GRUNDZÜGE UND
CHRESTOMATHIE DER
PAPYRUS KUNDE
VON
L• MITTEIS UND U^WILCKEN
ERSTER BAND: HISTORISCHER TEIL
ERSTE HÄLFTE: GRUNDZÜGE
VON
ULRICH AVILCKEN
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DRUCK UND VERLAG VON B.G.TEUBNER LEIPZIG- BERLIN 1912
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33lL•
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ALLE RECHTE, EINSCHLIESSLICH DES ÜBERSETZÜNGSRECHTS , VORBEHALTEN.
Geröii^y
VORWORT.
Dem von mir gearbeiteten historischen Teil des mit Mitteis gemein-
sam herausgegebenen Werkes habe ich nur wenige Worte vorauszu-
schicken. Was ich hier darbiete, ist ein erster Versuch, die bisherigen
Ergebnisse der Papyrusforschung, soweit sie nicht in das Gebiet der Rechts-
geschichte fallen, zusammenzufassen, um das Einarbeiten in diesen neuen
Wissenszweig zu erleichtern. Es gibt bisher so wenige Philologen und
Historiker, die sich mit diesem Teile der antiken Tradition eingehender be-
schäftigt haben, daß bei dem beständigen Anwachsen des Materials ein
gedeihlicher Fortschritt geradezu abhängig ist von der Gewinnung neuer
Arbeitskräfte. So will das Buch vor allem der jungen Disziplin neue
Jünger werben I
Da die Forschung bisher immer nur an einzelnen, oft weit vonein-,
ander liegenden Punkten eingesetzt hat, so würde ein bloßes Zusammen-
stellen der bisherigen Forschungsresultate nur ein StückΛverk ergeben
haben. Ich habe daher versucht, in großen Zügen ein Bild der Entwick-
lung zu zeichnen und jene Resultate in dieses Bild einzufügen. So mußte
oft auf die toten Strecken hingewiesen werden, die von der Forschung
noch nicht berührt worden sind. Indem das Buch somit auch auf die Pro-
bleme hinweist, die mit Hilfe der Papyri noch zu bearbeiten sind, will es
zugleich anregen zu neuen Forschungen!
Als vor noch nicht einem Jahre der Druck begann, hatte ich nach
mehrjährigen Vorarbeiten etwa die Hälfte der Grundzüge geschrieben, von
der Chrestomathie aber im einzelnen noch kaum etwas ausgeführt. Es
war ein hartes Jahr, in dem ich neben den akademischen Pflichten zu-
gleich mit dem Druck meine Grundzüge vollendete und die Chrestomathie
herstellte. Daß gewisse Ungleichheiten bei dieser Arbeitsweise unvermeid-
lich waren, wird eine billige Kritik nicht verkennen. Einige Versehen
konnten noch in den „Nachträgen und Berichtigungen^', auf die der Leser
nachdrücklich hingewiesen sei, beseitigt werden.
Die Grund/Ügo und die Chrestomathie wollen miteinander gelesen
und verarbeitet werden. Sie ergänzen sich gegenseitig. In den GrundzQgen
sind die allgemeineren historischen Ergebnisse der Texte zur Darstellung
gekommen, während die Besprechung der Details, eventuell auch der sich
an sie anschließenden Kontroversen, in die Einleitungen oder die Fußnoten
der Chrestomathie verwiesen ist. Diese Einleitungen verfolgen den Zweck,
IV Vorwort.
dem Fernerstellenden durch eine möglichst kurze Skizzierung dessen, was
mir nach meiner Auffassung des Textes als wesentlich und besonders lehr-
reich erscheint, das Verständnis der Urkunden zu erleichtern. Man versäume
nicht, die an der Spitze der Texte aufgeführte Literatur heranzuziehen.
In der Auswahl der Texte für die Chrestomathie fühlte ich mich ge-
bunden gegenüber denjenigen Urkunden, die ich demnächst in den „Ur-
kunden der Ptolemäerzeit" (UPZ) neu herausgeben werde. Mit Rücksicht
auf diese vom Preußischen Kultusministerium und der Berliner Akademie
unterstützte Neuausgabe der älteren (etwa bis zum Erscheinen der Petrie
Papyri reichenden) Editionen habe ich in dem vorliegenden Werk, so weit
es irgend möglich war, von der Benutzung der für jene Sammlung vor-
bereiteten Texte Abstand genommen und ich danke Ludwig Mitteis, daß
auch er in seinem juristischen Teil nach Möglichkeit auf diese meine
Zwangslage Rücksicht genommen hat.
Die schon veröffentlichten Textkorrekturen sind, soweit sie mir be-
kannt waren, in die Texte der Chrestomathie aufgenommen worden. Gewiß
wird mir bei der Unübersichtlichkeit der kritischen Literatur manches
entgangen sein. Für freundliche Nachweise übersehener Lesungen oder
Emendationen werde ich im Interesse einer eventuellen Neuauflage sehr
dankbar sein. Die Autoren der aufgenommenen Korrekturen und die
Publikationsstellen sind an der Spitze der Texte namhaft gemacht worden.
Von einer Wiederholung des Namens zu jeder einzelnen Korrektur ist ab-
gesehen worden, dagegen sind die noch unveröffentlichten Korrekturen durch
Nennung des Autors in den Fußnoten als neue gekennzeichnet worden.
Hätte ich die in den Paragraphen der „Einleitung" behandelten The-
mata mit allem Detail darstellen wollen, so wäre leicht ein eigener kleiner
Band entstanden. Ich habe mich bemüht, nur das Wesentliche und dies
in größter Kürze zu geben.
Zum Schluß spreche ich denjenigen, die mir durch Revision von
Originalen oder sonstige Auskünfte freundlichst geholfen haben, meinen
herzlichen Dank aus. Vor allem habe ich W. Schub art zu danken, der
unermüdlich meine zahlreichen Anfragen beantwortet hat. H. J. Bell und
Seymour de Ricci danke ich vielmals für freundliche Auskünfte über
Londoner und Pariser Texte. Besonderer Dank sei Zereteli dafür gesagt,
daß er uns seine Revisionen von Wiener Papyri (CPR) für unsere Chresto-
mathien freundlichst überlassen hat. Auch A. S. Hunt und L. Wenger
habe ich zu danken, die mir durch Zustellung von Korrekturbogen er-
möglichten, einige Texte, die jetzt eben erst erschienen sind, in die Chresto-
mathie aufzunehmen.
Arosa, den 16. August 1911.
ULRICH WILCKEN.
INHALTSVERZEICHNIS.
Vorwort
Inhaltsverzeichnis .
Seite I Seite
in Nachträge und Berichtigungen . . . VIU
V i Erklärung der Klammern und Ziffern X
EINLEITUNG.
§ 1.
δ«.
§ *.
§ 6.
Umfang und Aufgabe der
Papyruskunde
Die Funde und die Fund-
stätten
Sammlungen und Editionen
Liste der Editionen . . .
Die Schreibmaterialien . .
Die Schrift
1. Die Prinzipien der Schrift-
entwicklung
2. Die Buchstabenformen .
3. Die Abkürzungen . . .
XI
XVI
XXIII
XXV
XXVIII
XXXIII
XXXV
XXXVII
XXXIX
1) Die Abbreviaturen .
2) Die Verschleifungen
3) Die Kontraktionen .
4) Die Symbole (Siglen)
4. Das Zahlensystem , .
5. Die Lesezeichen . . .
6. Anordnung der Schrift
7. Die Kunst des Entziflerns
Zur Sprache der Papyri
Zur Chronologie . . .
Das Geld
Zur Metrologie. . . .
XL
XLn
XLHI
XLV
XLV
XLVI
XLVII
XLVm
xLvm
LIV
LXI
LXVII
Kap. I. ALLGEMEINE HISTORISCHE GRUNDZÜGE.
§ 2.
^ 3.
δ 4.
Die Ptolemäerzeit 2
1. Das Regiment 2
Die Landeeverwaltung .... 8
Die Griechenstädte 12
Bevölkerung und Bevölkerunge-
politik 19
Die römische Periode .... 28
1. Das Regiment 28
2. Die Landeeverwaltung .... 34
3. Die Griechenstädte . 48
§ 4. Bevölkerung und Bevölkerunge-
politik 63
C. Die byzantinische Periode . 66
§ 1. Das Regiment 66
§ 2. Diözese und Teilprovinzen . . 71
§ 3. Gau und Stadt 76
§ 4. Bevölkerung und BevÖlkerungs-
politik . . 84
D. Die arabieche Periode 88
Kai•. 11. RELIGION UND KULTUS.
Die Ptolemäerzeit
1. Religione- und Kirchenpoliti
iHfhen Kulte
,, 1. .\^ , ..'. .:■■ :.i, ... riii'fi-ilifvp-
tische Kulte .
I 6. OrientaliMche Kuii'
H. Di*» r^miNchc Zeit .
C ιοπΜ- und Kircbenpolitik
tnfit«'H
'J2
U6
101
r.\
112
118
118
188
§ 2. Römiecbe Götter . . 116
§8. Die griechischen Kult« il8
§ 4. Sarapi« 122
§ 6. ÄgjpÜtche und grilco-ägyp-
tiiche Kulte
§6. Orieotalitche Kulte (einurliHpß
Hob des chriitlichen)
C. Die bysantiniache Zeit
I 1. Die chriHtliche Kirche
I 9. Die heidnieohcn Kult•
D. Die Aral)iN( ho Zeit
189
131
131
VI
Inhaltsverzeichnis.
Kap. ΠΙ. DIE ERZIEHUNG.
Seite
§ 1. Der Elementar-Unterricht ... 136 | § 2. Die gymnasiale Ausbildung .
Kap. IV. DIE FINANZ-RESSORTS. IHRE ORGANE UND KASSEN.
Seite
138
I. Die staatliche Verwaltung . 146
A. Die Ptolemäerzeit 146
§ 1. Die Ressorts 146
§ 2. Die Beamten 147
§ 3. Die Kassen und Magazine . 152
B. Die römische Zeit 153
§ 1. Die Ressorts 153
§ 2. Die Beamten 156
§ 3. Die Kassen und Magazine . 160
C. Die byzantinische Zeit . . 161
§ 1. Die Ressorts 161
§ 2. Die Beamten 162
§ 3. Die Kassen und Magazine . 164
II. Die städtische \^erwaltung . 166
Kap. V. DAS STEUERWESEN.
A. D
§ 1.
§ 2.
§ 3
B. D
§ 1.
§ 2.
ie Ptolemäerzeit 169
Die Steuern 169
Die Steuerveranlagung ... 173
1 . Die Feststellung der Steuer-
subjekte 173
2. Die Feststellung der Steuer-
objekte ......... 174
a. Die άτΐογραφαί 175
b. Der Kataster 176
3. Die Steuerberechnung . . . 179
Die Steuererhebung 179
1. Die Regie 180
2. Die Pacht 182
ie römische Zeit 185
Die Steuern 186
Die Steuerveranlagung , . . 192
1. Die Feststellung der Steuer-
subjekte 192
a. Der 14jährige Zensus . . 192
b. Die έτίίκρίΰίξ 196
2. Die Feststellung der Steuer-
objekte ......... 202
a. Die ά-πογραφού 202
b. Der Kataster 205
3. Die Steuerberechnung . . . 208
§ 3. Die Steuererhebung 210
1. Die direkte Erhebung . . .214
2. Die Steuerpacht 218
C. Die byzantinische Zeit . . . 219
§ 1. Die Steuern 220
§ 2. Die Steuerveranlagung . . . 222
a. Subjektsdeklarationen . . .225
b. Grundstücks deklarationen . 226
§ 3. Die Steuererhebung 228
D. Die arabische Zeit 231
§ 1. Die Steuern 234
§ 2. Die Steuerveranlagung . . . 236
§ 3. Die Steuererhebung 238
Kap. vi. INDUSTRIE UND HANDEL.
Die Monopole 239
Die Industrie 258
Der Handel 262
Kap. Vn. DIE BODENWIRTSCHAFT.
A. Die Ptolemäerzeit 270
§ 1. Die Verteilung des Bodens . . 270
§ 2. Das Königsland 272
§ 3. Das heilige Land ... 278
§ 4. Das Lehnsland 280
§ 5. Das Privatland ....... 284
§ 6. Das Gemeindeland 286
B. Die römische Zeit 287
§ 1. Die Verteilung des Bodens . . 287
§ 2. Die βααιλιχη und die δτιμοοία γη 288
§ 3. Die 7ίρο60άον γη 296
§ 4. Die ούαια-Λϊ] γη 298
§ 5. Τά Ιερατίτιά εδάφη 300
§ 6. Die ίδιωτιν,η γη und die ον-
βίαι 302
a. Das Kleruchen- und Ka-
tökenland 303
b. Die Ιδιό'/,τητος und die ίω-
νημ,ύνη γη 306
§ 7. Das Gemeindeland 308
Inhaltsverzeichnis.
νπ
C. D
§ 1
§ 2
§ 3
§ 1.
§ 1.
§2.
1.
§ 2.
I. D
A.
B.
ie byzantinische Zeit . .
, Die Verteilung des Bodens .
Die kaiserlichen Ländereien
. Tempel- und Kirchenland .
Seite
309
309
310
313
Seite
§ 4. Das Gemeindeland 314
§ 5. Das Privatland. Grundherr-
schaft und Kolonat 314
Zum landwirtschaftlichen Betrieb . . 326
Kap. Vm. FRONARBEITEN UND LITURGIEN.
Die Fronden 330 § 2. Die Liturgien 339
Kap. IX. DAS VERPFLEGUNGSWESEN.
Hof, Beamtenschaft und Heer . 366 | § 3. Rom und Konstantinopel . . . 868
Die Gemeinden 363 j
Kap. X. DAS POST- UND TRANSPORTWESEN.
Die Posteinrichtungen . . . .372
Transport-Requisitionen für Be-
amte und Truppen 374
§ 3. Der Korntransport 376
Kap. XI. MILITÄR UND POLIZEI.
λβ Militär 381
Die Ptolemäerzeit 381
Die römische Zeit 390
C. Die byzantinische Zeit .... 404
IL Die Polizei 411
Kap. XII. AUS DEM VOLKSLEBEN 417
INDICES .... 423
NACHTRÄGE UND BEEICHTIGUN6EN.
p. LVL Noch nicht bestimmt sind Θεογέναιος (BGU 713, 3) und Σεβαβτος [Evöji-
βεως (BGU 741, 14).
S. 2. Zur Literatur ist inzwischen Martin, Les epistrateges dans TEgypte greco-
rom. 1911 hinzugekommen.
S. 23. Zu der Degenerierung der alexandrinischen Makedonier vgl. jetzt Lum-
broso, Arch. V 400 (im Anschluß an Liv. 38, 17).
S. 28. Zur Literatur vgl. den Nachtrag zu S. 2. Das soeben erschienene Werk
von P. Jouguet, La vie municipale dans FEgjpte Romaine 1911, habe ich
leider füi• mein Buch nicht mehr verwerten können.
S. 40 Z. 1 £f. Nach der in Kap. VIII gegebenen Definition sind diese Beamten
nicht Liturgen. Vgl. S. 342.
S. 40 unten. Auch in den Dörfern begegnen αμ,φοοα. Vgl. 204, 11.
S. 41 unten. Über den Vorschlag der liturgischen Beamten vgl. die genaueren
Darlegungen S. 348 f.
S. 43. In Oxy.Vin 1114 (a. 237), einer Deklaration, bezeichnet sich ein decurio
bereits als decurio civitatis Oxyrhynchitarum.
S. 45. Zur Frage der Märtyrerakten vgl. jetzt Oxy. VIII 1089. Wenn ich recht
sehe, haben wir hier eine Probe der in den Abh. Sachs. Ges. 1. c. von mir
behandelten Rahmenerzählungen.
S. 47 Anm. 3. Vgl. Note zu 144, 5.
S. 48 Z. 4 von unten: 1. 26.
S. 51. Zur Autonomie von Antinoopolis vgl. jetzt auch Oxy. VIII 1119 (397)
und dazu S. 345.
S. 52. Z. 6 — 4 unten sind zu streichen. Vgl. die Berichtigung zu 26 S. 43.
S. 55. Zur constitutio Antonina vgl. jetzt auch Wilcken, Arch. V 426 ff.
S. 57. Die τεΰοεραΥΜίείκοΰίδραχμοί von Hermopolis sind nach S. 189 zweifelhaft.
S. 61 unten. Die Separierung ά6γ"Ελληνες wird auch für die Ptolemäerzeit an-
zunehmen sein.
S. 66. Zur Literatur ist inzwischen hinzugekommen: J. Partsch, GGA 1911,
306 ff. 320 ff. und Nachr. Gott. Ges. 1911, 201 ff.
S. 78. Vgl. zu S. 43. — Anm. 4 1. Exactori.
S. 83. Zur Autopragie vgl. jetzt auch M. Geizer, Arch. V 370 ff.
S. 85. Zu der Ausdehnung des römischen Bürgerrechts im IV. Jahrh. vgl. auch
Mommsen, Hist. Schrift. III 466 (Ostgoth. Studien).
S. 88. Zur Literatur ist inzwischen H. J. Bell, Lond. IV hinzugekommen.
S. 89. Nachträglich sehe ich, daß Karabacek, Ergebnisse aus d. Papyr.ER (1889)
S. 18 den Fall Alexandriens ins J. 643 setzt.
S. 90 Z. 4. Zur Frage der Teilprovinzen vgl. S. 232.
S. 91. Der Papyrus Führ.PR 1090 stammt vom J. 996.
Nachträge und Berichtigungen. IX
S. 106 Z. If.: Falls nicht Apotheose eines Menschen vorliegt wie in Osiran-
tinoos.
115 Z. 15 von unten: 1. CIL III 75.
115 unten. Zur Satumalienfeier im Heer vgl. v. Premerstein, KUo III S. 11 f.,
im Anschluß an das satumalicium k(astrense) in Gen. lat. 1.
S. 116. Zum Kult des Jupiter Capitolinus vgl. jetzt meine weiter greifenden
Ausführungen im Arch. V 428 f.
S. 123. Zu der Einladung zur κλίνη vgl. S. 419 Anm. 2.
-. 133. Ein christlicher Presbyter als Schiedsrichter jetzt auch bei L. Wenger,
Sitz. Bayr. Akad. 1911 8. Abh. S. 15/6.
S. 136. Inzwischen erschien: Paulus Beudel, Qua ratione Graeci liberos docu-
erint, papjris ostracis tabulis in Aegypto inventis illustratur. Diss. Münst.
1911.
138. Zur Geschichte der Gymnasien vgl. jetzt auch meine Ausführungen im
Arch. V 410 fif.
139 Anm. 5 1.: Arch. Π 560 η. 44.
143 Ζ. 11. Zu dem Ausdruck „Liturgien" vgl. den Hinweis zu S. 40 Z. 1 ff.
154. Zu dem Gegensatz der Ressorts 1) διοίχηβις und τα ιερατικά vgl. meine
Einleitung zu 341.
155. Außerhalb Ägyptens werden schon vor Severus in der Inschrift betreffs
des saltus Burunitanus (3, 30) Krongüter als agri fiscales bezeichnet (Mitteis
1. c. 357), freilich nur in dem nichtamtlichen Teil.
156. Zum Dioiketen vgl. auch 363.
188. Zur annona militaris vgl. die korrektere Darstellung S. 359 f.
188 Z. 6 von unten 1. επιμεριαμός.
189 Anm. 4. Auf dem fragmentierten Straßburger Ostrakon 204 ist die λαο-
γραφία^ wenn ich recht ergänzte, sogar schon für das 9. Jahr des Augustus
bezeugt.
191. Die Frage, ob die Abgaben in Lond. III S. 92 (274) stadtisch sind, ist
S. 323 richtiger offen gelassen.
202. Zur Epikrisis der liömer und Alexandriner vgl. S. 401 f.
206 Z. 18 und 21 1. BGU 11 (239). Z. 4 von unten 1. Brem. 73 (288).
208 Z. 7 1. Brem. 73 (238).
216 Z. 25. Die ντ&Ηοτβη-οιαίρεαις ist Teb. II 391, nicht 39 (in Bd. Π nicht
abgedruckt).
221. Zu κεφαλή f— caput) vgl. die Einleitung /,u 390.
223 Z. 16 1 meine (statt seine) Bemerkung'.
226. Soeben hat Jou^ict zwei Gnindstücksdi-klarationon nus dorn Faijum (auf
297 bezüglich) in Thead. 54 und 55 berausgcgobcn.
233 Z. 3 von unten 1. παγαρχίας.
255. Zu der Frag« d«'S Papyrusmonopols vgl. die unten 8. LXXIX zitierte
Arbeit von Zucker, der gleichfalle in der Caldcrschon Inechrift ίηίτροηος
χαρχηρΰς hiTgestellt hat Im übrigen kann ich hier auf seine Au.Hftthrungen
nicht eingehen. Nur ^'o^'rnüber soiiier Deutung von BGU 277 (8. 96) ver-
w<i«i. ich auf S. 2.'»7 \n,,, ;.
χ Nachträge und Berichtigungen. Erklärung der Klammern und Ziffern.
S. 262 Z. 1. Für Cair. Cat. 67020, 14 schlägt jetzt J. Partsch, GGA 1911, 313
Anm. 1 vor, statt qv Kccd"^ υποτελείς zu lesen: ουκ ανΟ-νποτελεΐς.
S. 282/3. Zur Vererbung der %ληροί vgl. die weiter führenden Darlegungen
S. 384 Anm. 2 und S. 385 f.
S. 322. Für die Patrociniumsfrage sind von großem Wert Oxy. VIII 1126 und
namentlich 1134 (V. Jahrh.).
S. 337 Z. 22 1. χωματεργολάβοι.
S. 390. Zur Geschichte der leg. XXII ist bemerkenswert der in BGU IV 1108
vom J. 5 V. Chr. (aus Alexandrien) bezeugte βτ^οίχιώττις των εκ ττις δευτέρας
ΤίαΙ είκοΰτης λεγεώνος.
Erklärung der Klammern und Ziffern.
[ ] bedeutet Lücke im Original.
[ ] bedeutet Tilgung durch den Schreiber.
<^ y bedeutet Hinzufügung resp. Veränderung durch den Editor.
^ y bedeutet Tilgung durch den Editor.
( ) bedeutet Auflösung von Abkürzungen.
Fette Ziffern bedeuten die Nummern der Chrestomathie, normale und aufrechte
die Seiten der Grundzüge, normale und schrägstehende die der Chrestomathie.
EINLEITUNG.
§ 1. UMFANG UND AUFGABE DER PAPYRUSKUNDE.
Das Objekt der „ Papyruskunde '^ oder „Papyrologie", in die unser
Werk einführen will, sind die griechisch oder lateinisch geschrie-
benen Papyrusurkunden. Da lateinische Texte dieser Art gegenüber
der Fülle der griechischen nur in verschwindend kleiner Zahl zutage ge-
kommen sind*), pflegt man sie stillschweigend mit einzuschließen, wenn
man von der „griechischen Papyruskunde" (a potiori) redet.
Hiemach sind ausgeschlossen erstens die literarischen Papyri in
griechischer und lateinischer Sprache.^) Sie sind nach ihrem Inhalt der
griechischen oder römischen Literaturgeschichte zuzuweisen. Nur die Fragen
der äußern Herstellung dieser Handschriften (wie Format, Schrift u. ä.)
illen unter den Begriff der Papyruskunde und sind nach Maßgabe der
Ergebnisse dieser Disziplin zu behandeln.
Ausgeschlossen sind zweitens die Papyrusurkunden, die in einer der
orientalischen Sprachen geschrieben sind. Ihre Entzifferung und Inter-
pretation ist Aufgabe der betreffenden orieutalistischen Disziplinen. Die
Ergebnisse dieser Arbeiten sind aber auch für denjenigen, der die grie-
chischen und lateinischen Urkunden behandelt, sachlich z. T. von größter
Bedeutung. Das gilt namentlich von den deraotischen, koptischen und
' ' II Urkunden. Ein Zusammenarbeiten der Papyrusforscher und der
ten ist nach beiden Seiten hin sehr erwünscht. In den „Grund-
/iigen" ist auf diese orientalischen Urkunden Bezug genommen worden,
• iihrend sie von der (Chrestomathie ausgeschlossen sind. Es sind folgende
'«ruppen zu unterscheiden^):
1) VkI. M. Ihm, Zeutralbl. f. Bibl. XVI (1899) S. 811 tf.
2) f'ber diese Funde orientieren: C. Haeberlin, Griech. Papjri (Zentralbl. f.
I 4 weg. XIV (1897) H. Iff., 202 ff., 263 ff., 837 ff., 889 ff., 478 ff. Daran ao-
H _ i: W. Crönert, Arch. I 104 ff., 5ü2ff.; II 337 ff ; Hla••, Arch. III 867 ff.,
473 ff.; Ad. Körte, Arch. IV 602 ff. über die chrietlichon Texte: C. Schmidt, Arch.
I i-öff., 639ff., II «81 ff. Über die lateinischen: M. Ihm 1. c. Vgl. auch 8. de Ricci,
tin papyrologique (Kev. fit. Grec. 1901 ff.) und Kenjon• Berichte (Qraeoo-
• »•'"•♦ im Archacolog. Report (E^ypt Explor. Fund).
I berblick über die Funde solcher orientulinchon I*apyri bieten J. Kara-
i»..K. I ΜΠΓΓΓ durch die Ausstollun« Pap. Erxherxoij lUiner, Wien 1894, und
Ad. Erman (und F. Krebs), „Aus den l'upyrus der königlichen Museen" Berlin,
i'tiiann, 1899 (liandbb. d. kgl. Museen zu Horlin).
XII EinleituDg.
1. Ägyptische Urkunden, geschrieben in hieratischer oder demoti-
scher oder koptischer Schrift. In demotisch er Schrift (d. h. in der in
den Kanzleien entwickelten Kursiv- und Kurzschrift) liegt für die ganze
Ptolemäerzeit und bis in die Kaiserzeit hinein eine große Fülle der wich-
tigsten Paralleltexte zu den griechischen Papyri vor>) Es fehlt auch nicht
an demotisch-griechischen Bilinguen ^) sowie an griechischen Übersetzungen
demotischer Texte.^) In koptischer Schrift (d. h. in der seit dem IL Jahrh.
n. Chr. allmählich aufkommenden Transkription der ägyptischen Sprache
mit dem griechischen Alphabet nebst 6 demotischen Zusatzbuchstaben)*)
liegt gleichfalls eine große Fülle von Urkunden vor, die namentlich für
das Studium der byzantinischen und arabischen Zeit von größter Bedeu-
tung sind, und im besonderen auch zu den griechischen Papyri dieser Zeit
wertvolle Parallelen bieten.^) Auch fehlt es nicht an griechisch-koptischen
Bilinguen. ^)
2. Papyrusurkunden in der aramäischen Sprache, die die allgemeine
Verkehrssprache im Perserreich und später war. Zu den wenigen schon
1) Nacli der genialen Entzifferung durch Heinrich Brugsch und den wert-
vollen Studien von Eugene Revillout (vgl, seine Chrestomathie demotique, Nouvelle
ehrest, demotique, seine Revue Egyptologique u. a.) haben in neuester Zeit sich
namentlich F. L. Griffith und W. Spiegelberg um die demotischen Urkunden ver-
dient gemacht. Vgl. im besondern: F. L. Griffith, Catalogue of the demotic papyri
in the John Rylands Library, Manchester 1909; W. Spiegelberg, Demotische und
griechische Eigennamen 1901 (vgl. meine Anzeige im Arch. Π 177 ff.); Die demotischen
Papyrus der Straßburger Bibliothek 1902 (vgl. Arch. II 142 ff.); Demotische Papyrus
aus den kgl. Museen zu Berlin 1902; Demotische Papyrus von der Insel Elephantine, I
1908 (vgl. Arch. V 200 ff. und 216); Die demotischen Papyrus der Musees royaux du
cinquantenaire 1909, — Demnächst wird auch Kurt Sethe als Demotiker auf dem
Plan erscheinen.
2) Vor allem gibt es zahlreiche griechische Beischriften auf demotischen Kon-
trakten.
3) Vgl. z. B. die Neuausgabe des Leid. P. von Griffith und mir in der Zeitschr.
f. äg. Spr. 45, 103 ff.
4) VgL L. Stern, Xoptische Grammatik (1880) S. 7ff.; G. Steindorff, Kop-
tische Grammatik, 2. Aufl. (1904) S. 1 ff.
5) An größeren Publikationen liegen vor: Ägyptische Urkunden aus den könig-
lichen Museen zu Berlin, herausgegeben von der Generalverwaltung; Koptische
Urkunden. — Jacob Krall, Corp. Pap. Rain. II. Koptische Texte. I, Band: Rechts-
urkunden. Vgl. auch Krall, Koptische Briefe (Mitt. P. R. V) und Führer P. R.
S. 37 ff. — W. E. Crum, Coptic Manuscripts brought from the Fayum by W. M. Flin-
ders Petrie. Lond. 1893. Vgl. auch Crum, Catalogue general des antiquites egyp-
tiennes du Musee du Caire: Coptic Manuscripts, Cairo 1902, und Coptic Ostraca from
the Egypt Exploration Fund, the Cairo Museum and others. Lond. 1902, jetzt auch in
Lond. IV. Eine Gesamtausgabe der thebanischen Kontrakte wird von Crum und Stein-
dorff vorbereitet. — Weitere Literatur bei Steindorff 1. c. S. 232 ff. und in den
Bibliographien des Papyrusarchivs.
6) Die ältesten (IL Jahrh. n. Chr.) auf Mumienetiketten: Steindorff, Z. Aeg.
Spr. 28, 49 ff. — Koptische Unterschriften unter griechischen Briefen in P. Amh. 145 (53),
BGU IV 1094 (a. 525). Andrerseits stehen griechische Protokolle (Invocatio und Datum)
vor koptischen Verträgen (vgl. z. B. L. Stern, Z. Aeg. Spr. 1884 S. 153).
§ 1. Umfang und Aufgabe der Papyruskunde. XIII
früher bekannten Texten sind kürzlich aus Elephantine größere Mengen
iaus dem Ende des Y. Jahrh. v. Chr. stammend) hinzugekommen, die die
wertvollsten Aufschlüsse über eine jüdische Ansiedlung in Syene und Ele-
phantine aus jener Zeit gebracht haben und für die Kritik des Alten
Testaments sowie die Geschichte der jüdischen Diaspora von einschnei-
dender Bedeutung sind.^)
3. Hebräische und syrische Papyrusurkunden, die freilich nur in
.geringer Zahl gefunden sind.-)
4. Persische Papyri, geschrieben in Pehlewischrift, aus dem De-
zennium 619 — 629, in dem die Sassaniden über Ägypten herrschten (vgl.
unten S. lOV)
δ. Arabische Papyri, die von der Eroberung Ägyptens (ca. 640) an
bis ins XI Y. Jahrh. reichend in großen Massen gefunden worden sind."*)
Auch zahlreiche griechisch- arabische Bilinguen sind zutage gekommen.
Während also die griechischen und lateinischen Papyri literarischen
Inhalts und die sämtlichen orientalischen Papyri von der Chrestomathie aus-
geschlossen Avurden, sind andrerseits gelegentlich solche griechischen und
lateinischen Urkunden, die gleichfalls mit Tinte und Kalamos, aber auf an-
dern Schreibstoffen als Papyrus geschrieben sind und mit jenen zusammen
gefunden waren, mit hineingezogen worden, denn bei der Gleichartigkeit
der Inhalte macht es für die wissenschaftliche Yerwendung nichts aus,
ob die Handschriften auf Papyrus oder aber auf Topfscherben (Ostraka)
oder Kalksteinsplitteni, auf Holz oder Pergament oder Papier geschrieben
sind. Auch die Handschriften der in Ägypten gefundenen Wachstafeln sind
/.. T. mit berücksichtigt worden.^) Ygl. die Indices.
Der Ausdruck „griechische Papyruskunde" ist also auch nach dieser
Seite hin a potiori zu verstehen. Dagef^ren bloilxMi die Iiiscliriftcii trotz
1) Vgl. A. 11. oayce and A. E. Cowley, Aiai.i.w. i'..ir»ii v...-^,.,cicu »v Αο.-»..ίί,
Lond. 1906. — Ed. Sachau, Drei aramäische Papyrusurkunden aus Elephantine (Abh.
I'r. Akad. 1907). Nach dieser und anderen Eiuzeleditionen erscheint jetzt die Geeamt-
ausifube: Ed. Sachau, Aramilische Papyrus und Ostraka aus einer jüdischen MiliUlr-
' nie zu Elephantine. Altorientalischc Sprachdenkmäler des ό. Jahrh. v. Chr. Leipz.
• he l'Jll. Vgl, auch W. Staerk in l.ietzmanne Kleineu Texten für theol. Vor-
■ n^en u. Übungen Nr. 22/3 und 32.
2) Vgl. A. Erman 1. c. S. 290 f
8) Vgl. .1. Karabacek, Führ. PR S. 118. A. Erraan 1. c. S. 2U1.
4) Vgl J. Karabacek, Führ. "PK S. 131 if., der außerdem durch eine Keihe von
Monographien den ernten Grund zur Entzifferung gelegt hat. Vgl. die überticht bei
IJecker, Heid. III (l) S. 2ff. — L. Abel, Urk. a. d. kgl. Museen tu Berlin, Arab. Urk. I
1 u. 2, 18'J6 u. 1900. Vgl. Karabacek, Wien. Z. f. Kunde d. Morg. XI (1897) 1 ff.
Neuerdings haben, anch für die griechische PapyrnsforschuDg, die Arbeiten von
' H. Becker außerordentlich reichen Ertrag gebracht. Vgl. vor allem seine Ausgabe
*" Pap. Schott-Reinhardt I (Heid. III 1), Heid. 1906 und dasu „Arabische Papyri
vphroditofundcH" (Z. f. Assyriologio XX, 1900, 8. 68 ff), auch Z. f. Ass. XXII 187 ff.
rtind neue Editionen von Dr. K. W. Uofmeier xu erwarten.
'») Zu dicfien vernchiedonen 8chreibNtoffen vgl. unten | 4.
ΧΙΥ Einleitung.
ihrer vielfach sehr engen Beziehungen zu den Papyri^) der Epigraphik
vorbehalten, nicht nur weil diese schon eine fest begründete Disziplin ist,
sondern auch weil ein prinzipieller Unterschied insofern vorliegt, als die
Inschriften im allgemeinen Tatbestände enthalten, die durch die Einmeiße-
lung verewigt werden sollen, während durch die Papyrusurkunden in der
Regel Bedürfnisse der jeweiligen Gegenwart befriedigt werden. Daß es
freilich auch Grenzgebiete gibt, in denen eine sachliche Trennung schwer
durchzuführen ist, soll nicht geleugnet werden. Auch gibt es Probleme
(wie z. B. die Schriftlehre, die Sprache, die Diplomatik), bei denen ein
Zusammenarbeiten des epigraphischen und des papyrologischen Materials
absolut notwendig ist. So sind denn auch einige Inschriften, die für die
hier zu behandelnden Fragen sachlich besonders wichtig erschienen, in die
Chrestomathie mit aufgenommen worden. Vgl. die Indices.
Schon diese mühselige und oft mehr nach praktischen als nach lo-
gischen Gesichtspunkten erfolgte Begrenzung des Begriffes der „griechi-
schen Papyruskunde" zeigt, daß diese keine selbständige Wissenschaft
ist. Ebenso wie die ihr am nächsten verwandte Epigraphik, deren Be-
gründer August Boeckh ihr gleichfalls den Charakter einer „besonderen
Wissenschaft" abgesprochen hat, so ist auch die Papyruskunde nichts wei-
ter als eine historische Hilfsdisziplin, die allen den Wissenschaften,
die die Geschichte des Altertums, gleichviel von welchem Gesichtspunkte
aus, zu erforschen suchen, zu dienen hat. Daß die Papyruskunde immer-
hin als eine eigene „Disziplin" konstituiert und herausgearbeitet wird, ist
berechtigt und praktisch wünschenswert, denn zum vollen Verständnis der
Papyri gehört eine beträchtliche Summe von Fertigkeiten und Kenntnissen,
die nur an diesem Material erlernt werden können und ihr damit ihr
eigenes Gepräge geben. Nichts wäre aber verderblicher, als wenn dieses
neue Material zugunsten einer selbständigen „Papyruswissenschaft" isoliert
würde. Vielmehr ist die Hauptaufgabe der Papyrusforschung
darin zu sehen, daß sie auf der soliden Basis eines gemeinsamen
Uuterbaues die neuen Materialien in die verschiedenen histo-
risch arbeitenden Wissenschaften hinüberleitet, um die neuen
Einzeltatsachenwieder in die großenZusammenhänge zu bringen,
aus denen sie einst hervorgegangen sind.
Die Wissenschaften, die vornehmlich durch die Papyruskunde geför-
dert werden können, sind die Philologie, die alte Geschichte, die Rechts-
geschichte und die Theologie.^)
1) Manche InBchriften sind nichts weiter als eine Steinpublikation von Papyrus-
Urkunden.
2) Über den Nutzen der Papyri für die verschiedenen Wissenschaften handeln
u.a.: Wilcken, Die griech. Papyrusurkunden, Β erl., Reimer, 1897. Derselbe, Der
heutige Stand der Papyrusforschung (N. Jahrbb. f. d. kl. Alt. 1901 I (VII) S. 677 flF.—
L. Mitteis, Aus den griech Papyrusurkunden, Lpz., Teub., 1900. — Fei. Staehelin,
§ 1. Umfang und Aufgabe der Papyruskunde. XV
Für die Philologie liegt der Hauptwert in der außerordentlichen
Erweiterung unserer Kenntnis von der griechischen Sprache (vgl. § 6).
Nicht Dur die hellenistische, sondern auch die bvzantinische und neugrie-
chische Linguistik erhalten wertvolle neue Materialien, denn die bis jetzt
edierten Urkunden erstrecken sich über einen Zeitraum von etwa 1300 Jah-
ren (311 V. Chr. bis 996 n. Chr.V)
Was die Papyri für den Historiker bedeuten, habe ich im I. Bande
α zeigen versucht. Wir haben durch diese neuen Urkunden ein archi-
valisches Material bekommen, wie es bisher nur der mittelalterliche und
neuere Historiker besaß. Es sind vor aUem Fragen der inneren Politik
und der Verwaltung, sowie kulturhistorische und wirtschaftsgeschichtliche
Probleme, die durch diese Urkunden gefördert werden. Beschränkt wird
der Wert der Papyri dadurch, daß sie sich fast ausschließlich auf das eine
Land Ägypten beziehen. Da Ägypten sowohl in der Ptolemäerzeit inner-
halb der hellenistischen Welt, z. B. gegenüber dem ganz anders gearteten
"eleukidenreich, wie auch nachher in der Kaiserzeit innerhalb des römi-
.hen Weltreichs durchaus eine Sonderstellung einnimmt, so muß man sich
vor voreiligen Verallgemeinerungen sehr hüten. Aber durch die Vertiefung
nserer Kenntnisse der ägyptischen Zustände können wir bei richtiger Me-
iiode doch auch für die übrige antike Welt viel lernen, indem wir zu
ianz neuen Fragestellungen gedrängt werden und durch eine intensivere
\'ergleichung der ägyptischen und außerägyptischen Zustände nach beiden
Seiten hin Licht erhalten können. Vielleicht das Schönste aber an diesen
i.euen Quellen ist, daß sie uns durch einen Zeitraum von mehr als tausend
Jahren hindurch das wirkliche Leben im Großen und Kleinen mit packen-
lor Deutlichkeit vor Augen führen. Vielleicht niemand ist mit so leben-
iger Anschauung an die Erklärung der Urkunden herangetreten wieWila-
iiowitz in seinen Besprechungen der englischen Editionen in den Göttiuger
ielehrten Anzeigen (1898 ff.). Ihr Studium sei jedem aufs wärmste emp-
»hlen. Sie zeigen von neuem, daß nur der, der sich ein Gesamtbild er-
arbeitet hat, die hinzukommenden Einzelzüge zu bewerten vermag.
Was dem Rechtshistoriker die Papyri bedeuten, ist von Mitteis im
11. Bande dargelegt worden.
Dem Theologen hat die Sprache der Papyri, wie namentlich Deies-
nianns Arbeiten gezeigt haben, für die Interpretation des Textes des
ri Testamentes wie auch der Septuaginta die wichtigsten Bcitrftge ge-
' .. it (vgl. § G). Auch ihr luhAt ist für die Geschichte des Christentums
ind nicht nur d^s ägyptisf}ii»n von Interesse. Vgl. unten Kapitel II.
1 um Uli•!•
lut.ui i.'"l. — Weil' I• liiiiiiitui iii ιίβο Bibh'ographieii und
ispyruMurkundon-Ileferaten im Archiv.
1) Wenn ich recht Heho, int die loixt« t. Z. bokaonte arabUoh>gri6ohitcbe Bi-
Ungne die im Führ. PK η 1090 vom J. 090.
XVI Einleitung.
Daß endlich auch die Geschichte der Medizin nicht ganz leer aus-
geht, zeigt das Werk von Sudhoff.^)
So haben diese eigenartigen neuen Schätze dazu geführt, daß die Fa-
kultätsschranken gefallen sind, und daß alle Wissenschaften, die das grie-
chisch-römische Altertum behandeln oder streifen, sich zur Hebung dieser
Schätze vereinigt haben.
Die Summe der Kenntnisse, die allen Forschern, gleichviel von welcher
Wissenschaft sie kommen, in gleicher Weise unentbehrlich sind, möchte
ich als „allgemeine" oder „theoretische'^ Papyruskunde gegenüber-
stellen der „speziellen" oder „angewandten" Papyruskunde, die von
jener gemeinsamen Basis aus die Hinüberleitung und Einarbeitung in die
einzelnen Wissenschaften bezweckt. Die Hauptpunkte der allgemeinen Pa-
pyruskunde sollen in den folgenden Paragraphen dieser Einleitung in der
hier gebotenen Kürze zur Darstellung kommen. Der angewandten dienen
die beiden Teile unseres Werkes. Freilich wird auch die Kenntnis der im
I. Bande dargestellten historischen Grundlinien auch dem Nichthistoriker
unentbehrlich sein, wie andrerseits die mancher Probleme des Π. Bandes
dem Historiker.
§ 2. DIE FUNDE UND DIE FUNDSTÄTTEN.
Nur in großen Zügen können hier die verschiedenen Phasen der Pa-
pyrusfundgeschichte dargelegt werden.^) Zugleich soUen hier für die
Hauptfundstellen die bisherigen topographischen Arbeiten zusammenge-
stellt werden.
Durch mehrere Jahrhunderte hindurch ist in allen antiken Kultur-
ländern der Mittelmeerwelt neben den andern gebräuchlichen Schreib-
materialien der in Ägypten fabrizierte Papyrus ein weit verbreiteter Schreib-
stoff gewesen (vgl. § 4). Von diesen Millionen von Papyri, die dort be-
schrieben worden sein müssen, haben sich abgesehen von dem, was in
Archiven und Bibliotheken aus alter Zeit herübergekommen ist^), nur an
zwei Stellen der alten Welt Reste wiedergefunden, in Herkulaneum und
in Ägypten. Es müssen an beiden Plätzen besonders günstige Bedingungen
1) K. Sudhoff, Ärztliches aus griechischen Papyrusurkunden. Bausteine zu
einer medizinischen Kulturgeschichte des Hellenismus (Stud. z. Gesch. d. Medizin,
herausgeg. von d. Puschmann- Stiftung a. d. Univ. Leipzig). Ambr. Barth 1909.
2) Vgl.Wilcken, Die griechischen Papyrusurkunden 1897 S. 10—20. Derselbe,
Der heutige Stand d. Papyrusforsch. (N. Jahrbb. 1901) S. 680 ff. Genaueres ist in den
weiterhin zitierten Ausgrabungsberichten zu finden, vor allem bei Grenfell-Hunt,
Fayum Towns S. 17 ff. und Archaeolog. Report 1896/7 S. Iff. (Oxyrhynchos).
3) Die so erhaltenen Papyrusurkunden wie die Ravennatischen Papyri, die Papst-
urkunden, die merowingischen Urkunden usw. können hier nur gestreift werden,
ebenso die auf dieselbe Weise erhaltenen literarischen Papyrusbücher, wie der Mai-
länder (lateinische) Josephus usw. Vgl. die Nachweise bei M. Ihm, Zentralbl. f. Bi-
bliothekswesen XVI (1899) S. 351 ff.
§ 2. Die Funde und die Fundstätten. XVII
für die Konservierung des zarten Pflanzenpräparates bestanden haben. Wenn
man in einem Hause in Herkulaneum, das im J. 79 n. Chr. mit Pompeii
zusammen vom Vesuv verschüttet war, seit 1752 über 1700 Papyrusrollen
gefunden hat, so darf man annehmen, daß eben durch dies Naturereignis,
im besondeni wohl durch die Bildung der starken Lavadecke, die der
Konservierung der Texte zuträglichen Bedingungen geschaffen worden sind.
Da diese herkulanensisehen Rollen nur literarische Texte enthalten, so
habe ich hier nur über die ägyptischen Funde zu berichten.
Xicht alle Teile Ägyptens sind in gleicher Weise befähigt, den Pa-
pyrus zu konservieren. Die Erfahrungen der Ausgrabungen haben uns ge-
lehrt, daß die Feuchtigkeit der größte Feind des Papyrus ist. Wo Grund-
' asser ist, wo stärkere Regen fallen, wo die Nilüberschwemmung sich
ausbreitet, zerfällt der Papyrus. Darum haben sich im Delta, das der
iiegenzone angehört und überdies alljährlich überschwemmt wird, Papyri
l>enso wenig gefunden wie im Boden Griechenlands, Kleinasiens, Italiens
ind sonst. Wenn sich in Mendes (im Delta) in einem vom Feuer zerstör-
ten Hause halbverkohlte, vom Feuer geschwärzte Papyri erhalten haben ^),
'lie in ihrem Äußern den gleichfalls geschwärzten herkulanensisehen Rollen
bneln, so scheint daraus zu folgen, daß dieser chemische Prozeß den
i'rtanzeustoff gegen die zerstörende Einwirkung des feuchten Klimas im-
lunisiert. Hiernach ist die Hoffnung, wenigstens geschwärzte Papyri noch
• inmal in Alexandrien zu finden, vielleicht nicht ganz aufzugeben.
Das eigentliche Fundgebiet für Papyri ist hiernach das Land südlich
'»n Kairo, in dem Regengüsse zur Seltenheit gehören. Freilich in dem
Ujährlich überschΛvemmten flachen Niltal können nur solche Höhen in
'»♦?tracht kommen, die von der Überschwemmung und auch vom Grund-
wasser nicht erreicht werden. Am günstigsten sind im allgemeinen die
^'erhältnisse in den hoch gelegenen Wüstenrändern, soweit nicht auch hier
rundwasser vorhanden ist. Die bisher gemachten Funde lassen sich nach
»Igenden Perioden gliedern.
1. Periode.
Im Jahre 1778 wurden einem europäischen Kaufmann etwa 50 Pe-
vruerollen angeboten, von denen er eine kaufte. Die andern verbrannten
ii3 Araber vor seinen Augen und ergötzten sich an ihrem Duft.*) Jene
iie Holle, die in den Besitz des Kardinuls Borgia kam, wurde 1788 von
ikolaue Schow als die erste knrsiv geschriebene Papyrusurkunde ediert
I'. Schow). Sie stammte aus Πτολίμαΐς νρμος in der mittolägyptischen
i'rovinz rl-F^aijfiin. Erst nach einiiren De/innien gelangten neue Funde in
ij >gi. iJ'ii ill 902--Uo«), vtn .mw. »ίΐΐΓΐιυΐι, FeiUchrift f"'- " μ..-..».•,.! ι
H8 ff.
2) Ähnliche• hOrte 1788 Voloey bei DamietU.
Mttt«lfWtlok«n: OnindaOg• I. b
XVIII Einleitung.
die europäischen Museen. Alle diese Texte wurden von Eingeborenen, die
sie meist zufällig gefunden hatten, erworben, sodaß bei der Unzuver-
lässigkeit ihrer Aussagen die Fundorte meist nur durch den Inhalt zu er-
schließen waren. Die Fundplätze dieser meist in den zwanziger und drei-
ßiger Jahren des XIX. Jahrb., z. T. auch später, gemachten Funde sind
(von Ν nach S): Letopolis, an der Spitze des Delta auf dem Westufer
gelegen^); das Serapeum, westlich von Memphis auf dem Wüstenplateau,
wo eine außerordentlich interessante Gruppe von zusammengehörigen Texten
in einem Kruge gefunden wurde, sowie Memphis selbst, vielleicht auch
Oxyrhynchos in Mittelägypten ^) ; ferner in der Thebais: Panopolis
(Achmim) auf dem Ostufer und This auf dem Westufer, vor allem die
Ruinen von Theben auf dem Ost- und Westufer, die sehr reiche Funde
ergaben, Hermonthis (Erment) auf dem Westufer, und an der Südgrenze
nördlich des ersten Katarrakts die Insel Elephantine und östlich davon
am Ufer Syene (Assuan). Die meisten dieser Funde, darunter die Haupt-
masse der memphitischen und die thebanischen Texte, gehören der Ptole-
mäerzeit an (und zwar vorwiegend dem IL Jahrh. v. Chr., einzelne schon
dem IIL Jahrb.), nur wenige der römischen Kaiserzeit (wie eine gewisse
Gruppe memphitischer Urkunden u. a.) und der byzantinischen Zeit (so
die aus Panopolis und This). Der Wunsch, genauere Aufschlüsse auch
über die Kaiserzeit zu erhalten, wurde erst erfüllt durch die
2. Periode.
Nachdem in den Papyrusfunden eine längere Pause entstanden war,
setzten mit dem Jahre 1877 die großen Faijumfunde ein, mit denen ein
neuer Aufschwung der Papyrusforschung begann. Viele tausende von Texten
kamen damals aus dem Boden von Ar sin ο e, der Metropole des 'Aqulvoi-
της νομός^) hervor. Ähnliche Funde wurden gleichzeitig in Herakleo-
polis Magna und Hermopolis Magna gemacht, die erst später aus den
sogenannten „Faijumfunden" abgesondert wurden. Die anfangs von J. Kara-
bacek (Denkschr. Wien. Akad. 1882) aufgestellte Ansicht, daß die arsinoi-
tischen Funde die Reste eines großen Provinzialarchivs darstellten, erwies
sich als unrichtig, als Adolf Erman und Georg Schweinfurth 1886 das
1) Von dort nur P. Leid. R. Vgl. Wilcken, Gr. Papyrnsurkunden 1897 S. 43.
2) Wenigstens behandelt F. Par. 62 die Abgaben dieses Gaues. Es ist aber nicht
eicher, ob er dort gefunden ist.
3) Zur Topographie des Faijum vgl. G. Schweinfurth, Reise in d. Depressions-
gebiet im Umkreise des Faijum. Z. d. Ges. f. Erdk. XXI (1886) Nr. 2, mit vortreff-
licher Karte. Grenfell-Hunt-Hogarth, Faijum towns and their papyri 1900 (mit
wichtigen neuen Resultaten). Die Angaben der Papyri über das Faijum sind zu-
sammengestellt von C. Wessely, Topographie des Faijum in griech. Zeit. Denkschr.
Wien. Akad. 1904. Dies ist jetzt überholt durch Grenfell-Hunt, P. Tebtynis II
App II 1907. Vgl. auch C. Wessely, Karanis und Soknopaiu Nesos. Denkschr. Wien.
Akad. 1902.
§ 2. Die Funde und die Fundstätten. XIX
Ruinenfeld (nördlich der heutigen Provinzialhauptstadt Mediiiet el-Faijüm)
_'enau untersuchten. Sie stellten fest, daß die Faijümpapyri daselbst aus
ien verschiedensten Stellen des weiten Trümmerfeldes, namentlich aus den
Hügeln hervorgezogen wurden.^) Diese Hügel erkannte Schweinfurth als
die antiken Kehrichthaufen der Stadt (χοπρίαί oder χοπρώνες\ auf die zur
rewinnung von Raum in den bewohnten Teilen neben Tonscherben,
schlacken, Asche, Kohlen, Lumpen, Stroh, Viehmist, Küchenabfällen usw.
uch das „alte Papier^' abgeworfen zu werden pflegte.*) Es wurde femer
stgestellt, daß die Papyri von den Fellachen gefunden wurden, wenn sie
ie antiken Stadtruinen nach der Ssebbäch genannten Dungerde durch-
fühlten.^) Die Richtigkeit aller dieser Beobachtungen ist später durch
die systematischen Papyrusgrabungen (s. unten) vollauf bestätigt worden.
Viitürlich ist damit nicht ausgeschlossen, daß gelegentlich auch in Arsinoe
iiie und da ein größerer Fund wohlbehaltener Rollen (etwa in Krügen)
gemacht sein kann. Aber das Charakteristische dieser seit 1877 in den
Kehrichthaufen der alten Städte gemachten Funde liegt gegenüber der
ersten Periode doch darin, daß hier weggeworfene alte Akten durch die
Ssebbachin wiedergefunden wurden.^) So entstammen diese Funde den
verschiedensten Archiven, Bibliotheken, Bureaus, Privathäusem usw. Neben
•n Hügeln kommt selbstverständlich auch das Stadtgebiet selbst in Be-
acht, das freilich in vielen Fällen durch das Grundwasser sich als nicht
rtragreich erwiesen hat.^)
Nachdem durch die großen Ankäufe nach Wien, Berlin, Paris, London
hin die Eingeborenen den materiellen Wert solcher Funde kennen gelernt
hatten, wird wenigstens hie und da bei den Ssebbächgrabungen etwas
sorgfältiger auf die Konservierung der Papyri geachtet worden sein, und
manche Antikenhändler (namentlich im Faijfim) ließen sich von der Re-
gierung die Erlaubnis zu Papyrusgrabungen geben. So nehmen in der
nächsten Zeit die Papyrusfunde beständig ihren Fortgang. Von hervor-
i^endem Wert waren die Resultate der von 1887 an von FaijOmer Händ-
* niommenen Grabungen in Σοχνοτιαίον Nilöog (Dimeh), nördlich
!. t el-Kurün (=- Mörissee).^) In diesem von der Wüste läncr^t er-
1) Vgl. Ad. Erman, Die Herkunft der Faijümpapyri. Hermee 21, 686 t!
2) Vgl. G. Schweinfurth, Zur Topographie der Ruinenetltte dee alten r>cnet
rokodilopolie-Areinoö). Zeitechr. d. Gee. f. Krdk. XXII (1H87) Nr. 1 (nebet Znatten
η U. Wilckem. Vgl. ferner zur Stadtgeechichte: C. Weeiely, Die Stadt Anino«
griechiecher Zeit. Sitz.-Ber Wien. Akad. ph. h. Kl. CXLV (1902) 4. Abb.
8) Im Arch II HOdff. zeigte ich, daß diese Sitte schon im Altertum beetanden
V Vgl. unten S. 827.
l) Grenfell-Hiint fanden in OxyrhynchoH Körbe voll wohlerhaltener Akten, die
I ir iweckH Bereinigung eines Hureaue auf die Kehrichthanfen geworfen waren.
.) Vgl. Wilcken, Archiv II 382.
(>; Einen Plan τοη DimOh hat schon l{. LepMiuH in den Deakmilem aai Ag. u.
>b. publiziert <I 62). Die AltertuniHforMchung wilrd«* t. T. eine andere Kntwicklung
'!<>mnien haben, wenn schon damals ιτ' lirse rapymseoh&ttt gef^den waren!
b•
XX Einleitung.
oberten Gebiet hatten sich in den Häusern selbst die Papiere ganz so
erhalten, wie die Einwohner sie einst um 300 n. Chr. (nach Grenfell-Hunt)
beim Verlassen des Dorfes hatten liegen lassen. Daher überragen diese
Dimeh - Papyri hinsichtlich der Konservierung weit die Funde aus den
^ongiai. Auch an verschiedenen anderen Stellen des Landes sind in
dieser Periode Funde durch Eingeborene gemacht worden. So erwarb die
Bibliotheque Nationale 1887 Papyri aus Panopolis (Achmim), und Sayce
kaufte 1894 in Luxor Texte aus der großen Oase el-Chargeh.•^) Leider
kann nach den Beobachtungen von Grenfell-Hunt kein Zweifel sein, daß
ein großer Teil der durch die Eingeborenen an's Licht gezogenen Papyri
durch ihre Unachtsamkeit zerstört worden ist.^)
3. Periode.
Eine neue Periode, in der wir noch heute stehen, begann damit, daß
die Altertumsforscher selbst die Ausgrabung der Papyri in die Hand
nahmen. Eingeleitet wurde sie durch die Grabungen von Flinders Petrie
in Guröb (am Eingang des Faijtim) im Winter 1889/90^), bei denen er
garnicht speziell Papyri zu finden beabsichtigt hatte, die ihm aber doch
den Anlaß gaben, eine neue Methode der Papyrusgewinnung zu inaugurieren.
Zwar hatte schon Passalacqua einige griechische Papyrusfragmente aus
einer Mumienkartonage losgelöst^), aber dieser Vorgang blieb ohne Konse-
quenzen. Erst Flinders Petrie hat diese wichtige Fundquelle für alle
Zeiten erschlossen, indem er beobachtete, daß zahlreiche der von ihm in
Gurob ausgegrabenen Särge aus einer Kartonage bestanden, die durch
Zusammenklebung mehrerer Schichten von Papyri hergestellt war.^) Da-
durch haben mit einem Schlage die Nekropolen eine ganz neue Bedeutung
für die Papyrusfunde gewonnen. Während man früher nur vereinzelt in
den Särgen Papyrusrollen fand, die den Toten ins Jenseits mitgegeben
waren ^), eröffnete sich jetzt, da die Särge selbst eventuell aus beschriebenen
Papyri bestehen können, eine ganz neue Perspektive. Diese Aussichten
sind auch heute noch, trotz der reichen Funde, die inzwischen in dieser
Weise gemacht sind, außerordentlich große, da von den endlosen Nekro-
polen am Wüstenrande, die von Cairo südwärts im Osten und Westen das
1) Zur Topographie dieser Oase vgl. Wilcken, Archiv IV 478.
2) Vgl. Fayoum-towns S. 20 : there is infortunately little doubt that quite half the
papyri discovered hy natives in the Fayüm since 1877 have perished altogeiher.
3) Schon 1888/9 hatte er einige Papyri in der Nekropole von Hawära (Faijum)
gefunden.
4) Letronne, Lettre ä Mr. Passalacqua (Not. et Extraits d. Ms. gr. XVIII (2)
S. 410 ff.
5) Die damals von ihm zusammen mit Mahafiy und Sayce aus den Kartonagen
hervorgeholten Papyri sind die berühmten Petrie Papyri.
6) So soll der Pariser Alkman gefunden sein, die Ilias Bankesiana, auch Ari-
stoteles' ΆΟ^Ύΐνούων TtoXiTSLcc u. a Neuerdings ward so der Timotheos gefunden.
§ 2. Die Funde und die Fundstätten. XXI
Xiltal begleiteD, erst ein kleiner Teil durchforscht ist, nnd da andrerseits
sieh kürzlich herausgestellt hat, daß diese Sitte der Pappfabrikation aus
Papyri nicht nur, wie man zuerst annahm, im III. und IL Jahrh. v. Chr.,
sondern auch noch in der Kaiserzeit, erwiesenermaßen einstweilen bis
Augustus, bestanden hat.^)
Es ist das \^erdienst des Egypt Exploration Fund, daß im Winter 1895/6
zum erstenmal systematische Papyrusgrabungen durch europäische Gelehrte
ausgeführt wurden, und damit beginnt die neue Periode. In seinem Auf-
trage gruben damals Hogarth, Grenfell und Hunt in der Nordost-
ecke des Faijiim, in Karanis (Korn Usim) und Bacchias (Umm el-'Atl)
mit bestem Erfolg. Epochemachend aber wurden die Funde, die Gren-
fell und Hunt im nächsten Winter (1896/7) in Oxyrhynchos (Behnesa,
westlich vom Bahr Jüssuf)^) machten, wo ganz ungeheure Massen von Texten
gefunden und dank dem methodischen Vorgehen der Leiter für die Wissen-
schaft gerettet wurden. Seit jener Zeit haben diese beiden unermüdlichen
Forscher bis vor kurzem fast in jedem Winter in Ägypten gegraben und
haben so unter allen Suchenden die größten Papyrusschätze dem Boden
entlockt. Abgesehen von den zahlreichen Kampagnen in Oxyrhynchos
haben sie dazwischen immer wieder an den Rändern des Faijüm gegraben
und haben dabei immer neue feste Punkte für die Topographie der Land-
schaft gewonnen. So entdeckten sie im Winter 1898/9 die Dörfer Ενη-
μερεία (Kasr el-banät), Θεαδελφεία (Harit), Φιλωτερίζ (Wadfa) im
NW des Faijüm.») So gruben sie 1.^99/1900 in der SW-Ecke in Τεβ-
τννις (Umm el-baragiit), wo sie das Glück hatten, eine Λveit ausgedehnte
Nekropole von mumisierten Krokodilen zu finden, die mit den Aktenrollen
des benachbarten Dorfes ausstaffiert, z. T. mit langen Papyrusrollen um-
wickelt waren.*) Auch 1901/2 waren sie im Faijüm, siedelten dann aber
nach Hibeh in Mittelägypteii über (Ostufer gegenüber von Fesn), wo
schon Eingeborene Funde gemacht hatten. Die Ausgrabungen in Hibeh
haben dann 1902/3 wieder die schönsten Erfolge gehabt.*)
Diese glänzenden Ergebnisse der Engländer, durch die die Zweck-
mäßigkeit dieser Methode erwiesen war, haben auch andere ermuntert, in
derselben Weise nach Papyri zu graben. Von den Franzosen haben
P. Jouguet und G. Lefebvre im .1. 1901 im SW des Faijftm in Gonin
und 1902 in Medinet en-Nehas (— Μη«Γ(1ηΐ2ΐΊ tfegraben und haben wert-
1) Dam zeiKton die Funde aui Abusir el-MU&k (Berlin}
*l Xur Tüpof^rapbio vgl. die AuHführunfien yod OrenfeU- ϋ>•.•ί ••
rh••• iiiiiden. Vgl. auch unti'ii die Kinlcitung tu 474.
S; Vgl. zu dienen und den folgenden Auegrubungen ihre Hr^ '
Pap. und im Archacolog. Keport, vor allem ihre Kinloitung xu 1'
4; Vgl. die I)ariit<llungen in P. Tcbtyo. I und II.
h) Vgl. P. Illheh I.
ΧΧΠ Einleitung.
volle Texte des ΙΠ. Jalirli. v. Chr. aus Mumienkartonagen gewonnen.^) Die-
selben beiden Gelehrten haben dann 1902/3 und 1903/4 im mittelägypti-
schen Tehneh (= Τηνις) erfolgreich gegraben, wo vorher bereits Ein-
geborene gearbeitet hatten.^) Später hat Lefebvre im oberägyptischen
Kom Esqäw (= Αφροδίτης Λολις) den bedeutendsten Fund der letzten
Jahre gemacht, indem er (1905) den Menander fand. Von den großen
ürkundenfunden, die vorher (1901) die Eingeborenen daselbst gemacht
hatten, ist ein Teil nach London verkauft worden ^), während die ' andern
von den Barbaren verbrannt wurden. Mit dem Menander zusammen ist
eine große Zahl vortrefflich erhaltener byzantinischer Texte gefunden wor-
den, zu denen 1907 noch neue hinzugekommen sind.^) Dagegen scheinen
die Ausgrabungen des Franzosen Gayet in Antinoopolis nicht viele
Papyri gebracht zu haben. ^)
Auch die Italiener haben Papyrusgrabungen veranstaltet. So hat Ev.
Breccia in Hermopolis Magna (Esmunen) mit Erfolg gegraben.^)
Von deutscher Seite sind Grabungen bisher nur vom Berliner könig-
lichen Museum ausgeführt worden. Im Winter 1898/9 habe ich, zusammen
mit H. Schäfer, im Auftrage des Museums in Herakleopolis Magna
(Ehnäsje) Papyri ausgegraben.'^) In größerem Maßstabe wurden die Gra-
bungen in Angriff genommen, nachdem der preußische Landtag auf fünf
Jahre hintereinander die Mittel bewilligt hatte. 0. Rubensohn, der da-
mit beauftragt wurde, hat namentlich an zwei Stellen mit großem Erfolg
gegraben.^) In Abusir el-Mäläk, dem Wüstenhügel vor dem Eingang
zum Faijum, fand er jene Papyrussärge, die sich zu unserer Überraschung
als aus alexandrinischen Papyri zusammengeklebt ergaben.^) In Ele-
phantine fand er die durch ihr hohes Alter und ihre vortreffliche
Konservierung ausgezeichneten Akten, die er dann selbst herausgegeben
hat.^^) Auf die aramäischen und demotischen Urkunden, die er dort fand,
. 1) Vgl. jetzt P. Lille I, wo die frühere Literatur verzeichnet ist.
2) Daher stammen die meisten der von Th. Reinach edierten Texte.
3) Vgl. jetzt Beils Ausgabe von Lond. IV.
4) Vgl. Jean Maspero, Etüde sur les papyrus d'Aphrodite. Bull, de l'Inst. Fran9.
d'Archeol. Orient, t. VI (1908) S. Iff. Jetzt: Cair. Cat.
5) Vgl. S. de Ricci, Bull. Papyrol. I S. 189.
6) Vgl. seinen Bericht in Rendic. d. Accad. d. Lincei XII 12 (1903). — Zur Topo-
graphie von Hei-mopolis vgl. Ev. Breccia, ^Ερμον πόλις ή μεγάλη im Bull, de la Soc.
Archeol. d'Alex. Nr. 7 (1905) S. 18 ff. (mit Plan und Photographien und einem Ver-
zeichnis der hermopolitanischen Papyri). Vgl. auch P. Viereck, Die Papyrusurkun-
den von Hermopolis. Ein Stadtbild aus römischer Zeit. Deutsche Rundschau 1908,
Oct. S. 98 ff.
7) Vgl. meinen Bericht im Archiv II 294 ff. mit Plan von H. Schäfer.
8) Vgl. z. B. seinen Bericht im Bull. Soc. Archeol. d'Alex. Nr. 8 S. 20 ff., und bei
Jouguet, Chron. d. pap. II p. 3 f.
9) Vgl. W. Schubart, Archiv V 35 ff.
10) P. Eleph. s. unten p. XXVI.
§ 3. Samminngen und Editionen. XXIH
ist schon p. XII hingewiesen ΛνοΓάβη. Sein Nachfolger, Dr. Zucker, hat
die Ausgrabungen auf Elephantine mit gutem Erfolg fortgesetzt. Kürzlich
waren auch P. Viereck und W. Schubart im Faijum tätig. Alle deut-
schen Grabungen genossen die unschätzbare Hilfe Ludwig Borchardts.
Neben diesen methodischen Ausgrabungen der Gelehrten laufen die
Bemühungen der Eingeborenen fort. Wenn auch gelegentlich wichtige
Funde durch sie in den Handel kommen, wie neuerdings wieder die Pa-
pyri von '^4πόλλωνος πόλις Έπτακωμία^), so ist doch für die Wissen-
schaft zu wünschen, daß ihre Tätigkeit, wenn möglich, auf das Aufspüren
neuer Plätze beschränkt werde, während die Ausgrabung selbst nur der
Leitung erfahrener Forscher anvertraut werden sollte.
Welche Schätze der Boden Ägyptens noch jetzt birgt, wird hoffent-
lich die Zukunft enthüllen. Manches mögen noch die κοπρίαι der Städte
im Niltal liefern. Aber die größeren Hoffiiungen sind auf die Wüstenränder
zu setzen mit ihren Nekropolen und ihren versandeten Siedlungen.
§ 3. SAMMLUNGEN UND EDITIONEN.
Die Papyri, die in Ägypten gefunden sind, sind heute über den ganzen
Erdkreis verstreut. Nachdem noch vor kurzem nur Europa, Afrika und
Amerika Papyri besaßen, sind durch die Verteilungen von Oxyrhynchos-
Papyri kürzlich einige Texte auch nach Melbourne in Australien gekom-
men. *j Die größten Sammlungen befinden sich im British Museum zu
London und im Queen's College zu Oxford, im Louvre zu Paris, in der
kaiserlichen Hofbibliothek zu Wien (Papyrus Rainer), in der Ägyptischen
Abteilung der königlichen Museen zu Berlin und im Museum zu Kairo.
Daran schließt sich eine Reihe von mittelgroßen Sammlungen an, wie die
in Leiden, Turin, Genf, Dublin, Straßburg, Heidelberg, Leipzig, neben
denen eine große, beständig wachsende Zahl kleinerer Sammlungen steht,
wie die von Hamburg, Bremen, Gießen, München, Würzburg, Graz, Basel
u. a., von denen Hamburg und München bald in die zweite Klasse einrücken
zu wollen scheinen. Wie viele Tausende von Papyri bereits in Sammlungen
:^ ii sind, läßt sich nicht einmal abschätzen. Aber auch schon die
/ lenzählung der publizierten Stücke — es mögen wohl in nicht all-
zufemer Zeit gegen lOiKX) werden — würde eine zeitraubende Arbeit er-
fordern. Einer späteren Zeit bleibt es vorbehalten, die gesamten Schütze in
einem Corpus papyrorum zusammenzufügen. Wenn auch das glänzende
Beispiel der Berliner Inschriften -(/orpora zeigt, daB man nicht bis zum
Aufhören der Funde warten soll, ho ist doch, namentlich in Anbetracht der
ri der Thebaie, ge^^nfiber von ΆνχαΙου ηάΧίς. Vgl. Wiloken, Archiv IV lea AT.
Κ rrxMriann, Klio VII S8iff. und P. Oi••.
2) Vgl P. Oxy. IV 8. «βδί.
XXrV Einleitung.
geringen Zahl der Mitarbeiter, der ständig wachsenden Funde und der
Tatsache, daß erst ein Teil der Museumsschätze ediert ist, noch nicht die
Zeit für unser Corpus gekommen. Jetzt ist es noch die wichtigste Auf-
gabe, die Bestände der Sammlungen in Sonderpublikationen zugänglich
zu machen und das Edierte für die verschiedenen Wissenschaften zu ver-
arbeiten.
Um einen Überblick über die große Zahl der Einzeleditionen zu er-
leichtern, ist im letzten Dezennium eine Reihe praktischer Hilfsmittel ge-
schaffen worden. Ein sachlich geordnetes Verzeichnis aller publizierten
Urkunden gab ich unter dem Titel General-Register im Archiv I Iff.
und 548 ff. heraus, das jetzt in zweiter Auflage erscheinen zu lassen meine
nächste Aufgabe ist. Eine Zusammenstellung und Besprechung aller Edi-
tionen, von den ältesten an, bieten P. Viereck in Bursian's Jahresberichten
Bd. 98 (1898) S. 135 ff, Bd. 102 (1899) S. 244 ff. und Bd. 131 (1907)
S. 36 ff.; Seymour de Ricci, Bulletin Papyrologique in Rev. d. Etud.
grec. XIV S. 163 ff, XV S. 408 ff, XVI S. 105 ff., XVIII S. 303 ff und
N. Hohlwein, La papyrologie grecque im Musee Beige VI — IX (auch
separat erschienen). Abgesehen von den in vielen Zeitschriften zerstreuten
Rezensionen und den Auszügen für Spezialfächer^) erscheinen ferner seit
einigen Jahren fortlaufende Referate über die neueren Urkundenpublika-
tionen, so von P. Jouguet, Chronique des Papyrus (Revue d. Etud. An-
ciennes V Nr. 2 [1903] und VII Nr. 2 [1905]); F. Kenyon, Greco-Roman
Egypt (in dem von Grifiith herausgegebenen jährlich erscheinenden Archaeo-
logical Report des Egypt Exploration Fund); Wilcken, Papyrus-Urkunden
(im Arch. I — V). Über die an die Editionen sich anschließenden Arbeiten
orientieren ferner meine sachlich geordneten „Bibliograph ien^' im Archiv
(I 545 ff. II 160 ff., 463 ff. III 141 ff IV 198 ff.). Vgl. auch die alphabetisch
geordneten bibliographischen Notizen bei Wessely, Stud. Pal. I S. 17 ff.,
43 ff., 122 ff. Ein Abdruck aller außerhalb der großen Editionen vereinzelt
edierten Papyrusurkunden wird von Preisigke vorbereitet (Sammelbuch
griechischer Urkunden aus Ägypten).
Um die Benutzung der in unserm Werk angewendeten Abkürzungen^)
der Editionstitel zu erleichtem, habe ich die Aufzählung der wichtigsten
Papyruspublikationen im folgenden nach eben diesen Abkürzungen in al-
phabetischer Reihenfolge angeordnet. Aus der großen Menge der Be-
sprechungen konnten hier nur einige wenige aufgeführt werden. In den
aus dem Archiv und aus Viereck bei Bursian (s. oben) zitierten Referaten
sind meist Hinweisungen auf weitere Bearbeitungen zu finden.
1) So bericMet Viereck in der Byzantinischen Zeitschrift über die byzantini-
schen Texte, Mitteis in der Zeitschr. der Savigny - Stiftung Rom. Abt. über die ju-
ristischen. Vgl. auch die oben p. XI zitierte Schrift von Ihm.
2) Es sind die im Archiv eingeführten Abkürzungen. Vgl. Arch. I 24 usw.
§ 3. Sammlungen und Editionen. XXV
P. Alex. 1) = Mahaffy, Bull. Cor. H. 18, 145 (198). 2) = Botti, Pap. ptolem. du
Musee d'Alex. Bull, de la Societe' areheol. d'Alex. Nr. 2 (1899) S. Θ6 flF. Vgl.
Wilcken, Archiv I 172 ff. Viereck 1907, 107. ΛVeiterθ Texte aus dem alex.
Museum edierte 3) Breccia, Papiri greci del Museo di Alessandria, Bull, de la
Soc. arch. d'Al. Nr. 9 (1907) S. 87 ff. Vgl. Wilcken, Arch. V 279 f.
P. Anib. = Grenfell and Hunt, The Amherst Papyri Part I (1900) (theologische
Texte, darunter der Brief I 126), Part II (1901). Vgl. Wenger, Archiv U 4lff.;
Wilcken II 117 ff.; Viereck 1907, 71 ff.
P. Aphrodite = C.H.Becker, Arabische Papyri des Aphroditofundes. Z. f. Asayriol.
XX (1896) S. 68ff. Derselbe, Der Islam Π 245 ff. Darunter auch arabisch- grie-
chische Bilinguen. Vgl. P. Heid. S. Wilcken, Archiv IV 185 f. — H. J. Bell,
The Aphrodito Papyri. Jour. Hell. Stud. 28 (1908) S. 97 ff. Derselbe edierte im
Archiv V 189 einen neuen Text dieser Gruppe. Eine Gesamtpublikation der Lon-
doner griechischen Aphrodito-Papyri bietet jetzt Lond. IV.
P. Aphrod. CairO = Jean Maspero, Etudes sur les papyrus d'Aphrodite. Bull, de
rinst. fr. VII 1908. Vgl. Wilcken, Arch. V 283. Die Gesamtpublikation ist jetzt
begonnen in Cair. Cat.
P, Ashmol. = Mahaffy, On new papyrus fragments from the Ashmolean- Museum
at Oxford. Transact. of the Roy. Irish Academy 31, 6 (1898) S. 197 ff. Vgl.
Wilcken, Arch. I 165 ff.
P. Angonia = G. Vitelli, Tre documenti greco-egizi (Ausonia Π 1907). Vgl.AVilcken»
Arch. V 281.
P.Basel• Yg\. E. Rabel, Eine Hypothekarurkunde aus der Zeit Hadrians 1909 (vgl.
Arch. V 432).
Berl. Bibl. = G. Parthey, Frammenti di papiri greci asservati nella R. bibl. di
ßerlino. Memorie d. Ist. d. corresp. areheol. II (1865) S. 438 ff. Vgl. Wilcken,
Hermes 22, 142 ff.
BiiV = Ägypt. Urkunden aus d. kgl. Museen zu Berlin, herausg. von der General-
verwaltung. Griechische Urkunden I 1895. II 1898. III 1903. Von IV sind 11 Hefte
erschienen. Zu beachten sind die „Berichtigungen und Nachträge** am Schluß
der Bände. — Außer den Referaten im Archiv und den Nachweisen bei Viereck
1907 S. 42 f. vgl. Mitteis, Hermes 30, 564 ff.; 32, 629 ff.
P. Boissier = J. Nicole, Avill. Flaccus prefet d'Eg. et Philon d'Alex. Rev. de phi-
lol. ΧΧΠ 18 ff (= I 18).
P. Bremeu. Vgl. Wilcken, Archiv IV 163 ff. 385 f. V 246.
P. Brux. = F. Mayence et Seymour de Ricci, Pap. Bruxellensis I. Mos^ Beige
VIII (1904) S. 101 ff. (vgl. I 286).
P. Calro. Vgl. Grenfell-Hunt, Greek Papyri, Catalogue generale d. Antiqu. igypt.
du Mus. du Caire, Nr. 10001—10869, 1903. Edition einzelner Texte: Grenfell-
Hunt, Arch. 1 57 ff. Π 79 ff. (vgl. 11, 224, 804, 410).
P. Calro Cat. = Jean Maspero, Pap. grece d^poque byzantine, Catalogue gin^rale
du .Musee du Caire Nr. 67001—67089. Vgl. Wilcken, Arch. V 442. M. OeUer,
.\rch. V 346 ff. J. PartBch, GGA 1911, 806 ff. und Nachr. Gott. G. 1911, 201 ff.
P. Calro Preis. = PreiHigke, Griech. Urkunden d. äg. Museume su Kairo 1911.
V. ( attüoul I — Grenfell, Hunt, P. Meyer, Arch. 111 65 ff. (Tgl. II 88, 872).
P. ( alUoui II -= L. Barry, Bull, de l'Init. frany. d'Archdol. Gr. UI 1908. Vgl.
Wilcken. Arch. lU 548 ff. und 1 854.
I'. < hlc. * £. J. GoodBpeed, Papyri from Karani•. Stud <n ι >'-' philol. III Chi-
cago 1900. Vgl. Viereck 1907, 106 f.
I'. < Unh. Philol. I — K. J. Goodipeed, Α group of greek ι.ηρνι.ι- κτί« Π Philo!
1 Nr. 2, Chicago 1906, S. 167 ff. Vgl. Wilcken, Arch. IV 174 f.
<ompt. K. de PArad. ltN)r> — Seymour d. Τ ' ' i In . r rt IMl.
bttr 1906 S. 160 ff. (=- I 27, 2»).
CPIIerm. — ('. Wi?i«»icly, Corpua pnpyroruin llti
und Pap. 1 Heft 6, 1906. Vgl. Wilckeu, A«. i
XXVI Einleitung.
CPR = C. Wessely (unter Mitwirkung von L. Mitteis), Coi-p. pap. Raineri I.
Rechtsurkunden Wien 1895. Vgl. A. Hunt, Gott. Gel. Anz. 1897, 456 flf. Zereteli,
Commentationes Nikitinianae, Petersb. 1901, S. 63 ff. (Neuausgabe von Nr. 23).
P. Elcph. = O. Rubensohn, Elephantine-Papyri 1907 (Sonderheft von BGIJ). Vgl.
Bouche-Leclercq, Rev. d. Philol. 1908, 129 ff. Crönert, Lit. Z. Bl. 1908, 270f.
Wilcken, Arch. V 200ff.
P. Fay. = Grenfell, Hunt, Hogarth, Fayüm towns and their papyri 1900. Vgl.
Viereck 1907, 69 ff.
P. Flor. I = G. Vitelli, Papiri Fiorentini, documenti pubblici e privati dell' etä
Romana e Bizantina I 1906. Vgl. Wilcken, Arch. ΙΠ 529 ff. IV 423 ff. Mitteis,
Z. d. Savig. St. Rom 26, 484 ff. 27, 220 ff. 342 ff. Über die dieser Gesamtausgabe
vorangegangenen Einzelpublikationen Vitellis, Comparettis und Breccias vgl. Vier-
eck, Burs. 1906, 98ff. Wilcken, Arch. III 304 ff.
P. Flor. II = D. Comparetti, Papiri Fiorentini, papiri letterari ed epistolari.
1. fasc. 1908, 2. fasc. 1910. Vgl. Crönert, Lit. Z. Bl. 1908. Wilcken, Arch.
V 251, 437 f.
P. Oen, = J. Nicole, Les papyrus de Geneve I 1896 — 1906 (2. Fasc. und Indices
u. Nachträge). Vgl. Wilcken, Arch. IIl368ff. Viereck 1907, 92 ft\ Über die
früheren Einzelpublikationen Nicoles Viereck, Burs. 1899, 272 ff. Außerdem vgl.
Nicole, Arch. III 225 ff. und Nicole, Textes grecs inedits de la collection pap.
de Geneve 1908 (vgl. Wilcken, Arch. V 433).
P. Gen. lat. 1 = Nicole et Morel, Archives militaires du P"* siecle. Texte in^dit
du Pap. iatin de Gen. Nr. 1. 1900. Vgl. Mo mmsen, Hermes 35, 443 ff. v. Premer-
stein, Klio III, 1 ff. Wilcken, Arch. I 545. Viereck, Burs. 1907, 94ff. S. auch
Nicole, Arch. II 63 ff.
P. Giss. = Griech. Papyri im Museum d. Oberhess. Geschichtsvereins zu Gießen I.
1. Heft ed. Kornemann u. Eger, 2. Heft ed. P. Meyer. Vorhergehende Einzel-
editionen: Kornemann, Klio VII 278ff. VIII 398 ff. P. Meyer, Klio VHI 427 ff.
0. Eger, Arch. V 132 ff.
P. Goodsp. = E. J. Goodspeed, Greek pap. from the Cairo Museum together with
papyri of Rom. Eg. from American coUections. Chicago 1902. Vgl. Wilcken,
Arch. III 113 ff. Vitelli, Rendic. d. R. Accad. d. Lincei 1903, 433 ff. Atene e
Roma VII 86 f. Viereck 1907 S. 106 f.
P. Graz. Vgl. Wilcken, Der Grazer Papyrus, Arch. II 183 f. C. Wessely, Die Pa-
pyri der öffentl. Sammlungen in Graz, Stud. Pal. I 114 ff.
P. Grenf. I = Grenfell, An Alexandrian erotic fragment and other greek papyri
chiefly ptolemaic. 1896. Vgl• Viereck 1899 S. 269f. Wilcken, Arch. III 120 ff.
P. Grenf, II = Grenfell and Hunt, New classical fragments and other greek and
Iatin papyri 1897. Vgl. Viereck 1899, 270. Wilcken, Arch. III 122 ff.
P. Hamburg = P. Meyer, Griech. Papyrusurkunden d. Hamburger Stadtbibliothek
I 1 (1911).
P. Hawara = Flinders Petrie, Hawara, Biahmu and Arsinoe 1899. Neu heraus-
gegeben von J. G. Milne, Arch. V 378 ff.
P. Ueid. I = A. Deissmann, Die Septuaginta-Papyri und andere altchristl. Texte
1905. Darin ein christlicher Brief.
P. Heid. III = C. H. Becker, Papyri Schott-Reinhardt I 1906. Mit arabisch -grie-
chischen Bilinguen. Vgl. oben P7 Aphrodito. Vgl. Wilcken, Arch. III 551.
P. Hernais = Jahresberichte des k. k. Staatsgymnasiums in Hernais, Bd. XIII and
XVI, mit Publikationen von C. Wessely.
P. Hibeh I = Grenfell and Hunt, The Hibeh Papyri I 1906. Vgl. Schubart,
Gott. Gel. Anz. 1907, 277 ff. Wilcken, Arch. IV 179 ff.
P. Klein. Form. = C. Wessely, Griech. Papyrusurkunden kleineren Formats. Stud.
Pal. I Heft 3 u. 8. Vgl. de Ricci, Bull. Papyr. ΙΠ 344. Wilcken, Arch. V 290 ff.
P. Leid. = C. Leemans, Papyri graeci musei antiquarii publ. Lugd. Bat. I 1843.
II 1885. Vgl. Viereck, Burs. 1898, 151.
§ 3. Sammlungen und Editionen. XXVII
P. Leipz. = C. Wessely, Die griech. Papyri Sachsens. Ber. Sachs. Ges. Wies. 1885,
237 fiF.
P. Lille = P. Jouguet (avec la collaboration de Collart, Lesquier, Xoual), Pa-
pyrus Grecs I fasc. 1 et 2. 1907, 1908. Vgl. \Mereck, Berl. ph. W. 1908 Sp. 290ff.
Crönert, Lit. Z. Bl. 1908. Br. Keil, Bull. Corr. Hellen. 32, 188 flF. (P. de Lille
Nr. 1). Wilcken, Arch. V 217 ff.
P. Lips. = L. Mitteis (mit Beiträgen von U. Wilcken), Griech. Urkunden der Pa-
pyrussammlung zu Leipzig I 1906. Vgl. AVilcken, Arch. ΙΠ 558 ff. IV 187 ff. 456 ff.
Mitteis, Z. Savig. St. Rom. 27 (1906) 349 ff. Über die dieser Publikation voran-
gegangenen Einzeleditionen von Mitteis und mir vgl. Viereck 1907, 45 ff.
P. Lond. I, II, III = F. G. Kenyon, Greek papyri in the Brit. Museum. Catalogue
with texts 1 1893. II 1898. III (mit H. J. Bell) 1907. Dazu 3 Atlanten. Zu I vgl.
Wilcken, Gott. Gel. Anz. 1894, 716ff. Zu II Viereck 1899, 266 ff. Wilcken,
Arch. I 131 f. III 232 ff. Zu ΙΠ vgl. Grenfell-Hunt-Wilcken, Arch. IV 526 ff.
P. Loud. IV = H. J. Bell, Greek papyri in the Brit. Museum (The Aphrodito Pa-
pyri), with an appendix of coptic papyri ed. by W. E. Crum 1910. Vgl. Wilcken,
Arch. V 451 f. und unten S. 231 ff.
P. Magd. = P. Jouguet et G. Lefebvre, Papyrus de Magdola. Bull. Corresp.
Hellen. 26 (1902) S. 95 ff., 27 (1903) S. 174 ff. Auch in Mdlanges Nicole S. 281 ff.
Vgl. Wilcken, Arch. II 390f. III 308ff IV 47 ff. Mahaffy, Arch. IV 56 ff. Th.
Rein ach, Mel. Nicole S. 451 ff.
ΜέΙ, Nicole = M(§langes Nicole. Recueil de mέmoiΓe8 — offerts a J. Nicole, 1905.
Hierin mehrere ürkundenpublikationen, von Comparetti, Goodspeed, Gradenwitz-
Schubart-Vitelli, Jouguet-Lefebvre, Wessely.
Μέΐ. Rev. = E. Revillout, Melanges sur la metrologie etc. deTancienne Egypte 1895.
Mit zahlreichen griechischen Urkunden.
Mitt, PK = Mitteilungen aus d. Sammlung der Pap. Erzh. Rain. 1887 ff. I— VL
P. Miinch. = Pap. der Münchener Sammlung. Vgl. die Berichte von Wilcken,
Arch. I 468 ff., L. Wenger, Sitz. Bayr. Akad. lyll, 8. Abh.
P. Oxy. I— VIII = Grenfell-Hunt, The Oxyrhynchos-Papyri 1 1898. II 1899. UI 1908,
IV 1904 [V enthält nur literarische Stücke]. VI 1908. Hunt VII 1910. VIII 1911.
Zu I und Π vgl. Viereck 1899 S. 271f. 1907 S. 68f., Wilcken, Arch. I 123 ff.
Mitteis, Arch. I 178 ff. Zu III, IV, VI vgl. Wilcken, Arch. III 116 ff. 311 ff.
V 267 ff. Zur Literatur vgl. auch Arch. IV 203.
P. Par. = Brunet de Presle, Notices et extraits des manuscrits grece de la bi-
bliotheque imperiale 18 (2; 1865 (mit einem Tafclbande). Vgl. Viereck, Bure.
1898, 152 ff. Witkowski, Prodromus grammaticae pap. graec. aet. Lagidarum,
Krukau 1897.
P. Peteriib. =» E. Mural t, Catalogue des manucrits grecs de la bibl. imp. publ. de
Peterbourg 1864. Über die Zusammengehöngkeit der Petersburger Fragm. mit
denen der Berliner Bibl. vgl. Wilcken, Hermes 22, 142 ff. — Zwei Briefe an•
der ^^ammlung Golenischef publizierte Zereteli, Joorn. f. VolksaufU&rung Bd. ftS8
8. Iff. (rassiech). Vgl. Viereck, Burs. 1907, 104f.
P. Pelr. I, II, III — J. P. Mahaffy, The Flindere Potrie Papyri with trantcrip-
tione, commentariee etc. Dublin. I 1891. II 1898. J.P. Mahaffy and J. Q. Snijlj
III 1905 ( uuningham Memoiree). — Zu I, II vgl. Wilcken, Gott. Gel. Anx. 1896,
130ff Zu III vgl. Viereck 1907, 79ff. Wilcken, Arch. lllöllff.
P. Keal. Ift. Yeneto — G. Ferrari, Tre papiri inediti groco-egiti dell* eti biian-
tina. Atti d. R. InsÜtuto Veneto LXVH p. 2, 1907/8 8. 1186 ff Vgl. Wilcken,
Arch. V 288.
P. Rein. — Th. Reinach, Papynu graot et dtfmotiqae• 1905. Vgl. Wiloken,
Arch. III 521 ff. Viereck 1907, 88f.
P. Rev. i. Grcnfoll (with introductioii by Mahaffy), ReTenot-Laws of Ptolemy
IM. ladelphu« 1896. Vgl. Wiloken, D. Lii Z. 1897, 1015ff. Viereck 1899,
•JVuf.
XXVIII Einleitung.
Ρ. Sakkakiui = Ε. Revillout, Rev. figyptologique III 118 flf. (Pap. in Athen).
P. Scbow = N. Schow, Charta papyracea graece scripta Mus. Borgiani Velitris.
Romae 1788 (Pap. ietzt in Neapel). Vgl. Viereck 1898, 142 f.
P. Scliniidt = W. A. Schmidt, Forschungen auf d. Gebiet des Alterturas. I. Die
Papyrusurkunden der kgl. Bibl. zu Berlin 1842. Vgl. C. VVessely, Jahresber.
Hernais XVI.
Schub. Taf. = W. Schubart, Pap. graec. Berolinenses 1911.
P. Straßb. = Fr. Preisig ke, Griech. Papyrus der kais. Universitäts- und Landes-
bibliothek zu Straßb. i. Eis. I, Heft 1 u. 2, Straßb. 1906, 1907. Vgl. L. Wenger,
Gott. Gel. Anz. 1907, 313 ff. W. Schub art, Lit. Z. Bl. 1908 Sp. 407f. Wilcken,
Arch. V 251 ff. — Einzelne Stücke der Sammlung wurden ediert von: H. Bress-
lau, Ein latein. Empfehlungsbrief (mit Tafel), Arch. III 168 ff. Fr. Preisigke,
Arch. III 415 ff. Wilcken, Aus der Straßburger Sammlung, Arch. IV 115 ff'.
R. Reitzenstein, Zwei religionsgeschichtliche Fragen 1901 (vgl. Arch. II 4 ff.).
Sind. Pal. = C. WesseJy, Studien z. Paläographie u. Papyruskunde I, Heft 1 — 10.
Mit zahlreichen Texteditionen (darunter P. Klein. Form, und CPHerm.).
P. Teb. = Grenfell-Hunt-Smyly, The Tebtunis Papyri I 1902. Grenfell-Hunt
(Goodspeed), The Tebtunis Papyri II 1907. Zu Teb. I vgl. Viereck 1907, 74 ff.
Zu Teb. II vgl. Schubart, Gott Gel. Anz. 1908, 187ff. Wilcken, Arch. V230ff.
P. Thead. = P. Jouguet, Papyrus de Theadelphie 1911. Vgl. auch Seeck, Rhein.
Mus. LXII 519 (Arch. V 289 f.).
Theb. Bank = Wilcken, Aktenstücke aus der kgl. Bank zu Theben in d. Museen
zu Berlin, London, Paris. Abh. Pr. Akad. 1886.
P. Tor. = A. Peyron, Papyri graeci R. Taurinensis Musei Aegyptii. I 1826. II 1827.
P. Vat. = Angelo Mai, Classicorum auctorum e Vaticanis codicibus editorum IV, V.
Rom 1831 — 1833. Vgl. Bernard Peyron, Papiri greci del Museo Britannico di
Londra e della Biblioteca Vaticana. Memorie d. R. Acc. d. Seien, di Torino,
Ser. II, 3, 1851. Vgl. auch Witkowski, Prodromus (unter P. Par.).
Wess. lat. Taf. =^ C. Wessely, Schrifttafeln zur älteren lat. Paläographie Leipz.
1898. Vgl. Wilcken, Arch. I 370 ff.
Wess. spec. scr. gr. = C. Wessely, Pap. scipturae graecae specimina isagogica.
Leipz. 1900. Vgl. Viereck 1907, 58 f. Wilcken, Arch. IV 408 ff.
Wien. Denk. 87 = C. Wessely, Die Pariser Papyri des Fundes von el-Faijum.
Denkschriften d. Wien. Akad. 37 (1889). 2. Abt. 97 ff.
Wien. Kais. = C. Wessely, Die griech. Papyri d. Kaiserl. Sammlungen Wiens.
XI. Jahresb. K. K. Franz Joseph-Gym, 1885.
Wien. Stud. In III, 1 ff'. Wessely, Der Wiener Pap. 26. In IV, 175 ff. Wessely,
Der Wiener Pap. 31. In V, 1 ff. W. v. Hartel, Ein grfech. Pap. aus d. J. 487
n. Chr. In VIII, 175 ff. Wessely, Bericht über griech. Pap. in Paris u. London.
In IX, 235 ff. und XII, 81 ff. Wessely, Griech. Pap. des Brit. Museum.
Wilck. Taf. = Wilcken, Tafeln z. älteren griech. Paläographie. Leipz. 1891.
Witkowski, Ep. pr. gr. = Witkowski, Epistulae privatae graec. quae in pap.
Lagidarum servantur. 2. Aufl. 1911.
P. Zois = A. Peyron, Pap. greco-egizi di Zoide dell' Imp. R. Museo di Vienna 1828.
Neu herausgegeben von Wessely in P. Wien. Kais.
§ 4. DIE SCHREIBMATERIALIEN. 1)
Die Kunst der Papyrusfabrikation reicht in die Anfänge der ägypti-
sclien Geschichte hinauf: das Bild der zusammengerollten und verschnürten
1) G. Seyffarth, Über das Papier der Alten nach Plinius und der Papyrus-
ßtaude im botanischen Garten zu Leipzig (Serapeum III 1842, 33 fl\). V. Gardt-
hausen, Griech. Paläographie 1879, 29 ff.; 2. Aufl. (Das Buchwesen im Altertum u.
im byz. Mittelalter) 1911. Th. Birt, Das antike Buchwesen in seinem Verhältnis
§ 4. Die Schreibmaterialien. XXIX
Papyrusrolle gehört, soweit wir wissen, von jeher zu dem Bestände der
Hieroglyphen. Die Darstellung des technischen Verfahrens, die Plinius
h. n. XIII § 68 ff. für eine alexandrinische Fabrik gibt, wird durch die er-
haltenen Originale aufs beste bestätigt und illustriert.
Das Rohmaterial lieferte die Papyrusstaude (ή πάπυρος^ η βνβλος^
jünger βίβλος)^ die in den Sümpfen und Seen Ägyptens^) in dichten
Dickichten (δρυμοί)^) wucherte. Zu der Frage, ob die Herstellung des
Schreibstoffes königliches Monopol gewesen ist, vgl. unten S. 255.') Das
Mark des dreikantigen Stengels wurde mit einem spitzen Instrument in
möglichst dünne Streifen zerlegt, von denen die mittleren die besten
waren, die der holzigen Schale sich nähernden die schlechteren. Nachdem
diese Streifen je nach ihrer Qualität für die verschiedenen Papyrussorten
geordnet waren, wurde auf der mit Nilwasser angefeuchteten Tabula zu-
nächst eine Lage von Markstreifen in der Richtung auf den Arl)eiter zu
nebeneinander ausgebreitet, wobei nur so viele Streifen verwendet wurden,
daß die Höhe der Lage beträchtlich länger wurde als die Breite. Darauf
wurde eine zweite Lage von Streifen oben darauf gelegt, im rechten
"Winkel zur ersten, die nur so lang waren wie die Breite der unteren
Lage. Diese beiden Lagen wurden darauf durch Pressen zu einer einheit-
lichen Masse zusammengefügt. Ob hierzu auch Kleister zwischen die bei-
den Lagen gestrichen war, ist strittig. '^) Waren die so gearbeiteten ein-
zelnen Seiten (aekidsg^ paginae) an der Sonne getrocknet, so wurden sie
noch in der Fabrik zu Rollen aneinander geklebt. Die Originale zeigen,
daß immer die rechtshin folgende Seite mit ihrem linken Hände (ca. 1 bis
l{ cm) unter den rechten Rand der vorhergehenden Seite geklebt wurde.
Es war alte Sitte, in den Fabriken immer je 20 Seiten zusammenzukleben,
die dann als „Stück" (scapus) in den Handel gingen.'') Der Benutzer
konnte natürlich je nach Bedarf mehrere scapi zusammenkleben oder auch
mit dem χαρτοτόμος nach Belieben vom Einzelnen abschneiden, soviel er
zur Literatur 1882, 223 ii. .Marquardt-Mau, Das Privatleben der Römer« 1886, 807 ff.
Wilcken, liecto oder Vereo? Heiiuee 22, 487 ft". Derselbe, Kin neuer griechischer
Koman, Uermee 28, 166 ff.; Hermee 41, 104 A. 1. Vgl. auch Griechische Oetraka I
18 Ä, 1. E. M. Thompson, Hundbook of greek and latin palaeography 18U8, 27 ff.
Fr. Kenyon, The palaeography of greek papyri 1»U9, 14 ff. K. Dziatzko, Unter-
luchungcn über ausgewählte Kapitel des antiken Buchwesens 190U. W. Schubart,
Das Buch bei den Gric>ch«n und Romern (Handbb. der kgl. Museen tu Berlin) 1907.
H. Ibscher, Beobachtungen bei der Papyrusaufrollung (Arch. V 191 ff.).
1) .Namenilich im Uelta (vgl. Strabo XVII p. mooC). Tber ein Hiof wont
bei Alexandrii-n handelt BOU IV 1121. Auch im Faijüm wuchs Tapyrut (Teb. I
Vk'I unten S 255. 2) Vgl. Wilcken, Arch. V 28ü.
8) Soeben hat hierüber eingehend gehandelt Fr. Zucker, Pbilologus 70 (K '■
S 7'J ff. Vgl. oben ρ IX,
4) Dagegen namentlich Dziat/» > äs ff
ft) L. Borchardt, Z. f Ägypt. Sprach. HO. Vgl. Wilcken, Hermes
2H. icef. Vgl aii.l. H. Ibsrhrr. Arch. V 19J
XXX Einleitung.
wollte. Die von Birt angenommene Abhängigkeit des Autors vom Fabrikat
hat nicht existiert.^) Ehe aber der Papyrus in den Handel ging, war die
Oberfläche durch Hämmern und durch Reiben und Schaben mit Muscheln
oder Zähnen aufs sorgfältigste geglättet und durch Bestreichen mit einem
feinen Kleister „satiniert^' worden.
Die Originale lassen vielfach^) noch heute erkennen, daß diese Pro-
zedur der Glättung nur einer von beiden Seiten des Papyrus zuteil
wurde, und zwar derjenigen, die während der Fabrikation die obere war,,
die also aus den horizontalgelegten Querstreifen bestand.^) Da sich mir
außerdem aus den Originalen ergab, daß die Schrift des einseitig be-
schriebenen Papyrus in der Regel auf eben dieser Seite mit den Hori-
zontalstreifen steht*), so habe ich daraus im Hermes 22, 487 jff. die Regel
abgeleitet, daß nur diese Horizontalseite eigentlich zum Beschreiben be-
stimmt war und auch in der Regel zunächst beschrieben wurde, während
die Rückseite nur nachträglich, zur Ausnützung des wertvollen Materials^
zum Schreiben verwendet worden ist.^) Wir unterscheiden danach das
Recto, die Seite mit den horizontalen Streifen und daher den horizontal
verlaufenden Fasern (s. Anm. 3), und andrerseits das Verso, die Seite
mit den vertikalen Fasern. Es ergibt sich daraus die wichtige Regel, daß
in beiderseitig beschriebenen Rollen (όττίοϋ-όγραφοί) der Text des Recto
der ältere ist. Auch für den Interpreten der Papyrustexte ist daher eine
Kenntnis dieser technischen Verhältnisse erforderlich. Natürlich liegt hier
kein Naturgesetz vor, das keine Ausnahmen duldete, sondern nur eine
Regel, aber eine solche, die durch die Technik der Fabrikation bedingt
ist und daher fast ausnahmslos beobachtet wird. So können schnell hin-
geworfene kurze Notizen oder Brouillons auch wohl einmal auf das Verso
geschrieben werden, wenn auch das Recto noch leer ist^), aber im übrigen
ist die Regel mit großer Präzision gehandhabt worden, wie viele Tausende
von Fällen deutlich zeigen."^) Ob die Schrift auf dem Recto parallel der
Höhe oder der Breite steht, also ob sie mit den Fasern oder gegen die
1) Vgl, Wilcken, Hermes 28, 165 ff.
2) Bei besonders feinen Sorten ist allerdings ein Unterschied in der Behandlung
der beiden Seiten kaum zu spüren.
3) Wenn auch die Ränder der einzelnen aneinandergelegten Streifen bei gut
gearbeiteten Stücken nicht mehr sichtbar sind, so erkennt man doch die Richtung der
Streifen an gewissen dunklen Fasern, die das Pflanzenmark in der Richtung des
Schaftes durchziehen.
4) H. Ibscher, Arch. Υ 1. c, hat bemerkt, daß die Horizontalseite technisch
auch geeigneter war, beim Rollen nach innen genommen zu werden.
5) Tatsächlich sind vom Publikum in den meisten Fällen die beiden Seiten
benutzt worden. Motiviert wird es z. B. in einem auf dem Verso stehenden Brief
(Gen. 52, 1): Χαρτίον καΌ'αρόΐ' μη ενρών ηρος την ώραν εις τούτον ϊγροί'φα.
6) Vgl. Hermes 41, 104 Α. 1.
7) Bestätigt auch durch die Erfahrungen von Ibscher, Arch. V 1. c.
§ 4. Die Schreibmaterialien. XXXI
Fasern läuft, ist eine Frage, die mit der nach Recto und Verso garnichts
zu schaffen hat.^) Vgl. p. XL VII.
Der zum Beschreiben fertiggestellte Papyrus hieß χάρτης (carta). Ein
χαρτοπώλης ist ein „Papierhändler^'. Der beschriebene Papyrus dagegen
wurde mit βίβλος und seinen Ableitungen bezeichnet.^) Die Rolle (volu-
men) wurde gelegentlich als τενχος bezeichnet, was von dem Namen der
die Rollen bergenden capsa übertragen ist.^) Im Kanzleistil zitiert man
in der Regel nach τόμοι (Rollen) und -κολλήματα (Seiten).*) Wird durch
Zusammenkleben verschiedener Akten im Bureau eine RoUe gebildet, so
nennt man dies einen {τόμος) ονγκολλήΰιμος. Zu εΐρόμενον vgl. Wilcken,
Arch. IV 462 und V 281 (s. Bd. Π 63).
Wie Plinius 1. c. lehrt, wurden sehr verschiedene Sorten von Papyri
hergestellt, die sich abgesehen von der Feinheit der Technik auch durch
•lie verschiedene Breite der einzelnen pagina unterschieden.^) Auch unter
den Originalen treten die verschiedensten Qualitäten uns entgegen.
Da der Pergamentkodex, der in den ersten Jahrhunderten nach Chr.
allmählich aufkam, den Papyrus in Ägypten nur als Literaturträger ver-
drängte, so braucht hier auf das Pergament nicht eingegangen zu werden.
Wohl aber ist da.s Format des Codex ^) in der jüngeren Zeit gelegentlich
auch auf den Papyrus angewendet worden, und außer zu literarischen
Zwecken ist hin und wieder ein Papyruskodex auch zur Aufnahme von
Akten verwendet worden. Vgl. z.B. BGU IV 1024—1027 (IV. Jahrb. n.Chr.)
und Flor. 71 (dito).
Dagegen ist der Papyrus in Ägypten schließlich erlegen der Kon-
kurrenz des Hadernpapieres, von dem seit dem IX. Jahrhundert zahl-
rfiili^ TVnl.PTi «liirch die ägyptischen Funde zutage gekommen sind. Die
1) Vgl. Hermes 22, 490 Anm. Griech. Oetraka I 18, 1. Vgl. auch die Auefüh-
ningen von Grenfell-Hunt in P. Grenf. II S. 211 ff. In dieeem Punkte werden immer
wieder Irrtümer begangen. Auch Gardthausens Behandlung in der 2. Aufl. S. βΟΓ.
'eidet wieder durchweg an dieser Unklarheit.
2) BipXot steht, wenn es nicht die Pflanze bezeichnet, in 1• r Kegel fflr das
aturbuch. Vgl. V. Par. 19, 2; Oxy. III 470, 24; Teb. II 43; Uxy. VI 886, 2. Mit
werden allgemein Akten, Papiere bezeichnet, während xb ßtßXidiov eine Nach-
!^' von libelluB (Hingabe) ist. Erst im IV. Jahrh. u. Chr. vordr&ngt das ßtßUor
uiiXiAiov. Vgl. hierzu Wilcken, Arch. V 2G2 f. und 441.
8; Über τιϋχος =« Ilolb• vgl. Wilcken, Hermes 44, 160 f. Birt, Die Buoluolle in
I Kunst 8 21. 8. vor allem HGU 970, 4. Andere Schubart, Dm Buch 8. lOS.
1) Κόλλημα kann hier nur die Schriftkolomne bedeuten, nicht, wie unprOnglich,
I der Fabrik hergestellte Einznlpagina.
>) PliniuH unterscheidet die Augusta, Liria, hieratica, amphitheatrica (von Fan-
ue verfeinert), 8aitica, Tueneoticn, emporetica. Die Aoguata wird die frflhera regia
• in Im ilbrii»*«n vgl. di<• obigr Lit^'ratur.
der obigen Litrrutur zum Codei a ^ Gerhard, Neu•
: .. ΧΠ U2ff^.
XXXII Einleitung.
grundlegenden Untersuchungen von Karabacek und Wiesner i) haben
uns gelehrt, daß das Hadernpapier nicht, wie früher angenommen wurde,
erst im XIII./XIV. Jahrhundert von Deutschen oder Italienern erfunden
ist, sondern daß schon im VIII. Jahrhundert in Samarkand, durch Vermitt-
lung chinesischer Gefangner, Hadernpapier hergestellt worden ist, dessen
Fabrikation sich allmählich nach Westen hin ausdehnte, bis im IX. Jahr-
hundert uns die ersten Proben auch in Ägypten begegnen. Dieses Hadern-
papier hat dann im X. Jahrhundert den Untergang der Jahrtausende alten
Papyrusfabrikation herbeigeführt. Dies war zugleich der Anlaß für die
Überführung des Papyrus und seiner Fabrikation nach Sizilien. Diesen
sizilischen Papyrus hat dann u. a. die päpstliche Kanzlei bis zum XL Jahr-
hundert verwendet.^) So ist in Ägypten die Papyrusfabrikation ungefähr
zu gleicher Zeit mit der griechischen Sprache erloschen.
Neben dem Papyrus sind seit alten Zeiten auch die verschiedensten
anderen Materialien zum Schreiben benutzt worden. Hiervon seien an
dieser SteUe besonders hervorgehoben die Ostraka und die Holz tafeln.
Für die ersteren (Scherben zerbrochener Tongefäße) verweise ich auf
meine „Griechischen Ostraka aus Ägypten und Nubien" 1899.^) An Holz-
tafeln sind in Ägypten einmal Wachstafeln gefunden, wie sie in der grie-
chischen und römischen Welt beliebt waren, ferner Holztafeln, auf die
direkt mit Tinte und Kalamos geschrieben ist. Teils sind es Schultafeln,
teils Urkunden, die inhaltlich den Papyri ganz parallel stehen.^) Eine
ägyptische Spezialität sind die Mumienetiketten. ^) Zur Publikation von
Erlassen usw. dienten auch geweißte Holztafeln (λευκώματα)^ die öfter
genannt werden.^)
Zum Schluß ein Wort über Kalamos und Tinte, mit denen nicht
nur auf Papyrus, Pergament und Papier, sondern auch auf Ostraka, Kalk-
steinsplitter, Holz^) und Leinwand geschrieben wurde. Als Schreibfeder
diente der Kalamos, ein zugespitztes Rohr, das in älteren Zeiten unge-
spalten benutzt wurde. Vor dem Gebrauch erweichte man die Spitze im
1) Mitt. Pap. Rainer II/III S. 87 ff. IV S. 75 ff. Vgl. auch Karabacek, Führer
P. R. p. XVII ff.
2) Vgl. L. Schmitz-Kallenberg, Diplomatik in Meisters Grundriß der Ge-
schichtswissenschaft I 1 S. 199. — Aus den Papjrusdickichten am Anapo wird be-
kanntlich noch heute für die Fremden „Papyrus" gearbeitet (seit Landolina im
XVIII. Jahrb.). Ist der Stoff auch derselbe wie der alte, so ist doch die Anordnung
der Schichten eine völlig andere, wie ich aus einem mir gehörigen Stück ersehe.
3) Über spätere Arbeiten wird im Archiv IV 247 ff. berichtet.
4) Vgl. die Bankquittungen aus Theben in Griech. Ostraka I S. 65 und die
Rechtsurkunden bei de Ricci und Girard. Vgl. die Übersicht im Archiv IV 250 ff.
5) Vgl. unten S. 422.
6) A. Wilhelm, Beiträge zur griech. Inschriftenkunde 1909 S. 239 ff. 250 ff. Vgl.
dazu S. 306 zu Z. 9.
7) In Holz wurde auch geritzt. In die Wachstafel grub man die Schrift mit
dem Stilus.
§ 5. Die Schrift. ΧΧΧΠΙ
^Γonde, um sie zur Aufnahme der Flüssigkeit tauglicher zu machen. Erst
während der griechisch-römischen Periode scheint man dazu übergegangen
zu sein, die Rohrfeder zu spalten (wie unsere Stahlfedern). Erst dadurch
erhielt der Kalamos die Elastizität, um die Schriftzüge an- und abschwellen
u lassen. Es fehlt noch an einer Untersuchung der erhaltenen Schriften
nter dem Gesichtspunkt der Benutzung des gespaltenen oder ungespal-
enen Kalamos.
Die tiefschwarze Tinte, die so ausgezeichnet durch die Jahrtausende
sich erhalten hat, ist aus Ruß, Gummi und Wasser hergestellt. Erst in
byzantinischer Zeit begegnet uns gelegentlich eine mehr bräunliche Tinte,
die sich weniger gut hält. Diese ist vor der Berührung mit Feuchtigkeit
u hüt€n, da sie leicht verwischt. Nur selten begegnen Schriftstücke, die
lit einer roten Tinte geschrieben sind. Es ist noch zu untersuchen, für
eiche Fälle sie Anwendung fand.^) Wollte man beschriebenes Papier
»chmals zum Schreiben verwenden, so konnte die Tinte leicht mit einem
Schwamm abgewaschen werden. Doch blieben gewöhnlich noch einige
f'berreste stehen. Das ist sehr viel häufiger geschehen als in den Edi-
onen angemerkt worden ist. Wollte man etwa zur Fälschung von ür-
unden eine völlige Tilgung einzelner Worte herbeiführen, so bediente
lan sich dazu besonderer Salben. Daher wird gelegentlich die Echtheit
on Aktenstücken bezeugt durch Worte Λνί^ χα&αρορ ajtb επιγραφής xai
λείφατοξ (oder χωρίς άλείψατος ο. ä.).^)
§ δ. DIE SCHRIFT.
Da die Art des Schreibmaterials nicht ohne Eintluß auf die Anwen-
ing der Schrift ist, ist es unsere Aufgabe, die so entstehenden Nuancen
^tzustellen. In diesem Sinne ist es berechtigt, von Papyrusschrift, Per-
inientschrift, Steinschrift, Bronzeschrift usw. zu sprechen. Aber es sollte
ie vergessen werden, daß das nur Abwandlungen einer und derselben
•hrift sind. Es hat sehr geschadet, daß man sich bemüht hat, Paläo•
raphie und Epigraphik als zwei gesonderte Disziplinen streng voneinander
I scheiden. Die vergeblichen Versuche, eine logische Definition für
loseu Gegensatz zu finden^), zeigen nur, daß künstlich auseinandergerissen
urde, was von Natur zusammimgehört. Das Ziel der Wissenschaft kann
ir sein, eine einheitliche Schriftlehre zu schatten Ich habe schon
ich. I 374 erklärt, daß wir reuig zurückkehren müssen zu unserm
BerniirddeMontfaucon, der bereits piiluographische und epi-
, L Denkmäler in der Forschung vereinigt hat. Vereinzelt ist es
1 auch neuerdings schon geschehen, aber man ist noch weit davon ent-
I ' Ι>ΑΓ die rote Tinte in <i<*n MiUt&rkan7.1eien vgl die Kinloitung lu 4M.
I. Wilcken, Archiv I VIU
! fljn vcrMchii'ilLMieii ΥογηικΙιο Ix'i («ardllniuHcii, (ir. l'al&of^Aphi'
(iruodaOe• I. C
XXXIV Einleitung.
fernt das prinzipielle Postulat anzuerkennen oder gar durchzuführen. Ge-
wiß ist es aus praktischen Gründen begreiflich, daß eine Arbeitsteilung
erfolgt, aber dann sollten die Papyrusforscher und die Epigraphiker nicht,
wie jetzt meist, nebeneinander hergehen, sondern miteinander arbeiten.
Wissenschaftlich viel höher stünde es, wenn wir Schriftgelehrte bekämen,
die jene verschiedenen Schriften nur als Spielarten der einheitlichen
Schrift behandelten. In dieser kurzen Einleitung muß ich mich auf die
Papyrusschrift beschränken. Aber die hinzukommenden Jünger der Papy-
rusforschung wollte ich doch darauf hinweisen, wie nötig es ist, daß sie
die epigraphischen Denkmäler — abgesehen von der Verwandtschaft des
sachlichen Inhaltes (vgl. p. XIV) — auch für die Erforschung der Schrift
heranziehen.
Das beste Hilfsmittel zur Erlernung der Papyrusschrift stellen
natürlich die Originale dar, die ja jetzt in zahlreichen Städten zugänglich
sind. Wer keine Originale zur Verfügung hat, muß zu Reproduktionen
greifen, nur soll er nicht übersehen, daß auch die besten Reproduktionen
in Einzelheiten täuschen können. Mehrere der oben in § 3 genannten
Ausgaben enthalten Facsimilia einzelner Texte. ^) An besonderen Tafel-
werken nenne ich: Die von Deveria gezeichneten Planches zu den P.
Par. — U. Wilcken, Tafeln zur älteren griech. Paläographie nach Origi-
nalen des Berliner Museums, zum akademischen Gebrauch und zum Selbst-
unterricht 1891 (Giesecke u. Devrient), 20 Tafeln mit Einleitung und Lese-
proben. — Greek Papyri in the British Museum, Facsimiles, printed
by Order of the Trustees 1 1893, II 1898, III 1907. — In demselben Großfolio-
Format sind die Tafeln der Palaeographical Society und ihrer Fort-
setzung. — C. Wessely, Papyrorum scripturae graecae specimina isagogica
1900 (Avenarius). Autographie von Urkunden aus der Zeit des Augustus
und Tiberius. Vgl. auch Wesselys Studien zur Paläographie und Papyrus-
kunde. — Soeben erschien: W. Schubart, Papyri graecae Berolinenses
1911 (Bonn, Marcus u. Weber), Heft 2 der von Lietzmann herausge-*
gebenen Tabulae in usum scholarum. 50 Tafeln mit kurzen Beschreibungen
und Leseproben. Hier ist für einen billigen Preis eine gute Auswahl von
Texten in wohlgelungenen Tafeln vom IV. Jahrh. v. Chr. bis zum VIII. Jahrh.
n. Chr. geboten.
Für die lateinische Papyrusschrift, die ich hier nur nebenbei streifen
kann, bieten Arndt-Tangl, Schrifttafeln zur Erlernung der lateinischen
Paläographie, 3. Aufl. 1903, mehrere Proben. Spezieller widmet sich der
Papyrusschrift C. Wessely, Schrifttafeln zur älteren lateinischen Paläo-
graphie 1898. 20 Tafeln in Autographie. Vgl. dazu meine Besprechung
im Arch. I 370 ff. Photographische Reproduktionen lateinischer Papyri
1) Besonders wichtig für das III. Jahrb. v. Chr. sind die zahlreichen Tafeln zu
den Petrie-Papyri.
§ 5. Die Schrift. XXXV
bieten vielfach auch die Editionen. Vgl. Gen. lat. 1, P. Oxy. an mehreren
Stellen, Arch. III hinter S. 338 zu dem Straßburger Brief (ed. H. Bresslau
ebendort S. 168) usw.
An spezielleren Arbeiten über die Papyrusschrift ^) sind zu nennen:
Wilcken, Observationes ad historiam Aegypti provinciae Romanae. Altera
pars: Observationes palaeographicae. Diss.Berl.1885. Vgl. auch meine Einlei-
tung zu den oben genannten ,,Tafeln" und vor allem Arch. 1 354 ff. — Fr. Blaß,
Griechische und lateinische Paläographie in Iw. Müllers Handbuch I (wo
allerdings die ürkundenschrift sehr zurücktritt). — E. M. Thompson,
Handbook of greek and latin palaeography 1893. — Fr. Kenyon, The
palaeography of greec papyri, with twenty facsimiles and a table of
alphabets, 1899. Vgl. meine Besprechung im Arch. I 354 ff. — C. Wes-
sely, Studien zur Paläographie und Papyruskunde. — Außerdem haben auch
die Editoren oft über paläographische Fragen gehandelt, wie Mahaffy
zu den Petrie- Papyri, Grenfell-Hunt zu manchen Texten ihrer zahl-
reichen Editionen u. a. Rühmend sei hier besonders auch der alte Nico-
laus Schow hervorgehoben, der der ersten Entzifferung einer cursiven
Urkunde (vgl. oben p. XVU) eine eingehende Adnotatio palaeographica nebst
. afein angefügt hat.
Ich übergehe die griechische Tachygraphie, wiewohl mehrere Ur-
kunden solche bieten, da eine Entzifferung bisher noch nicht gelungen ist.
Wertvolle Vorarbeiten hierzu sind von Gardthausen, Wessely u. a. in
dem von Dewischeit neu begründeten Archiv für Stenographie und an
anderen Stellen publiziert. Vgl. z. B. Gardthausen, Geschichte der grie-
chischen Tachygraphie im Archiv für Stenographie 57. Jahrg. Besonders
wichtig sind auch die von Wessely in den Wien. Denk. 1895 edierten
Skalen.
1. Die Prinzipien der Schriftentwicklung.')
Wir unterscheiden die Unzialschrift, die die Buchstaben in der Regel
unverbunden nebeneinander stellt, und die Kursivschrift, die sie möglichst
miteinander verbindet. Die Buchstaben jener sind meist nur leichte Um-
wandlungen der auf den gleichzeitigen Steininschriften üblichen Formen,
die Buchstaben dieser sind durch die Ligaturen u. a. stärker verändert.
Die Unziale ist vorwiegend Buchschrift, die Kursive vorwiegend Urkunden-
Schrift, doch gibt es auch Klassikcrt(>xte in Kursive — das sind dann
private Abschriften wie Aristoteles' !4&ηνα(ων noXixiia — und auch einige
^Tknnden in Unziale.')
1) Di« &Itere Literatur endet man in Oardthantent Orieohitcher Palio-
-raphie 1879 and Wattfnbach• Anloitunf^ xur f^riech. Paliograpbie 8. AuB. 1895.
2) Vgl. meine Obvcrvatione• 8. 86 ίΓ. und Arch. I 861.
'Λ) Vgl. die Heiipiele im Arob. 1 866.
XXXVI Einleitung.
Der Anfänger steht betroffen vor der Fülle der verschiedenartigsten
Schriftarten; der Kenner sieht einen gewissen gleichartigen Duktus trotz
aller individueller Verschiedenheiten in den derselben Periode angehörigen
Texten. Wir haben gelernt, nicht nur die Schriftarten der ptolemäischen
und römischen, byzantinischen und arabischen Periode auseinanderzuhalten,
sondern auch noch genauer die Jahrhunderte zu trennen. Dies gilt von
der Kursive, deren Entwicklung zu erkennen uns durch die zahlreichen
datierten Urkunden erleichtert wird, nicht von der Unziale, die als Kopier-
schrift besonders schwierig zu datieren ist.^) Jenen gleichartigen Duktus
der gleichzeitigen Kursivschriften möchte ich auch heute noch, wie in
meiner Dissertation, auf die Einwirkung der allen gemeinsamen Schule
zurückführen. Hier lernten aUe zunächst dieselbe Unziale und die Anfänge
der Ligaturen.^) Die volle Entwicklung der Kursive brachte erst das prak-
tische Leben, und hier herrschte individuelle Freiheit, wenn auch in
dieser höheren Entwicklung der Einfluß einer gewissen Mode nicht zu
verkennen ist.
Hiernach kann man angesichts der ungeheuren Mannigfaltigkeit der
kursiven Schriften nicht daran denken, eine einheitliche Entwicklungs-
reihe festzustellen, sondern Aufgabe der Wissenschaft ist es, die verschie-
denen subjektiven und objektiven Motive, die zu der Entwicklung der
verschiedenen Schreibarten geführt haben, aufzudecken, die vorhandenen
Handschriften hiernach zu klassifizieren und so eine Anzahl verschiedener
paralleler Entwicklungsreihen festzulegen.^) Die subjektiven Prinzipien
der Schriftentwicklung liegen in der Person des Schreibers selbst. Sie
sind bedingt durch den Grad seiner Bildung, durch das Maß seiner
Schreibübung, durch seinen Beruf. Die professionellen Schreiber müssen
von den Gelegenheitsschreibern geschieden werden. Aber auch eine und
dieselbe Person schreibt verschieden, je nach dem Objekt der Schriftstücke
und nach den Umständen. So ist die Wichtigkeit des Textes, das Verhältnis
des Schreibers zum Adressaten maßgebend für die Sorgfalt, die er auf-
wendet. Ebenso ist entscheidend, ob eine Reinschrift oder ein Brouillon
gemacht wird, auch ob Original oder Kopie in Frage steht. Je nachdem
sind verschiedene Tendenzen zu erkennen, entweder möglichst schön und
deutlich zu schreiben oder nur möglichst schnell und bequem die Aufgabe
zu erledigen. Wenn man so die fast unübersehbare Fülle der kursiven
Schriftarten nach solchen subjektiven und objektiven Prinzipien ordnet
und immer nur die unter gleichen Verhältnissen entstandenen Schriftstücke
miteinander verbiudet, wird man schließlich zur Erkenntnis jener paral-
lelen Entwicklungsreihen kommen. Auch dem Anfänger sei es empfohlen,
1) Vgl. Arch. I 364 f. 2) Vgl. unten S. 13'
3) Hierfür trat icti im Archiv I 361, 367 ein.
§ 5. Die Schrift. XXXVII
^jh diese Fragen vorzulegen und zu einer Beurteilung des einzelnen
^raekes unter diesen Gesichtspunkten zu kommen.
Bei genaueren Untersuchungen wird sich wahrscheinlich herausstellen,
daß es innerhalb der ägyptischen Kulturwelt an verschiedenen Stellen
gleichzeitig verschiedene Moden gegeben hat. Im einzelnen konnte schon
beobachtet werden, daß z. B. bestimmte Kanzleien ihre eigenen paläogra-
phischen Sonderheiten haben, nicht nur die Kanzleien der Präfekten von
Ägypten, aus der wir kürzlich ein Original kennen lernten (Schubart,
Taf. 35)^), aber es fehlt noch an gründlicheren Untersuchungen unter
diesem Gesichtspunkt. Vgl. Arch. V 185. Andrerseits ist wieder der ägyp-
tische Stil als Einheit dem außerägyptischen gegenüberzustellen. So finden
sich z. B. in den kleinasiatischen Papyri Besonderheiten, die in Ägypten
nicht nachweisbar sind. So haben wir jetzt zwei Belege für ein eigen-
artiges δ für Myra in Lycien. Vgl. unten S. 184.
2. Die Buchstabenformen.')
Das Alphabet, das in der Papyrusschrift allein in Anwendung kommt,
ist das milesische. Was die Formen betrifft, so führt die Benutzung des
Kalamos leicht zu Abrundungen der Ecken, an denen andrerseits der
Steinmetz, gleichfalls aus technischen Gründen, länger festhält. Die älte-
sten Papyri, aus dem Ende des IV. Jahrb.. der Timotheos, der Artemisia-
papyrus und Eleph. 1, zeigen noch ein eckiges E, der Timotheos hat
auch noch das eckige ^. Vgl. Schubart, Taf. 1 und 2. Eine sehr nütz-
liche Vergleichung des gesamten Alphabets dieser ältesten Stücke (mit
vergrößerten Reproduktionen der Buchstaben) bietet Alfred Jacob, Le
trace de la plus ancienne ecriture onciale.^) Es kann nur empfohlen
werden, mit derselben genauen Beobachtung der Kalamosführung die all-
mählichen Wandlungen der Formen durch die Jahrhunderte zu verfolgen.
Die einzelnen Handschriften bekommen, je nachdem sie die runden
Buchstaben als Kreise oder als Ovale zeichnen, also t0üC oder odOC,
ihr besonderes Gepräge, dies um so mehr^ als auch die anderen Buch-
etaben entsprechend ihren besonderen Charakter erhalten. Dieser Unter-
schied hängt meist mit einem anderen, dem zwischen Steilschrift und
Schrägschrift zusammen. Bei der Schrägschrift (nach rechts geneigt) wer-
den die Kreise unwillkürlich zu Ovalen; freilich kann man auch mit Ab-
sicht die Ovale in Steilschritt schreiben. Die herrschende Ansicht, daB
diese zwei verschiedenen Arten chronologisch getrennt seien, daB man in
l> Die «ogenannte Kaiierkuriive itt nicbii weiter all die Schrift der kalter-
Vgl Arcb. I 87» f. Über ihre Beiiebuogen tu jener Schrift der Kantlei
vgl. Arch. V 486.
*i) /iiiniil die Formen im Typendruck ichwer wiedcniugeben find, bevonuge ich
hier die prinzipiellen (teNichtipunkte.
8) Annuaire de Tßcole pratiqiie de• baatet dtudet tooe 8. 6(Γ.
XXXVIII Einleitung.
gewissen Jahrhunderten nur Steilsclirift (mit Kreisen), in anderen nur
Schrägschrift (mit Ovalen) geschrieben habe, halte ich nicht für zutref-
fend. Im Anschluß an Ceriani habe ich im Arch. I 367 ff. gezeigt, daß
auch in der Unziale, für die jene Regel besonders aufgestellt ist, die
kreisrunden und die ovalen Formen durch die Jahrhunderte hindurch
nebeneinander nachvreisbar sind, womit nicht geleugnet werden soll, daß
hie und da bestimmte Moderichtungen die eine oder andere Art bevor-
zugt haben. Für die Kursive kann das Nebeneinander der beiden Arten
nicht bestritten werden. Urkunden, die von verschiedenen Händen ge-
schrieben sind, zeigen oft nebeneinander Steilschrift und Schrägschrift.
Vgl. z. B. Schubart, Taf. 37 a.
Wichtiger für die Formen der Buchstaben als diese Unterschiede ist
die Frage, ob sie einzeln nebeneinander gestellt (Unziale) oder mitein-
ander verbunden werden (Kursive), denn in letzterem Falle erleiden die
Formen der Buchstaben eben durch die Verbindungen (Ligaturen) z. T.
sehr wesentliche Veränderungen. Auf die große Bedeutung der Ligaturen
für die Buchstabenformen hat namentlich Gardthausen in seiner Paläo-
graphie nachdrücklich hingewiesen. Wir können mittelbare und unmittel-
bare Ligaturen unterscheiden. Unter ersteren verstehe ich diejenigen Fälle,
in denen die beiden Buchstaben durch einen künstlich eingefügten (meist
horizontalen) Ligaturstrich verbunden werden. Diese Art begegnet m. W.
nur in der Ptolemäerzeit und den ersten Anfängen der Kaiserzeit. Klare
Beispiele bieten z. B. die Ptolemäertexte bei Schubart, Taf. 6 ff. (aus dem
IL Jahrb.), auch noch Taf. 14 aus Augustus' Zeit. Bei dieser mittelbaren
Ligatur liegt keine Veranlassung zu einer Veränderung der einzelnen Buch-
staben vor. Wenn dagegen die Buchstaben unmittelbar verbunden werden,
ohne fremdes Zwischenglied, was auch schon in der Ptolemäerzeit und
dann durchweg bis in die jüngste Zeit geschieht, so führt die Ligatur
z. T. zu ganz neuen Formen.
Das wichtigste Motiv für die Umgestaltung der Buchstabenformen
ist das Bestreben des Schreibers, den einzelnen Buchstaben in einem
Zuge, ohne Abheben des Kalamos zu schreiben. Von diesem Punkte aus
lassen sich auch die scheinbar merkwürdigsten Formen erklären, wie
manche Arten des Epsilon, die nur verschiedene Lösungen des Problems
sind, wie man den Mittelstrich mit der Rundung verbinden kann, z. B.
Ο oder G-, ferner das einstrichige α statt des zwei- oder dreistrichigen A,
die Spaltung der Hasten usw. Die Beobachtung dieses Motivs, die sich bei
jedem Buchstaben durchführen läßt, ist ein außerordentlich praktisches
Hilfsmittel zum Verständnis der Buchstabenformen, und sie sei dem Pa-
pyrusleser ganz besonders empfohlen. Es ist dasselbe Motiv, das dann in
noch weiterer Ausdehnung zu der Verbindung mehrerer Buchstaben durch
die eben besprochenen Ligaturen führt, denn auch hier liegt nur das Be-
§ δ. Die Schrift. XXXIX
streben zugrunde, den Kalaraos möglichst lange nicht abzuheben. Ich
muß mich an dieser Stelle auf diese kurzen theoretischen Andeutungen
beschränken. Ich weiß aus Erfahrung von mir und meinen Schülern, daß
ihre Anwendung das Erlernen der Kursive außerordentlich erleichtert.
Eine nicht organische, sondern von außen kommende Λ"eränderung
hat die griechische Kursive durch die Beeinflussung des lateinischen
Alphabets erfahren. Das ist zu derselben Zeit geschehen, in der wir auch
sonst den Romanismus in Ägypten vordringen sehen (s. unten S. 68),
in der Periode, die mit Diokletian beginnt.^) In den Texten vom IV. Jahrh.
an ist es ganz evident, daß einzelne Buchstaben von den lateinischen be-
einflußt worden sind. Natürlich konnte es auch schon vorher begegnen,
daß Römer, die sowohl lateinisch wie griechisch schrieben, ihrer griechi-
schen Schrift unwillkürlich einen lateinischen Duktus gaben. Ein treflen-
des Beispiel hierfür hat Zereteliim Arch. I 336 ff. (mit Tafel hinter S. 378)
vorgelegt. ^)
Die Bedeutung der Kursive für die allgemeine Schriftlehre geht weit
über die Bedürfnisse der Papyrusforschung hinaus, da, wie schon Gardt-
hausen erkannt hat, die mittelalterliche Minuskel, die etwa mit dem
IX. Jahrh. die Unziale als Buchschrift verdrängt, nichts weiter ist als eine
stilisierte Kursive. So fällt dem, der die Kursive verstanden hat, auch die
Minuskel mit leichter Mühe zu, wenn hier natürlich auch noch manche
Besonderheiten zu lernen sind. Das Erlernen der Papyrusschrift, sowohl
der Unziale wie der Kursive, ist aber für den Philologen um so wich-
tiger geworden, als die Papyrusfunde von Klassikertexten aus dem Alter-
tum gelehrt haben, daß die Textverderbnisse, die man früher dem Mittel-
alter zuschrieb, meist schon aus dem Altertum stammen. Wer also Emen-
dationen paläographisch begründen will, sollte die Schrift des Altertums
kennen.
3. Die Abkürzungen.')
Die größten Schwierigkeiten bieten dem Anfänger die zahlreichen
Abkürzungen. Auch hier kommt es vor allem darauf au, sich die ver-
schiedenen Prinzipien, die dabei maßgebend gewesen sind, klar zu macheu,
nicht etwa die Schlußergebnisse nach Listen sich einzuprägen. Nur wer
die Prinzipien kennt, wird, wo er vor neuen Formen steht, zur richtigen
Auflösung kommen. Ich unterscheide 1) die Abbreviaturen, 2) die Ver-
1) Vgl. Wilcken, Arch. 1 860 und 878. Wwtely, Ut Schrilttafeln 1. c. und
Stud. Pel. I p. XXIII eq.
i) Die EinwenthinKen νυη Weiiely, Stud. Pal. I p. LXXItq. (Tgl. auch Oardt-
haueon, Byz. Z. 190« S. 232) gegen Zereteli haben mich nicht abeneugt. Di• Ur-
kunde iii τοπ Zereteli mit dem II. Jahrh. nicht zu frilh angetettt. Da• t in dem
griechiechen Teil ΐκΐ hieriUr logar morkwOrdig altertflmliob.
3) Vgl. Arch. I 867 f.
XL Einleitung.
Schleifungen, 3) die Kontraktionen, 4) die Symbole (Siglen). Ich muß
mich hier auf die Hervorhebung der wichtigsten Fälle beschränken.
1) Die Abbreviaturen.
Abbreviaturen — oder Abbreviationen, auch Suspensionen — neiinen
wir die Kürzung der Worte durch Fortlassung des Endes. In diesen
FäUen kann die grammatische Form des Wortes nur durch den Zusammen-
hang gegeben werden, ja sogar die Wahl des Wortes — ob 7toX( ) z. B.
πόλ{εμοζ) oder πόλ{ΐξ) bedeuten soll — wird nur durch ihn bestimmt.
Diese Abbreviaturen werden entweder ohne Andeutung oder mit An-
deutung des Wegfalls des Wortendes geschrieben. Der erste Fall be-
gegnet, soweit ich sehe, nur in den alten Texten, aus dem IIL Jahrh. v.
Chr. Vgl. z. B. Petr. III S. 159: ^Ο-τ? ^-^Ad^iivalog), Μακε = Μακε{οών)
usw. Diese Art scheint später abgekommen zu sein.^) Praktisch sind
daher wichtiger die Fälle mit Andeutungen der Abbreviatur. Man merke
namentlich die folgenden:
a) Der als letzter übrigbleibende Buchstabe wird übergesetzt: τ£λ% τε^,
Λαί^ usw. Seltener werden in älteren Texten zwei Buchstaben übergesetzt:
r^'"• (häufiger in byzantinischer Zeit).^) Gelegentlich werden zwei nebftnein-
ander stehende Worte als einheitliches Objekt der Abkürzung betrachtet, und
das gilt nicht nur für diese Art: ω6^ = ώς τ(ης) (BGrU 362 VI 7); επυ^
— επΙ λ(όγον)] ro'' = το κ(ατ' ανδροί). — Selten geschieht es, daß der Schrei-
ber zu einer solchen Abbreviatur die Endung zur Sicherheit hinzufügt.
Vgl. Amh. 35, 55 (68) vom Jahre 132 v. Chr. (Taf. 10), wo in einer zwischen-
geschobenen Zeile in größter Enge βκων geschrieben ist für βα{ριλι)κων.
Hier ist die Endung offenbar hinzugefügt, weil eine Zeile vorher dasselbe
β in der Bedeutung βα{ΰίλέωξ) steht. Selbstverständlich darf man dies
nicht, wie es geschehen ist, als eine Kontraktion betrachten (s. unten),
zumal ja nicht βακων, sondern βκων dasteht.
Durch die Übersetzung haben manche Buchstaben, da sie zwischen
den Zeilen stehend möglichst niedrig werden mußten, ihre Formen ver-
ändert. So wird das Hakenalpha l entstanden sein, so auch das LA für H.^)
Diese neuen Formen wurden dann aber auch auf der Zeile verwendet.
Das Hakenalpha geht allmählich in eine gewundene Linie ^ über und hat
sich so bis in späte Zeit erhalten. Über die Entwicklung des η s. Arch.
1. c. Dahin gehört auch der Bogen D, der in der Regel = π ist (die
kursive Form η umgewendet).
1) Erhalten hat sich η (ein kursives π) = 7ΐ(ήχνς), das freilich oft durch die
Verbindung mit der Zahl als Abkürzung charakterisiert ist: ^ = π{ήχνς) cc.
2) Für die Abkürzungen der byzantinischen Zeit Tgl. auch die Listen bei Gardt-
hausen, Gr. Paläographie S. 248 ff.
3) Vgl. Arch. I 362 f.
§ δ. Die Schrift. XLI
b) Der als letzter übrigbleibende Buchstabe wird unter den vorletzten
gesetzt: λ = λο{ ), :τ = πο( \ λ = Xl( ) usw.
c) Der als letzter übrigbleibende Buchstabe wird durch den vor-
letzten hindurchgezogen. Dies namentlich bei langen schmalen Buch-
staben wie ρ und i, auch v: Π, Γ. Bei Jota wie in ψ kann nur der
Zusammenhang entscheiden, ob ιπ{ ) oder πι{ ) gemeint ist. So erklärte
sich das in der römischen Zeit oft wie ein Kreuz aussehende Zeichen für
πνρον: es ist in den älteren Texten erkennbar als )^, d. h. ein λ, in das
ein V hineingesetzt ist, also: ττν^ρον), Abbreviatur und nicht Symbol.
d) Der als letzter übrigbleibende Buchstabe wird lang ausgezogen,
ohne daß seine Position verändert würde. Dies namentlich bei λ und τ,
bei denen der Querstrich nach rechts hin ausgezogen wird. Entsprechend
wird gelegentlich das Jota lang nach oben ausgezogen, wie diol ^ öloC-
e) Ein Buchstabe aus dem weggelassenen Wortende wird übergesetzt:
αρχ^ = άρχ(ίερα)τ(εν0ας). In diesem Falle soll die präteritale Form ge-
kennzeichnet werden (zum Unterschied von άρχιερεύς). Hierher gehört
x*^* = χ(άτ)οί(κοζ). Auch das Arurenzeichen ö^ konnte nach diesem Prinzip
der Abbreviatur erklärt werden. Wie die alten Formen der Petrie Papyri
zeigen, ist es nichts als a^ = α(ρο)υ(ρα). Die späteren Formen wie \- er-
klären sich durch die Verbindung von ν und «. Vgl. Griech. Ostraka I 775.
Nach diesem Prinzip erklärte ich auch das von 0. Eger richtig als Katöken-
land gedeutete Zeichen ή' = γ{'η) κ(ατοίκική) (mit abgeschliffenem Kappa).M
Insofern liier wieder zwei Wörter als eine Gruppe zusammengefaßt eind,
steht dies parallel einer Schreibung wie δψ = δη(μόόίος) γ{εωργός) ( Lond.
II S. 37).
f) Monogrammatische Verschmelzung des letzten und vorletzten ührit^
bleibenden Buchstabens. Vgl. N€ = μί( ), JE = πε{ ). So erklärt sich
auch das Zeichen für χεράμιον: Κ.
gj Die Abkürzung wird gekennzeichnet durch einen horizontalen oder
schrägen Strich: γεί\ τε\ τ£κ ' ; manchmal steht ein Häkchen > (ohne χ
zu bedeuten), später gern die gewundene Linie 5- Erst in byzantinischer
Zeit wird diese Methode mit der Übersetzung verbunden: «^5 — άδ${1φός).
Nach diesem Prinzip erklärt sich das Zeichen für den Xeetee V^ als
ein ξ mit dem Strich: i/, ebenso das y für χ{εράτιον\ ein kleines Kappa
mit dem Strich rechts unten (später einfach ). Das häufige l ist nicbts
weiter als Hakenalpha + Strich — α{ύτός).
Auch hier ist es eine Seltenheit, wenn die Endung hinzugefügt wird.
Vielleicht ist so aufzufassen die Schreibung χων in BGU 835, 12 (^a. 216/7)
für χω(μώ)ν. Hier wäre es allerdings auch möglich, τοπ einer Kontraktion
zu sprechen. Vgl. unten p. XI,I\'
Γ) Ar(h V 18 If.
XLII Einleitung.
h) Zu beachten ist, daß gelegentlich Zahlzeichen für verwandte Be-
griffe verwendet werden. So ö^ = (πρότερον). Sie stehen auch in Kompositis
wie γκ = (Τρήκω(μία) (III. Jahrh. ν. Chr.).
i) Endlich begegnen Abkürzungen, die auf den Einfluß der lateini-
schen Schrift (s. oben p. XXXIX) zurückzuführen sind. Dahin gehören die
literae singulares mit einem Punkt wie F für r{aCog). Auch sonst ist
die Verwendung des Punktes, der sich in den älteren griechischen Ab-
kürzungen nicht findet, auf das lateinische Vorbild zurückzuführen. Vgl.
z. B. Lond. Atlas II 95: Φλ' = Φλ(άονίος), δεοποτικ' = οε6ποτι%{ών) usw.
Auch die Schreibung der Teile eines Kompositum^) mit einer litera sin-
gularis stammt aus dem Lateinischen wie βφ = β{ενε)φ{ίκιάριος) ent-
sprechend BF, oder πΐϊ = π{ραί)Ή:(όσίτος) usw. Lateinisch ist auch die
Andeutung des Plurals durch die Verdoppelung des letzten Buchstabens,
wie in Φλλ(^ = Φλ(άονίθί). Dies ist namentlich in den jüngsten Papyri
wie auch in der Minuskel sehr geläufig. Danach finden sich auch Weiter-
bildungen dieses Prinzips wie αρ^ρ' = αρονραυ, καρρ = κάραβοι (vgl. BeU,
Lond. IV ρ. XLV); ich füge v'^v'^ = νο{}ΐί6ματα) hinzu. Vgl. unten 257,4.
2) Die Verschleifungen.
In ganz flüchtiger Kursive werden häufig Wörter wie die Kaiser-
namen, die Monatsnamen und manche andere derartig verschliffen, daß
man hinter dem deutlichen Anfangsbuchstaben oder auch zwischen
dem Anfangs- und Endbuchstaben oft nur eine Zickzack- oder Wellen-
linie sieht. Wiewohl die Zahl der gleichmäßigen Erhebungen dieser
Wellenlinien oft geringer ist als die Zahl der zu erwartenden Buchstaben,
dürfen wir m. E. mit Sicherheit annehmen, daß der Schreiber garnicht
beabsichtigt hat, bestimmte Buchstaben wegzulassen. Dadurch unterscheidet
sich diese Art der Verkürzung prinzipiell von den sogleich zu besprechen-
den Kontraktionen, mit denen sie neuerdings irrtümlich zusammengeworfen
sind (s. unten). Ich empfehle daher, sie als Verschleifungen von den
Kontraktionen zu unterscheiden. Beispiele kann man überall in den Ostraka,
aber auch in den entsprechend flüchtig geschriebenen Papyri^) finden.
Da hier meist gar nicht zu erkennen ist, Avelche Buchstaben in der Mitte
geschrieben sind und welche nicht, so sind die Transkriptionen der Edi-
toren bezüglich der Setzung der Klammern oft sehr inkonsequent. Das
Richtigste ist, wie Viereck vorgeschlagen hat (Arch. I 453), in diesen FäUen
überhaupt keine Klammern zu setzen, sondern das Wort voll auszuschreiben,
1) Die Zerlegung der Komposita begegnet auch schon vor dem lateinischen Ein-
fluß. Vgl. das eben erwähnte γν.^ = Τριχωμία aus dem III. Jahrh. v. Chr. Vgl. auch
Flor. 4,18 (206) Yom J. 245, wo ich ^γΐ = 7c(Q06)Yi{vovTccL•) gelesen habe.
2) Ein Beispiel für viele: Lond. Atlas Π 78. Vgl. außerdem für die Ostraka
Vierecks Tafel im Arch. I 450.
§ δ. Die Schrift. XLIII
da, wie gesagt, der Schreiber gar nicht die Absicht gehabt hat, bestimmte
Buchstaben auszulassen.
3) Die Kontraktionen.
Wir kommen zu einem sehr strittigen Problem. Einigkeit besteht
darin, daß man die in den christlichen Handschriften von Anfang an auf-
tretenden Schreibungen wie 0C = ^(εο)ς, IC = Ί{ηβονς)^ TTNÄ = πν{£νμ)α
usw. als Kontraktionen bezeichnet Das Charakteristische an ihnen ist,
daß die Mitte des Wortes ausgelassen, und ein Horizontalstrich darüber-
gesetzt ist. Derartige Kontraktionen finden sich nicht nur in den Bibel-
handschriften, sondern auch in den Urkunden. In der Abinnaeus- Kor-
respondenz (Mitte des IV. Jahrb.) wird meist iv d-ω, iv χω geschrieben,
aber daneben auch iv κνρύο Ό-ίφ (Lond. II S. 290 unten Z. 2 und sonst).
Durch das Buch von Ludwig Traube über die Nomina sacra (1907)^),
wie er mit Thompson diese Bildungen nennt, ist die Frage nach ihrem
Ursprung ins Rollen gekommen. Trotz der schon jetzt großen Literatur*)
ist das Problem noch nicht gelöst. Traubes Versuch, diese Kontraktionen
aus gewissen Gewohnheiten der hebräischen Handschriften abzuleiten, hat
mit Recht vielfachen Widerspruch hervorgerufen. Ebensowenig bin ich
aber davon überzeugt worden, daß diese Kontraktionen einfach aus einem
Gebrauch der profanen griechischen Inschriften, Papyri und Ostraka her-
übergenommen seien. Wohl lassen sich mehrere Beispiele aus den In-
schriften zusammenstellen, in denen die Mitte eines Wortes ausgelassen ist'),
aber, wenn ich recht sehe, steht hier niemals ein Querstrich darüber.
Dieser gehört jedoch notwendig zu der christlichen Kontraktion. Auch in den
Papyri kommt es nicht selten vor, daß ohne Hinzufügungeines Striches in der
Mitte etwas ausgelassen ist. Ich halte mit Kenyon durchaus daran fest, daß
wir solche Fälle als Schreibfehler, nicbt als beabsichtigte Kontraktionen
anzusehen haben. ^) In liederlichen vulgären Handschriften ist diese Auf-
fassung selbstverständlich, wie z. B. in Lond. I S. 38 ff., wo zahlreiche solche
Auslassungen vorliegen, von denen sogar manche nachträglich korrigiert sind
(durch nachträgliche Übersetzung des Ausgelassenen). In sorgfältigen Hand-
schriften darf das aber nicht anders beurteilt werden, denn solche Aus-
lassungen passieren auch den besten Schreibern, ebensogut wie Diito*
Lrr;ii)lii»in. Vielleicht liegt eine wirkliclit' K<»iitraktion. d. h. Auslaseung
ij 1 L. Truube, Vorlegungen uud Abhaudluiiticu ,βα. ίτ. nou; i ^1909):
Zur Pal und IlaudHcliriftoDkunde.
2) Ich \. Λ. < hier nur auf Kruinbaoher, Populäre AafOltM (1009) 8. SlOff.,
und die vorn. hl. .i. iion AnHirhtm von WiUmowiti u.a. in der Byi. Z. XVII e7tf.
AridcH'M wird unten ^.m ι i.
H) Vgl. jetzt Κ Ν a ' h in 11 nie Nchriftliche Kontrakitun auf den griechitchM
Inichriften (Eranoi X 101 tf.).
i, \]un i.f / η ein dttf2" "'^^^^ Sieft{lt)ae ir{«dertag«ben.
XLIV Einleitung.
der Wortmitte mit Querstrich in Eleph. 14,27(340) vor (a. 223/2 vor
Chr.), wenn anders meine Vermutung, daß das rjg als η^μέραής zu deuten
ist und nicht als rι(μ,έρaL•g) g, zutreffend ist. Ebenso könnte man vielleicht
auch das oben p. XLI erwähnte κων in BGU III 835, 12 (a. 216/7) als
Kontraktion deuten. Aber beide FäUe sind nicht ganz sicher. Ich be-
tone übrigens, daß die Gruppen beide am Ende der Zeilen stehen. Aus
dem Anfang oder der Mitte der Zeilen sind mir solche Schreibungen
nicht bekannt. Sollten diese Fälle als Kontraktionen aufzufassen sein, so
würden sie mich nur um so mehr in der Ansicht bestärken, daß in den
zahlreichen Fällen, wo eine Wortmitte ausgelassen ist, ohne daß ein Strich
hinzugefügt wäre, keine Kontraktion, sondern ein Schreibfehler vorliegt.
Damit scheiden sie für die Erklärung der Nomina sacra aus. Aber auch
jene zwei unsicheren Fälle, die formell allerdings den christlichen Kon-
traktionen ähneln würden, könnten nicht als Vorstufen zu den Nomina
Sacra angesehen werden, da sie eben nur am Zeilenschluß gebildet und
keine normalen Erscheinungen sind.^) Noch weniger sind natürlich die
Verschleifungen heranzuziehen, aus denen Gunnar Rudberg^) die No-
mina Sacra zu erklären versucht hat, denn hier ist, wie wir sahen, über-
haupt keine Auslassung von bestimmten Buchstaben beabsichtigt, auch
fehlt der Strich, s)
Wie sind dann aber die Nomina sacra zu erklären, wenn wir aUe
diese Anknüpfungen ablehnen? Ich möchte sie für die freie Erfindung
eines Mannes halten, der nach äußeren Formen suchte, um in den Bibel-
handschriften die Namen für Gott, Heiland usw. als etwas Heiliges von
der sonstigen Schrift zu separieren. Er griff absichtlich zu einer sonst
nicht gebräuchlichen^) Abkürzungsform (der Kontraktion), um den Leser
auf das Singulare des Wortes hinzuweisen, und er fügte einen über Wör-
tern damals^) gleichfalls nicht gebräuchlichen Querstrich hinzu, um das
Singulare noch deutlicher hervorzuheben. Daß der Strich nicht die Ab-
kürzung als solche, sondern das Besondere, hier das Heilige, hervorheben
soll, zeigt Lond. II S. 302, 25, wo der Schreiber, der sonst ΰ^ω und κω
(= ϋ'εω und κνρίω) schreibt, einmal ό d^sog geschrieben hat. Mag er hier
ein Versehen begangen haben, jedenfalls hat er uns dadurch verraten,
1) Vgl. jedoch unten Anm. 4.
2) Eranos X 71. Es hat der fleißigen Arbeit geschadet, daß sie nur auf Bücher
zurückgeht, nicht auf die Anschauung der Originale.
3) Die Ansicht von Börje Knös, Cod. graec. Upsaliensis XV S. 8 (vgl. dazu Rud-
berg 1. c. 90), daß der Strich der Nomina Sacra sich aus der Zickzacklinie der Ver-
schleifungen durch Stilisierung entwickelt habe, ist natürlich abzulehnen.
4) Materiell bekannt konnte sie ihm aus solchen Notkontraktionen sein, wie
ich sie oben hypothetisch vorgelegt habe.
5) Später, in jüngeren byzantinischen Texten (daher auch in koptischen), steht
dieser Strich bekanntlich auch über Eigennamen, um sie hervorzuheben. In älteren
Zeiten dient er nur zur Kennzeichnung von Zahlenbuchstaben (vgl. p. XLVI).
§ δ. Die Schrift. XLV
Λνα8 er bei dem Strich empfand. Die Nomina sacra sind also nicht
aus irgendwelchen gebräuchlichen profanen Schreibmoden or-
ganisch entwickelt, sondern sie sind die freie Erfindung eines
Mannes, der gerade absichtlich das Gebräuchliche mied, um den
Eindruck der Singularität dieser Worte zu sichern.
4) Die Symbole (Siglen).^)
Symbole sind nicht eigentlich Kürzungen der Schrift, sondern ein
symbolischer Ersatz für die Wiedergabe der Laute. Die Zahl der Sym-
bole hat sich verringert, nachdem es gelungen ist, die Zeichen für die
Arure, Artabe u. a. als Abbreviaturen zu erkennen. Symbole sind z. B.
L = τ^μίον^ l = ων. Ferner die meisten Zeichen für die Münzeinheiten,
wie h = δραχμή (in der Kursive allmählich stark verändert zu <X, y,
dann — = όβολός (hier ist der Strich, der den Spieß darstellt, geradezu
Hieroglyphe), = = διωβέλίον^ Ρ = τριώβολον und die Zusammensetzungen
dieses mit den vorhergehenden: /? = τετρώβολον, p = πεντώβολον, auch
c für den halben Chalkus. Zu den Symbolen können wir auch zwei Zei-
chen stellen, die aus dem Demotischen herübergenommen sind: L = έτος
und —7 = μιμρόζ.
4. Das Zahlensystem.
Das in den Urkunden angewendete Zahlensystem ist das alte mile-
sische:
α = 1 t = 10 ρ = 100
β = 2 κ - 20 6 = 200
y = 3 λ = 30 τ = 300
d = 4 μ = 40 υ = 400
« = 5 ι/ = 50 φ = δ00
g = 6 ξ = 60 χ- 600
ζ^Ί 0-70 ^-700
1^ = 8 3Τ = 80 ω- 800
^-9 ς = 90 T,C^-900
Hier etehen Vau (— 6) und Qoppa (— 90) noch an ihrem alten PlatE,
während das Ssade (ganz spät Sampi genannt) an das Ende gestellt ist»
um 900 zu bezeichnen.*)
Die Tausender von 1000--9000 werden durch die Ziflfern 1—9 mit
• inem distinktiven Häkchen bezeichnet (l4), dessen Anbringung im Laufe
1, ....*. ... -ηβ eingefflhrte Aufdruck Sigle empfiehlt sich daautoh nicht, daß
ίτ in der latciniMchen Epij^raphik Hpeziell die literae singuUres beteiobnci Sjmbol
iHt hcMHer.
2) Zu den Formen, die natarlich im Laufe der Zeit sich verbinden B.
meine Obiervatione• p. 49 ff.
XLVI Einleitung.
der Zeit natürlich Veränderungen durchgemaclit hat. Nur in dem ältesten
datierten Papyrus, Eleph. 1 (a. 311 v. Chr.), ist 1000 mit Hilfe des Ssade
folgendermaßen geschrieben: ΓΡ. Hierzu vgl. Br. Keil, P. Eleph. S. 84,
der denselben Gebrauch auch in kleinasiatischen Inschriften nachwies. Die
Zehntausender werden durch ein M, die Abkürzung für μν^ιάξ oder μύριοι,
et
bezeichnet, über das die einfachen Ziffern gestellt werden: Μ = 10000,
Μ == 20 000 usw.
Sehr häufig werden die Zahlen, namentlich die Ordinalzahlen, dadurch
gekennzeichnet, daß ein Querstrich über sie gesetzt wird, aber feste Regel
ist es nicht. Jedenfalls sollten diese Querstriche in den Editionen immer
sorgfältig mit abgedruckt werden (vgl. zu 232, 2), denn es gibt viele Fälle,
in denen der Strich die richtige Interpretation an die Hand gibt.^)
Was die Brüche betrifft, so hatte Peyron aus Par. 66 (385) geschlossen,
daß es einen Bruchstrich gegeben habe, um den sich Zähler und Nenner
gruppierten. Ich habe im Hermes 19, 291 gezeigt, daß hier vielmehr der
Strich der Gleichsetzung gemeint ist, und Addition vorliegt. Der Begriff
Zähler und Nenner ist den Urkunden überhaupt fremd. Man schreibt
y = i, ^ = i^) usw., was sprachlich als τρίτον seil, μέρος aufzufassen ist.^)
Ein besonderes Wort für einen Bruch hat der Grieche nur in δίμοιρον
= 1, und dies wird mit β wiedergegeben. Ein besonderes Symbol existiert
nur für γ = L oder später abgerundet ^. Komplizierte Brüche können nur
durch Addition gebildet werden, z. B. ί = γ + i + i? geschrieben Ldt^'
oder zusammengezogen J?^'. Dagegen in mathematischen Texten, wie auch
Lond. II S. 259, begegnen Schreibungen wie ^o'' = ψ^•
Eine Besonderheit der arabischen Zeit ist, daß hier gelegentlich in
Rechnungen ein schräger Doppelstrich // das Fehlen einer Zahl bezeichnet,
also gewissermaßen für Null steht. Vgl. unten Nr. 257.
5. Lesezeichen.
Eigene Interpunktionszeichen wird man in den Urkunden selten finden.
Am verbreitetsten ist die Paragraphos, ein Strich am linken Rande unter
der Zeile, in der der zu bezeichnende Sinnabschnitt liegt. Vgl. z. B.
Schubart, Tafel 7 a, 9b usw. Eine Seltenheit ist der Doppelpunkt in
Par. 49 (IL Jahrh. v. Chr.).
Dagegen war es von den frühesten Zeiten an eine weitverbreitete
Sitte, Sätze oder Satzteile oder gar Wörter durch größere oder kleinere
Spatien zu trennen. Auf diese in den Editionen noch viel zu wenig
1) Merkwürdig ist die Sitte, in Datierungen die Jahreszahl ohne Strich, die
Tageszahl mit Strich zu schreiben (vgl. zahlreiche Beispiele in den Griech. Ostraka).
2) Formell bilden sich einige Sonderheiten, wie d = | (d. h. Delta mit Strich)
oder i/=f (=^-f|). Für 1 oft die kursive Form des §: ο (ο') oder α (<^).
3) Vgl. Arch. I 358.
§ 5. Die Schrift. XLVII
zum Ausdruck kommende Interpunktion möchte ich die Papyrusleser ganz
besonders aufmerksam machen, da durch sie uns oft die authentische
Interpretation des Schreibers an die Hand gegeben wird.^)
Das Trema, ein Doppelpunkt über ΐ und li, findet sich wohl kaum
vor dem U. Jahrh. n. Chr. Später wird oft ein weitgehender, gedanken-
loser Gebrauch davon gemacht.
Ein Häkchen zwischen zwei zusammenstoßenden Konsonanten, gleichen
oder auch verschiedenen — wie in τα'/ μα, άγ*γέλλω — , begegnet seit dem
Anfang des IIL Jahrh. n. Chr.^)
Korrekturen werden in sehr verschiedener Weise durchgeführt. Das
zu tilgende Wort wird durchgestrichen oder es wird mit dem Schwamm
weggewischt oder es wird eingeklammert oder es werden auch Punkte
darüber gesetzt. Sehr zu beachten ist, daß der Korrektor beim Durch-
streichen oft sehr liederlich verfuhr, indem er den Strich nicht weit genug
führte, vielleicht auch einmal zu weit. Noch auffallender ist, daß nach-
weisbar in mehreren Fällen, wenn der Fehler sogleich bemerkt wurde, das
richtige Wort hinter das falsche geschrieben wurde, ohne daß das
falsche äußerlich getilgt wäre!
6. Anordnung der Schrift auf dem Papyrus.
Die Zeilen laufen entweder parallel der Breite der Pagina oder
ihrer Höhe.^) Im ersteren Falle werden bei größeren Schriftstücken —
wo also Rolle oder ßoUenteil vorliegt — Kolumnen gebildet, für deren
Breite es bei Urkunden gar keine Regeln gibt. Im anderen Falle, wo also
die Schrift parallel der Höhe läuft (transversa charta), werden nicht mehrere
Kolumnen gebildet, sondern die Schrift läuft in einer einzigen Kolumne,
die so breit ist wie die Höhe, so weit, wie der Text es erfordert. Diese
letztere Anwendung war in der älteren Ptolemäerzeit besonders beliebt
bei Briefen. Zur allgemeinen Mode für große Urkunden wurde sie in
der byzantinischen Zeit, wo oft mehr als meterlange Texte in dieser An-
ordnung geschrieben wurden. Vgl. z. B. das Testament des Abraham in
Lond. 1 S. 2:52 fif.*)
Durch Ausrücken und Einrücken von Zeilen, durch größere Spatien
u, dgl ist in sorgfaltigen Texten die Übersichtlichkeit gefordert. Bei der
aus praktischen Gründen für unsere Chrestomathien gewähltrn Dnickord-
min^ tritt da» nicht hervor.
1) Auf die Wichtigkeit dieeer Sitte wiiH ich im 11» rm. < n•: 1>*J liin
2) Vgl. hier/u meine Obecrvationo• ρ ttlff.
8; Da« gcichioht ganz eo auf dem Hi-cto \\\> 1'•'^^ ' • I < h-
tung der Schrift mit dem Prohlcm de« lU-cto und - i.-*ht .u . ..4:!«u
bat, wurde »chon oben p. XXX n(|. betont.
4) Daher hind die groü*n koptiachen Urkunden in der Regel ao geaehfiebea.
XLVIII Einleitung.
7. Die Kunst des Entziffems.
Bestimmte Regeln, die den Erfolg des Entzifferns garantierten, gibt
es nicht. Das Beste und Letzte liegt in der persönlichen Veranlagung.
Aber einige praktische Ratschläge möchte ich hier mitteilen, die den An-
fänger fördern können.
Vor allem wähle man die Schriftproben in chronologischer Folge
und arbeite sich von der Ptolemäerzeit bis in die arabische Zeit hin durch.
Nur dann wird man zu einem klaren Bild von der Entwicklung der Schrift
kommen. Man lege sich von jeder Urkunde, die man durcharbeitet, ein
Alphabet an, indem man zunächst aus den gut erhaltenen Partien die
sicheren Formen herausnimmt. Dies nützt dann für die schlecht erhal-
tenen Stellen. Das Nachzeichnen mit Bleistift kann von allergrößtem
Nutzen sein, wenn man dabei genau die Kalamosführung nachahmt. Ich
habe schon in sehr vielen Fällen schwierige Wörter gerade während des
Nachzeichnens entziffert, wie in besonders schwierigen Fällen ich mir
auch heute immer noch ein Alphabet anlege. Grundsätzlich soll man
jeden Schreiber aus sich selbst erklären, da jede Hand ihre besonderen
Eigentümlichkeiten hat. Zur Feststellung des Tatbestandes an schwierigen
Stellen benutze man eine möglichst scharfe Lupe und außerdem einen
kleinen Handspiegel (etwa aus einem Reisenecessaire). Der Spiegel, auf
den ich durch die besonderen Arbeitsbedingungen bei der Revision von
Aristoteles' läd'yjvaCcov Λολιτεία im British Museum geführt wurde, ist
mir seitdem ein unzertrennlicher, sehr wirksamer Helfer beim Papyrus-
lesen geworden. Hält man ihn dem durch das Fenster dringenden Licht
entgegen — ich setze mich wenn möglich so, daß ich das Fenster linker
oder rechter Hand habe — , so beleuchtet man die Schrift wie mit einer
Laterne von der sonst dunklen Seite. Dadurch fallen die sonst durch das
einseitige Licht auf der rauhen Oberseite des Papyrus entstehenden
Schatten fort, die durch die Vorspiegelung von Linien schon unzählige
falsche Lesungen herbeigeführt haben. Sind nur punktuelle Überreste
von Buchstaben vorhanden, so daß Konjekturen probiert werden müssen,
so akzeptiere man keine Konjektur, auch wenn sie einem noch so schön
erscheint, bei der nicht auch der kleinste Punkt zur Geltung kommt.
Am ehesten wird solche Schwierigkeiten lösen, wer abgesehen von einer
gründlichen theoretischen Einsicht in die Entwicklung der Schrift die
weitesten Kenntnisse in bezug auf die Sprache und die in Frage stehen-
den sachlichen Probleme besitzt.
§ 6. ZUR SPRACHE DER PAPYRI.
Es kann hier nur meine Aufgabe sein, diejenigen, die in den grie-
chischen Papyrus Urkunden arbeiten woUen, auf solche Gesichtspunkte auf-
merksam zu machen, die speziell für den Interpreten dieser Urkunden-
§ 6. Zur Sprache der Papyri. XUX
spräche von praktischer Bedeutung sind, und sie auf die wichtigsten Hilfs-
mittel hinzuweisen.
Wir haben es in den Papvrusurkunden mit der Κοινή genannten
Weltsprache zu tun, für die erst Alexander der Große die Existenzbe-
dingungen geschaffen hat. Wir können sie durch die Papyri von ihren
Anfängen an, vom Ende des IV. Jahrh. v. Chr. verfolgen*) bis zum Aus-
sterben des Griechischen in Ägypten im X. Jahrh. (s. oben p. XV). Wenn
man also mit manchen Sprachforschem das Ende der Koivij im engeren
Sinne rund um 500 u. Chr. ansetzt*), so führen uns die Papyri der darüber
hinausreichenden Jahrhunderte bereits in das sogenannte Mittelgriechische
hinein, an das sich dann das Neugriechische anschließt.
Daß in dieser langen Periode von ca. 1300 Jahren die Sprache die
bedeutendsten Umwandlungen erfahren hat, versteht sich von selbst. Nicht
nur die Formen sind allmählich andere geworden, sondern auch der Stil.
Die ungeheuren Umwälzungen in dem Geist der Zeiten spiegeln sich nir-
gends deutlicher als in der Sprache wider. Man lege nur einmal, um ein
krasses Beispiel zu haben, den Revenue -Papyrus des Philadelphos neben
die Verordnungen der Aphroditopapyri aus Justinianischer Zeit und ver-
gleiche die, man könnte sagen, archaische Knappheit der ptolemäischen
A^erordnungen mit dem hohlen Wortschwall des Byzantiners, so gewinnt
man aus diesen Extremen eine Vorstellung davon, wie inzwischen die Men-
schen und ihre Sprache, wie die ganze Welt sich geändert haben muß. Diese
migeheuren Unterschiede in der Sprache sind nicht ausschließlich auf die
fortschreitende innere Entwicklung der griechischen Sprache zurückzuführen,
sondern z. T. auch durch ein von außen kommendes Moment gefördert
worden, nämlich das seit Diokletian immer stärker werdende Eindringen
lateinischer Elemente (vgl. S. 5;J f 85 f ). Demgegenüber treten die Ein-
flüsse der ägyptischen Sprache weit zurück, ebenso auch in den letzten
Zeiten die des Arabischen. Der Papyrusforscher aber muß, ebenso wie er
hinsichtlich der Schriftentwicklung die einzelnen Jahrhunderte nach ihren
Charakteristica möglichst auseinander halten soll, sich bemühen, auch klare
A^orstellungen von dem, was in der Sprache in den einzelnen Perioden
möglich ist, zu gewinnen, sonst gerät er in die Gefahr, die Lücken mit
Wendungen zu füllen, die für die Zeit der beireffenden Urkunde unmög-
lich sind.
Aber ebenso wie bei der Schrift, K^n^K^ es auch bei der Sprache nicht,
duß man die Zeiten auseinander hält, sondern auch innerhalb der gleich /•μ
tigen Denkmäler gibt es die größten Unterschiede. Wae ich oben p. A\\\ 1
Ober die subjektiven und objektiven Motire getagt habe, die eu
1 Im Artcmiiiapapyrui (vgl. einatweilen BIam, Philologu• 41, 746 ff.) haben wir
•ogar ein Denkmal, da« Hprurlilich Doch vor dem Sieg der Kotrij liegt.
2, V<fl. WitkowHki, Mrri. ht (•. unten) 8. 1«!.
Μ ι t toi ί \S I I . k .. η '.' 1-, I • .• I d
L Einleitung.
den verschiedenen gleichzeitigen Handschriften führen, könnte zum größten
Teil hier auf das Sprachenproblem ohne weiteres angewendet werden.
Auch hier kommt es darauf an, die Texte zu scheiden nach dem Beruf
und dem Bildungsgrad der Schreibenden, andrerseits wieder innerhalb der-
selben subjektiven Schichten nach der Veranlassung und der Stellung des
Subjekts zum Adressaten usw. Unter den subjektiven Momenten ist hier
von noch größerer Bedeutung als bei dem Schriftproblem die Nationali-
tät des Schreibers. Es macht viel aus, ob man einen geborenen Griechen
reden hört oder einen Ägypter oder Juden oder Perser, der etwa das Grie-
chische erst erlernt hat. Gehört Letzterer einer schon seit Generationen
hellenisierten Familie an, so ist der Unterschied schwächer, aber doch
nicht ganz ohne Bedeutung. Besonders wichtig würde es sein, die Ein-
sprachigen und die Zweisprachigen zu scheiden. Der Grieche, der auch
Ägyptisch gelernt hat, wird leichter einen Ägyptizismus anwenden. Der
Ägypter, der neben seiner Muttersprache etwas Griechisch gelernt hat,
wird dieses am stärksten burbarisieren. Für die römische Zeit und nament-
lich die byzantinische Zeit sind dieselben Fragen dann auch in bezug auf
Griechen und Römer zu stellen. Von großer Bedeutung wäre es auch zu
erfahren, ob der betreffende Fremde das Griechisch in der Schule oder
nur im alltäglichen Umgang gelernt hat. Gewiß sind alle diese Natio-
nalitätsfragen, namentlich in der Feinheit, in der allein sie den sprach-
lichen Problemen helfen können, meist schwer zu beantworten^), aber
darum kann auf das Postulat nicht verzichtet werden. Ebenso ist natür-
lich von großer Wichtigkeit, daß von den originalgriechischen Urkunden
die Übersetzungen aus fremden Sprachen unterschieden werden. In
manchen Fällen ist die Übersetzung als solche ausdrücklich hervorgehoben,
wie bei gewissen Übersetzungen aus dem Demotischen (s. oben p. XII)
oder z. B. bei dem aus dem Lateinischen übersetzten Brief des Hadrian
in BGU I 140; in anderen Fällen ist eine Übersetzung aus dem Lateini-
schen erschlossen worden, wie kürzlich von J. Partsch für die Justinianischen
Reskripte in Cair. Cat. 67024 und 67025^), und ich glaube, daß eine syste-
matische Prüfung der Urkunden unter diesem Gesichtspunkt noch manche
Übersetzung zu Tao^e fördern würde.
Wenn man unter Berücksichtigung aller dieser Momente die Urkunden
gruppiert, so wird man auch hier wie bei der Schrift zu einer Reihe von
parallelen Entwicklungslinien kommen. Auf der einen Seite wird die
Sprache der Kanzleien stehen, für die charakteristisch ist eine Beeinflussung
durch eine Tradition, und zwar werden wieder recht verschiedene Arten sich
ergeben, wenn man die verschiedenen Kanzleien trennt, von den Kanzleien
der Könige und Kaiser bis zu denen der Dorfschulzen herab. Ferner sind
1) Vgl. hierzu unten in Kap. I die Paragraphen über die Bevölkerungsfragen.
2) Nachrichten der K. Gesellsch. d. Wies, zu Göttingen ph. hist. Kl. 1911, 201 ff.
§ 6. Zur Sprache der Papyri. LI
für sich zu stellen, weil sie wiederum auf einer besonderen Erziehung
und Tradition beruhen, die Reden der Advokaten und die Sentenzen der
Richter, die uns in den Gerichtsprotokollen erhalten sind.^) Diesen und
manchen anderen offiziellen Akten stehen dann gegenüber die Privatskrip-
turen, unter denen man je nach dem Beruf und der sozialen Stellung der
Schreiber die verschiedensten Gruppen zu bilden hat In diesen privaten
Akten sowie auch in den Partei- und Zeugenaussagen in den Gerichts-
protokollen liegen unsere wichtigsten Quellen für die Erkenntnis der ge-
sprochenen Umgangssprache.
Auf die Notwendigkeit der Scheidung der verschiedenen Spracharten
ist von den Philologen natürlich schon längst hingewiesen worden'), wenn
sie auch praktisch noch nicht überall genügend durchgeführt worden ist.')
Aber auch der Papyrusforscher muß sich in jedem Einzelfall, namentlich
wenn es sich um Ergänzung von Lücken handelt, diese Fragen stellen,
weil sonst leicht ein unmögliches Mosaik aus heterogenen Elementen ent-
stehen könnte. Bei exakteren Untersuchungen muß auch noch darauf ge-
achtet werden, ob es nicht innerhalb der ägyptischen Κοινή auch noch
lokale Unterschiede gegeben hat. Die Tatsache, daß die ägyptische
Sprache in diesem langgestreckten Flußtal, wie die koptischen Dialekte des
Sahidischen, Achraimischen^ Faijumischen, Memphitischen und Boheirischen
uns zeigen, in mehrere Dialekte zerfiel, nötigt uns zu dieser Fragestellung.
Einzelne Beobachtungen sind nach dieser Richtung auch schon gemacht
worden, aber es fehlt noch an einer systematischen Durcharbeitung.
Der Editor von Papyrusurkunden wird oft schwanken, wie weit er die
orthographischen Eigentümlichkeiten, namentlich der Vulgärsprache,
dem Leser in Fußnoten erklären soll. Im besonderen bei den jüngeren
Vulgärtexten, die von solchen Schreibungen wimmeln, würde es geschmack-
los sein, jede einzelne zu erklären. Wir haben ims in der Chrestomathie,
namentlich in den späteren Teilen, meist auf solche Fälle beschrankt, die
nicht auf der Oberfläche liegen, indem wir annahmen, daß der Benutzer
der Chrestomathie sich in diese Orthographie hineinleben wird. Wenn
der Editor aber auffallende Formen erklärt, ist es wünschenswert, daB er
äußerlich die Erklärung von Vulgärformen scheidet von der Korrektur
fehlerhafter Formen. Freilich kann es Fälle geben, in denen sein Wiesen
oder gar das der Wissenschaft noch picht ausreicht zu entscheiden, ob
diese oder jepe Form als Vulgärgriechisch aufgefaßt werden kann. Wie
1) unter den Advokatenreden iit bcHondere fein aoegtarbeilet Oxj. ΠΙ 4Ti (vgl
Arch. IV 881).
2) Wohl Äuent von Wilamowit«, GQA 1901. 40ff. Vgl. auch WUkowtki, B••
riebt S. 168 ff. Thumb, Arch. ITI 444.
8) In der eben emchienenen 2. Aufl. dar Bpisiala« pritatae gfaeoa« hal Wit-
kowiki p. XIII hm- crfreulioherweiio die Briefe nach dem BUdonftgiade der Schreiber
in mehrere Klamen n*'U'\\t.
d•
LII Einleitung.
auch sonst schon seit einigen Jahren habe ich unten in der Chrestomathie
vor die Erklärung der Vulgarismen das Gleichheitszeichen (=), vor die
Verbesserung von Versehen ein 1. (= lies) gesetzt.
Zum Schluß sei auf einige Hilfsmittel hingewiesen, die dem Pa-
pyrusforscher die Behandlung der sprachlichen Probleme erleichtern können.
Orientierende und kritische Berichte über die modernen Κοίνή -For-
schungen bieten: A. Thumb, Arch.II396ff. (für 1896—1901) und III 443 ff.
(für 1902—1904) und St. Witkowski, Bursians Jahresber. CXX (1904 I)
S. 153—256 (für 1898—1902). Beide Arbeiten sind jedem, der sich orien-
tieren vrill, auis beste zu empfehlen.
In lexikalischer Hinsicht sind wir noch sehr im Rückstande. Daß Pape
und Passow^) für die Papyrusurkunden nicht ausreichen, wird man beim
ersten Versuch erfahren. Man schlägt am besten sogleich in Stephanus'
Thesaurus linguae graecae nach, wird freilich auch hier oft vergeblich
suchen. Für die byzantinischen Urkunden ist Du Gange, Glossarium ad
> scriptores mediae et infimae graecitatis (1688, Neudruck 1905) unentbehr-
lich. Nachdem früher schon Kumanudis Nachträge zu den Lexika ge-
bracht hatte ^), hat neuerdings H. van Herwerden eine neue Nachlese
gehalten, bei der im besonderen auch die Papyri berücksichtigt sind:
Lexicon graecum suppletorium et dialecticum 1902, mit Appendix 1904
(vgl. auch Mel. Nicole S. 241 ff.), soeben in 2. erweiterter Auflage erschienen.
Vorwiegend für theologische Interessen geschrieben, aber auch für andere
wertvoU sind die von Moulton und Milligan verfaßten Lexical notes from
the papyri im „Expositor^^ Viel Lexikalisches, das gleichfalls auch für
nichttheologische Kreise von Interesse ist, findet sich auch inDeissmanns
Bibelstudien (1895) und Neuen Bibelstudien (1897), vgl. auch sein „Licht
vom Osten" (2. Aufl.). — Vielleicht nichts würde die Arbeit auf unserem
Gebiet so fördern, wie die Herstellung eines vollständigen Wörterverzeich-
nisses zu sämtlichen Papyrus-Urkunden-Publikationen.
An größeren Arbeiten über die Papyrussprache sind folgende zu nennen:
A. Thumb, Die griechische Sprache im Zeitalter des Hellenismus 1901.
Vom Standpunkt des Neugriechischen, das von so großer Wichtigkeit auch
für die Erforschung der Papyrussprache ist^), geht aus Karl Dieterich,
Untersuchungen zur Geschichte der griechischen Sprache von der helle-
nistischen Zeit bis zum 10. Jahrb., n. Chr. (Byz. Arch. I) 1898. Der gram-
matischen Behandlung der ptolemäischen Urkunden hat sich Edwin May s er
1) Eine Neubearbeitung des Passow unter Berücksichtigung der Papyri wird von
W. Crönert vorbereitet.
2) Συναγωγή 7.έξεων άϋ-ηβαυρίΰτων έν τοις ελληνικοΐς λεξικοίς 1883. Nachträge
von J. Simon, Zeitschr. f. Oestr. Gym. 42 (1891), 481 ff. Vgl. L. Bürchner in den
Commentationes Woelflinianae (1891), 353 ff.
3) Für diese Beziehungen ist grundlegend: G. N. Hatzidakis, Einleitung in die
Neugriechische Grammatik 1892.
§ 6. Zur Sprache der Papyri. Lm
gewidmet, der zunächst in zwei Programmen den Vokalisraus und Konso-
nantismus behandelte^), dann aber mit einer zusammenfassenden Darstellung
hervortrat: Grammatik der griechischen Papyri aus der Ptolemäerzeit mit
Einschluß der gleichzeitigen Ostraka und der in Ägypten verfaßten In-
schriften. Laut- und Wortlehre. 1906.^) Nach dieser vortrefflichen Leistung
darf man mit den besten Erwartungen seiner Behandlung der Syntax ent-
gegensehen. Die Bedeutung der Papyri für die Erklärung des Neuen Testa-
ments^) zeigt außer den schon oben genannten Arbeiten auch Moulton,
Α grammar of New Testament Greek I 1906. Radermachers soeben er-
schienene Grammatik des Neutestamentlichen Griechisch ist mir noch nicht
zur Hand gewesen.
Einzelne grammatische Fragen sind von folgenden Autoren gefordert
worden: Franz Voelker, Papyrorum graecarum syntaxis specimen (de accu-
sativo; acced. II tract. de -v et -g finali) Bonn 1900. Derselbe, Syntax der
griechischen Papyri. I Der Artikel (Beilage z. d. Jahresber. d. Realgym.
zu Münster i. W. 1902). W. Crönert, Memoria graeca Herculanensis 1903.
W. Kuhring, De praepositionum graecarum in chartis Aegyptiis usu
quaestiones selectae, Bonn 1906.
Zu der Frage der Einwirkungen des Latein vgl. die Sammlungen von
C. Wessely, Die lateinischen Elemente in der Graecität der ägyptischen
Papyrusurkunden (Wien. Stud. 1902 XXIV S. 99 ff.*), XXV S. 40 ff). Zu
der allgemeinen Frage der Romanisierung vgl. L. Hahn, Rom und Roma-
nismus im griechisch-römischen Osten. Mit besonderer Berücksichtigung
der Sprache. Bis auf die Zeit Hadrians. 1906.
Die Frage des Eindringens ägyptischer Elemente in die griechische
Sprache ist bisher noch nicht erschöpfend behandelt worden. Abgesehen
von einzelnen herübergenommeneu Wörtern wie άωίλιον^ vavßiov^ άνονχι^
ßäig^ ß&Qig usw.^) sind es besonders die ägyptischen Eigennamen und die
Monatsnamen, die in den Papyri überall begegnen. Zu den Eigennamen
vgl. vor allem W. Spiegel berg, Ägyptische und griechische Eigennamen
aus Mumienetiketten d. röm. Kaiserzeit 1901.*') Bezüglich der Betonung
der ägypti.schen Wörter habe ich auf Grund der iicrvptisohcn liftutgfsetze
1) Programmbeilai^e für das llrilbronner Oymnaeiuin lr*i>ö uuo iTogrummbt-ilttge
für das Karlegyninaeiuiii Stuttgart rjoo.
2) Vgl, hierzu R. Herzog, Korreepondonzblatt f. d. höheren Schul•
berge 1U07 S. 81 ff. A. Thuiiih, Arch. IV 486 ü.
8) Vgl. im allgemeinen Deienmanne Licht vom Osten S. Aufl.
4) Vgl. dazu Wilcken, Arch. II 4βΓ, f.
6) Manchen it<'ht ichon in dem auch heute noch nülxlichen Buch τοη Stur•.
ho dialecio Älacedonica et Alexaudrina 180». Vgl jrtzt K. Majier, QnunmaUk
S. 85 ff.
β) Vgl. dazu meine Beoprechung im Arch II i den Antfllbnuiigtn ton
Crönert über dir Kigennninen Stud. Pal. I S. 8ü— 48) halt« ich viel•• fttr irrig. Ohne
Kenntnii den Agypii ' ' < • ' iMne Fragen nicht tu behandeln.
LIV Einleitung.
vorgeschlagen, den Akzent immer auf die lange Stammsilbe resp. auf den
von einer Doppelkonsonanz gefolgten kurzen Stammvokal zu setzen % also
'^ροηρις und nicht Άρόηρίξ^ Ψενοβάοης und nicht Ψενόβαοτίξ.
Für die Frage der Arabismen haben wir erst soeben durch Lond. 1λ^
ed. Bell eine breitere Grundlage gewonnen. Auch aus dem Arabischen
sind Namen, Titel und Appellativa transkribiert worden. Eine zusammen-
fassende Sammlung ist noch nicht veranstaltet. Von besonderem Interesse
sind für diese Fragen die Briefe des Κορρα in Lond. IV (VIII. Jahrb.),
da sie offenbar als Übersetzungen arabischer Originale aufzufassen sind.
Vg]. meine Einleitung zu Nr. 254.
§ 7. ZUR CHRONOLOGIE.
Es sollen hier solche chronologischen Tatsachen und Probleme kurz
dargestellt werden, deren Kenntnis der Papyrusforscher zur Datierung der
Urkunden nicht entbehren kann.
1. Der Kalender.
A. Das Jahr.
In der Ptolemäerzeit galten zunächst der von den makedonischen
Königen neu eingeführte makedonische Kalender und der uralte ägyp-
tische nebeneinander.^) Jener rechnete mit einem Mondjahr von 354 Tagen,
dieser mit einem Sonnenjahr von 365 Tagen. Das Mondjahr bestand aus
12 Monaten von je 29 resp. 30 Tagen (alternierend), das Sonnenjahr aus
12 Monaten von je 30 Tagen, zu denen die 5 von den Griechen soge-
nannten έπαγόμεναι hinzukamen. Der Neujahrstag des ägyptischen Jahres,
der 1. Thoth, mußte, da dies Jahr von 365 Tagen hinter dem wahren
Sonnenjahr (oder Siriusjahr) um ca. ^ Tag zurückblieb, sich alle 4 Jahre
um einen Tag verschieben^), so daß das ägyptische Jahr ein Wandeljahr
war. Im Jahr 238 v. Chr. haben die ägyptischen Priester, wie das Dekret
von Kanopos gelehrt hat (Dittenberger, Or. Gr. I 56), einen Versuch ge-
macht, dadurch, daß aUe 4 Jahre 1 Tag eingeschaltet werden soUte, das
Wandeljahr zu einem fixen Jahr zu machen, doch ist dieser Versuch prak-
1) Theb. Bank S. 35 f. GGA 1894, 717 f. Arch. II 179 f. Damit soll nicht der
musikalische Akzent der Griechen wiedergegeben sein, sondern nur die Betonung der
Wörter, mit der die Ägypter sie wirklich aussprachen, und die die Griechen von diesen
allein gehört haben können, markiert sein. Man könnte statt der griechischen Akzente
auch Kreuze oder sonst etwas setzen. Aber praktisch empfiehlt sich für den Druck
die Verwendung der Akzente. Dies bemerke ich gegenüberWilamo witz' Einwendungen
in Sitz. Pr. Akad. 49 (1902) S. 1095 Anm. 3, deren richtigen Kern ich durchaus nicht
verkenne. Die allgemeine Zustimmung der Ägyptologen zeigt wohl, daß mein Vor-
schlag einem wirklichen Bedürfnis entsprach.
2) Ed. Meyer, Ägyptische Chronologie (Abh. Pr. Akad. 1904) hat gezeigt, daß
der ägyptische Kalender im J. 4241 v. Chr. konstituiert worden ist.
3) Über die Sothisperiode von 365 χ 4 = 1460 Jahren vgl. Ed. Meyer 1. c.
§ 7. Zur Chronologie. LV
tisch nicht durchgeführt worden.^) Bei Ausrechnung der Tjgesdaten
der ptolemäischen Papyri ist daher immer erst festzustellen,
auf welchen Tag unseres Kalenders der 1. Thoth des betreffen-
den Jahres fiel.-)
Von Beginn der Ptolemäerzeit an bis gegen Ende des III. Jahrh. v. Chr.
sind diese beiden so völlig verschiedenen Kalender inkongruent nebeneinander
in Gültigkeit gewesen. Die Doppeldaten nach makedonischem und äg\ηp-
tischem Jahre aus diesen frühen Zeiten sind zuletzt von Gren feil -Hunt
in F. Hib. S. 336 f. zusammengestellt und grundlegend behandelt worden.')
Das bis jetzt bekannte Material reicht noch nicht aus, den Schaltmodus
des makedonischen Kalenders zu erkennen.*)
Ende des III. Jahrh. hat dann der ägyptische Kalender über den ma-
kedonischen den Sieg davongetragen, indem er allein wirklich Gültigkeit
bekam, Avährend der makedonische nur dekorativ hinzugefügt wurde. Nach-
dem schon J. KralP) gezeigt hatte, daß ein derartiger Versuch unter
Philometor gemacht sei, hat Smyly*) aus reicherem Material erwiesen, daß
diese Ausgleichung mindestens vom 24. J. des Epiphanes bis zum 5. J.
des Philometor bestanden hat. Grenfell-Hunt 1. c. haben es dann wahr-
scheinlich gemacht, daß dieses Arrangement schon zwischen dem 4. Jahre
des Philopator und dem 4. Jahre des Epiphanes getroffen worden ist.
Der Ausgleich war in der Weise durchgeführt, daß der 1. Thoth dem
1. Dystros entsprach, der 1. Phaophi dem 1. Xandikos usw. Man rechnete
also kalendarisch in Wirklichkeit nach dem ägyptischen Wandeljahr und
stellte rein dekorativ das makedonische Datum an die Spitze, imter völliger
Ignorierung des Wesens des makedonischen Mondjahres. Aber dieser Aus-
gleich ist nicht von Dauer gewesen. Vom Ende des II. Jahrh. an (min-
destens seit dem 53. Jahre des Euergetes II.) finden wir vielmehr, wie
Strack schon früher gezeigt hatte (Rhein. Mus. 53, 399 ff.), einen anderen
Ausgleich, wonach der 1. Thoth dem 1. Dios gleichgesetzt war.') Diee
System hat sich erhalten, solange überhaupt noch der makedonische Ka-
lender mit erwähnt wurde, d. h. bis in die Kaiserzeit hinein.
So fand Augustus das ägyptische Wandeljahr als das allein herr-
schende vor. Er hat das Verdienst, durchgeführt zu haben, wae einit
die Priester geplant hatten, nämlich die Schaffung eines fixen Jahres.
Er bestimmte — vielleicht im Jahre 2(\/i-) v. Chr. — , daB alle 4 Jahre
ein Schalttag (ein 0. Epagomenentag) eingefügt werde. So ist der Neu-
jahrstag des üxen Jahres von ihm auf den 29. August feetgelegt worden,
I Vgl. meine Grioch. Oetraka I 788.
2j Tabellen der Neujahrttago de» Wandeljab'"- »•ί•'*'•η i. i- .liohek bei
Pauly-Wi••. i. v. Aera und Ungor. J. Mnllew IL• S. HU
3) Dazn vgl. Jouguct 7m LüId 4. 4 « ;.. •.ftinfell-Uaiii 1. o. 8. 166.
ft) FefUcbria für O. Ilirndireld H. 118 ff β) Henaalbeoa 1906, 898 ff.
7) Vgl. die Tabelle in Hib. S. 83« f.
LVI
EinleituDg.
während dieser in den Schaltjahren auf den 30. August fiel. Schaltjahre waren
22, 18, 14, 10, 6, 2 v. Chr. und 3, 7, 11 usw. n. Chr.^) Dies ist unsere
Grundlage für die Berechnung der Tagesdaten der Kaiserzeit. Neben
diesem fixen Jahr ist aber im praktischen Leben das alte Wandeljahr
nicht ganz verschwunden. Abgesehen von dem Gebrauch der Astronomen
hat man namentlich in national - ägyptischen Kreisen, besonders in den
Dörfern auch weiterhin noch gelegentlich nach dem Wandeljahr gerechnet.
Dies wird dann in der Regel gekennzeichnet durch Zusätze wie κατ* αρ-
XaCovg ο. ä.^)
Die augusteische Ordnung ist bis zur arabischen Eroberung die
herrschende geblieben. Die Araber brachten, wie einst die Makedonier, ein
Mondjahr mit. 34 freie Mondjahre waren gleich 33 Sonnenjahren. So
wurde jetzt wieder gelegentlich nebeneinander nach Mond- und Sonnen-
jahren gerechnet (s. unten p. LXI).^)
B. Die Monate.
Zum praktischen Gebrauch vereinige ich hier zu einer Tabelle die ägyp-
tischen und die makedonischen Monatsnamen, sowie die Ehrennamen, die
manche Monate zu Ehren römischer Kaiser erhalten haben.^) Ich lege den
augusteischen fixen Kalender zugrunde und rechne in der letzten Rubrik
mit einem nicht geschalteten Jahre. Über die verschiedenen Formen der
ägyptischen Namen vgl. meine Griech. Ostraka I 809 ff. Zur Vorgeschichte
dieser Namen vgl. jetzt Ed. Meyer, Nachträge zur ägyptischen Chrono-
logie (Abh. Pr. Akad. 1907).
ΘώΟ•
Αϋ'νρ
XoiccK
Tvßi
Μεχίρ
ΦαμενώΟ•
Φαρμ^ονϋ^ι
Παχών
Παν Vi
Έπίφ
Μεαορή
αΐ επαγόμενα^
ΆτίελΧαΙος
Ανδναΐος
Περίτίος
^ύατρος
!Ξΐανδι%6ς
^Ιρτεμίοίος
Jaiatos
Πάνεμος
Λώιος
Γορηιαΐοζ
'Τπερ§ερεταΐος
Σεβαατός. dann Γερμανιν,ός^)
Νέος Σεβαστός, dann ^ομιτιανός
Νερώνειος {ΣεβαβτόςΥ), άοΛίη Αδριανός
Γερμανίγ,ειος
Σωτήριος
Καιΰάρειος
29. Aug.— 27 Sept.
28. Sept.— 27. Okt.
28. Okt.— 26. Nov.
27. Nov.— 26. Dez.
27. Dez.— 25. Jan.
26. Jan.— 24. Febr.
25. Febr.— 26. März
27. März —25. April
26.April — 25. Mai
26. Mai — 24. Juni
25. Juni — 24. Juli
25. Juli — 23. Aug.
24. Aug.— 28. Aug.
Über die Bezeichnung einzelner Tage als Σεβαοχαί vgl jetzt die Aus-
führungen von F. Blumenthal, Arch. V 336 ff. "^j
1) Vgl. meine Griech. Ostraka I 789. Also in der nachchristlichen Zeit fallen
die Schalttage in die Jahre, die, durch 4 dividiert, den Rest 3 ergeben.
2) Ygl. meine Darlegungen in den Griech. Ostraka I 791 ff.
3) Vgl. J. Karabacek, Führ. PR S. 149 f.
4) Zu letzteren vgl. meine Griech. Ostraka I 809ff. und Preisigke, Arch. IV 106.
5) Γερμανι-Λος geht auf Domitian. Vgl. Lond. III S. 90.
6) Vgl. Preisigke 1. c. 107.
7) Zu dem Tage Ίονλία Σεβαστή vgl. auch Wilcken, Sav. Z. 1909, 504 ff.
§ 7. Zur Chronologie. LVII
2. Die Datierung der Urkunden.
Bis vor 20 Jahren kannten wir für die Ptolemäerzeit wie die Kaiserzeit
nur eine Methode der Jahreszählung, nämlich die Zählung nach den Königs-
jahren, derzufolge das erste Neujahr (1. Thoth) nach dem Regierungs-
antritt als Beginn des 2. Jahres des neuen Königs gerechnet wurde. Diese
Regel besteht heute nur noch für die Zeit vom IL Jahrh. oder dem Ende
des III. Jahrh. v. Chr. an. Dagegen für die Zeit bis auf Philopator haben
wir inzwischen hinzugelernt, daß man damals neben dem Königsjahr ein
von diesem abweichendes Finanzjahr gehabt hat. Zuerst ist dies von
E. Revillout, Melanges S. 350 aus Petr. I 28 (2) erschlossen worden,
wenn er auch noch nicht die richtige Lesung hatte. Diese wurde erst
von Smyly (Hermathena 1899, 432) mit Hilfe eines Paralleltextes fest-
gestellt, und diese doppelte Rechnungsart ist seitdem mehrfach bezeugt
worden. Vgl. die zusammenfassenden kritischen Darlegungen von Gren-
fell-Hunt in Hib. I Appendix II (S. 359). Es handelt sich um Datierungen
wie: stovg la ως d' al πρόβοδοί ετονς iß. Man rechnete also damals
nach Regierungsjahren und nach Finanzjahren, die verschiedene Neujahrs-
tage hatten.^) Das Hauptproblem ist, welches der beiden Jahre mit dem
ägyptischen Wandeljahr zusammenfiel. Grenfell-Hunt 1. c. schlössen sich
der Ansicht von ReviUout, Th. Reinach und Smyly an, daß das Finanzjalir
das Wandeljahr sei (mit der Rechnung des ersten 1. Thoth als Beginn des
2. Jahres), während sie die Frage, nach welchem Kalender und in welcher
Weise das Königsjahr gerechnet war, als noch ungelöst bezeichneten. In
der Tat sprechen m. E. auch allgemeine Gesichtspunkte dafür, daß man zum
Finanzjahr das ägyptische Wandeljahr gemacht hat.-) Aber inzwischen hat
Smyly (Hermathena 1906, 106 ff.) wieder eine neue Theorie aufgestellt.
Das Problem ist noch im Fluß. Die Folge ist, daß z. Z. die Jahresdaten
des III. Jahrh. (bis Philopator), falls nicht Köuigsjahr und Finanzjahr
nebeneinander genannt sind, nicht mit völliger Akkuratesse bestimmt wer-
den können ''), während wir für die darauf folgenden Zeiten nur mit der
einen oben gekennzeichneten Rechnungsart zu tun haben. Wir nennen
1) Ich mache darauf aufmerkeam , daß man auch in der Pharaonenieit (im be-
»ondern auch in der 26. Dyn.) sowohl die Zahlung nach Regierung^abren (vom Re-
gierungeantritt an) al8 auch nach dem Wandeljuhr (wobei der n&chste 1. Thoth ab
lii'ginn des 2. Jahres galt) gerechnet hat. Vgl. Ed. Meyer, AG I• S. 81 f., der et
nicht für undenkbar hillt, daß beide Jahreebezeichnungen oft nebeneinander im Ue-
brauch waren, da man au8 di-m Charakt<»r der Urkunden wissen konnte, welche ge-
meint war. Da« ist ein ganz ähnlicher Zustand wie im III. Jahrhundert v. Chr.
2) Im Arch. V 220 wies ich darauf hin, daß die einzigartige Datioriing in Lille
1, 1: {hovij %ζ yiuX Al\y\vnriiov d\ xh αυτό vielleicht den Oegensatz des KAnigiyahre•
and den Finatizjahren auMdriickt. Ui das richtig, so muß schon der Stellung nach
das Fiimii/jiilir dem ,,ίι η" Jahr entsprechen.
.'J <ίη iifiill-Hunt .iher in Γ. Hib frtr jedes Datum »wei Möglichkeiten
offen gelassen, / \i. 'IQI (200^.
LVin Einleitung.
dies eine Rechnungsjalir der Jüngern Zeit das Königsjahr ^ wiewohl es
vielleicht chronologisch das siegreich aus der Konkurrenz hervorgegangene
Finanzjahr ist.
Voraussetzung für die Praxis aller dieser Berechnungen ist, daß man
weiß, wann die Könige zur Regierung gekommen sind, resp. von wann
an sie ihre Regierung rechnen. Hierfür verweise ich auf die chronologi-
schen Darlegungen (nebst Tabellen) von Strack, Die Dynastie der Pto-
lemäer 1897 S. 149 ff. Ygl. auch Bouche-Leclercq, Hist. d. Lagides I, II
und Svoronos, Die Münzen der Ptolemäer IV (1908). Zu beachten sind
die wichtigen neuen Aufschlüsse, die die Elephantine-Papyri für die Da-
tierungen des Ptolemaios I. gebracht haben (vgl. Rubensohns Edition
S. 22 ff.), ferner die Feststellung der Regierungsjahre der Kleopatra Π
(J. 1 = J. 39 des Euergetes IL = 132/1). Vgl. unten S. 5.
In der Ptolemäerzeit hat man die Akten außerdem noch nach den
eponymen Alexanderpriestern von Alexandrien datiert, zu denen in der
Thebais auch noch die eponymen Priester von Ptolemais hinzutraten. Vgl.
unten S. 97 f und Nr. 103 — 107, die die weitere Entwicklung dieser Epo-
nymen-Datierung vor Augen führen
In der Kaiserzeit haben die neuen Herren in derselben Weise weiter-
datiert wie ihre letzten Vorgänger: das mit dem l.Thoth (29.resp. 30 Aug.)
nach der Thronbesteigung beginnende ägyptische fixe Jahr gilt als das
2. des neuen Kaisers.^) Zu beachten ist, daß bei Tiberius Λvegen der
Kürze der Zwischenzeit (Augustus starb am 19. Aug. des J. 14) erst der
1. Thoth des nächsten Jahres (15) als 2. gezählt wurde. Ferner ist für
die Berechnungen zu beachten, daß seit dem Ende des IL Jahrb. nach ge-
meinsamen Regierungen der überlebende Kaiser die Jahreszählung des
toten Kaisers fortsetzte. So zählte Commodus die Jahre des Marcus weiter
und Caracalla die des Severus.^)
Wie ich im Hermes 30, 151 ff. gezeigt habe, ist im Anfang der rö-
mischen Okkupation der Versuch gemacht worden, statt der ägyptischen
Kaiserjahre eine Ära nach der τίράτηοις KaCoaQog ^εον vlov, d. h. nach
der Eroberung Alexandriens (am 1. August 30), einzuführen, deren Jahre
praktisch den am 1. Thoth beginnenden Kaiserjahren des Augustus gleich-
gesetzt wurden. Aber auch hier hat die alte ägyptische Tradition gesiegt.
Diese römische Ära läßt sich nur bis in die ersten Jahre des Tiberius
verfolgen. ^)
1) Vgl. meine Griech. Ostraka I 786 f.
2) Vgl. auch Wessely, Die Daten der römischen Kaiserzeit (Mitt. PR II 1 ff.)•
3) Vgl. außer Hermes 1. c. auch meine Griech. Ostraka I 787 ff., auch Arch. V 450
(wo durch einen Lapsus das 44. statt des 43. Jahres als das Todesjahr des Augustus
bezeichnet ist). — Daß die römische Ära auch in die einheimischen (demotischen)
Akten eingedrungen war, zeigt Wess. Spec. Script, gr. 6, 6.
I
§ 7. Zur Chronologie. LIX
Die ägyptischen Königsjahre sind geblieben, so lange Ägypten in dem
römischen Kaiser seinen Pharao sehen konnte. Die Beseitigung der Son-
derstellung Ägyptens durch Diokletian hat u. a. die Konsequenz gehabt,
daß an die Stelle der Kaiserjahre die Datierung nach den Reichskonsuln
rat (vgl. unten S. 67 f.). Nach den Königsjahren des Diokletian und seiner
litherrscher ist noch in alter Weise gerechnet worden, wenn auch da-
eben schon die Konsuln genannt wurden. Aber nach Diokletians Regie-
iing gibt es nur noch die Konsuldatierung wie in jedem andern Teile
es römischen Reiches.^)
Die Sitte, nach den Königsjahren zu datieren, saß aber zu tief im
^yptischen Volke, als daß es dieser Neuordnung auf die Dauer unbedingt
gehorcht hätte. Einen Nachklang der alten Sitte dürfen wir in der so-
genannten diokletianischen Ära sehen -j, die früher nur für die jungem
Zeiten belegt, jetzt auch für das V. Jahrh. bezeugt ist, und nach der in
'en Κεφάλαια der Osterbriefe des Athanasius schon für das IV, Jahrh.
gerechnet wird.^) Diese Ära zählt die Kaiserjahre des Diokletian als des
letzten Kaisers, nach dem offiziell datiert worden ist, weiter. Ihre Epoche
-t also das Jahr 284. Vielleicht ist man auf diesen Gedanken dadurch
gekommen, daß für die auf ihn folgenden Kaiser keine amtlichen Vor-
lagen für die Berechnung der Kaiserjahre existierten. Diese Ära taucht
zunächst nur sporadisch und nur in privaten Texten auf (Grabschriften
usw.). Größere Verbreitung hatte sie seit dem VI. Jahrh.*), namentlich
dann in der arabischen Zeit (s. unten p. LXI). Die heidnischen Priester
von Philae gebrauchten sie ebenso^) wie die Christen, die sie später lieber
als Märtyrerära bezeichneten.
Die seit Diokletian bestehende Ordnung wurde modifiziert, als im
J. 5i57 Justin ian in der Novelle 47 verordnete, daß in den Akten vor
das Konsuldatum das Kaiserjahr gestellt werden solle. Aber dies Kaiser-
jahr, das von nun an auch in den Papyri begegnet, ist nicht mehr das
alte Kaiserjahr, wie es in Ägypten bis Diokletian bestanden hatte. Es ist
Tielmehr nach Justinians Verordnung das Regierungsjahr, das von der
Thronbesteigung bis zur Wiederkehr des Thronbestoigungetagee ge-
rechnet wurde.
Neben den Konsuldaten ist ein Novum der byzantinischen Zeit die
Datierung nach den Jahren des fünfzehnjährigen Indiktionszyklus.
Über die Bedeutung der Indiktion für die Steuerordnung ist unten 8. 222ίί,
gehandelt u..r,l..i, Ebeudr»rt ί^ί imch berichte* <^'i^ ^vii« Seeok gesehen
1) Vgl. Weeeoly, Mitt. I'R V li9ff.
'Z) VkI. Fr. Kahl, Chronologie de• MittoUltom und der Nouseii 1897 S. 186.
8) Vgl. Ed. Schwartz, Nachr. GöH. Ow. 1»04, Heft i, 8. 83U. Vgl. datu Arch.
V S98.
4) Vgl. Arch. IV 242 f., V 296. 6) Vgl. Arch. 1 406.
LX Einleitung.
hat, der erste Zyklus nicht 312, sondern 297 begonnen hat. Ich füge
hinzu, daß man in Ägypten schon früher als auswärts, sicher schon im
IV. Jahrh., vielleicht von Anfang an diese Indiktionsjahre auch zur Da-
tierung verwendet hat. Vgl. meine Ausführungen im Arch. V 256. Daß
aber dieser Zyklus von Diokletian nicht zu Datierungszwecken bestimmt
war, geht schon daraus hervor, daß man in diesem Falle mit einer ge-
wissen Selbstverständlichkeit auf die Numerierung der Zyklen gekommen
wäre. Da die Zyklen vielmehr unnumeriert sind, nützen uns heute die
Angaben der Indiktionsjahre praktisch nichts zur Gewinnung des absoluten
Datums, faUs nicht eine Kombination mit andern Zeitangaben möglich ist.
Zu beachten ist für die Berechnung der Daten vor aUem die durch
die Papyri festgestellte Tatsache^), daß das ägyptische Indiktionsjahr nicht
wie das konstantinopolitauische, das für das sonstige Reich galt, am 1. Sep-
tember, sondern mit wechselndem Anfang in der Mitte des Jahres (meist
im Payni oder Epiph, aber auch schon Ende Pachon)^) begann. Dies Er-
gebnis wurde kürzlich glänzend bestätigt durch die in Konstantinopel im
J. 551 aufgesetzte Urkunde Cair. Cat. 67032, wo es Z. 29 f. heißt: επί
^Ιοννίον μηνός rrjg άρτίως τεοοαρίακαιοεκάτης] έτίίνεμήόεως^ κατ' ΑίγνΛ-
τίονζ δε 7ίεντεκαίδ[εκάτης]: in Ägypten hatte eben im Juni die neue In-
diktion schon begonnen, während die neue konstantinopolitauische erst am
1. Sept. anfing. Da nun in Ägypten die Epoche wechselte, so pflegte man
bei den für diese in Betracht kommenden Zeiten, also namentlich vom
Ende Pachon bis Epiph, durch Zusatz von άρχγι resp. τελεί hervorzuheben,
ob der betreffende Tag in den Schluß der alten oder den Anfang der
neuen Indiktion hineinfalle.^) Schließlich hat man diese Zusätze, die also
nicht einen bestimmten Tag, sondern allgemein Anfang oder Ende einer
Indiktion bezeichnen, auch bei etwas entfernteren Daten, bis in den Thoth
und Phaophi hinein, hinzugefügt.^) Die Annahme mancher, daß man ge-
legentlich auch in Ägypten nach der Constantinopolitana gerechnet habe,
hat noch nicht sicher belegt werden können.^)
So sicher der wechselnde Anfang der ägyptischen Indiktion steht,
ist doch eine evidente Erklärung hierfür noch nicht gefunden worden.
Gegen die weitverbreitete Annahme, daß dieser Wechsel mit dem wechseln-
den Anfang der Nilüberschwemmung zusammenhänge, haben Grenfell-Hunt
(P. Grenf. II S. 129) eingewendet, daß der Eintritt der Nilschwelle tatsäch-
lich nur um einige Tage, nicht aber um viele Wochen differiert. Diesem
Einwand steht freilich, wie sie auch hervorhoben, entgegen, daß nach
1) Wilcken, Hermes 19, 293if. und 21,277ff., wo zu den Arbeiten von Wessely,
V. Hartel, Krall Stellung genommen ist.
2) Vgl. Grenf. II 78, δ: 28. Pachon άρχτ].
3) Vgl. Wilcken, Hermes 21, 279. ' 4) Vgl. Wilcken, Hermes 21, 280 f.
5) Vgl. Wilcken, Hermes 21, 281 f
§ 8. Das Geld. LXI
Wesselj (Mitt. PR I 27) in einem Wiener Fragment geradezu von einer
Xiliudiktion — Ινδικτίονος Νείλου — die Rede ist. Dies Fragment ist
aber jetzt publiziert als P. Klein. Form. 1003 (V. Jahrb.), und danach
bezweifle ich Wesselys Deutung. Es steht da nämlich nach Wessely: ilvö I
Νείλου τϊ]ς α IvÖ jj {ιτιτίονοξ) ύ(π^ρ) μί6θ•ο{ϋ). Was sollen hier die beiden
Indiktionen unverbunden nebeneinander? Und wie auffällig, daß das Wort
Ινόιχτίονοζ einmal mit 1 Strich / und dann mit 2 Strichen // abgekürzt
sein soll. Auch hätte man Λνοΐιΐ του Νείλου gesagt, Λνβηη der Fluß ge-
meint wäre. Dies alles spricht dafür, daß vielmehr zu lesen ist: ]v δ{ία)
Νείλου κτλ., wo Νείλου ein Eigenname ist. Damit verschwindet die
„Nilindiktion", die einst so viel Aufsehen gemacht hat.
In der zitierten Novelle 47 erlaubt Justiuian, daß auch Stadt ären
im Datum genannt werden dürften, aber nur an letzter Stelle hinter dem
Kaiserjahr, den Konsuln und der Indiktion. Solche Stadtären haben wir
in Ägypten bisher nur für Oxyrhynchos kennen gelernt. Es gab deren
hier zwei: die eine datierte von 324, die andere von 355. Vgl. Grenfell-
Hunt zu Oxy. I 125. Die früheste Datierung nach diesen Aren findet
ich zurzeit in Oxy. I 93 vom J. 362. Regelmäßiger begegnen sie erst im
\'I. und VII. Jahrh. Der Justinianischen Verordnungent spricht z. B. genau
die Datierung von Oxy. I 126 vom J. 572, Λνο im Präskript hinter der
Indiktion die Ären stehen.
Die Kaiserjahre, Λvie Justinian sie wieder eingeführt hatte, fanden
mit der arabischen Herrschaft ihr Ende, ebenso natürlich die Konsul-
jahre, Λvährend die Zählung nach Indiktionen unverändert blieb. Die
Araber zählten ihre Jahre bekanntlich nach der Hedschra (vom 16. Juli 622).
Da sie aber neben ihrem Mondjahr für die Praxis der Steuererhebung usw.
das ägyptische Sonnenjahr bestehen ließen (s. oben p. LVI), so finden sich
Texte, in denen der Abstand von der Hedschra sowohl nach dem Mond-
wie nach dem Sonnenjahr berechnet ist. Vgl. Karabacek, Führ. PR
S. 149/50 und unten 256. In den griechischen und ägyptischen Kreisen
aber griff man jetzt, da die Indiktion allein zu nichtssagend war, vielfach zu
der schon vorher verbreiteten Diokletianischen Ära (p. LIX). Gelegentlich
wurde auch nebeneinander nach den Jahren Diokletians und den Jahren
der „Sarazenen" gerechnet.^) In den jüngeren griechischen Texten begegnen
auch Datierungen nach der Hedschra allein. Vgl. Bell, Lond. IV p. XLV.
§ 8. DAS GELD.
Vom Geld und Geldzahlon wird in den Papyri eo viel geeproohen,
laß jeder H< arbciter den Wunsch haben wird, sich Ober die Tenohiedenen
1) Vgl. WrHHriv, 1 ruiegomnna ad pap. graeo. novatu iv^..t:vUouem edendam
U8S p. 19.
LXII Einleitung.
MüDzsysteme, die im Laufe dieser mehr als tausend Jahre einander gefolgt
sind, zu orientieren und womöglich jede Summe, die ihm begegnet, glatt
in Mark und Pfennig sich umzurechnen. Trotz der erfolgreichen Arbeiten
der letzten Dezennien gehören diese Probleme auch heute noch zu den
schwierigsten. Gerade die Papyri haben uns gezeigt, daß die Kursverhält-
nisse beständig wechselnde waren. Man muß bei jeder Summe zunächst
feststellen, in welchem Jahrhundert sie gezahlt wurde, denn je nach der
Zeit haben sie sehr verschiedenen Wert gehabt. Ich will hier die rein
numismatischen Fragen bei Seite lassen, für die die Hauptquelle natürlich
die Münzen selbst sind, und mehr auf die Währungsfragen hinweisen, für
die die Papyri wichtige neue Aufschlüsse gebracht haben.
Für die ägyptische Numismatik der Ptolemäerzeit nenne ich als
die wichtigsten Arbeiten: R. Stuart Poole, Catalogue of Greek Coins,
The Ptolemies Kings of Egypt, Lond. 1883. Dies für seine Zeit treffliche
Werk ist jetzt überholt durch das große, das gesamte Münzwesen der
Lagiden umfassende Corpus des griechischen Gelehrten Svoronos, dem
es weit über seine Vorgänger hinaus gelungen ist, die Münzen auf die
einzelnen Regierungen zu verteilen und so eine Chronologie der Ptolemäer-
münzen vorzulegen: J. N. Svoronos, Ta νομίύματα τον κράτους των
Πτολεμαίων (Βίβλίοϋ-ηκη Μαραολη), Ι — III 1904, IV (Deutsche Übersetzung
des Ι. Bandes, Beiträge von F. Hultsch, K. Regling usw.) 1908.
Mit besonderer Berücksichtigung der Währungsfragen sind die Münz-
verhältnisse der Ptolemäerzeit teils von ägyptologischer, teils von helle-
nistischer Seite behandelt worden. Für jene nenne ich E. Revillout,
Lettres ä Mr. Lenormant sur les monnaies Egyptiennes, Revue Egyptol.
II 201 ff., auch als selbständige Schrift 1895. Derselbe, Un papyrus bilingue
du temps de Philopator, Proc. Soc. Bibl. Arch. XIV 1891, 60ff. \Vesent-
lich anders deutete die demotischen Angaben H. Brugsch, Die Lösung
der altägyptischen Münzfrage, Z. f Äg. Spr. 1889, Iff. u. 1892, Iff. Unter
den Hellenisten ist an erster SteUe Grenfell zu nennen, der die neuen
Aufschlüsse des Revenue - Papyrus in einer grundlegenden Studie im Ap-
pendix III seiner Revenue -Laws 1896 verarbeitete. Hierauf fußte ich in
meiner zusammenfassenden Darstellung in den Griech. Ostraka I 718 ff.
Inzwischen haben die weiteren Papyruspublikationen manches neue Ma-
terial zu diesen Fragen gebracht, vor aUem die Texte in P. Tebtynis I.
Dies verarbeiteten Grenfell -Hunt im Appendix II des genannten Bandes.
Zuletzt sind alle diese Fragen, die Münzfragen wie die Währungsfragen,
zusammenfassend behandelt worden von F. Hultsch in seinem postumen
Aufsatz: „Die Gewichte und Werte der ptolemäischen Münzen" im IV. Bande
des Werkes von Svoronos.
Zumal im einzelnen die in Frage stehenden Probleme noch sehr strittig
sind, beschränke ich mich hier auf eine ganz kurze Darlegung der wich-
§ 8. Das Geld. LXni
tigsten Grundzüge^ um in die Benutzung der angeführten Spezialliteratur
einzuführen.
Bekanntlich hat Ptolemaios I. Ägypten zum erstenmal eine eigene
Münze gegeben.^) Wenn er nach vorübergehenden Versuchen mit dem
attischen und rhodischen Fuß schließlich auf den phönikischeu Fuß ge-
prägt hat, woran seine Nachfolger festhielten, so hängt dies wahrschein-
lich mit seinem Bestreben zusammen, die neue griechische Münze mit den
Gewichten der seit alten Zeiten hier bestehenden Kupferwährung in ein
bequemes Verhältnis zu bringen.^) Geprägt wurden Gold, Silber und Kupfer.
In den Papyri haben wir es vor allem mit Silber- und Kupferzahlungen
zu tun. Zwischen Silberdrachmen und Kupferdrachmen bestand zunächst
das normale Verhältnis von 120 : 1, doch ist dies im Laufe der Zeit stark
verändert worden. Der Obolos, das Sechstel der Silberdrachme, der also
= 20 Kupferdrachmen galt, ist nicht in Silber, sondern in Kupfer
(= 72,8 Gramm) geprägt worden, ebenso wie seine Unterabteilungen
bis zum i = χαλκούς (= 9,1 Gramm). ^) Außerdem wurden Kupferdrach-
men zu 3,64 Gramm geprägt.*) Man kann nicht sagen, wie früher mit
Revillout angenommen wurde, daß im ΙΠ. Jahrh. v. Chr. unter den ersten
Herrschern reine Silberwährung bestanden habe, denn in dieser Zeit gehen
Silber- und Kupferzahlungen durchaus nebeneinander her, und auch sehr
bedeutende Summen können in Kupfer gezahlt werden.^) Die Regierung
hat sich offenbar bemüht, mit Rücksicht auf die altägyptische Kupfer-
währung das Kupfergeld als wirkliches Wertgeld neben dem Silbergeld
zu erhalten. Bei Zahlungen an die Regierung (Steuern usw.) bestimmt
diese, ob sie in Silber oder Kupfer gezahlt werden sollen. Der νόμος
τελωνιχός ζ. Β. bestimmte demgemäß, ob die Steuerpacht προς άργνριον
oder προς χαλκόν vergeben werden solle. Wer im ersteren Falle trotzdem
Kupfer zahlen woUte, mußte ein Agio von durchschnittlich lO^o zuzahlen.
Im andern Falle, bei Verpachtungen προς χαλκόν, wurde die Kupferzah-
lung als vollwertig angenommen. Dies wichtige Prinzip ist zuerst von
Grenfell aus dem Revenue-Papyrus erschlossen >vorden, im besonderen aus
col. 60, 13—15: πωλονμεν τήν ώνήν (das Olmonopol) προς χαλχόν xal
λημνόμι^^α ίίς τον οτατηρα όβολονς κδ. Das bedeutet mit Grenfell (S. 195),
daß in diesem Falle, weil die Pacht προς χαλκόν vergeben ist, 24 Kupfer-
obolen als vollwertiges Äquivalent (ohne Agio) für 4 Silberdrachnien an-
genommen werden sollen. Andrerseits wurden Zahlungen in Kupfer mit
1) über die Münzen de« Satrapen ArynndoH und die wahrtoheiDlioh lur Zeit de•
Kleomenee von NunkraÜN geprilgten ΜΠη/,οη νμΙ. Svorono• IV 8. 1 ff.
2) Vgl. Kd. Mcyor, HandwOriorh. d. StMUwi••. V S. 018 f.
8) Die• (Sewicht von 9,1 (tranim ipielt in der altAgypUtohen Kapferreohnung
ein»; Ifolle. Vgl. Kd Meyer 1. r 907
4; Die• nach HulUch 1. c. S. 41 fl. 6) Vgl. Hnltooh L c 8. 67.
LXIV Einleitung.
Agio bezeiclmet als χα{λκον) elg κζ c ^), d. h. es wurden statt 24 26^ Obolen
für den Stater (4 Silberdrachmen) gerechnet. Oder man sagte χαλκοΌ προς
άργνρίον^ d. h. Kupfer, wo Silber hätte gezahlt werden sollen.^)
Im IL Jahrh. ist die wichtige Änderung eingetreten, daß die Silber-
zahlungen in der Praxis immer seltener wurden und zuletzt bis auf die
Zahlungen von Strafgeldern an die Regierung^) ganz verschwanden, so
daß schließlich fast reine Kupferwährung herrschte. Daß dies die Praxis
war, zeigen uns die öffentlichen und privaten Dokumente dieser Zeit. Gleich-
wohl hat die Regierung in ihren Erlassen formell an dem alten Unter-
schied von Zahlungen τίρος άργνριον und Λρος χαλκόν auch jetzt festge-
halten. Aber der im Par. 62 erhaltene νόμος τελωνικός^ der diese Unter-
schiede auch beibehält, zeigt zugleich, daß es jetzt als selbstverständlich be-
trachtet wurde*), daß man statt Silber vielmehr Kupfer mit Agio zahlte, denn
er sagt 5, 16: των δε τίρος άργνριον ώνών ηροοδιαγράψονοίν άλ<^Χ}αγήν
ώς TTJg μνας l = [c]. Also für die Λρος άργνριον verpachteten Steuern
soU man ein Aufgeld zahlen von 10 Kupferdrachmen und 2-^- Obolen für
die Silbermine (100 Drachmen). Sachlich ist dies Agio dasselbe^), das im
III. Jahrh. mit elg κς c bezeichnet war (Agio von 2|- Obolen auf den
Stater) und auch noch im IL Jahrb., wie in den etwas älteren Zoispapyri,
so bezeichnet werden konnte. Dem ττρος άργνριον des Textes entspricht
wenige Zeilen später ein Λρος χαλκον ίοόνομον. So nannte man jetzt das
vollwertige Kupfer, für das kein Agio nötig war, während andrerseits das
Kupfer mit Agio jetzt %αλκος ov αλλαγή genannt zu werden pflegte oder
auch, wie früher, χαλκός τνρος άργνριον.
Wie Grenfell-Hunt aus den Tebtynis-Papyri gezeigt haben, hat dann
am Ende des IL Jahrh., unter der Regierung des Soter IL, eine starke
Entwertung der Kupferdrachmen stattgefunden. Während ursprünglich 120
Kupfer drachmen auf 1 Silberdrachme gerechnet waren, schwankt von
Soter IL bis zum Ausgang der Ptolemäerzeit das Verhältnis zwischen 375:1
und 500 :L 6)
Schwierige Probleme bieten auch die Münz- und Währungs Verhält-
nisse der Kaiserzeit. Bezeichnend für die Sonderstellung Ägyptens ist,
1) Ygl. meine Griech. Ostr. II n. 331 und dazu I 720. Ich lese jetzt nach dem
Vorgang Kenyons κζ c (264), nicht κς Υ (26 1^). Weitere Beispiele für dieses und an-
dere Agios bei Hultsch 1. c. S. 48 ff.
2) Vgl. meine Griech. Ostraka I 720 f
3) Vgl. meine Griech. Ostraka I 722 A. 1.
4) Vgl. meine Griech. Ostraka I 724. Hultsch S. 50 hat die Worte in diesem
Punkte nicht scharf genug interpretiert.
5) Vgl. Hultsch S. 50.
6) In diese Zeit sind auch die beiden Beispiele zu setzen, die ich in den Griech.
Ostraka I 723 A. 2 für die Gleichungen 450 : 1 und 455 : 1 gegeben hatte. Das Ostra-
kon II n. 1496 ist offenbar in das 2. Jahr des Soter zu setzen.
ι
§ 8. Das Geld. LXV
daß das Land aucli jetzt seine eigene Münze, in Alexandrien, behalten hat.^)
Daß daneben auch der Denar, das römische Reichsgeld, kursierte, wurde
auch früher schon angenommen, doch waren die in den Urkunden nicht
zahlreich vorliegenden Fälle, in denen der Denar ausdrücklich genannt
wird, meist beschränkt auf speziell römische Kreise (Soldaten, Beamte usw.).^)
In viel weiterem Umfange hat Mommsen ein Kursieren des Denars an-
genommen, indem er die These aufstellte, daß der Denar auch da gemeint
sei, wo von άργνρίον δραχμαί gesprochen werde. Dies hat er in seinem
grundlegenden Aufsatz .,Zum ägyptischen Münzwesen" (Arch. I 273 ff.) be-
gründet.*) Nach dieser These, die bisher noch nicht widerlegt worden ist,
würde sich die Entwicklung des Münzwesens in der Kaiserzeit etwa fol-
gendermaßen darstellen.
Augustus fand in Ägypten silberne Tetradrachmen vor (die Drachme im
Normalgewicht von 3,57 Gramm) und Kupferdrachmen, diese in der starken
Entwertung, die soeben dargelegt wurde. Während Kupferdrachmen auch
jetzt weiter geprägt ΛvuΓden*), sistierte Augustus die Prägung der Silber-
münzen, weil er — nach Mommsen — den Reichsdenar, der mit 3,90 Gramm
damals jener Silberdrachme einigermaßen entsprach, mit Legalkurs in
Ägypten zirkulieren ließ. Er verschleierte aber absichtlich diese Romani-
sierung und ließ den Denar vielmehr als αργυρίου (eventuell auch Σε-
βαότου) δραχμή bezeichnen. So kursierten also zur Zeit des Augustus an
Silbergeld nebeneinander die ptolemäischen Silbertetradrachmen imd der
römische Silberdenar. Die Papyrusurkunden haben uns gezeigt, daß das
Πτολεμαικον νόμιομα noch lange, bis zum Ende des III. Jahrb., im Um-
lauf gewesen ist.^) Für die (ungefähre) Gleichwertigkeit mit dem Denar
spricht der Ausdruck: αργυρίου Σεβαοτοϋ καΐ Πτολεμαικοϋ νομίόματος
δραχμή.^)
Tiberius hat dann im J. 19/20 die wichtige Reform eingeführt, daß
1) Über die kaieerlicbe Prägung in Alexandrieu vgl. R. Stuart Poole, Cata-
logue of the coius of Alexandria and the nomes, Lond. 1892. Auch die sugenaunton
GaumOnzen sind in Alexandrien geprägt worden.
2) Vgl. meine Griech. Ostraka Γ 736 f. Mommsen, Arch. 1274 Α i
8) Zugestimmt hat z. B. v. Premerstein, Kilo 111 9. Vgl. andrerHeiU Huitech,
Pauly-WiHe. V lß2i)ff. AIh eine noch nirht endgültig gelöste Kontroverse bezeichnet
es Rostowzew, Pauly-WiKH. VII 144.
4) Und zwar in demeelben geringen Wert. Auch für die Kaisereeit ist durch
Oxy II 242 f. und Lond. II S. 233 dne VerhiiltniM 460 : 1 und 600 : 1 bezeugt. Vgl.
Mommsen 1. c. 278 A. 2. Und zwar ϊηΙ nach Mommsen diese δραχμή χαΧχοΐ^ ηρός αρ-
γύρων von J^ (Oxy. 1. c.) zur iJonarrochnung in Beziehung gesetzt, wie ja schon das
αργύρων zeigt, indem der Denar als Tetrudrachmon » 1800 (resp. bei ^ «t 2000)
Kupferdrachmen genichnet wurde. S. unten.
Γι; Vgl. meine (Jriech. Oetruka I 728. Meine Darlegungen, in denen ioh'noch die
((ργνρίυν (oder Σ^(ίαατού) δραχμι^ für das Billongeld hielt, sind durchweg nach Momm-
lens Aufsatz zu korrigieren.
β; Vgl. Mommsen 8. S76 und 276 A. 1.
Mut^t■ΛVllok•D: OniniUOire I. 0
LXVI Einleitung.
er zur Prägung von Tetradrachmen, wenn auch nicht in Silber, so doch
in Billon überging. Diese Billontetradrachmen, die bestenfalls zu drei Vier-
teln aus Kupfer bestanden, kamen an Gewicht ungefähr den alten Silber-
tetradrachmen von 14,28 Gramm gleich, an Silbergehalt aber entsprachen
sie dem römischen Denar von 3,90 Gramm. Von nun an galt daher die
ägyptische Drachme = ^ Denar. So liefen denn jetzt — abgesehen von
den ptolemäischen Silberstücken — die römischen Denare und die ägyp-
tischen Billontetradrachmen nebeneinander her. Die Regierung gab aber
jenem einen Vorzugskurs, indem der Denar 28 resp. 29 Münzobolen gleich-
gesetzt wurde, das Billontetradrachmon aber nur 24. So ist mit Mommsen
die Umrechnung von Münzen χαλκού in Münzen άργνρίον in Lond. I
S. 170 ff. zu deuten. In den χαλκού sieht er hier die Billonmünzen, in den
άργνρίον die Denare. Und hier wird ausdrücklich gesagt, daß auf das άργν-
ptov-Tetradrachmon 28 resp. 29 Obolen gehen (also auf die Drachme 7 resp.
7^), während das ;^αλκo^>-Tetradrachmon deren 24 hat (also die Drachme
6). Dasselbe besagt das metrologische Fragment Oxy. I 9 Verso (S. 77):
&χί χαλκεινη όβολονς ζ . . . έχει δραχμή όβολονς iitxa J. Die BiUondrachme
wird zu 6 Obolen, die andere Drachme (das ist die Drachme des Denar-
Tetradrachmons) zu 7 Obolen angesetzt. Tatsächlich haben wir in den
Papyrusurkunden schon vor diesen Aufschlüssen Drachmen zu 6 Obolen
und solche zu 7 (resp. 7^) Obolen nachweisen können, nur hatten wir sie
anders gedeutet.^) So klar die Grundgedanken der Mommsenschen Theorie
sind, schwierig bleibt oft im Einzelfall die Anwendung. Sicher sind wir
nur, wenn die Drachme als άργνρίον ausdrücklich bezeichnet wird. Dann
liegt Denarrechnung vor. Wenn aber nur δραχμή gesagt ist, entsteht die
Unsicherheit. Meistens wird wohl Billongeld gemeint sein, aber daß auch
Denare gemeint sein können, zeigt die lateinische Soldrechnung in Gen.
lat. 1, wo einfach nach Drachmen gerechnet ist und doch, wie Mommsen
gezeigt hat, sicher Drachmen zu 7|- gemeint sind, also Denarrechnung vor-
liegt.^) Auch bezeichnet der Metrologe in dem obigen Zitat die höhere
Drachme einfach als δραχμή. Andrerseits ist die Bezeichnung des Billon-
geldes als χαλκού (oder χαλκίνη) ganz selten, was sich daraus erklärt, daß
hiermit in der Regel die oben erwähnten Kupferdrachmen bezeichnet wer-
den.^) Also im Einzelfalle wird man oft zu einer positiven Entscheidung
nicht kommen können (Mommsen S. 281f.).
Die Herrschaft Diokletians ist auch für das Münzwesen Ägyptens
von tief einschneidender Bedeutung gewesen, indem er Alexandrien das
alte Vorrecht der eigenen Münze genommen hat. Seit dem Epochenjahr
297 (s. unten S. 68) wurde hier kein Provinzialgeld mehr geprägt, son-
1) Vgl. meine Griech. Ostraka I 732. 2) Mommsen S. 277.
3) Ygl. z. B. noch Teb. II S. 341 (II. Jahrh.}, wo 300 Kupferdrachmen auf 1
Silberdrachme gerechnet werden.
§ 9. Zur Metrologie. LXVIl
dem nur noch Reichsmünze mit lateinischen Stempeln. Nach den mannig-
fachen Münzreformen des Diokletian^) hat dann Constantin durch die
SchaflPung des Solidus (= }^ Pfund Gold) zu 24 Siliquae eine neue dauer-
hafte Basis geschaffen. Die Papyri haben uns aber gezeigt, daß in Ägypten
sich dieses neue System erst seit dem V. Jahrh. durchgesetzt hat. Bis
dahin hat man wie vorher in der Hauptsache^) nach Drachmen gerechnet.
Aber diese Drachmen zeigen jetzt eine ganz ungeheure Entwertung, so
daß überhaupt noch selten von einzelnen Drachmen, vielmehr meist von
Talenten oder Tausenden von Drachmen gesprochen wird. C. Wessely
hat kürzlich in einer verdienstvollen Studie ein reiches Material zusammen-
gestellt, das uns zeigt, in wie exorbitanter Weise seit Diokletian die nach
Talenten und Drachmen berechneten Preise für Lebensmittel, Löhne usw.
gestiegen sind.^) Er hat weiter gezeigt, wie dann seit der Mitte des
IV. Jahrh. bei dem beständigen Sinken des Drachmen wertes die Drachmen
(oder wie man auch sagt, die Denare) nicht zu Talenten, sondern zu Myri-
aden zusammengefaßt wurden. Auch im VL und VII. Jahrh. begegnet
noch gelegentlich die Rechnung nach Myriaden, jetzt auch κέρματος μυ-
ριάδες genannt, mit immer sinkendem Wert gegenüber dem Goldsolidus,
aber sie erscheinen jetzt seltener, denn seit dem V. Jahrh. hat sich nun
die Rechnung nach Solidi (νομίαματα) und Siliquae (κεράτια) durchgesetzt.
Zu der umstrittenen Frage, wie die etwa seit dem VI. Jahrh. hinter den
Solidussummen begegnenden Wendungen wie παρά κεράτια δύο ο. ä. zu
deuten sind, vgl. Kubitschek, Wien. Num. Z. XXIX S. 166 ff. Für seine
Auffassung, wonach das παρά die Subtraktion andeutet, scheint mir die
Rechnung Cair. Cat. 67056 zu sprechen.
Der Solidus mit seinen Keratien ist dann auch in die arabische
Zeit hinübergegangen. Über den Unterschied der έχόμενα und der άρ(^^μιa
νομίσματα dieser Periode vgl. Bell, Lond. IV S. 84 f.
§ 9. ZUR METROLOGIE.
Die Papyrusuikuiiden enthalten so viele Maßbestimmungen, daß zur
Interpretation der Texte eine Orientierung über die in Ägypten damals
vorkommenden Maße unerläßlich ist. Ein kurzer Überblick über die
wichtigsten metrologischen Tatsachen ist hier um so nötiger, als durch
die neuen Aufschlüsse der l^apyri die älteren Darstellungen, auch die ent-
sprechenden Abschnitte in dem grundlegenden Handbuch von Fr. Hultsch*).
völlig veraltet sind. Auf Grund der neuen Aufklärungen durch Papyri
1 Vgl. Si'cck, VüU1τ^ζnu^ζ d. antiken Welt Π 2Ϊ6 ΙΓ.
2> Zu dem /uwief^i-n tloH M<'tallo^ nach Gewicht (Αύρηι, ού/χιαι, γ^ύμμαχά) Tgl.
Lip•. 62 (1H8) und dar.u Mitt«•!"' K'.nimi'titar. V^l. jrtzt auch Thoa<l, a;»
8) Wewely, Ein Altn im ΙΜμΙο^ι-Ιομ <Sit/.. Wim. Aka.l. liil [1904], 6).
4) Griechiiche und r-i -Ltrulogi»•, *J. Aull. Ihsy
β•
LXVin Einleitung.
und Ostraka habe ich in meinen Griechischen Ostraka I 738 ff. eine Dar-
stellung unseres damaligen Wissens zu geben versucht. Durch das inzwischen
neu hinzugekommene Material ist einzelnes hiervon modifiziert worden,
während anderes seine Bestätigung gefunden hat. Auch auf diesem Ge-
biet gibt es noch viele schwierige, ungelöste Probleme.
1. Die Hohlmaße.
A. Die Trockenmaße.
Das Kornmaß Ägyptens ist die aus Persien stammende^) άρτάβη.
Während wir früher auf Grund der metrologischen Literatur für die Pto-
lemäerzeit mit einer Artabe von 4-^ römischen Modien (= 39,39 Litern)
und für die Kaiserzeit mit einer jüngeren Artabe von 3^ Modien (= 29,18
Litern) rechneten^), stehen wir jetzt vor einer verwirrenden Fülle der ver-
schiedensten Artaben. Die Urkunden haben uns gelehrt, daß es gleich-
zeitig mehrere Artaben mit verschiedenem Inhalt gegeben hat. Wie ich in
den Griech. Ostraka I 741 gezeigt habe, war „Artabe" nur eine allgemeine
Bezeichnung für ein Trockenmaß, das an der Spitze eines Systems stand.
Die konstante Größe war nicht, wie wir früher annahmen, die Artabe,
sondern die Choinix, aus deren Multipla sich die Artaben zusammensetzten,
deren absolute Größe aber leider nicht genau feststeht. Ich war bei meinem
Berechnungsversuch 1. c. 747 nach Hultsch von der Annahme ausgegangen,
daß die Choinix sich nicht allzuweit von einem modernen Liter entfernt
habe, und das wird wohl auch richtig sein, aber die exakte Berechnung
ist noch zweifelhaft.^)
Für die Ptolemäerzeit habe ich 1. c. Artaben von 40, 30, 29^), 26
und 24 Choinikes nachgewiesen. Dazu kam inzwischen aus den Tebtynis-
texten als das offizielle Hauptkornmaß eine Artabe von 36 Choinikes. Λ^g\.
Grenfell-Hunt, P. Teb. I S. 44, die dies offizielle Maß mit dem δοχικον
μ,ετρον^) gleichsetzen, das sich zu dem d^dftog-Maß (dem auf dem δρόμος
der Tempel gebrauchten) wie 6 : 7 verhielt.
Für die Kaiserzeit nennt das metrologische Fragment Oxy. 19 Verso 8
eine Artabe von 40 Choinikes, die uns inzwischen in Oxy. VH 1044
(II./III. Jahrh.) im praktischen Gebrauch entgegengetreten ist, und die
nach GrenfeU-Hunt wahrscheinlich auch dort vorliegt, wo die seltene Tei-
lung in ^ und ^ begegnet wie in Fay. 101 (s. unten). Außerdem wies
ich 1. c. aus einem Ostrakon eine Artabe von 24 Choinikes nach. Zu wei-
teren Berechnungen von Artaben zu 42 usw. Choinikes verweise ich auf
Grenfell-Hunt, Teb. I S. 232 f.
1) Vgl. meine Griech. Ostraka I 738 f. 2) Griech. Ostraka I 740.
3) Vgl. Hultsch, Arch. II 283 iF.
4) Diese, damals noch unsicher, inzwischen bestätigt durch Hib. 85.
5) Vgl. Par. 66, 26 (385).
§ 9. Zur Metrologie. LXIX
Abgesehen von solchen Choinikes-Berechnungen habe ich in den Gott.
Gel. Anz. 1894, 743 aus Lond. I S. 192 fi. für das IV. Jahrh. für die Ge-
gend von Hermonthis (Thebais) ein Nebeneinander von drei verschiedenen
Maßen nachgewiesen, dem ^'ηόανρίκον μετρον^ dem φοριχον μετρον (Pächter-
maß) und einem nicht benannten, und zwar in dem Verhältnis: Pächter-
maß : thesaurisch. Maß =9:7, Ungenanntes Maß : thesaurisch. Maß =
25 : 24.^) Hierzu sind wichtige neue Aufschlüsse hinzugekommen durch
Lips. 97, der aus derselben Zeit und demselben Lokal stammt. Hier fan-
den sich nicht nur diese drei Maße wieder (das Unbenannte hier als το
όημόόιον bezeichnet), sondern außerdem ein μέτρου μοδιών^ das Mitteis
als die sogenannte jüngere Artabe von S-J Modien erklärte. Hierdurch
wurde zugleich die Annahme von Hultsch (Fleckeis, Jahrbb. 1. c), dem ich
gefolgt war, daß die thesaurische Artabe diese ,Jüngere Artabe" gewesen
sei, als irrig erwiesen. Ich muß hier auf die ausführlichen Darlegimgen
von Mitteis, P. Lips. S. 250 ff. verweisen.
Andrerseits ist wichtiges neues Material durch Lond. II S. 257 ff.
hinzugekommen, eine Anleitung zum Umrechnen der verschiedenen Maß-
systeme (I. Jahrh. n. Chr.). Hier werden nicht weniger als 6 Artabensorten
unterschieden: δρόμω^)^ γβλκώ^ άνηλωτικω^ Φιλίτίτΐον^ Γάλλου^ Έρμον.
Ken von hat in seiner Einleitung dargelegt, daß hiervon das d^o'uog- Maß
etwa dem φορικόν der Jüngern Texte entspricht, das χαλκω^) dem 0-)^-
αανρικω, das Maß Έρμον dem Unbenannten (jetzt Οημόόων). Weitere wich-
tige Ausführungen haben hierzu Grenfell-Hunt, Teb. I S. 232 f. gebracht,
indem sie versucht haben, den Choinix- Inhalt der einzelnen Artaben zu
berechnen.
Bei dieser Fülle der Systeme sind die Artabenangaben unserer Papyri
für uns meist unberechenbar, falls nicht ausdrücklich gesagt ist, welches
System gemeint ist, und auch dann läßt sich der Inhalt nur in manchen
Fällen genau berechnen.
Die Teile der Artabe werden teils in Brüchen, teils in Choinikes-Summen
au.sgedrückt, doch kommt vielfach eine Kombination von beiden Arten
vor. Als Bmchteile der Artabe begegnen einerseits 4^, i, i (nicht weiter
~ uHw.!) andrerseits {, |, ^*,, ^^^, ^ usw.*) Wahrscheinlich entsprechen diesen
Brüchen konkrete Einzelmaße.^) Es ist für den Papyrusforscher praktisch
von Wert, sich diese Bruchreihe |, |, ^^ usw. als charakteristisch für die
Artabe zu merken, im Gegensatz zu der Reihe \f |, •|, ^,, ^ usw., die für
1) Vgl. Griech. Oitraka I 746 und Hultech, Fleckeie. Jahrbb. 1806, %, S. 81 tf.
2) Meine Beziehung des d^d^o^Maßes auf den ^ρόμο; der Tempel (Qr. Ostraka
1771) iii inKwiichcn durch die TebtjDiiiexte bcsUtigt worden, vgl. (trenfell - Hunt,
Teb. I 8. 282.
8) lat dicaes nicht — gerade wegen dieser Qleiohung — all da• broDiene Normal-
πίλβ, da« χαλ%ο{>ν aufzufafaen? Vgl. unten p. LXX.
4) Vgl. Griech. Oairaka I 740. 6) Vgl Oriech. Oatraka I 760.
LXX Einleitung.
das Flächenmaß, die Arure, charakteristiscli ist. In zahlreichen Fällen,
namentlich bei fragmentierten Stücken, ist die Kenntnis dieser Tatsachen
ein Avichtiges Hilfsmittel für die Interpretation.
Daß diese Fülle verschiedener Maße mit demselben Namen Artabe
im praktischen Verkehr große Unzuträglichkeiten mit sich brachte, ver-
steht sich von selbst. Mit welchem Maß die staatlichen Lieferungen zu
messen waren, wurde natürlich — genereU, oder eventuell auch noch im
Einzelfall — bekannt gegeben. Die Regierung scheint überall in den Städten
und Dörfern des Landes bronzene geaichte Normalmaße (χαΧχα) aufgestellt
zu haben, mit denen im Einzelfall das Einzelmaß vor der Messung ver-
glichen werden mußte. Darauf führen Wendungen in den Nauklerosquitt-
ungen wie: μετρώ δοχικώί τω 6νμβεβλημενωυ nQbg το χαλκονν καΐ 6κν-
τάλψ δικαίαι'^)^ wo mit der ΰκντάλη das Abstreicheholz gemeint ist.^)
Für die Allgemeinheit dieser Einrichtung spricht die Verordnung des Euer-
getes IL vom J. 118, in der für die Anwendung falschen Maßes die Todes-
strafe verfügt wird. Da heißt es (Teb. I 5, 85): μίξοΰο με[τ]ροίς [πα]ρά τά
εν6(^τα%'μ(ί} εν εκάύτωυ νομώι ά7ίοδεοει[γμε]να χα(λκα) κτλ. Wie vorsichtig
die Naukleroi vorgingen, zeigt wohl am besten, daß sie sich vielfach ihr
eigenes Maß aus Alexandrien mitnahmen, um sich mit diesem in der χώρα
das Korn vermessen zu lassen. Vgl. meine Note zu 441, 20, auch 443, 12.
Noch schlimmer wirkte die Unsicherheit im privaten Verkehr. Ich
habe in den Griech. Ostraka I 770 Beispiele dafür vorgelegt, daß hier
schließlich nur das individuelle Maß galt. In den Verträgen wird ange-
geben, mit welchem konkreten Einzelmaß die Lieferung gemessen werden
soU. Vielfach wird das Maß als das dem einen Kontrahenten oder einer
sonstigen Persönlichkeit des Ortes gehörige bezeichnet oder als dasselbe
Maß, mit dem man (bei Darlehn) die Lieferung empfangen hat ((ω τΰαρεί^
ληφεν oder ΛαραλημπτίκόνΥ) , oder als das Maß des Gottes des Dorfes.^)
Seit Justinians Zeit begegnet mehrfach ein Getreidemaß, das als καγ-
κελλον oder καγκελλω άρ(τάβη) bezeichnet wird. Daß dies nichts mit dem
lateinischen canceUus oder canceUarius zu tun hat, sondern das persische
Qanqalmaß ist, hat Becker, Heid. III 1 S. 32 gezeigt.
An sonstigen Trockenmaßen nenne ich noch das μάτιον^ mit dem
z. B. Nüsse u. dgl. gemessen werden (vgl. Griech. Ostraka I 751 f.). Palm-
zweige werden nach Bündeln (δεΰμαι) gemessen (Griech. Ostraka I 757)^
Spreu nach Wagenlasten (άγωγαί oder γόμοί) (1. c. 754) oder Pfunden.
Aber auch Getreide kann, abgesehen von den Artaben, nach Esellasten (ovoi)
1) Vgl. z. B. Lille 21 ff. (189). 2) Vgl. 279 Note 5.
3) Meine Deutung des letztern Ausdrucks in Gr. Ostraka I 772 war irrig.
4) Wie hier dem Maß im Tempel eine besondere normative Bedeutung zuerkannt
wird, so bat später Justinian, Nov. 128, 15 verfügt, daß die echten μέτρα und οταϋ'μά
in der Kirche jeder Stadt aufbewahrt werden sollen.
:(*{
§ 9. Zur Metrologie. LXXI
oder Säcken (όάκκοί) gemessen werden, auf die in der Regel 3 Artaben
Weizen gerechnet werden (Griech. Ostraka I 754).
B. Flüssigkeitsmaße.
Die Papyri haben uns gelehrt, daß es auch für die Flüssigkeiten
gleichnamige Maße verschiedenen Inhalts gegeben hat. So schreibt der
Revenue-Papyrus den μετρητής οωδεκάχονς für OUieferungen und den με-
τρητής οκτάχονς für Weinlieferuugen vor. Ich habe hieraus in den Griech.
Ostraka I 757 den Schluß gezogen, daß ähnlich wie bei der Artabenrech-
nung die χοΓνιξ, so bei der Metretesrechnung der χους (zu 12 Kotylen)
die konstante Größe ist. Weiter läßt sich jetzt mit Hilfe von Magd. 26
kommen, wo in Z, 3f. nach meiner Revision (Arch. IV 53) zu lesen ist:
άποδόμενος ημίν οί'νον κεράμια ρκ», ων ί^άχοα μεν ο/3, πεντάχοα οε ro,
εκαοτον μετρψην τον ζ χ {= εξάχονν) {δραχμών) ιδ. Aus den letzten
Worten ergibt sich einmal, daß es auch einen Metretes zu 6 Chus (als
Weinmaß) gegeben hat. Viel wichtiger ist aber, was m.W. bisher nicht her-
vorgehoben wurde, daß der Text die Gleichung von μετρητής und κεράμιον
ergibt, denn daß der μετρητής έζάχονς hier dasselbe sein muß wie das
vorhergenannte κεράμιον έξάχονν, kann nicht bezweifelt werden.^) Damit
ist die vielbehandelte Streitfrage nach dem Umfang des κεράμων^ in dem
wir früher ein besonderes (Wein)maß gesehen haben-), gelöst: κεράμιον
ist nur ein anderer Name für μετρητής. Daß es Keramien verschie-
denen Inhalts gab, hatte inzwischen schon Smyly aus Petr. III S. 196 f.
gezeigt, wo Keramien zu 5, 6, 7 und 8 Chus auftreten. Die zu 5 und 6 be-
gegnen auch in dem P. Magd. 26. Wir kennen also jetzt μετρηταί resp.
κεράμια zu 5, 6, 7, 8 und 12 Chus. Die Unsicherheit im Verkehr muß hier eine
ähnliche wie bei den Trockenmaßen gewesen sein. Der Revenue -Papyrus
zeigt, wie die Regierung sich sicherte, der Magd. 26, wie man im Privat-
verkehr — die Angabe geht hier offenbar auf den Kaufvertrag zurück —
durch Angabe der Chus sich Sicherheit verschaffte.
Zu den sonstigen Flüssigkeitsmaßen, dem κονρι und dem δίχωρον^
τρίχωρον^) usw. sowie dem römischen ξ^οτης (sextarius), den διπλά usw.
verweise ich auf die Griech. Ostraka I 763 ff. Von Interesse sind die eben-
dort S. 765 ff. von mir nachgewiesenen Flüssigkeitsmaße, die nach auslän-
dischen Städten benannt sind, wie das Κολοφώνιον, ΚιΊδιον^ Wdioi', die
1) Die Petenten beschränken eich begreiflicbcrweiee aaf die Angabe de• Preieet
fiir (iae eine Maß, denn damit war der Preie für den Chu• fettgettellt, und daiier der
i'n Im auch für dag and(>re Maß irnpli%iUi gegeben. Diet seigt recht deutlich, daß der
Chui die koiiHtante iiröße war.
•J, Vgl. Oricrh. Ontraka I 7rtO tF.
3 Hi»?r7.u MJnd wohl aucli die ύ^ιχΐχωρα %\x stellen, die mir inzwischen in nn-
odiertiin Oetraka begegneten. Wahrschiilulich iet das auf 8. 7ββ meiner ür. Ostraka 1
X 2
l»(>fiprocheDe ad^o in ud^n zu Andern
LXXII Einleitung.
übrigens erst in der Kaiserzeit und meist der Jüngern Periode vorkommen.^)
Inzwischen fügte ich das '^^^καλώί^^οί/ hinzu (Arch. V 297) und W. Otto^)
das Σαΐτιον})
2. Die Flächenmaße.
• Das Feldmaß der Ägypter ist die Arure («ρονρα, „Ackerland"), ein
Quadrat, dessen Seite 100 ägyptische Ellen sind. Mit Zugrundelegung der
königlichen Elle von 0,525 m beträgt die Arure daher 2756 qm/) Dieses
Maß ist durch alle Jahrhunderte unverändert geblieben. Als Bruchteile
sind nachweisbar |, \, |, ^, ^^, i, -jfg-, ^^^^, j^, außerdem -|. Vgl. Griech.
Ostraka I 775, wo auch über das zweifelhafte -^^ gesprochen ist. Während
die Felder in der Regel nach Aruren vermessen werden, hatte man für
andere Zwecke den 7tfi%vg οίκοπεδίχός, den Amadeo Peyron als ein Recht-
eck bestimmt hat, dessen Langseite 100 Ellen, dessen Schmalseite 1 EUe
beträgt, also ^J^- Arure.^) Dies ist jetzt glänzend bestätigt worden durch
das metrologische Fragment Oxy. IV 669, 9 f.: [δ ] . g <o>t-
κοπεδικος Ληχίς £[%6C έμβαδικονς π'ή'\χ^£ Q, d. h. der οίκοτίεδίκος τνηχυς hat
100 QuadrateUen.
3. Raummaße.
Als Kubikmaß, nach dem die bei den Erdarbeiten fortzuschaffenden
Erdmassen berechnet wurden, begegnet das Naubion (yavßiov), das in der
Ptolemäerzeit = 2 königlichen EUen im Kubik, in der Kaiserzeit = 3
königlichen Ellen (= 1 Ινλον) im Kubik war. Vgl. unten S. 330, 334, 336.
Das άωίλιον der Ptolemäerzeit fällt mit dem vavßiov zusammen.
1) Meine Berechnungen des Inhaltes des Κολοφώνιον sind mir zweifelhaft ge-
worden. Das Kvidiov berechnet Wessely auf 5 letxrat (Sitz. Wien. Atad. 149,5, S. 28).
2) Aeg. Z. 41, 91 f 3) Vgl. Thumb, Arch. III 448.
4) Griech. Ostraka I 775.
5) Vgl. Griech. Ostraka I 779.
KAPITEL Ι.
ALLGEMEINE HISTORTSCHE GRUNDZÜGE.
Mit Alexander dem Großen beginnt diejenige Periode der alten Ge-
schichte, die durch die Papyrusurkunden neues Licht erhält. Von der
Zeit des Ptolemaios, des „Satrapen"^), bis in die Zeit der Chalifen, von der
Begründung des Hellenismus in Ägypten bis zur letzten Verdrängung der
griechischen Sprache durch das Arabische und Koptische, über einen Zeit-
raum von etwa 1300 Jahren^) erstreckt sich dieses innerhalb der antiken
Tradition ganz einzig dastehende archivalische Material. Es kann uns
helfen, manche Fragen jenes gewaltigen hellenistischen Kulturproblems,
wie es einst der jugendliche J. G. Droysen als Tagewerk seines Lebens in
kühnen Strichen entworfen hatte ^), tiefer zu erforschen, nicht minder die
wirtschaftliche und rechtsgeschichtliche Entwicklung, die ihm ferner lag.
Die einzelnen Seiten des antiken Lebens, die durch die Papyri Licht er-
halten, sollen in den folgenden Kapiteln dieses Bandes sowie in dem IL
von Mitteis gearbeiteten rechtsgeschichtlichen Bande zur Darstellung kommen,
soweit die bisherige Durcharbeitung des riesigen Stoßes, mit dessen Be-
wältigung wir erst im Anfang stehen, es gestattet. Hier aber im L Kapitel
soll versucht werden, die allgemeinen historischen Grundzüge, die die ge-
meinsame Voraussetzung für jene Einzeluntersuchungen bieten, in der hier
gebotenen Kürze zu zeichnen. Im besonderen sollen hier die Regierunge-
Systeme, die allgemeinen Züge der Verwaltung von Stadt und Land,
andrerseits das Verhältnis der Regierungen zu den verschiedenen Natio-
nalitäten und dieser untereinander skizziert werden. Die äußere Geschichte
dee Landes, die von den bisher edierten Papyri nur sporadisch berührt
1) Die älteste genau datierte Urkunde stammt vom Jahre 811 (Eleph. 1).
2) Die letzten Anwendungen dcH Griechischen fallen in da« X. Jahrhnnderl
8) Vorwort z. (ieKch. d. HcllenismuH (1886): „die VencbmelzuDg der Religionen
und Kulte, die TheokraHie und Tbeosophie, seinen Unglauben und Aberglauben bis
7,1•., iMt/t^n V'T-rhwinden dee hollcnistiHcben Hoidentumi ~ die Umformung der all-
• ;. I ^r und der Hpexicllen Wi^eenirbaften, der sittlichen Verhältnisse und
licfi \ •MK>:i\<Mkciirg bis zum Siege der OHÜieheu lieaktion im SaRsanidenrcich und im
MubiiininednniMmus — , endlich den weitläufligen Verlauf der lange nachwirkenden
Literatur und Kunst bie zu den letzten byzantinischen Nachklangen ihrer großen Vor-
zeit und dem vollendeten Triumph des Ostens Ober die Heimat des Hcllenismu•/'
Mltteli-Wllokcn: Otundiue• L 1
2 Kapitel Ι. Allgemeine historische Grundzüge,
wird^ soll hier nur soweit gestreift werden, als es zum Verständnis der
inneren Geschichte nötig ist.
Die Geschichte Ägyptens, die in erster Reihe, wenn auch nicht aus-
schließlich, durch die Papyri befruchtet wird, gliedert sich in dieser Zeit
in vier Abschnitte: die griechische Periode oder Ptolem'aerzeit, von
Alexander bis auf Octavian (30 v. Chr.), die römische Zeit, von dort bis
auf Diokletian (284), die byzantinische, von Diokletian bis zum Ein-
bruch der Araber (639) und endlich die arabische Zeit. Da unser Haupt-
ziel ist, die historische Entwicklung zu erkennen, so soll hier wie im
folgenden diese Gliederung auch für meine Darstellung maßgebend sein.
A. DIE PTOLEMÄERZEIT.
Zur hellenistischen Geschichte: J. G. Droysen, Geschichte des Hellenis-
mus I — III, 1877 f. — B. Niese, Geschichte der griechischen und makedonischen
Staaten seit der Schlacht von Chaeronea I — III, 1893 f. — A. Holm, Griechische Ge-
schichte IV, 1894. — J. Karst, Geschichte des hellenistischen Zeitalters I, 11^ 1901 f.
— J. Beloch, Griechische Geschichte III, 1904. — J. P. Mahaffy, Greek life and
thought (323— 146 B.C.). 2. Aufl. 1896. — P. Wendland, Die hellenistisch-römische
Kultur (Handb. z. Neuen Testament). 1907.
Zur Ptolemäergeschichte: J. G. Droysen, de Lagidarum Regno Ptolemaeo
VI Philometore rege 1831 (Kleine Schriften z. Alt. Gesch. II 351 ff., dazu Anmerkungen
von mir 432 ff.). — Von Letronne vgl. außer zahlreichen in den Oeuvres choisies zu-
sammengestellten Arbeiten namentlich den Recueil des insciptions grecq. et lat. de
rilgypte. 2 Bände mit Atlas. 1842. — Franz im GIG III S. 281 ff. — S. Sharpe,
Geschichte Egyptens, deutsch v. Jolowicz, mit Anmerkungen von A. v. Gutschmid
(2. Aufl.). 1862. — G. Lumbroso, Recherches sur Teconomie polit. de l'Egypte sous
les Lagides. 1870. Derselbe, L'Egitto dei Greci e dei ßomani. 2. Aufl. 1895 (mit
Bibliographie über die Egittologia greco-romana von 1868 — 1895!) —
F. Robiou, Memoire sur l'economie polit., Tadministration et la legislation de
l'Egypte au temps des Lagides. 1875. — Ed. Meyer, Geschichte des alten Ägyptens
(in Onckens Allg. Gesch). 1887. — J. P. Mahaffy, The Empire of the Ptolemies.
1895. — M. L. Strack, Die Dynastie der Ptolemäer. 1897. — Ev. Breccia, Π
diritto dinastico nelle monarchie dei successori d'Ales. Magno (Stud. d. Storia Antica).
1903. — A. Bouche-Leclercq, Histoire des Lagides I— IV, 1903 ff. — Svoronos,
Die Münzen der Ptolemäer (Τά νομίσμκτα τον χράτονς των Πτολεμαίων) IV. Band.
1908. — Außerdem vgl. die Kommentare zu den einschlägigen Papyruseditionen, im
besonderen die von A. Peyron zu den Turiner Pap., Grenfell zum Rev. Pap.,
W^ilcken zu den Theb. Bankakt. und den Griech. Ostraka (I), Grenfell-Hunt zu
Teb. I, Hib. etc.
§ 1. DAS REGIMENT.
Die Yon Alexander dem Großen im Jahre 332 in Ägypten begründete
Herrschaft war eine absolute Monarchie entsprechend der schon damals
in ihm keimenden Idee einer Weltherrschaft wie auch der historischen
Tradition des Landes. Wiewohl für die Ptolemäer die Weltherrschafts-
gedanken fortfielen, haben sie doch den Charakter der absoluten Monarchie
auch für ihre Herrschaft in Anspruch genommen — ebenso wie die
anderen Diadochen, die auf orientalischem Boden Reiche begründeten, also
Α. Die Ptolemäerzeit. § 1. Das Regiment. 3
offenbar auch unter dem Einfluß jener einheimischen Tradition.^) War diese
absolutistische Auffassung den Eingeborenen gegenüber selbstverständlich,
so war sie für die Makedonier und Griechen etwas Neues und ist ihnen
gegenüber auch erst allmählich in größerer Strenge und wohl niemals in
so konsequenter Weise wie gegenüber den Ägyptern durchgeführt worden.
So ist der Reichskult der regierenden Könige als Götter, dieser letzte
Ausdruck des Absolutismus, in den Formen griechischen Kultes erst
unter dem zweiten Ptolemäer eingeführt worden und gilt erst seit dem
dritten als selbstverständlich, während für die Ägypter die makedonischen
Könige von vornherein ebenso gut wie früher die Pharaonen Gegenstand
göttlicher Verehrung waren (vgl. Kap. Π). Andrerseits hat sich in der
ptolemäischen Militärmonarchie wie ein Residuum aus den Zeiten des
patriarchalischen Königtums der Makedonier die Mitwirkung der make-
donischen Heeresversammlung bei der Regelung der Thronfolge, die auf
makedonischem Erbrecht beruhte-), nicht nur in der Theorie erhalten,
wie die Vorgänge nach dem Tode des Philopator zeigen (vgl. Polyb. XV 26 ff.).
Im übrigen hat sich in Ägypten der Absolutismus noch schärfer als in
anderen heilenistischen Reichen entwickeln können, weil, von ganz wenigen
Ausnahmen abgesehen (s. unten S. 12), autonome Stadtgemeinden ihm
nicht gegenübergestanden haben.
Als absoluter Herrscher war der König ursprünglich alleiniger Eigen-
tümer von Grund und Boden (vgl. Kap. VII), sowie Herr über Tod und
Leben seiner Untertanen. Seine Kabinettsordres (προϋτάγματα), von denen
uns die Papyri einige erhalten haben ^), hatten Gesetzeskraft, und niemandem
war er Verantwortung schuldig. Wie sehr die bekannte Charakteristik
des Absolutismus bei Suidas s. v. βαόιλεία' „τα δημόόια τ7}ς βαΰιλίίας
χτίσματα'-'*) für die Ptolemäerherrschaft paßt, haben uns die Papyri gelehrt.
Der Begriff δημόόίος ist den ptolemäischen Urkunden, im Gegensatz zu
denen der Kaiserzeit, überhaupt fremd''): sie kennen nur βαΰιλιτίαΐ τράπεξαι^
nicht όημόΰιαί^ nur το βαοιλικόν (als Reichskasse), nicht το όημύόιον^
nur ßaoULxoi γεωργοί^ nicht δημύόιοί usw. Es fehlt überhaupt der
Begriff des Staates oder des Staatlichen: Vctat c'est moi gilt auch hier.
Die nächsten Kapitel werden zeigen, wie auf aDen Gebieten des Lebens,
1) Vgl. Wilcken, Hellenen und Barbaren (N. Jahrb. f. d. Klae•. Alt. ΙΟΟβ), 8.4β8ί.
Kine frf'iorr; AiiffafiHiing bestand bezeichnenderweise nur im 8tanimland Makedonien.
Vgl. J. Ik'loch, Griech. Geech. 111 377.
2) Vgl. B«'loch, Griech. Giech. III 877 ff. Breccia, il diritto dinaati«
8) Vgl. z. B. Teb. 6; 7; 124, 28«. Petr. U 8 (1); 8 (8) Veno utw.
4) Vgl. K&fHt, Monarchie 8. 68 ff.
6) Eine Auenahnn• in einem leider nicht klaren Zutammenbang in Petr. 111, 7. U
SoDflt kann ότ,μόαιος natürlich vorkommen in besug auf Kinrichiungon griecbiioher
Stftdie, so in der IiiHrhritt an I'tolemai• bei PUamaon, Ptolemai« in Oberlgypten,
8. 86.
l•
4 Kapitel Ι. Allgemeine historische Grundzüge.
und nicht am wenigsten dem wirtBchaftlichen, dieser Absolutismus stark
einschneidend gewirkt hat.
Das Ziel der ptolemäischen Regierung Ägyptens war^ möglichst große
Schätze aus dem Lande herauszu wirtschaften ^), um durch diese, mit starker
Armee und Flotte, eine möglichst große Rolle in der• internatio-
nalen Mittelmeerpolitik spielen zu können. Wer sich Alexandrien
zur Residenz erwählt, zeigt schon dadurch, daß seine Politik eine über-
seeische ist. Die weite Ausdehnung der Reichsgrenzen über Ägypten
hinaus, wie sie unter der kräftigen Regierung der ersten Ptolemäer er-
reicht wurde, zeigt, in welchem Umfange sie damals, im Wettstreit mit
den seleukidischen Rivalen, die Vorherrschaft im östlichen Mittelmeer-
becken erkämpft hatten. Zu Koelesyrien, Kypros und Kyrene, die schon
Ptolemaios I gewonnen hatte, sind unter den beiden nächsten Herrschern
noch bedeutende Erwerbungen an der kleinasiatischen Südküste (nament-
lich in Lykien, Karien) und Westseite (lonien, Lesbos) sowie in Thrakien
und am Hellespont und auf den Kykladen hinzugekommen, abgesehen
von den ephemeren Eroberungen, die Euergetes I im Ααοδίκειοξ ττόλεμος
gemacht hat.^) Um eine Vorstellung von dem Umfange des ptolemäischen
Gesamtreiches zu bekommen, muß man noch hinzunehmen, daß seit Phila-
delphos auch die Südgrenze über den ersten Katarrakt hinaus nach Nubien
hinein vorgeschoben^), und außerdem zur Hebung des Südosthandels zahl-
reiche Kolonien und Stationen an der afrikanischen Küste bis hin zum
Kap Guardafui angelegt waren (vgl. Kap. VI). Wir sollen es bei der
Verarbeitung der Papyri nie aus dem Auge verlieren, daß innerhalb dieses
gewaltigen Reiches Ägypten für die Ptolemäer nur die Hauptquelle ihrer
Einnahmen war, während ihre politischen Interessen außerhalb lagen.
Der strenge Fiskalismus, der uns in den Papyri überall entgegentritt,
erklärt sich aus der Rolle, die Ägypten als Mittel zum Zweck spielte.
Diese auswärtigen Beziehungen der Ptolemäer werden in den Papyri bis-
her leider nur selten berührt. Am wertvollsten ist der Kriegsbericht aus
dem in. Syrischen Kriege in Petr. ΙΠ n. 144 (1). Von der Verwaltung
kleinasiatischer und thrakischer Besitzungen handelt Teb. 8 vom Jahre 201
(2). Auf jene ostafrikanischen Besitzungen weisen die gelegentlichen Er-
wähnungen der Elefantenjagden hin, im besonderen Petr. II 40a.
1) Vgl. Mommsen RG Υ 560: „Wenn es der Zweck des Staates ist, den mög-
lichst großen Betrag aus dem Gebiet herauszuwirtschaften, so sind in der alten Welt
die Lagiden die Meister der Staatskunst schlechthin gewesen."
2) Ygl. namentlich Beloch, Die auswärtigen Beziehungen der Ptolemäer in
Griech. Gesch. III (2) 248 £F. (vgl. Arch. II 229 ff.)•
3) Noch zur Zeit Philometors I werden Städte in der „Triakontaschoinos" an-
gelegt (Dittenberger Gr. Gr. 111). Vgl. auch die Inschrift in der Aeg. Z. 1910, die
die älteste Erwähnung der ^ωδεχάαχοινυς bringt. Später ging durch das Erstarken des
äthiopischen Reiches die Grenze zurück bis zum ersten Katarrakt.
Α. Die Ptolemäerzeit. § 1. Das Regiment, 5
Mit Ptolemaios lY Philopator beginnt die Reihe der Könige, unter
denen die Macht nach außen und innen zurückging. Wie jene auswärtigen
Besitzungen nach und nach verloren gingen, so wurde das griechische
Regiment im Innern geschwächt durch das seit Philopator zu beobachtende
Erstarken des ägyptischen Xationalismus, das zu immer erneuten natio-
nalen Aufständen führte (s. unten § 4), nicht minder aber auch durch die
seit Philometor ausbrechenden dynastischen Streitigkeiten, die gelegentlich
— wie bei dem Kampfe zwischen Euergetes II und seiner Schwester
Kleopatra II — das ganze Land in zwei feindliche Lager trennten. Gerade
auf die Kämpfe zwischen diesen beiden Geschwistern werfen mehrere
Papyrusurkunden neues Licht. So haben sie uns gelehrt, daß Kleopatra II
im 39. Jahre ihres Bruders (132/1) als θεά Φίλομήτωρ Σώτειρα ihr 1. Regie-
rungsjahr zu zählen begann.*) Je nachdem die Urkunden nach diesen Jahren
der Kleopatra oder nach denen des Euergetes datiert sind, haben wir es
mit Anhängern der einen oder anderen Partei zu tun. Von den damals
in der Thebais geführten Kämpfen handeln namentlich mehrere der von
Revülout in den „Melanges" herausgegebenen Papyri, die ich iu den
„Urkunden der Ptolemäerzeit" neu edieren und kommentieren werde. Hier
genüge als Beispiel P. Louvre 10594 (10). Vgl. auch Theb. Akt. VIII
(= Melanges 338) und XI, auch BGU 993 (in Kap. II).
Außer diesen inneren Gründen hat zum Niedergang der ptolemäischen
Macht die durch das Erstarken Roms geänderte Weltlage geführt. Seit-
dem Rom in Betätigung der schon seit Philadelphos (273) bestehenden
freundschaftlichen Beziehungen gegenüber den Ajigriffen Antiochos des
Großen und Philipps von Makedonien seine schützende Hand über den
unmündigen Epiphanes gehalten hatte, ist der römische Einfluß auf die
Geschicke der Dynastie und des Landes langsam aber beständig gewachsen.
Das Einzige, was die Papyri bisher zur Geschichte dieser römischen Be-
ziehungen beigesteuert haben, ist der Bericht über die Vorbereitungen
zum Empfange eines römischen Senators im Faijum vom Jahre 112 v. Chr.,
der trotz si*iner Kürze Bände spricht. Vgl. Teb. 33 (3).
Das absolutistische Prinzip tritt uns nun in der Regierung vor allem
in der völligen Zentralisation aller Regierungsgewalt in der Person des
Königs entgegen. Der König war in allen Ressorts, in der Finanz-,
Militär- und Provinzialverwaltung, im Kultus wie in der Justiz die höchste
Instanz, der die letzte Entscheidung zustand. Die von ihm erlaesenen
νόμοι Howie seine διαγράμματα und :ΐροθτάγματα n»gierten das Land. Zur
Bewältigung dieser gewaltigen Aufgaben stand ihm ein bis ins Feinste
gegliedertes Heer von „königlichen"*) Beamten zur Verfügung. Die ttg-
1 ,^.. ,......, ., .,..^. w ,..,.>ful. 1904 8. Mf Wn.k.m, \rch TV024
L'j Vgl. z. 13. 0Ϊ XU (iitodinä η^αγμαηυόμΛψα in Lt*id
6 Kapitel Ι. Allgemeine historische Grundzüge.
liehen Eingänge an Aktenstücken, die der Erledigung bedurften, an Be-
richten und Anfragen der Beamten sowie an Bittschriften und Klage-
schriften der Untertanen müssen ganz ungeheure gewesen sein, znmal die
Vorschrift, daß die an den König zu richtenden Episteln auf dringende
Fälle zu beschränken und möglichst kurz zu fassen seien (BGÜ III 1011
II 5 ff.), oft genug außer Acht gelassen wurde. Ihre Erledigung sowie
die Audienzen, die in Alexandrien in der Königsburg ^) wie auch auf den
gelegentlichen Reisen im Lande ^) erteilt wurden, stellten an den Herrscher,
der seine Pflichten ernst nahm, die höchsten Anforderungen, und in diesem
Sinne kann Mommsens Yergleichung des ptolemäischen Regiments mit
dem fridericianischen als zutreffend bezeichnet werden.^) AUe Regierungs-
geschäfte, die der König von früh bis spät erledigte, wurden täglich genau
gebucht in den königlichen Ephemeriden, die die Ptolemäer wie andere
Diadochen nach dem Muster Alexanders des Großen führen ließen.*) Die
Eingaben wurden teils durch Subskriptionen (νπογραφαό\ teils durch be-
sondere Briefe (έτηβτολαϊ) erledigt.^) Hierzu hatte der König seine Kanzlei,
an deren Spitze der έττιοτολογράφος stand, der begreiflicherweise eine
sehr einflußreiche Persönlichkeit war.^) Im IL Jahrh. ist er der Klasse
der ΰυγγενεΐξ zugewiesen worden (vgl. Dittenberger Or. Gr. 139, P. Leid.
G — H, GIG III 4717). Daß in dem Brief des Timoxenos aus dem III. Jahrh.
(Witkowski n. 25) dieser Titel fehlt, ist natürlich kein Beweis dafür, daß
der dort gemeinte έΛΐ,οτολογράφο£ Lysis nicht dieser hohe königliche
Beamte wäre. Von dem ετΐίΰτολογράφοζ wird unterschieden der ντζομ,νη-
ματογράφοζ^ bisher nur vom IL Jahrh. an bezeugt, wie jener ein ΰνγγενής.
Ebensowenig wie der Epistolograph beschränkt er sich etwa auf die „geist-
lichen^^ Angelegenheiten, sondern hat z. B. auch mit der Domanialverwal-
tung zu tun (Teb. I Gib 34 usw.). Derselbe v7toμ.vημaτoγράφog (^μφνκλης)
ist für die Thebais und für das Faijüm tätig ("vgl. Arch. I 61 mit Teb. 1. c),
also für das ganze Land kompetent. Nach welchem Gesichtspunkt unter
diese beiden Kabinettschefs die Geschäfte verteilt waren, ist noch eine
offene Frage, deren genauere Untersuchung erwünscht wäre. Erschwert
wird das Problem dadurch, daß es auch Beamte mit denselben Titeln
1) Ygl. den χρημκΐίοτίτιος τΐυλών bei Pol. 15, 31, 2.
2) Vgl. die Serapeumstexte.
3) Rom. Gesch. Υ 559. Ygl. andererseits die berechtigten Einschränkungen von
Pöhlmann, Grundriß d. griech. Gesch.' 265.
4) Wildken^' Τποιινημ,αησμ,οί (Philolog. 53, 110 ff.). Die Hauptstelle ist Ps. Aristeas
§ 298 f. ed. Wendland.
5) Ygl. im allgemeinen Fr. Preisigke, Griech, Papyrus - Urkunden und Bareau-
dienst im griechisch-römischen Ägypten (Archiv f. Post und Telegraphie Nr. 12 u. 13
vom Jahre 1904).
6) Aber kein „Kultusminister", wie Letronne annahm, der ihn mit dem Alexander-
priester kombinierte. Ygl. hiergegen Wilcken, Die Obeliskeninschrift von Philae
(Hermes 22, 1 ff.). Auch Stracks Auffassung (Arch. II 557) kann ich nicht zustimmen.
Α. Die Ptolemäerzeit. § 1. Das Regiment. 7
außerhalb der königlichen Kanzlei gegeben zu haben scheint. Vgl. Teb.
112, 87, wo eine Kumulierung beider Amter in einer Hand vorliegt.
Die dem König vor der Absendung vorgelegten Briefe bedurften seiner
eigenhändigen Unterschrift, die in der im Altertum üblichen Weise ^)
erfolgte, daß er eine Grußformel darunterschrieb. So ist uns in Leid. G., 6
in άβιη'Έρρωοΰ^ε wahrscheinlich ein Autogramm des Ptolemaios Alexandros
erhalten. Für die Beförderung der Korrespondenzen des Königs sowie
auch der Beamten war ein aus der persischen Verwaltung übernommener
Reichspostdienst eingerichtet, über den uns Hib. 110 Verso aufklärt. A^gl.
Kap. X.
Von den Hofchargen, die den König umgaben*), hoben sich die
Reichsbeamten scharf ab. Mit schlichten Titeln, die der Vorstellung von
der privat wirtschaftlichen Verwaltung des Landes durch den König als
den Herrn entsprechen, wie δίοίχητής, οικονόμος usw., treten sie uns ent-
gegen. Erst durch die Flinders-Petrie-Papyri und die weiteren Funde aus
dem lU. Jahrhundert haben wir gelernt, daß damals die aus jüngeren
Urkunden und Autoren uns geläufigen Zuweisungen dieser Beamten an
bestimmte Hof-Rangklassen noch nicht bestanden haben.*) Wie eine Aus-
nahme erscheint es uns jetzt, wenn in der Mitte des III. Jahrhunderts
ein διοικητής auch als άρχίόύ^μάτοφνλα^, bezeichnet wird*); doch wird hier
eine Λvirkliche Kumulierung des Hofamtes mit dem Amt des Finanz-
chefs vorliegen.^) Erst Epiphanes ist es gewesen, der, wohl um nach
der Revolutionszeit die Getreuen fester an sich zu schließen, das billige
Mittel der Zuweisung seiner Beamten an die Hof-Rangklassen der όνγγε-
νεΐς und ομότιμοι τοΙς övyysvtöLV^ der άρχιοωματοφνλαχες, der «ρώτο^
φίλοι und φίλοι und der διάδοχοι eingeführt hat.^) Wahrscheinlich hat
es diese Titel als Bezeichnung für Hofbeamte auch schon vorher ge-
geben. Die Neuerung des Epiphanes wird nur darin bestehen, daß er die
Reichsbeamten durch Verleihung jener Hoftitel ehrte.*^)
Die verschiedenen Ressortchefs unterstanden direkt dem König. Die
Vermutung, daß es zwischen ihnen und dem König einen Vezir nach
Art der persischen Chiliarchen mit dem Titel eines έπΙ των .τραγμάτων
1) Vgl. Ο. Bruns, Die üntorecbriften in den rOmieohen Reohtforkonden (Abh.
Prfuß. Akad. 9. Milrz 1876).
2) Vgl. Lumbroeo, Ilecherche• 189 flf. Bouch^Leoleroq III 101 ff.
8) Zueret beobachtet von Mahaffy, genauer nftohgewieMD and gewflrdigt von
Strack, Rh. Mui. 66, 161 ff. Vgl. Willrich, K'- - Mu.r
A) Vgl. Grenf. II U (b); Petr. III S. iri
Γ}) Daher heißt er auch άρχίάωμίίχοφνίαί, u. ,.χκιωμαχ^ίΐ'Α» ν.• 1'- ii
kam auch joik? Bezeichnung tpftier iitulftr vor.
6) Vgl. Strack 1. c.
7) Vgl. zu Uioter noch offBoen Fragt El _ >"• tV
8 Kapitel Ι. Allgemeine historische Grundzüge.
gegeben habe^), ist nicht zu erweisen und ist abzulehnen.^) Die Tätig-
keiten der verschiedenen Ressorts sowie ihre Organe werden in den folgen-
den Kapiteln sowie im IL Bande zur Darstellung kommen.
§ 2. DIE LANDESYERWALTUNG.
Wie Alexander der Große haben auch die Ptolemäer die Einteilung
des Landes in Ober- und Unterägypten beibehalten, und zwar mit der-
selben Grenzlinie, die im Neuen Reich festgelegt war.^) Sowohl die beiden
Gaulisten des Rev. Pap. 31 und 60 ff. (vgl. Griech. Ostraka I 424) aus
dem III. Jahrhundert wie das Zeugnis des Agatharchides aus dem IL Jahr-
hundert*) zeigen, daß diese Grenzlinie mit der Südgrenze des Herraopolites
zusammenfiel.^) Das gesamte Land südlich vom Hermopolites wurde mit
dem Namen Θηβαΐς bezeichnet, während es für den nördlichen Teil
Ägyptens einen ähnlich zusammenfassenden Namen nicht gegeben hat.
Die früher herrschende Annahme, daß es schon in der Ptolemäerzeit eine
Dreiteilung des Landes gegeben habe, ist durch die Papyri widerlegt
worden.^)
Sowohl Ober-'^) wie Unterägypten waren aus Gauen (νομοί) zusammen-
gesetzt, die nach der Unterbrechung des Neuen Reiches wieder seit der
Sa'itenzeit wie einst schon im Alten und Mittleren Reich Verwaltungsein-
heiten darstellten.^) Die Abgrenzung der Gaue und ihre Zahl hat sich
während der Ptolemäerzeit ebenso wie vorher und nachher mehrfach ge-
ändert, indem gelegentlich ein Gau in zwei gespalten wurde, oder auch
mehrere zu einem Verwaltungsbezirk zusammengelegt wurden.^) Staats-
rechtlich stand das in Gaue geteilte Land (χώρα), auch Αίγυπτος im
1) Vgl. Beloch, Griech. Gesch. ΙΠ 391 f.
2) Bei der großen Fülle des Materials ist man hier wohl berechtigt, a silentio
zu schließen. Positiv ist dagegen z. B. auf Teb. 5, 248 hinzuweisen, wo mit τονς έηϊ
τνραγμάτων τεταγμένους ganz allgemein die Beamten bezeichnet werden.
3) Vgl. G. Steindorff, Die ägyptischen Gaue und ihre politische Entwicklung
(Abh. Sachs. Ges. d. Wiss. 1909) 863 ff. Im Alten und Mittleren Reich beschränkte
sich Unterägypten auf das Delta.
4) Geogr. Graec. min. ed. C. Müller I S. 122 § 22.
5) Was es bedeutet, daß Oxyrhynchos, das nördlich vom Hermopolites liegt, in
den Texten des I. Jahrh. v. Chr. (Oxy. II 236) vde auch später als zur Θηβαΐς ge-
hörig bezeichnet wird, ist noch nicht aufgeklärt. Es muß hier eine andere Bedeutung
von Θηβαΐς vorliegen.
6) Vgl. Wilcken, Griech. Ostr. I 423 ff.
7) Mit Unrecht ist daraus, daß der Rev. P. nicht die einzelnen Gaue der Thebais
nennt, gefolgert worden, daß die Thebais bis auf Epiphanes ein ungeteilter Ver-
waltungsbezirk gewesen sei. Vgl. jetzt Eleph. 17, 15; 18, 4 und dazu Archiv V215.
8) So nach Steindorff 1. c, der gezeigt hat, daß im Neuen Reich statt der Gaue
die Städte die Organe der Verwaltung bildeten — ähnlich wie es jetzt für die byzan-
tinische Zeit vom IV. Jahrh. an nachgewiesen ist. S. unien Abschnitt C § 3.
9) Vgl. z.B. Bouche-Leclercq III 127; G. A. Gerhard, Philolog. 63, 521 ff.
Α. Die Ptolemäerzeit. § 2. Die Landesverwaltung. 9
engeren Sinne genannt^), im Gegensatz zu Alexandrien als der πόλις χατ
ί^οχην. Außer Alexandrien waren auch die Griechenstädte Naukratis und
Ptolemais von der Kompetenz des Gaubeamten eximiert (s. unten S. 12).
Jeder Gau hatte seine Metropole, die, wie das religiöse Zentrum (s. Kap. U),
so auch der Sitz der Gauverwaltung war. Diese Metropolen hatten keinerlei
Autonomie, kannten weder βονλή noch δήμος, und waren staatsrechtlich
nichts anderes als große Dörfer (κώμαιΥ) Daß ihre Namen vielfach mit
aoUg zusammengesetzt sind, hat keine rechtliche Bedeutung: diese Namen
sind meist Übersetzungen der ägyptischen Namen, die den Ort als „Stadt"
des und des Gottes bezeichnen. Auch daß die Metropole gelegentlich
von den Dörflern des betreffenden Gaues als πόλις bezeichnet wird'), ändert
nichts an ihrem rechtlichen Charakter. Außer der Metropole bildeten den
Gau die meist zahlreichen Dörfer (κώμαί) mit ihren Dorffluren, deren
Verwaltung den zentralen Gaubehörden in der Metropole unterstand.
Der Gau war in der Regel in einen südlichen und einen nördlichen
Teil gegliedert, die meist wohl durch einen von West nach Ost gehenden
Hauptkanal als ίίνω und κάτω geschieden waren. Zerfielen diese beiden
Hälften wieder wie oft in mehrere Unterbezirke {τόποι ^ τοπορχίαί)^ so
führten die von Süd nach Nord sich gegenüberliegenden Toparchien
denselben Namen und wurden nur durch die Hinzufügung von ανω bzw.
χάτω von einander unterschieden. Vielleicht gibt die alte Hieroglyphe
für „Gau*^ -fttif ^^s ^i^^ eines in Toparchien eingeteilten Gaues.*) Inner-
halb der Toparchien lagen dann die einzelnen χώμαι. Eine Besonder-
heit des Faijüm ist es, daß diese Landschaft — die λίμνη oder dann der
^ίρόινοίτης νομός genannt — abgesehen von diesen Toparchien in drei
μερίδες zerfiel, die schon seit dem ΠΙ. Jahrh. y. Chr. mit den feetstehen-
den Namen Ήραχλείδον^ Πολεμωνος und Θεμίοτον μερίς benannt wurden.*)
Dieser Gliederung des Landes entsprach die Gliederung des Ver-
waltungsapparates. Zwar die Teilung der gesamten χώρα in Ober-
und Unterägypten hat — abgesehen von der vorübergehenden Einrichtung
Alexanders des Großen*) — nicht zur Schaffung von Oberbeamten für die
1) Vgl. Wilcken, Archiv IV 392.
2) So ichon Kuhn, Stadt. VerfuuKun^' II 6»:;
3; Vgl. Arch. IV 8'Jl.
4) Vgl. Wilcken, Obecrvat. ad hist. Aeg. prov. \Umx. p. 2ß. Griech. Oftr. I 498.
Ale Beiepiel vgl. BGU II 662—667.
6) Zu ihnT örtlichen Abgrenzung vgl. jetzt Grenfell-H mit, Tcb. II 8. 849 ff. neb•!
plate III: 'HQaxUldov im Nordm nnd Onten, θ§μίαχον im ^VΓ^t«•n und Ποϋφ/ηψος im
Süden. — Von dienen drei groürn fitQidti lind »u •cboidcn die μ4(*ίΟ*ς, in die die
νομαρχίαι de• Faijum /.erfieli'n. Vgl. I'«tr. III I 2» (2), 8.
6) Alexander hatte die Zivilvcrwaltang de• Land•• uot< Nomaroben^ g•-
«iellt (Arrian. Anub. III, 6, 2), deren Amtagebieie wahnohi .«r- md Unter-
Ägypten ent«prachon. Nach dem baldigen Uflcktriit de• einen halt• der andere die
ganze χώρα übernommen.
IQ Kapitel I. Allgemeine historische Grundzüge.
beiden Landeshälften geführt. Die frühere aprioristische Annahme, daß
die mit dem Titel έπιοτράτηγοί aus späterer Zeit bekannten Oberbeamten
der Landesteile von Anfang an bestanden hätten, ist durch die Flinders-
Petrie-Papyri und die weiteren Texte des IIL Jahrhunderts als irrig er-
wiesen worden.^) Vielmehr ist ein solcher Sonderbeamter erst seit
dem IL Jahrhundert v. Chr. nachweisbar, und auch nur für die
Thebais.^) Es scheint, daß die großen Revolutionen in der Thebais
unter Epiphanes (s. unten S. 21) den Anlaß gegeben haben, nach der Be-
ruhigung und Wiedergewinnung des Landes ein besonderes militärisches
Kommando für die von der Hauptstadt weit entfernte Thebais zu schaffen.
Dies würde erklären, weshalb nicht auch für Unterägypten ein Parallel-
kommando geschaffen worden ist. Es ist möglich, daß zunächst nur für
einzelne Fälle ein solcher Kommandant geschickt wurde, und erst allmäh-
lich die „Epistrategie" der Thebais als ein kontinuierliches Amt einge-
richtet worden ist. Die beiden Titel επιότράτηγος und ότρατηγος της
Θηβαΐδος, die von Hause aus wohl etwas Verschiedenes bedeuten, erscheinen
bald einzeln, bald kombiniert. Daß dann der Epistratege auch zivile Funk-
tionen erhielt, so im besonderen auch in der Rechtsprechung (vgl. Band Π),
entspricht der allgemeinen Entwicklung und findet in der Umbildung der
Gau-Strategie seine Parallele.
An der Spitze der Gaue^) fanden die Griechen ägyptische Beamte
vor, deren Titel sie mit νομάρχης wiedergaben.^) Alexander der Große,
der schon in Ägypten anfing, die Eingeborenen heranzuziehen, was er
dann in Asien noch energischer durchführte, hat diese Nomarchen der
einzelnen Gaue, im besonderen in ihrer Kompetenz für die Steuerein-
treibung ihres Gaues bestehen lassen.^) So begegnen sie in der Zeit
Alexanders in Ps. Aristot. Oeconom. Π 33. Diese Nomarchen haben auch
die Ptolemäer beibehalten, doch ist ihre Bedeutung für die ptolemäische
Zeit noch recht dunkel, und eine neue Untersuchung dieses Problems
wäre sehr erwünscht. Grenfell und Hunt wollen den Titel nicht von
ψομός (Gau) ableiten, sondern von νομός = νομή = distribution (of crops).^)
Dann würden sie also von den Nomarchen Alexanders völlig zu scheiden
1) Zuerst bemerkt von E. ßevillout, Proceed. Soc. Bibl. Arch. 1892 S. 130, Wilcken,
OGA 1895 S. 145.
2) Für die Epistrategen vgl. jetzt die wertvolle Studie von Victor Martin,
L'Epistratege dans l'Egypte Greco-Romaine, deren Drucklegung bevorsteht.
3) Vgl. Bouche-Leclercq ΙΠ 126 ff.
4) Vgl. flerodot II 177. Diod. I 73. Ps. Aristot. Oeconom. II 25.
5) Arrian, Anab. ΙΠ 5, 4. Diese Gaunomarchen sind natürlich zu scheiden von
jenen zwei von Alexander über Ober- und Unterägypten gesetzten ägyptischen Be-
amten, die Arrian (^offenbar inoffiziell) gleichfalls als νομάρχαι bezeichnet (s. oben
S. 9, Anm. 6). Zu letzterem Terminus vgl. etwa Arrian, Anab. V 8, 3; 18, 2. Vgl.
auch Herod. III 90 f., wo die Satrapien als Steuerdistrikte νομοί genannt werden.
6) Rev. Pap. S. 133. Teb. I S. 213.
Α. Die Ptolemäerzeit. § 2. Die Landesverwaltung. 11
sein. Ich möchte eher glauhen, daß die ptolemäischen νομάρχαι von Hause
aus dieselben sind wie die Alexanders, daß aber entsprechend der ver-
änderten Eingeborenenpolitik der Ptolemäer (s. unten S. 19 f.) ihre Stellung
modifiziert worden ist, erstens dadurch, daß diese Posten nicht aus-
schließlich den Ägyptern überlassen, sondern auch Griechen überwiesen
wurden*), und vor allem dadurch, daß ihnen makedonisch -griechische
οτρατηγοί als Befehlshaber der im Gau stationierten Truppen vorgesetzt
wurden. Eine Abweichung des ursprünglichen Sinnes des νομαρχίας tritt
uns auch darin entgegen, daß in größeren Gauen mehr als ein νομάρχης
vorhanden war. Belegt ist dies für das Faijüm, das ja auch sonst manche
Eigentümlichkeiten (wie die drei μερίβεξ) zeigt. Hier sind für das ΠΙ. Jahrh.
nicht weniger als sieben νομαρχίαι bezeugt, die ihrerseits wieder in μερίδες
geteilt sind.-) Aber das sind offenbar Ausnahmen, die durch die beson-
deren Verhältnisse des Gaues bedingt waren. Jene οτρατηγοί, die von Hause
aus ganz gewiß rein militärische Funktionen hatten, sind nun schon früh
auch zu zivilen Aufgaben herangezogen worden. Nicht erst im Π. Jahrh.
V. Chr.^), sondern schon in der Mitte des lU. Jahrh. treten uns Belege
entgegen.*) So spielen sie im Gerichtswesen eine RoUe, insofern z. B.
nach den Magdola-Pap. usw. έντεύξει,ς bei ihnen eingereicht wurden (s. Band Π
Kap. I). Vgl. auch Hibeh 92 und 93. Mit rein zivilen Dingen (Tempel-
angelegenheiten) hat der Stratege auch in Hibeh 72, 14 (a. 241) zu tun.
Im Laufe der Jahrhunderte haben sich diese Strategen dann immer mehr
/u zivilen Gauchefs entwickelt. In dieser Zeit ist dann die Nomarchie
gelegentlich mit der Strategie praktisch kombiniert worden, vgl. z. B.
Tur. 1, 1, 14, was früher zu der irrigen Annahme der Identität der beiden
Amter geführt hat.^)
Unter dem Strategen als Haupt der Gauverwaltung steht als seine
rechte Hand der ßaöiXtxbg γραμματεύς^ ein Titel, der nichts als eine
Übersetzung eines uralten ägyptischen Titels ist. Seine Kompetenzen auf
<len verschiedenen Verwaltungsgebieten, die in den nächsten Kapiteln
hervortreten werden, erstrecken sich wie die des Strategen auf den
ganzen Gau.
Unter diesen Gaubeamten rangieren dann die Beamten der ?er8chie-
<lenen Bezirke. So hat jede Toparchie (s. oben) ihren τοπάρχης und ihren
τοπογραμματενς, jedes Dorf seinen κωμαρχης und χωιιο) θ((ΐιαατεύς. Die
1) Unter den 7 Nomarchien, die wir im III. Jahrh. v. Lhr
heißen nur zwei nach einem Ägypter {kxoanig und'SlQos). Vgl. Hmi.
2) 8. Torige Anmerkung.
a) So H. Maepero, Lee finanoe•, der darin irrtOmlich cii, atlichen Unier-
•cbicd zwischen dem III. and II. Jahrh. sah.
4) Wilcken bei J. 0. Droysen, Kloin. Schrift. U 4»7.
6) Dagegen «chon J. 0. DrojNon, detien Aniicht betUtigt wurde durch die
Pelr. Piip V',*] WnrV..n Iwi Drojion, Klein Sehr II 487.
12 Kapitel Ι. Allgemeine historische Grundzüge.
Bedeutung und das Verhältnis des Toparchen und Komarclien einerseits
und der τοΛογραμματεΐς und κωμογραμματεΐς andererseits zueinander
scheint im Laufe der Jahrhunderte sich verändert zu haben. Während
im III. Jahrh. jene, sind es vom IL Jahrh. an diese, die in der Verwaltung
eine größere Rolle gespielt zu haben scheinen.^) Bezüglich der Ernennung
und Anstellung dieser Behörden sind wir genauer nur über den κωμ,ο-
γραμματενς orientiert. Nach Teb. 10 vom J. 119 v. Chr. wird er vom
διοικητής^ dem höchsten Finanzchef (vgl. Kap. IV) ernannt, ist also ein
staatlicher Beamter. Die Ernennung erfolgt in diesem Falle, nachdem
der Kandidat gewisse Versprechungen gemacht hat. Vgl. auch Teb. 9
und 11. über den έΛίοτάτης της κώμης (wie auch τοϋ νομοϋ) vgl. Kap. XL
Über die Gehaltsfrage liegen zurzeit nur dürftige Andeutungen vor.
Falls P. Lille 3 wirklich die Korrespondenzen eines βαύίλικος γραμματεύς
enthält, so hat dieser Beamte ein monatliches όψώνυον bekommen (III 40 ff.),
doch ist die Prämisse nicht ganz sicher. Ob Teb. 29, 13 f. einen Hinweis
auf das dem κωμογραμματενς vom Staat ausgesetzte Gehalt (ντίοκείμενον)
enthält, ist zweifelhaft.^)
§ 3. DIE GRIECHENSTÄDTE.
Eximiert von dieser Gauverfassung waren die Griechenstädte, deren
es in der Ptolemäerzeit nur drei gegeben hat, Naukratis, Alexandrien und
Ptolemais.
Die älteste griechische Ansiedlung in Ägypten — abgesehen von
Μίληΰίων τείχος — ist Naukratis^), das in der Mitte des VII. Jahrh.
zur Zeit des Psammetich I von Milesiern am kanobischen Nilarm*) be-
gründet und dann von Amasis zum einzigen Emporium der in Ägypten
handeltreibenden Griechen gemacht worden ist.^) An diesem Ausbau der
Stadt unter Amasis beteiligten sich äolische, ionische und dorische Städte,
aus dem Mutterlande nur Ägina.*^) Über die Verfassung der Stadt liegen
sehr dürftige Nachrichten vor. Hermeias bei Athenaios IV p. 149 D be-
1) Vgl, M. Engers, de aegyptiarum κωμών administratione qualis fuerit aetate
Lagidarum, Groningen 1909, S. 16 IF. , der die Zeiten genauer scheidet als Hohlwein,
Tadministration des villages egyptiens ä l'epoque greco - romain (Musee Beige X,
1906, S. 38 £F.).
2) Zu dieser Deutung von νΛοκείμενον vgl. Martin, L'Epistratege.
3) Vgl. Naukratis by Flinders Petrie, P. Gardner and Griffith I (1886), II (1888).
Wilcken, Griech. Ostraka I 433. Preisigke, Stadt. Beamtenwesen, S. 1 f . Bouche-
Leclercq, Eist. d. Lag. III 144 f. Prinz, Funde aus Naukratis (Klio VII. Beiheft 1908).
Schubart, Klio X 55.
4) Die Ruinen entdeckte Flinders Petrie 1884/5 bei Nebireh.
5) Prinz 1. c. 1 ff., 109 ff. Daß auch eine Übersiedlung aller in Ägypten woh-
nenden Griechen damals durchgeführt sei (Prinz), scheint mir nicht erwiesen zu sein.
Schon die Hellenomemphiten sprechen dagegen.
6) Vgl. Herodot II 178.
Α. Die Ptolemäerzeit. § 3. Die Griechenstädte. 13
zeugt ein τίρντανεΐον und die (ionische) Behörde der τιμουχοί. Da die
Autonomie durch das für Alexanders Zeit bezeugte Münzrecht feststeht^),
so ist eine βουλή anzunehmen, wenn auch kein direktes Zeugnis vorliegt.*)
Eine Einteilung der Bürger in φνλαί und δήμοι wird nicht belegt, ist
aber auch nicht zu supponieren ^), da die Gründung vor die Demenordnung
des Kleisthenes fäUt, die erst das Muster für andere Städte abgegeben
hat.*) Von einer späteren Einführung in Naukratis wissen wir aber
nichts.^)
Die Papyri haben bisher wenig Aufklärung über Naukratis gebracht.•)
Eine sehr wichtige Bestimmung aus dem Recht der Stadt Naukratis ent-
hält ein Text der Kaiserzeit (P. Compt. Rend. 1905 [27]), die sicher auch
auf die Ptolemäerzeit, ja auf die Anfänge der Stadt zu beziehen ist:
danach haben die Naukratiten keine έπιγαμία mit den Ägyptern gehabt.^
Diese Bestimmung ist begreiflich für eine Stadt, die zu einer Zeit ge-
gründet wurde, da der Gegensatz τοη "^Ελληνες und βάρβαροι in voller
Kraft war. Da sie nach jenem Papyrus auch noch in der Kaiserzeit be-
stand, so wird die Bevölkerung von Naukratis ihre Rasse besonders rein
erhalten haben. Jedenfalls wird der Ansicht Mahaffys, daß Naukratis in
der Ptolemäerzeit α mere egyptian town gewesen sei, hierdurch der Boden
entzogen. ®)
Für die Verfassung ist die durch Rev. P. 60: kv τωι Σαίτψ όνν Nav-
χράτει gegebene Bestätigung wichtig, daß die Stadt außerhalb der Gau-
verwaltung stand.
Lumbroso (Recherches 222) hat vermutet, daß P. Par. 60»»*• (30) mit
der Erwähnung der τιμονχοί und eines 'Ελλήνων sich auf Naukratis be-
ziehe (wegen Hermeias 1. c.).^) Ich glaube eine andere Deutung vor-
schlagen zu soUen (s. den Kommentar).
Nachdem Naukratis schon im V. Jahrb. von der Höhe der Handele-
bedeutung, die es im VI. Jahrh. gehabt hatte, heruntergekommen war, ist
es durch die Gründung von Alexandrien natürlich ganz geschwächt worden.
1; Head, Nnmiemat. Chionicle VI, 8. Ser. Θ. 11, und in NftukraÜi I ββί.
2) Das TtQvtavtlov bei Hermeias wilre an sich noch kein eioherer Beleg. Vgl.
Mommsen, RG V 567 Anm. 1. Prinz 1. c. 116.
8) Wie z. Π. Schubart, Arch. V 84 Anm. 3 tut.
4) Vgl. Perdrizet, Le fraffraent de Satyro• (Eer. d. Äud. anc. XII, 1910, «21).
5) Auch Dittonbcr^er, Or. Qr. I 120 nötigt nicht tn der Annahme.
β; Die InHchrift bei DittenberKO'• "- * • ' "'• .•--.:.... ---• Ver^n^omv)
ist leider nicht eindeutig.
7) Den γαμιχός νόμος τοη NauKrnuH «twhi V • V-
Arch. ΠΙ 66«.
8) Kinpire of the Ptolemie• 8. 81. Dagegen ecüuu wu. ι λ
Ι 488 Anm. 1.
9) AU sicher tiebt et Print 1. o. 116 an, wilhre»
beetreitet.
14 Kapitel Ι. Allgemeine historische Grundzüge.
Alexandrien^) wurde von Alexander dem Großen während seines
ägyptischen Aufenthaltes (332/1) im Anschluß an das Fischerdorf Rhakotis,
zwischen der Insel Pharos und dem Mareotischen See gegründet.'^) Mit
dem Scharfblick des Genies hatte er hier den Platz gefunden, der zum
Emporium des künftigen Welthandels prädestiniert war.^) Dagegen konnte
er nicht vorhersehen, daß Alexandrien auch Mittelpunkt der Weltkultur
werden würde. Dies ist es erst dadurch geworden, daß es nach dem
Scheitern von Alexanders Weltherrschaftsplänen die Residenz der Dynastie
eines kleineren Reiches wurde, die alles daran setzte, nun durch Schaffung
glänzender Institute wie des Museums und der Bibliotheken die ersten
geistigen Kapazitäten an ihre Residenz zu fesseln. Leider haben bisher
die Papyri, da sie Alexandrien nur selten nennen, für die materielle und
geistige Entwicklung Alexandriens nur wenige neue Aufschlüsse gebracht,
wenn sie auch im allgemeinen die Bedeutung der Stadt für das Land und
auch ihre Bevölkerungsverhältnisse klarer hervortreten lassen. Auch die
viel umstrittene Frage der Verfassung der Stadt ist nach wie vor noch
sehr dunkel.
Zur Beurteilung dieser letzteren Frage wird vor allem davon auszu-
gehen sein, daß Alexandrien durch Ptolemaios I zur königlichen Residenz
seines Gesamtreiches gemacht worden ist.^) Es war also eine Königsstadt,
mit imposanten Palastanlagen und starker königlicher Garnison. Diese
Residenz war — mindestens seit Philopator, vielleicht aber auch vorher —
dem Befehl eines königlichen Stadthauptmanns anvertraut, der zunächst
wohl nur im Falle der Abwesenheit des Königs eintrat, allmählich aber
eine dauernde Institution wurde. ^) Die überraschende Analogie mit dem
kaiserlichen praefectus urbi bestärkt mich darin, in ihm weniger den
Stadtkommandanten als den Polizeimeister zu sehen. Dieser alexandri-
nische Beamte hieß anfangs ό επΙ της Λολεως^) — wie auch in kyp ri-
echen Städten unter der Ptolemäerherrschaft ^) — , während er gegen Ende
der Ptolemäerzeit als οτρατηγος rfjg πόλεως erscheint^) und als solcher
auch in die Kaiserzeit hinübergegangen ist.
Wenn auch das \^orhandensein eines solchen ότρατηγος της πόλεως
1) Vgl. Preisigke 1. c. 4 ff. Bouche-Leclercq ΠΙ 147 ff. Schubart, Klio X 55 ff.
2) Vgl. Puchstein, Pauly-Wissowa I 1376 ff.
3) Da Alexandrien -westlich vom westlichsten Nilarm liegt, ist es nicht durch
die vom Nil ausgeführten Schlammassen gefährdet, da die Meeresströmung hier von
West nach Ost geht.
4) Aus Alexanders Zeit erfahren wir nur, daß nach dem ersten Aufbau der
Stadt das έμηόριον von Kanopos nach Alexandrien verlegt werden sollte. Vgl. Ps.
Aristot. Oecon. Π 33.
5) Vgl. Schubart, Klio X 68, der auf Polyb. V 39, 3 hinweist.
6) Vgl. außer Polyb. 1. c. N^routsos-Bey, Alexandrie, Inschr. n. 10.
7) Vgl. Schubart 1. c.
8) Dittenberger, Or. Gr. Π 743 (Ι. Jahrh. ν. Chr.). Vgl. auch Strack, Arch. III 135.
Α. Die Ptolemäerzeit. § 3. Die Giiechenstädte. 15
keineswegs eine durch eine βονλή in die Erscheinung tretende Autonomie
der Stadt unmöglich macht ^), so ist doch nicht zu verkennen, daß der
Gesamtcharakter der Stadt als königlicher Residenz in Λ^erbindung mit
der Tatsache, daß bisher auch nicht die leiseste Spur einer alexandrini-
schen ßoidij für diese Zeit nachgewiesen werden konnte*), die Annahme
einer solchen zurzeit erschwert. Immerhin wird man gut tun — zumal
im Hinblick auf die Überraschung, die wir kürzlich in bezug auf die
βονλή von Ptolemais erlebten! — vorsichtshalber die Frage als eine offene*)
zu betrachten, bis endlich einmal ein ganz entscheidendes Zeugnis — nach
der einen oder anderen Seite — zutage kommt. Die Wahrscheinlichkeit
spricht heute allerdings gegen die βονλή.
Klarer sehen wir über die Organisation der Bürgerschaft.*) Von den
Bürgern sind einerseits die Μακεδόνες zu trennen als solche, die eine den
Bürgern übergeordnete Stellung einnahmen, andererseits die nicht zu den
Bürgern gehörenden Griechen soΛvie Perser^) und andere Ausländer, vor
allem die Juden, und endlich die Ägypter. In der nationalistischen Über-
arbeitung des Töpferorakels heißt es von Alexandrien: ^4ντη π[ό]λίς ^v
r(cvτoτρόφog^ [εί]£ ην [κ]ατοίκεί0ϋ•η πάν γένος ανδρών. Vgl. Wilcken,
Hermes 40, 548. Alexandrien ist tatsächlich und zwar von vornherein
keine reine Griechenstadt gewesen. Die Mischung, wie sie sich bis zum
II. Jahrh. entwickelt hatte, charakterisiert Polybius bei Strabo XVII p. 797.
Die Bürger der Stadt zerfielen in zwei Klassen, in diejenige, die in die
Phylen und Demen eingeschrieben waren, und solche, die außerhalb dieser
N'erbände standen, doch aber voUe ^^^λεξανδρείς waren. Die ersteren wurden
!i der Ptolemäerzeit, falls sie nicht, wie namentlich auswärts, !Αλεζ,ανδρεΐ$
j<-nannt wurden, durch das bloße Demotikon (auch ohne Hinweis auf die
! *hyle) gekennzeichnet, die letzteren hießen '.^λε^ανδρείς. Die Töchter der
ersteren — Frauen wurden nicht in die Demenordnung aufgenommen —
wurden άβταί^ die Töchter der letzteren '^λεξανδρ(δες genannt. So
-.Imbart, Arch. V 104 ff.
Die Phylen- und Demenordnung Alexandriens'), die wahrscheinlich
1) Vgl. Wilcken, Arch. III 836; Schubart 1. c. 68, Anm. 8 und 4.
2) Die Schriftetellor widersprechen eich: Dio Gase. 61, 17. vita Severi 17. Die
'ntrtcheidun^ muß durch neue Quellen kommen.
8) So Wilcken, Arch. III 336; Schubart 1. c. 60 ff. Gegen die ßovXi^ Mommien,
iouch^-Leclercq u.A. (Literatur bei letzterem III 164).
4) Vgl. zum folgenden den gnmdlej^enden AufHatz von Schuhart, Arch. V 81 ff.
6) Zu der merkwürdigen Sondemtellung der alexandrininchen Jliifum xfi<i {η»γορής
üch dei a/cuyiuov ilpai vgl. jetzt Lewald, Zur IVrHonulexekuiion im Recht der
.1 11)10.
βι Vgl, LurabroHO, Ricerche Alcwandrine (Meniorio d. H. Acc*<i. d. Soiente dl
iorino 8er. II, 27, 1873); Wilcken, Oött. flel. Anz. 1Mü6, 135 ff., 188. 141 f. KenyoB,
\rch. II 70 ff. Breccia, Bullet, de la Soc. anhdol d'Alex. X (1U08) 169 ff. Schubwi,
\rch. V 81 ff. A. Wilhelm, Beitrilgc z. griech. Ini»chr i""•* ""• •'"•^IriKet, Κβτ. d.
Uid. anc. XII (1910) 217 ff. (lo fragmont de Hatyroh
IQ Kapitel I. Allgemeine historische Grundzüge.
so alt ist wie die Konstituierung der Stadt selbst, hat die Kleisthenische
Ordnung Athens zum Vorbilde. Sie hat im Laufe der Zeit mehrere Ver-
änderungen durchgemacht. So hat nach dem Fragment des Satyros (FHG
in 164) Philopator aus besonderer Verehrung für den Dionysos die Rang-
ordnung der Phylen geändert, indem er die dionysische an die Spitze
stellte.^) Auf eine Erweiterung des Kreises der Demenbürger unter Euer-
getes I läßt wohl die im Faijum (Petr. P.) oft begegnende Klasse der των
οϋΛω έτίηγμένων slg δημον (τον δείνα) schließen, also von Personen, die
schon vorgemerkt sind für den Eintritt in einen bestimmten δήμος j aber
noch nicht eingeführt sind.^) Da die alexandrinische Ordnung in einem
festen Verhältnis zu der von Ptolemais steht — jedes Demotikon kommt
nur einmal vor, entweder in Alexandrien oder in Ptolemais — , so muß
auch schon die Begründung von Ptolemais eine Etappe in der Entwick-
lung der alexandrinischen Ordnung bedeutet haben. ^) Zusammenhängende
Nachrichten über diese Einrichtungen liegen urkundlich*) nur in Pap.
Hib. 28 (25) vor, von dem leider nicht feststeht, auf welche Stadt er
sich bezieht. FaUs er Alexandrien behandelt, so hat diese Stadt 5 Phylen
zu je 12 Demen zu je 12 Phratrien gehabt. Die 5 Phylen würden dann
den 5 Stadtquartieren entsprechen, die nach den Buchstaben ΑΒΓ/1Ε
benannt wurden.^)
Alexandrien war als Residenz auch Zentrale der Reichsverwaltung,
der Sitz der höchsten Reichsbeamten. Die von Strabo XVII p. 797 auf-
gezählten Beamten, die auch schon zur Königszeit πατά πόλυν amtierten,
der Exeget, der Archidikastes, der Hypomnematograph und der Nacht-
stratege, sind wohl meist königliche Beamte; städtisch ist wohl der Ex-
eget.^) Zu den städtischen Beamten gehörte auch der Gymnasiarch und
der Kosmet (vgl. Kap. III).
Das zur Stadt gehörige Landgebiet — die %ώρα των Άλεξανδρεων —
bildete einen Gau mit der Metropole Έρμου Λολις η Μικρά (Damanhur).
Über die αρχαία γη in dieser χώρα vgl. Kap. VII.
Die einzige jtoXig^ die die Ptolemäer in Ägypten gegründet haben,
ist Ptolemais in der Thebais.'^) Die neueren Aufschlüsse über diese
Gründung Ptolemaios' I, die den Mittelpunkt des Griechentums in Ober-
1) Ygl. Schubart u. Perdrizet 11. cc.
2) Vgl. Wilcken, GGA 1. c. Schubart 1. c. 90. 3) Schubart 1. c.
4) In der Literatur vgl. die Schrift des Satyros (FHG ΙΙΓ 164).
5) Über diese Stadtquartiere berichtet Ps. Kallisthenes I 32, Philo in Flaccum § 8
Mang. Π 525. Vgl. Dittenberger, Or. Gr. II 705, auch P. Teb. II 316 (in Kap. ΠΙ).
Vgl. Lumbroso, L'Egitto^ 169.
6) Vgl. Bouche-Leclercq III 154 ff. Schubart, Arch. V 57 Anm. 1.
7) Hierüber vgl. jetzt die das ganze Material zusammenfassende und verarbeitende
Studie von Gerhard Plaumann, Ptolemais in Oberägypten, ein Beitrag zur Geschichte
des Hellenismus in Ägypten (Leipz. Histor. Abh. herausg. v. Brandenburg, Seeliger,
Wilcken, Heft XVHI, 1910).
Α. Die Ptolemäerzeit. § 3. Die Griechenstädte. 17
ägypten darstellte, verdanken wir vor allem den Inschriften, weniger
den Papyri. Auch für Ptolemais wurde früher von manchen die Existenz
einer βουλή geleugnet, bis die wichtige Inschriftenpublikation von Pierre
Jouguet jeden Zweifel an ihr benahm.^) Damit liegen uns mehrere
Yolksdekrete von Ptolemais aus der ersten Hälfte des III. Jahrh. v. Chr.
vor, in denen wir βουλή und δήμος an der Arbeit sehen. Ob der von
Schubart-) zuerst richtig als Dekret von Ptolemais gedeutete P. Faj. 22
in die ptolemäische oder die römische Zeit gehört, ist leider nicht mit
Sicherheit zu erweisen. Jedenfalls besteht kein Grund, anzunehmen, daß
die Stadt in der späteren Ptolemäerzeit ihre Autonomie verloren habe.
Der Rat von Ptolemais wurde nach jenen Inschriften geleitet von sechs
IVytanen, von denen einer zur Zeit den Vorsitz führte (άρχιπ-ρυται/ΐί?),
einer vielleicht der γραμματεύς της /ίουλη^ war^), so daß es also fünf
πρυτάνεις im engeren Sinne gab.
Die Bürger von Ptolemais waren in Phylen und Demen geordnet wie
die alexandrinischen Demenbürger. Ob es daneben (wie in Alexandrien)
auch eine Klasse von Bürgern gegeben, die nicht in den Demen waren
und Πτολεμαιεΐς im engeren Sinne hießen, läßt sich noch nicht sicher
entscheiden.*) Daß die Phylenordnung von Ptolemais, die gewiß sogleich
bei der Gründung der Stadt eingeführt wurde, im Zusammenhang mit der
schon bestehenden alexandrinischen Ordnung eingerichtet wurde, ist schon
oben gesagt: die bloße Nennung des Demotikons genügte, um anzuzeigen,
•b der Träger ein alexandrinischer oder ein ptolemäensischer Bürger war.
Neben den Bürgern hat es auch hier Nichtbürger gegeben, im besonderen
auch Ägypter, wie ja die neue Stadt sich an die ägyptische Ortschaft
Psoi anschloß (wie Alexandrien an Rhakotis).^) Aber das Griechentum
hat sich hier, wie ein Text der Claudischen Zeit zeigt (Lond. III S. 71 ff.),
sehr viel reiner erhalten als in der Weltstadt Alexandrien, so daß es nach
dieser Richtung viel mehr mit dem durch sein Epigamie- Verbot geschützten
Xaukratis zusammenzustellen ist. Es würde zu der Eingeborenenpolitik
ties Soter (s. unten S. 19 f.) nicht sclilecht passen, wenn er in Ptolemais
geradezu ein Epigamie- Verbot eingeführt hätte. Ist das nicht geschehen,
so nötigt der Tatbestand jenes P. Lond. zu der Annahme, daß die Griechen
von Ptolemais durch gesellschaftliche Boykottierung der Eingeborenen sich
selbst geholfen haben.
Wenn aber auch Ptolemais staatsrechtlich durchaus eine autonome
:ιόλις war, so hat doch seine Zugehörigkeit zu einer absoluten Monarchie
1) Vgl. Jouguet, Bull. Corr. hoU. XXI (1897) 8. 184 ff. mit reichem Kommentar
- Diitinbergcr Or. Or. I 47 — 49). Dazu kommt noch die Inechrift bei Stnusk,
Arrh II r,8U n. 8 (— Ditt. Or Cr Π 728). Vgl. daKU PUumann L o. 4 ff.
2) Arch. V 78 Anm. Μ 8) IMaumann 8. 18.
4) PUumann 8. 20 ff. 6) PUuuiiinn 8. 8.
MltltU-Wllokeo: (>niDd«ng• I '
18 Kapitel Ι. Allgemeine historische Grundzüge.
in der Praxis notwendig diese Autonomie durchkreuzen müssen. So
zeigen uns die Yolksdekrete, wie die freien Bürger der Stadt tatsächlicli
yor allem um die Gunst des Königs buhlten.^) Ein anderer Text, nach
dem der höchste königliche Beamte der Thebais, der Epistratege, zugleich
als άρχυΛρντοίπς von Ptolemais bezeichnet wird, zeigt, auf welchen Um-
wegen gelegentlich Kontrolle über die Stadt ausgeübt wurde.^) Das Münz-
recht ist zudem der Stadt nicht konzediert worden.^)
Andere griechische πόλεις als diese drei hat es im ptolemäischen
Ägypten nicht gegeben.*) Wohl mögen sich die Grriechen in den sonstigen
Städten und Dörfern auch irgendwie organisiert haben ^), aber eine staats-
rechtlich schärfer zu fassende Organisation, ein πολίτευμα innerhalb der
Gesamtstadt, läßt sich nach unser m bisherigen Wissen nur in Memphis
wahrscheinlich machen. In Lond. I S. 49 aus dem III. Jahrh. v. Chr.
begegnet ein Έλληνομεμφίτης^ der ev των Έλληνίωυ wohnt. Dies erklärte
ich in den Gott. Gel. Anz. 1894, 725 durch Hinweis auf die Notiz des
Stephanus Byz. s. v. ^Ελληνικός ^ die er aus Aristagoras von Milet ent-
nommen hat (FHG II 98 n. 5): ^Ελληνικον καΙ Καρυκον τόποι εν Μέμφιδι^
αφ' ων ΈλληνομεμφΙταο καΐ ΚαρικομεμφΙται ώς ^ριοταγόρας. Es sind
offenbar die hellenischen und karischen Söldner des Psammetich, die
Amasis nach Herod. II 154 später in Memphis angesiedelt hat. Wenn
man die weitere Notiz des Stephanus s. v. Καρικόν^ wonach die Karer
έπιγαμίας προζ Μεμφίτας τΐοιηοάμενοι, ΚαρομεμφΙται genannt wurden,
auch auf die ΈλληνομεμφΙτοα anwenden darf, so haben auch diese έηιγαμία
mit den MemjJhiten gehabt und sich mit ihnen vermischt. Der einzige
HeRenomemphit, den wir aus jenem Lond. kennen lernen, hat einen rein
ägyptischen Namen, wie auch seine Nachbarn. Trotz dieser Rassen-
mischung haben diese HeUenomemphiten dort ein „hellenisches" Quartier
gebildet und sich um ein 'Ελλήνων geschart (P. Lond.) Ob das πολί-
τευμα in der memphitischen Inschrift Dittenberger Or. Gr. II 737 eben die
Organisation dieser HeUenomemphiten ist, wie Schubart vermutet hat,
(Klio X 63 Anm. 2), ist mir sehr zweifelhaft. Ygl. Schürer, Gesch. d. Jüd.
Volkes IIP S. 39, der sich auf Ziebarth, Berl. ph. Woch. 1906, 363 beruft.«)
1) Vgl. Ditt. Or. Gr. 47 und 49.
2) Vgl. Plaumann S. 29, auch 28.
3) Svoronos, Die Münzen der Ptolemäer IV S. 60 f.
4) Die frühere Annahme (Lumbroso, Rech. 59, Mitteis Reichsrecht 41), daß auch
Hermop olis-Magna und Lykopolis Griechenstädte in diesem Sinne gewesen seien, ist
nicht zu halten.
5) Vgl. Schubart, Klio X 62 ff.
6) Die Schwierigkeit, die in ή ηόλις der letzten Zeile liegt, wird auch durch
Schubarts Hypothese nicht gehoben, denn die HeUenomemphiten zusammen mit
den Idumäern machen nicht die τίόΐις aus. Wo bleiben die Phönizier, die Karomem-
phiten, vor allem die Ägypter? Daß πολίτευμα hier ohne Bezeichnung des Volkes
steht, ist nur yerständlich, wenn es eben das Λολίτενμα der Ίδονμκΐοι ist. Man
Α. Die Ptolemäerzeit. § 4. Bevölkerung und Bevölkerungspolitik. 19
Dagegen werde ich unten darlegen, was für die Hypothese angeführt
werden könnte, daß jener Par. 60^" (30), den Lumbroso auf Naukratis
bezogen hat, vielleicht auf diese hellenische Organisation von Memphis zu
beziehen ist. Ist es richtig, so haben sie τφονχοί an ihrer Spitze gehabt.
§ 4. BEVÖLKERUNG UND BEVÖLKERUNGSPOLITIK.
Es war ein buntes, mit der Zeit immer bunter werdendes Völker-
gemisch ^), das unter der ptolemäischen Herrschaft in Ägypten wohnte.
Außer den Makedonien! waren Griechen aus den verschiedensten Teilen
der griechischen Welt — auch aus dem Westen — dorthin gekommen,
teils um Solddienste bei diesen reichen und gutzahlenden Fürsten zu
nehmen, teils um drüben in der neuen Welt als Kaufleute oder Gewerbe-
treibende ihr Glück zu suchen, und neben diesen Griechen finden wir dort
auch Thraker und lUyrier, Kreter, Kleinasiaten wie Lykier und Karer
und Galater, ferner Perser und Semiten verschiedenster Stämme, nament-
lich Juden, und gegen Ende dieser Periode auch Römer.*) Sie alle
standen als Eindringlinge gegenüber den Eingeborenen, den Ägyptern,
der Hauptmasse der Bevölkerung.^) Die innere Geschichte des Landes
ist wesentlich bedingt durch die Frage, in welchem Verhältnis die Ange-
hörigen dieser so verschiedenartigen Völker mit einander gelebt haben,
und welche Politik die Regierung ihnen gegenüber durchgeführt hat.
Von besonderer Bedeutung ist diese Frage für die Griechen, Ägypter und
Juden geworden. Betrachten wir zunächst die Griechen und Ägypter.
Während Alexander der Große im Verfolg seiner keimenden Welt-
herrschaftspläne auch das ägyptische Volk mit zur \^erwaltung des Landes
heranzog und zwei Ägypter an die Spitze der Zivilverwaltuug von Ober-
und Unterägypten stellte (s. S. 9 Anm. 6)*, hat Ptolemaios I, wiewohl er
eich in der Religionspolitik durchaus der Toleranz Alexanders anschloß*),
doch im Staatsleben eine Scheidewand zwischen den Makedonien! und
Griechen und andrerseits den Ägyptern errichtet*), indem er die höheren
unterscheidet dae «οΧίτινμα der Idumäer von den όηό τής ηόΧιως Ίβονμαΐοι wie die
kXt^avOQtit von den Griechen an* ^ΙΧίξανίίρ^Ιας.
1) Vgl. Wilcken, Die griech. Papyrueurkund•" ι>^'•7 S :n fT Ρ Mejer« Heer-
weteo, S. 7 ff.
2) Schon geit der zweiten HUlfle des II. Jahii.. ,. »..., i.c Kaafleute
in Alexandrien nachweiHbar. Vgl. V. P&r\an, Die Nationalitnt der KauMeut« im röm.
Kaiserreich ΙϋΟΟ, 8. 17 f.
S) Di«; (icuamtbevöikening jener Zeit ist dorrbscbniiUich etwa auf sieben Millionen
Menschen anzusitzen. Vgl. Griech. Ostraka I 489 f. zu Diod. I 86, β.
4> Nach ')«ro Übergang Aber den Kuphrat bat er dann auch die Sairapien
an I I — ganz zu Nchweigrn von der unglflckseligen Verse hmeUungs-
pül i /ten Jahre.
6; H. unt4!n Kiip II.
β) Dero cntHprii ht auch seine straffe Kircbenpolitik. Vgl. Kap. IL
8•
20 Kapitel Ι. Allgemeine historiBche Grundzüge.
Beamtenstellen ausschließlicli den ersteren vorbehielt.^) Die Makedonier
und in zweiter Reihe die Griechen, die damals noch in einem Kontrast
standen, der erst allmählich sich gemildert hat^), sollten allein die Herren
im Lande sein, die Ägypter aber die Untertanen. Unter den ersten kräf-
tigen Herrschern ist diese selbstbewußte makedonische Eingeborenenpolitik
aufrecht erhalten worden. Es war nicht eine Schwäche der Politik, son-
dern ein praktisches Erfordernis, daß man in der Sprachenfrage den
Ägyptern entgegenkam. War auch die griechische Sprache die offizielle
Landessprache, so mußten doch die Erlasse, die im Interesse des Fiskus
auch von den Stockägyptern gelesen werden sollten, doppelsprachig publi-
ziert werden. Vgl. Rev. P. 9 (in Kap. V). Entgegengekommen ist man
auch auf dem Gebiete des Gerichtswesens, insofern man für gewisse Fälle
die einheimischen Gesetze (die χωρικοί νόμοι) und die einheimischen
Volksrichter {λαοκρίται) in Geltung ließ. Vgl. Band II, Kap. I. Auch durften
sie ihre Verträge unter gewissen Kautelen demotisch abfassen. Aber die
späteren Regierungen sind weit darüber hinausgegangen. Da sehen wir
die Ägypter aus den unteren Stellen allmählich auch in höhere hin-
aufrücken und überhaupt eine bedeutende Rolle im Staatsleben spielen.
Die verlockende Aufgabe, das weitschichtige Material, das die Papyri für
dieses Problem — eines der wichtigsten der inneren Geschichte! —
bieten, erschöpfend zu verarbeiten, ist bisher noch nicht in Angriff ge-
nommen worden.^)
Das Erwachen der nationalistischen Bewegung der Ägypter führt
Polybios (V 107), der gewiß gut darüber orientiert war, auf die Tatsache
zurück, daß Ptolemaios IV Philopator zum Kampf gegen Antiochos ΠΙ
20000 Ägypter als Phalangiten ausgebildet und in sein Heer eingestellt
hatte. So betrachteten sie sich als die Sieger von Raphia (217), wollten
nicht mehr gehorchen wie früher und sehnten sich nach einem ηγεμών,
einem nationalen König. So kam es denn bald zu Revolten (schon von
ca. 216 an)*) und zu offenem, auf beiden Seiten oft grausam geführtem
Kampf mit der Regierung. Je schwächlicher die Regierung des Philopator
wurde, je mehr Zugeständnisse er machte^), desto gefährlicher wurde die
1) Eine umfassende Untersuchung darüber liegt noch nicht vor, so daß die
Grenze, bis zu der die Ägypter schon im ΙΠ. Jahrh. vordringen, noch nicht feststeht.
Ein Ägypter als οικονόμος in Lille 3 ΠΙ 50, ein βαβιλίν,ός γραμματεύς in Lille 3 III
52 usw.
2) Im Jahre 163 v. Chr. schreibt ein Makedonier des Serapeums: ηαρά το "Ελληνα με
είναι (Ρ. Vat. Β 13). Andererseits hoben sich in Alexandrien noch zu Augustus' Zeit
die Makedonier deutlich von den Griechen ab. S. oben S. 15.
3) Andeutungen in meinen Vorträgen „Die griech. Papyrusurkunden" (1897)
S. 31 f., „Hellenen und Barbaren" (N .Jahrb. l d. Klass. Alt. ΧΥΠ, 1906, 466 fiF.).
P. Meyer, Heerwesen 58 ff.
4) Vgl. Bouche-Leclercq I 315 ff.
5) Vgl. unten Kap. II über die dreisprachigen Texte aus seiner Zeit.
Α. Die Ptolemäerzeit. § 4. Bevölkerung und ßevölkeningspolitik. 21
Bewegung, die denn auch mit voller Kraft in die Regierung des unmün-
digen Epiphanes hinüberging. So war der größte Teil der Regierung dieses
Königs mit Kämpfen um die Existenz des Reiches ausgefüllt, ganz abge-
sehen von den Gefahren, die von außen es bedrohten.^) Erst im 8. Jahre
des Epiphanes konnte Lykopolis im Busirites (im Delta), der Hauptsitz
der unterägyptischen Aufrührer, die unter Führung einheimischer δννάόται
standen, erobert werden. ^j Aber auch später ist im Norden noch gegen
die nationalistische Bewegung gekämpft worden.') Noch entschiedener
war der Erfolg der Insurgenten im Süden.*) Nach der Bauinschrift von
Edfu konnte wegen der Unruhen vom 16. Jahre des Philopator (207/6)
bis zum 19. Jahre des Epiphanes (186) nicht an dem Tempel gebaut
werden.^) Eugene ReviUout verdanken wir die einigen demotischen Ver-
tragsdatierungen entnommene Entdeckung, daß in diese Zeit die Herr-
schaft zweier einlieimischer Pharaonen fäUt, die zusammen etwa 18 Jahre
in der Thebais regiert haben.^) Daß die SchaflFung der Epistrategie für
die Thebais eine Folge dieser Erschütterung des Reichsbestandes war,
ist schon oben S. 10 gesagt worden; dasselbe gilt auch von der Aus-
dehnung der Hofrangklassen auf die höchsten Beamten (s. oben S. 7),
wodurch die treugebliebenen makedonisch -griechischen Schützer des
Thrones noch fester an die Dynastie gebunden werden sollten. Auf der
anderen Seite aber kam der König auch den Ägyptern entgegen, indem
er nach dem Siege im 9. Jahre den Aufrührern, die in ihre ίδια zurück-
kehrten, Amnestie gewährte (Rosett. 19) und vor allem nach ägyptischem
Ritus sich in Memphis als ägyptischer König krönen ließ (Rosctt.)J)
Damit kapitulierte der Sieger vor dem Besiegten. Den Dank der ägyp-
tischen Priesterschaft für diese schwächliche Politik lesen wir in der
Inschrift von Rosette. Aber die nationalistische Partei war noch nicht
befriedigt. Schon unter Philometors und Euergetes* II Samtherrschaft
(169 — 164) hören wir von neuen Unruhen. So erregte ein ^iovvou>g
6 καλούμενος Πετο0οράπίς im Norden eine Revolte (Diod. 31, loa.) Auf
diese haben wohl mit Recht Grenfell-Hunt die Erwähnung eines agyp-
1) 8. oben .>. i>.
2) Inschrift von Rosette (Dittenberger Or. Gr. 90), 2« ff. Polyb. 2«, 7, 1.
8) Vgl. Polyb. 22, 7, 3 ff. (zum J. 186/4).
4) Ein HinweiH auf die Revolution im Süden enth< F. Tut. 1, 5, 27 ff. VgU
dAZQ J. Krall, Studien zur acg. Geech. II, 8. 41.
6) Vgl. Dilmichen, Aeg. ZeitHch. 1870, S. 8 ff. Vgl da«u auch F. Meyer, Heer-
wesen 69.
6) Vgl. R«viUout, Compt. R. de rAccad. d. Inst 1872, 266 ff.; Bar. Bgypi IV,
166 ff. etc. Von H. Hrngtch beat&tigt.
7) Die Art, wie die Priester in der Rosettana 46 τοη den vo|uC^fi*Mi r^ ststf«-
IfiV'fi χής (iaadtlag sprechen, scheint mir daruuf hinzudeuten, daS Kpiphanes nicht
der erste wur, der die Ägyptische KrOnung auf sich nahm. Unter den Früheren k&me
wohl nar Philopator in Betracht Vgl. Wilcken bei J. Q. Orojeen, Kl. Sehr. II 440.
22 Kapitel Ι. Allgemeine historische Grundzüge.
tisclien Aufstandes in P. Amh. 30 (9) bezogen. Die Nachwirkungen
dieser Unruhen treten uns noch für die nächsten Jahre in den Serapeums-
texten entgegen, wonach der Makedonier Ptolemaios unter dem Haß der
Ägypter zu leiden hat, weil er ein „Hellene" ist.^) Von Unruhen (άμίξίαι)
sprechen auch manche Texte aus den nächsten Dezennien^) der Regierung
des Euergetes Π, doch handelt es sich hier vielfach um die oben S. 5 be-
handelten dynastischen Kämpfe, die die Bevölkerung Ägyptens zwangen,
für die eine oder andere Partei sich zu erklären. Es ist möglich, daß
die Ägypter gerade dadurch, daß die miteinander streitenden Könige sich
um ihre Unterstützung bemühen mußten, gegen Ende des Jahrhunderts
erreichten, daß auch höhere Stellen mit Ägyptern besetzt wurden. So
finden wir einen Ilaög als ονγγεν^ς καΐ ΰτρατηγος της Θηβαΐδος^) im
J. 130/29 und einen Φοαμ^οϋς als βνγγενής καΐ έταύτράτηγος καΐ 6τρα-
τηγος Tijg Θηβαΐδος unter Ptolemaios Soter Π.^) Im letzten Jahrhundert
V. Chr. ist dann noch einmal ein großer Aufstand in der Thebais ge-
wesen, dessen Niederwerfung mit der Zerstörung Thebens im Jahre 88
endete.^) Auf diese Wirren bezieht sich der Brief des Piaton (12). Daß
in diesen unruhigen Zeiten gelegentlich auch ägyptische Nachbarstädte
gegeneinander Krieg geführt haben, zeigt ein merkwürdiger Kairener
Text (11) vom Jahre 123.
Diese nationalistische Bewegung, die wir von Philopators Zeiten an
verfolgen können, ist die natürliche Reaktion des Orients gegen den
griechischen Herrn, wie sie auch im Seleukidenreich schon früher und
z. T. mit noch größerem Erfolg — wie in der Begründung des Parther-
staates — zutage getreten war. Der Haß der Nationalisten gegen die
griechische Fremdherrschaft tritt uns auch in der Überarbeitung ent-
gegen, der die altägyptische „Verteidigung des Töpfers vor dem König
Amenophis" wohl in ptolemäischer Zeit unterworfen wurde. Da wird
geweissagt, daß die Stadt am Meere, d. h, Alexandrien (wie Reitzenstein
zuerst erkannte) ein Trockenplatz für die Netze der Fischer sein werde,
während die Götter Alexandriens nach Memphis übersiedeln würden.^)
Die allmählich wieder wachsende Kraft des Orients hat sich aber nicht
nur in jenen gewaltsamen Auflehnungen gezeigt. Viel nachhaltiger und
für die Kulturgeschichte bedeutender waren die mehr und mehr sich be-
1) Ygl. meinen Kommentar zu P. Vat B. in den „Urkunden der Pfcolemäerzeit".
S. auch den Gegensatz von 'Έίλτινες und Ägyptern in Amh. 40.
2) Ygl. z. B. Grenfell-Hunt in Teb. I S. 46.
3; Strack, Dyn. d. Ptol., S. 257 n. 109. Vgl. Theb. Bank. 8, korrig. von Revillout,
Melang. 343 und unten Nr. 10.
4) Vgl z. B. Strack n. 140, 26, wo die Könige ihn als αδελφός begrüßen. Vgl.
auch Tur. 5—7 und Lond. II, S. 13/14.
5) Pausan. I 9, 3.
6) Vgl. Wilcken, Zur ägyptischen Prophetie (Hermes 40, 544 ff., 557).
Α. Die Ptolemäerzeit, § 4. Bevölkerung und Bevölkerungspolitik. 23
merkbar machenden Beeinflussungen des griechischen Wesens durch das
Orientalische. Der Hellenisierung, die schließlich nir^iends sehr tief ge-
gangen ist, tritt allmählich die Orientalisierung gegenüber und bewirkt,
daß die Griechen hier im Zusammenleben mit den Orientalen und auch
unter dem Einfluß des südlicheren Klimas manche fremden Sitten und
Anschauungen übernahmen.^) Wir sahen oben S. 13 f., daß die Griechen
in Naukratis und Ptolemais sich in Rasse und Kultur ziemlich rein
gehalten haben, während in der Weltstadt Alexandrien die Verlockung
zur Mischung viel eher gegeben war. So erzählt Polybios, daß schon
etwa um 200 die Makedonier von Alexandrien so verweichlicht waren,
daß sie mit den Makedoniern der Heimat den \^ergleich nicht mehr aus-
hielten. Vor allem war die Verlockung im Lande groß, wo die Griechen
nun durch viele Generationen hindurch in Städten und Dörfern mit den
Ägyptern zusammen wohnten. So ist es trotz der oben geschilderten
nationalen Gegensätze mindestens vom IL Jahrh. an^) doch vielfach zu
einer Mischung des Blutes und zu einer gräko-ägyptischen Misch-
rasse gekommen, die sich von jenen reinen Hellenen in den Griechen-
städten und meist wohl auch von den Honoratiorenfamilien in den Metro-
polen mehr und mehr abhebt. Äußerlich tritt diese Mischung uns am
deutlichsten in der Nomenklatur entgegen: Griechen, namentlich wohl
solche zunächst, die ägyptische Frauen geheiratet hatten, geben ihren
Kindern ägyptische Namen oder fügen dem griechischen Namen einen
ägyptischen hinzu (Doppelnamen mit ό καΐ ο. ä.). Da in den Urkunden
aber nicht notwendig der ganze Doppelname zu stehen braucht, sondern
willkürlich auch der griechische oder der ägyptische allein gesetzt wird,
80 ist es sehr gefährlich, aus dem Namen Rückschlüsse auf
die Nationalität zu machen. Für die Benutzung der Urkunden, min-
destens vom U. Jahrhundert an, ist es sehr wichtig, sich dies immer
gegenwärtig zu halten.^) Ein Beispiel für viele: in Teb. I 247 (ca. 112
V. Chr.) folgen in einer Liste mit der Überschrift: 'Ελλήνων γ£ωργ[&ν
echt ägyptische Namen wie '^ρμινόις Άρμινοιος (auch der Vater I),
Άρφαήόίς Πετοοίριος, '/Ιρμάχορος Θοτορταίον usw. Daß bei dieser Völker-
mischung und Kulturmiöchung die Eingeborenen und nicht die Griechen
gewonnen haben, ist für Ägypten gerade so wie für die anderen Reiche
selbstverständlich, denn die Griechen hatten die höhere Kultur zu geben,
und so hat dieser Mischuugsprozeß zweifellos auch zuni Niedergang des
Griechentums in Ägypten beigetragen.
L'nter den sehr verschiedenen Stämmen angebörigen Semiten, die sur
1 Vgl. Wilcken, Hellenen u. Barbaren 1. c. 467 Γ
1' i:iii intereeaantei Beiipiel fflr die Mitte den III. Jahrh. bietet die Intobrift,
di« L. til.vro in den Annale• de llnititut 1U08, 8. «31 ff ediert«. 8. onieo.
3) Vgl. hienu %. B. Otto, Prieeter und Tempel I « Aniu. 1
24 Kapitel Ι. Allgemeine historische Grundzüge.
Ptolemäerzeit teils als Söldner teils in friedlichen Berufen in Ägypten
siedelten^), nehmen die Juden unser besonderes Interesse in Anspruch.
Dank den epochemachenden aramäischen Papyri von Elephantine ^) können
wir eine jüdische Niederlassung in Elephantine mit dem Kult des Jahn
etwa seit dem VI. Jahrhundert bis ins Ende des V. Jahrhundert verfolgen,
wodurch die Angaben des Jeremias 42 ff. und des Ps. Aristeas § 13 (Wendl.)
neues Licht bekomn^en.^) Weitere Scharen von Juden sind unter den
Ptolemäern nach Ägypten gekommen und haben sich teils in Alexandrien,
teils im Lande angesiedelt, und zwar ist diese jüdische Diaspora schon
seit dem III. Jahrhundert nachweisbar.*) Die größte Anziehung scheint
die Welthandelsstadt Alexandrien auf sie ausgeübt zu haben, wo sie nach
Philos Angabe (in Flaccum § 8) einen starken Prozentsatz der Gesamt-
bevölkerung ausmachten. Sie wohnten hier im Ghetto, was allein schon
gegen die Behauptung jüdischer Quellen spricht, daß die Juden als solche
hier das alexandrinische Bürgerrecht gehabt hätten.^) Tatsächlich ist
ihnen hier mit manchen anderen Privilegien eine eigene Organisation
ihrer Gemeinde gewährt worden, also ein ΛολΙτενμα (vgl. P. Aristeas § 310
Wendl.), aber nicht die Λολιτεία^)^ also entsprechend der von Strabo ge-
geschilderten Ordnung in Kyrene, wo sie auch eine eigene Klasse der
Bewohner bilden, aber nicht zu den ΛολΙται gehören.'^) Die Ausbreitung
der Juden über die Städte und Dörfer der χώρα haben wir erst durch
die Papyri, Ostraka und Inschriften genauer kennen gelernt.^) Es treten
uns nicht nur zahlreiche einzelne Juden entgegen, sondern auch jüdische
Gemeinden und Synagogen (τίροβενχαί). Vgl. Dittenberger 129 (54),
P. Magd. 35 (56), Teb. I 86, 18. ΊονδαΙοι und 'Έλληνες werden unter-
schieden im Dorf Ψεννρΐξ in Petr. I S. 43 (55). Ihren kultischen Mittel-
1) Ygl. die Belege bei Schürer, Gesch. d. Jüd. Volkes IIP 38 ff. Bezeugt sind
Phönizier (vgl. das Τνρίων στρατόπεάον in Memphis bei Herod. II 112), Syrer (Σύρων
χώμ,η im Faijum vgl. Teb. II S. 402, im Oxyrhynchites vgl. Oxy. II 270, 22 u. sonst, im
Heliopolites vgl. Hamb. 2, 6, im Menelai'tes vgl. BGU 1123, 2 und der Άλεξ,ανδρεων
χώρα BGU 1132, 10), Samaritaner {Σαμάρεια im Faijum Teb. II S. 401), Idumäer (über
ihr τιολιτενμα in Memphis s. oben S. 18), Araber (vgl. auch Magd. 15).
2) Vgl. Sachau, Drei aramäische Papyrusurkunden aus Elephantine (Abh. Berl.
Akad. 1907). Sayce und Cowley, Aramaic Papyri discovered at Assuan. 1906. Literatur
bei Schürer III* 25 ff.
3) Vgl. Schürer 1. c. 31 ff.
4) Das gesamte Material, geographisch und chronologisch geordnet, ist von
Schürer 1. c. 40 ff. zusammengestellt. Vgl. auch Bludau, Juden und Judenverfolgungen
im alten Alexandrien 1906.
5) Vgl. Willrich, Klio 1Π 406.
6) Vgl. zuletzt Wilcken, Zum alexandrinischen Antisemitismus (Abh. Sachs. Ges.
1909) S. 787. Die Einwendungen von Schürer III* S. 718 scheinen mir nicht stich-
haltig zu sein.
7) Joseph. Ant. XIV 7, 2. Vgl. auch die άρχοντες und das τιολιτενμα der Juden
im Kyrenäischen Berenike in GIG ΙΠ 5361 (bei Schürer, Gesch. IIP S. 79).
8) Vgl. die Belege bei Schürer 1. c. 40 ff.
Α. Die Ptolemäerzeit. § 4. Bevölkerung und Bevölkerungspolitik. 25
punkt fand die ägyptische Diaspora erst im IL Jahrb., als Philometor dem
Hohenpriester Onias erlaubte, in Leontopolis (im Hebopolitiscben Gau)
einen Tempel zn bauen.^) Diese ägyptischen Juden treten uns in den ver-
schiedensten Berufen entgegen, als Domanialpächter und Steuerpächter,
als Grundbesitzer und Privatpächter, als Tagelöhner, als Handeltreibende.*)
Über militärische Ansiedelungen von Juden vgl. Willrich, Arch. I 48 ff.^
Schon aus dem Gesagten ergibt sich, daß die Regierung nicht nur
auf religiösem Gebiet auch den Juden gegenüber die vollste Toleranz übte
(vgl. Kap. U), sondern auch geneigt war, diesen stets loyalen Untertanen*)
manche Privilegien zu erteilen. Die dynastischen Streitigkeiten des
H./I. Jahrhunderts haben daim wie den Ägyptern, so auch den Juden
Gelegenheit gegeben, sich noch weitere Vorteile zu erringen. Bekannt
ist, daß Kleopatra ΠΙ in dem Kampf gegen ihren Sohn Ptolemaios
Soter U zwei jüdische Generale, XeXxCccg und kvaviag^ die Sohne jenes
*Ονίας^ an der Spitze ihrer Truppen hatte. ^) Eine Inschrift des Berliner
Museums enthält eine Ehrung eines Sohnes dieses Χελχίας.^) Als freilich
Soter Π siegreich heimkehrte, hatten die Juden die Feindschaft der
Alexandriner, die auf seiner Seite gestanden hatten, zu erleiden. Als dann
der ptolemäische Thron wankte, haben die Juden sich ihre Stellung
durch Anschluß an Gabinius, dann an Cäsar, endlich an Octavianus gewahrt.
Schon früh haben die Juden sich bemüht, hellenische Kultur anzu-
nehmen, soweit ihnen das bei ihrem Festhalten am jüdische Gesetz mög-
lich war. Im Kern blieben sie echte Juden, ihr Hellenismus ist nicht
tief gedrungen. Aber das Griechisch als herrschende Landessprache haben
sie doch so gründlich übernommen, daß sich schon bald eine Übersetzung
ihrer heiligen Schriften ins Griechische als notwendig herausstellte. So
ist die Septuaginta hier nach und nach — wohl schon vom lU. Jahrh.
an bis ins U. Jahrh. — entstanden.^) Griechische Eigennamen, die z. T.
Übersetzungen ihrer jüdischen Namen sind, lassen sich schon fiirs lU. Jahr-
himdert nachweisen**), und werden dann immer häufiger.
1) Vgl. H. Willrich, Juden und Griechen vor der makkab. Erhebung (1896),
8. 126 ff.
2) Vgl. die Belege bei Wilcken, Zum alex. Antitiemitismue 1. c. 788 f.
8) Schüror 1. c. Bcheint mir in der Annahme von militäriicher Verwendung der
Juden vielfach zu weit au gehen. Der Zusatz τής έηιγορής beweift de nicht.
4; Ihre LoyalitUt tritt auch in den Weihungen (mlQ ßuedimg entgegen, die von
ihrem Standpunkt aue ein dentlichei Entgegenkommen gegen die hellenieche An-
•cbaanng bedeuten.
6) Joteph. Ant. XIII § 286, der lieh auf Strabo bernft
β) Willrich, Aich. I 48 ff. Strack, Arch. Π 664 η. 86 mit Beinftchs Bigimangtn.
Eine XtXniov γή in BOU IV 1129, 16.
7) Hin Hpracbgobrauch der grioohiech» Pipjn bat an« gelehrt, daÜ die SprOeh•
de« Jeiu« Hirach erst nach 116 ▼. Chr. flbenelrt worden eind. Vgl. WUckea, Aroh,
in 821 und da%u IV 206.
8) Vgl. z. B. üib. I 96. Petr. ΙΠ 11 g «to.
26 Kapitel Ι. Allgemeine historische Grundzüge.
Trotz dieser kulturellen Annäherungen hat doch auch hier wie überall
in der Diaspora eine Abneigung zwischen Hellenen und Juden bestanden,
die sich mehr und mehr zur Feindschaft auswuchs. Der Hauptgrund
ist wohl die einzigartige Religion der Juden und ihre daraus resultierende
Exklusivität und Verachtung der Andersgläubigen, wie sie sich nebst
eifriger Propaganda namentlich seit der makkabäischen Bewegung ent-
wickelt hat.^) Außerdem mag es auch im wirtschaftlichen und sozialen
Leben bei der großen Ausbreitung und der Betriebsamkeit der von der
Regierung geförderten Juden zu Reibungen gekommen sein. Die Papyri
berichten uns gelegentlich von Streitigkeiten zwischen Griechen und
Juden — vgl. Grenf. I 43 (57), Magd. 35 (56), Hib. 96 — doch kommen
ganz ähnliche Dinge auch zwischen allen anderen Teilen der Bevölkerung
vor. Es ist zu betonen, daß es zu einem praktischen Antisemitismus des
Straßenkampfes in der Ptolemäerzeit noch nicht gekommen ist. 2) Die
antisemitische Stimmung dieser Zeit können wir nur erschließen aus der
Existenz einer antisemitischen Literatur und ihrer Beantwortung durch
eine jüdische Apologetik.^)
Auf das religiöse und geistige Leben der Bevölkerung wird in Kap. Π,
ΠΙ und XII, auf seine wirtschaftlichen Betätigungen namentlich in Kap. VI
und VII eingegangen werden. Hier soll nur noch auf einen allgemeinen
Grundsatz der inneren Politik der Ptolemäer hingewiesen werden, der für
das ganze Leben der Bevölkerung von größter Bedeutung ist und zugleich
die Stellung der Regierung zu ihr aufs hellste beleuchtet, das ist das
Prinzip der Idia.'^) Der Grundsatz, daß der Untertan nur in der
Gemeinde, der er angehört, nur in der IdCa (origo), seine Untertanpflichten
(im Steuerzahlen und sonstigen Leistungen) ausüben kann, während er
überall anderswo nur ξένος ist^) — ein Grundsatz, der an sich auch den
freien Gemeinden Griechenlands nicht fremd war — , hat in diesem Lande
des Absolutismus zu der Konsequenz geführt, daß der Untertan gehalten
war, in der Regel seine Ιδία nicht zu verlassen (άναχωρεΐν, έτά ίένης
είναι). Wir kannten schon aus Ps, Aristeas § 109 fi^. (Wendl.) eine Ver-
fügung des Philadelphos, wonach die Leute aus der χώρα in Alexandrien
1) Zu den Motiven des Antisemitismus vgl. Wilcken, Z. alexandr. Antisemitismus
1. c. S. 784 ff.
2) Daß jene Kämpfe nach der Rückkehr des Soter II rein politischer Natur
waren, hat Willrich, Hermes 39, 244 ff. gezeigt.
3) Felix Stähelin, Der Antisemitismus des Altertums (Wiss. Beilage zum Progr.
des Gymnasiums Winterthur 1905). Ygl. auch Bludau 1. c.
4) Vgl. P. Meyer, Klio I 424 f.; Zulueta, de patrociniis vicorum 41; Rostowzew,
Kolonat 74 f. Wie Steindorff mir mitteilt, begegnet die Vorstellung, daß der Landmann
nicht ohne weiteres sein Dorf verlassen darf, schon in dem Bauer -Papyrus aus dem
Mittleren Reich.
5) Vgl. Tor. 8, 13: των τίαρετΐίδτιμονντων Άαϊ \yici]TOLV,ovvTwv i[v τ\αντοίΐ[β]
ξένων.
Α. Die Ptolemäerzeit. § 4. Bevölkerung und Bevölkerungspolitik. 9?
sich nicht länger als 20 Tage aufhalten durften (παρεπίδημεΐν). Hierin
tritt uns, wie die Anziehungskraft der Großstadt auf die Gaubewohner,
so die Beschränkung der Bewegungsfreiheit der letzteren entgegen. In
derselben Richtung liegt die Mitteilung der Rosettana (Ditt., Or. Gr. 90)
19 f.: προόετα^εν Öh καΐ τονς χατατίορενομενονς εκ τε τ&ν μαχίμων χαΐ
των ίίλλων των αλλότρια φρονηΰάντων εν τοίζ κατά την ταραχήν καιροΐς
κατελ^όνταξ μένειν έχΐ των Ιδίων κτήοεων. Hier werden die auf-
rührerischen Ägypter von Epiphanes begnadigt unter der Bedingung, daß
sie in ihre ιδία zurückkehren. Ebenso beziehen sich in Tor. 8, 27 die
Worte εΙς τάς Ιδίας αντών μετοικιόΟ-ηναι wohl auf eine Maßregel, die im
J. 40 des Euergetes II, nach Beendigung des Kampfes mit Kleopatra II,
verfügt war. Vgl. ferner den Erlaß des Euergetes II in Teb. 5, 6 ff., in
dem — gleichfalls nach Beendigung innerer Kämpfe — die άνακεχωρψ
κότες amnestiert und aufgefordert werden, zurückzukehren in ihre Heimat.
Endlich nennt sich in Amh. 50, 5 vom J. 106 v. Chr. ein Kontrahent in
Krokodilopolis (Thebais) των επανηκό(ν^των εκ τοϋ παραγγέλματος.^)
Auch hier muß es sich um einen allgemeinen Erlaß handeln, denn durch
diesen Ausdruck werden ,,die auf Grund des Erlasses Zurückgekehrten"
wie eine eigene Klasse der Bevölkerung charakterisiert. Es liegen also
aus der Ptolemäerzeit mehrere Belege dafür vor, daß nach inneren Un-
ruhen die Regierung für die Rückkehr der Aufrührer in ihre ιδία sorgte.
Jene Verfügung des Philadelphos zeigt aber, daß auch dauernd, auch in
ruhigen Zeiten, die Regierung einen Druck darauf ausübte, daß die Gau-
bewohner in ihrer ιδία, bei ihrer Arbeit seien. Eine Weiterbildung dieser
Regierungsbestrebungen werden wir unten für die Kaiserzeit kennen lernen.
Während dieses Prinzip von der Ιδία sich auf die gesamte Bevölkerung
bezieht, haben diejenigen Klassen, die in königlichen Betrieben arbeiteten,
wie die βαβίλικοί γεωργοί auf den königlichen Domänen und die υποτε-
λείς in den Monopolwerkstätten, noch strengeren Beschränkungen der Frei-
zügigkeit unterstanden, wie unten in Kap. VI und VII darzulegen ist.
In diesen Einrichtungen tritt uns die Macht des Absolutismus kraß ent-
gegen. Aber wenn so die Freien in ihrer persönlichen Freiheit beschränkt
wurden, so steht dem die andere wichtige Tatsache gegenfiber, daß die
Unfreien, die Sklaven, in diesem Lande gar keine Rolle gespielt haben.
Weder in der Landwirtschaft noch in der Industrie, weder in den großen
noch in den kleinen Betrieben sind sie von irgendwelcher Bedeutung
gegenüber der freien Arbeit gewesen.') Die Sklaven, die in unseren Ur-
1) VkI. hierzu Wilckeo, Arcb. U lS8f.
*i) V^l. iiifinen Nachwri* in Orioch. Oitr i mni ii. im.
menen Mat<Tialioii Hiulerii nichtii »u dioNcm Kr^elmi«. Von I
unt«r (liegen da« (icNot/. illx^r die SkUvonatoucr (ilib. *J '
proÄCüMj (Lille 2^}.
23 Kapitel Ι. Allgemeine historische Grundzüge.
künden begegnen, sind in der Regel Haussklaven, und unter ihnen nehmen
die Sklavinnen als Konkubinen des Hausherrn die angesehenere Stellung
ein. Das Land Ägypten mit seinen 7 Millionen war eben so reich an
billigen, bedürfnislosen, freien Arbeitern, daß hier das Bedürfnis nach
Sklavenarbeit nicht vorlag. So bestätigt Ägypten die allgemeine Regel^
daß im Altertum intensivere Sklaven Wirtschaft nur dort aufgekommen ist,
wo die einheimischen Arbeitskräfte nicht ausreichten.^)
ß. DIE EÖMI8CHE PEEIODE.
C. E. V arges, de statu Aegypti provinciae Romanae I. et II. p. Chr. n. saec,
Gott. 1842. — Franz, CIGr. ΠΙ S. 308iF. - S. Sharpe, Gesch. Egyptens, deutsch
von Jolowicz, mit Anmerk. von A. v. Gutschmid (2. Aufl.) 1862. — E. Kuhn, Die
städt. und bürgerl. Verfassung des röm. Reiches II (1865) S. 80 iF. 454 ff. — J. Mar-
quardt, Röm. Staatsverwaltung I (2. Aufl. 1881) S. 438fi^. — Wilcken, Observationes
ad historiam Aegypti prov. Rom., Diss. 1885. — Th. Mommsen, Röm. Geschichte
Υ (1885) S. 553 ff. — E. Herzog, Geschichte und System der röm. Staatsverfassung
II (1887) S. 648 ff. — A. Simaika, Essai sur la province romaine d'Egypte depuis
la conquete jusqu'ä Diocletien, Paris 1892. — J. G. Milne, Α history of Egypt under
Roman rule, London 1898. — 0. Hirschfeld, Die kaiserlichen Yerwaltungsbeamten
bis auf Diocletian, 1905.
§ 1. DAS REGIMENT.
Mit der Eroberung Alexandriens am 1. August 30 v. Chr. fiel das
Lagidenreich dem siegreichen Oktavian zu. Ägypten ward nun aus einem
zuletzt freilich nur noch nominell selbständigen Staate zu einer Provinz^)
des römischen Weltreiches, aber einer Provinz mit ganz eigenartiger
Organisation. Da Oktavian das Land durch Eroberung gewonnen hatte,
hat er es von vornherein, wiewohl er es nach seinen Worten dem Im-
perium des römischen Volkes hinzufügte (s. Anm. 2), ausschließlich in
seine Verwaltung genommen als Nachfolger der Lagiden, und wenn auch
bei den grundlegenden Auseinandersetzungen mit dem Senat im Jahre 27
V. Chr. nach Dio 53, 5, 3 Ägypten mit zur Diskussion gestellt wurde, so
war diese Formalität um so bedeutungsloser, als Ägypten nicht zu den
Ländern gehörte, die ihm als Triumvir einst vom Volk überwiesen
1) Ygl. Ed. Meyer, Die Sklaverei im Altertum 1898.
2) Vgl. Mommsen RG V 554, 3 (anders vorher Staatsrecht II» 1004). Herzog II 650.
P. Meyer, Festschr. f 0. Hirchfeld S. 136. Für mich ist außer den dort angeführten
Zeugnissen auch bestimmend, daß die Hauptsteuern des Landes an den Fiskus gingen,
dieser aber mit 0. Hirschfeld als Eigentum des populus Romanus aufzufassen ist (s.
Kap. lY). Der bekannte Ausspruch des Philo (in Flaccum § 19, Π 540 Mang.) το μά-
yiotov αντον των τίτημάτων darf nicht zu wörtlich genommen werden, auch bei Tac.
bist. 1, 11 ist nicht zu übersehen, daß es heißt: provinciam — domui retinere.
Innerhalb der ,, Provinz" heben sich vielmehr die „Landgüter" des Kaisers deutlich
ab (Kap. ΥΠ). Ygl. auch Augustus, Mon. Ancyr. 5, 24: Aegyptum imperio populi
Romani adieci. CIL YI 701, 702: Aegypto in potestatem populi Romani redacta.
Β. Die römische Periode. § 1. Das Regiment. 29
waren. ^) Die durch die wirtschaftliche und strategische Bedeutung Ägyptens
verursachte Gefährlichkeit des Landes, die den großen Cäsar abgehalten hatte,
es zur Provinz zu machen-), bewog den Oktavian, nicht nur wie in den
anderen prokuratorischen Provinzen jegliche Mitwirkung des Senates aus-
zuschließen, sondern hier — und nur hier allein — sogar den Senatoren
zu verbieten, den ägyptischen Boden ohne besondere kaiserliche Erlaubnis
zu betreten.^) So wurde die Dyarchie für Ägypten vöüig außer Kraft
gesetzt. Das ägyptische Volk aber hat, unbeirrt durch staatsrechtliche
Finessen, den Oktavian, nachdem es sich dem Sieger ergeben hatte, von
vornherein als neuen Landesherrn, als Pharao anerkannt, dem dieselben
göttlichen und weltlichen Ehren*) wie allen Yorgängern zustanden (vgl.
Kap. Π). Oktavian hat diese Ehren und diese Anschauungen sich gern
gefallen lassen, was ihn nicht hinderte, die Ägypter als dediticii schlecht
genug zu behandeln (s. unten S. 56 f.).
Die Grenzen der Provinz sind unter Augustus nach Süden hin vor-
geschoben worden. Nachdem die Besitzungen, die die Ptolemäer südlich
vom ersten Katarrakt gehabt hatten (s. oben S. 4) längst an die Äthiopen
zurückgefallen waren, hat im ersten Jahre der neuen Herrschaft C. Cor-
nelius Gallus, der erste Statthalter, der Freund des Oktavian und der
Musen, von Philae aus (nach seinen Worten) den römischen Einfluß nach
Süden hin geltend gemacht. Vgl. die Gallus -Inschrift.^) Nach einigen
Jahren ist dann nach siegreichen Kämpfen gegen die angreifende Kandake
die Grenze bis nach Hiera Sykaminos (Makarraka) vorgeschoben worden.•)
Vgl. die Kandake -Inschrift (4r). Dieses auch in offiziellen Akten ζίωδε-
χάδχοίνος genannte Grenzgebiet') ist zwar dem Strategen des Gaues
von Elephantine mit unterstellt worden (vgl. Dittenberger, Or. Gr. I 210),
spielt aber insofern eine besondere RoUe, als es nach älteren Dekreten,
die von manchen Kaisern wiederholt wurden, als Eigentum der Isis von
Philae betrachtet wurde.®) Das Land wurde militärisch besetzt und durch
1) Die Ordnung des Landes vom J. 30, die Dio 61, 17 erzählt, ist durch die
Verbandlungen des Jahres 27 nicht geändert worden.
2) Suet. Div. lul. 36, Mommsen, KG III• 491.
8) Tac. annal. II 69; bist. 1, 11. Dio 61, 17. Vgl. Arrian, Anab. III δ, 7.
4) Vgl. z. B. die Königsiitulatoren in Lepsius, Eönigsbucb der alten Ägypter Π
Tai. 61 ff.
6) Lyons und Borchardt, Eine trilingue Inschrift von Philae (8iti.-Ber. Berl.
Akftd. XX, 1890, 499 ff.;. Dittenberger, Ur. ür. II 664. CIL ΠΙ 14147».
β) Vgl. Mommjen, HG V 698 ft.
7) Gegen Sethos Ansicht, daß die Dodekaecboinoe dauernd auf da• Katarrak^en•
gebiet beschränkt geweien sei (Unters, zur Getch. Äg. Π 3. 1901) vgl Wiloken, Arch.
Π 176 ff. Vgl. auch Hethe, Äg. Z. 41, 68 ff. Meine Ausführungen werden jettt be-
itätigt durch eine neue Inschrift au• Mah&rraka in Äg. Z. 1910 (ed. Sohobart).
8) Vgl. Wilcken, Herme• S8, 696f. ΓΗη 7u«iimmongeh0rigkeit τοη Philae und
der Dodekiischoiiio• tritt auch in den \' < voQ ol άηό ΦύΑν %λΪ Jnit-
ηααχοίνον rntK'i'gi'n. Vgl. hierxu jetzt 1• . Axch. V Heft I.
30 Kapitel Ι. Allgemeine historische Grundzüge.
Standlager gesichert, wovon manche griechische und lateinische Inschriften
und Ostraka — Papyri sind bisher hier noch nicht gefunden worden —
Zeugnis ablegen.^) Bis in die Mitte des III. Jahrh. reichen diese Doku-
mente. Dann brechen auch hier die Barbaren über die Reichsgrenzen vor^
die Blemyer, die bis in die Thebais hinein, bis Ptolemais, vorstürmten
und von Probus nur mit Mühe und nur für kurze Zeit zurückgeworfen
werden konnten.^) Vorher hatten die Blemyer wie es scheint im Bunde
gestanden mit den Palmjrenern, die von Norden her ihre Herrschaft
über das Land ausdehnten. Auch der Usurpator Firmus (272/3) stand
mit den Blemyern in Beziehung (vit. Firm. 9). Während von diesen
Blemyern die Papyri dieser Zeit bisher keine Nachrichten bringen, sind
manche Texte gefunden worden, die durch die Datierung nach der
Herrschaft des VabaUath auf dieses palmyrenische Intermezzo hinweisen.
Vgl. z. B. 5. So war durch diese Einfälle der Blemyer dem Verzicht
Diokletians auf die Dodekaschoinos vorgearbeitet.
Das Regiment des neuen Landesherrn war seinem Grundgedanken
nach ebenso absolut wie das seiner Vorgänger, der Lagiden. So datierte
man auch nach wie vor nach den Königsjahren des jeweiligen Herrschers,
und zwar nicht etwa nur die ägyptischen Dokumente, sondern auch offi-
zielle Regierungsakten, denn der Versuch, eine alexandrinische Eroberungs-
ära einzuführen, scheiterte an der Macht der Gewohnheit.^) In der Praxis
aber trat der Absolutismus in mancher Hinsicht nicht so schroff wie
vorher in die Erscheinung, zumal der neue König nicht selbst in Ägypten
regierte und somit die königliche Residenz und Hofhaltung — auch die
oben S. 7 besprochenen Hofrangklassen — verschwanden. Auch in der
Bodenfrage war das ursprüngliche ptolemäische Prinzip, daß der König
allein Eigentümer des ganzen Bodens sei, nicht mehr in Geltung. War
es schon in der späteren Ptolemäerzeit durchbrochen worden, daß das
Land entweder βαόιλίκή oder έν άφεόει, sei, so haben die Kaiser die
weitere Entwicklung des Pj ivatgrundbesitzes direkt befördert (s. Kap. VII).
Die oben betonte Tatsache, daß trotz des faktisch königlichen Regimentes
Ägypten ein Teil des imperium populi Romani war, tritt uns äußerlich,
aber doch vielsagend darin entgegen, daß das Wort δημόόίος (= staat-
lich, publicus), das die Lagiden für die Bezeichnung öffentlicher Einrich-
tungen perhorresziert hatten (s. oben S. 3), sogleich mit dem Beginn
1) Vgl. Wilcken, Griech. Ostr. II n. 1128—1146 und dazu I 705 if. Mommsen,
RG V 594 f.
2) Yit. Probi 17. Zosim. 1, 71, 1. Vgl. zu den Blemyern: E. Revillout, Memoire
sur les Blemys, 1874. K. Sethe, Pauly-Wissowa Π1 566 ff. M. Geizer, Stud. z. byz.
Verwaltung Äg. 11 ff. Plaumann, Ptolemais in Oberägypten 67. Vgl. auch Krall,
Wien. Denk. Ak. 46 (1898), der dies Vordringen der Blemyer mit dem Zurücktreten
des Reiches von Meroe und dem Erstarken des Reiches von Axum zusammenbringt.
3) Wilcken, Hermes 30, 151 ff.
Β. Die römische Periode. § 1. Das Regiment. 31
der Römerherrscliaft sich vordrängt. Man darf daraus doch wohl ent-
nehmen, daß durch die Zugehörigkeit zum Reiche der Begriff des Staates
nunmehr auch in diesem Lande, dem er von jeher fremd gewesen war,
VVurzebi schlug. So wird το βαόιλικόν (Königskasse) jetzt verdrängt
durch το δημόόίον (Fiskus), die βαόιλιχοί τραπεζΐταί, die gelegentlich
noch vorkommen (vgl. Kap. IV), durch die δημόόιοί τρα:ίεζίχαι^) Die
βαόιλιχή γη bezeichnet im prägnanten Sinne nur noch einen gewissen
Teil des öffentlichen Landes, während ihr der ganz neu geprägte Ter-
minus δημοόία γη für einen anderen Teil gegenübertritt (s. Kap. VII).
Andererseits hat sich die ägyptische Anschauung, in dem Herrscher den
ßaoUsvg zu sehen, niemals verdrängen lassen und kommt gelegentlich
auch in griechischen Texten zum Ausdruck. Je mehr sich der augustische
Prinzipat in eine Militärmonarchie verwandelte, desto allgemeiner tritt
dann auch diese ägyptische Anschauung wieder hervor. In Diokletians
Ordnung liegt diese Entwicklung vollendet vor uns.
Das Ziel der cäsarischen Regierung Ägyptens war dasselbe wie das
der lagidischen ^), nämlich möglichst große Schätze aus dem Lande heraus-
zuwirtschaften, um außerhalb Ägyptens liegende Bedürfnisse zu decken.
Seit der Fremdherrschaft hat das arme ägyptische Volk immer nur fnr
andere Leute gearbeitet. Die Überschüsse aus der ägyptischen Verwaltung
waren eine Hauptquelle für die Befriedigung der zahlreichen Aufgaben, die
Augustus auf den fiscus übernommen hatte, und die er ohne den Besitz
Ägyptens überhaupt nicht hätte übernehmen können. Bei der Neuord-
nung der Heichsfinauzen hat Ägypten daher eine sehr große Rolle gespielt.
Im besonderen hat nur das ägyptische Korn es ihm ermöglicht, die stadt-
römische cura annonae zu übernehmen (vgl. Kap. IX).
Zur Regierung des Landes bestellte Oktavian einen Statthalter*^) mit
dem Titel praefectus Alexandreae et Aegypti*) oder (meist) praefectus
Aegypti — επαρχοζ Αίγύπτον. Titular ist nur έπαρχος^ appellativ nennt
man ihn meist ηγεμών. Der Präfekt, der dem Ritteretande entnommen
wurde und, wie auch der Titel bezeugt, nichts andeies als der Stellvertreter
d»8 Kaisers war, wurde daher — wie alle entsprechenden Beamten auch
außerhalb Ägyptens — vom Kaiser ernannt und abgesetzt, natürlich ohne
daß der Kaiser an irgendwelche Normen der Anitsdauer gehalten war.
Vor Eintreffen des Nachfolgers durfte der Präfekt die Provinz nicht Ter-
lassen (Ulpian, Dig. 1, 17, 1). Im Falle plötzlich eintretender Vakans
(z. B. durch Todesfall) wurde ein Vizepriifekt (διαδεχόμ^ί^ς n]v {^γεμο-
νίαν) Tom Kaiser ernannt, meist aus der Zahl der andcmi hnhcn Reichs-
1) Der einheitliche Titel (fatfilix&ff χραμμοττ«^•« bleibt nmtürlich unvertndsri
beeiehcn.
S) Siehe oben S. 4. 8) Vgl. O. HirMbfeld KV 845 ff.
4) 8o in flcr (iallniilniirhHfl
32 Kapitel Ι. Allgemeine historische Grundzüge.
beamten Ägyptens.^) Die Präfektur war anfangs das höchste Amt der
Ritterkarriere und ist auch später nicht unter die zweite Stelle gesunken.^)
Wiewohl diesem „Vizekönig" vom Volk gelegentlich königliche Ehren
erwiesen wurden*), so war er doch nur loco regum (Tac. hist. 1, 11), und
es wurde streng daran festgehalten, daß die höchsten königlichen Ehren
dem Kaiser reserviert wurden.*) Anfangs ohne Rangtitel auftretend,
werden die Statthalter seit Nero als κράτιατοι (= viri egregii) bezeichnet,
seit der Mitte des IL Jahrh. als λαμτί^όταχου (= viri clarissimi), wiewohl
diese Bezeichnung den hier ausgeschlossenen Senatoren zukam; allmählich
verdrängt dann der λα^Λροτοίτο^ den κράηοτος und wird im III. Jahrh.
der herrschende Titel, während daneben am Ende des IL Jahrh. ver-
einzelt ό διασημότατος (= vir perfectissimus) begegnet.^) über die Per-
sönlichkeiten der Präfekten haben die Papyri neben den Inschriften reiche
Aufschlüsse gebracht. Die beste Zusammenstellung der bisher bekannt
gewordenen Statthalter bietet L. Canterelli. ^)
Der Präfekt, dem unter Augustus durch Volksbeschluß ein imperium
ad similitudinem proconsulis übertragen war'^), war nach dem alten römi-
schen Grundsatz sowohl in der militärischen wie in der zivilen Verwal-
tung die Spitze. Beschränkt war sein Imperium dadurch, daß er gewisse
letzte Entscheidungen dem Kaiser vorzubehalten hatte. ^) Der Ausschluß
der Senatoren ergab die Konsequenz, daß hier ein Ritter das Provinzial-
heer kommandierte (vgl. Kap. XI). Als Zivilbeamten unterstand ihm so-
wohl die Verwaltung wie die Jurisdiktion.
Eine wichtige Änderung führte Augustus ein, indem er zur Erleich-
terung und besseren Durchführung der ungeheuer großen Aufgaben der
Verwaltung und Jurisdiktion auch hier die Konventsordnung nach dem
Muster der anderen Provinzen schuf. In jedem Jahre sollte der Präfekt
Konvent abhalten, nicht nur zur Erledigung der vor den Konvent ge-
brachten Prozesse^), sondern auch, wie schon die griechische Bezeichnung
1) Vgl. A. Stein, Arch. IV 148 ff. und P. Meyer, KHo VII 122 ff., 144.
2) Hirschfeld 1. c. 347. 3) Vgl. BGU Π 362 VII 17 ff.
4) Vgl. die Katastrophe des Cornelius Gallus und dazu Wilcken, Äg. Z. 35, 1 ff.
(Zur trilinguen Inschrift von Philae). Immerhin wurde auch auf die Präfekten er-
streckt, daß die Könige während der Nilschwelle nicht auf dem Nil fahren durften
(Plin. h. n. 5 § 57, vgl. Arch. IV 417). Vgl. auch Seneca, nat. quaest. IV 2 § 7 und
dazu Arch. ΙΠ 326.
5) Oxy. 237 VI 34. Vgl. Preisigke, Stadt. Beamte S. 29. P. Meyer bei 0. Hirsch-
feld, Die Rangtitel der röm. Kaiserzeit (Sitz. Berl. Akad. 1901) S. 584 Anm. 3. Jetzt
auch A. Stein im Arch. V Heft 3.
6) La Serie dei prefetti di Egitto (R. Accad. d. Lincei 1906). I. da Ottaviano
Augusto a Diocleziano. Eine Fortsetzung ist in Vorbereitung.
7) Ulpian, Dig. 1, 17, 1.
8) Vgl. Edikt des Ti. Jul. Alexander Z. 64.
9) Über diese an sich und auch in den Urkunden am meisten hervortretende
juristische Bedeutung des Konvents vgl. Band Π, Kap. Π.
Β. Die römische Periode. § 1. Das Regiment. 33
όιαλογιόμός bestätigt, zur „Abrechnung" mit den Verwaltungsbehörden,
also zur Kontrolle der Administration*), und zwar war der Präfekt der
einzige Beamte im Lande, der zum conventum agerCy διαλογίζεϋ^αι^ d. h.
zur Leitung der Konventsgeschäfte qualifiziert war.") War der Kaiser ein-
mal im Lande, so konnte er natürlich auch selbst statt seines Stellver-
treters den Konvent leiten.') Um die jährliche Durchführung des Kon-
vents zu erleichtern, hat Augustus die Konventsstädte so ausgesucht, daß
keine weiten Reisen von dem gewöhnlichen Amtssitz Alexandrien aus nötig
waren: es waren in der Regel Alexandrien, Pelusium und Memphis (ge-
legentlich Arsinoe statt Memphis)^), die zugleich als die Hauptfestungen
des Delta — sie bilden ein Festungsdreieck — sich hierzu besonders
empfahlen.^) Dem entsprechend teilte Augustus die Provinz in drei Kon-
ventssprengel in der Weise, daß Alexandrien Konventsstadt für die west-
lichen Deltagaue, Pelusium für die östlichen und Memphis für das ganze
übrige Land war.*) Über die Beziehungen dieser Konventssprengel zu
der sonstigen administrativen Gliederung des Landes vgl. unten S 35.
Falls meine im Arch. IV 415 ff. aufgestellten Berechnungen sich bestätigen,
waren die normalen Konventszeiten so geordnet, daß der Präfekt etwa im
Januar nach Pelusium fuhr, im Februar/März oder auch noch April in
Memphis war und dann nach Alexandrien zurückkehrte, wo im Juni/Juli
(Epiph) — also während des Steigens des Nils, wo er den Nil nicht be-
fahren durfte*^) — der alexandrinische Konvent abgehalten wurde. Falls
der Präfekt noch besondere Inspektionsreisen durch das Land, bis zur
Thebais hin zu machen wünschte, was meist wohl bald nach Über-
nahme des Amtes oder auch sonst geschah, scheint er diese Reisen vom
raemphitischen Konvent aus, also im Frühling, angetreten zu haben.®)
Über die feierlichen Empfänge, die bei solchen ίπιδημίαι, des Präfekten
in den Städten vorbereitet wurden, berichtet z. B. Lond. 111 S. 112 ff.,
auch BGU U 362, VU.
Aus dem Zeremoniell, mit dem der Vizekönig sich umgab, ist uns
durch die Papyri im besonderen die Sitte des Empfanges der Morgen-
visite (όύπαόμός) bekannt geworden. Vgl. BGU I 347, 3 (in Kap. II);
Oxy. III 471, 67 ff
Über die Formen seiner Edikte und seiner 8on.stigi»u Verfügungen
und Entscheidungen vgl. Band IL
1) Vgl. Wilckcn, Arcb. IV 8Ci>. 8) Vgl. Wücken, Arch. IV 40».
8) Vgl. z.B. Oxy. IV 706, II 87 ff., wo SepUmiu• Sevem• und CAracAÜA im
J. 202 Konvent abhalten.
4) Vgl. Wilcken, Arch. IV 874 ff. 6) Vgl. Axoh. IV 400 ff.
β) Vgl. Oxv. IV 70U T) 8. oben 8. »t Aum. 4
H) Vgl. Arch IV 418 fr. Zn der Liite ftaf 8.41» Hig• Ich ab iltettet BeUpifl
hiotu CIL ΙΠ 14147•, wonarh dor Präfekt im J. 89 am 28. April io Syont war.
Mllttlt-Wlloken: OntadiOw i '
34 Kapitel Ι. Allgemeine historische Grundzüge.
Während es für die Ptolemäerzeit immer noch eine offene Frage
ist, ob außer dem König aucli die Beamten Tagebücher geführt haben^
steht es für die Kaiserzeit fest, daß vom Präfekten an alle Beamten
solche νΛομνηματιόμ^οΙ genannten Amtsjournale zu führen gehalten waren. ^)
Den besten Einblick in die Anlage dieser Tagebücher gewährt uns der
im Original erhaltene υπομνηματιομός eines oberägyptischen Strategen
in Par. 69 (41). Er zeigt zugleich, daß diese Aufzeichnungen, ehe sie
in die Akten eingereiht wurden, öffentlich ausgehängt wurden, wie sie
auch später zugänglich waren. Vgl. den Kommentar. Daraus erklärt sich,
daß bei den Prozessen so häufig Abschriften aus solchen νττομνηματίΰμοί
vorgelegt wurden.
Zur Bewältigung der ungeheuren Arbeitslast^) waren dem Präfekten
eine Reihe anderer Reichsbeamter unterstellt, die gleichfalls dem Ritter-
stande entnommen wurden, so der Juridicus (δίχαίοδότης) für die
Rechtsprechung (vgl. Band II) und der Idiologus, neben dem später
der δίΟίκψης und der έπίτροτΐος των ονοιακών und der καϋ-ολίχός hinzu-
treten, für die Finanzgeschäfte (vgl. Kap. TV). ^) Alle diese Beamten haben
ihren Amtssitz in Alexandrien, das nach wie vor das Zentrum der ge-
samten Verwaltung war.
§ 2. DIE LANDESVERV7ALTÜNG.
Die staatsrechtliche Anschauung, daß Alexandrien (als TtoXig) außer-
halb Ägyptens (als χώρα) liegt, tritt mit unübertrefflicher Deutlichkeit
namentlich in römischen Texten entgegen, in denen die Stadt bezeichnet
wird als Alexandria ad Aegyptum. So z. B. in der 4. Holztafel von Kairo
(in Kap. V). So auch in Oxy. I 35,9: iv '^λεξ]ανδρείθί tf] tcqoc: Αίγνπτφ^
einem Text, der Übersetzung aus dem Lateinischen ist (vgl. Arch. IV 253).
Im Gegensatz dazu heißt es in der 3. Holztafel von Kairo: actum Aeg(ypto)
nomo Arsinoite metropoli (s. unten S. 39). Vgl. auch praef. Alexandreae
et Aegypti in der Gallus - Inschrift. Darum habe ich den ηγεμών
αμφοτέρων in Oxy. 39, 6 als Präfekt von Alexandrien und Ägypten ge-
deutet (Griech. Ostr. I 426), was die Zustimmung von Canterelli gefunden
hat (Studi Storici I, 1908, 284 ff.) Dieselbe Vorstellung liegt auch in
Oxy. IV 727, 11 vor, wo Römer in Alexandrien erklären, nicht nach
Ägypten fahren zu können (Wilcken, Arch. IV 392).
1) Ygl. Wilcken, 'Ττίομνηματίομοί (Philolog. 53, 80 ff.)•
2) Vgl. Philo in Flaccum § 16 charakterisiert die Präfekten als ov διγ,άζονταξ
μόνον, άλλα %al λογιβμονς των τιροοόάων ν,αϊ δαβμών λαμβάνοντας, ων η έ^έταβις τον
πλείονα τον ένιαντον χρόνον άνήλιαν,εν. Vgl. Hirschfeld, ΚΥ 349.
3) Über den procurator Neaspoleos et mausolei Alexandriae, der außer den
hiermit angedeuteten städtischen Funktionen auch für das ganze Land eine all-
gemeine Bedeutung für die Getreideverwaltung gehabt hat, s. unten Kap. IX. Im
übrigen vgl. zu den Beamten 0. Hirschfeld, KV 350 ff.
Β. Die römische Periode. § 2. Die LandesverwaltuDg. 35
Während die Ptolemäerzeit nur eine Teilung dieser χώρα in Ober-
nnd Unterägypten kennt (s. oben S. 8), begegnet in der Kaiserzeit eine
Dreiteilung, indem von dem früheren Unterägypten die sieben südlichsten
Gaue mitsamt dem Arsinoites als eigener Landesteil den Gauen des Delta
gegenübergestellt wurden. Strittig ist die Frage, wann diese Neuerung
geschaffen ist. Ich hatte früher aus dem Edikt des Ti. lul. Alexander
Z. 47 (nach dem Franzschen Text) gefolgert, daß damals (a. 68) diese Drei-
teilung noch nicht bestanden habe^); Grenfell-Hunt schlössen dann aus
Oxy. IV 709, den sie um 50 n. Chr. ansetzten*), daß die Dreiteilung schon
damals durchgeführt gewesen sei. Vgl. auch Teb. II 302, 25, wodurch die
Abtrennung der 7 Gaue mindestens für 71/2 bezeugt ist. Kürzlich hat
nun V. Martin^) mit Benutzung der auf v. Bissing zurückgehenden neuen
Dittenbergerschen Ausgabe des Edikts des Alexander gezeigt, daß in Z. 47
die 7 Gaue genannt gewesen sein können"*) und hieran anknüpfend die
Hypothese aufgestellt, daß schon Augustus die Dreiteilung eingeführt habe.
Wenn die Frage zu völliger Evidenz auch erst durch neues Material ge-
bracht werden kann, ist doch schon jetzt diese Möglichkeit zuzugeben,
ja es läßt sich manches für die Wahrscheinlichkeit anführen.^) Für die
Motivierung der Neuerung möchte ich auf die oben S. 33 behandelten
drei Konventssprengel hinweisen, die freilich mit diesen drei Verwaltungs-
bezirken nicht übereinstimmen, aber doch schon eine Lostrennung der
südlichen Gaue des früheren Unterägyptens mindestens bis Memphis hin
zur Folge hatten. Wenn wirklich schon Augustus, wie ich vermutete, die
Konventssprengel so festsetzte, wie sie in Cxy. IV 709 auftreten, so konnte
es nahe liegen, diese 7 Gaue, die mit der Thebais zugleich Memphis als
Konventsstadt zugewiesen waren, auch als selbsiändigen Verwaltungsbezirk
einzurichten, und so könnte die Konventsordnung der Anlaß zu dieser
Einrichtung gewesen sein. An sich wäre es auch möglich, daß die Orga-
nisation dieser 7 Gaue vorangegangen wäre, aber für die andere Auffassung
spricht vielleicht, daß die Wahl der drei Städte sich unabhängig hiervon
durch praktische Gründe erklären ließ (Arch. IV 400 f.), die Wahl von
Memphis aber dann die Loslösung jener 7 Gaue zur Folge hatte. Schreibt
I Vgl. OfttrAkal 426: o^x Μ τήν θηβαίδα μόν[ον oijdl Μ tohg ηόρ^ω 90μ9hς
τ / - /< r,,> χώρας κτλ.
.' Mir Hchicn die Schrift auch mit einem Ani»tz nach 68 Tereinbar su aein,
vgl. Arch. III 812.
8) In der /u erwartenden Schrift L'Epistratöge eio. 8. oben 8. 10 Anm. t.
4) Die Grüße der Lücke erlaubt au ergftnten: o^ Μ την θηβαίδα μόψη[9 oid*
in) το ν ς ζ νομο^ί ού]δϊ inX τονς ηόρρω ψομο^ς χής κάτω χώρας (Martin). Pur die
H epricht. daß ή %άτω χώρα nach Strah» XVII p. 788 •ρβ»ίο11 da* Delta b•-
. auch p. »02 Sai• als μητράηοΧις r/Jf κοτω χώρας von ihm genannt wird
(Martin). Weniger enUcheidend iit an sich Oxj. IV 709,8 (12).
6) Vgl. Martin 1 -
8•
36 Kapitel Ι. Allgemeine historische Grundzüge.
man die Dreiteilung des Landes Augustus zu, so hindert m. E. auch nichts
mehr, in Teb. II 302, 26 das 41. Jahr, das doch nur das des Augustus
sein kann (a. 11/2) mit dem γενόμενος έκιΰτράτηγος των Έ%τά νομών καΐ
Ι^ρουνοΐτον in Ζ. 25 zu verbinden.
Eine Veränderung ist erst eingetreten, als Hadrian den Antinoi'tes
schuf (s. unten S. 49) und ihn den 7 Gauen zuzählte, ohne doch den Titel
Έτΐτά νομοί καΐ Άροίνοΐτηζ zu yerändern. Martin vermutet, daß damals
der Letopolites, der vorher zur Heptanomia gehört habe, zur Κάτω χώρα
(= Delta) geschlagen sei, um eine Veränderung des einmal eingebürgerten
Namens unnötig zu machen. Dieser Punkt bedarf wohl noch weiterer
Aufklärung.
Innerhalb der neuen drei Landesteile Θηβαίς, 'Επτά νομοί'^) καΐ 'Aq-
όίνοΐτης und η Κάτω χώρα oder το ^έλτα^) blieb die alte Gaueinteilung
bestehen, nur daß auch jetzt wie früher gelegentliche Veränderungen
(durch Zusammenlegung von Gauen o. ä.) vorgenommen, wurden.^) Auch
jetzt zerfielen, wie es oben S. 9 für die Ptolemäerzeit dargelegt wurde,
die νομοί in τοπαρχίαι^ und der Gau umfaßte das Gebiet der μητρόπολις
und der κώμαι.
In der Verwaltung des Landes sind in der Kaiserzeit mehrere
wichtige Veränderungen durchgeführt worden. Während die Ptolemäerzeit
nur in der Thebais einen Epistrategen, und zwar als vorwiegend militä-
rischen Beamten gekannt hatte (s. oben S. 10), hat Augustus jedem
Landesteil — sagen wir also mit Martin, jedem der drei Landesteile —
einen Epistrategen vorgesetzt*) und zwar als reinen Zivilbeamten. Die
Epistrategen der Kaiserzeit stehen mit dem Militär in keinem Konnex.^)
Der älteste uns bekannte Epistratege der Römerzeit (17/6 v. Chr.) trägt
einen griechischen Namen, Πτολεμαίος Ήραχλείδον. Möglicherweise ist
er noch aus der ptolemäischen Verwaltung übernommen.^) AUe späteren
Epistrategen — auch schon der vom J. 4 v. Chr. '^) — sind Römer und zwar
römische Ritter, denn Augustus hat das Amt umgewandelt in eine Pro-
kuratur.^) In den griechischen Texten tritt dies gelegentlich darin ent-
1) Die Bezeichnung Έτΐτανομία kommt nach Martins Beobachtung erst seit dem
in. Jahrh. vor.
2) Der letztere Ausdruck z.B. in der Ehreninschrift Dittenberger, Or. Gr. Π 709, 6.
3) Vgl. z. B. Kuhn II 487 f. Wilcken, Arch. IV 164 f. Kornemann, Klio VII 282 f.
So nennt jetzt BGU IV 1130, 8 'Τ'^ηλή eine κώμη des Αυτιοπολίτης zur Zeit des
Augustus, während Claud. Ptol. 4, 5 § 64 es als Metropole des 'Τιρηλίτης bezeichnet.
4) Vgl. Strabo XVII p. 798: κατά oh την χώραν ύηιοτρατήγονς τινάς — άποάεί-
ξ,αντεζ. Mit Recht bemerkt Martin, daß τίνας besser zu 3 als zu 2 Epistrategen paßt.
5) Daß BGU 372 II (19) nicht auf militärische, sondern auf polizeiliche Befug-
nisse geht, führe ich im Kommentar aus.
6) Letronne, Rec. d. Inscr. II S. 141. 7) Inscr. Graec. ad r. Rom. pert. I 1109.
8) Vgl. Wilcken, Griech. Ostr. I 427, 499. Mommsen wollte dagegen die Pro-
kuratur von der Epistrategie trennen.
Β. Die römische Periode. § 2. Die Landesverwaltung. 37
gegen, daß der Epistratege, wenn auch niclit im Titel, als έ:χίτροποζ be-
zeichnet wird.*) Lateinisch heißt er titular procurator ad epistrategiam
oder epistrategiae. Als römischer Ritter heißt er (seit dem IL Jahrh.)
χράτιδτος (= vir egregius). Für die Thebais und die Heptanomia sind
uns zahlreiche Epistrategen bekannt.^) In die Κάτω χώρα gehört wahr-
scheinlich der in BGU IV 1138,4 genannte, aus der Zeit des Augustus.^)
Der Epistratege tritt uns teils als Delegatar des Präfekten im Gerichts-
wesen mehrfach entgegen (vgl. Band II), teils als Verwaltungsbeamter. Im
besonderen bat er in den zwei ersten Jabrhunderten gewisse liturgische
Beamte zu erlosen und einzusetzen (vgl. Kap. VIII). Wieweit er an der
Finanz Verwaltung beteiligt war, ist nach dem jetzigen Material noch nicht
ganz klar. Wie Martin erkannt hat, sind die υποκείμενα rfj επιότρα-
τηγύα*) nicht ihm zur Kontrolle unterstellte Steuern, sondern die Erträg-
nisse gewisser Steuern, die dem Epistrategen als Emolumente überwiesen
waren, wie andere Steuerträge dem βαοίλικοξ γραμματεύς imd dem
χωμογραμματενς zugewiesen waren. ^) Die Epistrategen werden regel-
mäßig auf dem Konvent erschienen sein, um Rechnung zu legen über die
Verwaltung ihrer Epistrategie, abgesehen von ihrer Verwendung in der
Jurisdiktion. Außerdem unternahmen sie oft Amtsreisen durch ihren
Bezirk.
Von diesem römischen Ritter ist durch eine weite Kluft getrennt•)
der ότρατηγός des einzelnen Gaues, wenn er auch unter den Lokalbeamten
der vornehmste ist. Wie dem Epistrategen, so sind auch dem Strategen
von Augustus alle militärischen Funktionen genommen — falls er am
Ausgang der Ptolemäerzeit solche noch gehabt hatte. Sie sind jetzt
reine Zivilbeamte. Während die Epistrategen als Prokuratoren gewiß
vom Kaiser ernannt wurden, hat die Strategen der Präfekt ernannt.^
Ob die Strategie eine Liturgie gewesen ist oder nicht, ist eine Frage, die
zurzeit mit Sicherheit kaum zu lösen ist.®) Die meisten der uns be-
1) VgL BGÜ 168, 4, wo ein Epistratege als έπιτρόηαν μ[4γί]ατ8 angeredet wird.
Zu diesem schon Ostraka I 427 angeführten Belep kam inzwischen hinzu Lips. 8S, 10
und Oxy. VI 899, 26, verglichen mit BGU II 648. 14. Vgl. jetzt Martin.
2) Vgl. die Zusammenstellungen bei Martin.
8) Zu Lucceiue Ofellianus in CIG 4701 und BGÜ FV 1046, HIB Tgl. Arch. ΙΠ 608.
Sollte der Widerspruch sich dadurch lösen, daü der Letopolitee, der bei Ptol. lum
Delta gehört, nachher zur Hei>tanomia geschlagen war, wie Martin (s. oben) et fBr die
Zeit bis auf Hadrian vermutet? Im IV. Jahrh. gehörte jedenfalls der Letopolitee lu
Arcadia, der Nachfolgerin der Heptanomia (a. unten S. 78).
4; Fay 42a 11. Wessoly, Karanis S. 78. Lond. II 8.71. BGU 1»», 14; 887,10.
6; Für jenen vgl. Par. 17, 22, für diesen BGU 199. 7 η tT nr.r» ιλ 90J. Lond.
Π 8. 71. Wessely, Karanis 8. 78.
6) Richtig betont von Gradenwite, Arch " τ"
7) Kdikt des Jul. Alexander Z. 86.
8) Aus der in der vorigen Anmerkung ziti'rion ^^telle des KtuKi« loigt ce jmirii-
falls nicht notwendig. Vgl. Wilcken, Hermes 27, 187 ff.
38 Kapitel Ι. Allgemeine hietorische Grundzüge.
kannten Strategen der Kaiserzeit füliren griechisclie oder ägyptisclie Namen,
werden also Griechen oder Gräco-Ägypter gewesen sein (nicht Ägypter);
einzelne begegnen aber auch mit römischen Gentilnamen. •^) Der Stratege
stand an der Spitze der gesamten Gauverwaltung. Ygl. das Tagebuch
der Strategen P. Par. 69 (41). Besonders deutlich tritt uns seine Tätig-
keit in der Finanz- und speziell der Steuerverwaltung entgegen. Er
scheint auf diesem Gebiet jetzt noch weitergehende Kompetenzen als
vorher in der Ptolemäerzeit gehabt zu haben. Er haftete dem Fiskus
mit seinem Vermögen^) und hatte einen Bürgen zu stellen. Vgl. den
Amtseid Oxy. I 82. Bemerkenswerb ist, daß der Stratege in vielen
Fällen, namentlich in Fragen der Finanzen, direkt mit dem Präfekten
verkehrte, nicht etwa durch Vermittelung des Epistrategen. Letzteres
wird nur auf den Gebieten geschehen sein, die speziell den Epistrategen
unterstellt waren. Wir haben eine Reihe von Schriftstücken, in denen
sich der Präfekt direkt an die Strategen wendet und umgekehrt.
Unter den Strategen standen die Nomarchen (vgl. oben S. 10), die
namentlich an der Steuererhebung beteiligt waren. Vgl. Kap. V.
Die rechte Hand des Strategen war auch jetzt wie in der Ptolemäer-
zeit der βα<3ίλί%0£ γραμματενζ^ der unter Umständen den Strategen als
sein διαδεχάμενοξ zu vertreten hatte. In solchen Fällen — wie gewiß
auch in entsprechenden anderen Vertretungen — kam es vor, daß jemand
als διαδεχόμενος καΐ τα %atä την οτρατηγίαν an sich selbst als βαβιλικος
γραμματεύς amtliche Briefe zu schreiben hatte. Solche liegen uns vor in
den Straßbürger Akten aus dem Gau Nesyt, die ich im Arch. IV 122 ff.
herausgegeben habe (vgl. 52). Über die Betätigung der βα^ιλοκοί γραμ-
ματείς in der Finanz Verwaltung vgl. unten Kap. V. Auch für sie waren
die Einkünfte gewisser Steuern als νΛοηείμενα reserviert.^)
Ein staatlicher Beamter ist auch der γραμματεύς μητροπόλεως, der
zwischen dem ΰτρατηγός und den städtischen Beamten steht.*) Ihm ent-
spricht in den Dörfern der gleichfalls staatliche κωμογραμματενς.
Mit den Metropolen der Gaue sind wichtige Veränderungen in der
Kaiserzeit vorgegangen. Wir müssen scheiden zwischen der Zeit vor 202
und nach 202 n. Chr. In der ersten Periode sind die Metropolen wie in
der Ptolemäerzeit ohne Autonomie geblieben, staatsrechtlich betrachtet
Dörfer, deren Besonderheit darin lag, daß sie das Zentrum der Gau-
verwaltung (μψρότίολις) darstellten. Hier war der normale Amtssitz des
1) Vgl. Wilcken, Hermes 27, 292. Die TJntersucliung müßte jetzt von neuem
geführt werden. Entscheidend sind nur die^Gentilnamen. Römische Cognomina be-
weisen nichts.
2) Vgl. Edikt des Jul. Alexander § 3, wo der οτρατηγόζ zu den τΐροςωφειληκότες
τω δημοβίω λόγω gehört.
3) S.' oben S. 37 Anm. 5. 4) Vgl. Preisigke, Stadt. Beamte S. 10.
Β. Die römische Periode. § 2. Die Landesverwaltung. 39
ϋτρατηγός und des βαοίλικος γραμματεύς, hier war die δημοοία βιβλιο-
-Ο-ήχη^) und die βιβλωΌ-ήκη εγκτήόεων (Band Π Kap. 4), hier die Haupt-
regierungskasse des Gaues (Kap. IV) usw. So fehlte es in Ägypten an
den autonomen Gemeinden, zu deren Repräsentation in anderen Provinzen
ein Provinziallandtag geschaffen war.')
Die staatsrechtliche Auffassung, daß die χώρα aus Gauen besteht
und die Städte wie Arsiuoe, Hermopolis usw. nichts anderes als die
μητροπόλεις dieser Gaue sind, finde ich besonders klar in den lateinischen
Urkunden ausgedrückt. So heißt es auf der 2. Holztafel, die de Ricci in
der Nouv. Rev. Histor. XXX 480 herausgab: Actum Aeg(ypto) nomo
Arsinoite metropoli. Damit fi.ndet endlich auch BGU .-^26 Π 10 ^Αραινο-
είττ] μητροπόλει seine Erklärung, zumal dies in der griechischen Über-
setzung eines lateinischen Textes steht (s. die früheren Deutungen in
Teb. Π S. 370). Darum fragt auch Kaiser Traian, als er dem ägyptischen
Arzt des Plinius das Bürgerrecht geben will, nicht aus welcher Stadt
(oder Dorf) er stammt, sondern ex quo nomo sit, worauf Plinius (ep. 10)
antwortet: νομον Μεμφίτου. Auch wenn der Ägypter in einer der Metro-
polen wohnt, stammt er darum doch aus dem Gau, denn die Metropolen
sind eben keine „Städte".
Eine wesentliche Veränderung tritt uns in der Organisation der
städtischen Beamten entgegen, die auf Augustus zurückzuführen sein
wird.'j Wir finden in der Kaiserzeit in allen Metropolen der Gaue eine
gleichmäßig organisierte Beamtenschaft, die als άρχοντες oder auch als
το xoLvbv των αρχόντων zusammengefaßt wird. Vgl. Oxy. I 54 (34).
Die einzelnen Beamten, die hierzu gehören, sind nach einer festen Riuig-
ordnung gegliedert, die in den Urkunden, sobald mehrere Ämter neben-
einander zu nennen sind, in der Regel streng beobachtet wird. Nach
Preisigke 1. c. 21 hat folgende Rangordnung bestanden: 1. γνμναϋίαρχος^
2. εξηγητής, 3. χοόμητής, 4. άρχιερεύς, 5. άγορανόμος^ G. ίύ^νιαρχι?^
(Platz nicht ganz sicher), 7. νπομνηματογράφος. In exakt geschriebenen
Urkunden werden, wo mehrere dieser Beamten neben einander zu neuneu
sind, diese in absteigendem Range aufgezählt, dagegen werden die Amts-
titel der einzelnen Personen govöhnlich in aufsteigender Reihenfolge ge-
nannt. *j Nach Niederlegung der Ämter wird d<'r Titel in prfttenUler
Form weitergefülirt, wie γνμναόιαρχήόας^ έ^ηγητενόας uaw., was der
Ptolemäerzeit ebenso wie die gesamte Rangordnung fremd gewesen war.
1) Dies erat τοη den ROmem geeohaflene Archiv diente der Anfbewahmng der
■taatlichen Gauakien. Vgl. die Beispiele bei Preiiigke, GiroweMn 8. S83. Vgl a.>n
Kommentar zu Par. 00 (41).
2) Vgl. Mommecn, RG V 668.
8) Vgl. Ktitn folgenden Prcisigku, StAdtiiohe« Beamten weMn im rOm. Ägypten,
(Dil•. Hall. 190a), der zuentt diuM«^ ϋίηκ<> riobtig erkannt bat
4) Vgl. Preiiigke 8. 33
40 Kai>itel Ι. Allgemeine historische Grundzüge.
Alle diese Beamten, die sämtlicli Liturgen sind — aucli dies ist eine wichtige
Änderung gegenüber der Ptolemäerzeit (vgl. Kap. VIII) — , bilden als άρ-
χοντες ein kollegiales verantwortliches Kollegium (xolvov), das die städti-
schen Geschäfte zu leiten hat.^) Davon abgesehen hat jeder einzelne seine
besonderen Befugnisse, so der γνμναΰίαρχος und κοομψής für das Gym-
nasial- und Ephebenwesen (Kap. III), der ενϋ^ηνιάρχης für das Verpflegungs-
wesen (Kap. IX). Diese Archonten, die die Honoratioren der Metropolen
darstellten, hatten wohl in der Kegel gymnasiale Bildung und gehörten
also zu den „oi ajtb γνμναοίον" (vgl. Kap. III). Außer diesen Archonten
gab es noch weitere städtische Beamte, wie den Schatzmeister (ταμίας)^
die außerhalb jenes κοινόν standen, und deren Titel nach Ablauf des
Amtsjahres nicht fortgeführt wurde. ^)
Da in Teb. II 397, 18 ff. für das Jahr 198 ein άρχιτίρντανυξ bezeugt
wird, wie es scheint für Arsinoe, und der Exeget der Stadt damals zu-
gleich dies Amt bekleidet, so muß es dort ein PrytanenkoUegium gegeben
haben. Ein bloßer Titel τίρντάνεις, etwa gleichlautend mit άρχοντες^
kann es schon deshalb nicht gewesen sein, weil dann zu erwarten wäre,
daß nicht der Exeget, sondern der Gymnasiarch den Vorsitz geführt
hätte. Genaueres ist uns über diese Prytanen von Metropolen vor 202
noch nicht bekannt.
Die Bürger der Metropolen hießen μητροΛολΙταί und hatten als solche
manche Vorrechte vor den in der Metropole nur Domizilierenden, den
κατοίκονντες und den τίαρεπιδημονντεζ^ und vor den Dörflern. So hatten
sie z. B. hinsichtlich der Kopfsteuer Erleichterungen (vgl. Kap. V). Die
stimmfähige Gemeinde machte den δήμος der Stadt aus und konnte als
solche zusammen mit den Archonten z. B. Ehrendekrete beschließen. Vgl.
Oxy. III 473 (33) (Oxyrhynchos IL Jahrb.). Dieser Text zeigt zugleich,
daß unter den παρεπιδημοϋντεξ (consistentes) die Römer und Alexandriner
an solchen Ehrenbeschlüssen teilnehmen konnten.
Die Städte waren meist in α;χφο(ϊ« genannte Straßenquartiere ^) ge-
teilt, die unter άμψοδάρχαι und άμφοδογραμματείς standen. Die Ampho-
darchen hatten z. B. die Bevölkerungslisten zu führen (vgl. Lond. II S. 49 ff.,
Stud. Pal. I S. 58 ff. vgl. [61]), die άμφοδογραμματείς waren bei der Ver-
teilung der Liturgie beteiligt (vgl. BGU IV 1062, Oxy. I 81). Sind die
Namen der αμφοδα nach Bauwerken oder Zünften oder Nationalitäten usw.
gegeben, wie in Arsinoe u. a., so sind sie für die innere Geschichte der
Städte und für die Anschauung, die wir uns von ihnen zu machen haben,
1) Preisigke 1. c. 8 ff.
2) Preisigke c. 12 nennt sie Beamte zweiter Ordnung.
3) "Ααφοδον steht hier in dem Sinne wie in dem Bericht des Chron. paschal. über
Hadrians Bauten in Jerusalem: έμ^έριοεν την ηόΐιν εις hma αμφοδα ν,αϊ ^τηβεν άν-
ϋ'ρώπονς άμψοάάρχας και. ετιάΰτω άηένειμ,εν αμ,φοδον, ■κτλ.
Β. Die römische Periode. § 2. Die Landesverwaltung. 41
von hohem Interesse.^) In Memphis dagegen wurden die αμφοδα nume-
riert.*) Es ist natürlich überhaupt mit manchen lokalen Verschiedenheiten
in den Städten zu rechnen.
Einen vollständigen Umschwung in der Geschichte der Metropolen
hat Septimius Severus herbeigeführt, indem er im Jahre 202 zugleich mit
Alexandrien (s. unten S. 45) auch ihnen einen Rat {βονλή) verlieh. Es
ist das wohl die wichtigste Änderung, die die Organisation Ägyptens
in dieser Periode erfahren hat, denn damit war der Grund gelegt zu
einer wenn auch durch die fortbestehende Gauordnung beschränkten
Selbstverwaltung der Städte. Es ist bezeichnend für unsere literarische
Tradition, daß sie nur die Einsetzung der βουλή für Alexandrien im
Jahre 202, nicht aber die der Metropolen erwähnt. Erst die Papyri haben
uns Kunde von dieser einschneidenden Maßregel gebracht.^) Wenn bis-
her auch nur für einzelne Metropolen die βονλτι] direkt nachgewiesen ist,
80 kann doch z. B. nach Oxy. I 58, 13 nicht bezweifelt werden, daß ihnen
allen eine solche gegeben worden ist. Meine in den Observat. ad hist.
Rom. S. 14 aufgestellte Vennutung, daß dies im Jahre 202 geschehen
sei, ist durch das inzwischen hinzugekommene Material nicht erschüttert
worden.*) Es ist wohl kaum zu bezweifeln, daß Severus sich zu dieser
Maßregel verstanden hat, um einen Teil der staatlichen Aufgaben auf
die Schultern der Ratsherren abzuwälzen.^) Es ist der städtische
Reichtum, der jetzt in noch ganz anderer Weise als vorher vom Staate
herangezogen wird, indem die finanzielle Verantwortung für wichtige
Verwaltungszweige den reichen Städtern zugeschoben wird, eine Maß-
regel, die schließlich hier wie anderwärts zur Verarmung der Städte
geführt hat. Welche große Bedeutung für das ganze Land diese
Änderung der Kommunalordnung gehabt hat, konnte erst nach uud
nach genauer erkannt werden^) und bedarf auch noch weiterer Unter-
suchungen. Zu der Bedeutung dieser Maßregel für die Begründung
der Bistümer in Ägypten vgl. Kap IL Einstweilen läßt sich erkennen,
daß die Vermögensverwaltung der Stadt von dem xoivov der &Q%ovtBg
nunmehr an die βονλή übergeht'), daß die städtischen liturgischen Be-
amten jetzt von der βουλή erwählt werden®), und auch manche staatliche
Beamte, namentlich solche, welche in der Steuerverwaltung eine Rolle
spielen, wie die Dekapro ten, die Nomarchen, die Praktoren uew., der Staate-
regierung von der βουλή präsentiert werden, wodurch sie die Verant-
1) Vgl. die topographische Literatur oben in der Einleitung | S.
S) Wilcken, Arcb. II 472.
8) Vgl. Wilcken, Griech. (Jitruka I 480, wo die ältere Literatur terieichnet iet
4) Vgl. Griech Ostraka I 481 Anm. I. 6) Vgl. Wilcken, HermM 10, 446 ff.
β) V^l 7 \\. Hoftowzow, GGA, 1009, 616 ff., anch seine Studien t. Kolonat
7 ' 1. c. ΙΛΓ und unten Kap. IV.
8 1 . 1. c. 18 ff.
42 Kapitel Ι. Allgemeine historische Grundzüge.
wortung überualim.^) Vgl. z.B. κίνδννω εκάστης βονλης in Oxy. 158, 13;
CPHerm. 97, 8. Wie dadurch die Haftung für die Eingänge der Steuern
auf die Kommunen abgewälzt wird, so ist auch die Tempel Verwaltung nun-
mehr eine städtische geworden, indem die Tempelfinanzen von Kuratoren
(επψελψοίί), die vom Rat gewählt sind, verwaltet werden. Vgl. Kap. II,
im besonderen den Kommentar zu BGU 362. Wichtige Einblicke in die
mannigfachen Geschäfte der βονλή gewähren die in CPHerm. edierten
Urkunden. Vgl. 38—40.
In allen diesen Tätigkeiten wird der Rat vom Strategen als dem
ersten Regierungsbeamten des Gaues beaufsichtigt. Er gibt die Befehle
des Präfekten weiter an die βουλη^) und überwacht ihre Ausführung,
und zwar nicht nur in staatlichen, sondern auch in städtischen Angelegen-
heiten.^) Diese scheinbar autonomen Gemeinden waren also durchaus
nicht von der Gauverwaltung eximiert, sondern vielmehr ihr unterstellt.
Ich trage daher Bedenken, Ausdrücke vrie „Einführung der Dekurionats-
ordnung" oder „Munizipalisierung Agjptens^^, wie jetzt üblich geworden ist,
schon auf die Ordnung des Severus von 202 anzuwenden. Was hier in
die Gau Verwaltung eingefügt ist, ist die griechische βουλή. Vor einer
Munizipalordnung im eigentlichen Sinne möchte ich erst für das IV. Jahrh.
sprechen, wo die Gauverwaltung aufgehoben wird. S. unten.
Neben der βουλή bleiben nach wie vor die άρχοντες bestehen, doch
sind, wie oben gesagt worden, manche ihrer Befugnisse an den Rat
übergegangen. Zu diesen άρχοντες gehörten auch die τζρυτάνείς^), ein
Kollegium, dessen Zahl wir nicht kennen, von denen jetzt immer je einer
im Turnus das Präsidium im Rat hatte (als εναρχος τίρύτανις). Dieser
zurzeit amtierende Prytan gilt als der Vertreter des Rates (ή βουλή diä
τοϋ δεινός). Über die Zahl, den Wahlmodus und den Zensus der Rats-
herrn sind wir noch nicht unterrichtet.^) Einen Einblick in die Ge-
schäftsordnung der βουλή bieten uns die erhaltenen Ratsprotokolle. Vgl.
für Herakleopolis BGU 925 (37), für Hermopolis die von Wessely edierten
Stücke in CPHerm. aus der Mitte des III. Jahrh. Vgl. 38—40.
Zugleich mit der Schaffung des Rates wird auch die Bürgerschaft
der Metropole einer neuen Organisation unterworfen worden sein. Der
δήμος neben άρχοντες und βουλή begegnet zwar auch schon vor 202
(s. oben S. 40), wie nach 202, und es wäre möglich, daß dieser δήμος
auch damals schon in Phylen gegliedert gewesen wäre. Aber nachweisen
können wir die Phylen erst nach der Neuordnung von 202; das älteste
1) Preisigke 1. c. 20 ff. 2) Vgl. z. B. Oxj. 58. 3) Preisigke 1. c. 22.
4) Vgl. Wilcken, Arch. IV 118 f. — Daß in den Metropolen (wie auch in Alexan-
drien) schon vor 202 Prytanen gewesen sind, zeigt für Arsinoe Teb. II 397. S. oben
S. 40.
5) Preisigke 1. c. S. 50.
Β. Die römische Periode. § 3. Die Griechenstadte. 43
Beispiel ist z. Z. Oxj. ΥΠ 1030 (36). Diese Metropolphylen, die keine
Namen führen, sondern numeriert werden, dienen als Unterlage für die
Verteilung der öffentlichen Lasten.^)
Alles in allem hat die Einführung der ßovlij im J. 202 nicht etwa
die Wirkung gehabt, die Metropolen den Griechenstädten gleichzustellen.
Sie wurden weder griechische πόλεις^ noch römische civitates (s. oben
S. 42 ), sondern sie blieben μητροπόλεις ihrer Gaue. Daher sind auch den
Metropoliten durchaus nicht ohne weiteres die Wohltaten der Constitutio
Antonina zugute gekommen (s. unten S. 57).
Was endlich die Dorfverwaltung betrifft, so erscheint als eine
Neuerung gegenüber der Ptolemäerzeit^), daß in der Kaiserzeit die πρεό-
βντεροι τήζ κώμης als eine allgemeine dörfische Behörde auftreten. Diese
Presbyter, die liturgische Beamte sind, vertreten eventuell den κωμογραμ-
ματενς. Vgl. BGU G, BGU 15. Die Dorfgemeinden sind öfters mit ol cbro
της χώμης bezeichnet, d. h. die Gemeinde derer, die im Dorfe ihre Origo
haben.^) Diese Dorfgemeinde hatte u. a. das Recht, Beschlüsse zu fassen
zur Ehrung verdienter Personen.*) Sie hatte auch auf gemeinsamen Be-
schluß Vorschläge zu machen für die Liturgen, für die dann auch die
Gesamtheit der Dorfbewohner die Bürgschaft übernahm. Vgl. BGU 235
und Flor. 2.^)
§ 3. DIE GRIECHENSTÄDTE.
Wenden wir uns von der Gauverwaltung wieder zu den Griechen-
städten, so hat sich in der Kaiserzeit die Zahl dieser Λολεις um eine ge-
mehrt, indem zu Alexandrien, Naukratis und Ptolemais die Neugründung
Hadrians, Antinoopolis, hinzukam.
Leider ist die Zahl der Papyri, die uns über Alexandnuu und
seine Geschichte Aufschlüsse geben, bisher noch gering. Aus den in der
Einleitung § 2 behandelten Gründen sind hier Papyrusfunde an Ort und
SteUe auch kaum zu erwarten. Glücklicherweise hat sich kürzlich uüt. r
1) Wilcken, Griech. Oatr. I 431 f.
2) Die Anflicht Rostowzcwd (Arch. III 214 f.), daß die ηρΜβνη^οι χής ηάμης die
Nachfolger seien der nQBößvttgoi των γβωργών der Piolem&eneit, hat eine innere Wahr-
•cheinli(-hk(5it für eich. Der oben hervorgehobene Unterschied, dafi die Pietbjter der
Kainerzcit dag ganze Dorf vertreten, während die der Ptolemaeneit nur die QenoMen-
■chaft der άημόαιοι, γίωργοί, wOre aU Entwioklangtergebnii anfgefaßt hiermit nicht
unvereinbar. Aber da• Problem bat noch viele dunkle Seiten, die noch eingtheader
rnt«;riiuchung bedürfen.
8; Nicht die Dorf behörden : Hohlwein 1. c. 187 ff. Vgl. dagegen Wilcken, Aroh.
III 529, 651. Mir snetimmond Zulueta, de patroctniii vicorum S. 64.
4) Vgl. Dittenborger Or. (Ir. II βββ, ein Khrendekret an oi άπ6 ηάμ^ς Bev«t(-
(>•ωβ und der χοηογραμμαηΐς und %ωμογ(/αμματ9ί9 d•• GMief (L^topoUte•) BQ Ehren d••
Prftfekten (auM NeroH Zeit), abgefaßt in den Formen eine• ψ^ψίύμα,
:,) Vgl Wilcken, Oriech. Oit. I 508 f.
44 Kapitel Ι. Allgemeine hietorisclie Grundzüge.
den in Abusir-el-Mäläk ausgegrabenen Papyri eine größere Zahl als alexan-
drinische Urkunden (aus der Zeit des Augustus) herausgestellt, die von
Schubart im IV. Bande der BGÜ herausgegeben werden.^) Andererseits
befindet sich unter den sonstigen in Ägypten gefundenen Papyri doch
eine nicht unbeträchtliche Zahl von Texten, die entweder alexandrinische
Verhältnisse berühren — so vor allem die „Martyrien" (s. unten S. 45) —
oder aber in Alexandrien selbst geschrieben und dann in die χώ^α ge-
sendet und so der Vernichtung entgangen sind, oder endlich auch Ab-
schriften von solchen (wie die abschriftlich verbreiteten Edikte und sonstigen
Akten alexandrinischer Behörden).^) Zu den alexandrinischen Originalen
gehören u. a. zahlreiche Privatbriefe, die vielfach an der Erwähnung des
Proskynema vor dem großen Sarapis kenntlich sind (vgl. Kap. II). Eine
genauere Eruierung ^) und Zusammenstellung der aus Alexandrien stammen-
den Urkunden wäre sehr erwünscht.
Alexandrien hatte durch die römische Eroberung an seinem Prestige
stark gelitten, hörte es doch auf, die Residenz eines Königreiches zu sein,
um der Amtssitz eines römischen Ritters zu werden. Für das Aufgeben
der glänzenden Hofhaltung mit ihrem reichen Hofstaat war die Haus-
haltung der Präfekten im alexandrinischen Prätorium*) ein schwacher
Ersatz. Die Alexandriner haben es nie verwunden, daß ihre Stadt nun
den zweiten Rang einnahm hinter der Stadt am Tiber, die in ihren Augen
ein Parvenü blieb. Sie rächten sich, indem sie ihrer Spottlust gegen den
Kaiser und seine Stellvertreter freien Lauf ließen, und oft sind sie von
einer im StiUen kontinuierlichen Fronde zu offener Revolte übergegangen.^)
Durch die Papyri haben wir von einer eigenartigen alexandrinischen
Literatur Kunde gewonnen, die der Verherrlichung des alexandi-inischen
Bürgerstolzes vor dem Cäsarenthrone diente. Erhalten sind uns daraus
einige Erzählungen von Kriminalprozessen, in denen Vertreter der alexan-
drinischen Bürgerschaft vom Kaiser zum Tode verurteilt worden sind.
Nach Analogie der christlichen Märtyrer- Akten nennt man sie jetzt heid-
nische oder alexandrinische Martyrien. Wenn diese Erzählungen auch
Literatur sind, so gehen sie doch auf die amtlichen kaiserlichen Protokolle
zurück und gewähren uns so, nach Abzug dessen, was durch die Über-
1) Vgl. dazu Schubart, Arch. V S. 35 fif., und Pieuß. Jahrbücher 1909, 498 fF. (Neues
aus dem alten Alexandrien).
2) Das Original eines Statthalterbriefes bietet ein von Zucker herausgegebener
Berliner Papyrus (Sitz. Ber. Akad. 1910 S. 710).
3) Vgl. z. B. Arch. IV 391 f.
4) Vgl. Oxy. III 471, 110; BGU 288, 14, wo ich am Original Λρα<ι>τωρ/[ω her-
stellte. In beiden Fällen ist das alexandrinische praetorium gemeint. Außerdem
gab es praetoria auch in den Metropolen für die Besuche der Regierungsbehörden,
belegt für Antinoopolis, Vgl. Arch. IV 121.
5) Vgl. Mommsen, EG V 581 fP.
Β, Die römische Periode. § 3. Die Griechenstädte. 45
arbeitungen hinzugekommen ist, einen Einblick in die Vorgänge selbst.
Ursprünglich verfaßt sind sie wohl von Mitgliedern der Gesandtschaften,
also von Genossen der Märtyrer; nach und nach sind sie dann — ähnlich
wie die christlichen Martyrien — überarbeitet worden mit der Tendenz,
den Freimut der Märtyrer noch mehr zu steigern. Drei solcher Kriminal-
prozesse sind uns so bekannt geworden: der erste wurde vor Kaiser
Claudius in Rom geführt und endete mit der Hinrichtung des alexan-
drinischen Gymnasiarchen Isidoros und seines Genossen Lampon; der zweite
spielte sich vor dem Tribunal des Hadrian ab, vielleicht auch in Rom,
und führte zum Tode des alexandrinischen Vertreters Antoninus; der dritte
wurde vor Commodus in Rom geführt und endete mit der Hinrichtung
des alexandrinischen Gymnasiarchen Appianos. In den beiden ersten Fällen
hatten die Streitigkeiten zwischen den Alexandrinern und Juden den Anlaß
zum Prozeß gegeben. Im dritten Falle, der keinen Hinweis auf diese
antisemitische Bewegung enthält, dasselbe anzunehmen, ist keineswegs ge-
boten, denn nicht als Antisemitenführer, sondern als Vertreter der griechi-
schen Opposition gegen die römische Gewaltherrschaft haben diese Männer
in Alexandrien ihren Märtyrerruhm gewonnen. Zur Begründung meiner
Auffassung von diesen Märtyrer- Akten muß ich hier auf meine Abhandlung
„Zum alexandrinischen Antisemitismus" (Abb. Sachs. Ges. d. Wiss. ΧΧΛΤΙ,
1909, 783 ff.) verweisen, wo auch die ausgebreitete Literatur hierzu ver-
zeichnet ist. Als Proben gebe ich unten nur die Akten aus Claudius'
(14) und aus Commodus' Zeit (20), während ich für die sehr verstümmelten
Hadrianischen Akten auf jene Abhandlung verweise.
Während für die Ptolemäerzeit die Frage, ob Alexandrien eine βουλή
gehabt habe, eine offene ist (s. oben S. 14), steht es für die Kaiserzeit
fest, daß es von der römischen Eroberung an hier keine βουλή gegeben
hat, bis Septimius Severus sie im Jahre 202 begründete.^) S. oben S. 41.
Gleichwohl ist auch in der Periode von 30 v. Chr. bis 202 n. Chr. die
Bürgerschaft Alexandriens in Phylen und Demen organisiert geblieben.*)
Doch ist auch in der Kaiserzeit wie schon vorher diese Ordnung nicht
immer dieselbe gewesen. So ist zu Beginn der Regierung des Kaisers
ifero') eine durchgreifende Änderung durchgeführt worden, die uns nicht
nur in den neuen Namen entgegentritt, sondern namentlich auch darin,
daß es von jetzt ab üblich war, dem Demennamen den Phylennamen vor-
anzustellen. Man sagt jetzt z. B. Σωοίχόόμως 6 xal }ίλ^((ίίύς und weist
dabei mit Σωόιχόόμως auf die Phyb», mit yU&auvg auf den Demos
i; Vgl. Dio Cm•. 61, .
8) Vgl. (lio Literatur bien&u ubeit έ». ib Anm. β.
8) Vgl Wilckon, Arch. V 18» ff. Zuitimniend Birt, Rh. Μα•. 1»10, der die
Neuerung im hctouderen Auf Seneca xurackfflhreu will. Vgl. auch Schubart, Aich.
V U4 fT,
46 Kapitel Ι. Allgemeine historische Grundzüge.
hin.^) Das alexandrinische Bürgerreclit wurde von der römisclien Regierung
als das vornehmste in Ägypten dadurch anerkannt, daß nur dieses als Vor-
stufe zum Erwerb des römischen Bürgerrechts qualifiziert erachtet wurde.^)
Immerhin rückte jetzt das alexandrinische Bürgerrecht, das in der Ptole-
mäerzeit an erster Stelle gestanden hatte, gegenüber dem römischen natür-
lich an die zweite Stelle. Zur Erwerbung des alexandrinischen Bürger-
rechtes waren vor allem die Griechen im Lande qualifiziert.'^) Den
Ägyptern wurde es nur ganz ausnahmsweise verliehen.^) Über die Zu-
sammensetzung der alexandrinischen Bevölkerung zur Zeit des Augustu»
haben die Papyri aus Abusir-el-Mäläk sehr interessante Aufschlüsse ge-
bracht.^) Zu den schon oben S. 15 hiernach mitgeteilten verschiedenen
Bevölkerungsschichten kommen jetzt noch die Römer hinzu. Neben
römischen Vollbürgern begegnen auch kaiserliche Freigelassene, auch
romanisierte Griechen.^) Auf die sozialen Unterschiede sowie die wirt-
schaftliche Lage der verschiedenen Bevölkerungsklassen werfen diese Papyri
heUe Streiflichter.')
Über die von Strabo XYII p. 797 ^ατά tcoXlv aufgezählten Beamten,
den Exegetes, Archidikastes, Hypomnematographos und den Nachtstrategen
ist schon oben S. 16 gesagt worden, daß sie durchaus nicht alle „städtiscV^
sind. Man sollte denken, daß wie in den Metropolen auch in Alexandrien
jetzt der Gymnasiarch die erste Stellung unter den städtischen Beamten
eingenommen hätte ^), dem dann der Exeget folgte, dann der Kosmet usw.
in der oben angegebenen Reihenfolge. Auch diese alexandrinischen Ämter
werden ja wie in den Metropolen nach Beendigung der Amtszeit in prä-
teritaler Form als Titel weitergeführt; auch dies könnte dafür sprechen,
daß die städtische Beamtenschaft von Alexandrien bei Beginn der Römer-
zeit dieselbe wichtige Umwandlung und so auch die Rangordnung erfahren
hätte wie die der Metropolen. Doch ist die Frage nach den Urkunden
schwer zu beantworten, da der Gymnasiarch bisher seltener erscheint.
1) Dieser Sprachgebrauch konnte erst durch den neuen Lond. ΙΠ S. 156 ff. von
Kenyon dargelegt werden (vgl. Arch. Π 70 ff.), denn hier steht S. 161, 5 (ρνίης της
αντης καΙ δήμου, -womit das vorhergehende Σεβάβτιος 6 καϊ ^Ηράκλειος wiederholt
sein soll.
2) Vgl. Plin. et Trai. epist. 5—7 und 10.
3) Als Beispiel vgl. etwa den έσχ^κώς kλεξav^Qέωv τίοΧιχείαν in Lond. Π
S. 48, 60 ff.
4) Traian. epist. 7: civitatem Alexandrinam secundum institutiones (so nach der
Bodleian copy bei Hardy statt institutionem) principum non temere dare proposui etc.
5) Ygl. Schubart 11. cc.
6) Ygl. Schubart, Arch. Υ 115 f. Die Personen, die sich als Kaicagog bezeichnen,
können aber nicht Freigelassene sein (Schub.), sondern müssen kaiserliche Sklaven sein.
7) Ygl. Schubart, Preuß. Jahrbb. 1. c.
8) Ygl. z. B. das Auftreten der alexandrinischen Gymnasiarchen als Gesandten
vor dem Kaiser in den „Martyrien" (S. 45), z. B. Oxy. 33 III, wo übrigens das ατροφεΐον
und die φαικάσια (weiße Schuhe) als seine Amtsabzeichen angegeben werden.
Β. Die römische Periode. § 3. Die Griechenstädte. 47
Viel mehr tritt in ihnen der Exeget hervor. Gelegentlich erscheint dieser
auch hier; wie in Arsinoe (s. oben S. 40), als der Vorsitzende der Prytaneu.
Vgl. Oxy. lU 477 (132/3) und Teb. II 317 (176/5), wo sich Personen
an den £^ηγτ}Τϊ} xal τοΙς Καιόαρείοις xal τοΙς άλλοις πρντάνεοι wenden.
Nach Teb. Π 397 (s. oben S. 40) wird man annehmen, daß auch hier
der Exeget zugleich den Vorsitz im Prytanenkollegium führte. Über die
Rangstellung gegenüber dem Gymnasiarchen folgt daraus ebensowenig
etwas, wie in jenem Beispiel aus Arsinoe, das uns zugleich zeigt, daß
TtQvxavBig nicht etwa bloß Titel für die städtischen Beamten (ίίρχοντες)
ist*), sondern ein spezielles Prytanenkollegium. Zu diesem gehört« einst
auch der γενόμενος πρυτανικός αρχών in Oxy. 592 (122/3).-) Die anderen
beiden Texte zeigen aber, daß auch die Καιόάρειοι zu diesen alexandri-
nischen Prytanen gehören. Die Ansicht, daß dies Bürger aus der Phyle
Καιοάρειος seien ^), ist kaum haltbar, zumal nachdem in Teb. II 317 ein
zweites Beispiel, das 50 Jahre jünger ist, zu Tage kam, vielmehr werden
die Καιΰάρειοι die kaiserlichen Freigelassenen sein.^) Aus der Art, wie
aus dem Gesamtkollegium die Καιΰάρειοι hervorgehoben werden, folgt,
daß diese kaiserlichen Freigelassenen darin eine hervorragende Rolle ge-
spielt haben müssen. Vielleicht sind sie von der kaiserlichen Regierung
zur Kontrolle den Alexandrinern aufoktroyiert worden.^) Doch bedarf die
Deutung dieser Καιαάρειοι noch weiterer Aufklärung.
In derselben Richtung liegt, daß auch der ptolemäiscbe ότρατηγος
tfig πόλεως (s. oben S. 14) in der Kaiserzeit beibehalten wurde.*)
Für die Zeiten nach 202, in denen Alexandrieu eine βονλή hatte,
liegt z. Z. nur ein geringes Urkundenmaterial vor.^
Auf die Geschichte von Naukratis ist ein unerwartetes Schlaglicht
gefallen durch die Mitteilung des antinoi'tischen Ratsprotokolls (27), daß
Hadrians Neugründung Antinoopolis die νόμοι von Naukratis übernommen
habe (s. unten S. 51). Wenn so bei der Gründung der neuen autonomen
Gemeinde Naukratis z. T. als Vorbild gedient hat, so darf man wohl mit
großer Wahrscheinlichkeit folgern, daß Naukratis zu Hadrians Zeit sich
seine alte Autonomie bewahrt hatte. Aus demselben Protokoll geht her-
vor, daß die Griechen von Naukratis auch zu Hadrians Zeit noch daran
festhielten, kein connubium {έπιγαμία) mit den Ägyptern zu haben.
1) Vgl. P. Meyer, Berl. ph. Woch. 1904, 496 (nach vor der Edition νου T.l. TT Ν
Vgl. auch Jouguet, Chronique des Papyrus 2 (lUOf>) 48 f. (dito).
2) Vgl. auch da« νηόμνημα τιρντάνίων in BOU IV 1084, 16.
i) Jougnet 1. c. Otto, PrieHi<'r und Tmipol I lf)6, der an weobielnde Prytaaien
(wie in Athen) zu denken ncheint.
4) So Ρ Meyer 1. c. fJnnfoll-Hunt eu Teb. U β17. Schubart, Aroh. V 94 Anm. S.
Zur Bedeutung von KatoUQUoi vgl. 0. Hincbfeld KV 479.
6) Vgl. auch Sclnibart I. c.
β) Vgl. Orierh. Oxtraka I 624, wo im übrigen maochei veraltet iat
T) Ein ßovXtvrij^ nQtoßvruxog von dort jetet in Giü. »4,S.
48 Kapitel Ι. Allgemeine historische Gruadzüge,
Für die Bedeutung von Ptolemais am Beginn der Kaiserzeit haben
wir das Zeugnis des Strabo XVII p. 813: έπειτα Πτολεμαΐκη πόλΐξ^
μεγίότη των εν rfj Θηβαΐδυ καΐ ονκ έλάττων Μέμφεως, εχονΰα καΐ
ΰνΰτημα Λολιτυκον έν τω Έλληνικώ τρόπω. Im III. Jahrh. hat die Stadt
dann durch die Blemyereinfälle stark gelitten.^) Ihr Name Πτολεμαΐζ r}
^Ερμείον, den sie jetzt bei Schriftstellern und auch in Urkunden (vgl.
Oxy. II 268) führt, ist noch nicht erklärt.^)
Viel umstritten ist die Frage, ob Ptolemais von Augustus bis auf
202 eine βουλή gehabt hat oder nicht.^) Tatsächlich ist ein zwingender
Beweis für die Existenz einer βουλή in dieser Zeit bisher nicht erbracht
worden. Auf der anderen Seite fehlt es aber eben so sehr an einem Be-
weis dafür, daß die βουλής die für die ältere Ptolemäerzeit strikt erwiesen
ist (s. oben S. 17), jemals abgeschafft worden wäre. So lange hierfür kein
Beweis erbracht ist, wird man in Strabos Wort von dem όύοτημα πολί-
τικον κτλ. um so mehr einen Hinweis auf eine von der Verfassung der
anderen Metropolen verschiedene Autonomie (mit βουλή) sehen dürfen,
als auch für Naukratis jetzt der Fortbestand der alten βουλή wahrschein-
lich gemacht ist (s. oben). Aber gelöst ist das Problem noch nicht.
Unter dieser Voraussetzung würde auch das Prytanenkollegium der Stadt
seine alte Bedeutung behalten haben. Erwähnt wird ein άρχιπρύτανις in
einer Inschrift^), ferner die πρυτάνεις in Lond. ΠΙ S. 71, 13, dessen Be-
ziehung zu Ptolemais ich im Arch. IV 534 ff. nachgewiesen habe. Hier
wird ein Stück Land in der Dorfüur von Κροκοδίλων πόλΐξ^ das damals
zum ΘινίτΎΐξ gehörte^), bezeichnet als gehörig αρχόντων πόλεως δίά των
προιτάνεων. Danach standen hier also die Prytanen an der Spitze der
städtischen Beamten, die auch hier wie damals in den Metropolen als
άρχοντες zusammengefaßt wurden.
Daß Ptolemais eine Gaumetropole war, und zwar die des Θινίτηξ^
bezeugt Claud. Ptol. IV 5 § QQ. Gegen die Annahme der Autonomie be-
sagt das natürlich nichts, denn auch Antinoopolis, das sicher die voUe
Autonomie besaß, wird von demselben Schriftsteller als die μητρόπολις
des !4ντινοΐτηζ bezeichnet (§ 61). Auch die Rolle, die der ατρατηγος
Θινίτου in dem Würzburger Papyrus spielt (27), spricht nicht dagegen.
Ob Ptolemais schon in der Ptolemäerzeit Metropole war, wissen wir nicht.
Jedenfalls muß hiernach Ptolemais, gleichviel ob es eine βουλή hatte oder
nicht, Sitz der Gauverwaltung gewesen sein. Aus der Zeit nach 202
1) S. oben S. 30. Plaumann, Ptolemais S. 69.
2) Vgl. Plaumann 1. c. 81. 3) Vgl. Planman 1. c. 70 fiF.
4) Vgl. Plaumann S. 77. Die Erwähnung der Prytanen ist natürlich kein
Argument für die βουλή. Vgl. Arsinoe und Alexandrien.
5) Wilcken, Arch. IV 537. Plaumanns Ansicht (S. 88), daß das Dorf vielleicht
zum Nachbargau ^ίφροδιτοηολίττις gehören könnte, ist nicht genügend begründet.
Β. Die römische Periode. § 3. Die Griechenstädte. 49
werden mehrere βουλενταί von Ptolemais genannt, namentlich in den
Steinbrüchen von Gertassi.^)
Die Bürgerschaft von Ptolemais ist auch in der Kaiserzeit wie vor-
her in Phylen und Demen gegliedert gewesen. Die Inschrift bei Ditten-
berger Or. Gr. II 703 (a. 147) zeigt, daß die oben S. 45 besprochenen
Neuerungen des Nero sich auf Ptolemais nicht erstreckt haben: auch im
II. Jahrh. noch nennt man hier nur das Demotikon. Sie zeigt zugleich
die Kompatibilität des ptolemäischen und alexandrinischen Bürgerrechts.
Für die Bevölkerungsverhältnisse in der Stadt hat uns P. Lond. III S. 71 ff.
unerwartet reiche Aufschlüsse gebracht. Vergleichen wir diese Namens-
listen mit denen der gewöhnlichen Metropolen, so sehen wir mit Staunen,
wie rein sich hier die griechischen Namen und gewiß nicht nur die Namen,
sondern auch die griechischen Bürger in ihrer Rasse gehalten haben.*)
Noch zu Claudius' Zeit, aus der dieser Text stammt, wird das Andenken
an die großen Männer aus den Anfangen der hellenistischen Zeit geehrt,
indem man die SiJhne Σέλευκος^ Ανοίμαχος^ Κάοΰανδρος^ ^ίντϊπατρος —
um von Αλέξανδρος und Πτολεμαίος zu schweigen — benannte. Daneben
treten Namen aus der alten Dynastie hervor — ^ρόινόη^ Βερενίχη^ Κλεο-
πάτρα — , auch solche, die auf die griechischen Kulte der Stadt hinweisen,
wie Σαμόϋ•ρακος^ und vor aUem Σωτηρ^ der häufigste unter allen Namen
der Stadt. Gewiß fehlt es nicht an einzelnen Mischungen mit ägyptischen
Elementen, aber sie treten damals doch noch sehr stark zurück. So hat
sich, gestützt auf die griechische Verfassung, in diesem τέμενος ^Ελλήνων
die Bürgerschaft als die griechische Aristokratie der Thebais lange er-
halten.
Die Gründung von Antinoopolis ist bekanntlich durch den Zufall
herbeigeführt worden, daß der Geliebte *des Hadrian, Antinoos, in Mittel-
ägypten während der Nilfahrt des Kaisers seinen Tod fand. Zum Andenken
an ihn gründete der Kaiser daselbst auf dem Ostufer eine Stadt, ^ίντινόου
7ίό?.ις^), etwa gegenüber von Hermopolis, an einer SteUe, wo der Gott
Besis verehrt wurde."^) Die Ruinen, die zur Zeit der Napoleonischen
Expedition noch manche der griechischen Bauten mit zahlreichen aufrecht-
stehenden Säulen aufwiesen, liegen bei dem heutigen Schach Ab&de.^) Die
1) VkI. Phiumann I. c. 78 f.
2) Vgl. Wilcken, Arch. IV 686 ff.
8) So oder Uvrivoov in den Urkundea Die von den Modernen meift gebiAUohte
FOrm Antino!^ lut bequemer, aber unzuläeeig. Artinofi ist keine Parftllele.
4) Daher in Antinoopolii so viele Namen, die von dieeem Qott »bgelfit^t «ind,
wie Βηαοΰς, Βηααρΐων^ Βηαάμμων^ Βηύάς (Hypokoryitikon) , ΒηαανχΙνοος ητΐ. \ϋ\
V. ΚίοΓ 71, 64 ΗΓ.
6) Wer die D<;Nrri{)tion de Tl^gypte nicht ror Hand bat, kann auch aui der
kleinen Nachbildung bri .Milno, Hiit. 68 sehen, wieviel SchOnet dort ingninde g••
t Liitrutur vgl. bei P. Mejer, He«rweeen 8. ISO und W.Weber, ünter-
I. z. (i<M<h. doH Kniter• Uftdrian (1907) Ι4β« 909.
MUI«lfl.Wllokot> («rt.i.<l«i((n l 4
50 Kapitel Ι. Allgemeine historische Grundzüge.
Gründung fällt in den Herbst 130.^) Die Anlage der Stadt, die eine
Grieclienstadt sein sollte, erfolgte nach dem Muster der hellenistischen
Städte — im besonderen wohl Alexandriens. ^) Es war ein System von
geraden, sich rechtwinklig schneidenden Straßen, wie sich noch aus den
Papyri rekonstruieren läßt, die uns die πλυνϋ'εΐα, die Häusercarres von
Antinoopolis, vor Augen führen. So wird in den Kaufverträgen aus dieser
Stadt die Lage der Häuser nach folgendem Schema angegeben: εν τω
d γρά(μματί) πλιν^{ειω) ζ rrjg ^ντινόον (Lond. ΠΙ S. 158, 12), d. h. im
Buchstaben Delta, im siebenten Carre.^) Nach alexandrinischem Muster
zerfiel also die Stadt in Quartiere, die nach den Buchstaben benannt
wurden. Ob auch hier fünf waren oder noch mehr, läßt sich noch nicht
sagen. Der Hafen der Stadt wird in Lond. ΠΙ S. 164, 17 erwähnt. Wie
sehr Hadrian bemüht war, die neue Gründung zu einem wichtigen Handels-
platz zu machen, zeigt seine Anlage des neuen Karawanen weges von
Antinoopolis nach Berenike am Roten Meer.^)
Für die Frage, woher Hadrian die Ansiedler für diese !4ντινοέων
Νέων 'Ελλήνων %όλις genommen hat, hatten wir bisher nur die Beob-
achtung von P. Meyer, daß seit den 40er Jahren des Π. Jahrh. in den
Urkunden eine größere Anzahl von Veteranen der Auxilien und Flotten
(Griechen oder Graecoägypter) begegnet, die als !4ντινοεΙξ bezeichnet
werden, also bei ihrer Entlassung in die Bürgerlisten von Antinoopolis
eingeschrieben sein werden.^) Während dieser Modus uns wohl mehr das
allmähliche Anwachsen der Bevölkerung veranschaulicht, gibt uns jetzt
ein Würzburger Papyrus (26) zum erstenmal einen Hinweis auf die Quellen,
'aus denen Hadrian bei der Gründung selbst geschöpft hat. Danach sind
u. a. Bürger von Ptolemais in Oberägypten ausgelost worden, um Anti-
noopolis zu kolonisieren. Nach den obigen Ausführungen über die Rein-
heit der griechischen Rasse von Ptolemais begreift man, daß Hadrian,
wenn er in seinem Philhellenismus eine Stadt von „Neuhellenen" gründen
wollte, gerade von dort den Grundstock der Kolonisten geholt hat. Aber
er war auch auf Zuzug aus anderen Orten angewiesen, wollte er nicht
Ptolemais entvölkern, und so werden bei der damaligen starken Mischung
1) Weber 1. c. 247.
2) Diese gehen ihrerseits wieder auf das Vorbild der vom Milesier Hippodamos
erbauten Piräusstadt zurück.
3) Andere Beispiele Lond. ΙΠ S. 159, 12; 163, 12 ff. Straßb. 34, 9. In manchen
Fällen ist auch ein Hinweis auf Nord oder Süd hinzugefügt. — Die. Häuser Alexan-
driens werden gleichfalls nach dem Buchstaben, aber nicht nach ηΐιν&εΐκ bestimmt.
Vgl. BGU 1115, 16 ff., 1116, 8.
4) Dittenberger, Or. Gr. II 701.
5) Heerwesen, S. 129. Die uns bekannten antino'itischen Veteranen sind meist
Grundbesitzer im Faijum. Stammt von dort auch der kleine Text Lond. II S. 117
(oben), der von εδαφών 'κατακληρονχηϋ'έντων Άντινοενβι handelt? Vgl. hierzu auch
unten Kap. VII.
Β. Die römische Periode. § 3. Die Griechenstadte. 51
der Griechen und Ägypter auch manche Graecoägypter dorthin gezogen
sein, denn reine Griechen waren außerhalb von Ptolemais und Naukratis
selten.^) Aus der Rücksicht auf solche Graecoägypter, die z. T. wohl
Bchon mit Frauen und Kindern übersiedelten, begreift man die aus P.
Compt Rend. (27) uns bekannt gewordene Verfügung Hadrians, daß die
Antinoiten connubium (επιγαμ(α) mit den Ägyptern haben sollten. Nur
so versteht man, daß dies als ein ίίαίρετον bezeichnet wird (vgl. den
Kommentar). Meine Annahme, daß hiernach die Kinder eines Griechen
und einer Ägypterin das Bürgerrecht (als Άντινοεϊξ) haben sollten*), wird
jetzt durch P. Lond. III S. 161, 4 ff. gestützt: hier sind die Kinder eines
Vollbürgers und einer Ägypterin (aus einem Dorf des Hermopolites)
Bürger der Stadt.
Neben den Μντινοεις wohnten auch hier (wie in Alexandrien) reine
Ägypter und Graecoägypter, die nicht das Bürgerrecht besaßen. Vgl.
z. B. in Lond. lU S. 163 die verschiedenen Priester ägyptischer Kulte:
keiner von ihnen wird als }4ντίνοενς bezeichnet.
Antinoopolis war von vornherein eine Stadt mit Autonomie. Die
βονλή ist schon vor 202 mehrfach bezeugt^), und hat sicher von Anfang
;in bestanden, über den Geschäftsgang belehren uns die Ratsprotokolle
Compt. Rend. (27) und P. Straßb. graec. 1168 (Arch. IV 115 ff.). Als
Präsident funktionierte der jeweilige {εναρχος) Prytan (hier πρι^τανιχός
Lienannt). Nach CIGr. III 4705, wo zu verbinden ist πρυτανεύοντος τον
deiva — φνλης !4%^ΐ]ναΐδθξ^ war dieser Prytan, der hier eponym auftritt,
iinirier der Vertreter einer Phyle.*) Es wird also so viele Prytanen wie
l'iivlen gegeben haben. Diese Prytanen gehörten wahrscheinlich mit zu
dem Kollegium der άρχοντες, das auch hier (wie in den Metropolen) die
• itischen Beemten (Gymnasiarchen, Exegeten usw.) umfaßt haben wird.
-Nucii Flor. 71, 675 ist es nicht unwahrscheinlich, daß es hier auch τι-
μονχοί gegeben hat, wie in Naukratis (s. oben S. 13). Dies erinnert an
die wichtige Mitteilung von 27, daß die Antinoiten die νόμοι von Nau-
kratis hatten. Freilich ist es umstritten, ob damit das Stadtrecbt gemeint
iHt, (hiH Grundrecht der Verfassung, oder nur das Privatrerht, wofür Per-
drizet eintritt.*) Auf jeden Fall sind die νόμοι von Naukratie nicht eamt
ind sonders auf Antinoopolis Übertragen worden, wie ja schon in dem
|,'at«y»r'.tokoll «*l}»Ht die VerloDuHMj (]or ^'y^r^n-'f^ -T^ \n>inahnie gegenüber
1; V'ioUeiclit lie^t ein Fall νυιι '/Λΐ/Λΐμ mum UfUi L}ko}>uliUi TOr ia (S8).
2) Arch. III 660. Khpnio auch Mitt••!». H. Priviitr ♦'?> Am«. 5.
8) Vgl t B. DittenberKer Or. Gr. II τ '• . Compi Read. (11) «to.
4i Auch wenn in Oxy. III 477; Teb. i « Kaiea^tui di• Phylm-
Αηκ'••}.•.η^'οη letn Hollton (Jouguet, Otto). wQrdc dio Ordnung in AleiaadriM doch
• .1 • ,tu|i-r<• •>•Μΐ• .)• i.i. it. \ i-tinoopolii itt t. Z. nur »in PrvLAn di*r Verlralar
..♦ιυ) XLM *•• ^
52 Kapitel Ι. Allgemeine historische Grundzüge.
Naukratis gekennzeichnet wird. Auch sonst ist die Verfassung keineswegs
ganz übereinstimmend, da Naukratis keine Phylen hat.
Die Gliederung der Bürgerschaft in Phylen und Demen ist vielmehr
nach dem Muster von Alexandrien eingeführt worden. Das beweist die
Formel wie Άδριάνυοξ δ και Καπίτωλιενς,^) die durchaus der von Kaiser
Nero in Alexandrien eingeführten entspricht, während sie in Ptolemais
sich nicht findet. Die Namen der Phylen — 10 sind bekannt — und
Demen sind von Hadrian selbst ersonnen, denn nach den schönen Aus-
führungen von Wilhelm Weber ^) spiegeln sich die persönlichen Anschau-
ungen des Kaisers in ihnen wieder. Ygl. die Liste bei Kenyon, Arch.
Π 71 und Lond. III S. 155 ff., dazu BGU 1022, Hamb. 15. Wie Lond. III
S. 161, 4 ff. zeigt, waren die unmündigen Söhne von Phylenbürgern zwar
ΙΛντινοΒίξ^ aber noch nicht aufgenommen in die Phyle (des Vaters). Vgl.
auch die άφήλικες ΆντινοεΙζ ebenda S. 165, 6 BGU 168, 3. Die Bürger-
innen hießen 'AvxLvoiösg.
Daß diese Bürger einer autonomen Gemeinde namentlich in Steuer-
und Liturgiefragen privilegiert waren, versteht sich von selbst. Vgl.
P. Würzburg (26), BGU IV 1022 (29). Nach P. Compt. Rend. (28) haben
auch die Väter von τιαίδεξ !ΛντυνοΐτικοΙ Privilegien genossen. Das dürften
Väter von solchen Söhnen sein, die als Kolonisten sich an der Be-
siedlung von Antinoopolis beteiligt haben. Vgl. den Kommentar.
Trotz aller Autonomie ist Antinoopolis doch zugleich μητρότΐολις des
ΆντινοΐτΎΐς geworden, den Hadrian wohl vom Hermopolites abzweigte.
Vgl. Claud. Ptol. IV 5 § 61.^) Wie das praktisch durchgeführt wurde,
wüßten wir gern. Der Stratege wird in der Metropole gewohnt haben,
aber seine Kompetenz wird nur außerhalb des Stadtgebietes gegolten
haben (so auch Kuhn II 505). In städtischen Angelegenheiten war die
Stadt gewiß von der Kompetenz des Strategen eximiert. So nennt,
wie schon Letronne hervorhob, die städtische Weihinschrift GIG. III
4705 zur Datierung den Präfekten, den Epistrategen und den Prytanen,
aber nicht den Strategen (wie z. B. Dittenberger Or. Gr. II 659 aus
Dendera, 661 dito, 663 dito, 675 aus Ombos, 702 aus der Oase, 708 aus
Xois usw.). Daß gleichwohl auch bei Beschwerden von Antinoiten der
Präfekt die kommissarischen Erhebungen dem Strategen überwies, zeigt
P. Würzb. (26).
Über die Kulte von Antinoopolis vgl. Kap. II, über die Agone
Kap. III.
Von weiteren Griechenstädten ist auch in der Kaiserzeit nichts be-
1) Auch lateinisch, vgl. Cair. Holzt. (Nouv. Rev. Hist. XXX 480: L. Val(erio)
Lucretiano Matidio q(ui) e(t) Plotinio Antinoensio).
2) Kaiser Hadrian S. 249. Ygl. Arch. IV 550, 552.
3) Der Gau Άντινοΐτης wird erwähnt in P. Straßb. 40, 9 (a. 569).
Β. Die römische Periode. § 4. Bevölkerung und Bevölkerungspolitik. 53
kannt. ^) Zum Schluß sei hier darauf hingewiesen, daß die uralte Agypter-
stadt Heliopolis irgend wann neu besiedelt zu sein scheint. Diese
bisher nicht hervorgehobene Tatsache ergibt sich aus Lond. U S. 209 (31)
156 n. Chr. und Oxy. IV 719 (193 n. Chr.). In dem älteren Text be-
gegnet ein: 14νονβίων Άνονβίωνοξ Μεμφίτηξ άπο γνμνα6ίο(ν) vibg azioC-
χον ' Ηλίου πόλίν (1. πόλεως), in dem jüngeren ein δίδυμος ΙίπολλωνΙον
μητρός 'Ελένης άπ[οΓ\χον Ήλίον πόλεως. Der letztere ist Bürger und
zwar „Kolonist" von Heliopolis, wenn er aueli ein Grundstück im Oxy-
rhynchites kauft, der andere ist Bürger von Memphis, kann daher nicht
selbst „Kolonist'* von Heliopolis sein, ist aber der Sohn eines solchen.
Zumal letzteres auch in der fremden Stadt besonders hervorgehoben
wird, werden diese άποικοι Ήλίον πόλεως eine irgendwie privilegierte
Klasse gebildet haben. Da der Memphit sich außerdem als άπο γνμνα-
όίον bezeichnet (vgl. Kap. III), so werden diese Kolonisten wohl —
mindestens z. T. — den Griechen angehört haben. Der für Memphis
typische Name 14νονβίων spricht in dieser Zeit nicht dagegen. Wann
diese Kolonisierung vor sich gegangen ist, darüber fehlt es z. Z. an jeder
Andeutung.
§ 4. BEVÖLKERUNG UND BEVÖLKERUNGSPOLITIK.
Die römische Herrschaft hat in der Bevölkerungsfrage mehrere wich-
tige Änderungen herbeigeführt. Dahin gehört die steigende Bedeutung
des römischen Elementes, ferner die Herabdrückung der Ägypter zu De-
diticiem und der Ausbruch der Judenkämpfe.
Es versteht sich von selbst, daß von nun an die römischen Bürger
in Ägypten die Rolle spielten, die unter den Ptolemäern den Makedonien!
und Griechen zugefallen war. Sie waren jetzt die Vertreter des herrschen-
den Volkes, während die Makedonier, soweit diese überhaupt noch als
eigene Klasse {Μακεδόνες) nachweisbar sind'), und die Griechen jetzt als
Provinzialen an die zweite Stelle zurücktraten. Die Kluft zwischen den
Römern und der Gesamtl^evölkerung des Landes tritt uns u. a. darin ent-
gegen, daß nur die civitas Alexandrina zum eventuellen Erwerb der civitas
Roniana qualifizierte (s. oben S. 46). Trotzdem ist bekanntlieh kein Ver-
such gemacht worden, etwa die Sprache der Herren, das Latein, zur offi-
ziellen Amtssprache zu machen. Das war das Ergebnis der hellenietischen
Jahrhunderte, daß die griechische Sprache wie selbstverständlich die Amts-
sprache im Lande blieb.') Auch die höchsten römischen Beamten des
1) Za HermopoliR Magna and LykopoUs •. oben 8. 18 Anm. 4.
2) So im Anfeni< in Alexandrien. Vgl. Schubart Arch. V ttl Sie wrnnn Oiild
'lerachwunden sein.
8) Mommfen EO V 668. L. Hahn, Rom und Roroanismui im griech. rOm. Oiten
l»oe, 110 fr.
54 Kapitel Ι. Allgemeine historische Grundzüge.
Landes, auch der Präfekt, haben in dieser Periode ihre Amtsjournale
(νπομνηματιόμοί) griechisch führen lassen.^) Die statthalterlichen Edikte
wurden griechisch publiziert. Auch die noch erhaltenen kaiserlichen
Reskripte, die an Personen in Ägypten gerichtet waren, sind griechisch
geschrieben. Zwar Hadrians Brief an den Präfekten Rammius (BGU 140)
war im Original lateinisch geschrieben, aber ausgehängt wurde eine grie-
chische Übersetzung — vielleicht neben dem lateinischen Wortlaut, weil
die Publikation im Legionslager erfolgte. Denn im allgemeineren, wenn
auch nicht ausschließlichen amtlichen und privaten Gebrauch ist das
Latein nur im Heere gewesen. Die meisten der wenigen uns erhaltenen
lateinischen Papyri sind Militärakten. Vgl. BGü II 610, 696, IV 1083;
Fay. 105; Oxy. IV 735; Gen. lat. 1; Wess. lat. Taf. 8, 9. Auch die latei-
nischen Briefe (Grenf. II 109; Oxy. I 32; Straßb. 36; Wess. lat. Taf 1)
und Rechnungen (Oxy. IV 737; Gen. lat. 4; Wess. lat. Taf. 11) gehören
z. T. militärischen Kreisen an.^) Doch zeigen zahlreiche griechische Ur-
kunden von Soldaten (und nicht nur von Auxiliaren), z. B. auch die Ostraka
aus dem Militärlager von Pselkis (Griech. Ostr. I S. 705 ff.), daß auch in
diesen Kreisen sehr viel Griechisch gesprochen wurde, was sich aus den
Aushebungsverhältnissen erklärt (vgl. Kap. XI). Andererseits zeigen Stücke
wie Oxy. IV 720, Oxy. VI 894^), daß das Latein zwischen römischen
Beamten und römischen Bürgern in Gebrauch war, selbst wenn diese
Römer nur griechisch subskribieren konnten. Doch ist dies vielleicht nur
auf solche Fälle beschränkt gewesen, in denen es sich um speziell römische
Einrichtungen handelte. Bei welchen Gelegenheiten die römischen Be-
amten sich sonst noch des Latein bedienten, illustrieren die lateinischen
Inschriften Ägyptens (CIL III). Die Sprachenfrage bedarf noch dringend
einer eingehenderen Untersuchung.*)
Den Kern der römischen Bevölkerung bildet die römische Beamten-
schaft und das Heer. Außerdem haben sich manche Römer als Kauf-
leute, Bankiers, Gewerbetreibende, Grundbesitzer usw. in Ägypten nieder-
gelassen, vor allem wohl in Alexandrien^)', aber auch im Lande. Daß
man in Oxyrhynchos schon zu Claudius' Zeit mit römischen Bewohnern
rechnet, zeigt die formelhafte Erklärung des Hausbesitzers Oxy. II 255
vgl. Oxy. III 480 (a. 132): μψ{ε) eitClevov μψ{ε) 'Ρωμ{αΙον) μήτ^ε)
1) Vgl. Arch. I 4.
2) Abzusehen ist hier von den außerhalb Ägyptens geschriebenen lateinischen
Papyri wie P. Brit. Mus. CCXXIX (aus Seleucia in Pieria) und Grenf II 108 (geschrieben
ad Pulvinos).
3) Vgl. auch die Cairener Holztafeln in Nouv. Rev. Hist. XXX 477 if.
4) Zu dem allmählichen Eindringen lateinischer Lehnwörter in das Griechische
vgl. Wessely, Wien. Stud. 24 (1902) und dazu Wilcken, Arch. Π 465, Thumb, Arch.
III 447, außerdem Hahn 1. c.
5) Beispiele aus Augustus' Zeit bei Schubart 1. c.
Β. Die römische Periode. § 4. Bevölkerung und Bevölkerungspolitik. 55
^λε^ανδ(ρεα) ^^r(s) Αΐγν{7ίτιον) μήτ(ε) a^€Xsv(d-£QOv) κτλ. In derselben
Stadt begegnen uns im 2. Jahrh. die daselbst domizilierenden Römer als
Teilnehmer an einem Gemeindebeschluß von άρχοντες und δήμος (Oxy.
III 473 33). Wahrscheinlich waren diese consistentes (τναρεμίδημοϋντες) in
einem Conventus civium Romanorum organisiert.^) Daß auch in der
fernen Thebais sich Römer aufhielten, ganz abgesehen vom Heere, zeigt
BGÜ III 747 (35), wonach die Römer, die im Koptitischen Gau in der
Steuerverwaltung liturgische Stellen bekleideten, dem Strategen daselbst
nicht parieren woUten.
Nicht alle Personen, die eine römische Nomenklatur zeigen, sind von
Hause aus römische Bürger gewesen. Gerade hier sind gewiß viele Frei-
gelassene unter ihnen, die durch die Freilassung in die gens ihres Patro-
nus eingetreten sind. Auch manche Latini mögen darunter sein. Außer-
dem haben viele Provinzialen dank dem Militärdienst das Bürgerrecht er-
worben, die Legionare schon bei Eintritt in die Legion, die Auxiliaren
und Flottenmannschaften nach Absolvierung des Dienstes als veterani
(vgl Kap. XI). Diese aus der griechischen resp. graeco-ägyptischen Schicht
hervorgegangenen Bürger erkennt man meist leicht an ihren früheren
griechischen oder ägyptischen Namen, den sie nunmehr als Cognomen
führen. Außerhalb der Armee wird in Ägypten das römische Bürgerrecht
nicht aUzu häufig verliehen worden sein, schon wegen jener Bestimmung
über das alexandrinische Bürgerrecht als Vorstufe, und überhaupt ist in
Ägypten die Civität immer nur personal, niemals an Gemeinden verliehen
worden. ^
Darum wird für Ägypten die Constitutio Antonina vom J. 212
einen viel größeren Einschnitt bedeutet haben als für manche andere
Provinz, in der die Ausbreitung der Civität sukzessive eine größere Aus-
dehnung, und nicht nur durch personale Verleihung, gewonnen hatte.
In den ägyptischen Urkunden tritt uns die Größe des Umschwunges deut-
lich entgegen. Statt der im ganzen doch spärlichen Zahl von römischen
Bürgern aus der Zeit vor 212 finden wir jetzt eine Unmenge von Αύρή-
λιοί^ die durch ihre griechischen und ägyptischen Cognouiina sich als
Neubürger nach jener Konstitution präsentieren.*) Freilich verzichtete
man schon bald darauf, regelmäßig das römische Pränomen und Nomen
zu gebrauchen*), was für uns um so bedauerlicher iet, als ja nicht alle
Bewohner des Landes durch jenen Akt der römisoben Civität teilhaftjg
geworden waren, so daß die Untersuchung über das Maß der Anebreitong
der Civität dadurch für uns sehr erschwert wurde.
1) Vgl hierzu Komemann Pauly-Wi••. IV 1179 ff.
S) Vgl. Mitt«i8, lUichirecht 148 f.
8) Ein Buedrürklicher Hinwei• »uf die Konititution findet lieh t. B. in BQU II
666 (a. SIA): Αΰρν]λίος ZdBtfifMff n^b μ^¥ χής ^lag dm^iäg Ζββι^β AtOpiSov.
4) Vgl. Γ. Meyor, Heerweien 187.
56 Kapitel Ι. Allgemeine historische Grundzüge.
Daß die Worte Ulpians (Dig. 1, 5, 17): in orbe Romano qui sunt
ex constitutione imperatoris Antonini cives Romani efFecti sunt ein unvoll-
ständiges Bild von dem Erlaß geben ^), ist längst erkannt worden, da z. B.
aus den Militärdiplomen des 3. Jahrb. hervorging, daß die alten Kate-
gorien von Bürgern und Nicbtbürgern (latiniscben und peregrinischen
Rechts) durchaus nicht verschwunden waren. So war es ein viel behan-
deltes Problem, welche Kategorien von Caracalla ausgeschlossen worden
seien. ^) Daß die Annahme Mommsens 1. c, „bloß die Bürger von Alexan-
dria, nicht aber die Ägypter überhaupt" hätten das Bürgerrecht empfangen,
den Kreis der Empfänger zu eng zog, ließ sich nach dem Anwachsen des
Papyrusmaterials erkennen.^) P. Meyer hat dann aus den Papyri das
Resultat gewonnen, daß die kopfsteuerpflichtige Bevölkerung (die λαογρα-
φονμενοί) von der Civität ausgeschlossen geblieben seien.*) Diese These
ist jetzt im wesentlichen bestätigt worden durch die glückliche Auf-
findung des Wortlautes der Constitutio, den.P. Meyer als Giss. 40 vor
kurzem herausgegeben hat. Die entscheidenden Worte des Ediktes lauten
nach Meyers Ausgabe: δίδωμυ τοί[ς ο^υνάτίαΐβίν ξενοις τοις κατά τ~\ην
ουκονμένην Ίί\ολιτ\εία,ν ^Ρωμαίων, [μ^ενοντος {τίαντος γένονξ τΐολιτενμ^ά-
των, χ(ορ[Ις] των [δεδίείτικίων.^) Hierdurch wird Mommsens Auffassung,
daß diese Verleihung nur eine personelle war, „ohne daß dadurch die in
den einzelnen Nichtbürgergemeinden bestehende Ordnung geändert ward"
(Staatsr. III 699), bestätigt.^) Vor allem aber füUt sich jetzt die lange
empfundene Lücke unseres Wissens in authentischer Weise durch die
Ausnahmeklausel: χωρΐ£ των [δεο^είτι.κόων. Unter den verschiedenen
Klassen von dediticii können hier mit Meyer nur die peregrini dediticii
gemeint sein'^), von denen Gaius (Inst. 1, 14) sagt: vocantur autem pere-
grini dediticii hi, qui [quondam adver sus populum Romanum armis sus-
ceptis pugnaverunt, deinde victi se dediderunt.
Hiemach ist es jetzt eine wichtige Aufgabe festzustellen, wer in
Ägypten zu diesen dediticii gehört hat. Ihr Hauptkennzeichen ist die
1) Ebenso Dio Cass. 77, 9, 4 ff. Vit. Sev. 1, 2. Augustin. de civ. Dei 5, 17. Justin.
Nov. 78, 5.
2) Vgl. Mommsen, Hermes 16, 474 ff. (= Histor. Sehr. II 418 f.). Mitteis, Reichs-
recht 159 ff.
3) Vgl. Wilcken, Hermes 23, 294 ff.
4) Heerwesen 136 ff.
δ) Die Ergänzungen sind von Meyer, bis auf ξένους τοις κατά rj^v, das ich ihm
vorschlug. Da vor öwaTtccoiv der Artikel steht, so ist es adjektivisch gebraucht. Das
Substantiv kann nur ξένους (peregrini) sein, wenn dieser Begriff auch in der unvoll-
ständigen Wiedergabe Ulpians fehlt.
6) Ob freilich Meyers Ergänzung [μ^ένοντος [παντός γένους Λολιτ8νμ]άτων wört-
lich zu halten ist, ist sehr fraglich. Den Sinn dürfte er richtig erfaßt haben.
7) Auch dies spricht dafür, daß der Begriff ξένος = peregrinus vorhergegangen
sein muß.
Β. Die römische Periode. § 4. Bevölkerung und Bevölkerungspolitik. 57
Kopfsteuei-pflichtigkeit ^), und insofern hatte P. Meyer scbon vorher richtig
gesagt, daß die λαογραφονμενοί von der Constitutio ausgeschlossen ge-
wesen seien, während die von der επίκριοίς (vgl. Kap. V) als den privile-
gierten Klassen angehörig anerkannten Personen (die έπιχεχριμένοι) die
civitas Romana erhalten hätten.^) Zu diesen von der Kopfsteuer freien
Klassen gehören aber^) zunächst alle Inhaber des alexandrin ischen Bürger-
rechts, und ebenso auch die des Bürgerrechts von Ptolemais, Xaukratis
und Antin oopolis.*) Das entspricht der anderen Charakteristik des dedi-
ticius, daß er nullius certae civitatis civis est.^) Die Metropolen waren,
wie wir oben sahen, nicht civitates, daher zahlten auch die Metropolen-
bewohner Kopfsteuer. Aber die Honoratiorenfamilien, die die Amter be-
kleideten, die ot αΛο γυμνασίου genannten (s. Kap. III) — also die Bürger
hellenischer Bildung^) — zahlten ein geringeres Kopfgeld, wie z. B.
die μητροτίολίται δωδεκάδραχμοι in Oxyrhjnchos, die τεούερακαίείχοόί-
δραχμοί in Hermopolis (s. Kap. V), und an dieser Kopfsteuerpflichtig-
keit hat die Einführung der Ratsordnung vom J. 202 nichts geändert.
Vgl. Lond. UI S. 127/8 vom J. 261. Trotzdem sind diese Honoratioren-
familien mit beschränkter Kopfsteuer nicht zu den dediticii gezählt
worden.'^ Sie begegnen nach 212 durchweg als ^νρήλιοί (vgl. z. B.
den eben zitierten Lond. P.). So gehören denn auch die diesen Familien
entstammenden Beamten nicht zu den dediticii.®) Femer sind frei
von der Kopfsteuer die κάτοι,κοί, d. h. die Besitzer von Katökenland,
die als Nachfolger der Lehnsleute der ptolemäischen Zeit eine besondere
privilegierte Stellung einnahmen (vgl. Kap. VII). Ob es bestimmte Be-
dingungen gegeben hat, die zum Erwerb des Katökenlandes qualifizierten,
ist noch nicht festgestellt worden. Man sollte es denken, da der Besitz
des Katökenlandes wichtige Rechte gab. Wohl kamen auch Personen
mit ägyptischen Namen unter den Katöken vor^), aber eine Katökenliste
wie Lond. II S. 143, 62 ff., in der vorwiegend griechisclie Namen erscheinen^
unter ihnen viele Honoratioren der Stadt ^°), oder eine Liste von Katöken
und Katökensöhnen wie Lond. U S. 46 ff. legen doch den Gedanken nahe,
daß zum mindesten zu Beginn der Kaiserzeit, als der Begriff dediticius
1) Vgl. Meyer P. Giee. Π 8. 81. f) Heerweeen 8. 148.
8) Vgl. Wilcken, Griech. Oetr. I 240. P. Meyer 1. c.
4) Filr AntinoopoliH wird ei ausdrücklich besengt dnrch P. Compt Kend. (88)•
6) Ulpian, Kegul. 20, 14.
6) In dieeer Zeit der VOlkermiechung gilt ertt recht, was tchon bokratee
(Panegyr. 61) gesagt hat, daß Hrlleno int, wer die helleniiche naldtvatg hat
7) Oxj. III 478, 22 iipricht nicht notwendig dagegen. Die Verpflichtong,
12 Drachmen zti zahlen, mußte notwendig di* ομολόγου Χαογοαφίας feftgeetelU werden.
Damm konnt<*n κίο durch Phrileg doch eximiert sein von dem Stande der όμόΧογο^
(■■ dediticii, n. unten).
8) Vgl Meyer, Heerwesen S. 14S. 9) Meyer, HeerweMB 8. 104.
10) Vgl. dagegen die vorhergehende Liste von βημόβιοί ytmQyoL
53 Kapitel Ι. Allgemeine historiache Gmndzüge.
eingeführt wurde, die Katöken vorwiegend griechische Elemente um-
faßten. Da dann in den weiteren Jahrhunderten bis zur Constitutio An-
tonina die Mischung der griechischen und ägyptischen Namen weitere
Fortschritte machte, so erklärt sich, daß nach 212 aus den Kreisen der
Metropoliten und der Katöken auch viele Träger ägyptischer Namen als
JvqtjXlol erscheinen.^) Wenn Oktavian auch sicherlich nicht die Rassen-
angehörigkeit, sondern die rechtliche Stellung der Personen für die Schei-
dung in Dediticier und Nichtdediticier zugrunde gelegt hat, so läuft doch
die Exemtion der Bürger griechischer Städte, der Honoratioren der Metro-
polen und der Katöken faktisch auf eine Privilegierung der helle-
nischen Bestandteile der Bevölkerung hinaus^), während die ΑίγνΛχιοι
als dediticii nunmehr eine staatsrechtlich getrennte Klasse bildeten.^)
Eine Ausnahme machte nur ein Teil der ägyptischen Priesterschaft, inso-
fern diejenigen Priester, die sich innerhalb des von der Regierung kon-
zedierten Numerus hielten, im Anschluß an die ptolemäischen Einrich-
tungen von der Kopfsteuer befreit wurden (Kap. II). So haben die
Ägypter, die unter den späteren Ptolemäern immer angesehener und ein-
flußreicher geworden waren, durch den mißglückten Widerstand gegen
Oktavian einen tiefen Sturz getan. Sie wurden wieder zurückgeworfen in
die niedrige Stellung, die sie unter den ersten Ptolemäern eingenommen
hatten. Zwar hatten sie auch damals schon eine kopfsteuerartige Auflage
zahlen niüssen, aber abgesehen davon, daß die von Augustus eingeführte
Kopfsteuer (λαογραφία) neu und wahrscheinlich strenger organisiert wurde
(Kap. V), waren die Ägypter jetzt als peregrini dediticii als die Paria-
klasse gebrandmarkt.*) So hat denn auch aus ihren Reihen während der
Römerherrschaft nicht eine einzige Persönlichkeit im öffentlichen Leben
eine größere RoUe gespielt, wie es doch in der späteren Ptolemäerzeit
vorgekommen war (oben S. 22), In der Sprachenfrage kam ihnen die
Regierung auch jetzt insofern entgegen, als sie ihnen auch weithin ge-
1) Zumal seit P. Meyers Zusammenstellungen (Heerwesen S. 137 ff.) sehr viel
neues Material hinzugekommen ist, muß die Aurelier- Frage von neuem untersucht
werden.
2) So auch Jouguet, Rev. de Philol. XXXIY (1910), 56.
3) Vgl. Wileken bei Rostowzew, Stud. z. Gesch. des Kolonats S. 223, 408.
Natürlich gehören auch die nichtprivilegierten Fremden dazu, wie die Juden, die ja
auch Kopfsteuer zahlen,
4) Jetzt verstehen wir noch besser die Korrespondenz zwischen Plinius und
Traian über den Ägypter Harpocrates. Daß Aegyptius eine staatsrechtliche Klasse
bezeichnet, bestätigen Plinius' Worte ep. 6: quoniam esset Aegyptius. Ego autem
qui inter Aegyptios ceterosque peregrinos nihil interesse credebam . . . etc. Und in
ep. 7 fragt Traian, ex quo nomo sit, denn der Ägypter gehört zum Gau, nicht zu
einer Stadt (vgl. oben S. 39). Ygl. auch Jos. c. Apion. 2,4: μόνοις ΛΙγνπτίοις οί
ntvQLoi vvv ^Ρωοαϊοι της οίκον^ιέντις μεταλαμ,βάνείν tjGtlvosovv ηοΐιτείας άτνειρήτιαοΐν.
Vgl. 2,6.
Β. Die römische Periode. § 4. Bevölkerung" und Bevölkerungspolitik. 59
stattete, Verträge demotisch abzufassen (Band Π). Vgl. Spiegelbergs Aus-
gabe der demotiscben Papyri von Berlin (S. 22 S.) und von Straßburg.
Dagegen liegt aus der Römerzeit kein Beispiel dafür vor — wie Spiegel-
berg mir bestätigt — , daß etwa Regierungserlasse zweisprachig publiziert
wären wie einst in Philadelpbos' Zeit.^j Dies Fehlen wird kein Zufall
gewesen sein. Es entspricht einerseits dem strengeren Zuge der römischen
Regierung, andrerseits hatte die griechische Sprache inzwischen offenbar
auch unter den gewöhnlichen Ägyptern solche Fortschritte gemacht, daß
das öffentliche Interesse eine Rücksichtnahme auf das einheimische Idiom
nicht mehr erforderte.
Während der lateinische Ausdruck dediticius sich in unsem Urkunden
außerhalb des Edikts des Caracalla begreiflicherweise nicht findet, glaube
ich ein griechisches Äquivalent dafür in dem Worte ομόλογος wahrschein-
lich gemacht zu haben.^) Diese ομόλογοι,^ die bis vor kurzem nur aus
Cod. Theod. 11, 24, 6 bekannt waren, tauchten dann auch in den Papyri
auf und sind auf sehr verschiedene Weise gedeutet worden.^) Nun läßt
sich aber aus Lond. 11 S. 38 (63) erweisen, daß die ομόλογοι hier im
Gegensatz zu den νπερετΗς^ d. h. den Kopfsteuerfreien, über 60 Jahre
Alten, die Kopfsteuerpflichtigen sind, also die kopfsteuerpflichtigen Männer
vom 14. — 60. Jahre (die λαογραφονμενοί). Vgl. auch BGU 560 (64).
Dieser Zusammenhang zwischen den ομόλογοι und der λαογραφία tritt
auch in dem Ausdruck ή ομόλογος λαογραφία entgegen. Vgl. Oxy. III
478, 23 und Stud. Pal. I S. 71, 459 (61). Dieses Zusammenfallen der
ομόλογοι mit den λαογραφονμενοί führte mich, da die letzteren anderer-
seits wieder mit den dediticii zusammenfallen, auf die sachliche Gleich-
setzung der ομόλογοι mit den dediticii. Daraus ergab sich dann eine
Identifizierung der beiden Begriffe, da sich von dieser Voraussetzung aus
eine glaubhafte Etymologie von ομόλογοι gewinnen ließ, denn da 6μολο-
γείν „sich ergeben" (auch nach bewaffnetem Widerstand) heißen kann*),
so kann auch ομόλογος denjenigen bezeichnen, der sich ergibt, d. h. den
defliticius im Sinne des Gaius. Natürlich ist das zunächst eine Hypothese,
die weiterer Prüfung bedarf. Die Richtigkeit einstweilen vorausgesetzt,
80 sind die bμόλoγoι (= doditicii) die gesamte kopfsteuerpflichtige Be-
völkeniiig Ägyptens, einschließlich der Frauen und Kinder. In diesem
weitesten Sinne ist das Wort angewendet in Stud. Pal. I S. 64, 142 f.,
1) Der bieroglyphiüche Text der dreieprachigen OaUae-Inechrift iet PrieHter•
Inichrift, Der Ben' hluß in Ditt. Gr. Or. ββΟ, auch eine hieroglyphische Khrcninechrift
zu iftKen, iHt Ho8cblii(5 drr Dorfleute von Bueirie, nicht de• Prftfekton, wie Letronne
annahm.
2) Bei liootow/.ew, Kol. 8. 2ί0— 2M. Vgl. auch S. 407 f.
a) Vgl. den Üherblick bei Zulueta, de patrociniie virorum (in Oxford Studie• in
•ocial and legal bietory ed. Vinogradoff I 1U09) S. 61 ff.
l; Herodot VII 172. Thuk. I lül, 8; 108, 4. IV 69, 4.
QQ Kapitel I. Allgemeine historische Grundzüge.
wo es in einer Liste der άφήλικες viol λαογραφυνμενων heißt: Tcal τω
(τίρώτω) (ετει) Ονεόπαόίανοϋ άχο ξε(νηο) κατ[εί6ελ0'όντες ο. ä.]^) 6νν τοΙς
Λατράΰί εν ^μολ(όγοΐξ) άνείλ(ημμένοή κτλ. Hier werden die unter
14 Jahre alten, also noch nicht Kopfsteuer zahlenden Söhne, die mit
ihren Vätern aus der Fremde heimgekehrt waren ^), doch schon unter die
ομόλογοι aufgenommen. Dagegen bezeichnet o^dAo/ot in Lond. II S. 38
im engeren Sinne die dediticii von 14 — 60 Jahren, die Kopfsteuer zahlen.
Zu BGU 560 (64) vgl. den Kommentar. Eine noch prägnantere Bedeutung
scheint in Lond. II S. 226 ff. vorzuliegen, wo als ομόλογοι nur die im
eigenen Dorf Anwesenden bezeichnet werden im Gegensatz zu den von aus-
wärts gekommenen Arbeitern, die zu vorübergehenden Arbeiten in dies
Dorf kommandiert worden sind. Vgl. auch BGU II 618.
Bestätigt sich meine Hypothese, so haben wir also vom I. bis zum
III. Jahrh. folgende Zeugnisse für die dediticii (ομόλογοι) in Ägypten;
Griech. Ostr. Π η. 412—415 für J. 62/3; Lond. Π S. 38ff3) für J. 94/5;
Lond. II S. 226 ff. für 133/4; BGU 560 fürs IL Jahrb.; BGU 618 für 213/4.
Der Widerstand der Ägypter gegen Oktavian hat sich bereits im
1. Jahre der neuen Herrschaft in Aufständen fortgesetzt. Nach Strabo
XVII p. 819 hat der erste Statthalter Cornelius GaUus das aufrührerische
Heroonpolis erobert und einen Aufstand in der Thebais, der „wegen der
Steuern" ausgebrochen war, niedergeworfen. Vgl. hierzu die Gallus-Inschrift.
Die unsichere Lage zur Zeit des Tiberius beleuchtet das Edikt des Flaccus
in P. Boissier (13). Auch später ist es gelegentlich zu Unruhen unter
den Ägyptern gekommen, doch sind sie meist nicht von größerer Bedeu-
tung gewesen und haben offenbar vom römischen Heer leicht niederge-
drückt werden können. Diese Unruhen waren z. T. die Wirkungen der
wirtschaftlichen Lage, indem die Ägypter, um dem ständig wachsenden
Druck der Liturgien und Steuern zu entgehen, vielfach ihre idCa verließen
(άναχωρεΐν) und so ein gefährliches Proletariat επί ξένης bildeten. Zu
einem ernsteren Aufstand scheint es etwa im Jahre 153 gekommen zu
sein. Auf ihn bezieht sich das Edikt des M. Sempronius Liberalis vom
Jahre 154, das uns in BGU II 372 (19) erhalten ist. Größeren Umfang
nahm der Aufstand der Bukolen an, der im Jahre 172 ausbrach, zu einer
Niederlage der römischen Truppen führte und erst durch den aus Syrien
geschickten Avidius Cassius niedergeworfen werden konnte. Von beson-
derem Interesse ist, daß nach Dio Cass. 71, 4 ein Priester es war, der
die Führung des Aufstandes übernahm. Dadurch ist der nationale Cha-
1) So schlug ich bei Rostowzew 1. c. vor statt άτιο ξέ(νων), woraus Wessely ge-
folgert hatte, daß die Ortsabwesenden die δμ,όλογον seien.
2) Daß die Väter mit den Söhnen in die Fremde gingen, liegt auch in P. Cair.
Cat. 67002 I 19 vor {έπϊ ξένης ΰνν τέκνοις).
3) Vgl. auch S. 41, 137 und 42, 191.
Β. Die römische Periode. § 4. Bevölkerung und Bevölkerungspolitik. 61
rakter dieses Aufstandes gesichert. Von dem Aufstandsgebiet τ« Βουχόλια
handelt der Brief BGU II 625 (21) aus dem III. Jahrhundert. Meine
Vermutung^), daß die Militärurkunden P. Mel. Nie. S. 58 ff. sich viel-
leicht auf den Aufstand von 172 beziehen könnten, ist durch die von
A. Stein im Arch. IV 165 erwiesene Datierung vom Jahre 203 beseitigt.
Ob es sich um neue Unruhen in den Bukolia vom Jahre 203 handelt,
bleibt zweifelhaft. Landflüchtige Ägypter aus der χώρα wai*en ferner auch
beteiligt bei dem großen alexandrinischen Aufstande des Jahres 215, der
von Caracalla selbst im Blut erstickt wurde. Wir besitzen jetzt in Giss.
40 II 15 ff. (22) Auszüge aus dem Tagesbefehl des Kaisers, in dem er
nach Beendigung der Revolte die Austreibung der in Alexandrien nicht
ortsansässigen Ägypter anordnete, ein Text, der auch durch die Charakte-
risierung der „wahren Ägypter" von höchstem Interesse ist.
Die Mischung der ägyptischen und der griechischen Rasse, die schon
unter den Ptolemäern sehr bedeutend gewesen war (s. oben S. 23), hat in
der Kaiserzeit immer Aveitere Fortschritte gemacht. Die Mischung der
Namen in den unteren griechischen Schichten, die nicht zu den privi-
legierten Klassen (den έπίκεκριμενοι) gehörten und den ägyptischen Kreisen
wird eine immer allgemeinere, so daß Rückschlüsse aus der Nomenklatur
auf die Rasse für diese Kreise überhaupt nicht mehr möglich sind. Ja,
auch in jenen höheren griechischen Kreisen kommen ägyptische Namen
vor, wenn auch im großen und ganzen ein Unterschied in den Nomen-
klaturen nicht zu verkennen ist. Vgl. die oben S. 57 angeführten Bei-
spiele. WoUte jemand seinen Namen, der in die Bevölkerungslisten einge-
tragen war, später ändern, so bedurfte er dazu natürlich einer behörd-
lichen Erlaubnis. Ein Straßburger Papyrus vom Jahre 194 (52) führt
uns einen FaU vor, wo ein Marm griechischen Namens vom Idiologos die
Erlaubnis erbittet und erhält, für die ägyptischen Namen von Vater und
Mutter griechische Äquivalente einzuführen. Dieser der gräko-ägyptischen
Mischbevölkerung angehörige Mann schämt sich offenbar seiner ägyptischen
Elteriinamen und will nun wenigstens äußerlich den Anschluß au die
'^EXii^vtg erreichen. Seine Rechtsstellung hat sich zwar durch die Ände-
rung der Nomenklatur nicht geändert; er war und blieb ein Dörfler eeinee
Gaues.
Nachdem die ΑΙγνπτιοι (im oben definierten Sinne) von Oktavian zu
dediticii gemacht waren, schlosecn sich die hiervon eximierten Klassen
als "Ελληνις zusammen. Es scheint sogar, daß es eine wie auch immer
beHchaffcnc OrganiHation dieser „Hellenen^' gegeben hat Dies darf aus
der vielbosprochenen alexandrinischen Inschrift Dittenberger Or. Chr. II 709
gefolgert werden, in der zar Ehrung des berülimten Rhetors P. Aelius
1 II r.r,2f.
ß2 Kapitel I. Allgemeine historische Grundzüge.
Aristides außer Alexandrien die "Ελληνες des Delta und der Thebais,
aus der Heptanomia aber Hermopolis Magna und der Rat von Antino-
opolis sich vereinigen. Bemerkenswert ist auch, daß in einer Census-
eingabe aus dem Dorf Samaria für das Jahr 131/2 ein Πτολεμαίος
sich των iv ^ροί(νοΐττ]) ά[ν]ορών ^Ελλήνων" nennt (Teb. II 566).^)
Wollte er sich dadurch von der wahrscheinlich stark semitischen Bevölke-
rung des Dorfes abheben?^) Immerhin enthält auch dieser Ausdruck einen
Hinweis auf einen Zusammenschluß der Hellenen des Gaues. Diese
''Έλληνες also sind es, wenn die obigen Ausführungen zutreffend sind, die
durch die Constitutio Antonina das römische Bürgerrecht erhalten haben.
Es sei hervorgehoben, daß im Edikt Z. 19 der Kaiser von den Hellenen
gesprochen hat, doch ist von dieser Zeile nichts weiter erhalten als τ]ώι/
Έλλή[νων. Äußerlich sind sie nunmehr als Römer kenntlich durch ihre
veränderte Nomenklatur — falls sie nicht gelegentlich auf die Hervor-
hebung verzichten. Dagegen werden sie m. W. niemals als 'Ρωμαίοι, be-
zeichnet, wie sie auch keine Tribus führen. Vgl. hierzu die Bemerkungen
zu BGU 747 (35). Sie behalten neben der civitas Romana ihre alte
Gemeindeangehörigkeit und heißen daher nach wie vor ^λεξανδρεΐς^
^ντινοείς etc., resp. των ά%ο γνμναοίον τεοοαρακαιειτιοΰίδραχμοι u. dgl.
über die rechtlichen Wirkungen der constitutio Antonina vgl. Mitteis im
IL Bande. Über das von Caracalla angegebene Motiv, er habe die
peregrini dem römischen Staatskult zuführen wollen, vgl. Kap. IL
Unter den sonstigen Bestandteilen der Bevölkerung verdienen auch
für die Kaiserzeit die Juden eine besondere Betrachtung. Die Ausbrei-
tung der Juden in Stadt und Land, die schon in der Ptolemäerzeit eine
bedeutende gewesen war (s. oben S. 24), wird in der Kaiserzeit eher zu-
als abgenommen haben. Philo schätzt die ägyptische Judenschaft seiner
Zeit auf etwa 1 Million.^) Die Papyri bieten auch für diese Zeit wieder
mehrere wertvolle Nachrichten.*) Für eine starke Verbreitung der Juden
in der Thebais spricht die Tatsache, daß die „thebäischen'^ Juden in
Arsinoe ihre eigene προοενχή sowie ein Bethaus (ενχείον) hatten. VgL
Lond. III S. 183, 57. Ein jüdisches Ghetto in Oxyrhynchos bezeugt
für das J. 85 Oxy. Π 335, wo ein von einem Juden gekauftes Haus ^Tt
άμφόδον Ίονδα{ί)κ(ον) liegt.^) Für das Vertrauen, daß sie bei der Regie-
rung genossen, zeugt, daß in der Sitologenliste BGU 715 (a. 101/2) sich
mehrere Juden befinden.
1) Der Text ist nur im Auszug mitgeteilt.
2) Vgl. die 'lovdaloi und "EXlrivsg in Psenyris in 55.
3) Philo in Flaccum § 6.
4) Vgl. die Zusammenstellung der urkundlichen Belege bei Schürer, Gesch. IE*
S. 46 £F.
5) Vgl. hierzu Wilcken, Zum alexandrinischen Antisemitismus (Abh. Sachs. Ges.
Wiss. 1909 S. 788).
Β. Die römische Periode. § 4. Bevölkerung und Bevölkerungspolitik. 63
Das Hauptzentrum der Judenschaft war aber auch jetzt Alexandrien.
Das alte Ghetto faßte sie nicht mehr, wenn der Begriff sachlich auch be-
stehen blieb. Von den fünf Stadtbezirken nannte man zwei die jüdischen,
weil meistens Juden darin wohnten; aber auch in den anderen wohnten
sie zerstreut.^)
Daß trotz der gegenteiligen Versicherungen des Josephus auch noch
zu Augustus' Zeit die alexandrinischen Juden nicht das alexandrinische
Bürgerrecht besaßen (s. oben S. 24), wird jetzt auch durch zwei der neuen
alexandrinischen Urkunden bestätigt. Vgl. BGU IV^ 1140 (58), wo scharf
geschieden wird zwischen dem ^λεξανδρενς (dem Bürger) und dem
Ιουδαίος των άπ !4λεΐΕ,ανδρε{ίας)^ dem Juden, der zu den Bewohnern der
Stadt gehört. Nach derselben Richtung weist το των ^Ιουδαίων άρχεΐον
in BGU IV 1151, 7. Dies bestätigt einerseits, daß die Juden dort ein
eigenes πολίτευμα bildeten, zeigt aber andererseits, daß sie eben keine
ηολίται der Stadt waren: für diese war das πολιτιχον άρχεΐον (BGU IV
1131, 14. 22).
Dagegen glaube ich demselben Papyrus eine Bestätigung für die
Behauptung des Josephus^) entnehmen zu dürfen, daß die alexandrinischen
Juden (besser wohl, manche derselben) sich hätten Μακεδόνες nennen
dürfen, denn der Θεόδωρος^ der nach BGU 1151, 7 ein Testament διά
τοϋ των Ιουδαίων αρχείου gemacht hat, ist ein Bruder des Μεξανδρος^
der nach BGU IV 1132, 3 als Μακεδών bezeichnet wird. Indem ieh
annehme, daß nur Juden das jüdische Notariat benutzten, ergibt sich
mit Wahrscheinlichkeit, daß der Θεόδωρος ein Jude war (der Name
paßt dazu vorzüglich) und wie sein Bruder Μακεδών genannt wurde.
Daß wirklich alle Juden, wie Josephus meint, so geheißen hätten,
kann billig bezweifelt werden, aber daß mehrere von ihnen oder viele
Μακεδόνες hießen, wird die tatsächliche Unterlage für seine Mit-
teilung sein. Zur Beurteilung ist daran zu erinnern, daß die Μαχεδόνες
nach Schubarts Darlegungen außerhalb der alexandrinischen Bürger stan-
den.') Also das alexandrinische Bürgerrecht der Juden kann nicht aus
dieser neuen Nachricht abgeleitet werden. Natürlich waren die Juden
kopfsteuerpflichtig, so weit sie nicht in eine der privilegierten Klassen
aufgerückt waren. Vgl. BGU IV 1068 (02), 8.
Die durch religiöse*) und wirtschaftliche Momente begründete Span-
nung zwischen Juden und Hellenen, die schon die Ptolemäerzeit hindurch
bestanden hatte (s. oben S. 26), enthid sich nun in der Kaisenr.oit in
1) Philo in Flaccnm § 8.
2) Bell. lud. 11 18, 7. Vgl. c. Apion, II 4. 8t Ann > in i.
4) Der rclif^öte Gegeniatc tritt jetzt α. ». darin herror, dafi die Juden ron den
Ori /iell al• άνόαιοι beteichnet werden. Vgl. Wilcken, Zum alexandriniRchen
AnL aiH 8. 786 f.
ß4 Kapitel I. Allgemeine historische Grundzüge.
blutigen Straßenkämpfen, die bald von den Hellenen, bald von den Juden
in fanatischem Hasse herbeigeführt wurden. Der Grund für diese neue
Erscheinung dürfte in der erst jetzt auftretenden politischen Spannung zu
suchen sein, die dadurch entstehen mußte, daß im Gegensatz zu den
oppositionslustigen Alexandrinern die Juden die loyalsten Untertanen der
neuen römischen Herren waren. Dazu kam, daß die Juden, gestützt auf
ihr gutes Verhältnis zur Regierung neue Privilegien, im besonderen auch
das alexandrinische Bürgerrecht zu erringen suchten. Außerdem scheint
auch die wachsende geschäftliche Konkurrenz die Gegensätze verschärft
zu haben. Zum erstenmal in der ganzen Literatur finden wir jetzt eine
Andeutung, daß der Vorwurf des Wuchers gegen die Juden erhoben
wurde. In BGU IV 1079 (00) vom Jahre 41 warnt ein Kaufmann einen
anderen vor den jüdischen Geldverleihern mit den Worten: „Hüte dich
vor den Juden." ^)
So brach denn unter Gaius aus Anlaß des provozierenden Auftretens
des jüdischen Königs Agrippa jene furchtbare Judenverfolgung aus, über die
wir die notwendig einseitigen, aber unschätzbaren Berichte des Philo (in
seinen Schriften in Flaccum und legatio ad Gaium) besitzen. Die weitere
Entwicklung dieser Kämpfe kann hier nicht dargestellt werden^), nur was
die Papyri beisteuern, soll kurz hervorgehoben werden. So fällt der
oben erwähnte Brief in die Zeit dieser Kämpfe hinein. Aus Claudius'
Regierung aber haben wir das erste jener oben S. 44 charakterisierten
Martyrien, nach dem der alexandrinische Gymnasiarch Isidoros, der den
jüdischen König Agrippa — wie ich glaube Agrippa II — vor dem
Kaiser verklagte, zum Tode verurteilt wurde. Vgl. 14.
Die Eroberung Jerusalems durch Titus im Jahre 70 rief in Alexan-
drien einen jüdischen Aufstand hervor, der durch das römische Heer
niedergeworfen wurde. Die Folge war, daß der Oniastempel in Leontopolis
auf Befehl des Kaisers geschlossen wurde.^) Eine andere Wirkung des
Falles von Jerusalem, die Umwandlung des dem Jehova gezahlten δίοραχμον
in eine Abgabe an den Jupiter Capitolinus, können wir in P. Stud. Pal. I
S. 71 (61) verfolgen, der sehr wertvolle Angaben über dieses Ίονδαϊκον
τελεόμα (aus dem Jahre 72/3) bringt.
Der Haß der Juden gegen die römische Regierung, der nach der
Eroberung Jerusalems an die Stelle der früheren Loyalität trat, führte
im Jahre 115, als Kaiser Trajau im fernen Osten stand, und die ägypti-
schen Garnisonen z. T. dorthin disloziert waren, zu dem gefährlichen Auf-
1) Mißtrauen gegen die Aussage eines Juden tritt in Fay. 123 (a. 100) hervor.
2) Vgl. Literaturübersiclit und Darstellung in Schürers Geschichte des jüdischen
Volkes.
8) Jos. bell. VII § 409 ff. Nachkommen der alten Onias-Kolonie aus dem J. 59
n. Chr. begegnen jetzt in Hamb. 2.
Β. Die römische Periode. § 4. Bevölkerung und Bevölkerungspolitik. 65
stand der ägyptischen und der mit ihnen bald verbündeten kyrenäischen
Jiidenschafty der erst nach Entsendung des Marcius Turbo zu Beginn der
Regierung des Hadrian völlig niedergeworfen werden konnte.^) Aus diesem
Kriege, in dem Griechen und Ägypter zusammen gegen die Juden kämpften,
haben wir soeben manche Einzelheiten kennen gelernt durch einige Papyri
aus dem oberägyptisehen Heptakomia. Vgl. Brem. 40 (16), Giss. 24 (15),
27 (17) und 41 (18). Sie zeigen uns u. a., in welche verzweifelte Situa-
tion die Feinde der Juden im Binnenlande kamen, ehe die römischen
Truppen eingi'iffen.
An diesen Krieg schloß sich in Alexandrien noch ein Aufruhr an,
der zu neuen Gewaltsamkeiten zwischen Hellenen und Juden führte. Aus
diesem Anlaß kam es zu jenem Kriminalprozeß vor Kaiser Hadrian, der
in dem Antoninus-Martyrium behandelt wird.*) Hierbei waren sowohl die
Juden wie die Alexandriner durch Abgesandte vertreten. Der Text ent-
hält auch manche Hinweise auf den voraufgegangenen Krieg.
Auch der letzte große Judenkrieg, der 132 in Judaea ausbrach, scheint
in Ägypten ein Nachspiel gehabt zu haben. BGU 889, 22 f. weist auf
einen Ίονδ(αϊκος) τάραχος im Jahre 136/7 hin.')
Daß das dritte Martyrium, aus der Zeit des Commodus, nicht not-
wendig neue Judenkämpfe voraussetzt, wurde schon oben S. 45 hervor-
gehoben. Daß aber der Haß zwischen Hellenen und Juden auch weiter-
hin noch fortbestand, dafür zeugt die Tatsache, daß man in Oxyrhynchos
noch im Jahre 202 das Siegesfest zur Erinnerung au den im Anfang
der Regierung des Hadrian errungenen Sieg über die Juden als Jahresfest
feierte. Vgl. Oxy. IV 705, 34 (in Kap. ΠΙ).
Zum Schluß hebe ich hervor, daß auch in dieser römischen Periode
die Regierung an dem Prinzip der ιόΥα festgehalten hat. Vgl, oben S. 26.
Ja, sie ist noch schärfer als in der Ptolemäerzeit der Bevölkerung einge-
prägt worden, denn abgesehen von gelegentlichen Ermahnungen zur Heim-
kehr, die durch Aufstände hervorgerufen wurden, hat die Regierung jetzt
regelmäßig alle 14 Jahre anläßlich des Census*) eine genereile Aufforde-
rung zur Rückkehr in die idCa und Aufnahme der Arbeiten an die Be-
völkerung erlassen. Vgl. unten meine Kommentare zu BGU 372 (19) und
Lond. IH S. 125 (in Kap. V). Abgesehen von dieser die Gesamtbevölkerung
bindenden Beschränkung waren auch jetzt wieder die in kaiserlichen
DienHten Arbeitenden, im besonderen die kaiserlichen Donianialpächtt'r für
die Zeit von der Au8.saat bJM /nr Ernte, eidlirli vfM-pili.l>tot, bei der Arbeit
zu bleiben. Vgl. Kap. \
1) Vgl. Wilcken, Zum alexandriniichen Antiiieniititinui S. 79S ff.
2) K* liefen zwei Κβ«»•ιιβίοη«η vor, Par. und Β^ίΐ' η η Vgl. den Text bei
Wilcken, Zum slcxan(lnniiich(*n AntiMcmitiimils 8. 808 tf
8) V^l. Wilcken 1 c. 79».
4; Zueret hervorgehoben von RoftowMW, Kolonat 201» IT.
MUl«l*-Wtlckeii: Orun'lüUiC^ I ^
QQ Kapitel Ι. Allgemeine historieche Gmndzüge.
C. DIE BYZANTINISCHE PERIODE.
Eine unerschöpfliche Fundgrube für die Geschichte dieser Zeit, im besonderen
auch für die Erklärung unserer Urkunden sind immer noch die Kommentare von
Jac. Gothofredus zum Cod. Theodosianus. Unter den älteren Darstellungen ist
namentlich Gibbons umfassendes Werk von bleibendem Wert. Von neueren nenne
ich: Jak. Burckhardt, Die Zeit Constantins des Großen (1863), 2. Aufl. 1880. —
Franz, CIGIII S. 312fF. (1853). — Sharpe, Geschichte Egyptens, deutsch von Jolowicz,
mit Anmerkungen von A. v. Gutschmid (2. Aufl.) 1862. — E. Kuhn, Die städt. und
bürgerl. Verfassung d. röm. Reiches I/II, 1864/65. — M. A. v. Bethmann-Hollweg,
Der römische Civilprozeß III, 1866. — H. Schiller, Geschichte d. röm. Kaiserzeit II,
1887. — Th. Mommsen, Abriß d. röm. Staatsrechts 1893 S. 347 ff. — 0. Seeck, Ge-
schichte des Unterganges der alten Welt, 1897 ff. Vgl. vor allem seine lehrreichen
Artikel bei Pauly-Wissowa etc. — J. G. Milne, Α history of Egypt under Roman
rule, 1898. — Die Papyrusurkunden sind zum ersten Mal gründlich für die Geschichte
dieser Zeit verwertet worden von Matth. Geiz er, Studien zur byzantinischen Ver-
waltung Ägyptens (Leipz. histor. Abhandlungen, hgb. von Brandenburg, Seeliger,
Wilcken, Heft XIII), 1909. Vgl. von demselben, „Altes und Neues aus der byzan-
tinisch-ägyptischen Verwaltungsmisere, vornehmlich im Zeitalter Justinians" im Arch.V
Heft 3.
§ 1. DAS REGIMENT.
Wenn wir mit Diokletian eine neue Periode beginnen lassen, so ist
das nicht so selbstverständlich wie bei Alexander dem Großen und Augustus.
Nicht Weniges von dem, was uns in dem Lebenswerk des Diokletian auf
den ersten Blick als etwas Neues erscheint, läßt sich auch schon in der
vorhergehenden Zeit der Agonie des Prinzipats nachweisen. Vor allem
können, um von Früheren abzusehen, Septimius Severus und dann Aure-.
lianus als seine Vorläufer bezeichnet werden. Das III. Jahrh. ist nicht
nur eine Zeit des Verfalles, sondern es treten in ihm auch schon neue
Gedanken und neue Erscheinungen auf, die von Diokletian zielbewußt
vereinigt und gesteigert mitgeholfen haben, eine nochmalige Regeneration
des Reiches zu ermöglichen. Es ist hier nicht der Ort zu begründen,
weshalb ich Mommsens Ausspruch über Diokletians Staatsordnung „Neu
ist darin so zu sagen aUes"^) ebenso für zu weitgehend halte wie andrer-
seits Eduard Meyers Ausspruch, daß „die Neuschöpfung, welche Aurelian.
und Probus begonnen, Diokletian und Konstantin auf den Trümmern aus-
geführt haben, dem Altertum und dem Prinzipat bereits ungefähr ebenso
fernsteht wie das Reich Karls des Großen".^) Jedenfalls wird es nützlich
sein, die neuen Aufschlüsse der Papyrusurkunden zusammen mit der son-
stigen Tradition in der Richtung zu verarbeiten, daß wir neben dem
absolut Neuen auch die Momente der kontinuierlichen Entwicklung
schärfer zu fassen suchen. Manche solcher Momente haben schon jetzt
die Papyrusurkunden klarer zur Anschauung gebracht.^)
1) Abriß d. röm. Staatsrechts S. 351.
2) Die wirtschaftliche Entwicklung d. Altertums 1895 S. 51.
3) Vgl. z. B. die Entwicklung des Städtewesens in Ägypten im IV. Jahrb., die
C. Die byzantinische Periode. § 1. Das Regiment. 67
Auf der anderen Seite sind manche von Diokletians Reformen erst
von Späteren, namentlich von Konstantin dem Großen, vollendet worden.
Aber die Grundgedanken treten doch schon bei ihm hervor. Die neue
R^ichsorganisation, wie er sie hinterlassen hat, steht als eine so ge-
schlossene Einheit vor uns, daß der Historiker berechtigt ist, hier einen
Einschnitt zu machen. Wenn ich die mit ihm beginnende Periode die
„byzantinische" nenne, wiewohl Byzanz ja erst seit Konstantin eine Rolle
spielt, so wird dieser bewußte Anachronismus durch das Bedürfuis eines
praktischen Ausdruckes wohl entschuldigt.^)
Bis vor kurzem besaßen wir aus dieser byzantinischen Zeit, abgesehen
von einzelnen Ausnahmen, nur private Papyrusurkunden, meist Verträge,
Briefe, Rechnungen u. dgl. Erst die letzten Jahre haben uns bedeutendere
Papyrusmengen gebracht, die uns auch in die öffentlichen Angelegen-
heiten, im besonderen auch in die Verwaltung des Landes tiefere Ein-
blicke gewähren. Dahin gehören, von Einzelpublikationen abgesehen,
namentlich die Leipziger und Florentiner Papyri, manche Oxyrhynchos-
ürkunden, Stud. Pal. 111 u. VlII, und vor allem die kürzlich von Jean
Maspero herausgegebenen, auf Justinians Zeit helle Lichter werfenden
Aphrodito-Papyri des Cairener Museums.*) Damit sind unsere Forschungen
auf eine neue Basis gestellt.
Das Kaisertum als eine absolute Monarchie, wie es Diokletian —
nach früheren vorübergehenden Prätensionen eines Domitian, Septimius
Severus, Aurelian — dauernd im Reiche stabiliert hat^j, ist für Ägypten
nichts Neues gewesen, vielmehr ist damit die ägyptische Ordnung — ein-
schließlich der Eliminierung des Senates — mutatis mutandis auf das
Reich übertragen worden. Dominus und deus sind von jeher von den
Ägyptern als berechtigte Charakteristika ihrer Könige anerkannt worden.
Nur sagte man jetzt, da das Wort κνρίος schon zu abgegriffen war, statt
dessen lieber δεότΐύτης*)^ und wenn auch der deus bald vor dem Christen-
gott zurücktreten mußte, so blieb doch ϋ-ειότατος u. ä. die übliche Be-
zeichnung für den christlichen Kaiser.
Andererseits fand eine Ausgleichung Ägyptens mit dem sonstigen
Reiche mit dem Ergebnis statt, daß unter Aufhebung der bisherigen Sonder-
stellung des Landps RfMchspinriclitnngen auf Ägypten übertragen wurden.
auf die Ordnung doe Septimiue Sevcrue vom Jahre SOS sorflckgeht (*. unten S. 77ff.),
oder die Auihildung de« Kolonatee, deHscn Vorgtufen Roftowsew bit in die PtolemAeiw
zeit vi^rfülgt hat (Kap. VII).
1) Vgl. a • * ' ' '
2) Vgl. 1 on L^berblick Aber die Teile der byiantiniechen Zeit
bietet mein „üeneral i;
8) Vgl, vor allrni
4) über da« allm mUriagen de• άίβηότης vgl. meine BemerkoBgon im
Arch. rV 260
6•
68 Kapitel Ι. Allgemeine historische Grundzüge.
So wurde jetzt die Datierung der Akten nach den Reichskonsuln ein-
geführt, und es schwand die uralte Datierung nach dem ägyptischen
Königsjahr. Diokletian (nebst Mitregenten) ist der letzte Kaiser gewesen,
nach dessen Regierungsjahren in Ägypten gerechnet worden ist, bis dann
Justinian (a. 537) wieder ein Kaiserjahr — aber nicht mehr das ägyp-
tische — in die Datierung einführte.^) So hatte Ägypten nach Diokletian
nicht mehr wie bisher seinen eigenen König. Dieselbe Nivellierung tritt
aber auch darin hervor, daß Diokletian nach der Eroberung Alexandriens
(a. 297)^) die griechische Sondermünze Alexandriens aufhob und nunmehr
die lateinischen Stempel auch hier arbeiten ließ.^) In beiden Maßregeln
liegt ein gutes Stück Romanismus, der auch sonst von nun an von der
Regierung gegenüber dem Hellenismus befördert wurde. Schrift"^) und
Sprache unserer Urkunden legen ein deutliches Zeugnis dafür ab.
Unverändert wurde auch in diese Periode das Regierungsprinzip
hinübergenommen, daß Ägypten in erster Reihe für den Staatssäckel, im
besonderen auch für die Ernährung der Reichshauptstadt zu arbeiten habe.
Der einzige Unterschied war nur der, daß die ägyptischen KornschijBPe
bald nach Konstantinopel statt nach Rom fuhren. Ygl. Kap. IX und X.
Dank der geschützten Lage des Niltales ist auch in dieser Periode
die äußere Geschichte des Landes im Vergleich zu mancher anderen
Provinz eine verhältnismäßig ruhige gewesen. Nur im Süden ist die
Thebais Jahrhunderte hindurch den Raubzügen der Blemyer und Nobaden
(Nubier) ausgesetzt gewesen. Es wurde schon oben S. 30 darauf hin-
gewiesen^), daß Diokletian (es war wohl 297) die Dodekaschoinos geräumt
hat, so daß nunmehr die Insel Philä, südlich von den Katarrakten, die
Südgrenze des Reiches bildete. Wie Prokop (b. Pers. I 19) erzählt, über-
ließ er dies relativ unfruchtbare Land den Nobaden zur Besiedelung,
damit sie die Blemyer im Schach hielten.'^) Der Friede der Thebais wurde
außerdem durch jährliche Tributzahlungen an Blemyer und Nobaden er-
kauft und sollte ferner durch den gemeinsamen Isiskult auf Philä ge-
sichert werden (vgl. Kap. II). Doch in diesen Zugeständnissen trat die
Schwäche des Reiches zu deutlich zutage, als daß sie den erwünschten
Frieden hätten bringen können. Im Gegenteil sehen wir später die Blemyer
und Nobaden miteinander vereint immer wieder gegen das Kulturland
vordringen. Es war zugleich ein Kampf der Heiden gegen das Christen-
1) Vgl. Genaueres in der Einleitung § 7.
2) Zur Datierung der Eroberung vgl. Seeck, Unterg. I 450/1,
3) Vgl. Einleitung § 8. 4) Vgl. Einleitung § 5.
5) Dort auch die Literatur über die Β lemy erfrage. Für die byzantinische Zeit
vgl. auch noch Leipoldt, Schenute v. Atripe S. 24 usw. und Äg. Z. 40, 126 ff.
6) Über die innerafrikanischen Vorgänge, die hierbei mit eine Rolle spielten
(Verschwinden des Reiches von Meroe und Ausdehnung des axumitischen) vgl. Krall
I.e. S. 11.
C. Die byzantinische Periode. § 1. Das Regiment. 69
tum. Vor ihren unmenschlichen Grausamkeiten zitterte die Bevölkerung
der Thebais^), für die die Blemyer die βάρβαροι κατ εξοχήν waren. \^gl.
Cair. Cat. 67004, 9: βαρβάροΐξ ^r(o)t Βλέμνβι in Übereinstimmung mit
Oljmpiodor FHG IV 66, der ja auch ein Thebaner war. Noch anschau-
licher als in den bekannten literarischen Quellen*) treten uns diese
fürchterlichen Zustände der Thebais jetzt in einigen Papyri entgegen.
Aus der Zeit Theodosius' II. haben wir den Hilferuf eines Bischofs von
Syene gegen die räuberischen Angriffe der Blemyer und Nobaden in P.
Leid. Ζ (6). Dazu kommen jetzt aus der Zeit Justinians (aus den fünf-
ziger Jahren des VI. Jahrh.) P. Cair. Cat. 67009 und 67004. In der
ersteren Bittschrift erzählen die Bürger von Antaiopolis (Qau el Kebir),
daß zur Zeit ihrer Voreltern die Blemyer ihre Stadt derartig verwüstet
hätten^ daß sie noch heute wirtschaftlich damiederliege. Während sie
damals stattliche kaiserliche und öffentliche Bäder gehabt hätte, habe sie
jetzt nur ein Privatbad für die armen Leute.'; Hiernach sind die Blemyer
bei diesem Einbruch — leider läßt der Ausdruck των πάλαι ημών γονέων
keine genauere Datierung zu — sogar bis Antaiopolis vorgedrungen, also
noch ein gutes Stück nördlich über Ptolemais hinaus, das fürs ΠΙ. Jahrh. uns
als nördlichster Punkt des Vordringens der Barbaren genannt wird (s. oben
S. 30).*; Bekanntlich hat dann Justinian, wie Procop (beU. Persic. I 19)
erzählt, durch Narses, den damaligen dux der Thebais^) — wohl in den
dreißiger Jahren des VI. Jahrh.®) — den heidnischen Kult auf Philä be-
seitigen lassen (vgl. Kap. II). Daß trotzdem auch hinterher die Blemyer
zunächst noch eine Gefahr blieben, zeigt jene zweite Bittschrift (67004)
ans dem Anfang der fünfziger Jahre des VI. Jahrh., in der die Ratsherren
von Omboi (dem heutigen Kom-Ombo) sich über einen bösen Mann be-
schweren, der mit Hilfe der Blemyer, wie es scheint, arg in ihrer Stadt
gehaust hatte.') Über die in dem Papyrus berührten religiösen Fragen
1) Vgl. den Bericht eines Zeitgenossen aus dem lY. Jahrh. bei Leipoldt, Schenate
von Atripe S. 24.
2; Vgl. Wilcken, Archiv I 896 ff. und Sethes Daistellung in Pauljr-Wieeowa Ul
606 ff. Es ist vor allem Priscus Panites in FHG IV 100 und Prokop 1. c.
8) Z. 17ff. : διόάατιομΒν — ώ[ς τ]ών άΧίτηρ{ίων) ΒΧίμνων βαρβά{ίων Μ νών ndlat
ημών γονίων Λαρπληφότων (korrig. aus ηαραλαβ\ όντων]) [την ί^μίχ^ραν itoU]v «οΐ
^ίορ^ϊ-ηπαντων δανώς^ ούχέτι άπΰ των χρόνων έ%Ην[ω]ν ή ά^ί^λία ηόΐις χτΧ.
4) Über Ρβοίβ, (1. h. Ptolemais, hinaus sind sie auch nach den Berichten de•
Schennte vorgedrungen (Krall, Denk. Wien. Akad. 46 1. c. S. 12). Vgl. auch die bei
Geizer 1. c. S. 11 aus Palladius, hiit. Laus. p. 96« 4 (Butl) sitierte Nachricht Ober
PanopoliM.
6) των imlvfi ατρατιωτών άρχων. Dieter NatMi war ein Laodnnann de• be-
rühmten NarNe«.
6) .1. Maipcro, Tht'odoro de Philao in liev. de Phiit. d. Religionii (Annale• du
Mu»<)(! Guiniei) 1909, S. 4 (S.A.) setzt die« Ereignis um 68ft.
7; Die Schilderungen erinnern an den an• Leipoldt oben Anm. 1 titierieii Bericht
Auch die Jungfraucuschandung fehlt nicht S ' t^ Vgl. auch mein Papym^ieferat
Aber dies«• Irkundcn im Arch. V, Heft 8.
70 Kapitel Ι. Allgemeine historische Grundzüge.
Vgl. Kap. IL Im allgemeinen scheint aber doch der Kriegszug des Narses
den Grund für friedlichere Zustände an der Südgrenze gelegt zu haben,
um so mehr als dann das Christentum bei diesen Barbaren eingeführt
wurde (s. Kap. II). Für die kulturellen Verhältnisse bei den Blemyern
sind von Interesse einige auf Gazellenleder geschriebene Urkunden blemy-
scher Herkunft, die wohl dem VI. Jahrb. angehören. Drei davon wurden
zuerst von Baillet veröffentlicht (vgl. 7), drei gehören dem Berliner
Museum: BGU III 795, 796, 797. Ein interessantes Problem ist uns
noch der ζίΰόβκορος γραμματεύς ed'vov^g) Βλεμμεον άτίο 'ϋομερ'κίω\ν in
BGU ΠΙ 972, 1 (VI./VII. Jahrb.) jaus Latopolis (Esneh). Ein Dokument
aus diesen jahrhundertelangen Kämpfen mit den Blemyern ist das auf
einem Berliner Papyrus erhaltene Epos, das den Blemyersieg eines Ger-
manos feiert (aus dem Anfang des V. Jahrb.). Vgl. Berl. Klassikertexte
V (1) S. 108 ff. Auch der Panegyricus auf den Johannes dux Thebaidis
(aus justinianischer Zeit), ebendort S. 11 7 ff., weist in Z. 82 auf die Blemyer
hin. Vgl. zu letzterem Gedicht jetzt J. Maspero, Byz. Z. XIX (un pap.
litteraire ά^ϋφροδίτης κώμης).
Die Südgrenze war aber nicht der einzige von Barbaren bedrohte
Punkt. Auch libysche Stämme berannten gelegentlich von Westen her
das Kulturland. Von Einfällen der libyschen ΜαβτΙταί und Γωνιώται^),
wie es scheint in das Faijüm^), berichtet BGU III 935 (III./IV. Jahrb.).
Vgl. Arch. II 386.
Von viel größerer Bedeutung war aber der Einbruch der Sassaniden
im Anfang des VII. Jahrb. — ein Vorspiel der arabischen Eroberung — ,
durch den die ganze Schwäche der damaligen byzantinischen Herrschaft
aufgedeckt wurde. Im Jahre 619^) floh der Augustalis Niketas mit dem
Patriarchen Johannes dem Barmherzigen vor den Truppen des Chosrau II.
die Ägypten eroberten, um sich etwa 10 Jahre hindurch hier zu be-
haupten. Zeugen dieser persischen Okkupation sind die zahlreichen in
Pehlewi geschriebenen Lederurkunden (jetzt in Wien und Berlin), die in
Ägypten und zwar in Mittelägypten, nebst persischen Münzen aus der
Zeit dieses Königs gefunden worden sind.*) Griechische Papyri haben
bisher keine Aufschlüsse über dies Dezennium der Fremdherrschaft ge-
bracht. Ein denkwürdiges Zeugnis für die besondere Stellung, die jener
1) Ygl. Claud. Ptol. IV 5, 24 (7, 31).
2) Vgl. Άρβινοΐτου in Z. 1. Gefunden ist der Text in Herakleopolis. Die Zer-
störung des Originals hindert leider die Revision des nur flüchtig von mir kopierten
Textes,
3) Dies schon früher von H. Geizer angenommene Datum wird jetzt gegenüber
den Ansätzen auf 617 (v. Gutschmid) oder 615—618 (Karabacek) durch griechische
Papyrusurkunden gestützt, die noch im J. 618 nach Heraklius datiert sind. Vgl.
Matth. Geizer, Stud. z. byz. Verw. Äg. S. 31.
4) Vgl. J. Karabacek, Führ. PR S. 13 f. (mit Tafel) und 113.
C. Die byzantinische Periode. § 2. Diözese und Teilprovinzen. 71
Niketas vor dem Einfall der Perser eingenommen hatte, ist ein von
GrenfeU edierter Papyrus aus Apollinopolis Magna (Edfü)^), in welchem
der Verkäufer nicht nur bei den Kaisern, sondern, was ganz einzig da-
steht, auch hei dem Niketas schwört.*)
Wie es gekommen ist, daß die so fest gefügte Monarchie Diokletians
und Konstantins schließlich so schmählich enden mußte, ist namentlich
aus den wirtschaftlichen Veränderungen zu verstehen, die unten in dem
Abschnitt über die Steuern (Kap. V) und die Boden Wirtschaft (Kap. VII)
darzulegen sind. Wie die Arbeit von Matthias Geizer zuerst gezeigt
hat, ist es vor allem die seit dem IV. Jahrh. zu beobachtende Bildung
der großen Graudherrschaften gewesen, die zu einer A'^erschiebung der
Fundamente des Diokletianischen Baues geführt hat. Mehr und mehr
sind diese Großgrundbesitzer — später vielfach als Pagarchen — zu selbst-
herrlichen Adligen geworden, denen gegenüber die kaiserliche Autorität
ohnmächtig war. Die neuen Urkunden aus Aphrodito aus Justinianischer
Zeit zeigen uns diese Entwicklung in voUer Blüte. So waren in Ägypten
Zustände eingetreten, wie sie aus ganz ähnlichen Gründen einst im
III. Jahrtausend, zwischen dem Alten und dem Mittleren Reich, zur Auf-
lösung der Reichsregierung geführt hatten, als die großgrundbesitzenden
Gaufürsten — entsprechend den Pagarchen der Justinianischen Zeit — die
Herren im Lande waren. ^) Der scharfe Riß, der durch den feindlichen
Gegensatz der Bekenntnisse durch die ganze Bevölkerung hindurchging,
hat außerdem dazu beigetragen, daß die monophysitischen Kopten schließ-
lich die Araber als ihre Retter aufnahmen.
§ 2. DIÖZESE UND TEILPRO VlxNZEN.*)
Innerhalb der neuen Reichshälften, der partes Orientis und partes
Occidentis, die Diokletian unter Wahrung der Reichseinheit unter sich
und seinen Mitkaiser Maximian verteilte, ist eine völlig neue Beamten-
hierarchie geschaffen worden, deren Glieder sämtlich nur als Gehilfen
des souveränen Kaisers galten.^) Als Reichsminister traten jetzt die prae-
fecti praetorio an die Spitze, und nachdem Konstantin sie zu rein zivilen
Reichskanzlern gemacht hatte, traten ihnen die magistri müitum als
1; Jonm. of Philol. XXII S. S7S (8. Jan. 618).
2) Vgl. hierzu Matth. GeUer I.e. 81. Die periönlidi.• M;i. ht trliuiiK' «1»•« .Nik.hih
tritt darin um so stärker hervor, als der Augoetali• duüiulM in <1••γ ThobuiN uftizicU
nicht« mehr zu tagen hatte. 8. unten S. 76 ff.
-Λ) Vgl. Ed. Meyer, Oetch. d. Altert. I (S), t. Anfl., s. 2 in ΙΓ
4) Vgl. hierzu jetr.t Tor allem M. QehMtr I. o. , wo «iiM ^•>ιιαυ<*η* I>otAil xu
finden iat.
6) Vgl. 7.U der Neuordnung Bethmaon• Hollweg 1. c. Momasen l. c !< h kann
hier nur Λμ» /um Vent&ndni• der Urkunden allemotwendigetan Hauptpunkte herv«tr
heben.
72 Kapitel Ι. Allgemeine historisclie Grundzüge.
Reichsfeldherrn an die Seite. Das gesamte Reichsgebiet ward in 12 Diö-
zesen geteilt — 5 im Osten, 7 (darunter Italien 1) im Westen — , von
denen mehrere zusammen einem praefectus unterstellt und von diesem
resp. seinen vicarii verwaltet wurden. So standen unter dem praefectus
praetorio per Orientem zunächst die Diözesen Oriens, Asiana, Pontica,
Thraciae. Die Diözesen wiederum umfaßten mehrere der alten Provinzen.
So gehörte Ägypten neben Palästina, Cilicien, Cypern, Mesopotamien usw.
zur dioecesis Orientis und unterstand daher dem in Antiochia^) resi-
dierenden praefectus praetorio per Orientem. Es war ein Grundgedanke
der Diokletianischen Ordnung, daß die Sprengel der Provinzialvorsteher
verkleinert werden sollten.^) Wie er durch die Samtherrschaft und das
Adoptionssystem die Dauer der neuen Dynastie sichern woUte, so sollten
die Usurpationen, die das Reich durch Dezennien hin erschüttert hatten,
dadurch ferngehalten werden, daß die Provinzen zerstückelt und außer-
dem die militärischen und die zivilen Kompetenzen von einander getrennt
wurden.
So ist Ägypten nach der Eroberung Alexandriens im Jahre 297 ^) in
3 Teilprozinzen zerschlagen worden, als deren Namen das Veroneser Ver-
zeichnis nennt: Thebais, Aegyptus Jovia, Aegyptus Herculia.
Während Mommsen^) in Aegyptus Jovia und Herculia (so genannt nach
den göttlichen Beinamen des Diokletian und Maximian) das westliche
und das östliche Unterägypten sah, haben Collinet und Jouguet in dem
von ihnen im Arch. 111 340 edierten Cairener Papyrus eine Bestätigung
der Ansicht JuUians gefunden, wonach die drei neuen Provinzen Aegyptus
Jovia, Herculia und Thebais räumlich vielmehr den drei alten Epistrate-
gien Delta, Heptanomia und Thebais — in der Hauptsache — entsprachen.
Nach diesem Text sitzt der praeses Aeg. Herculiae (a. 322) in Arsinoe,
also in der Heptanomia, zu Gericht. Inzwischen ist bestätigend hinzu-
gekommen Oxy. "VI 89611 29 (a. 316), wonach der Präses von Herculia
auch in Oxyrhynchos, also wiederum in der alten Heptanomia, kompetent
war. Für die Auffassung von Collinet -Jouguet spricht ferner, daß nach
P. Straßb. 42 (in Kap. V) noch im Jahre 310 ein cens(itor) Hept(a-
nomiae) begegnet. Der alte Name konnte aber nur noch angewendet
werden, wenn er einem der damals gültigen Provinzialgebiete entsprach.^)
1) Auf Antiochia nimmt Bezug ein in Kap. XI zu edierender P. Lips.
2) Dieselbe Tendenz tritt schon bei Septimus Severus hervor. Vgl. auch die auf
Einschränkung der Macht der Gardepräfekten und Statthalter abzielenden Reform-
vorschläge, die Dio Cassius 52 dem Maecenas in den Mund legt.
3) Eutrop. brev. 9, 23 sagt von diesem Zeitpunkt: ea tamen occasione ordinavit
provide multa et disposuit, quae ad nostram aetatem manent.
4) In seiner grundlegenden Arbeit über das Verzeichnis Abh. Berl. Akad. 1862,
489 fif. (= Histor. Schrift. Π 561 tf.).
5) Vgl. Wilcken, Arch. V 265. Siehe jetzt auch M. Geizer 1. c. 4.
C. Die byzantinische Periode. § 2. Diözese und Teilprovinzen. 73
Auch das Verschwinden der Epistrategen seit 297 paßt für jene Annahme.^)
Insofern freilich war die alte Heptanomia verändert worden, als der süd-
lichste Teil, der Hermopolites und Antinoites, zur Thebais geschlagen
waren. Da andererseits der Letopoiites, den Claud. Ptolemaeus zum Delta
rechnet, später als Teil Arkadiens erscheint, besteht die Möglichkeit, daß
er schon damals zur Herculia gefügt ist.^) So treten an die Stelle der
drei Epistrategien die drei Teilprovinzen.
Indem Diokletian aus den angegebenen politischen Gründen mit dem
altrömischen Grundsatz der Einheit des militärischen und zivilen Kom-
mandos brach, gab er das Militär einem dux, dagegen Jurisdiktion und
Zivilverwaltung dem in Alexandrien residierenden praefectus Aegypti (θπαρ-
χος)^), dem die gleichfalls rein zivilen praesides (ηγεμόνες) der Thebais"*)
und Herculia unterstellt waren, während die Jovia sein Immediatgebiet
gewesen zu sein scheint.^) Alle diese Beamten hatten den R^uig von
V. perfectissimi (οίαΰημότατοι).^) Die weitergehende Kompetenz des prae-
fectus gegenüber den praesides tritt uns in den Urkunden darin entgegen,
daß auch aus ihren Sprengein Bittschriften an ihn direkt, mit Umgehung
der praesides gerichtet werden konnten, wie er auch Anordnungen in
jenen Teilprovinzen traf. Vgl. Oxy. I 7111, Amh. 82 und 83, Flor. 36, Oxy.
I 67, VI 895. Gleichwohl Avird Konvent über ganz Ägypten von ihm nicht
mehr abgehalten. Darin u. a. tritt uns die größere Selbständigkeit der
neuen Teilprovinzen gegenüber den früheren Epistrategien entgegen, daß
unter Fortfall des Konvents die bisherigen Konventsgeschäfte, also Kon-
trolle der Verwaltung und Erledigung der Prozesse, von den einzelnen
Statthaltern in ihren Teilprovinzen erledigt werden, was übrigens für die
Bevölkerung, im besonderen der Thebais, große Erleichterungen brachte.^)
Diese ursprüngliche Provinzialordnung hat im Laufe der Jahrhunderte
manche Veränderungen erfahren, sowohl hinsichtlich der örtlichen Teilung
des Landes als auch der Beamtenkompetenzen. Auf der einen Seite sehen
wir das Bestreben, die Teilprovinzen immer weiter zu zerstückeln, auf der
anderen Seite drängen die Verhältnisse wieder zu einer Vereinigung der
militürischen und zivilen Gewalten in einer Hand.
1) Die letzte mir bekannte Erwähnung von έηΐύχραντιγίαι ist die in Oxy. I
Ä8 und Amh. 137 vom J. 288.
2) Falle ee nicht Hchon im II. Jahrb. geschehen war. Vgl. die Vermutoog oben
S. 87 Anm. 8.
3) Titular iüt nur ίπαρχος, doch wird er in der Anrede »Qoh ή^ιμών iriMiniint,
also wie vor Diokletian. Vgl. Wilcken, Arch. IV 2ίβ.
4) Die Praiiden heißen titular nur ή/»μών, nie ίηαρχος. Eine Lille .... ,..^-
■ides der Thobaii gab Mitteie, M61 Nicole 867 ff., dazu Wilcken, Arch. IV ηβί.
6) Letzt4;reH nach Μ (Jctzer 1. c. 4/ß.
β) Über die Krb/Uiiing xu daritiimi •. unten 8. 74
7) Vgl. Wilcken, Arch. IV 420 ff. und Mitt«!• in Hd II 1•., .Iumi u ι i i
belieben. Vgl. C. Juit. I 67 (a. 4eu) und Γ. Cair. in Arch. I J.• ti
74 Kapitel Ι. Allgemeine historische Grundzüge.
Die nächste Änderung bestand in der Schaffung der neuen Teil-
provinz Augustamnica im J. 341^), die nach dem Augustus amnis be-
nannt die Osthälfte von Aeg. Jovia und die Herculia umfaßte^ bald jedoch
z. T. eine andere Umgrenzung erfuhr.^) Der praeses der Augustamnica
(v. perf.) wird in C. Theod. 12, 1, 34 und Oxy. I 87 fürs Jahr 342 bezeugt.
Vgl. auch Amh. 142, 3. Vor Abfassung der Not. dignitatum (or. 1 , 127)
ist dann dieser praeses durch einen corrector ersetzt worden.
Während noch 380 der praef. Aeg. mit diesem Titel erscheint (Cod.
Theod. 12, 1, 80), begegnet er 382 als praef. Augustalis. Diese Ände-
rung könnte also auch schon 381 fallen. Da etwa zur selben Zeit Ägypten,
das bis dahin zur Diözese des Oriens gehört hatte, als eigene Αίγνπτίακη
δίοίκηοις nachweisbar ist^) — übrigens einschließlich von Libyen, das ich
hier außer Betracht lasse — , so wird die Erhöhung des Präfekten zum
Augustalis, wie schon Mommsen vermutete (Abb. Ak. 1. c. 476), mit dieser
Begründung der selbständigen Diözese zusammenfallen. Nachdem der
praef. Aeg. schon in der Mitte des Jahrhunderts zum v. clarissimus (λαμ-
τνρότατος) avanciert war*), erhielt der Augustalis jetzt den hohen Rang
eines τΐερίβλετετος (ν. spectabilis), und wurde unter den comes Orientis^),
aber über die vicarii des praef. praet. gestellt (Not. dignit. or. 1, 28 ff.).
Wenige Jahre danach, in der Mitte der achtziger Jahre, wurde die
alte Heptanomia (resp. Herculia)^) wiederhergestellt unter dem Namen
Arcadia (nach Kaiser Arcadius genannt).'^) Nun bestand die Diözese
aus Ägyptus, Augustamnica, Arcadia, Thebais, abgesehen von Libyen.
Diesen Zustand repräsentiert der Laterculus Polemii Silvii (10, 7), ebenso
die Not. dignitatum (Anfang des V. Jahrb.), die unter dem Augustalis
fünf praesides nennt, von Libya superior und inferior, Thebais, Aegyptus^),
Arcadia, ferner der corrector von Augustamnica (or. 1, 80 ff.). Das Heeres-
kommando, das anfangs in ganz Ägypten und Libyen ein dux gehabt
1) Das Datum entnahm Ed. Schwartz dem Kephalaion des Osterbriefes von 341
(Gott. Nachr. 1905, 354).
2) Über diese Frage M. Geizer 1. c. 6/7 (vgl. Ammian. 22, 16, 1 £F.).
3) Vgl. C. Theod. 12, 1, 97 vom 8. März 383.
4) Auch die praesides waren clarissimi geworden. Vgl. P. Flor. 95, 8. Lips. 34, 12.
Vgl. auch Mitteis, Mel. Nicole 368.
5) Es verschwindet der comes Orientis, Aegypti et Mesopotamiae, der vorher
gelegentlich zwischen dem praef. pr. Orientis und dem praef. Aeg. begegnet. Vgl.
Dessau, Inscr. Lat. I 1231, 1237 (aus den vierziger Jahren).
6) Vom Kynopolites bis zum Letopolites.
7) Später begegnet mehrfach die eigenartige Form Χρκάδων, sowohl bei Schrift-
stellern (vgl. Pietschmann, Pauly-Wiss. II 1137) wie auch in den Papyri (vgl. BGÜ
306,4; 750, 1; 836, 1 usw.).
8) Nach M. Geizer S. 8 wäre dieser praeses Aeg, dieselbe Person wie der Augu-
stalis. Aber wenn die Notitia unter den 40 praesides auch den praes. Aeg. aufzählt,
wird sie doch wohl ein eigenes Amt ins Auge gefaßt haben. Anders ist es nach-
her zu Hierokles' Zeit.
C. Die byzantinische Periode. § 2. Diözese und Teilprovinzen. 75
hatte^), war jetzt geteilt zwischen dem comes Aegypti (or. 1,36)^), d.h.
von ganz Ägypten mit Ausschluß der Thebais, und dem dux Thebaidos
und dem dux Libyarum (or. 1, 40, 41).
Prinzipiell von größerer Bedeutung als die bisher erwähnten Ver-
änderungen sind die unter Theodosius II in der Thebais durchgeführten
Neuerungen. Hier führte die beständige Bedrohung der Provinz durch
die Blemyer zu der Wiedervereinigung der militärischen und zivilen Kom-
petenzen in einer Hand, also zum Aufgeben des einen Grundpfeilers der
Diokletianischen Ordnung. Wie Leid. Ζ (6) zeigt, ist damals (zwischen
425 — 450) die Thebais in eine superior und inferior geteilt worden. Zu-
gleich ist der comes et dux limitis Thebaici v. spect. mit militärischer
und ziviler Gewalt über die ganze Provinz gestellt worden, während in
der unteren Thebais ein ziviler praeses unter ihm gebot (letzteres so
wegen Hierokles).^) Andererseits führten die inneren Wirren in Alexan-
drien gelegentlich dazu, daß dem zivilen Augustalis auch militärisches
Kommando übertragen wurde, aber doch nur vorübergehend. Vgl. z. B.
Cod. Just. 2, 7, 13 (a. 468) und 1, 57, 1 (a. 469), die adressiert sind duci
Aegyptiaci limitis et praefecto Augustali.*) Jene Teilung der Thebais
erwähnt der Synekdemos des Hierokles (vor 535 geschrieben), der die
untere Thebais (unter einem praeses) von Hermopolis bis Panopolis, die
obere (unter dem dux) von Ptolemais bis Omboi begrenzt. Aegyptus
stellt er unter den Augustalis, also als Immediatgebiet, die Augustamnica
aber ist inzwischen gleichfalls geteilt worden, I. unter einem corrector,
U. unter einem praeses. Kurz danach (a. 535) finden wir dann auch
Aegyptus in zwei Teile geteilt.^)
Drei Jahre darauf erfolgte die durchgreifende Neuordnung Ägyptens
durch das XTIT. Edikt Justinians (a. 538).®) Während bis dahin die
ägyptische Diözese unter der Leitung des Augustalis dem praef. praet.
Orientis als Einheit unterstellt gewesen war, wurde jetzt die Diözese in
eine Iteihe selbständiger Provinzen aufgelöst, von denen jede direkt dem
praef. praet. Orientis unterstand.^) Während hiermit der Diokletianiscbe
Gedanke der Zerstückelung der alten Provinzen auf die Spitze getrieben
war, hat Justinian andererseits, unter dem Drucke äußerer und innerer
1) Dcesau, Inscr. lat. I 701 (Zeit Konetantin•) : v. p. dnx Aeg. et Theb. utrs-
rumqae Libb. Hier eteht Aegyptue als gemeineamer Qmndbegriff von Jovia und
Hercalia.
t) Ck)me• ist er mindesten• teit 891 (Cod. Theod, 16, 10. 11), vorher war er dux
Aeg. (Cod. Tbeod. 11, 80, 43 vom J. 884).
8) Die• von M. Qelzer 1. c. 10 ff. nachgewiesen.
1; Weitereit bei M. Oelzer 1. c. 17 ff.
6) Nov. lu•!. 8 noiitia 86/86. OeUer 8. Sl.
6) Die^e• von SchOll- Kroll vertretene Datum (fiaU 654 Zeohariae r. L.) ifi foa
M. (leUer 1. c. 28 ff. aU evident richtig erwiesen worden.
7) Vgl. zum folgenden M. OoUer 1. c. 18 ff.
76 Kapitel Ι. Allgemeine historische Grundzüge.
Wirren, mit dem Diokletianisclien Grundgedanken der Trennung von
Militär- und Zivilkompetenzen nunmehr vollständig gebrochen, nachdem
schon im Y. Jahrh., wie wir sahen, Ausnahmen, teils dauernde (in der
Thebais), teils ephemere (in Alexandrien) sich als nötig erwiesen hatten.
So erhalten jetzt dauernd der Augustalis von Alexandrien und Aegyptus
(I und II), der Statthalter von Augustamnica (I und II), der von Arcadia
und der dux der Thebais (I und II) (ebenso der dux von Libyen) Militär-
und Zivil gewalt. ^) Sie unterstehen alle direkt dem praef. praet. Orientis,
und haben alle denselben Rang eines spectabilis. Für den Augustalis von
Alexandrien und den dux der Thebais, der nun auch Augustalis heißt ^),
gibt das XIII. Edikt ausreichende Auskunft, während die Bestimmungen
über Augustamnica und Arcadia daselbst verstümmelt sind. Daß für sie
aber analoge Bestimmungen getroffen sind, ist aus anderen Quellen mit
Recht erschlossen worden.^) Diese Justinianische Ordnung scheint bis
zum ArabereinfaU geblieben zu sein.^) Sie liegt zugrunde in der de-
scriptio orbis Romani von Georgius Cyprius aus der Zeit des Phokas
(ed. H. Geizer, S. 35 ff.).
§ 3. GAU UND STADT.
Innerhalb der neuen Teilprovinzen blieb in bezug auf die Verwaltung
der Städte sowie der Gaue und ihrer Dörfer zunächst alles beim Alten.
Unter Diokletian sind, soweit wir sehen können, keine Änderungen ein-
getreten. Aber wenige Jahre danach hat sich eine tiefgreifende Wandlung
vollzogen. Während bis dahin das Gebiet des Gaues in Toparchien zer-
fiel (s. oben S. 9), finden wir seit dem J. 310^) statt dessen eine Gau-
teilung in mehrere nach Nummern benannte πάγοι = pagi, und da die
Beispiele hierfür sowohl aus der Herculia (z. B. Straßb. 42, 3) wie aus der
Thebais vorliegen (Flor. 31, 8, CPR 233, 7 usw.), so ist sie durch das
ganze Land eingeführt worden. Da die letzte zurzeit bekannte Erwähnung
einer Toparchie ins Jahr 307 fäUt (Grenf. II 78, 2), so wird die Pagus-
ordnung zwischen 307 und 310 eingeführt sein.*^) Lateinisch wie der
1) Unter ihnen stehen wie vorher rein zivile praesides. Ob der dux die obere
Thebais als sein Immediatgebiet (ohne praeses) hatte, wie M. Geizer S. 16/7 trotz des
XIII. Edikts c. 23 annimmt, ist mir deswegen zweifelhaft, weil seine Hauptresidenz
Antinoopolis gewesen zu sein scheint. S. unten.
2) Nach dem XIII. Edikt hätte er nur den Rang (ημή) eines solchen (c. 23).
Aber nach den Aphroditopapyri (Cairo Cat. 67001 ff.) hat er auch den Titel geführt.
3) Vgl. M. Geizer 1. c. 28 ff.
4) Zu der Frage, ob vorher ein Versuch gemacht sei, wieder eine Gesamt-
diözese zu schaffen, vgl. Geizer S. 29 und 32.
5) Dies zurzeit älteste Vorkommen findet sich in Straßb. 42, 3 (in Kap. V).
6) Vgl. M. Geizer, Studien S. 57. Daß der pagus der Nachfolger der Toparchie
gewesen sei, vermutete ich schon im Hermes 27, 299, nur irrte ich, wenn ich den
pagus mit der Pagarchie gleichsetzte. Die Gloss. erklären übrigens τΐάγος u. a. mit
τοτΐαρχία.
C. Die byzantinische Periode. § 3. Gau und Stadt. 77
Name dieser neuen Gauteile ist auch der Titel ihrer Λ"orsteher: sie heißen
n-oca:t06Ltog πάγον.
Eine andere große Veränderung, die wir beobachten können, ist die
Aufhebung der Strategien) Der Titel örparr^yog begegnet noch 323
(Oxy. 60), 326 (Amh. 138), ja auch noch 357 (Oxj. m) und 362 (Oxy.
VII 1057), um dann zu verschwinden. Aber schon aus dem J. 322 liegt
die Gleichung ότρατηγοξ ijroL έξάκτωρ Έρμο7ΐολίτ[ον] vor (Arch. III 348),
ebenso auch noch aus dem J. 369/70 ϋτρατηγος ητοί εξάκτωρ ^Οάόεως Με-
γάλης (Leipziger Ineditum Ιην. 362 [in 43]). Hier wird der ότρατηγός^ der
früher das Haupt der Steuerverwaltung des Gaues gewesen war, gleich-
gesetzt dem jetzt neu geschafienen exactor, der von nun an der Chef der
Steuererhebung ist (vgl. Kap. V) und in anderen Texten kurzweg έξάχτωρ
heißt. Man wird M. Geizer zustimmen dürfen, der hieraus den Schluß
gezogen hat, daß am Anfang des Jahrhunderts, mindestens a. 322 (S. 62)
oder vielleicht schon zugleich mit der Einführung der Pagusordnung
(S. 52) der Stratege als Steuerchef dem neuen Exaktor gewichen ist,
während andere Kompetenzen des Strategen auf andere Organe über-
gegangen sind.-) Auffällig bleibt es immerhin, daß der Titel Στρατηγός
trotzdem, auch ohne die Gleichsetzung mit ε^άχτωρ, noch Dezennien hin-
durch, wenn auch selten, begegnet.
Auf der anderen Seite ist es sehr verlockend, die neue Pagusordnung
und die Abschaffung der Strategie innerlich zu verbinden. Die pagi
kennen wir aus dem Westen, um von anderen hier nicht zutreffenden Be-
deutungen abzusehen, als Teile des städtischen Territoriums.*) Ebenso
führt aber auch die Art, wie hier die Strategie beseitigt wird, auf die
Vorstellung, daß der frühere Gau zum Stadtgebiet geworden ist. Die
Kurien der Metropolen, die im IlL Jahrb., wie wir sahen (S. 42), selbst
in städtischen Angelegenheiten unter der Kontrolle des Strategen standen,
sind jetzt von ihr befreit — freilich um nun in anderer Weise ein-
geschränkt zu werden (s. unten). Sie wählen selbst aus ihrer Mitte den
exactor, der dann zwischen ihnen und dem praeses vermittelt*) Diese
Änderung ist darin begründet, daß eben der frühere Gau zum städti-
schen Territorium geworden ist, wodurch der Stratege notwendig
hinausgedrängt werden mußte. M. Geizer, der dies zum erstenmal klar
ausgesprochen hat, hat auf S. 62 schon auf die neue Terminologie hin-
gewiesen, wie sie z. B. in Lips. 64, 45 vorliegt: tf^g χόλίως xal τών κωμΛν
τής ενορίας της υμετέρας usw. Der frühere Gau ist jetit die hogia^
das Territorium der Stadt. Staatsrechtlich gibt es also keine νομοί
1) iMß Hie iMi 1\. Jabrh. »ofherte, seigta ich im Herme• 27, S97 ff. gegttnflber
WcMfK'lvH Annuhnic, daß ite bii in• VII. Jahrh. fortboatatidon habe.
2) Cber die (ierichUbarkcit de• KunalpriUidenteQ •. unten S. 81.
8) Vgl. Marquardt, Rom. SUaUvenaaltung !• 18. 4) Gelier 1. c. 6i.
78 Kapitel Ι. Allgemeine historische Grundzüge.
mehr, sondern nur noch ηόλεΐζ einschließlich ihrer bvoqCcci.^)
Trotzdem hat sich das Wort νομός, meist als geographische Bezeichnung,
noch viel länger als der βτρατηγός in den Urkunden erhalten, bis in die
arabische Zeit hinein. Wenn in CPR 19 vom J. 330 im Präskript ge-
schrieben ist: προΛολιτενομένω ^Ερμον πόλεως καΐ νομούς so ist zwar die
Anwendung des Wortes νομός nicht korrekt, aber die neue Verfassung
tritt uns in dem Zusatz καΐ νομον doch deutlich entgegen, denn im
in. Jahrh. war die Kurie nur Kurie der Metropole gewesen. Wenn statt
νομός später gelegentlich χώρα gesagt wird (z. B. im XIII. Edikt Justi-
nians)^), was dann ins Arabische als küra übergegangen^) ist, so ist damit
ganz korrekt das frühere Gaugebiet als die χώρα der πόλις bezeichnet, in
dem Sinne wie man früher ganz Ägypten die χώρα der πόλίς Alexandrien
genannt hatte. Zur Bestätigung des obigen Ergebnisses möchte ich noch
auf eine weitere terminologische Beobachtung hinweisen. Der Exakter,
dessen Kompetenz außer der Stadt auch den ganzen (früheren) Gau, also
das ganze Territorium umfaßte, heißt bald έξ,άκτωρ Έρμο7ίολίτ[ον'} (Arch.
III 348)^), bald exactor civitatis (Arch. III 341, 11).^) Der letztere Aus-
druck ist von um so größerer Bedeutung, als er in der lateinischen Sen-
tenz eines Präses begegnet, also gewiß die offizielle Auffassung ausdrückt.
Für die römische Regierung bestand also auch Ägypten jetzt
aus civitates (einschließlich ihrer Territorien).^) Nicht ohne Interesse
ist es auch, daß — wenn ich nicht irre — die Bezeichnung der Gaustädte
als μητροπόλεις jetzt in den Urkunden schwindet."^) Ich fand sie noch
für die Jahre 302/3 (Lips. 84), 303 (Lips. 18, 18), was selb verständlich ist,
aber auch noch 320 (Lips. 19), was ein Nachzügler sein kann. Spätere
Belege habe ich nicht zur Hand. Das ist gewiß kein ZufaU. Die Städte
sind eben nicht mehr μητρόπολις τον νομον^ sondern sie sind civitates,
d. h. πόλεις, wie auch in Arch. III 341 der exactor civitatis übersetzt wird
εξακτω^) της πόλεως. Gleichbedeutend hiermit ist πολιτεία^ was früher
m. W. nie auf ägyptische Städte angewendet wird, jetzt aber öfter be-
gegnet. Vgl. Flor. 95, 9 usw. (a. 375), Lips. Q2 I 6 usw. (a. 384), BGU I
304, 3 (um 640). Der letzte FaU ist besonders instruktiv, da er zeigt,
daß die πολιτεία den alten Gau (als Territorium) mit umfaßt: παγάρχ{(ρ)
τον βορρ{ινον) βκέλονς ταύτης της πολ(ι)τ(είας).
Wir stehen hier vor einer der folgenschwersten Umwälzungen, die
1) So auch bei den späteren Autoren wie Hierokles usw. Vgl. Geizer 1. c. 62 f.
2) Vgl. auch Bell, Jour. Hell. Stud. 28, 106. 3) P. Heid. III (1) S. 22.
4) Exectori Hermopolitu auch in einem Leipziger Ineditum.
5) So erklärt es sich, daß später gelegentlich Gaunamen auf Städte übertragen
werden, wie Sethro'ites für Heracleopolis parva (Delta) und Arsinoites für Arsinoe
(schon von Kuhn II 502 angemerkt).
6) Vgl. auch curator civitatis in Lips. 40 II 8.
7) Ich sehe hier ab von dem kirchlichen Metropolbegriff.
C. Die byzantinische Periode. § 3. Gau und Stadt. 79
die Verwaltung Ägyptens je erfahren hat: die Gaue sind durch die Stadt-
territorien ersetzt.^) Erst für diese Neuordnung möchte ich jetzt den
Ausdruck „Dekurionatsverfassung" oder „Munizipalisierung Ägyptens^' an-
wenden, die in letzter Zeit häufig von der Reform des Septimus Severus
gebraucht sind. Es ist die Frage weiter zu prüfen, ob nicht zu Beginn
des IV. Jahrb., zur Zeit des Maximin, durch einen einheitlichen Akt*) die
römische Munizipalordnung in Ägypten eingeführt ist. Diese Hypo-
these würde am besten, wie mir scheint, die Tatbestände erklären. Vor
allem würde die Einführung der pagi mit ihren praepositi mit einem
Schlage klar.^) Auch der Romanismus, der uns vom IV. Jahrh. an, im
besonderen auch im Titelwesen der städtischen Verwaltung entgegentritt,
würde sich hiernach von selbst verstehen.*) Im Gegensatz hierzu würden
wir in der Neuordnung des Severus vom J. 202 die Einführung einer
partiellen griechischen Kommunalordnung*) erkennen, der allerdings
durch das Fortbestehen der Gauordnung von vornherein eine Entfaltung
abgeschnitten war. Auf diese griechische Periode folgt nun von Maxi min
an (307/10) die der römischen Munizipalisierung.
In der Zusammensetzung der Kurien {ßovXaC) der Civitates ist
eine Veränderung gegenüber dem III. Jahrh. bisher nicht nachgewiesen
worden. Es ist nur ein terminologischer Unterschied, daß man jetzt die
Ratsherrn außer βονλενταί auch τνολίτενόμενοι nennt, was dem all-
gemeinen späteren Sprachgebrauch entspricht (vgl. Du Cange s. v.). Ge-
legentlich kommen in derselben Urkunde beide Ausdrücke vor. Während
aber der Titel βονλενταί sich bis zuletzt daneben hält*), ist der alte Titel
des Vorsitzenden πρντανις^ wenn ich recht sehe, allmählich verdrängt
durch den neuen Titel προτΐολίτενόμ,ενος (oder auch πρόεδρος). So be-
gegnet πρντανις ζ. Β. noch a. 316 (Oxy. 103), a. 323 (Oxy. 60), a. 338
(Oxy. VI 892,5), andererseits προπολιτενόμενος schon 330 (CPR 19, 1).")
Von besonderem Interesse aber ist das Nebeneinander des alten und neuen
Titels in Lond. II S. 273, 1 (44). Zu den πρόεδροι vgl. BGÜ 1027, Flor.
71, 521 usw., Lond. UI S. 129. Vgl. auch Bd. II S. 30 Anm. 2.
Über die Rolle, die der δήμος jetzt spielte, liegen bisher nur spora-
dische Zeugnisse vor. Ein amüsantes Bild einer turbulenten Volkever-
sammlnng aus Oxyrhynchos vom Anfang des IV. Jahrb. bietet uns Oxy.
1; Nar! .ff (Abb. Sachs. Ge•. Wi••. 1909, 8. 88βΓ.) ift im neuen Reich
etwa» ganz oingotroten. Die damal• aufgegebene Qauordnnng haben eni
die SaU«n wieder ein^efilhrt.
2) Vgl. Geher S. 62. 8) 8. oben 8. 77. ^
4) Kinxeln«;• ichon richtig (neben Irrigem) bei Kuhn II 606 If.
6) So habe ich «io bei meiner enien Mitteilung charakteriiiertt Uermee tO, 446.
6) Vgl. t. H. aui juitinianifcher Zeit die ßovltvxal von Omboi in Cair. Oat.
67004, S.
7) Vgl. Lip•. 87, 8 vom J. 889.
gQ Kapitel I. Allgemeine historische Grundziige.
41 (45). Die städtische Bevölkerung der neuen Civitates erscheint nach
wie vor (s. oben) in Phylen gegliedert. Überall, wo diese Phylen bisher
begegnen, dienen sie als Grundlage für die Verteilung der Liturgien. Vgl.
Oxy. 86, 11 (46) (a. 338); Lips. 65 (a. 390); Flor. 39 (a. 396) (in X). In
dem Leipziger Ineditum Inv. 362 (in 43) vom J. 369/70 macht ein φνλαρχος
den Personalvorschlag.
Die städtische Beamtenschaft scheint sich im IV. Jahrb. wesent-
lich verändert zu haben. Von den oben S. 39 aufgezählten Beamten, die
in fester Rangordnung das xoivov των αρχόντων bildeten, sind jetzt die
meisten allmählich verschwunden. So sind die γνμναΰίαρχοί und κοΰμη-
ταί zugleich mit dem Gymnasium durchs Christentum beseitigt woi'den
(Kap. III), wie die städtischen αρχιερείς durch die christliche Hierarchie
verdrängt worden sind. Auch άγορανόμοι^ έ^ηγηταό^ ενΰ-ηνιάρχαί dürften
in den jüngeren Texten kaum begegnen. Doch wann diese Ämter ab-
geschafft sind und wie sie durch andere ersetzt worden sind, dazu fehlt
es bisher an jeglicher Vorarbeit, wie wir sie für die vordiokletianische
Zeit Preisigke verdanken. Hier sei nur auf zwei wichtige neue Ämter
hingewiesen, die auch außerhalb Ägyptens für die Städte dieser Zeit
charakteristisch sind, das ist der curator civitatis und der defensor
civitatis.
Der erstere^), λογίβτης genannt, ist nicht mehr wie in früheren Jahr-
hunderten ein außerordentlicher vom Kaiser entsendeter Zentralbeamter,
sondern ein ständiger Munizipalbeamter, der vom Rat erwählt, der kaiser-
lichen Bestätigung unterlag und als „der vom Kaiser bestätigte Bürger-
meister"^) zunächst die erste Stelle unter den städtischen Beamten ein-
nahm, bis er von dem defensor an die zweite Stelle gedrängt wurde. ^)
So weit ich sehe — auch hierfür fehlt es an einer Durcharbeitung des
gesamten Materials — begegnet er in den Papyri zuerst a. 288 in BGU
m 928. Weitere Beispiele sind Oxy. VI 895 vom J. 305 (47), Flor. 36, 32
vom J. 312, Oxy. VI 896 (48) vom J. 316, Oxy. VI 892 (49) vom J. 338 usw.
Die beiden Beispiele aus diokletianischer Zeit zeigen also, daß der Curator
auch schon vor der Einführung der Munizipalordnung in den griechischen
Metropolen amtiert hat. Seine Kompetenzen erstrecken sich auf die ver-
schiedenartigsten Zweige der Verwaltung, und zwar auf den ganzen Gau
resp. auf die ganze Civitas (einschließlich ihrer δνορ/^α), wie er auch in
Lips. 40 II 8 ff. als curator civitatis bezeichnet wird.
Neben diesen curator trat der defensor civitatis oder plebis, der
1) Zum curator vgl. Kuhn I 36 fip. Preisigke, Stadt. Beamt. 62, 2. Seeck, Pauly-
Wissowa IV 1809fiF.
2) Mommsen, R. Staatsr. 11^ 1087.
3) Seeck 1. c.
C. Die byzantinische Periode. § 3. Gau und Stadt. 81
εκδικος^), der zum Schutz der humiliores gegen die potentiores ^) für die
niedere Gerichtsbarkeit eingesetzt allmählich zum angesehensten Muni-
zipalbeamten avancierte. Während man früher aus C. Theod. 1, 29, 1
schloß, daß dies Amt überhaupt erst im J. 364 geschaffen sei, hat kürz-
lich Oxy. VI 901 gezeigt, daß dies nur für Illyricum gilt, denn nach
diesem Papyrus bestand das Amt in Ägypten mindestens schon im J. 336.^)
Weitere Belege für dieses Amt sind z. B. Oxy. VI 902 (a. 465); für das
Faijüm BGU 836, 7 (Justinian. Zeit), 401, 7 (a. 618: τω περιβλεπτω χό-
μετι xai λογιωτάτω έκδίχω κτλ.); für Antaiopolis Cair. Cat. 67087 (Justi-
nian. Zeit); für Antinoopolis 67058 IV 1 (Justinian. Zeit). Neben diesem
defensor hat es wie außerhalb Ägyptens auch hier eine gewisse Gerichts-
barkeit der Munizipalmagistrate gegeben, insofern der Kurialpräsident —
hierin der Nachfolger des verschwundenen Strategen — vom praeses de-
legiert werden konnte. Vgl. CPR 19 (a. 330) und Oxy. 67 (a. 338, also
sicher neben dem defensor), wo der προπολιτενόμενοξ vom praeses als
διχαότής erbeten und bewilligt wird.
Während die Metropolen des ΙΠ. Jahrh. sich trotz ihrer βουλή wegen
ihrer Stellung zum Gaustrategen von den autonomen Griechenstädten
scharf abhoben, ist es fraglich, ob die seit dem Anfang des IV. Jahrh.
unter Aufhebung der Gauordnung organisierten Civitates sich von jenen
Griechenstädten noch wesentlich unterschieden haben. Die Beseitigung
der Gaue wird zu einer Nivellierung geführt haben. Da es jetzt keine
Strategen mehr gab, werden Städte wie Ptolemais und Antinoopolis nun
auch den Θινίτης und ^νηνοΐτης mit verwaltet haben, d. h. auch sie
werden zu civitates geworden sein. Doch das sind Hypothesen, die nur
zur Untersuchung des bisher noch nicht behandelten Problems anregen
sollen. Für eine gewisse Nivellierung scheint mir z. B. zu sprechen, daß
auch für Antinoopolis ein defensor nachweisbar ist (s. oben). Auf der
anderen Seite bleibt zu untersuchen, ob diese Griechenstädte nicht bezüglich
ihrer inneren städtischen Organisation ihre Sonderheiten behalten haben. Für
Alexandrien verweise ich auf die wertvollen Nachrichten in C. Theod. 12,
1, 189—192 vom J. 436 (darunter über die quinque primates ordinis Ale-
xandrini, sowie den auch jetzt noch weiter bestehenden 'ύπομνηματο-
γράφος).*) Vgl. Franz, GIG III S. 324, auch M. Gelzer, Studien 8. 18
(über die Demen). Eine wesentliche Änderung bedeutete dann die Ein-
1) BeibmaDn-Hollweg ΠΙ 107 ff. Seeck, Paalj-Wiw. IV 9860 ff. Mittoif, lUiob••
recht 167 f. Sav. Z. 1909, 401. Vgl. auch Bd. II 8. 81.
2) Oxy. VI 902, 10: in{»)l tolyvp ol Mutoi ίηβψοι^ύαν ip ταΐς noUuttp n9h{g]
χψ ßo^tutv όρίξαί τοΐς άδι%ονμίνοις. Natarlich entreckt tioh loine Kompetenx auf
<Im ganz«! alte Qaugebiet. Vgl. Oxy. 901.
8j Vgl hierzu Mittele, Sav. Z. 1. c. and Bd. Π S. 81.
4) Vgl. auch den Kaiierbrief ad teoatoree civiUtU Alexandrinae von 887 (Cod«
Theod. 10, 10, 19).
Mlttvti-Wllokeo: Orandstf• I. ^
g2 Kapitel I. Allgemeine historische Grundzüge,
Setzung des vindex in Alexandrien durch Anastasius, durch die die Steuer-
erhebung dort von der Kurie auf diesen meistbietenden Pächter überging.^)
Über Naukratis, das wohl kaum noch eine Rolle spielte, hören wir nur
einmal von dem Fortbestand seiner βονλη (Gen. 10, 9). Dagegen nehmen
Antinoopolis^) und Ptolemais auch bis in die späten Zeiten eine
hervorragende Stellung ein. Nacb der Teilung der Thebais ist Ptolemais
die Hauptstadt der oberen, Antinoopolis die der unteren gewesen. Die
letztere Stadt scheint unter Justini an der Hauptsitz des dux Thebaidis
geworden zu sein. Die neuen Cairener Papyri (Cai), die zum größten
Teil dorther stammen, zeigen, daß er hier sein Tribunal hatte, vor das
sogar die Ratsherrn von Omboi aus der oberen Thebais kamen. ^) Georgios
Kyprios nennt die beiden Städte ausdrücklich die μητροπόλεις der
beiden Thebaides.^) So begegnet dies Wort μητρόπολις, das im IV. Jahrb.,
wie wir sahen, in seiner alten Beziehung zum νομός schwinden mußte,
hier in der neuen Bedeutung als Provinzialhauptstadt. Für die Geschichte
des Hellenismus ist es aber von eigenem Interesse, daß gerade diese beiden
Griechenstädte, die Gründungen des Soter und Hadrian, schießlich die
Provinzialhauptstädte der Thebais geworden sind.
Es wurde schon oben S. 71 darauf hingewiesen, daß die Einrich-
tungen der Diokletianisch -Konstantinischen Monarchie durch die wirt-
schaftliche Entwicklung des Landes allmählich völlig umgestaltet worden
sind. Das gilt im besonderen auch von der eben charakterisierten Muni-
zipalordnung des IV. Jahrh.^) Während ursprünglich der ganze alte Gau
als Territorium der civitas — im besonderen z. B. in der Steuererhebung —
der Kurie unterstand und daher sich aus den pagi des Stadtgebietes zu-
sammensetzte, sind nach und nach immer größere Strecken dieses Terri-
toriums von der Kurial Verwaltung eximiert worden. Die ersten, die dies
erreichten, waren die großen Grundherren. Es wird im VII. Kapitel zu
behandeln sein, wie diese, nach langjährigem Kampf mit der Regierung
um die Patroziniumsfrage, endlich im J. 415 den Sieg davontrugen, indem
ihre früheren Klienten ihnen als den possessores und domini als Hörige
überwiesen wurden, deren Steuern sie nun selbst zu erheben hatten.
Indem so die Grundherrschaften mit ihren Hörigen (Personen und Dör-
fern), die meist durch den ganzen Gau zerstreut gewesen sein werden, der
Kurialverwaltung (Exactor) entzogen wurden, wurde in die Pagusordnung
1) Zur politischen "Würdigung dieser einschneidenden Maßregel s. M. Geizer,
Studien 98 und Arch. V Heft 3.
2) Eine Besonderheit seiner Verfassung sind auch jetzt noch die τιμονχου, wenn
wirklich in Flor. 71, 675 τιμονχου als Titel zu fassen ist.
3) Vgl. z. B. Cat. 67004, 14 und dazu J. Maspero, Bull, de l'Inst. fran9. d'arch.
or. VII 62 f , auch mein Referat im Arch. V Heft 3.
4) So wie Oxyrhynchos die μητροΛολις von Arcadia war usw.
5) Vgl. zum folgenden die grundlegenden Ausführungen von M. Geizer, Studien 1. c.
C. Die byzantinische Periode. § 3. Gau und Stadt. • 83
Bresche gelegt, die auf der Einteilung des ganzen Stadtgebietes in pagi
beruhte. So ist es kein Zufall, daß seit dem Anfang des V. Jahrh.
praepositi pagorum nicht mehr begegnen.^) Dagegen spielen in den
Texten vom VI. Jahrh. an eine große Rolle die παγάρχαι^ über deren Be-
deutung erst die neueren Funde die richtigen Aufschlüsse gebracht haben.*)
Ihr Ursprung und ihr Name ist gleichwohl noch dunkel. Daß diese
großen mächtigen Herren, die nur vom Kaiser abgesetzt werden konnten,
mit den kleinen praepositi pagorum der früheren Zeit nichts zu schaffen
haben, ist heute außer allem Zweifel. Vielleicht ist ihr Name^) damit
zu erklären, daß dies neue Amt — wohl schon im V. Jahrh. — geschaffen
worden war, um denjenigen Teil des Gaues, der nach Exemtion der von
der Pagusordnung befreiten Grundherrschaften noch vom alten Pagus-
land*) übriggeblieben war, in einer Hand verwalten zu lassen. Jedenfalls
bedeutet die Schaffung der Pagarchie eine Zentralisierung der Steuer-
erhebung in diesem Pagusland, xmd damit andererseits zugleich eine neue
starke Einschränkung der Kompetenz der Kurien. Aber nicht das ganze
alte Pagusland ist dem Pagarchen überwiesen worden. Einzelne Dörfer
sind durch das Privileg der Autopragie von der Gewalt des Pagarchen
eximiert worden, indem sie formell unter der Kurie (νπο rijv πολιτίχήν
ra^Lv) stehen blieben. Diese Autopragie ist z. B. dem Dorfe Aphrodito
vom Kaiser Leo (457 — 474) verliehen worden.^) Vgl. Kap. V. So standen
innerhalb des alten Gaues jetzt nebeneinander die autoprakten Grund-
herren mit ihren Hörigen, die autoprakten Dörfer (formell unter der Kurie)
und die den Pagarchen unterstellten Dörfer (die παγαρχονμεναί).
Von der Macht und dem Reichtum solcher Pagarchen, die meist
selbst zu den größten Grundbesitzern gehörten, gaben uns schon die Oxy-
rhynchostexte des VI. Jahrb., die von den Apionen handeln, eine Vor-
stellung.*) Von ihren Übergriffen und ihrer Verachtung aller Autoritäten,
der kaiserlichen wie der dukalen, legen die Cairener Papyri jetzt Zeugnis
ab. Sie waren um so gefährlicher, als sie jetzt vielfach zugleich als
ατρατηλάταί auch militärisches Kommando hatten.') Wiewohl sie vor
allem die Steuererhebung auf dem Lande zu leiten hatten, heißen sie
1) Der letzte, der zurzeit bekannt iet, ist vom J. 411. Vgl. Oelzer S. 96.
2) Vgl. außer Geizer 1. c. die wertvollen Materialien bei Bell, Journ. Hell. Stud.
28. 100 ff.
8) Er kommt nur in Ägypten vor.
4) Die Oliederung dee Landes in numerierte pagi fiel ragleich mit den prae>
potiti pagorum fort.
6) DaruuN möchte ich ecbließcn, daß auch die Pagarohie lohon im V. Jahrh.
geschaffen int. Die Verleihung der Auiopra^e an DOrfer letit lie vorHU•. Der Hin-
weii auf die 8 Pa^urchen in Cair. Cat. 07002 II 18 paßt su dieser Annahme.
ß) Geizer S. H8 il Vgl. Oxy. I 180 ff., namontlich 18β und 188. Diaetr Apion
hat Mine privaten 8t«aererheber, Schiffer, Bankier•, seine eigene Poet uiw.
7) Geizer 8. »7.
β•
34 Kapitel Ι. Allgemeine historische Grundzüge.
durchweg Pagarchen der , betreffenden ,,Stadt^', in der sie residieren.^)
Manche dieser Pagarchen herrschten zugleich über mehrere Städte, wäh-
rend es andererseits auch vorkommt, daß mehrere Pagarchen nebenein-
ander in einer Stadt residieren.^) Ohne Zweifel hat das Pagarchenamt
von seiner Begründung an bis zu der Araberherrschaft hin eine beständige
Steigerung erfahren.
Auch in der Dorfverwaltung sind manche Änderungen in unserer
Periode eingetreten. Wohl finden wir im IV. Jahrh. noch die beiden
κωμάρχαί, aber daneben auch neue Titel, wie den έφορος, der in Goodsp. 12
(a. 340) vor ihnen aufgeführt wird, ferner den quadrarius, der ebendort
und in dem gleichzeitigen BGU 21 hinter ihnen genannt wird. Wenn ich
recht sehe, fehlt jetzt der κωμογραμματενς, der früher der wichtigste Be-
amte im Dorf gewesen war. Wer seine Funktionen übernommen hat, ist
noch zu untersuchen. Πρεοβντεροί finden sich noch im Vll. Jahrh. Vgl.
Lond. I S. 222 (8). Vom V. Jahrh. an treten uns die πρωτοκωμήταί^) als
eine Behörde entgegen, die im besonderen in der Steuerverwaltung tätig
ist.*) In Cair. Cat. 67001 (a. 514) bilden diese Protokometen zusammen
mit den ύνντελεόταί und κτήτορες eine κοινότης. In Oxy. I 133, 7 ff.
(a. 550) ist das κοινον των Λρωτοκωμητών vertreten durch die κωμάρχαί^
deren es damals mehr als sieben gibt. Ein häufiger Beamtentitel dieser
Zeit ist auch der βοηΰ'ος κώμης.^) Für die Entwicklung der Dorfverwal-
tung in byzantinischer Zeit liegt ein reiches Material vor, das der Ver-
arbeitung harrt.
§ 4. BEVÖLKERUNG UND BEVÖLKERUNGSPOLITIK.
Auch für die Bevölkerungsfrage besitzen wir in den Papyri ein wert-
volles Quellenmaterial, doch fehlt es bisher an jeglichem Versuch einer
Verwertung. Ich beschränke mich daher auf eine Skizzierung einiger
Probleme.
Das römische Bürgerrecht und das römische Wesen hat seit Dio-
kletian wie anderwärts so auch in Ägypten große Fortschritte gemacht.
Unsere Papyri könnten, wenn sie systematisch verarbeitet würden, wohl
genauere Aufschlüsse über die Art und das Tempo der Ausbreitung bringen.
Im VI. Jahrh. nennen sich Kopten der niedrigsten Schichten, Feldhüter
und Hirten, die nicht einmal zu dem κοι,νόν des Dorfes gehören, Ανρήλυοι,
1) Ygl. Bell 1. c. und dazu Wilcken, Arch. Υ 297.
2) Vgl. Geizer S. 97 f.
3) Sie begegnen schon im Anfang des V. Jahrh. in der hist. Lausiaca des
Palladius.
4) In anderer Verwendung z. B. in Lond. III S. 251 (n. 1073).
5) Vgl. außer den P. Cair. Cat. die Indices von Wess. Klein. Form.
C. Die byzantinische Periode. § 4. Bevölkerung und Bevölkerungspolitik. 85
Vgl. Cair. Cat. 67001. Man müßte nun die Etappen herausarbeiten, die
dahin führten. Geht man von der Ausschließung der dediticii durch
CaracaUa aus, so könnte man darauf hinweisen, daß durch die Munizipal-
ordnung, wie wir sie oben für den Anfang des IV. Jahrh. annahmen, die
früheren Metropolen zu vollwertigen πόλεις (civitates) geworden waren,
daß also ihre πολΐταί nicht mehr als dediticii gelten konnten, um so mehr
als die frühere λαογραφία (jedenfalls in dieser Form) jetzt verschwand
(Kap. V). So blieben hiemach nur noch die Dörfler als disqualifiziert
zum römischen Bürgerrecht. Und hier auf dem Lande werden in der Tat
auch noch nichtrömische Αίγνπτιοι geblieben sein. Dies wird für die
Zeit Theodosius' II m. E. bezeugt durch die oft zitierten Worte des Isi-
doros von Pelusium, der als Pelusiot doch wohl in ägyptischen Dingen
Bescheid wissen mußte (epist. I 489): Αιγυπτίους μεν δι άπήνειαν νόμος
είργει ccQxijg. Darin kann ich Μ. Geizer (Stud. 34/δ) nicht zustimmen,
wenn er annimmt, daß hiermit in Ägypten ansässige römische Bürger ge-
meint seien, denn die sind von den Magistraturen nicht ausgeschlossen
gewesen. Vielmehr meint Isidoros offenbar die eingeborenen Ägypter, die
Kopten, und wenn er von diesen sagt, das Gesetz schließe sie von den
Magistraturen aus, so dürfen wir daraus entnehmen, daß es auch damals
noch wie nach Caracallas Edikt eine staatsrechtliche Klasse von ^^ίγύπτωι
gab — wenn auch freilich inzwischen vielleicht durch die Munizipal-
ordnung etwas zusammengeschmolzen — , die das römische Bürgerrecht,
das die Vorbedingung für die höheren Magistraturen war, noch nicht be-
saß. Dazu paßt nicht schlecht, daß noch in einer Konstitution vom
J. 415 von den homologi coloni gesprochen wird (s. oben S. 59). Fak-
tisch wird die Zahl der nichtrömischen Ägypter durch fortgesetzte Bürger-
rechtserteilungen durch die Kaiser immer kleiner geworden sein; man
denke nur an die massenhaft auftretenden Φλάονιοι. und endlich ist der
Begriff des dediticius, dessen Voraussetzung, wie wir vermuteten, schon
seit dem IV. Jahrh. z. T. fortgefallen \varen, schließlich ganz obsolet ge-
worden. .Justinian erklärte im J. 530 die dediticia condicio als ein
vanum nomen, das ganz zu beseitigen sei.^) Mögen diese Andeutungen
bei einer gründlichen Untersuchung geprüft werden.
Entsprechend dem stärkeren Vordringen des Homanismus, das wir schon
oben S. 79 anläßlich der Munizipalordnung hervorhoben, hat sich in unserer
Periode auch der Gebrauch des Latein, das vorher über die Armeekreise
kaum hinausreichte, erweitert. Ja das Latein ist jetzt die offizielle Amts-
Hprache der höheren Stellen geworden — oder es ist doch wenigstens der
Versuch dazu gemacht worden. Daß die an »In lux gerichteten Eaiser-
reskripte, Leid. Ζ (β) und die Maßmannschen Urkunden (Mommsen,
worauf mich MitUiN hiiiwie•.
8ß Kapitel I. Allgemeine historische Grundzüge.
Stobbes Jahrb. VI 398 ff.), lateinisch geschrieben sind, beweist noch nichts^),
zumal Hadrian an den Präfekten Rammius ja auch lateinisch geschrieben
hatte (BGU 140); auch steht ihnen das griechische Schreiben des Dio-
kletian und seiner Genossen in Oxy. VI 889 gegenüber. Aber entscheidend
ist, daß im Gegensatz zur vorhergehenden Periode die Amtsjournale der
höheren Beamten, wie der praesides und des iuridicus, jetzt lateinisch
redigiert wurden. Die vor Gericht gesprochenen Worte wurden in der
Sprache, in der sie geredet waren, sei es griechisch oder lateinisch, pro-
tokolliert, aber die Darstellung des Protokollführers (Datum, Überschrift,
Nennung der Redner usw.) wurde lateinisch gegeben.^) Wenn ich nicht irre,
ist unter Diokletian -Konstantin sogar der Versuch gemacht Avorden, den
Richter auch im Verkehr mit griechisch Redenden lateinisch sprechen zu
lassen oder mindestens die Sentenz lateinisch verkünden zu lassen, wäh-
rend dies später wieder aufgegeben ist zugunsten der griechischen Sprache
auch des Richters. Für diese Annahme einer ursprünglich schärferen Be-
tonung der lateinischen Amtssprache verweise ich auf den im Arch. III 340
edierten Text vom J. 322, in dem die Sentenz^) des Richters lateinisch
protokolliert ist (es folgt eine έρμηνεόα), und ähnlich liegt es in Lips. 44 I
und Wessely, Lat. Taf. 14, aus derselben frühen Zeit. Vgl. dagegen Lips.
33, 38, Arch. I 298 ff. aus späterer Zeit, wo der Richter nach griechischem
Interlokut auch die Sentenz griechisch gibt.^) Im Verkehr außerhalb des
Gerichtes ist eine Abnahme des Griechischen kaum zu spüren, so daß wir
dieselben griechischen Urkundenarten wie aus der früheren Periode haben.
Sollte dies Ergebnis sich nicht durch weiteres Material als irrig er-
weisen, so könnte man wohl von einer im wesentlichen gelungenen helle-
nistischen Abwehr des romanistischen Vorstoßes sprechen, denn das Ent-
scheidende ist, welche Sprache im mündlichen oder schriftlichen Verkehr
herrscht, nicht, welcher Sprache sich der Redakteur des Protokolls be-
dient. Immerhin ist ein gewisses Vordringen des Latein nicht za ver-
kennen; abgesehen von der lateinischen Redaktion jener Journale wäre
auch auf die häufigen lateinischen Datierungen von Urkunden, lateinische
Subskriptionen u. dgl. hinzuweisen.
1) Vgl, auch den an den praeses von Phönicien von Ägypten aus gerichteten
lateinischen Empfehlungsbrief in Arch. IE (168) ed. Bresslau.
2) In Lond. III S. 128 f. (aus früher Zeit) sind die Lücken m. E. für die lateini-
schen Titel des praeses freigelassen. Auch der durchstrichene Buchstabe vor den
Parteireden scheint mir eher ein lateinischer zu sein (s?) als ein griechisches 7t.
3) Da der Richter hier außer der Sentenz nichts gesagt hat, bleibt die Frage,
ob er vorher im Interlokut griechisch oder lateinisch sprechen würde, unbeantwortet.
Ebenso in den 2 fragmentierten anderen Beispielen. Aber Lond. III S. 128f. spricht
für den Gebrauch des Griechischen. Vgl. dagegen C. Theod. 8, 15, 1, wo Kaiser Kon-
stantin mit einer griechischen Partei sich lateinisch unterhält.
4) Wie auch Julian in C. Theod. 11, 39, 5.
C. Die byzantinische Periode. § 4. Bevölkerung und Bevölkerungspolitik. 87
Ein anderes Problem ist die Entwicklung der Hellenen und der
Ägypter und ihr Verhältnis zueinander. Das Aufhören der gymnasialen
Erziehung im lY. Jahrh. (LLL Kap.) kann kaum ohne Wirkung auf die
Entwicklung der Rasse gewesen sein: es muß die fortschreitende Orienta-
lisierung befördert haben. Untersuchungen über die graeco- ägyptische
\^ölkermischung werden für diese Zeit vielleicht noch schwieriger zu
führen sein als für die frühere Periode, je weiter das Christentum sich
ausdehnt, denn die neuen christlichen Namen nehmen uns jede Möglich-
keit, diese Fragen zu behandeln. Auf der anderen Seite lehrt die Kirchen-
geschichte, daß zwischen Hellenen und Ägyptern durch das Christentum
eine tiefe Feindschaft entstanden ist, zuerst weil die Hellenen (die „Heiden'^)
sich lange gegen die neue Religion sträubten, nachher, weil Hellenen und
Ägypter verschiedene Bekenntnisse hatten, jene als Anhänger der ortho-
doxen melchitischen Kirche, diese als Monophysiten. Ob in unseren Papyri
Anspielungen auf diese Gegensätze zu finden sind, ist noch zu unter-
suchen. Auch von den inneren Unruhen und Kämpfen, von denen die
literarische Tradition berichtet, sind bisher keine Spuren in den Papyri
bemerkt worden. Leider fehlen in den Papyri bis jetzt auch alle Nach-
richten über das Verhältnis der Hellenen zu den Juden in der byzan-
tinischen Zeit.
Aussichtsvoller ist es, das Erstarken des Ägyptertums gegenüber
dem Hellenentum, das Vordringen der ägyptischen Sprache, das Sinken
der griechischen Kultur zu untersuchen. Freilich wird man hierfür bei
der griechischen Tradition nicht stehen bleiben dürfen, sondern wird die
koptische Literatur, die getragen von der koptischen Kirche sich mächtig
entwickelt, heranziehen müssen. So sicher es ist, daß durch die National-
kirche und die neue Nationallitteratur das Kopten tum erstarkte, so be-
greiflich ist es, daß das Griechentum niedergehen mußte, eingekeilt
zwischen diesem ihm feindlichen — und im Mönchstum geradezu bildungs-
feindlichen — Koptentum und andererseits dem Neurömertum, von dem
es als höchste nationale Kulturleistung die Zirkusspiele der Grünen und
Bhiuen übernahm. Für den, der den Niedergang einer Kultur aus der
Sprache und den Gedanken öffentlicher und privater Akten ablesen kann,
sind die Papyri eine kulturhistorische Quelle ersten Ranges. Anderer-
eeite wäre es wertvoU, durch Nebeneinanderhalten der griechischen
und koptiHchen Tradition die allmUliliche Verengerung des grieohiechen
Spra<;hgel)i<te8 zu eruieren. Für das Anwachsen des koptischen Sprach-
^«•bietcH mödito ich auf die Tatsache hinweisen, daß jetzt wieder, wie
zu Ik'ginn der Ptolemäerzeit, Begierungserlasse iweisprachig
jMi,,iiziert wurden, griechisch und koptisch. Hierfttr gibt ein Beispiel
Cair. i.'at. 67031, Iß, wo der Erlaß eines dux über Sportein mit den
Worten Hchliißt: xal tfl ίπιχω^ίφ μ«θίρμ<ΐ7ν>ί[υ]θ'ΐ}ναί 6ΜίΧ[έ\χτφ χτλ.
33 Kapitel Ι. Allgemeine historische Gnindzüge.
Es war dies offenbar wieder eine Notwendigkeit geworden, da in weiten
Kreisen der Ägypter die griechisclien Erlasse nicht verstanden wurden.
„Die griechische Sprache war den Kopten, und zwar selbst den Kleri-
kern im allgemeinen nicht geläufig'^, versichert Leipoldt schon für
Schenutes Zeit, um 400.^) Kein Wunder, daß etwa 200 Jahre später der
Bischof Abraham von Hermonthis sein Testament, das wir in Lond. I
S. 232 ff. griechisch lesen, zunächst koptisch diktiert hatte (Z. 12):
έπαγόρενβα μίν (so trenne ich; 1. νπηγόρενοα) rf} των ΑΙγνπτίων
φωνΐ] f Έλληνίκοΐς öh καΐ ρήμαόίν ejtera^a γραφηναί. Vgl. Ζ. 68ff.^)
Auch die gegenseitige Beeinflussung der Sprachen ist charakteristisch für
diese Periode. Wieviel griechisches Sprachgut ins Koptische übergegangen
ist, wissen die Koptologen. Sehr viel geringer sind die koptischen Spuren
in unseren griechischen Texten, aber sie fehlen auch nicht ganz. Im be-
sonderen treten sie in dem fürchterlichen Vulgär griechisch uns entgegen,
das dann zu den südlichen Nachbarn, den Blemyern und Nubiern ge-
wandert ist. Vgl. z. B. die Inschrift im Arch. 1 417. Viel stärker ist
die Beeinflussung des Griechischen durch das Latein in dieser Zeit.
D. DIE ARABISCHE PERIODE.
J. Karabacek, Die Theodor Grafschen Funde in Ägypten 1883; Ders., Ergeb-
nisse aus den Papyrus Erzherzog Rainer 1889; Ders., Führer PR 1894 S. 133 fiP. —
C. H. Becker, Beiträge zur Geschichte Ägyptens; Ders., Papyri Schott -Reinhardt I
(P. Heid. in, 1) 1906; Ders., Arab. Papyri des Aphroditofundes, Z. f. Assyr. 20, 68 £f.
1906 und Papyrusstudien I ebend. 22, 137 ff. 1908. Ders., Grundlinien d. wirtschaftl.
Entwicklung Ägyptens in den ersten Jahrhunderten des Islam, Klio 9, Heft 2, 1908. —
H. J. Bell, The Aphrodite Papyri, Jour. Hell. Stud. 28, 97ff. 1908.») — Stanley
Lane-Poole, Α history of Egypt in the Middle Ages 1901. — J. Wellhausen,
Das arabische Reich und sein Sturz, 1902.
Die Grundlage für die Erforschung der arabischen Periode müssen
selbstverständlich die arabischen Quellen bilden, außer den Autoren auch
die massenhaft erhaltenen, aber erst zum kleinsten Teil publizierten ara-
bischen Papyri.*) Gegenüber diesen und den gleichfalls sehr zahlreich
erhaltenen koptischen Papyri^) treten die griechischen Urkunden dieser
Periode (bis Ende des X. Jahrh.) numerisch sehr zurück.^) Erst kürzlich
1) Schenute von Atripe S. 26.
2) Über die koptischen Schreibereien dieses Abraham vgl. Crum, Copt. Ostraka.
3) Ygl. meine Referate über Beckers und Beils Arbeiten im Arch. III 551 f.
IV 185, 258, V 297 f.
4) Vgl. über die letzteren Einleitung § 1.
5) Vgl. Einleitung § 1.
6) Vgl. das Generalregister. Besonders zahlreich sind die Urkunden der arabi-
schen Zeit in Wess. Stud. Pal. III u. VIII (klein. Form.). Weiteres findet man in BGU,
in Wien. Denk. 37 usw.
D. Die arabische Periode. 89
sind durch die Funde von Aphrodito (Köm Esqäw) auch aus dieser Zeit
größere Mengen zusammenhängender Gruppen (Anfang des YIII. Jahrh.)
zutage gekommen, die zum größten Teil nach London, z. T. nach Heidel-
berg, Straßburg usw. gebracht sind. Vgl. den Bericht Beils 1. c. Da die
Ausgabe der Londoner Stücke (als Lond. IV), von denen nach Beils
Mitteilungen die wichtigsten Aufschlüsse zu erwarten sind, jeden Tag er-
seheinen kann, beschränke ich mich hier auf eine in den allgemeinsten
Umrissen gehaltene Skizze, in der Hoffnung, beim Druck späterer Kapitel
diese Edition bereits verwenden zu können.
Zur Zeit, da die Sassaniden über Ägypten herrschten (s. oben S. 70),
war Muhammed aufgestanden und hatte im Islam einen gewaltigen neuen
Faktor der Weltgeschichte geschaffen. Es dauerte nicht lange, daß den
mit diesem Islam unaufhaltsam vorrückenden Arabern auch Ägypten zu-
fiel, dessen ganze Schwäche schon bei der persischen Katastrophe zutage
getreten war. Als im J. 639 Amru ihn el-'Asi die ägyptische Grenze
überschritt, schlössen sich die monophysitischen Kopten aus Haß gegen
Byzanz den Muslimen als ihren Befreiern an. Das kaiserliche Heer wurde
geschlagen und Alexandrien mußte, als die byzantinischen Schiffe aus-
blieben, nach langwieriger Belagerung kapitulieren (641). Aus dieser Er-
oberungszeit stammt Lond. I S. 222 (8) ^) vom J. 639/40. Vgl. auch
BGÜ 304 vom J. 647/8.
So war Ägypten eine Provinz des großen Khalifenreiches geworden.
Den neuen Herrn, der zuerst von Medina, dann von Damaskus und dann
von Bagdad aus das Land regierte, nennen unsere Texte, mit Transkrip-
tion seines arabischen Titels: '^μιραλμονμνόν (Fürsten der Gläubigen).*)
Wie einst der römische Kaiser seinen Präfekten, so setzte der Khalif seinen
Statthalter an die Spitze der Provinz. Die griechischen Texte nennen ihn
όύμβονλος — wie Theophanes den Khalifen den πρωτοόνμβονλος nennt.•)
Vgl. z. B. Stud. Pal. VIU u. 1082: ΆβδελαζΙζ 6νμβονλ{. .), der von 685
bis 705 Statthalter war; Heid. III (1) 5 ff. passim. Residenz des Statt-
halters wurde nicht Alexandrien, sondern Fustat (το Φοόοατον in den
Papyri), das Amru gegenüber von Memphis bei dem römischen Lager
von Babylon begründet hatte; aus ihm ist später Kairo erwachsen.
So war Ägypten jetzt wieder ein einheitliches Verwaltungegebiet wie einst
als Diözese, and es ist bemerkenswert, daß parallel mit Αίγνχτος auch
!4φριχή und ^yivaroXrj (— Oriens) als Teile des Khalifenreiches beseichnet
werden. Vgl. Bell 1. c. S 11.'). Die Verwaltung des Landes wurde zum
1) Andere Texte (!<•γ ΥλΜ li«-^rn in Wien, noch onpubliiiert Vgl. die Be-
■cbrcibnngen im Führer ΓΚ S. 137 ff.
2) V^I. Lond. I 8. 280 (24), Stud. Pal. VIII n. 108«. HRuBg in den Londoner
Texten (IJdl).
3; Wellhaoicn I. c. 86 Anm. 2.
90 Kapitel Ι. Allgemeine historische Grundzüge.
großen Teil von den Byzantinern übernommen. Die alten Namen der
Teilprovinzen begegnen zunächst auch jetzt noch. So zitiert Bell aus
einem Londoner Papyrus (VIII. Jahrh.) die Erwähnung von Arcadia,
Thebais und το λίμιτον.^) Doch läßt Becker die Frage offen, ob das
nicht nur noch geographische Bezeichnungen waren. ^) Für diese Annahme
scheint zu sprechen, daß der Statthalter ohne Vermittlung von praesides
oder dgl. direkt mit dem Dorf Aphrodito verkehrt. Andererseits nennt
BGÜ III 750 einen dux von Arcadia, und ein Rainer-Papyrus vom J. 699
einen dux von Arcadia und Thebais. Nach Bell S. 114 begegnet im An-
fang des VIII. Jahrh. auch noch der Augustalis von Alexandrien. Über
die Bedeutung dieser Titel sind weitere Aufschlüsse abzuwarten. Dagegen
sehen wir schon jetzt, daß die Pagarchen unverändert in die neue Zeit
hinübergegangen sind. Die Pagarchien scheinen in den Londoner Texten
nach BeUs Mitteilungen (S. 100 ff.) eine große Rolle zu spielen. Der
Ausdruck νομ,ός, der auch jetzt noch vorkommt, kann nur noch geo-
graphische Bedeutung haben, da er seinen staatsrechtlichen Begriff ja schon
Jahrhunderte vorher eingebüßt hatte. ^) An die Pagarchendynastie der
byzantinischen Zeit (vgl. die Apionen bei Geizer 1. c.) erinnert der Apa
Kyros mit seinen Söhnen Christophoros und Theodorakios, die gleichfalls
wie der Vater dies Amt bekleiden/)
Die Araber treten nunmehr als das Herrenvolk im Lande auf, so wie
früher die Makedonier und dann die Römer. Die Muslimen sind steuer-
frei, während die Ungläubigen Tribut zu zahlen haben, im besonderen
auch die Kopfsteuer (vgl. Kap. V). Dies hat mit der Zeit dem Islam
immer neue Anhänger aus den Reihen der Kopten zugeführt. Als hier-
durch die Belastung der übriggebliebenen Ungläubigen eine unerträgliche
wurde, sah sich die Regierung (im VIII. Jahrh.) genötigt, eine Steuer-
reform einzuführen. Die schweren Kämpfe mit den Kopten, die im Ver-
folg dieser Neuerungen ausbrachen, endeten erst im IX. Jahrh. mit der
völligen Niederwerfung der Kopten, worauf dann die Verschmelzung der
Kopten mit den Arabern einsetzte.^) Aus der Zeit vor jenen Kämpfen
bringen die Londoner Papyri nach Beils Mitteilungen viele Nachrichten
über die immer stärker werdende Landflucht (die φυγάδες), in der er und
Becker die Vorboten der späteren Erhebungen sehen. ^) Zu dieser Land-
flucht vgl. auch Lond. I S. 230 (24).
Um den weiteren Niedergang des Griechentums, der schon in der
1) Tb λίμιτον ist nicht neu. Vgl. τον Θηβαϊχον λιμίτου in Leid. Ζ (6).
2) Ζ. f. Assyr. 22, 141.
a) Hierin sind Beils Ausführungen 1. c. von Geizer überholt worden, ebenso be-
treffs der Pagarchen.
4) Vgl. Führer PR n. 550 ff. und BGU 304, 320.
5) Vgl. Becker, Klio 1. c. S. 9 (SA). 6) Becker, Z. f. Assyr. 22, 139.
D. Die arabische Periode. 91
byzantinisclien Zeit in vollem Gange war (s. S. 87), zu untersuchen, haben
wir in den griechischen, arabischen und koptischen Urkundenmassen der
arabischen Zeit eine Quelle ersten Ranges. Wir werden zu Zeugen, wie
die griechische Sprache allmählich verdrängt wird, wie in den Kanzleien
zunächst die arabische neben sie tritt, wie dann die griechisch-arabischen
Bilinguen durch die arabisch -griechischen ersetzt werden, bis schließlich
das Arabische allein herrscht.^) Und ebenso sehen wir auch im privaten
Gebrauch das Griechische mehr und mehr durch das Arabische und das
Koptische verdrängt Λverden. Die letzte unter den bekannt gegebenen Ur-
kunden, die noch griechische Schriftzeichen trägt, ist, wenn ich recht sehe,
der Wiener Text im Führ. PR n. 1090 — eine arabisch -griechische Bi-
lingue auf Papier. Wenn auch die Kopten vorgearbeitet hatten, gilt
doch auch hier das Wort Mommseus, der den Islam den Henker des
Hellenismus genannt hat.
1) Vgl. Becker, Heid. lU (1) S. 28fif.
KAPITEL Π.
EELIGION UND KULTUS.
A. PTOLEMÄEEZEIT.
Grundlegend Walter Otto, Priester und Tempel im hellenistiechen Ägypten
I 1905. II 1908 und dazu die wichtige Besprechung von M. Rostowzew, Gott.
Gel. Anz. 1909 Nr. 8 S. 603 ff. Fr. Cumont, Die orientalischen Religionen im röm.
Heidentum 1910. Außerdem vgl. die oben S. 2 zur Ptolemäergeschichte aufgezählten
Werke. Zu ihnen kommt soeben hinzu Wilamowitz, Staat und Gesellschaft der
Griechen (in der „Kultur der Gegenwart"). Speziellere Arbeiten werden unten genannt.
§ 1. RELIGIONS- UND KIRCHENPOLITIK DES STAATES.
Die der griechischen Religion eigene Toleranz fand in dem Weltreich
Alexanders des Großen, das Völker der verschiedensten Religionen um-
faßte, einen gesteigerten Ausdruck. Wie Alexander allerorten den Göttern
der von ihm Besiegten gehuldigt hat, so hat er auch in Ägypten dem
Apis geopfert^), was auf das ägyptische Volk um so mehr befreiend
wirken mußte ^), als die persische Regierung nach den großen nationalen
Aufständen ihre ursprüngliche Toleranz aufgegeben und die religiösen
Gefühle der Ägypter — wie durch die Tötung des Apisstieres durch
König Ochos — aufs tiefste verletzt hatte. An diesem Prinzip der reli-
giösen Toleranz haben auch die Ptolemäer nicht gerüttelt, und sie ist
allen hier gepflegten Religionen, auch der jüdischen, gegenüber geübt
worden. Im besonderen aber ist der ägyptische Kultus unter ihrer Herr-
schaft nicht nur staatlich anerkannt gewesen, sondern auch durch könig-
liche Stiftungen und Geschenke sowie durch persönliche Teilnahme der
Könige gefördert worden. Es entsprach dies nicht nur den allgemeinen
hellenistischen Anschauungen, sondern es war auch das beste Mittel, die
„gottesfürchtigen^^ Ägypter der neuen Herrschaft zu nähern.
Außer den griechischen Nachrichten^) sind hierfür die ägyptischen
Denkmäler Zeugnisse, die jetzt von Kurt Sethe in den „Hieroglyphischen
1) Arrian Anab. ΠΙ 1, 4. Ebendort über den von Alexander angeordneten Kult
der Isis in Alexandria.
2) Nur bei dieser religiösen Toleranz konnte hier die Sage entstehen, daß Alexander
der Sohn des Nektanebo II sei (Ps. Kallisthenes).
3) Vgl. namentlich Dittenberger, Or. Gr. I.
Α. Ptolemäerzeit. § 1. Religions- und Kirchenpolitik des Staates. 93
Urkimden der griechisch - römischen Zeit'^ zusammengestellt werden. ^)
Unter ihnen ragen z. B. hervor die Satrapenstele (Sethe II Uff.)? i^ach
der Ptolemaios Lagu als Satrap im Jahre 311 der Göttin Buto ein Stück
Land zurückgab, das einst Xerxes konfisziert hatte ^), femer die Stele von
Pithom (Sethe II 81 ff.) und die Mendesstele (Sßthe II 28 ff.) aus der Zeit
des Philadelphos, die für sein Verhalten gegenüber dem ägyptischen Kultus
äußerst wichtige, freilich, wie allein schon der Revenue -Papyrus zeigt,
sehr einseitige Aufschlüsse geben. Nur durch das Zusammenarbeiten der
griechischen und ägyptischen Nachrichten läßt sich ein richtiges Bild ge-
winnen. Als dann seit Philopator, wie wir sahen (S. 20), die nationalen
Unruhen begannen, ist die Fürsorge der Könige für die ägyptischen Götter
nur noch gesteigert worden, um die Ruhe im Lande zu sichern. Von den
heute noch aufrechtstehenden Tempeln Ägyptens stammen bekanntlich die
meisten — wie die von Dendera, Der el-Medine, Edfu, Kom-Ombo,
Philae — aus der Ptolemäerzeit, und vieles daran ist auf königliche Muni-
fizenz zurückzuführen.
Das Hauptproblem der Religionspolitik war aber nicht eine einseitige
Förderung der ägyptischen Religion, sondern der friedliche Ausgleich
zwischen dieser und der griechischen Religion des herrschenden Volkes.
Diesem Zweck diente einmal die von der Regierung beförderte Gleich-
setzung von griechischen Göttern mit ägyptischen, die schließlich zu einer
völligen Theokrasie führte (s. unten S. 107 f.), ferner die Einführung der
nach griechischer Art apotheosierten Könige als övvvaoi dsoi in den
ägyptischen Kultus (s. unten S. 107). Endlich hat auch die Einführung
des Sarapis und seine Gleichsetzung mit dem Osiris-Apis derselben Politik
der Versöhnung und Ausgleichung gedient (s. unten S. 101), und zwar mit
so durchschlagendem Erfolg, daß man hierauf hin mit Recht von dem
„politischen Genie*^ des Ptolemaios gesprochen hat.*)
Von dieser schon für die ersten Ptolemäer nachweisbaren Religions-
politik ist aber zu trennen die Kirchenpolitik.*) So sehr der Staat
auch in seiner Toleranz dem ägyptischen Volke seine Religion erhalten
wollte, und so viel er auch finanziell für die Pflege des ägyptischen
Kultus durch Gesch<*nke und Stiftungen getan hat, so hat er andererseits
mit allen Mitteln verhindert, daß die ägyptische Priesterschaft wie einst
in der Pharaonenzeit einen Staat im Staate bilde. '^) Wie es sich von den
1) Bis jetzt enichioncn 2 Hofte (bei Hinriche 1904), von Alexander bie Bnergete• L
VoIUtandige duuUtcbo übereetzungen sollen folgen.
2) Vgl. hierzu meine AuefOhrangen in der Ägypt. Z«itachrift 85 (18U7) 85 f., die
jetzt durch P. Libbcy beetiltigt worden Hind. Vgl. Aroh. V 380. Die alte irrige
Deutung jetzt noch bei Λ Krman, Äg. Keligion, 2. Aufl. (1909), 296 wiederholt
8) Cumont 1 c. 04. 4) über den Begriff der Kirche •. unten 8. 110.
5) Ich Kchließe mich hier und im folgenden in der WOrdigong der Kirchen-
Politik den zutreffenden Auifahrungen von Kottowiew (QOA 1909, 686 ff.) gegenflber
Otto II 285 ff. un.
94 Kapitel Π. Keligion und Kultus,
griechischen Priestern von selbst verstand, so haben die Ptolemäer auch
die ägyptischen Priester direkt unter die staatliche Autorität gestellt.
Der Gott galt zwar als Eigentümer des Tempels und der Tempelschätze,
aber sein Vertreter auf Erden war nicht die Priesterschaft, sondern der
König, der, bald selbst Gott, die letzte Entscheidung in allen Tempel-
angelegenheiten hatte und die oberste Spitze der gesamten Tempelverwal-
tung darstellte.^) Das Tempelland war zwar nominell dem Gotte heilig
(Ιερά)^ aber rechtlich gehörte es ebenso wie die γή χληρονχίκη und
Ιδιόκτητος zur εν άφεΰεί γη^ ά. h. auch ihm gegenüber wurde die
Prätension festgehalten, daß der König ein Obereigentum daran hatte
(s. unten Kap. VII). Es war daher ebenso wie jedes andere Land steuer-
pflichtig und unterstand der staatlichen Bodenverwaltung. Vgl. Teb. 6.
Nur die dem Gotte als Geschenk überwiesenen Ländereien (γη άνιερωμενη)
genossen mindestens seit dem großen Regierungserlaß von 118 vor Chr.
Steuerprivileg und wurden von den Priestern selbst verwaltet (Teb. 5,
61 [65]). Ebenso unterstand die gewerbliche Tätigkeit in den Tempeln
der staatlichen Kontrolle und erlitt mehrfach Eingriffe seitens des Staates
(s. unten). Die Priester selbst aber erhielten ihr Amt vom König. Vgl.
unten S. Ulf. Diese zwar mit manchen Privilegien wie der Freiheit von der
Kopfsteuer (Petr. III S. 174 [66]) ausgestatteten, aber vom König durchaus
abhängigen Priester durften ihm wohl göttliche Ehren erweisen, aber die
Apotheose des Königs und der Mitglieder des königlichen Hauses erfolgte
auf Befehl des Königs, im ägyptischen wie im griechischen Kult (s. unten
S. 99), wie es auch der König war, auf dessen Befehl die heiligen Tiere
(nach Prüfung durch die Sachverständigen) inthronisiert wurden (vgl.
Mendesstele, Sethe II S. 47, ff.), der ferner auch das für die Tempel so
wichtige Asylrecht verlieh (vgl. zu Teb. 5, 83 [65]). Gute Beispiele
dafür, wie die Könige die Tempelangelegenheiten ordneten, bieten z. B.
Teb. 6 und Teb. 5, 50—84 (65).
Diese auf die unbedingte Souveränität des Staates abzielende Kirchen-
politik ist nicht zu allen Zeiten mit gleicher Strenge in der Praxis durch-
geführt worden. Unter der starken Herrschaft der ersten Ptolemäer tritt
sie uns am deutlichsten entgegen. Derselbe Philadelphos, der nach der
Pithomstele den ägyptischen Kultus so reich unterstützt hat, und nach
der Mendesstele auch persönlich lokalen Kulten so viel Interesse bewiesen
hat, hat andererseits gegen die Priesterschaft einen schweren Schlag ge-
führt, indem er die Erhebung der früher den ägyptischen Göttern, nun-
1) Die früher weit verbreitete Ansiclit Letronnes, daß in der Ptolemäerzeit der
έηιβτολογράφος eine besondere Oberbehörde für die ägyptischen Tempel, sozusagen
Kultusminister gewesen sei, habe ich im Hermes 22, 1 £F. durch richtige Ergänzung
der Obeliskeninschrift von Philä, als irrig erwiesen. Zustimmend Otto I 55 f. Vgl.
auch oben S. 6.
Α. Ptolemäerzeit. § 1. Religions- und Kirchenpolitik des Staates. 95
mehr der ^Αρβίνάη Φιλάδελφος geweihten ajrd^uotpa- Steuer (ein Sechstel
vom Ertrag der Wein- und Nutzgärten) von den Priestern auf den Staat
übertrug (vgl. Kap. V). Und wenn auch in anderen Abschnitten des
Revenue -Papyrus, die vielleicht schon auf Soter zurückgehen, bei der
Konstituierung des Olmonopols und des Othonionmonopols den Tempeln
Privilegien im Vergleich zu den Privaten eingeräumt wurden, so hat
Rostowzew^) doch richtig erkannt, daß hinter dieser scheinbaren Privile-
gierung in Wirklichkeit die Vernichtung von älteren Tempelmonopolen
steckte (vgl. Kap. VI), so daß man von einer absichtlichen Beeinträchtigung
der wirtschaftlichen Bedeutung der Priesterschaften zugunsten des Fiskus
sprechen muß. Daß auch der dritte Ptolemäer, Euergetes I, der Priester-
schaft gegenüber die staatlichen Interessen kräftig gewahrt hat, scheint
mir aus dem Dekret von Kanopos^) hervorzugehen, wenn man nur die
Begründung dieses Priesterbeschlusses mit dem des Dekretes von Rosette
aus der Zeit des Epiphanes^) vergleicht. Während in letzterem eine Fülle
von Wohltaten aufgezählt werden, die bei Lichte besehen eine starke Be-
einträchtigung des Fiskus und eine Schwächung der staatlichen Autorität
bedeuten*), wird dort nicht ein einziger Verzicht auf ein königliches
Recht namhaft gemacht: außer den großen Siegen des Königs und seiner
Liberalität anläßlich einer mangelnden Nilschwelle wird dort nur ganz
allgemein auf Wohltaten hingewiesen, die der König dem ägyptischen
Kult, im besonderen dem Apis und Mnevis erwiesen hat, sowie auf die
Rückführung der von den Persem geraubten Götterbilder. '^) Dieser ge-
waltige Unterschied erklärt sich dadurch, daß zwischen den beiden
Dekreten die unheilvolle Regierung des Philopator liegt, von der, wie wir
oben S. 20 sahen, der Umschwung in der Eingeborenenpolitik der Regie-
rung und damit auch der Beginn der ägyptischen Revolutionen datiert,
unter deren Fortgang dann die Regierung des Epiphanes zu leiden hatte.
Der Wechsel der Zeiten tritt uns auch darin entgegen, daß gegenüber der
schlichten rein griechischen Datierung des Dekrets von Kanopos sich in
dem von Rosette bekanntlich eine griechische Übersetzung des ägyptischen
Einganges findet. Auch dies können wir heute schon auf die Regierung
des Philopator zurückführen: ein Münchner Papyrus (109), zu dem küns-
lich eine Cairener Inschrift bestätigend hinzukam, zeigt uns, daB schon
unter Philopator in trilinguen Texten der griechische eine Übersetzung
der ägyptischen Königstitulaturen bot. So sehen wir seit Philopator ent-
1) QOA 1909, 681 Γ
ί) Dittenberger, Or. ih. I n. 66. »; UittenburKer, Or. Or. 1 n. υο.
4) 8o X. ß. Her VVr/icht auf den jährlichen %ατά%Χονς der Trieiter lur Cour
am KOnigehofe. ' n S. 110.
b) iVeiiich ί μ Fhiladelphot dem Tempel von Mendet Stooercrleicht«•
Hingen verschafft (MendeMtele), aber doeh eben nur einem ipeiieUen, von ihm be-
vor/.u(^tcn Tfmvcl. nicht den geeami«n Tempeln de• Landet.
96 Kapitel IL Religion und Kultus.
sprechend der allmäliliclieii Erstarkung des Nationalismus die kirchen-
politische Stellung des Staates schwächlicher werden. Daß der ägyptische
Klerus die zahlreichen nationalen Aufstände geschürt hat, ist nicht direkt
zu beweisen, aber sehr wahrscheinlich. Diese Entwicklung tritt uns auch
darin entgegen, daß die Regierung in späteren Zeiten, wie es scheint, mit
der Verleihung der Asylie an ägyptische Tempel immer freigebiger wurde.
Euergetes II bestätigte zwar im J. 118 nur die bestehenden Asylien (Teb.
5, 83), und aus dem Bericht des Finanzministers aus der Zeit des Ptole-
maios Alexandros erfahren wir, daß nur ενια των έτησήμων (ιερών) die
Asylie besaßen, wie Memphis, Busiris usw. (Dittenberger, Or. Gr. II 761).
Aber im I. Jahrh. γ. Chr. haben dann auch kleinere Dorftempel dieses
Recht erhalten, durch dessen Verleihung auf staatliche Hoheitsrechte ver-
zichtet wird. Vgl. die Inschrift von Euhemeria bei Dittenberger, Or. Gr.
II 736 (vgl. Milne, Cat. Cairo, Greek inscr. 33037) und die von Theadelphia (70).
§ 2. DIE GRIECHISCHEN KULTE.
Wie einst die Siedler von Naukratis sich um die Tempel ihrer heimi-
schen Götter scharten^), so werden auch die Griechen, die mit und nach
Alexander nach Ägypten kamen und sich hier niederließen, zuerst den
Kult ihrer alten Götter gepflegt haben. In erster Reihe werden wir
solche rein griechischen Kulte in den Griechenstädten (Alexandrien und
Ptolemais), dann aber auch in den Gaumetropolen zu vermuten haben. ^)
Im besonderen ließen die neuen griechischen Herrscher es sich angelegen
sein, sowohl dem griechischen Auslande als den Griechen im Inlande
gegenüber, durch Stiftung von Tempeln, durch Beteiligung an ausländi-
schen und Einführung von inländischen Agonen, als Pfleger der griechi-
schen Götter zu erscheinen. Diese Richtung des Königshauses tritt uns
in der Stellung der Hofdichter, wie Theokrit und Kallimachos, gegenüber
der ägyptischen Religion deutlich entgegen.^) Wie diese ersten Ptolemäer
da, wo sie von der Rücksicht auf den ägyptischen Klerus frei waren, als
Männer griechischer Religion auftraten, zeigt z. B., wie Otto II 266 mit
Recht hervorgehoben hat, die im fernen Adulis gesetzte Siegesinschrift
des Euergetes I, in der er sich als άτίόγονος τά μεν άπο τίατρος ^Ηρακλέους
τοϋ z/tog, τά δε άπο μητρός ^iovvöov τον ^log bezeichnet.*) Wenn wir
gleichwohl so selten rein griechischen Tempeln und Kulten der alten
Götter begegnen^), so liegt das in der unten zu besprechenden Tatsache,
1) Herodot II 178.
2) In Ptolemais waren die ägyptischen Kulte vielleiclit (?) extra muros verwiesen.
Vgl. meine Bemerkung bei Plaumann, Ptolemais 58.
3) Vgl. Otto I δ, 1; II 265 ff. 4) Dittenberger, Or. Gr. I 54.
5) Eine Zusammenstellung der sicher griechischen Tempel und Kulte ist auch
nach Ottos Buch noch zu wünschen, da er in seinem Götterindex (II S. 377 ff.) eine
Α. Ptolemäerzeit. § 2. Die griechischen Kulte. 97
daß die ägyptischen Götter schon früh mit griechischen Göttern identifi-
ziert worden sind, so daß bei bloßer Nennung der griechischen Namen
die Entscheidung über ihren Charakter sehr schwierig ist.
Zu den alten Göttern^) sind aber auch neue hinzugekommen. So haben
die Gründer der beiden neuen Griechenstädte nach griechischer Sitte
göttliche Verehrung erhalten. In Alexandrien ist so Alexander der Große
mit dem Gottesnamen ^Jks^avdgog göttlich verehrt worden*), und dieser
Kult hat dadurch für das ganze Land eine besondere Bedeutung erhalten,
daß diesem Gotte ein jährlich wechselnder eponymer Priester vom König
eingesetzt wurde, nach dem die offiziellen Akten, Verträge usw. datiert
wurden. Vgl. z. B. 103 bis 107. Die Ansichten über den Zeitpunkt, in
dem dieser eponyme Alexanderpriester eingesetzt Λvorden ist, gehen aus-
einander. Während Kornemami und Karst im Anschluß an Ps. Kallisthenes
lU 33 ihn in die Zeit des Soter verlegten, versetzten ihn andere (auch
ichj unter Philadelphos. Eine ausführliche Darlegung der verwickelten
Frage bietet Otto I 138 ff., der seinerseits zu zeigen sucht, daß der
Alexanderpriester erst im J. 274 eingesetzt sei. Kürzlich ist das Problem
dadurch in ein neues Stadium getreten, daß aus den letzten Jahren des
Soter sowie den ersten Jahren des Philadelphos Texte bekannt geworden
sind, die bereits nach einem eponymen alexandrinischen Priester datiert
sind, freilich ohne daß der Gott genannt würde. So beginnt Eleph. 2
(a. 285/4): Βαόίλενοντος Πτολεμαίου (ετει) μ μηνός Γορπιαίον ίφ' ιερέως
Μενελάου του Ααάγου. Danach ist Ρ. Hib. 84 a von Rubensohn verbessert
worden.») Vgl. auch Eleph. 3 und 4 (a. 284/3) und Hib. 97. Gegenüber
der zunächst nur auf die Hibeh - Papyri gestützten Ansicht von Grenfell
und Hunt, daß der ungenannte Gott Alexander sei, konnte ich noch auf
die Möglichkeit hinweisen, daß nach Arrian Anab. VII 23, 7 vielleicht
Hephaistion gemeint sei.*) Nachdem aber Eleph. 1 bekannt geworden ist,
der vom J. 311 stammt und den Priester noch nicht kennt, fällt diese
Möglichkeit fort.^) Auch der von Otto II 31i) gewählte Ausweg, daß
Sarapis gemeint sei, scheint mir nicht gangbar. So dürfen wir es heute
Scheidung nicht vorgenommen hat, auch Neues hinzugekommen ist. Auf S. δ f. be-
Kchrilnkt er eich auf die negative Seite, die er mit Rocht betont. Filr gricchieche
(iötter halte ich z. B. in Dittenberger Or. Gr. I 18 "Α^τΛμ,ις Σωτήρα, 63 UmoUmp
'ηάτης usw., 66 Ζβνβ ΌΧνμηιο« und Ztvff Σννωμόβιος, 83 JημητηQ und Köqii und
Ji%uioovvr\ u. a. Charaktcrietiech filr die hellonietieche Zeit int bekanntlich dan Her-
vortreten der Ύνχί] Cvgl. E. Ilohdo, Griech. Itoman 27« (f.. S.. finden wir auch in
Alexandrien ein ΤνχαΙον, aber aurh im Lande.
1) Bemerkenewert iit, daß in einem im III. Jahrh. .. .... wahnchcinlich von
einem Griechen goH<:hriebenen Briefe die Wendung [θ]«ώ* ηΐίΐβτη χάρις vorkommt
(Petr. III 8. 163)
2) Ζα dem Fohlen doM »§6ς vor Άλίξαρόρος, eben weil dieaer QoUeniamo ist,
vgl. meine Boniorkting in GiiA 1HU6, 141 Anm. 1.
t) Vgl I'. Kloi.h S. »Ί. 4) Arch. IV 184. 6) Arch. V 20«.
miielt-wi! ιο.ίχιιβο I 7
98 Kapitel IL Religion und Kultus.
als wahrscheinlicli bezeiclinen, daß der Alexanderkult schon von Soter
eingerichtet worden ist, und zwar zwischen 311 und 289/8.^) Daß in
dem oben angeführten Beispiel Menelaos, der Bruder des Soter, selbst das
Priestertum bekleidet, zeigt, welch hohe Bedeutung ihm beigemessen wurde.
Ein Verzeichnis der bekannten Alexanderpriester bietet Otto I 175, II 322,
zu dem inzwischen schon wieder Neues hinzugekommen ist (vgl. Arch.
V 229, aus den demotischen Cairener Papyri).^)
Auch im oberägyptischen Ptolemais ist der Stadtgründer als Stadt-
ijott verehrt worden. Auch hier hat es wie in Alexandrien einen offiziellen
Staatskult dieses Stadtgründers gegeben, der aber nur für die Thebais,
nicht wie der Alexanders für das ganze Land galt. Dieser Kult des
Ptolemaios Soter ist zuerst nachweisbar unter Philopator (215/4). Es ist
wahrscheinlich, daß er auch damals erst geschaiBPen ist. So Plaumann,
Ptolemais S. 51 (gegenüber Otto I 160). Diese Annahme wird um so be-
greiflicher, wenn man zugleich mit Plaumann 1. c. annimmt, daß es schon
vor diesem staatlichen Kult, wohl von Soters Zeit an, hier einen städti-
schen Kult des ^£bg Σωτήρ (NB. ohne Πτολεμαίος) gegeben hat, für
dessen Weiterbestand in der Ptolemäerzeit er auf die philensische Inschrift
bei Lepsius XII gr. 207 verweisen kann. Zum Kult von Ptolemais vgl.
außer Otto auch Plaumann, Ptolemais S. 39 ff.
Wichtiger noch als diese Kulte der Stadtgötter war nun aber der
hellenistische Herrscherkult, der uns in den Urkunden viel häufiger
als der Kult der alten Griechengötter entgegentritt. Es kann an dieser
Stelle nicht die Entwicklung der Ideen dargestellt werden, die schließlich
zu diesem Herrscherkult, einer typischen Erscheinung der hellenistischen
Welt, geführt haben ^); nur die Formen, die dieser Kult in Ägypten, z.T.
abweichend von anderen Gebieten des Hellenismus angenommen hat, sollen
hier kurz skizziert werden. Nur das eine sei hervorgehoben, daß, wenn
auch auf griechischem Boden sich Vorläufer nachweisen lassen, und
griechische Religion und Philosophie auf dies in Alexander erreichte
Ziel hingelenkt haben, es doch kein Zufall sein wird, daß das einzige
hellenistische Königreich, das diese Apotheose nicht kennt, auch das ein-
zige ist, das nicht auf orientalischem Boden oder in orientalischer Nach-
barschaft sich entwickelt hat, nämlich Makedonien. Gleichwohl ist der
1) Vgl. Rubensohns Ausführungen zu Eleph. 2 und 3. S. jetzt Wilamowitz^
Staat und Gesellschaft S. 159.
2) Der Annahme, daß der hg^v? Alexanders mit dem alexandrinischen έξ,τιγητηζ
identisch sei (vgl. Otto I 154 ff.), wird mit Recht von manchen widersprochen.
3) Die Ansichten darüber gehen noch vielfach auseinander. Vgl. außer Otto
(passim) Kornemann, Klio I 51fiF.; Karst, Gesch. d. Hell. Z. Π 374 ff.; Beloch, Griech.
Gesch. III; Wilamowitz, Griech. Religion (Jahrb. d. Freien D. Höchst. 1904); Staat u>
Gesellsch. 151 ff.
Α. Ptolemäerzeit. § '2. Die griechischen Kulte. 99
hier zu behandelnde Herrscherkult, was früher oft verkannt wurde, durch-
aus den griechischen Kulten anzureihen und scharf zu scheiden von
der göttlichen Verehrung, die die Könige außerdem im ägyptischen Kult
genossen haben (s. unten).
Sehen wir von Alexander ab, so ist ein Herrscherkult in Ägypten
zuerst geschaffen worden, als Philadelphos seinen 283/2 verstorbenen Vater
zum d-ebg Σωτηρ erhob. Der Kultbeiname Σωτήρ wurde gewählt, weil
er dem Ptolemaios I schon bei Lebzeiten als Ehrentitel beigelegt war
(308 von den Nesioten, später von den Rhodiern). In diesem ^) wie in
allen weiteren Fällen ist es der König, der die Apotheosierung befiehlt,
nicht etwa die Priesterschaft, geschweige denn die ägyptische, wie manche
früher glaubten. Als dann auch die Mutter Βερενίκη starb, erhielten
beide Eltern zusammen als dsol Σωτηρεg einen gemeinsamen Kult.
Femer machte derselbe Ptolemaios Π seine Schwester und Gemahlin
Arsinoe Π, die schon seit der Geschwisterhochzeit den Ehrenbeinamen
ΦιλάΟελφοξ geführt hatte ^), nach ihrem im J. 270 erfolgten Tode zur
Göttin als %•εα Φιλάδελφος.^) Während also bis dahin nur Verstorbene
apotheosiert worden waren, tat Ptolemaios Π nunmehr den letzten ent-
scheidenden Schritt, indem er zu seiner eigenen Vergötterung überging:
er schuf den Kult der ^εοϊ !4οελφοί^ deren Gegenstand er selbst und seine
tote Schwester waren.*) Damit war die Königsapotheose auf ihrem Höhe-
punkt angelangt. Von nun an wurde es Sitte, daß jeder neue König sich
und seine Gemahlin einige Zeit nach der Thronbesteigung — später oder
früher — im gemeinsamen Kult apotheosierte. So folgten den 0-£ot ^Αδελ-
φοί die %-εοϊ Ενεργέται^ die d-εοϊ Φιλοττάχορες^ die d-εοΐ ^Επιφανείς usw.
Alle diese Namen sind als Kultbeinamen aufzufassen^), und abgesehen
von den Neubildungen, die die familiären Beziehungen hervorheben, wie
'Αδελφοί^ Φιλοπάτορες usw., sind es meist Kultnamen, die in der griechi-
schen Religion, im besonderen im Heroenkult schon geläufig waren, wie
Σωτήρ ^ Ευεργέτης^ * Επιφανής. Es ist gegenüber den früher weit ver-
breiteten gegenteiligen Ansichten*) durchaus daran festzuhalten, daß diese
Gottesvorstellungen absolut griechisch sind und mit den ägyptischen
1) Belege bei Otto I 148.
2) Dae hat Dittenberger gezeigt in Or. Gr. I S. 648. Vgl. dazu meine Be-
merkungen im Arch. III ai8.
3) ΦtXά^^X(f)Oi ist erst im Π. Jahrh. auf Ptolemaios II übertragen worden. Vgl.
Wilcken, Pauly-WiHHOwa h. v. *AQaiv6r\ II 8p. 1284 und Gott. G. A. 1896, 168.
4) Früher wurde dieser Kult öfter mit dorn der Φιλάδίλφος verwechselt. VgL
dagegen Wilcken, Pauly-Wiss. II 8p. 1286. Jetzt Otto I 847 f.
6) Wilcken, UGA 1896, 164 Anm. 1. Vgl. dagegen s. B. die AnffaMung von
Strack, Djn. d. IHol. 129 ff., gegen dessen Abschnitt Ober ,Jlamen und Beinamen"
(106 ff.) überhaupt viel einzuwenden ist.
6) Auch bei A. Krmnn, Ägypt. lieligion, iv Aufl , 229 liegt noch ein Nachklang
daran vor.
IQQ Kapitel II. Religion und Kultus.
gar nichts zu tun habend) Gerade die hieroglypliischen Wiedergaben
dieser Gottesnamen zeigen aufs deutlichste, daß sie nur Übersetzungen
aus dem Griechischen sind, denn in den vorptolemäischen Texten gibt es
für derartige Namen innerhalb der Königstitulaturen schlechterdings kein
Beispiel. ^)
Diese so geschaffenen Götterpaare sind nun dadurch im ganzen Lande
zur Geltung gekommen, daß sie als övvvaoi ΰ'εοί dem Kult der wichtig-
sten Götter — auch der ägyptischen Hauptgötter (s. unten) — angegliedert
worden sind^), und zwar zunächst nur von den d'sol ΆΟ^ελφοί an. Wes-
halb die d'Bol Σωτήρες erst unter Philopator in diese övvvaot einrückten,
ist noch immer nicht ganz aufgeklärt. So sind diese Ptolemäergötter
als övvvaoi %'εοί auch dem Stadtgott '^λε^ανδρος von Alexandrien an-
gegliedert worden, und da dessen Jahrespriester, wie wir sahen, eponym
war, so begegnet auch die immer länger werdende Reihe der Ptolemäer-
götter in den Präskripten der Akten. Zur Illustrierung dieser Ausfüh-
rungen lasse ich unten einige Beispiele von solchen Präskripten folgen
(103 bis 107).^)
Es entspricht der oben gekennzeichneten Kirchenpolitik, daß, wäh-
rend die Regierung anfangs mit der Verleihung der Asylie an ägyptische
Tempel sparsam war (s. S. 96), die Altäre des Königs von vornherein und
überall Asylierecht gehabt zu haben scheinen. Vgl. Spiegelberg, Dem.
Pap. von Cairo 30698 (S. 118) aus der Zeit des Euergetes I: „ich gebe
es Dir außerhalb des Altars des Königs und der Schutzstätte (= Asyl)".
Endlich ist noch hinzuzufügen, daß einzelne Königinnen noch eine
besondere eponyme Priesterin in Alexandrien bekommen haben, die
gleichfalls in den Aktpräskripten mit genannt wird, wie die κανηφόρος
^ΑρουνοΎΐς Φιλαδέλψον (seit 267/6 belegt), die ά^λοψόρος Βερενίκης Ενερ-
γέτυδος (seit 211/0 belegt), die Ιέρεια Ιέρΰίνόης Φίλοπάτορος (seit 199/8
belegt), denen im IL Jahrh. sich noch einige weitere anschließen. Zu
diesen wie zu den entsprechenden Kulten in Ptolemais vgl. Otto I 157 ff.,
185 ff., 195 ff., Plaumann, Ptolemais 39 ff.
Daneben sind manche Königinnen im Privatkult mit griechischen
Göttern, wie Αφροδίτη j geglichen worden. Dahin gehört die berühmte
1) Selbstverständlich können sie daher auch nicht von den ägyptischen Priestern
verliehen sein. Stracks Bemerkung, Dyn. d. Ptol. 128, 1, beruht auf Mißverständnis
meiner Worte.
2) Sie treten als sechster Name hinter die bekannten 5 Königsnamen des Pharao,
und das ist völlig unägyptisch.
3) Vgl. Wilcken, Hermes 22, 7 iF.
4) Für diese Aktpräskripte, die uns sowohl griechisch wie demotisch vorliegen
und die manche schwierige Probleme bieten, verweise ich namentlich auf Lepsius,
Abh. Berl. Akad. 1852; Otto, Priester u. Temp. I 137 £F.; Laqueur, Quaestiones epigr.
et papyrolog. sei. (1904), 31 iF.; Plaumann, Ptolemais in Oberäg. (1910), 39 fiF.
Α. Ptolemäerzeit. § 3. Sarapis. 101
Stiftung des KaUikrates aui* dem Vorgebirge Zephyrion. ^) Vgl. auch das
bescheidenere τέμενος in Petr. III n. 1 II und das ίερον der Συρία d-ebg
und ΆφροΟίτη Βερενίκη in Magd. 2 (101). Privatkult wurde auch in
den griechischen Kultvereinen getrieben, deren Spuren für diese Zeit
bisher nicht allzu zahlreich sind.*)
§ 3. SARAPIS.
Dem Sarapis wird hier ein besonderer Platz angewiesen, da er,
zwischen den griechischen und den ägyptischen Göttern stehend, eine ganz
eigene Rolle in der Religiousgeschichte dieser Zeit gespielt hat.^) Ich habe
schon oben S. 93 meine Ansicht über den Sarapis kurz angedeutet, indem
ich sagte, daß die Einführung des Sarapis und seine Gleichsetzung mit
Osiris-Apis im Verfolg der ptolemäischen Religionspolitik durchgeführt
ist, zu dem Zweck, Griechen und Ägypter einander auf religiösem Gebiet
nahe zu bringen. Es ist hier um so weniger meine Absicht, von dem
sehr verwickelten und nach meiner Ansicht im letzten Punkte noch un-
gelösten Sarapis-Problem eine ausführlichere Darstellung zu geben, als ich
in den .^Urkunden der Ptolemäerzeit^' in kurzem eine solche bieten werde.
Doch darf eine kurze Skizzierung der Frage deswegen hier nicht unter-
lassen werden.
Während die Tempellegende (bei Tacitus und Plutarch) von einer
Einführung des Gottes aus Sinope spricht, wurde von manchen seit
ChampoUion Σαράτης vom ägyptischen Osiris-Apis, dem zum Osiris ge-
wordenen toten Apis von Memphis, abgeleitet, und der Gott daher für
einen rein ägyptischen gehalten, während wieder andere neuerdings an-
nahmen, daß der Sarapis aus diesem Osiris-Apis heraus zu einem helleni-
stischen Gotte entwickelt worden sei. Diesen beiden Hypothesen gegen-
über habe ich nachgewiesen, daß der Name Σαράπις nicht aus Όόυράπίς
abgeleitet werden kann, sondern ein selbständiger, und da er in Ägypten
unbekannt ist, u η ägyptischer Gottesname ist.*) Damit wird nicht nur
der ersten, sondern auch der zweiten Hypothese der Boden entzogen,
denn für jenen „hellenistischen" Sarapis kann der Name niclit frei er-
funden sein. Hiernach halte ich für erwiesen, daß — entsprechend dem
Grundgedanken der Legende — der Sarapis von Ptolemaios I aus dem
Ausland eingeführt ist. Hier ist er dann von vornherein im Kult mit
ilirii Osiris-Apis verschmolzen worden, um den Zwecken der königlichen
1; Vgl. l'uuIy-WiHiowa II Sp. 1S81 und 1286.
2) Vgl. Otto 1 166. Im allgemeinen Kant II 280.
8; Auch wenn er, wM bii jetzt nicht erwiefen iiit, lu den orientaliichen OAttrrn
gehören lollte, so wflrde "r nun 1i*t/ti.rnmUrande hier eine SondenieUuog beantpruchen
dfirfen.
102 Kapitel II. Religion und Kultus.
Religionspolitik dienen zu können. So nennen bilingue Texte den Gott
im griechischen Teil Σαράπις^ im ägyptischen Osiris-Apis.^) Woher der
Sarapis gekommen ist^ ist noch nicht aufgeklärt; der Versuch, ihn vom
babylonischen sar-apsi (Ea) abzuleiten, hat mich nicht überzeugt.")
Der Hauptmittelpunkt für den neuen Kult wurde das Serapeum zu
Alexandrien. Der Synkretismus tritt uns hier darin deutlich entgegen,
daß einerseits das Kultbild von der Meisterhand des Bryaxis einen grie-
chischen Gott darstellte, andererseits ein Apisstier hier verehrt wurde. ^)
Außerdem war von besonderer Heiligkeit das von Mariette entdeckte
Serapeum am Wüstenrande westlich von Memphis, wo seit alten Zeiten
die heiligen Apisstiere als Osiris-Apis bestattet wurden.*) Hier schloß
sich nun an das alte Heiligtum ein Tempel des neuen Gottes an. Aus
diesem μέγα Σαρατΐΐεΐον^ wie das manche einzelne Kapellen und Tempel
umschließende Gesamtheiligtum genannt wurde, sind uns die schönen
„Serapeumspapyri" erhalten (IL Jahrh. vor Chr.), die uns einen so tiefen
Einblick in das Leben und Treiben in diesem Heiligtum gewähren. Da
ich übers Jahr eine neue Gesamtausgabe und Erklärung dieser Texte in
den „Urkunden der Ptolemäerzeit" herausgebe, beschränke ich mich darauf,
hier nur eine Probe in Lond. I S. 30 (97) vorzulegen. Aus demselben
Grunde sei aus den reichen Nachrichten über den Kult im Sarapeum nur
eine Eigentümlichkeit hier erwähnt, die ebenso wie das Sarapisproblem
verschieden aufgefaßt wird, nämlich die κάτοχου^ jene Sarapisverehrer, die
während der κατοχή den Tempelbezirk nicht verlassen durften. Man hat
in ihnen lange Zeit „Eingeschlossene", „Klausner" gesehen, und Wein-
garten hat daher die christlichen Mönche auf sie zurückführen wollen.^)
Auf den richtigen Weg hat schon Letronne geführt, indem er sie als
1) Vgl. auch Arch. IV 207/8 und 247. Otto II 268, 5 hat mich mißverstanden. —
Wohl noch aus der Zeit vor Einführung des Sarapis stammt der „Fluch der Arte-
misia" (Wessely, Kais. Samml. S. 4 ff.), den ich in den „Urkunden der Ptolemäerzeit"
neu herausgeben werde. Vgl. Arch. V 229.
2) So Lehmann-Haupt seit längerer Zeit, jetzt wieder bei Koscher s. v. Sarapis.
3) Vgl, Bottis Fund der Apisstatue (zwar aus hadrianischer Zeit). Auch die
Erzählung bei Dio Cass. 51, 16, 5 setzt m. E. für Alexandrien den Apiskult voraus. —
Auch in Priene war der Sarapiskult mit der Verehrung des Apis verknüpft. Vgl.
Hiller v. Gärtringen, Inschr. von Priene 195 und dazu meine Bemerkungen im Arch.
IV 207/8. Vgl. auch die Darstellung eines Sarapeums aus Italien bei Erman, Ägypt.
Religion"^ S. 288. Sonst selten.
4) Macrobius sat. 1, 7, 14 sagt: nuUum Aegypti oppidum intra muros suos aut
Saturni aut Sarapis fanum recepit. Wenn seine Begründung mit den blutigen Opfern
auch verkehrt ist, da die Ägypter solche seit alten Zeiten kannten, so ist doch jene
topographische Beobachtung zu prüfen. Für Memphis war das extra muros durch
die Apisgräber gegeben. In Alexandrien liegt das Serapeum in der Rhakotis. Ist
die Beobachtung des Macrobius richtig, so wird sie durch den Charakter des Osiris-
Apis zu erklären sein.
5) Die „Zelle" scheint unausrottbar zu sein. Auch Lehmann - Haupt 1. c. 362
bringt sie wieder.
Α Ptolemäerzeit. § 4. Ägyptische und gräco-ägyptische Kulte. 103
,,vom Gott Besessene" deutete, und neuerdings ist diese Ansicht wieder
von Preuschen^) verfochten worden. Wie ich auch sonst in der Deutung
der Serapeumstexte ihm vielfach nicht folgen kann, so hat er auch das
innere Wesen der κατοχή m. E. noch nicht richtig erklärt. Vorläufig
muß ich mich auf diese Andeutungen und die Bemerkungen zu 97 be-
schränken. Auch über die δίδνμαι^ die im Dienst des Serapeums (und
zwar des Osiris-Apis) standen, behalte ich mir vor, in den „Urkunden der
Ptolemärzeit" zu handeln.^)
Auch außerhalb von Alexandrien und Memphis hat der neue Kult
sich bald im ganzen Lande verbreitet. Bemerkenswert ist, wie der Ι^ίράπις
den OöiQig mehr und mehr verdrängt hat, an dessen Stelle er schon früh
neben Isis trat.^) Mit Isis vereint hat er dann auch seinen Siegeszug
durch die Welt angetreten.**)
§ 4. ÄGYPTISCHE UND GRÄCO-ÄGYPTISCHE KULTE.
Die Religion der Ägypter ist mit den Formen und Gedanken, die sie
seit der Saitenzeit entwickelt hatte, in die Periode der griechischen Herr-
schaft eingetreten.^) Die Lektüre von Herodots DarsteUung der ägypti-
schen Religion, die namentlich durch ihre lebendige Beobachtung von den
Kultsitten seiner Zeit eine wertvolle Ergänzung zu den nationalen Tradi-
tionen bietet, ist als Einleitung für das Studium der Papyri sehr zu
empfehlen, um so mehr als der von Herodot geschilderte Zustand sich
bis zum Beginn der Ptolemäerzeit kaum geändert hat, so daß gerade
durch eine Vergleichung mit Herodot uns die Neuerungen der hellenisti-
stischen Zeit recht deutlich ins Auge springen.
Bekanntlich bildeten damals die Gaue, wie für die Verwaltung, so
auch für die Religion, Einheiten, denn jeder Gau hatte seinen eigenen
Sondergott, der in dem Hauptheiligtum der Metropole als Hauptgott (oft
neben anderen) verehrt wurde. Steindorff hat zwar kürzlich darauf hin-
1; Monchtum uiui Sarapiskult, 2. AuH., (Üeiien liiuj. \ gi Arch. iil \\Λ Ihm
Hchließt eich auch Otto I UUtf. in diesem Punkte un, ebenso auch Sudhoff, Ai/tli( lu»e
h. Papjrusurkunden ä. 222. Ge^en diese Auffassung wendet sich neuerdings
in, \ίζ\. unten zu Nr. 07.
2; Vgl. i)iU> I 116 ff.
3) Cumonts Aneirbt (1. c. 8. 02), daß durch die Einfahmng de• Sarapis der
iskult erneunrt mm, ist nicht ganz zutreffend. Aber vom Otirii-Apia aus war
' : <lie Brücke zum Οη'χτϊη ^'CHchlagen.
4) über die schon fnih•• .\uH)»n>itung in der griechiichen Welt vgl jeisi A. Rusch,
De 8arapide et leide in (iroecia (Miltis. Borl. Dies. 1906.
6) Vgl. Ad. Krmau, ÄgyptiHrhe Religion, 2. Aufl., 8. 186 ff. und 915 ff.; auch
Rd. Meyer, Gesch. d Altert. I' ifür di•• alten Zeiten) und Oeech. Ägypten• (bei Onokea).
Von älteren Arbeitim hab<>n namentlich die von Letronne (•ο im ReoneU d. inaeript eto.)
ti h immer ihren groUen Wert. Auch K. Kuhn, Stftdt u. bOrgerL VerflM•. de• rOm.
i-' hni II (1806), 466 ff. int für uniiere Studien natxlich.
IQ^ Kapitel II. Religion und Kultus.
gewiesen, daß in älteren Zeiten dieser Sondergott nicht als der des Gaues,
sondern der der Stadt bezeiclinet wird^), aber jedenfalls für die jüngeren
Zeiten gilt, daß der Stadtgott auch Gaugott ist. Klar tritt diese Vor-
stellung bei Herodot II 42 entgegen: „0(?ot μίν dij ζίώς Θηβαιέος ΐδρνν-
ται ίρον η νομον τον Θηβαίου είοΐ und oöol dl τον Μενδητος εκτηνταν
ϊερον r) νομον τον Μενόηοίον εΐύί^ und in einem Papyrus aus dem An-
fang des III. Jabrli. n. Chr. wird bei το]ν τον νομον ^εόν geschworen^),
womit der Herakles des Herakleopolites gemeint ist. Dieselbe Vorstellung
lag auch vor, wenn Ptolemaios II das Faijum, den Κροκοδίλοπολίτης,
zum ^Αροινοΐτηξ machte, während die Metropole zunächst nach wie yor
Κροκοδίλων τίόλΐξ hieß: Arsinoe war damit zur Gaugöttin erhoben.^)
Außer diesem Zentraltempel des Gaues gab es in der Metropole, wofür
die Papyri zahlreiche Belege bringen, auch noch andere Tempel. Anderer-
seits hatten aber auch die Dörfer ihre eigenen Tempel, je nach der Größe
des Dorfes in verschiedener Zahl. Man lese z. B. den Index von Teb. I
S. 615, wo mehrere solcher Dorfgötter (z. T. direkt als ^εος της κώμης
bezeichnet) aufgezählt werden. Abgesehen von den direkten Nachrichten
der Papyri über die Götter kann durch methodische Forschung, die frei-
lich ägyptologischer Kenntnisse nicht ganz wird entraten können, aus
den Personennamen noch viel wichtiges Material für die Religion gehoben
werden.*) Da die Ägypter wie die Griechen ihre Kinder gern nach den
Ortsheiligen nannten, so spiegeln sich, wie ich im Archiv schon öfter
hervorhob, nicht nur die Götterwelt im allgemeinen, sondern im besonderen
die Lokalkulte in den Eigennamen der einzelnen Gemeinden wieder. Wird
eine neue Papyrusfundstelle bekannt, so faUen uns sogleich die neuen
Namen der Bewohner auf, die dann vielfach eben auf die lokalen Gott-
heiten zurückzuführen sind — wie wir es kürzlich auch wieder bei
Heptakomia erlebt haben. Ja, ein guter Kenner kann eventuell aus den
Personennamen, wenn sie in genügender Zahl vorliegen, die Herkunft eines
Textes erschließen. Wie sich so Aufschlüsse über die einzelnen Götter
gewinnen lassen, so auch über die Verbreitung der Kulte im Lande.
Diese sehr wichtige Frage kann um so eher mit Aussicht auf Erfolg in
Angriff genommen werden, als wir es mit einer Bevölkerung zu tun
haben, die normaler Weise an die Ιδία gebunden war. So sind die vielen
Tausende von Personennamen^), die uns die Papyri beschert haben, ein
Schatz für den Religionsforscher, der aber noch zu heben ist. Wird er
1) Die äg. Gaue in Abh. Sachs. G. Wiss. 1909, 881.
2) Stud. Pal. I S. 28, 26.
3) Freilich in der Form, daß sie nicht den alten Suchos verdrängte, sondern
neben ihn trat. Ygl. Petr. III 126 S. 315 und dazu meine Bemerkungen bei J. G.
Droysen, Klein. Schrift. II 4.S5.
4) Vgl. Spiegelberg, Arch. I 339.
5) Selbstverständlich auch die nach Göttern genannten Ortsnamen.
Α. Ptolemäerzeit. § 4. Ägyptische und gräco-ägyptische Kulte. 105
gehoben, und werden überhaupt die Urkunden für die Religionsgeschichte
Ägyptens systematisch durchgearbeitet, wozu bisher nur Ansätze vorliegen,
so läßt sich für Ägypten eine topographisch geordnete Übersicht über
die Tempel, Götter und Kulte gewinnen wie für kein anderes Land der
alten Welt. Die topographische Basis wird aber um so notwendiger sein,
als nur dann die landschaftlichen Unterschiede, die auch schon Herodot
betont, hervortreten werden.^)
Als besonders charakteristisch für diese Zeit darf die seit der saiti-
schen Periode immer mehr zunehmende Bedeutung des Tierkultes be-
zeichnet werden.^) Wie schon zu Herodots Zeiten (vgl. II 46,10. 65 ff.)
wurden nicht nur einzelne besonders gezeichnete Exemplare als heilig
verehrt^), sondern alle Vertreter der Gattung galten in dem betreffenden
Gau als heilig. Daher stammen die vielfach aufgedeckten Massengräber
von Katzen, Ibissen, Falken usw., daher auch die Krokodil -Nekropolen
im Faijüm, denen Grenfell und Hunt glücklich die Tebtynis-Papyri ent-
nommen haben. Λ^οη solchen Krokodilgräbern handelt eine auch sonst
für den Tierkult interessante Inschrift, die Lefebvre küi-zlich ediert hat (70).
Während sonst die Verehrung der einzehien Tiere sich auf bestimmte
Gaue zu beschränken pflegte, waren die schon seit dem alten Reiche
heiligen Stiere von Memphis und Heliopolis, der Apis und der Mnevis,
durch das ganze Land Gegenstand der Verehrung."*) So tritt auch die
Fürsorge der Könige für diese beiden heiligen Tiere in unsern Urkunden
besonders deutlich hervor. Vgl. für Ptolemaios I (als Satrapen) Diod. I 84, 8;
für Euergetes I das Dekret von Kanopos Z. 9; für Epiphanes das Dekret
von Rosette Z. 31; für Euergetes U Teb. 5, 77 f. (65). Weiteres Material
zu dem Kult dieser Tiere bieten die memphitischen Papyri, die ich in
den „Urkunden der Ptolemäerzeit" neu behandeln werde. Erst wenn sie
gestorben und feierlich bestattet waren, galten diese heiligen Tiere als
mit Osiris vereinigt — Όόοράπις und Όΰορομνενις^) — und so als Götter,
während sie vorher nur Ιερά ζώα gewesen Λvaren. S. unten Nr. 85. Die
gelegentlich geäußerte Ansicht, daß nur diese beiden Tiere zu Osiris ge-
worden*), ist nicht zutreffend: nicht nur der heilige Stier τοη Hermon•
this, Βονχις, wird zum Όβορβοϋχίς''), sondern auch der heilige Ibis, wie
aus dem Namen Σενοόορφιβις zu folgern ist (Tor. I ö, 8 usw.), auch das
Krokodil Σονχος^ wie der Name Παυόορόονχος ergibt, den ich in einem
iinedierten Louvrepapyrus kopierte.^) Umgekehrt darf man sohließen, daB,
1; V^l I{o^ti>w/.. w, (i.tt ()9, βΟβ. 2) Vgl. Ad. Erman I.e. 197 f.
Aui di«• Epiphanio tieM ntuigcn Exemplare• (vgl. Herodot III 27) weist die in
18Ö4, 136 f. ?oo mir behandelte Petefucbof-Intchrift bin (Πιτ^βοΟχον 9t6v μ4'
yui• τόν ix' αύτοδ φανίντα).
4) Vgl. Herodot lU 27 f. i: 1 i
β; Vgl. K. Kcvillout, Rev. Kg. VI 144 l ,.. ll..v \r ( 1 . ..' tf
H) Im allgemeinen Tgl. auch Diod. I *Jl
106 Kapitel Π, Religion und Kultus.
WO ein Gottesname mit Όΰορ- zusammengesetzt ist, es sicli um ein kon-
sekriertes heiliges Tier handelt, denn zu Osiris kann nur werden, wer auf
Erden gelebt hat — wie die Menschen. So führt der aus Manethos be-
kannte und viel gemißhandelte Name Όοαροηφος (Jos. c. Ap. I 26 § 238)
auf ein heiliges Tier Σήφ. ^) Für den Tierkult vgl. z. B. den Index zu
Teb. I S. 615f.; da bezieht sich auf den Ibiskult das Ιβυοταφεΐον, die
Ιβίων τροφοίί^ auf den Falkenkult die ίερακεΐα^ auf den Widderkult ^) der
κρυοτάφος, auf den Krokodilkult das κροκοοει,λοταφεΐον usw. Zu letzterem
vgl. auch Teb. 57 (69). Daß nicht erst zu Strabos Zeit die Fütterung
der heiligen Krokodile im Faijum ein Hauptvergnügen für die Fremden
war, zeigt Teb. 33 (3), wonach auch dem reisenden Senator L. Memmius
im J. 112 V. Chr. das Schauspiel geboten werden sollte. Der gelegent-
liche Streit der Nachbargaue um der heiligen Tiere willen ist namentlich
durch Juvenals XV. Satire bekannt geworden.^)
Charakteristisch für die ägyptische Religion dieser Spätzeit ist ferner
die göttliche Verehrung von berühmten Männern des ägyptischen
Altertums. Daß Ίμov^'ηgJ der als Sohn des Ptah verehrt wurde, ur-
sprünglich der Baumeister des Königs Doser gewesen ist, hat uns Sethe
gelehrt.*) Neben ihm wird in dem von Ptolemaios IV erbauten kleinen
Tempel von Der el-Medine (auf dem Westufer Thebens) der weise
Amenhotep göttlich verehrt, der einst der Baumeister Amenhotep ΠΙ ge-
wesen war.^) Ihm, „dessen Sprüche nicht vergehen", sind im III. Jahrh.
V. Chr. griechische Weisheitssprüche zugeschrieben worden, die uns ein
thebanisches Ostrakon erhalten hat.^) Andererseits wurde er als Heilgott
dort neben ^Α6κλΎΐ%ιός (= Imuthes) und der 'ΤγΙεια verehrt.') Auch der
im Faijum verehrte Gott Πετεόοϋχος dürfte ursprünglich eine menschliche
Gestalt der Vergangenheit gewesen sein.^) Und wenn wir in dem Namen
Φραμηνυς^), wie ich vermute, keinen Geringeren als den „Pharao Menis'^,
den ersten König der I. Manethonischen Dynastie sehen dürfen, so können
wir auch für die Ptolemäerzeit seinen Kult für das Faijum annehmen,
wie ich ihn für die Kaiserzeit im Arch. IV 244 nachgewiesen habe (hier
1) Derselbe steckt auch in dem Dorfnamen Κερκεσήφις. Zu diesen Bildungen
vgl. lg. Z. 1883, 162.
2) Hiefür vgl. vor allem die Mendesstele (Sethe II 28 if.).
3) Ygl. weiteres bei Kuhn, Bürgerl. u. städt. Verfassung II 470 f.
4) Untersuch, z. Gesch. Äg. II 4. Vgl. Arch. II 467.
6) Vgl. Sethe in Aegjptiaca, Festschr. f. G. Ebers (1897) 106 ff.
6) Wilckenin Aegyptiaca, Festschr. f. G. Ebers, S. 142 ff.
7) Vgl. die Graffiti von Der el-bahri bei C. R. Peers, Journ. Hell. St. XIX (1899)
13 ff. Ein Proskjnema τταρά τω τινρίω ^εω Άσ^ληταω καϊ Άμενώ^•7] καΐ 'Τγιεία. Vgl.
auch Milne, Cat. Gen. Cairo (Greek Inscr.) n. 9304 S. 37/8.
8) Vgl. meinen Aufsatz in Äg. Z. 1884, 136 ff. über den Labyrintherbauer
Petesuchos.
9) Teb. I 24, 92. 84, 23, 26 usw.
Α. Ptolemäerzeit. § 4. Ägyptische und gräco-ägyptische Kulte. 107
Πραμηνίς). Dieser steht parallel dem Kult des Πραμαρρηζ^ d. h. des
Pharao Amenemhet ΙΠ (XII. Dynastie)^), dessen Kult nach der Hawara-
stele mit Suchos verbunden erscheint.-)
Aber auch ihre lebenden Griechenkönige haben die Ägypter in alter
Weise göttlich verehrt, und haben die Priester mit denselben altheiligen
Königstitulaturen und -namen bedacht wie die der früheren Dynastien.*)
Die Dekrete von Kanopos und Rosette sind voU von solchen den Königen
erwiesenen göttlichen Ehren. Die Göttlichkeit des Königs tritt uns auch
in dem Eid beim König entgegen (ορχος βαοιλιχός), der im öffentlichen
Leben eine große Rolle gespielt hat. Vgl. z. B. Petr. II 46 (HO). Grie-
chische Übersetzungen jener ägyptischen Königstitulaturen begegnen uns
zuerst unter Philopator auf einem Münchner Papyrus (109), was wohl als
ein Zeichen des beginnenden Einflusses der Ägypter auf die Hegierung
aufgefaßt werden darf \'gl. oben S. 9Γ). Mit dieser neuen Richtung
wird es auch zusammenhängen, wenn wirklich, wie ich vermutete, Philo-
pator zuerst die Königskrönung nach ägyptischem Ritus eingeführt hat.
Vgl. S. 21.
Während aUe bisher besprochenen Erscheinungen rein ägyptische
sind, treten daneben nun synkretistische auf, die für die hellenistische
Zeit charakteristisch sind. Dahin gehört einmal die schon oben erwähnte
Tatsache, daß die nach griechischem Kult apotheosierten Könige und
Königinnen, also die ^εοΐ Αδελφοί^ Ενεργέταυ usw., als όννναοι ^εοί dem
Kult der ägyptischen Hauptgötter angeschlossen wurden*), so dem Άμον-
ραόον^ήρ von Theben, der ^löig von Philä usw. Diese Ehrung des
Königshauses konnte von den ägyptischen Priestern beschlossen werden.*)
So haben im Dekret von Kanopos die Priester bestimmt, nicht (wie
manche herausgelesen haben), daß die Könige zu d-εοΐ Εύεργεται werden
sollten, sondern, daß der Kult der (bereits bestehenden) ^aoV Εύεργε-
ται allen Tempeln angegliedert werde (Z. 22 f ). So sind also griechische
Götter den ägyptischen an die Seite getreten.
Noch entscheidender aber für die synkretistische Entwicklung hat es
gewirkt, daß der schon vor Herodots Zeit*) im Fluß befindliche Prozeß
der Gieichsetzung der alten Griechengötter mit den ägyptischen
1; Vgl RubeiiHohn, Äg. Z. 42 (1906), 111 ff. und dazu Wilcken, Arch. IV Jll f.
2) Hierdurch crklüro ich jetzt die Nachricht HerodoU II ÜB, dafi die anteren
Räume des Labyhnthe (de• Totentempel• dea Marröe) mit Krokodilmumien aneefdUt
gewesen leien.
8) Vgl. etwa Lppiiine, KOnigabucb; Sethe, Hierogl Urkunden der grieoh. Zeit I. Q.
4) Vgl. Wilcken. Herme• SS, 7 ff.
b) Andererieit« int π• nach der Mendee^tele der KOnig, der befahl, daft da•
Bild «einer Hchweitei in allen (ftgyptieohen) Tempeln aofgeetellt werde. Vgl. Seihe,
Hierogl. Urk. II 41.
6) Vgl. li 60 und paedm. E• iat «chon flkr Hekataio•* Zeil antonehmen.
IQQ Kapitel IL Religion und Kultus.
immer weitere Fortschritte gemacht hat. Während z. B. Herodot II 50
die Hera und Hestia noch zu den Göttern rechnet, die die Ägypter nicht
kannten, finden wir sie im IL Jahrh. v. Chr. mit Katarraktengöttinnen ge-
glichen: "Ηραί τψ καί Σάτει Tcal Έοτίαι τψ κκΐ 'Avovxsl^)j wofür man
einige Dezennien später — mit fortschreitender Agyptisierung — Σάτει
τψ καΐ 'Ήραι καΐ ^Ανονκει τψ και Έοτίαι sagt.^) Wenn man sieht, wie
hier Hera und Hestia diesen ursprünglich nubischen Gottheiten gleich-
gesetzt sind, mit denen auch nicht die geringste Verwandtschaft sie ver-
band, so kommt man auf die Vorstellung, daß diese Identifizierungen
staatlicherseits systematisch betrieben oder doch gefördert worden sind.^)
Es würde dies ganz in der Richtung der Religionspolitik liegen, die zur
Einführung des Sarapis und seiner Gleichsetzung mit dem Osiris-Apis ge-
führt hat. Jedenfalls mußte diese religiöse Ausgleichung die Annäherung
der beiden Völker befördern. , Freilich haben die Griechen bei dieser
Mischung den kürzeren ziehen müssen, denn sie sind dadurch mehr und
mehr dem ägyptischen Kult zugeführt worden. Wenn z.B. in dem Tempel
Yon Kom-Ombo angeschrieben stand: Άροήρει ϋ^εώο μεγάλωι Άτίόλλωνι^),
so war, wenn auch die hier betenden Griechen zunächst noch an ihren
Apollo dachten, der Kult hier doch ein absolut ägyptischer, und ebenso
in aUen ähnlichen Fällen. ^) Während es zunächst Sitte war, wie in den
angeführten Beispielen, die beiden gleichgesetzten Gottheiten — meist mit
ό και verbunden — in einem Doppelnamen zu nennen, wurde oft genug
auch nur einer von ihnen genannt, und darum ist es, wie oben S. 96f.
ausgeführt wurde, oft so schwer, von einem einzelnen griechischen Götter-
namen zu sagen, ob er wirklich zu einem griechischen oder aber zu
einem ägyptischen Kult in Beziehung steht. Die Beispiele für diese
gräco-ägyptische Göttermischung sind derartig über unser Papyrusmaterial
hin zerstreut, daß ich hier auf die Vorführung spezieller Belege verzichte;
unsere Chrestomathie bietet FäUe genug.
Fragen wir nach dem inneren Verhältnis des Gläubigen zur Gottheit,
so liegen uns aus der römischen Zeit einige eigenartige fetischistische
Züge vor, die gewiß auch für die Ptolemäerzeit gelten, die ich aber doch
erst im römischen Abschnitt besprechen möchte (s. S. I24f.). Im übrigen
haben die Menschen auch hier in der Hauptsache zwei Dinge von der
Gottheit zu erlangen gesucht, Gesundheit resp. Heilung von Krankheiten
und Auskunft über die Zukunft. Die Götter, die im Volk Ansehen haben
woUten, mußten mehr und mehr Heilgötter und Orakelgötter werden.
Wo die besten Kuren gemacht wurden und die sichersten Orakel gegeben
1) Dittenberger, Or. Gr. I 111. 2) Dittenberger 1. c. 130.
3) So vermutete ich bei Besprechung der Stele von Assuan (Wochenschr. f. kl.
Phil. 1888 S. 9 S. Α.).
4) Dittenberger, Or. Gr. I 114. 5) So richtig Otto I 6.
Α. Ptolemäerzeit. § 4. Ägyptische und gräco-ägyptische Kulte. 109
wurden, dorthin vor allem wendeten sich die Wallfahrer. Wie schon
in alten Zeiten in den ägyptischen Tempeln wirkliche Heilkunde und
öder Zauberschwindel nebeneinander getrieben wurden, so wird es auch
jetzt gewesen sein. Von einer glücklichen Heilung durch den Gott
Soknopaios spricht Amh. 35 (68), vom Aufenthalt in einem Isistempel
des Faijüm zu Kurz\vecken spricht Teb. 44 (118).^) Auch der weise
Amenhotep war zum Heilgott geworden (s. S. 106 Anm. 7). Von den Ge-
beten an die Götter um Gesundheit der Augehörigen zeugen viele Brief-
eingänge: „Wenn Du gesund bist, εϊη αν ώg εγώ zolg d^eotg ευχόμενος
διατελώ''' ο. ä. Vgl. Witkowski, Ep. priv. 11. 12. 26. Vgl. auch χάρις
τοις θ•£οΓ^, εί νγαίνείς, ebenda 13. Ahnlich 14 {9•εώί). Die προΰχννημα-
Formel begegnet erst in der Kaiserzeit. Andererseits handeln von Träumen,
durch die die Gottheit den Inkubanten eventuell Weisungen für die Zu-
kunft gibt, einige der Serapeum- Papyri, deren Besprechung ich mir für
die „Urkunden der Ptolemäerzeit" vorbehalten muß.-) Vgl. außerdem
Goodsp. 3 (50). Ein reicheres Material für Orakelanfragen liegt uns —
>vohl nur zufällig — erst für die Kaiserzeit vor (s. unten S. 125).
Auf die religiösen Feste nehmen die Papyri vielfach Bezug. Ab-
gesehen von den Urkunden mache ich auf die hierfür sehr interessanten
Angaben in dem saitischen Kalender (Hib. 27) aufmerksam.
Neben dem offiziellen Kult ägyptischer Götter hat es auch privaten
Kult gegeben. Für ihn scheint mir Dekret von Rosette Z. 52 — 53 von
besonderer Wichtigkeit zu sein. Auch ägyptische Kultvereine treten
uns entgegen.^) Bei dem starken Synkretismus der jüngeren Zeit kann
es oft strittig sein, ob wir einen ägyptischen oder einen griechiechen
Verein vor uns haben.
Über die Stellung der Regierung zu den ägyptischen Tempeln ist
echon oben S. 93 ff. gesprochen worden. Es erübrigt noch, auf die Orj^m
nisation der Tempel und der Priesterschaft kurz hinzuweisen.*) Die
ägyptischen Tempel — abgesehen von den Privatheiligtümern — zerfielen
offiziell in Tempel erster, zweiter und dritter Ordnung, was schon aus älterer
Zeit herübergenommen sein mag.*^) Ein Verzeichnis der „kleineren" Tempel
des Dorfes Kerkeosiris bietet Teb. 88 (67). Wie diese Tempel, so war
iiiu'.li iluft m'siirnfc Priesterschaft nach einheitlichem System organisiert.
1) Im aügcmoinen vgl. jetzt SudhotT, Är/.tli< lir^ uih ^rii''ch. Papyrnturkunden
1001», 213 ff.
2) Vgl. Sudhof! 1. c. Koitzenetoin• AuifühninK• π in „I L'Uenift MytteridDraligJon^
7ß beruhen z. T. auf irriguii LtrHungen.
3) Otto I 125 ff. Vgl. jetzt die wichtigen Statuten von KoltgenoMenfohaften,
die Spiegelberg aus den dem*• »''- »»■^• • -- von Cairo heraoagegebtn hat (Cai
Ούη^τΛ] i\. Ant. ßgypt. IWH).
4) Vgl. die auefilhrlicheii iMru-giingrii vnn Otto I 17 ff. Daitt Rottowtew L C
r>) Dekr. v. KanopoH Ζ 60 ff, RoMtte Z. 64, Teb. I 8. eiAf. Otto I 18 ff.
IIQ Kapitel II. Religion und Kultus.
Gleicliwolil gab es damals, wie wir oben S. 94 sahen, keine andere dauernde
einheitliche Leitung als die von dem König, der auch in ihrer Religion
selbst Gott war, in Anspruch genommene. Freilich wurde es den Prie-
stern erlaubt, in Priesterversammlungen, die von den sämtlichen Tempeln
des Landes beschickt wurden, zusammenzutreten^), aber die Kompetenzen
dieser Versammlungen waren sehr beschränkte — in den uns bekannten
FäUen handelt es sich nur um neue Ehren für das Königshaus^) — , und
diese Versammlungen unterstanden selbstverständlich der Kontrolle der
Regierung. Es ist mir daher auch zweifelhaft, ob die bisherige Auffassung,
die in diesen Synoden nur die Ausübung eines wichtigen Korporationsrechtes
sieht ^), in dieser Allgemeinheit zutreffend ist. Ich möchte dem gegenüber
zur Prüfung die These aufstellen, daß diese Priesterversammlungen ur-
sprünglich gerade von der Regierung gefördert worden sind, um die
Priester ihre Königstreue dokumentieren zu lassen und damit ihre Ab-
hängigkeit vom Staat zu befestigen. Auch in dem jährlichen κατά^λονς
sig ^λεζάνδρείοίν^) möchte ich in erster Reihe einen Zwang zur Teil-
nahme der Vertreter der Priesterschaft an der Königsgeburtstagsfeier
sehen. ^) Es war eine Schwächung der königlichen Position, wenn Epi-
phanes hierauf verzichtete. So sind denn auch damals die Priester aus
Anlaß der ägyptischen Königskrönung zusammengekommen, in der der
Sieg des Nationalismus hervortritt. Ahnlich mögen auch bei den späteren
Königskrönungen solche „Synoden" stattgefunden haben, aber der Schwer-
punkt ihrer Beschlüsse liegt schon im Dekret von Rosette — und damit
erklären sich die oben S. 95 hervorgehobenen Unterschiede vom Dekret
von Kanopos — in der Aufzählung und Festnagelung der zahlreichen
Privilegien und Erleichterungen, die sie beim König durchgedrückt hatten.
Diese Priestersynoden sind neben anderen Argumenten neuerdings
für die Berechtigung, von einer ägyptischen Kirche im strengen Sinne
des Wortes zu sprechen, verwendet worden.^) Zu den schon von anderer
Seite erhobenen Einwendungen und Beschränkungen^) kommt für mich
noch dazu, daß die Götter Ägyptens keine Einheit bilden^), daß es über-
haupt keine einheitliche Lehre gibt^), die wie in den anderen Religions-
1) Vgl. vor allem die beiden Dekrete von Kanopos und Rosette,
2) Die Ordnung des Kalenders im Dekret von Kanopos soll auch nur der besseren
Durchführung solcher Ehren dienen.
3) So neuerdings namentlich Otto I 72 ff. II 283. 4) Rosette 16/7.
5) So Lepsius, zustimmend Wilcken, Hermes 23, 602. Dagegen Otto I 73 will
auch hierin in erster Reihe ein Recht zur Beratung gemeinsamer Angelegenheiten
sehen. Für letzteres finde ich überhaupt kein Beispiel.
6) Otto II 281 ff.
7) Schubart, Lit. Zentr. 1909, Sp. 68ff.; Rostowzew, GGA 1909, 603 und nament-
lich 635 f.
8) Vgl. Arch. V 250.
9) Vgl. die zutreffende Charakteristik von Cumont 1. c. 104.
Α. Ptolemäerzeit. § 4. Ägyptische und graco-ägyptische Kulte. Hl
genossenschaften, auf die wir den ursprünglich christlichen Begriff der
Kirche übertragen, wie im Parsismus, Judentum, Islam in autoritativer
Weise kodifiziert wäre. Immerhin können wir vergleichsweise auch
von einer ägyptischen Kirche, vom Klerus usw. sprechen, zumal in der
einheitlichen Organisation der Priester schaffe — z. B. im Gegensatz zu den
Verhältnissen im kirchenfreien Griechenland — entschieden Ansätze vor-
liegen.
Die Priesterschaften der einzelnen Tempel^), und zwar die eigent-
lichen isQslg^ waren in Phylen gegliedert, zunächst in je vier, seit dem
Dekret von Kanopos in je fünf, jede unter einem Phylarchen. Diese vier
resp. fünf Phylen verrichteten abwechselnd im Laufe des Jahres die kul-
tischen Handlungen, so daß auch die Emolumente, Sportein usw., die mit
den Kulthandlungen verbunden waren, abwechselnd den Phylen resp. ihren
Priestern zufielen. Jede Phyle hatte einen jährlich wechselnden Ausschuß
von je fünf βονλενταΐ Ιερείς an ihrer Spitze.^) Unter den Phylenpriestern
gab es verschiedene Klassen, wie z. B. die beiden oft genannten Dekrete
aufeählen: ol αρχιερείς xai προφήται xal ol ε^ς το αδντον εΐόπορενόμενοί
προς τον ΰτολιόμ,ον των d-εών χαΐ πτεροφόραί χαΐ ίερογραμματείς χαΐ οί
αλλοί ιερείς πάντες χτλ. An der Spitze des Tempels stand der έπιοτάτης
τον Ιερον, der nach manchen identisch ist mit dem άρχιερενς^)^ nach
anderen, denen auch ich mich anschließe, von ihm verschieden ist.*)
Während Otto (I 41) dem Par. 35 (und 37) ein Argument für die Iden-
tität entnimmt, werde ich in den „Urkunden der Ptolemäerzeit" genauer
begründen, daß gerade diese Texte einen strikten Beweis für die Ver^
echiedenheit ergeben, wenn man sie, die auf jeden Fall emendations-
bedürftig sind, richtig emendiert: in Par. 35, 23 ist έπιΰτρεψαντος Öh
\πά]λιν ζ^τον ΐ4μώ6ιος μετά) *Αριμον^ον τον παρά τον έπιΰτάτον not-
wendig herzustellen, und da !4μω6ις vorher als ό παρά τον άρχιερεως
(Ζ. 12) bezeichnet ist, so liegt die Verschiedenheit der beiden Amter hier
deutlich zutage. Vgl. auch Teb. 5, 62 (65). — Ebenso dissentieren die
Ansichten über die Einsetzung des επιΰτάτης. Die Annahme Ottos (1239),
daß die Priester von der Regierung das Recht erhalten hätten, ihren ixi-
ότάτης selbst zu erwählen, wird von Rostowzew 1. c. 611 ff. entschieden
bestritten. Er stellt die Epistaten als vom Staat eingesetzte liturgieohe
Halbbeamte den anderen Priestern als Inhabern von gewinnbringenden
Priesterstellen scharf entgegen. In diesen lebensläoglichen Epistaten, deren
Amt sich faktisch oft innerhalb derselben Familie vererbte, sieht er noch
einen liest des alten Feudalismus, mit dem erst die rÖmisohe Regierung
1) Filr all« Κίπ/••11ι••ιΙ•Μί ν«•Γ\\ί•ι>ι»• idi uuf <»t!.• i 'j:. !l
») Otto I 37 ff. .: So •/.. U. ntlo. an. ! i; .f λ .u
4) \ff\. Bouch^-Ledercq III 197 Aom. S I Μ • r. I t . hr fflr 0. HirechfeM
8. leo Anm. 1.
2;[2 Kapitel IL Religion und Kultus.
aufgeräumt hat. Jene gewinnbringenden Priesterstellen aber sind nach
Rostowzew vom Staat auf dem Wege des Verkaufes resp. des Verpachtens
auf unbegrenzte Zeit vergeben worden — vgl. den grundlegenden Pap.
Eleph. 14 (in Kap. VII) — , die Inhaber der nicht gewinnbringenden Stellen
sind es dagegen, die das όννταξος genannte Gehalt vom Staat erhielten. Diese
von Rostowzew bisher nur kurz skizzierten neuen Gedanken, deren all-
gemeine Grundzüge mir das Richtige zu treffen scheinen, verdienen im
einzelnen gründlich nachgeprüft zu werden.
Auf die mit dem Totenkult betrauten Priester, wie die χοαχνταί
und Λαραβχίΰται usw.^), soll hier nur kurz hingewiesen sein, da ich die
reichen Quellen, die uns über sie vorliegen, in den „Urkunden der Ptole-
mäerzeit" neu herausgeben und besprechen werde. ^)
§ 5. ORIENTALISCHE KULTE.
Auf die große Verbreitung der Juden im ptolemäischen Ägypten und
damit auch der jüdischen Religion ist schon oben S. 24 f. hingewiesen
worden. Die Stellung der Regierung ist auch diesem Kult gegenüber
stets eine absolut tolerante gewesen, während in gewissen Teilen der
griechischen Bevölkerung sich schon damals eine antisemitische Stimmung
gelegentlich geltend gemacht hat.^) So waren, wie wir oben sahen, die
Synagogen (τί^οβενχαί) der Juden schon seit dem III. Jahrh. durchs ganze
Land zerstreut, und seit dem IL Jahrh. erhob sich mit königlicher Ge-
nehmigung in Leontopolis im Delta der Zentraltempel dieser ägyptischen
Diaspora. Die uns erhaltenen Weihinschriften von Juden sind religions-
geschichtlich z. T. von hohem Interesse. Vgl. Wilamowitz (Sitzungsb. Berl.
Akad. 1902 S. 1094) über den d-eog υψίοτος.^) Bemerkenswert ist, daß
die Juden, wenn sie auch den Herrscherkult selbstverständlich ablehnen
mußten, doch, um ihre Loyalität auszudrücken, sich soweit heUenisierten,
daß sie die Weihungen an ihren Gott ντΐΐρ ßa6 ίλεως vollzogen.
An orientalischen Kulten finden wir ferner den der ^βτάρτη^ die
übrigens schon seit dem neuen Reich als Tochter des Ptah von Memphis
unter die ägyptischen Götter aufgenommen war.^) Von dem ihr ge-
weihten ^ΰταρτιεΐον, das zu dem großen Σαραταεΐον gehört, handeln die
Sarapeumspapyri (ÜPZ.). Aber auch manche andere fremde Kulte
mögen durch die aus der Fremde stammenden Soldaten oder auch durch
1) Vgl. Otto 1 98 ff.
2) Zum Totenkult dieser Zeit vgl. jetzt Th. Schreiber, Expedition Ernst Sieglin,
Ausgrabungen in Alexandria I 1908.
3) Vgl. Wilcken, Zum alexandrinischen Antisemitismus (Abh. Sachs. Ges. 1909,
784 f.).
4) Vgl. jetzt den nicht jüdischen d'sbg "'TrpLCTos Σωτηρ aus Milet (Dittenberger,
Or. Gr. Π 755, 756).
5) Vgl. Otto I 171.
Β. Römische Zeit. § 1. Religions- und Kirchenpolitik des Staates. 113
ausländische Frauen griechisch-makedonischer Männer nach Ägypten ver-
pflanzt worden sein. Ein Beispiel für einen solchen Privatkult der Σνρία
^£0ς bietet uns Magd. 2 (101). Der Adoniskult wird in Petr. UI S. 32, 19
erwähnt (ΙΠ. Jahrh. v. Chr.).
B. RÖMISCHE ZEIT.
Außer Otto8 Werk und den kritischen Bemerkungen von Hostowzew, GGA 1909,
ferner Cumont 1. c, vgl. die oben S. 28 für die römische Zeit aufgeführte historische
Literatur, im besonderen auch Milne, Hist. of Eg. u. Rom. Rule 128 ff. Vgl. auch
Wessely, Karanis S. 5G ff. F. Blumen thal, Der ägyptische Kaiserkult (Archiv V
Heft 3).
§ 1. RELIGIONS- UND KIRCHENPOLITIK DES STAATES.
Die Religionspolitik der römischen Regierung in Ägypten befolgt
im allgemeinen dieselben Tendenzen wie vorher die der Ptolemäer. Auch
sie erstrebt den religiösen Frieden zwischen den verschiedenen im Niltal
gepflegten Kulten, auch sie kommt ihnen daher mit völliger Toleranz
entgegen, soweit sie nicht direkt den Ansprüchen der römischen Staats-
religion entgegentreten. Das letztere trat einmal bei den Juden hervor
indem sie wie früher den Ptolemäerkult, so jetzt den Kaiserkult ablehnten.
Aber nur Kaiser Gaius hat ihnen gegenüber auf dieser Forderung be-
standen und hat gewaltsam seine Statuen in ihren Synagogen aufstellen
lassen, was zu schweren Kämpfen in Alexandrien führte (s. oben S. G4).
Dagegen ist diese Beorderung des Kaiserkultes später strikt aufrecht er-
halten worden gegenüber den Christen, und wie im ganzen Reich, so
führte auch in Ägypten die Religionspolitik zu Christenverfolgungen,
deren Spuren uns auch in den Papyri noch entgegentreten (s. unten).
Hiervon abgesehen ist im besonderen auch der ägyptischen Religion gegen-
über größte Toleranz geübt worden. Wohl haben einzelne Kaiser ge-
legentlich ihre persönlichen Antipathien wie andere ihre Sympathien
gegenüber dem ägyptischen Kultus gezeigt^), wohl haben Kaiser wie
Augustus und Tiberius den ägyptischen Kult von Rom aoegesohloeeen'),
aber in Ägypten selbst hat die Regierung stets an ihrem toleranten Stand-
punkt festgehalten. Wir hören nichts von irgend welchen Beschränkungen
des ägyptischen oder auch des griechischen Kultus.') Auch betreffii der
1 ) Vgl. die Weigenmg OktAvians (β. 80), in Alexandrien den Apia tu beraohto,
wi• r>r, wie wir jetzt wiiten, mit dem Kult de• τοη ihm hooh?erehrten Sarapia
in . ^ itand (Dio Cm•. 61, 16, 6).
%) Vgl. WitNowa. lUsMg'ion u. Kulta• der B6mer 190S 8. S96. Cumont 1. c, 99 ff.
S) Die frOhore, jetst von 0. Tb. SohoU wieder Tertoidigte Aiuiohl, daft nach
Vit. Marci 28, Η Kaiiier Murcu• da• niedere Volk von Pelu^ium vom SarapUknll an••
geicblosNen habe, hertilit auf irriger Interpretation. Vgl. m«ln• Au^fDbrangen in
Kilo IX 181 ff. Scbulx' ikmerkung ebenda 8. 161 indert niobte an der Saobe. Darob
Milltia-Wnokrti OrtinilXliia I 6
11/^ Kapitel Π. Religion und Kultus.
Einführung des römischen Kultus wurde mit großer Zurückhaltung vor-
gegangen, so daß wir überhaupt kaum sichere Spuren davon nachweisen
können (s. unten S. 115), wenn wir absehen von dem römischen Kaiser-
kult, der nach seiner historischen Entstehung und seinen Formen viel-
mehr dem hellenistischen Kult zuzuschreiben ist (s. unten S. 117 ff.).
Wie bei den ersten Ptolemäern, so steht aber auch bei den Kaisern
die Religionspolitik in einem Gegensatz zur KirchenpolitikJ) Unter
der immer schwächlicher werdenden Regierung der letzten Ptolemäer —
für deren Zeit uns bisher nur wenige Urkunden bekannt geworden sind —
werden die Priesterschaften wahrscheinlich immer reicher und mächtiger
geworden sein. Dieser Entwicklung hat Augustus, wie Rostowzew zuerst
erkannt hat, Einhalt geboten und hat mit noch strengeren Mitteln als die
ersten Ptolemäer die absolute Autorität des Staates gegenüber der Priester-
schaft stabiliert. Einzelne Fälle von Säkularisierung von Tempelgebieten
durch Augustus, die uns neuerdings bekannt geworden sind (vgl. Oxy.
IV 721, Teb. II 302 in Kap. VII), lassen vermuten, daß vieUeicht iu
weiterem Umfang solche Konfiskationen von ίερά γη damals vorgenommen
sind (s. unten Kap. VII), und wenn auch nach Teb. 302 den Priestern
das hier konfiszierte Land in Pacht zurückgegeben wird, so zeigt doch
gerade dies Beispiel, wie energisch die Eingriffe des Augustus waren,
denn dies Land erhielten die Priester zum Ersatz dafür, daß er ihre
dvvTa^Lg eingezogen hatte! Auch sonst sehen wir die fiskalischen
Interessen gegenüber den Priestern in einseitiger Weise zur Geltung
gebracht. Auch die Einschränkung^) des Asylrechtes der ägyptischen
Tempel (s. oben S. 96) hat diesen eine schwere rechtliche und wirt-
schaftliche Einbuße gebracht. Die römische Faust tritt uns im be-
sonderen aber auch in der strengen staatlichen Verwaltung der Tempel
entgegen: es wird die gesamte Tempelverwaltung — in einem uns noch
unbekannten Zeitpunkt — zentralisiert und einem άρχίερενς Αλεξαν-
δρείας καΐ ΑΙγνπτον πάοης übergeben, dessen Stelle bezeichnender-
weise mit der eines römischen Prokurators, des Idiologos, kombiniert
wird (s. unten S. 126 f.). Aber auch die innere Organisation der Priester-
schaften erleidet Veränderungen, die auf eine Schwächung ihrer Stellung
hinauslaufen, so die Einführung der liturgischen Kollegien der πρεοβν-
χεροι^ die vielfach an die Stelle der früheren feudalen Epistaten treten.
meine Übersetzung „fernhalten" für summovere sollte nur auf die Dauer der Wirkung
hingewiesen werden (vgl. S. 133). Es ändert sich an meiner Argumentation nichts,
wenn ich übersetze: „Marcus entfernte den Sarapiskult von der pelusischen Gemein-
heit." Darin tritt andererseits der einmalige Eingriff des Kaisers schärfer hervor.
1) Ich folge hier wieder den Ausführungen von Rostowzew 1. c. 638 ff. gegen-
über Otto.
2) Zuerst betont von Rostowzew, GGA 1909, 640, Kolonat S. 217. Material bei
Preisigke, Straßb. Pap. I S. 164 ff.
Β. Römisclie Zeit. § 2. Römische Götter. 115
eo vor allem die Verpflichtung der Priester, auch an den Liturgien mit-
zutragen (s. unten Nr. 84). Als dann seit 202 die Kurienverfassung ein-
geführt war (s. oben S. 41), sind auch die Tempel der Verwaltung der
städtischen Kurien unterstellt worden, so daß von der früheren Sonder-
stellung der Tempel kaum noch etwas übrig geblieben ist. So endet
diese Periode mit der völligen Unterwerfung der ägyptischen Kirche
unter den Staat und der Gleichstellung der Priester mit der sonstigen
Bevölkerung.
§ 2. RÖMISCHE GÖTTER.
Irgend welche sicheren Nachweise für einen in Ägypten ausge-
übten römischen Kultus liegen uns nicht vor. Man kann ja wohl ver-
muten, daß es für die cives Romani, die als Beamte und Offiziere und
Soldaten oder auch als Kaufleute nach Ägypten kamen, dort römischen
Kult gegeben hat resp. daß sie solchen ausgeübt haben, aber sichere
Spuren liegen bisher kaum vor. Otto (I 9, 5) zitiert als Belege für römi-
schen Kultus CIL III 22 (Jupiter, Hercules, Victoria), 79 (Mercurius),
6605 (Dii Manes). Der erste Fall, in dem die Götter Diokletians und
Maximians gemeint sind, fällt außerhalb unserer Periode. In dem zweiten
Fall liegt eine militärische Weihung deo magno Mercurio aus Dakke vor
(a. 109); da aber in Dakke, wie die griechischen Weihinschriften zeigen,
der Lokalgott Παντνοϋψίς verehrt wurde, der im Griechischen mit Έρμης
wiedergegeben wird, so ist gar kein Zweifel, daß auch der Mercurius
niemand anders ist. Von römischem Kultus kann hier also nicht ge-
sprochen werden. Wir lernen vielmehr, daß auch die Römer ebenso wie
die Griechen ihre heimischen Götter gelegentlich den ägyptischen Göttern
glichen. Auch bei ihnen finden wir Doppelnamen wie in CIL 76 (aus
den Steinbrüchen zwischen Philä und Syene, Anfang des ΙΠ. Jahrb.), wo
die Weihung I(ovi) O(ptimo) M(aximo) Hammoni Chnubidi lautet, wäh-
rend mit lunonis reginae die Satis (= '^Hqo) gemeint ist, wenn sie auch
nicht besonders genannt ist. Der Zusatz quorum sab tutela hie mons est
zeigt, daß die Verehrung den ägyptischen Göttern galt (Otto I 6). So
bleiben uns für unsere Zeit nur die in größerer Zahl vorkommenden
Grabschriften mit Die ManibusI Ob diese Weihung damals noch viel
mehr als eine Formel gewesen ist, lasse ich dahingestellt Ich fttge sa
jenen Beispielen hinzu die Weihung des Cornelius Gailus ans dem Anfang
der lir)merzeit: diefisj patrieis. Da haben wir die römisohen Götter —
aber daneben steht: et Nil[o adiutjori! Damit beginnt schon die Linie,
die zum lOM Hammon Chnubis fQhrt.
Wir hören femer, daß im Hauhp oines L. Bellienas GemeUas die
Saturnalien gefeiert wurden (P. Fi» -8, um 100 n. Chr.), aber ob
11^ Kapitel Π. Religion und Kultns.
dies Fest noch religiöse Bedeutung für ihn hatte, ist sehr zweifelhaft.^)
Von irgend einem römischen Kultus hören wir bisher, wie gesagt, nichts.^)
Der einzige Kultus eines römischen Gottes, über den wir genauere Nach-
richten erhalten, ist der des Jupiter Capitolinus in Arsinoe im J. 215
(BGÜ 362 [96]), womit das Καπιτόλειον in Oxyrhynchos zu vergleichen
ist (Oxy. I 43 Verso 4, 3). Aber der arsinoitische Kultus ist gräco -ägyp-
tisch. Otto (I 10) hat hieraus geschlossen, daß dieser Gott von den
Ägyptern in ihr Pantheon aufgenommen sei. Ich möchte eher glauben,
daß gerade dieser Gott — man denke an die Rolle, die er in Jerusalem
seit Vespasian spielt! — von der Regierung eingeführt ist resp. dem
Wunsche der Regierung gemäß von den Kommunen. Doch wird
von vornherein auf den römischen Kult verzichtet, und der hellenistische,
damals stark ägyptisierte Kult zediert worden sein. Jedenfalls ist aus-
geschlossen, daß hier wie in den obigen Fällen eine griechische oder
ägyptische Gottheit unter diesem Namen verehrt wäre. Eine bestimmte
lokale Individualität wurde (so auch Otto 1. c. Anm. 2) niemals mit fremden
Göttern geglichen: ^ϋ-ηνα ist Neit, aber nicht ^ϋ-ηνα Πολιάς. Für den
römischen Charakter des Gottes ist bezeichnend, daß hier neben den
ägyptischen Festen nicht nur die römischen Kaiserfeste in großer Zahl,
sondern auch das römische Neujahr und der Geburtstag der Göttin Roma
gefeiert wurden (vgl. 96), welch letztere in rein ägyptischen Tempeln
kaum gefeiert sein dürften. Sollte sich Wilamowitz' Vermutung bestätigen,
daß diese Kapitole erst eine Folge der Constitutio Antonina gewesen sind
(GGA 1898, 677), so müßten wir um so mehr daran festhalten, daß hier
ein römischer Gott installiert wurde, der nun gerade den alten und neuen
römischen Bürgern gelten sollte. Wie dem auch sei, der Grundgedanke
von Wilamowitz, daß die constitutio Antonina mit dem römischen Bürger-
recht auch römische Götter gebracht habe, berührt sich eng mit der offi-
ziellen Begründung, die Caracalla in seinem Einführungsedikt gegeben hat.
Wir lesen sie jetzt in Giss. 40 I, wo der Kaiser sagt (Z. 4ff.): Τοιγαρονν
νομίξω[ν ο]ντω μείγαλοτΐρεττώς'? καΐ? εν6εβ?]ώς dv[va\öd'aL• τγι μεγαλεί[ό]-
τητί (maiestati) αυτών (seil, der vorher genannten ϋ'εοί) το txavbv %0ί\ε1ν^
εΐ τους ^ενονς^ oö^axtg εάν ν[Ή:]εί6ελϋ'[ω6]ίν εΙς τους έμονς άν[ΰ'ρ]ώπονς^
[εΙς τώ]ν &εών (3ννεΛενέγ\χοι\μι^ δίδωμν κτλ. Er glaubt also
der maiestas der römischen Staatsgötter — denn an diese kann hier nur
gedacht werden — am besten zu dienen, wenn er auch die Peregrinen
ihrem Kult zuführt, eine Motivierung, die gerade bei diesem Kaiser
überrascht, der, selbst als Φιλοοάρατας bezeichnet (worauf mich W. Weber
hinwies) zuerst den Sarapis und die Isis innerhalb des Pomerium auf-
1) Ygl. Wilamowitz, GGA 1901, 44 Anm. 1.
2) Was der δημιουργός 9•εάς 'Ρώμ,ης in BGU 937, 8 (IE Jahrh.) bedeutet, ist noch
völlig dnnkel.
Β. Römische Zeit. § 2. Römische Götter. 117
genommen hat. Es wäre ein für den Synkretismus dieser Zeit sehr inter-
essanter Zug, wenn er andererseits den Kult des Jupiter Capitolinus in
Ägypten eingeführt hätte.
Größere Bedeutung als die alten römischen Götter hat jedenfalls der
Kaiserkult gehabt. Freilich ob er geradezu „das eigentliche Hauptstück"
der damaligen Religion gewesen ist^), möchte ich wenigstens für die grie-
chische und ägyptische Bevölkerung, also den größten Teil der Gesamt-
bevölkerung des Landes, nach unseren Urkunden bezweifeln. Man schwört
wohl jetzt beim Kaiser oder später beim Genius des Kaisers wie früher
bei den Ptolemäern — und das Λvar vorgeschrieben — , man ruft beim
Abschluß von Heiratsverträgen die Julia Augusta an oder später das
kinderreiche Ehepaar Marcus und Faustina ^, aber in allen großen Nöten
des Lebens wendet man sich nach wie vor an die alten Ortsheiligen oder
wallfahrtet zu den großen heimischen Göttern. Die Sprüche des Sansuös,
die ich unten als Nr. 116 mitteile, geben uns, glaube ich, ein ganz zutreffen-
des Bild, und sie wissen nichts vom Kaiserkult. Die intimeren Korrespon-
denzen der Bevölkerung sind voll von persönlichen Beziehungen zu den
Ortsheiligen, aber ich besinne mich nicht, solche zu den Kaisergöttem
gelesen zu haben. Mögen diese Andeutungen eine genauere Untersuchung
hervorrufen, die mir zurzeit nicht möglich ist. Die Frage ist wichtig,
auch für manche der von Deißmann in „Licht vom Osten" behandelten
Probleme.
Der Kult der vergötterten Kaiser war auch in Ägypten wie sonst
in den östlichen Provinzen nicht ein römischer, sondern ein hellenistischer.
Er ist daher im folgenden Abschnitt zu behandeln. Die offizielle römische
Auffassimg des Kaiserkultes, wonach nur die vom Senat konsekrierten
Kaiser als divi verehrt wurden, tritt uns in den Datierungen der Urkunden
na<'h Kaiserjahren entgegen. Hier werden nur die toten Kaiser, und zwar
auch nur die vom Senat konsekrierten, als dsog bezeichnet, womit
bekanntlich der Grieche das in seiner Nuance ihm nicht verstundliche
divus wiedergibt. Für die Behandlung der Urkunden ergibt sich daraus
z. B. die wichtige praktische Begel, daß Texte, die nach einem ^tb$ ....
datiert sind, niemals Origiiialschriften, sondern nur Abschriften aas der
Zeit nach dem Tode des betreffenden Kaisers sind.
I; Otto II JT'.i W«ihI«•' ■ '■ ^' I' ; ; \ • V, i.ri. »1. «rri. f !i
Hocbitift• 1904, aii am li ι : Aber \\ t/
t>*'\\int hat iin un• ttul du i'upyri κ-
fξeΛa^ζi, (laß dvr 1 in« Volk ;i" ((J(iA
2} Wilcken. ihuu*. v•^»^• ''' >"09, 604 11., 1 uu»
Pftrallele «ti dmi r .Itilin Anj,njn(n fnnH irh in Γ m
iioeben τοπ Hpii'^elbcr^, Ag. Z. 46 >
Frol)««hr. (!«• „vor llatbor•* ree|). ..τ« i
128 Kapitel IL Religion und Kultus.
§ 3. DIE GRIECHISCHEN KULTE.
Vom griechisclien Kult wissen wir für die Kaiserzeit noch weniger
als für die Ptolemäerzeit. Die Pflege durch das Herrscherhaus (s. oben
S. 96) kam in Fortfall, die Ägyptisierung des griechischen Kultus wird
immer größere Fortschritte gemacht haben, die Identifizierung der Griechen-
götter mit den ägyptischen wird nahezu eine vollständige geworden sein.
Höchstens in den Griechenstädten, Alexandria — das freilich kaum noch
eine Griechenstadt genannt werden konnte — , eher vielleicht in Naukratis,
Ptolemais und dem neuen Antinoopolis, wird man noch irgend welchen
griechischen Kult zu erwarten haben. ^) Aber selbst hier ist den griechi-
schen Namen gegenüber Vorsicht geboten. Sind doch z. B. der Έρμης
und die 'Αφροδίτη, die in Lond. ΠΙ S. 163, 5 für Antinoopolis (a. 212)
belegt werden, sicher ägyptische Götter, da als ihr Priester ein παβτο-
ψόρος genannt wird. ^) Höchstens die öfter begegnenden Dioskuren möchte
ich wohl für griechische Götter halten, aber nur aus dem Grunde, weil
ich kein ägyptisches Götterpaar kenne, dem sie gleichgesetzt sein könnten.^)
So mag man die Orakelfrage an die Dioskuren in Fay. 138 (9e5) dem
griechischen Kult zuweisen, und auch was in Giss. 20 (94) über ein Orakel
der Dioskuren und im besonderen über ein Privatheiligtum derselben gesagt
wird, wird dorthin gehören. Freilich unterscheidet sich die Orakelfrage
in nichts von den ägyptischen (s. unten), und der Mann, der in BGU
248, 13 bei den Dioskuren schwört, will das Suchosfest feiern (Z. 27 f.).
Bei diesem völligen Synkretismus werden Unterschiede kaum noch
empfunden sein. Auch den Zevg KauLog in BGU III 827 werden wir zu
den griechischen Göttern zählen dürfen.^)
Erhalten haben sich aber die griechischen Stadtgötter von Alexandrien
und Ptolemais. Daß der Alexanderkult in der Kaiserzeit fortbestanden
hat, wird mit Recht allgemein angenommen. Bei der großen Verehrung,
die Augustus schon im Jahre 30 v. Chr. wie auch später dem Alexander
bewies^) und bei der — namentlich mit der severischen Dynastie — sich
1) In Alexandrien gehört dahin außer dem Alexanderkult z. B. der Musenkult
des MovCBLov. Das Amt des vom Kaiser ernannten Ibqbv? des Museums wurde von
hohen Würdenträgern, meist dem άρχιδιν,αβτης, bekleidet. Ob regelmäßig, wie Otto
I 166 ff. annimmt, wird von Hirschfeld, KV 362 Anm. 3 bezweifelt. Eine andere Kom-
bination ist allerdings nicht bekannt.
2) Auch der griechisch klingende ανίν,ψος Έρμης in Giss. 24, 4 (15) ist kein
anderer als der ägyptische Thot, der Gaugott des Hermopolites.
3) Vgl. schon Herodot II 50, 5.
4) Wenn wirklich der in diesem Text genannte Ort Pelusion nicht die berühmte
Grenzstadt des Delta, sondern ein Dorf des Faijum ist (Arch. I 555), so können wir
hier verfolgen, wie bei der Besiedlung des Dorfes mit dem Namen auch der heimische
Kult gewandert ist.
5) Suet. Aug. 18; Dio Cass. 51, 16, 5.
Β. Römische Zeit. § 3. Die griechischen Kulte. 119
immer melir steigernden Vorliebe römischer Kaiser für Alexander^) ist
dies ebenso selbstverständlich wie die Aufhebung des früher mit ihm ver-
bundenen Ptolemäerkultus. Das mausoleum Alexandri wurde einem römi-
schen Prokurator unterstellt, der auch procurator Neaspoleos war.^) Über
den Kult des Alexander fehlt es jedoch an genaueren Nachrichten.') Einen
ιερεύς wird er nach wie vor gehabt haben, aber dieser war nicht mehr
eponym. Denn daß er, etwa an erster Stelle, unter den eponymen alexan-
drinischen ίερείς gewesen wäre, die bisher nur in herakleopolitischen Ur-
kunden des III. Jahrb. auftreten, ist mehr als unwahrscheinlich (s. unten
S. 121). Ob der Kult überhaupt noch staatlich wai* oder nur städtisch,
wissen wir nicht. Die Aufhebung der Eponymie könnte für letzteres
sprechen.*)
In Ptolemais hat natürlich der Staatskult der Ptolemäer, und damit
die für die Tbebais eponymen Priestertümer, mit der römischen Okkupa-
tion aufgehört. Dagegen hat die römische Regierung geduldet den Fort-
bestand des städtischen Kultus des Stadtgottes Σωτήρ (β. oben S. 98), da
der Ptolemaios-Name hiermit nicht verknüpft war.^) So nennt Lond. ΙΠ
S. 80, 115 und 118 (a. 47) Grundstücke, die geschenkt sind (άνίερωμέναί)
τώι με{γί6τωι) d-aöL Σωτηρι, (Plaumann S. 51). Den Versuch W. Ottos
(Hermes 45, 44^ ff.), diesen ptolemäensischen Kult für einen Augustus-
Soter-Kult zu erklären und ihn gar für den Ausgangspunkt eines ägypti-
schen Augustus-Soter- Kultus zu nehmen, halte ich für verfehlt. Der
philensische Kult des Αυτοκράτωρ ΚαΙααρ Σεβαύτος Σωτήρ χαΐ Ευεργέ-
της (Otto S. 449) darf keinesfalls als Beleg verwertet werden: das ist
eben ein Soter-Euergetes-Kult. Auch zeigt dieser Kultname gerade, was
dem ptolemäensischen Gott bei Ottos Annahme fehlt, nämlich die Nennung
des Kaisernamens. Vgl. gegen Ottos Ansicht jetzt auch F. Blumenthal im
Arch. V Heft 3.
Der Kaiserkult hat sich in Ägypten im Verhältnis zu den anderen
Provinzen eigenartig entwickelt. Während früher mit einem staatlichen
Kaiserkult auch in Ägypten gerechnet wurde (vgl. Otto passim), bat
Blumenthal 1. c. soeben gezeigt, daß sich bisher nur ein städtisoher
Kairterkult nachweisen läßt. Die ΣεβαοτεΙκ, ΚιαόαρεΙα usw. (vgL die
Übersicht bei Blumenthal) sind städtische Tempel, deren άρχαρείζ städtisohe
Beamte sind, die unter den anderen Άρχοντες ihren festen Rangplatz haben
1) \\i\. WiTinT llotlinanu, ι •.. t \1.•\;ιιρ1«>γ Λ i.i -m ^-n. .h
u. röm. Altertum L»Mpz. \\'u\. Μ Τ'!
2) CIL VHI m'j:{4. XIII IHüh. V^'l. Kup. 1 \ ■> Vgl. Otto I 1Ö4 tl
4) Vgl. hiuniu F. Blumenthal, Arch. V II• '
6) Wie tolerant flhri^rriN di«; iiumer in . >eigt die Tat-
sache, cU0 man einen Kl(;o|>atrakult auch jct/i \r. llft.
X20 Kapitel Π. Religion und Kultus.
(vgl. Preisigke, Stadt. Beamte). Daß der Kult ein hellenistischer war,
ist schon oben hervorgehoben worden.
Der Kult der späteren Kaiser hat sich in der Regel an die dem
Augustus zu Ehren — offenbar in großer Zahl — errichteten Σεβαότεΐα
und KaiuaQBla angeschlossen, wo sie als 6ννναοι dsoC verehrt wurden.
Einzelnen sind aber auch aus besonderen Veranlassungen Sondertempel
errichtet worden, in die dann die Nachfolger auch wieder als övvvaoi
d'coC aufgenommeu wurden. Vgl. die Liste bei Blumen thal, der Beispiele
für Claudius, Nero(?), Plotina, Hadrian, Antoninus Pius und Faustina
aufzählt. Vgl. z.B. Amh. 124 (in Kap. III). Am meisten Tempel scheint
Hadrian gehabt zu haben, für den solche bis jetzt in Alexandrien, Mem-
phis, Arsinoe und Hermopolis nachweisbar sind. Vgl. auch den μεριόμος
jidQiavalov von Hermopolis, den Blumenthal als städtische Abgabe für
den Bau eines ΆδριανεΙον vom J. 131/2 erklärt hat (in P. Lips. 93 — 96).
In diesem kommunalen Kaiserkult wurde der lebende Kaiser nicht
als O-fo'g bezeichnet. Die Priester heißen ά^χιερείξ LäÖQLavov o. ä., und
ihre in den Tempeln aufgestellten Statuen heißen nicht αγάλματα^ sondern
ανδριάντες. Vgl. Blumenthal 1. c. Vgl. z. B. BGU 362 (96). Dagegen
kommt in privaten Urkunden die Bezeichnung des lebenden Kaisers als
^'εός vor, aber sichere Belege sind auch hierfür nur für die Übergangszeit des
Augustus gefunden worden. Vgl. Arch. II 430 n. 3, BGU IV 1137 (112).
Über die divi in der Datierung der Urkunden s. oben S. 117.
Nur in der Form der Gleichsetzung mit einem Gott hat auch die
offizielle Auffassung eine Vergötterung des lebenden Kaisers zugelassen,
aber bezeichnenderweise findet sich dies nur bei Augustus, und zwar ist
er nicht als Σωτήρ — wie Otto glaubte (s. oben) — , sondern als Ζενς
ΈλενΟ-ερως Σεβαΰτόζ (wie es scheint, durch das ganze Land) verehrt
worden. Vgl. für Theben Arch. II 431 n. 8 (Weihinschrift), für Dendera
Dittenberger, Or. Gr. 659 (dito), für das Faijum CPR 224 (111, im Eid),
für Oxyrhynchos P. Oxy. II 240 und 253 (im Eid, hier als göttlicher
Vater des Tiberius). Vgl. ferner das aus Ägypten stammende Gedicht
auf die Schlacht von Actium (Kenyon, Rev. de philol. 29, 1895, S. 177 ff.),
auch das Epigramm von Philä bei Kaibel 978. Ich betone, daß dieser
Kultname Ζευς Έλεν^^έριος Σεβαοτός bei Lebzeiten angeschlossen wird
an die römische Nomenklatur, nämlich Imp. Caesar divi filius, während
nach seinem Tode der Gott nur mit diesem Kultnamen erscheint (Oxy.
240, 253). Aus ersterem sowie daraus, daß dieser Kultname in die Eides-
formel eingeführt ist, schließe ich, daß dieser Kult von der römischen
Regierung, d. h. von Augustus anerkannt wenn nicht geschaffen worden
ist. Da in BGU II 543 vom J. 27 v. Chr. (10. Jan.) noch bei Caesar
Imperator divi filius geschworen wird, so ist dieser Kult wohl erst nach
der Erlangung der Augustuswürde geschaffen worden, wie denn auch in
Β. Römische Zeit. § 3. Die griechischen Kulte. 121
den offiziellen Akten er immer Ζενς ^ΕλενΟ^ίριος Σεβαατός heißt. Sollte
er aber schon im J. 30 geschaffen sein, so würde der Kultname später
durch Hinzutreten des Σεβαοτός umgestaltet worden sein. Aber BGU 543
spricht mehr für die erstere Annahme. Über die Benennung Neros als
kya^bs δαίμων vgl. zu Oxy. VU 1021 (113).
Ob die eponymeu alexandrinischeu Ug^i^y die bisher nur in hera-
kleopolitischen Urkunden des III. Jahrh. begegnen, dem Kaiserkult zuzu-
schreiben sind, ist noch ganz dunkel. Vgl. CPR 64 (108). Ebenso ist es
noch umstritten, ob der neue άρχιερενς ^ίλεξανδρείας xal Αίγνπτον πάύηζ
(s. unten S. 12G) auch als oberste Spitze des Kaiserkultes aufgefaßt werden
darf.^) Ich glaube, daß die gesamten Kulte, auch der Kaiserkult, ihm
unterstellt waren. Aber schon diese Verbindung mit den griechischen und
ägyptischen Kulten zeigt seine Verschiedenheit von den anderen provin-
zialen Kaiserpriestern. Daß die vergötterten Kaiser an Stelle der früheren
Ptolemäergötter als övvvaoL ^εοί dem Kult der Lokalgötter angeschlossen
sind, wird allgemein angenommen^), doch ist zu bemerken, daß sie nicht
wie einst die %•εοΙ ΐ4.%•ελφο\ xal d-eoi Ενεργετία κτλ. einzeln namhaft ge-
macht werden, sondern höchstens in dem gelegentlich gemachten Zusatz
xal ol övvvaoL ^'εoί verstanden werden können. Ob sie durchweg (wie
in der Ptolemäerzeit) angeschlossen sind, bedarf noch weiterer Auf-
klärung.
Außer den Kaisern ist noch ein neuer Gott dem griechischen Kult
die.ser Zeit hinzugefügt worden, das ist Antinoos, der Liebling des
Hadrian, den dieser nach seinem plötzlichen Tode im J. 130 zum Gott
erhob, und dem zu Ehren er Antinoopolis gründete (s. Kap. 1 S. 49).
Von diesem griechischen Gotte, der z. B. in Dittenberger, Gr. Gr. II 700
als yitrcCvoog ^Επιφανής erscheint, ist zu trennen der Όόιραντινοος^ der
ausschließlich dem ägyptischen Kult angehört (s. unten S. 1*J3).*) Doch
ist, wenigstens außerhalb Ägyptens, dieser Unterschied auch wieder ver-
wischt worden; vgl. GIG III 6007. Unter den zahlreichen Kombinationen,
in denen Antinoos (in Eigennamen) auftritt, ist von besonderem Interesse
das häufige Βηααντίνοος^ denn Bes war vorher an dieser SteUe der Haopt-
gott gewesen. Vgl. S. 49. Ein Antinoos-Fest erwähnt Teb. II 592 (aus
Tebtynie im Faijöml).
Abgesehen von dem offiziellen Kult der Ίοιπί)«•! ist gruTlnsrluT Kult
auch in Vereinen gepflegt worden, sowohl in H|>eziellen Kultven»iuen
wie auch in anderen Vereinen, die zu andi'ren Zwecken gegrflndet
1) Dafür: Mommten, ΙΙίΐ V r>f>8, fteU; Wil «^ -^. •' ι " Urandi•,
Fauly-Wi«•. II Sp. 474; P. Meyer, FegUchr. für ο i i'T il l'a^'.-«u: Otto
I hH; 71.
Ϊ) Vgl. Otto I II 8) Vgl, meine Bemerk »u. μ, i. it.. \ich. IV 66t.
122 Kapitel Π. Religion und Kultus.
waren. ^) Eine von kaiserlichen Sklaven begründete övvoöog Σεβαβτή
bezeugt uns BGÜ 1137 (112). Für den Privatkult, der in privaten Kapellen
gepflegt wurde, ist schon oben in Giss. 20 (94) ein Beispiel namhaft ge-
macht worden.
§ 4. SARAPIS.
Die grundlegenden Fragen sind schon oben S. 101 behandelt. Daß
Sarapis und Isis in der Kaiserzeit neben Mithras, Kybele und der dea
Syria zu den großen orientalischen Göttern gehörten, die die Götter der
römischen Religion in Westeuropa schließlich siegreich verdrängten, liegt
außerhalb des Rahmens unseres Buches, und doch sollen wir hieran denken,
wenn wir in unsem Urkunden vom Sarapis lesen, wie überhaupt der
religiöse Zustand Ägyptens nur dann bis in die Tiefe verstanden werden
kann, wenn man ihn im Zusammenhang mit dem des ganzen Weltreiches
auffaßt.^) Jener Sarapis, der die Welt erobert hat und daher zu den
stärksten Widersachern des Christentums gehört hat, ist natürlich der
alexandrinische Gott gewesen. Über die in seinem Kult beschäftigten
Priester liegt ein ziemlich reichliches Material vor^), doch scheint mir
bei der Deutung noch nicht genügend berücksichtigt zu sein, daß wir es
doch auch bei dem alexandrinischen Kult ebenso wie beim memphitischen
mit einem doppelten Gotte, einem hellenistischen und einem ägyptischen,
also auch mit einem doppelten Kultpersonal zu tun haben. So gehörte
jedenfalls der νεωκόρος τον μεγάλου Σαράπιδος^ dessen Stelle von den
höchsten alexandrinischen Würdenträgem bekleidet wird, zum griechischen
Kult, ebenso der ίερόφωνος^ während die Pastophoren, Stolisten usw.
zum Kult des ägyptischen Gottes gehören.*) Doch das bedarf — ebenso
wie für die ausländischen Sarapiskulte — noch genauer Nacharbeitung.
Die Papyrusnachrichten über den alexandrinischen Sarapis sind bisher
noch ebenso wenig gesammelt und bearbeitet wie die über den inländi-
schen Sarapisdienst. Wir gewinnen durchaus den Eindruck, daß wie fürs
Ausland, so auch für die Ägypter dieser Zeit der Sarapis der Hauptgott
des Landes geworden war. Manche Frommen reisten nach Alexandrien,
um dort den Sarapis anzubeten. Vgl. Teb. II 416 (98). Die aus Alexan-
drien ins Land geschickten Briefe sind, was bisher noch nicht beachtet
wurde, meist daran kenntlich, daß der Schreiber versichert, bei dem Herrn
Sarapis seine Fürbitte [τίροοκννημαΥ) für den Adressaten verrichtet zu
1) Vgl. Otto I 165 ff.
2) Vgl. außer Cumont 1. c. namentlich Wissowa, Religion und Kultus der Römer;
Wilamowitz, Greschichte der griechischen Religion (Jahrb. d. Freien Deutsch. Hoch-
stifts 1904).
3) Vgl. Otto I 113 ff.
4) Bei Otto 1. c, auch S. 16, ist diese Scheidung nicht klar durchgeführt.
5) Die ίτροοκννημα- Formel, die erst in der Kaiserzeit auftritt, stammt nach
Spiegelberg aus dem altägyptischen Briefstil (vgl. Arch. IV 258).
Β. Römische Zeit. § 4. Sarapis. § δ. Ägyptische und gräco- ägyptische Kulte. 123
haben ^) — häufig mit dem Zusatz: y.a^' εχάοτην ίιμεραν. Letzteres ist
typisch für die ägyptische Frömmigkeit überhaupt: der ganze Kultus war
hier darauf eingerichtet, daß der Gläubige täglich im Tempel beten konnte. *)
Von der besonderen Fürsorge des Kaisers Caracalla für den alexandrinischen
Sarapis zeugt sein Erlaß vom J. 215 (Giss. 40 II [22]). Sehr bemerkens-
wert sind zwei Briefe eines früheren άρχιερενς des Hadrianeion von Ar-
sinoe (a. 199?) an seine Frau und seine Tochter, in denen er ihnen droht,
daß, faUs sie den von ihm beabsichtigten Freilassungen Schwierigkeiten
entgegenstellten, er gewisse ihnen sonst zufiillende Güter dem Sarapis von
Alexandrien vermachen werde (Teb. II 407). — Auch im Lande waren
inzwischen überall Serapeen begründet. Der Redner Aristides spricht von
42 Serapeen.^) Eine Einladung zur κλίνη des Herrn Sarapis enthält
Oxy. 110 (99).
§ δ. ÄGYPTISCHE UND GRÄCO -ÄGYPTISCHE KULTE.
Was oben S. 103 ff. zur Charakteristik der ägyptischen Religion der
Ptoleraäerzeit angeführt wurde, gilt in den großen Zügen auch für die
Kaiserzeit. Wurde dort Herodot empfohlen, so ist hier vor allem auf die
ausgezeichnete Darstellung Strabos im XVII. Buch hinzuweisen. Die Ver-
gleichung der beiden Autoren zeigt, daß der Tierkult jetzt eine womög-
lich noch größere Ausbreitung und Bedeutung hatte."*) Λ'Όη großem Inter-
esse sind die Urkunden, die von den Byssoslieferungen für den toten Apis und
>rnevis handeln. Vgl. Gen. 36 (85), Teb. II 313 (86). Auch der Kult der
apotheosierten Könige oder Männer aus der ägyptischen Vergangenheit
währte fort, so der des „Pharao Menis" (s. oben S. 106).
Als neuer Gott ist in das ägyptische Pantheon ^OöiQavxivoog auf-
genommen worden (s. oben S. 121), d.h. der zum Osiris gewordene Antinoos.
Da er bei dem nach ihm dann benannten Antinoopolis seinen Tod ge-
funden hatte, so haben die Ägypter ihn in dieser Form — nicht als
yivTLvoog — zum Hauptgott der Stadt gemacht.'^) Vgl. den Schwor beim
1) TgL i. B. BGU 886 (100), 846. Direkt bestätig wird die Annahme der
alexandriniechen Herkunft z. B. in BGU 886, 601, 623, 848. In anderen F&Uen wie
BOU 276, 832, 833, 384, 440, 626 usw. ist eie wabxgcbeinlich.
2) Vgl. Cumont 1. c. S. 118, der z. T. gerade au• dieser Eh'gentflmlichkeit det
ägyptischen (jottesdionstes seinen tiefen Eindruck auf die rOmitcbe Welt ableitet.
8) Vgl. dan Ver/ßichnis der Oberlieferten bei 0. Parthey in eeiner Ausgabe tod
Plutarch, de iHid. et Osir. (1860) 8. 216 f. und Otto II 888.
4) Vgl. Ad. PJrniun, Äg. Religion' 240. Zum Tierkult Tgl. auch Plutarch, de
Isid. et Osir. 72 ff.
6) Vgl. Arch. IV ύΓ)2. Die Schreibung ΌαιρανχΙψοος teigi, dafi da• lange Jola
τοπ 'ΟαΓρις sich hier daroh den Qegeoton gehalten hat, weil eif vor ainer unbetonten
Silbu fitoht. Vgl. dagegen die enttonten Formen Χ)ύθγ-Αιη9^ Χ)€θ9βοϋχίς usw., wo
«H» vor niner betonten Silbe xu 009 geworden iit Wir haben aleo Oiirantinooi ra
sprechen, mit einem Oegenton auf dem enten i.
;[24 Kapitel II. Religion und Kultus.
Genius des Kaisers und beim Όοιραντίνοος in der antinoitischen Urkunde
Straßb. 34, 18, wo Osirantinoos die Stelle des πατρώος d-sog einnimmt.
Vgl. meine Bemerkung zu 114. Vgl. auch Lond. III S. 163, 20: παοτο-
φόρος Όύειραντινόου ^εον μεγίότον. Der Pincio-Obelisk ist diesem Osiris-
Antinoos gewidmet.^)
Als neue Götter sind ferner an Stelle der Ptolemäer die römischen
Kaiser getreten. Der ägyptische Kult der Cäsaren läßt sich schon un-
mittelbar vom Beginn der römischen Herrschaft an verfolgen, am frühesten
in den einheimischen Texten.^) Ebenso wie vorher die Ptolemäer wurden
jetzt die Kaiser an den Tempelwänden als Pharaonen dargestellt und mit
göttlichen Titeln geehrt.^,) Einen griechischen Beleg für den ägyptischen
Kaiserkult bietet z. B. der άρχίπροφτ^της των κυρίων Αυτοκρατόρων Σε-
βαύτών in Teb. II 313 (86).
Daß die Gleichsetzung der griechischen mit den ägyptischen Göttern
in der Kaiserzeit zu einem vollständigen Synkretismus führte, ist schon
oben S. 118 gesagt worden. Wenn bei dieser Mischung im Kult im all-
gemeinen das ägyptische Element sich als das stärkere erwiesen hat*), so
konnte doch nicht ausbleiben, daß auch von der griechischen Seite aus
Beeinflussungen stattfanden. Dafür dürften die in griechischer Kunst ge-
arbeiteten kleinen Terrakottastatuetten von ägyptischen Göttern sprechen,
die in den Ruinen der Wohnhäuser aus römischer Zeit zu Tausenden ge-
funden worden sind.^)
Fragen wir, welche der verschiedenartigen Götter das religiöse Be-
dürfnis der Massen am besten befriedigt haben, so sind es, wie schon
oben S. 117 ausgeführt wurde, sicher nicht die Kaisergötter gewesen —
weder die des griechischen noch die des ägyptischen Kultus — , sondern
die ägyptischen und gräco-ägyptischen Ortsheiligen und der große Sarapis
in Alexandrien. Die heimischen Götter soll man vor allem verehren und
Isis und Sarapis — so sagen die Sprüche des Sansnös, die bisher für
diese Frage wohl noch kaum herangezogen sind (CIGr III 5041 [116]).
Indem er Wallfahrten zu aUen Tempeln anempfiehlt, berührt er sich mit
dem Briefe Lond. III S. 206 (117), der für diese Fragen gleichfalls von
hohem Interesse ist.
Ein charakteristischer Zug der ägyptischen Religion — vielleicht ein
Residuum des alten Fetischismus — ist die Vorstellung, daß die Gottheit,
1) Vgl. Ad. Erman, Mitt. Rom. Inst. IX (1896) S. 118.
2) Vgl. Otto Π 278; Blumenthal 1. c.
3) Vgl. etwa Lepsius, Königsbucli der Ägypter und seine „Denkmäler".
4) Die Annahme von Leipoldt, Schenute von Atripe 1903, daß in der Kaiserzeit
die ägyptische Rehgion völlig hellenisiert worden sei, halte ich nicht für richtig.
5) Vgl. Ad. Erman, Äg. Religion^ 238 ff. Die Terrakotten, die ich mit H. Schäfer
in Herakleopolis fand, lagen alle in den Wohnhäusern. Th. Schreiber rechnet mit
der Herkunft aus Gräbern.
Β. Römische Zeit. § δ. Äg)*pti8che und graco-ägyptische Kulte. 125
wenn sie nach richtigem Ritus gebeten wird, auch verpflichtet ist, das
Gebet zu erhören, so daß der Gläubige, wenn die Gottheit sich ihm ver-
sagt, sich berechtigt fühlt, sich zu revanchieren. Porphyrius wundert
sich darüber, daß die Ägypter in ihren Gebeten den Göttern bisweilen
drohen^), und Plutarch, de Iside et Osir. 73 erzählt, daß die Priester in
gewissen Fällen Drohungen gegen die heiligen Tiere ausstoßen, eventuell
sie töten. ^) Diese Klassikernachrichten können Λvir jetzt durch mehrere
briefliche Äußerungen illustrieren. Vgl. vor allem Oxy. VII 1065 (1*20);
auch Atene e Roma VII 124, 11: οντ\' ί\λον6άμηι/ |ου]τθ προοεχννηόα
d-eovg φοβούμενη ύον το μετέωρου. Dieselbe Eudaimonis schreibt Ρ.
Brem. 10: töd^L δε οτι ου μέλλω ^'εω όχολάζειν^ εΐ μη πρόχερον άηαρτίοω
τον νΐόν μον.
Im übrigen wirken die Götter auch jetzt vor allem als Heilgötter
und Orakelgötter. Für die Heilgötter vgl. z. B. Oxy. VI 935 (119). Be-
zeichnend ist, daß auch der neue Osirantinoos nach Aussage des Pincio-
obelisken durch Tempelschlaf heilte.^) Hierhin gehört auch der Brauch,
sich durch Amulette, Zaubertexte, die eng zusammengekniflft und mit
einem roten Faden zusammengeschnürt um den Hals getragen wurden,
gegen Krankheiten usw. zu schützen. Vgl. BGU 956 und dazu meine Aus-
führungen im Arch. I 420 ff. Der Zauberglaube ist von jeher ein wich-
tiges Charakteristikum der ägyptischen Volksreligion gewesen (vgl. Ad. Er-
man, Äg. Rel.- 167 ff.). Auf die großen Zauberlehrbücher, die uns auch
auf Papyrus überliefert sind, kann hier nur kurz hingewiesen werden.
Eine neue Gesamtausgabe der Zaubertexte wird unter Wünschs Leitung
vorbereitet. Sie leiten zugleich hinüber zum Orakelwesen.*) Hierfür sind
sehr interessant mehrere Orakelfragen, die z. T. in den Tempeln gefunden
sind. δ) Vgl. BGU 229, 230; Fay. 137 (121); Oxy. VI 923; Lond. HI
1267 (d) von GrenfeU-Hunt gelesen im Arch. IV 559; Wess., Spec. Taf. 12
n. 26 (122). Diese Texte, die in den bekannten BleitUfelchen aus Dodona
ihre Parallelen haben^j, zeigen uns so recht deutlich, wie abhängig sich
die Gläubigen von ihren Ortsheiligen fühlten, so daß sie oft um die
nebensächlichsten Dinge die Entscheidung des Gottes einholten. Andere
Papyri wieder bestätigen uns, daß das Horoskopstellen in dieser
1; V^l. l'urph. Kpist. ad Aneb. 29. Vgl. Cumont 1 r m
2) Kd, Meyer, (»»iechichte Äjfyptene (Oncken) lu virwoiit liarauf, daß ühnlioher
Hraach bei Negeretilmmen vielfach vorkommt.
8) Vjfl. Ad. Krman, Mitt. Köm. Init. XI (ΙβΟΟ) S. 118
4; \\i\. auch di»• Anweiiung, Omina su orlmlton, in Oxy. VI 886.
Γ») Vgl Ammian. Marcell. 19, 12, 8 (über da• nonoorakel von Abjdofi: chartulM
•eil : tuu« contin<?ntL•• c|uae continebantur, poit lUta quoqae retponsa int^rdum
roih III fano.
li, DitUnbergor, 8yll Π 778 ff und riiuly-WiMOwa V 1262. Vgl. aaoh Wiegmod,
Auegrab, in Milct «Sitz. Berl. Ak. lli(>«, lif.« .
126 Kapitel Π. Religion und Kultus.
Zeit beliebt war. Vgl. Lond. I S. 127 ff. und Griffith, Äg. Z. 38, 71 ff.
(vgl. Wilcken, Arcb. II 175); Oxy. II 235 (dazu Nickiin, Class. Rev. XVI
119 ff.); Par. 19, 19 bis. usw. Trotz aller dieser Mittel, die dem Glauben
und Aberglauben entgegenkamen, sind, wie wir aus anderen Quellen wissen,
mindestens seit dem IL Jahrb. weite Kreise des ägyptischen Volkes dem
heimischen Kult untreu geworden und sind zum Christentum übergetreten.
S. unten § 6.
Über die Kulthandlungen bieten uns die Papyri manche wertvolle
Auskünfte. So enthalten die Rechnungen über Einnahmen und Ausgaben
der Tempel Mitteilungen über die in den Tempeln gefeierten Feste. Daß
im Jupiter Capitolinus-Tempel manche ägyptischen Feste gefeiert wurden,
wurde schon oben hervorgehoben (vgl. 96). Ausführlichere Nachrichten
haben wir sonst namentlich für den Soknopaios- Tempel in Soknopaiu-
Nesos. Vgl. die Abrechnungen BGU 337 + 1 (92); 149 (93) und die
Mitteilungen Wesselys aus dem unedierten Rainer -Pap. 171 in „Karanis"
S. 74 ff., im besonderen den daraus aufgestellten Festkalender S. 76. Ein-
zelne Götterfeste werden auch in Briefen wie BGU 248 und sonst er-
wähnt. Auf die Volksfeste, zu denen manche dieser religiösen Feste
Anlaß gaben, soU im XII. Kap. (über das Volksleben) eingegangen werden.
Die angeführten .Tempelrechnungen enthalten zugleich manche Angaben
über die in den Tempeln vollzogenen Opferhandlungen. Andere Texte
handeln speziell von den blutigen Opfern, im besonderen von der Unter-
suchung und Versiegelung der Opferstiere durch die μο6χο6φ^αγι6ταί^ in
voller Bestätigung der Nachrichten des Herodot II 38. Durch BGU
250 (87) erfahren wir, daß der Idiologos (s. unten) im Jahre 122/3 die
Neuerung getroffen hat, daß der μο^χοοφ^αγι^ττις dem opfernden Priester
eine schriftliche Bescheinigung der Reinheit des Opferstieres auszustellen
hatte. •^) Solche Bescheinigungen sind uns erhalten, und sie sind, wie nach
jenem Text zu erwarten ist, alle jünger als 122/3. Vgl. Gen. 32; Straßb.
graec. 1105 (89); Grenf. II 64. Für die Versiegelung war eine Abgabe
an den Staat zu entrichten (vgl. BGU 356 [88]). Im übrigen hatten die
Priester für die ihrem Tempel gespendeten Opferstiere ein δεκάτη zu
zahlen (vgl. Teb. II 307), während die Spender (nach Grenfell-Hunts Deu-
tung) ein τέλος μόΰχον zu zahlen hatten. Vgl. Lond. II S. 82; BGU 383,
463, 718; Fay. 244. Über sonstige Opferspenden {κατ ενοεβείαν) vgl.
V^essely, Karanis S. 71ff.
Auf die großen Veränderungen, die das Kaiserregiment für die Ver-
waltung des gesamten Tempelwesens gebracht hat, ist schon oben S. 114
kurz hingewiesen worden. Wenn auch der neue άρχίερενς Αλεξανδρείας
καΐ ΑΙγνπτον πάύης^) nicht nur den ägyptischen Kult, sondern wie ich
1) Vgl. Wilcken bei Otto I 63, 1. 2) CIL III 5900.
Β. Römische Zeit. § 5. Ägyptische und gräco-ägyptische Kulte. 127
glaube (s. S. 121), den gesamten, auch den Kaiserkult und den griechischen
Kult zentralisieren sollte, tritt uns in den Urkunden doch bisher nur die
Wirkung auf den ägyptischen Kult entgegen, weswegen ich ihn an dieser
Stelle bespreche. Wann diese Stelle des άρχιερενς geschaffen ist, ist nicht
überliefert. Daß sie [schon aus dem Anfang der Römerzeit stammte, ist
nicht ausgeschlossen. Mindestens seit Hadrianischer Zeit ist diese Stelle
kombiniert gewesen mit der des Idiologos.^) In BGU 250 (87) amtiert
im J. 122/3 der Idiologos genau so, wie man es vom άρχίερενς erwarten
sollte. Es ist daher mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß die beiden
Ämter damals schon kombiniert gewesen sind.^) Es entspricht dem Ver-
hältnis des Procurator usiacus zum Idiologos, daß ersterer gelegentlich als
sein ihm untergebener Stellvertreter, als διαδεχόμενος την άρχιερωόννην er-
scheint. Vgl. ζ. Β. BGU 362 ρ. δ, 10 (96), Ρ. Achmira (81), CIG UI 5009 (^73).
Der Idiologos sowohl wie der Procurator usiacus haben nicht etwa nur die
Finanzverwaltung der Tempel, sondern auch die geistlichen Angelegenheiten
zu leiten. So gehen dem Idiologos als άρχιερενς Berichte über das Ver-
halten der Priester gegenüber ihren kultischen Pflichten zu (P. Rain, bei
Hartel, Gr. Pap. S. 70 [72J), so leitet der Idiologos eine Untersuchung
betreffs eines Priesters, der die Vorschriften über Rasur und leinene Klei-
dung nicht beachtet haben soll (vgl. BGU 16 [114•]), und entfernt Hinder-
nisse für die Ausübung des Götterdienstes') (ίνα μηκέτι cd των %•εών
^ρηόκεΐαι εμποδίζονται). Ahnlich befiehlt ein Erlaß des διαδεχόμενος
την άρχιερωόννην in Talmis (Nubien), im Interesse der ^^ρη6xιa die
Schweine aus dem Tempel zu treiben (CIG III 5069 [73J).
Die Priestersynoden, wie die Ptolemäerzeit sie kannte (s. oben S. 1 1 0),
sind für die Kaiserzeit nicht belegt und Averden geschwunden sein. *Επι-
ότάται als Vorsteher der Tempel wird es auch jetzt noch gegeben haben,
denn die έπιοτατιχόν genannte Abgabe kommt auch jetzt noch vor (vgl.
z. B. Lond. II S. 114; BGU 337, 2 [92]; Teb. II 306), aber ob sie noch
dieselbe Stellung hatten wie in der Ptolemäerzeit, wissen wir nicht.
Charakteristisch für die Römerzeit ist vielmehr, daß ein liturgisches Kol-
legium von ηρεαβύτεροι oder 'ίιγονμενοι an der Spitze der einzelnen
Tempel stand. Diese jährlich wechselnden Kollegien bedeuteten der Regie-
rung gegenüber natürlich viel weniger als früher die mächtigen ίπιότάται})
Wie früher werden auch jetzt die gewinnbringenden Prieeteretellen von
1) Diese VereiniguDg habe ich nftcbgewieten im Hernie• JJSSL eOO ff. Vgl. auch
h. Oitr. I 048 f. Sie iit epater durch viele neue Texte beetftÜgi worden. Vgl.
, u: Otto I 68 ff.
2) So Otto I 62 gegenüber P. Meyer, der die Vereinigung ent ftr Serero•' Zeit
annimmt. Vgl. auch Otto, Arch. V 181. — Nach W. Weber; Untertuch. i. Qeech. d.
Κ IM Hadrian 114 w&re die Vereinigung eben damAli (122) erfolgt Die HjpoUieM
iHt anregend, aber son&cbit doch gans uneicher.
8) Vgl. Weteelj, Karani• 8. 66. 4) Vgl. Roitowiew, QOA 1909, 616.
;[28 Kapitel Π. Religion und Kultus.
der Regierung, und zwar vom Idiologos, verkauft resp. auf unbegrenzte
Zeit verpachtet.^ Vgl. Teb. 294 (78), 295, 296 (79), 297; P. Achmim (81);
Gen. 7 (80). Kleinere Heiligtümer werden wohl auch jetzt als Ganzes
veräußert. Vgl. die Verpachtung eines βωμός in BGU 916. Andererseits
besteht auch jetzt das System der öwra^sig fort. Vgl. P. Petersburg 7 +
Berl. Bibl. 5 (82), BGU 707, P. Hawara 188 in Arch. V Heft. 3. — Die Prüfung
auf Qualifikation zum Priester bestand in einer Ahnenprobe und einer
Untersuchung auf körperliche Mängel (οημεΐα). War sie bestanden, so
wurde, wiederum vom Idiologos-ß:^;|<t£p£i;g, die Erlaubnis zur Beschnei-
dung gegeben, ohne die ein Priestertum nicht übernommen werden
konnte. Vgl. BGU 82, 347 (76); Straßb. graec. 60 (77); Teb. Π 291,
292 (74), 293 (75), 314. Nicole, Textes gr. ined. (1909) Nr. IV. Für
die Aufnahme unter die Priester wurde wie früher das τελεοτικόν^ so
jetzt das εΐβχριτικόν an den Staat gezahlt.^) Vgl. Lond. II S. 113 (vgl.
Arch. III 238 f.); Teb. II 294, 20 (78). Nur die von der Regierung
für jeden Tempel festgesetzte Zahl von Priestern genoß die Privilegien,
wie die Freiheit von der Kopfsteuer; die überzähligen (die ύπεραιροντες^
vgl. BGU 1, 15 [92]) waren kopfsteuerpflichtig. Die Regierung führte
daher genaueste Kontrolle über den Bestand der Priesterschaften, und in
jedem Jahre mußten die Listen der Priester (γραφή Ιερέων) wie auch die
Listen des Tempelinventars (das scheint mir hier der prägnante Sinn von
χειριύμόξ zu sein) an die Regierung eingereicht werden. Solche meist mit
einander verbundenen Listen sind z. B.: Teb. 298 (90), 600 (über Pastophoren,
nicht ίερείζ)', BGU 590 + 162 (91), 258, 338, 387, 406, 488, 590, 627,
1023; Lond. II S. 112/3; S. 114 oben (102). Zur Prüfuug der Tempel-
inventare wurden vom l^i\o\ogos-άρ%ιερεvg besondere έξεταβταί ins Land
geschickt. Der Brief Teb. II 315 (71) zeigt uns, wie sehr diese Prüfer
gefürchtet wurden, und mit wie brutaler Gewalt die römische Regierung
eventuell den Priestern gegenübertrat.
Eine wesentliche Veränderung in den Formen der Verwaltung der
Tempel muß im III. Jahrh. eingetreten sein, als den neu begründeten Kurien
der Metropolen auch die Tempelverwaltung aufgehalst wurde. Die Kurien
erwählten nun Kuratoren (έπιμεληταί)^ denen die Kontrolle und Abrech-
nung über die Finanzen der Tempel als haftpflichtigen Liturgen zugewiesen
wurde. So erkläre ich den ετΐίμελητης des Jupiter- Capitolinus -Tempels,
dessen Abrechnungen wir in 96 lesen. Parallel steht der βουλευτής έ%ι-
μ(ελψης) ίερον Έρμείου Μέμφεως in einem Theadelphia - Papyrus bei
Seeck, Rhein. Mus. 62, 520, vgl. Wilcken, Arch. V 289 f. Vgl. auch den
Inspektionsbericht zweier Buleuten an die βουλή über gewisse dem Sera-
1) Darauf zielt auch das κατά προκήρνξιν παραλαβών bei Wessely, Karanis S. 64
(aus R. 107).
2) Vgl. ßostowzew, GGA, 613 Anm. 1.
Β. Römische Zeit. § 6. Orientalische Kulte. 129
peum von Hermopolis gehörige Grundstücke in CPHerm 7 ΙΙ/ΙΠ (vgl.
Wilcken, Arch. III 541/2). So erscheint schließlich auch die Tempel-
verwaltung als ein Teil der städtischen Verwaltung. \) Eine genauere
Untersuchung über diesen wichtigen Vorgang ist dringend erwünscht.
Schon vorher aber hatten die Priester mehr und mehr von ihrer alten
privilegierten Stellung eingebüßt. Das Edikt des Lusius Geta (Ditten-
berger, Or. Gr. II 664) zeigt, daß gelegentlich auch Priester zwangsweise zur
Bebauung königlicher Domänen herangezogen waren, was hier nun freilich
verboten wird. Nach BGU 176 (83) waren die Piester von λόγιμα Ιερά
zu Hadrians Zeit frei von Fronarbeiten an den Dämmen, trotzdem werden
ihre Sklaven gelegentlich doch dazu herangezogen. Wichtig ist, daß nach
BGU 194 (84) die Priester jetzt prinzipiell liturgiepflichtig waren, nur
hatte in diesem FaUe die Dorfgemeinde auf Grund eines Abkommens mit den
Priestern diesen kürzlich die Liturgie abgenommen. Wie der von Wessely,
Karanis S. 66 zitierte Fall, in dem ein Priester, zur Liturgie herangezogen,
sich darüber beschwert, aufzufassen ist, kann erst beurteilt werden, wenn
der Text vorliegt.
§ 6. ORIENTALISCHE KULTE.
Der Kult orientalischer Gottheiten hat sich in der Kaiserzeit, im be-
sonderen wohl gefördert durch die römischen Truppen^), wahrscheinlich
noch mehr als in der Ptolemäerzeit ausgebreitet — entsprechend der all-
gemeinen Entwicklung im Reiche. Aber die Papyri bieten bisher nur
geringe Spuren. Über den Mithraskult, der auch hier sicher zur Bedeutung
gekommen ist, schweigen die Papyrusurkunden bisher ganz, dafür hat
aber aus einem Pariser Zauberpapyrus dieser Zeit Albrecht Dieterichs
Kunst eine Mithrasliturgie herausgeschält (1. c). Für den Fortbestand der
Jüdischen Religion bürgt die große Bedeutung, die die Juden in Alexan-
drien, aber auch im Lande gehabt haben (vgl. S. 62). Der Zentraltempel
von Leontopolis wurde zwar von der römischen Regierung nach den Un-
ruhen, die nach der Zerstörung Jerusalems auch in Ägypten ausbrachen,
geschlossen. Daß auch die jüdischen Vorstellungen nicht ganz unberührt
vom Ägyptertum blieben, zeigt die Inschrift im Archiv V 163 (vom J. 29
vor Chr.), die d'suc μεγάλω μεγάλφ νφίότφ geweiht ist: da ist der
jüdische dfog vilfiörog (s. oben S. 112) nach ägyptischer Weise μέγας μέγας
genannt. — Von orientalischen Göttern läßt sich sonst noch die babylo-
iiiNflie Nanä als NuvaCu narhwciHen, die in Aloxandrien') einen Νοραίοψ
L?i?niinnten Tempel hatt<•, in (l«*ni HJch ein staatliches Archiv ba&nd (Oxy.
»4 Verso).*) Auch der Kult di<'s»»r (löttin. di«• übrigens als "//pr «μις Νανά
l) Vgl, die BemerkanffCTi mn W,.Hf,,w/.w. «ί«; \
2; Vgl. Cunioot bei Di• Mlitur^i. i.H»ä, ött. Auch Otto I 170.
;; Arrli. I 121. ι ι limn.l Π Κλι•. IV.
130 Kapitel Π. Religion und Kultus.
auch im Piräus verehrt worden ist^), ist in der Provinz der Ägyptisierung
verfaUen. Vgl. die lötg NavaCcc in Lond. II S. 114 (102).
Gleichfalls recht dürftig sind bisher für unsern Zeitabschnitt die
Nachrichten über
die christliche Religion.
Das Wenige, was über die Ausbreitung des Christentums in Ägypten
während der ersten drei Jahrhunderte bekannt ist, hat kürzlich Ad. Har-
nack zusammengestellt.^) Wenn man bedenkt, daß schon in der severi-
schen Zeit die alexandrinische Katechetenschule — ein Gegenstück zum
heidnischen Museion ^) — blühte, und daß Clemens und dann Origenes
dort wirkten und den Hellenismus der christlichen Lehre nutzbar machten*),
und wenn man andererseits hört, daß schon eine große Zahl von Christen
durch das ganze Land von der severischen Verfolgung betroffen wurde
(Eusebius h. e. VI If.), und daß der damalige alexandrinische Bischof
Demetrios anfing, Bistümer im Lande zu errichten^), so ist es verwunder-
lich, daß unter den vielen Tausenden von Urkunden dieser drei Jahr-
hunderte kaum irgend welche Spuren des Christentums uns entgegentreten.
Das älteste, das wir haben, sind die libelli aus der decianischen Christen-
verfolgung vom Jahre 250, die uns für einige Orte im Faijum und für
Oxyrhynchos das Vorgehen der Regierung veranschaulichen. Yg[. BGU 287
(124) und P. Bull. Soc. arch. d' Alex. 9 (125). Außerdem haben wir noch einen
christlichen Brief, der, wie Hamack gesehen hat, durch die Erwähnung
des alexandrinischen Bischofs Maximus zwischen 264/282 datiert wird,
der zwar in Rom geschrieben ist, aber auch auf die ägyptischen Ge-
meinden ein Licht wirft (Amh. I 3a [126]). Das ist aUes, was mit Sicher-
heit in die vordiokletianische Zeit gehört. Übrigens ist es ja möglich,
daß man bei immer wiederholten Prüfungen in den schon publizierten
Urkunden hier oder da noch christliche Anspielungen finden mag.^) Aber
angesichts jener Tatsachen bleibt die Dürftigkeit der Spuren sehr auf-
fallend. Nun könnte man darauf hinweisen, daß das Christentum sich zu-
1) CIA III 131. Vgl. dazu Robert-Preller I 333 Anm. 1.
2) „Die Mission und Ausbreitung des Christentums in den ersten drei Jahr-
hunderten".
3) In Anbetracht des weiten Lehrplanes der christlichen Schule (auch Gram-
matik, Geometrie, Arithmetik, Philosophie usw.) ist es doch sehr wahrscheinlich, daß
gerade der bewußte Gegensatz zum Museion auf die Entwicklung der Schule ein-
gewirkt hat.
4) Vgl. P. Wendland, Christentum und Hellenismus (N. Jahrbb. für das klass.
Altertum 1902).
5) Hierzu verweise ich auf die feine Bemerkung von Ed. Schwartz (Gott. Nachr.
1905, 182 f.), der diese erste Einsetzung von Bischöfen im Lande mit der (durch die
Papyri erwiesenen) Tatsache kombiniert, daß im Jahre 202 die Metropolen Stadtrecht
erhielten.
6) Vgl. z. B. meine allerdings sehr unsichere Hypothese betreffs Teb. II 334
(ca. 200/1) im Arch. V 238.
C. Die byzantinische Zeit. § 1. Die christliche Kirche. 131
nächst vielfach gerade in den national -ägyptischen Kreisen ausgebreitet
haben mag, die nicht griechisch schreiben konnten, die ihre nationale
Sprache redeten, nnd sicher hat die oberägyptische Kirche, deren Ent-
stehung Leipoldt ^) schon der zweiten Hälfte des II. Jahrb. zuweist, schon
im III. Jahrb. begonnen, die christlichen Schriften, von denen wir anderer-
seits aus dieser Zeit auch Reste von griechischen Papyrushandschriften
besitzen, in koptischer Schrift und Sprache zu verbreiten. Aber die Vor-
stellung, als ob das Christentum auch nur im Lande — um von Alexan-
drien zu schweigen — auf diese „Kopten" beschränkt gewesen wäre,,
würde sicher in die Irre gehen. Daß die Heiden auch von den Kopten
"Ελληνες genannt wurden, entspricht nur der allgemeinen Terminologie,
und daraus darf nicht auf eine Scheidung der Religionen nach den Rassen
geschlossen werden.^) Hiernach möchte ich es doch nur für einen Zufall
halten, daß nicht schon mehr christliche Dokumente unter den Papyrus-
urkunden zutage gekommen sind. Jeder Tag kann uns das Vermißte
bringen. Wie wertvolle Aufschlüsse aber auch die heidnischen Urkunden
der ersten drei Jahrhunderte für das Verständnis des Neuen Testaments
bei methodischer Verwertung bringen können, haben die Forschungen
Adolf Deißraanns gezeigt. Sowohl die Interpretation der Worte als auch
das Verständnis der Umwelt der jungen Religion und der Kreise, in die
sie eindrang, hat wesentliche Förderung durch ihn erfahren.')
C. DIE BYZANTINISCHE ZEIT.
§ 1. DIE CHRISTLICHE KIRCHE.
Am Beginn unserer Periode steht die diokletianische Christenverfol-
gung. Ihrer Zeit mag der vielbesprochene Brief des Psenosiris in Grenf.
U 73 (127) angehören, der uns Kunde gibt von der Ausbreitung des
Christentums in der thebanischen Oase. Wenige Jahre danach folgte der
Umschwung in der Kirchenpolitik, der erst zur staatlichen Duldung und
dann allmählich zur Herrschaft des Christentums geführt hat. Die Papyri
bieten ein reiches Material aus den Zeiten, in denen Christentum mul
Heidentum bis zum Untergang des letzteren gekämpft haben, aber es
fehlt bisher an einer umfassenden Bearbeitung deeeelben unter diesem
weltgeschichtlich so wichtigen Geeich tsponkt.^) So maß ich mich
auf einige willkürlich herausgegriffene Proben beflohränken.
1) .,8chenui<. von Atripe»* ΙβΟβ S. «8.
2) Die• bemcrku ich geffenflber Leipoldt 1. o.
Zur Terminologie vgl. z.B. A. Kichhom, Βάρβαρος quid lignificAvcrii (DiM. Ltp•. 1904),
Η 60, <ier auf Kukulft« Untenucbusg in der FeeUcbrift f. Qonipen 8. 369 ff. ftrwtist
8) Vgl. jetzt dM auch die firtthertD Fortohungen lusammtntehUeeeBdt Werk
„Licht vom Oiten", S. Aufl. 1909.
4) Kineo trst^n kleinen \ er«ueb machte ich im Arch. I 89« ff. (..HeidiiifobM
und Cbriitlicbe• ans Ägypten'*).
9•
1^2 Kapitel IL Religioa und Kultus.
Der Geist der christliclien Religion tritt uns vor allem in den pri-
vaten und auch amtlichen Briefen entgegen. Einige derselben sind schon
von Deißmann gewürdigt worden.^) Im besonderen sei für das IV. Jahrh.
auf die Korrespondenz des Abinnäus hingewiesen (teils in Lond. II, teils
in P. Gen. ediert). Vgl. z. B. den Brief des christlichen Dorfpriesters von
Hermopolis in Lond. II S. 299 (129). Ich füge hinzu den Brief Lond. III
S. 242 (130), der wahrscheinlich an einen Bischof gerichtet ist. Aus dem
VI./ VII. Jahrh. stammen die Briefe Grenf. I 91 und 93, die gleichfalls an
einen Bischof geschrieben sind. Vgl. auch die an einen Bischof gerichtete
Bittschrift von Mönchen Cairo Cat. 67021. Genaueren Studiums bedarf noch
der christliche Bettelbrief Gen. 14, in dem sich u. a. ein Bibelzitat findet
(o γαρ ελεών [Λ]τ[ω]χ[ον]^ ώς ί'οτε^ ϋ'εω δανείζει).^) Der Glaube, daß
Gott von Krankheiten heilen kann, tritt in dem Briefe Oxy. VI 939 (128)
klar hervor.
Wie die Christen diesen Glauben mit den Heiden gemeinsam haben,
so treten uns auch sonst gemeinsame Züge entgegen, im besonderen auch
solche, die aUer Wahrscheinlichkeit nach direkt vom Heidentum über-
nommen sind, um das Volk für den neuen Glauben zu gewinnen.^) Die
starke Ausbreitung der Märtyrer- und Heiligen Verehrung, die einen Ersatz
für den alten Polytheismus bot*), die Beibehaltung der Mumisierung der
Leichen und heidnischer Begräbnissitten ^) u. a. lassen sich auch durch die
Papyri illustrieren.^) Sicher aus dem heidnischen Gedankenkreis über-
nommen sind die Amulette und die Orakelfragen. Ein christliches
Amulett, das sich formell an die heidnischen eng anschließt, nur daß das
„Vaterunser" die Zauberworte ersetzt, liegt vor in BGU 954 (133)'), und
daß auch die Sitte, die Gottheit um die kleinsten Kleinigkeiten des All-
tagslebens zu befragen, ins Christentum übergegangen war, bestätigt Oxy.
VI 925 (132).
Auch für die Organisation der christlichen Kirchen, für die Amts-
führung der έτζίβκοτΐοί^ ττρεοβντερον^ άρχίδιάκονοι und διάκονοι usw. sowie
auch für die Eremiten und die Klöster und ihre Mönche und Nonnen
1) Licht vom Osten^ S. 151 ff.
2) Paroem. 20, 17: δανείζει &εώ 6 ελεών Λτωχόν. Vgl. hierzu Wilcken, Arch.
ΠΙ 384/5.
3) Ygl. über solche religiösen Ausgleichungen z. B. V. Schnitze , Geschichte des
Untergangs des griech.-röm. Heidentums II S. 346 ff.
4) Yerse auf das Martyrium des heiligen Senäs (Ισό'ψηφα έγν.ώμ,ια) stehen in
Cair. Cat. 67024 Verso (VI. Jahrh.).
5) Vgl. Leipoldt, Schenute von Atripe 30 f.
6) Vgl. z. B. das Testament des Bischofs Abraham (um 600) "in Lond. I
S. 234, 56 ff.
7) Vgl. jetzt das gnostische Amulett Oxy. VI, 924, auch Berlin. Klasserstexte VI
S. 129 ff. Unter den christlichen Gebeten ebendort hat Reitzenstein soeben das eine
(S. 112, 43 ff.) als ein Stück aus dem heidnischen Poimandres erwiesen (Gott. Nachr.
1910, 324 ff.).
C. Die byzantinische Zeit. § 2. Die heidnischen Kulte. 133
bieten die Papyri viele Nachrichten, doch harren auch diese noch ihrer
Zusammenstellung und Bearbeitung.^) Das älteste uns erhaltene Beispiel
einer episcopalis audientia bietet Lips. 43 (vgl. Bd. Π S. 32). Vgl. auch
den aus dem VI./VII. Jahrh. stammenden Brief BGU 103 (134). Für die
Bedeutung des in einer christlichen Kirche geschworenen Eides — des Nach-
folgers des im Tempel geschworenen heidnischen Eides — spricht Stud. Pal. III
n. 343 (vgl. ] 10 A). Daß in Gegenwart christlicher Presbyter Rechtsgeschäfte
abgeschlossen werden, zeigt CPR 19, 7/8. Ebenso wird auch Gen. 68, 11
zu deuten sein. Als ein Organ, das über die Sittlichkeit in der Ge-
meinde wacht, erscheinen die Presbyter in Grenf. I 53 (131). Eine Bitt-
schrift von Eremiten aus justinianischer Zeit enthält Cair. Cat. 67003, die
eines Mönches aus einem Kloster Cair. Cat. 67007. Ein Kircheninventar
bietet Grenf. II 111 (135). Über die Bewirtschaftung der kirchlichen
Liegenschaften vgl. unten Kap. VII.
Nachdem auf dem Konzil zu Chalkedon 451 die Lehre von den zwei
Naturen Christi proklamiert war, haben die Kopten in leidenschaftlichem
Festhalten an ihrer Auffassung von der einen göttlichen Natur Christi
als ,,Monophysiten" heftige Kämpfe gegen die der chalkedoni sehen Lehre
anhängenden byzantinisch-griechischen Kreise als die „Melchiten" geführt.
Aus den Papyrusurkunden sind bisher keine Spuren dieses Kampfes ans
Licht gezogen worden.
§ 2. DIE HEIDNISCHEN KULTE.
Spuren des unterliegenden Heidentums lassen sich durch das IV. Jahrh.
hindurch bis in das VI. Jahrh. hinein verfolgen. Wenn auch die Zer-
trümmerung des großen Sarapis von Alexandrien im J. 391 durch den
fanatischen Theophilos, die um so mehr einen ungeheuren Eindruck machte
als sie ungestraft blieb, das Signal zu weiteren Zerstörungen der heid-
nischen Tempel gab ^), so fanden doch auch noch die Fanatiker des
V. Jahrh. — wie Schenute von Atripe — Gelegenheit genug, Tempel za
zerstören und zu plündern.*) Wenn auch in Atripe selbst kein Kult
mehr ausgeübt wurde, so sind doch in anderen Fällen damals noch die
Tempelzerstörer von dem geschädigten Klerus in Antinoopolis und Hermo-
poli» verklagt worden.^) Hiernach ist nicht verwunderlich, daß eine Reise-
beschreibung eines Heiden aus der Zeit des Konstantins den blühenden
heidnischen Kult .Ägyptens zu rühmen weiß.*) Wie sich gelegentlich
heidnische und christliche Vorstellungen mischten, dafür gibt einen inter-
1 Namentlich auch in den von Wetiely in titud. l'ul. 1 Med Λ und 8 heimu••
^^ίζ*Λ>Ηη*'η Papyri „kleinen Format•^ steckt tiel Material. Vgl. die Indicet.
'Zj Vgl. V. Hcbulixe, Qeech. d. Unterg. d. grieob.-rOni. Heideniumi 1 :t61.
8) Vgl. Leipoldt, Sohenute τ. Atripe 178 ff. 4) Vgl. Leipoldt 1. c 178.
6) Oeogr. Uraec. Min. II p. 6S0 (neue Ausgabe von LumbroNo Η \cc Λ lancei
1808). Vgl. Mommsen, RG Υ 686.
134 Kapitel II. Religion und Kultus.
essanten Beleg der Pap. Edmonstone vom J. 355 (Oxy. IV S. '202), in dem die
Freilasserin erklärt άφναέναι νμάς iXevd'SQOvg — νπο γην %al ovQavov
κατ ενσεβειαν τ[ον ϋήανελετίμονος d-εον. Da spuken in einer abgeblaßten
Formel die alten Götter Γη und OvQavog (vgl. νπο Jia Γην "Ηλιον Oxy.
I 48; 49) neben dem ,,allbarmberzigen^^ Christengott. ^) Daß selbst in
Städten wie Oxyrbyncbos, die um 400 voll von Kirchen und Klöstern
waren, sich doch noch Freunde des Heidentums hielten, die sich in heim-
lichen Konventikeln zusammenfanden, zeigen uns die παγανικαΐ όυντέλειαυ
in BGU 936 (123) vom J. 426.
Über das V. Jahrh. hinaus hat sich das Heidentum unter offizieller
Duldung auf der Insel Philä erhalten. Hier war es, wie oben S. 68 dar-
gelegt wurde, eine politische Notwendigkeit, mit Rücksicht auf die Blemyer
und Nobaden den Kult der wundertätigen Mutter Isis auch weiter zu ge-
statten.^) Dieser äußere Zwang tritt uns jetzt um so deutlicher entgegen,
als wir aus Leid. Ζ (6) gelernt haben, daß zu Zeiten Theodosius' II be-
reits christliche Kirchen auf Philä neben dem Isistempel bestanden haben.^)
Erst als unter Justinian Narses die Blemyer zurücktrieb, wurde der Isis-
kult aufgehoben, die Priester gefangen genommen und die Götterbilder
nach Byzanz geschickt.^) Zum Glück wurde der schöne Tempel nicht
zerstört, sondern wurde später durch den Bischof Theodoros^) in eine
christliche Kirche umgewandelt, worüber uns die Inschrift CIG lY 8646
berichtet. Zerstört wird er erst jetzt durch die Stauwerke von Assuän.
Nach der Aufhebung des Isisdienstes ist dann auch zu diesen Barbaren
das Christentum gekommen.^) Noch immer aber gab es in der Thebais
unter der griechisch -ägyptischen Bevölkerung einzelne, die dem Heiden-
tum anhingen. Davon berichtet — aus den 50er Jahren des VI. Jahrh. —
Cair. Cat. 67004, die oben S. 82 erwähnte Bittschrift der Ratsherrn von
Omboi. Leider ist der Text als Ganzes noch zu unklar, um hier auf-
genommen zu werden. Aber es läßt sich erkennen, daß ein dem Heiden-
tum ergebener Mann'^) damals den Versuch machte, den Blemyern. die
sich gerade dem Christentum zuwendeten^), ihre heidnischen Tempel
1) Vgl. Wilcken, Arch. I 404, 1. Etwa in diese Zeit setzt Mommsen, RG V
585, 2 den auf Hadrians Namen gefälschten Brief in der vit. Saturnini 8.
2) Vgl. Priscus Panites in PHG IV 100 über den lOOjährigen Frieden aus Mar-
eians Zeit, und Prokop, de bello Pers. I 19. S. dazu Wilcken, Arch. I 396 ff. 405 f.
3) Vgl. Wilcken, Arch. I 398 ff.
4) Prokop, de bello Persico I 19, 37. Vgl. oben S. 69.
5) Vgl. J. Maspero, Theodore de Philae in Rev. des FHist. d. Religions (Annales
du Musee Gaimet) 1909.
6) Vgl. Krall, Wien. Denk, 46 (Beitr. zur Gesch. der Blemyer u. Nubier).
7) Z. 7f. : ουκ ώκνηοεν — το μεμνημίνον [. .] χρίβτιαηχον ά9•ε[τ]ή6αι ΰέβας ν.οίϊ
^'ρηβχος καΐ δαίμοβι -aal ξ,οάνοις άφϊερώΰαι οΐή^κονς.
8) Nach Krall 1. c. S. 7 waren die Bega, die Nachkommen der Blemyer, noch in
arabischer Zeit Heiden. Die Nubier dagegen waren Christen geworden.
D. Die arabische Zeit. 135
wieder herzustellen, um sie dann zu Raubzügen gegen Omboi zu verleiten.
Vgl. Z. 9: σκάνδαλα πoLηa[άμ£vo]g έγ τω αν[το\ν τα ίερά τοΐζ βαρβάροις
ί'ΐτί (= ^TOt) Βλέμνοι OiaxaLvCöaod^ai , μθθ' υ χαίπερ εκείνοι τον άΐδίον
έΐΐίγινώόκειν ϋ'εον νπεοτρέφοντο κτλ.*) Dies ist zurzeit wohl das Spä-
teste, das wir vom Heidentum in Ägypten erfahren.
D. DIE AMBISCHE ZEIT.
Mit der arabischen Herrschaft brach für die monophysitischen Kopten
eine Zeit der Freiheit an. Was ihnen Byzanz verweigert hatte, gewährte
ihnen der Khalif, die völlige Glaubensfreiheit. Damit fand auch der vorher
mit so großer Erbitterung geführte Streit der Monophysiten und der
Melchiten sein Ende. So hat die christliche Kirche unter der Herrschaft
des kläm sich ungestört weiter entwickeln können, und sie besteht noch
heute. Wir besitzen aus dieser Periode zahlreiche griechische Papyri,
die sich mit christlichen und im besonderen kirchlichen Verhältnissen
beschäftigen (vgl. namentlich Stud. Pal. HI u. VHI; Deok. Wien. Akad. 37),
doch haben sie imter diesem Gesichtspunkt bisher noch keine Bearbeitung
gefunden. Auf die Umwandlung des christlichen Eides, in dem nun die
Ι4μίράτε£ statt der Kaiser eintreten, ist unten zu Nr. 114 hingewiesen.
Spärlich dagegen sind bisher die griechischen Papyri, die Hinweise auf
die Religion der Muhammedaner enthalten. Hervorgehoben sei hier die
griechische Wiedergabe der sogenannten Basmala, des islamischen Glaubens-
bekenntnisses, die sich in den älteren Zeiten der arabischen Herrschaft
(seit dem Chalifen Abd-el-Malik, Ende des VU. Jahrh.) auf den von den
Byzantinern übernommenen sogenannten „Protokollen"^) neben dem Ara-
bischen findet. Diese griechische Übersetzung lautet: *Ev ονόματι τοϋ
^εον τον ελεήμονος καΐ φιλάνθρωπου. Ουκ εότιν d'sbg εί /ιή ό 9'εος
μόνος. Μαάμετ απόστολος θ£οΰ.')
1 1 Vgl. hierzu mein Ileferat in Arch. V Heft 8.
•2) Vgl. Karabacek, Führ. PR S. 17 ff.
8) Vgl. C. Η Becker, Das Lateinische in den arabischen PapyrusprotokoUen
<Ά. f. Ansyr. 22, 166 ff). Zu der Streitfrage, ob es auch eine lateinische Logende auf
diesen Protokolhm gibt, wie Karabacek jetzt annimmt, vgl. auch Bell, Arch. V 148 ff.
und Wilcken, Arch. IV 'J68 f. Da die Uasmala nur ein Teil des Stempels ist, durch
den die I'apyruMrollen aU amtliches Fabrikat bexeugt wurden, konnte sie ohne Anstoü
ζ Β. auch vor dem chriHtlichen Osterbrief stehen, den Schmidt und Sohubart
in den Berl. KlaNvikertcxten VI herausgegeben haben.
KAPITEL ΠΙ.
DIE ERZIEHUNG.
Für die kulturgeschiclitlicli so wichtige Frage, in welcher Weise das
Erziehungswesen in Ägypten geregelt worden ist, sind die Papyri in
größerem Zusammenhange bisher noch nicht ausgenutzt worden. Die
folgende Skizze möge zu einer gründlicheren Behandlung anregen.
§ 1. DER ELEMENTAR-UNTERRICHT.
Ich gehe kurz über die Frage der Erziehung der ägyptischen Be-
völkerung hinweg, zu deren Beantwortung in erster Reihe die einheimische
Tradition herangezogen werden müßte. ^) Unter den griechischen Papyri
interessiert nach dieser Richtung P. Teb. Π 291 (137) vom J. 162 n. Chr.,
der uns zeigt, daß die Anwärter auf Priesterstellen ein Examen darüber
ablegten, daß sie die ιερατικά καΐ Αίγνπτυα γράμματα verstünden. Das
bestätigt den Bericht des Diodor I 81, 1. Der Unterricht wurde nach
Diodor durch die Priester ihren Söhnen gegeben — wohl eher in Tempel-
schulen, wie in alten Zeiten, als privatim. Für die Laien wird es öffent-
liche Elementarschulen kaum gegeben haben. In den besser situierten
Kreisen wurden Hauslehrer gehalten, wofür P. Lond. I S. 48 (136) ein Bei-
spiel für die ptolemäische Zeit gibt.
Auch der griechische Elementarunterricht wird in Privat-
schulen oder von Hauslehrern erteilt worden sein, wenigstens liegen Zeug-
nisse für öffentliche Elementarschulen m. W. nicht vor. ^) Eine Privat-
Bchule ist z. B. jenes δοδαόκαλεΐον des Tothes, das in den Papieren der
δίδνμαι, des Sarapeums (IL Jahrb. vor Chr.) eine RoUe spielt.^) Privat-
1) Für die Pharaonenzeit vgl. Ad. Erman, Ägypten und ägypt. Leben I 444 ff.
Über ägyptisclie Schulbücher vgl. Krall, Mitt. P. Rain. IV 126 ff.
2) Über die Besonderheiten der Prinzenerziehung, auf die Autoren und Inschriften
gelegentlich hinweisen, haben die Papyri noch nichts gebracht. Zur Sache vgl. Lum-
broso, Recherches 207 ff.; Beloch, Griech. Gesch. III (1) 389; Dittenberger , Or. Gr.
I 247 (ούντροφοξ), auch 148 und 256 (τροφενς). Zu letzterem Perdrizet, Ann d. Serv.
d. Ant. 1908, 243 ff.
3) Hierüber demnächst in meinen „Urkunden der Ptolemäerzeit".
§ 1. Der Elementar-Uuterricht. 137
lehrer setzt auch der Brief Oxy. VI 930 (138) voraus.^) Alexandrinische
ÖLÖaöTiaXeLU erwähnt Oxy. III 471, 113.
Über die Lehrmethode im Elementarunterricht werden wir durch die
zahlreichen Schulbücher aufgeklärt, die uns teils auf Papyrus, teils auf
Holztafeln (vielfach Wachstafehi), teils auf Ostraka erhalten sind.^) Der
Unterricht begann mit dem Erlernen der Ünziale, wobei in methodischer
Weise von den einzelnen Buchstaben zu Buchstabenkombinationen und
schließlich zu Niederschriften von Texten nach Diktat oder Vorlage vor-
geschritten wurde. Als Texte wurden außer den Klassikern gern — ganz
wie bei den alten Ägyptern (vgl. Erman 1. c.) — auch moralische Gnomen
genommen (vgl. Crusius 1. c). Vgl. auch die soeben von Zereteli 1. c.
edierten Proben. Nach der ünziale wurde auch die Kursive geübt, doch
zeigen uns unsere Urkunden, im besonderen manche autographe Sub-
skriptionen, daß viele über die ünziale nicht hinausgekommen sind. Auf
die reinen Schreib- und Leseübungen folgten dann auch grammatische und
stilistische Übungen. — In ähnlich methodischer Weise wurde auch die
Tachygraphie dem, der sie erlernen wollte, von Privatlehrern beigebracht.
Vgl. C. Wessely, Denkschr. Wien. Akad. 44 (1895). Einen Lehrvertrag
mit einem Tachygraphielehrer (οημείογράφος) enthält Oxy. IV 724 (140).
Da der Schulbesuch, der übrigens beiden Geschlechtern ofienstand,
nicht obligatorisch war^j, so begegnen in den Urkunden massenhaft
Analphabeten, für die mit der bekannten Stellvertreterklausel (εγρείψα
νπερ αντον γράμματα μη είδότος ο. ä.) andere schreiben. Es sollte einmal
aus unserm reichen Material nach Zeitabschnitten das Verhältnis der An-
alphabeten zu den Schreibkundigen untersucht werden, im besonderen, bis
in welche Kreise hinauf Analphabeten vorkommen.*)
1; In nicht ungünstiger Stellung muß der γραμματοάιόάϋηαλος Πβτβνβςρώτη; ge-
wesen sein, der im Jahre 108 n.Chr. der Leto eine Mauer ^x τοϋ ΙάΙον baute: Milne,
Greek inecript. (Cat. G^n. von Cairo) S. 30/1. — Zwei alexandrinische Vollbürger, die
die γράμματα als ihren Beruf (τέχνη) bezeichnen, in Teb. II 316, 16 (148).
2) Die wichtigsten Publikationen sind: C. Wessely, Stud. Pal. I p. XLIl sqq. -—
Jouguet-Lefebvre, Bull. Corr. Hell. 28 (1904), 201 flf. — 0. Crusius, Philolog. 64
(1906;, 142 ff. ~ Jouguet et Perdrizet, Le papyrus Bouriant n. 1 (Stud. Pal.
I Heft 5). — E. J. Goodspeed, Μέΐ. Nicole 8. 182 n. 7 und 8. — J. G. Milne, Jour.
Hell. Stud. 28 (190»), 121 ff. — F. G. Kenyon, Jour. Hell. Stud. 29 (1909), 29 ff. —
G. Zereteli, M^langes Chatelain (1910). Kino hObsche Auswahl bietet jettt Zie-
barth, Aus der antiken Schule (Lietsmanos Kleine Texte 1910). — Vgl aufierdem
hierzu E. Zicbarth, Au• dem griechiachen Schulwefen (1009) 8. 106ff. F. E. Sonnen-
bürg, Aus dem antiken Schulleben. Dae humanist. Gymnasium 1909 7 8. 197 ff.
Brinkmann, Kh. Mnt. 66 (1910) 149 ff.
Λ) tlbnr Schulzwang anderw&rta Tgl. E. Ziebartb, Am dem griech. Sohulwaeen
1909 8. 84 ff.
4) Voraussetzung fflr da« Gelingen einer •eichen Untennohong wlktt allerding•,
daß in den Editionen die Verschiedenheit der H&nde genauer, als •§ bithtr vieUmoh
gCMchehcn ist, festgeMUdlt wflrde.
138 Kapitel III. Die Erziehung.
Als nach Diokletian das Latein eine größere Rolle zu spielen anfing
(s. oben S. 85), mußte auch zum Erlernen dieser Sprache Gelegenheit
gegeben werden. Uns sind noch einige Proben von Schülerarbeiten er-
balten, in denen griechischen Wörtern die entsprechenden lateinischen
Vokabeln (in griechischen Buchstaben geschrieben) gegenübergestellt sind.
Vgl. P. Par. 4^^« (Taf. 18); Lond. II S. 322f. Vgl. auch die lateinischen Babrius-
übersetzungen in Amh. II 26. Über ein merkwürdiges „lateinisch-griechisch-
koptisches Gesprächsbuch" aus dem V. Jahrb., das kürzlich vom Berliner
Museum erworben wurde, berichtet W. Schubart in den „Amtlichen Be-
richten aus den kgl. Kunstsammlungen'^ XXXI (1909) S. 47ff.
§ 2. DIE GYMNASIALE AUSBILDUNG.
Die Hauptpflegestätte der Jugenderziehung war wie außerhalb in der
Griechenwelt so auch für die ägyptischen Griechen das Gymnasium. Ein-
zelne Gymnasien lassen sich durch das ganze Land verstreut nachweisen,
bis hin zum fernen Elephantine am Katarrakt.^) Durch die Weißbrodt-
sche Inschrift (Arch. V Heft 3) erfahren wir, daß sich im IL Jahrb. v. Chr.
in Omboi (wenig nördlich von Elephantine) ein Gymnasium befand, das
— vielleicht schon im III. Jahrb. v. Chr. — von einem πρώτος φίλος ge-
stiftet war. Wir dürfen wohl mit Sicherheit annehmen, daß jede Stadt,
nicht nur die Griechenstädte, sondern auch die Metropolen der Gaue,
ihr eigenes Gymnasium besessen hat.^) Wie auswärts wird auch
hier neben der gymnastischen Ausbildung der höhere geistige Unter-
richt (in [Musik, Rhetorik und dgl.) gepflegt sein. Für letzteres liegen
bis jetzt keine direkten Belege vor, was ein Zufall sein kann, der bei der
Geringfügigkeit der bisherigen Nachrichten über das ägyptische Gym-
nasium nicht verwunderlich wäre. So ist es nur die körperliche Aus-
bildung, die uns bis jetzt für die Gymnasien hier bezeugt wird. Mit
Recht haben Herodot (II 91) und Diodor (I 81, 7) hervorgehoben, daß
die griechische Gymnastik den Ägyptern (wie überhaupt den Orientalen)
fremd war. Wenn auch gelegentlich in der Pharaonenzeit gymnastische
Spiele bezeugt werden^), so ist doch die zielbewußte sportliche Ausbildung
und die Hochschätzung des agonistischen Sieges einer der markantesten
Züge der griechischen Kultur im Gegensatz zur orientalischen. Die neue
Zeit, die Alexander der Große für Ägypten inaugurierte, wurde vielleicht
durch nichts so sinnfällig gekennzeichnet, wie durch den gymnischen und
1) Vgl. Par. 69 (41) aus dem III. Jahrh. n. Chr.
2) Vgl. den Ausdruck τον μεγάλου γνμναΰίου in BGU III 760 (150), der es wahr-
scheinlich macht, daß es in Arsinoe mindestens noch ein anderes Gymnasium gegeben
hat (wie in Milet).
3) Vgl. A. Erman, Ägypten u. äg. Leben I 335. Wiedemann, Herodots zweites
Buch S. 370.
§ •>. Die gymnasiale Ausbildung. 139
musischen Agon, den er in Memphis nach dem Apisopfer aufführen ließ.^)
Auch dies kann man als eine symbolische Handlung auffassen — wie
den Brand von Persepolis. So sind die durch das ganze Land verteilten
Gymnasien mit ihrem geistigen und körperlichen Unterricht die Brenn-
punkte des Hellenismus geworden.
Mit dem Gymnasium ist auch das Institut der Ephebie nach Ägypten
gekommen. *) Während dieses für die Ptolemäerzeit durch einige Inschriften
kürzlich beleuchtet worden ist^), verdanken wir genauere Nachrichten über
die Kaiserzeit den Papyri. Aber auch sie lassen uns noch über viele
Fragen im Dunkeln.
Aus der Ptolemäerzeit haben wir zwei Dedikationsinschriften von
Vereinen früherer Epheben, die uns eine Gliederung der Jahrgänge in
αϊοίοείξ zeigen und zugleich beweisen, daß diese Vereine über Vermögen
verfügten.*) Daß die Weihungen dieser Vereine dem Gaugott Σονχοζ
^sbg μέγαζ μέγας gelten, gibt zu denken. Andere Inschriften nennen
οννεφηβοί.^) An der Spitze der Gymnasien und damit auch der Ephebeu
standen die γνμναόίαρχοι^ die in ptolemäischen Inschriften und Papyri
genannt werden, doch nur selten, und dann meist als Inhaber hoher staat-
licher Funktionen^), ohne Beziehung zu ihrer gymnasialen Stellung. Ein
Hinweis auf ihre Tätigkeit im Gymnasium findet sich inschriftlich in einer
Weihung des γνμ[να6ίαρχοζ] xai οΓ έκ τον γνμνα[6(ον],'') Daß mit ol
έχ τον γνμναΰίον die Genossenschaft der zurzeit dem Gymnasium An-
gehörenden gemeint ist, zeigt die Weißbrodtsche Inschrift, nach der sie
unter diesem Titel mit dem König selbständig korrespondierten.*) Daß
die Gymnasiarchie damals ein Jahresamt war, darf aus der Inschrift bei
Rubensohn, Arch. V 161 n. 7 gefolgert werden.^) Aber der eigentliche
Leiter der Epheben war, ebenso wie in Athen, der χοομητης^^), der erst
1> Arrian, Anabasis Ol 1,4.
-2) Vgl. jetzt P. Jouguet, Rev. de Philolog. 34 (11)10) S. 48 flf., dessen Arbeit mir
erst nach dem Entwurf dieses Kapitels zuging. Ich freue mich, in den Hauptpunkten
mit ihm übereinzustimmen.
8) Die Existenz der Ephebie war schon zu entnehmen Dio Casp Τ *' * •νο-
nach Antonius und Kleopatra ihre Söhne ig έφ-ήβους έΰύγραψαν.
4) Dittenberger, Or. Gr. I 176 (141) und 178 (142). Zu αΓρβσι^ vgl. ioiutui, i. riech.
Vereinewesen S. 164, der einen αίρβαιάρχης einer Ärztevereinigung aue Rom sitiert.
Vgl. auch Archiv 11 Λ58, n. 36 (Kamak), wo ί[ψηβΒνχό\τ»ς nur ergänzt ist, aber wegen
'Κρμΐ^ 7/ρα(χλβΓ] mit WahrHcheinlichkeit.
6; Vgl. Dittenberger, Or. Gr. I 188, 189. Strack, Archiv II 600 n. 4.
6) Vgl Fr. Preisigke, Siildt. Ueamtenwesen S. 68 ff., der am gnludlichsten über
die Gjmnaeiarchio gehandelt hat.
7) Vgl. Strack, Arch II 64M n. 86. Vgl. dasa die Weihnng aus Kiiion (Cjpem)
bei Strack, Dyn. der I'tol. S 2» 4 η 46 {ol anh γνμναύίι^Ό]),
Η) Vgl. zu dem Ausdruck Ziebarth, Aas dem griech. Sohalweten 8. 70.
9) γνμνααιαρχήαας τό n(^ {hog). Stiftong einer SooneDohr, wohl für ein Gym-
nasium, aus drm II. /I. Jahrb. τ. Chr.
10) Zu dieHfT Deutung des Kosmeten Tgl. Wilcken, Arch. V t87.
I^Q Kapitel III. Die Erziehung.
kürzlich durch eine Inschrift auch für die Ptolemäerzeit belegt worden
ist (Zeit des Ptolemaios X Soter II, aus dem Faijüm).^; Der Dedikant
heißt hier: ^πο]λλών[ο]ος ^ρτεμ[ίοώρο]ν [ό civ]Yy6vr}g καΐ τιοομψηξ \καί
γ]νμνα6ίαρχος. Da es unwahrscheinlich ist, daß jemand zugleich Kosmet
und Gymnasiarch ist, wird man wie auch in anderen ptolemäischen Texten
hier einen cursus honorum zu erkennen haben, in dem der κοομψής
wahrscheinlich dem γνμναΰίαρχος zeitlich vorangeht.
Ob die Ephebie in der Ptolemäerzeit, wie ursprünglich in Athen und
auch außerhalb, zur Vorbereitung für den militärischen Dienst eingeführt
worden ist, läßt sich aus dem bisherigen Material schwer beantworten.
Ob die Gymnasien überhaupt staatliche Institute gewesen sind, ist sehr
zu bezweifeln. Das einzige, von dem wir aus der Ptolemäerzeit Genaueres
hören, das von Omboi, ist durch private Stiftung entstanden. Im IL Jahrh.
V. Chr. kommen einmal oi εκ τον οημείον νεανίσκου vor, die einem mili-
rischen Verbände angehören.^) Da andererseits νεανίόκοι auch zu den
εκ τον γνμναΰίον in Omboi gehören, wie auch außerhalb Ägyptens die
νεανίύκοι eine besondere Gruppe im Gymnasium bilden (vgl. Ziebarth
1. c. 76), so scheint hier eine Verbindung zwischen Gymnasium und Armee
vorzuliegen ^). Vor allem dürfte feststehen, daß normalerweise nur die 'Έλ-
ληνες^ als die, denen das Gymnasium offenstand, zum Heeresdienst als
qualifiziert galten, nicht die kopfsteuerpflichtigen Ägypter. Also faktisch
haben die Gymnasien als Vorbereitungsstätte für die Armee gedient. Vgl.
Wilamowitz, GGA 1900, 54 ff.
Ein reicheres Material liegt für die Kaiser zeit vor. Für die Orga-
nisation der Ephebie sind vor allem wichtig ein Auszug aus der γραφή
Λαίδων (Flor. 57 [143]), Anmeldungen zur Ephebie (Oxy. III 477 [144],
Flor. 79 [145], vgl. auch Oxy. II 257 [147], BGU IV 1084 [14G]) und die
Ephebeneide (Teb. II 316 [148]). Wie in Athen der ursprüngliche Zwang
zum Epheben dienst, der bei Organisation dieses Instituts nach der
Schlacht bei Chaironea einst eingeführt war^), schon in der nächsten Gene-
ration aufgegeben war^), so ist selbstverständlich auch hier von Zwang
keine Rede. Dagegen ist der bei jener Begründung aufgestellte Grund-
satz, daß freie und legitime Geburt der Knaben Voraussetzung für die
Aufnahme ist, auch jetzt noch in Kraft. Außerdem scheint hier Vor-
bedingung zu sein, daß auch der Vater einst Ephebe gewesen ist. Ob
1) Lefebvre, Annales du Service d. Antiq. 1908, S. 239 f.
2) P. Amh. II 39 + Grenf. I 30. Vgl. Witkowski Ep. priv. Nr. 48. Dazu Ziebarth,
Aus dem griech. Schulwesen S. 76.
3) Vgl. auch die politische Rolle als Friedensunterhändler, die nach 11, 50 die
vsccviöyioL• von Krokodilopolis in Kriegszeiten spielten.
4) Dies Datum verdanken v^rir Wilamowitz, Aristoteles und Athen I 194.
5) Vgl. Thalheim, Pauly-Wissowa V 2738.
§ 2. Die gymnasiale Ausbildung. 141
freilich wirklich jede Erweiterung des bestehenden Kreises von Familien
ganz ausgeschlossen war, ist eine Frage, zu deren Beantwortung hesser
weiteres Material abgewartet wird.^) Über die sonstigen Kautelen, die
bei der Meldung zum Epheben verlangt wurden, orientiert am besten
Flor. 57 (143).
Schwierig ist zurzeit auch die Frage, welches Alter zum Eintritt in
die Ephebie berechtigte. Der Ausdruck ώ^ ώραν έχοντα in Flor. 79 erweckt
die Vorstellung, daß es eine bestimmte Altersgrenze gegeben habe. In der
Tat läßt sich auch in mehreren Fällen übereinstimmend zeigen, daß der
Eintritt in die Ephebenschaft in demselben Jahre erfolgte, nämlich dem
vierzehnten. In Flor. 57, 18 (143) ist Heron 14 Jahre 17 Tage alt, als
er zur Aufnahme unter die Epheben in die Akten genommen wird. Nach
BGU 1084 (146) ist ein Theon, der im J. 136 1 Jahr alt gewesen, also 135
geboren war, im Jahre 149 unter die Epheben aufgenommen: das letztere
Datum (9. September 149) ist sein χιόνος εφηβείας. Er war damals also
14 Jahre alt. Damit ist vereinbar, daß in Oxy. II 257 (147) ein jetzt
13 jähriger für die bevorstehende Prüfung των προοβαινόντων εις τους
άπο γνμνααίον angemeldet wird. Mit diesem Ergebnis stimmt nun aber
schlecht, daß nach Teb. II 316 (148) auch schon 2- und 6jährige (resp.
3- und 7jährige) als έφηβενκότες bezeichnet werden. An einen wirklichen
Dienst kann in diesen Jahren natürlich nicht gedacht werden. Man könnte
höchstens eine vorläufige Anmeldung durch die Eltern oder Einschreibung
durch die Behörden denken. Aber wie man sie dann als ^φηβενχότες be-
zeichnen konnte, ist noch eine ungelöste Schwierigkeit. Nur so viel sieht
man auf alle Fälle hieraus, daß die Wendung εφηβενχότες το χ. Ιτος nicht
heißen kann „die das x-te Jahr hindurch Epheben gewesen sind", sondern
„die es in diesem Jahre geworden sind". Statt des allerdings üblicheren
TO hog begegnet auch τω χ. ετει (vgl. 145) \md auch iv τω χ. ετει^ wenn die
Inschrift bei Strack, Arch. II 553 richtig ergänzt ist. Der natürlichen
Annahme, daß damit das Jahr bezeichnet ist, in dem der praktische Dienst
als Ephebe begonnen hat, steht, wie gesagt, Teb. 316 gegenüber, ein Di-
lemma, aus dem auch Jouguet, der 1. c. diese Fragen gründlich untersucht
und geklärt hat, keinen Ausweg gefunden hat. Trotzdem dürfen wir es
zurzeit mit Jouguet als wahrscheinlich bezeichnen, daß das 14. Jahr nor-
malerweise das Jahr des Eintritts in die Ephebie war. Der junge Hellene
trat also in demselben Jahre in dae Gymnasium ein, in dem der Ägypter
und die ihm Gleichstehendon kopfsteuerptlichtig wurden. Jenen öffnete
sich damit die Möglichkeit der Teihiahme am politischen Leben, sum
1) E• tcheint, daß der alezandriicho Jude in BGU IV 1140 (M) sich oder
«einem Vater gymnAtiale Bildang smohreibt. Aber der Text ist noch nicht Tcr-
etändlich.
142 Kapitel III. Die Erziehung.
mindesten in ihrer Kommune, dieser lernte den Druck eines Staates er-
tragen, für den er nur ein dediticius war.
Offen ist auch noch die Frage, wie lange der Ephebendienst für den
Einzelnen gedauert hat. Aus dem oben angeführten Grunde ist έφηβενκώς
το χ. έτος nicht ein Zeugnis für einjährigen Dienst. In Teb. Π 316 (148) hat
ein έφηβενκώς von 19 Jahren schon einen festen Beruf, gehört also sicher
nur noch zu den einstigen Epheben. Ob der Dienst aber "2 oder 3 Jahre
dauerte, wissen wir nicht.
Strittig ist die Frage, wer die εί'οκρι,οίς, die Aufnahme des Epheben,
vollzogen hat. Jouguet (1. c. S. 52) vertritt die Ansicht, daß es der Exeget
getan habe, und stützt sie namentlich auf die Eingabe Oxy. 477 (144), die
an den Exegeten (als Vorsitzenden der Prytanen) von Alexandrien ge-
richtet ist. Aber dieser Text beweist nicht, daß der Exeget auch die
εΐοκρίΰι,ς vollzogen hat. Es handelt sich hier nur um die ersten vor-
bereitenden Schritte seitens des Vaters, der zuerst nur durch den Exegeten
in amtlichen Kontakt mit den hierfür kompetenten Lokalbehörden kommen
will (vgl. Kommentar). Ich gehe vielmehr aus von Flor. 57 (143), wo es
klipp und klar gesagt ist, daß die εϊβκριοις durch den Präfekten vollzogen
werden soll (Z. 73 f.). Wir kommen erst zur Klarheit, wenn wir scharf
trennen zwischen der εϊΰκρίοίς, der Aufnahme, die der Präfekt vollzieht,
und der έπίκριοις, die nach Flor. 57, 74 der Exeget von Alexandrien voll-
zieht. So klärt sich, weshalb in Oxy. 477 der Vater, wenn er auch die
εΐοκριοίς als Endziel bezeichnet, sich doch zunächst (für die bevorstehende
επίκρίοις) an den Exegeten wendet. In beiden Texten stehen übrigens
alexandrinische Bürger, die in der χώρα wohnen, in Frage. Wie die Nicht-
alexandriner der χώρα behandelt wurden, darüber fehlt es noch an hin-
reichendem Material. In Flor. 79 (145) ist der Titel in Z. 1 leider unsicher
überliefert. Man kann zwischen dem Strategen und dem Exegeten des
Hermopolites schwanken. Jedenfalls ist diese Eingabe an einen Gau-
beamten gerichtet. Aber sie bezeichnet nicht notwendig dasselbe Stadium
des Vorgehens wie Oxy. 477. Auch der Alexandriner in diesem letzteren
Text wiU nachher mit den .Lokalbeamten verhandeln. So findet denn die
Frage, ob auch die Metropoliten vom Präfekten in die Epheben auf-
genommen wurden, bisher noch keine urkundliche Beantwortung.
Was die Organisation der Epheben betrifft, so scheinen die ptole-
mäischen αίρεΰεις verschwunden zu sein. Es begegnet jetzt eine Gliede-
rung in 6νμμορίαι^ die numeriert und nach ihrem Obmann (όνμμοριάρχης)
benannt werden (Teb. II 316 [148]). Vielleicht eine Unterabteilung ist
das πλάγων in BGU 1084 (146). i)
1) Ähnlich sind die βνβτρύμματα (Rotten, schon bei Polybius) als Abteilungen
der Epheben in Athen erst seit Hadrian nachweisbar.
§ 2. Die gymnasiale Ausbildung. 143
Die alten Jahrgänge von Epheben bildeten auch jetzt wie in der
Ptolemäerzeit Vereine, die eTentuell Weihungen darbrachten.^) Wie eng
die früheren Epheben nach Beendigung der Ephebenzeit mit ihren Sym-
morien in Zusammenhang blieben, zeigen die Ephebeneide (Teb. 316
Als Vorsteher der Epheben finden wir auch in der Kaiserzeit die
Gvmnasiarchen und Kosmeten, die beide jetzt zu den regelmäßigen
städtischen Beamten der Metropolen gehören.*) Damit steht für diese
Zeit jedenfalls fest, daß die Gymnasien städtisch, uicht staatlich waren —
was wir auch für die Ptolemäerzeit als wahrscheinlich annahmen. Beide
Ämter sind jetzt Liturgien, die nur die Reichen bekleiden können.*)
Unter Trajan befahl der Präfekt Rutilius Lupus, daß die Unkosten der
Gymuasiarchie veiTingert würden (Amh. 70 [149]). Daß auch die Kosmetie
unter Umständen bankerott machen konnte, zeigt CPR 20. Während in
den ersten beiden Jahrhunderten gelegentlich monatlicher Wechsel in der
Amtsführung zwischen zwei Gymnasiarchen nachweisbar ist*), finden wir
im ni. Jahrb. Πη Hermopolisj den W^echsel von mehreren Gymnasiarchen
innerhalb eines Monats. Vgl. die Berichte der kXaioxvxai an die βονλή
in CPHerm. 57—65 (vgl. 151). In CPHerm. 53, 14 (39) wird von den
jedem Gymnasiarchen zufallenden 3 Tagen gesprochen. Λ^οη der Geschäfts-
führung der Gymnasiarchen handeln ferner z. B. BGU III 760 (150) und
Lond. in S. 104/5. Die Ehrung eines Gymnasiarchen ist Gegenstand von
Oxy. III 473 (83).
Die Nachrichten über die Tätigkeit der Epheben sind, wie oben be-
merkt, sehr dürftig und ganz einseitig. Wir erfahren nur von der gym-
nastischen Ausbildung und im besonderen von ihren Wettkämpfen.*)
Eine Stiftung von Siegespreisen für Epheben bietet Oxy. IV 705 (153).*)
Einen Befehl des Logisten an die Epheben vom Jahre 324 zum Wett-
kampf enthält Oxy. I 42 (154).
1 \•,'1. Dittenberger, Or. <.r. 11 t.ti,^. l Hklar bleibt leider die Erw&hnuiig
•1er έφηβ»νχόης in Oxy. IV 711.
2) νμΐ. Fr. Preisigke, Stadt. Beamt S Γ)4 ff. Zum nani?verhnltnie der beiden
vj(l. Amh. 124 (152).
8) AU munüg patrimonii konnten en ..„. λ . ι.ί..,.;.^:.^.^ Vgl l'rcitigke,
Stiult. Beamt, 6H f. Dagegen int die Annahme, daß in Amh. 64, β /νμναφιορχ^^ die
(iymnaiiarchin bezeichne, mit Recht von Braunstein, Die poUtiiche Tätigkeit der
antiken Frau iLeipz. Di••.), bestritten worden, der vielmehr αρχή hintudenkl
4) Vgl. IK;U III 7Ö0 (UO), Lond. 111 8. 181, 17.
f>) Kin Ί»ρυνίχης άη6 4φηβ9ίας in BGU IV 1098.
6) Ich /-weifli• jetzt, ob der Titel Μ τΛν 9ημμάχωψ, den ©m uymnaiiarch m
AntinoopoIJM führt, einen Hinwei« darauf eoth&li, dafi diewnr Be«mto die 8i«gMkxiiii•
7M verti il(i> hiitte. Vgl. CIG III 4706 — Inicr. flr. ad rat Rom. pMÜn. I n. 1148.
Letzt« π• liciß«n auch hier βτίφαψοι. Vgl. Lond. III 8. 168, f 1. Ist Μ etipp^m ge-
nannte Abteihingen der Epheben fo denken, wie sie PoUnd, Geeoh.Qr.Vereinaw. 158
aUN Tlifiriii.ii iTwIlliflt ?
144 Kapitel III. Die Erziehung.
Durch die gymnasiale Bildung erhob sich der Grieche nicht nur
kulturell über den Orientalen, sondern sie galt auch als Vorbedingung
für die Beteiligung am politischen Leben der Kommune. Uns begegnet
in der Kaiserzeit als ein fester terminus technicus ol ajcb γνμναοίον. Mit
Recht hat Wilamowitz (GGA 1900, 55) die von Grenfell-Hunt aus Oxy.
II 257 (147) gezogene Bedeutung als descended from gymnasiarchs ab-
gelehnt. Er bezeichnet aber nicht nur die jungen Leute, die „dem Gym-
nasium angehören oder anzugehören berechtigt sind^' (1. c), sondern auch
die Alteren, die das Gymnasium in der Jugend besucht haben (vgl.
Amh. 75). Ja, er ist zu einer Klassenbezeichnung geworden, durch die
alle diejenigen, die die gymnasiale Bildung haben, mit samt ihrer Familie
zusammengefaßt werden, so daß, wie in Amh. 75, auch Frauen als άπο
γνμναοίον bezeichnet werden können. Diese „oC ajtb γνμναοίον^' waren
die Honoratioren der Städte, aus deren Reihen die städtischen Beamten
hervorgingen. Vgl. Preisigke, Stadt. Beamt. S. 7; Ziebarth, Aus d. griech.
Schulwesen S. 140 f.; Jouguet 1. c. 46 f.
Im Anschluß an das Gymnasium sei auf einige Urkunden hingewiesen
durch die uns das Treiben der berufsmäßigen AUerweltsathleten im IL
und III. Jahrh. veranschaulicht wird. So vor aUem das Boxerdiplom Lond.
III S. 215 ff. (156) und die verwandten Akten BGU IV 1073 und 1074. i)
Wie die städtischen Kassen durch die an die Wettsieger gezahlten Pen-
sionen belastet wurden, zeigen die Anträge der Athleten in CPHerm 54
bis 56, 69, 70, 113 sowie die entsprechenden Zahlungsanweisungen des
Rates in CPHerm. 78 und 94. 2) Ygl. 157. Von Kleiderlieferungen der
Stadt Hermopolis für den ludus monomachorum von Alexandrien handelt
Lips. 57 (a. 261). Vgl. Arch. III 566. Ein Reskript des Kaisers Gallienus,
in dem er dem Angehörigen einer berühmten Athletenfamilie Immunitäten
erteilt, steht in CPHerm 119 Verso (158). Vgl. dagegen das einschrän-
kende Edikt des Diokletian und Genossen in P. Lips. 44.
Die letzte Erwähnung der Epheben ist zurzeit die in jenem Tages-
befehl des Logisten vom J. 324.^) Auch die Gymnasiarchen haben dies
IV. Jahrh. nicht überlebt (Preisigke 1. c. 67). Die Pferdewettrennen, die
für Byzanz charakteristisch sind und auch in Alexandrien und Ägypten
weite Verbreitung fanden^), scheinen sich mit dem Christentum besser
1) Wilcken-Viereck, Arch. IV 563 f. Viereck, Klio 8, 413 £F. Vgl. auch die nccv-
τίρατιαβταί in Oxy. λ^ϊί 1050.
2) Vgl. hierzu mein Referat Arch. III 540 ff.
3) Ungefähr zu der Zeit, wo jener Logist den Befehl an die Epheben gab, trat
der heilige Pachomius auf, der öeinen Mönchen das Salben und Baden des ganzen
Körpers verbot! Vgl. Gibbon VI c. 37. Das war direkt gegen das griechische Gym-
nasium gerichtet.
4) Oxy. I 145, Lond. III S. 277, 18. Vgl. M. Geizer, Studien S. 18 f. Vgl. auch
Oxy. I 152. VI 922.
§ 2. Die gymnasiale Ausbildung. 145
vertragen zu haben als die Wettkämpfe der nackten Ephebenleiber.
Theodosius' Aufhebung der Olympischen Spiele (394) trennt zwei ver-
schiedene Welten.
Mit den Gymnasien schwindet die für die Hellenen bis dahin charak-
teristische Erziehung. Es fällt damit zugleich eine starke Schutzwehr
gegen die immer stärker werdende Orientalisierung. Sie werden selbst
mehr und mehr zu βάρβαροι in Rasse und Kultur. Das zeigen uns auch
unsere Urkunden. Denn wenn diese auch, wie bemerkt, uns keine direkten
Nachrichten über den geistigen Unterricht der Gymnasien bieten, so sind
sie alle insgesamt betrachtet doch ein unschätzbares Material, um das Er-
gebnis jenes Unterrichtes, die gymnasiale Bildung wie auch die Bildung der
anderen Klassen zu studieren. In den Wandlungen des Stiles tritt uns
die innere Umwandlung der Zeiten deutlich entgegen. Die Gesamtheit
der Urkunden, neben unsern sonstigen Hilfsmitteln, für eine Geschichte
der Bildung in Ägypten, der allgemeinen Volksbildung wie auch der ge-
lehrten Berufe^), von Alexander dem Großen bis in die arabische Zeit hin
zu verarbeiten, ist eine große und lohnende Aufgabe, wobei wir nur zu
bedauern haben, daß sich die Urkunden fast ganz auf die χώρα be-
schränken. Über die Großtaten der Ptolemäer für die He])ung der Wissen-
schaften, über die Gründung des Museums und der Bibliotheken von
Alexandrien haben sie uns bisher nichts Neues gelehrt. Neben den Ur-
kunden werden aber die literarischen Papyri, die durch ganz Ägypten
hin bis in die kleinsten Dörfer gefunden werden, eine wichtige Quelle
für jenes Problem sein, insofern sich in diesen Funden der Geschmack
der Zeiten und die Ausbreitung der griechischen Bildung wiederspiegelt,
abgesehen davon, daß gelegentlich auch dichterische Provinzialprodukte
uns darunter bekannt wurden, wie z. B. die panegyrischen Gedichte in
den Berliner Kla.ssikertexten V S. 107 ff. und die Keimereien in den Aphro-
ditopapyri* (Cat. Cairo). Daß so viele literarische Funde bis tief ins Land
hinein gemacht werden konnten*), verdanken wir sicher in erster Reihe
der VVirkiintr Mos LTiophischen Gymnasiums.
ii i ιιΐ•'Γ tiMi-cri iMTuten sind es namentlich ili»• J^ln^tι•Iι ^ule Anwült«- '-'-r - -
oder Rechtäifclehrto , νομιχοίι und die Ärzte, deren Treiben die Papyri
Für ji'iie virw<-iH«! ich auf Bd. II, für diese sind di< *■ ' ' t- π V • ■ i
SudhofF, Ar/.tlichfH auH ^^riecbiechen Papyrusurkm ' ^: ; mii - η
ifodtellt und beleuchtet worden.
2) AU Heiepiel einer literariichen Bibliothek gebe ich hier den Text de• eo-
Kenannten ZQndeUcben KatalogM (1Γ>6).
Mlttola-Wllrkoi. I .r<ir..l/ u^r |
10
KAPITEL IV.
DIE FINANZ-RESSOETS. IHRE ORGANE UND
KASSEN.
I. DIE STAATLICHE VEKWALTUNG.
A. DIE PTOLEMÄEEZEIT.
G. Lumbroso, Recherches sur reconomie polit. de TEgypte sous les Lagides.
1870. 339 ff. — Robiou, Memoire sur Teconomie politique, radministration etc. de
l'Egypte au temps des Lagides. 1885. — Wilcken, Griechische Ostraka I 492 ff. —
J. Beloch, Griechische Geschichte III 333 ff. 394. — P. M. Meyer, ^ιοίηψίς und ί'διος
λόγος, Festschr. f. 0. Hirschfeld 1903, 131 ff. Archiv III 86 f. — H. Maspero, Les
finances de l'Egypte sous les Lagides. 1905. — Bouche-Leclercq, Histoire des La-
gides III, 381 ff. — Fr. Preisigke, Girowesen im griechischen Ägypten. 1910.
§ 1. DIE EESSORTS.
Α priori ist mit der Mögliclikeit; ja der Walirsclieinliclikeit zu rechneii,
daß die Finanzverwaltung der pharaonischen Zeiten, im besonderen viel-
leicht die der unmittelbar vorhergehenden Perserzeit, auf die Gestaltung
der ptolemäischen Finanz Verwaltung von Einfluß gewesen ist. •^) Doch ist
das Finanzwesen der früheren Zeiten noch zu wenig erforscht, um sichere
Rückschlüsse nach dieser Richtung zu gestatten. Die Sonderung des
Griechischen und des Ägyptischen in der Verwaltung ist noch ein Haupt-
problem.
Die altägyptische Naturalwirtschaft war schon in der Perserzeit durch
die persische Reichsmünze und das Tributsystem des Darius eingeschränkt
wordeu. Unter den Ptolemäern, die dem Lande zum ersten Mal eine
eigene Münze gegeben haben ^), hat die Geldwirtschaft immer weitere
Fortschritte gemacht.^) Einnahmen und Ausgaben des Staates bestanden
teils in Geld, teils in Naturalien. Gleichwohl standen die höchsten
Finanzämter über beiden Ressorts, und erst bei den niedrigeren Amtern
fand die Spezialisierung für Geld oder Naturalien statt.
1) Dies wird stark betont von H. Maspero 1. c. 172 ff.
2) Vgl. oben Einleitung § 8. 3) Wilcken, Gr. Ostraka I 665 ff.
Ι. Die staatliche Tenvaltung. Α. Die Ptolemäerzeit. § 2. Die Beamten. 147
Die gesamten Einnahmen und Ausgaben wurden in einer einheit-
lichen Zentralkasse verrechnet, die, entsprechend dem absolutistischen
Charakter der Regierung^), als die „Königskasse'', το βαΰίλικόν, bezeichnet
wurde. ^) Die Verwaltung dieser Kasse hieß η διοίχηόίς.^)
Von diesem .βαβίλιχόν ist ein tdiog Xoyog τον βαδιλεως, eine „Privat-
kasse des Königs", als besonderes Ressort abgetrennt worden.*) Wann diese
konstituiert worden ist, ist noch unbekannt. Der z. Z. älteste Beleg ist
aus dem Jahre 162.^) Daher läßt sich auch noch nichts Bestimmtes sagen
über das Verhältnis dieses tÖLog Xoyog zu den für die königlichen Kinder
reservierten Einkünften, die zuerst unter Ptolemaios V. erscheinen (της
εν προοόδωί τών τέκνων τον βαόιλέωξΥ) und vielleicht mit der später
begegnenden κεχωριομενη xgoaodog zusammenhängen."^) Alle diese Ein-
richtungen können schon sehr viel älter sein als sie uns bezeugt werden,
vielleicht schon von vornherein vorgesehen sein.®) Vielleicht sind sie gar
aus der Pharaonenzeit übernommen. Jedenfalls zeigt die Abtrennung des
tdiog Xoyogy daß das ßaöihxov trotz seines Namens den Charakter einer
staatlichen Kasse hatte resp. bekam. ^) Über die Einnahmequellen des
tdiog Xoyog sind namentlich BGU III 992 (162) und Amh. 31 (161) An-
deutungen zu entnehmen: hier wird ein πρόοτιμον (für Okkupation von
königlichem Ödland), dort der Ertrag von Vererbpachtung von konfisziertem
Land an dieses Ressort abgeführt. Wahrscheinlich gilt schon von der
ptolemäischen Kasse, was Strabo XIII p. 797 von der römischen sagt
f< ii.iten S. 154).
§ 2. DIE BEAMTEN.
An der Spitze der gesamten Finanzverwaltung (άωίχηόίς) stand, wie
in allen Ressorts, der König selbst, dem überall die letzte Entscheidung
zustand, and der durch seine Gesetze und Kabinettsorders neue Grundlagen
schuf ^^
1) Vgl. oben 8. 8.
2) Ebenso z. B. auch im Seleuki<lenreicb, wo da» ßaaiAixiiv ^Ίοΐ«ΊιΓ:»11» OeI»l und
Naturalien umfaßte. Vgl. Dittenberger, Gr. Or. 1 2SU, 106.
8) Vgl, den Titel ό ίηΐ τής διοι%ήαβως 8. 148.
4) Vgl. Wilcken, Ostraka 1 ßSl. P. Meyer 1. c. Preieigke, Giroweien 190 ff.
6) mV m 092 (Ιβ2) - Weitere liolege Theb. Bank 1,S1 (a. ISl^O): /. I. τσθ
βαύιΧίως. Amh. 31,1 (1β1). Γ. Gronf. Ι Ιβ,Ι. Dittenberger, Gr. Or. I 188 (168), 18•.
β) Ρ. Petr. HI 97 8. «87.
7) Vgl. (Jrcnfcll-Hant, Teb. I 8 669. Bouob^Lecleroq ΙΠ 190. 880. Γ Morer.
J^oi%ηaιg 182, 4; Arch. III 87. Jetrt Tgl. RottowMW, Kolonat 44 ff
8) Die ηρόϋοΛοι de« Μοβτΐι-θβθ• hst nach Τ »•'>').. r τ λ>> α acbuu i Π
deiner Gemahlin zugewiesen.
9) 8. jeixt auch Hottowtew, Kolonat 68 f.
10) Wilcken, Gr. Oflrftka I 49t.
10•
148 Kapitel IV. Die Finanz-Ressorts. Ihre Organe und Kassen.
Sein Hauptvertreter ist der große Finanzchef in Alexandrien, der
δίοι,κητής^) oder ό έτΐΐ της δίοίκήΰεως hieß.
Während dieser für die gesamte οωίκηοις, auch der auswärtigen Be-
sitzungen^), kompetent war, stand unter ihm speziell als Chef jenes L'diog
λόγος ein Spezialbeamter, der δ jfQog τω IdCco λόγω hieß.^) Dies ist
unseres Wissens der einzige Spezialbeamte dieses Ressorts. Im übrigen
sind die im folgenden genannten Beamten der ÖLoCrnquig auch für den
lÖLog λόγος tätig (vgl. Amh. 31, BGÜ III 992).
Dem Dioiketes stand zur Erledigung seiner ungeheuren Arbeitslast*)
eine große Zahl von Unterbeamten zur Verfügung. Die neuerdings viel
behandelte Streitfrage, ob es unter ihm Provinzialchefs in der χώρα ge-
geben hat, die gleichfalls διοίχηταί hießen, ist zu einer evidenten Lösung
noch nicht geführt worden.^) Ein bisher nicht beachtetes Argument, das
für diese Annahme spricht, ist P. Lond. I S. 41 Z. 99 zu entnehmen:
danach erhält der οωικητής seinen Brief an demselben Tage wie die drei
memphitischen Beamten, also in Memphis.^) Hierzu stimmt P. Teb. 72
462: τον εΐόδοΰ-εντος εν Μέμφει τώυ διοικητήί.'^) Auch daß jener mem~
phitische und andere δίοικηταύ in der geringen Rangstufe των φύλων be-
gegnen^), während z. B. der ihnen untergebene Idios-Logos-Beamte in der
obigen Inschrift ein όυγγενής ist, spricht für jene Annahme. Daß Unter-
beamte denselben Titel führen wie der Oberbeamte, begegnet auch beim
έγλογίότής und den ihm unterstellten έγλογίόταί^), ebenso auch bei den
οικονόμου (vgl. unten S. 151). Somit möchte ich es zum mindesten als
wahrscheinlich betrachten, daß es νγονΪΏζίοΙ-διοίκψαί in der χώρα ge-
geben hat, denen immer mehrere Gaue unterstellt waren.
Α priori ist wahrscheinlich, daß in der Finanzverwaltung im Laufe
der drei ptolemäischen Jahrhunderte manche Änderungen eingeführt worden
sind. Einzelnes läßt sich auch heute schon erkennen. Aber der A^ersuch
H. Masperos, grundlegende Unterschiede zwischen dem III. und II. Jahrh.
1) Cicero pro Rabirio 10, 28. Vgl. Dio Cass. 42, 36, 1. Die z. Z. vollständigste
Liste der άιοιν,ηταά bei H. Maspero 1. c. 245.
2) Dittenberger, Or. Grr. I 59. Vgl. auch die Ausführungen zu Nr. 2.
3) Vgl. das Material bei P. Meyer, Festschr. f. 0. Hirschfeld 132.
4) Nach dem Posttagebuch P. Hib. 110 .(in Kap. X) erhielt er allein fast ebenso
viele Postpakete wie der König.
5) Für diese Annahme: Mahafly, P. Petr. Π S. 9; Grenfell, P. Rev. S. 123;
Wilcken, Gr. Ostraka I 493; Strack, Arch. Π 559; Beloch III 394. Dagegen: P. Meyer,
Heerwesen 54; H. Maspero 1. c. 238 fif.; Bouche-Leclercq ΠΙ 381 f. Unentschieden:
Grenfell-Hunt Teb. I S. 33 f.
6) Hierüber werde ich genauer in meinen „Urkunden der Ptolemäerzeit" handeln.
7) Bouche-Leclercq muß dagegen annehmen, daß der νποόιοίκητής damit ge-
meint ist.
8) Vgl. Strack 1. c.
9) P. Rev. 37, 12 und 18, 9. Über diesen Beamten vgl. Kap. V.
Ι. Die staatliche Verwaltung. Α. Die Ptolemäerzeit. § 2. Die Beamten. 149
nachzuweisen, bedarf sehr der Korrektur. Während er großes Gewicht
auf die Einsetzung des επιμελητής im IL Jahrh. legt, ist dieser Beamte
schon für das III. Jahrh. bezeugt (s. unten). Nach unserem bisherigen
Material ist der einzige Unterschied in der Beamtenhierarchie der, daß die
νποδίΟίκηταί und die έπΙ των προόόδων für das III. Jahrh. noch nicht
bezeugt sind, und daß die Stellung des οΙκονόμος im III. Jahrh. eine
größere ist als vom II. Jahrh. an.^) Aber durch neues Material kann sich
manches verschieben. Ich muß mich hier auf eine Charakterisierung der
einzelnen Beamten beschränken. Die historische Entwicklung läßt sich
z. Z. noch nicht klar erkennen.
Seit dem IL Jahrh. finden wir νΛοδίοιχηταί, deren Amtsbezirk
jedenfalls mehrere Gaue umfaßte. Der aus den Serapeumstexten bekaunte
νΛοοιοίχητής Sarapion, der der Rangklasse των διαδόχων angehörte, am-
tierte in Memphis, machte aber auch Amtsreisen in den Arsinoites und
εΙς τονς ανω τόπους (Leid. D etc.). Genauer läßt sich z. Z. ihr Bezirk
noch nicht abgrenzen.^) Der Έρ^ιώναξ in de!" Thebais (Grenf. II 23 [159])
gehört zu den ομότιμοι roig όνγγενεΰι.
Gleichfalls erst seit dem IL Jahrh. begegnet der έπΙ των προύόδων,^)
Während die νποδιοικηταί ein größeres Gebiet unter sich hatten, be-
schränkt sich seine Kompetenz auf einen einzelnen Gau.*) Daß er unter
dem υποδιοικητής rangiert, wird auch durch P. Grenf. II 23 (159) be-
stätigt. Sein Amt ist häufig von dem ihm übergeordneten ότραχηγος des
Gaues gleichzeitig geführt worden.^) Abgesehen von den allgemeinen
Aufgaben der διοίκηόις arbeitet er auch für den ίδιος λόγος (Amh. 31.
BGÜ III 992) und die κεχωρίόμενη πρόΰοδος (Teb. 64 b 17). Er verfügt
über spezielle Unterbeamte (οί παρά τον έπΙ των προβόδων: Teb. Ι 64 b 17).
Einen noch engeren Amtsbezirk scheint der ^πιμελητής^) gehabt
zu haben. Wenitrstens im II. Jahrh. begegnet ein iπιμελητής τών κάτω
Zur Veranschaulichung diene folgende Tabelle:
111. Jahrh. II./L Jahrh.
i,,„-jr'r"i der χώρα(?)
Jioi%r]xaL der %ω^α(^)
'Τηοδίοικηταΐ
Έηϊ τών ηροαόόων
*Εχιμβληταί *£%ιμ*λητο»
ΟΙχονόμοι ΟΙχορόμοί άογυρίκώψ
Άιηιγραφ§ίς Οιηονόμοι β»ηχών
'Αντιγραφείς.
Mafperoi Vermutungeii 8. tOi tind unaicher. Dorion (PMr. 63) iat gttniobi
Beamter de• SaTtee. Den 'Ερμώναξ bat er abertehon.
8) Vgl. Maepero 208. Ul. Booob^LocUrcq III 387.
4) Vgl. DiUenberger, Or. Gr. I 194,4 (toO ΠίρΙ Θήβ09)\ Π9,6 (»βύ '.ίνο" ' ' •
Γ Tor. Ι 1, 8 (τοΟ ψομοϋ).
b) Vgl. ζ. υ. die lodicea ton Teb. Ι mit tablreicbeo Beifpieleo.
β) Houchi-Leclerci III 891.
150 Kapitel ΙΥ. Die Finanz-Ressorts. Ihre Organe und Kassen.
τΟΛων τοϋ Σαίτον (Ρ. Par. 63 VII), wonach, der Sai'tische Gau damals
zwei solcher Beamten gehabt hat. Wie oben bemerkt, ist der Epimeletes
schon für das III. Jahrh. bezeugt und nicht nur für das Ende desselben.^)
In P. Petr. II 20 II 3 (166) wird er unmittelbar nach dem οωικψής ge-
nannt, wobei hier vielleicht nicht an den großen alexandrinischen Chef zu
denken ist.^) Andererseits erscheint er nach diesem Text als dem οίκο-
νόμοξ übergeordnet.^) Der Epimeletes wird innerhalb seines Bezirkes
nach allen Richtungen die Interessen der οιοίκηοις wahrgenommen haben.
Die Annahme von Bouche-Leclercq (III 391, 1), daß es verschiedene sjcl-
μ,εληταί mit verschiedenen Spezialkommissionen gegeben habe, beruht auf
einer irrigen Deutung von P. Zois I 15 und II 15.-*) Im III. Jahrh. hat
der εταμελητης u. a. die Steuerdeklarationen entgegengenommen (P. Lond.
I S. 50, vgl. auch Arch. II S. 82/4 und dazu Kap. V). Nach P. LiUe 19, 6
(vgl. auch 23 [189]) war er bei der Getreideverwaltung tätig (wie in
P. Petr Π 20). Im IL Jahrh. stand der επιμελητής unter dem ντίοδιοι-
κητής, wie namentlich aus den Serapeumstexten hervorgeht, in denen der
Letztere oft gebeten wird, den Epimeletes zur Lieferung des Öles an die
Zwillinge zu nötigen.^) Also ist in P. Par. 63 YII 20 (τοις äXXocg sitL-
μεληταΐς καΐ νποοωικηταΐς) die Rangordnung nicht eingehalten. Auch
dem ijtl των τΐροΰόδων scheint er untergeordnet zu sein, da dieser offenbar
höheren Rangstufen angehört, und auch einen ganzen Gau unter sich hat.
Andererseits steht der Epimeletes auch hier über dem Oikonomos (Teb.
6, 14). Wie er in den Zoispapyri den Garten versteigert^), so verpachtet
er in den TebtyDis-Papyri oft Domanialland an die βαοιλίκοί γεωργοί,'^)
Nach Teb. 17 (165) reist er gelegentlich auf die Dörfer und kontrolliert.
Vgl. auch Petr. II 32 (1), eine Klageschrift an den Epimeletes von einem,
der in einem königlichen Betriebe arbeitet.
Wir kommen endlich zum οικονόμος.^) Im III. Jahrh. spielt dieser
Beamte offenbar eine größere Rolle als im IL Wie die vorhergenannten
Beamten hat er damals noch in gleicher Weise mit der Geld- wie mit der
Naturalverwaltung zu tun. Vgl. Petr. II 20 (166).^) Sein Amtsbezirk ist
1) So Grenfell-Hunt, Teb. I S. 62, die Editoren zu P. Lille 4, 9. Dagegen Wilcken,
Arch. V 226. Nach Ps. Arist. Oecon. II 35 wird zu Alexanders des Großen Zeit ein
επιμελητής über den ΆΟ^ριβίτης gesetzt.
2) Hierzu neigen auch Grenfell-Hunt Teb. I S. 34,
3) So richtig Bouche-Leclercq III 391, 1.
4) Schon in den Gr. Ostraka I 517, 2 habe ich gezeigt, daß Ttgog την ^γληιρίν της
νιτρί-κής mit 7tρa^■έvτωv, nicht mit επιμελητής zu verbinden ist.
5) Z. B. Leid. D 18.
6) Ich kehre zu meiner früheren Annahme zurück (Theb. Bank S. 26,2), daß auch
Theodoros ein επιμελητής war.
7) Vgl Teb. 61 (b) 22, 36, 45. Teb. 72, 354. Teb. 214.
8) Vgl. Maspero 186 ff. Bouche'-Leclercq 388 f.
9) Wilcken, Gr. Ostraka I 653.
Ι. Die staatliche Verwaltung. Α. Die Ptolemäerzeit. § 2. Die Beamten. 151
der Gau. Auch der große ΐ4ρ6ίνοΐτης untersteht damals einem einzigen
οικονόμος.^) Neben ihm funktioniert ständig ein άντίγραφενς (vgl.
Rev. P.). Wie der Revenue-Papyrus lehrt, hat der Oikonomos u. a. die
Aufgabe, die Steuern zu verpachtfen und die Steuerpächter aufs genaueste
zu kontrollieren und mit ihnen Abrechnung zu halten (^Laλoγίζε6^^aL). -)
Andererseits sorgt er für den Korntransport aus dem Gau nach Aleiandrien
(καταγωγή).^) Er vergibt die öffentlichen Arbeiten seines Gaues.*) Er
erscheint überhaupt als der ständige Hauptvertreter der Finanzverwaltung
des Einzelgaues. ^) In LiUe 4, 29 wird er vor dem βαΰιλικος γραμματεύς
genannt. Neben diesem οικονόμος des Gaues gibt es aber auch einen
οικονόμος της ^Ηρακλείδον μερίδος im Arsinoites (Petr. II 181. 1), ja sogar
in Dörfern begegnet ein eigener οΙκονόμος (Hibeh 107 und 108, vgl. aus
späterer Zeit Grenf. II 37, G (169). Vgl Preisigke, Klio VII 262. Das
werden Unterbeamte des Gauökonomen sein, die denselben Titel wie er
führen (vgl. oben zum διοικητής S. 148).
Dagegen ist im Laufe des IL Jahrh. die Spaltung in einen οικονόμος
των άργνρικών und einen οικονόμος των ΰιτικών vollzogen worden.
Während sonst jeder dieser einen ganzen Gau zu verwalten hat^), hat im
!4ρ6ινοΐτης jede der 3 μερίδες ihren eigenen οικονόμος των άργνρικών
und όιτικών erhalten. ') Ob es daneben auch solche für den ganzen ^Aqöi-
νοΐτης μ ab, wie im lU. Jahrb., wissen wir nicht. Mit dieser Spezialisierung
der Geschäfte ist auch seine Stellung gegenüber den Verwaltungsbeamten
gesunken: der Papyrus Louvre 10632 (167) zeigt deutlich, daß jetzt der
βαοιλικος γραμματεύς über dem Oikonomen stund. Wenn in Dittenberger,
Or. Gr. I 188 (163) und 189 aus dem I. Jahrh. v. Chr. der Chef des Mios
λόγος f ein όνγγενής, zugleich als οΙκονόμος του βαοιλεως bezeichnet wird,
βο ist dieser οΙκονόμος τον βαοιλίως mit jenen gewöhnlichen Finanz-
beamten der Gaue nicht zu identifizieren.
Abgesehen von diesen speziellen Finanzbeamten sind die sämtlichen
oben S. 10 ff. aufgezählten Verwaltungsbeamten der Gaue gleichfalls für die
Aufgaben der Finanzverwaltuug tätig gewesen, also die ότρατηγοί und
νομάρχαι^ die βαόιλικοί γραμματείς und τοπογραμματείς und χωμογραμμα-
τείς^ die τοπάρχαι und κωμάρχαι.^) Die Texte dieses und der nächsten
Kapitl /r »- • |f,.;.. ;,.!,. ί.-,ν die Betätigung dieser Gaubeamten auf dem
1 Vgl. Petr. II Dies übereieht Boaohtf-Leoleicq 1. c. Vgl. aacb e/u.
τ«ι• ü^qX θι/ιβας in I' • •>. ",, 1 und unten 167.
5) Wilckin, Or. Oftraka I 617. Vgl Kap. V
8) Vgl. Veit. II V '" uich I (Ιββ). 4) IVir III il\ \ μ\. Kuj.. \ III.
6) Bi'in Vorhalt ίΛίμ$Χητ^ς^ der ihm »il.crKronlmt int, itt noch recht
dunkel.
Ä^ Vtrl. Γ. Tor. 6—7: nffbg H)» θΙ%ΟΨθμΙαΐ τώι• ί{*γν{}ΐ%α>%• rof ΙίαΟχ\ΰχην
DitUnbw^r, Or. Or. I 177, 179 (ΙβΗ .
; MMpero 186 f. JOS ff. Enger•, do Aegyptiarum %ωμώ%• adminiulrationo cto.
152 Kapitel IV. Die Finanz-Ressorts. Ihre Organe und Kassen.
finanziellen Gebiet. Als die wichtigsten unter ihnen treten der ΰτρατηγός^
der νομάρχης, .der βαΰίλίκος γραμματεύς und der κωμογραμματενς hervor.
Eine gesonderte Darstellung der Kompetenzen der einzelnen Beamten
würde hier zu weit führen.
§ 3. DIE KASSEN UND MAGAZINE.
Von der zentralen Reichshauptkasse, die in Alexandrien gewesen sein
muß, ist bisher keine Nachricht erhalten. Dagegen kennen wir durch
viele Zeugnisse die Regierungskassen der χώρα^ aC βαόιλικαΐ τράτΐεξαί.^)
Sie waren die Zahlstellen für die sämtlichen Einnahmen und Ausgaben
des Staates, soweit sie in Geld erfolgten. Jeder Gau hatte seine Re-
gierungshauptkasse in seiner Metropole. Diese galt als die Kasse des
Gaues. ^) Aber auch die Dörfer hatten ihre βαΰιλικαΐ τράτίεζαί^), gewisser-
maßen Filialen der Kasse der Hauptstadt.*) Die Staatskassen führten für
das Ressort des ίδιος λόγος ein gesondertes Konto. ^) Über das Lokal
dieser Institute liegen keine genaueren Nachrichten vor. Nach P. Hibeh
106 ff. waren Trapeziten im III. Jahrh. im λογεντηρίον tätig. Nach
P. Eleph. 10 (182), der τραπεζιτών των εν τοις ΙεροΙς erwähnt, scheinen
sich — mindestens teilweise — königliche τράπεξαι, innerhalb der ge-
heiligten Tempelbezirke befunden zu haben.
An der Spitze der Kassen standen Beamte mit dem Titel τραπεζίτης.
Über den Trapeziten der einzelnen Institute standen Vorgesetzte, die für
ein größeres Gebiet kompetent waren. So ein τρα(πεζίτης) της Θη{βαΐδος) ^) ;
vgl. auch den τραπεζίτης Κωίτον in Ρ. Hib. 66 Verso.
Diese Trapeziten waren Beamte, nicht Pächter, wie manche aus
P. Rev. 73 ff. (181) schließen."^) Dieser Text besagt vielmehr, daß es
außer den βαοίλίκαΐ τράπεζαι, die ausschließlich den Staatsinteressen
dienten, noch andere τράπεζαι gab, die vom König an Privatleute ver-
pachtet wurden und wahrscheinlich als Banken den Interessen des Publi-
kums dienten.^) Diese werden in dem Text nur als τράτιεζαι, nicht ßa6L-
λικαΐ τράπεζαί, bezeichnet.
Der sehr umständliche und gewissenhafte Geschäftsgang bei den
Regierungskassen wird durch mehrere der unten abgedruckten Texte ver-
1) Vgl. hierzu Wilcken, Aktenstücke d. Kgl. Bank zu Theben (Abh. Beil. Akad.
1886) und Griech. Ostraka I 630 ff. Jetzt Preisigke, Girowesen.
2) Vgl. P. Hibeh 110 Vers. II 86: τραπεζίτης Έρμ,οπολίτ[ον].
3) Vgl. Wilcken, Gott. G. A. 1895, 155 f. Bestätigt durch Rev. Pap. 75, 1: [al
iv τους] nolaeiv τ) κώμα/-? τράτιεζαι §α6ΐλι%αί (181). Vgl. jetzt auch Ρ. Eleph. 15 (Bank in
Arsinoe bei Edfu: Wilcken, Arch. V S. 214/5). Vgl. Fr. Preisigke, Girowesen S. 8.
4) Wilcken, Gr. Ostraka I 633. 5) Amh. 31 (161) BGÜ III 992 (162).
6) Vgl. Theb. Bank. S. 28. 7) So J. Beloch, Gr. Gesch. III (1) 313.
8) Vgl. Wilcken, Gr. Ostraka I 634 ff. Zugestimmt haben Grenfell-Hunt, Oxy.
III 248. Otto, Priest, u. Temp. II 110. P. M. Meyer, Berl. ph. Woch. 1904 Sp. 1060.
Ι. Die staatliche Verwaltung. Β. Die römische Zeit. § 1. Die Ressorts. 153
anschaulicht. ^) Sowohl bei den Einzahlungen wie bei den Auszahlungen
bedurfte es ausführlicher Anweisungen (διαγραφαί) von Seiten der kom-
petenten Finanzbeamten resp. der Steuer ρ ächter und ferner der Mit-
wirkung von Kontrollbeamten, ehe auch nur eine Drachme verausgabt
oder eingenommen wurde. ^) Über die Buchführung der Trapeziten (in
den εφημερίδες) vgl. Gr. Ostraka I 640 f.
Was die τράπεζαα für den Geldverkehr, waren die 9^η6ανροΙ für die
Naturalleistungen.^) Die Zentrale in Alexandrien hieß auch für das
Naturaldepartement το βαόιλιχόν.^) Gerauere Nachrichten haben wir nur
über die Magazine der χώρα, die nicht nur in den Metropolen, sondern
auch in den Dörfern sich befanden. Über ihre Anlage läßt sich dem
mathematischen Papyrus von Achmim sowie P. Lond. II S. 186 (192)
einiges entnehmen.^)
Wie der Trapezit zur Kasse, so stand der ΰίχολόγος zum Thesauros.•)
Die Sitologeu sind die Beamten, die die Naturalien in den Thesauros auf-
nehmen resp. aus dem Thesauros abliefern.') Über die Behandlung des
Korns im Thesauros, und über den Transport von der Tenne zum Thesauros
und vom Thesauros zum Ladungsplatz vgl. Rostowzew, Arch. III 204 flf.
und unten Kap. X. Über die Privatdeposita in den Thesauren und über
das Girowesen der Thesauren hat jetzt eingehend Fr. Preisigke gehandelt
(Girowesen).
B. DIE RÖMISCHE ZEIT.
0. Hirse hfeld, Die kais. Verwaltungsbeamten bis auf Diocletian 1906. — Th.
Mommsen, Köm, Staatsrecht II'992flf. — M. Rostowzew, Fiskus (Dizionario epi-
graf. di Antich. Rom. III 90 sq. 1898). — Derselbe, Die kaiserliche Patrimonialver-
waltuDg in Ägypten iPhilologus 57). — Derselbe, Geschichte d. Staatepacht (1902)
8. 469if. — ü. Wilcken, Griech. Ostraka aus Äg. und Nubien (1899) 1641 ff. —
P. M. Meyer, Jioi%r\Gii und Ίδιοζ λόγος (Festschrift f. 0. Hirschfeld 1908, 181 ff)
und Archiv ΠΙ 86ff. — W. Otto, Priester und Tempel im hellenistischen Ägypten
I, Π (1906, 1908). — L. Mitteis, Rom. Privatrecht I (1908) 847ff. — F. Preisigke,
Girowesen im griech. Ägypten 1910. — M. Rostowzew, Studien z. Geechichte d.
römischen Kolonates 1910.
§ 1. DIE RESSORTS.
Durch die Neuordnung des Augustus wurden die Einnahmen Ägyp-
tens, die bis dahin das ßaötXixov gefüllt hatten, in den Fiskus über-
1) Vgl. außer Amh. 81 (161), BGU 092 (162) auch die Theb. Bankakten und
iVw Zoispapyri.
2) Vgl. Wilcken, Gr. Ostraka I 688 ff.
8) Vgl. Wilcken, Gr. Ostraka I 640 ff. Preisigke, Girowesen 40 ff.
4) Vgl. z. H. Lille 28 (18tf) und die Paralleltexte.
6) Wilcken, Gr. Ostraka I 660 f.
6) Gab es auch „ThcsauruHbeaniU*'', die Aber den Sitologen standen? Vgl.
V Kleph 10,4: nagit χών ηρός χοίς {Ο Γ^. Oder sind diu die SitologtB?
KIhhho: Hibeh I 117, 2: 6 ηρ^ς folg »v,'»• • Knhw Spetielle
beamt« nennt Par. 66 II 96.
7) Wilcken. Gr. Ostraka I 668(1
154 Kapitel IV. Die Finanz-Ressorts. Ihre Organe und Kassen.
geführt. Wiewohl dieser Fiskus mit Hirschfeld (KV Iff.) juristisch als
Eigentum des populus Romanus aufzufassen ist, stand er doch ausschließ-
lich dem Princeps zur Deckung der von ihm übernommenen Aufgaben
zur Verfügung und war praktisch daher eine kaiserliche Kasse. An die
Stelle der früheren Bezeichnung το βαύιλικον trat jetzt ό φίοκος oder ro
δημόόίον^) oder το ταμιείον, später το ίερώτατον ταμιείον, woneben auch
noch andere Umschreibungen begegnen.^) Die Verwaltung des Fiskus
hieß ebenso wie früher die des βαύιλικον: ή διοίηηΰίζ.
Gleichfalls aus der ptolemäischen Verwaltung übernommen wurde
das Ressort des löiog λόγοζ, und zwar mit demselben griechischen Namen
(lateinisch transkribiert idius logus o. ä.).^) Nach Strabo XVII p. 797
war der Leiter dieses Ressorts των άδεΰπότων καΙ των εΙς Καίοαρα
πίπτ,ειν οφειλόντων εξεταστής, womit freilich der Inhalt nicht erschöpft
ist. Abweichend von andern Provinzen sind also in Ägypten die bona
vacantia von vornherein dein Kaiser zugefallen. Wie weit der Kreis των
εΐξ Καίοαρα πίπτειν οφειλόντων zu fassen ist, darüber gehen die Ansichten
auseinander.^)
Neben diesen Idiog loyog tritt nun als eine völlig neue Schöpfung
der Kaiserzeit das Patrimonium. Wie die ovöiaL, die einzelnen Laad-
güter, deren Einkünfte in die Patrimonialkasse flössen, an den Kaiser ge-
kommen sind, kann erst im VII. Kapitel dargelegt werden. Der Ausdruck
0 ovöiaxbg λόγος, der dieses Ressort bezeichnet, ist nachweisbar z. Z.
erst seit dem IL Jahrh.^) Nach Rostowzews Vermutung (Kolonat 131)
würde er als eigenes Ressort etwa unter den Flaviern gebildet sein.
AUe diese Ausdrücke ovöCm^ ovötaxog λόγος , τα ονοίακά sind, wie die
Sache selbst, eine Neuerung der Kaiserzeit 5 sie begegnen niemals in pto-
lemäischen Texten.
Für die Frage, wie der YÖLog λόγος und der ονβιακός λόγος, die
sicher von einander zu trennen sind, sich zueinander verhalten, ist maß-
gebend die Tatsache, daß der Leiter jenes der Vorgesetzte des Leiters
dieses ist (s. unten).
Eine besondere Schwierigkeit liegt darin, daß die ovöCai mehrfach
als zum ταμιείον^ zum Fiskus gehörig, als ταμιακαΐ bezeichnet werden.
1) Ygl. oben S. 30 f., wo darauf hingewiesen wurde, daß hierin zum ersten Male
in Ägypten der Staatsgedanke zum Ausdruck kommt.
2) Vgl. Wilcken 1. c; P. Meyer 1. c. In Amh. 77 wechselt 0 φίβν,οξ und 0 κν-
Qiayiog λόγος.
3) Vgl. P. Meyer 1. c. 148.
4) Am weitesten faßt ihn wohl P. Meyer, ^ιοίκηαις S. 149. Ob auch die dem
Kaiser freiwillig, testamentarisch vermachten Erbschaften dem i'aiog λόγος zufielen
(Meyer), ist mir zweifelhaft. Strabo spricht jedenfalls nur von τύητΕίν όφείλοντα,
und die dem Kaiser vermachten ovölccl gingen wie die bei Lebzeiten geschenkten in
das Patrimonium.
o) BGU 277 II 10; 599, 14 f.; 976, 13.
Ι. Die staatliche Verwaltung. Β. Die römische Zeit. § 1. Die Ressorts. 155
Während 0. Hirschfeld hieraus den Schluß zog, daß einige ovöCaL zum
Fiskus gezogen seien ^), erklärte Mitteis diese Erscheinung durch die An-
nahme einer schΛvankenden Terminologie.^) Rostowzew andererseits meinte,
daß im II. Jahrh. zwischen Fiskus und Patrimonium kein scharfer Unter-
schied mehr bestanden habe.^) Wenn man aber die von den genannten
Gelehrten behandelten Papyri chronologisch noch genauer fixiert, so
ergibt sich, daß die Bezeichnung der Patrimonialgüter als fiskaler erst
seit Septimius Severus begegnet: BGU II 475, 1 (a. 198/9)*); BGÜ I 106
(174) (a.l99); BGU 156 (175) (a.201); Lond. II S. 161/2 (177) (a. 270/5).*)
Vorausgesetzt, daß hier kein Zufall vorliegt, und daß auch künftig keine
Beispiele, die vor Septimius Severus fallen, bekannt werden, liegt es nahe,
hier nicht an ein Schwanken des Ausdruckes, sondern an eine Neuord-
nung der Dinge zu denken, und man wird a priori geneigt sein, diese
Neuordnung mit den sonstigen Änderungen, die Septimus Severus in der
Finanzverwaltung des Reiches durchgeführt hat (vgl. die res privata)*),
in Verbindung zu bringen.^) Daß man in der Verwaltung auch weiterhin
die ονόιακά als eine Besonderheit behandelte, die man nach wie vor der
Dioikesis gegenübersteUte (vgl. Teb. Π 339, 10; BGU I 84, 5), würde
noch nicht gegen die Hypothese sprechen, daß Severus die Patrimonial-
güter, die allmählich mehr und mehr den Charakter von Krongütem be-
kommen hatten, zum Fiskus geschlagen hätte. Es fragt sich nur, ob man
aus jenem Tatbestand nicht vielmehr umgekehrt den Schluß ziehen soll,
daß schon Severus, der ja in so manchem ein Vorgänger des Diokletian
gewesen ist, den Fiskus überhaupt als Kaiserkasse behandelt hat. Doch
solche Hypothesen können hier nicht verfolgt werden. Es genüge fest-
zustellen, daß in Ägypten nach unserm jetzigen Material von Severus an
(Ho ]*atrimonialirüter als fiskale bezeichnet werden.
1) KV 866 Anm. 2.
2) Rom. Privatr. I 357.
n) Kolonat 180.
In der Edition habe ich nur II. Jahrh. angegeben. Mir ist jetzt die Bereoh-
iiuii- .i.H 7. Jahres auf 198/9 auch pamoirraphisch wnhr-'<i'f<"i'>her als die auf Ιββ/7,
die iMun sonst wühlen müßte.
ö) Ander« liegt os /. B. in HGÜ II 462, wo der lukua den Qrundbetits fon
Leuten, die als Sitologen Fiekalechuldner geworden waren, konfiexiert hat In diesem
Falle war ein Anheimfallen an den oveianbg λόγος natürlich ausgetchlouen, und
«larum Hpricht dien Hi-ispiol nun der Zeit des Piui natiirlich nieht gegen die oben
bezeichnete chronologische Oren/.o. Km ist mir hiemach fraglich, ob man, wie Ros-
i/>wzew (Kolonat 120 fl.) tut, jedes Grundstück. .Iuh mit «hr Formel nQOfQov roö ί•Ι-
t'og zitiert wird, für ein Patrimonialgut halt«
6) 0. liirechfeld, KV 18. Vgl. auch Miti. ih, n i.M.ar. 868f
7) Einp Andeutung schon bei Rottowzew, Kolonat 8. 182. Noch nftliar kommen
ObiK» lu, wie ich nachträglich sehe, die Ausführungen von P. Me.rer, 'HC.
Ander«! freilich urteilt dieser sp&ter im Arch. III H8.
156 Kapitel IV. Die Finanz-Bessorts. Ihre Organe und Kassen.
§ 2. DIE BEAMTEN.
Die höchste Instanz in allen Finanzfragen war, wie vorher der ßa-
öUevgj so jetzt der Kaiser.^) Als sein regulärer Stellvertreter war der
praefectus Aegypti der oberste Leiter der gesamten Finanzverwaltung
im Lande.^) Er spielte also jetzt die Rolle in Ägypten, die vorher dem
ptolemäischen διοικητής zugefallen war.^) Daher ist denn auch dieser
Titel als Bezeichnung des obersten Finanzchefs jetzt geschwunden. Aber
unter den Prokuratoren, die den Präfekten als Untergebene in der Fiskal-
verwaltung zu unterstützen hatten — unter ihnen ragen die jetzt zu Pro-
kuratoren umgebildeten und auch sonst umgestalteten Epistrategen hervor
(vgl. oben S. 36 f.) • — , begegnet auch jetzt ein hoher Finanzbeamter dieses
Namens: ό διοικητής^ δ κράτιύτος διοικητής.^) So lange für ihn
nur Belege vom IL Jahrh. an vorliegen^), was ZufaU sein kann, läßt sich
über einen Zusammenhang mit dem ptolemäischen διοίκητΎΐξ nichts Be-
stimmtes sagen. ^) Ebenso wird die Frage, ob er identisch ist mit dem
inschriftlich bezeugten επίτροπος — ετΐΐ δωίκήοεως [Αλεξανδρείας] =proc. —
ad dioecesim Älexandreae'^), besser noch offen gelassen. Die Annahme, daß
der Dioiketes im Π. Jahrh. noch niedrigen Ranges gewesen sei (Avan-
cement vom οτρατηγός), beruht auf irrtümlicher Deutung von P. Oxy.
III 513 (183).^) Vielmehr ist eine Veränderung der Rangstufe vom IL
zum IIL Jahrh. nicht zu erkennen. Wie hoch sein Rang war, zeigt, daß
er gelegentlich der Vertreter des Juridicus war, wie auch der Juridicus
gelegentlich ihn vertreten hat. Sie müssen danach gleich hohen Rang
gehabt haben. ^) Schon hieraus folgt, daß es nur einen Beamten dieser
Art gab, und daß er in Alexandrien seinen regulären Amtssitz hatte, wie
die anderen, die für ganz Agyten kompetent waren.
Wie wir oben für die Ptolemäerzeit für die χώρα Dioiketen niederen
Ranges annahmen, so sind auch für die Kaiserzeit untergeordnete δίΟίκη-
1) Wilcken, Gr. Ostraka I 496 ff.
2) Vgl. Wilcken, Gr. Ostraka I 498; 0. Hirschfeld, KV 349.
3) Ygl. Rostowzew, Staatspacht 460, wo ich nur insofern mißverstanden bin,
als auch ich Ostraka I 498 .in dem Präfekten den Oberverwalter der Finanzen ge-
sehen habe.
4) Ygl. P. Meyer, ^ιοίκψις 146; 0. Hirschfeld, KV 3o8£f. Daß sein Titel (wie
in der Ptolemäerzeit) ihn als den Verwalter der άωίκηδις bezeichnen soll, geht z. B.
aus Flor. 89, 1/2 hervor: οίέ]πων τά μέρη της διοικήοεως (für den διαάεχόμενος).
5) Julianus a. 141: Gatt. Verso I 1; Vonasius Facundus a. 162: Oxy. VII 1032;
Vestidius Rufinus a. 182/3: P. Straßb. Arch. IV 124 Anm. 1, Oxy. III 513, 29 (183);
Suillius Saturninus a. 194: P. Straßb. Arch. IV 124 Anm. 1; Flavius Studiosus a. 200:
Oxy. VI 899; Calventius Adiutor a. 210: Flor. 6; Septimius Arrianus a. 221: Oxy. I 61;
Velleius Maximus Mitte des ΙΠ. Jahrh.: BGU 8 Π (170).
6) Dies zur Einschränkung von Gr. Ostraka I 498. Vgl. 0. Hirschfeld, KV 359.
7) 0. Hirschfeld, KV 359.
8) Vgl. hierzu Wilcken, Arch. IV 124, 1.
9) Wilcken, Arch. IV 453.
Ι. Die staatliche Verwaltung. Β. Die römische Zeit. § 2. Die Beamten. 157
TccC im Lande bezeugt ^ zwar bisher nur für den Anfang der Kaiser-
zeit. ^) Nach Grenfell-Huut zu P. Teb. II 408 standen diese im Range
unter dem τοπάρχης. Sie waren also sehr viel unbedeutender als jene
Dioiketen der Ptolemäerzeit.
Als ein neuer Fiskalbeamter tritt später der xad-oXixog hinzu. Wäh-
rend man früher annahm, daß dieser Beamte erst mit Diokletian erscheine,
ist er jetzt nach Lond. UI S. 110 schon für die Mitte des ΙΠ. Jahrh.
bezeugt worden. Wie ich im Arch. IV 539 zeigte, begegnet dieselbe
Person in derselben Stellung auch in Oxy. I 78 vom J. 246. Wenn sich
die Vermutung P. Meyers bestätigt, daß der διαύημότατος Claudius Ju[ ]
in Giss. 48 (171) der xad^olixog sei, so würde es nahe liegen, die Schaffung
dieses neuen Beamten wiederum mit den Finanzreorganisationen des
Severus in Verbindung zu bringen. Doch ist neues Material für diese
Frage abzuwarten.
An der Spitze des iÖLog λόγος stand ein römischer Prokurator, der
(wie der Leiter aus der Ptolemäerzeit) ό :ΐρος τω Ιδίω λόγω hieß,
oder mit Bezeichnung seines Ranges ό χράηότος προς τω Ιδίω λόγω oder
Ιπίτροηοξ Ιδιον λόγον.^) Daneben wird er auch selbst ϊδιος λόγος oder
idiologus genannt.^) Er hat die Leitung und Verwaltung seines Ressorts,
hat aber nach Strabo 1. c. auch die Untersuchung darüber, was seinem
Ressort zufällt (εξεταστής) und hat daher innerhalb seiner Ressortinter-
essen Jurisdiktion.*) Er hatte sein Bureau natürlich in Alexandrien
λΐηά wohl auch ein Hilfspersonal im Lande, aber weitere Spezialbeamte
dieses Ressorts sind jetzt ebenso wenig bekannt wie aus der Ptolemäer-
zeit. Seine Kompetenz erstreckte sich auf das ganze Land, denn für jeden
Gau war eine eigene Abteilung in seinem Bureau gebildet. Jeder Gau
hatte daselbst seinen Gauschreiber (o γράφων τόν νοαόν), der auch kurz
Ιδιος λόγος genannt wurde (wie in Amh. 69 [190]). Vgl. P. Fay. 23 (a), 3:
γενόμ{ενος) γρ(αμαατενς) νομών τίνων Ιδιον λόγον^ Lips. 121 (173);
Ρ. Ausonia 2 (vgl Arch. V 281); Amh. 69, 3 (190). Vgl. auch Teb. U
294, 2 (78): τω προς τω [ των] Ιδίων λόγων.^) Wie der Idiologos
selbstverständlich dem Präfekten unterstand, so hatte er andererseits die
Oberaufsicht ιϋπτ (\ou Leiter des ί^ιtrίττloninm fs. unten).
1) Vgl. <>Λ> ii J.•! 1< I II 408. 409. Ilostowsew, SUaUpaoht 8. 461 nennt sie
dfther die let/.ieu Auttlilutcr der ptolemäiscben Finani?erwaltung.
2) Zu dieeen und andern Formen vgl. P. Meyer, Dioikeeis 148. Eine Liite der
Idiologol ίζ'\\)ί Otto I 178 ff.
8) Namentlich in nicht amtlichen Texten. So beißt er bei Strabo 1. o. to and
in privaten Wcihinechriflen. In P. Catt. I col. VI l könnte in der ÜberBchrtfl
Kflrznng Torlicifon. Aber auch in der amtlichen Eingabe bei Hartel, Qr. Pap. S. 70
(72) kommt die liozeichnung vor: »j} τοβ ISioUyov n[al] [ά9χ]ί•ρ4ως ^MV^a(0).
4) Vgl. Wilcken, Arch. IV S94, 408; Mitteit im II Hände
6) Sind damit die tSioi lo/o» der Einselgaue gemeintt
258 Kapitel IV. Die Finanz-Ressorts. Ihre Organe und Kassen.
Die Verwaltung der ονΰνακά hat manclie Wandlungen durchgemacht.
Aus der früheren Kaiserzeit begegnen uns als Vorsteher der einzelnen
oveiai (Güter) die προεοτώτες, die offenbar die Nachfolger der ptolemä-
ischen υΐροεοτηκότες der έν δωρεά yfj sind (Kap. VII). Vgl. Wessely,
Spec. scr. gr. 11, 21 (176); BGu'lI 650 (in Kap. VII). Doch wird auf
die Verwaltung der einzelnen Güter besser in Kap VII eingegangen. Seit-
dem dann die Verwaltung zu einem eigenen Ressort als ovöiaxbg Xoyog
zusammengeschlossen war (S. 154), unterstand dieser dem procurator
nsiacus, επίτροτΐος των ον6ια%ών oder ονΰοών ο. ä., der bis jetzt nicht
vor dem IL Jahrh. bezeugt ist.^) Daß es nur einen einzigen Beamten
dieses Titels für das ganze Land gegeben hat^), wird jetzt durch P. Giss.
40 II (22) entschieden. Vereinzelt begegnen kaiserliche Freigelassene mit
diesem Titel (in lateinischen Inschriften)^), während die in den Papyri
Genannten meist κράποτοί sind, römische Ritter.*) Dieser procurator
usiacus ist unterstellt dem Idiologos.^) Dies geht klar aus den Texten
hervor, in denen er als der διαδεχόμενος την άρχιερωΰννην , d. h. als
Stellvertreter des mit dem Idiologos kombinirten άρχίερενς von Ägypten
auftritt. Vgl. S. 127.«)
Unter dem procurator usiacus standen die ετατηρηταΐ ονοιακών εδα-
φών^ von denen immer je einer für ein einzelnes Dorf funktionierte. Vgl.
Fay. 23; BGU II 619; Gen. 38.^) Diese werden, wie auch sonst die
Beamten mit dem Titel έπίτηρηταί, Kontrollbeamte gewesen sein. Im III.
Jahrh. finden wir an der Spitze der einzelnen Güter προνοψαί (Lond. Π
S. 161 [177]), auch φροντιβταί (Oxy. I 58). Als Subalternbeamte standen
dem proc. usiacus die μαχαιροψόροι ονόιακοί zur Verfügung, die eventuell
Verhaftungen vornahmen (Amh. 77, 20 ff.). Der procurator hatte für sein
Ressort eine eigene Rechnungskammer: ro λογιοτήρίον τον έΛίτρόπον των
ονοίών (Amh. 77, 22).
Im Dienste des kaiserlichen Hausgutes standen auch die Καίΰαρος
οΙκονόμοί. Strabo XVII ρ. 797 sagt nach Aufzählung der hohen rö-
1) Wilcken, Gr. Ostraka I 393. 0. Hirschfeld, KV 356 f, der damit rechnet, daß
diese Behörde unter Hadrian eingesetzt sei.
2) So schon Wilcken, Gr. Ostraka 1393; Mitteis, R. Privatr. I 357. Dagegen
nahm P. Meyer, z/iotxrjöts S. 156 für jeden Gau einen solchen Beamten an.
3) P. Meyer, ^ιοίκηΰις S. 156.
4) Vgl. P. Meyer 1. c. Dazu kommt Ulpius Heraclides a. 174/5: Teb. II 317.
Schon dies spricht gegen Meyers Annahme, daß sie erst seit Severus römische Ritter
gewesen seien (Arch. III 88). Vgl. auch BGU III 891.
5) Wilcken, Hermes 23, 597 ff.; 0. Hirschfeld, KV 357; Mitteis, R. Privatr. I 358.
6) Gegen die Annahme P. Meyers, daß dies erst seit Severus gelte, vgl. Mitteis,
R. Privatr. I 358.
7) Die Annahme von P. Meyer, ^ιοίκ-ηοις 155, daß die έΛίτηρηταί nur beim
Kleinbesitz vorkämen, wird durch die neuen Lesungen von Gen. 38 widerlegt. Vgl.
den Kommentar.
Ι. Die staatliche Verwaltung. Β. Die römische Zeit. § 2. Die Beamten. 159
mischen Beamten: παρέπονται δε τοντοΐζ απελεύθεροι Καίύαρος xccl οίκο-
νόμοι, μείξω καΐ ελάττω πεπιοτενμένοι πράγματα. Diese Καίύαρος οικο-
νόμοι sind offenbar die direkten Nachfolger der οΙκονόμοι τον βαΰιλεω^
der Ptolemäerzeit (vgl. S. 151). Wir kennen einen Seeundus in diesem
Amte vom J." 123 (Teb. II 296 [79]), einen Metiochos vom J. 197
(P. Achmim [81]) und einen Saturninus vom J. 201 (BGU 15G [175]). Ihr
Amtssitz ist Alexandrien (in den ersten beiden Fällen sicher nachweisbar).
Nach ihren Namen dürften sie kaiserliche Sklaven sein. Trotzdem ist
Καίόαρος οΙκονόμος nicht als Καίύαροζ (δονλος) οΙκονόμος zu deuten,
wie jetzt Teb. II 296 zeigt.i) A'icarii begegnen in BGU 102, 1; Oxy. 735.
Außer diesen speziellen Finanzbeamten sind, wie es oben S. 151 für
die Ptolemäerzeit gesagt wurde, so auch in der Kaiserzeit die sämtlichen
im I. Kapitel behandelten Verwaltungsbeamten der Gaue auch für die
Finanzverwaltung tätig gewesen. Das gilt vom Epistrategen, der, wenn
auch nur dürftige Spuren dieser Tätigkeit vorliegen, doch wohl gerade als
Finanzbeamter den Titel eines procurator bekommen hat (S. 156).*) In
viel höherem Maße ist es nachweisbar vom Strategen und dem könig-
lichen Schreiber. Daß der Stratege jetzt das Haupt der Steuerverwaltung
des Gaues, im besondern der Steuererhebung ist, ist eine Avichtige Neuerung
der Kaiserzeit. ^) Vgl. Rostowzew, Staatspacht 461 ff. Aber auch die
Beamten der νομαρχίαι, der τόποί^ der κώμαι^ unter letzteren vor allem
der χωμογραμματενς^ arbeiten auf diesem Gebiete. Zu betonen ist, daß
in der Mitwirkung dieser Beamten irgend eine Spezialisierung nach den
obigen Ressorts nicht stattgefunden hat.^) Sie arbeiten ebenso für den
Idiologos und das Patrimonium, wie für den Fiskus. Vgl. für den Idio-
logos z. B. Lond. Π1 S. 123 (172) und 72, ferner P. Cair. Preisigke 9.
Nachdem auch früher schon die städtischen άρχοντες zu den staat-
lichen Finanzgeschäften herangezogen waren (vgl. z. B. Amh. 109, 6 ff.),
fand doch eine noch ganz anders gesteigerte Ausnutzung der städtischen
Organisation für diese Zwecke statt, nachdem die Metropolen das Stadt-
recht im J. 202 erhalten hatten. Wichtige Aufgaben der kaiserlichen
Finanzverwaltung wurden jetzt den llatsherren und Beamten der Städte
zugeschoben. Dieser wichtige Prozeß bedarf noch eindringenden Studiums.
Hier sei nur auf die Bedeutung der δεχαπρωτοι für die Steuererhebung
i) luciitig H« rion vi»rmT gi'tteulet VOn Oradenwit/, .'\rrii. II 104.
2> Djo Aririnhme von Boftowtew, Staattpacht 460 f.« daß t*r «uMohliceiioh
Tat' r geweten sei« tcheint mir tu eng tu sein. Vgl. die gaiu
all^• Ue, die er Aber die richtige Steuenreranlagnng Dach Oxy. III 488
aoMübte
8 \k iieMr T&Ugkeit s. U. Par. βυ (41) ond BGU 747 (Sft).
4; Vgl. P. Mejer, Jioimitig 8 146; Preitigke, Qiroweten 60 und 188 ff.
160 Kapitel IV. Die Finanz-Eessorts. Ihre Organe und Kassen,
hingewiesen (Kap. V). Trotzdem bleibt aucb jetzt im III. Jahrb. der
Stratege die Spitze der Steuerverwaltung des Gaues. ^)
Wie alle diese Beamten und Körperschaften sich bei der Steuer-
verwaltung, bei den Monopolen, bei der Bodenverwaltung usw. betätigt
haben, wird in den nächsten Kapiteln zu behandeln sein.
§ 3. DIE KASSEN UND MAGAZINE.
Die Einrichtung der βαουλικαΐ τράπεξαι, wie sie oben S. 152 für die
Ptolemäerzeit geschildert sind, haben die Kaiser unverändert übernommen.^)
Nach 0. Hirschfeld, KV 72 sind sie sogar Vorbild für die auch in andern
Provinzen errichteten mensae geworden. Nach wie vor waren sie die
Regierungshauptkassen für alle Einnahmen und Ausgaben des Staates.
Man nannte sie jetzt δημόΰιαί τραΛεζαί; dagegen die an ihnen ange-
stellten Beamten hießen gelegentlich (aber selten) auch jetzt noch βαύιλι-
κοί τρατίεξίται.^) Filialen in den Dörfern (vgl. S. 152) scheint es in der
Kaiserzeit nicht gegeben zu haben. Vgl. Preisigke, Girowesen S. 14.
Diese δημόΘίαι τράτΐεζαι dienten der gesamten Finanz Verwaltung, dem
Fiskus wie dem Ydiog λόγος und dem Patrimonium. Es gibt keine be-
sonderen Kassen für die einzelnen Ressorts. Wohl aber hat man, wie in
der Ptolemäerzeit, so auch in den δημόόίαί τράπεζαυ besondere Conti für
sie gehabt. Analog ist aufzufassen τήν — τή^ νομαρχ(ί)ας τράπεζαν in
Teb. II 350: das bedeutet nur eine Buchung auf das Konto des Nomarchen
(vgl. GrenfeU-Hunt zu der Stelle und Preisigke, Girowesen 16). Wenn in
Lond. II S. 118, 19 την έπΙ τοντοΐξ (für φόροξ προβάτων) τράπεζαν im
Gegensatz steht zu την δημοοίαν τράπεξαν (in Ζ. 17), so ist mit Preisigke
(Girowesen 15) unter der ersteren τράπεζα eine Bank zu verstehen, keine
Staatskasse. Zum Geschäftsgang an den Regierungskassen vgl. Wilcken,
Gr. Ostraka I S. 647 f.
Durch Oxy. lU 513 (183) ist erwiesen, daß auch in der Kaiser-
zeit wie in der Ptolemäerzeit neben den Staatskassen Banken (τράπεξαι)
für die geschäftlichen Interessen des Publikums bestanden haben, die vom
Staat verpachtet wurden. Das Pachtangebot auf eine solche τράπεζα er-
wähnt 0x3^191,11.^) Wie zu diesen von Privaten gepachteten Pacht-
banken die ΙδίωτίχαΙ τράπεζαι, sich verhalten, ob sie identisch sind, ist
durch ein bestimmtes Zeugnis noch nicht festgestellt worden. Über die
Rechtsgeschäfte, die diese Banken vermittelten, vgl. Bd. IL Diese Bank-
1) Wilcken, Griecb. Ostr. I 627, Vgl. z. B. BGU lY 1062, 16 verglichen mit BGU
ΠΙ 747 (35); Par. 69 (41).
2) Vgl. Wilcken, Gr. Ostraka I 645 ff.; Preisigke, Girowesen 12 ff.
3) Vgl. BGU 121 (184); Oxy. VI 916 (185), wo δτιμ(ο6ίοις) und ßaadiiyiog) ab-
wechseln.
4) Vgl. Wilcken, Arch. V 212 Anm. 4.
Ι. Die staatliche "Verwaltung. C. Die byzantinische Zeit. § 1. Die Ressorts. 161
Urkunden zeigen, welchen gewaltigen Aufschwung die Bankgeschäfte in
der Kaiserzeit im Gegensatz zur Ptolemäerieit genommen haben.
Auch die Magazinverwaltung ist ziemlich unverändert aus der
Ptolemäerzeit übernommen worden.^) Die Thesaurosanlagen in Alexan-
drien, die jetzt, wo der Transport nach Rom hinzukam, noch großartiger
geworden sein müssen, wurden unter die Verwaltung des procurafor
yeaspoleos gestellt.^) Vgl. unten Kap. IX. Als eine besondere Abteilung,
in die die Einnahmen von den Tempelbesitzungen flössen, erscheint der
^ηόανρος ύρών. Λ'^gl. Wilcken, Gr. Ostraka I 656 und W. Otto, Priest,
u. Temp. Π 104. Über die äußere Anlage eines (nicht staatlichen) The-
sauros unterrichtet uns Lond. II S. 186 (192). Im übrigen standen die
^ηόανροί^ die durch das ganze Land, in Städten und Dörfern, verteilt waren,
auch jetzt unter der Verwaltung der nunmehr liturgischen Sitologen. Sie
nahmen Getreide in die Thesauren auf, wie sie auch Getreide aus den
Thesauren ablieferten, standen also parallel den Ti*apeziten.^) Den βοηϋ-ος
ύιτολόγων erwähnt Ρ. Grenf. II 63, 1 (vgl. Arch. III 124). Über die Ge-
schäftsführung der Sitologen geben uns zahlreiche Texte Aufschlüsse.*)
Vgl. z. B. 190, 191. Auf den Korntransport wird in Kap. X eingegangen.
C. DIE BYZANTINISCHE ZEIT.
Franz, CIG III p. 322 sq. — Burckhardt, Die Zeit Constantine des Großen. —
V. Bethmann-Hollweg, Der röm. Zivilprozeß III 1866. — H. Schiller, Gesch. d.
röm. Kaiserzeit 11 68 ff. — Mommsen, Abriß d. röm. Staatsrechts. 1893. — 0. Hirsch-
feld, Kais. Verwaltungsbeamte. 1905. — 0. Seeck, Geschichte d. Untergangs d. alt.
Welt. Derselbe, Pauly-Wissowa IV Sp. 664 flf. 671 ff. u. sonst. — M. Geizer, Studien
z. byz. Verwaltung Ägyptens. 1909 und Archiv V 346 fF. — Preisigke, Girowesen. 1910.
§ 1. DIE RESSORTS.
Wiewohl im Verfolg der diokletianisch - konstantinischen Reformen
(vgl. S. 66 ff.) alle öffentlichen Einnahmen dem allein souveränen Kaiser
gehörten, wurden doch in der VerΛvaltung zwei Hauptressorts nebenein-
ander gestellt, die freilich mehr nach praktischen als nach juristischen
Gesichtspunkten getrennt waren, und deren Grenzen je nach der Willkür
des Herrschers verschoben wurden: die sncrae largitiones und die res prir
ratar, die ungefähr dem fiscus und der von Soptimius Severus im Reiche
ein^'efnhrten π*8 privat» (vgl. S. 155) der vorhergehenden Periode entsprachen.
1) Vgl. Wilcken, Gr. ÜHtraka I 6ßr> ff ; PreiHigke, fliroweien.
2) Vgl. Ο Hirechfeia, KV .'{(ΗΙΓ; Wilcken, Arch. IV 186.
8) Vgl. Wilcken, Gr. Ontraka I 658 ff.
4) Vgl. Wilcken, Gr. Ontnika I 661 ff Preinigke «u P. Strafib. 4Λ and jettt
saifOhrlich im Girowoien. Iloitowzcw, Arch. III SIS ff.
MIltelH-WlIokiin: OrundiO«• I ^^
162 Kapitel IV. Die Finanz-Ressorts. Ihre Organe und Kassen.
Das Ressort der sacrae largitiofies , so genannt, weil der Kaiser aus
ihm die außerordentlichen Gnadengeschenke an die Soldaten und Beamten
bestritt („Gnadenkasse^'), wurde aus den verschiedensten Steuern und
Zöllen und den Erträgen von Bergwerken, Monopolen und kaiserlichen
Fabriken gespeist.^) Dem Ressort der res privatae wurden vorwiegend,
Avenn auch nicht vollständig und auch nicht ausschließlich, die Erträge
der kaiserlichen Domänen („Domanialkasse^^) sowie der durch Konfiskation
oder sonst an den Kaiser gefallenen Güter zugeführt.^) Von diesem hat
später Kaiser Anastasius (491 — 518) das sacrum Patrimonium als beson-
deres Domänenressort abgezweigt.^)
Wie es ein eigenes Ressort „fiscus" jetzt nicht mehr gibt, so ist auch
το (ϊερώτατον) ταμιεΐον jetzt nicht mehr Bezeichnung eines bestimmten
Ressorts. Es kann sowohl auf die Largitionen wie auf die res privata
angewendet werden. Vgl. M. Geizer, Studien S. 41 ff.
§ 2. DIE BEAMTEN.
An die Spitze dieser neuen Ressorts wurden zwei hohe Hofbeamte
gestellt. Der oberste Leiter der Largitionen hieß anfangs rationalis, dann,
als unter Constantin auch der Oberleiter der res privata diesen Titel be-
kam, zur Unterscheidung rationalis summae rei, und nach 340 comes
sacrarum largitionum. Anfangs nur vir perfedissimus, war er nun illustris.
Der Obervorsteher der res privata hieß anfangs magister privatae, unter
Constantin rationalis privatae und nach 340 comes rerum privatarum,
gleichfalls zunächst v. perfectissimus, dann illustris.^)
Unter diesen Oberleitern, je einem in jeder Reichshälfte, arbeitete
in den Provinzen eine große Zahl von Unterbeamten, über die die No-
titia dignitatum nach dem Stande ihrer Zeit mehr oder weniger voll-
ständig Auskunft gibt.^) Für Ägypten nennt sie für die Largitionen außer
einem comes commerciorum per Orientem et Aegyptum^) den comes et ra-
tionalis summarum Aegypti?) Auch dieser hat, wie sein Chef, den comes-
Titel erst später erhalten. Anfangs hieß er v, perf. rationalis Aegypti
(CIL III 17). Vgl. ü διαΰημότατος καθ-ολικός (CIG III 4892, aus Dio-
kletians Zeit), nachher λαμπρότατος (CIG III 4807).^) Ob alle καθολικοί,
die in den Urkunden dieser Periode begegnen, mit dem Vorsteher der
1) Vgl. Seeck, Pauly-Wiss. IV 611 ff.
2) Seeck 1. c. 665 ff.
3) Seeck 1. c. 676. Vgl. Hirschfeld, KV 47 Anm. 4.
4) Bethmann-Hollweg 1. c; Hirschfeld, KV 36 f.; Seeck 1. c.
5) Vgl. Or. 13 und 14; Oc. 11 und 12.
6) Ägypten war seit 382 eine eigene Diözese. Siehe oben S. 74.
7) Ein λαμπρότατος 'ΛΟμ{'ης) τιαϋ'ολί'κ/ aus späterer byzantinischer Zeit in Wien.
Denk. 37, 5 [207] Nr. 64.
8) Vgl. Insc. gr. ad res Rom. pert. I 1211, 1215, 1220.
1. Die staatliche Verwaltung. C. Die byzantinische Zeit. § 2. Die Beamten. 163
Largitionalia identisch sirid^), ob nicht vielmehr auch mit einem ratio-
nalis rei privatae zu rechnen ist, wie er durch Not. dign. Oc. XII für die
Teile des Westens und durch die sehr unvollständige Darlegung in Or.
XrV mit dem allgemeinen rationales rerum privatarum auch für den Osten
bezeugt ist^), bedarf noch weiterer Untersuchungen.^) VgL unten zu P.
Lond. U S. 287 (179). Außerdem kennen wir für den Anfang des IV. Jahr-
hunderts den magister rei privatae}) Vgl. zu BGÜ 927 (178). Die Papyri
nennen aber auch einen έπίτροτνος της πριονάτης. Vgl. Wessely, Wien.
Stud. 1902, 145. Zu diesem Zeugnis tritt jetzt der επίτροπος [π]ριονάτϊΐς
Αίγνπτον aus dem Anfang des IV. Jahrh. in P. Lips. luv. 508 (vgl.
Bd. U, 196) hinzu, der offenbar für ganz Ägypten kompetent ist. Ist er der
Vorgänger des magister rei privatae? Nach 0. Hirschfeld, KV 359/60
wäre der κα^ολιχός der byzantinischen Zeit aus dem διοικητής der vor-
liergehenden Periode hervorgegangen. Nachdem wir inzwischen einen
χα^ολιχός auch für Ägypten schon fürs Jahr 246, vielleicht schon für
202/3 kennen gelernt haben (s. oben S. 157), ist zu untersuchen, ob nicht
vielmehr in diesem der Vorgänger zu sehen ist. Der Magister rei pri-
vatae Aegypti tritt an die SteUe des nun verschwindenden Idiologos.'^)
Vielleicht wird nach obiger Vermutung zunächst der proc. rei priv. als
Nachfolger anzunehmen sein, der titular einen noch genaueren Anechloß
an den procurator des Ιδιος λόγος ergeben würde.
Die termini τα ovöiaxa^ ovöCai, ονόιαχος λόγος für das Patrimonium,
das jetzt, ohne eigenes Ressort zu sein, zur res privata gehörte, ver-
schwinden jetzt allmählich.^) An die Stelle des Titels procurator usiacus
(8. oben S. 158) tritt jetzt der διαόημ,ότοτος επίτροπος δεσποτικών κτή-
σεων (Ρ. Lond. II S. 287 [179])^). Andererseits dringt der lateinische
ierminus patrimonimn auch ins Griechische ein. Vgl. Oxy.VI 900, 5 (a. 322):
πραιπόόιτος πατριμωνζι}αλίων^) δεκάτου πάγον. Als Anastasius um 509
das Patrimonium von den res privatae abzweigte, stellte er es unter einen
ωιηβ8 sacri patrimonii (κόμης τής ιδικής κτήσεως),^) Falls ονσιη^ in
1) So Ρ. Meyer, ^ιοίχηας S. 147 und 0. Hirschfeld, KV 868. — Belege: Lond. Π
S. 287. III S. 240; Oxy. I 41; BGU 21 ΠΙ 10; Mol. Nie. 8. 187 ff.; Flor. 64, β. Siehe
aiioh vorige Anmerkung.
2) Vgl. auch BcthinaDn-HoIlweg III 78, 86.
8j Vgl. Wilcken im Addend ''^• Μ ^?Ημγ, .ι...... ι. (vor 8. 1).
4) CIL III 18.
h) So Himchfeld, KV 368.
β) (Jvetaxii γή noch in CPR 19,6 vom J. 880; vgl. jetst ftuoli F. Cair. Preitigke 4
vom J. 820.
7) So nach Hoftowsew Himchfcld, KV 868, 8. Gelxer 1. c. 68 Tergleioht ihn dem
procurator poMcnfiontim noMtrnrum in Cod. Theod. XVI 10, 18 und I H2, 7.
8) Vgl. dif! palrimouiaUh futuli (■■ Dom&neo) in den Kon«titutionen, a. B. Cod.
lutt. XI 62 u. Nonnt.
0) Cod. Jaiit. I 84; Lyd. de mag. II 27. Vgl. Seeck 1. o. 676
I I '
164 Kapitel IV. Die Finanz-Ressorts. Ihre Organe und Kassen.
Lond. ΠΙ S. 249 (1083, 1) richtig gelesen ist, dürfte dies hiermit zu er-
klären sein. Vgl. auch ovöCa in dem Erlaß des Anastasius selbst 1. c.
Außer diesen speziellen Finanzbeamten dienten die gesamten oben
aufgeführten Verwaltungsbehörden, von den praefecti praetorio bis zu den
praesides und den städtischen und dörfischen Behörden auch den Zwecken
der Finanzverwaltung.
§ 3. KASSEN UND MAGAZINE.
Die Zentralkasse für den comes largitionum war das sacrum aerarium,
für den comes rt'rum privatarum das privatum aerarium. Daneben stand
als dritte Zentralkasse die arca^ die ein jeder der vier praefecti praetorio
zu verwalten hatte, in die speziell die für die Besoldung der Truppen
und Beamten bestimmten Abgaben (annona) flössen. Unter diesen Zentral-
kassen standen die Diözesan- und Provinzialkassen.
Wie in Ägypten das Kassenwesen dieser Zeit geregelt war, darüber
haben wir erst neuerdings einige Aufschlüsse bekommen.^)
Die Einrichtung der δημόοίΚί τράτίεζαι, wie sie in der vorhergehenden
Periode bestand, hat sich bis mindestens in die Mitte des IV. Jahrh. ge-
halten.^) Vgl. P. Amh. 140 (a. 349), wo eine amtliche Zahlung εΐζ την
δημοοίαν τράτΐεζαν erfolgt.^) Ein späteres Beispiel für das Vorkommen
von δημοοία τράτνεζα = „Regierungskasse" ist mir nicht erinnerlich^), doch
habe ich nicht hieraufhin das gesamte Material durcharbeiten können.
Die τράτνεξαί resp. τραπεζΐταί, die auch später noch begegnen, werden
Banken resp. Bankiers im Sinne der vorhergehenden Periode sein. Eine
neue Erscheinung, die mit der Entwicklung der Grundherrschaften zu-
sammenhängt, ist es, daß die großen Grundherrn sich ihre eignen Privat-
banken halten (τράτΰεζαί^ τραπεξιταν), ähnlich wie sie auch ihre eigene
Post u. a. führen.^) Das sind also Privatbanken, die mit den Regierungs-
kassen nichts zu tun haben.
In den achtziger Jahren^) des IV. Jahrh. stoßen wir nun auf die
χρν6ώναι (Ρ. Lips. 61 [187], 62 [188], 63; Flor. 95)^) oder χρνΰώνες
(Lips. 102 I 7; ebenso im Ed. Just. XI). Dem Namen nach könnte man
1) Vgl. jetzt M. Geizer, Studien 36 ff. und Arch. Υ 346 ff.
2) Wohl aus diokletianischer Zeit stammt die Erwähnung των τον νομον δτ]-
ιιοΰίων χρημάτων τραπεζιτών in BGÜ II 620 (186) und Ρ. Class. Philol. Ι 174 η. Χ.
3) Vgl. jetzt auch Ρ. Cair. Preisigke 33 (a. 339): r^ της επαρχίας τραπέζι^.
4) So auch Μ. Geizer, Studien S. 61.
5) Vgl. die Banken der Apionen in Oxyrhynchos, z. B. Oxy. I 136 (a. 583): τον
λαμ,Λρότατον τραπεζίτ-ην τον ένδοξου οί'-κου.
6) In einem Würzburger Papyrus begegnet schon im J. 335 ein χρναώνης, aber,
da es Fragment ist, ist sein Charakter nicht ganz klar.
7) Auch in Oxy. I 126, 13 (180) vom J. 572 ist χρνσώνη zu verbinden (Geizer).
Jetzt bieten die P. Cairo Cat. (67033 ff) zahlreiche neue Belege für das VI. Jahrh.
Ι. Die staatliche Verwaltung. C. Die byzantinische Zeit. §3. Kassen nnd Magazine. 165
sie für private Geldwechsler halten.^) Aber sie treten 11. cc. ohne Zweifel als
staatliche Funktionäre auf.-) Entscheidend für ihren amtlichen Charakter
ist P. Oxy. 126, 13 (180), wonach die κανονικά zu zahlen waren τω κατά
καιρόν έ^νικώ χρνοώντ]^ also dem jeweiligen ΡτοΥΪηζΪΆΐ-χρνοώνης^ wie
die άρκαρικά dem jeweiligen άρκάριζκαρι^ος. Zumal die δημόοΐαι τρά-
πεζαι Ende des IV. Jahrh. nicht mehr zu begegnen scheinen, werden
wir daher die χρνϋώναι wohl für den Ersatz für die vorher
eingegangenen δημόΰιοι τραπεζίται halten dürfen.*) Sie sind also
nicht Bankiers, sondern Regierungskassen-Beamte, und zwar stehen
sie der Regierungs-Provinzialkasse vor, denn wie in P. Oxy. 126
von dem jeweiligen εϋ-νικος χρνόώνης die Rede ist, so heißen sie in P.
Lips. 61 — 63 und Flor. 95 χρνοώνης επαρχείας Θηβαΐδος. Also für die
damals noch ungeteilte Thebais gab es ein χρνοώνης-ΒιιτβΆη, und zwar
in Antinoopolis, der damaligen Hauptstadt der Thebais (S. S2). Ebenso
werden die anderen Teilprovinzen auch ihren χρνόώνης in ihrer Haupt-
stadt gehabt haben. Für das Ansehen des Amtes des χρνΰώνης spricht,
daß es 11. cc. von einem πολιτευόμενος, also einem Curialeu von Anti-
noopolis bekleidet wird. Wie die Papyri zeigen, steht er unter dem Be-
fehl und der Kontrolle des betreffenden Teilstatthalters.
Für die Beziehungen dieser Provinzialkassen zu der Reichszentralkasse
ist m. E. von großer Bedeutung die Bemerkung in P. Lips. 62, 14 (188):
άπεύτάληόαν εις τονς θείους ϋ^ηΰανρονς (vgl. Ζ. 29 30). Solche kaiserlichen
&η6ανροί^ an die die empfangenen Geldsteuern abgeliefert wurden, sind
die Filialkassen der Zentralkasse des comes sacrarum largitionum, die mit
dem Namen thesauri in den Hauptplätzen der Diözese jede unter einem
praepositus thesaurorum eingerichtet waren, unter der Oberleitung einee
comes thesaurorum (oder largitionum) für die gesamte Diözese.*) So hat
auch Ägypten (seit 382 Diözese) seinen eigenen comes thesaurorum oder
largitionum damals gehabt.^) Nach Analogie der in Not. dign. Oc 11, 21 ff.
genauer mitgeteilten Einrichtungen des Westens könnte man erwarten,
daß es auch in Ägypten mehrere pracpositi thesaurorum, also auch ver-
schiedene Uiesauri an verschiedenen Plätzen der Diözese gegeben hätte.
Aber aus Ed. Just. XI 2 Ende (τω τε πραιποαίτφ τών ^εί(ον ήμΑν ^-
όανρών) scheint mir zu folgen, daß es in Ägypten nur einen prae-
positus gegeben hat, und P. Lips. 62 (188) bestätigt dies. Also gab ea
für Ägypten nur eine Zentralkasse (d^tiavQoC), natürlich in Alexandrien.
Diese Sonderheit erklärt sich, glaube ich, aus der geographischen
1 Wio ei ζ Π. der άρ/νροχράπ); in Ox\ ! 1 1 ;a. 680) in Alexandrion ifi
2, So Hchon MittciH su V. Lip•. 69 8. lUüf
8) So jfitzt anrh M. Gohvr, StudtPn R. β1.
4j ν'μΙ. Hccck 1. c. 657; M. Gel ^.
U) Vgl. Not. dign. Or. 18, 5: c• iium per omBM dioeoetai.
166 Kapitel IV. Die Finanz-Ressoi-ts. Ihre Organe und Kassen.
Eigentümlichkeit des langgestreckten schmalen Niltals. Während z. B. in
der Diözese Italien (vgl. Not. dign. Oc. 11, 26 K) die verschiedenen The-
sauren, deren Aufgabe es war, die eingegangenen Gelder an die Zentral-
kasse des Westreiches zu schicken (Cod. Just. X 23, 1), derartig gelegen
waren, daß von jedem Punkt aus direkt der Transport nach der Zentral-
kasse vorgenommen werden konnte^), hätten in Ägypten die Sendungen
von weiter südlich gelegenen Thesauren aus doch aUe über Alexandrien
geführt werden müssen. So wurde hier nur das eine Thesaurusamt in
Alexandrien errichtet, dafür aber in den Teilprovinzen zur Erleichterung
der Sendungen aus den ferneren Gebieten jene Provinzialkassen unter den
χρνΰώναι geschaffen. Vielleicht erklärt sich so, daß χρνβώναι nur für
Ägypten bezeugt werden.^)
Wie die Geldsteuern an den χρνόώνης der Teilprovinz gezahlt wur-
den, so die an die arca des praef. praetorio abzuführenden Abgaben
(άρκαρίχα) an den arcarius. Vgl. hierzu P. Oxy. I 126 (180).
Auch für die Magazinverwaltung der byzantinischen Zeit sind die
Papyri noch genauer durchzuarbeiten.^) Auch hier begegnen einstweilen,
ähnlich wie beim Kassenwesen, die alten Einrichtungen der vorhergehen-
den Periode. So werden όιτολόγοί in Amh. 140 für 349 und in Amh. 139
für 350 bezeugt. Ja, der Titel begegnet noch in Flor. 78, 2, den Vi-
teUi, allerdings mit einem Fragezeichen, dem V./VI. Jahrh. zuweist. Auch
der Name ^'ηöavρόg für das Naturalm agazin begegnet z. B. in Lips. 84
(Diokletians Zeit), Straßb. 45, 7 (a. 312), Lips. 97 XX 6, XXIII 9. Wie
lange sich diese alten Einrichtungen und Namen erhalten haben, ist noch
zu untersuchen. Allmählich wird die Bezeichnung d-ηοανρός für den
Speicher durch ορρών = horreum verdrängt, so schon in Flor. 75, 18 vom
J. 380, in jüngeren Zeiten ganz allgemein (vgl. z. B. Wessely, Klein. Form.
S. 272).
IL DIE STÄDTISCHE VERWALTUM.
Zum Schluß soll kurz auf die entsprechenden Einrichtungen in den
Städten hingewiesen werden. Die städtische Finanzverwaltung ruhte in
der Hand jener städtischen Beamten, die wir im I. Kapitel durch den
Wechsel der Jahrhunderte hindurch verfolgt haben. An dieser Stelle sollen
nur diejenigen Chargen und Einrichtungen hervorgehoben werden, denen
jene sich zur Durchführung der städtischen Finanzwirtschaft bedient
1) Aquileia, Mediolanum, Roma, Augusta A'^indelica.
2) So außer den Papyri im Ed. Just. XI. Dagegen fehlt ein Hinweis auf diese
Zwischen stelle im Cod. Just. X 23, 1.
3) Vgl. jetzt M. Geizer, Studien S. 59 f.
π. Die städtische Verwaltung. 167
habend) Nach Maßgabe der zurzeit Yorbandeneu Quellen sind wir fast
ganz auf die römische und byzantinische Zeit angewiesen.^)
Nachdem vorher die städtische Fiuauzverwaltung in der Hand der
άρχοντες gelegen hatte, ging sie nach Erteilung des Stadtrechtes (a. 202)
auf die βονλή über. Der Vorsitzende des Rates, der Prytan, wird in Oxy.
I δδ (196) geradezu als der διέτίον τα πολιτικά bezeichnet, wozu man
wohl mit Preisigke (S. 16 Anm. 4) χρήματα hinzuzudenken hat. An der
Spitze der städtischen Kassen Verwaltung stand der dem auswärtigen
Quaestor entsprechende ταμίας, genannt ταμίας των πολιτικών χρημάτων
(Oxy. Ι δδ [196]) oder auch spezieller τα^ΐί'ο;^ πολιτικών λημμάτων (BGÜ
TT Τ 934). Unter diesem ταμίας stand die Stadtkasse, die πολιτική τράπεζα
(Oxy. I 84 [197]), die für die Stadt dieselben Dienste leistete wie die
βαόιλική resp. Οημοοία τράπεζα (die sich neben ihr in jeder Stadt befand)
für den Staat. Daneben wird auch der Ausdruck ό πολιτικός ?>όγος oder
ό T^s πόλεως λόγος ■ konkret auf die Stadtkasse angewendet. Vgl. Oxy. I
δ4, 1δ [34]), δδ, 7 [196]) usw.^) Die städtischen Gelder heißen πολιτικά
χρήματα (Oxy. I 5δ [196]).'*) Die Beamten dieser Stadtkassen werden
zum Unterschied von den staatlichen und privaten Trapeziten als die πο-
λιτικοί τραπεζΐται bezeichnet. Vgl. Straßb. 28 vom J. 30δ. Wenn in Oxy.
84, 8 f. (197) vom J. 316 der Trapezit heißt δημοβίων λτι^μΐ^μάτων τραπε-
ζίτης Ό^(νρνγχίτοιή πολιτικής τραπέζης^ so ist hier δημόοίος nicht mehr
in der alten prägnanten Bedeutung wie früher gebraucht. Vgl. den Kom-
mentar. Hierzu paßt es, daß in noch späterer Zeit ό δημόόιος λόγος ge-
radezu die Stadtkasse (vgl. Straßb. 47 — δ1 aas dem VI. Jahrh.) oder
andererseits auch die Dorfkasse (in den P. Cairo Cat.)*^) bezeichnet, ein
Sprachgebrauch, der der älteren Zeit völlig fremd ist.
Über den Geschäftsgang werden wir namentlich durch einige Liqui-
dationsgesuche (αΐτήοεις) unterrichtet. Vgl. die zahlreichen an den Rat
von Hermopolis gerichteten Gesuche dieser Art in CPHerm. aus dem
III. Jahr., z. B. 86 (195). Auf Grund dieser Gesuche erfolgte dann die
Anweisung des Rates an den ταμίας. Vgl. auch Oxv. I 55 (196) und
84 (197).
Zar Kontrolle der Tätigkeit dieses ταμίας und überhaupt der stSdii-
Hchfii Finanzen gab es eine eigene Behörde in dem „Prüfer^*, dem die-
l; Ui.iiitii• K• II•! I i'ih Mii. ileamte S. 16if. Zur VergleiobuDg mit den
aniiwärtigen Kinrirhtungen B. Liebonam, 8Uldt«verwaUung im rOmitchen
Kaifcrreiche, 1900, 828 ff.
2) Zu dem ptolernftifoben οΙκονόμος τών «ίι S. 18 Λ
3) Vgl. Preiiigke 1. c. 16.
4) ί)ηβ Hi# Btadt mit diesen Geldern Darlelü
23, 7 : /'^ anh τοΰ «oXirixoO χρ*|ματο( (III
Γ• -r, Studien 8. 04
168 Kapitel IV. Die Finanz-Ressorts. Ihre Organe und Kassen.
ταΰτηξ}) Schon aus Trajanischer Zeit haben wir einen langen Bericht an
diesen Beamten über die Verwaltung der städtischen Wasserleitung von
Arsinoe, deren Einnahmen und Ausgaben ihm zur Kontrolle vorgelegt
wurden (Lond. ΙΠ S. 181 f. [193]). Aus dem III. Jahrh. liegen Abrech-
nungen {διαλογυΰμόζ) des έξεταΰτής mit dem ταμίας vor. Vgl. CPHerm.
98. 99. Von diesem εξεταοτής, der offenbar ein ständiger Beamter war,
sind zu trennen gewisse έ^ετάοείς^ die gelegentlich im Auftrage des
Rates einzelnen Personen im Interesse des städtischen Haushaltes als
munus übertragen wurden. Vgl. CPHerm. 101.
Die Stadt hatte ihre eigene Rechnungskammer {πολιτίκον λογίοτήρίον)^
in die z. B. die Quittungen über die von der Stadt ausgezahlten Summen
von den Empfängern eingereicht wurden. Vgl. CPHerm. 94 (194).
Auf die Frage der städtischen Abgaben wird in Kap. V, auf die
städtische Bodenwirtschaft in Kap. VII eingegangen werden.
DIE ARABISCHE ZEIT.
Über die Einrichtungen der arabischen Zeit werde ich erst in Kap. V
handeln, da der grundlegende IV. Band des Londoner Katalogs soeben erst
erschienen ist.
1) Auch außerhalb Ägyptens bekannt. Vgl. Liebenam 1. c. 293.
KAPITEL V.
DAS STEUERWESEN.
A. DIE PTOLEMÄEBZEIT.
Zur Literatur vgl. oben S. 2. J. G. Droysen, De Lagidarum regno etc. (Kl. Sehr.
II 391 ff.). — Franz, CIG ms. 297 ff. — G. Lumbroso, Recherches sur Toconomie poli-
tique etc. 1870. — F. Robiou, Memoire sur T^con. polit. etc. 1875. — J. G. Droysen,
Geschichte des Hellenismus Π, III. Derselbe, Zum Finanzwesen der Ptolemäer (Kl.
Sehr. II 275 ff.). — Wilcken, Griech. Ostraka 1899. — M. Rostowzew, Woch. f.
Kl. Philol. 1900 Sp. 115 ff. Derselbe, Gesch. d. Staatspacht in d. röm. Kaiserzeit 1902.
— J. Bei och, Griech. Geschickte III 1904. — H. Maspero, Lee finances de l'Egypte
80U8 les Lagides 1905. — C. Wachsmuth, Wirtschaftl. Zustände in Ägjpten wäh-
rend d. griech. Periode (Hildebrands Jahrbb. f. Nationalök. u. Stat. 3. F. XIX, LXXIV,
771ff.). — Bouche-Leclercq, Hist. d. Lagides III. — W. Otto, Priester und Tempel
1908. — K. Riezler, Über Finanzen und Monopole iui alten Griechenland 1904. —
M. Rostowzew, Studien z. Geschichte des röm. Kolonates 1910.
§ 1. DIE STEUERN.
Unter den regelmäßigen Ausgaben des ptolemäischen Staates stehen
obenan die für Heer und Flotte, die die Weltmachtstellung des Reiches
zu begründen und dann zu schirmen hatten (vgl. Kap. XI), sowie für die
Beamtenhierarchie, die das Reich verwaltete. Daran schließen sich die Aus-
gaben für die glänzende Hofhaltung^) an, für Götter und Priester (vgl.
Kap. II), für die Landesmelioration und innere Kolonisation, für Kulturauf-
gaben (wie das alexandrinische Museum und die Bibliotheken) u. a.*)
Zur Deckung dieser Ausgaben sind die Besitzungen der Ptolemäer —
und unter den ersten Königen waren es sehr beträchtliche') — sämtlich
herangezogen worden*), aber Ägypten war ihr kostbarster und ergiebigster
Besitz. FiXr die Finanz Wirtschaft Ägyptens haben die Papyri und Ostraka
Ulis ciii reiches, kaum zu überblickendes Alvf< Mnuiterial*) gebracht, aber
1; Vgl Lumbroio, Rech. 8. 189tf. 2} Vgl. Lumbroio, Reoh. 8. S76ff.
8) Vgl. oben S. 4.
4) Zu den Steuern in den übeneeitoben BetitxuDgen (Thrakien und KleinMitn)
vgl. P. Teb. Η (2; und Dittcnberger, Or. Or. I 66.
b) Zu dem in den „HHtraka'* τοη mir KuiiAmmeiigettellteD Material (bis 1899)
i«t seitdem Hchr viel neue• hiiixugekommen. Vgl. die Indisei der Editionen leit 1899,
namentlich die lehrreichen Kommentare von Grenfell und Hunt tu Teb. I etc. Neuere
ZutamiiienHtr'lhini;«'!! bei Maiipero I. c. und nouchtf-Loolercq 1. c.
J70 Kapitel V. Das Steuerwesen.
diese Akten bringen nur Einzelheiten, die sich z. T. nur schwer zu einem
Gesamtbilde vereinigen lassen. Zumal es für Ägypten an literarischen
Gesamtdarstellungen aus alter Zeit fehlt, ist von hohem Interesse der
Überblick, der uns über die Einnahmen (πρόόοδοί) des benachbarten
Seleukidenreiches aus der Feder eines Zeitgenossen (III. Jahrh. ν Chr.)
freilich nur in einer schlechten Epitome in Ps. Aristotelis Oeconomica Π
1, 4 (1345 b 28 ff.) erhalten ist.^) Der Verfasser unterscheidet sechs Arten von
Einkünften: 1. Die vom Grund und Boden (γη), d. h. Domanialgefälle
{έκφόρων) und Grundsteuer {δεκάτη).'^) 2. Die Revenuen von Boden-
schätzen (Minen etc.).^) 3. Die Seezölle. 4. Die Landzölle und Markt-
gefälle, δ. Die Einkünfte von der Viehzucht und zwar (wie beim Boden)
sowohl durch Verpachtung der königlichen Herden {βπίκαρτΐία) wie durch
Vermögenssteuer von privatem Viehbesitz (δεκάτη). 6. Andere Einnahmen,
wie Kopfsteuer (έτίνκεφάλαιον) und Gewerbesteuer (χείρωνά^ιον). Diese
Einkünfte lassen sich sämtlich auch für Ägypten belegen, nur kennen
wir hier noch viel mehr Arten, wie ja auch die Epitome nur die wich-
tigsten hervorhebt. Zumal ihr Einteilungsprinzip kein wissenschaftliches,
sondern ein praktisches ist (nach der Höhe des Ertrages, vgl. κρατίοτη
für die erste Klasse), seien unter Fortlassung der Domanialgefälle, die in
Kap. VII behandelt werden, und der Monopole, die in Kap. VI für sich dar-
zustellen sind, hier einige der wichtigeren der in Ägypten damals er-
hobenen Steuern nach der üblichen Scheidung in direkte und indirekte
Steuern namhaft gemacht.*)
Zu den direkten Steuern gehört zunächst die Grundsteuer, durch die
damals wie in römischer Zeit nicht eigentlich der Grund und Boden, sondern
der Ernteertrag besteuert wurde. Wie die Domänen den Privatbesitz weit
überstiegen, der nur allmählich und in geringem Umfange sich entwickelte
(Kap. VII), so haben auch die Domanialgefälle im Staatshaushalt eine viel
größere Rolle gespielt als die Grundsteuer — wie auch bei Ps. Aristoteles das
έκφόρων vor der δεκάτη genannt ist. Es scheint nicht eine einheitliche
1) Die Begründung meiner jetzigen Auffassung, die von dem früher (auch dem
in den Ostraka von mir) Gebotenen z. T. abweicht, muß ich mir für einen anderen
Ort vorbehalten. Einzelnes davon habe ich schon bei Rostowzew, Kolonat S. 242 kurz
mitgeteilt.
2) So erkläre ich ην οϊ μεν έκφόριον οϊ δε δετιάτην τΐροΰαγορενονοιν , sprachlich
gestützt auf έτίίτιεφάλαιόν τε ticcI χειρωνά^ων τιροβαγορενομένη^ wo derselbe Fehler
des Epitomators vorliegt, indem ich daran• festhalte, daß έκφόρων nur den Pachtzins
bedeutet. Rostowzew, Staatsp. 356, 363 faßte beides {έν,ψόριον und δεκάτη) als Pacht,
Riezler, Finanzen S. 11 beides als Grundsteuer (wie auch ich früher).
3) So sind ohne Zweifel mit Boeckh τα. iv r^ %ώρα ί'δια zu verstehen.
4) Eine Gruppierung des ganzen Materials nach modernen national - ökono-
mischen Prinzipien habe ich mit Unterstützung L. Elsters in den Ostraka I 405 fif.
versucht. Im einzelnen habe ich heute manches daran zu ändern, da wir über manche
Steuern neue Aufschlüsse inzwischen bekommen haben.
Α. Die Ptolemäerzeit. § 1. Die Steuern. 171
GiTindsteiier gegeben zu haben, sondern mehrere kleinere Steuern (vgl.
Ostraka I 456) unter besonderen Xamen, wie die άρταβιεία^ das έπαρον-
QLov^), ferner Zuschläge wie die επιγραφή.^) Die beiden ersten Namen
weisen auf den Modus der Berechnung hin, denn in Ägypten war die
Grundsteuer nicht wie im Seleukidenreich eine Quotensteuer (dort δετίάτη)^),
sondern eine Quantensteuer: es wurde pro Anire entsprechend der Er-
tragsfähigkeit des Bodens ein fester Satz auferlegt, was nur bei genauer
Katastrierung des Bodens möglich war.^) Die Urkunden haben femer ge-
zeigt, daß für Grundstücke, die Weizen oder Gerste, femer Kroton, Sesam
oder Knekos trugen, in natura, für die, die Wein, Palmen, Oliven oder
Obst tmgen, in Geld gezahlt wurde. ^) Die Geldzahlung gilt auch für die
meisten anderen Steuern, entsprechend der damaligen Bedeutung der Geld-
wii-tschaft (vgl. Ostraka I (■)64if.). Wir haben ferner aus P. Lond. I S. 49
(221) und namentlich Arch. II 82 ff. (224) eine Gebäudesteuer zu er-
schließen, die nach dem Nutzungswert- berechnet wurde. Vgl. andrerseits
die είκοοτή in Petr. II 11 (2) (223), die von οΐχόπεδα erhoben wurde. Die
für die Ptolemäerzeit überlieferten Gewerbesteuern, wie das τέλος der
Rauhstoff- Arbeiter (xcc66o:cotoC) ^) j der Färber'), der Lederarbeiter*),
der Fährleute^), der Goldschmiede^^), werden (wie die χειρωνάξια der
Kaiserzeit) als gewerbliche Lizenzsteuer aufzufassen sein"), neben der es
eine gewerbliche Ertragssteuer wie die in der Perserzeit hier eingeführte
δεκάτη (Ps. Aristot. Oec. II 25, 2) auch jetzt gegeben haben wird. *') An
Vermögenssteuern kennen wir außer der Viehsteuer (vgl. das τελο^:
των πετεινών in Gr. Ostraka U n. 1523) jetzt auch die Sklavensteuer
(Hibeh 29 (259)). Ebenso ist jetzt auch eine (nur von Männern erhobene)
Kopfsteuer, die ich in den Ostraka I 245 vor Augustus nicht sicher
nachweisen konnte, für die Ptolemäerzeit, und zwar unter der Bezeichnung
1) Zum inuQOvQiov vgl. z. B. Hibeh 112. In Ostraka I 194 ff. habe ich irrtümlich
mehrere Abgaben zur Grundsteuer gezählt, die wir heute, namentlich nach P. Tel». I,
nicht dazü zählen (vgl. besonders Greni'elUHunt zu Teb. I S. 88 ff.), eo auch Domanial-
gef&lle.
2) Vgl. Teb. I S. 39.
8) Die früher ans Orosiue gefolgerte Ansicht, die ägyptische Gnindeteuer dieser
Zeit fei eine ηίμητη gewesen, hat schon Lumbroso, Rech. 94, widerlegt Vgl Ostraka
I 198. Dies hat 0. Seeck übersehen, der nicht nur in seinem Aufsatz über „die Ent*
stebuDg des Indiktionenzyklus** (1894) und „die Schatzangsordnung Diokletians** (1895),
sondern auch noch im II. Bande der „Geschichte des Untergangs der alten Welt**
(1901) mit dem Füni^l operiert.
4) Vgl. Griech. Ostraka I 206 ff. ß) Vgl. Griech. Ostraka I 8. 199 ff.
β) Vgl. Griech (ostraka I «24.
<'h. Ostriika II n. ir,t•. g) Qrieoh. Ostraka I 898.
' h. OHtraka I H'.il. lU) Oriech. Ostraka I 408.
n> iS. Otto, IVioHt4>r und T4*iii|m>1 I 801. All Steoer „fAr die Ausflbong** des Ge-
werbes habe aurh ir-h es in Ontraka I 8tl gedeutet
12) Vgl. auch Strab•» .\\ ΊΊ 7m7 v(.n den alten /tj9 t§ ««
μ/roftf. //({ ' otrntQ xa) ai πς*ΟΛ»Λο» αννίγΟΨϊο χω (u
172 Kapitel V. Das Steuerwesen.
6ύνταξις bezeugt. Vgl. Teb. I 103 (288), auch Petr. III S. 174 (66).
Auch damals wird sie wie später im wesentlichen auf der ägyptischen
Bevölkerung (λαός) gelegen haben. Die Μακεδόνες und "Ελληνες waren
natürlich davon frei.
Zu diesen Hauptsteuern kommt eine große Zahl von Zwangs-
beiträgen zu staatlichen Einrichtungen, wie z. B. für die jährliche Land-
vermessung (νπερ γεωμετρίας)'^), für Kanäle, für die Gendarmerie u. a.
Vielleicht noch drückender war die Verpflichtung, für die Verpflegung des
reisenden Hofes, der reisenden Beamten und vor allem der Truppen zu
sorgen. ^)
Unter den indirekten Steuern seien hier die Verkehrssteuern
hervorgehoben, unter denen das έγκύκλων, eine 10 resp. 5prozentige
Stempelsteuer sehr häufig begegnet.^) Von besonderer Bedeutung aber
waren die Zölle.^) Ein- und Ausfuhrzölle wurden an den Grenzen
des Landes erhoben, sowohl am Mittelländischen Meer (vor allem in
Alexandrien^), Pelusium) wie in den Häfen am Roten Meer^), ebenso an
der Südgrenze. Im Interesse der Monopole wurden hier eventuell Schutz-
zölle erhoben, wie der hohe Zoll auf fremde Öle in Alexandrien und
Pelusium (Rev.-P. 52, 4fi^.; vgl. Kap. VI). Binnenzölle wurden an der Grenze
von Ober- und Unterägypten bei der Hermopolitischen φυλακή erhoben
(Agatharchides, Geogr. Graec. Min. I S. 122). Daß auch schon in der
Ptolemäerzeit wie nachher in der Kaiserzeit (Griech. Ostraka I 276 ff.)
sogar eventuell für das Passieren der Gaugrenzen kleine Zölle für Waren-
ausfuhr zu zahlen waren, zeigt jetzt P. Hibeh 80 (290). Zum Torzoll
(άιατϋύλι,ον) vgl. P. Teb. 8 (2) (für Lykien).
Zu diesen Staatssteuern kamen endlich noch die Tempelabgaben
hinzu. Vgl. Otto, Priester und Tempel I 340 ff. Unter ihnen ist uns die
άτΐόμοίρα durch Rev.-P. 27 ff. am genauesten bekannt geworden. Vgl. Nr.
249. Die δϋδραχμία τον Σονχον ist erst jetzt durch Teb. II 281 (289)
aufgeklärt worden (als lOprozentige Kaufsteuer zahlbar an den Gaugott
des Faijüm).
Über die Höhe der jährlichen Geldeinkünfte aus Ägypten sind uns
für Ptolemaios II Philadelphos durch Hieronymus 14 800 Talente Silbers
1) Vgl. Kenyon, Class. Rev. 14, 171.
2) Auf diese Verpflegungslasten wird in Kap. IX eingegangen werden,
3) Griech. Ostraka I 182 flP. Vgl. jetzt Grenfell-Hunt zu Teb. II 350, auch Prei-
sigke, Girowesen 565. Vgl. Bd. II S. 78.
4) Vgl. Griech. Ostraka I 276 ff.; Bouche-Leclercq ΙΠ 320 ff.
5) ÜBer alexandrinische Zölle handelt Teb. I 5, 22 ff'. (260).
6) Die τετάρτη von Αενκη -κώμη gehört nicht in die Ptolemäerzeit, sondern in
die Kaisefzeit und ist wahrscheinlich von den Nabatäern erhoben worden. Vgl.
Wilcken, Archiv III 195 ff. Zustimmend Bouche-Leclercq III 322, anders Rostowzew,
Archiv IV 307 und 0. Hirschfeld, KV 80/1.
Α. Die Ptolemäerzeit. § 2. Die Steuerveranlagung. 173
und für Ptolemaios Auletes durch Cicero 12 500 Talente Silbers über-
liefert.^) In diesen Zahlen tritt uns der wirtschaftliche Niedergang der
späteren Zeit entgegen, dem erst Augustus eine Ende gemacht hat.
§ 2. DIE STEUERVERANLAGUNG.
Voraussetzung für die Berechnung der Steuern war die Feststellung
der im Reiche vorhandenen Steuersubjekte und Steuerobjekte.
1. Die Feststellung der Steuersubjekte.')
Schon seit dem Mittleren Reich ist die Feststellung der Bevölkerung
als Grundlage für die Heranziehung zu den finanziellen und persönlichen
Lasten nachweisbar.^) Die neuerdings von Borchardt aufgestellte Hypo-
these, daß schon damals wie in der Kaiserzeit alle 14 Jahre solche Fest-
stellungen stattgefunden hätten*), hat sich jedoch nicht bewahrt. Nach
Herodot II 177 (vgl. Diod. I 77, 5) hat später Amasis angeordnet, daß jeder
Ägypter alljährlich den Behörden sein Einkommen persönlich anzeige, was
auch zu einer Aufzeichnung der Steuerzahler führen mußte.*) Daß in der
Ptolemäerzeit die Bevölkerung festgestellt wurde, war schon aus Diod.
XVU 52, 6 zu ersehen, wonach oi τάς άναγραφάς έχοντες των χατοίχονν-
των ihm 300000 Freie für Alexandrien angegeben hatten.^) Die Papyri
zeigen jetzt, daß damals die Hausvorstände zur schriftlichen Anzeige (απο-
γραφή) ihrer selbst und ihrer Hausgenossen verpflichtet waren. Vgl.
P. Alex. (198). Wahrscheinlich ist auch P. LiDe 27 (199) eine solche
απογραφή. Da in Nr. 198 die Subjektsdeklaration mit der notwendig jähr
lieh zu erneuernden απογραφή des wechselnden Kornbesitzes (s. unten
S. 175) auf einem und demselben Blatte verbunden ist, so ist mit großer
Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß auch diese Personalangaben alljähr-
1) Vgl. Griech. Ostraka I 412 ff. Umstritten ist noch die Deutnog der Angabe
dee Diodor 17, 62, 6. V^jl. (J.straka S 414. Inzwischen hat Wachemutb 1. c. 80S in
diesen (>000 Talenten speziell die Einnahmen des tdtog λόγος sehen wollen, wae mir
durch Diodor nicht indiziert zu sein echoint.
2) Vgl. Uriech. Ostraka I 435 ff. Levieon, Die Beurkundung des Ziviletandee im
Altertum, Bonn. Diss. 1898. Bouchd-Leclercq III 289 tT.
3; Daß die Beweise aus dem Alten Reich fehlen, hält K. Mejer, OAI* (S) S. ISO
mit Recht (vgl. 8.149) für Zufall. Vgl. auch S. 261. Zu den ZähUitten an• Kahun
Tgl. Orifiith, The Petrie Papyri, hieratie papyri from Kabun 189S 8. 19 ff.
4) Vgl Borchardt bei H. Schilfer, £in Brucbitück altägypÜMher Annalen V>>•
B«'rl. Akad. 1902) 8. 9 Anm. 1.
b) Wahrscheinlich war auch damals, ähnlich wie in F. Alai. (IM), die An-
gabe de• Kinkommcns verbunden mit der Aunkunit ftber die Ρβηοηβη de• Haua-
•tande•.
β) Vgl. hierzu Gr. Ottraka I 487. Da• άψογοαφάς darf nicht mit Bonoh^LecIeroq
ΠΙ 291 all terme impropre pour άηογψαφάς genommen werden: die άΜτ/^βφβί sind
die Listen, die auf (trund der άττογραφαί aofjgeelellt werden.
274 Kapitel V. Das Steuerwesen.
lieh zu erneuern waren. ^) Zumal bei der damaligen knappen Form der
απογραφή war diese Belästigung keine allzu große. Diese ptolemäische
Einrichtung ist also wahrscheinlich eine direkte Weiterführung der vor-
gefundenen ägyptischen Ordnung. Unter dieser Voraussetzung findet die
Tatsache, daß aus der Ptolemäerzeit keine Geburts- oder Todesanzeigen
bekannt sind, ihre Erklärung: diese waren bei jährlichen Subjektsdekla-
rationen überflüssig. ^)
Auf Grund dieser Selbstdeklarationen der Untertanen, die gewiß auch
einer amtlichen Nachprüfung unterlagen, konnten die verschiedenen Be-
völkerungslisten, wie die Regierung sie für verschiedene Zwecke brauchte,
aufgestellt werden.^) Speziell die Aufzeichnung der kopfsteuerpflichtigen
ägyptischen Bevölkerung (vgl. oben S. 172) scheint man als λαογραφία be-
zeichnet zu haben. Vgl. P. Teb. 103 (288) und dazu Teb. 121 IV 60 f.
Hin und wider werden auch Volkszählungen vorgenommen worden
sein. ^)
2. Die Feststellung der Steuerobjekte.^)
Die schwierige Aufgabe, die Objekte für die zahlreichen Steuern fest-
zustellen, haben die Ptolemäer dadurch zu lösen gesucht, daß sie Selbst-
deklaration der Steuerzahler und amtliche Nachforschung und Feststellung
miteinander verbanden. Dies Prinzip tritt klar hervor in den einzigen
uns erhaltenen Steuereinführungsordres — den προβτάγματα, durch die
Ptolemaios II Philadelphos die Veranlagung zu der von ihm neu organi-
sierten αττοαοιροί einleitete: von den Beamten und den betreffenden Grund-
besitzern werden parallele απόγραφαν eingefordert. Vgl. Rev.-P. 36 — 37
(249). Handelt es sich hier um eine Ausnahmebestimmung aus Anlaß
der Umwandlung einer erst jetzt in staatliche Verwaltung übergehenden
Abgabe, so haben doch dieselben beiden Faktoren ebenso auch für die
reguläre Steuerveranlagung nebeneinander gewirkt. Für die Immobilien
stand den άπογραφαί der Hausbesitzer der amtliche Kataster gegenüber,
der andrerseits für die Berechnung der Grundsteuer für sich genügte und
ohne Deklarationen evident gehalten wurde (s. unten), während für die
Mobilien die άπογραφαί eventuell durch amtliche Nachforschung (Aus-
zählung oder dgl.) kontrolliert wurden.
1) Vgl. Gr. Ostraka I 437. Zustimmend H. Maspero 1. c. 221, Bouche-Leclercq 1. c,
AVachsmuth 1. c. 778.
2) Vgl. auch Bouche-Leclercq III 292.
3) Vgl. die ävuyQcicpui hei Diodor. Oben S. 173 Anm. 6. Listen λ^οη Haus-
ständen, die auf die ά%ογραφοίί zurückgehen, vgl. in Petr. III S. 175/6, S. 177 (nach den
olyiica geordnet). Eine Summierung ist erhalten in Petr. III S. 174 (66). Eine Zählung
nach den Gewerben in Petr. III S. 173.
4) Außer den oben genannten 300 000 Freien von Alexandrien nennt Diodor an
anderer Stelle (I 36, 6) 7 Millionen Einwohner fürs ganze Land für seine Zeit. Zu
dieser Zahl vgl. meine Gr. Ostraka I 489 f. und dazu Wachsmuth 1. c. 779 f.
δ) Vgl. Gr. Ostraka I 456 fF.
Α. Die Ptolemäerzeit. § 2. Die Steuerveranlagung. 175
a. Die άπογραψαί.
Es ist bisher nicht bemerkt worden, daß, ähnlich wie wir es für die
Kaiserzeit durch das Edikt des Mettius Rufus gelernt haben (s. unten),
so auch in der Ptolemäerzeit bezüglich der Periodizität der Deklarationen
zwischen denen für Immobilien und für Mobilien ein Unterschied be-
standen hat.
Immobiliendeklarationen liegen vor (sämtlich aus dem III. Jahrb.
V. Chr.) in Lond. I S. 49 (221), Petr. ΙΠ S. 200 (222). Vgl. auch P. Cairo
in Arch.II 82ff. (224) und Petr. II 11 (2) (223). Nur die beiden ersten
sind άΛογραφαί^ gerichtet an den επιμελητής resp. ßaöikixbg γραμματεύς.
Die unter 224 vereinigteu Stücke sind nicht άπογραφαι\ sondern Anzeigen
an den επιμελητής über άπογραφαί, die bereits an den οίχονόμος und
βαόίλίχος γραμματεύς vollzogen sind. Der Brief Nr. 223 erΛvähnt eine
απογραφή eines οίκόπεδον an das τελώνιον (s. Kommentar). Die Tat-
sache, daß diese άπογραφαί alle an Finanzbehörden gerichtet sind, erhebt
es über jeden Zweifel, daß sie zu Zwecken der Steuerveranlagung ein-
gereicht sind. Vgl. im besonderen in der Meldung an den Epimeleteu:
"ίνα τάΙ\ωμαι\ τα χαϋ'ήκοντα τέλη τούτων (224). In allen Fällen handelt
es sich um Gebäude. In dem allein vollständig erhaltenen P. Lond. werden
die Maße der Gebäude und ihre Orientierung nach den Nachbarn ange-
geben, außerdem wird wie auch in den P. Cairo der Wert taxiert. Über
Grundbesitz ist aus dieser Periode keine Deklaration bekannt
(s. unten S. 177).
Der Hinweis auf ein πρόΰταγμα in den beiden άπογραφαί^) macht es
mir jetzt (nach Kenntnis des Edikts des Mettius Rufus) so gut wie sicher,
daß diese Immobiliendeklarationen nicht, wie wir annahmen*), alljährlich
einzureichen waren, sondern von Zeit zu Zeit durch besondere königliche
Verfügung angeordnet wurden. Ob es dafür regelmäßige Perioden gegeben
hat*), oder je nach Bedarf die Deklarationen verlangt wurden, was wohl
wahrscheinlicher ist, läßt sich nicht mit Sicherheit sagen.
Mobiliendeklarationen liegen vor über Getreidevorrate yin V. \W\.
[198], angeschlossen an die Hubjektsdeklaration, sowie in einem kleinen
Fragment des Alexandrinischen Museums [241]), über Viehbeeitz (Hib. 33
1243] und Petr. m S. 201 [242]), über verschiedene Utensüien (Petr. II
Intr. S. 33 [244]), alle aus dorn III. Jahrh. v. Chr. Die Adreeeaten sind
iKir in Hib. 33 genannt: /.ονόμος und in der Paraileleingabe der
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176 Kapitel V. Das Steuerwesen.
τοπογραμμ,ατενς. Daß diese άπογραφαί alljährlicli eingereicht werden
mußten, liegt in der Sache. Darum ist auch hier kein Hinweis auf ein
τνρόοταγμα. Wahrscheinlich sind alle derartigen Eingaben amtlich nach-
geprüft worden, doch liegt für diese Zeit kein direktes Zeugnis dafür vor.
Alljährlich wie diese άπογραφαί waren auch die durch das Grund-
gesetz über die άτΐόμοίρα vorgeschriebenen Abschätzungen (όνντψήοεις)
der Ernte von αμπελώνες und τύαράδειβοι^ denn diese Ernten waren variable
Mobilien. Daß solche Abschätzungen (anders als bei der Grundsteuer) ver-
langt wurden, hängt mit dem Quotencharakter der αΛομοιρα zusammen.
Vgl. Petr. II 21, 1 (250) und 30 (e).
Eine besondere Gruppe bilden endlich die Zolldeklarationen {άπο-
γραφαί), die in dem betreffenden νόμος τελωνικός zum Vorzeigen auf der
Zollstation vorgeschrieben wurden. Vgl. Rev.-P. 52, 13 ff. Vgl. auch aus
der Kaiserzeit Oxy. I 36 (273).
b. Der Kataster.
Wie das Deklarationssystem haben die Ptolemäer auch den Kataster
von ihren Vorgängern übernommen. Was Herodot II 109 von Sesostris
erzählt^), gilt im wesentlichen auch für die griechische — und römische —
Zeit (vgl. Gr. Ostraka I 175, 480 ff.). Es waren eben dieselben Natur-
erscheinungen, die Nilüberschwemmung mit ihren für die Grenzen der
Grundstücke und nicht minder für ihren Kulturwert so wichtigen Konse-
quenzen, die einer sorgsamen Regierung zu allen Zeiten dieselben Auf-
gaben stellten. Schon aus dem dürftigen Material, wie es früher vorlag,
konnten wir ersehen, daß im besonderen die Dorfschreiber einen Kataster
führten, aus dem sie auf amtliche Nachfrage Maße, Lage und Wert jedes
Grundstückes (μέτρα ^ γευτνίαι^ alCaC) angeben konnten.^) Auch die von
Herodot gekennzeichnete Evidenthaltung des Katasters durch Lokalinspek-
tionen (έτνίοκεψείς) ließ sich schon früher erkennen.^) Aber einen tieferen
Einblick in die Anlage dieser Kataster haben uns doch erst die für die
innere Geschichte Ägyptens überhaupt grundlegenden Tebtynispapyri des
I. Bandes (1902) und der ausgezeichnete Kommentar von Grenfell-Hunt
gebracht. Auf diese in erster Reihe muß hingewiesen werden, wer in diese
sehr verwickelten Fragen eindringen will. Hier muß ich mich auf wenige
Worte und wenige Proben beschränken. Die Tebtynispapyri haben nicht
1) Εί άέ τίνος τον κλί^ρου ο ποταμός τι ηαρέλοηο, έλϋ'ών αν τνρος αντον έοήμαινε
το γεγενημένον ' 6 dh ^τΐεμπε τονς έτΐΐο'Λειρομένονς καΐ άναμετρήβοντας ο6ω έλάοβων
6 χώρος γέγονε^ οκως τον λοίΛον κατά λόγον της τεταγμένης άποφορής τεΧέοι. Vgl.
Diod. Ι 81, 2, auch Strabo ΧΥΙΙ ρ. 787: ανάγκη άη άναμετρεΐα&αι πάλιν και πάλιν.
2) Vgl. namentlich Theb. Bank IV 2, 13 ff. und dazu meinen Kommentar in den
Abh. Pr. Akad. 1886 S. 46, ferner S. 34 f. den Hinweis auf Tor. I 4, 6 ff., auch Ostraka
I 485 f.
3) Vgl. Gr. Ostraka I 175 f. und 485 ff.
Α. Die Ptolemäerzeit. § 2. Die Steuerveranlagung. 177
nur neue Belege für die Handhabung des Katasters durch die Beamten
gebracht — vgl. Teb. 14, Teb. 30 (233) — , sie haben uns vor allem um-
fangreiche Bruchstücke von Vermessungsurkunden und Listen verschie-
denster Art beschert, die, wenn auch keines von ihnen selbst als Kataster-
original anzusprechen ist, doch z. T. auf die Kataster direkt zurückgehen
und uns dadurch einen Einblick in diese gewähren. Es sind die Urkunden
aus faijümischen Dörfern (Ende des Π. Jahrb. v. Chr.), die die Heraus-
geber unter dem Gesarattitel „The land surve/' (Teb. 60—88) zusammen-
gestellt und im Appendix I (S. 538 ff.) erklärt haben. Es sind Berichte
vom Dorfschreiber (z. T. auch von anderen Beamten), wie sie alljährlich
auf Grund des Katasters für die Zwecke der Feststellung der Steuern resp.
Pachtsummen an die Vorgesetzten einzureichen waren. Eine Gruppierung
der verschiedenen Akten geben die Herausgeber auf S. 538. Da sind
Listen der Besitzer von Tempel- und Lehnsland (vgl. Nr. 62, 63, 65),
Saatenberichte über Königsland (vgl. Nr. 66 — 70), Berichte über unkulti-
viertes Königsland (Nr. 74 — 75), detaillierte Berichte über den gesamten
Boden des Dorfes (Nr. 61, 64) usw. Von der geographischen Anordnung
der geometrisch vennessenen Einzelparzellen im Kataster erhalten wir die
beste Vorstellung durch die Auszüge Nr. 84 — 87 (231). In mehreren
dieser Urkunden wie auch in Nr. 78, 81, 82 (232), 83 tritt uns die ixl-
οχεψίς greifbar entgegen.
Der Kataster umfaßte also das gesamte Land (xcäv έδαφος) f das
Königsland, eben.so wie das Tempel- und Lehne- und Privatland. Er ent-
hielt genaueste Angaben über den Umfang der Einzelparzellen, über die
Namen der Besitzer, auf deren Namen sie eingeschrieben waren {άναγρά-
(fB6^aL)y über die Zugehörigkeit zur yfi βαόίλίχή^ t'^P^f) χληρονχιχιΐ oder
ιδιόκτητος (vgl. Kap. VU), über den Kulturzustand, ob es besät war
(όπύριμος) und mit welcher Fruchtsorte, oder ob es unbesät und ohne
Ertrag war (υπόλογος), und aus welchem Grunde (ob άλμνρις oder
χίρόος etc.). Im ersteren Falle war femer der Ertrag in Artaben pro
Arure gebucht, gleichviel ob es sich um Pachtzins (bei der Domäne) oder
Grundsteuer handelte, so daß auch die a^icc jeder Parzelle — im Falle von
Verpachtungen u. dgl. — festgestellt werden konnte. Wie diese VerhÄli-
nisse alljährlich namentlich durch die Nilüberschwemmang einer Ver-
änderung unterlagen, so mußten auch die Eintragungen des Katastera
alljährlich einer Revision unterworfen werden. Hierzu dienten die ami-
lichen Lokalinspektionen. Während in den obigen Urkunden auf diese
Ιπίόχίψης bfiHtäiidig hingewieeen wird, findet sich nicht ein einsigee Mal
ein Hinweis auf eine απογραφή. Es ift daher wohl kein Zufall, da6
uns, wie ich oben betonte, aus piolem&iacher Zeit keine Qnuidstfloka>
deklaration erhalten ist Man aohoiDt alao — wenigetens nach dem bis
jetzt vorlir>g(>nden Material — den Kataater lediglich dnrch die amtlichen
Μ 1 1 1 • ο ! Oniadeflff• I. ^^
178 Kapitel V. Das Steuerwesen.
Lokalinspektionen und Nachmessungen evident gehalten zu haben, und
die Nachrichten aus römischer Zeit bestätigen diese Vermutung (s. unten).
An sich wäre mit diesem System durchaus vereinbar, daß wie in
der Kaiserzeit auch jetzt άπογραφαί über die von der Überschwemmung
verursachten Veränderungen der normalen Ertragsfähigkeit (wie durch
άβροχία^ έμβροχία etc.) an die Steuerbehörden eingereicht wären, die
dann als Material für die εΛίόκεψις benutzt wären (vgl. unten), aber
bisher sind für die Ptolemäerzeit keine Spuren von solchen ά^τογραφα^
gefunden worden. Mit dieser ά7toγρaφή-¥rage hat es nichts zu tun, wenn
gelegentlich von Interessenten — aber freiwillig, nicht auf Grund eines
πρόΰταγμα — Anzeigen von eingetretenen Besitzveränderungen zwecks
Umschreibung des Namens gemacht wurden. Vgl. P. Teb. 30 (233) und 31.
Diese Anzeigen sind nur durch den Schlendrian bei den unteren Behörden
veranlaßt worden und richten sich zunächst auch nur an die Syntaxis-
behörde der Katöken.
Neben dem Grundstückskataster wird es auch damals, wie nachher in
der Kaiserzeit, einen Gebäudekataster gegeben haben. Die oben be-
sprochenen άτίογραφαί über Gebäude (s. S. 175) sind durchaus so gehalten,
daß sie gelegentlichen Revisionen des Gebäudekatasters gedient haben
können, und eine andere Verwendung ist für die Ptolemäerzeit nicht
erweislich. ,
Selbstverständlich ist nicht nur das Areal der Dörfer, sondern auch
das der Städte katastriert worden. Für den städtischen Gebäudekataster
der Stadt Memphis ist denn auch Lond. I S. 49 (221) bestimmt, während
die Eingaben der Cairener Papyri (224) Häuser in Dörfern betreffen. Für
Arsinoe vgl. Teb. 86.
Wir dürfen ferner mit Sicherheit annehmen, daß entsprechend dem
stark zentralisierten System der ganzen Administration auch die verschie-
denen Dorfkataster eines Gaues mit dem der Metropole zusammen in der
Gauhauptstadt zu einem einheitlichen Gaukataster vereinigt worden sind.
Ja, es ist sogar zu vermuten, daß man in Alexandrien die Gaukataster
ganz Ägyptens zur Verfügung hatte. Gegen die erstere Annahme könnte
angeführt werden, daß von den Beamten der Metropole häufig Auskünfte
aus dem Dorf kataster von den Dorfschreibern eingefordert wurden. Vgl. oben
S. 176. Aber zugunsten der Annahme spricht wiederum die Tatsache, daß
in Teb. 30 (233) der βαβιλικοξ γραμματεύς^ also der in der Metropole resi-
dierende Gaubeamte, gebeten wird, bei sich (πάρα öol) eine Umschreibung
im Kataster vorzunehmen.^) Jene Anfragen an die Dorfschreiber sind
also vielleicht so zu deuten, daß dadurch eine gegenseitige Kontrolle des
1) Vgl. H. Lewald, Beiträge zur Kenntnis d. röm.-ägyptischen Grundbuchrechts
1909 S. 82 Anm. 6.
Α. Die Ptolemäerzeit. § 3. Die Steuererhebung. 179
speziellen Dorfkatasters und des allgemeinen Gaukatasters erzielt werden
sollte. Doch wären auch noch andere Motive denkbar.
3. Die Steuerberechnung. ^)
Auch heute sind die Nachrichten über die Steuerberechnung noch
sehr dürftig. Die vorbereitenden Arbeiten, die Einforderung und Prüfung
der Deklarationen, die Evidenthaltung des Katasters, die Anfertigung der
verschiedensten Listen (s. oben S. 177), das alles wurde, wie wir sahen,
im Lande geleistet, und von allen Schriftstücken gingen Exemplare nach
Alexandrien. Hier, unter den Augen des Königs, der — wahrscheinlich
ohne festes Budget wirtschaftend^) — selbstverständlich allein das Recht
der Steuerauflage hatte, fand wie die Abrechnung über das verflossene
Jahr so auch die Neuberechnung für das neue Jahr statt. Sein
Finanzminister, der Dioiketes, wurde hierbei in erster Reihe unterstützt
von dem gleichfalls in Alexandrien residierenden Ober-Rechnungsrat, dem
(χλογιότής, der ihm unter den übrigen Beamten im Range vielleicht am
nächsten stand'), und der seinerseits für jeden Gau einen gleichfalls
εκλογίότής genannten Beamten unter sich hatte.*) Nach den neueren
Aufschlüssen über die Kaiserzeit (s. unten) ist es wahrscheinlich, daß
auch schon die ptolemäischen Gau-Eklogisten in Alexandrien ihr Bureau
gehabt haben, während ihre Untergebenen (γραμματείς etc.) in den
λογιστήρια der Gaue arbeiteten. Wie man in Alexandrien gerechnet hat,
darüber liegen uns keine Akten vor. Das Ergebnis war für die Kom-
lieferungen die όιτιχή διαγραφή, die allgemeine Einforderungs- An Weisung,
die dann ins Land hinausging und hier die Grundlage für die Ablieferung
der ΰιτικά bildete. ' Vgl. Teb. I 61 (b) 37 und 72, 448 {έπΙ 6\ r^g ηραγ-
ματεν^είόης οιτιχής διαγραφής έπΙ Ειρηναίου τ[ον] έγλογι6τον^).) Ent-
sprechend sind wohl auch für die Berechnung der Geldsteuern auf Grund der
vom Lande eingegangenen Akten die Grundlagen im Bureau des Eklo-
gisten geschaffen worden.
§ 3. DIE STEUERERHEBUNG.
W ;• dl.' Steuern nur vom König verfügt worden konnten, und die
Steuerviianla^ung auf königlichen Verordnungen beruhte, so war auch
die Steuererhebung in ihren Gbiindzügen wie in ihrer variablen Anwen-
dung auf das einzelne Jahr durch die königliche G^esetxgebang {νόμοι)
1; V^rl. (ir. Oetraka I 4'.»*2ff.
S) Vgl. Qr. Ostraka I 496.
8) Vgl. Rev. P. 87, 11 (249). Vgl. Rontowitew, StaaUpiu-lii S .^89.
ii Vgl. xnm Kklogiiten Qr. Ostraka I 4USir
Λ) Vgl hierzu I{oHtowr.ew, Archir Ili SOS. Mir acheiiil »wv.. .u Teb. t9, 18 dm-
YQUffi'i in diesem Hinne Toreuliogen.
11•
IQQ Kapitel V. Das Steuerwesen.
und durcli königliche Kabinetsordres (διαγράμματα, τίροότάγματα, öloq-
ϋ'ώματα) bis in die kleinsten Einzelheiten geregelt.^) Uns liegen einige
außerordentlich wertvolle Reste dieser Steuergesetzgebung vor, besonders
im Revenue-Papyrus (ΙΠ. Jahrb.) ^) und in dem P. Par. 62 (IL Jahrb.).
Hier soll nur der erste allgemeine Teil des Revenue-Papyrus, zu dem ich
wichtigere neue Lesungen mitzuteilen habe, abgedruckt werden (258)^);
eine Neuausgabe des Paris. 62 bleibt den UPZ vorbehalten. Während wir
früher annahmen, daß alle Steuern auf Grund solcher Verordnungen
verpachtet gewesen seien*), hat Rostowzew erkannt, daß die 6υτιχά, die
in Getreide zu zahlenden Steuern, ohne Pacht, direkt eingegangen sind,
in denselben Formen, wie die εκφόρια der Domanialpächter.^) Wir haben
somit auch schon für die Ptolemäerzeit zwischen Regie und Pacht zu
scheiden.
1. Die Regie.
Daß die εκφόρια der Domanialpächter direkt, ohne Vermittlung von
Erhebungspächtern, an die Thesauren geliefert wurden, geht im besonderen
aus den Tebtynis-Papyri klar hervor (s. unten Kap. VII). Ähnliches Mate-
rial fehlt uns für die Erhebung der Grundsteuern. Gleichwohl ist es sehr
wahrscheinlich, daß die verschiedenen Grundsteuern, die auf dem Privat-
boden lasteten (s. oben S. 171), in derselben Weise an die Thesauren ab-
geführt worden sind. Rostowzew hat kürzlich vorsichtig die Möglichkeit,
ja die Wahrscheinlichkeit zugegeben, daß einige dieser Grundsteuern durch
Pächter erhoben seien und hat auf Teb. 58 (287) zum Beleg hingewiesen.^)
Es ist aber nicht sicher, daß es sich hier um Steuerpacht handelt; es
wird eher von einem Unternehmergeschäft die Rede sein (s. den Kom-
mentar). So können wir nur sagen, daß es z. Z. keinen sicheren Beweis
für die Verpachtung von όιτικά gibt. '^) Die Sitologenquittungen auf Ostraka
nennen nicht, wie ich angenommen hatte, den Namen des Steuerpächters,
sondern den des Zahlers, d. h. des Landpächters oder aber des Grundbesitzers.
Das zeigt jetzt für die Landpacht das Cairener Ostrakon n. 9522 (261), in
dem zum ersten Mal ausdrücklich das εκφόριον an dieser Stelle genannt
wird.^) Dann ist es aber auch so gut wie sicher, daß in den anderen
1) Vgl. Gr. Ostraka I 513 ff, Ein τίρόοταγμοί über alexandrinische Zölle z. B.
in P. Teb. I 5, 22 ff. (260). Ein δωρΰ-ωμα in Rev. P. 57 f. und 59 f.
2) Fürs III. Jahrh. vgl. auch P. Hibeh 29 (259).
3) Vgl. aucb für die άχόμοιρα Nr. 249.
4) So auch ich in den Gr. Ostraka I.
5) Wochenschrift f. klass. Philol. 1900 Sp. 124f; Archiv ΠΙ 206 f. Zugestimmt
haben ihm inzwischen auch Wachsmuth 1. c. und Bouche-Leclercq ΠΙ 341 f. und 359 ff.
6) Archiv III 207.
7) Daß mein Ostrakon (II) n. 1255 kein Beweis ist, wie ich angenommen hatte,
hat Rostowzew, Woch. 1. c. gezeigt.
8) Vgl. Wilcken, Zum alexandrinischen Antisemitismus. Abh. Sachs. Gesch. d.W.
1909 S. 788, 3.
Α. Die Ptolemäerzeit. § 3. Die Steuererhebung. 181
FälleD^ in denen eine der Grundsteuern genannt wird, wie die επιγραφή
(vgl. Beispiele in Gr. Ostraka I 194), der Quittungsempfänger gleichfalls
nicht der Steuerpächter ist, sondern der Zahler, also hier der Grund-
besitzer.^) Diese Sitologenquittungen der letzten Art scheinen mir z. Z.
die sichersten Belege für das Fehlen der Pacht hei den όιτιχά zu sein.
Nach Analogie der έκφόρια dürfen wir vermuten'), daß auf der Dorf-
tenne, wohin zunächst die gesamte Ernte zu bringen war, nach dem
Dreschen die Grundsteuern für den König abgesondert und dann in den —
wohl meist benachbarten — Dorfthesaurus transportiert wurden. Die Ab-
sonderung für den König wird auf Grund der Spezialisierungen der όιτίχή
διαγραφή (s. oben S. 179), in der für jeden Kontribuenten der zu liefernde
Betrag genau verzeichnet war, wahrscheinlich durch den χωμογραμματεύζ
erfolgt sein. Vgl. Teb. 29, 12 ff. Der ganze Akt vollzog sich unter der
Aufsicht der königlichen Beamtenschaft, im besonderen der Erntewächter
( γενηματοφνλακες).
Im Dorfthesaurus wurde dann das als Grundsteuer gelieferte Korn
vom Sitologen — damals je einem für jeden Thesaurus — in Empfang
genommen. Da diese Beamten nicht schon in früheren Momenten in die
Erhebung eingreifen, sondern erst bei der Ablieferung in den Thesaurus
durch die Grundbesitzer das Getreide übernehmen, so möchte ich nach
wie vor die Sitologen nicht als „Steuererheber" bezeichnen^), sondern als
Thesaurusbeamte, die den Trapeziten parallel stehen.*) Im Thesaurus
fand dann die amtliche Reinigung des Getreides statt, wofür Natural-
gebühren berechnet wurden. Vgl. P. Alex. 1 (198) und Teb. 92. ^) Hier
wurde jede Lieferung mit den amtlich geaichten Maßen nachgemessen,
und zwar außer von den Sitologen auch von den αντιγραφείς^ die ihnen
vom königlichen Schreiber als Kontrolleure an die Seite gesteUt waren.
Vgl. Nr. 189. Daß beide aber gelegentlich gemeinsame Betrügereien
machten zum Schaden der Steuerzahler und grtißere Maße benutzten,
zeigt der Erlaß des Euergetes II in Teb. 5, 85 ff. Gemeinsam vom Sito-
logen und άντιγραφενς wurden dann auch die Quittungen ausgestellt.
Vgl. Amh. 59. 60.^) Doch haben die Sitologen auch allein quittiert. Vgl.
Rein. 40 und viele Ostraka.
Soweit das Korn nicht im Lande verbraucht wurde, wurde < s dann au d«Mi
König nach Alexandrien in die großen Getreidespoichfr (ro jii.riu.t/.oi'\ l:»•-
Mchickt. Lagen die Thesauren nicht an einer Wasserstraßt•, m. iil).>nuilnu.Mi
1) Dieien Schluß habe ich in den Abb. Sftohi. Q«ioh. d.W. noch ni<
8) Vgl. bierxu die klaren Darlegungen von Rottowiew, Arch. XU SOiflf.
8) So Kottowzew, Woch. f. kl. Ph. 1. c. und Monit.
4) Znitimmend HoucboLecl('rc(| III 878 i1
6) Vgl. Roetowzew, Arch. III 209.
6) ICoHtowzew, Arch. 111 20β hesieht in den doppelt unieneioblieleB Otiraka-
Cjuittungen die zweite UnterMchrift auf den άνηγγΛφφύ$.
132 Kapitel V. Das Steuerwesen.
die Transportgesellschaften der όνηλάταί oder κτηνοτρόφοι gegen ein φόρε-
τρον den Transport über Land bis zum nächsten Hafen. ^) Von hier aus
fand dann die εξαγωγή resp. καταγωγή τον οίτον statt. Zum Getreide-
transport vgl. Kap. X.
2. Die Pacht.
Wie die ptolemäischen Thesauren in ihrer Anlage durchaus denen
der Pharaonenzeit gleichen^), so wird auch das ganze im vorigen Abschnitt
skizzierte direkte Erhebungssystem wahrscheinlich von der Vorzeit über-
nommen sein^), und die Ptolem'aer werden vor der Frage gestanden haben,
ob sie auch die anderen Steuern in ähnlicher Weise wie bisher einziehen
sollten. Nach Arrian, Anab. III 5, 4 scheint Alexander der Große in dem
Erhebungssystem, das er vorfand, nichts geändert zu haben: die Nomarchen
sollten nach wie vor in ihren Gauen die Steuern erheben, nur daß sie
sie dann an Kleomenes von Naukratis, den er zum Finanzchef über ganz
Ägypten setzte, abzuliefern hatten. Erst die Ptolemäer sind es gewesen,
die nach griechischem Muster^) das Steuerpachtsystem einführten. Das
wird gewiß damit zusammenhängen, daß sie durch Schaffung einer
eigenen Landesmünze der Geld Wirtschaft die Tore öffneten.^) Zwar
haben sie nicht ausschließlich die Geldsteuern (diese allerdings sämtlich),
sondern z. B. auch die in natura (Wein) zu liefernde άπόμοιρα dem neuen
Pachtsystem unterworfen. Dies wird darauf zurückzuführen sein, daß diese
Steuer eine Quotensteuer war, die daher — ebenso wie die sizilische
decuma der lex Hieronica — für eine Behandlung durch Pächter quali-
fiziert war.^) Dagegen ist es begreiflich, daß sie für die ύιτικά, deren
fixer Betrag pro Kopf genau berechnet war, das vorgefundene direkte
Erhebungssystem bestehen ließen. Soweit wir z. Z. sehen können, sind
alle Steuern mit Ausnahme der Getreide-Grundsteuern der Pacht unter-
worfen worden.
Wie auch andere griechische Einrichtungen, die damals nach Ägypten
verpflanzt wurden, in der Luft des Absolutismus sich verändert haben '^),
so auch die von der %όλις entnommene Steuerpacht. Zwar war und blieb
auch im Ptolemäerreich die Steuerpacht normaler Weise ein freies Ge-
schäft, das der Pachtlustige mit dem Staat abschloß, aber dadurch, daß
der Pächter während seiner gesamten Geschäftsführung unter beständiger
1) Vgl. Fay. 18b. Petr. II 39 g.
2) Vgl. Gr. Ostraka I 650 f.
3) Genauere Untersuchungen hierüber von ägyptologischer Seite sind mir nicht
bekannt, λ' gl Ad. Ermans Ausspruch (Gr. Ostraka I 513, 3): „Über Steuereinziehung
im alten Ägypten wissen wir nur, daß sie von Soldaten ausgeübt wird."
4) Vgl. Gr. Ostraka I 513.
5) Vgl. Einleitung § 8.
6) Vgl. Rostowzew, Woch. f. kl. Ph. 1. c.
7) Vgl. Wilcken, Hellenen und Barbaren, N. Jahrbb. f. d. Kl. Alt. 1906 I468ff.
Α. Die Ptolemäerzeit. § 3. Die Steuererhebung. 183
Kontrolle des königlichen Beamtenapparates funktionierte, sind diese ptole-
mäisclien Steuerpächter doch etwas wesentlich anderes als die freien Ge-
schäftsleute der griechischen πόλις geworden.^) Zwar ist durch meine
Herstellung der 10. Kolumne des Revenue - Papyrus (s. Nr. 258) die
weitestgehende Nachricht über die Unselbständigkeit des Pächters be-
seitigt worden, aber eine gründliche Kontrollier ung durch die königlichen
Beamten bleibt auch so bestehen. Aus dieser starken Beteiligung der
Beamtenschaft gewinnt man den Eindruck, daß die griechische Pacht nur
mit Mühe in das vorhandene Erhebungssvstem eingefügt worden ist. Es
liegt bei der ptolemäischen Pacht geradezu eine gewisse Vermischung
beider Systeme vor.
Über die sehr verwickelten Fragen der Organisation der ptolemäischen
Steuerpacht muß ich mich hier auf die wichtigsten Punkte beschränken,
die zur Einführung in die Texte unerläßlich erscheinen.^)
Alljährlich wurden die Steuerpachten von der Regierung ausgebot^n.
Die Pachtbedingungen, die in ihren Grundzügen gesetzlich festgelegt waren,
wurden in ihren Einzelheiten auf Grund der vorhergegangenen Steuer-
veranlagungsarbeiten festgesetzt. Die von einer Auktionskommission unter
Leitung des οικονόμος vorgenommene Versteigerung vollzog sich in ganz
ähnlichen Formen wie die Versteigerung von Domanialland (s. unten
Kap. VU). Außer den zitierten Reglements bietet hierfür P. Louvre 10632
(167) für einen praktischen Einzelfall interessante Angaben. Das Haupt-
ziel der Regierung war, Pächter^) zu finden, die ihr absolute Sicherheit
für die Erfüllung des Pachtgeschäftes boten. Conditio sine qua non für
den Zuschlag war daher die Stellung von ausreichenden Bürgen*) und,
wie es scheint, auch Afterbürgen.^) Außerdem wurde in der Regel die
Kapital kraft des Pächters dadurch vervielfältigt, daß er eine Pachtgesell-
schaft (χοίνωνία) bildete.^) Sowohl die Namen der Gesellschafter (xot-
νώνες) wie der Bürgen mußten in einer ^()αφι{ der Behörde eingereicht
werden: wer nicht in der γραφή stand, durfte sich nicht beteiligen. Die-
1) Auf diese VeränderuDg habe ich zwar auch in den „Oetraka" hingewiesen
(Vgl. z. B. S.616), aber mit Hecht hat Rostowzew (Woch. f kl. Ph. 1. c und StMii-
pacht a»8ff.) eie noch viel stärker unterstrichen und hat den Geguniatii loh&rfer
herausgearbeitet.
2) Vgl. im allgemeinen meine Griech. Oetraka I 618 ff. und Rottowaew, Staatii•
pacht 886 ff.
8) Die Aneicht Steiners (Beitrag s. Interpretation d. Stenergeeeteet τοη Ptolemaioi
Philadclphos, Diss. Heid. 1910 S. 22ff.), daß 6 βίοίχών r^tr Ar^ nicht der P&chier,
■on(l(;rn mnn Vertreter sei, halte ich fQr irrig. Die Idontitllt le^gt deutlich t. B.
Rev. 42,8: wenn man den Pftohter ruft, kann nicht normaler Weite der Vertreter
kommen. Da• Oetets liebt es, mit Sjnonymen xu wechseln; vgl. 84, 11 und 18 {
19,8 und 18.
4) Vgl. auch die BOrgscbaftserkULning Petr.II 46 (110).
b) Vgl. ÜT. Ostraka I 654.
0) Wilcken, Ostntka Τ Γ•.1&ΙΓ RosIowmw, Wochenschr. ISO. Rteinn
134 Kapitel V. Das Steuerwesen.
qualifiziert zur Pacht waren die sämtlichen königlichen Beamten, andrer-
seits die Sklaven. Daß diese Gesellschafter auch an gewissen Aufgaben
der Geschäftsführung teilnahmen, ist jetzt nach dem neuen Wortlaut von
Rev. 10 unbestreitbar.^)
Da durch den genau ausgerechneten Regierungsanschlag dem Pächter
die Hände gebunden waren und normaler Weise die Möglichkeit eines
lukrativen Geschäfts nur in besonders günstigen Jahren (durch das επι-
γενημα) gegeben war, so zahlte die Regierung dem Pächter, der die
Pachtbedingungen erfüllt hatte, Tantiemen (ρψώνυον), worin die gegen-
über dem griechischen Steuerpächter veränderte Stellung des ptole-
mäischen τελώνης besonders deutlich hervortritt.^) Im III. Jahrh. ge-
nügten 5 Prozent, im IL Jahrh. wurden 10 Prozent gegeben^), woraus
wohl zu schließen ist, daß es allmählich schwieriger wurde, Pächter zu
finden. Die Schwierigkeiten in Nr. 167 sind speziell durch die Revolution
herbeigeführt. Beispiele für Zwangspacht liegen für die Ptolemäerzeit
bisher nicht vor*), doch wird man im Notfalle bei der Steuerpacht
ebensowenig davor zurückgeschreckt sein wie bei der Domanialpacht
(s. unten Kap. VII).
Nach Übernahme der Pachtgeschäfte wurde, wie wir jetzt aus Rev.-P. 9
lernen (s. Nr. 258), der betrejffende νόμος τελωνικός 10 Tage hindurch
im τελώνων öffentlich ausgehängt, und zwar nicht nur in griechischer,
sondern auch in demotischer Sprache und Schrift. Zu dieser Zweisprachig-
keit vgl. oben S. 20.
Dem Pächter war dauernd für die Zeit seiner Tätigkeit ein άντίγρα-
φενς als staatlicher Kontrolleur vom Oikonomos an die Seite gestellt.
Zur Ausübung der übernommenen Pflichten stand dem Pächter ein
ausgedehntes Personal zur Verfügung in den Aufsehern (εφοδοί), Erhebern
(λογενταί). Dienern (νπηρεταί) und Quittungsbewahrern (ΰνμβολοφνλακες\
deren Zahl der Oikonomos und sein άντυγραφενς^ zusammen mit dem
Pächter festzusetzen hatte, und deren μίοΟ'ός, zahlbar aus den λογενματα,
von der Regierung bestimmt war (Rev.P. 12 f.).
Wie wir jetzt aus Rev.-P. 10 lernen, stand dieses Personal unter der
Aufsicht (φυλακή) des Pächters und seiner Gesellschafter, die in^ beson-
deren darüber zu wachen hatten, daß jenes Personal nichts ohne Wissen
und Kontrolle des ¥'έο1α.Ϊ6τ-άντίγραφενς täten. Nach Rev.-P. 11 stand
1) Früher schon angenommen von Rostowzew, Wochenschr. 120. Vgl. auch
Steiner S. 19.
2) Vgl. Rostowzew 1. c.
3) Vgl. Gr. Ostraka I 534. Zustimmend Rostowzew, Wochenschr. 118. Die ab-
weichende Deutung von Steiner S. 28 ff. hat mich nicht überzeugt.
4) Max Weber in seinem ausgezeichneten Artikel: Agrargeschichte (Staatshand-
wörterb. 3. Aufl. 1909) S. 130 nimmt den Zwang als regelmäßige Erscheinung schon
gegen Ende der Ptolemäerzeit an. Mir ist kein Beleg erinnerlich.
Β. Die römische Zeit. 185
diesem Personal das Recht der Steuereintreibung (τνράόϋειν) zu (ebenso
wie dem Pächter selbst, vgl. 15, 10 ff.), doch mußten sie über jede
πράξις^) dem άντιγραφενς berichten, widrigenfalls sie das Fünfzigfache
des nicht Gemeldeten an die königliche Kasse zu zahleu hatten. Der-
selben hohen Strafe verfiel andrerseits der άίηιγραφενς, wenn er über
einen ihm angezeigten Steuereingang nicht an den Oikonomos und seinen
άντιγραφενς berichtet hatte (Rev.-P. 11).
Aus dem neuen Text von R«v.-P. 10 ergibt sich femer, daß dem
Pächter und seinen Gesellschaftern auch das Recht der έξεταόις [της
yivo\uivr,g προόόδον της ώνης zustand, doch fehlen die näheren Bestim-
mungen; jedenfalls werden sie auch dies unter Kontrolle des άντιγραφενς
ausgeübt haben.
Die erhobenen Summen wurden alle Monate an die königliche Kasse
abgeführt (Rev.-P. 34). Wenn, wie beim έγχνχλων^ die Zahlung direkt
an die Kasse erfolgte, so mußte die dazu nötige Anweisung des Pächters
vom άντιγραφεύς unterzeichnet sein. Von Quittungen, die die Steuerpächter
an die Kontribuenten ausstellten, liegen uns auf Papyrus und Ostraka
zahlreiche Beispiele vor.
Über die monatlichen Abrechnungen {οιαλογι6μοί\ sowie über die
Schlußabrechnung nach Ablauf des Pachtjahres, die der Oikonomos und
sein άντιγραψενς mit dem Pächter vorzunehmen hatten, gibt das Reglement
des III. Jahrb. sehr detaillierte Bestimmungen (vgl. Rev.-Pap. 16 ff.).
Sobald es sich um Steuerrückstände und andrerseits um Strafgelder
handelte oder um irgend eine Störung der regulären Erhebung der
Pächter, wurde die Pacht sozusagen suspendiert, und es trat wieder die
Regie hervor, insofern dann der Oikonomos den Betrag zu erheben hatte.')
Für solche Fälle gab es aber auch noch einen Spezialbeamten in dem
πράκτωρ, der auch außerhalb des Steuergebietes Zwangseintreibungen vor-
zunehmen hatte. ^)
B. DIE RÖMISCHE ZEIT.
V arges, De statu Aegypti prov. Romanao I et II p. Chr. n. taeoulU 184S. —
Franz, CIG III 818 ff. — Milne, Α hiHtory ot K^ypt ander Roman rule 18M, —
VVilcken, Griechische OHtraka IHüU. — Routow/ew, Wocheniobr. fflr klaaa. Phil.
1900 Sp 116 ff. Derselbe, OeHcl». der Staatspacht in der röm. Kaiierteit 1«(». Vgl
auch den Kolonat 1910. - O. Hirechfcld, Die kaiserl. Verwaliungtbeaniteii 1906. —
Otto, Priester und Tempel 1008.
1) Zu der MtrittiK<'n FriiK•'. «'•' ^«r i'Ächter (resp. sein i'ersonaO »ttcb das Kecbt
der Pfändung ^thvLhi habe. vgl. Petr III 8« (f.) 8.6Tff. (Mt).
2) Vgl. Gr. Ostraka I Mi 2 f.
3) Vgl. Gr. Ostraka I r.e4ff. Vgl. aoeerdem i. B. 8tad. Pal. I 8. 1/1. Fay. U.
136 Kapitel V. Das Steuerwesen.
§ 1. DIE STEUERN.
Nach der Eroberung Ägyptens durch die Römer ist der aus dem
Lande herauszu wirtschaftende Betrag noch gesteigert worden, denn wenn
auch an die Stelle des glänzenden Hofes mit all seinem Luxus und dem
großen Hofstaate die dem gegenüber schlichten Ansprüche des Vizekönigs,
des Präfekten, traten, so kam doch als ein gewaltiger neuer Posten, der
in den Augen der Cäsaren sogar den Hauptzweck der Römerherrschaft
am Nil darstellte, die Verpflegung Roms mit ägyptischem Korn hinzu.
Nach Josephus b. Jud. II § 386 ist Rom durch 4 Monate des Jahres von
ägyptischem Getreide ernährt worden, und nach der Epitome des Aurelius
Victor c. 1 waren es 20 Millionen Modien (ca. 1740000 Hektoliter) Getreide,
die unter Augustus alljährlich für die städtische cura annonae vom Nil an
den Tiber expediert wurden (vgl. Kap. IX). Das bedeutet auf alle FäUe
selbst gegenüber den glänzenden Zeiten des Philadelphos eine sehr be-
deutende Steigerung der staatlichen Inanspruchnahme der Bodenproduk-
tion ^), auch wenn wir mit Mommsen annehmen, daß ein Teil jener
20 Millionen aus den Domanialgef allen genommen ist.^) Daß eine der-
artige Ausfuhr überhaupt möglich war, ist auf die gründlichen Meliorations-
arbeiten zurückzuführen, durch die Augustus das unter den letzten Pto-
lemäern ganz heruntergekommene Land zunächst wieder einer Periode
wirtschaftlicher Blüte zugeführt hat (vgl. Kap. VIII). Ob sonst noch der
Ausgabeetat gesteigert worden ist, ob im besonderen die Verpflegung der
sehr starken römischen Besatzung des Landes (vgl. Kap. XI) kostspieliger
gewesen ist als die Unterhaltung von Heer und Flotte in der Ptolemäer-
zeit, ist schwer zu berechnen. Das wesentlichste Novum war jedenfalls
der Beitrag für die cura annonae.
Betrachten wir dem gegenüber die Einnahmen der römischen Periode,
so ist in dem System der Besteuerung des Landes keine prinzipielle Ver-
änderung zu erkennen: Augustus hat das vorgefundene ptolemäische System
im ganzen und, wie es scheint, sogar im einzelnen beibehalten. Neue-
rungen sind, wie unten zu zeigen ist, in der Veranlagung und in der
Erhebung zu erkennen, aber das Abgabensystem selbst zeigt wohl
Weiterbildungen aber keine prinzipiellen Veränderungen. Neu geregelt
worden ist, aber auch erst allmählich, die Verpflegung der Garnisonen
(Kap. IX). Im übrigen ist es gefährlich, durch Schlüsse a silentio Ab-
gaben, für die uns aus ptolemäischer Zeit noch keine Belege vorliegen,
ohne entscheidende innere Gründe für römische Neuerungen zu erklären.
Die Kopfsteuer, die ich in den Ostraka als Neuerung des Augustus nahm.
1) Vgl. Gr. Ostraka I 420 f. Die iVg Millionen Artaben, die Hieronymus für
die gesamten Natural ertrage Ägyptens für diese Zeit nennt, ergeben selbst zu
4Υ2 Modii gerechnet, nur ca. ey^ Millionen Modii.
2) Mommsen, Rom. Gesch. V 560.
Β. Die römische Zeit. § 1. Die Steuern. 187
ist inzwisclien, wenn auch unter anderem Namen (όύιηαξις, s. oben) und
wohl auch in anderer Ordnung, auch für die Ptolemäerzeit belegt worden;
die λαογραφία-Α})§Ά\>θ bleibt freilich auch jetzt ein Novum der römischen
Herrschaft. Alles in aUem macht für die Steuerordnung, gegenüber den
tiefgreifenden Änderungen der Diokletianisch -Constantinischen Reformen,
die Periode von Alexander bis auf Diokletian einen im Prinzip ziemlich
einheitlichen Eindruck: es ist das hellenistische System.^)
Bei der großen FüUe des Materials können hier, wie oben für die
Ptolemäerzeit, nur einige der wichtigeren Abgaben hervorgehoben werden.-)
Vorweg sei auf die römischen Steuern hingewiesen, die nur auf den
riimischen Bürgern in der Bevölkerung Ägyptens lasteten: die schon aus
der Republik stammende Freilassungssteuer (vicesima libertatium = εΙχο6τη
έλενϋ^ερίών) und die von Augustus unter vielen Kämpfen durchgedrückte
Erbschaftssteuer (vicesima hereditatium = είχοΰτη των χληρονομί&ν).^)
Eine größere Bedeutung im Staatshaushalt konnte ihnen erst nach der
constitutio Antonina von 212 zukommen (Arch. V 430). Auch das von
den Juden zu zahlende '/ου^αϊκόν τέλεόμα ist erst von der römischen Regie-
rung (Vespasianj eingeführt worden.*)
An den Grundsteuern hat sich gegenüber der Ptolemäerzeit nichts
Wesentliches geändert; sie bleiben Taxationssteuern, und auch in der Ver-
teilung von Natural- und Geldsteuern (je nach den Fruchtsorten) ist keine
Änderung eingetreten. Im allgemeinen wird die Grundsteuer jetzt einen viel
größeren Posten im Staatshaushalt repräsentiert haben als früher, ent-
sprechend dem größeren Umfang des Grundbesitzes. Vgl. Kap. VII. Auch
jetzt treten unter ihnen die άρταβιεία'') und das έπαρούριον^) hervor."^) Be-
merkenswert ist, daß trotz der Korntransporte nach Rom der Satz dieser
Abgaben nicht erhöht worden zu sein scheint. Die άρταβιεία jedenfalls
lu.ttpM uu.]. iiHch wie vor ungefähr zwischen 1 — 2 Artulieii pro Arure
1) Vgl. oben S. 170 über das Seleukidenroich.
2) Das bis 189'J bekannte Material habe ich venucht, in meinen Ostnka I lu-
•ammenzuetellcn. Auch für diese Periode ist inzwischen viel Neues hinzugekommen.
Vtfl. die Indicee der jüngeren Publikationen.
8) Über beide vgl. 0. Hirschfeld, KV 106 ff. und 96 ff. Für Ägypten vgl. meine
< »f'traka 1 826 f. und Arch. V 430.
4) Vgl. P. Rain, in Stud. Pal. I S. 71 f. (β1)
6) Vgl. z. a Amh. 86, 9; Lond. III S. 71 ff.,
nannt wird; Lond. III S. 107, 15.
r,, Vgl. Ostraka I 193.
1) Die Annahme IloMtowzeww, Puuly \'
speziell die f»rundet«uer bezeichnet μγΙ, halt«• itli l
nur von ότ,μόοιοι /ίωρ/ο/ geMprochcn Λ1»ο Hind e»
zins. Vgl. jetzt Ilostowzow, Kolonut 'Π Anm. '-», w«. rr mit i
die χα^ήιιορχα aU die Htiiii.ÜL'.•!. .^"t.•!!.-!!! in. Cru" uniit ' /'
faßt. Kin allgenioincr An
γντ]αια Λημόαια (trenf•'' ''
j^gg Kapitel V. Das Steuerweeen.
(Saatland), d.h. eine Artabe mit Zuschlag.^) Das notwendige Plus ist
also nicht durch Erhöhung der Sätze der Grundtaxen erreicht worden,
sondern einmal durch die Vergrößerung des Fruchtlandes, die die Weis-
heit des Augustus durch die oben erwähnten Meliorationen herbeiführte.
Dann aber scheinen jetzt die ^^Zuschläge" erweitert zu sein, denn außer
den schon oben S. 171 genannten, wie die επιγραφή^), finden sich
jetzt noch neue. Zu den Zuschlägen zur Grundsteuer gehört namentlich
die annona müitaris, die aber (als άννωνα) nicht vor dem Ende des
IL Jahrh. n. Chr. bis jetzt erscheint, bald in natura, bald in Geld
(annona adaerata) gezahlt.^) Bis dahin scheint das aus der Ptolemäer-
zeit bekannte System des Zwangsankaufes von ΰνναγοραοτικος βΐτος
(frumentum emptum) für die Verpflegung der Garnisonen ausgereicht zu
haben. Diese Zwangsankäufe sind wohl unter den öfter genannten επί-
βολαί und Βΐΐιμεριόμοί zu verstehen.*) Wenn diese Zwangsankäufe in
der Römerzeit, wie es scheint, eine größere Rolle gespielt haben als in
der Ptolemäerzeit, so liegt das wohl daran, daß das Grundsteuergetreide,
das in der Ptolemäerzeit namentlich der Verpflegung von Heer und Be-
amten diente, jetzt in der Hauptsache nach Rom abgeführt wurde. So
können wir die Wirkung der annona urbis in unseren Urkunden weniger
direkt an der Behandlung der Grundsteuer selbst als an ihren Kon-
sequenzen, der Steigerung der Zwangskäufe und dann der Einführung der
Zuschlagssteuer v%eQ άννώνηξ beobachten. Genauer soll auf die annona
erst im IX. Kapitel eingegangen werden.
Über die Gebäudesteuer sind wir bis jetzt noch schlecht unter-
richtet.^) Ziemlich unsicher bleibt noch die Deutung von P. Straß. 31.
Für das χεiQωvάl•,LOv (die gewerbliche Lizenzsteuer, s. oben
S. 171) liegt für die römische Zeit ein reicheres Material vor.^) Besonders
lehrreich sind BGU 9 (293), das jetzt durch BGÜ 1087 ergänzt wird
(vgl dazu Arch. V 273 ff.), Teb. II 287 (251) (vgl. Arch. V 233 f.), Stud.
PaL I S. 70/1. Dadurch wird das Ergebnis der „Ostraka" bestätigt, daß
die Angehörigen derselben Zunft dieselbe Summe zu zahlen hatten, die
verschiedenen Gewerbe aber in sehr verschiedener Höhe besteuert waren. '^)
1) Vgl. Rostowzew, Pauly-Wiss. VII 160, der namentlich den wichtigen P. Brux.
1 (236) verwertet. Vgl. auch Lond. III S. 71 ff.
2) In römischer Zeit: CPR I 188, 14; Fay. 81, 10 (ergänzt).
3) Vgl. Gr. Ostraka I 155 ff.
4) Vgl. Rostowzew 1. c. Doch mögen namentlich έτΐΐ,βολοά wohl auch andere
Naturalzuschläge umfassen. Vgl. BGU 515, 7: τά νπερ λογίας [έ7ΐ]ιβλΎΐϋ•έντα. Zu έτα-
βολή vgl. auch Grenfell-Hunt zu Teb. II 346, 7. Zu έτΐΐμερισψός im militärischen
Sinne vgl. auch Preisigke zu Straßb. 10, 21.
5) Zu dem ivoUiov in Ostraka I 192 vgl. jetzt die neue Deutung von Rostow-
zew, Kolonat S. 140, 2.
6) Vgl. Gr. Ostraka I 321 ff.
7) Vgl. jetzt die Übersicht im Arch. V 274.
β. Die römische Zeit. § 1. Die Steuern. 139
Für die gewerblichen Ertragssteuern bedürfen wir noch weiterer Auf-
klärungen. ^)
Von den anderen Hauptsteuern wird namentlich die Kopfsteuer
für die Römerzeit gründlicher aufgehellt (vgl. oben S. 171 f.).*) Es steht jetzt
fest, daß nur die Männer ihr unterlagen uud zwar vom 14.— 60. Lebens-
jahre.^) Hatten schon die Ostraka gezeigt, daß die Kopfsteuer (jetzt
λαογραφία^) oder gelegentlich auch έπιχεφάλαιον genannt) verschiedener
kleinerer Ortschaften, wie Syenes und der thebanischen Quartiere, in ver-
schiedener Höhe normiert war^), so haben inzwischen die Papyri gelehrt,
tlaß sogar innerhalb einer und derselben Metropole die verschiedenen
Schichten der Bevölkerung in verschiedener Höhe besteuert waren. So
zahlten nach P. Lond. II S. 54ff. in Ar sin ο e die einen (die Ägvpter)
40 Drachmen^), die anderen (die privilegierten Metropoliten) nur
20 Drachmen, während die Vollgriechen und χάτοικοι usw. natürlich ganz
frei waren {άτελεΐξ)."') In Oxyrhynchos dagegen war es Vorrecht der
Metropoliten, nur 12 Drachmen Kopfsteuer zu zahlen.®) Für Hermo-
polis habe ich im Arch. IV 546 aus Lond. ΠΙ 127/8 geschlossen, daß
liier die Privilegierten, sogar die άπο γνμναοίου^ 24 Drachmen gezahlt
hätten. Vgl. κδ^ in Z. 6. So auch oben S. 57. Aber durch Amh. 75 ist mir
diese Deutung inzwischen zweifelhaft geworden, wo sich an entsprechender
Stelle tag, aber auch ιδ'ς und ög findet. Diese Gruppen sind einstweilen
noch rätselhaft. Über die Epikrisis, die die Privilegierten gegenüber den
/Μογραφούμενοί feststellte, vgl. unten. Zur Kopfsteuerpflicht der „über-
zähligen" Priester vgl. oben S. 128.
Auch die Rubrik der Zwangsbeiträge zu staatlichen Einrichtungen
blieb wie in der Ptolemäerzeit bestehen (s. oben S. 172).^) Auch jetzt
1) Vgl. einstweileu Otto, Priester I 302 f.
2) Vgl. Gr. Oetraka I 2;}0 ff.
8) Vgl. Kenyon, Lond. II S. 17 ff.; Wilcken, Arch. ΠΙ 282 f. und 667.
4) Das älteste Beispiel für diese neue Kopfsteuer war bisher Gr. Ostraka II
n. 367 vom 18. Jahre des Augustus (= 18/17 v. Chr.). Noch ein Jahr älter iei ein
Straßburger Ostrakon (208), das nach meiner vor einigen Jahren genommenen Kopie
die λαογραφία für das 12. Juhr des Augustus bezeugt. Für die Frage, wann die
λαο/ραφίο- Kopfsteuer eingeführt ist, vgl. auch Urenfell-Uunt tu Oxy. IV 711.
5) Gr. Oetraka I 234 ff.
r>) In Lond. II S. oß, 40 und δβ, 67 wteht μ^ nicht für μ*τοί, wie Kenjon und
W* «Hely iStud. Pal. I 8. G8) annehmen, Hondern für den τΛΟβιιραηοψτάΛ^αχμύς. Vgl.
i, 9, wo dieeelbe Sigle für χίαααραχονταόραχμιαίαψ iteht Wenn in 66, 40 nur
als Sohn eines 40-Drachmenmannes hczoirhnet wird, werden die andern vio\
^αογραφονμ^νων Söhne von L'O-Drachmenmännem eein.
7) Vgl. Arch. I 18U. Vgl. auch Arch. III 666. Vgl. aoBerdem den (a««<k-
Λραχμος), den Wettely (Epikrisis 28) in HGU 118 II 9 fcfUtellto. Dafi die »ino^i•
»^ραχμοί von ArtinoS den δωόίχάόραχμο^ von Oxyrhjncbot onitprechen, yermuteie ich
III Arch. V 428.
8) Vgl. Grenf«ll-Hunt tu P. Oiy. II 267.
9) Vgl. die Cbenicht in Ostraka I 409.
190 Kapitel V. Das Steuerwesen.
spielte die Verpflichtung, die durchreisenden Beamten und Truppen zu
verpflegen, eine große Rolle. Vgl. hierüber Kap. IX. Auch die ύτέφα-
voi sind aus der Ptolemäerzeit in die Kaiserzeit hinübergegangen.
Ebenso sind die indirekten Steuern von der römischen Regierung
übernommen und wohl auch noch weiter ausgebildet worden. So finden
wir das έγτινχλιον wieder, jetzt im besonderen den Nomarchen unterstellt.
Vgl. z. B. Teb. Π 350 (mit Kommentar) und Lond. III S. 69 (294).
Bei dem großen Aufschwung, den der Handel Ägyptens nach dem
Darniederliegen unter den letzten Ptolemäern durch die Fürsorge der
römischen Regierung wieder nahm, werden die Zolleinnahmen sehr
gesteigert worden sein. Dies bezeugt für den indischen und trogodyti-
schen Handel ausdrücklich Strabo XVII p. 798. Ob die Römer neue Ein-
richtungen in der Handhabung der ZöUe getroffen haben, ist zurzeit
schwer zu sagen und folgt nicht notwendig daraus, daß Einzelnes uns
erst für die Römerzeit überliefert ist. Vielmehr sehen diese Einrichtungen
meist so aus, als ob sie aus der Ptolemäerzeit übernommen sind. So
läßt sich der τΐαραλήτΐτης της ^ΕρνΟ'ρας ΰ'αλάοόης^ der oberägyptische
Kontrollbeamte für die in den ägyptischen Häfen des Roten Meeres zu
erhebenden Zölle ^), zwar nur für die Kaiserzeit nachweisen^), aber der
Titel Λαραλήτντης legt die Vermutung nahe, daß das vectigal maris Rubri^),
das nach Plinius h. n. VI § 84 als Einheit verpachtet wurde, auch schon
in der Ptolemäerzeit ein einheitlich verwalteter Zoll gewesen ist.*) So
wird das Zollgesetz über arabische Waren in Oxy. I 36 (273), das wahr-
scheinlich eben dieses vectigal maris Rubri betrifft^), in seinen Grund-
zügen gewiß auf die Ptolemäerzeit zurückgehen.^)
Neben den Ein- und Ausfuhrzöllen an den Grenzen der Provinz
blieben auch die Transitzölle im Innern bestehen. Die Zollstation bei der
hermopolitischen φυλακής an der Grenze der Thebais, bestätigt Strabo
XVII p. 813 auch für die Kaiserzeit. Vgl. ferner seine Mitteilung über
die Zollstation in Σχεδία^ oberhalb von Alexandrien, XVII p. 800.
Ein reicheres Material liegt für die Gauzölle vor, die für Ein- und
Ausfuhr von Waren von einem Gau in den anderen beim Verlassen des
Ausgangspunktes oder bei der Ankunft am Bestimmungsort zu zahlen
waren. Da nach P. Hibeh 80 (s. oben S. 172) gegenseitige Verrechnung
zwischen den beiden Punkten stattfinden konnte, so sind diese ZöUe als
staatliche ProvinzialzöUe aufzufassen, nicht als Lokalzölle. Hierhin gehört
die πεντηκοστή Περί &(7]ßag) in Ostraka II n. 1569, die Λεντηκοοτή
Έρμων&(ίτον) in Ostraka II n. 801 (292) und 806, die πεντηκοοτη
1) Vgl. Dittenberger, Or. Gr. I n. 202. 2) Vgl. Wilcken, Arch. ΠΙ 196 f.
3) Über die τετάρτη von Leuke Kome s. oben S. 172 Anm. 6.
4) So Rostowzew, Arch. IV 309/10. 5) So Rostowzew, Arch. IV 310 f.
6) Vgl. Wilcken, Arch. III 195.
Β. Die römische Zeit. § 1. Die Steuern. 191
λί{μΒνοζ) Σοήνης in Ostraka II n. 43 (291) und 150.^) Während es sicli
im letzten Falle um Transport auf dem Nil zu handeln scheint, liegen
Landzölle wie in den beiden ersten Fällen, so auch in den zahlreichen
Quittungen^) aus verschiedenen Dörfern des Faijüm vor, in denen be-
scheinigt wird, daß bei Einfuhr oder Ausfuhr von Waren beim Tor
des betreffenden Dorfes eine (έχατοότη) xal (χεντηκοντή) gezahlt sei
oder für den λίμγ^ν Μεμφεως. Daneben werden auch Gebühren für
die die Karawane beschützende Wiistenwacht (έρημοφνλαχία) quittiert.')
Die Dörfer (wie Bacchias, Karanis, Soknopaiu Nesos, Dionysias, Phila-
delphia) liegen, wie ich betonen möchte, sämtlich an den Rändern des
Faijüm, an der Gaugrenze. Über sie geht der Verkehr nach den Oasen
vgl. Grenf. II 50 b) wie andererseits nach Memphis. Besonders lehr-
reich für den Betrieb an diesen Toren sind die hierüber geführten Ein-
gangsjournale wie P. Lond. III S. 41 ff. und namentlich S. 44 ff. Vgl. auch
P. Amh. 77 (277).
Neben den Staatssteuern stehen auch jetzt die Tempel abgaben.
Der Fortbestand der άττόμοιρα (s. oben S. 172) ist auch für die Kaiserzeit
belegt, doch ist ihr Charakter für diese Zeit noch sehr dunkel.*) Auch
die διδραχμία τον Σονχον (vgl. S. 172) ist durch BGU 748 für die
römische Zeit belegt.
Dazu kommen endlich die Kommunalsteuern. Während wir für
die Städte der Ptolemäerzeit keine genaueren Nachrichten hierüber be-
sitzen, liegen uns für die Römerzeit einige Belege vor, und zwar so-
wohl für die Zeit vor als nach der Einführung der βουλή (von 202).
Mit städtischen Oktroi- Abgaben beschäftigt sich P. Lond. Ill S. 92
<L Jahrb.). Über Gebühren für Benutzung der städtischen Wasser-
leitung von Arsinoe berichtet Lond. III S. 182 ff. (193) aus trajanischer
Zeit. Die Stände auf dem Markt von Hermopolis waren nach CPHerm.
102 Γ296) verpachtet. Ob die auf die Häuser der Stadt mit je 60 Drachmen
HMinrüirte Abgabe in Γ'ΡΤΤρΓηι. 101 als Kommunalabgabe zu fassen ist.
1) Vgl. dazu Oatraka I 276 ff. Roetowzewe Aneicht, daß der Zoll τοη Syene
und auch der von Memphis Reichezölle seien (vgl. Wochenechr. f. kl. Phil. t900 8. 116),
fidem die Zollbezirke Ägypteue nach ihren Hauptstädten benannt leien, ist mir nicht
wahrscheinlich.
2) Mit Unrecht leugnet Preieigke zu F. Straßb. 12 den Qnittnngucharakter und
ill in den Dokumenten Aueweise sehen. Vielmehr liegt die </ π Τη^Χώνψα^^
mch wenn die Summe nicht genannt wird. Sie wird übrigen nt in F. Lond.
Ill 8. «7.
3) Wilcken, Ostraka I 864 ff.} Wessely, Karanis 86 ff. Vgl. die Obttuoht in
Arch. I 9, ferner Fay. 67— 7e(a;; Amh. 116. 117; Ups. 81. 8t; Lond. III 8. 86 ff. iLa.
Äk Ttii-t.ii•! einer Qegenquittung vgl. Fay. 74.
Γ Ostraka I 169. Vgl. Lond. II 1S8 oben 9; BQU 916, 1; Fay. 41. Vgl.
iiw, I ...iiter I 868 f.; Rostowzcw, GGA 1909, 6Mff. Vgl. jettt Teb. U 848, 69 (mit
Kommentar), auch P. Hawura 808, 18 (Arch. V 869).
192 - Kapitel V. Das Steuerwesen.
ist nicht sicher, aber wahrscheinlich. Nach den Ausführungen von Blumen-
thal im Arch. V 333 ist auch der μεριομος Αδριάνειου^ eine Umlage für
einen Hadriantempel, als städtische Abgabe zu fassen. Auf städtische
Abgaben im allgemeinen weist auch Oxy. VI 890 (280) hin.
§ 2. DIE STEUERVERANLAGUNG.
1. Die Feststellung der Steuersubjekte.^)
Für die Kaiserzeit liegt ein sehr viel reicheres Material als für die
Ptolemäerzeit vor (s. oben S. 173 ff.), das uns mehrere wesentliche Neue-
rungen der römischen Regierung vor Augen führt. Neu ist der 14 jäh-
rige Turnus, der die Einführung von Geburts- und Todesanzeigen herbei-
geführt hat, neu ist auch die έπίκριόις.
a. Der 14jährige Zensus.
Zu Beginn der Kaiserzeit scheint noch die alte ptolemäische Ein-
richtung der alljährlichen Selbstdeklaration der Personen fortbestanden
zu haben. Wenigstens legen Grenf. I 45 und 46 (200) vom Jahre 19
und 18 vor Chr. diesen Schluß nahe. Bald danach wird dann
der 14jährige Zensus eingeführt worden sein. Da durch die späteren
Zensuseingaben das 8. Jahr des Nero = 61/2 als Zensusjahr völlig ge-
sichert ist (s. unten), so ergeben sich rückwärts gerechnet die Jahre 10/9
V. Chr., 5/6 n. Chr., 19/20, 33/4, 47/8 und 61/2 selbst als diejenigen Jahre,
die eventuell für die Einführung des 14jährigen Zyklus in Betracht
kommen. Nun besitzen wir in Oxy. II 254, wahrscheinlich vom J. 20
n. Chr., und 255 (201) vom J. 48 Eingaben, die nach den scharfsinnigen
Darlegungen von Grenfell-Hunt (Oxy. II S. 207 ff.) mit großer Wahrschein-
lichkeit auf den Zensus von 19/20 resp. 47/8 zu beziehen sind. Damit
ist dann erwiesen, daß die 14jährige Zensusperiode mindestens im 6. Jahre
des Tiberius (19/20) schon bestanden hat. Man wird aber den beiden
Forschern auch darin zustimmen, daß alle Wahrscheinlichkeit dafür spricht,
daß schon Augustus diesen Zensus eingeführt hat, daß dieser Zensus also
im J. 10/9 V. Chr. oder 5/6 n. Chr. geschaffen worden ist. Für diese An-
nahme spricht, daß die λαογραφία^ die neue Kopfsteuer, deren Zusammen-
hang mit dem Zensus feststeht (s. unten), bereits unter Augustus nach-
weisbar ist — freilich schon für 19/8 v. Chr. (vgl. oben S. 189) also in
der Zeit, die wir durch Grenf. I 45 und 46 (200) für den 14jährigen
1) Wilcken, Arsinoitische Steuerprofessionen usw. (Sitz.-Ber. Pr. Akad. 1883
S. 897 ff.); Ders., Hermes 28, 240 ff.; Ders., Gr. Ostraka I 438 ff.; Kenyon, Class. Rev.
VIT (1893) S. 110; P. Viereck, Philologus LH 219 iF.; W. Levison, Die Beurkundung
des Zivilstandes im Altertum 1898; Grenfell-Hunt in Oxy. Π S. 207 ff.; Wessely, Stud.
Pal. I 26 ff. Vgl. jetzt aucli i^ger, Zum ägyptischen Grundbuchwesen in römischer
Zeit (1909) S. 18 und 180 ff. und P. Meyers Kommentar zu Giss. 43.
Β. Die römische Zeit. § 2. Die Steuerveranlagung. 193
Zyklus für ausgeschlossen halten. Ferner ist auch die Epikrisis (s. unten)
bereits für 11/2 n. Chr. durch Oxj. II 288 bezeugt, und auch dies
führt zu der Annahme, daß der Zensus damals schon bestanden hat.
Noch genauer läßt sich zurzeit das Datum der Einführung der 14 jäh-
rigen Zensusperiode wohl nicht berechnen. Diese für manche Probleme
wichtige Frage wird hoffentlich durch neues Material noch einmal klar
beantwortet werden. Jene beiden Eingaben vom J. 20 und 48 — Oxy.
II 254 und 255 (201), zu denen noch das nicht genauer datierbare Frag-
ment 256 hinzukommt — sind nun von allen früheren Deklarationen
durchaus verschieden, weichen aber auch von den späteren Eingaben, wie
sie vom J. 61/2 an vorliegen, wesentlich ab. So begegnet hier noch nicht
der terminus κατ olxCav απογραφή. Auch bezeichnen sie sich als γραφαί.
Vgl. Oxy. 255 (201 ). So ist die Zeit von Augustus bis Nero eine Zeit
des Überganges. Vom 8. Jahre des Nero (61/2) bis in die Mitte des
III. Jahrh. liegen uns zahlreiche Beispiele von den Zensuseingaben vor,
die alle 14 Jahre unter dem Namen κατ οΐκίαν άπογραφαί^) einzureichen
waren. 2) Die belegten Zensusjahre sind: 61/2, 75/6, 89/90, 103/4, 117/8,
131/2, 145/6, 159/60, 173/4, 187/8, 201/2, 215/6, 229/30, 243/4, 257/8.
Daß diese xar' οΐκίαν άπογραφαί vor allem den Zwecken der Steuer-
veranlagung dienten, geht schon aus dem 14jährigen Zyklus hervor, denn
mit Rücksicht auf den Beginn der Kopfsteuerptlichtigkeit mit dem
14. Lebensjahre ist dieser Zyklus gewählt worden.^j Zweck dieses Zensus
war, die gesamte Bevölkerung Ägyptens, und zwar einen jeden nach seiner
Heimat (Cd ία) festzustellen. Darum wurden, Λvie wir kürzlich durch das
Edikt des Vibius Maximus vom Jahre 104 gelernt haben (vgl. 202), vor
einem solchen Zensus die Untertanen durch Edikt aufgefordert, daß jeder in
seine Heimat gehe, um dort die Deklaration vorzunehmen*) — ganz ähnlich
wie es Lukas, Evang. 2, Iff. für Judäa erzählt. Diese Aufforderung ist, wie
Rostowzew erkannt hat, bei jedem Zensus wiederholt worden. Vgl. meine Ein-
leitung zum Edikt des Vibius Maximus (202). Diesem Edikt, das zur Rück-
1) Der Zensus oder die Volksaufzeichnimg heißt λαογραφία. Vgl. s. B. Oxy. IV
714, 23 und sonst. Daß xar' olxlav άηογραφι^ die einzelne Eingabe bexeiohnen kann,
zeigt z. B. Straßb. graec. 60 (77) I 18. Es kann <tlw.r uuch den gesamten Zeaias be-
zeichnen, vgl. llein. 49, 2 (207).
2) Vgl. BGU I 68—66, 67—60, DO, 95, y. , ii. -120, H2, 128, 126—182, 137,
138, 164, [168], 182, *224, 226, 2U8, 802, II 410, 480, 447, 624, 687, 677, III 706, 777,
883, IV 1069; Grenf. II 66; Lond. II 8. 02; Lond. III S. 24—82; Oxy. II 8. 208. ΠΙ
480; Amh. 74; Flor. 4, 6, 102; liein. 46, 49; Teb. II 821, 822; Mdl. Nioole 8. 667));
Htad. Tal I S. 27—32; Giss. 48, 44; Harab. 7.
8) DieHe Annahmt*, die irh ichon in den 8its.-Ber. 1. c. S. 901 und im UMine•
28, 24H f. aufstellte, ist inzwisrhon durch den direkten Hinwei• auf die Kopfiieuer in
den meni|)iiitiK<;hcn Deklarationen bestätigt worden. Vgl. 20ft.
4) OrtMabweHonde wurden eventuell all ip άναχω^ήβι τοη den Angehörigen
namhaft gemacht. V^I. unten S. 196.
MllUit-WIloktn: <ir>n.<l«Utf.. I 18
194 Kapitel V. Das Steuerwesen.
kehr auffordert, scheint, wenigstens in manchen Fällen, ein anderes Edikt,
das den Zensus im allgemeinen anordnete, vorangegangen zu sein (vgl.
ebendort).
Diese ediktale Aufforderung zur Rückkehr in die idCa wird um so
verständlicher, wenn wir nachweisen können, daß nicht nur schriftliche
άτίογραφαί eingereicht wurden, sondern daß die ganze Bevölkerung zwecks
Aufaahme des Signalements sich persönlich bei dieser Gelegenheit zu
stellen hatte. Dieses bisher nicht hervorgehobene, aber sehr wichtige
Moment möchte ich aus P. Lond. II S. 55 = Stud. Pal. I S. ^2 schließen,
wo es z. B. Z. 39 heißt: καί άπο ά\7ίαο]α6τάτ{ων) ϋοτερον £ixo(viöd'tv-
των) κτλ. Daß es sich hier nicht etwa um Epikrisis, sondern um die
κατ' οϋκίαν απογραφή handelt, steht u. a. durch Z. 31 völlig fest. Also
sind hier Kinder genannt, die bei dieser Gelegenheit nicht vorgeführt
werden konnten und daher erst später (im nächsten Jahr) mit ihrem
Signalement aufgeschrieben worden sind. Zu είκονιΰμόζ in diesem Sinne
vgl. jetzt Oxy. VII 1022. Die persönliche Stellung spielt also beim Zensus
dieselbe Rolle wie bei der Epikrisis (s. unten). Darum mußten — nach
der Lukaslegende — auch Joseph nnd Maria nach Bethlehem gehen.
Die erhaltenen Deklarationen zeigen für die verschiedenen Gaue
manche lokale Abweichungen. Allen gemeinsam ist, daß überall die
Hausbesitzer sich und ihren Hausstand zu nennen hatten — mit An-
gabe des Berufes, des Personalstandes {λαογραφονμενοζ^ ετακεκριμένος ο. ä.)
und des Alters — , wobei auch das Haus zu bezeichnen war, so daß diese
κατ οίκίαν άτίογραφαί zugleich eine Feststellung aller Wohnhäuser er-
gaben.^) Im besonderen war festzustellen, in welchem Quartier {αμ,φοδον)
der Deklarant eingeschrieben war {άναγράφεύΟ'αι). Die Mieter wurden
verschieden behandelt. Im Arsinoites, Herakleopolites, Oxyrhynchites de-
klarierten die Hausbesitzer auch ihre Mieter, dagegen in Memphis voll-
zogen die Mieter selbst, freilich in Gegenwart ihrer Wirte, die für ihre
Kopfsteuer zu bürgen hatten, die Deklaration (vgl. 205). Ebenso haben
wir jetzt auch aus dem ^τίολλωνοτνολίτης Έπτακωμίας eine selbständige
Eingabe eines Mieters (Giss. 43). Im Herakleopolites und in Antinoo-
polis wurden die Erklärungen normalerweise im Periodenjahr selbst ein-
gereicht (209, 207), während in den anderen genannten Gauen die
Eingaben nicht früher als im Jahre danach regelmäßig gemacht wurden.
Von den memphitischen Eingaben sind zwei aus dem Zensusjahr (BGÜ
777, Lond. III S. 26/7), zwei aus dem folgenden Jahr (BGÜ 833 [205],
Lond. III S. 29). Die Deklarationen gingen an die Finanzbehörden des
Gaues, den Strategen und den königlichen Schreiber, außerdem in den
1) Vgl. Eger 1. c. S. 180 f. Daß die Häuser nach den αμφοδα zusammengezählt
•wurden, zeigt z. B. CPHerm. 101.
Β. Die römisclie Zeit. § 2. Die Steuerveranlagung. 195
Metropolen an die beiden Stadtschreiber und den Amphodarchen und den
λαογράφος des Ampbodon (Teb. II 321), in den Dörfern an den. Dorf-
schreiber und den λαογράφος des Dorfes (vgl. 204). Dagegen in der
griechischen τΐόλις Antinoopolis wurden die Eingaben an eine städtische
Kommission von gewählten Vertretern des betreffenden Stadtteiles ge-
richtet (vgl. Rein. 49 [207]).
Die Richtigkeit der Angaben wurde außerhalb des Faijüm durch den
schriftlichen Kaisereid der Deklaranten geschützt, überall aber durch die
imtliche Nachprüfung (έξεταόις) der Ortsbehörden gesichert, wie einzelne
Subskriptionen zeigen. ^)
Die eingereichten Exemplare wurden in den betreffenden Bureaus zu
langen RoUen aneinandergeklebt (6vγκoλλtΊϋίμ4lc)y wie die Photographien
in den Sitzungsber. Pr. Akad. 1883 1. c. zeigen. Außerdem wurden Listen
und Auszüge verschiedenster Art hergestellt.^) Im besonderen wurden die
Zensuseingaben von den Behörden der einzelnen άμφοδα verarbeitet,
"^olche Amphodarchenarbeiten, in denen neben Epikrisisakten und an-
derem vor allem auch die Zensuseingaben verwertet sind, liegen uns für
αμφοδα von Arsinoe aus Vespasianischer Zeit in Lond. n. 260 und 261
und einem Rainer-Papyrus vor. Vgl. Stud. Pal. I S. 58 ff. Wohl von den
Behörden aus gingen Exemplare auch an das der Verwaltung, im be-
sonderen auch der Steuerverwaltung dienende Gauarchiv, die Οημοϋία /3t-
.ίλίο^ήχη oder βίβλίοϋΊίκη των δημοόίων λόγων^), wo gleichfalls wieder
ονγχολλήόιμα und Auszüge hergestellt wurden. Diese Akten des Archivs
wurden auf Wunsch auch Interessenten zur Anfertigung von Abschriften
zur Verfügung gesteUt. Vgl. Stud. Pal. I S. 28 (209), Lond. U S. 63/4
(208), vgl. auch BGU 545 und Straßb. gr. 60 (77), 13, wo von αντί-
γραφα χατ οΐκίαν απογραφών gesagt wird: επεοχεμμενα (χ τ\:: ί.τΐ τόπων
βιβλιοθήκης.
Zur Evidenthaltung dieser Bevölkerungslisten ergab es sich bei der
(jiröße des Zyklus als erforderlich, daß die Zugänge und Abgänge durch
Geburt und Tod (oder auch Flucht oder dgl.) schon während der Periode
zur Anzeige gebracht wurden, was in der Ptolemäer/eit bei der jähr-
lichen Wiederholung der Namensnennung nicht nötig gewesen war. Die
Geburtsanzeigen, die von griechischen und griechiech-agyptischen Eltern
eingereicht sind (υπομνήματα επιγεννήόεωςΥ), zeigen, daß die Kinder oft erst
nehrere Jahre nach der Geburt angezeigt wurden. Dasselbe ergeben die
ynarfal ^πιγεγεννημενοιν in Stud. Pal. I S. 67, 77 etc. Wenn wirklich nur
Kiiiben angemeldet wurden, wie in den bisher vorliegenden Proben, so
liiiii^^t dae wohl mit der Befreiung der Frauen von der Kopfsteuer au-
1) Vgl Gr. Ottraka I ivi J) \«l Or. Ottraka I 478 ff.
8) Vgl oben S. 89. V^l. hieriftu aacb noch Eger 1. o. 8. 18 ff.
4) liGU I 28, 110. 111; Kay. S8; Gen. 8S (ül); Teb. II «M.
18•
I^Q Kapitel V. Das Steuerweeen.
sammen.^) Die Frage, ob diese Anzeigen freiwillig oder auf Grund von
Verfügungen eingereicht wurden, harrt noch einer evidenten Lösung.
Wesentlich anders als diese griechisch -ägyptischen Geburtsanzeigen sind
die Meldungen römischer Eltern über die Geburt von Knaben und
Mädchen zu beurteilen, von denen wir kürzlich auf Holztafeln und Papyrus
in lateinischer Sprache Proben erhalten haben. ^) Vgl. Cair. Holztafel (212)
und Oxy. Λ^Ι 894 (213). Auf solche Anzeigen bezieht sich das Reskript
Gordians in Teb. Π 285.
Die Todesanzeigen^) sind sicher freiwillige Meldungen der Hinter-
bliebenen, deren Interesse in der Bitte, den Toten betreffs Kopf- und Ge-
werbesteuer aus den Listen zu streichen, klar zum Ausdruck kommt
(τίερίγραφηναι τίερί της λαογραφίας καΐ χείρωνα^ίον: Oxy. Ι 173).*) Aus
dem εως Μεχείρ in Stud. Pal. Ι S. 70, 394 etc. folgt, daß diejenigen, die in
der ersten Hälfte des Jahres gestorben waren, die Gewerbesteuer (und so
auch die Kopfsteuer) nur zur Hälfte zahlten. So begreift man die Prä-
zision und Eile, mit der die Hinterbliebenen die Todesfälle anmeldeten.
In diesem finanziellen Interesse der Angehörigen liegt aber auch be-
gründet, daß die Regierung sich eine eingehende Prüfung dieser Mel-
dung durch die Ortsbehörden vorbehielt. Vgl. BGU IV 1068 (62); Fay.
30 (214). Eine Totenliste enthält ein P. Hawara (unnumbered). Vgl.
Milne, Arch. V 395 f. Vgl. auch die Totenlisten in Lond. II S. 39 ff., wo
der Ausdruck βξ υπομνήματος eben auf solche Todesanzeigen hinweist.
FormeU ähnlich den Todesanzeigen und auch aus ähnlichem Interesse
entsprungen sind die Meldungen, daß ein Angehöriger „in die Fremde
gegangen" sei (άνεχώρηβεν εις την ξ,ενην), was oft genug durch den
Druck der Liturgien oder überhaupt durch wirtschaftliche Not oder auch
durch Unruhen herbeigeführt wurde. Vgl. Oxy. II 251 — 253 (215).
Die Pointe liegt hier in der Mitteilung, daß der Entwichene keinen
πόρος hinterlassen habe, durch den etwa, so dürfen wir wohl supponieren,
einer seiner Angehörigen zur Steuerzahlung oder zur Übernahme einer
Liturgie statt seiner verpflichtet werden könnte.
b. Die έπίκρίύίς^)
Auf Grund der in der Anmerkung genannten Arbeiten unterscheiden
1) Irrig war meine Annahme in Ostraka I 453, daß diese Anzeigen für die
Militärbehörden gemacht seien. Vgl. Grenfell-Hunt zu Fay. 28.
2) Vgl. Girard, Nouv. Rev. Hist. 30, 494 flf.; Wilcken, Archiv IV 252 fi. und
Grenfell-Hunt zu Oxy. VI 894.
3) Vgl. BGU I 17, 79, 254, III 773, IV 1068; Lond. II S. 66—68; Anz. Wien.
Akad. 31, 7; Mitt.PR V 12/3; Oxy. I 79R., 173, II 262, VII 1030 (36); Fay. 29, 30;
Teb. II 300, 301. Vgl. auch Levison 1. c.
4) Vgl. Gr. Ostraka I 454 ff. Vgl. auch die Meldung des Todes eines γί^διος
an den έγΧήμ.'ητωρ γερ{δίακον) in Oxy. II 262.
5) Kenyon, P. Lond. II S. 42 ff. (zu Nr. 260, 261) 1898; Grenfell-Hunt, P. Oxy.
Β. Die römische Zeit. § 2. Die Steuerveranlagnog. 197
wir heute eine militärische und eine nichtmilitärische Epikrisis. Da anfangs
zufällig vorwiegend Proben der ersteren Art bekannt wurden, rechneten
die älteren Arbeiten nur mit einer militärischen Epikrisis.^) Erst Kenyon
konnte auf Grund seiner Publikation von P. Lond. n. 260, 261 (Π S. 42ff.) das
Vorhandensein einer andersartigen Epikrisis feststellen, und Grenfell-Hunt
haben dann auf Grund der Oxyrhynchostexte (vgl. Oxy. II S. 217 ff.) die
beiden Arten noch schärfer geschieden. Über die militärische wird unten
in Kap. XI gehandelt werden. Hier ist die andere Epikrisis darzustellen,
da sie ergänzend zu dem durch die κατ* οΐκίαν άπογραφαύ der Regierung
gelieferten Material hinzutritt, und das Ergebnis der Epikrisis für die
Besteuerung des Individuums von großer Wichtigkeit war. Beide Arten
von έτηκρίοεις sind nur für die römische Periode bezeugt. Den ältesten
Beleg für die nichtmilitärische ijtCxQLöLg bringt Oxy. II 288 (11/2 n. Chr.).
Bei dem engen Zusammenhang zwischen der Epikrisis und dem Zensus
ist es wahrscheinlich, daß sie zugleich mit diesem eingeführt worden
ist. Die Frage nach der Bedeutung der nichtmilitärischen oder, wie
ich sie nennen möchte (Arch. V237), der fiskalischen. Epikrisis und
namentlich nach ihrem Verhältnis zu der militärischen ist heute noch
kontrovers. Für ihr Verständnis erscheinen folgende Punkte als besonders
wichtig.
Während die militärische Epikrisis stets durch den Präfekten oder
seinen militärischen Stellvertreter, in der Regel in Alexandri^n, vorge-
nommen wurde, fand die nichtmilitärische in der Heimat des Epikrisis-
pflichtigen statt und wurde in den Gauen unter Oberaufsicht des Strategen
nnd seiner UntersteUten (vgl. Oxy. Π 257, 12 ff., IV 714; Teb. U 298, 20)
von lokalen Epikrisiskommissionen {ίπιχριταί oder ähnl.) vorgenommen.
Während der militärischen Epikrisis nur Erwachsene unterworfen
waren, wurden zur nichtmilitärischen ausschließlich die gezogen, die das
kopfsteuerpflichtige Alter (14—60) entweder noch nicht erreicht {άφή-
Χιχες) oder es überschritten hatten {νπερετεΙξ)% denn diese Epikrisis, die
Freie und Sklaven in gleicher Weise betraf, war eine Prüfung der
Voraussetzungen, die eine volle oder partielle Befreiung von
Π 8. 217 ff. (zu Nr. 267, 258); III S. 168/4 (zn Nr. 478); P. M. Meyer, Dm Heerweten
der Ptolemaer und Körner in Äj^ypten 1900 8. 109 ff., 229 ff.; C. Wewely, Epikn«•.
8itz.-Ber. Wien. Akad. phil.-hiet. Kl. 142,9 (1900); P.M.Meyer, Berl phil. Woch.
1901 8p. 242 ff.; W. Schubarf, Archiv f. Pap. II löfiff.; J. Leequier, Le r«cruteineiii
de Tarm^e Ilom. d'^^ypte, Revue de Phil. 28 (1904) 8. 22 (SeparaUbd.); C. WeMely,
Stud. Pttl. I S. 58 ff. (l'J06); P. Joujfuet, Chronique d. Papyru• II (Ret. d. fitud. Anc.
VII 1906) S. 60 (Sep-Abd.); Wilcken, Arch. f. Pap. III 604 f. 666 ff. V 287.
1) Vgl. MomnjHcn, CIL III Suppl. p. 2007; Wilckeo, Herme• 28, 260.
2) Die erhaltenen KpikriHiieingaben botreffen alle atpifiUntq. Die Epikriiii der
*3Τίρίτ•Γί findet «ich z. B. in Stud. I*al. 1 8. 74, 660 ff. erwähnt. Daoach bedurfte ee
einer heHonderen Enticheidung darüber, ob die überjahrigwi in die tfxjxtu^ifitfvM
eintreten sollten.
198 Kapitel V, Das Steuerwesen.
der Kopfsteuer^) gewährten oder allgemeiner gesagt, eine Prüfung
des Personalstandes. Da die Kopfsteuer nur auf den Männern lastete,
waren die Frauen der Epikrisis nicht unterworfen.^) Eine Ausnahme
machen die Jüdinnen, da das τελεομα ^Ιουδαίων auch die Frauen traf.^)
Hier war also auch für die Frauen festzustellen, wenn sie z. B. νπερετεΐς
wurden. Vgl. Stud. Pal. I S. 71 (61).
Der Personalstand der άφήλίχες wurde praktisch in der Weise fest-
gestellt, daß ihre Eltern resp. ihre Herren, wenn der Befehl zur έπίτίριύΐξ
an sie ergangen war, über ihren eigenen Personalstand vor den Be-
hörden Zeugnis ablegten, denn die Söhne und Sklaven wurden hinsicht-
lich der Kopfsteuer ebenso behandelt wie ihre Eltern resp. Herren.*)
Waren diese steuerfrei, so galt es auch von den Söhnen resp. Sklaven.
Die Behörden begnügten sich aber doch nicht mit diesem Nachweis betreffs
der Eltern oder Herren allein, vielmehr mußten die der Epikrisis zu unter-
werfenden persönlich der Behörde vorgeführt werden, denn es werden die-
jenigen als die Epikrisis nicht bestanden habend (ανεπίχριτοΐ) bezeichnet,
die sich nicht persönlich gestellt hatten {άπαράβτατοι), wiewohl sie dazu
qualifiziert waren.^) Vgl. Oxj. 11257,23 (147): εμ\ δε [i]v άνεπίκρίτοις
χετάχ^αι τω /ht) ένδημεΐν. Vgl. auch Stud. Pal. I S. 74, 545 (=^ Lond. II
n. 260, 38): !Λνεπίκρίτοι γενάμε{νοι) τω (τίρώτω) (ετει) δια το είναι [Ι]|ωι
ορίων Αίγντίτον^ worauf drei άτίαράβτατου aufgezählt werden, die damals in
Italien waren, und ein άπαράΰτατος^ der in Indien war. Wohl aus Anlaß
dieser persönlichen Vorstellung überreichten nun die Eltern resp. Herren
der Behörde Eingaben (υπομνήματα^ in denen sie die von der Regierung
verlangten Auskünfte schriftlich niederlegten und zum Schluß durch einen
Kaisereid ihre Aussage bekräftigten. Die scheinbare Mannigfaltigkeit in
der Anlage dieser υπομνήματα vereinfacht sich nun, was bisher nicht ge-
nügend beachtet wurde, bedeutend, wenn wir sie nach ihrer Herkunft
ordnen, denn auch hierfür, ähnlich wie für die Zensuseingaben, lassen sich
für die verschiedenen Gaue ganz verschiedene Formulare nachweisen. Es
liegen uns zurzeit folgende Eingaben dieser Art vor:
1) S. oben S. 189.
2) Wenn in Amh. 99, 1 eine ^Ερμιόνη als di' έπικρίΰεως Μία η %al 'Έρμίόνη be-
zeichnet wird, so wird man mit den Editoren daran festhalten dürfen, daß sie nicht
selbst Objekt der Epikrisis gewesen war. Die Ergänzung ΘερμονΟ'αρίου έπ[ΐ'>ι{εχρι-
μέντΐ£)7] in Stud. Pal. I S. 69, 364 ist unrichtig.
3) Vgl. oben S. 187.
4) In bezug auf die Sklaven hat dies schon Schubart (Archiv II 156) gesagt.
Vgl. auch Grenfell-Hunt zu Oxy. IV 714; Wessely, Stud. Pal. I 59. Vgl. auch die
Ostraka über Ιουδαίων τέλεομα (2ί)5).
5) Gelegentlich wurden γνωατήρες beigebracht, also Personen, die die Identität
der Persönlichkeit bezeugten. Vgl. Fay. 27, 32, wo P. Meyer γνωρίζω mit Recht ver-
mutet. Wahrscheinlich ist vorher in 26 γνωβτήρες geschrieben statt . ωνηρε6{ ).
Dagegen ist es mit Unrecht angenommen worden in Grenf. II 49, 15, wo vielmehr
6εΰ'η{μείωμαί) zu lesen ist.
ι
Β. Die römische Zeit. § 2. Die Stenerveranlagung. 199
Aus Oxyrhynchos: Oxy. 258 (216), 478 (218), 714, 1028; Lips. Inv.
561 (217). A^gl. andererseits Oxy. 257 (147).
Aus Arsinoe: BGÜ 109, 324 (219), 971; Gen. 18, 19; Fay. 27; Grenf.
II 49; Teb. II 320; Hawara 401.
Aus Hermopolis: Amh. 75.
1) Für Oxyrhynclios ist charakteristisch, daß hier in dem die Epi-
krisis der Dreizehnjährigen anordnenden Befehl speziell die Frage zur
„Prüfung'^ gestellt wird, ob die Eltern Metropoliten mit der (geringen)
Kopfsteuer von 12 Drachmen seien: ει εξ αμφοτέρων γονέων μψροπολν-
τών δωδεκαδράχμων εΐοίν. Dementsprechend macht die Beantwortung
dieser Frage den Hauptinhalt der oxyrhynchitischen Eingaben aus. Der
Vater versichert es für sich, und da die Mutter ja überhaupt keine Kopf-
steuer bezahlen kann, muß der entsprechende Nachweis für ihren Vater
gebracht werden. Wenn in P. Lips. (217) und Oxy. VII 1028 der Sohn
resp. Sklave selbst schon als δωδεχάδραχμοξ bezeichnet wird, so liegt dies
daran, daß er hier inzwischen schon 14 Jahre alt geworden ist. — Die
Eingabe Oxy. 257 (147) nimmt gegenüber den anderen, wie mir scheint,
ein Sonderstellung ein. Lesquier l. c. 26 (S. A.) Anm. 6 nimmt zwar an,
mit Hinweis auf Schubart 1. c. 157, daß hier των προόβαινόντων eig τούζ
άπο γνμναόίον nur ime fa^on differente d'indiquer Tage de Tenfant sei
(«= εΐξ τρίοχαιδεκαετείς). Er hat aber übersehen, daß auch die Auskünfte
der Eltern hier ganz andere sind. Es wird nämlich der Nachweis ge-
bracht, daß die Vorfahren der Familie, väterlicherseits und mütterlicher-
seits, Gymnasiarchen gewesen sind. Also handelt es sich hier speziell um
eine Epikrisis für diejenigen, die unter die Epheben aufgenommen (ειόχρί-
νεο^-αι) werden sollen. Vgl. oben S. 141 ff. Darum habe ich diesen Text
oben im ΙΠ. Kapitel abgedruckt.
2) Ganz andere sehen die Eingaben aus Arsinoe aus. Auch hier
gab es unter den Metropoliten eine privilegierte Klasse^), deren Kopfsteuer
hier aber anders normiert war als in Oxyrhynchos, nämlich auf 20 Drachmen
(statt 40). Vgl. oben S. 189. Jedoch die Regierung stellte hier nicht
zpeziell die Frage zur Prüfung, ob die Eltern etwa μιμρο:τολΐτ(α sixo-
οίδραχμοι seien, und daher berührt auch die Meldung der Eltern nicht
diesen Punkt. Hier erklären vielmehr die Eltern, gemäß dem erlassenen
Befehl ihre dixuia vorzulegen — und zwar aus den oben angegebenen
Gründen ihre öfxcuu, nicht die der έχίχρίνόμίνοι. Es folgt dann die
Konstatierung, daß sie für den jeweiligen Zensus für das und das βμφο-
dov ihre Deklarationen ordnungsmäßig gemacht hatten. Falls der Sohn
(resp. Sklave) etwa bei dem letzten Zensns schon gelebt hat, so wird es
1) Daß nicht alle Metropoliten privilegiert waren, lelgt t. B. BGU 116 (lOt), wo
der anh τής μηχροΐίόΐίως doch Χαογραφούμ^ψος Ist. Vgl. snoh Lond. II 8. 64 niw.
200 Kapitel V. Das Steuerwesen.
besonders hervorgehoben, daß er damals auch schon mit genannt worden
sei (ΰννατΐογράφεο&αί). Auch wird unter Umständen erwähnt, daß der
Sohn schon durch eine Geburtsanzeige angemeldet worden sei.^) Das
übliche υπέταξα μου τα δίκαια läßt darauf schließen, daß Abschriften
der Dokumente folgten; es ist uns aber diese Beilage bei keiner der Fai-
jümer Urkunden erhalten. Doch da in Amh. 75 für Hermopolis ein Bei-
spiel vorliegt, wird es wohl auch im Faijiim so Sitte gewesen sein. Sonst
müßte man annehmen, daß schon der Hinweis auf die früheren ajto-
γραφαί eben dies ντίοτάύοευν sei, was mir abet• nicht wahrscheinlich ist.
Auch spricht BGU 324 (219) dagegen, wo οννπαρεϋ-έμην dem νπεταξα
parallel steht. Vgl. den Kommentar.
3) Von der einzigen hermopolitischen Eingabe Amh. 75 I, aus
der Zeit des Marcus und Verus, ist so wenig erhalten, daß wir nicht
wissen können, welche Formalien hier üblich waren. Dafür sind uns hier
die Beilagen erhalten, d. h. Auszüge von einer großen Zahl von Zensus-
und Epikrisiseingaben bis in die Zeit des Nero hinein, in denen die Vor-
fahren bis in die augusteische Zeit zu verfolgen sind. Da hier nun meist
der Zusatz ajtb γ(νμνα6ίον) zu den Namen gefügt ist, so könnte man
schon hiernach vermuten, daß diese Eingabe Oxy. 257 (147) parallel steht
(s. oben). Diese Annahme wird noch durch Folgendes befestigt. In einem
noch unedierten Straßburger Papyrus, den ich einsehen durfte, handelt der
6τρατηγος Έρμοπολίτον von der Epikrisis der oC άπο rfjg μητροπόλεως
εΙς τους τεοόαρεβκαιδεκαετεΐς προΰβαίνοντες άφήλίκες und, wenn ich den
verstümmelten Text recht verstand, der άπο τάγματος τον γνμναοίον^
wobei als Zweck des έπικρίνεα^αι angegeben wird die Feststellung, εΐ βξ
αμφοτέρων γονέω[ν το μητροπο^λιτικον γένος ΰώξονοί, οί ο' έκ τον γνμ-
[vaöCov^ ει] απ' ει^ΰτου τον τάγματος ειοι. Wenn ich auch zur Erklärung
dieses Begriffes τάγμα nichts beibringen kann, so irre ich wohl nicht in
der Annahme, daß hier zwei Gruppen unter den Privilegierten geschieden
werden, die Metropoliten und die vom Gymnasium.^) Dies bestärkt mich
in der oben geäußerten Ansicht, daß Oxy. 257 (147) als die άπο γνμνα-
ΰίον behandelnd von den anderen oxyrhynchitischen Eingaben zu trennen
ist, und ebenso wird man wohl auch Amh. 75 dieser Gruppe zuweisen
dürfen. Was über die Epikrisis der Metropoliten gesagt wird, fällt im
Grundgedanken mit dem zusammen, was für Oxyrhynchos und Arsinoe
festgestellt werden konnte, aber es liegt doch wieder eine andere Formel
vor. Der Begriff δωδεκάδραχμος fehlt auch hier wie in Arsinoe.
So finden wir, wie bei den Zensuseingaben, auch bei den Epikrisis-
1) Vgl. Gen. 19, 12. Dagegen ist dies mit Unrecht von Wessely in BGU 109, 17
ergänzt worden.
2) Daß man normalerweise mit 14 Jahren in die Epheben eintrat, wurde oben
S. 141 auseinandergesetzt.
Β. Die römische Zeit. § 2. Die Steuerveranlagung. 201
eingaben lokale Λ^6Γ5θ1ιίβ(1βη1ιβΐίβη. Neben den allgemeinen gleichen Ver-
ordnungen stand der durch die Jahrhunderte traditionell festgehaltene
Usus der einzelne Gaue — ähnlich wie z. B. die Steuererhebung κατά τε
τον της ώνης γνώμονα καΐ την τον vouov οννή&είαν ausgeübt wurde
(BGÜ IV 1062, 14 [276]).
Auch die Epikrisisakten lagen wie die Zensuseingaben in der δη-
μούία βιβλιο&ήκη. In Oxyrhynchos bildeten die beiden βίβλωφύλαχες
die Epikrisisbehörde, resp. mit dem Strategen u. a. zusammen die Epi-
krisiskommission. Vgl. Oxj. III 478, 714. i) Natürlich hatten auch diese
Akten Publizität. Die Interessenten konnten Abschriften aus ihnen ent-
nehmen. Vgl. BGÜ II 562 (220). Wie diese Epikrisisakten von den
Amphodonbehörden zur Aufstellung der Bevölkerungslisten verarbeitet
wurden, zeigen die schon oben erwähnten wichtigen Dokumente in Stud.
Pal. I S. 72ff.
Ein abschließendes Urteil über diese Epikrisis ist heute noch nicht
möglich. Nur dies darf wohl schon jetzt als gesichert gelten, daß sie
den Zweck hatte, festzustellen, welche Personen von der Kopfsteuerpflicht
ganz oder partiell befreit waren. Wohl kann man sagen, daß die
Epikrisis, die m. E. in jedem Jahre für die nunmehr 13 Jahre alt Ge-
wordenen angeordnet wurde ^), für die Evidenthaltung der Bevolkerungs-
listen ergänzend zu dem nur alle 14 Jahre stattfindenden Zensus, der die
Grundlage für jene bildete, hinzutrat. Aber es scheint mir wichtig, als
Unterschied festzustellen, daß der Zensus zu einer Untersuchung der
Kopfsteuerpflicht nicht führte. In den Zensuseingaben werden nur die
Resultate der Epikrisis neben anderem — wie z. B. auch dem Häuser-
besitz — angegeben. Wer die Epil^risis mit Erfolg bestanden hat, durfte
sich in der nächsten Zensuseingabe als επίχεκριμενος bezeichnen. Die
Feststellung dieses Rechtes erfolgte aber ausschließlich durch den Epi-
krisisakt.
Wer sich έπικεκριμενος nennen durfte, gehörte nun zu den privile-
gierten Klassen. So stehen sich die έπικεκριμένοί und die λαογραψονμε
voi (soweit sie voll besteuert waren) oder wie wir jetzt sa^^en dürfen,
die dediticii schroff gegenüber.') Zu fl< η ^πιχεκριμίνοι goliiirrn. wie
1) In Oxy. 1028 eind mit den beiden früh• nn (i\ iiuiiiHiurrhoM \it'll«'icht die fiifiiio-
ffvlantg gemeint. "Vffl. 714. — Im Faijuiu IiuImh wir kmi Η(•ίΗΐ•Μ•1 IMr ilie .Mit-
wirktin^,' der βιβλιοφνλαχ^ς. Hier Tertehen gewöhnlich «m <••!. r /wn früluTi• (Jym-
nuMian hftn (\a» Amt dee ίηιχριχιΊς.
2i I)if! Iierrschendo An«ioht, daß in den Zeniaijaln•-!) kmir Kj.ikriHin etatt^»««-
fundcn liuhr;, int nicht richtig. Vgl. Oxy. 478, 81, wo βίηυ KitikritfiH tiir da« 7 Juhr
des Trajan (ZenMUMJahr) gf'nannt wird. Die Begründoog lifgt in der obigrn l'ntor•
•cheidung der beiden Maßregeln. Sie waren lo tenchiedcn, daß ni<^hi • in/tiNohoa
ift, warum im /(^nituijabr die DreUehoj&hrigen flbergangen wtrden i<
3; Der QegeniaU tritt beeonden icbaK •nigtgeii in den ΙβΗη«..^ ..^ .. Worten
Lond. II S. 61, lS4ff., wo einer an• der Liste der vlol 1αο/ρ«φον|ΐ^τ•ν in die Litte
202 Kapitel V. Das Steuerwesen.
wir oben sahen, abgesehen von den Römern, die Bürger der griechi-
schen Städte, die privilegierten Metropoliten (δωδεκάδραχμοί in Oxy-
rhynchos, είκοοίδραχμοι in Arsinoe), im besonderen die άπο γνμναοίου
und die Katöken.^) Wir können daher auch sagen, daß durch die Epi-
krisis in erster Reihe die hellenische Kulturschicht der Bevölkerung
von der ägyptischen abgesondert wurde. Ähnlich auch schon Kenyon zu
Lond. II n. 260.
Wenn wir auch aus den angeführten Gründen diese fiskale Epikrisis
von der militärischen scheiden, so besteht doch ein gewisser innerer Zu-
sammenhang insofern, als eben nur die έτηκεκρψένοί zum Heeresdienst
qualifiziert waren (vgl. Kap. XI). Also können wir annehmen, daß auch die
Akten der fiskalen Epikrisis für die Aushebungsarbeiten von Wert ge-
wesen sind. Trotzdem dürfen wir der obigen Epikrisis keine unmittel-
baren militärischen Zwecke zuschreiben. Sie ist nur eine Voraussetzung
für die Rekrutierung. Die eventuelle Verwendbarkeit für die Aushebungen
trat ja auch erst mehrere Jahre nach der Prüfung der 13jährigen ein,
während die Steuerbefreiung sogleich vom 14. Jahre an akut wurde, und
nur diese galt es festzustellen.^)
2. Die Feststellung der Steuerobjekte. ^)
a. Die αΛογραφαί.
Durch das Edikt des Mettius Rufus (Oxy. II 237 VIII) haben wir
gelernt, die Immobilien- und die Mobiliendeklarationen noch schärfer von-
einander zu trennen. Während wir früher auch von den Immobilien-
deklarationen wie von den anderen annahmen, daß sie alljährlich ein-
gereicht seien, wissen wir jetzt, wie schon Grenfell-Hunt in ihrem
grundlegenden Kommentar darlegten, daß die an die βίβλίοϋ'ήκη έγκτψ
οεων eingereichten General- άπογραφαί nur je nach Bedarf, wenn Unord-
nungen in der βίβλιοΰ^ήκη eingerissen waren, vom Präfekten angeordnet
wurden. Es ist ferner im Anschluß an das Edikt jetzt mit Recht in
Zweifel gezogen worden, ob diese an die ßißλίo^'ήκη έγκτήΰεων gerich-
der νίοϊ κατοίκων versetzt wird έτνί-τώ τον τούτον πατέρα άπο λαογραφίας χεχωρίαϋ'αί
δια το έπι-ΛΕΥ-ρίβΟ-αι τω α (hsi) Ονεα[πα6ΐ]ανον νπό των προν,ΐχιριβμένων. Das fol-
gende ist vielleicht zu lesen: [βξ,Ί άπ]αραατάτων γραφής.
1) Ρ. Meyer nimmt an, daß die κ<%τοικοί. im 1. Jahre des Nero (54/3), die άπο
γυμναΰίον im 7. Jahre desselben Kaisers (60/1) zur Epikrisis zugelassen seien. Vgl.
Heerwesen S. 230 ff. Das bedarf noch weiterer Prüfungen. Dagegen Schubart 1. c.
Sachlich ist es mir höchst unwahrscheinlich, daß z. B. die άπο γυμνασίου, diese
hellenische Schicht, nicht von vornherein zur Epikrisis herangezogen sein sollte, so-
bald überhaupt die έπίκρυβις eingeführt wurde.
2) Vgl. die klaren Ausführungen von Lesquier 1. c.
3) Vgl. H. Lewald, Beiträge z. Kenntnis des röm.-ägypt. Grundbuchrechts 1909 ;
0. Eger, Zum ägyptischen Grundbuchwesen in röm. Zeit 1909; Fr. Preißigke, Giro-
wesen im griechischen Ägypten 1910.
Β. Die römische Zeit. § 2. Die Steuerveranlagung. 203
teten ά:ΐογραφαί überhaupt zu Zwecken der Steuerveranlagung eingefordert
sind, wie denn die neuere Forschung zu ganz anderen Ansichten über
die Bedeutung dieser βι,βλιο9^ήχη gegenüber den vor Auffindung des Ediktes
liegenden Arbeiten gekommen ist.^) Ein direkter Zusammenhang zwischen
den an die βίβλίοΰ-ηχη εγκτήοεων gerichteten άπογραφαί und den Auf-
gaben der Steuerbehörden, im besonderen eine Verwendung jener άπο-
γραφαί für die Steuerveranlagung und Erhebung, läßt sich in der Tat
nicht erweisen, wenn man es auch für wahrscheinlich halten mag, daß
das reiche dort aufgespeicherte Material eventuell auch den Steuerbehörden
zur Verfügung gestanden hat.*) Aus diesen Gründen glaubten wir den
jetzigen Stand der Forschung am klarsten zum Ausdruck zu bringen,
wenn wir die an die βιβλιο^ψ.ΐ] έγκτϊΐόεων und die an die Steuerbehörden
(ύτραττιγός usw.) gerichteten άπογραφαί völlig voneinander trennten. Die
ersteren behandelt Mitteis im Π. Bande in einem eigenen, jener /3t/3Xio-
^Ί\7ίΐ] gewidmeten Kapitel (IV), während ich mich hier auf die zweite
Gruppe beschränke, deren Verwendung für die Steuerzwecke nicht zweifel-
haft ist.
Es ist kürzlich die Frage aufgeworfen worden, ob nicht eventuell
Außer den an die βίβλιοϋ^ήκη έγχτήοεων gerichteten General -βΛο;^ραφα^
auch solche an die Steuerbehörden (Strategen usw.) von Zeit zu Zeit ein-
gefordert worden seien. ^) Aber ganz sichere Zeugnisse liegen zurzeit
nicht vor*), und P. Brux. (236) spricht m. E. direkt dagegen (s. unten).
So kann ich hier nur eine Gruppe von Immobilieneingaben namhaft
machen, die sicher an die Steuerbehörden gingen, das sind die Grund-
8tück8-ß^;o}'()a<3pa^, die auf die Wirkungen der Nilüberschwem-
mung Bezug nehmen.^) Wir besitzen bis jetzt die folgenden an die
Strategen, königlichen Schreiber und Dorfschreiber gerichteten άπογραφαί:
für 162/3: BGU 198, Fay. 33, Grenf. II 56 (226); für 194/6: BGÜ 973;
für 201/2: BGÜ 139 (225), Hamb. 11; für 203/4: BGU 108 (227); für 207/8:
Teb. II 324, alle aus dem Faijüm. Die Grundbesitzer, die diese Anzeigen
gemacht haben*), berufen sich auf den Befehl des Präfekten; nur in
Hamb. 11 ist statt dessen der procurator usiacus genannt. Der Schwer-
punkt dieser Anzeigen liegt in d^r Mitteilung, daß ihre Acker in diesem
1) Vgl. die in der vorigen Anmorkun;^' 7.iti*rten Arbeiten.
2) Vgl. Lewald 8. 88; Eger 8. 100 und 196 ff. H) Eger 191 iW
4) Eger 1. c. verweist auf BOU 108 dtl) und Oxy. I 78 aU „sehr uiiHii h<>ro Be-
lege*\ 8ie iiind in der Tat nicht durchHcblagund.
6) Zu<*rHt richtig gedeutet nach den Lchrrn dce Edikt« de• MettiuH Kufus von
Orenfell-Hunt in ihrem Kommentar zu dieeem Edikt. Vgl. jetzt auch Lewald 1. c.;
Eger 188 ff.; Preiwigk«, Giroweten 870; P. Meyer zu Hamb. 11.
β) 8ie zeigen an, auch wenn sie den Acker verpachtet haben. Brui. 1 (2Se)
zeigt, daß bei kaiiierlichem Domanialland die Λημόαιοι γίω^γοί die Anieige tu er-
•tatten hatten. Bei den letzteren ma0 Anzeigcptiicht beat^nden haben. Fttr die
Privatbeiitzer gebot eii ihr Intereaie, doch berufen auch nie lioh auf den ««Befehle
204 Kapitel V. Das Steuerwesen.
Jahre οίβροχοί geblieben seien, d. h. daß sie von der Überschwemmung nicht
oder nicht genügend (προς το πλείβτον) erreicht worden seien. ^) Auf
solche «/3ρο;^/^ί^- An zeigen wird z. B. in dem P. Brux. 1 (236) mehrfach hin-
gewiesen. Nun haben wir aber soeben durch P. Hamb. 12 (235) gelernt, daß
auch über diejenigen Grundstücke entsprechende άπογραφαί eingereicht
wurden, von denen nach der Überschwemmung das Wasser nicht zurück-
trat, so daß gleichfalls die Ernte verhindert wurde. Hier heißt das Land
έφ νδωρ, sonst auch xad•' vöccrog oder δμβροχος oder κατάβροχος.^}
Dazu kommt nach meiner neuen Deutung von BGÜ 108 (227) eine An-
zeige von versandetem Lande (^άμμόχωοτος). Wir dürfen daher wohl
annehmen, daß solche απόγραφαν in allen den Fällen eingereicht wurden,
in, denen• überhaupt die Wirkungen der Überschwemmung die
Tragfähigkeit des Bodens irgendwie ungünstig beeinflußten,,
wahrscheinlich z. B. auch bei τΐοταμοφόρψος^) Der Zweck dieser άπο-
γραφαύ war in allen Fällen derselbe, eine κονφοτελεια oder womöglich
ατέλεια zu erhalten, gleichviel ob es sich um die Grundsteuer (bei Pri-
vatland) oder um Pachtzins (bei Domanialland) handelte. So wird denn
auch in BGÜ 139 (225) und Teb. 324 ausdrücklich auf den normalen
Steuersatz hingewiesen. So lange wir nur die aß ροχία- Anzeigen kannten^
wurde meist angenommen, daß eine behördliche Aufforderung zu solchen
Anzeigen nur in solchen Jahren erfolgt sei, in denen Ägypten eine
mangelhafte Nilüberschwemmung gehabt habe. Nach diesen neuen Auf-
schlüssen wird man wohl annehmen müssen, daß diese Aufforderungen in
jedem Jahre erfolgten, denn jede Überschwemmung bringt für einzeLae
Stellen, je nach ihrer Lage oder speziellen Beschaffenheit, Wirkungen
hervor, die die Steuerfähigkeit des Bodens beeinträchtigen, sei es, daß sie
αβροχοί oder εμβροχοι oder άμμόχωοτοι ο. ä. werden. In Hamb. 12 wird
ein Stück Land behandelt, das 10 Jahre hindurch als εφ' νδωρ festgestellt
wird. Nun wird hier zwar die απογραφή nur einmal erwähnt, aber für
das laufende Jahr, und so liegt es nahe, anzunehmen, daß im Notfalle
eine Anzeige auch in den früheren Jahren erstattet worden ist. Ebensa
wie hier ein tieferliegendes Gebiet immer wieder angezeigt und immer
wieder (durch die επίσκεψις) als εφ' νδωρ konstatiert wird, so wird das-
selbe auch für die άβροχία von höherliegenden Feldern anzunehmen sein.
Wie die Subskriptionen der erhaltenen άπογραφαί zeigen, wurden sie
beim Strategen und beim königlichen Schreiber einregistriert. Außerdem
1) Vgl. meine Gr. Ostraka I 211 f.; Arch. IV 177. Die entgegenstehende An-
sicht von Ruggiero ist nicht zu halten. Vgl. jetzt auch P. Meyer, P. Hamb. S. 43 A. 1.
2) Vgl, Wilcken, Ostraka I 151 ; P. Meyer, P. Hamb. S. 52. Aber υφαμμος (ver-
sandet) kann nicht synonym sein.
3) Vgl. Arch. V 255, wo ich auf Amh. 85, 15 hinwies: έαν δέ τι, αβροχος γένη-
ται η καΐ ποταμ,οφόρητος η νφαμμ,ος η ■λατεξνομένη γένηται κτλ.
Β. Die römische Zeit. § 2. Die Steuerveranlagung. 205
erhielt der Dorfschreiber ein Duplikat zur εξέταΟίς. Der Dorfschreiber
hatte also die Aufgabe, die Richtigkeit der Angaben zu prüfen, offenbar
an der Hand seines Katasters. Vgl. unten.
Nach unserer jetzigen Auffassung von diesen Einrichtungen müssen
wir sagen, daß sie sich im Grundgedanken wenig unterscheiden von dem,
was Herodot II 109 von Sesostris erzählt. Vgl. Griech. Ostraka I 175
und Arch. Υ 255.
Viel einfacher zu beurteilen sind die Mobiliendeklarationen. Wir
haben solche über Viehbesitz, und zwar über Kamele^) und über Schafe
und Ziegen ^j, andererseits über Schiffe.*) Die Veränderlichkeit des Be-
sitzes erfordert hier, woran die Texte auch keinen Zweifel lassen, alljähr-
liche Wiederholung der Anzeige. Es sind richtige Steuei-professionen,
die an die ordentlichen Steuerbeamten des Gaues, an den Strategen und
an den königlichen Schreiber eingereicht werden.*) Nur Nr. 248 ist an den
Epistrategen adressiert (vgl. den Kommentar). Die Angaben werden in
die Bücher der betreffenden Beamten einregistriert, wie die Deklarationen
zeigen, doch auch hier wird von amtlicher Kontrolle nicht abgesehen:
das deklarierte Vieh wird durch einen liturgischen Beamten nachgezählt
Da von den Subjektsdeklarationon bezeugt ist, daß sie in die βιβλιο-
Ο'ήκη δημοοίων λόγων Aufnahme fanden (s. oben S. 195), so wird man
auch für die Objektsdeklarationen wohl dasselbe annehmen dürfen.
b. Der Kataster.^)
Den oben S. 176 ff. charakterisierten Kataster der Ptoleniäer hal)en die
Kaiser nicht nur für Ägypten übernommen, sondern haben ihn wahr-
scheinlich auch für die Katastrierung anderer Provinzen als Vorbild be-
nutzt.'^) Was oben über den Kataster gesagt wurde, gilt dalier auch für
die Kaiserzeit. Irgendeine prinzipielle Änderung ist nicht zu erkennen.
1) BGU I 51, 62, 8«, 192, 266 (245), 862—366, 867, 868 (246), II 421, 629, III 762,
862, 869; Grenf. II 46, 46a; Lond. II S. 72—76. Vgl. auch Weseoly, Karani• S. 88ff.
2) BGÜ I 183; Hartel, Gr. P. 74; Oxy. I 74, II 246, 246 (247); Amh. 78; Oxy.
VI 962. Vgl. auch üxy. II 244, 297.
8) Grenf. I 49 (248).
4) In der Straßburger Sammlung sah ich unter gr. 178 eine ά)το/9αφι| Aber
Esel (μη ίργαζομ^ο{νς) μι^^οϋ, aW §1ς Idiav XQtiocv) vom Jahre 119/SO, die an die
betreffenden Steuerp9chter {ίξ§ιΙηφότ§ς reip. nachher ηλ{ωψης) tCa(pv^) όψων) gerichtet
iit. Vgl. hierzu OHtrtika I 477.
C) Vgl. hionu im besonderen Lond. II 8. 77/8.
6) Vgl. /.um rOmifchen KatMter Lewald S. 74 ff., der tum erstenmal die Schei-
dung dof Kataiiten von den διαβτρώματα der βίβίαο&ηηη ίγην^β9Φψ klar hingeeiellt
hat. Ein Hauptuntenchied iit der, dafi der Kataater den gesamten Gruiui und Boden
umfafit, den /^ifontlichen wie den privaten, während die ßißUodi^fi ίγητ^9Φ9 nur
den privaten iicliundolt.
7) Vgl. Marquardt, Rom. Staatsverwaltong Π 194 f.
206 Kapitel V. Das Steuerwesen.
Die geometrische Vermessung des Bodens im Kataster erhellt am besten
aus P. Lond. II S. 129 ff. (234). Sehr wertvoU ist auch P. Brux. 1 (236),
in dem, wenn es auch kein Katasterfragment ist, doch der Kataster
mit verarbeitet ist (vgl. meinen Kommentar). Besonders bemerkenswert
ist, daß hier ein Hinweis auf άτίογραφαί sich nur bei Berechnung der
αβροχοξ γη findet, und zwar regelmäßig. Das sind die oben S. 203 f. be-
sprochenen άπογραφαί betreffs άβροχία usw. ^) Ich sehe hierin eine Be-
stätigung für die ebendort ausgesprochene Ansicht, daß außerdem keine
άπογραφαί an die Katasterbehörden gerichtet worden sind.^) Nur über
Veränderungen, die zur Überweisung der Steuerpflicht auf eine andere
Person als den bisherigen Steuerzahler führten (wie z. B. durch Verpach-
tung usw.), scheinen den Katasterbeamten Anzeigen erstattet zu sein,
aber nicht in Form von άπογραφαί, wie die an die βίβλωϋ-ηκη έγκτήοεων
gerichteten. Vgl. BGU II 457 (252), wo solche Anzeigen als έπενεχ%'εΐ6αι
οίκονομίαί bezeichnet werden. Eine Beschwerde an den Epistrategen über
eine unrichtige Katastereintragung ist P. Oxy. III 488.
Wie in der Ptolemäerzeit geben auch jetzt die κωμoγρaμμaτεΐg auf
Verlangen Auskunft aus ihrem Dorfkataster. Vgl. BGU 5 und 11 (238),
BGU 619, auch den Florentiner Papyrus aus Heptakomia (in Kap. VII).
Daß es neben dem Bodenkataster auch einen Gebäudekataster gab,
zeigen BGU 5 und 11 (238), auch Straßb. 31, 16 f. 3)
Der von den γραμματείς μητροπόλεως geführte städtische Kataster
wird bezeugt z. B. durch P. Lips. Inv. 266 (= Archiv V 245) und P.
Giss. 4 ff.*) Auch für die Kaiserzeit gilt, daß wir wahrscheinlich einen
Gaukataster in den Metropolen und einen Zentralkataster in Alexandrien
anzunehmen haben. Der Gaukataster wird auch in der ßLßλLO^"ήκη δημο-
αίων λόγων gelegen haben, wo auch die άπαίτήοίμα lagen.
Wie in der Ptolemäerzeit ist auch jetzt der Kataster evident gehalten
durch jährliche έπίοκέψεος^), d. h. durch Lokalinspektion. Unsere Haupt-
urkunden hierfür sind: Brux. 1 (236); Lond. II S. 129 ff (234); Teb. Π 343;
BGU II 563—566; Oxy. VI 918; BGU IV 1091, 24; Hamb. 12 (235);
Lips. 105 (237); Brem. 73 (239). Wie weit diese jährliche Nachprüfung aus-
gedehnt wurde, ist ein Problem, das noch nicht ganz geklärt ist. Daß der ge-
samte Boden in jedem Jahre nachgemessen und nachgeprüft wäre, ist kaum zu
glauben. Es scheint denn auch, als wenn nur diejenigen Felder der έπίοκε-ψις
1) Vgl. Lewald S. 81, 1; Eger S. 187.
2) Daß die an die βίβλιο^-ητιη έγκτησεων gerichteten generellen άπογραφαί von
der Katasterfrage völlig zu trennen sind, haben Lewald und Eger gezeigt.
3) Vgl. Lewald S. 82.
4) Vgl. Λερϊ 7ραμμ«τείαν πόλεως resp. μητροπόλεως, parallel τνερί κωμογραμ-
ματείαν.
5) Vgl. Wilcken, Gr. Ostraka I 174 ff.; Arch. I 151 f.; Eger 1. c. 186 ff.; Lewald
1. c. 80 ff.; Rostowzew, Kolonat 158, 189; P. Meyer zu Hamb. 12.
Β. Die romische Zeit. § 2. Die Steuerveranlagung. 207
unterworfen wären, bei denen im laufenden Jahre irgendeine Veränderung
cremeldet war, die auch eine Änderung des Steuersatzes (resp. des Pacht-
zinses bei öffentlichem Lande) herbeiführen mußte. So geht aus Lips.
105 (237) hervor, daß der Dorfschreiber doch nur bestimmte Felder zur
Β^ίοκεφις anmeldete (μεταδιδόναι). Wenn ich die Schlußworte dieses
Leipziger Papyrus: rag γάρ λοιπ(άς) εΙς πλήρωοιν των z/r και προς των
— ΰημαν^ειόών νπ αντον βεβρεγμέν{ων) παρειχεν μη μεταδονς (seil, εις
έτΐίόκεφίν^ vgl. Ζ. 23/4) ώ^ όμολόγονς ονόας recht verstehe, so hat hier
der Dorfschreiber diejenigen Felder, die ganz normal von der Nilschwoll.'
bewässert waren, zur επίακει^ις nicht eingereicht, weil es gar nicht in Zwiiioi
gezogen war {6μολόγονς), ob sie βεβρεγμέναι seien *), d. h. mit anderen Worten,
weil für diese die Besitzer resp. Staatspächter keine άπογραφαΐ betreffs
άβροχία eingereicht hatten. Also auf diese άπογραφαι hin, deren Angaben
in bezug auf Umfang, Kulturwert, Besitz usw. der Dorfschreiber zunächst
nach dem Kataster auf ihre Richtigkeit hin zu prtlfen hatte (das wird
die έ^εταΰις sein, s. oben S. 205), wurden die bezeichneten Felder vom
Dorischreiber zur έπίόκεφις eingereicht, damit die Lokaliospektion nun-
mehr die Angabe betreffs der άβροχία resp. des ίφ* ΰ^ωρ ίΐναι usw.
•! prüfe. Wenn es also in Hamb. 12, 11 (235) heißt, daß vom fUnften bis
..cnten Jahre keine επίόκεφις stattfand, so wird eben in diesen Jahren keioe
Anzeige erfolgt sein, daß das Land έφ* νδωρ sei. Zu demselben Ergebnis
führt auch meine Deutung von P. Brux. 1 (236). Daß die ^πίοχεψις sich
aber nicht nur auf diejenigen Veränderungen erstreckte, die durch die
Niischwelle hervorgerufen waren, zeigt z. B. BGU II 563 — 56(», nach denen
iie Ιπί<5κεφις sich mit solchen Feldern beschäftigte, auf denen man Tom
K'-rnerbau zur Palmenpflanzung übergegangen war. Wir wissen ja, daß
dieser Kulturwechsel der staatlichen Kontrolle unterlag und daß auch er
eine Änderung der Besteuerung zur Folge hatte. Und so mag ee noch
manche andere Veranlassungen zur επίααψις gegeben haben. Nach dem
ι : i. ..:,^p^ Material dürfen wir vielleicht sagen: die Episkepsis hatte
in Jahre alle diejenigen Veränderungen, sei es in der
Krtragsfähigkeity sei es in der Kulturart des Bodens, nachprfl-
fend festzustellen, die irgendwelche finanziellen Konseqnenzen
für die Κο^ί^ηιιΐίΓ hatte. Im besonderen diente sie der Evidenthaltunfc
1••Μ Kataet4*rs
Durch Ilaiub. 12 (--l•'» aü - < ι • ! hiii/u^ebrnt, daü diene
K|)if«k«'|)si», wenn auch in• iti lütuitr, »»<> tio* ii οΠ«'Γ, unter iler Leitung
kit!~«r li'lier Proknrntoren, deren Bang bisher nicht genauer zu lu.stimimn
„'••HtiiKi• Duraus ist wohl zu entnehmen, daß die $πί&ΜΛψίς
ue Angaben der άχογραφ9ίί nachprOfen sollte, sondern
1; ληάΛη MitUis in teiaer Ausgabe aad Zolneta, De patroeia. vioonua ß. M.
208 Kapitel V. Das Steuerwesen.
daß auch diejenigen Beamten, die mit der Katasterführung betraut waren,
im besonderen die Dorfschreiber, auf diesem Wege durch die kaiserliche
Regierung kontrolliert werden sollten.^) Hierzu stimmt es, daß auch nach
Lips. 105 (237) nicht der Dorfschreiber es war, der die έτίίβκεψίς ausführte.
Er lieferte nur die Unterlagen. Vgl. auch meine Interpretation von
Brux. 1 (236). Interessante Details über die Durchführung der επιόκε^Ι^ΐξ
bietet der hier zum erstenmal edierte P. Brem. 73 (239). Danach wurden
hierzu ενΰχήμονες aus anderen Gauen erwählt — wohl weil sie nicht
persönlich interessiert waren. ^)
3. Die Steuerberechnung.
Auch für die Kaiserzeit fehlt es an genügendem Material für das
Verständnis der Veranlagungsarbeiten, doch läßt sich immerhin etwas
mehr als für die Ptolemäerzeit erkennen. So ist es von Wert zu wissen,
daß alljährlich der Kaiser seinem Präfekten den aus Ägypten herauszu-
wirtschaftenden Gesamtbetrag vorschrieb, wie man aus den köstlichen
Worten des Tiberius bei Dio Cass. 57, 10, 5^) zum mindesten für seine
Zeit folgern darf. Diese Ordre aus Rom muß den Ausgangspunkt für die
Steuerberechnung des Einzeljahres gebildet haben. Freilich steht diese
Nachricht bis jetzt ganz isoliert.
Die Leitung dieser Arbeiten stand, wie früher beim Dioiketes, so
jetzt beim Präfekten. Wie die Abrechnung und Prüfung der eingegan-
genen Abgaben (vgl. Philo ad Flac. 16), so unterstand ihm auch die Be-
rechnung der im laufenden Jahre zu erhebenden. Vgl. z. B. Edikt des
Jul. Alexander (Dittenberger, Or. Gr. II 669): χωρίς τον κρεΐναί τον επαρ-
χον und sonst.*)
Die έκλογίΰταί als die spezielle Rechnungsbehörde sind auch in die
Kaiserzeit hinübergegangen^), doch können wir einen Obereklogisten in
Alexandrien mit dem Titel έκλογίότής^ wie in der Ptolemäerzeit, bis jetzt
nicht nachweisen. Der im Edikt des Vergilius Capito Z. 35 genannte Ba-
ύιλείδης 6 Καίοαρος άπελενϋ'ερος steht offenbar an dieser SteUe, aber
1) Vgl. P. Meyer, P. Hamb. I S. 49.
2) Yg]. auch P. Brem. 49 (unediert): ^ kTCoXXmvios ατρατηγός ΆτίολΧωνοΛολίτου
^Έπταχωμίας ζΐίδνμ,ωΐτ καϊ "Ηρα'κλείωι ^ έτ^ΰ-αέτίταις τον αντου νο\ιον τοις ^ φιΧτάτοις
χοάρειν. ^ ^ν&εΧκόμενος Λερϊ την εί'βΛρα^ιν τον ^ ΰιτικον y,ccl τα αΧΧα μετέωρα της
ϋτρατη-^γίας ντίερ τον μη γ,αταρτίΰΟ'ηναι νμ&ς έπεΰ-^τάΧη £ . . [ εϋ]οχημονες τα.
Der Papyrus bricht ab.
3) ΛίμιΧίω yovv 'Ρηκτω χρήματα ττοτε αντίο ηΧείω τΰαρά το τεταγμένον έκ
της Αίγνπτον ης ηρχέ τίέμιραντί άντεηέβτείΧεν οτι κείρεβϋ'αί μον τα τΐρόβατα^ αΧΧ' ουκ
αηο^)ρε6%•αι βονΧομαι. Vgl. Gr. Ostraka Ι 497 f.
4) Vgl. namentlich auch Z. 35fiF.: das άττοΧνείν resp. κατακρίνειν betreffs Steuer-
zahlung im Falle von Fiskalschulden entscheidet der Präfekt auf dem alljährlichen
Konvent.
5) Vgl. Gr. Ostraka I 499 ff.
Β. Die römische Zeit. § 2. Die Steuerveranlagung. 209
olme jenen Titel. ^) Über die weitere Entwicklung dieses Amtes, das
also unter Claudius von einem Freigelassenen verwaltet wurde, ist m. W.
nichts bekannt.
Unter diesem Vertreter der römischen Regierung standen nun die
έκλογίόταί der einzelnen Gaue^), die, wie wir jetzt nach Amh. 69, 4 (190)
annehmen müssen, damals in Alexandrien amtierten.^) In den λογίϋτήρια
im Lande müssen also die Unterbeamten der Gau-Eklogisten (γραμματείς^
βοηΰΌί usw.) gesessen haben.*) Diese Gau-Eklogisten werden in Alexan-
drien unter Oberleitung jenes römischen Beamten die Veranlagung für
ihren speziellen Gau ausgearbeitet haben, wie sie auch die Abrechnung
über die eingegangenen Steuern aufzustellen hatten/)
Über die Methoden der Berechnung läßt sich dem Edikt des Jul.
Alexander einiges entnehmen. Danach war vielfach der Schlendrian ein-
gerissen, daß die Beamten nach Vergleichung mit früheren Jahren
(κατά övvo^tv) und nicht nach Maßgabe der Überschwemmung des lau-
fenden Jahres die Staatsforderungen {άπαίτήοεις) berechneten.^) Diese
άνάβααις Νείλου wurde von der Regierung — wie schon seit den Zeiten
der ersten Dynastien — durch die über das ganze Land verteilten Nilo-
meter festgestellt. Wie Strabos Beschreibung des Nilometers von Ele-
phantine durch die neueren Forschungen glänzend bestätigt ist^), so hat
er auch einen klaren Einblick in den Zusammenhang dieser Einrichtung
mit der Steuerberechnung. Vgl. XVII p. 817: ai γάρ μείξονς άναβάόεις
μείζονς χαΐ τάζ προοόόονς ντίαγορενονοιν. Im übrigen bildeten die von
<len Städten und Dörfern eingesandten Akten, die mannigfachen Listen
und Auszüge, die auf Grund des Katasters, der Deklarationen, im beson-
deren auch der Anzeigen der άβροχία usw. und der die Wirkuugen dieser
avaßaaig fe.ststellenden επίακεψις aufgestellt waren (vgl. oben S. 20Gf.), die
Grundlage für die Berechnung. Andrerseits rügt es der Präfekt, daß die
Eklogistcn oft die Steuerforderungen eigenmächtig, ohne Entscheidung des
TV:;r..Lt,.., oilw'.lif^.yi niii ibr»• Tasohon zu füllen.®)
1) Dittenberger, Or. Qr. ü ββδ. Leider ist die entscheidende Stelle hinter
uTit'/.tv^fQov verderbt. Aach wenn Dittcnbergers Vorschlag τα ^| ixaatov richtig ist,
wird man trot/.dem du folgende xal του ίχΧογιατάς mit προς verbinden können.
2) Vgl. Oxy. I 67, 9; QiM. 48 (171).
3) Ich eehu darin ήηο Restätigung meiner Deutung des Edikte des Capito in
Gr. Ostraka I 502, wo i ruierte: ηρός ΒααύΛίόην — %αϊ χονς έιιΧογιβχάς η»μηίτω'
ouvy n&mlich nach AI•
4) Vgl. Ρ. Petemb. 14 a. Neben den Xoytari^Qut der διαίχηύΐς gab ee Ιογιατι]ρίΛ
il«••* proc. ueiacui. Vgl. Amh. 77 (277).
6) In Teb. II 287, 7 (tTtl) echlägt ein Qaa-Eklogiit in teioen Büchern Ober die
Kingängo der letzten 20 Jahre nach.
β) Dittenberger, ür. Or. II βββ, 66 ff.
7) L. Uorchardt, Nilmeeicr und Nilitandimarkon ι Am
8) Z. 62 ff
210 Kapitel V. Das Steuerwesea.
Eine neue römische Einrichtung scheint der Posten des έ^εταΰτης zu
sein, der sowohl die Abrechnungen über die erhobenen als auch die Be-
rechnungen der einzufordernden Steuern nachkontrollierte. Vgl. BGU 1062,
19 (276) und Teb. II 287 (251).
Das Ergebnis der Berechnungen wurde in γνώμονες genannten Tarifen^)
— und zwar besonderen für die einzelnen Steuern — festgelegt. Vgl.
den γνωμών für χειρωνάξίον in Teb. II 287 (251), Stud. Pal. I 70. Nach
dem γνωμών ist der Auszug über gewisse Zölle von Koptos gemacht, der
in Dittenberger, Or. Gr. II 674 vorliegt. 2) Nach BGU IV 1062, 14 (276)
findet die Erhebung der Steuer κατά τε τον της ώνης γνώμονα καΐ την
τον νομον οννήϋ-είαν statt (vgl. Teb. II 287, 5).
Abgesehen von diesen allgemeinen Tarifen wurden für die Praxis der
Erhebung die Einforderungslisten (άτίαιτήοίμαΥ) ausgearbeitet, die
genau für jeden Steuerzahler {κατ' άνδρα) die auf ihn entfallenden
Summen festsetzten. Diese letzten Arbeiten mögen wohl erst im Gau
vollzogen sein. Solche άπαίτήοιμα^ die übrigens ebenso auch für die εκ-
φόρια der Domanialpächter ausgearbeitet wurden, liegen vor in BGU 175,
299, 598, 659, CPR I 33. Ein άτΐαιτήΰίμον für das Ίονδαΐκον τέλεύμα^
in Stud. Pal. I S. 71 (61). Vgl. auch BGU 259, 457 (252). Die letztere
Urkunde ist ein πρ06γραφον, in dem ein Dorfschreiber dem πράκτωρ
eine nachträglich eingetretene Veränderung zu dem άτίαίττ^ουμον mitteilt.
Nach BGU 175 waren solche Listen in der βφλίοϋ'ήκη δημοοίων λόγων
deponiert. Nach BGU 659 wurden sie auch öffentlich ausgehängt. In
BGU 1047 II 9 erteilt ein Dorf schi eiber Auskunft über ein Grundstück
auf Grund des άτιαιτ'ήοιμον της κώμης. Außerdem wurden άπαίτηοίμα
angelegt, in denen die spezifizierten Gesamtbeträge für die einzelnen Dörfer
aufgeführt waren. Vgl. BGU 20; Faj. 208. Vgl. auch GrenfeU-Hunt zu
Fay. 40.
Einen Einblick in die rechnerischen Operationen, durch die die Aus-
rechnung der von dem einzelnen Steuerzahler zu zahlenden Summen aus-
geführt wurde, gibt uns P. Brit. Mus. 372, ediert in Teb. II S. 339.
§ 3. DIE STEUERERHEBUNG/)
Auch die Steuererhebung unterstand der gesetzlichen Reglung durch
den Kaiser resp. seinen Stellvertreter, den praefecus Aegypti. Sicher hat
es auch in der Kaiserzeit eben solche Regulative für die Erhebung der
Steuern gegeben, wie wir sie für die Ptolemäerzeit im Revenue-Papyrus,
Hib. 29 und Par. 62 besitzen (s. oben S. 180). Das einzige kleine Frag-
1) In Ostraka I 347, 2 wies ich auf die Erklärung des Lex. rhet. p. 233, 28 hin,
2) Vgl. auch Lond. II S. 39 und 40; BGU III 733, 5.
3) Vgl. Gr. Ostraka I 511 f. und 619; Rostowzew, Archiv III 203, 213.
4) Wilcken, Gr. Ostraka I 570 ff.
Β. Die römische Zeit. § 3. Die Steuererhebung. 211
ment, das uns aus der Kaiserzeit davon erhalten ist, ist Oxy. I 36 (273),
und dies zeigt formell eine sehr starke Anlehnung an den Tenor der
ptolemäischen Parallelen. Es ist gewiß vieles derart, soweit es möglich
war, herübergenommen worden aus der früheren Zeit. Abgesehen von
diesen grundlegenden Regulativen sind auch durch die Edikte der Kaiser
resp. der Präfekten über einzelne Punkte der Steuererhebung Verfügungen
getroffen worden. Die lehrreichsten Beispiele hierfür sind das Edikt des
Cn. Vergilius Capito vom J. 49 und das des Ti. Julius Alexander vom
J. 68 n. Chr. Μ Ebenso wie diese Edikte^), so sind sicher auch jene all-
gemeinen Regulative publiziert worden, wie wir es oben für die Ptole-
mäerzeit festgestellt haben. ^) In Ägypten hat also, dank der Tüchtigkeit
der vorhergehenden Herrschaft, von Anfang an bestanden, was im römi-
schen Reich im allgemeinen erst von Nero als etwas Neues eingeführt
worden ist, eben die Publizität der Steuergesetze.*) Vielleicht ist auch
hier wieder Ägypten 'das Muster für das übrige Reich geworden.
Waren die Formen der gesetzlichen Regelung im Grunde dieselben ge-
blieben, so haben sich im Beginn der Kaiserzeit hinsichtlich des Modus der
Steuererhebung allmählich wichtige Veränderungen vollzogen. Das schließ-
liche Ergebnis ist eine in weiterem Umfange vorgeschrittene Verdrängung der
Steuerpacht durch die direkte Erhebung durch liturgische Beamte. Wäh-
rend wir für die Ptolemäerzeit die Regie im wesentlichen nur für die Grund-
steuer nachweisen konnten (s. oben S. 180), haben die Urkunden uns für
die Kaiserzeit gelehrt, daß die Pacht sich in der Hauptsache nur für die
„indirekten" Steuern erhalten hat, wie im besonderen die ZöUe und die
Verkehrssteuem, während die „direkten" Steuern, wie die Vermögens-
steuern, die Einkommensteuern, die Zwangsbeiträge, zum großen Teil — nicht
durchweg — die gewerblichen Lizenzsteuern, dem direkten System unter-
worfen wurden. Vgl. meine Tabellen in den Griech. Ostraka I 575 flf.
tlber die Motive und die historische Entwicklung, die zu diesem Ergebnis
führten, können zurzeit nur Hypothesen aufgestellt werden. Rostowzew
will, wenn ich ihn recht verstehe, den Anlaß zu der Veränderung vor
allem in dem Pächtermangel sehen, den er für den Ausgang der Ptole-
mäerzi'it annimmt, und der für das I. Jiihrh. n. Chr. uns mehrfach bezeugt
wird. So habe man neben der Steuerpacht etwas anderes schaffen müssen.
1; Dittenberger, Or. Gr. II ββ6 und 069.
2) Cber den Modus der Publikation siehe su Nr. 12. Vgl. auch BGU 840, 84.
3) Stellen wie Teh. II 2K7, 10 (2Γ>1) setsen s. B. die Bekanntechaft des Publi-
kaniH mit den γνώμονίς der einzelnen Steuern Toraos. Oxy. 86 (278) ist an »ich noch
kein direkter Beleg fflr die Publizität. Aber lie ist Λτ mich unEweifelhaft. Die
Publikation eines Zolltarifit auf Befehl des Prilfekten Mettius Hufus bietet die In-
lohrift von KoptoN bei Dittenberger« Or. Or. II 674 (vgl. Inscr. gr. ud r. Korn. I 11Θ.Η).
4) Vgl. Tacitus unnal. 18, 60: ergo edixit princeps, ut leges cuius<iue puMioi,
occultac ad id teinpus, proscriberentur, und dasu Griech. (Jstraka I 674.
14•
2] 2 Kapitel V. Das Steuerwesen.
Er malt sich den Hergang so aus, daß „in der letzten Zeit der Ptolemäer
die Funktionen des Oikonomos teilweise oder ganz an die mit ähnlichen
Befugnissen schon früher ausgestatteten Praktoren übergehen, diese als
Pachtgesellschaften oder -koUegien organisiert werden und als Ersatz für
die fehlenden Pächter eintreten".^) Ich habe mich von der Richtigkeit
dieser Ansicht nicht überzeugen können. Abgesehen davon, daß der
Pächtermangel vom Ausgang der Ptolemäerzeit lediglich vermutet ist —
vielleicht mit Recht, aber wir haben keine Nachrichten — , so scheint
mir vor allem dies gegen Rostowzew zu sprechen, daß in den Fällen aus
dem I. Jahrh. n. Chr., in denen Pächtermangel bezeugt ist, die Regie-
rung gar nicht daran denkt, die Pacht aufzuheben und die Prak-
torie einzuführen, wiewohl diese damals schon bestand, sondern vielmehr
die Zwangspacht durchführt oder aber so vernünftig ist, statt dessen die
Pachtbedinguügen zu erleichtern (Oxy. I 44 [275]). Der Zwangspächter
ist aber genau so gut ein τελώνης wie der freiwillige Pächter, und es
führt von ihm ebensowenig eine Brücke zum Praktor wie von jenem.
Pächter und Praktoren stehen denn auch als etwas völlig Verschiedenes
nebeneinander.
Ich glaube, wir werden gut tun, die Entstehung der Praktorie im
Zusammenhang mit der Entstehung der liturgischen Amter der Kaiser-
zeit überhaupt zu betrachten, über die im YIIL Kapitel gehandelt werden
soll. Andrerseits möchte ich, wie ich schon in den Griech. Ostraka I 573
vorschlug, diesen ägyptischen Systemwechsel in der Steuererhebung nicht
isolieren, sondern im Zusammenhang mit den Vorgängen im Reich zu
verstehen suchen. Es ist doch ein sehr bemerkenswertes ZusammentreJffen,
daß der oben charakterisierte System Wechsel, den ich 1. c. aus den Ur-
kunden feststellen konnte, im wesentlichen — mutatis mutandis — über-
einstimmt mit dem, was Mommsen (R. Staatsr. IP 1017) aus Tacitus und
den Inschriften für das gesamte Reich herausgeholt hat: „Die Hebung
selbst wird in der frühesten Epoche des Prinzipats noch wie
unter der Republik durch die Generalpächtergesellschaften be-
schafft; aber schon in der zweiten Hälfte der Regierung des
Tiberius hat deren Vermittelung so gut wie aufgehört. Mehr
und mehr scheint sie in die Hände der Gemeinden selbst übergegangen,
zum Teil auch von Leuten aus dem kaiserlichen Gesinde wenn nicht ge-
radezu beschafft, so doch in den einzelnen Gemeinden beaufsichtigt worden
zu sein. Bei den übrigen Steuern, der alten Abgabe von den
Freilassungen, der von den Auktionen, der wichtigen Erb-
schaftssteuer, den sämtlichen Zöllen (portoria) wurde die mittel-
bare Hebung und die öffentliche Lizitation bei der Erbschafts-
1) Wochenschr. f. klass. Phil. 1. c. 122. Vgl. Staatspacht 464 ff.
Β. Die römische Zeit. § 3. Die Steuererhebung. 213
Steuer nachweislich bis auf Traianus, bei den Zöllen auch
später noch beibehalten" usw. Vgl. namentlich auch S. 1017 A. 1.^)
Schon in den Ostraka I 585 konnte ich darauf hinweisen, daß unter
Augustus die (liturgischen) Praktoren noch nicht bezeugt sind, und daß
der Systemwechsel sich nach den Urkunden vielleicht gerade für den
Ausgang des Tiberius annehmen ließ (S. 586). Den letzteren Punht kann
ich heute sicherer behaupten, als es mir mit dem damaligen Material
möglieh war. Das noch unpublizierte Ostrakon Cairo 9577 bezeugt, daß
die staatliche Badsteiier (το βαλανικόν)^ die zu den von Augustus neu
eingeführten Steuern zu gehören scheint, für die wir bisher eine Verpach-
tung überhaupt nicht nachweisen konnten^), im ersten Jahre des Tiberius
noch verpachtet gewesen ist^), und ein unpubliziertes Leidener Ostrakon*)
bestätigt diese Auskunft. Andrerseits konnte ich einem anderen un-
publizierten Leidener Ostrakon entnehmen, daß im 15. Jahre des Tiberius
dieselbe Badsteuer (βαλανήον) von einem πράκτωρ erhoben wurde (F 1901/1,
271 in 77 G). Wenn auch das letztere Stück nach Hermonthis und die
beiden anderen nach Theben gehören, wird man mit Wahrscheinlichkeit aus
diesem Tatbestand schließen können, daß für das βαλανιχόν der System-
wechsel zwischen dem 1. und 15. Jahre des Tiberius eingetreten ist, wenn
auch lokale Unterschiede nicht ganz ausgeschlossen sind. Sicher ist nach
den Urkunden, daß nicht etwa gleichzeitig für alle in Betracht kommenden
Steuern die Praktorie eingeführt ist. So bleibt z. B. für die Schweine-
steuer (x'txr/), für die wir inzwischen zugelernt haben, daß sie später von
Praktoren erhoben wurde (vgl. Oxy. IV 733 vom J. 147, Teb. II 353 [269]),
doch bestehen, daß sie in Theben im 19. Jahre des Tiberius noch ver-
pachtet war (Ostr. II n. 1031), also 4 Jahre nachdem (in Hermonthis)
die Badsteuer schon den Praktoren übergeben war. Aber nach Obigem
dürfen wir sagen, daß unter Tiberius die Wandlung begonnen hat, und
darin sehe ich die Berechtigung, das ägyptische Problem mit den Nach-
1) Zustimmend auch 0. Hirscbfeld, KV 467. Vgl. such Marquardt, Staatsver-
waltuDK II S. 312 ff.
2) Kostowzew, Staaiepacht 466, war geneigt, dies zu yerallgemeinem nnd an-
zune}iincn, daß die direkte Erhebung durch Praktoren bei den neuen Steuern sueitt
ein^cfilhrt worden sei, wobei er besonders an die Laographie dachte.
8) Den Text la» ich folgendermaßen: * kanläg τιλώνης βαλανιδιών) *Π»ηχνούβί
llattovg. 'Κχω {mh(f * βαλα(νί%οΰ) {β(/αχμάς) f>' <"! —ο••• ^ 'Γ•'ίρ(»/«ί• HVitfapo^ 2>|9οτ•
βτοΟ *ΧοΙαχ ί» (16. De«. 14).
4) Ρ 1901/1, 166 in 77 D. Hier heißen (ΐι«> hriuM)t>r Ααχίβί χαί Λ$0^ώτης τρίώ-
(vat) βαΧα(νίΐιοϋ). Die Sabtkripiion lautet: "Εγραί^^^α) Πηίμ9ψΑη9 χίΧ(Ανης\ alto ein
Hoziuii. H'ui quittieren gleichfall• Aber ti Drachmen für xbp Φ^(ον) (Ifove) β. Nach
diesen ncuon Texten wird man das ßa hinter dem Erhebemamen in Ostraka Π
η. 136M, i;)70 (aus Angntius* Zeit) nicht mehr ßaluvtvg auflösen (Ostr. I 166, 68A).
8ie sind jedenfalls tiUtrm. Dasselbe gilt wahncheinlioh von Ostr. II n. 1S68 (rem
6. Jahre des Tiberius).
214 Kapitel V. Das Steuerwesen.
richten über das Reich zu verknüpfen. Nun hat im Reich nach Momm-
sens Darlegung die Tendenz bestanden, die Steuererhebung auf die Ge-
meinden abzuwälzen — natürlich um diesen die Haftung für die Steuern
zuzuschieben. Das ließ sich direkt auf Ägypten nicht übertragen, weil
es hier an entsprechenden Kommunen — abgesehen von den bekannten
wenigen Ausnahmen — gefehlt hat. Aber die Schaffung der liturgischen
Beamtenschaft ist jener Tendenz entgegenkommen, insofern, wie wir in
Kap. VIII sehen werden, für diese die gesamte Einwohnerschaft der Ge-
meinde die Bürgschaft übernahm. Das konnte man den Gemeinden zu-
muten, weil es sich um Personen handelte, die sie selbst vorgeschlagen,
hatten. Vgl. vorläufig BGU 235, 13, wo es bei der Einreichung von Li-
turgen heißt: γνώμτ] καΐ κίνδνν[^ω1^ν (1. κίνδννω) των άτίο της κώμης των
καΐ ενγνομε[νο\νς (1. έγγνωμένων). So war auf diesem Umwege erreicht,
daß der Gesamt-jrdpog der Gemeindebewohner (der ol άπο . .) dem Staate
für die Eintreibung der den Praktoren überwiesenen Steuern bürgte, wäh-
rend für den τελώνης nur die von ihm präsentierten Bürgen eintraten.
Andrerseits ist daran zu erinnern, daß, wie im VII. Kapitel im Anschluß
an Rostowzews Forschungen darzulegen sein wird, die Beförderung der
Bildung von Grundbesitz in der Kaiserzeit gerade auch auf den Wunsch
zurückzuführen ist, eine mit ihrem Grundbesitz haftende Bevölkerung zu
haben, aus der Liturgen genommen werden konnten. Septimius Severus
hat dann eine noch straffere Heranziehung der Gemeinden ermöglicht,
indem er den Städten eine βονλή gab (vgl. S. 41 f.). Damit wurden die
Erhebungsarbeiten z. T. auf den Rat abgewälzt, und die Haftung im be-
sonderen den reichen Ratsfamilien zugeschoben.^) Den Abschluß brachte
dann das IV. Jahrhundert mit der Munizipalordnung (vgl. S. 76 ff.), wodurch
es nun auch in Ägypten ermöglicht war, die Steuererhebung ganz den Ge-
meinden zu übertragen. Das alte Pacbtsystem aber ist neben der direkten
Erhebung nur für die indirekten Steuern bestehen geblieben, d. h. für
diejenigen, für die eine genaue vorherige Berechnung der auf die Kontri-
buenten entfallenden Summe nicht möglich war. — Auch diese meine
Auffassung ist nur eine Hypothese, die ich zur weiteren Prüfung vorlege.
1. Die direkte Erhebung.
Die Oberaufsicht über die Erhebung der gesamten Steuern innerhalb
des Gaues stand dem Strategen zu, der mit seinem Vermögen haftete.^)
Besonders deutlich wird diese Seite seiner Aufgaben hervorgehoben in
der als Nr. 35 abgedruckten Eingabe des Strategen des Koptites, wonach,
der Stratege jeden Monat sich die Praktoren kommen läßt und mit ihnen
1) Vgl. Gr. Ostraka I 431, 628 f.
2) Vgl. Oxy. IV 708, wonach er im besonderen für die Reinheit des nach
Alexandrien gesandten Getreides haftete: τονς — βίτολόγονς τιρα^ον τω οώ γ,υνδννφ.
Β, Die römische Zeit. § 3. Die Steuererhebung. 215
eine διάκριοίς abhält (Z. 19 ff.). Dasselbe bezeugt das Tagebuch des
Strategen in Par. 69 (41). Irrig war meine aus den υποκείμενα ετΰίότρα-
τήγω^ βαβιλικω γραμματεΐ, χωμογραμματεΐ usw. gezogene Schlußfolgerung,
daß die Erhebung der unter diesen Rubriken genannten Steuern speziell
diesen Beamten zur Kontrolle unterstellt gewesen wäre.^) Wie schon
oben S. 37 erwähnt wurde, hat Victor Martin gezeigt, daß hiermit viel-
mehr auf Emolumente dieser Beamten hingewiesen wird.^) Dagegen bleibt
bestehen, daß gewisse Steuern dem Nomarchen unterstellt waren. Man
spricht daher von νομαρχικά άόχολήματα.^) Nach Teb. Π 289 (271)
sind auch die Toparchen bei der Steuererhebung verwendet. Als eine
neue KontroUbehörde, die die Ptolemäerzeit nicht gekannt hat, treten
jetzt die „Aufpasser", die επιτηρηται\ auf, die sowohl die Organe der
direkten wie der indirekten Erhebung zu kontrollieren hatten, aber auch
selbst in die Erhebung der ihnen überwiesenen Steuern mit eingriffen
und auch selbst erhoben.*) Bei der Steuerpacht treten sie an die
Stelle der ptolemäischen αντιγραφείς , die jetzt verschwunden sind.')
Ebenso haben aber auch die neugeschaffenen Praktoren ihre Epitereten
bekommen. Wir finden dieselbe Kontrollbehörde auch in anderen Ge-
bieten, wie der Patrimonialverwaltung (Fay. 23; BGU 619: επίτήρηόις
ονόίαχής μΐο^ώοεωξ). Aus letzterem Text hatte ich schon in Ostraka I 600
erschlossen, daß auch die Epitereten liturgische Beamte gewesen seien.
Das wird jetzt voU bestätigt durch BGU IV 1062 (276). Und das war
die Hauptsache: sie mußten dem Staat mit ihrem Vermögen haften.
Das Hauptpersonal der direkten Erhebung stellten nunmehr die Prak-
toren dar, die dem Namen nach zu schließen, offenbar an die Praktoren
der Ptolemäerzeit anschlössen, aber doch zu einer völlig neuen Behörde
ausgebildet waren. Nicht nur durch die Liturgie sind sie von jenen ge-
schieden, sondern auch dadurch, daß sie die regulären Erheber der Steuern
selbst sind, während die ptolemäischen Praktoren nur für Rückstande
eingetreten waren. Die Texte unterscheiden die πράκτορες όιτιχώρ fUr
die Naturalsteuern und die πράκτορες άργνρικών für die Geldeteuem.
Vgl. BGU IV 1046 (265). Die Zahlung der Naturalsteuern, im beson-
deren der Qrundsteueni in natuni, vollzog sich jetzt im allgemeinen in
1) Gr. Ostraka I 696 tf. 8) L'epistrat^^ dan• ΙΚ'κ.νι ι <•ι i: >>,
8) Vgl. die Machweite in den Qr. Oitraka I 697. Auch Vurttn wini hierüber
bandeln.
i) Gr. Ottraka I 699 f.
&) Vgl. lloMtowMw, WocheiiMhr. 1. o. IIS; StMUpaoht 4M. Mit den gleich-
fall• verschwundenen Oikonon<eo find lie def wagen nicht au Tergleichen, weil diese
doch nicht nur den einzelnen Steuern voxgetetil waren. Die Oikonomen lind sach-
lich eher durch die Strategen jetit ewtit worden, wie Itostowsew an anderer Stelle
(SUatspacht S. 461) mit R^ht sagt BeMnders klar tritt dies in Otj. 44 («7ft)
hervor.
216 Kapitel V. Das Steuerwesen.
denselben Formen wie in der Ptolemäerzeit (s. oben S. 181).^) Auch jetzt
brachten die Kontribuenten ihre gesamte Ernte zunächst auf die Tonne
des Dorfes, und hier leiteten dann eben die πράκτορες ύιτυκών die Aus-
scheidung der Steuern, wobei sie sich auf die άπαηήοίμα stützten.^) Das
τΐρόογραφον BGU 457 (252) zeigt, daß sie nicht etwa nur Rückstände
eintrieben.^) Für letztere Geschäfte kommen im besonderen die άπαιτψαί
in Betracht.*) Von der Dorftenne wurden die Steuern dann durch die
Praktoren'') in den ^'Ύΐοανρόξ gebracht, wo die οιτολόγου sie gegen Quit-
tung^) in Empfang nahmen. S. oben S. 181. Über den weiteren Trans-
port vgl. Kap. X. Der Geschäftsgang ist also im wesentlichen derselbe
wie in der Ptolemäerzeit, neu ist nur die Abf orderung des Getreides durch
die πράκτορες resp. άπαίτηταί. Andrerseits wurden die Geldsteuern durch
die Praktoren von den Kontribuenten erhoben^) und an die Regierungs-
kasse abgeliefert. Jeden Monat mußten die Praktoren dem Strategen be-
richten über das, was für die einzelnen Steuern bei ihnen eingezahlt war.
Vgl. z.B. BGU 25 (270), 41, 42, 199R, II 392, 639, 652, 653 usw.«)
Von der Einsendung von Berichten der Praktoren nach Alexandrien han-
delt Lips. 121 (173). Zum Einsenden der Akten {βιβλία) zum Einregi-
strieren (καταχωρίξείν) vgl. auch Lond. II S. 118/9 (263).
Daß die Praktoren mit ihrem πόρος hafteten, versteht sich nach
dem oben Gesagten von selbst. Es wird ausdrücklich bezeugt durch Teb
II 288 (266); vgl. auch Lond. II S. 160/1 (267). Da in der Regel meh-
rere Praktoren für eine und dieselbe Steuer der Gemeinde eingesetzt
wurden, so haben sie sich gelegentlich ihre Geschäfte vertragsmäßig unter-
einander verteilt. Hierfür ist sehr lehrreich Teb. II 39 (im 11. Bande),
eine dtßt^f^tg-Urkunde von vier πράκτορες λαογραφίας κώμης Τεβτννεως.
Andrerseits kam es vor, daß Praktoren sich einen Vikar bestellten, indem
sie eine andere Person zur Geschäftsführung bevollmächtigten.^) VgL
Lond. II S. 118/9 (263), auch Fay. 35 (264). Die Ausübung ihres Pfän-
dungsrechtes tritt uns in BGU II 515 (268) entgegen. ^^) Von Übergriffen
1) Vgl. Rostowzew, Arch. III 212 ff.; Pauly-Wiss. VII 161 ff.
2) Quittungen der ηρά-Λτορες οιτιν,ών an die Kontribuenten sind z. B. BGU 223^
II 414; Lond. II S. 101, 102.
3) Rückstände liegen z. B. vor in Teb. II 336, 578.
4) Vgl. Gr. Ostraka I 609 f.
5) Vgl. z.B. BGÜ II 414, 3 f., wo zu ergänzen ist: riv καί. \}ΐετρή6ομ,ε\ν εις τσ
δημόΰίον. Hier liegt adaeratio vor.
6) Beispiele solcher Quittungen im Arch. I S. 8. Gegen die Auffassung von
Preisigke (Girowesen) wendet sich mit Recht Rostowzew, Kolonat S. 404.
7) Zu den Praktoren- Quittungen vgl. z. B. Arch. I 8 f. Dazu kamen weitere Bei-
spiele in den späteren Publikationen (vgl. die neue Ausgabe des General-Registers)
und zahlreiche andere auf Ostraka. Über die ^ί.^yρo:1/)εv-Formel vgl. Arch. I 140 f.
Ein Beispiel für viele sei Teb. II 353 (269).
8) Vgl. Gr. Ostraka I 622. 9) Gr. Ostraka I 606. 10) Gr. Ostraka I 620.
ι
Β. Die römische Zeit. § 3. Die Steuererhebung. 217
der Praktoren handeln die Eingaben Oxy. II 284, 285. Für die Stellung
der Praktoren ist von Interesse ihre Charakterisierung als έ:ηχώρίοι πράκ-
τορες im Gegensatz zu den Römern und Alexandrinern des Gaues in
BGÜ m 747 (35).
Aber auch abgesehen von diesen besonderen Erhebungsbeamten sind
einzelne Behörden zur Steuererhebung herangezogen worden. Das gilt
einmal von den πρεσβύτεροι της κώμης ^ den liturgischen Vertretern der
Dorfgemeinde.^) Besonders deutlich tritt dies in Lond. II S. 117/S (272)
hervor. Andrerseits hat man den Priesterschaften z. T. die Erhebung
von Tempelsteuern überlassen.^) Außerdem ist ihnen z. B. die Erhebung
der gewerblichen Lizenzsteuern für diejenigen Handwerker, die für ihre
Tempel arbeiteten, übertragen worden.^)
Daß die Einführung der βονλή im J. 202 auch in der Steuererhebung
Wandlungen gebracht hat, wurde schon oben S. 214 betont. Wie weit
diese Neuerung gewirkt hat, ist bisher noch nicht eingehend untersucht
worden. Einstweilen sehen wir nur gewisse Einzelerscheinungen, die ΛνΐΓ
als Symptome der wahrscheinlich sehr bedeutenden Veränderungen zu
betrachten haben. So hören wir einmal, daß der Rat von jetzt an die
Nomarchen, über deren Bedeutung in der Steuerhebung oben S. 215 ge-
sprochen wurde, erwählte und dementsprechend für diese Nomarchen
haftete.*) Doch noch durchgreifender muß ein anderes Faktum gewirkt
haben, die Einführung der όεχάπροιτοί. Kürzlich sind zwar δεχάπρωτοί
in einem Papyrus erschienen, den der Editor ins Jahr 197/8 (mit Frage-
zeichen) gesetzt hat (Lond. III S. 62 ff.). Nach allem, was wir sonst über
die δεχάπρωτοί im römischen Reiche wissen, können wir diese Datierung
mit Sicherheit zurückweisen: die δεκάπρωτον setzen eine βονλή voraus.
Darum ist das 0. Jahr der Urkunde auf Severus Alexander (226/7) zu
beziehen. Strittig ist die Frage, ob die δεχάπρωτοί^ wie die decemprimi,
Buleuten sein mußten.*) Die Frage wird vielfach im negativen Sinne für
entschieden erachtet durch Fay. 85, wo erst drei Buleuten und dann ein
γνμ{ναϋ(αρχος) als Dekaproten aufgezählt werden. Wenn man auf die
Genauigkeit in der Wiedergabe der Titel in solchen Quittungen rechnen
könnti*, wäre die Sache damit allerdings erledigt. Aber Parallelurkimden
zeigen, mit welcher Sorglosigkeit die Titel bebandelt wurden. Ich drucke
1) Gr. Oütraka I 618 ff. 2) Gr. Ottraka I 016 f
8) So nach Otto, Priester und Tempel I »04ϋ., fflr detten AofraMong auch
V. Martin eintritt. Damit ziehe ich meine Deutung von BGU 887 asw. (Ottraka
I ßiü; zurack. VkI. Kap. VI.
4) Vgl. B(}t' I 8 und daxu Oiitraka I β«6.
h) Dafür nach Wnddington Wilckon, Ottraka I 620 f.; 0. Set^;.. :... 1 llTff.
Dagc^'en nach Mcnudier Hrandii, Pauly-Wittowa IV 2418( Chapot, La province
llonmino proconeul. (rAei<• 1U04, 27- " ■ igke, 8tÄdt. Beami• 8 *M i» ...-.»
Statitiipncht H. 417.
218 Kapitel V. Das Steuerwesen.
als Beleg BGU II 579 (279) ab, wo nach meiner Revision ein Dekaprot
sich in der Subskription als βουλεοττίς bezeichnet, der im Kopfstück gar-
nicht so genannt wird. Hiernach halte ich es nicht für unmöglich, daß in
Fay. 85 das βονλενταί an die falsche Stelle geraten ist. Ja, die Annahme
wird um so wahrscheinlicher, wenn man sieht, wie in Flor. 7 von demselben
Kollegium der Heräs sich in der Subskription einfach als γυμνασίαρχος
bezeichnet, während er nach Fay. 85 schon ein Jahr vorher Buleut war! Die
Dekaproten wurden vom Rat der Staatsregierung für die Zwecke der
Steuererhebung präsentiert^), und der Rat übernahm daher für sie die
Haftung. Das Amt war ein liturgisches, und zwar gehörte es zu den
munera patrimonii, da der Beamte mit seinem eigenen Vermögen für die
ihm übertragenen Steuern einstand. Dies geht im besonderen aus Oxy.
I 62 (278) hervor. Die Steuerhebung im Gau wurde jetzt in der Weise
reguliert, daß immer zwei Dekaproten je eine Toparchie als Erhebungs-
distrikt erhielten.^) Da es in manchen Gauen mehr als fünf Toparchien
gab, so muß es auch trotz des Namens tatsächlich mehr als zehn Deka-
proten gegeben haben. Es erklärt sich diese Diskrepanz dadurch, daß
die Toparchieeinteilung schon bestand, als die neue Behörde mit dem
schon feststehenden Titel aus dem Reich eingeführt wurde. Trotz der
Einführung der οεκάτνρωτοι funktionierte der ganze alte Erhebungsapparat
weiter, die Praktoren, Epitereten, auch die Pächter usw. Das Verhältnis
dieser zu den Dekaproten bedarf noch weiterer Aufhellung. Wenn die
Dekaproten auch vom Rat gestellt wurden, waren sie doch Staatsbeamte,
die mit dem Strategen, der auch jetzt das Haupt der Steuerverwaltung
blieb, direkt verkehrten. Vgl. BGU 7, wonach sie dem Strategen über
die dem Fiskus verschuldeten Pächter Bericht erstatteten. Auch bezüg-
lich der Rolle, die im allgemeinen jetzt der Rat in der Steuerverwaltung
gespielt hat, bedürfen wir noch dringend der Aufklärung. Einen eigen-
artigen Bericht des Prytanen an den Strategen enthält Oxy. VI 890 (280).
2. Die Steuerpacht. ^)
Über die Einschränkung des Pachtsystems ist schon oben S. 211 ff. ge-
sprochen. Für die Kaiserzeit liegt uns für die Steuerpacht bisher ein
sehr viel geringeres Material vor als für die Ptolemäer. Auf den kleinen
Fetzen eines νόμος τελωνι%όξ in Oxy. 36 (27B) wurde schon hingewiesen.
Für den Modus der Verpachtung ist der lehrreichste Text Oxy. 44 (275).
Dagegen fällt Grenf. II 41 nach meinen Ausführungen im Arch. V 281 ff. als
1) Preisigke, Stadt. Beamt. 23 f.
2) Vgl. die Monatsberichte und Quittungen der Dekaproten: BGU II 552—557,
579 (279); III 743, 744, 1089, 1090; Flor. 7, 26; Lips. 83; Fay. 85; Lond. III S. 52;
Tab. II 368.
3) Gr. Ostraka I 587 ff.; Rostowzew, Staatspacht.
C. Die byzantinische Zeit. § 1. Die Steuern. 219
Beispiel eines Steuerpachtangebotes jetzt fort. Von der Bürgenstellung für
einen Steuerpächter, für die ich in den Ostraka I 590 noch keinen Beleg
bringen konnte, handelt jetzt Teb. II 329. Daß die Kontrolle der Steuer-
pächter statt vom άντιγραφεύζ vom επιτηρητής ausgeübt wurde, wurde
gleichfalls schon gesagt. Amh. 77 (277) freilich zeigt uns, daß gelegent-
lich diese έπιτηρηταύ selbst sich grober Veruntreuungen schuldig machten.^)
In die Tätigkeit der Steuerpächter gewinnen wir durch die zahlreichen
Steuerquittungen auf Papyri^) und Ostraka einen Einblick.
C. DIE BYZANTINISCHE ZEIT.
Zur Literatur vgl. oben S. 66. Besonders hervorzuheben sind hier: 0. Seeck,
Die Entstehung des Indiktionenzyklus (Deutsch. Z. f Geschichtswiss. XII 1894, 279 flf.).
Derselbe, Die Schatzungsordnung Diokletians (Z. f. Sozial- u. Wirtschaftsgesch. 1895,
275 flf.). Vgl. außerdem seine einschlägigen Artikel bei Pauly-Wissowa wie Capitatio,
Delegatio u. a. M. Geizer, Studien 1. c. und Arch. V 346 f.
Die Erforschung der neuen Steuerordnung in ihrer Entwicklung
von Diokletian bis zu den Arabern ist ein schwieriges und in vielen
Punkten noch der Aufklärung bedürftiges Problem. Nur ungern setze
ich die folgende dürftige Skizze hierher, aber Etwas ist immerhin mehr
als Nichts, und vielleicht ist sie dem Anfänger für das Einarbeiten in
diesen spröden Stoff nützlich. Ich werde namentlich solche Punkte her-
vorheben, zu deren Klärung die Papyri bereits herangezogen worden
sind. Eine erschöpfende Verwertung der byzantinischen Papyri steht noch
aus. Ich setze im folgenden voraus, was ich oben S. 66 f. in den „All-
gemeinen historischen Grundzügen" über diese Periode vorgetragen habe.
Im besonderen wird man sich bei jeder Frage zu vergegenwärtigen haben,
daß in dieser langen Periode von etwa iV.V Jahrhunderten Λvie die gesamte
Ordnung Ägyptens, so im besonderen auch die für die Steuerverwaltung
maßgebenden Elemente sehr wesentliche Wandlungen durchgemacht haben.
Als besonders markante Erscheinungen hebe ich aus den obigen Dar-
legungen hervor die Einführung der Munizipalordnung zu Beginn des
IV. Jahrhunderts (S. 77ff.), das Aufgeben der Pagusordnung im Anfang
des V. Jahrhunderts (S. 83 j, das Hervortreten der Pagarchen, die Eximie-
rqng der autoprakten Grundherren und der autoprakten Dörfer und die
Zurückdrängung der Kurien vom V.Jahrhundert an (S. 83f.) — Erschei-
nungen, die z. T. durch die wirtschaftlichen Wandlungen, anter denen die
Entwicklung der großen (irundherrschafteu und die Vollendung des Eolo-
nates obenan stehen, begründet sind. Neben diesen innerlichen Momenten
sind die beständigen Wandlungen in der Organisation der Teüprovinzen
1; Von den Übergriffen von τίΧώναι handelt BGU 840.
S) Zu den im Arch. 1 0 aufges&hlten f5ge ich noch hintu Ozy. IV 788; Teb. II 367.
220 Kapitel Υ. Das Steuerwesen.
(vgl. S. 71 f.) von Einfluß auf die äußeren Formen der Stererverwaltung^
gewesen. Zur Interpretation jedes einzelnen Papyrus sind alle diese Mo-
mente zu berücksichtigen.
§ 1. DIE STEUERN.!)
Die neue auf eine Steigerung der Einnahmen abzielende Steuerord-
nung, die Diokletian im Reich einführte und die von seinen Nachfolgern
weiter ausgebildet wurde, tritt uns in den Papyri äußerlich zunächst in
der völlig veränderten Terminologie entgegen. Wir suchen in den Texten
dieser Zeit vergeblich nach der άρταβιεία und dem έπαρονρίον^ nach dem
χειρωνάζιον^ nach der λαογραφία usw. Abgesehen von der εμβολής die
wie ihren Namen, so auch ihren Inhalt bewahrt hat — freilich mit der
Änderung, daß sie bald nach Konstantinopel statt nach Rom abgeführt
wurde (Kap. IX) — , haben die Steuern wohl meist neue Namen bekommen,,
sind aber auch ihrem Wesen nach z. T. umgestaltet worden.
Die Grrundsteuer wird nicht mehr als eine Besteuerung des Ernte-
ertrages, sondern als eine solche des Grund und Bodens selbst aufgefaßt.
Zu ihrer Einführung hatte Diokletian den Boden des Reiches in gleich-
wertige Steuerstufen einteilen lassen, die — in den verschiedenen Pro-
vinzen verschieden benannt, als iuga, capita, millenae, centuriae usw. —
mit dem gleichen Steuersatz belegt wurden. Für die iuga Syriens hat
uns das syrisch-römische Rechtsbuch ^) den Aufschluß gegeben, daß hier
5 iugera Weinland = 20 iugera Saatland erster Klasse = 40 iugera Saat-
land zweiter Klasse = 60 iugera Saatland dritter Klasse = 225 Oliven-
stämmen erster Klasse = 450 Olivenstämmeu zweiter Klasse galten.^)
Für Ägypten ist durch Cod. Theod. VII 6, 3 (a. 377) die Einteilung in
terrena iuga bezeugt. Danach wird die Grundsteuer hier iugatio genannt
worden sein. Weder für iugum noch für iugatio haben die Papyri bisher,
soweit ich sehe, eine griechische Transkription oder Übersetzung gebracht.
Seeck hat zwar in dem von Wessely, Neue griechische Zauberpapyri
(Wien, Denk. XLIl) S. 9 Anm. 2 mitgeteilten Pap. Rainer 1579, 5 das
Wort Ιον{γων) in eine Lücke eingefügt, aber es ist mir sehr zweifelhaft,,
ob das richtig ist.^) Diese iugatio wurde überall nur von den possessores
{%τΎΐτορεξ) des ländlichen Grundbesitzes erhoben. Einen Bericht von Sito-
logen über Grundsteuerzahlungen von κτΎΐτορες aus Theadelphia (a. 312)
enthält P. Straßb. 45. Er scheidet zwischen den Städtern (Λολΐται) und
1) Vgl. auch Marquardt, Rom. Staatsverw. II ^ 224 ff.
2) Bruns-Sachau, Syr.-röm. Rechtsbuch aus dem V. Jahrh. 1880 § 121.
3) Hierdurch wurde Savignys Annahme von idealen Steuerhufen widerlegt.
Vgl. Marquardt 1. c. Seeck, Schatzungsordnung 1. c. 276 ff.
4) Wessely: ^χομεν — vtceq τρίτης Ινδίν.{τίωνος) γ,ανόνος zca . . άχνρον λίτρας κτλ.
Seeck (Entsteh, d. Indikt. 290, und danach bei Pauly-Wissowa III 1519) vermutet κοτ
ιονγ{ων).
C. Die byzantinische Zeit. § 1. Die Steuern. 221
den Dörflern (κωμηταί). Als Zuschlag zur Grundsteuer wurde auch jetzt die
annona aufgefaßt (zu dieser vgl. Kap. IX). Die Frage, wie diese von den
anderen Provinzen her bekannten Gruudzüge auf Ägypten angewendet
worden sind, bedarf dringend einer eingehenden Untersuchung.
Die Gewerbesteuer^) — chrysargyrum , coUatio lustralis o. ä. ge-
nannt — wurde jetzt den zu Korporationen zwangsweise zusammenge-
schlossenen Zünften auferlegt, die die Repartiening unter die Mitglieder
vorzunehmen hatten. Diese in Geld zu zahlende Steuer wurde in 4 — öjäh-
rigen Zwischem-äumen, nach Seecks Darlegungen im Anschluß an die
Feier des Regierungsantritts der Kaiser und ihrer quinquennalia usw., aus-
geschrieben.-) Von dieser Steuer handelt Lips. 64, 29 ff. (281) unter dem
Namen ro πραγμ,ατεντικον χρνοάργυρον.
Während die Grundsteuer auf den prossessores des ländlichen Grund-
besitzes und die Gewerbesteuer auf den Korporationen der in die matricula
negotiatorum Eingetragenen lastete, traf die capitatio humana (oder pleheia)
die niedere ländliche Bevölkerung. Nach Seecks Annahme ist die Capitatio
in Ägypten nie eingeführt worden, weil in der oben zitierten Stelle im
Cod. Theod. VII, 6, 3 nur von den iuga, und nicht auch den capita Ägyp-
tens gesprochen wird, doch läßt er die Frage oÖen, ob nicht au ihrer
Stelle eine andere Art der Kopfsteuer in Ägypten bestanden habe, und
erklärt BGU 21 II 3, wo eine Repartition auf 125.J ανόρίς vorliegt, dahin,
daß hier, wo es sich um kommunale Dorfubgaben handle, nach capita
gerechnet werde (nach dem Satze 1 Mann = 2 Frauen). Vgl. die
Schatzungsordnung S. 295.^)
Jene Worte im Cod. Theod. besagen vielliMchi nur, daß in Ägypten
die Lieferung der vestes auf den iuga lastete, ohne daß die Existenz
von capita damit ausgeschlossen wäre. Doch bleibe das dahingestellt.
Jedenfalls glaube auch ich, daß die frühere λαογραφία durch irgend
eine andere Kopfsteuer ersetzt worden ist. Wir haben soeben aus
Lood. IV gelernt, daß in arabischer Zeit die Kopfsteuer u. a. als διά-
γραφον bezeichnet wurde (vgl. unten). Nun gfibt es in P. Klein, Form,
eine ganze Reihe von όιάγραφον- oder (ϊι«}^ρ«φίί- Quittungen, die Wessely
ins VI. oder VI./VII. J. gesetzt hat (vgl. 647, 050 tf.). Schon Bell, Lond. IV
S. 169 hat die Identität der byzantinischen und der arabischen Steuer er-
kannt. Damit ist dann aber auch die byzantinische Kopfsteuer erwiesen.
Die Quittung R Klein. Form. 369, in der νπϊρ xfai^r.^ Λ-ηοιΙ) gezahlt
wird, ist leider zu fragmentarisch.
Wir besitzen nun einige sehr instruktive Texte, in denen die Steuern,
1) Vgl. Marquardt 1. c. 28ß fi. Seeck, Pauly-Wiisown
t) Pauly-WiMHowa 1. c. 871 f.
8) Qelaier, Studien 8. 68 Anm. 1 Mist „Steuereinheit« . • iij.ita < in. Die
Frage bedarf noch weiterer Kl&rung. Vgl. die Bemerkungeu »u Uoodep. 18 (iM).
222 Kapitel V. Das Steuerwesen.
die Personen oder auch Gemeinden zu zahlen haben, nach ihrer Verwen-
dung, resp. nach den Ressorts, an die sie abgeführt wurden, zusammen-
gefaßt und charakterisier 0 sind. So scheidet P. Oxy. 126 (180) vom J. 572
bezüglich eines im Privatbesitz befindlichen Grundstückes die gesamte
Steuerlast in die έμβολη (für Konstantinopel) und die χρνοίκά, und letztere
wiederum in die κανονίκά^)^ d. h. die an das Ressort der Largitionalia ab-
zuführenden Steuern^), und die άρκαρικά^ d. h. die für die arca des prae-
fectus praetorio bestimmten Steuern (annona).^) Vgl. oben S. 161 ff. Noch
wertvoller sind die detaillierten Jahresrechnungen, die wir in Cair. Cat.
67057 für die Stadt Antaiopolis und in Cair. Cat. 67054, 67056, 67058
für das Dorf Aphrodito besitzen. Zu ersteren vgl. Geizer, Arch. V 346 ff.,
zu letzteren meine Bemerkungen ebendort S. 446 f. Die Stadtrechnung,
deren enge Beziehungen zum XIII. Edikt Justinians Geizer nachgewiesen
hat, unterscheidet 1) die εμβολή (61674 Artaben), 2) die annona (über
6072 Solidi), 3) die κανονικά (über 3707 Solidi). Zu diesen regulären
Ausgaben kommen 4) die für οννήΰ-είοα^ d. h. für die „üblichen Ge-
schenke" an Beamte und Soldaten (vgl. Geizer S. 353 ff.)*), endlich 5) die
für die τίαγαρχία. Dieselben Arten finden sich auch in den Dorfrechnungen
von Aphrodito, nur daß sie hier nicht so übersichtlich gruppiert sind.
Bemerkenswert ist aber, daß in 67054 die ύννή^-ειαι ausdrücklich zu den
extraordinaria gezählt werden: γνώόΐξ των ^^,τρ[α\ορ\βι\ναρ{ίων) καΐ έτε-
ρ(ων) βΙνΙνηΟΊον.
Andere Texte dieser Kairener Edition enthalten Hinweise auf die
Kommunalsteuern, die hier als άοτικά (für Antaiopolis) oder κωμητικά
(für Aphrodito) bezeichnet werden. Vgl. die Steuerquittungen Cair. Cat.
67045—047 und den Brief 67060 (297) und dazu Geizer, Arch. V 362£
§ 2. DIE STEUERVERANLAGUNG.
Schon für die römische Periode haben wir oben S. 208 aus dem Bon-
mot des Tiberius bei Dio 57, 10, 5 den Schluß gezogen, daß der Kaiser
dem Statthalter die aus Ägypten herauszu wirtschaftende Summe vorschrieb.
Irgendwelche genaueren Angaben liegen aber für jene Periode nicht vor,
so daß wir auch nicht wissen, ob dieser Modus immer eingehalten worden
ist. Gelegentlich war eine besondere „Ansage" — indictio — . erfolgt, wenn
außerordentliche Zuschläge erhoben werden sollten.^) Von Diokletian an
bildete die jährliche „Ansage" der regulären Steuern, im besonderen der
1) Weitere Belege z. B. bei Wessely, Klein. Form. S. 262.
2) Über die einzelnen Steuern, die an die Kasse des comes sacrarum largitiouum
gingen, vgl. Seeck, Pauly-Wissowa IV 671 if.
3) Vgl. in Oxy. I 71 II 6 vom J. 303: αανονικονς δη λέγω φόρους καΙ ΰτρατιω-
τι-ΛΟίς ενϋ-ενίας (letzteres = annona).
4) Vgl. Cair. Cat. 67040 (283).
5) Vgl. Seeck, Pauly-Wissowa HE 1515.
ι
C. Die byzantinische Zeit. § 2. Die Steuerveranlagung. 223
Grundsteuern nebst annona, den Ausgangspunkt der gesamten Veran-
lagungsarbeiten. Bekanntlich sind 15 solcher Indiktionsjahre zu einem
Zyklus zusammengefügt worden. Bis vor kurzem wurde auf das Zeugnis
des Chronicon Paschale hin allgemein angenommen, daß Konstantin diesen
Zyklus im Jahre 312 eingeführt habe. Seeck ist jedoch in seiner Schrift
über die Entstehung des Indiktionszyklus zu dem Schluß gekommen, daß
schon vorher ein Zyklus bestanden haben müsse, der also im J. 297 von
Diokletian eingeführt sei. ^) Diese Ansicht, die sich schon dadurch empfahl,
daß dem Diokletian gerade für 297, nach der Eroberung Alexandriens,
grundlegende Neuerungen zugeschrieben werden (Eutrop. 9, 23), ist nach-
träglich glänzend durch die Papyrus bestätigt worden, die uns wirk-
lich schon vor 312 Indiktionsjahre nennen. Vgl. den P. Cairo 10520 (in-
zwischen ediert in P. LiUe I S. 108) und dazu meine Ausführungen im
Arch. II 135 f. Ferner hat Seeck selbst seine These durch den Hinweis
auf die Erwähnung der Indiktionen in P. Lips. 84 (vom J. 303) über
allen Zweifel erhoben.^) Vgl. auch seine Bemerkung zu P. Straßb. 9 im
Arch. V 256, wonach dieser Text wahrscheinlich ins Jahr 307 gehört. Ist
das richtig, so zeigt er, daß man in Ägypten schon von vornherein ge-
legentlich diese Indiktionsjahre zur Datierung verwendet hat. Über den
Indiktionenzyklus als Datierungsmittel vgl. die Einleitung § 7. Eben-
dort auch über den Anfang des Indiktionsjahres, der in Ägypten nicht
wie sonst im Reich auf den 1. September, sondern mit wechselndem Datum
in den Sommer fiel.
Seeck hat weiter 1. c. die These aufgestellt, daß der 15 jährige Zyklus durch
Zusammenlegung von 3 fünfjährigen Zensusperioden entstanden sei, indem
er Zeugnisse dafür vorlegt, daß mehrfach auch für die 6. und 11. Indik-
tion Zensusarbeiten nachzuweisen seien. Diese auf alle Fälle sehr an-
regende These bedarf noch weiterer Prüfung. Die unten besprochenen
Zensuseingaben von 298 und 303 würden hiermit gut zu vereinigen sein,
dagegen macht die an den Zensitor gerichtete Subjektsdeklaration von 310
Schwierigkeiten. Hier ist bei der Dürftigkeit des Materials z. Z. noch
vieles dunkel. Der Grundgedanke, daß bei der Konstituierung des
15jährigeii Zyklus das alte Lustrum eine Rolle gespielt habe, ist, zumal
die Regierung auch schon vorher in der Verwaltung gern mit der
operierte'), an eich so wahrscheinlich, daß wir gar nicht nötig
1 Ist die Notiz de• Chronicou Patcbale vielleicht dahin zu ventehen, daß das
Jahr '{12 der Anfang der Coniianiiniechen Indiktion sei? Jedenfall• iei eaohlioh
nicht« gegen seine Worte einzuwenden, wenn man dae Κωνύταψπνιαψών betont.
2) Khein Mu«. eS, 492.
8) Außer der ecbon oft berrorgebobenen xipra»xia im Kdikt de• Jul. Alexander
(I)itt. 0. O. Π 669, 49) Tgl. jetzt auch die im Kdikt de• Mettiu« Kufus (Oxy. II 2S7
Vlil 41). Man könnte auch auf die tinooatxia für die HacberreTision in Teb. II 287, 7
(261) binweieen.
224 Kapitel V. Das Steuerwesen.
haben, mit Seeck außerdem eine Umbildung des 14jährigen Zyklus der
κατ' olxCav άττογραφαί zu mutmaßen.^) Ich halte diese letztere Hypothese
für unannehmbar.^)
In jedem Jahre setzte also der Kaiser den Steuerbetrag, im beson-
deren für die Embole und die Annona, für das ganze Reich fest und be-
auftragte (delegare) die praefecti praetorio mit der Erhebung. Diese
kaiserliche Steuerausschreibung hieß danach delegatio.^) In den Papyri
wird das teils mit ή dsCa δηληγατίων'^) wiedergegeben (vgl. BGU lY 836,
Cair. Cat. 67054, 13), teils mit ή dsia δίατνπωαίς.^) Nun begann das Ge-
schäft der Repartition, das die verschiedensten Instanzen durchlief, bis
die Steuersumme des einzelnen Steuerzahlers berechnet war. Zunächst
repartierten die praefecti praetorio die kaiserliche Delegation auf die Pro-
vinzen und beauftragten die Statthalter mit der weiteren Durchführung.
Das sind die μερικαΐ διατντίώΰεΐζ der Nov. Just. 128, 1, auch delegationes
schlechthin genannt. Vgl. Lips. 64, 10 (281), wo ausdrücklich gesagt ist,
daß die delegatio von den praefecti praetorio ausgegangen ist.^) Diese
delegatio kann natürlich nicht als %•εία (d. h. kaiserliche) bezeichnet werden.
Wenn in BGU III 836, 3 rfig κατατίεμφϋ'είοης %'είας δηληγατίονος gesagt
ist, so liegt hier die Vorstellung vor, daß die kaiserliche Delegation es
ist, die durch die vermittelnden Instanzen herabgeleitet wird. Der Statt-
halter repartierte nun den auf seine Provinz entfallenden Teil auf die
einzelnen civitates (πόλεις), d. h. auf die Kurien, deren Aufgabe es war,
nun die weiteren Repartierungen vorzunehmen. Auch diese Anweisung des
Statthalters heißt delegatio, resp. δίατντΐωοις. In diesem Sinne steht letz-
teres Wort in Lips. 63, 5, wo von der durch den früheren praeses"^) ge-
machten διατνυΐωοις die Rede ist. So sind auch in Ägypten, nach Ein-
führung der Munizipalordnung (zwischen 307 — 310), die Steuern auf die
<iivitates gelegt worden, denen nun die weitere Repartierung oblag. Die
Kurien aber hafteten jetzt für den Eingang der Summen. So wird in den
Urkunden auch mehrfach hervorgehoben, daß die Steuern gezahlt werden
1) Seeck stimmt zu Wessely, Stud, Pal. I 33.
2) Hier sei nur darauf hingewiesen, daß gegen den Zusammenhang der beiden
Einrichtungen allein schon die Tatsache spricht, daß die Indiktion 297 begann, wäh-
rend die κατ' οίν,ίαν άτΐογραφή, wenn sie noch bestanden hätte, ins Jahr 299 ge-
fallen wäre.
3) Vgl. Seeck, Pauly-Wissowa IV 2431.
4) Vgl. Suidas s. v. δτιληγατίων: %ατά "^Ρωμαίους ή έκταγη τον ατοηομτΐείον ν,αϊ
Ύ] άννονών μετα'Λομίδή.
5) In Deutsch Lit. Ζ. 1901, 2398 schlug ich vor, in Fay. Ostr. 23 (a. 29S) aus
Είολνονϋ'είας δί(α) Τντρωαεωξ vielmehr d-siccg διατντΐώαεωζ abzulösen. Fraglich ist nur,
was vorhergeht. Vielleicht εΙς λόγον?
6) Der Plural, der auch sonst üblich ist, weist darauf hin, daß die beiden Prä-
fekten in partibus Orientis zusammengefaßt werden.
7) Vgl. Arch. IV 227.
C. Die byzantinische Zeit. § 3. Die Steuerveranlagung. 225
νπερ της πολιτείας. Vgl. ζ. Β. Flor. 96, Lips. 62 (188) usw. Hierauf
wurden die vom Lande (kvogCa) zu zahlenden Steuern auf die pagi repar-
tiert, und hier waren es dann die praepositi pagorum, die die weitere
Repartierung auf die einzelnen Dörfer übernahmen.^) In den Dörfern
selbst endlich fand dann die Repartierung auf die einzelnen Kontribuenten
durch die Dorfoehörden statt, so wie es in der Stadt die städtischen Be-
hörden taten. Von der Repartierung {μερίζειν) in Dörfern handelt z. B.
BGU 21 (vgl. oben S. 221), Goodsp. 12 (253). Auch die Dorfbehörden
waren verantwortlich.^) Nach diesem System waren es also die Städte
und Dörfer, die die Steuern zahlten. So haben wir denn auch Quittungen,
die der „Dorfgemeinde" {pl από κώμης) ausgestellt sind. Vgl. Cair. Cat.
67033 ff. (282).
Bei dieser Skizze sind vorwiegend die Verhältnisse des IV. Jahrh.
zugrunde gelegt. Vom V. Jahrh. an sind, wie oben erwähnt wurde, wesent-
liche Änderungen in Ägypten eingetreten, die auch auf diese Repartitions-
arbeiten von Einfluß sein mußten, so vor aUem das Hervortreten der Pa-
garchen und das allmähliche Zurücktreten der Kurien. S. oben S. 83.
Es erübrigt noch zu untersuchen, welche Hilfsmittel die Behörden
hatten, um die Repartierung auf die einzelnen Kontribuenten vorzunehmen.
Auch in dieser Periode finden wir das System der Selbstdeklarationen
vertreten, aber gerade in den uns erhaltenen άπογραφαί tritt uns der
große Unterschied gegenüber der vorhergehenden Periode besonders deut-
lich entgegen. Im übrigen kennen wir bisher derartige άπογραφαί nur
aus der Übergangszeit vor Konstantin. Es sind daher einstweilen nur
Einzelheiten, die sich feststellen lassen.
a. Subjektsdeklarationen.
Es liegt bisher eine einzige Subjektsdeklaration vor, in F. Straßb. 42
(210) vom J. 310, aus Theadelphia im Faijüm. Sie ist völlig anders geartet
als die früheren κατ οίκίαν άπογραφαί^ deren letztes erhaltenes Beispiel den
Zensus von 2bT/S betrifft. Diese sind wahrscheinlich von Diokletian im
Zusammenhang mit seiner neuen Zensusordnung abgeschafft worden. Wie
diese Subjektedeklaration, die an einen Zensitor gerichtet ist, sich zu dem
Diokletianischen Zensus verhält, ist z. Z. völlig dunkel. Sie ist 2 Jahre
vor dem Beginn eines neuen Indiktionszyklue (312) eingereicht, und fallt,
wenn man mit Seeek fünfjährige Zensusperioden annimmt (s. oben S. 223),
mitten in eine solche hinein (307 — 312). So können wir einetweileo, hie
weiteres Material vorliegt, nur die Verschiedenheiten dieses Unicnm gegen-
über den früheren Subjektserklärongen konitatiereu. Besondeni hervoi^
gehoben sei, daß nur männliche Personen aofgezählt werden — der Dekl»-
1) Vffl. Oelzer, Studien 8. 60 f. S) Vgl. Oelier, Aroh. V 876.
226 Kapitel V. Das Steuerwesen.
rant mit Sohn, Brüdern und Verwandten — , und daß jeder als νΛοτελής
bezeichnet wird, auch ein Zwölfjähriger, wie auch zum Schluß diese υπο-
τελείς zusammenaddiert werden. Diese festzustellen ist also offenbar der
Hauptzweck dieser άπογραφαι. Wahrscheinlich ist der Deklarant der
Hausvorstand, der die bei ihm wohnenden Verwandten anzeigt. Aus den
Worten μηδενός μου οννοικοϋντος εκ τΐολλον χρόνον darf wohl ge-
schlossen werden, daß eine derartige απογραφή seit längerer Zeit nicht
eingefordert war. Neu ist ferner, daß die Eingabe an einen Zensitor
gerichtet ist. Diese Behörde ist erst durch die Diokletianische Reform
für Ägypten eingeführt worden (s. unten).
b. Grundstücks-Deklarationen.^)
Etwas reicher ist unser Material für die Grundstücks-Deklarationen.
Mir ist z. Z. Folgendes bekannt:
1. Vom Jahre 298: Flor. 32 (228), eine απογραφή an den Zensitor
Julius Alexander, auf Befehl der Kaiser. Die Paginazahl „175" zeigt, daß
die beiden Texte aus einem größeren οννκολλήΰψον stammen, daß also
wohl eine allgemeine Deklarationspflicht bestanden hat.
2. Vom Jahre 303: P. Mel. Nicole S. 187 ff. (229), Reste von mehreren
«Λοτ^ραφαί,', die an die άναμετρηταύ der betreffenden Toparchie gerichtet
sind. Außer dem Befehl der Kaiser wird auch eine Verordnung des κα-
ϋΌλίκος (Οναλεριος ΕννεΙος) erwähnt.
3. Wahrscheinlich aus demselben Jahre 303 stammt ein unedierter
P. Rylands (früher im Besitz des Lord Crawford), der, wie Hunt mir mit-
teilte, eine απογραφή ist wie Flor. 32. Dieser ist nicht an die άναμε-
τρψαί^ sondern an den censitor Septimius Sabinus gerichtet. Vgl. Gren-
fell-Hunts Einleitung zu Amh. 83.
Auf denselben Zensus dieses Sabinus bezieht sich die Beschwerde
Amh. 83 (230), die, an den Präfekten Claudius Culcianus gerichtet, zwischen
303 und 306 (vgl. Oxy. VIE 1104) faUen muß. Die Urkunde erwähnt
(ebenso wie auch der P. Rylands) die iuratores, die von den Zensierten
den Eid abzunehmen hatten.^)
Endlich wird dieser selbe Zensus des Sabinus auch noch in zwei
späteren Urkunden erwähnt, in BGÜ IV 1049 vom J. 342 und BGU ΙΠ
917 vom J. 348. Vgl. hierzu meine Bemerkungen im Arch. Ύ 265.
Zunächst ist zu konstatieren, daß die genannten άπογραφαι ein völliges
Novum gegenüber der römischen Periode darstellen. Diese kannte über-
haupt keine an die Steuerbehörden eingereichten Grundstücksdeklarationen,
abgesehen von jenen Anzeigen der άβροχία^ έμβροχία usw., die mit unseren
1) Vgl. Wilcken, Arch. V 265. H. Lewald 1. c. 14. Eger 1. c. 207.
2) Vgl. Mommsen, Staatsr. IP S. 349.
C. Die byzantinische Zeit. § 2. Die Steuerveranlagung. 227
Texten nichts zu schaffen haben. Vgl. S. 203. Diese byzantinischen απΌ-
γραφαί geben an, wieviel Grundbesitz {ιδίωτιγ,η) der Deklarant hat, wo
er liegt, und was für Land es ist (έόπαρμειτη). Außerdem wird auch an-
gegeben, wieviel der Deklarant von der kaiserlichen Domäne (βαΰιλίχή)
übernommen hat. Da es sich in den vorliegenden Fällen um kleine Par-
zellen der βαύίλική handelt, die in demselben Rayon (κοίτη) wie die vor-
hergenannte Ιδιωτίχη liegen, so vermute ich, daß es sich hier überall um
επιβολκί handelt, die durch Zwangserbpacht den proximi possessores zu-
geschlagen sind.^) So wird man in den Deklarationen von 303 (229)
das avsxrriöd'aL auf die ίδυωτιχή und das <f><y<%Xiyx£Vat] xal παρείΧη-
φίναι auf die βαοίλική zu beziehen haben.
Daß derartige Grundstücks-Deklarationen an die Zensusbeamten ein-
gereicht werden, ist also etwas völlig Neues. ^) Wir sehen darin die Wir-
kimgen der neuen von Diokletian geschaffenen Zensusordnung. Das neue
auf den iuga und capita beruhende Steuersystem (s. oben S. 220) verlangte
eine Neuvermessung des Reiches, wie das Lydus de mag. 1, 4 kurz und
klar ausgesprochen hat: άνεμετρήοατο την ί}πεί,ρον καΐ τοΐς φόροις έβά-
ρννεν. Nach Seecks Vermutung (s. oben) sind nun nicht nur alle 15 Jahre,
sondern alle 5 Jahre Zensusrevisionen vorgenommen worden. Die obigen
άπογραφαί von 298 und 303 sind geeignet, diese These zu stützen, wenn
man nur annimmt, was auch durch andere Belege bei Seeck wahrschein-
lich ist, daß die Zensusarbeiten erst in dem Jahr nach dem Zensusjahr zu
Ende geführt wurden. Daß Flor. 32 sich auf den Zensus von 297, also
auf das überhaupt erste Indiktionsjahr bezieht, ist selbstverständlich. Den
Zensus des Sabinus aber, der in Texten vom Jahre 303 an erwähnt wird,
werden wir hiernach auf das Zensusjahr 302 zu beziehen haben, also das
erste Jahr des zweiten Quinquenniums dieser ersten Indiktionsperiode.
Die oben hervorgehobene Inkongruenz der Subjekts-Deklaration von 310,
die dadurch an Bedeutung gewinnt, daß auch sie an einen Zensitor ge-
richtet ist, wird dadurch zu erklären sein, daß diese Deklaration eben mit
der άναμέτρηόίς nichts zu tun hat. Ihre tiefere Bedeutung bedarf noch
der Aufklärung.
Verlockend ist es, als weitere Stütze für Seecks Annahme auch P. Cair.
Preisigke Η (240) heranzuziehen, einen Bericht über άναμέτρΐ](5ΐζ^ der
nach Seeck Η Datierung in 322 zu setzen ist und so mit dem Anfang eines
neuen Lustrum im J. 322') in Beziehung gesetzt werden könnte. Vgl.
dagegen aber die Bedenken in der Einleitung /u dieser Nummer.
1) Vgl. Roatowzew, Kolonat 106 und Kap. Vll.
2) Auf di«• Einführunif dieser Deklarationen kann <1 \ t/> ι . i i. i ,,/,,Κ.,^ x?j
//χη^'ββων keinen KinHiiu ausgeübt haben, da diese in «in• m l,i!p/i;^< r ruj>\riis uun
dem J. »07 noch tatig erscheint Vgl. Bd. II Nr. 1»β.
8) Diese Lustrcn beginnen immer »"•♦ Ί'•" Ϊ'Ίιγ.μι «Uc eine S «»«l-t τ »n -l-r «Iritun
Stelle haben.
228 Kapitel V. Das Steuerwesen.
Auch die Censitores mit ihren Juratores sind für Ägypten eine völlig
neue Erscheinung. In P. Straßb. 42 (210) steht ein Zensitor an der Spitze
der Heptanomia, d. h. der Provinz Herculia. Zumal sein Amt nicht
ständig ist, sondern er eben nur zum Zensus in die Provinz geschickt
wird^) (vgl. Straßb. 42, 6: τω χαταττεμφΟ^ενη ϋηνοίτορι) , ist der Zensitor
von 310 in bezug auf Seecks These besonders bemerkenswert. Die ava-
μετρηταύ werden unter dem Zensitor stehen. P. Rylands zusammengehalten
mit P. Mel. Nicole machen es wahrscheinlich, daß immer gleichlautende
άπογραφαύ an den Zensitor der Provinz und an die speziellen άναμετρηταί
der betreffenden Landschaft eingereicht wurden.
Über den Kataster der byzantinischen Zeit und seine Evidenthaltung
haben die Papyri bisher noch keine Aufklärungen gebracht. Von jähr-
lichen έπιοχέ'φεΐξ ist mir aus dieser Zeit nichts bekannt, wie das Wort
έττίοκεψίς aus der Amtssprache zu schwinden scheint. Vielleicht hielt
man sie jetzt nicht für nötig, weil alle fünf Jahre eine Revision stattfand.
Aber wie dabei die jährlichen Wirkungen der Nilschwelle Berücksichtigung
fanden, ist noch nicht klar. Außerordentliche Inspektionen, die gelegent-
lich zum Zweck der Steuererleichterung die Steuerzahler (Provinz oder
Stadt) erbaten, wurden von den peraequatores (έ^ίύωταί) resp. den inspec-
tores (έτΐόπταί) ausgeführt.^) Von den letzteren hat Geizer eine Spur ent-
deckt in Cair. Cat. 67057 I 21, wo die Stadt Antaiopolis für εποψία zu
zahlen hat, d. h. für Honorar für den επόπτης.^)
§ 3. DIE STEUERERHEBUNG.
Auch nach der Teilung Ägyptens in Provinzen blieb dem praefectus
Aegypti, dem späteren Augustalis, wie überhaupt für die Steuerverwal-
tuug, so auch im besonderen für die Erhebung die oberste Kontrolle, bis
auch die Teilprovinzen Augustales erhielten. Aber das Erhebungsgeschäft
selbst wurde den praesides der Teilprovinzen zugewiesen.*) Hiervon ab-
gesehen, scheint unter Diokletian die Steuererhebung keine wesentlichen
Veränderungen erfahren zu haben. Wie wir oben S. 76 darlegten, fällt
die Beseitigung der alten Gauordnung zwischen 307, wo zum letztenmal
in unserem jetzigen Material eine Toparchie erwähnt wird (Grenf II, 78, 2)
und 310, wo zum erstenmal die pagi erscheinen (Straßb. 42 [*-210]). Bis
dahin wird auch der Stratege nach wie vor das Haupt der Steuererhebung
im Gau geblieben sein, und der Rat wird in derselben Weise wie seit
202 auf diesem Gebiet tätig gewesen sein. So finden wir denn auch die
1) Vgl. Seeck, Schatzungsordnung S. 320 f.
2) Vgl. Seeck, Schatzungsordnung S. 323 fif. 3) Geizer, Arch. V 353.
4) Cod. Just. I 37, 1 (an den Augustalis, a 386): Omnia tributa per Aegyptiacam
dioecesim cura et Providentia claritatis tuae a moderatoribus provinciarum exigi
iubemus.
C. Die byzantinische Zeit. § 3. Die Steuererhebung. 229
Dekaproten noch im J. 289 (Amb.137,24), 298 (Fay. Ostr. 23), 303 (Lips.
84 II 2 iisw ), 303—05 (Amh. 83, 4 [240]). Erst nach Einführung der
Munizipalordnung (zwischen 307 — 310) wurde die Steuererhebung von
den praesides den civitates übertragen, d. h. den Kurien. Der Chef der
Steuererhebung innerhalb der civitas (d. h. des alten Nomos) war der
Exakt ο r, auf den schon oben S. 77 als den Nachfolger des Strategen
für die Erhebung hingewiesen wurde. Dieser exactor civitatis^), wie er
im Arch. III 341 heißt, ein Amt, um das sogar der Kurialpräsident sich
bewirbt (Loud. II S. 273 [44]), war offenbar der höchste Beamte auf
diesem Gebiet innerhalb der civitas. Dieser Londoner Text lehrt uns zu-
gleich, daß damals, Mitte des IV. Jahrb., diese exactores vom Kaiser er-
nannt wurden. Seeck, der 1. c. 1544 dies richtig beobachtet hat, hat
weiter die* Ansicht aufgestellt, daß gegen Ende des IV. Jahrh. statt des
einen mehrere Exaktoren in einer civitas gewesen seien, die daher von
niedrigerem Range als jener Einzige nunmehr von der Kurie gewählt
seien (Cod. Theod. XII 6, 20 vom J. 386). Ich glaube, daß er recht
hat, wenn auch seine Belege (Lips. 62 und 98) anders zu deuten sind.
Hierin schließe ich mich vielmehr Geizer an, der 1. c. 53 zeigt, daß es
sich hier um niedere, unter dem νποδίκτης stehende exactores handelt, die
eher den πράκτορες zu vergleichen sind. Trotzdem spricht für Seecks
Annahme, abgesehen von dem, was er für außerägyptische Gebiete anführt,
die Tatsache, daß die Ernennung durch den Kaiser durch die Wahl der
Kurie ersetzt worden ist. Auch wenden sich in einem Leipziger Ineditum
vom Ende des IV. Jahrh. zwei Exaktoren von Apollinopolis Parva direkt
an den Präses, was für jenes untergeordnete Erhebungspersonal kaum
passen würde. ^) Es scheint also gegen Ende des IV. Jahrh. gelegentlich
mehr als ein Exaktor an der Spitze der Erhebung gestanden zu haben (von
der Kurie erwählt). Dagegen halte ich Seecks Ansicht, daß die Exaktoren
nur für die Rückstände (der Geld.steuern) dagewesen seien, für irrig.
In der Tat hat der Exaktor vielfach — auch in noch unpublizierten
Leipziger Papyri — mit Rückständen zu schaffen, aber allein schon
Lips. 64, 9 ff. (281) zeigt, daß ihm auch die Eintreibung der Steuern
der gegenwärtigen Indiktion zustand. Seecks Interpretation dieser Ur-
kunde 1. c. 1543 ist nicht zutreffend. Vielmehr nehme ich mit Gelser an,
daß der Exaktor überhaupt die Leitung der Erhebung in einer ciTitas
hatt«•. Dafür kann jetzt auch auf den in der Einleitung zu Nr. 43 teil•
1) Zam Kxaktor vgl. Seeck, Paalj-Wiisowa VI 1648 fr. und Gelter, Stadien 60 ff.
'J IIii;riiarh ist zu flberlegen, ob nicht auch in BGU IV 1087 (Schreiben das
priiftifM an ^iüntoQtg und ^goiSifOi) an ein ^ItMch/.oitiget Nebeneinander von Exakteren
zu dcnkrn iet, Mtatt der bei Qelzer 8iud. 68 von mir vorKe-chlugencn Deutung. DaC
hier an die hohen neanit«'n dieeei Titel• zu denken ist, zoiKt ihre Nennung vor den
nQOtd{tot. Sollte <ler IMural itQoiSgoig ein durch den vorhergehenden Plural vemr-
aachter Scbrcibfuhler dieser Kopie »ein?
230 Kapitel V. Das Steuerwesen.
weise mitgeteilten Leipziger Papyrus hingewiesen werden^ wonach der
Exaktor dem Phylarchen Befehl gab, Vorschläge für νποδέκται, zu machen.
Aus dieser hohen und allgemeinen Stellung erklärt sich auch, daß er nie-
mals als exactor einer einzelnen Steuer bezeichnet wird.
Dagegen werden diese ντίοδεκταί, deren Unterordnung unter den
Exaktor dieser Leipziger Text klar bezeugt, regelmäßig als Erheber einer
bestimmten Steuer bezeichnet.^) Vgl. z.B. den νποδεκτης χρνοοϋ ηρώνων
in Lips. 62 (188). In der Regel erheben diese νποδεκται Geld (daher
χρνονποδέκταί), doch ist dies wohl nicht so ausnahmslos, wie Geizer an-
nimmt. Wenigstens aus späterer Zeit liegen in P. Klein. Form, mehrere
Texte vor, die von einem Αεόνηος νποδέκτης Έρμου πόλεως handeln,
der durch einen οίτομέτρης vertreten wird und Getreide erhebt. Vgl. den
Index S. 283.
Aber im allgemeinen bleibt die von Geizer aufgestellte Regel be-
stehen, daß die Erhebung der Naturalien den έπιμεληταί (procuratores)
zustand.^) Das waren Kurialen, denen die Erhebung als munus patrimonii
auferlegt war. Vgl. für die Zugehörigkeit zur Kurie Lond. III S. 128 f.
Als Erhebungsbeamte begegnen uns ferner noch die άπαιτηταί und
noch mehrere geringere Chargen, die namentlich als ünterpersonal des
νποδεκτης aufzufassen sind, wie die oben besprochenen (geringeren) exac-
tores, die πράκτορες u. a. Vgl. Geizer 1. c.
AUe diese verschiedenen Beamten unterstehen dem exactor civitatis,
der sich zur Steuererhebung auf dem Lande im besonderen der ihm unter-
stellten praepositi pagorum bedient.^) Eine außerordentliche Behörde,
die nur in besonderen FäUen in die Provinz zur Steuereintreibung ge-
schickt wurde, waren die έξπελλενταί, die auch mehrfach in den Papyri
begegnen. Vgl. Geizer, Arch. V 354.
Überall handelt es sich hier um um direkte Erhebung (Regie). Einen
Beleg für Steuerpacht haben uns die byzantinischen Papyri bisher nicht
gebracht, wiewohl sie sicher auch weiterhin (bei indirekten Steuern) vor-
gekommen ist. Vgl. Geizer S. 45.
Diese Ordnung, wie sie uns durch die Texte des IV. Jahrh. er-
schlossen ist, hat seit dem V. Jahrhundert Modifikationen erfahren durch
die Schaffung der Pagarchie und die Exemtion der autoprakten Grund-
herren einerseits und einzelner autoprakter Dörfer andrerseits. Leider
haben wir bisher nur sehr wenige Texte, die dem V. Jahrh. angehören.
Aber die Papyri des VI. Jahrh., namentlich die Aphroditopapyri, haben
uns über die Pagarchie und das Wesen der Autopragie Aufklärung ge-
bracht. Die Autopragie, d. h. das Recht, die Steuern selbst, ohne Ver-
mittlung der staatlichen Steuererheber, an die Provinzialkasse abzu-
1) Vgl. Seeck 1. c. 1543. Geizer 1. c. 42 iF. 2) Geizer 1. c. 42 ff.
3) Geizer 1. c. 57.
ι
D. Die arabische Zeit. 231
führen ^), ist wie den großen Grundherren, denen dadurch die Steuererhebung
von ihren Kolonen zufiel (vgl. Kap. ΥΠ), so auch Dörfern verliehen worden,
die dadurch zu αντόπρακτοι wurden. Für Aphrodito haben wir soeben
durch Cair. Cat. 67019 gelernt, daß es Kaiser Leo (457 — 474) gewesen
ist, der dem Dorf dies Privileg verliehen hat. Hier wurden daher die
Staatssteuern von den Dorfbehörden, den πρωτοκωμψαί, erhoben und an
die Provinzialkasse abgeliefert. Aus Cair. Cat. 67060 (297) haben wir
aber erfahren, daß die Kommunalsteuem des Dorfes nach wie vor vom
Pagarchen erhoben wurden. — Die Pagarchen andrerseits haben die Steuer-
erhebung der ihnen zugewiesenen Gebiete (τταγαρχονμεναί χώμαι) in der
Hand. Geizer, Studien S. 97 hat schon gezeigt, daß gegen Ende der
byzantinischen Zeit die Pagarchen, diese mächtigen Grundherren, immer
mehr an Gewalt sich anmaßten, so daß schließlich selbst die kaiserliche
Macht ihnen gegenüber versagte. Vgl. oben S. 83. Wie richtig dieses
Bild gezeichnet war, beweisen jetzt die neuen Nachrichten in Lond. IV
über die arabische Zeit (s. unten). Wiewohl die Kurien durch die Pa-
garchen gewiß mehr und mehr eingeengt worden sind, haben sie doch, so-
weit wir wissen, die Steuererhebung in ihren Bezirken bis zur Araber-
herrschaft überall behalten. Nur in Alexandrien hat Kaiser Anastasius
(491 — 518) der Kurie die Steuererhebung genommen und hat sie dem
Meistbietenden als Vindex übertragen.^)
D. DIE ARA.BISCHE ZEIT.
Lit.: Zu der oben S. 88 gegebenen Literatur kommt Lond. IV mit der Einleitung
und den Kommentaren von H. J. Bell hinzu.
Soeben ist der Lond. IV mit seinen großen neuen Schätzen für die
Khalifenzeit erschienen.^) Nach dem, was ich bisher davon kennen lernen
konnte, scheint mir die kleine Skizze, die ich oben S. 88 ff. von dieser
Zeit zu entwerfen versuchte, in den Grundzügen nicht verändert zu werden,
aber die magere Zeichnung ließe sich jetzt mit frischen Farben ausmalen.
Ich muß mich hier um so mehr auf die Hervorhebung der wichtigsten
Grundzüge der Steuerordnung beschränken, als eine genauere Durcharbei-
tung des voluminösen Bandes mir bisher nicht möglich war.
Die Finanzverwaltung zeigt nach den aus den ersten Jahren des
\ΊΙΙ. Jahrb. stammenden Texten des Lond. IV eine straffe Zentralisation»
wie Ägypten sie seit der römischen Herrschaft oder noch eher seit der
Ptolemäerzeit nicht mehr gehabt hatte. Schon die Dreiteilung des Landes
durch Augustus hatte im Vergleich zur Ptolemäerzeit eine größere Ar-
beitsteilung gebracht, und die von Diokletian geschaffene irnd dann immer
1) Vgl. Wilckeo, Arch. V t83 f. Geber ebenda 188 f. und 870 ff., auch Stud. 89.
ΐί V^l. Geizer, Arch. V 8ββ f.
.'i; \ χ1. mein liettitat im Arch. V 4i0 f.
232 Kapitel V. Das Steuerwesen.
mehr gesteigerte Teilung Ägyptens in Teilprovinzen hatte mehr und mehr
zu getrennten Verwaltungen geführt. Jetzt dagegen sehen wir die sämt-
lichen Pagarchien in gleicher Weise in direktem geschäftlichem Verkehr
mit dem einen Statthalter (Sultan) in Fustät (Βαβνλών) stehen, gleichviel
in welchem Teile Ägyptens sie liegen.^) Es gibt keine Instanz, die etwa
zwischen dem Pagarchen von Aphrodito in der Thebais und dem Statt-
halter zu vermitteln hätte, es gibt auch keine Regierungskasse und kein
Staatsmagazin mehr in Antinoopolis, in die etwa wie früher die Ober-
ägypter ihre Steuern ablieferten, sondern alle zahlen und liefern gleich-
mäßig nach Fustät. Daher kann ich auch Bell (p. XIX) nicht zustimmen,
der, wie ich schon oben S. 90 sagte, aus der Erwähnung von Αρκαδία^
Θηβαΐς und λίμιτον in Lond. IV 1332, 1333 und aus gewissen Titeln von
duces, auf die ich z. T. auch schon 1. c. hinwies^), folgert, daß diese Ge-
biete jetzt wirklich noch Verwaltungsbezirke gewesen seien. Freilich, das
λίμιτον (das nubische Grenzgebiet) hält auch er nur für einen Teil des
früheren Θηβαϊκον λίμιτον und nicht für eine Eparchie, aber dies zeigt
doch nur, daß auch die beiden anderen Namen in jener Urkunde nur geo-
graphisch verstanden sein woUen, wie schon Becker angenommen hat (vgl.
oben S. 90). Wie jene Titel der duces zu deuten sind, steht noch dahin,
aber die obigen Tatsachen scheinen mir deutlich dafür zu sprechen, daß
es Teilprovinzen oder gar selbständige Provinzen (im Sinne der letzten
Byzantinerzeit, vgl. oben S. 75 f.) jetzt nicht gegeben haben kann. Da-
gegen finden wir gelegentlich wieder die alte Scheidung der ανω und
κάτω χώρα^ also von Ober- und Unterägypten. Vgl. Lond. IV 1379, 7;
1447, 137 ff. (Bell p. XXI). Aber auch dies bedeutet nicht eine wirkliche
Trennung der Verwaltung.
Von größter Bedeutung ist nun, daß, wie BeU aus Lond. IV er-
schlossen hat, die Kurien nicht mehr existieren — eine für die Ge-
schichte des Hellenismus fundamentale Tatsache! — , und daß auch die
Autopragie geschwunden ist. Übrig geblieben ist also von den drei
für die Steuerverwaltung der späteren byzantinischen Zeit maßgebenden
Elementen innerhalb der alten Gaue nur die Pagarchie. Mit anderen
Worten, die Pagarchie hat die anderen beiden verschluckt — ein Ergeb-
nis, das nach der von Geizer (Studien S. 97 ff.) gezeichneten Entwicklung
nicht verwundern kann. So fehlt also jetzt in Ägypten der Begriff der
civitas, wie er seit dem Anfang des IV. Jahrh. bestanden hatte. Die
1) Die Geschäftserleichterung, die die diokletianische Schaffung der Praesidien
gebracht hatte, fiel also fort. Es war wieder ähnlich wie vorher zur Zeit der Kon-
ventsordnung, als die Behörden von Mittel- und Oberägypten alljährlich zum Konvent
nach Memphis zu reisen hatten. Auch in den Briefen an Basilius (Lond. lY) wird
oft mit seinem persönlichen Erscheinen in Fustät gerechnet.
2) Er verweist noch auf den dux kQTtccdiag xal Θηβαΐάος in Wien. Stud. 24, 127,
Grenf. Π 100, 6.
Ι
D. Die arabische Zeit. 233
alten Gaue erfahren zum zweitenmal eine vollständige Umwandlung: sie
werden zu Pagarchien, nachdem sie vorher civitates geworden waren.
Texte wie Lond. IV 1460 und 1461 führen uns vor Augen, wie Ägypten
nunmehr ganz aus Pagarchien besteht. Auch 1332 bezeugt dasselbe, wo
für die durch ganz Ägypten zerstreuten φυγάδες festgestellt werden soU,
από ποίον χωρίον xai ev ποίφ τόπω και hv ποία παγαρχία προόεφενγεν.
Damit gewinnen wir zugleich die Gliederung der Pagarchien in τόποι und
der τόποι in χωρία (Dörfer). Die Hauptstädte der Pagarchien heißen in
der Regel πόλεις^ wiewohl sie es im griechischen Sinne nicht mehr sind
(vgl. z. B. Lond. IV 1460, 1461). Doch *Αφροδίτώ, das in der byzantini-
schen Zeit zur κώμη geworden und der civitas Antaiopolis attribuiert
gewesen war, heißt jetzt, wiewohl es von Antaiopolis wieder abgelöst
ist^) und das Haupt einer neuen Pagarchie (wohl im Umfang des alten
'^φροοίτοπολίτης) geworden ist, nach wie vor κώμη^ nur im Munde der
Araber medina (Stadt). Dies Festhalten am alten Sprachgebrauch ist da-
durch verständlich, daß diese Pagarchie-Hauptstädte rechtlich eben keine
πόλεις mehr waren. Besonders erwähnt sei, daß auch die alte Griechen-
stadt Antinoopolis jetzt das Haupt einer Pagarchie ist (1461, 36). Die
Nivellierung ist also jetzt eine vöDige. Nur Alexandrien hat noch seinen
„Augustalis", der freilich von dem früheren Augustalis wesentlich ver-
schieden ist. Nach 1392, 13 Avird die Butter für die Flottensoldaten an
ihn geschickt, und er hat den Empfang zu quittieren. Nach Becker 1. c.
ist er etwa der 'ämil, der Chef der Zivil Verwaltung der Stadt.
Der Pagarch Basilius von Aphrodito, an den die Statthalterbriefe in
Lond. IV gerichtet sind, heißt in den koptischen Texten (Crum) und auch
gelegentlich in griechischen, die von den Untertanen herstammen, πάγαρ-
χος.^) Der Statthalter aber nennt ihn durchweg^) δίοικητΊ)ς κώμης ^Αφρο-
διτώ und sein Amtsgebiet διοίκηόις.*) Wir besaßen schon in Grenf. I 63
ein Beispiel für diesen Titel aus später byzantinischer Zeit, in dem schon
Geizer (Studien S. 98) den Ausdruck der gesteigerten Macht des Pa-
garchen fand. Dieser Dioiket hatte ia Fustät seinen ständigen Vertreter,
der in 1360,5 ό \ώ]ν iv τω Φοοόάτω ίκ προΰώπω <sov heißt, und (mit Bell)
wohl identisch mit dem άποκριόίάριος ist. Der Text zeigt, daß bei Zahlungs-
ausfällen der Statthalter sich zunächst an ihn hielt. Mit dieser Einrieb-
1) Dafflr ipricht deutlich Lond. IV 1461, 16, wonach Leute aus Aphrodito ge-
flüchtet lind »Kg tijv) ηαγαρχ{ίαν) kvralov {nal) /ίηόλλωνος. AafTallend bleibt, daß
Aphrodito auch jetzt wie in der byzuntiuiichen Zeit aeti%a kvralov sahlt (1410, 439),
also Kommunaldteuern für Antaiopolie Vgl. hieizu Bell. p. VII.
2) Vgl. Hell, Jour. Hell. Stud. 28, 100.
8) Nur in der Itundnotiz in 18Γ>0, 1 wird er all ηάγαρχος beteiohnei In 1866, 6
(264) umichreibt der Statthalter ihn ali top ί7^κ9ΐμ9νορ τής ηάγαρχίος. Vgl. daau
IV Klein, Form. S60.
4) Die»e• heißt andreneitf auch χώ^κχ, arabiiob küra.
234 Kapitel V. Das Steuerwesen.
tung ist vielleictit in gewisse Parallele zu stellen, daß früher jeder Gau
seinen εκλογίότης in Alexandrien hatte (vgl. S. 209) und seinen γράφων
τον νομόν beim Idiologos in Alexandrien (vgl. 173). Auch der λογογρά-
φος^ der in 1401, 12 hinter dem άποτίριβιάριοξ genannt wird, wird ein
Vertreter des Pagarchen in Fustät seiu.^) Das ist vielleicht der Nach-
folger der λογογράφοί, die einst die Kurien in Alexandrien beim Prä-
fekten zu unterhalten hatten. Vgl. Amh. 82.
Verändert treten uns auch die Kassen- und Magazinverhältnisse ent-
gegen. Wie schon erwähnt wurde, zahlte man jetzt z. B. aus Aphrodito
die Steuern nicht mehr nach Antinoopolis, sondern direkt nach Fustät.
Die Provinzialkasse daselbst heißt jetzt ή οακέλλα (von saccus).^) Diese
stand unter der Leitung des Finanzministers. Vgl. z. B. Lond. IV 1412, 12:
€i(g την) ΰακε^λλαν) έ%ϊ ^4βδερα(μάν) νί{ον) Όγεεύρ^ der als Finanzminister
für diese Zeit bekannt ist. Das Hauptstaatsmagazin sind τά ορρια Baßv-
λώνος. Natürlich gibt es auch δρρυα in den Städten und Dörfern. Wie
Bell p. XIX bemerkt, ist der χρνοώνης (s. oben S. 164) jetzt geschwunden.^)
AUes in aUem habe ich den Eindruck, daß die Verwaltung im Ver-
gleich zu den früheren Zeiten durch diese konsequente Zentralisation
außerordentlich vereinfacht ist. Freilich in Fustät muß ein ungeheures
Schreiberheer gewesen sein, um diese Korrespondenz des Statthalters mit
den Pagarchen und sogar mit den einzelnen Dörfern des Landes (s. unten)
zu ermöglichen. Ob dieses System gut funktioniert hat, ist eine andere
Frage. Becker (P. Heid. III S. 37) hat darauf aufmerksam gemacht, daß
in den Heidelberger Papyri 5 und 6 (256) in der 8. Indiktion die Steuer-
ansage für die 6. erfolgt. Auch die Korrespondenz des Statthalters mit
Basilius spricht beständig von Unordnungen in der Steuerzahlung.
§ 1. DIE STEUERN.
Das Steuersystem, wie es uns in den griechischen Texten der arabi-
schen Zeit entgegentritt, ist in allem Wesentlichen das uns aus der byzan-
tinischen Zeit bekannte. Wir finden dieselben Steuern und dieselben
griechischen Bezeichnungen für sie wie früher. Neu ist nur die Ver-
teilung auf die Bevölkerung. In der älteren Zeit des Khalifats, aus der
die Hauptmassen unserer griechischen Texte stammen, sind die Muslimen
nicht nur frei von der Kopfsteuer — das galt auch von den früheren
Eroberern, den Mazedoniern und HeUenen wie den Römern — , sondern
1) Darum wird auch in dem dritten Posten λ{ό)γ{ω) υμετέρας (und nicht ημετέ-
ρας) υπουργίας zu halten sein. Es ist hier offenbar das ganze Bureau des Pagarchen
in Fustät aufgezählt.
2) Du Gange verweist auf Hesychius : οπού το χρυβίον τίϋ•εται. Vgl. ebenda
auch den σααελλάρίος.
S) Der χρυσώνης in dem koptischen Text 1637 scheint ein Geldwechsler zu sein.
Das Wort hat also dieselbe Geschichte wie vorher τραπεζίτης.
D. Die arabische Zeit. § 1. Die Steuern. 235
auch von der Grundsteuer, was später geändert wurde. ^) Für die Frage,
wie die griechischen Bezeichnungen für die Steuern den arabischen ent-
sprochen haben, verweise ich auf Becker, P. Heid. III S. 37 ff. und Bell,
Lond. Ιλ^ S. 167 ff.
Die gesamten Steuern-) werden in unsem Urkunden geschieden in die
δημόόια^ die ordentlichen Steuern, und die έ^τραόρδυνα — eine Termino-
logie, die uns auch in den Texten der byzantinischen Zeit (z. B. in Cair.
Cat. 67054) entgegentritt. Vgl. oben S. 222. Die δημόοια wurden wieder
geschieden in die Geldsteuem {χρνϋιχά δημόοια) und die Naturalsteuern
{έμβολτίι). Auch diese Termini wurden oben aus Oxy. 126 (180) für die
byzantinische Zeit festgestellt. Dagegen fehlen jetzt die ebendort er-
wähnten Unterarten der χρυϋιχά^ die κανονικά und άρκαρικά. Zu den
χρνοΐκά gehören die Grundsteuer {δημόοια yi]g oder δημόϋια im prägnanten
Sinne) und die Kopfsteuer (το διάγραφον)^ zu denen die δαπάναι hinzu-
treten. Über die Gewerbesteuer, die parallel der Grundsteuer zu stehen
scheint, liegen bisher nur wenige Nachrichten vor. Vgl. Bell zu Lond. IV
1419, 1215. Dagegen haben wir namentlich in den Äccounts and recjisfers
von Lond. IV sowie auch in P. Klein, Form, für die Grundsteuer und die
Kopfsteuer ein reiches Material.
Diese Grundsteuer wurde durchweg entsprechend der Zuweisung zu
den χρνόικά in Geld gezahlt, woraus sich die besondere staatliche Für-
sorge für den Verkauf des Getreides der Produzenten erklärt.^) Selbstver-
ständlich hing der Steuersatz von der Qualität des Bodens ab, doch an
Stelle der zahlreichen feineren terminologischen Unterschiede der frühereu
Zeiten scheinen hier nur die Gegensätze καθαρά und χέροοζ zu be-
gegnen. Außerdem kam natürlich die Art der Bewirtschaftung in Be-
tracht. Vgl. z. B. Lond. IV 1339, 7: iv άμπελω καΐ έν όπορίμω yi^g.
Über die Steuersätze (z. B. 1 Solidus für 4 Aruren), vgl. Bell S. 170. Wer
kein Land zu versteuern hat, heißt ατελής und hat nicht nur Kopfsteuer,
sondern auffallenderweise auch die Naturalsteuer (εμβολή) zu zahlen. Er
mußte also dies Getreide kaufen.
Die Kopfsteuer bekam einen neuen Inhali, insofern der Zahlende
vertragsmäßig ein Schutzgenosee der Muslimen wurde, wofür er den Ge-
setzen des Islam sich zu unterwerfen gelobte. Nur Christen und Juden
(später auch Perser), die heilige Schriften hatten, wurden zu diesem Schutz-
verhältnis zugelassen.^) Frauen, Kinder, Sklaven und Wahnsinnige waren
frei.^) Ans dieser Beschränkung auf die Männer erklärt sich der (neue)
1) Vgl. Bell, Lond. IV 8. 167.
5) Vgl. Bell 1. e. p. XXV ff. und 166 ff. Becker, P. Hoid. ΠΙ.
8) Vgl. bierxu Becker, P. Heid. ΠΙ 8. ftl ff.
i) Vgl. die interoMMiten Aatfahmngta τοη Ksrsbscek, Fflbr.PR S. 176 f.
6) Oenaoeree bei Karsbaoek 1. c.
236 Kapitel V. Das Steuerwesen.
Ausdruck ανδρισμός in Lond. IV. Vgl. Index S. 599. Im übrigen wendete
man den aus der byzantinischen Zeit (s. oben S. 221) übernommenen
Ausdruck δίάγραφον an.^) Welche RoUe das κεφαλ( ) für die Be-
rechnung der Kopfsteuer spielt, ist mir auch nach BeUs Darlegungen
S. 171 noch nicht klar geworden. Er bildet das sonst unbekannte Wort
κεφαλίομός. SoUte hier nicht der byzantinische Begriff caput, capitatio
vorliegen? Vgl. oben S. 221 ein Beispiel für νπερ κεφαλής aus byzan-
tinischer Zeit (und zu Rein. 57 in Kap. VIII). Die Hauptschwierigkeit
liegt hier in der Inkongruenz der Zahlen in Texten wie Lond. 1426.
Über die jetzt nach Fustät abgeführte εμβολή ist Kap. IX zu ver-
gleichen.
Unter den Extraordinaria begegnet in Lond. IV 1357 (298) die be-
rüchtigte „Luftsteuer^^ (αερικά) des Justinian.
Neben allen diesen Steuern spielen auch in dieser Zeit die persön-
lichen Zwangsleistungen (άγγαρεΐαι usw.) eine große RoUe, worüber Kap.VIII
zu vergleichen ist.
§ 2. DIE STEUERVERANLAGUNG.
Nach Beils Darlegungen ist der Modus der gewesen, daß der Statt-
halter für die einzelnen Pagarchien die Gesamtsummen für δημόύια und
εμβολή ausschrieb, worauf nun die Pagarchen die Verteilung der Gesamt-
summe auf die einzelnen Steuern (Grundsteuer, Kopfsteuer usw.) vorzu-
nehmen hatten. Die vom Statthalter in die Pagarchien geschickten έντάγια
(s. unten) nennen in der Tat nur die Summen für die όημόόια und εμβολής
ohne jede Spezialisierung. Auf diese Weise ist es eben möglich gewesen,
die alten byzantinischen Steuern beizubehalten. Dem Brief, in dem der
Statthalter dem Pagarchen das Ergebnis der Steuerveranlagung mitteilte,
legte er die Spezialanweisungen an die einzelnen Ortschaften bei, für deren
Weiterbeforderung und Ausführung also der Pagarch zu sorgen hatte.
So heißt es z. B. in einem Brief an den Pagarchen Lond. 1335, 7: καΐ τα
τούτων έντάγια 7ίθί[ή6αντες\ τοίξ των χωρίων (Dörfer) έχέμ'ψαμέν ΰοι
ίν^'έμΐ^ενοϊ] εις αυτά κτλ. Von den hier mitgesandten έντάγια ist uns
eines in Lond. 1407 erhalten. Es liegen uns solche Steueransagen des
Statthalters an Ortschaften (mit der Formel ελαχεν νμίν) in Ρ. Heid. III
η. 5 und 6 (256) wie in den ebendort S. 108 ff. edierten Straßburger
Papyri a — m in arabischer und griechischer Sprache vor. Während in
diesen Texten ^i^ftoöto; und εμβολή angekündigt werden, gebrauchen andere
Anweisungen auf andere Abgaben oder Zwangsleistungen Formeln wie
1) Dies SiajQoccpov ist nur eine jüngere Form für öiayQacpri, wie jetzt κατά^ρα-
φον üblicli wird neben καταγραφή. In der letzten byzantinischen Zeit gingen beide
Formen nebeneinander, wie Bell S. 169 gezeigt hat. Daß die διαγραφή in den byzan-
tinisch-arabischen Texten nicht allgemein „Zahlung", sondern eine bestimmte Steuer
bedeutete, hatte ich schon in den Gr. Ostraka I 107 Anm. 1 betont.
D. Die arabische Zeit. § 2. Die Steuerveranlagung. ^37
παράύχετε^ πεμ-ψατε κτλ. Vgl. ζ. Β. Lond. IV 1407 — 1410 und dazu
Becker, Z. f. Assyr. 20, 84 ff., auch BeU, Arch. V 189 ff.
Die Repartition der Gesamtsumme der Pagarchie auf die Ortschaften
und weiter auf die einzebien Kontribuenten fand in den einzelnen Ort-
schaften statt und zwar unter Oberleitung des Pagarchen. Über diese
Repartitionsarbeiten gibt interessante Aufschlüsse Lond. IV 1356 (254),
der speziell von dem μοιραβαάς der ll•,τQaόQ^Lva und άγγαρεΐαι handelt.
Danach hatten die Dorf behörden , die μείζονες und πρωτεύοντες y ver-
trauenswürdige Männer für die Repartition auszuwählen (^έπιλέγεύ^αι).
Wenn ich nicht irre, handelt dieser Text speziell von der Repartierung
auf die Dörfer (vgl. meinen Kommentar). Daß aber dieselben επιλεχΰ-εν-
τες auch die Repartierung auf die Kontribuenten vornahmen, zeigen die
in großen Papyrus-Codices uns erhaltenen μεριβμοί^ die für die einzelnen
Dörfer angelegt waren (Lond. 1419 ff.). Als Beispiel gebe ich das Kopf-
stück von Lond. 1420: -|- Σνν ^(εω) μερί6μ6{ς) χρνοίκών δημο(όίων)
(Πέντε) [Πε]δί(άδων) ανατολικής^) κώμη(ς) ^φρ[ο]ο{ίτώ) 1(ν)δ(ικτίονος)
γ γενάμε{νος) μ{ηνϊ) Π(α)ν{νι) κδ ί{ν)6{ικτίονος) ε^ > δ(ιά) Θεοδώρου (και)
Φοιβ{άμμωνος) Βίκτ(ορος) άπ'ο !AyCov Πινον(τίωνος) ^πιλεχ&(έντων). !4%ο
δημο^οίων) γης άρ{β)^{μια) νο{μΐ6μάτια) ρξξ β/^ άπο διαγράφον 6ν{ομάτων)
Ci£ άρ{ί)^{μια) νο{μΐ6μάτιθί) 6λ. Πένεται) τα 6φείλ{οντα) avv6^{f^vai)
{καϊ) κ{ατα)βλ{Ύΐ)&ί](ναι) εί{ις) τ(ό) ταβλίον νο{μι<5μάτια) τ^χζ β/. (^ΚαΙ)
λόγω έμβολ['η{ς)] δ 1(ν)δ{ικτίονος)^) οί(τον) άρτ{άβαι) ρμα. Nun folgt
mit der Ul)erschrift διδόμε{να) (d. h. was gegeben \verden soll), die
Spezialisierung für die einzelnen Personen. Es sind also die von 1356
bekannten έπιλεχϋ-εντες ^ die in dieser Weise den μεριομός hergestellt
haben. Das Ergebnis für den einzelnen Kontribuenten wurde diesem durch
die Behörden in έντάγια mit der Formel ελαχεν öol mitgeteilt. Mehr-
fach ist es der Pagarch, der diese Mitteilung macht. Solche ίντάγια
liegen z. B. vor in P. Klein. Form. 260, 1180, 1183, 1184 usw. Vgl.
übrigens Bell p. XXVII Anm. 5. Wie P. Lips. 103 (257) zeigt, hatten die
einzelnen Kontribuenten καταγραφαΐ των ΰνντελονμένων unter Eid einzu-
reichen, d, h. Listen der von ihnen zu zahlenden Steuern. Etwas Ahnliches
kennen wir aus früheren Perioden nicht.*) Nach dem koptischen Pnpvrue
Führ. PR 577 hat es auch Objektsdeklarationen gegeben.
VorauMsetzung für diese Repartitionsarl)eiten war, daß auch damals
wie früher Bevölkerungslisten und Kataster geführt wurden. Aus der
arabischen Literatur ist bekannt, daß der Eroberer Ägyptens Aniru ibn
1) Zu (iiexcn Dorfnamen rg\. Bell, Lond. IV p. XIV.
2) Aach hier findet die IU*partition 2 Jahre nach dem Steueijahr statt wie in
'i<-m oben S. 284 erwähnten Fall.
8) Die ίμβοΐή wird fOr da» letzte Jahr frexahlt.
4) Hän^t dae mit dem zu«ammcn, wa• eine alte Chronik bei Becker, Beitrige
Π 91 erzühlt: „wenn eie nicht einbekannt4*n, wa« fie besahlon wollten**?
238 Kapitel V. Das Steuerwesen.
el-'Asi eine Volkszählung veranstaltete, die abgesehen von Alexandrien
über 6 Millionen Kopten ergab, ohne die Greise, Weiber und Knaben.
Diese Zählungsweise zeigt, daß sie für die Kopfsteuerrechnung durch-
geführt war. Eine zweite Volkszählung ist im VIII. Jahrh. veranstaltet
worden. Diese ergab: mehr als 10000 Dörfer (das kleinste mit nicht
weniger als 500 Pflügen) und 5 Millionen kopfsteuerpflichtiger Kopten.^)
Während also richtige Volkszählungen nur ganz selten gemacht wurden,
müssen Bevölkerungslisten für die Zwecke der Steuerveranlagung natür-
lich beständig geführt und evident gehalten sein. Derartige Listen setzt
z. B. Lond. IV 1338 (255) voraus. Ebenso werden auch Kataster ge-
führt und evident gehalten worden sein, worauf derselbe Papyrus an-
spielt. Zu einer völligen Neuvermessung des gesamten Bodens ist es erst
im J. 724/5 gekommen.^)
§ 3. DIE STEUERERHEBUNG.
Der Grundgedanke scheint — soweit ich mir nach meiner noch ge-
ringen Kenntnis ein Urteil erlauben kann — der gewesen zu sein, daß
die Pagarchen dem Statthalter mit ihrem Vermögen und ihrem Leben
(ψυχή) für den Steuereingang ihrer Pagarchie hafteten. Unter den Briefen
des Qorrä an Basilius sind mehrere, die ihn z. T. unter Androhung der
letzten Konsequenzen, z. T. auch mit milden Vorstellungen der Pflichten
eines getreuen Dieners zur Ablieferung der fälligen Steuern ermahnen.
Als besonders lehrreich erschienen mir Lond. IV 1338 (255), 1339, 1349
(284), 1380 (285), 1394. Diese Briefe, in denen uns islamische Welt-
anschauung in griechischer Sprache entgegentritt, sind von eigenem Reiz.
Häufig wird der Pagarch aufgefordert, die Beträge selbst zu überbringen.
Im übrigen hat er, wie oben erwähnt, in Fustät einen gleichfalls mit
seiner Person haftenden Stellvertreter. Die Steuern aus den einzelnen
Dörfern werden also zunächst an den Pagarchen gezahlt sein, der dann
die Ablieferung nach Fustät auszuführen hatte. Die Erhebung erfolgte
auf Grund der Repartition — άτίο μερίομον, wie es in den Quittungen
so häufig heißt. Vgl. P. Klein. Form. 740 (286). Ein großes noch un-
verarbeitetes Material an Steuerquittungen liegt in P. Klein. Form. vor.
In Lond. IV begegnet von dem alten Erheberpersonal nur der νποδεκτης.
Daß der Exaktor und die επψελψαί verschwunden sind, erklärt sich durch
die Beseitigung der Kurien. An die Stelle der früheren Quadrimenstruen
ist jetzt nach Beils Darlegung die Zahlung in zwei halbjährlichen κατα-
βολαί getreten.
1) Diese Angaben nach Karabacek im Führ.PR S. 152. Gegen die überlieferten
Zahlen hat Bedenken Becker, Beiträge II S. 116.
2) Dies nach Karabacek, Führ.PR n. 597. Vgl. Becker, Beiträge II 107 ff.
KAPITEL VI.
INDUSTRIE UISD K\NDEL.
Das reiche Material, das die Papyri für die Erforschung von In-
dustrie und Handel Ägyptens bieten, ist bisher in zusammenfassender
Weise noch nicht verarbeitet worden. Nur einzelne Fragen haben schon
eine gründlichere Behandlung gefunden. Das gilt namentlich von den
Monopolen, über die ich daher hier an erster Stelle berichten will. Im
übrigen muß ich mich darauf beschränken, auf die Probleme hinzuweisen,
die wir durch gründliche Verarbeitung des gesamten Materials fördern zu
können hoffen dürfen.
§ 1. DIE MONOPOLE.
Grundlegend ist Grenfells Kommentar zum Rev. P. 1896 (s. auch Mahaffye
Einleitung). Vgl. femer: Wilcken, Deutsche Literaturzeit. 1897, 1016 ff. Griech.
Ostraka I 266 ff. (όθοί'/ηρα), 634ff. (Bankmonopol). — Rostowzew, Woch. klass. Philol.
1900, llöff. Geschichte d. Staatspacht (1902) 342, 411 f. Gott. Gel. Anz. 1909, 630ff. —
C. Wachsmuth, Jahrbb. f. Nationalök. u. Stat., 3. Folge, XIX, 800 ff. — Otto, Priest,
u. Tempel I 292 ff. 300 ff.; II 287 u. ö. — II. Maspero, Les finauc. de l'^g. soue lee
Lagidee (1906) COff. — Bouch^-Leclercq, Eist. d. Lagides III 237 ff.
Neben den Steuern und ZöUen haben die Monopole, wie wir erst
seit kurzem gelernt haben, im Haushalt der Ptolemäer und Kaiser eine
wichtige Rolle gespielt.
Das Wort „Monopol** begegnet zum ersten Male bei Aristoteles in
jener Steile der Politik, die für die Monopole der griechischen nolsig
grundlegend ist (I 4, 6 p. 1259a 20 ff.): "Eon δ\ ωοπερ (ΐπομεν^ χα^όλον
το τίί/οΓΓοι/ χρηματίοτίίίόν^ ίάν τις Οννψαι μονοΛωλίαν αντω χαταόχίνάζειν,
Jib χαϊ τ&ν πόΐεων iviac τούτον ποιοννταί τ6ν πόρον^ Βταν άχορώό^
χρημάτο^ν^ μονοηωλίαν γαρ τ&ν ώνίων ποιοναιν. Danach haben die
griechischen Staaten sich nur im Falle der wirtschaftlichen Not und also
vorübergehend dieses Eingriffes in die freie Konkurrenz bedient, und femer
handelt es sich bei ihnen nur um ein Verkaufsmonopol, was ja auch der
Name benagt. Zu dicsor ariHtf)t<diHchen Aussage stimmen im großen und
ganzen die wenigen PYille, die uns von griechiiohen Staatamonopolen,
240 Kapitel VI. Industrie und Handel.
namentlich durch Ps. Aristoteles' Oeconomica und Inschriften bekannt
geworden sind.^)
Während die Polis trotz ihrer „ökonomischen Tyrannis" (Jak. Burck-
hardt) bei diesen Formen des Monopols im allgemeinen stehen blieb, hat
der Absolutismus des hellenistisch- ägyptischen Königtums das Staats-
monopol wesentlich umgestaltet: statt des vorübergehenden Monopols dort
finden wir hier dauernde, die durch Jahrhunderte zu verfolgen sind, und
neben dem bloßen Verkaufsmonopol dort finden wir hier auch Produk-
tions- und Yerkaufsmonopole, und während dort die Monopole von der
Bürgerschaft für die πόλις, d. h. wieder die Bürgerschaft beschlossen
wurden, wurden sie hier von den omnipotenten Herrschern ganz aus-
schließlich im Interesse ihres βαβιλί'/.όν^ ihres Fiskus dekretiert, wobei
die Rücksicht auf die privaten Interessen nur so weit galt, als es im
Interesse des Königs lag, 'wirtschaftlich kräftige Steuerzahler als Unter-
tanen zu haben. Wie weit auf diese Entwicklung etwa Monopole der
vorgriechischen Zeit Ägyptens mit eingewirkt haben, kann ich nicht
sagen, da diese Fragen von ägyptologischer Seite m. W. noch nicht ge-
klärt worden sind.
Trotz der wertvollen neuen Aufschlüsse der letzten Zeit sind wir
doch noch weit davon entfernt, eine gesicherte Einteilung der ägyptischen
Monopole geben zu können. In vielen FäUen ist es überhaupt noch
strittig, ob Monopol oder nur Beteiligung des Königs am Betriebe (in
königlichen Manufakturen oder sonstwie) vorliegt, und bei den sicheren
Monopolen wieder scheinen die Betriebsformen sehr verschiedene gewesen
zu sein. Wenn irgendwo, so ist für diese Frage eine Erweiterung unseres
Materials, freilich auch eine immer noch fortschreitende Vertiefung in das
schon vorhandene dringend nötig. So soU hier zunächst nur der histo-
rische Verlauf unserer Forschuugen dargestellt werden.
Die Grundlage verdanken wir Grenfells Ausgabe des Revenue-Papyrus
(1896). Hier steht von KoL 38 — 72 eine Verordnung des Königs Ptole-
maios II Philadelphos betreffend das Olmonopol, aus seinem 27. Jahre
(= 259/8).^) Der Text ist so umfangreich, daß ich unten nur den Haupt-
teil vorgelegt habe (299). Das Studium von GrenfeUs Kommentar bleibt
so wie so die unerläßliche Vorbedingung für jeden, der sich in diese Fragen
hineinarbeiten will. Indem ich für den Gedankengang dieses Aktenstückes
1) Vgl. hierzu K. Riezler, Über Finanzen und Monopole im alten Griechenland
(1907) 50 ff. Seine Ausführungen sind wirtschaftsgeschichtlich sehr anregend, wenn
auch seiner Interpretation der Oeconomica nicht in allen Punkten zugestimmt werden
kann.
2) Es liegt uns hier die Gestalt der Verordnungen vor, die nach Revision derer
vom 26. Jahre für das 27. erlassen sind. Die Grundzüge sind viel älter, stammen
wohl schon von Ptolemaios I Soter (vgl. Deutsche Lit.-Z. 1897, 1017). Bestätigend
tritt jetzt P. Hib. 43 vom Jahre 261 hinzu.
§ 1. Die Monopole. 241
auf 299 verweise, beschränke ich micli hier darauf, die Grundzüge der
Organisation dieses Monopols im allgemeinen zu charakterisieren.
Das 01m onopol tritt uns als ein Produktions- und Verkaufsmonopol
entgegen. Als Produktionsmonopol ist es insofern kein „vollständiges",
als zwar die Privatkonkurrenz ausgeschlossen ist (Col. 49), aber den Tem-
peln wenigstens die Produktion des Sesamöles, soweit sie dessen zum
Verbrauch bedürfen, natürlich unter strengster Kontrolle und mit der
Maximalgrenze einer zweimonatlichen Betriebszeit gestattet ist (Col. 50,
20 ff.). Dies Tempelprivileg ist historisch wahrscheinlich so zu erklären,
daß vor der griechischen Herrschaft die Olproduktion in den Händen der
Priesterschaft konzentriert gewesen war, so daß in Wahrheit eine Be-
schränkung der priesterlichen Produktion zugunsten des Fiskus vorliegt.^)
Als Verkaufsmonopol ist es aber ein vollständiges, da auch den Priestern
jeglicher Verkauf untersagt ist (Col. 51, 24 ff.).
Das Produktionsmonopol umfaßt das Sesamöl, das Krotonöl (ägyp-
tisch xIxl)j ferner das Knekosöl (Safloröl), Kürbisöl und Leinsam öl
(= Lampenöl). Eine Olivenkultur hat es zwar schon damals — wenig-
stens hie und da — in Ägypten gegeben, wie uns jetzt P. Hib. 49 (vom
J.257) gezeigt hat, aber diese Oliven scheinen nicht zu Ol verarbeitet worden
zu sein.-) Sonst hätte der König damals jedenfalls auch das Olivenöl in
sein Monopol einbezogen.^) Der Anbau jener Pflanzen, die Monopolöl
ergaben, stand unter strenger Kontrolle des Königs. Auf Grund der
amtlichen Feststellung des Olkonsums in Alexandrien und im Lande wurde
genau berechnet, wieviel Aruren in jedem Gau mit den einzelnen Öl-
früchten zu bestellen seien. Danach erfolgte in jedem Jahre beim Aus-
schreiben der Monopolpacht*) eine tabellarische Übersicht über den 01-
fruchtanbau in den Gauen des Landes, wobei zugleich verfügt wurde,
wieviel davon nach Alexandrien, das natürlich vom Lande verpflegt werden
mußte ^), zu liefern sei (60, 18 — 72). Wie nun innerhalb des Gaues diese
Verpflichtung zum Ölfruchtanbau auf die einzelnen Ländereien verteilt wurde,
darül>er haben wir keine genaueren Nachrichten.^) Das steht aber fest, daß
auch die königliche Domäne dazu herangezogen wurde ^) — möglicher-
1) So rtoetowzew, GGA 1909, 681.
'ji Zu Auffuetue' Zeit wurde Olivenöl im Faijilm, aber nur hier, und data (Ibel-
riecbcndeK produziert, während die Oliven bei Alexaiidrirn nicht su öl Tenurbeitel
wurden (Straho XVII p. 809).
3) Als ipäUr die Olivenkultur zugenommen haiU , ..:ige Anmerkung), haben
die Kaiser weiiigstens die Fabrikation de• OlivenOU nicht dem Monopol unterworfen.
S. unten 8. 260.
4) Vgl. ηροηηι^νχ^ίΐαών in 67,9.
6) Vgl. Kap. IX.
(i) Niich Tob. 6, 198 fr. kamen hierfOr in Botnu'hi die %λη90Όχtni| (γή), die U^d
und ij ("(λλη.
* 7 1 Vgl. P. Tairo in Arch. II 81 (804). Vom Zwange handelt auch P. Athmolean,
.M 1 1 1 c I ■ - W 1 1 < k π I• (>ran4«0e• I. 16
242 Kapitel VI. Industrie und Handel.
weise in sehr großem Umfange. Die Gewinnung der Rohprodukte, die
die γεωργοί ausschließlich an den König verkaufen durften, und zwar
zu den vom König festgesetzten Preisen, sowohl die Aussaat wie die
Ernte, stand unter ständiger Kontrolle der königlichen Beamten und
des Monopolpächters. Dasselbe gilt von dem zweiten Akt, der Olpro-
duktion in den königlichen Ergasterien, die vom Oikonomos einzurichten
waren. Hier hat das Interesse des Monopols zu der als Parallele zur Ent-
wicklung des Kolonats sehr interessanten Erscheinung geführt, daß die
Ölarbeiter {βλαιονργοί), wiewohl sie freie Männer waren, die auf Akkord
arbeiteten (κάτεργον, Col. 45), in ihrer Freizügigkeit beschränkt wurden:
die einmal für den Gau angesetzten Arbeiter durften ihn unter Androhung
schwerer Strafen nicht verlassen (Col. 44).^) Den Schlußakt bildet der
Verkauf des produzierten Öles, der in der Weise gehandhabt wurde, daß
der Verschleiß durch das ganze Land in Städten und Dörfern an Klein-
händler (κάτΐηλοί^ έλαίοττώλαυ^ έξειληφότες την δίά^εβιν etc.) auf dem Wege
der Pacht vergeben wurde, die den Erlös an den Oikonomos abzuliefern
hatten (Col. 47, 10 ff.). Vgl. S. 349. Zu welchem Preise im Kleinhandel die
verschiedenen Olsorten zu verkaufen waren, wurde in jedem Jahre vom
König festgesetzt (Kol. 40, 8 ff.). Welcher Art die Bedingungen waren,
unter denen diese κάπηλοι den Verkauf übernahmen, darüber bietet der
Revenue-Papyrus nichts. Eine Vermutung hierzu vgl. in Grenfells Kom-
mentar S. 197, wonach z. B. beim Verkauf des Sesamöles zu 48 Drachmen
die Kleinhändler einen legalen Profit von 6 Drachmen gehabt hätten. In
der Praxis haben sie oft unerlaubten Vorteil sich verschafft, indem sie vom
Publikum höhere Preise als die staatlich vorgeschriebenen erhoben. Vgl.
hierzu Petr.n38(b) (300) und Lille 3 III 55 ff. (301). Von der monat-
lichen 6vvTah,ig^ die die έλαυοκάπηλοι vom Staat nach Petr. III 86 S. 219
erhielten, berichtet der Revenue-Papyrus (in dem uns vorliegenden Zu-
stand) nichts — was prinzipiell für manche andere Streitfrage von In-
teresse ist! Ob der König außer dem von ihm normierten Verkaufspreise
auch noch eine besondere Ölsteuer {^λαϊκιίι) von den Konsumenten erhoben
hat^), oder ob der Gewinn des Königs aUein durch den Verkaufspreis
herauskam, ist eine der vielen Fragen, die vor allem durch die Zerrissen-
heit des Rev.-P. noch dunkel sind.^) Falls, wie ich glauben möchte,
die erstere Alternative die richtige ist, so dürften die Bestimmungen
in Rev. P. 56, 14 — 16 auf diese Ölsteuer zu beziehen sein, zumal Gren-
feUs Deutung dieser Worte auf die Einfuhrzölle (s. unten) vor aUem
der wahrsclieinlicli königliches Land betrifft. Vgl. Wilcken, Arch. I 165 ff., Wachs-
muth 1. c. 789.
1) Vgl. hierzu Rostowzew, Zur Gesch. d. Kolonats 66 und unten S. 3έ8.
2) Vgl. die aU-Ari Griech. Ostr. I 143 f.
3) Vgl. Wachsmuth 1. c. 801; Rostowzew, Staatsp. 411. *
§ 1. Die Monopole. 243
dem Bedenken unterliegt, daß diese Einfuhrzölle nur in den Einfuhr-
häfen erhoben wurden (Col. 52). Dasselbe Bedenken spricht gegen Gren-
fell-Hunts DeutuDg der έξείληφότες την οίά^•εύί[ν καί το τ]έλος τον
ελαίου (von Kerkeosiris) in Teb. Ι 38, 10 (303), wonach sie in dem τέλος
wieder den Einfuhrzoll sehen müssen, denn das von den γεωργού erhobene
τελοζ von den Rohprodukten ist schon durch τέλος τον έλαίον aus-
geschlossen. Mir scheint es geradezu nötig, außer diesen beiden von Gren-
fell-Hunt erwogenen τέλη hier an ein drittes τέλος zu denken, und das
kann dann kein anderes sein als jenes der cdiTiri entsprechende, die 01-
steuer. Dieser Text aus Tebtynis lehrt uns dann in seiner Nebeneinander-
stellung von διά^εόις (Verkauf) und τέλος ^ daß die Ölsteuer nicht auf
den Kaufpreis geschlagen war, sondern extra erhoben wurde. Wir lernen
femer aus ihm, daß die Erhebung der Ölsteuer in den Dörfern zugleich
mit dem Ölverschleiß von den έλοαοχάπηλοι übernommen wurde — wenig-
stens am Ende des IL Jahrhunderts v. Chr. — , eine Einrichtung, die nur
als praktisch bezeichnet werden kann. Der Rev.-P. ergibt hierüber nichts
Direktes. Die Worte 56, 14 ff. sind wohl damit vereinbar, unter der Vor-
aussetzung, daß die χάπηλοί oder wer sonst damals diese Steuer erhob,
die T£>log- Einnahmen immer direkt an den Monopolpächter abführten.
Aber ich verkenne nicht, daß diese Erklärung noch sehr ungenügend be-
gründet ist.
Damit das Monopol dem König den gewünschten Ertrag bringe, war
aber nicht nur die einheimische^), sondern auch die ausländische Konku-
renz fernzuhalten. So war denn die Einfuhr ausländischer Ole verboten
resp. durch Schutzzölle erschwert. Einführung fremder Öle ins Land zum
Verkauf wurde durch Konfiskation der Ware und hohes Strafgeld ver-
hindert, Einführung zum Gebrauch war gegen Zahlung eines Zolles, der
25% iles Wertes des besten einheimischen Öles betrug (12 Drachmen pro
Metretes) gestattet (Col. 52). Die Bestimmungen über die Einfuhr nach
Alexandrien in Kol. 50, 7ff. sind leider unvollständig erhalten. Da voraus-
zusehen war, daß diese gesetzlichen Bestimmungen in der Praxis um-
gangen würden, war den Monopolpächtern und ihrem Personal das Recht
gegeben, im Falle, daß sie Schmuggel ausländischer Öle oder geheime
Privatproduktion vermuteten, Haussuchungen vorzunehmen (Col. 55, 17 ff.).
Durch andere Papyri erfahren wir denn auch, daß in der Tat oft ge-
schmuggelt worden ist. Vgl. Hib. 59 (302), Teb. I 38 (303), 39.
Die Durchführung der Monopolgesetze lastete, abgesehen von den
königlichen Beamten, vor allem auf den Monopolpächtem (ό τήι/ iXai-
1 > Außer dem tcbon oben erw&hnten Auiichluß der privaten Produktion nnd
(lor l'>(!Hchrilnkung der prieetcriichen iit bemerkenswert der Kampf gegen die Surro-
gat«• (Λ0, 1 i ff.)
244 Kapitel VI. Industrie und Handel.
κήν'^) έχων ο. ä.), die bei den sämtlichen Prozeduren, von der Gewin-
nung der Rohprodukte bis zum Ölverkauf, unter ständiger amtlicher Kon-
trolle, an der Seite eines vom Oikonomos gegebenen άντίγραφενς^ nach
den im Gesetz vorgeschriebenen Bestimmungen zu fungieren hatten. Es
ist eine der schwierigsten Fragen, wie die Übernahme dieser Monopol-
pacht überhaupt Pachtlustige anlocken konnte, da alle wesentlichen Fak-
toren der Rechnung — Umfang der zu besäenden Aruren, Preise der Roh-
produkte, Höhe des τέλος von der Artabe, Höhe des Verkaufspreises etc. —
vom Gesetz festgelegt waren und daher der Spekulation keinen Raum
gaben.^) Wenn die obige Vermutung, daß es außer dem Olverschleiß eine
Olsteuer gegeben hat, richtig ist, so wird das Problem vielleicht von hier
aus verständlicher werden. Der sogenannte Monopolpächter, der übrigens
die Pacht für einen ganzen Gau übernimmt (o άγοράοας τον νομόν\ wäre
dann formell in erster Reihe der Steuerpächter dieses τέλος^), und erst so,
glaube ich, verstehen wir den Satz (Rev.-P. 56, 14f.): οΓ δε πριάμ^ενοι την
ών^ν εγγνονξ καταοτήοονοί των έφειχοοτών^ der eine genaue Parallele
zu den Bestimmungen über den Steuerpächter in Rev.-P. 34, 2 ff. wie
auch Par. Q2 I 13 ff. bietet: wir begreifen, daß er für diese Konsumsteuer
dem König ein Pauschale bieten konnte*), und haben nach Analogie
jener Stellen (namentlich Par. Q2 I 13 ff. verglichen mit V 3 ff.) zu folgern,
daß er, auch wenn er nur sein Pachtangebot richtig ablieferte, schon ein
όφώνιον von 5% (im IL Jahrh. wahrscheinlich von lO^o? s. oben S. 184)
vom König erhielt. Für seine besonderen Dienste aber, die er, abweichend
von den gewöhnlichen Steuerpächtern, für die Durchführung des Monopols
zu leisten hatte, bekam er außerdem die im Rev.-P. aufgeführten Emolu-
mente, wie seinen Anteil am κάτεργον (Kol. 45, 6) usw., abgesehen davon,
daß die sehr beträchtlichen Entschädigungen, die er im Falle des Fehl-
1) Manche gebrauchen dafür die Form έλοίϊρά, die, soweit ich sehe, nur auf
Ostraka II n. 1157 zurückcreht. IViewohl graphisch hier allerdings λ wahrscheinlicher
als V ist, spricht doch wohl der Zusammenhang dafür, daß vielmehr zu lesen ist: hcagcc.
Andernfalls müßte man zum mindesten έλαιηρά gebrauchen.
2) Vgl. die Ausführungen von Grenfell S. 127 f.
3) Die oben erwähnten έξείλτιφότες το τέλος in den Dörfern dürften die After-
pächter dieser Steuerpächter gewesen sein. Daß bei der Abfassung ihrer Verträge der
Ökonom (resp. sein Untergebener) mit dem Steuerpächter zusammen operierten (Rev.-P.
47, lOff.), entspricht der Bestimmung in Par. 62 III 17 ff. über die άποπράματα.
4) Dies wäre noch verständlicher, wenn die Steuer von dem tatsächlichen Konsum
erhoben wurde, und nicht von dem nach Art der Salzkonskription pro Kopf vor-
geschriebenen Minimalkonsum, den ich in den Griech. Ostraka I 144 für das Salz-
monopol angenommen habe, und der wohl auch für das Ölmonopol anzunehmen ist
(Rostowzew, Staatsp. 411, der aber, wenn ich ihn recht verstehe, neben dem Zwangs-
verkauf keine Abgabe anerkennt). Während ich aber 1. c. es noch für unwahrschein-
lich hielt, daß der tatsächliche Konsum für die Steuer ermittelt sei, glaube ich jetzt,
gestützt auf die έξ,ειΧτιφότες την διά&ΒΟΐν v.ca το τέλος, daß diese τιάττηλοι eben darum
auch das τέλος pachteten, weil sie den realen Konsum zur Berechnung dieses τέλος
feststellen konnten. Der Minimalkonsum dagegen galt für den Verkauf.
§ 1. Die Monopole. 245
trittes anderer erhielt, event. ein nicht unbeträchtliches Plus ergeben
mußten.
Derselbe Revenue-Papyms brachte uns noch über zwei andere Mono-
pole Nachrichten, wenn auch nur sehr fragmentarische, über das Bank-
m onopol, das ich schon zu Xr. 181 behandelt habe, und das Otho-
nionmonopol. Das Bankmonopol ist in der Ptolemäerzeit ein voll-
ständiges Monopol, da wir nur vom König verpachtete Banken, nicht
Tempel- oder Privatbanken kennen. Dagegen ist die Situation beim Otho-
nionmonopol komplizierter. Daß hier zunächst überhaupt Monopolisierung
vorliegt, habe ich in den Griech. Ostr. I 267 ff. aus den Fragmenten des
Rev.-P. 87 — 107 nachgewiesen.^) Aus diesem Text ergibt sich, daß der
Flachsbau vom König ebenso kontrolliert wird wie der Olpflanzenbau,
daß der König ebenso wie beim Öl den Bedarf an Stoffen fesststellt (96, 1),
daß der König die Preise-) der Stoffe und ihrer Verarbeitungen zu Klei-
dern, Kissen, Handtüchern (s. unten) usw. bestimmt, wobei zu bemerken
ist, daß ebenso wie Linnen auch Werg und Wolle (nebst Fabrikation) be-
handelt werden (103), endlich daß auch hier der auswärtigen Konkurrenz
mit Einfuhrverboten (91 ff.) und Zöllen (107?) begegnet wird. Hiernach
ist zu vermuten, daß der Verkauf der od-ovia (im weitesten Sinne) wie
beim Öl ausschließlich dem König zugestanden hat, wenn wir auch direkte
Zeugnisse dafür kaum haben. Vgl. das Straßburger Ostrakon in 308.
Was aber die Produktion betrifft, so konnte man schon aus der Roset-
tana erschließen, daß die Tempel an der Othonionfabrikation beteiligt
waren und dafür dem König bestimmte Lieferungen in Stoffen (eventuell
adaeratio) zu leisten hatten^), was eine ähnliche privilegierte Stellung der
Tempel wie beim Ölmonopol ergab. Inzwischen haben wir aber durch
Teb. δ, 2H7ff. (307) neue Nachrichten über die Tempelindustrie bekommen,
die freilich leider nicht ganz eindeutig sind. Indem ich zum einzelnen
1; Danach Maspero S. 76ff. Nach nochmaliger Revision des Originale habe ich
zu meinen Auefühningen in den Ostraka 1. c. noch folgendes hinzuzufügen: 87, 6
Qr,vut, aleo α7ία]ρήναι oder %αταα7ΐα]ρήναι Xivov χτλ. — 87, 11 νιηρα χατα iit
otwa HO zu ergänzen: καΐ tirt av diu τανχα ή 6^o]vir\{tä %αχα\^Χα^ίιι. Vgl. 40, 7. —
yu, 2 1. *Kav de τις [(Ιααγ\άγηι^ in δ ΣΒ\βΒννντ{ον τη ρ] iMi^alaoalav (?gl.
Wilcken, Melangen Nicole S. 690). — 94, 4 1. χΒΐρωμά•κτρ[ων μ]•τα statt χ»ρωμ«
χατ\. . .] TU. Also Handtücher iχnQόμu%τiιa). — 97, 8 1. ο•\%κμναΙον statt \v αμναιον.
— 103, l wohl %Qo]it^fvoi, in 8 wohl χαί τ Ιών άλλων γί•ν[ών. — 106, 8 nicht [ijc^«»»!
das ( müßte in der vorhergehenden Zeile stehen, und dies iHt unwahrscheinlich. Daher
wohl eher ίριώψ (au• Wolle), ebenso dann auch in 107, 4. Vgl. Potr. II SS (1) «0.
— 107, 8 Τίμ[ής.
2) Vgl 'auch Uli. i
8) Vgl. Griech (»hm .1 ,i I J• .• u DjLt«nl»erger, Or. Ur. 1 yo, 17 und 21M. Ich be-
ziehe jetzt den ersten • .1..1.I. nl . ,. η Krlaü von '^ der obligaten Mynsoelierorungen —
nnd zwar dauernd? vgl. onr. /.n im mf den HegierungxH! /.weiten auf da«
KrönungsfcHt im 9. Jahr. Im. .>i. li. h /. »gen, wie schwer »1 Iirhtung auf den
Priestern laMtete. Vgl. jeUt auch Teb. 6, 6Sff. und Elepb. 86, ii.
246 Kapitel VI. Industrie und Handel.
auf die Einleitung zu 307 verweise, bemerke icli hier nur so viel:
Rostowzew^) hat wohl mit Recht angenommen, daß in der vorgriechischen
Zeit die Othonionfabrikation in den Tempeln längst eingebürgert war und
hier in hoher Blüte gestanden hat^), für die griechische Zeit aber geht
er zu weit, wenn er sagt (S. 632): „Das Monopol des Verkaufs hat also
der Staat, die Fabrikation betrieben die Tempel". Er selbst hat vorher
mit Recht die υποτελείς des P. Teb. als staatliche bezeichnet, wie ich tat-
sächlich nur staatliche ντίοτελείς kenne (s. unten); also hat es neben
der Tempelfabrikation auch eine königliche Fabrikation ge-
geben — vgl. den Ausdruck όΰ-ονίων βαΰιλικών im Straßburger Ostra-
kon — , selbst wenn die königlichen Webereien sämtlich in den Tempeln
plaziert gewesen sein sollten, was aber nicht mit Sicherheit aus jenem
P. Teb. erschlossen werden kann. Andrerseits bestätigt übrigens der P. Teb.,
was auch alle andern Quellen ergeben, daß den Tempeln speziell die Fabri-
kation der feinsten Stoffe, der ßvööiva, vorbehalten war, eben weil sie
wohl seit alter Zeit diese Kunst gepflegt hatten. Vgl. außer der schon
zitierten Rosettana auch P. Eleph. 26 und 27. Hiervon hatten sie einen
Teil an den König zu liefern (ονντελεΐν) für die Erlaubnis, Bjssos fabri-
zieren zu dürfen, im übrigen hatten sie ihr Fabrikat im Tempel, im be-
sonderen für die Bekleidung der Götterstatuen zu verwenden. Jeglicher
Verkauf war ihnen verboten. Soweit liegen die Dinge hier also im Grunde
doch ganz ähnlich wie beim Ölmonopol.
Nur ein neues Moment kommt, wie mir scheint, hinzu: der König
erlaubte auch Privaten, offenbar solchen, die technisch in diesem schwie-
rigen Gewerbe besonders geschult waren, Stoffe zu weben, natürlich unter
der Verpflichtung, daß sie sie nur an den König verkauften und zu den
Produktionspreisen, die er bestimmte. Diese Privaten standen also durch-
aus im Dienste des Monopols und gehörten zu den υποτελείς ^ unter-
schieden sich aber von den sonstigen Monopolarbeitern dadurch, daß sie
nicht wie diese Löhne {μιοΰ-οί) erhielten, sondern ihre Fabrikate an den
König verkauften (für τψαί). Die λινυφαντεΐα^ in denen sie arbeiteten, wer-
den ihr Privatbesitz gewesen sein, denn in Teb. 5, 238 müssen diese beson-
ders gegen die Praktoren geschützt werden. Diese Annahme eines solchen im
Dienst des Monopols stehenden Privatbetriebes^) stützt sich außer auf
Teb. 5, 238 (307) auf Hib. 67 (306) und 68, in deren Interpretation ich
den Herausgebern nicht folgen kann, und P. Magd. 36 (305). Offen ist aber
noch die Frage, ob es neben diesen im Privatbesitz geführten λινυφαντεΐα
überhaupt noch königliche εργαότήρία ■■ — nach Analogie der königlichen
1) GGA 1909, 632 ff.
2) Auch Bouche-Leclercq, Hist. d. Lag. III 269 spricht von einem ancien mono-
pole des temples.
3) Vgl. auch Bouche-Leclercq, H. d. Lag. III 270.
§ 1. Die Monopole. 247
έλαιονργΐα — gegeben hat, oder ob etwa die ganze Othonionfabrikation,
soweit sie nicht von den Priestern betrieben wurde, sich in eben diesen
λιννφαντεΐα vollzogen hat. Ein direkter Beleg für solche königlichen
εργαΰτήρια liegt bisher nicht vor, was freilich Zufall sein kann. Auf alle
Fälle lernen wir in diesen im Privatbesitz befindliphen λιννφαντεΐα eine
wichtige Betriebsform des Monopols kennen, die eventuell auch bei an-
deren Monopolen Anwendung gefunden haben kann.
Das Olmonopol und das Othonionmonopol sind die einzigen, von deren
Organisation wir Genaueres wissen. Schon in älteren Arbeiten wurden
außerdem mehrere Betriebe als Monopole aufgefaßt, so namentlich die-
jenigen, deren Monopolisierung aus dem Obereigentum des Königs an
Grund und Boden abgeleitet werden konnte, also die „natürlichen" Mo-
nopole, wie das Bergwerksmonopol, das Salzmonopol, das Natron- und
das Alaunmonopol. Durch die neueren Papyrusfunde sind noch eine
ganze Reihe weiterer, nicht natürlicher Monopole bekannt geworden, doch
ist es in manchen Fällen, die als Monopole angesprochen sind, noch
zweifelhaft, ob nicht nur eine königliche Manufaktur vorliegt, die neben
einer privaten Industrie bestanden hat, und auch wo das Monopol fest-
steht, ist es meist sehr zweifelhaft, in welcher Weise es organisiert war.
Grenfell-Hunt und andere (wie Maspero, Bouche-Leclercq u. a.) haben mit
Recht betont, daß es sehr verschiedene Arten von Monopolbetrieben ge-
geben hat, wie ja auch schon zwischen Öl- und Othonionmonopol manche
Divergenzen bestehen. Auch ist abgesehen von den gleichzeitig bezeugten
Verschiedenheiten damit zu rechnen, daß im Laufe der Jahrhunderte
die bestehenden Organisationen sich geändert haben. Im besonderen
drängt sich die Frage auf, ob nicht die Römer, die die zahlreichen
Monopole vorfanden, entsprechend den veränderten Verhältnissen sogleich
oder später die Einrichtungen geändert haben. Leider liegen uns aus der
Kaiserzeii bis jetzt gar keine detaillierten Nachrichten in der Weise des
Revenue-Papyrus über dies Gebiet vor. Doch läßt sich hie und da er-
kennen, daß der Betrieb von den Römern abgeändert >vorden ist.
Die Frage nach der Ausdehnung der königlichen Μ onopol Wirtschaft
ist neuerdings namentlich durch einige Stellen in Teb. 5 ins Rollen ge-
kommen*), in denen eine ganze Reihe von Betrieben als in gleicher
Weise in gewissen Hinsichten privilegiert aufgezählt werden, unter denen
flieh einige befinden, die als monopolisiert uds bekannt sind, wie das
Gewerbe der iXaiovQyoC und xixiovQyoi und auch der λίνχ^φοι^ ßvatSovgyoC
und ίρίονφάντΜ (vgL aach ηόχνφοί und τawφάvta^). Alle diese werden
mehrfach als νποηλβίς bezeichnet oder auch allgemeiner za den IxiX«-
1) Vgl. Ζ t&ef., wo tAv hnouXop Hol rd^ ζ^&ΧΧων τΑν> έηίη9ηΙίγμ49»ψ wa
«mendieren ί•1, 170 ff. '2 10 ff. «•ϊ«ίΓ s.iftfT, ^i-jf
248 Kapitel VI. Industrie und Handel.
Λλεγμένοί ταϊς προΰόδοίς (als solche, die „mit den königlicheD Einnahmen
verflochten sind") gezählt. Nur die ßvööövQyoC werden einmal (in Z. 245)
in Gegensatz zu den ντΐοτελεΐς gestellt, offenbar weil sie nach obigem
nicht direkt im königlichen, sondern im Tempeldienst standen. Die Her-
ausgeber haben aus diesem Tatbestand den Schluß gezogen, daß auch die
anderen hier genannten Gewerbe alle monopolosiert gewesen sein müßten,
das wären also die νοφορβοί und χηνοβοΰκοί, die μελιοοονργοί und ζντο-
ποιοί. Hiergegen hat Jul. Beloch (Griech. Gesch. ΠΙ (1) 339, 2) allge-
meine Bedenken erhoben, und Bouche-Leclercq (Hist. d. Lag. III 247) hat
mit Recht gesagt, daß die χηνοβοοκοί (und entsprechend auch die νοφορβοί)
viel eher als Pächter der königlichen Gänseherden auf den Domänen auf-
zufassen sind, neben denen es auch priesterliche und private Gänsezüchter
gegeben haben wird. Ich betone, daß in demselben Text (Teb. 5 auch
die βαοιλίκοί γεωργοί^ die königlichen Domanialpächter, zwar nicht zu
den υποτελείς^ wohl aber zu den έτνίτίεΛλεγμενοι xalg τίρούόδοΐξ ge-
zählt werden, und ihnen stehen (nach Bouche-Leclercq) die {βαύιλικοϊ)
χηνοβοοκοί und νοφορβοί parallel. Es stehen hier also königliche Pächter
und Monopolisierte durcheinander, und wir können daher aus diesem Text
allein nicht entnehmen, ob die μΒλΐ66ονργοί und ζντοΛοιοί der ersten oder
der zweiten Klasse angehören. Ob das merkwürdige Wort υποτελής^) ^
das in Gegensatz zu den βαΰιλικοί γεωργοί gestellt wird^), ausschließlich
auf das Monopol hinweist, ist auch nicht so sicher, wie angenommen
wird. So möchte ich die Frage aufwerfen, ob nicht auch die Steuer-
pächter, die wir doch sicher auch zu den επιπεπλεγμένοι ταΐς προόόδοίς zu
zählen haben, ebenso wie die Pächter im Monopolbetriebe zu den υπο-
τελείς gehören.^) Es bleibt also nichts übrig, als auf induktivem Wege
bei jedem einzelnen Betriebe zu untersuchen, ob Indizien für die Annahme
eines Monopols vorliegen oder nicht. Für das Verständnis der königlichen
Großindustrie ist es aber ebenso wichtig, festzustellen, ob auch außerhalb
der verschiedenartigen Formen des Monopols sich königliche Manufakturen
oder Betriebe nachweisen lassen, die in Konkurrenz mit den entsprechen-
den priesterlichen oder privaten Betrieben geführt worden sind. Diese in
gleicher Weise zu beachten, ist um so wichtiger, als es in der Praxis
Übergangsformen gegeben haben wird, die sich mit jenen modernen
termini technici nicht ohne weiteres decken. Ohne Vollständigkeit zu
1) Wie die Ausschließung der βνσβονργοί (s. oben) zeigt, scheint es speziell die
in königlichen Diensten stehenden zu bezeichnen.
2) Sowohl die βαβιλι^ίοΐ γεωργοί wie die υτίοτελεΐς sind έτνι,τίεπλεγμένοί τοΰ^
Λροοόδοίς.
3) In Teb. 40, 24 wird ein έξείληφώς την ξυτηράν -nccl νηρικην Κερτιεοβίρεως als
υποτελής bezeichnet, und dieser scheint eher ein Pächter der betreffenden Steuern als.
des Monopolbetriebes zu sein. Vgl. auch Par. 63, 97: τονζ υποτελείς τψ τε ΙχΟ-ντιρ&ι
-Kccl ζντηρ&ί καΐ ταΐς aAial•^ ώνοίΐς. Die Fißcherei ist wahrscheinlich nicht MonopoL
§ 1. Die Monopole. 249
beabsichtigen, will ich hier in alphabetischer Folge nach griechischen
Stichwörtern solche Betriebe aufzählen, für die königliche Monopole resp.
Beteiligung des Königs von der Forschung erwiesen oder vermutet oder
auch irrig behauptet worden sind. Bei der Fülle des Materials kann unten
von den Texten nur eine engere Auswahl gegeben werden.
"Λλς.
Wilcken, Griech. Ostr. I 141 ff. Rostowzew, Staatsp. 411. Otto, Priester
u. Tempel II 53. Maspero, Les financ. de l'Eg. 90. Bouche-Leclercq, Hist.
d. Lag. ΠΙ 329. Vollständiges Monopol. Verschleiß durch άλοπώλαι. Viel-
leicht (nach Art der Salzkonskription) Zwangsverkauf eines berechneten
Minimum.^) Außerdem Konsumsteuer (aXLXTJ\ von der Zahlung der τιμή
άλοζ zu trennen. Für die verschiedene Höhe des Konsums vgl. jetzt außer
den früheren Zeugnissen Petr. III S. 264 ff.
^Αναβολικό.
Rostowzew, Woch. klass. Phil. 1900, 115 erklärt dies als zusammen-
fassenden Xamen für monopolisierte ägyptische Produkte, im besonderen
die zur Ausfuhr bestimmten. Die αναβολικά Βίληφότες im Edikt des Jul.
Alexander Z. 21 faßt er danach als Monopolpächter. Vgl. vit. Aurel. 45.
Ob der Name αναβολικά sie als Hauptexportgegenstände bezeichnet
i Rostowzew), ist mir zweifelhaft, denn verfrachten (zu Schiff) heißt έμβάλ-
λειν^ nicht άναβάλλειν. Zur Sache vgl. jetzt den Cairener P. Thead. Inv.
N'r. 15: ά:ζοδ8κταί λίνου τον Ιερον αναβολικού und dazu meine Bemerkung
Ar..]. TV 185.
'Αρώματα.
Rostowzew, Arch. IV 313 f. Monopolisierung der Gewürze (αρωμα-
τική): Preisbestimmung für Myrrhen durch den König in Teb. 35 (309).
Monopol der Salbenfabrikation und des Verkaufes, belegt noch für die
Kaiserzeit durch P. Fay. 93 (317). Über die Tonstempel mit άρωματιχί^ς
vgl. Rostowzew 1. c. — Liste verschiedener Parfüms: Petr. II 34b (— III
BaXavBiit.
Otto Lei 292 II 53 nimmt staatliches Bädermonopol an, mit Privileg
für die Tempel.
Grenfell-Hunty Teb. II S. 49 nehmen nach einem unpublizierten Pa-
pyrus, in dem ein Pachtangebot auf βαφιχή gemacht wird, Monopolisierung
,i,.r T";;r-i...r..; ftn. Dagegen 8|••ί'•1ιί ni.lii, daß es βαφιΐς gibt, «li«* >^//»/i
1) Für den Zwang verweift Rottowsew treffend aof Makk. I 10, 19: άηοΐύω^
άηό χΛν φόρων nal χής ^^Ι^ή9 ^οϋ άΧός.
250 Kapitel VI. Industrie und Handel.
va^Lov zahlen (1. c). Mir kommt vielmehr die Vermutung, daß das %£t-
ρωνάξων^ das ja für die Ausübung des Gewerbes gezahlt wird (vgl.
S. 171) — entsprechend etwa den Othonionlieferungen der Tempel — die
Abgabe ist, für deren Zahlung sonst monopolisierte Betriebe auch Privaten
freigestellt wurden. Jedenfalls können wir schon jetzt unter den χειρω-
i/a|tov- Pflichtigen Gewerben mehrere bezeichnen, die sicher monopolisiert
waren. Vgl. z. B. die Liste in Arch. V 274.
Kenyon Lond. Π S. 183/4 (315) erklärte die γναφνκή für Monopol-
betrieb. Mein Widerspruch (Arch. I 156), dem Kenyon, Class. Rev. 14,
171 zustimmte, wurde mit Recht auf Grund einer Parallelurkunde von
Grenfell-Hunt, P. Fay. S. 150, zurückgewiesen. Vgl. auch Teb. Π S. 48.
Anders Otto I 308, 1, der darin (wie ich früher) die Gewerbesteuer sehen
will. Daß die Walkerei schon im III. Jahrb. v. Chr. monopolisiert war,
zeigte ich inzwischen im Arch. III 516 an Petr. II 18 (1), vgl. ΠΙ 32 (c).
Hier ist der Ausdruck υποτελής auf aUe FäUe für das Monopol beweisend,
da es sich ja um einen Arbeiter (γναφενς), nicht um einen Pächter handelt
(s. oben S. 248).
Αέρματα,
In Petr. II 32 (1), 5 (= III S. 78) wird ein ßaöiXixbv ταμίείον^) δερ-
[μά]των (Wyse) erwähnt, in dem βυρόοδεψαο (resp. οκντεΐς) arbeiten.
Vgl. Ostr. I 294, 354. Also zum mindesten königlicha Manufaktur.
'Έλαιον,
Zum ptolemäischen Olmonopol vgl. oben S. 241 ff. Schwieriger ist die
Frage, wie es in der Kaiserzeit organisiert war. GrenfeU-Hunt, Amb. II
S. 115, folgerten daraus, daß in der Kaiserzeit sich Ölmühlen im Privat-
besitz befinden wie in Fay. 95, 96 (313) und Amh. 93 (314), daß ein
wirkliches Olmonopol nicht mehr bestanden habe. In diesen von ihnen
angezogenen Fällen handelt es sich aber um Oliven- und Rettigöl, dessen
Produktion auch in der Ptolemäerzeit nicht monopolisiert war. Vgl.
Arch. I 553, auch Otto I 295, 1, wogegen in anderen FäUen von privaten
Ölmühlen sich dieser Nachweis nicht erbringen läßt. Otto 1. c. läßt daher
die Frage, ob das Olmonopol in der Kaiserzeit bestand, unentschieden.
Rostowzew (GGA 1909, 632•) scheidet zwischen Produktion und Verkauf.
Der Verkauf sei Staatsmonopol geblieben, die Produktion aber sei aUen
freigestellt. Ersteres ist gewiß richtig. Die zweite Frage ist noch ein
Problem. Die große Zahl der privaten έλαιονργΐα (vgl. Otto 1. c.) be-
1) P. Meyer, ^ωίκηβις (Festschr. 0. Hirschf.) S. 131 faßte dies irrig als Staats-
kasse, da er die Lesung δερ[μά]των noch nicht kannte. Ταμ,ΐΗον kommt in der Ptole-
mäerzeit in dieser Bedeutung nicht vor.
§ 1. Die Monopole. 251
weist das nocli nicht, da, wenn ich nicht irre, noch in keinem Falle sicher
ist, daß eine der Monopolsorten darin verarbeitet wurde. Die Olpressen-
steuer (τέλος ϋ-νίών) beweist es ebensowenig, denn die wird auch von
nicht monopolisierten Ölbetrieben erhoben (Amh. 93 [314]: Raphanos).
Diese Frage lasse ich also noch offen. — Für das Verkaufsmonopol vgl.
Amh. 92 (311). Ölmühlen in der kaiserlichen ovöCa vgl. in Wess. Spec.
11, 20/1 (176) und Lond. II S. 193/4 (312).
"Ερια. ^
Die Wollweberei war nach Rev. P. 103, 2 köuigliches Monopol in
demselben Sinne wie die όϋ-ονιηρά^ unter der sie mit behandelt wird. Vgl.
auch 106, 3 und 107, 4, wo statt ί]ερέων wahrscheinlich Βρεών zu lesen ist.
Vgl. oben S. 245 Anm. 1. Daher begegnen in Teb. 5, 239 die εριονφάνταυ
unter den υποτελείς. Vgl. auch die πόκ<^ν}φοι in Teb. 5, 170 f. und dazu
Teb. 116, 22: ερίων %ό{κοι) β. Über die Tuchfabriken der berühmten
Kleopatra vgl. Orosius VI 19, 20, denen ein römischer Senator A. Ovinius
vorgestanden hat. Der Ausdruck εριηρά begegnet in P. Cairo 10449
(Arch. I 552).
Ζντος.
Ob es ein Biermonopol gegeben hat, wird von manchen bezweifelt,
wie von Bouche-Leclercq III 1^48/9, Otto II 287, 1. Maspero 85 nennt
es ein monopole iictif. ^) Ich habe der Ansicht von GrenfeU-Hunt, daß
die Bierbrauerei und der Bierverkauf monopolisiert gewesen seien (Teb. I
S. 48 f.) im Arch. III 520 zugestimmt, weil auch die ξυτο:ΐοιοί ebenso
wie die ελαωχάπηλοι vom König eine οννταϊ,ις bezogen (Petr. III 87
S. 220 ff.). Aus Teb. 5, 173 allein würde ich es nach den obigen Bemer-
kungen über υποτελής nicht mehr folgern, auch nicht aus Par. 63, 97.
Aus dem Hev. P. Frag. 6 (a) 13 und (h)3, wo von Bier gesprochen wird,
läßt sich nichts folgern, da nicht einmal feststeht, ob von ζυτοπ[ώλαί oder
von ξντοπ[οιοί die Rede ist. Für den Betrieb der Ptolemäerzeit ist das
Wichtigste Grenf II 39 (310), wonach ζυτοττοιοί einen monatlichen φόρος
zahlten. Ich sehe jetzt in diesem φόρος ein Anologon zu dem φόρος^ der
in der Kaiserzeit öfter für Monopolbetriebe gezahlt wird, d. h. den Pacht-
zins. Diese ζντοποιοί haben also die Bierbrauerei vom König gepachtet.
Eb ist dies eben eine andere Organisation des Monopols als Beim Ol- und
Othonionmonopol. Für die Deutung der ξντηρά gibt es leider immer
noch mehrere .Nlöglichkeiten. Ob das Biermonopol in der Kaiserzeit noch
bestanden hat, kann angesichts von BUU IV 1126 zweifelhaft erscheinen,
wn i.jne AlexfirMlriniTin ein ζντοπωλίον besitzt ΠνΙ 7ντ» r^i]) (a. 9 v.Chr.).
1 , Auch M. Weber, AgrargeMbiohte (H. d. StaftUw. 8. Anfl.) 8. 184 toheint kein
> π'<ι»>1 ansonehmen.
252 Kapitel VI. Industrie und Handel.
Nach Lond. ΙΠ S. 182 war a. 113 in Arsinoe ein ξντοΛωλεΙον Σαραπεόου.
Wichtig ist, daß nach einer Inschrift^) ein kaiserlicher Freigelassener
im Menelaites für einen Tempel ein ζντοπωλείον stiftet und die Regie-
rung um Steuerfreiheit für dieses bittet. Zu bemerken ist, daß er nicht
erst um die Erlaubnis bittet, die Bier Verkaufsstelle einrichten zu dürfen,
sondern nur um Steuerfreiheit für die Stiftung. Freilich könnte vielleicht
eingewendet werden, daß die Tempel so wie so das Privileg hatten, trotz
des Monopols Bier zu verkaufen. So ist BGÜ IV 1126 vielleicht noch
entscheidender als diese Inschrift. Zur Frage vgl. auch Teb. II S. 335.
In den Ostr. I 137 ff. nahm ich wohl ausgedehnte Fischereirechte des
Königs, aber nicht Monopol an. Inzwischen sind GrenfeU-Hunt in Teb. I
S. 49 für das Monopol eingetreten^), während Bouche-Leclercq III 247
meint, das theoretisch bestehende Monopol sei hier in eine Steuer (die χε-
τάρτη αλιέων) umgewandelt. In Ρ. Hamb. 6 (320) hat jedoch P. Meyer
eine Stütze für meine Ansicht gefunden.
Μβλισσουργία.
Wenn ich auch aus der Erwähnung der μελίΰόονργοί in Teb. 5, 157 ff.
u. 173 nach obigem nicht folgere (wie Grenfell-Hunt), daß die Imkerei
monopolisiert war, so folgt doch aus ihrer Erwähnung an jener Stelle
mindestens, daß der König an diesem Betriebe stark beteiligt war. So
auch Bouche-Leclercq III 247. Die Frage, ob Monopol bestanden hat,
wird wohl auch durch den εγλημτίτωρ oder τελώνης μέλιτος καΐ κηρον
in Lond. III S. 106 noch nicht entschieden.
Μέταλλα.
Ein Bergwerksmonopol und auch Steinbruchsmonopol ist für die
Ptolemäerzeit sicher anzunehmen, während in der Kaiserzeit mindestens
theoretisch auch Privatbesitz möglich war. Hierüber zuletzt K. Fitzler,
Steinbrüche und Bergwerke S. 56 f. und 110 ff.
Νίτρον,
Natrongewinnung und -verkauf war sicher (parallel dem Salz) mono-
polisiert. Vgl. Wilcken, Gr. Ostr. I 264 f. Bouche-Leclercq III 240.
1) Vgl. de Ricci, Arch. II 565 n. 121 (Ergänzungen bis auf Z. 6 irrig) und
Lefebvre, Bull. Corr. Hell. 26, 451. Das Petitum ist m. E. so zu ergänzen: Βονλό-
μενος δΐ προοκτ/σαι [ καΙ? ξ]υτοπολΐον in' ενεργεαίαι τον [Ιερον, άξίώ
έ7ίΐχ]ωρ7ΐ^'ήνοα καΐ τοντο είναι ατελές. Aus dem letzten καΐ folgt, daß die vorher
genannten εργαστήρια schon steuerfrei waren. Also ergänze ich Z. 5: έργαϋτηρια
[ατελή οντά έ'τι] άτνό των ^νπροΰ&εν χρόνων.
2) Par. 63, 97 ist zwar nicht beweiskräftig, denn die νταοτελεΐς ίχΟ-νηρά könnten
auch Steuerpächter sein. Vgl. oben 248.
§ 1. Die Monopole. 253
Maspero 89. Genauere Nachricliteii über die Organisation fehlen für die
älteren Zeiten. Für das IV. Jahrh. n. Chr. wirft Lond. Π S. 285 (322)
interessante Lichter auf den Natron-Schmuggel.
Βύλα.
Nach Teb. 5, 205 war durch königliche Λροότάγαατα das Holzfällen
sogar auf eigenem Boden untersagt, oder war wahrscheinlich von der
königlichen Erlaubnis abhängig gemacht. Also auch da, wo Privatbesitz
allmählich entstand, behielt der König sich doch die Bestimmung über die
Baumbestände vor. Während Maspero S. 91 geneigt ist, von emem Holz-
monopol zu sprechen, sieht Bouche-Leclercq HI 241 darin nur einen
Schutz des Baumbestandes. Handelt es sich in P. Teb. nur um eine Ein-
holung der Erlaubnis zum Fällen, so liegt kein Monopol vor. Ich erinnere
daran, daß schon in der Pharaonenzeit, im Neuen Reiche, ohne Erlaubnis
des Veziers kein Baum gefällt werden durfte.^) Über den besonderen
Schutz der Perseabäume vgl. meine Ausführungen im Arch. I 127 zu
Oxy. I 53. — Über die ζνλίχη in den auswärtigen Besitzungen vgl.
Teb. 8 (2).
Ό^όνια,
S. oben S. 245 f Für die Kaiserzeit vgl. Ostraka I 267 ff. und das
unten S. 259 über die Byssosfabrikation der Tempel Gesagte.
οίνος.
Sowohl Maspero S. 80 ff. wie auch Jouguet zu P. Lille 4, 15 (S. 45) ent-
nehmen dem Rev.P. 24 — 35 ein Weinmonopol. Dieser Abschnitt handelt viel-
mehr ausschließlich von der άπόμοιρα^ der Sechstelabgabe an die Göttin Phila-
delphos (vgl. 249). Die strenge Kontrolle der Weinproduktion hat mit einem
Monopol nichts zu schaffen.*) W^enn der König diese scharf kontrolliert,
ganz anders als den Getreidebau, so liegt das nach meiner Ansicht daran,
daß dort die Steuer eine Quote ist, hier ein fixes Quantum. Wo Quoten
vorliegen, hat der König ein ganz anderes Interesse an der höchst möglichen
Ernte. Damit hängt auch, wie wir oben sahen, zusammen, daß die Er-
hebung der Weinabgabe verpachtet ist, die der όίτιχά nicht.
mM>ot.
FQr die Kaiserzeit wird das Monopol der Ziegelfabrikation und des
Ziegelyerkaufs belegt durch Fay. 36 (310).
1) Vgl Breatted, Ancient Ilecord• of Egypt II § 607 (atii dem Gnbe de•
Reohmert, Aber die Pflichten de• Vexiert): ,,It ie he (der Vetier) who diipaichet to
CQt down ireet accordin^^ to the deoeiion in ihe king'i-houie " Vgl. Teb. 6, S05:
{άηολϋαα») χα) το^ς ηικοφότας χώρ ίΟων |ν1α ηαρά <τά> ^χ<»>ι/μ•να %099τάγμαΜα.
%) Dagegen erkl&rte ich mich schon Deutache Lit. Z. 1897, 8p. 1018 und kfirt-
lirh im Arrh V 124.
254 Kapitel VI. Industrie und Handel.
Πλοία,
Die Schiffahrt auf dem Fluß war nicht monopolisiert, aber der König
war als Besitzer vieler Schiffe, im besonderen Transportschiffe, stark be-
teiligt an diesem Erwerb. Vgl. Rostowzew, Arch. V 298, der auf Teb.
5, 99 und Petr. III 1 07 (auch Hib. 39, 4) hinweist. Daß auch Königinnen
Schiffsbesitzerinnen waren und damit Geschäfte machten, zeigte ich Arch.
V 22Q aus P. Lille 22 und 23. Von der Verpachtung eines νανλον für
königliche Schiffe oder Fähren handelt auch Theb. Bankakt. 12, die ich
in den „Urkunden der Ptolemäerzeit" neu behandeln werde. — Im An-
schluß hieran sei auf die Inschrift aus Myra (Lycien) bei Dittenberger,
Or. Gr. II 572 (U/III. J.) verwiesen, die, Λvenn ich recht sehe, uns ein
städtisches Fähr-Monopol vor Augen führt. Der Text erinnert in manchen
Wendungen an den Rev. Papyrus.
Πορφύρα,
Die τΐορφνρίκή wird durch Teb. 8 (2) für Lycien bezeugt. Ob Mono-
pol vorliegt, läßt sich dem Text nicht entnehmen. Vgl. Bouche-Leclercq
III 270.
Σίλφιον,
In dem ptolemäischen Nebenlande Cyrenaica war das Silphion, der
wichtigste Exportartikel, monopolisiert, wie ich mit Beloch, Griech, Gesch.
III (1) 340 annehme (anders Bouche-Leclercq III 244). Zu den von Beloch
angeführten Belegen ist hinzuzufügen Aristoteles Fragm. (Rose) 528, wo-
nach die Kyrenäer dem Battos das Silphion als έξ,αίρετον überwiesen. Das
soU doch wohl eine historische Erklärung des königlichen Monopols sein.
So zeigt uns die berühmte Arkesilasschale die persönliche Fürsorge des
Königs für sein Monopol.
Στν:ΐΐ^τιον,
Die Verarbeitung des groben Hanfs oder Wergs fiel nach Rev. P.
103, 2 (οτνπτΐεΐνων) unter die Verwaltung des Othonionmonopols und
war mit diesem monopolisiert. Ptolemäos III schenkte den Rhodiern nach
dem großen Erdbeben u. a. οτνππίον τρίοχίλια (seil, τάλαντα)^ οΘ-ονίων
Cörovg (vgl. Rev. F.i) τριοχιλίονς (Polyb. V 89, 3, vgl. Bouche-Leclercq
III 268, 3). Daß die stuppa noch in der Kaiserzeit monopolisiert war,
sagt vit. Aurelian. 45.
Στνπτηρία,
Daß die Alaungewinnung monopolisiert war, ist nach Analogie von
Salz, Natron usw. zu vermuten'), und wird für die Kaiserzeit durch
BGÜ 697 (321) bestätigt. Vgl. Rostowzew, Woch. Klass. Phil. 1900, 115.
1) Nicht entscheidend, aber doch bemerkenswert ist, daß Amasis nach Delphi
χίλια οτνπττιρίης τάλαντα schenkte (Herod. Π 180).
§ 1. Die Monopole. 255
Τρά:ΐΒζα,
Über das Bankmonopol s. zu 181.
'Ταλος.
Für das Glasmonopol, das nach. vit. Aurelian. 45 anzunehmen ist,
haben die Papyri noch nichts gebracht.
"^Τοφορβοί.
Daß die Schweinezucht nach Teb. 5, 171 nicht notwendig als Monopol
aufzufassen ist, wurde schon oben S. 248 ausgeführt. Aber das lehrt die
Stelle mindestens, daß auf den königlichen Domänen die Schweinezucht
wohl im großen Stil betrieben wurde. Über den Schweinezüchter in
BGÜ 92 vgl. Kap. IX.
Χάρται.
Für Papyrusfabrikation und -verkauf wird von den meisten Forschern
Monopolisierung angenommen, so von Lumbroso, Recherch. S. 99, Ros-
towzew, Woch. klass. Phil. 1900, 115, Bouche - Leclercq III 267. Vgl.
auch Dziatzko, Untersuchungen z. ant. Buchwesen (1900) S. 98 ff. (mit
Zeugnissen auch für die byzantinische Zeit).^) Vgl. vit. Aurelian. 45.
Bestätigend kommt Teb. II 308 (319) hinzu. 2) Dieser Text legt zugleich
nahe, daß die Priester auch bei diesem Monopol, Λvie bei dem Ol- und
Othonionmonopol, ein Privileg hatten. Vielleicht findet dadurch die charta
hieratica, die nach Plinius ursprünglich die beste war, ihre Erklärung.
Ebenso begreifen wir vom Monopol aus besser die Nachricht, daß der
Präfekt C. Cornelius Gallus eine neue Papyrussorte eingeführt habe (Sue-
ton, Reliqu. ed. Reifferscheid S. 132, vgl. Isid. orig. II 10), die Comeliana.
BGU IV 1121 zeigt, daß das Rohmaterial (Papyrusdickichte) auch in
Privatbesitz war, aber die in diesem Vertrage festgesetzten Arbeiten
beziehen sich nur auf die Pflege des Dickichts, nicht etwa auf Papyrus-
fabrikation. Der Kleinverkauf erfolgte durch χαρτοπώλαι^ wie der des Öls
durch die ίλαιοπώλαι. Nach Teb. I 112,62 soll zwar Papyrus direkt vom
XUQtoTcoiog gekauft sein, was mir sachlich bedenklich ist. Aber auch die
Abkürzung χαρχοπο{ι&ι) ist auffällig: ich vermute, daß χαρτοπό{λψ)
(— χαρτοπώλψ) zu ergänzen ist. Was die χαρτηρά ist, ist noch dunkeL
Vgl. Petr. 111 S 293 (Quittung von πραγματινόμίνοι, τήν χαρτηράν^ leider
verstümmelt), Teb. 140 (τβλώνψ χαρτηράς)^ für die Kaiserzeit BGÜ 277
II 11 (für den ονόιαχος λόγος erhoben, vgl. hierzu S. 257). Vielleicht
1 Dagegen rechnet M. Weber, Agru-geichichte S. 186 mit der Monopoliiierung
der Papyrufverarbeitung durch die alexandriniechen Papjroih&ndler.
2) Daß ei auch PapjruMflmpfo gab, die in privatem Beiits waren, ipricht nicht
gegen die Monopoliiierung der Papyruifabrikation. Vgl. BQU IV llSl (Verpachtung
eine• ^'^^ "f ?-••
256 Kapitel VI. Industrie und Handel.
ist mit χαρτηρά (seil, ώνή) direkt das Papyrusmonopol bezeiclinet. Soeben
hat Calder in Kilo X 236 eine kleinasiatische Inschrift publiziert, in der ein
kaiserlicher Freigelassener den Titel führt: επίτροπος χαρτηράς (so, nicht
χάρτη[ς ίε]ρας^ wie Calder liest) Αλεξανδρείας. Also ein Prokurator an
der Spitze des Monopols!
XrivoßouTiCa.
Wie oben S. 248 bemerkt, folgt aus Teb. 5, 171 nicht das Monopol.
Wohl aber wird auf den königlichen Domänen die Gänsezucht eine große
RoUe gespielt haben. Vgl. Petr. II 10 (1).
Aus Lond. III S. 108 (318) ergibt sich, daß die Juwelierarbeit mono-
polisiert war. Vgl. meine Einleitung. Wenn in BGU IV 1127 (a. 18 y. Chr.)
ein Privatmann einem andern ein έργαοτηρίδιον χρνοοχονν verkauft, so
kann diese Werkstatt den oben S. 246 besprochenen λιννφαντεΐα parallel
stehen.
Die Liste zeigt also, daß zurzeit noch große Unsicherheit über die
Frage herrscht, welche Betriebe vom König vollständig monopolisiert
waren, und an welchen er nur in Konkurrenz mit anderen beteiligt war.
Auf jeden Fall tritt uns aber auch jetzt schon entgegen, daß der König
der größte Großindustrielle und Großkaufmann des Landes war.
Lassen wir die landwirtschaftlichen Betriebe wie Schweinezucht und Gänse-
zucht hier beiseite, so sind es die allerverschiedensten Produkte, an deren
Produktion und Verkauf der König auf die eine oder andere Weise be-
teiligt war. Es sind einmal die notwendigsten Nahrungs- und Genußmittel
des Volkes, wie das Salz, das Ol, das von anderem abgesehen im Haus-
halt die Rolle unserer Butter spielte, der Honig, der unsern Zucker ver-
trat, ferner Fische, das wichtigste Nahrungsmittel des kleinen Mannes,
und Bier. Dazu kamen notwendige Gebrauchsgegenstände, die gleichfaüs
für einen Massenkonsum zu liefern waren, wie die leinenen und wollenen
Gewebe sowie ihre Verarbeitungen zu Kissen, Decken, Handtüchern usw.
und ihre Behandlung durch Färberei und Walkerei, ferner der Papyrus
als Schreibmaterial, die Ziegel zum Bauen und das Natron zum Waschen
(statt Seife). Endlich aber auch Luxusgegenstände, die nur für die höheren
Klassen in erster Reihe in Betracht kamen, wie die Goldschmiedearbeiten,
die Parfüms und Salben, auch das Silphion, das u. a. als feines Gemüse
beliebt war.
Ein Problem ist noch die Frage, wie die Monopolwirtschaft sich im
Laufe der Zeit entwickelt hat. Unser Material ist noch zu zufällig und
lückenhaft, um dies schon jetzt erkennen zu können. Schlüsse a silentio
sind gefährlich. Wenn z. B. das Ziegeleimonopol uns erst aus der Kaiser-
§ 1. Die Monopole. 257
zeit überliefert ist, so folgt daraus noch nicht, daß die Ptolemäer es
nicht schon gehabt hätten. So wage ich nicht zu sagen, ob in der Kaiser-
zeit eine Steigerung des Monopolsystems eingetreten ist.^) Ich habe bis
jetzt eher den Eindruck, daß in der Kaiserzeit die Privatbetriebe sich aus-
gedehnt haben, aber vielleicht täusche ich mich. Jedenfalls wissen wir
heute nach den neuen Aufschlüssen, daß die Monopole der byzantinischen
Zeit nicht etwas Neues waren ^), sondern nur eine Weiterbildung von
schon seit langem Besteheudem. Was wir für diese Zeit über die Be-
schränkung der persönlichen Freiheit derer, die in den kaiserlichen Fabriken
arbeiteten, hören ^), hat z. T. schon seine Vorläufer in der älteren Zeit,
wie z. B. der Beschränkung der Freizügigkeit der königlichen Ölarbeiter,
aber andrerseits ist die byzantinische Periode noch rigoroser verfahren, ent-
sprechend der allgemeinen Richtung dieser Zeit, wie sie uns auch in der Aus-
bildung der Zwangszünfte und des Kolonates entgegentritt. Wenn die kaiser-
lichen Betriebe damals unter Leitung von Prokuratoren stehen, wie den
procuratores gynaeceoruiri, baphiorum, linyphiorum usw.*), so erinnere
ich an den S. 266 erwähnten επίτροποξ xccQxriQag 14λε^ανδρείας als ihren
Vorgänger aus der früheren Periode.
Was endlich die Organisation der Monopole betriflPt, so sind uns ver-
schiedene Arten entgegengetreten. Schon zwischen der Organisation des
Ölmonopols und des Othonionmonopols ließen sich Abweichungen fest-
stellen. Wiederum anders war die Behandlung des Biermonopols, wo uns
die Verpachtung gegen eine Pauschalsumme an die Produzenten {φόρος)
entgegentrat. Dies ist die Form, die für die Kaiserzeit in mehreren Fällen
nachweisbar ist, vgl. Lond. III S. 108 (318) für die χρνοοχοϊχή^ Fay. 36
(316) für die nlivd-oTtouay Fay. 93 (317) für die αρωματική έργαόία.
Doch reicht unser Material nicht aus, um zu sagen, daß dies eine Neue-
rung der Kaiserzeit sei. Es ist nicht ausgeschlossen, daß dieselbe Einrich-
tung bei diesen Betrieben (ebenso wie beim Biermonopol) schon in der
Ptolemäerzeit bestanden hat. Eine Neuerung war dagegen, daß die άντι-
γραφίΐ^ der Ptolemäerzeit jetzt durch die έπιτηρψαί ersetzt waren, wie
bei der »Steuerpacht. Vgl. zu 316. Wenn andrerseits der Klein verkauf
in der Kaiserzeit verpachtet ist (vgl. Amh. 92 [311] für den Ölverkauf,
Fay. 36 [316] für die πλιν^οπωλιχή, Fay. 93 [317] für die μνροπωΐιχή,
vgl. aach den φόρος für die χαρτηρά in BGU "211 II 1(>Ίν'•\ so haben
1) Die• nimmt Max Web«'r, Aj^arifOHch. S. 180, an.
2) Vgl. Jak. Burckhardt, Zeit Konetantine 1H58 S. 450.
8) Vgl. z. B. H. »chiller, U. Kaisereeit II Hl.
4) Vgl. H. SchillcT 1. c. 76.
6) Vgl. hierzu GrenfcU-Hunt in Teb. II S. 181, die die Pertonen diese• Papyma
τ 1' h Annl /in von IKiU 10 all ίηιτηφηχαϊ τίΧωψιηών erklären. Jedenfall• sind ee
K• f r t. /iihlnr, londeni Pertonen au« der betfeffenden Verwaltung, seien lie nun
l'aclit»T θ(1«'Γ Kpitercten.
MltUlt-Wtlek«o: Onindiag• I. Π
258 Kapitel VI. Industrie und Handel.
wir eine Verpachtung an die κάτιηλοί für das Olmonopol auch schon für
die Ptolemäerzeit kennen gelernt (s. oben S. 242).
§ 2. DIE INDUSTRIE.
Außer den auf S. 239 genannten Arbeiten vgl. V arges, de statu Aeg. prov.
Kom. 1842, 73 £F. — H. Blüm η er, Die gewerbliche Tätigkeit der Völker des klass.
Altertums 1869 S. 6ff. — Lumbroso, Recherches S. 100 If. — Wilcken, Griech.
Ostraka I 321 ff. (über χειρωνάξιον) , 681 ff. (Sklaverei und freie Arbeit). — Max
Weber, Agrargeschichte im Handwörterb. d. Ötaatswiss. 3. Aufl. S. 126 ff.
Wie schon oben bemerkt wurde, sollen hier und in dem folgenden
Paragraphen nur die Probleme kurz skizziert werden, um zu der noch
fehlenden Durcharbeitung des Materials anzuregen.
Im vorigen Paragraphen hat sich uns der König als der erste Groß-
industrielle des Landes herausgestellt. Nächst ihm haben die Tempel
die erste Rolle in der Industrie gespielt.^) Sie scheinen das, was sie zum
Unterhalt ihrer Priesterschaften brauchten, nach Möglichkeit selbst produ-
ziert zu haben, wobei wir uns erinnern mögen, daß sie auch Land-
besitzer waren und die landwirtschaftlichen Produkte selbst erzeugten.
Man kann daher bis zu einem gewissen Grade, wie von einer Oikenwirt-
schaft des Königs, so auch von einer Oikenwirtschaft der Tempel sprechen.
Ob und wie weit sie sich über die eigenen Konsum- und Kult-Bedürfnisse
hinaus zwecks Gewinnerzielung an der Industrie beteiligt haben, ist noch
eine strittige Frage ^), doch spricht auch außer den Darlehensgeschäften
noch manches für die Annahme einer solchen Beteiligung. Von allge-
meiner Bedeutung hierfür ist die Stelle in Teb. 6,25 (332), wo unter
den Einnahmequellen der Priester auch auf die άπο εμποριών καΐ εργα-
σιών (Handel und Gewerbe) hingewiesen wird. Wahrscheinlich war die
industrielle Betätigung in noch höherem Maße in der vorgriechischen
Zeit entwickelt, wenigstens läßt sich in den beiden Branchen, über die
uns ausführliche Nachrichten vorliegen, der Ol- und der Othonionindu-
strie, erkennen, daß die ersten Ptolemäer die Tempelbetriebe zugunsten
der königlichen eingeschränkt haben. Nach Rev. P. 50, 20 ff. (299)
durften die Tempel Sesamöl nur noch für ihren eigenen Bedarf produ-
zieren, während ihnen der Verkauf, der offenbar vorher freigestanden
hatte, verboten wurde. In dieser Beschränkung läßt sich die Olfabrikation
der Tempel auch noch für die Kaiserzeit belegen. So zahlt noch im
III. Jahrh. n. Chr. der Tempel des Soknopaios die Mörsersteuer (τέλος
ϋ'νίών) für eine Ölmühle (έλαίονργίον) nach BGU 337, 11 (92) und
Lond. II S. 71.^) Ebenso ist, wie schon oben ausgeführt wurde, mit
Rostowzew anzunehmen, daß die Othonion-Produktion der Tempel durch
1) Vgl. Otto, Priester u. Tempel I 291 ff.
2) Vgl. Weber 1. c. 134. 3) Vgl. Otto 1. c. 295.
§ 2. Die Industrie. 259
das königliche Monopol eingeschränkt worden ist. Sie durften nur noch
die feinen Byssosstoffe herstellen^ und. zwar zum Verbrauch in den Tem-
peln (zur Bekleidung der Götterstatuen usw.) und zu den vorgeschriebenen
Lieferungen an den König.^) Auch hierfür war ihnen der Handel ver-
boten. Auch diese Industrie läßt sich noch in der Kaiserzeit nachweisen:
die Lieferung der Byssosstoffe durch die Tempel für die Einwicklung des
Apis und Mnevis (Nr. 85, 86) setzt sie voraus.^ Ferner zeigen Texte
wie BGU 337 (92) und P. Rain. 8 (Karanis S. 71), daß der Soknopaios-
Tempel Walker (Monopol!), Einpökler, Gemüsehändler usw. in seinen
speziellen Diensten hatte. Von den Walkern läßt sich aus Lond. II S. 184
(315) zeigen, daß sie Pächter des Tempels waren. Dasselbe gilt vielleicht
von den andern. So versteht man, daß der Tempel als der eigentliche
Betriebsinhaber die von diesen erhobenen Gewerbesteuern an den Staat
einzahlte.^) Wenn man auch bei dem Walker und Einpökler a priori
nicht notwendig an eine über die Deckung des Tempelbedarfs hinaus-
gehende Tätigkeit zu denken hat, so kann man sich den vom Tempel
verpachteten Gemüsehandel doch kaum anders vorstellen, als zum Zweck
der Gewinnerzielung betrieben. Dasselbe gilt von den oben S. 252 er-
wähnten ξντοπωλεΐα der Tempel. Dazu kommt, was Otto I.e. über Maler,
Bildhauer, Steinhauer usw., die im Dienst der Tempel standen, zusammen-
gestellt hat (S. 312 f.).*) Andrerseits wurde das Korn des Tempels in
eigenen Tempel-Mühlen vermählen (vgl. Lond. II S. 191 [323]), und das
Mehl in eigenen Bäckereien gebacken (vgl. Dittenberger, Or. Gr. I 177:
άρτοκόπων).^) Als später die Tempel verschwanden und statt ihrer die
christlichen Kirchen und Klöster sich im Laude erhoben, haben diese die
Pflege gewerblicher Einrichtungen von ihnen übernommen.^)
Wie für den königlichen und Tempelhaushalt wird man auch für die
Latifundien der großen Grundherren oiken wirtschaftliche Zustände anzu-
nehmen haben, ganz besonders für die Grundherren der späteren byzan-
tinischen Zeit wie die Pagarchen, zumal fUr jene Periode sowieso im
allgemeinen eine Rückkehr zu naturalwirtschaftlichen Wirtschaftsformen
charakteristisch ist. Im Haushalt der oben S. 83 erwähnten Apiouen,
die sich ihre eigenen Posten und Banken hielten, wird ganz gewiß Oiken-
wirtschafb bestanden haben.
1; Vgl. Teb. 6. 246/7 (807).
L') Dagef^eri kauft der Boknopaioitempel die cur Bekleidong der Statuen nötigen
Byssoutoif«! nach BOU 1, 8 (02).
8) Vgl. hierzu außer Otto L c. und Maz Weber 1. c. 184 meine Bemerkungen lu
dem Londoner Text
4) Vgl. jetzt auch Oxy. VII 10t9 Aber die 1$ρογλ^φο^, von denen der eine doh
nennt l»Qoγλvφoς 'Oatifftog O-tot μ«/^0τον. •
δ) Anch die verwandte Stiftung, die ich in 168 aus Aeg. '/ '" '7 erwAhnle,
nennt da» agronontov (icN Tenipelf.
6) Vgl Otto 1 c. l'99f. WeUr 1 c 188 f.
17*
260 Kapitel VI. Industrie und Handel.
Sehen wir von allen diesen Großbetrieben ab^ so kann bei den
Millionen von privaten Kleinbetrieben, zumal bei dem Aufschwung der
Geld Wirtschaft in hellenistischer Zeit, von einer Oiken Wirtschaft im Sinne
von Rodbertus- Bücher nicht die Rede sein. Ich verweise hierfür auf
meine Darlegungen in den Ostraka I 697.^) Ich stützte mich dort auf eine
Liste von verschiedenen Berufsarten, die über 6 Seiten einnimmt und
heute noch verlängert werden könnte.^) Sie zeigt eine außerordentlich
weitgehende Arbeitsteilung, eine Fülle der verschiedensten gewerblichen
Berufe, die alle darauf rechnen, außerhalb des eigenen Hauses Absatz zu
finden. Daß der Absatz vielfach auch außerhalb der Stadt und des Gaues,
ja des Landes gesucht wurde, wird im nächsten Paragraphen zu be-
sprechen sein. Diese Liste erweist andrerseits, daß die Sklavenarbeit
in der ägyptischen Industrie keine Rolle gespielt hat. Am meisten Sklaven
werden in Alexandrien tätig gewesen sein, worüber bisher in den Papyri
nur einzelne Andeutungen vorliegen. In der χώρα aber finden wir wohl
hin und wieder auch gelernte Arbeitssklaven (s. unten); meist aber sind
sie Haussklaven zu persönlichen Diensten der vornehmeren Familien^),
namentlich der griechischen und römischen, und eine besondere Rolle
spielen unter ihnen die Sklavinnen als Konkubinen des Hausherrn.*) Ent-
scheidend für das Sklavenproblem ist aber, daß auch die Großbetriebe
des Königs und der Tempel durchaus mit freien Arbeitskräften wirt-
schaften. Man braucht nur den Revenue-Papyrus zu lesen, um dies zu
sehen.
Die Handwerker, die uns in den Papyri entgegentreten, sind wohl
aUe nur kleine Handwerker. Über die größeren und großen industriellen
Anlagen Alexandriens haben sie uns bisher noch keine Auskünfte ge-
bracht. Wir können diese Handwerker in solche scheiden, die Besitzer
von Werkstätten sind (εργαοτήρίο)^ und solche, die keine Werkstätten
haben, sondern um Lohn (w-töO-dg) bei anderen arbeiten. Ein klares Bei-
spiel für letztere bietet Lond. III S. 131 (325). Jene εργα<3τηρία werden
wir mit Max Weber richtiger als Arbeits Werkstätten denn als Fabriken be-
zeichnen. Kürzlich brachte uns Teb. II 342 (IL Jahrh. n. Chr.) eine inter-
essante Beschreibung einer Töpferwerkstatt (κεραμεΐον) mit allem Zu-
behör, und BGU IV 1117 (Bd. II 107) detaillierte Angaben über eine
Bäckerei (^έργαύτήριον κλίβάνίον) in Alexandrien vom J. 13 v. Chr.
1) Bücher, Zur griechischen Wirtschaftsgeschichte (Festgaben für Albert Schäffle
1901) S. 196 hat es leider abgelehnt, Ägypten und die Papyrusforschung in die Kon-
troverse einzubeziehen.
2) Inzwischen ist z. B. hinzugekommen ein Verzeichnis von Berufsarten aus dem
III. Jahrh. v. Chr. in P. Petr. III S. 173 und ein Verzeichnis von Zünften aus dem
VII. Jahrh. n. Chr. in Lond. III S. 277 u. a.
3) Auffallend groß ist z. B. die Zahl in Lille 27 (199), vgl. auch Flor. 4 (206).
4) Vgl. Griech. Ostraka I 681 ff. Zustimmend M. Weber 1. c. 135 f.
§ 2. Die Industrie. 261
Für die Frage, wie das Handwerk erlernt wurde, sind die uns er-
haltenen Lehrlingsverträge und Lehrverträge von großem Interessen)
Söhne (oder Verwandte) werden zur Erlernung der Weberei in Oxj. II 275
(324), IV 725 und Teb. Π 385 in die Lehre gegeben; von Sklaven han-
deln die folgenden Texte: Oxy. IV 724 (140) zur Erlernung der Tachy-
graphie, Grenf. II 59 'und Rain. 134 (Wessely, Karanis S. 32) zur Er-
lernung der Weberei (im letzteren Falle ist es eine Sklavin); in BGU
1021 wird ein Sklave einem κτενίοτής übergeben, und in BGU 1125 soU
ein Sklave musikalisch (Flötenspiel usw.) ausgebildet werden. Von diesen
οίδαοκαλικαί sind zu trennen (vgl. Arch. V 241) jene παραμονή -JJrkun-
den, durch die eine antichretische Dienstknechtschaft festgesetzt >vird,
über die kürzlich H. Lewald, Zur Personalexekution (1910) gehandelt hat.
Dies παραμένειν ist aber auch gelegentlich ein Dienen im Gewerbe, wie
in Teb. 384 ein εργάζεόϋ-αι κατά την γερδίακήν τεχνην^ und in BGU 1124,
wo ein solches A-^erhältnis gelöst wird, ist außerdem auch eine Lehre
(έκδιδάοκείν) vereinbart gewesen. Vgl. Lewald S. 18.
Über die Vereine, in denen sich schon in der Ptolemäerzeit die
Vertreter desselben Handwerks innerhalb des Gaues zusammenschlössen,
habe ich in den Ostraka I 331 f. gehandelt. Material bot Par. 5 (IL Jahrh.
V. Chr.), wonach z. B. die όκντεΐς des Pathyrites und die ταριχενταί des
Koptites ihre gesonderten Begräbnisplätze hatten. Auch konnte ich auf
die nach den Gewerken benannten Straßen von Arsinoe hinweisen, wie
die Leinweberstraße, Salzhändlerstraße usw. Vgl. femer Strack, Arch. II
544 f., Otto, Priest, und Tempel I 130 f. Außer den bekannten Arbeiten
von Ziebarth und Poland vgl. jetzt über ägyptische Handwerkervereine
auch G. Plaumann, Ptolemais in Oberägypten (1!>10) S. 104 fi*. Auch in
Ägypten sind später in der Kaiserzeit wie im Reiche diese freien Vereine
zu Zwangsverbänden umgestaltet worden.*) Aus der byzantinischen Zeit
haben wir in den Papyri manche Belege dafür. So haben uns z. B. die
Oxyrhynchospapyri des IV. Jahrh. mit manchen κοινά von Handwerkern,
unter Leitung ihrer monatlich wechselnden Vorsitzenden {μηνί^ρχοι), be-
kannt gemacht. Vgl. das κοινον τών τεκτόνων in Oxy. 53, das der όιδη-
ροχαλκεων in Oxy. 84 (197), das der χαλκοκολληται\ ζν^^οπώλαι, έλαω-
πώ)Μΐ und μελιόόουργοί in Oxy. 85. Aus noch späterer Zeit bieten die
P. Klein. Form, mehrere an die Zünfte (έργαϋίαι) ausgestellte Quittungen,
über die ich im Arch. V 296 gehandelt habe. Besonders klar aber kommt
die Gebundenheit und zugleich die Erblichkeit des Standes in Cair. Cat.
6702^) ^nuB instinianisrhnr Zoit) zum Ausdruck, wo Handwerker folsn^ndor-
1 ' : .'. : . . ' ' , Γ , : , s^fi jei/.t ,11»•
«x.iktiMi } riieurkundeD
(1911) 16'J ίΓ, du; nur erst wiihreiul der Koriuktui
2) Vgl. Komemann, Pauly-Wi••. IV 442 ff.
262 Kapitel VI. Industrie und Handel.
maßen charakterisiert werden (Z. 14): oy %cc%^ υποτελείς [τν]γχάνονβίν,
άλλα μόνον χειρότεχνοί τνγχάνονοιν — — γναφείς καΐ χαλκεΐς %αΙ τέ-
κτονες καΐ πακτοποωΐ καΐ ovöhv άλλο αντοΐς έΰτιν εργόχειρον άτίο
γονέων καΐ προγόνων εΐ μη το της τοιαύτης τέχνης το k7tCκτημa. Vgl.
hierzu Μ. Geizer, Arch. V 374.
Einige Zeilen später heißt es in demselben Text, der praeses möge
diese Leute freigeben, denn es sei nützlich dem δημόΰίος λόγος ^ ίνα καΐ
εκαβτος τα τη[ς\ τέχνης εντόπια λειτουργήματα έκτελέοας καιρού καλούν-
τος έπΙ τα όυνήΰ^η γεώργι[α] επι[ ], δειται γαρ ή αύτη γεωργία
της £| εκάοτου αυτών ουνελ[ε]ύ6εως. Es wird also als selbstverständlich
betrachtet, daß diese Handwerker, die selbst kein Land besitzen (als nicht
υποτελείς^ sich als Tagelöhner Yerdingen^), wenn die Landwirtschaft Ar-
beitskräfte nötig hat, so zur Zeit der Aussaat (^βπόρος)^ auf die nachher
besonders hingewiesen wird. Diese Berührung von Landwirtschaft und
Handwerk ist nicht ein Kuriosum jener Zeit, sondern eine Eigentümlich-
keit Ägyptens, die in der Natur des Landes begründet und daher wahr-
scheinlich uralt ist. Die Nilüberschwemmung bringt es mit sich, daß in
diesem gesegneten Lande die landwirtschaftlichen Arbeiten sich auf be-
stimmte verhältnismäßig kleine Zeiträume beschränken, in der Haupt-
sache auf die Aussaat und die Ernte. Dazwischen liegen Monate, in
denen der Fellach sein Land nicht zu bearbeiten braucht und zu anderem
Muße hat. Wie nun in dem Cairener Text Handwerker sich für die Aus-
saat verdingen, so scheint es andrerseits eine ganz verbreitete Erscheinung
gewesen zu sein, daß die Landleute in jenen Monaten der Ruhe ein Hand-
werk ausübten^), resp. daß Handwerker nebenbei ein Stückchen Acker
hatten, da er nur vorübergehender Pflege bedurfte. Als Beispiel nenne
ich aus den Bevölkerungslisteu in Lond. II S. 37, 25 einen οικοδόμος και
γεωργός oder ebendort S. 32, 147 einen δη(μόοιος) γ{εωργος) καΐ ταρι-
χ{ευτής). Ich glaube, daß die Papyri uns viele Beispiele bringen würden,
wenn wir sie daraufhin prüften. So sind in diesem Lande die agrarischen
und die industriellen Interessen eng verbunden gewesen.
§ 3. DER HANDEL.
Außer der Literatur auf S. 239 und 258 vgl. Yarges 1. c. 76 ff. — Lumbroso,
Recherches S. 138 ff. Derselbe, L'Egitto^ S. 117 ff. — J. Beloch, Griech. Geschichte
III S. 279 ff. — Mommsen, Rom. Geschichte Υ 574 ff. 596 ff. — Chwostow, For-
schungen zur Geschichte der Handelsbeziehungen zur Zeit der hellenistischen Monar-
chien und des römischen Kaiserreiches. I. Geschichte des Osthandels im griechisch-
römischen Ägypten. Kasan 1907 (russisch). — Rostowzew, Zur Geschichte des
Ost- und Südhandels im ptolemäisch-römischen Ägypten (Arch. lY 298 ff.). — Vasile
Pärvan, Die Nationalität der Kaufleute im römischen Kaiserreich. Diss. Bresl. 1909
(vgl. besonders S. 17 ff. und 99 ff.).
1) Ygl. Geizer 1. c. 2) Ygl. schon Lumbroso, Recherches S. 100.
§ 3. Der Handel. 263
Industrie und Handel sind in Ägypten unlöslich miteinander ver-
knüpft^ denn wenn sich auch ein reiner Transithandel, für den Ägypten
nur die Durchgangsstation war, entwickelt hat, so sind doch die Haupt-
objekte des ägyptischen Handels die von der Industrie im Lande her-
gestellten Produkte, mochten die Rohstoffe von Ägypten selbst oder vom
Auslande geliefert sein. Die „Handelspolitik" der ägyptischen Regierungen
berührt daher die Industrie ebenso wie den Handel. Der gewaltige Auf-
schwung, den der ägyptische Handel seit der griechischen Herrschaft im
Gegensatz zu der vorhergehenden Periode genommen hat, ist in erster
Reihe natürlich auf Alexander den Großen zurückzuführen. Hatte er doch
nicht nur im allgemeinen den Schwerpunkt des griechischen Handels vom
Mutterlande nach dem Osten verschoben, sondern auch im besonderen
durch die Gründung Alexandriens mit seinen vortrefflichen Häfen*) dem
ägyptischen Handel den Mittelpunkt gegeben, der durch das ganze Alter-
tum hindurch für die Stellung Ägyptens im Welthandel bestimmend ge-
worden ist. Es kann hier nicht des näheren ausgeführt werden, wie
dann die Großmachtpolitik der Ptolemäer in erster Linie durch die Inter-
essen der Handelspolitik geleitet worden ist, wie die Kämpfe mit den
rivalisierenden Mächten, im besonderen den Seleukiden, darauf ausgingen,
vor allem die Gebiete, in die die Karawanenstraßen des asiatischen Han-
dels nach Westen hin ausstrahlten, in ihre Gewalt zu bekommen, was
dann zur Eroberung des südlichen Syrien und zahlreicher Küstengebiete
in Kleinasien sowie zur Anknüpfung von Beziehungen bis zum Schwarzen
Meere hin (Sinope) zur Folge hatte. ^) Auch kann hier nur angedeutet
werden, wie sie andrerseits auch nach Gewinnung jener Gebiete doch
vor allem Ägypten, das wirtschaftliche Zentrum ihrer Macht, in den
Mittelpunkt des Welthandels zu rücken sich mit Erfolg bemüht haben.
Im besonderen ist für die weitere Entwicklung von Bedeutung ge-
worden, was die ersten Ptolemäer — den Bahnen der größten Pharaonen
der alten Zeit folgend — für die Förderung des binuenländischen Handels
mit dem Sudan sowie vor allem für die Wiedererschließung der einstigen
Beziehungen zur Somaliküste — des alten Landes Punt — getan haben.
Wohl sind die Stationen, die sie an der ostafrikanischen Küste bis über
die Straße von Bab el-Mandeb hinaus nach und nach angelegt haben, in
erster Reibe errichtet worden, um von hier aus die Elefanten zu jagen,
die sie für ihn» Heere lirauchten *) , aber daß hierbei auch Handels-
beziehungen — zunächst gewiß unbedeutender Art — angeknüpft wurden,
daß der Ausbau di« l!iif»'ns von Mvos Hormos und der Station von
1) Vgl. oben S. i: Aiiiji. ;; 'j \ k• Π»•ΙογΗ 1. c. Roiiowxew 1. c.
8) Über die KlofunttnijuKdiMi hüben /u «Irn vur/il^licheo Naohricbten de• Strabo
ti. ü. hinzu die Papyri uns wertvolle neue Auftchlütec gebnoht. Vgl. Roiiowtew L o.
und Kup. XI.
264 Kapitel VI. Industrie und Handel,
Berenike Trogodytike am Roten Meere sowie die Vollendung des Kanals,
der den Nil mit den Bitterseen und damit Alexandrien mit dem Roten
Meer verband, sowie vor allem der Ausbau der Karawanenstraße von
Koptos nach jenem Berenike durch Philadelphos auch zur Anbahnung
eines wirtschaftlichen Verkehrs mit jenen ostafrikanischen Gebieten und
dem gegenüberliegenden Arabien geführt haben, ist zum mindesten sehr
wahrscheinlich.^) Aber darin hat Rostowzew gewiß recht, wenn er an-
nimmt, daß, nachdem die Elefantenjagden aus militärischen Gründen etwa
unter Epiphanes aufgehört hatten, jene Stationen und Verkehrseinrich-
tungen weiter aufrechterhalten und ganz in den Dienst des Handels und
der Ausbeutung der Bergwerke gestellt wurden.^) Zu den Nachrichten
der Autoren über den afrikanischen und arabisch-indischen Handel haben
die Urkunden bisher weniges beigesteuert. Von Interesse ist die In-
schrift eines άπεοταλμενος νπο Παώτος (vgl. oben S. 22) τον ονγγενοϋς
καΐ οτραττ^γον της Θηβαΐδος έτίΐ την οννα[γω]γην της 7ίολντ[ε^λονς λι-
^είας καί έτά των τΐλών καΐ παρεπόμενος την άΰφάλευαν To[rg] κατακομί-
ζονόί ajtb τον κατά Κόπτον o^ot'[g] τα λιβανωτυκά φορτία καΐ τάλλα
^εvL•<^κyά vom J. 130 ν. Chr.^) Mit ijtl των τΐλών ist offenbar auf die
Fahrten der Handelsflotten nach dem Süden, die den Weihrauch usw.
heimbrachten, hingewiesen.*) Von einem solchen υτλοϋς eines Handels-
schiffes nach der ^ρωματοφόρος zum Einhandeln von αρώματα handelt
ein noch unveröffentlichter Papyrus, den ich in den „Urkunden der
Ptolemäerzeit" bald herauszugeben gedenke, der nach meinen bisherigen
Beobachtungen mindestens dem IL, wenn nicht dem Ende des ΙΠ. Jahrh.
V. Chr. angehört. Für die Handelsbeziehungen mit Indien zeugt die
von Dittenberger , Or. Gr. I 12 in der Anmerkung zitierte Inschrift,
in der ich als Namen des Dedikanten Σόφων ^Ινδός hergestellt habe.^)
Wie in der ersteren Inschrift der Stratege der Thebais auch als Be-
schützer der Küsten des Roten Meeres erscheint, so kommt diese Aus-
dehnung des Kommandos in Inschriften vom J. 91 und Q2 v. Chr. auch
1) Ich bedaure, die oben zitierte russische Schrift von Chwostow, die nach
Rostowzews Bericht 1. c. über die Entstehung und Entwicklung dieses Süd- und Ost-
handels eingehend gehandelt hat, nicht lesen zu können. Es ist sehr erfreulich, daß
Chwostow die Absicht hat, die Weiterführung seiner Studien z.T. in deutscher Sprache
vorzulegen. Gerade mit Rücksicht auf diese bald zu erwartenden Forschungen be-
schränke ich mich hier auf die notwendigsten Umrisse.
2) 1. c. S. 304 ff.
3) Dittenberger, Or. Gr. I 132. Vgl. hierzu Rostowzew 1. c. und z. T. abweichend
K. Fitzler, Steinbrüche und Bergwerke S. 48 ff.
4) Fitzlers Deutung auf die Fahrt auf dem Nil von Koptos aus ist mir nicht
wahrscheinlich. Ob ihm eine Kriegsflotte zur Verfügung stand, wie Rostowzew an-
nimmt, lasse ich dahingestellt.
5) Vgl. Arch. III 320 und dazu E. Hnltzsch, Journ. of the Royal Asiatic Society
1904 S. 402 (auch Hermes 39, 307 ff.).
§ 3. Der Handel. 265
titular zum Ausdruck.^) So sehen wir in diesen Zeiten die Regierung
um so kräftiger eintreten für die Hebung des Südosthandels, als ihnen
durch den Verlust Syriens usw. sowie das Erstarken des Nabatäischen
Reiches andere wichtige Handelsgebiete verloren gegangen waren. Nach-
dem dann unter der allgemeinen Schwäche der Regierung am Ausgang
der Ptolemäerzeit wahrscheinlich auch dieser Südosthandel gelitten hatte,
führte die kräftige Regierung des Augustus einen großen Aufschwung
dieses Handels herbei. Nach Strabos Zeugnis fuhren zu seiner Zeit jähr-
lich 120 Schiffe von Myos Hormos nach Indien, während früher unter
den Ptolemäern — das wird auf die letzte Zeit zu beschränken sein —
überhaupt nur wenige den Mut zur Ausfahrt gehabt hätten (Π p. 118).*)
Es kann hier nur angedeutet werden, wie die lebhaften Handelsinteressen
der Römer auch ihre auswärtige Politik hier im Südosten geleitet haben,
wie der mißglückte arabische Feldzug des Aelius Gallus, die Nieder-
werfung von Adana, die Umwandlung des nabatäischen Reiches zur pro-
vincia Arabia durch Trajan auf diese Motive zurückzuführen sind.^) Ein
Zeugnis des blühenden Südost-Handels in römischer Zeit ist uns der Zoll-
tarif Oxy. 36 (273). Doch die dürftigen Spuren in den Urkunden*) ver-
schwinden gegenüber dem lebensvollen Bilde, das uns aus der Zeit des
Vespasian ein ägyptischer Kaufmann in dem anonymen Periplus maris
Erythraei hinterlassen hat. Über den späteren Niedergang dieser Handels-
beziehungen und ihre politischen Gründe hat Chwostow 1. c. ebenso wie
über ihr Entstehen und Aufblühen eingehend gehandelt. Dagegen fehlt
es noch an einer zusammenfassenden Erforschung des Nord- und West-
handels Ägyptens. Wie weitschauend auch hier die Politik der Ptolemäer
war, zeigt am markantesten vielleicht die Tatsache, daß nach der Besiegung
des Pyrrbos Philadelphos sogleich mit Rom freundschaftliche Beziehungen
angeknüpft hat.
Gerade im Hinblick auf diese weitgreifende Handelspolitik der Ptole-
mäer hat J. G. Droysen von einem „Merkantilsystem" der Lagiden von
großartigstem Umfang gesprochen.^) Auch nach dem, was wir inzwischen
durch die Urkunden hinzugelernt haben, können wir dies Wort gelten
lassen '), wenn wir es nur richtig einschränken. Von einem einseitigen
Dittenberger, Or. Gr. I 190 {inl τής Ίνάιχής %αϊ *Effv&Qag &αλάαβης) und 186.
< μι lloetowzew 1. c.
2) Vgl. auch XVII p. 798.
3) Vgl. MommBen 1. c. Uostowzew 1. c. Kin betonderet Inieretee hierfür be•
/ciigio auch Hadrian, indem er Antinoopolis durch einen neuen Karawanenweg mit
Itorenike verband. Vgl. Dittenberger, Or. Gr. II 701 und P. Meyer lu Hamb. 7.
4) Unter den Bewohnern Antinoi^s, die im 1. Jahre de• Vefpaeian lieh lur Epi•
kriiiiH nicht iitellcn konnton, war einer, der damal• in Indien weilte, drei, die in
Italien waren: Lond. II 8. 48.
i,) IlelleniHniUM III 8. 60.
0) Auch .Max Weber hat neuerding• die hellenietiechen Herreoher aU „Merkan-
266 Kapitel VI. Industrie und Handel
Merkantilismus — im Sinne etwa des ,,Colbertismus" — kann natürlich
in einem Lande wie Ägypten, das durch die Natur als Ackerbauland prä-
destiniert ist, nicht die Rede sein. So haben denn auch die Ptolemäer
für die Steigerung der Kornproduktion durch Urbarmachung von Öd-
land, durch Landesmelioration und innere Kolonisation Außerordentliches
geleistet. Man denke nur an das Faijum zur Zeit des Philadelphos (Petr.
Pap.). Aber sie haben auch zielbewußt und erfolgreich danach gestrebt,
Ägypten in die erste Reihe der Industrie- und Handelsstaaten einzureihen,
und zwar haben sie als richtige Merkantilisten vor allem den Export be-
fördert und den Import auf das Notwendige, im besondern auf die von
der Industrie zu verarbeitenden Rohstoffe beschränkt. Freilich wenn man
sieht, wie die wichtigsten Industrie- und Handelszweige von ihnen mono-
polisiert worden sind, wird man geneigt sein, ihren Merkantilismus als
einen fiskalischen zu bezeichnen. Wie daneben der private Handel hat
bestehen und blühen können, entzieht sich einstweilen noch unserer
Kenntnis. Für eine solche Mischung von agrarischen und merkantilisti-
schen Tendenzen dürfen wir vielleicht — mutatis mutandis — auf Friedrich
den Großen als Parallele hinweisen, der einerseits — ähnlich wie Phila-
delphos im Faijum — die Oder- und Warthebrüche meliorisierte , viele
Dutzende von Dörfern begründete und Tausende von Kolonisten ansiedelte,
andrerseits aber ein Anhänger des Merkantilismus war und gleichfalls
Monopole (Tabak, Kaffee, Salz) und Manufakturen begründete.
Wenden wir uns zunächst zum internationalen Handel, so ist,
wie schon bemerkt, der Export bedeutender gewesen als der Import. Im
besonderen gilt das von Alexandrien, dem μέγιβτον έμτίόριον της οικου-
μένης zur Zeit des Augustus^), in dessen Binnenhafen am Mareotischen
See — also von Ägypten aus — mehr importiert wurde als in den Häfen
am Mittelländischen Meer (Strabo XYII p. 793). So sei die Ausfuhr
Alexandriens, sagt Strabo, größer als die Einfuhr, wie man auch sehen
könne, wenn man die Schiffe, die von Alexandrien nach Dikaiarchia
(Puteoli) gingen, mit denen, die den umgekehrten Kurs nehmen, auf ihre
Verfrachtung vergleiche (Strabo 1. c). Relativ bedeutender wird die Ein-
fuhr in den Häfen des Roten Meeres gewesen sein. Im allgemeinen aber
wird wenig importiert worden sein, was im Lande selbst konsumiert
werden soUte, da das Land reich an aUem war, was die Masse der Be-
völkerung an Notwendigem brauchte. Es werden mehr Luxusartikel für
die höheren Stände gewesen sein. So erfahren wir aus dem Revenue-
Papyrus, daß die feinen syrischen Öle ein beliebter Importartikel waren, doch
wurde ihre Einfuhr, im Interesse des königlichen Olmonopols, mit einem
tilisten" mit den Temtorialherren des 17. /18. Jahrhunderts verglichen (Agrargeschichte
S. 128).
1) Strabo XVII p. 798.
§ 3. Der Handel. 267
hohen Schutzzoll belegt. Λ^gl. oben S. 243. Viel bedeutender war jeden-
falls der Import von Rohstoffen, die im Lande ihre Verarbeitung fanden
und dann — zum größten Teil — wieder ausgeführt wurden. Das gilt
z. B. von den αρώματα, die am Roten Meer eingeführt wurden, dann im
Lande zu Salben verarbeitet wurden (im kaiserlichen Monopol), um nach
dem Westen exportiert zu werden. Der Export beruhte aber nicht nur
auf dieser Verarbeitung ausländischer Rohstoffe, sondern vor allem auch
auf der der einheimischen. Hier ist einmal das ägyptische Korn zu nennen,
dessen Handel in der Hauptsache in der Hand des Königs war, während
der private Kornhandel gewissen Beschränkungen durch Prohibitivmaß-
regeln unterlagt), und zwar läßt sich dies durch den ganzen Verlauf der
Geschichte verfolgen. Noch für Justinians Zeit bezeugt es sein XIU. Edikt
c. 5, und auch noch in arabischer Zeit stand der Kornhandel ganz unter
staatlicher Kontrolle.^) Dem steht parallel, daß die sonstigen Haupt-
exportartikel, sowohl die aus einheimischen, wie die aus auswärtigen Roh-
stoffen, vom König monopolisiert waren resp. in königlichen Manufakturen
hergestellt wurden — wie Leinwand, Glas, Papyrus, Salben usw. Wenn
auch der Hauptexport gewiß von Alexandrien ausging, so bezeugt uns
doch der erwähnte Periplus mar. Erythr. auch einen Export von ägyp-
tischen Fabrikaten nach dem Südosten von den Häfen des Roten Meeres
aus, wobei freilich diese Waren vielfach nur als Tauschobjekte gedient
haben werden. Wir erfahren, daß die ägyptischen Ergasterien dabei z. T.
Rücksicht nahmen auf den Geschmack dieser fremden Völker, und so
gingen neben den einheimischen χιτώνες ΐ4ρ6ινοιτΐ7ΐοί usw. auch Ιμάτια βαρ-
βαρικά hinaus.') Gegenüber diesem ungeheuren Umsatz mit Waren, die
in Ägjrpten hergestellt wurden, wird der reine Transithandel zurück-
getreten sein.*)
Es ist bemerkenswert, daß an diesem ägyptischen Welthandel sich
schon früh römische und italische Kaufleute beteiligt haben, was uns
zugleich ein Beweis dafür ist, daß trotz der Einschränkungen durch die
Monopole der private Handel in Ägypten doch lukrativ gewesen sein
muß. Schon für das II. Jahrh. v. Chr. lassen sich Niederlassungen von
römischen Kaufleuten in Alexandrien nachweisen.^) Doch scheint ihr
EinHuß auch in römischer Zeit kein sehr großer gewesen zu sein. In
der Hauptsache blieb der Handel doch in der Hand der Griechen, und
Yor allem der Alexandriner.*)
1) Vgl. hiersQ Boftowiew, Pmuly-WiM VI! 187 f.
«) Vgl. C. H. B«sker, P. Hciil. III S. ftl ff
8) Vgl. Blflmner 1. c. 8. 8. Die im Peripl. Mar. Erythr. 8 enrihaten χηΛ99ς
.Vptfiroirixo( begegnen auch in den Papyri. Vgl. z, B. Hawmra S08 (Aroh. V S89).
4) Vgl. Koftowsew, Arch. IV 999, abweichend von Chwottow.
f>i Vgl Panan 1 c 17 f β) Vgl. PHrvtn 8. 99.
Kapitel VI. Industrie und Handel.
Neben dem internationalen Handel haben wir den Handel in Ägypten
selbst ins Auge zu fassen. Es ist begreiflich, daß unsere Papyri für diesen
mehr ergeben als für jenen. In der Hauptsache ist es der rein lokale
Handel in den Städten und Dörfern, aber auch der von Gau zu Gau, der
uns in den Papyri entgegentritt. Die Texte unterscheiden zwischen den
εμτνοροι^ den Großhändlern, und den κάπηλοί, den Kleinhändlern.^) Viel-
fach treten sie uns in Komposita entgegen, die ihre spezielle Branche
bezeichnen, wie οίτεμτίοροί, οίνεμττοροί, χοίρεμτίοροί usw. und andrerseits
die zahllosen Zusammensetzungen mit πώλαι oder πραται. Pärvan 1. c.
101 ff. hat kürzlich eine Gruppierung der in den Urkunden erwähnten
Händler für die einzelnen Städte gegeben, für Arsinoe, Oxyrhynchos,
Hermopolis usw. Darin steckt ein reiches Material, das zur weiteren
Verarbeitung anlockt.^) Zur Beurteilung ist zu beachten, daß diese ver-
schiedenen τίάτίηλοί durchaus nicht alle als selbständige Händler aufzu-
fassen sind, sondern vielfach nur als Verschleißer im Dienst des Mono-
pols. So wissen wir es z. B. sicher von den άλοπωλαι^ έλαωΛώλαί, und
müssen daher auch bei den Parallelen immer diese Frage stellen. Wir
stoßen immer wieder auf dieselbe Schwierigkeit, daß wir über den Um-
fang — und die Art — der königlichen Monopole noch nicht genügend
unterrichtet sind. Uns fehlt eben noch der Revenue-Papyrus der Kaiser-
zeit — und auch ein vollständiges Exemplar für die Ptolemäerzeit.
Eine solche Zusammenstellung der verschiedenen Händler, zu der
Pärvan durch sein spezielles Thema angeregt wurde, ist natürlich nur ein
erster Schritt zur Erforschung des ägyptischen Warenhandels. Es be-
darf einer durchgreifenden Untersuchung der sämtlichen Urkunden auf
alle Fragen hin, die mit dem Handel zusammenhängen. Ich beschließe
meine Skizze durch den Hinweis auf einige Gruppen von Texten, die sich
vielleicht als besonders ergiebig erweisen werden. Für die Warenkunde
werden zunächst die Rechnungen und Wirtschaftsbücher heranzu-
ziehen sein, die uns zeigen, was in den verschiedenen Haushalten gekauft
wurde und zu welchen Preisen^), femer die mancherlei Listen und Ver-
zeichnisse, wie die lehrreichen Kleiderverzeichnisse in Teb. II 405, Oxy.
VI 921. Ergiebig werden hierfür auch die Briefe sein, die ja so häufig
Aufträo^e zum Ankauf von Gegenständen enthalten. Besonders lehrreich
ist ζ. Β. Giss. 47 (326), der uns einen Einblick in die Bazare von Koptos
gewährt. Für die Frage nach dem Umsatz innerhalb des Landes von
1) Im Rev. Pap. 16 werden außerdem für Alexandrien noch die TcaXivTtQatovvtsg,
die Zwischenhändler, unterschieden.
2) Eine Bearbeitung des Handels in Ägypten hat ein Schüler von mir in An-
griff genommen.
3) Meine Zusammenstellungen im Arch. I 22 f. werden durch die Neuausgabe
des General-Registers bald ergänzt werden.
§ 3. Der Handel. 269
Gau zu Gau sind die oben S. 172, 190 erwähnten Urkunden über die Gau-
zölle zu verwerten. Ein reiches Material haben wir schon jetzt für das
Faijüm, das uns ermöglicht festzustellen, welche Produkte aus dem FaijCim
exportiert und welche importiert wurden.^) Ebenso sind auch die Zoll-
tarife zu verwerten, wie z. B. Lond. III S. 190/1, wo u. a. Baumwolle er-
scheint, vgl. auch ebendort S. 91/2. Doch durch Beschränkung auf ein-
zelne Gruppen von Urkunden wird man nicht zum Ziel kommen. Es
bedarf eben der Verarbeitung des gesamten Materials; erst dann wird
man die zerstreuten Notizen zusammenfinden, die uns helfen können,
allmählich in das Verständnis der historischen Entwicklung des ägyp-
tischen Handels einzudringen. Man wird u. a. auch manche versprengte
Nachrichten finden, die uns einen Einblick in die Handelsbeziehungen
zwischen dem Niltal und den administrativ zu Ägypten gehörigen Oasen
der libyschen Wüste ermöglichen.
1) Vgl. Wessely, Karanis S. 36 ff. Auch Wilcken, Arch. IV 532.
KAPITEL VII.
DIE BODENWIRTSCHAFT.
A. DIE PTOLEMlEEZEIT.
G. Lumbroso, Recherses s. l'econ. pol. de l'Eg. (1870), 89 ff. — Robiou,
Memoire s. Tecon. pol. etc. (1876), 65 ff. — Grenfell und Hunt, P. Tebtyn. I S. 538 ff.
(the land of Kerkeosiris and its liolders). — M. Rostowzew, Gesch. d. Staatspacht
(1902), 482 ff. — St. Waszynski, Die Bodenpacht, agrargesch. Papyrusstud. (1905).
— G. Gentilli, Dagli antichi contratti d'affitto (Studi italiani di filolog. class. XIII
(1905), 269 ff. — H. Maspero, Les finances de l'Eg. s. 1. Lagid. (1905). — Bouche-
Leclercq, Hist. d. Lag.III178ff. — W. Otto, Priesteru.TempelI.il. — M.Weber,
Agrargeschichte des Altertums (Handwört. d. Staats w. 3. Aufl.) I 52 ff. — M. Ros-
towzew s. V. frumentum in Pauly-Wiss. VII. Vor allem jetzt grundlegend seine
Studien z. Geschichte des röm. Kolonats (I. Supplementband d. Papyrus- Archivs) (1910).
§ 1. DIE VERTEILUNG DES BODENS.
Während man früher ohne Skrupel anzunehmen pflegte, daß der
Boden Ägyptens in hellenistischer Zeit teils dem König, teils den Tempeln,
teils den Soldaten und Privaten zu eigen gehört habe^), ist die Frage der
Bodenverteilung durch die neueren Papyrusfunde zu einer anderen Lösung
geführt worden. Auch für diese Frage ist der erste Tebtynisband epoche-
machend geworden: die entscheidenden Gesichtspunkte sind erst durch ihn
zur Diskussion gestellt worden. Gleichwohl liegen die neuen Aufschlüsse, die
er uns bietet, nicht auf der Hand, zumal die entscheidenden Stellen durch
ihre Kürze nicht ganz eindeutig sind, und so herrscht auch nach dieser
Edition noch große Meinungsverschiedenheit, namentlich über die Kardinal-
frage, ob es ein privates Eigentum am Boden damals gegeben habe. Wäh-
rend H. Maspero letzteres leugnete und erklärte, daß der König alleiniger
Eigentümer des gesamten Grund und Bodens gewesen sei, traten andere
für das Privateigentum ein, wie Waszynski 1. c. 51 ff., W. Otto 1. c. II 106
Anm. 1 und 343, M.Weber 1. c. S. 90 und 138. 2) Auch ich habe mich
früher Masperos Behauptung gegenüber zurückgehalten^), bin aber jetzt
1) Diese Vorstellung ging namentlich auf Herodot II 168 und Diod. I 73 zurück,
die das Land unter König, Priester und μάχιμοι verteilen. Vgl. hierzu Waszynski 1. c. 55.
2) Bouche-Leclercq III 178 fF. cf. 191, 2 schied zwischen Theorie und Praxis.
3) Vgl. Arch. IV 226.
Α. Die Ptolemäerzeit. § 1. Die Verwaltung des Bodens. 271
von der Richtigkeit seines Standpunktes überzeugt worden, nachdem Ros-
towzew in seinen bahnbrechenden „Studien zur Geschichte des röm. Kolo-
nats" die innere Begründung dafür gebracht hat. Ich stimme in der fol-
genden Skizze in allen wesentlichen Punkten mit Rostowzew überein. Die
Hauptfrage ist die, welche Bedeutung und welchen Umfang der Begriff
η ev άφεόει γη hat. Die z. Z. älteste, vor den Tebtynispapyri isolierte
Erwähnung ist die in Par. 63, 177 (vom J. 164 v. Chr.): καΐ τά των τι)ν
έν άφέβει, χαΐ xi]v hQa\y γ\εωργούντω[ν] καί την λοιπην παόαν (seil.
κτήνη). Vorher ist das Vieh der Kleruchen und der Beamten, die Land
erworben haben, genannt. Wir können heute sagen, daß man aus
dieser eigenartigen, der aufgeregten Art des Schreibers entsprechenden,
unvollständigen Einteilung des Gesamtbodens den wahren Sachverhalt
unmöglich ableiten konnte, zumal das Kleruchenland und die Uqu
hier neben την έν άψέοει gestellt sind.^) Und doch gehören beide
nach den Tebtynistexten zu der έν άφέοει. Vgl. Teb. 63, 2: Ιεράς καΐ
χληρονχίκης καΐ της άλλης [τη]ς έν άφεόει, wo die Ιερά und die κληρον-
χικη als Hauptbestandteile der έν άφεόει an die Spitze gestellt sind.*)
Vgl. ähnlich Teb. 5, 36 f., 89 f., 200 f.; 85, 2 f. Noch detaillierter ist Teb.
δ, 110: τους dl τήν ίοιόκτητον καί τ[ήν Ιεράν χαΐ τήν χληρονχικη]ν καΐ
την αλλην την έν άφεόει. Mit Maspero und Rostowzew folgere ich hier-
aus, daß auch die Ιδιόκτητος γη zu der έν άφεόει gehört.') Daß ή έν
άφεόει einen weiten Begriff darstellen muß, geht aus Teb. 27, 54 f. hervor,
wo sie allein der βαόιλική gegenübergestellt ist: μη^ένα των γεωργούντων
την βαόιλικην καΐ την έν άφεόει [γην]. Mit den genannten beiden
Forschern kommen wir somit zu dem Schlußergebnis, daß der gesamte
Boden Ägyptens in zwei große Rubriken zerfällt, die βαόιλική
γη, die in direkter Bewirtschaftung der Krone steht, und die
έν άφεόει γη, die von der Krone anderen zur Bewirtschaftung
„überlassen"*) ist, ohne daß dadurch das Eigentumsrecht des
Königs beeinträchtigt wird. Zu dieser έν άφεόει gehören aber
die Ιερά, die κληρονχική und die Ιδιόκτητος γη (nebst einigen
weiteren Spielarten). Von dieser neuen Erkenntnis aus, die wohl-
gemerkt nur für die Ptolemäerzeit gilt, soll im folgenden kurz skizziert
1) Otto 1. c. II ö-i, 2 Miut/.t iiiKMi jetzt πυιιι nirrjiuf seinen Widerspruch gegen
die Subsumierung der Iiqu unter die iv όφίαη.
2) Otto ]. c ist genöti|{t • tzrn „das andere Land, uftmlioh die iv άφ{ύ»ί
γή^\ wa• zum mincIcHtcn sehr , ri iet
») 8υ mich Kngers, d» aig. x< Dagegen BoDcbö-Leclercq III 191, S
betweifuit, <laß auch dir Ιόιόχτητο^, iehen tei.
4) Nur (\u!ff Drutung scheint um f'vm — frei geben, aus teinem
Besitz horeus üherhishcn). An 8t«u«rpri tcn — befreien) ist hier tohon
deswegen nicht xu denken, weil diene itodunkht keine Bleoerfireibeit gehabt
haben.
272 Kapitel VIT. Die Bodenwirtschaft.
werden, wie diese verschiedenen Bodenarten gebildet wurden, und welche
verschiedenen Wirtschaftsformen sich auf ihnen entwickelt haben. Ich
muß mich in diesem Zusammenhang auf die Hervorhebung der wich-
tigsten Grundlinien beschränken. Eine Darstellung, die alle Erscheinungen
der Boden Wirtschaft umfaßte, ist an dieser Stelle ganz ausgeschlossen.
Doch soll hier nicht versäumt Averden, diejenigen Erscheinungen dieser
früheren Jahrhunderte besonders hervorzuheben , die von den neueren
Forschungen als Vorstufen zu dem späteren byzantinischen Kolonat er-
kannt worden sind. Wer in diese schwierigen Fragen tiefer eindringen
wiU, sei auf die Ausführungen von Grenfell-Hunt im Appendix I von
Teb. I sowie vor aUem auf das Buch von Rostowzew verwiesen.
§ 2. DAS KÖNIGSLAND.
Wenn auch nach der obigen Rechtsanschauung der gesamte Boden
Ägyptens königliches Eigentum ist, wird doch nur ein bestimmter Teil
desselben als βαοίλίκη γη bezeichnet, nämlich der, dessen Bewirtschaftung
die königliche Regierung selbst in der Hand behält, während sie für
jenes „überlassene" Land den Inhabern, den Priestern, Kleruchen, Pri-
vaten usw. zugleich die Bewirtschaftung, wenn auch unter königlicher
Kontrolle, überläßt. Diese βαοιλίκη γη oder sagen wir „Domäne", die
die Ptolemäer wie die gesamte Bodenhoheit von den persischen Pharaonen
übernommen haben, hat beständig wechselnden Umfang gehabt, da jene
„Überlassungen" dauernd Veränderungen unterlagen. Zudem erweiterten
die — natürlich im Interesse des Fiskus — planvoll durchgeführten Landes-
meliorationen, durch die die Ptolemäer sich große Verdienste um Ägypten
erworben haben, den Umfang des Kulturlandes. Die Urbarmachung neuer
Gebiete wurde freilich in erster Reihe den Inhabern jener „überlassenen"
Ländereien überwiesen, vor allem den Kleruchen und den „Privatbesitzern",
und gerade diese Schaffung von Neuland war das treibende Motiv für
jene „Überlassungen". Aber z. T. vollzogen sich solche Urbarmachungen
auch auf dem Boden der βαουλικη γη selbst. So werden während der
Ptolemäerzeit wie die Grenzen so die Umfange der βαΰίλίχη γη und der
kv άφέβει γη in beständigem Flusse gewesen sein. Genauere Nachrichten
über das Verhältnis der beiden zu einander haben wir nur für ein ein-
zelnes Dorf, für Kerkeosiris im Faijum. Ums Jahr 120 v. Chr. gehörten
hier von 4700 Aruren ca. 2427 Aruren zur βασιλική γη^) — ein Verhältnis,
das wir, namentlich außerhalb des Faijums, selbstverständlich nicht ver-
allgemeinern dürfen.
Die königlichen Besitzungen, die durch das ganze Land zerstreut
waren, waren nicht wie im Seleukidenreich mit seinen städtischen Organi-
1) Vgl. hierzu Grenfell-Hunt, Teb. I S. 538 ff.
Α. Die Ptolemäerzeit. § 2. Das Königsland. 273
sationen exterritorial, sondern waren im Kataster den Metropolen und
Dörfern des Landes zugeschrieben. Wo irgend ßaöilLxr) γί] begegnet,
gehört sie zu dem έδαφος einer Stadt oder eines Dorfes. Vgl. z. B. Teb.
I 60, wo das παν έδαφος von Kerkeosiris, wie bemerkt, mit 4700 Aruren
angegeben wird, von denen 2427 γ ^^ ^ βασιλική γη sind.
In obigem ist schon angedeutet, daß die Qualität des Bodens der
springende Punkt für die Wahl der Betriebs formen ist. Diese Qualität wird
für die einzelne Parzelle vor allem durch das Maß bestimmt, in dem sie
von der Überschwemmung berührt wird, und da hiervon die Einnahme
des βαόιλίχον abhängt, sei es als Rente oder Abgabe, wird in den Ka-
tastern und Landvermessungsurkunden aufs genaueste die Qualität jeder
Parzelle angegeben. Wie wir oben S. 177 sahen, dienen die jährlichen
επιοχέφεις der Feststellung dieser Bodenqualitäten. Das der Überschwem-
mung zugängliche Land wird, solange es (in normaler Weise) über-
schwemmt ist^), als βεβρεγμενη^ wenn es im Einzelfall nicht von ihr
erreicht wird, als αβροχος bezeichnet.^) Das Land, das nach der Über-
schwemmungszeit noch lange (für die Bebauung zu lange) unter Wasser
steht, heißt xad-* ύδατος oder εμβροχος. Andrerseits heißt das Land, das
seiner Lage nach der Überschwemmung nicht zugänglich ist, χερόος
fmit verschiedenen Abstufungen), woneben auch das mit einer Salz-
kruste bedeckte Land tritt (βλμη>, άλμνρίς).^) Soweit es durch künstliche
Bewässerung fruchtbar gemacht werden kann, ist es έπάντλητος y^.'*) Es
ist derselbe Gegensatz der beiden Hauptklassen, der heute unter dem
Namen der Rai- und der Scharäki-Felder (der künstlich bewässerten) die
Landwirtschaft dort beherrscht. Steuertechnisch heißt das kultivierbare Land
yrj iv άρεττί^), das nicht kultivierbare, das bei der Berechnung der Einnahmen
„abzuziehen" ist, das νπόλογον.^) Das Hauptziel der ptolemäischen wie
jeder ägyptischen Landwirtschaft war, nicht nur aus der γη iv άρετί] den
höchst möglichen Ertrag herauszuwirtschaften , sondern auch aus dem
νπόλογον — unter Gewährung besonderer Erleichterungen usw. — allmäh-
lich Gewinn zu ziehen. Das Bestreben, die erste Klasse durch Verminde-
rung der zweiten zu vergrößern, hat, wie im allgemeinen zu dem groß-
artigen Kanal- und Deichsystem, so im besonderen im IIL Jabrh. y. Chr.
unter der tatkräftigen Regierung der ersten Ptolemäer zu den großen
WasHerbauten behufs Trockenlegung des Faijüm geführt, in die wir durch
die Petrie- Papyri einen Einblick gewinnen^) — wie dasselbe Bestreben
1) Vgl. die EinleitunK zu 841. S) Za ά^ροχος vgl. oben S. 904.
8) Vgl. oben S. 204.
4) Vgl. Hev. P. 24, 8, wo {ηαντΧήτ(^ον γ')ής su emendieren tein wird.
6) Vgl. Hontowzew, Kolonat S. 47.
β) Dienen wichtigen HegrilF hftben erat die Tebiynittexte tnfgeklftrt. Vgl. Qren-
felUHunt I 8. 640.
7) Vgl. oben 8. 966 und Genauere• in Kap. VIII.
MUl«li-Wllek«Bt Oraod«0r' I 19
274 Kapitel VII. Die Bodenwirtschaft.
heute zum Nutzen der Landesfinanzen, aber zum Kummer der Altertums-
wissenschaft die Stauwerke von Assuän geschafi'en hat.
Da der König, wie bemerkt, das vTtöXoyov-hana gern εν άφέοει über-
ließ, dürfen wir annehmen, daß in seiner βαοίλυκη γη das normalerweise
der Überschwemmung zugängliche Land, die γη εν άρετΤι^ den Haupt-
posten dargestellt hat. Dieses gute Fruchtland der Domäne wurde nicht
etwa in eigener Regie mit Sklavenherden bewirtschaftet, wie denn die
Sklaverei in Ägypten in der Landwirtschaft überhaupt keine Rolle ge-
spielt hat^), sondern es wurde in Parzellen verpachtet. Die Pächter sind
die überall in unsern Texten begegnenden βαόίλίκοί γεωργοί, die den
verschiedensten Kreisen der Bevölkerung angehören^), aber als Domanial-
pächter eine eigene Klasse, einen eigenen Stand (γένος, Teb. 5, 209) bilden.
Diese Verpachtung vollzog sich in den üblichen Formen der Staatspachten:
die Regierung verkündete ihr Ausschreiben^), die Pachtlustigen machten
ihre schriftlichen Angebote {ντΐοΰτάβεΐζ), und die Regierung gab dann
den für sie vorteilhaftesten Angeboten den Zuschlag.^) Während wir von
verwandten Vorgängen (Verpachtung von Steuern, \^ererbpachtung von
Land) urkundliche Belege in Pachtausschreiben und Pachtangeboten haben,
fehlen uns solche für die Verpachtung an die ßaöiXixol γεωργοί. Wir
kennen daher nicht genauer die Bedingungen, unter denen die Zuschläge
erfolgten. Doch aus den gelegentlichen Erwähnungen solcher Pachten,
im besonderen auch solcher 'υτιοοτάόεΐξ hat Rostowzew mit Recht ge-
schlossen, daß diese Pachten nicht auf eine bestimmte (etwa gar kurze)
Frist gingen, sondern unbefristet waren und bis zur nächsten allgemeinen
Verpachtung (βιαμίο^'ωοις) liefen, die dann einzutreten pflegte, wenn die
Regierung die Bedingungen ändern wollte.^) Einen sicheren Beweis für
die lange Dauer solcher Pachtverhältnisse bietet Teb. 61 (b) 194 ff. (=72,
110 ff.): [τηζ εν τώι κγ (ετευ) (=159/8) ccjto των άπολεΐΛον]6ών παρά tag
νπ\οοτά6εΐξ\ [τον ιβ τον και α (axovg) (= 170/69): da handelt es sich um
Grundstücke, die im Jahre 159/8 in ihrer Bewirtschaftung zurückblieben
hinter den Pachtangeboten des Jahres 170/69. Also war hier im Jahre
170/69 eine διααίαΟ'ωύις erfolgt (beachte den Plural άπολειπονβωνΐ),
deren Bedingungen noch 159/8, also 11 Jahre später, in Gültigkeit waren.^)
1) Vgl. hierüber meine Ausführungen in den Griech. Ostraka I 681 ff.
2) Auch Priester, Militär und Beamte finden sich unter ihnen.
3) Über das Verhältnis des Weizens, der in erster Reihe auf der Domäne ge-
laut wurde, zu den anderen Fruchtarten (Gerste, Spelt usw.) vgl. Grenfell-Hunt, Teb. I
S. 560 ff. Über die Berechnung der ^κςρόρια und über die Frage der Bonitätsklassen
vgl. Rostowzew, Kolonat S. 33.
4) Die Rolle des ν.ωμομ,ΐοΟ'ωτ'ηζ, der bisher nur einmal (Teb. 183) begegnet, ist
noch dunkel (probably the official in charge of μια&ώαεις of ßcc6. γη GH).
5) Rostowzew, Kolonat S. 50 f.
6) Vgl. hierzu Rostowzew 1. c. 48 und 51 Anm. 2.
Α. Die Ptolemäerzeit. § 2. Das Königsland. 275
Zugleich dürfen wir den Worten entnehmen, daß, wie auch sonst in ähn-
lichen Verhältnissen, ein eigener Λ^ertrag zwischen Regierung und Pächtern
nicht aufgesetzt wurde, sondern das Angebot durch υπογραφή der Regie-
rung den Charakter eines bindenden Vertrages erhielt.^) Dies vertrags-
mäßige Abkommen nannte man daher nicht ανγγραφή, sondern ύννάλλαξις.
Für das Fehlen solcher νποοτάόεις werden wir einigermaßen dadurch
entschädigt, daß uns wenigstens zwei jener χειρογραφίαι erhalten sind,
eine griechisch (Teb. I 210 [327]) und eine demotisch ^), die die könig-
lichen Pächter zwecks Empfanges des Saatkomdarlehens in jedem Jahre
vor den Lokalbehörden auszustellen hatten.^) In diesen in Form eines
όρκος βαΰιλιχος gegebenen Versprechen, die ja nicht mit jenen νπούτάόεΐξ
zu verwechseln sind, verpflichten sich die Pächter, von der Aussaat bis
zur Ernte resp. zur Zahlung der Rente, ständig am Orte zu bleiben*),
unter den Augen der königlichen Beamten, ohne Inanspruchnahme eines
Asyls oder einer weltlichen Protektion, und die übernommenen εχφόρια
in vorgeschriebener Weise zu liefern. Dieser Text (s. Nr. 327) ist
von fundamentaler Bedeutung für die Vorgeschichte des Kolo-
nats: er zeigt uns die königlichen Pächter, wenigstens während
der Saatkampagne, an die Scholle gebunden! Wie die Πανούργοι
im Monopolbetrieb den Gau nicht verlassen durften, so waren die Doma-
nialpächter während der Arbeitszeit an ihr Dorf gefesselt. Diese be-
schworene Bindung der königlichen Pächter geht noch weit hinaus über
die allgemeine Bindung der χώρα-Bewohner an ihre löCa (vgl. oben S. 26 f ).
Die zu einem Dorf gehörigen βαύιλικοί γεωργοί^ die praktisch die
übernommenen Verpflichtungen vielfach auf dem Wege der Afterpacht er-
ledigten (vgl. Teb. 42 [328]), bildeten eine Einheit, gewissermaßen
eine Korporation oder Verein, der dem Staat gegenüber unter gegenseitiger
Haftung die Verantwortung für die richtige Bebauung der gesaraten zum
Dorf gehörigen βαοιλιχή γΐ} trug.'*) Sie haben daher eine gemeinsame
Organisation: πρεββντεροι stehen an ihrer Spitze, auch ihr γραμματεύς
und ihr υπηρέτης wird genannt (Beispiele in unten abgedruckten Texten).•)
Nur ein Fall ist bisher bekannt, in dorn diese Pächter in Οεχαταρχίαι ge-
1^ ... ....... UoHtowzcw, Kolonat S. Γ>8 Anm. 1. Formell vergleic'•' τ -i•"? '-il•'
reiche Pachtangebote der Kaiserzoit mit υπογραφή (ζ. Β. BGU 227).
2) Vgl. lievillout, MolangcH B. MGf. Revilloutt GeHamtaufTatBuiig uv» ii'xi«^
wird dun h den Tebt^rnietext nachträglich glilnzend bettiUigt.
8) Kin Ilioweiii darauf aiu h in Teb. tiü, &8f., wo υηϊρ mv mit βχ/ρμοττα lu
verbinden iiti. Vgl. meine Bemerkung bot Hoftowzew, Kolonat 8. 6U Anm. 1.
4) AndreneiU verordneten königliche Erlaete, lie in ihrer Tätigkeit nicht •υ
•iOreu. Vgl. I'. Kein. 19, 18: ov% ttt μι ηρός χήί γ»ωργΙαί ]p/v»#^o» «ορά tu »«ρΐ
'ίΐμών τών /«ωργών dtä ηΧ»ίόνων ηροαχίταγμίνα.
b) Vgl. hier/u außer Koitow/.ow auch Zulueta. , de patrocinii« vicorum.
6) Vgl. auch Orenf. II 87, 4 (109): die »ρ#0^^τ#ρο» γ(ωργοΙ unter den tclt ßattltna
η in '/uuTH'oiitvtn.
18•
276 Kapitel VII. Die Bodenwirtschaft.
gliedert erscheinen (Arch. II 81 [304]): danach arbeiteten sie hier in Gruppen
von 10 Männern, die unter einem δεκατάρχης standen — wie die Stein-
hauer. Es ist dies, wie bekannt, eine altägyptische Einrichtung. Da es
sich in jenem einzigen FaU um den Bau von Ölpflanzen handelt, bleibt
noch abzuwarten, ob diese Einrichtung vielleicht nur da, wo solche
Monopolinteressen vorlagen, durchgeführt war.
Unterlagen diese königlichen Pächter auf der einen Seite einer
dauernden Kontrolle^) und z. T. einer Beschränkung der persönlichen
Freiheit, wie aus jenen Eiden sich ergibt, so genossen sie andrerseits
ebenso wie die Monopolarbeiter mannigfache Privilegien, die wir nament-
lich aus Teb. 5, 155 ff. kennen gelernt haben ^), denn sie gehörten zwar
nicht zu den ντΐοτελεΐς^ wohl aber wie die υποτελείς zu den έπιτίετίλεγμένοι
ταΐζ TtQoöodoig (vgl. oben S. 248). Der Fiskus hatte ein Interesse au ihrem
wirtschaftlichen Wohlergehen. Unter normalen Verhältnissen muß ihre
Lage finanziell nicht schlecht gewesen sein, da nach Ablieferung des εκ-
φόριον und der sonstigen Staatsansprüche der Rest, das έταγενημα^ ihnen
verblieb^), und so begreifen wir, daß aus den verschiedensten Kreisen sich
Pachtlustige fanden, auch Übergebote vorkamen. Aber durch besondere
Anlässe, wie mangelhafte Überschwemmungen (wobei freilich Nachlaß ge-
währt wurde), Revolutionen und andere gewaltsame Störungen konnte
ihre Lage eine sehr prekäre werden.^) So liegen aus dem Ende des
IL Jahrhunderts mehrere Fälle dafür vor, daß sie in Asyle oder Nachbar-
dörfer flüchteten (άναχωρεΐν).^) Auch der Passus in der χειρογραφία^ in
dem sie gelobten, kein Asyl aufzusuchen und keine Protektion, spricht
dafür, daß mit Notlagen zu rechnen war.^)
Die Regierung hat in solchen durch innere Unruhen usw. geschaffenen
Krisen zu verschiedenen Hilfsmitteln gegriffen, um auf alle Fälle die
Bebauung der königlichen Domäne durchzuführen. Wo in Einzelfällen
gewisse königliche Acker so heruntergekommen waren, daß sie das alte
εκφόριον nicht tragen konnten^), da verpachtete sie diese „£| a^iag"^),
1) Im besonderen durck die „Erntewächter", die γενηματοφνλαιιες. Vgl. Teb.
27 (331).
2) Vgl. Rostowzew, Kolonat S. 71. Vgl. auch Bd. II S. llfF.
3) Die Ablieferung geschah ebenso wie bei der Grundsteuer auf der Dorftenne.
Vgl. oben S. 181. Über die hierbei tätigen γενημίχτοφυλακες vgl. zu 331.
4) Über verschiedene Zwischenfälle aus dem Leben königlicher Pächter be-
richten z. B. Teb. 45, 50, (329), 53, Rein. 18, 19, Lille 8.
5) Vgl. Teb. 26 (330), 41, 61 (b), 351 £F. (= 72, 349 ff.). Vgl. dazu Rostowzew,
Kolonat S. 74. Der letzte Fall zeigt, auf welchem Wege die Regierung neue Bauern
bekam.
6) Wahrscheinlich ist dieser Passus erst durch schlechte Erfahrungen hineinge-
bracht worden.
7) Vgl. Teb. 61 (b), 31: κεχεραώο&αί έν τψ άμειξίοα (= Revolution).
8) Gegensatz zu der theoretischen Bonitätsklasse (Rostowzew, Kolonat S. 33).
Α. Die Ptolemäerzeit. § 2. Das Königsland. 277
nach dem Werte, d. h. zu bedeutend herabgesetztem Pachtzins (statt durch-
schnittlich über 4 Artaben durchschnittlich 1 Artabe)^), und zwar wurde
diese Pacht meist für die ersten 10 Jahre zu einem ganz geringen, für
die spätere Zeit zu einem etwas höheren Zins vergeben, hatte also em-
phyteutischen Charakter.^)
Fand der König aber auch unter diesen leichten Bedingungen keine
Pächter, so hielt er sich kraft seiner allgemeinen Omnipotenz für berech-
tigt, Leute einfach zur Bearbeitung gegen herabgesetzten Pachtzins zu
zwingen. Hiervon handelt der Par. 68.^) Gegenüber der früheren Annahme,
daß dieser Papyrus alljährliche Fronden betreffe*), habe ich in den Griech.
Ostraka I 702 die Ansicht aufgestellt, daß es sich vielmehr um eine außer-
ordentliche Zwangsverpachtung von βαόιλίχή γη handle. Diese Auf-
fassung ist inzwischen durch die Tebtynistexte bestätigt, aber auch noch
genauer präzisiert worden.^) Wie Rostowzew (Kolonat S. 53 ff.) gesehen
hat, entspricht die γεωργία in Par. 63 dem in Teb. 6, 31 (332), 61 (b)
19 — 110, 72, 1 — 70 usw. behandelten βιάξεαϋ-αί ävav βνναλλάξεων. Nach
diesen Tebty η istexten zwang die Regierung im Falle des Pächtermangels
Leute zur Zwangspacht (εκ διαιρεόεως) gegen ein herabgesetztes εκφορών^
ohne eine όννάλλαξις mit ihnen zu schließen. So soUen auch im Par. die
wirtschaftlich Kräftigen (δννατονντες) zur Pacht von βαοίλικη γη ge-
zwungen werden gegen ein ελαόΰον κεφάλαιον^') auf Grund eines könig-
lichen πρόόταγμα (und daher ohne Vertrag), außerdem soU die gesamte
Bevölkerung ihr Vieh zur Bewirtschaftung der Domäne in diesem Aus-
nahmefall zur Verfügung stellen. Also auf administrativem Wege wird
das zu bebauende Land zwangsweise zugewiesen (επ:ιγράφείν γήν) — eine
Einrichtung, die als Vorbote der späteren römischen επιβολή betrachtet
werden kann. Vgl. Rostowzew, Kolonat S. 58. Wie ich schon in den
Ostraka 1. c. hervorhob, wird der Fall des Par. 63 (vom Jahre 164) als
ein ganz ungewöhnlicher Ausnahmefall bezeichnet, der durch eine besondere
Katastrophe ( καταφϋ-ορά Ζ. 126) herbeigeführt ist. '') Wenn nach den
jüngeren Tebtynistexten diese Maßregel nicht mehr als eine so ganz un-
1) Diese Maßregel bat zuerst lioetowzew erklärt. Vgl. Arch. V 299 f. und
Kolonat 8. 80 f. Vgl. z. B. Teb. 61 (b), 21 flF.
2) So Itoetowxew, Kolonat S. 81.
8) Vgl. den Text von Mahaffy in Petr. III S. 18 π lunulto
ich mir für die L'PZ vor.
4) Lumhrono, Ilech. S. 89 ff.
ft) <»renf<;ll-Hiint Teb. I 8. 211 haben ihr freilich widersprochen
An hi(;r(lurrh die Leute nur gezwungen seien, io help in t)
i'ii nie), wird dem Text nicht gerecht. Daß ich 1. c. angenoü
die ganze BefOlkemng verpflichtet werde, beruht auf einem MißTerstiindnis
Wort«.
β) xffpaXuiov fflr die Summe des ί%φ6ρίον %. Β. auch in Teb. 61 (b), 20.
7) Kinc genaue Interpretation werde ich in den UPZ bringen.
278 Kapitel VII. Die Bodenwirtschaft.
gewöhnliche erscheint, so ist vielleicht damit zu rechnen, daß sie eben
mit der Zeit häufiger geworden ist; vielleicht erklärt es sich aber auch
dadurch, daß in diesen jüngeren Texten es sich wohl mehr um Anwen-
dung der Zwangspacht auf kleinere Gebiete handelt, während das πρό6-
ταγμα des Par. 63 sich auf das ganze Land erstreckt zu haben scheint.
Über die Vererbpachtung königlichen Landes soll unten unter „Pri-
vatland" gesprochen werden.
Abgezweigt von der βαοίλίκη γη ist die γη έν προοόδω των τέκνων
τον βαβ ίλεως (Petr. III S. 237) und andrerseits die κεχωρίομένη TCQOöoöog
(Tab. I S. 569), auf die beide schon oben S. 147 hingewiesen wurde. Diese
Begriffe bedürfen noch weiterer Aufklärung. Vgl. einstweilen Rostowzew,
Kolonat S. 44 f.
§ 3. DAS HEILIGE LAND.
So reichlich unsere Quellen für die βαβιλίκη γΐ] fließen, so dürftig
sind sie bis jetzt für die ϊερα γη. Die Folge ist, daß die wichtigsten
Fragen hier noch kontrovers sind.^)
Was zunächst den Umfang der Tempelländer betrifft, so verweise ich
auf die sorgfältigen Untersuchungen von Otto (Priest, u. Temp. I 262 ff.),
der zeigt, daß sie in hellenistischer Zeit, wenn auch sehr beträchtlich, so
doch nicht annähernd so bedeutend gewesen sind, wie z. B. Diodor meint,
der ihnen bekanntlich ein Drittel des Landes zuweist. Auch diese ίερά γη
wird, wie die βαοίλυκή γη, die an βαοιλικοί γεωργοί vergeben wurde, in
der Regel γη έν άρετη gewesen sein.
Daß die Verwaltung des Tempellandes in den Händen der könig-
lichen Regierung lag, ist scbon seit langem erkannt worden, zuerst wohl
von Eug. Revillout.^) Doch erschien dies früher mehr als etwas Merk-
würdiges, da man annahm, daß die Tempel die Eigentümer der ιερά γη
seien. Jetzt wird jene königliche Verwaltung uns verständlicher, nach-
dem wir durch die Tebtynispapyri, wie schon oben S. 271 ausgeführt
wurde, gelernt haben, daß auch die Ιερά γη zu der έν άφέβει γη gezählt
wurde. ^) Also bestand jedenfalls in der staatsrechtlichen Theorie die
Vorstellung, daß das Tempelland in letzter Instanz Eigentum des Königs
war. Aber der König hatte dies Land „überlassen" — und zwar dem
Gotte, denn das sagen die Texte, soweit sie sich überhaupt hierzu äußern,
ganz deutlich, daß das Land dem Gotte gehört, nicht etwa den Tempeln
oder den Priestern.^) Vgl. z. B. Amh. 35 (68), Teb 63, 1-31 (333).
1) Vgl. Rostowzews Rezension von Ottos Buch über die Priester und Tempel in
GGA 1909, 621 iF.
2) Nouv. Chrestom. dem. 1878 S. 149. Vgl. auch meine Bemerkung Arch. I 145.
Dann wurde der Gedanke konsequent durchgeführt von Otto.
3) Otto leugnet dies. S. oben S. 271 Anm. 1 und 2.
4) Von der hga γη ist zu scheiden die ί^ρί-ντί,κή γη (Teb. 5, 236 [307]): das ist
Land, das die Priester bewirtschaften. Vgl. Kostowzew, Kolonat S. 77.
Α. Die Ptolemäerzeit. § 3. Das heilige Land. 279
Der Gott aber, der eines irdischen Verwalters bedurfte, konnte ihn nicht
in den ihm dienenden Priestern, sondern nur in dem König finden, der
selbst Gott^), dazu nach der Vorstellung der εν άφεΰει γή der eigentliche
Eigentümer war.
Wie diese Theorie in der Praxis durchgeführt wurde, darüber liegt
bisher, wie gesagt, noch wenig Material vor, und das Wenige ist nicht
ohne Widersprüche. Man wird auch damit zu rechnen haben, daß jene
staatsrechtliche Theorie je nach dem Wandel der Kirchenpolitik in den
drei Jahrhunderten der Ptolemäerherrschaft (s. Kap. II) in verschiedener
Weise zur Anwendung kam. Doch an dem Obersatz ist nicht zu zweifeln,
daß die Verwaltung der Ιερά γη in den Händen der Regierung lag. Wie
wir durch Theb. Bank. II erfahren, daß die königlichen Beamten es waren,
die z. B. einen Asklepiostempel verauktionierten, in denselben Formen, in
denen sie eventuell Stücke der Domäne vergaben, so haben sie vor allem
die regelmäßige Bewirtschaftung der Ιερά γη geleitet, und offenbar nach
denselben Grundsätzen und in denselben Formen, die wir bei der ßaöt-
λιχη γη kennen gelernt haben. So ist auch die Ιερά γη parzelliert und
an γεωργοί in Parzellen verpachtet worden*), vermutlich in denselben
Formen wie die βαοίλικη γη. Daß auch auf dem Tempellande dieselben
Notstände dieselben Maßregeln hervorgerufen haben, wie wir sie auf dem
Königslande kennen gelernt haben, dafür spricht Teb. 6 (332), der uns
zeigt, daß auch hier das βιάξεοϋ-αί ανεν ονναλλάξεων nicht unbekannt
war, und selbstverständlich war es der Staat, und nicht der Tempel, der
diesen Zwang zur kontraktlosen Pacht ausübte. In der Regel wurden die
έχφόρια an die königlichen ϋ-ηΰανροί abgeliefert, wie auch in den amt-
lichen Listen die Eingänge von Tempelland mitten zwischen den Ein-
gängen von Königsland stehen (vgl. Grenfell Hunt zu Teb. 93), aber was
der Staat mit diesen έκφόρια des Tempellandes angefangen hat, diese
„Frage von kapitaler Bedeutung"*) ist leider noch dunkel.
Von dieser ιερά γη ist zu scheiden die άνιερωμενη γη^ das dem
Gott von irgendjemand aus besonderem Anlaß geweihte Land.*) Nach
Rostowzews Vermutung dürfte auch die δωρεαία γη auf den thebanischen
Holztafeln*) dazu gehören.•) Dies Land wird zwar nirgends direkt der
iv άφεόει zugewiesen; da es aber nur γή βαόιλιχη oder έν άφεαει gibt,
kann es nur der letzteren zugeteilt werden. In der Praxis wurde es aber
Ϊ, 1 ...» i.r.l.roi III l'Jl, Itoitoweew, GGA 190», 628.
2) MatperOf Les financßii 8. 17, und (wohl danach) Enfi^'re, de aeg. κωμών adm. p. 18
operieren mit It^oX γίωργοί Kine faliche moderne Bildung?, denn die PAchier sind
nicht wie die γή „heilig dem dotte". Ob nie »ndrerieits direkt alt ^crtfflixol γΒωργοΙ
bexeichoet lind, wie manche annehmen, achoint mir noch nicht licher erwieien, wftra
Aber gf^wifi mOglich. Vgl. unten tut Tenninologii* der röm. Zeit.
8) RoHtowzew, (KiA 1909, 628. 4) Vgl. Kottowxew, UGA 1909, 628.
6) Vgl. meine üriech. Oftraka I 66—67. 6) UGA 1909, 624.
280 Kapitel VII. Die Bodenwirtschaft.
vom Staat freier behandelt als die Ιερά γη. Wenn in Teb. 5, 57 — 61 (65)
Abgabenfreiheit und eigene Verwaltung durch die Priester selbst (nicht
die königlichen Beamten) verfügt wird, so ist nacb Preisigkes Deutung
der Gesamturkunde mit der Möglichkeit zu rechnen, daß diese Erleichte-
rungen erst jetzt gewährt worden sind. Vgl. meine Einleitung zu Nr. 65.
§ 4. DAS LEHNSLAND.
Unter den BegriJÖF Lehnsland dürfen wir zwei Landarten — so ver-
schieden sie auch untereinander sind — subsumieren: die ^ληρονχική γη
und die εν δωρεά, von denen die erstere im Staatshaushalt die bei weitem
bedeutsamere Rolle spielt.
Die κληρονχίκη γη^) gehört, wie oben S. 271 dargelegt wurde, zur
έν άφεόει, γη. Der begründende Vorgang des „Überlassens" liegt hier
viel klarer vor uns als bei der Ιεγά γη., denn dort waren die άφέβεις ζ. Τ.
gewiß schon in der Pharaonenzeit vollzogen und waren von den Ptole-
mäern dann nur bestätigt worden, während die „Überlassungen" des Kle-
ruchenlandes sich nach den Urkunden der Ptolemäerzeit vor unsern Augen
abspielen und zwar von der ersten Hälfte des IIL Jahrb. bis mindestens
zum Ausgang des IL Jahrh. Der Ansicht von Mahaffy, der anfangs aus
den Petrie Papyri geschlossen hatte, daß die Ansiedlung der κληρονχου
im Faijtim sich auf die Zeit des Philadelphos beschränke, hatte ich schon
in der Deutsch. Literaturz. 1896 Sp. 1389 widersprochen, und meine An-
nahme einer sukzessiven Wiederholung der darin angedeuteten Belehnung
auch durch die folgenden Generationen hindurch ist inzwischen nament-
lich durch die Tebtynispapyri bestätigt worden. Vgl. z, B. die Tabelle der
Kleruchien von Kerkeosiris von Philopator bis Euergetes II in Teb. I S. 545
und GrenfeU-Hunt S. 549.
Während wir früher nur Soldaten als Kleruchen kannten, haben die
Tebtynispapyri gezeigt, daß jedenfalls im IL Jahrh. außer ihnen auch ge-
wisse Zivilbeamte Klerosinhaber werden konnten. In Kerkeosiris begegnen
als solche die χερόεφίτίΛΟί, die έρημ^οφύλακες, die φυλακΐται und εφόδου^
die aber wohl sämtlich zur Polizei im weiteren Sinne gezählt werden,
können^) und daher doch in engen Beziehungen zum Militär stehen. Da
die reinen Zivilbeamten in Stadt und Dorf m. W. als κληρονχοί nicht be-
zeugt sind, wird man die Kleruchie daher doch im wesentlichen als eine
für das Militär geschaffene Einrichtung betrachten müssen. Gegenüber
der anfangs weitverbreiteten Ansicht von Mahaffy, daß die Kleruchen der
Petrie Papyri Veteranen oder Militärpensionäre seien, konnte ich in den
Gott. Gel. Anz. 1895, 1 32 f. aus den Petrie Papyri selbst den Beweis er-
1) Vgl. die gnindlegenden Ausführungen von Grenfell-Hunt in P. Teb. I S. 545 flF.
2) Vgl. Teb. I S. 550.
ι
Α. Die Ptolemäerzeit. § 4. Das Lehnsland. 281
bringen, daß sie vielmehr aktive Soldaten sind, und auch dies ist durch
die späteren Funde, im besondern die Tebtynispapyri. bestätigt worden.-^)
Wir können somit sagen, daß die Verpflichtung militärischen (resp. poli-
zeilichen) Dienstes auf dem Besitz eines Kleros lastete. Die Hauptrolle
unter den Inhabern der κληρονχικη γη spielten also diese Soldaten, für
die außer dem Ausdruck κληρονχος mindestens seit dem IL Jahrh. die
Bezeiclinung κάτοικος gern gewählt wird. Solange das ptolemäische Heer
sich nur aus "Ελληνες (im weiten Sinne jener Zeit) rekrutierte, waren die
Kleruchen und Katöken also vorwiegend Hellenen.^) Nachdem aber auch
nationale Elemente in das Heer aufgenommen Avaren, gab es auch ägyp-
tische Inhaber von Kleruchenland (meist mit geringen Kleroi von 5, 7 oder
10 Aruren). Vereinzelt k.imen solche πεντάρονροι, μάχιμοι schon im
III. Jahrh. vor (Teb. I S. 36). Wenn sich in den Tebtynistexten des
IL Jahrh. ägyptische Namen auch in die κάτοικοι (im engem Sinne) ein-
schleichen, so ist das nur ein neues Zeichen für das damalige Vordringen
des ägyptischen Elementes (vgL oben S. 23). Außer diesen „Griechen"
des Heeres sind übrigens auch Kriegsgefangene zu Kleruchen gemacht
worden. Vgl. Petr. Π 29 (b) (334).
Die Ansiedlung der aktiven Territorialarmee, die wie auch in anderen
hellenistischen Reichen wohl in orientalischen, hier ägyptischen Einrich-
tungen ihr Vorbild hatte ^), bezweckte einmal, die eingewanderten Fremden
im Lande heimisch zu machen und sie mit den Interessen des Landes zu
verknüpfen.*) Andrerseits verfolgte der König, abgesehen von der Siche-
rung des Landes, dabei gewiß auch das bodenpolitische Ziel, mit Hilfe
der in der Armee aufgespeicherten Kräfte in B'riedenszeiten die Meliora-
tion des Landes zu fördern, denn, wie namentlich die Tebtynispapyri ge-
lehrt haben, war es in der Regel nur unfruchtbares Land (ντΐόλογον^ im
besondern χίροος), das diesen Soldaten überlassen wurde ^), und zwar mit
der Verpflichtung, es zu kultivieren.^) So haben die Ptolemäer, wenn sie
auch, abweichend von den Seleukiden, vom Städtebau mit einer Ausnahme
absahen, doch durch diese Ansiedlung der „griechischen" Armee wie auch
durch Schaffung Yon Erbpachtstellen usw. (s. unten) Anspruch darauf,
als Leiter einer zielbewußten inneren Kolonisation betrachtet zu werden.'')
Freilich ließ Hich dies System nicht in gleicher Stärke überall im Lande
durchführen. Das Faijüni mit seinem bedeutenden durch die Könige plan-
voll geschaffenen Neuland war offenbar die Musterprovinz dieser inneren
1) Vgl. Teb. I 8. 647.
2) Vgl. Teb. I 8. 546. 8) Vgl. HiTodot il UiS. Dioti. 1 78.
1) Vgl. meinen HinweiN in QOA 1896, 188 auf Diod. I 78, 7 (von den μάχιμοι
'Ut alten Zeit Mprechend): iv* ot %ΐ90νν»ύοιηΒς »ύνούβχβηοι xf} χώρα βίά xiiP »Χηρον-
χίαν ΰνχΒς τίροΐϊνμως ίηιόέχωνχία %χΙ. S. jctst Rottowxew, Kolonat S. tf.
r>) Vgl. Tel». I S. 664. β) VgL Rottowtow, Kolonat S. 7.
7; Vgl Wilcken, Hellenen und Barbaren (N. Jabrbb. XVII (luoe) 8. 466).
282 Kapitel ΥΙΙ. Die Bodenwirtschaft.
Kolonisation. Wenn auch die national- griechischen Gesichtspunkte, die
bei den ersten Ptolemäern gewiß nicht gefehlt haben, schließlich durch
die dem ägyptischen Nationalismus nachgebende schwächere Politik der
späteren Herrscher nicht zu dauernder Wirkung gekommen sind, so sind
doch die auf Melioration des Landes ausgehenden wirtschaftlichen Ziele
in großem Umfange erreicht worden, bis freilich auch diese unter der
heillosen Wirtschaft der letzten Ptolemäer keine Berücksichtigung mehr
finden konnten, so daß der junge Octavian hier vor neuen Aufgaben stand.
Das Besitzrecht der Kleruchen am κλήρος hat im Laufe der Jahr-
hunderte starken Wandlungen unterlegen. Wir können vom IIL Jahrh.
an bis in die Kaiserzeit die Umwandlung des prekären Lehnsgutes in
volles Eigentum in verschiedenen Etappen verfolgen.^) Im IIL Jahrh.
trat zunächst das Eigentumsrecht des Königs an dem überlassenen κλήρος
auf das deutlichste darin zutage, daß unter Umständen der Kleros vom
König „zurückgenommen"^) wurde {άναλαμβάνευν). In Hib. 81 und Lille 14
(335) ist der Tod der Kleruchen der Anlaß. Dagegen wird nach Petr. III
104 — 106 (334) in so vielen Fällen der Kleros bei Lebzeiten eingezogen,
daß ich darin das Symptom einer bestimmten Bodenpolitik sehen möchte
(vgl. meine Einleitung). Irrig war die Annahme P. Meyers (Heerwesen
S. 42), daß seit Euergetes I die Kleruchen Eigentümer ihres Kleros ge-
wesen seien; der ΐδιος κλήρος in Petr. II 29 (a) bezeichnet nur den eigenen
Kleros im Gegensatz zu dem eines anderen, den man als Pächter bebaut
(vgl. Z. 13). — Die nächste Etappe ist uns kürzlich durch Lille 4 (336)
erschlossen worden (vom J. 218/7): hier tritt an die Stelle der „Zurück-
nahme" des Kleros im Todesfalle nur eine Beschlagnahme durch den Staat
(κατοχή), die nur so lange aufrecht erhalten wird, bis der Nachweis ge-
führt ist, daß ein Sohn da ist, der den Kleros übernehmen kann. Die Be-
dingung, daß ein Sohn vorhanden sei, erklärt sich aus der auf dem Kleros
lastenden Verpflichtung zum militärischen Dienst. Im übrigen herrscht
jetzt schon die Vorstellung, daß der Kleros dem Inhaber „und seinen Nach-
kommen'^ gehört (υπάρχειν). Wie νπάρχειν ζ. Β. auch vom Pachtver-
hältnis gesagt wird (vgl. 329, 4), so ist auch hier kein Eigentum damit
bezeichnet: das Eigentumsrecht des Königs tritt auch jetzt in der κατοχή
deutlich hervor . — Im IL Jahrh. wird sich die Vorstellung, daß der Kleros
vom Vater auf den Sohn übergeht, im Laufe der Generationen immer
mehr befestigt haben, aber daß der Kleros auch rechtlich jetzt ein Erb-
gut geworden wäre, läßt sich nicht erweisen. Die Worte μένειν και τον-
1) Vgl. Jouguet-Lesquier zu Lille 4. Wilcken, Arch. V 222 f. Rostowzew,
Kolonat S. 11 f.
2) So nach der feinen Deutung Rostowzews in den Stud. z. Kol. , der wohl zu-
erst darauf hinwies, daß in diesem „zurücknehmen" (wir sagten früher konfiszieren)
das Obereigentum des Königs deutlich hervortritt.
Α. Die Ptolemäerzeit. § 4. Das Lehnsland. 283
Toig καΙ έγγόνοις in dem für die Kleruchenfrage so wichtigen, leider
noch schwer verständlichen P. Teb. I 124, 25 und 33 (ca. 118) zeigen nicht
notwendig eine Weiterentwicklung über die aus Lille 4 zitierten Worte
hinaus, und es ist wichtig, daß auch in den Testamenten des II. Jahrh.
sich ebensowenig eine \^ererbung des χληρος findet wie in denen des
III. Jahrh. ^) Auch das κατεχειν κληρον findet sich im IL Jahrh. mehr-
fach wieder^), wenn auch aus anderen Anlässen als in Lille 4. — Über die
Entwicklung im letzten Jahrhundert v. Chr. fehlt es uns an Nachrichten.
So ist die Umwandlung des Kleruchenlandes in volles privates Eigentum
für uns erst in der Kaiserzeit nachweisbar (s. unten), sehr wahrscheinlich
aber auch damals erst durchgeführt — natürlich nur soweit das bei römi-
schem Provinzialboden überhaupt möglich war. Der ptoleraäische κλή-
ρος blieb also ev άφέϋει^ soweit wir ihn verfolgen können.
Als finanzielle Verpflichtung des Kleruchen ist bekannt, daß er bei
verschiedenen Anlässen dem König die (Jr t'^ar ο g- Abgaben zu zahlen hatte
(in Geld oder natura), wie z. B. bei der Aufnahme unter die Kleruchen und
wieder beim Aufrücken in eine höhere Klasse (z. B. die Katöken). Ge-
naueres bei Grenfell-Hunt in Teb. I S. 223.») Rostowzew (Kolonat S. 7)
hat den Kranz für die Aufnahme als „Kaufgeld" charakterisiert. Ich halte
diesen Ausdruck nicht für glücklich, da sonst nichts hier auf ein Kauf-
verhältnis hinweist.*) Dazu hebt der Xame dieses Kranzes, ό τη^ τιροϋ-
λήμφεως ότέφανος^ gar nicht den Empfang des κλήρος, sondern die Auf-
nahme der Person unter die Kleruchen hervor. Mir scheint in dieser in
der Idee freiwilligen, in der Praxis obligatorischen Spende (vgl. Ostraka
1. c.) das eigenartige Verhältnis zwischen dem Lehnsmann und seinem
Lehnsherrn einen passenden Ausdruck zu finden.^) Wurde der (ίτεφανος
nicht gezahlt, so wurde der κλήρος eventuell anderen übertragen, die ihn
zahlten (Teb. I S. 224). Auch sonst hatten die Kleruchen manche Ab-
gaben zu leisten, vor allem eine Grundsteuer von ^ — 2 Artaben, also die
άρταβιεία.^) Im ganzen waren sie aber bezüglich der Abgaben privi-
legiert, wie sie z. B. für die, άπόμοιρα nur /^, statt γ zu zahlen hatten,
fall« sie ihre Kulturpflicht erfüllten.'^) Sah ein Kleruch sich nicht mehr
1) Nach Rostowzew, Kolonat Sil 2) Ygl Teb. I S. 926. 666.
8) Hierdurch <;rhalten erst ihre richtige Helcuchtung die in den Oetraka be-
gegnenden afi(favtn τών ιιΧηρονχων uew. \^ζ\. Griech. Oetraku I 296 if.
4) Auch Krbpacht (von der M. Weber, Agrarf^. S. 182 spricht) liegt hier nicht
Tor. In der Kulturpflicht, die tioHtowxew mit Hecht hervorhob, liegt ja freilich ein
empbjteutiHcbeii Moment, aber daß hier die überlaeeung des Landes irgend wie in
Formen eine« cmphyteutiecben Kaufe• eich vollzogen hätte, dafür kamt ich keinen
Beleg finden.
6) Das tchließt nicht aus, daß gelegentlich auch andere Klaeaan den ατέφαψος
sahlen, wie die ßaatUnol γεωργοί. Vgl. Tob. I S. 224.
6) Vgl. Teb. I B. 666.
7) Zu dieser Deutung von Rev. P. 24, β f. vgl. Roitowiew, Kolonat 8. 8.
284 Kapitel VII. Die Bodenwirtschaft.
in der Lage, die finanziellen oder persönlichen Pflichten (Militärdienst!),
die mit dem Besitz verbunden waren, zu leisten, so konnte er durch eine
Zession, natürlich unter staatlicher Autorisation, den Kleros einem anderen
zuweisen {τίαραχωρείν) Vgl. Teb. 124, 30 ff., 30 (233); 31; 239.
Die Bewirtschaftung wird wohl meist, ganz oder zum Teil, durch
Verpachtung erfolgt sein. Hiervon handeln z. B. Petr. III 104 (334), Petr.
Π 38 (a), Magd. 1, Petr. II 2 (1) (337). In der Frage des Fruchtwahl
wird der Kleruch viel freier dagestanden haben als der βασιλικός γεωργός^
der nach genauen Vorschriften (vor allem Weizen) zu bauen hatte. Von
ihrer Wein- und Gartenwirtschaft handelt der Rev. P. 1. c. Der normale
Charakter des κλήρος ist aber der des Saatlandes. ^)
Wie neben der ιερά γη die άνιερωμενη oder δωρεαία γη^ so steht
neben der κληρουχική die εν δωρεά γη^ denn auch diese ist als Lehns-
land aufzufassen, freilich als Lehnsland ganz anderer Art.^) Während
das Kleruchenland in der Regel vom unfruchtbaren Land ausgeschieden
wurde, umfaßte dieses ganze Dörfer, also sicherlich auch viel gutes Saat-
land. Jenes war mit manchen Abgaben belastet, dies war in der Regel
steuerfrei (Rev. P. 43, 11). Jenes wurde Soldaten, dieses hohen Würden-
trägern oder Günstlingen des Königs übertragen. Andrerseits hat die έν
δωρεά γη es gemeinsam mit der κληρονχική^ daß auch bei ihr der König
trotz seiner „Schenkung" das Eigentum am Boden behält, so daß wir
auch sie zu der iv άφέαει zu zählen haben. Dies hat namentlich Rostow-
zews tiefdringende Interpretation von Magd. 28 (338) gezeigt. Vgl. auch
Lille 19, Teb. 72, 440 ff.
§ 5. DAS PRIVATLAND.
Die Entstehung und Entwicklung des Privatlandes in ptolemäischer
Zeit ist heute noch das schwierigste Problem der Agrargeschichte dieser
Periode. Wir wissen, daß es damals eine Ιδιόκτητος γη (Teb. 5, 111) ge-
geben hat, deren Inhaber ίδιοκτημονες hießen (Teb. 124, 32 und 38)^); wir
dürfen auch annehmen, wie schon oben S. 271 ausgeführt wurde, daß diese
ιδιόκτητος γη zur εν άφέόει gehört hat, innerhalb deren sie nicht nur
von der Ιερά^ sondern auch von der κληρονχικη unterschieden wurde, daß
es also nur ein Privatbesitz war, während das Eigentum dem König
zustand. Wir kennen auch eine große Zahl von Grundbesitzern, ohne
freilich sagen zu können, ob sie zu den ίδιοκτημονες gehören. Aber wir
1) Rostowzew, Kolonat 17 unter Hinweis auf Petr. III 26, 5 f.
2) Vgl. ßostowze^, Stud. z. Kol. S. 42 f. 78.
3) In dem Dorfe Kerkeosiris im Faijum, über dessen Bodenverhältnisse uns die
Tebtynistexte aufklären, gab es nach Akten aus der Zeit um 120 v. Chr. damals
überhaupt keine ίδιόν,τψος (vgl. Teb. I S. 538 £F.), eine Tatsache, die nicht einmal
für das Faijum zu verallgemeinern ist, aber für die Geschichte des Faijum von hohem
Interesse ist.
Α. Die Ptolemäerzeit. § 5. Das Privatland. 285
haben niclit einen einzigen Beleg dafür, wie diese Ιδιόκτητος entstanden ist.
Andrerseits haben wir durch Rostowzews Studien, der zum erstenmal diese
Frage energisch angefaßt hat, die Entstehung verschiedener Arten von
Privatbesitz kennen gelernt, ohne daß wir im Einzelfall mit Sicherheit
sagen können, daß es ιδιόκτητος γη ist, die da entsteht. Unter diesen
Verhältnissen beschränke ich mich darauf, diese verschiedenen Arten von
Privatbesitz kurz hier zu skizzieren.
1. Rostowzew^) hat es wahrscheinlich gemacht, daß ein Privatbesitz
sich zunächst nur am Haus-, Wein- und Gartenland entwickelt hat. Diese
Besitzungen und nur sie heißen κτήματα. Als κτήματα sind die im Lande
schon von früher her vorhandenen Besitzungen derartigen Landes von den
Ptolemäem anerkannt (innerhalb der sv άφέόει γη). Wie ein solcher Be-
sitz (κτήμα) entstehen kann, zeigt Teb. 5, 93ff. (339): hier ist unfrucht-
bares Land (aus dem Königsland) zur Bepflanzung (καταφντενείν) unter
besonderen Erleichterungen der Zahlungen an den Staat (erst Atelie, dann
Kuphotelie, dann reguläre Besteuerung) von Privaten für alle Zeit über-
nommen worden. Wie in solchen Fällen vorgegangen wird, in denen
eigenmächtig, ohne Vereinbarung mit der Regierung eine Okkupation der-
artigen Landes stattfindet, zeigt Amh. 31 (161).
2. Auf Saatland (das niemals χτήμα wird), wie auch auf Wein- und
Gartenland, kann, wenn es sich nicht um unfruchtbaren Boden handelt,
Privatbesitz durch eine Erbpacht entstehen, deren Normen uns durch den
grundlegenden P. Eleph. 14 (340) bekannt gegeben werden. Vgl. femer
BGU III 992 (162), Theb. Bankakt. III und IV, auch die Zoispapyri.
Charakteristisch ist die Vergebung durch Auktion, die Zahlung eines Erb-
standsgeldes (τιμ'ή) in 4 jährlichen Raten und die Verpflichtung zur Zahlung
von έκφόρια (resp. Geld-qpopot bei Wein- und Gartenland). Diese Erb-
pacht ist wohl die sogenannte μίΰ^ωόΐζ eig Λατρνκά (vgl. Teb. 5, 12).
3. Emphyteutischer Besitz bildet sich endlich auch durch die oben
S. 276 f. behandelte μία^ωοις ίξ άξιας.
Trotz mancher formaler Unterschiede in den hier aiigefülirteu Einzel-
fällen*) wird man doch so viel schon heute sagen dürfen, daß es vor
allem die Erbpacht (in verschiedenen Spielarten) gewesen ist, die in der
Ptolemäer/eit zur Bildung von Privatbesitz geführt hat. Wenn der Be-
sitzer auch über sein Land frei verfügen kann durch Verkaut, Zession,
N'erpfändung usw.'), und wenn aaoh der Besitz vom Vater auf den Sohn
1; Kolonat 8. 14 ff.
L>) Rovtowsew betont stark, da0 mOgliohenreite in den vertohiedenen Teilen
λ'.' iif diesem Qt^biet vertohiedene Formen beitanden haben.
1. lioitowzew 1. c. Iif.
286 Kapitel VIT. Die Bodenwirtschaft.
übergehen kann (αρυνραί-Λρογονικαί wie in Tor. 4, 2 f.) ^), so ist man
doch über privaten Besitz in der Ptolemäerzeit — nach unserm jetzigen
Wissen — nicht hinausgekommen. Höchstens in den von der χώρα exi-
mierten drei Griechenstädten scheinen z. T. andere Verhältnisse gewesen
zu sein. Für die ΜεΙανδρεων χώρα (und den Μενελαΐτης) darf man die
Nachricht des Edikts des Jul. Alexander^) Z. 59 f. betreffs der mangelnden
Bodenvermessung sicher auch auf die Ptolemäerzeit beziehen^ da dies zu
den εξ, aiCbvog ^/^κο^ιο«; gezählt wird. Nur soll man die in jenen Worten
angedeutete Grundsteuerfreiheit nicht auf die ganze Άλ . χώρα beziehen^ wie
es bisher meist geschah^), sondern beachten, daß diese Aussage nur von
der αρχαία γη gilt/) Was freilich diese αρχαία γη ist, wird uns nicht ge-
sagt. Sollte der Ausdruck vielleicht zurückgehen auf die Zeit der Besiedlung
Alexandriens (vgl. εξ, αΙώνος) und die damals den Kolonisten gegebenen
αρχαίοι κλήροι im Sinne von Aristot. Polit. VI 4 p. 1319a 10?^) Es wäre
möglich, daß diese αρχαίοι κλήροι anders als die gewöhnlichen κλήροι
Privateigentum waren und daher ατέλεια hatten. Andrerseits ist lehr-
reich, daß nach Teb. 5, 98 f. der König die Ι4λεξανδρέων χώρα bezüglich
der Neubildung von κτήματα (s. oben) zwar begünstigt vor der χώρα-^ aber
doch ebenso durch königlichen Erlaß reguliert wie das übrige Land.
§ 6. DAS GEMEINDELAND.
Die Frage nach dem Gemeindeland in ptolemäischer Zeit kann ich
z. Z. nur als Problem hinstellen. Im größern Zusammenhang ist sie noch
nicht bearbeitet worden, und Papyri und Inschriften sind daraufhin noch
nicht befragt worden. Daß die Griechenstädte — Alexandrien, Naukratis,
Ptolemais — ein Gemeindeland gehabt haben, und daß dieses von den bisher
behandelten für die χώρα geltenden Normen z. T. eximiert gewesen sein
mag, ist a priori wahrscheinlich. Für Alexandrien darf die eben be-
sprochene !4λεξανδρέων χώρα natürlich nicht als Gemeindeland aufgefaßt
werden, vielmehr ist diese ein Gau. Vgl. Claud. Ptolem. IV 5 § 46, auch. Plin.
h. n. V 49. Daß im Stadtgebiet von Alexandrien zum mindesten gewisse
(öffentliche?) Gebäude bis ins IV. Jahrh. hinein Freiheit von der Staats-
grundsteuer genossen haben, geht aus den nicht ganz eindeutigen Worten
bei Ammianus Marcellinus 22, 11, 6 hervor.
1) Es begegnet auch schon in der Ptolemäerzeit der Ausdruck γΕονχος^ worunter
wir nach obigem nur den Landinhaber für diese Zeit verstehen können. Vgl. die
Inschrift in Arch. V 162 n. 8: ol ccTtb της ΛόΧεως γεονχοι (Π. Jahrh. ν. Chr.).
2) Dittenberger, Or. Gr. II 669.
3) Vgl. auch Bouche-Leclercq III 154, 1.
4) So Wilcken bei Hunt zu Oxj. VII 1045, 3. Der weitere Text des Ediktes
zeigt, daß zu der αρχαία auch τΐροαγενήματα hinzugekommen waren, die auch privi-
legiert waren.
5) Vgl. hierzu etwa Ed. Meyer AG II S. 300 f. und Dittenberger, Syll. II 933.
In obigem Sinne äußerte ich mich schon bei Plaumann, Ptolemais S. 87, 2.
Β. Die römische Zeit. § 1. Die Verteilung des Bodens. 287
Die Sonderberechnung des Umfangs der κώμη in den Dorfakten von
Kerkeosiris bedeutet nur, daß das Areal, auf dem das Dorf steht, als ein wirt-
schaftlich besonders verwendeter und insofern einheitlicher Posten in der Be-
rechnung des Gesamtareals gezählt wurde. Vgl. Grenfell-Hunt Teb. I S. 540.
Als Gemeindeland ist es darum nicht zu fassen: die einzelnen Hausgrund-
stücke auf diesem Areal werden ja auch im Privatbesitz der einzelnen
Dorfbewohner gewesen sein.
Das Problem des Gemeindelandes bedarf dringend einer eingehenden
Spezialuntersuchun g.
B. DIE EÖMISCHE ZEIT.
Von der oben S. 270 angeführten Literatur kommt für diese Zeit in Betracht
Waszyi'iski, Rostowzew, Staatsp. und vor allem Stud. zum Kolonat, auch Otto.
Vgl. ferner: Mommsen, Rom. Gesch. V 572 ff. — 0. Hirschfeld, KV 352 ff.
P. Meyer, Jioixr\'iig und ίδιος Xoyog (Festschr. f. 0. Hir.>chfel(l 131 ff.) — 0. Seeck,
Colonatus bei Pauly-Wiss. IV Sp. 492 ff. — Mitteis, Rom. Privatr. I 354 ff. —
0. Eger, Zum äg. Grundbuchwesen in röm. Zeit (1909), 30 ff. — Preisigke, Giro-
wesen.
§ 1. DIE VERTEILUNG DES BODENS.
Als Octavian Ägypten eroberte, ist ihm als dem Sieger zunächst der
gesamte Boden, sowohl die βαϋιλίκή γη wie die εν άφεΰει γη zugefallen,
aber er hat, wie wir S. 28 sahen, Ägypten dem imperium populi Komani
eingefügt, und dies ist auf die Bodenwirtschaft nicht ohne Einfluß ge-
blieben. Es lassen sich für die frühe Kaiserzeit wichtige Änderungen
gegenüber der Ptolemäerzeit erkennen.
An die Spitze möchte ich die Tatsache stellen, daß der Ausdruck iv
άφεόεί γη trotz des Reichtums unsrer Quellen sich bisher für die Kaiser-
zeit nicht hat nachweisen lassen.^) Und das wird kein Zufall sein: die
römische Regierung hat nicht nur in viel weiterem Umfange als die ptole-
mäische die Bildung von Privatbesitz gestattet und gefördert, sondern hat
diesem Privatbesitz den Charaktsr des Privateigentums gewährt, natürlich
„in dem Sinn, wie das Provinzialrecht überhaupt ein solches kennt'^*) Für
dieses Privateigentum, für das, eben als Provinzialboden, Grundsteuer an
d(*n Fiskus, d. h. deo populus Romanus (s. oben S. 154) zu zahlen war,
gilt die Bezeichnung ίόιωτίχή yij, die in der Ptolemäerzeit m. W. noch
nicht begegnet.^) Zu dieser ίΟιωτιχή yf) gehören jetzt aber auch das Kle•
riifhon- und KRtiikonlimd, die also beide im Gegensatz zur Ptolemäerzeit
1 iMiiik••! \Ht iiorii ' der ίναφίΐμένη γή (Tcb. II 82ft).
2i AIko nicht quiriti AuffasKung MummeonH (RG V &7S, vgl Köm.
t i.it r II 8. Atiil. 1004 Auni. 2> i«t durch die neuen Forichungcn uur in hellere•
In.; ^'eMftxt wordi-n.
:\ y.H tiogo^noi rä ιβιωτίκά im Tit«l der Ch ri in Tor. 18 (neben ßactUna
iiiiil π("κ.οΛιχά . wo tiN aber uicht in besug auf I -raucht ist.
288 Kapitel VII. Die Boden Wirtschaft.
sich zu vollem Privateigentum entwickelt haben. Über weitere Arten der
Ιοίωηκή s. unten in § 6. Ahnlicb wie das Privatland scheint auch das
Gemeindeland in der römischen Zeit sich mehr entwickelt zu haben. Im
besonderen dürfte die Einführung der Kommunalordnung im Jahre 202
dies befördert haben.
Weniger klar ist die rechtliche Lage der ιερά γη^ die durch den
Wegfall des Begriffes εν άφέόει γη nicht an Selbständigkeit gewonnen
hat, sondern mindestens ebenso wie in der Ptolemäerzeit, wenn nicht noch
mehr, sich in Abhängigkeit von der Staatsregierung befindet.
Aber auch auf dem Gebiete der βαΰίλικη γη finden wir große Ver-
änderungen. Zwar gibt es auch weiter eine βαόιλικη γη^ und sie ist
durch umfassende Konfiskationen von Kleruchen- und Götterland erweitert
worden (s. unten); nach andrer Seite aber muß der Begriff irgendwie ein-
geschränkt worden sein, denn wir finden neben ihr und von ihr unter-
schieden die δημοοία γη, dem Namen nach also ager publicus. Ferner
hat sich aus dem privaten Großgrundbesitz von Römern und Griechen,
der bald (noch im I. Jahrh.) zum größten Teil in kaiserlichen Besitz über-
ging, die ονόιακη γη gebildet, die als Patrimonialboden der βαύιλικη und
δημοόία gegenübertritt. Endlich finden wir als kaiserlichen Boden auch
noch die τίροβόδον γη, deren Bedeutung noch sehr dunkel ist.
So zeigt in der Kaiserzeit der öffentliche Boden viel mehr Varietäten
als in der Ptolemäerzeit, während auf der anderen Seite die früheren Spiel-
arten der iv άφεοεί γη — abgesehen von der ιερά γη — unter dem neuen
einheitlichen Oberbegriff der Ιδιωτική γη sich einander nähern.
§ 2. DIE ΒΑΣΙΛΙΚΗ UND DIE ΔΗΜΟΣΙΑ ΓΗ.
Ich behandle hier diese beiden Bodenklassen, wiewohl wir jetzt wissen,
daß sie staatsrechtlich zu trennen sind, zusammen in einem Abschnitt,
weil ihre Bewirtschaftung völlig gleich gewesen zu sein scheint. Die Frage,
ob beide identisch oder verschieden sind, ist in den letzten Jahren z. T.
von denselben Forschern bald so bald anders beantwortet worden. Völlig
gesichert ist uns jetzt die Trennung durch einen Gießener und einen
Leipziger Papyrus (vgl. 351), nach denen in einem Erlaß Hadrians την
βαΰίλίκήν καΐ την δημοΰίαν καΐ ονΰιακήν γην unterschieden wird, sowie
durch Oxy. VI 899, 22 (361), wo gleichfalls γην βαβιλυκην τε και δημοΰίαν
getrennt wird (vgl. auch BGU 285).-^) Nun hat man trotzdem eine ün-
genauigkeit in der Terminologie angenommen, weil dasselbe Land in Teb.
390, 12 als βαΰιλική ίερεντική γη und in Teb. 311, 15 als δημοβία ίερεν-
τική bezeichnet wurde. ^) Aber in Wirklichkeit redet 311, 15 nur von
1) Vgl. Kornemann, KHo YIII 406. Wilcken, Arch. V 248 f.
2) Vgl. hierzu Grenfell-Hunt zu Teb. 302, 8.
Β. Die römische Zeit. § 2. Die ßccödi-nrj und die δημοαία γη. 289
δημοόίων Ιερεντίχών εδαφών^ und da nach Teb. 373, 5 f. zu den δημόόια
έΟάφη auch die βαοίλίχή γη gehört^), so scheint mir daraus zu folgen,
daß οημόδία εδάφη allerdings eine allgemeine Bezeichnung des öffentlichen
Landes überhaupt ist — wahrscheinlich ganz allgemein im Gegensatz zu den
ιδιωτικά^) — , daß wir aber nach obigem δημοοία γη als einen prägnanten
Ausdruck für einen Teil der δημόόια εδάφη und zwar einen von der ßaöt-
λιχη γη verschiedenen halten dürfen. Soweit ich sehe, schwinden hiermit
alle Schwierigkeiten, die diese terminologischen Fragen uns boten. ^)
Die βαοιλίκή γη der Kaiser kann nichts anderes sein als was sie in
der Ptolemäerzeit gewesen war, die alte Domäne, die jetzt die Kaiser über-
nommen haben.*) Wenn man auf der anderen Seite aus dem neuen, erst
jetzt auftretenden und erst jetzt möglichen^) Namen δημοοία γη wird
schließen müssen, daß sich dieser ager publicus erst in der Kaiserzeit ge-
bildet hat^), so ist dabei zu beachten, daß die βαβιλική nicht etwa eine
geschlossene Größe darstellt, sondern auch jetzt noch erweiterungsfähig
war. ^) Ja, durch Rostowzew ist es sehr wahrscheinlich gemacht, daß
Augustus in großem Umfange Konfiskationen von Tempelland und Lehns-
land vorgenommen hat, die der βαΰιλιχή γη zuflössen. Nun sind aber,
wie wir unten sehen werden, manche Konfiskationen von Kleruchenland
vorgenommen worden, um ovöcai zu bilden; es sind also nicht alle der-
artigen Konfiskationen der βαόιλιχη γη zugewiesen. Damit gewinnen wir
eine Möglichkeit, die Entstehung der δημοοία γη zu begreifen: sie wird
gleichfalls auf solche Konfiskationen zurückzuführen sein. Ich wüßte nicht,
welch anderes Land sonst dafür in Anspruch genommen werden könnte.
In der Tat lassen sich auch für die δημοσία einzelne Fälle von Entstehung
aus Kleruchenland nachweisen. Vgl. Oxy. VII 1031, 11 ff. Nach welchem
Gesichtspunkt diese Zuweisungen zu der einen oder anderen Landart er-
folgt sind, entzieht sich noch unserer Kenntnis.
Hinsichtlich der Verwaltung stand die βαόίλιχή^ wie Oxy. IV 271 (369)
zeigt, unter dem Idiologos — oder zum mindesten, Λvie man wird ein-
.sch ranken müssen, die βαόίλίχή, soweit sie aus solchen Konfiskationen
bestand*), denn andrerseits wird die βαοιλίχη γη auch zum Bereich der
1) Vgl. Lond. III S. 71, δ, wo zu den in* ήηίίρο{ν) ^^α]φών gehören βαδά{ί'
ηής) ζχ^Β %αϊ if[Q]as %αϊ Ιδιωτικής (seil. γής).
8) 8ο im Bremer Pap. 14 (Zeit Hadrians): {)ηολ6γον δημοαίωρ %αϊ^ Ιβιωτίχώψ
{datpStv.
8) Vgl. Rostowzew, Kolonat S. 181 Anm. 1. So erklärt eich auch das βημάβια
idatpti in Lond. II S. 164, 4: hier schließt en auch die άρατιχα idatpr\ mit ein.
4) Vgl. Griech OHtraka I 644, 2. 6) Vgl. oben S. »0.
H) So jetzt P. Meyor bei Kornemann, Klio VIII 406.
7) Vgl. Wilcken, Arch. V 249 unter Hinwoii auf Teb. II 808 (868) und Oxj. IV
Η l).i |,;iiit zu der Straboniicben Beiohreiboog diese• Beamten. S. oben 8. 164.
Mltt«le.Wllek«n: OniodeOff• I. 19
290 Kapitel VIl. Die Bodenwirtschaft.
δίοίκηβίς gezählt.^) Die δημούία γη scheint ganz zur dioCxrjöig zu ge-
hören; irgendwelche Beziehungen zwischen ihr und dem Idiologos sind
nicht bekannt.
Für die Bewirtschaftung der βαβίλική und ΟΎΐμοβία γη waren natür-
lich ebenso wie in der Ptolemäerzeit die Unterschiede der Qualität des
Bodens und damit der Steuerkraft maßgebend. S. oben S. 273.^) Das gute
Saatland, die γη έν αρετβ, oder wie man jetzt sagt, die ενάρετος γη^)
wurde wie damals an Pächter in Parzellen vergeben. Die der βαβιλυκη γη
hießen wie in der Ptolemäerzeit βαβίλικοί γεωργοί^ doch kommt dieser
Ausdruck nur vereinzelt vor und meist nur in der früheren Kaiserzeit*),
nach Wessely (Karanis S. 6 ff.) freilich auch noch im J. 218. Aber schon
unter Augustus begegnet der weitverbreitete Sprachgebrauch, daß nicht
nur die Pächter der δημοοία γη^ sondern auch die der βαβιλικη (wie auch
der ιερά und Λροβόδον und ονοιακη γη) als δημόονοι, γεωργού bezeichnet
werden. ^)
Diese οημό6ίθί γεωργοί — ich fasse sie in diesem weiteren Sinne,
denn wir kennen keine Unterschiede zwischen den Pächtern dieser ver-
schiedenen öffentlichen Ländereien — übernehmen nun diese Pachten, wie
es scheint, in denselben Formen wie in der Ptolemäerzeit.^) Die Regie-
rung machte von Zeit zu Zeit eine allgemeine διαμί6%^ω6ΐζ (vgl, Teb.
II 376, 15 [350]). Daß die διαμίβ^ωβίζ der normale Akt der Vergebung
ist (und daher mit der unten zu besprechenden δίαιρεοος nicht gleichzu-
setzen ist), zeigt auch das Edikt des Jul. Alexander Z. 14. Dazu wurden Pacht-
angebote'^) von den Pachtlustigen gemacht und die Regierung erteilte den
Zuschlag. Über die sehr fein abgestuften Höhen der dem Staate zu liefern-
den έκφόρια vgl. z. B. den neuen Florentiner Pap. (341). Die Pachten
waren unbefristet, sie liefen bis zur nächsten διαμίΰ^^ωΰΐξ^ doch konnten
sie während der Pachtzeit gebrochen werden durch Übergebot eines anderen.
Angebote zu den normalen Verpachtungen liegen uns bis jetzt nicht vor.
Die erhaltenen repräsentieren alle irgendwelche Spezialfälle. Pachterneue-
rungs-Angebote mit besonderen Bedingungen, die der (geringeren) Qualität
1) Vgl. 341.
2) Zum Unterschied von βεβρεγμένη, αβροχος, έτΐηντλημ^ένη vgl. ζ. Β. Lips. 105
(237) und oben S. 273.
3) Vgl. Flor. 50, 4 mit Vitellis Note. Wenn es hier übrigens heißt έν dvöl %οί-
ταις -κατά το αίρονν της τε ίναρέτον γ,αϊ χύρβον^ so sieht das so aus, als wenn die
eine κοιττ] die ενάρετος, die andere die χέρβος umfaßt habe.
4) Lond. III S. 130 (1218, 4) vom Jahre 39, Lond. II S. 168, 4 vom Jahre 40/1,
Oxy. II 368 = Wess. Stud. Pal. I 116 vom Jahre 43/4.
5) Vgl. z. B. Lond. II S. 97 (344) und Gen. 42. Andrerseits vgl. die Unter-
scheidungen in Lond. II S. 21 ff.
6) Vgl. zum folgenden Rostowzew, Kolonat S. 155 ff.
7) Ein allgemeines Pachtausschreiben der Regierung ist nicht erhalten. Aber
eine Aufforderung für einen speziellen Fall enthält BGU 656 (342).
»
ι
Β. Die römische Zeit. § 2. Die βαβιλιιιη und die δημοΰία γή. 291
des Bodens entspringen, sind Teb. II 325 und 374 (349). Wieder beson-
dere Eigentümlichkeiten zeigen die Angebote auf Pacht von Uferland
(αιγιαλός), die auf kurze Fristen laufen, denn das ist nicht γή hv άρετΤ],
vgl. BGU 640, 831; CPR 32, 239. Lond. II S. 192/3 (353). Die Verhält-
nisse dieser Üferlands-Pächter von Soknopaiu Nesos werden uns illustriert
durch Lond. ΙΠ S. 134 (355), Gen. 16 (354) und Catt. U. Ein Pachtüber-
gebot auf unfruchtbares Land {νπόλογον) ist Lond. ΠΙ S. 143 vgl. auch
Oxy. III 279 (348) und 500, Gentilli 1. Endlich bilden eine eigene
Gruppe die auf einen Erlaß des Hadrian sich berufenden Pachtangebote
aus ApoUinopolis Heptakomia, in denen die bisherigen Pächter für her-
untergekommenes Land eine beträchtliche Ermäßigung κατ' ά^,ίαν ver-
langen. Diese von Kornemann zuerst in der Klio VIII edierten Texte,
zu denen ich aus der Leipziger und Bremer Sammlung je ein Beispiel
hinzufügte^), sind jetzt von Kornemann in P. Giss. 4 — 7 neu herausgegeben
(351, 352).
Sehen wir von allen diesen Sonderfällen ab, so haben wir uns die
Lage der normalen δημόόνοι γεωργοί wahrscheinlich ebenso vorzustellen
wie die der entsprechenden βαοίλικοί γεωργού der Ptolemäerzeit, wie sie
andrerseits ja auch für die Sonderfälle Parallelen bietet. Auch in der Kaiser-
/eit erhielt der δημόόιος γεωργός die Aussaat nur dann, wenn er in einem
όρκος βαόιλικός versprach, seine Pflichten zu erfüllen.^) Leider ist uns
für die römische Zeit von dem Wortlaut eines solchen όρκος nur ein Frag-
ment (BGU 85 [345]), außerdem nur ein Auszug davon erhalten (Lond. II
S. 97 (344).*) Daraus, daß hier die wichtige Klausel betreflfs der έμφά-
νεια des γεωργός (s. oben S. 21b) fehlt, darf m. E. daher nicht geschlossen
werden, daß die Staatspächter der Kaiserzeit während der Saatzeit etwa
nicht an den Ort ihrer Tätigkeit gebunden gewesen wären. Alles spricht
dafür, daß Augustus auf diese Bestimmung nicht verzichtet liat. Dagegen
wird das Fehlen des Hinweises auf die Asyle darin begründet sein, daß
die römische Regierung diese eingeschränkt hat. Vgl. oben S. 114. Ebenso-
wenig können wir direkt belegen, daß das Korrelat für diese Gebunden-
heit, die Beechützung des Pächters durch die Krone, wie wir es oben
8. 276 für die Ptolemäerzeit nachweisen konnten, während der römischen
Zeit in Geltung gewesen ist. Es fehlt uns eben für diese Periode ein
1) Arch. V 246 ff. Dazu Roetowzew ebenda 20tf f.
S) Mit δΟ 7φ waren diese βηί^ματα zurückzuzahlen nach Wien. Pap. 81 an• der
Zeit des Auguitue.
. 8) In der ähnlichen Licforungianweifung Ozj. VII 1024 (a. 129) wird auf die
%%i9oyQatpia nicht hingowieiten. Daß fie weiter beitand, zeigen die Saatquittungon
de• II. Jtthrhundert«. Hier wird keine ήμιοΐ/α verlangt, tondem αϊ fifai. Nach der
Kommunalordnung des III. Jahrh. beeorgon sUldtifche KommiMare die άψοΛοβ^ς entg-
μάτων. Vgl. Ozj. VII 1081 (848) und Flor. 21, dagegen geht Hamb. 19 (a. 226) an
den Strategen.
19•
292 Kapitel VIL Die Bodenwirtschaft.
dem Teb. 5 entsprechendes Dokument. Doch wird man wohl mit dem
Fortbestand dieser Privilegien rechnen dürfen, zumal sie ja in letzter In-
stanz nur im Interesse des βαοιλικόν gewährt waren.
Die Bewirtschaftung wurde, wie einst, z. T. durch αυτουργία^ ζ. Τ.
durch Afterpacht durchgeführt.^) Andrerseits schlössen sich, wie auch
schon in der Ptolemäerzeit, oft mehrere zu einer Pachtgesellschaft zu-
sammen (0 δείνα καΐ οί μέτοχοι)^ wie bei der Steuerpacht. Ein Gesell-
schaftsvertrag mit einem κοινωνός liegt in Amh. 94 (347) und P. Gentilli 3
vor. Wie in der Ptolemäerzeit hafteten aber nicht nur diese Gesellschafter
εξ, αλληλεγγύης^ sondern die Gesamtheit der δημόοιοί γεωργοί eines Dorfes
haftete als solche dem Staat (vgl. z. B. BGU 85 I 12 [345]). Diese war daher
ebenso wie in der Ptolemäerzeit wie eine Korporation organisiert (s. S. 275)
und hatte ihre besonderen Beamten, wie die τΐρεΰβντεροί und den γραμ-
ματεύς των γεωργών. Vgl. ζ. Β. Lips. 106, 13 f. (vgl. Arch. III 568, IV 484).
Andrerseits sind ot άπο της κώμης^) nicht mit der Gesamtheit der γεωργοί
zu identifizieren.^) Möglich ist, daß praktisch einmal beides zusammenfiel.
Aber in den meisten Dörfern werden auch noch andere als solche γεωργοί ge-
wesen sein. Gegen jene Auffassung spricht z. B. Lond. Π S. 168, wo των
άτΐο της κώμης (zugehörig zu der Bevölkerung des Dorfes) voransteht und
dann folgt: βαόίλίκον γεωργούς womit man noch vergleiche Lond. II S. 186,
wo των ajtb κώμης voransteht und Πέροον της έτζιγονης folgt. Vor allem
lese man die Bevölkerungslisten in Lond. II S. 21 — 37, die sich auf Dörfer
des Faijum beziehen: wenn auch die γεωργοί überwiegen, so gibt es doch
auch daneben zahlreiche Handwerker (namentlich viele Weber), Arbeiter
{έργάταί) und Leute mit anderen Gewerben. Und sie alle zusammen sind
ol άπο κώμης. Mit der Organisation der γεωργοί ist neuerdings durch
Zulueta 1. c. auch der Begriff der δμόλογοϋ in Verbindung gebracht worden.
Doch das fällt mit der oben S. 59 vorgeschlagenen Deutung des Wortes.
Abgesehen von der bisher behandelten normalen Verpachtung von
vollwertigem resp. minderwertigem Staatsland ist es nun aber auch in der
Kaiserzeit wie in der ptolemäischen Periode vorgekommen, daß der Staat
zu Zwangsmitteln gegriffen hat, um seine Domäne bewirtschaftet zu
bekommen. Solche einseitig administrativen Verfügungen konnten sowohl
ganze Gemeinden als auch einzelne Personen treffen. Damit stehen wir
vor Erscheinungen, die Zulueta und Rostowzew mit Recht mit jener επι-
βολή zusammengebracht haben, die nach der Tradition auf Aurelian resp.
Konstantin zurückgeführt wird. In Ägypten finden wir sie in ihren An-
fängen schon in der Ptolemäerzeit (vgl. S. 277), in starker Ausbildung im
IL/III. Jahrhundert.
1) Vgl. z. B. Teb. II 376 (350), Flor. 20 (359), BGU 237, 526, 661, Oxy. IV 730,
810, Lond. II S. 189/90 (356).
2) Vgl. S. 43. 3) Wie z. B. Zulueta tut, de patrocin. yic.
Β. Die römische Zeit. § 2. Die βαΰιλική und die δημοόία γη. 293
Eine derartige Belastung einer Gemeinde ist uns am anschaulichsten
für das Dorf Soknopaiu Nesos überliefert. Ich beziehe auf diesen Fall
die folgenden Urkunden i): Lond. Π S. 189/90 (356) vom J. 149 n. Chr.,
Lond. II S. 90 (357) vom J. 150, Lond. ΠΙ S. 134/δ (355) vom J. 187/8
und Lond. II S. 159/60 (358) vom J. 214/5. Nach Lond. III S. 134 (355)
war dem Dorfe Soknopaiu Nesos ein Stück der Domäne des Nachbar-
dorfes Bacchias „zugeteilt" worden {βπιμεριο^εΐύα) und es wurden έκφόρια
dafür von Soknopaiu Nesos aus an die Regierung gezahlt. Dieses exc-
μερίξειν erinnert uns sogleich au das μερίζειν des Par. 63 und die κατά
μέρος γεωργοί des Teb. I aus der Ptolemäerzeit, d. h. an die Zwangspacht
ανεν όνναλλά^εων (s. oben S. 277). Jedenfalls war auch dies ein rein ad-
ministrativer Akt, durch den die Gemeinde von S. N. verpflichtet wurde,
ein Stück von Bacchias zu bewirtschaften. Nun läßt sich weiter aus
Lond. II S. 189/90 (356) entnehmen, daß es die ganze Gemeinde von
S. N. war (oi άπο της χώμης), die die Verpachtung dieses Landes an die
einzelnen Gemeindemitglieder übernahm. Der Staat hat also offenbar der
Gemeinde dies Land zugewiesen mit der Verpflichtung, die verlangten
εχφόρια zu beschaffen. Ob man das als eine Generalpacht des Dorfes
auffassen soU, lasse ich dahingestellt. Jedenfalls erscheinen in dem letzt-
genannten Papyrus die Pächter der Parzellen als Pächter der Dorfgemeinde
und sie vergeben eventuell wie hier die Arbeit wieder an Unterpächter.
Die Gemeinde haftete sicherlich der Regierung für den Eingang der εχ-
φόρια. Das drückt sich auch in der Quittung der Sitologen von Bacchias
aus. Vgl. meine Einleitung zu Lond. II S. 90 (357). In welcher Weise
nun die Gemeinde ihre Mitglieder zur Pacht dieser Bacchiasflur heranzog,
dürfen wir wohl Flor. 20 (359) entnehmen, wenn dieser auch von zwei
anderen Dörfern (Theadelphia und Polydeukia) handelt, denn wenn ich
nicht irre, liegt dort derselbe Fall eines έπιμεριομός zugrunde. Dort
wird nun die allgemeine Vergebung der Parzellen als eine Οιαίρεόις be-
zeichn»*t, und der Einzelne erhält seine Parzelle durchs Los. Auch diese
Οιαίρεαις ist uns schon aus der Ptolemäerzeit für die Zwangs Verpach-
tung bekannt. Sie ist, wenn ich recht sehe, nicht identisch mit der
διαμίο^ωόις^)^ sondern vielmehr ihr Gegenstück für die ίπιμεριόμοί (vgl.
di•• Einleitung).
Eine interessante Folgeerscheinung dieser Zwangszuweisungen lernen
wir nun durch Lond. II S. 159/60 (368) kennen, den ich gleichfalls mit
diesem I'roblem der Bacchiasflur verbinden möchte. Daß der Text von
einer administrativen „Versetzung" {μετά&ΒΟίζ) von Bauern handelt, war
schon früher erkannt, aber man irrte, wenn man annahm, dafi hier
1) Durch die Zuiammenfatitung dieiier Texte läßt lieh Ober da• von Zulueta
und Iloiiowxcw Oeboteoe noch hinauMkomnien.
2; Vgl. ItoMtowzew, Kolonat 8. 162.
294 Kapitel VII. Die Bodenwirtschaft.
Bauern \^on Bacchias nach Soknopaiu Nesos versetzt wären. Wie ich
in der Einleitung zu diesem Text zeige, spricht er vielmehr von den
Pächtern von Soknopaiu Nesos, die jene Bacchiasflur bearbeitet haben
und nunmehr von der Regierung zurückversetzt werden. Wir begreifen
nach dem, was oben S. 26 f. über die Bedeutung des Prinzips der idia ge-
sagt wurde, daß die Regierung aufpaßte, daß die Bauern, die in einem
fremden Dorf (zwangsweise) gearbeitet hatten, nach getaner Arbeit wieder
in ihre ίάία abgeschoben wurden. So möchte ich diese „Versetzung^^ von
Pächtern als eine Folgeerscheinung des έτΐψεριομός auffassen. Jedenfalls
tritt uns hierin die prekäre Lage, ja geradezu die tatsächliche Unfreiheit
der Staatspächter besonders kraß entgegen.
Nun steht der FaU Soknopaiu Nesos -Bacchias, den wir einstweilen
von 146 an bis ins IIL Jahrh. hinein verfolgen können, durchaus nicht
vereinzelt da. Auf ein ähnliches A^erhältnis zwischen Theadelphia-Poly-
deukia (Flor. 20) wurde schon hingewiesen. Aber es gibt noch sehr viel
mehr Fälle, denn offenbar liegt überall derselbe έταμερι,όμός zugrunde,
wo in den Akten eines Dorfes die Arbeit als durch die Bewohner eines
andern Dorfes (dtä των άπο . . .), d. h. genauer durch die Gemeinde eines
andern Dorfes geleistet bezeichnet wird. Und dafür gibt es viele Beispiele.
So findet sich in einem άτίαιτιίιοιμον von Soknopaiu-Nesos vom J. 215 nach
Aufzählung der eigenen Dorfbewohner die Bemerkung: καΧ dta των άπο
ΦίλοΛάτορος (CPR 33, 24). Hier ist also ein Stück des Domaniallandes
von S. N. an die Gemeinde von Philopator durch έταμεριΰμός überwiesen
worden — übrigens zur selben Zeit, wo die Gemeinde von S. N. die Bac-
chiasflur mit zu bestellen hatte! Diese Tatsache zeigt^ daß wir das Motiv
für die Zwangszuweisungen nicht in dem Verfall einzelner Dörfer zu sehen
haben ^), denn sonst müßte nach dem letztgenannten Text Soknopaiu Nesos
damals verfallen gewesen sein, während es doch gleichzeitig seine Arbeiter
nach Bacchias entsendete. Diese Reziprozität finden wir ebenso auch bei
Theadelphia und Polydeukia. Während nach Flor. 20 (359) vom J. 127
ein Mann von Theadelphia als δημόοιοξ γεωργός (und zwar infolge von
Βτίΐμεριομός) in Polydeukia eine Parzelle gepachtet hat, finden wir in
Fay. 86 (a) 10 vom J. 161 — 169 Bauern von Theadelphia in Polydeukia
arbeitend. Nach Fay. 86 (IL Jahrh.) arbeiten Bauern von Theadelphia
in Euhemeria (Z. 6), Bauern von Theadelphia und Philagris in Polydeukia
(Z. 10 und 12), Bauern von Theadelphia in Autodike usw.^) Der Zu-
sammenhang mit dem επιμερισμός tritt besonders klar in Fay. 34 entgegen.
Hier übernimmt ein Mann von Philagris von den βοηϋΌΐ γεωργών κώμν^ς
1) So Zulueta, S. 71.
2) Jetzt verstellen wir auch P. Gen. 81, 19, wo so und so viele Aruren von
Bacchias δια των άπο JC[ (statt άΛοι[κων]) bearbeitet werden, dagegen der
Rest δια των άηό της χώμης (d. h. von Bacchias).
Β. Die römische Zeit. § 2. Die βαβίλιχή und die άημοαία γη. 295
Πολνόενκείας die Erhebung gewisser Abgaben für των ^Λυμε^ί6%'ει-
6 ων νμεΐν Πολνδευκείαξ διά των ά%ο Φιλαγρίδοξ έν Πάλη (άρουρών).
Das verstehe ich nur, wenn man ημείν statt νμεΙν liest: es sind Aruren
von Poljdeukia, die durch die Bauern von Philagris zu bearbeiten sind,
und hier haben wir ausdrücklich den Zusatz επιμερι6%'είύών\ Ebenso
arbeiten nach BGÜ III 835 Bauern von Karanis in Κερκ{ε6ονχα\ in Πτο-
λ^εααΐς)^ in 2Γτρ(. . . .), in Ιερά Σεονήρον, während nach BGU 201 wieder
die Bauern von Philopator in Karanis arbeiten. Der erstere Text lehrt
zugleich, daß die Sitologen des Dorfes, dem der έπίαεριόμός aufgebürdet
ist, die Aussaat zu liefern haben. Vgl. ferner Lond. II S. 22Q ff. und dazu
meine Bemerkungen bei Rostowzew, Kolonat S. 222. Es muß einmal das
gesamte Material auf diese wichtige Frage hin untersucht werden. Hier
mögen die angeführten Beispiele genügen. Sie zeigen uns, welch großen
Umfang das System des επιμεριομόζ in der Kaiserzeit gehabt hat. . Zur
Zeit der Saat und Ernte müssen nach diesen Texten im Faijüm die Be-
wohner der Dörfer bunt durcheinander gewürfelt gewesen sein. Welche
Zwecke die Regierung hiermit verfolgt hat, ob rein wirtschaftliche oder
auch z. T. politische, lasse ich dahingestellt. Jedenfalls zeigt uns wenn
irgend etwas dieses System, als dessen Folgeerscheinung wir oben auch
die „Versetzung" resp. „Rückversetzung" der Bauern in die Ιδία erkannten,
auf das deutlichste, in welcher faktischen Unfreiheit sich die ägyptische
Landbevölkerung auch schon vor dem offiziellen Kolonat befunden hat.
Ahnlich wie hier ganzen Dörfern benachbarter Domanialboden zwangs-
weise auferlegt wurde, so ist andrerseits auch einzelnen Personen oder
besser ihren Besitzungen eine Zwangspacht aufoktroyiert worden, und
zwar geschieht es in der Regel in der Form der Zwangserbpacht.
Die Papyri zeigen uns, daß dies in römischer Zeit sehr viel häufiger
vorgekommen ist als ähnliches in der Ptolemäerzeit (s. oben S. 277). Es
Λvurde jetzt offenbar als Recht der Regierung angesehen, namentlich gut
situierten Grundbesitzern die Zwangspacht benachbarter Stücke der Do-
mäne aufzulegen. Damit stehen wir vor der römischen επιβολή (s. unten).
Unsere Hauptzeugnisse sind BGU 648 (360) und Oxy. VI899 (361). Das
letzte Stück zeigt uns, daß derselbe Ti. Julius Alexander, der in seinem
Edikt prinzipiell gegen allen Zwang bei μι6&ώ<5ει<$ ovöiaxaC vorging
(Z. 10 ff.), in demselben Jahre angeordnet hat, daß Frauen^) zur γεωργία
(d. h. von Staateland, β. unten) nicht gezwungen werden sollen, daß er also
die Belastung der Männer für gestattet hielt. Durch dieses und spätere
Edikte ist die Institution gesetzlich geregelt worden. Also ist eine weitere
Ausdehnung ciieKes Zwanges im Vergleich zu der Ptolemäerzeit zu beob-
1) Zu der Frage, ob die Frauen Oberhaupt oder nur die kinderlosen Frauen
frni tL(.r»n vgl. untou 8. 8tl.
296 Kapitel VII. Die Bodenwirtschaft.
achten. Außer den Frauen waren auch die Priester von der γεωργία im
obigen Sinne befreit.^) Einen besonderen Fall personeller Befreiung bietet
Amh. 65 (vgl. Rostowzew, Kolonat S. 202). Im übrigen lastete die Zwangs-
pacht auf den Grundstücken, denn es wird mehrfach hervorgehoben, daß
dies oder jenes Stück Land frei sei άπο γεωργίας βαοΐλίκης καί ούοίακης^)
και TtavTog είδους. So (mit dem wichtigen γεωργίας ^ dessen Fehlen in
älteren Beispielen zu den verschiedensten Hypothesen Anlaß gegeben hatte)
in Oxj ΠΙ 506, 37; 577; 633. Diese Formel findet sich bisher, abgesehen
von einem Hausgrundstück in der Metropole (Oxy. HI 577) nur bei Ka-
tökenland, denn auch Oxy. 718, das man bisher als Ausnahme anführte^),
handelt gleichfalls von Katökenland. Nach Analogie von Oxy. 270, 23
und Oxy. VH 1044, 10 ergänze ich nämlich in Z. 6: [εκ τον o]v
6vv τω ^λεξ,άν[ορον (seil, κλήρω)^ wie auch zu τον ein κλήρον hinzuzu-
denken ist. Daß das Land nachher als Ιδιωτική bezeichnet wird (11),
spricht nicht dagegen, daß es Katökenland ist. Vgl. unten S. 303. —
Endlich wird auch in vielen Fällen an Zwangserbpacht zu denken sein,
wo ein Besitzer von Ιδιωτική ο. ä. nebenbei auch eine angrenzende Par-
zelle von δημοοία bebaut.^)
Diese starke Entwicklung der Zwangspacht in römischer Zeit ist mit
Rostowzew als Korrelat zu der Entwicklung des Privateigentums zu be-
trachten. Die Regierung fördert, wie wir sehen werden, die letztere, be-
lastet aber zugleich die Schultern der neuen Privateigentümer, indem sie
ihnen die Bewirtschaftung von Parzellen der Staatsdomäne aufzwingt.
Über die Staatsländereien, die durch Käufe verschiedener Art in pri-
vate Hände übergehen und zu Ιδιωτική werden, wird unten beim Privat-
land zu sprechen sein. Hier sei nur auf die αΛρατα hingewiesen, die, so-
lange sie ατίρατα sind, Staatseigentum sind. Gegenüber Preisigke, der sie
als „unverkäufliche" erklärt hatte, hat Rostowzew, Stud. z. Kol. S. 149 ff. dar-
auf hingewiesen, daß in Oxy. 513 ein Verkauf aus den απρατα vorliegt,
wodurch jene Deutung unwahrscheinlich wird. Was freilich die „unver-
kauften" Grundstücke sind, bedarf auch nach Rostowzews Darlegungen
noch weiterer Aufklärung. Von der Verpachtung von ατζρατα handelt
z. B. BGU 109, von einer Schätzungskommission für απρατα BGU 18 (398).
§ 3. DIE ΠΡΟΣΟΔΟΤ ΓΗ.
Die προΰόδον oder auch προ^όδων^) γή, die sehr häufig in den
Texten der römischen Zeit begegnet — der Ptolemäerzeit ist sie fremd — ,
1) Ygl. Dittenberger Or. Gr. II 664. Vgl. Rostowzew, Kolonat S. 195, der ev.
auch an Befreiung von persönlicher Zwangsleistung denkt.
2) Vgl. Rostowzew, Kolonat S. 200. 3) Vgl. die Übersicht bei Eger 1. c. 35, 6.
4) Vgl. Rostowzew, Kolonat S. 201, der als Beispiel auf Flor 50 verweist.
5) In P. Chic. 45 ausgeschrieben. Vgl. den Ausdruck ηροΰοδιτίά εδάφη in
Oxy. VI 896.
Β. Die römische Zeit. § 3. Die Ttgoöodov γή. 297
ist sicher Staatsland. In der Bewirtschaftung steht sie der γη βαΰίλική
und οημοόία durchaus parallel. Sie wird wie diese von Staatspächtern
bearbeitet, die bald als τΐροόοοικοί γεωργοί^), bald als οημόοΐοί γεωργοί^)
bezeichnet werden. Wie die Saatquittungen zeigen, haben auch die Pächter
der Λροόόοον γη Yor Empfang der απερματα den Eid zu leisten. Vgl.
BGÜ 105 (340).
Über die Entstehung und Bedeutung dieser προΰόδον γη sind wir
auch heute noch im Dunkeln. Ich habe früher die Vermutung aufge-
stellt, die von Mitteis weiter begründet und dann allgemein angenommen
worden ist, daß diese γή den mit einer πρόβοδος belasteten γενηματο-
γραφονμενα gleichzusetzen sei.^) Wie RostoAvzew (Kolonat S. 135 ff.) ge-
zeigt hat, war hierbei auf alle FäUe irrig die Vorstellung, daß die πρόϋ-
oöog erst nach erfolgtem Verkauf des Grundstückes aufgelegt sei. Das
steht zwar in P. Lond. II S. 116, den ich damals interpretierte, aber damit
hatte der betreffende Beamte eben einen Fehler begangen, wie der Text
sagt. Vielmehr ist nach Rostowzews Darlegungen nicht zu bezweifeln,
daß die πρόοοδος unmittelbar nach der Beschlagnahme auferlegt Avurde,
wie er meint, um die Zinsen des geschuldeten Kapitals zu ersetzen. Er hat
weiter gezeigt, daß die beschlagnahmten Güter einstweilen in der Bewirt-
schaftung der alten Besitzer blieben, die die πρόοοδος (nebst den δημόοια)
an die liturgischen επιτηρηταΐ γενηματογραφον μένων υπαρχόντων zahlten, bis
entweder nach Rückzahlung der Schulden die Beschlagnahme aufgehoben
wurde, oder der Staat zum Verkauf schritt. Vgl. hierzu meine Einleitung
zu BGÜ 579 (363), auch 291 (364). Vgl. auch Lond. II S. 116, Lips. 76,
BGÜ 619 usw. Ob man das γενηματογραφείν ^ wie Rostowzew tut (und
auch ich früher), als „konfiszieren" fassen darf, ist mir zweifelhaft. Vom
Staat beansprucht wurden doch nur, wie das Wort sagt, die γενήματκγ
die Ernte, der Ertrag (so auch Rostowzew S. 138). Eine Konfiskation
(άναλαμβάνειν) des Bodens trat, glaube ich, erst ein, wenn der Staat zum
\ erkauf schritt. Vgl. meine Einleitung zu BGÜ 291 (364). Wir werden
daher be>8er nur von einer Beschlagnahme des, Ertrages sprechen,
die der Staat zu dem Zweck ausübte, um sowohl die Steuern als auch
jene πρόύοδος zu erhalten.
Rostowzew hat nun mit allem Vorbehalt für »iie lOrklärung der προσ-
όδου γή zwei Möglichkeiten hingestellt, «'inniul daß sie die ptolemäische
χεχωριόμένη χρόόοόος sei (β. oben S. 278), andrerseits daß sie doch jenen
γενηματογραφοιψενα^ d. h. jetzt den beschlagnahmten und noch nicht
verkauften Ländereien gleichzusetzen sei. Für di«» Beurteilung der
ersteren Hypothese werden wir weitere Materialien abwarten müssen.
1) Vgl. Gfii 42, 10: \δημο6ίω]ν ual ο{ιβ»αηώψ %αϊ nQOCO^iUibV {γ(ωργ]ώ¥.
S) Kbendort Z. 19. 8) Arch. I 148. Mitieii, Z. Sav. 1901, 167.
298 Kapitel VII. Die Bodenwirtschaft.
Gegen die zweite möchte ich schon jetzt Bedenken äußern. Sie würde
uns nötigen, wenn ich ihn recht verstehe, die alten Besitzer der γενη-
ματογραφονμενα mit den τερο&οοίκοί γεωργοί resp. den δημόΰιον γεωργοί
von προΰόδον γη gleichzusetzen, und dafür bieten 'die Texte keinen An-
halt. Auch stehen jene und diese, wie mir scheint, dem Staat gegenüber
in ganz verschiedenem Verhältnis, namentlich wenn meine obige genauere
Scheidung zwischen den γενήματα und dem Boden zutreffend ist. Der
Grund und Boden dieser γενηματογραφονμενα υπάρχοντα ist m. E.
nicht Staatsboden, so wie es die τΐροβόδον γη ist. In dem Straßburger
Papyrus, den ich in der Einleitung zu BGU 599 (363) herangezogen
habe, ist nur davon die Rede, daß nach der Schuldenzahlung die γενη-
ματογραφία oder die πρόΰοδοί aufgehoben werden sollen, nicht aber daß
der Boden den Besitzern wieder zurückgegeben wird. Den haben sie
offenbar nie verloren. Aber ich weiß z. Z. auch keinen Gegenvorschlag
für die τΐροΰόδον γη zu machen. Non liquet.
§ 4. DIE ΟΤΣΙΑΚΗ ΓΗ.^)
Die ονβιακη γη^ der Patrimonialbesitz des Kaisers, hat sich zusammen-
gesetzt aus ovöCai^)^ die sich im Anfang der Kaiserzeit im Besitz des Kaisers
oder des kaiserlichen Hauses befanden oder auch in dem hervorragender
Römer oder Alexandriner, letztere soweit sie (durch Erbschaft oder Konfis-
kation oder dgl.) in den Besitz des Kaisers übergegangen waren. Über die
Entstehung der ονβίαν können wir nur Vermutungen aufstellen. Es
scheint, daß die γη εν δωρεά, die in der Kaiserzeit nicht mehr begegnet,
von Augustus eingezogen und — mindestens z. T. — wiederum zu Schen-
kungen, wie dann auch von seinen nächsten Nachfolgern, verwendet
worden ist. Daß auch konfisziertes Kleruchenland zur Bildung von ovöCai
verwendet wurde, zeigen Texte wie CPR 243 (367). Andrerseits mögen
Güter auch käuflich erworben worden sein, wozu natürlich die Per-
sonen des Senatoren- und hohen Ritterstandes einer besonderen Erlaub-
nis des Kaisers bedurften (vgl. S. 29). Manche dieser ovuCai genannten
Güter sind in privaten Händen geblieben (s. unten S. 302), die meisten
sind im Laufe des I. Jahrh. in kaiserlichen Besitz übergegangen. Vgl.
Rostowzew, Kolonat S. 120 ff., bei dem die z. Z. vollständigste Liste der
kaiserlichen und nichtkaiserlichen ovöCai sich findet.^) Nachdem schon
Claudius Veränderungen in der Organisation eingeführt hatte (Benennung
1) Vgl. Wilcken, Griecli. Ostr. I 392. 0. Hirschfeld, KY 355 f. und Klio Π
46 ff. P. Meyer, ^ιοίκηοις 155 ff. Jetzt vor allem Rostowzew, Kolonat S. 119 ff.
2) In der Ptolemäerzeit begegnet das Wort ovölcc nur einmal in Teb. 6, 23 (332).
3) Zwei neue οναίαυ bringt Hamb. 3. Hinzufügen möchte ich noch einen Hin-
weis auf die ονΰία ohov KccieuQog in Lips. 96, 3 aus hadrianischer Zeit (vgl. Blumen-
thal, Arch. V 334).
Β. Die römische Zeit. § 4. Die ονδια-κη γη. 299
der ονόίαι als die des regierenden Kaisers), haben nach einer Vermutung
Rostowzews S. 131 die Flavier wohl die definitive Ordnung dieser Ver-
hältnisse geschaffen. Ich bemerke, daß die ovoCac Τίτου die letzten sind,
deren Neuschaffung wir z. Z. kennen. Vielleicht ist auch schon damals
das besondere Ressort des ovöiaxog λόγος gebildet worden, doch läßt es sich
nicht vor dem II. Jahrh. nachweisen.^) Irgendeine gemeinsame Verwaltung muß
ja eingerichtet worden sein, nachdem einmal mehrere ovöCat an den Kaiser
gefallen waren, die man als kaiserlichen Privatbesitz nicht der Fiskalver-
waltung zuweisen wollte. Unter Claudius und Nero finden sich noch die
προεΰτώτες^) an der Spitze der einzelnen ovöCat^ die offenbar die direkten
Fortsetzer der προεοτηχότες der δωρεαί der Ptolemäerzeit sind.*) Man
hat eben zunächst die alte Gutsverwaltung beibehalten. Vom IL Jahrh.
an sind kaiserliche έπίτηρηταί für die Patrimonialbesitzungen in den ein-
zelnen Dörfern belegt, also liturgische Beamte, die mit ihrem Vermögen
dem Kaiser hafteten.*) Im ΙΠ. Jahrh. treten uns in der Patrimonial Verwal-
tung kaiserliche προνοηταί und φροντίΰταί entgegen, die nunmehr von
den Städten bestellt werden. Vgl. Oxy. 58 (378) und dazu Rostowzew
S. 132. Es scheint, daß die Heroninos-Korrespondenz dieser Verwaltung
augehört. Vgl. Comparetti, P. Flor. IL Über das Problem, daß seit Sep-
timius Severus die Patrimonialgüter als fiskale bezeichnet werden, ist oben
S. 154 f. gehandelt worden. Vgl auch Nr. 174—177.
Die einzelne ovöCa war nicht notwendig ein geographisch zusammen-
hängendes Gebiet, sondern konnte aus Besitzteilen, die an verschiedenen
Orten lagen, zusammengesetzt sein. Eine Einheit bildete sie nur dadurch,
daß sie in dem Vermögen (daher ovo ία) einer und derselben Person war^)
und eine einheitliche Verwaltung hatte. Die kaiserlichen ovöiai^ die in
dem ovöiaxog λόγοξ zusammengefaßt wurden, waren daher überall im
Lande mitten zwischen die sonstigen öffentlichen und privaten Besitzungen
eingestreut. Zu den ονόιαχά gehörten übrigens auch weite Strecken
Weideland. Vgl. P. Straßb. im Arch. IV 142 f. und BGU II 478, 479 (Be-
richte von έπ^τηρηταΐ νομών). Vgl. auch P. Gatt. II und Lond. ΙΠ S. 134/5
Die Bewirtschaftung dieser ovöiat zeigt gegenüber der der vorher
behandelten öffentlichen Ländereien Eigentümlichkeiten. Zwar finden wir
auch auf ihnen δημόσιοι γεωργοί^ die auch spezieller ovtsiaxol γδωργοί^)
1) Vgl. oben S. 168.
2) BGU 650 (8βδ). WeM. Spec. Taf. 11, 20/1 (176).
») Vgl. Wilcken, Arcb. V 226. Roetowzew, Kolonat 8. 127 f.
4) BGU 619, 21. Fay. 28. Gea 88 (860). Ilottowsew, Kolonat S. 181 ff. 191 f.
fj) Vgl. Rofiowzew, Kolonat 8. 124. Vgl. BGU 708 und dasn RoRtowsew S. 126.
6) Vgl. z. B. Lond. II 8. 80, Z. 68, 68 usw. Hier und auf den naobiten Seiten
/iililrciche Beiipielt*. Da0 tie ihre eigene Organisation hatten, leigt Lond. II S. 80,60:
γ(/uμuaτ{ti>ς) γ§ω{ργών) ούβί{α%Λ9).
300 Kapitel VIL Die Bodenwirtschaft.
genannt werden, die offenbar genau ebenso zu beurteilen sind wie die
δημόοιοί γεωργοί auf der βαΰίλίκή^ δημοβία und προύόδον γη.^) Aber
außerdem gibt es ονοίακοί μι6%^ωταΡ\ während es οημόβιοι oder /3a^t-
Xixoi μι6&ωταύ nicht gibt. Wir werden mit Rostowzew S. 189 annehmen
dürfen, daß die ovöiaxol γεωργοί das gute Land (die ενάρετος) in unbe-
fristeter Pacht bestellt haben, während diese singulären μυο^ωταί^ die Zeit-
pächter waren (BGU 1047 III 12) 3) und Bürgen zu stellen hatten (BGÜ
599 [363]), das minderwertige Land erhielten. Freilich fehlt es hierfür
noch an direkten Zeugnissen. Die eigentliche Bewirtschaftung scheinen
weniger diese μιο&ωταί (die Großpächter) als ihre υπομιοΰ-ωταό geführt
zu haben. Nach BGÜ 1047 haben diese Unterpächter direkt vom Staat
gepachtet und stehen ihren μιόϋ^ωταί offenbar sehr selbständig gegen-
über.^) Auch diese Verpachtung an die μίόΰ-ωταί resp. νπομιο^^ωταί hieß
Οίαμίΰ0•ω6ίς.^) Da wo es νπομιύΟ'ωταί gab, werden die μι6%•ωταί mehr
die Rolle von Gefällpächtern gespielt haben. ^) — Auch diese ovöiaxij γη
konnte anderen zwangsweise aufgelegt werden. Vgl. z. B. CPR 6, 16 (κα-
ϋ'αράς από τε ονοίακης καΐ βαοιλικης γης) und oben S. 296.
§ δ. ΤΑ ΙΕΡΑΤΙΚΑ ΕΔΑΦΗ. ^)
Während in der Ptolemäerzeit die ιερά γη als zugehörig zur έν
άφεόεο γη wenigstens formell neben der κληρονριχυκη und Ιδιόκτητος stand,
ist sie in der römischen Zeit, wo jener Oberbegriff verloren ging, von
jenen Gruppen des Privatbesitzes weiter abgerückt und eher dem öffent-
lichen Lande noch mehr genähert worden. Der Staat hat nicht nur die
Verwaltung durchaus in seiner Hand, er säkularisiert auch, wo er will.
Zwei Beispiele von Konfiskationen aus Augustus' Zeit, die uns in Oxy.
IV 721 (369) und Teb. II 302 (368) erhalten sind, lassen vermuten, daß
Augustus den gegen Ende der Ptolemäerzeit immer mehr angeschwollenen
Tempelbesitz aus politischen wie aus wirtschaftlichen Gründen vielleicht
beträchtlich verringert hat.^) Die angeführten Beispiele zeigen, daß diese
konfiszierten Tempelländer zur βαΰυλυκη γη gezogen wurden, weshalb sie
dem Idiologos unterstanden (vgl. S. 289).
Von der ιερά γη ist auch jetzt zu unterscheiden die άνιερωμένη^
die bisher nur für Ptolemais in Oberägypten belegt ist.^) Von beiden
1) Vgl z. B. Gen. 42, 16 oben S. 297 Anm. 1. 2) Vgl. Rostowzew, Kolonat S. 181.
3) Dieser Text bedarf noch weiterer Prüfung. Ich verweise auf die gründliche
Behandlung durch Rostowzew 1. c. und füge nach nochmaliger Revision nur hinzu,
daß Schubarts Lesungen η8\ηΐΎΐζω]'κ06ΐ (III 13) und έξ,Β\τά6αι (III 1δ) die richtigen sind.
4) Vgl. CGR 243 (367).
5) Vgl. BGU 1047 II 14. BGU 475. 6) Vgl. Rostowzew, S. 190.
7) Vgl W. Otto, Priester u. Tempel II 91 ff. Rostowzew, GGA 1909, 626 ff.
8) Zuerst erkannt von Rostowzew, GGA 1909 1. c.
9) Lond. m S. 80, 115 und 118. Vgl. hierzu Plaumann, Ptolemais 88 f.
ι
Β. Die römische Zeit. § δ. τα Ιερατιχά εδάφη. 301
wiederum ist zu trennen die ιερεντικη γη^ d.h. „Priesterland", das den
Priestern vom Staat zur Bewirtschaftung überwiesen ist. Eine besondere
Gruppe hiervon bildet die ßaöikixi] ιερεντικη γη von Tebtynis (Teb. II
390, 12), d. i. jenes von Augustus konfiszierte Tempelland, das er der
Priesterschaft desselben Tempels als Entgelt für die wegfallende όννταξις
in Pacht für aUe Zeit gegeben hatte (Teb. 302 [368]). Diese Bezeich-
nung zeigt ganz deutlich, daß der Staat trotz jener Vergebung sich
nach wie vor als Obereigentümer betrachtete. Daß der Ausdruck δημόόια
ίερεντικά εδάφη in Teb. 311, 1δ nur eine allgemeine Bezeichnung für das-
selbe Verhältnis ist, wurde schon oben S. 289 auseinander gesetzt. Mit
ιερατικά εδάφη scheint ganz allgemein alles in der Tempel Verwaltung ver-
einigte Land zusammengefaßt zu werden.^) So wird in Teb. II 302,31
hiermit auf jene ιερεντικη hingewiesen, und auch die Ιερά γη hat sicher
dazu gehört. Von τά ιερατικά εδάφη möchte ich andrerseits trennen
den Ausdruck τά ιερατικά, der ζ. Β. in dem neuen Florentinus (341) das
Tempelressort im Gegensatz zur διοίκηβις bezeichnet. Nach diesem Text
steuert für die ιερατικά-, 1. μεαιοϋ•(ωμένη) ^ wahrscheinlich verpachtete
Ιερά γη^ 2. ΊερακονΙτις (seil, γί]) das zu einer Falkenkapelle gehörige
Land und 3. noch eine andere, mir unklare Bodenart (vgl. Kommentar).
So sind διοίκηόις und Ιερατικά zwei getrennte Ressorts, aber auch
die Ιερατικά stehen ebenso wie das andere in staatlicher Verwaltung.
Derselbe Gegensatz der Ressorts begegnet durchweg auch in Lond. I
S. 142 ff., in dem es sich wiederum um die Einkünfte von διοίκηϋις und
ϊερα{τικά) handelt. Vgl. meine Einleitung zu 341. Dieser Trennung in
der Buchführung entspricht es, daß es in dem %'η6ανρόξ in der Kaiser-
zeit ein besonderes Ressort für die Einkünfte der Tempel gibt, den -9^-
ϋανροξ ιερών (vgl. oben S. 161). Alle diese Einrichtungen lassen doch
wohl darauf schließen, daß die Einkünfte der Ιερατικά für die Unterhaltung
der Tempel bestimmt waren.
Im übrigen wurde das Tempelland in der Verwaltung ganz ähnlich
wie die βααιλιχή und δημοόία γη usw. behandelt. Das gute Saatlaud
wurde un Pächter vergeben, die nicht nur ebenso wie die jener Staats-
ländereien δημόοιοι γεωργοί hießen^), sondern auch genau so gestellt waren.
Auch sie erhielten «Iah Saatkorn nur nach Ableistung des schriftlichen
Kaisereidee (vgl. Lond. 11 S. i>7 |344])*), wie auch die Regierung das
T(>mpelland gleichzeitig mit dem Staatsland zur Pacht ausbot (BGU II 656
[342|). Das minderwertige Land wird wahrscheinlich in ähnlichen Formen
wir• }^r'^"^ ^tjuitslund nutzbar gemacht worden Roin *' Wmn auch die
1; Vgl. Lond II S 164, 1.
•2) Vgl. z. B. Lond, II 8. 2ί4, 78. Teb. II 486 3) Vgl au. I, iu,l jo.
4) Auch Vonrljparhtuiig von Tempelland (μ•μί6&ωμίρα ίίς naxQma) iflt mir aut
eiBem unediorien Papyrus bükunut
302 Kapitel VII. Die Bodenwirtschaft.
Priester persönlich, wie wir S. 296 sahen, zur Zwangspacht nicht heran-
gezogen werden sollten, so wird man doch wahrscheinlich dem Tempel-
land wie jedem anderen nicht staatlichen Lande eventuell zwangsweise
Pacht von Staatsland auferlegt haben. Vielleicht ist sogar jene Über-
lassung der βοίΰίλική an die Priester von Tebtynis so zu deuten, da der
Ausdruck μερίζειν dafür gebraucht wird (vgl. 368).
Als nach der Einführung der Kommunalordnung 202 die Städte die
Verwaltung der Tempel übernahmen (s. oben S. 128), unterstanden auch die
Tempelgüter der städtischen Verwaltung. Vgl. CPHerm. 7 II/III, wo eine
Besitzung des Serapeums von Hermopolis durch eine städtische Kommis-
sion inspiziert wird. Rostowzew (Kolonat 132 Anm. 2 und 189 Anm. 1)
nimmt zwar an, daß es sich hier um eine kaiserliche ov&Ca handle, wohl
weil in 7 II 13 ein φροντίοτηξ Trjg ovöCag genannt wird. Vergleicht man
aber damit CPHerm. 28, 9, wo der entsprechende έπακολονϋ'ών , der Be-
gleiter jener Kommission, als τοϋ Μέλανος φροντιοτής bezeichnet wird,
so muß man es anders auffassen. Denn dieser Μέλας ist offenbar der-
selbe, der in 7 II 13 als μοόθ'ωτ'ής jener Besitzung des Serapeums be-
zeichnet wird. Es ergibt sich also, daß diese Besitzung als Ganzes ver-
pachtet war an einen Großpächter (μL6^'ωτήg)J der einen φροντίΰτης unter
sich hatte. Wir lernen weiter, daß diese Besitzung des Tempels als ovöia
bezeichnet wurde. Es ist wohl das erste Beispiel einer ovo Ca aus der
Tempelverwaltung, aber es liegt kein Grund vor, weshalb nicht auch
Tempel ebensogut wie Städte und Personen eine ovöia haben sollten.
Der μιαΰ^ωτής paßt dazu ebenso wie der φροντιοτής.
§ 6. DIE ΙΔΙί^ΤΙΚΗ ΓΗ UND DIE ΟΤΣΙΑΙ.
Daß der Privatbesitz sich in der Kaiserzeit stark entwickelt hat und
dazu, im Sinne des Provinzialrechts, zu Privateigentum geworden ist,
wurde schon oben S. 287 erwähnt. Ebenso wurde schon auf S. 298 darauf
hingewiesen, daß und wie sich zu Beginn der Kaiserzeit größere Guts-
wirtschaften, ονΰίαι^ gebildet haben, die freilich bald zum größten Teil
in kaiserlichen Besitz übergegangen sind, zum kleineren aber in der Hand
der Privaten geblieben sind. Zu letzteren gehört z. B. die ovöCa des
M. Antonius PaUas in einem Text vom J. 121 (Lond. III S. 139 [370]).
Weniger besagt es, wenn die oveCa einer Norbana Clara im J. 65/6 noch
als Privatbesitz erscheint, denn die meisten ούβίαυ sind gerade erst in
Neronischer Zeit kaiserlich geworden (Lond. ΙΠ S. 121). Zweifelhaft ist
Lips. 113. Jedenfalls haben sich private ονΰίαι durch die ganze Römer-
zeit hindurch erhalten oder haben sich auch noch von neuem gebildet.
Wenn diese ovöCat^ wie es scheint, nicht zur Ιδιωτική γη gezählt worden
sind, so zeigt dies, daß sie vielleicht wegen besonderer Stellung in der
Besteuerungsfrage und wegen ihrer eigenartigen Betriebsformen (s. oben)
Β. Die römische Zeit. § 6. Die ίάΐΛατιχη γη und die ονΰίαι. 303
auch rechtlich eine Sonderstellung gegenüber dem Staat eingenommen
haben. Auch in sozialer Hinsicht standen diese Inhaber von ovöCai natür-
lich ganz anders da als die jedenfalls im Verhältnis zu ihnen kleinen
Parzellenbesitzer. Sie wohnten als reiche Leute nicht auf dem Lande,
sondern in den Städten, womöglich in Alexandrien.
Alle übrigen privaten Besitzungen, aus welchem Rechtstitel sie auch
entstanden sein mögen, sind, wie es scheint, unter dem Namen der ιδιωτική
γη zusammengefaßt worden. Das geht jetzt zum erstenmal klar aus dem
neuen Florentiner Papyrus (341) hervor, in dem die folgenden Spielarten
unter dem Begriff der Ιδιωτική (γή) vereinigt werden: die βαΰιλική iv τάί,ει
Ιδιοκτήτου αναγραφομένη j die ιδιόκτητος^ die ä er, die ad Λθλ( ), die
κατοι(κική) und die εωνηίμενη). Sie alle werden unterschieden als ιδιω-
τική von der βαΰιλική^ und diese beiden zusammen werden wieder den
Tempelländereien gegenübergestellt. Allen Spielarten der Ιδιωτική ist ge-
meinsam, daß sie dem Staat natürlich nicht εκφόρια^ sondern Grundsteuern
zahlen. Betrachten wir die Hauptarten genauer.
a. Das Kleruchen- und Katökenland.^)
Von dem am Ende der Ptolemäerzeit offenbar sehr weit durch ganz
Ägypten ausgedehnten Kleruchenlande (s. oben S. 280 ff.) scheint Augustus,
da er die mit dem Kleruchiebesitz bis dahin verbundene Funktion des
militärischen Dienstes nicht mehr in Anspruch nahm, in weitem Umfange
konfisziert zu haben'), woraus sich erklärt, daß sich so häufig auf den
Staatsländereien, auf der /3α<ί^λικ)ί, der δημοόία und der ονόιακή Grund-
stücke finden, die als έκ κλήρου τον δεΙνος bezeichnet werden^), ebenso
aber auch auf den Privatländereien, die wiederum durch Kauf usw.
aus dem Staatslande ausgeschieden sind.*) Der Rest, der in der Hand
der alten Besitzer bliel) — natürlich unter Ablösung des militärischen
Dienstes — , wurde als ihr Privateigentum vom Staat anerkannt. Letzteres
war schon früher aus Lond. 11 S. 224, 82 ff. erschlossen worden, wo χατοι-
1) Ρ. Meyer, Philolog. 56, 193 ff. Heerwesen, 103 ff. Waszytski, Bodenpacht 79 ff.
(J. £gcr, Aeg. Grundbucbweeen 34 ff. Roetowzew, Kolonat S. 88 ff. Vgl. auch Bd. Π
S. 111.
2) Direkter Beleg in Oxy. IV 721 («βΟι.
8) Weiterer Aufklilrung bedarf nach Oxy 11 270, 26: χαχοιχιηής ηαϊ ώνημέψης
tlg χατοιχιαν (und zwar i% χοϋ dtlvog xjlifpov). Vgl. lioetowzew, Kolonat S. 00.
4) Die Namen der nXtiQoi uind durch die Jahrhunderte konstant. Die Personen,
nach denen sie heißen, meiet gut griechische Namen, sind wahrscheinlich diejenigen,
die Besitzer der xktiQoi waren, als Augustus die Neuordnung durchführte. Diese
Namen haft^iten nicht nur an den Kleroi, die damals konfisziert wurden (das kennen
wir auch sonst, wenn auch in anderen Formen, wie nffaxigow toO ^ffvo;), sondern
auch an den nicht konfiszierten, die »Iso weiter ihre Besitzer wechselten. Anch bei
i>r alte Name konstant. Das Iftfit auf eine durchgreifende Reorganisation
■sesens anter Angostus schließen.
304 Kapitel ΥΠ. Die Boden wirtechaft.
KLXoi κλήροι unter den Ιδιωτικά εδάφη aufgezählt werden^), deren Inhaber
teils Alexandriner, teils εντόπιοι sind.^) Jetzt wird es durch den neuen
Florentiner Text bestätigt (s. oben). Diesem entsprechend beginnt in
einem unpublizierten Berliner Papyrus (P. 1420) ein άπαιτήοιμον κατ
άνδρα 0ιτ[ι]κών [κα]τοίκων (a. 6 des Gordian) mit der Überschrift: [/lioi-
ϋη\6εως ιδιωτικής γης κτλ.^)
Zur Terminologie bemerke ich, daß nach meinen bisherigen Beob-
achtungen der Ausdruck κλήρος κατοικικός und γη κατοικική sich korrekt
nur auf Ackerland bezieht, wie γη prägnant nur dies bezeichnet. Hiernacb
glaube ich den Ausdruck εν κατοικική τάξει e ι klären zu können, der sich
z. B. BGU 2X2, 11 und 17; 379, 12; Lond. II S. 182, 7 findet: überall sind
ελαιώνες genannt, die eben Gartenland {μαράδειοος) und nicht γη sind.
Beweisend ist z. B. der Wechsel der Ausdrücke in BGU 282.
Nebenbei sei bemerkt, daß die Einteilung des Bodens in numerierte
κληρονχίαι, wie sie uns durch die Saatquittungen und andere Texte für
das Faijum bezeugt ist, mit den κλήροι κατοικικοί gar nichts zu schaffen
hat. Die Ansicht von Otto, Priest, u. Temp. II 97, daß diese κληρονχίαι
nur auf Staatsboden zu finden seien, ist nach Grenfell-Hunt zu Teb. II
S. 169 zu eng. Vgl. auch Rostowzew, Kolonat S. 112 Anm. 1.
So hat es auch in der Kaiserzeit κληροϋχοι und κάτοικοι gegeben^)
— wie sie sich unterschieden, ist noch nicht aufgeklärt — , aber freilich
waren sie etwas vöUig anderes als in der Ptolemäerzeit : nicht mehr mili-
tärische Lehnsleute, sondern unmilitärische Grundbesitzer von Katöken-
land. So können auch Frauen κάτοικοι genannt werden, wenn sie der-
artiges Land besitzen. Die Privilegien, die die Katöken haben, haften,
wie P. Meyer zuerst betonte, am Boden — so die Freiheit von der Kopf-
steuer, die durch επίκριόις festzustellen war (vgl. S. 202). Daß das
Katökenland^) (mindestens in der Regel) von der Zwangsstaatspacht frei
war, wurde schon oben S. 296 erwähnt. Die Grundsteuer, die die Katöken
für Saatland zu zahlen hatten, war die άρταβιεία^ eine Artabe pro Arure,
was in Brux. 1 (236) geradezu als „die Katökenartabe" bezeichnet wird.
Da dies offenbar feststand, so ist in dem neuen Florentiner Text (341)
beim Katökenland die Höhe der Abgabe gar nicht angegeben.
1) So Waszynski 1, c. 81. P. Meyer hat ursprünglich auch Privateigentum
angenommen, hat die Ansicht aber in Jioiv.jiöig S. 145 aufgegeben.
2) So richtig Schubai-t, Arch. II 158.
3) Hierzu stimmt es, daß das Katökenland in der βιβλιοϋ"ήκη έγζτηβεων gebucht
wird, wenn auch in einer besonderen Abteilung {ν,ατοίλοχιβμοί). Vgl. Eger S. 37.
Preisigke, Girowesen S. 496 ff. Mitteis, Bd. II 111.
4) Ein Beispiel für viele: Teb. II 366 (371), wo beide von einander geschieden
werden. Weitere Belege bei Rostowzew S. 89.
5) Über die von Eger entdeckte Abkürzung |-|- für yfi κατοικί-κη vgl, auch meine
Bemerkung im Arch. V 184 f.
Β. Die römische Zeit. § 6. Die Ιδιωτι-κτ] γη und die ovöicci. 305
Neuvergebungen von κληροί sind für die Kaiserzeit nicht bezeugt^),
was auch wohl kein Zufall ist, da die κλήροι ja keine Lehnsgüter mehr
sind.^) Nur auf eine Gelegenheit möchte ich hinweisen, bei der vielleicht
κληροί vom Staat assigniert worden sind: das ist die Gründung von Anti-
noopolis durch Hadrian (s. oben S. 49). In diesem Zusammenhang er-
innere ich an Lond. II S. 117 (III. J.): λημμάτων κωμών ξ (ετονς) ναν-
ßCov εδαφών κατακληρονχηϋ-έντων ΐ4ντινοενβι αι δηλω^^είοαι προ6τε%^εΐ6^αι
νπο Αυρηλίον Σαραπάμμωνος. Leider ist das Fragment zu unvollständig,
um uns sichere Aufklärung zu geben. Sicher ist nur, daß hier von Grund-
stücken die Rede ist, die den Antinoiten assigniert sind. Aber schon die
Frage, ob diese in Antinoopolis lagen oder auswärts, läßt sich schwer
beantworten. Die Erwähnung der κώμαι spricht eher gegen die erstere
Annahme. Über die Soldatenansiedlungen vgl. Kap. XL
An dieser Stelle sei auf eine Hypothese von Seeck (Pauly-Wiss. IV
496) hingewiesen, der nach einigen Papyri des ausgehenden ΠΙ. und
IV. Jahrb., die αλλόφυλοι erwähnen, vermutete, daß damit barbarische An-
siedler (inquilini, Liten) gemeint seien. Er beruft sich auf BGU 34 II, 8, 11;
411, 419 (373), Gen. 13. Diese Hypothese ist abzulehnen, da diese άλλό-
φνλοι vielmehr diejenigen sind, die in einem fremden Gau wohnen. Vgl.
meine Einleitung zu 419 (373).
An die Stelle des οτέφανος^ in dem wir das patriarchalische Ver-
hältnis zwischen Lehnsherrn und Lehnsleuten ausgedrückt fanden (s. S. 283),
tritt in der Römerzeit entsprechend der Aufhebung des Lehnsverhältnisses
eine Steuer (resp. Gebühr), das τέλος καταλοχιομών^ das, ähnlich wie einst
der ϋτέφανος^ beim Übergang eines κλήρος aus einer Hand in die andere
an den Staat zu zahlen war. Dieser κατκλοχιόμός weist, wie Wilamowitz
betont hat (GGA ls98, 679 vgl. Arch. I 126), auf den ursprünglich niili-
täri.schen Charakter der Katöken hin, und da dieser nur in der Ptole-
mäerzeit bestanden hat, muß das Wort aus jener Zeit übernommen sein.
Tatsächlich kommt das Wort schon im III. Jalirh. v. Chr. vor, in Petr. III i)7
VII 24 (S. 230): φνλακιτών καΐ έφόδοιν τών iv καταλοχιΰμώι.^) Dabei ist
daran zu denken, daß die Phylakiten militärisch organisiert waren. Der
Grundbegrifif des χαταλοχίζειν verlangt, daß nicht das Grundstück, sondern
die Person des Erwerbers Gegenstand des καταλοχίόμό^' ist, wie ich es
oben auch für die ptolemäische πρόόληψις ))etoute. Anläßlich solcher
χαταλοχιομοζ reep. der Umschreibungen (μετεπίγραφαί) in den χαταλο-
1) Εκ«Γ i, c. S, 86, 1 hillt »•• für niÖKlich, daÜ in Τ.Ί) II :t:»7 »72^ .in.• Mtiiat
liehe Verleihung vorliege. Abf>r άναηομίααα&αι muß uuf »in ,,/.urii( ki'rhalt«'n" liiii-
weiien. — Zu der ώνημ^η tig naxo^nlap in Oxy. II 270 vgl. S. :i():j /\nm. ».
2) Natflrlich fUlli auch da« άναΧαμβάνβιν fort. Vgl. Kgcr 1. i. se.
8) Auch im Seleukideoreicb : Diiicnbergor Or. Or. I 129, 46.
Mltl«i*-Wilok«»t Onmd••«• I tO
306 Kapitel VII. Die Bodenwirtschaft.
χυόμοί- Akten wurde jenes re'Aog gezahlt.^) Über die Λ^erbucllung des
Katökenlandes in diesen καταλοχιΰμοί -Akten, für die eine eigene Behörde
in den άβχολονμενοι τους χαταλοχιομονξ ο. ä. bestand, sowie in der βιβλιΟ'
ϋ"ήκη έγκτήοεων vgl. Band II S. 111. Die Sonderstellung der κάτοικοί
unter der übrigen Bevölkerung, die sieb in der Ausbildung der Standes-
bezeichnung κάτοικοι (vgl. viog^ ^^νγάτηρ κατοίκου usw.)^) zeigt, tritt uns
u. a. auch darin entgegen, daß es ein eigenes κατοικικον λογιόττιριον gab
(CPR 1, 11).^) Eine Katökenliste wie Lond. II S. 144 zeigt uns, daß die
Honoratioren zu ihnen gehörten.
Die Bewirtschaftung der Katökenländer beleuchten die zahlreichen
Verträge, namentlich die Pachtverträge, die sich auf derartiges Land be-
ziehen. Vgl. die Liste bei Waszynski 1. c. S. 169 ff.
b. Die ιδιόκτητος und die έωνημενη γη.
Während die Ιδιόκτητος in den ptolemäischen Texten nur einmal
unter diesem Namen begegnete (s. oben S. 284) , wird sie in den Papyri
der römischen Zeit recht häufig so genannt.*) Auch hierfür bietet der neue
Florentiner Text (341) wertvolle neue Aufschlüsse. Einmal zeigt er, daß
Ιδιόκτητος und Ιδιωτική nicht identisch sind, sondern erstere eine Abart
der zweiten ist. Ferner zeigt er uns, daß von der reinen ιδιόκτητος zu
unterscheiden ist eine βαβιλική εν τά^ει ιδιοκτήτου άναγρα(φομενη). Letz-
teres muß Königsland sein, das im Dorfkataster von Naboö εν τάξει Ιδιο-
κτήτου geführt wird (άναγράφεΰ^-αι), was wohl darauf schließen läßt, daß
der hier in Frage stehende Besitz durch Übergang aus der /^αίϊίλί.κιί ent-
standen ist. Für die Erklärung ist davon auszugehen, daß die Landart
unter dem Oberbegriff Ιδιωτική aufgeführt wird. In dem βαύιλική kann
also nur ein Hinweis auf eine Oberhoheit stecken; tatsächlich gehört das
Land zum Privatland. Als Parallele möchte ich die oben S. 301 behan-
delte βαύιλική ίερευτική γη anführen. Das war Land, das die Priester
(statt der ούνταξις) vom Staat in ewige Pacht erhalten hatten, für das
also der Staat sich, wie in /^ί^ίί^λίκ?^' ausgedrückt wurde, das Obereigen-
tum vorbehielt. So möchte ich auch hier das /3cί^^λ^κ'^j fassen, wenn auch
im übrigen ein anderes Rechtsverhältnis vorliegen mag. Ob hier an Erb-
pacht zu denken ist, lasse ich dahingestellt. Vielleicht liegt auch hier
eine ganz besondere Veranlassung vor wie bei jener βαοιλική ίερευτική
γη. Bemerkenswert ist, daß diese Landart etwas höher besteuert wird
1) Zu dieser Abgabe siehe jetzt Grenfell-Hunt zu Teb. II 357 (372).
2) Vgl. z. B. BGÜ II 562 (220), wo außerdem die Worte stehen Z. 19: φavhv
■ημεΐν αώζειν τα. tcqos τονς ν,ατοί'κονς δίτιαια. Vgl. auch Lond. Π S. 49, 77 ff. (Liste der
νΙών τιατοί-Λων).
3) Vgl. Eger 1. c. 40, 8.
4) Vgl. Rostowzew, Kolonat S. 93 ff.
Β. Die römische Zeit. § 6. Die Ιδιωτίχη γη und die ovöiai. 307
(mit \\ ^g Artaben) als die reine Ιδιόκτητος^ die hier mit 1^ Artaben (die
άρταβιεία mit Zuschlag) verzeichnet ist. Der Ausdruck iv τά^ευ Ιδιοκτή-
του kehrt vielleicht in Lond. III S. 69 (294) wieder, doch trägt dies zur
Erklärung des obigen Passus nichts bei, denn hier ist er nur desvregen
gebraucht, weil es sich um Olivenland handelt (s. S. 304).
Wir sahen oben S. 285, daß in der Ptolemäerzeit es namentlich die
Erbpacht war, die zur Bildung der ιδιόκτητος (als iv άφεόει γη) geführt hat.
Rostowzew hat gezeigt, daß in der Kaiserzeit die Erbpacht mehr zurück-
tritt, wahrscheinlich, weil jetzt eben ein wirkliches Privateigentum (im
Sinne des Provinzialrechtes) sich Bahn gebrochen hat. Ein direkter Beleg
für Erbpacht liegt nicht vor, wenn wir von der oben S. 295 f. behandelten
Zwangspacht absehen. P. Amh. 68 (374) , der von Mitteis als Beispiel
für Erbpacht erklärt war, findet durch Rostowzew eine andere Deutung.
Nach Rostowzew unterscheiden wir namentlich zwei verschiedene Arten
von Verkäufen von Staatsland in der Kaiserzeit: 1) Verkäufe unfrucht-
baren Landes mit emphyteutischer Verpflichtung unter mehrjähriger
Ateliefrist und Zahlung eines von der Regierung festgesetzten Kauf-
preises (seit dem Edikt des Vestinus 20 Drachmen pro Arure), also ohne
Auktion, und der jährlichen άρταβιεία für die Zukunft (also nicht εκφο-
ρών, nicht Erbpacht!). Dahin gehört Oxy. IV 721 (369), Amh. 68 (374),
Lond. III S. 110 (375). Das Wein- und Gartenland wird nicht anders
behandelt, und hier tritt die Kontinuität mit den ptolemäischen Einrich-
tungen deutlich hervor, vgl. BGU 563, 776, 917, Oxy. VI! 1032 und dazu
Rostowzew, Kolonat S. 103 ff. Für dieses verkaufte Land gibt Amh. 68 den
terminus technicus έωνημενη, und diese έωνημενη zählt der neue Floren-
tiner Text zur ιδιωτική. 2) Verkäufe von konfiszierten Ländereien, mit
Auktion, also unter Zahlung eines schwankenden Preises. Vgl. BGU 462
(376), 650; Amh. 97; Oxy. III 513 (183); CPR 104; BGU 156 (175);
CPR 1. Diese Verkäufe sind von der der έωνημενη streng zu scheiden,
nicht nur wegen der verschiedenen Formen, sondern auch wegen des ver-
schiedenen Objektes: es handelt sich hier um fruchtbares Ackerland.
Daß auch dieses Land, das nach der zweiten Art verkauft wird, zur
Ιδιωτική gehört, reep. zur Ιδιωτική wieder zurückkehrt — es handelt sich
ja meist um Objekte, die früher schon im Privatbesitz gewesen waren — ,
ini uU'Mt zu bezweifeln. Aber ob wir es, im Gegensatz zu der έωνημενη^
speziell der Ιδιόκτητος gleichsetzen sollen, wage ich nicht zu entscheiden.
Dafür könnte sprechen, daß der Florentinus die έωίη^μή'η und die Ιδιόκτη-
τος trennt. Auch ist die Ιδιόκτητος wohl in der Regel fruchtbares Land.
Zurzeit sind wir, wie mir scheint, noch nicht in der Lage, die Entstehung
des offenbar in großem Umfang vorhandenen (όώχττ;το^- Landes der Kaiser-
zeit zu erklären. Möglich ist ja, daß noch im L Jahrh. v.Chr. sich viel
ίδιήκτι,τος γΫι auf die oben S. 2h6 geschilderte Weise gebihlet hat und
«0•
308 Kapitel VII. Die Bodenwirtschaft.
daß dies dann in der Kaiserzeit als ιδιωτική anerkannt worden ist. Mög-
lich ist aucli, daß aus der βαόίλική durch Kauf sich manche Ιδιόκτητος γη
gebildet hat. Dagegen würden die oben behandelten Verkäufe der zweiten
Klasse, wenn sie ιδιόκτητος ergeben, nur in den Fällen die Neubildung
von solchem Lande beweisen, in denen das Kaufobjekt nicht schon vor
der Konfiskation Ιδιόκτητος gewesen ist.
Zum Schluß ist noch darauf hinzuweisen, daß auch in der römischen
Periode die oben S. 286 besprochenen Sonderrechte der αρχαία γη in der
ϋλεξανδρεων χώρα fortbestanden haben: Ti. Julius Alexander garantiert sie
von neuem gegenüber manchen Befürchtungen der Alexandriner (Edikt
Z. 59 f.). Ebenso werden Begünstigungen, wie sie für diese χώρα betreffs
des emphyteutischen Kaufes von Staatsland von Euergetes II gewährt
waren (Teb. 5, 98 f.), wohl weiter bestanden haben. Von Grundstücken
(υπάρχοντα) in der ^λεξανδρεων χώρα^ die zum großen Teil in Händen
von Römern und Römerinnen sich befinden, handelt Oxy. VII 1045, leider
so fragmentiert, daß er kein klares Resultat ergibt.
§ 7. DAS GEMEINDELAND.
Für die Ptolemäerzeit habe ich oben S. 286 das Problem des Ge-
meindelandes nur hypothetisch behandeln köunen. Besser sind wir für
die römische Zeit unterrichtet, wiewohl auch hier das Material noch
dürftig ist, und ein zusammenhängendes Bild noch lange nicht gewonnen
werden kann.
Für Alexandrien darf die eben erwähnte ^λεξανδρέων χώρα, wie schon
S. 286 begründet wurde, nicht als Gemeindeland der Stadt betrachtet werden.
Dagegen belehrt uns Fay. 87, daß zu dem οϊκος^ dem Gemeindehaushalt der
Stadt Alexandrien, einige Grundstücke bei Euhemereia im Faijum gehörten
(im J. 155), die aus dem Besitz eines Philosophen Julius Asklepiades, wahr-
scheinlich durch Vermächtnis, jenem οίκος zugefallen waren. ^) Die ΛΟλις
ließ diese Besitzungen durch έτίΐτηρηταί verwalten und verwendete die
Erträgnisse für städtische Bedürfnisse.
Reicher fließen jetzt die Nachrichten für die Zeit nach der Einfüh-
rung der Kommunalordnung vom J. 202. Fay. 88 (III. Jahrh.) bietet ein
ähnliches Beispiel wie Fay. 87 für Landbesitz des οίκος πόλεως^ hier von
Arsinoe.^) Mehr bieten die Nachrichten aus Hermopolis. Hier liegen
1) Vgl. Preisigke, Stadt. Beamtenw. S. 16.
2) Der Text ist aber wohl verderbt, wenn er fortfährt: ohov τίόλεως βαϋιλίσϋης
ΠτοΙεμαίον Νέον Jtovvaov. Daß das the Queen of Ptolemy N. Ώ. heißen könne,
glaube ich nicht. Ich vermute, daß ßccadLaarig (unter dem Einfluß des vorhergehen-
den Femininums) verschrieben ist für βασιλέως. Vgl. die μίσ^-ωταϊ oi'yio[v] [(τΐρότερον)]
βασιλέως Πτολεμαίου κτλ. in einem Genfer Papyrus, Arch. III 226. Also es handelt
sich um Besitzungen, die einst aus dem Besitz des Königs Auletes in den von Arsinoe
übergegangen waren.
C. Die byzantinische Zeit. § 1. Die Verteilung des Bodens. 309
uns mehrere Papyri vor (aus der Zeit des Gallienus), die uns niclit nur
die Existenz von Gemeindeland bezeugen, sondern auch tiefere Einblicke
in die Bewirtschaftung gewähren. So liegen uns mehrere Pachtangebote
auf Gemeindeland an den Rat vor (vgl. CPHerm. 71 ^), 119 R Π, V, Yll [377],
VIII), ferner auch ein Kaufangebot auf städtische Hausgrundstücke, (vgl.
CPHerm. 119 IV).
Ein Streiflicht auf den Gemeindebesitz der Dörfer wirft Oxy. IV
705 ΠΙ (407) vom J. 202, der von einer Stiftung handelt zwecks An-
kaufes eines χωρίον durch finanziell überlastete Dörfer des Oxyrhynchites.
Von der Verpachtung einer Weide durch die πρεοβντεροι, also doch wohl
einer Gemeindeweide, handelt Lond. III S. 141 (vom J. 140). Wahrschein-
lich würden unsere Papyri noch weitere Nachrichten ergeben, wenn diese
Frage des Gemeindebesitzes einmal im Zusammenhang behandelt würde.
Auch die Inschriften, namentlich die Gemeinde -Weihinschriften, sollten
hieraufhin durchgearbeitet werden.
C. DIE BYZANTINISCHE ZEIT.
Außer den oben S. 287 zitierten Arbeiten von Seeck vgl. Matth. Geizer,
ötud. z. byz. Verwaltung Ägyptens (Leipz. Hist. Abhandl. XIII 1909), Fr. de Zulueta,
de patrociniia vicorum (Oxford Studies in social and legal history ed. P. Vinogradoff
1909), Boetowzew, Studien zur Geschichte des römischen Kolonates 1910.
§ 1. DIE VERTEILUNG DES BODENS.
Für die Fragen der ägyptischen Boden Wirtschaft, wie ich sie oben für die
ptolemäische und römische Zeit behandelt habe, sind die Papyri für die byzan-
tinische Periode in ihrer Gesamtheit noch nicht durchgearbeitet worden.
Aach ich mußte jetzt von der Erzielung einer Vollständigkeit des Materials
absehen.*) Hoflfentlich regt gerade die Lückenhaftigkeit der folgenden
Skizze zu weiterem Arbeiten auf diesem Gebiet an und auch zur Publi-
kation der auf die Landfragen bezüglichen byzantinischen Papyri, die viel-
leicht noch in manchen Sammhingen als weniger akut vorläufig zurück-
gestellt sind. Die Arbeiten von Kostowzew und M. Geizer haben gezeigt,
daß auch in dieser Periode agrarische Fragen von größter allgemeiner
hietoriscber Bedeutung die Entwicklung des Landes beherrscht haben.
Über die kaiserlichen Ländereien und ihre Bewirtschaftung sagen uns
die bisher publizierten Texte außerordentlich wenig. Für das IV. und
den Anfang des V. Jahrhundert erhalten wir noch manche Nachrichten,
nachher verHieg(>n sie fast ganz. Statt dessen treten immer starker die
TMv .Hr.i..li.r»i*.ii hervor, die sich z.T. auf ihrem Boden gebildet haben.
1; VkI. VVilckrn, Arch. II! bii.
t) Am moiHitiD boten mir P. Flor., Lip•.. Klein. Form.
310 Kapitel VII. Die Bodenwirtschaft.
Für diese liegt uns denn auch ein reiclieres Material vor, und auf ihnen
spielt sich in dieser Zeit ein Vorgang ab, der zu den wichtigsten Pro-
blemen dieser Zeit gehört, die allmähliche Vollendung des Kolonats. Im
Zusammenhang mit den anderweitigen, namentlich den juristischen Quellen,
lassen uns die Papyri die Entstehung und weitere Entwicklung der
großen Grundherrschaften erkennen, auf deren Boden der Kolonat seine
letzte Phase erlebt hat. Diese Latifundien haben einen solchen Umfang
gehabt und ihre Besitzer eine solche Fülle von Reichtum und Macht
besessen, daß schließlich sie die eigentlichen Herren im Lande gewesen
sind. Es ist kaum ein Zufall, daß wir von den kaiserlichen Domänen in
den späteren Jahrhunderten so wenig hören. Es hat den Anschein, als
wenn der kaiserliche Besitz mehr und mehr zusammengeschrumpft ist,
so daß, abgesehen von den freien Gemeinden, Ägypten im wesentlichen
aus den Latifundien des grundherrlichen Adels bestand, als die Araber
einbrachen.
§ 2. DIE KAISERLICHEN LÄNDEREIEN.
Ich steUe zunächst zusammen, was mir in den byzantinischen Papyri
an Erwähnungen von kaiserlichen Ländereien aufgefallen ist, wobei ich
wie gesagt auf Vollständigkeit keinen Anspruch erheben kann.
Im Anfang des IV. Jahrh. sind noch keine Veränderungen gegenüber
der vorhergehenden Periode bemerkbar. In den Zensuseingaben von 303
(229) fanden wir βαΰΐλίκή neben der Ιδιωτίκτ} γη deklariert. Flor. 64,
der dem frühen IV. Jahrh. angehört, unterscheidet wie früher βα6(ιλίκφ
und ονο(ίακή) — δημοβία kommt in diesem Fragment nicht vor — , andrer-
seits IsQa und Ιδι{ωτικΎΐ). Auch in Stud. Pal. X Nr. 221 (IV. Jahrh.) wird
βαΰίλικτ] und ιδιωτική unterschieden. Etwas jünger, etwa der Mitte des
IV. Jahrh. angehörend, ist der große Papyruskodex Flor. 71, der sehr
wertvolle Aufschlüsse über die Verteilung des Grundbesitzes im Hermo-
polites gibt. Es ist von p. V — XXIII ein Verzeichnis von Personen, die
in der Stadt Hermopolis im Quartier „Kastell West" wohnen und in
einem der ^ra^ot des Gaues Grundbesitz haben. Wenn meine Vermutung
über Z. 143/4 richtig ist (vgl. unten S. 322), so bietet der Text kein voll-
ständiges Verzeichnis allen Grundbesitzes der Hermopolitaner, sondern ist
ein Auszug, der zu einem bestimmten Zweck (etwa Steuerhebung) ge-
macht ist. Bei vielen der Grundbesitzer wird außer ihrer Ιδιωτική auch
δημ{ο6ία γη) notiert. Einzelne haben auch städtisches Gemeindeland in
Bewirtschaftung, worüber nachher zu reden ist. Da diese Leute in der
Stadt wohnen, werden sie die δημούία in Afterpacht gegeben haben, wie
die Ιδιωτική in Pacht. ^) Ebenso steht es mit den ϋντινοϊτικά ονόματα,
die — gleichfalls in alphabetischer Ordnung — von p. XXIV an aufgezählt
1) Vgl. Geizer 1. c. 64.
C. Die byzantinische Zeit. § 2. Die Kaiserlichen Ländereien. 311
werden. Ob das Bürger von Antinoopolis sind, die in Antinoopolis wohnen,
aber in dem benachbarten — nur durch den Nil von ihnen getrennten —
Hermopolites Grundbesitz haben ^), oder ob diese Grundstücke im Anti-
noites selbst liegen (dafür könnten die Überschriften von p. Π und IV
sprechen), bedarf weiterer Prüfung. Es ist bemerkenswert, daß in diesem
großen Kodex, in dem uns über zwei größere Rubriken von Giiindbesitzem
Listen vorliegen, nur δημοΰία vorkommt, nicht βαβιλίκή.') Ebenso be-
richtet Lips. 101 (IV. Jahrh.) über δη{μ,ο6ία) neben Ιοίω{τίκ'}ι γη), des-
gleichen jetzt auch Cair. Preisigke 46 und 47 (IV. Jahrh.).
Spätere Erwähnungen von ßaöLlixii oder δγιμοβία γη als
die oben erwähnten aus dem IV. Jahrh. habe ich bisher über-
haupt nicht finden können.
Die kaiserlichen Patrimonialgüter , die, wie wir oben S. 155 an-
nahmen, seit Septimius Severus als Fiskalgüter galten, begegnen uns
auch in der byzantinischen Zeit. Der Titel πραίπόόιτος πατρυμωνζ^,^α-
λίων δεκάτου πάγον in Oxy. VI 900, 5 (437) (s. oben S. ItiS) läßt darauf
schließen, daß diese fundi patrimoniales der einzelnen pagi als Einheit je
einem praepositus unterstellt waren. Mit dem alten Namen ονόί^ιαχη) be-
gegnet das Patrimonialland femer in dem oben erwähnten Flor. 64, 97/8
(Anfang IV. Jahrh.;. ») Wenn in CPR 19 (a. 330) eine Hermopolitin über
42 Aruren ονοιακης γης υποτελούς*) verkauft, so wird man mit Mitteis ^)
anzunehmen haben, daß sie dies Land in Erbpacht hatte (s. aber unten S. 320 f.).
Vgl. jetzt auch P. Cair. Preisigke 4 (379) vom J. 320. Unter dem Namen
ταμιακοί ουόίαι^ der nach Severus auch schon in der vorhergehenden
Periode begegnet (vgl. S. 155), treten diese Güter jetzt öfter auf.*) Vgl.
Oxy. I 58 (378) vom J. 288, der zugleich über die Verwaltung Auf-
schlüsse gibt, und Lips. 101,21 (IV. J.): ουοία ταμιακή {πρότερον) ^Αμμω-
νίου κτλ. Da hier deutlich Konfiskation einer privaten ούόία vorliegt, so
erklärt sich wohl hieraus, daß das zu dieser ox)6Ca gehörige Land als
/όίω(τίκτί) bezeichnet wird. Schwer zu entscheiden ist, ob die Ονλπια'ί^
und Πλατωνική ούόία^ die in Flor. 71, 747 ff. (IV. Jahrh.) genannt werden,
als kaiserliche oder als private Güter zu betrachten sind. Die adjek-
tivische Bezeichnung der ovoCa könnte für erstere Annahme sprechen.
1) Der JtoQO^tog in 661 hat nur δημοοία yfj.
2) Geacbrieben i§t zwar nur δημ, aber das muß hier zu δημ^οϋίας γής) ergäuxt
-werden. An die δημόαια ίδάφη^ die auch die ßaadfuij einschließen (β. oben 8. 989),
kann h'w •;dacht werden.
8) ' "(ien all ίβη^αρμίνη) und χ69{ύος).
4) DiotfC 42 Aruren umechlotien towohl Saatland wie χίρσος und άβηορος,
b) Im Kommentar zu dieier Stelle 8. 68 und Eq)acht S. 86.
6) Ich bemerke dazn, daß dieser terminuB iochnicue fleh fthnUch auch in den
jnriKÜMchen Quellen unterer Periode findet. Vgl. Cod. Just. XI 69, 9 (au• der Zeil
Κ:ιΐΜ«•Γ Zenof): fandoa tamiaci iuri• in provinoiit posito• neo non poMeatione• Qona-
iici Halius.
312 Kapitel VII. Die Bodenwirtschaft.
Doch andere Gesichtspunkte machen die zweite wahrscheinlicher (s. unten
S. 316). Ebenso bedarf noch weiterer Untersuchung, ob unter den für
die späteren Jahrhunderte bezeugten ovuCai sich noch kaiserliche befinden.
Ich glaube, daß sie aUe private sind, und wenn das richtig ist, können
wir die kaiserlichen ovoCai unter diesem Titel nicht über das IV. Jahrh.
hinaus verfolgen.
Dagegen treffen wir in Lond. II S. 287 (179) δεοποτικαΐ κτήβεις
(a. 350) unter einem διαϋημότατος επίτροπος^ die ich nicht ohne weiteres
mit den kaiserlichen ovöCai gleichsetzen möchte. Da diese jetzt als τα-
μιακαί gelten, so könnten jene δεοΛοτικαΙ κτήοείς vielleicht speziell dem
Patrimonium zugewiesen sein, wenn dieses auch vor Anastasius kein
eigenes Ressort gebildet hat (s. oben S. 163). Doch bleibt dies noch
zweifelhaft. ^)
Wir kommen also — nach dem bisher vorgelegten Material — zu
dem Ergebnis, daß die alten Landkategorien der βαΰιλική^ δημο6ία und
ούόίακή sich über das IV. Jahrh. hinaus nicht nachweisen lassen.^) Dies
Resultat könnte nun ein zufälliges sein, insofern ich manches übersehen
haben könnte, oder auch neue Materialien ein anderes Bild ergeben könnten.
Aber letzteres ist kaum zu erwarten, denn es lassen sich innere Gründe
dafür anführen, daß das kaiserliche Land tatsächlich zusammengeschrumpft
ist.^) Es ist unten in dem Abschnitt über das Privatland darzustellen,
wie vom IV. Jahrh. an sich immer größere private Latifundien bilden
und zwar zum größten Teil auf Kosten des kaiserlichen Landes. Die
Regierung hat, um die Bewirtschaftung namentlich der unfruchtbar ge-
vrordenen Teile der kaiserlichen Domäne zu sichern, mit verschiedenen
Mitteln, die alle an die Praxis der früheren Jahrhunderte anknüpfen, und
unter denen namentlich die έπυβολη hervorragt, nach und nach immer
mehr Domanialland dem Privatland aufgebürdet resp. überlassen und
damit eben selbst das Anwachsen des privaten Grundbesitzes auf Kosten
der Domäne gefördert. Schon Rostowzew hat für mehrere der oben an-
geführten Erwähnungen der δημοοία^ βαΰίλίκή und ονοίακη γη im IV. Jahrh.
die richtige Deutung aufgestellt, daß es sich um Land handle, das durch
die έτίίβολή dem Privatbesitz zugeschlagen worden sei. Diese Deutung
1) Ein Patrimonialgut ist wahrscheinlich auch das Gut, über dessen Verwaltung
uns soeben Oxy. VIII 1134 vom J. 421 interessante Aufschlüsse bringt. Der Verwalter
heißt ÖLoi-xwv τα, αράγματα τήξ ϋ-ειοτάτης οίν,ίας. Vgl. zu Oxy. 136 (383). Ich ver-
danke Hunts Freundlichkeit die Kenntnis dieses Textes aus dem Korrekturbogen.
2) Die TtQOGOdov γη ist mir in dieser Zeit überhaupt nicht begegnet.
3) Zur Bewirtschaftung bemerke ich nur negativ, daß ich den Ausdruck δημό-
ϋίος γεωργός, der früher fast in jeder Urkunde, die von der Landwirtschaft handelt^
begegnete, in byzantinischen Texten bisher nicht gefunden habe. Vielleicht sind die
in Flor. 54 (a. 314) aufgezählten Landleute Domänenpächter (so Vitelli, auch Geizer),,
aber sie werden nicht so genannt.
C. Die byzantinische Zeit. § 3. Tempel- und Kirchenland. 313
gilt wahrscheinlich sogar für die meisten der oben angeführten Beispiele.
Fast überall wird man finden, daß es sich um Parzellen kaiserlichen
Landes handelt, die die Besitzer von ίοιωτίκή mit übernommen haben.
Das gilt von den Zensuseingaben (229) ebenso wie von den großen Land-
verzeichnissen in Flor. 64, 71, Lips. 101 usw., auch Cair. Preis. 46. 47, Stud.
Pal. X 221, CPR 19, so daß nur die patrimonialia in Oxy. VI 900 und die
daöTtoTLXccl χτηόείς in Lond. II S. 287 als Zeugen größeren kaiserlichen Be-
sitzes (322 und 350) übrig bleiben.^) So spiegelt sich in diesen Urkunden
ein außerordentlich wichtiger Umschwung in den agrarischen Verhält-
nissen Ägyptens wider.
§ 3. TEMPEL- UND KIRCHENLAND.
Mit dem alten Namen Ιερά γη begegnet das Tempelland in Flor. 64,
43 R 43 und Verso 91, 95, 96 (Anfang IV. Jahrb.). Im übrigen fäUt in
dieses Jahrh. die Konfiskation des heidnischen Tempellandes und die Be-
gründung des christlichen Kirchenlandes. Weshalb auf Philae das Heiden-
tum und damit sicher auch Tempelbesitz sich länger gehalten hat, ist
oben S. 134 dargelegt worden.
Für den Grundbesitz von Kirchen und Klöstern und seine Bewirt-
schaftung bieten unsere byzantinischen Papyri ein reiches Material, doch
fehlt es bisher noch an jeglicher Vorarbeit, die den Versuch gemacht
hätte, es zu sammeln und zu verarbeiten. Ein einigermaßen vollständiges
Bild könnte zwar nur gewonnen werden, wenn neben der griechischen
Literatur auch die gerade für kirchliche Fragen so überaus reiche
koptische Literatur (auch Papyri und Ostraka) herangezogen würde,
aber auch schon eine auf die griechischen Quellen sich beschränkende
Darstellung der Kirchen und Klöster Ägyptens und der von ihnen be-
triebenen Landwirtschaft würde ein wichtiger Beitrag für die Agrar-
geschichte dieses Jahrhunderts sein.
Angesichts der Fülle des Materials will ich hier nicht zufällige
Einzelheiten, die mir auffielen, herauspfiücken. Nur ein Punkt sei als
Beispiel hervorgehoben, nämlich daß die aus den juristischen Quellen
bekannte kirchliche Erbpacht (Emphyteuse)*) auch durch die Papyri be-
legt wird. Wir besitzen vom Jahre ()16 einen schön erha tenen Vertrag,
durch den das Kloster des Abba Patois (bei Edfü) Fruchtland und uu-
frochtbares Land gegen ein πάχτον (pactum) vererbpachtet. Vgl. Lond. II
S. 324 ff. Wenn ('. H. Muller in seiner Behandlung dieser Urkunde her-
vorhob (Arch. I 440), daß dies eine der ältesten derartigen Erbpachte-
urkunden sei, so können wir jetzt ähnliche Fälle von kirchlicher Eniphy-
touse auch schon fUr das V./VL Jahrh. in den Papyri nachweisen. Vgl.
1; Daxu kommt jetU Oxy VIII 1184 von 4SI. Siebe S. 81S Anm. 1.
2, V'ifl. Put'htii. InMtitutioiu'ii'MI S. 241.
314 Kapitel VII. Die Bodenwirtscbaft.
P. Klein. Form. 47; 272; 314, wozu wegen des ττάκτον vielleicht auch 271
zu stellen ist. Ich erinnere daran, daß wir oben S. 301 Anm. 4 die Erbpacht
auch als Wirtschaftsform der heidnischen Tempel nachweisen konnten.
§ 4. DAS GEMEINDELAND.
Das Gemeindeland von Stadt und Dorf, das in den juristischen
Quellen dieser Zeit oft behandelt wird, begegnet auch in den Papyri,
doch gibt es hierfür noch keine Vorarbeit. Ich habe mir städtischen
Grundbesitz notiert in Flor. 71, 127, 137, 474 unter dem Namen ovöia^)
πολιτικής und in Lips. 101, II 11 ονΰία Έρμοτΐολίτικη. In Flor. 71 heißt
es z. B. Z. 137: καΐ νπ(ερ) ον6{ίαξ) Λολιτικγΐζ ζ' πάγου ίο(ίωτικγις) {άρον-
ρας) λ ϊς λβ. Das soll, denke ich, bedeuten, daß die betreffende Person
dieses im 6. Pagus gelegene Grundstück bewirtschaftet zugunsten der
städtischen ovöCa^ d. h. doch wohl als Pächter. Da die Einzelgrundstücke
in verschiedenen pagi liegen, so lernen wir, daß auch die städtische ovöCa
ebenso wie die kaiserliche (s. oben S. 299) aus territorial nicht zusammen-
hängenden Parzellen bestand, die durch die Einheit des Besitzes (hier der
πόλις) wie auch durch eine besondere Verwaltung als ovöCa zusammen-
gefaßt wurden. Das auffallende Ιδ(ίωτίκή) ist wohl in erster Reihe als
Gegensatz zu gepachteter δημούία aufzufassen; in diesem Sinne konnte,
wie es scheint, auch städtisches Land als Ιοοωτίκη bezeichnet werden.^)
Die ovaCa Έρμοπολίτική in Lips. 101, II 11 hat vorher einem Βη6ας ge-
hört und mag etwa durch Vermächtnis an die Stadt gefallen sein (vgl.
oben S. 308). Auch hier heißt das Land Ιδιωτική.
Auch einige Beispiele von dörfischem Gemeindeland habe ich mir
aus dem IV. Jahrh. notiert. In CPR 41 (a. 305) pachtet einer 9 Aruren
von dem κοί-νόι/ της κώμης. Aus dem Ende des Jahrhunderts stammen
Gen. 6ß (381), 69 und 70 (380), in denen es sich gleichfalls um Pacht
von dörfischem Gemeindeland handelt, und zwar sind es nach meiner
Deutung unfruchtbare Ländereien (άπορα) ^ die hier verpachtet werden.
Auch die Entwicklung und Bewirtschaftung des Gemeindelandes dieser
Zeit sollte einmal unter Heranziehung des gesamten Materials bearbeitet
werden.
§ 5. DAS PRIVATLAND.
Grundherrschaft und Kolonat.^)
Das wichtigste agrarhistorische Problem dieser Zeit ist die Entstehung
der großen Latifundien, die zu der Vollendung des Kolonats geführt hat.
Betrachten wir zunächst die Angaben der Papyri über den Privatbesitz.
1) Ovöia für städtischen Besitz begegnet auch schon im III. Jahrh. Ygl. CPHerm.
119 Recto y 24.
2) Vgl. die Einleitung zu 341.
3) Seeck, Colonatus in Pauly-Wissowa IV 483 ff. Waszynski, Die Bodenpacht
1905. M. Geizer, Studien. Zulueta, de patrocin. vicorum. Rostowzew, Kolonat.
C. Die byzantinische Zeit. § 5. Das Privatland. 315
In der vorigen Periode fanden wir unter dem Oberbegriff Ιδιωτίχη γη
sehr verscliiedene Landarten, deren Namen z. T. auf die verschiedene Ent-
stehung hinwiesen, vor allem die ιδιόκτητος^ ν.ατοίχίχη, έωιτημενη γη. Hier-
von habe ich in den byzantinischen Texten ιδιόκτητος und εωνημενη nicht
wiedergefunden. In Cair. Preisigke 46, 7 steht zwar neben ιδί^ωτική) und
Ιδιω(τική) einmal ιδι^, aber auch dies ist (mit dem Editor) jedenfalls
ίόίθ(τικη) aufzulösen. Ebenso ist in Flor. 71 ιδι^ und id^j das manchmal
neben ιδ und ιδιω'^ steht, sicher Ιδι,{ωτί)κ(ή) zu lesen, nicht Ιδί{ό)χ(τη-
τος). Dagegen findet sich Katökenland noch im IV. Jahrhundert. Waszynski
(1. c. 81 Anm. 5) führte als letztes ihm bekanntes Beispiel eines κλήρος
κατοικιχός den in BGÜ 94 erwähnten vom J. 289 an. Etwas weiter
führt uns jetzt Lips. 6, wo im J. 306 γη χατοικικη verkauft wird. Daß
der Katökenbegriff damals noch lebendig ist, zeigt die Bezeichnung des
Maßes als τω τί]^ κατοικίας δικαίω οχοινίω. Noch weiter kommen wir
durch CPR 10 (a. 321/2). Hier werden 7 Aruren εκ τον Ζένωνος κλήρου
ίδι(ωτι)κ(ής) verkauft. Da diese Wendung εκ τον . . . κλήρον^ wie wir
oben S. 303 sahen, sowohl bei Staatsland, als auch bei (nicht katökischem)
Privatland vorkommt, was sich aus der Entstehung durch Konfiskation
erklärt, so könnte man hier schwanken, zumal das Land als ιδιωτική be-
zeichnet ist, ob es sich um Katökenland handelt. Der Zweifel wird aber
beseitigt durch Z. 5, wo das Land als κατοικικών άρονρών charakteri-
siert wird. Hiernach werden wir auch die zahlreichen mit ix τον . . .
χλήρον bezeichneten Ländereien in Flor. 64 (Anfang des IV. Jahrb.), auch
das Land <^έχ τον} Μαχάτον χλήρον in CPR 247 vom J. 345 für Ka-
tökenland halten müssen. Über das IV. Jahrh. hinaus habe ich keine Bei-
spiele gefunden. Wohl aber findet sich jetzt und auch noch viel später
(aber auch schon vorher) der Ausdruck κλήρος zur Bezeichnung eines
Grundstückes, ohne daß damit Katökenland gemeint wäre. So stehen
z. B. in Lips. 97 IV, XXIV, XXVII Listen von κλήροι^ wie κλήρος Πλήνιος
*ίΙρίωνος usw , in denen nicht die Namen von alten Kleruchen sondern die
Namen der damaligen Besitzer hinzugefügt sind. Darum begegnen hier
auch Feminina, wie Ύχάτε{ως)^ Τβηονν( ). In diesem Sinne hat sich
dae Wort bis ins VIL Jahrh. und vielleicht noch länger erbalten. So
z. B. in P. Klein. Form. GH (Vn. Jahrb.), wo von den δημόΰια τον ^μον
χλήρον gesprochen wird.*) Hiernach komme ich zu dem Ergebnis, daß
ich fiber das IV. Jahrh. hinaos kein Katökenland nachweisen kann.^)
1) Vgl. weitere Beifpiele in P. IQ. Form. S. S64, wo allerding• auch nianch«>
%Χηρο{νόιιοι) unter die xXfiQot f^eraten sind.
2) In LipM 90, 18 (IV. Jahrh. ι begonnen χωμοκατ^ων Τ9μ*ψ%ν9ίί9ως. Auch in
einem Münchenor Fragment las ich ηωμητώψ ual ηωμοηατοίηων. Mit tlen KatOken
im alten Sinne hat da• kaum etwa• su tun. Sollte lo dem Manohener iStilck nicht
der UntefMi hiod der civee und der incolae de• Dorfe• gemeint sein? Da• w&ien abo
die άχό notfirii und die natomotpxtg iv rj) %ώμ^.
316 Kapitel VII. Die Bodenwirtschaft.
Die Belege für ιδιωτική γη sind außerordentlich zahlreich. Nament-
lich Flor. 71 gibt uns, wie schon oben erwähnt wurde, einen vorzüglichen
Einblick in den Landbesitz der Bürger von Hermopolis und Antinoopolis.
Die erste Liste, von Hermopolis Kastell West, ist von Α bis ii erhalten.
In alphabetischer Folge stehen hier die Landbesitzer hintereinander, gleich-
viel ob sie wenig oder viel besitzen, wobei die Parzellen nach den pagi
charakterisiert sind. Neben Besitzern von winzigen Parzellen stehen andere,
die in einer großen Zahl von pagi bedeutende Besitzungen haben. Als
Beispiel verweise ich anf den Πινοντίων Όλυμπωδώρον in Ζ. 408, der in
7 verschiedenen pagi ca. 1024 Aruren besitzt, zu denen ihm über 77 Aruren
δημούΐας γης durch επιβολή hinzugeschlagen sind (s. oben S. 312).
Neben dieser ίοίωτικη γη stehen nun Λvie in der vorhergehenden
Periode die privaten ovöCai (vgl. oben S. 302 ff.). Daß diese „Güter" etwas
anderes sind, als eine bloße Addition von vielen zerstreuten Parzellen,
zeigt so recht das soeben aus Flor. 71 angeführte Beispiel. Diese 1024 Aruren
des Pinution, die in 7 verschiedenen pagi liegen, machen zusammen doch
noch keine ovöCa aus, sondern sind nichts anderes als einzelne Teile von
Ιδιωτική γη. Es fehlt hier offenbar die einheitliche und eigenartige Guts-
verwaltung. Andrerseits nennt derselbe Text eine ΟνλΛίανή ovo Ca Κορκο-
δίλων (Ζ. 747, 751) und eine ονΰία Πλατωνική (749), von der ich schon
oben S. 311f. sagte, daß sie wahrscheinlich nicht als kaiserliche, sondern
als private ovötai aufzufassen sind. Hierfür spricht, wie es scheint, die
Tatsache, daß die einzelnen Grundstücke, deren Pächter aufgezählt werden^),
als ιδιωτική bezeichnet sind. Auch sie liegen in verschiedenen pagi. Die
privaten ovöCai der byzantinischen Zeit sind bisher noch nicht zusammen-
gestellt worden. Ich kann hier nur einzelne Beispiele bringen, die mir
auffielen. P. Straßb. 28 (vom J. 305) nennt eine ονΰία ^λντΐίον (mit
Viehzucht). Nach Stud. Pal. I S 33 (vom J. 328) ist Ανρηλία Δημήτρια
ή και αμμωνία Besitzerin einer ονΰία, denn der Pachtzins soll ihr zuge-
messen werden μέτρω τω της ονΰΐας. Das ist insofern von besonderem
Interesse, als dies dieselbe Frau ist, die im J. 330 CPß 19 eingereicht
hat (s. unten). Aus dem Jahre 338 stammt die große Abrechnung
über einen Gutsbetrieb in Lips. 97. Hier ist es freilich nicht ganz leicht
zu sagen, was für ein Gut wir vor uns haben. Der Editor hält Privat-
besitz für ausgeschlossen, weil die Urkunde adressiert sei an zwei άπο
επιτρόπων, was nur bei einer öffentlichen Prokuratur möglich sei, während
der private Verwalter φροντιστής heiße. Domäne sei es jedenfalls. Er
schwankt nur zwischen Patrimonial- und Tempeldomäne (S. 246). Aber
jener Titel άπο επιτρόπων kann auf die Verwaltung dieses Gutes über-
haupt nicht bezogen werden, denn es bedeutet doch nur, daß der Inhaber
1) Es sind immer große Pacbtungen: 116, über 160 und über 100 Aruren.
C. Die byzantinische Zeit. § 5. Das Privatland. 317
früher επίτροπος gewesen ist (ex procura tore). Ich halte den Leontios
der Adresse und den neben ihm Genannten für die Gutsbesitzer, denen
von ihren Sekretären (βοηϋ'ών) für ein QuadrimeDstruum Rechnung gelegt
wird.^) Darin bestärkt mich V 12: τ]ών εργ[α]ξομενων εν rfi ovöCa. Mir
scheint es die natürlichste Erklärung zu sein, daß diese Sekretäre damit
von den Arbeitern sprechen, die „auf dem Gut" arbeiten.^) Es steht das
ganz parallel dem μετρώ τω ττ^ς ovöCag in dem oben zitierten Text. Ist
meine Deutung richtig, so gewinnen wir durch diesen Leipziger Papyrus
einen tiefen Einblick in die Wirtschaft eines großen Privatgutes in der Nähe
von Hermonthis (in der Thebais). Demselben IV. Jahrh. gehört BGU
I 34 an, der gleichfalls Abrechnungen einer größeren Gutswirtschaft bringt.
Hier kommt zwar der Ausdruck ovöCa nicht vor, aber die HauptroUe
spielt die γεοϋχος in Hermopolis, und in ihr dürfen wir gewiß die Guts-
herrin sehen. Von einer großen ovöCa im Hermopolites handelt ferner
Lond. ΙΠ S. 128/9 aus dem IV. Jahrh. Überspringen wir das V. Jahrb.,
aus dem wir bisher ja überhaupt erst sehr wenige Texte besitzen, so
haben wir für das VI. und VII. Jahrh. eine Fülle von Beispielen von pri-
vaten ovöCtti. Ich verweise einerseits auf den Index von P. Klein. Form.
S. 272, wo eine große Zahl von ονόίαι dieser jungen Zeit zusammen-
gestellt sind. Daß sie alle private resp. kirchliche, aber nicht staatliche
Gutsherrschaften sind, kann kaum bezweifelt werden. Für die Verwaltung
lernen wir u. a. die Titel des προνοητής ovöiag^ den wir schon aus früheren
Zeiten kennen, und den νποδεκτης ονύίας. Vgl. zu diesen Titeln die Ein-
leitung zu Oxy. 136 (383). Den großartigsten Gutsbetrieb lernen wir
in den Papyri der berühmten Apionen kennen, der großen Pagarchen in
Oxyrhynchos im VI. und VII. Jahrhundert. Die Haupttexte sind Oxy.
I 130, 133, 134, 135 (384), 136 (383), 137, 138, Lond. III S. 279 ff. Vgl.
hierzu die Ausführungen von Geizer, Studien S. 83 ff. Hier blicken wir
in die Wirtschaft eines großen οίχος hinein, der, gestützt auf die Arbeit
der hörigen Kolonen, uns ein Musterbeispiel wirtschaftlicher Autarkie
zeigt. Auf den Gütern der großen Pagarchen in der Thebais, die uns in
Cair. Cat. für da« VI. Jahrh. bezeugt werden , wird es nicht anders her-
gegangen sein.
Vergleichen wir, wus di«• Pajjvn uns über die ovoiai vom l\ lalirh.
an lehren, mit dem, was sie für die vorhergehende Zeit bringtii, ^(» .χί»-
winnen wir den Eindruck eines Anwachsene dieser Güter, und wir köniMn
auch innerhalb der byzantinischen Zeit eine Zunahme ihrer Bedeutung
erkennen. Freilich könnte dieser Eindruck vielleicht durch Zufälligkeiti*n
der Tradition befördert »ein. Auch ermöglichen uns die Urkunden, allein
1) Zu den Loiiunf^eii der Adrette vgl. Arcb. ΙΠ 668.
2) Anden der Kditor 8. 146
318 Kapitel VII. Die Bodenwirtschaft.
betrachtet, niclit, die tieferen Gründe für diese Ersclieinung zu erkennen.
Hierzu verhilft uns erst die literarische Tradition, unter der für diese Zeit
die juristischen Quellen, im besonderen die ungeheuren Schätze des Cod.
Theodosianus und Justinianus, in erster Reihe stehen. Ihnen gegenüber
fällt den Urkunden nur die, allerdings auch sehr wichtige, Aufgabe zu,
die allgemeinen Normen durch Einzelbeispiele praktischer Anwendung
— oder Nichtanwendung — zu illustrieren, das Verhältnis von Theorie
und Praxis zu prüfen und so den wirklichen historischen Verlauf mit auf-
decken zu helfen. Außerdem ist natürlich die gleichzeitige Entwicklung
in den anderen Provinzen des Reiches ein wichtiger Maßstab für die Be-
urteilung der ägyptischen Vorgänge, und für diese Zeit um so mehr, als
die ursprünglichen Sonderheiten der einzelnen Provinzen, die gerade in
Ägypten in den früheren Zeiten stark hervortraten, jetzt mehr und mehr
nivelliert sind. In diesem großen Zusammenhang, in dem Probleme, wie
die Bildung der Latifundien und die Entstehung des Kolonates, allein ge-
fördert werden können, sind diese Fragen namentlich in dem grund-
legenden Werk Rostowzews behandelt worden. Auf dieses sowie die
anderen oben S. 309 zitierten Arbeiten, namentlich auch M. Geizers Studien,
muß hier verwiesen werden, wer genauer diese schwierigen Probleme
kennen lernen will. Ich kann mich an dieser Stelle nur auf eine kurze
Zusammenfassung der gewonnenen Hauptergebnisse beschränken, die für
das Verständnis der Urkunden von besonderer Wichtigkeit sind.
Das starke Anwachsen der großen Latifundien und der auf ihnen
entwickelten Grundhen-schaften ist einerseits auf Kosten der kaiser-
lichen Domäne, andrerseits auf Kosten des kleinen ländlichen Grund-
besitzes erfolgt.
Der erstere Vorgang ist auf die Unfähigkeit der Regierung, für die
Domäne, insbesondere für die unfruchtbaren Teile derselben, die nötigen
Arbeitskräfte zu finden, zurückzuführen. Das Ziel der Domänenpolitik
war zu allen Zeiten dasselbe gewesen, nämlich die Domäne in möglichst
weitem Umfange zu meliorisieren und ertragsfähig zu machen. Nur die
Mittel sind zu verschiedenen Zeiten verschiedene gewesen. In der Ptole-
mäerzeit, wo noch der Begriff des Obereigentums am gesamten Boden
lebendig war, waren weite Strecken in verschiedenen Formen an Private
überlassen worden (fV άφεόει), als Lehnsland — in κλήροι sowohl wie
in großen δωρεαί — oder durch Vererbpachtung, im besonderen auch
zur καταφντενοίς von Wein- und Gartenland. Für die eigentliche Do-
mäne aber (βαΰιλίκή γτ}) hatte der König, wenn die normale Verpachtung
nicht zum Ziel führte, zunächst selten, nach besonderen wirtschaftlichen
Katastrophen, dann häufiger zur Zwangspacht gegriffen. In der Kaiser-
zeit war dann der Rechtssatz des allgemeinen Obereigentums des Königs
aufgegeben worden, und war das frühere Lehnsland, soweit es nicht vom
C. Die byzantinische Zeit. § ö. Das Privatland. 319
Staat konfisziert wurde, sowie das früher vererbpachtete Land als Ιδιωτική
(im Sinne des römischen Provinzialrechtes) aus dem öffentlichen Lande
definitiv ausgeschieden worden — ersteres mit gewissen Sonderrechten
als γή τίατοίκική. Die Schwierigkeit, die nötigen Pächter zu finden —
die auf die Aussaugungen der Bevölkerung durch die gesteigerte Besteue-
rung und vor allem den oft vernichtend wirkenden Liturgiendruck zurück-
zuführen ist — hatte in dieser Zeit zu den verschiedensten Formen der
Vergebung von Domanialland an Private — zum Teil in Weiterbildung
ptolemäischer Einrichtungen — geführt. Wir haben oben den emphy-
teutischen Verkauf von unfruchtbarem Domanialland (έωνημενη) kennen
gelernt — der vielleicht, wenn meine Interpretation von Lond. Ul S. 110
(375) zutreffend ist, im III. Jahrh. auch zwangsweise ausgeübt Λvurde — ,
ebenso die Versteigerung von (meist konfisziertem) fruchtbarem L.jnde,
das vielleicht zur γή ιδιόκτητος wurde, während eine Vererbpachtung
sich in besonderen Fällen wie bei der βαΰίλικη Ιερεντική γή nachweisen
ließ. Besonders stark aber war jetzt der Zwang zur Bebauung von (un-
fruchtbarem) Domanialland entwickelt. \Vir unterschieden einmal die Auf-
bürdung solchen Bodens an benachbarte Dorfgemeinden {βτίΐμεριαμόξ) und
andrerseits die erzwungene Vererbpachtung an die proximi quique posses-
sores. Im IV. Jahrhundert nun war durch den immer stärker werdenden
allgemeinen ökonomischen Niedergang, durch das neue Steuersystem, durch
den immer unerträglicher werdenden Liturgiendruck, durch tlie Ausnutzung
der Decurionen, d. h. des städtischen Kapitals und die natürliche Rück-
wirkung auch auf die anderen Stände die Aufgabe, freiwillige zahlungs-
fähige Pächter zu finden, immer mehr erschwert worden. Ein neues
Mittel ist — soweit ich sehe — jetzt nicht erfunden worden. Die Regie-
rung brauchte nur in das Arsenal der früheren Periode hineinzugreifen,
um genügend Waffen zu finden, aber sie mußte sie entsprechend der
Steigerung der Notlage noch viel konsequenter anwenden, als es früher
geschehen war. Und so sind denn weite Strecken der kaiserlichen Do-
mäne durch Erbpacht oder emphjteutischen Kauf (mit dreijähriger Atelie,
wie früher) in privaten Besitz übergegangen.*) Vor allem aber ist die
Zwangspacht von kaiserlichen Ödländern an die proximi quique posses-
sores jetzt geradezu zu einem festen System entwickelt worden, das uns
in den juristischen Quellen als επιβολή (iunctio) entgegentritt.•) Nach
dieser Tradition hat man früher angenommen, daß dieses System auf eine
Verfügung des Aurelian oder in einer späteren Entwicklung auf eine
Bolchü des Konstantin zurückgehe (Cod. Just. XI 59, 1). Die Papyri haben
uns jetzt für Ägypten Vorläufer schon in der Ptolemäerzeit und eine
1) Vgl. Rosiowsew, Kolonat 8. 898.
2) Vgl. außer den oben sitierten Arbeiten anch Seeok, Panly-Wiitowa VI 80 ff.
Mitieif, Erbpacht 8. 64 f.
320 Kapitel VII. Die Bodenwirtschaft.
ziemlich starke Entwicklung bereits in den drei ersten Jahrhunderten n. Chr.
kennen gelehrt, so daß Rostowzew geneigt ist, die spätere allgemeine Aus-
bildung eben auf das Vorbild Ägyptens zurückzuführen.^) Der Aus-
druck έΛίβολη^) kommt zwar in den Papyri der früheren Zeit nicht
vor^) — übrigens bisher auch nicht in denen der späteren Periode — ,
aber wenn ich nicht irre, ist das Verbum έπιβάλλειν in Oxy. VI 899, 24
(361) in diesem technischen Sinne aufzufassen.^) In der byzantinischen
Periode scheint nun dieses Mittel in größtem Maßstabe angewendet
worden zu sein. Es wurde schon oben S. 310 f. darauf hingewiesen,
wie zahlreiche FäUe von Kombination von Privatland mit Domanialbesitz
sich nachweisen lassen. In diesem Zusammenhange wird mir meine Deu-
tung der Zensuseingabe von 298 (229) noch bestärkt, wonach das άνε-
KTTJöd^aL auf die Ιδίωηκ'ή und das εχειν καΐ %αρειληφέναι auf die /3oi(?t-
λικιίι zu beziehen war. Vor aUem studiere man aber das große Landbuch
von Herrn opolis (Flor. 71), um zu sehen, in welchem Umfange die i%L-
βολή durchgeführt worden ist. Während es hier durchweg δημοοία yfj
ist, die zugeschlagen worden ist, haben wir in CPR 19 und Cair. Preisigke
4 (379) Belege für den Besitz von kaiserlicher ονοίακη γη. Da diese
Urkunden nicht bloß wie die Liste nackte ziffernmäßige Angaben geben,
sondern motivierte Klagschriften sind, so bieten sie uns genauere Auf-
schlüsse über solche έ%ιβολαί. In dem Cairener Text vom J. 320 tritt
das erbpachtliche Verhältnis in den Worten άπο (ϊί^αίϊο;^'^^ τον Λατρος
έλ^ονύαν εΐξ έμε deutlich hervor, womit BGU 648 (360) und Oxy. VI
899 (361) aus der vorhergehenden Periode zu vergleichen sind. Im
übrigen scheint der Besitzer auf dies Stück Domanialland , in dessen
Melioration er und vielleicht auch schon der Vater viel Geld gesteckt
hat, viel Wert zu legen, denn er will seinen Besitz gegen eventuelle An-
sprüche anderer vor dem Praeses verteidigen. In diesem Falle läßt sich
wohl nicht mit Sicherheit ausmachen, ob es sich um freiwillige oder er-
zwungene Erbpacht handelt. Ich finde kein Argument, das die zweite
Annahme absolut notwendig machte. Anders ist die Situation in CPR 19,
dessen Beziehung zur έπυβολή von Rostowzew, Kolonat S. 198 f., aufge-
deckt worden ist. Hier handelt es sich um 42 ^ Aruren ονβιακης γηξ,
die zum guten Teil unfruchtbares Land sind, und die die Besitzerin ζΐψ
μητρία daher gern loswerden möchte. Sie sucht sie zu verkaufen an eine
1) Kolonat S. 393. '
2) So z. B. in Nov. Just. 128, 166 (τΐερϊ άπορων έτίΐβολης)^ 168 {ηερϊ έταβολών).
3) Geizer, Studien S. 7δ, vorsichtiger Zulueta S. 70, nehmen an, daß die in den
Pachtverträgen der früheren Zeit öfter begegnende επιβολή eben diese Zwangserbpacht
sei. Daß hiermit vielmehr Steuerzuschläge gemeint sind, zeigt u. a. Lips. 6, 11, wo
an der entsprechenden Stelle άννωνι-Λών επιβολών steht. Vgl. oben S. 188.
4) Ebenso wie in Cair. Cat. 67006, 3 aus dem VI. Jahrh. (vgl. Rostowzew, Kolonat
S. 201 Anm. 1).
C. Die byzantinische Zeit. § 5. Das Privatland. 321
gewisse Evg^ zusammen mit über 12 Aruren von ihrem Privatland, die
gleichfalls unfruchtbares Land darstellen. Unter den Einwendungen der
Käuferin, die von dem unvorteilhaften Geschäft wieder zurücktreten möchte,
findet sich nun auch der Hinweis auf άλλα υπάρχοντα der A^erkäuferin
(Z. 17). Rostowzew S. 199 hat hierzu schon bemerkt: „sie scheint also
die Sache so aufzufassen, daß die yij ονοιακή dem ganzen Besitze der
A^erkäuferin aufgebürdet worden ist", und findet hierin mit Recht einen
Beweis für den Charakter jener ονοιακή γη als επιβολή. Ich möchte dies
noch dahin präzisieren, daß die Käuferin offenbar Anstoß genommen hat
an dem Verhältnis von ca. 42 Aruren επιβολή zu ca. 12 Aruren Privat-
land. Prüft man das Landbuch von Hermopolis (Flor. 71), so sieht mau,
daß die επιβολής wie auch allgemein angenommen wird, nur einen kleinen
Prozentsatz des Privatlandes darstellt. Recht oft beträgt sie gerade 10 Pro-
zent, aber noch häufiger etwas weniger, manchmal auch mehr (z. B.
25 Prozent), aber niemals, soweit ich verfolgt habe, über 100 Prozent.^)
Hiemach stehen die ca. 42 Aruren ονΰίακή γη als επιβολή in der Tat in
einem ganz verkehrten Verhältnis zu den ca. 12 Aruren Privatland, und
man begreift den Hinweis auf άλλα υπάρχοντα^ die nämlich durch die
42 Aruren mitbelastet sind. Der ganze Fall wird uns aber jetzt noch
verständlicher, nachdem ich oben S. 316 gezeigt habe, daß die Verkäuferin
Demetria Besitzerin einer großen Gutsherrschaft (ovöia) war.^) Daß auch
diese επιβολή schon von den Eltern ererbt war, wie im Cairener Text,
dürfen wir der Einwendung der Käuferin πιπράοκονβάν μου τα των γο-
viow entnehmen (Ζ. IDj. Die Tatsache, daß hier eine Frau die επιβολή
hat, und zwar ohne irgendwie dagegen zu remonstrieren, erklärt Mitteis
daraus, daß diese Frau nicht kinderlos Λvar^), unter Hinweis auf BGU
II G48 (360). Unsere Texte sind in diesem Punkt nicht ganz ohne Wider-
spruch. In BGU 648 könnten die Worte επεϊ καΐ ατεκνόζ είμι και ούδ^
^μαυτήι άπαρκείν δνναμαι nur ihre materielle Notlage ausmalen. Wo sie
von ihrem Recht spricht, sagt sie ganz klar: εις -ijv γυνή ovo α ovx
οφείλω χα&ελχεο&αι. Andrerseits verlangt sie aber, daß die strittige
γεωργία auf die τεχνα ihrer Base abgewälzt werde. Dieses bisher nicht
hervorgehobene Moment spricht für Mitteis' Auffassung, wenigstens für
die damalige Zeit. In BGU UI 899 (361) sagt ApoUonarion zwar einmal
μή ενοχλεϊύ^αί με γυναίκα ονόαν ανανδρον καΐ άβοή&ητον (44), aber
nach den Edikten (Ζ. 25) ist befohlen γνναϊχας ταντιι rf) χρεία μή χαθΑ-
I Wenn in Flor. 71, 72 42 Arnren δημοαίας 88 Aruren Ιδιωχί*ής entsprechen,
HM ' «int mir Hich(*r, daß in der Lflcke vor Χη ein ρ %\i org&nten ist, alio 188.
I>aiiii i.iil>cn wir wi«Mler ca. 10 Prozent.
2) Damit modiHiieren tich die angefahrten Worte Rottowtewi, insofern diese
intßoXifi nicht „dorn ganzen Besits** der Demetria ingeschlaf^n war. Sie wird noch
sehr viel mehr imßoXr) f^ehnbt haben, übrigens sieht ja uuch nur £ΧΧα, nicht τά
irlla da. 3) Krbpachi S. 86.
MUt«l«*Wllok«ni ürundsOgo I 81
322 Kapitel VII. Die Bodenwirtschaft.
χεοϋ-αι, (vgl. 18, und 26 άνδράοι μόνοις und 28). Da diese Edikte und
Entscheidungen von Julius Alexander bis in die Zeit des Pius reichen,
so möchte ich die Vermutung aufstellen, daß bis dahin die Frauen über-
haupt von der εταβολή frei waren, während in der severischen Zeit dies
Vorrecht auf die kinderlosen Frauen beschränkt war. Möglich ist, wenn
auch nicht direkt bezeugt, daß dann im IV. Jahrb., wie Rostowzew
S. 198 annimmt, auch dieses Vorrecht geschwunden war. — Zum
Schluß noch eine Bemerkung über den Rechtsstreit von CPR 19. Zu
meiner Überraschung fand ich in Flor. 71, 143/4 eine Notiz, die sich
wahrscheinlich auf dasselbe Privatland wie das in CPR 19 bezieht: ^η-
μητρία — Öl' Evrog ύ\ πάγου ίό(ίωτικης) (άρονρας) iß 6η. Danach hat
eine ^ημψρία im 8. Pagus 12^ γ Aruren Privatland, die sie an eine
Evg verpachtet hat. Sollten das nicht die Frauen des Wiener Papyrus
sein? Leider steht die Zeit des Flor. 71 nicht genau fest, Vitelli hat ihn
etwa in die Mitte des IV. Jahrh. gesetzt. Ist er, wie wahrscheinlich,
jünger als CPR 19, so wäre etwa zu schließen, daß aus jenem Kauf
nichts geworden ist, Demetria mit ihrer ονοίακη γη sitzen geblieben ist
und jenes Privatland — die 12^ γ dürften dieselben Landstücke sein wie
in CPR die 12^ ^^ ^ — schließlich an Evg verpachtet hat. Ist der Flor, 71
älter, so wäre Evg vorher Pächterin des Landes gewesen, über deren Kauf
sie dann verhandelt hätte. Aber die erstere Annahme ist auch wohl paläo-
graphisch wahrscheinlicher. Für den Flor. 71 ergibt sich dann aber, da
hier nur 2 kleine Parzellen der Demetria aufgeführt werden, daß er nur
einen Auszug des vollständigen Grundbesitzverzeichnisses von Hermopolis
darstellt.
Während sich so das Anwachsen des Privatbesitzes auf Kosten der
Domäne, im besonderen durch das Mittel der επιβολή durch die Papyri
illustrieren läßt, haben sie uns bisher über die Erweiterung der Lati-
fundien auf Kosten des kleinen ländlichen Grundbesitzes — soweit ich
sehe — kein Material gebracht. Ich weise daher nur kurz auf diesen
Punkt hin, wiewohl er für die agrarische Entwicklung von großer Be-
deutung gewesen ist. Ich beschränke mich auf die Hervorhebung eines
wichtigen Ereignisses, das u. a. in der angegebenen Richtung gewirkt hat,
das ist die Patrociniumsbewegung, über die kürzlich gleichzeitig und
unabhängig voneinander Geizer (Stud. 72 ff.) und Zulueta (de pat. vic.) ein-
gehend gehandelt haben. Im Anschluß an Cod. Theod. XI 24 (vgl. Cod.
Just. XI 54) haben sie gezeigt, daß die wirtschaftliche Notlage der ägyp-
tischen possessores im IV. Jahrh. diese vielfach dazu getrieben hat, aus
Furcht vor den Steuererhebern sich freiwillig als Klienten einem Mäch-
tigen als ihrem patronus in die Arme zu werfen. Die Kaiser haben, wie
die im Cod. Theod. erhaltenen Gesetze zeigen, von 360 an mit immer ge-
steigerten Strafen gegen diese Untergrabung der staatlichen Ordnung an-
C. Die byzantinische Zeit. § 5. Das Privatland. 323
gekämpft^ haben aber schließlich im J. 415 vor jenen Mächtigen kapitu-
liert, indem sie zwar den Patronat aufhoben (freilich ohne dauernde
Wirkung), die in Schutz genommenen Ländereien aber nunmehr den
früheren Patronen als possessiones überwiesen und ihnen zugleich ihre
früheren Klienten als hörige Kolonen unterstellten.*) Das ist also ein
Akt, der auf die Eutwicklung der Latifundien grundlegend eingewirkt
haben muß. Die Papyri tragen wohl in ihrer Gesamtheit zum besseren
Verständnis dieses historisch ungeheuer interessanten Vorganges bei, aber
sie bringen keine entscheidenden Aufklärungen. So hat schon Geizer
S. 82 f. auf einige Texte hingewiesen, die zeigen, wie im IV. Jahrb. das
Faustrecht der Reichen die Kleinen bedrückte und auch gelegentlich von
Haus und Hof jagte, ohne daß diese bei der Regierung genügenden Schutz
fanden^) — Vorgänge, durch die der Gedanke nahegelegt werden konnte,
sich einen starken Patronus zu wählen. Es hängt ferner gewiß mit der
Bedeutung des Patrociniums in jenen Zeiten zusammen, daß das Wort
πάτρων in den Briefen an hochstehende Männer in den Papyri aus der Mitte
des IV. Jahrb. recht oft begegnet. Die meisten Fälle bietet die Korrespon-
denz des Abinnäus, des praefectus castrorum von Dionysias, der oft so titu-
liert wird. Vgl. den Index zu Lond. II, ferner Gen. 53, 54, 56. Außerdem
vgl. Lond. III S. 242, Lips. 110, 17. Aber wie auch schon Geizer S. 82 be-
tonte, der nur auf Lond. II hinwies, sieht es nur wie eine ehrende Titulatur
wie δεοπότης oder κύριος aus. Das in jenen juristischen Quellen ge-
zeichnete Rechtsverhältnis dürfte hier kaum vorliegen. Immerhin wäre es
in einigen FäUen vielleicht nicht ausgeschlossen, wie in Gen. 53, wo sich
der Briefschreiber als öbg ÖovXog und ϋ^ρεπτός bezeichnet, womit wohl
der Klient gemeint sein könnte.*) Wie dem auch sei, jedenfalls spiegelt
sich in diesem damals aufkommenden Sprachgebrauch jene Patrociniums-
bewegung wider.
Ein anderes möchte ich zu Geizers Ausführungen hinzufügen. Als
Patrone, bei denen man Schutz suchte, nennen die Rechtsbücher einerseits
die christlichen Kirchen, andrerseits die Mächtigen dieser Welt, bis zu
den duces hinauf. Es sind das mutatis mutandis dieselben Instanzen, die
auch schon in der Ptolemäerzeit den sich bedrückt Fühlenden ZuHucht
gewährt haben, und gegen deren Beechützung auch damals sich die Re-
giening gewendet hatte. So zwang sie die königlichen Domanialpiichtery
wie wir oben S. 275 sahen, wenn sie die Aussaat vom Staat haben wollten,
sich in einem schriftlichen Eid zu verpflichten, daß sie sich fernhalten
würden „von Tempeln, Altären, Hainen und jeglicher Protektion" {οχ^πης
TfiUii.A. Dsis i'iifsi»ric'ht dcni Patronat dt r gleichfaUfl wieder mit Asyl-
S) Amh. 142 (ntch 841), Qoodip. \h a :;• J
8) ηάχ^ωνι la« ich aaf dem Veno.
tl•
324 Kapitel VII. Die Bodenwirtschaft.
recht ausgestatteten christlichen Kirchen und dem Patronat der Mächtigen
im IV. Jahrhundert. Gewiß ist die Situation im einzelnen jetzt eine an-
dere, aber der Grundzug beider Erscheinungen ist doch derselbe. Hier
wie dort ist es die Kirche und die Mächtigen, die — nicht ohne eigenen
Vorteil — in bewußter Durchbrechung der staatlichen Ordnung den
Yon der Regierung Bedrückten Zuflucht gewähren. Bei dem Mangel an
Nachrichten aus dem I. Jahrh. v. Chr. wissen wir nicht, wie sich diese
Dinge über die durch die Tebtynistexte erhellte Periode hinaus in der
Ptolemäerzeit entwickelt haben. Die römische Regierung hat fest zuge-
griffen, indem sie das Asylrecht der Tempel beschränkte. In der byzan-
tinischen Zeit aber erhält die christliche Kirche das Asylrecht, und neben
ihr entwickeln sich in den großen Grundbesitzern und den hohen Beamten
Elemente, die wieder bereit sind, den Kampf mit dem jetzt in weiter
Ferne residierenden Kaiser aufzunehmen.
So haben wir das Entstehen und Wachsen größerer Latifundien einer-
seits aus der Domäne, andrerseits aus ländlichem Kleinbesitz heraus ver-
folgen können. Eine Folgeerscheinung hiervon ist die gesetzliche Bin-
dung des Kolonen an seine Scholle. Die Regierung hatte jene
Zuweisungen aus der Domäne vorgenommen, weil sie selbst sich außer-
stande sah, die Bewirtschaftung mit Erfolg durchzuführen. Wenn sie sie
den großen Grundbesitzern übertrug, mußte sie alles tun, um Störungen
ihres Betriebes durch Arbeitermangel nach Möglichkeit auszuschließen.
Die größte Gefahr für die Kontinuität der Arbeit lag nun in der Land-
flucht der Pächter. Es ist dies, wie wir sahen, keine neue Erscheinung
des IV. Jahrh. Schon aus der Ptolemäerzeit sind uns Fälle bekannt, in
denen nicht nur in Zeiten der Revolution, sondern mitten im äußeren
Frieden die Bauern eines Dorfes in Nachbardörfer oder Tempel flohen,
um den staatlichen Forderungen zu entgehen. Vgl. Teb, 26 (330), 41
und oben S. 276. In den Texten der Kaiserzeit tritt uns das traurige
Phänomen der άναχώργι6ΐζ noch viel deutlicher entgegen.^) Hier ist die
Flucht aus der Heimat (idCa) y in der man Steuern und Liturgien zu
tragen hatte, der letzte Trost der ausgesogenen Massen geworden. Wenn
man in den Bittschriften an die Behörden zum Schluß darum bat, das
Verbleiben in der Heimat zu ermöglichen, so lag darin ein Hinweis auf
die eventuelle άναχώρηύις.^) Aus dem IL Jahrh. berichtet uns — wenn
ich wieder von Zeiten der Unruhen wie in BGU II 372 (19) absehe^) — ,
1) Vgl. Wilcken, Ein dunkles Blatt aus der inneren Geschichte Ägyptens (Fest-
schrift f. 0. Hirschfeld S. 129 f.).
2) Vgl. Rostowzew, Kolonat S. 205, der auf Flor. 91, 17 ff., Fay. 296, Lond. III
S. 134, 18 f. hinweist.
3) Ich stelle auch für sich, daß während der großen Pest unter Marcus die
Leute in Massen aus ihren Dörfern flohen. Vgl. BGU III 902 und 903 und dazu
meine Ausführungen in der Festschr. f. Hirschfeld 1. c. (s. Anm. 1).
C. Die byzantinische Zeit. § 5. Das Privatland. 325
BGU II 475 von der Verödung von Ländereien, weil die Pächter z. T.
geflohen waren (a. 198/9). In den Anfang des IIL Jahrh. fiel die Flucht
der δημόόίΟί γεωργοί von Soknopaiu Nesos, über die uns Gen. 16 (354)
berichtet. Zu BGU I 159 (408) (a. 216) vgl. Kap. VIII. Wir dürfen an-
nehmen, daß diese Zustände im Laufe des IV. Jahrh. unter dem Druck
der neuen Steuerordnung sich nur noch verschlimmert haben, wenn auch
die Papyri noch nicht viele Belege gebracht haben. Auf Flor. 36 (a. 312)
hat schon Rostowzew (Kolonat S. 206) hingewiesen, wonach das Dorf
Theadelphia damals πανέρημος war, und mit der Flucht des Sitologen
gerechnet wird.^) Noch drastischer ist BGU III 909 (382) vom J. 359,
der bisher mißverstanden worden ist. Nach meiner Deutunor hat im Jahre
vorher die ganze Dorfbevölkerung von Philadelphia — mit geringen Aus-
nahmen — die Flucht ergriffen (vgl. meinen Kommentar). Unter diesen
traurigen Verhältnissen mußte es für die Regierung, die die Grundbesitzer
leistungsfähig machen woUte, die Hauptsache sein, eben diese Landflucht
zu unterbinden. Sie versuchte es, nicht etwa, indem sie — was aUein
hätte helfen können — die inneren Voraussetzungen für jene Erscheinung,
die Aussaugung der Bevölkerung beseitigte, sondern indem sie mit Polizei-
vorschriften die Bindung des Bauern an seine SchoUe anbefahl. Bekannt-
lich hat dieser Prozeß sich im ganzen Reich vollzogen, wenn auch in
den verschiedeneu Provinzen in sehr verschiedenem Tempo ^), und so ist,
indem die Regierung andrerseits ebenso aus fiskalischen Gründen die Ge-
werbetreibenden zwangsweise in Zünften zusammenschloß, dieser entsetz-
liche byzantinische Polizeistaat entstanden, in dem für bürgerliche Frei-
heit kein Platz war. In Ägypten brauchte die Regierung, um die Ko-
lonen zu binden, nur an das Prinzip der Ιδία anzuknüpfen, das, wie wir
sahen , schon seit der Ptolemäerzeit — oder vielmehr seit der alten
Pharaonenzeit — bestand. Sie brauchte nur gesetzlich definitiv zu fixieren^
was früher schon auf administrativem Wege, wie wir sahen, von Zeit zu
Zeit eingeschärft worden war, eben die Bindung an die Ιδία. Diese ge-
setzliche Regelung ist in Ägypten zugleich mit der Ordnung der Patro-
ciniunisfrage im J. 415 erfolgt'), und insofern spielt auch diese in der
Geschichte dee ägyptischen Kolonats eine große RoUe, wenn sie auch
nicht selbst das letzte Motiv gewesen ist. Damit wurden die Pächter ihrem
früheren Patronue als ihrem Grundherrn als an die Scholle gebundene
Hörige überwiesen, wofür dieser nun dem Staat gegenüber die Haftung
für die Steuern und Liturgien seiner ('oloni übernahm.^) So arbeiteten
nun auf den großen Gfit«>rfi der Grundherren {γίοϋχοι) diese adecripticii
1) Von P&ci.i.ii.wi. .lu.i... .. <.i'K iU (42) Tom Juhro 3li.
2) Vgl. HoitowKew, Kolonat S. 890. 8e<>ck, ColonUui bei Panly-Wii•.
8) Vgl. biena Qelzer 1. o.
4) über die BachtMteUoog der Ooloneo vgl. Seeck und Qelier 11. oo.
326 Kapitel VII. Die Bodenwirtschaft.
(εναπόγραφοίΥ) , während andrerseits in den von den Grundherrschaften
freien Dörfern — den metrocomiae oder vici publici des Gesetzes — selb-
ständige Bauern auch weiterhin saßen.
Bei dem Mangel an Papyri aus dem V. Jahrh. können wir leider
die nächsten Wirkungen dieses Umschwunges nicht verfolgen. Im VI. Jahr-
hundert aber treten uns diese έναπόγραφοι namentlich auf den Gütern
der Apionen von Oxyrhynchos vor Augen. Am anschaulichsten ist Oxy. I
135 (384) vom J. 579, eine Bürgschafts Urkunde für einen ενατΐόγραφος^
in der die Gebundenheit eines solchen Hörigen vortrejßflich zum Ausdruck
kommt. Eine Parallele ist Oxy. VI 996 (in description mitgeteilt). Von
Hörigen handeln ferner Oxy. I 130, 136 (383), 137, Lond. III S. 279—281).
ZUM LANDWIRTSCHAFTLICHEN BETRIEB.
Nachdem im Vorstehenden vorwiegend das Verhältnis des Staates zur
Bodenwirtschaft und die rechtlichen Formen dieser Wirtschaft behandelt
sind, während der eigentliche Betrieb nur gelegentlich gestreift wurde,
soll zum Schluß wenigstens mit einigen Worten darauf hingewiesen werden,
daß die Papyri ein unendlich reiches Material gerade zur Erforschung
dieses landwirtschaftlichen Betriebes in Ägypten bieten. Ich möchte um
so mehr darauf hinweisen, als in den Editionen und auch in manchen
Untersuchungen^) zwar Einzelfragen dieses Problems schon behandelt sind,
eine gründliche Verarbeitung des gesamten Materials aber noch aussteht.
Es würde gute Resultate ergeben, wenn ein Papyrusforscher sich mit einem
akademischen und doch praktischen Land Wirtschaftler zu diesem Zweck zu-
sammentäte. Bei der großen Bedeutung der Landwirtschaft für das ägyptische
Leben sind die auf dieses Thema bezüglichen Angaben fast durch die ge-
samten Publikationen zerstreut. Einzelne Gruppen von Urkunden lassen
sich aber doch herausheben, die ganz besonders ergiebig sind. Ich nenne an
erster SteUe die Bodenpachtverträge, die oft die detailliertesten Angaben
über den vom Pächter auszuübenden Betrieb enthalten (vgl. Waszynski
und GentiUi 11. cc). Noch ergiebiger sind die Wirtschaftsbücher, die uns
von einigen Gutsverwaltungen erhalten sind. Hier können wir in einem
Falle durch Monate hindurch Tag für Tag verfolgen, welche Arbeiten
ausgeführt wurden.^) Ferner bieten ein reiches Detail gewisse Korrespon-
1) Adscripticius erklärt Seeck, Pauly-Wiss. IV 498 mit censibus, nicht glebae
adscriptus.
2) Außer den Darstellungen von Varges, Lumbroso, Robiou, Bouche-Leclercq (III)
nenne ich z.B.Waszjxiski, Die Bodenpacht ; Gentilli, Studi italiani di filologia classica XIII ;
Wessely, Karanis; Rostowzew, Pauly-Wissowa VII s. v. frumentum. Speziellere Arbeiten
werden oben genannt.
3) Vgl. Lond. I S. 166 flF., das große Wirtschaftsbuch aus dem Hermopolites, auf
dessen Rückseite Aristoteles' Ά9•ηναίων τίολιτεία steht. Vgl. auch Lips. 97.
Zum landwirtschaftlichen Betrieb. 327
denzen^ deren Gegenstand wieder die Gutsverwaltung bildet. Icli denke
namentlich an die Korrespondenz des Heroniuos, die uns Comparetti jetzt
sammelt (Flor. 11), auch die des Bellienus (in Fay. 110 ff.) u.a. Wie weit
zerstreut das Material ist, wird auch der Benutzer unserer Chrestomathie
erfahren, die in beiden Bänden viel Wertvolles zu diesem Thema enthält.
Wer auf diesem Gebiet arbeiten will, soll rückwärts und vorwärts schauen,
in die alte Pharaonenzeit wie in die Gegenwart, denn die physischen Be-
dingungen für den landwirtschaftlichen Betrieb sind durch alle diese Jahr-
tausende dieselben geblieben, und gerade auf diesem Gebiet haben sich
die Formen und die Mittel der menschlichen Arbeit mit einer erstaun-
lichen Zähigkeit z. T. unverändert erhalten. Man soU also die altägyp-
tischen Nachrichten und vor aUem die schönen Darstellungen landwirt-
schaftlichen Lebens aus den alten Gräbern ebenso zur Erkläruugr heran-
ziehen, wie andrerseits den Betrieb der heutigen Fellachen.
Zunächst gilt es, die Fruchtsorten festzustellen, die damals kultiviert
wurden und auch das Verhältnis, in dem sie quantitativ zueinander standen.
Die hervorragende Bedeutung des Weizenbaues tritt z. B. durch P. Petrie
III n. 75 (S. 205) aus Euergetes' I Zeit hervor, wonach damals im Faijöm
134315^ Aruren mit Weizen und nur 26260 Aruren mit Gerste besät
waren. ^) Es gilt weiter, die schwierige Frage des Fruchtwechsels aufzu-
klären. Hierfür ist von Bedeutung, das Verhältnis des Saatlandes zur
Brache festzustellen, die nach unsern Texten meist als mit Futterkräutern
bestellt erscheint.*) Die Papyri haben weiter schon interessante Auf-
schlüsse über die Frage der Düngung wie der Bewässerung der Acker
gebracht. Bezüglich der Düngung ergab sich aus dem oben genannten
Wirtschaftsbuch aus dem Hermopolites (1. Jahrh. n. Chr.), daß schon da-
mals (wahrscheinlich auch schon früher) ebenso wie heute aus den Schutt-
hügeln verfallener Ansiedlungen die Ssebbacherde losgehackt, durchgesiebt
und als Dung (κόπρος) auf dem Rücken der Esel auf die Äcker gebracht
wurde.'*) Die Erwähnung der Taubenhäuser (περιοτερώνεζ)*) spricht da-
für, daß außerdem schon damals wie heute der Taubenmist als Dung ver-
wertet wurde. Bezüglich der Bewässerung aber haben wir in den Papyri
abgisehen von der Kanalisierung (Kap. VlII) dieselben Arten künstlicher
Ηί• Wässerung wiedergefunden, die dem lieisenden noch heute in Ägypten
auffallen. So begegnet uns die Sakje, deren knarrende Eäder von einem
1 VV.it.r»• Il.lr^r•• »Mi RoitowMW, Panly-Wieeow• VII 185.
L' Vgl. meine AueiüUriiogen im Arob. I 167 ff., wo ich άνάηανμη als Brache
erklärt«•.
'Λ) Vgl. meine Dftrlegangen im Arch. II 808 ff.
4) Vgl. meine Griecb. Oitimk» I 879. Dafi auch damal• schon wie heute die
Tauben in den Krügen nifieten, ana denen dio Taubenhäuser lOMmmengobaut waren,
hat inzwiHchen Teb. 84, I 9 gexeigt
328 Kapitel VII. Die Bodenwirtschaft.
Ochsen in Bewegung gesetzt, werden^), ebenso wie die κοχλίας genannte
Archimedische Schraube^), die auch heute noch im Delta weiterlebt. Beim
άντλεΐν aber werden wir an die Schädufs (Zieheimer) zu denken haben.
Wie der Körnerbau von den Vorarbeiten zur Saat^) bis zur Ernte
erforscht werden kann, so liegt ebenso auch für den Anbau der Ölfrüchte,
der Hülsenfrüchte, des Gemüses, namentlich aber für den Weinbau ein
reiches Material vor. Ebenso sind die Baumpflanzungen, im besondern
die Dattelpalme*) zu behandeln. Auch für die Gartenkultur mehrt sich
unser Material.^) Andrerseits ist Weidewirtschaft und Viehzucht zu be-
handeln.
Es würde nicht nur für die Erkenntnis des bodenwirtschaftlichen
Betriebes, sondern auch für die Interpretation mancher Urkunde von
großem Nutzen sein, wenn die einzelnen Betriebsoperationen mit ihren
urkundlich überlieferten Monats- oder Tagesdaten zu einer chronologischen
Jahrestabelle geordnet würden, denn damit würde uns eventuell manche
Urkunde, in der auf diese Operationen ohne Datum hingewiesen wird,
verständlicher werden. Nur müßte in jedem Einzelfall berücksichtigt
werden, aus welchem Landesteil das Zeugnis stammt. Denn da in Ober-
ägypten die Überschwemmung bekanntlich um mehrere Wochen früher
beginnt als im Delta, fallen auch die landwirtschaftlichen Arbeiten in
Ober-, Mittel- und Unterägypten in verschiedene Zeiten. Hätten wir
also drei solche agrarischen Jahrestabellen für diese drei Landesteile, so
könnten wir künftig vielleicht bei Urkunden, deren Herkunft unbekannt
ist, wenn sie landwirtschaftliche Fragen berühren, bestimmen, ob sie aus
Ober-, Mittel- oder Unterägypten stammen, und auch manche anderen
Konsequenzen würden sich ergeben.
1) Vgl. Arcli. I 131, III 116, IV 201, 554. Die einzelnen Bestandteile einer Sakje
werden in Lond. III S. 185 aufgezählt.
2) Vgl. Varges, de stat. Aeg. S. 71. Jetzt genannt in Lond. III S. 183, 186, 187
(vgl. Arch. IV 554).
3) Vgl. auch H. Schäfer, Altägyptische Pflüge, Joche und andere landwirtschaft-
liche Geräte (Annual of the Brit. School of Athens X 1903/4 S. 127 ff.)•
4) Vgl. meine Griech. Ostraka I 310 ff. Von verschiedenen Bäumen handelt
z. B. Teb. Π 343 IV (vgl. Arch. V 239), auch Lond. III S. 186.
5) Vgl. die interessanten Pachturkunden über alexandrinische Gärten in BGU
IV 1118 ff. Besonders hervorgehoben sei, daß uns in BGU 1120, 7 auch χη-ποτάφια
begegnen, wozu ich auf Th. Schreiber, Die Nekropole von Köm-esch-Schukäfa S. 217
verweise. Vgl. auch Marie Gothein, Der Griechische Garten (Mitt. Athen. Inst. 34,
1909, S. 135).
KAPITEL νΠΙ.
FRONAEBEITEN UND LITURGIEN.
Lit.: Eine systematische Bearbeitung dieser Fragen wird von Friedrich Oertel
vorbereitet.
Die Steuern, über die im V. Kapitel gehandelt worden ist, stellen
nur einen Teil, und vielleicht noch nicht einmal den drückendsten Teil
der Leistungen dar, zu denen der Untertan dem Staat gegenüber ver-
pflichtet war. Es gab daneben noch sehr bedeutende und in das Privat,
leben tief eingreifende Leistungen, die sein Vermögen oder auch seine
Person oder beide zugleich belasteten, die z. T. in der allgemeinen Ge-
bundenheit des Untertanen gegenüber dem absoluten Herrscher ihre Be-
gründung hatten. Manche von ihnen sind sicher aus der Pharaonenzeit in
die griechische Periode hinübergegaogen, anderes, worin wir Umwandlungen
griechischer Einrichtungen erkennen, hat sich erst jetzt entwickelt. Ein-
zelnes davon ist uns schon im V. Kapitel entgegengetreten anläßlich der
Erwähnung der Zwangspachten auf dem Gebiet der Steuererhebung,
anderes im VL Kapitel, wo von der Gebundenheit der Monopolarbeiter
gesprochen wurde, wieder and(?res im VIT. Kapitel, in dem vom Zwang
zur Bebauung der königlichen Domäne in verschiedenen Formen von
Zwangserbpacht u. dgl., im besonderen auch der späteren επιβολή zu han-
deln war. Eine andere schon im Steuerkapitel berührte Bürde, die seit
den ältesten Zeiten in Ägypten (wie überhaupt im Orient) nachweisbar
ist, ist die Verpflichtung zur Verpflegung des reisenden Hofes und der
Beamten sowie die Verpflegung der Truppen. Hierüber >vird im IX. Kapitel
zu handeln sein, und im X. Kapitel werden die Verpflichtungen zu Spann-
dieuHten und verwandten Leistungen (angariae) eine Hauptrolle spielen.
Auch die Verpflichtung zum Heeresdienst (Kap. XI) kann z. T. anter diesem
(iesichtspunkt betrachtet werden. Wenn wir von alledem absehen, so
bleiben immer noch eine ganze lieihe von Lasten übrig, die etwa unter
den Namen Fronden uud Liturgien subsumiert worden können. Von ihnen
Holl hier die Rede sein. Ich befchr&nke mich dabei zur Einführung in
die Urkunden auf eine kurze Darlegung und sehe von einer syitemati-
schen Behandlung ah, da eine lolchc, wie oben bemerkt wurde, von
330 Kapitel VIII. Fronarbeiten und Liturgien.
meinem Schüler Friedrich Oertel baldigst zu erwarten ist. Einzelne seiner
Ergebnisse habe ich schon im folgenden benutzen können. Zur Termino-
logie bemerke ich, daß ich hier das Wort Liturgie, mit dem (namentlich
in den ptolemäischen Texten) die verschiedenartigsten persönlichen Dienste
im öffentlichen Interesse, auch manche der oben erwähnten wie z. B. der
Dienst im Heere u. a., bezeichnet werden, speziell in dem prägnanten
Sinne der Amtsliturgie fasse, in dem es uns in der Kaiserzeit besonders
häufig entgegentritt. So gefaßt bildet das Wort einen klaren Gegensatz
zu denjenigen körperlichen Zwangsleistungen, die wir als Fronden zu be-
zeichnen pflegen.
§ 1. DIE FRONDEN.
So lange es einen ägyptischen Staat gibt^), hat die Regierung es
stets für selbstverständlich gehalten, daß das Volk für die durch die Nil-
überschwemmung alljährlich notwendig gemachten Damm- und Kanal-
arbeiten Frondienste leistet. So können wir denn auch von der frühen
Ptolemäerzeit an die Damm- und Kanal-Fronden in unseren Papyri
nachweisen.^) Ein instruktives Beispiel für reine Fronarbeit bietet, wie ich
schon in den Ostraka I 337 f hervorhob^), Par. 66 (385) aus dem III. Jahrh.
V. Chr., eine Abrechnung über die geleisteten und noch zu leistenden έργα an
den Regierungsdämmen usw. im Περί Θήβας τόποζ. Hier ist kein Zweifel,
daß es sich um die normalen durch die Überschwemmung verursachten
Arbeiten handelt. Sie fallen in die Zeit vom Payni bis Mesore, d. h. damals
etwa August — Oktober. Die fronpflichtigen ύώματα des Topos haben im
Jahr je 30 Naubien abzuarbeiten*). Ein Naubion ist ein Raummaß, das da-
mals 2 königliche Ellen im Kubik umfaßte.^) Besonders lehrreich ist,
daß diese Liste uns auch diejenigen unter diesen οώματα aufführt, die aus
1) Die außerordentlich frühe Bildung des ägyptischen Einheitsstaates ist wahr-
scheinlich eben durch die Notwendigkeit der einheitlichen Regelung der Überschwem-
mung gefördert worden. Zu den ältesten Tatsachen, die die ägyptische Chronik
(Stein von Palermo) verzeichnet, gehören die jährlichen Nilhöhen. Sie liegen schon
aus der Zeit vor der Einigung durch Menis vor. Ygl. H. Schäfer, Ein Bruchstück
altägyptischer Annalen (Abh. Pr. Akad. 1902).
2) Vgl. Lumbroso, Recherches S. 281 ff.; Wilcken, Griech. Ostraka I 333 ff. (auch
180 f. und 259 ff.); Wessely, Karanis S. 7ff.; Houche-Leclercq III 311 ff.; K. Fitzler,
Steinbrüche und Bergwerke S. 73 ff. Eingehend wird Friedr. Oertel darüber handeln.
3) Irrig war nur die Deutung der λειτουργία in Z. 13. Vgl. hierzu jetzt meine
neue Ergänzung.
4) Dem Einzelnen wurde seine άπεργαβία quittiert. Wir haben solche Quit-
tungen auf Ostraka. Ygl. Griech. Ostraka I S. 261.
5) Als Raummaß zur Berechnung von Erdarbeiten deutete ich es in Ostraka
I 262. Die genauere Berechnung auf 2 königliche Ellen Kubik gaben Jouguet-Lesquier
zu Lille 1. Damit ist zugleich erwiesen, daß, wie ich l. c. angenommen hatte, das
Naubion an Größe identisch ist mit dem Aoilion, das Smyly, Petr. III S. 339 ff., gleich-
falls auf 2 königliche Ellen Kubik berechnet hat. Über die Vergrößerung des Nau-
bionmaßes in römischer Zeit s. unten S. 334.
§ 1. Die Fronden. 331
irgendwelchen Gründen damals an dieser Arbeit teilzunehmen verhindert
waren. Als Arbeiter werden in Z. 71 für die noch restierende Arbeit be-
sonders hervorgehoben die γεωργοί. Man wird dabei an die privaten
Pächter ebenso gut denken können wie an die Domanialpächter. Ver-
pflichtet waren auch sie zu je 30 Naubien Fronarbeit. Hiermit ist nicht
zu verwechseln die Verpflichtung^ die die Pächter gegenüber ihrem Ver-
pächter in den Verträgen eingehen, für die auf der ParzeDe nötigen Damm-
arbeiten zu sorgen — vgl. Teb. 105, 26 (a. 103): κεχωματιόμ,ενην und
106, 21 (a. 101): τους xad^if\xovTag χωματιομονς — , schon weil die für
die Parzelle nötigen χωαατιομοί sich unmöglich immer mit den 30 Nau-
bien decken können. Die auf Privatland an ΙΟιωτιχά χώματα (s. unten)
ausgeführten Arbeiten waren natürlich nicht Fronarbeit, standen aber
gleichfalls unter staatlicher Kontrolle, was durch das allgemeine Interesse
an der Instandhaltung auch dieser Dämme sachlich begründet war.
Daß die persönliche Arbeit dieses munus sordidum der Dammfronde
nur dem unterworfenen Volke der Ägypter oblag, daß die Makedonier
und Griechen und überhaupt die privilegierten Klassen hiervon frei waren,
versteht sich von selbst. Der Parisinus weist ausdrücklich darauf hin,
indem er von einer der Personen, die nicht mitarbeiteten, sagt: iv xolg
"Ε?.λη6ίν. Trotzdem hat die Regierung auf die finanzielle Mitwirkung
iieser privilegierten Klassen nicht verzichten woUen: sie hat ihnen zum
Ersatz eine besondere Steuer, die Naubion -Abgabe, auferlegt. Es ist zu
vermuten, daß diese Steuer auch damals, wie sicher in der Kaiserzeit (s.
unten), pro Arure berechnet war. Vgl. meine Griech. Ostraka I 259 Ö*.
Für die Kaiserzeit ist der Ausdruck νπερ νανβίον κατοίκων und εναφε-
η'ων bezeugt (s. unten). Für die Ptolemäerzeit vgl. z. B. Teb. I 76, wo
ein Kleruch (hier ein μάχιμος) die vavßiov-Ahgahe schuldet. Andrerseits
finden wir in zahlreichen Petr. Papyri des III. Jahrh. ein χωματικόν als
Abgabe der griechischen Kleruchen, das Smyly auf durchschnittlich 1 Obol
f lir 1 Arure berechnet hat (Petr. III S. 273). Diese Abgabe lastet also
' r auf dem Grundbesitz (hier dem κλήρος). Nach Hib. 112 (a. 260)
• II aber auch ägyptische Grundbesitzer (neben dem έΛαρονριον) ein
χωμίζτιχόν. Vgl. auch Griech. Ostraka II n. 1021 (III. Jahrh.) aus Theben,
wo der Zahler gleichfalls ein Ägypter ist. Über das Verhältnis dieses
χωματίκόν zu der Naubion-Steuer fehlt es noch an eutschoidendoü Vm,•],.
richten
Während uns im Par. 66 die normale Betätigung der Fronpfiicht
/ir Zeit der Überschwemmung entgegentritt, wird die Regierung aui* i
ι••πι «luH Volk auch dann zur Fronarbeit herangezogen luibrn, wenn pKi
lieh etwa durch einen Dammbrnch oder ähnliche Unglücksfälle das um-
iif.:<'nd(' r^and in Gefahr kam. In solchen Fällen trat vielleicht noch
,i.. itijiiu.r Imtvot, düß dio Interessen des ν-Ή•«»^ ntni ,|er Regierung Hand
332 Kapitel VIII. Fronarbeiten und Liturgien.
in Hand gingen, und auch in diesen Fällen wird ebensowenig wie bei
jenen 30 Naubien ein Werklobn gezahlt sein. Ein solcher Fall liegt,
wenn ich nicht irre, in dem leider sehr fragmentarischen Papyrus BGU
1003 (386) vor. Hier ist deutlich gesagt, daß Privatbesitzungen (κτή-
ματα) in Gefahr kommen, und dennoch überläßt die Regierung die Hilfe
nicht etwa den Interessenten, sondern organisiert von staatswegen eine
Hilfsexpedition.
Anders war die Situation, sobald es sich um Meliorationsarbeiten
handelte, die der Domäne neues Fruchtland zuführen sollten.^) Es ist
schon oben darauf hingewiesen worden, wieviel nach dieser Richtung
von den Ptolemäern geleistet worden ist, wie namentlich die ersten
Könige dieser Dynastie durch zielbewußte Meliorationsarbeiten im Faijüm
viel Neuland der Wüste abgerungen haben und zahlreiche neue Dörfer,
namentlich an den Rändern der sich dehnenden Oase haben entstehen
lassen. Vergleicht man die Ortsnamen des Faijüm^) mit denen anderer
uns genauer bekannter Gaue, wie des Oxyrhynchites, so tritt uns die be-
sonders starke Intensität der griechischen Kolonisation im Faijüm, die
jene Melioration zur Voraussetzung hatte, auf das deutlichste entgegen.^)
Einen Einblick in diese großartigen Meliorationsarbeiten des III. Jahrh.
V. Chr. gewähren uns namentlich die Petrie Papyri. An der Spitze dieser
wie überhaupt der öffentlichen Arbeiten des Gaues stand damals ein Chef-
ingenieur, ein staatlicher αρχιτέκτων, der gelegentlich als der αρχιτέκτων
των έν των νομών έργων bezeichnet wird. Vgl. Petr. II 15 (2). Wahr-
scheinlich ist dieses Amt später eingegangen, als die Meliorationsarbeiten
aufhörten. Zwei von diesen Beamten sind uns durch die Petrie Papyri
näher bekannt geworden, Kleon und Theodoros.*) Bei diesen Melio-
rationsarbeiten tritt uns nun begreiflicherweise ein ganz anderer Modus
entgegen als bei den normalen Damm- und Kanalarbeiten: hier wird die
Arbeit von der Regierung an Unternehmer (εργολάβοι) vergeben, die den
1) An sich wäre nicht unmöghch, daß die Unterschiede zwischen Par. 66 und
den Faijumer Urkunden auf lokale Verschiedenheiten in der Behandlung der Fronde
zurückzuführen wären, wie für die Kaiserzeit sich in der Tat Unterschiede, allerdings
anderer Art, nachweisen lassen (s. unten). Ich möchte aber doch den Unterschied
zwischen den normalen Überschwemmungsarbeiten und den Meliorationsarbeiten für
das Entscheidende halten, wiewohl zuzugeben ist, daß die Grenzlinie zwischen beiden
z. T. eine fließende sein konnte. Wir werden für diese Zeit wohl daran festhalten
dürfen, daß, wo Lohnarbeit vorliegt, keine Fronde gemeint ist. Vgl. freilich unten
S. 338 über die arabische Periode.
2) Teb. II S. 365 ff.
3) Manche der Dörfer mit griechischen Namen sind nur als Neubesiedelungen
altägyptischer Dörfer aufzufassen. Aber viele sind erst auf dem Neuland geschaffen
worden. Über die Besiedelung des Faijüm vgl. namentlich die Einleitung von Gren-
fell-Hunt zu P. Fay.
4) Vgl. Bouche-Leclercq, L'inge'nieur Cleon (Rev. £t. Gr. XXI 1908, 121 ff.), wo
die ältere Literatur zu finden ist. Vgl. jetzt K. Fitzler, Steinbrüche u. Bergwerke 1. c.
§ 1. Die Fronden. 333
von der Regierung kontraktlich mit ihnen ausgemachten Werklohn an
die Arbeiter (οώαατα) zu zahlen hatten. Bei Erdarbeiten wird der Lohn
nach Xaubien resp, Aoilien berechnet, und zwar beträgt der Durchschnitts-
lohn eine silberne Tetradrachme (οτατήρ) für 60 Naubien.^) Hier liegt
also Lohnarbeit vor. Freilich ist wohl nicht zu bezweifeln, daß, wenn
einmal keine Arbeiter zu diesem Preise sich freiwillig der Regierung
stellten, diese sicher auch hier zum Zwang gegriffen haben wird.-) uns
sind eine Reihe von Urkunden über solche Vergebung von Arbeiten an
Unternehmer erhalten (Petr. III 42 F und 43 [2]), von denen unten ein
Beispiel in 387 gegeben wird. Von Meliorationsarbeiten handelt auch
P. Lille 1. Da soll ein Grundstück von 10000 Aruren Flächeninhalt mit
einem Kanalnetz durchzogen werden. Es handelt sich um unfruchtbar
gewordenes Land^), ohne Zweifel zur Domäne gehörig, das durch diese
Kanalarbeiten kulturfähig gemacht Λverden soll. Der Papyrus enthält eine
vorläufige Berechnung der Unkosten, unter Beifügung einer Planskizze.
Hier scheint die Arbeit nicht an einen Unternehmer vergeben zu werden,
sondern die Absicht zu bestehen, sie auf die (βαύίλικοί) γεωργοί der ein-
zelnen Parzellen zugleich mit der Verpachtung dieser zu übertragen.*)
Auch hier wird ein Werklohn (für 50 — 70 Naubien eine Tetradrachme)
festgesetzt.
Es scheint, daß die großen Aufgaben, die die Regierung sich im
Faijfim gestellt hatte, sich nicht immer mit den hier charakterisierten
Methoden durchführen ließen. Jedenfalls sind Spuren dafür, daß sie auch
Flottenmannschaften zu diesen Arbeiten abkommandiert hat.^)
Diesen letzteren Modus hat auch Oktavian angewendet, als er das
durch die Mißwirtschaft der letzten Ptolemäer heruntergekommene Land
übernahm. Suet. Aug. 18 berichtet: Aegyptum in provinciae formam re-
dactam ut feraciorera habilioremque annonae urbicae redderet, fossas
omnis, in quas Nilus exaestuat, oblimatas longa vetustiite militari opere
detersit. Die Verwendung des Militärs zu öffentlichen Arbeiten war schon
in der Republik eingeführt worden'), und Augustus ist nicht der einzige
Vgl. Griech. Oetraka I 201. Inzwischen sind auch Siitze von 40 — 76 Aoilien
»M naiint ^««worden. Das Tionauere bei Oertel.
L'i I)aü die \i^:gΊi'τ\mfξ die Arbeiter dem Unternehmer stellte, siebt nicht aus-
dnicklu-li in den Ui)tcrnphinorurkun<len. Für die Annahme spricht aber, worauf Oertel
v<;rw» ist, die Analo^fio der Stellunj^ der iXaiovQyoi, die die Olmonopolpächter von
der KeKiorunj^ zuiffiwieHcn bekommen (Kap. VI).
8; Wegen der προϋπάρχοντα χόίμαχα wohl um ager derelictus. Vgl. Boatowsew,
Kolonat S. lO Anm.
4) Vgl. li. Keil, Bull. Corr. Hell. 82, 188 ff.; Wilckcn, Arch. V 218 ff.
6) So erkli'irt Onrtel, abweichend von Kitzler 41 ff. das Vorkommen der ηΧηρά'
μαχα und der Trierarchon, wie auch Γ. Meyer, Heerwesen ü, 66 A. 220 ck gefaßt hatte.
Vgl. namentlich auch Petr. Π 16 (1), wo ψαϋται genannt werden.
ii) Vgl. Marquardt, 8taaUverw. Η 668
334 Kapitel VIII. Fronarbeiten und Liturgien.
geblieben, der das Heer auch für Meliorationsarbeiten in Ägypten ver-
wendet hat. So wird von Probus erzählt (vit. Probi 9, 3): exstant apud
Aegyptum eins opera, quae per milites struxit in plurimis civitatibus. In
Nilo autem tarn multa fecit, ut vectigal frumentarium solus adiuverit.
Pontes, templa, porticus, basilicas labore militum struxit, ora fluminum
multa patefecit, paludes pleraque siccavit atque in bis segetes agrosque
constituit.
Für die normalen Damm- und Kanalarbeiten, wie sie durch die Über-
schwemmungen nötig gemacht werden, hat aber auch die römische Regie-
rung die Fronarbeit der Fellachen in Anspruch genommen.^) Aus der
Thebais haben wir eine Reihe von Quittungen über die Ableistung von
Naubien: Griech. Ostraka II n. 1034 (a. 42), 1399 (a. 68), 1043—1047
(a. 76), 1410 und 1411 (a. 85), 1567 (a. 105). Die meisten von ihnen
quittieren über kleinere Summen von Naubien, bis zu 15. Ich bemerke
hierzu, daß Grenfell-Hunt gezeigt haben, daß das Naubion in der römi-
schen und byzantinischen Zeit größer war als in der ptolemäischen, näm-
lich der Kubus von 3 königlichen Ellen (= 1 ξύλον). Vgl. ihre Bemerkungen
zu Oxy. IV 669 und VII 1053 (auch Giss. 42) und meine Notiz zu dem
^νλομετρονντος in BGU 12 (389). Wenn man annimmt, daß auch da-
mals noch ein bestimmtes Quantum von Naubien den Fronpflichtigen pro
Jahr auferlegt war, wie in Par. 66, so muß man jene Quittungen auf
Teilleistungen beziehen. Ich bemerke, daß es sich in Ostraka II n. 1410
und 1411 um dasselbe χώμα Κερ^αμεων) handelt, das nach Par. 6Q, 55
durch die allgemeinen Fronarbeiten in Ordnung gehalten wurde.
Klarer sehen wir die Fronde im Faijum. Hier begegnet uns jetzt, und
zwar zeitlich z. T. zusammenfallend mit jener Naubionrechnung der Thebais,
ein neuer Modus, nämlich die Auflage nach der Arbeitszeit: 5 Tage sind
pro Kopf jährlich auferlegt. Das ist die πενΰ-ήμερος genannte Fronde,
die Kenyon zuerst aus Londoner Texten konstatiert hat^), und die seit-
dem sich in zahlreichen weiteren Urkunden — die übrigens aUe aus dem
Faijum stammen — wiedergefunden hat.^) Es ist uns vor allem eine
große Zahl von Quittungen erhalten, in denen die Abarbeitung der
5 Tage quittiert wird (vgl. unten Anm. 2). Als Beispiel drucke ich den
1) In einem Edikt des Mamertinus vom J. 134 (Fay. 21) werden die Fron-
arbeiten in klarer Weise zu den Steuerzahlungen in Parallele gestellt. Er ordnet
hier an, daß für alle öffentlichen Leistungen περί -πάντων όπωβονν διθομύνων ύ] λογι-
ζομένων εις το άημόΰΐον εί'τ' έν γένεοιν εΐτ' έν άργνρίω εϊτ' έν σωματικαΐς εργα-
σία Lg κτλ. nicht nur Quittungen, sondern auch Gegen quittungen ausgestellt werden
sollen {τονς τε δίάόντας xat τονς λαμβάνοντας).
2) Catalogue of additions to the department of Mss, 1888 — 1894.
3) Vgl. Griech. Ostraka I 338 ff. Dazu kommen die späteren Publikationen wie
BGU IV 1075—1077, Straßb. 16—18, Straßb. gr. 137 (Arch. IV 144), Goodsp. 25, Lond,
ΠΙ S. 59 ff., Teb. II 371, 641—674, Wessely, Karanis S. 7 ff. Die älteren Publikationen
in Arch. I S. 10 und 549 und Ostraka 1. c.
§ 1. Die Fronden. 335
noch unpublizierten P. München 20 (388) ab. Wie ich im Arch. I 479
und III 123 gezeigt habe, war es der Saatinspektor, der καταΰπορενς^
der diese Quittungen ausgestellt hat. Darin tritt uns recht deutlich
entgegen, daß diese Damm- und Kanalarbeiten vor allem im Interesse der
Landwirtschaft ausgeführt werden, und so erklärt sich auch, daß diese
TcaraöTtoQslg gelegentlich die Stelle von χωματεπιμελψαί einnahmen. Vgl.
B<jU 12 (389). Dieselben Beamten haben auch die großen Listen
über die Ableistung der πεν&ήμερος zusammengestellt, die uns in der
ältesten Papyrusurkundenpublikation, der Charta Borgiana vom J. 192/3
erhalten sind (gleichfalls aus dem Faijüm).^) Einzelne FäUe, in denen
über 2 oder 4 oder andererseits über 7 Tage quittiert wird, zeigen uns,
daß die Regierung in denjenigen Fällen, wo sie mit den 5 Tagen nicht
auskam, noch eine Überarbeit verlangte.^) In Teb. II 662 (description)
wird sogar eine volle zweite πεν&7ίμερος verlangt: την κελ(ενο)ϋ•(εΐ6αν) β
πεν^(ήμερον) (a. 170). In diesen Fällen ist regelmäßig auf einen beson-
deren „Befehl" hingewiesen, am ausführlichsten in Straßb. gr. 137 (Arch.
IV 144): άκολ^ονϋ-ως) τω γενο{μένω) μεριβμώ νπο τ(ον) βα6ιλ{ικον)
γρα(μματέως) κατά τα κελεν6θ•(εντα). Also der königliche Schreiber war
es, der diese Extrarepartition vornahm. Ob solche Zuschläge nötig waren,
wurde wohl durch die Inspektionsreisen von Beamten und Technikern
während der Überschwemmungszeit festgestellt. Auf solche εττιοκεψεις be-
ziehe ich jetzt BGU 12 (389), der bisher mit der in Kap. V behandelten
έπίόκεψις irrig in Beziehung gesetzt wurde. Wiewohl diese πενθ^ήμερος
kopfsteuerartig auf die Fronpflichtigen in gleicher Höhe gelegt war (eben-
so sicherlich auch die Zuschläge), scheint doch das Dorf als solches
für die Ausführung der (etwa nach Maßgabe seiner Kopfzahl ihm zu-
gewiesenen) Arbeiten verantwortlich gewesen zu sein. Dies möchte ich
aus der Art schließen, in der in jenen Quittungen das Dorf des Arbeiters
genannt ist, denn ich glaube, daß dieser Genitiv nicht mit dem vorher-
gehenden Namen des Kanals oder Dammes, sondern mit εϊργαοτοα zu ver-
binden ist: er hat gearbeitet für das Dorf.**)
Für den Betrieb der πενί^ήμερος haben wir «lurch BGU III 969^
(a. 142) neue Aufschlüsse bekommen. In diesem Protokoll eines Prozesses
heißt es Z. 20: xa[ij γάρ έμετρήοαμεν πλίοτα νπ}ρ τής ** πεν^[η]με'ρον.
Ex(^syi γάρ [ο]νχ είχεν ^vovg **έχεΙνος^ ί^μείς έδώκαμεν τά μετρήΐ^ματα.
1) Zu dem Auezug, den ich in Gr. Oetraka I 88U f. gegeben habe, ist jetzt fol-
g(*ndoi nachzutragen: I 2 1. Τ»ητύνΒΦς statt ΤΒηΧνν§ω{ς) {?). — I 8 1. Α/ statt Χα
(Viereck, Burn. JahrcHb. 18Ü8, 8. 142.) — VII 2 und IX U 1. Φολ^ιμβως statt Φογήμιως
(Teb. II S. 408). Zu den Unterschriften der naraanoQttg (nicht ίηιτηρηχαϊ nccxasno^äg)
vgl, Arch. III 128.
2) I)i<'M die richtige Deutung von Qronfell-Hunt, P. Fay. 8. 206, vgl. auch Frei-
sigko zu Straßb. IH. Moiiic Hndonkon Arch. IV 146 ziehe ich inrflek.
8) Vgl. Arch. IV 148.
336 Kapitel VIII. Fronarbeiten und Liturgien.
EdOg d' iörlv τον έχοντα idiovg olLvovg τούτοις άπεργάοεοΟ'αι^ εΐ δε μ?)
i%oi^ 7ΐενϋ•ήμερον μετρΐν εΙς το δημόΰιον. Also die Arbeit wird mit Eseln
geleistet, d. h. die Erdmassen werden (in Körben) auf Eseln transportiert.
So liefert nach Oxj. IV 729, 9 der Verpächter dem Pächter die Esel für
die von ihm übernommenen Dammarbeiten. Vgl. auch unten zu Rein.
57 (390). Es ist also, von anderem abgesehen, schon aus diesem Grunde
nicht zutreffend, wenn Br. Keil 1. c. Naubien mit „Fuhren" wieder-
gibt. Was die in dem Papyrus erwähnte Ablösung der πενϋ^ήμερος durch
Getreidelieferungen betrifft, so ist diese, wie Oertel gesehen hat, auf die
Stellung von Eseln zu den Fronarbeiten (es handelt sich um einen δη-
μόΰίθ£ όνηλάτης)^ nicht, wie ich im Arch. II 386 annahm, auf die Fron-
arbeit selbst zu beziehen.
Endlich sei noch auf die merkwürdige Parallele hingewiesen, die zu
dieser ägyptischen τΐενϋ-ήμερος die Verpflichtung zu nicht mehr als fünf
Tagen Frondienst in der spanischen Colonia Julia Genetiva (c. XCVIII)
bietet.^) Will man in dieser Übereinstimmung überhaupt mehr als einen
Zufall sehen, so ist nicht zu vergessen, daß uns die ägyptische πεν^^ή-
μερος bisher nicht für die Ptolemäerzeit, sondern nur für die römische
Kaiserzeit bezeugt ist. Zumal diese τνεν^'ήμερος mit dem uns bekannten
Fronsysystem der Ptolemäerzeit im formalen Widerspruch steht, ist es
zurzeit das Wahrscheinlichere anzunehmen, daß das System der πενΟ-ψ
μεροξ erst von der römischen Regierung eingeführt ist.^) Aber unmög-
lich ist es natürlich nicht, daß es aus der Ptolemäerzeit stammt.
Abgesehen von diesen Fronarbeiten^) finden wir, wie in der Ptole-
mäerzeit, auch jetzt Abgaben, die sich auf die Damm- und Kanalarbeiten
beziehen. Einmal besteht auch jetzt noch die Naub ionsteuer. Wie
schon oben bemerkt wurde, begegnet diese Steuer jetzt geradezu unter
der Bezeichnung vavßiov κατοίκων.^) Auch die anderen in den Ostraka I
2ß2 f. von mir herangezogenen Beispiele beziehen sich auf Katöken-
grundstücke. Hieraus habe ich ebendort den Schluß gezogen, daß diese
Naubionsteuer die Ablösung der privilegierten Klassen von der Fronarbeit
1) Hierauf wies ich im Arch. IV 145 hin
2) Dies bemerke ich gegenüber Rostowzew, Kolonat S. 314, Anm. 2, dessen Grund-
gedanke (Ursprung der Fronden im hellenistischen Osten) hierdurch nicht notwendig
tangiert wird. Auch M. Weber, Agrargesch. rechnet mit der 7ίενΟ"ημ,ερος schon für
die Ptolemäerzeit, ebenso Br. Keil 1. c.
3) Vgl. auch das vom Dorfschreiber eingereichte κατ' αί'^ρα των όΐφ^ιλόντων
iqyaoaöQ-ai τα. χωματι-Λο, ^γα %τλ. in BGU 618 (a. 213/4). Hier arbeiten von der ein-
heimischen Dorfbevölkerung — αηο μ^ν 6μολ{όγου) λ<χογρ(αφία9) oder vielleicht besser
όμολ{όγων) λαογ{(χφονμένων)^ vgl. meine Ausführungen bei Rostowzew, Kolonat S. 221 —
4 Männer, von fremden Arbeitern, die auf Befehl der Regierung zeitweilig zur Land-
arbeit hierher abkommandiert waren, über 60. Liegt in letzterem Falle έΛψερυαμός
vor? Vgl. S. 294.
4) BGU 662, Lond. II S. 122/3, Teb. II 352 und öfter.
§ 1. Die Fronden. 337
darsteUt.i) Durch P. Brit. Mus. 372 (Teb. II S. 339 ff.) haben wir
inzwischen gelernt, daß das νανβων κατοίκων 100 Kupferdrachmen pro
Arure betrug (vgl. z. B. auch Lond. II S. 122/3). Derselbe Text, der in
einem Schulexempel zeigt, wie man das Naubion und seine Zuschläge zu
berechnen hat (vgl. Arch. V 243), hat uns zugleich mit dem ναύβίον ίνα-
φεαύον zu 150 Kupferdrachmen pro Arure bekannt gemacht (vgl. die Be-
merkungen der Editoren), womit nach Grenfell-Hunt (zu Teb. II 352) die
Besteuerung der γη εναφειμενη gemeint sein mag. Jedenfalls können wir
daran festhalten, daß die Naubionsteuer eine Ablösung der Privilegierten-)
oder besser der Inhaber von privilegiertem Laude (es zahlen auch Frauen
Naubion, Lips. 93 ff.) bedeutet.
Außerdem finden wir ein χωμαηκόν^ das kopfsteuerartig für alle
Zahlungspflichtigen auf 6 Drachmen 4 Obolen normiert ist. Vgl. Griech.
Ostraka I 333 ff. Diese Abgabe hat also nur den Namen mit dem χω-
ματικόν der Ptolemäerzeit gemeinsam, denn damals war die Abgabe pro
Arure berechnet (s. oben S. 331). Wie sich diese Steuer zu der Fron-
I)rticht verhält, ist noch nicht geklärt.
Für die Kontrolle, die der Staat auch über die Instandhaltung der
Ιδιωτικά χώματα ausübte, ist Oxy. II 290 (a. 83/4) aus Oxyrhynchos von
großem Interesse.
Auf Unternehmerarbeiten habe ich keinen anderen Hinweis aus
der römischen Zeit gefunden als die Erwähnung von χωματεγρολάβοι in
Fay. 214 (a. 37 n. Chr.). Der Text ist nur in dcscription mitgeteilt.
Für die byzantinische Zeit habe ich in den Ostraka I 335 auf Cod.
Theod. XV 3, 5 (a. 412) = Cod. Just. X 25, 2 hingewiesen»): per Bithy-
uiam ceterasque provincias possessores et reparationi publici aggeris et
ceteris eiusmodi muneribus pro iugorum numero vel capitum, quae pos-
sidere noscuntur, adstringi cogantur. Also eine Belastung der possessores
nach Maßgabe ihrer iuga oder capita. Wenn ich nicht irre, bietet uns
der bisher mißverstandene P. Rein. 57 (390) ein Beispiel für die Auflage
von Dammarbeiten — freilich vielleicht nicht staatlicher — nach capita.
Von Zahlungen für Naubien handelt Gen. 65 (IV. Jahrb.), der frei-
1 Anders liegt der Fall in Ostraka II n. 1222 aus der Tbebais (römische Zeit):
Ji(nQv/o<i μητροη{όλ(ως) 6νό{ματος) Όραήτος ααααώ{ματος) (so deute ich jetat da•
iluaoui) ναυβίων μη (nicht μη) άπ^ργαβ^έντων τω α (?Tfi) Λλι^ρη?. Hier han<lolt es sich
nicht um die Naubionabf^abe eines Privilegierten, sondern um die nachträgliche Lei-
stung eines Fronpflichtigen, der geine Arbeit nicht zur rechten Zeit aufgeführt hatte.
2) Daß die Priester frei waren von den Fronarbeiten, zum mindesten die der
λόγιμα Uqu, geht aus BülJ 170 (88) hervor. Sie beanspruchen hier auch da« Hecht,
daß ihre Sklaven {-xuldit) nicht zu den Dammarbeiten gezwungen worden dürfen.
3; Vgl. hierzu auch Zulueta, De patrocin. vicorum S. AO, der anläßlich der logo-
graphi chomatum in C. Theod. XI 2t, β, 7 hierauf zu sprechen kommt. Dieser Titel
ist in den i'apyri noch nicht belegt. Wohl aber begegnen uns in byzantinischer Zeit
die ιωματ%χίΙχται. Vgl. Lond. III 8. 224 ϊί. (Arch. IV 667) und Oxy. VII 1068 Ver»o 1.
MUUls.WIlokSB: ΟπιηάλΟνη I. Μ
338 Kapitel VIII. Fronarbeiten und Liturgien
licli, da er außer der Überschrift εχϋ-εΰις (= εκ^εόις) νανβίων nur Namen
enthält, nicht eindeutig ist. Klarer ist Oxy. VII 1053 (VL/VIL Jahrh.),
der von Dammarbeiten auf dem Gut (κτήμα) eines der im VIl. Kapitel
behandelten Großgrundbesitzer, wahrscheinlich der Apionen (Hunt), handelt.
Nach dem Satze 1 Solidus für 50 Naubien werden hier von den Bewohnern
der dem Grundherrn gehörigen Dörfer Zahlungen εΙς γεονχικον λόγον ge-
macht (vgl. Oxy. I 136, 27 [383]). Der χωματειιείκτης^ der die Zahlungen
entgegennimmt (Verso 1), wird daher in privaten Diensten des Grundherrn
stehen. So sehen wir auch auf diesem Gebiet wieder schließlich die
Grundherrn an die Stelle der Regierung treten. , Vgl. auch die Einleitung
zu 391.
Andere Fronarbeiten, die auf dem gesamten ägyptischen Volke ge-
lastet hätten, lassen sich außer denen an Dämmen und Kanälen zurzeit
mit Sicherheit nicht nachweisen. Wir nahmen bisher auf Grund von
Hib. 78 an, daß in der Ptolemäerzeit auch in den Bergwerken Fronarbeiter
verwendet seien.^) Oertel wird aber zeigen, daß diese Annahme irrig war.
Sein Argument, daß die in diesem Brief genannten Männer Griechen und
der in Petr. II 47, 37 Genannte sogar ein Soldat ist, scheint mir durch-
schlagend zu sein. Nach seiner Ansicht handelt es sich hier nur um
Abkommandierungen zu Sicherheitsdiensten in den Bergwerken. Wohl
aber zeigen Flor. 3 (391) vom J. 301 und der etwas jüngere P. Rain. 290^),
daß im Anfang der byzantinischen Zeit die Dörfer zwangsweise Arbeiter
für die Bergwerke zu stellen hatten.^) Formell werden diese έργάταί zwar
ebenso wie die Liturgen vorgeschlagen, aber sachlich werden wir diese
έργάταυ nach der obigen Terminologie doch eher für Fronarbeiter zu
halten haben.
Dieses selbe Prinzip, daß den Gemeinden, den Dörfern für öffentliche
Arbeiten zwangsweise die Stellung von Arbeitern auferlegt wird, hat dann
auch in der arabischen Periode eine wichtige RoUe im Staatshaushalt
gespielt. Wir finden hier einmal die reine, nicht remunerierte Fronarbeit,
und zwar ebenso wie seit alter Zeit bei Dammarbeiten. Vgl. BeU,
Lond. IV p. XXXII.*) Andrerseits aber finden wir erzwungene Arbeiten
gegen Lohn, und dieses System scheint besonders weite Verbreitung ge-
funden zu haben. Für die verschiedensten öffentlichen Aufgaben wurden
den Dörfern Menschen oder aber ein Geldäquivalent {άπαργυρίόμός) ab-
verlangt. Von allgemeinerem Interesse ist, daß die Aphrodito- Papyri
häufig von dem Bau der Moscheen (μαογιδα) von Jerusalem und Damaskus
1) Vgl. zuletzt Fitzler 1. c. 38 ff. '
2) Wessely, Patrolog. Orient. lY fasc. 2 S. 132. Ygl. Wilcken, Arch. V 278.
3) A'^gl. zuletzt Fitzler 1. c. 121 if.
4) Vgl. auch meine Ostraka I 335 Anm. 2.
§ 2. Die Liturgien. 339
sprechen, zu denen gleichfalls ägyptische Arbeiter gestellt werden mußten. ^)
Bekannt ist, daß noch im XIX. Jahrh. der Mahmudije-Kanal und der Suez-
Kanal mit Hilfe von remunerierten Fronarbeitern gearbeitet worden sind.
Erst in unserer Zeit ist die Fronarbeit abgeschaflFt worden.
§ 2. DIE LITURGIEN. 2)
Der Begriff der Liturgie ist meist im Anschluß an die Terminologie
der ptolemäischen Urkunden (s. S. 330) so weit gefaßt worden, daß man
glaubte, auch schon für die Ptoleraäerzeit von liturgischen Beamten und
Halbbeamten sprechen zu können.^) Dieser Usus hat dazu geführt, daß
der tatsächlich in diesem Punkte vorhandene Unterschied zwischen der
ptolemäischen und der römischen Zeit nicht zur klaren Erkenntnis ge-
kommen ist. Gehen wir vielmehr von dem für die Kaiserzeit feststehenden
prägnanten Begriff der Liturgie als der nicht nur gelegentlich, sondern
gesetzmäßig erzwungenen Amtsführung^) aus und stellen wir die Frage,
ob diese auch für die Ptolemäerzeit nachweisbar ist, so tritt uns der
Gegensatz der Perioden und damit zugleich die historische Entwicklung
deutlich entgegen. Oertels unter diesem Gesichtspunkt geführte Unter-
suchung der gesamten ptolemäischen Beamtenschaft hat zu dem Ergebnis
geführt, daß diese durchweg aus Berufsbeamten bestanden hat, die nor-
malerweise ihr Amt auf Grund von freiwilliger BeΛverbung, nicht von
Zwangsvorschlägen der Regierungsbehörden übernommen hatten. Wir
kennen zurzeit nur einen sicheren Beleg dafür, daß auch damals schon
einmal auf Grund einer amtlich eingereichten γρο(^:ή der durch ihren
Grundbesitz und sonst qualifizierten Männer ein Amt zwangsweise über-
tragen worden ist (έτΐί,ΰπαο&ηνία)^ das ist die Ernennung der γενηματο-
φνλαχες in Teb. 27 (331) vom J. 113 v.Chr. Schon Engers^) hat die
Ähnlichkeit mit der römischen Liturgie treffend hervorgehoben, aber er
irrte, wenn er diesen Fall für die Lagidenzeit verallgemeinerte. Der Text
zeigt an sich — ganz abgesehen von der sonstigen Tradition — deutlich.
Vgl. Lond. IV Index 8. 682, 634 Zur Sache vgl. C. H. Becker, Z. Aeeyr.
2) Vgl. Preisigke, 8iädt. Beamt. S. 7ff.; Hoblwein, Liturgies dans T^gypte
Romaine (Mue. Belg. XII hu ff) 1908; Martin, Lee epistraU'ges S. 111 ff.
Ä^ So Max Weber, Rostowzew u. a. Meine Zustimmung zu den „Grundzügen"
'l'-r ' '.vechen Aneicht über den 4ηιοτάτης oben S. 111/2 bezieht sich auf die
M• hl lung zwischen diesem und dem Inhaber gewinnbringender Priesteretelien»
nicht auf (iie ('baruktcrietik jenes als ,,Iiturgi8cben Halbbeumten.*'
4) Daneben kommt auch jetzt noch λατονψγία in der allgemeinen Bedeutung
von „Dienet, Dienstleistung'' vor. Vgl. z. B. Teb. 8U2, 80 (868): ίχηίοϋνης xat tAv
θ^ών XtttovQylag xal vnr\Qieiug. So erkl&ro ich auch BGU IV^ 1169, 28: ^ηί\βχναΧί\χα%.
η XtUxovif'/riXi-v iv τοΙς x^ ατρατηγία %τΧ. (vgl. Arch. V 481). Andere der Editor in
(Ι<'Γ Fußnote. Hier st(;ht als Synonymum ύηααχοΧί{β9αι daneben, wie vorher ν«ν)ρΐφ/κ.
6) De Aegyptiarum χωμών adniinistrutione p. 48.
340 Kapitel VIII. Fronarbeiten und Liturgien.
daß es sich um einen Ausnahmefall handelt: der Dioiket weist auf Un-
ordnungen und Unredlichkeiten hin, die bei der γενημάτων φυλακή vor-
gekommen seien (Z. 35ff.), und begründet damit die von ihm getroffene
Maßregel. Besonderes Gewicht möchte ich darauf legen, daß er auf die
Zwangseinsetzung der γενηματοφνλακες mit den Worten κατά τον νπο-
δείκννμενον τρότΐον hinweist (23), wonach dieser Modus damals sicher
neu und ungewöhnlich war. Der entscheidende Unterschied gegenüber
der Kaiserzeit liegt also darin, daß hier ausnahmsweise im Notfalle zum
Zwang gegriffen wird^), während dort der Zwang zum System gemacht ist.
Wann dieses System innerhalb der römischen Periode geschaffen
worden ist, läßt sich zurzeit bei der Lückenhaftigkeit unseres Materials
mit voller Sicherheit nicht sagen. Nach Oertels Sammlungen ist zurzeit
die älteste Erwähnung in den Papyri die in BGU III 908 vom J. 101/2.
Oertel hat eine Reihe von Gesichtspunkten zusammengebracht, die ihm
dafür zu sprechen scheinen, daß die Liturgie (im engeren Sinne) erst kurz
vor diesem ersten Zeugnis, etwa rund um 100, also unter Trajan ein-
geführt worden sei. Eine genauere Würdigung dieser Argumente würde
den Rahmen dieser Skizze weit überschreiten. Die Frage nach der Ein-
führung der Liturgie scheint mir — wie auch Oertel — auch gegenüber
diesen Momenten noch eine offene zu sein. Ich neige aber doch der
Annahme eines früheren Zeitpunktes zu, wenn ich auch zugeben muß,
daß ich einen strikten Beweis nicht beibringen kann. Einen vor Trajan
liegenden Beleg bieten zunächst die bekannten Worte des Edikts des
Julius Alexander vom J. 68 betreffs der Befreiung der svysvslg ^λεξ,ανδρείς
von den χωρικαΐ λειτουργία^ (Diti Or. Gr. II 669, 32f.), wenn man, wie
bisher geschehen ist, λειτουργίαυ hier als Amtsliturgien faßt. Dann
setzen sie notwendig voraus, daß die Nichtprivilegierten zu diesen Ämtern
gezwungen werden konnten {αγεβ^-αι). Aber ein strikter Beweis läßt sich
für diese Deutung ebensowenig erbringen, wie für die von Oertel hier
bevorzugte Auffassung von λειτονργίαι als Zwangsarbeiten oder Fronden.
Sprachlich ist eben beides möglich. Es ist mir jedoch wenig wahrscheinlich,
daß etwa die, wie wir oben S. 213 sahen, von Tiberius eingeführten
Regiebeamten der Steuererhebung zunächst als normale Berufsbeamte
nach ptolemäischer Weise eingesetzt und erst später zu Liturgen gemacht
wären, da innere Gründe mir dafür zu sprechen scheinen, daß sie von
vornherein Liturgen gewesen sind. Diese inneren Gründe sprechen m. E.
auch gegen die andere durch den völligen Mangel an Urkunden aus dem
Ausgang der Lagidenzeit an sich gegebene Möglichkeit, daß dies Zwangs-
beamtentum als normale Einrichtung etwa schon damals geschaffen sei.
1) Wie bei der exzeptionellen Zwangspacht in Par. 63 oder in römischer Zeit
bei den Zwangssteuerpachten.
§ 2. Die Liturgien. 341
Rostowzew hat zwar gemeint, daß in dem Edikt des Oktavian BGü 628
Λ^ΘΓ80 II 20 (462) „die Pacht direkt als Leiturgie bezeichnet" werde ^), aber
dies trifft nicht zu, denn der Text faßt nur die Zwangspacht ins Auge,
und überdies darf dies Edikt, das für die Veteranen Oktavians ganz im
allgemeinen gegeben ist, überhaupt nicht speziell auf die ägyptischen Ver-
hältnisse angewendet λυ erden, da dies Edikt älter ist als die Eroberung
Ägyptens (vgl. meinen Kommentar). Die inneren Gründe, die mir für die
Annahme sprechen, daß die unter Tiberius eingeführten (resp. durch
Umwandlung der alten gleichnamigen Beamten neu konstituierten) Prak-
toren von vornherein Liturgen gewesen sind, habe ich schon oben S. 212 ff.
berührt. Es handelte sich bei der Anpassung der auch im Reich damals
eingeführten Regie an die ägyptischen Verhältnisse darum, ein Äquivalent
für die Übertragung der Steuererhebung auf die Kommunen zu finden.
Die neuen Regiebeamten aUein würden, auch wenn sie wie alle übrigen
Beamten — auch der Ptolemäerzeit — mit ihrem Vermögen hafteten,
keinen Ersatz gegeben haben. Ein solcher würde aber durch die gleich-
zeitige Liturgisierung dieser Amter bis zu einem gewissen Grade erreicht
worden sein, indem erstens durch Einführung des Zwanges erzielt wurde,
daß jene Stellen immer aus den Reihen der Wohlhabenden, der ενποροί^
besetzt Λvurden, zweitens aber die betreffende Gemeinde die Haftung für
sie übernahm, indem in den Dörfern, wie für das IL Jahrb. feststeht, die
ol άπο χγΐζ κώμης^ in den Metropolen das xolvov των αρχόντων (bis 202)
für sie bürgten. Es ist immer die Gemeinde, die den Vorschlag macht
und die Bürgschaft übernimmt, und insofern kann man sagen, daß durch
das Mittel der Liturgie auch in Ägypten die Lasten — wie die Steuer-
erhebung — den Gemeinden auferlegt wurden, wie ich es oben auch für
die Fronarbeiten angenommen habe. Nach dieser Hypothese würde also
die Schaffung der Regiebeamten und die Einführung der Liturgie inner-
lich zusammengehören. Es wäre hiernach nicht unwahrscheinlich, daß
diese Liturgie gerade aus den veränderten Bedürfnissen der Steuererhebung
heraus für Ägypten ins Leben gerufen, daß also zunächst die Beamten
der Steuererhebung liturgisiert und dann das System auch auf andere
nach und nach angewendet wäre. Der letztere Prozeß ist sicher anzu-
nehmen, wenn wir auch nach dem bisherigen Material ihn nur in ein-
zrlnon F'älh'n beoba(;hten können. Ich stelle diese Hypothese mit aller
zur DiskussioD. Hoffentlich bringt weiteres Material eine ovi
«1. ni. l^ntscheidung nach der einen oder anderen Seite.
i'isher ist wohl allgemein angenommen worden, daß auch die städti-
srluii ι'ρχοντες Liturgen gewesen seien. Im besonderen hat Preisigke
(StiL<lt l>*amtenw. S. 14ff.) XeixovQyCa und αρχή gleichgesetzt. Das ist
1, Staatepacht 466.
342 Kapitel VIII. Fronarbeiten und Liturgien.
aber nicht richtig, wie Oertel mit Recht betont hat.^) Der prinzipielle
Unterschied von ccQ%ifi und λειτουργία, d. h. von honores und niunera, der
vor allem darin liegt, daß nur die Bekleidung einer άρχγι mit einer Würde
verbunden war^), hat wie außerhalb im Reiche^), bo auch für Ägypten
durchaus gegolten. So erteilt Kaiser Gallienus in CPHerm. 119 V 3, 15.(158)
einem Hermopolitaner Immunität von άργων καΐ λειτουργιών , und auch
Kaiser Hadrian hat nach Oxy. VIII 1119 (397) den Antino'iten Privilegien
betreffs άρχαί und λειτονργίαι gegeben. Aber wenn man auch prinzipiell
an diesem Unterschied festgehalten hat, tatsächlich hat eine Annäherung
der beiden Begriffe stattgefunden, indem schon recht früh, wie wir sehen
werden, der Zwang auch bei den άρχαί begonnen hat, und damit erklären
sich auch die Einzelfälle, die Preisigke zu jener Gleichsetzung geführt
hatten.*)
Betrachten wir zunächst die reinen Liturgien. Während die Fron-
arbeiten, wie wir sahen, auf den ägyptischen FeUachen, also der im
Durchschnitt ärmeren Bevölkerungsschicht lasteten, kamen für die Litur-
gien nur die wohlhabenderen und reichen Kreise in Betracht. Mit ihrem
Vermögen hafteten, wie schon in der Ptolemäerzeit, so auch in der Kaiser-
zeit die Beamten überhaupt, aber für die Liturgien wurde die finanzielle
Leistungsfähigkeit der für die Heranziehung in Betracht kommenden
Kreise ad hoc amtlich festgestellt, und wurden die einen genügenden
Λορος Besitzenden in Listen (γραφαί) zusammengestellt, damit sie für
die amtlichen Vorschläge die Grundlage bildeten. Diese Feststellung des
τΰόρος und die besonderen Formen seiner Berechnung sind durchaus ein
Novum für die Kaiserzeit^), und das Fehlen dieser Institution in der
Ptolemäerzeit ist eine sichere Bestätigung dafür, daß ihr die Amtsliturgie
fremd war. Πόρος^) bezeichnet hier wie gewöhnlich nicht das Vermögen,
sondern das Einkommen, und zwar Avurde für die Liturgien das Ein-
kommen aus Grundbesitz in Geld abgeschätzt. Wie ich in den Griech.
Ostraka I 507 gezeigt habe, wurden jrd^og- Klassen von Hunderten von
Drachmen geschaffen, denen nach amtlicher Taxation die einzelnen Personen
zugewiesen wurden. Als Vermögensobjekt, das der Regierung die nötige
1) Im einzelnen hat Martin, Les epistrateges S. 117 f. richtig erkannt, daß die
Gymnasiarchen, Exegeten usw. nicht vom Epistrategen ausgelost werden, aber auch
er hält sie mit Preisigke für Liturgen (S. 118 Anm. 4).
2) Vgl. z. B. Liebenam, Städtewesen S. 419.
3) Zahlreiche inschriftliche Belege sind z. B. von Liebenam 1. c. S. 281 fF. zu-
sammengestellt worden.
4) Hiernach sind auch meine Worte auf S. 40 und 143 zu modifizieren.
5) Max Weber, Agrargesch. S. 130 rechnet damit schon für die Ptolemäerzeit.
Selbst in Teb. 27 (331) — s. oben S. 339 — fehlen diese Formen der Λορο?- Be-
rechnung.
6) Über den ttoqos vgl. meine Griech. Ostraka I 506 ff.
§ 2. Die Liturgien. 343
Sicherheit bot, galt, wie gesagt, der Grundbesitz.^) Wie wir oben mit
Rostowzew annahmen, ist in der Kaiserzeit die Bildung von privatem
Grundbesitz eben deswegen von der Regierung gefördert worden, damit
sie eine möglichst breite Schicht zur Verfügung habe, die durch ihren
Grundbesitz zur Übernalime von Liturgien qualifiziert sei. Daß für die
Abschätzung des Einkommens der Grundbesitz, sowohl die οΐκότιεδα wie
die ccQovQca die Unterlage bildeten, zeigen besonders P. Bibl. Nat. Suppl.
gr. 910 (392) und Fay. 23a.
AVer einen solchen %OQog besaß, wurde ein εύπορος genannt'),
wer ihn nicht besaß, war ein άπονος. Diese Deutung von άπορος
scheint mir namentlich aus Lond. lU S. 131 (325) hervorzugehen, wo ein
um Lohn arbeitender Weber, der also offenbar kein eigenes έργαότήρίον
hat, sich als άπορος gegen den Vorschlag zur πρεΰβντερεία τΎΐς κώμης
wehrt. ^) Die Stelle zeigt zugleich, daß die αποροί nicht etwa ganz be-
sitzlos sind, denn der Weber verdient sich ja seinen μΐ6ϋ•ός und lebt
davon, sondern daß sie nur den zur Liturgie qualifizierenden, den auf
Grundbesitz basierten ζόρος nicht in genügendem Maße haben. Nach
diesem Gesichtspunkt hat die Regierung nun Listen der εύποροι und
Listen der άποροι*) geführt. Jene waren die Grundlage zum Vorschlag
für die Liturgien, diese für die Heranziehung der άποροι zu denjenigen
Steuern, die sie als Ersatz für die Freiheit von den Liturgien zu zahlen
hatten. ^)
In den Vorschlägen wird aber nicht nur hervorgehoben, daß der Be-
treffende ein ενπορος^ sondern auch, daß er έπιτήΟειος ist. Damit mag
bei den munera personalia auf die persönliche Tauglichkeit zur Übernahme
des Amtes hingewiesen sein, aber zugleich liegt darin wohl auch ein Hin-
weis auf die besondere Qualifikation zu dem speziell in Frage stehenden
1) Damm wechselt ηόρος in übertragenem Sinne gelegentlich mit τά νηάρ-
χοντα (vgl. Ostnika 1. c), womit prilgnant Grundbesitz bezeichnet wird (z. H. in γενη-
ματαγραφονμενα ντιάρχοντα und sonst). Vgl. BGU 11, 7 (230), wo deutlich Liegen-
schaften damit gemeint sind. In Oxy. VII 1044, 9 wird mit άγορα{αάαης) τόν ττόρον
deutlich auf den Torher behandelten Grundbesitz hingewiesen. Vgl. auch Oxy. LI 262
(2Ιδ), 253.
2) In BGU l'J4, β (84) geschiebt ein Vorschlag ^x r^; τών εναχημόνων γραφής.
Der Begriff Βύαχήμων dockt eich nicht mit e^;ropoff, aber sie kreuzen sich. Die An-
nahme von Hohlwein 1, c. 92, daß die »νΰχιμιονες speziell für die Dörfer in Betracht
kommen, i»t irrig. Sie begegnen ebenso in den Metropolen. Vgl. z. B. BGU 48, 12.
KIm iiHo imV' i-t, daß die γραφαΐ τών 1% τον γνμνααίον in Oxy. II 267 (147) ftlr die
I,itii)/i.;nrH( iiliige der Städte dienten.
:5 An:h. IV 646. NachtrUglich sah ich, daß auch schon llostowsew, Woch. f.
kli » l'hilol. 1900, 117 diese Deutung von άχορος vorgeschlagen hat.
l Lond. III S. 127: άντίγραφον γραφής όχόρων xti.
>/ V^gl. den μ$ριαμ6ς oder ίηιμερίΰμός άχόρων in Fay 58, 64, BGÜ 881, wo
gleichfalln {ni ηεριαμοΐ)) statt (ηι{%εφαΙαίοχή herzustellen ist, Oitraka II n. 618 (vgL
da/u I{<Mtiiw/<'.v ] (■ Πηη«]ι(•ιι iwiint BGU 881,9 noch (Mik* .\birabe q ι•ΙΓ ^ ώπόρωι*.
344 Kapitel VIII. Fronarbeiten und Liturgien.
Amt, insofern manche durch Privileg befreit waren (s. unten) und auch
der Liturgiepflichtige nicht überall zu Liturgien herangezogen werden
durfte.^) Jedenfalls bestand der Grundsatz, daß der sonst Qualifizierte
nur da, wo seine origo {Ιδία) war — dies wird besonders stark in
BGU 15 I (393) betont — und wo er incola^) war und auch da, wo er
ohne Domizil Grundbesitz hatte (γεονχών), zur Liturgie herangezogen
werden durfte.
Es gab auch noch andere Einschränkungen der Liturgiepflicht, die
bei den Vorschlägen zu berücksichtigen waren. Was zunächst das Alter
betrifft, so erfahren wir aus Flor. 57 in Übereinstimmung mit den Rechts-
quellen, daß mit dem 70. Jahre die Liturgiepflicht zu den munera personalia
erlosch,^) Der Petent hat hier nicht weniger als 6 Reskripte von Severus
und Caracalla beigefügt, die sich mit dieser Befreiung der 70jährigen be-
schäftigen.*) Über den Beginn der Liturgiepflicht mit erreichter bürger-
licher Volljährigkeit^) bieten die Papyri ähnliche allgemeine Bestimmungen
nicht. ^) Von der Stellung der Frauen zur Liturgiepflicht handelt Teb. II 327
(394:). Abgesehen von diesen allgemeinen Bestimmungen waren, wie na-
mentlich die Rechtsbücher lehren, gewisse Stände und Berufe durch Privileg
von den Liturgien befreit.*^) Dahin gehören z. B. die Ärzte, über deren
Freiheit Oxy. I 40 und Fay. 106 (395) handeln. Ebenso die siegreichen
Athleten, vgl. Lips. 66, 20 (dazu Mitteis, Arch. II 263), auch CPHerm. 119
V 3 (158). Auch die Veteranen genossen Erleichterungen. So beruft sich
in BGU I 180 (396) ein Veteran auf das Vorrecht, daß sie 5 Jahre lang
nach der missio nicht zu Liturgien herangezogen werden dürften. Die
statthalterliche Entscheidung über die άληονργηοία gewisser νΛηρετονντεζ
in Oxy. 62 Recto ist noch nicht verständlich. Zu betonen ist, daß nach
BGU 194 (84) vom J. 177 die Priester damals prinzipiell nicht frei von
1) In Amh. 82 (IV. J.) bezeichnet sich einer als άvε7CL•τήάειoς, erstens weil er
nicht schreiben kann, zweitens weil er nicht Ratsherr ist, was damals für dies Amt
notwendig war.
2) Aus der Exemtion der im Lande domizilierenden (κοίτοίχοϋντες) Alexandriner
durch das Edikt des Jul. Alexander vom J. 68 (nach meiner obigen Auffassung S. 340)
ergibt sich, daß in Ägypten schon damals die incolae liturgiepflichtig waren, während
sie außerhalb im Reich z.T. erst später herangezogen sind. Vgl. Liebenam, Städte-
verw. S. 420.
3) Über die genaueren Bestimmungen hierzu vgl E. Kuhn, Stadt, u. bürgerl.
Verf. I 70.
4) Vgl. Arch. IV 435 S. In Flor. 57, 13/4 scheint das Reskript zwischen den
munera civilia (^οΐιηχοΰς λειτουργίαΐξ) und m. patrimonii {^tgog μάνας [r]a[s] ονοίας
διαφέρονσί) zu unterscheiden. Vgl. Kuhn 1. c.
5) Vgl. Kuhn 1. c. Zu munera patrimonii konnten auch Minderjährige heran-
gezogen werden.
6) In den erhaltenen Vorschlagslisten begegnen Leute bis zu 20 Jahren herab.
Vgl. z. B. die Liste aus Panopolis bei 0. Hiischfeld, Sitz. Pr. Akad. 1892 S. 818.
7) Vgl. E. Kuhn 1. c.
§ 2. Die Liturgien. 345
Liturgien waren. Vgl. oben S. 129. L•t der Widersprucli des dort zitierten
P. Rain. 135 (Wessely, Karanis S. 66) dadurch zu erklären, daß der
Priester, der sich über den Zwang zur Sitologie beklagt, zu einem λόγι-
μον Uqov gehörte? Andrerseits konnten einzelne Persönlichkeiten von
den Kaisern durch Personalprivileg von Liturgien entbunden werden. Ein
Beispiel besitzen wir in dem schon oben erwähnten Brief des Kaisers
GaUieuus in CPHerm. 119 V 3 (158).
Eine besondere Stellung haben in Ägypten endlich die Bürger der
Griechenstädte eingenommen.
Für Antinoopolis hatten wir schon in BGÜ IV 1022 (29) ein klares
Zeugnis (Z. 6 f.): Ovx αγνοείτε^ ανδρεζ κράτίοτοι^ ort παβών [λει]τονρ-
γίώ[ν\ άφείϋ-ημεν των άλλαχον [κατ]« διάτα^ίν Ο-εον ^Αδριανού κτλ.
Besonders Λvichtig ist, daß hier die Petenten auf Grund dieser hadrianischen
\^erfügung die Befreiung verlangen, wiewohl sie an dem Orte, an dem der
Dorfschreiber sie vorgeschlagen hatte, grundansässig waren (Z. 12 h'd-a
γεον[χον]μεν). Soeben haben wir durch Oxy. VIII 1119 (397) noch ge-
nauere Auskunft über diesen Erlaß des Hadrian bekommen. Danach
soUten die Antinoiten nur bei sich αρχευν und λειτονργείν^ dagegen von
των ζιαρ' άλλοίς άρχων τε χαΐ λειτουργιών frei sein (Ζ. 16). Von dem
Wortlaut dieses Erlasses soAvie den hier gleichfalls erwähnten Bestätigungen
durch spätere Kaiser sind in jenem fragmentierten Würzburger Papyrus
einige Spuren erhalten, von dem ich in Nr. 26 zwei andere Beilagen mit-
geteilt habe. Ich erwähne vorläufig nur, daß hier, wohl entsprechend dem
Gegenstand der Bittschrift, in dem vorgelegten Auszug (ftfO•' έτερα) nur
vom λειτονργεΐν^ nicht auch vom αρχειν die Rede ist. Die Tatsache aber,
daß hier diese Auszüge betreffs des Liturgieprivilegs mitgeteilt sind,
macht es wahrscheinlich, daß auch die in 26 mitgeteilten Briefe des Pe-
tronius Mamertinus und des Statilius Maximus sich auf Belästigungen
durch unberechtigte Auflegung von Liturgien beziehen. Hieraus würde
sich ergeben, daß nicht nur die Antinoiten, sondern auch z. B. die im
Thinitischen Gau zurückgebliebenen Angehörigen der zur Besiedlung von
Antinoopolis ausgelosten Ptolemäenser Privilegien bezüglich der Liturgien
genossen haben. Dies wird bestätigt durch 28, wonach Väter von aoti-
noitißchen Söhnen außerhalb ihrer ίδία^ aucli da wo sie Grundbesitz
hatten, liturgit?nfrci waren. So steht für die Antinoiten völlig fest, daß
auch diejenigen von ihnen, die auswärts Grundbesitz hatten, dort nicht
zu Liturgien herangezogen werden durften. Dem gegenüber ist es auffallend,
daß der l*etcnt von Flor. 57, ein Alexandriner, der im Hermopolites viel
Grundbesitz hat, sich gar nicht darüber beMchwert, daß er sein Leben
lang viele Liturgien bekleidet hat, sondern nur darüber, daß er trotz seiner
70 Jahre und trotz seines Augenleidens noch joi/t herangezogen wird.
Inli wlt'H im Arcli. IV 4!»!) auf diese Schwif^riLfkril hin un<I deutt^ie die
346 Kapitel VIII. Fronarbeiten und Liturgien.
Möglichkeit an, daß Jul. Alexander (s. oben S. 340) mit den dia φιλερ-
γίαν κατοικονντας nicht die Grundbesitzer {γεονχοννταξ)^ sondern im all-
gemeinen solche, die zu geschäftlichen Zwecken im Lande domizilierten
(κατοικονντας), gemeint habe. Die Widersprüche dieser Texte werden
damit freilich beseitigt, aber es bliebe bestehen, daß die alexandrinischen
γεονχοί der χώρα sich schlechter gestanden haben als die antino'itischen.^)
Wer das für unmöglich hält, muß eine andere Lösung suchen. Der Aus-
weg, daß zur Zeit des Flor. 57 (a. 223/5) die Privilegien der Alexandriner
etwa schon abgeschwächt gewesen seien (Rostowzew, Kol. 199), wird jetzt
durch Oxy. VIII 1119 (397), wonach die entsprechenden Privilegien der
Antino'iten noch im J. 254 in voller Kraft bestanden, unwahrscheinlich,
oder aber er führt zu demselben Ergebnis, daß die Antino'iten sich we-
nigstens damals besser gestanden haben als die Alexandriner. Dieser
Punkt bedarf jedenfalls noch weiterer Aufklärung.
Alle diese verschiedenen Maßnahmen und Privilegien waren von den-
jenigen Instanzen zu berücksichtigen, die die Vorschläge zu machen hatten.
Schon aus BGÜ 1022 (29) ging hervor, daß ein Dorfschreiber, der un-
berechtigterweise einen Antino'iten zur Liturgie eingereicht hatte, nicht
nur andere Namen zu nennen hatte, sondern auch bestraft werden sollte
(Z. 24: λόγον αντον ντΐοόχεΐν των τετολμημενων). Noch genauere Aus-
kunft darüber gibt jetzt Oxy. VIII 1119 (397).
Wenden wir uns nun zu der Einsetzung der Liturgen, so müssen wir
die Zeiten vor und nach der Verleihung der Kommunalordnung vom J. 202
auseinander halten, denn die Schaffung der βονλή hat auch für diese Fragen
wichtige Änderungen zur Folge gehabt.
Für die Metropolen haben Λvir für die erstere Periode ein sehr ge-
ringes Material. Der Haupttext ist Oxy. 54 (34) vom J. 201. Danach
sind die hier genannten έπιμεληταί für die Renovierung der Hadrians-
thermen — also sfadtische Beamte — auf Beschluß (γνώμγι) des κοινον
των αρχόντων von dem γραμματεύς της πόλεως eingereicht worden
(είοδοΰ-εντων). Daß das κοίνόν auch die Haftung für diese έπιμεληταί
übernimmt, ist nach Analogie der dörfischen Urkunden sicher anzunehmen.
Daß es hier nicht wie in jenen dörfischen Eingaben hervorgehoben ist
(κίνδννω κτλ.), erklärt sich aus dem verschiedenen Charakter der Urkun-
den. An wen der Stadtschreiber die εϊοδοοις gemacht hat, ist gleichfalls
nicht gesagt, doch ist m. E. nicht zu bezweifeln, daß es nur der Stratege
gewesen sein kann. Das zeigt auch BGU 18 (398) vom J. 169, der gleich-
falls von dem Vorschlag von Metropoliten handelt. Hier steht jedoch nicht
ein städtisches, sondern ein staatliches Amt in Frage. Die Eingabe ist
1) Das bleibt bestellen, auch wenn man mit Oertel in den λείτουργίαι des Edikts
die Fronden sieht. Vgl. Flor. 57 und die antino'itischen Texte.
§ 2. Die Liturgien. 347
auch hier von dem γραμματεύς της μητροπόλεως gemacht, und zwar an den
Strategen. Eines vorhergehenden Beschlusses des κοινον των αρχόντων
geschieht hier nicht Erwähnung. Häugt das mit dem nichtstädtischen
Charakter der Liturgie zusammen? Eingabe der Namen an den Strategen
setzt auch Amh. 64, 11 ff. (a. 107 n. Chr.) voraus, der von städtischen
έπιμελψαΐ βαλαν εΐον handelt. Vgl. hierzu jetzt Martin, Les epistrateges
S. 118. Dieser Text klärt zugleich über den weiteren Geschäftsgang auf.
Hier haben sich die neuernannten έπιμεληταί beim Präfekten beschwert,
sie seien untauglich (ίίϋ-ετοί) für dies Amt. Daraufhin fordert der Präfekt
den Strategen auf, ihm andere Namen einzuschicken: ε[ί\ ovv α&ετοί εΐ-
<ytr, πεμ[}1}εις\ μοι ετέρων έπιτηρΊμών (wohl επιμελητών?) ονόματα. Aus
dem Wortlaut geht nicht sicher hervor, ob der Präfekt eine Auswahl
trifft aus mehreren ihm präsentierten Namen (etwa durchs Los), oder ob
er nur die Ernennung der ihm vorgeschlagenen Personen vollzieht. Für
Ersteres spricht wohl die Analogie von 28, 10. Ich bemerke hierzu, daß
in BGU 18 (3i)8) — hier handelt es sich um ein Staatsamt — der Stra-
tege die Namen überhaupt nicht weiter zu geben, sondern direkt die ihm
Vorgeschlagenen anzustellen scheint. Daß für staatliche Liturgien, die
an Metropoliten vergeben wurden, der Epistratege der Leiter der Ver-
waltung war, zeigt Teb. II 328 (a. 191/2), wo ein zur διεραόις δημούίον
τίνρον von den γραμματείς της πόλεως Vorgeschlagener von dem Epi-
strategen ausgelost ist (κληρω^-είς). Wahrscheinlich hängt es von der
Art der Amter ab, ob eine Erlösung stattfindet oder nicht. Das bedarf
noch weiterer Aufklärung.
Besser sind wir über die Dörfer orientiert. Hier war es die Dorf-
gemeinde — ol άπο της κώμης — , die im Falle einer Vakanz mehrere
Personen auswählte, für die sie zugleich im Falle der Ernennung die
Bürgschaft übernahm.^) So in BGU 235 (399), während andere Eingaben
diesen der εΐαδοβις voraufgehenden Akt nicht erwähnen. So BGU 91,
Gen. 37 (400). Die Namen der Vorgeschlagenen wurden darauf durch
den selbst liturgischen*) κωμογραμματενς dem Strategen mitgeteilt, damit
dieser sie zur Auslosung^) an den Epistrategen*) einsende. Vgl. z. B.
Oen. 37 (400), BGU 235 (399). Der Epistratege zog dann das Los und
vollzog die Einsetzung (κατάοταοις) des Erlösten in einem Brief (offen-
bar an den Stratci/euX der dann an drni betreffenden Ort publiziert wurde.
\f Vgl. (iriech Ontruka 1 .'»ÜH. Don i ' dion «laraiit Imi, daU uuoh ui
i\rn\ bei O. Hirechfeld, Hitz. I*r. Akad. .311 ι .'• : ' < liorton T«ixt von Γαηοροΐίβ der
'•iriK'indcTonicblag erwähnt wird; [Κωμογ^αμμαχίυ^ Υ^*'ψν\ ^^^ ^'^ ^^i^ αώμης [άνα-
t)tt)u)An•? τώ ένέα}ΐώχί f (hu) Φαώφι. •
2) Die• xeigt jetzt Straßb 67.
3) Zu diesem ηίμηην tlg χλήρον vgl. Oitrftka I 608 und 802.
4) über die Bedtfutung de« Kpiitntegen fOr die Liturgien ygl. jetit Martin,
I ' < ti-itraUigee 8. 111 ff.
348 Kapitel VIII. Fronarbeiten und Liturgien.
Diesen Geschäftsgang zeigt uns BGU IV 1046 (265). — Nach Oxy. 81
(a. 244/5) wird anzunehmen sein, daß auch schon im I. und IL Jahrh.
die Liturgen bei Übernahme des Amtes einen Amtseid zu leisten hatten,
und zwar dem Strategen.^)
Seit 202 tritt nun die βονλή in Tätigkeit. Welchen Umschwung dies
für die städtische Verwaltung, aber auch für manche staatliche Aufgaben
(wie die Steuererhebung) zur Folge hatte, ist oben S. 41 f. hervorgehoben
worden. Auch die Wirkungen auf das Liturgiewesen sind dort schon kurz
berühi-t worden. Dadurch, daß nunmehr die Wahl der städtischen Be-
amten^), aber auch mancher staatlicher Beamten, wie der Nomarchen und
Dekaproten, auf den Rat überging, erreichte die Regierung eine noch
größere Sicherheit ihrer Anforderungen, da nunmehr der ganze Rat als
solcher für die erwählten Liturgen die Haftung übernahm. Vgl. CPHerm.
97, 8 ff., wo der Prytan als Vertreter der βουλή schreibt: έλόμβνοί τους
νΛογεγ ραμμένου ξ — λείτουργΎΐοοντ\ας κ]ίνούνω εαυτών καί άπάΰης της
κρατίΐοίχης ημών βουλής. Also der Prytan an erster SteUe und die ganze
βουλή haften. Vgl. auch BGU 8 II 5, wo das Vermögen des Prytan en
beschlagnahmt wird, der die verschuldeten νομάρχαι gewählt hat, unter
Hinweis darauf, daß schon frühere procuratores befohlen hätten έκπραξαι
κ[ατ^ά τον ο^ΰτον τρ07ΐο[ν τών έγ]γύων τα υπάρχοντα. Also der Prytan
ist als Bürge aufgefaßt. Über den Modus der Wahl in der βουλή liegen
uns zusammenhängende Nachrichten nicht vor. Die vollzogene Wahl
wurde dem betreffenden Liturgen durch den Prytanen mitgeteilt. Vgl. BGU
Π 362 V (96).
Neben diesen Wahlen des Rates finden wir in den Metropolen aber
auch jetzt noch avaöoösig^ zwar seltener durch die γραμματείς πό-
λεως^), als durch die άμφοδογραμματεΐς^) Dieser Wechsel hängt mit
der neuen (wahrscheinlich 202 eingeführten) Organisation der Metropol-
bürger in Phylen zusammen Vgl. oben S. 42 f. Schon Preisigke, Stadt.
Beamt. S. 18 Anm. 5 hat auf einen innern Zusammenhang zwischen den
Phylen und den Amphoden hingewiesen.^) Jetzt hat uns Oxy. VIII 1116
1) Die Annahme Martins, Les epistrateges S. 122, daß der Eid im I./IL Jahrh. dem
Epistrategen geleistet sein müsse, ist nicht zwingend, da der Epistratege auch noch
im ΠΙ. Jahrh. an der Spitze der Liturgie Verwaltung steht, wenn auch die Auslosung
wegfallt. S. unten.
2) Charakteristisch für die Zeit vom ΙΠ. Jahrh. an ist die immer stärkere Ent-
wicklung der auch schon vorher vorhandenen ίτίΐμ,ύΐΗα (cura). Zahlreiche Texte in
CPHerm., Oxy. I usw. zeigen uns, in welchem Umfange die städtische Verwaltung
wie im besondern das Bauwesen sich der vom E,at gewählten έπ^ιελητοά bediente.
Auch in der Tempelverwaltung, die jetzt den Städten zufällt, begegnen uns nun
diese έΛίμεληταί, wie in BGU 362 (96) und dem auf S. 128 zitierten P. Thead. Inv. 15.
Vgl. jetzt auch P. Straßb. 72.
3) Vgl. Lips. 57, 7 (Arch. III 566).
4) Hierauf wies Oertel hin.
5) Seine historische Begründung ist freilich abzulehnen.
§ 2. Die Liturgien. 349
(403) gezeigt^ daß in der Tat Phyle und Amphodon zusammenfallen^ na-
türlich so, daß die Phyle die Menschen, das Amphodon den Stadtteil um-
faßt. Diese Phjlen hatten in einem festen Turnus die Liturgen zu stellen.
Zu der περίοδος der Phylen vgl. die Bemerkungen zu Oxy. VIII 1119 (397).
Wie wahrscheinlich auch der Rat bei seinen Wahlen an diesen Turnus ge-
bunden war, so war dieser die Grundlage für die Vorschläge der άμφοΟο-
γραμματείς. Von solchen avadoöSLg dieser Beamten handeln z. B. Oxy. 81
(a. 244 δ), wo Z. 7 jedenfalls άμφοδογρααματεως herzustellen ist^), BGU IV
1062 (276), Oxy. VUI 1119 (397). In aUen drei FäUen handelt es sich um
Steuererhebungsbeamte, teils um πράκτορες, teils um einen επιτηρητής
ώνης κτλ. Über die weitere Behandlung dieser άναδόαεις und ihr Ver-
hältnis zu der Tätigkeit des Rates besteht noch große Unsicherheit. Wir
erfahren nicht, an wen diese άναδόόεις gerichtet wurden. Wenn ich die
klareren Nachrichten des IV. Jahrh. hier heranziehen darf, so möchte ich
vermuten, daß sie an den Strategen gingen und nicht an den Rat. Dafür
spricht wohl auch die Rolle, die der Stratege des Oxyrhynchites in Oxy.
1119 spielt. Dieser Text zeigt zugleich, daß der Epistratege auch damals
noch an der Spitze der Liturgieverwaltung stand.
Deutlicher sind die Verhältnisse in den Dörfern. Auch hier sind
nach 202 — und wahrscheinlich von 202 an — einige Veränderungen
gegenüber der früheren Periode zu erkennen. Einmal wurden die άνα-
δόόεις nicht mehr vom κωμογραμματενς, sondern von den jetzt selbst
liturgischen κωμάρχαι des Dorfes gemacht.^) Andrerseits zeigt uns Flor. 2
(401) vom J. 2^ly, daß die Erlösung durch den Epistrategen in Wegfall
kam.^j Ein Unikum ist bisher Lond. ΙΪΙ S. 114/5 aus der Zeit des Su-
batianus Aquila (von 202 an), wonach der Vorschlag des κωμάρχης zur
Auslosung an den Präfekten geschickt wurde. Daß der Epistratege für
die dörfischen Liturgien ganz außer Tätigkeit gesetzt sei, ist nach Oxy.
VllI 1119 (für die Metropolen) nicht wahrscheinlich.
Femer zeigt uns Flor. 2, daß der Staat immer mehr Bürgschaften
für die Liturgen verlangte. Während im U. Jahrh. nur die cives (ol άπο
τήί κώμης) die Garantie übernahmen, werden jetzt auch die incolae neben
ihnen als Bürgen genannt, und wie Oertel mit Recht betont, tritt dieselbe
Richtung auch in der erst jetzt hin und wieder hier auftretenden Formel
έγγνώμε^α ilg παράόταόιν entgegen, womit die Komarchen auch die Ge-
steilungspHicht übernehmen.
Die Rechtsquellen unterscheiden bekanntlich nach dem Gesichtspunkt
der finanziellen Belastung die munera personalia und munera patriinonii
und munera mixta. Für diese Fragen sowie für die Amtsführung der
1) So auch Oertel.
2) Auch dies orkannto Oertel.
β) Vgl. Wilckon, Arch. III 62ii f.
350 Kapitel VIU. Fronarbeiten und Liturgien.
Liturgen verweise ich auf die systematische Verarbeitung des gesamten
Materials durch Oertel. Hier sei nur noch erwähnt, daß, wie schon oben
S. 216 für die Praktoren festgestellt wurde, die Liturgen die Möglichkeit
hatten, ihre Amtsführung vertragsmäßig an Vikare zu übertragen. Außer
den schon dort für die Praktoren erwähnten Beispielen (263, 264) sei
hier nur noch auf BGU 1062 (276) als ein sehr instruktives Exempel für
έΛίτηρηταί hingewiesen.
Ehe wir zur byzantinischen Zeit übergehen, ist noch auf die allmäh-
liche Ausdehnung des Zwanges auf die städtischen άρχαί hinzuweisen.
Vgl. oben S. 341 f. Das älteste Beispiel dafür, daß auch auf die Übernahme
einer αρχή und zwar der Gymnasiarchie ein Zwang ausgeübt wurde, kann
man in Amh. 70 (149) finden, insofern hier eine Einschränkung der Un-
kosten der Gymnasiarchie verfügt wird, damit die in dies Amt Einge-
setzten es προϋ'νμότε^ον ausüben. Dies läßt vermuten, daß schon damals,
um 115 n. Chr., dies wegen seiner hohen Würde sonst viel begehrte Amt
gelegentlich zwangsweise aufoktroyiert wurde. Einen weiteren Beleg möchte
ich der oben besprochenen Verfügung Hadrians betreffs der Antino'iten
in Oxy. VIII 1119 (397) entnehmen, wonach es diesen als besondere»
Privileg verliehen wurde, nicht außerhalb ihrer Stadt aQiaC und Xixovq-
γίαι zu übernehmen. Also konnten die Nichtprivilegierten damals
außerhalb ihrer ίδια, wo sie incolae oder Grundbesitzer waren, zu
den άρχαί ebenso wie zu den λείτονργίαΰ herangezogen werden. Einen
weiteren Hinweis auf die Oktroyierung der άρχαί kann man ferner
Oxy. 473 (33) aus der Zeit des Pius entnehmen, insofern der hier ge-
ehrte Gymnasiarch besonders gelobt wird, daß er sich freiwillig zu diesem
Amt gestellt habe (Z. 3: Λαραδονς fctfvrovj sig εκονουον γνμν[α6^ίαρχίαν).
Das Hauptstück aber, das auch wohl vor allem daran schuld ist, daß der
Unterschied zwischen αρχή und λειτουργία verdunkelt wurde ^), ist CPR 20
(402) vom J. 250, der von einem auf die Übernahme der κοομητεία aus-
geübten Zwange handelt. Freilich nennt der Text selbst ganz korrekt dies
Amt zweimal αρχή (Ζ. 13 und 18). Wenn man nach diesen Beispielen
auch von einer gewissen Annäherung der άρχαί an die λειτονργίαι reden
kann, so ist doch zu betonen, daß man, wie Oxy. VIII 1119 zeigt, auch
noch in der Mitte des III. Jahrb. zwischen beiden Begriffen prinzipiell
scharf geschieden hat. Und vor allem: die für die Liturgien charak-
teristische Form des Vorschlags und der Ernennung der Liturgen {ανά-
öoöig auf Grund von γραφαί etc.) ist auf die άρχαί niemals übertragen
worden, wie gleichfalls aus CPR 20 zu entnehmen ist. Es entspricht
dieses Ergebnis durchaus dem Standpunkt der Rechtsquellen. So sagt,
1) Vgl. Preisigke, Stadt. Beamt. S. 14. Er beruft sich außer auf CPR 20 auch
auf Oxy. I 71 I 17. Die hier genannte α^χη ist aber nicht die έτΐίμ,έλεκχ άννόονης von
Ζ. 15, sondern die άρχιερωβύνη von Z. 2. GIG 4707 ist irrelevant.
§ 2. Die Liturgien. 351
um ein Beispiel für viele zu geben, Ulpian (Dig. 50, 4, 3, 15): praeses
provinciae provideat munera et honores in civitatibus aequaliter per vices
secundum aetates et dignitates, ut gradus munerum honorumque ^C^l^iJ^
antiquitus statuti sunt, iniungi etc. Also gleichmäßiger Zwang zu munera
und honores bei formeller Scheidung beider Begriffe.
Die byzantinische Zeit hat für die Behandlung der Liturgien kaum
wesentliche Änderungen gegenüber dem III. Jahrb. gebracht. Wohl muten
uns die Texte, die von ihm handeln, z. T. andersartig an, aber das liegt
nur daran, daß jetzt die neue Verwaltung funktioniert mit allen ihren
neuen Begriffen und Titeln. Vgl. oben S. 66 ff. Was etwa neu auf dem
Gebiete der Liturgien erscheint, ist nur eine Wirkung dieses neuen Hinter-
grundes.
Die Wahl der städtischen liturgischen Beamten steht nach wie vor
dem Rate zu, aber die vollzogene Wahl wird jetzt durch den Prytanen
dem Kurator (λογίότής) gemeldet, und dieser teilt sie dem Gewählten
unter Ermahnungen mit. Vergleicht man diesen Geschäftsgang, wie er
uns in Oxy. VI 892 (a. 338) entgegentritt, mit BGÜ 362 V (96), wo der
Rat selbst durch den Prytanen dem Gewählten die Wahl mitteilt und ihn
ermahnt, so tritt uns hier doch eine durch das Eingreifen des Kurators
eingetretene Verschiebung in der Stellung des Rates entgegen. Außer den
städtischen Liturgen sind auch in dieser Zeit wie schon im III. Jahrb.
manche der staatlichen Liturgen vom Rat gewählt worden, wie z. B. der
επιμελητής κρίσης in Lond. III S. 129 und die im Dienste der annona
stehenden δίαΟόται, in Giss. 54. Es scheint, daß immer mehr Amter
den Dekurionen zur Wahl zugewiesen worden sind, um die Haftpflicht
der ßovXy noch zu steigern. In besonderen Einzelfällen erteilte die
Regierung den Kurien durch den Strategen den Befehl, Beamte zu er-
wählen. So geschah es im J. 288, als Unordnungen und Verschwendung
in der Verwaltung der kaiserlichen Patrimonialgüter eingerissen Λvaren,
daß die Kurien der Heptonomia durch den Strategen aufgefordert wurden,
für jede ονόία einen vertrauenswürdigen φροντιατή^ zu erwühlen, natür-
lich χινδννω εχάοτης ßovXrjs (Oxy. I 58 [378 1). Derselbe Geschäftsgang
liegt in Oxy. 60 (43) vor, wo der Präses durch den Strategen, d. h. den
Exaktor, den Hat von Oxyrhynchos auffordert, einen Mann für den Trans-
port von 3000 Pfund Fleisch für die Truppen in Nikopolis zu erwählen.
Über den Wahlniodus erhalten wir auch für diese Periode keine ge-
nauen Details. Vielleicht darf man aus Amh. 82, 6 f.: ^v rf) χρατίότ^
βυνλη — [t]ii/^S απόντα εΐλαντο Hchließen, daß die vorliegende Wahl
nicht von der gesamten Kurie, sondern von einem Ausschuß vollzogen
war.'j Auch in P. Cair. Preis. 13,8 und 14,7 scheint ein Ausschuß des
1 , FOr die AnDabmo Preiiigket (8t&dt. Beamt 8. 10, dafi im III. Jahrb. ein An•-
352 Kapitel VIII. Fronarbeiten und Liturgien.
Rates gemeint zu sein, wenn der Wortlaut auch noch nicht feststeht.
Wir hören femer, daß ehenso wie im III. Jahrh.^) der Prytan resp.
Λρόεδρος es war, der die Kandidaten nominierte (όνομάξει,ν). Vgl.
Lond. III S. 129, 6 und 14^), auch Giss. 54 (420). In letzterem Falle hat
ein designierter Prohedros (μελλοττρόεδρος) die 6νομαΰία vollzogen. Es
ist sehr zu bedauern, daß hier in Z. 7 das entscheidende Wort, das uns
über die weitere Behandlung der όνομαβία Aufschluß geben würde, kor-
rumpiert ist. Es steht da: εΐ με[ν] έμαθες ^ otl έκηρονοΟ-η η όνομαΰία
6ον. Die όνομαοία ist schon vollzogen; sohald nun das έκηρονο^η ein-
getreten ist, soll der Gewählte sein Amt schleunigst antreten. Der Heraus-
geber schwankt zwischen εκρονΰϋ•η^ έκηρνχϋ-η^ εκνρώΰ^η^ έκηρώϋ-η. Mir
will έκνρώ^'η am besten gefallen. Dann würde die Wahl durch die Kurie
als die Gültigmachung, Bestätigung der Nomination durch den πρόεδρος
aufgefaßt sein. Aber sicher ist das nicht.
Die Frage des Appellationsrechtes im Falle ungerechter Vorschläge
wird, wenn ich nicht irre, in Amh. 82 (Anfang des IV. Jahrh.) berührt;
leider ist auch dieser Text an der wichtigsten Stelle verstümmelt. Hier
beschwert sich beim praefectus Aegypti ein Mann, der von der Kurie in
seiner Abwesenheit zum Logographen gewählt worden war, wiewohl er
aus den schon oben S. 344 Anm. 1 mitgeteilten Gründen nach seiner An-
sicht untauglich (άνεπιχΎΐδείΟζ) hierzu war. Als er nach seiner Rückkehr
von der Wahl hörte, ovo ε έκκλη[1Ί B\lGh.st.]^'ηv τω καΐ τάς ημέρας τάς
νενομιβμένας^ δεΙ γαρ τΐαρα [τδ]ν [ca. 14 Buchst. λ8γ]ε[ί]ν^) τα άληϋ-η^
παρεληλνϋ-εναι^ αλλ' έταοτάλματι χρηόάμενος [ένετνχον ττ} κρα]-
τίΰττ] βονλγι κτλ. Hier erfahren wir, daß es eine gesetzlich festgelegte
Frist für den im Anfang gemeinten Reklamationsweg gab. Weil diese
Frist abgelaufen war, hat er sich dann in einem Schreiben an den Rat
gewendet. Aber welches war der erste Weg? An έκκληβια, was weite
Konsequenzen hätte, kann schon wegen des Fehlens des Artikels nicht
gedacht werden. Mir schwebt εκκλητος^ womit der Begrijff der Berufung
— Appellation — verbunden sein kann, vor, aber ich wage keine be-
schuß gewählt habe, bleiben nur die nicht ganz klaren Worte in BGU 144 II 1:
γιρέϋ'η vTtb [τ]ών έπϊ τον άπο της αντής βουλής. BGÜ 362 V fällt mit der irrigen
Ergänzung άρχοντες βονλή[ς fort,
1) Vgl. CPR 20 bei der Wahl einer άρχη.
2) Hier kommt der Gedanke, daß nur ein Ratsherr zum επιμελητής κρι&ής quali-
fiziert ist, zum klaren Ausdruck: ό γ^ίρ μη βονλενων τοιαντην λιτονργίαν νφίΰ\τα]6%•αι
ον δνναταυ (Ζ. 16).
3) Ich ergänze Z£y]s[/]v. Die Herausgeber, die τταρά [το]ν [καιρόν ]
£[i]v lasen, nahmen an, daß mit dieser Parenthese auf die Einhaltung der Frist hin-
gewiesen werde. Ich glaube vielmehr, daß wir hier denselben trivialen Gemeinplatz
vor uns haben, wie in Straßb. 41, 18: δεΙ γαρ τα άληϋ'ή λέγειν, wo gleichfalls die
Notwendigkeit dieser Versicherung gerade an dieser Stelle nicht einzusehen ist.
§ 2. Die Liturgien. 353
stimmte Ergänzung.^) In der Sache glaube ich aber nicht zu fehlen, denn
ein AppeUationsrecht, für dessen Ausübung eine bestimmte Frist gegeben
war, ist aus den juristischen Quellen bekannt. Ich zitiere z. B. Ulpian
(Dig. 50, δ, 1 pr.): quare et qui liberorum incolumium iure a muneribus
civilibus sibi vindicant excusationem, appellationem interponere debent:
et qui tempora praefinita in ordine eiusmodi appellationum peragendo
non servaverint, merito praescriptione repelluntur. Hierdurch scheint mir
die SteUe in Amh. 82 ihre Erklärung zu finden.
Wie im ΙΠ. Jahrb., so stehen auch jetzt neben der Wahl durch die
Kurien die Vorschläge der Amphodon- resp. Phylenbeamten. Während wir
aber für das III. Jahrb. nur mutmaßen konnten, an wen diese Eingaben
gerichtet waren (s. oben S. 349), ist uns für diese Zeit der Adressat ge-
nannt. In Oxy.VlII 1116 (403) schlägt der ϋνύτάτης (d. h. „der Empfehler'^
eines Amphodon dem Kurator eine Person für eine Liturgie am Augustus-
tempel von Alexandrien vor. Der Vorschlag geschieht τω Ιδίω μον κιν-
όννω. Der Kurator spielt auch in Oxy. I 86 (46) in einer ähnlichen Sache
die entscheidende RoUe — es handelt sich um die Stellung eines Matrosen
durch die Stadt — , indem der Kurator von dem betreffenden κυβερνήτης
gebeten wird, den lässigen ύνοτάτης zur Stellung des ναύτης zu zwingen.
In einem andern Falle tritt uns der ΰτρατηγος ήτοι έ^άκτωρ als derjenige
entgegen, der den Phylenbeamten — hier den φνλαρχοξ — zum Vor-
schlag eines νποδίκτης auffordert. So in dem P. Lips. Inv. 362, dessen
Anfang ich in der Einleitung zu Nr. 43 mitgeteilt habe. Endlich haben
wir in Lips. 65 (404), 66 (und mehreren anderen Parallelen, die in der
ersten Ausgabe z. T. mitgeteilt waren) vom Jahre 390 Belege für Vor-
schläge des γνωότήρ einer Phyle, die an den ννκτοΰτράτηγος gerichtet
-ind. Hier handelt es sich um Liturgen, die in dem Bureau des ννχτο-
ιτράτηγος selbst arbeiten sollen, und daraus erklärt sich, daß die Mit-
i'-ilung an ihn geht. Sehr bemerkenswert ist, daß in manchen der Par-
lUeltexte ein Ersatzmann vorgeschlagen wird für einen, der bezeichnet wird
ils μη ευρεθέντος μετά τον κλτ\ρον. Das kann doch wohl nur heißen,
Iriß der Betreffende, als er gehört hatte, daß er ausgelost sei,
i^ Weite gesucht hatte, so daß er nicht zu finden war. Es ist die
inzige Nachricht, so weit ich sehe, die uns zu der Annahme zwingt,
laß im IV. Jahrh. Erlösungen stattfanden. Eh ist dies um so über-
ruechendor, al» wir im 111. Jahrh. kein Beispiel mehr für diesen Gebrauch
nachweisen konnten. Wann eine solche Losung eintrat, auf welche Fälle
sie beschränkt war, läßt sich zurzeit nicht sagen.
Wir heben soeben durch Oxy. Vlil 1119(897) vom .1. l^)l einen
Milleicht ohUl ίχ%Χτι[τον . 19Όνή\9^τ\ν. Kh w&ro 6i%i\v hinsusudoukoii
"fKjr /u H('hreil>6n.
Mtttola.Wtlekcn: OraadeOg• L 98
354 Kapitel VIII. Fronarbeiten und Liturgien.
Fall kennen gelernt, in dem ein άμφοδογραμματενς^ der ungesetzliclie
Vorschläge gemacht hatte, selbst die betreifenden Liturgien übernahm.^)
Einen ähnlichen Fall glaube ich in Flor. 39 (405) vom J. 396 nach-
weisen zu können, indem ich in Z. 6 κα[τ' αγνοιαν] ergänze Vgl. die
Einleitung.
Was endlich die in den Dörfern gemachten Vorschläge betrifft, so
zeigen sie, abgesehen von dem neuen Beamtenpersonal, keine wesentlichen
Veränderungen gegenüber denen des ΙΠ. Jahrb., nur daß die Garantien,
die der Staat verlangt, inzwischen noch größer geworden sind. In den
uns erhaltenen άναδόοεις sind die Vorschläge teils wie vorher von den
Xomarchen oder auch von den Komarchen zusammen mit andern Beamten
(Cair. Preis. 18. 19), teils von dem γνωοτηρ της κώμης (Lond. III S. 227)
gemacht. Gerichtet sind sie nunmehr an den praepositus pagi — vgl.
Amh. 139 (406), Lond. III S. 227, Cair. Preis. 18, 19 — oder an Spezial-
beamte, wie die χωματετϋείκται, wenn es sich um deren ünterpersonal
(νδροφνλακες) handelt.^) Vgl. Lond. ΠΙ S. 224 — 227. Die παράΰταΰις-
Formel, die in der Mitte des IIL Jahrh. sich erst in den Anfängen zeigte,
ist jetzt weiter ausgebildet und steht regelmäßig. Aber auch hiermit ist
der Staat noch nicht zufrieden. Er verlangt jetzt außer aUen diesen
Garantien noch die Stellung eines besonderen Bürgen durch den Li-
turgen. Hierdurch erklären sich die meisten der uns erhaltenen Ge-
stellungsbürgschaften (παραοτάόείς)^ in denen der Bürge im besonderen
für die μονή καΐ έμφάνεια des Liturgen einsteht.^) So haben wir kürzlich
in Cair. Preis. 20 (IV. Jahrh.) eine «^(^^^^(ίφτ) λιτονργών kennen gelernt,
in der immer neben dem Liturgen sein έγγνητης genannt ist.
Fragen wir zum Schluß, wie das Liturgiesystem gewirkt hat, so
müssen wir es als den Totengräber des bürgerlichen Wohlstandes be-
zeichnen. Wenn ich oben bei Besprechung der Bodenwirtschaft zu
zeigen hatte, wie der Fiskalismus auf diesem Gebiete zahlreiche Existenzen
vernichtet hat, wie die Flucht der Landbevölkerung aus der Heimat in
erschreckendem Maße durch die Jahrhunderte zugenommen hat und auch
noch fortbestand, als man sie als Coloni gesetzlich an die SchoUe fesselte,
so bieten unsere Urkunden zusammen mit den Angaben der RechtsqueUen
fast noch mehr Zeugnisse dafür, wie die wohlhabenden Kreise, die für
die Liturgien und die oktroyierten άρχαί in Betracht kamen, wirtschaft-
lich ruiniert und gleichfalls oft zur Flucht von der Heimat gezwungen
wurden. Ich möchte konstatieren, daß wir ähnliche Erscheinungen aus
der Ptolemäerzeit, der nach Obigem der Amtszwang fremd war, nicht
1) Vgl. auch meine Einleitung zu CPR 20 (402).
2) Vgl. den Vorscblag an den νν>ιτο6τράτηγος in Lips. 65 oben S. 353.
3) Vgl. meine Besprecliung von Wengers Papyrusforschungen in der Deutsch.
Lit.-Z. 1902 Sp. 1141 f.; Mitteis zu Lips. 45; Preisigke zu Straßb. 46.
§ 2. Die Liturgien. 355
kennen. Wohl haben wir auch für jene Zeit Zeugnisse für die Flucht
der Bauern kennen gelernt^), aber von einer Flucht der Beamten hören
wir nichts.^) Aus dem I. Jahrh. n. Chr. sind noch keine Belege für den
Druck der Liturgien bekannt, da ja für diese Zeit, wie oben bemerkt wurde,
überhaupt noch keine direkten Erwähnungen von Liturgien vorliegen.
Möglich, daß damals noch keine Liturgien bestanden. Gab es solche, wie
ich eher glauben möchte, so war vielleicht zu Anfang der Druck noch
nicht so schwer wie später, zumal im L Jahrh. die wirtschaftlichen Zu-
stände im allgemeinen noch glücklichere gewesen zu sein scheinen. Vom
IL Jahrh. an tritt uns dann fast überall, wo ausführlicher von Liturgien
gesprochen wird, das βάρος των λειτουργιών, die durch sie hervorgerufene
άό&ενεια (die wirtschaftliche Erschöpfung), die Sehnsucht nach άνάχτηόις
(Erholung) und άνάπανμα, und daher die Gefahr des μη έπιμενειν εν ττι
Ιδία und schließlich die Flucht, die ψνγγι oder άναχώρηΰίς und das
aXäöd-at έτά ξένης entgegen. Um eine Vorstellung von diesem Elend zu
bekommen, lese man etwa die folgenden Texte, die ich in chronologischer
Folge, so weit möglich, aufzähle: Fay. 106 (394), BGU 372, δ ff. (19),
Flor. 91, Teb. 327 (394), Gen. 37 (400), Oxy. IV 705 III (407), BGU 159
(408), CPR 20 (402). Für die byzantinische Zeit, für die die Rechts-
quellen mit ihrem reichen Material über die Flucht der Dekurionen die
Urkunden überbieten, lese man die oben erwähnten GesteUungsbürg-
schaften mit ihrer stereotypen Garantie für das „Bleiben und Sichzeigen"
der Liturgen, in der sich die Angst der Regierung vor der Flucht ihrer
Liturgen wiederspiegelt, und die ergreifende Eingabe jener Martha, die
ihre Schwester auslösen möchte, die ihr durch Liturgien verarmter Vater
für einen Solidus hatte verpfänden müssen (Cair. Cat. 67023 vom J. 569).*)
Wenn irgend etwas, so ist dies Liturgiewesen daran schuld, daß wir in
unsem Urkunden schließlich fast nur von ganz großen Grundbesitzern
oder aber von verarmtem Proletariat hören.
1) Vgl. 8. 276.
2) Der τοηογραμμχηενς, der nach Lille 8, 78 ff. geflohen war, war als Domauial-
[..'iihter verechttldet.
8) Z. 14: Λ[ρ]ό τοϋ τόν ίαντο[ϋ] βίον άΛθλΗτ[ον]ργήαα[ι]1 Vgl Arch. V U6.
KAPITEL IX.
DAS YEßPFLEGÜNGSWESEN.
§ 1, HOF, BEAMTENSCHAFT UND HEER.
Es soll hier nicht auf die Fragen der Besoldung der einzelnen Be-
hörden und Truppenteile eingegangen werden^ sondern die allgemeinen Maß-
regeln zur Beschaffung der öffentlichen Natural Verpflegungen sollen hier
kurz dargelegt werden.
Für die Ptolemäerzeit kommt zunächst der König und der Hof in
Frage. Es war eine altägyptische Einrichtung, daß, wenn der König oder
der Hof durch das Land reisten, die einzelnen Ortschaften für die Ver-
pflegung zu sorgen hatten.^) Mehrere Texte zeigen uns, daß diese Ver-
pflichtung auch in die Ptolemäerzeit mit übernommen wurde. Aus dem
in. Jahrhundert stammt Petr. Π 39 (e), wo 3, 18 und 8, 24 unter ver-
schiedenen Abgaben von Kleruchen auch ein ατεφανος für eine Λαρονοία
erwähnt wird^), und zwar wird dieser sogenannte ΰτεφανος in Weizen ge-
liefert. Wie den Dörfern aus Anlaß der königlichen τΐαρονβία Extraabgaben
an Weizen auferlegt wurden, zeigt Teb. I 48 (409) aus dem Ende des
IL Jahrhunderts. Von der Λαρονοία einer ßaöCliuua handelt das Ostrakon
Brit. Mus. 25751 (Griech. Ostraka II n. 1481) aus dem IL Jahrhundert.
Ebenso hatte das Land aber auch den Beamten, im besondern den hohen
Staatsbeamten aus Alexandrien, wenn sie auf Reisen waren, Verpflegung zu
liefern, und darüber haben wir bessere Nachrichten als über die reguläre Ver-
pflegung der Beamten. Wir haben drei Texte aus dem III. Jahrb., die sich
auf die τίαρονΰία desselben Dioiketen Χρνΰιτίπος beziehen. Der früheste
(P. Cairo 10250: Arch. II 80 [410]) zeigt, daß das Getreide für die Brote
durch Zwangskäufe zusammengebracht wurde {βυνηγοραύμένοζ άρτος),
während der etwas jüngere Grenf. II 14 b [411] von den ξένια (Gänsen,
Tauben usw.) handelt, die offenbar nicht bezahlt, sondern als außerordent-
liche Abgabe requiriert wurden. Vgl. auch Petr. III S. 152. Für das
IL Jahrhundert haben die Tebtjnistexte mehrere Belege für solche Liefe-
1) Vgl. Ad. Erman, Ägypten und ägyptisches Leben I 162 f.
2) Vgl. meine Griech. Ostraka I 275, wo ich άλλου (seil, ατεφάνον) tcccqovöiccs
hergestellt habe.
§ 1. Hof, Beamtenschaft und Heer. 357
rungen für die TtagovöCa oder κοίτη von Beamten gebracht. Vgl. Teb. I
121, 95 ff. (wo auch ein ύνμπόόιον erwähnt wirdj, 122 (Abrechnung für
eine τιοίτΎΐ über Wein, Vögel, Ol, Gerste, Linsen, Heu, Brote, Kohl, Kne-
kosöl), 179, 180, 253. Vgl. auch 182, wo eine πQoφγιτov παρονΰύα er-
wähnt wird.
Daß es bei diesem Naturalsystem im Lande des Bakschisch leicht zu
Übergriffen der Beamten kam, läßt sich denken. So enthält Petr. II 10
(1) flu. Jahrhundert) eine bewegliche Klage der königlichen Gänsezüchter
(vgl. oben S. 256) gegen einen Oikonomos, der eig τα \ivui zuviel Gänse
von ihnen verlaugt hatte. Aus dem Ende des III. Jahrhunderts hat uns
der Obelisk von Philae eine Klage der Isispriester erhalten, in der sie
sich darüber beschweren, daß die durchreisenden Beamten und Truppen
sie zwingen, παρονοίας αντοίς noula^ai^ so daß der Tempel wirtschaft-
lich geschädigt werde. ^) Das Verbot des Euergetes U in Teb. 5, 178 ff.
bezieht sich z. T. auf die Unsitte, daß die Beamten anläßlich der Über-
nahme oder der Erneuerung ihres Amtes der Landbevölkerung Natural-
lieferungen auferlegten.
Endlich zeigt uns Teb. 33 (3), daß auch vornehme Reisende, wie der
römische Senator, die als Gäste des Königs betrachtet wurden, gleich-
falls ^aVta (Brote usw.) von der Bevölkerung zu empfangen hatten.
Bezüglich der Verpflegung der Truppen haben die Papyri gezeigt,
daß sie außer dem Solde in Geld (όφώνιον) Nat Urallieferungen erhielten,
die aber schon im IL Jahrhundert zum größten Teil adäriert waren. ^)
Die von der Regieruug berechneten Geldäquivalente, die natürlich sehr
geringe Preise zugrunde legten, nannte man όυτώνια,, was auf die Be-
stimmung zum Getreideankauf hinweist. Wir haben nun einige Texte, die
die Vermutung nahelegen, daß die Ankäufe für die Truppen zwangsweise
erfolgten.') So wird der άγοραβτόξ (seil. 6ΐτοξ\ d. h. das von der Regie-
rung gekaufte Getreide (frumentum emptum der Römer) gelegentlich par-
allel dem έκφόριον als Leistung an den Staat erwähnt. Vgl. Petr. III
100 (b). Es war also pflichtmäßig zu liefern wie die Bodenrente. Ich
glaube, daß auch der Gegensatz von φοριχός und άγοραοτός (όΐτος) in
Petr. II 20 II nichts anderes besagt.*) Zum άγοραότοζ vgl. auch noch
Petr. II 48, 7 und 16; 30 (a) (τυν άγοραοτυν ov ή τιμή άντιΟιαγέγραπ-
rr / . Petr. III 113, 5. Wiihrend hier überall eine Beziehung auf das
\, Vgl. Wikken. Hermoe 22, iff.; Dittenberger, Or. Gr. I 189.
2) Vgl. meine Bemerkungen zu Theb. Bank. V und Qriech. Oitrak» I 669 IT.
Die Ilaupttexie, Lond. I 8. 87 ff., Theb. Bank. V— VII und die entapreoh enden Texte
au• KenlloutN M('lange8 werde ich in den UPZ neu behandeln.
») Vgl. Hoetowzew, Fauly-Wiee. VII 166.
1; Andorn BonchC'-I^clerc«! III »76, auch Roitoinew, Arcb. III Sil, der spUter
bei Pauly-Wiimowa 1. '• !• • -^ »■♦ • • Deutung von άγο^α^χάς (-' ^"ί *'>m emptum)
gegeben hat.
358 Kapitel IX. Das Verpflegungswesen.
Militär nicht angedeutet ist^), handelt Amk 29 (um 250 v. Chr.) sicher
Yon der Truppenverpflegung ^), und hier findet sich das Wort βνναγορά-
ζειν für die Zwangsankäufe der Regierung, das uns in 410, 6 begegnete
und in Texten der späteren Zeit sehr häufig ist (s. unten). In Amh. 29, 15
wird durch königlichen Erlaß das unbefugte Aufkaufen verboten {μηδέ
όυναγοραζέτωΰαν μήτε α[ντοΙ μήτε οι] ντΐηρεταί αντών Λαρενρεοεί μηδε-
μ[ίαι). So kamen also auch bei der Heeresverwaltung ebenso wie bei
den Zivilbeamten (s. oben) Übergriffe vor. Vgl. auch die oben erwähnte
Inschrift des Obelisken von Philä, die sich gegen das Militär ebenso wie
gegen die Beamten richtet.
In der Kaiserzeit bestand natürlich in den seltenen FäUen, daß ein
Kaiser Ägypten bereiste, die alte Verpflichtung der Bevölkerung, den
Pharao zu verpflegen, weiter fort. Einen historisch- interessanten urkund-
lichen Beleg dafür bietet ein noch unveröffentlichtes Ostrakon der Straß-
burger Sammlung (412), das ich vor einigen Jahren kopierte. Es handelt
sich hier um die Vorbereitungen zum Besuch des Kaisers Hadrian in
Theben (a. 130). Der Text zeigt, daß speziell aus Anlaß dieses bevor-
stehenden Besuches liturgische Beamte für die Erhebung der für die
Verproviantierung nötigen Naturalien (hier der Gerste) eingesetzt waren.
Die „Lieferung" für den kaiserlichen Reisenden wird hier (wie in 415)
mit dem ter minus technicus παροχή bezeichnet, was zur Erklärung der
parochi in Horaz' Satir. 1, 5, 46 beiträgt. Historisch vielleicht von noch
größerem Interesse ist ein gleichfalls noch unpubliziertes Ostrakon des
Louvre (413), das ich leider nur unvollständig transkribierte, das von
dem aus Tacitus, annal. II 59 uns vertrauten Besuch des Prinzen Grer-
manicus in Theben handelt. Soweit ich den Text verstehe, handelt er
von einer Zahlung für Weizen — εΙς Λαρονβίαν Γερμανικού Καίύαροξ
vom 25. Januar 19 η. Chr. (vgl. meinen Kommentar).
Schwerer als diese seltenen Besuche von Kaisern und Mitgliedern der
kaiserlichen Familie mußten die Reisen der Präfekten auf dem Lande
lasten^), da diese ja häufig Inspektionsreisen durch ihre Provinz machten*),
abgesehen von den alljährlichen Reisen in die Konventsstädte, die andrer-
seits große Einnahmen durch den Konvent hatten.^) Das früheste Bei-
1) An sich wäre möglich, daß auch das für die Verpflegung der reisenden Be-
amten wie in Arch. II 80 (410) für den Dioiketen aufgekaufte Getreide mit darunter
fiele. Nur scheint in jenen Texten der ayogaötos eine regelmäßige Abgabe zu sein,
während diese nur außerordentlicherweise ad hoc erhoben wurden.
2) Vgl. Wilcken, Arch. II 118.
3) In den anderen Provinzen war es nicht anders. Vgl. die Verordnungen in
Dig. 1, 66, 6, 3, die zugleich zeigen, daß die Statthalter bezüglich der xenia gern
über die Stränge schlugen.
4) Vgl. zu diesen Reisen meine Ausführungen im Arch. IV 415 fiP.
5) Arch. IV 403.
§ 1. Hof, Beamtenschaft und Heer. 359
spiel bietet z. Z. das Ostrakon Brit. Mas. 16467 (= Gr. Ostraka Π η. 1372)
aus Theben, das eine παρονόία des bekannten Präfekten Flaccus vom
J. 33 n. Chr. betrifft (414). Hier wird wie in dem Germanicus-Text von
dem Kontribuenten Geld gezahlt für Weizen. Reichere Aufschlüsse bietet
jetzt Lond. ΙΠ S. 112 ff. (415) aus der Zeit des Pius, eine Vorschlags-
liste für die Liturgen, die für den Besuch des Statthalters Valerius
Proculus für die Beschaffung des nötigen Proviants zu sorgen hatten. —
Die neue Beamtenschaft, die uns seit Diokletian entgegentritt, wird hin-
sichtlich der Verpflegung dieselben Anrechte gehabt haben wie die der
älteren Zeit. Als Beispiel verweise ich auf Lond. III S. 240 (IV. Jahr-
hundert), wo über die Ausgaben anläßlich eines Besuches (επιδημία) des
y.ad-oXixog und ferner des έπαρχος^ also des Präfekten aus Alexandrien
abgerechnet wird.
Für die Verpflegung des Heeres haben wir für die römische und
byzantinische Zeit ein reicheres Material als für die Ptolemäerzeit. Die
Grundzüge der Entwicklung, die hier zu beobachten ist, habe ich schon
oben S. 188 anläßlich des Steuersystems kurz dargelegt. Wir finden hier
einmal das ptolemäische System der Zwangsankäufe, das bis ins Ende des
II. Jahrhunderts zu verfolgen ist, und andrerseits eine spezielle Abgabe
für die Verpflegung des Heeres, die etwa aus denselben Zeiten unter
dem Namen der annona militaris^) begegnet.
Bezüglich der Zwangskäufe läßt sich folgender Geschäftsgang fest-
stellen.-) Der Präfekt Ägyptens bestimmte, welche Getreidequanten für
die einzelnen Truppenteile zwangsweise zusammengekauft werden sollten,
z. B. 20000 Artaben Gerste im Hermopolites für die ala Heracliana in
Koptos (BGÜ 807). Gerade dieser Text zeigt (vgl. Z. 10 und 18), daß
solche Summen nicht alljährlich, sondern wohl je nach Bedarf ausge-
schrieben wurden. Die Gaubeamten (πραγματιτίοί) repartierten nun weiter
die auf den Gau entfallende Summe auf die einzelnen Dörfer (έπίμεριομός),
und hier war es Sache der πρεοβντεροι της κώμης^ das Getreide von den
Kontribuenten zu beschaffen. Fast in allen Urkunden sehen wir diese
Presbyter selbst das Getreide den dazu abkommandierten Soldaten ab-
liefern, im Faijüm (Grenf. I 48) wie im Hermopolites. Doch einmal finden
wir im Faijüm Liturgen (ενόχήμονες xal παραλήμπται ονναγοραότίχή^
xρL^•ilg)f die ihrerseits das Getreide von den Presbytern sich liefern lassen,
und zwar haben sie diese Liturgie für eine ganze μερίς des Faijüm
(BGU II 38 Ij. Diese Urkunde ist schwer zu vereinbaren mit Qrenf. I 48.
Da sie einen Hinweis auf Militärlieferungen nicht enthält, ist zu fragen,
ob diese Lieferungen nicht vielleicht anderen Zwecken dienten.') Aufgabe
I Vgl. Roitowzow, Paulj-WiMOwa VII 166 ff. 9) Wiloken, Arch. I 177.
Nicht miliiäriiche Verweodang liegt wohl auch in Tob. II 369 Tor, wo eioe
i . L . νναγοραοτικΰς χνρός an dio Sttologen ftbliefert (u. 148).
360 Kapitel IX. Das Verpflegungswesen.
der Militärverwaltung war es endlich, nach Empfang des Getreides den Preis,
den wahrscheinlich von vornherein der Präfekt bestimmte, zu zahlen. Die
Auszahlung des Kaufpreises (rtftij) an die Presbyter, der gewiß sehr niedrig
bemessen war, erfolgte entweder durch den abkommandierten Soldaten direkt
wie in Grenf. I 48 (Faijum) oder durch besondere liturgische Spezialbeamte
in der Metropole, die den Betrag aus der Regierungshauptkasse zu ent-
nehmen hatten (so in Herraopolis). Ob und wie im letzteren Falle die
Militärverwaltung und die Regierungskasse sich miteinander verrechnet
haben, erfahren wir nicht. Es ist noch zu untersuchen, ob nicht in den
Fällen, wo das Geld von der Regierungskasse entnommen wurde, hierzu
die Zahlungen der adärierten annona verwendet wurden, so daß die beiden
Systeme in Zusammenhang miteinander stehen würden (s. unten). Die
gesamte Geschäftsführung innerhalb des Gaues vollzog sich unter der
Kontrolle des Strategen, an den daher auch mehrere dieser Texte ge-
richtet sind. Die eben verwendeten Urkunden scheiden sich formell in
folgende Gruppen:
1. Der abkommandierte Soldat quittiert den Presbytern den Empfang
des Getreides und konstatiert, den Preis gezahlt zu haben (Faijum) : Grenf.
I 48 (416).
2. Der abkommandierte Soldat meldet dem Strategen den Empfang
des Getreides von den Presbytern des Dorfes (Hermopolites): BGU 807.
Amh. 107 (417), 108, vgl. 173—178.
3. Die Presbyter quittieren den Liturgen den Empfang des Preises
(Hermopolites): BGU III 842.
4. Die Presbyter berichten dem Strategen über den Empfang des
Preises von jenen Liturgen (Hermopolites): Amh. 109 (418).
Die z. Z. bekannten Zeugnisse für solche Zwangskäufe stammen alle
aus dem Ende des IL Jahrhunderts. Es ist möglich, daß man im IL Jahr-
hundert dieses System aufgegeben hat. Zumal aber aus der byzantini-
schen Zeit für andere Reichsteile wieder Belege für solche Ankäufe vor-
liegen^), wäre es denkbar, daß auch über das IL Jahrhundert hinaus
noch gelegentlich Anwendung von diesem System gemacht wäre. Jeden-
falls schließt dies System nicht die gleichzeitige Erhebung der schon
oben erwähnten annona militaris aus, denn die ältesten Beispiele dieser
Abgabe stammen oder können doch stammen aus derselben Zeit, wie die
obigen Dokumente.^) Zwar nennen die betreffenden Ostraka nicht den
Kaiser, auf den das Datum sich bezieht, aber manche können ebensogut
auf Marcus -Commodus wie auf Severus-Caracalla bezogen werden. So
könnten z. B. Griech. Ostraka II n. 273 und 698 aus Commodus' Zeit stammen
1) Vgl Kostowzew 1. c.
2) Vgl. meine Griech. Ostraka I 155 ff.
§ 1. Hof, Beamtenschaft und Heer. 361
und würden dann gleichaltrig mit den obigen Ankaufs- Urkunden sein.^)
So rechnet auch Rostowzew 1. c. gewiß mit Recht mit der Annahme, daß
auch schon früher unentgeltliche Auflagen in den einzelnen Landesteilen
zur Verpflegung der in ihnen stationierten Trappen erhoben seien, zu
denen mehr zur Ergänzung jene Ankäufe hinzugekommen seien. Nach
unserem jetzigen Material, das aber durch seine Zufälligkeit einen irrigen
Eindruck machen kann, ist die Abgabe unter dem Namen άννώνα erst
seit dem Ende des IL Jahrhunderts in jenen Ostraka nachweisbar. -) Diese
annona militaris, die wir nach unseren sonstigen Nachrichten als einen
Zuschlag zur Grundsteuer zu fassen haben, wird in diesen Texten nicht
immer in natura geliefert^), sondern oft als adärierte annona in Geld. Dabei
wird dann meist angegeben, statt welcher Naturalien das Geld gezahlt
wird. So für Gerste (679, 698), für Wein und Datteln (1264). Über die-
selben Zahlungen — mit derselben Formel νπίρ τιμής — quittieren noch
mehrere andere Ostraka, die freilich das Wort άννώνα nicht enthalten,
aber, wie ich schon in den Ostraka I S. 272 und 312 vermutete, doch
vielleicht auf die annona zu beziehen sind. Vgl. die Belege D. cc. (für
Wein und Datteln). Ist dies richtig, so würde Ostrakon II n. 502 uns
eine adärierte Annona -Zahlung sogar schon für das Jahr 109 bringen.*)
Aber es bleibt dies zunächst lediglich eine Vermutung. Wenn wir nun
bedenken, daß diese Gelder natürlich an die Regierungskasse abgeführt
wurden^), und aus der Kasse wieder, wie wir oben sahen, die Gelder für
den Ankauf der Gerste usw. entnommen wurden, so drängt sich doch die
Vermutung auf, daß diese Geldzahlungen für Gerste, Wein usw. erhoben
worden sind, damit eben jene Natural-Ankäufe davon bezahlt würden, und
weiter, daß die adaeratio eben von denjenigen verlangt wurde, die die
Naturalien selbst zu liefern nicht in der Lage waren. Sollte sich diese
Hypothese bewähren, so würde damit die annona und jene Ankäufe in
eine innere Verbindung miteinander treten.
Die Einführung der Kommuualordnung im J. 202 ist auch für die
Beschaflfung der annona nutzbar gemacht worden, indem nunmehr den
Kurien dafür die Verantwortung auferlegt wurde. Zahlreiche Belege hier-
für liegen erst für das IV. Jahrhundert vor, aber daß es auch schon im
IIL Jahrhundert so war, und zwar schon vor Diokletian, zeigt jetzt Oxj.
VIII 111 δ, wo bereite für das 6. Jahr des Probus (280/1) έπψεληταί für
1) Fftll• Ostrakon II n. 662 auf die annona zo beziehen iit (i. unten), to iit
hier ein eindeuiif^ee Datum für dio annona: a. 29 -■ 188/9.
2) Vgl. Gr. OHtruka II n. 27S (Klepliantine), 674, 679, 689, 698, 1016, 1019, 1264
(vgl. Corrigonda), U7U (Theljen).
ü) So in n. 1016, lOlU, 1479 (Weieen oder Wein).
4) Dagegen haben n. 1Γ)74— 1676 einen anderen Charakter.
6) Auidrflcklich wird dies herrorgehobcn z. Ώ im OHtrakon II n. 662, da« mit
1264 verwandt ist, wo ttg άνψ&9{αψ) getagt i^<
362 Kapitel IX. Das Verpflegungswesen.
die annona bezeugt werden. Solche εταμεληταί sind aber Ratsherren, die
als Liturgen für den betreffenden Auftrag haften, und hinter denen
außerdem noch die Haftung ihrer βουλή steht. In diesem Falle haben
die έπψεληταί des oxyrhynchitischen Gaues die annona (άρτος) nach
Panopolis gebracht und verteilt. Quittiert wird es ihnen von einem Be-
amten, der STti διαδόσεως άννώνης heißt. ^) Aus Diokletianischer Zeit (a. 295)
stammen dann die umfangreichen Spreuabrechnungen in Oxy. I 43 Recto,
wonach man die Spreu (αχνρον) direkt an die dazu beauftragten Sol-
daten (optiones, tesserarii usw.) ablieferte, die ihrerseits die Quittungen
ausstellten. ^)
Im IV. Jahrhundert finden wir dann meist zwischen den έτημελψαί
und den Soldaten die δLaδότaL (die Verteiler, erogatores)^), die natürlich
auch Liturgen waren. Letzteres wird namentlich durch Rein. 56 (419)
und Giss. 54 (420) bestätigt.*) Die έταμεληταί hatten also, nachdem sie
die annona von den einzelnen Kontribuenten erhoben und zusammen-
gebracht hatten (vgl. Goodsp. 11 [421])^), sie an die δυαδόταυ abzuliefern.
Diese steUten ihnen Quittung aus — vgl. BGU IV 1025 (422), Lond. III
S. 228 — und empfingen von ihnen Gegenquittung {αντάποχα) — vgl.
BGU III 974 (423). Ähnlich ist der Geschäftsgang auch bei der Be-
schaffung und Verteilung der für die Soldaten bestimmten Kleider, die
gleichfalls zur annona im weitesten Sinne gerechnet wurden.^) Auch hier
haben wir εΛίμεληταΧ (iöd'fjrog ότρατίωτίκής) — vgl. Lips. 45, 46, 58 — 60.
Der Horion in Lips. 58 ist möglicherweise als δίαδότης aufzufassen, doch
bleibt es unsicher, ζίυαδόται lassen sich in der Annona -Verwaltung noch
bis ins VI./ VII. Jahrhundert nachweisen. Vgl. Grenf. II 95. Wie schwer
aber diese gesamte Verpflichtung auf den Kurien lastete, das zeigt uns
anschaulich BGU IV 1027 (424), wo der praeses Thebaidis die Verant-
wortlichkeit der Kurie in den schärfsten Worten betont.
In den zitierten Urkunden des IV. Jahrhunderts handelt es sich noch
überall um Naturallieferungen, doch kommen auch damals — wie ja auch
in der vorhergehenden Periode (s. S. 361) — daneben Adärationen vor
1) Es liegt nahe, ihn dem dtadotri? der späteren Zeit gleichzustellen.
2) Diese optiones usw. übernahmen dann die Verteilung an die einzelnen Sol-
daten, die wiederum jenen den Empfang zu quittieren hatten. Mehrere solcher Sol-
datenquittungen über annona sind uns aus dem Anfang des 111. Jahrh. unter den
Ostraka aus Pselkis in der Dodekaschoinos erhalten. Vgl. meine Griech. Ostraka II
n. 1129 ff. und dazu I 705 ff.
3) Vgl. Mitteis, P. Lips. S. 286 f., Sav. Z. 1907, 385. M. Geizer, Stud. S. 50.
4) Auch Oxy. I 60 (43) handelt von der Wahl eines διαδόττις durch die βονλη^
wie Geizer 1. c. 51 mit Recht bemerkt. Er soll 3000 Pfund Fleisch für die Truppen
nach Nikopolis bringen (bei Alexandrien).
5) Vgl. auch Flor. 31.
6) Vgl. hierzu Mitteis zu Lips. 45,
§ 2. Die Gemeinden. 363
(έξ,αργνριομ,οί).^) So ζ. Β. in Lips. 63 (a. 388), der von der Verpflegung
nicht einer gamisonierenden, sondern einer in das Feld ziehenden Truppe
handelt.^) Später hat die Adäration immer mehr um sich gegriffen. In
den oben S. 222 aus justinianischer Zeit zitierten Urkunden — Oxy. 126
(180) und in den Aphroditopapyri — wird die Annona von den Kontri-
buenten durchweg in Geld gezahlt. Vgl. auch Grenf. Π 9δ, Ρ. Klein. Form.
95, 999, 1277. Darum treten hier auch die νποδέκται oder χρνΰνποδεκται
auf, nicht die εταμελψαΐ^ die die Naturalien beschafft hatten (vgl. oben
S. 230). Zu der annona in den Cairener Papyri vgl. M. Geizer, Arch. V
352 ff. Einen interessanten Einblick in die anarchischen Zustände der
justinianischen Zeit gewährt uns BGÜ 836 (471), wonach die buccellarii des
vornehmen patricius die kaiserlichen Truppen verhinderten, die durch dele-
gatio ihnen zugesprochenen annonae und capita (Futterrationen) zu requi-
rieren.
Für die Fragen der Verpflegung von Heer und Beamtenschaft in der
arabischen Zeit ist uns soeben durch Lond. IV ein reiches Material be-
schert worden. Ich kann z. Z. nur auf die Einleitung von Bell verweisen.
Einige Beziehungen zur Verpflegung des Heeres (wie der ρόγα der Λ/ω-
αγαρΐται) finden sich schon in den im V. Kapitel abgedruckten Texten aus
diesem Londoner Bande (284, 298).
§ 2. DIE GEMEINDEN.
Aus der Ptolemäerzeit haben wir nur wenige Nachrichten darüber,
was für Maßregeln der Staat ergriffen hat, um für eine regelmäßige Er-
nährung der Bevölkerung zu sorgen. Angesichts der wechselnden Nil-
schwellen und der daher wechselnden Ernten konnte der Staat diese
Lebensfrage nicht dem Ermessen der Einzelnen überlassen. Was wir über
die Einrichtung und Verbreitung der über das ganze Land verteilten The-
sauren erfahren (vgl. S. 153), bestätigt nur, daß im allgemeinen das alte,
aus der Pharaonenzeit her bestehende Magazinsystem auch von den Ptole-
mäem weitergeführt wurde, wonach in den guten Jahren die Überschüsse
magaziniert wurden, um in den Jahren der Teuerung verwendet zu werden.
Daß bei mangelhafter Nilschwelle den davon betroffenen .\ckern Steuer-
erleichterungen gewährt wurden, ist schon im V. Kapitel besprochen worden.
Brach aber allgemeine Hungersnot aus, so genügten nicht die Nachlässe,
Hondeni es bedurfte positiver Unterstützung. Zunächst wird man dann
die Staatsmagazine geöffnet haben, aber unter Umständen haben auch
deren Vorräte nicht gereicht. So wird Euer^etcs I im Dokrot von Kano-
1) Die iM'ld/.ttliliingon wonlrn «itinli den ν:τ<κΜχτη< rniori.n - '»/x-
της χ^ναοϋ τιρώνων in Lii)«. 81 Vurho 0, <1•ί• Ιογον ndruuroi• rir rld
empfUngt. Vgl. hier/.u Kap. XI.
♦i; Vgl. WUcken, Arch. III 666, IV 226, 477 und Kap. XI.
364 Kapitel IX. Das Verpflegungswesen.
pos deswegen gerühmt, daß er einmal bei schwerer Hungersnot aus Syrien,
Phönizien, Cypern und anderen Orten zu hohen Preisen Getreide auf-
kaufen ließ und so das ägyptische Volk rettete.^) Andrerseits hören wir,
daß die letzte Kleopatra zur Zeit einer Teuerung in Alexandrien Getreide-
verteilungen vorgenommen hat.^) Wenn sie die Juden hiervon ausschloß,
wie Apion erzählt hat, so werden diese Frumentationen auf die alexan-
drinischen Bürger beschränkt gewesen sein, zu denen ja jene nicht gehörten
(s. oben S. 24, 63). Das wird dieselbe Hungersnot von 43/2 gewesen sein,
während deren im perithebischen Gau der reiche Καλλίμαχος die verhungerte
Bevölkerung aus eigenen Mitteln rettete.^) Daß er nicht kraft seines
Amtes (έπΙ των τίροοόδων usw.) als Vertreter der Regierung, sondern
durch Aufopferung eigenen Vermögens*) die Not linderte, beleuchtet den
Unterschied der Zeiten gegenüber dem energischen Eingriff des Euergetes I
zugunsten der χώρα.
Sehen wir von solchen außergewöhnlichen Zwischenfällen ab, so sind
für die Ptolemäerzeit dauernde Einrichtungen für die Volksemährung nur
für Alexandrien, wenigstens andeutungsweise, bekannt. Unter den alexan-
drinischen Beamten schreibt Strabo XVH p. 797 dem Exegeten^) die Stcl-
μελευα των vfj τίόλει χρηΰίμων zu, worin man mit Recht die Fürsorge
für die Verpflegung der Hauptstadt sieht, und da er sagt, daß diese Amter
schon unter den Königen bestanden hätten, so wird man auch schon dem
ptolemäischen Exegeten diese Kompetenz zuschreiben dürfen, wenn er sie
auch wahrscheinlich nicht von vornherein gehabt hat.^) Diese επιμέλεια
ist damit jedenfalls für die Ptolemäerzeit bezeugt. Daß ein eigenes
Amt für die Versorgung Alexandriens geschaffen wurde, erklärt sich dar-
aus, daß je mehr diese Stadt sich zu der Riesenstadt entwickelte, sie not-
weudig auf die Heranschaffung der Lebensmittel von auswärts angewiesen
war. Auch in dieser Hinsicht war sie die τΐόλυς, die sich von Ägypten
als ihrer χώρα ernähren ließ. Ein klares Beispiel hierfür liegt uns im
Rev. P. vor, in dem der König vorschreibt, wieviele Aruren jeder Gau mit
Ölfrüchten zu bestellen hat ώύτε εΙς την έν ^λε^,ανδρείαι διά^'εύιν.'^) So
muß jeder Gau dazu beitragen, daß Alexandrien das nötige Ol bekommt.
1) Dittenberger, Or. Gr. I 56, 17: ^Βτατίεμ.ι^άμενοι εις την χώραν τιμών μειζόνων.^
Die Kornpreise waren natürlich in diesen anderen Teilen seines Reiches eben wegen,
der ägyptischen Teuerung gestiegen.
2) Josephus c. Apion. II 60.
3) Dittenberger, Or. Gr. I 194. Vgl. Dittenbergers Kommentar S. 276.
4) Z. 20 : τον γαρ εαντοΰ βίον 6λθ6χ[ερ']ώς άν[έ]ΰ•8το τοις χρήοΟ'αί βονλομένοις κτλ.
δ) Vgl. oben S. 16.
6) Der Exeget als solcher hat, worauf schon sein Titel hinweist, von Haus au»
andere Befugnisse. Kraft dieser hat er auch die τΐορφνρα und die τιάτριοι τιμκί^ von
denen Strabo 1. c. spricht. Es liegt also Kumulierung verschiedener Kompetenzen
vor. Vgl. meine Griech. Ostraka I 657.
7) Vgl. Rev. P. 60, 18 ff., auch 53, 17 ff. (299).
§ 2. Die Gemeinden. 365
freilich gegen Bezahlung. Wir dürfen mutmaßen, daß dies nur ein ein-
zelnes Beispiel aus einem ganzen System ist.
Reicher sind die Aufschlüsse über die römische Zeit. Ich sehe
einstweilen von der annoua civica ab und fasse nur Ägypten selbst
ios Auge. Das schon erwähnte Magazinsystem bildete natürlich auch
jetzt die Grundlage. Als Germanicus im J. 19 nach Ägypten kam, wo
damals eine Teuerung herrschte, öffnete er die kaiserlichen Magazine
Alexandriens und verteilte das Getreide zu niedrigen Preisen.^) Auch er
hat offenbar dies billige Getreide wie einst Kleopatra nur an die alexan-
drinischen Bürger abgegeben, denn die Juden schloß er davon aus.*) Auch
für Antoninus Pius sind solche außerordentlichen Getreideverteilungen für
Alexandrien bezeugt, und zwar für sein 20. Jahr. ^) Für die Mitte des
III. Jahrh. werden uns ständige frumentationes (όι,τηρεοία) für Alexan-
drien durch den Brief des Dionysios bei Eusebius, bist. eccl. VII 21, 9
(ed. Schwartz) bezeugt. Anfangs für die 40 — 70jährigen bestimmt, wur-
den sie im J. 261 auf die 14 — 80jährigen ausgedehnt.^) Aus demselben
Jahre 261 stammt Lond. UI S. 127/8 (425), wonach die Kaiser Macrianus
und Quietus damals ein ΰιτηρεόίον auch für die χώρα gewährt haben.
Andere Quellen berichten von ständigen Kommuualbeamten, die für
die Verpflegung Alexandriens und — was wir für die Ptolemüerzeit nicht
nachweisen können — auch der Metropolen zu sorgen hatten. Auf Strabos
Zeugnis betreffs des Exegeten, dem die έπψελεία των τι} πόλει χρησίμων
oblag, wurde schon hingewiesen.^) Seit dem IL Jahrhundert liegen uns
Zeugnisse für Beamte der εν^ηνία^) vor. Dieser Ausdruck, der schon in
der Rosettana vorkommt^), kann zwar speziell die annona urbica be-
zeichnen (s. unten), wie auch die annona militaris, aber wie ich schon
in den Griech. Ostraka I 657 f. betonte , weisen die kommunalen Titel
h έπί rfig svdTivCccg und ενϋ-ηνιάρχης auf die kommunale „Wohlfahrt"
hin.®) Für Alexandrien ist von besonderer Wichtigkeit der Titel ό Μ
1) Tacitus, ann. II 69: levavitque apertis horreis pretia fruffiim. Sueton, Tibe-
riiiH 02, — Unter Trajan ist es vorgekommen, daß Ägypten zur Zeit einer Hungers-
not vom Kaieer mit auslündiechem Korn versorgt wurde. Darüber jubelt Flinius im
Fanegyricue 30 f.
2) JüBephuB c. Apion. II 68.
8) Vgl. Catalogue of coine of iint. Muh., AleMuulria Inti. p. 89 nr. 1007.
4) Vgl. Mommacn, HG V 671 Anm. 2; Wilcken, Arch. IV 640. Andere Roiiow-
«ew, Paoly-Wie«. VII 187.
b) Kr iit yiellcicht d»e Vorbild für den praef. anncoae von Rom geworden.
Vgl. Hirxohfeld, Untersuch. 8. 148, dagegen ist es ihm sweifelhail in KV S86 Anm. 1,
weil der Kxeget auch andere Befagnisse gehabt hat. Aber die Organisation der ixt-
μ4Χ»ία könnte dämm doch das Vorbild Rein.
ß) Unsere Texte schwanken swiichen ίνξ^ηνια, tv^tvui^ »vl^tvtta. Unsere Lexik»
unterscheiden β^&ηψία und »4>4yivtut. Also bliebe eine Unsicherheit nur bei 9v9tvut.
7) Dittenbergor, Or. Gr. I 90, 18.
H) 8o jetei auch Ausfeld, Philologus 68, 494. Kuthcninrchen sind in diesem Sinno
liurh au0r*rhalb AgjpU'ns bo/,i>u>ft V^l. ()»»)>1«•> l'unK U. - Τ 28S0.
366 Kapitel IX. Das Verpflegungswesen.
της £ν&[η]νίας τον Β γράμματος (vom J. 158), weil wir hieraus folgern
dürfen, daß jeder der fünf Stadtteile seinen eigenen Wolilfahrtsbeamten
gehabt hat.^) Gleichwohl ist in den Papyri das Quartier niemals hinzu-
gefügt. In diesen Fällen bleibt die Frage einstweilen offen, ob es einen
επΙ της ενϋ-ηνίας gegeben hat, der über den 5 Spezialbeamten der Quar-
tiere stand. Alexandrinische Beamte nennt BGU II 578, 9 (a. 189): γενα-
μενφ άγορανόμω καΐ έτά της ενϋ-ηνίας κτλ.^), Flor. 57, 75 (143)*): των
χεκοΰμητενκότων [καΐ] επί της εν%'ηνΙας, [ϊ\ερέως καΐ έ[^ηγ]ητ[οϋ], vielleicht
auch Gen. 43, 7: εν%'ηνίαρχγι6αντος της λαμπρότατης πόλεως των [ϋλεξαν-
άρεω]ν.'^) In dem ersten FaU ist es zweifelhaft, ob die Agoranomie und
das Euthenia-Amt gleichzeitig geführt sind. War es so, so müßte das
letztere Amt — wegen der Stellung — das höhere im Range sein.^) So
begreiflich eine Kombination der Agoranomie mit diesem Wohlfahrtsamt
ist, so darf jedenfalls aus diesem unsicheren Beispiel nicht auf eine stän-
dige Verknüpfung der beiden geschlossen werden^), denn schon der Flor.
zeigt, daß das Amt mit dem Exegetenamt kombiniert sein konnte. Diesen
FaU könnte man, vorausgesetzt, daß έπΙ της εν%'ηνίας sich auf die ganze
Stadt bezieht, als eine Illustration zu Strabos Worten auffassen.
Eutheniarchen sind uns ferner für mehrere Metropolen bezeugt. So für:
Arsinoe: Teb. II 397 (a. 198), nach Z. 18 zugleich mit dem Exegeten-
amt bekleidet. Vgl. außerdem den Ausdruck Λτρο^τα^/^α εν%•ηνίας in Ζ. 14
und 28 (in bezug auf eine andere Person). — BGU II 579, 8 (279)
(a. 263), nicht ganz sicher, ob auf Arsinoe bezüglich.
Hermopolis: Mitt. PR IV S. 58 (a. 2QQ) ενΰ-ηνίαρχηοαντος. CPHerm. 7
(III. Jahrb.), wo ein διάδοχος της προόταοίας (s. Teb. II 397) της εν^η-
νιαργ[ία\ς erbeten wird.
'Oxyrhynchos: Oxy. VI 908 (426) (a. 199). Hier wird das Amt zu-
gleich mit der Gymnasiarchie bekleidet.
Schon aus diesen Beispielen, deren Zusammenstellung auf Vollstän-
digkeit keinen Anspruch macht, werden wir schließen dürfen, daß in aUen
Metropolen des Landes solche Wohlfahrtsbeamten gewesen sind.
Unter den für Alexandrien und die Metropolen aufgeführten Bei-
spielen sind nur zwei, die einen Hinweis auf die Pflicht dieser Beamten
enthalten. In dem fragmentarischen CPHerm. 7 scheint das ονντ]ίμ[ή6]α-
ΰ^αι τα κτήνη (7α. 13) zu den Aufgaben des Eutheniarchen zu gehören^
1) Dittenberger, Or. Gr. Π 705.
2) Für alexandrinisch halte ich ihn, weil er aQxidiv.aöTris usw. ist.
3) Der ist Epikrisisbeamter des Β γράμμα, gehört daher auch nach Alexandrien.
4) Ygl. Wilcken, Arch. III 396, Daß hier die Form ενϋ-Ύΐνιαρχηΰας steht, statt
γενόμενο? inl της ευ&ηνίας, könnte vielleicht gegen die Ergänzung sprechen.
5) So Grenfell-Hunt, Teb. II S. 264 gegenüber Preisigke, Stadt. Beamt. S. 31.
6) So Ausfeld 1. c. Dagegen Wilcken, Arch. IV^ 232.
§ 2. Die Gemeinden. 3ß7
also Abschätzung des Viehes.^) IQarer ist Oxy. 908 (426), wonach das
Mahlen und Brotbacken unter ihrer Kontrolle stand. Dieser Text gibt
zugleich die volle Bestätigung, daß die Eutheniarchen nicht etwa für die
annona urbica zu sorgen hatten.
Eine Hauptaufgabe wird gewesen sein, für die ausreichende Be-
schickung der Märkte mit Nahrungsmitteln zu sorgen. Für die Ver-
pflegung Alexandriens ist das Edikt Caracallas vom J. 215 von Interesse-
(Giss.4011 16ff. [22]), wonach u.a. die χοίρεμποροί und die ναϋται ποτάμιου
ausgenommen werden von den Ägyptern, die der Kaiser aus der Stadt hinaus-
weist. Die Schweinehändler also und die Flußschiffer gehören zu denen, die
die Stadt nicht entbehren kann.^) Wir besitzen einige Kaisereide von
Schweinezüchtern aus dem Delta, in denen sie erklären, soundsoviele
Schweine vorrätig zu haben und bereit zu sein, sie auf den Markt von
Alexandrien resp. von Ψενβελλεΐχις zu treiben. Die Texte zeigen zu-
gleich, daß der Stratege des Gaues die Oberaufsicht über diese Dinge hat,,
also die staatliche Behörde, nicht die städtische. Vgl. BGÜ I 92 (427),.
II 649 (428) und III 730.
Dies sind einige Einzelheiten, die uns zeigen, daß auch in der Kaiser-
zeit wie in der Ptolemäerzeit der Grundsatz bestand und bestehen mußte,
daß Alexandrien mit Hilfe der χώρα zu ernähren war. Wenn ich nicht
irre, ist dieser Satz auch im Edikt des Julius Alexander (Dittenberger,.
Or. Gr. II 069, 4) ausgesprochen in den Worten: τον τήν Αϋγνπτον έν
ενόταχ^εία διάγουβαν εν^-νμως νπηρετείν τψ τε εν%^Ύΐνία καί τΐμ μεγί-
6τψ των ννν καιρών ευδαιμονία. Man pflegt zwar diese εν^^νία auf die
annona civica zu beziehen (so Hirschfeld, KV 234 Anm. 1), aber schon nach
dem Grundgedanken dieses Prooemium scheint mir die Deutung auf die
ενΰ^ινία von Alexandrien passender zu sein. Geradezu gefordert wird sie
durch die folgenden Worte in Z. 46, die m. E. direkt auf jene Stelle im
Prooemium hinweisen: ovx άγνοώι d' οτι noXXijv πρόνοιαν ποιείο^-ε xal
τον τήν Αίγνπτον έν ενόταϋ-εία δΐ'άίγειν] (so ergänze ich statt δια[μεν€ΐν]
eben nach jenen Worten), έξ 'ής [ ] χορηγίας έχετε χτλ. Wie
dies auch zu ergänzen ist, jedenfalls wird hier auf die wirtschaftliche Ab-
hängigkeit der Alexandriner von der χώρα hingewiesen, und darum wird
in jener Parallelstelle die εν&ηνία eben die Alexandriens sein.
Zu Beginn der byzantinischen Zeit hat dieser Gedanke eine noch
viel schärfere Formulierung gefunden, indem Diokletian im J. 302 ver-
ordnete, daß von dem bisher für Rom bestimiuteu Stcuerkorn fortan ein
1) In Z, 19 inöcht•• icli rri^.Mi/.v.u: ή χι'γΛιτο«.• \Ί(ί]τι ι .tih'»s• d itov, iV^i• iti^ rit-rrt-
[μηβηται τα κη)ντ]. Ihis wirtt l'uninkn .1- m Ilrruklttiumuu entgegen, der ^:«'rn
■ein Amt niederlegen möchte.
2) Da« sind die Leute aas der χώρα, ...« ,..> χόλις nOtig hat, wie Vibin«« Muxi
mui lagt (202, S8).
368 Kapitel IX. Das Verpflegungswesen.
Teil der Stadt Alexandrien geliefert werden solle. Vgl. Chron. Paschal.
p. 514. Procop. hist. arc. 26. S. Gothofredus zu C. Theod. 14, 26, 2 (a.436).
Das ist das τρόψίμον Alexandriens, von dem im XIII. Edikt Justinians
ausführlicher gehandelt wird. Unter demselben Namen begegnet es auch
in P. Klein. Form. 32-^,1208,1344 (VI.— Υ IL Jahrhundert) , wie ich im
Arch. V 294 f. gezeigt habe. Von diesem τρόφιμον ist zu trennen, daß
Konstantin der alexandrinischen Kirche ein οίτηρέόίον stiftete εις dia.-
τροφην των Λτωχών (Sokrates, hist. eccl. 2, 17).
Im übrigen bieten die Papyri auch für die byzantinische Zeit Bei-
spiele dafür, daß wie bisher die Lieferanten für eine genügende Be-
schickung der Märkte verpflichtet wurden. Wir haben eine Gestellungs-
bürgschaft für einen liturgischen καρπώνης vom J. 305/6 in Lond. III
S. 115/6 (429), der sich verpflichtet hat, im Dienste der Stadt Hermopolis
immer die nötigen Früchte heranzuschaffen, und ebenso haben wir eine
eidliche Erklärung eines Eierhändlers vom J. 327, der sich verpflichtet,
die Eier nur auf dem Markt von Oxyrhynchos zu verkaufen, nicht im
geheimen (Oxy. I 83 [430]). An die Stelle des Strategen ist hier der
Kurator, der λογιΰτής, getreten. Endlich bieten Straßb. 46 — 51 vom
J. 566 entsprechende Bürgschaften für Schweinemetzger und Wursthändler.
Hier ist es die städtische Marktverwaltung (ή δγιμοΰία αγοράς vertreten
durch den άρχινΛηρετης), die die Bürgschaft entgegennimmt.
Die Eutheniarchen begegnen noch zu Beginn der byzantinischen Zeit
(vgl. Lips. 4, 9 vom J. 293), scheinen dann aber ebenso wie die anderen
städtischen Beamten der alten Zeit verschwunden zu sein.
§ 3. ROM UND KONSTANTINOPEL.
Wie schon oben S. 186 hervorgehoben wurde, ist die tiefgreifendste
Änderung, die Augustus an dem ägyptischen Steuersystem vorgenommen
hat, die Heranziehung dieses Landes zur Verpflegung Roms. Ebendort
sind auch schon die Zeugnisse des Aurelius Victor und des Josephus über
den Umfang der für Rom bestimmten Ausfuhr angeführt werden. ^) Auch
wenn ein Teil der 20 Millionen Modii, die Victor für Augustus' Zeit
nennt, nach Mommsens' Annahme aus den Domanialgefällen genommen
wurde, so lastete doch diese Verpflichtung für die hauptstädtische annona
wie ein schwerer Druck auf dem Lande, und wenn schon in ptolemäischer
Zeit der Kornhandel zugunsten des großgrundbesitzenden Königs einge-
engt gewesen war, so ist er jetzt unter noch viel strengere Kontrolle ge-
stellt worden, da nunmehr die voUe Lieferung der annona civica die erste
Pflicht des Landes war, vor deren Erfüllung überhaupt kein Kornhandel
gestattet wurde. Über die zu diesem Zweck durchgeführten Prohibitiv-
1) Vgl. zu der Deutung dieser Nachrichten auch 0. Hirschfeld, KV 234 und
Rostowzew, Pauly-Wiss. VII 136 f.
§ 3. Rom und Konstantinopel. 369
maßregeln der römischen und später der byzantinischen Regierung vgl.
Rostowzew, Paulv-Wiss. VIl 137. Die Papyrusurkunden, die diese annona
berühren, betreffen meist den Transport des Getreides. Da die Trans-
porteinrichtungen im nächsten Kapitel dargestellt werden sollen, be-
schränke ich mich hier auf die allgemeinen Maßregeln, die für die Ver-
waltung der annona getroffen worden sind. Auch in der Chrestomathie
ergänzen sich die beiden Kapitel gegenseitig.
Da aus dem ganzen Lande das für Rom bestimmte Getreide zunächst
nach Alexandrien geschafft und dort vor der Abfahrt gelagert werden
mußte, so war die erste Aufgabe, für besondere Speicheranlagen daselbst
zu sorgen. Diese sind errichtet worden in dem am Meer gelegenen Nea-
polis genannten Stadtteil, und wurden einem schon oben S. 161 erwähnten
kaiserlichen procurator unterstellt, der nach den Inschriften^) mit vollem
Titel procurator Neaspoleos et Mausolei, in den Papyri bis jetzt nur i%L-
rgoTtog της Asag πόλεως heißt. ^) Aus CIL X 3847 kennen wir außer-
dem einen procurator Augustorum ad Mercurium Alexandreae (aus der
Zeit des Marcus und Verus), der gleichfalls großen Speicheranlagen vor-
stand, die sich nach Ausfeld 1. c. im Südosten der Stadt befanden. Die
älteste Erwähnung dieser beiden Anlagen findet sich z. Z. in P. Gen. lat. I
aus Domitians Zeit, nach dem Legionssoldaten zur Hilfeleistung abkom-
mandiert wurden ad frumemtum Neapoli(m) und ad frumentum Mercuri[i]})
Der procurator der Neapolis wird zuerst in Lond. III S. 125 vom J. 104
erwähnt."*) Hier, wo eine έπιοτολή περί των μέτρων von ihm erwähnt wird
tritt wie auch sonst in den Papyri seine Stellung in der Getreideverwal-
tung hervor, doch mag er auch noch andere Funktionen gehabt haben. ^)
Die nächste Erwähnung bringen Grenf. II 46 (a) (431) vom J. 139 und
Oxy. IV 708 (432) vom J. 188, falls meine Annahme zutrifft, daß der
Lusius Sparsus und der Antonius Aelianus procuratores Neaspoleos sind
(vgl. die Kommentare). Für 194 nennt Straßb. gr. 31 (Arch. IV 122) einen
Sallustius Macrinianus, für 248 BGU II 26 (170) einen Magnius Rufi-
nianus. Die ihm unterstellte Verwaltung wird öfter als χί^ρt<y/iόff (τής
Νέας πόλεως) bezeichnet.®) Der Ausdruck bedeutet zwar allgemein die
Verwaltung, aber er scheint prägnant ein terminus technicus gerade für
diese Getreideverwaltung von Neapolis zu sein. Über seine Geschüfts-
1) Vgl. CIL YIII 8984, XIII 1808, beide aue der Zeit de• Antoninui Pia•.
2) Vgl. Auifelil, Neapolis nnd Brucheion in Alexandrien, im Philolog. (58, 4SI ff.
(vgl. hierzu Wilcken, An h. IV 2«2 f.). HirHchfeld, KV 8ß4 f. Wilckcn, Arch. IV 126.
8) Vgl. MommKcn, Herme• 86, 446 (« Uietor. Schriften III 120), v. Premerstein,
Klio III 1 ff und unten Kap. XI.
4) V t ichon in Oxy. 176 (•. 8. 879) oder gar 448.
6) feld, KV 864.
6) Vgl. li(;i; Η II 27 ff. (170), Oxy. IV 708 (482), auch in dem Wiener Papyru•
vom J. 281, den v. Prememtein 8. 16 nach WeNiiely zitiert: Aitfif^Xios Βηααρίων ' Κρ-
μίίον %αϊ οί [ahv αύτφ . . . .] χ^ιριαμοϋ Niag ηόΐίως.
Mltt«ltWllok«n: QmadMüf Ι. 34
370 Kapitel IX. Das Yerpflegungswesen.
führung geben Grenf. II 46 (a) (431) und Oxy. IV 708 (432) genauere
Aufschlüsse, falls ich sie mit Recht auf ihn beziehe. Er hat hiernach
die Übergabe (Λαράδούΐξ) und die Wägung (ξνγοοταοία) zu überwachen
und im besondern die Qualität des eingesandten Getreides zu prüfen.
Vgl. meine Einleitung zu Oxy. IV 708 (432).
Es ist oben von der ενϋ-ηνία^) der Kommunen gesprochen worden.
Konkret und zwar im Sinne der stadtsrömischen annona civica, steht
εν%•ηνία^ wenn ich recht sehe, in BGU 81, einer Abrechnung eines βυτο-
τΐαραλιίμτΐτης vom J. 189. Hier möchte ich das zweimalige sig εκπεψίν
ενϋ"ην(ας erklären als εΙς €κ7tε<(μ.yφίv εν^Ύΐνίαξ.^)
Der übliche Ausdruck für das Steuerkorn, das für Rom bestimmt
war, ist εμβολή. Für die jüngeren Zeiten steht dieser terminus techni-
cus völlig fest, wiewohl auch hier natürlich gelegentlich die eigentliche
Bedeutung „Aufladen, Ladung" vorkommen kann.^) Da wir zunächst
nicht wissen, seit wann er sich gebildet hat, so ist bei den älteren Texten
immer vorsichtig zu untersuchen, ob εμβολή schon in seiner prägnanten
Bedeutung gemeint ist. So wäre es von größter Wichtigkeit, wenn in
BGU IV 1142 vom J. 25/4 v. Chr. έμβολήν in Z. 8 als annona aufgefaßt
werden dürfte. Aber hier ist völlig sicher, daß es nur das Aufladen be-
zeichnet: TtQog έμβολήν εις το — πλοΐον. Als ältestes Beispiel für den
terminus technicus habe ich in den Griech. Ostraka I 364 f. BGU 15 II
genannt, vom J. 197. Aber auch hier ist diese Bedeutung nicht über
jeden Zweifel erhaben.
Die byzantinische Zeit brachte zunächst die Änderung, daß, wie
schon oben erwähnt wurde, ein Teil der annona civica als τρόφψον in
Alexandrien zurückblieb. Nachdem dann im J. 330 Konstantinopel Resi-
denz geworden war, wurde verfügt, daß Ägypten von nun an seine annona
nach Neu-Rom am Bosporus zu führen habe, während Afrika die Ver-
pflegung von Alt-Rom oblag.*) In Afrika ist zwar schon vor dieser Neu-
ordnung, im J. 315, ein eigener praefectus annonae Africae mit dem Sitz
in Karthago nachweisbar; für Ägypten aber wird der entsprechende prae-
1) Rostowzew, Pauly-Wiss. VII 134 verweist auf die Bedeutung der ΕνΟ'ηνία auf
den alexandrinischen Münzen (Coins of the Brit. Mus., Alexandria Introd. p. 77 ff.).
2) Der Text unterscheidet den χειρισμός Ονροον und den χειριαμ,ος "Ηρωνος.
Das mögen Unterbeamte des proc. Neaspoleos sei, die beim χειριαμος Νέα? ■πόλεως an-
gestellt waren, wie jene Männer in dem Wiener Papyrus, der S. 369 Anm. 6 zitiert
ist. Ist in Amh. 137, 21 vielleicht των ttj ενϋ'ηνίία ντιηρετούντων zu lesen?
3) So in Amh. 137 (a. 288/9), wo in 5 έμ]βολην τίοιηααμένων doch für έμβάλλε-
uQoci steht. Vgl. auch Z. 17: τονς ry έμβολτ) τον οίτον νΛηρετοννΙτας. Damit ist
garnicht gesagt, daß der Papyrus nicht von der annona civica handelte. Ebenso ist
CPHerm. 6 (Gallienus) zu beurteilen: [την] του οείτον έμ[β]ο[λην 7ΐοιεΐ6](^0'')€α (vgl.
Einleitung zu 443). Vgl. auch Rein. 57, 7 (390).
4) Vgl. Hirschfeld, Philologus 29 (1870) S. 85 ff., der im besonderen auf den
reichen Kommentar von Gothofredus zu C. Theod. 14, 26, 1 verweist.
§ 3. Rom nnd Konstantinopel. 371
fectus annonae Alexandriae erst für das Jahr 349 bezeugt (C. Theod. 12,
6, 3).^) Das ist der Beamte, der als άννωνεπαρχος in Flor. 75, 20 (433)
vom J. 380 erscheint^), und dadurch ist gesichert, daß der in dieser Ur-
kunde genannte ötrog ^λεξ,ανδρείας nicht etwa das für Alexandrien be-
stimmte τρόφιμον^ sondern das über Alexandrien nach Konstantinopel zu
führende Getreide ist. In Goodsp. 14 vom J. 343 wird an der entsprechen-
den Stelle kein Beamter uamhaft gemacht. Der Flor. 75 sowie ein un-
veröffentlichter Münchner Pap. 60 (434) vom J. 390 zeigen uns, daß ähn-
lich wie bei der aunona militaris (s. oben S. 362) so auch hier Kurialen
als έπιμελψαΐ βίτον ^ίλεξανδρείας in den einzelnen civitates die Ein-
treibung des für Konstantinopel bestimmten Getreides zu übernehmen
hatten. Diese Epimeleten, die natürlich Liturgen waren und daher mit
ihrem Vermögen hafteten, überwiesen das Getreide an die Naukleroi, die
dann auf den Namen der Epimeleten die Quittung vom praef. annonae in
Alexandrien ausstellen zu lassen hatten. Unter den wenigen Texten des
V. Jahrhunderts beschäftigt sich mit der έμβολη namentlich der von Hartel,
Wien. Stud. 5 edierte Papyrus vom J. 487. Vgl. hierzu M. Geizer, Studien
S. 91. Reiche Aufschlüsse über die Verwaltung dieser aioCa εμβολή im
VI. Jahrh. bietet das XIII. Edikt Justinians vom J. 538, das jetzt andrer-
seits durch die Aphroditopapyri wertvoUe Parallelen erhält. Unter den
letzteren gibt besonders klare Nachrichten über die εμβολή von Aphro-
dito Cair. Cat. 67030. Vgl. zur εμβολή in den Cairener Papyri M. Geizer,
Arch. V 348 f. und spezieU zu 67030 S. 375 f.
Die Kornsendungen nach Konstantinopel haben erst durch die ara-
bische Herrschaft ihr Ende gefunden, aber die εμβολή hat darum nicht
aufgehört (vgl. S. 235 f ). Wie man auch sonst an dem Detail der byzan-
tinischen Steuerordnung möglichst festhielt, so hat man auch an der
ίμβολή festgehalten und bezeichnete damit die Naturallieferungen , im
Gegensatz zu den χρνόίχά. Abgesehen von der δαπάνη, den Naturalien,
die den Beamten geliefert wurden, die auch zur εμβολή zählte, umfaßte
die εμβολή vor aUem die Komsendungen, die nach Fustät, resp. εΙς τά
δρρ^α Βαβνλώνος zu liefern waren.') So hatten die Ägypter auch jetzt
wieder Fremde zu ernähren, aber diese Fremden wohnten in ihrem eigenen
Lande.
1) Der afrikaniHch»• praofectuH wurde dem praef. praet. Italiae untewtellt, der
alezandriniecbe d<*ni praef. urbi von Konstantinopel.
2) Die Notitia diKnitatum erwilhnt diesen Hosmten nicht, wührend lie den prae•
fectus von Karthago nennt (Ücc. Π <41;. Vgl. da/u Hir«thfelci 1. c. 8. «7.
8) Vgl. Dell• Kinlcitung χα Lond. IV, wo ein reiche• Material hiena geboten ist.
«4<
KAPITEL Χ.
DAS POST- UND TßANSPOETWESEK
Lit.: Marquardt, Staatsverwaltung Ρ S. 558 ff. — Liebenam, Städteverwal-
tung im röm. Kaiserreich S. 88 ff. — 0. Hirschfeld KV 190 ff. — Friedländer,
Darstellungen aus d. Sittengeschichte Roms« (1910) S. 19 ff. — 0. Seeck, Pauly-Wiss.
IV 1846 ff. (cursus publicus), vgl. I 2184. — Rostowzew, Kornerhebung und -trans-
port im griech.-röm. Ägypten (Arch. III 201 ff.), Angariae (Klio VI 249 ff.). —
Preisigke, Die ptolemäische Staatspost (Klio VII 241 ff.).
§ 1. DIE POSTEINRICHTÜNGEN.
Die Ähnlichkeit der durch die Griechen uns beschriebenen persischen
Reichspost ^) mit der von Augustus begründeten römischen Reichspost ist
verschieden beurteilt worden. Während Seeck 1. c. annahm, daß der be-
lesene Augustus durch den Bericht des Herodot zu seiner Schöpfung an-
geregt worden sei, zeigte Rostowzew (Klio 1. c), daß vielmehr auch hier
— wie in so vielem — die hellenistischen Reiche die Brücke zwischen dem
Orient und Rom gebildet haben, indem er auf den Fortbestand des ur-
sprünglich an den persischen Posteinrichtungen haftenden Begriffes αγγα-
ρεία^) im hellenistischen Gebiet hinwies. Während aber für das Reich
des Antigonos die Reorganisation der persischen Post durch Diod. 19,
57, δ bezeugt war, gab es für das Lagidenreich hierfür keinen direkten
Beleg. Jetzt haben wir einen solchen in Hib. 110 Verso (435) erhalten.
Es ist ein Fragment aus einem Amtsjournal, das in einer mittelägyp-
tischen Poststation um das Jahr 255 v. Chr. geführt worden ist. Wie
Preisigke 1. c. in seiner grundlegenden Interpretation des Textes gezeigt
hat, liegt hier eine reitende Sehne 11 post vor, die ausschließlich dem
amtlichen Verkehr des Königs und der Zentralstellen wie im besondern
des Finanzministers mit den Behörden im Lande diente. Bleibt auch im
einzelnen bei der Kürze der Aufzeichnnugen manches dunkel, so ist doch
in ihren Grundzügen diese Einrichtung von Preisigke klar festgestellt
1) Herodot 8, 98. Xenophon, Kyropädie 8, 6, 17.
2) Das Wort α^^αρο? (Bote), das die Griechen von den Persern übernahmen,
wird jetzt von assyriologischer Seite aus dem Babylonischen erklärt. Vgl. Fries,
Klio III 169 f. IV 117 ff. Ist das richtig, so geht die persische Post wie so viele
andere Kulturelemente auf Babylon zurück.
§ 1. Die Posteinrichtungen. 373
worden. Die Pferde zu diesem Postdienst mußten wahrscheinlich von den
Adjazenten der Kursstrecken, im besonderen von den Kleruchen gestellt
werden. Die Vermutung von Preisigke, daß die umstrittene Abgabe avLX-
πίας^) von denjenigen gezahlt worden ist, die der Schnellpost keine Pferde
stellen konnten oder wollten, dürfte die wahre Lösung des Rätsels sein.
Für die Frage der Anlage der Poststrecken wäre es von Bedeutung,
wenn meine Vermutung sich bestätigte, daß der mittelägyptische Stadt-
name Ίππώνων^ der durch die Hibeh-Papyri schon für das III. Jahrh. v. Chr.
bezeugt wird, nichts anderes als eine Station für die Schnellpost bedeutet.
Ich stütze mich auf Xenophons eben zitierte Beschreibung der persischen
Post, der die Stationen als ϊππώναξ (eigentlich die Pferdeställe) bezeichnet.
Es ist mir sehr wahrscheinlich, daß, wenn die Stadt geradezu Ίππώνων
genannt wurde, hier eine besonders wichtige Poststation gewesen ist.
Damit hätten wir die Schnellpost auch auf dem rechten Ufer, während
die von flib. 1 10 Verse nach Preisigkes Darlegung auf dem linken Ufer läuft.
SoUte Ίππώνων = Hibeh sein, was nicht unmöglich ist (vgl. GrenfeU-
Hunt, Hib. S. 10), so würde die Auffindung dieses Posttagebuchs gerade
hier von besonderem Interesse sein.
Neben dieser SchneUpost gab es für die nichtdringlichen Briefschaften
der Behörden die gewöhnliche Landpost der zu Fuß wandernden βνβλια-
φόροί^ die innerhalb jedes Gaues organisiert waren. Vgl. Oxy. IV 710
(436). Sehr auffallend ist, daß hier neben den βνβλίαφόροι ein θ(αμη-
λίτης genannt wird, da die Verwendung der Kamele in der Ptolemäerzeit
sonst nur noch an einer, nicht ganz sicheren Stelle zu belegen ist.^)
Beide Einrichtungen dienten ausschließlich wie die persische Post
den staatlichen Interessen. Für die Interpretation unserer Urkunden ist
es wichtig, sich klar zu machen, daß die Privaten zur Beförderung ihrer
Briefschaften und Akten durchaus auf private Hilfe angewiesen waren.
Oft genug wird in den uns erhaltenen Briefen das Thema behandelt, daß
Briefe eben nur geschickt werden können, wenn sich gerade eine Gelegen-
heit dazu findet. Das Fehlen einer allgemeinen Post hatte auch zur Folge,
daß die Behörden im Verkehr mit der Bevölkerung den Interessenten
vielfach auch die Bestellung amtlicher Bescheide u. dgL überließen. Das
ist bei Behandlung von Akten schon öfter hervorgehoben worden. Für
die Ptolemäerzeit tritt es uns besonders lebhaft in den Serapeumspapyri
entgegen, die ich in den UPZ neu behandeln werde.
Für die römische Zeit liegen bisher keine Belege für den Fort-
bestand der ägyptischen SchneUpost vor.') Gleichwohl ist es sehr wahr-
1) Belegt für daa III. Jahrb.: Peir. II 89 (e), III 8. 159 und 876, für da« II Jahrb.:
Teb. I 99, 66.
2) Teb. I 26*2 (deicription): ] . ^ης ηαμι^λων'ή, Tom J. 96/4 oder 62/1.
8) Vgl. auch P. Meyer, F. Hamb. 8. 81.
374 Kapitel Χ. Das Post- und Transportwesen
scheinlich, daß sie in irgendeiner Form weiterbestanden hat. Die Tat-
sache, daß der einzige uns erhaltene Originalbrief eines Präfekten auf
dem Verso keine Adresse trägt, zeigt auf alle Fälle, daß für die Beförde-
rung der statthalterlichen Schreiben besondere Posteinrichtungen bestan-
den haben. ^) Freilich beweist dies noch nichts für eine Schnellpost. Die
βνβλιαφόροί sind für die römische Zeit ebensowenig bezeugt. Vielleicht
sind die έπιβτολαφόροι an ihre Stelle getreten. Einen solchen fand ich
in P. Petersb. 1 (III. Jahrh. n. Chr.) erwähnt.
Die byzantinische Zeit brachte eine durchgreifende Reorganisation
des Postwesens ^), die sich auch in den Papyri widerspiegelt. Von den
beiden Abteilungen der neuen Post, dem schwerfälligen cursus clabularis
und der SchneUpost, dem cursus velox, begegnet die letztere als o|vg
δρόμος mehrfach in den Papyri. Vgl. Oxy. VI 900 (437) vom J. 322
und Flor. 39 (405). Der letztere Text zeigt, daß jetzt γραμματηφόροι bei
der SchneUpost angestellt waren. Während die Reichspost in späterer
Zeit mehr und mehr herunterkam, und Justinian die Pferdepost in eine
Eselpost umwandelte, zeigen uns die Papyri der späteren Zeit, wie die
großen Grundherrn sich nun selbst ihren eigenen o^vg δρόμος hielten.
Besonders lehrreich sind die beiden Verträge Oxy. 140 (438) (a. 550)
und 138 (a. 610) Vgl. auch 154 (VII. Jahrhundert). Γραμματηφόροι der
späteren Zeit, die z. T. wohl auch in Diensten von Privaten stehen, be-
gegnen z. B. in Amh. 156, Grenf. I 66, II 93, Oxy. 156, Lond. III S. 251
(n. 1073). Außerdem kennt die spätere byzantinische Zeit Briefboten mit
dem Titel σύμμαχος. Vgl. hierzu KraU, Mitt. PR III 61 und Wessely,
Wien. Denk. 37 [195]. Er zitiert das Breviarium Liberati Diaconi c. XXIII:
per portitores literarum velocissimos pedestres, quos Aegyptii symmachos
vocant. Weitere Beispiele in P. Klein. Form. Index S. 280.
§ 2. TRANSPORT-REQUISITIONEN FÜR BEAMTE UND TRUPPEN.
In ptolemäischer Zeit galt der Grundsatz, daß die Bevölkerung für
die Transporte der reisenden Beamten wie der marschierenden Truppen
ihre Zugtiere und sonstigen Transportmittel, wie z. B. Schiffe, zur Ver-
fügung stellen mußten. Dieses Requirieren nannte man άγγαρενειν^ was
ursprünglich speziell das Requirieren für die Post bedeutete.^) Ob diese
άγγραρεΐαι damals vöUig unentgeltlich zu leisten waren, oder ob irgend-
welche Entschädigungen gezahlt wurden, ist noch nicht klar zu sehen/)
Die Hauptzeugnisse sind Teb. 5, 178 ff.: Προότετάχαοί δε μηδέ τους 6τρα-
1) Vgl. Wilcken, Arch. Υ 437. 2) Vgl. Seeck 1. c.
3) Über die Herkunft des Wortes s. oben S. 372 Anm. 2.
4) Anders ist das Verhältnis in Petr. II 25: da erhält ein berufsmäßiger Fuhr-
herr {ηνίοχος), der ηνίοχοι und Ιτΐτίοτιόμοι unter sich hat, von der Regierung Bezahlung
(in Naturalien).
ι
§ 2. Transport-Requisitionen für Beamte und Truppen. 375
{τηγονς) καΐ tovg αλλονς τονς JtQog ταΐς πραγματείαΐξ ελκειν ttvag των
κατοίκονντων έν τψ χώρα εΙς λειτουργίας idCag μηδέ κτήνη αντών
έγγαρενείν^) επί τι των Ιδίων κτλ. und Ζ. 252 ff.: Προύτετάχα^ι δε
μηδενα έγγαρενειν τιλοΐα"^) κατά μηδεμίαν πaρεvρεύLζvy εΙς τάς Ιδίας
χρείας. Da hier diese Angarien nur für private Zwecke verboten werden
— offenbar lagen Übergriffe nach dieser Seite vor — , so folgt daraus
der Obersatz, daß sie zu nicht privaten Zwecken erlaubt waren.
Für die römische Zeit war bisher für diese Fragen unsere Haupt-
quelle das Edikt des Cn. Vergilius Capito vom Dezember 48 n. Chr.^)
Hier wird den durchreisenden Truppen u. a. verboten: μηδέν λαμβάνειν
(Verpflegung u. dgl.) μΎιδh άγγαρεύειν εΐ μη τίνες έμά διπλώματα εχονΰιν.
Ahnlich wie die Erlaubnis zur Benutzung der Reichspost durch diplo-
mata gewährt wurde*), so erteilten hiernach statthalterliche diplomata
den marschierenden Truppen die Erlaubnis, von der Bevölkerung sich
aufnehmen zu lassen^) und Transportmittel zu requirieren. Mit hohen
Strafen wird das Übertreten dieses Edikts belegt.^) Kürzlich haben wir
durch Lond. III S. 107 (439) ein Edikt des L. Aemilius Rectus vom J. 42
kennen gelernt, das schon 6 Jahre vor Capito sich gegen dieselben Miß-
stände richtet. Auch hier wird das statthalterliche δίπλωμα als Voraus-
setzung für solche Forderungen bezeichnet; der Text zeigt aber, daß die
Leistungen der Bevölkerung auch an die Inhaber der diplomata nicht
unentgeltlich waren. '^) Die kaiserlichen Güter waren natürlich frei von
diesen drückenden Lasten. Einen Einzelbeleg dafür bietet ein Bronze-
täfelchen des Berliner Museums (P. 10592) wohl aus dem IL Jahrb., das
1) VgL Wilcken, Arch. ΠΙ 325 (statt έΛαρετίΙν).
2) Vom Schiffsverkehr für Pereonen- und Frachttransport im Faijiim handelt
Petr. III 107 (S. 254 fl.). Bemerkenswert ist, daß diese προσαγωγίδες teils Privat-
leuten, teils dem König gehörten. Vgl. Smyly S. 262.
8) Dittenberger, Or. Gr. II 665. Zum Capito vgl. jetzt die Inschrift bei Wiegand,
Sechst, vorläufiger Bericht über Ausgrabungen in Milet und Didyma (Abh. Pr. Akad.
1908) S. 12. Wiegand ergänzt: Γναίος Ονεργίλι[ος Γναίον ν16ς ΚαηΙτων] Αίγνπτου χαϊ
χής Άαίας ίηΙτΙρ]οπος. Aber proc. Aegypti titular ist bedenklich, auch müßte rt)ff
vor AlyvTixov stehen. Ich vermute: Oi^tQyiXtloi Καπίτων ίτιαρχος τι)ς] *Αΐγνπχον xai
rfjg Άΰίας (ηίτροηος. Das wilre als Wiedergabe des lateinieclwni Titels zu fuHsen.
4) Vgl. Plin. ep. 46, 46, 120.
6) Nur das Anrecht auf Quartier haben die Diplominhabtir, wie der Text weiter-
hin sagt, an vTto%ny,tva aber uollen sie nur empfangen, wm der Prilfckt Maximus
festgetetzt hatte. Über diese νποχίΙμίνα als Emolumente vgl. V. Martin, Les epistra-
t^ge• S. 148.
6) Der nächste AbHchnitt richtet sich gegen die oxinai^ die Protektionen. Vgl.
40 ϋ%»ηαστικοϋ und 48 τής αχέ{ηης, wie ich statt α%ί['^(ως vorschlage. Zu ϋχίηάζην
Tgl. die Note zn 66, 60. Fflr die römische Zeit vgl. auch BGU 28, 10.
7) Wie die Abgaben νπίρ δ^ηΧωμαχος δνων, ιηηην usw. zu deuten find, ist
immer noch nicht ganz klar. Zuletzt hat hierüber P. Meyer zu Hamb. 9 gehandelt.
376 Kapitel Χ. Das Post- und Transportwesen.
die Inschrift trägt: ^γρείτΐτανίανης καΐ 'ΡοντνλλιανΎΐξ ovöCag τον κνρίον
Αντοκράτοροζ άτελην καΐ άνενγάρεντον.^)
Aus byzantinischer Zeit haben uns die Papyri ähnliche Nachrichten
nicht gebracht, doch ist die Fortdauer der Angarieverpflichtung durch
andere Zeugnisse bekannt genug. ^) Andrerseits hören wir jetzt von einer
Geldabgabe für die Maultiere (βονρδωνες) durch Lips. 87 (IV. Jahrhun-
dert).^) An und für sich kann man zwar schwanken, ob diese Abgabe
nicht für den cursus publicus erhoben wurde. Aber die Verbindung mit
der Abgabe πρυμιπίλον spricht doch wohl dafür, daß auch diese Maul-
tiersteuer für die Soldaten gezahlt wurde. Dies bestätigt ein unediertes
Leidener Ostrakon des IV. Jahrhunderts, in dem gleichzeitig νπίρ κί^νώι/üg
ίγ ίνδικτ(ίωνοο) βονρδόν(ων) τεριμιπύλον νανλον κα1.νπ{βρ) νανλον τει-
ρώνων quittiert wird, ebenso ein unedierter Leipziger Papyrus, der auch
χρνΰον βο[νρ^οόνω[ν] καΐ δείρόνων (tirones) nebeneinander nennt.
§ 3. DER KORNTRANSPORT.
Unter den mannigfachen Transporten von Staatsgütern, die die Ur-
kunden erwähnen^) , tritt der Korntransport entsprechend seiner ganz
speziellen Bedeutung für das fiskalische Interesse besonders stark hervor.
Die für ihn getroffenen staatlichen Einrichtungen verlangen daher eine
besondere Hervorhebung, doch kann ich mich auf eine kurze Skizze be-
schränken, da sie kürzlich von Rostowzew eingehend darlegt worden sind.^)
Daß das Korn der sämtlichen Felder Ägyptens, auch das der Do-
mänen, von der Tenne in das nächste Staatsmagazin (^-ηύανρός) gebracht
wurde, ist schon oben S. 181 dargelegt worden. Soweit es nicht hier
verbraucht oder gelagert werden sollte, mußte es von hier an seinen
definitiven Bestimmungsort transportiert werden, d. h. für die Ptolemäer-
zeit vor aUem nach Alexandrien, wo es in die großen Reichsspeicher (το
βαύιλικόν) übergeführt wurde, oder auch zu speziellen Zwecken an andere
Orte, wie zur Elefantenstation nach Memphis.^) Lagen die Thesauren
nicht schon selbst am Wasser, so wurde das Korn zunächst über Land
an den nächsten Hafenplatz gebracht, um auf Schiffe verladen zu werden,
denn wegen seiner größeren Billigkeit wurde der Wasserweg prinzipiell
1) Ygl. Zeitsch. f. Ägypt. Sprache 1890, 59 , Wilcken , Gr. Ostraka I 392 und
jetzt Rostowzew, Kolonat S. 128 Anm. 1. Der Text bietet arfZ^r, nicht ατελή.
2) Vgl. Seeck, Pauly-Wiss. I 2185. Rostowzew, Klio VI 249 fif.
3) ' ΤΛοδέ-Άττις χρνΰον βονρδώνων ticcl πρίμιτύλον.
4) Vgl. ζ. Β. die Requisition von Kamelen für den Steintransport aus den Stein-
brüchen: Lond. II S. 75 (a. 163), BGU III 762 (a. 163), ferner für militärische Zwecke
BGÜ 266 (245), Comparetti in Mel. Nicole 57 ff. Zu dem Modus der Beschaffung
Tgl. K. Fitzler, Steinbrüche u. Bergwerke (1910) S. 142 ff.
5) Arch. III 209 ff. Vgl. auch Klio VI 253 ff. und Pauly-Wiss. VII 169 f.
6) Petr. II 20 IV. — Von einem beschleunigten Korntransport zu Schiff in der
Thebais handelt Grenf. II 23 (159).
§ 3. Der Komtransport. 377
bevorzugt.^) Ygl Teb. 92 (IL Jahrb. v. Chr.), wo der Transport öl υπο-
ζυγίων ausdrücklich damit begründet wird, daß Kerkeosiris μηο' έπϊ του
Μεγάλου ποταμού^) μηο' έπ άλλου πλωτού liegt. Für den Landtransport
mußten die Eselbesitzer dem Staat Esel zur Verfügung stellen, während
diejenigen, die keine Esel hatten, dafür eine Entschädigung an den Staat
zu zahlen hatten.^) Die Eselbesitzer {όνηλάται oder κτηνοτρόφου) waren,
damit der Staat eine größere Garantie habe, als Korporation oder Gilden
organisiert, die — ähnlich wie die Οημόΰιοι γεωργοί — einen γραμματεύς
κτηνοτρόφων an der Spitze hatten. Vgl. Fay. 18 (b) (440), wonach ihnen
ein φόρετρον vom Staat (in Getreide) gezahlt wurde. Vgl. auch Petr. II 25 (i).
Bis zum Hafenplatz scheinen die Sitologen der Dorfthesauren den
Transport geleitet zu haben, denn erst hier übergeben sie das Korn den
ναύκληροί^ die nun den Wassertransport besorgten.'*) Nauklerosquittungen
aus dem 111. Jahrhundert sind Hib. 98 (441), Petr. Π 48, Lille 21—24
fl89). Nach Petr. II 20 IV werden wir diese ναύχληροί mit Rostowzew*)
für Unternehmer halten dürfen, die die einzelnen Frachten vom Staat
übernahmen. Der Text spricht von einer εργολαβία^ die offenbar auf sie
zu beziehen ist, wenn das Wort ναύκληρος hier auch nicht genannt wird.*)
^'αύχληρος darf hier nicht als „Reeder" gefaßt werden, denn sie sind
durchaus nicht immer die Schiffseigentümer, sondern fahren oft mit fremden
Schiffen, die sie teils von Privaten, teils vom König oder der Königin
(wie in P.Lille) mieten'), oder auch mit Staatsschiff'en, die sie geliefert
bekommen. Bei ihrer Abfahrt von Alexandrien erhielten sie von der
Regierung Begleitbriefe (έπιοτολαί) , auf die hin von den betreffenden
Sitologen ihnen das Getreide ausgeliefert wurde. Erlitten sie vor dem
Bestimmungsort Havarie, so daß sie an der Weiterfahrt verhindert waren,
so konnte ibnen aus den Speichern des Gaues, bis zu dem sie gekommen
waren, das betreffende Quantum auf jene έπιοτολαί hin mit behördlicher
Erlaubnis geliefert werden. Vgl. Magd. 37+11 (442).
1) In Petr. II 20 II (Ιββ) wird der Landtransport für 100 Artaben um 6 Drachmen
teurer angesetzt als der Wassertransport.
2) Der in das Faijum einmündende Nilarm (Bahr JüseAf). Meine Vermutung
in Arcb. III 210 Anm. 2 war irrig.
8) Analog ist das ä. 886 erwähnte μίτ^Βΐψ für die 9Τ«<^μ«ρος. Im übrigen vgl.
Ilostowzew Klio VI 264.
4) Dieser Geschäftsgang scheint mir aus den NaukleroiquittuDgen tu folgen.
Vgl. die Einleitung zu Lille 28 (442).
6) Außer den obigen Zitaten vgl. auch seine Bemerkungen im Arch. V 298.
β) Ob Bostowzew auch in dem dort genannten 'AvxtxXfn ττ^Οί τ^) i^aytoy^ »o4>
oixov mit Hecht einftn Naukloros sif'ht, iüt mir zwoifclhuft. Der Tiiol sieht mehr
nach einem Beamt4*n aus, dor die Ausfuhr zu kontrollieren hatte. In Col. I ist seinem
Titel roO iv x&t *AQaivoixr\i βαοιλιηαϋ βίτον hinzugefügt, was zu jener Annahme
nicht pausen wOrde, da in IV 10 von ήί^γολαβη-Λοτίς die R<'de ist.
Ί, K« JH I eine Ausnahme, wenn einmal ein Schiff von der Regierung
/wdii^Hweide ; t wird. Vgl. den Protest dagegen in Petr. Π 20 IV.
378 Kapitel Χ. Das Post- und Transportwesen.
In der Kaiserzeit sind die Grundzüge dieser Organisation dieselben
geblieben, nur verändert sicti allmählicli entsprechend den allgemeinen
Verhältnissen die Stellung der Transportgilden und der Naukleroi, und
vor allem kommt als eine neue Aufgabe der Transport nach Rom resp.
Konstantinopel hinzu. Das Material ist für die Kaiserzeit viel reicher.
Der Landtransport^) von den Thesauren zum nächsten Hafen wurde
jetzt nicht nur mit Eseln, sondern auch mit Kamelen bewerkstelligt, die
in größeren Mengen überhaupt erst seit Beginn der Kaiserzeit als Trans-
porttiere in Ägypten verwendet zu sein scheinen.^) Ygl. Lond. II n. 295
S. 100, die Quittung eines καμηλοτρόφος^ der von den Thesauren zu den
Häfen Gerste gebracht hat. Vgl. auch BGU 607. Die Organisation der
von den Dörfern zu stellenden Eseltrupps wird außer von den Papyri
auch von Ostraka aus dem Faijum beleuchtet. Vgl. die Ostraka aus Phila-
delphia, die Jouguet herausgab^), und die aus Sedment, die in meinen
Gr. Ostraka II n. 1091 — 1125 ediert sind, sowie die Ausführungen hier-
über von Rostowzew, Arch. III 223 gegenüber Preisigke, Arch. III 44 ff.
Vgl. auch P. Meyer zu Hamb. 17. Die Texte zeigen, daß auch in ent-
ferntere Gaue Esel für diese Korntransporte zu stellen waren. Sehr lehr-
reiche Abrechnungen über den Landtransport bietet BGU III 802 (a. 42).*)
Auch Hamb. 17 ist von Wichtigkeit, zumal er zeigt, daß die Naukleroi
auch über den Landtransport abrechneten. Vgl. Meyers Kommentar.^)
Entsprechend der allgemeinen Entwicklung ist auch die όνηλααίκ allmäh-
lich zu einer Liturgie geworden. Belege liegen erst aus dem Ende des
IL Jahrhunderts und dem IIL Jahrhundert vor. Vgl. BGU 15 II (a. 197),
wo die Liturgie mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, und Flor. 2 VIII
(a. 265). Vielleicht ist auch, worauf Ortel hinwies, bei der Liturgie der
καταγωγ^ι τον οίτον in BGU IV 1022, 16 (29) (a. 196) an die ονηλαΰία zu
denken. Die beiden anderen Texte zeigen zugleich, daß damals die ονη-
λάταν verpflichtet waren, je 3 Esel dem Staat zu stellen (rj τριονία όνη-
λαβία). ^)
Der Wassertransport bis Alexandrien lag nach wie vor in der Hand
der νανκληροί. Den Betrieb illustrieren uns Quittungen der Steuerleute
1) Vgl. Rostowzew, Arch. III 218 S.
2) Über die sporadischen Ausnahmen in der Ptolemäerzeit vgl. oben S. 373. Ob
die häufigere Verwendung des Kamels auf die arabische Expedition des Gallus zurück-
zuführen ist?
3) Bull, de linst. Fran9. d'Arch. Orient. II 1902.
4) Vgl. Rostowzew, Arch. III 218.
5) Zu den von ihm angeführten Texten ist noch Lond. II S. 100/1 hinzuzufügen,
wo nach meinen Lesungen (Arch. III 237) ein άγορα(νομη6(χς) ßovX(8VTr}g) .[...] den
όρμοφύλατιες bescheinigt: Κατήξατε. Das Stück ist wichtig für die durch die Kom-
munalordnung herbeigeführten Änderungen der Verwaltung. Die wichtige Stelle hinter
βονλ{εντής) sollte noch geprüft werden.
6) Vgl. Rostowzew, Klio VI 253.
ι
§ 3. Der Komtaransport. 379
wie Lond. Π S. 99 (443) und Oxy. Π 276. Wenn in letzterer Urkunde
der in Z. 16 genannte Marius Vindex der procura tor Neaspoleos ist^), so
würde jetzt dieser Beamte die Anweisungen an die Lokalbehörden betreffs
des den κυβερνιέται zu liefernden Getreides durcb επιότολή ergehen lassen.
Vgl. 443 zu άπόοτολος. Der Amtseid in Lond. II S. 2bQ/l aus der Zeit des
Pius ist wohl der eines νανκληρος oder κυβερνήτης. Dafür, daß die Nauklerie
zur Liturgie geworden wäre^), kann ich einen entscheidenden Beleg nicht
finden. Wohl aber ist ihre Organisation allmählich die einer Zwangsinnung
geworden, doch ist auch dies nicht vor Ende des III. Jahrhunderts geschehen.^)
Wertvolle Angaben über die Stellung der ναύκληροι, in hadrianischer Zeit
bietet Giss. 11 (444). Dagegen sind die „Fahrtbegleiter", die έπίπλοοι^
die in der früheren Zeit vielfach aus den Soldaten entnommen wurden,
wie in Lond. II S. 99 (443) vom J. 15 n. Chr. und Oxy. II 276 vom J. 77,
später Liturgen geworden. Dies geht aus Lond. U S. 173/4 vom J. 185
deutlich hervor.^) Diese έπίπλοοι hatten von der Befrachtung der Schiffe
an bis zur vollzogenen Wägung (ξυγοΰταοία) in Alexandrien die Ladung
zu beaufsichtigen. Vgl. Lond. II S. 256/7 und Grenf. II 46 (a) (431). '
Den letzten Akt stellt nun der Seetransport von Alexandrien nach
Rom dar.^) Auch dieser ist an ναύκληροί vergeben, die im Gegensatz
zu jenen navicularii Niliaci die navicularii marini oder Alexandrini stoli
genannt werden. Über diese haben die Papyri bisher geringes Material
gebracht. Diese alexandrinischen Kornschiffe, die, zu einer Flotte ver-
einigt, nach Italien zu fahren pflegten^), bildeten die classis Alexandrina ^)
oder den ΐ4λεΙανορίνος ΰτόλος.^) Auf diese glaube ich einen Hinweis in
Lond. III S. 125, 16 zu finden in dem επιτρόπου κλαοόικοϋ (a. 104). Diese
Vermutung, die ich schon in Arch. IV 544 vortrug, gewinnt mir dadurch
noch an Wahrscheinlichkeit, daß wenige Zeilen vorher von einem Brief an
den procurator Neaspoleos die Rede ist. Hiernach würde es also in
Alexandrien einen eigenen kaiserlichen Beamten mit dem Titel procurator
classicus für die Verwaltung dieser Transportfiotte gegeben haben. Sonst
kann ich aus dieser Periode nur noch auf den Brief BGU 27 (445) hin-
weisen, den ein beim Korn trän sport beschäftigter Mann aus dem Faijüm
in Rom geschrieden hat (II./III. Jahrb.). Auch auf den ältesten christ-
1; Ich vermui• i•. i. tu. ίηιτ[ρόπον ti)g Niag %6λ»ως. Der £inwand der Edi-
toren ge^eo έπίτ[ρ07ίον, daß dann χρατίϋτον zu erwarten w&xe, trifiFt für dieie frühe
Zeit (a. 77) nicht zu
2) Ko fioHiow/.ow, Arch. 111 228. 8) H. Schiller, Rum. Kaiiers. II 80 f.
4) Wilcken, Arch. III llfi Vgl. auch Roitowxew, Arch. III 2S1 Anm. 8.
6) Vgl. Marquardt. Privatleben d. Humer* 404 ff.
β) Vgl. Senera, epiiit. 77, 1.
7) Kicbigcr, Pauly-Wiie. III 2G41 identifiziert lie irrig mit der olaMia Augoata
Alezandrina, d<'r KricKiiHotte.
8) Vgl. CIG. 6889 und 6978 au• Puteoli und dasu Mommien RG V 677.
380 Kapitel Χ. Das Post- und Transportwesen.
liehen Brief, gleichfalls aus Rom (126), sei nochmals hingewiesen, da er
u. a. auch von dem Korntrausport zu sprechen scheint.
In der byzantinischen Zeit treten uns die navicularii als eine ge-
schlossene erbliche Korporation entgegen, deren Bestand durch Verleihung
von Privilegien und Immunitäten aufrecht zu erhalten gesucht wurde. ^)
Aus den Papyri wüßte ich für ihre veränderte Stellung nur das eine
Moment anzuführen, daß der Staat jetzt auch für die νανκληροί Bürg-
schaften verlangt, was aus der früheren Zeit nicht belegt ist. Solche Bürg-
schaftsurkunden sind P. Goodsp. 14 (a. 343) und der neue Münchener Pa-
pyrus 60 (434) vom J. 390. Quittungen von νανκληροι oder νανκληροκν-
βερνψαι sind Ρ. Cair. Preis. 34 vom J. 315, P. Stud. Pal. I S. 34 vom
J. 343, Flor. 75 (433) vom J. 380. Eine Liste von Kornschiffen (lusoriae
und TtXola) aus dem IV./V. Jahrh. bietet Oxy. VII 1048. Auf die ΰιτο-
πομπία in Cair. Cat. 67030 (VI. Jahrh.) ist schon oben S. 371 hingewiesen
worden.
Auch jetzt bildeten die Schiffe, die seit 330 nach Konstantinopel
fuhren, einen eigenen Alexandrinus stolus. Vgl. Cod. Theod. XIII 5, 7
(a. 334), wonach die navicularii dieses stolus 4^0 vom Getreide und 1 Soli-
dus für 1000 modii erhielten. Es ist verlockend, hiermit in Parallele zu
stellen, daß die navicularii Niliaci nach Goodsp. 14 (vgl. auch Flor. 75)
κούμουλα (das könnten die Prozente vom Korn sein) und zweitens einen
Denar pro Modius erhielten. Einen direkten Hinweis auf den Seetrans-
port dieser Zeit bietet Oxy. I 87 (446), der von einem νανκληρος %αλατ-
τίον νανκληρίον handelt (a. 342). Für die justinianische Zeit sind auch
hierfür wieder die detaillierten Angaben des ΧΙΠ. Edikts des Justinian
grundlegend.
1) Vgl. außer Schiller 1. c. R. de Ruggiero, BoUettino dell' Instituto di Diritto
Romano XX 48 ff. (1908), der ausgehend von Lond. ΙΠ S. 163 f. ausführlich über die
Stellung der navicularii auf Grund der reichen juristischen Literatur gehandelt hat.
KAPITEL XI.
MILITÄR UND POLIZEI.
I. DAS MILITÄR.
A. DIE PTOLEMÄERZEIT.
Lit.: J. G. Droysen, De Lagidarum regno etc. (Klein. Schrift. II 375 flf.). —
Franz, CIG III p. 287 ff. — Lumbroso, Recherchef? sur Teconomie poL de l'Egypte
etc. S 224 ff. Derselbe, L'Egitto dei Greci e dei Romani- (1895)S. 80ff. — Wilcken,
Theb. Bank. (Abb. Preuß. Akad. 1886) S 49 ff. — J. P. Mahaffy in der Einleitung
zu den Petrie- Papyri. Vgl. Wilcken, GGA 1895, 1:^2 ff. — P.Meyer, Das Heerwesen
der Ptolemäer und Römer in Ägypten 1900. — W. Schubart, Quaestiones de rebus
militaribus quales fuerint in regno Lagidarum 1900. Derselbe, Arch. Π 147 ff.
(Kritik über P. Meyers Heerwesen). Vgl. auch Arch. V 106 ff. — Grenfell-Hunt in
zahlreichen Editionen, im besondem Teb. I 545ff. — Bouch^-Leclercq, Hist. d.
Lagides IV Iff. — Th. Rein ach in der Einleitung zu den P. Rein. S. 20 ff. -—
J. Leequier, Note sur une inscription d'Ashmounein (Rev. d. PhiloL XXXII 1908
S. 215 ff.).
Trotz der reichen neuen Materialien, die die letzten zwanzig Jahre
gebracht haben, birgt die Geschichte des ptolemäischen Heerwesens noch
heute eine Fülle umstrittener Probleme. Hätten wir mehr von Polybios,
würden wir auch in diesem Punkte weiter sein. Die Urkunden machen
uns zwar mit zahlreichen Personen des Militärstandes bekannt, doch hören
wir meist nur von ihrem Landbesitz oder ihren Steuern oder den All-
täglichkeiten ihres Privatlebens, während militärische Dokumente, die uns
in die Organisation des Heerwesens einen Einblick gewährten, äußerst
selten sind. Die Proben, die ich von letzteren für die Chrestomathie aus-
gesucht habe, sind um so geringer an Zahl, als manche dieser militäri-
schen Dokumente zu denjenigen Texten gehören, deren Neubearbeitung
ich mir für die „Urkunden der Ptolemäerzeit" vorbehalten muß.*) Eine
zusammenfassende Bearbeitung des Themas von J. Leequier, von der wir
nach seinen Vorarbeiten das Beete erwarten dürfen, ist vollendet, aber
1) Dazu ^(jliöron einige dor wichtigit«n, wie Lond. I S. 88 ff. (Aber die Indlenit-
Mtellung de• Apollonioi)« der auch nur im Zufammenhang mit den gotamten Sera-
penmttexten roll gewürdigt werden kann, und mehrere d»T ihebaniiichen Akten, wie
Ilieb. Rank V— VII und einige der von Kevillout in den Melange• heraiiigeftk>eii«a
StQcke.
382 Kapitel XI. Militär und Polizei.
leider noch nicht herausgegeben.^^) Nur ungern behandle ich daher jetzt
den Stoff, doch darf wenigstens ein kurzer Überblick hier nicht fehlen.
Das Heer der Lagiden, das Fundament ihrer Militärmonarchie, hat
sich wie alle Diadochenheere aus der Armee Alexanders des Großen heraus
entwickelt. Hatte er zuletzt damit begonnen, seine Verschmelzungspolitik
gerade im Heere praktisch durchzuführen, so haben seine Generale nach
seinem Tode diese Politik verworfen, wie in den Beschlüssen von Babylon
deutlich hervortrat. Wir haben oben bei Betrachtung der Grundzüge der
Verwaltung sowie der Kirchenpolitik ^) feststellen können, daß die drei
ersten Ptolemäer eine deutliche Scheidewand zwischen den Makedoniern
und Hellenen einerseits und den Ägyptern als den Untertanen andrerseits
aufgerichtet haben. Dieser makedonisch -hellenische Standpunkt ist auch
im Heerwesen von ihnen durchgeführt worden. Wohl sind ausnahmsweise
im Ernstfalle auch Ägypter in das Heer eingestellt worden, wie Ptole-
maios I. bei Gaza (312) auch Ägypter in seinem Heere hatte ^), auch be-
gegnen schon unter Philadelphos und Euergetes L gelegentlich ägyptische
μάχίμ,οί^), aber im Prinzip herrschte durchaus der Grundsatz, daß die
Ägypter zwar als Ruderer auf der Flotte, aber nicht im Heere dienen
sollten. Das Heer bestand normalerweise aus den Μακεδόνες^ die nicht
nur die Gardetruppen, sondern überhaupt die Kerntruppen bildeten, und
aus den buntgemischten Mchtägyptern, unter denen die Hellenen, aus den
verschiedensten Plätzen des Mutterlandes wie der Kolonialländer, neben Per-
sern, Mysem, Pisidern, Lykiern, Thrakiern usw. den Grundstock bildeten.
Nachdem dann Philopator im J. 217 20000 Ägypter, nach makedonischer
Art gerüstet, zum Kampf bei Raphia herangezogen hatte ^), setzte gerade
auf dies Ereignis hin die oben S. 20ff. geschilderte nationalistische Be-
wegung ein, deren Druck die Regierungen des IL Jahrh. immer mehr
nachgaben. Auch auf dem militärischen Gebiet tritt uns dies deutlich
entgegen. Zwar stehen auch jetzt noch alle Nichtägypter, ganz allgemein
1) Les institutions militaires des Lagides. Eine Pariser Doktorthese. Einstweilen
ist die vorsichtige zusammenfassende Darstellung von Bouche-Leclercq zur Einführung
zu empfehlen. Wer tiefer eindringen will, muß vor allem Grenf eil- Hunt 1. c. mit den
Urkunden stadieren. P, Meyers Buch, das trotz großer Verdienste speziell für die
Ptolemäerzeit doch viele Irrtümer brachte, ist nur zusammen mit Schuharts Kritik
zu benutzen. Was P. Meyer damals fehlte, die Vertrautheit mit den Originalen, be-
sitzt er jetzt, wie seine ausgezeichneten Publikationen der letzten Jahre zeigen, in
hohem Maße.
2) Vgl. S. 19 und 93 ff.
3) Diod. 19,80,4: Λίγνητίων dh τελή^Ός το μ,hv κομίξον βέλτ} χαϊ την αλλην τιαρα-
ακενήν^ το ah ■καϋ'ωτζλίβμένον καΐ προς μάχην χρηΰίμον.
4) Hib. 41 (a. 261), 44 (a. 253), 70 (b) (a. 228), Grenf. II 14 (a), 22 f., wo übrigens
μίο&ωτών nicht richtig gelesen ist. Ihre Verwendung ist hier nicht eine speziell
militärische.
5) Polyb. V 65.
ι
ι
ι
Ι. Das Militär. Α. Die Ptolemäerzeit. 383
als OL οτρατενόμενον "Ελληνες^) bezeichnet, den Ägyptern gegenüber, aber
abgesehen davon, daß inzwischen auch viel ägyptisches Blut in die so-
genannten ^^hellenischen" Kreise eingedrungen war-j, spielten jetzt die
ägyptischen μάχιμον ^) eine ganz andere Rolle als im ΠΙ. Jahrh. — gab es
doch sogar eine ägyptische ,,Gardfc" in Alexandrien!*) — , auch begegnen am
Ende des Jahrhunderts Ägypter in der hohen militärischen Stellung eines
Epistrategen oder Strategen der Thebais.^) Für die weitere Entwicklung
ist es lehrreich, die beiden großen Soldateninschriften aus Herrn opolis
miteinander zu vergleichen, von denen die ältere^) aus dem Π. Jahrb.,
die jüngere aus dem I. Jahrh. (80 — 69) stammt.*^) Jene bringt fast durch-
weg griechische Namen ^), diese ein buntes Gemisch von Namen der ver-
schiedensten Völker, unter denen namentlich Ägypter und Semiten hervor-
ragen. So spiegelt sich die allgemeine Entwicklung der Bevölkerungs-
geschichte Ägyptens gerade in der Geschichte des Lagidenheeres deut-
lich wider.
Das Heer der Ptolemäer war ein stehendes Heer, das im Kriegsfall
eventuell durch neu hinzugeworbene Söldner, die von den auf die großen
Söldnermärkte ausgesandten ξενολόγοί geworben waren, verstärkt wurde ^),
in Friedenszeiten aber über das ganze Land hin verteilt warJ^) Große
Kommandos lagen wohl in den meisten Städten, vor allem in Alexandrien,
wo die Μακεδόνες später beim Niedergang des Königtums oft die Rolle
der Prätorianer von Rom spielten. ^^) In manchen der Gaumetropolen werden
uns Kastelle, φρούρια^ genannt, die unter φρονραρχοί standen (z B. in
Hermopolis in der altern der oben genannten Inschriften). In andern
IMätzen waren feste Standlager, νπαίϋ-ρα, errichtet, aus denen gelegentlich
1) So in Teb. 5, 168. Jetzt sind auch die Maxedovss mit eingeschlossen ebenso
wie die Perser, Lykier usw.
2) Vgl. S. 23.
'0) Charakteristisch für das allmähliche Verschwimmen der früheren Gegensätze
iHt, (laß in Teb. I l^d^EXXriVsg μάχιμοι neben Alyvnxioi μ. und &XXoi μ. genannt werden.
Vgl. Grenfell-Hunt S. 552.
4) Die iniXtxtoi im Par. 63, 21 (a. 164).
6) 8. oben S. 22. Für die militärische Rolle des Πα&ς vgl. z. B. Nr. 10. Ein
unpublizierter Text spricht von dem atgatonedov dieses selben Παώς.
d) Vgl. Lesquier 1. c.
7j V^'l. Milne, Greek Inscripiions (Cat. G^n^rale du Mus. du Caire) S. 26 und
'lazu P. Moyer, Heerwesen 8. 96ff.
8) Dies Moment zusammen mit den schon von Lesquier betonten Namen Jq^-
των und Κομανός spricht mir dafür, daß die Inschrift um Dezennien älter ist als
LcHquier annimmt, der sie in das Ende des II. Jahrh. setzen will. Die Schrift scheint
mir zu dem früheren Ansatz zu passen.
9) Vgl. den außerordentlich wertvollen Bericht von Poljbios V 64 ff. über die
Vorbereitungen zur Schlacht von Kaphia.
10) Über die auHwilrtigcn Kommandos vgl. P. Mejer, Heerwesen 8. 16 ff.
11) Daß diese Menitdoptg dann gelegentlich die Rechte der alten makedonischen
HeerefTersainiiilfisg aoiflbien, wurde ichon oben 8. 8 erwähn!
384 Kapitel XI. Militär und Polizei.
Truppen in die Nachbarschaft detachiert wurden. Vgl. Grenf. I 42 (447).
Das eigentliche Charakteristikum aber der ptolemäischen Heeresorganisation
ist, daß ein großer Teil der Armee als κληρονχοί in den Gauen angesie-
delt war. Über diese κληρονχική γη ist schon oben S. 280 ff. eingehen-
der gehandelt worden. Daselbst ist auch schon betont worden, daß diese
κληρονχοΰ nicht etwa Veteranen oder Pensionäre, sondern aktive Soldaten
waren, die jeden Augenblick im Kriegsfall auch wieder zu Felde ziehen
konnten.^) Wiewohl der Besitz dieses Lehnslandes, wie wir sahen, ein prekärer
war, und der König jederzeit den κλήρος zurücknehmen konnte, ist er
doch in der Regel — zum mindesten seit dem Ende des III. Jahrh. —
dem Sohn des verstorbenen Kleruchen zugefallen, und da die militärische
Dienstpflicht auf dem κλήρος lastete, so war damit gewissermaßen ein
erblicher Kriegerstand gegeben, der mit jeder neuen Generation (ίίτηγονη)
dem König neue Rekruten lieferte.^) Die von Mehreren vertretene An-
sicht, daß der Zusatz rfjg ^ταγονηξ^ der in unsern Urkunden so häufig
erscheint, eben denjenigen bezeichnet, der zu dieser hinzugeborenen
Generation gehört, die nach dem Tode des Vaters den κλήρος übernehmen
wird^), hat daher vieles für sich, wenn auch neuerdings mehrfach Ein-
spruch erhoben ist.^) In einer solchen kurzen Einführung muß ich mich
doppelt hüten, Probleme, die noch schweben, als gelöst zu behandeln, und
so wiU ich ausdrücklich anerkennen, daß die Frage, was της έπιγονης be-
deutet, nach unserm jetzigen Wissen nur eine hypothetische Lösung zu-
läßt. Aber ein Argument möchte ich doch hervorheben, das mir stark
für jene Ansicht zu sprechen scheint, das ist die Tatsache, daß bei den
Hunderten von Kleruchen, die wir kennen, m. W. nicht ein einziges mal
der Zusatz της ετΐίγονης gemacht ist. Das sieht doch aus, als wenn die
beiden Begriffe sich ausschließen — wie bei jener Deutung angenommen
wird.^) Doch mag man in den Männern της ^^r^j^ovi^g den Nachwuchs
1) Zu den Argumenten, die ich schon in GGA 1895, 132 f. hervorhob, ist in-
zwischen z.B. noch Folgendes hinzugekommen. In Petr. III S. 19, 3 begegnet ein
Άγριαν (ίκατοντάρονρος) τ[ών ο]Ϊ!7ζω νπο ιπτΐάρχην. Da ist also eine Gruppe von
Kleruchen, die noch unter das Kommando eines Hipparchen kommen soll! Deren
Dienstzeit ist also sicher noch nicht abgelaufen. Vgl. auch die zustimmenden Aus-
führungen von Schubart in seiner Dissertation und Grenfell-Hunt in Teb. I S. 547.
2) Darum vermachen die Kleruchen des ΙΠ./ΙΙ. Jahrh. ihrem Sohne ihr Pferd
und ihre Waffen (Petr. P.). Daß sie den -κλήρος damals nicht vermachen durften,
wurde oben S. 283 angenommen. Eine Ausnahme für das III. Jahrh. gab es schon
in Petr. I 18 [1], II 6. Vgl. jetzt für das Ende des IL Jahrh. S. 385/6.
3) Vgl. jetzt Grenfell-Hunt, Teb. I S. 557. Auch mir ist diese Deutung die wahr-
scheinlichste (vgl. z. B. Deutsch. Lit. Z. 1896, 1389, Arch. III 522).
4) Vgl. namentlich Schubart, Arch. V 108 Anm. 1. Er sieht darin eine Klasse
von Neumakedonen, von später zuwandernden Makedonen. Aber wie könnte man diese
έπίγονή nennen? Darin liegt doch der Begriff des Nachwuchses.
5) Grenfell-Hunt 1. c. verweisen auf Teb. 105, 52 ff., wo ein Μαχεάών των ν,ατοί-
■κων Ιηηύων 5 Mav.s8ov£g της έΛίγονής gegenübergestellt wird.
ι
Ι. Das Militär. Α. Die Ptolemäerzeit. 385
der κληρονχοί sehen oder nicht, das kann nicht bezweifelt werden, daß die
Söhne der Kleruchen mit dem κλήρος auch die militärische Dienstpflicht
übernahmen, und so eine beständige Rekrutierung aus dem Nachwuchs
stattfand. Das sind offenbar die Einrichtungen, an die die treffliche Quelle
des Trogus Pompeius gedacht hat, wenn sie nach ihrem Bericht über die
Lagerkinder im Heere Alexanders, die Epigonoi^), hinzufügt (nach Justinus
XII 4, 7): Quae consuetudo in sticcessoribiis quoque Alexandri mansit.')
Es ist also diese Einrichtung Alexanders des Großen, an die die Lagiden
offenbar angeknüpft haben. ^)
Es ist oben auch schon erwähnt worden, daß mindestens seit dem
II. Jahrh. die militärischen Inhaber von κλήροι meist κάτοικοι genannt
wurden. GrenfeU-Hunt, die in Teb. I ein außerordentlich wertvolles Ma-
terial für die Katökenfragen mit trefflichem Kommentar vorgelegt haben,
haben S. 557 die sehr ansprechende Vermutung geäußert, daß die oben
S. 280 erwähnte Tatsache, daß im IL Jahrh. auch andere als Soldaten
Inhaber von κλήροι wurden, es nahe gelegt habe, für die Soldaten
einen sie unterscheidenden Titel zu gebrauchen. Diese Texte haben uns
auch gezeigt, wie man aus den niedern Klassen der κληρονχοί (Polizisten)
zu den κάτοικοι avancieren konnte. Ein lehrreiches Beispiel dafür ist
Teb. 32 (448).
Bezüglich der Entwicklung des Besitzrechtes der κάτοικοι an diesen
κλήροι in der jüngeren Ptolemäerzeit werden wir jetzt hinaus über das, was
ich S. 282/3 (vgl. 384 Anm. 2) mitteilen konnte, durch einen Berliner Papyrus
aus Abusir el-mäläq gefordert, den Schubart demnächst als BGU IV 1188
edieren wird, und dessen Transkription er mir soeben freundlichst zur Ver-
fügung gestellt hat. Der Text (aus dem I. Jahrh. v. Chr.) ist eine Parallele
zu dem 1. c. von mir zitierten Teb. I 124 (ca. 118 v. Chr.). Er behandelt
die liechte der κάτοικοι Ιππείς des herakleopolitischen Gaues so wie jener
die des !4ρϋΐνοΐτης.^) Das neue Prostagma verfügt zunächst (I 12 ff.):
μενειν ί' αντοίς ονς κατεόχγ^Ικαϋι κλήρους καΐ τοίς^ ^νγόνοις 6νν τοΙς
όταϋ'μοίς κτλ., was Teb. 124, 25 ff. entspricht, abgesehen von dem Zusatz
über die όταϋ-μοί (s. unten). Dann aber folgen nach einer Lücke die
wichtigen Worte (II 16 ff.): έάν όέ τίνες έξ αντ&ν τελεντήόωόι άδιά^ετοι^
ερχεό^αι τους κλήρους τούτων εις τους εγγίότα γένους καθότι καΐ hti)
(=« έπΙ) των ^Αρόινοειτών έοτιν. Also wenn die Besitzer von κλήροι ohne
Testament gestorben sind, so sollen die κλήροι^ so verfügt jetzt der König,
1) Wir kennen am den Serapeumtpapyri inlyovot in Memphis, die ein be-
stimmtet Regiment bilden. Die Mind von den η)^ ίηίγορής natürlich tu trennen.
S) Hierauf hat schon Lumbroso, L'Kgitto K4 ff. hingewiesen. Vgl. auch τ. Premer-
stein, Klio ΙΠ 8. 80.
») Ähnlich war androraeits auch die Dehandlung der μάχιμοι in der Phar»-
onenxeit.
4) In Teb, I 1S4. S wird vielleicht auch natoinot. Ιηη»ΐς hcnustellen sein.
Μ 1 1 1 Γ i • w 1 1 ' k ' η Oraadeae• I. tb
386 Kapitel XI. Militär und Polizei.
auf die nächsten Verwandten übergehen. Das setzt voraus, daß schon da-
mals die κλήροι von den Inhabern durch Testament vererbt werden durften,
läßt aber vermuten, daß in den Fällen, wo dies nicht geschehen war, die
κλήροι (wie früher) zunächst wieder an den König zurückfielen. Hierauf
verzichtet nun der König durch diese generelle Regelung für die Zukunft.
Daß auch jetzt noch das Prinzip weiter bestand, daß der Besitz des κλήρος
zum Kriegsdienst verpflichtete, und daß damit eo ipso der Begriff der
εγγιΰτα γενονς seine praktische Begrenzung fand, möchte ich als wahr-
scheinlich annehmen.
Diese militärischen Ansiedler erhielten aber nicht nur κλήροι^ also
Grundstücke zum landwirtschaftlichen Betrieb, sondern auch Quartiere
zum Wohnen (οταΟ'μοί), und zwar ebenso in den Dörfern (Petr. III 14, 21)
wie in den Städten.^) Dies bedeutete für die ägyptische Bevölkerung
eine außerordentlich drückende Last ^), denn während der König die
κλήροι aus seinem eigenen Lande ausschied, mußten die Quartiere von
der Bevölkerung gratis geliefert werden. Ganz abgesehen von den vorüber-
gehenden Einquartierungen von durchreisenden Beamten und Truppen,
auf die schon in Kap. IX nebenbei hingewiesen wurde, mußte die Be-
völkerung also auch den Kleruchen resp. später den Katöken dauernd
Quartier gewähren, was einem völligen Verzicht auf die betreffenden Bau-
lichkeiten gleichkam. Formell scheint es so behandelt zu sein, daß die
Hausbesitzer das Quartier dem König überließen, und dieser sie durch die
ΰτα&μοδόται an die Soldaten verteilen ließ, denn die Kleruchen sagen in
ihren Testamenten schon des III. Jahrb., daß sie den örad'^bg εκ τον
βαΰιλικον haben ^), und in einem Erlaß des Philadelphos steht der Satz:
oi γαρ [0τα^'μ]οί ε[ι6ι] βασιλικοί. Diese wichtigen Akten (Petr. ΠΙ 20)
soUen unten, soweit der Text schon einigermaßen sicher hergestellt ist,
als Nr. 450 mitgeteilt werden. Im Kommentar wird auch auf das Ver-
hältnis zu Teb. 5, 168 ff. eingegangen.•*)
Trotz dieser Auffassung ol οτα^^μοί είβι βαόιλικοό haben schon die
Kleruchen des III. Jahrh. ihre οταΟ'μοί testamentarisch vermacht. Vgl.
Petr. III 6 (a) 32; 12, 9; 14, 21. Die σταθμοί und die κλήροι sind also
damals noch verschieden behandelt worden, während allmählich ein Aus-
gleich stattfand. Vgl. das övv rolg ΰτα^'μοίς oben in dem neuen Berliner
Text. Wenn der Besitz am ΰτcc^•μόg eher erblich geworden ist als der am
1) Der Kleruch, der einen solchen βταΟ'μος innehatte, hieß βτα,Ο-μ,ονχος. Daß
diese Ansicht von Schubart die richtige ist, zeigt der im Arch. V Anm. 1 von ihm
zitierte Papyrus.
2) Die Notlage der Bevölkerung, aber auch ihre Findigkeit wird uns in Petr.
II 12 (449) illustriert.
3) Petr. III 6 (a) 32; 12, 9.
4) Hier handelt es sich nicht um Kleruchen, sondern nur um vorübergehende
Einquartierungen.
Ι. Das Militär. Α. Die Ptolemäerzeit. 387
κλήρος, so steht das parallel der allgemein en Entwicklung des Eigentums,
das sich, wie Rostowzew gezeigt hat, zuerst am Hause und erst später
am Ackerland entwickelt hat (s. oben S. 285).
Es ist bisher nur von den in Ägypten stationierten Truppen ge-
sprochen worden. Über die Kommandos in den auswärtigen Besitzungen
der Ptolemäer^) bringen die Papyri nur geringe Andeutungen. Abgesehen
von dem Bericht über den Krieg Euergetes I. (1) hören wir nur von
militärischen Maßregeln zum Zweck der Elefantenjagden an der afrika-
nischen Küste {8. oben S. 263 f.). Über die dorthin entsendeten κυνηγοί
bieten uns Eleph. 28 (451) und Petr. II 40 (a) (452) interessante Auf-
schlüsse. Vgl. auch meine Ergänzung von Par. 66, 13 ff. (385) und Petr.
III S. 291 f. Wenn Rostowzew (Arch. IV 304) diese κνιτηγοό als Liturgen
erklärt, so hängt das wieder mit seiner terminologischen Fassung des
Liturgiebegriffes zusammen. Nach der oben in Kap. VIII befolgten Ter-
minologie haben diese Jäger mit Liturgen nichts zu schaffen.*) Wenn jetzt
in Par. 66 1. c. geradezu von ihrer λειτουργία die Rede ist, so bedeutet
das wie auch sonst in dieser Zeit eben ihre militärischen Dienstleistungen.
Aber es ist ein niederer Dienst, wie der Matrosendienst auf der Flotte,
und darum werden Ägypter, nicht Griechen, dazu ausgehoben, während
Griechen nur ihre Offiziere sind. Die ägyptische Nationalität geht aus
dem Petrie-Papyrus deutlich hervor, auch der Parisinus paßt dazu: es sind
Leute, auf denen die Dammfronden liegen. Das Oberkommando führte
an der afrikanischen Küste ein οτρατηγός.^) Außerdem sind hier tätig
gewesen die ηγεμόνες των ε^ω τάξεων, womit ganz allgemein die Offiziere
der auswärtigen Abteilungen bezeichnet sind. Die Auffassung von J. Les-
quier, es seien officiers placcs hors rang, „ά la suitef^*') läßt sich nicht
halten. Schon die Stellung von των läßt diese Deutung nicht zu.*) Im übrigen
weisen die Zeugnisse z. T. auf ihren auswärtigen Dienst direkt hin. So
ist die Weihinschrift bei Dittenberger, Or. Gr. I 69 von einem ^ιγεμων
των ίξω τάξεων gesetzt, der von einer Expedition an der afrikanischen
Küste zurückkehrt: <}ωϋ•εΙς ix μεγάλων κίνδυνων, ^κπλεύόας Ικ της *Ερυ-
ι^ράς ^αλάόόης, und der ηγεμών εξω τάξεω[ν] in Theb. Bank. IX 10
unterschreibt für einen „Dolmetscher der Trogodyten", der offenbar zu
Meinem Kommando gehört.
WaR onfllich die Organisation der ptoiemäiechen Armee betrifft, so
1, vgl. i'. Meyer, ll.'.iwoHcn S. 16 ff.
2) Hierzu vgl. Fr. Ocrtil in der bevorstehenden Arbeit Aber Liturgien.
8) Vgl. zu den Γ«•γ iten wie flberhaapt zu der Entwicklung dicMor Kx•
peditionen die klaren Λ ^ou von Roitowsew, Arch. IV 301 if. und V IHi.
4) Rev. d. I'hilolog. 1. ϋ. 'iU4. Die obige Deutung vertreten i. B. P. Meyer, Heer-
weeen 8. 16; Dittenberger, Or. Or. I S. ISS.
b) Wae Leequier meint, wflrde etwa Ηω τής τάΙ§ως reep. χώψ τα|«ων heiflen
können.
S6•
388 Kapitel XI. Militär und Polizei.
scheint innerhalb Ägyptens die Gaueinteilung von grundlegender Bedeu-
tung gewesen zu sein, insofern die Truppen nach Gauen gegliedert waren.
Nach dieser Richtung wies z. B. schon P. Rein. 7, 3: Κέφαλος Jiovvulov
των εν τω ι Έρμοπολίτηι μοβϋ-οφόρων und ebendort Ζ. 5: Ανοίκράτον
τον ΧαρΙνον Ιτίτίάρχον τον αντον ν1^ο]μον κατοίκων Ιππέων. Vgl. auch
Petr. III S. 23, 15: 6ννταγμ\α των Έρμοπολιτών. Ganz klar tritt dieser
Grundgedanke jetzt in den oben zitierten Worten des neuen Berliner
Textes hervor (BGU 1188), in dem den κάτοικοι Ιππείς des Herakleo-
polites Privilegien erteilt werden κα%•ότι και έπϊ των !Λρ6ΐνοειτών έύτιν.
Also eine so wichtige Frage, wie die Kleros-Frage, war nicht einheitlich
für ganz Ägypten geregelt, sondern verschieden für verschiedene Gaue.
Auch Teb. 124 zeigt uns jetzt im Lichte des neuen Textes, daß die hier
behandelten Privilegien speziell nur der arsino'itischen Truppe verliehen
waren. Mit dieser lokalen Gliederung hängt dann auch wohl zusammen,
daß über jeden Gau ein ύτρατηγός gesetzt war, der von Hause aus jeden-
falls das Kommando über die Gautruppen gehabt haben wird, wenn er
auch allmählich mehr und mehr zivile Funktionen erhalten hat (s. oben
S. 11). Rein militärisch blieb die Funktion des ατρατηγος επί την ϋ-ψ
ραν των ελεφάντων (s. oben).
Die Armee bestand aus ιππείς und πεζοί. Die Reiter waren in ιπ-
παρχίαι gegliedert unter l;r;r«^;^cit ^), die wieder in Ιλαι unter Ιλάρχαι zer-
fielen. Vgl. auch die έπιλάρχαι. In den wichtigen Abrechnungen in Petr III
S. 279 ff. werden die εκατοντάρονροι ιππείς und die εβδομηκοντάρονροι
ιππείς unterschieden.^) Die ιππείς mit 100 Aruren (seil, vom Klerosland)
sind hier in 5 Hipparchien gegliedert, die mit 1 — 5 numeriert sind,
z. B. Θραξ της (τετάρτης) Ιπ(παρχίας). Dagegen die Ιππείς mit 70 Aruren
zerfallen in 4 Hipparchien, die nach Völkerschaften benannt werden: al
των Θρακών^ Μνοών, Θεόοαλών und Περβών ίππαρχίαι. Wir werden an-
nehmen dürfen, daß ursprünglich in letzteren Abteilungen wirklich An-
gehörige dieser vier berühmten Reitervölker zusammengestellt waren. All-
mählich fanden auch Leute anderer Herkunft Aufnahme, ohne daß der
einmal geschaffene Name der Truppe sich veränderte. So gehört z. B.
in Petr. III S. 286 ein Ήρακλεώτης zur Hipparchie der Thessaler und ein
Pergamener zu der der Thraker. Vgl. hierzu außer Smyly auch Schubart,
Arch. V S. 106 f. und Klio X 65. Im IL Jahrh. begegnen auch τριακον-
τάρονροι ιππείς^ die aber eine einheimische Truppe (μάχιμοι) waren. Für
weitere Details verweise ich auf Smyly 1. c. und Bouche-Leclercq IV 46 ff. —
1) Der Titel Ιπτΐάρχης έη ανδρών, über dessen Bedeutung viel gehandelt worden
ist, bezeichnet jedenfalls, wie man auch έ-π' ανδρών deuten will, einen aktiven Offizier.
Vgl. z. B. Grenf. I 21, 3, wo Dryton, der diesen Titel führt, sagt: ίηπον, έφ' ου βτρα-
τενομοα.
2) Vgl. weiteres bei Smyly S. 288.
Ι. Das Militär. Α. Die Ptolenjäerzeit. 389
Die hifanterie zerfiel in Abteilungen von 1000, 500, 100 und 50 Mann,
die unter χιλίαρχοί^ πενταχοόίαρχοί, έκατόνταρχοί χυλάπεντηκόνταρχοί standen.
Von den aus den Schriftstellern bekannten Abteilungen ist ferner der λόχος ^)
und die όημεία^) in Papyri nachweisbar. Lesquier hat aus der Inschrift
von Ashmunen gefolgert, daß 200 Mann eine taktische Einheit gebildet
haben, die einen κήρυξη einen όημειοφόρος und einen ουραγός hatte. Als
Kommandeur betrachtet er den in den Petrie-Papyri des III. Jahrh. in dem
formelhaften των τον δεΐνος ohne Charge genannten Offizier, den er dem
γεμών der Reinach -Papyri aus dem IL Jahrh. gleichsetzt, und rechnet
mit der Möglichkeit, daß diese Einheit das ούνταγμα der Texte des
III. Jahrb., die ηγεμονία jener jungem Texte sei. Eine genauere Dar-
legung seiner Thesen sowie überhaupt der Gliederung der Armee dürfen
wir von seinem bevorstehenden Buch erwarten. Ich habe mich hier auf
die allgemeinsten Linien beschränkt.
Neben den Offizieren begegnen uns in den Urkunden die Intendantur-
beamten (γραμματείς), die mit den Listenführuugen und im besondem der
\uszahlung des Soldes betraut waren. Über die Soldverhältnisse ^) han-
in namentlich Lond. I S. 38if. und Theb. Bank. V — VII, auch manche
L-r von ReviUout in den Melanges herausgegebenen Stücke, für die ich
uf die „Urkunden der Ptolemäerzeit" verweise. Eine besondere Organi-
ition zeigen die Katöken in ihren Syntaxis- Beamten, die die Geschäfte
»izüglich der Aufnahme von Katöken u. dgl. zu besorgen hatten. Vgl.
B. LiUe 4 (336), Teb. 30 (233), 32 (448).
In bezug auf die Flotte der Ptolemäer*) haben die Papyri bisher nur
• hr geringfügige Nachrichten gebracht. Über die Aktion der 'Flotte im
IIL syrischen Kriege berichtet Nr. 1. Die Fahrten der Elefantentransport-
hiife (έλεφαντηγοί) erwähnt, wie schon gesagt, Petr. II 40 (a) (452).
Auf eine Flottenstation bei Ptolemais, von der aus gelegentlich Fahrten
nach dem Süden unternommen wurden, weist die von Plaumann, Ptole-
mais S. 33 behandelte In.schrift von Philae hin. Das Werben der Matrosen
(νανται) berührt Par. 66 II 20 (385), ebenso auch die viel besprochene
Stelle in der liosettana betreffs der 6νλληι}^ις τών slg ty)v ναυτείαν^ wo-
nach die ägyptischen Tempel erst von Epiphanes von der Last befreit
wurden, von ihren Leuten welche zum Matrosendienst zu stellen.^) Von
Soldzahlungen an die μιό^οφόροι πληρώμα\τος und die igitai der Flotte
auf dem Koten Meer handelt <ias Fragment Grenf. I i> (vgl. Kostowzew, Arch.
IV 1(04 I. Auf eine gelegentliche Abkommandierung von Flottensoldaten
(πλιίρωμα) zu den Arbeiten in den Steinbrüchen ist oben S. 333 hingewiesen.
i) Vgl. den Titel έηίίοχαγός und λοχαγός, euch %ατ€ίλοχίαμός
'J) Zu der αημ§1α im Refpmentder fniyopotyon Memphi• vf^l. Lond l ^s. HHt\ {VV/.}
8) Vgl. Üouchd-Leclercq IV ftl f. 4) Vgl. Bouchd-Lerlerc»! IV 02 ff.
Λ, V«!. Dittenberger, Cr Τ ΐΛΐΓ
390 Kapitel XI. Militär und Polizei.
B. RÖMISCHE ZEIT.
Lit.: Mommsen im CIL III; Die Konskriptionsordnung der röm. Kaiserzeit,
Hermes 19, Iff. und 210 ff. (== Histor. Schrift. III 20fiF.); Ägyptische Legionare, Hermes
35, 443 flf. (= Histor. Schrift. III 118 fif.); Ephem. epigraph. VII 456 ff. usw. — Milne, Hist.
of EgypteV, Roman Rule S. 169 ff. — P. Meyer, Das Heerwesen d. Ptolemäer und
Römer in Ägypten 1900; Arch. IIl67ff. — Nicole et Morel, Archives militaires
du I. Siecle 1900 (Gen. lat. 1). — Wilcken, Ein neuer Brief Hadrians, Hermes 37,
84 ff. — A. V. Premerstein, Die Buchführung einer ägyptischen Legionsabteilung,
Klio III Iff. — J. Lesquier, Le recrutement de Tarmee Romaine d'Egypte, Rev. de
Philol. 28, 5 ff. — A. v. Domaszewski, Die Rangordnung des röm. Heeres 1908.
Wie die Provinz Ägypten innerhalb des Reiclies eine einzigartige
SondersteUung einnimmt, so weist im besonderen auch das römische Heer
Ägyptens einige singulare Erscheinungen auf, die in der Politik des
Augustus oder auch in der heUenistischen Vorgeschichte des Landes ihre
Erklärung finden. Diese Sonderheiten haben um so mehr Anspruch auf
aUgemeines Interesse, als manche von ihnen in späteren Zeiten von hier
aus auch in andere Teile des Reiches übergegangen sind. Von den z. T.
sehr verwickelten Problemen dieser ägyptischen Arniee kann hier nur in
aller Kürze gehandelt werden. Es sollen im besonderen solche hervor-
gehoben werden, zu deren Verständnis die Papyri Beiträge geliefert haben.
Zur Orientierung schicke ich eine Übersicht über den Bestand des
ägyptischen Heeres voraus.^) Nach Strabo XVH p. 797 standen zu Augustus'
Zeit 3 Legionen (τάγματα) im Lande, von denen eine in Alexandrien sta-
tioniert war, ferner 9 Auxiliarkohorten (οτΐεΐραι)^ von denen 3 in Alexan-
drien, 3 in Syene lagen, und außerdem 3 Alen ([ππαρχίαί\ gleichfalls an
den passenden Orten verteilt. Von den 3 Legionen der augusteischen Zeit
kennen wir die erst nach der Varusschlacht gebildete legio ΧΧΠ., später
Deiotariana genannt, die von vornherein in Alexandrien stationiert war^),
ferner die EL Cyrenaica, die nach CIL ΠΙ S. 6627 in Oberägypten lag.^)
Welche die dritte war, die nach Strabo XVII p. 807 in Babylon, gegen-
über von Memphis, lag, wissen wir nicht. Da wir jetzt annehmen dürfen,
daß Augustus Ägypten in die 3 Epistrategien geteilt hat^), ist es nicht
unwahrscheinlich, daß auch für die Verteilung des Heeres diese Drei-
teilung maßgebend gewesen ist^), wobei nur anzunehmen ist, daß Alexan-
drien für das Delta eintrat. Hiernach würden wir wohl die 3 Kohorten,
die weder in Alexandrien noch in Syene lagen, in der Heptanomia zu
suchen haben. Entsprechend wäre auch die Verteilung der 3 Alen.^)
1) Vgl. Mommsen, CIL ΙΙΓ SuppL p. 1210 sq.; P. Meyer, Heerwesen 151.
2) Schon für 15 n. Chr. bezeugt Lond. II S. 99 (443) einen Soldaten dieser Legion.
3) Vgl. P. Meyer S. 158. 4) Vgl. oben S. 35.
5) Vgl, Martin, Les epistrateges S. 92.
6) In der τΐαρεμ,βολη (castra) bei Babylon lag a. 59 die ala Vocontiorum nach
P. Hamb. 2.
Ι. Das Militär. Β. Die römische Zeit. 391
Nach Tacitus, annal. 4, 5 standen unter Tiberius im Jahre 23 nur noch
2 Legionen bei Ägypten; das sind die XX.ll. und ΠΙ. Cyrenaica, die, min-
destens seit Gaius (a. 38)^), in einem gemeinsamen Lager bei Alexan-
drien vereinigt waren, von denen aber manche Detachements bei der
χώρα standen.^) Eine Änderung trat erst unter Traian ein, der die legio
II. Traiana fortis in Ägypten stationierte. Der älteste Beleg für diese
(CIL III 79) stammt vom Jahre 109. Während mau früher a priori an-
nahm, daß diese neue Legion zum Ersatz der alten geschickt worden
sei, über deren Schicksale verschiedene Ansichten geäußert wurden, hat
uns der wichtige Papyrus BGU 140^) in der neuen Herstellung des Textes,
die ich im Hermes 37, 84 ff. veröfientlichte, vielmehr gelehrt, daß noch im
Jahre 119 die XXII. Deiotariana und die HI. Cyrenaica ihr gemeinsames
Standquartier in x\lexandrien hatten, daß also mindestens von 109 an bis
119 Ägypten Λvieder 3 Legionen gehabt hat.*) Der Papyrus besagt näm-
lich, daß der Brief Hadrians an den Statthalter Rammius am 4. August 119
ausgehängt worden sei iv τη] παρεμβολ{ί]) xri[<s\ χειμ(ί(5ίοί\ς λεγιώνος τρί-
της] Κν[ρ]ηναικ'ης κ[αϊ] λεγιώνο(<ς) [β] χ\αϊ εΙκο]6τ\Ύί]ς ζίψοτεριανί]ς^
Sehr bald hiemach ist dann die HL Cyrenaica in die neue Provinz Arabien
nach Bostra transloziert worden, während die XXII. später in noch nicht
sicher aufgeklärter Weise ihr Ende gefunden hat.^) Von da an hatte
Ägypten also nur eine Legion, die IL Traiana, in Alexandrien.
Zu den größten Eigentümlichkeiten der ägyptischen Armee, deren
Chef der praefectus Aegypti war, gehört es, daß die einzelnen Legionen
nicht, wie alle außerägyptischen, unter senatorischen Legaten standen,
da Augustus ja für Ägypten die Verwendung von Senatoren prinzipiell
ausgeschlossen hatte.•) So finden wir hier an der Spitze der Legionen
praefecti legionis, die aus dem Primipilat hervorgegangen waren, also von
der Pike an gedient hatten und den Rang der ducenarii inne hatten.
Unter diesem Legionspräfekten stand der praefectus castrorum, der zur
Zeit der Vereinigung der beiden Legionen in einem Lager auch unter
dem Titel praefectus exercitus qui est in Aegypto erscheint (CIL III 6809),
woraus zu folgern ist, daß auch die Auxiliarlager ihm unterstellt waren.
Später, als nur die eine leg. IL Traiana in Ägypten stand, hatte diese
unter ihrem praef. legionis wieder ihren praef. castrorum, während die
AiiviliiMi ihn'i! eigenen pmof. castroruni liatton.'^)
Ϊ, Vgl. Mummsen zu CiL 111 t)so.< nuh Tbilo iu Flftcc. IS).
l) Vgl. P. Meyer 8. 168
8) Der Text in Bd. II Kap. XII.
4) Abgeteben von der Abkommandierung der U. Traiana sum Partberkheg. Vgl.
Wilcken, Abb. Sftch«. Qeeell. XXVII (1009) 8. 797 ff.
6) Vgl. P. Mejer, Heerweien 8. 164 f.
β) Vgl. oben 8. 29.
7) Ich folge in dieser Darlegung τ. Domaitewiki, Rangordnung d. rOm. Heere•
392 Kapitel XL Militär und Polizei.
Neben dem Landheer steht die in Alexandrien stationierte classis
Augusta Alexandrina ^) , unter dem Kommando eines natürlich dem prae-
feptus Aegjpti unterstellten praefectus. Unter dessen Kommando^) stand
auch die aus der Ptolemäerzeit bekannte Einrichtung der Potamophylakia,
die bis nach Syene hin ihre Stationen hatte.^)
Während neben diesen Truppen des Reichsheeres von ständigen Pro-
vinzialmilizen (in dem Sinne von Mommsen, Hermes 22, 547 if. = Histor.
Schriften III 145 ff.) keine Spur in Ägypten zu finden ist, haben wir kürz-
lich durch den Bremer Papyrus 40 (16) ein Beispiel dafür kennen ge-
lernt, daß in Zeiten der Not die Gaue zu einer organisierten Selbsthilfe
griffen. Die Worte: Μία rjv ελπίς καΐ λοίττη προοδοκία η των άπο τον
νομον ημών άΰ'ρώων κωμ[7]]τών [προ]ς τους avoöCovg ^Io[ydaC]ovg [. .] . μη
zeigen, daß in der Not des Judenkrieges die vereinigten Dorfleute des Gaues
sich zu einer Art Landsturm zusammen getan hatten, der den Juden ge-
schlossen in einer Schlacht im Gau entgegentrat. Nach Mommsens Dar-
legungen 1. c. S. 556 (resp. 154), die mir erst jetzt den richtigen Ge-
sichtspunkt gegeben haben, glaube ich diese außerordentliche Selbsthilfe
der Gaue in Parallele setzen zu dürfen zu der in der lex coloniae luliae
Genetivae 5, 2 vorgesehenen Selbsthilfe der Munizipien. Interessant ist,
daß auch hier vrieder/ wie das Emil Kuhn zuerst für mehrere Beziehungen
gezeigt hat (Stadt, u. bürgl, Verf. II 454 ff.), der Gau als das Gegenstück
zum Munizipium erscheint. Von hier aus verstehen wir nun auch besser,
daß nach Giss. 21 (17) der sonst rein zivile Stratege an einer Schlacht
dieses Judenkrieges teilgenommen hat. In diesem Zusammenhange drängt
sich jetzt die Frage auf, ob der Stratege nur persönlich an jener Schlacht
im Norden — sagen wir kurz, bei Memphis — teilgenommen hat, oder
ob er etwa einen Teil seines Gauaufgebots ebendorthin hat führen müssen.
In beiden FäUen geht seine Verwendung über die des Duovir in jener
lex hinaus.
Die Papyri führen uns nicht nur zahlreiche Offiziere und Soldaten
der Reichsarmee in den verschiedensten Betätigungen vor*), sondern ent-
halten z. T. auch amtliche Aufzeichnungen, die uns die inneren Organisa-
sationen in den Truppenkörpern veranschaulichen. Für die Legionen
S. 120 f., der die Zeugnisse z. T. anders interpretiert als Mommsen. So sah Mommsen
in dem praef. exercitus, qui est in Aegypto (CIL IIl 6809) den Kommandanten der
beiden Legionen.
1) Mit ihr darf, wie schon oben S. 379 betont wurde, ja nicht verwechselt wer-
den die classis Alexandrina genannte Getreidetransport-Flotte.
2) CIL II 1970: praef. classis Alexandrin(ae) et potamophylaciae.
3) Vgl. Wilcken, Griech. Ostraka I 282 ff. Die Ostraka bringen Quittungen über
Zahlungen νπερ τεοταμοφνλαηίάων ο. ä. Vgl. weitere Literatur bei v. Premerstein, Klio
III 16.
4) Vgl. die Zusammenstellungen von Milne und P. Meyer 11. cc.
Ι. Das Militär. Β. Die römische Zeit. 393
ist von besonderer Bedeutung der von Nicole und Morel herausgegebene
Pap. Gen. lat. 1 aus der Zeit des Domitian, der sehr wertvolle Mit-
teilungen über die Sold- und Kassenverhältnisse, über die Abkomman-
dierungen der Legionare, über die Dienstleistungen usw. enthält (s. unten).^)
Die Zusammensetzung einer vexillatio aus Soldaten der ΙΠ. Cyr. und
XXII. Deiot. führt uns ein lateinischer Wiener Papyrus vor Augen, den
Wessely in den Schrifttafeln zur älteren lateinischen Paläographie n. 8
herausgegeben hat.^) Bemerkenswert ist, daß hier die aus der Literatur
bekannte Totenmarke, das Θ vor dem Namen der Verstorbenen, angewendet
ist.^) Für die Organisation der Auxilien aber ist von grundlegender Be-
deutung BGU II 696, ein sogenanntes Pridianum einer in der Thebais
stationierten Auxiliarkohorte vom J. 156 n. Chr.^) Hier sei nur als beson-
ders bedeutsam für die Entwicklung des Verhältnisses zwischen Legionen
md Auxilien hervorgehoben, daß nach dieser Urkunde damals Versetzungen
aus der Legion in die Kohorte vorkamen, ohne daß diese, wie es scheint,
als Degradierung aufgefaßt wurden. Der Dienst in den Legionen und in
den Auxilien stand also nicht mehr in solchem Gegensatz wie zu Anfang.
Diese NiveUierung hängt offenbar mit der Entwicklung der Rekrutierungs-
normen zusammen.
Für die Rekrutierungsfragen haben uns, abgesehen von einigen
grundlegenden Inschriften^) auch die Papyri wertvolles neues Material
gebracht.^) Die durchaus römisch- italische Politik des Augustus hat be-
kanntlich auf militärischem Gebiet zu der Ordnung geführt, daß in dem
von ihm geschaffenen stehenden Heere die Legionen ausschließlich aus
römischen Bürgern bestehen sollten, während die Peregrinen, die in den
Auxilien dienten, durch römische Offiziere und Unteroffiziere gleichfalls
dem römischen Wesen möglichst nahegeführt werden sollten.') Das erstere
Prinzip hat bei der Unmöglichkeit, die Legionen allein aus cives Romani
/u rekrutieren, zu der Praxis geführt, daß die für die Legionen ausgeho-
benen Peregrinen mit dem Eintritt in das Heer das römische Bürgerrecht
1) Vgl. vor allem den ausgezeichneten Kommentar von Premeretein 1. c.
2) Vgl. dazu Premeretein 1. c. S. 4. Dae Datum ist nicht vor 108 (Wees.), son-
dern nach obigem vor 119 anzusetzen.
8) Vgl. dazu Marauardt, Staateverw. II' 460 Anni. 7. Sehr wahrscheinlich ist
mit Wessely auch die Überschrift UUUt8 hierauf zu beziehen: die mit dem Thcta.
4) Ich verweise auf den Kommentar von Mommten, £phem. epigraph. VII 466 ff.
6) Vgl. namentlich CIL III 6627 für Augustus' ndcr TihrriuB' Zoit. «580 lilr da»
II. Jahrh. (— Dessau 2488, 2804).
6) (Grundlegend sind die Ausführungen von Mommsen zu den oben genannten
InschrifU^'n (vgl. im besonderen Ephem. epigr. V Iftüff.), sowie seine Arbeit über die
KoniikriptionHordnung der rOmifchen Kaiieneit, Hermes 19, 4 ff. Vgl. auch die oben
/.iticrtr S• hrif> von Lefqoier. Im allgemeinen anch Liebenam s. v. dileotus in Paalj-
Wiss. V.
7) \y Domaeieweki, Rangordnung S. 199 ff.
394 Kapitel XI. Militär und Polizei.
erhielten. Für Ägypten ist durch CIL III 6627 (aus Koptos) erwiesen,
daß schon zur Zeit des Augustus oder Tiberius die ägyptischen Legionen
sich im wesentlichen ans dem Orient rekrutierten: die Soldaten dieser In-
schrift stammen zu 507o aus Galatien, zu 2b% aus Ägypten, zu 97o aus
Syrien, zu je 27o aus Bithynien, Cypern und Cyrenaica, während nur
9% aus dem Westen stammen (Italien, GaUien, Afrika).^) Diese vorwiegend
orientalische Rekrutierung gehört aber, wie Mommsen betonte (Hermes
1. c. S. 6), nicht zu den vielen Besonderheiten des ägyptischen Militärwesens,
sondern gilt ähnlich für die orientalischen Legionen überhaupt, im be-
sondern die syrischen.
Im zweiten Jahrhundert treten uns dann die Wirkungen der in-
zwischen seit Hadrian allgemeinen lokalen Konskription auch in Ägypten
entgegen. Die in CIL III 6580 genannten Soldaten, die 168 ausgehoben
waren, stammen zu 65 7o aus Ägypten selbst, während die Galater fehlen.^)
Die Frage, welche Kreise der Bewohner Ägyptens zum Heeresdienst quali-
fiziert waren, hat, abgesehen von den Inschriften, namentlich durch die
Papyri eine präzisere Antwort erhalten. Wie schon oben S. 166 ff., insbe-
sondere 202, auseinandergesetzt wurde, waren es die εΛίκδκρψενοί^ also
vorwiegend die hellenischen Kreise im weiten Sinne des Wortes (S. 58),
während die λαογραφονμενοι^ oder wie wir jetzt sagen können, die dedi-
ticii (S. 56 ff.), die reinen Ägypter, disqualifiziert waren.^) Der Unterschied
zwischen den Legionen und den Auxilien hat sich mehr und mehr aus-
geglichen, insofern immer mehr Römer auch in die Auxilien eintraten
(s. 453), und nach der Constitutio Antonina wird der Besitz der römischen
Zivität die Regel gewesen sein.
Eine besondere Rubrik unter den aus Ägypten gebürtigen Legionaren
bilden diejenigen, die als ihre Origo die Castra angeben. Während in der
älteren der beiden Inschriften unter 36 Legionaren nur 2 solche „Lager-
kinder" sind, befinden sich in der Jüngern unter 37 nicht weniger als 20.
Das sind solche, die vom römischen Vater mit peregrinen Frauen in
illegitimer Soldatenehe (s. unten) im Lager, resp. den canabae des Lagers
gezeugt worden sind und beim Eintritt in das Heer die civitas erhalten
und in die tribus PoUia aufgenommen sind.•*) Hier stehen wir vor einer
speziell ägyptischen Institution, denn in andern Provinzen (namentlich
Afrika) lassen sich solche Lagerkinder erst seit Traian nachweisen. Nach
dem, was oben S. 385 über die επίγονοι Alexanders und über die έταγονή
1) Vgl. Mommsen 11. cc. und Lesquier S. 6.
2) Vgl. Mommsen, Lesquier 11. cc. 3) Vgl. P. Meyer, Heerwesen S. 126.
4) Zuerst aufgeklärt durch Mommsen, Ephem. epigr. V 155 iT. (s. auch CIL IE
p. 1212, Hermes 19, 10). Vgl. außerdem Lesquier S. 14 und v. Premerstein, Klio III 31
(mit weiterer Literatur). — Der Soldatenbrief BGU III 814 ist von einem solchen
Lagerkind geschrieben. Vgl. Z. 21/2.
Ι. Das Militär. Β. Die römische Zeit. 395
der Lagiden gesagt ist, ist es wohl niclit zweifelhaft, daß eine kontinuier-
liche Entwicklung vorliegt.^) Von Ägypten aus ist dies System dann
auch in die andern Reichsteile eingeführt worden.
Auch in die Kreise der Offiziere und Unteroffiziere sind nach und
nach Provinzialen eingedrungen.^)
Über die Formen der Aufnahme in das Heer haben die Papyri wert-
volle Aufschlüsse gebracht. Hier haben wir uns jetzt mit der militäri-
schen Epikrisis zu beschäftigen, deren Unterschiede von der fiskalischen
ich schon oben S. 197 festzustellen versuchte. Mit έπ:ίκρί6ις (probatio)
wird die vom praefectus Aegypti resp. dessen Organen vollzogene Prüfung
oder Untersuchimg bezeichnet, auf Grund deren erstens Rekruten in das
Heer aufgenommen, zweitens Untaugliche zurückgewiesen, drittens Ver-
setzungen von einem Truppenteil in einen andern vorgenommen wurden.^)
Über die Epikrisis der Veteranen wird weiter unten zu handeln sein.
Alle diese Akte können wir durch Papyri belegen. Von der Epikrisis,
die zur Aufnahme von Rekruten geführt hat, handelt der wertvolle latei-
nische Papyrus Oxy. VH 1022 (453) vom J. 103. Der praefectus Aegypti
überweist hier 6 Rekruten, die er nach Untersuchung ausgehoben hat,
dem Präfekten der cohors III Ituraeorum zur Aufnahme in die numeri.
In BGU 143 (454) vom J. 159 wird einem Rekruten durch den praefec-
tus classis Alexandrinae die Aufnahme bescheinigt. Andrerseits ist Oxy.
I 39 (456) vom J. 52 eine Bescheinigung dafür, daß ein Mann sich durch
die Epikrisis als durch ein Augenleiden untauglich zum Heeresdienst er-
wiesen hat. Endlich zeigt BGU 142 (455) vom J. 159, daß auch zwecks
Überführung eines Soldaten in einen andern Truppenteil eine solche
Untersuchung (επίκριόΐς) nötig war. Diese Epikriseis fanden wohl meist
in Alexandrien oder auch auf dem betre£Fenden Konvent statt.
Das oben erwähnte Pridianum der Auxiliarkohorte, in dem diese
Maßregeln z. T. auch erwähnt werden, unterscheidet die tirones voluntarii
und die facti ex paganis, also die sich freiwillig gemeldet haben, und die
aus den „Zivilisten" ausgehoben worden sind.**) Die Tirouen von 453
dürften den ersteren zuzuweisen sein.
Über den militärischen Dienet in Kriegszeiten melden unsere Pa-
1) So schon Mommten, Hermes P) io Ähnlich dann Meyer, Lesquier, v. Premer-
■tein Q«w.
2) Gegenüber r. Domaizeweki, «.• i ... ^uiner „Rangordnung** annahm, daß im
beeondem Septimiun Severue hieriür epochal sei, vgl. Dessau, Hermes 46, Iff., der viel-
mehr für eine allmähliche Entwicklung eintritt.
8) Daß alle diese Handlungen dem praef. Aogjpti tustanden, xeigt auch da•
Pridianum BGU 696.
4) Von tollen Übergriffen eines Doripreibytert, der, abgesehen τοη anderen
•Schikanen, auch njagden** veranstaltet {τ»ιρώνας ηυνηγήβαι), um sie dann
gegen Lösegeld \\ ./.ugeben, berichtet Lond. II S. 173/4 vom Jahre 186.
396 Kapitel XI. Militär und Polizei.
pyri nur wenig. Da Bericlite über auswärtige Kriege nicht vorliegen,
kommen nur die oben S. 60 f. behandelten Aufstände in Betracht, unter
denen freilich der Judenkrieg unter Traian und der Kampf gegen die
Bukolen^) größern Umfang angenommen haben. Der von Comparetti
herausgegebene Papyrus Mel. Nicole S. 58 ff. vom J. 203 behandelt z. T.
die Vorbereitungen zu einer Expedition (πορεία), über deren Zweck noch
nichts Sicheres festgestellt werden konnte (vgl. oben S. 61). Der Pa-
pyrus ist ein Bruchstück aus dem liber litterarum missarum^) des Kom-
mandanten, der diese Expedition führen soll. Er scheint in dem großen
Lager von Babylon stationiert zu sein. Die Briefe behandeln meist die
Requisition von Kamelen, die gegen Vergütungen von den verschiedensten
Gaustrategen gestellt werden sollen. Zur Entgegennahme der Tiere sind
verschiedene principales, wie ein Λρινκιτίάλιοξ^ οηύκονπλίκυάριος, βημεαφό-
Qog^ όρδονατος in die Gaue entsendet.
Reicher sind die Auskünfte der Papyri über die Verwendung der
Soldaten in Friedenszeiten, die ja für Ägypten die normalen waren. Vor
allem ist auf P. Gen. lat. 1 aus Domitians Zeit hinzuweisen^), der die
verschiedensten Abkommandierungen — nach Premersteins Deutung aus
dem alexandrinischen Lager von Nikopolis*) — aufzählt. Da werden
mehrfach Soldaten monatelang abkommandiert ad frumentum Neapoli(jn)
oder Mercuriy d. h. zu Dienstleistungen bei den Getreidespeichern, die
dem proc. Neaspoleos oder ad Mercurium unterstellt waren (s. oben
S. 369). Ich erinnere daran, daß wir oben S. 379 Soldaten auch als enC-
πλοοί^ d. h. als militärische Begleiter der Korntransportschiffe kennen ge-
lernt haben, und dies erinnert wieder an die Notiz dieses lateinischen
Papyrus: exit cum potamofulacide (s. oben S. 392), wonach also auch Le-
gionssoldaten zum Dienst auf diesen Plußwachtschiffen abkommandiert
wurden. Irgendwelche Aufsichtsdienste sind wohl gemeint, wenn es in
jenem Legionstagebuch weiter heißt: exit ad moneta, also zur kaiserlichen
Münze in Alexandrien, oder exit ad chartam confici[endam, zur kaiserlichen
Papyrusfabrikation. Freilich in dem letzteren Falle legt das conficiendam
vielleicht doch den Gedanken an irgendwelche Dienstleistung bei der Fa-
brikation selbst nahe. Jedenfalls sind körperliche Arbeiten gemeint mit
der Notiz exit ad hormos confodiendos. Premerstein hat diese Grabungs-
1) Über militärische Abkommandierungen in die Bukolia vgl. Nr. 21 aus dem
Anfang des III. Jahrb. Eigenartig ist hier der Modus des Auslesens (κληρουν).
2) Vgl. Wilcken, Arch. I 372.
3) Vgl. außer den Editoren die Kommentare von Mommsen und v. Premerstein
11. CO., auch H. Blümner, N. Jahrbb. f. klass. Alt. V 432 ff. ; Cagnat, Journal d. Savants
1900, 375 ff.
4) Mommsen dachte an eine vexillatio, etwa in Arsinoe. Für Premersteins Deu-
tung spricht mir vor allem die Abkommandierung in die chora. So kann man nur
in Alexandrien sprechen.
Ι. Das Militär. Β. Die römische Zeit. 397
arbeiten schon richtig auf Alexandrien bezogen. Ich mache noch darauf
aufmerksam, daß der Plural hormos sich dadurch erklärt, daß Alexandrien,
ganz abgesehen von dem Hafen auf der Binnenseite, zwei δρ/iot am Mittel-
meer hatte. Diese sind in Teb. 5, 25 (260) gemeint mit den Worten έπΙ
των κατ Μεξάνδρειαν ορ[ιιωι/]. Daß die Truppen Ägyptens auch sonst
zu Kanal- und Dammarbeiten verwendet wurden, ist schon oben S. 333
behandelt worden. Von dem Ausbau der Straßen von Koptos nach Berenike
und Myoshormos durch Legionssoldaten handelt die schon oft zitierte In-
schrift CIL III 6627. Über weitere Dienstleistungen (Wachtdienste usw.)
handelt ein anderer Teil jenes Genfer Militärpapyrus, wofür ich auf
Premersteins eingehenden Kommentar verweise. Auf die gelegentliche
Verwendung von Soldaten bei der Steuereintreibung ist schon in Kap. V
hingewiesen worden. Auf ihre polizeilichen Verwendungen wird im nächsten
Abschnitt einzugehen sein.
Für die Fragen der Soldzahlung und der Behandlung der Sparein-
lagen (deposita) der Soldaten hat derselbe Genfer Papyrus wertvolle
Nachrichten gebracht. Vgl. die Kommentare von Mommsen und v. Premer-
stein. Siehe außerdem namentlich die Ostraka von Pselkis (Gr. Ostr. Π
η. 1128 ff.).
Über das außerdienstliche Privatleben der Soldaten bringen die
Papyri die verschiedenartigsten Nachrichten.^) Von entscheidender Bedeu-
tung für die Gestaltung ihres Privatlebens war die von Augustus, wie
H. Erman gesehen hat, nicht durch Gesetz, sondern durch Mandat ein-
geführte Ordnung, daß den Soldaten im Dienst ein iustum matrinionium
zu führen nicht erlaubt war. Die Papyri zeigen in einem reichen Ma-
terial, wie diese Verordnung in Ägypten in der Praxis milde gehand-
habt wurde. Hierüber vgl. Bd. II Kap. XII.
A. V. Premerstein *) hat aus der Erwähnung eines condudor in jenem
lateinischen Genfer Papyrus scharfsinnig erschlossen, daß in Ägypten
schon in domitianischer Zeit die Legionsterritorien (prata legionis) an
aktive Soldaten verpachtet wurden, was Bormann aus Inschriften aus der
severischen Zeit für die Rhein- und Donaugegend nachgewiesen hatte.
Diimit war den Soldaten eine Gelegenheit gegeben, für ihre Familien, die
sie trotz jenes Eheverbotes tatsächlich begründeten, über den Sold hinaus
etwas zu verdienen. Es ist aber ein Mißverständnis, wenn v. Premerstein
L c. abgesehen von diesen Landpächtern der aktiven Linientruppen von
einem „national -ägyptischen erblichen Soldatengrundbesitzerstand der Ka-
töken^' redet. Es ist schon oben S. 304 betont worden, daß die Katöken
als solche in der Kaiserzeit im Gegensatz zu denen der Ptolemäerzeit
l; Vgi. einstweilen die ZunaniinenftaUungen de• Materiell bei P.Meyer uiui Mil
t) Klio inte ff.
398 Kapitel XL Militär und Polizei.
— trotz der καταλοχιύμοί — mit dem Militär iiiclits zu schaffen liaben.^)
So wird man eher in den von Premerstein nachgewiesenen Landpächtern
der Armee die Vorboten der castellani des III. Jahrh. zu sehen haben,
die freilich auch wieder neue Züge zeigen. Vgl. zu diesen auch Mommsen^
Histor. Sehr. III 210 f.
Nach vollendeter Dienstzeit, d. h. normalerweise für den Legionär
nach 20 Jahren, für den Auxiliarsoldaten nach 25 Jahren, für den Flotten-
soldaten nach 26 Jahren, wurde die honesta missio erteilt, faUs nicht
schon vorher aus besonderen Gründen eine missio causaria oder ignominiosa
erfolgt war.^) Wir haben kürzlich eine Entlassungsurkunde kennen ge-
lernt in der Cairener Holztafel n. 29811 (457) vom J. 122.^) Es ist eine
einseitig beschriebene Wachstafel, auf der der Präfekt Ägyptens einem
Reiter der ala Vocontiorum bescheinigt, daß er ihm die honesta missio
gegeben habe. M. W. ist dies überhaupt die einzige Entlassungsurkunde,
die wir besitzen, denn die sogenannten Militärdiplome, die von den Mo-
dernen gelegentlich Entlassungsurkunden genannt werden*), verdienen
diesen Namen nicht, da sie die Entlassung, wenn sie sie überhaupt er-
wähnen, als schon vorher vollzogen bezeichnen (dimissis). ^) So hat es
denn auch der Interpretation unserer Wachstafel geschadet, daß die
Herausgeber sie als Militärdiplom betrachteten^), und Girard kam so zu
der irrigen Meinung, daß unser Reiter zu den Veteranen χωρίς χαλκών
gehöre (s. unten). Vielmehr ist die Wachstafel nichts weiter als eine
reine Missionsurkunde'), während die Militärdiplome — abgesehen von
den zwei erwähnten Ausnahmen — lediglich die nach der Missio ver-
liehenen Privilegien betreffen. Ob die Missio überhaupt jemals anders als
auf Holz bescheinigt worden ist, wissen wir nicht. Hiernach erklärt sich
auch, daß unsere Urkunde vom Präfekten und nicht vom Kaiser aus-
gestellt ist. Der Kaiser gibt die Privilegien, aber der Statthalter voll-
1) P. Meyer spricht zwar im Heerwesen S. 39, 136 von xarotxot ιη-ηείς εκατοντά-
ρουροί der römischen Zeit, aber wenn ich recht sehe, beruht das nur auf seiner irrigen
Ergänzung [ιπ;]π[α]ρ[;^ίο;5] in Grenf. Π 42, 3, wofür ich π;[ί]ρ[^ μεν hergestellt habe
(Arch. III 122).
2) Vgl. Dig. 49, 16, 13, 3.
3) Vgl S. de ßicci et Girard, Nouv. Rev. Histor. de droit fran9. et ätrang. XXX
ö. 478 und 486 ff.
4) Um ein Beispiel aus jüngster Zeit zu geben, nenne ich Dessau, Hermes 45, 2.
Gegen diese Terminologie schon Marquardt, Staatsverw. Π^ (herausgeg. von Dessau)
S. 565 f.
5) Die einzigen Ausnamen bilden Diplom IV und V, die zugleich das Eigen-
tümliche haben, daß der Kaiser die missio vollzieht: honestam missionem et civi-
tatem dedit. Vgl. hierzu Marquardt 1. c.
6) Auch ich in der Besprechung im Arch. IV 252.
7) So richtig Gradenwitz in Bruns, Fontes iur. Rom. 7. Aufl. S. 277, der freilich
Girard zustimmt, qui missionis sine acribus exemplum esse vidit.
ι
Ι. Das Militär. Β. Die römische Zeit. 399
zieht, wenn auch natürlich auf sein Mandat, die Entlassung.^) Darum
heißt es in CIL ΙΠ 1078: ni(issi) h(onesta) m(issione) per Julium Bassum
leg(atum) Aug(usti) pr(o) pr(aetore), ebenso in 1172.-)
Durch die Entlassung wurden die Soldaten zu Veteranen. Nun
winkten ihnen die praemia militiae. Nun wurde ihnen, faUs sie vorher
eine Quasiehe geführt hatten, das Konnubium mit der betreffenden Frau
gewährt: an die Stelle des uxorem habere trat das uxorem ducere. Andrer-
seits wurde ihnen jetzt, soweit sie nicht schon römische Bürger waren,
die civitas Romana verliehen. Bekanntlich wurden die für die einzelnen Korps
erlassenen Konstitutionen, die diese Privilegien erteilten, auf Bronzetafeln
in Rom publiziert, von denen die einzelnen Veteranen auf ihren Namen aus-
gestellte Abschriften erhielten. Über die in großer Zahl uns erhaltenen,
gleichfalls in Bronze ausgestellten Einzelurkunden, die sogenannten Militär-
diplome, vgl. Mommsen, CIL lU S. 843 ff. Suppl. S. 2006 ff., 2212 ff. Bekannt
ist auch, daß abgesehen von einigen Diplomen für Soldaten der leg. I und II
adiutrix, die aus Flottensoldaten bestanden, wir Diplome für Legionare nicht
besitzen. In bezug auf diese Urkunden sind nun neue Fragen angeregt
worden durch eine gewisse Klasse von Papyri, die uns z. T. Auszüge aus
den Militärdiplomen und damit zum erstenmal griechische Verarbeitungen
eines Teiles dieser Urkunden bringen. Es sind das BGU 113 (458) und
265 (459), die zusammen mit BGU 780 und 847 (460) und 1033 unter
den Epikrisisurkunden eine ganz eigenartige Stellung einnehmen und da-
her erst hier zum Schluß zur Sprache kommen sollen. Sie beziehen sich,
soweit sie Veteranen betreffen, nur auf solche, die bei den Auxilien und
der Flotte gedient haben. Das Neue, das uns diese Papyri über die
Militärdiplome hinaus gelehrt haben, ist die bisher unbekannte Gruppe
der ονετρανοί χωρίς χαλκών. Mommsen, der 1. c. bereits BGU 113 und
265 verwerten konnte, bezieht das Fehlen der Beurkundung in Bronze
nicht nur auf die den Veteranen eingehändigten Exemplare, sondern auch
auf die Konstitutionen (S. 2008) und glaubt, in den Veteranen χωρίς
χαλκών iuris deterioris missi im Gegensatz zu den optimo iure missi sehen
zu Bellen (S. 2006). Er streicht in BGU 113, 5 xal stsqoi ονετρανοί
und kommt so zu dem Ergebnis, daß die χωρίς χαλχ&ν allein, ohne ihre
Kinder die Zivität erhalten hätten, und vermutet, daß, ehe seit Pius diese
Beschränkung allgeroeiD wurde, die Verweigerung der Bronzebeurkundimg
etwa bei missio causaria eingetreten sei.')
\f..;.w. TT -^- 11 ■•M. von BGU 265 (459) tiihrt /n einer andern Auf-
1) Wieder mit jenen zwei Autnahmen.
2) Vgl. Mommfen CIL Ul Suppl. p. 9'm. ,. ....u.«
(ZiUt dfT beiden Inichrifien) per legatam
3) Daß die auf HoU auageferUgte MiiKiuDHurKunde 467 < t niobU
ZQ ton hat, wurde tcbon oben bemerkt.
400 Kapitel XI. Militär und Polizei.
fassung. Der Text unterscheidet jetzt drei Gruppen, niclit zwei, wie
Mommsen annahm: erstens diejenigen Veteranen, die mit ihren Kindern,
zweitens diejenigen, die allein das Bürgerrecht erhalten haben. Beide er-
schienen offenbar mit ihren Bronzetafeln vor dem Präfekten, denn als
dritte Gruppe werden im Gegensatz zu ihnen genannt ol χωρίς χαλκών
ol vyv [και αΰτοΙ ε7ΐί]τνχόντ£ς μόνοί της ^Ρωμαίων πολιτείας}) Sachlich
fallen diese also mit der zweiten Gruppe zusammen, nur daß sie keine
Bronzetafeln haben und auch erst jetzt — wenn meine Lesung ot vyv
richtig ist — das Bürgerrecht erhalten haben. Diese beiden Momente
zusammengenommen führen zu der Annahme, daß mit den Worten ol
χωρίς χαλκών nur ein vorübergehender Zustand dieser neuen Veteranen
bezeichnet wird: es sind einfach diejenigen Veteranen, die erst
vor kurzem entlassen, noch nicht in den Besitz der ihnen zu-
stehenden Bronzetafeln gelangt sind. Somit bilden die χωρίς χαλ-
κών überhaupt keine rechtlich gesonderte Gruppe. Daß in diesen Epi-
krisisurkunden — und nur hier! — dieser vorübergehende Zustand er-
wähnt wird, erklärt sich daraus, daß es für die Epikrisisbehörde von Be-
deutung war, ob unter den vorzulegenden ^^κοίί-ώματο; die Bronzetafeln
sich befanden oder nicht. Wer solche noch nicht beibringen konnte,
mußte seine Ansprüche auf andere Weise begründen. Meine Interpretation
von 463 zeigt an dem Beispiel eines Legionars, der ja als solcher prin-
zipiell keine Bronzetafel erhielt (s. oben), daß in solchen Fällen zu eid-
lichen Aussagen vor Zeugen gegriffen wurde. Wenn sowohl in 458 wie
in 459 die χωρίς χαλκών immer solche sind, die μόνον das Bürgerrecht
erhalten hatten, so erklärt sich dies aus der Tatsache, daß eben damals,
in den vierziger Jahren, als diese Leute erst entlassen wurden, diese Be-
schränkung auf die Väter allein Regel wurde.^) Eine Gruppe geringeren
Rechts ist mit jenen Worten um so weniger konstatiert, als ja auch unter
denjenigen Veteranen, die mit Bronzetafeln vor dem Präfekten erschienen,
sich solche patres solitarii befanden.
Diese Epikrisisurkunden zeigen uns nun, daß die Veteranen auch
nach ihrer Entlassung noch einer dauernden Kontrolle seitens der Militär-
behörden unterstanden. P. Meyer (Heerwesen S. 128) hat aus unsern
Texten geschlossen, daß die Veteranen der Auxilien und Flotten, und nur
sie, eine Territorialarmee gebildet hätten in der Weise des von Meyer
angenommenen £jr^rci;^^a der Ptolemäer. Das halte ich nicht für richtig.
In Zeiten großer Katastrophen wie im Jahre 6 n. Chr. hat man ja auch
Veteranen wieder einberufen. Aber das sind Ausnahmen, ebenso wie die
1) BGU 113 (458) unterscheidet dieselben Gruppen, nur werden sie hier in der
Reihenfolge 1, 3, 2 genannt. Dies allein zeigt schon, daß die dritte Gruppe nicht
geringeren Rechtes sein wird als die zweite.
2) Vgl. Mommsen CIL Suppl. S. 2015.
Ι. Das Militär. Β. Die römische Zeit. 401
damalige Einstellung von Freigelassenen. Wegen solcher ungewöhnlichen
Vorgänge werden wir nicht von einer Territorialarmee der Veteranen
sprechen können. Meyer glaubte einen Beleg zu haben in dem vvvsl
οτρατενομενφ ον[ετρανω ^Αντίνο]εΙ in BGÜ 256, 23 f. Aber die Prüfung
des Originals hat mir ergeben, daß ^Αντιν6]εΐ völlig ausgeschlossen ist.^)
So schwebt auch das ον\ετρανω in der Luft.*) Trotzdem standen die
Veteranen nach ihrer Entlassung unter der Kontrolle der Präfekten, die
nach wie vor Akten über sie führten. Unsere Texte zeigen, daß, wenn
Veteranen sich z. B. außerhalb ihrer Ιδία im Lande auf einige Zeit auf-
halten wollten {προζ καιρόν τΐαρετηδημείν) , sie sich vor dem Präfekten
zu einer Epikrisis stellen mußten, um den nötigen Erlaubnisschein zu er-
halten. Zu diesem Zweck mußten sie ihre Militärpapiere {διχαίώματά)
mitbringen, die dann auf ihren Namen im Epikrisisbureau bei dem dazu
ernannten Offizier deponiert wurden. Vgl. auch Oxy. VII 1023. Doch gab
es auch andere Anlässe für die Veteranen, sich der Militärbehörde wieder
zur Epikrisis zu stellen, als die παρεπιδημίαι^ wie BGU 1033 zeigt; lei-
der ist der Text so verstümmelt, daß der Gegenstand der Verhandlung
nicht ganz klar ist.^) Jedenfalls wurden die Veteranen in dem τόμοξ
έπιχρίόεων des Präfekten Ägyptens geführt, imd nur wenn sie diese Kon-
trolle passiert hatten, konnten sie in ihren Niederlassungen die den Ve-
teranen gewährten Privilegien genießen. Das letztere war schon nach
BGU 113 usw. zu vermuten, tritt uns aber besonders deutlich in dem la-
teinischen Diptychon 463 entgegen, wenn anders ich es richtig gedeutet
habe. Dieser Text gibt uns zugleich über die entsprechende Epikrisis der
Legions-Veteranen Aufschlüsse.
Soweit die Veteranen in Betracht kommen, würden wir kein Be-
denken tragen, diese vor dem Präfekten vollzogene Epikrisis zu den oben
S. 395 besprochenen rein militärischen επιχρίοεις zu zählen. Nun erscheinen
aber neben den Veteranen während des hierfür ausgesetzten Zeitraums von
durchschnittlich einem Vierteljahr auch noch Römer und Alexandriner
und Freigelassene und Sklaven. Dadurch wird das Problem sehr kom-
pliziert. Die Nennung der Sklaven schließt allein schon aus, daß es sich
für sie um militärische Zwecke handelt. Die Freigelassenen und Sklaven sind
offenbar die der Kömer und Alexandriner. Daß auch die beiden Letzteren
der fiskalischen Epikrisis unterworfen wurden, habe ich oben S. 202 er-
wähnt, aber absiclitlich habe ich dort die Frage, in welchen Formen ihre
Fpikrisis sich vollzog, für diesen Platz aufgespart, da diese Frage mit jenen
N'etonineuurkuuden venjuickt ist. Entscheidend ist Stud. Pal. I S. ()Hy69,
die vom Amphodarchen aufgesetzte γραφή 'Ρωμαίων xal Ι4λ(1ανδρ^ων
1) Die Spur vor n pnBt nicht xu o. Daxmuf folgt übrigen• ά{(ι.>.
2) Die ala vrt' Mica beweiit nicht• für Meyers The••.
», Vff] dir Κ im Arch. lll 604.
402 Kapitel XI. Militär und Polizei.
für das 5. Jahr des Vespasian (Arsinoe). Danach ist die Epikrisis der
dort wohnenden Römer und Alexandriner sowie ihrer Sklaven νπο Πον-
riTLov vollzogen worden. Sieht man mit Cantarelli (Prefetti I S. 32) in
diesem Römer den Präfekten, so ergibt sich, daß die im Lande wohnen-
den Römer und Alexandriner (mitsamt ihren Freigelassenen und Sklaven)
nicht von den lokalen Epikrisiskommissionen, sondern vom Präfekten,
also in Alexandrien oder auch in der Konventstadt „geprüft" wurden.
Von dieser Basis aus erkläre ich auch Catt. I Col. III 11 — 22^), wo ein
Römer, der Auxiliarveteran ist, den Präfekten bittet, seine mit einer Rö-
merin während der Dienstzeit in illegitimer Ehe gezeugten Söhne der
Epikrisis zu unterziehen. Nach meiner Ergänzung Έ[πικ^ι%•~\Ύ\\ρον]ται in
Z. 19 sagt der Präfekt dies zu, weil die Mutter eine römische Bürgerin
sei.^) Dies entspricht der auch sonst bei der fiskalischen Epikrisis ge-
stellten Forderung, daß Vater und Mutter (resp. deren Vater) zu den
έπικεκριμενοί gehören. Wenn der Präfekt hinzufügt, der Petent wolle die
Söhne durch die Epikrisis als legitime hinterlassen^), so ist dies wichtig
für die Wirkung der Epikrisis.^) Nach Stud. Pal. I S. 68/9 ist es also
nicht überraschend, in unsern Urkunden Römer und Alexandriner mit
ihren Freigelassenen und Sklaven vor dem Präfekten zur Epikrisis er-
scheinen zu sehen. Auffallender ist schon, daß sie ihre δικαιώματα^ die
ja auch bei der fiskalischen Epikrisis verlangt werden, bei dem vom Prä-
fekten dazu ernannten Offizier abgeben. Trotzdem und wiewohl sie in
dem τόμος έτνικρίΰεων des Präfekten zusammen mit den Veteranen ge-
führt werden, wird man schon wegen der Sklaven daran festhalten müssen,
daß diese ihre Epikrisis nicht militärischen Zwecken, sondern der Fest-
stellung ihres Personalstandes diente. Was uns am meisten auffäUt, das
Nebeneinander der Veteranen und der zivilistischen Römer und Alexan-
driner, das läßt sich praktisch zur Not verstehen, wenn man bedenkt
1) Vgl. den Text in Bd. TT Kap. XII.
2) Dies zeigt, daß es sich nicht um die militärische Epikrisis handelt, denn ins
Heer hätten die Söhne Aufnahme gefunden (als ex castris), auch wenn die Mutter
eine Peregrinin war.
3) Έ| έτΐίΐ-κρίοεως νο'Ιμίμ.ουζ. Mitteis machte mich nachträglich darauf aufmerk-
sam, daß auch schon Crönert, Stud. Pal. I S. 107 so ergänzt hat, der freilich statt
έ\πιν,ρίΟ']ή[οο]νται in 19 ergänzt [έτιεϊ έξ]ή[ρΎΐ]νται, und außerdem zu νομ^ίμονς irrig
χλτιρονόμονς hinzudenkt.
4) Die Söhne, die schon römische Namen tragen, haben offenbar schon nach
der Missio des Vaters die Zivität bekommen, wie auch dem Vater das Konnubium
mit der Mutter gewährt sein wird. Trotzdem, so scheint es nach dem Text, wurde
die Legitimität der Söhne doch erst durch den Vollzug der Epikrisi«, die ja auf eine
Prüfung der Papiere hinauslief, ganz sichergestellt. — Ein ähnlicher Fall wie in Catt.
liegt vielleicht in BGÜ 1032, 3 ff. vor, doch ist hier noch manches dunkel. Eine er-
neute Prüfung des Originals gab mir hier in 1/2 die neue Lesung: δίλτ[ον 7ΐ]ρο-
φ[ε]σσίωνος i[7i]l αφραγείάων. Damit ist zu vergleichen die tabula alhi professionum
in 212.
Ι. Das Militär. Β. Die römische Zeit. 403
(laß immer ein größerer Zeitraum — in der Regel, wie es scheint, ein
Vierteljahr, vielleicht die Konventsmonate — für die Epikrisisarbeiten des
Präfekten bestimmt war, während dessen die verschiedenen Interessenten
ihre Papiere vorlegen konnten. Auf eine innere Verwandtschaft aller Fälle
braucht hieraus noch nicht geschlossen zu werden. Ich verkenne nicht,
daß diese Deutung noch manche innere Schwierigkeit in sich schließt.
Möge neues Material sie klären.^)
Bekanntlich war das Ziel der Soldaten, als Veteranen vom Kaiser
die Altersversorgung zu erhalten, und in der Regel wurden die Veteranen
zu diesem Zweck als Landbesitzer angesiedelt.^) Die Papyri haben uns
mit einer großen Zahl von Veteranen bekannt gemacht, die Landbesitzer
(γεονχονντες) sind, doch ist nicht oft zu ersehen, auf welchem Wege sie
in den Besitz gekommen sind. Vielfach handelt es sich um Landbesitz,
der schon vor ihrem Dienst ihnen oder ihrer Familie gehört hatte; mehr-
fach hören wir auch, daß sie z. T. während des Dienstes das Land käuf-
lich erworben haben. ^) Kürzlich haben wir aber auch Nachrichten über
Ansiedlung von Veteranen durch die Kaiser bekommen. Ein von Haussoullier
herausgegebener Pariser Papyrus (461) spricht von größeren Veteranen-
ansiedlungen im Faijüm durch die Kaiser Severus und CaracaUa, und
zwar nennt ein Veteran hier die Ansiedlung κολων^α. Weitere Anwen-
dungen dieses Begriffes begegnen in Oxy. III 653, BGU II 587 und Giss.60,
den P. Meyer demnächst herausgeben wird. Auf die beiden letzteren Fälle
weist inzwischen Kornemann, Klio XI 390 hin. Ich habe schon im Arch.
V433f. betont, daß diese „Kolonien" in Ägypten natürlich nicht das
Recht einer Kolonie gehabt haben können, wenn auch der Veteran diese
Ansiedlung, die zum Dorf Kerkesucha im Faijüm gehört, κολωνία nennt.
Soeben hat Komemann 1. c. darauf hingewiesen, daß ähnlich wie diese
ägyptischen coloniae auch die entsprechenden in den gallo-römischen civi-
tates der Autonomie entbehrt haben und innerhalb der civitas verbleiben,
wie die ägyptischen im Gau.
Wie Paul Meyer zuerst hervorgehoben hat, begegnen im 11. Jahrh.
mehrere Veteranen, die als *^ντινο£ΐς bezeichnet werden.*) Er hat daraus
den Schluß gezogen, daß Hadrian die Veteranen in die Bürgerlisten von
1) I)ie Möglichkeit, in den 'Ρωμαίοι in BQU 118, β etwa diejenigen Veteranen
/u geben, die »chon als römiiche Bürger in die Legionen und Auxilien eingetreten
Nind, wird, wie mir scheint, durch BGU 1033, 2 auigeechloieen, wo die 'AXtiavdQttg
daneben fiteben, wiewobl die Verbindung ο'ύηρα\νοϊ 'Ρωμαίοι dafür sprechen würde.
Nach Analogie der andern Texte ist eher anzunebmen, daß hinter ο{>ηρα\νοί ein καϊ
aueget'allen ist.
2) AuguMtuR hatte anfangt Geld gezahlt Vgl. Marquardt, Staatsw. Ρ S. 129.
8) Vgl. z. B. IKUJ 4β•2 (87β).
4) Vgl. HtM^rwcHi'n H. 129. Einzelne leiner Beiipiele beruhen freilich nur auf
Erg&nzung In BGU 118 (45H) igt sie irrig, ebenio in BQÜ t6e, 28 f. (i. oben S. 401).
2β•
404 Kapitel XI. Militär und Polizei.
Antinoopolis eingeschrieben und so zur Besiedlung seiner neuen Stadt
verwendet habe. Vgl. hierzu die modifizierenden Bemerkungen oben S. 50.
Von sonstigen Privilegien der Veteranen ist z. T. schon früher die
Rede gewesen. Vgl. oben S. 344 über die fünfjährige Pause nach der
Missio bezüglich der Liturgien. Aber von grundlegender Bedeutung für
die Verleihung von Immunitäten an die Veteranen sind zwei Edikte^ die
uns urkundlich erhalten sind. Das eine, BGU 628 (462), ist von Oktavian
während seiner Triumviratszeit gegeben. Das andre Edikt, das von Domi-
tian stammt, ist uns auf einem hölzernen Diptychon neben andern Ur-
kunden teilweise erhalten (463). Wenn ich den Text richtig deute, sind
diese Urkunden des Diptychon anläßlich einer Veteranen-Epikrisis zusam-
mengestellt und aufgezeichnet worden.
0. DIE BYZANTINISCHE ZEIT.
Lit.: E. Kuhn, Stadt, u. bürg. Yerf. I 134 fF. — Marquardt, Staatsv. IP609ff.
— H. Schiller, Geschichte d. röm. Kaiserzeit II (1887) 86 ff. — Mommsen, Das
römische Militärwesen seit Diokletian (Hermes 24 [1889], 195 ff. = Hist. Schrift. III
206 ff. — 0. Seeck, Geschichte d. Untergangs II (1901) 3 ff.
Für das byzantinische Heerwesen sind die Papyri, wiewohl sie eine
FüUe von Material hierfür bieten, noch nicht systematisch durchgearbeitet
worden. Abgesehen von den Fragen des Oberkommandos, im besondern
der duces, die schon von M. Geizer mit behandelt sind, und die auch
schon im I. Kapitel (S. 73 ff.) zur Darstellung kamen, fehlt es an allen Vor-
arbeiten.^) Da ich von einer durchgreifenden Bearbeitung des gesamten
Materials z. Z. Abstand nehmen mußte, beschränke ich mich darauf, einige
Proben herauszugreifen, die das neue System zu beleuchten geeignet sind.
Die Grundlage hat auch für dieses Problem wiederum Mommsen gelegt, in
dem oben zitierten Hermesaufsatz. Auch für diesen Teil der neuen Ordnung
gilt es, daß das Neue z. T. nur das Endergebnis der früheren Entwicklung,
namentlich des ΠΙ. Jahrh. ist.
Während nach der augustischen Ordnung die Truppen, von den Prä-
torianern abgesehen, sämtlich Grenztruppen waren, so daß im Falle von
größeren Kriegen die Korps von verschiedenen Grenzen zusammengezogen
werden mußten, beruht das neue System darauf, daß aus der Garde eine
bewegliche Feldarmee geschaffen ist, die neben die Grenztruppen oder
dem Range nach über diese gestellt ist. Jene sind die palatini und co-
mitatenses, diese die riparienses oder limitanei. Grenztruppen, die von
der Grenze in die erste Truppenklasse versetzt wurden, wurden als pseudo-
comitatenses bezeichnet. Nach Mommsen S. 209 ist diese Entwicklung
1) Einzelne Fragen sind von M. Geizer im Arch. V 346 ff. im Anschluß an die
Aphroditopapyri behandelt worden.
Ι. Das Militär. C. Die byzantinische Zeit. 405
erst unter Konstantin dem Großen vollendet worden. Die in Ägypten
stationierten Truppen sind nach diesem System als Grenztruppen zu be-
trachten. Die Papyri bieten einige Beispiele dafür, daß Truppenteile oder
auch einzelne Rekruten von Ägypten zur Feldarmee abkommandiert wur-
den. So handelt Lips. 63 (a. 388) von der Entsendung eines Truppen-
eiles, der von der Thebais aus über die kyren'aische Pentapolis nach
Afrika entsendet war.^) Lips. 34 und 35") (frühestens 375 n. Chr.) setzen
oraus, daß die von der Stadt Hermopolis gestellten Rekruten (s. unten)
-ich beim kaiserlichen Heere im syrischen Hierapolis befinden. Von dem
ττροπομποζ τιρώνων, der das aurum tironicum verteilen soll, heißt es, er
f'i εν τω ϋ^είω χομιτάτω. Vielleicht darf man hiemach sagen, daß diese
Kekruten zu den comitatenses eingezogen sind. In diesem Zusammenhange
-t auch Gen, 51 (Mitte des IV. Jahrb.) von Interesse. Hier wird der
praepositus castrorum Abinnaeus (s. unten) gebeten, einen jungen Ver-
wandten womöglich vom Militärdienst freizulassen. Wenn er aber Soldat
werde, dann möge er dafür sorgen, daß er nicht nach auswärts mit den
zum comitatus Auserwählten entsendet werde (Z. 22)-. εάν d^ πάλιν ότρα-
τενϋ"?}, ΐ[ν]α 6νντηρή6τ}£ αύτον^ ίνα μη [λ]ο?; εζω μετά των εγλεγωμ[εν^ων
εΙς χωμιοατ[ο]ν.^) Diese Bitte ist auffallend, da der Dienst bei den
Comitatenses besonders vorteilhaft war*), aber sie wird erklärt durch die
vorhergehenden Worte (20 f.): χήρα ε6τΙ{ν) η μήτηρ αντον καΐ ονχ έχει
&λλο{ν) ει μή αυτόν. Als einziger Sohn einer Witwe soU er freigegeben
werden.^) Dies ist ofi-enbar der Grund, weshalb er im FaUe des Dienstes
möglichst in der Nähe der Mutter bleiben soU. Von der Entsendung von
ägyptischen Rekruten nach Antiochia handelt endlich Lips. Inv. 281 (4G9).
Auch die neue Organisation der einzelnen Truppenkörper spiegelt
sich in unsenn Papyri wider. Bekanntlich hat Diokletian, abgesehen von
einer bedeutenden Verstärkung des Heeres, die einzelnen Legionen in
mehrere Detachements geteilt, die gleichfalls Legionen genannt, an ver-
schiedenen Stellen lociert wurden. So nennt die Notitia dignitatum vier
verschiedene Standquartiere der legio ΠΙ Diocletiana in Ägypten, von
denen mindestens drei nur ständige Detachements gehabt haben können.•)
Aber auch Detachements von außerägyptischen Legionen lagen in Ägypten,
wie eine Abteilung der in Dacia ripensis stationierten legio V Macedonica
in Memphis, die mehrfach auch in den Papyri genannt wird (z. B. Gen.
70, 1). Wenn sich z. T. hierdurch die große Zahl von Legionen, die zu
der vorher zuletzt einzigen II Traiana hinzugekommen sind, erklärt, so
bleibt (ior)i bestehen, daß Diokletian die Heeresmacht in Ägypten bedeu-
1; V^l. hierzu meine Bemerkungen im Arch. III 666, IV 477.
2) Vgl. meine Nechtiftge im Arch. III 668 f. und IV lH7ff.
8) Vgl. meine Korrektoren im Arch. III 8UU. 4) Vgl. Seeek 1. c. 8. 86.
h^ Vgl aiirh r^.n*! U < mim« β) Vgl. Mommien I.e. S. M8.
406 Kapitel XI. Militär und Polizei.
tend verstärkt hat. Mommsen 1. c. S. 212 ff. hat eine Tabelle aufgestellt,
die die neue Verteilung der Legionen im Reich und so auch in Ägypten
durch Vergleichung des vordiokletianischen Zustandes mit den Angaben
der Notitia dignitatum veranschaulicht. Es ist für die Militärgeschichte
bisher wohl noch nicht verwertet worden, daß wir durch Oxy. 43 noch
weitere Legionsdetachements für Ägypten wenigstens zeitweilig nachweisen
können, und dies ist um so interessanter, als der Text schon aus dem
J. 295 stammt, wodurch die Zurückführung dieses Systems auf Diokle-
tian — nicht erst Constantin — bestätigt wird. Der Text nennt unter
den Truppen, die, wenn ich ihn recht verstehe, an der Südgrenze des
Landes stationiert sind und von Oxyrhynchos aus durch δίαδόταί verpflegt
werden (vgl. Kap. IX), folgende sonst für Ägypten nicht nachgewiesene
Legionen: die legio VII und XI Claudia und die IV Flavia. Zu Zeiten
der Notitia dignitatum (Anfang des V. Jahrh.) lag die VII Claudia in
Moesia I, die XI Claudia in Moesia II, die IV Flavia in Moesia I. Der
Papyrus meint offenbar nur Legionsdetachements der neuen Art.
Ebenso treten uns die Veränderungen in den Offizierstellen in den
Papyri entgegen. Wenn schon im III. Jahrh. die senatorischen Legions-
legaten den ritterlichen praefecti legionis hatten weichen müssen, so führte
dies für das Reich nur einen Zustand herbei, der in Ägypten von vornherein
bestanden hatte (s. oben S. 391). Aber auch für Ägypten war es etwas
Neues, daß als Konsequenz jener Zersplitterung der Legionen der praeposi-
tus legionis jetzt an die Stelle des praefectus legionis trat. Schon dieser
P. Oxy. 43 vom J. 295 bezeugt den πρεπόοιτοΰ λεγιώνος τετάρτης ΦλαβΙας
(V 13)^), und nennt noch weitere praepositi. Ebenso nennt BGU 21 III 13
(a. 340) außer dem Tribunen den 7ίραυ%ό6ιτοζ της λεγιώνος. Dagegen be-
halten die Alen ihren praefectus alae (ετίαρχος είλτίζ), wofür ich nur auf
die Abinnaeus-Korrespondenz verweise.
Charakteristisch für die neue Heeresordnung ist ferner das allmäh-
liche Verschwinden der alten Centurionen und Dekurionen.^) Zu den we-
nigen Zeugnissen, die Mommsen 1. c. für das Vorkommen dieser Titel im
IV. Jahrh. nennen konnte, fügen die Papyri noch einige hinzu, aber es
ist kein einziger Fall darunter, in dem der Centurio etwa in seiner alten
militärischen Funktion aufträte. So nennt BGU 21 III 10 (a. 340) einen
έκατόνταρχος τον κα%•ολικον^ der also dem Offizium der Rationalis atta-
chiert ist. Vgl. ferner Lips. 64, 50 (a. 368) einen Centurio, der gleichfalls
im Zivildienst zu stehen scheint; Lips. 97 IX 19; 101 II 3. Dagegen scheint
der decurio {δεζάδαρχοξ) in Lond. II S. 289/90 (ca. 346) noch militärische
Funktionen auszuüben (vgl. S. 308), ebenso in Gen. 46 aus derselben Zeit,
1) Dies frühe Datum ist gegenüber den Ausführungen von Mommsen 1. c. S. 275
von Wichtigkeit.
2) Vgl. Mommsen 1. c. S. 276, Seeck 1. c. S. 30 f.
ι
Ι. Das Militär. C. Die byzantinische Zeit. 407
WO es sich um das Avancement (promotio) zum οεκάταρχ{ος) κάοτρων ζίιο-
vvöiaöog εϊλης πραίλήκτων zu handeln scheint.^)
Besonders anschaulich tritt uns die Stellung des schon öfter erwähnten
Abinnaeus in seiner Korrespondenz entgegen, die in Gen. 45 ff. und in
Lond. II S. 267 ff., so wie in dem soeben erscheinenden P. Thead. 23 vor-
liegt und namentlich auch für die militärischen Fragen von großem Wert
ist.*) Dieser Mann war zugleich praefectus der ala V praelectorum (Gen.
46, 11)^) und praepositus castrorum von Dionysias im Faijüm.*) Nach
den uns erhaltenen Briefen, von denen leider nur wenige genau datiert
sind^), hat sein Kommando im J. 344 eine Unterbrechung gefunden. Wir
besitzen noch den blauen Brief, durch den der dux ihm die Beendigung
seines Kommandos mitteilt und ihn auffordert, seinem Nachfolger die
Reiter seiner ala und die signa dominica zu übergeben (Gen. 45 [464•]).
Aber zwei Jahre später, 346, finden wir ihn schon wieder in seiner alten
Stellung. Wie schon Kenyon bemerkte (Lond. II S. 269), hat vielleicht seine
durch Lond. Π S. 273 (44) für 345 bezeugte Reise zum Kaiser diese Wir-
kung gehabt, vielleicht auch, daß, wie Nicole bemerkte, von 346 an ein neuer
dux erscheint. Die zahlreichen an ihn gerichteten Briefe gewähren uns
einen Einblick in die Aufgaben eines solchen praepositus castrorum. Bald
wird ihm vom dux befohlen, zur Unterstützung der Steuererhebung Sol-
daten zu schicken (Lond. Π S. 287 [179]), bald wird ihm aufgetragen,
den Natronschmugglem das Handwerk zu legen (Lond. II S. 285 [322]).
Vor allem aber werden Anzeigen von Raub und Diebstahl an ihn ge-
bracht, mit der Bitte, die Übeltäter festzunehmen und an den dux zu
schicken, dem die Aburteilung zustand. Wie Thead. 22 und 23 (a. 342)
jetzt zeigen, kamen in solchen Fällen gleichzeitige Paralleleingaben au
den praepositus pagi^) und den praepositus castrorum vor, ähnlich wie in
früheren Zeiten eventuell Paralleleingaben an den Strategen und den
Centurio geschickt wurden (vgl. Bd. II 33 ff.). Da nicht nur die Stra-
tegen, sondern auch die Centurionen, wie wir oben sahen, inzwischen ver-
schwunden waren, wird man in dieser Neuerung doch nur eine umwand -
1; Vgl, meine lU'vieion <1οκ Tfxte.s in Arch. Ill 398.
2) Vgl. die Einleitung KcnyoiiH 1. c. und Nie lee, Rev. d. phil. 20 (1806) 48 ff.
8) Diese ala ist für DionyHias bezeagt durch die Not. dignitatum Or. 28« 84.
4) Es ift ein Irrtum, wenn Kenyon in seinen Kommentaren ihn mehrfach als
praefectus castrorum bezeichnet. Ich habe in der Chrestomathie S. 166 den Irrtum
nach^^emacht.
6) Der lUteHtc dutierte ist jetzt Theftd. 28, wie der Herausgeber Joogaet mit
Hecht bemerkt, ν•*πι .). 842. In dem jüngsten datierten Text Lond. II 8. 280 Tom
J. 861 wird sein liao.' angegeben mit ίξ άπ oit gor η%τ ωρών. Hier wird doch wohl ίξ
zu streirhen unri άη6 1tifoτηntόQωv zu schreiben sein. Rr war aUo Tom Dienst bei
den protrrtmrn aus zum praef. aUu avanciert, wie sp&ter auch sein Nachfolger (s. 464)
ö> Anzeigen an diesen praepositus waren mi•'' ♦..n.,.r .,.i ».,.Vr,n..f WA
Bd. II 126.
408 Kapitel XL Militär und Polizei.
lung der früheren Zustände zu sehen haben, wenn auch die Rangstellung
der neuen Organe nicht ganz der der früheren entspricht. Ich bemerke,
daß nicht nur Militärpersonen sich an den Abinnaeus wenden, und auch
nicht nur Zivilpersonen, wenn es sich um Beschwerden gegen Soldaten
handelt, sondern daß, wenn auch selten, rein zivile Angelegenheiten vor
ihn gebracht werden (vgl. Lond. II S. 281 oben). In diesem Zusammen-
hange gewinnt an Interresse ein Edikt des Präfekten Fl. Eutolmius Ta-
tianus (a. 367/70), in dem unter Hinweis auf die Gesetze eingeschärft
wird, daß Zivilisten sich nicht an den praepositus wenden sollen, sondern
an die zivilen Gerichtsbehörden. Nur wenn sie es mit einem Soldaten zu
tun haben, soUen sie den praepositus angehen dürfen.^)
Bezüglich der Qualifikation zum Heeresdienst sind die Grund-
sätze der früheren Periode in der byzantinischen Zeit bekanntlich vöUig
aufgegeben worden. Während der Heeresdienst früher ein Vorrecht der
dazu qualifizierten Stände gewesen war, von dem z. B. ii^ig^pten die
dediticii ausgeschlossen waren, stand er jetzt allen offen, die militärisch
qualifiziert waren, und zwar nicht nur den Untertanen, sondern auch den
ausländischen Barbaren. „Je barbarischer der Soldat ist, desto mehr wird
er als solcher geschätzt."^) Nur gegen die Einstellung von Sklaven hat
man auch jetzt noch für längere Zeit Bedenken gehabt.^)
Wie unter diesen neuen Verhältnissen die Rekrutierung sich ge-
staltet hat, ist von Mommsen 1. c. 251 ff. dargelegt worden. Er unter-
scheidet vier Arten der Gründe zum Kriegsdienst: 1. den freiwilligen
Eintritt, 2. die im Steuerweg herbeigeführte RekrutensteUung der Grund-
besitzer, 3. den Erbzwang, 4. die Zugehörigkeit zu einer deditizischen
Quasigemeinde.*) Ich beschränke mich darauf, auf einige Papyri hinzu-
weisen, die diese Einrichtungen im Detail zu illustrieren geeignet sind.
Ebenso wie die Steuererhebung ist auch die RekrutensteUung den
Gemeinden auferlegt worden. Die civitates haben die nötigen Einrich-
tungen zu treffen, d. h. vor aUem die liturgischen Beamten zu stellen, um
innerhalb ihrer ενορία die ihnen auferlegten Rekruten aufzubringen. Die
finanzielle Haftung fällt also auch hier wieder in letzter Instanz auf die
1) Oxy. VIII 1101, 13 f: [τω γαρ π]ρκΐ7ΐ06ίτω μεν Ιτων^ οτραπωτών αρχιν ?|εστί,
\18ιωτων] άε ουκέτι. κτλ. Ζ. 17: Ει γάρ τις των ίάιωτών -ηαρα [ΰτρατιώτ^τ] τι ^χοι κα[1]
&αρ6ή67] τ^ έκδικία τον ηροίΐΛοβίτον \%cn ώς ^0Ύΐ^ΎΪ\%"η6εται ■παρ' αντον τίέηοιϋ'εν,
τΐροΰείτω, ονδε γάρ [δύναται] έτιϊ των τόηων της προύηχονΰτις τνγχάνιν [τταρ' αλλο]ν
βο'η^'ίας.
2) Mommsen, Hist. Sehr. III 247. Im Yolksmunde nannte man daher gelegent-
lich die Soldaten geradezu die Barbaren. Vgl. Lond. II S. 298, 6, wo eine Mutter,
die ihren Sohn vom Dienst freihaben möchte, sagt: άπήλ&εν ovv μετά τον βαρβάρον.
Vgl. Μ. Geizer, Stud. S. 13.
3) Mommsen 1. c. 250 f.
4) Vgl. auch die Ausführungen von Liebenam, Pauly-Wiss. V 630 ff., außerdem
Seeck 1. c.
1. Das Militär. C. Die byzantinische Zeit. 409
Kurie zurück. Die Tätigkeit der Städte tritt uns jetzt besonders deutlich
in Oxy. VIII 1103 (465) vom J. 360 entgegen. Ein früherer Kurator er-
klärt in einer Ratsversammluug, daß sie den dux darüber aufgeklärt
hätten, daß die von ihnen (dem Rat) geworbenen Rekruten die ihnen zu-
stehenden Gelder empfangen hätten, und zwar nicht nur die Summen, die
vorschriftsmäßig aus dem ταμεΐον (Fiskus)^) ihnen auszuzahlen seien, son-
dern auch ein διάπειομα extra (vgl. den Kommentar). Mit den ersten
Summen ist das aurum tironicum (xQvöbg τιρώνων)-) gemeint, das die
π:όλίς durch ihre liturgischen υποδεκται χρνόον τιρώνων zu erheben hat,
und zwar weil es für die kaiserliche Armee ist, auf Rechnung der kaiser-
lichen Kasse. So erklärt sich, daß nachher die Stadt wieder axb τοϋ τα-
μεΐον das aurum den Rekruten auszahlt. Ebenso tritt uns die Stadt als
Rekruten werberin auch in den schon oben S. 405 erwähnten Lips. 34 und
35 entgegen, denn wenn sie durch einen städtischen νποδέχτης oder tiqo-
:ίομπΙ)ξ τ^ί^β4^αν in Hierapolis das aurum tironicum (hier nur die Equi-
pierungsgelder) auszahlen läßt, so ist kein Zweifel, daß es sich um Re-
kruten handelt, die die Stadt gestellt hat. Auch in diesen Texten tritt
uns die Beziehung des Rekrutengeldes zum ταμεΐον entgegen: das ein-
gesammelte aurum wird, soweit es in Hierapolis nicht verwendet werden
kann, εΙς <τό> ταμεΐον auf Rechnung des Rates zurückgezahlt (Lips.
35, 17).^) Ebenso quittiert in Lips. 62 (188) der χρνΰώνης dem städti-
schen νποδεχτης χρνόον τιρώνων für seine Stadt (νπερ της όής πολιτείας).
Ein anderer Text, Lond. UI S. 228/9 (466), belehrt, uns über die
Stellungspflicht der Dörfer. Er zeigt, daß, wenn das Dorf die ihm auf-
erlegten Rekruten nicht stellen wollte, es statt dessen eine von der Re-
gierung festgesetzte Summe (hier 30 Solidi) pro Rekrut zahlen konnte.
Die Zahlung erfolgte, wieder auf Rechnung des ταμιακός λόγος^ an den
betreffenden städtischen νποδέχτης (χρνόον τιρώνων) j dessen Aufgabe es
dann war, einen freiwilligen Rekruten für dieses Geld zu werben. Der
Papyrus ist eine hierüber ausgestellte Quittung eines solchen νεόλεχτος.
Das Werbungsgeschäft selbst (ότρατολογία) hatten liturgische ότρατολόγοι
auszuüben, von denen Lips. 54 (467) handelt.*)
Von der Entsendung eines kaiserlichen Notarius zum Zweck der Re-
kruteuwerbung in Agyyf• π ^landelt der leider nur fragmentarische Lond. II
S. 295/6 (468).
1; Über <lir> Rodeutung von ταμ^Ιον in dieser Zeit vgl. oben S. 162.
2) Vgl. KiilitH. hek, Paalj-Wiii. Π 2658, Mitteii tu Lips. 64.
8) Oder gtiuaufr die StrafMütnine , tu der der Überbringer nach Verlust ....
Summe rerurteilt iet. Wie ich im Arch. IV 188 gezeigt habe, liegt die Quittung über
diene Einxahlong, die an den χρνβώνης in Antinoopoli• erfolgt, in Lipt. 61 tot V -
irrt«> ich I. c, wenn ich dai ταμ9ίοψ damal• fflr die Stadtkaaie hielt.
4) Von einem ini: • t> WerbungiTertuch im Dorf» Kftranii tcheiBt Ueu. 04
/u handeln, doch be<i cit noch •ingebender PrflfViDg.
410 Kapitel XI. Militär und Polizei.
Interessante Angaben über den Transport solcher νεόλεκτοι von
Ägypten nach Antiochia bietet der noch unveröffentlichte P. Lips. Inv.
281 (469).
Was ferner die Stellung von Rekruten durch die Grundbe-
sitzer betrifft, so haben die Papyri jetzt auch hierzu Beiträge geliefert.
Bekanntlich waren, wie die capita die Steuereinheiten für die Grundsteuer
waren, so die capitula die (größeren) Einheiten für die Stellung eines Tiro.
Die Grundbesitzer, die zusammen ein capitulum repräsentierten, bildeten
ein Konsortium, eine Zwangsgenossenschaft, deren Geschäfte der jeweilige
Capitularius führte. Entweder wurde von einem von ihnen ein ihm ge-
höriger Kolone als Rekrut gestellt, wofür er von den andern z. T. ent-
schädigt wurde, oder es wurde von den eingesammelten Geldern ein Frei-
williger geworben.^) Schon M. Geizer (Stud. S. 48) hatte die Vermutung
ausgesprochen, daß die bis dahin verschieden gedeuteten κεφαλοαωταί unserer
Papyri eben diese capitularii seien. Soeben hat P. Jouguet hierfür eine
glänzende Bestätigung gebracht durch die Edition von P. Thead. 22 und
23, den schon oben erwähnten gleichzeitigen Eingaben an den praep. pagi
und den praep. castrorum, denn hier entspricht dem κεφαλαίωτής des einen
Textes der κατντονάρίος = capitularius des andern Textes.^) Damit fällt
ein neues Licht auf alle Texte, in denen die κεφαλαιωταί begegnen. So
enthalten Lips. 48 — 51 Gestellungsbürgschaften für solche capitularii (resp.
gewesene capitularii) und Lips. 52 — 53 Gestellungsversprechen von den-
selben.^) Nun ist auch, wie schon Jouguet gezeigt hat, die richtige Deu-
tung der κεφαλαιωταΐ τον ηγεμονικού πολνκώτίον in Grenf. II 80 — 82 ge-
wonnen: es sind capitularii, die für die Stellung eines Ruderers für dieses
Präsidialschiff zu sorgen haben.
Von dem Erbzwang, den Mommsen als dritten Grund des Kriegs-
dienstes aufführt, liegt ein Beispiel vielleicht in Gen. 51 vor, wo es Z. 15
von einem jungen Manne heißt: νίός έΰην 6τρατίώτ[ον] καΐ εδω\κε^ν το
όνομα αντον, ίνα 6τρατεν0'7]}) Vielleicht gehört auch Gen. 46 dahin, wo
nXäg^ der Sohn eines gleichnamigen Veteranen, zum decurio avanciert.
Eine systematische Durcharbeitung des gesamten Materials wird sehr wahr-
scheinlich für diese und für die vorher behandelten Fragen ein sehr viel
reicheres Material zutage fördern, als es mir z. Z. möglich war.
Über die Einstellung der Rekruten in ihre Abteilungen haben
wir soeben durch den von L. Wenger edierten P. Münch. 105 v. J. 578,
den ich mit seiner freundlichen Erlaubnis schon nach den Korrekturbogen
hier abdrucken darf (470), interessante Nachrichten erhalten. Die Ein-
1) Ygl. Seeck, Gesch. d. Untergangs II 46 und Paulj-Wiss. III 1541.
2) Wie ν,εφαλη = caput, so ist also -αεφάλαιον == capitulum.
3) In 52, 14 findet sich das Substantivum της κεφαλαιωτίας ^vsyisv.
4) Darauf folgt die oben S. 405 erwähnte Bitte um Freilassung des Mannes.
ι
π. Die Polizei. 411
steUung erfolgte danach auf Grund der probatoria^ die sie nach ihrer pro-
batio vom dux erhielten.
Zum Schluß weise ich auf BGU ΠΙ 836 (471) hin, der uns zeigt,
wie auch auf diesem Gebiet schließlich die Großgrundbesitzer mit dem
Kaiser rivalisiert haben: er handelt von den Anmaßungen der hucceUami
genannten Privattruppen eines patricius, die den kaiserlichen Truppen die
diesen zustehenden annonae und capita strittig machen.
*
Ich muß mir versagen, auf die wichtigen Aufschlüsse, die namentlich
die Aphroditopapyri über das Heerwesen und im besondern die Flotte
der Araber uns jüngst gebracht haben, genauer einzugehen, und kann
nur auf die Ausführungen von Bell in seiner Einleitung zu Lond. IV ver-
weisen.
Π. DIE POLIZEI.')
Lit.: Für die Ptolemäerzeit: G. Lumbroeo, Recherches sur l'econ. pol. de
rigypt« S. 249 f. — Wilcken, Griech. Ostraka I 402. — Grenfell-Hunt, Teb. I
S. 650f. — H. Maapero, Lee finances de TEgypte S. 19, 139 f — Bouch^-Le-
clercq, Hist. d. Lag. IV 66 fF. — Engers, de Aeg. κωμ-ών administratione (1909)
S. 73flf.
Für die Kaiserzeit: 0. Hirsch feld, Die Sicherheitspolizei im röm. Kaiser-
reich (Sitz. Pr. Akad. 1891, 845 ff.). Derselbe, Die ägypt. Polizei der röm. Kaieer-
zeit nach Papyrusurkunden (Sitz. Pr. Akad. 1892, 815 ff.). — Krebs, Die Polizei im
röm. Ägypten (Aegyptiaca, Festschr. f G. Ebers 1897, 30 ff.). — Mommsen, Röm.
Strafrecht S. 306f — Wilcken, Griech. Ostraka I 292 f. 320 f. — N. Hohl wein,
Note sur la police tigyptienne de T^poque romaine (Mus. Beige VI 1902, 159 ff.).
Derselbe, La police des villages egypt. ä Töpoque romaine (Mus. Beige IX 1905, 187 ff.
394 ff.). — J. Nicole, Le cachet du Stratege et les archephodes (Arch. III 226 ff).
Wie schon die Pharaonen^), haben auch die Ptolemäer für die Aufrecht-
erhaltung der Ordnung im Lande umfassende Schutzmaßregeln getroffen.*'')
Sie unterhielten zu diesem Zweck vor allem ein eigenes Öendarmerie-
korps, die φνλακίταί^ die über das ganze Land hin in Städten und Dörfern
verteilt waren. Diese dienten ebenso sehr dem Schutz der königlichen
Interessen, im besondern auch der fiskalen Maßregeln, wie dem Schutz
von Leben und Eigentum der Untertanen. Sie bezogen nicht nur Sold
(6φώνιον)^)^ sondern wie uns die Tebtyuispapyri für das II. .lalirh. ge•
1) Mit Rückflicht auf den schon Htark angeicbwoUeoen Umfang meine• Uandet
gebe ich hier nur eine ganz kurze Skizze. Die Chreetomathie kann sich um eo mehr
auf einige Proben benchränken, aU schon außerdem in beiden B&nden eine gante
lieibe von Texten gegeben sind, die auch die Polisei berflhren.
2) Vgl. Ad. Ernmn, Ägypten und ägjpt. Leben S. ISeff.
8) Auf Kcformcn Ptolemaioi* II weilt Theoknt XV 46 ff. hin, wie Vahlen bei
Hinchfeld 1. c. (1892; S. 828 Anm. 6 bemerkt.
4) WertTolle Angaben über die Höbe de• Solde• enthnlt fv«•^ ni ioh g siq
(III. Jahrb.). — Dngegen ein Λμιβ^ος φυίαιατης in Orenf. I 8h
412 Kapitel XI. Militär und Polizei.
lehrt haben, empfingen diese φνλακΐται und die έρημοφνλακες (Wüsten-
wächter) sowie die höhern Chargen der έφοδοι und χερΰεφίπτΐοι damals
auch κλήροι zu Lehen.^) Diese Polizeitruppen wurden also, wenn sie auch
nicht zum Heer im engern Sinne gehörten, doch nach Analogie der Sol-
daten behandelt und waren militärisch organisiert.^) So erklärt sich, daß man
von der Stellung eines έφοδος aus zum κάτοικος ιπτίενς avancieren konnte.
Vgl. Teb. 32 (448). Als Kommandanten dieser Gendarmerie, die in der
Regel aus Ägyptern genommen wurde, begegnen die άρχοφυλακΐται und
über diesen stehend die έπιοτάται των φνλακιτών, die in der Regel Grie-
chen sind.^) Gelegentlich wurden auch beide Ämter in einer Hand ver-
einigt. Vgl. z. B. Petr. ΠΙ 130 S. 321: Νίκων επιβτάτηξ φνλακιτών καΐ
άρχι[φνλακίτΎΐς].^)
An diese letztgenannten έταοτάται knüpft sich ein schwieriges Pro-
blem, das mir noch weiterer Aufklärung zu bedürfen scheint. Wir kennen
εΛίΰτάται τον νομον, της Λόλεως (BGU ΠΙ 1006) und της κώμης. Da
auch diese meist polizeiliche Funktionen ausüben, könnte man zu der
Vermutung kommen, daß diese Titel nur Abkürzungen seien für έπιοτά-
ταί, των φνίακιτών τον νομον, της πόλεως^ της κώμης. Gelegentlich ist
diese Vermutung für den einen oder anderen Fall schon geäußert worden,
so von Jouguet-Lefebvre, Corr. Hell. XXVI 98 und Engers 1. c. S. 76, 3.
Jene wiesen darauf hin, daß während sonst die Eingaben von Magdola
an den επιστάτης (des Dorfes) weitergegeben werden, in einem FaUe
(Magd. 19) der άρχιφνλακίτης dafür eintritt. Nun könnte freilich an der
betrefiPenden SteUe vielleicht auch ergänzt werden (Z. 4): γρά-ψαι Σωΰι-
βίωι τωι έτΐίοτάτηι καΐ άρχίφνλα]κίτηί^ aber auch dann entstünde die
Frage, ob der Titel nicht aufzufassen ist wie der eben zitierte Titel des
Nikon. Diese Frage bedarf noch eingehender Prüfung.^)
Außer der Gendarmerie werden in Zeiten der Unruhen gewiß auch
die Soldaten des Heeres zum polizeilichen Schutz verwendet worden sein.
Aber Eingaben an militärische Behörden, wie wir sie in der Kaiserzeit
1) Vgl. die Darlegungen von Grenf eil - Hunt 1. c. Eingehender wird Friedr.
Oertel in der im VIII, Kap. erwähnten Arbeit über die Stellung der Polizei handeln.
2) Das oben S. 305 für die Ptolemäerzeit beigebrachte Beispiel von καταλοχίΰμός
bezieht sich auf die φνλκχΐταα und έφοδοι.
3) Vgl. Bouche-Leclercq 1. c.
4) So ergänzen mit Recht Grrenfell-Hunt, Hib. S. 175. Der Gegenvorschlag von
Engers S. 76, 3, άρχί\(φυΙοίΥ.ιτ&ν6ας zu lesen, ist nicht zulässig, da derartige präteritale
Titel in dieser Zeit nicht üblich sind.
5) Oertel verweist gegenüber Engers auf die Inschrift der Isispriester von Philae
(Dittenberger, Or. Gr. 139), wo allerdings hinter dem στρατηγό? die έτιιστάται (offenbar
des Gaues) und später έταΰτάται φνία-αιτών aufgezählt werden, gewiß ein gewichtiger
Einwand. Aber es fragt sich, ob von einer priesterlichen Bittschrift eine so große
Akkuratesse des Ausdrucks verlangt werden darf wie von den Aufzählungen in den
amtlichen Akten, wie den bei Engers S. 74 zusammengestellten.
II. Die Polizei. 413
so häufig finden (s. unten), scheinen in der Ptolemäerzeit nur bei beson-
deren Veranlassungen vorgekommen zu sein. So erklärt sieb die Eingabe
an den ιππάQχηg in Teb. 54 (Bd. II 17) offenbar aus dem persönlichen
Verhältnis des Beschwerdeführers zu dem Hipparchen (των εκ της 6ής
οΙκίας), wie auch Mitteis Ι. c. annimmt.
Von städtischen Polizeiorganen ist für die Ptolemäerzeit nichts weiter
bekannt als jener νυχτερυνος οτρατηγός von Alexandrien, den Strabo XVII
p. 797 schon der Königszeit zuweist. Aus anderen Metropolen sind ähn-
liche Organe für jene Zeit nicht bezeugt.
Das römische Regiment hat die polizeilichen Einrichtungen nach
und nach wesentlich umgestaltet. Von größter Bedeutung ist zunächst
das Verschwinden des Gendarmeriekorps der φνλακΐται. Zwar in den
ersten Dezennien der neuen Herrschaft hat es noch bestanden, denn es
sind έ%ΐ6τάται των φνλακηών noch bezeugt für die Zeit des Augustus
(Lond. II S. 164/δ), des Tiberius (Lond. III S. 130 oben) und des Gaius
(Lond. HI S. 130/1). Spätere Belege liegen z. Z. nicht vor.^) Von den
hier genannten επυΰτάται haben zwei römische Namen: Cordus und C. Ju-
lius Pholus, die andern griechische: Βρίζων und Σαραπίων. Wenn die
Römer also die (ρνλακΐται zunächst übernahmen, so ist dies ein neuer
Beleg dafür, daß diese nicht zum Heere zählten, denn das ptolemäische
Heer Λvar natürlich sofort durch das römische ersetzt worden. Ob die
Phylakiten noch über die Regierung des Gaius hinaus bestanden haben,
bleibt abzuwarten.*)
Eine wichtige Neuerung war ferner, daß wie auch in andern Pro-
vinzen des Reiches, so auch in Ägypten, Centurionen und Dekurionen oder
auch beneficiarii zur Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung im
Lande stationiert wurden.^) Da sich ein solcher Centurio bereits am
Ende der Regierung des Augustus nachweisen läßt^), so haben diese sta-
tionarii zunächst konkurrierend mit den aus der Ptolemäerzeit übernom-
menen ^πιότάταί των φνλακιτών fungiert.*) Wahrscheinlich sind es dann
(mindestens z. T.) eben diese Militärposten gewesen, die schließlich zum Ver-
zicht auf jene ptolemäische Gendannerie geführt haben. Über die an diese
stationarii gerichteten Eingaben vgl. Mitteis, Bd. II 34 f. Beispiele sind
gegeben in Bd. II 111, 115, 122 12;V 121, 125. Meist Λverdeu
1, V^l. WilckcD, Arch IV 547. iJie Ergiinzung φΌΐα'Λ[Ιχχί] ^^ Lond. II S. 66, S
vom J. 216/7) iet sicher irrig.
2) Ich betone, daß nicht nur die imaxaxai x&v φνλαχιτών vertchwindon, nondem
auch die ίχιαχάχαί νομοΦ, noUtoi^ %ωμης. Dm iit für dM oben '^ 41" i .....i,,t„ Pro-
blem fon InUTceiie.
:;) Vgl. i). Hir^chfeld 1. c. (1891) 862 ff.
ι WenHfly, Spec. icr. gr. 11, 17.
,'. : ';ib«'n an die RpiNtaiai bewegen iich in •1οιμ. 11 .n ΙΛ.μπ.ιι w ι li•
ai. Au: u. Vgl. Arch. IV ft47.
414 Kapitel XI. Militär und Polizei.
diese Militärs einfach mit ihrem gewöhnliclien Titel benannt, doch heißen
sie gelegentlich auch βτατιωνάριος^ vgl. Oxj. 62, 13 (278), oder βταηω-
νίξων^ vgl. den beneficiarius in Oxy. 65, 1 und Amh. 80, 12, oder es wird
mit einer Umschreibung auf ihr besonderes Kommando hingewiesen wie
in Lond. II S. 173 unten 1: Τω επί τόπων διαχειμένω β^ενεψίκιαρίω)^
ähnlich in BGU II 522 bei einem Centurio. Auf die Soldaten, die sie zu
ihrer Verfügung hatten, weist z. B. der Haftbefehl eines Decurio hin
(Oxy. 64 [475]).
Neben diesen Militärposten finden wir endlich in den Städten und
Dörfern lokale Polizeiorgane, und zwar in einer solchen Mannigfaltigkeit,
wie die Ptolemäerzeit sie nicht gekannt hatte. Wahrscheinlich hängt auch
die starke Ausbildung dieser Lokalpolizei mit dem Eingehen der φνλακΐ-
ται zusammen. Seitdem in Ägypten die Liturgie eingeführt war, sind
diese PolizeisteUen, wie es scheint, sämtlich als Liturgien behandelt wor-
den. Den νυκτερινός ότρατηγός^ den wir in der Ptolemäerzeit nur für
Alexandrien ^) nachweisen konnten, finden wir jetzt (als ννκτοΰτράτηγος)
auch in den Metropolen.^) Wahrscheinlich haben sie aUe diesen Beamten
gehabt. Den ältesten Beleg, aus dem II Jahrb., bietet Oxy. VI 933 für
Oxyrhynchos. Nach meiner Interpretation dieser Urkunde (Arch. V 271)
ist hier der ννκτοβτράτηγος gebeten worden, zu befehlen, daß ein φνλαξ
bei dem betreffenden Hause schlafe. Über die Verteilung solcher Nacht-
posten bei den öffentlichen und privaten Gebäuden der Stadt Oxyrhynchos
gibt interessante Aufschlüsse Oxy. I 43 (474) aus dem Anfang der by-
zantinischen Zeit. Er zeigt, welche große Zahl von Wächtern unter dem
Kommando des ννκτοοτράτηγος (Oxy. VI 933) in einer Stadt wie Oxy-
rhynchos vorhanden waren.
Die Städte waren auch der Amtssitz derjenigen είρηνάρχαί^ deren
Kompetenz den ganzen Gau umfaßte^), im Gegensatz zu den gleichnamigen
Dorfbehörden.4) Vgl. Oxy. I 80 (473).
Noch viel mannigfaltiger scheinen aber, wenigstens nach dem bis
jetzt vorliegenden Material, die lokalen Polizeiorgane der Dörfer gewesen
zu sein. So nennen die liturgischen Vorschlagslisten aus dem panopoliti-
schen Gau, die Hirschfeld 1. c. (1892), 817 ff. nach Wesselys Transkrip-
1) Dieser alexandrinische Beamte hat vielleicht das Vorbild für den praefectus
vigilum von Rom gegeben. Vgl. Hirschfeld 1. c. (1891), 867. Unter ihm standen wahr-
scheinlich die νντιτοφνλοίτιες von Alexandrien, die bei Philo in Flacc. 14 erwähnt werden.
2) Zuerst tauchten sie in einem Münchner Papyrus aus dem Faijum auf (Arch.
I 479), seitdem sind sie mehrfach belegt. P. Münch. 56 (aus dem IV. Jahrh.) ist ein
Erlaß, der, soweit erhalten, an den Exaktor und die ννκτοστράτηγοι und die xfqpa-
λαι[ωτοίί] gerichtet ist.
3) Zu den Eirenarchen Kleinasiens, die seit Trajan nachweisbar sind, vgl. Hirsch-
feld 1. c. (1891), 868 f.
4) Den Unterschied konstatierte Preisigke, P. Straßb. I S. 22 Anm. 1.
π. Die Polizei. 415
tionen edierte, für Dörfer^) dieses Gaues folgende verschiedene Liturgen:
ειρηνοφνλακες, έπϊ τΎΐς εΙρήνης^ είρηνάρχαι, άρχίννχτοφνλαχες^ αρχιφύλα-
κες^ πεδίοφύλακες^ όρεοφνλακες όδον Όάόεως.^) Aus anderen Urkunden
lernen wir noch die άρχεφοδοί^) kennen, die gelegentlich mit der Ver-
haftung und Vorführung τοη Personen beauftragt werden.*) Diese άρχε-
φοδοί werden manchmal zusammen mit den φύλακες als die δημόϋιοί des
Dorfes bezeichnet (so in BGU 6, vgl. Fay. 38, 9), was mit Hohlwein
als allgemeine Bezeichnung für die niedere Dorfpolizei aufzufassen ist.^)
Eine besondere Stellung neben den δημόόίΟί nehmen die λ^ότοπιαοταό
(Diebesfänger) ß) ein, die in BGU 32ö (472) zum Aufspüren von Ver-
brechern aufgefordert werden. A^gl. zu diesen auch Flor. 2 VII (401).
Ein unedierter Leipziger Papyrus aus der Zeit des Severus Alexander
nennt 1 άρχέφοδος, 1 άρχιπεοίοφύλαξ und 6 άλωνοφύλακες^ die dann alle
zusammengefaßt werden als die δημόόιοι κώμης Σερύφεως."^) Weitere
Arten von φύλακες zählt Hohlwein 1. c. IX 394 ff. auf.®) Diese Dorf-
polizisten erhielten Befehle sowohl von den römischen stationarii (vgl.
z. B. Fay. 38, auch Oxy. 64 [475]), als von den Strategen^) und seit 202
auch von den städtischen Behörden, wie u. a. der eben zitierte Leipziger
Text zeigt.
Die byzantinische Zeit bringt wohl manche neue Titel, aber die
Grundzüge bleiben dieselben wie vorher. An Stelle der Centurionen und
Dekurionen, die allmählich aus der Armee verschwinden, übernehmen
nunmehr die praepositi castrorum, wie oben S. 407 für den Abinnaeus
dargelegt wurde, die polizeilichen Funktionen, die jenen früher übertragen
gewesen waren. In den civitates stehen jetzt an der Spitze der Polizei
die riparii, die Liturgen waren (vgl. Oxy. VI 904). Für ihre zentrale
Stellung innerhalb der civitas^®) spricht der unten als Nr. 469 edierte
Leipziger Text, in dem der hohe Reichsbeamte aus Antiochia den riparii
1) i'aß die Listen eich anf Dörfer beziehen, zeigen die Notizen über den χωμο-
'/ραμματίΐίρ. Vgl. oben S. 347 A. 1. Die Listen nennen Namen, Alter und nogog (nicht
Gehalt, wie WesHely glaubto).
2) Vgl. hierzu Hirechfeld 1. c.
H) Die ptolemäiechen Ιφο^οι sind dagegen versch wunden.
4) Vgl. z. B. Nicole, Arch. JII 226 flf.
6) Vgl. Arch. V 441. S. auch Mommeen 1. c.
β) Bei Hirechfeld 1. c. (1892) verglich ich mit dieiem neuen Wort die et^ov-
Oo^iaaxal (VogeliUnger).
1} Auf Autforderung de• Prytanen von Oxyrhjncho• geben sie Auskunft über
die in dem Dorfe befindliche §ύηορία navtoia eines fWlheren Kosmeten.
8) Auf mehreren Oetraka der Heidelberger Sammlung Im ich den Tilel i^fie^o-
φνΧα%$ς (vgl. TheH ling. gr.).
St, Vgl. den von Nicolo 1. c. herftotgegebenen Text Dm b«igedrOokie Siegel
des Strategen enthalt die Legende: Ό et^tttiffot Μ netUt.
10; In einem Fragment bei Wesselv, Wies. Denk. 87 [166] (wohl aas jüngerer
Zeit) begegnet «ομ#η ηαϊ ^ιηαρίω.
416 Kapitel XI. Militär und Polizei.
der πόλεις den Rekrutentransport aufträgt. Daß sie über den städtischen
ννκτοοτράτηγοι^) standen, zeigt Oxy, VII 1033 (476). Lips. 37 ist eine
Eingabe an einen riparius, der z. Z. Kurialpräsident war. Ein neuer Titel
ist der έπότΐτης εΙρήνης Όξνρνγχίτον in Oxy. VI 991 (a. 341), dessen
Kompetenz also den ganzen Gau, d. h. die ganze civitas umfaßte. Die
Texte der justinianischen Zeit weisen schon wieder manche Neuerungen
gegenüber dem IV. Jahrh. auf. Vgl. z. B. Cair. Cat. 67054. Von hohem
Interesse ist auch der Vertrag der αγροφύλακες in 67001.
Zum Schluß bemerke ich, daß auch auf diesem Gebiet uns wieder
die Selbständigkeit der Großgrundbesitzer der späteren Zeit entgegentritt,
insofern sie sich ihre eigenen Polizisten hielten. Der πρωτοφύλαξ, der in
Oxj. I 139 (a. 612) mit einem Apion kontrahiert, ist sicherlich sein Privat-
wächter. Bezeichnend für die damaligen Zeiten ist, daß dieser Wächter
eigens diese ομολογία aufsetzt, um zu erklären, daß er nicht stehlen und
keine Diebe bei sich aufnehmen werde.
Auch für das Gefängniswesen bieten die Papyri manche Nach-
richten. Sowohl in den Städten wie in den Dörfern waren öffentliche
Gefängnisse, die als φύλακα/^ oder δεομωττιρια oder δεομοφνλακεΐα oder
είρκταί bezeichnet, von der Ptolemäerzeit an bezeugt sind.^) Mehrere der
Hauptzeugnisse sind im IL Bande in Kap. I und II zum Abdruck ge-
kommen. Vgl. z. B. 34, 35, 48, 100, 101. Unter 102 ist die Verordnung
des Julius Alexander wiedergegeben, in der das πρακτορείου erwähnt wird.
Seitdem die Liturgien in Ägypten eingeführt waren, begegnen liturgische
δεΰμοφνλακες. Vgl. Flor. 2 II — VI. Bezeichnend für die Zustände der
späteren Zeit ist, daß trotz des Verbotes auch private Gefängnisse ge-
nannt werden. Vgl Lips. Inv. 244 (Bd. II 71), Cair. Cat. 67005, 18. Eine
amüsante Liste von Verhafteten, unter denen sich auch ein Ratsherr befindet,
der Kleider gestohlen hat (VI. Jahrb.), liegt in Stud. PaL X n. 252 vor.
Vgl. dazu Arch. V 450.
1) Eine Anzeige an den νν-Λτοστράτηγος ist z. B. Lips. 39 (Bd. II 127).
2) Vielleicht sind auf Verhaftungen zu beziehen die kleinen Billette, in denen
im Falle der Entlassung {äisd^uvrog μον) ein Bakschisch (οτεφάνιον) versprochen wird.
Vgl. hierzu meine Ausführungen im Arch. II δ 78 f.
KAPITEL XII.
AUS DEM VOLKSLEBEN.
Ein besonderer Reiz unserer Papyrustradition liegt darin, daß sie
uns die Bevölkerung Ägyptens während dieser mehr als tausend Jahre
nicht nur in ihren Beziehungen zum Staat, als Steuerzahler und Liturgen
und Soldaten, sondern auch in ihrem aUtäglichen Privatleben, in ihrem
rein menschlichen Verkehr untereinander in Freud und Leid vor Augen
führt. Von einer Darstellung dieses Volkslebens muß ich hier um so mehr
Abstand nehmen, als es an einer gründlichen Verarbeitung der Papyri
unter diesem Gesichtspunkt bisher fehlt. Nur hinweisen möchte ich zum
Schluß darauf, daß auch für dieses Problem die Papyri ein außer-
ordentlich reiches Material enthalten. Einige Proben im XII. Kapitel der
Chrestomathie mögen diese Andeutungen illustrieren. Aber auch viele der
andern Texte, die in den vorhergehenden elf Kapiteln sowie im II. Bande
behandelt und z. T. abgedruckt sind, enthalten wertvolle Züge für den
Kulturhistoriker, der nach einer lebendigen Anschauung von den dama-
ligen Menschen und ihrem Leben und Treiben strebt. Bei der großen
Bedeutung, die die Religion für den Einzelnen wie für das ganze Volk
hatte, bieten namentlich die Texte des II. Kapitels besonders reichen Er-
trag, andrerseits auch die des ΠΙ. Kapitels zu der wichtigen Erziehungs-
frage. Aus dem IL Bande sei hier namentlich auf das VIII. Kapitel hin-
gewiesen, in dem das Eherecht und damit die Grundlagen des Familien-
lebens behandelt sind. Aber auch in allen andern Kapiteln der beiden
Bände wird, wer da sucht, auch finden. Hier soll nur auf einige Gruppen
von Texiien hingewiesen werden, in denen uns einzelne Seiten des Volks-
lebens besonders deutlich entgegentreten.
Zunächst sollte als materielle Voraussetzung für die psychische Ent-
wicklung der Einzelhaushalt, wie er von den verschiedenen Schichten der
Bevölkerung geführt worden ist, untersucht werden. Es müßten die Pa-
pyri auf die Frage hin durchgearbeitet werden, wie die Menschen in Stadt
und Dorf gewohnt haben*), wie sie ihre Wohnungen eingerichtet haben,
welche Kulturbedürfniese sie über die Sorge um das tägliche Brot hinaus
gehabt haben. ^)
1) Hierfür Min«J /. U Ίι•• /••Π'-πΗίΪΜ^'.'ίΙκη zu verarbeiten (vgl. die lehrreiche
\r. 208), die V<Ttra-.• iil-r ΙΙιιΐιΛ.πιΙ' iind nii.-t.• ii. ug\.
2) Fi'ir 'Ii•- FiiliiMrt^' •1• .. II i;ir<liitlt» hin«! namentlich die WirtfchafUbücher und
privaten U< cliMuiigcn /.u {•γιιΙιμι, di•• in K'>*'^<*i<'r Zuhl vorliegen. Vgl. einitweilen die
Liite im Arch. I 22 f., die in der neuen Auflage we«entlich erweit«rt werden wird.
Mitt«*it \Vllrk«-n: GrandeOf• I. ))7
418 Kapitel XII. Aus dem Volksleben.
Wollen wir aber die Menschen selbst kennen lernen, so lassen wir
die offiziellen Akten bei Seite und suchen diejenigen privaten Dokumente
hervor, in denen sie unbefangen sich selbst geben. Das sind vor allem die
Briefe, die an die Nächsten in der Familie oder an Freunde geschrieben
sind. Von diesen liegt schon jetzt ein reicher Schatz vor, der sicherlich
durch neue Editionen noch sehr vermehrt werden wird.^) Auf die große
kulturhistorische Bedeutung dieser Briefe ist schon oft hingewiesen wor-
den, und hierfür gibt es schon manche wertvolle Vorarbeiten.^) Im be-
sondern hat Deissmann in seinem Buche „Licht vom Osten" unter Vor-
legung von fein ausgewählten Proben diese Texte benutzt, um die Volks-
psyche namentlich der unteren Schichten zu studieren.^) Andere wieder
haben sich mit Erfolg bemüht, die Briefe als Quelle für eine lebendige
Vorstellung von dem alltäglichen Leben jener Zeiten zu verwerten.^)
Ich kann hier nur eine kleine Auswahl vorlegen (477 — 483). Es sind
wechselreiche Bilder, die schon diese wenigen Texte uns vorführen. Neben
dem in seiner Schlichtheit ergreifenden Kondolenzbrief (479) stehen an-
dere, die von der Zurüstung fröhlicher Feste sprechen (477, 478). Voll
kindlicher Pietät ist der Brief des jungen Rekruten aus Italien an seinen
Vater im Faijum (480), und voU inniger Empfindung der Brief an Apol-
lonios, in dem die Schreiberin wünscht, daß sie fliegen könnte, um zu
ihm zu kommen und ihn zu begrüßen (481). Neben dem Brief eines
Vaters, der seinen Sohn ermahnt, immer bei den Büchern zu sein und zu
studieren (482), steht der Brief einer Schwiegermutter (?), die ihrem
Schwiegersohn Vorwürfe macht, daß ihre Tochter selbst nährt und er
keine Amme engagiert (483).
Wenn so die Briefe besonders geeignet sind, uns in das Volksleben
hineinblicken zu lassen, so sei doch hervorgehoben, daß auch andere
Gruppen von Texten sehr anschauliche Bilder vom damaligen Leben ent-
hüllen. Ich denke an gewisse Bittschriften und Klagschriiten, in denen
der betreffende Fall oft sehr drastisch mit reichem Detail vorgetragen
wird^), oder auch an die Protokolle von Gerichtsverhandlungen, in denen
1) Vgl. die Übersicht im Arch. I 21 f., die in der neuen Auflage gleichfalls sehr
anschwellen wird.
2) Eine treffliche Sonderedition der Privatbriefe aus ptolemäischer Zeit ver-
danken wir Witkowski (Epist. priv. graecae, Teubner), soeben in 2. erweiterter Auf-
lage erschienen.
3) 2. Auflage S. 100 ff. Vgl. auch von demselben die Bibelstudien S. 208 ff. und
Bible Studies S. 21ff.
4) Vgl. P. Viereck, Aus der hinterlassenen Privatkorrespondenz der alten Ägypter
(Voss. Zeit. 3. Jan. 1895, 1. Beilage). Fr. Preisigke, Familienbriefe aus alter Zeit
(Preuß. Jahrbb. 1902, 88 ff.). R. Cagnat, Compt. Rend. de l'Acad. d. Inscr. et Bell.
Lettr. 1901, 784 ff. Vgl. auch v. Wilamowitz, Griech. Lesebuch I 2^ 396 ff.; Π 2^, 261 ff.
Breccia, Atene e Roma V 575 ff,
5) Yg]. Bd. II Kap. ΐ und II.
Briefe. Geselligkeit. 419
oft die Aussagen der Parteien oder Zeugen an Urwüchsigkeit und Natür-
lichkeit hinter den Briefen nicht zurückstehen.^)
Über den geselligen Verkehr von Familie zu Familie geben uns
namentlich die uns erhaltenen Einladungen Aufschlüsse. Ich habe schon
im IL Kapitel eine Einladung zu einem religiösen Kultmahle abgedruckt.*)
In denselben Formen bewegen sich die kleinen BiUette, durch die zu Fa-
milienfesten eingeladen wurde. Bald wird zur Hochzeit der Kinder ge-
beten^), bald zur Feier der Epikrisis*), bald zum Gastmahl (ξενία).'^) Allen
diesen Texten, die aus dem IL oder III. Jahrh. n. Chr. stammen, ist ge-
meinsam, daß der Name des Einzuladenden nicht genannt wird. Hieraus
möchte ich folgern, daß diese Billette den zu ladenden Gästen persönlich
durch einen Boten überbracht wurden.^) Es ist dies um so wahrschein-
licher, als der Name des Gastgebers in der Regel so kurz (nur mit dem
Individualnamen) genannt ist, daß ohne die Erläuterung des Boten man
kaum wissen könnt«, zu welchem Χαιρήμων oder ^lovvötog man gehen
sollte. Wenn man sich auf die mündliche Einladung durch den Boten
nicht beschränkt hat, so werden diese BiUette wohl als etwas gesellschaft-
lich „Feines'^ gegolten haben. Die Namen der Gastgeber sind alle grie-
chisch oder auch römisch und weisen, wie die Epikrisis, auf die „bessere"
Gesellschaft hin. Die BiUette stammen alle aus Oxyrhynchos bis auf eines,
das in dem Faijümdorf Kasr el-banät (Euhemereia) gefunden ist (485).
Aus der Überbringung durch den Boten erklärt sich wohl auch, daß die
Texte, mit einer Ausnahme (486;, auf dem Verso keine Adresse tragen.
Wahrscheinlich wurde in der Regel dem Boten eine Einladungsliste mit-
gegeben, nach der er die gleichlautenden BiUette austrug. Die Festlich-
keiten begannen, im Faijftm ebenso wie in Oxyrhynchos, in der Regel
um die 9. Stunde, also am frühen Nachmittag. Nur der römische Decurio
(487) lädt schon zur 8. Stunde ein. Mit einem Konflikt geseUschaftlicher
Pflichten scheint man in diesem glücklichen Lande nicht gerechnet zu
haben, denn die Einladungen erfolgten in der Regel erst am Tage vor
dem Fest oder — nach einem Leipziger Ineditum — sogar am selben
Tage (όήμερον), auch wenn es eich um eine Hochzeit handelte.
Anders waren die Einladungsformen, wenn man eine auswärtige Per-
son einlud. Dann wurden richtige Briefe geschrieben, in denen dann wohl
auch Esel oder Schiflfe für die Reise zur Verfügung geeteUt wurden.^)
1) Vgl. Bd. II Kap. I und U.
2) Oxy. I HO (09), dem Oxy. lU &S3 hinznsoftlgmi iit
8) Oxy. IUI (484), lU 624, VI 927, Kay. 18f (4S5).
4) Oxy. VI 02« (486). 6) Oxy. IV 747 (487).
β) Andere Wilamowitz, (iOA 1898, 088 und Or. Loseb. II 2•, 268.
1) VkI. Oxj. I 112 (488., BOU 888 (480), die übrigen• beide etwa« janK«r tind
alN di« Hilleite. Den Unterschied der Form mOchU^ ich aber doch eher aU durch
die Zeit vielmehr durch die VeranlaMong wie oben erldlren.^
27•
420 Kapitel XII. Aus dem Volksleben.
Von den Familienfesten wenden wir uns zu den Volksfesten. Die
Papyri haben uns auch hierfür manche interessante Aufschlüsse gebracht.
Wir hören zunächst von großen allgemeinen Festen, die aus Anlaß von
Vorgängen im Kaiserhause durch die Regierung angeordnet worden
sind. Natürlich haben diese Feste zunächst einen religiösen Charakter, doch
haben sich in der Praxis auch richtige Volksfeste daran angeschlossen.
So Ordnet der Präfekt Mantennius Sabinus im J. 193 durch Edikt an,
daß die Alexandriner insgesamt {πανδημεί) opfern und beten sollen für
das neue Herrscherhaus und fünfzehn Tage hindurch Kränze tragen sollen.
Abschriften dieses Ediktes gingen dann an die drei Epistrategien zur
Nachachtung in der χώρα. Uns liegt der Erlaß an die Strategen der
Heptanomia vor (BGU II 646 [490]).^) Wie dann weiter auf solche Edikte
hin die Strategen möglichst schwungvolle Proklamationen an die Bevöl-
kerung ihres Gaues ausarbeiteten, zeigt uns in ergötzlicher Weise ein Ent-
wurf des Strategen des Oxyrhynchites, in dem er aus Anlaß der Thron-
besteigung des Nero die ganze Gaubevölkerung zum Kränzetragen und
Stieropfern auffordert (Oxy. VII 1021 [113]). Wie solche Feiern nun aber
zum Volksfest wurden, das zeigt uns der außerordentlich interessante
P. Giss. 3 (491), der uns ein Stück von dem Text der szenischen Auf-
führungen selbst bringt, durch die die Thronbesteigung des Hadrian in
ApoUinopolis Heptakomia gefeiert wurde. Aus dieser szenischen Dar-
stellung, in der der Gott Phoibos und der „Demos" miteinander auftreten,
erfahren wir (nach Kornemanns Deutung) auch von einer Bewirtung durch
den Strategen, an der das Volk sich berauscht, sowie von einer Feier im
Gymnasium.
Aber auch abgesehen von diesen Kaiserfesten ist in Ägypten an
öffentlichen Spielen und Lustbarkeiten kein Mangel gewesen. In Oxy. III
519 (492) und VII 1050 (IL/III. Jahrh.) haben wir Abrechnungen über
die Einnahmen und Ausgaben, die die Stadt Oxyrhynchos für städtische
Festfeiern gehabt hat. Die Einzahlungen kamen von den städtischen
Archonten, dem Gymnasiarchen, Exegeten und Kosmeten. Die Ausgaben
zeigen uns die Verwendung für Pankratiasten und Faustkämpfer und Ball-
spieler, für Musikanten und Tänzer, aber auch für Mimen und Homer-
rezitatoren (δμηρίΰτγ}). So griechisch auch diese städtischen Spiele er-
scheinen, so dienen sie doch in beiden Fällen der Feier des altägyptischen
Nilfestes. Ein anderer Text (Oxy. VII 1025 [493]) zeigt uns, wie jene
städtischen Behörden aus Anlaß des bevorstehenden Geburtstages des
Kronos einen βιολόγος wnd einen δμηρίοτής zu der Panegyris engagieren.
Daß später auch in Alexandrien , sowie im Lande die Pferderennen eine
1) Vgl. auch P. Berl. Bibl. 1 (jetzt bei Deissmann, Licht vom Osten^ S. 277), wo
aus Anlaß der Ernennung des Maximus zum Cäsar eine religiöse Feier (τάς ϋ-εάς
κωμά^εσ^αί) angeordnet wird. Vgl. hierzu die Note zu 41, III 15.
Volksfeste. Bestattungssitten. 421
große Rolle spielten, daß auch hier wie in Byzanz die Parteien der Blauen
und der Grünen sich gegenüberstanden, darauf ist schon oben S. 144 kurz
hingewiesen worden.
Auch in den Dörfern schlössen sich an die religiösen Feste gern
Lustbarkeiten aller Art an. Doch wenn ich nicht irre, haben diese Dorf-
feste — wenigstens nach dem bis jetzt vorliegenden Material — einen
anderen Charakter als jene städtischen Feste. Während diese wesentlich
griechische Elemente enthielten, erinnern die Dorffeste stark an die alt-
ägyptischen Lustbarkeiten.*) Wir haben noch von keinem Homeristen ge-
lesen, der für ein Dorf engagiert wäre, sondern hier handelt es sich meist
um Tänzer und Tänzerinnen oder Musikanten, einmal auch um Panto-
mimen (Flor. 74).^) Natürlich wird die Grenze nicht scharf zu ziehen sein,
aber im allgemeinen dürfte doch ein solcher Unterschied bestanden haben,
und darin würde sich die stärkere Hellenisierung der Städte gegenüber
dem flachen Lande dokumentieren.») Vgl. Oxy. IV 731, Oxy. ΙΠ 475 (494),
Lond. 11 S. 154 (495), Gen. 73 (496), Grenf II 67 (497).
In den letztgenannten drei Urkunden sind es Vereine, die die Tänzer
usw. zu dem Dorffest engagieren, während in Flor. 74 der άρχεφοδος des
Dorfes den Vertrag schließt. Hierdurch werden wir wieder auf die große
Bedeutung, die die Vereine für das Volksleben gehabt haben, hingewiesen.
Über die Handwerkervereine und ihre Entwicklung ist schon oben S. 261
kurz gesprochen worden, ebenso über die griechischen und ägyptischen
Kultvereine auf S. 101, 109, 121.^) Auch nach den grundlegenden Ar-
beiten von Ziebarth^) und Poland^) würde eine erneute Untersuchung
über die Rolle, die die Vereine im Volksleben Ägyptens gespielt haben,
eine lohnende Aufgabe sein.
Die Papyri zeigen uns endlich das Volk auch in seiutr Trauer um
die Toten. Auch hier wie bei allen diesen kulturhistorischen Problemen
wird vor allem zu scheiden sein zwischen den Auffassungen und Sitten
der Griechen und der Ägypter und wird zu prüfen sein, wie sie sich be-
einflußt haben. Eine zusammenfassende Bearbeitung des gesamten Mate-
rials würde auch hier zu wertvollen Ergebnissen führen, wozu freilich die
Heranziehung der reichen ägyptischen Literatur sowie der archüologiscben
Forschungen unerläßlich wäre. Reiche Aufschlüsse über Begrabnissitten
1 Vgl. Ad. Erman, Ägypten und Ägyptisches Leben S. 886 ff.
2) Vgl. Arch. IV 452.
8) Das Buch von Reich Aber den Mimns bietet aach fOr diese Probleme wert-
volles Material. Vgl den intoressanten Bericht aus den MiLrtyrerakten Ober den τοη
den Antinoiten zärtlich Kclicbien Mimen rhilemon auf β. 179 f. (aus diokletiani•
scher Zeit).
4) Vgl. ζπίπ V»r-iri«wrBrn auch 110Λ.
6) DaM weH«•!! 1Η9β.
βι GeSi ! hrji ν«•ρ•ίη«ντί•ιιι•ηΝ 11>0U.
422 Kapitel ΧΠ. Aus dem Volksleben .
und Totenkult der ptolemäischen Zeit bieten die älteren Erwerbungen, vor
allem die Pariser Papyri, die von den χοαχνταί und den παραοχίΰταί und
ταρίχενταί handeln (vgl. oben S. 112). Deren Besprechung muß ich mir
für die Neuedition in den „Urkunden der Ptolemäerzeit" vorbehalten. Hier
sei zum Schluß nur darauf hingewiesen, daß auch für die Kaiserzeit in-
zwischen manches Material für diese Fragen bekannt gemacht ist>) Über
die Balsamierung der Leichen und ihren Transport zur Nekropole berich-
ten einige Rechnungen wie Amh. 125, Fay. 103, Grenf. II 77 (498). Vgl.
auch Oxy. YII 1068. Der Transport wird uns namentlich durch die vielen
Hunderte von hölzernen Mumienetiketten 2) illustriert, die an den zu trans-
portierenden Leichen befestigt wurden und Namen und Alter des Toten
und den Bestimmungsort, manchmal auch fromme Wünsche und Gedanken
enthielten.^) Eine solche τάβλα erwähnt auch der instruktive Brief Par. 18^^^
(499). Die Sitte der Leichenschmäuse wird schon für die Ptolemäerzeit
durch Teb. 118 (vgl. auch 177, 224) bezeugt, und in einem Testament aus
dem III. Jahrh. n. Chr. (Lips. 30 [500]) sehen wir, wie man schon bei
Lebzeiten Bestimmungen dafür traf, daß einst an den Totentagen von den
Hinterbliebenen geschmaust werde. Wenn in demselben Testament sich
die überraschende Bestimmung findet, daß neben dem Grabe eine „Pyra-
mide" hinzugebaut werden solle — freilich nur ein kleines Pyramidion,
das nur 300 Drachmen kosten soll — , so zeigt uns dies recht deutlich
die Stabilität der ägyptischen Vorstellungen. Wohl hat das Christentum
dann eine neue Gedankenwelt gebracht, aber von den äußeren Formen
der heidnischen Welt sind manche gerade auch auf diesem Gebiet zugleich
mit dem Begräbnismodus in die neuere Zeit hinübergegangen. So nimmt
es nicht Wunder, daß in dem um 600 aufgesetzten Testament des Bischofs
Abraham die Bestimmung über die Behandlung seiner Leiche und die
frommen Gaben an den Totentagen „nach heimischer Sitte" sich formell
mit jenem heidnischen Testament berühren.*)
1) Vgl. die Zusammenstellungen von SudhoiF, Ärztliches aus griechischen Pa-
pyrusurkunden (1909) 186 ff.
2) Zur Orientierung verweise ich nur auf: E. Le Blant, Rev. Archeol. XXVIII,
XXIX; W. Spiegelberg, Ägyptische und griechische Eigennamen (1901) (vgl. Arch.
II 177 ff.); H. R. Hall, Proc. Soc. Bibl. Arch. XXVII, wo weitere Literatur zu finden
ist. Vgl. auch Arch. IV 250 ff.
3) Nach Spiegelberg sind sie ursprünglich ein billiger Ersatz für die Totenstele.
Vgl. auch Arch. IV 250.
4) Lond. I S. 234, 56 f. Vgl. meine Bemerkung in P. Lips. S. 79.
Ι. WÖRTERVERZEICHNIS.
Α. DEUTSCH-LATEINISCH.
Abinnaeus' Correspondenz
407
Abkommandierungen zur
(byz.) Feldarmee 405
Abkürzungen Einl. XXXIX
AbsolutismuB der Ptolemäer
2 f.; 5f.; 182 f.
— der Kaiser 30
— Diokletians etc. 67
adscripticius 326 A. 1
Ägypter, Charakterisierung
durch Caracalla: 38 f.
Ägyptische Kulte 103 ff.,
123 ff.; 90—123
Ärztel45A. 1;395;494, 8
Afberpacht (auf d. Domäne)
292; 328
Agone der Epheben 143;
180 Ϊ
Ahnenprobe der Priester
128; 102 S.
Akklamationen 56 \ 69
AktprÜHkripte 100; i35ff.
ala Gallica 416 (vgl. 37)
Alabaetcrbriiche 81)1 (vgl.
Nachtr.).
Alexander der Große, Ord-
nunij Ägyptens 8 f.
l: liVriöee Toleranz 92
Kult, in Aleiandrien 97;
ll'J; 135ίϊ.
.\gone in .Memphis 188 f.
Alexanderprieeter 97; 119;
Alfxun.lrien 14 ff.; 48 ff.;
72; 2 HS; 206
Alexandrinische Juden 82
Altäre {u^gen Kinquartie-
ning> 441)
Am«iiliot4!p, der weite ΙΟβ;
10.»
AinfHii.l•• !H;
Ainul.tt«• l'i.'
182; 188
An. I 187
iitiip 11 808 ff.
aiiiiona .Π Mi.iri• 188;8A9f.
Antinoites 36
Antinoopolis 49 f. ; 82 ; 233
266 A. 3; 305; 310 f.; 345
403 f.; 4<2f. (vgl. Nachtr.)
44 ff.; 47 f.; 181; 242 f.
283 t
Antinoos-Kult 121
Antiochia, Rekrutentrane-
port nach, 469
Antisemitismus 26; 63 f.; 84
Apionen 317; 3S3; 384
Apis 102; 105; 123; 92;
112; 114
ApoUonios, Stratege von
Heptakomia 27 S.
Apotheose berühmter Män-
ner 106
Apotheose der Könige 94;
98 ff.
Apellationsrecht 352
Arabische Eroberung 89 ;
281 ff.; 14 f.
Arabische Papyri Einl. ΧΠΙ
Arabische Verwaltung 88 f. ;
135; 168; 231 ff.; 838;
371
Arabische Waren 190
Aramäische Papyri Einl.
XII
arca 164 f.; 166; 211
Arcadia 74
— in arab. Zeit 90; 282
Archiniandrit 159
Archimedische Schraube
828
Arsinoö Philadelphos 249
ArUben Einl. LXVIII
Arure Einl LX.XII
Astarte• Kult 112
Atylrecbt94; 96; 100; 291;
98; 136
•— Kinsohr&Dknng 114; 824 ;
78
Athleten 144; 1Η4Ψί.
Attgenkranker, militärf^M
466
Auguiialii 74; 90; 283
Augustamnica 74
Auktionsordnung 240
aurum tironicum 409
Aussaat-Forderung 343
Autogramm eines Königs 7
— eines Kaisers 12
Autopragie 83 ; 230 f. ; 232 ;
297
Babylon 232; Γ.2 zu 13
Banken (Veriiachtuug)181 ;
183
Bankmonopol 245; 181
Barbarisierung des Heeres
408
Basmala 135
Bazar von Koptos 826
Bergwerksmonopol 252
Beschneidungs - Urkunden
128; 102—106.
Bevölkerungspolitik der
Ptolemäer 19 ff.
— der Römer 53 ff.
— der Byzantiner 84 ff.
Bevölkerungeprobleme 75ff.
Bierbrauerei 810
Bildung 145
Biunenhandel 268 f.
Binnenzölle 172; 190; 290 ff.
Bistümer 180
Blemyer 30; 68ff.; 88; 6; 7
Bodenqualitäten 278
Bodenwirtschaa 270 ff.
Briefe (als kulturhietonsohe
Γ Eroberung 184
1 471
i; Μ tonnen Einl.
>log 166
• f.; 3tfff.
.Ion .\piii Itii
: β7
424
Ι. Wörterverzeichnis.
capitulariuB {τιεφαΧαίωτης)
410
Caput (Dioklet.) 221; 236;
390
Caracalla in Ägypten 22;
245
— in Syrien 245
castra (als Origo) 394
censitor 225 f.; 228; 210
(vgl. Nachtr.)
Centurie (== Schiff) 565
Centurionen, Schwinden der
406
Christen Verfolgungen 113
Christliche Kirche 131 f.
Christliche Religion 130
civitas 43 (vgl. Nachtr.) ; 78
classis Alexandrina 379
Claudius, Prozeß vor 14
conductoria 437
consistentes 55; 54 zu 9
constitutio Antonina 55 £f.;
116; 115
Consulatsdatierung Einl.
LIX; 68
cornicularius 306
Corpus papyrorum Einl.
XXIII
cura annonae 186
curator civitatis 80; 7lS.;
182
cursus bonorum (ptol.) 140 ;
196
Dammfronden 330 if.
Datierung der Urkunden
Einl. LYII
debitor fisci 201i.
Decianische Christenver-
folgung 151^.
dediticii 29; 56 ff.; 85
defensor civitatis 80 f.
Dekurionatsordnung 42; 79
delegatio 224
Demos, Eintritt in den 168
Demotische Papyri Einl.
XII
Diözesen 71 f.
Diokletianische Ära Einl.
LIX
Diokletians Abkommen mit
den Blemyern 68; 13i.
Diokletians Reformen 66 ;
71fF.; 161 fiF.; 219
Dioskuren 118; 123Ϊ.
Dörfer im Streit 23
domestici bei den Blemyern
U
Domitians Veteranenedikt
463
Doppelnamen von Göttern
108
Doppelnamen vonMenschen
23; 75
Dorfgötter 104
Dorf kataster 341
Dorfverwaltung 12 f.; 43; 84
Dreiteilung des Landes 35
Drohung gegen die Götter
149
Droysens Programm des
Hellenismus 1 A. 3
Düngung 327
dux 73 ff.; 232
Dynastische Kämpfe 5
Edikt des Mettius Rufus 202
Edikt des Vibius Maximus
202; 193
Edikte, ihre Publikation
23; 32
Eheverbot der Soldaten 397
Eid beim Genius 144i.
Eid der kgl. Pächter 275;
327; 291; 344; 345
Eid in der Kirche 133
Eide von Epheben 17 3i.
Einkünfte der Ptolemäer
172 f.
Einladungen 419
Elementar-Unterricht 136
Elephantenjagden 263 f. ;
387
Emphyteuse (kirchliche)313
Epheben 139 ff.; 166^.-,
180 W.
Ephemeriden der Ptole-
mäer 6
Epistrategen ptol. 10
— röm. 36 f.; 156.
Erbpacht 285; 301 A. 4;
313 f.; 194; 207; 340;
379
Erbschaftssteuer 187
Eremiten 133
Euripides- Zitat im Rats-
brief 58
-exactor 77 f.; 229; 238; 43:
44; 281
Exeget von Alexandrien 16 ;
47; 98, 2; 364; 169
— in Metropolen 39
extraordinaria 222; 235
Faschinen 387 III 19
Faustina 180
Feste, relig. 109; 126; 420
Fetischismus 108; 124f.;
149
Finanzressorts 146 ff.; 153 ff.
Fischerei 252; 320
Fiskus 153 f.; 155; 162
Flaccus in Theben 414
Flaccus' Waffenverbot 13
flavialis 424, 9
Fleischtransport 67 ΐ.
Flotte 389; 392
Flucht aus der ίδια 324 f.;
354; 382
Frauen, Verhältnis zur ini-
βολή: 321 f. Vgl. 394, 24
Freihafen (?) 2G()
Freilassungssteuer 187
Friedrich der Große 266
Fronarbeiten 330 ff.; 385 ff.
Fronde der Alexandriner 44
Fruchtsorten 327
Fruchtwechsel 327
Fustät {Φοαοάτον, fossatum")
232
Gallienus, Reskript 158
Gartenkultur 328
Gauaufgebot 392
Gaue 8
— , Aufhören der 77 f.
Gaugötter 103 t.
Gaukataster 178; 206; 233
Gauschreiber lb1;204; 222
Gebäudesteuer 171; 188
Geburts- undTodesanzeigen
174; 195f.; 2llff.
Gefängniswesen 416
Gegenquittungen 112 zu
85, 15
Geld Einl. LXI
Geldwirtschaft 146
Gemeindeland 286 f.; 308 f. ;
314
Genius (im Eid) 144
Georgius Cyprius 76
Germanicus in Theben 413
Geselligkeit 419
Gesellschaftsvertrag (von
ßua. γεωρ.) 347
Gestellungsbürgschaften
354
Gewerbesteuern 171; 188;
221; 235; 251; 293
Götternamen in Eigen-
namen 104
Gräko-Ägypter23; 74; 75 f.
Grenzen Ägyptens ptol. 4
— röm. 29
— byz. 68
Griechenstädte 12 ff.; 43 ff.;
81 ff.
Griechische Beamte bei den
Äthiopen 10
Griechische Kulte 96 ff.
118 ff.; 123i.
Grundherrschaften 71; 82
310; 314ff.
Grundsteuer 170; 187 f.
220 f.; 235
Grundstücks-Deklarationen
226 ff.; 228; 229
Ι. Wörterverzeichnis.
425
Gymnasiale Ausbildung
138 ff.; 166ff.
Gyninasiarch von Alexan-
drien 46; ^4 ff.; 54 ff.
Gymnasiarchen in den Me-
tropolen 52; 53; 177
Gymnasiarchen als Leiter
der Gymnasien 139ff. ; 143
Gymnasium 87 ; 138 ff. ;
166^.
Gymnasium-Bäder 177
Hacke und Korb 244; 387
IV 32
Hadrian in Theben 412
Hadrians Thermen in Oxy-
rhynchos 52 i.; 72
Handel 262 ff.
Handwerker 260 f.
Hauslehrer 162
Heeresdien-st, Qualifikation
zum 140
Heeres - Verpflegung 357 ;
359 ff.
Heidnische Konventikel 150
Heidnische Kulte 133 ff.
Heilgötter 108 f.; 125; 148
Heliopolis 53; 51
Hellenen in der Kaiserzeit
68; 61
— in byzantinischer Zeit 87
Hellenomemphiten 18; 30;
221, 3
Heptanomia 35; 72 f.; 210
Herculia (Aegyptus) 72
Hermonthis (Kämpfe) 17ΐ.;
19
Herrscherkult 98 ff.; 117;
135 fr
Hieroglyphen J63
Hierokles'Synekdemos 75
Hof-Hangklaesen 7; 21
— ihr Verschwinden 80
Homerzitat 478, 10
Horoskope 125
Horoetempel in Edfü 215
Hangersnot 868 f.
Jahr Einl. LIV
— von 860 Tagen ;/
iconierauH 453, 8
IdiologoH 147; 164; 167;
leS; 2H9\ 76; 193ϋ.; 196;
203
Idiologofl alii &QxifQ(vg 127;
101; WfJf.; 107 f.; 114;
145
Iduniäer in Merophi• 18,6
Ilin« I ..Li.ir.. jr,4
lint iarstionen
Irni
orleihung an
incola (liturgiepflichtig)
344; 479 zu 186
Incubation 109; 125
Indiktion Einl. LIX; 2*22 f.
Indischer Handel 264
Industrie 258 ff.
Innere Kolonisation 281
Inspektionsreisen des Prä-
fekten 83
inspectores 228
lovia (Aegyptus) 72
Isis Nanaia 134
Islam 89 ff.; 135
Juden 24 ff.; 62 ff.; 78—88;
295
Judenkrieg Trajans 64f.;
27—30; 180
Judensteuer 187; 198; 85 f.;
295
Jüdische Religion 112
iugum 220
Julia Augusta als Ehepa-
tronin 117
Jupiter Capitolinus 116;
124 ff. (vgl. Nachtr.)
iuratores 226; 228
Juridicus, nach Diokletian
73, 7
Kaisereid 141 f.
Kaisereid eines Juden 88
Kaiserfeste 420
Kaiserkult 117; 1191; 113;
143
Kaiserstatue (Deponierung
bei der K.) 480
Kalamos Einl. ΧΧΧΠ
Kalender Einl. LIV
Kamele (selten in Ptol. Z.)
373
Kampfpreise für Epheben
180
Kandake 29; 10
Kapitol in Oxyrhynchos 116
Kataster, ptol. 176 ff.
— röm. 205 ff.; 237 f.; 231 ff.;
841
Kirche, ägypt. 1 10
— , christl., als Schirt'>*eigen-
tümerin 511
Kircheneid 142
Kirchoninventar 160 f.
Kir 1 818
Kii ik der Pt..lr-
111 . I 279
— .I.r Ι:,.,Μ.•Γ lUf; 8βΜ
Kbni.i • 1 . flundHchrif-
t.M 1 VII; 1,S4
Kl•'. 1 .i; . .... 199
Kl«• I iitr.k ilt 119, 6; 115
K/.n / kr li.Mig 107; 110
Koj.-n.if 'J.r.; 810; 814 ff.;
Ji'j I tl ; :190
Kolonisten von Antinoopolis
aus Ptolemais 50; 42
Kommunalordnung der Me-
tropolen 79
Kommunalsteuem 191 ; 222 ;
297
Kondolenzbrief 479
Konfiskationen des Augus-
tus 289; 368; 369
— von χλι)ροι 334; 335
Konstantinopels Verpfle-
gung 08; 370 ff.
Kontraktionen Einl. XLIII
Kontrollierung der Tempel
100
Konvent 32; 73; 204; 205;
287
Konventsstädte 33; 35; 51
Kopfsteuer 171; 189; 235
Kopfsteuerfreiheit der Prie- ^
ster 93
Kopten 87
Koptische Subskription 77
Koptos (als Handelsplatz)
326
Komtransportl81f.; 376 ff.
47; 71; 196 f.; 440 ff.
Kosmet 139 ff.; 143; 170
Kreuze (liegende): 209, 1
Krokodil-Nekropolen 98
Kultvereine, griech. 101;
121; 112
— ägypt. 109. Vgl. 421
Kurialpräsident 79; 66
Kurien, Aufhören der 282
Kyros, Patriarch von Ale-
xandrien 15
Labyrinth, Opfer im 10 zu
8, 15
Land Vermessung 231; 284
Landwirtschaft 274 A. 8;
826 ff.
largitiones 161; 211
Latein Einl. XLIX; UU;
63 f.; H5f.; 188
Latifundienbildung 817 f.
LatinitiU 565
mg 422
: t 422
■JUt.
umando 8'.•1
; usiU'tacbemente^bys.)
i(i:)f.
ivehnnland S80ff.
LehrlingtTertr&ffe 961 ; 884
Lehrvertrftgo 561
LoontopcÜH, Oniaatempel in
26; 64: 112; 129
Lenexeiclien Kinl. XLVI
T,..t,,i.,,i;f..« •Μ\: 87, 8; 78
i 124 (vgl.
426
Ι. Wörterverzeichnis.
liber literarum missarum
108
Ligaturen Einl. XXXVIII
Liquidationsgesuche 167;
157; 194-196
Liturgen-Ernennung 346 ff.
Liturgie (Amtsliturgie)
211 ff.; 330; 339 ff.
Liturgie , Einführung der
340 ff.
Liturgie, Flucht vor der L.
355; 400; 408
Liturgiebefreiungen 344 ff.
Liturgie-Freiheit der Anti-
noiten 345; 29; 397
Liturgiepflicht der Priester
129; 344; 84
Lokale Konskription 394
Lucceius Ofellianus 37 A. 3;
265 III 9.
Luftsteuer 236; 298
Magazine 153; 161; 224
magister rei privatae 163;
209
Mareoten 379 zu 4
Marktstände 296
Martyrien (alexandrin.) 44 f.;
64; 24^.; 54 ff.
Maße Einl. LXVII
Maximus, Bischof von Ale-
xandrien 153
Meliorationen 186 ; 281 ; 332
Memphis 18
Menis-Kult 106 f.; 123
Merkantilsystem 265
Metropolen der Gaue, ptol. 9
— röm. 38 ff.
Militär 381 ff.
Militärdiplome 398; 399
Mimi sehe Aufführungen 420
Mischehen 74; 75
missio 398; 457
Mithras 129
Mnevis 105; 113
Mobiliendeklarationen 175 ;
205; 241 ff
Moerissee 153 zu 8
Monate Einl. LVI
Monophysiten 133
Monopole 95; 239 ff.; 299 ff.
Moriopolpächter 244
Menth (= Apollo) 141
Moscheen {μαβγιδα) 338 f.
Münze Einl. LXII; 68
Mumienetiketten 422.
Mumienkartonage Einl. XX
Munizipalordnung 42; 79;
66^.
Myrrhen-Yerkauf 309
Namensänderungen 61
Narses gegen die Blemyer 69
Nationalismus 5; 20 f.; 60;
87 f.
Nationalitäten im Heere
382 f.; 393 f.
Naubion- Abgabe 331; 336
Naukratis 12 f.; 47 f.
— Gesetze von 51; 44
Neapel in Italien 184
Neapolis bei Alexandrien
369
Nearchos' Wanderungen
117
Neros Thronbesteigung 143
Niketas 70
Nilindiktion(?) Einl. LXI
Nilometer 209
Nobaden 68 f.; 12
Nomarchen Alexanders 9
A. 6; 10
— der Ptolemäerzeit 10 f.
— der Kaiserzeit 38; 41
Nomina sacra Einl. XLIII
Notitia dignitatum 74
Nubier 6 8 f.; 12
numerus (Unterabteilung)
536
Oberpriester von Ägypten
114; 121; 127; 100—108
Öl für die Gymnasien 178
Oktavians Veteranenedikt
462
Ölmonopol 240 ff.; 250;
299ff.; 311ff.
Ölmühlen 31 2 ff.
Ölpreise 300 f.
Ölschmuggel 362
Oikenwirtschaft 258 f.
Opfer 126
Orakel 109; 125; 123; 124;
1491
Orakelfragen , christliche
132; 159
Orient (ανατολή) als Pro-
vinz des Khalifenreiches
89; 40
Orientalen in Ägypten 24
Orientalische Kulte 112:
129 f.; 101Ϋ.
Othonionmonopol 245
Oxyrhyncbos, Neubesied-
lung 180
Pachomius, der heilige
144, 3
Pachtgesellschaft 182; 292
Pächtermangel 211 f.; 324 f.;
275
Pagarchen 83; 90; 232 ff.
Pagus-Ordnung 76 f.; 83
Palaestrawächter 179
Palmyrenische Herrschaft
30
Papier Einl. XXXI
Papyrusfabrikation Einl.
XXIX; 255; 319
Papyruseditionen (Liste)
Einl. XXV
Papyrusfunde Einl. XVI
Papyrusgrabungen Einl.
XXI
Papyrussammlungen Einl,
XXIII
Patrimonium 154; 311;
206 ή:
piitrimonium, sacrum des
Anastasius 162; 163
patrocinium 322 f.; 235
peraequatores 228
Persische Papyri Einl.
XIII
Pertinax' Thronbesteigung
490
Pest 324 A. 3
Petesuchos 105, 3 ; 106 ; 3, 13
Petronius Mamertinus
(Chronologie) 43 zu 15
Pfändungsrecht 185; 310;
268
Pferdehändler (jüdischer)8i
Pferdewettrennen 144
Pfründen 95
Philae, Isiskult auf 68 f.; 134
Phratrien 16; 41
Phylen undDemen in Nau-
kratis 13
— in Alexandrien 15; 45 f.
— in Ptolemais 17; 49
Phylen in den Metropolen
43f.; 80; 348f.; 55; 71
— der Priester 111
Pincio-Obelisk 124
Pluralis in den Akklama-
tionen 45, 29
Plution, ducenarius o7f.;
178; 187
Pnepheros (Asylie) 98 i.
Politik der Ptolemäer 4
— der Römer 31
— der Byzantiner 66 ff.
Polizei 411 ff.; 472 ff.
Polizeiorgane in Stadt und
Dorf 414 ff.
Posteinrichtungen 3 72 ff.;
435 ff.
praefectus Aeg. 31 f.; 156
praefectus Aegypti amtiert
auch in den Teilprovinzen
73; 71 f.
praepositus pagi 77; 66
— legionis 406
— thesaurorum 165
praescriptio longi temporis
63 zu 21
Ι. Wörterverzeichnis.
42'
Praktorie, Einführung der
212 f.
Priesternamen 163
Priesterschaft 109 fif.
Priesterstellen, Verkauf von
106—109
Priestersynoden 110; 127
Prinzenerziehung 136, 2
Privateigentum (am Boden)
287
Privatkult 109; 123
Privatland 284 if.; 31 4 ff.
Privatlehrer 164
Privilegien der Veteranen
404
probatoria 411; 470 '
procurator ad Mercurium
— Neaspoleos 191; 369
— usiacus 158
— — als διαίίΒχόμΒνοξ την
όρχιερωαννην 127 ; 101 f.;
107; 108
Prophetien , Verkauf von
106—108
Protokolle (byz. arab.) 135;
40 zu, 8
Provinz Ägypten seit Octa-
vian 28
Ptolemaios III Euergetes
Syrischer Krieg lü'.
— IV Philopator 20; 96;
107; 138
— Euergetes 11, Friedens-
kundgebung 91
Ptolemaios-Kult in Ptole-
mais 98
Ptolemais in Obenlgypten
16 ff.; 48 f.; 82; 42ΐ.
Publizität der Amtstage-
l.üchtT 59 i.
Pulbil kation von Edikten
2.Ί; 32
Pyramide 422; 500
quu<lrariiiö(Dorfb(iamter) 84
liaHHcnmiechung 23 ; 61 ; 87 ;
ÜO
rationaÜH 162
KatHprotokoU•• r,ii
rcceptum nautarum 441;
448
r ' ' ". rinl. XXX
r'iobung)
I I ; J t i \S.
ung ^byz.) 408 f.
' •ik der Ptole-
rii .
- .1. I I18ff.
lO'piirtitioiuliTStriK'rn -"21 ;
Requisition v. Kamelen 245
res privata 155; 161; 210
Revolutionen 2 1 f. ; 60 f. ; 16 ;
irf.; 22^.; 3i; 199
-riparii 415
Römische Bürger 53 ff. ; 84 f.
— Götter 115 ff.; 124^.
Rom (Brief aus) 120; 445
Roms Verpflegung 186;
368 ff.
Romanismus Einl. XXXIX:
XLIX; 68; 85 f.
Säkularisierungen 114
Sakje 327 f.
Salus (im Eid) 145; 156
Salzmonopol 249
Sansnös, Sprüche des 117;
124; 110
Sarapis 93; 101 ff.; 122 f.;
38; 130 ff.; 135 zu 3
Satumalienfeier 115 f. (vgl.
Nachtr.)
Sassaniden-Eiufall 70
Szenische Darstellung 491
Schreibmaterialien Einl.
XXVIII
Schrift der Ägvpter 163
Schriftlehre Einl. XXXIII
Schulbücher 137
Schweineaustreibung 102
Semitische Arbeiter 108, 4
Senat ausgeschlossen 29
Septiraius Severus als Vor-
arbeiter des Diokletian
72 A. 2; 155; 202 ü'.
Serapeen 102
Sklavensteuer 259
Sklaverei 27; 260; 232
Sold 389: 397
Solidus Einl. LXVII
Soloi in Kilikien 2; 5 zu 3
Soter-Kult in Ptolemais 98;
119
Sprache der Papyri Einl.
XLVIII
Sprachenfrage 53 Γ ; .^is »
Stadtären Einl. LXI
Stadt<|uartiere in Alexan-
drien 16
— in Antiiioopolis 50
Stadtrecht der Metropolen
41
Stadtische Beamte 39 f.
— Schwinden derHolben HO
StädtiHcho Finanzen 166 f.
— Verwaltung der Tempel
129; 802
Statiliue Maximu« 44 βα Se -
«tationarii 118 f.
st.Mi-'-i..i»i v:\u] xx'VVFT
Steuererhebung 1 79 S. ;
210ff.;228ff.;238;258ö".
Steuerhufen Diokletians 220
Steuern, ptol. lG9ff\
— röm. 186 ff'.
— byz. 220 ff.
— arab. 234 ff.
— in den außerägyptischen
Besitzungen der Ptole-
mäer 169; 7 ff.
Steuerobjekte 174ff.;202ff.
Steuerpacht 182ff\; 218 f;
230; 199
Steuersubjekte 1 73 ff. ;
192 ff.; 225 f.
Steuersubjekts - Deklaratio-
nen 1980'.
Stiftungen 158; 108; 407
Strategen der Gaue 11; 37;
42; 159; 56
— Aufhören der 77
— Schwierigkeiten der Str.
mit den Römern 55 f.
— Amtstagebuch des 59 S.
Sultan 232
Symbole (Siglen) Einl.
XLV
Synagogen 24; 112; 78; 80
Synkretismus 107; 124
Syntaxisbehörde 389; 283;
380
Tachygraphielehrer 165
Talente (leichte u. schwere)
377 unten
Tempel von Kerkeosiris 00:
888
Tempelabgaben 172; 191
Tempelbauten (ägypt) 93
Tempeleide 140; 142
Tempelinduetrie 258 f.
Tenipelland 94; 883
Tempel-Organisation 109 f.
Tempelrevenueri 832
Tempelzerstörung durch
Christen 133
totates (die mit der Toien-
marke 6) 893 A. 8
Thebais, Teilung iu eupe-
rior und inferior 76; J3
Thobone Zerstörung 2ϊ; 22
Theokrasio 98
Tierkult 105; 128;Ρβ;11?Γ
Ti ' ' ' .\XXIII
T. ι 16; Μ
Ί. •.»
icr 7»'.
Τι:. .. . .Μ '.Μ 1••1
Ti.tniKiit 1 1•..•. :.(ΐο
Tot. 1,1:•.!. !. ! "•,
'I'iiujiuf li'.'
rrniiMvirnt
428
Ι. Wörterverzeichnis.
üferland 291; 853; 354
Vaballath 30; il; 78
Vaterunser 159
vectigal Maris Rubri 190
Vereinswesen 261 ; 421 ; 141
Vererbung der κλί)ροι 384
Α. 2; 385 f.
Verkauf von Priesterstellen
112; 106—109
Verkehrssteuern 172; 190
Vermögenssteuern 171
Verpachtungsangebote 448
Verpflegung Alexandriens
364 f.; 367
— der Gemeinden 363 ff.
Verpflegungswesen 356 ff.
Verschleifungen Einl. XLII
Versiegelung der Opfer-
stiere 114 &.
Versorgung der Märkte
367 f.
Veteranen 399
— -ansiedlungen 403
Privileg bez. Liturgien
396
vindex in Alexandrien 82
Volksbeschluß aus Oxy-
rhynchos 53
Volksfeste 420
leben 417 ff.; 477 ff.
— -Versammlung, Proto-
koll 69
Zählungen 174; 238
Vorkaufsrecht der Ver-
wandten 444
Wallfahrten 147
Warnung vor den Juden 84
Wasserleitungen 225
Weinproduktion 253
Welthandel 266 f.
Wirtschaftliche Entwick-
lung seit dem IV. Jahrh. 71
Wirtschaftsbücher 326
Wohnungsfrage 417
Zahlensystem Einl. XLV
Zaubertexte 125
Zenobia und Vaballath 30;
78
Zensus (14 jähriger) 192 ff.
Zölle 172; 190
Zolldeklarationen 176
— -erleichterungen 260
Zünfte 221; 261
Zwangsbeiträge 172; 189
Zwangserbpacht 295 f.
kaufe für das Heer 357 ;
359 ff.
pacht 184; 277; 295 f.
(έτίΐβολή)
Zweisprachigkeit (griech.-
ägypt.) 20; 87; 184; 73 f.;
77-, 299
άβροχία - Anzeigen 203 f. ;
207; 225 ff.
αβροχος 204; 274
jiyad^bg δαίμων (Gott.) 144
αγγαρεία 372; 374f.
αγορά (Naturalverpflegung)
409, 14.
άγοραοτος αΐτος (frumentum
emptum) 357
αδελφή als Titel 5
Αδελφοί, Ο'εοί 99
άερι%ά 236; 298
αιγιαλός 291; 353; 354
Αιγύπτια ^ράμματοί 137
AlyvTtTLOL 58; 85
αίρ«(Τ£ΐ? (der Epheben) 139;
142
αΓρε(7^g(Pachtangebot)342,9
αίτήαεις (Liquidationsge-
suche) 167; 157; 194—
196
αιχμάλωτοι (aus Asien) 334
^ίλε^ανδρενξ 15; 82
Άλε^ανδρέων χώρα 286 ; 308 ;
339, 98
Άλε^,ανδρΙνος οτόλος 379
άλιαδίτου (?) 405, 6
άλλόφνλοι 305; 373
άμεδτεοίοις 314, 12
J^μιρaλμoυμvίv 89
ύίμιρατες, Eid bei den 145
άμμόχωατος 227; 204
άμφοδάρχης 40; 195
άμφοδογραμματενς 349; 55
αμφοδον 40; 348 ί.
άναβολιν.ά 249
άναγιγνωβν,ω (ich will vor-
lesen) 45 zu 24
Β. GRIECHISCH.
άναγράφεαϋ'αι 417 zu 12
άναγράφιον (Zolleinnahme-
register) 277, 13
άνα•Λτά.6θ^αι{ύο]ι wirtschaft-
lich erholen) 395, 19
άναλαμβάνειν (zurückneh-
men) 282
άναλειιρία 178
άναμέτρηαις 227; 279; 266
άναμετρητής 226 f.
άναηανματιν,όζ 377, 11
'Ανατολή {=^ Oriens) als Pro-
vinz des Khalifenreiches
89; 40
άναχωρεΐν 196; 276; 324 f.;
215
άνδριϋμόξ 236; 255, 22
άνεπί^^ριτος 220
άνευ (ohne Wissen und
Willen) 258, 10, 6
— βνναΐλάξ,εων 211
άνιερωμένη γη 94; 279; 300
άννώνα 360 f.
άννωνέτίαρχος (praef. anno-
nae Alexandriae) 371
άνόβιοξ 63, 4; 30
άντάτίοχον 112 zu 85, 15;
209
άντιγραφενς (d. Sitologen)
181; 221
— des Steuerpächters 184;
215
Άντινοϊτιγ,οϊ ηαΐδες 45 f
άξια. έξ, άξιας 2 76 f. κατ'
άξίαν 291; 351; 352
άτΐαιτήΰιμα 210; 85i.
άτιαιττιταί 230
άτιαράΰτατος 194; 198
άτίαρχή der Juden 86
άπογραφαί ptol. 175ff.;178
— röm. 202 ff.
— byz. 225 ff.
k7cόδoς 44 zu 35; 394, 39
άποικοι Ήλιου πόλεως 53;
51 ^
άπο•)ίάϋ•αραις 198, 19
άποτιριβιάριος 234 f.
άπόμοιρα 95; 249
αÄoρo^'(unfruchtbaresLand)
^ 380; 381. Vgl. Nachtr.
άπορος 343
άπόΰτολος 443
απρατα 296
εργένης (Galater) 495
αρετή {γη έν άρετ^) 273
άρτιαρι-κά 222
Άρΰΐνόη Νείτιη 172
Άρβινοίτης 104
άρταβιεία 171; 187; 304
αρ;^αιο: γή 286
άρχειον^ το των Ιουδαίων
63
— πολιτιγ,όν 63
αρχή (nicht Liturgie) 341 f. ;
350 f.; 402
άρχιερενς (ägypt.) 111
άρχιερενς Αλεξανδρείας ncä
Αίγνπτον πάο-ης 114 ; 121 ;
127; 100—108
άρχιτέ-Λτων 332
άρχοντες 39; 42; 53; 225
αρώματα (Monopol) 249 ; 31 7
Άρωματοφόρος 264
άαπαβμός 33
άβτή 15
άΰτιν,ά 222
Ι. Wörterverzeichnis.
429
άτελης (arab.) 23δ
αυλαί 3, 8
Ανρήλίοι 55fiF.
αύτουργεΐν 445 zu 24
αφεΰις {έν άψέσει γη) 30;
271; 287
αφεοις (Freigabe d, Korns
von d. Tenne) 331, 62;
337, 10.
^Αφροδίτη Βερενί-αη 134
— η xal Κλεοπάτρα 145 ί.
βαΧανεΐα 177
βαλανιχόν 213
βασιλι-κη (γη) 272 flf.; 288 ff.
310f.
— iv τάξει Ιδιοχτήτον 306
341
— τράηεζα 152 ; 160 ; 193 ff.
199
βααιλίχοϊ γεωργοί2Ί ; 274 ff.
290 f.
— τραηεξΖταί (röm.) 217 t'
βασιΧιχόν 147; 153
βαβιλι-ΛΟς γραμματεύς 11
12; 38
βαφι%η 249
βεβοεγμένη 273; 404
βιβλία (Akten) 222
βιβ'κίδιον (= libelluB) Einl.
XXXI Α. 2
βιβλιο9•ηχη έγχτηΰεων 202 f. ;
227 Α. 2; 304 Α. 3; 306;
239
— δημοβία 39; 195: 201;
60; 244; ^45
— iv ίΐατριχοΐς 00
βιβλίον (Eingabe) in jün-
geren Texten 07 zu 8;
279 zu 6
ιφνλάχιον 889, 35
. Kinl. XXXT
I'»:•.
1,•ι>• ,'.ΐί'κία Jü
(ί'/ΐΛ^νταΐ ΙερεΤς 111
βουλή in Naukratis 13
— in Alexandrien 16
— in Ptolemaie 17; 43
— in AntinoopoliH 51; 43
- in den Metropolen 41;
217
'•'ofiÄt (in d. Oraßformel)
rxi, 7
/Ol- /hreve) 419, 4
ΧΛ 878
.. " 307
:νρος 198, 12
γανηματογραφία 207; 308;
π:Τ0φνλαΜΐ>^* IHl; 831;
γεονχος 286 Α. 1
γέρας 332; 340
γη έν ττροαόδω τ. τέχνων τ.
βαΰ. 147; 278
γναψιχή 250; 31 δ
γνήΰΐα τεΧύοματα 343, 22
γνωμών 210; 251
γνωβτήρ 198 Α. 5
— χώμης 279 zu 5
— (der Phyle) 404
γραμματεύς μητροπόΧεοις 38
γραφή των — οίχονντων 201
— ιερέων 110
— Λαίδων 107
— χειριϋμον 119
γράφων τον νομόν (ό) 157
γνης 207
γνανααιαρχίς (seil, αρχή)
143, 3
γνμνααίαρχοι als Leiter der
γνμνάΰια 139 ff. ; 143
γνμναΰίαρχοϋντες 178
γυμνάΰΐον. οΐ έχ τον γ. 139
— οι άτΰο γυμνασίου 40;
57; 144; 189; 202 Α. 1;
17 2 i.
γυνή τον ηγεμόνας 85 zu 29
Γωνιώται 70
δει τα άΧη9^ή Χέγειν 352
δεΐγαα (Kornprobe) 344,3;
432, 5
δειγματοάρτης 508
άεχάπρωτοι 41; 159; 217;
229; 278; 279
δεχαταρχία 275/6; 364 zu 8
ί^ρματα 250
δεσπότης 67
δεαποτιχαϊ χτήβεις 812
δηΧηγατίων 224
δήμος in den Metropolen
40; 52; 09
δημοαία γή 288 ff.; 310 f.;
89
— εδάφη 289
δημόσιοι γεωργοί 290 ff.
δημόαιαι τράη^ζαι 160; 164
ίημό<τ*θί in Ptolemäertex-
ten 8
— in römischer Zeit 80
— byz. 230
— - sUldtiech 167; 230
διαγραίΐή (Zahlungsanwei-
sung) 168; 190; 193Ϊ.
διαγραφή (tftrixij) l7ü; 181
διάγραφον oder διαγραφή
(KüpfMieuer) 821; 236;
230 A. 1; 286
δίαδόται, 862: 4 19 ff.; 422,
14
διαίρ^οις '/χ Atmt^fotta^)
277; 859
όιαμία^οίΟίς 'J . '\W
διανομαί 15
διάστρωμα 278
διατάσσειν (für Zwangszu-
weisungen) 424
διατι^ωσις 224
διδασχαΧεϊα 136 f.
διδασχαΧία 332 zu 15
διδασ•/.αΧΐχαί 261
διδραχμία Σονχου 172; 289
δίδραχμον der Juden 64;
85; 345
διδνμαγενης 203, 1 12 (vgl.
Nachtr.).
δίδυμαι 103; 131
διοίχησις (Finanzressort)
301; 341
διοιχητής (ptol.) 148; 410;
411
— (röm.) 156; 201 f.
— (arab.) 233
διοιχών την ώνήν 183 Α. 3
Διονύσιος ό χαϊ Πετοδορά-
ηις 21; 10
δίηΧωμα 375
δοχιμάζειν (der Ärzte) 39δ,
25
δράσασ^αι (für ^ράται) 882,
14/5
δωδεχάδραχμοι (Oxy.) 199
^ωδεχάσχοινος 4,^; 29; 68;
102
δωρεά {iv δωρεά γήι 284:
338
δωρεαία γή 279
έγχνχΧιον 172; 190; 275:
294
είχονίζειν 107; 816,23
είχονίΰμός (Signalement)
194: 816, 23; 468
είχών (Signalement) 448, 21
«((Τχρίΰΐί der Epheben 142;
199; 107
εΐαχριτιχόν 128; 100; 119
Ιχδιχος (defensor civitatie)
81
ixδtointlv (ver&ußeni) 389
tu 87
ίιΟογμηής 170; 20Ö; 3192;
Ιχρηγμα 11, 10; 886, 6
ξχταχτος {δι' inr.) 889, 19
ixtduCMiP 292 SU 26
ίχφάριαά. Dom&oe 180; 276;
290; 2β1 etc.
ϋαϊχή 242
ϋαιονργοί 242; 34St.
"iiXXnvtg 28; 68; 61; 87: 79
— - HHdon H7; 181
— im Heer-
'ΚΙΙι,ϋυΐ 1(1 Momphi• 18;
80
430
Ι. Wörterverzeichnis.
^Ελληνομεμφίτης 18; 30
έμβολη (Aufladen) 37ιι ; 390
— (annona civica)37uf.; 222
— (arab.) 371
^μβροχος 204; 273 ,
iacpavsioi (der βαβ. γεωργοί)
275; 327. Vgl. 407; 409
έναΛόγραφοί 326; 384
ενάρετος γη 290
έν Ιδιον,τητον τάξ,ει 306;
204; 341
ίν κατοικικ^ τά^ει 304
έν κνρίω χαάρειν 155
ένοίκιον 183
ενορία 77
^^;^Γάy^α236f.;256;45i;4ö8
^τεν^ις 397 zu 3
έξοάρεσις 260, 26
^Ιαρ/υρισμό? (adaeratio)363
έξαοϋ-ενεΐν (wirtschaftlich
schwach sein) 395, 15
έξεταοτής 168; 210; 251
— (in der Tempelverwal-
tung) 128; 100
έξιαωτοά 228
έξτίελλεντκί 230
έ^τραόρδίνοί 235
έξωτί'κοί 451
έπάντλητος (γη) 273
έτίαρονριον 171; 187
έπαρχος = praefectus 31 ;
73, 3
ετΐέχειν (μηδενός έπεχομέ-
νον) 394, 37
iTtißoiccL (γοη Grundstücken)
227; 292; 313f.; 319;
263 zu 10
— (liaturalzuschläge) 188
έτΐίγονή 384 f.
έπίγράφειν γήν 277
επιγραφή 171; 188
έτιιγαμίοί (mit d. Ägyptern)
in Antinoopolis 51; 27
— nicht in Naukratis 13 ;
47; 27
ετΐΐδημίαι 33
έπί&εμα (Übergebot) 348
έπικεκριμένος 201
έτίίτιρίοις ffiskale) 57 ; 196 ff. ;
167; 1731; 216 ff.; 486
— (militär.) 395
— der Epheben 142
— der Römer und Alexan-
driner 401 f.
— der Veteranen 399 ff.;
458—460; 463
έηιμελητής (Finanzbeamter)
149; 196 &.
— (Kuratoren) 42 ; 230 ; 238
— (in der Tempelverwal-
tung) 128
ί-Λίμεριΰμοί (Landzuweisun-
gen) 293 f.
έηιμεριομοί (Naturalzu-
schläge) 188
επιμερισμός der Bacchias-
flur 293; 355 ff.
επιπεπλεγμένοι ταΐς προΰό-
δοις 248; 276
έπίπλοοι 379
έπιοτιέπτης^ 238; 389
επΐ6-Λενή 53 zu 13
έπίοχε^ιςΠβί.; 206 ff.; 228;
232 ff.
— (Damminspektion) 389
έπΐΰτάτηςτονίεροϋΐΐΐ; 127
— της κώμης 4ι2
— τον νομον 412; 413 Α. 2
έπιοτατιτιόν 127
έπίοτολαφόροι 374
έπιοτολή (Begleitbrief der
νοίνηληροι = ό άπόοτο-
λος) 377; 379; 442, 2
— έξ(χ•ατορί(χς 68
επιστολογράφος 6; 94, 1
επιτήδειος (ά. Liturge) 343 f.
έπιτηρητοά 215; 276; 277
— ovGia-χ,ών εδαφών 158
έπϊ της πόλεως 14
έπίτιμον (Konterbande) 363
zu 7
επίτροπος δεσποτικών κτή-
σεων 163; :210
— κλασσικός 379
— τών ονσιακών 158
— πριονάτης 163
— ;ίο:ρτ7]ρα5 256
έπϊ τών πραγμάτων 1/S
^ττόττται 228
έργασίαι (Zünfte) 261
εργαστήρια 260
εργολάβοι (Unternehmer)
332 f.
έρεννηταί 49
ϊρια 251
^Ερμής^ ανίκητος 118, 2; 28
— τρισμέγιστος 58 ί.
εν%•ηνία 365; 370
ενϋ'ηνιάρχης 356
εύπορος 343
ενσεβεΐς είσφοραί 379, 9
ενσχήμονες 208; 343
ενχεΐον (Gebetsraum) 325
άφορος (als Dorf beamter) 84
έωνημενη γη 306 ff.
Ζενς ΈλενΟ•έριος Σεβαστός
120; 142
— Κάσιος 118
ζντος 251
ήγεμών appellativisch für
den praef. Aeg. 73; 72
— (= praeses) 73
— αμφοτέρων 34; 456,6
— τών ?|ω τάξεων 387
ηγούμενος πνλών 196, 9
"Ηρώον 232
-θ-αΠίί? (Freudenfest) 314,11
%'εΐος (kaiserlich) 145
Θηβαΐς 8
Θήρα τών ελεφάντων 385,
14
^'ησαυροί 153; 161; 181
— (byz.) 165
Θινίτης AS; 42
ίατροκλνστης 162
ίδια, Prinzip der 26 ff.; 65;
31; 24; 393
ιδιόκτητος (γη) 271; 284f.;
306 ff.
ίδιος λόγος 147; 154; 157
(= Gauschreiber im
Idiologosamt) 157; 222
ιδιωτική γη 287 ; 302 ff. ; 316 ;
403
ιερά γη 278 ff.; 300 ff.; 313;
95
Ίερακονΐτις (?) 403
Ιερατικά (als Ressort) 403 f.
— εδάφη 301
ιερεύς des Μονσεΐον 118, 1
ιερευτική γη 278 Α. 4; 301
ιερωμένοι 101 zu 9
Ίονδαικον τέλεσμα 64 ; 85ί.;
295
Ιππάρχης έπ' ανδρών 388
Α. 1
"Ιππόονων 373
καγκέλλον (άρτάβη) Einl.
LXX
κα-θ-αρά (γη) 235
καϋ-ήκοντα (τα) 187 Α. 7;
252, 5
καΟ-ολικός 157; 162 f.; 69-,
202; 210
Καισάρειοι 47; 51, 3; 169
καλοί καϊ πιστοί 155
κανονικά 222
καρπώνης 429
Κασιώται 196
καταγραφή τών συντελου-
μένων 237; 257
καταλαμβάνειν (kommen)
255; 420,8
καταλογείον 167 f.
καταλοχισμός (τέλος κ.) 305;
372
κατάπλους 95, 4; 110
κατασπορεύς 335; 389, 10
καταστέλλειν 18 zu 10
καταφύτενσις 339
κο;τοτ;^ωρί^ε4ν 204
καταχωρισμος βιβλίων 263;
276
κατέχειν 47 zu 15
— (κλήρους) 336
Ι. Wörterverzeichnis.
431
■κατοιχίχη γη 303; 315
■/.aroiTiOL bl ; 281: 304; 38δ;
397 f.
ν.άτοχοί 102; 98; 130 f.
Κάτω χώρα (= Delta) 35f. ;
51 zu 32, 8
■/.Βράμων Einl. LXXI
■κέφαλαιωτης (capitularius)
41(•
χεφαλι] i'caput) 221 (vgl.
Nachtr); 236: 390
■/.Βχωρίΰμένη τιρόαοδος 147;
278
•/.ηποτάφία 328 Α. δ
γ.λήροί 282; 384
- έχ ν.ληρον 303
•/.λι'ιρος (= Grundstück) 31δ
■/.ληρονχίαι (mit Nummern)
304
χληρονχι-κη γη 271; 280 ff.:
303 tf.
ν.ληρονχοι ί8 "ff.; 304; 384 f.
xAtVrj des Sarapis 133
■/.ολωΐ'ία 403
■/.οΰμητής I39ii'. ; 143
■ΛοτνΙίζειν 311
'κονμονΧα 3«0; 433, 21
■/.ράτηαις Καίααρος Einl.
Lvm
ν,ρι^οΧογίΙν 508
χρι^όηνρΟξ 1ί)8, 11
y.rf^μu 28δ; 306 \ 399
τηνοτρόφοι (Gilde) 440
/.τΐ]τωρ (possessor) 220
/.νχλοι (Jv τοις χ.) 340, 24
/.νλΐϋτοί 513
/υνη•/οί (Elefanten jilger)387
/.νρια-κυς λόγος 277, 16
^ι'ηίος G7
(ι)μάρχαί Si
/.οίμααία 03 zu Ιό
<'Λoμ^^, οΐ άηό κ. (Gemeinde)
43; 292; 347; 39 zu 3;
2S2
/ι,ψητιχά 222
")μογραμμαχίνς 12 ; 43 ; 193
Aufhören de« 84
r.>/i oxarotxot 315 Α. 2
ωμομια&ωτ•ής 274 Α. 4
ι ογραφία 68; Η5; 174;
187; 189; ^51 f.; 340
'■■ '-"t 201
ίπιχίχρίμί-
Λϋος nόλ^μoς 1 ff.
ηγία (Dienstleietung)
MM Α. 4
Χίίτονργίχαϊ ήμίραι 94; 146
Χ^ύχωμα Eiol. ΧΧΧΙΙ; 306
zu 9
Χηοτοηίαβχής 472
Χίμίχον, τό 90; 232
λιννφαντεΐα 246; 30δ; 306;
307
λογιατήρια 179; 209; 277,22
λογίοττις 80
λο/ο/ραφο? 234
λνχνα-ψία 176
Μαχεδόνες 1δ
— (jüdische) 63
^laOTiTccL 70
μάχιμοι 382 f.
μί^α? (d. Ältere) 305 zu 1
μίΟ-'ετίρα 209,11; 212,24
μείζων (Beamter) 159 f.; 292
zu 15
— (höhere Instanz) 437, 19
μελιϋαονργοί 252
μερίζειν (repartieren) 225
μεριομοζ Άδριανείον 120
μετάό-εΰις (von γεωργοί)
293 f.; 35S
μετρεΐΰϋ^αι εις 420
μετρητής Einl. LXXI
μητρότίολις 38 f. Verschwin-
den der μ. als Gauhaupt-
stadt 78
— = Provinzialhauptstadt
82
μητροτίολΐται 40
Μοήρις 153 zu 8
μοιρααμός 237; 254
Movi] Χαιρέου 434
μοσχοαφραγιοταί 126; ilti
Λ/ωα/αρίΓαι 284, 15
νακόρο? (Hazzfm der Syna-
goge) 80
Navuia 129; 134
ναύβιον Einl. LXXII; 330
A. 5; 334; 336
νανχληροι 377
T'faju'öxot 140; 21 zu 50
ί/ίόλίκτοι 4 09 f.
νίτρον 252 f.; 322
νομάρχης 9 Α. 6; 10; 88
νόμοι von Naukratis 61; 44
νομός 78; 90
ξ^ιο? 20
ξνλα 253
(vZoi/ (Maß) 834; 88»
"Οααις, ή ΜΒγάΧη 281
— η Λίιχρα 7-2 ζα 19; 379
οίχονόμος 160 f.; 157; 199
— Καίααρος 168; ^(^7
— τοϋ βαΰιλίως 161; ί96
— αιτιχών 161; /6'.s
— reines Dorfes) 161; 20 ί
οίχος 7[όΧ»ως 808
όμηριαταί 120
όμοΧογοι
69Γ; h,. »..; <.ί
6μ61ογθ9 ^UiihetitritU'U, •Ί-
fonbar) 207; 874, 49
ονηΧάται (Gilde) 377
ό^νς δρόμος (cursus velox)
374
όριοδείχτης 230, 5; 240
ορχος βαϋιλιχός 107; 139
όρχωμότι,ς 141
όρον διδόναι 39 zu 15
ορός (Wüstenrand) 498, 2±
ορρια (horrea) 234
Όοαραη^ρος 106
'0(Τίραντίνοο?121; 123;207^
20
Όοοράπις 101; ΙΟδ; 112
ονετρανός χωρϊς χαλχών
398; 399 f.
oiöiai 154; 158; 163; 298;
302; 816; 208 f.
ούΰιαχη γη 298 ff.
οναιαχης Ιόγος 1 54 ; 163 ; 299
παγανιχαϊ ανντέλειαι 150
ηαγάρχαι 83; 232
ηαγαρχονμεναι (χώμαι) 88
παιδαγωγός 164
παιδάριον (Sklave) 29 ζτι
11; 84
παίδες Άντινοιτιχοί 52
ηαιδίαχη (als Konkubine) 81
παις (Sklave) 110
παλαίοτροφνλαχες 179
πάπας (Dorfpriester) 156
παράατααις 354
παρεπιδημονντες 40; 66; 52
παροχή 358
παρουσία 356
πατήρ Άντινοϊτιχών παίδων
45 ϊ.
Πατρικά 60
πατρώνιοοα 253
πατρώοι »εοΐ 144 ; 147; 148 1
Παώς 22; 264; 18
ΛΒν^ ήμερος (Fronde) 884
πενταετία 223
περιγραφή 2ββ,8; 207,10.
Vgl. 277, 7
ηεριοάΒνχιχά 23β; 287
πβρ/ο^οι 55 (vgl. Nachtr.)
πι)χνς οιχοπΐδιχός Eini.
LXXII
ηΧάγιον 142; 171
πΧάξ 78 ιη 6
xZtv^ffa in Antinoopolii 60
πλίνθοι 268; 816
πΧοΙα 264
9τόίΙΐ( — Alexandrien 9; 84
ποΧίΧίία 78
«ox/r.Tun ΙΑ; S4; 68; 628
rtn y^Kurialen) «9
//..
η Ορο,; ;»4JI
.Ti»ti(j ι•ριχ j| l'.'i 1
Ttotiifinn x'λ^.x^^^ •1'.*2 ; !IU(1
432
ί. Wörterverzeichnis.
Λραιπόΰι,τος "Λαγού 77; 66
— ΐΛατριμων^^ι^αλίων 311
Λράκτωρ ptol. 18δ
— röm. 212 f.; 54; 263 ff.
Πραμαρρής 107; 10 zu 3,
15
Πραμήνις 106 f.
υιρίοβντεροι (christliche) 157
— γεωργών 43, 2; 275
— της κώ/χη? 43; 84; 217;
Jf5; 272
— (priesterliche) 114; 127
τνρογραφού (Proskriptionen)
31
'Λρόεάρος (Kurialpräsident)
79
τΰροεατώτες (d. ονΰίαή 365
ηρονοψαί (imPatrimonium)
158; 208
^ροΛολιτενόμενος 79; 68
■προΰάγειν 338
Ίίροΰαγορενΐΐν 77 zu 22
Ίΐροξ άργνριον und τΐρος
χαλ-κόν Einl. LXIII
τίρόΰγραφον 252, 1
τΰροβενχαί (jüdische) 24;
112; 78
τίροβ-Λνντιμα in den Briefen
122
■πρόοοδοξ^ ό iitl των τίρ. 149
■κροΰόδου γν 296 ff.
Ίίρόβημον 193
'ΛρόΰωΛον Ttoislv (vertreten)
419, 29 f.
Λρντάνευς 40; 42; 47
— in Ptolemais 48
— Aufhören des Titels 79 ;
68
ίίρωτοΆωμτιτοίΐ 84
ξόγα 363; 284,15; 298,2
^Ρωμαίοι 54 zu 9
ϋατιέλλα 234
ϋαλάρεων 264
σανρήται 97
ατιμεΐα der Opferstiere 114
Asiicpiov 254
ΰιτηρέοιοί (frumentationes)
365; 425
οίτική ό~^7ρο:φη 179; 181
βιτολόγος 153; 161; 181;
2211
ϋτίοίφείον 244, 3
^ν,εηάζειν (ρ atronisieren)3 7 5
Α. 6; 92 zu 60
σκ^Λη 275; 323 f.; 37Ö Α. 6;
327 Α.
Σ-κΎΐναϊ Μάνάροα 37
οκυτάλτι (Abstreichholz)
279, δ
βτίύρματοί (Aussaat) 343 —
346
6τα0•μοί 386
ΰταΰ'μονχος (Inhaber des
οτα&μός) 386 Α. 1
— (Hauswirt) 205, 26
ΰτέμμα. έτιϊ των ατ. 143, 6
ατέφανος 283
ατίχοι 255, 5
στρατ/]705ΐ1;37;42; 77; ^7
ατρατηγος της πόλεως 14;
47
— ήτοι έ^άκτωρ 77; 67
στρατολογία 467
6τνπ%ιον 254 (vgl. οίηπιον
478, 18)
ΰτνΛτηρία 254; 321
övyysi^aig als Rangtitel 7
συ/ΖΡ'^φοφ'ϋλο:! ί 6' ; 17 zu 30
ον^κολληίΤλμο: Einl. XXXI;
195
ανμβονλος (= Khalif) 89
ανμμορίαι der Epheben 142
ΰνναγοράξειν 356 ff. ; 359 f.
οννάλλαξις 275
οννδι-Λος in der Stadtver-
waltung 57; ö5
οννέφηβοζ 139; i7P
öWii'Ö'ftcii. 222; 15 f.; 283
ου^/κατά'θ'ίίίΐ? 111
ΰννοδος Σεβαοτη l'J2; i45
αννοΊ^ις 85
οννταγμα 389
ffvi^TTalig (Kopfsteuer) 172;
200; 288
— der Priester 112; 128;
109
ΰυντίμτιοίς 176; 250
Σνρία Ο'εός 113; 134
ϋνοταοίς (Vollmachtsur-
kunde 263
ΰνβτάτης 353; 46, 10; 403;
405
ΰνΰτατίν-αί (seil, έηιβτολαί)
100 zu 19
6ώμα (Person) 79 zu 7
βωματίζειν 225, 13
ϋωματίκός ορ%ος 142
Σωτήρες, Ο'εοί 99
ταμιαν,αϊ ουΰίαι 154f. ; 311
ταμιείον 154; 162; 219
ταμία? 40
— (städtisch) 167; 227
τελώνίον 223
τετάρτη (Leuke Kome) 172
Α. 6
τLμή (Ehrensold) 497, 18
τιμονχοι in Naukratis 13
— in Memphis 19; 4S
— in Antinoopolis ? 82,2
τοτνάρχης 215; 271
τοπογραμματενς 12
τότΐος (Vereinsgrundstück)
524
τράπεζαι (Banken) 152 ; 160;
212 &.
τρόφίμον( Alexandriens) 368
Τύχη της πόλεως 189
νοφορβοί 235
νηαίϋ'ρα 447
νπάρχειν 386 zu 4
νπεραίροντες 128
νπερετής 197; 88 S.
ύπενϋ'ννοί γεωργοί (Κοίο-
nen) 451
νπενΰ-ννος (Bürge) 267
νποβάλλευν (vorschlagen)
151
υποάέκταί 230; 238
ντΐοάέκτης ήτοι χαταπομπός
67
νηοδιοι-Ληταί 149
υποχείμενα 37; 215; 121,9
ντνόλογον 273
— ποίεΐΰϋ'αί (υηϋ-ένα) 259,
26
νπομΐ6%•ωταί 300; 367
υπόμνημα 172; 178
νπομνηματίΰμοί 34; 55ff. ;
104
— ihre Sprache 86
νπομνηματογράφος 6
νπυατάϋεις (Pachtangebote)
274
υποτελείς 27; 2461; 248;
307
υπουργοί des Khalifen 24, 4
'Τιρηλή 36, 3
νψίϋτος (ό'εός) 112
φαγονΐν 285, 9
Φιλάδελφος, ^-εά 99
Φιλομητωρ Σώτειρα 5
φόρο? προβάτων 320 unten
Φοϋοατον (=fossatum) (Fu-
stät) 89
Φραμήνις 106
φράτριαι, 16; 41
φροντιβτης (der ουΰία) 378
qpvyaiJ'eg (arab.) 90; 4ί>
cpυλayιΐτaι 411 ff.
φνλάρχης 80; ö7; 397,2
χαλν,ος ισόνομος Einl. LXI V
— ου αλλαγή Einl. LXIV
Χαραχήν, Blemyerfürst 13
χειρίζειν 272, 11
χειρισμός (Tempelinventar)
128; 100 zu 11; 119
— (des proc. Neaspol.) 369 ;
444, 11
χειρογραφία (Königseid)
139-, 275,22; 344 usw.
χειρωνάξιον 188; 288
Χελκίας 25
IL Quellenverzeichnis.
433
XiCißccujOv 141
χηνοβοοκοί 256; 363 zu 15.
χιάζειν 245, 25
χιτώνες 'Jqgivoltihol 267 Α. 3
χοαχνται 112
χηνσάργνρον 221
χρνΰιχά 222; 235
χρνΰοχο'ήιή 256; 318
χρνοώνης 164f.; 234: 219ί.
χωμ,ατΒΛείχτης 338
;υωμαΓ£7ημίλητϊίί 335; 380,
10/1; 415,39 (χωματοεπ.)
χωματεργολάβοί 337
χωματιγ,όν 331; 337
;ίώρα 8 f.; 34; χ. (küra) 78:
233 Α. 4; 291 zu 1
'ήίηκριΰμα 391 zu 23
IL OUELLENVERZEICHNIS.
Die bisher unedierten Texte sind durch einen Stern gekennzeichnet.
I. PAPYRI.
P. Alex.
P. Ausonia
Berliner griechische
Berliner Äriechisclie
1 198
2 222
Urkunden
iTkumlen
2 241
I
II
3 125
P. Berl. Mus.
162 91
646
490
V. Amherst
3 a 120
ÖU 0; 22
31 101; 147; IffO
35 OS
43 105
δΟ, 5 27
59 021
60 2Ü1
64 347
G8 374
♦ί9 100
70 140
75 189; 200
77 277
82 352
h.J 230
92 311
9.{ 314
.4 347
99, 1 198 A. 2
107 417
109 418
124 152
125 570
137,21 370 A. 2
139 400
117 27»
1 i '. 53
*P. ]
L420 304
176 83
648
300; 321
Z. Num. XV 5
180 390
649
428
194 84
650
305
Berl. Bibl.
235 399; 214
656
342
1 420 A. 1
250 87
696
893 ff.; 536
4 115
Berl. Klassikertexte
256, 23 401
265 459
266 245
697
III
321
V (1) S. 108 tf. 70
277 257 A. 5
715
62
S. 117 ff. 70
287 124
747
35; 55
VIS. 129 tf. 132 A. 7
291 304
760
150
324 219
838
200
Berliner irriechisehc
325 472
836
471; 224
Irkunilen
333 489
842
496
i
387(4-1) 92;217A.3
847
400
1(
;-μ 337) 92
347 70
909
3S2
8ll26flf. 170
9I-II 293
11 239
356 88
358 240
925
927
935
37
178
70
12
889
11
986
128
15
393
362 90
954
138
16
114
372 19; CO
969
836 f.
18
398
385 1(10
972, :
l 70
21 II 3 221; 290
419 373
974
423
2δ
270
423 480
992
102; 147
27
81
445
870
457 252
462 870, 1δ5 Α. δ
478 480
998
1008
107
880
85
345
1011
β
92
427
51 1-fCair. 10448 14;
97
204
4δ
IV
Anh. f. Pap.
108
184
512 802
1088
29
I 59 if. 1 1
105
840
δίδ 208
1026
422
II 80 410
106
174; Ιδδ
684 191
1027
424; 229 Α. 2
II 81 304
108
227
648 120
1082
402 Α. 4
II 82 fr. 224
113
458
660 64
1088
401; 408 Α. 1
III 840 72
115
203
66S 224
1086
88
III 841 78; 86
121
1S4
662^666 207
1046
268
IV 122(8traflb.) 222
189
225
679 279
1047
tlOiiOO; »78
IV 128 52
140
54; 80; 891
609 868
1062
276; r>4
1*. ANhnoIfan
241 A. 7
112
1 13
455
454
614 87
eso 186
1068
1073,
«2
. 1"
I 19
93
6S8 36
I07H
5ίΐ
Atfn« f) Uumn
\:,r,
175; Ιδδ
616 21
1079
00
Vn 124,11 12ύ
169
408
628 Ver-M TT 402
itmo
478
MllUli-Wlloken:
OruodtOg« I
\
ίκ
434
Π. Quellenverzeichnis.
Berliner grlechisclie
Urkunden
IV
1084 146; 140 ff.
1087 343
1132 63
1137 112
1138, 4 37
1140 58; 141,1
1151 63
1188 385; 388
ßibl. Nat. Paris
Achmim 81
*S. gr. 910 392
P. Boissier
13
P. Bremen
*10 125
*14 289 A. 2
*15 zu 244,4
34 352
40 16
*49 208 A. 2
*73 238
P. Brux.
1 236
Bull. C. Hell.
21, 141 12
Cairo Cat.
67 001 84
67 002 119 60,2
II 23 150
67004 69; 134
67 009 69
67019 231
67 020 261 f. (vgl.
Nachtr.)
67 021,8 150
67031,16 87
67 032 Einl. LX
67 033 282
67 040 283
67 054 222
67 056 Einl. LXVII
67057 222; 228
67 060 297
Cairo dem.
30 698 100
Cairo Preis.
4 379
8 240
P. Cattaoui
I col. III 11 ff. 402
II 416
*P. Christiania
ehrest. VI zu 146
Class. Piniol.
I 174 X 218
Compt. R. 1905
S. 169ff. 27;28;13;
47; 51; 345
CPHerm.
6 370 A. 3 ; 522
7 366 f.
28 302
52 38
53 39
54 157
59 151
86 195
94 194
97. 8 ff. 348
102 296
119 Κ VII 377
119 Verso 3 158
121 187
125 II 40
CPll
18, 61 60
19 78; 311; 316;
320 f.; 322; 66 \
447 zu 9
20 402; 143
33 421
64 108
224 111
233 42
243 367
P. Edmonstone
134
P. Eleph.
1 135
2 97; 135
7 319 oben
10 182
14 340; 112
28 451
P. Fay.
18 (b) 440
21 113 zu 85, 15
23 (a) 4661
24 32
30 214
35 264
36 316
85 218
87 308
88 308
93 317
96 313
106 395
132 485
137 121
138 95
P. Flor.
2 VII 401
3 391
4 206
7 218
20 359
32 (b) 228
39 405
54 312 A. 3
57,67 0'. 143; 140 ff.;
345
64 310
71 51;82,2;310ff.;
314; 316f.; 322
75 433
79 145; 140 ff.
*Florent. ined.
341; 206; 303; 306
P. Gen.
7 80
14 132
16 354
33 211
36 85
37 400
38 366
45 464
46 410
51 405; 410
54 409 A. 4
66 381
70 380
73 496
81, 19 294 A. 2
Gen. lat.
I 369; 393; 396
F. Giss.
3 491
4 351; 206
II 444
17 481
20 94
24 15
27 17
40 I 56; 62; 116
40 II 16 ff. 22; 61;
158; 367; 31;
235
41 18
47 326
48 171; 157
54 420
P. Goodsp.
3 50
10 113 zu 27
11 421
12 253
14 380; 510
P. Grenf.
I
42
447
43
57
45
200
46
200
48
416
49
248
53
131
63
233
II
15
106
23
159; i> zu 3, 1
37
169
39
310
41
2181
46 (a) 431
56
226
67
497
73
127
77
498
so-
-82 410
ll 1
135
P. Hamb.
6
320
12
235; 206 f.
18
60
P. Hartel, Gr. PapER
S. 7
•0 72
P. Hawara
401
254 zu 1
P. Heid. III
6 256
P. llibeh
27 109
28 25; IG
29 259
33 243
49 241
54 477
59 302
67 306
78 338
80 290
85 103
89 104
97 135
98 441
110 Verso 435; :
148,4
J. Hell. Stud.
22, 272 71
P. klein. Form.
n. 343 142
n.1003 Einl. LXI
II. Quellenverzeichnie. 435
Ρ. Leid. Ρ. Lond. Ρ. Lond. Ρ. Oxv.
G-K 113 II IV ΐΓ
Ζ 6; 69; 75 S. 100/1 878 Α. ö 1360, δ 233 246 247
473
475 4ί)4
111
140 ff.
S.113,4 102 1380 285 252 _..
Ρ. Lille S.117(oben) 50A.5; 1394 335 255 201; 54
1 Eml. L\ai; 333 s.117/8 272 [305 1420 237 257 147:140ff.
3 m 55-61 301 S.118 9 263 1460,1461 233; 258 216
^ '^^^ S. 129 ff. 234 ehrest. VI 275 324
1^ ?3'' S.143 57 ^, 276 379A. 1;5^1
19 le^ S154 5 495 P. Lonvre 279 348
23 180 S.159 60 358 10^94 10_ 33- g.,
27 100 S.160 1 267
P. Lips. S.161 177
30 500 S.184 315
34U.35 405 S.186/7 102 -26 ^inlLXXI l^^ ut
54 467 S. 189/90 356 28 33H l]l "*'
Ol 187 S.191 323 35 56 ^ j];
62 111-16 188; S.192 3 353 gg 305 Ι^ f/
EiDl.LXVII S. 193/4 312 ^1 -{- 1 442 I94 14
63 224; 363; 405 ^.209 31; 53 ftlH iSÄ. ift«. ißO
6« ogi' ' S.226ff. 60 P. Μέΐ. Nieole oj» 183, 15b, I6O
65 404 S-257ff•. EinLLXIX S. 58 ff 61; 396 öj^ ol3
It Γ2Ι S.273 44 S.190 220 5 402;.-,
97 Einl. LXIX; S.285 322 P. München ^,.
315; 316 f. ^-287 1<0 »gO 388 '^
99,18 315 A. 2 S.295/6 468 *-g 414 Α 2 705, 1 ff. 153
101 311; 314 §.299 129 .^ *^^/• ' 705, 54 ff 407
103 2bl;Ur III 105 470 ^^^ 432; ^^ί zu 12
105 237; 207 . 7 2;^^ Arch. Ι 483 100 Vil ?f ;. ^^
121 173;A?^;^;Ji- s 69 204 « ^ ^^^ ■*•^**
313 S 71 48 49 P' 9^^ ^^^ ^^3' ^
123 60 S 71ff 402f ^ ^^^ ^^^
ς qi%7l 33 20 719 53
P. Lips. Inv. g-^:J -IJ 36 273 720 5.96x111
'281 469 %']^l ?»^ 39 456: 34 721 369
'362 77; 80; 353; S},^/W. ^1 45 724 140
67 S.JJO/i 3., ^2 154 727,11 34
*483 503 %;]J Ji 43Recto 406 747 487
*561 217 l\lm Λ70.ιηι *» Verso 474 ,,
•Ined 415 b. 123/4 HZ; 101 ,,-.. > I
inea. 415 g^26 202: 65; 31 !* li^ S89 m.
F. Lond. S. 127/8 425; 57 l; J* ,,.. S90 280
1 S.128f. 86,2 U.3 2^ \!.^'' ^ S92 40
S. 29ff 97 8.131 325 ^Ι fJii ,, , sni 213
S. 41 148 8.134/5 355 ^° ii' >^9•> •**
<. 4H 136; 18 8.139 370 "" ** h'.m; 48
S. 49 221 S.161, 5 ff. 61 l\ iz\ SIM) II 29 72
S. 142 ff. 404 8.168, 6 118 ^T tl? "^'-^'^ -^^^^
S.noff. Einl.LXVI 8.181ff 193; 62 ?! \i% <»(.o 437
1 -Jff Einl. LXIX 8.206 117 °; }i2 '»Ol Hl
J2 286 8.213 488 2, ί«" ..-• '•'>'- ^ί.2
»Ί 24 8.216 ff. 156 l\ Ι"' ..oh 426
^ Jff HM 8.228/Ü 466 °; J'V '.»1Γ, |S5
II
L'f>2
- 63 IV
l.lJitr 201 A.S 1881 288
S. 56 194; .'.'iO 1886,7 286
S. 03/4 20H 138H SM 126 1 HO; 166 Yll
S. 77/8 212 1889 293 188, 8 ff H4 1021 118
S. 90 3Γ>7 1849 2H4 186 884 1022 458
S. 97 844 1866 264 186 888 1026 408
8. 99 448 1367 tW HO 488 103u 80
28•
y:;o I3s
iKi:. 119
929 I2N
436
Π, Quellen Verzeichnis.
Γ. Oxy.
P. Petr.
P. Teb.
P. Teb.
VII
III
I
II
1031 343
32 (f) 262
5,
6 ff. 27
296
79
1033 47«
43(2)111 387
5,
22—35 260
298
90
1065 120
56 (b) 139
5,
50—84 65
302
368; 35f.; 114
VIII
1101 408
1103 465
1111 ehrest. VI zu
1116 403 [202
1119 397
59 (b) 66
5,
77 112
308
319
72 222
5,
85 Einl. LXX
313
86
72 (b) 242
5,
93—98 339
315
71
144(4- Π 45) 1; 4
Ρ. Reinacli
5,
6
8
231—251 307
332; 94
2; 4
316
317
325
148; 140 ff.
47
412
1134 Einl. IX; 312
49 207
9
192
327
394
A. 1 • 451
56 419
10
160; 12
328
347
57 390
17
165; 150
329
219
P. Par.
26,
11—24 330
334
130,6
5 261
Ρ. Revenue
1—22 258;20;183ff.
33 285 A. 1
27
331; 271
353
269
18^- 499
35 111
29,
30
13 f. 12
233
357
366
372
371
37 111
36—37 249
32
448
368
330
öl 131
60^'« 30; 13; 19;
38—58 299
56, 8 140
33
35
3; 5; 106
309
369
374
359 A. 3
349
341 unten
6o' Einl. LXTTI• 13
38
303
376
350
62 Einl. LXIV;
73—78 181; 152
40,
24 248 A. 3
397,
18 ff. 40; 47
180 ff.; 244
86 10 139
42
328
407
123
63 277
87—107 245
44
118
416
98
63, 38 ff. 140
48
409
566
62
63,177 171
66 385 *
P. Rylands
50
57
329
69
P. Thead.
69 4l;34;38;39A.l
Ined. 226
58
287
22
9^
410
410
ed. Haussoullier 461
P. Schow
60
61 (
272 f.
;b) 194 ff. 274
41
ehrest. VII
P. Petersb.
335
63
333
Theb. Bank
7 + Berl.Bib.5 82
82
232
I-IV 400
13 155
P. Straßb.
84
264
1(2)
74
P. Petr.
9 223
85
86
87
88
92
264
264
231
67
377
P. Tor.
I
42 210; 72
8,21
r 27
Introd. S. 43 55
II
45 220
57 468
graec. 60 77
*graec.l78 205 A. 4;
Α .
P. Vat.
130 i.
Introd. S. 33 244
2(1) 337
103
124
288
385; 388
Wessely,
8 450
267
210
327
k
5pec. scr. gr.
10(1) 357
11(2) 223
12(1) 449
graec. 1105 89
*ined. 200
*ined. 428
247
23
II
11,21 176
12, 26 122
Wien. Denk.
20 166
281
289
42 S. 9 A. 2 220
25 374 A. 4
Stud. Pal. I
287
251
46 IV S. 4 7
27(1) 250
S. 271•. 209; 144
288
266
P. Würzb.
29 (b) 334
S.28,26 104
289
271
*T__
38 (b) 300
S. 64, 142 f. 59 f.
291
137
meu. SU ; *ö ; ου i. ;
40 (a) 452
S. 68 f. 401 f.
292
74
OfO
45 + III 144 1
S.71 61
293
75
ρ. Zois
46 110
S. 74, 545 198
294
78
115
150
IL ANDERE QUELLEN.
1. OSTRAKA.
*Leid. 376
*Leipz. 139
Wilcken, Ostr. II 43
291
2. HOLZTAFELN.
Cairo 9522 261
*Louvre 9004 413
— II 702 209 zu 2
Cairo 29 807 212
*Cairo 9577 213
*Straßb. 234 308
— II 801 292
Cairo 29 811 457
Fay. 23 224 A. 5
*Straß. 412
— II 1150 140
Vgl.
auch S. 34; 39
Lamer 110 Α
Wien. Ak. Anz. 1910
— II 1372 414
Alexandrien 463
*Leid. 213
291
II. QuellenverzeichDis.
437
3. INSCHRIFTEN.
Äg. Z. 47, 157 200
Ann. d. Serv. 1908,
231 51
Berl. Mus. 10 592
(Bronze) 375 f.
Ball.Soc.Arch.12,87
146
Cairodem.31088 13S
Compt. R. 1908, 772
70
CIG m 5041 116
— III 5069 73
— III 5080 4
CIL III 75 115
— III 79 115
— III 0580 394
— III 6583 54
— III 6627 394
— X 3377 065
Dittenb.Or.Gr.54 96
— 56 95
— 132 264
— 176 141
— 178 142
— 179 16S
— 188 163: 151
— 664 129
— 065 209
— 674 210; 121
— 703 49
— 709 61 f.
— 726 78
— 737 18
Edikt d. Jul. Alexan-
der 35; 208; 209;
286; 340; 307
Lex col. Jul. Genet.
98 336
Rosettana 21: 27:
95; 245
4. AUTOREN.
Apuleius, Apol. (ed.
Krug.) 89 248
Aristagoras von Mi-
let 18
Ps. Aristeas § 109
26 f.
Arietot. Polit. I 4, 6
239
Pb. Aristot. Oec. II
1,4 170
Arrian, Anab. 3, 5, 4
182
Athenaeus IVp.l49D
12 f.
Cicero in Verr. aet.
II 1. II § 32 306
Cod. Theod. 7, 0, 3
220 f.
— 11,24,6 59; 89
— 13,5,7 510
— 14,26,1 508
— 15,3,5 337
Dig. 1, 66, 6, 3 358
A. 3
— 27, 1, 2 167
— 39, 4, 16 §7 321
— 50,4,3,15 351
— 50, 5, 1 pr. 353
Dio Cass. 47, 17, 1 f.
480
— 57,10,6 208; 222
— 77,23 38
Diodor 17, 52, 6 173
Evang. Luk.2,1 235
Herod.II18 37P zu 4
— II 28 J48zull7,
10
— II 37 145
— II 38 114
— II 42 104
— II 84 162
— II 148 107 A. 2
— Π 171 i4.Szull7,
10
Horaz,Sat.l,5,46 358
Isid. Pelusiot. ep I
489 85
Juatinian. Edikt XIII
75: 371; 380; 211
Justinian. Nov. 47
Einl. LIX
Justin. Nov. 128,15
Einl.LXX; —128,
16.5^Γ oben
Macrob. sat. 1, 7, 14
102, 4
Pausanias 1,9,3 22
Philo inFlacc.ll^^f.
— 10 222
Plin.Trai.ep.6f. 58,4
— ep. 10 39
— ep. 29 536
Polyb. 5, 58 3
Satyros 16
StraboIIp.118 265
— XVII p. 797 16;
46; 154
Suet.Aug. 18 333 f.
Tac. annaL II 59 490
Veroneser Verzeich-
nis 72
Vit.Marci9,7if. 248
— 23,8 113 A. 3
Vit. Probi 9, 3 334.
Verlag von Β. G. Teubner in Leipzig und Berlin
Einleitung in die Altertumswissenschaft. Herausgegeben von A. Gerckc
und E. Norden. 3 Bände. Lex.-8.
I. Band. 1. Methodik (A. Gercke). 2. Sprache (P. Kretechmer). 3. Antike Metrik
(E. Bickel). 4. Griechische und römische Literatur (E. Bethe, P. Wendland und
E. Norden). [XII u. 588 S.] 1910. Geh. ,K 13.—, in Leinwand geb. Jl 15.—
II. Band. 1. Griechisches und römisches Privatleben (E. Pernice). S. Griechische
Kunst (F. Winter). 3. Griechische und römische Religion (S. Wide). 4. Geschichte
der Philosophie (A. Gercke). 5. Exakte Wissenächaftcn und Medizin (J. L. Ileiberg).
[Vn u. 432 S.] Geh. .H. 9.—, in Leinw. geb. JL 10.50.
III. Band. 1. Griechische Geschichte (C. F. Lehmann -Haupt). 2. Hellenistisch-
römische Geschichte (G. Beloch). 3. Geschichte der Kaiserzeit (E. Kornemann).
4. Griechische Staatsaltertümor (B. Keil). 5. Römische StaatsaltertUmer (K. J.
Neumann). 6. Epigraphik, Papyrologie, Paläographie (B. Keil), [ca. 20 Bogen.]
Geh. ca. JLÜ. — , in Leinwand geb. ca. JL 9.50. [L'nter der Presse.]
Bei Bezug aller 3 Bände ermäßigt sich der Preis auf ca. JC 25. — (geheftet) und
ca. JL 3υ. — (gebundeu).
Das Werk will zunächst dem Studenten, aber auch jüngeren Mitforschern an
Universitäten und Gymnasien ein Wegweiser durch die verschlungenen Pfade der weiten
Gebiete der AltcrtumswisBcnschaft sein. Den Blick auf das GroUe und Ganze unserer
Wissenschaft zu lenken, ihr die möglichst gesichert erscheinenden Resultate der ein-
Eelnen Disziplinen sowie gelegentlich die Wege, auf denen dazu gelangt wurde, in
knappen Übersichten zu zeigen, die besten Ausgaben wichtiger Autoren und hervor-
ragende moderne Werke der LcktQre zu empfohlen, auf Probleme, die der Lösung noch
harren, aufmerksam zu machen und somit ein (Tesamtbild unserer Wissenschaft, ihrer
Hilfsmittel und Aufgaben zu liefern: das sind die Ziele <lea Werkes, das durch die Mit-
arbeit von Gelehrten, die sich einen Namen in der Wissenschaft erworben haben, zu dem
Haupt- und Grundbuche der klassischen Altertumswissenschaft werden dürfte und das
als Führer und Berater nicht bloß während der Studienzeit, sondern auch im praktischen
Lehrberuf dazu beitragen wird, die sich leider immer vergrößernde Kluft zwischen
Wie«^enschaft und Schule zu vcrriogern.
Zu dem Werk wird nach Drucklegung aller :) Bände ein General-Register
hergestellt, das jedem der Bände unberechnet beigegeben werden solL Für die Bände
I und II wird dieses Register den Besitzern gratis nachgeliefert; die Bände erhalten
einen Falz angefügt, in den das Register leicht eingehangeu werden kann.
Die hellenische Kultur. Darfrestellt von F. Itaum^arten, F, Foland,
R. »'aguer. 2., vermehrte Auflage. Mit 7 farbigen Tafeln, 2 Karten
und ^^egen 400 Abbildungen im Text und auf 2 Doppeltafeln. [X u.
491 S.l gr. 8. 1907. Geh. JC 10.—, in Leinwand geb. .M. 12.—
„Denn os sei nur (rloirh liorr»n«po'iagt, dnß c? ein ganz ausgezcichnotee Buch ist, das
uns die «1 Arbeit gesch' Was da•
Buch ati- charaktcri-! heinangen
in den V' . di-' Gcsclii' . m die•« ca
sauberen i^iii/.cld..irit.cUuiig(.u i gogeusuiüg urgänsen und
schiieeiich zu einem wirkung^m -)iUe&en. Dean glQoklicher-
wcMHo wurde nicht über EinzclL „ ι.•η Zusammen hnni; »li-r Kr-
«fli. iniingen klarzulegen. Hierzu ki>iuml, Uaü du; Verfa»ser es auch v. - tio
- .^ :i wollen, klar und in fesselnder Weise zum Ausdruck zu bringen. B<-i ι n«!
«•-•i liier jener Partion g^daclit, die die Kunst bohandoln. Es ist ein wi' , .h' -ii,
den Ausfuhrungen de» VorfasHors zu folgen: nirgend« Phrasen, nir^:. μ i l . iik. ri mit
Gelehrsamkeit, nirgend.•« uimi<-l<or«»^ ifin- und Hnmohw.inkon Im Hrt. :1, vi, i• . r i!. γλΙΙ
Π••1,..ν.>11..Η V.TH.-Tik.-n in 1 " ' ' '' - V' • - -. ,Ιλ- U. ■••.'.1 :.1i,. i•,
<l»iii (;.•Ι.ι1.|.•ιι .l.T K.uiHl . •■ ■ ■ :. ■ i: . i! !••• 1
Jtnd.n wii«H.-li!4.:liuftl>oli.T ..hh. h^.. m>;1 !..u.. .s
Kunitiinn gepaart ist, B• '■ !t.u. h .li.• ganz. \ -γΙγ.ΊΤΙκ ho Aunwalil .lo^ HtUlor-
•chmucke•.'* (/.eltfcflirllt fiir die iistrrreirhiarlien Ι•]γμβι<ι»4.)
iteschlchte des hellenistischen Zeitalters. Von J. Kaerüt. gr. 8.
.1 lUlnde. I. Band: Die Grundlegung ilca HclleuiemuH. (X u. 434 S.J
1901. Geh. .tcn —, in Halbfranz geb. .tC 14.—. II. Hand, 1 HnlOo:
Da» WeRcn des HelleniHmuH. (XII u. 430 S.] 1909. Geh. .li. 12.— ,
in Halbfranz g«*b. JC \^. —
KnT^t y«t.t fiir^Oiidi einer 8ohirlerigk*U »u« «lam W•«•, nmatohU« hat «r vor
die MAgUohk«lt«n •'— ' M• -L -. Tr>\f\
> uea Min Μα•Ιια1(
«• der letohl Migen < '^
d<i. d|<'SO AoffAb• MffAftM
Im. .,r Mla Werk, dM τοίι
Μί4 Γ dlM« 0«Mhtohle AV
»Icl i'.rwaricii. In TurMhong und D»' '■• Iu)ikU i«i •ιο .im l.o
drul«ndsto. die durohdaolitMti• seit J (. >ti• Im l.itfrar. ZfalrilkUlt.)
Verlag von Β. G. Teubner in Leipzig und Berlin
Die griechische und lateinische Literatur und Sprache. (Kultur der
Gegenwart, Teil I, Abt. S.) Bearbeitet von U. Y. Wilamowitz-Moellen-
dorff, K. Krumbacher, J. Wacliernagel, Fr. Leo, E. Norden,
F. Skutsch. S.Auflage, [ca. 500 S.] Lex.-8. 1911. Geh. ca. ./^i 10 . — ,
in Leinwand geb. ca. JC 12. —
„In großen Zügen wird uns die griechisch-römische Kultur als eine kontinuierliche
Entwicklung vorgeführt, die uns zu den Grundlagen der modernen Kultur führt. Helle-
nistische und christliche, mittel griechische und lateinische Literatur erscheinen als Glieder
dieser großen Entwicklung, und die Sprachgeschichte eröffnet uns einen Blick in die un-
geheuren Weiten, die rückwärts durch die vergleichende Sprachwissenschaft, vorwärts
durch die Betrachtung des Fortlehens der antiken Sprachen im Mittel- und Neugriechischen
und in den romanischen Sprachen erschlossen sind. Die Darstellung der antiken Literaturen
hat vor den verbreiteten Handbüchern, deren Nutzen nicht herabgesetzt werden soll, den
Vorzug, daß die treibenden Kräfte, die herrschenden Strömungen, die Charakterbilder der
bedeutenden Persönlichkeiten schärfer herausgearbeitet sind, daß das Nachsprechen antiker
Werturteile, die doch nur den Geschmack einer Zeit wilerspiegeln, aufgehört hat."
(P. Wendland in der deutsclien Literaturzeiinng.)
Staat und Gesellschaft der Griechen und Kbiiier. (Kultur der Gegen-
wart, Teil II, Abt. 4, 1.) Bearbeitet von U. y. Wilamowitz-Moellen-
dorff und B. Niese. [VI u. 280 S.] Lex.-8. 1910. Geb. J6 8.—
in Leinwand geb. JC 10. —
Die Darstellung von Staat und Gesellschaft der Griechen gliedert sich entsprechend
dem allgemeinen Gange der Geschichte in die hellenische, attische und hellenistische
Periode. Vorausgeschickt ist eine knappe Übersicht über die Griechen und ihre Nachbar-
stämme. In der hellenischen Periode soll wesentlich die typische Form des griechischen
Gemeinwesens als Stammstaat anschaulich werden, danach die entwickelte athenische
Demokratie, endlich das makedonische Königtum und neben und unter diesem die griechi-
sche Preistadt. Die Gesellschaft kommt wesentlich nur so weit zur Darstellung, als sie die
politischen Bildungen erzeugt und trägt. — Der Abschnitt über den Staat und die Gesell-
schaft Roms schildert den in drei Perioden : Eepublik, Revolutionszeit und Kaiserzeit sich
vollziehenden Entwicklungsprozeß der kleinen Stadtgemeinde zu dem weltbeherrschonden
Imperium Romanum sowie dessen allmählichen Verfall und Untergang.
Allgemeine Yolkswirtschaftslehre. (Kultur der Gegenwart, Teil II,
Abt. 10.) Bearbeitet von W. Lexis. [YI u. 259 S.] Lex.-8. 1910.
Geh. Ja 7.—, in Leinwand geb. Ji 9. —
„. . . Sorgsam durchdacht, stellt das Werk die gereifte Frucht eines langen Gelehrten-
lebens dar. Ausgezeichnet durch Klarheit und Kürze der Definitionen, Avird die ,Allge-
meine Volkswirtschaftslehre' von Lexis sicher zu einem der beliebtesten Einführungs-
bücher in die Volkswirtschaftslehre für Studenten wie auch für Praktiker werden. Kein
Einführungsbuch im Sinne von ,Leitfaden', sondern eine zum selbständigen Studium der
Volkswirtschaftstheorie völlig ausreichende, den Leser zum Nachdenken anregende Schrift. . .
Das Werk können wir allen volkswirtschaftlich-theoretisch interessierten Lesern warm
empfehlen." (Zeitsfhrilt des Vereins der deutschen Zuckerindustrie.)
Geschichte des griechischen Yereinswesens. Yon F. Foland. [YIII
u. 655 S.] Lex.-8. 1909. Geh. JC 24.—
Der Verfasser hat sich die Aufgabe gestellt, unter Benutzung des weit zerstreuten
umfangreichen Materials den mannigfaltigen Vereinsbildungen Griechenlands in ihrer
Wirksamkeit und ihrer Stellung in der geschichtlichen Entwicklung des Altertums nach-
zugehen. So kommen zunächst die verschiedeneu Arten der Vereinsbezeichnung Griechen-
lands, wie Gattungsnamen, Individualnamen, allgemeine genossenschaftliche Bezeichnungen
zur eingehenden Besprechung; hierauf imtersucht Verfasser das Verhältnis des Vereine
zur Gottheit, seine Beziehungen zur Familie und sozialen Gliederung der Bevölkerung,
die Bedeutung des Staates als Vorbild der Vereinsorganisationen, sowie die wirtschaft-
liche und sittliche Seite des griechischen Vereinslebens und gibt zum Schluß einen zu-
sammenfassenden Überblick über die Entwicklung des gesamten Vereinawesens. Die
mannigfaltigen Streiflichter, die diese Untersuchungen auf religiöse, politische und wirtschaft-
liche Eragen allgemeiner Art fallen lassen, verleihen dem Werke als wertvollen Beitrag zur
griechischen Allgemeingeschichte weitgehendes Interesse.
Aus den griechischen Papyrusurliunden. Yon L. Mitteis• [50 S.J
8. 1900. Geh. Λ 1.20.
„Es war ein verdienstvolles Unternehmen von Ludwig Mitteis, in einem Vortrage
auf dem diesjährigen deutschen Historikertag zu Halle einem weiteren Kreise von Histo-
rikern die neueren Ergebnisse der griechischen Papyrusurkunden vorzuführen. . . . Dieser
Überblick über die inhaltsreiche Schrift dürfte zum Beweise dessen genügen, wie viele
wichtige Probleme der antiken Geschichte auf Grund der Papyruskunde der Lösung näher
gebracht werden. Allen Historikern und Altertumsforschern sei daher die Schrift zur
Einführung in die Papyruskunde aufs dringendste empfohlen." (Utseh. Literatur-Ztg.)
Verlag von Β. G. Teubner in Leipzig und Berlin
Griechische Papyri im Museum des Oberhessischen Geschichtsvereins
zu Gießen. Im Λ'erein mit Otto Eger herausgegeben und erklärt
Ton E. Korneiiiann und P, M. Meyer. I. Band. 3 Hefte. 4. I. Heft.
Λ'οη Ernst Kornemann und Otto Eger. Urkunden 1 — 35. Mit
4 Lichtdrucktafeln. [91 S.j 1910. Geh. JC 7.—. 2. Heft. Von
Paul M.Meyer. Urkunden 36— 57. Mit 3 Lichtdrucktafeln. [104 S.]
1910. Geh. .tC 8.—. 3. Heft. [In Vorbereitung.]
Ans der kleinen, aber an interessanten Sttlcken reichen Sammlang der Gießener
Papyri werden im ersten Heft 35, im zweiten 22 Urkunden veröfifentlicht. Im Mittelpunkt
des ersten Heftes stehen die für das Ende der traianischen und den Anfaug der hadria-
nischen Regierung ungemein wichtigen Urkunden aus Heptakomia. Daneben euth<
dieses Heft Urkunden von der Ptolemäer-Zeit bis ins 3. nachchristliche Jahrhundert von
verschiedenster Herkunft. Die ptolemäische Zeit ist vertreten durch einen eigenartigen
Ehevertrag vom Jahre 173 v. Chr., die Romerzeit durch juristisch sehr wertvoUe Stücke.
Das zweite Heft bringt nur bisher unveröfTentUchtes Material. Für Gräzisten ond Agypto-
logen gleich wichtig sind vier Papyri, die griechische Übersetzungen demotischer Vertrage-
urkunden aus der Zeit Euergetcs II. enthalten und z. T. vollkommen neue Typen bieten.
Das HauptstUck der ganzen Sammlung aber sind drei Erlasse Caracallas vom Jahre 812,
an der Spitze Reste der bisher von der wissenschaftlichen Forschung schmerzlich ver-
mißten constitutio Antoniniana, doncn ein längerer Kommentar beigegeben ist. Hinzu
kommen Varia aus Oxyrynchos, Hermupolis, Aphrodito, dem Antaiopolites und anderen
Gauen, die bis ins 7. nachchristliche Jahrhundert herabgehen
Griechische Papyrusiirkuiideu der Hamburger Stadtbibliothek. Heraus-
gegeben von P. M. Meyer. Band I, Heft 1. Mit 7 LichtdrucktAfelu.
[100 S.J 4. 1911. Geh. .iC 8.—
Die Papyrussaromlung der Hamburger Stadtbibliothek, meist Urkunden des t&glichen
Lebens, die uns Handel und Wandel aller Klassen der Bevölkerung, den Betrieb auf den
verschiedenen Gebieten der Verwaltung bis ins kleinste Detail vor Augen führen, dioeo
Urkunden zälilen zu den besten ihrer Gattung. Das hier vorgelegte erste H»>ft umfaßt
Urkunden vom ersten bis sechsten nachchristlichen Jahrhundert Unter ihnen betinden
sich die Faij um -Papyri bei weitem in der Mehrzahl Das zweite Heft wird u. a. Ptolcmäer-
Papyri des dritten vorchristlichen Jahrhunderts und eine ganze Serie von libelli libolla-
ticorum aus der Deciauischon Cliristeu Verfolgung enthalten, das dritte Heft, das den ersten
Band zum Abschluß bringt, weitere Urkunden and die ludices.
Graniiiiatik der griechischen Papyri aus der Ptoleiiiäerzelt. Mit Ein-
schluß der gleichzeitigen Ostraka und der in Ägypten verfaßten In-
schriften. Laut- und Wortlehre. Von E. Mayser. [XIV u. 538 S.J
gr. 8. 1906. Geh. JC 14.—, in Halbfranz geb. .iC 17.—
Daa Buch, dem ein zweiter, die Syntax enthaltender Teil folgen •ο11, will eu-
nichst eine geordnete, volhtttndip*» und auf den bei>t«»n blsh*»r ptibUfffrt^n, ctidem vom
Verfasser an Faksimil• ' r.ioJiUchen
Material• für die erst- iid «Umit
die Of^Rrhlchtn drr pi Ägypten
der Ν .•.•η
der k-
lich r-
mieil > alli'U l>iüliur gtüituclit• : »U
aus las Werk umfaßt, all•• • ii
■prochon und in gfschichtlichc Γ" t ist, dUrfto
Studien /ur Geschichie des rümischen kolonaiee. Von M. Uostowxew.
[XU ti. 182 SJ gr. 8. 1910. Geh. Μ 14.—
Dm Bach sucht dl« an die BnliMiraaf 4« rOiabohati Kolouataw anki r
wlck<'Ii<-ri FraK^n «ΙίγγΙι ll'rnii/iohtmf 4•• UM gOTttd• In 1«*(rirr 7.r\K iti •
ff••«-!. / ur afnurttohM Bttlwlek I
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riMi Kofftonwff «ad 4«i vor«
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V«rbitidang*UnlMi awisoliMi d^r
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Verlag von Β. G. Teubner in Leipzig und Berlin
Priester und Teniyel im liellenisiisehen Ägypten. Ein Beitrag zur
Kulturgeschichte des Hellenismus. Von W. Otto. 2 Bände, gr. 8.
L Band. [XIV u. 418 S.] 1904. II. Band. [VI u. 417 8.] 1908. (Jeh.
je JL 14.—, in Halbfranz geb. je jH 17. —
„Je mehr die Papyruspublikationen sich häufen, desto notwendiger wird es, das
Material für einzelne Gebiete übersichtlich zusammenzustellen, auch dann, wenn nicht
überall feste Ergebnisse gewonnen werden können. Deshalb halte ich den Versuch des
Verfassers, nach dem, was bisher über den Kultus, seine Vertreter und seine Stätten im
Ägypten der griechisch-römischen Zeit bekannt geworden ist, ein klares Bild zu entwerfen,
für einen glücklichen Gedanken. Jn ausführlicher Darstellung erörtert er alle wesentlichen
Fragen, ohne Unlösbares lösen zu wollen, und bringt in die Fülle überlieferter Einzel-
heiten eine Ordnung, die jeder weiteren Forschung die Wege ebnet und jede neue Ent-
deckung einzureihen hilft . . . Der Leser wird genug gute Beobachtungen und viel ver-
ständiges Urteil in dem Buche finden." (Literarisches Zentral blatt.)
Die Straf klausein in den Papyrusnrliunden. Ein Beitrag zum gräko-
ägyptischen Obligationenrecht. Von A. Berger. {VI u. 246 S.] gr. 8.
1910. Geh. JC ^,—
Im ersten Kapitel wird das Sprachliche der Strafklauseln untersucht, im zweiten
eine rechtsgeschichtlich -dogmatische Darstellung der gräko - ägyptischen Konventional-
strafe und im letzten und umfangreichsten eine Betrachtung der Strafklauseln der einzelnen
Vertragsarten gegeben. Besondere Aufmerksamkeit wird der geschichtlichen Entwicklung
auf den einzelnen Gebieten zugewendet und zwecks Erforschung der älteren Einflüsse
auch das demotische Papyrusmaterial herangezogen. Andererseits wird auch sehr oft auf
das römische Recht zurückgegriffen und auf die wechselseitige Einwirkung der beiden,
des gräko ägyptischen und des römischen, hingewiesen.
Zum ägyptischen Grundbuchwesen in römischer Zeit. Untersuchungen
auf Grund der griechischen Papyri. Von 0. Eger. [VIII u. 212 S.]
gr. 8. 1909. Geh. JC 1 ,—, geb. J{.8.^, in Halbfranz geb. Ji 9.50.
Der Verfasser führt zunächst den Nachweis des Vorhandenseins einer Grandbuch-
behörde, βι^λιο9ήχη iyy.ti'josujv genannt, deren Aufgabe vorzugsweise die Vorbuchung
des Privatgrundbesitzes und der auf ihm ruhenden dinglichen Rechte bildete, und ver-
folgt dann im einzelnen den regelmäßigen Geschäftsgang bei diesem Amte: Anzeige der
beabsichtigten Verfügung, Erlaubnis der Grundbuchführer zur Beurkundung an den
Notar, Anmeldung von stattgehabten Änderungen in der Rechtslage, Verfügungen der
Grundbuchführer, Verfügungen in den διασΐρώματα, um zum Schlüsse die heute noch
nicht spruchreife Frage zu erörtern, inwieweit diese Verbuchung über ihre privatrecht-
liche Bedeutung hinaus auch staatlichen Interessen diente, d. h. als Kataster fungierte.
Hypothek und Hypallagma. Beitrag zum Pfand- und Vollstreckungs-
recht der griechischen Papyri. Von A. B. Schwarz. [VII u. 152 S.]
gr. 8. 1911. Geh. JC ß.—, geb. Λ 7.—
Diese Arbeit, ein beachtenswerter Beitrag zur Aufklärung hellenistischer Rechts-
verhältnisse, versucht an der Hand des in letzter Zeit in so großer Fülle veröffentlichten
Urkundenmaterials das Verhältnis der beiden Hauptformen des gräko-ägyptischen Pfand-
rechts, der Hypothek und des Hypallagma, zu bestimmen. In Verbindung damit gelangen
Fragen der Vermögenspfändung, der Gewährleistungspflicht und Verfügungsbeschränkungen
des Verpfänders, des staatlichen Pfandrechts, der Pfandsteuer und der grundbücherlichen
Wahrung des Pfandrechts zur Erörterung. Weiterhin wird der Unterschied in der Reali-
sierung der beiden Pfandformen dargelegt, wobei hauptsächlich die Lehre von den exeku-
tiven Urkunden, vom Mahn- und Pfändungsverfahren, vom Eigentumszuschlag im
Exekutionswege und die vielfach noch ungewissen Fragen, die die Realisierung des
Verfallpfandes betreffen, besprochen werden. Im letzten Kapitel wird das Verhältnis der
Hypothek und des Hypallagma zu den übrigen Sachhaftungsformen der Papyri erörtert.
Aus dem griechischen Schulwesen. Eudemos von Milet und Verwandtes.
Von E. Ziebarth. [VII u. 150 S.] 8. 1909. Geh. JC Α.—, in Halb-
franz geb. cM. 5. —
„Ziebarths Buch ist eine sehr hübsche und geschickt geschriebene Sammlung dessen,
was uns die Inschriften über die altgriechischen Schulen erzählen. Das auf den Steinen
gebotene Material, an sich betrachtet oft so trocken, so zerrissen und zusammenhanglos,
ist von Z. in einer Weise verbunden und dadurch lesbar gemacht, die eine große Be-
herrschung des Stoffs voraussetzt. . . Unentbehrlich ist das Buch für jeden, dei sich mit
Geschichte der Pädagogik befaßt; wer dies bisher nur nach literarischen Quellen getan
hat, wird mit Staunen bemerken, welche Fülle neuer und wichtiger Kenntnis wir den
Steinen entnehmen. Vollends wird derjenige Ziebarth Dank wissen, der selbst das Glück
hatte, in antiken Gymnasien zu weilen, sei es, daß er dort in einer verträumten Stunde die
öden Räume mit seiner Phantasie belebte, oder daß er sich philologisch mit den Gymnasial-
inschriften beschäftigte , er wird bei der Lektüre von Ziebarths Buch angenehme Stunden
des Aufenthalts im Süden gern in der Erinnerung neu durchleben, und auch für die Arbeit
am Schreibtische wird er manche Ausbeute davontragen." (Neue Jabrbttcher.)
Ό
ι
ΡΑ Mitteis, Ludwig
ili^ ^ Grundzüge und Chrestomathie
m der Papyruskunde
bd.l
iiälfte.l
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