hierapolis  befinden.  Von  dem 
ττροπομποζ  τιρώνων,   der  das  aurum  tironicum  verteilen  soll,  heißt  es,   er 

f'i  εν  τω  ϋ^είω  χομιτάτω.  Vielleicht  darf  man  hiemach  sagen,  daß  diese 
Kekruten  zu  den  comitatenses  eingezogen  sind.    In  diesem  Zusammenhange 

-t  auch  Gen,  51  (Mitte  des  IV.  Jahrb.)  von  Interesse.  Hier  wird  der 
praepositus  castrorum  Abinnaeus  (s.  unten)  gebeten,  einen  jungen  Ver- 
wandten womöglich  vom  Militärdienst  freizulassen.  Wenn  er  aber  Soldat 
werde,  dann  möge  er  dafür  sorgen,  daß  er  nicht  nach  auswärts  mit  den 
zum  comitatus  Auserwählten  entsendet  werde  (Z.  22)-.  εάν  d^  πάλιν  ότρα- 
τενϋ"?},  ΐ[ν]α  6νντηρή6τ}£  αύτον^  ίνα  μη  [λ]ο?;  εζω  μετά  των  εγλεγωμ[εν^ων 
εΙς  χωμιοατ[ο]ν.^)  Diese  Bitte  ist  auffallend,  da  der  Dienst  bei  den 
Comitatenses  besonders  vorteilhaft  war*),  aber  sie  wird  erklärt  durch  die 
vorhergehenden  Worte  (20 f.):  χήρα  ε6τΙ{ν)  η  μήτηρ  αντον  καΐ  ονχ  έχει 
&λλο{ν)  ει  μή  αυτόν.  Als  einziger  Sohn  einer  Witwe  soU  er  freigegeben 
werden.^)  Dies  ist  ofi-enbar  der  Grund,  weshalb  er  im  FaUe  des  Dienstes 
möglichst  in  der  Nähe  der  Mutter  bleiben  soU.  Von  der  Entsendung  von 
ägyptischen  Rekruten  nach  Antiochia  handelt  endlich  Lips.  Inv.  281  (4G9). 
Auch  die  neue  Organisation  der  einzelnen  Truppenkörper  spiegelt 
sich  in  unsenn  Papyri  wider.  Bekanntlich  hat  Diokletian,  abgesehen  von 
einer  bedeutenden  Verstärkung  des  Heeres,  die  einzelnen  Legionen  in 
mehrere  Detachements  geteilt,  die  gleichfalls  Legionen  genannt,  an  ver- 
schiedenen Stellen  lociert  wurden.  So  nennt  die  Notitia  dignitatum  vier 
verschiedene  Standquartiere  der  legio  ΠΙ  Diocletiana  in  Ägypten,  von 
denen  mindestens  drei  nur  ständige  Detachements  gehabt  haben  können.•) 
Aber  auch  Detachements  von  außerägyptischen  Legionen  lagen  in  Ägypten, 
wie  eine  Abteilung  der  in  Dacia  ripensis  stationierten  legio  V  Macedonica 
in  Memphis,  die  mehrfach  auch  in  den  Papyri  genannt  wird  (z.  B.  Gen. 
70,  1).  Wenn  sich  z.  T.  hierdurch  die  große  Zahl  von  Legionen,  die  zu 
der  vorher  zuletzt  einzigen  II  Traiana  hinzugekommen  sind,  erklärt,  so 
bleibt  (ior)i  bestehen,  daß  Diokletian  die  Heeresmacht  in  Ägypten  bedeu- 

1;  V^l.  hierzu  meine  Bemerkungen  im  Arch.  III  666,  IV  477. 

2)  Vgl.  meine  Nechtiftge  im  Arch.  III  668  f.  und  IV  lH7ff. 

8)  Vgl.  meine  Korrektoren  im  Arch.  III  8UU.  4)  Vgl.  Seeek  1.  c.  8.  86. 

h^  Vgl    aiirh  r^.n*!   U  <    mim«  β)  Vgl.  Mommien  I.e.  S.  M8. 


406  Kapitel  XI.     Militär  und  Polizei. 

tend  verstärkt  hat.  Mommsen  1.  c.  S.  212  ff.  hat  eine  Tabelle  aufgestellt, 
die  die  neue  Verteilung  der  Legionen  im  Reich  und  so  auch  in  Ägypten 
durch  Vergleichung  des  vordiokletianischen  Zustandes  mit  den  Angaben 
der  Notitia  dignitatum  veranschaulicht.  Es  ist  für  die  Militärgeschichte 
bisher  wohl  noch  nicht  verwertet  worden,  daß  wir  durch  Oxy.  43  noch 
weitere  Legionsdetachements  für  Ägypten  wenigstens  zeitweilig  nachweisen 
können,  und  dies  ist  um  so  interessanter,  als  der  Text  schon  aus  dem 
J.  295  stammt,  wodurch  die  Zurückführung  dieses  Systems  auf  Diokle- 
tian —  nicht  erst  Constantin  —  bestätigt  wird.  Der  Text  nennt  unter 
den  Truppen,  die,  wenn  ich  ihn  recht  verstehe,  an  der  Südgrenze  des 
Landes  stationiert  sind  und  von  Oxyrhynchos  aus  durch  δίαδόταί  verpflegt 
werden  (vgl.  Kap.  IX),  folgende  sonst  für  Ägypten  nicht  nachgewiesene 
Legionen:  die  legio  VII  und  XI  Claudia  und  die  IV  Flavia.  Zu  Zeiten 
der  Notitia  dignitatum  (Anfang  des  V.  Jahrh.)  lag  die  VII  Claudia  in 
Moesia  I,  die  XI  Claudia  in  Moesia  II,  die  IV  Flavia  in  Moesia  I.  Der 
Papyrus  meint  offenbar  nur  Legionsdetachements  der  neuen  Art. 

Ebenso  treten  uns  die  Veränderungen  in  den  Offizierstellen  in  den 
Papyri  entgegen.  Wenn  schon  im  III.  Jahrh.  die  senatorischen  Legions- 
legaten den  ritterlichen  praefecti  legionis  hatten  weichen  müssen,  so  führte 
dies  für  das  Reich  nur  einen  Zustand  herbei,  der  in  Ägypten  von  vornherein 
bestanden  hatte  (s.  oben  S.  391).  Aber  auch  für  Ägypten  war  es  etwas 
Neues,  daß  als  Konsequenz  jener  Zersplitterung  der  Legionen  der  praeposi- 
tus  legionis  jetzt  an  die  Stelle  des  praefectus  legionis  trat.  Schon  dieser 
P.  Oxy.  43  vom  J.  295  bezeugt  den  πρεπόοιτοΰ  λεγιώνος  τετάρτης  ΦλαβΙας 
(V  13)^),  und  nennt  noch  weitere  praepositi.  Ebenso  nennt  BGU  21  III  13 
(a.  340)  außer  dem  Tribunen  den  7ίραυ%ό6ιτοζ  της  λεγιώνος.  Dagegen  be- 
halten die  Alen  ihren  praefectus  alae  (ετίαρχος  είλτίζ),  wofür  ich  nur  auf 
die  Abinnaeus-Korrespondenz  verweise. 

Charakteristisch  für  die  neue  Heeresordnung  ist  ferner  das  allmäh- 
liche Verschwinden  der  alten  Centurionen  und  Dekurionen.^)  Zu  den  we- 
nigen Zeugnissen,  die  Mommsen  1.  c.  für  das  Vorkommen  dieser  Titel  im 
IV.  Jahrh.  nennen  konnte,  fügen  die  Papyri  noch  einige  hinzu,  aber  es 
ist  kein  einziger  Fall  darunter,  in  dem  der  Centurio  etwa  in  seiner  alten 
militärischen  Funktion  aufträte.  So  nennt  BGU  21  III  10  (a.  340)  einen 
έκατόνταρχος  τον  κα%•ολικον^  der  also  dem  Offizium  der  Rationalis  atta- 
chiert  ist.  Vgl.  ferner  Lips.  64,  50  (a.  368)  einen  Centurio,  der  gleichfalls 
im  Zivildienst  zu  stehen  scheint;  Lips.  97  IX  19;  101  II  3.  Dagegen  scheint 
der  decurio  {δεζάδαρχοξ)  in  Lond.  II  S.  289/90  (ca.  346)  noch  militärische 
Funktionen  auszuüben  (vgl.  S.  308),  ebenso  in  Gen.  46  aus  derselben  Zeit, 

1)  Dies  frühe  Datum  ist  gegenüber  den  Ausführungen  von  Mommsen  1.  c.  S.  275 
von  Wichtigkeit. 

2)  Vgl.  Mommsen  1.  c.  S.  276,  Seeck  1.  c.  S.  30 f. 


ι 


Ι.  Das  Militär.     C.  Die  byzantinische  Zeit.  407 

WO  es  sich  um  das  Avancement  (promotio)  zum  οεκάταρχ{ος)  κάοτρων  ζίιο- 
vvöiaöog  εϊλης  πραίλήκτων  zu  handeln  scheint.^) 

Besonders  anschaulich  tritt  uns  die  Stellung  des  schon  öfter  erwähnten 
Abinnaeus  in  seiner  Korrespondenz  entgegen,  die  in  Gen.  45 ff.  und  in 
Lond.  II  S.  267  ff.,  so  wie  in  dem  soeben  erscheinenden  P.  Thead.  23  vor- 
liegt und  namentlich  auch  für  die  militärischen  Fragen  von  großem  Wert 
ist.*)  Dieser  Mann  war  zugleich  praefectus  der  ala  V  praelectorum  (Gen. 
46,  11)^)  und  praepositus  castrorum  von  Dionysias  im  Faijüm.*)  Nach 
den  uns  erhaltenen  Briefen,  von  denen  leider  nur  wenige  genau  datiert 
sind^),  hat  sein  Kommando  im  J.  344  eine  Unterbrechung  gefunden.  Wir 
besitzen  noch  den  blauen  Brief,  durch  den  der  dux  ihm  die  Beendigung 
seines  Kommandos  mitteilt  und  ihn  auffordert,  seinem  Nachfolger  die 
Reiter  seiner  ala  und  die  signa  dominica  zu  übergeben  (Gen.  45  [464•]). 
Aber  zwei  Jahre  später,  346,  finden  wir  ihn  schon  wieder  in  seiner  alten 
Stellung.  Wie  schon  Kenyon  bemerkte  (Lond.  II  S.  269),  hat  vielleicht  seine 
durch  Lond.  Π  S.  273  (44)  für  345  bezeugte  Reise  zum  Kaiser  diese  Wir- 
kung gehabt,  vielleicht  auch,  daß,  wie  Nicole  bemerkte,  von  346  an  ein  neuer 
dux  erscheint.  Die  zahlreichen  an  ihn  gerichteten  Briefe  gewähren  uns 
einen  Einblick  in  die  Aufgaben  eines  solchen  praepositus  castrorum.  Bald 
wird  ihm  vom  dux  befohlen,  zur  Unterstützung  der  Steuererhebung  Sol- 
daten zu  schicken  (Lond.  Π  S.  287  [179]),  bald  wird  ihm  aufgetragen, 
den  Natronschmugglem  das  Handwerk  zu  legen  (Lond.  II  S.  285  [322]). 
Vor  allem  aber  werden  Anzeigen  von  Raub  und  Diebstahl  an  ihn  ge- 
bracht, mit  der  Bitte,  die  Übeltäter  festzunehmen  und  an  den  dux  zu 
schicken,  dem  die  Aburteilung  zustand.  Wie  Thead.  22  und  23  (a.  342) 
jetzt  zeigen,  kamen  in  solchen  Fällen  gleichzeitige  Paralleleingaben  au 
den  praepositus  pagi^)  und  den  praepositus  castrorum  vor,  ähnlich  wie  in 
früheren  Zeiten  eventuell  Paralleleingaben  an  den  Strategen  und  den 
Centurio  geschickt  wurden  (vgl.  Bd.  II  33  ff.).  Da  nicht  nur  die  Stra- 
tegen, sondern  auch  die  Centurionen,  wie  wir  oben  sahen,  inzwischen  ver- 
schwunden waren,  wird  man  in  dieser  Neuerung  doch  nur  eine  umwand - 

1;   Vgl,  meine  lU'vieion  <1οκ  Tfxte.s  in  Arch.  Ill  398. 

2)  Vgl.  die  Einleitung  KcnyoiiH  1.  c.  und  Nie  lee,  Rev.  d.  phil.  20  (1806)  48  ff. 

8)  Diese  ala  ist  für  DionyHias  bezeagt  durch  die  Not.  dignitatum  Or.  28«  84. 

4)  Es  ift  ein  Irrtum,  wenn  Kenyon  in  seinen  Kommentaren  ihn  mehrfach  als 
praefectus  castrorum  bezeichnet.  Ich  habe  in  der  Chrestomathie  S.  166  den  Irrtum 
nach^^emacht. 

6)  Der  lUteHtc  dutierte  ist  jetzt  Theftd.  28,  wie  der  Herausgeber  Joogaet  mit 
Hecht  bemerkt,  ν•*πι  .).  842.  In  dem  jüngsten  datierten  Text  Lond.  II  8.  280  Tom 
J.  861  wird  sein  liao.'  angegeben  mit  ίξ  άπ oit gor η%τ ωρών.  Hier  wird  doch  wohl  ίξ 
zu  streirhen  unri  άη6  1tifoτηntόQωv  zu  schreiben  sein.  Rr  war  aUo  Tom  Dienst  bei 
den  protrrtmrn  aus  zum  praef.  aUu  avanciert,  wie  sp&ter  auch  sein  Nachfolger  (s.  464) 

ö>  Anzeigen  an  diesen   praepositus   waren   mi•''    ♦..n.,.r    .,.i ».,.Vr,n..f      WA 

Bd.  II  126. 


408  Kapitel  XL     Militär  und  Polizei. 

lung  der  früheren  Zustände  zu  sehen  haben,  wenn  auch  die  Rangstellung 
der  neuen  Organe  nicht  ganz  der  der  früheren  entspricht.  Ich  bemerke, 
daß  nicht  nur  Militärpersonen  sich  an  den  Abinnaeus  wenden,  und  auch 
nicht  nur  Zivilpersonen,  wenn  es  sich  um  Beschwerden  gegen  Soldaten 
handelt,  sondern  daß,  wenn  auch  selten,  rein  zivile  Angelegenheiten  vor 
ihn  gebracht  werden  (vgl.  Lond.  II  S.  281  oben).  In  diesem  Zusammen- 
hange gewinnt  an  Interresse  ein  Edikt  des  Präfekten  Fl.  Eutolmius  Ta- 
tianus  (a.  367/70),  in  dem  unter  Hinweis  auf  die  Gesetze  eingeschärft 
wird,  daß  Zivilisten  sich  nicht  an  den  praepositus  wenden  sollen,  sondern 
an  die  zivilen  Gerichtsbehörden.  Nur  wenn  sie  es  mit  einem  Soldaten  zu 
tun  haben,  soUen  sie  den  praepositus  angehen  dürfen.^) 

Bezüglich  der  Qualifikation  zum  Heeresdienst  sind  die  Grund- 
sätze der  früheren  Periode  in  der  byzantinischen  Zeit  bekanntlich  vöUig 
aufgegeben  worden.  Während  der  Heeresdienst  früher  ein  Vorrecht  der 
dazu  qualifizierten  Stände  gewesen  war,  von  dem  z.  B.  ii^ig^pten  die 
dediticii  ausgeschlossen  waren,  stand  er  jetzt  allen  offen,  die  militärisch 
qualifiziert  waren,  und  zwar  nicht  nur  den  Untertanen,  sondern  auch  den 
ausländischen  Barbaren.  „Je  barbarischer  der  Soldat  ist,  desto  mehr  wird 
er  als  solcher  geschätzt."^)  Nur  gegen  die  Einstellung  von  Sklaven  hat 
man  auch  jetzt  noch  für  längere  Zeit  Bedenken  gehabt.^) 

Wie  unter  diesen  neuen  Verhältnissen  die  Rekrutierung  sich  ge- 
staltet hat,  ist  von  Mommsen  1.  c.  251  ff.  dargelegt  worden.  Er  unter- 
scheidet vier  Arten  der  Gründe  zum  Kriegsdienst:  1.  den  freiwilligen 
Eintritt,  2.  die  im  Steuerweg  herbeigeführte  RekrutensteUung  der  Grund- 
besitzer, 3.  den  Erbzwang,  4.  die  Zugehörigkeit  zu  einer  deditizischen 
Quasigemeinde.*)  Ich  beschränke  mich  darauf,  auf  einige  Papyri  hinzu- 
weisen, die  diese  Einrichtungen  im  Detail  zu  illustrieren  geeignet  sind. 

Ebenso  wie  die  Steuererhebung  ist  auch  die  RekrutensteUung  den 
Gemeinden  auferlegt  worden.  Die  civitates  haben  die  nötigen  Einrich- 
tungen zu  treffen,  d.  h.  vor  aUem  die  liturgischen  Beamten  zu  stellen,  um 
innerhalb  ihrer  ενορία  die  ihnen  auferlegten  Rekruten  aufzubringen.  Die 
finanzielle  Haftung  fällt  also  auch  hier  wieder  in  letzter  Instanz   auf  die 

1)  Oxy.  VIII  1101,  13  f:  [τω  γαρ  π]ρκΐ7ΐ06ίτω  μεν  Ιτων^  οτραπωτών  αρχιν  ?|εστί, 
\18ιωτων]  άε  ουκέτι.  κτλ.  Ζ.  17:  Ει  γάρ  τις  των  ίάιωτών  -ηαρα  [ΰτρατιώτ^τ]  τι  ^χοι  κα[1] 
&αρ6ή67]  τ^  έκδικία  τον  ηροίΐΛοβίτον  \%cn  ώς  ^0Ύΐ^ΎΪ\%"η6εται  ■παρ'  αντον  τίέηοιϋ'εν, 
τΐροΰείτω,  ονδε  γάρ  [δύναται]  έτιϊ  των  τόηων  της  προύηχονΰτις  τνγχάνιν  [τταρ'  αλλο]ν 
βο'η^'ίας. 

2)  Mommsen,  Hist.  Sehr.  III  247.  Im  Yolksmunde  nannte  man  daher  gelegent- 
lich die  Soldaten  geradezu  die  Barbaren.  Vgl.  Lond.  II  S.  298,  6,  wo  eine  Mutter, 
die  ihren  Sohn  vom  Dienst  freihaben  möchte,  sagt:  άπήλ&εν  ovv  μετά  τον  βαρβάρον. 
Vgl.  Μ.  Geizer,  Stud.  S.  13. 

3)  Mommsen  1.  c.  250  f. 

4)  Vgl.  auch  die  Ausführungen  von  Liebenam,  Pauly-Wiss.  V  630  ff.,  außerdem 
Seeck  1.  c. 


1.  Das  Militär.     C.  Die  byzantinische  Zeit.  409 

Kurie  zurück.  Die  Tätigkeit  der  Städte  tritt  uns  jetzt  besonders  deutlich 
in  Oxy.  VIII  1103  (465)  vom  J.  360  entgegen.  Ein  früherer  Kurator  er- 
klärt in  einer  Ratsversammluug,  daß  sie  den  dux  darüber  aufgeklärt 
hätten,  daß  die  von  ihnen  (dem  Rat)  geworbenen  Rekruten  die  ihnen  zu- 
stehenden Gelder  empfangen  hätten,  und  zwar  nicht  nur  die  Summen,  die 
vorschriftsmäßig  aus  dem  ταμεΐον  (Fiskus)^)  ihnen  auszuzahlen  seien,  son- 
dern auch  ein  διάπειομα  extra  (vgl.  den  Kommentar).  Mit  den  ersten 
Summen  ist  das  aurum  tironicum  (xQvöbg  τιρώνων)-)  gemeint,  das  die 
π:όλίς  durch  ihre  liturgischen  υποδεκται  χρνόον  τιρώνων  zu  erheben  hat, 
und  zwar  weil  es  für  die  kaiserliche  Armee  ist,  auf  Rechnung  der  kaiser- 
lichen Kasse.  So  erklärt  sich,  daß  nachher  die  Stadt  wieder  axb  τοϋ  τα- 
μεΐον das  aurum  den  Rekruten  auszahlt.  Ebenso  tritt  uns  die  Stadt  als 
Rekruten  werberin  auch  in  den  schon  oben  S.  405  erwähnten  Lips.  34  und 
35  entgegen,  denn  wenn  sie  durch  einen  städtischen  νποδέχτης  oder  tiqo- 
:ίομπΙ)ξ  τ^ί^β4^αν  in  Hierapolis  das  aurum  tironicum  (hier  nur  die  Equi- 
pierungsgelder)  auszahlen  läßt,  so  ist  kein  Zweifel,  daß  es  sich  um  Re- 
kruten handelt,  die  die  Stadt  gestellt  hat.  Auch  in  diesen  Texten  tritt 
uns  die  Beziehung  des  Rekrutengeldes  zum  ταμεΐον  entgegen:  das  ein- 
gesammelte aurum  wird,  soweit  es  in  Hierapolis  nicht  verwendet  werden 
kann,  εΙς  <τό>  ταμεΐον  auf  Rechnung  des  Rates  zurückgezahlt  (Lips. 
35,  17).^)  Ebenso  quittiert  in  Lips.  62  (188)  der  χρνΰώνης  dem  städti- 
schen νποδεχτης  χρνόον  τιρώνων  für  seine  Stadt  (νπερ  της  όής  πολιτείας). 

Ein  anderer  Text,  Lond.  UI  S.  228/9  (466),  belehrt,  uns  über  die 
Stellungspflicht  der  Dörfer.  Er  zeigt,  daß,  wenn  das  Dorf  die  ihm  auf- 
erlegten Rekruten  nicht  stellen  wollte,  es  statt  dessen  eine  von  der  Re- 
gierung festgesetzte  Summe  (hier  30  Solidi)  pro  Rekrut  zahlen  konnte. 
Die  Zahlung  erfolgte,  wieder  auf  Rechnung  des  ταμιακός  λόγος^  an  den 
betreffenden  städtischen  νποδέχτης  (χρνόον  τιρώνων)  j  dessen  Aufgabe  es 
dann  war,  einen  freiwilligen  Rekruten  für  dieses  Geld  zu  werben.  Der 
Papyrus  ist  eine  hierüber  ausgestellte  Quittung  eines  solchen  νεόλεχτος. 
Das  Werbungsgeschäft  selbst  (ότρατολογία)  hatten  liturgische  ότρατολόγοι 
auszuüben,  von  denen  Lips.  54  (467)  handelt.*) 

Von  der  Entsendung  eines  kaiserlichen  Notarius  zum  Zweck  der  Re- 
kruteuwerbung  in  Agyyf•  π  ^landelt  der  leider  nur  fragmentarische  Lond.  II 
S.  295/6  (468). 

1;  Über  <lir>  Rodeutung  von  ταμ^Ιον  in  dieser  Zeit  vgl.  oben  S.  162. 

2)  Vgl.  KiilitH.  hek,  Paalj-Wiii.  Π  2658,  Mitteii  tu  Lips.  64. 

8)  Oder  gtiuaufr  die  StrafMütnine ,  tu  der  der  Überbringer  nach  Verlust  .... 
Summe  rerurteilt  iet.  Wie  ich  im  Arch.  IV  188  gezeigt  habe,  liegt  die  Quittung  über 
diene  Einxahlong,  die  an  den  χρνβώνης  in  Antinoopoli•  erfolgt,  in  Lipt.  61  tot  V  - 
irrt«>  ich  I.  c,  wenn  ich  dai  ταμ9ίοψ  damal•  fflr  die  Stadtkaaie  hielt. 

4)  Von  einem  ini:  •  t>  WerbungiTertuch  im  Dorf»  Kftranii  tcheiBt  Ueu.  04 

/u  handeln,  doch  be<i  cit  noch  •ingebender  PrflfViDg. 


410  Kapitel  XI.     Militär  und  Polizei. 

Interessante  Angaben  über  den  Transport  solcher  νεόλεκτοι  von 
Ägypten  nach  Antiochia  bietet  der  noch  unveröffentlichte  P.  Lips.  Inv. 
281  (469). 

Was  ferner  die  Stellung  von  Rekruten  durch  die  Grundbe- 
sitzer betrifft,  so  haben  die  Papyri  jetzt  auch  hierzu  Beiträge  geliefert. 
Bekanntlich  waren,  wie  die  capita  die  Steuereinheiten  für  die  Grundsteuer 
waren,  so  die  capitula  die  (größeren)  Einheiten  für  die  Stellung  eines  Tiro. 
Die  Grundbesitzer,  die  zusammen  ein  capitulum  repräsentierten,  bildeten 
ein  Konsortium,  eine  Zwangsgenossenschaft,  deren  Geschäfte  der  jeweilige 
Capitularius  führte.  Entweder  wurde  von  einem  von  ihnen  ein  ihm  ge- 
höriger Kolone  als  Rekrut  gestellt,  wofür  er  von  den  andern  z.  T.  ent- 
schädigt wurde,  oder  es  wurde  von  den  eingesammelten  Geldern  ein  Frei- 
williger geworben.^)  Schon  M.  Geizer  (Stud.  S.  48)  hatte  die  Vermutung 
ausgesprochen,  daß  die  bis  dahin  verschieden  gedeuteten  κεφαλοαωταί  unserer 
Papyri  eben  diese  capitularii  seien.  Soeben  hat  P.  Jouguet  hierfür  eine 
glänzende  Bestätigung  gebracht  durch  die  Edition  von  P.  Thead.  22  und 
23,  den  schon  oben  erwähnten  gleichzeitigen  Eingaben  an  den  praep.  pagi 
und  den  praep.  castrorum,  denn  hier  entspricht  dem  κεφαλαίωτής  des  einen 
Textes  der  κατντονάρίος  =  capitularius  des  andern  Textes.^)  Damit  fällt 
ein  neues  Licht  auf  alle  Texte,  in  denen  die  κεφαλαιωταί  begegnen.  So 
enthalten  Lips.  48 — 51  Gestellungsbürgschaften  für  solche  capitularii  (resp. 
gewesene  capitularii)  und  Lips.  52 — 53  Gestellungsversprechen  von  den- 
selben.^) Nun  ist  auch,  wie  schon  Jouguet  gezeigt  hat,  die  richtige  Deu- 
tung der  κεφαλαιωταΐ  τον  ηγεμονικού  πολνκώτίον  in  Grenf.  II  80 — 82  ge- 
wonnen: es  sind  capitularii,  die  für  die  Stellung  eines  Ruderers  für  dieses 
Präsidialschiff  zu  sorgen  haben. 

Von  dem  Erbzwang,  den  Mommsen  als  dritten  Grund  des  Kriegs- 
dienstes aufführt,  liegt  ein  Beispiel  vielleicht  in  Gen.  51  vor,  wo  es  Z.  15 
von  einem  jungen  Manne  heißt:  νίός  έΰην  6τρατίώτ[ον]  καΐ  εδω\κε^ν  το 
όνομα  αντον,  ίνα  6τρατεν0'7]})  Vielleicht  gehört  auch  Gen.  46  dahin,  wo 
nXäg^  der  Sohn  eines  gleichnamigen  Veteranen,  zum  decurio  avanciert. 
Eine  systematische  Durcharbeitung  des  gesamten  Materials  wird  sehr  wahr- 
scheinlich für  diese  und  für  die  vorher  behandelten  Fragen  ein  sehr  viel 
reicheres  Material  zutage  fördern,  als  es  mir  z.  Z.  möglich  war. 

Über  die  Einstellung  der  Rekruten  in  ihre  Abteilungen  haben 
wir  soeben  durch  den  von  L.  Wenger  edierten  P.  Münch.  105  v.  J.  578, 
den  ich  mit  seiner  freundlichen  Erlaubnis  schon  nach  den  Korrekturbogen 
hier  abdrucken   darf  (470),  interessante  Nachrichten  erhalten.     Die  Ein- 


1)  Ygl.  Seeck,  Gesch.  d.  Untergangs  II  46  und  Paulj-Wiss.  III  1541. 

2)  Wie  ν,εφαλη  =  caput,  so  ist  also  -αεφάλαιον  ==  capitulum. 

3)  In  52,  14  findet  sich  das  Substantivum  της  κεφαλαιωτίας  ^vsyisv. 

4)  Darauf  folgt  die  oben  S.  405  erwähnte  Bitte  um  Freilassung  des  Mannes. 


ι 


π.  Die  Polizei.  411 

steUung  erfolgte  danach  auf  Grund  der  probatoria^  die  sie  nach  ihrer  pro- 
batio  vom  dux  erhielten. 

Zum  Schluß  weise  ich  auf  BGU  ΠΙ  836  (471)  hin,  der  uns  zeigt, 
wie  auch  auf  diesem  Gebiet  schließlich  die  Großgrundbesitzer  mit  dem 
Kaiser  rivalisiert  haben:  er  handelt  von  den  Anmaßungen  der  hucceUami 
genannten  Privattruppen  eines  patricius,  die  den  kaiserlichen  Truppen  die 
diesen  zustehenden  annonae  und  capita  strittig  machen. 

* 

Ich  muß  mir  versagen,  auf  die  wichtigen  Aufschlüsse,  die  namentlich 
die  Aphroditopapyri  über  das  Heerwesen  und  im  besondern  die  Flotte 
der  Araber  uns  jüngst  gebracht  haben,  genauer  einzugehen,  und  kann 
nur  auf  die  Ausführungen  von  Bell  in  seiner  Einleitung  zu  Lond.  IV  ver- 
weisen. 

Π.  DIE  POLIZEI.') 

Lit.:  Für  die  Ptolemäerzeit:  G.  Lumbroeo,  Recherches  sur  l'econ.  pol.  de 
rigypt«  S.  249 f.  —  Wilcken,  Griech.  Ostraka  I  402.  —  Grenfell-Hunt,  Teb.  I 
S.  650f.  —  H.  Maapero,  Lee  finances  de  TEgypte  S.  19,  139  f  —  Bouch^-Le- 
clercq,  Hist.  d.  Lag.  IV  66 fF.  —  Engers,  de  Aeg.  κωμ-ών  administratione  (1909) 
S.  73flf. 

Für  die  Kaiserzeit:  0.  Hirsch feld,  Die  Sicherheitspolizei  im  röm.  Kaiser- 
reich (Sitz.  Pr.  Akad.  1891,  845  ff.).  Derselbe,  Die  ägypt.  Polizei  der  röm.  Kaieer- 
zeit  nach  Papyrusurkunden  (Sitz.  Pr.  Akad.  1892,  815 ff.).  —  Krebs,  Die  Polizei  im 
röm.  Ägypten  (Aegyptiaca,  Festschr.  f  G.  Ebers  1897,  30  ff.).  —  Mommsen,  Röm. 
Strafrecht  S.  306f  —  Wilcken,  Griech.  Ostraka  I  292  f.  320  f.  —  N.  Hohl  wein, 
Note  sur  la  police  tigyptienne  de  T^poque  romaine  (Mus.  Beige  VI  1902,  159  ff.). 
Derselbe,  La  police  des  villages  egypt.  ä  Töpoque  romaine  (Mus.  Beige  IX  1905,  187  ff. 
394 ff.).  —  J.  Nicole,  Le  cachet  du  Stratege  et  les  archephodes  (Arch.  III  226  ff). 

Wie  schon  die  Pharaonen^),  haben  auch  die  Ptolemäer  für  die  Aufrecht- 
erhaltung der  Ordnung  im  Lande  umfassende  Schutzmaßregeln  getroffen.*'') 
Sie  unterhielten  zu  diesem  Zweck  vor  allem  ein  eigenes  Öendarmerie- 
korps,  die  φνλακίταί^  die  über  das  ganze  Land  hin  in  Städten  und  Dörfern 
verteilt  waren.  Diese  dienten  ebenso  sehr  dem  Schutz  der  königlichen 
Interessen,  im  besondern  auch  der  fiskalen  Maßregeln,  wie  dem  Schutz 
von  Leben  und  Eigentum  der  Untertanen.  Sie  bezogen  nicht  nur  Sold 
(6φώνιον)^)^   sondern  wie   uns   die  Tebtyuispapyri    für  das   II.  .lalirh.   ge• 

1)  Mit  Rückflicht  auf  den  schon  Htark  angeicbwoUeoen  Umfang  meine•  Uandet 
gebe  ich  hier  nur  eine  ganz  kurze  Skizze.  Die  Chreetomathie  kann  sich  um  eo  mehr 
auf  einige  Proben  benchränken,  aU  schon  außerdem  in  beiden  B&nden  eine  gante 
lieibe  von  Texten  gegeben  sind,  die  auch  die  Polisei  berflhren. 

2)  Vgl.  Ad.  Ernmn,  Ägypten  und  ägjpt.  Leben  S.  ISeff. 

8)  Auf  Kcformcn  Ptolemaioi*  II  weilt  Theoknt  XV  46 ff.  hin,  wie  Vahlen  bei 
Hinchfeld  1.  c.  (1892;  S.  828  Anm.  6  bemerkt. 

4)  WertTolle  Angaben  über  die  Höbe  de•  Solde•  enthnlt  fv«•^  ni  ioh  g  siq 
(III.  Jahrb.).  —  Dngegen  ein  Λμιβ^ος  φυίαιατης  in  Orenf.  I  8h 


412  Kapitel  XI.     Militär  und  Polizei. 

lehrt  haben,  empfingen  diese  φνλακΐται  und  die  έρημοφνλακες  (Wüsten- 
wächter) sowie  die  höhern  Chargen  der  έφοδοι  und  χερΰεφίπτΐοι  damals 
auch  κλήροι  zu  Lehen.^)  Diese  Polizeitruppen  wurden  also,  wenn  sie  auch 
nicht  zum  Heer  im  engern  Sinne  gehörten,  doch  nach  Analogie  der  Sol- 
daten behandelt  und  waren  militärisch  organisiert.^)  So  erklärt  sich,  daß  man 
von  der  Stellung  eines  έφοδος  aus  zum  κάτοικος  ιπτίενς  avancieren  konnte. 
Vgl.  Teb.  32  (448).  Als  Kommandanten  dieser  Gendarmerie,  die  in  der 
Regel  aus  Ägyptern  genommen  wurde,  begegnen  die  άρχοφυλακΐται  und 
über  diesen  stehend  die  έπιοτάται  των  φνλακιτών,  die  in  der  Regel  Grie- 
chen sind.^)  Gelegentlich  wurden  auch  beide  Ämter  in  einer  Hand  ver- 
einigt. Vgl.  z.  B.  Petr.  ΠΙ  130  S.  321:  Νίκων  επιβτάτηξ  φνλακιτών  καΐ 
άρχι[φνλακίτΎΐς].^) 

An  diese  letztgenannten  έταοτάται  knüpft  sich  ein  schwieriges  Pro- 
blem, das  mir  noch  weiterer  Aufklärung  zu  bedürfen  scheint.  Wir  kennen 
εΛίΰτάται  τον  νομον,  της  Λόλεως  (BGU  ΠΙ  1006)  und  της  κώμης.  Da 
auch  diese  meist  polizeiliche  Funktionen  ausüben,  könnte  man  zu  der 
Vermutung  kommen,  daß  diese  Titel  nur  Abkürzungen  seien  für  έπιοτά- 
ταί,  των  φνίακιτών  τον  νομον,  της  πόλεως^  της  κώμης.  Gelegentlich  ist 
diese  Vermutung  für  den  einen  oder  anderen  Fall  schon  geäußert  worden, 
so  von  Jouguet-Lefebvre,  Corr.  Hell.  XXVI  98  und  Engers  1.  c.  S.  76,  3. 
Jene  wiesen  darauf  hin,  daß  während  sonst  die  Eingaben  von  Magdola 
an  den  επιστάτης  (des  Dorfes)  weitergegeben  werden,  in  einem  FaUe 
(Magd.  19)  der  άρχιφνλακίτης  dafür  eintritt.  Nun  könnte  freilich  an  der 
betrefiPenden  SteUe  vielleicht  auch  ergänzt  werden  (Z.  4):  γρά-ψαι  Σωΰι- 
βίωι  τωι  έτΐίοτάτηι  καΐ  άρχίφνλα]κίτηί^  aber  auch  dann  entstünde  die 
Frage,  ob  der  Titel  nicht  aufzufassen  ist  wie  der  eben  zitierte  Titel  des 
Nikon.     Diese  Frage  bedarf  noch  eingehender  Prüfung.^) 

Außer  der  Gendarmerie  werden  in  Zeiten  der  Unruhen  gewiß  auch 
die  Soldaten  des  Heeres  zum  polizeilichen  Schutz  verwendet  worden  sein. 
Aber  Eingaben   an  militärische  Behörden,   wie  wir  sie  in  der  Kaiserzeit 


1)  Vgl.  die  Darlegungen  von  Grenf eil  -  Hunt  1.  c.  Eingehender  wird  Friedr. 
Oertel  in  der  im  VIII,  Kap.  erwähnten  Arbeit  über  die  Stellung  der  Polizei  handeln. 

2)  Das  oben  S.  305  für  die  Ptolemäerzeit  beigebrachte  Beispiel  von  καταλοχίΰμός 
bezieht  sich  auf  die  φνλκχΐταα  und  έφοδοι. 

3)  Vgl.  Bouche-Leclercq  1.  c. 

4)  So  ergänzen  mit  Recht  Grrenfell-Hunt,  Hib.  S.  175.  Der  Gegenvorschlag  von 
Engers  S.  76,  3,  άρχί\(φυΙοίΥ.ιτ&ν6ας  zu  lesen,  ist  nicht  zulässig,  da  derartige  präteritale 
Titel  in  dieser  Zeit  nicht  üblich  sind. 

5)  Oertel  verweist  gegenüber  Engers  auf  die  Inschrift  der  Isispriester  von  Philae 
(Dittenberger,  Or.  Gr.  139),  wo  allerdings  hinter  dem  στρατηγό?  die  έτιιστάται  (offenbar 
des  Gaues)  und  später  έταΰτάται  φνία-αιτών  aufgezählt  werden,  gewiß  ein  gewichtiger 
Einwand.  Aber  es  fragt  sich,  ob  von  einer  priesterlichen  Bittschrift  eine  so  große 
Akkuratesse  des  Ausdrucks  verlangt  werden  darf  wie  von  den  Aufzählungen  in  den 
amtlichen  Akten,  wie  den  bei  Engers  S.  74  zusammengestellten. 


II.  Die  Polizei.  413 

so  häufig  finden  (s.  unten),  scheinen  in  der  Ptolemäerzeit  nur  bei  beson- 
deren Veranlassungen  vorgekommen  zu  sein.  So  erklärt  sieb  die  Eingabe 
an  den  ιππάQχηg  in  Teb.  54  (Bd.  II  17)  offenbar  aus  dem  persönlichen 
Verhältnis  des  Beschwerdeführers  zu  dem  Hipparchen  (των  εκ  της  6ής 
οΙκίας),  wie  auch  Mitteis  Ι.  c.  annimmt. 

Von  städtischen  Polizeiorganen  ist  für  die  Ptolemäerzeit  nichts  weiter 
bekannt  als  jener  νυχτερυνος  οτρατηγός  von  Alexandrien,  den  Strabo  XVII 
p.  797  schon  der  Königszeit  zuweist.  Aus  anderen  Metropolen  sind  ähn- 
liche Organe  für  jene  Zeit  nicht  bezeugt. 

Das  römische  Regiment  hat  die  polizeilichen  Einrichtungen  nach 
und  nach  wesentlich  umgestaltet.  Von  größter  Bedeutung  ist  zunächst 
das  Verschwinden  des  Gendarmeriekorps  der  φνλακΐται.  Zwar  in  den 
ersten  Dezennien  der  neuen  Herrschaft  hat  es  noch  bestanden,  denn  es 
sind  έ%ΐ6τάται  των  φνλακηών  noch  bezeugt  für  die  Zeit  des  Augustus 
(Lond.  II  S.  164/δ),  des  Tiberius  (Lond.  III  S.  130  oben)  und  des  Gaius 
(Lond.  HI  S.  130/1).  Spätere  Belege  liegen  z.  Z.  nicht  vor.^)  Von  den 
hier  genannten  επυΰτάται  haben  zwei  römische  Namen:  Cordus  und  C.  Ju- 
lius Pholus,  die  andern  griechische:  Βρίζων  und  Σαραπίων.  Wenn  die 
Römer  also  die  (ρνλακΐται  zunächst  übernahmen,  so  ist  dies  ein  neuer 
Beleg  dafür,  daß  diese  nicht  zum  Heere  zählten,  denn  das  ptolemäische 
Heer  Λvar  natürlich  sofort  durch  das  römische  ersetzt  worden.  Ob  die 
Phylakiten  noch  über  die  Regierung  des  Gaius  hinaus  bestanden  haben, 
bleibt  abzuwarten.*) 

Eine  wichtige  Neuerung  war  ferner,  daß  wie  auch  in  andern  Pro- 
vinzen des  Reiches,  so  auch  in  Ägypten,  Centurionen  und  Dekurionen  oder 
auch  beneficiarii  zur  Aufrechterhaltung  von  Sicherheit  und  Ordnung  im 
Lande  stationiert  wurden.^)  Da  sich  ein  solcher  Centurio  bereits  am 
Ende  der  Regierung  des  Augustus  nachweisen  läßt^),  so  haben  diese  sta- 
tionarii  zunächst  konkurrierend  mit  den  aus  der  Ptolemäerzeit  übernom- 
menen ^πιότάταί  των  φνλακιτών  fungiert.*)  Wahrscheinlich  sind  es  dann 
(mindestens  z.  T.)  eben  diese  Militärposten  gewesen,  die  schließlich  zum  Ver- 
zicht auf  jene  ptolemäische  Gendannerie  geführt  haben.  Über  die  an  diese 
stationarii  gerichteten  Eingaben  vgl.  Mitteis,  Bd.  II  34 f.  Beispiele  sind 
gegeben    in    Bd.    II     111,    115,    122     12;V    121,    125.      Meist     Λverdeu 

1,  V^l.  WilckcD,  Arch  IV  547.  iJie  Ergiinzung  φΌΐα'Λ[Ιχχί]  ^^  Lond.  II  S.  66,  S 
vom  J.  216/7)  iet  sicher  irrig. 

2)  Ich  betone,  daß  nicht  nur  die  imaxaxai  x&v  φνλαχιτών  vertchwindon,  nondem 
auch  die  ίχιαχάχαί  νομοΦ,  noUtoi^  %ωμης.  Dm  iit  für  dM  oben  '^  41"  i  .....i,,t„  Pro- 
blem fon  InUTceiie. 

:;)  Vgl.  i).  Hir^chfeld  1.  c.  (1891)  862  ff. 

ι    WenHfly,  Spec.  icr.  gr.  11,  17. 

,'.    :  ';ib«'n  an  die  RpiNtaiai  bewegen  iich  in  •1οιμ.  11  .n  ΙΛ.μπ.ιι  w  ι      li• 

ai.  Au:  u.    Vgl.  Arch.  IV  ft47. 


414  Kapitel  XI.     Militär  und  Polizei. 

diese  Militärs  einfach  mit  ihrem  gewöhnliclien  Titel  benannt,  doch  heißen 
sie  gelegentlich  auch  βτατιωνάριος^  vgl.  Oxj.  62,  13  (278),  oder  βταηω- 
νίξων^  vgl.  den  beneficiarius  in  Oxy.  65,  1  und  Amh.  80,  12,  oder  es  wird 
mit  einer  Umschreibung  auf  ihr  besonderes  Kommando  hingewiesen  wie 
in  Lond.  II  S.  173  unten  1:  Τω  επί  τόπων  διαχειμένω  β^ενεψίκιαρίω)^ 
ähnlich  in  BGU  II  522  bei  einem  Centurio.  Auf  die  Soldaten,  die  sie  zu 
ihrer  Verfügung  hatten,  weist  z.  B.  der  Haftbefehl  eines  Decurio  hin 
(Oxy.  64  [475]). 

Neben  diesen  Militärposten  finden  wir  endlich  in  den  Städten  und 
Dörfern  lokale  Polizeiorgane,  und  zwar  in  einer  solchen  Mannigfaltigkeit, 
wie  die  Ptolemäerzeit  sie  nicht  gekannt  hatte.  Wahrscheinlich  hängt  auch 
die  starke  Ausbildung  dieser  Lokalpolizei  mit  dem  Eingehen  der  φνλακΐ- 
ται  zusammen.  Seitdem  in  Ägypten  die  Liturgie  eingeführt  war,  sind 
diese  PolizeisteUen,  wie  es  scheint,  sämtlich  als  Liturgien  behandelt  wor- 
den. Den  νυκτερινός  ότρατηγός^  den  wir  in  der  Ptolemäerzeit  nur  für 
Alexandrien  ^)  nachweisen  konnten,  finden  wir  jetzt  (als  ννκτοΰτράτηγος) 
auch  in  den  Metropolen.^)  Wahrscheinlich  haben  sie  aUe  diesen  Beamten 
gehabt.  Den  ältesten  Beleg,  aus  dem  II  Jahrb.,  bietet  Oxy.  VI  933  für 
Oxyrhynchos.  Nach  meiner  Interpretation  dieser  Urkunde  (Arch.  V  271) 
ist  hier  der  ννκτοβτράτηγος  gebeten  worden,  zu  befehlen,  daß  ein  φνλαξ 
bei  dem  betreffenden  Hause  schlafe.  Über  die  Verteilung  solcher  Nacht- 
posten bei  den  öffentlichen  und  privaten  Gebäuden  der  Stadt  Oxyrhynchos 
gibt  interessante  Aufschlüsse  Oxy.  I  43  (474)  aus  dem  Anfang  der  by- 
zantinischen Zeit.  Er  zeigt,  welche  große  Zahl  von  Wächtern  unter  dem 
Kommando  des  ννκτοοτράτηγος  (Oxy.  VI  933)  in  einer  Stadt  wie  Oxy- 
rhynchos vorhanden  waren. 

Die  Städte  waren  auch  der  Amtssitz  derjenigen  είρηνάρχαί^  deren 
Kompetenz  den  ganzen  Gau  umfaßte^),  im  Gegensatz  zu  den  gleichnamigen 
Dorfbehörden.4)    Vgl.  Oxy.  I  80  (473). 

Noch  viel  mannigfaltiger  scheinen  aber,  wenigstens  nach  dem  bis 
jetzt  vorliegenden  Material,  die  lokalen  Polizeiorgane  der  Dörfer  gewesen 
zu  sein.  So  nennen  die  liturgischen  Vorschlagslisten  aus  dem  panopoliti- 
schen  Gau,   die  Hirschfeld  1.  c.   (1892),   817 ff.   nach  Wesselys  Transkrip- 


1)  Dieser  alexandrinische  Beamte  hat  vielleicht  das  Vorbild  für  den  praefectus 
vigilum  von  Rom  gegeben.  Vgl.  Hirschfeld  1.  c.  (1891),  867.  Unter  ihm  standen  wahr- 
scheinlich die  νντιτοφνλοίτιες  von  Alexandrien,  die  bei  Philo  in  Flacc.  14  erwähnt  werden. 

2)  Zuerst  tauchten  sie  in  einem  Münchner  Papyrus  aus  dem  Faijum  auf  (Arch. 
I  479),  seitdem  sind  sie  mehrfach  belegt.  P.  Münch.  56  (aus  dem  IV.  Jahrh.)  ist  ein 
Erlaß,  der,  soweit  erhalten,  an  den  Exaktor  und  die  ννκτοστράτηγοι  und  die  xfqpa- 
λαι[ωτοίί]  gerichtet  ist. 

3)  Zu  den  Eirenarchen  Kleinasiens,  die  seit  Trajan  nachweisbar  sind,  vgl.  Hirsch- 
feld 1.  c.  (1891),  868  f. 

4)  Den  Unterschied  konstatierte  Preisigke,  P.  Straßb.  I  S.  22  Anm.  1. 


π.  Die  Polizei.  415 

tionen  edierte,  für  Dörfer^)  dieses  Gaues  folgende  verschiedene  Liturgen: 
ειρηνοφνλακες,  έπϊ  τΎΐς  εΙρήνης^  είρηνάρχαι,  άρχίννχτοφνλαχες^  αρχιφύλα- 
κες^ πεδίοφύλακες^  όρεοφνλακες  όδον  Όάόεως.^)  Aus  anderen  Urkunden 
lernen  wir  noch  die  άρχεφοδοί^)  kennen,  die  gelegentlich  mit  der  Ver- 
haftung und  Vorführung  τοη  Personen  beauftragt  werden.*)  Diese  άρχε- 
φοδοί  werden  manchmal  zusammen  mit  den  φύλακες  als  die  δημόϋιοί  des 
Dorfes  bezeichnet  (so  in  BGU  6,  vgl.  Fay.  38,  9),  was  mit  Hohlwein 
als  allgemeine  Bezeichnung  für  die  niedere  Dorfpolizei  aufzufassen  ist.^) 
Eine  besondere  Stellung  neben  den  δημόόίΟί  nehmen  die  λ^ότοπιαοταό 
(Diebesfänger)  ß)  ein,  die  in  BGU  32ö  (472)  zum  Aufspüren  von  Ver- 
brechern aufgefordert  werden.  A^gl.  zu  diesen  auch  Flor.  2  VII  (401). 
Ein  unedierter  Leipziger  Papyrus  aus  der  Zeit  des  Severus  Alexander 
nennt  1  άρχέφοδος,  1  άρχιπεοίοφύλαξ  und  6  άλωνοφύλακες^  die  dann  alle 
zusammengefaßt  werden  als  die  δημόόιοι  κώμης  Σερύφεως."^)  Weitere 
Arten  von  φύλακες  zählt  Hohlwein  1.  c.  IX  394 ff.  auf.®)  Diese  Dorf- 
polizisten erhielten  Befehle  sowohl  von  den  römischen  stationarii  (vgl. 
z.  B.  Fay.  38,  auch  Oxy.  64  [475]),  als  von  den  Strategen^)  und  seit  202 
auch  von  den  städtischen  Behörden,  wie  u.  a.  der  eben  zitierte  Leipziger 
Text  zeigt. 

Die  byzantinische  Zeit  bringt  wohl  manche  neue  Titel,  aber  die 
Grundzüge  bleiben  dieselben  wie  vorher.  An  Stelle  der  Centurionen  und 
Dekurionen,  die  allmählich  aus  der  Armee  verschwinden,  übernehmen 
nunmehr  die  praepositi  castrorum,  wie  oben  S.  407  für  den  Abinnaeus 
dargelegt  wurde,  die  polizeilichen  Funktionen,  die  jenen  früher  übertragen 
gewesen  waren.  In  den  civitates  stehen  jetzt  an  der  Spitze  der  Polizei 
die  riparii,  die  Liturgen  waren  (vgl.  Oxy.  VI  904).  Für  ihre  zentrale 
Stellung  innerhalb  der  civitas^®)  spricht  der  unten  als  Nr.  469  edierte 
Leipziger  Text,  in  dem  der  hohe  Reichsbeamte  aus  Antiochia  den  riparii 

1)  i'aß  die  Listen  eich  anf  Dörfer  beziehen,  zeigen  die  Notizen  über  den  χωμο- 
'/ραμματίΐίρ.  Vgl.  oben  S.  347  A.  1.  Die  Listen  nennen  Namen,  Alter  und  nogog  (nicht 
Gehalt,  wie  WesHely  glaubto). 

2)  Vgl.  hierzu  Hirechfeld  1.  c. 

H)  Die  ptolemäiechen  Ιφο^οι  sind  dagegen  versch wunden. 

4)  Vgl.  z.  B.  Nicole,  Arch.  JII  226  flf. 

6)  Vgl.  Arch.  V  441.     S.  auch  Mommeen  1.  c. 

β)  Bei  Hirechfeld  1.  c.  (1892)  verglich  ich  mit  dieiem  neuen  Wort  die  et^ov- 
Oo^iaaxal  (VogeliUnger). 

1}  Auf  Autforderung  de•  Prytanen  von  Oxyrhjncho•  geben  sie  Auskunft  über 
die  in  dem  Dorfe  befindliche  §ύηορία  navtoia  eines  fWlheren  Kosmeten. 

8)  Auf  mehreren  Oetraka  der  Heidelberger  Sammlung  Im  ich  den  Tilel  i^fie^o- 
φνΧα%$ς  (vgl.  TheH    ling.  gr.). 

St,  Vgl.  den  von  Nicolo  1.  c.  herftotgegebenen  Text  Dm  b«igedrOokie  Siegel 
des  Strategen  enthalt  die  Legende:  Ό  et^tttiffot  Μ  netUt. 

10;  In  einem  Fragment  bei  Wesselv,  Wies.  Denk.  87  [166]  (wohl  aas  jüngerer 
Zeit)  begegnet  «ομ#η  ηαϊ  ^ιηαρίω. 


416  Kapitel  XI.     Militär  und  Polizei. 

der  πόλεις  den  Rekrutentransport  aufträgt.  Daß  sie  über  den  städtischen 
ννκτοοτράτηγοι^)  standen,  zeigt  Oxy,  VII  1033  (476).  Lips.  37  ist  eine 
Eingabe  an  einen  riparius,  der  z.  Z.  Kurialpräsident  war.  Ein  neuer  Titel 
ist  der  έπότΐτης  εΙρήνης  Όξνρνγχίτον  in  Oxy.  VI  991  (a.  341),  dessen 
Kompetenz  also  den  ganzen  Gau,  d.  h.  die  ganze  civitas  umfaßte.  Die 
Texte  der  justinianischen  Zeit  weisen  schon  wieder  manche  Neuerungen 
gegenüber  dem  IV.  Jahrh.  auf.  Vgl.  z.  B.  Cair.  Cat.  67054.  Von  hohem 
Interesse  ist  auch  der  Vertrag  der  αγροφύλακες  in  67001. 

Zum  Schluß  bemerke  ich,  daß  auch  auf  diesem  Gebiet  uns  wieder 
die  Selbständigkeit  der  Großgrundbesitzer  der  späteren  Zeit  entgegentritt, 
insofern  sie  sich  ihre  eigenen  Polizisten  hielten.  Der  πρωτοφύλαξ,  der  in 
Oxj.  I  139  (a.  612)  mit  einem  Apion  kontrahiert,  ist  sicherlich  sein  Privat- 
wächter. Bezeichnend  für  die  damaligen  Zeiten  ist,  daß  dieser  Wächter 
eigens  diese  ομολογία  aufsetzt,  um  zu  erklären,  daß  er  nicht  stehlen  und 
keine  Diebe  bei  sich  aufnehmen  werde. 

Auch  für  das  Gefängniswesen  bieten  die  Papyri  manche  Nach- 
richten. Sowohl  in  den  Städten  wie  in  den  Dörfern  waren  öffentliche 
Gefängnisse,  die  als  φύλακα/^  oder  δεομωττιρια  oder  δεομοφνλακεΐα  oder 
είρκταί  bezeichnet,  von  der  Ptolemäerzeit  an  bezeugt  sind.^)  Mehrere  der 
Hauptzeugnisse  sind  im  IL  Bande  in  Kap.  I  und  II  zum  Abdruck  ge- 
kommen. Vgl.  z.  B.  34,  35,  48,  100,  101.  Unter  102  ist  die  Verordnung 
des  Julius  Alexander  wiedergegeben,  in  der  das  πρακτορείου  erwähnt  wird. 
Seitdem  die  Liturgien  in  Ägypten  eingeführt  waren,  begegnen  liturgische 
δεΰμοφνλακες.  Vgl.  Flor.  2  II — VI.  Bezeichnend  für  die  Zustände  der 
späteren  Zeit  ist,  daß  trotz  des  Verbotes  auch  private  Gefängnisse  ge- 
nannt werden.  Vgl  Lips.  Inv.  244  (Bd.  II  71),  Cair.  Cat.  67005,  18.  Eine 
amüsante  Liste  von  Verhafteten,  unter  denen  sich  auch  ein  Ratsherr  befindet, 
der  Kleider  gestohlen  hat  (VI.  Jahrb.),  liegt  in  Stud.  PaL  X  n.  252  vor. 
Vgl.  dazu  Arch.  V  450. 


1)  Eine  Anzeige  an  den  νν-Λτοστράτηγος  ist  z.  B.  Lips.  39  (Bd.  II  127). 

2)  Vielleicht  sind  auf  Verhaftungen  zu  beziehen  die  kleinen  Billette,  in  denen 
im  Falle  der  Entlassung  {äisd^uvrog  μον)  ein  Bakschisch  (οτεφάνιον)  versprochen  wird. 
Vgl.  hierzu  meine  Ausführungen  im  Arch.  II  δ  78  f. 


KAPITEL  XII. 

AUS  DEM  VOLKSLEBEN. 

Ein  besonderer  Reiz  unserer  Papyrustradition  liegt  darin,  daß  sie 
uns  die  Bevölkerung  Ägyptens  während  dieser  mehr  als  tausend  Jahre 
nicht  nur  in  ihren  Beziehungen  zum  Staat,  als  Steuerzahler  und  Liturgen 
und  Soldaten,  sondern  auch  in  ihrem  aUtäglichen  Privatleben,  in  ihrem 
rein  menschlichen  Verkehr  untereinander  in  Freud  und  Leid  vor  Augen 
führt.  Von  einer  Darstellung  dieses  Volkslebens  muß  ich  hier  um  so  mehr 
Abstand  nehmen,  als  es  an  einer  gründlichen  Verarbeitung  der  Papyri 
unter  diesem  Gesichtspunkt  bisher  fehlt.  Nur  hinweisen  möchte  ich  zum 
Schluß  darauf,  daß  auch  für  dieses  Problem  die  Papyri  ein  außer- 
ordentlich reiches  Material  enthalten.  Einige  Proben  im  XII.  Kapitel  der 
Chrestomathie  mögen  diese  Andeutungen  illustrieren.  Aber  auch  viele  der 
andern  Texte,  die  in  den  vorhergehenden  elf  Kapiteln  sowie  im  II.  Bande 
behandelt  und  z.  T.  abgedruckt  sind,  enthalten  wertvolle  Züge  für  den 
Kulturhistoriker,  der  nach  einer  lebendigen  Anschauung  von  den  dama- 
ligen Menschen  und  ihrem  Leben  und  Treiben  strebt.  Bei  der  großen 
Bedeutung,  die  die  Religion  für  den  Einzelnen  wie  für  das  ganze  Volk 
hatte,  bieten  namentlich  die  Texte  des  II.  Kapitels  besonders  reichen  Er- 
trag, andrerseits  auch  die  des  ΠΙ.  Kapitels  zu  der  wichtigen  Erziehungs- 
frage. Aus  dem  IL  Bande  sei  hier  namentlich  auf  das  VIII.  Kapitel  hin- 
gewiesen, in  dem  das  Eherecht  und  damit  die  Grundlagen  des  Familien- 
lebens behandelt  sind.  Aber  auch  in  allen  andern  Kapiteln  der  beiden 
Bände  wird,  wer  da  sucht,  auch  finden.  Hier  soll  nur  auf  einige  Gruppen 
von  Texiien  hingewiesen  werden,  in  denen  uns  einzelne  Seiten  des  Volks- 
lebens besonders  deutlich  entgegentreten. 

Zunächst  sollte  als  materielle  Voraussetzung  für  die  psychische  Ent- 
wicklung der  Einzelhaushalt,  wie  er  von  den  verschiedenen  Schichten  der 
Bevölkerung  geführt  worden  ist,  untersucht  werden.  Es  müßten  die  Pa- 
pyri auf  die  Frage  hin  durchgearbeitet  werden,  wie  die  Menschen  in  Stadt 
und  Dorf  gewohnt  haben*),  wie  sie  ihre  Wohnungen  eingerichtet  haben, 
welche  Kulturbedürfniese  sie  über  die  Sorge  um  das  tägliche  Brot  hinaus 
gehabt  haben.  ^) 

1)  Hierfür  Min«J  /.  U  Ίι••  /••Π'-πΗίΪΜ^'.'ίΙκη  zu  verarbeiten  (vgl.  die  lehrreiche 
\r.  208),  die  V<Ttra-.•   iil-r   ΙΙιιΐιΛ.πιΙ'  iind     nii.-t.•   ii.  ug\. 

2)  Fi'ir  'Ii•-  FiiliiMrt^'  •1•  ..  II  i;ir<liitlt»  hin«!  namentlich  die  WirtfchafUbücher  und 
privaten  U<  cliMuiigcn  /.u  {•γιιΙιμι,  di••  in  K'>*'^<*i<'r  Zuhl  vorliegen.  Vgl.  einitweilen  die 
Liite  im  Arch.  I  22  f.,  die  in  der  neuen  Auflage  we«entlich  erweit«rt  werden  wird. 

Mitt«*it  \Vllrk«-n:  GrandeOf•  I.  ))7 


418  Kapitel  XII.    Aus  dem  Volksleben. 

Wollen  wir  aber  die  Menschen  selbst  kennen  lernen,  so  lassen  wir 
die  offiziellen  Akten  bei  Seite  und  suchen  diejenigen  privaten  Dokumente 
hervor,  in  denen  sie  unbefangen  sich  selbst  geben.  Das  sind  vor  allem  die 
Briefe,  die  an  die  Nächsten  in  der  Familie  oder  an  Freunde  geschrieben 
sind.  Von  diesen  liegt  schon  jetzt  ein  reicher  Schatz  vor,  der  sicherlich 
durch  neue  Editionen  noch  sehr  vermehrt  werden  wird.^)  Auf  die  große 
kulturhistorische  Bedeutung  dieser  Briefe  ist  schon  oft  hingewiesen  wor- 
den, und  hierfür  gibt  es  schon  manche  wertvolle  Vorarbeiten.^)  Im  be- 
sondern hat  Deissmann  in  seinem  Buche  „Licht  vom  Osten"  unter  Vor- 
legung von  fein  ausgewählten  Proben  diese  Texte  benutzt,  um  die  Volks- 
psyche namentlich  der  unteren  Schichten  zu  studieren.^)  Andere  wieder 
haben  sich  mit  Erfolg  bemüht,  die  Briefe  als  Quelle  für  eine  lebendige 
Vorstellung  von  dem  alltäglichen  Leben  jener  Zeiten  zu  verwerten.^) 
Ich  kann  hier  nur  eine  kleine  Auswahl  vorlegen  (477 — 483).  Es  sind 
wechselreiche  Bilder,  die  schon  diese  wenigen  Texte  uns  vorführen.  Neben 
dem  in  seiner  Schlichtheit  ergreifenden  Kondolenzbrief  (479)  stehen  an- 
dere, die  von  der  Zurüstung  fröhlicher  Feste  sprechen  (477,  478).  Voll 
kindlicher  Pietät  ist  der  Brief  des  jungen  Rekruten  aus  Italien  an  seinen 
Vater  im  Faijum  (480),  und  voU  inniger  Empfindung  der  Brief  an  Apol- 
lonios,  in  dem  die  Schreiberin  wünscht,  daß  sie  fliegen  könnte,  um  zu 
ihm  zu  kommen  und  ihn  zu  begrüßen  (481).  Neben  dem  Brief  eines 
Vaters,  der  seinen  Sohn  ermahnt,  immer  bei  den  Büchern  zu  sein  und  zu 
studieren  (482),  steht  der  Brief  einer  Schwiegermutter  (?),  die  ihrem 
Schwiegersohn  Vorwürfe  macht,  daß  ihre  Tochter  selbst  nährt  und  er 
keine  Amme  engagiert  (483). 

Wenn  so  die  Briefe  besonders  geeignet  sind,  uns  in  das  Volksleben 
hineinblicken  zu  lassen,  so  sei  doch  hervorgehoben,  daß  auch  andere 
Gruppen  von  Texten  sehr  anschauliche  Bilder  vom  damaligen  Leben  ent- 
hüllen. Ich  denke  an  gewisse  Bittschriften  und  Klagschriiten,  in  denen 
der  betreffende  Fall  oft  sehr  drastisch  mit  reichem  Detail  vorgetragen 
wird^),  oder  auch  an  die  Protokolle  von  Gerichtsverhandlungen,  in  denen 


1)  Vgl.  die  Übersicht  im  Arch.  I  21  f.,  die  in  der  neuen  Auflage  gleichfalls  sehr 
anschwellen  wird. 

2)  Eine  treffliche  Sonderedition  der  Privatbriefe  aus  ptolemäischer  Zeit  ver- 
danken wir  Witkowski  (Epist.  priv.  graecae,  Teubner),  soeben  in  2.  erweiterter  Auf- 
lage erschienen. 

3)  2.  Auflage  S.  100  ff.  Vgl.  auch  von  demselben  die  Bibelstudien  S.  208  ff.  und 
Bible  Studies  S.  21ff. 

4)  Vgl.  P.  Viereck,  Aus  der  hinterlassenen  Privatkorrespondenz  der  alten  Ägypter 
(Voss.  Zeit.  3.  Jan.  1895,  1.  Beilage).  Fr.  Preisigke,  Familienbriefe  aus  alter  Zeit 
(Preuß.  Jahrbb.  1902,  88  ff.).  R.  Cagnat,  Compt.  Rend.  de  l'Acad.  d.  Inscr.  et  Bell. 
Lettr.  1901,  784 ff.  Vgl.  auch  v.  Wilamowitz,  Griech.  Lesebuch  I  2^  396  ff.;  Π  2^,  261  ff. 
Breccia,  Atene  e  Roma  V  575  ff, 

5)  Yg].  Bd.  II  Kap.  ΐ  und  II. 


Briefe.  Geselligkeit.  419 

oft  die  Aussagen  der  Parteien  oder  Zeugen  an  Urwüchsigkeit  und  Natür- 
lichkeit hinter  den  Briefen  nicht  zurückstehen.^) 

Über  den  geselligen  Verkehr  von  Familie  zu  Familie  geben  uns 
namentlich  die  uns  erhaltenen  Einladungen  Aufschlüsse.  Ich  habe  schon 
im  IL  Kapitel  eine  Einladung  zu  einem  religiösen  Kultmahle  abgedruckt.*) 
In  denselben  Formen  bewegen  sich  die  kleinen  BiUette,  durch  die  zu  Fa- 
milienfesten eingeladen  wurde.  Bald  wird  zur  Hochzeit  der  Kinder  ge- 
beten^), bald  zur  Feier  der  Epikrisis*),  bald  zum  Gastmahl  (ξενία).'^)  Allen 
diesen  Texten,  die  aus  dem  IL  oder  III.  Jahrh.  n.  Chr.  stammen,  ist  ge- 
meinsam, daß  der  Name  des  Einzuladenden  nicht  genannt  wird.  Hieraus 
möchte  ich  folgern,  daß  diese  Billette  den  zu  ladenden  Gästen  persönlich 
durch  einen  Boten  überbracht  wurden.^)  Es  ist  dies  um  so  wahrschein- 
licher, als  der  Name  des  Gastgebers  in  der  Regel  so  kurz  (nur  mit  dem 
Individualnamen)  genannt  ist,  daß  ohne  die  Erläuterung  des  Boten  man 
kaum  wissen  könnt«,  zu  welchem  Χαιρήμων  oder  ^lovvötog  man  gehen 
sollte.  Wenn  man  sich  auf  die  mündliche  Einladung  durch  den  Boten 
nicht  beschränkt  hat,  so  werden  diese  BiUette  wohl  als  etwas  gesellschaft- 
lich „Feines'^  gegolten  haben.  Die  Namen  der  Gastgeber  sind  alle  grie- 
chisch oder  auch  römisch  und  weisen,  wie  die  Epikrisis,  auf  die  „bessere" 
Gesellschaft  hin.  Die  BiUette  stammen  alle  aus  Oxyrhynchos  bis  auf  eines, 
das  in  dem  Faijümdorf  Kasr  el-banät  (Euhemereia)  gefunden  ist  (485). 
Aus  der  Überbringung  durch  den  Boten  erklärt  sich  wohl  auch,  daß  die 
Texte,  mit  einer  Ausnahme  (486;,  auf  dem  Verso  keine  Adresse  tragen. 
Wahrscheinlich  wurde  in  der  Regel  dem  Boten  eine  Einladungsliste  mit- 
gegeben, nach  der  er  die  gleichlautenden  BiUette  austrug.  Die  Festlich- 
keiten begannen,  im  Faijftm  ebenso  wie  in  Oxyrhynchos,  in  der  Regel 
um  die  9.  Stunde,  also  am  frühen  Nachmittag.  Nur  der  römische  Decurio 
(487)  lädt  schon  zur  8.  Stunde  ein.  Mit  einem  Konflikt  geseUschaftlicher 
Pflichten  scheint  man  in  diesem  glücklichen  Lande  nicht  gerechnet  zu 
haben,  denn  die  Einladungen  erfolgten  in  der  Regel  erst  am  Tage  vor 
dem  Fest  oder  —  nach  einem  Leipziger  Ineditum  —  sogar  am  selben 
Tage  (όήμερον),  auch  wenn  es  eich  um  eine  Hochzeit  handelte. 

Anders  waren  die  Einladungsformen,  wenn  man  eine  auswärtige  Per- 
son einlud.  Dann  wurden  richtige  Briefe  geschrieben,  in  denen  dann  wohl 
auch  Esel  oder  Schiflfe  für  die  Reise  zur  Verfügung  geeteUt  wurden.^) 


1)  Vgl.  Bd.  II  Kap.  I  und  U. 

2)  Oxy.  I  HO  (09),  dem  Oxy.  lU  &S3  hinznsoftlgmi  iit 
8)  Oxy.  IUI  (484),  lU  624,  VI  927,  Kay.  18f  (4S5). 

4)  Oxy.  VI  02«  (486).  6)  Oxy.  IV  747  (487). 

β)  Andere  Wilamowitz,  (iOA   1898,  088  und  Or.  Loseb.  II  2•,  268. 

1)  VkI.  Oxj.  I  112  (488.,  BOU  888  (480),  die  übrigen•  beide  etwa«  janK«r  tind 
alN  di«  Hilleite.  Den  Unterschied  der  Form  mOchU^  ich  aber  doch  eher  aU  durch 
die  Zeit  vielmehr  durch  die  VeranlaMong  wie  oben  erldlren.^ 

27• 


420  Kapitel  XII.     Aus  dem  Volksleben. 

Von  den  Familienfesten  wenden  wir  uns  zu  den  Volksfesten.  Die 
Papyri  haben  uns  auch  hierfür  manche  interessante  Aufschlüsse  gebracht. 
Wir  hören  zunächst  von  großen  allgemeinen  Festen,  die  aus  Anlaß  von 
Vorgängen  im  Kaiserhause  durch  die  Regierung  angeordnet  worden 
sind.  Natürlich  haben  diese  Feste  zunächst  einen  religiösen  Charakter,  doch 
haben  sich  in  der  Praxis  auch  richtige  Volksfeste  daran  angeschlossen. 
So  Ordnet  der  Präfekt  Mantennius  Sabinus  im  J.  193  durch  Edikt  an, 
daß  die  Alexandriner  insgesamt  {πανδημεί)  opfern  und  beten  sollen  für 
das  neue  Herrscherhaus  und  fünfzehn  Tage  hindurch  Kränze  tragen  sollen. 
Abschriften  dieses  Ediktes  gingen  dann  an  die  drei  Epistrategien  zur 
Nachachtung  in  der  χώρα.  Uns  liegt  der  Erlaß  an  die  Strategen  der 
Heptanomia  vor  (BGU  II  646  [490]).^)  Wie  dann  weiter  auf  solche  Edikte 
hin  die  Strategen  möglichst  schwungvolle  Proklamationen  an  die  Bevöl- 
kerung ihres  Gaues  ausarbeiteten,  zeigt  uns  in  ergötzlicher  Weise  ein  Ent- 
wurf des  Strategen  des  Oxyrhynchites,  in  dem  er  aus  Anlaß  der  Thron- 
besteigung des  Nero  die  ganze  Gaubevölkerung  zum  Kränzetragen  und 
Stieropfern  auffordert  (Oxy.  VII  1021  [113]).  Wie  solche  Feiern  nun  aber 
zum  Volksfest  wurden,  das  zeigt  uns  der  außerordentlich  interessante 
P.  Giss.  3  (491),  der  uns  ein  Stück  von  dem  Text  der  szenischen  Auf- 
führungen selbst  bringt,  durch  die  die  Thronbesteigung  des  Hadrian  in 
ApoUinopolis  Heptakomia  gefeiert  wurde.  Aus  dieser  szenischen  Dar- 
stellung, in  der  der  Gott  Phoibos  und  der  „Demos"  miteinander  auftreten, 
erfahren  wir  (nach  Kornemanns  Deutung)  auch  von  einer  Bewirtung  durch 
den  Strategen,  an  der  das  Volk  sich  berauscht,  sowie  von  einer  Feier  im 
Gymnasium. 

Aber  auch  abgesehen  von  diesen  Kaiserfesten  ist  in  Ägypten  an 
öffentlichen  Spielen  und  Lustbarkeiten  kein  Mangel  gewesen.  In  Oxy.  III 
519  (492)  und  VII  1050  (IL/III.  Jahrh.)  haben  wir  Abrechnungen  über 
die  Einnahmen  und  Ausgaben,  die  die  Stadt  Oxyrhynchos  für  städtische 
Festfeiern  gehabt  hat.  Die  Einzahlungen  kamen  von  den  städtischen 
Archonten,  dem  Gymnasiarchen,  Exegeten  und  Kosmeten.  Die  Ausgaben 
zeigen  uns  die  Verwendung  für  Pankratiasten  und  Faustkämpfer  und  Ball- 
spieler, für  Musikanten  und  Tänzer,  aber  auch  für  Mimen  und  Homer- 
rezitatoren (δμηρίΰτγ}).  So  griechisch  auch  diese  städtischen  Spiele  er- 
scheinen, so  dienen  sie  doch  in  beiden  Fällen  der  Feier  des  altägyptischen 
Nilfestes.  Ein  anderer  Text  (Oxy.  VII  1025  [493])  zeigt  uns,  wie  jene 
städtischen  Behörden  aus  Anlaß  des  bevorstehenden  Geburtstages  des 
Kronos  einen  βιολόγος  wnd  einen  δμηρίοτής  zu  der  Panegyris  engagieren. 
Daß  später  auch  in  Alexandrien  ,  sowie  im   Lande  die  Pferderennen  eine 

1)  Vgl.  auch  P.  Berl.  Bibl.  1  (jetzt  bei  Deissmann,  Licht  vom  Osten^  S.  277),  wo 
aus  Anlaß  der  Ernennung  des  Maximus  zum  Cäsar  eine  religiöse  Feier  (τάς  ϋ-εάς 
κωμά^εσ^αί)  angeordnet  wird.    Vgl.  hierzu  die  Note  zu  41,  III  15. 


Volksfeste.   Bestattungssitten.  421 

große  Rolle  spielten,  daß  auch  hier  wie  in  Byzanz  die  Parteien  der  Blauen 
und  der  Grünen  sich  gegenüberstanden,  darauf  ist  schon  oben  S.  144  kurz 
hingewiesen  worden. 

Auch  in  den  Dörfern  schlössen  sich  an  die  religiösen  Feste  gern 
Lustbarkeiten  aller  Art  an.  Doch  wenn  ich  nicht  irre,  haben  diese  Dorf- 
feste —  wenigstens  nach  dem  bis  jetzt  vorliegenden  Material  —  einen 
anderen  Charakter  als  jene  städtischen  Feste.  Während  diese  wesentlich 
griechische  Elemente  enthielten,  erinnern  die  Dorffeste  stark  an  die  alt- 
ägyptischen Lustbarkeiten.*)  Wir  haben  noch  von  keinem  Homeristen  ge- 
lesen, der  für  ein  Dorf  engagiert  wäre,  sondern  hier  handelt  es  sich  meist 
um  Tänzer  und  Tänzerinnen  oder  Musikanten,  einmal  auch  um  Panto- 
mimen (Flor.  74).^)  Natürlich  wird  die  Grenze  nicht  scharf  zu  ziehen  sein, 
aber  im  allgemeinen  dürfte  doch  ein  solcher  Unterschied  bestanden  haben, 
und  darin  würde  sich  die  stärkere  Hellenisierung  der  Städte  gegenüber 
dem  flachen  Lande  dokumentieren.»)  Vgl.  Oxy.  IV  731,  Oxy.  ΙΠ  475  (494), 
Lond.  11  S.  154  (495),  Gen.  73  (496),  Grenf  II  67  (497). 

In  den  letztgenannten  drei  Urkunden  sind  es  Vereine,  die  die  Tänzer 
usw.  zu  dem  Dorffest  engagieren,  während  in  Flor.  74  der  άρχεφοδος  des 
Dorfes  den  Vertrag  schließt.  Hierdurch  werden  wir  wieder  auf  die  große 
Bedeutung,  die  die  Vereine  für  das  Volksleben  gehabt  haben,  hingewiesen. 
Über  die  Handwerkervereine  und  ihre  Entwicklung  ist  schon  oben  S.  261 
kurz  gesprochen  worden,  ebenso  über  die  griechischen  und  ägyptischen 
Kultvereine  auf  S.  101,  109,  121.^)  Auch  nach  den  grundlegenden  Ar- 
beiten von  Ziebarth^)  und  Poland^)  würde  eine  erneute  Untersuchung 
über  die  Rolle,  die  die  Vereine  im  Volksleben  Ägyptens  gespielt  haben, 
eine  lohnende  Aufgabe  sein. 

Die  Papyri  zeigen  uns  endlich  das  Volk  auch  in  seiutr  Trauer  um 
die  Toten.  Auch  hier  wie  bei  allen  diesen  kulturhistorischen  Problemen 
wird  vor  allem  zu  scheiden  sein  zwischen  den  Auffassungen  und  Sitten 
der  Griechen  und  der  Ägypter  und  wird  zu  prüfen  sein,  wie  sie  sich  be- 
einflußt haben.  Eine  zusammenfassende  Bearbeitung  des  gesamten  Mate- 
rials würde  auch  hier  zu  wertvollen  Ergebnissen  führen,  wozu  freilich  die 
Heranziehung  der  reichen  ägyptischen  Literatur  sowie  der  archüologiscben 
Forschungen  unerläßlich  wäre.    Reiche  Aufschlüsse   über  Begrabnissitten 

1    Vgl.  Ad.  Erman,  Ägypten  und  Ägyptisches  Leben  S.  886  ff. 

2)  Vgl.  Arch.  IV  452. 

8)  Das  Buch  von  Reich  Aber  den  Mimns  bietet  aach  fOr  diese  Probleme  wert- 
volles Material.  Vgl  den  intoressanten  Bericht  aus  den  MiLrtyrerakten  Ober  den  τοη 
den  Antinoiten  zärtlich  Kclicbien  Mimen  rhilemon  auf  β.  179  f.  (aus  diokletiani• 
scher  Zeit). 

4)  Vgl.  ζπίπ   V»r-iri«wrBrn  auch  110Λ. 

6)  DaM  weH«•!!  1Η9β. 

βι  GeSi  !  hrji   ν«•ρ•ίη«ντί•ιιι•ηΝ   11>0U. 


422  Kapitel  ΧΠ.     Aus  dem  Volksleben . 

und  Totenkult  der  ptolemäischen  Zeit  bieten  die  älteren  Erwerbungen,  vor 
allem  die  Pariser  Papyri,  die  von  den  χοαχνταί  und  den  παραοχίΰταί  und 
ταρίχενταί  handeln   (vgl.  oben  S.  112).    Deren  Besprechung  muß  ich  mir 
für  die  Neuedition  in  den  „Urkunden  der  Ptolemäerzeit"  vorbehalten.    Hier 
sei  zum  Schluß  nur   darauf  hingewiesen,   daß   auch  für   die  Kaiserzeit  in- 
zwischen manches  Material  für  diese  Fragen  bekannt  gemacht  ist>)    Über 
die  Balsamierung  der  Leichen  und  ihren  Transport  zur  Nekropole  berich- 
ten einige  Rechnungen  wie  Amh.  125,  Fay.  103,  Grenf.  II  77  (498).   Vgl. 
auch  Oxy.  YII  1068.    Der  Transport  wird  uns  namentlich  durch  die  vielen 
Hunderte  von  hölzernen  Mumienetiketten  2)  illustriert,  die  an  den  zu  trans- 
portierenden Leichen  befestigt  wurden  und  Namen  und  Alter  des  Toten 
und  den  Bestimmungsort,  manchmal  auch  fromme  Wünsche  und  Gedanken 
enthielten.^)   Eine  solche  τάβλα  erwähnt  auch  der  instruktive  Brief  Par.  18^^^ 
(499).    Die  Sitte   der  Leichenschmäuse  wird  schon  für   die  Ptolemäerzeit 
durch  Teb.  118  (vgl.  auch  177,  224)  bezeugt,  und  in  einem  Testament  aus 
dem   III.  Jahrh.  n.  Chr.   (Lips.  30  [500])   sehen  wir,   wie  man   schon  bei 
Lebzeiten  Bestimmungen  dafür  traf,  daß  einst  an  den  Totentagen  von  den 
Hinterbliebenen   geschmaust  werde.  Wenn   in   demselben   Testament  sich 
die  überraschende  Bestimmung  findet,   daß  neben  dem  Grabe  eine  „Pyra- 
mide" hinzugebaut   werden   solle   —  freilich   nur  ein  kleines  Pyramidion, 
das  nur  300  Drachmen  kosten  soll  — ,   so   zeigt  uns  dies  recht  deutlich 
die  Stabilität  der  ägyptischen  Vorstellungen.    Wohl  hat  das  Christentum 
dann  eine  neue   Gedankenwelt  gebracht,    aber  von  den  äußeren  Formen 
der  heidnischen  Welt  sind  manche  gerade  auch  auf  diesem  Gebiet  zugleich 
mit  dem  Begräbnismodus  in  die  neuere  Zeit  hinübergegangen.    So  nimmt 
es  nicht  Wunder,  daß  in  dem  um  600  aufgesetzten  Testament  des  Bischofs 
Abraham   die   Bestimmung   über    die  Behandlung    seiner  Leiche    und    die 
frommen  Gaben  an  den  Totentagen  „nach  heimischer  Sitte"  sich  formell 
mit  jenem  heidnischen  Testament  berühren.*) 

1)  Vgl.  die  Zusammenstellungen  von  SudhoiF,  Ärztliches  aus  griechischen  Pa- 
pyrusurkunden  (1909)  186  ff. 

2)  Zur  Orientierung  verweise  ich  nur  auf:  E.  Le  Blant,  Rev.  Archeol.  XXVIII, 
XXIX;  W.  Spiegelberg,  Ägyptische  und  griechische  Eigennamen  (1901)  (vgl.  Arch. 
II  177 ff.);  H.  R.  Hall,  Proc.  Soc.  Bibl.  Arch.  XXVII,  wo  weitere  Literatur  zu  finden 
ist.    Vgl.  auch  Arch.  IV  250  ff. 

3)  Nach  Spiegelberg  sind  sie  ursprünglich  ein  billiger  Ersatz  für  die  Totenstele. 
Vgl.  auch  Arch.  IV  250. 

4)  Lond.  I  S.  234,  56  f.    Vgl.  meine  Bemerkung  in  P.  Lips.  S.  79. 


Ι.  WÖRTERVERZEICHNIS. 


Α.  DEUTSCH-LATEINISCH. 


Abinnaeus'    Correspondenz 

407 
Abkommandierungen      zur 

(byz.)  Feldarmee  405 
Abkürzungen  Einl.  XXXIX 
AbsolutismuB  der  Ptolemäer 

2  f.;  5f.;   182  f. 

—  der  Kaiser  30 

—  Diokletians  etc.  67 
adscripticius  326  A.  1 
Ägypter,  Charakterisierung 

durch  Caracalla:  38  f. 
Ägyptische    Kulte    103  ff., 

123  ff.;    90—123 
Ärztel45A.  1;395;494,  8 
Afberpacht  (auf  d.  Domäne) 

292;  328 
Agone    der   Epheben   143; 

180  Ϊ 
Ahnenprobe     der    Priester 

128;  102  S. 
Akklamationen  56  \  69 
AktprÜHkripte  100;  i35ff. 
ala  Gallica  416  (vgl.  37) 
Alabaetcrbriiche  81)1    (vgl. 

Nachtr.). 
Alexander  der  Große,  Ord- 

nunij  Ägyptens  8 f. 
l:   liVriöee  Toleranz  92 
Kult,  in  Aleiandrien  97; 

ll'J;   135ίϊ. 

.\gone  in  .Memphis  188 f. 
Alexanderprieeter  97;  119; 

Alfxun.lrien     14  ff.;     48  ff.; 

72;   2 HS;  206 
Alexandrinische  Juden  82 
Altäre    {u^gen   Kinquartie- 

ning>  441) 
Am«iiliot4!p,  der  weite  ΙΟβ; 

10.» 
AinfHii.l••   !H; 
Ainul.tt«•    l'i.' 

182;  188 
An.  I    187 

iitiip  11  808  ff. 

aiiiiona  .Π  Mi.iri•  188;8A9f. 


Antinoites  36 

Antinoopolis  49  f. ;  82 ;  233 
266  A.  3;  305;  310 f.;  345 
403 f.;  4<2f.  (vgl.  Nachtr.) 
44 ff.;  47 f.;  181;  242 f. 
283  t 

Antinoos-Kult  121 

Antiochia,  Rekrutentrane- 
port nach,  469 

Antisemitismus  26;  63 f.;  84 

Apionen  317;  3S3;  384 

Apis  102;  105;  123;  92; 
112;  114 

ApoUonios,  Stratege  von 
Heptakomia  27  S. 

Apotheose  berühmter  Män- 
ner 106 

Apotheose  der  Könige  94; 
98  ff. 

Apellationsrecht  352 

Arabische  Eroberung  89 ; 
281  ff.;  14  f. 

Arabische  Papyri  Einl.  ΧΠΙ 

Arabische  Verwaltung  88  f. ; 
135;  168;  231  ff.;  838; 
371 

Arabische  Waren  190 

Aramäische  Papyri  Einl. 
XII 

arca  164 f.;  166;  211 

Arcadia  74 

—  in  arab.  Zeit  90;  282 

Archiniandrit  159 

Archimedische  Schraube 
828 

Arsinoö  Philadelphos  249 

ArUben  Einl.  LXVIII 

Arure  Einl    LX.XII 

Astarte•  Kult  112 

Atylrecbt94;  96;  100;  291; 
98;  136 

•—  Kinsohr&Dknng  114;  824 ; 
78 

Athleten  144;  1Η4Ψί. 

Attgenkranker,  militärf^M 
466 

Auguiialii  74;  90;  283 


Augustamnica  74 
Auktionsordnung  240 
aurum  tironicum  409 
Aussaat-Forderung  343 
Autogramm  eines  Königs  7 

—  eines  Kaisers  12 
Autopragie  83 ;  230  f. ;  232 ; 

297 

Babylon  232;  Γ.2  zu  13 
Banken  (Veriiachtuug)181 ; 

183 
Bankmonopol  245;  181 
Barbarisierung  des  Heeres 

408 
Basmala  135 
Bazar  von  Koptos  826 
Bergwerksmonopol  252 
Beschneidungs  -  Urkunden 

128;  102—106. 
Bevölkerungspolitik        der 

Ptolemäer  19  ff. 

—  der  Römer  53  ff. 

—  der  Byzantiner  84  ff. 
Bevölkerungeprobleme  75ff. 
Bierbrauerei  810 
Bildung  145 
Biunenhandel  268 f. 
Binnenzölle  172;  190;  290  ff. 
Bistümer  180 

Blemyer  30;  68ff.;  88;  6;  7 
Bodenqualitäten  278 
Bodenwirtschaa  270  ff. 
Briefe  (als  kulturhietonsohe 

Γ  Eroberung  184 

1  471 

i;  Μ  tonnen  Einl. 


>log  166 
•  f.;  3tfff. 

.Ion   .\piii  Itii 

:    β7 


424 


Ι.  Wörterverzeichnis. 


capitulariuB    {τιεφαΧαίωτης) 

410 
Caput  (Dioklet.)  221;  236; 

390 
Caracalla  in  Ägypten   22; 

245 
—  in  Syrien  245 
castra  (als  Origo)  394 
censitor    225 f.;    228;    210 

(vgl.  Nachtr.) 
Centurie  (==  Schiff)  565 
Centurionen,  Schwinden  der 

406 
Christen  Verfolgungen  113 
Christliche  Kirche  131  f. 
Christliche  Religion  130 
civitas  43  (vgl.  Nachtr.) ;  78 
classis  Alexandrina  379 
Claudius,  Prozeß  vor  14 
conductoria  437 
consistentes  55;  54  zu  9 
constitutio  Antonina  55  £f.; 

116;  115 
Consulatsdatierung    Einl. 

LIX;  68 
cornicularius  306 
Corpus     papyrorum     Einl. 

XXIII 
cura  annonae  186 
curator  civitatis  80;   7lS.; 

182 
cursus  bonorum  (ptol.)  140 ; 

196 


Dammfronden  330  if. 
Datierung    der    Urkunden 

Einl.  LYII 
debitor  fisci  201i. 
Decianische       Christenver- 
folgung 151^. 
dediticii  29;  56 ff.;  85 
defensor  civitatis  80  f. 
Dekurionatsordnung  42;  79 
delegatio  224 

Demos,  Eintritt  in  den  168 
Demotische    Papyri     Einl. 

XII 
Diözesen  71  f. 
Diokletianische   Ära   Einl. 

LIX 
Diokletians  Abkommen  mit 

den  Blemyern  68;  13i. 
Diokletians    Reformen   66 ; 

71fF.;  161  fiF.;  219 
Dioskuren  118;  123Ϊ. 
Dörfer  im  Streit  23 
domestici  bei  den  Blemyern 

U 
Domitians    Veteranenedikt 

463 
Doppelnamen  von  Göttern 

108 


Doppelnamen  vonMenschen 

23;   75 
Dorfgötter  104 
Dorf  kataster  341 
Dorfverwaltung  12 f.; 43;  84 
Dreiteilung  des  Landes  35 
Drohung  gegen  die  Götter 

149 
Droysens     Programm     des 

Hellenismus  1  A.  3 
Düngung  327 
dux  73 ff.;  232 
Dynastische  Kämpfe  5 

Edikt  des  Mettius  Rufus  202 
Edikt  des  Vibius  Maximus 

202;  193 
Edikte,    ihre    Publikation 

23;  32 
Eheverbot  der  Soldaten  397 
Eid  beim  Genius  144i. 
Eid  der  kgl.  Pächter  275; 

327;  291;  344;  345 
Eid  in  der  Kirche  133 
Eide  von  Epheben  17 3i. 
Einkünfte    der    Ptolemäer 

172  f. 
Einladungen  419 
Elementar-Unterricht  136 
Elephantenjagden      263  f. ; 

387 
Emphyteuse  (kirchliche)313 
Epheben     139  ff.;     166^.-, 

180  W. 
Ephemeriden     der     Ptole- 
mäer 6 
Epistrategen  ptol.  10 

—  röm.  36 f.;  156. 
Erbpacht    285;    301    A.  4; 

313 f.;     194;    207;    340; 
379 

Erbschaftssteuer  187 

Eremiten  133 

Euripides- Zitat    im    Rats- 
brief 58 
-exactor  77 f.;  229;  238;  43: 
44;  281 

Exeget  von  Alexandrien  16 ; 
47;  98,  2;  364;  169 

—  in  Metropolen  39 
extraordinaria  222;  235 

Faschinen  387  III  19 
Faustina  180 
Feste,  relig.  109;  126;  420 
Fetischismus    108;     124f.; 

149 
Finanzressorts  146  ff.;  153  ff. 
Fischerei  252;  320 
Fiskus  153  f.;  155;  162 
Flaccus  in  Theben  414 
Flaccus'  Waffenverbot  13 


flavialis  424,  9 
Fleischtransport  67  ΐ. 
Flotte  389;  392 
Flucht  aus  der  ίδια  324 f.; 

354;  382 
Frauen,  Verhältnis  zur  ini- 

βολή:  321  f.    Vgl.  394,  24 
Freihafen  (?)  2G() 
Freilassungssteuer  187 
Friedrich  der  Große  266 
Fronarbeiten  330 ff.;  385 ff. 
Fronde  der  Alexandriner  44 
Fruchtsorten  327 
Fruchtwechsel  327 
Fustät  {Φοαοάτον,  fossatum") 

232 

Gallienus,  Reskript  158 
Gartenkultur  328 
Gauaufgebot  392 
Gaue  8 

— ,  Aufhören  der  77  f. 
Gaugötter  103  t. 
Gaukataster  178;  206;  233 
Gauschreiber  lb1;204;  222 
Gebäudesteuer  171;  188 
Geburts-  undTodesanzeigen 

174;  195f.;  2llff. 
Gefängniswesen  416 
Gegenquittungen     112    zu 

85,  15 
Geld  Einl.  LXI 
Geldwirtschaft  146 
Gemeindeland  286 f.;  308 f. ; 

314 
Genius  (im  Eid)  144 
Georgius  Cyprius  76 
Germanicus  in  Theben  413 
Geselligkeit  419 
Gesellschaftsvertrag      (von 

ßua.  γεωρ.)  347 
Gestellungsbürgschaften 

354 
Gewerbesteuern   171;   188; 

221;  235;  251;  293 
Götternamen      in     Eigen- 
namen 104 
Gräko-Ägypter23;  74;  75 f. 
Grenzen   Ägyptens  ptol.  4 

—  röm.  29 

—  byz.  68 
Griechenstädte  12 ff.;  43 ff.; 

81  ff. 
Griechische  Beamte  bei  den 

Äthiopen  10 
Griechische     Kulte     96  ff. 

118  ff.;  123i. 
Grundherrschaften  71;  82 

310;  314ff. 
Grundsteuer     170;     187  f. 

220 f.;  235 
Grundstücks-Deklarationen 

226 ff.;  228;  229 


Ι.  Wörterverzeichnis. 


425 


Gymnasiale  Ausbildung 
138  ff.;  166ff. 

Gyninasiarch   von   Alexan- 
drien  46;  ^4 ff.;  54 ff. 

Gymnasiarchen  in  den  Me- 
tropolen 52;  53;  177 

Gymnasiarchen   als   Leiter 
der  Gymnasien  139ff. ;  143 

Gymnasium      87 ;      138  ff. ; 
166^. 

Gymnasium-Bäder  177 

Hacke  und  Korb  244;  387 

IV  32 
Hadrian  in  Theben  412 
Hadrians  Thermen  in  Oxy- 

rhynchos  52  i.;  72 
Handel  262  ff. 
Handwerker  260 f. 
Hauslehrer  162 
Heeresdien-st,  Qualifikation 

zum  140 
Heeres  -  Verpflegung     357 ; 

359  ff. 
Heidnische  Konventikel  150 
Heidnische  Kulte  133  ff. 
Heilgötter  108  f.;  125;  148 
Heliopolis  53;  51 
Hellenen  in  der  Kaiserzeit 

68;  61 

—  in  byzantinischer  Zeit  87 
Hellenomemphiten  18;  30; 

221,  3 
Heptanomia  35;  72 f.;  210 
Herculia  (Aegyptus)  72 
Hermonthis  (Kämpfe)  17ΐ.; 

19 
Herrscherkult    98 ff.;    117; 

135  fr 
Hieroglyphen  J63 
Hierokles'Synekdemos  75 
Hof-Hangklaesen  7;  21 

—  ihr  Verschwinden  80 
Homerzitat  478,  10 
Horoskope  125 
Horoetempel  in  Edfü  215 
Hangersnot  868  f. 

Jahr  Einl.  LIV 

—  von  860  Tagen    ;/ 
iconierauH  453,  8 
IdiologoH    147;    164;    167; 

leS;  2H9\  76;  193ϋ.;  196; 

203 
Idiologofl  alii  &QxifQ(vg  127; 

101;    WfJf.;    107 f.;    114; 

145 
Iduniäer  in  Merophi•  18,6 
Ilin«  I  ..Li.ir..   jr,4 
lint  iarstionen 


Irni 


orleihung   an 


incola    (liturgiepflichtig) 

344;  479  zu  186 
Incubation  109;  125 
Indiktion  Einl.  LIX;  2*22  f. 
Indischer  Handel  264 
Industrie  258  ff. 
Innere  Kolonisation  281 
Inspektionsreisen  des  Prä- 

fekten  83 
inspectores  228 
lovia  (Aegyptus)  72 
Isis  Nanaia  134 
Islam  89 ff.;  135 
Juden  24 ff.;  62 ff.;  78—88; 

295 
Judenkrieg    Trajans    64f.; 

27—30;  180 
Judensteuer  187;  198;  85 f.; 

295 
Jüdische  Religion  112 
iugum  220 

Julia  Augusta  als  Ehepa- 
tronin 117 
Jupiter    Capitolinus     116; 

124  ff.  (vgl.  Nachtr.) 
iuratores  226;  228 
Juridicus,  nach  Diokletian 

73,  7 

Kaisereid  141  f. 
Kaisereid  eines  Juden  88 
Kaiserfeste  420 
Kaiserkult  117;  1191;  113; 

143 
Kaiserstatue  (Deponierung 

bei  der  K.)  480 
Kalamos  Einl.  ΧΧΧΠ 
Kalender  Einl.  LIV 
Kamele  (selten  in  Ptol.  Z.) 

373 
Kampfpreise   für  Epheben 

180 
Kandake  29;  10 
Kapitol  in  Oxyrhynchos  116 
Kataster,  ptol.  176  ff. 

—  röm.  205  ff.;  237  f.;  231  ff.; 
841 

Kirche,  ägypt.  1 10 

— ,  christl.,  als  Schirt'>*eigen- 

tümerin  511 
Kircheneid  142 
Kirchoninventar  160  f. 
Kir  1  818 

Kii  ik    der  Pt..lr- 

111    .  I  279 

—  .I.r    Ι:,.,Μ.•Γ  lUf;  8βΜ 
Kbni.i      •      1  .  flundHchrif- 

t.M    1  VII;   1,S4 

Kl•'.  1  .i;    .    ....    199 
Kl«•   I  iitr.k  ilt   119,  6;     115 
K/.n  /  kr    li.Mig  107;  110 
Koj.-n.if    'J.r.;     810;     814 ff.; 

Ji'j  I  tl  ;  :190 


Kolonisten  von  Antinoopolis 
aus  Ptolemais  50;  42 

Kommunalordnung  der  Me- 
tropolen 79 

Kommunalsteuem  191 ;  222 ; 
297 

Kondolenzbrief  479 

Konfiskationen  des  Augus- 
tus  289;  368;  369 

—  von  χλι)ροι  334;  335 
Konstantinopels      Verpfle- 
gung 08;  370 ff. 

Kontraktionen   Einl.  XLIII 
Kontrollierung  der  Tempel 

100 
Konvent  32;  73;  204;  205; 

287 
Konventsstädte  33;  35;  51 
Kopfsteuer  171;  189;  235 
Kopfsteuerfreiheit  der  Prie-     ^ 

ster  93 
Kopten  87 

Koptische  Subskription  77 
Koptos   (als   Handelsplatz) 

326 
Komtransportl81f.;  376  ff. 

47;   71;  196 f.;  440 ff. 
Kosmet  139  ff.;  143;  170 
Kreuze  (liegende):  209,  1 
Krokodil-Nekropolen  98 
Kultvereine,    griech.    101; 

121;  112 

—  ägypt.  109.    Vgl.  421 
Kurialpräsident  79;  66 
Kurien,  Aufhören  der  282 
Kyros,  Patriarch  von  Ale- 

xandrien  15 

Labyrinth,  Opfer  im  10  zu 

8,  15 
Land  Vermessung  231;  284 
Landwirtschaft    274    A.  8; 

826  ff. 
largitiones  161;  211 
Latein    Einl.   XLIX;   UU; 

63 f.;  H5f.;   188 
Latifundienbildung  817 f. 
LatinitiU   565 

mg  422 
:  t  422 

■JUt. 

umando  8'.•1 
;     usiU'tacbemente^bys.) 
i(i:)f. 

ivehnnland  S80ff. 

LehrlingtTertr&ffe  961 ;  884 

Lehrvertrftgo  561 

LoontopcÜH,  Oniaatempel  in 
26;  64:   112;   129 

Lenexeiclien  Kinl.  XLVI 

T,..t,,i.,,i;f..«   •Μ\:  87,  8;  78 
i  124  (vgl. 


426 


Ι.  Wörterverzeichnis. 


liber   literarum    missarum 

108 
Ligaturen  Einl.  XXXVIII 
Liquidationsgesuche     167; 

157;  194-196 
Liturgen-Ernennung  346  ff. 
Liturgie  (Amtsliturgie) 

211  ff.;  330;  339 ff. 
Liturgie ,    Einführung    der 

340  ff. 
Liturgie,  Flucht  vor  der  L. 

355;  400;  408 
Liturgiebefreiungen  344  ff. 
Liturgie-Freiheit  der  Anti- 

noiten  345;  29;  397 
Liturgiepflicht  der  Priester 

129;  344;  84 
Lokale  Konskription  394 
Lucceius  Ofellianus  37  A.  3; 

265  III  9. 
Luftsteuer  236;  298 

Magazine  153;  161;  224 
magister  rei  privatae  163; 

209 
Mareoten  379  zu  4 
Marktstände  296 
Martyrien  (alexandrin.)  44  f.; 

64;  24^.;  54 ff. 
Maße  Einl.  LXVII 
Maximus,  Bischof  von  Ale- 

xandrien  153 
Meliorationen  186 ;  281 ;  332 
Memphis  18 
Menis-Kult  106  f.;  123 
Merkantilsystem  265 
Metropolen  der  Gaue,  ptol.  9 
—  röm.  38  ff. 
Militär  381  ff. 
Militärdiplome  398;  399 
Mimi  sehe  Aufführungen  420 
Mischehen  74;  75 
missio  398;  457 
Mithras  129 
Mnevis  105;  113 
Mobiliendeklarationen  175 ; 

205;  241  ff 
Moerissee  153  zu  8 
Monate  Einl.  LVI 
Monophysiten  133 
Monopole  95;  239 ff.;  299 ff. 
Moriopolpächter  244 
Menth  (=  Apollo)  141 
Moscheen  {μαβγιδα)  338  f. 
Münze  Einl.  LXII;   68 
Mumienetiketten  422. 
Mumienkartonage  Einl.  XX 
Munizipalordnung  42;    79; 

66^. 
Myrrhen-Yerkauf  309 

Namensänderungen  61 


Narses  gegen  die  Blemyer  69 
Nationalismus  5;  20 f.;  60; 

87  f. 
Nationalitäten     im     Heere 

382 f.;  393 f. 
Naubion- Abgabe  331;   336 
Naukratis  12 f.;  47 f. 

—  Gesetze  von  51;  44 
Neapel  in  Italien  184 
Neapolis    bei    Alexandrien 

369 
Nearchos'  Wanderungen 

117 
Neros  Thronbesteigung  143 
Niketas  70 

Nilindiktion(?)  Einl.  LXI 
Nilometer  209 
Nobaden  68 f.;  12 
Nomarchen    Alexanders    9 

A.  6;  10 

—  der  Ptolemäerzeit  10  f. 

—  der  Kaiserzeit  38;  41 
Nomina  sacra  Einl.  XLIII 
Notitia  dignitatum  74 
Nubier  6 8 f.;  12 
numerus     (Unterabteilung) 

536 


Oberpriester  von  Ägypten 
114;  121;  127;  100—108 

Öl  für  die  Gymnasien  178 

Oktavians  Veteranenedikt 
462 

Ölmonopol  240  ff.;  250; 
299ff.;  311ff. 

Ölmühlen  31 2  ff. 

Ölpreise  300  f. 

Ölschmuggel  362 

Oikenwirtschaft  258  f. 

Opfer  126 

Orakel  109;  125;  123;  124; 
1491 

Orakelfragen ,  christliche 
132;  159 

Orient  (ανατολή)  als  Pro- 
vinz des  Khalifenreiches 
89;  40 

Orientalen  in  Ägypten  24 

Orientalische  Kulte  112: 
129  f.;  101Ϋ. 

Othonionmonopol  245 

Oxyrhyncbos,  Neubesied- 
lung 180 

Pachomius,       der    heilige 

144,  3 
Pachtgesellschaft  182;  292 
Pächtermangel 211  f.;  324 f.; 

275 
Pagarchen  83;  90;  232  ff. 
Pagus-Ordnung  76 f.;  83 
Palaestrawächter  179 


Palmyrenische     Herrschaft 

30 
Papier  Einl.  XXXI 
Papyrusfabrikation      Einl. 

XXIX;  255;  319 
Papyruseditionen       (Liste) 

Einl.  XXV 
Papyrusfunde  Einl.  XVI 
Papyrusgrabungen       Einl. 

XXI 
Papyrussammlungen    Einl, 

XXIII 
Patrimonium      154;      311; 

206  ή: 
piitrimonium,    sacrum    des 

Anastasius  162;  163 
patrocinium  322 f.;  235 
peraequatores  228 
Persische      Papyri       Einl. 

XIII 
Pertinax'  Thronbesteigung 

490 
Pest  324  A.  3 
Petesuchos  105, 3 ;  106 ;  3, 13 
Petronius  Mamertinus 

(Chronologie)  43  zu  15 
Pfändungsrecht   185;    310; 

268 
Pferdehändler  (jüdischer)8i 
Pferdewettrennen  144 
Pfründen  95 

Philae, Isiskult  auf  68 f.;  134 
Phratrien  16;  41 
Phylen  undDemen  in  Nau- 
kratis 13 

—  in  Alexandrien  15;  45  f. 

—  in  Ptolemais  17;  49 
Phylen  in  den  Metropolen 

43f.;  80;  348f.;  55;  71 

—  der  Priester  111 
Pincio-Obelisk  124 
Pluralis  in  den  Akklama- 
tionen 45,  29 

Plution,    ducenarius    o7f.; 

178;  187 
Pnepheros  (Asylie)  98  i. 
Politik  der  Ptolemäer  4 

—  der  Römer  31 

—  der  Byzantiner  66  ff. 
Polizei  411  ff.;  472 ff. 
Polizeiorgane  in  Stadt  und 

Dorf  414  ff. 
Posteinrichtungen     3  72  ff.; 

435  ff. 
praefectus  Aeg.  31  f.;  156 
praefectus  Aegypti  amtiert 

auch  in  den  Teilprovinzen 

73;  71  f. 
praepositus  pagi  77;  66 

—  legionis  406 

—  thesaurorum  165 
praescriptio  longi  temporis 

63  zu  21 


Ι.  Wörterverzeichnis. 


42' 


Praktorie,  Einführung  der 

212  f. 
Priesternamen  163 
Priesterschaft  109  fif. 
Priesterstellen,  Verkauf  von 

106—109 
Priestersynoden  110;  127 
Prinzenerziehung  136,  2 
Privateigentum  (am  Boden) 

287 
Privatkult  109;  123 
Privatland  284  if.;  31 4  ff. 
Privatlehrer  164 
Privilegien   der  Veteranen 

404 
probatoria  411;  470  ' 

procurator    ad    Mercurium 

—  Neaspoleos  191;  369 

—  usiacus  158 

—  —  als  διαίίΒχόμΒνοξ  την 
όρχιερωαννην  127 ;  101  f.; 
107;  108 

Prophetien ,    Verkauf    von 

106—108 
Protokolle  (byz.  arab.)  135; 

40  zu, 8 
Provinz  Ägypten  seit  Octa- 

vian  28 
Ptolemaios    III     Euergetes 

Syrischer  Krieg  lü'. 

—  IV  Philopator  20;  96; 
107;   138 

—  Euergetes  11,  Friedens- 
kundgebung 91 

Ptolemaios-Kult    in    Ptole- 

mais  98 
Ptolemais   in  Obenlgypten 

16 ff.;  48 f.;  82;  42ΐ. 
Publizität     der    Amtstage- 

l.üchtT  59  i. 
Pulbil  kation     von    Edikten 

2.Ί;   32 
Pyramide  422;  500 

quu<lrariiiö(Dorfb(iamter)  84 

liaHHcnmiechung  23 ;  61 ;  87 ; 

ÜO 
rationaÜH   162 
KatHprotokoU••  r,ii 
rcceptum    nautarum    441; 

448 
r     '  '  ".         rinl.  XXX 

r'iobung) 
I  I   ;    J  t  i  \S. 
ung  ^byz.)  408  f. 
'  •ik  der  Ptole- 
rii  . 

-   .1. I    I18ff. 

lO'piirtitioiuliTStriK'rn -"21  ; 


Requisition  v.  Kamelen  245 
res  privata  155;  161;  210 
Revolutionen  2 1  f. ;  60  f. ;  16 ; 

irf.;  22^.;  3i;  199 
-riparii  415 
Römische  Bürger  53  ff. ;  84  f. 

—  Götter  115  ff.;  124^. 
Rom  (Brief  aus)  120;  445 
Roms     Verpflegung      186; 

368  ff. 
Romanismus  Einl.  XXXIX: 
XLIX;  68;  85  f. 

Säkularisierungen  114 
Sakje  327  f. 

Salus  (im  Eid)  145;  156 
Salzmonopol  249 
Sansnös,  Sprüche  des  117; 

124;  110 
Sarapis  93;    101  ff.;    122 f.; 

38;  130 ff.;  135  zu  3 
Satumalienfeier  115  f.  (vgl. 

Nachtr.) 
Sassaniden-Eiufall  70 
Szenische  Darstellung  491 
Schreibmaterialien       Einl. 

XXVIII 
Schrift  der  Ägvpter  163 
Schriftlehre  Einl.  XXXIII 
Schulbücher  137 
Schweineaustreibung  102 
Semitische  Arbeiter  108,  4 
Senat  ausgeschlossen  29 
Septiraius  Severus  als  Vor- 
arbeiter   des    Diokletian 
72  A.  2;  155;  202 ü'. 
Serapeen  102 
Sklavensteuer  259 
Sklaverei  27;  260;  232 
Sold  389:  397 
Solidus  Einl.  LXVII 
Soloi  in  Kilikien  2;  5  zu  3 
Soter-Kult  in  Ptolemais  98; 

119 
Sprache   der  Papyri   Einl. 

XLVIII 
Sprachenfrage  53  Γ ;  .^is  » 
Stadtären  Einl.  LXI 
Stadt<|uartiere   in  Alexan- 
drien  16 

—  in  Antiiioopolis  50 
Stadtrecht  der  Metropolen 

41 
Stadtische  Beamte  39  f. 

—  Schwinden  derHolben  HO 
StädtiHcho  Finanzen   166 f. 

—  Verwaltung  der  Tempel 
129;  802 

Statiliue  Maximu«  44  βα  Se  - 
«tationarii   118  f. 

st.Mi-'-i..i»i  v:\u]   xx'VVFT 


Steuererhebung     1 79  S. ; 

210ff.;228ff.;238;258ö". 
Steuerhufen  Diokletians  220 
Steuern,  ptol.  lG9ff\ 

—  röm.  186  ff'. 

—  byz.  220  ff. 

—  arab.  234  ff. 

—  in  den  außerägyptischen 
Besitzungen  der  Ptole- 
mäer  169;  7  ff. 

Steuerobjekte  174ff.;202ff. 

Steuerpacht  182ff\;  218  f; 
230;  199 

Steuersubjekte     1 73  ff. ; 
192 ff.;  225 f. 

Steuersubjekts  -  Deklaratio- 
nen 1980'. 

Stiftungen    158;  108;  407 

Strategen  der  Gaue  11;  37; 
42;   159;  56 

—  Aufhören  der  77 

—  Schwierigkeiten  der  Str. 
mit  den  Römern  55  f. 

—  Amtstagebuch  des  59  S. 
Sultan  232 

Symbole      (Siglen)      Einl. 

XLV 
Synagogen  24;  112;  78;  80 
Synkretismus  107;  124 
Syntaxisbehörde  389;  283; 

380 


Tachygraphielehrer  165 
Talente  (leichte  u.  schwere) 

377  unten 
Tempel  von  Kerkeosiris  00: 

888 
Tempelabgaben  172;  191 
Tempelbauten  (ägypt)  93 
Tempeleide  140;  142 
Tempelinduetrie  258  f. 
Tenipelland  94;  883 
Tempel-Organisation  109  f. 
Tempelrevenueri  832 
Tempelzerstörung    durch 

Christen  133 
totates  (die  mit  der  Toien- 

marke  6)  893  A.  8 
Thebais,  Teilung  iu  eupe- 

rior  und  inferior  76;  J3 
Thobone  Zerstörung  2ϊ;  22 
Theokrasio  98 
Tierkult  105;  128;Ρβ;11?Γ 
Ti   '     '      '    .\XXIII 
T.  ι    16;  Μ 

Ί.  •.» 

icr   7»'. 
Τι:.     ..  .  .Μ  '.Μ     1••1 

Ti.tniKiit    1  1•..•.   :.(ΐο 

Tot.  1,1:•.!.  !.     !    "•, 
'I'iiujiuf    li'.' 
rrniiMvirnt 


428 


Ι.  Wörterverzeichnis. 


üferland  291;  853;  354 

Vaballath  30;  il;  78 
Vaterunser  159 
vectigal  Maris  Rubri  190 
Vereinswesen  261 ;  421 ;  141 
Vererbung  der  κλί)ροι   384 

Α.  2;  385  f. 
Verkauf  von  Priesterstellen 

112;  106—109 
Verkehrssteuern  172;  190 
Vermögenssteuern  171 
Verpachtungsangebote  448 
Verpflegung    Alexandriens 

364  f.;  367 
—  der  Gemeinden  363  ff. 
Verpflegungswesen  356  ff. 
Verschleifungen  Einl.  XLII 
Versiegelung     der    Opfer- 
stiere  114  &. 
Versorgung     der     Märkte 
367  f. 


Veteranen  399 

—  -ansiedlungen  403 
Privileg  bez.  Liturgien 

396 
vindex  in  Alexandrien  82 
Volksbeschluß     aus     Oxy- 

rhynchos  53 
Volksfeste  420 
leben  417  ff.;  477  ff. 

—  -Versammlung,     Proto- 
koll 69 

Zählungen  174;  238 

Vorkaufsrecht      der     Ver- 
wandten 444 

Wallfahrten  147 
Warnung  vor  den  Juden  84 
Wasserleitungen  225 
Weinproduktion  253 
Welthandel  266  f. 
Wirtschaftliche     Entwick- 
lung seit  dem  IV.  Jahrh.  71 


Wirtschaftsbücher  326 
Wohnungsfrage  417 


Zahlensystem  Einl.  XLV 

Zaubertexte  125 

Zenobia  und  Vaballath  30; 

78 
Zensus  (14 jähriger)   192  ff. 
Zölle  172;  190 
Zolldeklarationen  176 
—  -erleichterungen  260 
Zünfte  221;  261 
Zwangsbeiträge  172;  189 
Zwangserbpacht  295  f. 
kaufe  für  das  Heer  357 ; 

359  ff. 
pacht  184;  277;  295  f. 

(έτίΐβολή) 
Zweisprachigkeit    (griech.- 

ägypt.)  20;  87;  184;  73 f.; 

77-,  299 


άβροχία  -  Anzeigen  203  f. ; 
207;  225  ff. 

αβροχος  204;  274 

jiyad^bg  δαίμων  (Gott.)  144 

αγγαρεία  372;  374f. 

αγορά  (Naturalverpflegung) 
409,  14. 

άγοραοτος  αΐτος  (frumentum 
emptum)  357 

αδελφή  als  Titel  5 

Αδελφοί,  Ο'εοί  99 

άερι%ά  236;  298 

αιγιαλός  291;  353;  354 

Αιγύπτια  ^ράμματοί  137 

AlyvTtTLOL  58;  85 

αίρ«(Τ£ΐ?  (der  Epheben)  139; 
142 

αΓρε(7^g(Pachtangebot)342,9 

αίτήαεις  (Liquidationsge- 
suche) 167;  157;  194— 
196 

αιχμάλωτοι  (aus  Asien)  334 

^ίλε^ανδρενξ  15;  82 

Άλε^ανδρέων  χώρα  286 ;  308 ; 
339,  98 

Άλε^,ανδρΙνος  οτόλος  379 

άλιαδίτου  (?)  405,  6 

άλλόφνλοι  305;  373 

άμεδτεοίοις  314,  12 

J^μιρaλμoυμvίv  89 

ύίμιρατες,  Eid  bei  den  145 

άμμόχωατος  227;  204 

άμφοδάρχης  40;  195 

άμφοδογραμματενς  349;  55 

αμφοδον  40;  348  ί. 

άναβολιν.ά  249 

άναγιγνωβν,ω  (ich  will  vor- 
lesen) 45  zu  24 


Β.  GRIECHISCH. 

άναγράφεαϋ'αι  417  zu  12 

άναγράφιον  (Zolleinnahme- 
register) 277,  13 

άνα•Λτά.6θ^αι{ύο]ι  wirtschaft- 
lich  erholen)  395,  19 

άναλαμβάνειν  (zurückneh- 
men) 282 

άναλειιρία  178 

άναμέτρηαις  227;  279;  266 

άναμετρητής  226 f. 

άναηανματιν,όζ  377,  11 

'Ανατολή  {=^  Oriens)  als  Pro- 
vinz des  Khalifenreiches 
89;  40 

άναχωρεΐν  196;  276;  324 f.; 
215 

άνδριϋμόξ  236;  255,  22 

άνεπί^^ριτος  220 

άνευ  (ohne  Wissen  und 
Willen)  258,  10,  6 

—  βνναΐλάξ,εων  211 
άνιερωμένη  γη  94;  279;  300 
άννώνα  360  f. 
άννωνέτίαρχος  (praef.  anno- 

nae  Alexandriae)  371 
άνόβιοξ  63,  4;  30 
άντάτίοχον    112  zu  85,  15; 

209 
άντιγραφενς   (d.  Sitologen) 

181;  221 

—  des  Steuerpächters  184; 
215 

Άντινοϊτιγ,οϊ  ηαΐδες  45 f 
άξια.     έξ,  άξιας  2 76 f.   κατ' 
άξίαν   291;  351;  352 
άτΐαιτήΰιμα  210;  85i. 
άτιαιττιταί  230 
άτιαράΰτατος  194;  198 


άτίαρχή  der  Juden  86 
άπογραφαί  ptol.  175ff.;178 

—  röm.  202  ff. 

—  byz.  225  ff. 

k7cόδoς  44  zu  35;    394,  39 
άποικοι  Ήλιου   πόλεως   53; 

51  ^ 
άπο•)ίάϋ•αραις  198,  19 
άποτιριβιάριος  234 f. 
άπόμοιρα  95;  249 
αÄoρo^'(unfruchtbaresLand) 
^  380;  381.    Vgl.  Nachtr. 
άπορος  343 
άπόΰτολος  443 
απρατα  296 
εργένης  (Galater)  495 
αρετή  {γη  έν  άρετ^)  273 
άρτιαρι-κά  222 
Άρΰΐνόη  Νείτιη  172 
Άρβινοίτης  104 
άρταβιεία   171;  187;  304 
αρ;^αιο:  γή   286 
άρχειον^   το   των   Ιουδαίων 

63 

—  πολιτιγ,όν  63 

αρχή  (nicht  Liturgie)  341  f. ; 

350 f.;  402 
άρχιερενς  (ägypt.)   111 
άρχιερενς  Αλεξανδρείας  ncä 

Αίγνπτον  πάο-ης  114 ;  121 ; 

127;  100—108 
άρχιτέ-Λτων  332 
άρχοντες  39;  42;   53;  225 
αρώματα  (Monopol)  249 ;  31 7 
Άρωματοφόρος  264 
άαπαβμός  33 
άβτή  15 
άΰτιν,ά  222 


Ι.  Wörterverzeichnis. 


429 


άτελης  (arab.)  23δ 
αυλαί  3,  8 
Ανρήλίοι  55fiF. 
αύτουργεΐν  445  zu  24 
αφεΰις   {έν   άψέσει  γη)    30; 

271;  287 
αφεοις  (Freigabe  d,  Korns 

von   d.   Tenne)   331,  62; 

337,  10. 
^Αφροδίτη  Βερενί-αη  134 

—  η  xal   Κλεοπάτρα    145  ί. 

βαΧανεΐα  177 
βαλανιχόν  213 
βασιλι-κη  (γη)  272  flf.;  288  ff. 
310f. 

—  iv  τάξει  Ιδιοχτήτον  306 
341 

—  τράηεζα  152 ;  160 ;  193  ff. 
199 

βααιλίχοϊ  γεωργοί2Ί ;  274  ff. 
290  f. 

—  τραηεξΖταί  (röm.)  217  t' 
βασιΧιχόν  147;  153 
βαβιλι-ΛΟς    γραμματεύς     11 

12;  38 
βαφι%η  249 
βεβοεγμένη  273;  404 
βιβλία  (Akten)  222 
βιβ'κίδιον  (=  libelluB)  Einl. 

XXXI  Α.  2 
βιβλιο9•ηχη  έγχτηΰεων  202  f. ; 

227  Α.  2;  304  Α.  3;  306; 

239 

—  δημοβία  39;  195:  201; 
60;  244;    ^45 

—  iv  ίΐατριχοΐς  00 

βιβλίον  (Eingabe)  in  jün- 
geren Texten  07  zu  8; 
279  zu  6 

ιφνλάχιον  889,  35 
.   Kinl.  XXXT 
I'»:•. 

1,•ι>• ,'.ΐί'κία   Jü 
(ί'/ΐΛ^νταΐ  ΙερεΤς  111 
βουλή  in  Naukratis  13 

—  in  Alexandrien  16 

—  in  Ptolemaie  17;  43 

—  in  AntinoopoliH  51;   43 
-  in  den   Metropolen  41; 

217 

'•'ofiÄt  (in  d.  Oraßformel) 
rxi,  7 

/Ol-  /hreve)  419,  4 
ΧΛ  878 
..  "  307 
:νρος  198,  12 

γανηματογραφία    207;  308; 

π:Τ0φνλαΜΐ>^*  IHl;  831; 


γεονχος  286  Α.  1 

γέρας  332;  340 

γη  έν  ττροαόδω  τ.  τέχνων  τ. 

βαΰ.  147;  278 
γναψιχή  250;  31  δ 
γνήΰΐα  τεΧύοματα  343,  22 
γνωμών  210;  251 
γνωβτήρ   198  Α.  5 

—  χώμης  279  zu  5 

—  (der  Phyle)  404 
γραμματεύς  μητροπόΧεοις  38 
γραφή  των  —  οίχονντων  201 

—  ιερέων  110 

—  Λαίδων  107 

—  χειριϋμον  119 
γράφων  τον  νομόν  (ό)   157 
γνης  207 
γνανααιαρχίς     (seil,     αρχή) 

143,  3 
γνμνααίαρχοι  als  Leiter  der 

γνμνάΰια  139  ff. ;   143 
γνμναΰίαρχοϋντες  178 
γυμνάΰΐον.   οΐ  έχ  τον  γ.  139 

—  οι  άτΰο  γυμνασίου  40; 
57;  144;  189;  202  Α.  1; 
17  2  i. 

γυνή  τον  ηγεμόνας  85  zu  29 
Γωνιώται  70 

δει  τα  άΧη9^ή  Χέγειν  352 
δεΐγαα  (Kornprobe)  344,3; 

432,  5 
δειγματοάρτης  508 
άεχάπρωτοι   41;    159;    217; 

229;  278;  279 
δεχαταρχία  275/6;  364  zu  8 
ί^ρματα  250 
δεσπότης  67 
δεαποτιχαϊ  χτήβεις  812 
δηΧηγατίων  224 
δήμος    in   den  Metropolen 

40;  52;  09 
δημοαία  γή    288 ff.;    310 f.; 

89 

—  εδάφη  289 
δημόσιοι  γεωργοί  290  ff. 
δημόαιαι  τράη^ζαι  160;  164 
ίημό<τ*θί   in   Ptolemäertex- 

ten  8 

—  in  römischer  Zeit  80 

—  byz.  230 

—  -     sUldtiech  167;  230 
διαγραίΐή   (Zahlungsanwei- 
sung) 168;  190;  193Ϊ. 

διαγραφή  (tftrixij)   l7ü;   181 
διάγραφον    oder    διαγραφή 

(KüpfMieuer)     821;    236; 

230  A.  1;  286 
δίαδόται,  862:  4 19 ff.;  422, 

14 
διαίρ^οις     '/χ     Atmt^fotta^) 

277;  859 
όιαμία^οίΟίς  'J .  '\W 


διανομαί  15 

διάστρωμα  278 

διατάσσειν  (für  Zwangszu- 
weisungen) 424 

διατι^ωσις  224 

διδασχαΧεϊα  136  f. 

διδασχαΧία  332  zu  15 

διδασ•/.αΧΐχαί  261 

διδραχμία  Σονχου  172;  289 

δίδραχμον  der  Juden  64; 
85;  345 

διδνμαγενης  203,  1 12  (vgl. 
Nachtr.). 

δίδυμαι  103;  131 

διοίχησις  (Finanzressort) 
301;  341 

διοιχητής  (ptol.)  148;  410; 
411 

—  (röm.)  156;  201  f. 

—  (arab.)  233 

διοιχών  την  ώνήν  183  Α.  3 
Διονύσιος  ό  χαϊ  Πετοδορά- 

ηις  21;  10 
δίηΧωμα  375 
δοχιμάζειν  (der  Ärzte)  39δ, 

25 
δράσασ^αι  (für  ^ράται)  882, 

14/5 
δωδεχάδραχμοι  (Oxy.)  199 
^ωδεχάσχοινος  4,^;  29;  68; 

102 
δωρεά  {iv   δωρεά   γήι   284: 

338 
δωρεαία  γή  279 

έγχνχΧιον    172;    190;    275: 

294 
είχονίζειν  107;  816,23 
είχονίΰμός       (Signalement) 

194:  816,  23;  468 
είχών  (Signalement)  448,  21 
«((Τχρίΰΐί  der  Epheben  142; 

199;   107 
εΐαχριτιχόν  128;  100;  119 
Ιχδιχος  (defensor  civitatie) 

81 
ixδtointlv  (ver&ußeni)  389 

tu  87 
ίιΟογμηής  170;  20Ö;  3192; 

Ιχρηγμα  11,  10;  886,  6 
ξχταχτος  {δι'  inr.)  889,  19 
ixtduCMiP  292  SU  26 
ίχφάριαά.  Dom&oe  180;  276; 

290;  2β1  etc. 
ϋαϊχή  242 

ϋαιονργοί  242;  34St. 
"iiXXnvtg  28;  68;  61;  87:  79 

—  -   HHdon   H7;   181 

—  im   Heer- 

'ΚΙΙι,ϋυΐ    1(1  Momphi•   18; 
80 


430 


Ι.  Wörterverzeichnis. 


^Ελληνομεμφίτης  18;  30 
έμβολη  (Aufladen)  37ιι ;  390 

—  (annona  civica)37uf.;  222 

—  (arab.)  371 
^μβροχος  204;  273      , 
iacpavsioi  (der  βαβ.  γεωργοί) 

275;  327.    Vgl.  407;  409 
έναΛόγραφοί  326;  384 
ενάρετος  γη  290 
έν    Ιδιον,τητον    τάξ,ει    306; 

204;  341 
ίν  κατοικικ^  τά^ει  304 
έν  κνρίω  χαάρειν  155 
ένοίκιον  183 
ενορία  77 

^^;^Γάy^α236f.;256;45i;4ö8 
^τεν^ις  397  zu  3 
έξοάρεσις  260,  26 
^Ιαρ/υρισμό?  (adaeratio)363 
έξαοϋ-ενεΐν     (wirtschaftlich 

schwach  sein)  395,  15 
έξεταοτής  168;  210;  251 

—  (in  der  Tempelverwal- 
tung) 128;  100 

έξιαωτοά  228 
έξτίελλεντκί  230 
έ^τραόρδίνοί  235 
έξωτί'κοί  451 
έπάντλητος  (γη)  273 
έτίαρονριον  171;  187 
έπαρχος   =    praefectus  31 ; 

73,  3 
ετΐέχειν    (μηδενός    έπεχομέ- 

νον)  394,  37 
iTtißoiccL  (γοη  Grundstücken) 

227;     292;     313f.;     319; 

263  zu  10 

—  (liaturalzuschläge)  188 
έτΐίγονή  384  f. 
έπίγράφειν  γήν  277 
επιγραφή  171;  188 
έτιιγαμίοί  (mit  d.  Ägyptern) 

in  Antinoopolis  51;  27 

—  nicht  in  Naukratis  13 ; 
47;  27 

ετΐΐδημίαι  33 

έπί&εμα  (Übergebot)  348 
έπικεκριμένος  201 
έτίίτιρίοις  ffiskale)  57 ;  196  ff. ; 
167;  1731;  216 ff.;  486 

—  (militär.)  395 

—  der  Epheben  142 

—  der  Römer  und  Alexan- 
driner 401  f. 

—  der   Veteranen   399  ff.; 
458—460;  463 

έηιμελητής  (Finanzbeamter) 
149;  196  &. 

—  (Kuratoren)  42 ;  230 ;  238 

—  (in  der  Tempelverwal- 
tung) 128 

ί-Λίμεριΰμοί  (Landzuweisun- 
gen) 293  f. 


έηιμεριομοί         (Naturalzu- 

schläge)  188 

επιμερισμός    der  Bacchias- 

flur  293;  355  ff. 
επιπεπλεγμένοι  ταΐς  προΰό- 

δοις  248;  276 
έπίπλοοι  379 
έπιοτιέπτης^  238;  389 
επΐ6-Λενή  53  zu  13 
έπίοχε^ιςΠβί.;  206 ff.;  228; 

232  ff. 

—  (Damminspektion)  389 
έπΐΰτάτηςτονίεροϋΐΐΐ;  127 

—  της  κώμης  4ι2 

—  τον  νομον  412;  413  Α.  2 
έπιοτατιτιόν  127 
έπίοτολαφόροι  374 
έπιοτολή    (Begleitbrief  der 

νοίνηληροι   =    ό   άπόοτο- 
λος)  377;  379;  442,  2 

—  έξ(χ•ατορί(χς  68 
επιστολογράφος  6;  94,  1 
επιτήδειος  (ά.  Liturge)  343  f. 
έπιτηρητοά  215;  276;  277 

—  ovGia-χ,ών  εδαφών  158 
έπϊ  της  πόλεως  14 
έπίτιμον  (Konterbande)  363 

zu  7 
επίτροπος  δεσποτικών  κτή- 
σεων 163;  :210 

—  κλασσικός  379 

—  τών  ονσιακών  158 

—  πριονάτης  163 

—  ;ίο:ρτ7]ρα5   256 

έπϊ  τών  πραγμάτων  1/S 
^ττόττται  228 
έργασίαι  (Zünfte)  261 
εργαστήρια  260 
εργολάβοι       (Unternehmer) 

332  f. 
έρεννηταί  49 
ϊρια  251 
^Ερμής^  ανίκητος  118,  2;  28 

—  τρισμέγιστος  58  ί. 
εν%•ηνία  365;  370 
ενϋ'ηνιάρχης  356 
εύπορος  343 

ενσεβεΐς  είσφοραί  379,  9 
ενσχήμονες  208;  343 
ενχεΐον  (Gebetsraum)  325 
άφορος  (als  Dorf  beamter)  84 
έωνημενη  γη  306  ff. 

Ζενς  ΈλενΟ•έριος  Σεβαστός 
120;  142 

—  Κάσιος  118 
ζντος  251 

ήγεμών    appellativisch   für 
den  praef.  Aeg.  73;  72 

—  (=  praeses)  73 

—  αμφοτέρων  34;  456,6 

—  τών  ?|ω  τάξεων  387 


ηγούμενος  πνλών  196,  9 
"Ηρώον  232 

-θ-αΠίί?  (Freudenfest)  314,11 
%'εΐος  (kaiserlich)  145 
Θηβαΐς  8 
Θήρα  τών  ελεφάντων   385, 

14 
^'ησαυροί  153;  161;   181 

—  (byz.)  165 
Θινίτης  AS;  42 

ίατροκλνστης  162 

ίδια,  Prinzip  der  26 ff.;  65; 

31;  24;  393 
ιδιόκτητος  (γη)  271;  284f.; 

306  ff. 
ίδιος  λόγος   147;  154;  157 
(=  Gauschreiber  im 

Idiologosamt)  157;  222 
ιδιωτική  γη  287 ;  302  ff. ;  316 ; 

403 
ιερά  γη  278 ff.;  300 ff.;  313; 

95 
Ίερακονΐτις  (?)  403 
Ιερατικά  (als  Ressort)  403  f. 

—  εδάφη  301 

ιερεύς  des  Μονσεΐον  118,  1 
ιερευτική  γη  278  Α.  4;  301 
ιερωμένοι  101  zu  9 
Ίονδαικον  τέλεσμα  64 ;  85ί.; 

295 
Ιππάρχης   έπ'   ανδρών    388 

Α.  1 
"Ιππόονων  373 

καγκέλλον     (άρτάβη)     Einl. 

LXX 
κα-θ-αρά  (γη)  235 
καϋ-ήκοντα   (τα)    187    Α.  7; 

252,  5 
καΟ-ολικός    157;   162  f.;  69-, 

202;  210 
Καισάρειοι  47;  51,  3;  169 
καλοί  καϊ  πιστοί  155 
κανονικά  222 
καρπώνης  429 
Κασιώται  196 
καταγραφή    τών    συντελου- 
μένων 237;  257 
καταλαμβάνειν      (kommen) 

255;  420,8 
καταλογείον  167  f. 
καταλοχισμός  (τέλος  κ.)  305; 

372 
κατάπλους  95,  4;  110 
κατασπορεύς  335;  389,  10 
καταστέλλειν  18  zu  10 
καταφύτενσις  339 
κο;τοτ;^ωρί^ε4ν  204 
καταχωρισμος  βιβλίων  263; 

276 
κατέχειν  47  zu  15 

—  (κλήρους)  336 


Ι.  Wörterverzeichnis. 


431 


■κατοιχίχη  γη  303;  315 
■/.aroiTiOL  bl ;  281:  304;  38δ; 

397  f. 
ν.άτοχοί  102;  98;  130  f. 
Κάτω  χώρα  (=  Delta)  35f. ; 

51  zu  32,  8 
■/.Βράμων  Einl.  LXXI 
■κέφαλαιωτης    (capitularius) 

41(• 
χεφαλι]    i'caput)    221     (vgl. 

Nachtr);  236:  390 
■/.Βχωρίΰμένη  τιρόαοδος  147; 

278 
•/.ηποτάφία  328  Α.  δ 
γ.λήροί  282;  384 

-   έχ  ν.ληρον  303 
•/.λι'ιρος  (=  Grundstück)  31δ 
■/.ληρονχίαι  (mit  Nummern) 

304 
χληρονχι-κη  γη  271;  280 ff.: 

303  tf. 
ν.ληρονχοι  ί8  "ff.;  304;  384 f. 
xAtVrj  des  Sarapis  133 
■/.ολωΐ'ία  403 
■/.οΰμητής  I39ii'. ;   143 
■ΛοτνΙίζειν  311 
'κονμονΧα  3«0;  433,  21 
■/.ράτηαις     Καίααρος      Einl. 

Lvm 

ν,ρι^οΧογίΙν  508 
χρι^όηνρΟξ   1ί)8,  11 
y.rf^μu  28δ;   306 \  399 

τηνοτρόφοι  (Gilde)  440 
/.τΐ]τωρ  (possessor)  220 
/.νχλοι  (Jv  τοις  χ.)   340,  24 
/.νλΐϋτοί  513 

/υνη•/οί  (Elefanten  jilger)387 
/.νρια-κυς  λόγος  277,  16 
^ι'ηίος  G7 

(ι)μάρχαί  Si 
/.οίμααία  03  zu   Ιό 
<'Λoμ^^,  οΐ  άηό  κ.  (Gemeinde) 
43;   292;   347;   39   zu  3; 
2S2 
/ι,ψητιχά  222 

")μογραμμαχίνς  12 ;  43 ;  193 
Aufhören  de«  84 

r.>/i oxarotxot  315  Α.  2 

ωμομια&ωτ•ής  274  Α.  4 

ι  ογραφία     68;     Η5;     174; 
187;   189;  ^51  f.;  340 


'■■ '-"t   201 

ίπιχίχρίμί- 

Λϋος  nόλ^μoς  1  ff. 
ηγία  (Dienstleietung) 
MM  Α.  4 
Χίίτονργίχαϊ  ήμίραι  94;  146 
Χ^ύχωμα  Eiol.  ΧΧΧΙΙ;   306 

zu  9 
Χηοτοηίαβχής  472 
Χίμίχον,  τό  90;  232 


λιννφαντεΐα  246;  30δ;  306; 
307 

λογιατήρια  179;  209;  277,22 
λογίοττις  80 
λο/ο/ραφο?  234 
λνχνα-ψία  176 

Μαχεδόνες  1δ 

—  (jüdische)  63 
^laOTiTccL  70 
μάχιμοι  382  f. 

μί^α?  (d.  Ältere)  305  zu  1 
μίΟ-'ετίρα  209,11;  212,24 
μείζων  (Beamter)  159 f.;  292 
zu  15 

—  (höhere  Instanz)  437, 19 
μελιϋαονργοί  252 
μερίζειν  (repartieren)  225 
μεριομοζ  Άδριανείον   120 
μετάό-εΰις      (von      γεωργοί) 

293 f.;  35S 
μετρεΐΰϋ^αι  εις  420 
μετρητής  Einl.  LXXI 
μητρότίολις  38  f.  Verschwin- 
den der  μ.  als  Gauhaupt- 
stadt 78 

—  =  Provinzialhauptstadt 
82 

μητροτίολΐται  40 
Μοήρις  153  zu  8 
μοιρααμός  237;  254 
Movi]  Χαιρέου  434 
μοσχοαφραγιοταί  126;  ilti 
Λ/ωα/αρίΓαι  284,  15 

νακόρο?  (Hazzfm  der  Syna- 
goge) 80 

Navuia  129;  134 

ναύβιον  Einl.  LXXII;  330 
A.  5;  334;  336 

νανχληροι  377 

T'faju'öxot  140;  21  zu  50 

ί/ίόλίκτοι  4  09  f. 

νίτρον  252  f.;  322 

νομάρχης  9  Α.  6;   10;  88 

νόμοι  von  Naukratis  61;  44 

νομός  78;  90 

ξ^ιο?  20 
ξνλα  253 
(vZoi/  (Maß)  834;  88» 

"Οααις,  ή  ΜΒγάΧη  281 

—  η  Λίιχρα  7-2  ζα  19;  379 
οίχονόμος  160  f.;  157;  199 

—  Καίααρος  168;  ^(^7 

—  τοϋ  βαΰιλίως  161;  ί96 

—  αιτιχών  161;  /6'.s 

—  reines  Dorfes)  161;  20 ί 
οίχος  7[όΧ»ως  808 
όμηριαταί  120 

όμοΧογοι 

69Γ;  h,.  »..;     <.ί 

6μ61ογθ9   ^UiihetitritU'U,  •Ί- 

fonbar)  207;  874,  49 


ονηΧάται  (Gilde)  377 

ό^νς  δρόμος  (cursus  velox) 

374 
όριοδείχτης  230,  5;  240 
ορχος  βαϋιλιχός  107;  139 
όρχωμότι,ς  141 
όρον  διδόναι  39  zu  15 
ορός  (Wüstenrand)  498,  2± 
ορρια  (horrea)  234 
Όοαραη^ρος  106 
'0(Τίραντίνοο?121;  123;207^ 

20 
Όοοράπις   101;   ΙΟδ;  112 
ονετρανός     χωρϊς      χαλχών 

398;  399  f. 
oiöiai  154;  158;  163;  298; 

302;  816;  208  f. 
ούΰιαχη  γη  298  ff. 
οναιαχης  Ιόγος  1 54 ;  163 ;  299 

παγανιχαϊ  ανντέλειαι  150 
ηαγάρχαι  83;  232 
ηαγαρχονμεναι  (χώμαι)  88 
παιδαγωγός  164 
παιδάριον    (Sklave)    29  ζτι 

11;  84 
παίδες  Άντινοιτιχοί  52 
ηαιδίαχη  (als  Konkubine) 81 
παις  (Sklave)  110 
παλαίοτροφνλαχες  179 
πάπας  (Dorfpriester)  156 
παράατααις  354 
παρεπιδημονντες  40;  66;  52 
παροχή  358 
παρουσία  356 
πατήρ  Άντινοϊτιχών  παίδων 

45  ϊ. 
Πατρικά  60 
πατρώνιοοα  253 
πατρώοι  »εοΐ  144 ;  147;  148 1 
Παώς  22;  264;  18 
ΛΒν^ ήμερος  (Fronde)  884 
πενταετία  223 
περιγραφή  2ββ,8;  207,10. 

Vgl.  277,  7 
ηεριοάΒνχιχά  23β;  287 
πβρ/ο^οι  55  (vgl.  Nachtr.) 
πι)χνς     οιχοπΐδιχός     Eini. 

LXXII 
ηΧάγιον  142;  171 
πΧάξ  78  ιη  6 

xZtv^ffa  in  Antinoopolii  60 
πλίνθοι  268;  816 
πΧοΙα  264 

9τόίΙΐ(  —  Alexandrien  9;  84 
ποΧίΧίία  78 

«ox/r.Tun   ΙΑ;  S4;  68;  628 
rtn  y^Kurialen)  «9 

//.. 

η  Ορο,;    ;»4JI 
.Ti»ti(j  ι•ριχ  j|    l'.'i  1 

Ttotiifinn  x'λ^.x^^^    •1'.*2  ;    !IU(1 


432 


ί.  Wörterverzeichnis. 


Λραιπόΰι,τος  "Λαγού  77;  66 

—  ΐΛατριμων^^ι^αλίων  311 
Λράκτωρ  ptol.   18δ 

—  röm.  212 f.;  54;  263 ff. 
Πραμαρρής   107;   10   zu   3, 

15 
Πραμήνις  106  f. 
υιρίοβντεροι  (christliche)  157 

—  γεωργών  43,  2;  275 

—  της  κώ/χη?  43;  84;  217; 
Jf5;  272 

—  (priesterliche)   114;  127 
τνρογραφού  (Proskriptionen) 

31 
'Λρόεάρος   (Kurialpräsident) 

79 
τΰροεατώτες  (d.  ονΰίαή   365 
ηρονοψαί  (imPatrimonium) 

158;  208 
^ροΛολιτενόμενος  79;  68 
■προΰάγειν  338 
Ίίροΰαγορενΐΐν  77  zu  22 
Ίΐροξ    άργνριον    und    τΐρος 

χαλ-κόν  Einl.  LXIII 
τίρόΰγραφον  252,  1 
τΰροβενχαί     (jüdische)     24; 

112;  78 
τίροβ-Λνντιμα  in  den  Briefen 

122 
■πρόοοδοξ^  ό  iitl  των  τίρ.  149 
■κροΰόδου  γν  296  ff. 
Ίίρόβημον  193 
'ΛρόΰωΛον  Ttoislv  (vertreten) 

419,  29  f. 
Λρντάνευς  40;  42;  47 

—  in  Ptolemais  48 

—  Aufhören  des  Titels  79 ; 
68 

ίίρωτοΆωμτιτοίΐ  84 

ξόγα  363;  284,15;  298,2 
^Ρωμαίοι  54  zu  9 

ϋατιέλλα  234 

ϋαλάρεων  264 

σανρήται  97 

ατιμεΐα  der  Opferstiere  114 

Asiicpiov  254 

ΰιτηρέοιοί    (frumentationes) 

365;  425 
οίτική  ό~^7ρο:φη  179;  181 
βιτολόγος    153;    161;    181; 

2211 
ϋτίοίφείον  244,  3 
^ν,εηάζειν  (ρ  atronisieren)3  7  5 

Α.  6;  92  zu  60 
σκ^Λη  275;  323 f.;  37Ö  Α.  6; 

327  Α. 
Σ-κΎΐναϊ  Μάνάροα  37 
οκυτάλτι     (Abstreichholz) 

279,  δ 
βτίύρματοί  (Aussaat)    343 — 

346 


6τα0•μοί  386 

ΰταΰ'μονχος     (Inhaber    des 
οτα&μός)  386  Α.  1 

—  (Hauswirt)  205,  26 
ΰτέμμα.    έτιϊ  των  ατ.  143,  6 
ατέφανος  283 

ατίχοι  255,  5 

στρατ/]705ΐ1;37;42;  77;  ^7 
ατρατηγος  της  πόλεως    14; 
47 

—  ήτοι  έ^άκτωρ  77;  67 
στρατολογία  467 
6τνπ%ιον  254  (vgl.  οίηπιον 

478,  18) 
ΰτνΛτηρία  254;  321 
övyysi^aig  als  Rangtitel  7 
συ/ΖΡ'^φοφ'ϋλο:!  ί 6' ;  17  zu  30 
ον^κολληίΤλμο:    Einl.   XXXI; 

195 
ανμβονλος  (=  Khalif)  89 
ανμμορίαι  der  Epheben  142 
ΰνναγοράξειν  356  ff. ;  359  f. 
οννάλλαξις  275 
οννδι-Λος  in    der   Stadtver- 
waltung 57;  ö5 
οννέφηβοζ  139;  i7P 
öWii'Ö'ftcii.  222;  15 f.;  283 
ου^/κατά'θ'ίίίΐ?  111 
ΰννοδος  Σεβαοτη    l'J2;  i45 
αννοΊ^ις  85 
οννταγμα  389 
ffvi^TTalig  (Kopfsteuer)   172; 
200;  288 

—  der  Priester    112;  128; 
109 

ΰυντίμτιοίς  176;  250 
Σνρία  Ο'εός  113;  134 
ϋνοταοίς    (Vollmachtsur- 
kunde 263 
ΰνβτάτης  353;  46,  10;  403; 

405 
ΰνΰτατίν-αί   (seil,  έηιβτολαί) 

100  zu  19 
6ώμα  (Person)  79  zu  7 
βωματίζειν  225,  13 
ϋωματίκός  ορ%ος  142 
Σωτήρες,  Ο'εοί  99 

ταμιαν,αϊ  ουΰίαι  154f. ;  311 
ταμιείον  154;   162;  219 
ταμία?  40 

—  (städtisch)  167;  227 
τελώνίον  223 

τετάρτη  (Leuke  Kome)  172 

Α.  6 
τLμή  (Ehrensold)  497, 18 
τιμονχοι  in  Naukratis  13 

—  in  Memphis  19;  4S 

—  in  Antinoopolis  ?  82,2 
τοτνάρχης  215;  271 
τοπογραμματενς  12 
τότΐος   (Vereinsgrundstück) 

524 


τράπεζαι  (Banken)  152 ;  160; 

212  &. 
τρόφίμον(  Alexandriens)  368 
Τύχη  της  πόλεως  189 

νοφορβοί  235 
νηαίϋ'ρα  447 
νπάρχειν  386  zu  4 
νπεραίροντες  128 
νπερετής  197;  88  S. 
ύπενϋ'ννοί    γεωργοί    (Κοίο- 

nen)  451 
νπενΰ-ννος  (Bürge)  267 
νποβάλλευν     (vorschlagen) 

151 
υποάέκταί  230;  238 
ντΐοάέκτης  ήτοι  χαταπομπός 

67 
νηοδιοι-Ληταί  149 
υποχείμενα  37;  215;  121,9 
ντνόλογον  273 

—  ποίεΐΰϋ'αί  (υηϋ-ένα)  259, 
26 

νπομΐ6%•ωταί  300;  367 
υπόμνημα  172;  178 
νπομνηματίΰμοί    34;    55ff. ; 
104 

—  ihre  Sprache  86 
νπομνηματογράφος  6 
νπυατάϋεις  (Pachtangebote) 

274 
υποτελείς    27;    2461;    248; 

307 
υπουργοί  des  Khalifen  24, 4 
'Τιρηλή  36,  3 
νψίϋτος  (ό'εός)  112 

φαγονΐν  285,  9 
Φιλάδελφος,  ^-εά  99 
Φιλομητωρ  Σώτειρα  5 
φόρο?  προβάτων  320  unten 
Φοϋοατον  (=fossatum)  (Fu- 

stät)  89 
Φραμήνις  106 
φράτριαι,  16;  41 
φροντιβτης  (der  ουΰία)  378 
qpvyaiJ'eg  (arab.)  90;  4ί> 
cpυλayιΐτaι  411  ff. 
φνλάρχης  80;  ö7;  397,2 

χαλν,ος  ισόνομος  Einl.  LXI V 

—  ου  αλλαγή  Einl.  LXIV 
Χαραχήν,   Blemyerfürst  13 
χειρίζειν  272,  11 
χειρισμός  (Tempelinventar) 

128;  100  zu  11;  119 

—  (des  proc.  Neaspol.)  369 ; 
444, 11 

χειρογραφία      (Königseid) 
139-,  275,22;  344  usw. 
χειρωνάξιον  188;  288 
Χελκίας  25 


IL  Quellenverzeichnis. 


433 


XiCißccujOv  141 
χηνοβοοκοί  256;  363  zu  15. 
χιάζειν  245,  25 
χιτώνες  'Jqgivoltihol  267  Α. 3 
χοαχνται  112 
χηνσάργνρον  221 


χρνΰιχά  222;  235 
χρνΰοχο'ήιή  256;  318 
χρνοώνης  164f.;  234:  219ί. 
χωμ,ατΒΛείχτης  338 
;υωμαΓ£7ημίλητϊίί  335;  380, 
10/1;  415,39  (χωματοεπ.) 


χωματεργολάβοί  337 
χωματιγ,όν  331;  337 
;ίώρα  8 f.;  34;  χ.  (küra)  78: 
233  Α.  4;  291  zu  1 

'ήίηκριΰμα  391  zu  23 


IL  OUELLENVERZEICHNIS. 

Die  bisher  unedierten  Texte  sind  durch  einen  Stern  gekennzeichnet. 

I.  PAPYRI. 


P.  Alex. 

P.  Ausonia 

Berliner  griechische 

Berliner  Äriechisclie 

1     198 

2     222 

Urkunden 

iTkumlen 

2    241 

I 

II 

3     125 

P.  Berl.  Mus. 

162     91 

646 

490 

V.  Amherst 
3  a     120 
ÖU      0;   22 
31      101;   147;   IffO 
35     OS 
43     105 
δΟ,  5     27 

59  021 

60  2Ü1 
64     347 
G8     374 
♦ί9     100 
70     140 

75     189;  200 

77     277 

82     352 

h.J     230 

92     311 

9.{     314 

.4     347 

99,  1      198  A.  2 
107     417 
109     418 

124  152 

125  570 
137,21     370  A.  2 
139     400 

117     27» 
1  i '.     53 

*P.  ] 

L420     304 

176     83 

648 

300;  321 

Z.  Num.  XV     5 

180     390 

649 

428 

194     84 

650 

305 

Berl.  Bibl. 

235     399;  214 

656 

342 

1     420  A.  1 

250     87 

696 

893  ff.;  536 

4     115 

Berl.  Klassikertexte 

256, 23     401 

265  459 

266  245 

697 

III 
321 

V  (1)  S.  108  tf.     70 

277     257  A.  5 

715 

62 

S.  117  ff.     70 

287     124 

747 

35;  55 

VIS.  129  tf.    132  A.  7 

291     304 

760 

150 

324     219 

838 

200 

Berliner  irriechisehc 

325     472 

836 

471;  224 

Irkunilen 

333     489 

842 

496 

i 

387(4-1)  92;217A.3 

847 

400 

1( 

;-μ  337)     92 

347     70 

909 

3S2 

8ll26flf.     170 
9I-II     293 
11     239 

356     88 
358     240 

925 
927 
935 

37 
178 

70 

12 

889 

11 

986 

128 

15 

393 

362     90 

954 

138 

16 

114 

372     19;  CO 

969 

836  f. 

18 

398 

385     1(10 

972,  : 

l      70 

21  II  3     221;  290 

419     373 

974 

423 

2δ 

270 

423     480 

992 

102;   147 

27 

81 

445 

870 

457     252 

462     870,   1δ5  Α. δ 

478     480 

998 
1008 

107 
880 

85 

345 

1011 

β 

92 

427 

51 1-fCair.  10448  14; 

97 

204 

4δ 

IV 

Anh.  f.  Pap. 

108 

184 

512     802 

1088 

29 

I  59  if.     1 1 

105 

840 

δίδ     208 

1026 

422 

II  80    410 

106 

174;   Ιδδ 

684     191 

1027 

424;  229  Α.  2 

II  81     304 

108 

227 

648     120 

1082 

402  Α.  4 

II  82  fr.    224 

113 

458 

660     64 

1088 

401;  408  Α.  1 

III  840     72 

115 

203 

66S    224 

1086 

88 

III  841     78;  86 

121 

1S4 

662^666     207 

1046 

268 

IV  122(8traflb.)  222 

189 

225 

679    279 

1047 

tlOiiOO;  »78 

IV  128     52 

140 

54;  80;  891 

609    868 

1062 

276;  r>4 

1*.  ANhnoIfan 
241  A.  7 

112 

1  13 

455 
454 

614    87 

eso     186 

1068 
1073, 

«2 

.  1" 

I  19 

93 

6S8    36 

I07H 

5ίΐ 

Atfn«  f)  Uumn 

\:,r, 

175;    Ιδδ 

616    21 

1079 

00 

Vn  124,11      12ύ 

169 

408 

628  Ver-M  TT     402 

itmo 

478 

MllUli-Wlloken: 

OruodtOg«  I 

\ 

ίκ 

434 


Π.  Quellenverzeichnis. 


Berliner  grlechisclie 

Urkunden 

IV 

1084  146;  140  ff. 

1087  343 

1132  63 

1137  112 
1138, 4  37 

1140  58;  141,1 

1151  63 

1188  385;  388 

ßibl.  Nat.  Paris 

Achmim     81 
*S.  gr.  910     392 

P.  Boissier 
13 

P.  Bremen 

*10  125 

*14  289  A.  2 

*15  zu  244,4 

34  352 

40  16 

*49  208  A.  2 

*73  238 

P.  Brux. 
1     236 

Bull.  C.  Hell. 
21,  141     12 

Cairo  Cat. 

67  001     84 

67  002  119     60,2 

II  23     150 
67004     69;  134 
67  009     69 
67019     231 
67  020     261  f.   (vgl. 

Nachtr.) 
67  021,8     150 
67031,16     87 
67  032     Einl.  LX 
67  033     282 
67  040     283 
67  054     222 
67  056     Einl.  LXVII 
67057     222;  228 
67  060     297 

Cairo  dem. 

30  698     100 

Cairo  Preis. 
4    379 
8    240 

P.  Cattaoui 

I  col.  III  11  ff.     402 

II  416 

*P.  Christiania 

ehrest.  VI  zu  146 


Class.  Piniol. 
I  174  X     218 

Compt.  R.  1905 

S.  169ff.    27;28;13; 
47; 51; 345 

CPHerm. 

6  370  A.  3 ;  522 

7  366  f. 
28     302 

52  38 

53  39 

54  157 
59     151 

86  195 
94     194 

97.  8  ff.     348 
102     296 
119  Κ  VII     377 
119  Verso  3     158 
121     187 
125  II     40 

CPll 

18, 61     60 

19  78;  311;  316; 
320 f.;  322;  66 \ 
447  zu  9 

20  402;  143 
33     421 

64     108 
224     111 
233     42 
243     367 

P.  Edmonstone 
134 

P.  Eleph. 

1  135 

2  97;  135 

7  319   oben 

10  182 

14  340;  112 

28  451 

P.  Fay. 

18  (b)  440 

21  113   zu  85, 15 

23  (a)  4661 

24  32 
30  214 

35  264 

36  316 
85  218 

87  308 

88  308 
93  317 
96  313 

106  395 
132  485 

137  121 

138  95 


P.  Flor. 

2  VII  401 

3  391 

4  206 

7  218 
20  359 

32  (b)  228 

39  405 

54  312  A.  3 

57,67  0'.  143;  140  ff.; 

345 
64  310 

71  51;82,2;310ff.; 
314;  316f.;  322 
75  433 
79  145;  140  ff. 

*Florent.  ined. 

341;  206;  303;  306 

P.  Gen. 

7  80 

14  132 

16  354 

33  211 

36  85 

37  400 

38  366 

45  464 

46  410 

51  405;  410 

54  409  A.  4 

66  381 

70  380 

73  496 

81,  19  294  A.  2 

Gen.  lat. 

I  369;  393;  396 

F.  Giss. 

3  491 

4  351;  206 

II  444 

17  481 
20  94 
24  15 
27  17 

40  I  56;  62;  116 

40  II  16  ff.  22;  61; 

158;  367;  31; 
235 

41  18 

47  326 

48  171;  157 
54  420 

P.  Goodsp. 
3  50 

10  113   zu  27 

11  421 

12  253 

14  380;  510 


P.  Grenf. 

I 

42 

447 

43 

57 

45 

200 

46 

200 

48 

416 

49 

248 

53 

131 

63 

233 

II 

15 

106 

23 

159;  i>  zu  3, 1 

37 

169 

39 

310 

41 

2181 

46  (a)    431 

56 

226 

67 

497 

73 

127 

77 

498 

so- 

-82    410 

ll  1 

135 

P.  Hamb. 

6 

320 

12 

235;  206  f. 

18 

60 

P.  Hartel,  Gr.  PapER 

S.  7 

•0     72 

P.  Hawara 

401 

254  zu  1 

P.  Heid.  III 
6  256 

P.  llibeh 

27  109 

28  25;  IG 

29  259 
33  243 
49  241 
54  477 
59  302 
67  306 
78  338 
80  290 
85  103 
89  104 

97  135 

98  441 

110  Verso     435;   : 
148,4 

J.  Hell.  Stud. 

22,  272     71 

P.  klein.  Form. 

n.    343     142 
n.1003     Einl.  LXI 


II.  Quellenverzeichnie.  435 

Ρ.  Leid.  Ρ.  Lond.  Ρ.  Lond.  Ρ.  Oxv. 

G-K    113  II  IV  ΐΓ 

Ζ     6;  69;   75  S.  100/1      878  Α.  ö  1360,  δ     233  246     247 


473 

475     4ί)4 


111 

140  ff. 


S.113,4     102  1380     285  252  _.. 

Ρ.  Lille  S.117(oben)    50A.5;     1394     335  255  201;  54 

1       Eml.  L\ai;  333  s.117/8     272  [305     1420     237  257  147:140ff. 

3  m  55-61     301  S.118  9     263  1460,1461     233;  258  216 

^     '^^^  S.  129  ff.     234  ehrest.  VI     275  324 

1^     ?3''  S.143     57  ^,  276  379A.  1;5^1 

19    le^  S154  5    495  P.  Lonvre  279  348 

23     180  S.159  60     358  10^94     10_  33-  g., 

27     100  S.160  1     267 

P.  Lips.  S.161     177 

30     500  S.184     315 

34U.35     405  S.186/7     102  -26     ^inlLXXI  l^^  ut 

54     467  S.  189/90     356  28     33H  l]l  "*' 

Ol     187  S.191     323  35     56  ^  j]; 

62  111-16     188;  S.192  3     353  gg     305  Ι^  f/ 

EiDl.LXVII  S.  193/4     312  ^1 -{- 1     442  I94  14 

63  224;  363;  405  ^.209  31;  53  ftlH  iSÄ.  ift«.  ißO 
6«  ogi'  '  S.226ff.  60  P.  Μέΐ.  Nieole  oj»  183,  15b,  I6O 
65     404  S-257ff•.    EinLLXIX     S.   58  ff     61;  396         öj^  ol3 

It     Γ2Ι  S.273     44  S.190     220  5  402;.-, 

97    Einl.  LXIX;  S.285    322  P.  München                        ^,. 

315;  316  f.  ^-287     1<0  »gO     388                                         '^ 

99,18     315  A.  2  S.295/6     468  *-g     414  Α  2  705,  1  ff.     153 

101     311;  314  §.299     129  .^     *^^/•  '  705, 54  ff     407 

103     2bl;Ur                             III  105     470  ^^^  432;  ^^ί  zu  12 

105     237;  207  .       7     2;^^  Arch.  Ι  483     100  Vil  ?f ;.  ^^ 

121     173;A?^;^;Ji-  s    69     204  «  ^  ^^^  ■*•^** 

313  S    71     48    49  P' 9^^  ^^^  ^^3' ^ 

123     60  S     71ff      402f  ^  ^^^  ^^^ 

ς     qi%7l  33     20  719  53 

P.  Lips.  Inv.  g-^:J     -IJ  36     273  720  5.96x111 

'281     469  %']^l     ?»^  39     456:  34  721  369 

'362     77;    80;    353;  S},^/W.  ^1     45  724  140 

67  S.JJO/i     3.,  ^2     154  727,11     34 

*483     503  %;]J   Ji  43Recto     406  747  487 

*561     217  l\lm     Λ70.ιηι         *»  Verso     474  ,, 

•Ined       415  b.  123/4      HZ;  101                    ,,-..                                               >  I 

inea.     415  g^26     202:   65;  31       !*     li^  S89  m. 

F.  Lond.  S.  127/8     425;  57             l;     J*       ,,..  S90  280 

1  S.128f.     86,2  U.3  2^     \!.^''  ^  S92  40 

S.   29ff     97  8.131     325  ^Ι     fJii    ,,  ,  sni  213 

S.   41     148  8.134/5     355  ^°     ii'  >^9•>  •** 

<.   4H     136;  18  8.139     370  ""    **  h'.m;  48 

S.    49     221  S.161, 5  ff.     61  l\     iz\  SIM)  II  29     72 

S.  142  ff.    404  8.168, 6     118  ^T     tl?  "^'-^'^  -^^^^ 

S.noff.    Einl.LXVI  8.181ff     193;  62  ?!     \i%  <»(.o  437 

1  -Jff    Einl.  LXIX  8.206     117  °;     }i2  '»Ol  Hl 

J2     286  8.213     488  2,     ί«"     ..-•  '•'>'-  ^ί.2 

»Ί     24  8.216  ff.     156  l\    Ι"'  ..oh  426 

^       Jff     HM  8.228/Ü     466  °;     J'V  '.»1Γ,  |S5 


II 


L'f>2 

-      63  IV 

l.lJitr  201  A.S     1881     288 

S.   56     194;  .'.'iO  1886,7     286 


S.   03/4     20H  138H     SM  126     1  HO;  166  Yll 

S.   77/8     212  1889     293  188, 8  ff     H4  1021     118 

S.  90    3Γ>7  1849    2H4  186    884  1022    458 

S.   97    844  1866    264  186    888  1026    408 

8.   99    448  1367    tW  HO    488  103u    80 

28• 


y:;o     I3s 
iKi:.    119 

929      I2N 


436 


Π,  Quellen  Verzeichnis. 


Γ.  Oxy. 

P.  Petr. 

P.  Teb. 

P.  Teb. 

VII 

III 

I 

II 

1031     343 

32  (f)     262 

5, 

6  ff.     27 

296 

79 

1033     47« 

43(2)111    387 

5, 

22—35     260 

298 

90 

1065     120 

56  (b)     139 

5, 

50—84     65 

302 

368;   35f.;  114 

VIII 

1101     408 

1103     465 

1111     ehrest.  VI  zu 

1116     403         [202 

1119     397 

59  (b)     66 

5, 

77     112 

308 

319 

72     222 

5, 

85     Einl.  LXX 

313 

86 

72  (b)     242 

5, 

93—98     339 

315 

71 

144(4- Π  45)     1;  4 
Ρ.  Reinacli 

5, 
6 
8 

231—251     307 
332;  94 
2;  4 

316 
317 
325 

148;  140  ff. 

47 

412 

1134     Einl.  IX;  312 

49     207 

9 

192 

327 

394 

A.  1 •  451 

56     419 

10 

160;   12 

328 

347 

57     390 

17 

165;  150 

329 

219 

P.  Par. 

26, 

11—24     330 

334 

130,6 

5     261 

Ρ.  Revenue 

1—22  258;20;183ff. 
33     285  A.  1 

27 

331;  271 

353 

269 

18^-     499 
35     111 

29, 
30 

13  f.     12 
233 

357 
366 

372 
371 

37     111 

36—37     249 

32 

448 

368 

330 

öl     131 

60^'«     30;    13;    19; 

38—58     299 
56, 8     140 

33 
35 

3;  5;   106 
309 

369 
374 

359  A.  3 
349 

341  unten 

6o'    Einl.  LXTTI•  13 

38 

303 

376 

350 

62     Einl.  LXIV; 

73—78     181;  152 

40, 

24     248  A.  3 

397, 

18  ff.     40;  47 

180  ff.;  244 

86  10     139 

42 

328 

407 

123 

63     277 

87—107     245 

44 

118 

416 

98 

63,  38  ff.     140 

48 

409 

566 

62 

63,177     171 
66    385  * 

P.  Rylands 

50 
57 

329 
69 

P.  Thead. 

69     4l;34;38;39A.l 

Ined.     226 

58 

287 

22 
9^ 

410 
410 

ed.  Haussoullier  461 

P.  Schow 

60 
61  ( 

272  f. 

;b)  194  ff.     274 

41 

ehrest.  VII 

P.  Petersb. 

335 

63 

333 

Theb.  Bank 

7  +  Berl.Bib.5  82 

82 

232 

I-IV    400 

13     155 

P.  Straßb. 

84 

264 

1(2) 

74 

P.  Petr. 

9     223 

85 
86 

87 
88 
92 

264 

264 

231 

67 

377 

P.  Tor. 

I 

42     210;  72 

8,21 

r    27 

Introd.  S.  43     55 
II 

45     220 
57     468 
graec.  60     77 
*graec.l78  205  A.  4; 

Α     . 

P.  Vat. 

130  i. 

Introd.  S.  33     244 
2(1)     337 

103 
124 

288 
385;  388 

Wessely, 

8     450 

267 

210 

327 

k 

5pec.  scr.  gr. 

10(1)     357 
11(2)     223 
12(1)     449 

graec.  1105     89 
*ined.     200 
*ined.     428 

247 

23 
II 

11,21     176 
12, 26     122 

Wien.  Denk. 

20     166 

281 

289 

42  S.  9  A.  2     220 

25     374  A.  4 

Stud.  Pal.  I 

287 

251 

46  IV  S.  4     7 

27(1)     250 

S.  271•.     209;  144 

288 

266 

P.  Würzb. 

29  (b)     334 

S.28,26     104 

289 

271 

*T__ 

38  (b)     300 

S.  64,  142  f.     59  f. 

291 

137 

meu.     SU ;  *ö ;  ου  i. ; 

40  (a)     452 

S.  68  f.     401  f. 

292 

74 

OfO 

45  +  III 144     1 

S.71     61 

293 

75 

ρ.  Zois 

46     110 

S.  74,  545     198 

294 

78 

115 

150 

IL  ANDERE  QUELLEN. 

1.  OSTRAKA. 

*Leid.     376 
*Leipz.     139 

Wilcken,  Ostr.  II  43 
291 

2.  HOLZTAFELN. 

Cairo  9522     261 

*Louvre  9004     413 

—  II  702     209  zu  2 

Cairo  29  807     212 

*Cairo  9577     213 

*Straßb.  234     308 

—  II  801     292 

Cairo  29  811     457 

Fay.  23     224  A.  5 

*Straß.     412 

—  II  1150     140 

Vgl. 

auch  S.  34;  39 

Lamer     110  Α 

Wien.  Ak.  Anz.  1910 

—  II  1372     414 

Alexandrien     463 

*Leid.     213 

291 

II.  QuellenverzeichDis. 


437 


3.  INSCHRIFTEN. 

Äg.  Z.  47,  157     200 
Ann.   d.  Serv.   1908, 

231     51 
Berl.  Mus.  10  592 

(Bronze)     375  f. 
Ball.Soc.Arch.12,87 

146 
Cairodem.31088  13S 
Compt.  R.  1908,  772 

70 
CIG  m  5041     116 

—  III  5069     73 

—  III  5080     4 
CIL  III  75     115 

—  III  79     115 

—  III  0580     394 

—  III  6583     54 

—  III  6627     394 

—  X  3377     065 
Dittenb.Or.Gr.54   96 

—  56     95 

—  132     264 

—  176     141 

—  178     142 

—  179     16S 

—  188     163:   151 

—  664     129 

—  065     209 


—  674     210;  121 

—  703     49 

—  709     61  f. 

—  726     78 

—  737     18 

Edikt  d.  Jul.  Alexan- 
der 35;  208;  209; 
286;  340;  307 

Lex  col.  Jul.  Genet. 
98     336 

Rosettana     21:  27: 
95;  245 


4.  AUTOREN. 

Apuleius,  Apol.  (ed. 

Krug.)  89     248 
Aristagoras  von  Mi- 

let     18 
Ps.  Aristeas  §  109 

26  f. 
Arietot.  Polit.  I  4,  6 

239 
Pb.  Aristot.   Oec.  II 

1,4     170 
Arrian,  Anab.  3,  5,  4 

182 
Athenaeus  IVp.l49D 

12  f. 


Cicero   in  Verr.  aet. 

II  1.  II  §  32     306 
Cod.  Theod.  7,  0,  3 

220  f. 

—  11,24,6     59;  89 

—  13,5,7     510 

—  14,26,1     508 

—  15,3,5     337 
Dig.  1,  66,  6,  3     358 

A.  3 

—  27,  1,  2     167 

—  39,  4,  16  §7     321 

—  50,4,3,15     351 

—  50,  5,  1  pr.     353 
Dio  Cass.  47,  17,  1  f. 

480 

—  57,10,6    208;  222 

—  77,23     38 
Diodor  17,  52,  6    173 
Evang.  Luk.2,1   235 
Herod.II18    37P  zu  4 

—  II 28     J48zull7, 

10 

—  II  37     145 

—  II  38     114 

—  II  42     104 

—  II  84     162 

—  II 148  107  A.  2 

—  Π  171  i4.Szull7, 

10 


Horaz,Sat.l,5,46  358 
Isid.  Pelusiot.   ep   I 

489     85 
Juatinian.  Edikt  XIII 

75:  371;  380;  211 
Justinian.    Nov.    47 

Einl.  LIX 
Justin.   Nov.  128,15 

Einl.LXX;  —128, 

16.5^Γ  oben 
Macrob.  sat.  1,  7,  14 

102,  4 
Pausanias  1,9,3   22 
Philo  inFlacc.ll^^f. 

—  10     222 
Plin.Trai.ep.6f.  58,4 

—  ep. 10     39 

—  ep.  29     536 
Polyb.  5,  58     3 
Satyros     16 
StraboIIp.118    265 

—  XVII  p.  797     16; 
46;   154 

Suet.Aug.  18     333  f. 
Tac.  annaL  II  59  490 
Veroneser  Verzeich- 
nis    72 
Vit.Marci9,7if.  248 

—  23,8     113  A.  3 
Vit.  Probi  9,  3     334. 


Verlag  von  Β.  G.  Teubner  in  Leipzig  und  Berlin 


Einleitung  in  die  Altertumswissenschaft.  Herausgegeben  von  A.  Gerckc 
und  E.  Norden.     3  Bände.     Lex.-8. 

I.  Band.     1.  Methodik  (A.  Gercke).    2.  Sprache   (P.  Kretechmer).     3.  Antike   Metrik 
(E.  Bickel).    4.  Griechische  und  römische  Literatur  (E.  Bethe,  P.  Wendland  und 
E.  Norden).     [XII  u.  588  S.]     1910.     Geh.  ,K  13.—,  in  Leinwand  geb.  Jl  15.— 
II.  Band.     1.   Griechisches   und  römisches  Privatleben    (E.   Pernice).     S.  Griechische 
Kunst  (F.  Winter).   3.  Griechische  und  römische  Religion  (S.  Wide).    4.  Geschichte 
der  Philosophie  (A.  Gercke).   5.  Exakte  Wissenächaftcn  und  Medizin  (J.  L.  Ileiberg). 
[Vn  u.  432  S.]     Geh.  .H.  9.—,  in  Leinw.  geb.  JL  10.50. 
III.  Band.      1.    Griechische    Geschichte    (C.    F.    Lehmann -Haupt).      2.    Hellenistisch- 
römische   Geschichte    (G.    Beloch).      3.  Geschichte    der  Kaiserzeit  (E.  Kornemann). 
4.   Griechische    Staatsaltertümor   (B.    Keil).     5.    Römische    StaatsaltertUmer   (K.   J. 
Neumann).     6.  Epigraphik,   Papyrologie,  Paläographie   (B.  Keil),    [ca.  20  Bogen.] 
Geh.  ca.  JLÜ. — ,  in  Leinwand  geb.  ca.  JL  9.50.     [L'nter  der  Presse.] 
Bei    Bezug   aller   3  Bände    ermäßigt   sich    der  Preis  auf  ca.  JC  25. —  (geheftet)  und 
ca.  JL  3υ. —  (gebundeu). 

Das  Werk  will  zunächst  dem  Studenten,  aber  auch  jüngeren  Mitforschern  an 
Universitäten  und  Gymnasien  ein  Wegweiser  durch  die  verschlungenen  Pfade  der  weiten 
Gebiete  der  AltcrtumswisBcnschaft  sein.  Den  Blick  auf  das  GroUe  und  Ganze  unserer 
Wissenschaft  zu  lenken,  ihr  die  möglichst  gesichert  erscheinenden  Resultate  der  ein- 
Eelnen  Disziplinen  sowie  gelegentlich  die  Wege,  auf  denen  dazu  gelangt  wurde,  in 
knappen  Übersichten  zu  zeigen,  die  besten  Ausgaben  wichtiger  Autoren  und  hervor- 
ragende moderne  Werke  der  LcktQre  zu  empfohlen,  auf  Probleme,  die  der  Lösung  noch 
harren,  aufmerksam  zu  machen  und  somit  ein  (Tesamtbild  unserer  Wissenschaft,  ihrer 
Hilfsmittel  und  Aufgaben  zu  liefern:  das  sind  die  Ziele  <lea  Werkes,  das  durch  die  Mit- 
arbeit von  Gelehrten,  die  sich  einen  Namen  in  der  Wissenschaft  erworben  haben,  zu  dem 
Haupt-  und  Grundbuche  der  klassischen  Altertumswissenschaft  werden  dürfte  und  das 
als  Führer  und  Berater  nicht  bloß  während  der  Studienzeit,  sondern  auch  im  praktischen 
Lehrberuf  dazu  beitragen  wird,  die  sich  leider  immer  vergrößernde  Kluft  zwischen 
Wie«^enschaft  und  Schule  zu  vcrriogern. 

Zu  dem  Werk  wird  nach  Drucklegung  aller  :)  Bände  ein  General-Register 
hergestellt,  das  jedem  der  Bände  unberechnet  beigegeben  werden  solL  Für  die  Bände 
I  und  II  wird  dieses  Register  den  Besitzern  gratis  nachgeliefert;  die  Bände  erhalten 
einen  Falz  angefügt,  in  den  das  Register  leicht  eingehangeu  werden  kann. 

Die  hellenische  Kultur.  Darfrestellt  von  F.  Itaum^arten,  F,  Foland, 
R.  »'aguer.  2.,  vermehrte  Auflage.  Mit  7  farbigen  Tafeln,  2  Karten 
und  ^^egen  400  Abbildungen  im  Text  und  auf  2  Doppeltafeln.  [X  u. 
491  S.l     gr.  8.     1907.     Geh.  JC  10.—,  in  Leinwand  geb.  .M.  12.— 

„Denn  os  sei  nur  (rloirh  liorr»n«po'iagt,  dnß  c?  ein  ganz  ausgezcichnotee  Buch  ist,  das 
uns  die  «1  Arbeit   gesch'  Was  da• 

Buch  ati-  charaktcri-!  heinangen 

in    den  V'  .    di-'  Gcsclii'  .   m  die•«  ca 

sauberen    i^iii/.cld..irit.cUuiig(.u  i    gogeusuiüg    urgänsen    und 

schiieeiich  zu  einem  wirkung^m  -)iUe&en.     Dean  glQoklicher- 

wcMHo   wurde    nicht    über    EinzclL  „  ι.•η    Zusammen hnni;   »li-r    Kr- 

«fli.  iniingen    klarzulegen.     Hierzu    ki>iuml,    Uaü    du;   Verfa»ser  es  auch   v.  -  tio 

-  .^  :i  wollen,  klar  und  in  fesselnder  Weise  zum  Ausdruck  zu  bringen.    B<-i  ι   n«! 

«•-•i    liier  jener  Partion  g^daclit,  die  die  Kunst  bohandoln.     Es  ist  ein  wi'  ,  .h' -ii, 

den  Ausfuhrungen  de»  VorfasHors  zu  folgen:  nirgend«  Phrasen,  nir^:.  μ  i  l  .  iik.  ri  mit 
Gelehrsamkeit,  nirgend.•«  uimi<-l<or«»^  ifin-  und  Hnmohw.inkon  Im  Hrt.  :1,  vi,  i•  .  r  i!.  γλΙΙ 
Π••1,..ν.>11..Η   V.TH.-Tik.-n    in     1  "        '  '  ''    -       V'     •    -    -.    ,Ιλ-    U.    ■••.'.1  :.1i,.    i•, 

<l»iii    (;.•Ι.ι1.|.•ιι   .l.T    K.uiHl      .  •■    ■    ■    :.     ■    i:     .  i!     !•••  1 

Jtnd.n     wii«H.-li!4.:liuftl>oli.T  ..hh.  h^..      m>;1     !..u..  .s 

Kunitiinn    gepaart  ist,     B•  '■    !t.u.  h    .li.•  ganz.    \  -γΙγ.ΊΤΙκ  ho   Aunwalil  .lo^    HtUlor- 

•chmucke•.'*  (/.eltfcflirllt  fiir  die  iistrrreirhiarlien  Ι•]γμβι<ι»4.) 

iteschlchte   des   hellenistischen   Zeitalters.     Von  J.  Kaerüt.     gr.  8. 

.1  lUlnde.  I.  Band:  Die  Grundlegung  ilca  HclleuiemuH.  (X  u.  434  S.J 
1901.  Geh.  .tcn  —,  in  Halbfranz  geb.  .tC  14.—.  II.  Hand,  1  HnlOo: 
Da»  WeRcn  des  HelleniHmuH.  (XII  u.  430  S.]  1909.  Geh.  .li.  12.— , 
in  Halbfranz  g«*b.  JC  \^. — 

KnT^t  y«t.t  fiir^Oiidi  einer  8ohirlerigk*U  »u«  «lam  W•«•,   nmatohU«  hat   «r  vor 

die  MAgUohk«lt«n      •'—        '      M•   -L     -. Tr>\f\ 

>  uea  Min  Μα•Ιια1( 

«•  der  letohl  Migen  <  '^ 

d<i.  d|<'SO  AoffAb•  MffAftM 

Im.  .,r  Mla  Werk,  dM  τοίι 

Μί4  Γ  dlM«  0«Mhtohle  AV 

»Icl  i'.rwaricii.    In    TurMhong   und    D»'  '■•    Iu)ikU    i«i    •ιο    .im    l.o 

drul«ndsto.  die  durohdaolitMti•  seit  J  (.  >ti•  Im  l.itfrar.  ZfalrilkUlt.) 


Verlag  von  Β.  G.  Teubner  in  Leipzig  und  Berlin 


Die  griechische  und  lateinische  Literatur  und  Sprache.  (Kultur  der 
Gegenwart,  Teil  I,  Abt.  S.)  Bearbeitet  von  U.  Y.  Wilamowitz-Moellen- 
dorff,  K.  Krumbacher,  J.  Wacliernagel,  Fr.  Leo,  E.  Norden, 
F.  Skutsch.  S.Auflage,  [ca.  500  S.]  Lex.-8.  1911.  Geh.  ca.  ./^i  10 .  — , 
in  Leinwand  geb.  ca.  JC  12. — 

„In  großen  Zügen  wird  uns  die  griechisch-römische  Kultur  als  eine  kontinuierliche 
Entwicklung  vorgeführt,  die  uns  zu  den  Grundlagen  der  modernen  Kultur  führt.  Helle- 
nistische und  christliche,  mittel  griechische  und  lateinische  Literatur  erscheinen  als  Glieder 
dieser  großen  Entwicklung,  und  die  Sprachgeschichte  eröffnet  uns  einen  Blick  in  die  un- 
geheuren Weiten,  die  rückwärts  durch  die  vergleichende  Sprachwissenschaft,  vorwärts 
durch  die  Betrachtung  des  Fortlehens  der  antiken  Sprachen  im  Mittel-  und  Neugriechischen 
und  in  den  romanischen  Sprachen  erschlossen  sind.  Die  Darstellung  der  antiken  Literaturen 
hat  vor  den  verbreiteten  Handbüchern,  deren  Nutzen  nicht  herabgesetzt  werden  soll,  den 
Vorzug,  daß  die  treibenden  Kräfte,  die  herrschenden  Strömungen,  die  Charakterbilder  der 
bedeutenden  Persönlichkeiten  schärfer  herausgearbeitet  sind,  daß  das  Nachsprechen  antiker 
Werturteile,  die  doch  nur  den  Geschmack  einer  Zeit  wilerspiegeln,  aufgehört  hat." 

(P.  Wendland  in  der  deutsclien  Literaturzeiinng.) 

Staat  und  Gesellschaft  der  Griechen  und  Kbiiier.  (Kultur  der  Gegen- 
wart, Teil  II,  Abt.  4,  1.)  Bearbeitet  von  U.  y.  Wilamowitz-Moellen- 
dorff  und  B.  Niese.  [VI  u.  280  S.]  Lex.-8.  1910.  Geb.  J6  8.— 
in  Leinwand  geb.  JC  10. — 

Die  Darstellung  von  Staat  und  Gesellschaft  der  Griechen  gliedert  sich  entsprechend 
dem  allgemeinen  Gange  der  Geschichte  in  die  hellenische,  attische  und  hellenistische 
Periode.  Vorausgeschickt  ist  eine  knappe  Übersicht  über  die  Griechen  und  ihre  Nachbar- 
stämme. In  der  hellenischen  Periode  soll  wesentlich  die  typische  Form  des  griechischen 
Gemeinwesens  als  Stammstaat  anschaulich  werden,  danach  die  entwickelte  athenische 
Demokratie,  endlich  das  makedonische  Königtum  und  neben  und  unter  diesem  die  griechi- 
sche Preistadt.  Die  Gesellschaft  kommt  wesentlich  nur  so  weit  zur  Darstellung,  als  sie  die 
politischen  Bildungen  erzeugt  und  trägt.  —  Der  Abschnitt  über  den  Staat  und  die  Gesell- 
schaft Roms  schildert  den  in  drei  Perioden :  Eepublik,  Revolutionszeit  und  Kaiserzeit  sich 
vollziehenden  Entwicklungsprozeß  der  kleinen  Stadtgemeinde  zu  dem  weltbeherrschonden 
Imperium  Romanum  sowie  dessen  allmählichen  Verfall  und  Untergang. 

Allgemeine  Yolkswirtschaftslehre.  (Kultur  der  Gegenwart,  Teil  II, 
Abt.  10.)  Bearbeitet  von  W.  Lexis.  [YI  u.  259  S.]  Lex.-8.  1910. 
Geh.  Ja  7.—,  in  Leinwand  geb.  Ji  9. — 

„.  .  .  Sorgsam  durchdacht,  stellt  das  Werk  die  gereifte  Frucht  eines  langen  Gelehrten- 
lebens dar.  Ausgezeichnet  durch  Klarheit  und  Kürze  der  Definitionen,  Avird  die  ,Allge- 
meine  Volkswirtschaftslehre'  von  Lexis  sicher  zu  einem  der  beliebtesten  Einführungs- 
bücher in  die  Volkswirtschaftslehre  für  Studenten  wie  auch  für  Praktiker  werden.  Kein 
Einführungsbuch  im  Sinne  von  ,Leitfaden',  sondern  eine  zum  selbständigen  Studium  der 
Volkswirtschaftstheorie  völlig  ausreichende,  den  Leser  zum  Nachdenken  anregende  Schrift. .  . 
Das  Werk  können  wir  allen  volkswirtschaftlich-theoretisch  interessierten  Lesern  warm 
empfehlen."  (Zeitsfhrilt  des  Vereins  der  deutschen  Zuckerindustrie.) 

Geschichte  des  griechischen  Yereinswesens.  Yon  F.  Foland.  [YIII 
u.  655  S.]     Lex.-8.     1909.     Geh.  JC  24.— 

Der  Verfasser  hat  sich  die  Aufgabe  gestellt,  unter  Benutzung  des  weit  zerstreuten 
umfangreichen  Materials  den  mannigfaltigen  Vereinsbildungen  Griechenlands  in  ihrer 
Wirksamkeit  und  ihrer  Stellung  in  der  geschichtlichen  Entwicklung  des  Altertums  nach- 
zugehen. So  kommen  zunächst  die  verschiedeneu  Arten  der  Vereinsbezeichnung  Griechen- 
lands, wie  Gattungsnamen,  Individualnamen,  allgemeine  genossenschaftliche  Bezeichnungen 
zur  eingehenden  Besprechung;  hierauf  imtersucht  Verfasser  das  Verhältnis  des  Vereine 
zur  Gottheit,  seine  Beziehungen  zur  Familie  und  sozialen  Gliederung  der  Bevölkerung, 
die  Bedeutung  des  Staates  als  Vorbild  der  Vereinsorganisationen,  sowie  die  wirtschaft- 
liche und  sittliche  Seite  des  griechischen  Vereinslebens  und  gibt  zum  Schluß  einen  zu- 
sammenfassenden Überblick  über  die  Entwicklung  des  gesamten  Vereinawesens.  Die 
mannigfaltigen  Streiflichter,  die  diese  Untersuchungen  auf  religiöse,  politische  und  wirtschaft- 
liche Eragen  allgemeiner  Art  fallen  lassen,  verleihen  dem  Werke  als  wertvollen  Beitrag  zur 
griechischen  Allgemeingeschichte  weitgehendes  Interesse. 

Aus  den  griechischen  Papyrusurliunden.     Yon  L.  Mitteis•     [50  S.J 

8.     1900.     Geh.  Λ  1.20. 

„Es  war  ein  verdienstvolles  Unternehmen  von  Ludwig  Mitteis,  in  einem  Vortrage 
auf  dem  diesjährigen  deutschen  Historikertag  zu  Halle  einem  weiteren  Kreise  von  Histo- 
rikern die  neueren  Ergebnisse  der  griechischen  Papyrusurkunden  vorzuführen.  .  .  .  Dieser 
Überblick  über  die  inhaltsreiche  Schrift  dürfte  zum  Beweise  dessen  genügen,  wie  viele 
wichtige  Probleme  der  antiken  Geschichte  auf  Grund  der  Papyruskunde  der  Lösung  näher 
gebracht  werden.  Allen  Historikern  und  Altertumsforschern  sei  daher  die  Schrift  zur 
Einführung  in  die  Papyruskunde  aufs  dringendste  empfohlen."  (Utseh.  Literatur-Ztg.) 


Verlag  von  Β.  G.  Teubner  in  Leipzig  und  Berlin 


Griechische  Papyri  im  Museum  des  Oberhessischen  Geschichtsvereins 
zu  Gießen.  Im  Λ'erein  mit  Otto  Eger  herausgegeben  und  erklärt 
Ton  E.  Korneiiiann  und  P,  M.  Meyer.  I.  Band.  3  Hefte.  4.  I.  Heft. 
Λ'οη  Ernst  Kornemann  und  Otto  Eger.  Urkunden  1 — 35.  Mit 
4  Lichtdrucktafeln.  [91  S.j  1910.  Geh.  JC  7.—.  2.  Heft.  Von 
Paul  M.Meyer.  Urkunden  36— 57.  Mit  3  Lichtdrucktafeln.  [104  S.] 
1910.     Geh.  .tC  8.—.     3.  Heft.     [In  Vorbereitung.] 

Ans  der  kleinen,  aber  an  interessanten  Sttlcken  reichen  Sammlang  der  Gießener 
Papyri  werden  im  ersten  Heft  35,  im  zweiten  22  Urkunden  veröfifentlicht.  Im  Mittelpunkt 
des  ersten  Heftes  stehen  die  für  das  Ende  der  traianischen  und  den  Anfaug  der  hadria- 
nischen  Regierung  ungemein  wichtigen  Urkunden  aus  Heptakomia.  Daneben  euth&lt 
dieses  Heft  Urkunden  von  der  Ptolemäer-Zeit  bis  ins  3.  nachchristliche  Jahrhundert  von 
verschiedenster  Herkunft.  Die  ptolemäische  Zeit  ist  vertreten  durch  einen  eigenartigen 
Ehevertrag  vom  Jahre  173  v.  Chr.,  die  Romerzeit  durch  juristisch  sehr  wertvoUe  Stücke. 
Das  zweite  Heft  bringt  nur  bisher  unveröfTentUchtes  Material.  Für  Gräzisten  ond  Agypto- 
logen  gleich  wichtig  sind  vier  Papyri,  die  griechische  Übersetzungen  demotischer  Vertrage- 
urkunden aus  der  Zeit  Euergetcs  II.  enthalten  und  z.  T.  vollkommen  neue  Typen  bieten. 
Das  HauptstUck  der  ganzen  Sammlung  aber  sind  drei  Erlasse  Caracallas  vom  Jahre  812, 
an  der  Spitze  Reste  der  bisher  von  der  wissenschaftlichen  Forschung  schmerzlich  ver- 
mißten constitutio  Antoniniana,  doncn  ein  längerer  Kommentar  beigegeben  ist.  Hinzu 
kommen  Varia  aus  Oxyrynchos,  Hermupolis,  Aphrodito,  dem  Antaiopolites  und  anderen 
Gauen,  die  bis  ins  7.  nachchristliche  Jahrhundert  herabgehen 

Griechische  Papyrusiirkuiideu  der  Hamburger  Stadtbibliothek.  Heraus- 
gegeben von  P.  M.  Meyer.  Band  I,  Heft  1.  Mit  7  LichtdrucktAfelu. 
[100  S.J     4.     1911.     Geh.  .iC  8.— 

Die  Papyrussaromlung  der  Hamburger  Stadtbibliothek,  meist  Urkunden  des  t&glichen 
Lebens,  die  uns  Handel  und  Wandel  aller  Klassen  der  Bevölkerung,  den  Betrieb  auf  den 
verschiedenen  Gebieten  der  Verwaltung  bis  ins  kleinste  Detail  vor  Augen  führen,  dioeo 
Urkunden  zälilen  zu  den  besten  ihrer  Gattung.  Das  hier  vorgelegte  erste  H»>ft  umfaßt 
Urkunden  vom  ersten  bis  sechsten  nachchristlichen  Jahrhundert  Unter  ihnen  betinden 
sich  die  Faij  um -Papyri  bei  weitem  in  der  Mehrzahl  Das  zweite  Heft  wird  u.  a.  Ptolcmäer- 
Papyri  des  dritten  vorchristlichen  Jahrhunderts  und  eine  ganze  Serie  von  libelli  libolla- 
ticorum  aus  der  Deciauischon  Cliristeu Verfolgung  enthalten,  das  dritte  Heft,  das  den  ersten 
Band  zum  Abschluß  bringt,  weitere  Urkunden  and  die  ludices. 

Graniiiiatik  der  griechischen  Papyri  aus  der  Ptoleiiiäerzelt.  Mit  Ein- 
schluß der  gleichzeitigen  Ostraka  und  der  in  Ägypten  verfaßten  In- 
schriften. Laut-  und  Wortlehre.  Von  E.  Mayser.  [XIV  u.  538  S.J 
gr.  8.     1906.     Geh.  JC  14.—,  in  Halbfranz  geb.  .iC  17.— 

Daa   Buch,   dem   ein   zweiter,   die  Syntax  enthaltender  Teil  folgen  •ο11,   will  eu- 

nichst  eine  geordnete,  volhtttndip*»   und  auf  den  bei>t«»n    blsh*»r   ptibUfffrt^n,   ctidem   vom 

Verfasser  an  Faksimil•                                  '  r.ioJiUchen 

Material•  für  die  erst-  iid  «Umit 

die  Of^Rrhlchtn    drr   pi  Ägypten 

der  Ν  .•.•η 

der  k- 

lich  r- 

mieil                                         >    alli'U    l>iüliur   gtüituclit•  :  »U 

aus                                         las  Werk  umfaßt,    all••  •  ii 


■prochon  und  in  gfschichtlichc  Γ"  t  ist,  dUrfto 

Studien  /ur  Geschichie  des  rümischen  kolonaiee.    Von  M.  Uostowxew. 

[XU  ti.    182  SJ     gr.  8.      1910.     Geh.  Μ  14.— 

Dm  Bach  sucht  dl«  an  die  BnliMiraaf  4«  rOiabohati  Kolouataw  anki  r 

wlck<'Ii<-ri    FraK^n  «ΙίγγΙι   ll'rnii/iohtmf  4••  UM  gOTttd•  In  1«*(rirr   7.r\K  iti   • 

ff••«-!.  / ur  afnurttohM  Bttlwlek  I 

den  I  BodtalMiüM  wrtw  d• 

riMi  Kofftonwff  «ad  4«i  vor« 

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V«rbitidang*UnlMi  awisoliMi  d^r 


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Verlag  von  Β.  G.  Teubner  in  Leipzig  und  Berlin 

Priester  und  Teniyel  im  liellenisiisehen  Ägypten.  Ein  Beitrag  zur 
Kulturgeschichte  des  Hellenismus.  Von  W.  Otto.  2  Bände,  gr.  8. 
L  Band.  [XIV u.  418  S.]  1904.  II.  Band.  [VI  u.  417  8.]  1908.  (Jeh. 
je  JL  14.—,  in  Halbfranz  geb.  je  jH  17. — 

„Je  mehr  die  Papyruspublikationen  sich  häufen,  desto  notwendiger  wird  es,  das 
Material  für  einzelne  Gebiete  übersichtlich  zusammenzustellen,  auch  dann,  wenn  nicht 
überall  feste  Ergebnisse  gewonnen  werden  können.  Deshalb  halte  ich  den  Versuch  des 
Verfassers,  nach  dem,  was  bisher  über  den  Kultus,  seine  Vertreter  und  seine  Stätten  im 
Ägypten  der  griechisch-römischen  Zeit  bekannt  geworden  ist,  ein  klares  Bild  zu  entwerfen, 
für  einen  glücklichen  Gedanken.  Jn  ausführlicher  Darstellung  erörtert  er  alle  wesentlichen 
Fragen,  ohne  Unlösbares  lösen  zu  wollen,  und  bringt  in  die  Fülle  überlieferter  Einzel- 
heiten eine  Ordnung,  die  jeder  weiteren  Forschung  die  Wege  ebnet  und  jede  neue  Ent- 
deckung einzureihen  hilft  .  .  .  Der  Leser  wird  genug  gute  Beobachtungen  und  viel  ver- 
ständiges Urteil  in  dem  Buche  finden."  (Literarisches  Zentral blatt.) 

Die  Straf  klausein  in  den  Papyrusnrliunden.  Ein  Beitrag  zum  gräko- 
ägyptischen  Obligationenrecht.  Von  A.  Berger.  {VI  u.  246  S.]  gr.  8. 
1910.     Geh.  JC  ^,— 

Im  ersten  Kapitel  wird  das  Sprachliche  der  Strafklauseln  untersucht,  im  zweiten 
eine  rechtsgeschichtlich -dogmatische  Darstellung  der  gräko  -  ägyptischen  Konventional- 
strafe und  im  letzten  und  umfangreichsten  eine  Betrachtung  der  Strafklauseln  der  einzelnen 
Vertragsarten  gegeben.  Besondere  Aufmerksamkeit  wird  der  geschichtlichen  Entwicklung 
auf  den  einzelnen  Gebieten  zugewendet  und  zwecks  Erforschung  der  älteren  Einflüsse 
auch  das  demotische  Papyrusmaterial  herangezogen.  Andererseits  wird  auch  sehr  oft  auf 
das  römische  Recht  zurückgegriffen  und  auf  die  wechselseitige  Einwirkung  der  beiden, 
des  gräko  ägyptischen  und  des  römischen,  hingewiesen. 

Zum  ägyptischen  Grundbuchwesen  in  römischer  Zeit.  Untersuchungen 
auf  Grund  der  griechischen  Papyri.  Von  0.  Eger.  [VIII  u.  212  S.] 
gr.  8.     1909.     Geh.  JC  1 ,—,  geb.  J{.8.^,  in  Halbfranz  geb.  Ji  9.50. 

Der  Verfasser  führt  zunächst  den  Nachweis  des  Vorhandenseins  einer  Grandbuch- 
behörde, βι^λιο9ήχη  iyy.ti'josujv  genannt,  deren  Aufgabe  vorzugsweise  die  Vorbuchung 
des  Privatgrundbesitzes  und  der  auf  ihm  ruhenden  dinglichen  Rechte  bildete,  und  ver- 
folgt dann  im  einzelnen  den  regelmäßigen  Geschäftsgang  bei  diesem  Amte:  Anzeige  der 
beabsichtigten  Verfügung,  Erlaubnis  der  Grundbuchführer  zur  Beurkundung  an  den 
Notar,  Anmeldung  von  stattgehabten  Änderungen  in  der  Rechtslage,  Verfügungen  der 
Grundbuchführer,  Verfügungen  in  den  διασΐρώματα,  um  zum  Schlüsse  die  heute  noch 
nicht  spruchreife  Frage  zu  erörtern,  inwieweit  diese  Verbuchung  über  ihre  privatrecht- 
liche Bedeutung  hinaus  auch   staatlichen  Interessen   diente,   d.  h.  als  Kataster  fungierte. 

Hypothek  und  Hypallagma.  Beitrag  zum  Pfand-  und  Vollstreckungs- 
recht der  griechischen  Papyri.  Von  A.  B.  Schwarz.  [VII  u.  152  S.] 
gr.  8.     1911.     Geh.  JC  ß.—,  geb.  Λ  7.— 

Diese  Arbeit,  ein  beachtenswerter  Beitrag  zur  Aufklärung  hellenistischer  Rechts- 
verhältnisse, versucht  an  der  Hand  des  in  letzter  Zeit  in  so  großer  Fülle  veröffentlichten 
Urkundenmaterials  das  Verhältnis  der  beiden  Hauptformen  des  gräko-ägyptischen  Pfand- 
rechts, der  Hypothek  und  des  Hypallagma,  zu  bestimmen.  In  Verbindung  damit  gelangen 
Fragen  der  Vermögenspfändung,  der  Gewährleistungspflicht  und  Verfügungsbeschränkungen 
des  Verpfänders,  des  staatlichen  Pfandrechts,  der  Pfandsteuer  und  der  grundbücherlichen 
Wahrung  des  Pfandrechts  zur  Erörterung.  Weiterhin  wird  der  Unterschied  in  der  Reali- 
sierung der  beiden  Pfandformen  dargelegt,  wobei  hauptsächlich  die  Lehre  von  den  exeku- 
tiven Urkunden,  vom  Mahn-  und  Pfändungsverfahren,  vom  Eigentumszuschlag  im 
Exekutionswege  und  die  vielfach  noch  ungewissen  Fragen,  die  die  Realisierung  des 
Verfallpfandes  betreffen,  besprochen  werden.  Im  letzten  Kapitel  wird  das  Verhältnis  der 
Hypothek  und  des  Hypallagma  zu  den  übrigen  Sachhaftungsformen   der  Papyri  erörtert. 

Aus  dem  griechischen  Schulwesen.  Eudemos  von  Milet  und  Verwandtes. 
Von  E.  Ziebarth.  [VII  u.  150  S.]  8.  1909.  Geh.  JC  Α.—,  in  Halb- 
franz geb.  cM.  5. — 

„Ziebarths  Buch  ist  eine  sehr  hübsche  und  geschickt  geschriebene  Sammlung  dessen, 
was  uns  die  Inschriften  über  die  altgriechischen  Schulen  erzählen.  Das  auf  den  Steinen 
gebotene  Material,  an  sich  betrachtet  oft  so  trocken,  so  zerrissen  und  zusammenhanglos, 
ist  von  Z.  in  einer  Weise  verbunden  und  dadurch  lesbar  gemacht,  die  eine  große  Be- 
herrschung des  Stoffs  voraussetzt.  .  .  Unentbehrlich  ist  das  Buch  für  jeden,  dei  sich  mit 
Geschichte  der  Pädagogik  befaßt;  wer  dies  bisher  nur  nach  literarischen  Quellen  getan 
hat,  wird  mit  Staunen  bemerken,  welche  Fülle  neuer  und  wichtiger  Kenntnis  wir  den 
Steinen  entnehmen.  Vollends  wird  derjenige  Ziebarth  Dank  wissen,  der  selbst  das  Glück 
hatte,  in  antiken  Gymnasien  zu  weilen,  sei  es,  daß  er  dort  in  einer  verträumten  Stunde  die 
öden  Räume  mit  seiner  Phantasie  belebte,  oder  daß  er  sich  philologisch  mit  den  Gymnasial- 
inschriften beschäftigte ,  er  wird  bei  der  Lektüre  von  Ziebarths  Buch  angenehme  Stunden 
des  Aufenthalts  im  Süden  gern  in  der  Erinnerung  neu  durchleben,  und  auch  für  die  Arbeit 
am  Schreibtische  wird  er  manche  Ausbeute  davontragen."  (Neue  Jabrbttcher.) 


Ό 


ι 

ΡΑ      Mitteis,  Ludwig 

ili^         ^     Grundzüge  und  Chrestomathie 

m  der  Papyruskunde 

bd.l 

iiälfte.l 


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